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German Pages 546 [548] Year 2014
Papst Johannes XXII.
Scrinium Friburgense Veröffentlichungen des Mediävistischen Instituts der Universität Freiburg Schweiz
Herausgegeben von Michele Bacci · Hugo Oscar Bizzarri · Elisabeth Dutton Christoph Flüeler · Eckart Conrad Lutz · Hans-Joachim Schmidt Jean-Michel Spieser · Tiziana Suarez-Nani
Band 32
De Gruyter
Papst Johannes XXII. Konzepte und Verfahren seines Pontifikats Freiburger Colloquium 2012 Herausgegeben von Hans-Joachim Schmidt · Martin Rohde
De Gruyter
Veröffentlicht mit Unterstützung des Hochschulrates und des Forschungsfonds der Universität Freiburg Schweiz
ISBN 978-3-11-033250-6 e-ISBN 978-3-11-033270-4 ISSN 1422-4445 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. ” 2014 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Mediävistisches Institut der Universität Freiburg Schweiz Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen 앝 Gedruckt auf säurefreiem Papier 앪 Printed in Germany www.degruyter.com
Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Theologische und philosophische Konzepte Patrick Nold (Albany, New York) – John XXII and History . . . .
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William Duba (Freiburg i. Ü.) – Destroying the Text: Contemporary Interpretations of John XXII’s ‘Constitutiones’ .
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Frank Godthardt (Berlin) – Marsilius von Padua als politische Herausforderung für Johannes XXII. . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Praxis von Macht, Verwaltung und Repräsentation Melanie Brunner (Leeds) – Johannes XXII. als Reformer? Päpstliche Verwaltungspolitik und Ordensreform von oben . .
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Blake R. Beattie (Louisville) – John XXII and His Lawyer-Cardinals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
149
Roberto Lambertini (Macerata) – Kultur und Politik im Verhältnis zwischen Bologna und Avignon zur Zeit Johannes XXII.: Umfang und Grenzen des päpstlichen Einflusses auf das städtische Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
165
Andreas Meyer (Marburg) – Kirchenherrschaft im Angesicht des Todes. Johannes XXII., Benedikt XII. und die ‘Regulae Cancellariae apostolicae’ . . . . . . . . . . . . . . . . .
177
Kerstin Hitzbleck (Bern) – Besetzt! – Zum Umgang mit unrechtmäßigem Benefizienbesitz im Pontifikat Johannes’ XXII. . . . .
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Inhalt
Gottfried Kerscher (Trier) – Johannes XXII. und sein Palast in Avignon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
231
III. Johannes XXII. und die europäischen Mächte Martin Kaufhold (Augsburg) – Die Kurie und die Herausforderungen der europäischen Politik: Standardverfahren oder abgestimmte Handlungsstrategien? . . . . . . . . . . . . . . . .
263
Armand Jamme (Lyon) – Des usages de la démocratie. Deditio et contrôle politique des cités lombardes dans le ‹ grand projet › de Jean XXII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
279
Hans-Joachim Schmidt (Freiburg i. Ü.) – Pestilens domus Aragonum. Papst Johannes XXII. und die Könige von Aragón . . . . . . . . 343 Jens Röhrkasten (Birmingham) – Johannes XXII. und England . .
395
IV. Geschichtsschreibung und Erinnerung Heike Johanna Mierau (München/Göttingen) – Die sog. ‘chronica n. minorita’: Rezeptionswege und das sich wandelnde Bild von Johannes XXII. . . . . . . . . . . . . . . . .
427
Georg Modestin (Freiburg i. Ü.) – Das Bild Johannes’ XXII. in der süddeutschen Reichschronistik . . . . . . . . . . . . . . .
467
Michail A. Bojcov (Moskau) – Der tote Papst im Sessel und andere Gespenster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Orts- und Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einleitung Als Jacques Duèze am 7. August 1316 zum Papst gewählt wurde, war er bereits 72 Jahre alt. Die Kardinäle hatten ihn als Kompromiss- und Übergangskandidaten vorgesehen, dessen rasch absehbarer Tod eine neue Wahl ermöglichen würde. Die Erwartungen der Wähler sind gründlich enttäuscht worden. Den Papstnamen Johannes XXII. annehmend, regierte er 18 Jahre. Er war der bedeutendste der in Avignon residierenden Päpste. In vielen Tätigkeitsbereichen engagiert und vielen Konflikten ausgesetzt, perfektionierte er die päpstliche Kurie, erweiterte die Möglichkeiten päpstlicher Einflussnahmen, suchte die päpstliche Vollgewalt in praktisches Handeln umzusetzen, beanspruchte politische Macht und übte Aufsicht in der gesamten okzidentalen Kirche aus. Die Stadt Avignon, an den Schnittstellen der Handels- und Kommunikationswege, am Rande des römisch-deutschen Reiches und in direkter Nähe zum Königreich Frankreich gelegen, eignete sich besser als die Stadt Rom, in die europäischen Verhältnisse einzugreifen, Gesandte auszusenden und zu empfangen und einen bürokratischen Apparat zu installieren, der die Vielzahl der Beziehungen verschriftlichte. Es entstand in Avignon ein Ort, der Erinnerung konservierte und Verfahren standardisierte. Trotz der grossen Bedeutung dieses Papstes ist die Forschung über ihn defizitär. Die große Fülle an Handlungsfeldern, von Einflüssen, von Wirkungen und von Gegnerschaften macht es offensichtlich schwer, eine zusammenführende Darstellung zu präsentieren. Mehr noch als andere Päpste ist Johannes XXII. zum kontroversen Objekt der mediävistischen Forschung geworden. Nationale und kirchenpolitische Voreinstellungen erschwerten und erschweren auch weiterhin eine wissenschaftliche Beschäftigung mit diesem Papst. Gilt er den einen als intransigenter Verteidiger der papalen Prärogativen, so den anderen als Feind staatlicher und nationaler Anliegen. Als „Juristenpapst“ abgewertet, dem geistliche Anliegen fern gestanden hätten, ist er für andere derjenige, der dem rechtlichen Beistand und der rechtlichen Beilegung von Konflikten einen hohen Stellenwert einräumte. Bereits von nicht wenigen Zeitgenossen als Häretiker geschmäht, sahen ihn andere als Schützer der Rechtgläubigkeit. Unerbittlichkeit bei der Bekämpfung von Ketzern und politischen Feinden mischte sich – schon im Urteil der Zeitgenossen – mit Versöhnlichkeit und der Suche nach Kompromissen. Als Verräter an der verwaisten Kirche von Rom und
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als Fortsetzer der als „babylonische Gefangenschaft“ bezeichneten Etablierung der Kurie in Avignon gebrandmarkt, konnten andere seine Anstrengungen anerkennen, das Papsttum wieder nach Italien zurückzuführen. Das Bild des Papstes war undurchsichtig. Dies irritierte schon diejenigen, die mit ihm kommunizierten. Die Irritation ist in der unmittelbaren und in der fernen Erinnerung nicht geringer geworden. Historiker haben ihre Mühe, Untersuchungen zu diesem Papst vorzulegen. Der Mühe, eine Annäherung – nicht an die Person von Papst Johannes XXII. – aber an dessen Handlungen, Handlungsvoraussetzungen und Wirkungen zu versuchen, unterzogen sich die Teilnehmer und Teilnehmerinnen eines Kongresses, der in Freiburg in der Schweiz vom 26. bis zum 28. März 2012 stattfand. Sie behandelten die Themen der Beziehungen dieses Papstes unter dem Aspekt der theoretischen Fundierung von Ansprüchen und der Praktiken von Kommunikationen, Netzwerkbildungen, Raumerfassungen, Verfahrensmodi und Rechtsansprüchen. Theologische Innovationen und politische Ambitionen, die das mittelalterliche Papsttum als Institution kennzeichneten und damit von einer biographisch orientierten Sichtweise abhoben, verweisen auf die Strukturen, d. h. Handlungsmöglichkeiten und Handlungsmuster. Folgende Fragen leiteten die Arbeit des Kongresses: Mit Hilfe welcher personaler Herrschaftsinstrumente (Kardinäle, kuriale Beamte, Legaten, Kollektoren, Ordensangehörige u. a.) und welcher institutioneller Verfahren (Rechtsprechung, Rechtssetzung, Verhandlungen, Urkunden, Verträge u. a.) agierten Papst Johannes XXII. und der päpstliche Hof? Welche Defizite gab es in der Nutzung von Instrumenten und Verfahren? Wie war der Kommunikations- und der Handlungsraum von Papst Johannes XXII. und seines Hofes gestaltet? Wie war das Verhältnis von Zentrum und Peripherie in der okzidentalen Christenheit beschaffen und in welcher Weise wurde dieses Verhältnis durch Johannes XXII., bzw. während seiner Amtszeit verändert? Es ging also um den Einfluss auf unterschiedliche Regionen in Europa, und es ging darum, wie das Zentrum generiert wurde – dies im Hinblick auf die Etablierung eines zu Rom konkurrierenden Zentrums mit überdies zweifelhafter – oder zumindest umstrittener Legitimität. In welcher Weise verfügte Johannes XXII. und sein Hof über das kirchliche Recht und in welcher Weise entwickelten sie es weiter? Es ging hierbei um die Durchsetzung regional allgemein gültiger Normen in der westlichen Christenheit und um die Anpassung an geänderte Umstände und an
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neue Ergebnisse der kanonistischen Diskussion in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Wie konzipierte Johannes XXII. Herrschaftsansprüche und wie wurden sie kontrovers debattiert? Es ging hierbei um konkurrierende Konzepte von Legitimität und von Effizienz. Mit welchen Mitteln wurden Konflikte ausgefochten? Wie reagierten Papst und Kurie auf Kommunikationsbarrieren und Kommunikationsverweigerungen? Wie setzten Papst und Kurie Liturgie, Zeremoniell, Gebäude und Bilder ein, um Ansprüche zu markieren und zu inszenieren? Die vorgestellten Fragen waren vor dem Hintergrund einer Krise des Papsttums zu behandeln, das sich zwar nicht als Krise der institutionellen Verfestigung, wohl aber als Krise der Legitimität und der Akzeptanz darstellte. Umso wichtiger erschien die Behandlung der Frage, in welcher Weise Papst Johannes XXII. und die päpstliche Kurie auf diese Krise reagierten. Sowohl die Aktivierung des Traditionsbestandes von Ansprüchen, Verfahren und theologischen und rechtlichen Normen als auch die Erprobung neuer Verfahren wurden untersucht. Das innovative Potential des Pontifikats Johannes’ XXII. war nicht das Ergebnis neuer religiöser und ethischer Anforderungen, sondern reagierte auf Gefährdungen, die durch Konkurrenz und Legitimitätsverweigerung bedingt waren. Hinzu kamen geänderte Problemstellungen des epistemologischen Diskurses (in Theologie, Kanonistik und Philosophie), welche neue Antworten verlangten von einer Instanz, die höchste Autorität in Kirche und weltlicher Herrschaft und in der kirchlichen Rechtsprechung beanspruchte. Untersucht wurden also Strukturmerkmale des Pontifikates Johannes’ XXII. Dies bedeutet, dass der Kongress weniger biographische Fakten, als vielmehr Beziehungen, Bedingungen und Resultate untersuchte. Patrick Nold (University of Albany, NY, USA) stellte die gegen Papst Johannes XXII. gerichtete Polemik von Petrus Johannis Olivi vor. Er erachtete sie als nicht gegen die Institution des Papsttums gerichtet, sondern auf die Person abzielend. Neue, von Herrn Nold entdeckte Texte belegen die ad personam gerichtete Kritik. Die Ausführungen von William Duba (Universität Freiburg, Schweiz) beruhten ebenfalls auf neu entdeckten Texten, insbesondere von Franciscus de Marchia, die den Papst in seiner gesetzgebenden Funktion beleuchteten, die auf aktuelle Anforderungen des philosophischen und theologischen Diskurses des beginnenden 14. Jahrhunderts reagierte. Nicht eine Dogmatisierung der legislativen Aufgaben des Papstes, sondern eine Beratung und Abwägung über Verfahren waren dabei die normativ gesetzten Anforderungen der Rechtsfindung und der
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Einleitung
Schaffung neuen Rechts. Frank Godthardt (Berlin) analysierte die politische Beratung des Gegenspielers des Papstes, Kaiser Ludwigs des Bayern, wobei er nicht eine Textinterpretation, sondern die Konstellationen von Personengruppen zur Grundlage seiner Untersuchung machte. Die Reaktion von Johannes XXII. auf das Werk ‘Defensor pacis’ von Marsilius von Padua war der starke Impuls, neue legitimatorische Ansprüche für die päpstliche Gewalt zu behaupten. Die Funktion des Papstes als oberster Seelsorger wurde auch von Johannes XXII. in vollem Umfang wahrgenommen, wie die Ausführungen von Frau Melanie Brunner (University of Leeds) darlegten, die damit ein Bild korrigierte, das Johannes als skrupellosen Machtpolitiker sah und sein Handeln unter die Prämisse von Machtstreben stellte. Den religiösen Reformen und den organisatorischen Umgestaltungen in der Kirche einen spirituellen Impetus abzusprechen, ist nicht gerechtfertigt. Die päpstliche Initiative wurde freilich nur sparsam eingesetzt. Der Papst, allmächtig, aber nicht allwissend, setzte auf die Kooperation mit anderen Geistlichen, vor allem aber auf das Funktionieren von institutionell verfestigten Verfahren. Blake R. Beattie (University of Louisville, KY, USA) behandelte die Auswahl und Ernennung von Kardinälen, wobei er deren Herkunft, Ausbildung, geistlichen Stand und familiäre Netzwerke untersuchte und die Erwägungen von Johannes XXII. zu rekonstruieren suchte. Die Etablierung der Kurie in Avignon war auch unter diesem Papst als Provisorium gedacht. Eine Rückkehr nach Rom stand im Zentrum der Pläne und Aktionen, so dass das Eingreifen in die italienischen Angelegenheiten und die weit gediehenen Pläne, die Stadt Bologna zum Zentrum päpstlicher Herrschaft zu erheben, nicht nur als Reagieren auf Gefährdungen, sondern als genuine Initiativen aufzufassen sind, wie Roberto Lambertini (Università di Macerata) darstellte. Das Insistieren auf Verfahren und das Zurücknehmen eigener Zielvorstellungen galten indes für das Verhalten in anderen regionalen Zusammenhängen, worauf Andreas Meyer (Universität Marburg) hinwies und dabei die handlungsleitenden Funktionen von Kanzleiordnungen und von rechtlichen Normen, deren Ausgang durchaus offen gestaltet werden konnte, herausstellte. Die Reskript-Technik wurde insbesondere bei päpstlichen Stellenbesetzungen angewandt, so dass die päpstliche Prärogative gewahrt wurde, ohne dass eine umfassende Information an der Kurie vorhanden sein musste und meist nicht vorhanden war. Die diesbezüglichen Ausführungen von Kerstin Hitzbleck (Universität Bern) zeigten dies anhand einer Reihe von Beispielen. Gottfried Kerscher (Universität Trier) behandelte den Ausbau der Residenz in Avignon unter kunsthistorischen Gesichtspunkten und verwies dabei auf die Ausführungen von Herrn Lambertini, um den weiterhin provisorischen
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Charakter der Etablierung an der Rhône zu betonen, die aber gleichwohl politische und liturgische Funktionen zu erfüllen hatte. Martin Kaufhold (Universität Augsburg) stellte die Prämissen politischer Rationalität in Frage und sah ein nur beschränktes Set von Handlungsoptionen als vorhanden an, so dass er pointiert die Auffassung vertrat, dass ein Ordnungsanspruch, aber kein Gestaltungswille bei Papst Johannes XXII. zu beobachten sei. Freilich waren durchaus Ziele, auch im politischen Handeln vorgegeben, die Armand Jamme (Université Lyon II) in der Erhaltung und Wiedergewinnung des Friedens sah, so dass durchaus eine interventionistische Politik Johannes’ XXII. motiviert war. Die Legation von Bertrand de Poujet war der konkrete Untersuchungsgegenstand seiner Ausführungen. Die Trennung des politischen Raumes des Kirchenstaates von Italien war ein Mittel, um im schwierigen Umfeld Italiens sowohl Ansprüche durchzusetzen als auch eine durch Friedensvermittlung herbeigeführte hegemoniale Position zu erringen. Jens Röhrkasten (University of Birmingham) behandelte die Personalpolitik des Papstes, das im englischen Umfeld dezidiert gegen König Eduard III. gerichtet war. Die insgesamt nur schwachen Beziehungen zu diesem König können freilich nicht aus einer unverrückbaren Bevorzugung der Interessen des französischen Königtums abgeleitet werden. Dies gilt auch für die Beziehungen zum Königreich Aragón, die HansJoachim Schmidt (Universität Freiburg, Schweiz) behandelte und dabei die vielfältigen, miteinander verschlungenen Beziehungsfelder exemplarisch vorstellte, die zu gestalten sowohl von Papst Johannes XXII. als auch von König Jakob II. schwierig waren, so dass jeweils die Gegenseite sich mit dem Vorwurf des Verheimlichens und des Hinhaltens konfrontiert sah, in Wirklichkeit aber die mangelnde Durchsetzungsfähigkeit beider Seiten in den politischen Konstellationen eine konzise Politik verhinderte. Heike Johanna Mierau (München/Göttingen) bot neue Deutungen von historiographischen Texten, basierend auch auf Analysen von Handschriften, die die Bedeutung von juristischen Argumentationen zeigen, so dass die Erinnerung an den Papst auch nach seinem Tod Gegenstand von Kontroversen war. Konkret auf Heinrich von Diessenhofen bezogen, zeigte Georg Modestin (Universität Freiburg, Schweiz), dass die Kritik dieses Chronisten an dem Papst und an seiner Kurie aus dem Kontext seiner geistlichen und politischen Karriere zu verstehen ist, die ihn in Loyalitäten einband, in denen er auch auf Grund eigener Karriereplanung verhaftet blieb. Der abschließende Beitrag, von Michail Bojcov (National Research University „Higher School of Economics“ und Lomonossow Universität Moskau) vorgestellt, behandelte die Riten der Beisetzung und der Grablege der Päpste im späten Mittelalter und verwies dabei auf Analogien anderer Prälaten.
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Nicht allein Konservierung der Memoria, sondern auch deren Destruktion prägten die Praktiken, ohne dass dabei stets antagonistische Interessen ins Spiel gebracht werden mussten. Nicht alle vorgestellten Fragen konnten abschließend beantwortet werden. Bei weitem nicht alle Handlungsfelder konnten beleuchtet werden. Sie aufzuzählen, wäre müßig. Hingewiesen sei etwa auf die theologischen Dispute um die visio beatifica, auf die liturgischen Reformen, auf die Organisation der Kurie und auf die Lücken in der geographischen Erfassung des Aktionsraumes: angefangen vom nahen Königreich Frankreich bis hin zu den fernen Missionen unter den Mongolen und in China. Die Ergebnisse der Überlegungen und der Beiträge zeigen die Notwendigkeit, weitere Forschungen zu diesem Papst zu erbringen. Die zeitgenössische theoretische Fundierung durch christliches Dogma und rechtliche Verfahren ermöglichten und legitimierten Handlungen, schränkten diese aber auch ein, ohne die grundsätzliche Ordnungskompetenz des Papstes anzutasten. Der Antagonismus zwischen Vollzug von Verfahrensordnungen und Initialisierung von Projekten bestand auch bei Papst Johannes XXII., gewann aber eine erhebliche Bedeutung dadurch, dass das Insistieren gerade dieses Papstes auf rechtliche Geltung ihm Schranken auferlegte, die ihn indes nicht von einem durchsetzungsfreudigen Einsatz von Machtmitteln und theologischen Geltungsansprüchen abhielten, diese vielmehr noch verstärkten. Die ekklesiologisch begründete Fixierung auf Rom und Italien kann wohl als handlungsleitendes Motiv festgestellt werden, das die Beziehungen zum römisch-deutschen König bzw. Kaiser und zu anderen Herrschern prägte. Ein so facettenreiches Handlungsgeflecht eines so widerspruchsvollen Menschen, wie es Papst Johannes XXII. war, nachträglich in ein einheitliches Programm pressen zu wollen, konnte nicht Ziel des Unternehmens sein, das zur Publikation dieses Bandes führte. Einheitlichkeit war allein schon deswegen nicht möglich, weil abgesehen von der jedem vielschichtigen biographischen Verlauf eigentümlichen Zögerlichkeit und Unvereinbarkeit von Handlungen und Äußerungen die Fixierung an Institutionen zwar Stabilität bewirkte, aber zugleich auch Sprünge der Entwicklungen hervorbrachte, weil unerwartete Anforderungen auftraten und neue Herausforderungen sich stellten. So ist auch dieser Band Spiegelbild eines zerrissenen, nicht abgeschlossenen Handlungskomplexes. Die Verbindung von Person und Institution war für Papst Johannes XXII. auch deswegen so schwer herzustellen, weil die erst allmählich sich verfestigende Ansiedlung in Avignon Neuerungen erforderte, die aber teils negiert, teils als provisorisch zumindest deklamiert werden mussten. Auch aus diesem Grund
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zeichnete das Pontifikat von Johannes ein eigentümlicher Zug des Undurchschaubaren aus. Papst Johannes XXII. gehört gewiss nicht zu den von der Nachwelt verehrten Würdenträgern auf dem Stuhl Petri. Er erweckte keine große Faszination, ihn zeichnete nur eine geringe charismatische Wirkung aus, aber er war gewiss einer derjenigen, die besonders nachdrücklich ihre Epoche prägten. Gerade weil er auf die Etablierung von Verfahren setzte, die unabhängig von persönlichen Verdiensten und Verfehlungen, Vorlieben und Abneigungen Bestand haben sollten und die die Institutionen des Papsttums und der gesamten Kirche vor enthusiastischen Bestrebungen bewahren sollten, die die Gefahr in sich trugen, willkürliche Entscheidungen hervorzurufen. Zur großen Bedeutung von Johannes hat seine lange Amtszeit beigetragen, aber auch sein juristisches und organisatorisches Know-how, das so viele seiner Zeitgenossen bewunderten, viele aber auch fürchteten. Die Anstrengung, sich dem Pontifikat von Johannes XXII. wissenschaftlich zu widmen, war möglich durch die Anstrengung mehrerer Personen und Einrichtungen. Ihnen ist Dank geschuldet. Dank gebührt dem Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der Wissenschaften sowie dem Rektorat und dem Hochschulrat der Universität Freiburg (Schweiz), die die Tagung und die Publikation finanziell förderten. Der Rektor der Universität, Prof. Dr. Guido Vergauwen, zeigte durch seine Überlegungen, die er am Beginn der Tagungen vortrug, wie das Thema aktuell bedeutsam ist: für das Papsttum, für die Gestaltung von Herrschaft, für das Ausfechten von Konflikten. Der de Gruyter Verlag hat in bewährter Weise die Publikation des Bandes betreut und durch die in ihm versammelte Fachkompetenz zuverlässig gestaltet. Frau Nicole Ballif und Herr Martin Rohde haben erneut bewiesen, wie sehr kompetente und zuverlässige Organisation erst ein Vorhaben zum Gelingen führen. In den Dank einschließen möchte ich die TeilnehmerInnen an der Tagung und die AutorInnen des Bandes, die durch ihr Nachdenken, ihr Sprechen und ihr Schreiben die Zufriedenheit mit angeblichen Sicherheiten störten und zu weiteren Anstrengungen anstießen und anstoßen. Diesen Impuls weiterzugeben, dient der hier vorliegende Band. Freiburg i. Ü. im Oktober 2013
Hans-Joachim Schmidt
I. Theologische und philosophische Konzepte
John XXII and History Patrick Nold (Albany, New York)
In 1334 Pope John XXII instituted for the Universal Church the Feast of the Most Holy and Undivided Trinity to be celebrated on the first Sunday after Pentecost. It was the first time, according to Hans Küng, that an abstract dogma rather than an event of salvation history was commemorated in the 1 liturgy. Küng took this as a sign of what went wrong with Christianity in the West. And it is certainly ironic that John XXII of all popes should have instituted a high feast on this most abstruse and subtle point of Christian theology, given his numerous condemnations of others and his own ill-fated intervention on the Beatific Vision. But was the institutor of the Feast of the Trinity really guilty of putting speculative theology before salvation history? This paper will approach an answer from the basic perspective of some things that John XXII read, looking specifically at one work dedicated to him and another work annotated by him. John XXII was not a stupid man. He was highly educated, having studied 2 law in Montpellier and Orléans, and theology at Paris. He effectively 3 founded the papal library in Avignon, commissioning manuscripts (most 4 famously the works of Thomas Aquinas), and acquiring many codices
1 “[...] 1334 schließlich vom Avignoneser-Papst Johannes XXII. sogar ein Dreifaltigkeitsfest eingeführt – das erste Fest, das nicht einem ‘Heilsereignis’, sondern einem kirchlichen Dogma gewidmet ist”, Küng, Hans, Das Christentum. Wesen und Geschichte, München 1994, p. 359. 2 See Valois, Noël, Jacques Duèse, Pape sous le nom de Jean XXII, in: Histoire littéraire de la France 34 (1914), pp. 391–630, here 392; and Weakland, John, John XXII before his Pontificate, 1244–1316: Jacques Duèse and his family, in: Archivum Historiae Pontificiae 10 (1972), pp. 161–185, here 163. 3 [...] biblioteca Avenionensis certiora initia a pontificatu Ioannis esse repetenda, Ehrle, Franz, Historia Bibliothecae Romanorum Pontificum tum Bonifatianae tum Avenionensis, Roma 1890, p. 133. 4 Dondaine, Antoine, La Collection des oeuvres de saint Thomas dite de Jean XXII et Jacquet Maci, in: Scriptorium 29 (1975), pp. 127–152.
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Patrick Nold 5
through the papal right of spoil. These books did not furnish a room. John XXII used them. Over 20 surviving Vatican manuscripts were discovered by 6 Anneliese Maier as having been annotated by the pope and there are over 100 works dedicated to him, when consilia from theologians and lawyers 7 are counted. One such dedicated work is the ‘Dialogue on the Power of the Supreme Pontiff’ by Dondinus of Pavia OP – a work almost completely unknown 8 to scholarship. The ‘Dialogue’ takes the form of a conversation between two men, Acuens and Mensuratus. They appear to Dondinus in a dream and tell him that they have been arguing over papal lordship and the relation between spiritual and temporal power; they have sought out the author to adjudicate their dispute. Acuens asks sharp questions about papal power, while Mensuratus provides serene explanations. The first question, from which the whole work precinds, is “Where did power and dominia come from”? The answer is that every power has its origin in God: and that before the Fall of Man, there was only praelatio or preferment. It was Cain and later Nimrod who first exercised individual dominium, though usurpation. There are two varieties of power: spiritual and temporal. The spiritual power precedes the temporal in going back to Abel who offered pleasing sacrifices to God. Until Saul was constituted king by Samuel, there was only wrongful 5 Williman, Daniel, The Right of Spoil of the Popes of Avignon 1316–1415 (Transactions of the American Philosophical Society 78), Philadelphia 1988, p. 14. 6 Maier, Anneliese, Annotazioni autografe di Giovanni XXII in Codici Vaticani, in: Rivista di Storia della Chiesa in Italia 6 (1952), pp. 317–332; reprinted with corrections and additions in: ead., Ausgehendes Mittelalter. Gesammelte Aufsätze zur Geistesgeschichte des 14. Jahrhunderts, Roma 1967, pp. 81–97, 492–495; also Hamesse, Jacqueline, Les instruments de travail utilisés par Jean XXII et Clément VI, Témoins de leurs intérêts scientifique, in: Per perscrutationem philosophicam: neue Perspektiven der mittelalterlichen Forschung. Loris Sturlese zum 60. Geburtstag gewidmet, hg. v. Beccarisi, Alessandra et alii, Hamburg 2008, pp. 333–347. 7 See Piron, Sylvain, Avignon sous Jean XXII: l’Eldorado des théologiens, in: Jean XXII et le Midi (Cahiers de Fanjeaux 45), Toulouse 2012, pp. 357–391. 8 There is no mention of it in Miethke, Jürgen, Politiktheorie im Mittelalter. Von Thomas von Aquin bis Wilhelm von Ockham, Tübingen 2008 which is otherwise a comprehensive survey of tracts on papal power. It did not, however, escape the notice of Kaeppeli, Thomas, Scriptores Ordinis Praedicatorum Medii Aevi, vol. I–IV, Roma 1970–93, vol. I, p. 337, no. 922. One scholarly treatment is Cardelle de Hartmann, Carmen, Lateinische Dialoge 1200–1400 Literaturhistorische Studie und Repertorium, Leiden/Boston 2007, pp. 509– 513. I have an edition of the text in hand.
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temporal power. The temporal and the spiritual were united in Christ’s commission to Peter – “Whatsoever you bind” (Mt. 16:19) which, according to Bernard of Clairvaux, excluded nothing, and thus included everything. The Pope therefore has full temporal power, not as a result of the Donation of Constantine (which is not mentioned by Dondinus), but as a result of the Petrine commission. All worldly lords are subject to the Pope both in spiritual and in temporal matters – as shown by the transfer of empire from the Greeks to the Franks and by the papal deposition of kings. Spiritual power is comprised of the power of orders and the power of jurisdiction: the former was given to all the Apostles and is present in every priest, the latter was given only to Peter so that all bishops receive their power of jurisdiction from the pope. All that is known of Dondinus comes from his dedication letter to John XXII. There he names himself as a Dominican and chaplain to Luca Fieschi, 9 Cardinal Deacon of Santa Maria in Via Lata (†1336). Dondinus praises John XXII for assuming the job of: [...] ripping out tares from the vineyard of the Lord at the root, heretics who “turn their mouths to heaven” and assert that “a chosen generation, a kingly priesthood, a holy nation, a purchased people” [1 Pet. 2:9] should not have power in temporal things, but, must be content with only spiritual things. Such people drain and deprive of strength the full authority given by Christ to Peter and his successors: for under the cloak of contentment with spiritual things, they intend to reduce ecclesiastical liberty in temporal things into contempt.10
Dondinus’s mention of the heretical opponents to the papal claims parallels Augustinus Triumphus de Ancona OESA’s 1325 ‘Summa de Ecclesiastica 9 Shortly after Fieschi’s death, his chamberlain listed the members of his household. This has been edited in Zacour, Norman, Papal regulation of Cardinals’ Households in the Fourteenth Century, in: Speculum 50 (1973), pp. 449–453. Dondinus is not on the list, so he either was already dead or had left the cardinal’s service. 10 [...] de agro dominico extirpare zizania de frumento radicem, videlicet, pululancium heresum et eorum precipue qui os ponentes in celum tota die obloquntur et garriunt, asserentes genus electum, regale sacerdotium, gentem sanctam, populum adquisitionis [1 Pet. 2:9] potestatem in temporalibus non habere set ipsum, victu et vestitu decenter dumtaxat exceptis, debere de solis spiritualibus contentari. Tales auctoritatem plenariam in spiritualibus et temporalibus a Christo, Petro suisque successoribus tradditam evacuant et enervant, dum sub spiritualium pallio proponentes contentum intendunt reducere in temporalibus libertatem ecclesiasticam in contemptum. (Ms. Roma, Biblioteca Casanatense, 1878, f. 1r).
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Potestate’ which likewise speaks in its dedication to John XXII of the error of not assenting to papal primacy; the author laments how much is taken 11 away from the Pope’s fullness of power and dominium by doing so. The ‘Dialogue’ of Dondinus can also be related to a second tract on papal power dedicated to John XXII around the same time (circa 1325): the ‘Tractatus 12 de potestate ecclesiastica’ of Alexander of St. Elipidio OESA. Unlike his confrere Augustinus, Alexander makes no reference to adversaries and provides no explicit context for his work which he describes in his dedication to John XXII as having been collected from the writings of Catholic doctors. One of his main sources, it turns out, is the second part of ‘De regimine Christiano’ of James of Viterbo OESA on the kingship of Christ. The usefulness of Alexander’s compendium can be seen in ‘Dialogue’ of Dondinus: a good proportion of it is lifted almost word for word from the first and second parts of Alexander’s tract. The ‘Dialogue’ of Dondinus was one of a series of tracts on papal power written by Dominicans during the reign of John XXII: the list of authors 13 14 15 includes Hervaeus Natalis, Durand de St. Pourçain, John of Naples, 11 Cf. Unde error est ut puto pertinaci mente non credere Romanum pontificem universalis ecclesie pastorem, Petri sucessorem et Christi legitimum vicarum supra spiritualia et temporalia universalem non habere primatum [...] multa subtrahuntur de Christi vicarii dominio et potentia. Prologus epistolaris in summa[m] de ecclesiastica potestate catholici doctoris fratris Augustini de Ancona, Venezia 1478, f. 9ra. 12 For this tract, see Miethke, Politiktheorie (note 8), pp. 105–106 and, in a more detailed manner with a concentration on the third book, Lambertini, Roberto, Alessandro di Sant’Elpidio Teorico del Potere Papale: Un primato “Romano” in: Santità e società civile nel medioevo. Esperienze storiche della santità agostiniana, Ed. Allegrini Teodori, Marisa (Biblioteca Egidiana), Tolentino 2005, pp. 69–76. 13 Kaeppeli (note 8), no. 1915: ‘De potestate pape’ (1317–1318). The presence of a fourteenth-century copy of this tract in the Vatican Archive (Roma, Archivio Segreto Vaticano, Misc. Arm. XI. 3, ff. 2–225) suggests some connection to the papal court. Similarly, Ms. Tortosa, Archivo Capitular, cod. 43, a fourteenth-century manuscript which contains the tract of Hervaeus probably came from Avignon, even though it is not identified as one of the Tortosa manuscripts once part of the papal library. See also note 17 below. 14 Kaeppeli, Scriptores (note 8), no. 943: ‘De origine potestatum et iurisdictionum’ (1329). See Miethke, Politiktheorie (note 8), p. 202 15 Kaeppeli, Scriptores (note 8), no. 2529: ‘Questiones variae’, no. 39. Scholars conventionally date the text to 1317 at the University of Paris. It can be found in Ms. Tortosa, Archivo Capitular, cod. 244, a manuscript probably connec-
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Pierre de la Palude, Guillaume de Pierre Godin, and Guido Vernani. 19 Although these writers are sometimes closely linked to John XXII, Dondinus is in fact the only one to dedicate his text to the pope. Yet he borrows next to nothing from his contemporary confreres who tended to be less extreme in their papalism than the Augustinian Hermits Alexander 20 of St. Elipidio and James of Viterbo on whom Dondinus relies. Dondinus was, however, influenced by one Dominican: he closely bases his account of the origins of dominium on a three chapter excursus from the ‘De iurisdictione imperii et auctoritate summi pontificis’ of the Church 21 historian Ptolomy of Lucca. This work, probably written in 1277 but 22 possibly in as late as 1300, was an influential one at the papal court: it was likewise used by Augustinus Triumphus of Ancona in his ‘Summa’ in the
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ted to John of Naples’ second sojourn to Avignon during the pontificate of Clement VI. See Nold, Patrick, How influential was John of Naples, OP at the Papal Court in Avignon? in: Philosophy and Theology in the Studia of the Religious Orders and at the Papal Court, Acts of the XVth Annual Colloquium of the Société Internationale pour l’Étude de la Philosophie Médiévale, University of Notre Dame, 8–10 October 2008, Eds. Courtenay, William, Emery Jr., Kent and Metzger, Stephen (Société Internationale pour l’Étude de la Philosophie Médiévale. Rencontres de Philosophie Médiévale 15), Turnhout 2012, pp. 629–676, here 633. Kaeppeli, Scriptores (note 8), no. 3286: ‘De potestate pape’ (1317). Ibid., no. 1632: ‘De causa immediate ecclesiasticae potestatis’. See Miethke, Politiktheorie (note 8), p. 146. Ms. Paris, Bibliothèque Nationale de France, lat. 4232 is a fourteenth century manuscript once part of the library in Avignon which contains this tract, attributed to Pierre de la Palude OP, along with that of Hervaeus Natalis. Kaeppeli, Scriptores (note 8), no. 1412: ‘De potestate summi pontificis’ (1327); Miethke, Politiktheorie (note 8), pp. 163–167. For the case of one, see Nold, John of Naples (note 15), passim. See the remarks of Miethke, Politiktheorie (note 8), p. 149. See Determinatio Compendiosa de iurisdictione imperii et auctoritate summi pontificis, Ed. Krammer, Mario (MGH Fontes Iuris Germanici Antiqui 1), Hannover 1909, pp. 35–42; Kaeppeli, Scriptores (note 8), no. 3720 cites a cross reference in Ptolomy’s own writings to demonstrate that the ‘Determinatio Compendiosa’ part of the title was made up by Krammer. For a discussion of the dating of the work, see Blythe, James, The Life and Works of Tolomeo Fiadoni (Ptolemy of Lucca) (Disputatio 16), Turnhout 2009, pp. 141–148; Miethke favors the later date, see Politiktheorie (note 8), pp. 86–87.
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1320s and was in 1342 updated in Avignon with nine additional chap24 ters devoted to the papal struggle against Ludwig of Bavaria. John XXII himself promoted Ptolomy of Lucca to the See of Torcello, sometime after he completed his ‘Historia Ecclesiastica Nova’ during the papal interregnum 25 of 1314–1316. It is hard to know how John XXII took the dedication of the ‘Dialogue’ of Dondinus – there is no letter of thanks as there is with Augustinus Trium26 phus. Nor is there any evidence of the papal appreciation as there is with 27 the promotion of Alexander of St. Elipidio. No surviving manuscript can be associated with Avignon, although a now lost copy is attested as coming 28 to the papal court through the right of spoil after John XXII’s death. Moreover, the pope does not seem to borrow from implicitly or explicitly to echo the ‘Dialogue’ of Dondinus in any of his writings. So what is one to make of a derivative and backward-looking text that says much same thing as other tracts and which John may not even have read? Given that these texts on papal power say similar things, often the most distinguishing feature of a tract is its organization and form. The ‘Summa’ of Augustinus Triumphus consists of 112 scholastic quaestiones (and many more sub-questions) on every aspect of papal power. Alexander of St. Elipidio’s work divides into two tracts, one on orders and jurisdiction (pope versus bishops), the other on spiritual and secular power (pope versus kings and emperors), with a third tract on the papal right of renunciation apparently added later. What makes the ‘Dialogue’ of Dondinus unique amongst these texts is its literary form (later used by Ockham) and its historical organization – a genealogy of power, dominium, and jurisdiction in its temporal and spiritual manifestations from Adam in the Garden
23 See Wilks, Michael, The Problem of Sovereignty in the Later Middle Ages: The Papal Monarchy with Augustinus Triumphus and the Publicists, Cambridge 1963, p. 6. 24 See Miethke, Politiktheorie (note 8), p. 94. 25 Kaeppeli, Scriptores (note 8), no. 3727. Dating of Schmugge: Tholomeus Lucensis, Historia Ecclesiastica Nova, Ed. Schmugge, Ludwig (MGH Scriptores 39), Hannover 2009, p. xxii. 26 Ministeri, Blasius, De Vita et operibus Augustini de Ancona OESA (†1328) (Biblioteca Augustiniana Medii Aevi 2.3), Roma 1953, pp. 141–142. 27 Alexander was appointed bishop of Melfi in Feb. 1326 and died that same year. See Eubel, Conradus, Hierarchia Catholica, Roma 1898, I. p. 350. 28 Kaeppeli, Scriptores (note 8), no. 922; also Williman, The Right of Spoil (note 5), p. 71.
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of Eden to John XXII in Avignon – a lineage ending in the popes inheriting a plenitude of power in spiritual and temporal matters. ‘Hierocratic’ writers on papal power during the reign of John XXII began to justify their position through a theological reading of history much influenced by Ptolomy of Lucca’s ‘De iurisdictione imperii’ – a point made by Michael Wilks long ago in his study of Augustinus Triumphus – but none 29 does so more deliberately than Dondinus. Naturally, the history is highly selective so as to emphasize papal prerogatives above all else: thus problematic historical events such as the Donation of Constantine are simply omitted by Dondinus, even if treated by his source Ptolomy of Lucca. The historical organization of the ‘Dialogue’ of Dondinus can plausibly be linked to the dedicatee, especially if placed in context of other dedications. The Dominican Inquisitor Bernard Gui dedicated two historical works to 30 John XXII: his ‘Speculum Sanctorale’, a series of saints’ lives organized around the liturgical year, and his ‘Flores Chronicarum’, partly a catalogue 31 of popes and emperors like that of Martin of Troppau OP. Nicholas Trevet OP did not actually dedicate his commentary on the Roman historian Livy to John XXII, but the explicit of that work attests that it was prepared on the 32 order of the Pope. The historical or literal sense of Scripture was something
29 See ‘The Hierocratic interpretation of History’ in Wilks, The Problem of Sovereignty (note 23), pp. 538–548: “This seems to have been taken straight from Tholomey of Lucca, Determinatio Compendiosa 25, pp. 48–49, which appears to be the immediate source of all Augustinus Triumphus’ historical passages”. p. 541, n. 2. 30 Kaeppeli, Scriptores (note 8), no. 612. See the letters of thanks from John for the third and fourth parts of this work in Ehrle, Historia (note 3), p. 137. Ehrle associated Mss. Avignon, Bibliothèque Calvet 296–7 as dedication copies. Another manuscript associated with John XXII which contains the earlier part of this work is Toronto, Pontifical Institute for Mediaeval Studies, Ms. Bergendal 1 (not listed in Kaeppeli or otherwise cited in scholarship on Bernard Gui). 31 Kaeppeli, Scriptores (note 8), no. 615. See the dedication in Recueil des historiens des Gaules et de la France XXI, Paris 1855, pp. 691–692. The original manuscript dedicated to John XXII is probably Ms. Paris, Bibliothèque Nationale de France, lat. 4976. See Delisle, Léopold, Notice sur les manuscrits de Bernard Gui, Notices et extraits des mss. de la Bibliothèque Nationale, 28.2 (1879), pp. 201–202. Also Lamarrigue, Anne-Marie, Bernard Gui (1261–1331). Un Historien et sa méthode (Études d’histoire médiévale 5), Paris 2000, p. 475. 32 Kaeppeli, Scriptores (note 8), no. 3147. See Dean, Ruth, The Earliest Known Commentary on Livy, in: Medievalia et Humanistica 3 (1945), pp. 86–98 on p. 90.
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that John XXII actively promoted: Biblical postils by the Dominicans 34 35 36 Dominic Grima and Nicholas Trevet, the Carmelite Guido Terreni, 37 and the Franciscan Nicholas of Lyre were all dedicated to him. The theme of history carries over to the second part of this paper which addresses a work certainly read by John XXII. Ms. Paris, Bibliothèque Nationale de France (BNF), lat. 3381A contains the assessment of series of articles extracted from the Franciscan Peter of John Olivi’s ‘Lectura super 38 Apocalipsim’ by an unnamed theologian. The codex is not unknown to scholarship, having been studied and cited by Franz Ehrle, Ignaz von
33 See Smalley, Beryl, English Friars and Antiquity in the Early Fourteenth Century, Oxford 1960, pp. 31–32: “The revival of biblical studies must have owed something to John XXII (1316–1334): he reproved, directed, encouraged, rewarded”. 34 Kaeppeli, Scriptores (note 8), no. 870: Postil on Genesis (1319) whose ‘Epistolaris prefacio in totum opus lecture Bibliam’ is dedicated to John XXII. The letter is edited in Langlois, Charles, Dominique Grima, frère prêcheur, in: Histoire littéraire de la France 36 (1927), pp. 238–260. 35 Kaeppeli, Scriptores (note 8), no. 3131: Expositio in Gen. 36 Terreni wrote for John XXII a Scripta super evangelia in 3 tractatibus. See Xiberta, Bartomeu, Guiu Terrena Carmelita de Perpinyà, Barcelona 1932, p. 59. 37 “After its completion, the Literal Postil [on the whole of Scripture] was officially presented to Pope John XXII on 20 March 1331.” Nicholas of Lyra: The Senses of Scripture, Eds. Krey, Philip and Smith, Lesley, Leiden/Boston 2000, p. 4. 38 See Piron, Sylvain, Censures et condamnation de Pierre de Jean Olivi: enquête dans les marges du Vatican, in: Mélanges de l’École française de Rome: Moyen Âge 118–2 (2006), pp. 313–373.
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Döllinger, Joseph Koch, David Burr, and others. But what no one has 40 noted is the extensive marginalia in the hand of John XXII. Ms. Paris, BNF, lat. 3381A dates to 1318 and is the first surviving instance of what was to become a common process during the pontificate: the circulation of propositions, passages, or questions to expert theologians for assessment. Recent studies on the drafting of decretals like ‘Docta Sanctorum’ on 41 42 music, ‘Antique Concertationi’ on marriage, ‘Ad conditorem canonum’ 43 and ‘Cum inter nonnullos’ on poverty, and (possibly) ‘Super illius specula’ 44 on the invocation of demons, as well as scholarship on the condemnation
39 The manuscript is described by Ehrle, Franz, Petrus Johannis Olivi, sein Leben und seine Schriften, in: Archiv für Litteratur- und Kirchengeschichte des Mittelalters 3 (1887), pp. 409–552, here 453–455; excepted by von Döllinger, Ignaz, Beiträge zur Sektengeschichte des Mittelalters, München 1890, ii, pp. 527–585; described again by Koch, Joseph, Der Prozess gegen die Postille Olivis zur Apokalypse, in: Recherches de théologie ancienne et médiévale 5 (1933), pp. 302–313, here 303–304. Identified as part of the library of the popes in Avignon in Julien de Pommerol, Marie-Henriette and Monfrin, Jacques, La Bibliothèque Pontificale à Avignon et à Peñiscola pendant le Grand Schisme d’Occident et sa dispersion: inventaires et concordances, 2 vols (Collection de l’École française de Rome 141), Roma 1991, II, p. 940. David Burr has treated the manuscript in two articles: Ecclesiastical Condemnation and Exegetical Theory: The Case of Olivi’s Apocalypse Commentary, in: Neue Richtungen in der Hoch- und Spätmittelalterlichen Bibelexegese, Eds. Lerner, Robert and Müller-Luckner, Elisabeth, München 1996, pp. 149–162 and The anti-Christ and the Jews in Four Thirteenth-Century Apocalypse Commentaries, in: Friars and Jews in the Middle Ages and the Renaissance, Eds. McMichael, Stephen and Myers, Susan (The Medieval Franciscans 2), Leiden/Boston 2004, pp. 34–36. 40 Cf. ‘Quelques notes marginales du XVe s.’ in Catalogue général des manuscrits latins V, Paris 1966, p. 321. 41 See Anheim, Étienne, Une controverse médiévale sur la musique: la bulle Docta sanctorum (1324/1325) de Jean XXII et le débat de l’ars nova dans les années 1320, in: Revue Mabillon, n. s. 11 (2000), pp. 221–246. 42 See Nold, Patrick, Marriage Advice for a Pope: John XXII and the Power to Dissolve (Medieval Law and its Practice 3), Leiden/Boston 2009. 43 See Nold, Patrick, Pope John XXII and his Franciscan Cardinal: Bertrand de la Tour and the Apostolic Poverty Controversy (Oxford Historical Monographs), Oxford 2003. 44 See Boureau, Alain, Le pape et les sorciers: Une consultation de Jean XXII sur la magie en 1320 (Manuscrit B. A. V. Borghese 348) (Sources et Documents d’Histoire du Moyen Âge publiés par l’École française de Rome 6), Roma 2004.
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of works such as the ‘Defensor Pacis’, and on the debate over the Beatific 46 Vision have placed the consultations of John XXII at the center of the intellectual assessment of his pontificate. The process against Olivi’s ‘Lectura super Apocalipsim’ was one of the first, the longest (lasting from 1318– 1326), and from the perspective of annotations, the most detailed of all 47 of John’s consultations. The chart below compares Ms. Paris, BNF, lat. 3381A to Ms. Città del Vaticano, Biblioteca Apostolica Vaticana, Vat. lat. 3740 which contains over 60 consilia on poverty and Ms. Città del Vaticano, Biblioteca Apostolica Vaticana, Borgh. 348 which includes 10 consilia on the invocation of demons. These manuscripts were all made for John XXII and annotated by him. Borgh. 348
Vat. lat. 3740
lat. 3381A
Total Folios
60
261
288
Approximate number of annotations
14
48
256
The Paris manuscript not only contains the most marginal annotations, but it is the most intensively annotated: 253 of the 256 annotations occur in the first 52 folios. What Ms. Paris, BNF, lat. 3381A represents then is the biggest cache of new John XXII material since Anneliese Maier made her original discovery of the pope’s annotations in Vatican manuscripts in the 1950s. Who is the author of the report on Olivi’s ‘Lectura super Apocalipsim’ contained in Ms. Paris, BNF, lat. 3381A? In the absence of a colophon, Koch proposed the master of the sacred palace, William of Laudun OP, in his offi48 cial capacity. But subsequent studies of John XXII’s consultations have not revealed any special privileging of the holder of this office for theological advice. My own theory revolves around a frequently-cited authority in Ms. Paris, BNF, lat. 3381A: quotations from Gregory the Great’s ‘Moralia in Job’ are often used as a counterpoint to those from the ‘Lectura super Apoca45 See Turley, Thomas, The Impact of Marsilius: Papalist Responses to the Defensor Pacis, in: The World of Marsilius of Padua, Ed. Moreno-Riaño, Gerson (Disputatio 5), Turnhout 2006, pp. 47–64. 46 See most recently, Trottmann, Christian, La Vision Béatifique, Question Disputée à la Cour Pontificale d’Avignon?, in: Philosophy and Theology in the Studia of the Religious Orders (note 15), pp. 677–700. 47 Again, see the studies of Piron cited above (notes 7, 38) and below (notes 103, 104). 48 Koch, Der Prozess (note 39), p. 304.
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lipsim’. Two financial records from late 1321 and early 1322 testify that John XXII subsidized the Augustinian Hermit Gregory of Lucca to work 49 on a commentary on the ‘Moralia’. In 1322–1323 he was rewarded with 50 promotions: first to the diocese of Sorra in Sardinia and then to Belluno51 Feltre in the Veneto. Gregory is not know to have played a part in the process against the ‘Lectura super Apocalipsim’, but he had previously (1309–1310) participated in the Paris condemnation of Marguerite Porete and was involved in the major theological consultations of John XXII from 1320 until his death in 1327: on the invocation of demons, on marriage, on apostolic poverty, and on William of Ockham. In other words, he would come to have a track record of advising John XXII – and there were not that 52 many theologians whom John repeatedly consulted. Textual and contextual evidence thus provides some basis for the tentative attribution of the text to Gregory of Lucca (which is more than can be said for Koch’s theory). Although this attribution is by no means certain, I will nevertheless refer to the author of the report in Ms. Paris, BNF, lat. 3381A as ‘Gregory’ for the sake of convenience. 53 What does John XXII write in the margin of the manuscript? For starters, he writes the word “erroneous” twenty-four times, “heretical” seven times, “temerarious” eight times, and “absurd” once. In every case but one, these words are repetitions of Gregory’s judgment of an extract from the ‘Lectura super Apocalipsim’. John never explicitly disagrees with such a judgment in his annotations (as he did in the consilia in Ms. Città 49 1321 Dec. 16 de mandato pape, cum fr. Gregoriius mag. Theol. Ord. August., incipisset facere quoddam opus super moralibus Iob pro eodem domino nostro, pro relevamine expensarum suarum in vestibus quam aliis necessariis tradidmus eidem mag. Pro 3 mensibus preteritis et terminates 1 Dec. 30 fl. [...] 1322. April 17 solvimus fr. Gregorio ord. s. August. Mag. Theol., qui operatur pro domino nostro super moralibus Iob, pro relevamine expensarum suaroum, in quibus papa, ut infra sequitur, mandaverat provideri, pro 4 mensibus preteritis et terminates 1. Apri [...] 40 fl. Schäfer, Karl H., Die Ausgaben der Apostolischen Kammer unter Johann XXII. (Vatikanische Quellen zur Geschichte der päpstlichen Hof- und Finanzverwaltung 2), Paderborn 1911, p. 427. 50 Eubel, Hierarchia Catholica (note 27), i. 458. 51 Ibid., i. 132. 52 For these points, see the useful chart in Piron, Avignon sous Jean XXII (note 7). 53 A more detailed study of these annotations can be found in Nold, Patrick, New Annotations of Pope John XXII and the Process against Peter of John Olivi’s ‘Lectura super Apocalipsim’: the Marginalia of MS Paris BnF lat. 3381A in: Oliviana 4 (2012) (online publication: http://oliviana.revues.org/521).
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del Vaticano, Biblioteca Apostolica Vaticana, Vat. lat. 3740) – sometimes, however, he does draw out the implications of a statement in a summary or question. The repetition of words and phrases is very frequently accompanied by a brace [}] drawn in the margin next to the relevant lines of the text – something the Pope did as well in Ms. Città del Vaticano, Biblioteca 54 Apostolica Vaticana, Vat. lat. 3740. Often these braces occur without the repetition of words, and marginal braces are in fact the most common form of annotation in Ms. Paris, BNF, lat. 3381A. The combination of repetition and highlighting suggests that these annotations were intended by John XXII to serve as a personal aide-mémoire for future reference. John XXII’s annotation of the report on the orthodoxy of Olivi’s ‘Lectura super Apocalipsim’ are far from being “one damned thing after another.” In fact, there is a surprising degree of sophistication in the pope’s reading. 55 He follows Gregory in noting the gap between the sound of the words 56 and the intention of Olivi. Moreover, Pope adds another layer of ambiguity when he writes things like: “See that he [Gregory] attributes to him 57 [Olivi] this understanding” or “Note that he [Gregory] says that it is 58 indeed his [Olivi’s] intention”. And yet for all this sophistication, there remain the questions (which I sidestep) of whether the readers and censors of the ‘Lectura super Apocalipsim’ really understood what Olivi was saying 59 – whether the errors identified and condemned were actually his. What are the major themes of the annotations? Olivi was, of course, a Franciscan and John’s pontificate was defined by his conflict with members of the Order of Friars Minor. That conflict came to center on the distinctive 54 Braces are relatively rare in Ms. Città del Vaticano, Biblioteca Apostolica Vaticana, Vat. lat. 3740, occurring fewer than 10 times. One important instance is in the ‘Dicta’ of Bertrand de la Tour. See Nold, Pope John XXII and his Franciscan Cardinal (note 43), pp. 73, 168. These braces also occur in Ms. Città del Vaticano, Biblioteca Apostolica Vaticana, Borgh. 242, see id., Pope John XXII’s annotations on the Franciscan Rule: Content and Contexts, in: Franciscan Studies 65 (2007), pp. 295–324. 55 Error prout verba sonant (Ms. Paris, BNF, lat. 3381A, f. 36r dex). 56 Secundum intentionem illius (ibid., f. 13r dex). 57 Vide quod istum intellectum sibi attribuit (ibid., f. 3r dex). 58 Nota quod dicit est enim intentio sua (ibid., f. 6r dex). 59 For this matter, see Burr, David, Olivi’s Peaceable Kingdom: A Reading of the Apocalypse Commentary, Philadelphia 1993, which seeks to clarify what Olivi meant in the ‘Lectura super Apocalipsim’ in contrast to how he was understood; also Burr, David, The Spiritual Franciscans: From Protest to Persecution in the Century after Saint Francis, State College PA 2001, pp. 207–212.
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Franciscan definition of poverty, of having “nothing individually or in common.” John XXII first addressed this definition in a disciplinary context by discontinuing the papal privilege of holding the dominion of Franciscan goods in ‘Ad conditorem canonum’ of 1322 – the privilege that allowed the Franciscans to claim they had no goods in common and thus were the most poor and perfect of all religious orders. Later, the pope turned to doctrinal matters in ‘Cum inter nonnullos’ of 1323 when he declared heretical the proposition that Christ and the Apostles had nothing individually or in 60 common. Perfection, evangelical poverty, and communal goods are treated together 61 at several instances in the ‘Lectura super Apocalipsim’ itself. Gregory accentuates the divergence of Olivi (and, by implication, his order) from traditional church teaching. He notes that that perfection consists essentially 62 in charity, and only instrumentally in voluntary poverty. Further down on the same page, Gregory argues that in a perfect community dominium and 63 use are the same thing – thus negating a crucial distinction for the Franciscans. And on the Gospel line “If you wish to be perfect, go and sell all that you have” [Mt. 19:21], he says: Suppose therefore that someone should go, sell all that he has, give it to the poor, and then enter a religious order of those having things in common, you say that this man does not fulfill the word of the Gospel because he has something in common […] the word of Christ does not prohibit having something
60 For this interpretation of John’s separation of discipline and doctrine contra Tierney, Brian, The Origins of Papal Infallibility: A Study on the Concepts of Infallibility, Sovereignty and Tradition in the Middle Ages (Studies in the History of Christian Thought 6), Leiden/Boston 1972, see Nold, Pope John XXII and his Franciscan Cardinal (note 43), p. 170. 61 Iterum error dicentium quod habere aliqua in communi est de evangelica perfectione Christi et apostolorum ac per consequens quod nichil tale in communi habere non est de evangelica perfectione. Petrus Iohannis Olivi, Lectura Super Apocalipsim, Ms. Paris, BNF lat. 713, http://www.danteolivi. com/Metamorfosi/pdf/Lectura%20super%20Apocalipsim.pdf, p. 509 (last consulted December 2013). 62 Quasi diceret essentialiter consistit [...] in caritate, instrumentaliter in voluntaria paupertate (Ms. Paris, BNF, lat. 3381A, f. 37v). 63 Ubi advertendum quod glossa feliciorem, id est, perfectionem vitam que sit in via indicat eorum qui sic vivunt ut sint eis omnia communia nec distinguit communitatem quo ad dominium a communitate quo ad usum, cum communitas dominii non sit nisi propter communitatem usus (ibid., f. 37v).
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Patrick Nold in common, but rather having things individually, in one’s own will, and by 64 dominium.
John XXII brackets this passage and writes in the margin: “That it should not be of an imperfection to have things in common, provided that one does 65 not have individually.” Gregory goes on to analyze Olivi’s conception of the evangelical order: If indeed he understands that this order, according to the observance intended by blessed Francis, should be more perfect than all others, this would not be an obvious error because there can be the question: whether the state of voluntary poverty that has nothing in common is more perfect than the state that has something in common – various doctors have opined contrary things about 66 this.
John XXII does not, alas, notes with a brace in the margin this language of an academic disagreement that he himself would later employ in the definitive version ‘Cum inter nonnullos’. But, in some ways, the first version of his poverty bull ‘Ad conditorem canonum’ provides an answer to the question based not on theological considerations, but on practical ones in light 67 of what history has taught. So, at first glance, John XXII’s annotations in this manuscript of 1318 and the Apostolic poverty controversy of 1322–1323 seem connected – and some scholars have proposed that the ‘Lectura super Apocalipsim’ investigation brought to John’s attention theological misunderstandings held
64 Si vis esse perfectus, vade et vende omnia que habes et cet. [Mt. 19:21] Ponatur ergo quod aliquis omnibus suis venditis et pauperibus erogatis intret religionem habentium aliquid in communi, tu dicis quod iste non implet evangelii verbum quia habet aliquid in communi [...] verbum Christi non prohibet habere aliquid in communi sed in proprio et in propria voluntate et dominio [...] (Ms. Paris, BNF, lat. 3381A, f. 39v). 65 Quod non sit imperfectionis habere in communi, dummodo non habeat in proprio (ibid., f. 39v sin). 66 Si quidem intelligeret quod ordo iste secundum observanciam quam beatus franciscus intendit esset perfectior omni alio, non esset tam manifestus error quia potest esse questio: utrum perfectior status voluntarie paupertatis in non habentibus aliquid etiam in communi quam habentibus in communi, diversis doctoribus contraria opinantibus circa illud [...] (ibid., f. 17r). 67 Again, for this interpretation, Nold, Pope John XXII and his Franciscan Cardinal (note 43).
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by the entire Franciscan Order. However, Gregory’s other treatments of communal poverty defy such an easy linkage, and John’s annotations as a whole suggest that poverty was not his main concern. In the very first article examined, Gregory notes how Olivi wrongly suggested that in the fifth age of the Church “the state of Christ will have become completely absent aside from in those people in whom there is the abdication of all things 69 individually or in common, just as is had in the Rule of St. Francis”. John 70 XXII writes in the margin “erroneous”. Moreover, Gregory notes that the Roman Church has canonized, as perfect imitators of Christ, many regulars and seculars who did not have the perfection appropriate to the sixth 71 age, that is, not having anything individually or in common. John writes: “Note that to the sixth state he appropriates to ‘not have anything individu72 ally or in common.’” Last, Gregory says that Olivi: [...] intends that the Church in the fifth state which he calls “of those having something in common” should fall so greatly from the life of Christ and evangelical perfection in observance and in knowledge and in teaching, because it is totally rejected from God and a spiritually-founded Church will be renewed in
68 For a recent survey of this and other motivations for John XXII’s actions in the Apostolic Poverty controversy, see Brunner, Melanie, Papal Interventions in Mendicant Organisation: Pope John XXII and the Franciscans, in: Franciscan organisation in the Mendicant context: formal and informal structures of the friars’ lives and ministry in the Middle Age, Eds. Robson, Michael and Röhrkasten, Jens (Vita Regularis 44) Berlin 2010, pp. 355–375. An additional view is Nold, Patrick, Two views of John XXII as a heretical pope, in: Defenders and Critics of the Franciscan Life: Essays in Honor of John V. Fleming, Eds. Cusato, Michael and Geltner, Guy (The Medieval Franciscans 6), Leiden/Boston 2009, which builds on Piron, Sylvain, Un cahier de travail de l’inquisiteur Jean de Beaune, in: Oliviana 2 (2006) http://oliviana.revues.org/ index26.html (last consulted December 2013) to underscore the importance of the inquisitorial persecution of the Spirituals and Beguins. 69 Vult enim quod status Christi defecerit totaliter in ecclesia, nisi in illis in quibus est abdicatio omnium in proprio vel in communi sicut habet regula beati francisci (Ms. Paris, BNF, lat. 3381A, f. 3v). 70 Erroneum (ibid., f. 3v dex). 71 […] que multos quinti status viros regulares et seculares non habentes perfectionem quam iste appropriat sexto statui, scilicet, non habendi aliquid in proprio nec communi, ascripsit catalogo sanctorum tanquam perfectos vite Christi ymitatores (ibid., f. 7v). 72 Nota quod sexto statui appropriat non habere aliquid in proprio nec communi (ibid., f. 7v sin).
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Patrick Nold which the life and image of Christ is reformed in living according to the Rule 73 of blessed Francis.
Here in one of the longest annotations in Ms. Paris, BNF, lat. 3381A, John repeats almost word for word what Gregory had said – only omitting the 74 reference to the Rule of St. Francis at the end. In each passage, communal poverty is considered a defining feature of the sixth state (or age) of the Church: in other words it is intimately tied up with Olivi’s vision of history as overlapping sequential states. Olivi interpreted the seven visions of the Apocalypse as seven periods of Church history: the first four were those of apostles, martyrs, doctors, and anchorites. So far, so conventional. However, in the fifth period, beginning roughly with Charlemagne, Olivi saw the Church as growing in wealth and becoming corrupt. The sixth period, beginning roughly with St. Francis, is characterized “by the renewal of the evangelical life”. In addition to this seven-fold division, history is also divided into three ages: that of the Father in the Old Testament, of the Son from Christ to St. Francis, and of the Spirit from St. Francis to the end of time. This last age, the sixth and seventh states of the Church, would witness a conflict between the followers of the evangelical poverty and Babylon, the carnal elements in the Church itself. The Babylonic Church, led by a mystical anti-Christ, would persecute the new spiritual men until she is destroyed by a non-Christian invading army. The new spiritual men will then, with their poverty and new knowledge, convert the Jews to Christianity, and a new Church will be transferred to Jerusalem from
73 Intendit […] quod ecclesia in Vo statu quam vocat ‘habentium aliquid in proprio vel communi’ in tantum cadet a vita Christi et perfectione evangelica in vita et in scientia et doctrina quod a deo totaliter abicietur et renovabitur de novo fundata ecclesia spiritualis in qua reformabitur Christi vita et ymago in viventibus secundum regulam beati francisci (Ms. Paris, BNF, lat. 3381A, f. 9r). 74 Quomodo intelligit quod ecclesia Vti statu, quam vocat ‘habentium aliquid in communi’, sit totaliter a deo abiecienda et renovabitur et fundabitur de novo ecclesia spiritualis in qua reformabitur Christi vita et imago (ibid., f. 9r sin).
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which the whole world will be converted again to Christianity. That will be 75 the seventh age of the Church lasting until the end of time. That in a nutshell is Olivi’s vision of history which was much indebted 76 to Joachim of Fiore. The tension between renewal and novelty is such that communal poverty is inflected with a pronounced Joachite accent – subtly in Olivi’s text, and overtly in the analysis of Gregory of Lucca. So the punctus knaxus is that the perfection of communal poverty is here interpreted by John XXII not as a simple return to the Apostolic life (and thus equal to it) but as its fulfillment: this form of life (and, as we will see, everything associated with it) in Olivi’s account of the sixth age of the Church is thus seen by John as greater than that of the Apostles. Or as John summarizes: “Note how the sixth state [of the Church] would be preferred to the 77 other five falling before.” “Note that to prefer any state to the state of the 78 apostles is erroneous” , “There there should not be a future perfection of 79 life greater than there would have been in the first state [of the Church]” and, finally, a question: “Whether it should be appropriate only to the sixth 80 state to serve the rule of evangelical need [i.e. poverty]”. The new age of the Spirit touches not only on poverty but on another defining topic of John XXII’s pontificate: the Beatific Vision. Olivi had predicted: Thus in the third [time], the Holy Spirit will exhibit himself […] as the joy of spiritual jubilation through which, not only by simple intelligence but even by taste and touch experience, all the truth of the Incarnate Word and the power
75 There are many summaries of Olivi’s vision of history, a recent treatment is in Whalen, Brett, Dominion of God: Christendom and the Apocalypse in the Middle Ages, Cambridge, MA 2009, pp. 204–212. 76 See Reeves, Marjorie, The Influence of Prophecy in the Later Middle Ages: A study in Joachism, Oxford 1969, pp. 196–200; also Burr, Olivi’s Peaceable Kingdom (note 59), p. 107. 77 Nota quomodo sextus status preferatur aliis v cadentibus (Ms. Paris, BNF, lat. 3381A, f. 7v dex). 78 Nota quod preferre aliquem statum statui apostolorum est erroneum (ibid., f. 8r sin). 79 Quod non sit futura maior perfectio vite quam fuerit in primo statu (ibid., f. 8r sin). 80 Utrum soli vi statui competat servare regulam evangelice egestatis (ibid., f. 38r sin).
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Patrick Nold the Father will be seen because Christ promised that “When he, the Spirit of 81 truth comes, he will teach you all truth”.
Gregory notes that God cannot be known by simplex intelligentia in this life and likewise the ‘certain experience’ of God would seem to exclude faith. John XXII then poses a question in the margin: “Concerning simple intelligence and certain experience, whether they should pertain to the clear 82 vision?” Here we have an early instance of John musing on the nature 83 of the Beatific Vision – sparked off by a passage from Olivi’s ‘Lectura 84 super Apocalipsim’ which the pope would cite in a sermon in 1326. What disturbed was the idea of ‘new knowledge’. Gregory had noted that the knowledge of the Apostles cannot be surpassed since “Whatsoever I have 85 heard from my father I have made known to you” [Jo. 15:15] and that “When he, the Spirit of Truth has come, he will teach you all truth [...] 86 and he will glorify me” [Jo. 16:13–14]. John XXII notes that such a posi81 Sic in tertio tempore Spiritus Sanctus exhibebit se […] ut tripudium spiritualium iubilationum et iocunditatum, per que non solum simplici intelligentia, sed etiam gustativa et palpativa experientia videbitur omnis veritas sapientie Verbi Dei incarnati et potentie Dei Patris. Christus enim promisit quod ‘cum venerit ille Spiritus veritatis, docebit vos omnem veritatem’ et ‘ille me clarificabit’ [Jo. 16: 13–4] Olivi, Lectura Super Apocalipsim, http://www.danteolivi.com/ Metamorfosi/pdf/Lectura%20super%20Apocalipsim.pdf, p. 345 (last consulted December 2013). 82 De simplici intelligentia et experientia certa, utrum pertineant ad visionem claram (Ms. Paris, BNF, lat. 3381A, f. 30v sin). 83 For simplex intelligentia in this context, see Duba, William, Seeing God: Theology, Beatitude and Cognition in the Thirteenth Century, University of Iowa Ph.D thesis 2006, p. 187. For Olivi’s use of the term generally, see Burr, Olivi’s Peaceable Kingdom (note 59), pp. 110–115 and especially pp. 190–192 which emphasizes that this statement – when seen within a Franciscan tradition of contemplative knowledge – is not as radical as it sounds (and, by extension, as Gregory and John XXII interpreted it). 84 Noted by Pásztor, Edith, Le polemiche sulla ‘Lectura super Apocalipsim’ di Pietro di Giovanni Olivi fino alla sua condanna, in: Bulletino dell’Instituto Storico Italiano per il Medio Evo e Archivio Muratoriano 70 (1958), pp. 365– 424, here 412 and 418. 85 Per idem patet secundum sed quod quantum ad scientie claritatem nullus status futurus in hac vita excedit omnes priores specialiter apostolorum quibus dixit Christus ‘omnia quecumque audivi a patre meo nato feci nobis’ [Jo. 15:15] (Ms. Paris, BNF, lat. 3381A, f. 8v). 86 ‘Cum venerit ille spiritus veritatis docebit vos omnem veritatem’ et ‘ille me clarificabit et cet’ (cf. n. 81 above). Per hec enim verba innuit quod promissio
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tion would be heretical because it contradicts the words of Christ found in 87 Scripture. “With regard to the clarity of knowledge, no future state in this 88 life exceeds the first one, that is, of the apostles.” These remarks nicely illustrate how it was the prospect of a progressive history of the Church – to the point of being a history of successive Churches – that John found so offensive. If the content of these annotations do not correspond to John XXII’s poverty constitutions of 1322–1323, they can be most certainly connected to his constitution of January 1318 ‘Gloriosam Ecclesiam’ where John XXII 89 condemned a band of rebel Franciscans and their theological errors. In the Pope’s words, they believed: That the Gospel of Christ in them alone in this time is fulfilled, and that up to this point, it was hidden, or rather extinguished […] They assert that the promise of our Lord concerning the Holy Spirit was not fulfilled in the apostles but 90 in themselves.
John had corrected this in saying: “The Holy Spirit, adjoining the faithful promise of the Savior, was most fully poured out on the day of Pentecost to the Apostles, so that he ‘should teach them all the truth’ [cf. Jo. 16:13] which 91 pertains to salvation.” In Ms. Paris, BNF, lat. 3381A there are around 75
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Christi de adventu et doctrina spiritus sancti non fuerit impleta in apostolis sed sit implenda in suis et in suo tempore quod supra ostensum est erroneum quia contra verba Christi (Ms. Paris, BNF, lat. 3381A, f. 31r). Cf. ‘Gloriosam Ecclesiam’ cited in note 90 below. Erroneum quia contra verba Christi (ibid., f. 31r dex). Quod quantum ad scientie claritatem non sit futurus aliquis status maior priore, scilicet apostolorum, statu (ibid., f. 8v sin). This bull was issued in January 1318. Summaries of the bull can be found in Burr, Olivi’s Peaceable Kingdom (note 59), p. 202; Burr, The Spiritual Franciscans (note 59), pp. 199–200; Also Nold, Patrick, Pope John XXII, the Franciscan Order and its Rule, in: The Cambridge Companion to Francis of Assisi, Ed. Robson, Michael, Cambridge 2012, pp. 258–72, here 263–264. Ut evangelium Christi in se solos hoc in tempore asserant esse completum, quod hactenus ut ipsi somniant, obtectum fuerat, immo prosus extinctum [...] illi enim promissionem domini de spiritu sancto non in apostolis sed in se ipsis completam esse asserunt, isti evangelium Christi, cuius virtus in sancti spiritus perceptione consistit, ita in se completum autumant, ut ab illius claro intellectu et vera observatione universitatem fidelium mentiendo secludant. Bullarium Franciscanum V, Ed. Eubel, Conradus, Roma 1898, pp. 137–142, here 141. Spiritum Sanctum iuxta fidele Salvatoris promissum in beatis apostolis die Pentecostes sic plenissime fuisse refusum, ut illos omnem veritatem quae
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annotations, about a third of the total, on the age of the Spirit and its new gifts. The problems associated with a new Age of the Spirit that Gregory underscores are not the only connection to ‘Gloriosam Ecclesiam’. Another error condemned in that constitution was that the rebels: Imagine two churches: one carnal, overwhelmed with riches, overflowing in ornament, stained by evil deeds to which, they assert, their Roman protectors are subjected; the other a spiritual church, pure with frugality, decorated with virtue, girdled with poverty, in which they and their accomplices alone are a 92 part of, which they, by virtue of their spiritual life, rule over.
In ‘Gloriosam Ecclesiam’ John had corrected this error in saying there is only one holy, catholic, and apostolic Church: the Roman Church founded on divine authority and enjoying primacy. Whosoever denies this is to be considered a heretic. The Roman Church has been ruled by an unbroken succession of popes since Christ bestowed power on St. Peter and she will last forever, never being stained by heresy or by the election of an illegiti93 mate pastor. In Ms. Paris, BNF, lat. 3381A, there are over 100 annotations – forty percent of the total – which either contain or are adjacent to the word ecclesia. The pope writes things like: “Note what the postil94 lator understands for the whore of the Apocalypse” the universal and Catholic Church whose head is in Rome. Likewise: “See that he says the ad saltuem pertinet, perfecte doceret, ut ipos ad amorem Dei mirabiliter inflammaret [...]. Bullarium Franciscanum V, Ed. Eubel, Conradus, Roma 1898, pp. 137–142, here 141. 92 [...] duas fingit ecclesias: unam carnalem divitus pressam effluentem deliciis, sceleribus maculata, cui Romanum praesulem aliosque inferiores praelatos dominari asserunt; aliam spiritualem frugalitate mundam virtute decoram paupertate succinctam, in qua ipsi soli eorumque complices continentur. Ibid., p. 139. 93 In the last lines, I have paraphrased the following: Una est igitur sancta, universalis, apostolica atque Romana ecclesia, quae non humana praesumptione sub potestate nititur, sed divina et prorsus incommutabili auctoritate fundatur, cuius egregium primatum, si quis impie docendo negat, non solum criminosus aut schismaticus esse convincitur, sed haereticus impietatis suae merito divina etiam atque humana ratione et auctoritate censetur [...] sic per legitimam Romanorum pontificum successionem illibata decurrat, ut illam usque ad finem saeculi nec perfidia maculet nec adulterini pastoris pontificium interrumpat. Ibid., 140. 94 Nota quid intelligit per meretricem apostillator (Ms. Paris, BNF, lat. 3381A, f. 4v sin).
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Church which is now in primacy is called Babylon” and “Note that the Roman Church would lose the primacy, cease to be the Church of Christ, 96 be destroyed, and another new one substituted in her place”. And finally: “He who calls the Church of God ‘whore’ or ‘Babylon’ impugns the law and 97 is to be considered a heretic.” Here, in one of the last annotations in the manuscript, is the only instance in Ms. Paris, BNF, lat. 3381A where John makes a judgment about orthodoxy independent of the text. And, appropriately, it is a judgment that echoes ‘Gloriosam Ecclesiam’: indeed, the annotation falls alongside the scriptural passage that supplied the opening words of his bull: “Christ loved the Church and gave himself up for it, that he might sanctify it, cleansing it by the laver of water in the word of life, 98 that he might present it to himself, a glorious church.” Throughout the manuscript, John XXII had also noted the correct interpretation of history, reassuringly bracketing the text: “The Church will last until the end of the 99 word in her perfection and will never lose it”. Likewise, he writes: “That 100 the Roman Church should last forever”. What is one to make of the striking correspondence between ‘Gloriosam Ecclesiam’ and the annotations in Ms. Paris, BNF, lat. 3381A? Was this manuscript used by John in preparation of the bull? One might think so if there were not several clues in the manuscript indicating that the report dates 101 to after January 1318 when ‘Gloriosam Ecclesiam’ was promulgated. The truth seems more complex. On the one hand, the parallelism may stem from 95 Vide quod dicit ecclesiam in qua nunc est primatus vocat babilonem (Ms. Paris, BNF, lat. 3381A, f. 27r sin). 96 Nota quod sancta ecclesia romana deberet primatum perdere, et desinere esse ecclesia christi, destrui, et aliam [sic] nova in eius loca subrogari (ibid., f. 7v dex). 97 Nota: qui ecclesiam dei meretricem vocat seu babilonem legem impugnat et hereticus est censendus (ibid., f. 46v sin). 98 Per hoc ergo apparet quod iste impugnat legem Christi sponsam eius vocans meretricem similiter per hoc quod vocat eam babilonem id est dignam confusione cum magis sit digna gloria de qua Eph. V [25–7]. Christus dilexit ecclesiam, et seipsum tradidit pro ea et illam sanctificaret, mundans eam lavacro aque in verbo vite ut exhiberet ipse sibi gloriosam ecclesiam (ibid. f. 46v). 99 Item ecclesia usque ad finem mundi in sua perfectione est duratura nec unquam suam perfectionem perditura (ibid., f. 9r). Text bracket by John XXII. 100 Quod Romana ecclesia duret semper (ibid., f. 25v sin). 101 For the dating, see Ehrle, Petrus Johannis Olivi (note 39), pp. 453–454 who suggests the second half of 1318 and Koch, Der Prozess (note 39), p. 304 who pushes it to as late as Easter 1319. Both underscore that the report was written after the Spiritual Franciscans and the Beguins (that is, the clerical and lay followers of Olivi) began to be persecuted. For this persecution, see now
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the fact that the friars condemned in ‘Gloriosam Ecclesiam’ were probably influenced by Olivi and that in this bull John XXII wished to condemn 102 errors in the ‘Lectura super Apocalipsim’ without naming the work. On the other hand, the parallel raises the prospect of a feedback loop – that is to say, the fact that John XXII condemned errors in ‘Gloriosam Ecclesiam’ led censors like Gregory of Lucca to echo this condemnation when analyzing the ‘Lectura super Apocalipsim’ extracts, though never explicitly citing the constitution itself. John then annotated Ms. Paris, BNF, lat. 3381A, finding extensive confirmation of his views. Indications of such an echo chamber effect are present to a lesser degree in other consultations of John XXII and are the greatest methodological difficulty in assessing the intellectual debates occurring in Avignon in the 1320s. But a point in favor of the genuine intellectual exchange is the fact that ‘Gloriosam Ecclesiam’ was not the beginning of the ‘Lectura super Apocalipsim’ condemnation process nor was Ms. Paris, BNF, lat. 3381A the end. The report was probably completed in late 1318. Years later John XXII began to consult other theologians – and Sylvain Piron has recently made 103 some remarkable discoveries of new texts from this consultation. This latter consultation, which contains echoes of John XXII’s intervening bulls 104 from the Apostolic poverty controversy, would lead to the eventual Burnham, Louisa, So Great a Light, So Great a Smoke: The Beguin Heretics of Languedoc, Ithaca, NY 2008. 102 “Die Irrlehren, die der Papst in der Constitutio Gloriosam Ecclesiam vom 23. Jan. 1318 veruteilte, gehen zum grossen Teile auf Olivis Postille zurück.” Koch, Der Prozess (note 39), p. 302. 103 In addition to Piron, Sylvain, Censures et condamnation de Pierre de Jean Olivi (note 38), see: id., Un avis retrouvé de Jacques Fournier, in: Médiévales 54 (2008), pp. 113–134, and, id., La consultation demandée à François de Meyronnes sur la Lectura super Apocalipsim, in: Oliviana 3 (2009) http://oliviana. revues.org/index330.html (last consulted December 2013). 104 This echoing is present to a greater or lesser degree in all of the consultants but is clearest in the writings of Bonagrazia of Bergamo who tendentiously interpreted John XXII’s poverty constitutions as condemnations of the Spirituals between 1323 and 1327. See Piron, Sylvain, Bonagrazia de Bergame, Auteur des Allegationes sur les articles extraits par Jean XXII de la Lectura Super Apocalipsim d’Olivi, in: Revirescunt chartae, codices, documenta, textus. Miscellanea investigationum medioaevalium in honorem Caesaris Cenci OFM collecta, Eds. Cacciotti, Alvaro and Sella, Pacifico, Roma 2002, pp. 1065–1087 and Wittneben, Eva Luise, Bonagratia von Bergamo: Franziskanerjurist und Wortführer seines Ordens im Streit mit Papst Johannes XXII. (Studies in Medieval and Reformation Thought 90), Leiden 2003, pp. 192–279.
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condemnation of the ‘Lectura super Apocalipsim’ in 1326. As no written condemnation survives, it is not clear what exactly was condemned by the pope. The thematic proportion of annotations in Ms. Paris, BNF, lat. 3381A suggest, however, that the most important theological problems in John’s eyes – problems which concerned the history of the Church past and future 105 – had already been treated in ‘Gloriosam Ecclesiam’. Three points may be made in conclusion. The first concerns John XXII’s ‘simple fact of use’ of Ms. Paris, BNF, lat. 3381A. This manuscript is another testament to the astounding amount of time and intellectual energy John XXII put into sorting out the problems within and around the Franciscan Order that he inherited. Given the massive evidence for the pope’s reading, it is hard to say that his intellectual judgments here, and more generally, were ill-informed or rushed. Second: the pontificate of John XXII is often seen as a clash between the teaching authority of the pope and that of the 106 university. But the evidence of works annotated by and dedicated to John XXII (such as the ‘Lectura super Apocalipsim’ report and the ‘Dialogue’ of Dondinus) do not give the impression of conflict and suggest a more 107 harmonious cooperation between pope and professors. If this does not quite demonstrate open-mindedness on the part of the pope, it does nonetheless indicate that John XXII cared very much about learned opinion. Third: it is worth pointing out the commonality between these two works to illustrate a preoccupation of the pope with the history of the Church. Dondinus of Pavia’s ‘Dialogue on the Power of the Supreme Pontiff’ represented a conservative, ‘hierocratic’ version of history which emphasized the continuity of dominium and showed how the popes inherited the plenitude of power over emperors, kings and bishops. The assessment of the 105 It is interesting to note that some would later interpret John XXII’s remarks on the carnal church in ‘Gloriosam Ecclesiam’ as directed against Olivi. See Piron, Sylvain, Le Sexdequiloquium de Jean de Roquetaillade, in: Oliviana 3 (2009) http://oliviana.revues.org/index327.html (last consulted December 2013). 106 See Courtenay, William, Papal Policy on Judging the Orthodoxy of University Masters, a Research Problem, in: Knowledge, Discipline and Power in the Middle Ages: Essays in Honour of David Luscombe, Eds. Canning, Joseph, King, Edmund and Staub, Martial (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 106), Leiden/Boston 2011, pp. 119–128. 107 This conclusion repeats those of my Pope John XXII and his Franciscan Cardinal (note 43) and Marriage Advice for a Pope (note 42) which emphasized John XXII’s attempt to produce consensus statements of theological opinion in ‘Cum inter nonnullos’ and ‘Antique Concertationi’ respectively.
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articles extracted from Olivi’s ‘Lectura super Apocalipsim’ centered on a radical Franciscan vision of history which emphasized change and progress (concerning poverty, perfection, and knowledge), that would bring about the downfall of the Roman Church. John XXII saw the past, rightly inter108 preted, as the key not only to the present but to the future as well. Here John XXII appears not as a narrow lawyer nor an amateur speculative theologian, but as a literal-minded man with a strong sense of the course of salvation history and his own place in it as the head of the Roman Church.
108 This is not to say that John was totally opposed to the idea of change. See the original and astute remarks of David d’Avray on John XXII and the development of doctrine in his essay, Christendom: Medieval Christianity, in: Companion Encyclopedia of Theology, Eds. Byrne, Peter and Hulden, Lesley, London 1995, pp. 206–229. I would like to acknowledge, gratefully, the influence of these pages – and, even more, their author – on my work on John XXII.
Destroying the Text: Contemporary Interpretations of John XXII’s ‘Constitutiones’ William Duba (Fribourg)
On October 4, 1338, the Archbishop of Rouen, Pierre Roger, O.S.B., delivered the sermon on the Feast of St. Francis at Avignon. In the Franciscan Convent, with the dignitaries of the Papal Court in attendance, he praised the virtues of Saint Francis and of the Franciscan Order in general, and then their poverty in particular. The Benedictine Master of Theology said: And Francis held and taught this poverty to such an extreme degree that it even seemed impossible to many who were wise in matters of the flesh, while they lived in this pilgrimage. Whence Innocent III put off confirming the rule for some time, because to some it seemed hard beyond human abilities, although in truth it was capable of being observed. For this reason the poverty of this order is greater than the poverty of any other, since in the things in which the use cannot be separated from dominion and property, they have the use alone, and the ownership and lordship rests with the lord pope, as is clear in the decretal 1 ‘Ad conditorem’.
The 1322 decretal ‘Ad conditorem canonum’ argues for the opposite practice: since use and ownership cannot be separated in consumable goods, no 1 Pierre Roger, Sermon ‘Benyamin adolescentulus in mentis excessu’, Paris, Bibliothèque Sainte-Geneviève 240, ff. 547rb–va: Et in tanto excessu istam paupertatem tenuit et docuit quod etiam multis carnaliter sapientibus in hac peregrinatione viventibus impossibilis visus fuit. Unde Innocentius IIIus aliquo tempore distulit istam regulam confirmare, quia aliquibus supra vires humanas ardua videbatur, licet secundum veritatem observabilis sit. – Unde paupertas huius religionis maior est quam paupertas alicuius alterius, cum in rebus in quibus usus non potest separari a dominio et proprietate, ipsi habeant solum usum, proprietate et dominio penes dominum papam remanente, ut patet in decretali ‘Ad conditorem’. Cf. d’Alençon, Ubald, Une panégyrique inédit de Saint François d’Assise, in: Etudes Franciscaines 26 (1911), pp. 337– 358. See the discussion in Duba, William, Moral Edification, the Search for Truth, and the Papal Court. Pierre Roger (Clement VI) and the Intellectual Atmosphere of Avignon, in: La vie culturelle, intellectuelle et scientifique à
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more will the pope own such things to the use of the Franciscans. By this, Pope John XXII ended the papacy’s practice of holding the goods, both consumable and not, of the Franciscan Order to the use of the friars. The central argument in John XXII’s revocation is that, at least as the bull was interpreted, ‘Exiit qui seminat’, issued forty years earlier by his predecessor Nicholas III, constituted a legal fiction that harmed Franciscan poverty 2 more than it helped. In particular, John XXII singles out the problem of the use of consumable goods without ownership: But that these Brothers should not be regarded as usuaries [mere users and not owners] in respect of things that are consumed by use appears clearly enough from the following. To say, indeed, that in such things it is possible to establish use of right, or of fact, separate from ownership or lordship of the thing, is opposed to the law, and conflicts with reason; and it does not seem to have been the intention of our predecessor to reserve lordship of such goods to the Roman Church. For what sane person could believe that it was the intention of so great a father to keep the lordship for the Roman Church, and the use for the Brothers, of an egg, or a cheese, or a crust of bread, or other things consumable by use, which are often given to the Brothers themselves to consume on the spot? Truly, it does not seem probable, especially since he reserved to the Roman Church the lordship only of those goods of which simple use of fact can belong to the Brothers of the said Order. This can by no means be found in things consumable by use, in which neither a right of using, nor a use of fact, separate 3 from ownership of the thing or lordship can be established or had.
‘Ad conditorem canonum’ establishes that, for consumables, one cannot have the “simple use” without ownership or lordship. For this reason, John XXII states: in the goods that are in future granted or offered, or happen in any other way whatever to come to the Brothers or order above mentioned [...], no right or la cour des papes d’Avignon, Ed. Hamesse, Jacqueline (Fédération Internationale des Instituts d’Études Médiévales. Textes et études du moyen âge 28), pp. 303–318. 2 Lambert, Malcom David, The Franciscan Crisis under John XXII, in: Franciscan Studies 32 (1972), pp. 123–143, here 135–141; Burr, David, The Spiritual Franciscans. From protest to persecution in the century after Saint Francis, University Park, PA 2001, pp. 275–277; Nold, Patrick, Pope John XXII and his Franciscan Cardinal. Bertrand de la Tour and the Apostolic Poverty Controversy, Oxford 2003, pp. 149–165. 3 Extrauagantes Iohannis XXII, Ed. Tarrant, Jacqueline (Monumenta juris canonici. Series B, Corpus collectionum 6), Città del Vaticano 1983, n. 18, pp. 236–237: Quod autem quoad res que usu consumuntur non sint censendi
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any lordship is acquired to the Roman Church on the occasion of the above mentioned ordinance [‘Exiit’], or of any other [ordinance] whatever issued especially in this matter by any of our predecessors whatever, but as far as this 4 matter is concerned let such ordinances be regarded entirely as if not made.
Therefore, John decrees that the lord pope shall henceforth not acquire lordship or ownership of any of the Franciscans’ goods, not just consumables. The bull, moreover, was one of a series produced by John XXII in the course of an increasingly bitter dispute over Apostolic Poverty and how it applied to the Franciscan Order. As the debate progressed, a group of dissidents, including Marsilius of Padua and William of Ockham, gathered in
usuarii fratres ipsi, ex sequentibus liquet satis. Dicere siquidem quod in talibus rebus usus iuris vel facti, separatus a proprietate rei seu dominio, possit constitui repugnat iuri et obviat rationi, nec predecessoris nostri predicti fuisse videtur intentio Romane ecclesie talium bonorum dominium reservare. Quis enim sane mentis credere poterit quod intentio fuerit tanti patris, unius ovi seu casei aut frusti panis et aliorum usu consumptibilium, que sepe fratribus ipsis ad consumendum e vestigio conferuntur, dominium Romane ecclesie et usum fratribus retinere? Profecto probabile non videtur, presertim cum illorum bonorum dumtaxat dominium prefate ecclesie reservarit quorum simplex usus facti pertinere potest ad fratres dicti ordinis, quod nequaquam potest in rebus usu consumptibilibus reperiri, in quibus nec ius utendi nec usus facti; separata a rei proprietate seu dominio possunt constitui vel haberi. – Et quod de talibus rebus non intellexerit evidenter ostendit, dum respondet legi dicenti non posse usufructum a dominio perpetuo separari, ne dominium dominis semper absedente usu inutile redderetur. Que quidem lex de rebus illis intelligitur quarum penes unum usus rei et penes alium dominium possit licet inutile remanere, quod nequaquam in rebus usu consumptibilibus potest esse, cum in illis per usum vel abusum usuarii substantia talis rei esse desinat et per consequens proprietas eciam inutilis non subsistat. English translation here and in what follows is that of Kilcullen, John and Scott, John, http://www.mq.edu. au/about_us/faculties_and_departments/faculty_of_arts/mhpir/politics_ and_international_relations/staff/john_kilcullen/john_xxii_ad_conditorem_ canonum/. 4 Extrauagantes Iohannis XXII (note 3), pp. 249–252: Nos itaque [...] sanximus quod in bonis que imposterum conferentur vel offerentur aut alias quomodolibet obvenire continget fratribus seu ordini supradictis [...] nullum ius seu dominium aliquod occasione ordinacionis predicte seu cuiusvis alterius a quocunque predecessorum nostrorum super hoc specialiter edite sancte Romane ecclesie acquiratur, sed quo ad hoc habeantur prorsus ordinaciones huiusmodi pro non factis.
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the protection of Louis of Bavaria and authored some of the most influen5 tial political treatises of the medieval period. So how can Pierre Roger, nearly 16 years later, argue both with ‘Ad conditorem’ that one cannot separate use and lordship for consumables, and against ‘Ad conditorem’ that the pope retains lordship of them? He knew the bull well: at the height of the controversy, Pierre himself authored a defense of ‘Quia quorundam mentes’, John’s follow-up bull that defended ‘Ad conditorem canonum’ and the theological ‘Cum inter nonnullos’ against 6 its critics. Nor did Pierre Roger’s sermon cause any evident problems for his career: 11 weeks later, he was elevated to the rank of cardinal, and four years later, he was Pope Clement VI. Yet in the Franciscan Convent of Avignon, and, according to one rubric, in the presence of the lord pope and the whole college of cardinals, he said that ‘Ad conditorem’ states that the pope retains lordship over consumables used by the Franciscan Order. To 7 paraphrase a 14th-century juristic proverb, Pierre’s gloss destroys the text. How could a theologian and prelate with impeccable credentials knowingly and publicly present such an odd, if not perverse, interpretation of 5 Nicholaus Minorita: Chronica. Documentation on Pope John XXXII, Michael of Cesena and The Poverty of Christ with Summaries in English, Eds. Gál, Gedeon and Flood, David (Franciscan Institute Publications), St. Bonaventure, NY 1996; Lambert (note 2); Nold (note 2), pp. 1–33. 6 Wood, Diana, Clement VI. The Pontificate and Ideas of an Avignon Pope (Cambridge studies in medieval life and thought. Fourth Series 13), Cambridge 1989, p. 216 signals Brussel, Bibliothèque Royale Albert Ier, 359 (11437–40), ff. 25r–67v as containing “Pierre Roger, Postill on Quia quorundam mentes”, but, to my knowledge, this text has not been studied. 7 The expression, haec est glosa Aurelianensis, quae destruit textum has first been found in the writings of Jacques de Révigny (ca. 1230–1296), a master at the University of Orleans in the Law Faculty, where Jacques Duèse obtained his legal education. Meijers, Eduard Maurits, L’université d’Orléans au XIIIe siècle, in: Etudes d’histoire du droit, Leiden 1959, v. 3, pp. 3–148, here p. 56: “Le premier auteur chez qui on le trouve cité, c’est Jacques de Révigny, professeur lui-même à Orléans. Le contexte indique nettement que pour lui la remarque est ironique. C’est probablement une allusion à un dicton proféré par un juriste italien, à Orléans, pour se débarasser d’une interprétation propre aux juristes de cette université.” For a study reconstructing such a debate between Révigny and Franciscus Accursii, see Soetermeer, Frank P. W., Recherches sur Franciscus Accursii. Ses Casus Digesti Novi et sa répétition sur la loi Cum pro eo (C. 7, 47 un.), in: Tijdschrift voor Rechtsgeschiedenis 51 (1983), pp. 3–49. The saying was certainly known to the Franciscans in the present study: Peter Auriol, in discussing John Duns Scotus’ interpretation
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John XXII’s bull, especially when Michael of Cesena, William of Ockham and others were still producing polemics accusing the papacy of heresy precisely on account of that same bull? Perhaps the answer lies in Pope John XXII’s unique relationship with theology and theologians. John XXII began his papacy by publishing the Clementine Constitutions, the acts of the Council of Vienne; these constitutions included formulations on the Beatific Vision and the soul as form of the body that impinged on some contemporary theological systems. For John XXII, the emission of the Clementine Constitutions was only the start of a new direction in papal policy; he made more extensive use of theologians than any previous pope, not only appointing them to ecclesiastical office, but also soliciting their opinions on controversies such as those over Apostolic Poverty or the Beatific Vision and placing them on commissions to evaluate doctrine. Richard Southern has characterized Avignon under John XXII as the “Eldorado of the Theologians”, and, more recently, Sylvain Piron has pointed to the tremendous number of theological works dedicated to John XXII as under8 scoring the new and abundant patronage available at the papal curia. Chris Schabel, from a purely quantitative analysis, calls the period the “Zenith of 9 Philosophical Theology”. In this new age, university theologians, after a century of arguing that their discipline provided access to the highest knowledge available in this life, and therefore was most suitable for directing Christendom, finally got a pope who agreed with them. How theologians
of a passage of Averroes on hylomorphism, exclaims: haec expositio est glosa quae destruit textum; see Duba, William, Aristotelian Traditions in Franciscan Thought. Matter and Potency according to Scotus and Auriol, in: The Origins of European Scholarship, Ed. Taifacos, Ioannis, Stuttgart 2006, pp. 147–161, here p. 160. Francis of Marchia and Gerald Odonis both knew Auriol’s commentary; Peter Auriol may have heard the expression when he taught at the convent of Bologna (ca. 1312), or even when he was at Toulouse (when Gerald Odonis was reading Canon Law in the Franciscan convent). 8 Southern, Richard W., The Changing Role of Universities in Medieval Europe, in: Historical Research 60 (1987), pp. 133–146; Piron, Sylvain, Avignon sous Jean XXII. L’Eldorado des theologiens, in: Cahiers de Fanjeaux 45 (2012), pp. 357–391. 9 Schabel, Christopher, Reshaping the Genre. Literary Trends in Philosophical Theology in the Fourteenth Century, in: Crossing Boundaries at Medieval Universities, Ed. Young, Spencer E. (Education and Society in the Middle Ages and Renaissance 36), Leiden 2011, pp. 51–84.
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understood the role of ecclesiastical authority in theology took on practical consequences. The result was an explosion of creativity and conflict. Fourteenth-century theological debate can often be acrimonious. The scholastic method required theologians not only to provide a philosophical and theological system that corresponded to revealed and natural truth, but also to defend that system against the competition; a common tactic was to accuse an adversary’s system of going against the sense of Scripture or a determination of the Church. Under John XXII, the beating of the theological bounds became institutionalized: theologians were asked to submit an opinion to the magisterium and then, later, to submit to the magisterium’s determination. Theologians on the ‘losing side’ of the debate had to choose between abandoning their previous position, denouncing the pope as a heretic, or interpreting the decision in a manner that did the least damage to their views. Two Franciscans make this dynamic evident. Like Pierre Roger, Francis of Marchia and Gerald Odonis became masters of theology in Paris in the 1320s, at the peak of John XXII’s theological activity. These two, however, ended up on different sides of the Franciscan controversy. Francis of Marchia probably lectured in the academic year 1319–1320; he next appears in 1328 in the company of Michael of Cesena, William of Ockham and 10 Bonagrazia of Bergamo accusing the pope of heresy. The pope reacted with ‘Quia vir reprobus’, and added further observations on the divine origin of property. Francis of Marchia struck back with a treatise known as the ‘Improbatio’, disputing the bull point-by-point, and calling John XXII iste insanus, insulsus, hereticus, perversor, fremens contra Apostolos, delusor,
10 The most recent biography of Francis of Marchia appears in Suarez-Nani, Tiziana and Duba, William, Introduction, in: Francisci de Marchia Reportatio IIA (Quaestiones in secundum librum Sententiarum), qq. 1–12, Eds. SuarezNani, Tiziana, Duba, William, Babey, Emmanuel and Etzkorn, Girard J. (Ancient and Medieval Philosophy series 3: Francisci de Marchia Opera philosophica et theologica II,1), Leuven 2008, here pp. xiii–xviii.
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abusor, pervertens iura humana et divina, and subversor. One might say 12 he ended up taking the route of denouncing the pope as a heretic. The other Franciscan excommunicated Francis of Marchia. Gerald Odonis first appears teaching in Toulouse in 1316, reading the decretals, and later the ‘Sentences’ of Peter Lombard; probably by 1326 he was sent to teach theology at Paris, and he was Master of Theology in 1329 when the Franciscan General Chapter at Paris duly fulfilled the pope’s wishes and named him Minister General of the Franciscan Order, replacing the deposed 13 Michael of Cesena.
I. The Clementine Constitutions Before Marchia and Odonis knew each other as polemical adversaries, they worked as university theologians trying to come to grips with new developments in the field, especially those presented by the Council of Vienne. Both have been called Scotists, and while they happened to be at Paris during the years in which Franciscan thinkers began speaking of the scola minorum based around the teachings of John Duns Scotus, both Odonis and Marchia were on the periphery of this movement, explicitly disagreeing with the Subtle Doctor on many points. Although each produced a rich body of polemics directed generally and personally against the other party, their theological methods can be more clearly discerned by looking at their systematic theology from their university days. In these works, their response to threats are less colored by acrimonious polemic and name calling. Indeed, Francis of Marchia minimizes the council’s teaching when it appears to contrast with his own, and does not even cite it when it supports 11 Schneider, Notker, Die Kosmologie des Franziskus de Marchia. Texte, Quellen, und Untersuchungen zur Naturphilosophie des 14. Jahrhunderts (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 28), Leiden 1991, pp. 21–22, n. 58; the list comes originally from Heysse, Albanus, Descriptio Codicis Bibliothecae Laurentianae Florentinae S. Crucis, Plut. 31 sin., Cod. 3, in: Archivum Franciscanum Historicum 11 (1918), pp. 251–269, here p. 254. 12 On the ‘Improbatio’, see Lambertini, Roberto, La povertà pensata. Evoluzione storica della definizione dell’identità minoritica da Bonaventura ad Ockham (Collana di storia medievale 1), Modena 2000, pp. 214–226. 13 See the biography and bibliography in Duba, William and Schabel, Chris, Introduction, in: Vivarium 47:2–3 (2009) (also published separately as ‘Gerald Odonis, Doctor Moralis and Franciscan Minister General’), pp. 147–163.
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his case. Odonis, on the other hand, appeals to the council’s decrees as decisive, presents his doctrine as clearly shaped by the wording of the conciliar statements, and argues that those constitutions are decisive expressly on the authority of the popes who authored and approved them. In addition to Odonis and Marchia, another Franciscan theologian, Peter Auriol, will make an appearance in this analysis. Although his early demise precluded participation in the controversies that marked the latter part of John XXII’s reign, Peter Auriol was perhaps the most important and original thinker to become master at Paris during the reign of John XXII; he understands the Council of Vienne as requiring him to change his views, although he refuses to alter his metaphysical system, and so he declares that one should believe the Council on faith alone. In particular, two theological statements from the Council of Vienne published in the Clementine Constitutions condemn doctrines held by theological outliers. In the first case, in condemning positions explicitly ascribed to the Beguines, the constitutions appear to require the light of glory in the beatific vision, a common position among Dominican theologians, but not generally accepted among Franciscans; as a result, Franciscan theologians had to integrate this light into their doctrine of beatitude. In the second case, the constitutions exclude the opinion of the Franciscan Peter John Olivi (without naming him) that the intellective soul is the form of the body only by means of the sensory soul. While for some Franciscans, such as Peter Auriol, this determination meant abandoning a hard-argued doctrine, for others, it allowed them to take the offensive, arguing that Thomas Aquinas and his followers went against papal determination. I. 1 lumen gloriae First, the decisions of the 1311 Council of Vienne, published in 1317, seemed to make the lumen gloriae obligatory. An article against the Beguines states as heretical “that any intellectual nature is naturally blessed in itself, and the soul does not require the light of glory to elevate it to seeing God and 14 blessedly enjoying Him.” The thrust of the position is that no intellectual nature, that is, no human soul or angel, can achieve beatitude by itself; God must do something for them to be blessed. Yet it expresses this divine 14 Corpus Iuris Canonici, editio Lipsiensis Secunda, Eds. Richter, Aemilius Ludovicus and Friedberg, Aemilius, Graz 1959, v. 2, col. 1183: Quinto, quod quaelibet intellectualis natura in se ipsa naturaliter est beata, quodque anima non indiget lumine gloriae, ipsam elevante ad Deum videndum, et eo beate fruendum.
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action as the light of glory. The expression lumen gloriae appears in Albertus Magnus and Thomas Aquinas, who explain the beatific vision in terms analogous to human vision. For them, the light of glory elevates the mind to being able to see God, at various levels of perfection, just as, in sensory vision, light makes the objects of vision visible to the eye. Franciscans did not see beatitude in this way. John Duns Scotus, who died three years before the Council of Vienne, denies the lumen gloriae when he does not just ignore it. One of his more detailed explorations of the theme occurs in distinction 49 of his (Parisian) ‘Reportatio’ on book IV of Peter Lombard’s ‘Sentences’. Asking the question “Whether man can achieve beatitude from purely natural powers” (Utrum homo ex puris naturalibus posset consequi beatitudinem), Scotus argues, first, that human nature is naturally receptive of beatitude, but, second, that it is not suffi15 ciently active to achieve unaided the beatific vision. The first claim, that human nature can by itself receive beatitude, excludes any doctrine requiring a perfecting habit. If that were the case, Scotus observes, then the habit, an accident, would be truly blessed, and the soul, 16 the substance, would only be blessed in an accidental sense. The second claim, that human nature is not sufficiently active to achieve the beatific vision, is based on Scotus’ doctrine of intellectual action, which attributes causality jointly to the object and the faculty. Since the divine essence is not 17 naturally present to the intellect, the human intellect cannot see it. These conclusions lead Scotus to a corollary concerning the supernatural component to beatitude: if such a component should exist prior to the 15 Ioannes Duns Scotus, Reportatio in IV Sententiarum, in: Ioannis Duns Scoti Doctoris Subtilis, Ordinis Minorum, Opera Omnia, Ed. Vivès, Ludovicus, Paris 1894, vol. 24, d. 49, q. 3, p. 673: Respondeo igitur ad quaestionem, duas conclusiones declarando. Prima est quod natura humana in ipsis naturalibus est immediate susceptiva beatitudinis. Secunda, quod natura humana in ipsis naturalibus non est sufficienter activa ad visionem beatam. Ex quibus sequitur propositum quod homo ex puris naturalibus non potest consequi beatitudinem. 16 Ibid.: Dicetur quod habitus requiritur ut perfectius perficiatur beatitudine. Unde habitus requiritur tunc propter perfectionem beatitudinis. —Contra: tunc sequitur quod anima humana secundum quid perficitur beatitudine, sed habitus simpliciter; et tunc habitus videret Deum et charitas diligeret Deum, et anima humana nonnisi per accidens et secundum quid, sicut superficies est per se colorata et primo, substantia tamen nonnisi per accidens mediante superficie. 17 Ibid.: Secundo dico quod natura humana non est sufficienter activa ad consequendum actum visionis ex puris naturalibus, quia impossibile est quod intellectus sit causa cognitionis visivae, nisi intellectus habeat obiectum in se vel
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operations of the blessed soul, it should exist for the sake of the blessed 18 operations and not to make them receptive of beatitude. The mind naturally has three actions: the memory makes the object present to the intellect, the intellect receives the understanding, and the will wills or nills what is understood. Scotus continues: But if for this reason there are posited three supernatural forms that precede the [beatific] operation, then three supernatural forms would be posited prior to operation: one corresponding to the object, which is called the intelligible species in memory; the second on the part of the intellect, which is called supernatural light; the third on the part of the will, which is charity [love]. But if the beatific object present in itself suffices to cause the action of vision, insofar as it is required on the part of the will, then a species is not required. But if the intellect is purely passive, related to the action of vision in the sense of being receptive of it, then no form on the part of the intellect is required for reception, as was shown above, and then the light of glory is not required. If also the will is merely a passive potency with respect to enjoyment [fruitio], then on the part of the will charity is not required. Thus those who posit that the will is merely passive with respect to the action of enjoyment destroy charity, since on the part of the will no form is required to receive enjoyment, because the will in itself is most disposed to receive it. But according to faith and Holy Scripture we must posit charity, since it is at least necessary to posit charity in the blessed for the sake of bringing about the operation. Yet, it does not seem to me necessary to suppose a light of glory other than the beatific vision; for the brighter an object is [quanto ... est magis lux], that much less does it require a light [lumen], nor is light required for the
in aliquo in quo obiectum eminentius continetur; sed natura humana ex se non habet essentiam divinam in se praesentem sibi in ratione obiecti, nec in aliquo in quo eminentius continetur, quia in nullo alio potest eminentius contineri; igitur ex se non sufficit ad habendum visionem essentiae divinae. 18 Scotus (note 15), p. 674: Ex hoc sequitur corollarium, quod si in beato aliquid erit supernaturale prius operationibus, illud non erit propter receptionem, sed propter actionem, ut eliciatur operatio in beato, qua attingat Deum. Non enim poni potest aliqua forma in beato solum ad decorem et pulchritudinem, et quod non ordinatur ad operationem, et per consequens, cum nihil requiratur in beato propter receptionem beatitudinis, ut ostensum est, sequitur quod si sit aliqua forma supernaturalis et spiritualis in anima beati prius operatione quod illa requiritur ex parte obiecti, aut ex parte potentiae, et cum potentia concurrens ad operationem in beato sit intellectus et voluntas, potest propter utramque talis forma requiri vel poni.
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sake of reception, as was said. Therefore, it appears to me less necessary to posit light than species, because species, if it is posited, can be posited so that there be perfect memory of intelligibility. Therefore I hold that it is at least necessary to posit charity for the sake of eliciting the operation, and consequently the blessed will with charity can bring about some operation that it cannot bring 19 about so intensely alone.
Scotus details three possible supernatural forms: the species, the light of glory, and charity, corresponding to the faculties of memory, intellect, and will. Only charity is necessary for beatitude; the other two are not required, and the light of glory is the least required. In the version known as ‘Reportatio IVA’, Scotus is just as clear: of the three supernatural components, the least necessary one is the light of glory; for the object, the divine essence, is 20 brighter than any lumen. Similarly, in his ‘Collationes’, Scotus rejects the 19 Scotus (note 15): Si autem propter haec tria ponantur formae supernaturales praecedentes operationem, tunc ponentur tres formae supernaturales priores operatione, una correspondens obiecto, quae dicitur species intelligibili (intelligendi cod.) in memoria; secunda ex parte intellectus, quae dicitur lumen supernaturale; tertia ex parte voluntatis, quae est charitas. Si autem obiectum beatificum in se praesens sufficit ad actionem visionis causandum, quantum requiritur ex parte obiecti, tunc non requiritur species. Si autem intellectus sit mere passivus, se habens ad actum visionis solum in ratione receptivi, tunc propter receptionem non requiritur aliqua forma ex parte intellectus, ut supra ostensum est, et tunc lumen gloriae non requiritur. Si etiam voluntas sit mere potentia passiva respectu fruitionis, tunc ex parte voluntatis non requiritur charitas. Unde ponentes voluntatem passivam mere respectu actus fruitionis tollunt charitatem, cum ex parte voluntatis non requiritur aliqua forma ad recipiendum fruitionem, quia ipsa secundum se est summe disposita ad recipiendum eam. —Sed quia secundum fidem et sacram scripturam habemus ponere charitatem, cum saltem necesse sit in beato ponere charitatem propter operationem eliciendam, lumen autem gloriae aliud a visione beata non videtur mihi necesse ponere; quanto enim obiectum est magis lux, tanto propter ipsum minus requiritur de lumine, nec requiritur propter receptionem, ut dictum est. Unde minus videtur mihi necesse ponere lumen quam speciem, quia species, si ponatur, habet poni ut si memoria perfecta intelligibilitatis. Teneo ergo quod saltem necesse est ponere charitatem propter operationem eliciendam, et per consequens aliquam operationem potest voluntas beata cum charitate elicere quam non potest ex se ita intensam. Et sic patet ad formam quaestionis quod nullam operationem beatitudinis potest homo habere ex puris naturalibus. 20 Ioannes Duns Scotus, Reportatio IVA, Oxford, Merton College, 63, f. 101r–v: Ex hiis sequitur corrolarium: quod nihil prius est operationibus in beatitudine
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light of glory on the grounds that it would only be needed to make up for some imperfection of the intellect, and as such, God could correct the defect 21 directly just as easily as by means of a created light. The Clementine Constitutions seem to require the light of glory, and for Franciscans working after Scotus, this requirement meant either adjusting vel aliquid est prius et non propter actionem secundum diversas opiniones. Quia si oportet ponere aliqua supernaturalia priora, aut ponentur tria, aut duo, aut unum, quia si ponatur aliquid prius ut obiecto competit actio et ut potentiae competit actio, tunc tres formae praecedunt beatitudinem, scilicet species intellegibilis in memoria beati, correspondens obiecto et speciei in via, lumen gloriae in intellectu, lumini correspondens naturali intellectus agentis in via, et caritas in voluntate, ut primum activum principium supernaturale. Et sic istae tres formae sunt primae. Si autem non ponitur aliquid actum praeter obiectum, quia ipsum est praesens sufficienter, tunc non oportet ponere speciem intelligibilem. Si ponitur quod intellectus tantum se habet ibi passive ita quod nulla actio sibi correspondet, tunc non oportet ponere lumen gloriae. Si cum hoc ponitur voluntas tantum passiva, nunc nullum horum oportet ponere praevium. Sed credo quod caritas necessario requiritur, quia numquam excidit per Apostolum. Sed non video necessitatem luminis gloriae, immo magis credo quod species sit magis ponenda ibi propter memoriam perfectam quam lumen gloriae. —Dicis quare ponitur lumen corporale ad visionem. —Dico quod propter medium illuminandum; sed ibi nullum est illuminandum, quia ibi obiectum est lux. Ideo non videtur maior necessitas quare debeat poni lumen gloriae ad videndum solem. Unde cum obiectum sit clarius quam lumen, nullum aliud requiritur. 21 Ioannes Duns Scotus, Collationes oxonienses et parisienses, in: Opera Omnia, Ed. Vivès, v. 5, coll. 11 (Utrum ad hoc, quod intellectus noster videat Deum in praesentia, requiratur lumen infusum), pp. 188–189: Contra, quod non requiratur illud lumen ad disponendum intellectum ad recipiendum, probatio: quia quando aliquae pefectiones sunt ordinatae, illud quod secundum se, et immediate est receptivum infimae perfectionis, est etiam receptivum perfectionis supremae illius ordinis immediate; sed in ordine actuum intelligendi, actus intelligendi in patria est supremus et perfectissimus; cum igitur intellectus sine medio disponente sit receptivus actus infimi, erit et similiter receptivus actus intelligendi in patria sine medio disponente. —Nec etiam videtur, quod illud lumen acquiratur ad disponendum intellectum in agendo, quia illud lumem erit totale principium aut partiale. Non totale, quia facit unum per accidens cum intellectu, et sic intellectus diceretur activus per illud, quod facit unum per accidens cum eo, et erit formale principium intellectui ad agendum, quod est sibi accidentale, et sic non plus dicetur, quod intellectus intelligit in patria, quam quod lignum calefaciat, quod verum est per accidens, quia per calorem, qui sibi accidit. —Nec est etiam principium partiale respectu actus intelligendi
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the meaning of lumen gloriae to refer to something other than a supernatural component of the intellectual faculty, or integrating such a component in the manner that does the least damage. Francis of Marchia opts for the first solution; Gerald Odonis roundly criticizes him for doing so, and instead argues the necessity of the second solution. Lecturing at Paris shortly after the promulgation of the Clementine Constitutions, Francis of Marchia considers the relevant constitution in a question on the beatific vision, but as an afterthought. After responding to the principal questions, in the very last paragraph Francis asks: But what about the light of glory? I say that I posit ‘light’ not only as ‘light’ extends to a species distinct from the act [of understanding], but to the act itself. For that very act can be called ‘light’ and the notion of light is more suited to that act than it is to a species, because everything that has the characteristic of making something manifest can be called ‘light’; but the act [of understanding] has to the highest degree the characteristic of making something manifest. Thus if ‘light’ is taken in this broad sense, namely for the act itself, I say that it is necessary to posit light in the blessed vision. And I understand that Clementine 22 in this way.
Francis prefers to solve the problem by claiming that the light of glory is simply the act of understanding the divine intellect. He recognizes, however, that this broad sense may be a little too broad, and so he continues: But if ‘light’ is taken in a strict sense, for a species distinct from the act, or for some distinct first actuality, then I say that de possibili it is not necessary to sup-
in patria, quia tunc requireretur propter imperfectionem activitatis intellectus; igitur si fieret intellectus perfectior a Deo, et majoris activitatis, ille sine tali lumine immediate posset videre essentiam Dei. For further discussion of this passage, see Duba, William, The Beatific Vision in the Sentences Commentary of Gerald Odonis, in: Vivarium 47 (2009), pp. 348–363, here pp. 355–357. 22 Franciscus de Marchia, In III Sententiarum, q. 13, Ed. Duba, William, Francesco di Marchia sulla conoscenza intuitiva mediata e immediata (III Sent. q. 13), in: Picenum seraphicum, n.s., 22–23 (2003–2004), pp. 121–157, here pp. 156–157: Sed quid de lumine gloriae? Dico quod ego pono ‘lumen’ non solum prout ‘lumen’ se extendit ad speciem ab actu distinctam, sed ad ipsum actum. Nam et ipse actus potest dici ‘lumen’ et magis sibi convenit ratio luminis quam speciei, quia omne quod habet rationem manifestativam potest dici ‘lumen’; actus autem habet maxime rationem manifestativam; ideo, etc. Unde si ‘lumen’ accipiatur isto modo large, scilicet pro ipso actu, dico quod est necessario ponendum lumen in illa visione beata. Et sic intelligo illam Clementinam.
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William Duba pose that God is unable to show His essence without such a light, although de 23 facto it is supposed or can be supposed.
The two options presented correspond to what in Scotus’ treatment are called the species (the representation of the object) and the lumen gloriae, here presented as a faculty (first actuality) for seeing God. Francis would agree with Scotus that these components are not strictly necessary for beatitude; they are not, however, incompossible. So if someone were to require him to use lumen gloriae in the strict sense, then he could say that de facto there is such a light; God does have the power to reveal His essence without such a light, but He never does. In brief, Francis of Marchia tries to neutralize the constitution, reducing the requirement to a tautology (the act of intellection of the divine essence is the light of glory, and therefore one cannot understand God without it), or a non-necessary mediating species or faculty: de facto we see God in this light, but de possibili, concerning what is logically possible, God could reveal His essence without such a light. After all, de facto, the soul may need the Light 24 of Glory, but de possibili, God could take the place of such a light directly. Gerald Odonis rejects this understanding in his own ‘Sentences’ commentary, implicitly responding to the question, “whether beatitude is a habitual disposition”: The first conclusion is that a habitual disposition pertains to the essence of beatitude, and I do not take ‘beatitude’ in the sense of merely the beatific operation, but also in the sense that includes the state of beatitude and all things that are required for beatitude [...] The first conclusion is determined in Extra, ‘De haereticis’, in the Clementine constitutions, where it recites six errors, of which the fifth is ‘to say that man can be beatified from purely natural grounds, with23 Franciscus de Marchia (note 22), p. 157: Si autem accipiatur stricte, pro specie distincta ab actu vel pro aliquo actu primo distincto, sic dico quod de possibili non est necessario ponendum quin Deus possit ostendere suam essentiam sine tali lumine, licet de facto ponatur vel possit poni. 24 Francis’ statements on this matter reflect his extensive use of the distinction between determination de inesse and de possibili, where a state of affairs can be determined (and foreknown) de inesse, without affecting its determination. See Schabel, Chris, Il determinismo di Francesco di Marchia, in: Picenum seraphicum 18 (1999), pp. 57–95 and 19 (2000), pp. 15–68; Duba, William, The Ontological Repercussions of Francis of Marchia’s Distinction between Determination de possibili and de inesse, in: Contingenza e libertà. Teorie francescane del primo Trecento, Atti del Convegno internazionale, Macerata, 12–13 dicembre 2008, Eds. Alliney, Guido, Fedeli, Marina and Pertosa, Alessandro, Macerata 2012, pp. 177–201.
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out the light of glory – error.’ And this light is a certain habit for seeing God and for blessedly enjoying Him. Therefore, a habit or a habitual disposition pertains 25 to the essence of beatitude.
Odonis employs an expanded definition of beatitude, one that includes not only the action, but the necessary habits surrounding it; he interprets the light of glory to be a habit for seeing and enjoying God, which he then, on the authority of the Clementines, insists is necessary for beatitude. Odonis’ summary of the Clementine makes a significant change. Whereas the constitution declares heretical the doctrine that “any intellectual nature in itself is naturally blessed, and that the soul does not require the light of glory to elevate it to seeing God and to blessedly enjoying Him”, Odonis cites it as “man can be beatified without the light of glory.” Odonis’ summary reads the non indiget lumine gloriae of the constitution as possit beatificari sine lumine gloriae. The notion of requirement expressed by indiget admits of ambiguity; to use a contemporary example, both physical existence and a valid train ticket are required for train travel, but one is required in absolute, the other according to the established laws. By using possit instead, Odonis’ summary eliminates this ambiguity, insisting it means logical possibility, and thereby making the constitution stronger than it actually is. His criticism of Francis of Marchia’s position reveals the impact: the required doctrine, namely that a soul needs the light of glory (indiget lumine gloriae), makes only a de facto statement, and says nothing about whether it is logically possible to be blessed without it; on the other hand, Odonis’ summary implies that it is simply not possible to be blessed without the light of glory. On this ground, he immediately takes Marchia to task: “The error against which the decretal inveighs purely states de possibili, asserting that man is able to be beatified purely by nature; therefore, according to the
25 Geraldus Odonis, In IV Sententiarum, d. 49, qq. 4–7, Tarragona, Bibloteca Pública, Ms. 57, f. 86vb: Prima est quod habitualis dispositio est de essentia beatitudinis, nec accipio hic beatitudinem praecise pro operatione beatifica, sed etiam pro statu et omnibus requisitis ad beatitudinem. Secunda conclusio quod actualis intellectio seu visio est de essentia beatitudinis. Tertia quod dilectio, quarta quod delectatio sint de essentia beatitudinis. —Prima conclusio est determinata, Extra, ‘De haereticis’ in Clementinis, ubi recitat sex errores, quorum quintus est ‘dicere quod homo ex puris naturalibus possit beatificari sine lumine gloriae, error.’ Et istud lumen est quidam habitus ad videndum Deum et beate fruendum. Ergo habitus sive habitualis dispositio est de essentia beatitudinis.
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decretal, the opposite of this, namely that it is impossible that man be beati26 fied purely by nature, is reckoned to be true.” Although he formulates the constitution in a way that makes his interpretation necessary, and not merely possible, Gerald Odonis defends an opinion that follows the actual wording of the constitution more closely. For the constitution says that the light of glory is needed both for seeing and enjoying God, videndum et fruendum, that is, not only for the act of understanding (with which light is usually associated), but also the act of willing. Gerald maintains that the light of glory is in fact made up of two 27 habits: one of the will and one of the intellect. The habit of the will is the light of glory causally, and that of the intellect is the light formally. I say that those two habits are called a single light because of their mutual order, since the habit of the intellect depends on the habit of the will, and so the habit of the will is causally light and the habit of the intellect is formally light. Proof: just as moral virtue is related to prudence in this life [in via], so the habit of the will is related to the habit of the intellect in the afterlife [in patria]; but moral virtue is related to prudence as its cause, because a prudential habit is caused by experiences corresponding to the acts of the will; therefore, in the afterlife, the habit of the will is related to the habit of the intellect as its cause, and thus it follows that it is impossible for the habit of the light of glory to exist without the habit of the will. The major premise is clear, because, just as prudence is a habit by which it is impossible for someone to be good in this life and which comes about by moral virtue, so it is impossible for someone to be blessed in the afterlife without the intellective habit, which principally comes about by the 28 habit of the will.
Just as virtuous acts of the will create the habit of prudence in the intellect, so the beatific act of willing causes the light of glory in the intellect. Odonis’ 26 Geraldus Odonis (note 25): Dicitur hic a quodam quod decretalis de facto et non de possibili intelligitur, et ita beatitudo potest haberi sine habituali dispositione. Contra: error contra quem invehit decretalis non enunciat nisi de possibili, asserens quod homo ex naturalibus potest beatificari. Ergo, secundum decretalem opposita istius, videlicet quod impossibile est hominem ex puris naturalibus beatificari, reputatur vera. 27 Ibid., f. 88rb: Primo dico quod huiusmodi habitus sunt duo, videlicet habitus intellectus et habitus voluntatis. Quod probo: quelibet potentia habens operationem beatificam exigit dispositionem beatificam, sicut patet ex superioribus declaratis; sed duae sunt huiusmodi potentiae, videlicet intellectus et voluntas; ergo duae sunt dispositiones sive habitus. 28 Ibid.: Secundo dico quod illi duo habitus non dicuntur nisi unum lumen propter ordinem quem habent adinvicem, quia habitus intellectus dependet ab habitu
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light of glory is not caused by God, but by the will. Nor is it for the sake of illuminating its object, rather it is the habit of holding (tentio) onto God as an object, which has the effect of making the person with the habit good, 29 and consequently making good all that person’s acts. In relation to Scotus’ position, Gerald’s doctrine makes two significant changes. First, by addressing beatitude in an expanded sense to include the habits necessary for bringing about the beatific operation, he explains how a habit of the will (for Scotus, charity; for Odonis, at least in this passage, voluntatis, et ita habitus voluntatis est causaliter lumen et habitus intellectus formaliter. Probatio: sicut se habet virtus moralis ad prudentiam in via, ita se habet habitus voluntatis ad habitum intellectus in patria; sed virtus moralis sic se habet ad prudentiam quod est causa eius, quia habitus prudentialis causatur ex experientiis convenientibus actibus voluntatis; ergo sic se habebit habitus voluntatis ad habitum intellectus in patria quod erit causa eius, et sic sequitur quod habitus luminis gloriae impossibile est esse sine habitu voluntatis. Maior patet, quia, sicut prudentia est habitus sine quo impossibile est aliquem esse bonum in via quod fit per virtutem moralem, sic impossibile est sine habitu intellectivo aliquem esse beatum in patria quod est principaliter per habitum voluntatis. 29 Geraldus Odonis (note 25), f. 88rb–va: Tertio dicendum est de effectu talis habitus, et dico quod effectum communem habet hic et in patria, quia primo hominem bonum reddit; secundo vero reddit omne opus eius bonum, sed quomodo differunt in patria hic potest accipi a Dyonisio, c. 7 ‘De caelestia hierarchia’, ubi dicit quod dictus habitus habet unum effectum, qui est tenere, et iste est duplex, scilicet tenere seipsum et tenere Deum. De modo tenendi se sunt quattuor vocabula. Dicit enim quod habitus talis erit quod secundum illum homo vel angelus (de quo ibi loquitur) tenet se in conversione, in eiectione, in intentione, in contemplatione in Deum incessabiliter, inflexibiliter, irremissibiliter et indeclinabiliter. Et ista videntur synomina: incessabiliter, quia non cessant, inflexibiliter, quia numquam ad aliud convertuntur, irremissibiliter, quia in fervore non tepescunt, indeclinabiliter, quia ad aliud desiderabile numquid declinant, et ideo tale lumen dicitur convenienter tentio. Earlier, Gerald specified that tentio is one of the dowries of the soul, in a somewhat corrupt passage, f. 87ra: Et ex istis infero correlarium quod tentio, que dicitur una dos animae, est de essentia beatitudinis, quae nihil aliud est quam habitus per quem Deus habitat in homine inamissabiliter, per quem determinamur ad bene operandum et includit potestatem memorialem quoad intellectionem et voluntatem nos(] non cod.) beatifice operemur Et per hoc respondet ad argumentum primae quaestionis quod ‘esse de essentia beatitudinis’ potest intelligi dupliciter, vel quia est de quidditate beatitudinis, vel quia est de necessitate beatitudinis. Unde dico quod iste habitus non est de quidditate sed de necessitate.
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the light of glory in the causal sense) can be part of beatitude, and he focuses on how exactly this habit of the will is necessary for beatitude. Second, whereas Scotus only sees a habit of the will as necessary, Odonis argues that both a habit of the will and a habit of the intellect are necessary, and he calls both the ‘light of glory’. Outside of being formally a habit of the intellect, Odonis’ light of glory has little to do with what Scotus and the Dominicans inspired by Thomas Aquinas’ thought it was: Odonis’ light of glory does not make God visible to the mind; rather it is a habit for seeing, indeed two habits. Unlike Scotus’ habits, however, Odonis’ light of glory is necessary “for seeing and enjoying God”; that is, it corresponds precisely to the Clementine Constitution, which for Odonis determines the issue at the outset. The constitution is decisive and Odonis stretches Franciscan doctrine of beatitude to account for it. In this first case, therefore, John Duns Scotus does not see a need for the light of glory: for him, beatitude consists primarily in an action, and only a habit of the will, caritas, is necessary for this action to come about. The publication of the Clementine Constitutions presents Francis of Marchia with a theologically inconvenient article: that the souls need the light of glory in order to see and to enjoy God. Francis prefers a solution that makes the required doctrine an empty tautology – the light of glory is the beatific vision itself –, but offers a second answer, namely, that de facto, the vision occurs with the light of glory, although de possibili, it does not need it. Gerald Odonis attacks this second solution, based on a reading of the article that is different from the text that has come down to us. He himself defends an interpretation where the light of glory is, as implied by the constitution, a habit of the will and a habit of the intellect; the former causes the latter, and the latter depends on the former. I. 2 anima forma corporis In the second case, the soul as the form of the body, the Council of Vienne condemned the view that the soul is not per se and essentially the form of the body. Medieval theologians generally subscribe to the Aristotelian doctrine that there are three types of souls of living beings: vegetative souls, which have the basic functions of nutrition and generation, sensory souls, which include sensation and movement, and intellective or rational souls, which involve thinking and willing. At least some of these souls serve as substantial form, combining with matter to form an individual composite. Disagreements arose, however, over how these souls fit together: do higherorder souls contain the functions of lower-order souls, or do they combine to make complex unities? Many of the answers to these questions depend
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on how a thinker explains the relationship between matter, form and the resulting substance. But the consequences for Christian doctrine should not be overlooked: those who emphasized, like Thomas Aquinas, the simple unity of intellective soul with matter could place emphasis on the Incarnation, while those who, like Scotus, argued that a human being was the unity of the intellective soul as substantial form to the body as proximate matter (itself a matter-form composite) could have a simpler time explaining the 30 Eucharist, where the body of Christ persists without His human intellect. The Council of Vienne targeted the late-thirteenth-century Franciscan Peter John Olivi and his followers for holding a position that, the Council judged, threatened the Incarnation. The issue was of the relationship between the intellective soul, which Latin theologians universally considered to be directly created by God and to be everlasting, and the body, which is produced and which dies. The challenge involved bridging the gap between an Aristotelian corruptible soul and a Christian immortal rational soul. Peter John Olivi held that the intellective soul informed the body only mediately, through the sensory soul. The Council of Vienne countered that one must hold that the intellective soul is per se and essentially the form of the body. Although targeted at a small number of Franciscan theologians, the constitution set up another boundary post and a powerful authoritative argument. In particular, the constitution in question reads: Moreover, with the approval of the said Council, we reject as erroneous and contrary to the truth of the Catholic Faith every doctrine or position rashly asserting that the substance of the rational or intellectual soul is not truly and per se the form of the human body, or casting doubt on this matter. In order that all may know the truth of faith in its purity and that the path leading to error may be blocked off to all, so that they do not sneak into it, we define that anyone who presumes henceforth to assert, defend, or hold stubbornly that the rational
30 The discussion that follows draws upon material developed in Duba, William, The Souls after Vienne: Franciscan Theologians’ Views on the Plurality of Forms and the Plurality of Souls, ca. 1315–1330, in: Psychology and the Other Disciplines. A Case of Cross-Disciplinary Interaction (1250–1270), Eds. Bakker, Paul J.J.M., de Boer, Sander W., and Leijenhorst, Cees (History of Science and Medicine Library 33, Medieval and Early Modern Science 19), Leiden 2012, pp. 171–272.
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William Duba or intellectual soul is not the form of the human body per se and essentially is 31 to be considered a heretic.
As the Council of Vienne was underway, the Franciscan lector at the convent of Bologna, Peter Auriol, developed in his ‘Tractatus de principiis physicis’ (ca. 1312) a theory of matter and form that he touted as in line with both the Christian faith and the teaching of Aristotle and Averroes. It required, however, that the human soul be understood as a substantial form of a fundamentally different type than other forms. While all other substances were simple compounds of a substantial form and prime matter, such that matter and form were two principles of the same thing, Auriol argued that the intellective soul was different from other forms, because A) it is created by God, B) it is fundamentally distinct from the body it informs, since the 32 two can exist apart, and C) it gives life to the body. On October 25, 1317, when John XXII approved the Clementine Constitutions, Peter Auriol was lecturing on book II of Peter Lombard’s ‘Sentences’ in Paris. When Peter arrived at the Lombard’s distinction 16, on the human soul, he asked two questions: “Whether it can be demonstrated that the rational and intellective soul is the form of the body,” and “Whether the intellective soul is united to the body as a form univocally with others, in the way other forms are united to matter, and whether one 33 must say this catholically and according to the truth of faith.” He replied: 31 Corpus Iuris Canonici (note 14), v. 2, cols. 1133–4: Porro doctrinam omnem seu positionem temere asserentem, aut vertentem in dubium, quod substantia animae rationalis seu intellectivae vere ac per se humani corporis non sit forma, velut erroneam ac veritati catholicae inimicam fidei, praedicto sacro approbante Concilio reprobamus; definientes, ut cunctis nota sit fidei sincerae veritas ac praecludatur universis erroribus aditus, ne subintrent, quod quisquis deinceps asserere, defendere, seu tenere pertinaciter praesumpserit, quod anima rationalis seu intellectiva non sit forma corporis humani per se et essentialiter, tamquam haereticus sit censendus. 32 Duba (note 30), pp. 197–201; Duba, William, The Legacy of the Bologna studium in Peter Auriol’s Hylomorphism, in: Philosophy and Theology in the Studia of the Religious Orders and at Papal and Royal Courts, Eds. Emery, Jr., Kent, Courtenay, William J., and Metzger, Stephen M. (Rencontres de Philosophie Médiévale 15), Turnhout 2012, pp. 277–302. 33 Petrus Aureolus, In II Sententiarum, d. 16, Ed. Romae 1605 (=X), p. 218a; Firenze, Biblioteca Nazionale Centrale, Cod. Conv. Soppr. A.3.120 (=Fb), ff. 80vb–81ra: In ista distinctione XVI postquam Magister in superioribus egit de natura pure spirituali et pure corporali, agit nunc de natura composita et substantia corporali et spirituali, ostendens qualiter creatus est homo, quia ad
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(A) while all the philosophers hold that the intellective soul is the form of 34 man, none believe that it can be demonstrated that the intellective soul is 35 directly the form of the body. (B) It is not required to believe to be able to demonstrate that the soul is the form of the body in the way that a shape 36 is the form of wax; indeed one cannot even use religious authority, since many catholic doctors hold that it is not the form of the body in the same 37 way as other material forms. (C) Purely because of the Council of Vienne,
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Dei imaginem. Et ad evidentiam istius distinctionis (quaestionis codd.) circa fundamentum imaginis in homine, quod est anima rationalis sive intellectiva, quaero duas quaestiones. Prima est utrum possit probari demonstrative quod anima intellectiva est forma corporis, et secundo utrum secundum veritatem fidei oportet tenere quod anima sit forma corporis univoce sicut aliae formae sunt forma suae materiae. Petrus Aureolus (note 33), q. 1, X 218b, Fb 81ra: Prima propositio est quod, accipiendo formam in tota sui communitate, potest demonstrari quod anima est forma corporis, et istam nunquam aliquis philosophus negavit. Ibid., X 219b, Fb 81rb: Secunda propositio est quod, licet possit demonstrari quod anima est forma, et pars nostra, ac pertinens ad nos, et altera pars essentialis in nobis, quae cum parte alia integret esse nostrum, tamen quod anima habeat habitudinem ad aliam partem eo modo quo habent aliae formae naturales habitudinem ad materiam, in hoc quod sunt pura formatio et continuatio materiae, et complementum ipsius compositi, ut sic corpus trahatur ad esse corpus in actu per illam, hoc est, quod per illam capiat primam perfectionem, qua est corpus, et non tantum extremas et secundas perfectiones. Hoc non est adhuc demonstratum, nec per Aristotelem nec per Commentatorem nec per aliquem Peripateticum. Ibid., q. 2, X 223b, Fb 83ra: Secundo pono propositiones duas. Prima est quod non est de veritate et sinceritate fidei credere posse demonstrari quod anima ita sit perfectio corporis, sicut figura est forma cerae. Ideo est mirabile quod dicunt quidam quod necesse est quod possit demonstrari, ita quod animam esse sic formam corporis, non est tantum creditum et per fidem habitum, sed tanquam aliquid evidenter demonstrabile. Ibid., X 223b–224a, Fb 83rb: Addo autem huic conclusioni quod non solum non est demonstrabile fideli, sed quod nec potest usquequaque convinci auctoritatibus Sanctorum quod anima sic sit forma corporis, quod non sit nisi pura actuatio materiae, sicut sunt formae aliae, cum multi sancti videantur expresse dicere quod anima est hoc aliquid, et forma subsistens, et natura per se divisa a corpore, sicut natura a natura.
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we should hold that the rational soul is the form of the body just like other 38 material forms. In effect, Peter Auriol abandoned his earlier position, but kept the argumentation. Although the Council of Vienne’s determination goes against all the philosophers and the majority of the catholic doctors, and cannot be demonstrated, one should heed the Council’s authority and argue that the rational soul is a material form just like other forms. Yet Auriol represents the Council’s determination as significantly different from what the constitution reads. The constitution requires that the rational soul be per se and essentially the form of the body. Yet, Auriol introduces the constitution as the initial argument contra, and he introduces it as requiring the univocity of substantial forms: On the other hand, there is the decretal newly established in the holy Council of Vienne, where it is said that the soul is the form of the body univocally, just
38 Petrus Aureolus (note 33), q. 3, X 229b, Fb 86va: Haec sunt quae videntur posse teneri de anima respectu corporis philosophice et catholice, sed quid loquendo conformiter ad praedicta in questione praecedenti? —Dicendum quod ratio illa de communicabilitate formae ita concludit de anima sicut formis aliis, tum quia non videtur quod vita sit aliquid derelictum ab anima in corpore, sed magis videtur esse anima ipsa formaliter – non enim homo vivit formaliter per qualitatem aliquam, sed per propriam formam; actus enim primus videtur esse a propria forma formaliter –; tum quia verba illius decretalis videntur hoc habere et communis schola magistrorum. Ideo dimittenda videtur in hoc philosophorum sententia, pro quanto videtur a sacro concilio discordare. —Secunda vero ratio de compositi unitate ita concludere videtur de anima sicut de formis aliis, et hoc quia durum videtur et absonum quod homo non sit ita una et simplex natura sicut ignis, cum unitas sit perfectio simpliciter convertibilis cum ente; omnis autem perfectio simpliciter convertibilis cum ente videtur modo perfectiori reperiri in perfectiori ente, licet secus sit de perfectionibus non convertibilibus cum ente. Ideo tenendum est ut prius quaestione praecedenti. —De eo vero quod dicitur quod eo ipso quo creatur, concluditur oppositum. Respondeo: ratio illa de creatione tantummodo probat quod anima est perfectio corporis aequivoce cum formis aliis, quantum ad extrinsecas condiciones, puta inextensionem et huiusmodi; ex hoc enim quod inextensa est, est talis perfectio quod non potest attingi ab agente naturali physico quod agit modo extenso et quantitative et materiali, sed solum attingitur ab agente supernaturali et hoc est ipsam creari sicut de caritate que creatur in anima; nec tamen negandum est quin ipsa sit pura actuatio et perfectio ipsius materiae.
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as other forms or souls are, and that decretal is set out in Extra, ‘De summa 39 Trinitate et fide catholica’.
Auriol says that the Council requires that the soul be a form in the same way as all other forms. How does he get from ‘per se and essentially’ to ‘in the same way’? In fact, while Auriol argued in his earlier work, the ‘Tractatus de principiis physicis’, that the intellective soul gives life to the body, he also argued that the life of the body was the vegetative and sensory soul. In effect, he said that the intellective soul makes the sensory soul, and the 40 sensory soul is per se and essentially the form of the body. Auriol originally argued a position that fell under the condemnation; on this basis he withdrew the position. With his position eliminated, and with his continued conviction that matter can only be pure potency, he is left with the opinion of Thomas Aquinas, that the intellective soul is the only form of human beings, and that, with prime matter, it constitutes the body. For Auriol substantial form and matter constitute a material substance in such a way that form and matter are merely different ways of considering the same thing; matter cannot exist independently of form, and material forms do not occur without matter. For humans, Auriol had argued that the sensory soul was this material form, and above it, the immaterial and immortal intellective soul gave it life. The intellective soul is a form of a different type from other forms in that its information occurs mediately. The Council of Vienne then requires the intellective soul to be a material form immediately; this effectively eliminates Auriol’s special type of form. Rather than change what it is to be a substantial form, Auriol pugnaciously argues that philosophy and patristics are on his side, but yields to the Council,
39 Petrus Aureolus (note 33), q. 2, X 223b, Fb 83ra: Quantum ad secundam quaestionem arguo primo quod secundum fidei veritatem et sanctorum testimonia non oportet dicere quod anima sit forma corporis univoce cum aliis, sic: quia in symbolo Athanasii dicit quod, sicut ex anima et corpore fit unus homo, ita Deus et homo est unus Christus; igitur cum divinitas et humanitas in Christo neutrum insit alteri per modum formae, sequitur quod anima et corpus in homine sic se habebunt quod neutrum inhaerit alteri ut forma informans; igitur anima non est univoce forma corporis cum aliis formis informantibus suas materias. —In oppositum est decretalis nova condita in sacro concilio Viennensi, ubi dicitur quod anima est forma corporis univoce sicut formae aliae sive animae aliae, et ponitur illa decretalis Extra, ‘De summa Trinitate et fide catholica’. 40 Duba (note 30), p. 201.
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construing the determination as a requirement that the human soul has to be the same kind of form as all others. Most Franciscan contemporaries of Auriol, however, held that matter has entity apart from form, and therefore human beings can be multi-layered composites. Individual Franciscan thinkers formulated vastly divergent theories of how humans were constituted by a plurality of forms. These views divide roughly into two groups. First, many Franciscans argue for a ‘nested’ series of composites, where a single form unites with proximate matter, which itself can be a form-matter compound. This approach usually results in a ‘dimorphic’ theory, such as those associated with John Duns Scotus, Landulphus Caracciolo, Francis of Marchia and Gerald Odonis: the intellective soul, as substantial form, unites with the body as proximate matter, and the body itself is a composite of a “form of corporeity” (forma corporeitatis) and matter. The other group of Franciscans, including Hugh of Novocastro and Francis of Meyronnes, supported the simultaneous presence of multiple substantial forms, namely, the different types of soul, and 41 even the forms of distinct organs in human beings. Practically all Franciscans after Auriol attacked his views, and the reaction was immediate, starting with the bachelor who read the ‘Sentences’ 42 the academic year following Auriol, Landulph Caracciolo. Landulph not only criticizes Auriol, he uses against Auriol every single doctrinal point 43 of the Constitution ‘De summa Trinitate et fide catholica’. Where Auriol had argued that the truth of faith was not demonstrable by reason or even 41 Duba (note 30), pp. 245–246. 42 Schabel, Christopher, The Commentary on the Sentences by Landulphus Caracciolus, OFM, in: Bulletin de Philosophie Médiévale 51 (2009), pp. 145–219. 43 In addition to the clause on the soul as form of the body, below, Landulph invokes in book IV, d. 11 the statement that Christ was already dead when the Centurion opened his side, cf. Duba (note 30), pp. 209–212; the final clause of ‘De summa Trinitate’, affirming the efficacy of infant baptism appears in Landulph’s commentary after he expounds Peter Auriol’s thesis that there is no reason to suppose that the moral virtues are infused as well as acquired, see Landulphus Caracciolus, In II Sententiarum, d. 28, q. 1, Ed. Venezia, s.d. (=V), f. IIIra–rb; Milano, Biblioteca Ambrosiana, H. 218. inf. (=M), f. 84rb; Padova, Biblioteca Antoniana, Ms. 157 (=P), f. 106vb): Secunda conclusio: pono quid sentio sub quatuor propositionibus. Prima, quod parvulis et adultis in baptismo de facto dantur virtutes morales infusae. Probatio, quia ecclesia hoc determinat, Extra, ‘De summa Trinitate et fide catholica’, in libro septimo, ubi dominus papa dicit quod in baptismo quoad habitus infunduntur gratia et virtutes. Nec potest intelligi per ‘virtutes’ fides et spes, ergo intelligendae sunt infundi virtutes morales.
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by appeal to Church authorities, Landulph maintains that the truth of faith must be demonstrable by reason. Therefore, since “It must be held without qualification that the intellective soul is the most true form of the body” on the basis of the Clementine, it must be demonstrable. Echoing Auriol’s words (in conclusion B, above), that believing that one can demonstrate the soul to be the form of the body does not pertain to the truth of faith, Landulph states: The ability to demonstrate that the soul is the most proper form of the body pertains to the truth of faith. Proof: it pertains to the truth of faith to be able to demonstrate that man is not a purely sensory animal; but to do so necessarily requires that intellect be the proper form of man; therefore, etc. The major premise is clear, because our faith would be very weak if it were held to be unable to convince by reason he who were to deny that Christ had any intellectual nature of his own, saying instead that He were a single sensory animal, and likewise saying that all those who worship God and practice the Catholic Faith 44 were sensory animals.
Landulph Caracciolo presents further arguments for the ability to demonstrate that the intellective soul is the form of the body, and they all have the same structure: this is a truth of faith; if truths of faith cannot be demonstrated, but truths of reason can, then faith is weak; but the Catholic Faith that Landulph professes is strong, therefore, its truths must be demonstra45 ble. For Caracciolo, the declarations of the Council of Vienne are not only true, by the very fact of being truths of faith, they must be demonstrably true. In addition to refuting Peter Auriol, other Franciscan theologians also attack the general Dominican consensus, that human beings consist of a 44 Landulphus Caracciolus, In II Sententiarum, d. 16, pars 2, q. 2, V iiIIIIrb, F 222ra, Milan 72vbis: Tertio conclusio: teneo oppositum, dicendo duas propositiones oppositas. Prima: de veritate fidei est posse demonstrari animam esse proprissimam corporis formam. Probatio: de veritate fidei est posse demonstrare quod homo non sit purum animal sensitivum; sed hoc necessario requirit intellectum esse propriam formam hominis; ergo etc. Maior patet, quia multa esset infirma fides nostra, si teneretur non posse convinci per rationem illum qui negaret Christum habere aliquid intellectualitatis propriae, sed diceret eum fuisse unum animal sensitivum, et similiter dicentem omnes cultores Dei et catholicae fidei sunt animalia sensitiva. Minor patet, quia, si intellectus non esset forma corporis, sed uniretur sibi solum in actu intelligendi, sequeretur quod quando Christus dormiebat, vel fideles dormiunt, si non habuissent actum visionis essentiae divinae clare, solum fuissent animalia sensitiva. Et ulterius, quamvis in operari essent animalia intellectiva, non tamen in esse. 45 Duba (note 30), pp. 208–209.
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compound of a substantial form and prime matter (single-form theory). Francis of Marchia criticizes this view because, first, bodies have spatial extension, while no soul – vegetative, sensory or intellective – on his understanding has such extension; second, neither prime matter nor intellective soul is capable of corruption, but some parts of human beings decay. He concludes by making an observation about the term ‘body’: Therefore, it so appears from the aforesaid that this opinion [i.e., soul-in-primematter] is contrary to reason, contrary to sense, contrary to Scripture, and even contrary to the Philosopher. For the Philosopher, defining the soul in ‘De anima’ II, says that it is the “actuality of a naturally organized body [having life in potency]”. I then ask: the body that occurs in the definition of the soul, of what is it constituted? Not by the intellective soul, because then the same thing would be defined by itself; therefore by some other substantial form, which is 46 my point.
But if all that is needed to argue against single-form theory is an authoritative statement speaking of body and soul as parts of a human being, a Pope would seem to trump Aristotle, yet Marchia, while being fully aware of the constitution, does not mention it in this context. Gerald Odonis, on the other hand, does. In his ‘Sentences’ commentaries, he supports the conclusion that “in man there are two substantial forms”, by providing arguments against the opposite, namely “in man there is no other substantial form than the rational soul.” For body and soul are referred to as separate parts of human beings, and therefore must have distinct forms. This he proves “by seven testimonies, namely of two 47 supreme pontiffs, two bishops, two priests and Our Lord Jesus Christ.” 46 Franciscus de Marchia, Francisci de Marchia Reportatio IIA (Quaestiones in secundum librum Sententiarum), qq. 28–49, Eds. Suarez-Nani, Tiziana, Duba, William, Carron, Delphine, and Etzkorn, Girard J. (Ancient and Medieval Philosophy series 3: Francisci de Marchia Opera philosophica et theologica II,3), Leuven 2012, q. 38, p. 124: Sic ergo patet ex praedictis quod ista opinio est contra rationem, contra sensum, contra Scripturam, et etiam contra Philosophum. Philosophus enim, II ‘De anima’, definiens animam, dicit quod est ‘actus corporis organici physici’. Quaero tunc: corpus quod in definitione animae ponitur, per quid constituitur? Non per animam intellectivam, quia tunc idem definiretur per se ipsum; ergo per aliquam aliam substantialem formam, quod est propositum. 47 Geraldus Odonis, In II Sententiarum, d. 18, in: Appendix, Eds. Friedman, Russell L. and Schabel, Chris, in: Duba (note 30), pp. 250–272, here p. 252: Item, tunc corpus non poneret in numerum cum anima, nec econverso corpus et anima essent duae partes hominis, quia corpus includeret essentialiter animam
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The two popes are Clement V, who held the Council of Vienne, and determined that one must hold the intellective soul to be the form of the body, and John XXII who approved it in publishing the Clementine Constitutions. Far from supporting Thomas, the declaration the soul must be the form of the human body shows, on Gerald’s reading, that Aquinas has to be wrong: humans are composed of body and soul, not prime matter and soul, and there must therefore be a multiplicity of forms. Gerald uses this decree against Thomas. Gerald also warns his fellow Franciscans, stating that those who argue not just for multiple substantial forms, but also for multiple souls (such as Francis of Meyronnes and Hugh of Novocastro) risk 48 heresy as well for going against Pope Clement’s determination. On the soul as form of the body, therefore, Peter Auriol reads the Clementine Constitution as invalidating the position he previously defended, but rather than make explicit just how it goes against his opinion, he presents the constitution as requiring, not that the intellective soul be per se and essentially the form of the body, but rather that the intellective soul be a form rationalem. Antecedens probatur per septem testimonia, scilicet duorum summorum pontificum, duorum episcoporum, duorum presbyterorum, et domini nostri Ihesu Christi. Et primo induco testimonium summorum pontificum, scilicet domini Clementis papae quinti, qui in concilio Viennensi determinavit duas esse partes hominis, corpus scilicet et animam rationalem, et omnem asserentem oppositum haereticum asseruit esse censendum. Et ponitur Extra, ‘De summa trinitate et fide catholica’, decretalium, capitulo ‘Fidei Catholicae’: ‘Aperte cum sancta matre Ecclesia confitemur [...] tamquam haereticus sit censendus.’ —Item, habetur per Iohannem papam XXII, qui decretalem factam per dominum Clementem approbavit et canonizavit, secundum quod determinatum fuerat in concilio Viennensi. 48 Geraldus Odonis (note 47), p. 268: Secundo arguo sic ad principale: si anima intellectiva et sensitiva essent duae animae in homine, vel anima intellectiva per se informaret corpus vel mediante sensitiva. Utrumque istorum modorum est impossibile. Ergo et illud. Primus quidem modus non est possibilis, quia tunc virtus animae intellectivae esset organica, quia omnis virtus operativa quae est perfectio materiae est cooperativa illi materiae, sicut superficies est visibilis, quia eius perfectio, scilicet color, est visibilis. Sed anima intellectiva, ut divisa contra sensitivam, non est quo corporis, quia non habet organum. Ergo etc. Nec secundus modus est possibilis, quia tunc intellectiva non esset per essentiam forma corporis, sed per sensitivam, sensitiva autem per essentiam, quod est haeresis, ut habetur Extra, ‘De summa trinitate’, capitulo ‘Fidei catholicae’: ‘Qui deinceps asserere, defendere, seu tenere pertinaciter praesumpserit quod anima rationalis seu intellectiva non sit forma corporis humani per se et essentialiter tamquam haereticus sit censendus.’
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just like every other form, namely the part of a simple composite. Francis of Marchia cites many authorities against his opponents, but the Clementines are not among them; this practice stands in contrast with his contemporaries at the Franciscan convent, such as Landulph Caracciolo. For Gerald Odonis, who like many other Franciscans holds that the intellective soul is not a form just like every other form, the constitution – or rather Popes John and Clement require the opposite, that the intellective soul constitute, with the body, a complex unity. These two cases make clear that contemporary theologians routinely exercised wide latitude in interpreting the Clementine Constitutions; their job, after all, was to defend a coherent theological and philosophical system, one that was capable of absorbing any new magisterial decrees. Yet they had different means of handling these new declarations. Peter Auriol conceded the point on the human soul he once contested, but published all his arguments against it anyway. His summary distorts the constitution to reflect his unstated assumptions, and he does not hide his belief that philosophy and theology both argue for the opposite view. Francis of Marchia replies to the requirement of having the beatific vision occur in the light of glory by equating vision and light; failing that, he argues that the light may be there, but it does not need to be, perhaps building off of Scotus’ argument that the light is not required. Like that, he attempts to negate the theological content of the constitution that appears to go against his view. Francis is also silent when a constitution of the Council of Vienne could be used in support of his thesis; in fact, Marchia only cites the Clementine constitutions once, and then in a paragraph tacked on to the end of a question. For Marchia, the principal authorities are reason, sense, Scripture, and even the Philosopher. Thus discussing the soul as form of the body, he ignores the Clementines and uses Aristotle as the supreme authority, effectively minimizing the authority of constitutions in his doctrine. By contrast, Gerald Odonis uses the Clementine Constitutions as a weapon. On the light of glory, he shoots down Francis of Marchia by appealing to the literal sense of the text, a literal sense that differs from the one that we have: the light of glory is required in the sense of being necessary. Odonis’ own view is related to that of John Duns Scotus, who holds that the habit of charity, a habit of the will, is required for beatitude, and not the light of glory, a habit of the intellect. Beatitude, Odonis argues, requires a habit of the will, and this habit is causally the light of glory, that is, it causes the light of glory, which itself is a habit of the intellect. His solution serves the letter of the constitution, which says that the light of glory is for both seeing (intellect) and enjoying (will) God, and yet maintains a
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specific Franciscan flavor. Gerald also turns the constitution’s statement that the soul be the form of the body against both the opinio communis based on Thomas Aquinas, and the opinion of some of his fellow Franciscans. For Odonis, the constitution’s authority resides in the popes who authored and published it. Papal authority decides doctrine.
II. The Legacy of John XXII’s Constitutions The later careers of these three men reflect their relation to papal authority. Peter Auriol became the first of many Parisian masters of theology promoted directly by papal bull, in 1318. He became Archbishop of Aix-en-Provence shortly before his death, probably at the papal curia in Avignon, in early 1322. Francis of Marchia finally rebelled against John XXII. When he fled Avignon, in the company of the Franciscan Minister General, the pope appointed Bertrand de la Tour, former mentor of Peter Auriol and one who, as Patrick Nold has shown, collaborated with John XXII on the poverty 49 decrees, to administer the order until a replacement could be named. This replacement was Gerald Odonis, who joined the polemic against the rebel Franciscans, railing against Francis of Marchia as a doctor indoctus. As his use of authority implies, Odonis tried to accommodate the lord Pope’s view, even in theological controversy. When, in the final years of his pontificate, John XXII tried to defend as a valid opinion the doctrine that the souls of the saints do not enjoy the beatific vision until after the Last Judgment, Odonis stretched his own teaching of beatitude to explain this papal position as well, claiming that, before the resurrection, the separate souls saw God via species, and afterwards saw Him directly; in so doing, he borrowed an idea from the 50 very position of Francis of Marchia that he had so roundly condemned. Papal pronouncements of this period often exacerbated disputes among the theologians, rather than resolved them, and John XXII died at the peak of theological controversy in Avignon. Benedict XII’s first major undertaking as pope was to end that controversy, which the Constitution ‘Benedictus Deus’ effectively did. After that, Benedict focused his efforts on reforming the religious orders; the bull for the Franciscans, ‘Redemptor Noster’, issued in 1336 and citing the collaboration of, among others, Gerald Odonis and eight Franciscan provincial ministers, is notable for what it does not contain. While Benedict’s bulls for the Cistercians, Benedictines and Austin Canons 49 Nold (note 2), pp. 144–177. 50 Duba (note 21), pp. 215–217.
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all have extensive discussions of ownership, he is completely silent on the matter for the Franciscans; moreover, while ‘Redemptor Noster’ cites the Clementine Constitutions and John’s 1317 bulls, the bulls from the Apos51 tolic Poverty controversy are not mentioned once. Already in the 1331 Chapter General meeting at Perpignan, the Franciscans issued statues that made no mention of the affair; the 1337 Franciscan Chapter General 52 meeting in Cahors continued this practice. Under John XXII, the Apostolic Poverty constitutions were omnipresent in papal determinations and in the acts of the Franciscan Order; once Benedict XII comes to power, not only do mentions of the constitutions disappear, but so do official statements on Franciscan Poverty as a whole. Nevertheless, when Pierre Roger took the pulpit in the Franciscan convent the year after the Cahors general chapter meeting, the memories of the controversy under John XXII were still fresh. A few months prior, Michael of Cesena had accused Benedict XII of heresy for numerous abuses, first among which was not repealing ‘Ad conditorem’ for asserting as heret53 ical the idea that use and ownership cannot be separated in consumables. 51 Bullarum diplomatum et privilegiorum sanctorum romanorum pontificum, Ed. Tomassetti, Aloysius, Tours 1859, v. 4: Benedictus XII, ‘Fulgens sicut stella’ (12 July 1335), pp. 330–345 (Cistercians); ‘Summi magistri’ (20 June 1336), pp. 348–387 (Benedictines); ‘Redemptor noster’ (28 November 1336), pp. 391–415 (Franciscans); ‘Ad decorem ecclesiae’ (15 May 1339), pp. 424–456 (Austin Canons). Bihl, Michael, Constitutiones generales editae in capitulis generalibus Caturci anno 1337 et Lugduni anno 1351 celebratis, in: Archivum Franciscanum Historicum 30 (1937), pp. 69–169, here pp. 85–96, shows the strong textual connections between ‘Redemptor noster’ and the bulls for the other orders. On p. 96, he remarks: Bulla nullibi tangit paupertatem professam et specificam Ordinis Minorum mendicitatem, speciales Fratrum Minorum ad pecuniam relationes, constitutionem ipsam Ordinis, qualitates recipiendorum, studia primitivarum iuvenibus colenda, although, as Bihl observes, Benedict does discuss similar issues in the reforming bulls concerning the other orders. 52 Bihl (note 51), p. 81: Paupertas de qua tunc adhuc acres controversiae disputabantur, nullibi in [statutis] Per[pinianensibus] enuntiatur; de Decretalibus Iohannis XXII annorum 1322–24 altum servatur silentium, quamquam capitulares Lugdunenses 1325, sub Caesenate, se eis expresse submiserunt. Omnia alia Statuta viribus evacuata declarantur (I, 8, 278). The statutes in question have recently been edited, see Constitutiones Generales Ordinis Fratrum Minorum II (Saeculum XIV/1), Eds. Cenci, Cesare and Mailleux, Romain Georges (Analecta Franciscana 17), Grottaferrata 2010. 53 Michael de Caesena, Appellatio contra Benedictum XII (23 August 1338), in: Nicholaus Minorita: Chronica (note 5), pp. 1100–1122, here p. 1102:
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At the sermon itself, the pope and Gerald Odonis were probably in attendance. Pierre Roger preaches that ‘Ad conditorem’ holds that for some things, use and ownership cannot be separated, and so his statement is orthodox. But when he says that the pope has the ownership, he goes against the disposition of the bull. Could he be referring to a hidden premise that the practice was merely abolished de iure? In the next line, Pierre Roger immediately implies that this practice follows the letter over the spirit: “But of those who follow this poverty, not merely in word, but also in deed and in spirit, is said, in Isaiah 60: ‘Who are these who fly as clouds and as doves
Contra autem fidem et doctrinam evangelicam et apostolicam ac sanctae universalis Ecclesiae, pseudo papa Ioannes XXII, cupiditate rerum et honorum temporalium excaecatus, de facto fecit et publice promulgavit quattuor statuta, immo verius destituta, quorum primum incipit ‘Ad conditorem canonum’, secundum ‘Cum inter nonnullos’, tertium ‘Quia quorundam’, quartum ‘Quia vir reprobus’. In quibus statutis, si sic dici possunt, pertinaciter adserit, dogmatizat sive docet infra scriptos errores haereticales, fidei catholicae, quam sancta Romana Ecclesia tenet et docet, apertius repugnantes: —Primus error, qui in dictis statutis, et praecipue ‘Ad conditorem’ et ‘Quia vir reprobus’ continetur et dogmatizatur, talis est, videlicet quod in rebus usu consumptibilibus usus iuris vel facti separatus a rei proprietate seu dominio non potest constitui vel haberi.; p. 1112: Imitantur autem eundem dominum Ioannem omnes et singuli qui sunt ex parte ipsius eumque et haereses ac errores eius, quas et quos docuit et tenuit, defendunt, palliunt et excusant. Quorum omnium caput pestilens atque mortiferum est pseudopapa, nomine Benedictus XII, qui ipsius Ioannis errores et haereses multipliciter defendit, excusat et palliat, nutrit et fovet eisque nihilominus alios proprios accumulat atque multiplicat, prout notorium est et adeo manifestum quod nulla potest tergiversatione negari, et per infra scripta etiam ostenditur et probatur. —Et primo ex eo quod certum est et manifestum ac notorium, et constat per legitima documenta, quod ipse Benedictus super quattuor statuta haereticalia, in quibus praedictae et specificatae superius haereses contra Christi et apostolorum eius perfectionem et paupertatem atque evangelicam veritatem dogmatizantur, approbavit et mandavit ab omnibus observari, et multos ex illis qui dicta haereticalia statuta impugnabant de facto induxit et coegit ad abnegandum et abiurandum ea quae contra ipsa statuta dixerant, et gravis poenis eos punivit sive puniri mandavit. Me, insuper, fratrem Michaelem de Caesena, generalem ministrum Ordinis Fratrum Minorum et fratres sequentes me, qui pro defensione fidei catholicae ac veritatis evangelicae contra praefata statuta et haereses dogmatizatas in eis appellavimus solemnitur et in scriptis, in dictis et scriptis suis mendaciter appellat haereticos nosque velut haereticos prosequitur quantum potest.
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to their windows?’”. Whatever the case, Pierre Roger’s strategic distortion was hardly unusual for his university cohort; at the same time, it shows his particular skill in maintaining the theological line while subverting the consequences. Like Auriol, Pierre Roger acknowledges the theological point, and then presents a state of affairs to the contrary. Like Odonis, he tries to make that state of affairs correspond to the papal pronouncement. When he became pope Clement VI in 1342, Pierre Roger ‘promoted’ Gerald Odonis to one of the highest-ranked unendowed posts in the Church: Patriarch of Antioch, and furnished him with the proceeds of the bishopric of Catania. In late 1347, Clement sent Gerald to Sicily to visit his bishopric. Gerald Odonis died there of the Plague in 1348, and was buried 55 in an unmarked grave in the cathedral church. Francis of Marchia was captured during Benedict’s reign, probably in 1340. Brought before the Inquisition, he replied to a series of charges, largely that he had called the pope a heretic and had challenged the legitimacy of Gerald Odonis as minister general. Roberto Lambertini and Eva Wittneben have shown that Francis was conciliatory on matters regarding the pope’s authority, but remained unwavering in his hostility to Odonis. His strategy was not successful. In the Papal Palace of Avignon, on December 1, 1343, Francis of Marchia went before Clement VI, Fortanerius Vassalli, Gerald Odonis’ replacement as Minister General of the Franciscan Order, and a collection of ecclesiastical dignitaries. He promised that “he would hold and observe whatever the Roman pontiff with the college of lord cardinals have established or will establish in the future”, and produced a written statement, first acknowledging the authority of the pope in general, and then stating: I, brother Francis of Ascoli of the Order of Friars Minor, acknowledging the true catholic and Apostolic See, confess that I firmly believe and hold that faith that the Holy Roman Church, which is mother and mistress of all the faithful, held and taught and holds and teaches, and that the most holy father in Christ, Lord Pope Clement VI, with the holy college of cardinals, holds and teaches, and I especially believe and hold, since Holy Scripture also asserts this in many places, that our Saviour and Lord, Jesus Christ and His Apostles had some things, and that it is erroneous and heretical to pertinaciously assert that Christ and His Apostles had nothing proper to them or in common, and, that Christ and his Apostles in those things that they used, had the right of using 54 Pierre Roger, ‘Benyamin adolescentulus’ (note 1), f. 547va: Sed de servantibus istam paupertatem non solum verbo sed etiam facto et animo dicitur Isa. 60[:8]. Qui sunt isti qui ut nubes volant et quasi columbae ad fenestras suas? 55 Duba and Schabel (note 13), pp. 150–151.
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and of doing those things that Holy Scripture attests that they did, and that the use cannot be just without any right of using, and that, in the aforesaid, Lord Pope John XXII of happy memory had correctly and catholically decreed in his constitution that begins ‘Cum inter nonnullos’, which I hold is catholic, and I profess that, just as he states in that constitution of his, it would be erroneous and heretical to hold the contrary after the decretal and its publication. And I am sorry and I repent that I ever wrote, said or did anything against that constitution, and especially of the excessive words that I, believing to defend with zeal my order, wrote, said or did against the aforesaid Lord John, and I seek pardon, grace and mercy for the aforesaid. And I confess that said Lord John was a true and catholic pope for the whole time that he was at the command of the universal Church, and that he lived and died catholically as a true and faithful Christian. And I submit this, my short confession and annotation of faith, to the correction, emendation and addition of the same most holy father and our 56 Lord Pope Clement VI.
No evidence on the fate of Francis of Marchia after 1344 has been found. John XXII made a new and aggressive use of the magisterium, and employed theologians throughout the curia. His activity charged the 56 Absolutio et confessio fratris Francisci de Esculo de ordine Minorum, Eds. Wittneben, Eva Luise, and Lambertini, Roberto, Un teologo francescano alle strette II. A proposito della tradizione manoscritta della Confessio di Francesco d’Ascoli, in: Picenum seraphicum 19 (2000), pp. 135–149, here pp. 147–149: Ego frater Franciscus de Esculo ordinis Minorum cognoscens veram catholicam et apostolicam Sedem fateor me illam fidem firmiter credere et tenere, quam sacrosancta Romana ecclesia, que mater est omnium fidelium et magistra, tenuit et docuit, tenet et docet et quam sanctissimus in Christo pater dominus Clemens papa VI cum sacro collegio cardinalium tenet et docet, et precipue credo et teneo, cum etiam scriptura sacra in plerisque locis hoc asserat, redemptorem nostrum et dominum nostrum Ihesum Christum eiusque apostolos nonnulla habuisse et quod asserere pertinaciter quod Christus et apostoli nichil habuerint in proprio vel communi est erroneum et hereticum et quod Christus et eius apostoli habuerunt in rebus quibus usi sunt ius utendi et faciendi ea, que scriptura sacra testatur eos fecisse, et quod usus non possit esse iustus absque omni iure utendi et quod in premissis felicis recordationis dominus Johannes papa XXII recte et catholice diffiniverit in constitutione sua, que incipit Cum inter nonnullos, quam reputo catholicam, et contrarium tenere post decretalem et eius publicationem pertinaciter ore et corde profiteor, prout in dicta constitutione sua declaravit, erroneum et hereticum fore. Et doleo et me penitet quod unquam aliquid scripserim, dixerim vel fecerim contra ipsam, et specialiter de verbis excessivis credens zelare pro ordine meo adversus prefatum dominum Johannem scripsi, dixi vel feci et peto veniam, gratiam et misericordiam de premissis. Et confiteor dictum dominum Johannem toto
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intellectual atmosphere, both at the Papal Court and in the universities, and raised the stakes of the debate. The obvious consequence of this environment was that, in decisions short of consensus, theologians on the losing side of heavily invested issues might declare the pope heretical. The less evident result was that seemingly univocal acts directed at fringe groups, such as the Beguines or the followers of Olivi, could be weaponized in the increasingly partisan debates of the University of Paris. John XXII’s successors, Benedict XII and Clement VI, were both trained theologians, and, while they were appealed to many times to determine matters of doctrine, they were understandably much more reluctant to heed such appeals.
tempore, quo regimini universalis ecclesie prefuit, verum et catholicum papam fuisse et ipsum catholice et ut verum et fidelem Christianum vixisse et obiisse. Et hanc mee fidei brevem confessionem et annotationem subpono correctioni et emendationi ac suppletioni eiusdem sanctissimi patris et domini nostri pape Clementis pape VI.
Marsilius von Padua als politische Herausforderung für Johannes XXII. Frank Godthardt (Berlin)
I. Einleitung Der letzte große Konflikt zwischen Kaisertum und Papsttum beschäftigte Geschichtsschreiber in allen nachfolgenden Jahrhunderten. Seit dem 19. Jahrhundert, seit dem sechsten Band von Ferdinand Gregoro1 vius’ ‘Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter’ aus dem Jahr 1867, fragen Historiker nach der politisch-theoretischen Dimension dieses Konflikts und beziehen neben den Protagonisten, Papst Johannes XXII. und Kaiser Ludwig den Bayern, vor allem auch einen Ratgeber des Kaisers in ihre Darstellung mit ein, den Pariser Universitätsgelehrten und Politiktheoretiker Marsilius von Padua. Bald nach dem Beginn dieses Konflikts, der sich an dem von Papst Johannes XXII. beanspruchten und von König Ludwig zurückgewiesenen Recht auf Approbation der deutschen Königswahl entzündete, vollendete Marsilius 1324 in Paris sein politisches Hauptwerk, 2 den ‘Defensor pacis’. Marsilius attackierte darin vehement Johannes XXII. 1
Gregorovius, Ferdinand, Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter. Vom V. bis zum XVI. Jahrhundert, 6. Bd., Stuttgart 1867, zu benutzen nach der 3. Aufl. von 1878, die den besten Anmerkungsapparat enthält. 2 Marsilius von Padua, Defensor Pacis, hg. v. Scholz, Richard, 2 Teile (MGH Fontes iuris Germanici antiqui in usum scholarum seperatim editi, Bd. 7,1–2), Hannover 1932/33; Marsilius von Padua, Der Verteidiger des Friedens (Defensor Pacis). [Lateinisch-deutsch]. Auf Grund der Übersetzung von Kunzmann, Walter, bearb. und eingeleitet von Kusch, Horst, 2 Bde. (Leipziger Übersetzungen und Abhandlungen zum Mittelalter, Reihe A, Bd. 2, Teil 1–2), Berlin 1958. Eine deutsche Neuübersetzung ist wünschenswert. Für den englischen Sprachraum wurde nach der verdienstvollen, aber von den neueren Forschungsergebnissen ebenfalls teilweise überholten Übersetzung Marsilius of Padua, The Defender of Peace, Bd. 2: Marsilius of Padua, The Defensor pacis, translated with an introduction by Gewirth, Alan (Records of Civilization, Sources and Studies, Bd. 46,2), New York 1956, die den Aufschwung der
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(gleichwohl ohne je dessen Namen zu nennen) und forderte König Ludwig, dem er sein Werk widmete, zum Handeln gegen diesen Papst auf: [...] aus dem Trieb zur Verbreitung der Wahrheit, aus glühender Liebe zu Vaterland und Brüdern, aus Mitleid mit den Unterdrückten und zu deren Schutz, aus dem Wunsche, die Unterdrücker und die, die das erlauben, von dem Abwege des Irrtums zurückzurufen, die jedoch, die dem entgegentreten sollen und können, anzufeuern, habe ich im folgenden die Hauptergebnisse meines Nachdenkens niedergeschrieben; ganz besonders auch im Blick auf Dich, der Du als Diener Gottes diesem Werk endgültige Erfüllung geben wirst, die, so wünscht es, ihm 3 von außen zuteilwerden soll, hochberühmter Ludwig, Römischer Kaiser.
In seinem umfangreichen Traktat richtete sich Marsilius gegen die papalistischen Lehren der Zeit und versuchte dabei einerseits die theoretischen Grundlagen dieser Ansprüche zu widerlegen und andererseits die Legitimation einer autonomen weltlichen Herrschaft zu stärken. Er entwickelte
internationale Marsiliusforschung begründete, jüngst eine neue Übersetzung angefertigt, Marsilius of Padua, The Defender of the Peace, hg. und übersetzt v. Brett, Annabel S. (Cambridge Texts in the History of Political Thought), Cambridge 2005. 3 Defensor pacis, hg. v. Scholz (Anm. 2), I, 1, § 6, S. 7, Z. 22–S. 8, Z. 5 [...] propalande veritatis amorem, patrie ac fratrum caritatis fervorem, oppressorum siquidem misericordiam et reservacionem, opprimencium vero ab erroris devio revocacionem, eaque permittencium, hiis tamen obviare debencium atque potencium excitacionem; in te quoque respiciens singulariter, tamquam Dei ministrum huis operi finem daturum, quem extrinsecus optat inesse, inclitissime Ludovice Romanorum imperator. Übersetzung nach Kunzmann (Anm. 2), S. 23/25. Zur Diskussion über den Kaisertitel, den Marsilius Ludwig allein an dieser Stelle beilegt, vgl. zuletzt Miethke, Jürgen, Politiktheorie im Mittelalter. Von Thomas von Aquin bis Wilhelm von Ockham, durchgesehene und korrigierte Studienausgabe (zuvor erschienen unter dem Titel: De potestate papae. Die päpstliche Amtskompetenz im Widerstreit der politischen Theorie von Thomas von Aquin bis Wilhelm von Ockham [Spätmittelalter und Reformation, Neue Reihe, Bd. 16], Tübingen 2000), Tübingen 2008, S. 221f. Die Widmungsadresse ist in allen Handschriften so überliefert. Vgl. auch Defensor pacis, hg. v. Scholz (Anm. 2), II, 24, § 17, S. 465, Z. 26–S. 466, Z. 25. Dagegen für den französischen König als ursprünglichen Adressaten plädiert Courtenay, William J., University Masters and Political Power. The Parisian Years of Marsilius of Padua, in: Politische Reflexion in der Welt des späten Mittelalters/Political Thought in the Age of Scholasticism. Essays in Honour of Miethke, Jürgen, hg. v. Kaufhold, Martin (Studies in Medieval and Traditions 103), Leiden/Boston 2004, S. 209–223, hier S. 222f.
Marsilius von Padua als politische Herausforderung für Johannes XXII.
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eine Theorie von gegenüber der kirchlichen Hierarchie souveränen politi4 schen Gemeinschaften. In diesem Beitrag geht es um die beiden Fragen: Welchen politischen Herausforderungen durch Marsilius von Padua musste Johannes XXII. sich stellen und wie reagierte er auf sie? Zum einen wurde der Papst auf der theoretischen Ebene herausgefordert: durch ein Buch, das ein Universitätsgelehrter, der den modernen, aristotelischen Diskurs beherrschte und ebenso die theologischen Argumente kannte, verfasste und bald auch propagierte. Der Angriff auf das papalistische theoretische Instrumentarium der Zeit war weitreichend und so tiefgehend, dass auch während der Reformation und der Aufklärung zu manchen Fragen nichts Wirkungsvolleres mehr formuliert wurde. Der Text, der heute, nach bald 700 Jahren, als „Klassiker des 5 politischen Denkens“ gilt, stellte zur Zeit seiner Entstehung eine Erschütterung des politischen Denkens dar. Zum anderen wurde Johannes XXII. auch auf der Ebene der praktischen Politik herausgefordert. Der Höhepunkt der Auseinandersetzung zwischen Ludwig dem Bayern und Johannes XXII. bildete der Romaufenthalt Ludwigs im Jahr 1328. Hier war es Ludwig, der seinen Gegner durch politische Handlungen attackierte, deren eigentliche Sprengkraft nicht in dem mehr oder minder wirkungsvollen politischen Erfolg zu sehen ist, sondern vielmehr in den zu Grunde gelegten politischen Auffassungen, die in ihnen zum Ausdruck kamen und die denen des Papstes kaum deutlicher entgegengesetzt sein konnten. Dies ist vor allem an drei politischen Ereignissen zu sehen: erstens der Kaiserkrönung Ludwigs des Bayern, die gegen den Willen und ohne Beteiligung des Papstes durchgeführt wurde, zweitens Ludwigs Absetzungserklärung gegen Johannes XXII., die Marsilius als legitime Handlung eines Kaisers begründete, und drittens der Wahl und Erhebung des Gegenpapstes Nikolaus V., an deren Vorbereitung und Durchführung Marsilius im Auftrag des Kaisers persönlich beteiligt gewesen war.
4 Godthardt, Frank, Marsilius von Padua und der Romzug Ludwigs des Bayern. Politische Theorie und politisches Handeln (Nova mediaevalia 6), Göttingen 2011, S. 109f. 5 Rausch, Heinz, Marsilius von Padua, in: Klassiker des politischen Denkens, Bd. 1: Von Plato bis Hobbes, hg. v. Maier, Hans, Rausch, Heinz und Denzer, Horst, 6. überarb. und erw. Aufl., München 1986, S. 150–164; Lüddecke, Dirk, Marsilius von Padua, in: Klassiker des politischen Denkens, Bd. 1: Von Plato bis Thomas Hobbes, hg. v. Maier, Hans, und Denzer, Horst, 3. völlig überarb. Ausg. der 6. geb. Aufl. von 1986, München 2007, S. 107–118.
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II. Die politischen Ansprüche Papst Johannes’ XXII. gegenüber dem römisch-deutschen Reich Die theoretisch-konzeptionellen Grundlagen der politischen Ambitionen Papst Johannes’ XXII. gegenüber dem römisch-deutschen Reich bestanden vor allem aus zwei bereits seit längerem formulierten papalen Rechtsansprüchen. Zum einen brachte Johannes XXII. den Anspruch auf das Reichsvikariat, die Ausübung der richterlichen und herrscherlichen Gewalt im imperium durch den Papst (praktisch vor allem in Reichsitalien) während 6 einer Vakanz des römisch-deutschen Throns, zur Geltung. Zum anderen handelte er mit folgenreicher und unnachgiebiger Konsequenz gemäß dem päpstlichen Anspruch, die Königswahl im römisch-deutschen Reich prüfen zu dürfen, um sowohl die Wahl und als auch die Person des Gewählten schließlich in einem eigenen Rechtsakt entweder zu approbieren oder 7 zurückzuweisen. Johannes XXII. hat unter den Umständen der durch die deutsche Doppelwahl von 1314 verursachten Lage im Reich die kurialen Auffassungen theoretisch verschärft und mit Entschlossenheit unter8 nommen, sie praktisch durchzusetzen.
6 Baethgen, Friedrich, Der Anspruch des Papsttums auf das Reichsvikariat. Untersuchungen zur Theorie und Praxis der potestas indirecta in temporalibus, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Kanonistische Abteilung 10 (1920), S. 168–268, mit Ergänzungen wiederabgedruckt (danach zitiert) in: id., Mediaevalia. Aufsätze, Nachrufe, Besprechungen, Bd. 1, Stuttgart 1960, S. 110–185. Die folgende Darstellung weitgehend nach Baethgen. 7 Unverhau, Dagmar, Approbatio – Reprobatio. Studien zum päpstlichen Mitspracherecht bei Kaiserkrönung und Königswahl vom Investiturstreit bis zum ersten Prozess Johanns XXII. gegen Ludwig IV. (Historische Studien, Heft 424), Lübeck 1973; knapp, aber instruktiv Miethke, Jürgen, Art. Approbation der deutschen Königswahl, in: ³LThK, Bd. 1 (1993), Sp. 888–891 und id., Nachwort. Lupold von Bebenburg: Kanonistisches Staatsdenken in der Krise des Reichs im 14. Jahrhundert. Eine Einführung, in: Lupold von Bebenburg, De iuribus regni et imperii. Über die Rechte von Kaiser und Reich, hg. v. Miethke, Jürgen, aus dem Lateinischen übersetzt von Sauter, Alexander (Bibliothek des deutschen Staatsdenkens 14), München 2005, S. 280–327, hier besonders der Abschnitt ‘Die kuriale Approbationstheorie des Römischen Königtums’, S. 296–310. 8 Zur papalistischen Traktatliteratur, die in diesem Beitrag außer Acht bleibt, vgl. vor allem Miethke, Politiktheorie (Anm. 3).
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Der päpstliche Anspruch auf das Reichsvikariat entwickelte sich aus 9 Anfängen, die auf Innozenz III. zurückgehen. Theoretisch und praktisch war das Reichsvikariat von dem Amtsvorgänger Johannes’ XXII., Papst Clemens V., nach dem Tod Kaiser Heinrichs VII. erstmals mit Nachdruck beansprucht worden, als er das Hochverratsurteil für nichtig erklärte, das Heinrich VII. gegen seinen Widersacher König Robert von Neapel ausge10 sprochen hatte. Zur Rechtfertigung seines Vorgehens berief sich Clemens V. mit der Bulle ‘Pastoralis cura’ auf drei Gründe: die allgemeine Überordnung (superioritas) des Papstes über das imperium, die universale Machtvollkommenheit des Papstamtes (plenitudo potestatis) und die besondere Amts11 gewalt des Papstes als Rechtsnachfolger des Kaisers im vakanten Reich. Seinen Anspruch auf richterliche und herrscherliche Gewalt in Reichsitalien setzte er praktisch um, indem er sie an König Robert delegierte, den er mit einer Bulle vom 14. März 1314 zum unbeschränkten Reichsvikar 12 des kaiserlichen Italiens ernannte. Zudem verlieh Clemens V. ‘Pastoralis
9 Baethgen (Anm. 6), bes. S. 113–121. 10 Constitutiones et act publica imperatorum et regum, Bd. IV, Teil 2: 1298– 1313, hg. v. Schwalm, Jacob (Monumenta Germaniae historica, Legum sectio 4), Hannover/Leipzig 1909–1911, Ndr. Hannover 1981, Nr. 848 (12. September 1312), S. 854ff. Vgl. auch die spätere Sentenz Heinrichs VII. gegen König Robert, mit der er diesem schließlich die Ächtung, die Absetzung als König und das Todesurteil verkündete, MGH Const. IV/2 (oben), Nr. 946 (26. April 1313), S. 985–990. 11 Ibid., Nr. 1166 (zw. 24. August 1313 und 20. April 1314), S. 1211ff., hier § 5, S. 1213, Z. 28–32: […] tam ex superioritate, quam ad imperium non est dubium nos habere, quam ex potestate, in qua vacante imperio imperatori succedimus, et nichilominus ex illius plenitudine potestatis, quam Christus […] nobis licet immeritis in persona beati Petri concessit. 12 Ibid., Nr. 1164, S. 1205f., hier §§ 1–2, S. 1205, Z. 40–S. 1206, Z. 18: […] nos, ad quos Romani vacantis imperii regimen pertinere dinoscitur, attendentens avide Italie partes, presertim que ad imperium ipsum pertinent […] te de fratrum nostrorum consilio in partibus ipsis dicto tamen subiectis imperio […] vicarium in temporalibus usque ad sedis apostolice beneplacitum constituimus generalem, plenam tibi potestatem liberam tenore presentium concedentes, ut dictum vicariatus officium […] durante beneplacito valeas exercere […] quod postquam rex Romanorum a nobis vel nostris successoribus approbatus regnare ceperit, tu extunc ultra duos menses eodem offcio non utaris. Die bereits ausgefertigte Bulle wurde wegen des Todes Clemens’ V. jedoch nicht mehr vollzogen und expediert, so dass die Ernennung Roberts nicht rechtswirksam wurde, Baethgen (Anm. 6), S. 168.
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cura’ kirchenrechtliche Geltung, indem er sie in seine Dekretalensamm13 lung aufnahm. Für diese päpstliche Politik gegenüber dem Reich und in Bezug auf Norditalien spielte König Robert aus dem Hause Anjou vermutlich in mehr als einer Hinsicht die bestimmende Rolle. Robert strebte nach einer Ausweitung seiner Herrschaft nach Norditalien, für die ihm Clemens V. die Legitimation verschaffen sollte, der selbst keine eigene Politik zu treiben 14 beabsichtigte. Für Robert sollte die Vakanz des Kaiserreiches und die Festschreibung des päpstlichen Anspruchs auf das Reichsvikariat nicht nur die Gelegenheit sein, seine Herrschaftsmacht geographisch auszuweiten, sondern auch das Kaisertum als Institution zu erschüttern. Bereits Ende August oder im September 1313 hatte König Robert eine Gesandtschaft an die Kurie nach Avignon gesandt, die dem Papst die Unerträglichkeiten vortragen sollte, die von der italienischen Herrschaft eines Kaisers 15 aus Deutschland ausgingen. Die Forderungen an Clemens V. gipfelten darin, dieser solle das Kaisertum überhaupt abschaffen, indem er in Zukunft keine Wahl eines Kaisers mehr zulasse. Falls er es doch tue, so die Neapolitaner weiter, soll er die Wahl aber nicht bestätigen. Und falls er sie doch
13 Clementinarum liber II, tit. 11, c. 2, in: Corpus iuris canonici, hg. v. Friedberg, Emil, Band II: Decretalium collectiones, Leipzig 1881, Sp. 1151ff. 14 Baethgen (Anm. 6), S. 166ff. 15 MGH Const. IV/2 (Anm. 10), Nr. 1253 (nach 24. August 1313), S. 1369– 1373, hier §§ 9–10, S. 1372, Z. 15–32: Ex prelibatis itaque patet aperte, quod electio et promocio dicti imperatoris non solum est ad manifestum et imminens scandalum atque discrimen regis dictorum Francie et Sicile et ruinosam interversionem tocius Ytalie, set eciam ad universale scandalum atque discidium fidelium principum orbis terre, qui sunt in plena et pacifica libertate dominii et potestatis dominii et potestatis eorum nec in aliquo subsunt aut obediunt imperatori prefato, excepte rege Boemie, licet imperator idem eos sibi asserat esse subiectos ex premissarum serie scriptuarum. […] Preterea reges Romanorum consueverunt communiter et generaliter eligi de lingua Germana, que consuevit producere gentem acerbam et intractabilem, que magis adheret barbarice feritati quam christiane professioni […] cavendum est prudenter summo studio et attento ingenio, quod Germana feritas inter tot reges et naciones non producat scandala et dulcedinem Ytalie in amaritudinem non convertat. Zur Datierung Baethgen (Anm. 6), S. 166.
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bestätige, dann soll er keine Kaiserweihe und -krönung mehr vollziehen 16 und den König nicht mehr in Italien eintreten lassen. Mit dem Pontifikat Johannes’ XXII. trat nach zweijähriger Vakanz auf dem Papstthron eine entscheidende Veränderung in der Politik gegenüber Italien und dem römisch-deutschen Reich ein. Der neue Papst betrieb die Politik aktiver, mit mehr Initiative und stärker im eigenen Interesse als sein 17 Vorgänger. Im seit der Doppelwahl 1314 unentschiedenen Thronstreit in Deutschland nahm Papst Johannes XXII. zunächst allerdings keine Stellung und betrachtete beide Könige als bloße electi. Seine erste Verfügung, die das römisch-deutsche Reich betraf, war die Konstitution ‘Si fratrum’, 18 die er noch im ersten Jahr seines Pontifikats, am 31. März 1317, erließ. In ihr erklärte er das imperium für vakant, obwohl bereits fast drei Jahre zuvor Königswahlen im Reich stattgefunden hatten, die von den jeweiligen Anhängern der Könige anerkannt waren. Ein ausdrücklicher Hinweis auf das uneindeutige oder zweifelhafte Ergebnis der Königswahlen oder die nicht erteilte päpstliche Approbation fehlt in der Konstitution jedoch. Es findet sich lediglich – nicht anders als noch in ‘Pastoralis cura’ – der Hinweis darauf, dass Kaiser Heinrich VII. verstorben sei, um die Vakanz zu begründen. Bei Vakanz des imperium trete, der Konstitution zufolge, der Papst in die 19 Rechte des Kaisers ein, und zwar in dreierlei Hinsicht. Erstens: Da nun kein oberster weltlicher Richter vorhanden sei, falle die weltliche Recht16 MGH Const. IV/2 (Anm. 10), Nr. 1253, § 11, S. 1372, Z. 33–40: Propter que prefati nuncii dicto domino summo pontifici supplicent pro parte ipsius domini regis nostri, quod ipse per sua sana consilia modestas vias modosque perquirat, per quos istis presertim turbatis temporibus ipsius regis Alamanie non procedat electio, et si forte processerit, ad confirmacionem eius pontificalis auctoritas non accedat. Et si fortasse videretur omnino prefato domino summo pontifici eadem electio confirmanda […] quod idem futurus forsan confirmatus electus nec munus coronacionis obtineat nec Ytalie pertes attingat. 17 Vgl. Baethgen (Anm. 6), S. 168f. 18 Constitutiones et acta publica imperatorum et regum, Bd. V: 1313–1324, hg. v. Schwalm, Jacob (Monumenta Germaniae historica, Legum sectio 4), Hannover/Leipzig 1909–1913, Ndr. Hannover 1981, Nr. 401, S. 340f.; Extravagantes Ioannis XXII, tit. 5, in: Corpus iuris canonici (Anm. 13), Sp. 1211f.; kritisch ediert in: Extravagantes Iohannis XXII, hg. v. Tarrant, Jacqueline (Monumeta iuris canonici, series B: Corpus collectionum, vol. 6), Città del Vaticano 1983, Nr. 5, S. 156–162. 19 Vgl. Frotscher, Gerhard, Die Anschauungen von Papst Johann XXII. (1316– 1334) über Kirche und Staat. Ein Beitrag zur Geschichte des Papsttums, Jena 1933, S. 107f.
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sprechung auf den Papst zurück. Zweitens: Gott selbst habe dem Papst in der Person des Heiligen Petrus alle Rechte des irdischen und himmlischen Reiches übertragen. Drittens: Auf Grund von Devolutionsrecht fallen die Rechtsprechung, die Regierung und die Verfügung über das imperium an den Papst. Alle von Kaiser Heinrich VII. eingesetzten Reichsvikare in Italien werden für abgesetzt erklärt, sofern sie nicht vom Papst bestätigt werden, und neue gelten als unrechtmäßig. Falls die kaiserlichen Amtsträger nicht innerhalb von zwei Monaten ihre Ämter aufgeben, werden sie exkommu20 niziert, den Untertanen ist es untersagt, ihnen Gehorsam zu leisten. Am 26. Juli 1317 erneuerte Johannes XXII. die Ernennung König Roberts von Neapel zum Reichsvikar für Italien, allerdings mit beträchtlichen Einschränkungen gegenüber den Bestimmungen, die sein Vorgänger 21 getroffen hatte. Der Papst ernannte in Reichsitalien weitere Amtsträger, beanspruchte die gesamte Gerichtsgewalt und übernahm Hoheitsrechte, wie das Münzrecht und das Recht, Lehen zu vergeben. Darüber hinaus propagierte Johannes XXII. eine Politik der Friedenswahrung, die führend von dem Kardinallegaten Bertrand du Pouget als angelus pacis und paciarius 20 MGH Const. V (Anm. 18), Nr. 401, besonders § 1, S. 340, Z. 15–28: […] quod licet de iure sit liquidum et ab olim fuerit inconcusse servatum, quod vacante imperio, sicut et nunc per obitum quondam Henrici Romanorum imperatoris vacasse dignoscitur, cum [1] in illo ad secularem iudicem nequeat haberi recursus, ad summum pontificem, [2] cui in persona beati Petri terreni simul et celestis imperii iura Deus ipse commisit, [3] imperii predicta iurisdictio, regimen et dispositio devolvuntur et ea tempore durante ipsius vacationis imperii per se vel alium seu alios exercuisse noscitur in imperio memorato, nonnulli tamen in Italie partibus potestatis et dignitatis fastigium illicite ambientes in nostrum et sancte Romane matris ecclesie quantum in eis est preiudicium evidens ac diminutionem honoris et iuris, vicariatus seu alterius cuiuscumque nomen officii, quod ipso imperatore vivente ex ipsius commissione gerebant, in certis terris, territoris sive locis post decessum ipsius absque nostra vel apostolice sedis petita vel obtenta licentia retinere sibi et nonnulli etiam de novo assumere quod non gesserant aut gestum antea posteaque dimissum resumere temerariis ausibus presumpserunt. Unmittelbarer äusserer Anlass für ‘Si fratrum’ war wohl die Huldigung Cangrandes della Scala von Verona an König Friedrich den Schönen, MGH Const. V (Anm. 18), Nr. 399 (16. März 1317), S. 339, vgl. Baethgen (Anm. 6), S. 170. 21 Erdmann, Carl, Vatikanische Analekten zur Geschichte Ludwigs des Bayern, in: Archivalische Zeitschrift, 3. Folge, 8 (= 41) (1932), S. 1–47, Anhang C, S. 44f. mit Anm. 126, wonach die MGH Const. V (Anm. 18), Nr. 443a, S. 367f. edierte Urkunde vom 16. Juli mit stark abweichendem Text nicht abgesandt wurde, vgl. Baethgen (Anm. 6), S. 171, Anm. 243.
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ausgeübt wurde. Militärisch unterstütze Johannes XXII. seine Politik mit 22 einem päpstlichen Heer. Die unentschiedene politische Lage im Reich, die der Politik Johannes’ XXII. in Italien so entgegenkam, änderte sich, als Ludwig im September 1322 seinen Konkurrenten in der Entscheidungsschlacht bei Mühldorf am Inn besiegte und gefangen nahm. Ludwig konnte nun eine aktive Politik in Reichsitalien verfolgen und machte seinen Herrschaftsanspruch geltend, indem er im März 1323 Berthold von Neuffen als seinen Reichsvikar mit 23 allen Vollmachten nach Italien sandte. Auf den offenen Ausbruch des Interessenkonflikts über Oberitalien reagierte Papst Johannes XXII., indem er nun gegen Ludwig mit dem Mittel eines kanonisch-rechtlichen Verfahrens vorging. Am 8. Oktober 1323 veröffentlichte er in Avignon einen processus, einen Rechtsakt, in dem er Ludwigs Königswahl für ungültig erklärte, da sie ohne 24 päpstliche Approbation geblieben sei. Zurückgreifen konnte Johannes XXII. bereits auf das von Innozenz III. im deutschen Thronstreit von 1198 in der Bulle ‘Venerabilem’ beanspruchte Prüfungsrecht hinsichtlich des deutschen Königs, der den exklusiven Anspruch hatte, vom Papst zum Kaiser 25 erhoben zu werden (rex in imperatorem postmodum promovendus). Die 22 Baethgen (Anm. 6), S. 170f. 23 MGH Const. V (Anm. 18), Nr. 729, S. 568ff. 24 MGH Const. V (Anm. 18), Nr. 792, S. 616–619; abgedruckt und übersetzt in Kaiser, Volk und Avignon. Ausgewählte Quellen zur antikurialen Bewegung in Deutschland in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, hg. v. Berthold, Otto, Czok, Karl und Hofmann, Walter (Leipziger Übersetzungen und Abhandlungen zum Mittelalter, Reihe A, Bd. 3), Berlin 1960, Nr. 2, S. 34–43; im Auszug abgedruckt und übersetzt in Kaiser und Papst im Konflikt. Zum Verhältnis von Staat und Kirche im späten Mittelalter, hg. v. Miethke, Jürgen und Bühler, Arnold (Historisches Seminar 8), Düsseldorf 1988, Nr. VI/1, S. 132–136. Zu den Fomen der Auseinandersetzung zwischen Johannes XXII. und Ludwig dem Bayern vgl. Miethke, Jürgen, Der Kampf Ludwigs des Bayern mit Papst und avignonesischer Kurie in seiner Bedeutung für die deutsche Geschichte, in: Kaiser Ludwig der Bayer. Konflikte, Weichenstellungen und Wahrnehmung seiner Herrschaft, hg. v. Nehlsen, Hermann und Hermann, Hans-Georg (Quellen und Forschungen aus dem Gebiet der Geschichte, N. F., Heft 22), Paderborn et alibi 2002, S. 39–74. 25 Constitutiones et acta publica imperatorum et regum, Bd. II: 1198–1272, hg. v. Weiland, Ludwig (Monumenta Germaniae historica, Legum sectio 4), Hannover 1896, Ndr. Hannover 1963, Nr. 398, S. 505ff.; Regestum Innocentii III papae super negotio Romani imperii, hg. v. Kempf, Friedrich (Miscellanea historiae pontificiae, vol. 12, nr, 21), Roma 1947, Nr. 62, S. 166–175.
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von dessen Nachfolger Innozenz IV. erweiterte Lehre von einem Approbationsrecht der Päpste, das in einem eigenen Rechtsakt zum Ausdruck 26 kommen sollte, erhielt dann bei Bonifaz VIII. eine vorläufig abschließende theoretische Durcharbeitung und eine im vollen Umfang praktische Anwen27 dung gegenüber König Albrecht I., dem Vorgänger Heinrichs VII. Zuletzt war sie in aller Deutlichkeit von dem unmittelbaren Vorgänger Johannes’ XXII. in der Bulle ‘Romani principes’ vom 14. März 1314 zum Ausdruck gekommen, in der Papst Clemens V. die von Kaiser Heinrich VII. verfügte 28 Absetzung König Roberts von Neapel rückgängig machte. Johannes XXII. kodifizierte diese Bulle als Konstitution ‘De iureiurando’, wobei er jedoch den Text seines Vorgängers um ein wichtiges Argument, nämlich die Berufung auf die kuriale translatio imperii-Theorie, ergänzte. Danach habe der Papst anlässlich der Kaiserkrönung Karls des Großen das Kaisertum ‘transferiert’, nämlich vom oströmischen Reich, den ‘Griechen’, auf die Franken. Darüber hinaus sei es der Papst gewesen, der damals bereits das Amt der Kurfürsten eingerichtet, und diesen ius und potestas für die Wahl desje29 nigen Königs, der zum Kaiser erhoben wird, zugestanden hätte. Damit 26 Miethke, Nachwort (Anm. 7), S. 299. 27 Ibid., S. 300f. Papst Bonifaz VIII. approbierte am 30. April 1303 in der Konsistorialansprache ‘Affuit tempus’ förmlich König Albrechts Wahl gegenüber dessen Gesandten und betont dabei den päpstlichen Anspruch, das Kaisertum von den Deutschen auf ein anderes Volk übertragen zu können, Constitutiones et act publica imperatorum et regum, Bd. IV, Teil 1: 1298–1313, hg. v. Schwalm, Jacob (Monumenta Germaniae historica, Legum sectio 4), Hannover/Leipzig 1906, Ndr. Hannover 1981, Nr. 173, S. 138–145; abgedruckt und übersetzt in Miethke, Jürgen und Bühler, Arnold, Kaiser und Papst im Konflikt. Zum Verhältnis von Staat und Kirche im späten Mittelalter (Historisches Seminar 8), Düsseldorf 1988, Nr. V/3, S. 127–130. 28 MGH Const. IV/2 (Anm. 10), Nr. 1165, S. 1207–1211, hier § 1, S. 1207, Z. 20–27: Romani principes orthodoxe fidei professores sacrosanctam Romanam ecclesiam, cuius caput est Christus redemptor noster, ac Romanum pontificem eiusdem redemptoris vicarium fervore fidei et clare devotionis promptitudine venerantes, sua sibi capita submittere non reputaverunt indignum ac eidem Romano Pontifici, a quo approbationem persone ad imperialis celsitudinis apicem assumende necnon unctionem, consecrationem et imperii coronam accipiunt, se astringere vinculo iuramenti, prout tam mos observationis antique temporibus novissimis renovate quam forma iuramenti huiusmodi sacris inserta canonibus manifestant. 29 Clementinarum liber II, tit. 9: De iureiurando, in: Corpus iuris canonici (Anm. 13), Sp. 1147–1150, hier Sp. 1147: Romani, principes, orthodoxae fidei professores, sacrosanctam Romanam ecclesiam, cuius caput est Christus
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sind Kaisertum und auch Königswahl aus der päpstlichen Gewalt abgeleitet. Schließlich bildet diese Theorie auch im ersten Prozess Johannes’ XXII. 30 gegen König Ludwig eine wichtige Basis für die päpstlichen Ansprüche. Der Papst, so heißt es dann im ersten Prozess, habe das Recht der Prüfung, Bestätigung und Zulassung oder auch der Zurückweisung und Verwerfung zum einen im Falle einer zwiespältig (in discordia) erfolgten Wahl und zum anderen grundsätzlich bei Vorbehalten gegen die Eignung oder Würdigkeit des Gewählten. Da Ludwig nicht approbiert worden sei, habe er die Herrschaft im regnum und imperium und den Königstitel gewaltsam an 31 sich gerissen. Ludwig habe vor der päpstlichen Approbation nicht nur redemptor noster, ac Romanum Pontificem eiusdem redemptoris vicarium, fervore fidei et clarae devotionis promptitudine venerantes, eidem Romano Pontifici, a quo approbationem personae ad imperialis celsitudinis apicem assumendae, nec non unctionem, consecrationem et imperii coronam accipiunt, sua submittere capita non reputarunt indignum, seque illi et eidem ecclesiae, quae a Graecis imperium transtulit in Germanos, et a qua ad certos eorum principes ius et potestas eligendi regem, in imperatorem postmodum promovendum, pervenit, adstringere vinculo iuramenti, prout tam mos observationis antiquae temporibus novissimis renovatae, quam forma iuramenti huiusmodi sacris inserta canonibus manifestant. (Die Interpunktion folgt der Vorlage.) Der von mir hervorgehobene Text kennzeichnet den von Johannes XXII. veranlassten Zusatz gegenüber dem Text der Bulle ‘Romani principes’ von Clemens V. Vgl. allgemein Goez, Werner, Translatio Imperii. Ein Beitrag zur Geschichte des Geschichtsdenkens und der politischen Theorien im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, Tübingen 1958, bes. S. 137–198. 30 MGH Const. V (Anm. 18), Nr. 792, § 1, S. 616, Z. 36–S. 617, Z. 4: Dudum siquidem per obitum clare memorie Henrici Romanorum imperatoris imperio Romano vacante principes ecclesiastici et seculares, ad quos translato ab olim per sedem apostolicam predicto imperio de Grecis in personam magnifici Caroli in Germanos, futuri Romanorum regis in imperatorem postmodum promovendi electio pertinebat, votis eorum in diversa divisis duos sicut dicitur in discordia elegerunt, quibusdam eorum in dilectum filium magnificum virum Ludovicum Bavarie, quibusdam vero in dilectum filium Fredericum Austrie duces nominando et eligendo ipsos in Romanorum reges dirigentibus discorditer vota sua. 31 Ibid., § 2, S. 617, Z. 5–21: Verum prefatus Ludovicus, a nobis, ad quem sue electionis huiusmodi sicut premittitur in discordia celebrate ac persone ipsius examinatio, approbacio ac admissio, repulsio quoque et reprobatio noscitur pertinere, electione predicta nequaquam admissa nec eius approbata persona […] non querens ut deberet per ostium ad huiusmodi regni seu imperii conscendere dignitatis fastigium, sed potius aliunde nescimus quo ductus vel verius seductus consilio prefati Romani regni nomen sibi et titulum regium
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kein Recht im weiteren imperium, also in Italien und Burgund, zu regieren, sondern – so lautet der neue Anspruch Johannes’ XXII. – noch nicht einmal Regierungsrechte im engeren Reichsgebiet, also in Deutschland. Der Papst fordert Ludwig auf, innerhalb von drei Monaten seine Amtsausübung zu beenden, andernfalls drohe ihm die Exkommunikation. Allen geistlichen und weltlichen Untertanen wurde bei Strafe des Interdikts verboten, 32 Ludwig als König zu gehorchen. Neu waren nicht nur die weitergehenden Ansprüche hinsichtlich der Königswahl und des Reichsvikariats, ebenso schuf die Verbindung dieser beiden beanspruchten Rechte eine neue Situation: Das Reichsvikariat bei einer Vakanz des Reichs, die mit der kurialen Approbationslehre begründet wurde, stellte die Feststellung der Vakanz und die Dauer des päpstliche 33 Vikariats gleichsam in das Belieben des Papstes.
III. Die Appellationen König Ludwigs König Ludwig reagierte auf den päpstlichen Prozess vom 8. Oktober 1323, indem er sich auf die vom Papst gewählte juristische Form der Auseinandersetzung einließ und am 18. Dezember ein Protestschreiben veröffent34 lichte, das eine Appellation an den ‘Apostolischen Stuhl’ enthielt. Wenige usurpavit, quamvis priusquam alterutrius eorum per sedem apostolicam fuisset approbata vel reprobata persona, neutri electorum ipsorum assumere licuit nomen et titulum prelibatum, cum nec interim Romani reges existant, sed in reges electi, nec sint habendi pro regibus nec reges etiam nominandi. Idem etiam Ludovicus eodem presumpto titulo non contentus administrationem iurium regni et imperii oredictorum in gravem Dei offensam et contemptum ac manifestam iniuriam Romane ecclesie matris sue, ad quam eiusdem vacationis imperii regimen, sicut et impresentiarum vacat, pertinere dinoscitur, necnon et plurimorum scandalum et rei turbationem et lesionem publice ac sue anime detrimentum prosilire seque illi inmiscere irreverenter ac indebite presumpsit hactenus et presumit. 32 MGH Const. V (Anm. 18), Nr. 792, §§ 3–4, S. 617f. 33 Miethke, Nachwort (Anm. 7), S. 306. 34 MGH Const. V (Anm. 18), Nr. 824 (18. Dezember 1323), S. 641–647. Vgl. Bock, Friedrich, Die Appellationsschriften König Ludwigs IV. in den Jahren 1323/24, in: Deutsches Archiv für Geschichte des Mittelalters 4 (1941), S. 179–205; Schütz, Alois, Die Appellationen Ludwigs des Bayern aus den Jahren 1323/24, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 80 (1972), S. 71–112; Becker, Hans-Jürgen, Die Appellation vom
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Wochen später ließ er in Frankfurt eine geänderte Fassung seines Protestschreibens erstellen, nun mit einer Appellation an ein – noch nicht beste35 hendes – allgemeines Konzil, das die Fragen entscheiden sollte. Der Papst und die Kurie reagierten nicht auf Ludwigs Protestschreiben. Da Ludwig seine Herrschaft nicht niedergelegt hatte, kündigte Johannes XXII. am 7. Januar 1324 in seinem zweiten Prozess gegen Ludwig eine Bestrafung innerhalb von zwei Monaten an, falls er in dieser Frist der päpstlichen Forderung 36 nicht nachkomme. In seinem dritten Prozess vom 23. März 1324 exkommunizierte er Ludwig schließlich und jeden, der ihm weiter anhing. Alle Städte und Landschaften, die Ludwig als König anerkannten, sollten zudem dem Interdikt unterliegen. Seinen Königstitel sollte Ludwig innerhalb von 37 drei Monaten ablegen. Ludwig ließ daraufhin schließlich seine umfangreiche dritte Protestschrift, die sogenannte ‘Sachsenhäuser’ Appellation vom 22. Mai 1324, 38 verfassen. Das Schreiben ist eine Anklage gegen Johannes XXII., dem gleich zum Auftakt der Schrift vorgeworfen wird, er sei ein Feind des Frie39 dens und – so der für einen Erfolg der Appellation wichtigere Vorwurf – 40 ein Ketzer. Den Vorwurf der Häresie sahen die minoritischen Mitautoren der Sachsenhäuser Appellation vor allem darin begründet, dass Johannes XXII. die franziskanische Lehre von der vollkommenen Armut Christi bekämpfte. Den politischen Ansprüchen, die Johannes XXII. zur Geltung
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Papst an ein allgemeines Konzil. Historische Entwicklung und kanonistische Diskussion im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit (Forschungen zur kirchlichen Rechsgeschichte und zum Kirchenrecht 17), Köln/Wien 1988, bes. S. 83–99; Schmidt, Tilman, Vom Nutzen nutzloser Appellationen an ein allgemeines Konzil, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 46 (1990), S. 173–176. MGH Const. V (Anm. 18), Nr. 836 (5. Januar 1324), S. 655–659. Ibid., Nr. 839 (7. Januar 1324), S. 661f. Ibid., Nr. 881 (23. März 1324), S. 692–699. Vgl. Kaufhold, Martin, Gladius spiritualis. Das päpstliche Interdikt über Deutschland in der Regierungszeit Ludwigs des Bayern (1324–1347) (Heidelberger Abhandlungen zur mittleren und neueren Geschichte, Neue Folge, Bd. 6), Heidelberg 1994. MGH Const. V (Anm. 18), Nr. 909 (erste sog. franziskanische Fassung, ohne Datum) , S. 722–744, und Nr. 910 (redaktionelle Überarbeitung der königlichen Kanzlei vom 22. Mai 1324), S. 745–754; abgedruckt und übersetzt in Kaiser, Volk und Avignon (Anm. 24), Nr. 3, S. 44–107. MGH Const. V (Anm. 18), Nr. 910, § 1, S. 745, Z. 12. Ibid., Nr. 909, §§ 28, 29, 30, S.732–742, das entspricht Nr. 910, §§ 30, 24, 25, S. 751f.
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gebracht sehen wollte, begegnete man in der Protestschrift, indem man ihnen die lange bestehenden Gewohnheiten des Reichsrechts entgegenstellte. Auch das Motiv für die ungerechtfertigten Prozesse Johannes’ XXII. benennen die Autoren, nämlich dessen Wunsch nach „Austilgung und Zerstörung des heiligen Reichs“, da der Papst abziele auf die „Zerstörung und Aufhebung der Gepflogenheiten des Reichs, die anerkannt, vernünftig und vorgeschrieben und beachtet worden sind im Tun und in den Rechts41 verfahren des Reichs seit unvordenklicher Zeit“. Nach diesem Auftakt hält die Protestschrift dem päpstlichen Approbationsanspruch die consuetudines der deutschen Königswahl entgegen: Ludwigs Wahl sei einträchtig, 42 nämlich mit vier Stimmen Mehrheit und daher nicht in discordia erfolgt, sie 43 fand am rechten Ort in Frankfurt statt, zudem sei er gekrönt und gesalbt worden und zwar ebenfalls am rechten Ort in Aachen und von da an und durch die vorangegangene Wahl sei er wahrer römischer König (verus rex 44 Romanorum). Für seinen Gegenkönig Friedrich, den der Papst bevorzugt habe, gelte das nicht, außerdem habe Ludwig ihn in der Schlacht besiegt und so mit Gottes Hilfe die alleinige Königsherrschaft endlich auch tatsächlich 45 erhalten. Die Argumente des Papstes könnten auch deswegen keine Geltung beanspruchen, weil er die Königswahl und ihr Resultat so lange Zeit widerspruchslos geduldet und sein beanspruchtes Prüfungs- und Entscheidungsrecht nicht ausgeübt habe: Dennoch hat er [Johannes XXII.] niemals nicht nur uns, wie er es weder durfte noch konnte, sondern auch Friedrich selbst nicht, der, wie er wusste, regierte, die Regierung irgendwie untersagt. Da wir aber vor seiner Wahl (zum Papst) und nach derselben schon länger als acht Jahre regiert haben, und er offen-
41 MGH Const. V (Anm. 18), Nr. 910, § 10, S. 746, Z. 43–S. 747, Z. 2: […] quod ad exterminum et destructionem sacri tendit imperii […] ad destruendas et annullandas consuetudines imperii approbatas racionabiles et prescriptas et servatas in factis et processibus imperii ab eo tempore, cuius memorie contrarii non existit. Übersetzung nach Kaiser, Volk und Avignon (Anm. 24), S. 51. Vgl. auch §§ 5, 7 und 8. 42 Ibid., Nr. 910, § 11. 43 Ibid., § 12. 44 Ibid., § 13. 45 Ibid., § 17.
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kundig und sogar mit voller Gewissheit wusste, dass wir regierten, wie wir es 46 konnten und mussten, so können und müssen wir es.
Das Protestschreiben äußert sich auch zum päpstlichen Anspruch auf das Reichsvikariat für das gesamte Reich. Er wird zurückgewiesen, weil 47 das Reich eben nicht vakant sei, und das Reichsvikariat im Übrigen das 46 MGH Const. V (Anm. 18), Nr. 910, § 22, S. 751, Z. 16–20: Nunquam tamen non solum nobis, sicut nec debuit nec potuit, set nec ipsi Friderico, quem administrare sciebat, administracionem quomodolibet interdixit. Cum tamen et ante assumpcionem suam et post ipsam iam per annos octo et ultra administraverimus et administrare nos sciret notorie ac eciam evidenter, sicut poteramus et debebamus, posumus et debemus. Übersetzung Kaiser, Volk und Avignon (Anm. 24), S. 69. Vgl. MGH Const. V (Anm. 18), Nr. 910, § 1, S. 745, Z. 21–26: Unde cum multiplicarentur in Alamannia occasione electionum diversarum cedes, occisiones et vulnera et gwerre et sanguinis effusiones proch dolor innocentis, nunquam unam litteram vel qualemcunque nuncium misit ad obviandum predictis periculis atque malis, cum tamen multos haberet in partibus exactores et collectores peccuniarum pro ipso, quibus hoc committere sine aliquo suo onere potuisset, si voluisset vel sibi de hoc cura aliqua fuisset. Übersetzung Kaiser, Volk und Avignon (Anm. 24), S. 43: „Als daher in Deutschland bei Gelegenheit zwiespältiger Wahlen Morde, Totschläge und Wunden und kriegerische Unruhe und Blutvergießen zum Leidwesen für die Unschudigen sich vervielfachten, hat er niemals auch nur einen einzigen Brief oder irgendwelchen Boten geschickt, um den genannten Gefahren und Übeln entgegenzuwirken, wo er doch viele Steuereintreiber und Leute, die für ihn Geld sammeln, im Lande hatte, denen er dies ohne irgendwelche Belastungen hätte anvertrauen können, wenn er gewollt hätte oder deshalb irgendwie besorgt gewesen wäre.“ Ein Vorwurf, der bereits am 4. Oktober 1323 im Konsistorium von Kardinal Napoleon Orsini gegen Johannes XXII. erhoben wurde, als dieser seine Pläne gegen Ludwig bekannt gab, Acta Aragonensia. Quellen zur deutschen, italienischen, französischen, spanischen, zur Kirchen- und Kulturgeschichte aus der diplomatischen Korrespondenz Jaymes II (1291–1327), hg. v. Finke, Heinrich, Bd. 1, Berlin/Leipzig 1908, Nr. 262, S. 394f.: Item sciatis, quod circa factum regis Alamannie, de quo eciam scribitur regie magestati, tantam voluntatem ostendit et tantam iracundiam contra ipsum, quod mirabile est. Set dominus Napoleon cardinalis in consistorio statim incepit resistere, sicut ad rem insolitam et nocivam, et quo malam speciem pretenderet dicere modo, quod non habet ius, quando habuit victoriam de adversario suo at quod a VII annis dimisit omnes eos debellare mutuo et totam Alamanniam perturbare, et nunquam dixit, quod non haberent ius, et quod frustra bellarent, nec unquam unum verbum concordie posuit inter eos. Et multa alia ad hoc dixit, ut posset eum retrahere a predicto proposito ruinoso. 47 MGH Const. V (Anm. 18), Nr. 910, § 13, S. 747, Z. 35ff.
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Vorrecht des Pfalzgrafen bei Rhein sei. Die Ansprüche und Maßnahmen des Papstes beruhten nicht auf Sorge um das Kaisertum und das Kaiserreich, sondern folgten seinem eigentlichen Motiv, das inzwischen notorisch sei: „Er hat in der Öffentlichkeit unverhohlen und offenkundig gesagt, dass er die eherne Schlange, das Reich der Deutschen (imperium Alamannorum), 49 zu jeder Zeit nach Vermögen zertreten wolle“. Auch wenn Ludwig und die Autoren seiner Protestschreiben die Absichten Johannes’ XXII. durchschaut hatten, so waren sie dem rechtlichen Verfahren und der Argumentation ihres Gegners nicht gewachsen. Sie haben nicht einmal versucht, die Argumente und Begründungen für die Ansprüche des Gegners zu widerlegen. Auf den für die kuriale Argumentation wesentlichen Zusammenhang zwischen Kaiserkrönung und Königswahl gehen die Autoren der Appellation mit keinem Wort ein. Weder der besondere Anspruch des päpstlichen Koronators, die Eignung und Würdigkeit des coronandus zu prüfen, wird angesprochen noch die behauptete Rolle des Papsttums bei der Begründung des abendländischen Kaisertums durch die Kaiserkrönung Karls des Großen, die translatio imperii kurialer Lesart. Ludwigs Appellationen verhallten wirkungslos. Im vierten Prozess vom 11. Juli 1324 sprach Johannes XXII. Ludwig schließlich alle Rechte aus 50 der Königswahl ab. Erst nach dem Beginn des Romzugs sollte Johannes XXII. es als notwendig empfinden, weitere Prozesse zu erlassen.
48 MGH Const. V (Anm. 18), Nr. 910, § 27, S. 752, Z. 15–20: Item ille crudelis usurpator iura principum imperii privata negocio indiscusso, parte inaudita nititur usurpare. Cum enim vacante imperio comiti palatino Reni de iure et approbata consuetudine imperii observata hactenus inconcusse presertim in partibus Alamannie competat ius administrandi iura imperii, feoda ecclesiastica et temporalia conferendi et cetera alia negocia disponendi, ipse in dicti principatus et principum suorum nimiam contendit in eorum iniuriam, quod in nullum casum sibi competit, ad se administracionem vacantis imperii pertinere. 49 Ibid., Nr. 910, § 28, S. 752, Z. 21ff.: Item idem palam et manifeste dixit, quod ipse ad conculcandum serpentem eneum, imperium Alamannorum, omni tempore suo pro viribus laborare vellet et intendere toto posse, sicut effectu operis declarat et conprobat tota die. Übersetzung nach Kaiser, Volk und Avignon (Anm. 24), S. 75. 50 Ibid., Nr. 944 (11. Juli 1324), S. 779–788.
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IV. Marsilius von Padua: Die souveränen politischen Gemeinschaften Marsilius ging weit über die inhaltlich defensive Argumentation von Ludwigs Protestschreiben und anderen zeitgenössischen Stellungnahmen 51 hinaus. Anders als diese griff er auch die Grundlagen der papalistischen Theorie an. Zudem wollte er die Unabhängigkeit von weltlicher Herrschaft im Allgemeinen verteidigen und im Besonderen die Autonomie des Kaisertums begründen. Nicht die Zurückweisung einzelner Ansprüche setzte er der kurialen Politik entgegen, schon gar nicht bloße, wenn auch erprobte ‘Gewohnheiten’, die es aufnehmen mussten mit einem deduktiven System, das sich schon lange als geistig übermächtig erwiesen hatte, sondern eine grundsätzliche Kritik an der Wurzel der papalistischen Ansprüche und eine ebenso deduktive Entwicklung einer säkularen politischen Gemeinschaft aus Anfangsgründen. Am Anfang von Marsilius’ Überlegungen, die die säkularen politischen Gemeinschaften begründen sollen, steht das Gesetz als zwingende menschliche Norm, dessen Geltung von den einzelnen politischen Gemeinschaften begründet wird. Urheber der Gesetze, und das ist der zweite Anfangsgrund jeder politischen Gemeinschaft, ist der (jeweilige) legislator humanus, der ‘menschliche Gesetzgeber’, der allein die potestas coactiva, die ‘zwingende Gewalt’ in allen menschlichen Angelegenheiten, im Ursprung besitzt. Das 51 Der italienische Jurist Ugolino von Celle erstellte 1323 im Auftrag von Castruccio Castracani, Ludwigs wichtigstem Verbündeten während des späteren Romzugs, ein Rechtsgutachten über die Rechte des römischen Herrschers vor dessen Krönung zum Kaiser, Nova Alamanniae. Urkunden, Briefe und andere Quellen besonders zur deutschen Geschichte des 14. Jahrhundert vornehmlich aus den Sammlungen des Trierer Notars und Offizials, Domdekans von Mainz Rudolf Losse aus Eisenach in der Ständischen Landesbibliothek zu Kassel und im Staatsarchiv zu Darmstadt, hg. v. Stengel, Edmund Ernst, 1. Hälfte, Berlin 1921, Nr. 123, S. 71–79. Bock, Friedrich, Reichsidee und Nationalstaaten vom Untergang des alten Reiches bis zur Kündigung des deutsch-englischen Bündnisses im Jahre 1341, München 1943, S. 210, meint in den Appellationen den Einfluß der ghibellinischen Denkschrift zu erkennen. Seine These, ibid., S. 240f., dass die zwar vorhandenen Übereinstimmungen zwischen Ugolino und Marsilius in der Frage der kaiserlichen Rechte des römischen Königs vor der Kaiserkrönung auch dafür sprechen, dass Marsilius’ sehr viel weiter reichende Aussagen auf Ugolinos Denkschrift beruhen und Marsilius daher als Exponent einer ghibellinischen Kaiseridee anzusehen ist, vermag jedoch nicht zu überzeugen.
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ist, wie Marsilius in zunehmender Konkretisierung aufreiht, „das Volk (populus) oder die Gemeinschaft der Bürger (universitas civium) oder deren 52 gewichtigerer Teil (valencior pars)“. Eine allgemeingültige Festlegung, wer zum Volk gehört, wer Bürger ist und was die Definition des gewichtigeren Teils der Gemeinschaft der Bürger ist, liefert er – aus gutem Grund – nicht. Vielmehr sollen die Gewohnheiten und Festlegungen der verschiedenen Länder gelten. Die originäre Funktion und Befugnis des je eigenen ‘Gesetzgebers’ ist außer der Gesetzgebung auch die Bestimmung der Regierung, die die Gesetze auszuführen und durchzusetzen hat, durch Wahl. Diese Wahl kann sich in manchen politischen Gemeinschaften auf ein Herrschergeschlecht beziehen, in anderen auf individuelle Regenten. In der politischen Praxis werden jedoch viele Befugnisse des legislator humanus delegiert, die Wahl der Regierung etwa auf ein Wahlkollegium und auch die Gesetzgebung zum Teil auf die dazu ermächtigte Regierung. Damit wird die Wahlhandlung der Kurfürsten im römisch-deutschen Reich in Marsilius’ generische Theorie eingeordnet. Marsilius führt die Befugnis der Kurfürsten, den Herrscher zu wählen, auf eine Ermächtigung durch den ‘Gesetzgeber’ des römisch-deutschen Reiches zurück, in dessen Namen sie handeln. Auf die Frage, wie, wann und durch wen genau diese Delegation des Wahlrechts vorgenommen wurde, geht Marsilius jedoch nicht ein. Grundsätzlich schließt Marsilius eine Mitwirkung an der deutschen Königswahl von anderen als den vom Gesetzgeber autorisierten Wählern aus, womit auch jede Form einer Beteiligung des Papstes ausgeschlossen ist. Den päpstlichen Anspruch auf Bestätigung der Wahl führt er mit einem weiteren Argument ad absurdum: Denn wenn die Autorität des erwählten Königs von dem Willen des römischen Bischofs allein abhängt, so ist das Amt der Wähler null und nichtig; denn der von ihnen Erwählte ist weder König noch darf er den Königstitel führen, bevor er durch seinen Willen oder die Instanz, die der Papst Apostolischer Stuhl nennt, bestätigt wird; auch kann der so Erwählte keine Regierungshandlungen als König ausüben […]. Was erteilt ihm also die Wahl durch die Fürsten an Autorität anderes als die Nominierung, wenn nun ihre Entscheidung von dem Willen eines einzigen anderen Mannes abhängt? Soviel Autorität könnten 53 nämlich sieben Bartscherer oder Triefäugige dem römischen König verleihen. 52 Defensor pacis, hg. v. Scholz (Anm. 2), I, 12, § 3, S. 63. 53 Ibid., II, 26, § 5, S. 491, Z. 9–22: Nam si electi regis auctoritas penderet a solius Romani episcopi voluntate, inane penitus est officium elegencium, quoniam per ipsos electus neque rex est neque rex vocari debet, antequam per suam voluntatem sive auctoritatem, quam vocat sedem apostolicam, confirmetur; neque regalem auctoritatem aliquam si electus exercere potest […]. Quid ergo
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Die Wahl durch die Kurfürsten verleihe vielmehr nicht nur das unbeschränkte Recht zur Ausübung der Regierungsgewalt des Königs der Römer, sondern darüber hinaus auch die des Kaisers. Daher betont Marsilius, Ludwig habe: [...] sich seit seiner von den Kurfürsten vollzogenen und verkündeten Wahl beständig König der Römer, wie er das in Wahrheit war und ist, im schriftlichen und persönlichen Verkehr nennen lassen und tut es noch und übt auch alle kaiserlichen oder königlichen Funktionen (imperialia quoque sive regalia queque) 54 in allen Dingen, wie es seine Pflicht und sein Recht ist, aus (administrat).
Der Besitz der kaiserlichen Regierungsgewalt seit der Wahl, die Marsilius einerseits nicht von der königlichen Regierungsgewalt unterscheiden will, gehe andererseits aber (noch) nicht einher mit dem Besitz der kaiserlichen Würde. Eine ähnliche Auffassung ist bereits im von Hostiensis überlieferten Braunschweiger Fürstenweistum zur Wirkung der Königswahl von 1252 enthalten: „Der König der Römer hat daraus, dass er einmütig gewählt ist, dieselbe Amtsgewalt wie als Kaiser, und die Kaisersalbung gibt ihm nichts 55 als den [kaiserlichen] Titel.“ Aber Marsilius ist über diese Auffassung insoaliud sibi tribuit auctoritatis principum eleccio quam nominacionem, ex quo ipsorum determinacio ab unius solius alterius voluntate dependet? Tantam enim septem tonsores aut lippi possent Romano regi auctoritatem tribuere. Übersetzung nach Kunzmann (Anm. 2), S. 889/891. 54 Defensor pacis, hg. v. Scholz (Anm. 2), II, 26, § 11, S. 498, Z. 1–5: [...] ab eleccionis de se facte et publicate per electores tempore citra se regem Romanorum continuo, sicut secundum veritatem fuit et est, scribi ac nominari fecit et facit, imperialia quoque sive regalia queque, quod eciam de iure tenetur et potest, in omnibus administrat. Übersetzung nach Kunzmann (Anm. 2), S. 899/901. 55 Zeumer, Karl, Ein Reichsweisthum über die Wirkungen der Königswahl aus dem Jahre 1252, in: Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde 30 (1905), S. 405–415, hier S. 406: Rex autem Romanorum ex quo electus est in concordia eandem potestatem habet quam et imperator, nec dat ei inunctio imperialis nisi nomen. Vgl. dazu Becker, Hans-Jürgen, Das Kaisertum Ludwigs des Bayern, in: Kaiser Ludwig der Bayer (Anm. 24), S. 119–138, hier S. 126 und 128; Schubert, Ernst, König und Reich. Studien zur spätmittelalterlichen deutschen Verfassungsgeschichte (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 63), Göttingen 1979, S. 32. Zur Bedeutung von in concordia als einmütig im 13. Jahrhundert im Unterschied zu einstimmig, vgl. Mitteis, Heinrich, Die deutsche Königswahl. Ihre Rechtsgrundlagen bis zur Goldenen Bulle, 6. unv. reprografischer Ndr. der 2., erw. Aufl., Brünn/München/Wien 1944, Darmstadt 1987, S. 188f.
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fern klärend hinausgegangen, als der Gewählte aus der Wahl nicht nur eine Amtsgewalt „wie als“ Kaiser besitzt, sondern die kaiserliche Amtsgewalt dem Ursprung nach erwirbt. Auch zur Kaiserkrönung nimmt Marsilius im ‘Defensor pacis’ grundsätzlich Stellung: Einige der römischen Herrscher (principes) hatten nämlich nach den Zeiten Konstantins den Wunsch, ihre vollzogene Wahl den römischen Päpsten freundschaftlich zu verkünden, um in deren Person Christus eine besondere Ehrerbietung zu erweisen und um von ihm durch Vermittlung der Päpste in reicherem Maße Segen und Gnade für ihre Regierung des Kaiserreichs zu erhalten. Und in derselben oder fast gleichen Weise ließen sich einige (imperatores), wegen der Feierlichkeit und als Zeichen ihrer Inthronisation (inthronizacio) und um die Gnade Gottes in höherem Maße zu gewinnen, das königliche Diadem von den römischen Päpsten aufsetzen (imponere). Erteilt diese Krönung (impositio) dem römischen Pontifex mehr Macht über den römischen Herrscher (princeps) als dem Erzbischof von Reims über den König der Franken? Wer will das behaupten? Denn derartige Feierlichkeiten verleihen nicht die Autorität, sondern verkünden (significant) [vielmehr], dass sie [bereits] erworben oder verliehen 56 wurde.
Marsilius geht es hier vor allem um die Bedeutung des Papstes für die Kaiserkrönung. Dessen Beteiligung als Koronator vermittele lediglich in höherem Maße als andere Koronatoren es vermöchten Gottes Gnade und diene einer besonderen Feierlichkeit. Damit macht Marsilius durchaus noch einen Unterschied zwischen der Kaiserkrönung und den Königskrönungen im Reich und in der Christenheit. Die Kaiserkrönung soll den höheren Rang 56 Defensor pacis, hg. v. Scholz (Anm. 2), II, 26, § 4, S. 489, Z. 28–S. 490, Z. 13: Voluerunt enim Romanorum principum quidam citra tempora Constantini eleccionem de se factam amicabiliter significare Romanis pontificibus, ut in eorum persona Christo singularem reverenciam exibentes ab eo per pontificum intercessionem ampliorem benediccionem et graciam ad suum gubernandum imperium obtinerent. Eodemque aut consimili quasi modo, propter sue intronizacionis solempnitatem et signum et ampliorem Dei graciam obtinendam, Romanorum quidam imperatores diadema regium imponi sibi fecerunt per Romanos pontifices. Quam siquidem imposicionem pontifici Romano plus auctoritatis tribuere super Romanum principem, quam Remensi archiepiscopo super regem Francorum, quis dicet? Non enim conferunt huiusmodi solempnitates auctoritatem, sed habitam vel collatam significant. Übersetzung nach Kunzmann (Anm. 2), S. 887, der den letzten Satzes jedoch nur unklar wiedergibt: „Denn derartige Feierlichkeiten verleihen keine Autorität, sondern sind (nur) Ausdruck für Besitz und Verleihung.“ Das Folgende ist übernommen aus Godthardt, Marsilius von Padua (Anm. 4), S. 121–126.
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des so Gekrönten ausdrücken. Rechte sollen aus der Kaiserkrönung jedoch weder für den Gekrönten noch für den Koronator entstehen. In dieser Hinsicht soll die Kaiserkrönung an die rechtliche Funktion von Königskrönungen angeglichen werden. Marsilius’ rhetorische Frage, ob der Papst aus der Krönung des Kaisers mehr Rechte ableiten kann als der Erzbischof von Reims aus der Krönung des französischen Königs, enthält die Feststellung, dass die in den christlichen Reichen übliche Königskrönung dem Koronator eben keine Rechte verleiht, sondern vielmehr als dessen Pflicht angesehen wird. Im Allgemeinen bewertet Marsilius eine Krönung nur als Demonstrationshandlung, die zeigen soll, welche Amtsgewalt in einem anderen, einem bereits vorausgegangenen Akt erworben wurde. Die Kaiserkrönung in Rom soll der christlichen Öffentlichkeit im Abendland die kaiserliche Stellung demonstrieren, die durch die Wahl in Frankfurt erworben wurden. Auch wenn nicht jeder gewählte Kaiser seine Kaiserkrönung in Rom durchgeführt hat oder in Zukunft durchführen wird, so dient die regelhafte Krönung in Rom doch dazu, dieses besondere Herrscheramt als römisches Kaisertum auszuweisen. Dadurch dass der Kaiserkrönung einerseits die Übertragung von Rechten ganz abgesprochen wird und andererseits ihre Bedeutung hauptsächlich in der Darstellung des mit der Wahl erworbenen Amtes und den damit verbundenen Rechten liegen soll, trägt die Kaiserkrönung – gleichsam zurückwirkend auf die Wahl – dazu bei, die Wahl durch die Kurfürsten über die Königswahl hinaus als vollgültige Kaiserwahl zu etablieren. Die päpstliche Kaiserkrönung ist rechtlich entbehrlich, erfüllt aber doch eine wünschenswerte politische Funktion. Auch in seiner nach dem ‘Defensor pacis’, aber noch vor dem Romzug verfassten Schrift ‘De translatione imperii’ kommt Marsilius noch einmal auf die Kaiserkrönung und den Papst als Koronator zu sprechen: Und danach, in der Zeit Gregors V., ist die Wahl des römischen Kaisers den sieben genannten Fürsten in Deutschland zugestanden worden, die bis in heutige Zeiten den Kaiser wählen, der zur [Erhöhung der] Feierlichkeit, aber nicht 57 wegen irgendeiner Notwendigkeit, vom römischen Bischof zu krönen ist.
Marsilius spricht zunächst die verschiedenen Instanzen an, die an der Erhebung des Kaisers mitwirken. Es sind dies die sieben Kurfürsten, die ihn zum 57 Marsilius von Padua, De translatione imperii, in: Marsile de Padoue, Oeuvres mineures. Defensor minor, De translatione Imperii. Texte établi, trad. et annoté par Jeudy, Collette, et Quillet, Jeannine. Avant-propos de Guenée, Bernard (Sources d’histoire médiévale, publiées par l’Institut de Recherche et d’Histoire des Textes), Paris 1979, S. 369–432, hier Kap. 12, S. 430, Z. 23–S. 432, Z. 1: Et postmodum tempore Gregorii quinti, electionem Imperatoris
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Kaiser wählen, und deren Wahlrecht ganz unabhängig ist vom Papst, wie der Vergleich mit Marsilius’ Textvorlage, dem Translatio imperii-Traktat 58 des papalistischen Autors Landolfo Colonna, deutlich zeigt. Es ist der römische Bischof, der ihn zur Erhöhung der Feierlichkeit krönt. Marsilius will mit seinem Einschub die Notwendigkeit, die mit dem Gerundiv coronandum von kurialer Seite ausgesagt werden soll, bestreiten. Der Herrscher, den die deutschen Kurfürsten wählen, müsse nicht, so Marsilius im Einklang mit den grundlegenden Aussagen im ‘Defensor pacis’, zum Kaiser gekrönt werden, um Kaiser sein und um die kaiserliche Amtsgewalt besitzen zu können. Aber Marsilius geht an dieser Stelle noch einen – konstruktiven – Schritt weiter. Die necessitas bezieht sich nicht allein auf coronandum, sondern ebenso auf per Romanum episcopum. Da Marsilius Landolfos pontifex durch das allgemeinere episcopus ersetzt, erhält das Attribut Romanum eine gewichtige Bedeutung. Die weiterreichende Aussage dieses von Marsilius ungewöhnlich intensiv bearbeiteten Satzes von Landolfo wäre daher also: Dass die Kaiserkrönung traditionell vom römischen und nicht von einem anderen Bischof vollzogen wird, sei keiner unbedingten Notwendigkeit geschuldet, sondern erhöhe lediglich die Feierlichkeit der Zeremonie, wie Marsilius bereits im ‘Defensor pacis’ ausdrückte. Seine damit an dieser Stelle implizierte Auffassung, dass auch ein anderer Bischof die Kaiserkrönung vollziehen dürfe, ist zu seiner Zeit singulär. Verzichten auf Gottes Segen und auf eine Beteiligung von Geistlichen an
Romani septem principibus Alamanniae praedictis fuisse concessam, qui usque ad moderna tempora Imperatorem eligunt ad sollemnitatem, non quidem propter necessitatem aliquam, per Romanum episcopum coronandum. Zu den hervorgehobenen Passagen siehe die folgende Anm. 58 Marsilius hat diesen kurzen Traktat als ‘Kontrafaktur’, als Bearbeitung mit minimalen Textveränderungen, des Translatio imperii-Traktats von Landolfo Colonna verfasst. Dieser gab die verbreitete kuriale Lehre wieder, Papst Gregor V. habe den Kurfürsten das Wahlrecht übertragen, Landolfo von Colonna, De translatione Imperii, in: Monarchia Sancti Romani Imperii, hg. v. Goldast, Melchior, Bd. 2, Frankfurt a. M. 1614, Ndr. Graz 1960, S. 88–95, hier Kap. 10, S. 95, Z. 24ff.: [...] ac postmodum per Gregorium quintum, electionem Imperii Romani septem principibus Alamanniae praedictis fuisse concessam, qui vique ad moderna tempora Regem Romanorum eligunt, per Romanum Pontificem coronandum. Die Unterschiede zwischen Landolfo und Marsilius sind recte gesetzt, s. vorherige Anm.
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der Kaiserkrönung möchte Marsilius keineswegs. Die Herrschergewalt hat 59 auch bei Marsilius ihre causa remota in Gott. Die zweite Stütze der Approbationstheorie außer dem päpstlichen Recht auf die Krönung des Kaisers war die kuriale Theorie von der päpstlichen Übertragung des Kaisertums bei Karl dem Großen. Im ‘Defensor pacis’ führt Marsilius dazu aus: Man mag daher irgendwo lesen, mag jemand behaupten, der Papst oder eine andere Einzelperson oder ein Einzelkollegium eines Landes oder eines Reiches (provincia sive regnum) habe das Kaisertum übertragen oder eine andere Regierungsform oder einen Herrscher, der durch Wahl bestellt wird, eingesetzt – wenn diese Behauptung in Rede oder Schrift wahr, wenn eine solche Einsetzung oder Übertragung gültig oder rechtskräftig sein soll, dann muss sie geschehen oder geschehen sein durch den ersten Gesetzgeber (legislator primus) in der Provinz oder in den Provinzen, über die, von denen oder auf die die Einsetzung oder Übertragung erfolgen oder erfolgt sein soll. Wenn man daher in Rede oder Schrift behauptet, der römische Papst allein oder er mit seinem Klerikerkollegium allein habe rechtmäßig das römische Kaisertum übertragen oder einen Kaiser eingesetzt, und wenn eine derartige Behauptung in Rede oder Schrift wahr sein sollte, so müsste man verstehen: sie hätten die eben erwähnte Übertragung oder Einsetzung vollzogen aufgrund einer Vollmacht, die ihnen der höchste menschliche Gesetzgeber, nämlich der des Römischen Reiches (Romani imperii legislator humanus supremus), dafür mittelbar oder unmittelbar zugestanden hätte, oder sie hätten diese nicht schlechthin vollzogen, sondern nur in gewissem Sinne, nämlich sie veröffentlicht oder verkündet, doch kraft der vorhin 60 genannten Vollmacht.
Ohne die päpstliche Beteiligung an der translatio imperii vollends zu bestreiten, hält Marsilius diesen Berichten sein Kriterium der Gültigkeit und 59 Defensor pacis, hg. v. Scholz (Anm. 2), I, 9, § 2, S. 39f., bes. S. 40, Z. 8. 60 Ibid., II, 30, § 8, S. 600, Z. 16–S. 601, Z. 8: Propter quod ubicumque legatur et a quocumque dicatur translatum fuisse imperium, aut alter quicumque principatus vel princeps aliquis, qui per eleccionem assumitur, institutus per papam vel aliam personam singularem aut per collegium singulare aliquod provincie sive regni: si vera debeat esse scriptura vel sermo et valida seu iusta institucio sive translacio talis, oportet fieri aut factam esse auctoritate legislatoris primi in provincia vel provinciis, super quas, a quibus et ad quas debet institucio aut translacio fieri aut facta fore. Ideoque si translacio imperii Romni vel imperatoris alicuius institucio dicatur aut scribatur rite facta fuisse per papam Romanum solum aut per ipsum cum suo solo collegio clericorum, et verum sit huiusmodi dictum aut scriptum, oportet translacionem aut institucionem iam dictam per ipsos intelligere factam propter auctoritatem illis concessam ad hoc a Romani imperii legislatore humano supremo, per medium
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Rechtmäßigkeit entgegen. Nur die oberste politische Autorität, nämlich der ‘Gesetzgeber’, kann diese Übertragung rechtmäßig vollzogen haben. Marsilius führt die ersten Gesetzgeber sowohl derjenigen Provinzen an, denen das Kaisertum übertragen wurde, als auch derjenigen, denen es genommen 61 wurde. Dabei liegt der Verwendung des Begriffes Provinz vermutlich die Vorstellung zugrunde, dass die Übertragung des Kaisertums nur zwischen denjenigen politischen Gemeinschaften übertragen werden kann, die aus dem römischen Reich hervorgegangen sind. Den Bürgern der Stadt Rom, den Stadtrömern, weist Marsilius keine besondere Beteiligung an der Über62 tragung des Kaisertums zu noch eine besondere Befugnis dazu. Sie sind bei Marsilius eben nicht (mehr) der populus Romanus, der zu allen Zeiten die Funktion des legislator humanus supremus besitzt. In seiner Zeit ist es der populus, die universitas civium, der Gesetzgeber des römisch-deutschen Reiches, der den populus Romanus darstellt. Das Handeln des Papstes bei der Übertragung des Kaisertums kann zum einen nur aufgrund einer Vollmacht des ‘höchsten Gesetzgebers’, als dessen Werkzeug der Papst handelte, geschehen sein. Zum anderen kann es nur darin bestanden haben, den Willen des Gesetzgebers zu verkünden. Es stellt sich jedoch die Frage, warum der Papst überhaupt, und sei es auch nur als verkündendes Organ, an der Übertragung des Kaisertums beteiligt war. Marsilius erklärt das so: Vielleicht hat nämlich der obengenannte Gesetzgeber bei der Übertragung des Kaisertums oder Einsetzung des Kaisers einen Akt vollzogen, dessen Verkündigung und Veröffentlichung er später allein dem römischen Papst als der ehrwürdigsten Person der gesamten Menschheit oder ihm mit seinen Priestern als dem geachtetstem Kollegium von Klerikern übertragen hat, was nicht weaut sine medio, vel ab eis quidem non factam simpliciter, sed modo quodam, ut publicatam vel pronunciatam, auctoritate tamen predicta. Übersetzung nach Kunzmann (Anm. 2), S. 1083/1085. 61 Die Einwilligung derjenigen politischen Gemeinschaft, der das Kaisertum genommen wurde, zu erwähnen, ist bemerkenswert. Möglicherweise ist das auch ein Reflex auf die französischen und neapolititanischen Bestrebungen, den Deutschen das Kaisertum zu entziehen. Es soll deutlich werden, dass dies ohne deren Einwilligung nicht möglich sei. 62 Das unterscheidet ihn von denjenigen Publizisten seiner Zeit, die sowohl das Recht auf Vergabe der Kaiserkrone als auch des Imperiums bei den Stadtrömern sahen, vgl. Wilks, Michael, The Problem of Sovereignty in the Later Middle Ages. The Papal Monarchy with Augustinus Triumphus and the Publicists (Cambridge Studies in Medieval Life and Thought, New Series, Bd. 9), Cambridge 1963, S. 192.
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gen irgendeiner Notwendigkeit geschah oder geschehen musste, sondern nur um die Feierlichkeit dieses Vorgangs zu erhöhen. Denn tatsächlich hängen die Übertragung einer Regierung, die Gesetzgebung und die Einsetzung von Herrschern, ebenso auch die der staatlichen Ämter als solche, was ihre Rechtskraft 63 angeht, allein von der Wahl oder der Festsetzung des Gesetzgebers ab.
Die Entscheidung des ‘Gesetzgebers’, den Papst mit der Verkündung der translatio imperii zu beauftragen, ist, Marsilius zufolge, allein in der herausragenden Würde des Papstes begründet. In seinem ‘Defensor pacis’ widmet Marsilius ein eigenes Kapitel der Frage, wie der Papst seine Machtansprüche besonders gegenüber dem römischdeutschen Reich zur Geltung bringen will. Neben der beanspruchten allgemeinen Obergewalt (superioritas) über den römischen Herrscher (princeps) oder Kaiser (imperator) nennt Marsilius auch ausdrücklich den päpstlichen Anspruch auf die kaiserliche Gewalt oder Jurisdiktion, wenn das Reich 64 vakant sei. Die politische Bedeutung dieses päpstlichen Anspruchs und die Gefahr, die von ihm ausgeht, hebt Marsilius dadurch hervor, dass er die weiteren politischen Befugnisse darstellt, die dem Papst damit in naher oder ferner Zukunft ebenfalls zukommen würden. So müssten die Fürsten und alle Lehnsnehmer des Kaisers dem Papst Treueide schwören und müssten ihm Abgaben und Dienste leisten. Erledigte Lehen könnte der Papst neu vergeben, weltliche rechtliche Streitigkeiten könnten schließlich in Avignon 65 vom Papst als Berufungsinstanz entschieden werden müssen. Marsilius geht aber noch weiter in seiner politischen Theorie, indem er die Ekklesiologie zu einem integralen Bestandteil macht. Die politischen Rechte der politischen Gemeinschaften stehen über denen der kirchlichen Hierarchie. Dazu gehören auch, jedenfalls in politischen Gemeinschaften mit 63 Defensor pacis, hg. v. Scholz (Anm. 2), II, 30, § 8, S. 601, Z. 8–20: Transtulit enim fortasse aut instituit circa imperium aliquid legislator predictus, quod postmodum soli pape Romano tamquam reverenciori persone universitatis humane, vel sibi cum suis sacerdotibus velut venerabiliori clericorum collegio, pronunciandum et publicandum commisit, non quidem propter facti vel fiendi necessitatem, sed sollempnitatem tantummodo, quoniam translaciones principatus, legum et principancium instituciones, similiter et officia civilia reliqua inquantum huiusmodi, quantum et eorum robur, ex sola legislatoris iam dicti eleccione seu ordinacione dependent, (ut demonstratum est 12o et 13o prime ac 26o huius, parte 5a, cum declaracione quadam nec inutiliter repetitum). Übersetzung nach Kunzmann (Anm. 2), S. 1085. 64 Defensor pacis, hg. v. Scholz (Anm. 2), II, 26, § 3, S. 489, Z. 15–21. 65 Ibid., II, 26, § 8, S. 494, Z. 17–S. 495, Z. 31.
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einem legislator fidelis, einem ‘gläubigen Gesetzgeber’, Befugnisse gegenüber den Amtsträgern der Kirche, nämlich deren Einsetzung, die Festlegung ihrer Anzahl, die Festlegung von Abstufungen nach Ämtern, die Zuweisung und gegebenenfalls auch Zurücknahme von dazugehörigen Amtsbefugnis66 sen. Auf der universalen Ebene nehmen allein der ‘höchste menschliche Gesetzgeber’ und der römische Kaiser Befugnisse gegenüber dem universalen Bischof, dem Papst, wahr. Nur gegenüber der christlichen Kirche und ihrer universalen Funktion hat der Kaiser, Marsilius zufolge, universale Befugnisse. Weltliche Macht, Regierungsgewalt besitzt der Kaiser außerhalb der Reichsgrenzen nicht, er ist keiner anderen christlichen Regierung übergeordnet. Seine besondere Aufgabe ist jedoch die Wahrung der Einheit des Glaubens. Daher darf er häretische Päpste absetzen und – nach erfolgter 67 Wahl – auch deren Einsetzung vornehmen. Die oberste geistliche Instanz in Marsilius’ Ekklesiologie bildet jedoch das allgemeine Konzil. Es ist dem Papst übergeordnet und wird auch nicht von diesem, sondern vom Kaiser einberufen, der allein die potestas coactiva, die ‘zwingende Gewalt’ besitzt, 68 die Beschlüsse des Konzils zu gültigen Rechtsnormen zu erheben. Der Papst ist in diesem von Marsilius skizzierten Kirchengefüge zwar noch der vornehmste theologische Lehrer, seine Macht beschränkt sich aber darauf, eine Art ‘Kanzler der Kirche’ zu sein.
V. Die päpstliche Verurteilung des ‘Defensor pacis’ Die Gefahr, die für die päpstliche Politik in Paris heraufzog, ist an der Kurie nicht bemerkt worden. Marsilius von Padua hat den ‘Defensor pacis’, nach dem Zeugnis verschiedener Handschriftenüberlieferungen, am 24. Juni 1324 in Paris abgeschlossen. Vermutlich noch im selben Jahr ist Marsilius, und gemeinsam mit ihm Johannes von Jandun, von dort nach Deutschland aufge69 brochen, mit dem Hof König Ludwigs als Ziel. Johannes XXII. erwähnte 66 Vgl. Godthardt, Marsilius von Padua (Anm. 4), S. 147–156. Hier und im Folgenden sei auf meine Monographie zu diesem Thema hingewiesen, wo Quellen und Literatur ausführlich genannt sind. 67 Ibid., S. 167–174. 68 Ibid., S. 157–167. 69 Ibid., S. 52–88, und id., The Life of Marsilius of Padua, in: A Companion to Marsilius of Padua, hg. v. Moreno-Riaño, Gerson, und Nederman, Cary, Leiden 2012, S. 13–55, bes. 19–27. Wohl beginnend mit dem Aufsatz von Brampton, Charles Kenneth, Marsiglio of Padua, Part I: Life, in: The Eng-
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Marsilius und Johannes von Jandun erstmals gemeinsam fast drei Jahre nach dem Abschluss des ‘Defensor pacis’ in seiner Bulle ‘Quia iuxta doctrinam’ vom 3. April 1327, mit der er Ludwig den Bayern wegen des Vorwurfs der 70 Häresie nach Avignon zitierte. Darin heißt es, dem Papst sei mündlich und schriftlich berichtet worden, [...] dass die zwei nichtswürdigen Männer, Söhne des Verderbens und Zöglinge der Verfluchung, deren einer sich Marsilius von Padua und der andere Johannes von Jandun nennen lässt, die an der Universität Paris im Laufe mehrerer Jahre ihr Gehör von der Wahrheit abgewendet und ihre Studien, die – wie der Ausgang der Sache zeigt – hätten berichtigt werden müssen, erfundenen Geschichten zugewendet hatten und dass sie dort nicht gewagt haben, das Gift ihres Wahnsinns von sich zu geben, weil an dieser Universität die Autorität eines katholischen Fürsten wacht und sie durch die große Zahl rechtgläubiger Theologen und Kirchenrechtler geschützt ist, und sich beeilt haben, zu besagtem Ludwig [...] ihre Schritte zu wenden, dem sie ein gewisses Buch, das […] 71 voll von Irrlehren ist, überreichten.
Vom ‘Defensor pacis’ hat Johannes XXII., seiner eigenen Darstellung zufolge, erst gemeinsam mit der Nachricht über die Aufnahme der beiden lish Historical Review 37 (1922), S. 501–515, hatte sich die Auffassung allgemein durchgesetzt, dass der Pariser Bischof oder Inquisitor oder eine andere Stelle von dem ‘Defensor pacis’ und seinem mutmaßlich ketzerischen Inhalt gewusst hätte, es dieser Stelle aber bis zwei Jahren nach der Fertigstellung des Werks nicht gelungen sei, den anonymen Autor in Paris zu ermitteln. Als sie Marsilius schließlich identifiziert hätte, habe dieser sich mit Johannes von Jandun gezwungen gesehen, Paris fluchtartig zu verlassen und in Deutschland Zuflucht zu suchen. 70 Constitutiones et act publica imperatorum et regum, Bd. VI, Teil 1: 1325– 1330, hg. v. Schwalm, Jacob (Monumenta Germaniae historica, Legum sectio 4), Hannover/Leipzig 1914–1927, Ndr. Hannover 1982, Nr. 274, S. 185f. 71 MGH Const. VI/1 (Anm. 71), Nr. 274, § 3, S. 185, Z. 38–S. 186, Z. 7: Adhuc cumulans mala malis, sicut dudum ad nostri apostolatus auditum multorum fidedignorum tam litteralis perduxit insinuatio quam verbalis, duos viros nequam perditionis filios et maledictionis alumpnos, quorum unus Marsilium de Padua et alter Iohannem de Ianduno se faciunt nominari qui in Parisiensi studio annis pluribus a veritate suum avertentes auditum ad fabulas sua duxerant studia, sicut rei probat exitus, convertenda quique dum in eodem studio, cum in eo catholici principis auctoritas vigeat ac studium ipsum orthodoxorum theologorum et canonistarum copia sit munitum, vesanie sue virus effundere non auderent ad Ludovicum predictum […] gressus suos properaverunt dirigere sibique librum quemdam […] plenum heresibus variis […] presentarunt.
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Pariser Gelehrten an Ludwigs Hof erfahren. Aus diesem Zusammenhang entstand auch das Missverständnis in Avignon, Johannes von Jandun sei Mitautor des ‘Defensor pacis’ gewesen, das sich von dort aus verbreitete. Sechs Tage später exkommunizierte der Papst Marsilius von Padua und Johannes von Jandun zusammen mit anderen Geistlichen, noch allein aus dem Grund, weil sie mit dem exkommunizierten König in Italien Gemein72 schaft gepflegt hatten. Erst ein halbes Jahr später reagierte der Papst direkt auf den ‘Defensor pacis’. In der Verurteilungsbulle ‘Licet iuxta doctrinam’ vom 23. Oktober 1327 erklärte er das Buch auf Grund von fünf darin enthaltenen Aussagen für häretisch und Marsilius von Padua gemeinsam mit Johannes von Jandun 73 zu Ketzern. Aber auch wenn in der Bulle angegeben wird, dass die verurteilten fünf Artikel aus dem ‘Defensor pacis’ exzerpiert worden seien, womit die Einhaltung des vorgeschriebenen Gangs eines Häresieverfah72 ‘Dudum propter notorios’, MGH Const. VI/1 (Anm. 71), Nr. 277 (9. April 1327), S. 192–196. 73 Eine kritische Edition liegt nicht vor, gedruckt bei Caesaris S. R. E. card. Baronii, Od. Raynaldi et Jac. Laderchii Annales ecclesiastici, 37 Bde., neu hg. v. Theiner, Augustin, Bd. 24 [von Odorico Rinaldi]: 1313–1333, Bar-le-Duc 1872, ad annum 1327, § 28–35, S. 322b–329a; Thesaurus Novus Anecdotorum, hg. v. Martène, Edmond und Durand, Ursin, Bd. 2: Urbani papae IV. epistolae LXIV, Clementis papae IV. epistolae DCCXI, Joannis XII. processus varii in Ludovicum Bavarum & ejus asseclas, Innocentii VI. registrum epistolarum anno MCCCLXI, aliaque plura de schismate pontificum Avenionensum monumenta, Paris 1717, Ndr. (Essays in history, economics, and social science 26; Burt Franklin research and source works series 275) Farnborough 1968, Ndr. New York 1968, Sp. 704–716; Duplessis d’Argentré, Charles, Collectio judiciorum de novis erroribus, qui ab initio duodecimi seculi post incarnationem verbi, usque ad annum 1632 in ecclesia proscripti sunt et notati: Censoria etiam judicia insignium academiarum, inter alias Parisiensis & Oxoniensis, tum Lovaniensis & Duacensi in Belgio, aliorumque collegiorum theologiae apud Germanos, Italos, Hispanos, Polonos, Hungaros, Lotharos, etc. Cum notis, observationibus, & variis monumentis ad theologicas res pertinentibus, Bd. 1: Monumenta ab anno 1100 usque ad annum 1542, Paris 1728, Ndr. Bruxelles 1963, S. 304a–311b. Abdruck und Übersetzung der fünf Irrtümer, wie sie am Ende der Bulle geringfügig abgewandelt wiederholt und zusammengefasst werden, bei Denzinger, Heinrich, Enchiridion symbolorum definitionum et declarationum de rebus fidei et morum. Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen, verbessert, erweitert, ins Deutsche übertragen und unter Mitarbeit von Hoping, Helmut, hg. v. Hünermann, Peter, 43. Aufl., Freiburg i. Br. et alibi 2010, Nr. 941–945, S. 370f.
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rens dokumentiert werden sollte, hat man an der Kurie keine Kopie des Buches besessen, und die verurteilten Artikel stellen auch keineswegs wörtliche Auszüge von Textstellen des ‘Defensor pacis’ dar. Erstaunlicherweise handelt es sich nicht einmal um zutreffende Wiedergaben der Lehren des Marsilius. Dabei hat Marsilius selbst in der dritten dictio eine artikulierte Liste von 41 conclusiones aus seinem Werk zusammengestellt, die durchaus eine handliche Vorlage und einen brauchbaren Entwurf für eine Häresieverurteilung dargestellt hätten. Der narratio von ‘Licet iuxta doctrinam’ zufolge hat die Kurie ihre Kenntnisse über das häresieverdächtige Buch von Männern an Ludwigs Hof erhalten, die Zeugen von Marsilius’ Vorträgen über den Inhalt des ‘Defensor pacis’ waren. Was genau die Schwerpunkte dieser Vorträge waren, welche inhaltliche Auswahl Marsilius für seine öffentlichen Darlegungen vor König Ludwig und dessen Hof getroffen hat, wissen wir nicht. Seine Auffassungen vom Kaisertum, der Kaiserkrönung und der Bedeutung der Person des Koronators sind nicht Gegenstand der Verurteilungs75 bulle geworden. Die nie identifizierten Männer haben, so die Bulle, eine 74 Koch, Joseph, Philosophische und theologische Irrtumslisten von 1270–1329. Ein Beitrag zur Entwicklung der theologischen Zensuren, in: Bibliothèque Thomiste 14 (1930), S. 305–329, bes. S. 325 mit Anm. 2. 75 Die Darstellung eines französischen Chronisten zur Ankunft der Pariser Gelehrten am Hof Ludwigs stellt durchaus das Thema Kaisertum in den Vordergrund, Continuationis chronici Guillelmi de Nangiaco pars altera (1317–1340), in: Chronique latine de Guillaume de Nangis de 1133 à 1300 avec les continuations de cette chronique de 1300 à 1368, nouvelle édition revue sur les manuscrits, annotée et publiée pour la Société de l’histoire de France par Géraud, Hercule, Bd. 2, Paris 1843, Ndr. New York 1965, S. 1–178, hier S. 75: Unde et dicitur ducem praedictum eos esse taliter allocutum: ‘Pro Deo, quis movit vos venire de terra pacis et gloriae ad hanc terram bellicosam, refertam omnis tribulationis et angustiae?’ Responderunt, ut dicitur: ‘Error quem in ecclesia Dei intuemur nos fecit hucusque exulare, et non valentes hoc amplius cum bona conscientia sustinere, ad vos confugimus; cui cum de jure debeatur imperium, ad vos pertinet errata corrigere, et male acta ad statum debitum revocare.’ Non enim, ut dicebant, Imperium subest Ecclesiae, cum esset Imperium antequam haberet Ecclesia quidquam dominii vel principatus; nec regulari debet Imperium per regulas Ecclesiae, cum inveniatur imperatores plures electiones summorum pontificum consummasse, synodos convocasse et auctoritatem eisdem, etiam de diffiniendis eis quae fidei erant, jure imperii concessisse. Unde si per aliqua tempora contra Imperium et imperii libertates aliquid praescripsit Ecclesia, hoc dicebant non rite et juste factum, sed malitiose et fraudulenter contra Imperium ab Ecclesia usurpatum: asserentes se hanc
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Liste von häresieverdächtigen, von ihnen „exzerpierte Artikel“ an die Kurie geschickt, mit der dringenden Bitte, der Verbreitung dieser glaubensgefährdenden Lehren Einhalt zu gebieten. Diese ‘deutsche’ Liste ist jedoch nicht überliefert. Die Kurie hat daraufhin eine eigene vorläufige Liste von häresieverdächtigen Artikeln zusammengestellt, die sie mehreren Gelehrten zur Begutachtung übergab. Aus der übereinstimmenden Wiederholung dieser Artikel in den Gutachten kennen wir den Wortlaut der ‘kurialen’ Liste. Die später tatsächlich verurteilten Artikel in ‘Licet iuxta doctrinam’ unterscheiden sich dann nur unbedeutend von der ‘kurialen’ Liste. Die beanstandeten Sätze werden in der Bulle zunächst einzeln angeführt und ihnen nacheinander die kurialen Anschauungen als ‘Widerlegungen’ entgegengestellt. Am Ende der Bulle werden die verurteilten Artikel noch einmal zusammenfassend aufgeführt. Der erste Artikel bezieht sich auf Marsilius’ Lehre von der Steuerpflicht der Kirche gegenüber den politischen Gemeinschaften. Dabei ist im weiteren Sinne auch an das von Marsilius darüber hinaus vertretene Eigentumsrecht an den Temporalien der Kirche
quam dicebant veritatem contra omnem hominem velle defendere, et, si necessitas esset, etiam pro ejus defensione quodcumque supplicium et mortem finaliter sustinere. – „Und daher, sagt man, habe der Herzog sie folgendermaßen begrüßt: ‘Bei Gott, wer hat euch bewogen, aus dem Land des Friedens und Ruhmes in dieses kriegerische Reich, voll Unruhe und Aufregung, zu kommen?’ Sie antworteten, wie man sagt: ‘Die Verirrung, die wir in der Kirche Christi erblicken und die wir nicht länger mit gutem Gewissen ertragen konnten, hat uns zu euch getrieben. Denn da euch von Rechts wegen das Kaisertum zukommt, ist es eure Sache, diesen Übelständen abzuhelfen.’ Denn das Kaisertum ist, wie sie sagten, nicht der Kirche unterworfen, wie man behauptet, es bestand, bevor die Kirche Gewalt oder Herrschaft besaß; auch dürfen auf das Kaisertum die Gesetze der Kirche nicht angewendet werden, da sich findet, dass die Kaiser viele Papstwahlen vollzogen haben, Synoden berufen und denselben die Autorität, auch über diejenigen Entscheidungen, die den Glauben betrafen, aufgrund kaiserlichen Rechts verliehen haben. Wenn die Kirche also ihre Erlasse gegen das Kaisertum und dessen Freiheit richtete, hat sie nicht recht, sondern mit böswilliger und betrügerischer Anmaßung gehandelt. Diese Wahrheiten versicherten sie, gegen jedermann verteidigen und, wenn nötig, mit ihrem Leben dafür einstehen zu wollen.“ Die Übersetzung dieser Stelle ist angelehnt an Riezler, Sigmund von, Die literarischen Widersacher der Päpste zur Zeit Ludwigs des Baiers. Ein Beitrag zur Geschichte der Kämpfe zwischen Staat und Kirche, Leipzig 1874, Ndr. (Burt Franklin Research and Source Works Series 14) New York 1961, S. 38f.
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zu denken und an die Kontrolle, die die jeweiligen politischen Gemeinschaften über deren Verwendung ausüben sollen: Zum ersten erdreisten sich nun diese verwerflichen Männer zu lehren, dass jenes, was man von Christus im Evangelium des seligen Matthäus [Mt 17,27] liest, [nämlich] dass er dem Kaiser Steuer gezahlt habe, als er jenen, die eine Doppeldrachme verlangten, einen aus dem Maul eines Fisches genommenen Staters zu geben hieß, das tat er nicht gnädig aus der Freigebigkeit seiner Frömmigkeit, 76 sondern durch Notwendigkeit gezwungen.
Im zweiten Artikel geht es um die Auffassung vom Papsttum als einer nicht von Christus, sondern vom ‘höchsten menschlichen Gesetzgeber’ eingerichteten Institution: Zweitens haben diese Söhne des Teufels sich erdreistet zu lehren, dass der selige Apostel Petrus nicht mehr Autorität hatte, als die anderen Apostel hatten. Ferner, dass Christus der Kirche kein Haupt hinterließ, noch dass er jemanden zu 77 seinem Stellvertreter machte.
Der dritte Artikel gibt knapp, aber zutreffend Marsilius’ Lehre von der Amtseinsetzung des Papstes durch den Kaiser wieder: Drittens scheuen sich diese Söhne des Teufels nicht zu behaupten, dass es dem 78 Kaiser zusteht, den Papst einzusetzen und abzusetzen und zu bestrafen.
Der vierte Artikel bezieht sich auf die allgemeine Befugnis der ‘gläubigen Gesetzgeber’ der verschiedenen politischen Gemeinschaften, alle geweihten Geistlichen in ihr ‘akzidentielles’ oder ‘abtrennbares’ Amt einzusetzen: Viertens sagen jene prahlerischen oder vielmehr lügnerischen Männer, dass alle Priester, ob es der Papst sei, ein Erzbischof oder ein beliebiger einfacher Priester, aufgrund der Anordnung Christi von gleicher Autorität und Rechtsvollmacht sind. [...] Was aber einer mehr als der andere habe, das entspricht dem, 76 Rinaldi (Anm. 74), ad annum 1327, § 29, S. 323a: In primis itaque isti viri reprobi dogmatizare praesumunt, quod illud, quod de Christo legitur in Evangelio beati Matthaei [Mt 17,27], quod ipse solvit tributum Caesari, quando staterem, sumptum ex ore piscis, illis qui petebant didrachma jussit dari, hoc fecit non condescensive e liberalitate suae pietatis, sed necessitate coactus. 77 Ibid., § 30, S. 323b: Secundo, isti filii Belial, dogmatizare praesumunt, quod beatus Petrus Apostolus non plus auctoritatis habuit, quam alii Apostoli habuerunt, nec aliorum Apostolorum fuit caput. Item quod Christus nullum caput dimisit Ecclesiae, nec aliquem vicarium suum fecit. 78 Ibid., § 31, S. 324b: Tertio isti filii Belial asserere non verentur, quod ad imperatorem spectat, papam instituere et destituere ac punire.
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was der Kaiser dem einen oder dem anderen mehr oder weniger gewährt hat; 79 und so, wie er es jemandem gewährt hat, so kann er es auch widerrufen.
Der fünfte Artikel bezieht sich auf Marsilius’ Lehre von der Abschaffung der geistlichen Gerichtsbarkeit und der Zuständigkeit der weltlichen Gerichte auch für alle Geistlichen und deren Angelegenheiten: Fünftens sagen jene gotteslästerlichen Männer zudem, dass die ganze Kirche zusammengenommen keinen Menschen mit zwangsweiser Bestrafung bestra80 fen kann, außer wenn der Kaiser dies zugesteht.
Die fünf verurteilten Irrlehren beziehen sich ausschließlich auf das Verhältnis von geistlicher und weltlicher Macht und auf die Hierarchie innerhalb der Kirche. Die Wiedergabe des Inhalts ist jedoch nur in einer sehr eingeengten Hinsicht zutreffend. Marsilius hat seine politischen Grundsätze als generische Theorie entwickelt, die auf alle politischen Gemeinschaften und alle Verfassungsformen applizierbar sein sollte. Gleichzeitig sollte damit das politisch-praktische Ziel seiner Schrift erreicht werden, als Adressaten uneingeschränkt alle politischen Gemeinschaften und Regenten der Christenheit anzusprechen und gegenüber den weltlichen Herrschaftsansprüchen der Päpste seiner Zeit zu wappnen. Wo Marsilius im ‘Defensor pacis’ in größtmöglicher Allgemeinheit von den ‘gläubigen Gesetzgebern’ spricht, erscheint in der Verurteilungsbulle stattdessen allein: der Kaiser. Gerade der zentrale, vierte Artikel der Verurteilungsbulle kann darüber hinaus sogar so verstanden werden, dass der Kaiser diese Rechte nicht nur als einziger unter den christlichen Regenten besitzt, sondern dass er diese Rechte vielmehr in der gesamten Christenheit ausüben soll. Mit dieser Darstellung in der Verurteilungsbulle versuchte die Kurie auf zweifache Weise, einem publizistischen und politischen Erfolg des ‘Defensor pacis’, vor allem außerhalb des römisch-deutschen Reiches, entgegenzuwirken. Zum einen verbot sie, das häretische Buch zu lesen und zu kopieren, und zum anderen vermittelte sie, mit der Verbreitung von ‘Licet iuxta doctrinam’ in die Bistümer
79 Rinaldi (Anm. 74), ad annum 1327, § 32, S. 326a: Quarto dicunt isti vaniloqui, imo falsiloqui quod omnes sacerdotes, sive sit papa, sive archiepiscopus, sive sacerdos simplex, sunt ex institutione Christi auctoritatis et juridictionis aequalis. [...] Quod autem unus plus alio habeat, hoc est secundum quod imperator concedit uni vel alii plus vel minus: et sicut concessit alicui, sic potest illud etiam revocare. 80 Ibid., § 33, S. 327b: Quinto adhuc isti blasphemi dicunt, quod tota Ecclesia simul juncta nullum hominem punire potest punitione coactiva, nisi concedat hoc imperator.
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der Christenheit, das Propagandabild einer exklusiv-imperialen Kirchendoktrin des Marsilius. Da das Verbot der Bulle, den ‘Defensor pacis’ zu verbreiten, Erfolg hatte, wie die noch im ganzen 14. Jahrhundert geringe Handschriftenüberlieferung 82 zeigt, hatte die Kurie außerhalb des kaiserlichen Umfelds praktisch die Deutungshoheit über das Werk erlangt. Dieser Erfolg zeigte sich in den zeitgenössischen Werken der Publizistik und Chronistik, die Marsilius’ Werk und Lehre nur aus zweiter Hand, nämlich der Verurteilungsbulle, kannten und nur diese Kenntnis weiterverbreiteten. Die Rezeption von ‘Licet iuxta doctrinam’ war ein wichtiger Erfolg Johannes’ XXII. gegenüber seinem Herausforderer. Den im persönlichen Nahverhältnis von Marsilius auf Ludwig ausgeübten Einfluss zu verhindern, gelang Johannes XXII. dagegen nicht. Ludwig, selbst wegen Häresie angeklagt und verurteilt, ließ sich von der päpstlichen Verurteilung des Marsilius und des Johannes von Jandun nicht abhalten, sie auf seinen Italienzug mitzunehmen, als gelehrte Ratgeber aufzunehmen und mit Ämtern und materieller Versorgung zu versehen.
VI. Die autonome Kaiserkrönung Ludwigs des Bayern Die nächste Herausforderung für Johannes XXII. bestand in Ludwigs Politik in Italien, die sich vor allem in Rom mit mehreren politischen Akten direkt gegen den Papst richtete. Ludwigs erste große politische Handlung in Rom war die detailliert inszenierte Kaiserkrönung, die er ohne Papst und gegen den Willen Johannes’ XII. vollziehen ließ. Inwieweit Ludwigs Kaiserkrönung auf das theoretische Fundament des Marsilius errichtet wurde, lässt sich auch heute nicht mit Sicherheit sagen. Die ältere Forschung hat das meist ausdrücklich bejaht. Diese Einschätzung beruht aber auf einem 81 Zur Versendung von ‘Licet iuxta doctrinam’ in zahlreiche Bistümer der Christenheit vgl. Schmugge, Ludwig, Johannes von Jandun (1285/89–1328). Untersuchungen zur Biographie und Sozialtheorie eines lateinischen Averroisten (Pariser Historische Studien 5), Stuttgart 1966, S. 32. 82 Der gelehrte Publizist Konrad von Megenberg beklagt noch bald nach Marsilius’ Tod, dass es unmöglich wäre, ein Exemplar dieses Werkes zu erhalten, Konrad von Megenberg, Oekonomik, 3 Bde., hg. v. Krüger, Sabine (MGH Staatsschriften des späteren Mittelalters), Stuttgart 1973–1984, Bd. 2, 1977, II, 3, 1, S. 87: Ipsorum [Marsilii et Johannis] tamen motiva non vidi, quia licet precurrenti diligencia mea libellus eorum [Defensor pacis] ad me nunquam poterat pervenire. Vgl. Miethke, Politiktheorie (Anm. 3), S. 234 mit Anm. 723.
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zweifachen Irrtum. Erstens, dass Ludwig von den Stadtrömer, die von Ludwig als populus Romanus angesehen worden seien, zum Kaiser ‘gewählt’ oder in einem konstitutiven Akt zum Kaiser erhoben worden sei. Zweitens, dass Marsilius in seiner politischen Theorie dem ‘Volk’ der Stadt Rom das Recht, den Kaiser zu wählen, zugewiesen hätte. Ludwig war mit geringer Begleitung auf Bitten der von der päpstlichen Macht bedrängten italienischen Ghibellinen Anfang 1327 über die Alpen gekommen. In Trient beschloss er mit ihnen, dass er als legitimer Herrscher 83 seine Rechte in Reichsitalien durchsetzen und nach Rom ziehen würde. Zunächst zog Ludwig mit seinen italienischen Verbündeten nach Mailand, wo er sich zu Pfingsten mit der ‘eisernen Krone’ der Lombardei krönen ließ. Da der amtierende, papsttreue Erzbischof den gebannten Herrscher nicht hatte krönen wollen und aus der Stadt geflüchtet war, wählte Ludwig 84 zwei andere Bischöfe für diese Zeremonie aus. In Mailand erhielt Marsilius von Ludwig auch die ersten Ämter übertragen. Marsilius amtierte als iudex clericorum und als administrator in temporalibus des als vakant angesehenen Erzbistums. Es scheint, als ob hier Marsilius’ neue Ekklesiologie von Ludwig und ihm selbst in die Praxis umgesetzt worden war: Denn Marsilius 85 übte die eigentlich kirchlichen Ämter ausdrücklich pro regia maiestate aus. Vermutlich während Ludwigs längerem Aufenthalt in Mailand fanden einige Verhandlungen statt. Ludwig schickte zu Johannes XXII. mit der Aufforderung, nach Rom zu kommen und ihn dort zum Kaiser zu krönen. Der Papst ging auf Ludwigs Forderung jedoch nicht ein und lehnte auch die etwa zur selben Zeit vorgetragene Bitte der Römer ab, er möge seine Residenz nach Rom verlegen. Währenddessen wurde Ludwig von den Vertretern der neuen römischen Stadtregierung, die die Herrschaft des päpstlichen Verbündeten Robert Anjou von Neapel und seines Hauses abgeschüttelt 86 hatte, in die Stadt eingeladen. Ludwig erreichte Rom Anfang Januar 1328 und zog – ganz anders als sein Vorgänger Heinrich VII. – unter begeisterter Zustimmung der nun überwiegend kaiserfreundlichen Römer in die Stadt ein. Die Kaiserkrönung fand am 17. Januar statt und folgte – soweit es ohne Papst möglich war und soweit es die Quellen darstellen – auch in den Einzelheiten dem bei der Kaiserkrönung Heinrichs VII. zu Grunde gelegten Krönungsordo. 83 Vgl. Godthardt, Marsilius von Padua (Anm. 4), S. 189–200. 84 Ibid., S. 211–214. 85 Die Quellen machte bekannt Cadili, Alberto, Marsilio da Padova amministratore della Chiesa ambrosiana, in: Pensiero politico medievale 3/4 (2005/2006), S. 193–225. Vgl. auch Godthardt, Marsilius von Padua (Anm. 4), S. 214–221. 86 Ibid., S. 221–229.
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Die Abweichungen betrafen allerdings den Koronator bzw. die Koronatoren und die Konsekratoren. Die Weihe und Salbung, die der Krönung im engeren Sinne vorausgehen, haben dem Ordo zufolge die drei ranghöchsten Kardinäle zu vollziehen, nämlich die Bischöfe der suburbikarischen Bistümer von Ostia, Porto und Albano. Da sich die Kardinäle an der Kurie in Avignon aufhielten und die Kardinalswürde von Ostia überdies vakant war, ließ sich Ludwig von drei anderen Bischöfen weihen und salben. Dabei handelte es sich um drei Italiener, die allerdings bereits zuvor von Johannes XXII. abgesetzt worden waren, nämlich Bonifazio della Gherardesca aus Pisa, Bischof von Chiron auf Kreta, Gherardo Orlandi aus Pisa, Bischof von Aleria, und Giacomo Alberti aus Prato, Bischof von Castello bei Venedig, den der spätere Gegen87 papst dann zum Kardinalbischof von Ostia und Velletri ernannte. An die Stelle des Papstes trat nicht ein einzelner anderer Koronator, sondern vier Personen, die gemeinsam die Krönung im engeren Sinne, die Übergabe der Krone und der anderen Krönungsinsignien, vornahmen. Die Angaben der Quellen zur Identität der vier Koronatoren sind nicht völlig übereinstimmend, am wahrscheinlichsten erscheinen mir diese vier stadtrömischen Adligen: der Capitano del Popolo Sciarra Colonna, der Senator Giacomo Savelli, der Stadtpräfekt Manfredo di Vico und Tibaldo 88 di Sant’Eustachio, zu dem kein Amt überliefert ist. Die Antwort auf die Frage, wer von den vieren Ludwig die Krone aufs Haupt setzte, war seit langem: Sciarra Colonna, der berüchtigte Attentäter von Anagni, der der Anführer des Umsturzes gegen Robert von Neapel war. In den
87 Vgl. Godthardt, Marsilius von Padua (Anm. 4), S. 258–264. Gegenüber der älteren Forschung ist festzuhalten, dass nicht nur zwei Bischöfe an der Krönungsfeier beteiligt waren. Grundlegend dazu Cristiani, Emilio, Alcune osservazioni sui vescovi intervenuti all’incoronazione romana di Ludovico il Bavaro (17 gennaio 1328), in: Miscellanea Gilles Gerard Meerseman, Bd. 1 (Italia sacra. Studi e documenti di storia ecclesiastica 15), Padova 1970, S. 247–256, hier S. 247 und passim; der Hinweis auf Bonifazio als drittem Konsekrator aber auch schon bei Bock, Reichsidee (Anm. 51), S. 253; DuprèTheseider, Eugenio, Roma dal commune di popolo alla signoria pontificia (1252–1377) (Storia di Roma 11), Bologna 1952, S. 465. Jetzt auch im neuen ‘Gebhardt’ Menzel, Michael, Die Zeit der Entwürfe. 1273–1347 (Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte 7a), zehnte, völlig neu bearb. Aufl., Stuttgart 2012, S. 172. 88 Vgl. Godthardt, Marsilius von Padua (Anm. 4), S. 264–270.
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zeitgenössischen Quellen ist das jedoch nicht zu finden. Dagegen scheinen mehrere zeitgenössische Quellen auf einen anderen zu deuten: den Stadtpräfekten, dem auch eine hervorgehobene Rolle im Kaiserkrönungsordo zugewiesen wird und dessen Amt durchaus als ein kaiserliches verstanden 90 werden konnte. Mit wessen Legitimation, wenn nicht der des Papstes, hat Ludwig nun die Kaiserwürde und den Kaisertitel erhalten, die er mit der Kaiserkrönung annahm? In der langen Tradition des Kaisertums erschien der populus Romanus, hier verstanden als die Bürger der Stadt Rom, immer wieder als der natürliche Konkurrent des Papsttums um die Vergabe der Kaiserkrone. Teile der Forschung haben die Bedeutung der Stadtömer, auch unter dem Eindruck der führenden Rolle, die Sciarra Colonna so lange zugeschrieben wurde, als sehr hoch eingeschätzt. Das lässt sich jedoch kaum bestätigen. Vielmehr hat Ludwig, so meine ich, seine Kaiserwürde von keinem persönlichen oder institutionellen Beteiligtem an der Krönung abgeleitet oder ableiten wollen. Rechtsgrundlage auch der jetzt erst angenommenen Kaiserwürde war allein die Wahl durch die Kurfürsten. Wie zuvor in den Königskrönungen in Aachen und in Mailand nimmt er nur Würde und Titel in Besitz, wo ihm die Amtsgewalt, seiner Rechtsauffassung zufolge, bereits gehört. Seine autonome Kaiserkrönung war kein Rechtsakt, sondern ein Demonstrationsakt. Dies traf sich im Grundsatz mit dem, was Marsilius in seinen Schriften vertreten hatte. Einen Unterschied zwischen dem tatsächlichen Ablauf der Kaiserkrönung im Januar 1328 und Marsilius’ Theorie gibt es aber doch: Marsilius hat, als er die Möglichkeit eines alternativen Koronators vertrat, wohl – ohne diesen Punkt vertieft zu reflektieren – an einen anderen Bischof als den Bischof von Rom gedacht. An keiner Stelle fordert Marsilius ausdrücklich eine Beteiligung von Laien oder hervorgehobenen Mitgliedern der politischen Gemeinschaft. Ohne Zusammenhang mit seiner Theorie ist die Beteiligung von Laien an einer Krönungszeremonie jedoch nicht. Wollte man anhand der ausgewählten Konsekratoren und Koronatoren einen symbolischen Verweis erkennen, dann betrifft dies die Entscheidung, zu den traditionell drei Konsekratoren ausgerechnet eine Anzahl von vier laikalen Koronatoren anstelle des Papstes auszuwählen. Denn dieser Verweis deutet 89 Vgl. Godthardt, Marsilius von Padua (Anm. 4), S. 271–276. Erst einhundert Jahre nach der Kaiserkrönung findet sich diese Zuschreibung erstmalig, nämlich in der Geschichte des Volkes von Florenz des Bischofs Antonin von Florenz. 90 Ibid., S. 276–281.
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möglicherweise auf die Kaiserwähler, die Kurfürsten, als die eigentlichen und einzigen Spender der Legitimation des Kaisertums. Was bedeutete Ludwigs Kaiserkrönung für Papst Johannes XXII.? In einem öffentlichen Akt wurde der gesamten Christenheit demonstriert, dass das exklusive Vorrecht des Papstes auf die Kaiserkrönung und der Anspruch auf Vergabe der Kaiserkrone de facto nicht bestehen. Damit gerieten auch die Ansprüche mit Nachdruck ins Wanken, die die Kurie und die papalistische Literatur aus der päpstlichen Kaiserkrönung ableiten wollten. Ludwigs kluger Verzicht auf eine andere Legitimation spendende Instanz machte die Kaiserkrönung autonom, bestärkte die Bedeutung der Kaiserwahl und unterstützte ein souveränes Reichsrecht. Entsprechend fiel die nicht-öffentliche, erste Reaktion Johannes’ XXII. aus: In einem Bericht des Gesandten des Königs von Aragon an der Kurie ist der Ausspruch des Papstes überliefert: „Wenn das Gottes Wille ist, kann 91 ich nichts dagegen tun.“ Die Wirkung, die Ludwigs Kaiserkrönung auf Johannes XXII. hatte, muss gewaltig gewesen sein. Erst zweieinhalb Monate danach hat der Papst öffentlich auf die Kaiserkrönung reagiert, indem er 92 sie in einem weiteren Prozess gegen Ludwig für ungültig erklärte. Auch gegen die Römer erließ er einen Prozess, in dem er ihre Beteiligung an der Kaiserkrönung verurteilte. Hier ist auch von Marsilius und Johannes von Jandun die Rede: Und darüber hinaus hatte die genannte Volksmenge Marsilius von Padua und Johannes von Jandun, in jeder Hinsicht unheilvolle, verworfene und wegen Häresie durch einen Urteilsspruch verdammte Männer, die häretische, verworfene und verdammte Lehren lehrten und öffentlich predigten, in Rom aufgenommen, wobei sie die gottlosen Predigten und Lehren der genannten Häretiker anhörten und ihnen zur Gefahr ihrer Seelen Folge leisteten und ihnen Hilfe, 93 Rat und Gunst gewährten. 91 Acta Aragonensia (Anm. 46), Bd. 1, Nr. 290 (7. März 1328), S. 433–436, hier S. 434: Fago saber a la vostra alteça, que el papa es muyt turbado del feyto de la coronacion de Bauaro, en tal manera, que tod homme presume, que seya obra de Dios. E asi lo dixo el papa mismo, que, si obra era de Dios, que el noy podria contrastar, que non penssava homme del mundo, que en spacie de tre aynens el Bauaro, con quanto poder tiene, pudiesse passar ento Roma segunt los passos periglosos, que passar devia. 92 ‘Dudum per facti’, MGH Const. VI/1 (Anm. 71) Nr. 427, S. 328–334. 93 ‘Quamquam nobis’, MGH Const. VI/1 (Anm. 71), Nr. 428, S. 335ff., hier § 6, S. 336, Z. 7–13: Et insuper predicti populus Marcilium de Padua et Iohannem de Ianduno viros utique pestiferos, reprobatos et de heresi sententialiter et publice condempnatos, doctrinas hereticales, reprobatas et condempnatas
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Ein Zusammenhang zwischen den Lehren des Marsilius und der politischen Aussage der Kaiserkrönung stellt Johannes XXII. hier und auch anderswo jedoch nicht her. Eine mögliche Erklärung dafür könnte sein, dass Marsilius’ Aussagen zu Kaisertum und Kaiserkrönung, die auch in der Verurteilungsbulle nicht genannt werden, der Kurie nicht bekannt waren. Trotz der langen Tradition päpstlicher Kaiserkrönungen hatte der Papst bei der Bekämpfung von Ludwigs Kaiserkrönung und Kaiserwürde nur begrenzten Erfolg. Vielmehr fand Ludwigs so irregulär erworbene Kaiserwürde im Verlauf seiner weiteren Regierungszeit, auch bei seinen politischen Gegnern im Reich, immer mehr Anerkennung.
VII. Kaiser Ludwig und das Papsttum Die weitere Politik Ludwigs in Rom ist direkt auf Johannes XXII. gerichtet: die Absetzungssentenz ‘Gloriosus Deus’ vom 18. April und die Amtseinsetzung eines neuen Papstes am 12. Mai 1328. Ludwig der Bayer erklärte aufgrund seiner kaiserlichen Autorität Johannes XXII. in seinem Urteils94 spruch als Papst für abgesetzt. Als Gründe dafür werden Häresie und das crimen laesae maiestatis, das in dem Vorgehen gegen Ludwig dem Bayern bestanden habe, aufgeführt. Die Legitimation für die Absetzung kraft kaiserlicher Autorität liest sich wie eine Anwendung des ‘Defensor pacis’ auf diesen Fall. Klerus und Volk von Rom haben der Absetzung zugestimmt, aber keine kirchliche Institution nimmt auch nur formal am Absetzungsurteil Anteil. Das Dokument, das die Haltung des Papstes im sogenannten theoretischen Armutsstreit als häretisch erklärt, ist sicher 95 aufgrund mehrerer, verschiedener Einflüsse entstanden. Aber die Legitimationsgründe für die Autorität des Kaisers in dieser Sache lassen Marsilius nicht nur als Urheber erkennen, auch ein zeitgenössischer Quellenautor, der Paduaner Poet Albertino Mussato, einst ein väterlicher Freund, nennt Marsilius ausdrücklich gemeinsam mit dem Minoriten Ubertino da
dogmatizantes, publice predicantes in Urbe receperunt predicta, hereticorum predictorum predicationes et dogmatizationes nepharias audiendo eisque parendo in suarum animarum periculum eisque dando auxilium, consilium et favorem. 94 MGH Const. VI/1 (Anm. 71), Nr. 436, S. 344–350. 95 Vgl. Godthardt, Marsilius von Padua (Anm. 4), S. 324–331.
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Casale als Autor von ‘Gloriosus Deus’. Die praktische Wirkung der Absetzungserklärung war außerhalb Roms zunächst äußerst gering. Die Amtsausübung Johannes’ XXII. und der Kurie in Avignon war dadurch keineswegs beeinträchtigt. Erst ein Jahr später, am Gründonnerstag 1329, erließ Johannes XXII. einen weiteren Prozess gegen Ludwig. Darin heißt es über das kaiserliche Absetzungsurteil gegen ihn: [...] Ludwig hat sich nicht gescheut [...] dieselben, Marsilius und Johannes, die er in Deutschland an seinem Hof aufgenommen hatte und die sich erdreisteten, unter dessen Schutz die genannten und viele andere Irrlehren öffentlich zu lehren und starrsinnig zu verteidigen und die in Rom, nachdem die besagte Verurteilung verbreitet wurde, öffentlich predigten, dass die genannten verdammten Artikel wahr wären, an seinem Hof zu behalten und ließ sich in der Tat zu dem unerhörten Wahnsinn verleiten, dass er das, was er innerlich glaubte durch den Beweis eines äußeren Werkes offenbarte, indem der genannte Häretiker und Schismatiker Ludwig [...] an einem festgesetzten Tag und Ort öffentlich und in Gegenwart des zusammengerufenen Klerus’ und Volkes von Rom den genannten Irrtum vertrat, nämlich dass es dem Kaiser zustünde, einen Papst abzuset97 zen, und sich erdreistete, gegen Uns eine Absetzungssentenz zu verkünden.
Johannes XXII. führt also ausdrücklich Ludwigs Anspruch auf das kaiserliche Recht, einen Papst abzusetzen, auf den Einfluss des Marsilius zurück. Ganz ähnlich verhält es sich bei der Erhebung des neuen Papstes: Pietro von 96 Albertini Mussati Ludovicus Bavarus. 1327–1329, in: Fontes rerum Germanicarum, hg. v. Böhmer, Johann Friedrich, Bd. 1, Stuttgart 1843, Ndr. Aalen 1969, S. 170–189, hier S. 175, Z. 36–S. 176, Z. 5: Protinus vehementissimis populi Romani caloribus, ignitisque ad has res novas animis, Ioannes XXII papa excommunicationibus propinatis, in personam at actus eius, prout iam dicti Marsilius et Ubertinus consultores ac etiam processuum dictatores conscribere atque componere multo studio sciverunt, edicta a senatu populoque Romano promulgata sunt: Ioannem eo usque dictum papam, tamquam schismaticum profanum et hereticum, cassum et reprobum seu reprobatum. 97 MGH Const. VI/1 (Anm. 71), Nr. 575, § 4, S. 478, Z. 7–17: [...] Ludovicus [...] ipsos Marsilium et Iohannem, quos in partibus Alamannie in suam familiaritatem admiserat et sub cuius umbra errores prefatos et multos alios publice dogmatizare presumpserant et pertinaciter defensare ac in Urbe prefata post latam predictam sententiam predicantes publice, predictos dampnatos articulos veros esse, in suam familiaritatem non erubuerat retinere necnon ad inauditam inductus insaniam, ut quod credebat interius, per evidentiam exterioris operis declararet, certa die et loco convocato publice clero dicte Urbis et populo ac presente prefatus Ludovicus hereticus et scismaticus, (pluribus innodatus excommunicationum sententiis et omni honore privatus), asserens
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Corvaro, der als Nikolaus V. mit einer gewissen Reichweite innerhalb des Reichs etwa ein Jahr lang regieren sollte. Bei dessen Erhebung ist Marsilius’ Einfluss noch weitreichender und offenkundiger; sie stellt den Höhepunkt von Marsilius’ Wirksamkeit dar. Die Wahl des neuen Papstes fand auf einer Versammlung des Kaisers mit dreizehn Repräsentanten der römischen 98 Geistlichkeit und einer unbekannten Anzahl römischer Laien statt. Dieser Wahlakt entspricht ganz auffällig der an einer Stelle des ‘Defensor pacis’ vorgenommenen Konkretisierung der sonst recht allgemein bleibenden 99 Überlegungen zur Amtseinsetzung des Papstes. Der Kaiser nahm auch die Einsetzung des neuen Papstes in ganz und gar umfassender Weise vor. Auf dem Petersplatz rief Ludwig den Papstnamen aus, überreichte Nikolaus V. den Fischerring und den Mantel, inthronisierte ihn zu seiner Rechten und ließ zudem ein Bestätigungsdekret verlesen, wie der Florentiner Chronist
errorem predictum, videlicet quod imperatori licebat papam deponere, contra nos depositionis de facto presumpsit sententiam promulgare. 98 Vgl. Godthardt, Marsilius von Padua (Anm. 4), S. 348–353. 99 Defensor pacis, hg. v. Scholz (Anm. 2), II, 25, § 8, S. 475, Z. 7–19: Nam licet ad principem aut alteram personam singularem, inquantum huiusmodi, non conveniat divino vel humano iure nec aliqua laudanda consuetudine, secundum ipsius solius impetum, ad officium aliquod instituere seu determinare personam, maxime ad Romanum episcopatum, quemadmodum 15o prime ac 17o et 22o huius sufficienter ostensum est; ad principem tamen auctoritate legislatoris humani sibi concessa secundum certam formam et modum determinatum a lege, ut videlicet usuro collegii sacerdotalis et aliorum sapientium et studiosorum consilio ipsorumque valencioris partis determinacioni credituro, potuit licite valde Romani pontificis institucio pertinere. Übersetzung nach Kunzmann (Anm. 2), S. 863: „Denn es kommt zwar dem Herrscher (princeps) oder einer anderen Einzelperson als solcher nach göttlichem oder menschlichem Recht oder einem löblichem Gewohnheitsrecht nicht zu, allein gemäß seinem Verlangen eine Person in irgendein Amt einzusetzen oder dafür zu bestimmen, am wenigsten für den römischen Bischofsstuhl, wie in I 15 und II 17 und II 22 zur Genüge gezeigt worden ist, aber wenn dem Kaiser (princeps) die Ermächtigung dazu durch den menschlichen Gesetzgeber zugestanden war, konnte ihm doch in einer bestimmten gesetzlich festgelegten Form und Art mit vollem Recht die Einsetzung des römischen Pontifex zustehen, z. B. wenn er sich verpflichtete, den Rat eines Kollegiums von Priestern und anderen klugen und tüchtigen Männer einzuholen und dem Beschluß ihres gewichtigeren Teils Vertrauen zu schenken.“
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Giovanni Villani berichtet. Die anschließende Weihe in Alt-St. Peter war buchstäblich der einzige Erhebungsakt, der nicht vom Kaiser vorgenommen wurde. Ein weiterer Höhepunkt stand aber noch aus. Nikolaus V. begann bereits vor seiner Krönung sein Amt auszuüben, indem er Urkunden ausstellte und neue Kardinäle ernannte. Erst zehn Tage nach seiner Einsetzung und Weihe wurde er gekrönt – und zwar ebenfalls vom Kaiser. Der Krönungsgegenstand war dabei keine Tiara oder andere Krone, sondern eine simple rote Biretta. Im Anschluss an die kaiserliche Papstkrönung setzte Nikolaus V. Ludwig die Kaiserkrone auf. Das war keine Korrektur der eigentlichen Kaiserkrönung vom Januar, wie Teile der Forschung meinten, das war eine weitere Demonstration von Ludwigs Vorstellung vom Verhältnis der beiden Gewalten: Der Papst ist verpflichtet, den Kaiser zu krönen. Und: Kein Koronator, seien es laikale römische Amtsträger oder der Bischof von Rom, verleiht dem gewählten Kaiser irgendeine Autorität, die er nicht 101 bereits vorher besitzt. Nikolaus V. hielt sich nach dem Abzug aus Rom, vom Kaiser verlassen, in Pisa auf und lieferte sich schließlich selbst an die Kurie aus, wo ihn sein Prozess erwartete. Die Bedeutung, die Johannes XXII. Marsilius von Padua auch bei der Wahl und Erhebung des Gegenpapstes zumaß, wird in dem Schuldbekenntnis des Pietro von Corvaro vom 6. September 1330, das auf einer kurialen Vorlage beruht, deutlich: Besonders gebe ich zu, dass ich begreife und glaube, dass es dem Kaiser nicht zusteht, den Papst abzusetzen und auch nicht, einen einzusetzen, vielmehr denke ich, dass dies als häretisch anzusehen ist, so wie es in dem Prozess gegen die Häretiker Marsilius von Padua und Johannes von Jandun, der von Euch, Heiligster Vater, über diese und einige andere Irrlehren abgehalten wurde, den 102 ich gewissenhaft studiert habe, enthalten ist. 100 Villani, Giovanni, Nuova Cronica. Edizione critica a cura di Porta, Giuseppe, 3 Teile (Biblioteca di Scrittori Italiani), Parma 1990–1991, Bd. 2, 1991, Buch 11, Kap. 73, bes. S. 609f. 101 Vgl. Godthardt, Marsilius von Padua (Anm. 4), S. 385–403. 102 Thesaurus novus anecdotorum (Anm. 74), Sp. 813A–B: [...] et specialiter recognosco me tenere et credere quod ad imperatorem non pertinet deponere et nec instituere papam, immo hoc tenere haereticum reputo, prout in processu contra haereticos Marsilium de Padua et Johannem de Janduno, per vos, Beatissime Pater, super hoc et nonnullis aliis erroribus habito, quem diligenter studui, continetur. Da in der Forschung meist der unvollständigen Abdruck des Schuldbekenntnisses in Vitae Paparum Avenionensium, hoc est Historia Pontificium Romanorum qui in Gallia sederunt ab anno Christi 1305 usque
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VIII. Resümee Marsilius war für Johannes den XXII. eine politische Herausforderung von großer Bedeutung. Während es dem Papst gelungen ist, die Verbreitung der politischen Hauptschrift mit Hilfe eines Häresieverfahrens weitgehend zu unterbinden und zudem eine der Rezeption hinderliche Deutung zu verbreiten, waren seine Möglichkeiten, Marsilius’ Einfluss auf die Politik Ludwigs des Bayern zu verhindern, gering und nicht erfolgreich. Im Fall der Kaiserkrönung, die der Papst aber nicht auf Marsilius zurückführte oder zurückführen konnte, war die Niederlage offenkundig. Im Fall der kaiserlichen Einflussnahme auf das päpstliche Amt hat Johannes XXII. zwar im Hinblick auf die unmittelbare Wirkung einen Sieg davon getragen, aber mittelfristig hat auch diese gescheiterte Politik Ludwigs und Marsilius’ zum Autoritätsverlust des Papsttums in der folgenden Zeit beigetragen. Wie groß die Wirkungen von Ludwigs vor allem auch als symbolisch zu begreifenden Politik in Rom in der weiteren Zukunft auf das Papsttum und das Verhältnis zwischen den römisch-deutschen Herrschern und den Päpsten war, bedarf durchaus noch weiterer Untersuchung. Der ‘Defensor pacis’ wurde erst wieder in den Zeiten des Konziliarismus und der Reformation rezipiert.
ad annum 1394 Stephanus Baluzius Tutelensis [Baluze, Etienne] magnam partem nunc primum edidit, reliquam emendavit ad vetera exemplaria, notas adjecit et collectionm Actorum veterum, Bd. 1, Paris 1693, S. 145–152, verwendet wurde, in der diese Passage nicht enthalten ist, ist diese Äußerung des Gegenpapstes über Marsilius m. W. noch nicht herangezogen worden.
II. Praxis von Macht, Verwaltung und Repräsentation
Johannes XXII. als Reformer? Päpstliche Verwaltungspolitik und Ordensreform von oben Melanie Brunner (Leeds)
I. Einleitung Als Jacques Duèse am 7. August 1316 nach einer zweijährigen Sedisvakanz zum Papst gewählt wurde, warteten auf ihn viele neue Aufgaben und ungelöste Probleme. Zu diesen Problemen gehörten auch die Situation im Franziskanerorden und die auf dem Konzil von Vienne aufgeworfene Frage 1 nach einer allgemeinen Kirchen- und Ordensreform. Es ist daher nicht überraschend, dass schon in den ersten drei Jahren seines Pontifikats eine ganze Reihe von Briefen aus der päpstlichen Kanzlei versandt wurden, die sich auf vielerlei Art mit der Situation in diversen Orden beschäftigten. Außer den routinemäßigen Bestätigungen von Ordensregeln, -besitzungen und -ämtern finden sich aber in den päpstlichen Urkunden auch weitergehende Reformansätze und Interventionen, die ein Interesse der Kurie an den übergreifenden Strukturen des Ordenswesens dokumentieren. In den ersten Jahren von Johannes’ Pontifikat wurden unter kurialer Mitwirkung neue Ordenskonstitutionen erlassen, Ordensleitungen ab- und wieder eingesetzt und Reformansätze verfolgt. Kuriale Reformbestrebungen und Interventionen lassen sich in dieser Frühzeit vor allem an vier Orden exemplarisch verfolgen: bei den Grandmontinern, Johannitern, Minoriten und Zisterziensern, die alle auf unterschiedliche Weise ins Visier der Kurie gerieten und unterschiedliche Erfahrungen mit den Interventionen des Papstes in ihr Ordensleben machten. Bei einer Diskussion von päpstlichen Reformen ist allerdings Vorsicht geboten: Eine genaue Analyse der Quellen und ihrer Aussagekraft ist nötig, 1 Zum Pontifikat Johannes’ immer noch grundlegend: Valois, Noël, Jacques Duèse, pape sous le nom de Jean XXII, in: Histoire littéraire de la France 34 (1914), S. 391–630. Zum Konzil von Vienne: Müller, Ewald, Das Konzil von Vienne 1311–1312. Seine Quellen und seine Geschichte (Vorreformationsgeschichtliche Forschungen 12), Münster 1934.
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bevor die Frage beantwortet werden kann, ob Johannes XXII. tatsächlich eine Politik der Reform verfolgte. Zu den Hauptquellen für Ordensreformen im Pontifikat Johannes’ gehört die päpstliche Korrespondenz, vor allem die in den Kommunbriefen erhaltenen Antworten auf Anfragen und Petitionen aus den Orden selbst. Gerade die Kommunbriefe können aber nicht als Beweis für eine direkte und persönliche Beteiligung des Papstes an den darin enthaltenen Vorgängen gewertet werden, da sie im großen und ganzen nach Empfängervorgaben oder zumindest auf Antrag des Empfängers ausgestellt wurden. Sie sind daher oft nur sehr bedingt dazu geeignet, päpstliche (Reform-)Politik zu erkennen oder nachzuweisen. Schon die große Anzahl von Briefen, die in den ersten Jahren des Pontifikats Johannes’ versandt wurde, spricht dagegen, dass er tatsächlich an allen persönlich beteiligt gewesen sein konnte. Die Frage nach der persönlichen Beteiligung des Papstes läßt sich unter ausschließlicher Berufung auf die Kommunbriefe also in den meisten Fällen nicht lösen. Ihre Aussagekraft sollte aber auch nicht unterschätzt werden; so hat Patrick Zutshi zum Beispiel gezeigt, dass sich oft auch schon in den Kommunbriefen Belege finden lassen, die eine persönliche Beteiligung von 2 Päpsten bei der Ausstellung von Briefen und Urkunden zeigen. Zur Beurteilung der persönlichen Beteiligung des Papstes an der Ordenspolitik sind wir aber nicht nur auf die Register der Kommunbriefe angewiesen. Johannes diskutierte Ordensangelegenheiten auch in den Kurialbriefen, die tendentiell Angelegenheiten behandelten, die Papst und Kurie für besonders wichtig hielten, und die daher nicht unbedingt auf Empfängervorgaben zurückgingen. Und es finden sich auch Hinweise in weniger systematisch erhaltenen Gutachten, Petitionen und Berichten, die es zumindest ansatzweise erlauben, die Rolle des Papstes in der Ordenspolitik des frühen 14. Jahrhunderts zu rekonstruieren. Zu diesen Dokumenten gehört außerdem eine für den Papst kompilierte Sammelhandschrift zu Ordensangelegenheiten
2 Cf. auch Zutshi, Patrick, The Personal Role of the Pope in the Production of Papal Letters in the Thirteenth and Fourteenth Centuries, in: Vom Nutzen des Schreibens. Soziales Gedächtnis, Herrschaft und Besitz im Mittelalter, hg. v. Pohl, Walter und Herold, Paul (Österreichische Akademie der Wissenschaften, philosophisch-historische Klasse: Denkschriften 306; Forschungen zur Geschichte des Mittelalters 5), Wien 2002, S. 225–236. Johannes XXII. stipulierte unter anderem, dass keine Kanzleibriefe sine lectione ausgestellt werden sollten: Zutshi, S. 229. Zur Fage der Lesung vor dem Papst cf. auch Bresslau, Harry, Handbuch der Urkundenlehre für Deutschland und Italien. Zweiter Teil, 3. Aufl., Berlin 1958, S. 175.
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(Ms. Città del Vaticano, Bibliotheca Apostolica Vaticana, Borghese 242). Diese Texte demonstrieren ein Interesse Johannes’ an Reform, das über seine Unterschrift hinausgeht. Die Beteiligung des Papstes an in den Kommunbriefen erwähnten Reformprojekten sollte daher zunächst einmal weder unter- noch überschätzt werden. Eine genauere Analyse dieser Texte erlaubt es uns zudem, nicht nur ihr Bild zu nuancieren, sondern auch um eine spirituelle Dimension zu 4 erweitern, die dem Papst zwar oft abgesprochen wird, die aber trotzdem nicht einfach vernachlässigt werden darf. Die geistlichen Aspekte von geplanten und auch tatsächlich durchgeführten Reformen bleiben in den Quellen meist implizit, sind aber deswegen nicht weniger real, und lassen sich am ehesten in einer Zusammenschau der verschiedenen Orden greifen. Eine vergleichende Betrachtungsweise ist in diesem Zusammenhang auch schon deswegen wertvoll, weil das Verhältnis des Papstes zu den einzelnen Orden, und vor allem zu den Minoriten, oft isoliert und aus der Sichtweise des jeweiligen Ordens betrachtet wird. Seine Interventionen erscheinen deswegen auch dann singulär, wenn sie Teil eines Verhaltensmusters sind, das über den Einzelorden hinausgeht. Aus der Zusammenschau lassen sich daher auch genauere Schlüsse über die Rolle des Papstes in Veränderungen von Ordensstrukturen und -verfassungen ziehen, deren Spuren sich in den Registern finden, deren Ursprünge aber nicht unbedingt an der Kurie zu suchen sind.
II. Ordensstrukturen Die vorliegende Studie wird sich zunächst mit der Frage nach dem päpstlichen und kurialen Interesse an einer Strukturreform im Ordenswesen beschäftigen und sich dann in einem zweiten Schritt auf den Zusammenhang zwischen innerer und äußerer Reform beziehen. Das päpstliche Interesse an den vier Orden, die hier exemplarisch untersucht werden, artikuliert 3 Zur Handschrift siehe vor allem Nold, Patrick, Pope John XXII’s Annotations on the Franciscan Rule: Content and Contexts, in: Franciscan Studies 65 (2007), S. 295–324. 4 Siehe exemplarisch Lambert, Malcolm, Franciscan Poverty: The Doctrine of the Absolute Poverty of Christ and the Apostles in the Franciscan Order 1210–1323, 2. Aufl., St. Bonaventure 1998, S. 238 und Manselli, Raoul, Un papa in un’età di contraddizione: Giovanni XXII, in: Studi Romani 22 (1974), S. 444–456, hier S. 452f.
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sich allerdings in sehr unterschiedlicher Weise. Im Falle des Ordens von Grandmont, der hier als erstes untersucht werden soll, stammen praktisch alle Informationen zur Ordensgeschichte unter Johannes XXII. aus den päpstlichen Registern. Die kuriale Korrespondenz bezieht sich dabei vor allem auf eine Führungskrise im Orden, seine Verschuldung und die im 5 Anschluß an die Intervention der Kurie erfolgende Neuorganisation. Im Jahr 1315 war der Prior des Ordens und des Mutterhauses von Grandmont von einem Teil der Mönche abgesetzt und durch einen neuen Prior ersetzt worden. Zum Zeitpunkt der Wahl Johannes’ XXII. hatte der Streit um die Ordensführung sich noch verschärft und zur Unterbrechung des Ordenslebens und des Gottesdienstes geführt. Schon vier Monate nach der Papstwahl wurde daher der Bischof von Limoges damit beauftragt, innerhalb von 40 Tagen die beiden konkurrierenden Priore, eine Reihe von weiteren Ordens6 vertretern, die Statuten und die Regel nach Avignon zu bringen. Ein Jahr später ersetzte dann die Bulle ‘Exigente debito’ die alte Ordensregel, und aus dem Priorat Grandmont wurde eine Abtei. Johannes führte außerdem neue Regeln zur Abtwahl und zur Absetzung von Äbten und Prioren ein, er regulierte die Visitation und stipulierte die Abhaltung eines jährlichen 7 Generalkapitels. Die Laienbrüder spielten in der Ordensverwaltung und -leitung ebenfalls keine Rolle mehr, wie es noch bis 1315 zumindest ansatz5 Zur Geschichte des Ordens von Grandmont siehe Hutchison, Carole, The Hermit Monks of Grandmont (Cistercian Studies Series 118), Kalamazoo 1989; Fouquet, Jean und Frère Philippe-Etienne, Histoire de l’ordre de Grandmont 1074–1772, Chambéry 1985 und Becquet, Jean, L’Ordre de Grandmont à la fin du Moyen Âge, in: Au cloître et dans le monde: femmes, hommes et sociétés (IXe–XVe siècle). Mélanges en l’honneur de Paulette L’Hermite-Leclerq, hg. v. Henriet, Patrick und Legras, Anne-Marie (Cultures et Civilisations Médiévales 23), Paris 2000, S. 151–155. Zu den Reformen unter Johannes XXII. siehe Brunner, Melanie, Disorder, Debts and Excommunication: Pope John XXII and the Reform of the Order of Grandmont, in: Journal of Medieval History 36 (2010), S. 341–358. 6 Bullaire de l’ordre de Grandmont, hg. v. Becquet, Jean, Ligugé 1956–1963, Nr. 144 (S. 97–99). Eine dramatische Beschreibung der Situation im Orden findet sich auch in der ‘Historia prolixior priorum Grandimontensium’ in: Veterum Scriptorum monumentorum, historicorum, dogmaticorum, moralium amplissima collectio, 9 Bde., hg. v. Martène, Edmond und Durand, Ursin, Paris 1724–1733, Bd. V, Sp. 142–145. 7 ‘Exigente debito’ in: Magnum Bullarium Romanum: bullarum, privilegiorum ac diplomatum Romanorum pontificum amplissima collectio, 18 Bde., Roma 1733–1762; Nachdruck Graz 1964–1966, Bd. III: Pars secunda, hg. v. Cocquelines, Charles (1741), Nr. 12 (S. 155–160).
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weise der Fall gewesen war. Der Papst setzte außerdem alle Mönche ab, die Führungspositionen im Orden innehatten und ersetzte sie durch seine eigenen Kandidaten, obwohl diese zu diesem Zeitpunkt alle exkommuniziert waren. Schließlich wurde der Korrektor von Pinel, Guillaume Pélli9 cier, als erster Abt des Ordens eingesetzt. Grandmont ist interessant als Ausgangspunkt für diese Studie, weil sich praktisch alle Informationen zum Orden in den Kommunbriefen des Papstes finden; die Frage stellt sich hier also explizit, bis zu welchem Grad die neue Ordensverfassung dem Papst zugeschrieben werden kann. Der Papst blieb in diesen Dokumenten im Kern reaktiv, nicht nur weil es normalerweise einen Auslöser von außen brauchte, bevor die Kurie reagierte, sondern auch was den konkret in den Kommunbriefen vermittelten Inhalt der Lösungsvorschläge anging. Diese reaktive Rolle des Papstes bedeutet aber nicht, dass Johannes XXII. keinen Einfluß auf die praktische Um- und Durchsetzung der Refom nahm. Lösungsvorschläge und -wünsche wurden zwar oft von außen bei der Kurie eingereicht, aber auch in diesen Fällen mußte der Papst noch zustimmen. Die Auswahl aus verschiedenen Lösungsvorschlägen gerade bei internen Konflikten konnte auch nicht ohne weiteres an die unteren Ränge der Kanzlei delegiert werden; die endgültige Entscheidung behielt sich der Papst in solchen Fällen oft selbst vor. Er besaß dabei zwar die Autorität zu intervenieren, aber er war nicht allwissend, und gerade bei kleineren Orden wie dem von Grandmont können sich weder der Papst noch die Kurie mit den Einzelheiten ausgekannt haben. Johannes XXII. war also mit den Details der grandmontinischen Schuldenfrage und Ordensorganisation lange nicht so vertraut, wie es die Briefe suggerieren, aber er segnete deswegen die neuen Ordensstatuten trotzdem nicht einfach nur ab.
8 Die Teilnahme am Generalkapitel war von nun an nur noch den Ordenspriestern gestattet, und auch die Definitoren mußten Ordenspriester sein: siehe ‘Exigente debito’ (Anm. 7), S. 158. Zum entsprechenden Paragraphen der ursprünglichen Ordensregel siehe Scriptores ordinis Grandimontensis, hg. v. Becquet, Jean (Corpus Christianorum Continuatio Mediaevalis 8), Turnhout 1968, Kapitel 54 (‘De cura clericorum et conversorum’, S. 92–93). Die Edition in Clementis III pontificis romani epistolae et privilegia ordine chronologico digesta, hg. v. Migne, Jaques-Paul (Patrologia Latina 204), Paris 1855, Sp. 1135–1162 enthält außerdem noch die Randbemerkung: Istud capitulum quatenus loquitur de cura conversorum sublatum est a Joan. II. [=Johannes XXII.] (Sp. 1156). 9 Zur Ernennung von Guillaume Péllicier und zur Einsetzung der neuen Priore siehe Bullaire de Grandmont (Anm. 6), Nr. 146d und 147 (S. 107–112).
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Die Kurie war von Informationen abhängig, die vor Ort gesammelt und zusammengestellt worden waren, und die Informationsbeschaffung war 10 daher zur Entscheidungsfindung unabdingbar. Diese Entscheidungen konnten durch Legaten oder Abgesandte getroffen werden, die mit ausreichenden Vollmachten versehen die anstehenden Probleme vor Ort zu regeln versuchten. Unter Johannes XXII. vollzogen sich diese Prozesse aber oft an der Kurie und erforderten die Übersendung von Regelwerk und schriftlichen Unterlagen sowie die Sendung von Vertretern, deren Anwesenheit in Avignon bei der Konfliktlösung immer wichtiger wurde. Die Rolle von Informationsbeschaffung und das Zusammenspiel von schriftlicher Dokumentation und persönlicher Anwesenheit interessierter Parteien in Avignon bei der Ordensreform wird sich auch noch bei den anderen Orden zeigen. Beim Orden von Grandmont ist der Entscheidungsfindungsprozeß an der Kurie aufgrund der Quellenlage nicht vollständig nachvollziehbar. Die Briefe dokumentieren Entscheidungen, beantworten aber nicht die Frage, bis zu welchem Grad der Papst persönlich an der Entscheidungsfindung beteiligt war. Bei den Johannitern, deren Reform zur gleichen Zeit angestrebt wurde, kann der Befund aufgrund einer breiteren Quellenlage nuanciert werden. In gewisser Weise ergibt sich dabei ein ähnliches Bild wie beim Orden von Grandmont: Auch die Johanniter steckten in der Frühzeit des Pontifikats von Johannes in einer Führungskrise, die durch ein Schuldenproblem verschärft wurde. So wurde im Juli 1317 der amtierende Großmeister Fulk de Villaret von einem Teil des Ordens abgesetzt und von den Rebellen dann ein neuer Großmeister gewählt. Die Untersuchungen der Angelegenheiten der Johanniter dauerten länger als beim Orden von Grandmont, zum Teil weil der Papst zunächst einmal eine Kommission nach Rhodos schickte, die dort Erkundigungen über den Hintergrund der Krise 11 einziehen sollte. Für die Dauer der Untersuchung übernahm der Papst die 10 Zur Rolle der Erhebung von entscheidungsrelevantem Wissen in einem anderen Zusammenhang siehe auch Brakensiek, Stefan, Legitimation durch Verfahren? Visitationen, Supplikationen, Berichte und Enquêten im frühmodernen Fürstenstaat, in: Herstellung und Darstellung von Entscheidungen. Verfahren, Verwalten und Verhandeln in der Vormoderne, hg. v. Stollberg-Rillinger, Barbara und Krischer, André (Zeitschrift für Historische Forschung: Beihefte 44), Berlin 2010, S. 363–377. 11 Jean XXII (1316–1334): Lettres communes analysés d’après les registres dits d’Avignon et du Vatican, 16 Bde., hg. v. Mollat, Guillaume, Paris 1904–1946, Bd. II, Nr. 5581, S. 7; zu Johannes XXII. und der Reform der Johanniter siehe vor kurzem Roger, Jean-Marc, La Réforme de l’Hôpital par Jean XXII: Le démembrement des prieurés de Saint-Gilles et de France (21 juillet 1317), in: On
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Ordensleitung, auch wenn dies in der Praxis die Einsetzung eines Johanni12 ters als Ordensvikar bedeutete, der die tatsächliche Arbeit machte. Aber auch hier bestand Johannes darauf, dass beide Kontrahenten persönlich am Papsthof erscheinen sollten; er setzte allerdings nach Ankunft der Beteiligten nicht beide Rivalen ab, sondern bestätigte am 1. März 1319 den amtierenden Großmeister Fulk de Villaret in seinem Amt. Dies geschah anscheinend aber unter der Vorgabe, dass Fulk umgehend sein Amt aufgeben würde, und schon zwei Wochen später wurde am 18. März dann der eigentliche 13 Kandidat Helion de Villeneuve in das Amt des Großmeisters eingesetzt. In ähnlicher Weise wie bei Grandmont wurde auch bei den Johannitern 14 praktisch die gesamte Ordensspitze ausgetauscht. Im Gegensatz zu Grandmont kam es allerdings bei den Johannitern zu keiner strukturellen Reform oder Erneuerung der Ordensregel, obwohl in beiden Fällen die Ersetzung der Ordensspitze explizit an den Versuch gekoppelt war, die Ordensschulden abzubauen. Es ist möglich, dass Johannes bei den Johannitern keine grundlegenden strukturellen Probleme sah, sondern eher Adaptionsschwierigkeiten. In einem Brief an Philipp V. von Frankreich machte der Papst im September 1317 die französische Krone für die Prob15 leme der Johanniter verantwortlich, und die Einmischung ohne strukturelle Veränderungen ist vielleicht auch eine Anerkennung der Tatsache, dass die Probleme des Ordens zumindest teilweise von der (versuchten) Eingliederung der Templergüter herrührten. Möglicherweise ging Johannes auch davon aus, dass Fulk nicht in der Lage war, den Orden kompetent zu leiten und daher die Ersetzung des Ordensmeisters ausreichte; falls dies der Fall sein sollte, folgte der Papst damit der Argumentation der Rebellen, die Fulk
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the Margins of Crusading: The Military Orders, the Papacy and the Christian World, hg. v. Nicholson, Helen, Farnham 2011, S. 101–137. Lettres communes (Anm. 11), II, Nr. 5592, S. 8: et interim ipse PP. officium magistri assumat, per idoneum vicarium exercendum. Ibid., Nr. 9577, S. 393. Siehe außerdem Nicholson, Helen, The Knights Hospitaller, Woodbridge 2001, S. 48f. Zur Karriere von Fulk de Villaret siehe auch Delaville le Roulx, Joseph, Les Hospitaliers à Rhodes (1310–1421), Paris 1913, S. 1–27, sowie Luttrell, Anthony, Notes on Foulques de Villaret, Master of the Hospital, 1305–1319, in: Guillaume de Villaret Ier Recteur du Comtat Venaissin 1274 Grand Maître de l’Ordre de Hospitaliers de Saint-Jean de Jérusalem, Chypre 1296, Paris 1985, S. 73–90. Lettres communes (Anm. 11), I, Nr. 4450–4472, S. 408–410. Lettres secrètes et curiales du pape Jean XXII (1316–1334) relatives à la France, 4 Bde., hg. v. Colon, Auguste und Clémencet, Suzanne, Paris 1899–1972, Bd. I, 1899, Nr. 398, Sp. 313–316.
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von Villaret neben Grausamkeit und Verschwendung vor allem auch admi16 nistrative Inkompetenz vorwarfen. Ebenfalls im Gegensatz zu Grandmont stammen bei den Johannitern nicht alle Informationen aus den Kommunbriefen; zusätzlich zu den Briefen aus der päpstlichen Kanzlei ist hier auch noch eine der Eingaben aus dem Orden erhalten, die es ermöglicht, die Wünsche des Ordens (oder zumindest von Teilen davon) mit der kurialen Antwort zu vergleichen. In der erhaltenen Petition wird der Papst um die Einsetzung von Prioren gebeten, die 17 sich ganz besonders um den Schuldenabbau kümmern sollten. Gerade die Existenz dieser Eingabe zeigt auch deutlich, dass Initiativen zur Ordensreform nicht unbedingt von der Kurie ausgingen, dass sie aber gleichzeitig nur unter Mitwirkung des Papstes durchgeführt werden konnten. Johannes XXII. bewilligte die Neueinsetzung von Prioren zur Schuldenbekämpfung, und die Briefe, durch die die neuen Amtsinhaber in ihr Amt eingesetzt wurden, sind in diesem Zusammenhang ebenfalls instruktiv. Die Petition der Ordensvertreter wird in den Einsetzungsurkunden nicht erwähnt, aber der Text macht zumindest implizit deutlich, dass ein Anstoß von außer18 halb der Kurie die Neuorganisation in Gang setzte. Während im Falle des Ordens von Grandmont die Absetzung und Neueinsetzung der Ordensleitung als Initiative des Papstes erscheinen kann, zeigt sich im Vergleich mit den Johannitern, dass dies nicht unbedingt der Fall sein mußte. Die persönliche Beteiligung des Papstes zeigt sich in einem Kurialbrief an die Priore von Saint-Gilles, Auvergne und Frankreich, in dem der Papst argumentierte, dass die Schuldenlast des Ordens nur gelöst werden könne, wenn der Heilige Stuhl kompetente Prioren einsetze, da klar geworden sei, dass 19 der Orden dies nicht alleine schaffen könne. Gerade der Vergleich der Petition der Johanniter-Vertreter zur Verschuldung des Ordens mit den daraufhin in der Kanzlei ausgefertigten Briefen 16 Delaville le Roulx (Anm. 13), S. 26; cf. auch den Brief des Johanniterkonvents von Rhodos an den Papst nach dem Putsch: Riezler, Sigmund, Vatikanische Akten zur deutschen Geschichte in der Zeit Kaiser Ludwigs des Bayern, Innsbruck 1891, hier vor allem S. 52f. Zur Einmischung des Papstes in die Belange der Dominikaner (ebenfalls ohne strukturelle Veränderungen) siehe Hillenbrand, Eugen, Kurie und Generalkapitel des Prediger-Ordens unter Johannes XXII. (1316–1334), in: Adel und Kirche. Gerd Tellenbach zum 65. Geburtstag dargebracht von Freunden und Schülern, hg. v. Fleckenstein, Josef und Schmid, Karl, Freiburg 1986, S. 499–515. 17 Roger (Anm. 11), S. 113f.; die Petition findet sich auf S. 135–137. 18 Siehe exemplarisch Lettres communes (Anm. 11), I, Nr. 4450, S. 408. 19 Lettres secrètes (Anm. 15), I, Nr. 320, Sp. 241–243.
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macht aber auch deutlich, dass die Entwicklung päpstlicher Reformpolitik immer auch ein Dialog zwischen der Kurie und dem Orden war, und dass die Kurie aktiv an der Gestaltung der Rahmenbedingungen für interne Reformen beteiligt war. Obwohl die Neueinsetzung von 23 Prioren zum Schuldenabbau zumindest teilweise auf die Initiative und eine Petition des Ordens zurückging, ging die Intervention Johannes’ weiter als vom Orden erbeten: Zusätzlich zu der Neueinsetzung der Priore machte sich die Kurie im gleichen Zug auch an eine Neuordnung des Ordens und seiner Provinzialorganisation, und zerteilte die Provinzen von Saint-Gilles und Frankreich in kleinere Einheiten. Dies geschah nicht in einem separaten Schritt sondern ist in den Neueinsetzungen der Priore implizit enthalten: Pierre d’Ongle (Toulouse), Helion de Villeneuve (Provence), Henri de Mesnils (Champagne) und Pierre de Mailg (Aquitanien) erhielten Priorate, die vor dem 20 Brief der Kurie in dieser Form nicht existiert hatten. Von dieser Neuorganisation findet sich in der Petition keine Spur, auch wenn dies natürlich nicht heißt, dass sie allein auf die Initiative des Papstes zurückging. Die Teilung von Kirchenprovinzen im weitesten Sinne als Teil einer strukturellen Reorganisation, die gleichzeitig auch zu einer spirituellen Erneuerung führen sollte, charakterisiert aber Johannes’ Pontifikat auch in anderen Fällen, vor 21 allem im Hinblick auf Frankreich. Ein weiterer Aspekt, der in diesem Zusammenhang nicht vergesssen werden darf, ist die persönliche Anwesenheit der Petenten in Avignon und die Bedeutung von mündlichen, informellen Kontakten. Der direkte Kontakt lag sowohl im Interesse der Kurie als auch in dem der Petenten; die Vorladung von beteiligten Personen war Teil des Entscheidungsfindungsprozesses, wie gerade am Beispiel der Johanniter und Grandmontiner gesehen werden kann. Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass die 22 Petition der Johanniter von Vertretern des Ordens hic in Curia existentes ausging. Diese Eingabe bezog sich zunächst einmal auf Mißstände und Schuldenprobleme im Orden, nicht aber auf die Führungskrise in Rhodos, von der zu diesem Zeitpunkt in Avignon noch nichts bekannt war. Im Juli 20 Lettres communes (Anm. 11), I, Nr. 4457, 4461 und 4463 (S. 409). Cf. außerdem die Diskussion in Roger (Anm. 11), S. 119–131. Helion de Villeneuve wurde dann am 18. Juni 1319 zum Großmeister der Johanniter ernannt: Lettres communes (Anm. 11), II, Nr. 9577, S. 363. 21 Dubreil-Arcin, Agnès, Ryckebusch, Fabrice und Fournié, Michelle, Jean XXII et le remodelage de la carte ecclésiastique, in: Revue d’histoire ecclésiastique 98 (2003), S. 29–60. Cf. auch die Neuorganisation der Pfarreien der Stadt Toulouse: Lettres secrètes (Anm. 15), I, Nr. 450 (Sp. 357f.) und 455 (Sp. 367). 22 Roger (Anm. 11), S. 136.
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1317, zum Zeitpunkt der Petition, war Fulk de Villaret zwar schon abgesetzt, und die beiden Rivalen um die Ordensleitung hatten an die Kurie appelliert, aber die Nachricht von den Ereignissen auf Rhodos erreichte Avignon erst später. Die Kontrahenten wurden erst im September an die Kurie vorge23 laden, und Johannes schickte auch erst dann seine Legaten nach Rhodos. Fulk de Villaret erschien nicht vor August 1318 in Avignon, und erst danach 24 konnte auch die Führungskrise im Orden endgültig gelöst werden. Die persönliche Anwesenheit der Beteiligten war zur Lösung der Krise nötig, und die Rolle von formellen und vor allem informellen Gesprächen und Verhandlungen sollte hierbei nicht unterschätzt werden, da sie allen Beteiligten Möglichkeiten zur direkten wechselseitigen Einflußnahme boten. Solche Verhandlungen sind gerade wegen ihrer informellen Natur selten dokumentiert, aber es zeigt sich nicht nur bei den Johannitern sondern auch bei den Franziskanern, wie wichtig diese Kontakte sein konnten. Gerade bei den Minoriten war die Sachlage besonders kompliziert: Auf der einen Seite läßt sich aus den routinemäßigen Schreiben in den päpstlichen Registern kaum feststellen, dass fast der gesamte Pontifikat Johannes’ durch einen Konflikt zwischen Kurie und Orden geprägt war. Auf der anderen Seite gab es schon in den ersten Jahren seiner Regierungszeit eine Reihe von Kommissionen, Untersuchungen und Diskussionen zur Spiritualenfrage an der Kurie, die in den drei Bullen ‘Quorundam exigit’ (7. Oktober 1317), ‘Sancta Romana’ (30. Dezember 1317) und ‘Gloriosam ecclesiam’ (23. Januar 1318) kulminierten. Der Papst mußte hier deutlich direkter und auch persönlich intervenieren, schon aufgrund der direkten Appelle an seine Person und der Frage nach der Interpretation und Gültigkeit der Entscheidungen seiner Vorgänger Nikolaus III. und Clemens V. sowie nach dem 25 Ausmaß der päpstlichen Vollmacht über die franziskanische Ordensregel. 23 Die Briefe der Johanniter an den Papst finden sich in Riezler (Anm. 16), S. 51– 54; zur Vorladung der Kontrahenten und Aussendung der Legaten, vgl. Lettres communes (Anm. 11), II, Nr. 5579–5582 (S. 7) vom 18. September 1317. 24 Roger (Anm. 11), S. 106 und Delaville le Roulx (Anm. 13), S. 16. Cf. auch einen Brief Johannes’ an Robert von Neapel, in dem sich der Papst über den Verzug Fulks de Villaret beklagt: Lettres secrètes (Anm. 15), I, Nr. 869, Sp. 756f. 25 Cf. Bartocci, Andrea, La regola dei frati minori al concilio di Vienne e la bolla Exivi de paradiso di Clemente V (1312), in: Archivum Franciscanum Historicum 96 (2003), S. 45–84, hier S. 76–79 und Burr, David, The Spiritual Franciscans: From Protest to Persecution in the Century after Saint Francis, University Park, PA 2001, S. 196–197. Zur Rolle dieser Diskussion im theoretischen Armutsstreit siehe auch Tierney, Brian, Origins of Papal Infallibility 1150–1300: A Study on the Concepts of Infallibility, Sovereignty and Tra-
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Es sollte in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht vergessen werden, dass Johannes zur Zeit der Spiritualenkrise mit der Veröffentlichung der Clementinen beschäftigt war, zu denen auch die Bulle ‘Exivi de paradiso’ (6. Mai 1312) gehörte, durch die im Anschluß an das Konzil von Vienne die Spiri26 tualenkrise gelöst werden sollte. Eine detaillierte Darstellung der internen Konflikte im Minoritenorden und der Bemühungen der Kurie, den Orden zu befrieden und die Frage der franziskanischen Armut zu lösen, kann hier nicht geboten werden, aber die persönliche Beteiligung des Papstes in den 27 Konflikten um die franziskanische Armut steht außer Zweifel. Die Krise hatte zur Zeit des Pontifikats Johannes’ XXII. schon weite Kreise geschlagen und eine Reihe von prominenten Mitgliedern der Kurie mit einbezogen. Schon auch deswegen ist bei den Minoriten auch die Quellenlage deutlich komplexer; bei den Interventionen Johannes’ in die Angelegenheiten der Franziskaner sind wir nicht auf die Register angewiesen, und in den Kommunbriefen findet sich fast nichts zur Lösung der innerfranziskanischen Krise. Die päpstlichen Lösungsansätze können naturgemäß zum großen Teil aus den Bullen gegen die Spiritualen rekonstruiert werden; weitere Informationen finden sich aber auch in den Gutachten der ExpertenKommissionen, die dem Papst vorlagen, und in Berichten von Befragungen 28 und Auseinandersetzungen an der Kurie. Diese Berichte demonstrieren nicht nur die große Anzahl von Beteiligten an den kurialen Diskussion sondern auch das persönliche Engagement des Papstes, der aktiv an der
dition in the Middle Ages (Studies in the History of Christian Thought 6), Leiden 1972, vor allem S. 171–204. 26 Müller (Anm. 1), S. 310–352. 27 Aus der großen Anzahl von Studien zur Spiritualenkrise und zum Armutsstreit seien hier exemplarisch genannt Lambert (Anm. 4), S. 221–269; Burr (Anm. 25), vor allem S. 179–212; Nold, Patrick, Pope John XXII and his Franciscan Cardinal: Bertrand de la Tour and the Apostolic Poverty Controversy, Oxford 2003 und Jürgen Miethke, Papst Johannes XXII. und der Armutsstreit, in: Angelo Clareno francescano: Atti del XXXIV Convegno internazionale Assisi, 5–7 ottobre, Spoleto 2007, S. 263–313. 28 Vgl. Turley, Thomas, John XXII and the Franciscans: A Reappraisal, in: Popes, Teachers, and Canon Law in the Middle Ages, hg. v. Sweeney, James Ross und Chodorow, Stanley, Ithaca 1989, S. 74–88 (hier S. 80–86) und Burr (Anm. 25), S. 207–212. Zur Kommission des Inquisitors Michel le Moine vgl. auch Manselli, Raoul, Spirituali e Beghini in Provenza, Roma 1959, S. 152f.
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Befragung der Spiritualen teilnahm, was oft zu erregten Auseinanderset29 zungen führen konnte. Die erste Entscheidung fiel im Oktober 1317 mit der Veröffentlichung der Bulle ‘Quorundam exigit’, nur einen Monat vor der Neuregelung der grandmontinischen Verfassung durch ‘Exigente debito’. Sie beendete den innerfranziskanischen Streit um den usus pauper zugunsten der Kommunität und erklärte, dass das Ordensgelübde keine Verpflichtung zum armen Gebrauch beinhalte, sondern nur zum Besitzverzicht. Der Papst wies außerdem darauf hin, dass in der Frage der Ordenskleidung und der Vorratshaltung die korrekte Observanz durch die Ordensleitung festgelegt werden 30 solle. Wie in den folgenden Entscheidungen in der Spiritualenkrise stellte der Papst hier administrative und disziplinarische Elemente in den Vordergrund, aber die Bestimmungen in ‘Quorundam exigit’ griffen deutlich tiefer: Sie forderten die Minoriten zumindest implizit dazu auf anzuerkennen, dass eine wörtliche Befolgung der Regel unmöglich und im Gegenzug eine 31 gewisse Dispensierung unumgänglich war. Hier zeigt sich auch schon sehr früh ein Interesse an der Ordensstruktur der Minoriten, das deutlich über die Wiederherstellung der Disziplin hinausging, und das sich dann in der Folge in der Diskussion um die theoretischen Grundlagen des franziskanischen Armutsideals 1322/23 noch einmal deutlich artikulierte. Die nächste Bulle ‘Sancta Romana’ verurteilte dann alle diejenigen, die das Verbot neuer Orden durch das Vierte Laterankonzil mißachteten. Ganz speziell bezog sich die Verurteilung auf alle, die sich diesen Bestimmungen unter dem Vorwand entzogen, Teil des Minoritenordens zu sein, obwohl sie der fran32 ziskanischen Ordensleitung keinen Gehorsam leisteten. Die letzte Bulle ‘Gloriosam ecclesiam’ verurteilte formell die Spiritualen der Toskana und bezog sich dabei hauptsächlich auf die Parteibildung der Spiritualen und ihre
29 Zu Angelo Clarenos Bericht zu solchen Auseinandersetzungen an der Kurie vgl. Angelo Clareno: Liber chronicarum sive tribulationum ordinis minorum, hg. v. Boccali, Giovanni (Pubblicazioni della Biblioteca Francescana Chiesa Nuova – Assisi 8), Santa Maria degli Angeli 1998, S. 722–728. Siehe auch Burr (Anm. 25), S. 179–190 und Lambert (Anm. 4), S. 224f. 30 Extrav. Jo. XXII 14.1: ediert in Extrauagantes Iohannis XXII, hg. v. Tarrant, Jacqueline (Monumenta Iuris Canonici, Series B: Corpus Collectionum 6), Città del Vaticano 1983, S. 163–181. 31 Tarrant (Anm. 30), S. 174–176; Lambert, Malcolm, The Franciscan Crisis under John XXII, in: Franciscan Studies 32 (1972), S. 123–143 (hier S. 137). 32 Extrav. Jo. XXII 7.1: Tarrant (Anm. 30), S. 198–204 (hier S. 199f.).
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Umgehung der kirchlichen Hierarchie. In diesen Dokumenten artikuliert sich ein deutliches Interesse an kirchlichen Strukturen, und zusammen mit den Regelungen für den Orden in ‘Quorundam exigit’ zeigen diese Dokumente die Sorge des Papstes um die Frage nach der Stellung des Ordens in der Gesamtkirche. Dieses Interesse an der Ordensstruktur blieb in den Bullen zur Spiritualenkrise noch weitgehend implizit. Die Neuorientierung des Ordens mit Hinblick auf die Regelobservanz, wie sie gerade auch in ‘Quorundam exigit’ gefordert wurde, war allerdings ebenso radikal wie die Umstrukturierung des Ordens von Grandmont; in die gleiche Richtung wies im Zuge des theoretischen Armutsstreites die Weigerung des Papstes, weiterhin als Eigentümer der franziskanischen Gebrauchsgüter zu fungieren. Während des theoretischen Armutsstreits wies der Papst dann auch unmißverständlich darauf hin, dass die franziskanische Ordensstruktur und vor allem die Eigentumsverhältnisse, wie sie unter Nikolaus III. legitimiert worden waren, ihren Zweck nicht erfüllten, sondern ganz im Gegenteil kontraproduktiv waren: Laut Papst wäre die Spiritualenkrise ohne diese Eigentums34 verhältnisse in solcher Virulenz gar nicht erst ausgebrochen. Diese päpstliche Interpretation der Krise zeigt sich auch darin, dass Johannes im Anschluß an seine Bullen gegen die Spiritualen versuchte, den franziskanischen Generalminister Michael von Cesena zu einer Änderung der Ordensverfassung zu bewegen. Sowohl in seiner ‘Littera excusatoria’ als auch in der ‘Appellatio in forma maiori’ warf der inzwischen abgesetzte Generalminister dem Papst 1328 vor, dass er neun Jahre zuvor versucht 35 habe, den Orden zu einer Regeländerung zu bewegen. Die Details in 33 Ediert in Bullarium Franciscanum Romanorum pontificum constitutiones, epistolas, ac diplomata continens tribus ordinis minorum, clarissarum et poenitentium, 7 Bde., Roma 1759–1904, Bd. V, hg. v. Eubel, Konrad, Nr. 302, S. 137–142. Siehe auch Burr (Anm. 25), S. 199f. und Lambert (Anm. 4), S. 229f. 34 Der Papst führte dies vor allem in der ersten Fassung von ‘Ad conditorem canonum’ aus: siehe Nicolaus Minorita, Chronica. Documentation on Pope John XXII, Michael of Cesena, and the Poverty of Christ with Summaries in English: A Sourcebook, hg. v. Gál, Gedeon und Flood, David, St. Bonaventure, NY 1996, S. 83–88, vor allem S. 87. 35 Vgl. Nicolaus Minorita (Anm. 34), S. 207–211: Siquidem a novem annis Ordinem nostrum et meam personam indesinenter et atrociter persecutus, multifarie nitebatur nos omnes inducere ad mutandum statum quem vovimus nobisque tradidit Christi almus confessor, Franciscus (S. 210) und S. 227–424: Ipse vero dominus Ioannes […] et me, praefatum fratrem Michaelem nisus est, quantum potuit, inducere ut consentirem mutationi regulae et status
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Michaels Anklagen bleiben eher vage, aber wichtig ist hier vor allem sein Hinweis darauf, dass der Papst im Anschluß an die Unterdrückung der Spiritualen die Minoritenregel als eine der Ursachen des Konflikts interpretierte und daraufhin versucht hatte, eine Änderung zu einem Zeitpunkt 36 zu erwirken, als alle interessierten Parteien noch in Avignon waren. Schon 1972 hat daher Malcolm Lambert vorgeschlagen, dass alle franziskanische Bullen Johannes’ als Teil eines umfassenden päpstlichen Reformprogramms 37 interpretiert werden können. Die Reformansätze des Papstes erschöpften sich also gerade bei den Minoriten nicht in der Veröffentlichung von Bullen, und ein ähnlicher Befund zeigt sich dann auch bei meinem letzten Fallbeispiel: der geplanten Reform der Zisterzienser im Jahr 1317. Hier kam es zu keiner päpstlichen Intervention, aber die Initiative für das Reformprojekt lag bei der Kurie und nicht beim Orden, auch wenn die ursprüngliche Reformidee möglicherweise auf eine Anregung des Vizekanzlers und Zisterziensers Arnaud 38 Nouvel zurückging. Es bleibt etwas unklar, was Johannes genau beabsichtigte, da wir das Projekt des Papstes nur aus dem Gutachten des Zisterzienser-Abtes Jacques de Thérines kennen, der schon beim Konzil von Vienne als Sprecher der exemten Orden fungiert hatte und auch hier den Orden 39 gegen die versuchte Einmischung Johannes’ verteidigte. In der Version Jacques’ stellte der Papst dem Orden die Frage, ob es bei den Zisterziensern Reformbedarf gebe, und ob der Orden möglicherweise mehr Geld Ordini memorati, quem statum et regulam me praesente et pluribus aliis personis notabilibus fide dignis, dixit fore impossibile ad servandum, et quod a quadraginta annis et citra praedictum statum et modum vivendi habuerat exosum (hier S. 307f.). Zu Michaels Vorwürfen an den Papst siehe auch Turley (Anm. 28), S. 86. 36 Cf. Robson, Michael, The Franciscans in the Middle Ages, Woodbridge 2006, S. 132 und Lambert (Anm. 4), S. 235f. 37 Cf. Lambert (Anm. 31), S. 137, mit Bezug auf ‘Quorundam exigit’, ‘Ad conditorem canonum’ und ‘Cum inter nonnullos’. Zu dieser Ansicht siehe auch Wittneben, Eva Luise, Bonagratia von Bergamo. Franziskanerjurist und Wortführer seines Ordens im Streit mit Papst Johannes XXII. (Studies in Medieval and Reformation Thought 90), Leiden 2002, S. 107f. 38 Schimmelpfennig, Bernhard, Zisterzienserideal und Kirchenreform – Benedikt XII. (1334–42) als Reformpapst, in: Zisterzienser-Studien III, hg. v. Demandt, Dieter et alii (Studien zur europäischen Geschichte 13), Berlin 1976, S. 11–43, hier S. 36. 39 Jordan, William Chester, Unceasing Strife, Unending Fear: Jacques de Thérines and the Freedom of the Church in the Age of the Last Capetians, Princeton 2005, S. 75–84.
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für Kreuzzugsprojekte aufbringen könne. Auch wenn wir die Fragen nur aus zweiter Hand kennen, so scheinen sie für Johannes doch überraschend offen gehalten. Bisher hat sich die Forschung bei der Antwort von Jacques de Thérines überwiegend auf seine Verteidigung der Exemtion konzentriert, weil das Reformangebot des Papstes als Weiterentwicklung der Angriffe auf die exemten Orden im Vorfeld und während des Konzils von Vienne 41 interpretiert wird. Auch wenn die zisterziensische Antwort den exemten Status des Ordens verteidigte, erwähnt die Frage des Papstes die Exemtion des Orden aber nicht; die Argumentation von Jacques de Thérines zielte hauptsächlich darauf, den Papst von einer möglichen Intervention in die 42 inneren Angelegenheiten des Ordens abzuhalten. Das Gutachten Jacques’ de Thérines wurde zwischen August 1317 und Juni 1318 fertiggestellt, und zu diesem Zeitpunkt lagen dem Papst zusätzlich auch eine Auswahl zisterziensischer Texte vor, die vom Vizekanzler Arnaud Nouvel als exemplarisch für die Ordensverfassung zusammenge43 stellt worden waren. In seinem Gutachten bezog sich Jacques de Thérines auf diese Dokumente und erklärte, seine Ausführungen sollten dem Papst 44 eine Hilfe sein, falls er keine Zeit habe, alles in Ruhe durchzulesen. Wie bei der Reorganisation von Grandmont hatte Johannes anscheinend die Übersendung der Regel und Statuten des Ordens nach Avignon gefordert. Bei den Grandmontinern sind diese Texte nicht überliefert, aber die Sammlung zur Zisterzienserreform ist noch erhalten: Es handelt sich hierbei um die Handschrift Borghese 242, in der zusätzlich auch die Regel des Hospitals von Santo Spirito, die Konstitutionen der Dominikaner und Franziskaner und die Franziskus-Regel enthalten waren, und die wohl im Laufe des Jahres 1317 für Johannnes zusammengestellt wurde, mit Ausnahme der Minori40 Valois, Noël, Un Plaidoyer du XIVe siècle en faveur des cisterciens, in: Bibliothèque de l’École des Chartes 69 (1908), S. 352–368, hier S. 359: Primus articulus fuit ut videremus si que essent in nostro Cysterciensi Ordine reformanda. Secundus fuit ut videremus si Ordo posset aliquod prestare subsidium temporale pro particulari passagio Terre Sancte. 41 Siehe exemplarisch Jordan (Anm. 39), S. 74f. Zur Diskussion der exemten Orden während des Konzils von Vienne siehe auch Müller (Anm. 1), S. 491–564; zur Rolle von Jacques de Thérines vor allem S. 502–518. 42 Jordan (Anm. 39), S. 77; Valois (Anm. 40), S. 364. 43 Ballweg, Jan, Konziliare oder päpstliche Kirchenreform: Benedikt XII. und die Reformdiskussion im frühen 14. Jahrhundert (Spätmittelalter und Reformation N.R. 17), Tübingen 2001, S. 96. Cf. auch Schimmelpfennig (Anm. 38), S. 36. 44 Valois (Anm. 40), S. 360.
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tenregel, die erst 1331 hinzugefügt wurde. Die zisterziensische Sammlung umfaßte die ‘Carta caritatis’, die Bulle ‘Parvus fons’ (1265) und eine Auswahl aus den Statuten des Ordens, die zusammen den sogenannten ‘Libellus diffinitionum’ bildeten. Außerdem enthielt die Sammlung auch noch die Regel des heiligen Benedikt. Der ‘Libellus diffinitionum’ ist hier in der Redaktion von 1316 überliefert, die 1317 vom zisterziensischen Generalkapitel und 46 1318 von Johannes XXII. bestätigt wurde. Die Auswahl des zisterziensischen Materials wurde von Jacques de Thérines dem Vizekanzler und einem 47 zisterziensischen Abt zugeschrieben, was gerade in diesem Fall wichtig ist, da dem Papst so eine von Vertretern des Ordens getroffene Auswahl von Texten vorlag, auch wenn die Rolle des Zisterzienser-Kardinals Arnaud Nouvel insgesamt unklar bleibt. Die Bedeutung von schriftlichen Gutachten im Entscheidungsfindungsprozeß Johannes’ XXII. ist in der Forschung allgemein bekannt, und der Papst hatte die Angewohnheit, die für ihn in einer Handschrift gesammelten Gutachten aufmerksam zu lesen, was sich gerade auch an den eigenhän48 digen Randbemerkungen des Papstes zeigen läßt. Die in der Handschrift Borghese 242 versammelten Texte stehen ebenfalls in dieser Tradition, stellen aber keine Gutachten in einer Streitfrage dar, sondern umfassen eine Sammlung normativer Texte verschiedener Orden. Gerade diese Sammlung zeigt aber deutlich, dass in den Jahren 1316–1318 ein persönliches Interesse des Papstes an der Struktur und Organisation des Ordenswesens bestand, und dass seine Initiativen gerade im Fall der Franziskaner und Zisterzienser über die routinemäßige Absegnung von Reformvorschlägen aus den Orden hinausgingen. Im Falle der Minoriten kann außerdem ein schwaches Echo der Konstitutionen von Assisi von 1316, die ebenfalls Teil dieser Sammelhandschrift sind, in Johannes’ Diskussion des franziskanischen
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Nold (Anm. 3), S. 296–299 und S. 314–319. Ibid., S. 298f. Valois (Anm. 40), S. 360. Beispiele für solche Handschriften sind untersucht in Boureau, Alain, Le Pape et les sorciers. Une consultation de Jean XXII sur le magie en 1320 (manuscrit B.A.V. Borghese 348) (Sources et documents d’histoire du Moyen Âge 6), Roma 2004 und Nold, Patrick, Marriage Advice for a Pope: John XXII and the Power to Dissolve (Medieval Law and its Practice 3), Leiden/Boston 2009. Zu den Randbemerkungen vgl. Maier, Anneliese, Annotazioni autografe di Giovanni XXII in Codici Vaticani, in: Rivista di storia della Chiesa in Italia 6 (1952), S. 317–332 und vor allem Nold (Anm. 3), S. 295–324.
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Ordenshabits in der Bulle ‘Quorundam exigit’ gesehen werden. Die Abschrift der Dominikanerregel in der gleichen Handschrift, die dem Papst wahrscheinlich als Grundlage für eine Reihe von Privilegien für den Orden 50 diente, bot dann einen guten Vergleichspunkt, als Johannes begann, ernsthaft über die Struktur der Minoriten nachzudenken. Dass die Franziskusregel viele Jahre später auch in diese Handschrift kopiert wurde, ist vielleicht kein Zufall, da sie als eine Sammlung von exemplarischen Ordenstexten zur Information des Papstes kompiliert worden war. Diese Handschrift konnte vom Papst als Arbeitspapier für mögliche Reformen benutzt werden und entwickelte sich vielleicht gerade auch dadurch zu einer Sammlung vorbildlicher Praktiken und Verfahren, anhand derer er andere Ordensstrukturen beurteilen und verbessern konnte. In seinem Gutachten betonte Jacques de Thérines die Strukturen der Zisterzienser, die sicherstellten, dass Regelübertretungen und interne Konflikte nicht auf den Gesamtorden übergreifen und ihn schädigen 51 konnten, und die daher genau das vermieden, was Johannes XXII. explizit als das Problem der Franziskaner und Grandmontiner identifiziert hatte: dass die Ordensstruktur nicht nur nicht in der Lage war, Konflikte und unangemessenes Verhalten zu verhindern, sondern ganz im Gegenteil den Auslöser für solche Probleme darstellte. Die Antwort bezieht sich also vor allem auf ein Anliegen, das Johannes bei seinen Interventionen in anderen Orden ebenfalls in den Vordergrund stellte: die Frage nach systembedingten Problemen, die nur durch eine grundlegende Neustrukturierung des Ordens gelöst werden konnten. Da eine Reaktion des Papstes nicht überliefert ist, bleibt unklar, welche Argumente er besonders überzeugend fand, aber eine Reform der Zisterzienser wurde daraufhin für die Dauer seines Pontifikats fallengelassen. Die Hervorhebung der „Effizienz der internen 52 Kontrollorgane“ durch Jacques de Thérines scheint jedenfalls besonders
49 Nold (Anm. 3), S. 301. Zu den Konstitutionen von Assisi, cf. Carlini, Armandus, Constitutiones Generales ordinis Fratrum Minorum anno 1316 Assisivi conditae, in: Archivum Franciscanum Historicum 4 (1911), S. 269–302 und S. 508–536. 50 Nold (Anm. 3), S. 300f. Zur Einmischung Johannes’ in die Ordensangelegenheiten der Dominikaner 1318 cf. auch Hillenbrand (Anm. 16), S. 509–511 und Lettres secrètes (Anm. 15), I, Nr. 403, Sp. 319f. 51 Valois (Anm. 40), S. 362. 52 Ballweg (Anm. 43), S. 97.
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geeignet, einen Papst wie Johannes XXII. davon zu überzeugen, dass eine Intervention von außen unnötig war. Der Abt erhielt den Auftrag, sein Gutachten zu schreiben, direkt vom Papst, und so wird auch hier wieder deutlich, wie wichtig die persönliche Anwesenheit in Avignon sein konnte. Jan Ballweg hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass es vielleicht kein Zufall war, dass der Papst „solche Vertreter des Zisterzienserordens konsultierte, die er persön53 lich kannte, und die sich gerade in Avignon aufhielten“, und auch andere 54 Konsultationen des Papstes zeigen ein ähnliches Muster. Wir wissen nicht, wer außer dem Bischof von Limoges bei den Verhandlungen an der Kurie um die neue Ordensregel von Grandmont beteiligt war, aber die Erfahrung von Abgesandten und Vertretern von Orden und Institutionen in Avignon zeigt, dass sie oft länger blieben als zunächst geplant und sich freiwillig oder unfreiwillig an weiteren Verhandlungen und Konsultationen beteiligten. Sowohl Michael von Cesena als auch Ubertino von Casale waren zum gleichen Zeitpunkt ebenfalls am Papsthof, und die Verflechtung von zum Teil divergierenden Reforminteressen an der Kurie zeigt sich auch in personaler Form: Michael von Cesena und Jacques de Thérines waren beide im Juni 55 1318 an einer Sentenz gegen die Spiritualen beteiligt. Die Beteiligung an Konsultationen in Avignon hing also in vielen Fällen von der persönlichen Anwesenheit ab, und die persönlichen Kontakte, die dabei entstanden und gepflegt wurden, wurden dann besonders wertvoll, wenn der jeweilige Orden selbst in das Visier des Papstes geriet – so wie im Fall von Jacques’ de Thérines Verteidigung der Zisterzienser 1317/18 und der päpstlichen Diskussionen mit Michael von Cesena zu einer möglichen Reform der Franziskusregel in den Jahren 1318/19. Sowohl Michael von Cesena als auch Jacques de Thérines waren zunächst einmal erfolgreich, 53 Ballweg (Anm. 43), S. 96. 54 Zu diesem Punkt im theoretischen Armutsstreit cf. Duval-Arnould, Louis, Élaboration d’un document pontifical: les travaux préparatoires à la constitution apostolique Cum inter nonnullos (12 novembre 1323), in: Le Fonctionnement administratif de la papauté d’Avignon. Actes de la table ronde organisé par l’École Française de Rome, Avignon, 23–24 janvier 1988, hg. v. Favier, Dean (Collection de l’École Française de Rome 138), Roma 1990, S. 385–409, hier S. 397–399. 55 Cf. Valois (Anm. 40), S. 359. Zur Kommission gehörte auch der dominikanische Theologe Durandus de Saint-Pourçain: siehe Jordan (Anm. 39), S. 90– 92 sowie Valois, Noël, Jacques de Thérines, cistercien, in: Histoire littéraire de la France 34 (1914), S. 179–219, hier S. 182. Zu Ubertino siehe Burr (Anm. 25), S. 261f.
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auch wenn Johannes XXII. dann 1322 im Anschluß an eine Petition aus Narbonne die Frage der franziskanischen Armut wieder aufgriff und sich diesmal nicht ablenken ließ.
III. Innere und äußere Reform Eine Untersuchung der Eingriffe in das Ordenswesen in den ersten Jahren des Pontifikats Johannes’ XXII. demonstriert das Interesse der Kurie an Veränderungen und Verbesserungen in der Ordensorganisation, und sie macht deutlich, dass Johannes nicht nur Reformvorschläge aus den Orden absegnete, sondern auch aktiv an der Entscheidungsfindung beteiligt war und Reformvorhaben anregte. Sie beantwortet aber noch nicht die Frage, ob im Zusammenhang mit Johannes tatsächlich von gezielter Reform oder gar einem Reformprogramm gesprochen werden kann. Es kann hier nicht im Detail auf die allgemeine Reformdiskussion zur spätmittelalterlichen Kirche eingegangen werden, aber die Frage nach der Definition von Reform kann in diesem Zusammenhang nicht völlig außer Acht gelassen werden, wobei zu beachten ist, dass die Kriterien, die aus päpstlicher Einmischung 56 ein päpstliches Reformprogramm machen, nicht unumstritten sind. Als konzeptuelles Medium ist Reform dabei oft nur schwach definiert, zum Teil, weil der Reformbegriff implizit einen Diskurs von Niedergang oder Stagnation beinhaltet, der das extrem komplexe Bild in den einzelnen Orden und 57 auch das Verhältnis zwischen Papsttum und Orden zu stark vereinfacht.
56 Vgl. exemplarisch Vargas, Michael, Taming a Brood of Vipers: Conflict and Change in Fourteenth-Century Dominican Convents (The Medieval and Early Modern Mediterranean World 42), Leiden/Boston 2011, hier vor allem S. 16–22 und Hamilton, Louis I., Introduction, in: Reforming the Church before Modernity: Patterns, Problems and Aproaches, hg. v. Bellitto, Christopher M. und Hamilton, Louis I., Aldershot 2005, S. xiii–xxiv. 57 Zu einer Kritik dieses Ansatzes, cf. Vargas (Anm. 56), S. 6–18; implizit enthalten ist dieses Modell aber noch bei Ballweg (Anm. 43), hier zum Beispiel S. 2; ein Überblick zur Forschungsdiskussion findet sich auch in Elm, Kaspar, Verfall und Erneuerung des Ordenswesens im Spätmittelalter. Forschungen und Forschungsaufgaben, in: Untersuchungen zu Kloster und Stift, hg. v. Max-Planck-Institut für Geschichte (Veröffentlichungen des Max-PlanckInstituts für Geschichte 68; Studien zur Germania Sacra 14), Göttingen 1980, S. 188–238.
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‘Reform’ wird oft als ein Sammelbegriff für gewollte Veränderungen 58 verwendet, die eine gemeinsame Tendenz oder Richtung erkennen lassen. Dies setzt aufeinander abgestimmte und gezielte Interventionen und Reforminitiativen voraus, die über gelegentliche Eingriffe und Reformhandlungen hinausgehen. So hat zum Beispiel auch Bernhard Schimmelpfennig darauf hingewiesen, dass es nicht ausreicht, wenn ein Papst von Zeit zu Zeit einzelne Reformen durchgeführt hat, um ihn dann als Reformpapst bezeichnen zu 59 können. Reform zu planen und durchzuführen setzt mehr voraus, als pragmatisch zu reformieren, und es gehört dazu auch eine gewisse Selbstrefle60 xivität von Handeln und Denken. Diese Selbstreflexivität artikuliert sich aber gerade bei päpstlichen Reformen in den Quellen nur bedingt, zum Teil auch, weil päpstliche Briefe und Bullen nur eingeschränkt ein Forum für eine solche Reflexion bieten. Das Problem ist daher auch hier wieder die Frage nach der Aussagekraft und Interpretation der Quellen, und gerade hier ist deswegen auch eine vergleichende Betrachtung der einzelnen Orden wichtig, die zumindest ansatzweise Tendenzen und Interessen der päpstlichen Politik erkennen lassen. Ein weiteres Problem der Reformdiskussion ist die Frage nach dem Zusammenhang zwischen der äußeren Form und dem inneren Gehalt der Ordensregel und das Problem einer mehr ‘juristischen’ oder spirituellen Gestalt von Reformen. Hier trifft sich die Frage nach Reform von außen mit einem Grundproblem des monastischen Selbstverständnisses und dem komplexen und vielschichtigen Zusammenspiel von innerer Einstellung und 61 äußerem Verhalten. Selbst wenn eine Reform auf innere Umkehr zielte, konnten Ordensregel, Konstitutionen und Reforminitiativen zunächst einmal nur auf das äußere Verhalten einwirken. Franz Felten hat in diesem Zusammenhang daher darauf aufmerksam gemacht, dass es päpstlichen Reformen bis zu einem gewissen Grad auch immer darum ging, die Orden stärker auf die Kurie auszurichten, sowie noch mehr Einblick und größere 62 Zugriffsrechte zu gewinnen. Päpstliche Interventionen bezogen sich daher tendentiell auf die äußere Form und die Ordensdisziplin, weil nur externe Faktoren effektiv durch Rechtsvorschriften geregelt werden können, und 58 59 60 61
Ballweg (Anm. 43), S. 1–3. Schimmelpfennig (Anm. 38), S. 14. Ballweg (Anm. 43), S. 3. Felten, Franz J., Die Ordensreformen Benedikts XII. unter institutionengeschichtlichem Aspekt, in: Institutionen und Geschichte. Theoretische Aspekte und mittelalterliche Befunde, hg. v. Melville, Gert, Köln 1992, S. 369–435, hier S. 427–429. 62 Felten (Anm. 61), S. 434.
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gerade bei Johannes XXII. zeigt sich dies deutlich in seinen Regelungen zu Besitzverhältnissen, der Besetzung von Ämtern und der Ordensorganisation. Ein solcher externalisierter Ansatz, wie er für päpstliche Reformen charakteristisch ist, kann aber dazu führen, dass der Blick auf die spirituellen Implikationen von päpstlichen Interventionen verstellt wird und mögliche geistliche Reformabsichten sekundär erscheinen. In seiner Diskussion der versuchten Zisterzienserreform Johannes’ XXII. spricht Jan Ballweg dann auch davon, dass hier die fiskalischen Interessen des Papstes als Reform 63 „getarnt“ werden sollten. Johannes artikulierte nur selten explizit, ob und welche inneren Veränderungen er bei den Angehörigen religiöser Orden erreichen wollte. Ihm ist deswegen oft das Verständnis für die spirituellen Ziele und den inneren Gehalt des Ordenswesens abgesprochen worden, 64 gerade auch im Zusammenhang mit den Franziskanern. Auf der anderen Seite sollten aber Änderungen im Verhalten eine angemessene innere 65 Haltung hervorbringen und bewahren, und es ist auch davor gewarnt worden, Johannes XXII. automatisch Motive zuzuschreiben, die seinem Ruf als autoritärem Verwaltungsfachmann entsprechen, ohne die pastoralen 66 oder geistlichen Dimensionen seiner Handlungen anzuerkennen. Die spirituellen Dimensionen von Eingriffen in Disziplin und Verfassung sollten in diesem Zusammenhang also nicht unterschätzt werden. Der spirituelle Gehalt solcher Reformen von außen ist aber nicht immer ganz einfach zu erkennen, und ein Lippenbekenntnis zu geistlicher Reform kann auch nicht automatisch als Beweis für das Vorhandensein spiritueller Interessen des Papstes gelten. In der Korrespondenz der Kurie mit Grandmont erklärte Johannes zum Beispiel, es sei sein Ziel gewesen, die Wurzeln des inneren Konflikts im Orden auszurotten und durch neue Statuten 67 Frieden und Harmonie zu garantieren. Dies kann leicht als eine ‘Tarnung’ interpretiert werden, da der Kurie an einem befriedeten Orden gelegen war, ohne dass der Papst deswegen besonders am geistlichen Leben der Grandmontiner interessiert sein mußte. Andererseits wird gerade beim Orden von Grandmont deutlich, dass Johannes zumindest implizit Strukturreform und 63 Ballweg (Anm. 43), S. 98. 64 Cf. Oakley, John, John XXII, The Franciscans and the Natural Right to Property (unveröffentlichte Doktorarbeit), Cornell University 1987, S. 20 und seine Diskussion der Charakterisierung des Papstes als „temperamentally incapable of understanding Franciscan spirituality“. 65 Zu den Reformen Benedikts XII. cf. in diesem Zusammenhang vor allem auch Felten (Anm. 61), S. 426–431. 66 Siehe Dubreil-Arcin, Ryckebusch und Fournié (Anm. 21), S. 34. 67 Bullaire de Grandmont (Anm. 6), Nr. 153i (S. 142f.).
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Verwaltungsstabilität auf der einen Seite mit der Erfüllung der spirituellen Ziele eines Ordens auf der anderen verband. Eine stabile Ordensverfassung bot einen Rahmen für die Erfüllung der geistlichen Ziele, ohne den interne Konflikte entstehen, die den Orden Schaden zufügen konnten. Für den Papst war daher die Schaffung eines Gerüsts wichtig, innerhalb dessen die Orden operieren und sich auf ihre eigentliche Bestimmung konzentrieren konnten, und er machte dies auch im Fall der Johanniter deutlich. Hier beklagte Johannes sich nicht nur, wie beim Orden von Grandmont, über die Unterbrechung des Gottesdienstes und des Stundengebets sondern wies auch darauf hin, dass nur nach Wiederherstellung der Ordensdisziplin und -finanzen auch über einen Kreuzzug nachgedacht werden könne, der ja den 68 Hauptgrund für die Existenz des Ordens darstellte. Das auch anderweitig dokumentierte Interesse Johannes’ an einem möglichen Kreuzzug ist nicht unbedingt ein Beweis für eine aufrichtige Anteilnahme seinerseits an den 69 geistlichen Zielen des Ordens, aber die Verzahnung von politischen und religiösen Zielen ist ebenfalls kein Grund, nur die politischen Dimensionen seines Handelns ernst zu nehmen. Im Falle der Minoriten verknüpfte Johannes dann explizit die Unruhen im Orden mit den ihnen zu Grunde liegenden strukturellen Problemen, die die Franziskaner von ihren ursprünglichen spirituellen Zielen ablenk70 ten. Auch hier zeigt sich sein Interesse an der Schaffung von Rahmenbedingungen für eine spirituelle und innere Erneuerung, das auch schon in der vorangegangenen Diskussion zum Ausdruck gekommen ist. Wenn der Papst direkt auf die spirituellen Werte der Minoriten einging, wie zum Beispiel in der ersten Version der Bulle ‘Ad conditorem canonum’ im Dezember 1322, dann bezog er sich auf die Tatsache, dass die Eigentumsregelungen 68 So in einem Brief an Philipp V. von Frankreich vom 29. September 1317: Lettres secrètes (Anm. 15), I, Nr. 398, Sp. 313–316 (hier Sp. 314). 69 Zu den Kreuzzugsplänen siehe Housley, Norman, Franco-Papal Crusade Negotiations of 1322–1323, in: Papers of the British School at Rome 48 (1980), S. 166–185. 70 Cf. vor allem die erste Version von ‘Ad conditorem canonum’ in Nicolaus Minorita (Anm. 34), S. 83–88 (vor allem S. 84–86). Die Bulle wurde im Dezember 1322 veröffentlicht, mußte aber nach einem Appell des Ordensprokurators Bonagratia von Bergamo revidiert werden. Die revidierte Version trägt dasselbe Datum wie die erste Fassung. Bonagratias Appell ist ediert in Nicolaus Minorita (Anm. 34), S. 89–117. Siehe außerdem Wittneben (Anm. 37), S. 164– 185. Die überarbeitete Fassung von ‘Ad conditorem canonum’ (Extrav. Jo. XXII 14.3) findet sich in Tarrant (Anm. 30), S. 228–54 und Nicolaus Minorita (Anm. 34), S. 118–127.
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der Franziskaner ihren geistlichen Zielen eher im Weg standen anstatt sie zu 71 unterstüzen. Er schrieb die Probleme bei den Minoriten hauptsächlich dem seiner Ansicht nach fehlgeleiteten franziskanischen Armutsideal und vor allem seiner Institutionalisierung in Nikolaus’ III. Bulle ‘Exiit qui seminat’ (1279) zu, die zu den Auseinandersetzungen um den usus pauper geführt 72 und den Orden destabilisiert hatte. Die Verbindung zwischen administrativer Neuregelung und geistlicher Reform blieb in dieser Bulle und in den anderen franziskanischen Texten des Papstes unausgesprochen, sie existierte deswegen aber nicht weniger. Unter Bezug auf Johannes XXII. und seinen zisterziensischen Reformansatz hat Jan Ballweg darauf hingewiesen, dass die Fragen des Papstes implizit die Vorstellung beinhalteten, „daß nur ein wirtschaftlich intakter Orden auch spirituell blühen kann, d. h. daß ökonomische Fragen neben 73 Askese und Studium ein entscheidender Aspekt von Reform sind.“ Eine ähnlich instrumentalisierte Sichtweise des Papstes im Hinblick auf das Ordensleben zeigte sich dann in den Folgejahren deutlich im Armutsstreit und findet ihr Echo auch in der Heiligsprechung von Thomas von Aquin, dessen Argumente zugunsten des instrumentellen Wesens der evangelischen Armut von Johannes in seiner Bulle ‘Ad conditorem canonum’ verwendet 74 wurden. In Johannes’ Neuorganisation der Diözesen des Midi findet sich ebenfalls ein dokumentiertes Interesse an der Schaffung von Strukturen, 75 die eine geistliche und pastorale Erneuerung herbeiführen sollten. Der Umgang des Papstes mit den Grandmontinern weist in ähnlicher Weise ein
71 Ad conditorem canonum, I, Nicolaus Minorita (Anm. 34), S. 84f. 72 Ibid.: Nocuit insuper dictis fratribus retentio ante dicta, cum eius occasione inter fratres eiusdam Ordinis periculosa suborta fuerint schismata, dispendiosa pericula subsecuta, quibus hactenus dari finis non potuit nec speratur quod ad illum ipsa durante valeat perveniri. Nicolaus Minorita (Anm. 34), S. 86. 73 Ballweg (Anm. 43), S. 97. 74 Cf. Walz, Angelus, Papst Johannes XXII. und Thomas von Aquin. Zur Geschichte der Heiligsprechung des Aquinaten, in: St Thomas Aquinas 1274– 1974: Commemorative Studies, 2 Bde., Toronto 1974, Bd. I, S. 29–47. Zur Predigt Johannes’ XXII. am Vorabend der Kanonisation, cf. Laurent, Marie H., Processus canonizationis S. Thomae, Fossae Novae, in: Fontes Vitae S. Thomae Aquinatis notis historicis et criticis illustrati, hg. v. Prümmer, Dominicus und Laurent, Marie H., Toulouse [1911–1937], S. 511–518 (hier S. 513f.). 75 Die Bulle ‘Salvator noster’ findet sich in Bullarium diplomatum et privilegiorum sanctorum Romanorum pontificium Taurinensis editio, 4 Bde., hg. v. Tomassetti, Aloysius, Torino 1859, Bd. IV, S. 242–244. Cf. außerdem DubreilArcin, Ryckebusch und Fournié (Anm. 21), S. 34.
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Zusammenspiel von Verfassungs-Neugliederung, Disziplinarmaßnahmen und einem oft nur implizit vorhandenem Interesse an geistlicher Reform auf. Der Schwerpunkt der päpstlichen Interventionen lag daher zwar auf strukturellen Reformen, aber diese strukturellen Veränderungen hatten auch direkten Einfluß auf das Ordensleben und seine Gestaltung. Obwohl die Implikationen und Folgen der päpstlichen Reformen selten im Detail beschrieben werden, zeigen sich zum Beispiel im Fall von Grandmont subtile Verschiebungen in der Ausrichtung des Ordens als Folge der neuen Regel: Es kam in den folgenden Jahren zu Veränderungen in der Profeßformel und auch in der Liturgie, die der päpstlichen Führung in der inneren 76 Organisation und Spiritualität des Ordens folgten. Bei den Johannitern findet sich der Einfluß des Papstes wieder hauptsächlich in Detailfragen, und seine geistlichen Ansprüche und Ziele sind selten direkt greifbar, auch wenn der neue Großmeister Helion de Villeneuve aktiv um die Wiederein77 führung der Ordensdisziplin bemüht war. Die grandmontinische ‘Historia prolixior’ schrieb Johannes außerdem den Versuch zu, die innere Disziplin 78 im Orden zu verbessern. Im Fall der Franziskaner hoffte der Papst wohl auf spirituelle Erneuerung ohne weitere Streitigkeiten um die Einhaltung des Armutsgelübdes, die die ordensinterne Interpretation des Armutsideals immer stärker zu einer Rechtsfrage gemacht hatten. Die Frage der Ordensverfassung hängt daher mit der Frage der Ordensdisziplin eng zusammen, wobei das Problem der Disziplin bei den Johannitern und auch bei Grandmont im Anschluß an die päpstlichen Interventionen ordensintern geregelt wurde. Bei den Zisterziensern bewegte sich die Argumentation von Jacques de Thérines auf ähnlichen Wegen; er interpretierte die Frage des Papstes 79 nach Reform tam spiritualiter quam temporaliter, und betonte dabei die Rolle der Regelobservanz und besonders der Strukturen seines Ordens, die dafür sorgten, dass Übertretungen bestraft und Regelverstöße unterbunden wurden. Der Zisterzienser-Abt skizzierte eine hierarchische 76 ‘Exigente debito’ erwähnte den Namen des Ordensgründers nicht. Auch die neue Profeßformel ließ die Novizen nicht länger Gehorsam nach der Regel von Étienne de Muret schwören (wie das noch in den ‘Institutiones’ des Priors Jourdain de Rabastens im Jahr 1314 der Fall gewesen war); stattdessen wurden alle Verweise auf den Gründer des Ordens gestrichen, und der Novize schwor nur noch Gehorsam vor Gott: siehe Hutchison (Anm. 5), S. 146 und Fouquet und Philippe-Etienne (Anm. 5), S. 64. 77 Eine Zusammenfassung findet sich bei Delaville le Roulx (Anm. 13), S. 51–101. 78 ‘Historia prolixior’ (Anm. 6), Sp. 147f. 79 Valois (Anm. 40), S. 360.
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Kette der Korrektur mit dem Papst an der Spitze, die nicht nur Kapitelsitzungen, Visitationen, Generalkapitel und Definitoren umfaßte, sondern auch die regelmäßige Beichte: Der ganze Orden war demnach darauf ausgerichtet sicherzustellen, dass die Mönche sich auf ihre geistlichen Übungen konzentrierten, und dass Übertretungen korrigiert wurden und nicht syste80 misch werden konnten. Da der Orden nicht unter einer problematischen Ordensverfassung litt, konnten sich seine Angehörigen auf ihre eigentlichen Aufgaben und Ziele konzentrieren und bedurften deswegen auch keiner päpstlichen Hilfe oder Einmischung. Die Exemtion des Ordens half dabei ebenso; da dieser Status die Zisterzienser viel direkter und schneller unter päpstliche Aufsicht brachte, waren sie auch viel weniger in Gefahr, durch 81 systembedingte Probleme in eine Verfassungskrise zu geraten. Jacques de Thérines bezog sich in seinem Gutachten nicht direkt auf den Minoritenorden, war aber zur gleichen Zeit Teil einer Kommission zur Spiritualenkrise und daher auch mit den Problemen der Franziskaner beschäftigt und vertraut. Es war ihm deswegen wohl auch bewußt, dass die direkte Aufsicht durch den Papst im Fall der Minoriten eine Verfassungskrise nicht vehindert hatte, auch wenn es vielleicht nicht überraschend ist, wenn dieser Sachverhalt in seinem Gutachten nicht thematisiert wird. Das Problem der Destabilisierung von Orden aufgrund unzureichender Verfassungsstrukturen oder interner Konflikte zeigt sich auch darin, dass es zwar der Kurie und auch dem Papst vor allem um Grundsatzfragen ging, sich aber gleichzeitig ein großer Teil der Korrespondenz mit Detailfragen beschäftigte. Gerade bei den Grandmontinern und den Johannitern nimmt das Schuldenproblem der Orden einen bedeutenden Teil der Korrespon82 denz ein, während Johannes XXII. die Minoriten explizit darauf hinwies, dass er eigentlich Besseres zu tun habe, als sich mit der Frage ihrer Vorrats83 haltung abzugeben. Jacques de Thérines für die Zisterzienser traf daher vielleicht auch auf einen Nerv, als er erklärte, dass der Papst zwar das Recht habe, sich um die Alltagsgeschäfte seines Ordens zu kümmern, dass aber natürlich niemand erwarten könne, dass eine so bedeutende Persönlichkeit 80 Valois (Anm. 40), S. 360–362. 81 Ibid., S. 363. 82 Für die Johanniter siehe in diesem Zusammenhang zum Beispiel Lettres communes (Anm. 11), II, Nr. 5600 (S. 9), 5601 (S. 9), 5685 (S. 17), 5690 (S. 18), 5691 (S. 18) und Lettres secrètes (Anm. 15), II, Nr. 917 (Sp. 794–796). Für Grandmont finden sich Beispiele in Bullaire de Grandmont (Anm. 6), Nr. 145 (S. 102f.), 146b (S. 104f.), 148 (S. 113–115), 148b (S.115–118), 149 (S. 118–121) und 151 (S. 122). 83 Tarrant (Anm. 30), S. 173f. und 176.
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dies auch tatsächlich tue. Im Idealfall befreite eine Verfassungsreform die Kurie von der Beschäftigung mit Detailfragen und erlaubte den Orden, sich auf ihre geistlichen Ziele zu konzentrieren. Äußere Form und innerer Gehalt sowohl von Ordensverfassung als auch von Reformen sind daher in einem kreativen Spannungsverhältnis mitein85 ander verbunden. Johannes sah Verwaltungsstabilität im Ordenswesen als eine unabdingbare Voraussetzung für das Erreichen der spirituellen Ziele jedes Ordens; die beiden Elemente waren in seinen Augen untrennbar verbunden. Ein Orden sollte so strukturiert sein, dass seine Mitglieder sich auf ihre eigentlichen Ziele konzentrieren konnten, ohne durch innere Konflikte oder äußere Umstände davon abgelenkt zu werden. Dies konnte aber nur durch Eingriffe in die Ordensverfassung und Ordensleitung erreicht werden, da die innere Einstellung, die zu einer ‘echten’ Erneuerung unabdingbar ist, sich weder befehlen noch ohne weiteres von außen beobachten läßt. Im Gegensatz dazu können externe Strukturen durch eine Ordensreform von außen und von oben beeinflußt und reglementiert 86 werden. Päpstliche Reform kann daher immer auch als die Schaffung von Rahmenbedingungen definiert werden: Innere Umkehr kann durch Gesetzgebung nicht hervorgerufen werden, aber was Papst und Kurie erreichen können, ist das Schaffen von Strukturen, die innere und spirituelle Erneu87 erung fördern und unterstützen. In ähnlicher Weise hat auch Jan Ballweg in einem anderen Zusammenhang darauf hingewiesen, dass der päpstliche Einfluß auf das Ordensleben weniger im direkten Zugriff bestand als in der 88 „legislativen Normierung der Verfahrensweisen“. Der Umgang Johannes’ mit den vier Orden, die hier exemplarisch diskutiert wurden, zeigt sein Interesse an ‘angemessenen’ Verwaltungsstrukturen, die verhindern sollten, dass interne Konflikte entstanden oder wieder aufflammten und dadurch das spirituelle Leben der Orden beeinträchtigten; dieses Interesse geht
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Valois (Anm. 40), S. 363. Felten (Anm. 61), S. 427 und 429. Ibid., S. 431. Dass die Umsetzung in die Praxis natürlich trotzdem problematisch blieb, hat kürzlich Michael Vargas für die Dominikaner gezeigt: Vargas (Anm. 56), vor allem S. 125–160. 88 Ballweg (Anm. 43), S. 114.
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möglicherweise auf seine juristische Ausbildung und seine Erfahrung in 89 der weltlichen und kirchlichen Verwaltung zurück. Die Verflechtung von Verfassung und Spiritualität zeigt sich im Gutachten von Jacques de Thérines wie in den Initiativen des Papstes. Das Hauptaugenmerk Johannes’ lag dabei auf der Frage nach der Angemessenheit der Ordensstruktur für das jeweilige Ordensziel. Dazu gehörte für den Papst vor allem die Unterbindung von internen Konflikten, die den Orden an der Ausübung seiner Ordensziele hindern konnten, ob dieses Ziel nun das Stundengebet war oder der Kampf im Heiligen Land. Auf der anderen Seite versuchte Jacques’ de Thérines Gutachten mit Erfolg, den Papst davon zu überzeugen, dass die Verfassung der Zisterzienser dem Orden angemessen war und gut funktionierte. Der Zisterzienser betonte dabei weniger das Fehlen von inneren Konflikten oder Regelverstößen, sondern vor allem das Vorhandensein von Strukturen, die solche inneren Konflikte lösen und entschärfen konnten. Im Fall der internen Konflikte der Franziskaner, Johanniter und Grandmontiner reagierte Johannes XXII. jeweils auf vergleichbare Weise, indem er versuchte nach der Lösung der unmittelbaren Krise durch die Schaffung neuer Rahmenbedingungen dafür zu sorgen, dass ähnliche Konflikte in Zukunft gar nicht erst entstehen oder sich zumindest nicht zu einer ordensweiten Krise ausweiten konnten. Die (Neuregelung der) Ordensverfassung sollte es den Orden erlauben, sich auf ihre eigentliche Ziele zu konzentrieren und damit ihre geistliche Bestimmung zu erfüllen.
IV. Reform und Verwaltungspolitik Die ersten Jahre des Pontifikats Johannes’ XXII. waren charakterisiert durch ein generelles, aber auch recht allgemein gehaltenes Reforminteresse. Dazu gehörten nicht nur die erwähnten Eingriffe in Orden und Klöster, sondern auch die Neuorganisation der Kirchenlandschaft in
89 Zur Karriere von Jacques Duèse vor seiner Papstwahl siehe Weakland, John, John XXII before his Pontificate, 1244–1316: Jacques Duèse and his Family, in: Archivum Historiae Pontificiae 10 (1972), S. 161–185 und Brunner, Melanie, Zwischen Kurie und Königshof: Jacques Duèse, Bischof von Fréjus, sizilianischer Kanzler und künftiger Papst, in: 1308 – Eine Topographie historischer Gleichzeitigkeit, hg. v. Speer, Andreas und Wirmer, David (Miscellanea Mediaevalia 35), Berlin 2010, S. 439–457.
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Südfrankreich, die Reform der Universität Orléans, und sein Interesse 92 an der Liturgiereform, auch wenn diese Themen hier nicht im Detail ausgeführt werden konnten. Dieses Reforminteresse wurde nicht ausschließlich von außen an den Papst herangetragen, auch wenn es bei der Ordensreform normalerweise eines externen Auslösers bedurfte, bevor die Kurie aktiv wurde. Reform als Versuch, bewußt Veränderungen in einem Orden zu bewirken, kann Johannes XXII. nicht abgesprochen werden, auch wenn es vielleicht zu weit geht, ihm ein Reformprogramm zuzuschreiben. Seine Reformversuche waren aber gezielt und gerade seine Diskussion mit den Zisterziensern zeigt, dass sein Interesse an Veränderungen mehr war als nur „das Reagieren auf als fragwürdig erkannte Zustände in Kirche und 93 Ordenswesen“. Im Falle der Zisterzienser reagierte Johannes nicht auf eine schon schwelende oder akute Krise, sondern wurde aus eigener Initiative tätig. Es gab hier im Gegensatz zu den anderen drei Orden keine Konflikte um Ordensleitung oder -verfassung, die den Papst auf jeden Fall zu einer Intervention bewogen hätten, auch wenn die Zisterzienser, genauso wie die Johanniter und Grandmont, hochgradig verschuldet waren und in finanzi94 ellen Schwierigkeiten steckten. Im Gegensatz dazu scheint der Papst die Unruhen im Orden von Grandmont als Symptome einer tieferliegenden Krise identifiziert zu haben, die nur durch eine Reform der Ordensverfassung gelöst werden konnte. Hier verursachte die (mangelhafte) Verfassung des Ordens die Konflikte erst und mußte deshalb revidiert werden. Auf ähnliche Weise trug wahrscheinlich seine Erfahrung mit der Spiritualenkrise dazu bei, ihn auf das Problem des 90 Dubreil-Arcin, Ryckebusch und Fournié (Anm. 21), S. 35. Cf. auch die Neuorganisation der Pfarreien der Stadt Toulouse: Lettres secrètes (Anm. 15), I, Nr. 450, Sp. 357f. 91 Ibid., I, Nr. 280, Sp. 214. Cf. Verger, Jacques, Jean XXII et Benoît XII et les universités du Midi, in: La Papauté d’Avignon et le Languedoc 1316–1342, hg. v. Vicaire, Marie-Humbert (Cahiers de Fanjeaux 26), Toulouse 1991, S. 199–219. 92 Valois (Anm. 1), S. 530–536; Hayburn, Robert, Papal Legislation on Sacred Music, 95 A.D. to 1977 A.D., Collegeville 1979, S. 20–23; Tomasello, Andrew, Music and Ritual at Papal Avignon 1309–1403 (Studies in Musicology 75), Ann Arbor 1983, hier vor allem S. 9. 93 Ballweg (Anm. 43), S. 3. 94 Cf. King, Peter, The Finances of the Cistercian Order in the Fourteenth Century, Kalamazoo 1985, vor allem S. 94–96. Kings Beschreibung der finanziellen Schwierigkeiten des Ordens beruht allerdings hauptsächlich auf dem Gutachten Jacques’ de Thérines an Johannes XXII.
Johannes XXII. als Reformer?
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franziskanischen Armutsideals aufmerksam zu machen: Nach Bekämpfung der Symptome beschäftigte sich Johannes dann mit den zu Grunde liegenden Verfassungsproblemen. Zu diesen Problemen gehörte für den Papst gerade auch die Singularität der franziskanischen Ordensverfassung, und er glich daher in der Bulle ‘Ad conditorem canonum’ die Eigentums95 verhältnisse der Minoriten denen der anderen Bettelorden an. Auch beim Orden von Grandmont führte der Papst aus, dass eine weniger singuläre Ordensorganisation interne Konflikte von der Art verhindert hätte, wie sie den Orden im frühen 14. Jahrhundert erschütterten. Dass er zur gleichen Zeit als Vergleich die Ordensregel der Dominikaner und die Statuten der Zisterzienser vorliegen hatte, kann ihn in seiner Bewertung der eher ungewöhnlichen Strukturen von Grandmont und den Franziskanern nur bestärkt haben. Sowohl Grandmont als auch die Minoriten hatten Regeln und Traditionen, die nicht dem entsprachen, was Johannes wohl als ‘best practice’ im Ordenswesen definierte. Auch wenn die normativen Texte in der Handschrift Borghese 242 zunächst einmal konkreten Situationen zugordnet werden können, so bot ihm die Sammlung insgesamt doch auch einen Fundus von vorbildlichen und weniger vorbildlichen Organisationsformen für die weitergehende Beschäftigung mit den Orden. Johannes hatte daher am Anfang seines Pontifikats eine umfangreiche Sammlung von Material zu den Zisterziensern, Dominikanern, Franziskanern, Benediktinern, Johannitern und dem Orden von Grandmont vor sich – nicht nur die Ordensregeln und Statuten in der Borghese-Handschrift, sondern auch Berichte, Petitionen, Rechtsgutachten und polemische Schriften. In Fällen, wo die Originale noch existieren, läß sich oft auch anhand von handschriftlichen Randbemerkungen nachweisen, dass der Papst sie aufmerksam gelesen hat. Johannes verließ sich bei der Entscheidungsfindung weitgehend auf schriftliche Unterlagen und Dokumente, was auch der Entwicklung an der Kurie und in der kirchlichen Verwaltung allgemein entsprach. Meistens konnten Eingaben an die Kurie auch ohne Zutun des Papstes bearbeitet werden, aber gerade in Fällen, in denen Johannes persönlich eingreifen mußte oder wollte, verlangte der Papst zusätzliche und detailliertere Informationen. Diese zusätzlichen Informationen erlauben
95 Extrav. Jo. XXII 14.3: Tarrant (Anm. 30), S. 228–254 (hier S. 249–252). Der Papst machte das Problem der franziskanischen Singularität vor allem auch in der ersten Fassung von ‘Ad conditorem canonum’ deutlich: siehe Nicolaus Minorita (Anm. 34), hier S. 87.
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es uns aber auch, zumindest ansatzweise die Beteiligung des Papstes an Reformvorhaben und seine persönlichen Reformziele zu rekonstruieren. In der Zusammenschau lassen sich die Ziele des Papstes deutlicher festmachen als bei einer Diskussion der einzelnen Orden; auch wenn Johannes selten eigene geistliche Ziele artikuliert hat, und auch nur selten explizit auf die spirituellen Werte der einzelnen Orden eingegangen ist, zeigt sich doch, dass der Papst angemessene Ordensstrukturen und Verwaltungsstabilität mit den inneren Zielen der Orden verband. Der unmittelbare Anstoß kam in vielen Fällen von außen, aber die Interventionen des Papstes gingen oft weiter als von den Orden beabsichtigt oder gewünscht. Dass Johannes’ Beschäftigung mit dem Ordenswesen im allgemeinen über die Lösung von akuten Problemen und die Antwort auf routinemäßige Petitionen an die Kurie hinausging, zeigt sich gerade auch an Dokumenten wie der Handschrift Borghese 242 und dem Gutachten von Jacques de Thérines, deren Aussagekraft vor allem auch darin liegt, dass sie den Versuch des Papstes dokumentieren, sich persönlich eine Übersicht über den Stand des Ordenswesens zu verschaffen. In den Jahren 1316–1319 beschäftigte sich Johannes XXII. also intensiv mit allen Aspekten des Ordenswesens, seiner Organisation und Ideenwelt. Die päpstlichen Initiativen waren eingebettet in die Verwaltungspolitik des Papstes allgemein und von dem Ziel charakterisiert, ein reibungsloses Funktionieren der Ordensgeschäfte zu garantieren. Das Hauptaugenmerk von Johannes’ Interventionen, ob sie nun auf Anstöße von außen zurückgingen oder nicht, lag auf der Schaffung von angemessenen Strukturen und Rahmenbedingungen, die eine geistliche Erneuerung möglich machen sollten. In gewisser Weise ist das ein eher bescheidenes Reformziel, aber auch eines, das in der Praxis eher realisierbar erschien – auch wenn die Bemühungen des Papstes nur teilweise von Erfolg gekrönt waren. Dass der Reformimpuls der frühen Jahre dann im Verlauf seines Pontifikats nachließ, lag vielleicht auch daran, dass konkrete Reformen nur teilweise erzielt wurden; möglicherweise wurde nach 1322 die Reformenergie des Papstes in Bezug auf das Ordenswesen auch völlig vom Armutsstreit in Anspruch genommen. Die Betonung von Verwaltungsstrukturen schließt aber eine geistige und geistliche Ordensreform nicht aus; und auch wenn Johannes XXII. bis zu einem gewissen Grad in diesem Zusammenhang immer noch als Bürokrat auf dem Papsttthron erscheint, kann man ihm deswegen nicht jeden Sinn für die inneren Werte des Ordenswesens absprechen, und der spirituelle Gehalt seiner Verwaltungsreformen kann und sollte ernstgenommen werden.
John XXII and His Lawyer-Cardinals Blake Beattie (Louisville)
On the fourth Sunday of Advent of an unspecified year, most likely in the early or middle 1330s, the vice-chancellor of the curia stood at the pulpit in the papal chapel at Avignon to preach before the pope and cardinals on the classic Advent theme, Vox clamantis in deserto (Isaiah 40:3). In the first point of the sermon, the preacher identifies the incarnate Christ as the earthly voice of God the Father, describing Jesus as “proctor or nuncio of the will 1 of God the Father.” Observing further that, “since no credence is given to a proctor or nuncio unless he should first bear proof of his mandate,” the preacher locates the general mandate of Jesus’ ministry in his baptism in the Jordan, when the voice of God declared from on high that Jesus was His beloved Son, “as attested by those four notaries public in the gospels 2 of Matthew, Mark, Luke and John.” The preacher was Cardinal Pierre des Prés (1320–1361), a Toulouseeducated doctor of civil law and, in his rather quiet and unobtrusive way, a figure of great importance at the fourteenth-century curia during the course of his forty-one-year cardinalate. He will never be counted among the great preachers of the Middle Ages, but Pierre’s sole surviving sermon is particularly emblematic of the sensibility that came to pervade the fourteenthcentury papal court. Pierre des Prés was one of several lawyers, raised to the cardinalate by John XXII, who preached in the papal chapel at Avignon and whose sermons still survive in manuscripts scattered throughout the great libraries of Europe. All of these sermons betray a similar sensibility, 1
Valencia, Biblioteca de la Catedral, Nr. 215, f. 1va: Dico igitur quod Dei filius
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incarnates fuit procurator seu nuncius paterne uoluntatis, quod ostenditur cum dicitur vox. Ibid., f. 1vb: Verum, quia non creditur procuratori seu nuncio nisi fidem faciat de mandato cuiuscumque preheminencie seu dignitatatis existat, ideo de mandato et potestate ipsius docetur Mathei XVIIo, Marci IXo et Luce IXo, ubi presentibus multis testibus, Moyse uidelicet et Helia, et Petro et Iacobo et Iohanne, in illo monte excelso, ecce uox Patris de nube dicens: hic est Filius meus dilectus in quo michi bene complacui, ipsum audite.
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deeply informed by the language and imagery of the law. Cardinal Pierre Bertrand (1331–1348), one of the most highly esteemed canonists of his day, preached an Ash Wednesday sermon on holy justice and cited Justinian 3 alongside Ambrose, Jerome and Gregory the Great among his authorities. Cardinal Imbert du Puy (1327–1348) used the ‘Decretum’ as an encyclopedia of patristic thought, citing all but one of his many non-scriptural authorities, not in their own right, but through the passages where they are 4 cited in Gratian’s work. The sensibility that animates these sermons is difficult to define with any great precision. A word like ‘legalistic’ is too narrow, too prejudicial and too pejorative, to capture the essence of a peculiarly Avignonese curial mindset that was shaped, by no means exlusively but at almost every level, by the language, imagery and methodology of the law – not just in its tendency to adduce regulatory solutions to many or most of the problems confronting the curia, but even to the point of formulating a new cultural grammar in which it became possible to imagine the beginning of Christ’s ministry in terms of proctors and nuncios, general mandates and notaries-public. Perhaps it would be best to speak of it as a ‘juridical culture.’ Regardless of the name we assign to it, it still awaits a complete and thorough description. To map its contours, to investigate the mechanics of its formation, and to account for its maintenance across the span of three generations and beyond, are far beyond the scope of this short article. Yet it may not be premature to suggest first that Pope John XXII was the single most indispensable figure in the formation of this juridical culture; that the chief impresarios of this culture are to be found in a new generation of lawyers (Pierre des Prés, Pierre Bertrand and Imbert du Puy among them) whom John elevated to the cardinalate; and that its creation and maintenance were a function of the distinctive structure of the Avignonese curia, in which the cardinals’ familiae served as nodes linking multiple networks of curial personnel who were in the main products of the up-and-coming law schools of the Midi. The juridical culture of the Avignonese curia did not materialize in a vacuum. It was in many respects the natural culmination of a process that began in the later eleventh century, with the rediscovery of Justinian’s ‘Corpus Iuris Civilis’ and the revolution it ignited in both canon and civil
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For the sermon see Valencia, Biblioteca de la Catedral, Nr. 215, f. 22ra–28rb. E.g., Vnde Ieronimus pertractans illud uerbum Ozee XIIo, adhuc sedere
uos faciam in tabernaculis, sicut in diebus festiuitatis: “ter habitent iusti in tabernaculis suis, hoc est in ecclesia Saluatoris”, De penitentia, d.I, c. Ne forsitan; ibid., f. 90rb. For the sermon see ibid., f. 90ra–92va.
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law. During the twelfth and thirteenth centuries, the iurisperitus became a fixture of ecclesiastical administration at every level. The election of the first great lawyer-pope in Alexander III (1159–1181) made the ascent of the ‘lawyer-cardinals’ all but inevitable, and by the middle of the thirteenth century, lawyers formed a significant contingent within the ranks of the Sacred College. (This, of course, is the context in which the career of a man like Jacques Duèse becomes possible and explicable. Born of a prosperous but undistinguished family, his doctorate utriusque iuris afforded him with opportunities that might once have been elusive – not entirely out of reach, but still elusive – for a man of his unremarkable social station). Still, during the thirteenth century, lawyers neither constituted a majority within the Sacred College nor exerted a preponderant influence on its cultural and intellectual climate. Of the 154 cardinals elevated between the election of Innocent III in 1198 and the death of Boniface VIII in 1303, between fifty and sixty had at least some legal education, and about thirty can be said with certainty to have obtained formal degrees in law. Certainly, these are considerable numbers, and they became more considerable still after 1243, when the pontificate of Innocent IV inaugurated a significant increase in the percentage of lawyers within the Sacred College. But the thirteenth-century Sacred College was illuminated no less by the light of Bonaventure than by the light of Hostiensis; academic theologians were just as numerous and just as prominent in its ranks. Indeed, to the very end of the thirteenth century, cardinals were at least as likely to hold advanced 5 degrees in theology as they were to hold degrees in law. The legal imagination of the thirteenth-century College was informed overwhelmingly by the great Italian law schools. Since the beginning of the twelfth century, lawyers with curial aspirations followed a road to Rome that passed through Bologna and Padua. To some degree, this was a consequence of simple demographics: at a time when the great majority of curialists were Italians, it was all but inevitable that most lawyers in the curia – including the Sacred College – would have obtained their legal educations in schools close to home. But demographics alone cannot account for the dominance of the Italian law schools. By virtue of its antique foundation and its association with the likes of Irnerius and Gratian, Martinus and Bulgarus,
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For the thirteenth-century Sacred College see Fischer, Andreas, Wer wird Kardinal? Kardinalskreationen im 13. Jahrhundert und Zusammensetzung des Kollegiums, in: Geschichte des Kardinalats im Mittelalter, Eds. Dendorfer, Jürgen and Lützelschwab, Ralf (Päpste und Papsttum 68), Stuttgart 2011, pp. 155–173.
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Orlando Bandinelli and Hostiensis, Bologna remained the single most prestigious center of legal learning in Europe in the twelfth and thirteenth centuries. Hence the experience of two of the most esteemed curial lawyers of the later thirteenth and early fourteenth centuries, Bérenger Frédol (ca.1250– 1323) and Guillaume de Mandagout (ca.1250–1321). Both came from deep in the Midi; both began curial careers in the late thirteenth century; both were instrumental in compiling the ‘Liber Sextus’ (1296) under Boniface VIII; both were raised to the cardinalate by Clement V in his first creation of cardinals at the end of 1305 – and both had chosen as young men to by-pass the regional law schools to study at Bologna, where Frédol was one of Mandagout’s teachers. Even as late as the 1270s, when Frédol and Mandagout began their legal studies, the brightest aspiring lawyers of the Midi still 6 considered Bologna the best gateway to their ambitions. The eighteen-year pontificate of John XXII changed the dynamic, in both degree and kind. In his six creations, John raised 28 men to the cardinalate – more than any pope in the entire period between Innocent III and Urban VI. At least sixteen – more than half – had some legal education, and twelve held degrees in law. Of these, all but one had obtained doctorates. By contrast, just four of John’s cardinals were masters of theology, 7 including Annibaldo di Ceccano, who also held a doctorate in law. More to the point, none of John’s lawyer-cardinals – not even Annibaldo di Ceccano – earned their degrees from the great Italian universities, and all but three 8 were products of the parvenu schools of the Midi. Thus, John, much more
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For Bérenger Frédol see Mollat, Guillaume, Frédol, Bérenger, in: Diction-
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naire de Droit Canonique 5 (1953), cols. 906–907; Michaud-Quantin, Pierre, La ‘Summula in foro poenitentiali’ attribuée à Bérenger Frédol, in: Studia Gratiana 11 (1967), pp. 145–67; Vernay, Eugène, Le ‘Liber de excommunicacione’ du cardinal Béringer Frédol: Précéde d’une introduction historique sur l’excommunication et l’interdit en droit canonique de Gratien à la fin du XIIIe siècle, Paris 1912; Viollet, Paul, Bérenger Frédol, canoniste, in: Histoire litteraire de la France 34 (1915), pp. 62–178. For Guillaume de Mandagout see Mollat, Guillaume, Guillaume de Mandagout, in: Dictionnaire de Droit Canonique 5 (1953), cols. 1077–78; Viollet, Paul, Guillaume de Mandagout, canoniste, in: Histoire litteraire de la France 34 (1915), pp. 1–61. See Dykmans, Marc, Le cardinal Annibal de Ceccano (vers 1282–1350). Étude biographique et testament du 17 juin 1348, in: Bulletin de l’institut historique belge de Rome 43 (1973), pp. 145–344. See Lützelschwab, Ralf, Wer wird Kardinal? Kardinalskarrieren und Zusammensetzung des Kollegs im 14. Jahrhundert, in: Geschichte des Kardinalats im Mittelalter (note 5), pp. 240–243.
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than his predecessor, established the numerical supremacy of Montpellierand Toulouse-educated lawyers in the Sacred College that remained in effect throughout the remainder of the Avignonese period and beyond. To a considerable extent, the change is attributable to the processes by which John selected the cardinals he created. Under Clement V, a large and powerful Gascon faction had challenged the dwindling but still formidable Italian faction in the Sacred College. As a participant in the contentious, 28-month conclave that followed Clement’s death, John was acutely aware of the intensity of the rivalry that divided the two factions; as the frail and elderly compromise candidate they finally consented to elect, he knew all too well that he could count on the firm support of neither group – both of which had assumed (quite wrongly, as it turned out, of course) that John would have the decency and good sense to expire within a few months of his election. So, the circumstances of his election left John exceptionally careful and deliberate in his selection of cardinals. He took great care to create a College that managed to propitiate vital outside interests, even as it moved gradually but inexorably toward domination by a new faction, wholly congenial to John’s own objectives. He made a point of preserving places in the College for members of the great Roman clans whose good will was essential to any hope of return to Rome, but he was just as careful to ensure that their numbers remained manageable – two Orsini, a Colonna, and one of 9 the Conti di Ceccano were quite sufficient. By the same token, he accom10 modated four requests from the French crown and one from the crown 11 of Castile for the promotion of royal counselors, but ensured that their numbers would never be sufficient to allow for the formation of a powerful ‘royal’ faction within the College. In any case, at least two of John’s ‘royal’ promotions, Pierre Bertrand and Pierre de Mortemart, were men whose loyalties were at least as closely bound to the pope as they were to the royal 12 masters they once served. The religious orders were represented through John’s neatly balanced promotion of one cardinal each from the Franciscans, Augustinian Canons, Cistercians, and Dominicans, and two from the
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Guillemain, Bernard, La cour pontificale d’Avignon, 1309–1376. Étude d’une
société, Paris 1966, p. 185. 10 Ibid., p. 193. 11 Pedro Gomez (1327–48); ibid., p. 202. 12 Ibid., pp. 198, 200. For ‘royal promotions’ see Lützelschwab, Ralf (note 8), pp. 236–238.
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Benedictines. The elevation of Galhard de la Mothe (1316–1356), a nephew of Clement V, may be seen as a sop to the Gascons whom John otherwise made a determined point of displacing from their primacy in the Sacred College, though Galhard must have been a man of exceptional merit to over14 come John’s almost reflexive distrust of Clement’s kinsmen. The true heart of John’s College was that collection of men whom historians of the Avignon papacy have dubbed “the Cahorsin faction”. Intended in the main to secure the pope’s position against the fractious Gascons and Italians, it included relatives of the pope, but not in overwhelming numbers; 15 John XXII was hardly the most egregious of papal nepotists. Only three were close kin: Jacques (1316–1317) and Arnaud de Vie (1317–1335), the sons of John’s sister, Marie; and Gaucelme de Jean (1317–1348), the son of his sister, Marguerite. Bertrand du Poujet (1316–1352), Raymond de Roux (1320–1325) and Imbert du Puy were related to him by more distant blood ties or by marriage. The rest – Bertrand de Montfavès (1316–1342), Bertrand de la Tour (1320–1332/33), Pierre des Prés and Pierre Tessier (1320–1325) – came from within the diocese of Cahors, but had no other obvious connections to the pope. Attached to the ‘true Cahorsin’ contingent were another five men, from regions adjacent to Cahors, who became closely associated with John XXII during the course of their cardinalates. This group included Bernard de Castanet (1316–1317) of Montpellier; Pilfort de Rabastens (1320–1330/31) of Albi; Jean-Raymond de Comminges (1327–1348), a son of Count Bernard VII of Comminges; Raymond de Mostuéjouls (1327–1335) of Rodez; and Pierre Bertrand of Vivarais. None came from the diocese of Cahors, though all were attached to the pope’s inner circle of loyal advisers. Thus, in its broadest sense, the ‘Cahorsin’ faction cannot be defined solely in geographical terms, except insofar as its members were all drawn from the Midi outside of Gascony. Ultimately, the ‘Cahorsins’ account for the great majority of John’s Toulouse- and Montpellier-educated cardinals: at least six and perhaps as many as eight, depending on how broadly one chooses to define the group. In some cases, it is hard to account for the promotion of these men except in terms of their legal backgrounds. Bernard de Castanet, for example, held 13 Bertrand de la Tour (O.F.M.), Pierre Tessier (C.R.S.A.), Jacques Fournier (O.Cist.), Matteo Orsini (O.P.), Pilfort de Rabastens and Raymond e Mostuéjouls (O.S.B.); Dendorfer/Lützelschwab (note 5), p. 486. 14 Guillemain (note 9), p. 178. 15 For a brief assessment see Lützelschwab (note 8), pp. 227–228.
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a doctorate of law from Montpellier, though at the time of his promotion he was best known for a scandal: in 1307 and 1308, as bishop of Albi (1276– 1308), he was the subject of a major papal investigation into charges of gross misgovernment and extreme moral turpitude. Proceedings were terminated before a judgment could be rendered, but Clement V transferred Castanet to the smaller and poorer see of LePuy almost immediately thereafter. Under the circumstances, it is difficult to explain why John XXII chose to promote the disgraced bishop to the cardinalate in 1316. He may have meant it to signal a clear intention to break with the policies of his predecessor, though it more likely had something to do with Castanet’s impressive legal background: with a doctorate in civil law from Montpellier and a career in the Rota dating back to 1266, Castanet was by far the most experienced lawyer 16 in the curia and a wellspring of institutional memory. What does seem clear is that the formation of the ‘Cahorsin’ faction, and the elevation of the men who comprised it, coincides with a shift in the educational center of gravity – from Bologna and Padua to Montpellier and Toulouse – that took place during the pontificate of John XXII and remained in effect for the rest of the papacy’s tenure at Avignon. Something about these southern lawyers made them attractive candidates for promotion and valuable allies in the implementation of John’s great policy initiatives. It cannot be explained solely in terms of personal connections; aside from John’s close relatives, the only member of the group who could genuinely be described as an intimate personal associate of the pope before his elevation is Bertrand du Poujet. Was it merely circumstantial, an inevitable consequence of the pope’s natural tendency to staff his relocated curia with local personnel? Was there something about the curriculum at Toulouse and Montpellier in the early fourteenth century that conditioned a view particularly amenable to John’s legal and administrative vision for the Church? Were the southern French schools associated with a particular approach to or interpretation of the law, distinct from those of Bologna or Padua? Certainly John was familiar with the schools of the south: though 16 For Castanet see the various works by Théry, Julien: Les Albigeois et la procédure inquisitoire: le procès pontifical contre Bernard de Castanet, évêque d’Albi et inquisiteur (1307–1308), in: Heresis 33 (2000), pp. 7–48; L’évêque d’Albi Bernard de Castanet (v. 1240–1317): une politique de la terreur, in: Les inquisiteurs. Portraits de défenseurs de la foi en Languedoc (XIIIe–XIVe siècles), Ed. Albaret, Laurent, Toulouse 2001, pp. 69–87; La parole aux albigeois: le procès de Bernard de Castanet, évêque d’Albi (1307–1308): introduction historique et édition (École nationale des chartes, Positions des thèses: Thèse diplôme d’archiviste-paléographe), Paris 2000, pp. 253–265.
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he earned his doctorate at Orléans, the young Jacques Duese began his studies at Montpellier. A thorough examination of the curricula at Toulouse and Montpellier, and a close comparison with the curricula at Bologna and Padua, is no doubt vital to any proper understanding of the juridical culture that came to flourish at the fourteenth-century curia. It may be noteworthy that John’s lawyer-cardinals for the most part distinguished themselves primarily as practitioners rather than scholars of law. Five of John’s lawyer-cardinals began their careers as professors of law, including Pierre des Chappes (1327–1336), whose origins in the Langue d’Oïl and exclusive association with schools in the north of France put him outside the scope of our analysis. Of the five just one, Pierre Bertrand, whose teaching career took him from Avignon to Montpellier and on to 17 Orléans, is known to have produced a corpus of written work. Bertrand’s work has yet to receive the scholarly attention it merits. Only his ‘Libellus adversus Petrum de Cugneriis’ and ‘De origine et usu jurisdictionum’, both derived from his famous defense of ecclesiastical autonomy at Vincennes in 18 1329, have appeared in print – in 1495 and 1584, respectively. Notwithstanding an abundance of manuscripts, the others – ‘Libellus super iurisdictione ecclesiastica et temporali et de earum connexione et dissentione ad 19 20 invicem’, ‘De jurisdictione ecclesiastica et saeculari’, ‘Apparatus Sexti 21 22 libri Decretalium cum Clementinis’, ‘Tabula super Decretum’, and ‘Scri23 nium utriusque iuris’ – have yet to receive critical editions. Certainly, our
17 For Pierre Bertrand see Déruelle, M., Bertrand, Pierre, in: Dictionnaire de Droit Canonique 2 (1927), cols. 787–790; Fournier, Paul, Le cardinal Pierre Bertrand, canoniste, in: Histoire littéraire de la France 27 (1936/38), pp. 85–120. 18 Libellus adversus Petrum de Cugneriis (Paris 1495); De origine et usu jurisdictionum (Paris 1584). 19 There are ten manuscripts at Paris, Bibliothèque Nationale de France, lat. 2622, 4226, 4227, 4228, 4357, 4388, 10402, 12184; fr. 25207; and fonds Moreau 697. Another four are to be found at Bordeaux, Bibliothèque municipale 406; Troyes, Bibliothèque municipale 1475; Beauvais, Tribunal civil (s.n.); Città del Vaticano, Biblioteca Apostolica Vaticana, Vat. Reg. lat. 1123. 20 Paris, Bibliothèque Nationale de France, Colbert 2672. 21 Paris, Bibliothèque Nationale de France, lat. 4085, and Colbert 241, 446; Reims, Bibliothèque municipale 737. 22 Tours, Bibliothèque municipale 563 and 599. 23 Reims, Bibliothèque municipale 756–759.
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understanding of the juridical culture of the Avignonese curia would benefit greatly from the edition and publication of these works. More typical were the two talented practitioners who came to prominence in the trial of Hugues Géraud, whose conspiracy against John XXII rocked the curia at the beginning of 1317. Bishop of the pope’s native Cahors since 1313 and widely suspected of gross misgovernance during the long vacancy that followed the death of Clement V in 1314, Géraud became the subject of a papal investigation almost immediately after John’s election in August of 1316. As the months process and the process drew near its end, the bishop’s ruin appeared ever more imminent. Desperate, Géraud hatched up his infamous plot to kill the pope and Cardinals Bertrand du Poujet and Gaucelme de Jean, two of the pope’s closest associates, by means of poison and sorcery. The sudden (though almost certainly coincidental) death of Cardinal Jacques de Vie in June 1317 only the intensified the panic that 24 swept through Avignon after the plot was unearthed. The Géraud affair was a sensation that shocked western Christendom and brought notoriety to an otherwise little-known Occitan bishop (though Géraud would have doubtless preferred a longer life in quiet obscurity). The prosecution of the case came to rest largely on the labors of two men. Pierre Tessier was an Augustinian Canon, part of a generation of gifted lawyers (among them Guillaume de Mandagout) that distinguished his order in the later thirteenth and early fourteenth centuries. He received his doctorate in canon law, most likely at Toulouse, and was attached to the curia early 25 in the pontificate of John XXII. As one of the commissioners assigned to investigate the Géraud conspiracy, he was principally responsible for gathering the evidence that brought Géraud to the dock. Pierre des Prés was the younger son of the seigneur of Montpezat-de-Quercy; destined from an early age for a career in the Church and in the law, he earned his doctorate in civil law at the University of Toulouse around 1314 and was teaching there when the newly elected John XXII recruited him as a papal chaplain and 24 See Albe, Edmond, Autour de Jean XXII. Hugues Géraud, évèque de Cahors. L’affaire des poisons et des envoutements en 1317, Cahors/Toulouse 1904. For the larger context in which the trial took place see van Liere, Franciscus, Witchcraft as Political Tool? John XXII, Hugues Géraud, and Matteo Visconti, in: Medieval Perspectives 16 (2001), pp. 165–173. 25 Like many of the cardinals of Avignon, Pierre Tessier is in need of a new scholarly treatment; see du Chesne, François, Histoire de tous les cardinaux françois: de naissance, ou qui ont esté promeus au cardinalat par l’expresse recommandation de nos roys, pour les grands services qu’ils ont rendus a leur estat, et a leur couronne, Paris 1660, I, pp. 449–450.
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auditor sacri palatii in 1316. When the case went to trial it was Pierre des Prés, not yet thirty years of age, whose energetic prosecution sent Hugues Géraud and several co-conspirators to the stake. Both Pierre Tessier and Pierre des Prés rose rapidly in the aftermath of the Géraud trial. By 1318 Tessier was named Vice-Chancellor of the Roman Church; in March of the same year des Prés was provided to the bishopric of Riez. Before the year was out, des Prés would be translated to the archbishopric of Aix-en-Provence, left vacant by the disgrace and deposition of its own miscreant archbishop, Robert de Mauvoisin. Just two years later, Pierre Tessier and Pierre des Prés found themselves among the seven men raised to the cardinalate in John XXII’s third creation of cardinals on 20 December 1320. It has long been a commonplace in the historiography of the Avignon papacy to view the rapid advancement of Pierre Tessier and Pierre des Prés 27 as a reward for services rendered in the great conspiracy trial of 1317, but such a view may just put the cart before the horse. However high its profile might have been, the trial did not present the prosecution with a particularly daunting challenge. Géraud had done an exceptionally poor job of keeping his sinister secret. He had suborned co-conspirators under oath and bullied subordinates into taking part in the plot; one of these, Pierre de Mortemart, 28 was himself a lawyer whom John XXII raised to the cardinalate in 1327. When the investigation began, witnesses from both camps came forth in droves to provide Tessier with a veritable mountain of evidence. Géraud’s conviction was a foregone conclusion well before his case went to trial. The real work of the prosecution was to marshal and present the evidence so as to establish justification for a decision that had already been reached. It did not test the legal skills of the prosecutor so much as it depended on them to determine the shape and procedural legitimacy of what was to become the ‘official’ version of the story. Certainly, the text of the letter assigning Pierre des Prés leaves no doubt of the pope’s unshakeable confidence in his 29 prudence, faithfulness and, most critically, experience. Given John’s deliberate and meticulous nature, it seems more likely that he already intended great things for Pierre Tessier and Pierre des Prés prior to the trial of Hugues 26 For Pierre des Prés see ibid., pp. 436–445; Baluze, Étienne, Vitae paparum Avenionensium, hoc est historia pontificum Romanorum qui in Gallia sederunt, 4 vols., Ed. Mollat, Guillaume, Paris 1914–22, II, pp. 245–249. 27 E.g., see ibid., p. 246. 28 See Albe (note 24), pp. 35–36. 29 For the text see ibid., p. 165, #XII (5 May 1317).
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Géraud. They were not rewarded with promotions because of their actions in the trial; rather, their assignment to the case was itself a reward, another step forward in the cursus honorum that brought them to the cardinalate. Certainly the Géraud case was instrumental in conditioning John’s determination to surround himself not just with deeply loyal men, but with men who possessed a very particular set of legal skills and talents on which the pope would come to rely very heavily. In this light, it becomes possible to make sense of the career of Imbert du Puy, the most obscure of John’s cardinals and, in fact, one of the most obscure of the entire Avignon period. The approximate date and even the place of his birth are unclear, though contemporaries traced his origins to either Montpellier or Cahors. Since the time of Étienne Baluze, scholars of the Avignon papacy have struggled to account for the elevation of a man who, virtually alone among the men whom John raised to the cardinalate, made no apparent mark on the life of the four30 teenth-century Church, either before or after his elevation. Gaucelme de Jean, a nephew of John XXII and therefore worthy of credence, noted that Imbert was related to the pope, though that in and of itself would 31 not be sufficient to explain Imbert’s elevation. Most scholars have simply concluded that Imbert was the very epitome of the motu proprio creation – which may well be the case, though it seems somewhat out of character for John XXII. John’s common letters provide some insight into who Imbert was and why the pope might have chosen to promote him. Though historians have 32 long believed Imbert a man of venerable age at the time of his promotion, the record suggests a birthdate around 1300, and an ecclesiastical career that 33 began in 1318. Imbert was ordained as a priest by May 1326, at which time 34 he was pursuing a licentiate in civil law. By October of the same year, he 35 appears for the first time as a papal chaplain, engaged in studium generale. 36 A year later, he is described for the first time as doctor utriusque iuris – less than three months before his elevation to the cardinalate. Perhaps it would not be unreasonable to conclude that Imbert – young, undistinguished, and 30 31 32 33
See Baluze (note 26), II, pp. 270–272. Ibid., p. 270. See, e.g., du Chesne (note 25), I, p. 464. Jean XXII, Letters communes, analyses d’après les registres dits d’Avignon et du Vatican, 16 vols., Ed. Mollat, Guillaume, Paris 1904–1947, #7507 (16 June 1318). 34 Ibid., #25308 (15 May 1326). 35 Ibid., #26621 (1 October 1326). 36 Ibid., #29964 (1 October 1327).
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connected to the pope by rather tenuous and uncertain ties of affinity or kinship – somehow made himself ‘cardinal-ready’ with an advanced degree in law. If this were so, then Imbert’s ascendancy would hardly be much different from Poujet’s (even if Poujet went on to prove himself an altogether more impressive and substantial figure). These observations provide some suggestions as to why John XXII filled the Sacred College with a new generation of lawyers, products mainly of Toulouse and Montpellier and for the most part of a practical rather than academic bent. They cannot tell us much about how this new generation collectively translated a particular juridical mindset from the schools of the Midi to the curia, or the mechanics of the process by which they helped to establish it as a dominant mode of cultural discourse for the remainder of the Avignonese period. Certainly, so significant a shift required the efforts of far more than just a handful of men, however powerful and influential they may have been. An answer may well be found in the composition of the cardinals’ familiae, which played a proportionally much greater role in the social and cultural life of the curia at Avignon than their counterparts had in twelfth- and thirteenth-century Rome. As the principal centers of patronage and preparation for ecclesiastical careers, the Avignonese familiae came to function as nodes connecting multiple, intersecting networks of curial personnel, an exceptional proportion of whom were all products of the up-and-coming law schools of the Midi. Even a cursory survey of the familiares of John’s cardinals reveals just how many of the cardinals’ protégés held law degress from Toulouse and Montpellier. In the familia of Imbert du Puy, for example, we find one Thomas de Aschele, a bachelor 37 38 of canon law; so too Francesco Bedocii, described as iurisperitus; and a 39 nephew, Bernard Roqua, who was studying at Toulouse. A reconstruction of these familiae – an admittedly slow and tedious task for the period prior to the introduction of formal supplication roles in the time of Clement VI (1342–1352) – may help to give a fuller and clearer sense of the extent to which the cardinals’ familiae served as incubators and transmission centers 40 of Avignon’s juridical culture. None of these observations should be taken to imply that other intellectual influences or activities were unimportant at Avignon. The pontificate 37 38 39 40
Jean XXII, Letters communes (note 33), #56267 (24 January 1332). Ibid., #58441 (23 September 1332). Ibid., #62637 (7 February 1334). For the cardinals’ familiae see Guillemain, Bernard, La cour pontificale d’Avignon, 1309–1376. Étude d’une société, Paris 1966, pp. 251–276; Jugie, Pierre, Les familiae cardinalices et leur ogranisation interne au temps de la papauté
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of John XXII was undeniably marked by a great proliferation of theological activity at the papal court, under the direct supervision of the pope, to such an extent that some scholars have seen John’s pontificate as “indicative of an inicipient breach in the time-honoured agreement between the papacy and university theologians,” wherein the latter undertook the business of theological exposition in the halls of the universities and the former weighed 41 on in their conclusions after the fact. The great theological debates which turned at Avignon in the time of John XXII have received a great deal of thoughtful study, and those cardinals, such as the Franciscans Bertrand de la Tour and Vidal du Four, to whom John assigned leading roles in those 42 debates, serve as potent reminders of the theologians’ enduring importance at the curia in the fourteenth century. But in a fourteenth-century Sacred College where lawyers outnumbered theologians by significantly more than 43 two-to-one, it was all but inevitable that the voice of the lawyers – and by extension their mindset and modes of discourse – would come to eclipse the voice of the theologians in shaping the dominant culture of the curia. Defining the juridical culture of the fourteenth-century curia with greater precision will require the collection and analysis of a great variety of
d’Avignon: Esquisse d’un bilan, in: Le fonctionnement administratif de la papauté d’Avignon. Actes de la table ronde organisée par l’École Française de Rome avec le concours de CNRS, du Conseil general du Vaucluse et de l’Université d’Avignon (Avignon, 23–24 janvier 1988), (Collection de l’École Française de Rome 138), Roma 1990, pp. 41–59; Verger, Jacques, L’entourage du cardinal Pierre de Monteruc (1356–1385), in: Mélanges de l’École française de Rome. Moyen Âge, Temps modernes 85.2 (1973), pp. 515–546. 41 See Iribarren, Isabel, Theological Authority at the Papal Court in Avignon. The Beatific Vision Controversy, in: La vie culturelle, intellectuelle et scientifique à la cour des papes d’Avignon, Ed. Hamesse, Jacqueline (Fédération Internationale des Instituts d’Études Médiévales. Textes et Études du Moyen Âge 28), Turnhout 2006, pp. 277–301. 42 See the works by Nold, Patrick: Bertrand de la Tour, O.Min. Life and Works, in: Archivum Franciscanum Historicum 94 (2001), pp. 275–323 and Pope John XXII and his Franciscan Cardinal: Bertrand de la Tour and the Apostolic Poverty Controversy, Oxford 2003 (in which Vidal du Four is also prominent). See also Oliger, Livarius, Fr. Bertrandi di Turre processus contra spirituales Aquitaniae (1315) et card. Iacobi de Columna litterae defensoriae spiritualium Provinciae (1316), in: Archivum Franciscanum Historicum 16 (1923), pp. 323–355. 43 See Lützelschwab (note 8), pp. 240–243.
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different sources, including letters, consilia, wills, treatises, commissioned 45 works, works dedicated to or read by John XXII, legatine statutes (like the ones that Cardinals Bertrand du Poujet and Giovanni Gaetano Orsini issued in Bologna and Florence, respectively, in the 1320s), documents from the law schools at Montpellier and Toulouse, and even sermons like the 46 ones delivered by Pierre des Prés, Imbert du Puy, Bertrand du Poujet, and other lawyer-cardinals whose preaching reveals just how deeply a legal sensibility managed to penetrate even the spiritual and ceremonial life of the Avignonese curia. However its terrain is mapped, this culture is crucial to understanding the essence of the Avignon papacy, with all its strengths and weaknesses, and above all with respect to its recurring tendency to view so many of the great questions of the age though a regulatory and administrative lens. Many contemporary critics accused the Avignon popes of neglecting the busi47 ness of Church reform. With some popes – Benedict XII, Urban V – the accusation is untenable on its face; but with others, including John XXII, it fails to account for the fact that the popes tended to see reform as something attainable first and foremost through legislative means. The tendency is apparent in John’s regulatory and highly controversial intervention in the Franciscan debates over apostolic poverty, forcefully expressed in bulls like ‘Ad conditorem canonum’, ‘Cum inter nonnullos’ and ‘Quia quorundam’; it can likewise be seen in his expansion of the regulae cancellariae apostolicae or in his attempts to reform the morals of the curia by mandating restrictions 48 on the size and conspicuous consumption of the cardinals’ familiae. It is 44 For a model see the study in Lützelschwab, Ralf, Flectat cardinales ad velle suum? Clemens VI. und sein Kardinalskolleg. Ein Beitrage zur kurialen Politik in der Mitte des 14. Jahrhunderts (Pariser Historische Studien 80), Paris 2007, pp. 424–496. 45 For which see the entry in this volume by Patrick Nold. 46 For which see Beattie, Blake, A Curial Sermon by Cardinal Bertrand du Poujet, in: Mediaeval Studies 67 (2005), pp. 75–98. 47 For Benedict XII see Ballweg, Jan, Konziliare oder päpstliche Ordensreform: Benedikt XII. und die Reformdiskussion im frühen 14. Jahrhundert (Spätmittelalter und Reformation, Neue Reihe 17), Tübingen 2001. For Urban V see Vones, Ludwig, Urban V. Kirchenreform zwischen Kardinalskollegium, Kurie und Klientel (Päpste und Papsttum 28), Stuttgart 1998, esp. pp. 34–58, 360–487. 48 See Zacour, Norman P., Papal Regulation of Cardinals’ Households in the Fourteenth Century, in: Speculum 50.3 (July 1975), pp. 434–455. For the text of John’s regulae see Regulae cancellariae apostolicae: Die päpstlichen Kanz-
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apparent in the increasingly strident debates over the relationship between temporal and ecclesiastical jurisdictions in the fourteenth and fifteenth centuries (for an appreciation of which a good edition of Pierre Bertrand’s ‘Libellus super iurisdictione ecclesiastica et temporali’ would doubtless 49 prove invaluable). It is apparent in the cardinals’ attempts to contractualize an expanded role for the Sacred College in the corporate governance 50 of the Church by means of the Election Capitulation of 1352, or in their disastrous assertion of unaccustomed powers over the pope after the elec51 tion of Urban VI, at the very roots of the Great Schism. By the same token, it is apparent in the successful legation of Cardinal Gil de Albornoz – another Augustinian lawyer-cardinal – whose legal and administrative reconstruction of the Papal States was crucial to the papacy’s eventual return 52 to Rome; and it is apparent in the popes’ determined and heroic, if ultimately unsuccessful, attempts to mediate between England and France in 53 the Hundred Years War. For better and for worse, so many of the great issues of the later medieval Church can be linked, in varying degrees, to the distinctive juridical curial culture that John’s pontificate helped to entrench at the Avignonese curia.
leiregeln von Johannes XXII. bis Nikolaus V., gesammelt und hg. v. Ottenthal, Emil, Innsbruck 1888, pp. 1–8. 49 See note 19. 50 See Anheim, Étienne, Zur Legitimation des Kardinalats im 14. Jahrhundert, in: Dendorfer/Lützelschwab (note 5), pp. 279–281. 51 See Genequand, Philippe, Die Kardinale des Großen Schismas, in: ibid., pp. 322–325. 52 See Prodi, Paolo, Lo sviluppo dell’assolutismo nello Stato Pontificio (secoli XV–XVI), 1: La monarchia papale e gli organi centrali di governo, Bologna 1968, p. 36; Brandi, Brando, Le constitutiones S.M. Ecclesiae del Card. Egidio Albornoz, in: Bullettino dell’istituto storico italiano per il medio evo e archivio Muratoriano 6 (1888), pp. 37–38. For the text of Albornoz’s constitutions, issued in 1357, see Colliva, Paolo, Il cardinale Albornoz, lo Stato della Chiesa e le “Constitutiones Aegidanae” (1353–1357), (Studia Albornotiana 32), Bologna, 1977, pp. 533–725. 53 See Plöger, Karsten, England and the Avignon Popes. The Practice of Diplomacy in Late Medieval Europe, London 2005.
Kultur und Politik im Verhältnis zwischen Bologna und Avignon zur Zeit Johannes XXII.: Umfang und Grenzen des päpstlichen Einflusses auf das städtische Leben. Roberto Lambertini (Macerata)
Johannes XXII. hat versucht, sowohl die politische Lage als auch die kulturelle Landschaft Norditaliens zugunsten der Interessen der päpstlichen Kurie stark zu beeinflussen. Um dieses Ziel zu erreichen, setzte die Kurie die sogenannten politischen Inquisitionsprozesse ein, bei denen die Angeklagten ghibellinisch orientierte Signori waren, gegen die wegen Häresieverdachts ein inquisitorisches Verfahren eingeleitet wurde. Die Möglichkeit, vonseiten des Papstes, gegen seine politischen Feinde nicht nur die propäpstlich orientierten Kräfte zu mobilisieren, sondern sich auch kirchlich-religiöser Waffen zu bedienen, könnte den Eindruck erwecken, Johannes XXII. hätte eine Überlegenheit besessen, die es ihm ermöglichte, die politische Situation zumindest innerhalb der Grenzen des Kirchenstaates nach seinem Willen zu steuern. Dieser Eindruck steht aber im Gegensatz zu den relativ bescheidenen Erfolgen seines politischen Einsatzes. Um die damalige politische Konstellation verständlicher zu machen, gilt es auf einige Beispiele aus der Geschichte Bolognas hinzuweisen, welche die Grenzen des päpstlichen Einflusses veranschaulichen und die zeigen sollen, dass sich die päpstlichen Maßnahmen nicht allein gegen Gegner wandten, die als ‘ghibellinisch’ zu bezeichnen üblich war.
I. Der Prozess gegen die Este Das erste Beispiel betrifft den Prozess gegen Rinaldo und Obizzo d’Este, welche in jener Periode zu den gefährlichsten Gegnern der Stadt Bologna im Kampf um die Kontrolle der östlichen Emilia zählten. Kurz nachdem die Este dank eines Volksaufstandes im August 1317 Ferrara aus den Händen des vom Papst ernannten Imperialvikars Robert von Anjou zurückerobert
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hatten, wurden gleichzeitig sowohl Verhandlungen mit der Familie Este begonnen als auch ein Inquisitionsverfahren gegen sie eingeleitet, das zum Tragen kommen sollte, wenn die Este – wie es zu erwarten war – sich dem 1 päpstlichen Willen nicht beugen würden. Der Papst beauftragte mit dem Prozess den Bischof von Ferrara und den dominikanischen Inquisitor in der Lombardei. Da der Bischof von Ferrara im papsttreuen Bologna residierte, wurde der Bologneser Dominikanerkonvent zum Sitz der Zeugenverneh2 mung. Die Zeugen erzählten, wie die beiden Brüder von Este behauptet hatten, Johannes XXII. sei kein wahrer Papst, weil er nicht die cathedra Petri in Rom einnehme und sich parteiisch zugunsten der Guelfen verhalte. Ausserdem hätten sie Kirchengüter geraubt, die Bestimmungen über die Fastenzeit übertreten, Kirchengebäude als Lager oder Spielsäle benutzt, Frauen entführt und vergewaltigt. Die Este hätten weiterhin behauptet, 3 dass die Lust dieser Welt keine Sünde sei. In solchen Vorwürfen erkennt man sofort ein Modell, das oft in solchen Prozessen benutzt wurde, um die politischen Gegner des Papsttums als Häretiker hinzustellen. Andere 4 Beispiele sind bekannt: die Visconti, Federico von Montefeltro, die Brüder 5 6 Gozzolini, Muzio di Assisi. Kürzlich hat die Forschung solchen Verfahren eine neue Aufmerksamkeit gewidmet, so dass wir jetzt über neue Analysen
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Bock, Friedrich, Der Este-Prozess von 1321, in: Archivum Fratrum Praedicatorum 7 (1937), S. 41–111; sehr wünschenswert wäre eine umfassende Edition der Dokumente, vgl. Parent, Sylvain, Entre rébellion, hérésie, politique et idéologie: remarques sur le procès de Jean XXII contre les rebelles italiens, in: L’età dei processi. Inchieste e condanne tra politica e ideologia nel ‘300. Atti del Convegno, Ascoli Piceno, 30 novembre–1 dicembre 2007, hg. v. Rigon, Antonio und Veronese, Francesco, Roma 2009, S. 145–179, hier 150f. Bock (Anm. 1), S. 43f. Ibid., S. 44f. Pirani, Francesco, I processi contro i ribelli della marca anconitana durante il pontificato di Giovanni XXII, in: L’età dei processi (Anm. 1), S. 181–209 mit wertvollen bibliographischen Hinweisen. Vgl. Iocco, Paola, Il caso giudiziario di un inquisitore inquisito: fr. Lorenzo d’Ancona (OFM), in: Picenum Seraphicum. Rivista di studi storici e francescani 22–23 (2003–2004), S. 11–65, mit Hinweisen auf die frühere Bibliographie; dazu auch Conetti, Mario, Note processualistiche e dottrinali al caso di Andrea e Lippacio da Osimo, in: ibid., S. 307–320. Brufani, Stefano, Eresia di un ribelle al tempo di Giovanni XXII: il caso di Muzio di Francesco d’Assisi. Con l’edizione del processo inquisitoriale, Firenze/Perugia 1989.
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und auch allgemeine Darstellungen des ganzen Phänomens verfügen. Aufgrund dieser Untersuchungen kann man feststellen, dass unter den üblichen Vorwürfen im Este-Prozess nur der Pakt mit dem Teufel fehlt, der eine wichtige Rolle im Verfahren gegen die Visconti gespielt hatte. Es handelt sich auch um die Zeit, als die von Johannes beauftragten Theologen den Begriff der Häresie um magische Praktiken, Dämonenverschwörungen und den 8 Verkehr mit dem diabolus erweiterten. Noch während der Inquisition wurden die Ansichten von einer bedeu9 tenden Gruppe von Predigerbrüdern gesammelt. Einige von ihnen befanden sich in Bologna auf dem Weg zum Generalkapitel, das im Jahr 1321 in Florenz stattfand. Unter ihnen war auch der Generalmagister des Ordens, 10 der berühmte Theologe Hervaeus Natalis. Es wird erzählt, dass er in gutem scholastischen Stil eine kurze Disputation über jeden Artikel der Zeugenaussagen hielt und zum Schluss kam, dass fast alle Artikel häretisch klangen. Auch der Beweis, dass die Este solche häretischen Meinungen vertreten, schien ihm rechtsgültig, obwohl er zugab, nicht genügend Zeit gehabt zu haben, um alle Akten durchzulesen. Ebenso stimmten Johannes von Parma, Matheus Rosso Orsini, der ehemalige General Aymericus von Piacenza, die Provinzialen der Lombardei und der Provincia Romana mit Hervaeus 11 überein. Die Inquisitoren hatten aber nach Abschluß des Verfahrens noch andere sapientes um ihr consilium gebeten. So hatte die Inquisition Unterstützung nicht nur unter den Dominikanern, sondern in allen drei studia der Mendikantenorden in Bologna gesucht. Bei dieser Gelegenheit zeichneten sich aber die ersten Meinungsverschiedenheiten ab. Für die Augustinereremiten sprach der Theologiemagister Prosper von Reggio Emilia, der meinte, 7
Vgl. z. B. Parent (Anm. 1), aber auch Chiffoleau, Jacques, Le procès comme mode de gouvernement, in: L’età dei processi (Anm. 1), S. 321–347. 8 Boureau, Alain, Satan Hèrétique. Naissance de la démonologie dans l’Occident médiéval (1280–1330), Paris 2004; id., Le pape et les sorciers. Une consultation de Jean XXII sur la magie en 1320 (manuscrit B.A.V., Borghese 348), Roma 2004. 9 Der von Bock edierte Text benutzt das Wort consilia; zu dieser Praxis im Allgemeinen siehe zuletzt Parmeggiani, Riccardo, I consilia procedurali per l’Inquisizione medievale (1235–1330), Bologna 2011. 10 Zur Biographie des Hervaeus: Roensch, Frederick, Early Thomistic School, Dubuque, IA 1964, S. 110–117; aktuelle Bibliographie in Friedman, Russell L, Dominican Quodlibetal Literature, ca 1260–1330, in: Theological Quodlibeta in the Middle Ages. The Fourteenth Century, hg. v. Schabel, Chris, Leiden/ Boston 2007, S. 401–491, hier 431–449. 11 Bock (Anm. 1), S. 87.
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die articuli seien häretisch und man solle gegen die Este als Häretiker vorge12 hen. Auch der Franziskanertheologe Wilhelm von Alnwick, der damals lector im studium der Minderbrüder war, schien die Meinung des Prosper zu teilen, nicht ohne einige wichtige Differenzierungen. Er findet zwar die articuli häretisch, meint, dass es bewiesen sei, dass die Este verba heretica gesprochen hätten. Gegen sie sollte man aber nur als gegen dicentes verba heretica vorgehen, was impliziert, dass die Angeklagten nicht als eigentliche Häretiker beurteilt werden sollten. Mit Wilhelm stimmt auch der Franzis13 kaner Andreas, Guardian des Bologneser Konvents überin. Nicht nur Theologen sondern auch Juristen wurden gefragt. Wie schon angedeutet, waren sich fast alle darüber einig, dass die Artikel an sich häretisch sind. Einige äusserten sich aber zurückhaltend zur Prozedur, und überließen die 14 Entscheidung den Inquisitoren. Wie Riccardo Parmeggiani schon bemerkt hat, war Johannes Andreae der einzige, der die Gültigkeit des Beweises in 15 Frage stellte. So war Johannes XXII. durch das officium fidei zwar imstande, die Theologie- und Rechtsdozenten der Stadt auf seine Seite zu ziehen, dies geschah 12 Bock (Anm. 1), S. 88; zu Prosper von Reggio Emilia siehe Courtenay, William J., Reflections on Vat. Lat. 1086 and Prosper of Reggio Emilia, O.E.S.A., in: Theological Quodlibeta in the Middle Ages. The Fourteenth Century, hg. v. Schabel, Chris, Leiden/Boston 2007, S. 345–357. 13 Bock (Anm. 1), S. 88; auch der ehemalige Inquisitor von Bologna, der Predigerbruder Manfredus von Parma vertritt die Position des Wilhelm von Alnwick. Zuletzt zu Wilhelm von Alnwick: Noone, Timothy B., Alnwick on Freedom and Scotus’s Distinction between Nature and Will, in: Contingenza e libertà. Teorie francescane del primo Trecento, hg. v. Alliney, Guido, Fedeli, Marina und Pertosa, Alessandro, Macerata 2012, S. 97–111 und Witt, Jeffrey C., William of Alnwick, in: Encyclopedia of Medieval Philosophy, hg. v. Lagerlund, Henrik, Dordrecht et alibi 2011, S. 1399–1402. 14 Bock (Anm. 1), S. 88: D. Petrus de cernetis doctor in iure civili dixit […] quod de iure comuni exceptio falsi etiam post peremptorium debet admitti. Si autem consultationes et consuetudines officii inquisitionis optente et observate aliud dicerent et haberent de iure suo, tunc ius consultationum et consuetudinis esset observandum […]; S. 90: D. Superancius de Cingulo doctor decretorum dixit et consuluit […] quod exceptiones alique debent admitti, si tamen legittime sunt producte. Item dixit, quod relinquebat religiosorum et theologorum ac doctorum et peritorum in canonico iure consilio et iusto inquisitorum arbitrio [...]. 15 Bock (Anm. 1), S. 91–94; dazu Parmeggiani, Riccardo, Studium domenicano e inquisizione, in: Praedicatores/doctores: lo studio generale dei frati Predicatori nella cultura bolognese tra il ‘200 e il ‘300, hg. v. Lambertini, Roberto
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aber nicht ohne einen zumindest psychologischen Druck: Nach Aussage der Quelle hätten einige Legisten gesagt, sie wollten keine Märtyrer werden, 16 indem sie den Inquisitoren widersprechen. Die einzige Ausnahme ist aber bemerkenswert, weil Johannes Andreae zu den kirchentreuen Profes17 soren zählte. Es scheint, dass die politischen Inquisitionsprozesse, ihres Einschüchterungspotentials zum Trotz, auch Widerspruch hervorriefen, und nicht unbedingt allein unter Gelehrten, die antipäpstlich gesinnt waren, sondern auch bei solchen, die eine gewisse intellektuelle Unabhängigkeit behielten. Wilhelm von Alnwick sollte es noch deutlicher zeigen, als er 1322 in Perugia einen Rundbrief zugunsten der franziskanischen Armutstheorie unterzeichnete, welcher versuchte, der Revision der Armutstheo18 logie vonseiten des Papstes zu widerstehen. Nach einem guten Jahr, im Dezember 1323, schrieb der Papst den Bischöfen von Ferrara und Bologna und forderte sie auf, Maßnahmen gegen den Minderbruder Guglielmus Anglicus zu treffen, der in einer Predigt in Bologna die Doktrin der abso19 luten Armut Christi verteidigt hatte. Aus den Quellen können wir entnehmen, dass das Inquisitionsverfahren gegen die Este auch verschiedene Nebenermittlungen mit sich gebracht hatte. Für die politische Lage Bolognas ist das Verfahren gegen Romeo Pepoli, ehemaliger Wucherer und erfolgreichster Bankier in Bologna, der seit 1315 als ‘cripto-signore’ die entscheidende Rolle in der Politik der guelfisch orientierten Kommune spielte, besonders interessant. Massimo Giansante hat in den letzen Jahren wichtige Beiträge zur Rolle dieser Schlüssel20 figur in der Geschichte Bolognas um die Jahrhundertwende publiziert.
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(Memorie domenicane 39), Firenze 2010, pp. 117–141, hier 135f.; siehe auch Vallerani, Massimo, Modelli di verità. Le prove nei processi inquisitori, in: L’enquête au Moyen Age, hg. v. Gauvard, Claude, Roma 2008, S. 123–142, hier 140ff. Vgl. Parmeggiani (Anm. 15), S. 136. Tamba, Giorgio, Giovanni d’Andrea, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Bd. 55, Roma 2000, S. 667–672; siehe auch die von Ken Pennington gesammelte biobibliographischen Angaben in http://faculty.cua.edu/pennington/1298a-z.htm. Eine leicht zugängliche Edition in Nicolaus Minorita, Chronica, hg. v. Gál, Gedeon und Flood, David, St. Bonaventure, NY 1996, S. 7–82. Vgl. Lambertini, Roberto, Intentions in Fourteenth Century Bologna: Jandun, Alnwick, and the Mysterious ‘G’, in: Medieval Analyses in Language and Cognition, hg. v. Ebbesen, Sten und Friedman, Russell L., København 1999, S. 431–451, hier 435ff. Giansante, Massimo, Patrimonio familiare e potere nel periodo tardo-comunale. Il progetto signorile di Romeo Pepoli banchiere bolognese (1250c. –
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Dank seinem enormen Reichtum war er imstande gewesen, die Kommune zu finanzieren und dafür einen entscheidenden – von den kommunalen Beschlüssen anerkannten und legitimierten – Einfluss zu gewinnen, der sich sogar auf die Ernennung der Beamten der Kommune erstreckte. Nun ermittelte die Inquisition gegen ihn wegen Begünstigung der Este. Er war unter anderem auch Schwiegervater von Obizzo d’Este und deshalb als 21 potentieller fautor haereticorum verdächtig. Nur einige Wochen vor dem Verhör der Zeugen gegen die Este hatte ein Volksaufstand die Pepoli aus 22 Bologna verjagt, und nach gescheiterten Versuchen, militärisch seine Position wiederzugewinnen, war Romeo in die Hände des päpstlichen Legaten Bertrand du Poujet gefallen. Kurz darauf finden wir ihn in Avignon, wo der 23 mehr als Siebzigjährige bald darauf starb. Als Exponent der sogenannten ‘gemäßigten’ Guelfen zählte Romeo mit seinen Anhängern zu denjenigen, welche die Politik Johannes’ XXII. in eine schwierige Position versetzten und ihn letzten Endes auch zur Suche nach anderen Verbindungen veranlasst hatten.
II. Der Prozess gegen Cecco d‘Ascoli In die von den Feinden der Pepoli regierte Stadt kehrten die universitates studentium, nach einer aus Protest erfolgten Emigration nach Siena, im 24 Jahre 1322 zurück. Seit einigen Jahren war es den Studenten der Artes
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1322), Bologna 1991; id., Romeo Pepoli, Patrimonio e potere a Bologna tra Comune e Signoria, in: Quaderni medievali 53 (2002), S. 87–112; online: http:// www.rm.unina.it/biblioteca/scaffale/Download/Autori_G/RM-GiansantePepoli.pdf; id., L’usuraio onorato. Credito e potere a Bologna in età comunale, Bologna 2008. Vgl. Bock, Friedrich, Studien zum politischen Inquisitionsprozess Johanns XXII., in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 26–27 (1935–1937), S. 109–134, hier 134. Giansante, Patrimonio (Anm. 20), S. 70–75; Dazu jetzt auch Antonioli, Guido, Conservator pacis et iustitie. La signoria di Taddeo Pepoli a Bologna (1337– 1347), Bologna 2004, S. 34ff.; im Allgemeinen zur sozio-politischen Lage in Bologna siehe Milani, Giuliano, L’esclusione dal comune. Conflitti e bandi politici a Bologna e in altre città italiane tra XII e XIV secolo, Roma 2003. Giansante, Patrimonio (Anm. 20), S. 74f. Grundlegend Rossi, Guido, Universitas scholarium e Comune (sec. XII–XIV), in: Studi e memorie per la storia dell’Università di Bologna, n. s. I (1955), p. 173–266; zusammenfassend Nardi, Paolo, Le Università nei Secoli XIV–XV,
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und der Medizin gelungen, sich der Kontrolle der Rektoren der juristischen Universitäten zu entziehen und sich als autonome Körperschaft durch25 zusetzen. Es sind die Jahre der Bologneser ‘Averroisten’, Angelus von 26 Arezzo, Thaddaeus von Parma, aber auch Antonius von Parma, dem im Visconti-Prozess vorgeworfen wurde, sich an den ‘nigromantischen’ Versu27 chen Johannes XXII. zu töten, beteiligt zu haben. Wie erwähnt, gehörten Artes- und Medizinstudenten zur selben universitas. Zu den Medizinlehrern 28 zählte auch Cecco d’Ascoli, der auch Dichter und Dantegegner war. Aus dem Text seiner Verurteilung zum Tod in Florenz kann man entnehmen, dass er drei Jahre früher vom dominikanischen Inquisitor Lambertus von 29 Cingoli wegen häretischen Lehren vor Gericht gestellt worden war. In diesem Fall wissen wir nicht, ob die Initiative des Prozesses auf den Papst, auf die Inquisitoren oder, wie es oft der Fall war, auf eine Denunziation eines 30 Kollegen zurückzuführen war. Leider ist der Text der Bologneser Verur-
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in: Storia delle Università in Italia, hg. v. Brizzi, Gian Paolo, Del Negro, Piero und Romano, Andrea, Messina 2007, S. 45–93, hier 55–58. Vgl. immer noch Sorbelli, Albano, Storia dell’Università di Bologna, Bd. I, Il Medioevo, Bologna 1940, S. 110–115. Über die sogenannte Averroistenschule existiert eine reiche, vor allem philosophisch orientierte Bibliographie; nach den Studien von Martin Grabmann, war ausschlaggebend der Beitrag von Maier, Anneliese, Die Bologneser Philosophen des 14. Jahrhunderts, in: Studi e memorie per la storia dell’Università di Bologna, n. s. I (1955), S. 297–310; jetzt in ead., Ausgehendes Mittelalter, II, Roma 1967, S. 335–349; weiterführend L’insegnamento della logica a Bologna nel XIV secolo, hg. v. Buzzetti, Dino, Ferriani, Maurizio und Tabarroni, Andrea, Bologna 1992. Stabile, Giorgio, Pelacani, Antonio, in: Enciclopedia Dantesca, Roma 1973, S. 366f.; Tabarroni, Andrea, Notizie biografiche, in: L’insegnamento della logica (Anm. 26), S. 608. Zusammenfassend Giansante, Massimo, Cecco d’Ascoli, il destino dell’astrologo, in: Giornale di Astronomia 23 (1997), S. 9–16; Vgl. jetzt den Sammelband Cecco d’Ascoli. Cultura, scienza e politica nell’Italia del Trecento, atti del Convegno Ascoli Piceno, 2–3 dicembre 2005, hg. v. Rigon, Antonio, Roma 2007. Leider ist die handschrifliche Überlieferung sehr kompliziert; vgl. Giansante, Massimo, La condanna di Cecco d’Ascoli: tra astrologia e pauperismo, in: Cecco d’Ascoli (Anm. 28), S. 183–199; vgl. auch Federici Vescovini, Graziella, Medioevo magico. La magia tra religione e scienza nei secoli XIII e XIV, Torino 2008, S. 277–305. Angelus von Arezzo wurde z. B. von einem seiner Kollegen, dem Arzt Iulianus de’ Preunti angezeigt, vgl. Tabarroni, Andrea, Gentile da Cingoli e Angelo
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teilung nicht direkt tradiert. Neben dem Vorwurf des astrologischen Determinismus’ taucht unter den Artikeln auch die Zauberei auf: Cecco habe 31 behauptet, die Künste der Magie zu beherrschen. Weill-Parrot hat von 32 einer kosmologisch-astrologischen nigromanzia des Cecco geschrieben. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Cecco seine Irrtümer vor dem Inquisitor Lambertus widerrufen hat. Nach einer indirekten Überlieferung wurde ihm nur eine verhältnismäßig milde Strafe auferlegt, die aber auch ein Lehrverbot 33 umfasste. Überraschenderweise ist Cecco für das folgende Jahr noch in der Liste der von der Kommune besoldeten Lehrer eingetragen, so dass die Schlussfolgerung naheliegend ist, dass der Inquisitor nicht imstande gewesen war, sich durchzusetzten. Massimo Giansante hat die Hypothese formuliert, dass die Kommune, obwohl sie von den popularen, extrem guelfischen papsttreuen Gruppen regiert wurde, das Urteil der Inquisition nicht habe unterstützen wollen. Derselbe Giansante hat in der Tat bewiesen, dass die astronomischen Voraussagen des Cecco oft zugunsten des popolo gemacht 34 wurden. Was Cecco das Leben kostete, war wahrscheinlich seine Entscheidung, Bologna zu verlassen, um zum Astrologen von Karl von Kalabrien in Florenz zu werden: Als er dort die Gunst dieses Angehörigen der Dynastie 35 der Anjou verlor, wurde es ihm unmöglich, dem Inquisitor zu entkommen.
III. Bertrand du Poujet, Michael von Cesena und die ‘Monarchia’ Dantes Als Cecco seine verhängnisvolle Entscheidung traf, war die politische Konjunktur für Bologna sehr ungünstig. In das Jahr 1325 fällt die schwere Niederlage von Zappolino, wo Passerino Bonacolsi, ghibellinischer signore
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d’Arezzo sul Peryermeneias e i maestri di logica a Bologna all’inizio del XIV secolo, in: L’insegnamento della logica (Anm. 26), S. 393–440, hier bes. 411– 415; siehe auch Antonelli, Armando, Nuovi sondaggi d’archivio su Cecco d’Ascoli a Bologna, in: Cecco d’Ascoli (Anm. 28), S. 239–276 zu Lambertus von Cingoli, Parmeggiani (Anm. 15), S. 137ff. Giansante (Anm. 29), S. 192. Weill-Parot, Nicolas, I demoni della sfera: la ‘nigromanzia’ cosmologicoastrologica di Cecco d’Ascoli, in: Cecco d’Ascoli (Anm. 28), S. 103–132. Del Fuoco, Maria Grazia, Il processo a Cecco d’Ascoli: appunti intorno al cancelliere di Carlo di Calabria, in Cecco d’Ascoli (Anm. 28), S. 217–237. Giansante (Anm. 29), S. 191–194. Del Fuoco (Anm. 33), S. 236f.
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von Mantua, die kommunalen Streitkräfte besiegte. Auch aus diesem Grund wurden die Beziehungen Bolognas zum Kardinallegaten Bertrand du Poujet 36 immer intensiver. Die guelfische Regierung wünschte sich Protektion. Aus späteren Urkunden ist auch zu entnehmen, dass von einer Verlegung des 37 päpstlichen Sitzes nach Bologna die Rede gewesen war. Man braucht nicht den Klatsch zu glauben, nach dem Bertrand du Poujet natürlicher Sohn des Papstes gewesen sein soll, um einzusehen, dass der Legat ein treuer Vollstrecker des päpstlichen Willens war. Bologna sollte zur Hauptstadt der päpstlichen Regierung in Italien werden. Wenn die Bologneser (oder einige unter ihnen) sich gewünscht hatten, dass die signoria des Kardinallegaten eine Verstärkung der traditionell papsttreuen kommunalen Instituti38 onen bedeuten könnte, dann wurden sie bitterlich enttäuscht. In kurzer Zeit wurden alle wichtigen Ämter und Gremien der Kommune entweder entmachtet oder unter die unmittelbare Kontrolle des Legaten gebracht. Kürzlich hat Paolo Pirillo die radikale Reform des Steuerwesens in Bologna 39 untersucht, die Betrand in die Tat umgesetzt hatte. Aus seinen Anordnungen geht eindeutig hervor, dass er es nicht nur auf eine klare Zäsur mit dem vergangenen Regime anlegte, sondern auch Mittel zur Finanzierung seiner politischen und militärischen Mission zu gewinnen suchte. Im Jahr 40 1328 legte er eine Zwangsanleihe für den Bau der neuen Stadtmauer auf. Mit Romeo Pepoli hatten die Bologneser sich von einem ‘cripto-signore’ befreit; mit Bertrand mussten sie eine echte signoria erleben. Trotz seiner überlegenen Position, konnte sich der Legat nicht immer durchsetzen. Ein berühmtes Beispiel dafür: Im selben Jahr wurde der Legat vom Papst beauftragt, dem Generalkapitel der Minderbrüder, das in Bologna tagte, vorzusitzen. Wegen den schon existierenden, wenn auch nicht offiziell 36 Grundlegend, Ciaccio, Lisetta, Il cardinale legato Bertrando del Poggetto in Bologna (1327–1334), in: Atti e memorie della Deputazione di storia patria delle Province della Romagna, 3. Reihe, 23 (1904–5), S. 85–190 und 456–537; auch als selbstständiger Band mit dem selben Titel ediert, Bologna 1905; zusammenfassend Vasina, Augusto, Bertrand du Poujet, in: Lexikon des Mittelalters, I, München/Zürich 1980, Sp. 2043. 37 Ciaccio (Anmerkung 36), S. 528. 38 Ibid., S. 121–153, 181–184; für eine scharfsinnige Analyse der politischen Strategien des Papstes, siehe Tabacco, Giovanni, La casa di Francia nell’azione politica di papa Giovanni XXII, Roma 1953. 39 Pirillo, Paolo, La provvigione istitutiva dell’estimo bolognese di Bertrando del Poggetto (1329), in: Atti e memorie della Deputazione di storia patria per le Province di Romagna, neue Reihe, 46 (1996), S. 373–412. 40 Ibid., S. 387f.
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ausgebrochenen Spannungen hinsichtlich der franziskanischen Armut hatte Johannes bekanntlich dem amtierenden General Michael von Cesena 41 verboten, Avignon zu verlassen, um an dieser Versammlung teilzunehmen. Bertrand hätte die versammelten Brüder überzeugen sollen, sich einen anderen generalis minister zu wählen. Der Papst und der Legat täuschten sich aber offensichtlich über die Verhältnisse innerhalb des Ordens: Michael wurde wiedergewählt und musste erst nach seiner offenen Rebellion vom 42 Papst abgesetzt werden. Der berühmte Jurist Bartolus von Sassoferrato und Boccaccio, in den beiden Fassungen des ‘Trattatello in lode di Dante’, erzählen von einer Verurteilung der ‘Monarchia’ Dantes wegen des Verdachtes der Häresie. Bartolus weiss nur, dass der Dichter nach seinem Tode quasi ‘fast’ wegen Häresie verurteilt wurde. Boccaccio kann mehr Informationen liefern. Nach seinem Bericht wurde das Meisterwerk des Dante von Bertrand du Poujet verurteilt. Der Legat hätte sogar die Gebeine des Dichters verbrennen lassen wollen. Pino della Tosa aus Florenz und Ostagio da Polenta aus Ravenna hätten ihn nicht davon abgebracht. Dieser Bericht des Boccaccio hat bekanntlich den Forschern große Schwierigkeiten bereitet, da keine andere zeitgenössische Quelle von einem so wichtigen Ereignis informiert zu sein scheint. Wenn wir die Intention des Legaten, die Gebeine Dantes zu verbrennen, beiseite lassen, da Intentionen oft keine Spur hinterlassen, so bleibt es wirklich rätselhaft, wie die Nachricht der Verurteilung der ‘Monarchia’ und das folgende Leseverbot nur Boccaccio (und teilweise Bartolus) habe erreichen können. Francis Cheneval, der der Rezeption der ‘Monarchia’ eine schöne Monographie gewidmet hat, ist davon überzeugt, dass die Verurteilung stattgefunden hat, allerdings sei sie nur von „lokaler Trag43 weite“ gewesen. Wie dem auch sei, es fand eine Kampagne gegen die ‘Monarchia’ Dantes in Bologna statt. Guido Vernanis ‘De reprobatione Monarchiae’ ist ein 41 Über diese Ereignisse berichten die ‘Allegationes religiosorum virorum’, kürzlich ediert in Nicolaus Minorita, Chronica (Anm. 18), S. 524–552; siehe dazu Wittneben, Eva L., Bonagratia von Bergamo. Franziskanerjurist und Wortführer seines Ordens im Streit mit Papst Johannes XXII., Leiden/Boston 2003, S. 286f. 42 Zusammenfassend zuletzt Dolcini, Carlo, Michele da Cesena, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Bd. 74, Roma 2010, S. 154–157. online: http://www. treccani.it/enciclopedia/michele-da-cesena_%28Dizionario-Biografico%29. 43 Cheneval, Francis, Die Rezeption der ‘Monarchia’ Dantes bis zur Editio princeps im Jahre 1559. Metamorphosen eines philosophischen Werkes, München 1995, S. 150–165.
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starkes Indiz dafür. Guido Vernani, der seinerseits an der Publikation der päpstlichen Prozesse gegen Castruccio degli Antelminelli beteiligt 45 war, widmete seinen Traktat Graziolo Bambaglioli, Notar und späterem 46 Kanzler der Kommune in Bologna. Dieser Notar, der auch Gedichte verfasste, hatte 1324 einen Kommentar zu Dantes ‘Inferno’ verfasst: Francis Cheneval hat überzeugend argumentiert, dass Graziolo zur Zeit 47 der Abfassung seines Kommentars des ‘Inferno’ die ‘Monarchia’ kannte. Aus seinem Kommentar kann man auch entnehmen, dass Bambaglioli ein echter Verehrer des Dichters war und versuchte, einige der Positionen Dantes mit seinem eigenen „gemässigten Guelfismus“ in Einklang zu brin48 49 gen. Dazu verteidigte er explizit die Orthodoxie Dantes. Gerade gegen diesen Graziolo richtete Guido Vernani, der ehemalige Lektor des Bolog50 neser dominikanischen Studiums und Berater der Inquisition seine zwar indirekte aber radikale Kritik, indem er ihm vorführte, um die Worte von Cheneval zu benutzen, „wie er sich von den schönen Versen hat blenden lassen und warnt ihn vor den trügerischen, ja häretischen Lehren, die sich in ihnen verbergen“. Die Kritik Vernanis galt somit einem guelfisch orientierten Notar, der für die Kurie des päpstlichen Legaten arbeitete. Auch wenn der genaue Anteil des Legaten an der Kampagne gegen die ‘Monarchia’ wegen der Quellenlage schwer zu bestimmen ist, spielte er sicher eine 44 Grundlegend: Kaeppeli, Thomas, Der Dantegegner Guido Vernani O.P. von Rimini, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 28 (1937-8), S. 107–146; Matteini, Nevio, Il più antico oppositore politico di Dante: Guido Vernani da Rimini. Testo critico del ‘De Reprobatione Monarchiae’, Padova 1958. 45 Über Leben und Werke des Guido zuletzt auch Cova, Luciano, Il Liber de virtutibus di Guido Vernani da Rimini: una rivisitazione trecentesca dell’etica tomista, Turnhout 2011, bes. S. 53–74; eine neue kommentierte Edition mit aufschlussreicher Einführung von Vernanis ‘De reprobatione Monarchiae’ in Dante, Opere, IV, Monarchia, hg. v. Chiesa, Paolo und Tabarroni, Andrea unter Mitwirkung v. Ellero, Diego, Roma 2013, S. 319–389. 46 Zusammenfassend Vallone, Aldo, Graziolo Bambaglioli, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Bd. 5, Roma 1963, S. 640ff. 47 Cheneval (Anm. 43), S. 77–84. 48 Siehe auch die neueste kritische Edition: Graziolo Bambaglioli, Commento all’ ‘Inferno’ di Dante, hg. v. Rossi, Luca Carlo, Pisa 1998, die Cheneval nicht zur Verfügung stand. 49 Graziolo Bambaglioli (Anm. 48), S. 106: credo autem auctorem prefatum, tamquam fidelem captolicum et omni prudentia et scienta clarum, suo tenuisse iudicio quod Ecclesia sancta tenet. 50 Parmeggiani (Anm. 15), S. 135.
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wichtige Rolle in dem Versuch, den Einfluss Dantes einzudämmen. Diesbezüglich hat Ruedi Imbach vor einigen Jahren von einem Kampf zwischen zwei entgegengesetzten Programmen von „Philosophie für gebildete Laien“ 51 gesprochen. Mit der Zeit wurde die Position des Legaten immer schwieriger. Die Tatsache, dass die gewaltigen Geldausgaben für den Krieg gegen die Ghibellinen keinen dauerhaften Erfolg mit sich gebracht hatten, muss sicher zur 52 Unzufriedenheit der Bologneser beigetragen haben. 1332 wurde eine 53 Verschwörung entdeckt. Aus dem Verhör eines der Verschworenen, Colorius Gozzadini, geht hervor, dass die parte guelfa unter der Führung von Taddeo Pepoli, dem Sohn des Romeo, sich nunmehr von der Herrschaft des Legaten befreien wollte. Dessen modus regendi sei tyrannisch, sehr ungerecht und sehr gefährlich. Eigentlich wollten die Verschwörer den Legaten nicht töten, nicht einmal aus der Stadt jagen. Er sollte sich aber darauf beschränken, die Tätigkeit seiner Legation weiterzuführen und die 54 Regierung der Stadt den boni homines von Bologna zu überlassen. Gozzadini hatte sich die Lösung der Krise vielleicht zu optimistisch vorgestellt. „Moia il legato e chi è di Linguadoca“ (Tod dem Legaten und allen, die aus dem Languedoc kommen) riefen die Aufständischen am 17. März 1334, als sie den Legaten in seiner erst vor kurzem erbauten Burg innerhalb der Stadtmauern belagerten. An den Verhandlungen zwischen Belagerern und Belagerten nahm auch Taddeo Pepoli teil. Unter dem Schutz einiger anwesender Florentiner durfte Bertrand die Stadt verlassen. Kurz darauf fingen die übli55 chen Verbannungen an und auch Graziolo Bambaglioli musste ins Exil. In diesem Band analysiert Armand Jamme die italienische Politik des Johannes als Ganzes. Was Bologna, und insbesondere die dortigen Verhältnisse zwischen Politik und Kultur angeht, geht aus den angeführten Beispielen klar hervor, dass der Papst erhebliche Schwierigkeiten gehabt hatte, sogar mit seinen sozusagen natürlichen Verbündeten umzugehen. Es scheint, dass er für die politische Kultur des italienischen Guelfismus wenig Verständnis hatte: Die Guelfen verstanden sich nämlich als pars ecclesiae, nicht unbedingt als ihre Untertanen und vor allem nicht als unbedingte Erfüllungsgehilfen des avignonesischen Papsttums.
51 Imbach, Ruedi, Laien in der Philosophie des Mittelalters. Hinweise und Anregungen zu einem vernachlässigten Thema, Amsterdam 1989. 52 Pirillo (Anm. 39), S. 388. 53 Antonioli (Anm. 22), S. 104–108. 54 Ciaccio (Anm. 36), S. 535. 55 Vallone (Anm. 46), S. 641; Antonioli (Anm. 22), S. 107.
Kirchenherrschaft im Angesicht des Todes. Johannes XXII., Benedikt XII. und die ‘Regulae Cancellariae apostolicae’ Andreas Meyer (Marburg)
Was ist von einem Gesetzgeber zu halten, der auf dem Sterbebett von ihm erlassene Gesetze und Erlasse aufhebt? Ist ein solcher Schritt nicht irgendwie befremdlich? Wie sollte man sich den Vollzug dieses letzten Willens vorstellen, und wer ist dafür verantwortlich? Wäre gegebenenfalls auch das Gegenteil möglich, also der Erlass von Gesetzen in einer Verfügung von Todes wegen? Die hier gestellten Fragen sind keineswegs rhetorisch, denn Papst Johannes XXII. widerrief tatsächlich in der Nacht des 4. Dezembers 1334, als er starb, quascumque reservationes de beneficiis ecclesiasticis per ipsum acthenus factas und erklärte sie mit Ausnahme jener, die im Moment an der römischen Kurie vakant seien, für null und nichtig.
I. Was ist denn überhaupt eine Reservation? Ganz allgemein gesprochen ist eine Reservation nichts Anderes als eine Art Kompetenzausscheidung zwischen Instanzen, eine Prärogative. Mit der Reservation werden gewisse Vorgänge einer bestimmten Instanz vorbehalten, in diesem Fall dem Papst. Aus dem Vorbehalt resultiert nicht nur eine Hierarchisierung des Systems, sondern die von der Reservation Betroffenen genießen fortan auch ein höheres Maß an Rechtssicherheit, weil die Zuständigkeiten exakter definiert sind. Man erreicht mit einem solchen Schritt aber auch eine einheitlichere Rechtsprechung, weil nur noch ein Amtsträger oder eine Hierarchiestufe für den entsprechenden Vorgang verantwortlich ist. Ein Beispiel mag dies illustrieren. Als auf dem 4. Laterankonzil 1215 die jährliche Pflichtbeichte eingeführt wurde, behielt sich der Papst schon bald die Absolution
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von gewissen schweren Sünden vor. Dieser Schritt wurde offenbar als notwendig erachtet, weil dem Papst als Bischof von Rom eigentlich keine rechtliche Sonderstellung gegenüber anderen Bischöfen zukam. Der Vorbehalt jedoch drückte die päpstliche Sonderstellung innerhalb der Kirche aus, wie sie sich im Investiturstreit herausgebildet und in der Folgezeit verstärkt hatte. In Analogie zu diesem Reservatrecht fixierte Clemens IV. 1265, dass er nicht nur Anwartschaften oder Exspektativen auf alle kirchlichen Benefizien verleihen könne, sondern er reservierte sich auch die Verleihung der an der päpstlichen Kurie (apud sedem apostolicam) freiwerdenden Kirchen, 2 dignitates, personatus et beneficia. Um die Bedeutung dieses Schrittes zu verstehen, sei hier auf die Tatsache verwiesen, dass die Kirche im Mittelalter mit großem Abstand die reichste Institution war. Seit dem Investiturstreit organisierte sie sich zudem immer monarchischer und zentralistischer. Gleichzeitig dazu entwickelte sich aus dem ursprünglich für den Lebensunterhalt des Geistlichen vorgesehenen Viertel der Einnahmen einer Kirche das kirchliche beneficium bzw. die prebenda, nämlich das Recht des Stelleninhabers, das ihm zugeteilte 3 Kirchengut auf Lebzeit zu nutzen. Der Zölibat verhinderte zuverlässig, dass an diesem Vermögen irgendwelche Erbansprüche entstanden. Die Folge
1 Goering, Joseph, The internal forum and the literature of penance and confession, in: The History of Medieval Canon Law in the Classical Period, 1140– 1234. From Gratian to the Decretals of Pope Gregory IX, hg. v. Hartmann, Wilfried und Pennington, Kenneth, Washington 2008, S. 379–428, hier S. 399; vgl. dazu auch Meyer, Andreas, Der spätmittelalterliche Liber Cancellariae apostolicae als Formelbuch anhand der Beichtbriefe von Gregor XI. bis Sixtus IV., in: Les formulaires. Actes du XIIIe Congrès international de diplomatique, Paris, 3–4 septembre 2012 (im Druck). In einem längeren Prozess hatte sich bereits zwischen 1179/80 und 1234 das päpstliche Reservatrecht der Heiligsprechung herausgebildet, vgl. Kuttner, Stephan, The history of Ideas and Doctrines of Canon Law in the Middle ages, Aldershot 21992, essay VI: La réserve papale du droit de canonisation, und Retractationes sowie New Retractationes. 2 Liber Sextus 3.4.2. (= Corpus iuris canonici, Bd. 2, hg. v. Friedberg, Emil, Leipzig 1879). 3 Meyer, Andreas, Das Aufkommen des Numerus certus an Dom- und Stiftskirchen, in: Stift und Wirtschaft. Die Finanzierung geistlichen Lebens im Mittelalter, hg. v. Lorenz, Sönke und Meyer, Andreas (Schriften zur Südwestdeutschen Landeskunde 58), Ostfildern 2007, S. 1–17.
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dieser Entwicklung war, dass die Erträge dieses immensen Besitzes in jeder Generation neu verteilt werden mussten. Neben die Instanzen, die sich traditionell für die Einsetzung der Geist4 lichen zuständig fühlten, trat um die Mitte des 12. Jahrhunderts der Papst. Der bürokratische Optimismus ließ in der Folgezeit an der Kurie ein administratives Verfahren entstehen, das diese Aufgabe besser lösen sollte als das traditionelle. Gemäß der Konstitution Licet ecclesiarum Clemens’ IV. von 1265 konnte der Papst jegliche Pfründe rechtmäßig verleihen, sofern 5 er dafür einen rechten Grund hatte. Solche Gründe konnten ihm natürlich durch Bittschriften suggeriert werden. Wie sehr von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wurde, zeugen Abertausende von Registerbänden im Vatikanischen Archiv. Das Ergebnis dieser Bitten, die päpstliche littera als Mandat oder als Gratialbrief, ist als sogenanntes Reskript zu verstehen, das in der päpstlichen Kanzlei aus den inhaltlichen Vorgaben des Petenten, aus den geltenden Gesetzen bzw. Regeln und der päpstlichen Signatur auf der jeweiligen Bittschrift redigiert wurde. Delegierte Richter in der Nähe des Petenten oder der erbetenen Sache hatten abschließend die Aufgabe, die gewährte Gnade zu verwirklichen bzw. das erwirkte Mandat auszuführen. In den ‘Regulae Cancellariae apostolicae’, die erstmals unter Bonifaz VIII. greifbar und seit Johannes XXII. in ununterbrochener Folge überliefert sind, 6 wird dieses Verfahren auf all seinen Stufen und immer detaillierter geregelt. Clemens’ IV. Nachfolger bemühten sich darum, nicht nur die Kategorien der von dieser Reservation betroffenen Pfründen, sondern auch den wenig präzisen Ausdruck vacans apud sedem apostolicam genauer zu fassen, indem sie ihn zunächst lokal – im Umfang von zwei Tagesreisen um den Sitz der Kurie – und personell – welche kurialen Amtsträger als darin eingeschlossen galten – definierten. 1298 wurde das Grundgerüst dieser Generalreservation
4 Immer noch grundlegend Linden, Peter, Der Tod des Benefiziaten in Rom. Eine Studie zu Geschichte und Recht der päpstlichen Reservationen (Kanonistische Studien und Texte 14), Bonn 1938. Man sollte dabei aber nicht vergessen, dass sich das kirchliche Benefizium und das Patronatsrecht auch erst im 12. Jahrhundert voll herausbildeten. 5 Liber Sextus 3.4.2. (Anm. 2), vgl. zu ihrer Überlieferung Bertram, Martin, Die Konstitutionen Alexanders IV. (1255/56) und Clemens’ IV. (1265/67). Eine neue Form päpstlicher Gesetzgebung, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte 119 Kan. Abt. 88 (2002), S. 70–109, hier S. 89f. 6 Vgl. zu den Kanzleiregeln http://www.uni-marburg.de/fb06/forschung/webpubl/magpubl/paepstlkanzl.
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im ‘Liber Sextus’ fixiert. Daher nahm Johannes XXII. am 4. Dezember 1334 die Reservation vacans apud sedem apostolicam auch explizit von seinem Widerruf aus.
II. Welche anderen Reservationen könnte der sterbende Papst denn gemeint haben? Um diese Frage zu beantworten, richten wir unseren Blick zunächst auf die Entwicklung des Kirchenrechts im Spätmittelalter. Während bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts neues Recht meist durch päpstliche Einzelfallentscheidungen, sogenannte Dekretalen, entstand, kam damals mit der Konstitution, die der Papst aus eigenen Antrieb, also motu proprio, erließ und abstrakt formulierte – dies zeigt sich nicht zuletzt daran, dass die Formel Ad perpetuam bzw. Ad futuram rei memoriam an die Stelle des Adressaten trat – und für die er allgemeine und dauernde Geltung beanspruchte, eine neue Form päpstlicher Gesetzgebung auf. Unter Alexander IV. fand die Konstitu8 tion ihre eigene diplomatische Form. In der Folge vermehrte sich ihre Zahl bald ins Unermessliche. Für das ganze Spätmittelalter ist wohl mit mehreren 9 Tausend, wenn nicht sogar Zehntausend Konstitutionen zu rechnen. Interessanterweise kam kein Papst je auf den Gedanken, besondere Register für diese Art von Erlassen anzulegen, um den Überblick über die Rechtsetzung zu behalten. Man folgte also weiter dem Vorbild der großen Juristenpäpste des ausgehenden 12. und frühen 13. Jahrhunderts, die sich ebenfalls nur spät und bloß partiell um die Sammlung ihrer Dekretalen
7 Meyer, Andreas, Zürich und Rom. Ordentliche Kollatur und päpstliche Provisionen am Frau- und Grossmünster 1316–1523 (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 64), Tübingen 1986, S. 33–43. Die Konstitution Ex debito von Johannes XXII. (= Extravag. Com. 1.3.4) gibt einen guten Überblick über die damals geltenden Vakanzgründe und die von der Reservation betroffenen Ämter. Vgl. dazu auch Lettres communes de Jean XXII (1316–1334), Introduction. La collation des bénéfices ecclésiastiques à l’époque des papes d’Avignon (1305–1378) par Guillaume Mollat, Paris 1921, S. 28f. 8 Bertram, Konstitutionen (Anm. 5), S. 73f. 9 Die verschiedenen Bullaria Romana inkl. der Editio Taurinensis sind keineswegs als vollständig zu betrachten. Dazu kommt, dass gelegentlich auch päpstliche Entscheidungen, die als littera ausgefertigt wurden, von den Rechtsgelehrten als grundlegend betrachtet in ihre Sammlungen integriert wurden, vgl. etwa die 48. und 51. Kanzleiregel Benedikts XII. (Link wie Anm. 6).
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gekümmert hatten. Kaum bekannt ist hingegen, dass die Verewigungsformel Ad futuram rei memoriam bis zum Ende des 15. Jahrhundert zu einer Art Klausel mutierte, um die man auch supplizieren konnte und die 10 dem Begünstigten offenbar gewisse Vorteile bot. Doch soweit war die Entwicklung in der Nacht, als Johannes XXII. starb, noch nicht gediehen.
III. Was nun die Sammlungen des neuen Rechts betrifft, so ist zunächst auf den schon erwähnten ‘Liber Sextus’ zu verweisen, den Papst Bonifaz VIII. 1298 als verbindliche und ausschließliche Sammlung zusammenstellen und publizieren ließ. Die letzte authentische Rechtssammlung innerhalb des ‘Corpus iuris canonici’ stellen die ‘Constitutiones Clementis Quinti’ dar, die Johannes XXII. im Jahre 1317 promulgierte. Doch die Zeitumstände verhinderten, dass er diese Sammlung als exklusiv erklären konnte. Dass Papst Gregor XIII. in die 1582 abgeschlossene Editio romana des ‘Corpus iuris canonici’ noch zwei private Rechtssammlungen integrierte, nämlich die ‘Extravagantes Iohannis papae XXII’, die der Südfranzose Jesselinus de Cassanis 1325 zusammengestellt hatte, und die sogenannten ‘Extrava11 gantes communes’, die ihre endgültige Form erst 1503 erhalten hatten, ist 12 für unsere weiteren Betrachtungen eher nebensächlich. Aufschlußreicher ist es, die zeitgenössischen Sammlungs- und Ordnungsversuche des neuen Rechts heranzuziehen. Jacqueline Brown 10 Vgl. die 123. Kanzleiregel Sixtus’ IV. (Link wie Anm. 6): [...] nec non litteras apostolicas super his confectas cum concessionibus, mandatis ac processibus inde secutis in quorumcumque favorem et quibusvis etiam specialibus et expressis personis per eum etiam „Motu proprio“ et „Ex certa scientia“ ac „Ad futuram rei memoriam“ et cum quibusvis etiam derogatoriarum derogatoriis clausulis forsan concessas et factas ac super quibus ecclesie, monasteria, prioratus, di gnitates, personatus, administrationes, officia, canonicatus et prebende aliaque beneficia et loca sue et dicte sedis dispositioni generaliter reservata compre henduntur seu comprehendi videntur [...]; vgl. auch ebenda Nr. 135 und 175. 11 Di Paolo, Silvia, Le „Extravagantes Communes“ nell’età dell’incunabolo: la bolla „Unam Sanctam“ da Francesco Pavini a Jean Chappuis, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte 122 Kan. Abt. 91 (2005), S. 355–407. 12 Nörr, Knut Wolfgang, Die Entwicklung des Corpus iuris canonici, in: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte 1: Mittelalter (1100–1500). Die gelehrten Rechte und die Gesetzgebung, hg. v. Coing, Helmut, München 1973, S. 845; Meyer,
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hat nachgewiesen, dass nach dem Erlass des ‘Liber Sextus’ innerhalb von wenigen Jahrzehnten fünf Sammlungen mit Konstitutionen der Päpste Bonifaz VIII., Clemens V., Johannes XXII. und Benedikt XII. entstanden, 13 die in zahlreichen Manuskripten überliefert sind. Einige dieser Sammlungen fanden ihren Abschluss darin, dass sie wie die ‘Extravagantes Bonifatii VIII’, die Klementinen oder die zwanzig Texte umfassenden ‘Extrava14 gantes Iohannis XXII’ mit einem Kommentar versehen wurden, während sich die beiden als ‘Constitutiones Iohannis XXII’ und als ‘Extravagantes Benedicti XII’ zirkulierenden Sammlungen mit 51 respektive mit 16 Texten nur durch eine stabile innere Ordnung und einen harten inhaltlichen Kern 15 auszeichnen, ohne aber je einen juristischen Kommentar erhalten zu haben.
IV. Untersuchen wir die beiden genannten Sammlungen mit Konstitutionen Johannes’ XXII., die sich mit der Ausnahme einer einzigen Konstitution decken, auf die Frage hin, ob sie Reservationen von ihm enthalten, die er in seiner Todesnacht hätte widerrufen können, so finden wir nur einen einzigen einschlägigen Text, nämlich Execrabilis, der sowohl in die ‘Extravagantes Iohannis XXII’ (3. un.) wie auch viel später in die sogenannten ‘Extravagantes communes’ (3.2.4) aufgenommen wurde und in dem der Papst die Besitzer inkompatibler Pfründen nicht zuletzt dadurch, dass er die ihnen bis anhin gewährten Dispense einschränkte, zwang, sich innerhalb 16 eines Monates ihrer überzähligen Benefizien zu entledigen. Entsprechend
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Andreas, The Late Medieval Ages, in: The Cambridge History of Medieval Canon Law, hg. v. Winroth, Anders und Wei, John (im Druck). Brown, Jacqueline, The Extravagantes communes and its medieval predecessors, in: A distinct voice. Medieval studies in honor of Leonard E. Boyle, O.P., hg. v. Brown, Jacqueline und Stoneman, William P., Notre Dame (Indiana) 1997, S. 373–436. Brown, Extravagantes (Anm. 13), S. 374–381: ‘Extravagantes Bonifatii VIII’, S. 381–386: ‘Clementinen’, S. 386–402: ‘Extravagantes Johannis XXII’. Brown, Extravagantes (Anm. 13), S. 402–406: ‘Constitutiones Johannis XXII’, S. 406: ‘Extravagantes Benedicti XII’. Die ‘Constitutiones Johannis XXII’ entsprechen inhaltlich, nicht aber in ihrer Reihenfolge den ‘Extravagantes Johannis XXII’. Vgl. die 65. Kanzleiregel Johannes’ XXII. (Link wie Anm. 6). In der praktischen Anwendung schuf Execrabilis nicht geringe Probleme, vgl. Brown, Jacqueline, The Declaratio on John XXII’s decree Execrabilis and the early history of the
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des gemeinen Rechts, dass die Vergabe an der Kurie erledigter Pfründen ausschließlich dem Papst zustehe, reservierte sich Johannes XXII. die Vergabe der nun freiwerdenden Benefizien. Neu und von der Forschung bisher unbeachtet ist an Execrabilis, dass der Ausdruck Apud sedem apos tolicam vacans eine neue Färbung oder Dimension erhielt, dass er fortan auch kausal verstanden wurde, nämlich erledigt aufgrund eines päpstlichen Gesetzes. Die Konstitution Execrabilis lässt sich also gut in das System der fortschreitenden Definition dieser Klausel einordnen, die im ausgehenden 17 13. Jahrhundert eingesetzt hatte. Als Johannes XXII. seinen letzten Willen diktierte, wird er daher bestimmt nicht an diese Konstitution gedacht haben. Heißt dies nun, dass wir die 64.421 von Guillaume Mollat aus den Registern Johannes’ XXII. gezogenen Regesten nach Reservationen durchsehen müssen? – Nein, denn es gibt Gott sei Dank noch eine weitere zeitgenössische Sammlung päpstlicher Gesetze, die ebenfalls relativ breit überliefert Rota, in: Bulletin of Medieval Canon Law N.S. 21 (1991), S. 47–78. Meines Erachtens ist diese Erklärung aber nicht in der Rota, sondern in der päpstlichen Kanzlei entstanden. Ähnliche Texte bzw. Formulierungen finden sich nämlich auch unter den frühen Kanzleiregeln. Vgl. zur Rezeption dieser Konstitution auch Miethke, Jürgen, Die Geltung päpstlicher Dekretalen und die „Reform an Haupt und Gliedern“ auf den Konzilien des 15. Jahrhunderts. Über Anspruch und Dauer päpstlicher Pfründregelungen, in: Das Sein der Dauer, hg. v. Speer Andreas und Wirmer, David, Berlin 2008, S. 414–431, hier S. 430. 17 Im Wortlaut kann Execrabilis eigentlich nur als ein einmaliger Vorgang verstanden werden, zu dem die damals lebenden Geistlichen verpflichtet waren, vgl. Meyer, Zürich (Anm. 7) S. 45. Leider hat die Declaratio zu dieser Konstitution in der wissenschaftlichen Diskussion bisher kaum Beachtung gefunden. Zu ihrer Überlieferung vgl. Brown, Extravagantes (Anm. 13), S. 405. Zur Vorgeschichte von Execrabilis ist zu beachten, dass im ‘Liber Cancellariae I’ zwei Reservationen Johannes’ XXII. vom September 1316 enthalten sind, deren erste hier einschlägig ist, weil sich der Papst in ihr alle Pfründen reservierte, die vakant wurden, wenn ihre Besitzer aufgrund einer päpstlichen Anwartschaft ein anderes Benefiz erlangten, vgl. die 49. Kanzleiregel Johannes’ XXII. In seiner 8. Regel legte Johannes XXII. zudem fest, dass, wer aufgrund einer päpstlichen Provision ein inkompatibles Benefizium erhalte, dieses abgeben müsse. Benedikt XII. behielt sich sodann in der Konstitution Ad regimen die Vergabe der auf diese Weise erledigten Pfründen vor: per asse cutionem pacificam [...] quorumcumque [...] beneficiorum [...] auctoritate lit terarum nostrarum [...] collatorum et conferendorum in posterum nunc vacan tia et in antea vacatura [...], Extravag. com. 3.2.13 und nun mit verbessertem Text Kanzleiregel Nr. 35B von Benedikt XII. Urban V. bestätigte das Gelten von Ad regimen in seiner 7. Regel (Link wie Anm. 6).
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ist – ich kenne mittlerweile 15 Textzeugen vor 1550 –, die bisher aber bei den Kanonisten auf kein Interesse gestoßen ist, vermutlich weil sich bislang vor allem die Diplomatiker mit ihr beschäftigt hatten. Es handelt sich dabei um den sogenannten ‘Liber Cancellariae apostolicae’. Brigitte Hotz hat sich kürzlich mit ihm beschäftigt und dabei drei Bücher unterschieden, die in den Quellen als Libri oder Quaterni Cancellariae 19 erscheinen. Als erstes ist der Band zu nennen, den der deutsche Kuriale Dietrich von Nieheim im Auftrag Urbans VI. im April 1380 aus einem alten und beschädigten Kanzleibuch abschreiben ließ und dessen Rubriken er 20 ergänzte. Dieser Band ist in drei Exemplaren auf uns gekommen. Georg Erler hat seinen Inhalt 1888 – ohne Kenntnisse der beiden andern Manu21 skripte – nach der Pariser Handschrift veröffentlicht. Für unsere Belange ist dieses sogenannt erste Kanzleibuch (‘Liber Cancellariae I’) aber nur am Rande wichtig. Zentraler ist das, was Dietrich von Nieheim einen Monat später aus dem sogenannten Quaternus albus der päpstlichen Kanzlei auszog. Michael Tangl hat dieses Kanzleibuch 1894 für seine ‘Päpstlichen 22 Kanzleiordnungen’ und, was weniger bekannt ist, Carolus Lux 1904 für seine ‘Constitutionum apostolicarum de generali beneficiorum reservatione 23 ... collectio et interpretatio’ herangezogen. In der Forschung gilt dieser Band als das sogenannt zweite Kanzleibuch, ich hingegen spreche von ihm 18 Vgl. unten Anm. 20 und 24. 19 Hotz, Brigitte, Libri cancellariae spätmittelalterlicher Päpste, in: Proceedings of the Thirteenth International Congress of Medieval Canon Law, Esztergom, 3–8 August 2008, hg. v. Erdö, Peter und Szuromi, Sz. Anzelm, Città del Vaticano 2010, S. 397–417. 20 Città del Vaticano, Biblioteca Apostolica Vaticana, Ottobon. Lat. 911, fol. 1r– 100v; Mainz, Stadtbibliothek, Hs. II 39, fol. 118r–207v; Paris, Bibliothèque Nationale de France, Ms. lat. 4169. 21 Dietrich von Nieheim, Der Liber cancellariae apostolicae vom Jahre 1380 und der Stilus palatii abbreviatus, hg. v. Erler, Georg, Leipzig 1888, Neudruck Aalen 1971. 22 Tangl, Michael, Die päpstlichen Kanzleiordnungen von 1200–1500, Innsbruck 1894, Neudruck Aalen 1959. Er benutzte die Kanzleibücher Barb. Lat. 2825 (= Cod. Barb. XXXV 69), Ottobon. Lat. 911, Vat. Lat. 3984 und Paris 4169 (wie unten Anm. 24). 23 Lux, Carolus, Constitutionum Apostolicarum de generali beneficiorum reservatione ab a. 1265 usque ad a. 1378 emissarum, tam intra quam extra corpus iuris exstantium, collectio et interpretatio. Una cum documentis ex Tabulariis Vaticanis et Bibliotheca Barberiniana desumptis, Diss. theol. Bratislava 1904. Er benutzte neben Barb. Lat. 2825 (Anm. 24) auch die Briefregister des Vatikanischen Archivs.
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als ‘Liber Cancellariae II’. Darüber hinaus ist – als ein Vorgriff auf Späteres – seit Gregor XI. (1370-1378) mit einem weiteren, also einem dritten Band des Kanzleibuches (‘Liber Cancellariae III’) zu rechnen, in den die damals gültigen Regulae Cancellariae eingetragen wurden und der seit dem Ende des 14. Jahrhunderts in den Quellen als Liber, Quaternus oder Quinternus 25 regularum bzw. als Liber constitutionum Cancellarie erscheint und dessen Inhalt Emil von Ottenthal 1888 unter dem Titel ‘Regulae Cancellariae apos26 tolicae’ erstmals veröffentlichte.
V. Wie der in der Kanzlei verwendete ‘Liber Cancellariae’ im 14. Jahrhundert ausgesehen haben dürfte, lässt sich erschließen, indem wir die heute noch existierenden Kanzleibuchmanuskripte typologisch einordnen. Zunächst einmal bestand es aus der Vorlage des sogenannt ersten Kanzleibuches Dietrich von Nieheims, das zwar zu weiten Teilen als Formelbuch angelegt ist, aber auch das Provinciale und Eide des Kurienpersonals enthält. Gegen Schluss dieses Bandes folgen nicht nur alique constitutiones facte in concilio 27 28 Lugdunensi, Konstitutionen circa regimen vicecancellarii et notariorum, die beiden Konstitutionen Ratio iuris Johannes’ XXII. von 1331 und Decens 24 Città del Vaticano, Archivio Segreto Vaticano, Arm. XXXI tom. 82; Biblioteca Apostolica Vaticana, Barb. Lat. 2825; Barb. Lat. 2850; Ottobon. Lat. 778; Vat. Lat. 3984, fol. 43r–146v; Vat. Lat. 6343; Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, Cod. Edili 45, fol. 6ra–25ra (nur Konstitutionen); Mainz, Stadtbibliothek, Hs. II 39, fol. 255r–339r; Napoli, Biblioteca Nazionale Vittorio Emanuele III, Ms. XII. A. 12, fol. 19r–97v; Paris, Bibliothèque Nationale de France, Ms. lat. 4172; Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, HB VI 61, fol. 418v– 473r (nur Konstitutionen); Trier, Stadtbibliothek, Hs. 987/1856 2o, fol. 1–57v; Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Codex Guelferbytanus 75.2 Aug. 2o, fol. 1r–76v. 25 Hotz, Libri (Anm. 19), S. 409f. 26 Ottenthal, Emil von, Regulae cancellariae apostolicae. Die päpstlichen Kanzleiregeln von Johannes XXII. bis Nikolaus V., Innsbruck 1888, Neudruck Aalen 1968. 27 Dietrich von Nieheim, Liber cancellariae (Anm. 21), S. 130–134. 28 Ibid., S. 134–140 (nach Paris 4169); in Ottobon. Lat. 911, fol. 60r, lautet die Überschrift Sequuntur alia circa regimen vicecancellarii constitutionum Cancellarie, in Mainz 39, fol. 178r Sequuntur alia [Lücke von ca. 4 cm] constitutionum Cancellarie.
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et necessarium Benedikts XII. von 1340 über die Organisation der Rota bzw. die Befugnisse und Bezüge der bei den Verhandlungen des Konsisto29 riums und der Rota beschäftigten Advokaten und Prokuratoren, sondern eben auch Reservationes quorundam beneficiorum Johannes’ XXII. aus dem 30 Jahre 1316, die anderweitig nicht überliefert sind. Dieser Band spiegelt also mit Ausnahme der nachgetragenen Konstitution Benedikts XII. den Zustand des ‘Liber Cancellariae’ im Pontifikat Johannes’ XXII. wider. In ihm finden wir bereits die auch für die jüngeren Teile des Kanzleibuches typische Gemengelage aus Eid- und Formelbuch, angereichert mit Konstitutionen bzw. Kanzleiregeln – letztere Begriffe sind bereits im 14. Jahrhundert austauschbar –, die auch den Codex Ottobonianus latinus 778 aus der Mitte des 14. Jahrhunderts kennzeichnet, auf den ich gleich zurückkommen 31 werde. Die dritte Handschrift in diesem Kontext ist der Codex 771 der Reimser Stadtbibliothek, der fast ausschließlich Kanzleiregeln enthält, sich aber in seinem Explicit als Abschrift und Fortsetzung des 1376 in Avignon gebliebenen Kanzleibuches erklärt, das bis unter Benedikt XIII. (1394–1422) 32 in Gebrauch blieb. Interessant ist in diesem Zusammenhang ein nur hier überlieferter Zusatz zur 98. Kanzleiregel Clemens’ VII. (1378–1394): Hoc 33 est scriptum in secundo libro constitutionum Cancellarie seu regularum. Als Quelle dieser Regel wird also auf das zweite Kanzleibuch verwiesen. Wir gehen wohl kaum falsch in der Annahme, dass es sich bei diesem zweiten Kanzleibuch um den Typ des sogenannt zweiten Kanzleibuches Dietrichs von Nieheim handelt, wenn auch eher in der Form des Ottobon. Lat. 778 als in jener des Barb. Lat. 2825, der in Rom nachweislich vom späten 14. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts als authentisches Kanzleibuch diente und nur Formulae und Konstitutionen, aber keine Kanzleiregeln im engeren Sinn mehr enthält. Am Rande sei angemerkt, dass in der römischen Obödienz der Codex Ottobon. Lat. 911 dem avignonesischen Codex Reims 771 als Vorbild für den dritten Band des Kanzleibuches entspricht. In seinem ersten Teil ist Ottobon. Lat. 911 nämlich eine Kopie des sogenannt ersten Kanzleibuches 29 30 31 32
Dietrich von Nieheim, Liber cancellariae (Anm. 21), S. 157 ff., S. 196–203. Ibid., S. 167f. = 49.–52. Kanzleiregeln Johannes’ XXII. (Link wie Anm. 6). Ottobon. Lat. 778 (Anm. 24). Vgl. die 92. Kanzleiregel Gregors XI. (Link wie Anm. 6): Expliciunt consti tutiones seu regule Cancellarie edite a domino Gregorio XI et predecessoribus suis a Iohanne XXII citra de verbo ad verbum, ut iacent in libro Cancellarie. 33 98. Kanzleiregel Clemens’ VII. (Link wie Anm. 6). Ähnlich auch die 129. Kanzleiregel Benedikts XIII., wo Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 5474 einen mit etc. stark gekürzten Text mit dem Zusatz latius in libro Cancellarie bringt.
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Dietrichs von Nieheim. Den zweiten Teil von Ottobon. Lat. 911 bilden die Kanzleiregeln von Johannes XXII. bis Gregor XII. Unter Gregor XII. 34 (1407–1415) diente dieser Codex als authentisches Kanzleibuch.
VI. Nach dieser Rekonstruktion der drei Bände des Kanzleibuches des 14. Jahrhunderts wollen wir den bereits erwähnten Codex Ottobon. Lat. 778 näher betrachten. Es handelt sich bei ihm um eine Pergamenthandschrift, die um die Mitte des Pontifikats Innozenz’ VI. (1352–1362) von einer Hand aus einer älteren Vorlage abgeschrieben wurde, die mit größter Wahrscheinlichkeit unter Benedikt XII. angelegt worden war. Für diese Vermutung gibt es mehrere Indizien. In der im Mai 1380 von Dietrich von Nieheim angelegten Kopie des ‘Liber cancellariae II’ hat der dem Codex Ottobon. Lat. 778 entsprechende Teil die wenig präzise Überschrift Incipiunt diverse 35 forme litterarum domini pape, während die vom päpstlichen Skriptor L. de Temperiis um 1403 in Rom gemachte Abschrift desselben ‘Liber Cancel36 lariae II’ den Titel Incipit formularium alias quaternus Cancellarie trägt. Der Codex Ottobon. Lat. 778 beginnt mit einem mehrseitigen Rubriken37 verzeichnis, auf das mehrere Seiten mit formulae folgen. Erst auf den Blättern 16v–18r folgen die zwei Konstitutionen – Regularem vitam professis und Pastor bonus –, die Benedikt XII. im Juli bzw. Juni 1335 erlassen hatte. Anschließend sind die Executoria zu Pastor bonus und zwei weitere Formeln 38 eingetragen, bevor mit Ex debito (Extravag. Com. 1.3.4) eine Reihe von Konstitutionen Johannes’ XXII. einsetzt. Vor der letzten Konstitution Johannes’ XXII. sind zwei weitere Formulae zwischengeschaltet, die aber in den nächstjüngeren Abschriften dieses Kanzleibuches – Barb. Lat. 2825 und Vat. Lat. 3984 – fehlen. Es folgen nun bis Blatt 39v Konstitutionen
34 Vgl. oben Anm. 20. Tangl, Michael, Der vollständige Liber cancellariae des Dietrich von Nieheim, in: Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 10 (1890), S. 464–466. 35 Barb. Lat. 2825, fol. 15r = Arm. 82, fol. 14v = Barb. Lat. 2850, fol. 1r = Vat. Lat. 6343, fol. 28r = Wolfenbüttel 75, fol. 4r (Anm. 24). 36 Vat. Lat. 3984, fol. 50r (Anm. 24). 37 Sie entsprechen weitgehend Tangl, Kanzleiordnungen (Anm. 22), S. 307–346, Nr. 106–163. 38 Ibid., S. 346–348 Nr. 164–166.
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Benedikts XII. und Clemens’ VI., gelegentlich von Formulae unterbro39 chen. Auf Blatt 40r fangen die Kanzleiregeln Benedikts XII. an, auf die ab Blatt 41v jene Johannes’ XXII. folgen. Auf Folio 44v setzen erneut Konstitutionen Clemens’ VI. ein, nun aber auf den Seiten 46v–48r von seinen Kanzleiregeln unterbrochen. Daran schließen sich Formulae bzw. Konstitutionen Clemens’ VI. und Innozenz’ VI. an, ohne dass dabei eine Ordnung erkennbar ist. Es finden sich in diesem Konvolut sogar einige Konstitutionen Benedikts XII. Ganz am Schluss des Bandes, ab Blatt 94v, kopierte die gleiche zweite Hand, die bereits auf fol. 39v die Konstitution Dudum felicis recordationis Innocentius papa VI Urbans V. von 1363 nachgetragen hatte, eine weitere Konstitution dieses Papstes sowie zwei seiner Kanzleiregeln. Für die Kanzleiregeln Johannes’ XXII., Benedikts XII. und Clemens’ VI. ist der Codex Ottobon. Lat. 778 wichtig, weil er sie in einer älteren Redaktionsstufe wiedergibt. Alle anderen Textzeugen überliefern die frühen Kanzleiregeln nämlich nur in der von Gregor XI. (1370–1378) und seinen Nachfolgern redigierten Weise.
VII. Wie bereits erwähnt, stoßen wir in Ottobon. Lat. 778 auf neun chronologisch angeordnete Konstitutionen Johannes’ XXII. aus den Jahren von 1319 bis 1333, die alle Pfründenreservationen sind. In Imminente nobis vom 13. September 1319 reservierte sich der Papst die Vergabe der mit Prälaten zu 40 besetzenden Pfründen im Kirchenstaat. In der Konstitution In apostolice sollicitudinis specula vom 30. Juli 1322 dehnte er diesen Vorbehalt auf die 41 oberitalienischen Kirchenprovinzen und auf die Provinz Pisa aus. Bei den 39 Auf fol. 39v ist von anderer Hand die Konstitution Urbans V. Dudum feli cis recordationis Innocentius nachgetragen, demnächst auch in Kanzleiregeln Urbans V. (Link wie Anm. 6). 40 55. Kanzleiregel Johannes’ XXII. (Link wie Anm. 6). Tuscia als von der Reservation betroffene Gegend erscheint explizit erst in der Konstitution Dudum ad statum pacificum et tranquillum vom 31. Dezember 1329 = ebenda Nr. 60. 41 56. Kanzleiregel Johannes’ XXII. Die Kirchenprovinz Grado wird namentlich erst in Dudum videlicet kalendis aprilis vom 27. März 1325 genannt = ebenda Nr. 57. Vgl. dazu auch Il „Quaternus rogacionum“ del notaio Bongiovanni di Bonandrea (1308–1320), hg. v. Rando, Daniela und Motter, Monica, Bologna 1997, S. 181f. Nr. 184 (vom 29. 11. 1317): Venerabilis pater dominus
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sieben anderen Texten handelt es sich um Prorogationen, also um Verlängerungen der Geltungsdauer dieser beiden Reservationen um jeweils zwei Jahre, obwohl keine der beiden Konstitutionen explizit zeitlich beschränkt 42 war. Historisch gesehen sind die beiden genannten Reservationen ganz offensichtlich eine Reaktion auf das Problem der seit der Übersiedlung nach Südfrankreich sehr viel schwieriger gewordenen Kontrolle über den Kirchenstaat und auf die Versuche Friedrichs des Schönen und dann vor allem Ludwigs des Bayern, ohne päpstliche Approbation Reichsrechte in 43 Italien geltend zu machen. Dachte Johannes XXII. in seiner Todesnacht also an diese Reservationen, als er dem Notar seinen Widerruf diktierte? An dieser Annahme ist nicht einmal dann zu zweifeln, wenn man einwendet, der verstorbene Papst hätte im Himmel ja nur das Ende seiner letzten Fristverlängerung abwarten müssen, denn im zweiten Text, der in Ottobon. Lat. 778 auf die eben besprochenen Reservationen Johannes’ 44 XXII. folgt, erklärte Benedikt XII. am 30. September 1336, dass die Reservationen durch den Tod seines Vorgängers keineswegs als aufge45 hoben gälten, wie einige schlecht informierte Zeitgenossen meinten. Um alle Rechtszweifel auszuräumen, erneuerte der Papst in seiner Konstitution mit den bezeichnenden Anfangsworten Dudum felicis recordationis Iohannes papa XXII predecessor noster ausdrücklich alle Reservationen, de Henricus Dei et apostolice sedis gratia Tridentinus episcopus notificavit et per dictum Riprandum legi fecit litteras infrascriptas: primo litteras sanctissimi patris domini Iohannis pape XXII [in] quibus reservat sibi beneficia omnia ecclesiastica preter quedam vacantia in patriarchatu et provincia Aquilegensi. 42 57.–63. Kanzleiregeln Johannes’ XXII. (Link wie Anm. 6). In Nr. 57 bezieht er sich auf einen diesbezüglichen Erlass vom 1. April 1323, der auf zwei Jahre beschränkt war. 43 Leider geht Mollat in seiner Einleitung zu Jean XXII, Lettres communes (Anm. 7), S. 131f. nicht auf diese Reservationen ein. 44 Der erste – Super gregem dominicum = 37. Kanzleiregel Benedikts XII. – ist der Widerruf aller Kommenden außer jener der Kardinäle und die Reservation der Vergabe der auf diese Weise erledigten Benefizien. 45 Vgl. die 30. Kanzleiregel Benedikts XII. (Link wie Anm. 6): Cum autem non nulli prudentie proprie contra sapientis doctrinam minus provide innitentes, reservationes huiusmodi per obitum predecessoris eiusdem fuisse presumpserint et presumant asserere revocatas [...] Nicht gemeint sein konnten mit diesen Reservationen die Spezialreservationen, die mit dem Anwartschaftsformular canonicatus cum reservatione prebende entstanden, weil Benedikt XII. bereits am 18. Dezember 1335 in der Konstitution Experimento didicimus alle solchen Titel seines Vorgängers widerrufen hatte, vgl. ibid. Nr. 33.
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quibus per litteras vel regestra predecessoris eiusdem, que in archivis sedis 46 apostolice facimus conservari, constare noscitur evidenter. Es ist daher naheliegend anzunehmen, dass die genannten neun Konstitutionen seines Vorgängers in diesem Zusammenhang aus den päpstlichen Registern ausgezogen und in den ‘Liber Cancellariae II’ eingetragen wurden. Sie sind gewiss ein Echo auf den letzten Willen seines Vorgängers, der auch anderen aufmerksamen Zeitgenossen nicht verborgen geblieben war, denn einige der traditionellerweise für die Vergabe von Benefizien zuständigen Instanzen hatten die Gelegenheit sofort beim Schopf gepackt und ihre Pfründen wieder nach eigenem Gutdünken vergeben. Die Bedeutung der Konstitution Dudum felicis recordationis Iohannes papa XXII predecessor noster lässt sich auch daran abmessen, dass sie in die zeitgenössische Sammlung der ‘Extravagantes Benedicti XII’ einging 47 und dadurch eine relativ breite Rezeption erfuhr. Aber nicht nur dies. Im Codex Halle 76 finden wir sie verkürzt sogar zweimal unter den Kanzleiregeln dieses Papstes eingereiht. Der Wortlaut der einen Stelle räumt jeden Zweifel aus: Item declaravit reservationes cuiuscumque pape, de quibus in archanis sedis apostolice fieri potest fides, per ipsius obitum non exspi 48 rasse. Littera „Dudum felicis recordationis Iohannis pape“. Die Integration der zu einer Kanzleiregel kondensierten Konstitution in das Regelwerk, das damals hauptsächlich der alltäglichen Arbeit der Kanzlei diente, ist keineswegs verwunderlich, denn die Kanzlei musste ja die litterae anfertigen, wenn Supplikanten in ihren Bittschriften eine Reservation Johannes’ XXII. geltend machten, um ihre Rechtslage gegenüber etwaigen Konkur49 renten zu verbessern.
VIII. Weil es nach einer genehmigten Supplik dem Petenten oblag, die Ausfertigung der littera zu veranlassen, und weil im Pontifikat Johannes’ XXII. die genehmigten Bittschriften noch nicht registriert wurden, konnte es durchaus geschehen, dass unter dem Nachfolger auf dem Stuhle Petri die Amtsträger 46 30. Kanzleiregel Benedikts XII. 47 Vgl. Brown, Extravagantes (Anm. 13), S. 406–411. 48 Halle, Universitäts- und Landesbibliothek von Sachsen-Anhalt, Ms. Ye 2o 76; Das Zitat = Kanzleiregel Benedikts XII. Nr. 30A (Link wie Anm. 6). 49 Die Kanzlei hatte zu prüfen, ob tatsächlich eine Reservation vorlag, vgl. dazu etwa die Konstitution Clemens’ VI. Sollicitudo pastoralis officii oder allgemeiner die 51. Kanzleiregel Urbans V.
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eine erfolgte Pfründenreservation auch bei einer noch so gründlichen Durchsicht des Archivs nicht auffanden. Auf diese Problematik weisen nämlich mehrere Indizien hin, zum einen etwa ein Eintrag in den Registern Benedikts XII. vom 20. Februar 1337, in dem in der Form einer Konstitution, also mit der Verewigungsformel Ad perpetuam rei memoriam, mit den uns schon bekannten Anfangsworten Dudum felicis recordationis festgehalten wurde, dass die Kirche in der Diözese Tarragona, die der verstorbene Raimundus Singlerii besessen und deren Vergabe sich Johannes XXII. am 17. Juni 1329 reserviert habe, weiterhin als reserviert et presentes litteras perinde, ac si super hoc dicti Iohannis pape littere facte et bullate fuissent 50 gälten. Doch scheint dies nicht genügt zu haben, um die durch Johannes’ XXII. letztwillige Verfügung verunsicherten Zeitgenossen zu beruhigen. Am 28. Juni 1340 sah sich Benedikt XII. genötigt, eine weitere Konstitution in dieser Sache, diesmal mit den Anfangsworten Tenorem quarundam litterarum felicis recordationis Iohannis pape XXII predecessoris nostri zu erlassen, in der er darauf verwies, dass er in den Registern seines Vorgängers die Konstitution In apostolice sollicitudinis specula gefunden habe, die er an dieser Stelle wortwörtlich wiederholte und deren andauernde Gültigkeit im Gericht und außerhalb er mit diesem erneuten Erlass noch einmal 51 bekräftigte. Auch Benedikts Nachfolger Clemens VI. musste in dieser Angelegenheit handeln. In seiner Konstitution mit dem vielsagenden Incipit Dudum felicis 50 Benoît XII (1334–1342), Lettres closes et patentes intéressant les pays autres que la France, hg. v. Vidal, Jean-Marie und Mollat, Guillaume, 2 Bde., Paris 1913–1950, hier Bd. 1, Nr. 1229. Das Regest lautet: Ecclesiam de Vallibus Terraconen. diocesis, quam quondam Raimundus Singlerii possidebat, a Johanne papa XXII apostolice dispositioni XV kalendas iulii anno tertiodeci mo reservatam esse, et presentes litteras perinde, ac si super hoc dicti Johannis pape littere facte et bullate fuissent, valere declarat. In einem anderen Fall jedoch verzichtete Benedikt XII. offenbar auf die weitere Gültigkeit einer von Johannes vorgenommenen Reservation. In Ottobon. Lat. 778 findet sich nämlich mitten unter den Kanzleiregeln Clemens’ VI. der Vermerk, dass sich Johannes XXII. am 16. April 1323 die Vergabe aller Kanonikate, Dignitäten und Ämter an der Kathedrale von Cahors, seiner Heimatstadt, wann immer sie frei würden, reserviert habe und dass sein Nachfolger Benedikt XII. diese Reservation nicht nur am 13. Februar 1337 aufgehoben, sondern sogar bestimmt habe, dass er diesen Schritt so verstanden wissen wolle, als sei er schon am Tage seiner Erhebung, also am 8. Januar 1335, erfolgt, vgl. Johannes XXII., Kanzleiregeln Nr. 64 und 64K (Link wie Anm. 6). 51 Tenorem quarundam litterarum felicis recordationis Johannis pape XXII pre decessoris nostri in eiusdem regestro repertum, de verbo ad verbum presentibus
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recordationis Iohannes papa XXII predecessor noster, die, wenn auch leider ohne Datum, Eingang in den ‘Liber Cancellariae II’ gefunden hat, sagte der als gnädig geltende Papst über eine von seinem Vorvorgänger vorgenommene Reservation: Nos vero, ut de ipsis reservatione, inhibitione et decreto constare possit, in posterum de opportuno remedio providere volentes, apostolica auctoritate decernimus, reservationem, inhibitionem et decretum predicta perinde valere, ac si littere predicti predecessoris super reservatione, inhibitione et decreto predictis facte et ipsius bulla bullate fuissent, et quod presentes littere ad plenam probationem reservationis, inhibitionis et decreti predictorum ubique in iudicio et extra iudicium faciendam perinde sufficiant et valeant quemadmodum littere predecessoris eiusdem plene sufficerent et valerent, sicut premittitur, super his confecte et eius bulla bullate fuissent, nec ad probationem huiusmodi aliquod aliud adminiculum requiratur, 52
und folgte damit argumentativ weitgehend dem Vorbild Benedikts XII.
IX. Während wir uns heute gerne anhand der Rubrik über den spezifischen rechtlichen Inhalt einer Dekretale oder einer Konstitution orientieren und damit den damaligen Rechtsgelehrten vertrauen, dass sie das Wesentliche erfassten, also ungefähr so, als würde eine damalige Konstitution einem heutigen Gesetzesparagraphen entsprechen, der nur eine einzelne Sache regelt, scheinen die Zeitgenossen die Rechtstexte ihrer Päpste ganzheitlicher gelesen zu haben. Sie entdeckten in ihnen nämlich noch Weiteres, was sie hinsichtlich der zeitlich uneingeschränkten Rechtskraft der Konstitutionen annotari fecimus, qui talis est: „Johannes episcopus servus servorum Dei. Ad futuram rei memoriam. In apostolice sollicitudinis specula etc. usque ad Datum Avinione III kalendas augusti pontificatus nostri anno sexto.“ Decernimus itaque, tenorem eundem taliter annotatum illam fidem ubique tam in iudi cio quam extra iudicium posse facere et habere ac eandem vim eundemque vigorem ubique per omnia obtinere, quas et que originales littere dicti prede cessoris exinde confecte possent facere ac haberent, si forent exhibite vel ostense ac eidem tenori stetur firmiter in omnibus sicut staretur eisdem originalibus litteris, ubicumque fuerit exhibitus et ostensus. Vgl. zu diesem Incipit Meyer, Late Medieval Ages (Anm. 12). 52 Lux, Constitutionum (Anm. 23), S. 82, Nr. 29; demnächst auch in den Kanzleiregeln Clemens’ VI. Sie ist auf etwa 1345 zu datieren.
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beunruhigte. In der undatierten Konstitution Johannes’ XXII. Ex debito pastoralis officii, die in den Codex Ottobon. Lat. 778, in die zeitgenössischen ‘Constitutiones Iohannis XXII’, in die jüngeren Abschriften des ‘Liber Cancellariae II’ und schließlich in die ‘Extravagantes communes’ (1.3.4) einging, reservierte sich der Papst die Vergabe der Pfründen, donec Christi dignatio nos dignabitur universalis ecclesie, sponse sue, regimini presi 53 dere. In der bereits besprochenen Konstitution Imminente nobis von 1319 wiederum heißt es, dass die Reservation der Benefizien im Kirchenstaat ad 54 nostrum et ipsius sedis beneplacitum gelten solle. In der schon mehrfach herangezogenen Konstitution In apostolice sollicitudinis specula von 1322 findet sich der Ausdruck favente Domino, der möglicherweise ebenfalls eine 55 zeitliche Beschränkung intendiert. War also Johannes XXII. zeit seines Lebens der Überzeugung, dass seine Reservationen ihn nicht überdauern sollten, und wollte er dies auf dem Todesbett nur noch einmal bekräftigen? Johannes XXII. war mit solchen Formulierungen, die uns auf den ersten Blick an fromme Bescheidenheitstopoi gemahnen, keineswegs alleine. Auch in der bekanntesten Konstitution Benedikts XII., Ad regimen, in der heutige Historiker einen der Grundsteine des päpstlichen Reservationsrechtes erkennen, heißt es, dass sie ihre Wirkung nur entfalten soll, donec miserati 56 onis divine clementia nos universalis ecclesie regimini presidere concesserit. Nahm der als streng geltende Zisterzienser auf dem Papstthron mit diesen Worten also vorweg, was Johannes XXII. erst in der Todesnacht fixierte? Sollten die päpstlichen Reservatsrechte tatsächlich nur gelten, solange der sie erlassende Papst lebt? In der Tat erlosch seit dem 13. Jahrhundert mit dem Tod des Papstes auch das Amt des Vizekanzlers, dem die Leitung der päpstlichen Kanzlei und damit die Produktion der litterae apostolicae unterstand. Außerdem wurde nach dem Hinscheiden des Papstes sofort und unter Aufsicht der Siegelstock zerbrochen, der den Namen des Verstorbenen trug, so dass keine litterae 57 mehr bulliert werden konnten. Sede vacante konnte also eine Reservation, die Ausfluss der päpstlichen plenitudo potestatis war, weder geltend gemacht
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Extravag. com. 1.3.4. (Anm. 2). 55. Kanzleiregel Johannes’ XXII. (Link wie Anm. 6). 56. Kanzleiregel Johannes’ XXII. (Link wie Anm. 6). 35. Kanzleiregel Benedikts XII. (Link wie Anm. 6); Mollat (Anm. 7), Index analytique, s.v., und Meyer, Zürich (Anm. 7), S. 38. 57 Paravicini Bagliani, Agostino, Der Leib des Papstes. Eine Theologie der Hinfälligkeit, München 1997, S. 122.
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noch durchgesetzt werden. Weil dem Papst für seine Kirchenherrschaft nur das Provinciale und keine Liste aller abendländischen Pfründen zur Verfügung stand, konnte leicht der Eindruck entstehen, dass mit dem Tode des Papstes auch die von ihm gemachten Reservationen erloschen seien. Hat etwa der explizite letzte Willen Johannes’ XXII. die Zeitgenossen in dieser Annahme bestätigt? Zwar hatte Bonifaz VIII. im ‘Liber Sextus’ bestimmt, dass, wem ein Papst erlaubt habe, inkompatible Pfründen usque ad sue voluntatis beneplacitum 59 retinere, diese Dispens mit dessen Tod erlösche. Doch hierbei ging es um eine gewährte Gnade und nicht um ein päpstliches Vorrecht. Daher räumte Clemens VI. bereits am Tag nach seiner Krönung, am 20. Mai 1342, in der Konstitution Dudum felicis recordationis Benedictus papa XII unter Bezugnahme auf die in Ad regimen enthaltene Formulierung donec miserationis divine clementia mit dem schlagenden Argument, quod non est verisimile, quod ipse alterius quam sue conditionis vellet successores suos existere in hac parte, die Zweifel darüber aus, ob der Tod des Papstes eine von ihm 60 gemachte Reservation aufhebe. Doch Clemens änderte seine Meinung schon bald. Genau sechs Monate später, am 20. November 1342, hielt er fest, dass nicht nur die von ihm bereits gemachten, sondern auch seine künftigen Pfründenreservationen nur so lange gelten sollten, quamdiu Altissimus 61 sibi vitam concederet in humanis. Damit waren die päpstlichen Reservatrechte endgültig zu einem Teil der Kanzleiregeln geworden, die unter Johannes XXII. und Benedikt XII. noch aus kanzleiinternen Anweisungen über die innere Gestaltung der litterae bestanden hatten. Urban V. wiederum machte am 4. November 1362, also noch vor seiner Krönung, reservationes generales similes illis, quas fecit dominus Benedictus XII contentas in constitutione, que incipit „Ad regimen“, ordinationi et dispositioni sue, quamdiu etc., sicut ibi continetur, und griff dabei wörtlich Clemens’ VI. Beschrän62 kung auf. Die endgültige Regelung der Frage, ob eine Reservation beim Tod des sie erlassenden Papstes verfalle, blieb Paul II. vorbehalten. Am 1. September 58 Vgl. dazu Fischer, Andreas, Kardinäle im Konklave. Die lange Sedisvakanz der Jahre 1268 bis 1271 (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 118), Tübingen 2008, S. 255–263 und 342–365. 59 Liber sextus 1.3.5 (Anm. 2). 60 Lux, Constitutionum (Anm. 23), S. 78, Nr. 26, demnächst auch in Kanzleiregeln Clemens’ VI. (Link wie Anm. 6). 61 29. Kanzleiregel Clemens V. (Link wie Anm. 6). 62 Kanzleiregel Urbans V.; vgl. auch die 91. Kanzleiregel Clemens’ VII., die zweite Benedikts XIII. (Link wie Anm. 6) und die erste Martins V., Ottenthal,
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1467 hielt der aus Venedig stammende Papst in der Konstitution Ad Romani pontificis providentiam ein für alle Male fest, dass der Tod des Papstes die Reservation einer Pfründe nie aufhebe: considerantes effectum per reservationem manusque appositionem eorundem predecessorum in dictis beneficiis inesse productum, per obitum ipsorum nequaquam censeri debere revocatum, Romani quoque pontificis manus appositionem predictam tante efficacie tanteque virtutis existere
stehe das Verfügungsrecht über sie bei ihrer ersten darauf folgenden Vakanz 63 ausschließlich dem Papst zu.
X. Zum Abschluss möchte ich gestehen, dass ich auf die eingangs gestellten 64 Fragen keine Antwort habe. Die Wirkungsgeschichte des Widerrufs zeigt hingegen, dass die Dinge damals weit mehr im Fluss waren, als es im Rückblick erscheint. Erst mit der Zeit kristallisierte sich an der Kurie eine mehr oder weniger kohärente Rechtsetzung heraus, welche die Grundlage für die päpstliche Kirchenherrschaft im Spätmittelalter bildete. In den drei Bänden des ‘Liber Cancellariae’ wurde hauptsächlich das neue Kirchenrecht festgehalten, das die päpstlichen Prärogativen und ihre konkrete Umsetzung betraf. Der ‘Liber Cancellariae’ stellte also eine Teilkodifizierung des seit dem frühen 14. Jahrhundert entstandenen neuen Rechts dar. Der ‘Liber Cancellariae I’ dürfte unter Johannes XXII. als (teilweiser) Ersatz bzw. als Ergänzung älterer kurialer Amtsbücher wie etwa des ‘Liber censuum’ aus dem frühen 13. Jahrhundert bzw. des unter Bonifaz VIII. und Clemens V. entstandenen sogenannten ‘Formularium Audientiae litterarum
Regulae (Anm. 25) S. 187. Unter Innozenz VI. wurde die Konstitution Ad regimen mit der besagten Formulierung noch einmal in den ‘Liber cancellariae II’ eingetragen, vgl. Ottobon. lat. 778, fol. 55v (Anm. 24). 63 Der korrekte Text nun als 168. Kanzleiregel Pauls II. = Extravag. com. 3.2.14 = Friedberg, Emil, Corpus iuris canonici 2, Leipzig 1879, Nachdruck Graz 1955, Sp. 1267f. 64 Weiß, Stefan, Vorgänger und Nachfolger. Die Testamente von Clemens V. und Johannes XXII., in: Herrscher- und Fürstentestamente im westeuropäischen Mittelalter, hg. v. Kasten, Brigitte, Köln 2008, S. 621–633, geht auf den Widerruf der Reservationen nicht ein.
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contradictarum’ entstanden sein. Die ältesten in ihm enthaltenen Texte stammen aus der Mitte des 13. Jahrhunderts. Weil Johannes XXII. auf seinem Todesbett die von ihm gemachten Reservationen widerrief, erweiterte sich unter seinen Nachfolgern das Spektrum der im ‘Liber Cancellariae’ enthaltenen Normen. Ganz deutlich wird dies unter Gregor XI., dem wir die Ausgliederung der Regulae Cancellariae in den ‘Liber Cancellariae III’ verdanken. Bezüglich ihres Rechtsgehaltes unterschied dieser Papst nämlich die Regeln, die Rechtskraft einer Konstitution (vim constitutionis) hätten, von solchen, welche nur die Ausfer65 tigung der litterae beträfen. In der Tatsache, dass nicht wenige Kanzleiregeln die Rechtskraft einer Konstitution genossen, liegt auch der Grund dafür, dass auf dem Konzil von Pisa gefordert wurde, der amtierende Papst müsse seine Kanzleiregeln publizieren, was in der Folge auch tatsächlich 66 geschah. Im Gegensatz aber zu den älteren päpstlichen Gesetzbüchern erfolgte die Promulgation der Kanzleiregeln bzw. Konstitutionen nie mehr durch die Versendung an die Universitäten, sondern weitgehend nur noch kurienintern in der Kanzlei und in der Audientia litterarum contradictarum. Zudem kennen wir von diesen Gesetzen keine authentische Fassung. Die rund 160 Handschriften, die Kanzleiregeln der Päpste von Johannes XXII. bis Sixtus IV. überliefern, und die erhalten gebliebenen ‘Libri Cancellariae’ sind weitaus heterogener, als die alten Editionen von Ottenthal bzw. von Tangl vorgeben. Doch dies ist ein anderes Kapitel. Während in der Rechtstheorie der Konstitution immerwährende Gültigkeit zukam, wurden die Kanzleiregeln fortan – römischrechtlich gesehen – ein Edictum perpetuum, „das in manchen Teilen Geltung als ius commune 67 für die Gesamtkirche beanspruchte.“
65 87. Kanzleiregel Gregors XI. (Link wie Anm. 6). 66 Meyer, Andreas, Dominus noster vult. Anmerkungen zur päpstlichen Gesetzgebung im Spätmittelalter, in: Historische Zeitschrift 289 (2009), S. 607–626, hier S. 618. 67 Becker, Hans-Jürgen, Päpstliche Gesetzgebung und Kodifikationspläne für das kanonische Recht im 15. und 16. Jahrhundert, in: Recht und Verfassung im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, II. Teil: Bericht über Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätmittelalters 1996 und 1997, hg. v. Boockmann, Hartmut et alii, Göttingen 2001, S. 277–295, hier S. 287.
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XI. Anhang Città del Vaticano, Archivio Segreto Vaticano, Camera Apostolica Collectoriae 380, fol. 7r–9r, hier fol. 9r; Druck: Albe, Edmond, Quelques-unes des dernières volontés de Jean XXII, in: Bulletin trimestrel de la Société des études littéraires, scientifiques et artistiques du Lot 27 (1902), S. 205–219, hier S. 217f. 68
Eisdem die, hora, anno, pontificatu, indictione et testibus, quibus supra, presentibus, prefatus dominus noster papa quascumque reservationes de beneficiis ecclesiasticis per ipsum acthenus factas, illis dumtaxat exceptis, que ad presens in Romana curia vacare noscuntur, relaxavit et revocavit omnino, ita quod ex nunc reservationes huiusmodi pro nullis habeantur, de quibus etc.
68 4. Dezember 1334. Das Datum findet sich am Anfang des Textes auf fol. 7r: In nomine domini amen. Anno a nativitate eiusdem MCCCXXXIIII, indictione secunda, pontificatus sanctissimi patris et domini nostri domini Iohannis divina providentia pape XXII anno XIX ac die IIII mensis decembris inter mediam noctem et auroram noverint universi et singuli, quod prefatus dominus noster summusque pontifex infirmitate corporali detentus, set in sua bona memoria constitutus nobis notariis et testibus infrascriptis presentibus dixit et recognovit, quod [...].
Besetzt! – Zum Umgang mit unrechtmäßigem Benefizienbesitz im Pontifikat Johannes’ XXII. Kerstin Hitzbleck (Bern)
I. Einleitung Johannes XXII. war so macht- wie habgierig und sein Hof ein Hort der Vetternwirtschaft, bei dem allein unklar bleibt, ob der Akzent auf den Vettern oder doch eher der Wirtschaft zu liegen kommt. Nur zu gern ließ die protestantische, kirchenkritisch orientierte Geschichtsschreibung bis ins zwanzigste Jahrhundert den geradezu alternativlos zu Luther und der Reformation führenden, finalen Verrottungsprozess der spätmittelalter1 lichen Kirche mit dem Papst aus Cahors beginnen. Zusammen mit einer deutschen, auf die Größe des Kaisertums orientierten Nationalgeschichtsschreibung genügte dies, um das Bild dieses Papstes dauerhaft mit der Patina antipapistischer Düsternis zu überziehen. Über die Zeiten hinweg bekannt blieb Johannes XXII. für seine unbeugsame und tatsächlich oft ungeschickte
1 Massstäbe setzte hier zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Pfarrersohn und Historiker Johannes Haller, der grosse Chronist der kirchlichen Reform: „Johannes XXII. [hat] dem Papsttum von Avignon den Stempel aufgedrückt. Gegen dieses Papsttum richten sich im fünfzehnten Jahrhundert die Versuche der kirchlichen Reform, im sechzehnten Jahrhundert die kirchliche Revolution. [...] [D]ie Bewegung des großen Abfalls im sechzehnten Jahrhundert galt zum guten Teile Johann XXII.“ Haller, Johannes, Papsttum und Kirchenreform.Vier Kapitel zur Geschichte des ausgehenden Mittelalters, Berlin 1903 [ND Berlin/ Zürich/Dublin 1966], S. 96. Mit Fokus auf der Entwicklung des päpstlichen Jurisdiktionsapparats und die Einführung der schriftlichen Supplikensignatur durch Johannes XXII. Pitz, Ernst, Supplikensignatur und Briefexpedition an der römischen Kurie im Pontifikat Papst Calixts III. (Bibliothek des DHI in Rom 42), Tübingen 1972, S. 315: „Der Sturz des Papsttums und seine Verbannung nach Avignon zeigten an, daß die Ausübung des päpstlichen Jurisdiktionsprimats ihr öffentliches Interesse verloren hatte [...]“.
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Politik gegenüber Ludwig dem Bayern, für die Umsiedlung der Kurie nach Avignon und den Ausbau, wenn nicht gar die Erfindung des päpstlichen 3 4 Fiskalsystems wie der kurialen Bürokratie. Architektonische Unsterb2
Schütz, Alois, Die Appellationen Ludwigs des Bayern aus den Jahren 1323/24, in: MIÖG 80 (1972), S. 71–112; id., Die Prokuratorien und Instruktionen Ludwigs des Bayern für die Kurie, Kallmünz 1973; Kaufhold, Martin, Gladius spiritualis. Das päpstliche Interdikt über Deutschland in der Regierungszeit Ludwigs des Bayern (1324–1347) (Heidelberger Abhandlungen zur mittleren und neueren Geschichte, Neue Folge 6), Heidelberg 1994; Felten, Franz J., Verhandlungen an der Kurie im frühen 14. Jahrhundert. Spielregeln der Kommunikation in konfliktgeladenen Beziehungsnetzen, in: „Das kommt mir Spanisch vor“ Eigenes und Fremdes in den deutsch-spanischen Beziehungen des späten Mittelalters, hg. v. Herbers, Klaus und Jaspert, Nikolas (Geschichte und Kultur der Iberischen Welt 1), Münster/Berlin 2004, S. 411–474. Siehe bald auch: Zahnke, Sebastian, Johannes XXII. und die europäische Politik im Spiegel der kurialen Registerüberlieferung (in Vorbereitung: erscheint voraussichtlich Anfang 2013 in der Reihe Studies in Medieval and Reformation Traditions, Brill Academic Publishers, Leiden). 3 Haller (Anm. 1), S. 103: „Das Kennzeichen der Regierungsweise Johanns XXII. ist der Fiskalismus.“ Schimmelpfennig, Bernhard, Das Papsttum von der Antike bis zur Renaissance, 5. Aufl., Darmstadt 2005, S. 229 zeigt mehr Verständnis für die Sachzwänge, die hinter dem Fiskalismus zu suchen sind, etwa der gesteigerte Finanzbedarf aufgrund der Entlohnung der Kurialen in Geld und den generell gestiegenen Lebensaufwand: „Daher ist die avignonesische Epoche die Zeit der effektivsten fiskalischen Erfassung man kann auch sagen: Ausnutzung – der Gesamtkirche durch das Papsttum.“ Ein kurzer Abriss über den Ausbau der päpstlichen Einkommenstypen ibid., S. 230ff. Siehe auch Guillemain, Bernard, Der Aufbau und die Institutionen der römischen Kirche, in: Die Geschichte des Christentums. Mittelalter 3: Die Zeit der Zerreißproben (1274–1449), Freiburg i. Br. 1991/2007, S. 59: „Ein Finanzstaat“. 4 Bernhard Schimmelpfennig sieht denn auch die Chance, die der Umzug der Kurie nach Avignon zur Errichtung einer effektiven Verwaltung bot: „[...] so bot sich dem Papsttum in Avignon endlich die Chance, eine effektive und lokal konstante Administration – natürlich auch mit all ihren noch zu charakterisierenden Nachteilen – zu schaffen.“ Schimmelpfennig (Anm. 3), S. 225. Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass der Umzug nach Avignon gegenüber der Ansiedlung der Kurie in Rom auch Vorteile und die Chance zur Verbesserung herrschender Missstände bot, indem der päpstliche Hof nun an einem Ort konzentriert werden und das Gebahren der Kurienangehörigen etwa in der Kanzlei besser kontrolliert werden konnte. Die Kurienkritik ist keine Erfindung des 14. Jahrhunderts! Siehe auch den Überblick bei Martin,
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lichkeit sicherte ihm der päpstliche Palast in Avignon, dessen Baubeginn in sein Pontifikat fällt. Ansonsten ist er nicht zuletzt für seine Zähigkeit in der Erinnerung geblieben: Ein Übergangspapst von 70 Jahren, klein, 5 unansehnlich und giftig, Jurist und Bürokrat, der es dann doch zu einem der längsten Pontifikate des Spätmittelalters brachte, das zudem – und dies 6 unabhängig von der Bewertung der durch ihn angestoßenen Entwicklungen Thomas M., Das avignonesische Papsttum im Spiegel der zeitgenössischen Kritik, in: Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins NF 77 (1992), S. 445–477. 5 Knowles, Michael David, Geschichte der Kirche, Bd. 2: Früh- und Hochmittelalter, Einsiedeln/Zürich/Köln 1971, S. 371: „Nach einer Vakanz von mehr als zwei Jahren wurde der Nachfolger von Klemens V. gewählt, ein Mann von unansehnlicher Erscheinung und unsteter Persönlichkeit, aber von großer Begabung und außerordentlicher Vitalität. Im Alter von 72 Jahren zum Papst gekrönt, enttäuschte Johannes XXII. alle Propheten, da er durch eine pausenlose Reihe von Stürmen und Streitigkeiten bis zum Alter von 90 im Amte blieb.“ Siehe auch die schmissige Bewertung durch Thomas, Heinz, Kaiser Ludwig der Bayer. Kaiser und Ketzer, Regensburg 1993, S. 139: „Ein besonders beliebter Zeitgenosse war dieser Papst also nicht, zumal seine spartanische Lebensführung nicht einmal Anhaltspunkte für unterhaltsamen Tratsch bot. Aber Sittenstrenge paart sich bekanntlich nicht selten mit unangenehmen Eigenschaften anderer Art, und das war bei Jacques Duèse der Fall. [...] Unbestreitbar bleibt, daß dieser Papst keinem sich anbietenden Streit vorschnell aus dem Weg ging und seine Konflikte mit Entschlossenheit und ohne Rücksicht auf die Kosten für Kirche und Christenheit auszutragen pflegte. Er liebte den Kampf, [...], auch den blutigen auf dem Schlachtfeld.“ Weiter konstatiert Thomas dem Pontifex ‘beängstigende Phantasie’, „Energie und Erfindungsreichtum“ bei der Ausbeutung neuer Finanzquellen (S. 140f.). Die Schwäche des Papstes für Schlachten versteht die Geschichtsschreiber zu faszinieren, Haller (Anm. 1), S. 90; Thomas, Ludwig der Bayer, S. 140f. 6 Knowles (Anm. 5), S. 374: „[W]ie man auch seine Klugheit und seine Methoden in der Kontroverse beurteilen mag, so drückten doch seine Energie, seine Persönlichkeit und seine beträchtlichen und vielseitigen Talente der mittelalterlichen Kirche den Stempel auf, und sein Pontifikat ist das bemerkenswerteste der Avignoner Zeit.“ Selbst ein Johannes Haller (Anm. 1), S. 90f. kann dem Papst seinen Respekt nicht versagen: „Aber für eine Herrschernatur, wie Johann XXII., den ‘virum ardentis ingenii’, war es nicht schwer, die Zügel fest in die Hand zu nehmen und einen hartnäckigen, jahrzehntelangen Doppelkrieg [...] durchzukämpfen, so daß er bei seinem Tode das Papsttum, wenn nicht geachteter und geliebter, so doch mächtiger und gefestigter hinterlassen konnte, als er es übernommen hatte. [...] Rücksichtslos wurde jetzt von Avignon aus der Wille des Herrschers geltend
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– als eines der wichtigsten und prägendsten der Epoche gesehen wird. Als gern getretener Stein des Anstoßes etablierte sich die Benefizialpolitik – also 7 die Vergabe von kirchlichen Stellen – dieses Papstes. Und es ist ja nicht zu bestreiten: Die Rhetorik der päpstlichen Benefizialurkunden, ihr repräsentatives Gepräge, der in ihnen formulierte Anspruch verleiten dazu, sie als Akte herrscherlicher Willkür zu interpretieren, in denen die ordentlichen Kollatoren wie die konkurrierenden Interessenten 8 bestenfalls als flankierende Dekoration vorkommen, die es nicht allzusehr in Mitleidenschaft zu ziehen gilt. Zudem paßt die Vorstellung eines rücksichtslos in die Winkel der Christenheit hineinregierenden Papstes nur zu gut ins Bild eines quasi absolutistisch regierenden Kirchenfürsten. Die Forschung hat lange gebraucht, bis sie das Benefizialwesen anders denn als 9 pontifikales Zwangs- und Willkürmittel betrachten konnte. gemacht, in großen und kleinen Dingen. Wer sich nicht fügen wollte, wer es wagte, die päpstlichen Pläne zu durchkreuzen, wurde unnachsichtig bekämpft und, wenn es anging, zerschmettert.“ Haller sieht in Johannes XXII. gar einen frühen Vertreter des Absolutismus, der „nicht mehr nach dem vorhandenen Gesetzbuche regiert, sondern nach Verordnungen, die der Papst je nach Bedürfnis zu erlassen für gut hält. Es ist [...] der Absolutismus in seiner Vollendung.“ (S. 96). Haller macht dies übrigens an der Promulgation der Clementinen und der Extravaganten fest. Eine recht ausgewogene Würdigung des Charakters Johannes’ XXII. dagegen bei Guillemain, Bernard, La cour pontificale d’Avignon (1309–1376). Étude d’une société (Bibliothèque des écoles francaises d’Athènes et de Rome 201), Paris 1962, S. 130–134. 7 Siehe etwa Schimmelpfennig (Anm. 3), S. 230; Guillemain (Anm. 3), S. 56ff. 8 Die Einschätzung von Guillemain (Anm. 3), S. 69 spiegelt diese Wahrnehmung, wenn er in seinem Kapitel über die Widerstände gegen die Pfründenpraxis der Päpste sagt, dass diese von „ihrer Rechte beraubten Wählern und Kollatoren“ ausging oder „von öffentlichen Autoritäten initiiert“ wurden. Mit den öffentlichen Autoritäten sind etwa die römisch-deutschen Kaiser gemeint. 9 Siehe etwa Borgolte, Michael, Die mittelalterliche Kirche, 2. Aufl. (Enzyklopädie Deutscher Geschichte 17), München 2004, S. 91, über das Buch von Meyer, Andreas, Zürich und Rom. Ordentliche Kollatur und päpstliche Provisionen am Frau- und Grossmünster 1316–1523 (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 64), Tübingen 1986: „Es sei nicht berechtigt, das Bild einer ‘Verschwörung’ der Päpste gegen die althergebrachten Rechte der Kapitel zu konservieren. Vielmehr hätten die Päpste Pflichtbewußtsein und Verantwortung für die Seelsorge geleitet, als sie Schritt für Schritt das Instrument der Provisionen schufen. Diese Thesen haben in der gegenwärtigen (1992) Forschung z. T. heftige Reaktionen ausgelöst.“ Siehe auch Hitzbleck, Kerstin, Exekutoren. Die außerordentliche Kollatur von Benefizien im
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Entsprechend lebhaft fielen die Reaktionen auf die Forschungen 11 von Ernst Pitz aus, der sich mit der These, dass der Papst generell mehr reagierte denn regierte weit aus dem Fenster lehnte: Seine Reskripttheorie besagt, dass die päpstliche Kurie überhaupt nur auf Initiative der Empfängerseite tätig wurde, und dies auch bei den Benefizien. Zumal die Idee, 12 dass auch die Konsistorialbenefizien – Bistümer und Abteien – nur auf Nachfrage von außen vergeben würden, sorgte für teils heftige Gegenwehr. Der Papst, mehr willfähriges Opfer klerikaler Habgier denn willkürlicher 13 Herrscher? Die rechtshistorische Forschung wußte freilich schon längst, dass es sich bei den Provisionsurkunden erstens um Reskripte handelte, die also auf Anregung und nur auf Anregung des Empfängers ausgestellt wurden. Und zweitens wußte man, dass längst nicht jedes Reskript den
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Pontifikat Johannes’ XXII. (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation 48), Tübingen 2009; ead., Scientia litterarum. Gelehrte Kleriker auf dem kurialen Pfründenmarkt zu Beginn des 14. Jahrhunderts, in: Universität, Religion und Kirchen, hg. v. Schwinges, Rainer C. (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Universitäts- und Wissensschaftsgeschichte 11), Basel 2011. Eine ausgewogene Darstellung des päpstlichen Pfründenwesens bei Erdmann, Jörg, Quod est in actis, non est in mundo. Päpstliche Benefizialpolitik im sacrum imperium des 14. Jahrhunderts (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 113), Tübingen 2006, S. 147–178. Siehe auch die Darstellung im Rahmen einer Stiftsgeschichte etwa bei Willich, Thomas, Wege zur Pfründe. Die Besetzung der Magdeburger Domkanonikate zwischen ordentlicher Kollatur und päpstlicher Provision 1295–1464 (Bibliothek des Deutschen Historischen Instiuts in Rom 102), Tübingen 2005, S. 181–226. Um den Fußnotenapparat nicht unnötig aufzublähen, sei hier nur das nötigste an Literatur genannt. Für weitere Literatur zum Thema siehe Hitzbleck, Exekutoren. Siehe etwa die Rezensionen von Schaller, Hans M., in: Deutsches Archiv 28 (1972), S. 59ff.; Hageneder, Othmar, in: MIÖG 80 (1972), S. 445ff.; Stelzer, Wilfried, in: Römische Historische Mitteilungen 14 (1972), S. 207ff. Pitz (Anm. 1); id., Papstreskript und Kaiserreskript im Mittelalter (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 36), Tübingen 1971. Pitz (Anm. 1), bes. S. 150–156, 313ff. Besonders massive Gegenwehr kam von Peter Herde, der als intimer Kenner der kurialen Prozesse an den Interpretationen wie an dem prophetischen Impetus der Arbeiten von Pitz Anstoss nahm. Herde, Peter, Audientia litterarum contradictarum. Untersuchungen über die päpstlichen Justizbriefe und die päpstliche Delegationsgerichtsbarkeit vom 13. bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts, 2 Bde. (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 31/32), Tübingen 1970; id., Zur Audientia litterarum contradictarum und zur „Reskripttechnik“, in: Archivalische Zeitschrift, 69 (1973), S. 54–90.
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gewünschten Erfolg zeitigte. So hatte Geoffrey Barraclough schon in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts die im Mittelalter gängige Reskriptpraxis bei der Vergabe von Benefizien aus den kanonistischen Quellen der Zeit 15 beschrieben. Es ist also nicht so, als hätten das Reskript oder eine Reskripttheorie erst noch erfunden werden müssen. Schon den Päpsten des Mittelalters selbst war bei allen Bemühungen um Distinktion vom Normal- und Allzumenschlichen nur zu bewußt, dass sie mangels Einsicht in die Zustände vor Ort wie in die Seelen der Menschen betrogen werden konnten. Papa 16 potest decipi. Auch darüber, dass der Mensch dem Menschen ein Wolf ist, waren die Päpste und ihre Juristen sich klar, weshalb sie Sorge trugen, 14 Geoffrey Barraclough hebt immer wieder auf die Gerechtigkeit des päpstlichen Provisionssystems ab, das den ordentlichen Kollator eben gerade nicht übergehen will und ihm Möglichkeiten der Einsprache offenhält. Barraclough, Geoffrey, Papal Provisions. Aspects of Church History Constitutional, Legal and Administrative in the Later Middle Ages, Oxford 1935; id., Praxis Beneficiorum, in: ZRG kan. Abt. 58 (1938), S. 94–134; Mollat, Guillaume, Lettres Communes de Jean XXII (1316–1334). Introduction. La Collation des Bénéfices ecclésiastiques à l’époque des papes d’Avignon (1305–1378), Paris 1921, bes. Kapitel V: Le Mécanisme des Provisions Apostoliques, S. 39–62; Dondorp, Harry, Review of papal rescripts in the canonists’ teachings, in: ZRG kan. Abt. 76 (1990), S. 172–253; 77 (1991), S. 32–110. 15 Barraclough, Papal Provisions (Anm. 14); id., Praxis Beneficiorum (Anm. 14); id., Modus et forma procedendi ad executionem seu protestationem gratiae alicui factae per dominum papam, in: Studi di storia e diritto in onore di Enrico Besta III, Milano 1939, S. 279–300. Der hier beschriebene Exekutionsvorgang bezieht sich freilich nicht auf eine Spezialgratie, sondern auf eine Provision in forma pauperum. Siehe Hitzbleck (Anm. 9), S. 133. Siehe auch Barraclough, Geoffrey, Public Notaries and the papal curia. A calendar and a study of a Formularium notariorum curiae from the early years of the 14th century, London 1934; id., The executors of papal provisions in the canonical theory of the thirteenth and fourteenth centuries, in: Acta congressus iuridici internationalis 1934, Bd. 3, Roma 1936. 16 Siehe etwa die schöne Beschreibung bei William von Ockham, Dialogus, Liber 7, Capitulum 37, als es um die Frage geht, ob über päpstliche Entscheidungen und Briefe disputiert werden dürfe: Causa quare super rescriptis et literis summi pontificis licite disputatur est quia litere sepe per subreptionem et falsas suggestiones impetrantur, quandoque etiam papa multis ex causis decipi potest. Ideo super talibus literis disputare licet. Die Herausgeber des Dialogus für die Editionsreihe der Auctores Britannici Medii Aevi hat die Arbeitsversionen des Textes online gestellt: William of Ockham: Dialogus. Latin Text and English Tranlation, ed. by John Kilcullen, George Knysh, Volker Leppin, John Scott and Jan Ballweg, http://www.britac.ac.uk/pubs/dialogus/; Buch 7: http://
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ihre Schäfchen vor den betrügerischen Eingaben ihrer Herdenmitglieder 17 zu schützen. 18 Mittlerweile hat sich der Schlachtenstaub verzogen. Die Vorstellung, dass der Papst auch mit Reskripten geherrscht hat, ist Allgemeingut der Forschung geworden und als das Funktionsmodell mittelalterlicher päpstlicher Herrschaft anerkannt: Maßstab der päpstlichen Provisionspraxis war das Interesse aus den partes, weniger der päpstliche Wille zur Intervention. Und dass ja tatsächlich viele päpstliche Höflinge in den Provisionsurkunden auftauchen, erklärt sich aus deren Nähe zum Pontifex besser als durch dessen entfesselten Nepotismus. Dass der Papst andererseits nicht ausschließlich Reskripte ausstellte, dass nicht alles, was die päpstliche Kurie verließ, pawlowscher Reflex des Stellvertreters Christi auf das Geräusch klingender Münze im päpstlichen Säckel war, steht ebenfalls außer Diskussion. Und dass der Papst ferner nicht jeder Anfrage aus den Tiefen und Untiefen der Christenheit zu entsprechen geruhte, ist geradezu ein Allgemeinplatz geworden: Denn die Register der Kurie überliefern nur das, was tatsächlich ausgestellt, die Supplikenregister nur die Petitionen, die vom 19 Pontifex zugelassen worden waren. All jene Anfragen, denen der Papst www.britac.ac.uk/pubs/dialogus/1d735to41.pdf, S. 12 [zuletzt eingesehen am 31.12.2013]. 17 Dondorp, Harry, Review of papal rescripts in the canonists’ teachings, in: ZRG kan. Abt. 76 (1990), S. 172–253; 77 (1991), S. 32–110, bes. 76, S. 177ff., 227ff., 235f., 249ff.; siehe auch 77, S. 42ff., zu den Exekutoren päpstlicher Provisionen als Richter S. 60–110. Dondorp beschränkt sich freilich auf die klassische Zeit der Kanonistik, das 13. Jahrhundert. Der Rota-Auditor Oldradus de Ponte (+ ca. 1337) bringt die Sache auf den Punkt: Nam surreptio gratiam reddit nullam. Oldradus de Ponte de Laude, Consilia seu responsa et quaestiones aureae, Frankfurt am Main: Sigismund Feyrabend 1576, Nr. 81. Für weitere Literatur zu diesem einflußreichen Juristen siehe Hitzbleck (Anm. 9), S. 112–131, dort auch weitere Literatur. 18 Herde (Anm. 13), S. 56: „Denn der Begriff des Reskripts à la Pitz, das er ‘in die Urkundenlehre und Rechtsgeschichte des Mittelalters einzuführen’ beschlossen hat, hat sich mittlerweile als eine Art mediävistischer Batman erwiesen: Überall schlägt es zu, und keiner weiß so recht, was es ist; eine einigermaßen verständliche Definition hat H. M. Schaller nur im Verlagsprospekt gefunden.“ Schön auch die ‘Reskriptomanie’ auf S. 65 dieses mit ira und studio verfaßten Textes. 19 Frenz, Thomas, Papsturkunden des Mittelalters und der Neuzeit, 2., aktualisierte Aufl., Stuttgart 2000, S. 88f.: Die Genehmigung der Bitten; Bresslau, Harry, Handbuch der Urkundenlehre für Deutschland und Italien, Bd. 2, Leipzig 1931, ND Berlin 1968, S. 15.
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sein Fiat verweigerte, befinden sich unauffindbar im Orkus der Geschichte. Franz J. Felten hat die Kontroverse auf den diskussionsabschließenden Nenner gebracht, dass „an der Kurie weder ein Masterplan zur Eroberung der Weltkirche exekutiert wurde, noch jedermann sich seine Pfründen oder 20 die Beförderung seiner Leute bestellen konnte.“ Die besondere Rolle Johannes’ XXII. für die Bewertung des spätmittelalterlichen Papsttums liegt dabei nicht zuletzt in einer zunächst einmal administrativen Entscheidung: Seit Johannes XXII. wird annähernd jede 21 Urkunde, welche die päpstlicher Kurie verläßt, registriert. Sozusagen von einem auf den anderen Moment sieht sich die Forschung deshalb mit zehntausenden von Urkunden konfrontiert, von denen tatsächlich die meisten Pfründenmaterien betreffen. Die damit einhergehende Informationsflut riss den Schleier von einem wichtigen Bereich päpstlicher Herrschaft im Mittelalter, weit entfernt von den ‘großen’ Konflikten um Papst- und Kaisertum, Investiturstreit und Italienfrage. Überspitzt formuliert machte der Überlieferungszufall den Papst: Denn die kanonistische Literatur zum Benefizialwesen floriert seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts und reflektiert damit den durch die Provisionsurkunden verursachten, ständig wachsenden juristischen Regelungsbedarf. So werden schon lange vor Johannes XXII. Klagen über den massenhaften Ansturm päpstlicher Providierter auf die wohldotierten Pfründen der Christenheit laut und bereits Alexander IV. 22 mußte etwas kleinlaut die Zahl der Anwartschaften pro Kirche begrenzen. Anrüchig mag weiter scheinen, dass der Papst für seine Urkunden Geld nahm, dass er über Annaten und andere Abgaben von den Pfründenwünschen der Kleriker selbst profitierte. Hier muß die ökonomische Situation des Papsttums nach dem Verlust des Kirchenstaats und dem Umzug nach Avignon erwähnt werden, welche nun den Zugriff auf die finanziellen Ressourcen der Weltkirche forderte, wo bis dato das Patrimonium Petri
20 Felten, Franz J., Päpstliche Personalpolitik? Über Handlungsspielräume des Papstes in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, in: Historisches Jahrbuch 122 (2002), S. 81. Wie anders klingt da Bernard Guillemain, der sich nicht scheut, von einem „impérialisme pontifical“ zu sprechen, der sich nicht zuletzt in der Benefizienvergabe ausdrücke! Guillemain (Anm. 6), S. 104. 21 Bresslau, Harry, Handbuch der Urkundenlehre für Deutschland und Italien, Bd. 1, 2. Aufl., Leipzig 1912, ND Berlin 1968, S. 121. 22 Barraclough, Geoffrey, The Constitution ‘Execrabilis’ of Alexander IV, in: English Historical Review 49 (1934), S. 193–218.
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ausgereicht haben mag. Nicht ohne Grund verweisen selbst Kritiker auf die persönliche Anspruchslosigkeit Johannes’ XXII. Betrachten wir also – nach einem kurzen theoretischen Exkurs über das Reskript- und Provisionswesen – im Folgenden den Papst aus Cahors im Spiegel der durch ihn ausgestellten Benefizialurkunden. Der Papst tritt hier nicht als Akteur im politischen Kräftespiel seiner Zeit auf; er präsentiert sich statt dessen als Oberhaupt eines bürokratischen Apparats. Es geht nicht um seine Eignung als Papst, nicht um seine Persönlichkeit. Es geht um die Art und Weise, wie Johannes XXII. die zentrale Vergabe von Pfründen, die er nicht erfunden hat, regelt und wie er seine Rolle als oberster Richter der Christenheit interpretiert. Wenn als Maß der Willkür hier die rechtliche Unversehrtheit der Abwesenden definiert werden darf, bietet sich als Markstein die Vergabe von solchen Stellen an, die zwar eindeutig definiert sind, deren Vakanz jedoch nicht feststeht, bzw. wo durch den Petenten nur die Vakanz de iure festgestellt worden ist, es also faktisch noch einen Besitzer der Stelle gibt. Denn auch darüber kann kein Zweifel bestehen: Der Papst als oberster Richter der Christenheit und Haupt der römischen Kirche war für alle Christen da – nicht nur für diejenigen, die in den Genuß eines päpstlichen Provisionsreskripts gekommen waren. Welche Mechanismen nutzte Johannes XXII., um in diesen Fällen die Interessen aller zu berücksichtigen?
II. Das Provisionswesen Vor aller Beschäftigung mit dem mittelalterlichen päpstlichen Benefizialwesen steht die grundlegende und nicht wegzudiskutierende Tatsache, dass der päpstliche Eingriff in die Kollationsgewohnheiten vor Ort als solcher rechtmäßig war: Es war seit dem 12. Jahrhundert das Privileg des Papstes, vakante Stellen an den Kirchen der Christenheit durch herrscherlichen Befehl zu besetzen und sogar Anwartschaften auf noch nicht vakante Stellen 23 zu vergeben. Dies mag für die Ordinarien bisweilen eine Zumutung dargestellt haben – widerrechtlich oder per se willkürlich war es nicht. Zudem hat 24 die deutschsprachige Stiftsforschung der letzten 40 Jahre immer deutli23 Für weitere Literatur siehe Hitzbleck (Anm. 9), S. 19, Anm. 7. 24 Stellvertretend für zahlreiche weitere Werke: Willich, Thomas, Wege zur Pfründe. Die Besetzung der Magdeburger Domkanonikate zwischen ordentlicher Kollatur und päpstlicher Provision 1295–1464 (Bibliothek des DHI in Rom 102), Tübingen 2005; Hotz, Brigitte, Päpstliche Stellenvergabe am Konstanzer Domkapitel. Die avignonesische Periode (1316–1378) und die
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cher auch quantitativ fundiert aufzeigen können, dass das Interesse an den päpstlichen Provisionsurkunden wie ihre Verwirklichungschance Konjunkturen und lokalen Faktoren unterworfen war: Neben Gegenden mit großem Inter-esse an päpstlichen Gratialbriefen gab es solche, in denen die Kollation von Pfründen und Benefizien von päpstlicher Einflußnahme annä25 herungsweise unberührt blieb. Die Möglichkeiten, das päpstliche Kollationsrecht zu mißbrauchen, waren indes immens und Gegenmaßnahmen von herrscherlicher Seite schwierig. Ein Problem bildet die von päpstlicher Seite nur schwer überschaubare Situation vor Ort. Ein anderes liegt in den mangelnden administrativen Möglichkeiten, die einen zentral kontrollierten Umgang mit den herrscherlichen Schreiben unmöglich machen. Das aus der Antike und dem Römischen Recht überkommene, von der päpstlichen Kurie wiederaufgenommene Reskriptsystem bot grundsätzlich probate Mittel, um dem Problem betrügerischer Eingaben wie legitimer Einreden begegnen zu können. Das zentrale Kriterium ist die veritas precum, die Korrektheit der Bitte. Der Petent reichte eine Supplik ein, der bei formaler Korrektheit und rechtlicher Unbedenklichkeit dadurch entsprochen wurde, dass der Papst sie signierte und die päpstliche Kanzlei eine Urkunde über das gewünschte Recht ausstellte, etwa die Anwartschaft 26 auf die Einsetzung in eine Pfründe. Doch fanden die Reskripte nicht überall die wohlwollende Aufnahme, die man bei einem immerhin päpstlichen Befehl so gerne voraussetzen würde. So sahen sich lokal präsentierte Bewerber durch die päpstliche Kollationsprärogative um ihre Chancen, die ordentlichen Kollatoren um ihre Rechte betrogen und gingen mit Maßnahmen juristischer oder handgreiflicher Art gegen den Eindringling vor. Auch konnten die Petenten den abwesenden Papst ausnutzen, um ihre betrügerischen Zwecke zu verfolgen: Ein juristisch relevanter lebensweltDomherrengemeinschaft beim Übergang zum Schisma (1378) (Vorträge und Forschungen, Sonderband 49), Ostfildern 2005. 25 Für Europa im 15. Jahrhundert Tewes, Götz-Rüdiger, Die römische Kurie und die europäischen Länder am Vorabend der Reformation (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 95), Tübingen 2001. Für das 14. Jahrhundert im Deutschen Raum Erdmann (Anm. 9). Zur Nachfrage nach päpstlichen Reskripten aus verschiedenen europäischen Regionen im Pontifikat Johannes’ XXII. siehe Hitzbleck (Anm. 9), Kapitel V: Exekutorenwahl im Umfeld der Kurie; Kapitel VI: Exekutorenwahl in partibus. 26 Eine ‘Kuriengebrauchsanleitung’ aus dem 15. Jahrhundert beschreibt den Vorgang recht anschaulich. Practica cancellariae apostolicae saec. XV exeuntis. Ein Handbuch für den Verkehr mit der päpstlichen Kanzlei, hg. v. SchmitzKallenberg, Ludwig, Münster 1904.
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licher Sachverhalt – etwa die zur Übernahme der Stelle notwendige Priesterweihe – konnte bei der Verfertigung einer rechtlich einwandfrei formulierten Supplik leicht verloren gehen. Der Widerspruch vor Ort war dann nur recht und billig. Was zunächst fehlte, war eine pragmatische Lösung für den Umgang mit Widerspruch, die dann in Form der sogenannten Exekutoren realisiert wurde: Die eigentlichen Kollationshandlungen, etwa die Einsetzung des Petenten in seine Stelle, gingen auf den Exekutor über: Der päpstliche Delegierte handelt anstelle des ordentlichen Kollators, der selbst keine Kollationshandlung mehr ausführte. Dies minderte allerdings nicht die zentrale Bedeutung der veritas precum für die Durchsetzbarkeit eines Reskripts. Der 27 Exekutor ist kein bloßer Vollstrecker, sondern kann durchaus auch richterliche Funktionen wie die Prüfung des im Reskript formulierten Anspruchs 28 übernehmen. Der Akzent liegt hier allerdings auf ‘kann’, und dies aus ganz pragmatischen Gründen. Denn der Exekutor mußte den Inhalt des Reskripts nicht ex 29 officio überprüfen: es war nicht Teil seines Auftrags. Das Prozedere sah vor, dass der Petent die Urkunden bei seinem Exekutor vorlegte, der ihre formale Korrektheit und den Inhalt in einem Notarsinstrument dokumentierte, welches der Petent dann beim entsprechenden Ordinarius präsentierte. War eine angemessene Stelle frei geworden, ließ sich der Petent wiederum ein Instrument über diesen Umstand ausstellen, legte dieses dem Exekutor vor und akzeptierte die Stelle vor diesem. Aber auch an diesem Punkt fand 30 keinerlei Prüfung des Sachverhalts durch den Exekutor statt. Mit anderen Worten: Solange sich niemand gegen die Kollation wehrte, wurde die veritas precum auch nicht untersucht. Und dies war ja auch, zumal bei den Expektanzen, kaum anders möglich: Einwände gegen die Person und unmittelbar 27 Ein illustratives Beispiel für die Vollstreckerperspektive bei Sauerland, Heinrich V., Urkunden und Regesten zur Geschichte der Rheinlande aus dem Vatikanischen Archiv, Band 1: 1294–1326 (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 23), Bonn 1902, S. IV: „Dieselben (sc. die Exekutoren) hatten nämlich die Vollmacht und den Auftrag, diejenige Person, zu deren Gunsten der päpstliche Gnadenbrief ausgestellt war, kraft päpstlicher Auktorität (!) in den Besitz des betreffenden Benefiziums einzuführen und nötigenfalls jeden Widerstand durch Anwendung kirchlicher Strafmittel zu beseitigen.“ 28 Hitzbleck (Anm. 9), S. 36ff., 71ff., 138ff. 29 Ibid., S. 36ff. 30 Barraclough, Geoffrey, Modus et forma (Anm. 15), S. 292; Hitzbleck (Anm. 9), S. 216ff.
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die Narratio der Urkunde mögen vielleicht möglich gewesen sein – aber ob die Stelle tatsächlich frei war, konnte niemand zum Zeitpunkt der Urkundenausstellung wissen: Stelle und Vakanzgrund waren schlicht unbekannt. Auf diesen Umstand nimmt das Formular der Urkunde Rücksicht indem es die Einsetzung in die Stelle verlangt si vacat, also sofern sie frei ist. In dieser Formulierung steckt die Kompetenz des Exekutors, eben die Vakanz untersuchen zu können, wenn sich Widerspruch vor Ort regen sollte. Von Amts wegen muß er sich hingegen nicht informieren. Doch wie sah der Auftrag der Exekutoren in den Fällen aus, in denen der Papst vakante Stellen aus eigener Kollation direkt überträgt? Seit dem 13. Jahrhundert waren die Päpste dazu übergegangen, sich Pfründen aus kirchlicher Kollatur zur reservieren, sie also der Verfügung des ordentlichen Kollators zu entziehen. Darunter fielen etwa solche Stellen, deren Inhaber an der Kurie oder im Umkreis von zwei Tagesreisen verstorben war oder der 31 selbst zum päpstlichen Hof gehörte. Das Prozedere war in diesen Fällen gleichwohl sehr ähnlich. Der Interessent für die Stelle etwa eines verstorbenen päpstlichen Kaplans supplizierte um dieselbe, erhielt nach Möglichkeit die päpstliche Signatur und ließ sich die entsprechenden Urkunden über die Transaktion ausstellen. Auch hier expedierte die päpstliche Kanzlei eine Urkunde für den Petenten, die andere an drei Exekutoren, die sich dann um die Einsetzung in die Stelle kümmern sollten. Eine initiale Überprüfung war einmal mehr nicht vorgesehen, im Grunde auch nicht nötig, stand der Tod des päpstlichen Kaplans doch fest. Entsprechend konnte der Exekutor den Petenten direkt mit Ring und Barett in die Stelle investieren, wie die über 32 diesen Rechtsakt ausgestellten Notarsinstrumente erkennen lassen. Der Einspruch blieb auch hier der Gegenseite überlassen, ob diese sich nun an der Kurie oder vor Ort befand.
III. Execrabilis quorundam ambitio Geradezu eine neue Dimension entwickelte sich im Anschluß an die von 33 Johannes XXII. promulgierte Konstitution ‘Execrabilis’ (Extr. Joh. 1.3.1), 31 Linden, Peter, Der Tod des Benefiziaten in Rom. Eine Studie zu Geschichte und Recht der päpstlichen Reservationen (Kanonistische Studien und Texte 14), Bonn 1938, ND Amsterdam 1964. 32 Hitzbleck (Anm. 9), S. 171ff. 33 Für eine wissenschaftliche Edition siehe Extravagantes Iohannis XXII., hg. v. Tarrant, Jacqueline (MIC, Series B: Corpus collectionum 6), Città di Vaticano 1983.
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die eine Unzahl von Stellen im westlichen Abendland päpstlicher Kollation unterwarf. Mit dieser im Jahre 1317 promulgierten Bulle verfügte der Papst, dass niemand mehr zwei Seelsorgebenefizien gleichzeitig haben, fortan nur noch eine Kuratstelle mit einer Sinekure kombinieren dürfe. Alle darüber hinausgehenden Benefizien seien umgehend zu resignieren oder eo ipso und de iure vakant. Damit öffnete diese Bulle, die doch der execrabilis ambitio, dem abscheulichen Ehrgeiz pfründensuchender und -sammelnder Kleriker Einhalt gebieten sollte, genau diesem Tür und Tor und gab Anlaß zu Denunziation und eigennütziger Impetration von Suppliken. Da der Papst sich generell vorbehielt, auch solche Stellen zu vergeben, die nur de iure frei 34 waren, weil also der Inhaber kein Recht auf den Besitz der Stelle hatte, mußte diese Dekretale geradezu zwangsläufig die Begehrlichkeit von Klerikern wecken, die es nun doch nicht dem Würgeengel überlassen mußten, dem Besitzer die Wunschpfründe aus den Händen zu winden. Und selbst wo keine böse Absicht im Spiel war, konnte es leicht zu falschen Beschuldigungen kommen: Theoretisch mag die juristische Lage eindeutig sein, sieht sie doch für jeden Kleriker fortan nur noch eine Stelle mit und eine ohne Seelsorge vor. Was darüber hinausging, war de iure frei und de facto besetzt. In der Realität war der tatsächliche Pfründenbestand einer Person freilich erheblich schwieriger zu eruieren und zu bewerten. Und hier zeigt sich, dass Johannes XXII., dessen Signaturgepflogenheiten mitunter die Indifferenz eines Autogrammautomaten unterstellt worden 35 ist, absolut nicht allem, was ihm aus den Diözesen der Christenheit vorgelegt wurde, ungeprüft sein Fiat zu geben bereit war. Eine Kanzleiregel dieses Papstes legt fest, dass, wenn immer einem Kleriker unter Berufung auf ‘Execrabilis’ eine Urkunde für eine Pfründe ausgestellt werden soll, dieser nicht direkt durch die päpstliche Urkunde in den Besitz der Stelle gebracht werden soll: Stattdessen werden die drei Exekutoren mit dem expliziten Auftrag ausgestattet, den Wahrheitsgehalt der Urkunde zu überprüfen. Item, si cuiquam concedatur aut fiat gratia, etiamsi fieret motu proprio, de beneficio quocumque dimisso extra curiam vigore constitutionis ‘Execrabilis’, etiamsi in signo domini nostri scriptum esset „Providemus .. de .. beneficio
34 Hitzbleck (Anm. 9), S. 33f., 56f. 35 Siehe etwa Urkunden und Regesten 1 (Anm. 27), S. XVIf.: „Hier soll nur noch kurz hingewiesen werden auf die immer massloser werdende Benefizienjägerei und Benefizienspenderei an der päpstlichen Kurie, [...], auf die kirchenrechtswidrigen Häufungen unvereinbarer Benefizien auf nachgeborene Söhne des [...] Adels und auf die ungescheute Versorgung adeliger Bastarde mit fetten Kirchenpfründen.“
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vel dignitate“, semper scribatur iudicibus extra curiam, quod ipsi auctoritate apostolica de illo provideant, si est ita.36
Bemerkenswerterweise gilt dies selbst bei solchen Urkunden, die motu proprio, zumindest der Idee nach also auf Eigeninitiative des Papstes ausge37 stellt worden sind. Und ebenso ist zu beachten, dass dies auch dann gilt, wenn die Signatur des Papstes dem Wortlaut nach eine direkte Provision vorsieht. Ein schönes Beispiel bietet ein Trierer Kollationsfall aus dem Jahre 1327. Ein Henricus Johannis de Confluentia, also aus Koblenz, hat sich an der Kurie um die Pfarrkirche in Flaycthe prope Deyze in der Diözese Trier bemüht, da ihr Inhaber Caesarius sie zusammen mit der Kantorei an St. Florin in Koblenz sowie einer Pfarrkirche in superiori Mendich in 38 der Diözese Trier innehabe. Er selbst hat zu diesem Zeitpunkt bereits ein 36 Die maßgebliche Edition der Kanzleiregeln ist derzeit die im Internet der Forschung zur Verfügung gestellte Arbeitsversion von Andreas Meyer, http:// www.uni-marburg.de/fb06/forschung/webpubl/magpubl/paepstlkanzl [abgerufen am 31.12.2013]. Es handelt sich hier um Kanzleiregel 25 von Papst Johannes XXII. De clausula ‘si est ita’ ponenda in litteris conficiendis super beneficiis vacantibus per constitutionem ‘execrabilis’. Siehe auch die ältere Editionen: Regulae Cancellariae Apostlicae. Die päpstlichen Kanzleiregeln von Johannes XXII. bis Nikolaus V., hg. v. Ottenthal, Emil von, Innsbruck 1888, ND Aalen 1968, Nr. 21; Teige, Joachim, Beiträge zum päpstlichen Kanzleiwesen des XIII. und XIV. Jahrhunderts, in: MIÖG 17 (1896), S. 408– 440, Nr. 25. 37 Die Forschung hat zeigen können, dass auch diese Urkunden auf Supplik des Petenten ausgestellt wurden. Bresslau (Anm. 19), S. 7: Auch den päpstlichen Gnadenerweisen, die formell als motu proprio beschlossen bezeichnet werden, ging wenigstens im späteren Mittelalter in der Regel eine Bitte des Empfängers voran: während sie ursprünglich ohne förmliche Bitte, ja wohl auch ohne einen Antrag [...] aus eigener Initiative des Papstes bewilligt wurden, die die Form der Motu-proprio-Resolution später auch da angewandt worden, wo eine Bitte vorlag.“ Siehe besonders auch Fußnoten 3 und 5, S. 7f. Schon das Formelbuch des Heinrich Bucglant kennt die Supplik um eine motu proprio expedierte Supplik. Das Formelbuch des Heinrich Bucglant. An die päpstliche Kurie in Avignon gerichtete Suppliken aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, hg. v. Schwalm, Jakob (Veröffentlichungen aus der Hamburger Stadtbibliothek 2), Hamburg 1910, S. 14f., Nr. 26, 27. Thomas Frenz geht auf diesen Umstand in seinem Handbuch nicht ein. Frenz (Anm. 19), S. 87, 106, §§ 111, 145. 38 Lettres communes. Jean XXII (1316–1334), hg. v. Mollat, Guillaume (BEFAR, 3e série/Ibis), Paris 1904–1947 (Künftig zitiert als: Mollat, Lettres
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Kanonikat mit Pfründenexpektanz in Fritzlar, ein Kanonikat mit Präbende an St. Florin in Trier, um die er gleichwohl prozessiert, sowie einen Altar an St. Florin, den er allerdings aufgeben muß, wenn er die Pfarrkirche bekommt. Die Urkunde wird in einem Exemplar an die Dekane von St. Simeon in Trier und St. Georg in Limburg, außerdem an den Kantor von St. Castor in Karden in der Diözese Trier expediert. Die Urkunde enthüllt auch einiges über den Provisionsgang, etwa, dass Henricus möglicherweise nicht an der Kurie gewesen ist, um sich um seine Providierung zu kümmern: Cum itaque sicut oblata nobis pro parte dilecti filii Henrici Johannis de Confluentia [...] petitio continebat [...].
Die Schilderung der Vakanz läuft darauf hinaus, dass Cesarius die Stelle entgegen der Constitution ‘Execrabilis’ innehat und nicht aufgeben will: quod dilectus filius Cesarius [...] ecclesiam ipsam [...] tenere retinere! presumpsit et adhuc detinet occupatam non curans illam dimittere prout iuxta constitutionem tenebatur eandem.
Der Auftrag an die Exekutoren ist detalliert: [...] mandamus, quatinus vos [...] vocatis qui fuerint evocandi si simpliciter et de plano sine strepitu et figura iudicii vobis constiterit quod ecclesia ipsa [...] ut praemittitur per constitutionem vacet, eandem ecclesiam [...] conferre curetis.
Das Mandat an die Richter ist sehr spezifisch und fordert explizit zum summarischen Prozeß auf. Hier reicht es also nicht, dass die Richter sich nur informieren: Sie müssen die beteiligten Parteien anhören. Henricus Johannis hat übrigens wenig Glück gehabt mit seiner Urkunde: Im Dezember 1329 ist er wieder an der Kurie vorstellig geworden, um sich um eine Stelle in Münstermaifeld zu bemühen. Die Pfarrkirche, besser das Recht an der Pfarrkirche in Vlaychte, ipsi, diu est, si virtute constitutionis Execrabilis vacaret 39 per papam collatam, muß er im Erfolgsfalle aufgeben. Ohne weiteres ist nicht zu erschließen, was die Inbesitznahme der Stelle letztlich verhindert hat. Doch demonstriert der Fall einerseits die praktische Anwendung der Kanzleiregel, andererseits ihre grundsätzliche Notwendigkeit: Offenbar hat de Jean XXII), Nr. 28669 (Reg. Vat. 83, ep. 1979). Eine etwas ausführlichere Wiedergabe des Reskripts bei Sauerland, Heinrich V., Urkunden und Regesten zur Geschichte der Rheinlande aus dem Vatikanischen Archiv, Bd. 2 (1327– 1342) (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 23), Bonn 1903, S. 35, Nr. 1186. 39 Mollat, Lettres de Jean XXII, Nr. 47680.
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die Gegenseite sich gegen die päpstliche Kollation gewehrt und die Stelle nicht aufgegeben. Und auch die Pfründensituation von Henricus Johannes selbst könnte übrigens die Begehrlichkeiten dritter wecken: zwar hat er weder die Pfründe in Fritzlar, noch die Stelle an St. Florin in Koblenz überhaupt in Besitz nehmen können, noch hat die Kollation der Pfarrkirche den gewünschten Erfolg gezeitigt, doch der Papierform nach könnte ein ambitiöser Kleriker ihn der Pfründenkumulation schuldig befinden und sich eine Urkunde auf eine seiner Stellen ausstellen lassen. Oder die Gegenseite könnte diesen Umstand als Kollationshindernis bewerten und die Inbesitznahme der Stelle verweigern. Dieser Fall spielt in Trier und involviert Personen, die sonst kaum oder gar nicht mit dem päpstlichen Hof in Kontakt getreten sind. Wie sah es aber in solchen Fällen aus, in denen Angehörige der päpstlichen Kurie selbst involviert waren? Schließlich ist Johannes XXII. des öfteren nicht nur blanker Nepotismus, sondern auch generell die Förderung von Günstlingen vorgeworfen worden. Blicken wir in das Jahr 1326, als der päpstliche Kaplan Mag. Geraldus de Valle die Kirche S. Petri de Turrimajori in der süditalienischen 40 Diözese Civitate erhält. Geraldus de Valle, im übrigen päpstlicher Rektor der Provinzen Campagna und Marittima, hat Kanonikate und Präbenden – also Sinekuren – an fünf verschiedenen Kirchen in den Diözesen Neapel, Valva, Maguelone und Arles. Die Stelle ist frei geworden, weil der päpstliche Kaplan und Professor des Zivilrechts Mag. Petrus Brancacii sie entgegen der 41 Konstitution ‘Execrabilis’ innegehabt hatte. Entgegen jeder mißgünstigen Vermutung muß man feststellen, dass vom in den Kanzleiregeln vermittelten Verfahren hier in keiner Weise abgewichen wurde. Wie auch bei dem Beispiel aus Trier werden drei Prälaten gewählt, welchen die Prüfung und 42 Einsetzung des Petenten obliegt, in diesem Fall der Bischof von Chieti, 43 der Abt von St. Sofia in Benevent sowie der Archipresbyter des dortigen 44 Doms. Ein auf den ersten Blick dem widersprechender Fall findet sich im Jahr 1327, als der Papst Petrus Vaurelli, dem Familiar und Prokurator der 40 Mollat, Lettres de Jean XXII, Nr. 27378. 41 Stellvertretend für weitere Belege: ibid., Nr. 11297. 42 Bischof des unmittelbaren Bistums ist Johannes Crispano de Rocca, ein päpstlicher Kaplan, ibid., Nr. 14895, 24451. 43 Es handelt sich um einen Benediktiner namens Arnaldus, den späteren Erzbischof von Benevent, ibid., Nr. 17707, 56122. 44 Es handelt sich um Leopardus Napoleonis de Fulgineo, der nach Ausweis seines Auftretens in den päpstlichen Registern in Kontakt mit Geraldus de Valle wie mit Arnaldus stehen könnte, ibid., Nr. 21412. Nr. 18000 erwähnt
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Kardinäle Pierre Desprez von Palestrina, Betrand de Montfavès tit. Sanctae Mariae in Aquiro und Arnaud de Via tit. Sancti Eustacii die Pfarrkirche de Fischelak in der Diözese York überträgt, welche Johannes de Warenna 45 wegen ‘Execrabilis’ hatte aufgeben müssen. Hier wird die Urkunde in einer Ausfertigung an den Petenten sowie in einer weiteren an den Abt von 46 47 S. Sergius in Angers, den Dekan von Angoulême und den Archidiakon 48 von London ausgestellt, bei denen es sich sämtlich um Angehörige der päpstlichen Kurie, zum Teil auch Mitglieder der Familien der genannten Kardinäle handelt. Der Blick ins Register verrät, wie es zu der zunächst dubiosen Expeditionsart kommen konnte. Über den Vakanzgrund heißt es dort nämlich: Cum itaque parrochialis ecclesiae [...] quam dilectus filius Johannes de Warenna olim ipsius ecclesiae rector iuxta tenorem constitutionis super pluralitate [...] beneficiorum [...] omnino dimisit vacare noscatur ad praesens.
Die Stelle ist also zum Zeitpunkt der Urkundenausstellung bekanntermaßen vakant. Entsprechend ergeht auch das Exekutionsmandat ohne jeden weiteren, expliziten Prüfauftrag an die Delegierten. Es handelt sich also um ein unbedingtes Reskript. Die drei Fälle sind damit auch Kommentar zur tatsächlichen Anwendung, vielleicht eher: administrativen Kontextualisierung, der genannten Kanzleiregel, die ja, kryptisch genug, nur von solchen Provisionssituationen redet, in denen die Vakanz extra curiam eingetreten ist. Geprüft werden muß immer dann, wenn die Vakanz nicht feststeht und nicht bewiesen ist. Und diese Regel gilt auch für Kuriale und ihre Angehörigen, auch wenn die ursprüngliche Zielrichtung der Regel eher Provisionsanfragen
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seine treuen Dienste für die Römische Kirche in Benevent und anderswo, für die er das genannte Archipresbyterat bekommt, welches dem Vorbesitzer Maschambronus de Maschambronis entzogen worden war. Mollat, Lettres de Jean XXII, Nr. 29988 (Reg. Vat. 85, ep. 126.) Es handelt sich um den Kanonisten Helia Fulcherii, einen Kaplan und Familiar des Kardinals Pierre le Tessier, siehe etwa Mollat, Lettres de Jean XXII, Nr. 19833, die Erhebung zum Abt erfolgte am 7. Mai 1327, ibid. Nr. 28659. Es handelt sich um den päpstlichen Kaplan, Rotaauditor, Professor des Zivilrechts und späteren Patriarchen von Aquileia Bernardus de St. Genesio, siehe etwa Mollat, Lettres de Jean XXII, Nr. 12919, 63481. Er ist im übrigen mit dem Kardinal Bertrand Favès verwandt. Es handelt sich um Pontius de Podiobarzaco, einen päpstlichen Kaplan und den Rektor des Patrimonium Petri in Tuscia, siehe etwa Mollat, Lettres de Jean XXII, Nr. 18167, 18115.
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aus entfernteren und entsprechend schlechter überschaubaren Gegenden der Christenheit gewesen sein mögen. Konnte die Vakanz hingegen sicher belegt werden, konnte sofort providiert werden – und dies auch dann, wenn das betroffene Benefizium im eher kurienfernen York gelegen war. Der schönste Beleg für diesen Schluß ist vielleicht ein Reskript für Guillermus Destruchols, der sich um eine Kirche in der Diözese Lombez bemüht und von deren ultimus rector er nur weiß, dass er sie unrechtmäßig innehatte. Doch schon der Name des Mannes entzieht sich seiner Kenntnis. Versuchte 49 Guillermus womöglich von einem kurialen Gerücht zu profitieren? Der Umgang der päpstlichen Kurie mit der Konstitution ‘Execrabilis’ zeigt damit sehr deutlich, dass der Papst kein unbesonnenes Denunziantentum fördern wollte, so sehr er bei der Durchsetzung der neuen Regel auch auf den Eigennutz der Kleriker vor Ort angewiesen war. Vielmehr wird jeder Einzelfall, der nicht bereits bei der Impetration klar belegbar ist, nur unter Vorbehalt bewilligt und vor Ort geprüft.
IV. Prüfungen Und das soeben dargestellte gilt nicht nur für diesen Provisionstyp, der eine Vakanz wegen ‘Execrabilis’ voraussetzt. Es lassen sich noch weitere Situationen nachweisen, in denen der Papst die Prüfung der veritas precum zur Bedingung der Provision machte – und die sich entsprechend auch in den tatsächlich ausgestellten Urkunden niederschlagen müßten. Werfen wir zunächst einen weiteren Blick in die Neuedition der päpstlichen Kanzleiregeln. Und man wird schnell fündig und dies immer dort, wo eine andere 50 Person von der Kollation betroffen sein könnte. Kanzleiregel Nr. 19, die sich mit der freiwilligen Resignation und dem Tausch von Benefizien beschäftigt, enthält gleich mehrere Paragraphen, die sicherstellen sollen, dass nur tatsächlich und de iure besessene Benefizien getauscht und resigniert werden. So steht fest, dass nach der freiwilligen Resignation der Begünstigte non acquiratur per collationem ius aliquod, nisi iste resignans ius habeat in
49 Mollat, Lettres de Jean XXII, Nr. 30433 (Reg. Vat. 85, ep. 332). 50 Die hier behandelten Kanzleiregeln wurden in einer Handschrift durch den Vermerk deliberandum des Vizekanzlers ergänzt. Sie gehörten also möglicherweise nicht zum unangefochtenen Bestand der Kanzleiregeln, siehe Meyer (Anm. 36), S. 23f., 33f. In der Edition von Ottenthal sind sie nicht vorhanden, während Emil Teige sie aufführt. Siehe Teige (Anm. 36), Nr. 26, 27.
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beneficio resignato. Der Vorbesitzer muß das ius in re gehabt haben, sonst ist die Neuvergabe nichtig. Dies gilt, wenn eine andere Person vom Papst die Erlaubnis erhält, eine freiwillig resignierte Stelle wiederzuvergeben, wie auch, wenn der Pontifex persönlich einen Kleriker damit providiert. Wenn eine andere Person die Resignation entgegennehmen soll, muß ebenso die Formel ne interveniat corruptela in die Urkunde eingefügt werden, die eine mißbräuchliche Verwendung der päpstlichen Gratie verhindern soll. Dasselbe gilt, wenn zwei Kleriker ihre Benefizien tauschen wollen. Nur wenn beide vorher das ius in re an ihren Stellen hielten, können sie das Recht an der jeweils anderen Stelle erwerben. Hat einer der beiden es nicht, erwirbt keiner von beiden ein neues Recht. Eine weitere Standardsituation betrifft die Neuvergabe von Stellen, die durch päpstliche Intervention vakant geworden sind. Die Kanzleiregeln Nr. 25 und 26 beziehen sich auf diese Fälle. Ein Grund für die Vakanz, die dem Papst die Möglichkeit eröffnete, die Stelle aus eigener Kollation selbst zu vergeben war die Translation eines Klerikers auf eine andere, mit der vorherigen inkompatiblen Stelle, die auf diese Weise dann vakant wurde. Kanzleiregel 25 regelt den Umgang folgendermaßen: Item, si fiat gratia de beneficio dimisso vel dimittendo per assecutionem alterius beneficii noviter collati per dominum nostrum vel auctoritate sua, [...] semper scribatur iudicibus, quod, si vacat per assecutionem pacificam vel quamprimum sic vacabit, provideant de eodem.
Wenn eine Stelle auf die beschriebene Weise vakant geworden ist, wird den Exekutoren stets geschrieben, dass sie die Provision nur vornehmen sollen, wenn die Stelle durch die pacifica assecutio frei ist oder sobald diese Situation eingetreten sein wird – was für den Petenten im Zweifelsfalle bedeuten konnte, längere Zeit und mit durchaus offenem Ausgang auf die Stelle warten zu müssen. Der Befund in den Registern hilft, die Regel zu verstehen. Wiederum stehen neben Urkunden, die in einer Ausfertigung expediert werden solche, die in zwei Exemplaren an den Empfänger 51 Das ius in re bezeichnet das Recht an der Sache, hier dem Benefizium, das der Begünstigte durch die unangefochtene Kollation der Stelle erhält. Davon zu unterscheiden ist die corporalis possessio, die durch die körperliche Einführung das Amt entsteht, sowie die possessio pacifica, die erst durch längerdauerndern, unangefochtenen Besitz der Stelle eintritt. Hitzbleck (Anm. 9), S. 102f. Erhellendes zu den unterschiedlichen Rechten, die ein Kleriker auf eine Stelle anmelden konnte auch bei Dondorp, Harry, Ius ad rem als Recht, Einsetzung in ein Amt zu verlangen, in: Tijdschrift voor Rechtsgeschiedenis 59 (1991), S. 285–318.
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übergeben werden und wiederum steht die Klärung der Sachlage wie die Gewährleistung der Kollationssicherheit im Vordergrund. Dies bekam auch Nicolaus de Atrio zu spüren. Auf Betreiben der Königin von Frankreich sollte er die praecentoria in Amiens bekommen, die frei sein sollte, weil der Papst einstmals, quondam, dem Stephanus Gaetani den Archidiakonat von Beaune in Autun übertragen haben soll, so dass dieser die genannte 52 Stelle in Amiens hätte aufgeben müssen. Die Urkunde ergeht in einfacher Ausfertigung an drei Exekutoren, davon zwei Äbte vor Ort. Eine kurze Recherche enthüllt den Grund für dieses Vorgehen. Die genannte Kollation an Stephanus Gaetani, dieser ein päpstlicher Kaplan und nepos des Kardinals Giacopo Stefaneschi, fand bereits am 16. September 1323 statt, hat also bis zum 20. Januar 1327 offenbar nichts sicheres erbracht. Wir wissen nicht, warum Nicolaus de Atrio ausgerechnet an dieser Stelle Interesse entwikkelt hat, vielleicht, weil er in Amiens bereits präbendierter Kanoniker war. Tatsache bleibt, dass der Papst einmal mehr keine Provisionen ausstellen läßt, die auf unsicherer Faktenlage basieren und damit weitere rechtliche Probleme schaffen können. War die Lage hingegen sicher, blieb es bei der normalen Gratialexpedition, wenn auch mit der bereits erwähnten Bedingung: Keine Kollation ohne bewiesene Vakanz. Die Sensibilität der Kurie für derartige Belange zeigt sich hier auch darin, dass im Formular klar zwischen einer erst noch eintretenden und einer bereits bestehenden Vakanz unterschieden wird. Steht die Vakanz soweit fest, erfolgt eine Kollation, also eine 53 direkte Übertragung der Stelle an den Petenten. Muß die Vakanz zum Zeitpunkt der Urkundenausstellung hingegen erst noch eintreten, stellt der 54 Papst nur eine reservatio oder eine gratia expectativa aus. Die zweifache Ausfertigung erklärt sich hier aus dem Fehlen begründeter Zweifel: Die Sachlage ist klar, die Stelle soll aus bekannten Gründen bald frei werden, die Kollationssituation muß nur noch eintreten. In eine ganz ähnliche Richtung geht die Neuvergabe von Stellen, die durch die Promotion eines Klerikers zum Abt oder Bischof frei geworden sind. Bewirbt sich ein Kleriker um diese Stellen, darf die Kanzlei ausschließlich 52 Mollat, Lettres de Jean XXII, Nr. 27611. 53 Siehe zum Beispiel ibid., Nr. 30685. Petrus Raymundi wird durch den Papst mit einer Pfarrkirche in der Diözese Saintes providiert, da diese durch die Assekution einer anderen Stelle durch Hugo de Engolisma vakant ist: provisio parochialis ecclesiae de Siexs, Xanctonensis diocesis, vacantis per assecutionem factam ab Hugone de Engolisma virtute collationis apostolicae [...]. 54 Für eine gratia expectativa siehe etwa Mollat, Lettres de Jean XXII, Nr. 30843 (Reg. Vat. 85, ep. 879), für eine reservatio etwa ibid., Nr. 27830 (Reg. Vat. 83, ep. 1615).
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Urkunden ausstellen, welche die Kollation der Stellen erst bei tatsächlich eingetretener Vakanz erlauben, das heißt in diesem Falle, wenn der neue Würdenträger sein Amt tatsächlich hat antreten können. Item, si quis supplicet sibi conferri beneficium electi in episcopum vel promoti in abbatem, quod asserit vacare per eius promotionem factam per dominum nostrum, si dominus noster respondeat ‘Fiat B’, nihilominus semper scribatur iudicibus, ut beneficium ipsum, quod per ipsius electi consecrationem vel abbatis benedictionem sive per eum habitam et obtentam pacificam administrationem bonorum monasterii sui speratur in proximo vacaturum, supplicanti conferant, 55 cum vacabit.
Die Zielrichtung der Regel ist klar: Sie soll den frischgebackenen Abt oder Bischof vor den Ansprüchen der Nachfolger bewahren. Denken wir etwa 56 an den glücklosen Heinrich von Virneburg, der vom Papst zwar zum Erzbischof von Mainz ernannt worden war, aber gleichwohl über Jahre keine Chance hatte, sich vor Ort gegen Erzbischof Balduin von Trier durchzusetzen, der als vom Kapitel eingesetzter Administrator das Erzbistum verwaltete. Heinrich von Virneburg hat entsprechend sein Amt nicht in Besitz nehmen können und war weiterhin auf die Einkünfte aus seinen Stellen angewiesen. Der Papst versucht also nach Kräften, Konkurrenzsituationen zu vermeiden, die immer auch Schaden für das Ansehen des Heiligen Stuhls als Rechtsinstanz bedeuten müssen. Die Gnadenmittel werden deshalb grundsätzlich mit Umsicht und Besonnenheit angewandt, die stets die Lage eines während der Impetration nicht anwesenden Dritten berücksichtigt. Dies bestätigt nicht zuletzt die Kanzleiregel 33 über die Reservierung bestimmter Benefizien für ein Person: Item, si in litteris alicuius gratie fiat narratio de reservatione speciali facta ante vel post obitum vel alias sive de resignatione facta in manibus alicuius, etiamsi per procuratorem ad hoc specialiter constitutum, numquam littere tradantur ad bullam, nisi facta prius fide de reservatione sive de resignatione et potestate recipientis et mandato procuratoris resignantis, nisi alias domino vicecancellario de hiis constet, sed nihilominus in examine litterarum per signi appositionem in clausulis de hiis facientibus mentionem et etiam verbotenus in expeditione
55 Meyer (Anm. 36), Nr. 27. 56 Ein Abriß seiner wechselvollen Vita bei Gatz, Erwin, Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches, 1198–1448. Ein biographisches Lexikon, Berlin 2001, S. 408f.
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litterarum ipsarum reddatur attentus dominus vicecancellarius per assistentes eidem.57
Die Grundhaltung des Kanzleibeamten sei demnach Mißtrauen. Keine Urkunde über eine resignierte Stelle soll zur Bullierung kommen, deren narratio nicht zuvor geprüft worden ist – und diese Prüfung schließt die Untersuchung des Prokuratoriums mit ein. Und in jedem Fall soll der Vizekanzler durch Zeichen in der fertigen Urkunde noch einmal auf die heiklen Passagen hingewiesen werden. Generell wird man aus dem vorangegangenen schließen dürfen, dass die Kanzleiregeln nur einzelne Zweifelsfälle regelten. Grundsätzlich bestand aber die Anweisung, nur Unzweifelhaftes zur Bullierung zuzulassen. Die Kanzleiregeln stellen damit nur die Spitze des Eisbergs da. Unter der Wasseroberfläche existierte daneben offenbar ein ungeschriebenes Gesetz, dass die kurialen Beamten zu Vor- und Umsicht im Umgang mit der plenitudo potestatis anhalten sollte, deren Vermittlung an die christliche Öffentlichkeit ihnen in erheblich größerem Maße oblag als dem Pontifex selbst. Die Formulierung der Kanzleiregeln läßt erkennen, dass der Papst offenbar nicht immer ganz genau durchdrang, was man ihm da vorlegte. Des öfteren findet sich dort der Hinweis, dass ein Fiat des Papstes nicht zwangsläufig als solches zu verstehen ist, sondern von den Kanzleikräften des Papstes je nach Art der vorgelegten Bitte interpretiert werden konnte und mußte. Bei 256 registrierten Benefizialurkunden etwa allein im Mai 58 1327 will man dem greisen Pontifex das Verständnis für etwaige Konzentrationsschwächen nicht versagen. In der Anwendung das Reskriptsystems durch Johannes XXII. wird aber deutlich, dass missverständliche oder schlicht unangemessene Signaturen durch den Papst rechtliche Probleme generierten, die man mit großem Aufwand zu vermeiden suchte. Neben den zahlreichen Hinweisen darauf, dass man vor der Bullierung der Urkunde die Informationen im Reskript genauer Prüfung unterzog, wird deutlich, dass man im Zweifelsfall die Meinung des Papstes oder des Vizekanzlers mündlich einholte, bevor eigenmächtig über den Formelbestand und Wortlaut des Reskrips entschieden wurde. Dies erweist sich etwa beim Umgang mit der rechtlich ausgesprochen heiklen clausula anteferri, welche dem Petenten ermöglichte, unter bestimmten Umständen mit seiner Urkunde an älteren 57 Meyer (Anm. 36), Nr. 33; Ottenthal (Anm. 36), S. 7 Nr. 26. 58 Der Monat Mai des Jahres 1327 belegt in der Regestenedition von Mollat, Lettres de Jean XII, Bd. 6 die Seiten 519–543 und umfasst die Nummern 28568 bis 28816. Die Differenz zur obengenannten Zahl ergibt sich aus den hier aus thematischen Gründen nicht berücksichtigten Urkunden.
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Reskripten des selben Papstes vorbeizuziehen. Durch das päpstliche Fiat allein durfte die Kanzlei die Klausel nicht in die Urkunde übernehmen – und selbst wenn der Papst durch ein fiat, ut petitur, etiam cum clausula Anteferri scheinbar ausdrücklich die Anwendung der Formel gewährt hatte, mußte das Kanzleipersonal den Vizekanzler informieren, dieser beim Pontifex persönlich nachfragen: nihilominus nos assistentes ei reddamus super hoc attentum dominum vicecancellarium, quod talem gratiam numquam expediat sine expressa 59 conscientia domini nostri predicti per eum sibi verbotenus facienda.
Neben dem Formular und dem Expeditionsmodus zeigt auch die nachweisbare Vorsicht bei der Urkundenausfertigung dass man dem Abwesenden jederzeit Gerechtigkeit widerfahren lassen wollte und von der möglichen Einseitigkeit der Schilderung sehr wohl wußte. Nicht jede verwegene Pfründenhoffnung wurde und vor allem nicht ungesehen signiert.
V. Registerbefund Wie soeben gezeigt enthalten die Kanzleiregeln nur Hinweise auf zweifelhafte Fälle, die genauerer Klärung bedurften. Die alltägliche Praxis im Umgang mit den Pfründenwünschen der Christenheit läßt sich nun aber, nachdem die Expeditionsprinzipien der Kanzlei unter Johannes XXII. erkannt sind, leicht anhand des Registerbestands eruieren – es gilt nur, die entsprechenden Urkunden zu identifizieren. Die Suche gestaltet sich dabei selbst anhand der Regestenedition leichter als gedacht, auch wenn Guillaume Mollat bei der Einrichtung seines Regestenwerks die in den Urkunden enthaltenen Informationen radikal reduziert und dabei oftmals wichtiges eliminiert hat. Doch haben wir ein einfaches und zuverlässiges Kriterium für solche Urkunden gefunden, welche einen expliziten Prüfauftrag an die Exekutoren enthalten: Es handelt sich stets um solche, die in nur einer Ausfertigung an drei Exekutoren ausgestellt worden sind. Die Untersuchung des genauen Urkundeninhalts kann natürlich nur anhand der päpstlichen Register selbst stattfinden. Hier ist dann auch die Gegenprobe möglich, etwa ob bei den in zweifacher Ausfertigung ausgestellten Manuskripten der Vakanzgrund tatsächlich immer bekannt ist. Eine große Gruppe soll zumindest erwähnt sein, auch wenn sie sich in den Registern nicht befindet: Die Provision in forma pauperum, also 59 Meyer (Anm. 36), Nr. 24; Ottenthal (Anm. 36), S. 6 Nr. 20.
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für arme, d. h. nicht bepfründete Kleriker, erfolgte stets bedingt in einer Ausfertigung an den oder die Exekutoren, welche vor der Kollation die Inte60 grität des Petenten prüfen mußten. Ebenso werden bei allen Provisionsurkunden, die regulierte Kleriker betreffen, nur einfach ausgefertigte Reskripte verschickt, da auch hier die persönliche Eignung des Providierten zwingend 61 überprüft werden mußte. Doch zurück zu den ‘normalen’ Provisionsreskripten für Säkularkleriker, die keiner Überprüfung ihrer Lebensweise unterworfen waren. Natürlich konnten sich Kleriker aus allen Teilen der Christenheit auch um bereits vakante Stellen bewerben und sich unter Angabe des Grundes ein päpstliches Provisionsschreiben für genau diese eine Stelle besorgen. Voraussetzung war allein, dass der Inhaber der Stelle tot war bzw. vorhatte, die Stelle aufzugeben. Die Kollationssituation gleicht damit derjenigen von Benefizien aus päpstlicher Verfügungsgewalt, mit dem einzigen Unterschied, dass es bei einem normalen Todesfall noch Kollationsgegner aus den partes geben konnte, wo bei päpstlicher Kollation die Kollationsgewalt des Ordinarius aufgehoben war. So bemühte sich etwa der päpstliche Kaplan Thomas de Eugubio um ein Priorat in Nocera, das durch den Tod eines Lellus vakant 62 gewesen sein sollte. Offenbar konnte der Kuriale jedoch nicht beweisen, dass unser Lellus die Stelle wirklich und einwandfrei innegehabt hatte und auch sein Tod schien nicht vollkommen sicher zu sein. Die Narratio beschreibt die Vakanz folgendermaßen: Cum itaque sicut accepimus prioratus ecclesiae Nucerinensis per obitum quondam Lelli [...] qui nuper in partibus illis dies clausit extremum vacatur dicatur ad presens.
Im Unterschied zum oben gennanten Beispiel aus York findet sich hier statt noscatur die Formulierung dicatur, enthält also deutlich Unsicherheit.
60 Zur Provision in forma pauperum siehe Meyer, Andreas, Arme Kleriker auf Pfründensuche. Eine Studie über das in forma pauperum-Register Gregors XII. von 1407 und über päpstliche Anwartschaften im Spätmittelalter (Forschungen zur kirchlichen Rechtsgeschichte und zum Kirchenrecht 20), Köln et alii 1990, bes. 21ff.; Hitzbleck (Anm. 9), S. 184ff. Der von Geoffrey Barraclough edierte Traktat bezüglich der Einsetzung in ein Benefizium schildert, wie bereits erwähnt, den Exekutionsprozess zu einer Provision für arme Kleriker, siehe Barraclough, Modus et forma (Anm. 15). 61 Hitzbleck (Anm. 9), S. 181ff. 62 Mollat, Lettres de Jean XXII, Nr. 29754 (Reg. Vat. 85, ep. 39).
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Entsprechend ergeht der Auftrag an die Exekutoren, sich zunächst über die Sachlage zu informieren: si, quod de ipsius prioratus vacatione proponitur, veritate fulcitur et tempore date presentium non sit in eo alicui alteri specialiter ius quesitum, prioratum predictum sic vacantem [...] conferre curetis.
Genau wie bei solchen Benefizien, die wegen ‘Execrabilis’ frei waren, will hier der sichere Nachweis der Vakanz vor der Kollation erbracht werden. Zahlreiche Urkunden, in denen ein Petent sich um die Kollation einer praebenda certa, also einer bestimmten Stelle bemühte, wurden nur in einer Ausfertigung an die Exekutoren ausgestellt und deuten damit auf den Prüfauftrag hin. 63 Weiter oben wurden die Vergabe von Benefizien aus päpstlicher Kollation erwähnt, die in gewohnter Manier in zwei Ausfertigungen ohne Prüfauftrag erfolge. Dieses Bild gilt es zu differenzieren. Auch bei den Benefizien, deren Vergabe sich der Papst reserviert hatte, galt das Prinzip des nil nocere. Sowohl bei den apud sedem apostolicam – also etwa durch den Tod des Inhabers an der Kurie – freigewordenen, wie auch bei den Stellen in Italien, deren Vergabe sich der Papst reserviert hatte, musste der Beweis der Vakanz erbracht werden. Der Befund anhand der Register bestätigt alle bisher getroffenen Überlegungen. So soll der venezianische Kleriker Lucas Alberegno den plebenatus der Kirche SS. Simonis et Judae in Venedig bekommen, das zu einem nicht näher definierten Zeitpunkt innerhalb der zweijährigen Verlängerung der zweijährigen Generalreservation für die Benefizien im Patriarchat Grado durch den Tod des Lottus frei geworden 64 sein soll – ut dicatur. Eine interessante Gemengelage offenbart auch eine Urkunde für Bernardus de Fonte, einen Kleriker aus Cahors. Er soll Kanonikat und Präbende an St. Martin-des-Champs in der Diözese Paris übernehmen, das zuvor dem päpstlichen Kaplan Bernardus Botelha gehört haben soll. Der Blick ins Register enthüllt, dass man sich offenbar über den tatsächlichen Status des Bernardus Botelha nicht sicher war: Die Exekutoren, im 65 66 einzelnen der Dekan von Saintes, der Archidiakon von Lombez und
63 Siehe oben, S. 209f. 64 Mollat, Lettres de Jean XXII, Nr. 29755 (Reg. Vat. 85, ep. 77). 65 Es handelt sich um den päpstlichen Kaplan und professor legum Mag. Johannes de Arpadella, siehe etwa Mollat, Lettres de Jean XXII, Nr. 1911, 17391. 66 Es handelt sich um Arnaldus/Armandus Aurioli, der die Stelle bei der Erhebung der Kirche zur Kathedrale erhalten hatte, Mollat, Lettres de Jean XXII, Nr. 6414, 41346, 46107.
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der Praecentor von Paris , erhalten deshalb den Auftrag neben der Vakanz auch zu prüfen, ob Bernardus überhaupt zur Kurie gehört hat, die Stelle also überhaupt in die Kollation des Papstes fällt. Dieser Zweifel erhält in der Urkunde viel Raum, heißt es doch über die Stelle: canonicatus et praebenda [...] de quibus nullus praeter nos hac vice si dictus 68 Benedictus eiusdem sedis fuerit capellanus disponere potuit neque potest.
Man wird Johannes XXII. nicht vorwerfen können, dass er es sich zu leicht gemacht hätte. Eine letzte, ebenfalls recht prominent Gruppe von Urkunden bieten solche, bei denen eine Stelle zum zweiten Mal an einen Petenten übertragen wird, weil die Kollation beim ersten Mal auf Schwierigkeiten stiess. Der Widerstand vor Ort ist also manifest – und liess sich vor Ort auch nicht klären. Erwartungsgemäss wird das Reskript in nur einer Ausfertigung an die Exekutoren ausgestellt. Ein schönes Beispiel juristischer Spitzfindelei ist die neuerliche Provision des Heinrich von Jülich mit der Propstei von 69 Mariengraden in Köln. Der Papst hatte ihm die Stelle übertragen, weil der Besitzer, Robert von Virneburg, diese zu Unrecht innehatte, gebrach es ihm doch am nötigen kanonischen Alter. Offenbar hatte es danach Einspruch gegeben, welcher den Vakanzgrund der Stelle betraf: Bereits der Besitzer vor Robert sollte sich der Kumulation schuldig gemacht haben, die Stelle mithin aus anderem Grunde vakant und die Petition damit mindestens unzutreffend sein. Auch hier lässt der Papst die zweite Urkunde für Heinrich nur an die Exekutoren ausstellen, die nun aber den expliziten Auftrag erhalten, alle vorzuladen, die dies etwas angeht und die Propstei an Heinrich zu über70 tragen.
67 Eventuell der päpstliche Kaplan und Familiar, Nuntius und doctor legum Mag. Gerardus de Campimulo, er am 11. März 1326 zum Kantor in Paris ernannt wird, Mollat, Lettres de Jean XXII, Nr. 24633. Ein praecentor von Paris findet sich sonst nicht. 68 Reg. Vat. 85, ep. 77. 69 Urkunden und Regesten II (Anm. 38), S. 314f., Nr. 1863. 70 Cum autem, sicut oblata nobis eiusdem Henrici petitio continebat, ab aliquibus asseratur, quod quondam Walramus de Arnsberg, ultimus ante Ropertum prefatum eiusdem ecclesie S. Marie prepositus eandem preposituram cum certis aliis curatis beneficiis post et contra constitutionem, que incipit: Excirabilis (!) usque ad suum obitum de facto detinuit et sic prepositura ipsa non premisso modo, sed vigore concilii generalis et constitutionis nostre predicte vacabat, nos [...] mandamus, quatinus [...] vocatis dicto Roperto et aliis qiu fuering
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VI. Ein Sonderfall? Doch dies ist nicht alles. Das Reskriptwesen unter Johannes XXII. hält noch weitere Überraschungen bereit, die beweisen, dass dem Papst an einer bedachten Anwendung der päpstlichen Kollationsgewalt gelegen war. Ein 71 Fall aus dem Jahre 1317 enthüllt, dass unter bestimmten Umständen offenbar auch bei zweifach expediertem Reskript ein Prüfauftrag an die Exekutoren ausgestellt werden konnte. In diesem Falle hatte der päpst72 liche Thesaurar, Fulco de Popia, sich um eine Stelle bemüht, die durch den ordentlichen Kollator einem anderen verliehen worden war, der allerdings zu jung war. Der Vorwurf lautet auf Kollation auctoritate ordinaria trotz Altersdefekt, von dem der Kandidat allerdings nicht dispensiert worden war. Erstaunlicherweise hat der Papst die Provision trotzdem in zweifacher Ausfertigung ausgestellt und den Petenten direkt in die Stelle eingesetzt. Es muss also irgendein Beleg dafür erbracht worden sein, dass der Inhaber zu jung und damit ein intrusus gewesen ist, der aber einmal mehr nicht stichhaltig war. Denn es erging trotzdem das Mandat an den Exekutor, die genauen Umstände der Kollation zu eruieren: Quocirca discretione vestre [mandamus], quatinus vos vel duo aut unus vestrum per vos vel alium seu alios eundem Fulconem vel procuratorem suum eius nomine in corporalem possessionem archipresbytertus ac iurium et pertinentium predictorum veris existentibus supradictis inducatur! auctoritate nostra. 73
Das Recht des unmittelbar betroffenen Dritten bleibt also auch hier gewahrt. Die Kollation ist in der Form eigenartig, auch wegen der Formulierung
evocandi, predictam preposituram [...] prefato Henrico [...] conferre et assignare curetis. Urkunden und Regsten II (Anm. 38), S. 314f., Nr. 1863. 71 Mollat, Lettres de Jean XXII, Nr. 4178 (Reg. Vat. 66, ep. 3250). Eine genauere Beschreibung der Provision, die sich durch einen Zufall in einem Formelbuch der Kuriennotare erhalten hat, siehe Hitzbleck (Anm. 9), S. 178ff. 72 Mollat, Lettres de Jean XXII, Nr. 23810. 73 Siehe auch Mollat, Lettres de Jean XXII, Nr. 620 (Reg. Vat. 63, ep. 955). Die Stelle, um die es hier geht, war offenbar bereits vor der Krönung Johannes’ XXII. frei geworden. Die Vakanz war durch den Tod des Radulphus de Maleyo eingetreten, der capellanus perpetuus in der familia des Kardinals Michel de Bec-Crespin von S. Stefano al Monte Celio gewesen war. Die Stelle geht an Guillelmus Dufuillot, der ebenfalls zur familia des Kardinals gehört. Die Stelle wird in zwei Versionen, aber mit explizitem Prüfauftrag an die Exekutoren vergeben: [...] perpetua capellania [...], per mortem quondam Radulphi de Maleyo ipsius capelle perpetui capellani diceretur vacare et de iure alii non deberi. Deutlich erkennbar ist die Unsicherheit in der Schilderung.
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veris existentibus supradictis, die von den üblichen Formulierungen wie si ita se habet oder si ita est doch deutlich abweicht. Hier wäre es unabdingbar, weitere Forschungen zu genau diesem Urkundenformular und dem Expeditionsmodus anhand der päpstlichen Register anzustellen, um Auftreten und Kontext dieses Ausstellungsmodus abzuklären. Es wäre immerhin möglich, dass es diese Form der Urkundenexpedition nur in der Anfangszeit des Pontifikates gegeben hat und sie später durch die bekannten Expeditionsmodi abgelöst worden ist. Doch muss dies an dieser Stelle und bis auf weitere Studien Vermutung bleiben. Festzuhalten bleibt allerdings, dass der Papst bei jedem Anflug von Zweifel eine Untersuchung der Sachlage befahl. Und dass diesem Befehl Folge geleistet worden ist, zeigen die Überlieferten Urkunden aus dem Exekutionsprozess: Zwar konnte der Hauptexekutor den Prozess für Fulco de Popia beginnen, doch übertrug er die tatsächliche 74 Untersuchung des Falls an die Subexekutoren.
VII. Schluss Das Vorangegangene ist zweifellos auch ein Aufruf, die päpstlichen Provisionsreskripte in ihrem Wortlaut und Formelbestand ernstzunehmen. Jede Formulierung im Reskript hatte Konsequenzen für den Expeditions- und auch den Kollationsweg. Johannes XXII. war bewusst, dass er den Angaben der Petenten ausgeliefert war und dies mit seinem Anspruch als oberster Richter der Christenheit und Hort der Gerechtigkeit nicht vereinbar war. Der Gefahr, Abwesende zu schädigen, begegnet er durch einen sehr umsichtigen Umgang mit dem Formular und einem zudem sehr kritischen Umgang mit der plenitudo potestatis. Kein päpstliches Fiat verstand sich von selbst, die Kanzleiangestellten wurden sogar dazu angehalten, reflektiert mit der päpstlichen Signatur umzugehen und im Zweifel eher die engere als die weitere Auslegung zu wählen. Dazu zeigt das Bemühen, abwesende Warum genau man hier trotzdem diese Art der Ausstellung gewählt hat, bleibt jedoch letztlich unklar. 74 Hitzbleck (Anm. 9), S. 179. In dem in Fußnote 76 dargestellten Fall konnte der Exekutor die Unbedenklichkeit der Provision schon an der Kurie bestätigen, Hitzbleck (Anm. 9), S. 181. Beide Fälle wurden anhand des Handbuchs der Kuriennotare aufgespürt, dessen Inhalt sich mehrheitlich aus den ersten Pontifikatsjahren Johannes’ XXII. rekrutiert. Da Urkunden dieses Typs sich in der Regestenedition von Mollat nicht erkennen lassen, bleibt hier nur die Durchsicht der Originalregister.
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Dritte nicht zu schädigen, dass der Papst sich eben als Herr aller Christen verstand, die Gewährung eines päpstlichen Reskripts keine Vorzugsleistung oder Sonderbehandlung darstellte: Im Pontifikat Johannes’ XXII. ist der römischrechtliche Grundsatz des audiatur et altera pars bei der Kollation besetzter Stellen von allergrösster Bedeutung. Trotz der immensen Mengen von Urkunden, die im Pontifikat Johannes’ XXII. die Kurie verlassen haben, zeigt sich, dass in dem Moment, wo Dritte involviert waren, eine Prüfung an der Kurie oder vor Ort zwangsläufig erfolgte. Was bereits in Avignon bewiesen werden konnte, etwa die Vakanz durch Tod eines päpstlichen Kaplans, mündete in eine direkte Kollation der Stelle. In jeder anderen Situation wurde die Prüfung vor Ort befohlen, bisweilen sogar explizit unter Vorladung der Gegenseite. Und selbst im Falle der Expektanzen war der Einspruch vor Ort jederzeit möglich, auch wenn aus pragmatischen Gründen eine vorgängige Prüfung regelmässig entfiel. Wie indifferent war Johannes XXII. also bei der Signatur von Pfründenanfragen? Oder anders: Welche Rolle spielte die Gerechtigkeit bei der Behandlung dieser Anfragen? Man hat Johannes XXII. gerne für die Vermassung des Benefizialwesens, für die Exzesse der Schismazeit, gar das Ausbrechen der Reformation verantwortlich gemacht. Es stellt sich die Frage, ob diese Einschätzung nach Ausweis seiner Anwendung der päpstlichen Kollationsgewalt haltbar ist. Es ist unzweifelhaft, dass er eine schier unüberschaubare Menge an Provisionsreskripten hat ausfertigen lassen, einer schier unüberschaubaren Menge an Provisionswünschen entsprochen hat. Die Kanzleiregeln zur Zeit Johannes’ XXII. zeigen sich in ihrer Klarheit aber eher dem Wunsch verpflichtet, die schlimmsten Auswüchse zu bekämpfen, was durch die tatsächlich ausgefertigten Urkunden bestätigt wird. Dieser Papst war wirklich für alle da, für die Petenten und ihre berechtigten Eingaben, wie für deren Gegner und ihre berechtigten Einsprüche. Wie beklagenswert die Entwicklung des päpstlichen Benefizialwesens in der Folge auch immer gewesen ist, Johannes XXII. wird man kaum dafür verantwortlich machen können. Er mag in seiner Politik Ludwig dem Bayern und anderen Potentaten gegenüber nicht immer geschickt gewesen sein, und im Umgang mit missliebigen Prälaten zumal im Reich bisweilen vor allem als Politiker gehandelt haben. Aber in sofern es das Tagesgeschäft des Benefizialwesens angeht, kann man ihm nicht vorwerfen, absichtlich auf Kosten der Ordinarien agiert zu haben. Das Benefizialwesen war bereits in der Welt – wenn bis zu seinem Pontifikat auch noch nicht in den Akten
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Kerstin Hitzbleck
– und er hat sich durchaus bemüht, Missstände abzuschaffen, wie etwa die Pfründenkumulation. Einen weiteren Punkt der Kritik mag der eine oder andere in den Exekutoren gefunden haben. Ihm sei an dieser Stelle kurz begegnet. Die Exekutoren haben die Aufgabe, den Petenten in ihre Stelle einzusetzen und möglichem Einspruch mit einer Untersuchung zu begegnen. Soweit so gerecht. Doch mögen sie auch päpstliche delegierte Richter sein – sie werden doch 75 durch den Petenten gewählt. In einigen der oben vorgestellten Urkunden war dies sehr deutlich zu erkennen, wenn etwa alle Exekutoren Angehörige der päpstlichen Kurie und auch hinsichtlich ihrer Benefizienorte nicht im Umfeld der betroffenen Benefizien zu finden waren. Wo bleibt die richterliche Unabhängigkeit, wenn eine Partei die Richter selbst und aus ihrem Umfeld wählen darf? Zunächst wird man einfach feststellen müssen, dass die Rolle der Exekutoren im Allgemeinen, wo alles gutging, die Richterfunktion gar nicht erforderte. In den meisten Fällen beschränkte sich der Einsatz des Exekutors 76 auf die Eröffnung des Initialprozesses, während alle weiteren Handlungen an Subexekutoren vor Ort delegiert wurden. In diesen Fällen war eine Beziehung zwischen Exekutor und Petent vollkommen irrelevant, da die Rolle des Richters sich im Prozessualen erschöpfte. Dazu kommt aber noch ein weiteres: Auch der Exekutor war an sein Mandat gebunden, das er zu erfüllen hatte. Und dieses Mandat sah eben auch vor, im Zweifelsfalle die Sachlage zu untersuchen und die Einreden der Gegenseite anzuhören. Natürlich konnte er entscheiden, den Petenten ohne weitere Untersuchung in die Stelle einzusetzen und damit seinen Auftrag als erfüllt anzusehen. Nur stand in diesem Falle der Gegenseite immer die Möglichkeit zur Verfügung, sich selbst an die Kurie zu wenden und gegen das Vorgehen des Delegierten zu klagen. Mit anderen Worten: Der Petent hatte keinen Vorteil daraus, wenn der Exekutor seinen Auftrag nicht korrekt erfüllte. Und zu guter Letzt gilt auch: Der Exekutor mochte den Petenten ja in das ius in re einsetzen können, vielleicht sogar in die corporalis possessio der Stelle. Wenn die Gegenseite mit der Kollation nicht einverstanden war, standen ihr verschiedenste Möglichkeiten offen, gegen die Kollation vorzugehen. Und die zum Teil jahrelang verschleppten Kollationsprozesse
75 Hitzbleck (Anm. 9), S. 285ff. 76 Ibid., S. 193ff.
Besetzt! – Zum Umgang mit unrechtmäßigem Benefizienbesitz
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künden deutlich von den Problemen, die nach der aufwendigen Impetration der Urkunde an der Kurie überhaupt erst begannen. Johannes XXII. konnte nicht vor Ort persönlich die Umsetzung seiner Urkunden überwachen. Stattdessen überließ er es den Betroffenen, vor dem Hintergrund der päpstlichen plenitudo potestatis, die niemanden in seinen Rechten schädigen soll, einen gerechten Umgang mit den Reskripten zu finden. Dabei bietet sich der Papst als Höchstinstanz und Ansprechpartner für alle an, steht ohne Ansehen jedem zur Verfügung. Nur kommen müssen die Betroffenen schon selbst.
Johannes XXII. und sein Palast in Avignon Gottfried Kerscher (Trier)
De palatio enim episcoporum Avenionensium a Iohanne ampliato fere nihil certo statui potest (Franziskus Ehrle, 1890)
Der Bauherr des ersten Papstpalastes in Avignon war Johannes XXII. Er ließ den Bischofspalast für die neuen Erfordernisse aus- und umbauen. Seine Leistung für die Entwicklung der Palastarchitektur ist nicht unbeträchtlich, kann jedoch angesichts der wenigen erhaltenen Gebäude, die wiederum den späteren Überformungen teilweise oder vollständig zum Opfer fielen, nur ansatzweise dargestellt und belegt werden. Über diese 1 Aussage, die jener oben von Franziskus Ehrle zu entsprechen scheint, wird in diesem Beitrag insofern hinausgegangen, als erhaltene Baurechnungen, Dokumente und Elemente des Palastes einer Interpretation unterzogen werden, die erstens Nutzungsfragen in den Vordergrund rücken und zweitens entsprechende oder analoge spätere Änderungen in anderen Pontifikaten zum Vergleich heranzieht. Man wird also über die Aussage von Franziskus Ehrle hinauskommen.
1 Ehrle, Franziskus, Historia Bibliothecae Romanorum Pontificium tum Bonifatione tum Avenionis enarrata et antiquis earum indicibus aliisque documentis illustrata I, Romae 1890, S. 598.
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Gottfried Kerscher
1. Eine erste Skizze geben uns die Quellen2 Zunächst wurde unter Johannes XXII. durch ständige Akquisition von Häusern in der Umgebung des ehemaligen Bischofspalastes eine Situation geschaffen, die der des späteren Papstpalastes nicht unähnlich war. War der jeweils neue Palastflügel noch Baustelle, entstand vorübergehend eine Situation, die jener auf Reisen ähnlich war. Sie war gekennzeichnet durch Improvisation auf der einen Seite und auf der anderen durch den Versuch, eine der Hofordnung adäquate Situation zu schaffen. Erst im Lauf der Zeit wurde die Nutzung der Räume ‘stabil’, und zwar insofern, als die Nutzung durch das päpstliche Zeremoniell vorgegeben und im Palast integriert war. Johannes XXII. unternahm hierbei die ersten Schritte. Um diese evaluieren zu können, um beurteilen zu können, ob Johannes’ Aktionen modern oder traditionell waren, sei hier eine Bewertung auch der späteren Veränderungen des Palastes kurz andiskutiert. So brachte man das Schatzamt, als die entsprechenden Räume im Papstturm noch nicht zur Verfügung standen, zunächst in der Stadt unter, es wurde eigens dafür ein Haus erworben. Auch in anderen Fällen mietete man Häuser an. Dasselbe ist für andere Bedienstete überliefert, so auch für den päpstlichen Baumeister Petrus Piscis und viele Mitglieder der Garde, der servientes armorum. Diese Situation sollte sich nach den ersten Amtsjahren Johannes’ ändern. Der Bischofspalast wurde zu klein, um der ständig anwachsenden Administration der Kurie Platz bieten zu können. In praktisch allen Pontifikaten, auch der Nachfolger von Johannes, sind Erwerbungen umliegender Häuser und Grundstücke überliefert, was letztlich dem stetigen Anwachsen auch des Palastes entsprach. Die Inhaber der verschiedenen Ämter konnten sich je nach ihrer Stellung und ihrer Bedeutung in mehr oder weniger großer Entfernung von Papst und Papstpalast befinden. Im Palast blieben nur diejenigen, die täglich oder wöchentlich mehrmals mit dem Papst zu tun hatten, ihn – und die Kurie – bedienten oder berieten, und natürlich die familiares. In der den Papstpalast umgebenden Stadt wurden diejenigen Ämter angesiedelt bzw. Amtsinhaber untergebracht, die nicht 2 Dieser Aufsatz ist eine erweiterte und auf den Anlass, der Evaluierung der Bautätigkeit Johannes XXII. abgestimmte Zusammenfassung nach Kerscher, Gottfried, Architektur und Repräsentation. Spätmittelalterliche Palastbaukunst zwischen Pracht und zeremoniellen Voraussetzungen. Avignon – Mallorca – Kirchenstaat, Tübingen 2000, S. 69–98. Dort auch die minutiöse Angabe der Quellen, die hier nochmals zu publizieren unsinnig erscheint.
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direkt mit dem Papst(tum) zu tun hatten oder von anderen als vom Papst direkt verwaltet und organisiert wurden – so zum Beispiel das Almosenamt, das erst am Ende des Pontifikats einen Neubau in der Umgebung der päpstlichen Gemächer erhielt. Hierfür bildete man einen speziellen Ausschuss unter Beteiligung der Kurialen und der Stadtverwaltung.
II. Vergleich mit früheren Situationen Früher verfolgte man dieses Prinzip auch in denjenigen Städten, in denen man bereits im 13. Jahrhundert residierte, später war dasselbe in Rom, Montefiascone, Viterbo und Perugia (dort zu Zeiten Gregors XI.) der Fall. Meist wohnten die Kurialen – und soweit Platz war – auch deren Beamte, im Papst- bzw. Bischofspalast, wo ihnen Wohnungen zugewiesen wurden, die sie zu bezahlen hatten. Zunächst lebte nur die Dienerschaft außerhalb des Palastbereiches, später, mit zahlenmäßiger Zunahme der Hofgesellschaft immer mehr Personen. Es ist evident, dass sich der Papst durch diese Auflagen (Wohnungszuteilung usw.) die Gestaltung seiner Umgebung vorbehalten konnte. So vermochte er zu bestimmen, wer in seiner Umgebung – auch in der unmittelbaren Nähe bzw. innerhalb des Palastes – residieren und leben durfte. 3 Und dass die Päpste mit diesen Möglichkeiten Prestigechancen zu vergeben hatten, belegt eine Bulle, die Gregor XI. 1375 vor seiner Rückreise nach Rom erließ: Ähnlich wie in den obengenannten Fällen in Avignon wurden alle vorherigen Wohnungsbelegungen in den Städten Rom, Viterbo, Montefiascone und Perugia auf das strengste untersagt. Daraufhin konnte die Wohnungsverteilung in Rom neu festgelegt und der Bezug der Dienstwohnungen streng überwacht werden. Hätten sich die Kurialen und die sonstigen Wohnungsbesitzer durchgesetzt und nicht Gregor die Wohnungsbelegung selbst organisiert, so wäre es den Kurialen und Adeligen kraft ihres Kapitals oder anderer Beziehungen möglich gewesen, sich in unmittelbarer Umgebung des Papstes niederzulassen. Nun bestimmte und steuerte jedoch der Papst, wer sich ihm wie weit annähern und in seiner unmittelbaren Nähe logieren durfte. Im Hinblick auf die spätere Entwicklung des päpstlichen Hofes ist bereits für diese Zeit zu vermuten, dass damit eine erste Regulierung der Prestigechancen durch den Potentaten vorgenommen wurde. 3 Siehe dazu Elias, Norbert, Die höfische Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1983, S. 10–28, 63f., 66, 320–324 und passim.
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Gottfried Kerscher
Analog können aus den Strukturen des Papstpalastes in Avignon und dessen interner Gestaltung – Größe, Funktionalität, Innendisposition, Wohn- und Wirkungsbereiche usw. – Möglichkeiten für den Papst abgeleitet werden, Einfluss, Würde und Macht seiner selbst und der Kurialen zu steuern bzw. topographisch zu belegen. Die Bedingungen des Zusammenlebens der Kurie gestatteten es, konkrete Bauaufgaben so zu variieren, dass aktuellen Bedürfnissen Rechnung getragen werden konnte. Die Päpste regulierten und strukturierten den Hof durch ihre Bautätigkeit. Wir können aus diesen Entwicklungen zweierlei deduzieren: In der Zeit, in der man nicht in einem Palast an einem festen Ort wohnte, wurde die Wohnungsbelegung durch Papst und Kurie in den vorliegenden Gebäuden nach einem bestimmten Muster organisiert und geordnet. Als man dann an einem festen Ort blieb, wurden keine alten Gebäude mehr übernommen (Rom, Montefiascone, Viterbo), sondern neu gebaut. Es wird zu zeigen sein, dass beide Aspekte in eine ähnliche Richtung weisen, denn das improvisierte Leben am Hof musste, wie auch das geregelte, stets den organisatorischen Erfordernissen genügen. Die organisierte Wohnungsbelegung wurde zur Basis der neuen Bauaufgabe Palast, das Prinzip des Wohnens wurde auf die Architektur übertragen. Wie man außerhalb fester Residenzen provisorisch Wohnungen und ‘Amtslokale’ organisierte, so konnte man nun, in Avignon, erstmals seit langer Zeit ex novo einen Palast errichten der den neuen Aufgaben dieses Domizils entsprach. Das Organisationsprinzip des Wohnens wurde auf das Organisationsprinzip des Palastes übertragen. Der erhaltene Bischofspalast, den Johannes als Bischof von Avignon bewohnte, musste daher erweitert und mit neuen Räumlichkeiten ausgestattet werden. Leider wurden – soweit bekannt – in keiner Grabung, Bauuntersuchung oder fachspezifischer Auswertung optischer und baulicher Befunde die Aussagen der Forschung verifiziert. D. h., keiner der Versuche, mittels zeichnerischer Ergänzung der Grundrisse des späteren Palastes oder separater Grundrisse, ein Bild des Palastes zu rekonstruieren, kann als gesichert gelten. Eine genaue Rekonstruktionszeichnung ist daher auch hier nicht zu 4 erwarten. (Abb. 2 und 3) Johannes XXII. amtierte ab 1316 und ließ sich mit der Kurie schon kurz nach seiner Wahl in Avignon, seinem ehemaligen Bischofssitz, nieder. Neben dem dortigen Palast waren ihm noch die Gebäude in Pont de Sorgues (Pont du Sorgues, Pons So[r]gie) und Châteauneuf-du-Pape (Château Neuf 4 Weitere Abbildungen von baulichen Resten sowie eine schematische Rekonstruktion der Bauphasen ist in Kerscher (Anm. 2), Abb. 6–28 und S. 72f. wiedergegeben.
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Calcernier du pape bzw. Castrum Novum Calcernerii) wichtig. Die heute zerstörten Bauwerke lassen, nach den erhaltenen Abbildungen zu schließen, keine einheitliche Gebäudestruktur erkennen. Schien die Organisation des Palastes in Châteauneuf-du-Pape durch das Gelände geprägt und erwecken die uneinheitlichen Baukörper auf dem hohen, schmalen Felsen den Anschein einer vorwiegend fortifikatorischen Nutzung, so ist die an der Sorgue gelegene Sommerresidenz ein einheitlicher Baukörper, akzentuiert mit vier Ecktürmen und einem etwas größeren Turm über dem Eingang und in der Mitte der Hauptfassade. Wir kennen diesen Typus auch aus Spanien, wo er in Kastilien und Aragon seit dem 13. Jahrhundert bekannt ist, sowie aus Südfrankreich. Signifikant ist allerdings der kegelförmige Kamin, der in Pont de Sorgues und in Avignon auftaucht. Die Bautätigkeit Johannes’ XXII. war in erster Linie bestimmt durch die Instandhaltung und Erweiterung des bischöflichen Palastes und der zugehörigen bzw. in der Nähe bestehenden Gebäude. Noch in Lyon wies Johannes XXII. Wilhelm von Granholis (Guillelmo de G.) an, die Gebäude in Avignon für die Ankunft des Papstes einzurichten, wofür dieser wenig später entlohnt wurde. Die Bauunternehmungen des neugewählten Papstes waren in Avignon umfangreicher als in den benachbarten Orten. Verändert wurden nicht nur die Kathedrale und andere Kirchen (Stiftungen, Umbauten usw.), sondern der gesamte Bezirk um den Bischofspalast. In den darauffolgenden Monaten wurde Wilhelm von Cucurono (Guilelmum/ Guillaume de Coucouron) für die Arbeiten zur Vergrößerung des päpstlichen Palastes verpflichtet; er wird seit 1317 unter den Familiaren des Papstes geführt und als solcher entlohnt. Ende 1316 scheint der Papst die neu instandgesetzten Gebäude bezogen zu haben; genannt wurden das Almosenamt, das nun zu den wichtigen Neubauten gehörte (siehe oben), und die Präpositur sowie die Wohnkomplexe bzw. der Palast des Bischofs. Die Gebäude reichten auf der Nordseite von der sogenannten prima porta bis zum Chor der Stephanuskirche und rückwärtig zu einem nach dem TrouillasTurm (trulhatio) genannten Eingang. Johannes’ Neffe, damals Bischof von Avignon, wurde zum Kardinal promoviert und in der prepositura untergebracht. Nach dem Tode des Neffen (1317) ernannte man zunächst keinen neuen Bischof. Der Papst reservierte für sich das Bistum und ließ es verwalten. So konnte der Papst Zugriff auf das Kirchenensemble in Avignon – Basilika Sainte-Marie, Gemeindekirche St. Étienne (Stephanuskirche), Glockenturm, Baptisterium St. Johannes, Friedhof und Bischofspalast – erhalten. Neben dem Bischofspalast bewohnte er mit der Kurie zunächst die Häuser des Präfekten, des Sakristans, des Dekans – die
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zuletzt genannten Bauten wurden bis zu diesem Zeitpunkt vom Kapitel der Kathedrale genutzt – und schließlich das ‘Almosenhaus’, das nahe des Bischofspalastes lag.
III. Zweite Bauphase Über die Ausdehnung der Gebäude auf dem Areal des späteren Papstpalastes konnten bisher lediglich Vermutungen ausgesprochen werden. Gewiss ist, dass sich dieser Bezirk südlich der Kathedrale auf dem ‘Rocher des Doms’ befunden hatte. Dort erstreckten sich die Pfarrkirche St. Étienne (s. Stephanus) mit dem bereits 1329 oder 1339 zerstörten Glockenturm, die Gebäude der Kanoniker mit der Präpositur, der Bischofspalast, audientia und schola theologie (Theologieschule). Zwischen Bischofspalast bzw. s. Stephanus und Kathedrale befanden sich der Friedhof und die Taufkapelle s. Iohannis. Der Friedhof lag vermutlich westlich des Trouillas-Turmes. 1318 wurde die Taufkirche in den Kathedralbezirk eingeschlossen; Johannes und sein Nepot Jakob von Oza wollten dort beigesetzt werden. Am 17. Juni 1336 wurde sie per Dekret in den Palastbereich einbezogen. Auf der einen Seite, abgewandt vom Bischofspalast, verlief eine Straße. Neben ihr, in der Sakristei, wohnten die Dekane. Dies und die vermutete Lage der prima porta im Westen ließen auf eine ungefähre Ausdehnung der einzelnen Gebäude des ersten Papstpalastes, ähnlich derjenigen des späteren Palastes Benedikts im Westen schließen. Die Stephanuskirche wurde als Palastkapelle benutzt und zu zwei übereinanderliegenden Palastkapellen, eine capella inferior und eine capella superior, umgebaut. In nahegelegenen Gebäuden, die vermutlich bereits vorher bestanden und westlich oder südlich an den Trouillas-Turm angeschlossen hatten, wurde – wohl über der Kapelle – einer der Neffen Johannes’ einquartiert; dort, im hospitium (de) Trulhatii, befand sich auch der Geheimkämmerer des Papstes, und dort wurde das Holz für die Kamine der päpstlichen Wohnräume gelagert und bewacht; das Gebäude verfügte über eine eigene Brücke, die wahrscheinlich die Verbindung zu einem der umliegenden Gebäude, wohl dem Trouillas-Turm, herstellte. Die Ansätze der Stützen, die die in den Quellen erwähnten Übergänge absicherten, sind noch heute im schmalen Durchgang zwischen Trouillas-Turm und Kapelle zu sehen. Eine andere ‘Gelenkstelle’ von Trouillasbereich und Kapellen-Vorplatz (Ankleideraum, Sakristei) ist ebenfalls erhalten. Es handelt sich um ein vermauertes Portal. Es befindet sich südöstlich der Südmauer der Kapelle
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am Ostende des Vorraumes (Ankleideraum, Sakristei) bzw. an der rechten Seite des heutigen Ganges von diesem Punkt aus in den Trouillas-Trakt. Es ist möglich, dass das Portal den Durchgang von den Räumlichkeiten der Papstnepoten zur Vorhalle der Kapelle bildete. In der unmittelbaren Umgebung des Trouillas-Turmes im Norden oder Nordosten der Anlage befanden sich noch mehrere Gebäude oder eine Unterkunft mit mehreren Räumen, die ihren Namen ebenfalls durch den benachbarten Turm erhielten. Weiter nach Westen erstreckte sich die Stephanuskirche/-kapelle, die am 13. Dezember 1317 als große Palastkapelle mit Marienpatrozinium in den Palastbereich integriert wurde. Dieser folgten – wohl auch westlich oder nach Südwest – die Gebäude des Bischofspalastes. Die Stephanuskapelle, die auch capella camera domini nostri genannt wurde, obwohl es eine capella parva oder secreta des Papstes gab, war mit einem azurblauen Gewölbe mit goldenen Sternen ausgestattet. Die Farben hierfür wurden eigens aus Montpellier herangeschafft. Des weiteren war die Kapelle mit Mosaiken oder opus Alexandrinum bzw. opus sectile gestaltet, und es gab einen ebenso ornamentierten – wohl aus Stein gefertigten – Papstthron, der erst ein Jahrzehnt später durch einen Holzthron ersetzt wurde. Allem Anschein nach war es die Oberkapelle, die in erster Linie als Palastkapelle genutzt wurde. Zu ihr führten Korridore und Brücken sowohl vom Gäste- bzw. Kurialentrakt, als auch von der camera pape aus. Ob unter Sanctum Carsanum de s. Stefano ein Altar oder die Unterkapelle gemeint ist, bleibt ungewiss. Die Unterkapelle spielte wie üblich eine minder wichtige Rolle, in den Dokumenten wird sie kaum genannt. Die Oberkapelle hingegen besaß eine eigene Terrasse und war auch von einer gedeckten Außentreppe erreichbar, wie wir sie erst viel später in Avignon und um 1350/60 in Spoleto (‘Rocca’ des Papstes) erhalten haben. Die avignonesische Treppe führte vor den Eingang der Kapelle, in dessen Umgebung auch die Terrasse lag. Aus den Dokumenten wird ersichtlich, dass es sich bei der Terrasse mit zugehörigem Korridor um eines der wichtigsten neuen architektonischen Motive des Palastes handelt, wie sie später immer wieder erwähnt werden. Neben s. Stephanus stand ein Turm, vielleicht ein Glockenturm. Es bestand mithin eine direkte Verbindung von der Stephanuskapelle zur camera pape. Wie diese genau gestaltet war, wird aus den Dokumenten nicht deutlich. Jedenfalls handelte es sich um einen gedeckten Korridor. Er diente dem Papst und seinen Klerikern als separater Zugang zur Palastkapelle, wie das auch das Zeremoniell vorsah. (Abb. 4 und 5) Ein im späten 18. Jahrhundert angefertigter Grundriss des Papstpalastes von Pampany zeigt in der Südwand des Kapellenuntergeschosses einen Knick, der möglicherweise einen Hinweis darauf erlaubt, dass die Länge
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der ehemaligen Gemeindekirche ungefähr die Hälfte bis zwei Drittel dessen betrug, was die spätere Oberkapelle an Längenerstreckung aufwies (38 m). Das Entscheidende ist aber nicht alleine die Größe der Kapelle, sondern die vermutliche Lage des Bischofspalastes, der von der Forschung östlich oder südlich in zum Teil relativ weiter Entfernung von s. Stephanus angenommen wurde. Das ist unzutreffend. (Abb. 6 und 7) Tatsächlich befand sich der Bischofs- und spätere Papstpalast an der nordwestlichen Ecke der Anlage, denn er war mit drei Gebäuden durch Brücken und Übergänge verbunden: mit der Kathedrale, bzw. ihrem Glockenturm, mit s. Stephanus und mit dem Konsistorium. Die Privatkapelle des Papstes wurde nämlich 1319 im Glockenturm der Kathedrale eingerichtet und zehn Jahre später mit Sicherheitsvorkehrungen ausgestattet. Es bestand eine Verbindung mittels Brücke zum Palast, die auf verschiedenen Gemälden und Druckgraphiken noch zu erkennen ist. Der Gang führte vom 2. oder 3. Obergeschoss des Turmes in der Kathedrale in die spätere Tour de la Campane. An dieser Stelle ist ein kleines Portal erhalten, das über Treppen im Turm erreichbar ist, die innerhalb der Mauern verlaufen und noch gut erhalten sind. Vermutlich war dieser Turm schon ein Element des Bischofspalastes, der sich, einigen Befunden nach zu urteilen (Fundamente, Steingrößen, Fenstergrößen, Verarbeitung usw.), im Westen befunden haben dürfte (vermutlich 2. Hälfte 13. Jahrhundert). 5 Eine gegenüber der Auffassung von Leopold Duhamel abweichende Situierung des Bischofspalastes südwestlich und nicht südöstlich der Kathedrale, mithin westlich, nicht östlich von s. Stephanus wird – neben den 6 ausgewerteten Quellen – durch Joseph Girards Ausführungen gestützt, die jedoch noch zu präzisieren sind: „Bei dem Bischofspalast handelt es sich um eine Vierseitanlage um einen Garten (pratum episcopi), der später platea palatii werden sollte. Offene obergeschossige Galerien waren durch Tafelbilder (tabulae pictae) dekoriert. An Festtagen predigte von hier aus der Papst der Menschenmenge. S. Stephanus und östlich die Tour de Campane, bildeten im Norden den Abschluss des Bischofspalastes. Die Tour de Campane enthielt die Glocke des Bischofs. Dort konnte ein städtischer Aufseher nachts vor Feuer und anderen Gefahren warnen. Der Bischofspalast besaß camera pape, camera paramenti, studium, tinellum magnum, consistorium, letzteres im Ostflügel, wo Benedikts Konsistorium (später, um 1330) errichtet wurde. Der Bischofspalast hatte das Aussehen einer 5 Duhamel, Leopold, Les origines du Palais des Papes, in: Congrès Archéologique de France 49.1882 (1883), S. 185–258, bes. 188–223. 6 Girard, Joseph, Évocation du Vieil Avignon, Paris 1958, S. 29 und (Zitat) S. 96.
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Festung, flankiert von Türmen und gekrönt von Zinnen.“ Diese Ausführungen können leicht so missverstanden werden, dass der pratum episcopi mehr oder weniger identisch war mit der späteren platea palatii. Das ist aber nicht belegt, und erstens wusste auch Girard, dass der Bischofspalast keine von Gebäudeflügeln umschlossene Anlage war, zweitens wissen wir aus den Quellen, dass an den Garten andere Grundstücke angrenzten. Wir müssen daher von einer heterogenen Gebäudemasse ausgehen. Darüber hinaus ist dies durch weitere Befunde am Bau zu erhärten. In der nordöstlichen Ecke des späteren Papstpalastes (Palastkapelle) sind eindeutig Mauerzüge aus vorbenediktinischer Zeit erhalten und gut sichtbar. Die dortigen Reste einer Außenmauer aus der Zeit Johannes’ XXII. weisen ein anderes Steinformat und eine andere Versetzungstechnik auf als die Wände der Umgebung, die aus der Zeit Benedikts XII. stammen. Nach Süden, also zum pratum episcopi hin, führt ein Portal und ist lediglich ein kleines Fenster zu sehen. Im Osten ist nur ein später vermauertes Fenster erhalten, das in der Mitte der 9 m breiten Kapellen-Ostwand liegt. Diese Fenster und Türen müssen aufgrund ihrer Größe, Anordnung, Lage und Profilierung in spätere Zeit datiert werden, als der Teil, der die untere Palastkapelle enthielt; sie datieren also nicht mehr in die Zeit, als Johannes XXII. Bischof war, sondern als er bereits zum Papst gewählt worden war oder sogar in die Zeit von Benedikt XII. Andere Veränderungen der steinsichtigen Südwand haben aber augenscheinlich nicht bestanden. Hätte es sich hier um den Bischofspalast gehandelt, so wären mehr Mauerdurchbrüche (Fenster, Lüftungen, Türen, Balkon) nach Osten und Süden auszumachen oder es wären davon Spuren erkennbar. Der ehemalige westliche Wandabschluss der Stephanuskapelle, der in manchen Grundrissen eingezeichnet ist, könnte eventuell sogar der ehemaligen Westwand der Stephanuskapelle entsprochen haben. An dieser Stelle ist auch eine Baunaht zu sehen, die möglicherweise den Anschluss von der früheren Stephanuskapelle zur späteren Palastkapelle darstellt.
IV. Einordnung, Innovationen Mithin ist für den ehemaligen Bischofspalast von einem donjonähnlichen Bau mit Turm – wie das auch die Quellen besagen – auszugehen, der westlich der ehemaligen Gemeindekirche lag. Er war mit den umliegenden Gebäuden – Kathedrale, Konsistorium, spätere Palastkapelle – mit Gängen oder Brücken verbunden, so dass der Papst bei Bedarf immer sogleich diese
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Räume aufsuchen konnte, ohne umständlich seinen Palast verlassen zu müssen. Im anderen Fall würde sich ein Fußweg in seine Privatkapelle so darstellen: Treppen hinunter, denn seine Gemächer lagen in den Obergeschossen, hinaus, entlang der Gemeindekirche bis zum Glockenturm der Kathedrale, in diese hinein, dann hinauf in seine Kapelle. Das kann kaum angenommen werden. Man könnte sogar so weit gehen und aus der Existenz einer Privatkapelle im Turm der Kathedrale schließen, dass sich der Palast des Bischofs und später des Papstes deswegen im Westen befunden haben muss. Nebenbei gesagt dürfte sich die prima porta des Palastes, von der in Zusammenhang mit der Nähe des Bischofspalastes mehrfach die Rede ist, auch im Westen befunden haben. Sicher nicht im Osten, wo das Gelände steil abfällt und für einen Palast dieser Größe kein Platz ist. Es ist anzufügen, dass das dritte bis vierte Geschoß des etwa 20–30 m tiefer ansetzenden Tour de Trouillas ungefähr auf dem Niveau des pratum episcopi liegt. Angrenzend an die Wiese befand sich ein Grundstück der Gebrüder Toro, das auf der anderen Seite an den Garten der Präpositur stieß. Daraus folgt unzweifelhaft, dass sich zwischen dem Bischofspalast und der östlich liegenden Präpositur die besagten Gärten befanden, aus denen später, unter Einbeziehung des erworbenen Grundstückes, die platea palatii werden sollte. Ein letzter Beleg für den Standort des ehemaligen Bischofspalastes im Westen ist die Aussage, dass die Präpositur, von der wir wissen, dass sie sich im Osten befand, neben (juxta) der Stephanuskapelle lag. Wegen des abschüssigen Geländes im Osten auf der Höhe der Kathedrale, der angrenzenden Lage der Präpositur und schließlich den Dokumenten, die von einem Nebeneinander von Kapelle und Palast sprechen, ist die Situierung des Bischofspalastes im Westen, seitlich des Kapellenturmes der Kathedrale, gesichert. Die Organisation des ehemaligen Bischofspalastes als Turm/Donjon verbindet sich mit weiteren Hinweisen in den Dokumenten, etwa, dass die päpstlichen Gemächer dort auf verschiedenen Stockwerken und zumeist über allen anderen lagen und sich überhaupt in einem Turm oder Donjon befanden, dessen Höhe der späteren Einrichtung von Räumen dienen konnte. Neben diesem bestand ein weiterer Turm, in dem vermutlich der thesaurarius (Schatzmeister) untergebracht war. Demnach habe am späteren Ort der Tour de Campane bereits im 13. Jahrhundert ein Turm des Bischofspalastes bestanden. Einige Beobachtungen sprechen allerdings für die Identität dieses Turmes mit dem Bischofspalast. Es sind zunächst die kleinen, schmalen, spitzbogigen Fenster mit alten Gittern zu nennen, deren zwei in der Westfassade, sowie einige in der Nordfassade des heute bestehenden Palastes noch erhalten sind. Sodann ist zu erwähnen, dass, anders als im Papstturm, in der Tour de la Campane die unteren beiden Geschosse
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Flachdecken aufweisen, während die darüber liegenden Etagen unter Benedikt XII. (Wappen) errichtet und ausgestattet wurden, wobei sie Kreuzgratgewölbe erhielten. Ein Indiz dafür, dass östlich anschließend an die heutige Tour de Campane ein Donjon bestand, der in Ost-West-Erstreckung parallel zur Kathedrale verlief, könnte möglicherweise der schwer anders erklärbare Pfeiler (Mauerverstärkung, -vorlage) sein, der sich außen zwischen späterer Palastkapelle und Turm an der nordöstlichen Ecke des Turmes befindet. Ein zweifelsohne unanfechtbares Indiz für eine solche Veränderung der späteren Tour de la Campane ist darüber hinaus die nach Osten führende ‘Abtreppung’, ein Mauerzug in Verlängerung der Südwand des Turmes in der Mauerstärke der Tour de la Campane, die über der heutigen Südwand der Kapelle deutlich zu sehen ist. Ihre Unmotiviertheit und (heutige) bloße Funktion, einen Durchgang aufzunehmen, belegt, zusammen mit dem eben Erwähnten, die Deutung als ehemalige Südwand des Bischofspalastes. Im Donjon des Bischofs- bzw. Papstpalastes hat wahrscheinlich der Teil der Papstgemächer bestanden, der auf die große Terrasse führte. Dort sind auch die Hospize des Bischofspalastes zu vermuten, deren Verbindungsgang mit der Palastkapelle überliefert ist. Ein grundsätzliches Problem jeder genaueren Lokalisierung eines Gebäudes besteht darin, dass in den Quellen auch ein alternativer Gebrauch der Begriffe hospitium papale, palatium episcopale, palatium vetus, palatium novum [...] vorkommt. Der Gesamtkomplex Papstpalast war eine heterogene und zufällige Ansammlung von Einzelgebäuden, die zum größten Teil bereits bestanden. Fast alle Gebäude sind mit anderen oder mit der Kapelle durch Brücken mit Korridoren bzw. gedeckten Laufgängen verbunden (wie zum Beispiel die Küche mit den Papstgebäuden), was die Isoliertheit der in den Quellen erwähnten Gebäude belegt. Die Korridore waren, wie die von Benedikt, zumeist gedeckt, oder sie wiesen einen zusätzlichen gedeckten Gang neben einer Terrasse auf. So wurden verbindende Brücken und Korridore zum charakteristischen Element des Papstpalastes unter Johannes XXII., und es verwundert keineswegs, wenn der Nachfolger, für den es sich um mehr als eine vorübergehende ‘Bleibe’ handelte, die Gebäude abtragen und an ihrer Stelle einen Palast erbauen ließ. Dieser vermochte eine Einheit darzustellen, wie sie erstens für einen Palast erforderlich war und zweitens durch ihre vielen Funktionen bedingt war. Es musste Benedikt und seinen Nachfolgern einfach unpraktisch erscheinen, wenn sich – nach erfolgter Einkleidung des Pontifex – alle Kurialen durch einen schmalen Gang drängten, um in die Palastkapelle zu gelangen, etwa wenn es regnete. Weiterhin ist keineswegs belegt, dass im Palast des Johannes die Räume so groß waren wie später üblich. Insbesondere die hohe Zahl
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von Baulichkeiten, die wir nicht exakt zuordnen können, spricht für die Heterogenität des Gefüges ‘Papstpalast’, in deren Säle sich jeweils mehrere Räume befanden. Im Modell Johannes’ ist daher nur die Verschiedenheit und die Isoliertheit der Gebäude bei gleichzeitiger Verbindung durch Brücken und Gänge gesichert, deren wichtigste und nahegelegenste das Dekanat (Wohnung der Dekane) und das Almosenamt waren. Etwas weiter weg, getrennt vom Palast durch die Stephanuskapelle – und verbunden mit dieser durch Korridore – lag die Präpositur, die in den Quellen immer mit dem TrouillasTurm in Verbindung gebracht wird. Das Almosenamt befand sich vermutlich zwischen Stephanuskapelle und audientia, ungefähr dort, wo man den späteren Konklaveflügel erbaute, vielleicht aber auch weiter westlich und außerhalb des Palastes. Da es zwei Almosenamts-Bauten gab, ein neues und ein altes Gebäude, ist die Zuweisung schwierig, zumal wir wenig Quellen für diese haben. Die Kardinäle, der Kämmerer und der Schatzmeister logierten wohl im alten Almosenamt bzw. dem Bau, der sich zwischen s. Stephanus und der audientia befand. Deswegen wurde ein neues Almosenamt notwendig, das westlich des ursprünglichen Palastbezirkes lag. An der dafür wahrscheinlichen Stelle besteht heute der Rücksprung der Westfassade und wurde die Tour d’Angle errichtet, die Teil der Palasterweiterung von Clemens ist. Die unregelmäßige und im Norden zurückspringende Westfassade, über die man sich noch heute wundern mag, sind vermutlich Ergebnis der Einbeziehung der bereits dort bestehenden Gebäude in spätere Palasterweiterungen. Dies wird bestärkt durch die Steinformate an dieser Stelle. Auch wenn es sich nicht um die audientia gehandelt haben sollte, so befanden sich dort Gebäude, die sicher in die nähere Umgebung des Palastes Johannes’ XXII. gehörten. Nahe am Bischofspalast lag das Haus der Dekane, das möglicherweise durch eine Straße von diesem getrennt war; es hätte sich dann dort der wichtigste Eingang in den Palastbezirk – die prima porta und eine Loggia (vermutlich über dem Eingang) – befunden. In der ideellen Mitte der genannten Gebäude befand sich eine hofartige platea mit dem pratum episcopi, einer Ansammlung kleiner Plätze und einzelner Grundstücke mit Wiesen.
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V. Terrasse und Appartement Zur Erbauung der großen Terrasse wurde am 3. August 1317 ein separater, mehrseitiger Vertrag abgeschlossen: Instrumentum operis terrasse domini (pape). Darin wurde festgelegt, dass diese über vier großen Bögen errichtet werden sollte, die zwischen der Dionysiuskapelle des Bischofspalastes auf der einen Seite und der Wohnung der Dekane – genauer: bis zur Mauer, die der Korridor der Dekanenwohnung via in medio bildet – auf der anderen Seite reichen sollte; und zwar: in prato palacii. Wir dürfen für die Dionysiuskapelle den Donjon östlich des Bischofspalastes annehmen, weil nur dieser direkt an der Palastwiese liegen konnte. Die Breite der Terrasse, die direkt in den Garten bzw. die Wiese des Bischofspalastes reichen sollte, umfasste acht, die Tiefe fünfeinhalb canne; sie hatte mithin die stattlichen 2 Ausmaße von 15,80 × 10,86 m, also über 170 m . Der Vertragstext enthält weitere genaue Angaben zur Ausführung, Gestaltung und zum Material, das für den Bau der Terrasse zu verwenden war. Hinsichtlich der Lage der Baulichkeiten werden wichtige Angaben gemacht: Sie lagen so, dass sie von den oberen und unteren Papstgemächern zugänglich waren und außerdem an den Pfeilern der Terrasse entlang der Treppenaufgang zur aula maior des Palastes führte. Da die Aulen des Palastes immer in Zusammenhang mit dem Bischofspalast und den päpstlichen Räumen genannt werden, dürfte es sich hier möglicherweise um den tinellum maius (tinellum magnum) gehandelt haben, der über der päpstlichen Garderobe gelegen hatte. Der tiefer liegende Teil der Terrasse war gedeckt, so dass man sich im Falle schlechten Wetters unterstellen konnte. Vermutlich entstand an dieser Stelle wenig später ein claustrum terracie, wohl ein separater Raum, der dem Papst vorbehalten und besonders reich ausgestattet, sogar mit Tafelgemälden geschmückt war, worüber ein zweites, während der Erbauung der Terrasse zwischen dem 25. September 1317 und dem 5. Februar 1318 angelegtes Ausgabenregister die Ausstattung und Gestaltung des Wohnkomplexes dokumentiert (Capitulum de expensis pro claustro teracie sub anno secundo creationis Domini nostri summi pontifici). Darin wird vor allem die malerische Gestaltung der Terrasse referiert. An ihr wurde bisweilen sogar nachts gearbeitet, was die besondere Dringlichkeit dieser Bauunternehmung bzw. den Wunsch des Papstes nach ihrer Fertigstellung unterstreicht. Die Gewölbe der Terrasse, die die Verbindung der unteren Papstgemächer mit der Wiese bzw. dem Garten des Bischofspalastes darstellten, waren sehr reich mit goldenen Sternen und silbernen Rosen auf blauem Grund dekoriert. Weiterhin ist auch von figürlichen Malereien die Rede. Auch die benachbarten Räume waren derart gestaltet. Wenn man sich
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vergegenwärtigt, dass auch der Ort, wo man den König empfangen und mit ihm speisen wollte, ähnlich reich dekoriert war, so kann man die Bedeutung der Terrasse bemessen. Neben dem finanziellen Aufwand für das Gebäude ist vor allem die Tatsache bemerkenswert, dass eine genaue Vorformulierung der Bauaufgabe stattfand. Im Nachhinein, also aus unserer Perspektive, liest sich der Vertrag für die Erbauung wie eine Baubeschreibung, so präzise ist er abgefasst. Brücken in nebenliegende Gebäudeflügel sind vom Bischofspalast aus in die Privatkapelle in der Kathedrale, in die neue Palastkapelle sowie in das Konsistorium erwähnt. Aus diesem Grund ist anzunehmen, dass die ehemalige Wohnung der Dekane als Konsistorium genutzt wurde. Dieses musste in der näheren Umgebung des Papstes und wie der Papstturm ebenfalls an der platea (episcopi) gelegen haben. Im Dekanat gab es zwei Konsistorien, ein ‘geheimes’ und ein ‘öffentliches’. Die Rekonstruktion dieser Gebäudesituierung geht von der Annahme aus, dass im späteren Palastbau aufgehendes Mauerwerk teilweise wiederverwendet wurde, dass also die Flügel Benedikts und Clemens’ soweit möglich bestehende Bauten integrierten. Neben den spärlichen Ergebnissen bisheriger Untersuchungen führen vor allem die Befunde weiter. Untere Teile am Nordwesttrakt des Palastes Benedikts zeigen am Außenbau Mauertechniken und die Verwendung von Steinformaten, wie sie sich im späteren Bau seit Benedikt XII. nicht mehr finden. Unregelmäßig hohe, vielfach quadratische und hochrechteckige Steine unterschiedlicher Größe und minimaler Außenbehandlung (nur zum Teil abgeflacht) wurden dort versetzt, anders als in anderen Teilen des Palastes, wo fast ausschließlich außen abgeflachte und regelmäßig querrechteckige Steine fast identischer Maße – zumindest in der Höhe – verwendet wurden. (Abb. 8 und 9) Darüber hinaus verweist eine gut zu erkennende Baunaht an der (von Norden gesehen) fünften Blendarkade der Westfassade des Palastes Benedikts auf einen späteren Eingriff. Dieser Eingriff stammt jedoch aus den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts. Dort droht eine Betontreppe die Außenwand des 14. Jahrhunderts zu sprengen; der Riss verläuft über die gesamte Bauhöhe und weist eine Breite von bis zu einigen Zentimetern auf. Ca. 2 m nördlich der Betontreppe zeigen sich Grundmauern und aufgehendes Mauerwerk, die nur das Konsistorium des Johannes gewesen sein können. Die ehemalige Außenmauer ist identisch mit der Nordmauer des heutigen ‘Treppenhauses’ bzw. der Südmauer des heutigen Archivtraktes. Der Außenbau belegt diesen Befund, weil dort die nördlichen Stützen (Mauervorlagen) tiefer als die nach oben anschließenden Maschikulis sind; eine Abtreppung oder ein ‘Dach’ bildet den Übergang zu den Bögen des späteren
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und weniger tiefen Wurfschachtes. Die Abstände der Streben bzw. Mauerverstärkungen sind im Nordteil des Westflügels unregelmäßig, im Südteil, der auch von der Steinversatztechnik und den verwendeten Steinformaten eindeutig Benedikt zugerechnet werden kann, regelmäßig (jeweils ca. 2,5 m). Nicht die mit bloßem Auge zu erkennende Baunaht, sondern der vierte Pfeiler der Westfassade von Norden bildet also das Ende eines Flügels, der mit dem ehemaligen Dekanat und dem späteren (ersten) Konsistorium des Johannes in Verbindung gebracht werden kann. Ob eine altertümliche Fensterform neben den (erneuerten) Biforien aus der Zeit Benedikts diesem Bau zuzurechnen ist, bleibt hypothetisch, da dieses Fenster sehr hoch sitzt und das Dekanat dann fast turmhoch gewesen sein musste oder zu einem hohen Donjon verändert worden wäre. Im Flügel des Dekanats sind im unteren Teil sehr kleine, wenngleich restauratorisch überformte, Rundbogenfenster zu sehen. Aus diesem Grund ist daher zumindest anzunehmen, dass die Biforienfenster, die von der Blendarkade überschnitten werden, asymmetrisch im Blendbogen-Bereich sitzen und die ältesten Formen aufweisen, aus der Zeit des Johannes stammen müssten. Alle Einzelbefunde und Quellen können nur so interpretiert werden, dass der ehemalige Bischofspalast nur an der Stelle gestanden haben kann, den heute die turris campanaria einnimmt. Auch dort befinden sich im unteren Bereich altertümliche Fensterformen und ähnliches Mauerwerk wie oben vom benachbarten Flügel berichtet. Südlich daneben, möglicherweise getrennt durch den Haupteingang in den Palastbezirk, hätte dann das Konsistorium in dem Donjon bestanden, der vorher den Dekanen als Wohnung gedient hatte. Die Erweiterungen um 1329/1330 bringen eine große Anzahl von Definitionsproblemen mit sich, weil ‘alt’ und ‘neu’ nur noch kurze Zeit nebeneinander bestanden. Schon wenig später sehen wir diese Unterscheidungsmerkmale nicht mehr. Schwerer wiegt aber der Umstand, dass die Neubauten nicht so genau zu lokalisieren sind, wie man das gerne hätte bzw. der Eindruck erweckt wird; denn wir wissen keineswegs, ob sich im neuen Konsistoriumsflügel schon ursprünglich die Papstgemächer und – darunterliegend – der Schatz befanden. Das ist nur Vermutung. Den Quellen zufolge ist lediglich gesichert: Der später so bezeichnete ‘alte’ Schatz und ein danebenliegendes (!) Gebäude, dessen Größe wir nicht kennen, wurde in den – um 1330 als ‘neu’ bezeichneten – Palast als übriggebliebener Teil des Bischofs- oder Papstpalastes des Johannes integriert. Die turris pape entstand juxta cameram thesaurarie antique. Von 1318 bis 1322 wurden Grundstückskäufe auf dem Gelände nahe des im südlichen Teil des Areals liegenden Almosenhauseses verzeichnet; auch hierzu wissen wir leider
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nicht, ob diese bebaut wurden. In einem anderen Teil – und zwar südlich des Trouillas-Turmes – wurde jedoch gebaut. Hier entstand 1329 ein neuer Flügel, der vermutlich Konsistorium und Papstgemächer aufnahm; dieser dürfte jedoch nicht allzu groß gewesen sein, wie die 4 Fenster und die 1000 Ziegel zur Dachdeckung belegen, die für das neue Gebäude angeschafft wurden. 1332 ist eine Terrasse des neuen Konsistoriums erwähnt, das ebenfalls im neuen Seitenbau vermutet werden darf. Die Papstgemächer lagen seit Sommer 1330 im Trouillas-Turm, und zwar in der Nähe der Räume, die vordem der Nepot Petrus de Via bewohnte, dessen Wohnraum zugunsten des Papstes verkleinert werden musste. So schrumpft der hypothetische Grundriss, den die Forschung gerne sehen möchte, auf einen Bruchteil seines vermeintlichen Ausmaßes zusammen und löst sich in die Umfassungsschranken und -mauern auf, die in den Dokumenten erwähnt werden. Diese haben vermutlich das gesamte Areal umlaufen, wie der Bericht von fast 160 ‘Fenstern’ im Umgang um den Palast bezeugt. Die Räume des Papstes lagen im ehemaligen Bischofspalast. Aus den Texten geht hervor, dass die Terrasse und das claustrum Teil des Papsttraktes waren, sowie, dass untere und obere Räume eine vertikale Verbindung hatten und zum östlich gelegenen Palastgarten hin orientiert waren, der untere Raum mit direktem Zugang zu Terrasse und Garten, die oberen Räume auf die Terrasse mit Blick darauf. Ebenso erfahren wir, dass die Privatküche des Papstes mit einer Brücke mit dem ehemaligen Bischofspalast verbunden war. Die Verbindung Palast – Terrasse – Garten wird uns noch öfter begegnen, und es ist diesbezüglich an den Terminus der Loggia zu erinnern, der erstmals in Zusammenhang mit dem Palast des Johannes auftaucht. Die ausdrückliche Integration des Gartens in den Palastbereich, die späteren Gartenanlagen unter Benedikt XII. und die Loggia oder Terrasse sind daher die wesentlichen Innovationen der päpstlichen Baupolitik seit Johannes XXII. Benedikt schloss sich hier im wesentlichen an, wobei er Gartenbereich und Zeremonialbereich strikter trennte als sein Vorgänger. Zur vermutlichen Form des Papstpalastes kann nur auf Analogien verwiesen werden. Ähnlich zeitgleicher Paläste – genannt seien hier nur die nahegelegenen Komplexe aus der unmittelbaren Umgebung der Bautätigkeit der Kardinäle und Päpste: Pont de Sorgues (Johannes XXII.), St. Victor in Marseille (Urban V.), Montfavet (Kardinal Montfavet, Livrée mehrerer Kardinäle im Verlauf des avignonesischen Papsttums), sowie das zu diesem Vergleich besonders geeignete Fréjus (Johannes XXII.) – bestand der Papstpalast wahrscheinlich aus einem Konglomerat einzelner Gebäude, die sich
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wie zufällig um eine Wiese gruppierten. Die Anlage war von einer Mauer umgeben und von Türmen flankiert. Eine Erweiterung des Papsttraktes stellen schließlich weitere Bauteile dar, die zum Teil äußerst prunkvoll ausgestattet wurden, so etwa bestimmte Gänge bzw. Korridore, die in späteren Zeiten aus Stein gefertigt waren. Hierzu gehörte auch ein (gedeckter) Korridor, der neben der großen Palastterrasse verlief, und die bereits erwähnte Zelle auf der Terrasse, die vermutlich von einem anderen Bauteil unterhalb des Terrassenniveaus unterschieden werden muss. Ähnlich dem Gewölbe der Terrasse wurde auch die camera teracie mit Rosen bemalt. Man kann angesichts der allmählich ansteigenden Ausgaben davon sprechen, dass sich im Laufe der Zeit der Wunsch des Papstes nach Verschönerung und Gestaltung seiner Umgebung so steigerte, dass alleine für Malereien innerhalb weniger Monate ein Vielfaches der Kosten früherer Bauabschnitte ausgegeben wurde. Ähnliches gilt auch für die nur wenig späteren Arbeiten an den Unterkünften und der Kapelle der Kardinäle sowie dem neuen Konsistorium, die ebenfalls für die Zeit ungewöhnlich reich ausgestattet waren. Man sparte weder in der Auswahl der Gestaltungsmittel – auch das neue Konsistorium zum Beispiel erhielt ähnlich reiche Malereien wie die vorgenannten Räume des Papstes und der Teil, der für Gäste reserviert war – noch im Einkauf an Farben. Für den Kardinalstrakt wissen wir von roter Farbe und Ocker sowie von figürlichen Bildern. Tafelbilder gehörten, wie schon kurz erwähnt, bevorzugt zur Ausstattung der Klause auf der Terrasse. Der Ausstattungsluxus setzte sich im Inneren fort, aber darüber wissen wir weit weniger als über die sonstigen Dekorationen. Hier sind es in erster Linie die päpstlichen Gemächer und die Kapelle, die reich mit Mobiliar, Öfen, Kaminen etc. ausstaffiert wurden, ganz zu schweigen von den tausenden Bodenfliesen, die bereits 1316 oder 1317 eigens in Lyon besorgt wurden. Diese bemalten Fliesen, waren auch an anderen Orten in Frankreich im frühen 14. Jahrhundert in Gebrauch. Über die Anzahl der Räume des Papsttraktes können keine genauen Angaben gemacht werden. Wir wissen aus den Dokumenten, dass es alte und neue Räume gegeben hat, wobei bei Einrichtung der neuen Räume die alten keineswegs aufgegeben wurden. Die Raumfolge bestand aus der camera pape mit Ausgang zur Terrasse, einem Korridor zur Palastkapelle, zwei studia, die übereinander lagen. Eines befand sich selbstverständlich direkt neben der camera pape und der Terrasse, das zweite ist vielleicht identisch mit der camera secreta, in dem auch eine Bibliothek eingerichtet wurde – wie später in Avignon oder in
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Urbino etc. Weiterhin bestand eine aula parva mit malerischer Ausstattung, beheizt und neben dem (oberen) studium gelegen. Ebenfalls in enger Verbindung mit dem studium lag ein Bad, camera tine (banhadoyre [domini nostri]) genannt. Hinzu kam eine Garderobe mit angrenzenden Bereichen. Bereits erwähnt wurde die Klause oder Zelle auf der Terrasse, die, wie die camera inferioris, zur engen Umgebung der Terrasse gehörte. Die coquina pape am Rand der Gebäude war mit einer Brücke zum Konsistorium hin ausgerichtet. Im Norden lag eine camera capelle. Vermutlich war auch der Neffe des Johannes, Petrus de Via, im Papstturm oder in der näheren Umgebung untergebracht. Nochmals kurz hingewiesen sei auf das über der päpstlichen Garderobe gelegene tinellum magnum, das mit acht Tischen möbliert war. Der Zugang zu den obenliegenden Räumen des Palastes erfolgte über die bereits erwähnte Treppe, die seitlich der Terrasse in das tinellum magnum führte, sowie über eine zweite Außentreppe, die gedeckt war. Zumeist in der Nähe des Papstes oder in besonderen Palastteilen waren die einzelnen Räume für Nepoten eingerichtet. Wir können mithin nicht mehr die Lage eines jeden einzelnen Raumes bestimmen, doch kommen wir unter Einbeziehung der Dokumente und Befunde zum Ergebnis, dass der Papstpalast des Johannes XXII. weit mehr als nur ein Provisorium war. Er bestand aus allem, was ein Papstpalast in jener Zeit aufweisen musste, und ihn charakterisierte ein voll entwickeltes Appartement, das mit den peripheren Zeremonialräumen (Festräume, Bera8 tungsräume) verbunden war. Es gab auch eine Audientia. Darin besteht zweifelsohne die große Leistung Johannes’.
7 Vgl. hierzu Weddigen, Tristan, Raffaels Papageienzimmer – Ritual, Raumfunktion und Dekoration im Vatikanpalast der Renaissance, Emsdetten et alibi 2006, S. 37–70 et passim. 8 Johannes XXII. ließ lediglich die audientia als einzigen kompletten Neubau des Palastareals einige Jahre nach seiner Wahl errichten. Die audientia – wie häufig gleichzeitige Bezeichnung für den Baukörper und seine Bestimmung – war einer der wichtigsten Räume des Papsttums seit dem 13. Jahrhundert, weil in ihr die Gerichtshöfe der Universalkirche tagten: die audientia publica, die Rota, zuständig für kirchliche Wahlen, Eheprozesse, Pfründen usw., und der auditor litterarum contradictarum, der zuständig war für den Streit um die an der Kurie erwirkten Erlasse und Privilegien. Der audientia kam deswegen so hohe symbolische Relevanz zu, weil der Papst seit dem 12. Jahrhundert als Leiter der westlichen Kirche alle kirchlichen Rechtsfälle in letzter Instanz und als oberster Richter zu entscheiden hatte.
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6. Fazit Alles in allem unterschied sich der Papstpalast des Johannes wesentlich von den Residenzen des 12. und 13. Jahrhunderts und bildete eine wichtige Vorstufe für die späteren avignonesischen Paläste. Es ist folglich geradezu gegenteilig zur bisherigen Forschung zu vermuten, dass der umgebaute Bischofspalast von Johannes erkennen ließ, dass in ihm Papst und Kurie über Jahre logieren konnten. Das bestätigen auch die immer wieder erwähnten Veränderungen und Vergrößerungen – etwa diejenigen nach Osten um 1330. Ein Papst, dem die Seelsorge wichtiger gewesen wäre als äußere Repräsentation, hätte sich mit den vorhandenen Gegebenheiten begnügen können. Im Gegenteil dazu hat er, wie bereits erwähnt, immerhin 18% der Ausgaben des päpstlichen Haushaltes für den Palastbau verwendet und mit weiteren etwa 7% Grundstücke erworben. Einige signifikante Architekturelemente tauchen bereits im Palast des Johannes auf und werden bei Benedikt wichtig. Die Terrasse wird sich zu einer der bedeutendsten Bauaufgaben des Papstpalastes entwickeln, denn in jedem Pontifikat ist von Terrassen und davon abgeleiteten Formen (auch hochgelegene Plattformen, Loggien usw.) die Rede, später in Zusammenhang von Deambulatorien und Korridoren, also Treffpunkten, Orten der Begegnung, des Gesprächs, der Beratung, der Recht-Setzung und ähnlichem. Dabei dürfen wir nicht an primitive, einem Gebäude vorgelagerte oder angrenzende Flächen denken, sondern an Vorläufer der späteren Galerien, also Gebäuden von hoher Bedeutung. Schon der erste Papstpalast unter Johannes wies auch ‘höhergelegene Terrassen’, also solche Korridore oder Galerien auf. Sie wurden zumeist – wie es später üblich wurde – von Arkaden getragen, befanden sich also vorwiegend über Bodenniveau oder, ebenfalls sehr häufig, bildeten sie die horizontal-planimetrische Abdeckung eines Gebäudes und wurden später – seit Clemens VI. – auch als Korridore und Deambulatorien bezeichnet. Der Terminus Loggia taucht bereits in den Dokumenten des Johannes auf. Diese Terrassen oder Laufgänge auf Arkaden waren architektonisch wichtige und, wie die Dokumente verdeutlichen, kostspielige Bestandteile des neuen Papstpalastes. Sie wurden entsprechend aufwendig ausgestaltet: Die Maler, die mit Petro de Podio (Pierre du Puy) angereist waren, hatten in den Monaten, in denen in der päpstlichen Kapelle nichts für sie zu tun war, die Arkaden der Terrasse und die mit der Terrasse/Arkade verbundenen
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Räume zu dekorieren; die Arkadengewölbe erhielten goldene Sterne, vergoldete Ornamente und figürliche Malereien auf blauem Grund. Wahrscheinlich standen die päpstlichen Gärten und der Papsttrakt in enger Beziehung zur Loggia; nur so ist der ungewöhnliche Aufwand zu rechtfertigen. Der Teil, der dem Papst vorbehalten war, bestand mindestens aus camera, camera secreta und capella secreta in einem Turm, wohl in der Nähe und vermutlich mit direktem Zugang zum päpstlichen Garten. Bezieht man mit ein, dass Johannes XXII. mit großer Wahrscheinlichkeit die Räume bezogen hat, die in den Dokumenten als ‘Bischofspalast’ (also auch die schon früher von ihm bewohnten Bereiche) bezeichnet werden, so könnte die Umgebung des Papstes folgendermaßen rekonstruiert werden: Ein Turm von großer Grundfläche oder ein Donjon nahm im Obergeschoß die päpstlichen Gemächer auf, darunter befanden sich andere Räume, deren Funktion wir aber nicht kennen. Dem Turm oder Donjon waren die Gärten vorgelagert, und an das Gebäude wurde auf der Gartenseite eine Loggia angebaut, getragen von den genannten Arkaden, obenauf mit einer Terrasse. Auch auf die Gestaltung der Treppen wurde großer Wert gelegt. Der Palast des Johannes wies gedeckte Außentreppen auf, wie wir sie etwa auch von den Palästen Friedrichs II. kennen. Die Treppen bestanden bereits in dieser Zeit aus Stein und wiesen Steinschwellen auf. Nicht mehr separat eingegangen werden kann hier auf den Ausstattungsluxus. Im Papstpalast des Johannes gab es alles, was wünschenswert und nobel war, insbesondere waren die päpstlichen Räume sowie die Versammlungsräume beheizbar. Wer für die Ausstattung verantwortlich war, ist nicht genau bekannt. 9 Schon Honoré Labande wies darauf hin, dass es den Architekten in unserem Sinne nicht gegeben hat. Auch an eine im weitesten Sinne konzeptuelle Durchführung aller Arbeiten im Papstpalast ist nicht zu denken, sie ist auch nicht aus den Quellen zu deduzieren. Johannes scheint ein schneller Umbau wichtig gewesen zu sein, der eine zeitnahe Möglichkeit zu residieren in Aussicht stellte. Die Arbeiten wurden von einem Aufseher oder Organisator, einem sogenannten superstante geleitet. Dieser war für die Organisation der Arbeit und Bezahlung der ‘Meister’, Facharbeiter und Helfer verantwortlich. Die französische Forschung begnügt sich mit der Feststellung, dass Guillelmo de Cucurono für alles verantwortlich zeichnete und
9 Labande, Honoré, Le Palais des Papes et les monuments d’Avignon au XIVe siècle, Bd. I.–II., Marseille 1925, Bd. I, S. 41.
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dass folglich der Ausgangspunkt päpstlicher Bautätigkeit in Avignon als französisch zu bezeichnen sei. Indes weisen einige Details darauf hin, dass es möglicherweise auch andere Wurzeln gegeben haben könnte. So tauchen Blendarkaden natürlich nicht nur in Frankreich, sondern auch im heutigen Spanien auf und sind wichtiges Motiv der spanisch-islamischen Palastbaukunst. Und schließlich übernahm 1323 – zwischenzeitlich war kurz R. Mezerii der Leiter der Arbeiten gewesen und von Petro Andeberti abgelöst worden – Arnaldus Escuderii (Escuderius) die Überwachung, Leitung und Organisation der Arbeiten am Papstpalast. Arnaldus war Spanier, seine ersten Abrechnungsberichte sind noch teilweise in spanischer Sprache verfasst. Er war auch später, unter Benedikt XII. Mitglied der päpstlichen Baukollektive. Auch sonst finden wir immer wieder Abrechnungen, Verträge und nicht zuletzt Beschreibungen von Lieferungen oder Leistungen in spanischer Sprache am Hof Benedikts. Dieser Einfluss scheint mir aufgrund dessen, was die Forschung über die Bautätigkeit auf der iberischen Halbinsel weiß, immer wieder zu kurz zu kommen. Der Auftakt in Südfrankreich war geprägt von einer völlig neuen – und vor allem unrömischen – Disposition des Papstpalastes. Dies ist besonders zu unterstreichen, wurde doch der Lateran in der Abwesenheit der Päpste vielfach beschädigt und nur noch notdürftig repariert. Bekanntermaßen wurde er auch nicht mehr als Sitz der Päpste in Rom genutzt. Man verließ also die Tradition (Lateran) und setzte neue Maßstäbe, die vor allem in der Generierung eines Appartements mit bestimmten, im päpstlichen Zeremoniell wichtigen Räumen einher ging. Diese wurden nunmehr stärker aufeinander bezogen, in eine bestimmte Konstellation gebracht, ohne, dass man, wie noch im Lateran, hunderte von Meter die Gänge entlanggehen musste, um von einem Zeremonialraum zum nächsten zu gelangen. Als Ergebnis resultiert eine neue Disposition des Palastes – eine solche, die Benedikt XII. und seine Nachfolger weiterführen und ausbauen ließen. Bereits die zweite Baukampagne des Johannes belegt den Umstand, dass der Papstpalast den Anforderungen des Papsttums nicht genügte. Daraus folgt, dass der Papstpalast des Johannes in Einzelmotiven wegweisend für die spätere Palastbaukunst werden sollte. Insofern ist Johannes’ Bautätigkeit in Avignon als innovativ zu bezeichnen.
Abb. 1 – Avignon, Papstpalast: Im nördlichen Teil (links im Bild) befanden sich die Teile des ursprünglichen Bischofs- und Papstpalastes von Johannes XXII.; diese wurden seit Benedikt XII. teilweise überformt.
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Abb. 2 – Avignon, Papstpalast, Bauphase I.
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Abb. 3 – Avignon, Papstpalast, Bauphase II.
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Abb. 4 – Avignon, Papstpalast, ehemalige Stephanuskapelle: zugesetztes Fenster (spätere Unterkapelle).
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Abb. 5 – Avignon, Papstpalast, Teil der im heutigen Inneren noch erhaltenen Verstärkungen, die das nordwestliche Ende der Stephanuskapelle (bzw. der späteren Papstkapelle) markieren. Diese sind im Grundriss des 17. Jahrhunderts (von Devalfenière) noch enthalten.
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Abb. 6 – Avignon, Papstpalast, Grundriss von Pampany (19. Jahrhundert).
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Abb. 7 – Avignon, Papstpalast, Nordhof, Südmauer: Die im Nordwestturm, also dem ehemaligen Bischofspalast, noch erhaltene unmotivierte und funktionslose Mauerzunge (im Bild rechts mit älterem Eingangsportal) dürfte noch ein Rest des Bischofspalastes und/oder des Traktes von Johannes XXII. sein.
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Abb. 8 – Avignon, Papstpalast, Westfassade: Zwischen dem vierten und fünften Pfeiler ist noch heute eine Baunaht zu erkennen, die möglicherweise das südliche Ende des Bischofspalastes darstellte.
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Abb. 9 – Avignon, Papstpalast, Westfassade: Die früheren Pfeiler wurden erst nachträglich zu Blendarkaden, die ältere Fenster überschneiden, umgeformt.
Bildnachweise: Abb. 1: Avignon_Palais_des_Papes_by_JM_Rosier.jpg (http://de.academic. ru/dic.nsf/dewiki/1076015, Freigabe und Download 15. 3. 2013). Abb. 2–9: Autor
III. Johannes XXII. und die europäischen Mächte
Die Kurie und die Herausforderungen der europäischen Politik: Standardverfahren oder abgestimmte Handlungsstrategien? Martin Kaufhold (Augsburg)
I. Der Gegenstand der Untersuchung Die Frage nach ‘Handlungsstrategien’ in der europäischen Politik ist im Falle der Kurie zu Beginn des 14. Jahrhunderts keine Frage, die sich die Zeitgenossen so gestellt hätten. In den Quellen kommen ‘politische Handlungsstrategien’ nicht vor. Das schließt die Frage nicht aus, man muss sich nur darüber klar sein, dass das Interesse an der Handlungsstrategie, also an den Bedingungen und den Mitteln auf dem Weg zu einem avisierten – politischen – Ziel einer modernen Perspektive entspringt. Als Zeitgenossen erwarten wir klare Ziele und angemessene Instrumente in der Politik der Gegenwart. Ziele und Mittel sollten in einem effizienten Verhältnis stehen. Ob wir wollen oder nicht, dieses Bild einer pragmatischen Politik steht im 1 Hintergrund, wenn wir über Politik sprechen. Die Frage, ob diese Vorstellung einer zielgerichteten, den Umständen angepassten, Vorgehensweise für den Pontifikat Johannes XXII. eine hilfreiche Annahme ist, steht im Hintergrund der hier vorgetragenen Überlegungen. Es ist eine Frage, die vielleicht die Perspektive einer anderen Erwartung an die päpstliche Politik im späteren Mittelalter eröffnen könnte, als die, mit der wir normalerweise operieren. Johannes XXII. ist ein dankbarer Fall. Ein Papst, der in hohem Alter auf den Stuhl Petri gelangte, der während des Konfliktes zwischen Papsttum und dem Staufer Friedrich II. geboren wurde, der den Zusammenstoß von Bonifaz VIII. mit Philipp dem Schönen als Franzose in Frankreich miterlebte, und der dann als Kanzler des Königs von Sizilien in Neapel einen Brennpunkt der Mittelmeerpolitik dieser Zeit aus eigener Anschauung
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Vgl. etwa Raschke, Joachim und Tils, Ralf, Politische Strategie. Eine Grundlegung, Wiesbaden 2007.
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kennenlernte. Es waren Jahrzehnte, die für das päpstliche Selbstverständnis eine wichtige Rolle spielten. Ein Mann mit dieser Erfahrung und mit einem entschlossenen Charakter, der keinem Konflikt aus dem Weg ging, sollte uns ein deutliches Profil der päpstlichen Politik dieser Zeit liefern können. Das umso mehr, als er sich nicht scheute, nach schwierigen Jahren für die Kurie der langen Geschichte des Kampfes von Kaisertum und Papsttum ein bedeutendes Kapitel hinzuzufügen. Folgen wir der Analyse von Hillary 3 Setton Offler, war es gewissermaßen das letzte Kapitel. Es steht hier im Fokus, weil es dramatische Qualität hat, und weil es Johannes XXII. in einem Konflikt mit politischem Charakter als Papst auftreten lässt, als Inhaber der plenitudo potestatis. Sein Rolle als Streiter für die weltlichen Interessen des Papsttums als Herr des Kirchenstaates in Italien folgte anderen Regeln.
II. Johannes XXII. und Ludwig der Bayer Im Jahr 1314 wurden im Reich zwei Männer zu römischen Königen gewählt, die für mächtige konkurrierende Familien und ihre Interessen standen: der 4 Wittelsbacher Ludwig und der Habsburger Friedrich. Die Lage war unklar, 2 Zu Johannes XXII. vgl. etwa: Mollat, Guillaume, Les papes d’Avignon (1305– 1378), 10. Aufl., Paris 1965, S. 39–59; Valois, Noel, Jacques Duèse, pape sous le nom de Jean XXII, in: Histoire littéraire de la France 34 (1915), S. 391– 630; zur Situation allgemeiner: Schimmelpfennig, Bernhard, Das Papsttum. Grundzüge seiner Geschichte von der Antike bis zur Renaissance, 6. Aufl., Darmstadt 2009, S. 223–242. 3 Offler, Hillary Setton, Empire and Papacy: the Last Struggle, in: Transactions of the Royal Historical Society 5, Series VI (1956), S. 21–47; zuletzt auch in: ead., Church and Crown in the fourteenth century. Studies in European history and political thougt, hg. v. Doyle, Anthony Ian, Aldershot 2001, S. 21–47. 4 Vgl. die Wahlunterlagen der konkurrierenden Parteien in: Monumenta Germaniae Historica, Constitutiones et Acta Publica Imperatorum et regum, Bd. 5, hg. v. Schwalm, Jakob, Hannover/Leipzig 1909–1913, Nr. 96–104; über die Wahl berichtet auch Mathias von Neuenburg: Die Chronik des Mathias von Neuenburg, hg. v. Hofmeister, Adolf (MGH, Sriptores Rerum Germanicarum N. S. 4), Berlin 1924, S. 98f.; vgl. zur Wahl etwa: Menzel, Michael, Ludwig der Bayer (1314–1347) und Friedrich der Schöne (1314–1330), in: Die deutschen Herrscher des Mittelalters, hg. v. Schneidmüller, Bernd und Weinfurter, Stefan, München 2003, S. 392–407; Thomas, Heinz, Ludwig der Bayer. Kaiser und Ketzer, Graz/Wien/Köln 1993, S. 43–69; Kaufhold, Martin, Gladius
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aber der Papst sah sich nicht zum Eingreifen herausgefordert. Das lag einmal daran, dass der Stuhl Petri zu diesem Zeitpunkt nicht besetzt war. Aber als Johannes XXII. zwei Jahre nach dieser Doppelwahl zum Papst erhoben wurde, beanspruchte er die Entscheidung in der Frage, wer rechtmäßiger römischer König sei, nicht ausdrücklich für sich – etwa unter Hinweis darauf, dass er den zum König erhobenen dann zum Kaiser krönen würde –, 5 wie es Innozenz III. getan hatte. Innozenz hatte die Entscheidung über die Prüfung des Kandidaten für die Kaiserkrönung für den Papst beansprucht, weil seine Vorgänger dieses Kaisertum auf die Deutschen übertragen hätten und weil dieser Kaiser dann der Schutzherr der Kirche sei. Es wäre unvorstellbar, dieses Amt einem Mann zu übertragen, dessen Glauben zweifelhaft war. Innozenz hatte sich bald auf einen Gewählten festgelegt. Aber er war mit seiner Entscheidung nicht sehr erfolgreich gewesen. Im Grunde war er den Ereignissen hinterhergelaufen. Johannes XXIII. legte sich nicht auf einen Kandidaten fest. Im Gegenteil, er hielt die Frage der Thronbesetzung ausdrücklich offen und bezeichnete beide Gewählte als in regem 6 Romanorum electi. Er folgte damit einer seit Bonifaz VIII. formalisierten 7 Praxis. Danach bestand die päpstliche Kurie darauf, die Wahl des römischen Königs prüfen und approbieren zu müssen. Erst nach dieser Prüfung wurde der Gewählte als vollwertiger rex Romanorum behandelt. Johannes XXII. vertrat diesen Anspruch mit solcher Entschiedenheit, dass er sogar 8 seine Kardinäle in Unruhe versetzte. Die Verbindung dieses Approbationsanspruches mit der päpstlichen Italienpolitik – dergestalt, dass der Spiritualis. Das päpstliche Interdikt über Deutschland in der Regierungszeit Ludwigs des Bayern, Heidelberg 1994, S. 30–33. 5 Vgl. dazu die Konsistorialansprache Innozenz’ III. um die Jahreswende 1200/01: Regestum Innocentii III papae super negotio Romani imperii, hg. v. Kempf, Friedrich, Roma 1947, Nr. 29; Boshof, Egon, Innozenz III. und der deutsche Thronstreit, in: Papst Innozenz III. Weichensteller der Geschichte Europas. Interdisziplinäre Ringvorlesung an der Universität Passau, 5.11. 1997 – 26.5.1998, hg. v. Frenz, Thomas, Stuttgart 2000, S. 51–67; Kaufhold, Martin, Die Rhythmen politischer Reform im späten Mittelalter. Institutioneller Wandel in Deutschland, England und an der Kurie 1198–1400 im Vergleich, Ostfildern 2008, S. 21–57. 6 MGH, Constitutiones 5 (Anm. 4), Nr. 373; vgl. zur Haltung Johannes XXII. auch Kaufhold, Gladius Spiritualis (Anm. 4), S. 49–55. 7 Vgl. Miethke, Jürgen, De potestate papae. Die päpstliche Amtskompetenz im Widerstreit der politischen Theorie von Thomas von Aquin bis Wilhelm von Ockham, Tübingen 2000, S. 89. 8 MGH, Constitutiones 5 (Anm. 4), Nr. 789; vgl. Kaufhold, Gladius Spiritualis (Anm. 4), S. 55f.
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gewählte König vor der päpstlichen Approbation keine Reichsrechte in Italien ausüben dürfe – ließ das Thema als eine besondere Frage des Verhältnisses von Papsttum und Kaiserreich im späteren Mittelalter erscheinen. Die Augsburger Doktorarbeit von Sebastian Zanke eröffnet in jüngster Zeit eine europäische Vergleichsdimension, die das Thema nun in einem verän9 derten Licht erscheinen lässt. Denn der römisch-deutsche König Ludwig IV. – der Bayer – war nicht der erste König, dem diese Behandlung durch Johannes XXII. widerfuhr. Ludwig zog den päpstlichen Zorn durch sein Vorgehen in Italien auf sich. In Italien hatte Ludwig Reichsrechte ausgeübt, die der Papst nun grundsätzlicher in Frage stellte. Ludwigs Wahl sei noch nicht approbiert, Johannes 10 XXII. stellte Ludwig am 8. Oktober 1323 ein Ultimatum. Er müsse von der Ausübung seines königlichen Amtes innerhalb von drei Monaten zurücktreten und die päpstliche Überprüfung seiner Wahl zulassen. Wenn er dieser Aufforderung nicht nachkomme, und weiter widerrechtlich als römischer König agiere, dann wollte Johannes mit der Bekanntgabe von Strafen gegen dieses Verhalten vorgehen. Als Strafen wurden die Exkommunikation des Königs, seiner Anhänger und die Belegung der Herrschaftsgebiete, die Ludwig oder seinen Anhängern unterstanden, mit dem Interdikt in Aussicht gestellt, d. h. mit einer weitgehenden Aussetzung der Gottesdienste und der 11 Sakramente. In der Diktion der Kurie war dies der erste der sogenannten ‘Prozesse’ gegen Ludwig den Bayern, eine Reihe weiterer Prozesse sollten folgen. Denn Ludwig kam der Aufforderung zur Niederlegung seines Titels 9 Die Dissertation von Sebastian Zanke, Johannes XXII. und die europäische Politik im Spiegel der kurialen Registerüberlieferung (1316–1334) erscheint in der von Andrew Gow herausgegebenen Reihe Studies in Medieval and Reformation Traditions, Leiden. Sie wird hier nach der Kapiteleinteilung des Manuskripts zitiert. 10 MGH, Constitutiones 5 (Anm. 4), Nr. 792; vgl. zu dieser Entwicklung Kaufhold, Gladius Spiritualis (Anm. 4), S. 55–75; vgl. auch id., Öffentlichkeit im politischen Konflikt. Die Publikation der päpstlichen Prozesse gegen Ludwig den Bayern in Salzburg, in: Zeitschrift für historische Forschung 22 (1995), S. 435–454; vgl. auch grundsätzlich: Miethke, Jürgen, Der Kampf Ludwigs des Bayern mit Papst und avignonesischer Kurie in seiner Bedeutung für die deutsche Geschichte, in: Kaiser Ludwig der Bayer. Konflikte, Weichenstellungen und Wahrnehmung seiner Herrschaft, hg. v. Nehlsen, Hermann und Hermann, Hans-Georg, Paderborn et alii 2002, S. 39–74. 11 Vgl. zur Ausbildung von Exkommunikation und Interdikt: Vodola, Elisabeth, Excommunication in the Middle Ages, Berkeley 1986; Kaufhold, Gladius Spiritualis (Anm. 4), S. 6–27; Clarke, Peter D., The Interdict in the Thirteenth century. A Question of Collective Guilt, Oxford 2007.
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nicht nach. Er erlangte einen Aufschub der Frist, aber eine Niederschla12 gung der Anklage erreichte er nicht. Am 23. März 1324 war es soweit. Papst Johannes XXII. exkommunizierte Ludwig den Bayern, drohte ihm den Entzug weiterer Herrschaftsrechte an, falls er seinen Titel nicht innerhalb der nächsten drei Monate niederlege und unterwarf die Gebiete von Ludwigs Anhängern dem Interdikt. Die Fristen gaben einen engen Takt vor, aber im Grunde ging es bei den immer länger werdenden päpstlichen Prozessschreiben und den Antworten Ludwigs und seiner Berater um die Rechtmäßigkeit von Ludwigs Königtitel. Sie stand in Frage. Weil Johannes mit solcher Entschiedenheit und mit scharfen geistlichen Sanktionen – dem Verbot von Gottesdiensten und Sakramenten – auf der Durchsetzung seines Approbationsanspruches bestand, ist ein anderer Aspekt des Themas aus deutscher Perspektive etwas zurückgetreten. Es ist indes ein Aspekt, der die europäische Dimension der Fragestellung in Erinnerung ruft. Johannes XXII. hatte es aus seiner Perspektive nicht nur mit einem König zu tun, sondern mit zwei konkurrierenden. Der Habsburger Friedrich hatte weniger Glück, und er erscheint aus dem Rückblick nicht mehr 13 als gewichtige Alternative. Ludwig erwies sich eindeutig als der entschlossenere Kandidat. Aus der zeitgenössischen Perspektive der Jahre 1316–1324 stellte sich das Bild wohl anders dar. Die Habsburger, für die Friedrich stand, waren die bedeutendere Familie mit den besseren Verbindungen zu mächtigen europäischen Häusern. Friedrich war mit der Tochter des Königs von Aragon verheiratet, der immerhin engere Kontakte zur Kurie unterhielt.14 Die Wittelsbacher waren eine Größe, aber eine eher regionale Größe.15 Dass sich Ludwig schließlich behaupten konnte, verdankte er dem Schlachtenglück und einer Rücksichtslosigkeit im Umgang mit günstigen 12 MGH, Constitutiones 5 (Anm. 4), Nr. 881. 13 Vgl. Menzel, Ludwig der Bayer und Friedrich der Schöne (Anm. 4); Heckmann, Marie-Luise, Das Doppelkönigtum Friedrichs des Schönen und Ludwigs des Bayern (1325–1327). Vertrag, Vollzug und Deutung im 14. Jahrhundert, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 109 (2001), S. 53–81; Pauler, Roland, Friedrich der Schöne als Garant der Herrschaft Ludwigs des Bayern in Deutschland, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 61 (1998), S. 53–81. 14 Vgl. die Gesandtenberichte von der Kurie: Acta Aragonensia, Quellen aus der diplomatischen Korrespondenz Jaymes II (1291–1327), hg. v. Finke, Heinrich, Bd. 1, Berlin/Leipzig 1908. 15 Vgl. etwa Fuchs, Franz, Die Wittelsbacher (1180–1918), Stuttgart 1996; Benker, Gertrud, Ludwig der Bayer. Ein Wittelsbacher auf dem Kaiserthron, München 1980.
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Situationen, die für Machtmenschen wichtig ist, die aber aus der Entfernung 16 nicht so leicht festzustellen war. Es war 1323 noch nicht klar, wer sich als König durchsetzen würde. Zwar befand sich Friedrich in Ludwigs Gefangenschaft, aber sein Bruder kämpfte weiter um die Krone für die Habsburger. Erst im April 1325 drangen Neuigkeiten von einer Einigung der beiden Kontrahenten nach Avignon.17 Wir sollten festhalten, dass Johannes XXII. gegenüber Ludwig zwar auf der Approbation seiner Wahl bestand, und dass er Ludwigs Königtum in 18 Frage stellte, solange und falls diese Wahl nicht approbiert würde. Er macht sich indessen nicht für ein Königtum des Habsburgers stark. Er bestand auf dem Recht der Prüfung der Wahl, aber er bestand nicht darauf, die Entscheidung über die konkurrierenden Kandidaten treffen zu können. Tatsächlich hielt er die Frage, wer rechtmäßiger König sein sollte, ausdrücklich offen. Der Grund für diese Offenheit in einer Frage, die durch das Schlachtenglück entschieden schien, lag für die deutsche Geschichtsschreibung bislang in den italienischen Interessen des Papstes begründet. Solange die Thronfrage ungeklärt war, beanspruchte der Papst die Vertretung der Reichsrechte in Italien für sich. Soweit der bisherige Stand. Dabei haben ist eine Entwicklung etwas zu kurz gekommen.
III. Der vergleichende Blick: Johannes XXII. und Robert Bruce Im Juni 1318 exkommunizierte Johannes XXII. den schottischen König 19 Robert Bruce und stellte seine Ländereien unter das Interdikt. Wenn 16 Zur Schlacht bei Mühldorf mit weiterer Lit.: Kaufhold, Gladius Spiritualis (Anm. 4), S. 44f. 17 Monumenta Germaniae Historica, Constitutiones et Acta Publica Regum et Imperatorum 6.1, hg. v. Schwalm, Jakob, Hannover 1914–1927, Nr. 48 (Brief des aragonesischen Gesandten Michael Stephan). 18 Vgl. Zum päpstlichen Approbationsanspruch: Unverhau, Dagmar, Approbatio, reprobatio. Studien zum päpstlichen Mitspracherecht bei Kaiserkrönung und Königswahl vom Investiturstreit bis zum ersten Prozess Johanns XXII. gegen Ludwig IV., Berlin 1973. 19 Vetera Monumenta Hibernorum et Scotorum Historia illustrantia, hg. v. Theiner, Augustin, Roma 1864, Nr. 426; Calendar of Entries in the Papal Registers relating to Great Britain and Ireland, Bd. 2, hg. v. Bliss, William H., London 1895, S. 432; Vita Edwardi Secundi. The Life of Edward the Second,
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Robert denn ein König war. Denn darum ging es. Robert Bruce beanspruchte den schottischen Thron und stand damit in direkter Rivalität zu dem englischen König Edward II., dessen Vater die Oberherrschaft über Schottland 20 reklamiert hatte. Die Schotten hatten diesen Anspruch zurückgewiesen, und im Jahr der deutschen Doppelwahl 1314 kam es bei Bannockburn zu einer historischen Schlacht, in der das Heer von Robert Bruce die Engländer 21 besiegte. Edward II., dessen Ruf die Niederlage weiter verschlechtert hatte, hatte sich auch an den Papst gewandt, um den englischen Standpunkt mithilfe der Kurie durchzusetzen. Johannes XXII. hatte daraufhin einen zweijährigen Waffenstillstand verkündet. Der Bruch des Waffenstillstands durch Robert Bruce führte zur Exkommunikation des Schotten und zur 22 Verhängung des Interdikts. Im Vorfeld dieser Maßnahmen hatte Johannes XXII. bei seinen Schreiben an Robert Bruce diesem den Königstitel verweigert. Robert Bruce wurde in der kurialen Kanzlei als Regnum Scocie nunc 23 Regenti bezeichnet. Die Verweigerung des Königstitels führte dazu, dass 24 Robert Bruce die Annahme der päpstlichen Briefe verweigerte. Tatsächlich machten die Gesandten von Johannes sehr ähnliche Erfahrungen, wie die Überbringer päpstlicher Briefe gegen Ludwig den Bayern einige Jahre danach. Als der Gesandte die Grenze zum Königreich Schottland überquerte, trat ihm ein Mann entgegen, der sich als Seneschall von Robert Bruce ausgab, und dem Mann des Papstes die Briefe an Robert Bruce gewaltsam
hg. v. Childs, Wendy R., Oxford 2005, S. 154; vgl. dazu Hill, Rosalind M. T., Belief and Practise as illustrated by John XXII’s Excommunication of Robert Bruce, in: Popular Belief and Practise. Papers read at the Ninth Summer Meeting and the tenth Winter Meeting of the Ecclesiastical History Society, hg. v. Cuming, Geoffrey J. und Baker, Derek, Cambridge 1972, S. 135–138. 20 Vgl. zu den Konflikten um die schottische Krone zu Beginn des 14. Jahrhunderts: Grant, Alexander, Fourteenth-Century Scotland, in: The New Cambridge Medieval History VI. C. 1300 – c. 1415, Cambridge 2000, S. 345–374, hier 348–350; Nicholson, Ranald, Scotland. The Later Middle Ages (The Edinburgh History of Scotland, Bd. 2), Edinburgh 1974, S. 27–73. 21 Vgl. Cornell, David J., Bannockburn: the Triumph of Robert the Bruce, New Haven 2009. 22 Siehe dazu unten Anm. 28, vgl. auch die päpstliche Vollmacht für die Kardinäle: Theiner, Vetera Monumaenta (Anm. 19), Nr. 404. 23 Theiner, Vetera Monumenta (Anm. 19), Nr. 421, S. 199. Vgl. auch Zanke, Johannes XXII. und die europäische Politik (Anm. 9), Kap. 4.3.2 (Von Avignon nach Arbroath). 24 Ibid.
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entriss. So wurde die Veröffentlichung der päpstlichen Exkommunikation und des Interdikts gegen Robert Bruce und seine Herrschaftsgebiete hand26 greiflich erschwert. Das geschah im Jahre 1319. Die Fälle sind natürlich in vielem verschieden, Schottland und das Reich spielten für die Kurie eine sehr unterschiedliche Rolle. Auch die Folgen der Verweigerung des Königstitels waren andere. Die Kurie beanspruchte anders als in Italien keine subsidiären Herrschaftsrechte im schottischen Hoheitsgebiet, solange der schottische Thron nicht eindeutig besetzt war. So deutlich die Unterschiede, und so deutlich die unterschiedlichen Gewichte der beiden Entwicklungen sind – umso markanter sind die Parallelen. Sowohl in Falle des schottischen Throns als auch im Falle des römischdeutschen Throns gab es einen Konflikt um seine Besetzung und zwei rivalisierende Bewerber. Die jeweils benachteiligte Seite verfügte über die besseren Kontakte zur Kurie in Avignon. Das gilt für die Habsburger, die durch Heirat mit dem Haus Aragon verbunden waren, und das gilt für den englischen König Edward II., der eine gut vorbereitete Gesandtschaft nach 27 Avignon geschickt hatte. In beiden Fällen verzichtete Johannes XXII. auf eine eigene Entscheidung zugunsten eines der Bewerber, ging jedoch mit massiven geistlichen Sanktionen gegen die aktuellen Amtsinhaber vor, die sich seiner Forderung nach einer Offenhaltung der Thronfrage widersetzten. Der englische Verfasser der ‘Vita Edwardi Secundi’ beschreibt das Vorgehen von Johannes mit folgenden Worten: Große Hoffnung erwuchs uns in diesen Tagen, weil Gott den König und das Volk mit vielen guten Entwicklungen erfreute. An erster Stelle ergab es sich 25 Theiner, Vetera Monumenta (Anm. 19), Nr. 427, S. 205: cum dictum Regnum Scocie intravisset, quidam nomine Alexander, se ipsius Roberti asserens seneschallum, prefato Gardiano occurens in via, tam apostolicas, quam ipsorum Cardinalium litteras et processus de manibus dicti Gardiano eripuit violenter […]; vgl. Zu den Erfahrungen der Männer auf der Seite des Papstes gegen Ludwig den Bayern: Kaufhold, Öffentlichkeit im politischen Konflikt (Anm. 10), passim. 26 Vgl. Nicholson, Scotland (Anm. 20), S. 99–101; Barrow, Geoffrey Wallis Stewart, Robert Bruce and the Community of the Realm of Scotland, 2. Aufl., Edinburgh 1976, S. 348–355; vgl. vor allem das einschlägige Kapitel in Sebastian Zankes Dissertation (Anm. 9), 4.3: Was der Papst zu sagen wagte: Das Papsttum und der anglo-schottische Konflikt. 27 Vgl. zur englischen Pembroke-Gesandtschaft die einschlägige Darstellung von Zanke, Johannes XXII. und die europäische Politik (Anm. 9), Päpstliche Politik im Raum. Grundlagen, Annäherungen und Verhandlungen: die Pembroke Gesandtschaft (1317).
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glücklich für den König und das Volk der Engländer, dass der Herr Papst, dessen Aufgabe es ist, Streit beizulegen, den Schotten und ihren Anführern eine zweijährige Waffenruhe auferlegte, damit sie in dieser Zeit einen Weg der Einheit und eine Form des Friedens finden könnten. Aber Robert Bruce verschmähte die päpstlichen Anweisungen und griff den König von England häufig an. So schien es dem Herrn Papst geboten, den Übertreter mit einer Strafe zu belegen. Daher exkommunizierte er Robert Bruce und seine Gefolgsleute, und legte das Interdikt auf Schottland, so dass der Gottesdienst nur noch hinter verschlossenen Türen und nach Ausschluß der Exkommunizierten und Inter28 dizierten gefeiert werden durfte.
Fünf Jahre später verfuhr Johannes XXII. gegenüber Ludwig dem Bayern in derselben Weise. Die Parallelen gehen noch weiter. Als Johannes XXII. Ludwig den Bayern exkommunizierte und seine Ländereien und die Ländereien seiner Anhänger mit dem Interdikt belegte, machte er diese Maßnahme 29 durch einen Anschlag an dem Domportal von Avignon bekannt. Man kann sich darüber wundern, dass der Anschlag an das Portal der Hauptkirche des Ortes, in dem die Kurie ihren Sitz hatte – nicht des Ortes, in dem der Adressat seinen Sitz hatte, die Ohren dieses Adressaten und seiner Anhänger „wie eine schallende Bekanntmachung und eine weit verbreitete Anzeige“ 30 (quasi sonoro preconio et patulo inditio) erreichen sollte. Dazwischen lagen viele hundert Kilometer. Zweckmäßig erschien das nicht. Bonifaz VIII. hatte diese Form der Publikation in seinem Konflikt mit dem französischen König Philipp dem Schönen für zulässig erklärt, sein Nachfolger Clemens V. hatte sie aber ausdrücklich auf die Fälle beschränkt, in denen eine andere Zitation 31 eines Mächtigen vor das päpstliche Gericht nicht gefahrlos möglich war. Das hatte Johannes aber im deutschen Fall gar nicht versucht. Tatsächlich benutzte Johannes XXII. bereits bei der Veröffentlichung des Prozesses gegen Robert Bruce dasselbe Verfahren und dieselben Worte wie wenige Jahre später gegen Ludwig den Bayern. Als er im November 1319 Robert Bruce und die schottischen Bischöfe nach Avignon zitierte, 32 da zitierte er sie quasi sonoro preconio et patulo indicio. Hier weichen 28 Vita Edwardi Secundi. The Life of Edward the Second, hg. v. Childs, Wendy R., Oxford 2005, S. 154. 29 MGH, Constitutiones 5 (Anm. 4), Nr. 881 (10), S. 699; vgl. Kaufhold, Gladius Spiritualis (Anm. 4), S. 56. 30 MGH, Constitutiones 5 (Anm. 4), Nr. 792; vgl. Kaufhold, Gladius Spiritualis (Anm. 4), S. 56. 31 Clem. 2.1.1 (=Corpus iuris canonici, Bd. 2, hg. v. Friedberg, Emil, Leipzig 1881); Kaufhold, Öffentlichkeit im politischen Konflikt (Anm. 10), S. 437f. 32 Theiner, Vetera Monumanta (Anm. 19), Nr. 427, S. 207.
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die Editionen geringfügig voneinander ab, die Edition August Theiners 33 gibt iudicio statt indicio an, aber das ist wahrscheinlich ein Lesefehler. Die Formulierung, die die Rechtmäßigkeit und auch die Angemessenheit der Veröffentlichung von Zitation und Strafsentenz am Portal des Domes von Avignon feststellte, wurde von Johannes dann in seine Fortsetzung der Sammlung päpstlicher Urteile für das Kirchenrecht aufgenommen. Die Extravaganten von Johannes XXII. verliehen dieser defensiven Praxis 34 Rechtscharakter. Wobei die Dekretale, die Johannes für seine Sammlung auswählte, nicht den schottischen und nicht den deutschen Fall zugrunde legte, sondern einen Konflikt in Florenz aus dem Jahr 1324. Der Anspruch, in Avignon fristbewährte Zitationen auszusprechen, die in der ganzen Christenheit gehört werden sollten, erweist sich damit als ein grundsätzliches Amtsverständnis Johannes’ XXII. Avignon war als Ort der Entscheidung wichtiger als der eigentliche Schauplatz in Schottland, im Reich oder in der Toskana. Dieser Befund wird durch eine weitere Parallele noch bestätigt. Papst Johannes hatte in zwei Fällen, in denen es um weitreichende politische Fragen ging, dasselbe Vorgehen gewählt. Ein Vorgehen, das die Frage, wer in dem jeweiligen Königreich den Thron innehaben sollte, nicht beantwortete, das aber die militärische Entscheidung, die die Frage für die siegreichen Akteure geklärt hatte, nicht akzeptierte. Johannes verweigerte die Anerkennung der via facti, und er setzte die päpstlichen Sanktionsmöglichkeiten ein, um die Frage des Thronrechts offen zu halten. Im Falle der Prozesse gegen Ludwig den Bayern war dabei auffällig, dass das erste Prozessschreiben den Anklagepunkt erhebt, dass Ludwig die „Markgraf35 schaft Magdeburg“ widerrechtlich an seinen Erstgeborenen verliehen habe. Gemeint war die Markgrafschaft Brandenburg, die durch ihre Berechtigung zur Königswahl eine besondere Bedeutung hatte. Sehr gründlich hatte man an der Kurie nicht recherchiert. Im Vorgehen gegen den schottischen König Robert Bruce zeigte sich eine ähnliche Indifferenz. Das päpstliche Schreiben an Robert, das die Frage des Königstitels für den Schotten erörtert, wurde von der Kanzlei im Register mit folgendem Beginn eingetragen: Carissimo 36 in Christo filio Roberto Regi Sicilie Illustri. Die Verwechslung des Schotten mit dem König von Sizilien ist durchaus erklärbar, die Anliegen Roberts von 33 Theiner, Vetera Monumanta (Anm. 19), Nr. 427, S. 207. 34 Extravaganten Johannes’ XXII., II, 2. 1 (=Corpus iuris canonici, Bd. 2, hg. v. Friedberg, Emil, Leipzig 1881). 35 MGH, Constitutiones 5 (Anm. 4), Nr. 792, S. 617. 36 Reg. Vat 109, Fol. 95r; Verweis bei Zanke, Johannes XXII. und die europäische Politik (Anm. 9), Kap. 4.3.2 (Von Avignon nach Arbroath).
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Neapel waren an der Kurie präsenter als die des Schotten. Man sollte die Verwechslungen nicht über Gebühr gewichten. Aber sie zeigen doch, dass eine genauere Sachkenntnis, die solche Irrtümer gar nicht möglich machte (weil man wusste, welche Fürsten den römischen König wählten, der ja an der Kurie kein Unbekannter war), nicht vorhanden war. Das galt in gewisser Weise auch für die weitere Bekanntmachung der Exkommunikation und des Interdikts gegen Ludwig den Bayern und seine Anhänger. Johannes beließ es nicht bei der Publikation an der Domtür, sondern sorgte schließlich für eine weitere Verbreitung seiner Prozesse gegen Ludwig. Dazu sandte er die einschlägigen Aufträge verstärkt an Prälaten, die den Habsburgern nahe38 standen. Das deutete auf eine gewisse Information über die Realitäten im Lande hin. Dafür verlangte die Kurie dann aber die Ausstellung eines Notariatsinstrumentes über die jeweils erfolgte Veröffentlichung der päpstlichen Bannsentenzen. Das war schwierig, denn dieses Mittel gab es in Deutschland kaum, so dass die meisten Prälaten sich mit der Ausstellung einer eigenen 39 Urkunde behalfen.
IV. Eine päpstliche Strategie? So wählte die Kurie mit Blick auf das Reich eine Strategie, die auf unvollständigen Informationen aufbaute. Auf Informationen, die bei einer besseren Vorbereitung leicht aktualisierbar gewesen wären. Wenn man darauf Wert legte. Die Forderung nach der Niederlegung des Königstitels durch Ludwig führte nicht zum Erfolg. Ludwig ließ sich nicht darauf ein. Der schottische Befund ist ähnlich. Auch wenn der Papst Robert Bruce die Königswürde in der Anrede verweigerte, so blieb Robert Bruce doch schottischer 40 König. In beiden Fällen ist die Bilanz des Konfliktes, den die päpstlichen Prozesse forcierten, für die Kurie kaum positiv zu nennen. Im deutschen Fall gelang es den Nachfolgern von Johannes, ein Bündnis mit dem schließlich
37 Vgl. etwa den Brief des aragonesischen Gesandten: MGH, Constitutiones 5 (Anm. 4), Nr. 798. 38 Kaufhold, Gladius Spiritualis (Anm. 4), S. 55–90. 39 Ibid. 40 Vgl. zur Königsherrschaft von Robert Bruce neben Barrow, Robert Bruce (Anm. 26) Brown, Chris, Robert the Bruce: a life chronicled, Stroud 2004 und Scott, Ronald McNair, Robert the Bruce: King of Scots, Edinburgh 1988.
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erfolgreichen Gegenspieler Ludwigs des Bayern, mit Karl IV. einzugehen. Aber das gelang erst nach dem Tode Ludwigs und nach einem schwierigen Start. Der Anspruch auf die Approbation der deutschen Königswahl wurde von den Deutschen weiterhin ignoriert. So konfliktfreudig Johannes war, so gering war sein politischer Erfolg. Das war nicht nur eine Frage der Strategie, es war vor allem eine Frage der Mittel. Allerdings besteht die Kunst der Strategie auch darin, das Vorgehen den eigenen Mitteln anzupassen. Aus politischer Perspektive ist die Strategie von Johannes, die vier Jahre nach seinem Tod zu einer massiven Ablehnung der päpstlichen Approbationsforderung durch die deutschen Fürsten und die deutschen Städte führte, kaum 42 erfolgreich zu nennen. Aber die Frage ist: hatte Johannes, hatte die Kurie überhaupt eine politische Strategie? Hatte sie das tatsächliche Anliegen, die Verhältnisse in Schottland und im Reich politisch zu prägen – durch den Einsatz massiver Kirchenstrafen, wie der Exkommunikation und des Interdikts, das vor allem Unbeteiligte von den Sakramenten ausschloss, weil Ludwig ihr König war? Wir müssen uns daran erinnern, dass Johannes in den beiden untersuchten Fällen zunächst auf die Entscheidung zugunsten eines der jeweiligen Rivalen verzichtete. Das veränderte sich in der Dynamik des Konflikts im weiteren Geschehen, in dem einen Fall zugunsten Edwards II., der eine erfolgreiche 41 Monumenta Germaniae Historica Constitutiones et Acta Publica Imperatorum et Regum, Bd. 8, hg. v. Zeumer, Karl und Salomon, Richard, Hannover/ Leipzig 1910, Nr. 12, 16–19; Auszüge aus den Registern der Päpste Clemens VI. und Innozenz VI. zur Geschichte des Kaiserreichs unter Karl IV., hg. v. Werunsky, Emil, Innsbruck 1885; vgl. Wood, Diana, Clement VI. The Pontificate and Ideas of an Avignon Pope, Cambridge et alibi 1989, S. 142–176; Kaufhold, Gladius Spiritualis (Anm. 4), S. 282–285; Patze, Hans, Salomon sedebit super solium meum. Die Konsistorialrede Papst Clemens VI. anläßlich der Wahl Karls IV., in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 114 (1978), S. 1–37. 42 Vgl. etwa die scharfe Zurückweisung des päpstlichen Approbationsanspruches durch die deutschen Kurfürsten im ‘Weistum von Rhense’ aus dem Jahre 1338: Dass ein solchermaßen Gewählter es nicht nötig hat, sich deswegen an den Apostolischen Stuhl zu wenden, dass im Gegenteil seit jeher – seit man sich daran erinnern kann –, daran festgehalten und beachtet wurde, dass von den Kurfürsten des Reiches einstimmig oder mehrheitlich Gewählte den Königstitel angenommen und die Güter des Reiches verwaltet haben, und dass sie dies nach Recht und Gewohnheit erlaubterweise tun konnten und auch in Zukunft tun können, ohne dafür die Zustimmung oder Erlaubnis des besagten Apostolischen Stuhles zu haben oder zu erhalten, Quellensammlung zur Geschichte der Deutschen Reichsverfassung in Mittelalter und Neuzeit, Bd. 1, hg. v. Zeumer, Karl, 2. Aufl., Tübingen 1913, Nr. 141c.
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Diplomatie in Avignon betrieb, und in dem anderen Fall zulasten Ludwigs des Bayern, der die Legitimität von Johannes’ Papsttum grundsätzlich in Frage stellte. Aber zunächst war es darum gegangen, die Frage, die bis dahin militärisch entschieden worden war, offenzuhalten. Tatsächlich waren die Sanktionen, die Johannes androhte, in Schottland und im Reich erst in Kraft getreten, nachdem Robert Bruce und Ludwig an ihrem Königstitel festgehalten hatten. Etwas abstrahierend könnte man diesen Befund so festhalten: Johannes XXII. beanspruchte als Papst nicht, zu entscheiden, wer König in 43 Schottland oder im Reich war. Er beanspruchte aber, dass die Entscheidung über das Königtum seine Zustimmung fand. Wobei dieser Aspekt in Hinblick auf Deutschland eindeutiger formuliert war. In Schottland war er eher eine Folge des Konfliktes vor Ort. Es ist vielleicht angebracht an die Feststellung des englischen Verfassers der ‘Vita Edwardi Secundi’ zu erinnern, dass es die Aufgabe des Papstes war, „Streit beizulegen“.44 Mit dem vergleichenden Blick auf Innozenz III. können wir für Johannes XXII. daher feststellen, dass sein theoretischer Anspruch – die grundsätzliche Prüfung des deutschen Wahlverfahrens – über den von Innozenz III. hinausging, der beansprucht hatte, in einem Konfliktfall die rivalisierenden 45 Kandidaten prüfen zu können. Der operative Anspruch des Papsttums, also das Anliegen, die Verhältnisse vor Ort im päpstlichen Sinne zu gestalten, trat dagegen zurück. In der Vergabepraxis von Pfründen vor Ort hatte dieses 46 Vorgehen eine gewisse Parallele. Die Kurie folgte in den meisten Fällen den Vorschlägen der jeweiligen traditionellen Besetzungsgrößen, beanspruchte diese Entscheidung dann aber als eigene Leistung. Das hatte ordnungspolitische Gründe in dem päpstlichen Anspruch auf die plenitudo potestatis, das hatte aber auch finanzielle Gründe. So konnte die Kurie für eine Leistung, die vor Ort die Aussicht auf Akzeptanz hatte, eine mitunter beträchtliche Gebühr erheben. Was ziehen wir daraus für Schlüsse in Hinblick auf unsere Fragestellung? Wir sollten unsere Erwartungen an den päpstlichen Führungs- oder auch Herrschaftsanspruch über die Christenheit an diese Einwirkungsmöglichkeiten anpassen. Tatsächlich zeigen die beiden Beispiele, in denen es immerhin um Königreiche ging, dass die Kurie nur begrenzte Anstrengungen 43 Vgl. allgemein auch Miethke, Der Kampf Ludwigs des Bayern (Anm. 10); Kaufhold, Die Rhythmen politischer Reform (Anm. 5), S. 237f. 44 Vgl. Anm. 28. 45 Vgl. Anm. 5. 46 Vgl. etwa Felten, Franz-Josef, Päpstliche Personalpolitik. Über Handlungsspielräume des Papstes in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, in: Historisches Jahrbuch 122 (2002), S. 43–86.
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unternahm, das Geschehen und die Entscheidungen in partibus zu beeinflussen. Zum Teil zeigte sie eine überraschende Unkenntnis über die jeweiligen Verhältnisse. In dem schottischen Fall zeigte sich auch eine erhebliche kuriale Unsicherheit. Dagegen setzte unter Johannes die systematische Registererfassung der päpstlichen Korrespondenz in die gesamte Christenheit ein. Die Register Johannes XXII. sind nach heutiger Kenntnis in großem 47 Umfang überliefert. Der eigentliche Ort des Geschehens war Avignon. Auch wenn es sich um ein Geschehen in partibus fernab dieser Zentrale handelte. Die päpstliche Haltung wurde im hohen Maß durch die Vorgänge in Avignon geprägt. Franz Felten hat in einer eingehenden Prüfung darauf verwiesen, dass es für politische Verhandlungen in Avignon keine gere48 gelte Geschäftsordnung ab. Insofern mag man darüber streiten, ob der Begriff ‘Standardverfahren’ einen zu hohen Grad an Normierung suggeriert. Gemeint ist damit, dass die Kurie offenbar nur in geringem Maße über abstufbare politische Mittel verfügte. Das führte dazu, dass sie in so unterschiedlichen Fällen wie in Schottland und im Reich im Grunde mit den gleichen Instrumentarien vorging. Das sollte uns bei näherem Hinsehen aber nicht zu sehr verwundern. Denn Johannes und seiner Kurie, und das wäre die Schlussfolgerung aus dem hier Gesagten, ging es wohl nicht um Politik in dem Sinne einer Gestaltungsmacht über reale Verhältnisse. Angesichts der volltönenden Rhetorik von Päpsten wie Innozenz IV. und Bonifaz VIII. ist es verständlich, dass die Forschung von einem „Weltherrschaftsanspruch“ des Papsttums, oder etwas abgemildert von einer „Weltregierung“ seit dem 49 späten 13. Jahrhundert spricht. Wir müssen uns nur darüber klar sein, dass sich das Herrschaftsverständnis dieser Zeit von unserem deutlich unterschied. Die Herrschaft dieser Epoche hatte kein stärkeres operatives Interesse. Sie regelte vor allem die Fragen, die die Untertanen ihnen vorlegten. Ein politisches Programm gab es nicht. Es gab daher auch keine Strategie. 47 Vgl. zur päpstlichen Registerführung in der Zeit Johannes XXII. besonders die bereits zitierte Dissertation von Zanke, Johannes XXII. und die europäische Politik (Anm. 9). Die Register von Johannes sind noch nicht vollständig ediert, sie sind aber an verschiedenen historischen Forschungseinrichtungen über Scans auf CD-Rom zugänglich. 48 Felten, Franz-Josef, Verhandlungen an der Kurie im frühen 14. Jahrhundert. Spielregeln der Kommunikation in konfliktgeladenen Beziehungen, in: „Das kommt mir spanisch vor“ – Eigenes und Fremdes in den deutsch-spanischen Beziehungen des späten Mittelalters, hg. v. Herbers, Klaus und Jaspert, Nikolaus, Münster 2004, S. 411–474, besonders S. 464. 49 Vgl. zum theoretischen Hintergrund: Miethke, De potestate papae (Anm. 7), S. 97–104.
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Es ging um den Anspruch auf die Entscheidungsgewalt. Und wir müssen vielleicht ergänzen, dass die Frage nach der Durchsetzung der Entscheidung nur noch auf ein mäßiges Interesse stieß. Tatsächlich erlebte dieses Interesse dann erst ab dem 16. Jahrhundert seine eigentliche Konjunktur. Dabei geht es um die politische Dimension des Papsttums, nicht um religiöse Reformdynamik. Sie hatte einen anderen Charakter. Auf dem Feld der Politik agierte Johannes, wie auch die anderen Päpste seiner Zeit, mit einem ausgeprägten Ordnungsanspruch aber mit reduziertem Gestaltungswillen. Die Gestaltung der Verhältnisse vor Ort überließ er den Akteuren in partibus. Das Verhältnis dieser beiden Größen, von Ordnungsanspruch und Gestaltungsmacht, das die Zeitgenossen bereits umtrieb, wäre indes ein weiteres Thema.
Des usages de la démocratie. Deditio et contrôle politique des cités lombardes dans le ‹ grand projet › de Jean XXII Armand Jamme (Lyon)
Considéré comme l’inventeur d’une papauté ‹ avignonnaise › à la forte dimension administrative, autoritaire, voire désespérément étatiste, Jean XXII a durement subi le jugement de l’histoire. Ses constructions auraient été mises au service d’une politique qui par son exclusivisme aurait nourri et radicalisé les oppositions, transformant son long pontificat en une succession d’affrontements et de conflits qui amenèrent jusqu’aux soutiens traditionnels du guelfisme à se dresser contre lui. Les premiers mots de la notice qui lui est consacrée dans le ‹ Grande Dizionario Enciclopedico ›, publié par l’UTET entre 1984 et 1991, révèlent tout le mépris et la réprobation que le personnage a fini par susciter : avant d’évoquer les éléments marquants de son pontificat, l’auteur précise en effet que Jacques Duèse « era un vecchio 1 di 72 anni, d’umili origine, piccolo e brutto » ! Depuis les travaux de Giovanni Tabacco, Jean XXII passe surtout pour avoir été « troppo francese, vissuto all’ombra di una grande monarchia e avvezzo a vedere nei principi di antica origine feudale i naturali tutori dell’ordine e difensori delle chiese, e troppo francesi sono in grande maggioranza i suoi cardinali e i legati che manda in Italia, perché ad Avignone si possa comprendere in tutta la sua ampiezza e intensità il movimento comunale italiano, il travaglio delle nostre città e la raggione del trionfo del regime 2 signorile in molte di esse ». Soumission d’un pape français aux intérêts de la Maison de France, francisation de la cour pontificale et, en conséquence, incapacité à saisir que le succès des seigneurs italiens venait du fait qu’ils savaient s’insérer dans le développement communal de la cité, tels auraient été les principes qui auraient condamné la politique de Jean XXII. En toute 1 Solero, Silvio, Giovanni XXII, dans : Grande Dizionario Enciclopedico, Torino 1984–1991, 28 vol., vol. 8, p. 554. 2 Tabacco, Giovanni, La casa di Francia nell’azione politica di Giovanni XXII (ISIME-Nuovi Studi Storici 1–4), Roma 1953, pp. 167–168.
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logique, elle aurait transformé l’Italie du centre-nord en plate-forme de 3 confrontation des forces impériales et pontificales et aurait été sanctionnée, puisqu’il avait mésestimé la diversité et la fluidité des intérêts et des partis, par un retentissant et prévisible échec : en définitive, elle n’aurait constitué 4 qu’un frein à l’inéluctable affirmation de Milan. e Jean XXII fut assurément le pape du XIV siècle qui engloutit les plus grandes sommes en Italie. On a calculé que ce furent pas moins de 67 % de ses ressources qui furent dépensées dans la péninsule, soit bien plus de 2,5 5 millions de florins. Les taxes et subsides dont il accable le clergé – français 6 notamment – les multiples recrutements de cavaliers qu’il fait effectuer en 7 France, en Allemagne et en Italie, sont indubitablement commandés par un ‹ grand projet ›, dont les formes concrètes restent toutefois nimbées de quelque mystère. On a considéré que Jean XXII avait cherché à créer en Italie du nord un royaume en faveur du roi de Naples ou d’un de ses parents. Mais cette thèse, défendue par Friedrich Bock et Heinrich Otto, répond 8 surtout aux objectifs effectivement poursuivis par la diplomatie angevine ! 3
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Manselli, Raoul, Un papa in un’età di contraddizione : Giovanni XXII, dans : id., Da Gioacchino da Fiore a Cristoforo Colombo, Studi sul francescanismo spirituale, sull’ecclesiologia e sull’escatologia bassomedievale, Roma 1997, pp. 303–316. Voir Cognasso, Francesco, L’unificazione della Lombardie sotto Milano, dans : Storia di Milano, vol. V, La signoria dei Visconti, Milano 1955, pp. 1–567, et Andenna, Giancarlo et alii, Comuni e signorie nell’Italia settentrionale : La Lombardia (Storia d’Italia VI), Torino 1998, pp. 512–519. Renouard, Yves, Les relations des papes d’Avignon et des compagnies commerciales et bancaires de 1316 à 1378 (Bibliothèque des Écoles françaises d’Athènes et de Rome 151), Paris 1941, pp. 95–97 ; voir aussi Mollat, Guillaume, Jean XXII fut-il un avare ?, dans : Revue d’Histoire de l’Église 5 (1904), pp. 522–534 et 6 (1905), pp. 34–35. Jamme, Armand, Interférences et individuations fiscales : une révision des relations entre la monarchie de France et le siège apostolique aux XIIIe et XIVe siècles, dans : Financiar el reino terrenal. La contribución de la Iglesia a finales de la Edad Media (s. XIII–XVI), éd. par Morello Baget, Jordi, Barcelona 2013, pp. 15–53, 37–44. Id., Le Languedoc en Italie ? Réseaux politiques et recrutement militaire pendant la légation du cardinal Bertrand du Pouget (1319–1334), dans : Jean XXII et le Midi (Cahiers de Fanjeaux 45), Toulouse 2012, pp. 81–116. C’est la thèse de Bock, Friedrich, Kaisertum, Kurie und Nationalstaat im Beginn des 14. Jahrhunderts, dans : Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte 44 (1936), pp. 105–122, 169–220, et d’Otto, Heinrich, Zur italienische Politik Johannes XXII., dans : Quellen und
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Giovanni Tabacco a lui pensé que ce pape ‹ français › avait eu l’intention de 9 créer un royaume en faveur d’un membre de la Maison de France. Mais une telle théorie soutient difficilement l’épreuve dès lors que l’on investit les 10 sources produites autour des derniers Capétiens et du premier des Valois. Si Jacques Duèse n’a semble-t-il jamais envisagé sérieusement de recon11 duire le siège apostolique à Rome, contrairement à ce qu’affirme Pétrarque, en revanche il eut l’intention de transférer sa cour à Bologne, ce qui témoigne dès lors que l’on considère les résidences du siège apostolique aux XIIe–XIIIe 12 siècles, d’une appréhension différente par rapport à ses prédécesseurs des problèmes politiques péninsulaires. Des recherches récentes ont de surcroît révélé les conceptions urbanistiques originales de son légat, qui avait envisagé en juillet 1332 de relier un espace curial en plein développement depuis deux ans, à proximité de la Porta Galliera, au vrai cœur de la cité que consti13 tuait la place de la commune. Le percement d’une grande rue associant les
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Forschungen aus Italienischen Archiven und Bibliotheken 14 (1911), pp. 140– 265, qui se fondent tous deux sur la fausse bulle étudiée par Felten, Wilhelm, Die Bulle Ne pretereat und die Reconciliations-Verhandlungen Ludwigs des Bayers mit dem Papste Johann XXII., Trier 1885–1887. Tabacco, Giovanni, Un presunto disegno domenicano-angioino per l’unificazione politica dell’Italia, dans : Rivista Storica Italiana 61 (1949), pp. 489–525 et id., Gli antecedenti della politica francese di papa Giovanni XXII, dans : Archivio Storico Italiano 109 (1951), pp. 39–67. Dans le sens où elles ne donnent rien. Le pape a surtout tenté d’utiliser Charles IV pour l’opposer à Louis de Bavière en Germanie ; voir également Cazelles, Raymond, La société politique et la crise de la royauté sous Philippe VI de Valois, Paris 1958. Et à sa suite Eugenio Dupré Theseider, voir Vasina, Augusto, I Romagnoli fra autonomie cittadine e accentramento papale nell’età di Dante, Firenze 1964, p. 35 et dernièrement Benevolo, Giancarlo, Bertrando del Poggetto e la sede papale a Bologna : un progetto fallito, dans : Giotto e le arti a Bologna al tempo di Bertrando del Poggetto, éd. par Medica, Massimo, Milano 2005, pp. 21–35, voir p. 26. Paravicini Bagliani, Agostino, La mobilità della curia romana nel Duecento : riflessi locali, dans : Società e istituzioni nell’Italia comunale : l’esempio di Perugia (secoli XII–XIV), Perugia 1985, pp. 155–278 et, pour une actualisation, voir Itineranza pontificia. La mobilità della curia papale nel Lazio (secoli XII– XIII), éd. par Carocci, Sandro (ISIME, Nuovi Studi Storici 61), Roma 2003. Le légat avait d’abord fait réaliser divers ouvrages améliorant la viabilité, restaurer les ponts construits sur les canaux qui traversaient la cité, fermer des espaces étroits entre les maisons où ne se développaient que prostitution et immondices, refaire les conduites hydrauliques approvisionnant Bologne, re-
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deux centres de pouvoir est le témoignage éloquent, non seulement d’une réflexion structurante sur la transformation d’une ville en capitale de la chrétienté – dont on n’a absolument aucun équivalent à la même époque à Rome ou à Avignon – mais aussi d’une vision de la papauté qui va à l’encontre des schémas historiographiques traditionnels. Si l’effectivité d’un grand programme de restructuration politique de l’Italie se dégage peu à peu d’une documentation lacunaire et éparse, si au regard des ressources financières qui y furent consacrées, il constitue indubitablement le ‹ grand projet › du pontificat, les formes concrètes auxquelles il devait aboutir restent pourtant imprécises. D’abord parce qu’elles ne se dessinèrent que très progressivement : quelques mois à peine après son couronnement, l’intervention de Jean XXII en l’Italie du nord différa peu de celle de ses prédécesseurs. Les objectifs qu’il invoquait dans ses premières bulles entraient dans le cadre des attributions universellement reconnues au siège apostolique : rétablir la paix, éteindre les conflits, reconduire dans leurs biens, droits et devoirs les exilés, mettre un terme aux rivalités incessantes à l’intérieur et entre les cités. En avril 1317, il envoyait deux nonces dans la plaine padane, le dominicain Bernard Gui et le franciscain Bertrand de La Tour pour s’informer auprès des populations, exhorter à la paix les belligérants, solliciter des principaux seigneurs la libération des prisonniers poli14 tiques, le retour des exilés et la restitution des biens séquestrés. Dans leur correspondance avec le pape, les nonces justifiaient l’échec de leurs tentatives en dressant un tableau politique très négatif de la Lombardie, où les conflits se seraient intensifiés depuis la descente de l’empereur Henri VII. Arrivés à Parme en juillet, ils s’excusèrent de rapporter ce que beaucoup leur confiaient, à savoir que jamais la région ne connaîtrait la paix, si elle n’avait son propre roi, son seigneur naturel issu d’une nation non barbare, qui inspi15 rerait crainte et amour en répandant concorde et justice [...]. Il peut certes être difficile de ne pas voir derrière la mission d’information attribuée à Bertrand de La Tour et Bernard Gui la volonté de repérer structurer le port au nord en répartissant les coûts entre sa caisse et celle de la commune et poursuivre les travaux aux nouvelles murailles. En mars 1330, il avait fait commencer la construction d’un imposant château Porta Galliera pour recevoir la curie et ses divers dicastères. Il fut achevé en deux ans : Benevolo (note 11), pp. 29–31. 14 On rappelle que Matteo Visconti dominait Milan, Alexandrie, Plaisance, Pavie et Bergame, Cangrande della Scala, Vérone et Vicence, et Passerino Bonacolsi, Mantoue et Modène. 15 Dicunt enim plurimi clerici et laici et persone ecclesiastice et regulares, quod vix aut nunquam patria Lombardie pacem habebit, nisi habuerint regem
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la faisabilité d’un programme déterminé : autant Bock, Otto que Tabacco se révèlent convaincus que Jean XXII les y avait envoyés à cet effet et qu’en retour les nonces tentaient d’infléchir les pensées du pape en faveur 16 de leur candidat à une telle couronne. À partir des lettres adressées au 17 pape par Bernard Gui – à mon sens le véritable auteur de celles-ci – on construisit à Avignon, en les copiant l’une après l’autre, un texte intitulé ‹ Informatio de statu Lombardie › qui prouve à l’évidence toute l’attention que Jean XXII accorda à cette analyse aigue – on n’en attendait pas moins de la part d’un inquisiteur (!) – de la situation politique italienne. La confection d’un tel dossier documentaire signale indubitablement l’intérêt du pape pour l’Italie du nord, son souhait de conserver ce qui était au fond une Descriptio de la Lombardie. Elle ne signifie nullement que Jean XXII entendait suivre les recommandations de ses nonces. Précisément parce qu’ils soulignaient toute la difficulté d’une telle opération, les enseignements de Bernard Gui constituaient une sérieuse mise en garde contre de tels projets. Le 31 mars 1317, Jean XXII avait publié ce qui deviendra la décrétale ‹ Si fratrum ›, dans laquelle il avait rappelé comme son prédécesseur qu’en l’absence de pouvoir séculier, la juridiction, la gérance et
unum proprium et naturalem dominum, qui non sit barbare nationis, et regnum eius continuet naturalis posteritas successiva, ut sic merito in se et in suis filiis timeatur pariter et ametur, per quam (sic) tollatur tirannorum iugum importabile et pax et iusticia conservetur. Verum si in hiis aliquid scribimus, quod non debuimus, suppliciter petimus veniam nobis dari. Éd. par Riezler, Sigmund, Vatikanische Akten zur deutschen Geschichte in der Zeit Kaiser Ludwigs des Bayern (1314–1347), Innsbruck 1891, pp. 36–39. G. Tabacco (note 2) considère que les nonces ne pensaient pas à un roi siégeant à Naples, puisque celui-ci devait être « propre et naturel », et pense que les nonces avaient en tête un prince français, le fils de Charles de Valois ou les frères de Robert d’Anjou, Jean, comte de Gravina et Philippe, comte de Tarente. Il observe que les deux premiers intervinrent en Italie au début de la légation de Bertrand du Pouget. 16 On ne fait pas exactement la même lecture. Il semble en effet que bien au courant des candidatures potentielles, les nonces entendaient surtout préciser en insistant sur ces conditions qu’aucun de ces candidats ne convenait. 17 D’après ma propre analyse, même s’il ne lui est pas attribué par Lamarrigue, Anne-Marie, Bernard Gui (1261–1331). Un historien et sa méthode, Paris 2000, dans la mesure où il n’est pas attribué non plus à Bertrand de La Tour par Nold, Patrick, Pope John XXII and his franciscan Cardinal. Bertrand de La Tour and the Apostolic Poverty Controversy, Oxford 2003.
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la disposition de l’Empire étaient dévolues au pape. Les rapports adressés par ses deux nonces ne modifièrent pas son attitude. Le 16 juillet, il confirmait à Robert d’Anjou le titre de vicaire impérial en Italie que Clément V lui 19 avait octroyé trois ans plus tôt. Puis, il faisait ouvrir par l’administrateur du diocèse de Brescia un procès contre les seigneurs qui refusaient d’obtem20 pérer à ses monitions. Lorsqu’un de ces seigneurs, Matteo Visconti envoya son fils Marco à la tête d’une armée pour s’emparer de Gênes, ce fut le roi 21 de Naples qui se chargea de secourir la ville, le 21 juillet 1318. Il fallu attendre en fait la quatrième année du pontificat pour voir le pape 22 envoyer un légat au-delà des Alpes. La correspondance qu’il échangea
18 Schwalm, Jakob, Constitutiones et Acta publica imperatorum et regum, (MGH Const. V), Hannover/Leipzig 1911, n° 401, pp. 340–341. 19 Ibid., vol. IV/2, n° 1164, pp. 1205–1206 et vol. V, n° 443, pp. 367–368 ; Regestum Clementis papae V ex Vaticanis archetypis nunc primum editum, cura et studio monachorum ordinis S. Benedicti, Roma 1885–1892, n° 10321. Pour Sophia Menache, Clément V fit préparer, mais non délivrer la lettre nommant Robert vicaire impérial en Italie (Clement V, Cambridge 1998, p. 171). Mais, le chroniqueur de Parme signale la joie de la population à l’annonce de cette nouvelle ; Chronicon Parmense, 1038–1338, éd. par Bonazzi, Giuliano (Rerum Italicarum Scriptores 9/9), Città di Castello 1902, p. 134. 20 C’est-à-dire les Visconti, Scaligeri et Bonacolsi, tous les vicariats concédés par Henri VII en Toscane et en Lombardie étant réputés caducs, voir Parent, Sylvain, Publication et publicité des procès à l’époque de Jean XXII (1316– 1334) : l’exemple des seigneurs gibelins italiens et de Louis de Bavière, dans : Mélanges de l’École française de Rome 119–1 (2007), pp. 93–134 et id., Entre rébellion, hérésie, politique et idéologie : remarques sur les procès de Jean XXII contre les rebelles italiens, dans : L’età dei processi. Inchieste e condanne tra politica e ideologia nel ‘300, a cura di Rigon, Antonio e Veronese, Francesco, Roma 2009, pp. 147–179. 21 Voir Petti Balbi, Giovanna, L’assedio di Genova degli anni 1317–1331 : maligna et durans discordia inter gibellinos et guelfos de Ianua, dans : Reti Medievali Rivista 8 (2007). 22 Désigné le 23 juillet 1319, il ne reçut ses facultés qu’en mai et juin 1320 et partit le 10 juillet ; Coulon, Auguste et Clémencet, Suzanne, Lettres secrètes et curiales du pape Jean XXII relatives à la France, Paris 1900–1972, n° 912, 1040, 1044, 10203–4, 12112–12150. Les ‹ Annales Mediolanenses › citent partiellement la lettre de nomination, aujourd’hui non conservée dans les registres, voir Rerum Italicarum Scriptores, éd. par Muratori, Ludovico Antonio, vol. XVI, Milano 1730, cap. 91.
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avec celui qui est encore présenté parfois comme son neveu (!) est dans ses parties les plus officielles toujours inédite, de sorte que Bernard Guillemain pouvait habilement relever il y a une cinquantaine d’années : « l’on ne 24 sait si Bertrand du Pouget inspira ou appliqua la politique de Jean XXII ». L’examen des lettres pontificales, des registres de comptes et des sources communales montre qu’en réalité le pape et son légat ont tous deux contribué aux succès et aux revers d’une légation et d’un pontificat singulièrement longs. La durée de la légation, quelque quatorze années, signale certes la confiance que Jean XXII avait en son ancien clerc. Elle suggère aussi des échanges réguliers et secrets, en mesure d’adapter l’action politique et religieuse à un contexte particulièrement mouvant. À ne considérer que les actes de Bertrand du Pouget, ces quatorze années apparaissent schématiquement divisibles en trois temps. Après avoir été trahi 25 par les troupes françaises commandées par Philippe de Valois, le légat tenta de soumettre avec les forces qui lui demeuraient fidèles les seigneurs et les 26 villes qui résistaient au pape. Il prit Plaisance en novembre 1322, réussit à 23 Voir notamment Vasina (note 11), p. 325 et Benevolo (note 11), p. 23, bien que Lisetta Ciaccio ait relevé la fausseté d’une telle parenté : Il cardinal Bertrando del Poggetto in Bologna (1320–1334), dans : Atti e Memorie delle R. Deputazione di storia patria per la Romagna 23 (1904–1905), pp. 85–196, 456–537, p. 91, peut-être à partir des travaux du chanoine Albe, voir Autour de Jean XXII. Les familles du Quercy, II. Les cardinaux Gaucelin de Jean et Bertrand du Pouget, dans : Annales de Saint-Louis-des-Français 7 (1903), pp. 169–171. Sur sa famille voir les indications données par Jugie, Pierre, Un Quercynois à la cour pontificale d’Avignon : le cardinal Bertrand du Pouget (v. 1280–1352), dans : La papauté d’Avignon et le Languedoc (1316–1342), (Cahiers de Fanjeaux 26), Toulouse 1991, pp. 69–95, voir 70–71, 88–89. Le légat était né au château du Pouget, près de Castelnau-Montratier, à une trentaine de kms au sud de Cahors. Quant à la graphie Poujet actuellement en honneur chez certains historiens, elle fait fi des travaux du même Albe, qui tout dévoué à son Quercy natal, a bien su identifier le lieu dépendant de la châtellenie de Castelnau d’où Bertrand tire son origine. 24 Guillemain, Bernard, La cour pontificale d’Avignon (1309–1376). Étude d’une société (BEFAR 201), Paris 1962, p. 236 ; cité par Jugie (note 23). 25 En août 1320, à Mortara ; Tabacco (note 2), pp. 199–200. La trahison de Philippe de Valois n’eut pas sur le programme pontifical les effets dirimants auxquels on pouvait s’attendre, car exactement au même moment l’autre adversaire du pape, Cangrande della Scala, se trouvait défait à deux reprises par les guelfes à Monselice. 26 Castignoli, Pietro, Storia di Piacenza, III. Dalla signoria viscontea al principato farnesiano (1313–1545), Piacenza 1997, pp. 21–39.
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Ill. 1 – Carte de la Lombardie pendant le pontificat de Jean XXII.
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fédérer dans le cadre d’une croisade des forces disparates qui s’emparèrent de 27 Monza, puis entreprirent en juin 1323 d’investir Milan. Mais, d’abord décimées par une épidémie et affaiblies par les dissensions, ses troupes subirent l’année suivante une grave défaite à Vaprio en février 1324, ce qui lui interdit de poursuivre le siège de Milan et provoqua la perte de Monza, en décembre 28 suivant. Dans un deuxième temps, tout en poursuivant la guerre contre les 29 Visconti et leurs alliés lombards, et en soutenant militairement Florence et 30 les Angevins battus à Altopascio par Castruccio Castracani, il se lança dans la conquête des cités et châteaux d’Émilie, ayant manifestement l’intention de construire une sorte de boulevard guelfe pour relier la Romagne pontificale au comté angevin de Piémont – boulevard et non rempart, puisque 31 Pouget, de Bologne dont il était devenu le seigneur en février 1327, ne fut pas en mesure d’interdire le passage au roi de Germanie, qui put à la tête d’une petite troupe se rendre en Toscane, puis à Rome pour s’y couronner 32 empereur. Dans un troisième temps, Pouget concentra son action en Romagne où il conquit la plupart des villes, sans renoncer néanmoins à défendre ses posi33 tions émiliennes et lombardes. Après le retour de l’empereur en Allemagne, Jean XXII adopta une politique d’apaisement avec les seigneurs 27 Housley, Norman, The Italian Crusades. The Papal-Angevin Alliance and the Crusades against Christian Lay Powers (1254–1343), Oxford 1982, p. 27. 28 Riezler (note 15), n° 330 ; Storia di Monza e della Brianza, éd. par Bosisio, Alfredo et Vismara, Giulio, vol. 1., Le vicende politiche, Milano 1973, pp. 263–269. 29 En 1327, il envoyait ses troupes jusqu’à Côme ; Riezler (note 15), n° 482–483, 495–497. 30 En 1328 il fournissait un corps expéditionnaire de 600 hommes d’armes au duc de Calabre qui devait coordonner en Toscane la lutte contre Louis de Bavière installé à Pise ; Jamme, Armand, Le pape, ses légats et la rétribution du service d’armes dans l’Italie du XIVe siècle, dans : Salaire et salariat au Moyen Âge, éd. par Bernardi, Philippe et Feller, Laurent, à paraître. 31 Sur son entrée à Bologne, voir Ciaccio (note 23), p. 119. 32 Hundt, Barbara, Ludwig der Bayer. Der Kaiser aus dem Hause Wittelsbach (1282–1347), München 1989, pp. 174–188 et Thomas, Heinz, Ludwig der Bayer (1282–1347), Kaiser und Ketzer, Regensburg 1993, pp. 195–210. 33 Il fut de fait constamment aiguillonné sur ce point par le pape lui-même : pour les sollicitations à secourir Côme et les fidèles de l’Église en Piémont, voir Archivio Segreto Vaticano [désormais ASV], Reg. Vat. 115, n° 118, 126– 128, 374–376 ; les pour 300 hommes d’armes à fournir à l’évêque de Verceil, Lombardino della Torre, en septembre 1329, ibid., n° 1234.
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gibelins et envisagea de déplacer sa cour dans le palais fortifié que construisait pour lui son légat à Bologne. Les rapides succès du roi de Bohême qui, en six mois de décembre 1330 à mai 1331, s’emparait d’une dizaine de cités de la plaine padane manifestaient un profond désir d’unification politique 34 au sein de la population. Le pape décida de faire alliance avec lui. Dès que leur accord, susceptible d’en imposer à tous les particularismes, fut connu, les mécontents, autant guelfes que gibelins, se rassemblèrent dans une même ligue. Le roi de Bohême connut quelques revers et Jean XXII renonça à son installation à Bologne. À la recherche d’une victoire qui lui aurait permis de reprendre politiquement la main, Bertrand du Pouget vit son armée écrasée devant Ferrare, en avril 1333. Les villes de Romagne se révoltèrent contre son autorité et il finit par être chassé de Bologne, en mars de l’année suivante, 35 dans des conditions humiliantes. Ces infléchissements successifs montrent que le pape et son légat révisèrent à plusieurs reprises leurs objectifs en les adaptant à des contextes divers, sans pour autant renoncer à un programme global de reconfiguration politique de l’Italie du nord. Dans sa ‹ Nuova Cronica ›, Villani consacre plusieurs chapitres à l’action de Bertrand de Pouget, offrant ainsi une narration par épisodes de ses faits et gestes, qui constitue de fait la toute première histoire de sa légation. L’auteur eut on le sait l’opportunité d’approcher personnellement le légat en octobre 1329, alors qu’il était ‹ ambassadeur › 36 de la commune de Florence à Bologne. Sa rédaction, globalement favorable à Pouget en début de légation, devient avec les années de plus en plus critique à son égard. Elle fait aussi état, au-delà d’une chronologie nécessairement alternative de l’autorité de l’Église sur certaines villes d’Italie, d’une
34 En mars 1331, un accord était trouvé avec le roi de Bohême, auquel le pape cédait Parme, Modène et Reggio, ASV, Instrumenta Miscellanea, n° 1206, voir Mercati, Angelo, Proposte di Giovanni, il francofilo, re di Boemia, a Giovanni XXII, dans : Mélanges d’Archéologie et d’Histoire 61 (1949), pp. 195–209. Plus largement voir Dumontel, Carla, L’impresa italiana di Giovanni di Lussemburgo, re di Boemia, Torino 1952 ; Härtel, Reinhard, Die Italienpolitik Johanns von Böhmen, et Felten, Franz Joseph, Johann der Blinde und das Papsttum, dans : Johan der Blinde, Graf von Luxemburg, König von Böhmen 1296–1346, éd. par Pauly, Michel, Luxembourg 1997, pp. 363–382, 383–417. 35 Jamme (note 7), pp. 81–83. 36 Villani, Giovanni, Nuova Cronica, éd. par Porta, Giuseppe, 3 vol., Parma 1990–1991, L. XI, cap. 146, vol. II, p. 704.
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claire distinction sur laquelle on souhaiterait s’interroger ici entre conquête 37 et deditio de la cité. Pour Villani, la deditio est un acte par lequel une communauté abandonne sa propre domination – sa ‹ seigneurie › – à un ou plusieurs individus ou institutions. Une cérémonie marque le consentement des populations et leur changement de statut : c’est par une liturgie singulière qu’un état de fait résultant d’une conquête vient se transformer en réalité politique à forte valeur juridique. Dans la Rome républicaine, un tel acte était la conséquence d’une défaite : pour survivre, un peuple venait dissoudre son propre droit 38 dans celui de son vainqueur. À la fin du Moyen Âge en revanche, la deditio n’apparaissait plus conçue comme la conséquence d’une reddition. Elle se 39 voulait soumission volontaire et spontanée. Passons sur les conceptions et pratiques en usage au cours du premier millénaire, pour relever que dans une telle évolution la diffusion des thèses aristotéliciennes de l’État avait joué un rôle essentiel : tout bon gouvernement ne pouvait être fondé que sur une 40 soumission volontaire et contractuelle des gouvernés. À une époque où de 37 En voici quelques exemples : a dì XXVII di luglio, i capitani di Genova e l’abao del popolo e la podestà in pieno parlamento rinunziarono la loro balìa e signoria, e con volontà del popolo diedono la signoria e la guardia della città e della riviera al papa Giovanni e al re Ruberto per X anni, secondo i capitoli di Genova, Villani (note 36), L. X, cap. 94 ; a dì XXVII di febbraio presono la terra di Moncia presso a Milano, ibid., L X cap. 191 ; il Comune di Parma diede la signoria al legato […]. Poi per iscandalo che’ Bolognesi aveano tra lloro, per simile modo diedono la signoria a la Chiesa e al detto legato, ibid., L XI, cap. 9. 38 Isidore de Séville, Inst. 1, 14 : Deditio enim dicitur quando se victi aut vincendi hostes victoribus tradunt. 39 Chittolini, Giorgio, I capitoli di dedizione delle communità lombarde a Francesco Sforza : motivi di contrasto tra città e contado, dans : Felix olim Lombardia, Studi di storia padana dedicati a Giuseppe Martinim, Milano 1978, pp. 673–698, voir 676 et seq. et Menniti Ippolito, Antonio, Le dedizioni e lo stato regionale : osservazioni sul caso veneto, dans : Archivio Veneto 117 (1986), pp. 5 –30; Althoff, Gerd, Das Privileg der Deditio. Formen gütlicher Konfliktbeendigung in der mittelalterlichen Adelsgesellschaft, dans : Nobilitas. Funktion und Repräsentation des Adels in Alteuropa, éd. par Oexle, Otto Gerhard et Paravicini, Werner, Göttingen 1997, pp. 27–52. 40 Sur ce lent cheminement dans les Terres de l’Église, voir Jamme, Armand, De la République dans la Monarchie ? Genèse et développements diplomatiques de la contractualité dans l’État pontifical (fin XIIe – début XVIe siècle), dans : Avant le contrat social. Le contrat politique dans l’Occident médiéval XIIIe– XVe siècle, éd. par Foronda, François, Paris 2011, pp. 37–79.
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surcroît la guerre ne passait plus par la destruction physique des communautés urbaines vaincues, la deditio devenait ainsi un volet juridique déterminant dans tout programme de conquête, puisqu’elle engendrait ce droit de possession qui venait légitimer le gouvernement des populations. Au cours des phases II et III de la légation de Bertrand du Pouget, plusieurs cas d’espèce sont illustrés par des sources narratives et diplomatiques. Pourquoi furent-ils si nombreux en ces années ? Comment ces deditiones furent-elles préparées et interprétées ? Quelles valeurs pouvaient-elles avoir dans le cadre du ‹ grand projet › de Jean XXII ? Voilà quelques-uns des points que l’on souhaiterait éclaircir ici. Car les cités qui étaient au cœur des convoitises pontificales, à l’exception de celles situées en Romagne, relevaient toutes de l’Empire. La prise de possession d’une ville ne pouvait en conséquence entrer dans le cadre de procédures normées par le droit et la pratique. Il ne s’agissait là ni d’une annexion après cession des droits de 41 souveraineté, comme cela avait été le cas pour la Romagne en 1279, ni d’une 42 réintégration dans le giron de l’Église après une quelconque rébellion. Il fallait en Lombardie user d’autres méthodes. Interroger le vocabulaire et la liturgie mis en œuvre à cette occasion, en posant comme hypothèse qu’ils sont susceptibles de dire un ou des programmes politiques que l’on sait mouvants, permet donc d’appréhender dans toute sa diversité les qualifications de l’autorité que le pape prétend exercer dans le royaume d’Italie, entre souveraineté impériale, souveraineté pontificale, allégeance politique et domination seigneuriale.
I. De la soumission vacante Imperio à la deditio vacante Imperio La documentation relative aux cérémonies de deditio est peu développée. Les textes écrits par les chroniqueurs, sinon témoins tout au moins contemporains des événements, livrent parfois des enseignements pertinents, mais il faut le souligner, les instruments notariés, originaux et copies, et les livres 41 Waley, Daniel, The Papal State in the Thirteenth Century, London 1961, pp. 193–199 et Vasina (note 23), pp. 33 et seq. 42 Jamme, Armand, Le pape et le châtiment de ses cités du XIIIe au XVIe siècle : de la ville incomprise à la ville apprise ?, dans : Le châtiment des villes dans les espaces méditerranéens (Antiquité, Moyen Âge, Epoque moderne), éd. par Gilli, Patrick, Guilhembet, Jean-Pierre (Studies in European Urban History 26), Turnhout 2012, pp. 201–222.
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de comptes sont assez rares. Les nombreuses lettres collationnées dans les registres de Jean XXII apportent elles aussi peu d’éléments. La circulaire de décembre 1324, par exemple, qui montre le pape demandant à une longue série de communes, de châteaux et de partisans de contribuer au verse43 ment d’une taille imposée pour solder les troupes du légat, permet de saisir un réseau politique, restitue une trame de fidélités, de soumissions et d’alliances casuelles – réelles et espérées – mais ne permet pas d’identifier 44 les communes qui auraient fait acte de deditio. S’il est impossible d’établir une liste exhaustive des cités qui ont été concernées par un tel acte au cours du pontificat de Jean XXII, quelques documents éclairent toutefois les procédures adoptées dans des centres urbains de tailles diverses, à Plaisance, Monza, Parme et Reggio, que l’on examinera successivement ici. Les formes de la soumission précoce de Plaisance suscitent encore de nombreuses interrogations. Aucun acte diplomatique n’a semble-t-il été conservé. Les sources se résument à une chronique, qui révèle les difficultés que de tout temps les historiens ont éprouvé pour qualifier une relation qui peut aller de la soumission à l’alliance politique. Giovanni de Mussi, chroniqueur placentin résolument antipapiste, vécut dans la deuxième moitié du XIVe siècle et fonde en conséquence sa rédaction sur les travaux de ceux qui 45 l’ont devancé. Il rapporte ainsi qu’avec la prise de la ville le 9 octobre 1322, la cité facta fuit subdita sancte Romane Ecclesie, même si le légat n’entra dans Plaisance cum magno honore que le 27 novembre suivant. Cela donne évidemment à cette ‹ sujétion › un caractère équivoque, d’autant plus que l’auteur se contredit presqu’aussitôt en précisant que eodem anno – ce qui dans sa narration situe l’événement entre février et avril 1323 – Jean XXII 46 factus fuit dominus Placentie toto tempore vite sue. Les historiens de Plaisance ne font aucune référence à de tels faits, de sorte qu’il est à ce jour 43 ASV, Reg. Vat. 113, n° 662, fol. 93 et v. 44 Certaines relevaient assurément du roi de Naples, comte de Piémont. La liste a été consignée dans cet ordre : Plaisance, Cuneo, Cherasco, Alba, Asti, Alessandria, Parma, Reggio, Crema, Garanachin., Pichilion., Tortona, Montisregalis, Valenza, Brescia, Romano, Martinengo, suivis des groupes d’extrinseci de Milan, Verceil, Pavie, Novare, Cunardo, Bergame et Crémone. 45 Repertorio della chronistica emiliano-romagnola (sec. IX – XV), Roma 1991, pp. 285–288. 46 Chronicon Placentinum ab a. CCXXII usque ad a. MCCCCII auctore Johanne de Mussis, cive placentino nunc primum prodit ex manuscripto codice Bibliothecae Estensis, dans : Rerum Italicarum Scriptores XVI, Milano 1730, col. 448–560, col. 493. Le complot avorté qui devait donner un château du contado à Azzo Visconti en 1326 eut lieu dum civitas Placentie in
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impossible de cerner selon quelles procédures et même quelles formes prit 47 à Plaisance la domination pontificale après le 9 octobre 1322. La soumission de Monza au printemps 1324 est illustrée par les sources de manière différente. Le chroniqueur Bonincontro Morigia, bien que contem48 porain de faits dont il entreprit la narration à partir de 1340, l’ignore. Mais Bonincontro était un parent de ce Giovanni Morigia, ‹ intime › du seigneur de Milan, Matteo Visconti, qui l’avait en 1322 placé à la tête de la commu49 nauté. Il se déclare d’ailleurs anti-guelfe et pro-viscontien, de sorte que s’il ne semble rien savoir de la vie publique de Monza en 1323–1324, au cours de cette période où la ville était tenue par les guelfes, c’est probablement parce qu’il n’y résidait pas. Un instrument notarié, peu connu, a en revanche 50 été conservé. Il synthétise la phase finale d’une procédure de soumission. Le 29 mars 1324, soit un mois environ après la défaite de Vaprio, dans la chambre du pape à Avignon, en présence des cardinaux Gaucelme de Jean, Bertrand de Montfavès et Arnaud de Via, de l’évêque de Florence, Francesco temporalibus et spiritualibus esset Romane Ecclesiae subjecta, précise l’auteur, ibid., col 495. 47 Le 2 novembre, Jean XXII confiait le rectorat de la cité et de son territoire, l’Imperii regimen cum vacare noscatur appartenant au pape, à Versuzio de Landi, ad beneplacitum, ASV, Reg. Vat. 111, n° 1443, fol. 350v–351. Des troubles violents éclatèrent l’année suivante (Reg. Vat. 112, fol. 48v–49v) et le légat fut contraint d’éloigner Versuzio et de nommer un autre recteur : Castignoli (note 26), pp. 21–23. 48 Sur le personnage, voir Zabbia, Marino, Morigia, Bonincontro, dans : Dizionario Biografico degli Italiani 76 (2012), pp. 836–837. 49 Bonincontro cite des lettres de Galeazzo Visconti adressées à Giovanni et précise avoir assisté à un conseil général que ce dernier, en tant que représentant du seigneur de Milan, avait convoqué. Le gouvernement de Giovanni Morigia, après la mort de Matteo Visconti, fut marqué par une recrudescence des conflits politiques. Il fut d’ailleurs victime d’une tentative d’assassinat. Bonincontro précise avoir été placé à la tête des 200 piétons envoyés par la commune le 1er novembre 1322 à Galeazzo Visconti, voir Chronicon Modoetiense, dans : Rerum Italicorum Scriptores XII, Milano 1728, col. 1062–1184, col. 1121–1125. 50 Signalé par Biscaro, Giannina, Le relazioni dei Visconti di Milano con la Chiesa. Giovanni XXII ed Azzone, dans : Archivio storico Lombardo 46 (1919), pp. 84–229, p. 158, note 1, sur la base de l’analyse donnée par Mollat, Guillaume, Jean XXII (1316–1334). Lettres communes, Paris 1904–1947, 16 tomes, tome V, n° 20376 et phot. dans Cognasso (note 4), p. 182. Il n’est pas connu semble-t-il de Barni, Gianluigi, Storia di Monza e della Brianza, Milano 1973, et Monza, la sua storia, éd. par Agnoletto, Stefano, Monza 2002, voir Annexe V. 1.
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Silvestri, des doyens des églises de Burlats et de Saint-Étienne de Tescou, de Matteo da Monza, iurisperitus et de Gasparino Teopoldi, citoyen de Milan, les nobles citoyens Arrigo Lanterii et Guglielmo de Rabiis reconnaissaient sponte et realiter que le regimen et la dispositio de Monza et de son territoire appartenaient au pape et à l’Église tant que durerait la vacance de l’Empire. Ils promettaient au nom de la commune et des hommes de Monza de recevoir et tenir le gouvernement et les recteurs de Monza et de son territoire au nom du pape, de ses successeurs et de l’Église, tant que vaquerait l’Empire et prêtaient en conséquence serment, cum omnibus capitulis que in iuramento fidelitatis continentur, devant le notaire Gérald de Lalo, en s’engageant à faire ratifier ces engagements par les hommes et l’université de Monza dans le mois qui suivrait leur retour dans la cité. Le 24 mai, dans le palais communal, le conseil ayant été convoqué par le podestat, un cheva52 lier exilé de Côme, 82 individus, soit plus des deux tiers des membres du 53 conseil – parmi lesquels apparaissait au moins un parent du chroniqueur – en tant que représentants de la commune et des hommes de la terre de Monza, entendaient lecture et exposition en langue vulgaire de l’acte qui consignait les dicta, facta et gesta d’Arrigo Lanterii et Guglielmo de Rabiis à Avignon. Ils approuvaient tous leurs engagements dans les mêmes termes, engagements qui étaient renouvelés et jurés par un syndic au nom de tous les hommes de Monza et in animabus omnium de universitate predicta, les privilèges antérieurement concédés par les papes, empereurs et rois des Romains étant saufs. L’instrument était établi par un notaire au service d’Ai54 cardo Antimiani, archevêque de Milan, c’est-à-dire par les services du 55 prélat qui dirigeait le procès contre les Visconti.
51 Il s’agissait donc pour les prélats, de trois cardinaux apparentés au pape et élevés par lui à la dignité cardinalice en 1316, d’un ancien évêque de Senigallia et de Rimini, réputé pour sa fougue anti-gibeline et transféré à Florence en mars 1323. Sept chanoines de Monza se seraient alors trouvés à Avignon, parmi lesquels Matteo Riboldi, d’après Barni (note 50), p. 265, que l’on retrouve ici. 52 Côme ne semble avoir basculé du côté guelfe que vers novembre 1326, voir ASV, Reg. Vat. 114, n° 205. 53 Riccardo Morigia, dont il est d’ailleurs question dans le Chronicon Modoetiense (note 49), col. 1126, cap. 9. 54 Sur le personnage, Cadili, Alberto, Governare dall’esilio. Appunti su frate Aicardo da Camodeia, arcivescovo di Milano (1317–1339), dans : Nuova Rivista Storica 87 (2003), pp. 267–324. 55 Notaire qui œuvrait aussi dans le cadre de son enquête, voir Parent, Sylvain, Dans les abysses de l’infidélité. Les poursuites judiciaires contre les ennemis de
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La date du début de la procédure, un mois après la défaite de Vaprio qui condamnait la prise de Milan et relançait les attaques viscontiennes contre 56 une cité qui n’était pas encore ceinte de murs, incite à penser que l’archevêque qui représentait sur place le légat, ainsi que les familles guelfes qui tenaient la ville, avaient décidé, pour réaffirmer leur autorité sur la communauté, de faire confirmer son allégeance au pape et à l’Église. Le texte de l’engagement, répété mot pour mot à deux reprises (!), montre toutefois qu’il ne s’agissait peut-être pas d’un renouvellement formel de la soumission. Les représentants de Monza s’engageaient à recevoir et tenir leur gouvernement et leur recteur au nom du pape et de l’Église, une formulation assez vague qui pouvait signifier qu’ils reconnaissaient au pape le pouvoir de réformer un régime communal encore dirigé par un podestat pour qu’un 57 recteur gouvernât effectivement la ville, ou que les institutions de gouvernement urbain adhéraient simplement à une ligne politique défendue par l’Église. Pour les guelfes de Monza, cette reconnaissance de l’autorité du pape Imperio vacante ne devait en aucune manière léser la communauté et ils s’employèrent dans les mois qui suivirent à obtenir de Jean XXII la confir58 mation de toutes leurs libertés et immunités, notamment celles qu’Henri VII avaient cru bon de leur accorder au moment où il avait ceint la couronne
l’Église, entre rébellion et hérésie (Italie, v. 1310–1330), Roma, École française de Rome, en cours de publication. 56 Pour les opérations voir Barni (note 50), pp. 267–269. La chronique de Pietro della Gazzata fixe au 11 mars la première attaque des Visconti pour reprendre la ville, voir Chronicon Regiense. La Cronaca di Pietro della Gazzata nella tradizione del codice Crispi, éd. par Artioli, Laura, Corradini, Corrado et Santi, Clementina, Reggio 2000, p. 153. 57 Comme dans les autres cités tenues au nom de l’Église par Bertrand du Pouget, à commencer par Plaisance. Toutefois, pour le chroniqueur de Parme, le recteur remplit manifestement les fonctions de podestat ; à Parme, le légat désigna un recteur à partir du 10 janvier 1323, voir Chronicon Parmense, 1038–1338, éd. par Bonazzi, Giuliano, dans : Rerum Italicarum Scriptores 9/9, Città di Castello 1902, p. 170, alors que la cessio de la seigneurie n’eut lieu que trois ans plus tard. 58 Le 1er septembre 1324, à la suite d’une nouvelle ambassade à Avignon, voir Mollat (note 50), n° 20255–6. Le pape ordonnait le même jour au légat de rembourser à la communauté le prix des victuailles fournies aux soldats qui avaient assuré la défense de la cité et de lui remettre les biens des adhérents aux Visconti qui avaient été confisqués jusqu’à concurrence des sommes dues, ibid., n° 20257–8.
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de fer en 1311 : protection de l’Empire, exemption de toute taxe et imposi59 tion, confirmation des statuts et bonnes coutumes, etc. Monza, comme d’autres villes qui se trouvaient sous la menace directe de l’expansionnisme viscontien, avait intérêt à user d’un Jean XXII qui prétendait en Italie faire office d’empereur et qui pouvait d’autant mieux être le jouet de ses intérêts que sa légitimité demeurait fragile. Gestionnaire d’une fonction en vacance, le pape devait quant à lui se poser en protecteur-défenseur des communautés. Reste qu’ici la soumission de Monza n’était nullement une deditio. La ville ne se choisissait pas un seigneur. Elle adhérait simplement aux thèses que défendait le siège apostolique, comme l’avait fait 60 Parme et Reggio dès la fin de l’année 1322. Pavie tenta également en 1324 de se réconcilier avec le pontife avignonnais qui transmit à Bertrand du Pouget le traité qu’il avait négocié avec les intrinseci. Les négociations n’aboutirent pas, peut-être à cause de l’opposition des extrinseci guelfes qui entouraient 61 le légat et dont le pape sollicitait l’approbation. Elles n’auraient probablement débouché que sur un document assez semblable à celui conservé pour Monza. Ce qui faisait la force du parti de l’Église en Lombardie, c’était au-delà des convictions guelfes revendiquées par quelques familles, un ‹ antimilanisme › qui trouvait à travers la politique de Jean XXII le moyen de s’exprimer. Mais ni la puissance éventuelle des idéaux guelfes, ni cet ‹ antimilanisme › ne suffisaient pour promouvoir une deditio pleine, entière et spontanée au pape et à l’Église.
59 Dans une perspective anti-milanaise, voir Barni (note 50), pp. 185–186, 372–373. 60 Le 3 décembre 1322, le conseil général de la commune réuni in palatio veteri, par le podestat, le capitaine, l’abbé des Anciens et les Anciens, afin d’obtenir la levée de l’interdit nommait leur syndic afin de comparaître à Plaisance devant le légat, jurer d’obéir à l’avenir aux mandats de l’Église, de ne plus reconnaître et soutenir Galeazzo Visconti et ses fauteurs et ad confitendum, recognoscendum et asserendum realiter et cum effectu regimen civitatis et districtus Parmensis, vacante romano Imperio, sicut nunc vacare dignoscitur ad dominum nostrum summum pontificem et romanam Ecclesiam pertinere et quod ipsum regimen et rectores ipsius recipient et tenebunt deinceps nomine prefati domini nostri summi pontificis et romane Ecclesie supradicte quamdiu et quotienscumque vacabit Imperium supradictum sicut reciperent et tenerent ab imperatore si dictum Imperium non vacaret, ASV, Arm. XXXV n° 4, fol. 108, éd. par Mansi, Johannes Dominicus, Annales ecclesiastici ab anno MCXCVIII ubi desinit cardinalis Baronius, auctore Odorico Raynaldo, vol. 5, Lucca 1750, p. 185. 61 20 novembre 1324, ASV, Reg. Vat. 113, n° 654, fol. 92. Les extrinseci étaient alors emmenés par les Langosco.
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Le scénario qui précéda la deditio de la cité de Parme n’est pas lui illustré par un quelconque instrument notarié ou par des lettres pontificales. En revanche, la procédure et les rituels mis en œuvre se trouvent décrits et commentés par Alioto degli Alioti, un juge et notaire de Parme, auteur d’une 62 chronique dont il ne reste que des fragments. Observateur attentif, il se livre à une vraie et rare analyse critique, puisqu’il s’interroge ouvertement sur le processus qui transforma Bertrand du Pouget en seigneur de Parme. Établi à Plaisance, le légat avait rapidement obtenu la soumission d’une commune qui avait sollicité très tôt sa relève de l’interdit. Dès le 15 décembre 1322, le camérier du légat était entré dans Parme avec quelques troupes. Deux jours plus tard, il avait reçu du syndic spécialement désigné à cet effet un serment d’obéissance au pape et à l’Église. Le camérier avait ensuite désigné comme « recteur de la cité et du district de Parme pour l’Église » un « consanguin des Rossi », qui assuma ses fonctions durant un semestre en jurant de respecter les statuts de la commune. Dans les années suivantes, les recteurs nommés chaque semestre par Bertrand du Pouget s’avérèrent incapables, avec les maigres forces communales dont ils disposaient, de maintenir la paix entre les factions nobiliaires et de résister à la pression militaire qu’exerçaient les seigneurs gibelins : en juin 1325, Azzo Visconti s’emparait ainsi de Borgo San Donnino. Ce fut dans ce contexte, après avoir arbitré le conflit opposant les clans familiaux des Rossi et des Corrigia, que Bertrand du Pouget vint s’installer à Parme. L’entrée du légat, le 22 novembre 1325, fut apparemment somptueuse et l’on déplore à la lecture des éléments donnés par Alioto la perte des livres de comptes qui auraient permis d’en percevoir les détails. Entouré de ses gens et de ses soldats, Bertrand du Pouget fut accueilli en dehors de la ville par tous les corps constitués, le peuple avec ses bannières, ainsi que l’évêque et tous ses clercs. Tel un pape au jour de son couronnement, son cheval fut guidé dans la ville par les chevaliers et écuyers issus des familles les 63 plus nobles, qui portaient également un dais honorant sa personne, tandis que toutes les cloches des églises et de la commune sonnaient à tout rompre. 64 Ainsi célébré, il fut conduit jusqu’à l’évêché où il établit sa résidence.
62 Voir sur l’auteur, qui eut manifestement accès aux archives de la commune le Repertorio della cronachistica emiliano-romagnola (note 45), pp. 254–258. 63 C’est un des éléments essentiels de la cavalcade qui fait suite au couronnement, voir pour celui de Jean XXII : Dykmans, Marc, Le cérémonial papal de la fin du Moyen Âge à la Renaissance, t. II, De Rome en Avignon ou le cérémonial de Jacques Stefaneschi, Bruxelles/Roma 1981, pp. 290–305. 64 Chronicon Parmense (note 57), pp. 181–182.
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Au printemps de l’année suivante, ses troupes menèrent d’abord sous le commandement de Rolando Rossi, puis à partir de juillet sous celui d’Agout des Baux, une campagne victorieuse contre les seigneurs gibelins, Passerino Bonacolsi, ‹ tyran › de Mantoue, et les D’Este de Ferrare. L’une après l’autre, les positions que ceux-ci occupaient dans les districts de Parme et de Reggio leur furent reprises. Puis ce fut au tour des châteaux tenus par des seigneurs 65 rebelles à la commune de tomber l’un après l’autre. Dans ce contexte, après que ses troupes aient libéré le territoire des deux cités, Bertrand du Pouget sollicita la cession de la seigneurie de Parme et de Reggio. Seule la première se trouve illustrée par les sources, mais comme on le verra la seconde suivit 66 probablement une procédure semblable. Alioto degli Alioti précise que les Anciens se réunirent à plusieurs reprises. Ils sollicitèrent le conseil de plusieurs assemblées de sages, eurent diverses entrevues avec ceux qui gouvernaient la cité et avec les majores, 67 c’est-à-dire les chefs des principales familles, Fogliano et Rossi notamment. Le conseil général fut ensuite rassemblé dans le palais vieux de la commune. Le 30 septembre avant tierce, le podestat Jacobino Rangoni, de Modène, prit la parole et proposa de conférer le dominium de la cité au légat du pape. Guglielmo Rossi intervint à sa suite en reprenant les arguments présentés par Bertrand du Pouget : l’Empire étant vacant, l’Église succedebat Imperio et regebat pro Imperio ; la cité de Parme relevant de l’Empire, le légat ne réclamait que ce qui lui appartenait en tant que représentant du pontife et de l’Église. D’autres intervenants vinrent ensuite opportunément préciser que 65 Une rapide attaque contre Mantoue en septembre leur permit même de pénétrer dans la ville. Chronicon Parmense (note 57), pp. 182–183 ; voir également Pietro della Gazzata et le Chronicon Regiense (note 56), p. 159. 66 Pour les circonstances qui précédèrent la cession de la seigneurie de Reggio, voir Giommi, Lionello, Come Reggio venne in potestà di Bertando del Poggettto (1306–1326), dans : Atti e Memorie della Deputazione di Storia Patria per le province Modenesi V/13 (1920), pp. 1–154 et Basini, Gianluca, Note sulle pubbliche finanze di Reggio Emilia nell’epoca comunale (1306–1326), dans : Nuova Rivista Storica 47 (1963), pp. 458–496. Pietro della Gazzata est peu précis, mais il lie les deux deditiones : die XXVII septembris data est civitas Parme dompno Hostiensi, legato de latere Ecclesie, in generali consilio vacante Imperio. Et die IIII octubris data est civitas Regii legato predicto vacante Imperio, Chronicon regiense, note 56, p. 160. Pouget ne passera que huit jours à Reggio, du 27 janvier au 4 février, une période pendant laquelle il dut essentiellement préparer la cession de seigneurie qu’effectuait la commune de Bologne le 8 février suivant. 67 Sur cette famille on renvoie évidemment à Arcangeli, Laetizia et Gentile, Marco, Le signorie dei Rossi di Parma tra XIV e XVI secolo , Firenze 2007.
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les statuts, provisions, réformes, privilèges et coutumes de la cité seraient inaltérés par une telle cession. Soumise au vote, la proposition obtint une écrasante majorité : 600 fèves et 5 haricots. On désigna aussitôt un syndic pour offrir à Bertrand du Pouget les dominium et regimen de la cité et lui prêter au nom de la commune le serment de fidélité qu’il devait recevoir au nom du pape et de l’Église, étant précisé que cette cession de seigneurie ne serait effective que durant le temps de la vacance de l’Empire et non ultra. Puis, le podestat, le capitaine du Peuple, les Anciens et les Conseillers, avec cors et gonfanons se rendirent en procession au palais de l’évêque et offrirent au légat les clefs du palais 68 communal et des portes de la ville. Si la seigneurie de Bertrand du Pouget était à Parme le fruit de ses succès militaires, elle provenait néanmoins d’une vraie ‹ élection › qui légitimait la prise de possession. Même si le légat avait les moyens d’un coup de force, il s’était dispensé d’en faire usage, distinguant clairement deditio et redditio, comparable à celles de Brescia et de Crémone devant Henri VII quelques 69 années auparavant. En usant d’un jeu d’arguments emboîtés par une effroyable logique et en respectant une procédure visiblement élaborée par les Anciens qui faisait reposer la décision sur les corps constitués, il avait au contraire cherché à présenter son autorité comme naturelle. Cette deditio conduit pourtant l’auteur du Chronicon à s’interroger sur le sens profond des infractions aux statuts qu’il relève à plaisir. Il note que ce fut de facto potius quam de jure que Guglielmo Rossi prit la parole pour « conseiller » de donner la cité au légat, que les fèves et haricots ne furent pas relevés par les tubatores de la commune comme il était d’usage, mais par des membres du conseil – sous-entendant ainsi qu’ils furent en mesure de truquer les résultats. Enfin l’absence de contradicteurs au cours de cette assemblée qui conduisit ‹ incontinent › à l’élection d’un syndic pour offrir la seigneurie au légat et à la remise des clefs de la ville, selon une procédure curieusement expéditive en somme, l’étonne. Il livre en outre les commentaires de la rue, montrant ainsi qu’à Parme l’opinion était partagée, d’aucuns disant du bien de cette deditio, d’autres du mal, ce qui venait contredire 70 l’unanimisme exprimé par les corps politiques. Alioto révèle en fait que la procédure légitimant la deditio n’était que le maquillage juridique d’une 68 Chronicon Parmense (note 57), pp. 184–185. 69 Moeglin, Jean-Marie, Henri VII et l’honneur de la majesté impériale : les redditions de Crémone et Brescia (1311), dans : Penser le pouvoir au Moyen Âge – études offertes à Françoise Autrand, éd. par Boutet, Dominique et Verger, Jacques, Paris 2000, pp. 211–245. 70 Chronicon Parmense (note 57), pp. 184–185.
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affaire préalablement réglée par une négociation entre les principaux chefs de famille qui tenaient la ville et le cardinal. Deux lettres de Jean XXII adressées à l’évêque Ugolino et à ses frères Rolando et Marsilio Rossi pour les remer71 cier de leur concours dans cette affaire viennent d’ailleurs le confirmer. L’organisation d’une telle cérémonie politique témoigne ainsi de l’attachement du légat à une procédure juridicisée de cession et à un vote massif des conseillers qui manifestait non seulement une volonté populaire, mais surtout cet unanimisme que devait crée fondamentalement la naturalité d’une autorité légitime. Au cours des années 1326–1327 cet impératif guidait l’action de Pouget. Les sources réunies par Lisetta Ciaccio montrent que le 6 février 1327 fut organisée à Bologne une procédure semblable à celle qui s’était déroulée à Parme le 30 septembre précédent, à la seule différence que les dominium, regimen, gubernatio et administratio totius civitatis et comitatus et districtus Bononie lui étaient libere et absolute concessum, traslatum, positum et dimissum, sine aliqua conditione, puisqu’on était là en terre pontificale. Les suffrages favorables furent tout aussi écrasants – 955 voix pour et 3 voix contre – ce qui révèle là encore une cession minutieusement préparée, qui marquait indubitablement une forme de renoncement, d’‹ abdication › 72 de la commune, puisque depuis son entrée dans le domaine temporel de l’Église en 1279, Bologne avait toujours su préserver, malgré les menaces sur son territoire, les conflits civils et l’intervention directe de plusieurs cardi73 naux-légats, son autonomie par rapport à la papauté. À Parme, la stratégie de communication retenue pour obtenir démocratiquement la seigneurie avait reposé sur l’argumentation véhiculée par la décrétale Si fratrum : l’Église se devait de gouverner au nom de l’Empire pendant sa vacance. Une telle justification donna probablement lieu à de multiples interprétations et adaptations. Succedebat Imperio, si l’on suit les propos de Guglielmo Rossi rapportés par Alioto degli Alioti, une formule qui jouait sur une réelle équivocité puisqu’elle pouvait être comprise dans 71 Mais en novembre seulement, ASV, Reg. Vat. 114, n° 280 et 283, fol. 54v et 55, tout en demandant au conseil et à la commune de Parme et de Reggio de persister dans leur obéissance au légat, ibid., n° 281 et 282. 72 Ciaccio (note 23), p. 120 ; voir aussi Tamba, Giorgio, Il consiglio del Popolo di Bologna. Dagli ordinamenti popolari alla signioria (1283–1336), dans : Rivista di storia del diritto italiano 69 (1996), pp. 48–93. 73 Voir notamment Willemsen, Carl Arnold, Kardinal Napoleone Orsini (1263– 1342), Berlin 1927, rééd. Vaduz 1965 et Tilatti, Andrea, Legatus de latere domini pape. Il cardinale Latino e le costituzioni del 1279, dans : Scritti in onore di Girolamo Arnaldi offerti dalla Scuola nazionale di studi medioevali, éd. par Degrandi, A. et alii (Nuovi Studi Storici 54), Roma 2001, pp. 513–543.
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le sens où l’Église ‹ remplaçait › une juridiction défaillante, aussi bien que dans le sens où elle ‹ succédait › effectivement à celle-ci. Supposons qu’elle suscita quelque intérêt chez les guelfes maximalistes ! On aura par ailleurs relevé que les raisons de la soumission et les raisons de la deditio, si l’on suit les argumentaires déployés par le légat et ses fidèles, étaient strictement identiques : ce qui avait motivé la soumission de Parme en décembre 1322 était équivalent à ce qui avait justifié sa cession en septembre 1326. Comme on voit mal en quoi l’exercice du gouvernement, au nom d’un Empire temporairement vacant, nécessitait à Parme en 1326 la détention effective de la seigneurie alors qu’à Monza deux ans plus tôt elle n’était pas apparue indispensable, comme on voit mal comment une libre donation pourrait juridiquement n’être que temporaire sans être effectivement immatérielle, il faut considérer que vers 1325 s’opéra une mutation dans l’attitude du siège apostolique (pape et légat) qui abandonna l’idée d’une simple soumission des communautés, assortie du droit de nommer ou d’influer sur la désignation du podestat ou du recteur (type Monza), qui ne suffisait pas à lui assurer le contrôle effectif de la cité et de son territoire. C’est d’ailleurs à ce moment que le dominium – terme certes polysémique, mais qui est ici utilisé avec le sens qu’il avait dans le lexique politique féodo-communal, donc sans rapport avec le dominium universel que prétendait exercer la papauté – devint une référence récurrente dans le vocabulaire qui du côté du pape disait en Lombardie la soumission de la cité.
II. Vers la ‹ seigneurialisation › de l’autorité pontificale La présence de Louis de Bavière en Italie, de janvier 1327 à janvier 1330, réactivait des logiques éprouvées. Après avoir ranimé en Lombardie la lutte contre le pape et son légat, il se couronnait empereur à Rome en janvier 1328, nommait un antipape, puis prenait Pise pour résidence de septembre 1328 à avril 1329 afin de mener la lutte contre Florence et les guelfes toscans, avant de tenter de s’emparer à nouveau de Milan. Il s’installait ensuite à Pavie jusqu’en octobre, puis passant par Crémone rejoignait le Trentin, vers le 1er 74 février 1330. Toutes ses tentatives furent certes couronnées par des échecs. Elles n’en eurent pas moins pour conséquence première un net coup d’arrêt de la progression du légat, et même un net reflux puisque pendant ces trois 74 Pour l’itinéraire de Louis de Wittelsbach, voir Berg, Martin, Der Italienzug Ludwigs des Bayern. Das Itinerar der Jahre 1327–1330, dans : Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 67 (1987), pp. 142–197.
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années la zone d’influence que le pape et le cardinal avaient su construire en Italie du nord se réduisit notablement. Dans des villes où les hiérarchies politiques dépendaient largement des hiérarchies sociales, en d’autres termes où les majores détenaient le destin des communautés, on conçoit aisément que la seigneurie de Bertrand du Pouget ait duré à Parme autant qu’à Reggio assez peu de temps. En août 1328, les Rossi, de même que les Fogliano et les Manfredi – qui avaient fait assassiner 75 le recteur nommé par le légat à Reggio – favorisaient des révoltes qui leur permettaient de s’emparer de ces deux villes. Dans le conflit entre la papauté, les Visconti et Louis de Bavière, l’alignement ecclésiastique des Rossi, des Manfredi et des Fogliano en 1325–1326 dérivait en fait de la générosité du 76 légat qui avait su servir leurs intérêts. Bertrand du Pouget ne s’était-il pas employé pour qu’Ugolino Rossi devienne évêque de Parme ? N’avait-il pas organisé de surcroît sa consécration devant lui, à Plaisance, en janvier 1324 ? N’avait-il pas conféré le titre de capitaine général de son armée à Rolando 77 Rossi, son frère, en juin 1325 ? Or au cours de ces mêmes années, tandis qu’ils faisaient fournir par la commune de Parme des secours militaires à Pouget, les Rossi en offraient simultanément à Galeazzo et à son fils Azzo, 78 qui s’étaient emparés de Borgo San Donnino ! Après la révolte de Parme et de Reggio d’août 1328, Rossi, Manfredi et Fogliano, sommés par le pape le 13 décembre de restituer les deux villes au légat, entreprirent de négocier directement avec Jean XXII et avec les cardinaux, en envoyant leurs procureurs à Avignon (tam in camera nostra quam in consistorio) afin de justifier leur attitude et de se faire reconnaître la 79 garde (custodia) des deux cités. Un accord était presque trouvé, lorsqu’on 80 apprit que l’armée de Pouget était entrée en campagne. Jean XXII expédiait aussitôt au cardinal le texte du traité qu’il avait négocié, lui demandant d’en observer les termes. Mais avant que la lettre ne lui parvienne
75 Le marchesan Angelo di Sant’Elpidio, voir Chronicon Regiense (note 56), p. 165. 76 Ce qui apparaît nettement dès lors que l’on compare son attitude à leur égard, avec celle qu’il eut envers les da Correggio : voir Montecchi, Giorgio, Simone da Correggio, dans : Dizionario Biografico degli Italiani 29 (1983), pp. 474–476. 77 Chronicon Parmense (note 57), respectivement pp. 171–173 et 178. 78 Ibid., p. 177. 79 Voir les deux lettres du 13 décembre 1328, ASV, Reg. Vat. 115, n° 110–112, fol. 45 et du 15 mars 1329, ibid., n° 100, fol. 43v. 80 Sur les opérations voir le Chronicon Parmense (note 57), pp. 193–195 et le Chronicon Regiense (note 56), pp. 170–174.
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probablement, Pouget avait obtenu par la force un autre accord qui lui permettait de nommer à nouveau un recteur à Parme et à Reggio, mais qui jetait dans l’opposition des factions nobiliaires qui comme les Corrigia ne 82 faisaient pas mystère de leur prochaine rébellion ! Pour mieux s’assurer de la possession de Parme, peser sur les négociations et sans doute aussi se venger de leur trahison, Pouget décida de s’emparer de celui qui tenait en ses mains le destin de la cité. Quelques chroniqueurs s’indignent de la déloyauté du cardinal, qui l’avait invité à Bologne avant 83 de le faire emprisonner. Seul Pietro della Gazzata insiste sur l’enjeu du conflit, la seigneurie effective des villes d’Émilie, et sur l’attitude très politicienne d’un Pouget qui usait des instruments publics de dation de seigneurie pour accuser de fourberie – et probablement de parjure – des seigneurs qui 84 avaient floué l’Église après avoir juré de défendre ses droits. Arcbouté sur ses actes notariés qui manifestaient l’expression d’une volonté populaire, Pouget faisait mine d’ignorer que sans la volonté des majores il n’aurait pu 81 Elle est datée du 13 juin 1329, ASV, Reg. Vat. 115, n° 134, fol. 47v. 82 Chronicon Parmense (note 57), p. 195. Sur leur lancée, ses troupes obtenaient un nouvel accord avec Modène. Si l’on suit le témoignage du chroniqueur et notaire Bonifacio da Marano qui use de nombreux instruments publics conservés in Archivio communis : voir le Repertorio della cronachistica (note 43), pp. 211–216 et Arnaldi, Girolamo, Bonifacio da Morano, dans : Dizionario Biografico degli Italiani 12 (1970), pp. 188–190. Le légat traita avec les principaux chefs de la noblesse, ce qui aboutit à un accord le 4 juillet qui permettait à Pouget de choisir le recteur sur une liste fournie par la commune. Les populaires exilés réintègreraient la ville et récupèreraient leurs biens, les nobles exilés seulement leurs biens. Toutes les condamnations seraient cancellées. La commune fournirait des troupes au légat et tiendrait ses ennemis pour ennemis. Cinquante cavaliers du légat demeureraient dans la ville au service du recteur et un trésorier du légat contrôlerait les comptes de la commune. Voir Chronicon Mutinense Johannis de Bazano 1188–1363, éd. par Casini, Tommaso, dans : Rerum Italicarum Scriptores XV/ 4, Bologne 1917, pp. 98–99. Le traité eut peu d’effets : les nobles changèrent d’avis et le cardinal fit entrer ses troupes par la force pour installer en ville le recteur et le trésorier qu’il avait désignés, ce qui provoqua une nouvelle révolte. 83 Chronicon Parmense (note 57), p. 196 ; Chronicon Mutinense (note 82), pp. 99–100 ; Villani (note 36), L. XI, cap. 140. 84 Et die XVII menssis augusti capti sunt in Bononia per dompnum legatum Rolandus de Rubeis, a quo ipse Parmam petebat, et Azzo de Manfredis, a quo Regium petebat, dicens has civitates eorum fraude subtractas fore Ecclesie, que a populis libere pape date erant ; et super hoc monstrabat publica instrumenta. Chronicon Regiense (note 56), p. 174.
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s’emparer de ces deux seigneuries. Mais puisqu’il voulait contrôler effectivement les deux cités, il lui fallait diminuer leur puissance tout en s’appuyant sur l’expression de la volonté populaire, dans le droit fil des théories aristo85 téliciennes du pouvoir que défendait à cette époque Bartolomeo Fiadoni, héritier spirituel du grand saint canonisé le 18 juillet 1323 sur volonté de Jean XXII. Reste qu’au grand jeu des faveurs de l’opinion publique, à Parme en 1329, Rolando Rossi l’aurait emporté de très loin devant Bertrand du Pouget ! La décision du légat eut pour principale conséquence de pousser les Rossi, les Manfredi et les Fogliano dans le camp des seigneurs gibelins et de Louis de Bavière : en mars 1330, l’empereur excommunié faisait ainsi du frère de l’ancien capitaine général de l’armée de l’Église, Marsilio Rossi, un vicaire 86 de l’Empire en Lombardie ! Les trois années durant lesquelles Louis de Wittelsbach résida en Italie ne se caractérisent pas néanmoins par une simple rétraction de la zone d’influence de la papauté. L’alignement guelfe de quelques familles et de quelques communautés urbaines finit par se cristalliser en certains lieux, du fait de ce contexte, autour de moments refondateurs d’une conviction bien ancrée. Après la perte de Monza, le bourg de Caravaggio, était devenu le point de ralliement de tous ceux qui en Milanais luttaient encore contre les Visconti : en 1325, Jean XXII avait conforté dans leur fidélité les consuls et la commune en leur assurant que son légat leur ferait parvenir prochainement 87 des secours. Après que Louis de Wittelsbach fut entré en Lombardie en 88 janvier 1327, se sentant fort probablement menacée, la commune fit acte de deditio au siège apostolique. Le 18 mars, pour répondre aux suppliques de ses habitants, Jean XXII relevait en effet la commune et son district de toute « juridiction, puissance et seigneurie temporelle », les prenait sous seigneurie et protection directe, statuant que, comme les autres « vassaux et 85 Voir Le gouvernement mixte. De l’idéal politique au monstre constitutionnel en Europe (XIIIe–XVIIe siècle), éd. par Gaille-Nikodimov, Marie, SaintÉtienne 2005 et Blythe, James, The Life and Works of Tolomeo Fiadoni (Ptolemy of Lucca), Turnhout 2009. 86 Chronicon Parmense (note 57), p. 205; sur son rôle ouvertement gibelin, voir Karoli IV Imperatoris Romanorum
vita ab eo ipso conscripta, éd. par Nagy, Balázs, trad. anglaise par Knoll, Paul et Schaer, Frank, Budapest 2001, pp. 46–48, et plus généralement Gamberini, Andrea, Il contado di fronte alla città, dans : Storia di Parma, III. Parma medievale, vol. 1, Poteri e istituzioni, éd. par Greci, Roberto, Parma 2010, pp. 176–180. 87 Le 30 mars 1325, ASV, Reg. Vat. 113, n° 677, fol. 95v–96. 88 En janvier il était à Trente : Berg (note 74), p. 194.
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fidèles de l’Église », s’ils persistaient dans leur fidélité, ils seraient tenus sous 89 la protection et seigneurie perpétuelle du siège apostolique. De l’Empire et de sa vacance, il n’était plus fait mention ! En recourant à « l’autorité de la plénitude de puissance », Jean XXII se référait à la supériorité de la juridiction pontificale – dans son ‹ Libellus contra infideles et inobedientes et rebelles sancte Romane Ecclesie ac summo pontifici ›, le pérugin Egidio Spiritale, élève de Guido da Baisio, le rappelait à cette époque en ces termes : naturalibus etiam rationibus probari videtur summum pontificem in toto 90 orbe terrarum temporalem iurisdictionem habere – pour abandonner l’idée d’une temporalité de la soumission politique. Dans le privilège accordé à la commune de Caravaggio, la vacance de l’Empire avait hardiment cédé la place à la perpétuité. Un tel changement d’attitude et d’argumentaire semble indiquer que le pape s’était résolu, à un moment où les revenus du subside 91 imposé dans les royaumes d’Occident affluaient à Avignon, à construire une domination directe de l’Église de Rome en Lombardie. Car le privilège octroyé à Caravaggio n’est pas unique. On ne sait si des communautés comme Crema, Vigevano, Romano, Locarno, qui apparaissent 89 […] ab omni iugo temporalis servitutis et onere liberati vestris in hac parte supplicationibus annuentes, vos et terram Burgi Caravacii eiusque territorium et districtum, cum omnibus bonis que infra territorium et districtum ipsum in presentiarum rationabiliter possidetis aut in futurum prestante Domino iustis modis poteritis adipisci, ab omni iurisdictione potestate ac dominio temporali totaliter et perpetuo presencium auctoritate de plenitudine potestatis eximimus ac sub dominio et protectione nostra et apostolice sedis ac Ecclesie predicte suscipimus et presentis scripti patrocinio communimus, statuentes auctoritate predicta vos sicut alios vassallos et fideles ipsius Ecclesie in fidelitate persistentes eiusdem in nostris dicte sedis et prefate Ecclesie protectione ad dominio perpetuo retinendis […]. Il existe plusieurs copies de cette lettre, outre celle conservée dans les registres pontificaux, ASV, Reg. Vat. 114, n° 211, fol. 42v–43 ; voir les références données par Mollat (note 51), n° 29670 et Biscaro (note 50), p. 158. La multiplication de ces copies signale l’importance de cette cession aux yeux de l’administration pontificale. 90 Le Libelle est dirigé contre ceux qui pertinaciter asserentium Romanum pontificem solum in spiritualibus et non in temporalibus iurisdictionem habere, voir Scholz, Richard, Unbekannte Kirchenpolitische Streitschriften aus der Zeit Ludwigs des Bayern 1327–1354, 2 vol., Roma 1911–1914, pp. 105–129, p. 121. 91 Étendue sur trois ans, la perception du subside 1326 aurait rapporté au pape pour le seul royaume de France – elle fut aussi levée dans la péninsule ibérique et en Angleterre – entre 150 et 200 000 florins, d’après Gasnault, Pierre, La perception dans le royaume de France du subside sollicité par Jean XXII
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au cours de ces années 1327–1330 dans le ‹ carnet d’adresses › du pontife, firent également le vœu de se donner au pape et à l’Église à perpétuité. Il est avéré en revanche, qu’en mars 1328, la commune de Sondrio, puis en 93 septembre 1330, la commune de Martinengo, obtinrent ce même privilège. Sans doute le rôle de quelques clans nobiliaires localement bien implantés, 94 95 tels les Colleoni à Martinengo, les Benzoni a Crema, fut-il essentiel dans ce processus. Sans doute aussi les intérêts de ces communautés différaient 96 de beaucoup des objectifs réels du gouvernement pontifical. Néanmoins de tels actes qui voyaient le siège apostolique acquérir de nouveaux vassaux posent de manière nouvelle, du simple fait que le lexique et l’argumentation déployés par le pape insistaient sur des éléments nouveaux, le projet poli97 tique lombard de Jean XXII. L’impuissance politique de Louis de Wittelsbach favorisait de surcroît un mouvement de négociations entre les villes, les seigneurs gibelins et le siège apostolique. Radicalisation des méthodes et faiblesse militaire de l’empereur servaient finalement un Jean XXII dont les revendications pouvaient paraître bien moindres. Bertrand du Pouget demeura semble-t-il un peu à l‘écart, à cause peut-être de l’échec patent de ses méthodes en Émilie, mais aussi de contra haereticos et rebelles partium, dans : Mélanges de l’École française de Rome 69 (1957), pp. 273–319, 289–290, 293. 92 Le 21 mai 1327, voir ASV, Reg. Vat. 114, n° 320, n° 498 et n° 1358. 93 Voir respectivement ibid., n° 1311, fol. 241 et v, et Reg Vat. 116, n° 512, fol. 132v, ainsi que Mojoli, Giuseppe, Per una storia di Martinengo, Vicenza 1975, p. 208 et Bettoli, Bortolo, Storia di Bergamo e dei Bergamaschi, Bergamo 1959, vol. 2, pp. 72–73, 95. Le formulaire utilisé est le même que celui qui servit pour Caravaggio, voir note 89. 94 Bartolomeo Scalpitrie avait été adressé au pape par Isnardo Colleoni et la commune de Martinengo avant le 13 octobre, ASV, Reg. Vat. 116, n° 696, fol. 164. 95 Albini, Giuliana, Da castrum a città : Crema fra XII e XV secolo, dans : Società e Storia 11/42 (1988), pp. 819–854, 846–847. 96 Voir notamment : Contado e città in dialogo. Comuni urbani e comunità rurali nella Lombardia medievale, éd. par Chiappa Mauri, Luisa, Bologna 2003. 97 Il semble inenvisageable d’expliquer ce mouvement de deditiones par les velléités d’Azzo Visconti, qui contestait au pape la possession de Caravaggio et avait réclamé aux consuls la rétrocession de la seigneurie, sous prétexte que le territoire de la communauté relevait de Milan depuis le traité de Constance. L’auteure considère que ces revendications se manifestant au printemps et à l’été 1330, la curie aurait fait en sorte de se procurer un titre juridique sur les terres de Martinengo, Crema, Castelnuovo Bocca d’Adda et Asola : Biscaro (note 50), pp. 156–159. La seule chronologie des actes de deditio conservées suffit à infirmer cette thèse.
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son rôle croissant dans le gouvernement de la Romagne. Dans les négociations qui s’ouvrirent dès la fin de l’été 1329, alors que l’empereur était encore à Pavie, les motivations des élites dirigeantes furent probablement diverses, mais on peut retenir que pour la plupart elles cherchaient à obtenir avant tout la levée des censures ecclésiastiques. C’était offrir à Jean XXII la possibilité de lier aux exigences procédurales de la réconciliation canonique, les revendications politiques de l’administrateur de la fonction impériale qu’il estimait être et l’on se doute que l’astucieux Jacques Duèse ne se fit pas faute d’en profiter ! On ne reviendra pas ici sur les négociations entre la curie, la commune 99 de Milan, Azzo et Giovanni Visconti. À la même époque, d’autres villes entreprirent de se réconcilier avec le siège apostolique. À Lodi, une révolte avait mis fin en novembre 1328 au pouvoir des Vistarini, soutenus par les 100 Visconti. La faction qui sut s’imposer, emmenée par les Temacoldi et les Scurioni, entreprit de négocier avec le pape la levée de l’interdit qui pesait sur la cité. Il fallut presque un an : la procédure de soumission de la commune au pape et à l’Église ne fut validée par Jean XXII qu’à la fin de l’année 1329 ou au tout début de la suivante. Le 7 janvier 1330, il chargeait en effet Armand de Fages, camérier de Bertrand du Pouget, d’absoudre les habitants de la ville et du district des sentences canoniques, après avoir reçu leur serment d’obéissance, dans une longue lettre qui synthétise les étapes du retour en grâce et présente donc les termes de la soumission. Les procureurs de Pietro Temacoldo, de Manfredino de Scurioni et de la commune avaient d’abord reconnu à Avignon devant le pape et les cardinaux réunis en consistoire que le dominium et regimen de la cité et de son district appartenaient durant la vacance de l’Empire à Jean XXII et à l’Église. À cet effet, ils avaient même remis au pape les clefs de la cité qu’ils avaient apportées avec eux ! Ils avaient par ailleurs reconnu avoir aidé Matteo Visconti contre le pape et contre leur propre évêque, avoir soutenu financièrement Louis de Bavière et l’antipape Pietro de Corvara, sans toutefois recevoir leurs officiers. Ils avaient promis de recevoir à l’avenir comme podestat ou recteur et comme vicaire ceux que le pape nommerait, s’étaient offerts à 98 Ciaccio (note 23), pp. 158 et seq. 99 Biscaro (note 50), pp. 145–157. 100 La seigneurie de Lodi avait été donnée à Henri de Dampierre, maréchal d’Henri VII le 20 mai 1313, voir Schwalm (note 18), n° 984, p. 1024. Faute d’avoir pu obtenir son fief, celui-ci s’était tourné en 1323 vers le pape. Bertrand du Pouget avait manqué de s’emparer de la ville en décembre 1324 d’après Villani. Le pouvoir resta néanmoins aux Vistarini jusqu’en 1328. Grossi, Maria, Antonio Fissaraga, signore di Lodi (1253–1327), Lodi 1985.
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obéir à tous ses ordres, à subir ses peines et pénitence. Puis, ils avaient juré sur les évangiles qu’à l’avenir les citoyens, la commune et son gouvernement demeureraient sous les dominium, devotionem et fidelitatem du pape et de l’Église, qu’ils accueilleraient podestat ou recteur et officiers de l’Église, obéiraient aux ordres du pape et de ses successeurs, ne favoriseraient, ni ne feraient ligue avec Louis de Bavière et son antipape, n’obéiraient d’ailleurs à nulle personne, empereur ou administrateur de l’Empire qui ne serait d’abord approuvé par le siège apostolique. Le pape les avait relevés de toutes les peines et sentences encourues et il ordonnait en conséquence à Armand de Fages, après que Pietro Temacoldo, Manfredino de Scurioni, la commune et l’université auraient ratifié et juré tout ce qui avait été convenu, de pour101 voir à leur absolution et d’en dresser un instrument public. Le dernier jour de février 1330, dans le palais de la commune, ces lettres étaient lues licteraliter et vulgariter devant les membres du conseil général. Leur contenu était approuvé et juré par ces derniers, par le podestat, Alberto de Bonacossis, et par Pietro Temacoldo et Manfredino de Scurioni. Deux notaires de Plaisance, Pietro Tacula et Alderico da Prata, dressaient un acte attestant des faits en plusieurs exemplaires. Le lendemain, 1er mars, Armand de Fages se rendait devant la cathédrale San Bassiano et en présence de nombreux témoins – pour la plupart des Placentins puisque le camérier 102 de Pouget était alors responsable de la garde de Plaisance – entendait la supplique présentée par de nombreux clercs de la cité et du district. Devant lui, les genoux fléchis, ils se déclaraient prêts à obéir aux mandats de l’Église et à subir la pénitence qu’il leur infligerait. En conséquence, après avoir reçu 103 leur serment d’obéissance, il les absolvait. La procédure génère donc à Lodi deux types d’instruments notariés, l’un consignant les engagements du conseil général dans le palais de la commune, l’autre l’absolution des sentences canoniques devant le Duomo, distinguant ainsi une sphère temporelle et laïque d’une sphère spirituelle et ecclésiastique dans le rituel de reconduction dans la fidélité au pape. Mais, bien que l’absolution vienne conclure et sanctionner toute la procédure – par un serment d’obéissance qui si l’on suit le texte n’a semble-t-il était prêté que par des clercs – elle n’en est pas la fin : elle ne couronne en effet la réconciliation que 101 Des lettres étaient adressées à Pietro Temacoldo, Manfredino de Sturioni, aux citoyens, à la commune et à l’universitas de Lodi détaillant les points de l’accord de janvier 1330, ASV, Reg. Vat. 115, n° 1174, fol. 240v–241v. 102 Si l’on suit la lettre du 31 juillet 1330, ibid., n° 1228–9, fol. 247. 103 Voir annexe V. 2 et aussi Petri Azarii Liber Gestorum in Lombardia, éd. par Cognasso, Francesco, dans : Rerum Italicarum Scriptores XVI/parte 4, Bologna 1926, p. 32.
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parce que le conseil général de la commune avait préalablement reconnu que la seigneurie et le gouvernement de Lodi appartenaient au pape durant la vacance de l’Empire. Le conseil général de la commune n’avait pas été appelé à manifester ses volontés. Il avait simplement dû reconnaître pour vraies les thèses que défendait Jean XXII depuis son accession au pontificat, ce qui conférait automatiquement à ce dernier, d’après le raisonnement analogique développé par ces textes, la seigneurie de la ville. La lettre de commission adressée à Armand de Fages porte les traces de l’expérience politique acquise en Émilie, puisque le pape distinguait désormais clairement un dominium d’un regimen, sans que l’un ne puisse être considéré comme consubstantiel de l’autre, bien au contraire. Le gouvernement pouvait être la traduction concrète de la seigneurie, certes, mais celle-ci, plus immatérielle, pouvait n’être qu’un marqueur symbolique de la soumission. Opérer une telle distinction permettait de rétribuer et d’honorer les compétences politiques et de fait Jean XXII prévoyait de nommer d’après ce texte, outre un recteur ou podestat pour gouverner la communauté, un vicaire représentant le seigneur – en l’occurrence lui-même – et qui fut sans 104 surprise Pietro Temacoldo. Si la soumission n’était pas passée à Lodi par une véritable deditio organisée par les corps constitués, comme à Parme trois ans plus tôt, ce fut aussi parce que le processus de soumission était entièrement contrôlé par les chefs de la faction qui gouvernait effectivement la communauté et qui entendaient être en mesure de monnayer le véritable ‹ cadeau › qu’ils offraient à Jean XXII, alors que l’empereur excommunié se trouvait encore en Lombardie. Pour Temacoldo donner la seigneurie de la cité au pape était un moyen de renforcer et légitimer son pouvoir récent sur une ville, ainsi placée sous la seigneurie officielle du vicaire du Christ, mais qui demeurait dans les faits sous sa coupe. Dans le lexique utilisé par la papauté, le titre de vicaire pontifical ne désignait pas encore cette pleine délégation d’autorité accordée, moyennant le versement d’un cens et la prestation de services parfois symboliques, à un noble qui dans un territoire comprenant un ou plusieurs centres fortifiés agissait tel un seigneur – un outil institutionnel qui à la faveur du Grand Schisme d’Occident permit à de nombreux aristocrates de constituer de 105 petits États presque indépendants en Italie centrale. Cherchant à identifier 104 Le 4 septembre, ASV, Reg. Vat. 115, n° 1177, fol. 241v. 105 On a longtemps considéré que la politique suivie par Gil Alvarez de Albornoz avait largement contribué par le vicariat à une ‹ reseigneurialisation › des provinces d’Italie centrale : voir Colliva, Paolo, Il cardinale Albornoz, lo Stato
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les formes originelles du vicariat apostolique, les historiens, du droit principalement, ont voulu voir dans les titres de vicaires décernés par Jean XXII l’origine de cette institution, conçue comme une riposte à des pratiques impériales, illustrées notamment par Henri VII et Louis de Bavière. Les premiers bénéficiaires d’un vicariat apostolique auraient été en 1329 les D’Este, vassaux de l’Église, pour Ferrare ; puis auraient suivi Pietro Temacoldo et Azzo Visconti, qui dans la correspondance pontificale apparaissent à peu près au même moment, en septembre et novembre 1331, avec le titre de vicaire « député par autorité apostolique vacante Imperio » à Lodi et 106 Milan. La concession d’un tel titre est présentée le plus souvent comme le résultat d’un stratagème qui permettait de masquer l’impotence politique du pape dans des villes officiellement revenues sous son autorité, puisqu’en réalité le pontife légitimait le pouvoir que ces derniers avaient acquis sur ces 107 communautés. Le dépouillement de la correspondance de Jean XXII montre néanmoins que le pape employait déjà le titre de vicaire – on n’insistera pas sur le sens que ce terme avait depuis de longs siècles dans l’institution ecclésiale pour ne considérer ici que son application politique – lorsqu’il s’adressait aux représentants nommés par le roi de Naples dans les villes que celui-ci contrô108 109 lait : à Asti, le 18 novembre 1321, à Brescia, le 30 novembre suivant, à une série de communes du comté angevin de Piémont reconstitué par l’of110 fensive du sénéchal angevin et du légat, comme Cuneo, Cherasco, Alba, della Chiesa e le Costitutiones Aegidianae (1353–1357), Bologna 1977. Or Albornoz et ses successeurs ont surtout cherché à convertir les seigneurs dans le service de l’Etat et à réduire leur puissance. Le vicariat apostolique prit son essor avec le Grand Schisme, voir Jamme (note 40). 106 Si la nomination de Temacoldo a été conservée, en revanche le Visconti n’apparaît ainsi titré que fortuitement dans une bulle du 26 novembre 1330, ASV, Reg. Vat. 116, n° 669, fol. 161. 107 De Vergottini, Giovanni, Ricerche sulle origini del vicariato apostolico, Note per la storia del vicariato apostolico durante il secolo XIV, Vicariato imperiale e signoria, dans : id., Scritti di storia del diritto italiano, Milano 1977, vol. 2, pp. 537–636 ; Falaschi, Pier Luigi, Intorno al vicariato apostolico in temporalibus, dans : A Ennio Cortese, éd. par Maffei, Domenico, 3 vol., Roma 2001, vol. 2, pp. 1–26. 108 ASV, Reg. Vat. 111, n° 673, fol. 161v. 109 Ibid., n° 683, fol. 163v ; Reg. Vat. 114, n° 325, fol. 60v. 110 Sur l’offensive menée en Piémont par le pape et le roi de Naples, voir les toujours très utiles travaux de Gabotto, Ferdinando, Storia del Piemonte nella prima metà del secolo XIV (1292–1349), Torino/Firenze/Roma 1894, et Monti, Gennaro Maria, La dominazione angioina in Piemonte, Torino 1930.
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Tortona et Alessandria, le 18 octobre 1323, Valenza, le 20 juin 1327, etc. Le roi Robert dans ses pratiques politiques avait peu innové par rapport au 113 fondateur du comté de Piémont, son grand-père, Charles Ier d’Anjou. Les premiers vicaires pontificaux affectés au gouvernement d’une ville se rencontrent dans la même correspondance à Plaisance, Parme, Reggio, 114 Crema, dès octobre 1324, à Caravaggio, dès la deditio de la commune, en 115 mai 1327. Ce terme n’est pas utilisé dans toutes les villes qui reconnurent l’autorité du pape car Bertrand du Pouget semble lui avoir préféré celui de 116 recteur. Néanmoins l’utilisation que Jean XXII fait du titre de vicaire à partir de 1329, sans nier sa dimension de contre-modèle impérial, doit aussi être située dans la perspective des expériences angevines. La correspondance pontificale avec Plaisance de 1322 à 1335 montre que ces fonctions vicariales étaient en toute logique temporaires, de fait nullement instituées en tant qu’office, et que les titulaires, clercs ou laïcs, exerçaient une autorité de type seigneurial, au nom du seigneur légitime. On ne s’étonnera donc pas comme on a pu le faire de l’absence de versement d’un cens au siège apostolique par 117 Pietro Temacoldo et Azzo Visconti, puisque le pape n’avait nullement adopté une logique qui consistait à assimiler ses vicaires à des feudataires ! Par la concession d’un tel titre, Jean XXII cherchait certes à intégrer les deux chefs dans le service du siège apostolique, mais surtout à contrer Louis de Wittelsbach en montrant que les thèses qu’il défendait depuis 1316 progressaient en Lombardie [...] bien que l’empereur autoproclamé y fût présent ! Qu’il ne se soit guère fait d’illusions sur les intentions véritables 111 ASV, Reg. Vat. 113, n° 706, fol. 99v. 112 ASV, Reg. Vat. 114, n° 324, fol. 60. 113 Voir Grillo, Paolo, Un dominio multiforme. I comuni dell’Italia nordoccidentale soggetti a Carlo I d’Angiò, et Rao, Riccardo, La circolazione degli ufficiali nei comuni dell’Italia nord-occidentale durante le dominazioni angioine del Trecento. Una prima messa a punto, dans : Gli Angiò nell’Italia nord-occidentale (1259–1382), éd. par Comba, Rinaldo, Milano 2006, respectivement, pp. 31–101 et 229–290. 114 Le pape utilisait par exemple le terme de vicaire le 28 octobre 1324 et le 1 juillet 1326 dans les lettres qu’il écrivait aux magistrats de Parme, Reggio, Crema, Brescia et Plaisance, ASV, Reg. Vat. 113, fol. 91, 346v, 347, un terme qui est semble-t-il équivalent à celui de recteur, ibid., fol 92v, 93. 115 Respectivement, ASV, Reg. Vat. 113, n° 2048, fol. 347 et ASV, Reg. Vat. 114, n° 320, fol. 59. 116 Voir supra notes 47, 57, 81 et Vicini, Emilio Paolo, I podestà di Modena (1156– 1796), Roma 1913, pp. 256–260. 117 Voir Biscaro (note 50), p. 163.
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de Temacoldo et du Visconti, il suffit pour s’en convaincre de consulter la correspondance qu’il leur adressa. Par sa fréquence, dès 1330, par les demandes et les conseils qu’il leur prodiguait, Jean XXII montre qu’il entendait, en jouant peut-être sur leur rivalité, donner corps au lien fondant existant entre un vicaire et son supérieur, et ceci bien qu’il ait rapidement eu la preuve que ses correspondants éludaient certaines de ses demandes, même lorsqu’il s’agissait de la restitution des biens et de la réception d’un évêque 118 dans sa cité. La spécificité de la ‹ soumission › de Lodi apparaît mieux dès lors qu’on la compare à celle de Pavie, dont le gouvernement était dans les mêmes années 119 encore oligarchique. Dès octobre 1328, les intrinseci avaient envisagé de 120 négocier avec Jean XXII, ce qui d’ailleurs conduisit peut-être Louis de Wittelsbach à y établir sa résidence en 1329 pendant plusieurs mois ! Les 121 pourparlers ne reprirent qu’après son départ, l’année suivante. En juin 1330, le pape suspendait l’interdit et attribuait à Pierre Marin, chanoine de Saintes, et à l’évêque d’Asti, Guido di Valperga, la prise de possession du gouvernement de la cité et de son district et la réception des serments d’obéissance des habitants. Ils devaient également veiller à la réintégration 122 des extrinseci qui avaient lutté aux côtés de Bertrand du Pouget. Le pape ordonnait simultanément au sénéchal angevin de Piémont et au vicaire de Plaisance de mettre à la disposition de Pierre Marin, pro huius felicius expe118 Le pape lui reprochait d’avoir interdit l’accès de son église à l’évêque de Lodi, ASV, Reg. Vat. 115, n° 1178, fol. 241v–242 ; ASV, Reg. Vat. 116, n° 725, fol. 167. Fin septembre 1333, il n’avait pas obtenu gain de cause, ASV, Reg. Vat. 117, n° 1405, fol. 272 et v. En revanche, le 3 juin 1331 il le remerciait d’avoir fait libérer, suite à sa demande, divers captifs, ASV, Reg. Vat. 116, n° 531, fol. 136, n° 709, fol. 165 et v, et le soutenait lorsqu’il était menacé, si l’on s’en tient à une lettre du 7 mars 1331 ordonnant au légat de lui fournir des secours militaires, ibid., n° 705 et 707, fol. 16, n° 724–5, fol. 140. 119 Voir Rao, Ricardo, Il sistema politico pavese durante la signoria dei Beccaria (1315–1356) : ‹ Élite › e pluralismo, dans : Mélanges de l’Ecole française de Rome – Moyen Âge 119/1 (2007), pp. 151–187. 120 ASV, Reg. Vat. 115, n° 451, fol. 103v, sans doute à cause de l’insistance du nouvel évêque, originaire de Plaisance, Giovanni Fulgosi : I vescovi dell’Italia settentrionale nel basso medioevo. Cronotassi per le diocesi di Cremona, Pavia e Tortona nei secoli XIV e XV, éd. par Majocchi, Piero et Montanari, Mirella, Pavia 2002, p. 53. 121 L’initiative fut aux Pavesans comme le révèle la lettre adressée le 17 juin à Muzio et Castellano Beccaria, son fils, spiritum consilii sanioris, ASV, Reg. Vat. 115, n° 1225, fol. 246v. 122 Ibid., n° 1127–1128, fol. 228 et n° 1274, fol. 240v–241.
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diendo negocio, les contingents de cavaliers nécessaires à « la réduction à la 123 dévotion et obéissance » de Pavie à l’Église. Pourtant, celle-ci n’eut pas lieu. En septembre, Opicino de Canistris, pénitencier du pape, achevait à Avignon le ‹ De laudibus civitatis Ticinensis › qu’il destinait évidemment à Jean XXII, à un moment où le pontife devait probablement être appelé à la plus grande mansuétude : des lettres du 5 octobre 1330 demandaient en effet à la commune de Florence et à Bertrand du Pouget de fournir une aide 124 militaire aux extrinseci de Pavie, montrant ainsi que ceux qui tenaient la ville avaient finalement refusé de se soumettre. Mais en décembre de la même année, les négociations pour la levée de l’interdit étaient apparem125 ment rouvertes. Les exemples de Lodi et de Pavie montrent que la réduction officielle des cités à la « dévotion et obéissance du pape et de l’Église » dépendait clairement à cette époque du niveau de concentration de l’autorité politique à l’intérieur de la communauté urbaine, même si pour Pavie, l’octroi d’une absolution était sans doute complexifié par l’attaque menée en 1328 par les Pavesans et les Milanais d’une petite colonne envoyée par Jean XXII à Bertrand du Pouget, attaque qui avait causé la perte de la moitié des 60 000 florins transportés pour payer les troupes et la mise à rançon du juriste et 126 fidèle du légat qui les accompagnait, Giovanni d’Andrea. Aux yeux d’élites locales qui voulaient surtout disposer des moyens de développer librement leur propre autorité, les deux grands pouvoirs, Empire et Papauté, n’avaient alors qu’une fonction légitimante ou libératoire : légitimante, pour un certain nombre de « criptosignori » prêts à céder 123 ASV, Reg. Vat. 115, n° 1246–1247, fol. 248v. Les registres de lettres permettent de saisir que plusieurs rameaux de la famille de Curte jouèrent un rôle essentiel du côté guelfe dans ces négociations : Jacobus de Curte, dit familier du pape, mais aussi Gualterio, Justello son frère et leur maison, Spagnolo, Odardo et Tommaso et leur maison, et le gardien du couvent de mineurs, Rolando de Pavie, ibid., n° 1248, fol. 248 et ASV, Instrumenta Miscellanea, n° 1161. 124 ASV, Reg. Vat. 116, n° 666–7, fol. 160v. 125 Le 16 décembre 1330, ibid., n° 780, fol. 177 ; elles se poursuivirent dans les mois suivants, voir : Die Ausgaben der apostolischen Kammer unter Johann XII. nebst den Jahresbilanzen von 1316–1375, éd. par Schäfer, Karl Heinrich (Vatikanische Quellen zur Geschichte der päpstlichen Hof- und Finanzverwaltung 1316–1378, 2), Paderborn 1911, p. 370. 126 Fiamma, Galvano, Opusculum de rebus Gestis ab Azzone, Luchini et Johanne Vicecomitibus 1328–1342, dans : Rerum Italicarum Scriptores, éd. par Muratori, Ludovico Antonio, vol. XII, Milano 1728, coll. 997 et Renouard (note 6), pp. 171, 552.
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le dominium officiel de la communauté du moment qu’ils en exerçaient effectivement les attributions et en percevaient les honneurs ; libératoire, pour des communes à fonctionnement oligarchique qui souhaitaient surtout obtenir confirmation de leurs privilèges et la levée des sentences canoniques. À ce titre, on ne peut écarter l’hypothèse que l’échec des négociations avec Pavie ait dérivé du lien que le pape faisait entre octroi d’une absolution, levée de l’interdit et reconnaissance de son propre dominium, une condition inacceptable dès lors que l’on distinguait – même sans aller jusqu’à adhérer aux thèses de Marsile de Padoue dont il est difficile de mesurer l’impact 127 réel à cette époque sur les sociétés urbaines – le domaine du spirituel et le gouvernement du temporel.
III. La deditio comme défense de l’autorité politique En 1331, les sources révèlent l’existence d’une nouvelle série de deditiones qui concerna des villes et des châteaux de diverses tailles. Des lettres pontificales s’y réfèrent. Des instruments notariés ont été copiés dans des registres conservés par la Chambre apostolique. Des chroniqueurs enfin évoquent de 128 tels actes. Les procédures mises en œuvre à Plaisance, Castelnuovo Bocca d’Adda et Bologne entre septembre et décembre 1331 présentent quelques différences avec celles que l’on vient d’examiner. Le resserrement de la chronologie ainsi que la récurrence de la deditio en certains lieux renvoient en outre à un contexte, des intentions et donc des valeurs nouvelles. On analysera ici en parallèle les documents relatifs à Castelnuovo, une petite communauté du diocèse de Crémone, et à Plaisance, puisqu’ils furent préparés 127 Voir la synthèse de Miethke, Jürgen, Ai confini del potere. Il dibattito sulla potestas papale da Tommaso d’Aquino a Guglielmo d’Ockham, Padova 2005. 128 Les conseils de Bologne donnèrent à perpétuité et sans réserve au pape et à l’Église, d’après Galvanno Fiamma, le dominium plenum et merum et perpetuum per speciales ambaxiatores et publica instrumenta (note 126). L’acte n’a pas été conservé, voir Ciaccio (note 23), pp. 466–467 ; mais vu les conditions dans lesquelles s’est achevée la seigneurie de Bertrand du Pouget et la damnatio memoriae dont il fut victime, ce n’est guère étonnant ! Giovanni de Mussi ne précise lui que le millésime. Même s’il n’eut pas accès aux documents diplomatiques, son analyse est tout à fait honorable : Placentini libere dederunt civitatem Placentie domino Johanni pape XXII et successoribus suis, supponendo perpetuo civitatem Placentie sante Romane Ecclesie. Nuntii hujus fuerunt dominus Obertinus de Arcellis et jacobus de Strictis jurisperiti et papa laetanter recepit. Mussi (note 46), col. 496.
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simultanément afin que les syndics voyagent probablement de concert jusqu’à Avignon où ils furent reçus par le pape et les cardinaux les 24 et 25 novembre 1331. Il est possible que d’autres procureurs de communes ou de seigneurs se soient joints ou aient rejoint à Avignon les syndics de Castelnuovo et de Plaisance, mais les sources épistolaires et comptables n’attestent pas de leur présence. Si nous disposons en effet de ces deux actes de dation, c’est parce que le registre du clerc de la Chambre, Guillaume de Petrilia, responsable du grossoiement des instruments qui attestaient de la soumission de ces deux communes, a été conservé, contrairement à d’autres 129 volumes du même type. La procédure de désignation des syndics est évidemment plus complexe dans une grande cité comme Plaisance. Elle n’en présente pas moins d’évidentes analogies avec celle utilisée à Castelnuovo. Le 30 septembre, à Plaisance in palacio communis, en présence du recteur, du prieur et des Anciens, du lieutenant et camérier du légat, du lieutenant du maréchal de son armée, de l’archevêque de Milan, de l’évêque du lieu, de trois abbés, des nobles, chevaliers, jurisconsultes et notaires, le conseil général de Plaisance décidait que la cité et son district étaient et devraient être à l’avenir suppositam et immediate subiectam dominio et regimini temporali Sancte Romane Ecclesie – on retrouve la distinction entre dominium et regimen – qu’ils appartiendraient au pape et que les citoyens et habitants seraient ses subditos et subjectos. Il ordonnait en conséquence deux procureurs, les juristes Jacopo 130 de Strictis et Albertino de Arcellis, pour qu’ils se présentent en Avignon, reconnaissent devant le pape que la cité, son district, ses citoyens et habitants lui étaient soumis, promettent qu’ils obéiraient à l’avenir à ses ordres et à ceux des recteurs que ses successeurs et lui désigneraient, et qu’ils respecteraient les clauses précédemment convenues entre eux sous peine de 10’000 marcs d’argent et d’une sentence automatique d’interdit. Afin de demeurer perpétuellement sous sa clémence, juridiction et protection, ils devaient promettre de ne jamais se soumettre au temporel à un autre que le pape ou son légat en Lombardie. Suivait une liste de 391 noms démontrant que plus des deux tiers du conseil général étaient effectivement présents pour
129 Voir Schröder, Helmut, Die Protokollbücher der päpstlichen Kammerkleriker 1329–1347, dans : Archiv für Kulturgeschichte 27 (1937), pp. 121–236. 130 Le premier était chevalier et professeur en droit civil et le second, professeur en droit civil, tous deux étant dits de surcroît familiers du pape, dans une lettre datée du 10 février 1334, ASV, Reg. Vat. 117, n° 1352, fol. 261.
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approuver cette décision, conformément aux statuts, ce qui lui donnait sa 131 pleine validité. Un mois et demi plus tard, le 15 octobre 1331, in aula episcopali, les mêmes officiers et représentants faisaient donner lecture de cet acte de nomination devant les consuls des 18 arts de la cité (sans compter les nobles), dont les noms, de 2 à 4 individus par corporation, pour l’art des juges, des marchands, notaires, taverniers, bouchers, fourreurs, charpentiers, maçons, tanneurs, tailleurs, boulangers, laboureurs, etc., étaient donc consignés : ils en ratifiaient le contenu devant les quatre notaires qui avaient rédigé et authentiqué l’acte précédent. Le 15 octobre, c’était trois jours après que le conseil général de Castelnuovo Bocca d’Adda ait désigné ses propres procureurs. Le 12 octobre, en effet, dans la maison du podestat, en sa présence et en la présence des deux consuls du castrum, plus des deux tiers des habitants se reconnaissaient fideles et subditos Ecclesie, précisaient qu’ils avaient remis par instrument public toute juridiction et puissance universelle sur ledit château à Bertrand du Pouget, qui les avaient reçues au nom du pape. N’entendant nullement déroger à leurs engagements, désireux au contraire de les confirmer et renouveler, ils désignaient leurs procureurs, Ruggero de Cornu et Giovanni de Bonoldis, pour reconnaître en leur nom devant Jean XXII qu’ils seraient à l’avenir de fidèles sujets du pape, de ses successeurs et de l’Église, obéiraient à leurs ordres et à ceux des recteurs qu’ils nommeraient. Lanfranchino de Minutis, notaire de la commune, consignait au bas de cet acte les noms des 45 individus présents à ce conseil. Un mois et demi plus tard, le 24 novembre au palais d’Avignon, les deux procureurs de Castelnuovo remplissaient leur mission devant le pape, entouré des cardinaux Pierre Déprez, Gaucelme de Jean, Pierre de Mortemart et Bertrand de Montfavès. Le pape acceptait de tenir le castrum et ses 131 Les trois documents relatifs à Plaisance ont été partiellement édités par : Fontanini, Giusto, Della Istoria del dominio temporale della sede apostolica nel ducato di Parma e Piacenza, Roma 1720, pp. 291–308 ; Guillaume Mollat, pour la délibération du 30 septembre, Le Liber censuum de l’Église romaine, éd. par Duchesne, Louis, Fabre, Paul et Mollat, Guillaume, 3 vol., Paris 1899–1952, vol. 2, pp. 60–64, ainsi que Patrick Gilli et Julien Théry, avec traduction française, Le gouvernement pontifical et l’Italie des villes au temps de la théocratie (fin XIIe – mi XIVe s.), Montpellier 2010, pp. 454–474, à partir du manuscrit de l’ASV, coté Arm. XXXIV, n° 2, fol. 73–77v. La deditio de Plaisance est également conservée dans Arm. XXXV, n° 22, fol. 61–65 et n° 18, fol. 352–356. La multiplication des copies est à l’origine du futur Duché de Parme et Plaisance créé en 1545 et des revendications de la papauté à l’approche de l’extinction de la dynastie Farnèse en 1731.
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habitants à perpétuité sous la juridiction et protection de l’Église, protestant toutefois que dans le cas où pro utilitate incolarum partium Lumbardie lui ou ses successeurs ‹ constituerait › un prince fidèle et dévoué à l’Église pour gouverner provisoirement ou perpétuellement ces parties, ils pourraient lui attribuer la seigneurie de Castelnuovo, comme celle des autres terres de la région, ce à quoi les syndics consentirent avant de prêter serment de fidé132 lité. Le lendemain dans le même lieu, les deux procureurs de Plaisance accomplissaient les mêmes actes devant le pape et en présence des mêmes cardinaux. Ils proposaient que la cité et son district soient immédiatement sujets de l’Église, que les citoyens et habitants soient les fidèles et sujets de l’Église et du pape, que l’universalis potestas et juridictio, la positio et depositio des recteurs, le dominium et le regimen de la cité et de son district, les conseils et l’universitas appartiennent à l’Église, bref que la cité et son district soient temporaliter subjecta au pape et à ses successeurs. Ils demandaient à cet effet au pontife de les recevoir sicut fideles subjectos et devotos et de les tenir sous sa juridiction et protection à perpétuité. Jean XXII émettait la même réserve : si lui ou ses successeurs considérait expédient de désigner pour les gouverner un prince fidèle et dévoué, provisoirement ou à perpétuité, pour l’utilitas des habitants et le bon regimen de la Lombardie, il pourrait disposer de la cité et de son territoire comme des autres terres de Lombardie. Durant ces deux jours, furent également présents le camérier du pape, Gasbert du Val, le neveu de Bertrand du Pouget, Pierre Marin, et le notaire de Plaisance Alderico da Prata. On peut supposer que les procureurs rentrèrent peu après dans leur patrie. Ceux de Castelnuovo, munis d’une lettre de Jean XXII datée du 27 novembre, reçurent le lendemain un 133 don de 100 florins. Les deux séries de documents, auxquels fait écho la manifestation semblable organisée à Bologne en novembre-décembre, montrent que ces opérations avaient été préparées par le légat. Réalisées en présence des officiers de Bertrand du Pouget, auquel le conseil général de Castelnuovo se référait d’ailleurs explicitement, les processus de désignation des syndics et la définition des engagements dont ils sont les vecteurs en apportent la preuve. Si l’origine de ces nouvelles deditiones est aisée à cerner, ses fins peuvent en revanche être multiples. Réponse à une demande pontificale ? Défense d’un 132 Voir annexe V. 3. 133 La lettre précisait […] ecce quod eos [procuratores vestros] super propositis et petitis vestro nomine per eosdem ad vos remittimus favorabiliter quantum cum Deo fieri potuit expeditos sicut in litteris et instrumentis inde confectis continetur plenius et ipsi vobis referre poterunt viva voce. ASV, Reg. Vat. 116, n° 1627, fol. 354 ; pour le don voir Schäfer (note 123), p. 375.
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bilan contestable après les multiples échecs des tentatives de récupération de 134 Parme, Reggio et Modène ? Ou appel d’un contexte politique particulier ? Il est en effet tentant de voir dans la descente du roi de Bohême qui en quelques mois se faisait reconnaître seigneur d’une dizaine de cités de la plaine padane, Brescia, Bergame, Milan, Côme, Verceil, Novare, Pavie, 135 Crémone, Parme, Reggio et Modène – faisant ainsi mentir un Bernard Gui qui n’avait laissé aucune chance dans son analyse à un prince ‹ barbare › pour s’imposer en Lombardie ! – la raison d’une telle opération. Le roi avait laissé courir le bruit qu’il agissait sans le consentement du pape et de fait il 136 s’était emparé de trois cités d’Émilie que revendiquait Bertrand du Pouget. Mais ceci eut lieu dans les quatre premiers mois de l’année. Or ces deditiones ne furent préparées qu’à l’automne, c’est-à-dire après qu’un accord avec le roi de Bohême eut été trouvé, et même affiché par le baiser de paix que le 137 légat échangea avec le monarque à Castelfranco, le 16 avril 1331. Dans l’été toutefois le roi de Bohême quittait l’Italie pour rejoindre la Germanie et négocier avec Louis de Wittelsbach qui menaçait ses domaines. On sut à Avignon, et donc à Bologne, qu’il avait avec lui des entrevues secrètes. Même s’il est peu probable que la curie ait alors appris qu’il se faisait reconnaître par l’empereur excommunié la possession de ses seigneuries italiennes qui réintégraient de ce fait une hiérarchie politique impériale – le roi de Bohême n’était pas à une métamorphose près (!) – on conçoit que Jean XXII, autant que Bertrand du Pouget, aient éprouvé plus que de la perplexité à l’égard
134 Le 25 juin 1329, Parme et Reggio, le 5 juillet Modène, avaient accepté de reconnaître l’autorité du légat, pour y renoncer dès le 15 août. Les troupes du cardinal subirent une importante défaite le 24 avril 1330 contre les Impériaux à Formigine ; Archivio Storico Comunale di Modena, Delib. Cons. n° 1 , fol. 22, 35v ; Chronicon Mutinense (note 82), p. 101 ; Chronicon Regiense (note 56), p. 180. 135 Y compris Lucques, soit 11 cités en moins de cinq mois ! 136 Parme, Reggio et Modène s’étaient données à Jean de Luxembourg précisément pour se défendre des troupes de Pouget. Le 12 mars 1331, Jean XXII répondait au vicaire de Valenza, qui l’avait informé que le roi avait réclamé la cession de la ville, de rappeler au roi que Valenza était sujette de l’Église, voir Biscaro (note 50), p. 187, note 3, où la lettre est partiellement publiée. Même à Bologne, on redoutait que la cité ne tombe dans les mains du roi de Bohême, voir ASV, Instrumenta Miscellanea, n° 7960. Le 23 avril 1331, le dominium de Modène était donné par le conseil général au roi de Bohême, Dumontel (note 34), pp. 69–70. 137 Il scandalisa les florentins aux dires de Giovanni Villani (note 36), L. XI, cap. 177.
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de ses agissements et que dans ce contexte, il ait semblé nécessaire à Pouget 138 de réaffirmer et de raviver les engagements guelfes des communautés. Dans ces quelques actes, on relève un net changement de logique par rapport aux dations et cessions de seigneuries urbaines effectuées dans les années précédentes. De la vacance de l’Empire, il n’était désormais plus question. On évoquait en revanche l’universalis potestas et juridictio qui appartenaient au pape, la propriété de l’Église et la sujétion immédiate de la cité, c’est-à-dire qu’on utilisait des expressions et des arguments qui étaient ceux dont usaient la Chancellerie et la Chambre apostoliques pour caractériser les formes de la domination qu’exerçait le pape dans les provinces qui formeront l’État pontifical : le texte des suppliques présentées par les procureurs de Castelnuovo et Plaisance sortait l’espace urbain d’une sphère lexicologique communale pour le faire entrer dans le vocabulaire politicojuridique de la sujétion, tel qu’il était utilisé par le siège apostolique en Italie centrale. On note d’ailleurs que les deux deditiones réalisées en Avignon le furent en présence du camérier du pape, c’est-à-dire du personnage qui avait 139 la haute main sur la gestion du temporel de l’Église de Rome. La procédure retenue n’était pas vraiment nouvelle dès lors qu’on la compare aux deditiones de 1326–1327, puisqu’elle se fondait à nouveau sur la volonté du peuple. Dans la droite ligne des théories aristotéliciennes du pouvoir auxquelles un homme formé chez les Dominicains comme Jean XXII ne pouvait qu’être sensible, les représentants des forces vives de Plaisance, le conseil général de la commune, puis les consuls des arts, furent ainsi appelés à soutenir une demande de maintien sous juridiction pontificale, qui pour faire neuf fut affublée de l’épithète perpétuel. L’acte souscrit devant Jean XXII faisait apparemment de Plaisance une cité mieux soumise au siège apostolique que la plupart des villes des Terres de l’Église, à commencer par Pérouse. Mais la confirmation par le pape le 8 janvier 1332 du nouvel état institutionnel de la commune révèle que lui avaient été concédées de très larges prérogatives. Les conseils avaient en effet le droit 138 Dumontel (note 82), p. 79 et seq. Charles, fils du roi Jean, tentait de surcroît de s’emparer de Bassignana en septembre 1331, ce qui amenait le pape à adresser une protestation véhémente à Louis de Savoie, seigneur de Vaud, son conseiller, voir Riezler (note 14), n° 4188. Le 16 janvier 1332, Jean XXII, qui savait Jean de Luxembourg à Paris auprès de Philippe VI, lui faisait part des doutes et de la perplexité dans lesquels son attitude l’avait plongé, Tabacco (note 2), lettre éd., pp. 359–360. 139 Paravicini Bagliani, Agostino, Il trono di Pietro. L’universalità del papato da Alessandro III a Bonifacio VIII, Roma 1996, rééd. 2001, pp. 71–73 et Guillemain (note 24), pp. 278–280.
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de corriger, amender et réformer les statuts communaux, d’imposer tailles, emprunts et gabelles ; les officiers de la Chambre apostolique n’avaient que le contrôle de la comptabilité ; de surcroît était créée au judiciaire une instance d’appel à Plaisance même, afin que les citoyens n’aient pas à se rendre en curie.140 À Avignon, les syndics de Castelnuovo et de Plaisance se heurtèrent toutefois à une objection que n’avaient manifestement pas envisagé leurs mandants et même le légat ! Le pape exigea en effet qu’ils acceptent une clause potentiellement contraire à l’esprit de la pétition qu’il présentait – le pontife ou ses successeurs pourraient conférer la seigneurie à un prince fidèle et dévoué – ce qui prouve que Bertrand du Pouget considérait caduque l’alliance avec le roi de Bohême, alors que le pape, probablement mieux informé des menées diplomatiques de Jean de Luxembourg, laissait ouverte une des perspectives qui s’offraient encore à lui. D’une telle lecture ressort à l’évidence une divergence entre le pape et son légat. Pouget, habile à susciter un mouvement montrant la vigueur d’un courant guelfe favorable au pape dans certaines communautés était visiblement plus attaché à la construction d’une seigneurie directe de la papauté en Lombardie que Jean XXII, qui lui se déclarait prêt à céder les conquêtes de son légat à un prince qui lui offrirait les garanties adéquates. On sait que cette ultime variante du programme johannien n’a pas fonctionné. Si l’accord signé avec le roi de Bohême réorienta visiblement l’activité de Pouget vers les Terres de l’Église – le légat obtint, en plus du rectorat 141 de Romagne, le rectorat de la Marche d’Ancône, et entreprit après l’ar142 rivée à Bologne du comte d’Armagnac de reconquérir Ferrare – Jean de Luxembourg soudainement conscient de la puissance de ses adversaires négociait une trêve unilatérale avec eux et s’en retournait en Bohême dès
140 Castignoli (note 26), p. 35. L’auteur n’a pas accordé attention au fait que la désignation des deux syndics le 30 septembre, prouve que le statut juridique établi par les deux bulles inscrites au Registrum Magnum del Comune di Piacenza, éd. par Falcone, Ettore et Peveri, Roberta, Milano 1984–1988, 5 vol., vol. 1, n° 147–148, avait été préalablement négocié. 141 Il ne gouverna la Marche d’Ancône que par délégation à partir d’août 1332, voir Mollat (note 52), n° 58251, 61291 et ASV, Instrumenta Miscellanea, n° 1250. 142 L’expédition du comte d’Armagnac a laissé peu de traces documentaires : le 13 février il était encore à Casale Montferrato où il rédigeait son testament : Brugèles, Louis-Clément de, Chroniques ecclésiastiques du diocèse d’Auch, suivies de celles des comtes du même diocèse. Preuves de la troisième partie, Toulouse 1746, p. 83. Le 14 avril, il était défait devant Ferrare.
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octobre 1333. Les divergences entre le pape et son légat que n’avaient guère soulignées les historiens apparurent alors au grand jour. Après la défaite du comte d’Armagnac devant Ferrare, Jean XXII envoya en Italie l’archevêque d’Embrun, Bertrand de Deaux, pour obtenir un accord avec les seigneurs lombards. Intransigeant, le légat le refusa. Préférant une solution militaire, il dégarnit Bologne, ouvrant ainsi la porte à une révolte qui, par les massacres auxquels elle donna lieu, atteste de la haine que son gouvernement avait fini par susciter. Réfugié dans le palais fortifié de la Porta Galliera qu’il 144 avait fait construire pour le pape, il ne put en sortir que grâce à la média145 tion de Florence, le 28 mars 1334, sous les quolibets et les insultes, pour regagner en passant par Pise la cité des bords du Rhône qu’il avait quittée quatorze ans plus tôt.
IV. Conclusion Les historiens livrent en général un portrait sans nuance de Bertrand du 146 Pouget, réputé autoritaire, déloyal et brutal, sur lequel on se complait 143 Pour la trêve voir : Astegiano, Ludovico, Codex Diplomaticus Cremonae, dans : Historia Patria Monumenta, sér. 2, vol. 21–22, Torino 1895–1898, p. 56, n° 291 ; Un itinéraire européen. Jean l’Aveugle, comte de Luxembourg et roi de Bohême 1296–1346, éd. par Margue, Michel et alii, Bruxelles 1996, pp. 80–83 et plus largement Härtel, Reinhard, Die Italienpolitik Johanns von Böhmen, dans : Johan der Blinde, Graf von Luxemburg, König von Böhmen 1296–1346, dir. Pauly, Michel, Luxembourg 1997, pp. 363–382. 144 En mars 1330, le légat avait fait commencer la construction de cet imposant château pour recevoir le pape et sa cour. Édifié en un peu plus de deux ans, le château avait la forme d’un quadrilatère doté probablement de huit tours, jouissait à la mode du temps d’une autonomie fonctionnelle, avec entrée donnant sur la cité et entrées donnant à l’extérieur de la ville, dans un quartier de la ville qui n’était pas encore densément peuplé : Bologne a longtemps flotté dans une armature fortifiée beaucoup trop large pour elle. A l’intérieur se trouvaient un palais et une grande chapelle qui fut sur commande du cardinal ornée par l’équipe dirigée par Giotto et Giovanni di Balduccio, voir Benevolo, Giancarlo, Il castello di Porta Galliera. Fonti sulla fortezza papale di Bologna (1330–1511), Venezia 2006. 145 Sur toutes ces insultes, voir Jamme (note 7), pp. 81–83. 146 ‹ personne sans foi ›, pour Ludovico Antonio Muratori, Annali d’Italia dal principio dell’era volgare sino all’anno MDCCXLIX, Milano 1819–1821, vol. XII, p. 264, ‹ féroce ›, pour Henry Charles Lea (note 152), p. 169, ‹ autoritaire
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à rappeler, à la suite de Villani et de Boccace, qu’il condamna au bûcher la Monarchie de Dante, favorable à l’Empire, et aurait fait rechercher jusqu’aux 147 ossements du poète pour leur faire subir le même sort. Peu d’historiens font en revanche mention de la remarque du chroniqueur bolonais, Floriano Villola, qui après avoir relaté son départ de Bologne, ajoutait pour conclure 148 e sice lasò i mal stato per nostra cativanza, note qui suffit à interdire une analyse manichéenne de son gouvernement. On ne fait pas état de l’appréciation d’un Pétrarque, peu suspect de la moindre sympathie pour tout ce qui a quelque rapport avec la cour avignonnaise (!), qui vanta ses mérites 149 en assurant que sa vie avait été « trop courte pour le bien public ». On évoque peu enfin les considérations de Pietro della Gazzata, le chroniqueur de Reggio, qui à la fin du XIVe siècle considérait que Bologne demeura après 150 son départ dans une misérable condition à cause des nobles, une analyse qui met en exergue une attitude politique antimagnatizia que confirme la 151 grande réforme fiscale, qui lui avait assuré dans un premier temps tout au moins le soutien du peuple de Bologne. Le portrait très négatif qui est et déloyal ›, pour Clara Dumontel (note 34), p. 39, sans scrupules et d’un extrême dureté pour Guido Antonioli qui évoque le « cattivo governo di Bertrando », Conservator pacis et iustitie : la Signoria di Taddeo Pepoli a Bologna (1337–1347), Bologna 2004, pp. 42 et 131, etc. 147 Sur la piazza maggiore de Bologne, voir Ricci, Corrado, L’ultimo rifugio di Dante Alighieri, Milano 1891, rééd. 1965, pp. 158–164 ; et Pagnin, Beniamino, Poggetto, Beltrando del, dans : Enciclopedia Dantesca IV, Roma 1973, pp. 571–572. 148 Corpus Chronicorum Bononiensium, éd. par Sorbelli, Albano, dans : Rerum Italicarum Scriptores XVIII / I, vol. 3, Città di Castello 1916, p. 435. Il est difficile de cerner à quel moment Pietro Villola écrivit cette partie du texte, voir Repertorio della cronachistica emiliano-romagnola (note 45), pp. 151–153. 149 Cité par Mollat, Guillaume, Les papes d’Avignon (1305–1378), 10e éd., Paris 1965, p. 166. 150 Ipse vero legatus, considerans se furori tanto contrastare non posse, missit Florentinis, habita tamen primo compositione cum Bononiensibus, ut sibi mitterent gentes quarum presidio tute posset abire, quod libentissime fecerunt quia ipsum timebant propter statum suum, quia in Italia augmentabatur cottidie ; et tunc in statu misero remanssit Bononia quia subito ipsius nobiles vim ceperunt et male stetit usque ad adventum dompni Sabinensis […]. Chronicon Regiense (note 82), p. 200. 151 Voir Pini, Antonio Ivan et Pirillo, Paolo, Della fiscalità comunale alla fiscalità signorile : l’estimo di Bologna del 1329, et La provvigione istitutiva dell’estimo bolognese de Bertrando del Poggetto, dans : Studi Romagnoli 46 (1995), pp. 343–412.
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dressé de Bertrand du Pouget déteint nécessairement sur la manière dont on appréhende le pontificat et l’action de Jean XXII, généralement considéré comme le promoteur d’un programme irréaliste, autoritaire et amoral, thèse que semblent justifier les représentations outrées de ses adversaires, laïcs et clercs, qui en firent une des figures de l’antéchrist (Ill. 2), et qui amena quelques historiens à le présenter, tel Henri Charles Lea, comme une brute 152 sanguinaire. Pour le moins changeant, le programme de Jean XXII consiste évidemment en une ‹ traslazione di dominio ›, pour reprendre l’expression de 153 Giovanni de Vergottini, dans le sens où il s’agissait de remplacer une souveraineté impériale par une souveraineté papale en Italie du Nord. Mettre en œuvre un tel objectif posait de toute évidence des questions concrètes d’emboîtement et de hiérarchisation des réalités politiques existantes : elles expliquent les variations récurrentes du projet johannien. L’analyse des procédures de légitimation de l’autorité permet toutefois de déterminer des articulations assez nettes et de définir, sinon des formes précises, tout au moins les logiques autour desquelles se développèrent les actions impulsées par le pape et son légat. Tentons d’abord de rendre explicite la date d’apparition, très tardive en fin de compte – après 1325 si on s’en tient aux sources réunies ici – de la procédure de deditio des communautés. Cette date ne résulte pas uniquement des hasards de la conservation documentaire. En 1320, après que le siège apostolique ait obtenu le concours des troupes françaises et de Philippe de Valois, 154 désigné vice-régent de Robert d’Anjou en Lombardie, Bertrand du Pouget avait exigé des Milanais, d’après Galvano Fiamma, qu’ils reconnussent le vicaire de l’Empire dans le royaume d’Italie, Robert d’Anjou, comme leur 155 seigneur. Or ce type d’exigence n’apparaît plus après que le roi ait quitté 156 Avignon pour Naples au printemps 1324, bien que Robert ait désigné Ramon de Cardona, cousin de sa femme, pour être son propre vicaire en 152 Lea, Henry Charles, Histoire de l’inquisition au Moyen Âge, Paris 1900, rééd. Grenoble 2000, 2 vol., pp. 168–170, cité par Parent (note 55), passim. 153 Vergottini (note 107), p. 331. 154 Schwalm (note 18), pp. 462–463. 155 Fiamma, Galvanei, Manipulus Florum seu Historia Mediolanensis, dans : Rerum Italicarum Scriptores, éd. par Muratori, Lodovico Antonio, vol. XI, Milano 1727, col. 531–740, ici 726. 156 Passant par Gênes, où il se fit confirmer pour six ans la seigneurie, avant de regagner Naples pour préparer – dans la mesure où Jacques II d’Aragon venait de faire en trois mois, de mai à juillet 1323, la conquête de la Sardaigne (!) – une action de grande envergure contre la Sicile.
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Lombardie. Lorsque Bertrand du Pouget eut obtenu la seigneurie de Parme et de Reggio, le fils et héritier de Robert, Charles, duc de Calabre, protesta auprès du pape, en affirmant que ces deditiones auraient dû être reçues au nom de son père. Le pape lui répondit en arguant de l’incapacité dans laquelle le roi se trouvait d’assumer ce dominium, qui dans le cas 158 contraire lui aurait été conféré, révélant ainsi qu’après 1324, le légat s’était effectivement substitué au roi de Naples dans la lutte contre les seigneurs lombards, ce qui se traduisit entre autres par cette distinction nette dans les procédures de contrôle des cités entre dominium et regimen, revendiqués tous deux par le légat. La deditio, parce qu’elle était un acte fondateur d’une altérité politique et parce que dans une logique thomiste elle manifestait le caractère naturel de la domination, entra alors dans les mythographies politiques du pouvoir, puisqu’elle était le moyen de créer un nouveau rapport hiérarchique avec les communautés. Dans le mélange de faveurs, de conseils et de pressions qui précédèrent les demandes de cession de seigneurie de Parme, de Reggio, de Bologne, se retrouvent de toute évidence ces techniques politiciennes déjà mises en œuvre dans le dernier tiers du XIIIe siècle par les seigneurs et par Charles d’Anjou, pour se faire concéder le pouvoir suprême sur les 159 communautés urbaines, et que l’on retrouve également dans les méthodologies du grand adversaire de la papauté les Visconti, qui jouèrent précisément sur le peuple et contre les factions magnatizie pour s’imposer dans 160 les cités lombardes. Non sans quelque paradoxe, Bertrand du Pouget qui avait été envoyé en Italie tel un angelus pacis pour lutter contre les seigneurs, inscrivit de ce fait son action dans une évolution communale qui tendait vers une 157 Les terres de l’Église et Gênes étant exceptées, dans la lettre que lui adressait le pape le 21 octobre 1321, ASV, Reg. Vat. 11, n° 674, fol. 161v. Sur ce personnage, voir Ferrer i Mallol, Maria Teresa, Ramon de Cardona, militar y diplomatico al servicio de cuatro reinos, dans : Revista de la Faculdade de Letras. Historia, 2 sér. XV/2 (1998), pp. 1433–1451. 158 Voir Tabacco (note 2), p. 284n. 159 Devant le refus de cession du château de Novi pour loger ses troupes, le légat lança l’interdit sur la cité : Giommi (note 66), pp. 139–142. La deditio ellemême n’est pas illustrée par les sources communales. 160 Voir par exemple Rao, Riccardo, Comune e signoria a Vercelli (1285–1335), dans : Vercelli nel secolo XIV, éd. par Barbero, Alessandro et Comba, Rinaldo, Vercelli 2010, pp. 21–62, voir p. 49, et plus largement Tecniche di potere nel tardo medioevo. Regimi comunali e signorie in Italia, éd. par Vallerani, Massimo, Roma 2010.
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‹ seigneurialisation › des formes d’autorité politique. Par les réformes institutionnelles qu’il imposa, par la concentration des pouvoirs dans les mains du recteur qu’il plaçait à la tête des communautés, il participa pleinement à la construction de ces mêmes systèmes seigneuriaux. Bertrand du Pouget semble d’ailleurs avoir éprouvé une réelle passion pour l’exercice du pouvoir, si l’on suit les remarques d’Alioto degli Alioti qui note que lorsqu’il résida à Parme, le recteur, le capitaine et les Anciens se réunissaient quotidiennement dans le palais de l’évêque où il demeurait et que là se traitaient toutes 161 les affaires de la commune, que rien ne se faisait sans son consentement. Construire une domination territoriale nécessitait de dépasser l’exercice direct ou indirect de quelques seigneuries urbaines et le légat sut y veiller. On note que pour donner plus de cohérence aux forces guelfes qu’il dirigeait il maintint l’unicité de certains offices, qu’ils soient militaires – un seul capitaine général de l’armée bien que les troupes aient été distribuées dans les diverses places et lieux qui reconnaissaient l’autorité du pape – et judi162 ciaires – un seul judex maior et generalis in partibus Lombardie. Ce même objectif apparaît enfin à travers la frappe à Parme de nouveaux impériaux 163 à l’effigie de Jean XXII et de l’Église romaine, qui montraient certes que la vacance de l’Empire était une idée durable (!), mais qui venaient surtout accroître, parce qu’il s’agissait d’une petite monnaie largement diffusée, la légitimité impériale de Jean XXII. Avec la descente de Louis de Bavière, le système Pouget se grippa. À partir de 1328, le légat connut de sérieux revers on l’a vu et eut tendance à résoudre de manière autoritariste les problèmes de gouvernement auxquels il se trouva confronté. Ses méthodes nécessitèrent l’entrée en scène du pape, qui d’Avignon négocia directement avec les élites politiques une soumission, qui prit localement des formes spécifiques. Le rôle de plus en plus personnel assumé par le pontife le conduisit logiquement à considérer qu’il lui fallait se rapprocher de l’Italie pour en accroître les effets. Il fit ainsi édifier un palais fortifié à Bologne, dont la construction débutait significativement au moment où Louis de Bavière quittait la Lombardie, ce qui faisait de cette construction non pas une étape dans un hypothétique retour de la papauté 161 Chronicon Parmense (note 57), p. 185. 162 Ciaccio (note 23), pp. 121–122. 163 Et primo inceperunt expendi de mense novembris ad tabulam quam tenebant cambiatores domini legati in platea communis inter alias tabulas et postea per alios communiter ; et habebant dicti denarii novi ab una parte in ymagine claves Ecclesie et ab alia ymago unius episcopi, cum litteris que dicebant ab una parte, ‹ Johannes papa XXII ›, et ab alia, ‹ Ecclesie Romane ›. Chronicon Parmense (note 57), p. 185.
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à Rome, mais le pivot à partir duquel se pourrait planter, après les multiples échecs de Louis de Bavière et donc à un moment où s’ouvrait apparemment l’espace politique lombard, un nouveau type de souveraineté. Réalisé à la périphérie de la ville, afin de ne pas écraser les éléments architecturaux constitutifs de l’identité communale bolonaise, ce palais répondait ainsi à ce schéma ancien, mais toujours vivace chez les guelfes d’une respublica christiana sous protection pontificale, dont les ‹ statuts › de Plaisance de 1332 portent également témoignage. Bien qu’il ait fait appel au roi de France, bien qu’il se soit accordé avec le roi de Bohême, Jean XXII fut néanmoins le promoteur d’un programme, 164 dont seul le siège apostolique devait en définitive être le bénéficiaire, programme qui d’ailleurs fut dessiné en curie dans le dernier tiers du XIIIe siècle. Créer un royaume en Lombardie était en effet un projet attribué 165 par Dante et par Tolomeo Fiadoni au pape Nicolas III (1278–1281), qui probablement eut directement connaissance de la proposition de démembrement de la puissance impériale qu’avait exposée au concile de Lyon en 166 1274 le dominicain Humbert de Romans. Ceci conduit en toute logique à poser une question quelque peu provocatrice, au regard de la renommée historiographique acquise par un pontife réputé ‹ trop français › : Jean XXII ne fut-il pas au fond et avant tout, un pape italien ? Italien par l’expérience politique au service des Angevins, italien par l’indéfectible alignement guelfe de sa politique, italien enfin par l’aisance avec laquelle il sut composer avec les réalités et les fractures du monde communal pour faire prévaloir ses objectifs. Contrairement à une idée reçue, l’éviction fin mars 1334 de Bertrand du Pouget ne signait pas la fin du projet de Jean XXII : l’Église demeurait de fait en Lombardie un acteur de premier plan. Minée par les dissensions nobiliaires et les attaques des Scaligeri, Parme décidait un mois plus tard, 164 On note que Paul Fournier avait déjà relevé la pensée personnelle de Jean XXII, très distincte de celle des rois de France et de Naples, un Jean XXII qui eut la crainte que les Capétiens ne tombent dans les pièges des démons, c’est-à-dire les seigneurs gibelins qui les prenaient pour protecteurs, Le royaume Arles et de Vienne 1138–1378. Étude sur la formation territoriale de la France dans l’Est et le Sud-Est, Paris 1891, p. 377, n. 384. 165 Outre le huitième cercle de l’Enfer, voir l’Historia ecclesiastica de Ptolémée de Lucques, dans : Rerum Italicarum Scriptores, éd. par Muratori, Ludovico Antonio, vol. XI, col. 1183. 166 Fournier (note 164), p. 228. En réalité, c’est Bernard Gui qui attribue cette proposition à Humbert de Romans, voir Thomas A., Bernard Gui, dans : Histoire littéraire de la France 35, Paris 1921, p. 174.
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le 3 mai 1334, d’‹ adhérer à l’Église › et désignait un syndic pour jurer fidélité dans les mains de Pierre Marin, que le pape avait fort opportunément 167 fait par un motu proprio le 30 avril précédent, archidiacre de Parme. On désignait même un autre syndic qui devait aller jurer fidélité devant le pape, cum mandato ad dandum ei civitatem Parme. Même si, comme le remarque toujours avec acuité Alioto degli Alioti, cette décision ne fut pas présentée devant le conseil général de la commune, ni même solennellement décrétée 168 par une reformatio, mais prise par les régents de leur propre autorité, elle montre que dans le jeu politique trouble et complexe postérieur à l’effacement successif d’un empereur, d’un roi et d’un légat, le pontife demeurait un acteur et un référent politique majeur en Lombardie. Le 31 mai 1334, Jean XXII confortait dans leur fidélité les quelques communes et seigneurs qui étaient ou qu’il pensait lui demeurer attachées : outre Plaisance, il s’adressait à Lodi et Pietro Temacoldo, Crema, Martinengo, Caravaggio et 169 Isnardo Colleoni. Et début juin, Pierre Marin avançait à la commune de Parme des fonds importants qui permettaient de débaucher les soudoyers 170 allemands de Mastino della Scala, ruinant ainsi son dispositif d’attaque. Au tout début de son pontificat, Benoît XII faisait encore promettre aux syndics des communes de Mantoue, Bergame, Crémone, Pavie, Novare, Verceil et Milan, qui sollicitaient l’absolution du pontife, qu’elles n’attaqueraient pas à l’avenir les terres et communes gouvernées par le pape, c’està-dire Plaisance, Bologne, Lodi, Crema, Caravaggio, Martinengo, Valenza, 171 Bassignana, Castelnuovo Bocca d’Adda et Asola. Mais le refus du pape
167 Mollat (note 50), n° 63093–63094. 168 Die tertio maii, domini regentes civitatis Parme adeserunt se Ecclesie et per sindicum jurata fuit fidelitas in manibus cuidam nepoti domini legati, qui dicebatur archidiaconus Bononie, quem dictus legatus ad hoc miserat Parmam. Et factus fuit quidam sindicus deputatus ad eundum ad dominum papam ad jurandum fidelitatem cum mandato ad dandum ei civitatem Parme et de hoc non fuit positum aliquid in consiglio generali communis, nec aliqua reformatio solemniter facta, sed hic de facto simpliciter, sicuit placuit dominis civitatis Parme : Chronicon Parmense (note 57), p. 231. 169 ASV, Reg. Vat. 117, n° 1413, fol. 273 et v. 170 Chronicon Parmense (note 57), p. 232. 171 […] aut quecumque alia loca que per ipsum dominum nostrum papam et Romanam Ecclesiam vel ipsorum nomine reguntur, aut a romanis pontificis et Ecclesia ipsa tenent vel in futurum tenebuntur vel dicto nomine gubernabuntur qualiacumque sint et in quibuscumque consistant […]. ASV, Arm. XXXIV, n° 2, fol. 124–134.
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d’envoyer un légat en Italie pour coordonner l’action des guelfes ne pouvait que provoquer inéluctablement la fin du programme johannien. Les seigneurs qui n’avaient été abattus ni par les procédures et les croisades déclenchées par la curie, ni par les entreprises et les troupes de Louis de Bavière et du roi du Bohême, avaient désormais le champ libre. Parme requit encore l’aide de Benoît XII par l’intermédiaire de Rolando Rossi, mais finit 173 par être prise en octobre 1335 par Alberto et Mastino della Scala. Quant à Plaisance, elle tomba dans les mains de Francesco Scotti dès le 25 juillet 174 1335, avant d’échoir l’année suivante en la possession des Visconti, qui surent y insérer une autorité qui ne laissait plus aucune place à des senti175 ments autonomistes. Et le pape ne réussit pas non plus à trouver une solution avec Bologne, où il se déclarait prêt à installer sa cour. De ce qu’il convient de considérer comme une fermeture de l’espace politique lombard découlent, on le sait, la construction du palais pontifical d’Avignon et la progressive constitution en puissance administrative d’une papauté qui par ses spécificités de développement finit par gagner le qualificatif d’‹ avignonnaise ›.
172 Une des principales caractéristiques de la politique de Benoît XII par rapport à son prédécesseur et ses successeurs, Jamme, Armand, Nonces et légats dans l’Italie du XIVe siècle : anges de la paix ou agents de conflictualité ?, dans : Les légats pontificaux, de la restructuration grégorienne à l’aube du concile de Trente (mi XIe – mi XVIe siècle), éd. par Montaubin, Pascal, à paraître. 173 Greci, Roberto, Una svolta verso la definitiva perdita d’autonomia : la dominazione scaligera (1335–1341), dans : Parma medievale. Economia e Società nel Parmense dal Tre al Quattrocento, Parma 1992, pp. 45–65. 174 Le jour même où le pape écrivait aux Placentins pour les exhorter à demeurer dans leur fidélité, voir Benoît XII (1334–1342). Lettres closes et patentes intéressant les pays autres que la France, éd. par Vidal, Jean-Marie, et Mollat, Guillaume, Paris 1913–1950, n° 454, une insurrection donnait la ville à Francesco Scotti, Chronicon Placentinum (note 46), col. 497 ! 175 Plaisance, Lodi, Crema, Caravaggio, Martinengo et Castelnuovo Bocca d’Adda finirent par être concédés en vicariat, vacante Imperio, à Giovanni et Luchino Visconti, le 15 mai 1341, contre versement d’un cens annuel de 10’000 florins, Riezler (note 14), n° 2100 et quittance du premier cens du 25 septembre 1341, ASV, Reg. Vat. 136, fol. 76v–77, soit moins d’un an après que Parme, mais aussi Vérone et Vicence, aient été concédées aux mêmes conditions à Alberto et Mastino Scalageri, contre versement d’un cens de 5’000 florins, le 4 septembre 1340, ASV, Reg. Vat. 135, fol. 67.
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V. ANNEXES V. 1 Soumission de Monza à l’autorité de Jean XXII, vacante Imperio – Monza, 24 mai 1324 (ASV, Instrumenta Miscellanea, n° 884) In nomine Domini amen, anno a nativitate eiusdem millesimo trecentesimo vigesimo quarto, indictione septima, die vigesimoquarto maii, pontificatus sanctissimi patris domini Johannis divina providentia pape XXII, anno octavo. Lapsis quatuor diebus postquam infrascriptus dominus Arricus Lanterii in Modoetiam de curia dicti domini pape pervenit, convocato voce preconia et more solito, ac congregato in Palatio (sic) terre Modoetie consilio communis et terre eiusdem Modoetie pro infrascriptis peragendis de mandato nobilis viri domini Mandroli de Lavizariis, militi extrinseci Cuman., potestatis ipsius terre Modoetie in quo quidem consilio intererant idem dominus Mandrolus, postestas, ac Jacobus de Bianzago, Nicola Bellonus, Gidonus Martinonus, Balzarrus Segabrugus, Niger Gualterius, Guidotus Gualterius, Danisius Lanterius, Arricus Lanterius, Girardus Lanterius, Arricus Stratus, Rugerinus Lanterius, Johanninus de Carnevate, Johanninus Baturna, Cristofanus Cavaza, Danesinus Lanterius, Niger Baturna, Zambellus Cavaza, Gasparrus de Cumis, Guillelmus de Magno, Symon de Biolzago, Lanfrancolus ser Raynerius, Johannolus de Carugate, Arasmolus de Cisinusclo, Johannes Judex, Venerius Seroldonus, Moysolus Rabia, Armanolus Rabia Rizardus Morigia, Tadiolus Judeus, Jacobus Judeus, Rugerius Judeus, Galvaneus Tepoldus, Gasparrus Judeus, Beltromus Tepoldus, Comes Tepoldus, Faciolus Grassus, Francinus Zeva, Leonolus Zeva, Johannes Riboldus, Corsolus Zeva, Bonifacius Zeva, Arnulfus Bertanus, Ricobonus de Casate, Petrus de Glaxiate, Dionisius Zeva, Jacobus Zeva, Georgius Riboldus Johannes Zeva, Girardus Frata, Jacobinus Praderius, Leonus Sraguinus, Romerius Baturna, Pellolus Bertirus, Paulus de Carate, Franzolus Baldironus, Contolus de Magno, Hugolus de Triffina, Zaffinus Cavaza, Moschonus Picenus, Arrigonus de Sabiono, Philippus Picenus, Hugirolus Liprandus, Ambrosius de Scotis, Maza de Salianese, Ottobonus de Gradi, Petrus de Juzago, Paganus de Glaxiate, Symonus Judeus, Andreas Lorenzonus, Petrus de Villa, Johanninus Fodega, Porolus Judeus, Cristofanus Coldirarius, Petrus Cortella, Paganus Prederius, Martinus Sanguismirabilis, Petrus Scritius, Andreas Infrascatus, Manfredus Ferrarius, Rolandus de Habiate, Albertis de Pizo et Jacobus de Puteo, consiliarii et consilium eiusdem terre Modoetie, ipsi potestas consiliarii et consilium nemine discrepante due partes et plus totius ipsius consilii nomine
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communis et hominum ipsius terre Modoetie et pro ipso communi et idem commune representantes et facientes lecto ibidem et exposito in vulgari instrumento infrascripto manu domini Geraldi de Lalo de Monteviridi, Sancti Flori diocesis, notarii publici, ut prima facie apparebat scripto et eius signo signato, cuius instrumenti tenor inferius describetur, approbaverunt et ratificaverunt, ratificant et approbant dicta et facta et gesta per nobiles viros dominos Arricum Lanterii predictum et Guillelmum de Rabiis dicte terre Modoetie, nomine universitatis et communis et hominum ipsius loci Modoetie et omnia et singula contenta in dicto instrumento innovando, recognoverunt et recognoscunt sponte et realiter quod regimen et dispositio eiusdem loci Modoetie et eius territorii et districtus pertinent ad dictum sanctissimum patrem et sanctam romanam Ecclesiam, vacante Imperio sicut et nunc vacare dinoscitur, et pertinere debent in futurum ad ipsum sanctissimum patrem et eius successores et sanctam romanam Ecclesiam, dicto Imperio vacante et quotienscumque et qualitercumque ipsum Imperium vacare continget, ac etiam promiserunt quod ipsi et commune et homines dicti loci Modoetie, regimen et rectores eiusdem loci Modoetie et eius territorii et districtus recipient et tenebunt deinceps nomine dicti sanctissimi patris et successorum suorum et sancte romane Ecclesie quamdiu et quotienscumque vacabit Imperium supradictum. Et insuper iuraverunt ad santa Dei evangelia per eos corporaliter tacta prefato sanctissimo patri et eius successoribus et sancte romane Ecclesie et michi notario publico infrascripto tanquam persone publice recipienti nomine et vice ipsius sanctissimi patris et eius successorum et sancte romane Ecclesie fidelitatem et fidelitatis iuramentum cum omnibus capitulis que in iuramento fidelitatis continentur prestiterunt ; et fecerunt, faciunt et constituunt eorum et totius universitatis sindicum et procuratorem ad iurandum seu prestandum nomine ipsius universitatis et in animabus omnium et singulorum de ipsa universitate fidelitatis huiusmodi iuramentum Zaninum Baturnam filium quondam Baturnini de Modoetia ibidem presentem, qui suscepto mandato huiusmodi ibidem presentialiter in manibus mei notarii infrascripti recipientis nomine sancte romane Ecclesie ut supra iurando manibus tactis scripturis idem fidelitatis iuramentum prestitit nomine totius universitatis eiusdem terre Modoetie et in animabus omnium de universitate predicta. Promittentes etiam et iurantes predicti omnes se se predicta omnia et singula perpetuo servaturos, salvis tamen privilegiis libertatibus et immunitatibus quibuscumque universitati communi et hominibus loci Modoetie et eidem loco et eius territorio et districtui a romanis pontificibus et imperatoribus et regibus romanis concessis et consuetudinibus statutis et constitutionibus eorumdem communis universitatis hominum et loci quibus per premissa
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nolunt nec intendunt in aliquo derogari nisi quantum essent contraria premissis vel alicui premissorum. Supradicti autem instrumenti tenor talis est : In nomine Domini, amen. Anno nativitatis Millesimo CCC°XX°IIII° tertio kal. Aprilis, septime indictionis, pontificatus sanctissimi patris et domini nostri domini Johannis divina providentia pape XXII, anno octavo, coram dicto sanctissimo patre summo pontifice, presentibus reverendis in Christo patribus dominis Gaucelmo, titulo sanctorum Marcellini et Petri, presbitero, Bertrando, Sancte Marie in Aquiro, Arnaldo Sancti Eustachii, diacono cardinalibus, .[ ]. episcopo Florentino, discretis viris dominis Guillielmo Revelli, Burlatii, Armano, Sancti Stephani de Tescono, ecclesiarum decanis, magistro Matheo de Modoetia, iurisperito, Gasparino Theopoldi, cive Mediolanensis, et me notario infrascripto, nobiles viri Arricus Lanterius et Guillelmus de Rabiis de Modoetia, Mediolanensis diocesis, pro se et nomibus eorum ac etiam nomine universitatis et communis et hominum eiusdem loci de Modoetia recognoverunt sponte et realiter quod regimen et dispositio ipsius loci Modoetie et eius territorii et districtus pertinent ad dictum sanctissimum patrem et sanctam romanam Ecclesiam vacante Imperio sicut et nunc vacare dinoscitur et pertinere debent in futurum ad ipsum sanctissimum patrem et eius successores et sanctam romanam Ecclesiam dicto Imperio vacante et quotienscumque et qualitercumque ipsum Imperium vacare continget, atque promiserunt dicti nomibus quod ipsi et commune, universitas et homines eiusdem loci Modoetie, regimen et rectores eiusdem loci Modoetie et eius territorii et districtus recipient et tenebunt deinceps nomine dicti sanctissimi patris et successorum suorum et sancte romane Ecclesie quamdiu et quotienscumque vacabit Imperium supradictum. Et insuper dicti Arricus et Guillelmus nomibus quibus supra super sancta Dei evangelia per eos corporaliter tacta, prefato sanctissimo patri recipienti pro se et successoribus suis et sancte romane Ecclesie iuraverunt fidelitatem et fidelitatis iuramentum cum omnibus capitulis que in iuramento fidelitatis continentur prestiterunt. Promittentes et iurantes se predicta omnia et singula servaturos pro posse pro se et alios atque curaturos et facturos proposse quod universitas commune et homines predicti loci Modoetie eadem omnia et singula ratificabunt et approbabunt et easdem recognitiones et promissiones facient et idem iuramentum prestabunt infra unum mensem postquam ipsi Arricus et Guillelmus ad dictum locum Modoetie pervenerint. Salvis tamen privilegiis libertatibus et immunitatibus quibuscumque eisdem universitati communi et hominibus loci Modoetie et eisdem loco et territorio et districtu a romanis pontificibus et imperatoribus et regibus
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romanis concessis et consuetudinibus statutis et constitutionibus eorumdem universitatis communis et hominum et loci quibus per premissa nolunt nec intendunt in aliquo derogari nisi quatenus essent contraria premissis vel alicui premissorum. Prefatus vero sanctissimo pater pro se et successoribus suis et sancta romana Ecclesia et eorum nomine predictas recognitiones et promissiones ac iuramenta predicta recepit volens etiam privilegia, libertates, immunitates, consuetudines, constitutiones et statuta predicta fore salva que tamen predictis recognitionibus, promissionibus et iuramentis non obvient et contraria non existant et cum protestatione quod per premissa aut eorum aliquod non vult nec intendit in aliquo derogari sibi aut successoribus suis vel sancte Ecclesie romane neque alicui iuri alias sibi et eidem Ecclesie competenti si forsan plus competat quam in premissis est expressum sed vult et intendit omnia iura sibi et successoribus suis et dicte sancte romane Ecclesie competentia eis integra conservari. De quibus omnibus precepit michi notario infrascripto dictus dominus noster quod inde facerem unum aut plura publica instrumenta cum consilio sapientum et hoc idem sepedicti Arricus et Guillelmus cum instantia requisiverunt. Acta sunt hec Avinion. in camera prefati domini nostri pape, presentibus testibus ad hec vocatis dominis supradictis, anno, mense, indictione et pontificatu quibus supra, et ego Geraldus de Lalo de Monteviridi, Sancti Flori diocesis, clericus publicus apostolica auctoritate notarius, premissis recognitionibus, promissionibus et iuramentorum prestationibus ac protestationibus ut suprascripta sunt una cum prenominatis testibus presens interfui et de mandato dicti domini nostri pape ac ad requisitionem dictorum Arrici et Guillelmi scripsi et in hanc formam publicam duplicatam redegi ac signo meo consueto signavi. De quibus omnibus et singulis suprascriptis iidem domini potestas consiliarii et consilium rogaverunt me notarium infrascriptum quod inde conficerem publicum instrumentum. Actum in suprascripto palatio Modoetie, presentibus Brunasio et Tiberio fratribus, filiis Mirani de Manciago, Andriolo de Sancta Anna et Brunazolo de Buvirago et quampluribus aliis testibus ad premissa vocatis specialiter et rogatis. Et ego Gasparrinus de Septimo, clericus Mediolanensis, publicus imperiali auctoritate scribaque venerabilis patris domini .[ ]. archiepiscopi Mediolanensis, premissis ratificationi approbationi recognitionibus, promissionibus et iuramentorum prestationibus et protestationibus factis ut superius continetur anno, indictione, mense die locoque ac una cum testibus supracriptis presens interfui et rogatus a suprascriptis dominis potestate, consiliariis et consilio instrumentum istud inde confeci et in hanc publicam formam redegi et scripsi ineoque consueto signo signavi.
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V. 2 Soumission de Lodi à l’autorité de Jean XXII, vacante Imperio – Lodi, 1er mars 1330 (ASV, Instrumenta Miscellanea, n° 1093) In nomine Domini nostri Ihesu Christi Amen. Anno ab incarnatione eiusdem millesimo trecentesimo vigesimonono, indictione terciadecima, die primo mensis marcii, in civitate Laude ante ianuam maioris ecclesie ipsius civitatis, presentibus venerabilibus et discretis viris dominis Jacobo, archidiacono Placentino, fratre Venturino de Brixia, inquisitore heretice pravitatis, fratre Marcheto de Novaria, fratre Gracio de Laude, ordinis Predicatorum, fratre Carbono, abbate monasterii Sancti Petri Lauden., et nobilibus viris dominis Ludovico de Cavalcabobus, Victaliane marchione, Albertacio de Vicedominis, milite, Janino Scoto, Tomaxio Confanonerio, Johanne de Arcellis, Franchischino Rubeo de Vicoiustino, civibus Placentinis, Ottino de Armagiis de Laude, Bertolino de Casamala de Cremona, magistro Pagano de Beliossis, fisico, et Obertino de Raynerio de Mediolano, testibus vocatis et rogatis. Cum reverendus vir dominus Armandus de Fagia, archidiaconus Biliomi in ecclesia Claromonten., camararius reverendi in Christo patris et domini, domini nostri Bertrandi, Dei gratia Ostien. et Velletren., episcopi, apostolice sedis legati, pridie presentatis sibi per sindicos et procuratores communis civitatis Lauden. et per eum reverenter receptis litteris sanctissimi patris et domini, domini Johannis divina providencia pape XXIIdi, bulla plumbea consueta ipsius domini pape bullatis cuum fillis canapis pendentibus sanis et integris et omni suspitione carentibus quarum tenor talis est : Johannes, episcopus servus servorum Dei, dilecto filio Armando de Fagia, archidiacono de Biliomo in ecclesia Claromonten. salutem et apostolicam benedictionem. Venientes nuper ad sedem apostolicam dilecti filii Ancelmus Temacoldus et Basianus Bononus, speciales dilectorum filiorum nobilis viri Petri, dicti Vegii, Temacoldi et Manfredini de Sturionibus, civium necnon communis et universitatis civitatis Lauden. sindici, procuratores et nuncii, ac coram nobis et nostris fratribus in concistorio cum sufficienti ad omnia per ipsos agenda sindicatu et procuratorio ibidem exhibito comparentes, eorumdem civium et communis ac universitatis nomine dixerunt, proposuerunt, recognoverunt et confessi fuerunt ibidem dominium et regimen civitatis predicte ac districtus eiusdem ad nos et sacrosanctam romanam Ecclesiam, Imperio romano vacante, sicut nunc vacare dinoscitur, pertinere ac etiam pertinuisse per totum tempus quo vacavit Imperium supradictum, quapropter prefati sindici procuratores et nuncii nomine quo supra nobis et eidem Ecclesie pure ac simpliciter predicta dominium et regimen obtulerunt, resignaverunt et ea per
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traditionem clavium civitatis eiusdem, quas portabant in manibus, assignarunt, promittentes dicentes et offerentes nomine quo supra quod in potestatem seu rectorem et vicarium reciperent illum seu illos quem vel quos per nos vel alium seu alios a nobis deputandum seu deputandos ad hoc duxerimus ordinandos cum gagiis et stipendiis consuetis ; et nichilominus recognoverunt et confessi sunt ibidem quod predicti cives, commune et universitas, dampnate memorie Matheo de Vicecomitibus eiusque filiis et aliis rebelibus nostris et Ecclesie memorate, faverant in rebelione contumaciis et inobedienciis suis ac prestiterunt auxilia, conscilia et favores ipsique in rebelione nostra et Ecclesie ac sui proprii episcopi prestiterant, ipsum non recipiendo in civitate predicta, et insuper quod Ludovico de Bavaria et Petro de Corvaria hereticis et scismaticis violenta non spontanea voluntate faverant, prefatoque Ludovico certam dederant coacti tamen pecunie quantitatem. Verumtamen interdictum cui propter excessus et crimina huiusmodi civitas predicta cum suo districtu subiacere dinoscebatur inviolabiliter observantes, nunquam officiales predictorum Ludovici de Bavaria et Petri de Corvaria hereticorum et rebelium ad predicta dominium et regimen admiserunt. Quare prefati sindici et procuratores et nuncii nobis humiliter supplicarunt ut eorumdem civium, communis et universitatis, non attentis culpis et excessibus eis aparire, de benignitate sedis apostolice pietatis et misericordie ianuam, dignaremur ipsos ad nostram et eiusdem sedis gratiam admittendo ac interdictum predictum tollendo de civitate et districtu predictis, necnon eis et personis singularibus dictorum civitatis et districtus clericis et laycis, religiosis et secularibus ab interdicti suspensionis et excommuicationis aliisque penis et sentenciis, quas propter predicta vel predictorum aliq. quolibet incurrerunt, de absolutionis et relaxationis beneficio providendo et dispensando misericoditer cum personis ecclesiasticis, religiosis et secularibus civitatis et districtus predictorum que occasione premissorum fuerunt irregularitatis macula irretite, ab ipsisque abolendo exortam ex premissis omnem infamie maculam sive notam ac ipsos et eorum singulos ad illum statum restituendo in integrum quo erant ante quam culpas et excessus committeret supradictos, offerentes predicti sindici, procuratores et nuncii, nomine sindicario et procuratorio quo supra, nostris et Ecclesie super predictis omnibus stare et parere mandatis omnemque subire penitenciam et ememdam complere quas iniungendas seu imponendas pro premissis duceremus eisdem. Nos autem predictis omnibus diligencius intellectis huiusmodi recognitionem, confessionem, oblationem, traditionem et resignationem regiminis et domini predictorum gratas habentes pariter et acceptas, eas pro nobis et eadem romanam
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Ecclesiam duximus admittendas. Et cum illius qui contrictum cor et humiliatum non despicit, cuique proprium est misereri semper et parcere, licet insufficientibus meritis vices geramus in terris, cum eis qui sic devote ac simpliciter contrictis et humiliatis cordibus redire ad nostram et eiusdem Ecclesie gratiam affectabant, volentes agere gratiose memoratos Petrum et Manfredinum ac commune et universitatem Lauden., dictosque sindicos, procuratores et nuncios eorum nomine ac eosdem etiam pro se principaliter ad eandem gratiam ut sequitur duximus favorabiliter sub nominis adiectis inferius et receptis que promiserunt dicti sindici, procuratores et nuncii favorabiliter admittendos. Prefati namque sindici, procuratores et nuncii quo supra nomine promiserunt et ad sancta Dei evangelia tacta corporaliter iuraverunt, quod predicti cives ac commune et universitas civitatem et districtum memoratos omneque dominium eorumdem et regimen sub dominio devotione et fidelitate nostris et eiusdem romane Ecclesie tenebunt et defendent pro posse, quodque potestatem seu rectorem recipient in civitate iamdicta quem eis duxerimus trasmittendum, officiales quoque ac gentes Ecclesie memorate honorifice receptabunt pro iuribus et defendent ; et insuper quod mandatis nostris et Ecclesie super illatis iniuriis contumaciis, rebellionibus et aliis in procuratorio seu sindicatu eorumdem procuratorum et nunciorum contentis ac implicite vel explicite per eosdem sindicos, procuratores et nuncios confessatis et ceteris culpis et excessibus pro quibus sentencias incurrerunt predictas prolatas ab hominem vel a iure, nostris et Ecclesie parebunt beneplacitis et mandatis. Rursus quod nobis et successoribus nostris canonice intrantibus fidelitatem obedienciam et devotionem servabunt debitas et numquam predictis Ludovico de Bavaria et Petri de Corvaria vel aliis hereticis et scismaticis seu eorum sequacibus per Ecclesiam denotatis vel etiam denotandis adherebunt nec eis prestabunt auxilium, consilium vel favorem, directe vel indirecte, publice vel occulte, nec ipsos vel eorum aliquos receptabunt in terris que suis dominio, iurisdictioni et adminitrationi subicienter seu etiam committenter, sed eos abicient et prosequenter pocius quousque ad gratiam et communionem Ecclesie sint reversi. Item quod nulli obedient seu adherebunt ut imperatori seu administratori Imperii nisi primitus fuerit per sedem apostolicam approbatus. Preterea quod de terris que jurisdictioni et administrationi suis subicienter universos hereticos ab Ecclesia denotatos expellent et exterminare pro viribus procurabunt, nunquam insuper cum eodem Ludovico aut aliis hereticis et rebellibus per nos et Ecclesiam dampnatis obligationem, conspirationem, societatem vel ligam facient, vel inient et a factis sique fuerint forsitan resilire curabunt. Item quod universos clericos et laycos
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beneficia et officia ecclesiastica vel mondana nomine seu titulo dictorum Ludovici de Bavaria vel Petri de Corvaria seu alterius ab ipsis vel eorum altero auctoritatem vel potestatem vendicantis in terris et locis ubi potestatem habebunt detinentes ad dimittendum officia et beneficia huiusmodi pro viribus coercebunt. Prelatos autem et clericos gratiam et communionem apostolice sedis habentes necnon et universos laycos sub obediencia nostra et predicte Ecclesie consistentes gaudere omnibus bonis suis in eisdem civitate et districtu existentibus permittent libere sicut nos duxerimus ordinandum. Consequenter vero predictis promissionibus et iuramentis ab eisdem sindicis, procuratoribus et nunciis factis ut prefertur et prestitis ac per nos in consistorio predicto receptis, prefatos Petrum et Manfredinum ac commune et universitatem necnon et ipsos sindicos, procuratores et nuncios pro se de dictorum fratrum consilio ab omnibus et singulis penis et sentenciis iuris vel hominis necnon processibus quibuscumque, quas et quos propter predicta vel aliq. predictorum incurrissent duximus absolvendos, omnemque infamie maculam sive notam quam propter hoc contrasissent tollendo penitus et etiam abolendo, ipsosque ad omnia privilegia, honores, bona, statum et famam restituimus in integrum de plenitudine potestatis, ac interdictum seu interdicta quibus civitas et districtus predicti qualitercumque et quibuscumque causis propter premissa vel aliquod predictorum subiacerent relaxavimus sicut in aliis nostris litteris super predictis confectis plenius continertur. Sane quia predictorum sindicorum, procuratorum et nunciorum supplicatio sicut exprimitur superius continebat quod personis civitatis et districtius predictorum singularibus providere de absolutionis beneficio a dictis sentenciis et dispensationibus gratia personis videlicet ecclesiasticis dignaremur, nos supplicationi huiusmodi benignius inclinati discretioni tue per apostolica scripta committimus et mandamus quatinus postquam predicti Petrus et Manfredinus ac commune et universitas omnia et singula per eosdem sindicos, procuratores et nuncios dicta proponita, recognita, conscripta, tradita et assignata, necnon promissa et iurata ratificaverint, approbaverint, iuraverint, promiserint seque observaturos duxerat efficaciter obligandos inde confectis instrumentis publicis tibi assignandis, iuxta litterarum continenciam predictarum, omnibus et singulis personis ecclesiasticis et mundanis, religiosis et secularibus civitatis et districtus predictorum singularibus ab ipsis, tamen recepto primitus ad sancta Dei Evangelia iuramento de predictis superius expressatis tenendis, observandis, exequendis prout ad eos pertinuerit et complendis ab excommunicationis sentenciis aliisque quibuslibet penis et sentenciis iuris vel hominis seu processibus quos et quas propter
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predicta vel aliq. predictorum incurrerunt de absolutionis beneficio iuxta formam Ecclesie studeas providere, ipsos ad honores, bona, statum et famam restituendo in integrum, necnon cum personis ecclesiasticis quem dictis ligate penis et sentenciis seu tempore interdicti predicti, celebrando divina vel inmiscendo se illis irregularitatis maculam contraxerunt auctoritate nostra misericorditer dispensando et iniungendo quod sibi de iure videris iniungendum. Ceterum nostre intentionis et voluntatis existit quod nulli persone ecclesiastice vel seculari que ab eisdem Ludovico vel Petro aut aliquo alio ipsorum vel alterius eorum nomine vel auctoritate aliqua officia vel beneficia receperint seu obtinuerint huiusmodi absolutionis, restitutionis vel dispensationis beneficium impendatur, donec plene ac libere officia et beneficia realiter dimiserint supradicta iuraverintque promiserint et se obligaverint efficaciter quod illa non reasument nec ad ea ulterius absque commissione seu collatione canonica illius vel illorum gratiam tamen et communionem eiusdem sedis habencium ad quem vel ad quos id de iure competit extendant quomodolibet manus suas. Preterea expresse addicimus quod si hii quibus de absolutionis dispensationis et restitutionis predictarum contigerit gratia provideri premissa que iurabunt non adimplerent aut in contrarium scienter aliquod attemptarent in easdem penas et sentencias recidant ipso facto. Volumus quod super predictis omnibus fiant publica instrumenta presencium seriem continencia que nobis postmodum fideliter transmittantur. Datum Avinion., VII idus januarii pontificatus nostri anno quarto decimo. Publice et alta voce in generali consilio dicti communis in palatio ipsius communis solemniter more solito congregato dictas litteras litteraliter et vulgariter legi et narrari fecisset, ipsisque litteris per dominos Albertum de Bonacossis, potestatem dicti communis, Petrum Timicoldum (sic) et Manfredinum de Sturionibus supradictos atque consiliarios dicti conscilii (sic) generalis ibi presentes auditis et intellectis, atque per sindicos et procuratores predictorum et consilii et communis predicti in eodem consilio ad hec specialiter constitutos sindicario et procuratorio nomine predictorum ac etiam per dictos dominos Albertum potestatem, Petrum et Manfredinum eorum nomine ratificatis et approbatis, iuratis et premissis omnibus et singulis de quibus in dictis litteris fit mencio et secundum ipsarum litterarum tenorem et formam sicut ende plenius continetur publicis instrumentis inde scriptis hodie, paulo ante, per me Petrum Taculam infrascriptum et Aldricum de Prata, publicos notarios Placentinos. Accedens a dictam ecclesiam maiorem ipsius civitatis et ante portas ipsius Ecclesie existens, humili et devota supplicatione per infrascriptos clericos quorum nomina inferius continetur et multos alios clericos dicte civitatis et districtus Laude
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ibi presentes, flessis eorum genibus, sibi facta dubittantes (sic) seu titubantes ne aliquando qualitercumque seu quocumque modo durante interdicto ponito in dicta civitate et districtu Lauden. excomunicationis sentencias iuris vel hominis incurrissent et irregularitatis maculam contrasissent, quod ipsos omnes et singulos apostolica auctoritate per dictas litteras sibi commissa ab omnibus sentenciis excomunicationis iuris vel hominis quas occasione predicta quomodolibet incurrissent absolvere dignaretur, ac etiam cum eis super irregularitate quam forte dictis de causis contrasissent misericorditer dispensaret, offerentes se paratos iurare de parendo mandatis Ecclesie et omnia facere ac etiam subire et adimplere penitenciam salutatem quam ipse dominus Armandus eis duxerit iniungendam secundum litterarum continenciam predictarum. Qua supplicatione per ipsum dominum Armandum benignius exaudita et ab ipsis omnibus et singulis acto et recepto corporaliter iuramento tactis per eos sacrosanctis evangelis de parendo mandatis Ecclesie et de predictis superius in dictis litteris contentis tenendis, observandis, exequendis prout ad eos pertinuerit et complendis et efficaciter observandis secundum ipsarum litterarum tenorem et formam, ipsos omnes et singulos, ab omnibus sentenciis excomunicationis iuris vel hominis necnon et processibus quibuscunque quos et quas ut predicitur quomodolibet incurrissent auctoritate apostolica ut predicitur sibi commissa, absolvit iuxta formam Ecclesie consuetam et cum eis super irregularitate quam propterea aliqualiter contrasissent missericorditer dispensavit, restituendo eos in integrum ad prestinos honores, bona, statum et famam secundum tenorem et formam commissionis predicte iniungendo etiam eis penitenciam salutarem. Hoc acto et expresse adiecto quod si ipsi vel quicumque seu aliquis ipsorum predicta que iuraverunt non adimplerent aut in contrarium scienter aliquod attemptarent in easdem penas et sentencias recidant ipso facto sicut dictum et adiectum est expresse in litteris suprascriptis, dicentes insuper et protestantes suprascripti omnes, quod in dictis civitate et districtu Lauden. non est aliquis clericus vel laicus qui beneficium seu officium ecclesiasticum vel mondanum obtinuerit a Ludovico de Bavaria vel Petro de Corvaria suprascriptis et de predictis mandavit prefatus dominus Armandus per me, Petrum Taculam notarium infrascriptum, fieri unum et plura publica instrumenta. Nomina vero dictorum clericorum sunt hec infrascripta : Domini […], prepositus Sancti Laurentii ; Guillelmus Talentis, canonicus maioris ecclesie ; Bartolomeus Aghinonus, custos ipsius ecclesie ; Florinus Glozola ; Bernardus Glozola ; presbiter Gandulfinus de Cabiano, Sancti Pantaleonis de Nosdello ; Betus Negrebonus, custos ecclesie maioris ; presbiter Carnevalis de Arixiis, rector ecclesie de Villa Pompeiana ; Jacobinus de Albina, rector Sancti Blasii ; presbiter Ugo, Sancti Andree ; presbiter Ugo, Sancti
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Nicolaii ; presbiter Johannes, Sancti Salvatoris ; Gerardus Boldizonus ; presbiter Guillelmus de Brinaste ; presbiter Michael de Amicis ; presbiter Jacobus, rector ecclesie Sancti Alexandri de Cervegnano ; presbiter Aldricus, rector ecclesie Sancte Marie Magdalene ; presbiter Daniel, rector ecclesie Sancti Christofori ; Franciscus de Abonis, qui dicitur Panigata ; presbiter Opizo, rector ecclesie Sancti Georgii ; presbiter Basianus, rector Sancte Agnetis ; presbiter Albertus, rector ecclesie Sancti […] ; presbiter Bertola de Pantiliate, rector ecclesie Sancti Martini ; presbiter Marchixius de Pantiliate, archipresbiter plebis de Burgheto ; presbiter Basianus de Zurigalibus, ecclesie Sancti Martini de Comazo ; presbiter Rolandus de Burgo Sancti Donini ; presbiter Jacobus de Galdina, ecclesie Sancti Romani ; presbiter Matheus de Basiaco, ecclesie Sancti Martini ; presbiter Filipus de Episcopis, archipresbiter plebis de Galgagnano ; Masietus Codecasa, custos maioris ecclesie ; frater Bernardus de Cremona, ordinis tercii fratrum Minorum ; presbiter Sachus de Sachis, ecclesie de Anchania ; presbiter Petrus de Gramaticis, ecclesie de Portatorio ; presbiter Martinus, ecclesie Sancti Viti ; presbiter Stefanus, ecclesie Sancti Faustini ; Gerardinus de Ysella, clericus ecclesie Sancti Petri de Gradelego.
Ego Petrus Tacula, imperiali auctoritate notarius publicus Placentinus, predictis omnibus interfui et ea omnia et singula de mandato prefati domini Armandi scripsi et in publicam formam reddegi, meoque signo signavi in testimonium et cautellam omnium premissorum. V. 3 Deditio de Castelnuovo Bocca d’Adda à Jean XXII Avignon, 24 novembre 1331 (ASV, Arm. XXXIV n° 2, fol. 88–90) In nomine Domini amen. Anno a nativitate eiusdem millesimo trecentesimo tricesimo primo, indictione XIIII, die XXIIII mensis novembris, pontificatus sanctissimi patris et domini nostri, domini Johannis divina providencia pape XXII anno XVI, Avinion. in palacio papali, existentes discreti viri Rugerius de Cornu et Johannes de Bonoldis, habitatores Castrinovi Buçcadue, diocesis Cremonen., ac sindici universitatis ipsius castri, ad infrascripta plenam et liberam potestatem habentes, prout de eorum sindicatu et potestate constat per quoddam publicum instrumentum cuius tenor inferius est insertus, in presencia dicti domini nostri summi pontifici assistentibus ibidem reverendis in Christo patribus, dominis Petro, Penestrino,
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et Gaucelmo, Albanen. episcopis, Petro, tituli sancti Stephani in Celiomonte, presbitero, ac Bertrando, Sancte Marie in Aquiro, diacono cardinalis, cum debita reverencia et devotione proposuerunt quod cum locus Castrinovi Buçcadue predicte diocesis cum suo districtu immediate subiectus sit et fuerit ab antiquo sancte romane Ecclesie et habitatores dicti castri fideles et subditi sint et fuerint eidem Ecclesie et domino nostro predicto ac universalis potestas et juridictio rectorum positio et depositio ac regimine dicti loci et eius districtu consilii et universitatis eiusdem ad romanam Ecclesiam pertineat dictusque locus et universitas cum sue districtus in omnibus et per omnia romane Ecclesie temporaliter sit subiectus, quatinus sanctitati sue placeret dictum locum et districtum habitatores et districtuales eiusdem sic fideles subditos et devotos de ipsius solita clemencia recipere, fovere et tenere perpetuo sub sua jurisdictione et protectione romane Ecclesie et nichilominus, recognitionem dicti loci et districtus ad quam faciendam romane Ecclesie tenentur ac oblationem mixti aut meri imperii seu cuiuscumque alterius jurisdictionis si quam castrum predictum aut communitas ipsius habeat in loco et districtu predictis ex privilegio, consuetudine vel alia quavis causa, ab ipsis sindicis nomine suo loci et universitatis predictorum benigne recipere et admittere et ad predicta dicti sindici se obtulerunt et se tam proprio quam universitate et constituentium nomine predicta per ipsos proposita, supplicata et oblata facere observare sub penis et confiscationibus in eorum sindicatu contentis. Quibus sic propositis, supplicatis et petitis per dictos sindicos in presencia domini nostri pape prefati ac diligenter auditis et intellectis protestato et retento primitus per dominum nostrum papam quod in casu in quo sibi vel eius successoribus pro utilitate incolarum partium Lumbardie in ipsis vel aliqua parte ipsius principem aliquem sub quovis nomine costituere fidelem et devotum Ecclesie ad tempus vel perpetuo pro bono regimine partium earumdem expediens videretur, quod tunc de castro, loco, universitate et districtu predictis plene ordinare possint, sicut de terris aliis ipsarum partium ordinabunt, dicti vero sindici eisdem protestationi et retentioni expresse concensientes et predicta omnia et singula grata et rata habentes dictum castrum, locum, universitatem et eius districtum nomine quo supra recognoverunt se hactenus tenuisse et nunc et in perpetuum tenere debere ab Ecclesia romana et domino nostro papa et eius successoribus et fidelitatem sibi et suis successoribus promiserunt se perpetuo servatur ; et nichilominus, si quam jurisdictionem aut mixtum sive merum imperium castrum et universitas dicti loci haberent in loco et districtu predictis, ex nunc totum illud nomine quo supra in romanam Ecclesiam et dominum nostrum papam et eius successores perpetuo transtulerunt et transportant a dicto castro ac universitate ipsius et a se ipsis totaliter abdicarunt et predicta
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omnia superius expressata, recognita, donata et oblata et alia quecumque in eorum sindicatu contenta, sacrosanctis evangeliis positis coram eis ac per eos corporaliter tactis in animarum suarum et omnium illorum quorum sindici et procuratori existunt, iuraverunt attendere et complere et in nullo contravenire sub penis et confiscationibus in dicto sindicatu contentis ; quibus sic petitis, supplicatis et recognitis, oblatis, donatis et juratis dominus noster papa attendens et recognocens dictos locum Castrinovi Buçeadue, universitatem et districtum ipsius ut premittitur ad romanam Ecclesiam hactenus pertinuisse et pertinere debere, dictas petitionem, supplicationem, recognitionem, oblationem, donationem et juramenti prestationem, devotionem habitancium loci predicti et fidelitatem quam ad Deum et sanctam romanam Ecclesiam quam in hiis et aliis ostendunt quamdiu extra regimine tirannorum fuerunt multipliciter recomendans libere cum gratiarum actione admisit, jura romane Ecclesie in omnibus semper salvo de quibus omnibus mandavit nobis notariis infrascriptis conficere publica instrumenta. Suit l’acte de procuration du 12 octobre, dressé en présence du podestat, noble seigneur Guillelmus de Auxio, de Johannes de Sacha et Manuel Leonus, consuls, et des deux tiers des membres du conseil. Hec sunt nomina consiliariorum qui interfuerunt omnibus supradictis : Angelinus de Aubertis, Guillelmus Leonus, Galterius Leonus, Stephanus de Guerciis, Guillelmus de Guerciis, Jacominus de Cerutiis, Petrinus Marçagaya, Leonus Sichus, Zuchinus Ferrarius, Betus de Bonoldis, Zaninus de Bonoldis, Stephanus Bonoldus, Raffaynus Bonoldus, Merlus de Cerutis, notarius dicti communis, Janinus de Sacha, Mellotus Leonus, Monachus de Cornu, Carpinus de Scarpis, Zambellus de Aubertis, Guillelmus de Minutis, Marchixius Tambellus, Guillelmus Ulianus, Guillelmus Cevictus, Percivallus Leonus, Zoaninus de Cornu, Girardus de Persicho, Lombardinus Rincenontus, Julianus de Minutis, Jacopinus Veronensis, Dodus Bonoldus, Bertholinus de Aubertis, Paxinus de Bonoldis, Manfredus de Surdis, Berninus de Bonoldis, Ziliolus de Cerutis, Armannus Faxonus, Guercius Mançanuus, Vaxanus Gonçaghus, Abraninius de Aubertis, Ventunus de Aubertis, Lambertus de Aubertis, Niger de Gonciis, Gondulfus Tavola, Ziliolus Sachas. Ego, Lafranchinus de Minutis, notarius predicti communis hiis omnibus predictis interfui et hanc catam rogatus scripsi. Acta furent hec Avinion., anno, indictione, die, mense, loco et pontificatu predictis, presentibus venerabili in Christo patre domino Gasberto, Arelaten. archiepiscopo, domini nostri pape predicti camerario, domino Petro Marini, canonico Xanctonen., et magistro Aldrico de Prata, notarius Placentin., ad premissa vocatis testibus specialiter et requisitis et ego, Guillelmus de Petrilia, ut in proxima et ego, B. de Pereto, ut in proxima.
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Ill. 2 – Vaticinia de summis pontificibus, vers 1435. Bibliothèque municipale de Lyon, ms. 189, fol. 5 (© Institut de recherche et d’histoire des textes – CNRS).
Pestilens domus Aragonum. Papst Johannes XXII. und die Könige von Aragón Hans-Joachim Schmidt (Freiburg i. Ü.)
I. Aragón und Avignon 1
Michael Stephani, Prokurator von König Friedrich von Sizilien an der päpstlichen Kurie, schrieb am 20. September 1324 an König Jakob II. von Aragón: Papst Johannes XXII. sagte gegenüber einem Kardinal, dass er jegliche Vorhaben unterstützen werde, um das pestbringende Geschlecht der Könige von Aragón zu schädigen. Er werde verhindern, dass dieses Geschlecht Vorteile erringe und seine Macht steigere. Gut, nützlich und notwendig sei es, zu versuchen, dieser Dynastie entgegenzutreten. Entsetzt erwiderte der nicht genannte Kardinal dem Papst: König Jakob II. von Aragón sei doch bisher von den Päpsten unterstützt worden und sie hätten ihm die Herrschaft über Sardinien übertragen. Daraufhin Johannes: „Wir haben ihm diese Herrschaft nicht übertragen. Dies tat jener fehlbare Bonifaz VIII., der aber kein Recht für die Verleihung besaß, da er nicht das vorherige Einverständnis der Pisaner eingeholt hätte.“ Der Kardinal wandte ein: Jakob II. von Aragón sei ein rechtgläubiger Christ und ein treuer Diener der Kirche. Nur von Friedrich von Sizilien könne man behaupten, dass er ein pestbringender Mensch und ein Rebell gegen die Kirche sei. Richtig, warf der Papst ein, Friedrich sei ein schlechter Mensch und – falls er noch mehr Macht hätte – ein noch viel schlimmerer. Schlimmer aber noch sei der König von Aragón, denn er stünde in geheimem Einvernehmen mit ihm. Öffentlich würde er sich von ihm lossagen, heimlich ihm aber helfen. Der Dialog, so wie er überliefert ist, wurde dem sizilianischen Prokurator von einem 1 Zum Amt des Prokurators an der päpstlichen Kurie siehe Sohn, Andreas, Deutsche Prokuratoren an der römischen Kurie in der Frührenaissance (1431–1474) (Norm und Struktur 8), Köln et alibi 1997; Berthe, Pierre-Marie, Les procureurs à la cour pontificale d’Avignon au XIVe siècle. Les procureurs des prélats français sous Urbain V et Grégoire XI à la chambre apostolique, Paris 2004.
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Priester an der päpstlichen Kurie zugetragen, den wiederum der beteiligte Kardinal informiert habe. Gleichwohl, die zitierten Sätze seien authentisch: Pro certo, quod vera sunt, versichert der Briefschreiber und meint sogar: Der Papst hasse den König von Aragón mehr als den von Sizilien, diesen sicherlich mit Grund, jenen indes ohne jeden Grund – wie der Prokurator 2 nicht versäumte hinzuzufügen. Hat Papst Johannes XXII. tatsächlich in dieser Weise über König Jakob II. von Aragón gesprochen? Zweifel sind angebracht. Abgesehen von der mehrgliedrigen Informantenkette ist wohl offensichtlich, dass der sizilianische Gesandte den Adressaten seines Briefes, König Jakob II., gegen den Papst aufstacheln wollte. Ein anderes Schreiben an Jakob weiß zu berichten, dass der Papst den aragonesischen König, sein Königreich und dessen Klerus mehr als andere Völker liebe, dass er dem König großzügig Subsidien und Kreuzzugszehnten gewähre in seinem Kampf gegen Ungläubige und Feinde 3 der Kirche. Dennoch bestehe an der Kurie Furcht vor der Macht des Hauses 4 Aragón, das drei Königreiche beherrsche. Die angeführten Passagen der Briefe zeigen schlaglichtartig die Probleme, die die Beziehungen zwischen Papst Johannes XXII. und den aragonesischen Königen belasteten. Diese Probleme sind auch Thema meiner folgenden Ausführungen. Es geht also um das Verhalten Jakobs zu seinem 2 Acta Aragonensia. Quellen zur deutschen, italienischen, französischen, spanischen, zur Kirchen- und Kulturgeschichte aus der diplomatischen Korrespondenz Jaymes II. (1291–1327), hg. v. Finke, Heinrich, Berlin/Leipzig 1908–1922, Bd. 1, Nr. 271, S. 408–410; allgemein zum politischen Agieren der aragonesischen Könige: Del Treppo, Mario, L’espansione catalano-aragonesa nel Mediterraneo, in: Nuove Questioni di storia medievale, Milano 1964, S. 259–300; Shneidman, J. Lee, The Rise of the Aragonese Empire 1200–1350, Bd. 1, New York/London 1970; Hillgarth, Jocelyn Nigel, The Problem of the Catalan Mediterranean Empire 1229–1327 (EHR. Supplementurm 8), London 1975; Luttrell, Anthony T., Late Medieval Mediterranean Empire. The Catalan Example, in: Journal of the Faculty of Arts 1977, S. 109–115; Lalinde Abadía, Jesús, La Corona de Aragón en el Mediterraneo medieval (1229–1479), Zaragoza 1979; Corona d’Aragona e Mediterraneo. Strategie d’espansione, migrazione e comerci nell’età di Giacomo II, hg. v. Cadeddu, Maria Eugenia, Pisa 1996; Awerkorn, Raphaela, Macht und Expansion auf der Iberischen Halbinsel. Aragon, Kastilien und Portugal im Spiegel ihrer auswärtigen Beziehungen um 1308, in: 1308. Eine Topographie historischer Gleichzeitigkeit, hg. v. Speer, Andreas (Miscellanea Mediaevalia 35), Berlin/Boston 2010, S. 41–94. 3 Acta Aragonensia (Anm. 2), I, Nr. 273, S. 412–415. 4 Ibid., Nr. 400. S. 620–632.
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jüngeren Bruder Friedrich, der entgegen dem Willen der Päpste sich die Herrschaft über die Insel Sizilien angeeignet hatte. Zweitens geht es, wie ebenfalls im Brief angesprochen, um das den aragonesischen Königen durch Papst Bonifaz VIII. übertragene Königreich Sardinien. Drittens sind die Rechtgläubigkeit und die Kirchentreue der Könige von Aragón zu behandeln, welche mitunter bezweifelt wurden, was aber nicht verhinderte, kirchliche Angelegenheiten im Königreich in Kooperation mit der päpstlichen Kurie zu gestalten. Dies wiederum musste Auswirkungen haben auf ein Engagement der aragonesischen Könige zugunsten eines Kreuzzuges. Wurden also aufbrechende Konflikte zwischen König und Papst wenig vehement ausgefochten? Verdächtig waren gleichwohl die Beziehungen und die Stellungnahmen des aragonesischen Königs Jakob II. im Konflikt, den Papst Johannes XXII. mit Kaiser Ludwig dem Bayer ausfochte und der in einer gegenseitigen Aberkennung der jeweiligen Legitimitäten gipfelte. Das filigrane Beziehungsgeflecht erfasste folglich auch die durch Heirat geknüpfte Verbindung Jakobs II. mit dem Ludwig unterlegenen römischen König Friedrich dem Schönen aus dem Hause der Habsburger. Das ambivalente Verhältnis von Papst und Aragón soll anhand der hier genannten wichtigsten Problemfelder beleuchtet werden. Die vorgestellten Themen verweisen bereits auf eine Grundannahme: Entgegen der anfangs zitierten Auffassung, die Papst Johannes XXII. geäussert habe, soll hier nicht von einem prinzipiellen Gegensatz ausgegangen werden. Auch die spätere Chronik, deren Autorschaft König Peter von Aragón reklamierte, sieht durchaus die Möglichkeiten eines einvernehmlichen Verhältnisses, grundgelegt durch die Überlassung von Korsika und Sardinien an die aragonesische Krone, wie sie Papst Bonifaz VIII. verfügt habe. Auf der anderen Seite lastet die Chronik Johannes XXII. an, Verhandlungen verschleppt, den Zugang zum päpstlichen Hof mitunter blockiert und den Empfang aragonesischer Delegierter in Avignon demütigend 5 gestaltet zu haben. Indes, die Beziehungen waren nicht fixiert, sie unterlagen vielmehr zeitlichen Veränderungen und – was die Deutung noch erschwert – gleichzeitig stattfindenden, aber gleichwohl entgegen gerichteten Bestrebungen. Die changierenden Interessen schlossen Eindeutigkeit aus. Die Beziehungen und die instabilen Bündnisse waren komplex, weil sie weit ausgreifende Kontakte voraussetzten und sie auslösten. In ihnen waren die aragonesischen Könige trotz ihrer peripheren Lage in Europa 5 Crònica de Pere el Cerimonios, in: Les quatre grans cròniques (Biblioteca Perenne 26), Barcelona 1971, S. 1001–1159, hier 1034–1036.
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stark engagiert, was hohe Anforderungen stellte an die konzise Planung politischer Handlungen und eben so die Arbeit der historischen Forschung vor Probleme stellt, die umso größer sind, als die Beziehungen zwar gut dokumentiert sind, aber unter dem Vorbehalt der Verheimlichung, der Fehlinformation und der inhaltlichen Widersprüche stehen. Es wäre verfehlt, von der Prämisse einer ‘Aussenpolitik’ auszugehen, welche ein ‘Innen’ und ein ‘Aussen’ voraussetzt, was auch im 14. Jahrhundert einen Anachronismus darstellt, insofern alle Herrschaftsformen letztlich porös waren und keine abgeschlossenen, definierten oder gar reservierten Kompetenzzonen besaßen, vielmehr mit konkurrierenden Legitimitäten konfrontiert wurden und dies insbesondere im Verhältnis zu den Päpsten, die schlechterdings nicht in ein System agonaler Mächte einzubinden waren, sondern ihre Position als oberste Seelsorge stets hervorkehrten, so dass Kirche weder in einer hierarchischen noch in einer konkurrierenden, weder in einer segregierten noch komplementären Relation zu den Königen platziert werden kann, stattdessen als integraler Bestandteil jedweder herrschaftlichen Aktivität aufzufassen ist. Selbst wenn neue Forschungen dem Konzept der ‘Aussen6 politik’ Erkenntniswert für spätmittelalterliche Verhältnisse zubilligen, erscheint es mir unumgänglich zu sein, die weiterhin auf Dynastie und Hof zentrierte Intentionalität des politischen Handelns zu erfassen, weil unsichere Loyalitätsansprüche jegliche systematisierende und separierende Konfiguration von abgeschlossenen Einheiten illusorisch machen und letzt7 lich auch das Konzept von Hegemonien und von Gleichgewichten, seien sie
6 ‘Bündnissysteme’ und ‘Aussenpolitik’ im späten Mittelalter, hg. v. Moraw, Peter (Zeitschrift für Historische Forschung. Beiheft 5), Berlin 1988; Das Vorwort des Herausgebers bietet freilich eine kritische Reflexion zu den nur uneigentlich gebrauchten Termini. Unreflektiert aber bei: Averkorn, Raphaela, Herrscherinnen und Aussenpolitik. Hochadlige Frauen als Handlungsträgerinnen der auswärtigen Beziehungen auf der iberischen Halbinsel (13.–15. Jahrhundert), in: Geschlechterrollen in der Geschichte aus polnischer und deutscher Sicht, hg. v. Schneider, Karl H. (Politik und Geschichte 5), Münster i. W. 2004, S. 91–138; zum Verfahren des diplomatischen Austausches: Jaspert, Nikolas, Interreligiöse Diplomatie im Mittelmeerraum. Die Krone Aragón und die islamische Welt im 13. und 14. Jahrhundert, in: Aus der Frühzeit europäischer Diplomatie. Zum geistlichen und weltlichen Gesandtschaftswesen vom 12. bis zum 15. Jahrhundert, hg. v. Zey, Claudia und Märtl, Claudia, Zürich 2008, S. 151–190, besonders S. 167, 186–189. 7 Walther, Helmut G., Der westliche Mittelmeerraum in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts als politisches Gleichgewichtssystem, in: Bündnissysteme (Anm. 6), S. 39–67, hier vor allem S. 61.
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angestrebt oder kurzfristig verwirklicht, nicht angebracht erscheint. Unterschied des Vorrangs und Differenz der Macht trieben zwar das Verhalten an, aber für die mittelalterlichen Zeitgenossen des okzidentalen Europa war es selbstverständlich, dass die Legitimität der politisch Agierenden im Prinzip stets anerkannt werden musste, sofern man nicht auf religiöse Argumente zugriff, die den jeweiligen Gegner als Feind des Glaubens und der Kirche oder als Usurpator von Rechten bloßstellte. Dies hieße aber einen anderen als einen genuin politischen Erklärungsmodus einzuführen. Inwieweit dies geschah, soll ebenfalls im Folgenden erörtert werden.
II. Verfahren und Formen des Kontaktes Es wird notwendig sein, zunächst die Aktionsformen der Beziehung zu untersuchen. Ein kompliziertes Geflecht von Relationen war zu gestalten. Dazu bedurfte es der Informationen. Um an sie zu gelangen, setzte König Jakob II. Informanten ein – an der päpstlichen Kurie zu Avignon, aber nicht nur dort. Ein enges Geflecht von Familiaren, an den Scharnierstellen des politischen Geschehens platziert, versorgte den aragonesischen Hof mit Nachrichten, auch mit solchen, die aus vertraulichen Gesprächen, geheimen Botschaften, verdeckten Mittelsmännern und abgefangenen Briefen abgeschöpft wurden.8 Das komplizierte Agieren mit unterschiedlichen Akteuren setzte Kundschafter voraus, die sich nicht mit offiziellen Verlautbarungen begnügen konnten und wollten, sondern hinter die Fassade des ostentativen Scheins hofften hineinleuchten zu können, um die verheimlichten, aber angeblich wahren Absichten erfahren zu können. Ein allseits gehegtes Misstrauen durchtränkte die Korrespondenz des Königs. Der Nachricht von Kreuzzugsplänen des kürzlich gewählten Papstes Johannes XXII. 8 Vincke, Johannes, Los familiares de la corona aragónesa alrededor del año 1300, in: Anuario de estudios medievales 1 (1964), S. 333–351; Schadek, Hans, Los familiares valencianos de la Corona de Aragón en el siglo XIV, in: Primer Congreso de historia del País Valenciano. Celebrado en Valencia del 14 al 18 de abril de 1971, Valéncia 1980, S. 513–517; id., Die Familiaren der aragonesischen Könige des 14. und des beginnenden 15. Jahrhunderts, in: Spanische Forschungen. Reihe 1: Gesammelte Aufsätze zur Kulturgeschichte Spaniens 26 (1971), S. 201–348; 32 (1988), S. 1–147; Péquignot, Stéphane, Au nom du roi. Pratique diplomatique et pouvoir durant le règne de Jacques II d’Aragon (1291–1327) (Bibliothèque de la Casa de Velázquez 42), Madrid 2009, S. 119– 126, 221–252.
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glaubte König Jakob II. kein Wort. Er fordert vielmehr seine Gesandten in Avignon auf, die geheimen, hinter der päpstlichen Verlautbarung versteckten Absichten in Erfahrung zu bringen.9 Und genauso wenig glaubte er den treuherzigen Versicherungen der Gesandten des französischen Königs, dass dieser in keiner Weise die Prozesse des Papstes gegen Kaiser Ludwig den Bayern gewollte habe – nichts als Lüge sei dies. Sie würde bloßgestellt durch ein Schreiben des Königs von Frankreich an den Papst, das zwar geheim war, aber gleichwohl zur Kenntnis aragonesischer Gesandter in Avignon gelangte.10 Den Delegierten Jakobs II. an der Kurie hat der Papst vorgehalten, dass er nichts ohne Beratung mit seinen Kardinälen entscheiden würde. Das fassten die Gesandten als Ausflucht und gar als Zurückweisung auf. Sie gaben dem Papst zu verstehen, dass jeder Fürst auch ohne Zustimmung seines Rates handeln könne. Aber nicht der Papst, gab Johannes XXII. ihnen zur Antwort.11 Mitunter weigerte sich der Papst, die Gesandten des Königs auch nur anzuhören. Oder er vertröste sie a la bona ora.12 Einerseits gab es feierliche Empfänge und vertraute Gastmähler, die die Freundschaft des Papstes mit den Beauftragten und den Angehörigen der aragonesischen Dynastie vorführen sollten, andererseits deutliche und geradezu hassgetränkte Zurückweisungen gegenüber König Jakob II: Lo rey a feyt mal, el a feyt mal, soll Johannes ausgerufen haben. Und dann wieder, mitunter unvermittelt, Beteuerungen innigster Freundschaft und die Behauptung, dass der Papst Jakob liebe.13 Die Situation war undurchschaubar, und daran änderten auch die zahlreichen Berichte nichts, so sehr sie auch geheime Informationen auswerteten, die die Hoffnung erweckten, hinter die Fassade öffentlicher Rede und in das Arkanum von Absichten hineinleuchten zu können. Papst Johannes XXII. verhielt sich offensichtlich gemäß einer Strategie des ‘double mind’, um so weder Absichten kundzutun noch sich festlegen zu müssen, vor allem aber verwendete er diese Strategie, um im diplomatischen 9 Acta Aragonensia (Anm. 2), I, Nr. 146, S. 224.; Housley, Norman, The later crusades 1274–1580. From Lyons to Alcazar, Oxford 1992; Cabezuelo Plego, José Vicente, Relaciones institucionales entre el Adelantamiento der reino de Murcia y la Procuración de Orihuela durante la Cruzada contra Granada 1329, in: Historia, instituciones, documentos 26 (1999), S. 163–180; zu den Kreuzzügen des 13. Jahrhunderts: Smith, Damien J., Crusade, Heresy, and Inquisition in the Lands of the Crown of Aragon (1167–1276) (The Medieval and Early Modern Iberian World 39), Leiden 2010. 10 Acta Aragonensia (Anm. 2), I, Nr. 266, 268, S. 401–406. 11 Ibid., Nr. 378, S. 580–594. 12 Ibid., Nr. 507, 515, S. 814–816, 830–832. 13 Ibid., Nr. 500, 501, 503, S. 797–802, 806–807.
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Kontakt die aragonesischen Gesandten zu zermürben, sie aber gleichwohl nicht zu offener Feindschaft zu drängen. Die Vielzahl von Berichten, die König Jakob von seinen Gesandten aus Avignon erhielt, hat diese Strategie nicht unterminieren können, sie wohl eher noch gefördert, indem die Informationsfülle das Wissen um die Vorgänge an der Papstkurie mehr zudeckte als offen legte. Trotz aller Frustrationen, erachtete Jakob den Kontakt zur päpstlichen Kurie als vordringlich. Und er schätzte seine Einflussmöglichkeiten als gar nicht gering ein. Bereits vor und während der Wahl von Papst Johannes XXII. im Jahre 1316 waren aragonesische Gesandte aktiv. Sie sollten befreundete Kardinäle zu einer schnellen Wahl anhalten. Die Vakanz habe schon zu lange angehalten. Viele Entscheidungen und vor allem Besetzungen geistlicher Stellen duldeten keinen Aufschub. Es ging schließlich auch darum, die schwierige Situation seines Schwiegersohnes, des Habsburgers Friedrich, der in strittiger Wahl zwei Jahre zuvor zum römischen König gewählt worden war, durch eine Entscheidung des künftigen Papstes 14 zu stabilisieren. Ein Brief des aragonesischen Königs an die Kardinäle verurteilte deren skandalöse Verzögerung einer Papstwahl. Unter den Informanten an der Kurie war der Kardinal Giaccomo da Colonna, der Jakob über Interna von den Wahlvorbereitungen und den unterschiedlichen Parteiungen im Kollegium berichtete und den erheblichen Druck beklagte, der ausgeübt wurde, um die Wahl eines französischen Kandidaten durchzusetzen. Ein anderer Kardinal hingegen erachtete in einem Schreiben an Jakob II. die italienischen Kardinäle für die Verschleppung verantwortlich und sah es als notwendig an, dass die Wahl im Königreich Frankreich oder in der Provence stattfinden müsse, keineswegs also in Italien oder im Reichsgebiet. Jakob war genau über die Vorgänge informiert, die zur Versammlung der Kardinäle in Lyon, über die Pressionen des französischen Königs und zur schließlich erfolgten Wahl von Jacques Duèze führten. Ein beständiger Fluss von Nachrichten erreichte ihn tagtäglich. Aber seine Ansprüche waren hoch. Er verlangte mehr Präzisierungen und wollte sich nicht mit Gerüchten abspeisen lassen. Und er wollte in das Geschehen eingreifen. Diese Erwartung wurde aber nicht erfüllt. Die detailgenauen Berichte über das Konklave, selbst über die Verteilung der Räume, auch über den Dissens
14 Tabacco, Giovanni, La politica di Federico il Bello re dei Romani, in: ASI 108 (1950), S. 3–77; Heckmann, Marie-Luise, Das Doppelkönigtum Friedrichs des Schönen und Ludwigs des Bayern (1325–1327). Vertrag, Vollzug und Deutung im 14. Jahrhundert, in: MIÖG 109 (2001), S. 53–81; zu den Beziehungen zwischen Jakob II. und Friedrich dem Schönen siehe weiter unten.
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unter den italienischen Kardinälen weckten bei König Jakob offensichtlich die Hoffnung, durch Gesandte und befreundete Kardinäle die Wahl zu beeinflussen. Immerhin suchte Jakob noch nach weiteren Mittelsmännern, um seinen doch insgesamt zu geringen Handlungsspielraum an der Kurie 15 zu erweitern. Einen eigenen Kandidaten scheint Jakob nicht favorisiert zu haben. Aber dass der gewählte Papst nicht zu seinen Favoriten zählte, war offensichtlich. Sein bevollmächtigter Gesandter und Prokurator am avignonesischen Hof bot in seinem an Jakob vom 11. August 1316, vier Tage nach der Wahl datierten Brief eine wenig schmeichelhafte Charakteristik des neuen Papstes. Er berichtete, dass zwar allgemein angenommen werde, dass er gerecht und sine corrupcion sei, aber sicher sei dies keineswegs. Möge es so sein, warf er ein. Indes viele hätten darüber ihre Zweifel, und das zu Recht, 16 wie der Briefschreiber meinte. Aber mit ihm ins Geschäft zu kommen, zunächst für die Besetzung geistlicher Stellen, war selbstverständlich. Indes, die Ausgangsituation war nicht günstig. Negative Erwartungen seitens des aragonesischen Hofes bestanden von Anfang an. Für König Jakob II. war dies kein Grund – im Gegenteil – von seinen Anstrengungen abzulassen, um Informationen vom päpstlichen Hof zu erhalten, ihn zu beeinflussen und seine Anliegen durchzusetzen. Dafür war er auch bereit, erhebliche Geldbeträge einzusetzen. Die langwierigen und teueren Verfahren, die Verzögerungen und die uneindeutigen Verhandlungsergebnisse lastete Jakob seinen Gesandten an, die sich aber verteidigten und auf die Schwierigkeiten verwiesen, denen sie in Avignon ausgesetzt waren. Der königliche Gesandte Vidal de Villanova erbat im August 1317 einen großen Geldbetrag, ohne den an der Kurie nichts zu erreichen sei. Und die eingetretenen Verspätungen der erhofften päpstlichen Privilegien lägen nicht an ihm. Er könne nicht mehr tun: non si pot mes fer de co, 17 qui si fa. Aber zumindest waren die aragonesischen Gesandten beständige Informanten. Die nova curie Romane, die sie übermittelten, gelangten an den königlichen Hof, der auf diese Weise eingeweiht wurde über Demarchen des französischen Königs an der Kurie, über Pläne des Papstes, über seine Gemütsverfassung – so im Frühjahr 1318 über depressive Stimmungen des Papstes, der sich tagelang eingeschlossen habe und niemanden sehen wolle. Am wichtigsten und nur mittels zuverlässiger Personen zu erfahren waren Mitteilungen über interne Beratungen und Meinungsverschiedenheiten unter den Kardinälen und mit dem Papst. Auf diese Weise waren 15 Acta Aragonensia (Anm. 2), I, Nr. 132–141, S. 202–215. 16 Ibid., Nr. 142, S. 215–217. 17 Ibid., III, Nr. 314, 574, S. 162, S. 342f.
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auch Nachrichten verfügbar, die geheime Interna an der Kurie betrafen und die den nach aussen vorgetragenen Absichten deutlich widersprachen. Gegen die Pisaner und Luchanesen sei der Papst feindlich eingestellt, so eine Mitteilung vom März 1317. So erfuhr Jakob im Januar 1318, dass Johannes XXII. den Kreuzzugsversprechen der französischen Könige in keiner Weise vertraute und er sogar behauptete, sie würden sie nur vortäuschen, um uner18 messliche Schätze von der Kirche abzupressen. Beide Informationen waren Jakob nützlich, zeigten sie ihm doch, dass eine festgelegte Parteinahme des Papstes nicht befürchtet werden müsse, was den eigenen Spielraum intakt hielt. Um den Einfluss auf Papst und Kurie trotz zahlreicher gegensätzlicher Interessen nicht abbrechen zu lassen, empfahl der Gesandte Jakobs in einem Schreiben vom 4. Januar 1326, dieser solle in demütiger, milder und süßlicher (dulciter) Weise dem Papst schreiben, denn dieser sei ihm in diesen 19 Tagen sehr geneigt und hoffe seine Unterstützung zu erlangen. In der Tat befand sich Johannes in einer schwierigen Phase seines Pontifikats angesichts des bevorstehenden Italienzuges seines gefährlichsten Gegners, König 20 Ludwig des Bayern. Die Gesandten Jakobs waren aufgrund ihrer Informationen in der Lage, die offiziellen Verlautbarungen des Papstes zu bezweifeln und tatsächliche oder geheime Absichten mitzuteilen. Wenn der Papst das Konsistorium zur Beratung und zur Vorbereitung von Beschlüssen hinzuziehe, geschehe dies nur, um Entscheidungen zu vermeiden. Dass der Papst nur mit Zustimmung des Konsistoriums handeln könne, erschwere die Verhandlungen mit ihm, wohingegen doch der König in der Lage sei, ohne seinen königlichen Rat zu handeln. Dies habe der Gesandte dem Papst in 21 direktem Gespräch vorgehalten. Die durch Interessengegensätze belasteten Beziehungen unter den Kardinälen, von unterschiedlichen Päpsten eingesetzt, wurden Johannes als Schwäche seiner Herrschaft oder – schlimmer noch – als moralische Verfehlung angelastet. Die sprachliche Verständigung 18 Acta Aragonensia (Anm. 2), I, Nr. 314, S. 470–472, 574f.; III, Nr. 165, S. 351f. 19 Ibid., III, Nr. 229, S. 500–502. 20 Baethgen, Friedrich, Der Anspruch des Papstes auf das Reichsvikariat. Untersuchungen zur Theorie und Praxis der potestas indirecta in temporalibus, in: ZRG, KanAbt 10 (1920), S. 168–268; Thomas, Heinz, Ludwig der Bayer (1282–1347). Kaiser und Ketzer, Graz et alibi 1993, S. 122–137; Menzel, Michael, Imperiales Beben: Ludwig der Bayer, Italien und der Papst, in: Bayern und Italien. Kontinuität und Wandel ihrer traditionellen Bindungen, hg. v. Körner, Hans-Michael und Schuller, Florian, Lindenberg 2010, S. 72–87; allgemein zu Ludwig IV. siehe: Benker, Gertrud, Ludwig der Bayer 1282–1347. Ein Wittelsbacher auf dem Königsthron, München 1980. 21 Acta Aragonensia (Anm. 2 ), I, Nr. 378, S. 580–591, hier S. 583.
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wurde gleichfalls thematisiert. Ein Gesandter Jakobs in Avignon berichtete, dass es ihm möglich sei, seine Anliegen dem Papst nicht allein in lateinischer Übersetzung, sondern in katalanischer Sprache vorzutragen, und dieser und seine Kardinäle sie sehr gut verstehen würden: Digats ho, que be 22 us entendem, sprach der Papst. Nicht allein Latein war die lingua franca an der Kurie, sondern eben auch die heimische Sprache der meisten Kuri23 alen, aus Südfrankreich abstammend und daher mit dem Katalanischen nicht unvertraut. Mit zunehmender Komplexität, Ambivalenz, teils versteckter, teils offener Gegnerschaft bündelte Kardinal Napoleone Orsini, Neffe des einstigen Papstes Nikolaus’ III., die Kontakte zur Kurie. Er, den Jakob ausdrücklich als seinen Freund bezeichnete, war in der Tat der beständigste Verbündete unter den Kardinälen. Dies war sicherlich ein Vorteil, was die Beschaffung von Informationen betraf, indes ein Nachteil, wenn Einfluss auf Entscheidungen ausgeübt werden sollte, denn Orsini gehörte zu den Gegnern des Papstes im Kollegium, dies allein schon bedingt durch seine familiäre Tradition, durch seine Unterstützung der auf strikter Armut insistierenden Franziskaner und durch seine Opposition gegen die nun etab24 lierte Übermacht südfranzösischer Kardinäle. Bereits bei der Wahl von Papst Clemens V. 1305 erwies sich Napoleone als wichtiger Akteur der in stetem Austausch mit Jakob stand. Die engen Bindungen rissen auch in der Folge nicht ab, und in allen mit der Kurie auszuhandelnden teils strittigen, teils auf Konsens ausgerichteten Angelegenheit handelte Napoleone 22 Acta Aragonensia (Anm. 2), III, Nr. 164, S. 345–351; La Corona de Aragón y las lenguas románicas, hg. v. Holtus, Günter, Lüdi, Georg und Metzeltin, Michael, Tübingen 1989; Holtus, Günter und Kramer, Johannes, L’articolazione linguistica medievale, in: Storia d’Europa, Bd. 3, Il Medioevo. Secoli V–XV, hg. v. Ortalli, Gherardo, Torino 1994, S. 85–168, hier S. 149–153; zu den Sprachkompetenzen der Gesandten Jakobs: Péquignot, Au nom (Anm. 8), S 202–205. 23 Guillemain, Bernard, La cour pontificale d’Avignon (1309–1376), Paris 1962; Mollat, Guillaume, Les papes d’Avignon (1305–1378), Paris 1964; Favier, Jean, Les papes d’Avignon, Paris 2006. 24 Willemsen, Carl Arnold, Kardinal Napoleon Orsini (1263–1342) (Historische Studien 172), Berlin 1927; Allegrezza, Franca, Organizzazione del potere e dimaniche familiari. Gli Orsini dal Duecento agli inizi del Quattrocento, Roma 1998; Graham, Emily E., The Patronage of the Spiritual Franciscans. The roles of the Orsini and Colonna cardinals, key lay patrons and their patronage networks, Saint Andrews 2009; Cavallaro, Anna, Lazio: The Colonna, Orsini and Caetani Families, in: Courts and courtly arts in Renaissance Italy: art, culture and politics, 1395–1530, hg. v. Folin, Marco,Woodbridge 2011, S. 363–376; Péquignot, Au nom (Anm. 8), S. 108, 114, 313.
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als Überbringer, Unterstützer und Berichterstatter von Anliegen Jakobs. Napoleone gelang es, weitere Kardinäle auf seine Seite zu ziehen, wenngleich niemals eine Mehrheit im Kollegium; vor allem aber erreichte er zu keiner Zeit, die Gunst des Papstes zu erlangen, so dass trotz seiner Bemühungen das schwierige Verhältnis nicht bereinigt werden konnte, aber nichtsdestotrotz der Kontakt aufrechterhalten wurde und Verhandlungen stattfanden, in denen er stets eine gewichtige Rolle spielte. Die Rolle des Kardinals war geradezu paradigmatisch für die Beziehungen zwischen Papst und aragonesischem König. Dieser besaß an der Kurie durchaus Kontakte und meinte sie durch Interventionen und Verhandlungen erweitern zu können, fand darin auch Unterstützung an der Kurie selbst, was letztlich der Grund gewesen sein dürfte, dass Jakob niemals in eine dauerhafte Opposition gegenüber Papst und Kurie eintrat, stets nach Möglichkeiten des Ausgleichs suchte und in diesen Bemühungen, trotz aller Frustrationen, auch erfolgreich zu sein hoffte, standen ihm doch Einwirkungsmöglichkeiten offen und konnte er doch einen der höchsten Würdenträger an der Kurie als seinen Verbündeten betrachteten. Es war das enge Beziehungsgeflecht, das wohl bei Jakob II. die Illusion erzeugte, seine Ziele in Kooperation mit dem Papst erreichen zu können. Letztlich erwies sich aber die Vielzahl von Interventionen und Informationen als trügerisches politisches Machtmittel, insofern das Handeln des Papstes darüber nicht wirksam beeinflusst werden konnte. Aber die Tatsache, dass die Kurie kein monolithischer Machtapparat war, in ihm widerstrebende Interessen vertreten waren und Jakob auch Einblicke in interne Vorgänge besaß, motivierte ein langwieriges Insistieren von diplomatischen Aktionen beim Papst, so sehr dieser sich auch zumeist als unempfänglich gegenüber den von Jakob vertretenen Anliegen zeigte. Es war Orsini, der die Konflikte moderierte, weil auf ihm und seinem familiären und klientären Anhang die Hoffnung ruhte, mit dem Papst selbst kooperieren zu können. Wichtiger aber noch war die Rolle des Kardinals, wenn es darum ging, Verhandlungen von dritter Seite mit dem Papst zu beeinflussen, mitunter aber auch zu konterkarieren, wie dies im Januar 1324 geschah, als der Vertreter der Stadt Pisa, im falschen Vertrauen auf Napoleone, eine Vereinbarung mit dem Papst ablehnte, vielmehr die Rettung aus
25 Jaspert, Nikolaus, La storografia tedescha e gli studi sulla Corona d’Aragona con particolare riferimento all’epoca di Giacomo II, in: Corona d’Aragona (Anm. 2), S. 461–495, hier S. 480; Tabacco, Giovanni, Papa Giovanni XXII e il cardinale Napoleone Orsini di fronte alla Cristianità europea, in: Cristianità ed Europa. Miscellanea di studi in onore di Luigi Prosdocimi, hg. v. Alzati, Cesare, 2 Bde., Roma 1994–2000, I, S. 155–173.
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bedrohlicher Lage ausgerechnet in einem Bündnis mit Aragón erreichen zu 26 können meinte. Napoleone zeigte sich als nützlicher Beförderer aragonesischer Anliegen, der, wenn auch nicht den Papst selbst, so doch mitunter wenigstens dessen Verhandlungspartner auf seine und damit auf aragonesische Seite zu ziehen vermochte oder zumindest die Hoffnung nicht abbrechen ließ, dies zu erreichen. Die Wertschätzung, die Jakob II. dem Kardinal entgegenbrachte, drückte sich auch in klingender Münze aus. Im März 1324 versprach er Napoleone jährliche Einkünfte von 1000 Gulden als Ausdruck der Freundschaft und – obwohl als sekundär deklariert – als Belohnung für seine zahlreichen Taten zugunsten des Königreiches und des königlichen Geschlechtes. Das Geschenk war aber nicht ohne weiteres einzulösen, und darin lag wohl auch die Absicht. Denn die Einkünfte sollten von der Insel Sardinien bezogen werden. Aber über sie verfügte der König zu dieser Zeit nicht. Vielmehr sollte die künftige und geplante Eroberung auch dank der Unterstützung durch die päpstliche Kurie gegen Pisa, immer noch im Besitz der Insel, und dank der Überlassung von Zehnten gelingen. Dazu sollte Napoleone tätig werden. Der Kardinal sollte auch durch die Aussicht auf eigene finan27 zielle Vorteile motiviert werden. Aber für den Kardinal stand durchaus mehr auf dem Spiel, ging es ihm doch darum, den aragonesischen König als Agierenden auf die italienische Bühne zu locken, um mit dessen Hilfe die Macht seiner Familie dort zu stärken und die Voraussetzung für eine Restauration eines genuin römischen Papsttums zu schaffen, was durchaus die Ambitionen auf ein erneutes Pontifikat eines Orsini-Angehörigen befördert hätte. Napoleone hatte im Juni 1324 König Jakob, als er Frieden mit Pisa schloss und sich ihm die Stadt Lucca unterwarf, als König von Tuszien 28 bezeichnet und ihm damit eine Orientierung vorgezeichnet, die dieser indes nicht einzuschlagen gewillt war oder zumindest in der Kürze der ihm 29 noch verbleibenden Lebenszeit nicht mehr einschlagen konnte. Jakob II. wollte die Beziehungen zu Johannes offen halten, suchte eine eindeutige Parteinahme zu umgehen. Die Etikettierungen als Ghibeline oder als Guelfe sah er für sich und die Angehörigen seiner Familie als irrelevant an: no era Gibeli ni Guelf. Mit diesen Worten wies sein Sohn Alfons den päpstlichen Vorwurf, Ghibeline zu sein, zurück. Er gehorche vielmehr allein
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Acta Aragonensia (Anm. 2), II, Nr. 616. Ibid., I, Nr. 399, S. 628f. Ibid., II, Nr. 620. Willemsen, Kardinal Napoleon Orsini (Anm. 24), S. 81–111, 182–187.
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seinem Vater und lasse sich nicht in andere Loyalitäten hineinziehen. Die Zugehörigkeit zur Dynastie war ausschlaggebend. Sich aus den italienischen Parteiungen herauszuhalten, wurde als Ziel aragonesischer Politik ausgegeben. Gegensätze zum Papst sollten gemildert werden. Er blieb Ansprechpartner, und von ihm erhoffte man am aragonesischen Hof Vergünstigungen und Unterstützungen. Aber trotz aller Versicherungen, ein gutes Einvernehmen zu erreichen, enthielten die Berichte der aragonesischen Gesandten und Verbündeten am päpstlichen Hof abschätzige Urteile über die Person, die Absichten 31 und die Handlungen von Johannes XXII. Und dieser hielt nicht minder verborgen, sogar in Briefen an Jakob selbst, wie sehr er dessen Handlungen als Bedrohung ansah, auch wenn die Klage in die Form von Ermahnungen gekleidet war: Kurz vor dem Tod Jakobs schrieb ihm Johannes: Unter seiner Herrschaft ist viel gegen die Freiheit der Kirche unternommen worden, die doch unabhängig von der Macht gläubiger Herrscher bestehe. Jakob hat die himmlische Majestät beleidigt. Er riskiert, ewige Höllenstrafen zu 32 erleiden. Das Resümee, das über das Leben und das Tun Jakobs gezogen wurde, war vernichtend. Jakob ging nicht minder massiv gegen päpstliche Ansprüche vor. Selbst wenn Jakob nie die Legitimität von Johannes in Frage gestellt hatte, so war er keineswegs skrupulös, wenn es darum ging, ihn unter Druck zu setzen und in seiner Handlungsmöglichkeit zu beschränken. Gegen Ende seines Lebens sah er vor, den dem Papst geschuldeten Peterspfennig und die Zehnten aus Aragón nicht auszuzahlen, um so Johannes gefügig zu machen, ihn bei der Eroberung Sardiniens zu unterstützen. In gleicher Weise setzte er die Zahlung von Zehnten aus Sardinien als Druck33 mittel ein. Aber es ging noch um mehr: Jakob lehnte jede politische Implikation eines päpstlichen Schutzes über sein Königreich ab und insistierte, 30 Acta Aragonensia (Am. 2), III, Nr. 177, S. 388–391. 31 Finke, Heinrich, Nachträge und Ergänzungen zu den Acta Aragonensia (I– III), in: Spanische Forschungen des Görres-Gesellschaft. Erste Reihe: Gesammelte Aufsätze zur Kulturgeschichte Spaniens 4 (1933), S. 355–536, hier S. 394–396. 32 Ibid., Nr. 122. 33 Acta Aragonensia (Anm. 2), I, Nr. 506, S. 810–814; III, Nr. 214, S. 467–474, hier S. 470f.; zur formalen Lehnshoheit der Päpste über Aragón siehe Fried, Johannes, Der päpstliche Schutz für Laienfürsten. Die politische Geschichte des päpstlichen Schutzprivilegs für Laien (11.–13. Jahrhundert), Heidelberg 1980; Palacios Martin, Bonifacio, La coronación de los reyes de Aragón 1204– 1410. Aportación al studio de la estructuras políticas medievales, Valencia 1975, S. 27f.
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dass er keinen höheren Herrn über sich anerkenne, weder den Kaiser noch einen anderen weltlichen Fürsten und genauso wenig den Papst. Vielmehr 34 regiere er, wie er 1326 schrieb, über ein franch aleu. Der Begriff war einer lehensrechtlichen Bindung entgegengesetzt. Indes, die politischen Akteure suchten gleichwohl gemeinsame Interessen auszuloten, suchten Vorteile zu erringen und vermieden meistens – zumindest im offiziellen Kontakt – Konflikte zuzuspitzen und apodiktische Verurteilungen auszusprechen. Es gab also keine durchweg einheitliche Linie der Feindschaft. Die ersten Kontakte König Jakobs II. zur päpstlichen Kurie unter Johannes XXII. betrafen Bitten, die auf die Stabilisierung des Herrschaftsapparates am Hofe und für den Hof zielten. Es ging um die Ausstattung von geistlichen Stellen zugunsten von königlichen Vertrauensleuten.
III. Kreuzzug gegen Granada Es gab gemeinsame Vorhaben oder doch zumindest die Erwartung, solche verwirklichen zu können. Sie ermöglichten gemeinsame Handlungen. Offenbar schienen sie am ehesten bei Kreuzzugsprojekten gegen das muslimische Granada möglich, so dass am Beginn des Pontifikats von Johannes ein koordiniertes Vorgehen mit dem aragonesischen König konzipiert, zugleich aber sofort wieder von Bedingungen abhängig gemacht wurde. Kreuzzugsprojekte waren geeignet, sowohl die Legitimität des fern der Stadt Rom residierenden Papstes als auch des aragonesischen Königs zu stärken. Zur Finanzierung des Krieges gegen die Muslime waren Kreuzzugszehnten vorgesehen. Schon im Januar 1317 war Johannes XXII. anscheinend bereit, finanzielle Ressourcen bereitzustellen, jedenfalls erweckte er bei den aragonesischen Gesandten Hoffnungen. Einen Monat später indes wurde nur die Hälfte des sechsjährigen Kreuzzugszehnten, den bereits Papst Clemens V. ausgeschrieben hatte, dem König von Aragón überlassen, in Höhe von jährlich 35.000 bis 50.000 Pfund, wohingegen die andere Hälfte des Ertrages an die päpstliche Kurie abzuführen sei. Jegliches Drängen, auf diesen Anteil zu verzichten, hatte zu keiner Änderung geführt, vielmehr wurde angeführt, dass auch Mittel für eine Expedition ins Heilige Land bereitgestellt werden sollten, offensichtlich, so die Sicht des aragonesischen 35 Gesandten, ein Vorwand. Jakob beklagte sich, dass Johannes XXII. die 34 Acta Aragonensia (Anm. 2), I, Nr. 515, S. 830–834. 35 Ibid., Nr. 492–494, 497, S. 787–795; Housley, Norman J., The Avignon Papacy and the Crusades, 1305–1378, Oxford 1986; id., The later crusades,
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Geldzahlungen zweckentfremde, ja zur Vernichtung von Christen einsetze, so dass auch viele Kardinäle das Handeln des Papstes missbilligten, wenigstens behauptete dies einer seiner Gesandten. Umgekehrt sparte Johannes nicht an Kritik, dass Jakob die ihm überlassenen Kreuzzugszehnten, eigentlich zum Krieg gegen die muslimischen Herrscher in Granada bestimmt, anderen Zwecken zuführen wolle, welche sogar gegen die Anliegen der 36 Kirche gerichtet seien. Die Kreuzzugsgelder waren an den König solange nicht zu übergeben, solange keine militärische Aktion stattgefunden hätte. Die päpstlichen Kollektoren sollten, so befahl Johannes am 22. Juni 1317, sogar jegliche Aktivität einstellen, weil der König nunmehr den Kreuzzug abgebrochen hätte; bereits eingesammelte Gelder sollten an die Kurie weitergeleitet 37 werden. Einige Kollektoren, die die Anweisung missachtet und gleichwohl Jakob Geld ausgezahlt hatten, sollten exkommuniziert werden. Die Kurie erteilte erst im Mai 1318 die Anweisung, dem König 75.000 solidi aus den Erträgen des einst von Papst Clemens V. ausgeschriebenen Kreuzzugszehnten auszuzahlen, denn Jakob habe mit hohen Kosten und großem Aufwand die Stadt Alméria belagert. Dennoch haben die päpstlich eingesetzten Kollektoren die Zahlung des Kreuzzugszehnten an den König noch immer nicht vollständig geleistet, vielmehr hätten sie die Gelder gehortet; deswegen erging der Befehl, nunmehr 100.000 solidi dem König auszuzahlen. Zu dieser Zeit waren die Beziehungen zwischen Papst und König kooperativ. Dem königlichen Beichtvater war auch aufgetragen, die Kirchenstrafen aufzuheben, die gegenüber Jakob verhängt worden waren, weil er entgegen der päpstlichen Dekretalen Waffen, Pferde und Holz an Muslime geliefert habe, freilich nicht solchen auf der iberischen Halbinsel, 38 sondern in Ägypten. Die guten Beziehungen zur Kurie hielten aber nicht an. Die Aneignung der Kreuzzugsgelder war anscheinend wichtiger als der Kreuzzug selber, und darüber brach Streit aus. Päpstliche Fiskalpolitik und Optimierung der königlichen Einnahmen traten in Konkurrenz
1274–1580. From Lyons to Alcazar, Oxford 1992; Schein, Sylvia, Fideles Crucis: The Papacy, the West, and the Recovery of the Holy Land (1274–1314), Oxford 1991. 36 Acta Aragonensia (Anm. 2), I, Nr. 401, 494, 500, 508; S. 632–634, 790f., 797– 800, 816–818. 37 Lettres communes de Jean XXII (1316–1334), hg. v. Mollat, Guillaume, 16 Bde., Paris 1904–1946, I, Nr. 5531, S. 481; II, Nr. 5331, S. 481. 38 Ibid., I, Nr. 5742, 6248, 6370, 6389, 7204, 8774, S. 22, 68f., 80, 82, 156f., 316.
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zueinander. Mehrere Jahre später, im September 1326 klagte die päpstliche Kurie, dass Pontius, Bischof von Barcelona, und eine Reihe weiterer Kleriker des Königreiches Aragón eine gewisse Summe der Kreuzzugsgelder eingetrieben, sie aber nicht, wie verlangt, dem päpstlichen Kollektor übergeben, vielmehr entgegen der inzwischen erteilten Anweisung durch 40 die Kurie dem König überlassen hätten. Das Verhältnis war so belastet, dass sowohl der König als auch der Papst den jeweils anderen verdächtigten, das Vorhaben zum Angriff auf Granada nicht ernsthaft betreiben zu wollen, vielmehr allein an den Erträgen des Kreuzzugszehnten interessiert zu sein. Es war ein Verdacht, der in der Tat nicht von der Hand zu weisen war. Gesandte Jakobs in Avignon meinten, dass sie erst dann an die Unterstützung von Johannes XXII. glauben wollten, wenn sie konkrete Taten sähen. Und diese Taten waren die Gewährung von Kreuzzugszehnten zur Finanzierung des Krieges. Schlimmer noch, am aragonesischen Hof fürchtete man, der Papst wolle dem französischen König Philipp V. oder seinem Onkel Karl von Valois den Kreuzzug auch noch auf der iberischen Halbinsel anvertrauen und ihm überdies noch Kreuzzugszehnten, die in Aragón erhoben würden, überlassen, und dies alles, um dem französischen König zu gefallen. 4.000 Ritter und 12.000 Fußsoldaten seien bereits angeblich eingeplant. Aber dies, so die letztlich keineswegs beruhigende Einschätzung, sei ein viel zu kleines Heer; mindestens 10.000 Ritter und sehr viel mehr Fußtruppen seien erforderlich. Ob tatsächlich ein Kreuzzug beabsichtigt würde, könne also bezweifelt werden. Aber an Kreuzzugsgelder zu gelangen, sei das Ziel, das einzig die Kurie und der französische König verfolgten. So lauteten die Nachrichten, die ein Gesandter König Friedrichs 41 von Sizilien an Jakob im Oktober 1323 mitteilte. Aber auch hier gilt es, 39 Vincke, Johannes, Die Krone von Aragon und die Anfänge der päpstlichen Annaten, in: Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und für Kirchengeschichte 4 (1932), S. 177–181. 40 Lettres communes Jean XXII (Anm. 37), VI, Paris 1912, Nr. 6428, 6370, 7204, 26564, S. 68, 80, 156f., 320. 41 Acta Aragonensia (Anm. 2), I, Nr. 145–147, 265, S. 222–227, 398–401; Heidelberger, Franz, Kreuzzugsversuche um die Wende des 13. Jahrhunderts, Berlin/Leipzig 1911; Dürrholder, Gottfried, Die Kreuzzugspolitik unter Papst Johannes XXII. (1316–1334), Strassburg 1913; Felten, Franz Joseph, Auseinandersetzungen um die Finanzierung eines Kreuzzuges im Pontifikat Johannes’ XXII (1316–1334), in: L’hostie et le denier. Les finances ecclésiastiques du haut moyen âge à l’époque moderne. Actes du colloque de la Commission internationale d’histoire ecclésiastique comparée, Genève août 1989, hg. v. Pacaut, Marcel et alii, Genève 1991, S. 79–99.
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diese Nachricht vorsichtig zu interpretieren, war doch wiederum das Interesse nur zu deutlich, Jakob II. in eine Gegnerschaft gegen Johannes XXII. zu manövrieren. Ein neuer Anlauf, Kreuzzüge zu beginnen und dafür die Finanzierung durch Kreuzzugszehnten zur Verfügung zu stellen, ergaben sich nach dem Tod Jakobs II. und dem Herrschaftsantritt seines Sohnes Alfons IV. im Jahre 1327. Am 5. Januar 1330 überwies die Kurie Ablassgelder zugunsten all derer, die König Alfons unterstützten, bei seinem Vorhaben, eine militärische Expedition ins Heilige Land zu unternehmen. Das Vorhaben fand nie statt. Die Aussicht, Krieg gegen die Muslime auf der iberischen Halbinsel zu führen, war realistischer. Hierzu gewährte Johannes XXII. Kreuzzugszehnten, die im Königreich Aragón einzuziehen seien. Mehrere Urkunden vom Mai 1330 ordneten dies an. Alfons hatte bereits seit März Steuereintreiber für diese Einkünfte eingesetzt. Im Juli befahl Johannes, dass alle Geistlichen, die entweder persönlich, durch die Besoldung von Rittern oder die Bereitstellung von Geldern im Krieg gegen Granada engagiert waren, die Einkünfte auch während ihrer Abwesenheit einziehen dürften; dies aber 42 unter der Voraussetzung, dass Alfons den Krieg gegen die Muslime führte. Dies geschah zwar, indes ohne Erfolg, vor allem da das anfangs ebenfalls militärisch engagierte Kastilien sich von dem Unternehmen zurückzog und 43 sich mit einem Waffenstillstand begnügte. Letztlich eröffneten die Kreuzzugsprojekte keineswegs Wege zur Zusammenarbeit, trotz gleichgerichteter Interessen, die auf die Zurückdrängung muslimischer Herrschaft auf der iberischen Halbinsel zielten. Der beiderseitige Nutzen war zwar einsichtig, schuf aber zugleich neue Konfliktfelder, da die Finanzierung der Kriege und die Kontrolle über die eingegangen Gelder zwischen König und Papst umstritten waren, ja unverhohlen die Aneignung der Gelder die Zurückweisung der Ansprüche des jeweils anderen voraussetzte. Dies war nicht anders als in anderen europäischen
42 Lettres communes de Jean (Anm. 37), Nr. 47985, 49498, 49741f., 50311, 50771, S. 155, 304, 327f., 381, 428. 43 Salicrú Lluch, Roser, La expansión catalano-aragonesa, in: Ibn Jaldún. El Mediterráneo en el siglo XIV. Auge y declive de los imperios, hg. v. Viguera Molins, María Jesús, Granada 2006, S. 146–153; Rodríguez Molina, José, La frontera de Granada, in: ibid., S. 154–163; Molénat, Jean-Pierre, Ibn Jaldún ante Pedro I de Castilla. El revés de un encuentro, ibid., S. 164–169; Melo Carrasco, Diego, Caracteristicas y proyección de las treguas entre Castilla y Granada durante los siglos XIII, XIV y XV, in: Revista de estudios históricojurídicos 30 (2008), S. 277–287.
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Königreichen. Aber die Könige von Aragón wollten nicht fern der Heimat in Outremer kämpfen, sondern in ihrem Nahbereich gegen Granada. Das taten sie auch, da sowohl die Bedrohung als auch die Aussicht auf Eroberung evident waren, so dass anders als in Frankreich keine fiktiven Kreuzzugsprojekte vorgegaukelt wurden, aber die Erfordernisse des Nahkontaktes und auch des Ausgleichs mit den Nasridenherrschern in Granada Gesandtenaustausch, Verhandlungen und Verträge notwendig machten und keineswegs eine christlich fundierte Militanz das Handeln bestimmen konnte, was wiederum an der Kurie abschätzige Urteile über den tatsächlichen 45 kriegerischen Einsatzwillen Jakobs hervorrief. Krieg gegen die Muslime schloss Handelsverkehr nicht aus. Der Papst gab hierzu den aragonesischen Königen seine Erlaubnis, sofern nicht Eisen, Waffen und andere verbotene Güter verkauft würden. Insbesondere zur Befreiung von christlichen Gefangenen sollte der Erlös des Warenverkehrs bestimmt sein. Aber nicht das nahe Granada, vielmehr das ferne Ägypten waren als die Ziele des päpst46 lich privilegierten Handels angegeben.
IV. Königreich Sizilien Gemeinsame Interessen zwischen Papst und Aragón erstreckten sich auch auf das Verhältnis mit den Anjou-Herrschern in Süditalien. Jakob strebte nach einem Arrangement mit ihnen. Johannes XXII. sollte, so der Wunsch Jakobs, dafür sorgen, einen Frieden zwischen seinem Bruder, dem sizilianischen König, im Schreiben in der schlichteren Form als rex Trinacriae bezeichnet, und dem auf dem Festland herrschenden König von Sizilien aus der Anjou-Dynastie Robert zu vermitteln, wodurch die Widersprüche innerhalb der aragonesischen Dynastie und zum Papst hätten behoben werden können. Selbst hinhaltende Antworten von Johannes ließen die Bemühungen nicht abbrechen. Aber schnell wurde deutlich, dass der neue Papst sich nicht zugunsten aragonesischer Anliegen einspannen lassen, er vielmehr darauf achten würde, wie ein Gesandter an Jakob schrieb, die unterschiedlichen und konkurrierenden Interessen der verschiedenen Königreiche zu 44 Felten, Auseinandersetzungen (Anm. 41). 45 Jaspert, Nikolas, Interreligiöse Diplomatie im Mittelmeerraum. Die Krone Aragón und die islamische Welt im 13. und 14. Jahrhundert, in: Aus der Frühzeit europäischer Diplomatie (Anm. 6), S. 151–189, hier S. 174–189. 46 Lettres communes de Jean XXII (Anm. 37), III, S. 312, Nr. 13699; VIII, S. 33, Nr. 43003f.
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berücksichtigen und, so war aus aragonesischer Sicht zu befürchten, gegenseitig auszuspielen. Immerhin würde sich Johannes genauso wenig bereit erweisen, die Wünsche des französischen Königs Philipp IV. zu erfüllen. Jakob konnte also durchaus in der Situation des Jahres 1314 darauf hoffen, seine Anliegen an der Kurie zu befördern, wenn er auch Widerstände in Rechnung stellen musste. Zugleich zeigen die ersten Kontakte und Berichte das Misstrauen zwischen Jakob und Johannes. De condicionibus domini pape et quem modum in suis negociis observabit, nullus est certus – so lautete die Einschätzung des aragonesischen Gesandten in Avignon an Jakob. Hinter das Gestrüpp widersprechender Gerüchte und Meinungen zu dringen, sollte nun die vordringlichste Aufgaben der königlichen Agenten werden. Dazu eignete sich offensichtlich die päpstliche Kurie; dort liefen die Kontakte aus ganz Europa zusammen; dort wurden Verhandlungen geführt; dort waren Informationen gebündelt. Von dort erhoffte sich Jakob Nachrichten, um sein Handeln nicht allein gegenüber dem Papst, sondern auch anderen Herr47 schern gestalten zu können. Wegen der Vielzahl von Konflikten, in die Jakob involviert war, verlangte er nach Wissen. Der heikelste Konflikt betraf die Herrschaft über die Insel Sizilien. Er reichte Jahrzehnte zurück und sollte sich weiterhin als beständiger Stachel erweisen, der die europäischen Herrscherhäuser noch lange beschäftigen sollte. In einer Situation höchster Gefährdung hatte sich König Peter III. von Aragón befunden, dessen sizilianisches Engagement und seine Krönung als König von Sizilien 1283 ihm seitens der päpstlichen Kurie die Absetzung, die Übertragung seiner ererbten Reiche an den zweitältesten Sohn des französischen Königs und einen gegen ihn gerichteten Kreuzzug eintrugen. Eine Antwort auf die Bedrohung war die am 2. November 1285 ausgestellte testamentarische Anweisung an seinen Nachfolger, auf Sizilien zu verzichten und die Herrschaft dem Papst, der der oberste Lehnsherr dieses Königreiches war, zurückzugeben. Die Anweisung stellte die Nachfolger vor heikle Probleme. Das Bestreben, die Herrschaft zu sichern und das Erbe unan gefochten anzutreten, stieß sich an der testamentarischen Verfügung. Vor diesem Dilemma standen die Söhne und Nachfolger, König Alfons III. und 48 sein jüngerer Bruder Jakob. Beide missachteten den väterlichen Willen. Sie hielten an der Herrschaft über Sizilien fest. Lediglich zur Befreiung
47 Acta Aragonensia (Anm. 2), I, Nr. 142–147, S. 216–231; Péquignot, Au nom (Anm. 8), S. 100–108. 48 Knoch, Peter, Die letztwilligen Verfügungen König Peters III. von Aragon und die Sizilien-Frage, in: DA 24 (1968), S. 79–117; Text des Testaments ibid., S. 115f.
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des neapolitanischen Thronfolgers Karl, wozu sie das väterliche Testament verpflichtet hatte, waren sie drei Jahre später bereit, allerdings unter der Bedingung, dass mehrere Geiseln aus der königlichen Familie der Anjou 49 gestellt würden. Die väterliche Anweisung im Testament wurde sogar nachträglich verfälscht. Der Text wurde zwar in den königlichen Registern aufgezeichnet, von späterer Hand dann aber durchgestrichen. Die zeitgenössische und spätere Chronistik hat die letztwillige Verfügung inhaltlich umgedeutet. Bernat Desclot, der anscheinend gegen Ende des 13. Jahrhunderts am aragonesischen Hof hohe Ämter innehatte und nicht selten aus Urkunden des Kronarchivs zitierte, berichtete ausdrücklich, dass das Königreich Sizilien mit allen Rechten an den Zweitältesten, an Jakob, übertragen worden sei; falls dieser ohne Erben sterben sollte, sei der dritte Sohn, Friedrich, als Erbe vorgesehen. Peter habe sogar noch kurz vor seinem Tod das sizilianische Unternehmen gerechtfertigt; nichts anders als sein Recht habe er verteidigt; die Belange der römischen Kirche seien nicht beschädigt worden. Zwar sei dem ältesten Sohn Alfons die Aussöhnung mit dem Papst vorgeschrieben worden, ohne dass aber materielle Gegenleistungen 50 benannt worden wären. Vierzig Jahre nach dem Tod Peters weiß auch der aragonesische Chronist Ramón Muntaner nichts mehr von einem Verzicht auf Sizilien. Im Gegenteil habe Peter III. seinem Sohn Jakob dieses König reich als Erbschaft übertragen. Noch später hat König Peter IV. ‘El ceremonioso’, in seiner ihm zugeschriebenen Chronik die Willenskundgebung des sterbenden Königs an seinen Sohn allein auf den Auftrag reduziert, das Königreich Mallorca zu erobern, womit die eigenen Ziele des königlichen 51 Chronisten bereits vorweggenommen worden wären. König Alfons III. hat sogar, als er selbst sein Testament im Jahre 1287 abfasste, weiterhin über Sizilien verfügt und die Nachfolge dort an Angehörige seines Hauses angeordnet. Erst durch den Vertrag von Tarascon vier 49 Léonard, Emile G., Gli Angioini di Napoli, Napoli 1967, S. 167–257. 50 Crònica de Bernat Desclot, in: Les quatre grans cròniques, hg. v. Soldevila, Ferram, Barcelona 1971, S. 403–588, hier 583–587f.; Cingolani, Stefano Maria, Historiografia, propaganda I communicacío al segle XIII: Bernat Desclot i les dues redaccions de la seva crònica (Memòries de la Secció Historico-Arqueològica 68), Barcelona 2006. 51 Crònica de Ramón Muntaner, in: Les quatre grans cròniques (Anm. 50), S. 665–944, hier 803ff.; Crònica de Pere el Cerimoniós, ibid., S. 1001–1158, hier 1038; zum politischen Hintergrund s. Salavert Roca, Vincente, La corona de Aragón en el mundo mediterráneo del siglo XIV, in: VIII Congreso de Historia de la Corona de Aragón. Valencia 1–8 oct. 1967, II: La corona de Aragón en el siglo XIV, vol 3, Valencia 1973, S. 31–64.; Tramontana, Salvatore,
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Jahre später mit dem Papst war er zu einem Verzicht bereit. Die darüber ausgestellte Urkunde wurde dann seinem Testament hinzugefügt. Gleichwohl – diese letztwillige Verfügung wurde erneut missachtet, allein die ursprüngliche Fassung des Testaments von 1287 ausgeführt und der Konflikt 52 um Sizilien noch geraume Zeit weiter ausgefochten. Jakob, der ältere Bruder des 1291 verstorbenen Königs Alfons III. trat die Herrschaft in den Ländern der aragonesischen Krone an, sein jüngerer Bruder, Friedrich, 53 sollte in seinem Auftrag dessen Rechte auf der Insel Sizilien wahrnehmen. Erst durch den Vertrag von Anagni im Jahre 1295 mit Papst Bonifaz VIII. war eine Bereinigung des Verhältnisses vorgesehen, indes letztlich vergeblich. Sizilien hätte demnach an den päpstlichen Lehnsherrn fallen sollen, der die Herrschaft über die Insel dann König Robert I. von Sizilien-Neapel übertragen würde. Als Ausgleich wurde Jakob II. das Königreich Sardinien und die Insel Korsika als päpstliches Lehen übergeben – Gebiete, die indes Jakob gegen die bisherigen Eigner, Pisa und Genua, noch zu erobern hatte, was den aragonesischen Königen im Falle Sardiniens nach langen Kämpfen 54 auch schließlich gelang, im Falle von Korsika aber misslang. Die Vereinbarung mit dem Papst wurde aber hinfällig, als sich der jüngere Bruder Friedrich weigerte, Sizilien Papst Bonifaz und König Robert zu überlassen, und sich am 15. Januar 1296 zum König ausrufen und am 25. März desselben La Spagna catalana nel Mediterraneo e in Sicilia, in: Nuova Rivista Storica 50 (1966), S. 545–579. 52 Collección de documentos ineditos del Archivio General de la Corona de Aragón, hg. v. Bofarull y Mascaro, Prospero de, Barcelona 1847–1910, Bd. 7, Nr. 599; Klüpfel, Ludwig, Die äussere Politik Alfonsos III. von Aragonien (1285–1291) (Abhandlungen zur mittleren und neueren Geschichte 35), Berlin/ Leipzig 1911/12, S. 40ff.; Riu, Martin, Manual de Historia de España, Bd. 2: Edad Media, Madrid 1989, S. 393. 53 De Stefano, Antonino, Federico III d’Aragona re di Sicilia (1296–1337), Bologna 1956; Fasoli, Gina, L’unione della Sicilia all’Aragona, in: RSI 65 (1953), S. 297–326; Backman, Clifford R., The Government of Sicily in the Reign of Fredrick III, 1296–1327, 2 Bde., Los Angeles 1986; id., The Decline and fall of Medieval Sicily. Politics, religion, and economy in the reign of Frederick III, 1296–1337, Cambridge 1995; Davani, Maria Carmela, Un potere controverso: Federico III d’Aragona „Re di Trinacria“, in: Archivio storico siciliano 4/27 (2001), S. 47–84; Mirto, Corrado, La monarchia e il papato, in: Federico III d’Aragonia re di Sicilia (1296–1337). Atti del Convegno di studi, Palermo 27–30 nov. 1996, hg. v. Ganci, Massimo et alii, Palermo 1997, S. 167–184; id., Federico III di Sicilia, in: Archivio storico siciliano 4/29 (2003), S. 237–262. 54 Palacios Martin, Coronación (Anm. 33), S. 194–196, 295, 309f.; Mollat, Guillaume, Les papes d’Avignon et la Corse, in: RHDFE 4/45 (1967), S. 227–281.
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Jahres krönen ließ. König Jakob II. von Aragón musste, wollte er nicht vertragsbrüchig werden, gegen seinen eigenen Bruder Krieg zu führen, was er auch tatsächlich tat, dabei aber – so ein weit verbreitetes Urteil, dessen Echo sich auch bei Papst Johannes XXII. findet – so halbherzig vorging, dass sich Friedrich einer drohenden Gefangennahme durch Jakob entziehen 55 konnte und seine Herrschaft über Sizilien behauptete. Trotz eines Friedensschlusses mit dem Papst im Jahre 1303 blieb das Verhältnis weiterhin gespannt. Friedrich agierte weiterhin als willkommener Anführer der antipäpstlichen Ghibelinnen in den italienischen Städten und als Verbündeter 56 Kaiser Ludwigs des Bayern. Die sizilianische Angelegenheit belastete dauerhaft das Verhältnis zwischen Papst und Aragón – auch zu Beginn des 14. Jahrhunderts zwischen Jakob II. und Johannes XXII. Die vorgesehene Verwendung von Kreuzzugsgeldern aus dem deutschen Reichsgebiet zur Eroberung von Sizilien, von Papst Johannes fortgeführt, entfachte offene Zahlungsverweigerung in Deutschland und trug nicht wenig dazu bei, anti57 päpstliche Parteinnahmen zu entfachen. Die Situation, wie sie sich für Papst Johannes XXII. präsentierte, bewirkte ein zwiespältiges Verhältnis zu Jakob II. Denn dieser war – wohl nicht unberechtigt – dem Vorwurf ausgesetzt, Sizilien im Besitz der aragonesischen Dynastie gehalten zu haben. Jakob versicherte zwar stets seine Bereitschaft, seine vertraglich vereinbarten Pflichten zu erfüllen, hielt ostentativ Distanz zu seinem Bruder, ließ aber gleichwohl die Kontakte zu ihm nicht abbrechen und schien durchaus unzuverlässig und unentschieden eine Balance 55 Finke, Heinrich, Die Seeschlacht am Kap Orlando (1299 Juli 4). Mit Benutzung des Nachlasses von Dr. H. E. Rhode, in: HZ 134/2 (1926), S. 257–266; Trogemann, Maximiliane, Der Kampf um Sardinien. Ein Beitrag zur Geschichte der aragonesischen Mittelmeerpolitik während der Regierung Jacobs II, Diss. phil., Bochum 1938, S. 6–8. 56 Walther, Der westliche Mittelmeerraum (Anm. 7); De Stefano, Federico III (Anm. 53); Bertrand, Rafael Olivar, Jean XXII et le mariage de Constance de Chypre avec l’infant Pierre d’Aragon, in: Annales du Midi 63 (1951), S. 5–31. 57 Les Registres de Boniface VIII. Recueil des bulles de ce pape, publiées et analysées d’après les manuscrits originaux des Archives du Vatican, 4 Bde., hg. v. Digard, Georges et alii, Paris 1884–1939, II, Nr. 2418–2420, 3918f., Sp. 23–26, 964–967; Lettres secrètes et curiales du pape Jean XXII relatives à la France, 5 Bde., hg. v. Labande, Edmond Réné, Paris 1935–1957, I, Nr. 471–475, 479, 505, 510–515, 531, 2753f., 2757–2759, 2904–2906, 3295; Lettres communes Jean XXII (Anm. 37), Nr. 512, 61324; Shneidman, Rise (Anm. 2), S. 245; Schmidt, Hans-Joachim, Kirche, Staat, Nation. Raumgliederung der Kirche im mittelalterlichen Europa (Forschungen zur mittelalterlichen Geschichte 37), Weimar 1999, S. 293–294.
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einhalten zu wollen. Es war geradezu selbstverständlich, dass Gesandte Friedrichs von Sizilien auch dessen Bruder Jakob von Aragón über ihre Vorhaben und ihre Kenntnisse informierten und dabei durchaus versuchten, den aragonesischen König in eine anti-päpstliche Position zu manövrieren. Obwohl Jakob dies ablehnte und er im Gegenteil seine Kontakte zur Kurie intensivierte, so geschehe dies, wie er mehrmals darlegte, auch im Interessen seines Bruders Friedrichs, zu dessen Gunsten er zu intervenieren hoffe. Das Ziel bestand in einem Ausgleich und einem Frieden zwischen Friedrich von Sizilien und Johannes XXII., was Jakob aus seiner misslichen Lage befreit hätte, mit beiden verfeindeten Personen Einvernehmen zu suchen, ohne zugleich das Misstrauen beider zu wecken. Angesichts der verfahrenen Situation und der schier unverrückbaren Feindschaft Papst Johannes’ XXII. gegen Friedrich bestand für Jakob II. zunächst nur die Möglichkeit mittels befreundeter Kardinäle auf die Kurie einzuwirken, so wie dies Jakob auch 58 für andere Konfliktfelder tat. Johannes selbst galt wohl zurecht als wenig ansprechbar, umso weniger, als seine einstige enge Bindung an die Provence als Bischof von Fréjus und seine Tätigkeit als Kanzler des mit der Provence in Personalunion verbundenen Königreiches der Anjou in Süditalien von 59 1308 bis 1313 eine Parteinahme gegen Friedrich von Sizilien prädestinierte. Und tatsächlich erklärte Johannes XXII., nicht mit Friedrich von Sizilien in Kontakt treten zu wollen, den er als exkommuniziert ansehe. Gleichwohl, im April 1318 brachte sich Jakob II. als Schiedsrichter für den Konflikt ins Spiel. Die beiden konkurrierenden Könige von Sizilien und von Sizilien-Neapel sollten, so sein Vorschlag, gleichzeitig in Avignon erscheinen. Er selbst habe, so sein Gesandter an der Kurie, einen Brief an Friedrich geschrieben, in dem er darauf drängte, dass dieser nicht mehr den Titel eines Königs von Sizilien führe, sondern sich als König von Trinacria bezeichne, um dem Konflikt mit dem Anjou-König Robert I. von Sizilien die Spitze zu
58 Das Register Nr. 318 des Archivs der aragonesischen Krone in Barcelona, enthaltend die Briefe König Jakobs II. von Aragon an Friedrich den Schönen und dessen Gemahlin Elisabeth samt einigen verwandten Stücken aus den Jahren 1314–1327, hg. v. Zeissberg, Heinrich von (Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften in Wien, phil.-hist. Kl. 140/1), Wien 1899, passim. 59 De Stefano, Francecso, Per la storia di Sicilia nel XIV secolo. Il papa Giovanni XXII e la questione sicilia (con nuovi documenti), in: Archivio storico per la Sicilia orientale 18 (1921), S. 32–104; Pécout, Thierry, Fréjus, ses évêques et les comtes angevins autour de 1300. L’épiscopat de Jacques Duèze, in: La Provence et Fréjus sous la première maison d’Anjou (1246–1382), hg. v. Boyer, Jean-Paul und Pécout, Thierry, Aix-en-Provence 2010, S. 93–120.
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nehmen. Weder das vorgeschlagene Treffen noch der Verzicht auf den an der Kurie als anmaßend empfundenen Titel kamen zustande. Dies lag nicht zuletzt an der intransigenten Haltung des Papstes, der sich keineswegs mit dem Verzicht auf Titel und Ehrbezeichnungen begnügen wollte, sondern auf die Vernichtung der Herrschaft Friedrichs auf der Insel Sizilien abzielte – so die Einschätzung Jakobs. Und umgekehrt insistierte Friedrich auf der Legitimität seiner Königsherrschaft, die er auch nicht von päpstlicher Belehnung ableitete, vielmehr auf dem Konsens des Volkes seines Königreiches. Aber Friedrich war zu Konzessionen bereit. Einem gleichzeitigen Bericht von der Kurie an Jakob ist zu entnehmen, dass Gesandte Friedrichs, unter anderem der Erzbischof von Palermo, in Avignon vor Papst Johannes XXII. sprachen und darauf verwiesen, dass alle Barone, Bürgermeister und alle Getreuen sich vor Friedrich niedergekniet und ihn darum gebeten hätten, sie nicht zu verlassen, sondern wie ein Herz und ein Körper mit ihnen verbunden zu bleiben. Ohne ihn als Haupt, sei der Körper verloren. Gleichwohl, unter der Voraussetzung eines Friedens mit dem Papst, sei Friedrich bereit, den Titel eines Königs von Sizilien niederzulegen, aber keineswegs auf die Herrschaft zu verzichten. Vielmehr beklagten sich die Gesandten, dass König Robert 61 ihren Herrn als dominus bezeichnete und ihm den Königsnamen absprach. Die Regelung, die einst im Frieden von Caltabellota 1302 vereinbart worden war, gemäß derer Friedrich die Herrschaft über Sizilien behalten, den Titel eines Königs von Trinacria führen, aber beide Rechte nicht vererben solle, 62 hatte keinen Bestand. Weder war Johannes XXII. bereit, auf den alten Vertragstext zurückzukommen, noch verzichtete Friedrich von Sizilien auf die Etablierung einer dauerhaften dynastischen Herrschaft. Jakob II. ließ von Friedensbemühungen indes nicht ab und suchte den Papst dafür zu gewinnen, befürchtete aber Einwirkungen des französischen Königs an 63 der Kurie, die sie behinderten. Die Versuche waren vergeblich. Immerhin 60 Acta Aragonensia (Anm. 2), III, Nr. 164, S. 345–351; Mirto, Federico III (Anm. 53), S. 238–259; Péquignot, Au nom (Anm. 8), S. 486–515. 61 Acta Aragonensia (Anm. 2), III, Nr. 166, S. 352–361. 62 Mirto, Corrado, La Guerra del Vespro e la pace di Caltabellotta, in: Archivio storico siciliano 4/28 (2002), S. 53–72; Averkorn, Raphaela, Macht und Expansion auf der Iberischen Halbinsel. Aragón, Kastilien und Portugal im Spiegel ihrer auswärtigen Beziehungen um 1308, in: 1308. Eine Topographie historischer Gleichzeitigkeit, hg. v. Speer, Andreas und Wirmer, David (Miscellanea Mediaevalia. Veröffentlichungen des Thomas-Instituts zu Köln 35), Berlin 2010, S. 41–94. 63 Acta Aragonensia (Anm. 2), III, Nr. 167, S. 361–383; Kiesewetter, Andreas, Das sizilianische Zweistaatenproblem (1282–1302), in: Unità politica e diffe-
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waren es drei Kardinäle, die im Jahre 1320 Briefe an Friedrich schrieben und 64 versuchten, eine Annäherung einzuleiten – gleichfalls erfolglos. Der Bruder Jakobs, Friedrich von Sizilien sah sich, so in einem Schreiben an Jakob vom 30. Mai 1320, als Opfer einer Täuschung durch den Papst. Aber auch Jakob sei hintergangen worden in seinen Bemühungen, einen Ausgleich zu erzielen. Die bisherigen Verhandlungen hätten nicht nur nichts erbracht, sondern ihn daran gehindert, wirksam gegen seine Feinde in Italien vorzugehen; ja der Papst habe Bündnisse gegen ihn geschmiedet. Die Absicht war offensichtlich: Jakob II. sollte gegen den Papst vorgehen, die Ansprüche seines Bruders verteidigen, die familiäre Hilfe nicht versagen. In zahlreichen Briefen drängte Friedrich, Jakob möge ihn unterstützen. Zugleich versorgte er ihn mit Nachrichten, die Papst und Kurie in schlechtem Licht erscheinen ließen, eine permanente Kriegsbereitschaft von Johannes XXII. behaup65 teten und ihn als Gegner der Dynastie von Aragón insgesamt hinstellten. Johannes XXII. sah aber keineswegs davon ab, Jakob für sich gewinnen zu wollen, selbst für einen Kampf gegen seinen Bruder. Im Juni 1321 lobte er den aragonesischen König, dass er sich geweigert habe, Friedrich von Sizilien zu unterstützen und ihm keine Schiffe zur Verfügung gestellt habe. Aber der Papst war misstrauisch genug, durchaus von einem geheimen Einvernehmen der beiden Brüder auszugehen. Er wünschte sich von Jakob, dass er auch seinen Getreuen verbiete, Friedrich zu unterstützen, wie dies bislang geschehen sei. Die Vermittlungsbemühungen Jakobs liefen ins Leere. Seine wiederholten Vorschläge, ein Treffen zwischen König Robert und König Friedrich zu arrangieren, sah der Papst durch letzteren konterkariert, der vielmehr nicht davon ablasse, die Kirche durch Konfiskationen zu schädigen 66 und nicht von seinem unrechtmäßigen Anspruch auf Herrschaft abrücke. Papst Johannes glaubte trotz aller Fehlschläge, dass Jakob Friedensangebote oder vielmehr Friedensbedingungen an Friedrich übermitteln würde. Pro negotio pacis zwischen Robert und Friedrich sehe der Papst, so ein Schreiben Jakobs an Friedrich vom 7. Oktober 1321 vor, dass Friedrich nur als Statthalter Roberts regieren solle, der ihn, unter welchen Titel auch immer, einsetzen würde. Robert sei als oberste Gerichtsinstanz auch renze regionali nel Regno di Sicilia. Atti del Convegno Internazionale di Studio in occasione dell’ VIII centenario della morte di Guglielmo II, re de Sicilia, Lecce/Potenza 1989, hg. v. Fonseca, Cosimo Damiano, Houben, Hubert und Vetere, Benedetto, Galatina 1992, S. 247–295. 64 Acta Aragonensia (Anm. 2), III, Nr. 177, S. 388–391. 65 Ibid., I, Nr. 271, S. 408–441; III, Nr. 174, S. 383–386; Finke, Nachträge (Anm. 31), Nr. 27, S. 465–468. 66 Ibid., III, Nr. 179, S. 391–394.
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über die Gebiete, für die Friedrich eingesetzt würde, anzuerkennen. Die harschen Bedingungen war nicht einmal Jakob zu akzeptieren bereit, wie er seinem Bruder schrieb. Der Papst behauptete zwar, Frieden anbieten zu wollen, aber immer neue Hindernisse türmten sich auf. Jakob überließ es seinem Bruder Friedrich, wie er sich aufgrund der Informationen, die er ihm lieferte, entscheide. Immerhin bot sich Jakob an, weiterhin an der Kurie zu 67 vermitteln. Im Sommer 1322 waren die Verhandlungen festgefahren, weil Johannes XXII. nur mit Gesandten, die unumschränkte Handlungsmacht besaßen, Vereinbarungen abschließen wolle. Jakob berichte seinem Bruder Friedrich über die verwickelten Demarchen, die er zu seinen Gunsten an der Kurie in Avignon unternommen hatte. Er sah sich in der Position, in der er von beiden Seiten, sowohl von Friedrich von Sizilien als auch von Robert von Sizilien-Neapel, als Vermittler akzeptiert würde. Seinem Bruder empfahl er, volles Vertrauen in ihn zu setzen, ja sogar seinem Willen unbedingt zu folgen. Er, Jakob, werde viel Mühe verwenden, Frieden zu vermitteln und damit auch Friedrich mit dem Papst auszusöhnen. Aber all seine Anstrengungen seien unnütz, wenn der Papst den Eindruck habe, er handele nicht im Einverständnis mit Friedrich. Johannes XXII., den Jakob sowohl als weltlichen Herrn als auch als geistlichen Seelsorger bezeichnete, als dominus et pater, werde wohl seinen Vorschlägen folgen und Frieden stiften und damit auch die Herrschaft Friedrichs anerkennen. Dieser gab zwar seinem Bruder mit Schreiben vom 28. Oktober 1322 sein Einverständnis, beharrte aber doch auf seiner Handlungsfreiheit, die ihn daran hindere, einen Gesandten mit voller Prokura an den päpstlichen Hof zu senden. Überdies könne er seine Getreuen und Verbündeten, vor allem die in Norditalien nicht im Stich lassen, die umso mehr verstört seien, als er die Lehensoberhoheit von König Robert anzuerkennen gezwungen werden 68 solle und der Kirche enorme Geldsummen zu leisten verpflichtet würde. Die Schritte, die Friedrich bereits unternommen hatte, um die dynastische Kontinuität sicherzustellen, also vor allem die Krönung seines Sohnes zum König von Sizilien am 19. April 1321, waren ungünstige Voraussetzungen 69 für eine Einigung. Die Verhandlungen kamen zu keinem Ergebnis. Jakob sah sich vielmehr auch weiterhin an der Kurie dem Verdacht ausgesetzt, insgeheim seinen Bruder gegen Papst Johannes XXII. und gegen König Robert zu unterstützen. Johannes warf in einem Brief Jakob vor, er wolle, da nun ein Frieden für Sizilien nicht erreicht worden sei, seinen Sohn Alfons als 67 Acta Aragonensia (Anm. 2), Nr. 181, S. 395–397. 68 Ibid., Nr. 189f., S. 410–419; Finke, Nachträge (Anm. 31), S. 392–394. 69 Mirto, Federico III (Anm. 53), S. 257.
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Befehlshaber mehrerer Schiffe nach Sizilien entsenden, um Friedrich militärisch zu helfen. Der Infant Alfons sah sich genötigt, gegenüber dem Papst zu versichern, dass er Galeeren zur Eroberung von Sardinien und keineswegs zur Unterstützung Friedrichs ausrüste und aussenden werde. Alfons 70 wies den Vorwurf als Gerücht zurück. Auch die weitere Entwicklung brachte keine Wende. Ein Angebot König Roberts, Friedrich solle auf Sizilien verzichten und mit der Herrschaft über Sardinien entschädigt werden, war – sofern dies ein ernsthafter Vorschlag gewesen sein sollte – nicht geeignet, Jakob zu gewinnen, der 71 sich den Anspruch auf Sardinien nicht nehmen lassen wollte. Jakob war über militärische Pläne König Roberts von Sizilien-Neapel gegen Friedrich informiert und teilte sie diesem mit. Obwohl sie verborgen vorgenommen wurden, waren Gesandtenberichte aus dem Jahre 1326 geeignet, die fictiones zu zerstreuen und die wahren Absichten zu erkennen. Aber auch in Kenntnis dieser Pläne ließ sich Jakob nicht aus der Reserve locken und setzte weiterhin auf eine Verhandlungslösung, die an der Kurie erreicht 72 werden sollte. Papst Johannes XXII. wusste die nicht nachlassenden Bemühungen Jakobs, mit ihm in Kontakt zu bleiben und mit ihm gemeinsame Anliegen zu verfolgen, zu würdigen. Nach dem Tod Jakobs lobte er ihn in einem Brief an seinen Sohn und Nachfolger als gerechten Herrscher, der stets ein Freund des Papstes gewesen sei und sich damit so ganz anders als sein Bruder Friedrich verhalten habe. Der Ton widersprach so manchen anderen Einschätzungen des Papstes über Jakob. Das Schreiben war freilich als Angebot an den neuen König Alfons IV. zu werten, ein einvernehmliches 73 Verhältnis zu begründen. Aber auch der neue König sah sein Verhältnis zur Kurie permanent durch die Beziehungen zu Friedrich von Sizilien belastet. Im Januar 1334 befahl Johannes XXII. dem Erzbischof von Tarragona, dem höchsten geistlichen Würdenträger im Königreich Aragón, die Kreuzzugszehnten dem König vorzuenthalten, so lange Friedrich die Insel Sizilien 74 nicht verlassen habe, was er sich bislang weigere zu tun. Die Beziehungen Jakobs sowohl zu Friedrich von Sizilien als auch zu Papst Johannes XXII. blieben zwar intakt, aber die Einschätzungen und Erwartungen waren widersprüchlich. Der aragonesische Hof hat dies 70 71 72 73 74
Acta Aragonensia (Anm. 2), III, Nr. 215, S. 474. Mirto, Federico III (Anm. 53), S. 254. Acta Aragonensia (Anm. 2), I, Nr. 278, S. 422f. Ibid., Nr. 239, S. 519–521. Lettres communes Jean XXII (Anm. 37), XIII, Nr. 62506, S. 88f.; Haberkern, Eugen, Der Kampf um Sizilien in den Jahren 1302–1337 (Abhandlungen zur mittleren und neueren Geschichte 67), Berlin/Leipzig 1921.
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durch jeweils unterschiedliche Einschätzungen in Schreiben an die beiden Kontaktpersonen und Kontaktgruppen verheimlicht. Aber es entstand ein Dilemma, das die Handlungsmöglichkeiten des Königs einschränkte. Denn die Fäden der Beziehungen in der Hand zu behalten, setzte voraus, bei beiden verfeindeten Parteien den Eindruck zu erwecken, sie zu unterstützen. Aber genau dies zu tun, verbot sich. Die Dinge in der Schwebe zu belassen, war der Ausweg, der aber ein energisches Vorgehen ausschloss. Jakob ließ die Kontakte zu seinem Bruder Friedrich von Sizilien nie abbrechen, ließ sich während des Pontifikats von Johannes XXII. auch auf keine militärischen Aktionen mehr gegen ihn ein, bot ihm vielmehr an, nützliche Dienste an der Kurie zu leisten, um das feindliche Verhältnis zwischen König Friedrich und Papst Johannes zu beenden. Dies setzte eine enge Zusammenarbeit der beiden Brüder voraus, die in der Tat in stetigem brieflichen Kontakt standen, Informationen austauschten und gemeinsame Projekte in den Verhandlungen an der Kurie vorantrieben. Ob, wie kürzlich behauptet, zwischen beiden eine über den gesamten Zeitraum ihrer gemein75 samen Regierungszeit währende Vertrautheit bestanden habe, mag hier gleichwohl bezweifelt werden. Der zwischen den beiden Brüdern bemühte Ton familiärer Eintracht mag dies zwar nahe legen; aber es ging ja keineswegs um Vertrauen, vielmehr um ein Handeln, das Vorteile auch in gegenseitiger Konkurrenz und Opposition zu erreichen suchte. Das Handeln Jakobs, durch seine Verbindungen an der Kurie Friedrich aus der verfestigten Gegnerschaft zum Papst heraus zu führen, diente dazu das eigene Verhältnis zum Papst zu bereinigen, führte aber deswegen zwangsläufig zu Relationen, die Antagonismen ausgesetzt waren. In dieselbe Richtung wiesen auch die stetigen Ausgleichbemühungen Jakobs gegenüber König Robert von Sizilien-Neapel, der mit einer seiner Töchter verheiratet worden war. Indes waren die Kommunikationswege asymmetrisch. Jakob hatte den Zugang zur Kurie, Friedrich war dieser verwehrt. Das Kommunikationsdefizit war das Ergebnis einer ins Grundsätzliche gehobenen Gegnerschaft, die der als von Johannes XXII. als Usurpator eingeschätzte Friedrich nie überwinden konnte. Johannes XXII. hatte dies auf den Punkt gebracht: Einem Fürsten, der gegen die Kirche wüte, gar Truppen zur Eroberung von Rom aufgeboten habe und der jenseits der Grenzen des Verstandes 76 handele, könne er keine Briefe senden. Jakob litt nie unter einer Kontaktverweigerung seitens des Papstes. Wenngleich die Bemühungen Jakobs an der Kurie keinen Erfolg hatten und er somit Friedrich nicht aus seiner Isolie75 Bertrand, Jean XXII (Anm. 56), S. 12. 76 Acta Aragonensia (Anm. 2), III, Nr. 179, S. 391–394.
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rung herausführen konnte, war er keineswegs bereit, sich in eine offene Feindschaft zum Papst drängen zu lassen, mit dem er gemeinsam weitere Projekte zu verfolgen hoffte. Sein tatsächlicher oder auch nur behaupteter Einfluss auf die Kurie ließen ihn unter einigen europäischen Monarchen als begehrten Partner erscheinen. Trotz der Konflikte und trotz der vielen Misserfolge, eigene Anliegen an der Kurie durchzusetzen, waren die fast stetigen Kontakte zwischen dem aragonesischen und dem päpstlichen Hof eine Quelle der Machtsteigerung für den König von Aragón.
V. Friedrich von Österreich und Ludwig der Bayer Der Zugang zum päpstlichen Hof erwies sich als Vorteil auch in den Beziehungen zu Friedrich von Österreich, den ein Teil der Kurfürsten 1314 zum römisch-deutschen König gewählt hatte und der dank der Interventionen Jakobs an der Kurie die Anerkennung des neuen Papstes Johannes XXII. zu finden hoffte. Jakob II. hatte schon mit König Albrecht I. aus der Dynastie der Habsburger und nach dessen Tod mit Kaiser Heinrich VII. aus der Luxemburger Dynastie ein Bündnis zu arrangieren versucht. Seit dem Dezember 1311 Witwer, war Heinrich VII. oder seinem Bruder Walram die Ehe mit Jakobs Tochter Isabella angeboten worden. Die pro-ghibellinische Parteinahme und sein ebenfalls durch Heiratsverbindungen gefestigtes Bündnis mit Jakobs Bruder und dem König von Sizilien Friedrich sollten die Position gegenüber dem Anjou-Herrscher König Robert festigen. Aber der schnelle und den Zeitgenossen mysteriös erscheinende und wuchernde Gerüchte über einen Mordanschlag auslösende Tod Heinrichs VII. in Pisa 1313 machte diese Pläne 77 zunichte. Die Intentionen des aragonesischen Königs blieben aber die gleichen. Deswegen seine Demarchen um nun wieder auf eine Verbindung zum Haus Habsburg zuzusteuern, dessen Chancen auf den Erwerb des römischen Königtums wohl am günstigsten eingeschätzt wurden. Nur so ergab
77 Schmidt, Hans-Joachim, Povertà e politica. I frati mendicanti alla corte imperiale nel XIV secolo, in: Ordini religiosi e società politica in Italia e Germania nei secoli XIV e XV, hg. v. Chittolini, Giorgio und Elm, Kaspar (Annali dell’Istituto storico italo-germanico in Trento. Quaderni 56), Bologna 2001, S. 373–417, hier 373–378.
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das Bündnis einen Sinn. Die Verhandlungen führten im Januar 1314 zur 78 Vermählung Friedrichs von Österreich mit Isabella, der Tochter Jakobs. Der Beziehung zwischen Jakob und Friedrich fehlte die Reziprozität. Friedrich war stets schlechter informiert als sein aragonesischer Verbündeter. Deswegen sah sich der Habsburger auch nicht in der Lage, angemessen auf die verwickelten Zusammenhänge in Italien zu reagieren. Insbesondere hat er das Verhältnis zwischen Jakob II. von Aragón und dessen Bruder, König Friedrich von Sizilien, nie einzuschätzen vermocht, insofern er von einem engen Einvernehmen zwischen beiden ausging. Der sizilianische König war als Gemahl für die Schwester Friedrichs von Österreich Katharina vorgesehen. Von diesem Ehebund, also von einem Bündnis mit dem eigenen Bruder, riet König Jakob II. indes dringend ab. Briefe an Friedrich von Sizilien und an seinen gleichnamigen Schwiegersohn suchten freilich den Eindruck zu vermitteln, dass jeweils der andere nicht interessiert sei. Jakob war der Herr des Verfahrens, er dosierte Informationen und lancierte Nachrichten. Er selbst wollte die Position einer vermittelnden Instanz nicht gefährden, die er wenig später in einem freilich gescheiterten Schiedsspruch wahrnahm. Die Schreiben, die er an Friedrich von Österreich richtete, erregten in dessen Umgebung zunächst Verwunderung, jedoch war man durchaus bereit, dem größeren politischen Wissen und Know-how des Königs von Aragón zu folgen und den von ihm vorgezeichneten Weg einer Ehe Katharinas mit dem Sohn von König Robert von Anjou zu folgen, wodurch die Chancen, an der päpstlichen Kurie ein günstigeres Klima zu 79 schaffen, erhöht würden, wie Jakob an Friedrich im April 1315 schrieb. Drei Anknüpfungspunkte ergaben sich für das intendierte Bündnis zwischen Aragón und Habsburg. Erstens die Würde des römischen Königs bzw. Kaisers, die Friedrich anstrebte: Sie verlangte wie von jedem rex romanorum ein italienisches Engagement, so dass Jakob einen Verbündeten für seine Ziele in Italien erwarten konnte. Zweitens erhoffte sich Jakob eine zusätzliche Legitimierung für die beabsichtigte Eroberung Sardiniens und für die angebotene Herrschaft über Pisa. Und schließlich hatte sich König Jakob II. als Wegbereiter einer Anerkennung des Habsburgers bei Papst Johannes XXII. und seiner Kurie angeboten, wozu ihn Friedrich sowie seine Gattin und Tochter Jakobs, Isabella, auch ausdrücklich und mehr80 mals baten.
78 Péquignot, Au nom (Anm. 8), S. 468–477. 79 Register (Anm. 58), S. 44–48; Tabacco, Politica (Anm. 14), S. 16–21. 80 Unter anderem: Acta Aragonensia (Anm. 2), III, Nr. 157, 236, S. 331f., 516f.
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Wiederholt schrieb Jakob an seine Prokuratoren und Gesandte und an einzelne Kardinäle in dieser Angelegenheit. Er weigerte sich aber die Namen seiner kurialen Verbindungsleute Friedrich bekannt zu machen. Er fürchte, schrieb er an Friedrich, die anderen im Kolleg zu verärgern, wo er doch hoffe, die Mehrheit unter ihnen zu gewinnen. Jakob war nicht bereit, sein Wissen über die Vorgänge an der Kurie mit Friedrich zu teilen. Dieser war abhängig von dem Kommunikationsnetz Jakobs. Obwohl dessen Beziehungen zu Papst Johannes XXII. nicht frei von Friktionen waren, setzte Friedrich auf ihn seine Erwartungen, weil dieser eingestandenerweise über die effizienteren Instrumente auswärtiger Politik verfügte. In einem Brief vom 22. September 1315 versicherte Friedrich, dem Rat Jakobs zu folgen und selbst nicht an der Kurie zu intervenieren, sondern dies ihm zu überlassen. Jakob war von der Rechtmässigkeit des römischen Königtums von Friedrich überzeugt. Die Gründe hierzu hat er in einem Schreiben an den 81 Erzbischof von Tarragona im März 1315 dargelegt. Und Jakob II. hat sich tatsächlich an der Kurie für Friedrich von Österreich eingesetzt – und dies schon vor der Wahl Papst Johannes’ XXII. Während die Gesandten Friedrichs an der Kurie nichts ausrichteten, ja nicht einmal vor den Kardinälen erschienen, hat der Prokurator Jakobs dessen Briefe den Kardinälen überreicht und ihnen in direktem Vortrag sein Anliegen vorgestellt, nämlich die Approbation der römischen Königswürde von Friedrich zu erlangen. In dem Bericht an den heimischen Hof stellte der Prokurator die Aussichten als günstig dar. Vor allem dank des Ansehens des aragonesischen Königs, der als ein treuer Diener der Kirche und als geschickter Verhandler gelte, sollte es wohl möglich sein, dass der neu zu wählende Papst Friedrich als römischen König anerkenne. Jedenfalls unterstütze eine Mehrheit der Kardinäle das Anliegen. Aber auch die Gegenseite, die die Königswürde von Ludwig dem Bayer unterstütze, sei nicht untätig an der Kurie. Der Erzbischof von Mainz, Peter von Aspelt, habe an mehrere Kardinäle geschrieben und aus seiner Sicht die Wahlhandlung, die die Legitimität Ludwigs beweise, beschrieben. Aber anders als Jakob hatte Ludwig keine Gesandten zu den Kardinälen gesandt. Der Vorteil lag also durchaus auf Seiten derjenigen, die 82 zugunsten von Friedrich arbeiteten. Napoleone Orsini war es wiederum, 81 Register (Anm. 58), Nr. 11, S. 19f. 82 Acta Aragonensia (Anm. 2), I, Nr. 240, S. 353–357; Werveke, Nicolas van, Die Herkunft und Familie Peters von Aspelt und seine Beziehungen zu dem luxemburger Grafenhause, in: Das Luxemburger Land 5 (1886), S. 114–122, 129–135, 145–151, 162–170, 187–188; Gerlich, Alois, Die Machtposition des Mainzer Erzstiftes unter Kurfürst Peter von Aspelt (1306–1320), in: BDLG 120 (1984), S. 255–291; Felten, Franz Joseph, Kommunikation zwischen Kai-
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der sich als aktivster Unterstützer Jakobs und damit Friedrichs von Österreich vorstellte und der nicht zögerte, dessen Anerkennung als bereits gesichert hinzustellen und ihn bereits mit voller Titulatur ohne jede Einschränkung als römischen König bezeichnete. Vorsichtiger indes äusserten sich andere Kardinäle: Giaccomo da Colonna und Pietro da Colonna stellten lediglich in Aussicht, den Fall der strittigen Wahl genau zu prüfen; deren offensichtliche Unterstützung zugunsten Ludwigs gaben sie freilich dem aragonesischen Hof nicht preis. Die anderen Kardinäle erachteten Friedrich immerhin als electus und sicherten ihm ihre Unterstützung zu, verlangten 83 aber ausdrücklich eine Approbation durch den Papst. Nach der Wahl von Papst Johannes XXII. wurden indes die optimistischen Einschätzungen enttäuscht. Bekanntlich hat sich Johannes hinsichtlich der strittigen Königswürde nicht festgelegt. Jakob II. suchte gleichwohl weiterhin an der Kurie – sowohl im Kontakt mit dem Papst als auch mit den Kardinälen – das 84 Anliegen zugunsten seines Schwiegersohnes Friedrichs voranzubringen. Friedrich selbst entsandte Friedrich von Schärding an den päpstlichen Hof, der aber anscheinend wenig erreichen und wohl auch wenig Kontakte knüpfen konnte, so dass König Friedrich auch weiterhin Jakob mehrmals 85 bat, zu seinen Gunsten an der Kurie zu intervenieren. Dies leistete Jakob auch, vehementer, racionalibiter und utiliter wie er seinem Schwiegersohn 86 in mehreren Schreiben versicherte. Nach der Wahl von Papst Johannes XXII. richtete Jakob an ihn Briefe, um ihn zur Anerkennung Friedrichs als römischen König zu bewegen. Sowohl seine persönliche Eignung als auch 87 die Rechtmäßigkeit des Wahlverfahrens stellte Jakob als unstrittig dar. Nachdem sich keine Erfolge für eine päpstliche Approbation eingestellt hatten, versprach sich Friedrich nach 1320 vermehrt von König Robert I. von Sizilien-Neapel, eine päpstliche Entscheidung im Thronstreit herbeizuführen, womit man zwar in Österreich Optionen wechselte, aber weiterhin auf das Verfahrenswissen und auf die Verfahrensinstrumente anderer angewiesen blieb, von denen man annahm, dass durch sie Einfluss am avignonesischen Hof ausgeübt werden konnte. Offensichtlich in Verkennung der
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ser und Kurie unter Ludwig dem Bayern (1314–1347). Zur Problematik der Quellen im Spannungsfeld von Schriftlichkeit und Mündlichkeit, in: Kommunikationspraxis und Korrespondenzen im Mittelalter und in der Renaissance, hg. v. Heimann, Heinz-Dieter und Hlavacek, Ivan, Paderborn 1998, S. 51–89. Acta Aragonensia (Anm. 2), I, Nr. 241, S. 359–361. Register (Anm. 58), Nr. 13, 21, 49–51, S. 20f., 28f., 54–59. Ibid., Nr. 18–21, S. 27–29. Ibid., Nr. 24, 36, 44, S. 30–32, 42f., 47f. Ibid., Nr. 49, S. 54.
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Lage am päpstlichen Hof glaubte Friedrich von Österreich sogar, Friedrich 88 von Sizilien für sein Anliegen einspannen zu können. Noch im September 1326, als in Deutschland die faktische Entscheidung 89 zugunsten Ludwigs des Bayern schon längst gefallen war, schrieb Jakob an Papst Johannes XXII., dass er die Bitten Friedrichs gewähren solle, ohne indes die Approbation ausdrücklich zu erwähnen. Auch Kardinal Napoleone Orsini ließ nicht davon ab, zu Gunsten Friedrichs beim Papst zu intervenieren. Weiterhin erfolglos. Der Kampf des Papstes gegen Ludwig den Bayern machte ihn keineswegs geneigt, nun eine Unterstützung des 90 einstigen Gegenkandidaten in Erwägung zu ziehen. Freilich war nun der aragonesischen Hof nicht willens, die Beziehungen zu Papst und Kurie mit einem zu engen Bündnis mit Friedrich zu belasten, der nicht darauf verzichtete, den Titel eines römischen Königs zu führen. Aber als Bündnispartner war er für Jakob wertlos geworden. Der Prokurator Jakobs am päpstlichen Hof empfahl ausdrücklich, in der Korrespondenz mit Johannes XXII. Friedrich nicht als König zu bezeichnen, um nicht den Anschein zu erwecken, den Anspruch des Papstes, den römischen König zu approbieren, 91 anzutasten. Jakob war bereit, diesem Rat zu folgen. In einem Brief, im September 1326 an Johannes abgesandt, räumte er ein, Friedrich bisher stets als römischen König tituliert zu haben, fragte aber, wie der Papst wünsche, 92 ihn zu bezeichnen; er selbst werde dann der päpstlichen Anweisung folgen. Am Hof von Friedrich war man von Informationen ausgeschlossen. Man kannte nicht die Briefe Jakobs an seinen Bruder in Sizilien, in denen er vor einem Bündnis mit Österreich warnte, genauso wenig den Rat an den sizilianischen König, ein Bündnis des römischen Königs Friedrich mit den Papstanhängern in den italienischen Städten zu verhindern. Dieses Bündnis hätte zwar sicherlich die Chancen für die Anerkennung des Königtums Friedrichs verbessert, die Positionen der beiden aragonesischen Brüder aber entscheidend verschlechtert, insbesondere aber die Mittlerfunktion Jakobs obsolet gemacht. Jakob wollte die Fäden in der Hand halten. Er 88 Acta Aragonensia (Anm. 2), I, Nr. 252, S. 375; Register (Anm. 57), Nr. 15f., S. 24f. 89 Heckmann, Doppelkönigtum (Anm. 14). 90 Acta Aragonensia (Anm. 2), I, Nr. 257f., S. 380–385; Register (Anm. 58), Nr. 83f., S. 82–84. 91 Unverhau, Dagmar, Approbatio – Reprobatio. Studien zum päpstlichen Mitspracherecht bei Kaiserkrönung und Königswahl vom Investiturstreit bis zum ersten Prozess Johannes XXII. gegen Ludwig IV. (Historische Studien 424), Lübeck 1973. 92 Register (Anm. 58), Nr. 86, S. 84f.; Acta Aragonensia (Anm. 2), III, Nr. 236, S. 516f.
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wollte den informellen Abstand zu Friedrich wahren. Dieser Abstand war so deutlich, dass er auch von Friedrich nicht übersehen werden konnte. Sofort nach seiner Königswahl bat er Jakob um Hilfe, versprach ausdrücklich seine Ratschläge anzunehmen und bedankte sich für vorangegangene Mitteilungen. Aber je länger Friedrich nur Empfänger von Nachrichten war, desto geringer wurde der Nutzen des Bündnisses für Jakob. Die Suprematie als Ergebnis von größerer kommunikativer Dichte minderte den Wert des Bündnisses mit Friedrich. Es war dies wohl der Grund, dass im historischen Gedächtnis von Aragón das Bündnis mit Friedrich einen so geringen Widerhall fand. Ramón Muntaner berichtete zwar in seiner ‘Crònica’ über die Heirat mit der Tochter Isabella, erwähnenswert erschien ihm aber nicht einmal das römische Königtum, sondern allein die Tatsache, dass Friedrich einer der majors barons d’Alamanya sei. Die ‘Crònica’, die König Peter IV. von Aragón zugeschrieben wird, bezeichnet Friedrich allein als duc 93 d’Austria. Nach der Niederlage Friedrichs gegen seinen Konkurrenten Ludwig den Bayer und nachdem ein gemeinsames römisches Königtum beider Prätendenten vereinbart, letztlich aber nie verwirklicht worden war und 94 Friedrich somit als Bündnispartner Jakobs ausgefallen war, sah sich König Jakob II. herausgefordert, Stellung zu beziehen in dem Konflikt, den Ludwig mit Papst Johannes XXII. ausfocht. Die einstige Unterstützung zugunsten Friedrichs von Österreich belastete zwar das Verhältnis zu Ludwig; aus genau diesem Grund boten sich günstige Bedingungen, mit Papst Johannes XXII. gemeinsame Interessen zu finden. Andererseits zogen die nie abgebrochenen Beziehungen Jakobs zu seinem Bruder Friedrich von Sizilien, der Ludwig den Bayer besonders während seines Italienauf95 enthaltes unterstützte, Befürchtungen an der Kurie nach sich, dass auch der aragonesische König zu einem Verbündeten Ludwigs werden könnte. Jakob war sich dessen durchaus bewusst. Er suchte die Befürchtungen zu zerstreuen. Sichtbarer Ausdruck dieses Bestrebens war es, dass Jakob und seine Gesandten die Sprechweise von Papst und Kurie übernahmen und sie seit 1323 begannen, Ludwigs ebenfalls mit der Bezeichnung bavarus
93 Pere el Cerimonios, Crònica, in: Quatre grans cròniques (Anm. 51), S. 1001– 1225, S. 1006. 94 Thomas, Ludwig (Anm. 20), S. 101f. 95 So die Nachricht, die Jakob erhielt: Acta Aragonensia (Anm. 2), I, Nr. 289, S. 432f.; Finke, Heinrich, Aragonisch-sicilische Beziehungen zum bayrischpfälzischen Hause im 14. Jahrhundert, in: ZGO NF 39 (1926), S. 499–514, hier S. 504.
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zu benennen, wohingegen die Gesandtenbriefe an den König, also in der internen Korrespondenz, weiterhin den Titel rex romanorum verwendeten, 97 mitunter aber auch auf den Terminus rex Alemanniae auswichen. Auch als Ludwig sich in Italien befand, sich in Mailand zum König von Italien krönen ließ, sich Rom näherte und dadurch der Konflikt mit dem Papst eskalierte, schrieb ein Informant Jakobs aus der Stadt Savona von dem rex Romanorum, der sich nun anschicke, das imperium zu erwerben. Ganz anders der Prokurator Jakobs an der päpstlichen Kurie; er verwandte zur selben 98 Zeit die Bezeichnung illo de Bavaro. Einige aragonesische Berichterstatter scheuten sich hingegen nicht, im April 1327 Ludwig sogar als emperador zu 99 bezeichnen, also sogar noch bevor er in Rom zum Kaiser gekrönt wurde. Unterschiedliche Terminologien zeigen, dass sich der aragonesische Hof im Konflikt zwischen Johannes XXII. und Ludwig dem Bayer nicht festlegte. König Jakob, sein Hof und seine Gesandten in Avignon hegten die Furcht, dass der Kampf des Papstes gegen Ludwig lediglich den Wünschen des französischen Königs diene, ja dass dieser den Gegensatz noch schüre, Vorschläge zur Bekämpfung Ludwigs an die Kurie lanciere und insgeheim darauf setze, selbst oder für seine Familie die römische Königswürde zu erlangen oder zumindest Karl von Valois, den Onkel des französischen Königs als Markgraf von Brandenburg einzusetzen. Der französische König
96 Acta Aragonensia (Anm. 2), I, Nr. 259, S. 384–386. 97 Ibid., Nr. 261, S. 391–393. 98 Ibid., Nr. 281f., S. 426–430; Berg, Martin, Der Italienzug Ludwigs des Bayerns. Das Itinerar der Jahre 1327–1330, in: QFIAB 67 (1987), S. 142–197. 99 Acta Aragonensia (Anm. 2), I, Nr. 288, S. 431f.; zu den beiden Kaiserkrönungen Ludwigs – durch Volk und Senat, dann durch den von ihm eingesetzten Gegenpapst Nikolaus V.: Dupré-Theseider, Eugenio, Roma dal comune di popolo alla signoria pontificia (1252–1377), in: Storia di Roma, Bd. 11, Bologna 1952, S. 423–426, 478–487; Becker, Hans-Jürgen, Das Kaisertum Ludwigs des Bayern, in: Kaiser Ludwig der Bayer. Konflikte, Weichenstellungen und Wahrnehmungen seiner Herrschaft, hg. v. Nehlsen, Hermann und Hermann, Hans-Georg (Quellen und Forschungen aus dem Gebiet der Geschichte NF 22), Paderborn et alibi 2002, S. 75–117; Eubel, Konrad, Der Gegenpapst Nicolaus V. und seine Hierarchie, in: HJ 12 (1891), S. 277–308; Mollat, Guillaume, Miscellanea Avenionensia, in: Mélanges d’archéologie et d’histoire 44 (1927), S. 1–10; Maceroni, Giovanni, L’antipapa Niccolò V, Rieti 1978; Vincentiis, Amedeo de, Niccolò, antipapa, in: Encyclopedia dei papi, Bd. 2, Roma 2000, S. 522–524.
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freue sich über die Prozesse des Papstes gegen Ludwig, so ein Bericht an 100 Jakob am Ende des Jahres 1323. Kardinal Napoleone Orsini, der enge Verbündete Jakobs an der Kurie, ergriff sogar unverhohlen Partei für Ludwig und brachte im Oktober 1323 im Konsistorium seine Verwunderung zum Ausdruck, dass, nachdem der Kampf um die Macht in Deutschland entschieden sei, nun der Papst dem siegreichen Prätendent die Legitimität vorenthalte. Der Berichterstatter an Jakob über die Geschehnisse an der Kurie sprach auch die Befürchtung an, dass das Vorgehen des Papstes gegen Ludwig die Herrschaft aller Könige beeinträchtigen würde. Daher sollten, so die Meinung einiger Kardinäle, die Könige sich verbünden und gemeinsam gegen Papst Johannes XXII. vorgehen; es gelte seine ungebremste Wut zu bändigen, die jede rechtmäßige 101 weltliche Herrschaft in Unordnung stürze. Eine monarchische Solidarisierung gegen den Papst einzugehen, war indes Jakob nicht bereit. Noch weniger war dies sein Sohn und Nachfolger Alfons IV. In einer Instruktion an seinen Gesandten an die Kurie schrieb er im Juni 1328, dass er über die Inthronisation eines falschen Papstes in Rom bestürzt sei. Er distanzierte sich von seinem Onkel, König Friedrich von Sizilien, der diesen Usurpator anerkenne. In diesem Sinne sandte Alfons an Johannes persönlich einen Brief: Mit Freude habe er vernommen, dass Ludovicus de Bavaria und der Gegenpapst Petrus de Coruaria aus Rom vertrieben seien und die Herrschaft des rechtmäßigen Papstes in der heiligen Stadt nun wieder hergestellt sei. Er vertraue darauf, so Alfons an Johannes, dass die beiden Feinde der Kirche unterdrückt werden und genauso diejenigen, die diese unterstützten, womit eine deutliche Abwendung von Friedrich von Sizi102 lien formuliert wurde. Immerhin beeilte sich nunmehr auch Friedrich, sich vom Gegenpapst loszusagen, worüber der Gesandte von Alfons den
100 Acta Aragonensia (Anm. 2), I, Nr. 261, 265, 268, S. 391–393, 398–401, 405–407. Die Markgrafschaft wird in dem Gesandtenbericht, den Jakob erhielt, fälschlicherweise als marquesat de Mandeburch (Magdeburg) bezeichnet; Thomas, Ludwig (Anm. 20), S. 163–170, 260–263, 278; Stengel, Edmund Ernst, Avignon und Rhens. Forschungen zur Geschichte des Kampfes um das Recht am Reich in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts (Quellen und Studien zur Verfassungsgeschichte des Deutschen Reiches in Mittelalter und Neuzeit 6/1), Weimar 1930; Kaufhold, Martin, Öffentlichkeit im politischen Konflikt. Die Publikation der kurialen Prozesse gegen Ludwig den Bayern in Salzburg, in: ZHF 22 (1995), S. 435–454. 101 Acta Aragonensia (Anm. 2), I, Nr. 262, S. 393–396. 102 Ibid., Nr. 294f., S. 438–441.
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Papst umgehend unterrichte. Es ging erneut darum, das Verhältnis von Johannes XXII. zu dem sizilianischen König nicht eskalieren zu lassen und zu verhindern, dass der König von Aragón in das gefährliche Fahrwasser dieses Konfliktes geriet. Papst Johannes XXII. war bereit, die Parteinahme von Alfons anzuerkennen. Seinem Einfluss schrieb er zu, wie ein aragonesischer Gesandter berichtete, dass Friedrich von Sizilien sich von Ludwig abgewandt habe. Alfons habe sich, so konzedierte der Papst, als devotissimus ecclesiae erwiesen. Aber er könne, so der Papst, noch mehr tun: Er solle aufhören, seinen Onkel Friedrich in seinem Krieg gegen den König 104 von Sizilien-Neapel zu unterstützen. Das Verhältnis zwischen Papst Johannes XXII. und dem der Dynastie von Aragón blieb weiterhin belastet. Mit dem seit 1327 regierenden König Alfons IV. waren zwar Möglichkeiten zur Annäherung an den Papst eröffnet, aber nicht Personen, sondern Konstellationen bestimmten das Verhältnis zwischen den Höfen von Johannes XXII. und dem der aragonesischen Könige. Alfons hatte in der Tat dem Papst versprochen, Friedrich von Sizilien aus dem Bündnis mit Ludwig dem Bayer zu lösen. Er suchte, nicht anders als sein Vater, einen Frieden mit König Robert von SizilienNeapel zu erreichen. Er brachte dabei eine Eheverbindung mit den bislang verfeindeten Häusern Aragón und Anjou ins Spiel. Aber Johannes XXII. lehnte die Bestrebungen ab. Sie erbrächten keinen Nutzen für den Papst. Vergeblich berichtete Alfons dem Papst über die guten Absichten Fried105 richs. Johannes blieb intransigent. Immerhin kam ein anderes Anliegen der aragonesischen Könige zu einem Abschluss. Alfons erreichte im Jahre 1328, dass Papst Johannes ihn mit der Herrschaft über Sardinien belehnte. Und auch in der Überlassung von Kreuzzugszehnten zum Krieg gegen die Muslime in Granada kam ihm der Papst entgegen. Alfons war umgekehrt bereit, den Lehenszins von der Insel Sardinien an die päpstliche Kammer abzuführen, worüber im Jahre 1333 eine Quittung über den Betrag von 2000 106 Mark Silber ausgestellt wurde.
103 Acta Aragonensia (Anm. 2), I, Nr. 296, S. 441–444. 104 Ibid., Nr. 297, S. 444–446. 105 Bertrand, Jean XXII (Anm. 56), S. 6–11, 31. 106 Lettres communes de Jean XXII (Anm. 37), VIII, Nr. 43125f., 46300f., 46304, S. 45, 382; XII, Nr 60382, S. 174.
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VI. Sardinien Hier ist nun eines der wichtigsten Projekte der Könige von Aragón anzusprechen, das eine Zusammenarbeit mit der päpstlichen Kurie voraussetzte. Fast während der gesamten gemeinsamen Regierungszeit von König Jakob II. von Aragón und Papst Johannes XXII., also von 1316 bis 1327 wurde über die Erwerbung der Insel Sardinien verhandelt, deren Eroberung erst dem Sohn Jakobs, Alfons IV., vollständig gelingen sollte. Jakob ging es darum, die Belehnung durch den Papst mit Sardinien und Korsika, wie sie im Vertrag von Anagni 1295 zwischen Aragón, Papst und dem König von Sizilien-Neapel vorgesehen und zwei Jahre vollzogen worden war, effektiv zu machen und seine Herrschaft auf den Inseln durchzusetzen, wobei zunächst einmal Sardinien im Vordergrund stand, während der Anspruch auf Korsika 107 auch später niemals durchgesetzt werden konnte. Das Vorhaben setzte voraus, um die Macht der Stadt Pisa in Sardinien zu brechen, sich des Einverständnisses des Papstes zu versichern. Der Papst sollte die finanziellen Mittel zur Eroberung durch die Bewilligung von Kreuzzugszehnten bereitstellen. Aber an diesem Einverständnis mangelte es. Johannes XXII. machte erst gar keinen Hehl daraus, dass er sich an den einst abgeschlossenen Vertrag nicht mehr gebunden fühle, weil er die Berechtigung der Belehnung durch seinen Vorgänger Bonifaz VIII. grundsätzlich für verfehlt hielt und ausserdem der aragonesischen Seite den Bruch des Vertrages vorhielt, insofern diese keinen wirksamen Beitrag geleistet habe, die Insel Sizilien, so wie vorgesehen, den Anjou-Herrschern von Neapel zu übertragen, vielmehr nicht davon ablasse, mal heimlich, mal unverhohlen, Friedrich, den Bruder von 108 Jakob II., zu unterstützen. Jakob hoffte gleichwohl, die Unterstützung des Papstes zu erhalten, die für die Finanzierung des Krieges durch Kreuzzugszehnten und zur politischen Isolierung von Pisa notwendig erschien. Sofort nach der Wahl von Johannes XXII. begannen die Demarchen. Eindeutige Antworten wurden aber vorenthalten. Wie schon Papst Clemens V. machte Johannes XXII. zu Beginn seines Pontifikats Ausflüchte und gebrauchte den Vorwand, dass die militärische Unterstützung des Königs von Aragón für andere Projekte, 109 die aber nicht genannt wurden, benötigt würde. Im Sommer 1320 riet der 107 Salavert y Roca, Vincente, El tratado de Anagni y la expansión mediterranea de la Corona de Aragón, in: Estudios de edad media de la Corona de Aragón, Bd. 5, Zaragossa 1952, S. 209–360. 108 Acta Aragonensia (Anm. 2), I, Nr. 271, S. 408–410. 109 Ibid., II, Nr. 375, S. 575f.
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Papst davon ab, zu diesem Zeitpunkt Sardinien zu erobern. Die Lage in 110 Italien sei zu unsicher. Erneut versagte er die Bewilligung des Zehnten. Jakob ließ in seinen Bemühungen nicht nach. Ohne hier die militärischen Aktionen und die diplomatischen Kontakte zu allen Beteiligten, insbesondere zu Pisa und Genua, nachzeichnen zu wollen, umso weniger, 111 als das Thema recht gut erforscht ist, will ich den Fokus auf Konflikte und Kooperationsoptionen zwischen dem Königreich Aragón und dem Papsttum legen. So wie sich Jakob über Verzögerungen durch Johannes beklagte, so dieser über das Hinausschieben des Krieges zur Eroberung 112 von Sardinien. Das Versäumnis lastete er Jakob an. Der Papst war umso mehr enttäuscht, als er den Kampf gegen Pisa und Lucca antreiben und deren Machthaber Castruccio Castracani verdrängen wollte, so dass Friedrich von Sizilien seinen wichtigsten ghibellinischen Verbündeten in Mittel113 italien verlieren würde. Aber fast gleichzeitig gelangten Nachrichten an den aragonesischen Hof, dass der Papst die Eroberung Sardiniens durch Jakob heimlich zu verhindern suche. Die Information war umso gewichtiger einzustufen, als sie von Napoleone Orsini persönlich stammte, der damit durchaus eigene Interessen für die Etablierung einer dynastischen 114 Herrschaft in Mittelitalien befördern wollte. Die Situation war blockiert. Keine Seite sah ihre Erwartungen erfüllt. Eine Einigung über die Überlassung von Kreuzzugszehnten zur Finanzierung der militärischen Operation ließ auf sich warten. Der Papst verschanzte sich im März 1323 hinter dem Vorwand, dass er keine Kreuzzugszehnten gewähren wolle für einen Krieg, der gegen Christen geführt würde. Nur einen Krieg gegen die Sarazenen würde er mittels Kreuzzugszehnten unterstützen. Der aragonesische Gesandte Vidal de Villanova warf ein, dass der Papst bei anderer Gelegenheit weniger skrupulös gewesen sei und dass er nicht einmal Kreuzzugszehnten für den Kampf gegen Muslime dem aragonesischen König gewähre, 110 Acta Aragonensia (Anm. 2), III, Nr. 175, S. 386f. 111 Trogemann, Kampf (Anm. 55), S. 50–55. 112 Acta Aragonensia (Anm. 2), I, Nr. 374f., S. 574 –576. 113 Mommsen, Theodor Ernst, Castruccio e l’Impero, in: Castruccio Castracani degli Antelminelli. Miscellanea di studi storichi, Lucca 1933, S. 33–45; Lucarelli, Giuliano, Castruccio Castracani degli Antelminelli, Lucca 1981; Green, Louis, Castruccio Castracani. A study of the origins and character of a fourteenth Italien despotism, Oxford 1986; Meloni, Maria Grazia, La corona d’Aragone e la Corsica attraverso une relazione di Castruccio Castracani signore di Lucca, in: Medioevo 15 (1990), S. 183–220; Lenzi, Eugenio, Uguccione della Faggiuola e Castruccio nel Trecento toscano, Lucca 2001. 114 Acta Aragonensia (Anm. 2), I, Nr. 374, S. 576f.
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umstimmen konnte er ihn aber nicht. Der Vorschlag von Papst Johannes, die Angelegenheit mit den Kardinälen zu besprechen, lehnte Vidal ab; es sei die Gefahr gegeben, dass Nachrichten darüber durch Indiskretionen zur Kenntnis der Pisaner gelangten, vor allem da einzig dem König feindlich gesinnte Kardinäle hinzugezogen werden sollten, und ausserdem sei es nur zu bekannt, dass der Papst Dinge durch langwierige Beratungen im Konsistorium hinzuhalten und gänzlich zu verhindern gewohnt sei. Der Papst beharrte aber darauf, sich vor jeder Entscheidung gut zu informieren und zu beraten. Vidal de Villanova spekulierte über die Gründe der päpstlichen Ablehnung. Er vermutete, der Papst wolle die volle Verfügung der päpstlich angeordneten Kreuzzugszehnten behalten, die allein nach seiner freien Entscheidung – ab sa gracia e ab sa volentat – verwendet werden dürften. Indes, Vidal ließ nicht nach in seinen Anstrengungen. In einer Rede an Johannes XXII. drängte er auf eine rasche Entscheidung. Der König wolle den Krieg zur Eroberung nicht mehr lange aufschieben. Vidal legte Johannes die Gründe dar, warum die Hilfe des Papstes notwendig sei. Die aragonesischen Könige seien stets treue Diener der Kirche gewesen und dies wollten sie bleiben, obwohl in ihren Herrschaftsgebieten viele gegen den Papst klagten, der es an Unterstützung für den König fehlen lasse. Sardinien sei ein päpstliches Land, das aber einst Bonifaz VIII. als Lehen an Aragón vergeben habe. An diese Verfügung sei auch Johannes gebunden; es war dies indes eine Auffassung, die dieser nicht teilte, vielmehr auf Handlungsfreiheit bestand, die nicht durch Entscheidungen seiner Vorgänger eingeschränkt werden dürfe. Vidal beklagte sich wenig später nach seiner Rede vor dem Papst, dass dieser eher die Gesandten von König Robert von Sizilien anhöre, was zwar offensichtlich nicht richtig war, aber den Eindruck vermittelte, dass Anliegen von Jakob II. an der Kurie nicht beachtet würden. Schlimmer noch: Johannes XXII. sei zweideutig. Den Gesandten von Pisa 115 würde er anderes mitteilen als denen aus Aragón. Immerhin ordnete ein Jahr später Johannes XXII. doch noch an, Kreuzzugsgelder im Königreich Aragón einzutreiben, um mit den Einnahmen die Eroberung Sardiniens durch Jakob II. zu finanzieren. Jedenfalls wurde diese Anweisung in die 116 päpstlichen Register eingetragen. Aber es war damit lediglich eine personelle Vorentscheidung getroffen, die über die tatsächliche Erhebung von Kreuzzugszehnten nichts aussagt. Jedenfalls kam Jakob auch weiterhin nicht an die erhofften Einkünfte; seine Klagen über mangelnde Unterstüt115 Acta Aragonensia (Anm. 2), I, Nr. 378, S. 580–594; III, Nr. 194, 199, S. 422– 425, 432–434. 116 Lettres communes de Jean XXII (Anm. 37), Nr. 21064f., S. 260.
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zung rissen nicht ab. Im Juli 1326 insistierte erneut der aragonesische Gesandte gegenüber dem Papst auf die Ausschreibung und die Überlassung des Zehnten, denn nur so könne der König die Inseln Sardinien und Korsika erwerben, mit denen die Päpste ihn belehnt hatten. Der königliche Infant Peter unternehme bereits militärische Operationen in Sardinien, treffe aber auf Widerstand der Stadt Sassari, der von einheimischen Adligen und von 118 der Stadt Pisa unterstützt würde. Die Gesandtenberichte äusserten nicht den Verdacht, dass der Papst weiterhin an Robert von Anjou, König von Sizilien-Neapel, gebunden sei, in dessen Diensten Johannes einst gestanden hatte. Der aragonesische Hof ging nicht davon aus, dass Johannes unverrückbar eine Partei favorisierte, anders als dies moderne Historiker behaupteten. Trotz vieler feindseliger Stellungnahmen erwog Jakob II. nie einen definitiven Bruch mit Papst Johannes XXII. Das Verhalten beruhte auf einer Einschätzung, die keinen fundamentalen Gegensatz annahm, immer wieder Verhandlungslösungen voraussetzte und diese zu verwirklichen suchte. Die Einschätzung beruhte auf einem Urteil, das auch in die historische Analyse einfließen sollte, so dass weder psychologisierende Betrachtung noch die Definition langfristiger Freundschaften, bzw. Gegnerschaften das Verhalten des Papstes angemessen erklären können, vielmehr aufgrund der Deutung der jeweiligen Konstellationen und der Aktionsformen am päpstlichen Hof die Handlungen zu verstehen sind. Auf der anderen Seite war König Jakob zögerlich, der päpstlichen Kurie die künftige Zahlung von Kirchenzehnten aus dem zu erobernden Sardinien zu garantieren. Im November 1324 verlangte er, dass, da er beträchtliche Ausgaben und bereits Anstrengungen zur Eroberung von Sardinien gemacht habe, der künftig von dieser Insel an die Kurie abzuführende Zehnt von 2000 auf 500 Mark verringert werden müsse, so lange er selbst und sein ältester Sohn Alfons lebe. Ausserdem sollten zehn Jahre lang die von Sardinien zu leistenden militärischen Dienste für das Papsttum, um die Hälfte reduziert werden. Eine unerhörte, niemals bisher vorgebrachte und nicht zu akzeptierende Bitte sei dies, so Johannes XXII. Dieselbe Bitte, zwei 119 Jahre später vorgetragen, traf auf ebenso heftige Ablehnung. Jakob ging 117 Corona d’Aragona (Anm. 2), S. 270f.; Fábrega i Grau, Angel, La décima per a la conquesta de Sardenya en els pontificats de Bonifaci VIII i Benet XI, in: VI Congreso de Historia de la corona de Aragón 8–14 diciembre 1957, Madrid 1959, S. 461–475; id., Ayuda económica de la Iglesia a Jaime II de Aragón para la conquista de Cerdeña, in: Anthologica Annua 11 (1963), S. 11–46. 118 Finke, Nachträge (Anm. 31), Nr. 29, S. 469f. 119 Acta Aragonensia (Anm. 2), I, Nr. 513, S. 828f.; III, Nr. 213, S. 465–467.
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sogar soweit, bereits eingesammelte Kreuzzugszehnten aus den Ländern der aragonesischen Krone zurückzuhalten, statt sie der Kurie zu überlassen, unter dem Vorwand, dass diese Zehnten ohne die Zustimmung der Kardinäle verwendet würden. Immerhin hätten einige Kardinäle, so ein Gesandtenbericht an Jakob, sich zufrieden gezeigt, dass der Papst nicht über diese Mittel verfügen könne, die er zum Schaden der Christenheit verwenden 120 würde. Die Situation war blockiert. Die Stadt Pisa konnte durchaus darauf vertrauen, den Papst als Verbündeten gewonnen zu haben, weswegen sie im September 1323 den Vorschlag unterbreitete, ihn als Schiedsrichter im Konflikt mit Aragón einzusetzen. Der Vorschlag wurde erwartungsgemäß von Jakob II. zurückgewiesen, der vielmehr auf der Einhaltung der einst vereinbarten Belehnung mit Sardinien durch die Päpste bestand. Aber auch Johannes selbst weigerte sich, Frieden zwischen Pisa und Aragón zu vermitteln. Das bittere Urteil des aragonesischen Gesandten war, dass Johannes mehr den Krieg als den Frieden liebe, quod est terribile, wie er hinzufügte. Der Papst, so die Einschätzung des königlichen Gesandten, hoffe vielmehr darauf, dass Geldmangel, den der Papst ja selbst mit verursache, Jakob daran hindern werde, in Sardinien Krieg zu führen. Und dort würden ihn ungesundes Klima und unübersichtliche Verhältnisse erwarten. Aber, so der Einwand von Vidal, Jakob II. würde sich von den Risiken nicht abhalten 121 lassen. Als Johannes XXII. im Frühjahr 1326 erfuhr, dass eine Pisaner Gesandtschaft zum König Jakob II. reiste und Avignon passierte, ohne an der Kurie Station zu machen, war er – so jedenfalls die Einschätzung des aragonesischen Gesandten dort – besorgt, dass ein Friede zwischen Pisa und Aragón vereinbart würde, der dem König sogar die Herrschaft über die Stadt Pisa selbst eintragen könne. Johannes sandte Boten zur Pisaner 122 Gesandtschaft, um sie aufzuhalten, indes ohne Erfolg. Ohne Erfolg blieben aber auch die Verhandlungen Pisas mit Aragón, obwohl die Seehandelsstadt schon einmal im Jahre 1309 ein Angebot vorgelegt hatte, dass Jakob die Signorie über die Stadt übernehmen solle, und obwohl 1324 ein Friedensvertrag fast greifbar nahe gewesen schien, der allerdings den Ausei123 nandersetzungen dann doch kein Ende gesetzt hatte. Johannes befürchtete in der Tat einen Sieg von Aragón über Pisa, was dem aragonesischen König nicht nur die Herrschaft über Sardinien einbringen 120 Acta Aragonensia (Anm. 2), I, Nr. 401, S. 632–635. 121 Ibid., Nr. 382, S. 595–599; Péquignot, Au nom (Anm. 8), S. 150, 156. 122 Acta Aragonensia (Anm. 2), I, Nr. 405, S. 638–640. 123 Corona d’Aragona (Anm. 2), S. 273ff., 278–295.
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würde, sondern ebenso die Gefahr heraufbeschwor, dass Jakob II. seine Macht auch in die Toskana ausdehnen würde. Die Einschätzung war wohl nicht von der Hand zu weisen, jedenfalls hatte Kardinal Napoleone Orsini gleiche Erwartungen, für ihn freilich verheissungsvolle, insofern es um die 124 Etablierung einer Familienherrschaft in der Toskana ging. Im September 1325 erklärte Johannes, Pisa gegen Aragón unterstützen zu wollen, vor allem da die Stadt mangels mächtiger Verbündeter, riskiere, überwältigt zu werden. Eine Eroberung Sardiniens durch Aragón lehnte Johannes XXII. nunmehr rundweg ab. Konkrete Schritte, um das bedrohte Pisa zu schützen, waren aber auch nicht vorgesehen. Es verblieb bei Diskussionen im Konsistorium und bei Verhandlungen mit Delegationen, so dass seitens der aragonesischen Gesandten zwar keine Erfolge hinsichtlich ihrer Demarchen beim Papst zu vermelden waren, aber auch keine Gefährdungen, die vom Papst ausgingen. Johannes XXII. äusserte zwar Trauer über den Sieg von Castruccio Castracani über Florenz, aber die mit Jakob II. befreundeten Kardinäle seien froh über diese Entwicklung, so die Meinung arago125 nesischer Gesandter. Die Meinungen wogten unentschieden im Konsistorium. Jakob II. suchte bis zu seinem Lebensende die Unterstützung des Papstes für sein sardinisches Projekt zu gewinnen. Nunmehr sollte sein ältester Sohn und künftige Thronfolger ins Spiel gebracht werden. In seinem Auftrag war eine Delegation nach Avignon entsandt worden. Sie sollte die Enttäuschung dem Papst vortragen, dass dieser stets eine Belehnung von Sardinien an Jakob II. verhindert, ihm die Kreuzzugsgelder zur Eroberung der Insel verweigert und sich als feindlich ihm gegenüber verhalten habe, obwohl doch einst Papst Bonifaz VIII. dem aragonesischen König die Herrschaft über Sardinien versprochen habe, und dieses Versprechen von den 126 folgenden Päpsten erneuert worden sei. Wieder war der Vorstoß erfolglos. Aber die Nachrichten, die Jakob über die Absichten des Papstes erreichten, waren widersprüchlich. Im April 1325 erfuhr der König, dass nunmehr und dies ganz überraschend der Papst gewillt sei, die Eroberung von Sardinien auch durch die Gewährung von Zehnten und von geistlichen Einkünften zu unterstützen. Die angekündigte Expedition von Ludwig dem Bayer nach Italien und die Parteinahme von Pisa zu seinen Gunsten ließen offenbar zu diesem Zeitpunkt den Papst ein Bündnis mit Aragón vorteilhaft erscheinen. Aber auch hier sei Misstrauen angebracht, denn es sei nicht
124 Acta Aragonensia (Anm. 2), I, Nr. 394, S. 618–621; II, Nr. 394, S. 620. 125 Ibid., I, Nr. 400, S. 629–632. 126 Ibid., I, Nr. 502, S. 801–805.
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auszuschließen, dass sich der Papst selbst Sardinien aneignen wolle, so die 127 Mahnung des Gesandten Jakobs. Erst in der Endphase seiner Herrschaft unternahm Jakob II. massive militärische Operationen, die ab dem Jahr 1324 sukzessive zur Eroberung von Sardinien führten. Sein Sohn und Nachfolger, Alfons IV., führte erfolgreich den Krieg zu Ende. Er leistete im Oktober 1329 den Lehenseid gegenüber dem Papst – sowohl für Sardinien als auch für Korsika – obwohl letztere Insel nunmehr und auch nicht später der Stadt Genua entrissen werden 128 konnte.
VII. Kirche in Aragón Trotz der Konflikte und Interessengegensätze gab es Handlungsfelder, in denen Aragón und der Papst aufeinander angewiesen waren. Sie betrafen vor allem die Organisation der Kirche in den Ländern der aragonesischen Krone. Johannes verfügte mit Urkunde vom 18. Juli 1318 die Abtrennung eines großen Gebietes aus der Kirchenprovinz Tarragona und die Schaffung der Metropole Zaragoza. Als Grund wurde angegeben, dass durch die Teilung von Kirchenprovinzen und Diözesen Seelsorge und Ketzerbekämpfung verbessert 129 werden könnten. Seitens des Königs gab es noch andere Absichten. Jakob ließ sich von seinem Ratgeber Petrus de Ixar die Gründe darlegen, warum die Aufteilung in viele kleine geistliche Bezirke für den König günstiger sei: So könne die Macht großer Prälaten geschwächt werden, geistliche Ämter würden weniger zur begehrten Beute reicher Adelsfamilien, und damit sei die Gefahr geringer, dass Kriege und Verschwörungen entstünden. Als ein für den König abschreckendes Beispiel nannte Petrus die mächtigen und kriegerischen deut130 schen Prälaten, die weltliche Herrschaft ausübten. 127 Acta Aragonensia (Anm. 2), I, Nr. 273, S. 412–415; Thomas, Ludwig (Anm. 20), S. 122–137. 128 Lettres communes de Jean XXII (Anm. 37), IX, Nr. 50792, S. 429; Arribas Palau, Antonio, La conquista de Cerdeña pro Jaime II de Aragón, Barcelona 1952; Salavert y Roca, Vincente, Cerdeña y la expansión mediterranea de la Corona de Aragón 1297–1314, 2 Bde., Madrid 1956. 129 Vincke, Johannes, Die Errichtung des Erzbistums Saragossa, in: Spanische Forschungen 1/2, Münster i. W. 1930, S. 114–132; Goñi Gaztambide, José, Una bula de Juan XXII sobre la división de la provincia de Tarragona (24–4– 1318), in: Hispania Sacra 7 (1954), S. 87–92. 130 Acta Aragonensia (Anm. 2), II, Nr. 536, S. 855f.
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Verhandlungen über die Veränderung des Zuschnittes der Kirchenprovinz hatten bereits seit Sommer 1317 an der Kurie in Avignon stattgefunden. Jakob gab Gründe an, die die geänderte Organisation rechtfertigten: Zaragoza sei die wichtigste Stadt für Herrschaft und Administration im Teilreich Aragón, sie liege in der Mitte des Königreiches. Der königliche Gesandte Vidal de Villanova und Jakob brachten weitere Wünsche vor. Es ging darum, alle Gebiete des Königreiches innerhalb der beiden Kirchenprovinzen Tarragona und Zaragossa zusammenzufassen. Vor allem gegenüber den Prälaten aus dem Königreich Navarra sollte eine deutliche Abgrenzung erfolgen. Vorgeschlagen war die Gründung einer neuen Diözese, dessen Bischof in Jaca residieren und dessen Gebiet aus dem aragonesischen Teil des Bistums Pamplona bestehen sollte. Die deutliche Abgrenzung erschien Jakob offensichtlich wichtig zu sein, um jegliche Einwirkung aus dem Königreich Navarra, das in Personalunion mit dem Königreich Frankreich verbunden war, auszuschließen. Auch bei der Gestaltung von kirchlichen Sprengeln in der Nähe des Königreiches Kastilien hatte Jakob II. Wünsche: Die Diözese Albarracín, in Aragón gelegen, aber der Kirchenprovinz Toledo eingegliedert, sollte in Teruel einen neuen Bischofsitz erhalten und dem Metropolit in Zaragoza unterstellt werden. Die vorgeschla gene Einrichtung der Diözese Játiva hatte zum Ziel, die Kontrolle über diesen Sprengel dem Bischof von Cartagena, der im Königreich Kastilien residierte, zu entziehen. Desweiteren bat Jakob, in Katalonien zwei Diözesen, Cervera und Besalú, zu gründen. Es ging dabei um die engere Einbindung dieser Gebiete in die Verfügungsgewalt der Könige und um die Ausschaltung konkurrierender 131 Königsherrschaften. Aber viele der Eingaben, im Januar 1318 der Kurie präsentiert, hatten keinen Erfolg. Die Teilung bestehender Bistümer stieß auf den Widerstand derjenigen Bischöfe, die eine Verkleinerung ihrer Sprengel befürchteten. Entscheidender aber war, dass der französische König und der Bischof von Pamplona an der päpstlichen Kurie gegen die Pläne Jakobs intervenierten und Unterstützung bei den ihnen wohl gesonnenen Kardinälen fanden. Jakob II. suchte im Sommer desselben Jahres wenigstens zu erreichen, dass die Kirchenprovinz Tarragona weiterhin alle Diözesen im Teilkönigreich Valencia sowie zusätzlich das bisher exemte Bistum Cartagena einschließe. Der König gab als Argumente an, dass die Lage des Gebietes und die Sprache der Bewohner sie mit Aragón verbinden
131 Acta Aragonensia (Anm. 2), II, Nr. 315, S. 472–474; Documenta selecta mutuas civitatis Arago-Cathalannicas et ecclesiae relationes illustrantia, hg. v. Vincke, Johannes, Barcelona 1936, S. 216; Engels, Odilo, Schutzgedanke und Landesherrschaft im östlichen Pyrenäenraum (9.–13. Jahrhundert), Münster i. W. 1970.
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würden. Die päpstliche Entscheidung berücksichtigte immerhin einen Teil der Wünsche. Die Diözese Albarracín erhielt mit Teruel einen neuen Bischofssitz, der der neuen Kirchenprovinz Zaragoza zugeordnet wurde. Die Integration in 132 aragonesisches Gebiet war damit erreicht. Allerdings blieben Cartagena wie auch Mallorca entgegen der Bitten Jakobs weiterhin exemte Bistümer ausserhalb der Zuständigkeit des Erzbischofs von Tarragona. Die Selbständigkeit des Königreiches Mallorca, von Jakob II. im Frieden von Anagni im Jahre 1295 Papst Bonifaz VIII. zugesichert, sollte auch durch die Gestaltung der kirchli133 chen Sprengel verdeutlicht werden. Jakob erzielte nur Teilerfolge. Größer waren die Erfolge bei der Vergabe geistlicher Stellen. Während des Pontifikats Johannes’ XXII. betrieben die Könige Jakob II. und Alfons IV. das alltägliche Geschäft der Suppliken, um Personalentscheidungen mittels 134 päpstlicher Provision durchzusetzen. Auf diese Weise war verbürgt, dass 132 Vincke, Errichtung (Anm. 129), S. 114–32; id., Staat und Kirche in Katalonien und Aragon während des Mittelalters, Bd. 1, Münster i. W. 1931, S. 373–82; Mansilla, Demetrio, Formación de la provincia eclesiástica de Zaragoza (18– 7–1318), in: Hispania Sacra 18 (1965), S. 249–263; Aznar Gil, Federico Rafael, Concilios provinciales y sínodos de Zaragoza de 1215 a 1563 (Publicación de la Caja de Ahorros de la Immaculada 25), Zaragoza 1982, S. 54f.; Bauer, Clemens, Studien zur spanischen Konkordatsgeschichte des späten Mittelalters, in: Spanische Forschungen 11 (1955), S. 43–96, S. 47–50. 133 Hillgarth, Problem (Anm. 2); Riera Melis, Antonio, La Corona de Aragón y el reino de Mallorca en el primer cuarto del siglo XIV, Bd. 1, Madrid 1986. 134 Lettres communes de Jean XXII (Anm. 37), I, Nr. 2347, 2356–2360, 2362, 2365, 2368f., 2371, 2383, 2385, 2387, 2398, 2414f., 3300f., 3343, 3668, 4475f., 4483–4485, S. 219–225, 302, 306, 335, 440f.; II, Nr. 5918, 5941, 7074, 7079, 7127–7131, 7133, 7201, 7209, 7780, 9392, S. 39, 41, 144, 156f., 157, 376; III, Nr. 10563, 10633, 10777, 11072, 11991, 11974, 12440, 12621, 13068, 13401, 13498, S. 27, 33, 45f., 71, 81, 146, 194, 211, 254, 286, 294; IV, Nr. 14453, 14547, 14808, 14931, 15135, 15299, 15637, 16551f., 16444–16446, 16450, 16462, 16488, 18491, 16568, 17749, 17943, S. 5, 14, 37, 48, 67, 82, 114, 193f., 197, 204, 308, 327; V, Nr. 18352, 19877, 20293, 20654, 20728, 20999, 21002, 21025, 21061–21063, 21113, 21163, 21182, 21246, 22306, 22323, 22691, 22861, S. 17, 157, 195, 224, 230, 254, 257, 260, 265, 270, 272, 277, 373, 374f., 408, 423; VI, Nr. 23417, 24268, 24448, 24824, 25603, 25756, 25995f., 27806, 27810, 28312, 28527, 29549, S. 3, 90, 108, 145, 219, 234, 258, 422, 444, 495, 515, 613; VII, Nr. 29799, 30077, 41449, S. 8, 38, 282; VIII, Nr. 42836, S. 14; Vincke, Krone (Anm. 39); Kéry, Lotte, Annaten, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, 2. Aufl., Bd. 1, Berlin 2008, Sp. 247f.; Weiss, Sabine, Päpstliche Expektanzen in Theorie und Praxis, in: Ecclesia Peregrinans. Josef Lenzenweger zum 70. Geburtstag, hg. v. Amon, Karl, Wien 1986, S. 143–152.
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die päpstliche Kurie Stellen vergab und aus der Vergabe Einkünfte bezog und dass die Könige faktisch über geistliche Stellen verfügten, die sie an ihre Vertrauensleute und ihre Mitarbeiter am Hof vergeben konnten. Die Zusammenarbeit mit der päpstlichen Kurie war dafür unerlässliche Voraussetzung, so dass eine Zuspitzung von Konflikten allein schon deswegen nicht opportun erschien. Sofort nach der Inthronisation von Johannes begann der kuriale Verwaltungsapparat, auf Bitten des Königs, vereinzelt auch seiner Gemahlin und seiner Söhne Provisionen und Expektanzen zu vergeben. In über hundert Fällen intervenierten die Könige in die Besetzung geistlicher Stellen. Jakob griff in das kirchliche Leben ein. Er unterstützte 135 die Gründung von Klöstern und erhielt dazu päpstliche Unterstützung. Johannes XXII. gewährte Jakob II. einen eigenen Beichtvater. Er erlaubte 136 seinem geistlichen Gefolge die Benutzung von transportablen Altären. Die übliche Ausstattung mit geistlichen Privilegien lief ungestört neben den politischen Konflikten. Aber so zahlreich die von Jakob erbetenen Provisionen waren, Johannes blieb doch zurückhaltend, wenn es um höhere geistliche Stellen ging, also um die Besetzung von Bischofsstühlen. Als Jakob einen Kandidaten als Bischof von Gerona vorschlug, lehnte der Papst im April 1325 ab. Er ermahnte vielmehr König Jakob, nicht zu viel zu verlangen. Er, Johannes, habe ihm so oft schon seine Wünsche erfüllt. Aber anscheinend, so der Vorwurf, wolle Jakob die Besetzung aller geistlichen Stellen in seinen Ländern in 137 die Hand bekommen. Der König ließ sich aber weiterhin nicht davon abbringen, Suppliken einzureichen und vor allem auch die Bischofsernennungen zu beeinflussen. In einem Brief vom 6. September 1327 an Papst Johannes ermahnte er ihn, doch öfter seine Vorschläge bei der Besetzung der Bischofsstühle zu beachten; schließlich habe er eine bessere Kenntnis 138 über die in Frage kommenden Personen als der Papst. Die größte Enttäuschung erlitt Jakob II., als er versuchte, seinen Sohn Johann als Erzbischof von Tarragona einzusetzen. Anfragen an den Papst richtete der König sofort nach der Inthronisation von Johannes. Auch nachdem der Infant stattdessen 1319 zum Erzbischof von Toledo durch päpstliche Provision erhoben worden war, ließ Jakob nicht mit seinen Bitten nach. Er gab als Grund an, dass sein Sohn sein Amt wegen der Schikanen des kastilischen Königs nicht ausüben könne und auch von der Aufgabe des Kanzlers 135 Lettres communes de Jean XXII (Anm. 37), II, Nr. 7206, 7803, S. 157, 219. 136 Ibid., I, Nr. 2370, S. 221; VI, Nr. 28099, S. 473. 137 Acta Aragonensia (Anm. 2), I, Nr. 504, S. 808–819. 138 Ibid., Nr. 519, S. 837–839.
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des Königreiches Kastilien entbunden worden sei, so dass für ihn eine andere Aufgabe gefunden werden müsse. Johannes lehnte die Bitte ab und gab das zu junge Alter des Prätendenten an, das umso hinderlicher sei, als er viele Suffraganbischöfe anleiten müsse, wie er schon am 15. Dezember 1316 geschrieben hatte und wiederum im März 1323 schrieb. Johann war nunmehr 22 Jahre alt. Aber vier Jahre zuvor war sein Alter kein Hinderungsgrund gewesen, ihm die Stellung als Erzbischof von Toledo zu verleihen. Der Papst empfahl, der Infant solle erst einmal in Paris studieren. Ihn gar zum Kardinal zu erheben, wie Jakob vorschlug, lehnte Johannes rundweg ab. Es gäbe bereits genug Kardinäle. Der königliche Gesandte in Avignon war von der Einstellung des Papstes entsetzt und schrieb an seinen Auftraggeber, er könne nunmehr sehr gut erkennen, was 139 der Papst für ein Mann sei: quyen hom es aquest papa.
VIII. Resümee Was der Johannes XXII. für ein Mensch sei, blieb aber wohl immer dem aragonesischen Hof verborgen. Hinter die Maske vorgeschobener Argumente, hinhaltender Versprechungen, vorenthaltender Maßnahmen und widersprüchlicher Aussagen auf tatsächliche Intentionen schauen zu können, ist wohl in gleicher Weise für den Historiker illusorisch. Der Vorwurf von Johannes XXII., zu Anfang meiner Ausführungen vorgestellt, der den König der Unehrlichkeit beschuldigte, entbehrte nicht minder seiner Berechtigung. Beide Seiten sahen sich mit Kontrahenten konfrontiert, denen moralisches Fehlverhalten zu unterstellen, eine gewiss bequeme Deutung war, aber die zugrunde liegenden Konstellationen nicht angemessen zu erfassen vermochte. Denn es ging nicht allein um die Doppelbödigkeit, um nicht zu sagen um die Verlogenheit des Agierens, so sehr auch das gegenseitige Misstrauen gemeinsames Handeln unterband und zugleich große Anstrengungen motivierte, die geheimen Absichten des jeweils anderen in Erfahrung zu bringen. Gesandte Jakobs an der Kurie in Avignon wiesen schon am Anfang des Pontifikats von Johannes auf dessen Undurchschaubarkeit und dessen angebliche schwankende Parteinahme, ja auf dessen geradezu verstörendes
139 Acta Aragonensia (Anm. 2), I, Nr. 378, 490, 494f., 504, 519, S. 580–591, 790–793, 797–800, 808–810, 837–839; Avezou, Robert, Un prince aragonais archevèque de Tolède au XIVe siècle, D. Juan de Aragón y Anjou, in: Bulletin Hispanique 32 (1930), S. 326–371; Martinez-Ferrando, Jesús Ernesto, Jaime II de Aragón, su vida familiar, 2 Bde., Barcelona 1948, I, S. 141–151.
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Handeln. Was das Verhältnis zwischen König und Papst vor allem kennzeichnete, war die gegenseitige Abhängigkeit, die ein schroffes Aufeinanderprallen der Gegensätze ausschloss, so dass Moderierung, Verzögerung und Widersprüchlichkeit das am ehesten angemessene Verhalten war, um Nutzen zu optimieren. Nicht Kooperation auf der Basis des Vertrauens, sondern auf der Basis des Misstrauens war die Folge. Deswegen war es so wichtig, in Erfahrung zu bringen, welche Einflüsse einwirkten, denn von ihnen glaubte man, dass sie das Verhalten bestimmten. Abschätzungen hinsichtlich der Bündnisse, Interessen und Abhängigkeiten waren zu treffen. Der gegenseitige Argwohn verhinderte nicht gemeinsame Unternehmungen. Er beförderte zugleich aber auch große Anstrengungen, die geheimen Absichten des jeweils anderen in Erfahrung zu bringen. Die hier vorgestellten Handlungsfelder zeigen, wie sehr ein konfliktreiches Verhältnis engen Austausch von Gesandten, Führung von Verhandlungen, Ausloten von gemeinsamen Anliegen nicht hemmte. Jedenfalls war eine Zuspitzung des Konfliktes abgewendet, wie wir ihn hinsichtlich von Ludwig dem Bayer und hinsichtlich von Friedrich von Sizilien kennen. Negative Urteile wurden daher von beiden auch nicht offen vorgetragen, sondern fast stets im internen Beraterkreis geäussert. Die Aggression war moderiert und schloss Angebote zur Kooperation nicht aus. Die vage, uneindeutige Kommunikation beließ Raum für Interessenausgleich und sogar koordiniertes Handeln. Zugleich waren aber gerade die gemeinsamen Handlungsfelder Quelle von Konflikten. Die Beziehungsdichte stand in einem offenen Gegensatz zur Eindeutigkeit von Beziehungen. Papst Johannes XXII. war die Spinne im Netz, aber nicht weniger – ganz im Gegenteil – die aragonesischen Könige. Diese zogen die Fäden, sie suchten die Kurie zu beeinflussen. Langfristiger politischer Nutzen gewannen sie gleichwohl nicht. Aber Papst Johannes XXII. und die Könige Jakob II. und Alfons IV. von Aragon schufen Verfahren diplomatischen Verkehrs, der zur Konzentration von Kontakten und Kommunikationen in Europa beitrug und die wechselseitige Interdependenz in Europa verstärkte. Die Kompliziertheit des Systems der Relationen machte Eindeutigkeit unmöglich. Dies als moralische Verfehlung, als Unehrlichkeit, gar als Verlogenheit zu deuten, lag zwar auf der Hand und wurde auch recht ausgiebig debattiert. Aber im direkten Kontakt vermieden beide Seiten eine moralisierende und seitens des Papstes gar religiöse Deutung der konfliktreichen Beziehungen – anders als gegenüber Friedrich von Sizilien und Ludwig dem Bayer. Hingegen wurde es entscheidend, die andere Seite durch Mittelsmänner, Informanten, 140 Péquignot, Au nom (Anm. 8), S. 333f.
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Einflussagenten und Verhandler auf die jeweils eigenen Anliegen einzustimmen. Der Papst hatte dabei Trümpfe in der Hand: Als oberster Seelsorger und Haupt der Kirche hatte er den Anspruch, alle Geistlichen, auch in Aragón zu befehligen. Umgekehrt nutzte der König die Bedingungen einer kirchlichen Wahlmonarchie, um mittels verbündeter Kurialer und Kardinäle auf den päpstlichen Hof einzuwirken. Das poröse personelle Geflecht in Avignon stand Einflussnahmen offen. Deswegen ist die unterschiedliche Quellendichte kein Zufall; die Texte aragonesischer Provenienz bieten mehr als juristische Bestimmungen, sondern sie sind größtenteils Briefe, die Informationen bieten über ein Geschehen, das sich an der Kurie abspielte und in das einzugreifen sie vorbereiten sollten. Die Wiedergabe mündlicher Gespräche und die schriftliche Fixierung dessen, was auch improvisiert geäussert und nicht als definitive Festlegung bestimmt wurde, machten die Berichte an Jakob zwar so informationsgesättigt, aber auch so reich an Widersprüchen. Die päpstliche Kurie erscheint dabei als ein chaotisches System miteinander rivalisierender Gruppen und Personen, ohne dass erkennbar wäre, wie die aragonesischen Könige dieses System vernünftig gestalten könnten. Die Gemengelage von Intrigen machte die Deutung der Beziehungen am Hofe schwierig. Die Fülle der Berichte erschwerte letztlich sogar eine Festlegung des Handelns durch den aragonesischen König und führte zu einer abwartenden Verhaltensweise im Verhältnis zur Kurie. Die Dichte der kommunikativen Vernetzung barg gleichwohl die Chance auf Wissen und trug offensichtlich dazu bei, Konflikte nicht eskalieren zu lassen, weil stets die Option ausgelotet wurde, durch einen Ausgleich von Ansprüchen gemeinsame Anliegen definieren zu können. Aber das verhinderte nicht einen grundsätzlichen Gegensatz: Gab es auf Seiten der Kurie ein Insistieren auf allgemein gültigen Verfahrensordnungen, die trotz schwer zu durchschauender Intrigen an der Kurie die Christenheit als rechtlich und religiös befriedete Gemeinschaft konstituieren sollten, so auf Seiten Aragóns ein Unverständnis dieser Verfahrensordnungen. Trotz des Mangels an einheitlicher Planungskompetenz am päpstlichen Hof, dessen Mitglieder unter den Bedingungen einer Wahlmonarchie handelten und daher eher als an anderen Höfen interne Antagonismen anfachen konnten, richteten sich Vorhaben von Papst und Kurie an normierten Modellen aus, die zumindest idealiter christlichen Universalismus durchsetzen sollten, realiter ihn zumindest als permanente kommunikative Relation verwirklichten. Weil die Könige von Aragón auf der Suche nach unbeständigen Interessen und Konstellationen waren und dabei durchaus auch fündig wurden, versperrten sie sich damit die Chance, in den juristisch geprägten Diskurs einzutreten, den gerade Papst Johannes XXII., – aber nicht unähnlich seine Vorgängern
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und Nachfolger – pflegte. Die Könige hemmten eine Stabilisierung der Relationen. Aber die daraus folgende Unbeständigkeit lasteten sie dem Papst an, obwohl er durchweg prinzipielle Festlegungen forderte, damit aber Verhandlungen auf der Grundlage der Abwägung von Interessen behinderte und sich als intransigent sowohl gegenüber Forderungen an ihn, aber auch gegenüber wechselseitiger Nutzenoptimierung erwies. Das Unverständnis bestand auf beiden Seiten. Es ließ sich nicht durch Verhandlungen beseitigen. Vielmehr verstärkten diese sie noch, weil sie eine Vielzahl von Projekten und deren Interdependenzen präsentierten, ohne eine deutliche Priorisierung erkennbar zu machen. Der Vorteil, den die aragonesische Seite aus den kommunikativen Verfahren zog, ist gleichwohl nicht gering zu schätzen. Das komplexe System handhaben zu wollen, erforderte hohen personellen und materiellen Einsatz. Er überforderte nicht Aragón, wohl aber kommunikativ minder kompetente Agierende, vor allem nördlich der Alpen. Dies sahen sowohl Friedrich von Österreich als auch Ludwig von Bayern, die beide den kommunikativen Vorsprung von Aragón für sich nutzen wollten, so dass die aragonesischen Könige, trotz ihrer europäischen Randlage als die zentralen Akteure in Erscheinung treten konnten. Aber kommunikative Kompetenz schloss Uneindeutigkeit nicht aus, vielmehr vergrößerte sie sie noch, so dass weder schnelle Ergebnisse des politischen Agierens noch faktische Überwältigungen erreicht werden konnten. Die unübersichtlichen Situationen eindeutig zu machen, war zwar oft angestrebt, aber von keiner Seite, weder von Papst Johannes XXII. noch von König Jakob II. von Aragón, erreicht und in vielen Fällen offensichtlich nicht einmal gewollt. Der Versuch, die Komplexität der Relationen zu reduzieren, blieb erfolglos, so dass weder das päpstliche Vorhaben einer Implantierung rechtlicher Regularien noch das aragonesische Ziel, Interessenkonvergenzen in Bündnisse münden zu lassen, verwirklicht wurden. Daraus ergab sich für beide Seiten ein Kontrollverlust, den nicht einmal Illusionen einer Selbstwirksamkeit negieren konnten. Die Akteure in dem undurchsichtigen System vieler Handlungen konnten auf es einwirken, es aber nicht arrangieren, weil keiner eine hegemoniale Position im Mächtekampf innehatte, keiner Beziehungen fest einbahnen und keiner Initiativen monopolisieren konnte. Als Fazit bleibt, dass die Frustrationen, die Papst Johannes und König Jakob so oft kundtaten, auch der historischen Forschung nicht erspart bleiben, sofern die Quellen zu den verwickelten Beziehungen mehr verbergen als offen legen. Aber es ist, so meine ich, genau dieses kryptische Agieren, das Verbergen, Vortäuschen und Verstellen, welches die Beziehungen zwischen Papst Johannes XXII. und König Jakob II. von Aragón
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kennzeichneten. Im Bereich der politischen Nutzenmaximierung war dieses Handeln opportun und damit für die Könige angemessen, für das Prestige des Papstes als oberster Seelsorger indes fatal.
Johannes XXII. und England Jens Röhrkasten (Birmingham)
Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Clemens V., der am Anfang seiner 1 Karriere zeitweilig im Dienst der englischen Krone gestanden hatte, konnte Jacques Duèse nur auf vergleichsweise wenig Erfahrung mit den politischen Strukturen auf den Britischen Inseln zurückblicken. Zwar ist anzunehmen, dass ihm die territorialen Interessen der englischen Könige und ihre außenpolitischen Beziehungen im weiteren Sinne bekannt waren, so etwa die Probleme mit denen König Eduard II. als Herzog von Aquitanien und Vasall der französischen Krone konfrontiert war, auch wird ihm ohne Zweifel dessen Vater, der Kreuzfahrer Eduard I., als bedeutende Figur der europäischen Politik bekannt gewesen sein, dessen Bemühungen um Kontrolle des schottischen Nachbarkönigreiches erfolglos geblieben waren und den Sohn mit einem schweren politischen und finanziellen Erbe belasteten, doch der geographische Schwerpunkt seiner politischen Erfahrungen lag im Mittelmeerraum. Hier hatte er als Kanzler Karls II. von Neapel und seines Sohnes Robert die Interessen der Anjoudynastie, mit der er seit den 1290er Jahren als Berater Ludwigs von Toulouse verbunden war, in Italien und in der Provence vertreten. Obwohl eine solche institutionelle Bindung an die französische Krone nicht bestand, scheint Jacques Duèse zu den möglichen Kandidaten Ludwigs X. von Frankreich und seines Bruders und Nachfolgers Philipp von Poitiers gehört zu haben. So wirkte beim entscheidenden Konklave im Sommer 1316 nicht nur König Robert von Neapel sondern auch die französische Krone als Unterstützer des Kardinalbischofs 2 von Porto im Hintergrund. Diese politische Ausrichtung auf die Königshöfe von Paris und Neapel bestimmte seine Italienpolitik noch in den letzten Jahren seines Pontifikats 1 Renouard, Yves, Édouard II et Clément V d’après les roles Gascons, in: Annales du Midi 67 (1955), S. 119–141; Denton, Jeffrey, Pope Clement V’s Early Career as a Royal Clerk, in: English Historical Review 83 (1968), S. 303–314. 2 Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Aussage des Adams von Murimuth, der auf eine Dankesschuld des neugewählten Papstes an die französische Krone hinweist: Qui quidem papa fecit dicto regi multas gratias,
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und sie erfuhr weder durch den Druck eine Abweichung, der immer wieder von den französischen Monarchen auf die Kurie ausgeübt wurde, noch durch gegensätzliche Ansichten im franziskanischen Armutsstreit wie sie 3 mit dem Königshaus von Neapel bestanden. Man hat spekuliert, dass die Tätigkeit des späteren Papstes auf dem Konzil von Vienne als Gutachter über kirchliche Gravamina in der Frage der Einschränkung kirchlicher Freiheiten durch weltliche Herrscher ihn auch mit der Situation der Kirche in England in Verbindung gebracht haben könnte, doch dies scheint – falls es denn zutrifft – nicht zu einer intensiven Auseinandersetzung mit der 4 politischen Situation auf den Britischen Inseln geführt zu haben. Es ist in recompensationem laborum et expensarum quos et quas prius sustinuit pro dicto negotio ecclesiae quod promovit. Adae Murimuth, Continuatio Chronicarum, hg. v. Thompson, Edward Maunde (Rolls Series 93), London 1889, S. 24; Tabacco, Giovanni, La casa di Francia nell’azione politica di papa Giovanni XXII, Roma 1953, S. 39f.; Mollat, Guillaume, The Popes at Avignon 1305–1378, engl. Übers., London 91949, S. 11; id., L’élection du pape Jean XXII, in: Revue d’histoire de l’Église de France 1 (1910), S. 34–49, 147–166, hier 157; Caillet, Louis, La Papauté d’Avignon et l’Église de France. La politique bénéficiale du Pape Jean XXII en France (1316–1334), Paris 1975, S. 15; Seppelt, Franz Xaver, Das Papsttum im Spätmittelalter und in der Renaissance. Von Bonifaz VIII. bis zu Klemens VII., neu bearb. von Schwaiger, Georg, Bd. 3, München 1957, S. 91. 3 Tabacco (Anm. 2), S. 34, 46, 324, 347; Weakland, John, John XXII before his Pontificate, 1244–1316: Jacques Duèse and his Family, in: Archivum Historiae Pontificiae 10 (1972), S. 161–185, hier 164–169; Galasso, Giuseppe, Il Regno di Napoli. Il Mezzogiorno angioino e aragonese (1266–1494) (Storia d’Italia 25), Torino 1992, S. 114–118; Kiesewetter, Andreas, La cancelleria angioina, in: L’État Angevin. Pouvoir, culture et société entre XIIIe et XVIe siècle. Actes du colloque international organisé par l’American Academy in Rome, l’École française de Rome, l’Istituto storico italiano per il Medio Evo, l’U.M.R. Telemme et l’Université de Provence, l’Università degli studi di Napoli ‘Federico II’ (Rome/Naples, 7–11 novembre 1995) (Collection de l’École de Rome 245 / Istituto Storico italian per il medio evo, nuovi studi storici 45), Roma 1998, S. 361–415, hier 383f.; Brettle, Sigismund, Ein Traktat des Königs Robert von Neapel ‘De evangelica paupertate’, in: Abhandlungen aus dem Gebiete der mittleren und neueren Geschichte und ihrer Hilfswissenschaften. Eine Festgabe zum siebzigsten Geburtstag Geh. Rat Prof. Dr. Heinrich Finke gewidmet, Münster 1925, S. 200–209. 4 Wright, John, The Church and the English Crown, 1305–1334: A Study Based on the Register of Archbishop Walter Reynolds, Toronto 1980, S. 169; Müller, Ewald, Das Konzil von Vienne 1311–1312. Seine Quellen und seine Geschichte (Vorreformationsgeschichtliche Forschungen 12), Münster 1934, S. 112, 117f.
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deshalb nicht weiter erstaunlich, dass er weder als Bischof von Fréjus noch als Bischof von Avignon in den näheren Kontakt zur englischen Krone getreten zu sein scheint. Auch als Kardinal von San Vitale, ab Dezember 1312, gehörte er nicht zum Kreis derjenigen Kurialen, die von der Regierung Eduards II. um Hilfe ersucht wurden. Eine solche Verbindung wurde sicher auch von englischer Seite nicht als notwendig angesehen, denn es 5 bestand ein enger Kontakt zu Clemens V. selbst und zu dessen Nepoten. Als der englische König im Januar 1313 mit dem Papst, Gaucelme de Jean 6 und anderen Vertrauten über ein Darlehen verhandelte, wurde Jacques Duèse, der Kardinaldiakon von San Vitale, gar nicht in die Korrespondenz mit einbezogen und auch ein im folgenden Monat zugunsten des königlichen Schatzmeisters Walter Langton, Bischofs von Coventry und Lichfield, an die Kardinäle ausgesandtes Schreiben, listet den zukünftigen Papst nicht 7 unter den Empfängern. Von den einflußreichen Personen am englischen Königshof wurde der neue Kardinal nicht als bedeutende Figur wahrgenommen; hier verließ man sich noch auf die guten Beziehungen zu dem aus der Gascogne stammenden Papst, dessen Familienmitglieder Untertanen des Herzogs von Aquitanien waren, der ihnen in den vergangenen Jahren immer wieder Gunstbeweise hatte zukommen lassen und die als Nepoten 8 des Pontifex zum Teil englische Pensionen bezogen. Es ist sicher richtig, dass die Bedeutung des Jacques Duèse mit seiner Erhebung zum Kardinalbischof von Porto im April 1313 stieg, so wurde er etwa in die Liste der Adressaten aufgenommen, als der englische König im August 1313 beim Papst für eine Aussöhnung des – mittlerweile verstorbenen – Kaisers mit
5 Trottmann, Christian, Giovanni XXII, in: Enciclopaedia dei papi, 3 Bde., Roma 2000, II, S. 512–522; Röhrkasten, Jens, Die Päpste und das englische Königreich im frühen 14. Jahrhundert, in: Zentrum und Netzwerk. Kirchliche Kommunikationen und Raumstrukturen im Mittelalter, hg. v. Drossbach, Gisela und Schmidt, Hans-Joachim (Scrinium Friburgense 22), Berlin/New York 2008, S. 127–181. 6 Renouard (Anm. 1), S. 133–138. 7 Foedera, Conventiones, Litterae et cuiuscunque generis Acta Publica inter Reges Angliae et alios quosvis Imperatores, Reges, Pontifices, Principes, vel Communitates, hg. v. Rymer, Thomas, 4 Bde., 5. Aufl. hg. v. Clarke, Adam, Holbrooke, Frederick und Caley, John, London 1816–69, II, S. 196f., 200. 8 Foedera (Anm. 7), I/2, S. 978, 981, 1017; II, S. 7, 69, 94, 195, 208, 235; The Liber Epistolaris of Richard de Bury, hg. v. Denholm-Young, Noel (Roxburghe Club 195), Oxford 1950, Nr. 31; Calendar of Patent Rolls 1313–17 (Anm. 8), S. 79, 83.
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seinen italienischen Widersachern eintrat, doch Empfänger einer englischen Pension scheint er im Gegensatz zu den mit Clemens V. verwandten Kardinälen nie gewesen zu sein. Noch im Februar 1314, als der englische König an der Kurie zugunsten des hochrangigen Kronbeamten John de Sandale intervenierte, der bis zum Bischof von Winchester aufsteigen sollte, war der 10 Kardinalbischof von Porto nicht unter den Empfängern der Bittschrift. Erst mit dem Tod Clemens’ V. am 20. April 1314 scheint Jacques Duèse in 11 das engere Blickfeld der englischen Regierung gekommen zu sein. Selbst als der englische König im Juni 1314 jeden der vierundzwanzig Kardinäle aufrief, die Wahl des neuen Papstes nach Möglichkeit zu beschleunigen, scheint er immer noch auf einen Erfolg der Gascogner gehofft zu haben, denn die Schreiben gingen auch an drei Laien, Verwandte des verstorbenen Papstes, Bertrand de Got, Vicomte von Lomagne und Auvillars, Raimund 12 Guilhem von Budos und Arnald Bernard von Preissac. Die Aufmerksamkeit der englischen Außenpolitik war zum Zeitpunkt dieses Aufrufes allerdings ganz auf Schottland gerichtet, wo seit März die von einer englischen Besatzung gehaltene Burg von Stirling belagert war, nachdem in den vergangenen zwei Jahren bereits eine ganze Reihe schottischer Festungen zurückerobert und ihre englischen Besatzungen vertrieben oder gefangen worden waren. Am Bannockburn in der Nähe von Stirling verlor Eduard II. am 24. Juni 1314 seine Armee im Kampf gegen die Truppen des schottischen Königs Robert I. Nach dieser schweren Niederlage war die unter Eduard I. mühsam aufgebaute Machtposition der englischen Krone in 13 den südlichen Territorien des schottischen Königreichs verloren. Damit ist die politische Lage in England noch nicht vollständig dargestellt, denn außer dem Konflikt mit Schottland bestanden durch schwere Spannungen zwischen dem Monarchen und wichtigen Repräsentanten des Adels auch innenpolitische Probleme, die mindestens zum Teil auf persönliche Schwächen Eduards II. aber auch auf die Notwendigkeit zurückzuführen waren, 9 Foedera (Anm. 7), II, S. 224. 10 Ibid., S. 242. 11 So war er auf der Liste der Empfänger eines Schreibens Ad cardinales et ad alios de credentia super statu Aquitaniae vom 27. 5. 1314, Foedera (Anm. 7), II, S. 247f. 12 Ehrle, Franz, Der Nachlass Clemens’ V. und der in Betreff desselben von Johann XXII (1318–1321) geführte Prozess, in: Archiv für Literatur- und Kirchengeschichte 5 (1889), S. 1–158, hier 104; Foedera (Anm. 7), II, S. 249f. 13 Phillips, Seymour, Edward II, New Haven/London 2010, S. 223–237; Barrow, Geoffrey, Robert Bruce and the Community of the Realm of Scotland, Edinburgh 31988, S. 203–232.
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wirtschaftlich ruinöse Kriegszüge gegen den schottischen König vorzubereiten. Im Herbst 1311 hatte der König seine Zustimmung zu den in London publizierten ‘Ordinances’ geben müssen, in denen Klagen gegen die Regierung zusammengefaßt wurden und die der Macht der Monarchen deutliche 14 Grenzen setzten. Der König war bestrebt, sich dieser Fessel zu entledigen, konnte sich jedoch bis 1322 nicht durchsetzen. Der in seinem eigenen Reich schon seit Jahren mit einer mächtigen politischen Opposition konfrontierte Eduard II. bedurfte dringend der Unterstützung durch die Kurie. Für den am 7. August 1316 gewählten Papst kristallisierten sich drei zentrale Schwerpunkte heraus, auf die er in seinen Beziehungen zum englischen Königreich seine Aufmerksamkeit richtete. Es waren dies 1.) die Bemühungen um die Kontrolle der englischen Kirche, die in erster Linie darin bestanden, päpstliche Provisionen durchzusetzen und den Zugriff auf das erhebliche fiskalische Potential der ‘ecclesia Anglicana’ zu sichern. Während man in der Frage der Besteuerung des Klerus durch die Krone nach den Auseinandersetzungen über die Bulle ‘Clericis laicos’ (1296) eine Lösung gefunden hatte, die in einer päpstlichen Erhebung auf die kirchlichen Einkommen bestand, deren Ertrag mit der weltlichen Gewalt geteilt wurde, kam es zu Interessenkonflikten mit Eduard II., der in Anlehung an die Praxis seiner Vorfahren die lukrativen Pfünden zur Versorgung seiner 15 Beamten beanspruchte. Solche Gegensätze wurden jedoch immer durch Kompromisse gelöst und es kam nie zu einer schweren Störung der Beziehungen von König und Papst. Johannes XXII. mußte sich 2.) mit der desolaten innenpolitischen Situation Englands auseinandersetzen, die sich in drei klar voneinander getrennten Phasen entwickelte: a.) die Regierungszeit Eduards II., in der es bereits kurz nach seinem Amtsantritt im Sommer 1307 zu einer schweren Krise kam, die man 1311 durch die Beschränkung der Autorität des Königs in einem konstitutionellen Rahmendokument, den ‘Ordinances’ zu lösen versuchte, gegen das der Monarch sich jedoch bis zur Außerkraftsetzung 1322 beständig wehrte. Die Regierungszeit endete schließlich nach Bürgerkrieg und Willkürherrschaft in der Absetzung des 14 Prestwich, Michael, A New Version of the Ordinances of 1311, in: Bulletin of the Institute of Historical Research 57 (1984), S. 198–202; id., The Ordinances of 1311 and the Politics of the Early Fourteenth Century, in: Politics and Crisis in Fourteenth-Century England, hg. v. Taylor, John und Childs, Wendy, Gloucester 1990, S. 1–18, befaßt sich auf der Grundlage eines im Archiv der Kathedrale von Durham erhaltenen Entwurfs auch mit der Vorgeschichte der Ordinances; Phillips (Anm. 13), S. 171–180. 15 Pantin, William, The English Church in the Fourteenth Century, Cambridge 1955, S. 13, 16, 55.
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Monarchen 1327; b.) die Minderjährigkeitsregierung seines Sohnes Eduards III., in der die politische Kontrolle von Isabella, der Mutter des jungen Königs und dem in den Waliser Marken begüterten Baron und späteren Grafen Roger Mortimer ausgeübt wurde und c.) der Alleinherrschaft Eduards III., deren Anfangszeit ab Ende 1330 mit den letzten Jahren des Pontifikats Johannes’ XXII. zusammenfällt. Wiederholt nahm der Papst Einfluß auf innenpolitische Abläufe. Allerdings scheint er es bei Ermahnungen und Ratschlägen belassen zu haben, die zuweilen an den König und führende Aristokraten geschickt wurde, ein Verhalten, das Benedikt XII. in seinen Vermittlungsbemühungen der 1330er Jahre noch fortsetzte und das die um einen Ausgleich bemühte Kurie auch nach dem Beginn des Krieges 16 um die französische Krone 1337 noch weiterführte. Diese diplomatischen Bemühungen führten 3.) zu den außenpolitischen Bindungen Englands, unter denen die Beziehungen zu Frankreich und zum schottischen Königreich eine herausragende Stellung einnahmen. Auch in diesem Bereich kam es zu wichtigen Interventionen der kurialen Diplomatie. Eine Zäsur in den Beziehungen der Kurie zum englischen Königreich deutet sich bereits beim ersten Kontakt mit der Kurie nur wenige Wochen nach dem Amtsantritt Johannes’ XXII. an, als Eduard II. die Neubesetzung des irischen Erzbistums Cashel regeln wollte. Zu diesem Zeitpunkt glaubte die bereits über die Wahl informierte englische Regierung noch, den mit Hilfe der befreundeten Gascogner Kardinäle gewählten Papst 17 leicht manipulieren zu können. Ein Eingreifen war dringend notwendig, denn der anglo-schottische Konflikt hatte nach der englischen Niederlage von Bannockburn 1314 auf Irland übergegriffen, wo es bereits seit Generationen Spannungen zwischen den irischen und den nach England hin orientierten anglo-irischen Bevölkerungsgruppen gab, die auch die irische
16 Déprez, Eugène, Les préliminaires de la guerre de cent ans, Paris 1902, S. 104ff., 114–119, 135f., 166–169; McKisack, May, The Fourteenth Century, Oxford 1959, S. 122–125; Plöger, Karsten, England and the Avignon Popes. The Practice of Diplomacy in Late Medieval Europe, London 2005, S. 205–208. 17 Foedera (Anm. 7), II, S. 294f., vom 20. August 1316, mit der Bitte, den Wunsch des Königs dem Papst zu unterbreiten; am 16. September schreibt Eduard II. an die Nepoten Clemens’ V., er habe von der Wahl des Papstes erfahren, de creatione sanctissimi in Christo patris, domini J., Divina Providentia, summi Pontificis, rumor ad nos paulo prius pervenerat, ibid., S. 297. Bombi, Barbara, Il registro di Andrea Sapiti, procuratore alla curia avignonese (Ricerche dell’Istituto Storico Germanico di Roma 1), Roma 2007, S. 28.
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Kirche einschließlich der religiösen Orden erfaßten. Der schottische König Robert I. machte sich diese Situation zunutze, indem er im März 1315 eine von seinem Bruder Eduard geleitete Invasion Irlands begann, die als Zusammenschluß der Kelten gegen die englischen Invasoren breiten Zulauf auf der Insel fand. Nach mehreren Siegen über die anglo-irischen Milizen wurde 19 Eduard Bruce im Mai 1316 zum König von Irland gekrönt. Die in Irland weitgehend handlungsunfähige englische Regierung wollte also sofort nach der Papstwahl durch die Ernennung eines loyalen englischen Franziskaners zum Erzbischof von Cashel ihre Präsenz auf der Insel konsolidieren und gleichzeitig der eignenen Opposition zeigen, dass der Erosion königlicher Autorität mit Hilfe der Kurie Einhalt geboten wurde. Der englischen Bittschrift blieb allerdings der Erfolg versagt und der Eindruck einer deutlichen Veränderung in den Beziehungen entsteht auch durch die Reaktion des neuen Papstes auf die zunächst noch den Kardinälen vorgetragene Bitte des englischen Königs, den neu gewählten Erzbischof von York in seinem Amt zu bestätigen. Der zur Bestätigung Vorgeschlagene, William Melton, hatte sich im Haushalt des Kronzprinzen und späteren Königs als Verwalter hochgedient. Nach seiner von Eduard II. betriebenen Wahl im Januar 1316 begab er sich nach Avignon, um dort die Weihen zu empfangen. Es mag nicht verwundern, dass er in der Zeit der Vakanz keine Fortschritte an der Kurie machte, doch auch nach der Wahl der neuen Papstes mußte er noch bis zum September 1317 warten – trotz einer Reihe eindringlicher Bittschriften des englischen Königs, die zunächst noch an die Kardinäle, am 6. November 1316 und dann im Februar, Juni und Juli 1317 jedoch an den 20 neuen Papst adressiert waren. Bis zu diesem Zeitpunkt war es in England zu fünf weiteren Bistumsbesetzungen gekommen, bei denen drei der Prälaten von Johannes XXII. providiert worden waren. Der am 15. Mai 1317 auf das vakante Bistum Hereford providierte Adam Orleton stand zwar im Dienst Eduards II. und war bedeutend genug, als Mitglied der ersten Gruppe englischer Gesandter zu Johannes XXII. geschickt zu werden, doch seine Erhebung zum Bischof von Hereford geschah gegen den Willen des Königs und sein Biograph Roy Martin Haines betont, dass der Monarch dem Kathedralkapitel die Wahl seines eigenen Kandidaten befahl und seinem 18 Cotter, Francis, The Friars Minor in Ireland from their Arrival to 1400 (Franciscan Institute Publications. History Series 7), New York 1994, S. 32–42; McKisack (Anm. 16), S. 42. 19 Ibid., S. 43; Frame, Robin, The Bruces in Ireland, 1315–1318, in: Irish Historical Studies 19 (1974), S. 3–37. 20 Foedera (Anm. 7), II, S. 296, 300, 305, 314, 332, 337; Hill, Rosalind, William Melton, in: Oxford Dictionary of National Biography, odnb/18538.
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Gesandten die Annahme des Bistums verbot. Johannes XXII. hielt jedoch an seiner Entscheidung fest. Einem unentschlossenen und oft überreagierenden König gegenüber bewies der Papst bei seinen Provisionen Beständigkeit und schuf so eine neue Situation: „It was the reign of Edward II that was the turning point in the development of the provision of bishops“, wie 22 der englische Kirchenhistoriker William Pantin 1955 formulierte. Dem Rechtsgelehrten Orleton, der seit Dezember 1307 als Gesandter Eduards II. an der Kurie und am französischen Hof das Vertrauen des Monarchen genoß, könnte der spätere Papst zuerst 1311 auf dem Konzil von Vienne 23 begegnet sein. Seine Entscheidung, den königlichen Gesandten auf die Kathedra von Hereford zu erheben, ist jedenfalls ein eindeutiges Zeugnis hoher Wertschätzung und dieses Urteil des Papstes änderte sich auch nicht als sich der Bischof 1322 der politischen Opposition in England anschloß und schließlich maßgeblich am Sturz des Monarchen beteiligt war. Nach dem Staatsstreich wurde er vom Papst auf das gerade vakante Nachbarbistum Worcester versetzt. Eine erneute Versetzung 1333, diesmal in das reiche Bistum Winchester, fand gegen den Willen Eduards III. statt, der auf die Entscheidung Johannes’ XXII. allerdings gemäßigt reagierte. Die Zunahme päpstlicher Provisionen bedeutete nicht, dass königliche Wünsche bei Bistumsbesetzungen in den Anfangsjahren des Pontifikats 24 ignoriert wurden. Im Fall der Ernennung des französischen Aristokraten Lewis de Beaumont zum Bischof von Durham im Februar 1317 hatte Eduard II. zwar einen eigenen Kandidaten, doch Beaumont, ein Vetter der Königin Isabella, der bereits seit 1285 Pfründen in England besaß, wurde schließlich 25 vom königlichen Paar gemeinsam unterstützt. Auch im Fall des Thomas Cobham, der im März 1317 ernannt wurde, handelte der Papst nicht gegen den Willen des englischen Königs. Cobham, ein verdienter Kronbeamter, erhielt das Bistum Worcester gleichsam als Entschädigung für seinen Mißer21 Haines, Roy Martin, Adam Orleton, in: Oxford Dictionary of National Biography, odnb/96; id., The Church and Politics in Fourteenth-Century England. The Career of Adam Orleton, c. 1275–1345 (Cambridge Studies in Medieval Life and Thought, 3rd ser. 10), Cambridge 1978, S. 17. 22 Pantin (Anm. 15), S. 54. 23 Haines, Church and Politics (Anm. 21), S. 12. 24 Deeley, Ann, Papal Provision and Royal Rights of Patronage in the Early Fourteenth Century, in: English Historical Review 43 (1928), S. 497–527; Smith, Waldo, Episcopal Appointments and Patronage in the Reign of Edward II. A Study in the Relations of Church and State, Chicago 1938, S. 9f., 22–45. 25 Fraser, Constance, Louis de Beaumont, in: Oxford Dictionary of National Biography, odnb/1880.
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folg in der Erzdiözese Canterbury, wo er zwar gewählt worden war, aber 26 dem Kandidaten Eduards II. hatte weichen müssen. Für die 1320 vakante Diözese Lincoln sah der englische König erst den Oxforder Gelehrten Antony Bek vor, änderte dann aber seine Meinung zugunsten von Henry Burghersh, dem Neffen seines Höflings Bartholomew de Badelesmere, der in dieser Zeit noch zum inneren Kreis um den König gehörte. Burghersh erhielt das reiche Bistum Lincoln mit Hilfe des Königs, wurde jedoch schon wenige Jahre später einer der Protagonisten der Opposition, nachdem es zum Bruch zwischen Badelesmere und Eduard II. gekommen war. Badelesmere schloß sich der Adelsopposition an und wurde durch eine besonders 27 grausame Hinrichtung bestraft. Auch im Fall der Neubesetzung des südenglischen Bistums Rochester 1317–1319 sah sich Johannes XXII. mit zwei Kandidaten konfrontiert, einerseits Hamo Hythe, der die Mehrheit des Kapitels hinter sich hatte und andererseits Königin Isabellas Kaplan, für den der Papst das Bistum reserviert hatte. Diese Uneinigkeit war sicher ein wichtiger Grund für die Tatsache, dass die Entscheidung über die Besetzung in Avignon fiel, wo Hythe von Kardinal Wilhelm Testa und vermutlich auch von Andrea Sapiti, dem englischen Prokurator an der Kurie Hilfe 28 erhielt, obwohl letzterer eigentlich ein Vertrauter Königin Isabellas war. Die Intensivierung päpstlichen Einflusses war zwar spürbar, so wurde etwa 1319 der päpstliche Steuereintreiber Rigaud de Asserio zum Bischof von Winchester geweiht, doch es bestand kein automatischer Gegensatz zwischen Papst und Monarchen, denn es wurden 1. nicht alle englischen Bistümer reserviert und 2. stand es Eduard II. frei, seine Wünsche an der 29 Kurie kund zu tun und seine Interessen dort vertreten zu lassen. Hierbei zeigte der Monarch allerdings wenig Geschick. Bistumsbesetzungen nach dem Sturz Eduards II. im Oktober 1326 scheinen reibungsloser verlaufen zu sein. Kandidaten des Papstes und der 26 Haines, Roy Martin, Thomas Cobham, in: Oxford Dictionary of National Biography, odnb/5745. 27 Phillips (Anm. 13), S. 411. 28 Buck, Mark, Hamo Hythe, in: Oxford Dictionary of National Biography, odnb/37508; Haines, Roy Martin, Bishops and Politics in the Reign of Edward II: Hame de Hethe, Henry Wharton, and the ‘Historia Roffensis’, in: Journal of Ecclesiastical History 44 (1993), S. 586–609, hier 594, 598. 29 Wright (Anm. 4), S. 71; Schmitz, Marianne, Lebens- und Arbeitsweise zweier südfranzösischer Kollektoren in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts in England, Frankfurt a. M. 1993, S. 40–43, hält Rigaud d’Assier sogar für einen Kandidaten Eduards II., den der König in geschicktem diplomatischen Schachzug vom Papst habe providieren lassen.
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jeweiligen politischen Führung – bis November 1330 der Königin Isabella und danach Eduards III. – setzten sich ohne Widerstand durch. Als 1329 bei der Besetzung des Bistums Bath und Wells der Kandidat Isabellas benachteiligt wurde, erhielt dieser wenige Monate später das nächste vakante 30 Bistum. Ebenso ging es 1333, als Johannes XXII. bei der Neubesetzung des Bistums Winchester seinen Kandidaten dem des Königs, Simon Montagu, vorzog. Montagu, der jüngere Bruder von William Montagu, einem engen Vertrauten des jungen Monarchen, wurde noch im gleichen Jahr zum Bischof von Worcester erhoben, ein Zeichen königlicher Gunst für die von der Familie geleisteten Dienste. Es war der ältere Bruder, William Montagu, gewesen, der in den Jahren nach der Machtergreifung Isabellas und ihres Gefährten Roger Mortimer einen direkten Kontakt zwischen dem jungen Monarchen und dem Papst ermöglichte. Da alle Korrespondenz im Namen Eduards III. gesandt wurde, war es an der Kurie nicht ohne weiteres möglich, die Schreiben der Machthaber von denen des jungen Monarchen zu unterscheiden, in dessen Namen regiert wurde. So wurde vereinbart, dass direkt vom König stammende Briefe von diesem eigenhändig mit den 31 Worten Pater sancte signiert würden. Der ältere Montagu war im Oktober 1330 auch an der dramatischen Entmachtung Mortimers führend beteiligt, einem Staatsstreich, der mit der Verhaftung des mittlerweile zum Grafen aufgestiegenen Machthabers in der Burg von Nottingham am 19. November 1330 begann und mit dessen Hinrichtung nach einem politischen Prozeß in 32 London wenige Tage später endete. Wie bei der Entmachtung Eduards II.
30 Lepine, David, Ralph Shrewsbury, in: Oxford Dictionary of National Biography, odnb/23058; Haines, Roy Martin, Robert Wyville, in: Oxford Dictionary of National Biography, odnb/95046. 31 Per idem tempus misit rex nuntios, videlicet dominos Willelmum Montagu, Bartholomaeum de Borhasse et alios, ad summum pontificem pro regni negotiis; et inter cetera concessit papa domino regi decimam quatuor annorum de ecclesia Anglicana. Annales Paulini, in: Chronicles of the Reigns of Edward I and Edward II, 2 Bde., hg. v. Stubbs, William (Rolls Series 76), London 1882– 1883, I, S. 348; Ormrod, Mark, The Reign of Edward III. Crown and Political Society in England 1327–1377, New Haven/London 1990, S. 52. Die Kosten der Mission wurden 1331 mit der Bank der Bardi abgerechnet, The National Archives, London, E101/127/27; McKisack (Anm. 16), S. 101. 32 Der Leichnam Mortimers wurde zunächst im Londoner Franziskanerkloster bestattet und ein Jahr später der Familie übergeben. The Anonimalle Chronicle 1307 to 1334, hg. v. Childs, Wendy und Taylor, John (The Yorkshire Archaeological Society, Record Series 147), Leeds 1991, S. 144; abweichend wird als zeitweilige Grabstätte auch das Franziskanerkloster in Coventry angege-
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im Herbst 1326 stellt sich auch hier die Frage, ob der Papst in die Pläne der Verschwörer eingeweiht war. Dazu ist festzustellen: Über die Vorgänge in England in dieser Zeit war der Papst gut informiert. Die Nachricht von der Hinrichtung des Grafen von Kent, des Halbbruders Eduards II. am 19. März 1330 ließ man ihm in einer Zeit intensiver diplomatischer Kontakte bereits 33 fünf Tage später zukommen. Edmund von Woodstock, Graf von Kent, hatte sich 1326 auf die Seite der Verschwörer gegen Eduard II. geschlagen, war jedoch als Angehöriger der königlichen Familie eine Gefahr für die neuen Machthaber. Es kam das Gerücht auf, der abgesetzte, ermordete und am 20. Dezember 1327 in der Kirche der Benediktinerabtei von Gloucester beigesetzte König sei noch am Leben und Edmund von Kent erklärte sich bereit, an dessen Befreiung mitzuwirken. Es ist vermutet worden, Isabella und Roger Mortimer hätten dem Grafen eine Falle gestellt, denn er wurde 34 verhaftet und vor dem in Winchester versammelten Parlament verhört. Hier sagte er aus, der Papst selbst habe die Befreiung Eduards II. initiiert, eine Behauptung, die durch keine Quelle zu belegen ist, obwohl noch später das Gerücht umging, Eduard II. sei entkommen und habe sogar noch inkog35 nito eine Audienz bei Johannes XXII. erhalten. Eine Reaktion des Papstes auf die Nachricht von der Hinrichtung des Grafen von Kent scheint erst im September erfolgt sein. Im Antwortschreiben erklärte Johannes XXII. sein Erstaunen über die Annahme, man könne glauben, er sei davon zu überzeugen gewesen, eine bereits beigesetzte Person, d. h. Eduard II., sei noch 36 am Leben. Die Nachricht von der Entmachtung Mortimers scheint an der Kurie kaum für Überraschung gesorgt zu haben. Das läßt sich aus einem im November nach England gesandten Brief schließen, in dem mitgeteilt wurde, dass der Papst von den Vorgängen in der Burg von Nottingham durch Kaufleute erfahren habe. Johannes XXII. lobte den jungen englischen Monarchen für die gute Behandlung Isabellas, der eine Pension ausgesetzt 37 wurde, und ermahnte ihn, auch seinen anderen Ratschlägen zu folgen. Von geringerer politischer Brisanz waren die zahlreichen anderen päpstlichen Pfündenbesetzungen in England. Auch hier wird schon 1316 die
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ben: Syllabus in English of Rymer’s Foedera, hg. v. Hardy, Thomas Duffus, 3 Bde., London 1885, III, S. 263. Calendar of Entries in the Papal Registers Relating to Great Britain and Ireland. Papal Letters, Bd. II, A.D. 1305–1342, hg. v. Bliss, William, London 1895, S. 254. McKisack (Anm. 16), S. 100. Phillips (Anm. 13), S. 565, 582f. Calendar (Anm. 33), S. 499. Ibid., S. 498.
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vom Papst ausgeübte Kontrolle spürbar, allerdings war sie nicht absolut. Der Einfluß des Monarchen blieb bestehen und einzelne Bischöfe bekamen das Recht der Providierung bestimmter Pfründen. Robert Wrights Studie über die englische Kirche in der Frühphase des avignonesischen Papsttums hat gezeigt, dass die höchste Zahl päpstlicher Providierungen im ersten 38 Pontifikatsjahr Johannes’ XXII. vorgenommen wurde. Zu fragen ist allerdings nicht nur nach den absoluten Zahlen, sondern auch nach der Identität der Petenten, denn hier zeigt sich, wer über die Kurie Einfluß auf die Kirche in England nehmen konnte. Für die Jahre 1317 und 1318 erscheint mehrfach Aymer de Valence, Graf von Pembroke, als Fürsprecher, denn er konnte, begleitet von den Bischöfen von Norwich und Ely, als Gesandter 39 des englischen Königs direkt an der Kurie vorsprechen. Der Besuch an der Kurie bot auch für den Höfling Bartholomew de Badelesmere die Gele40 genheit, um eine Pfründe für einen Verwandten zu bitten. Auch der Graf von Savoyen, ein Verwandter der Plantagenets, dessen Hilfe in Anspruch genommen wurde, um einen ersten Kontakt der englischen Gesandten mit dem neuen Papst herzustellen, konnte für zwei Vertraute Kanonikate in 41 Beverley und Southwell erbitten. Noch intensiver waren die Beziehungen zu König Robert von Sizilien, dessen Einfluß an der Kurie sich die englische Regierung immer wieder nutzbar machen wollte, wie die Korrespondenz vom April 1317, vom Juli und August 1318, vom Juni 1319 und vom August 1321 zeigt, als Eduard II. sogar versuchte, seinen Vertrauten Roger de Northburgh zum Kardinal kreieren zu lassen, ein Unterfangen, das mißlang: 42 unter Johannes XXII. wurde kein Engländer zum Kardinal kreiert. Sowohl König Robert wie auch Königin Sanchia treten 1321 und 1323 mehrfach als Petenten für Provisionen auf englische Pfründen auf, wobei es allerdings immer um die Versorgung eines offensichtlich aus England stammenden 43 Verwalters am Hof von Neapel ging. Abgesehen von derartigen politischen Gefälligkeiten, deren Durchführung nur schwer zu verifizieren ist, sind die von Eduard II. und seiner Gemahlin Isabella selbst ausgehenden Petitionen zu beachten. Hier ist zu beobachten, dass Isabella auch dann noch Einfluß an der Kurie nehmen konnte, als sie England verlassen und sich an die Spitze der Opposition gestellt hatte. Bis 1323, dem Jahr, in dem 38 39 40 41 42
Wright (Anm. 4), S. 50–67. Calendar (Anm. 33), S. 141, 143ff., 147, 149, 192; Foedera (Anm. 7), II, S. 302. Ibid., S. 180. Ibid., S. 161f. Ibid., II, S. 369, 399, 452f.; Calendar of Close Rolls 1313–1318, London 1893, S. 466; Calendar of Close Rolls 1318–1323, London 1895, S. 98. 43 Calendar (Anm. 33), S. 172, 175f.
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sie sich vom Hof und ihrem Gemahl immer mehr entfernt, trat sie siebenmal als Petentin für Kanonikate und niederigere Pfründen auf, ab 1323 und in der Zeit ihrer Abwesenheit, die zum Komplott gegen Eduard II. genutzt wird, dagegen vierzehnmal. In der kurzen Zeit zwischen Oktober 1326 und Oktober 1330, in der sie im Namen ihres Sohnes regierte, erscheint sie dann elfmal, auch nach ihrer Entmachtung 1330 konnte die carissima mater regis in den verbleibenden Jahren des Pontifikats noch fünf Petitionen einreichen. Das Schema Eduards III. ist dagegen völlig anders. Hatte er in der Zeit seiner Minderjährigkeitsregierung achtundzwanzig Petitionen auf päpstliche Provisionen eingereicht, so erhöhte sich diese Zahl in den Jahren 1331 bis 1334 auf einhundertundzehn, nicht eingerechnet solche, die gleichzeitig von anderen Petenten unterstützt wurden. Wertvolle Pfründen wurden zur Versorgung von Kronbeamten gebraucht und herangezogen. Seine Gemahlin Königin Philippa konnte diese Resourcen ebenfalls für Angehörige ihres Haushalts einsetzen, reichte bei der Kurie allerdings nur insgesamt zweiunddreißig Eingaben ein. Die Berücksichtigung der Wünsche des Königs bei Providierungen war nur ein Aspekt der Zusammenarbeit zwischen der englischen Regierung und Johannes XXII. Die Interessenkongruenz zwischen den beiden Parteien war stabil und überdauerte zeitweilige Auseinandersetzungen wie auch die innenpolitischen Wirren in England, die 1326–1327 und 1330 zu Regierungswechseln führten. Gut zu beobachten ist dies im bereits von William Lunt eingehend untersuchten Bereich der Steuern, der hier kurz zusammenfassend dargestellt werden kann. Die Steuerabgaben des englischen Klerus an die Kurie bestanden aus verschiedenen Elementen, hauptsächlich dem Peterspfennig, dem seit 1213 geschuldeten königlichen Tribut, Subsidien sowie Zehnten. Zu Beginn des Pontifikats Johannes’ XXII. waren die von der englischen Krone seit 1213 geschuldeten Lehenstribute schon seit 44 1289 nicht mehr bezahlt worden. Der Papst verweigerte die von Eduard II. erbetene Stornierung der Zahlungsverpflichtung, erklärte sich jedoch bereit, dem König ein Darlehen aus dem gerade vom englischen Klerus erhobenen Zehnten zu gewähren. Eduard II. verpflichtete sich, die ausstehenden Tributzahlungen zu leisten und legte tatsächlich einen Zahlungsplan vor, der allerdings nicht eingehalten wurde. Auch wenn vereinzelte Zahlungen erfolgten, fand doch in seiner Regierungszeit nach 1320 keine weitere Überweisung der den festen Satz von 1000 Mark Silber betragenen 45 Summe mehr statt. Im Januar 1330 setzte der Papst die geforderte Summe 44 Calendar (Anm. 33), S. 166f. 45 Foedera (Anm. 7), II, S. 326; Calendar (Anm. 33), S. 140.
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auf die Hälfte herab, erinnerte den noch unter der Kontrolle seiner Mutter stehenden jungen König aber daran, dass die Rückstände sich mittlerweile auf 30.000 Mark Sterling beliefen. Im April 1330 wurde die Firma der Bardi 46 noch einmal mit einer Zahlung beauftragt. Die Versuche Johannes’ XXII. den Peterspfennig zentral durch päpstliche Steuereinnehmer zu erheben, scheiterte 1318 am Widerstand der englischen Kirche, die dabei von Eduard II. unterstützt wurde. In England zog man die Erhebung durch örtliche 47 Instanzen vor, die jeweils am Ertrag beteiligt wurden. Von eher geringerer Bedeutung waren die im Mai 1326 von Johannes XXII. geforderten Subsidien, da sie vom Klerus abgelehnt wurden und nur einige Prälaten 48 versuchten, sie durch kleinere freiwillige Zahlungen abzugelten. Wichtig dagegen waren die noch unter Eduard I. erhobenen Kreuzzugsabgaben, deren Rückstände noch weit bis in das 14. Jahrhundert hinein erhoben wurden, sowie die dem englischen Klerus von der Kurie und vom Konzil von Vienne auferlegten Zehnten. An dieser Art der Besteuerung des Klerus 49 partizipierte die Krone seit 1309. Die Einnahmen aus den der englischen Kirche auferlegten Steuern waren von großer Bedeutung für die Regierung Eduards II., der bereits von seinem 50 Vater große Schulden geerbt hatte. Beim Amtsantritt Johannes’ XXII. war die englische Krone durch die Kosten des Krieges mit Schottland in einer solchen finanziellen Notlage, dass die Regierung sogar dazu überging, Freiheitsbriefe an Städte in der Gascogne zu verkaufen. Der Papst erklärte sich zur Hilfe bereit und gewährte Eduard II. Darlehen aus dem Steuer51 aufkommen des englischen Klerus. So befahl der Papst im Mai 1319 dem Klerus der Provinz Canterbury, die fälligen Abgaben an die Krone zu leisten und im Dezember des gleichen Jahres überließ er Eduard II. eine weitere 52 Tranche des Zehnten. Auch als der Papst 1317 die Annaten aller vakanten Pfründen und Benefizien Englands forderte – ein Jahr bevor diese Praxis auf die gesamte Kirche ausgedehnt wurde – war die englische Krone mit 50% 46 Lunt, William, Financial Relations of the Papacy with England to 1327, Cambridge, MA 1939, S. 170; Foedera (Anm. 7), II, S. 789; The National Archives London, E101/127/26 m 2. 47 Lunt (Anm. 46), S. 64ff. 48 Ibid., S. 238. 49 Ibid., S. 366, 379f. 50 Phillips (Anm. 13), S. 191. 51 Lunt (Anm. 46), S. 402ff.; Brown, Elizabeth, Gascon Subsidies and the Finances of the English Dominions, 1315–24, in: Studies in Medieval and Renaissance History 8 (1971), S. 33–146, hier 63f., 108. 52 Lunt (Anm. 46), S. 407ff.
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am Ertrag beteiligt. Nicht ohne Grund beklagte sich Adam Murimuth, englischer Gesandter an der Kurie und Chronist, die Engländer würden den 54 päpstlichen Steuerforderungen sicut boni asini nachkommen. Dieser Eindruck robuster und konstruktiver Beziehungen Johannes’ XXII. zum englischen Königreich zumindest in der ersten Phase des Pontifikats wird auch durch gelegentliche Unstimmigkeiten nicht wesentlich beeinträchtigt. Als sich Eduard II. im Oktober 1316 eine päpstliche Intervention bei den königlichen Eigenkapellen (royal free chapels) verbat, versprach der Papst, den Sonderstatus dieser Kirchen künftig respektieren zu wollen, ein 55 Versprechen, das bereits auf Innozenz IV. zurückging. Akzeptiert wurde dagegen das Eingreifen des Papstes in der Frage der Templerbesitzungen, die gemäß den Bestimmungen des Konzils von Vienne an die Johanniter übertragen werden sollten. In England war dies offiziell im November 1313 geschehen, doch es waren noch zahlreiche Liegenschaften im Besitz 56 adliger Familien verblieben. Im März 1317 wies der Papst die beiden mit einer Gesandtschaft nach England betrauten Kardinallegaten an, englische Adlige zur Herausgabe derartiger Güter an die Johanniter zu zwingen, drei Jahre später wandte er sich aus dem gleichen Grund direkt an den Grafen Thomas von Lancaster, den Cousin und Gegner Eduards II. und im Mai 1322 verkündete er die Übertragung aller betroffenen Ländereien an den 57 Orden. Die königliche Regierung reagierte, indem sie im November 1323 alle im Krongericht der Common Pleas gegen die Johanniter angestrengten Prozesse aussetzte und im folgenden Jahr schließlich ein Gesetz erließ, in
53 Calendar (Anm. 33), S. 414. 54 Adae Murimuth, Continuatio Chronicarum (Anm. 2), S. 28; Eckert, Thomas, Nichthäretische Papstkritik in England vom Beginn des 14. bis zur zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, in: Annuarium Historiae Conciliorum 23 (1991), S. 116–359, hier 160. 55 Foedera (Anm. 7), II, S. 297, 322. Jones, William, Patronage and Administration: the King’s Free Chapels in Medieval England, in: Journal of British Studies 9 (1969), S. 1–23, hier 6, 14; Denton, Jeffrey, English Royal Free Chapels 1100–1300. A Constitutional Study, Manchester 1970, S. 147. 56 Perkins, Clarence, The Wealth of the Knights Templars in England and Their Disposition of it After Their Dissolution, in: American Historical Review 15 (1910), S. 252–263, hier 259; Leys, Agnes, The Forfeiture of the Land of the Templars in England, in: Oxford Essays in Medieval History presented to Herbert Edward Salter, hg. v. Powicke, Frederick Maurice, Oxford 1934, S. 155–163, hier 160f.; Foedera (Anm. 7), II, S. 236f. 57 Calendar (Anm. 33), S. 131f., 424; Foedera (Anm. 7), II, S. 487.
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dem alle Ansprüche Dritter für nichtig erklärt wurden. Andere Themen in dem regen diplomatischen Austausch zwischen Kurie und englischem Königshof waren die erstmals 1305 noch von Eduard I. angeregte Heiligsprechung des Thomas Cantilupe, Bischofs von Hereford, die schließlich 1320 stattfand oder die Erhebung der Universität Cambridge zum studium 59 generale im Jahr 1318. In die außenpolitischen Probleme Englands versuchte Johannes XXII. vermittelnd einzugreifen, um in Westeuropa ein stabiles politisches System zu schaffen. Dazu brauchte er ein im Inneren gefestigtes englisches Königreich, dessen außenpolitische Interessen ausgeglichen waren. Folgerichtig war Johannes XXII. bestrebt, als Vermittler zu wirken, der im anglo-schottischen Konflikt sogar für die englische Position gewonnen werden konnte und vom schottischen König Robert Bruce als qui regnum Scotiae gubernat ad 60 praesens sprach. Die von seinem Neffen, dem Kardinal Gaucelin, geführte Gesandtschaft, die 1317 und 1318 England und Schottland besuchte, war autorisiert, diejenigen zu exkommunizieren, die das englische Königreich angriffen und die bereits im Frühjahr 1317 angedrohte Exkommunikation des schottischen Königs wurde im Mai 1318 angeordnet und im Sommer 1318 auch vollzogen, nachdem er die Stadt Berwick trotz eines Waffenstill61 standes erobert hatte. Damit kam Johannes XXII. den Wünschen Eduards II. entgegen, doch eine aufsehenerregende Episode auf der Reise der Legaten zeigt, dass der päpstlichen Diplomatie auch enge Grenzen gesetzt waren. Auf ihrem Weg nach Schottland wollten die beiden Kardinäle auch den im Februar 1317 zum Bischof von Durham providierten Lewis de Beaumont weihen, wurden auf ihrer Reise im Norden Englands jedoch überfallen und beraubt. Eine Untersuchung der Hintergründe dieser Tat zeigt, dass es dabei durchaus politische Motive gab, denn bei den beiden Hauptverantwortlichen handelte es sich um Sir Gilbert de Middelton und Sir John de Lilburn, zwei zum Haushalt Eduards II. gehörende Ritter. Die Vorgänge bezeugen einerseits die Außenseiterrolle der Beaumonts im Norden Englands, doch ebenso schwerwiegend wird die Tatsache gewesen sein, dass sich Landbesitzer in Nordengland – allen voran Graf Thomas von Lancaster – mit dem schottischen König Robert Bruce arrangierten, um plötzlichen Angriffen 62 schottischer Truppen auf ihre Ländereien zu entgehen. Wie das Beispiel 58 59 60 61 62
Calendar of Close Rolls 1323–1327, London 1898, S. 42; Leys (Anm. 56), S. 162. Phillips (Anm. 13), S. 62; Foedera (Anm. 7), I, S. 976; Calendar (Anm. 33), S. 199. Foedera (Anm. 7), II, S. 318. Barrow (Anm. 13), S. 247; Foedera (Anm. 7), II, S. 364. Item eodem anno, circa festum beatae Mariae Virginis, domini Gaucelinus tituli Sanctorum Martii, Marcellini et Petri presbiter, et Lucas de Flisco tituli
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des Überfalls auf die Kardinäle zeigt, bestanden interne regionale Netzwerke, deren Einfluß von Avignon aus schwer einzuschätzen war. Man darf davon ausgehen, dass Johannes XXII. sich über die Grenzen seines Einflusses bewußt war. Die Exkommunikation des schottischen Königs wurde von der englischen Regierung mit erheblichem Aufwand an Mitteln der Diplomatie betrieben. Dem hatte das Königreich der Schotten nur wenig entgegezusetzen, da enge diplomatische Beziehungen kostspielig und auch logistisch nur schwer zu realisieren waren. Der schottische Standpunkt wurde im April 1320 im Kloster von Arbroath auf einer Zusammenkunft der führenden schottischen Adligen formuliert. Das Dokument mit seinen Anklagen gegen Eduard I. und der Forderung nach Freiheit von äußerer 63 Bedrohung war an Johannes XXII. adressiert. Dieser Ausdruck von Solidarität mit ihrem König mag dem Papst gezeigt haben, dass die Exkommunikation Roberts I. nicht die Lösung des Problems in den Beziehungen der beiden Monarchien auf den Britischen Inseln war. Das Ziel des Papstes blieb ein zum Friedensschluß führender Ausgleich zwischen beiden Köni64 gen. Nach mehreren erfolgreichen schottischen Invasionen bahnte sich der Ausgleich erst im Mai 1323 in Form eines Waffenstillstandes an, der die 65 Kriegshandlungen für den Rest der Regierungszeit Eduards II. beendete. Sancti Mariae in Via Lata diaconus, cardinales, itinerantes versus Dunelmum pro consecratione domini Lodewyci de Bellommonte in episcopum dicti loci, spoliati fuerunt per praedones, tam de vectura sua quam de auro, pecunia et jocalibus preciosis. Gesta Edwardi de Carnavan, in: Chronicles of the Reigns of Edward I and Edward II (Anm. 31), II, S. 52; Davies, James, The Baronial Opposition to Edward II. Its Character and Policy. A Study in Administrative History, Cambridge 1918, S. 110; Phillips (Anm. 13), S. 299. 63 Duncan, Archibald, The Nation of Scots and the Declaration of Arbroath (1320), London 1970, S. 34–37; Hill, Rosalind, Belief and Practice as Illustrated by John XXII’s Excommunication of Robert Bruce, in: Popular Belief and Practice. Papers Read at the Ninth Summer Meeting and the Tenth Winter Meeting of the Ecclesiastical History Society, hg. v. Cuming, Geoffrey und Baker, Derek, Cambridge 1972, S. 135–138. 64 Foedera (Anm. 7), II, S. 432ff., 438, 443, 476, 492; Calendar of Patent Rolls 1313–17, London 1898, S. 554; Calendar of Patent Rolls, 1321–1324, London 1904, S. 281. 65 Foedera (Anm. 7), II, S. 521; McKisack (Anm. 16), S. 76; Lettres Secrètes et Curiales du pape Jean XXII (1316–1334) relatives à la France, hg. v. Coulon, Auguste (Bibliothèque des Écoles Françaises d’Athènes et de Rome, 3e série I/4), Paris 1906, Nr. 1907, Sp. 434f.; Calendar (Anm. 33), S. 457; Syllabus (Anm. 32), III, S. 224: Johannes XXII. rechtfertigt sich gegenüber Eduard II. für die Verwendung des Königstitels in seinen Verhandlungen mit Robert Bruce.
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Es blieb in dieser Zeit allerdings die Bedrohung aus dem Norden, deren Gefahr mit dem Ausbruch des Krieges zwischen England und Frankreich 1324 wuchs, denn im April 1326 schlossen Karl IV. von Frankreich und 66 Robert Bruce im Vertrag von Corbeil ein Militärbündnis. Eine Reaktion des Papstes auf diese strategische Allianz liegt nicht vor, Johannes XXII. war in den folgenden Monaten weiterhin bemüht, einen Ausgleich zwischen dem englischen Königspaar herbeizuführen und einen Frieden Eduards II. 67 mit Frankreich zu erreichen. Der anglo-schottische Friedensschluß von 1328 kam ohne päpstliches Zutun zustande. Er war ein Zeichen der politischen und militärischen Schwäche Englands in den Monaten nach der Absetzung Eduards II. und mußte mit der Anerkennung der Unabhängigkeit des schottischen Königreiches und einem Heiratsbündnis erkauft werden, eine Lösung, die gegen den Willen des jungen und noch unmün68 digen Königs gefunden wurde. Eine grundlegende Veränderung des anglo-schottischen Verhältnisses trat 1329–1330 aus zwei Gründen ein, dem Tod Roberts I. am 7. Juni 1329 und der Entmachtung des Roger Mortimer und seiner Regierung, die den von Eduard III. als schändlich angesehenen Frieden geschlossen hatte. Zwar war Eduard III. anfangs nicht in der Lage, offen gegen den neuen schottischen Herrscher David II. vorzugehen, doch er unterstützte einen Rivalen, Eduard Balliol, dem die Gelegenheit gegeben wurde, von England aus in das nördliche Königreich einzufallen. Nach einem Sieg nordenglischer Barone über die Schotten 1332 bei Dupplin Moor trat der englische Herrscher offen auf und organisierte einen Feldzug nach Norden, der in einem 69 Sieg bei Halidon Hill am 19. Juli 1333 gipfelte. Nach der Flucht Davids II. wurde Edward Balliol als König anerkannt, er mußte allerdings den südlichen Teil seines Reiches einschließlich Edinburgh an England abtreten und den Rest von der englischen Krone zu Lehen nehmen. Johannes XXII. 66 Barrow (Anm. 13), S. 251. 67 Lettres Secrètes et Curiales du pape Jean XXII (1316–1334) relatives à la France, Bd. III, hg. v. Coulon, Auguste und Clemencet, Suzanne (Bibliothèque des Écoles Françaises d’Athènes et de Rome, 3e série 6), Paris 1961, Nr. 2752, S. 120; Nr. 2776, S. 123; Nr. 2921, S. 144f.; Calendar (Anm. 33), S. 477ff. 68 McKisack (Anm. 16), S. 98f.; Barrow (Anm. 13), S. 257–260; Stones, Edward, The Anglo-Scottish Negotiations of 1327, in: The Scottish Historical Review 30 (1951), S. 49–54; id., The Treaty of Northampton, 1328, in: History, n.s. 38 (1953), S. 54–61; Calendar (Anm. 33), S. 289, 486. 69 Ormrod (Anm. 31), S. 8; Campbell, James, England, Scotland and the Hundred Years’ War, in: The Wars of Edward III. Sources and Interpretations, hg. v. Rogers, Clifford, Woodbridge 1999, S. 205–230.
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hatte im Oktober 1328 die Exkommunikation Roberts I. aufgehoben und ihn im Sommer des folgenden Jahres als rechtmäßigen Monarchen anerkannt, indem er den Bischof von St. Andrews oder seinen Amtskollegen 70 von Glasgow autorisierte, die Krönung vorzunehmen. Wenige Wochen 71 später erkannte der Papst auch die Nachfolge Davids II. an. Eine Reaktion der Kurie auf den durch Eduard Balliol von England aus geführten Stellvertreterkrieg in Schottland liegt nicht vor. Eduard III. informierte den Papst im Dezember 1332 von seinem Entschluß, die Interessen seines Reiches im 72 Norden zu vertreten. Eine Antwort aus Avignon erfolgte im März 1333 in Form einer Bitte, der englische König möge den mit Schottland geschlossenen Frieden nicht brechen und auch anderen dazu keine Gelegenheit 73 geben. Diese späte und verhaltene Reaktion deutet darauf hin, dass man in Avignon entweder keine genauen Kenntnisse von den Vorgängen hatte oder die weitere Entwicklung abwarten wollte. Erst nach der Schlacht von Halidon Hill wurden der franziskanische Generalminister Geraldus Odonis und der Dominikaner Arnold de Sancto Michaele auf die Britischen Inseln 74 entsandt, um dort den Frieden wieder herzustellen. Diese Vermittlungsbemühungen wurden allerdings nach der Ankunft einer englischen Gesandtschaft unter dem erfahrenen Diplomaten Richard von Bury in Avignon im September 1333 eingestellt und bis zum Tod Johannes’ XXII. auch nicht 75 wieder aufgenommen. Es ist nicht auszuschließen, dass der Papst eine Ahnung von den Schottlandplänen Eduards III. gehabt haben könnte. Dafür könnte eine Umorganisation der päpstlichen Steuererhebung auf den Britischen Inseln sprechen. Diese unterstand noch 1331 einem Nuntius, der für England, Schottland, Wales und Irland zuständig war, wurde jedoch im folgenden Jahr durch die Ernennung eines separaten Nuntius für das schot76 tische Königreich geändert. Bemerkenswert ist auch, dass der englische König dem Papst im Oktober 1332 einen englischen Kleriker für das schottische Bistum St. Andrews vorschlug, ein Versuch, der erfolglos blieb und im März 1333 wiederholt wurde. Als auch auf dieses Schreiben keine Reaktion erfolgte, versuchte Eduard III. es im Juli 1333 – wiederum erfolglos
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Calendar (Anm. 33), S. 289ff. Ibid., S. 492. Syllabus (Anm. 32), III, S. 267. Calendar (Anm. 33), S. 510. Ibid., S. 511. Ibid., S. 512. Ibid., S. 501f., 504ff.
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– mit einem neuen Kandidaten, Robert de Tanton, dem Schatzmeister in 77 seinem Haushalt. Das Eingreifen des Papstes in die latenten Spannungen zwischen den französischen Königen Ludwig X., Philipp V. und Karl IV. mit ihrem Schwager Eduard II. über die jeweiligen Einflußsphären im Herzogtum Aquitanien war ebenfalls auf eine Stabilisierung der interstaatlichen Beziehungen ausge78 richtet. Der seit dem Pariser Vertrag von 1303 bestehende und durch die Heirat Eduards II. mit der französischen Prinzessin Isabella konsolidierte Frieden drohte nach dem Tod Philipps IV. mehrfach zu scheitern, da die Komplexität der politischen Verhältnisse im Herzogtum Aquitanien von den Gascognern ausgenutzt wurden, die, obwohl sie französische Interventionen gern vermieden, sich dennoch der Gerichtsbarkeit des ‘Parlement’ bedienten, also dazu tendierten, die beiden entfernten Herrschaftsgewalten 79 gegeneinander auszuspielen. Die Fehden der adeligen Familien waren nur schwer zu kontrollieren und sie stellten eine potentielle Bedrohung der fiskalischen Kraft einer Region dar, deren Einkommen für die englische Regie80 rung von größter Bedeutung war. Johannes XXII. versuchte in dieser Situation einzugreifen, indem er die französischen Könige wie auch Eduard II. ermahnte, die jeweilen Kronbeamten und Verwalter zu kontrollieren und 81 private Auseinandersetzungen des Adels zu unterbinden. Die angespannte Situation wurde durch Versuche des englischen Königs verschärft, die Leistung des Lehenseides für das Herzogtum Aquitanien hinauszuschieben. Eine lokale Auseinandersetzung zwischen dem Abt des Klosters Sarlat, der das Priorat Saint-Sardos in eine befestigte Stadt umwandeln wollte, die von ihm und der französischen Krone kontrolliert werden sollte, führte zum Zusammenbruch des Friedens von 1303, als der Herr von Montpezat sich widersetzte und seiner Weigerung, den Spruch des Parlement anzuerkennen, durch die Ermordung eines französischen Kronbeamten Nachdruck verlieh. Die sich daraus ergebenden internationalen Verwicklungen hatten zwar keine bedeutenden militärischen Zusammenstöße zur Folge, doch allein die Rüstungsvorbereitungen verschlangen hohe Summen und 77 Syllabus (Anm. 32), III, S. 267f., 270. 78 Dieser Einschätzung widerspricht Lehugeur, Paul, Histoire de Philippe le Long roi de France (1316–22), 2 Bde., Paris 1897, I, S. 209ff., der neben einer persönlichen Freundschaft zwischen Philipp V. und Johannes XXII. auch eine weitgehende Interessenidentität annimmt, s. a. Lettres Secrètes (Anm. 65), Nr. 626, Sp. 541f. (15. 6. 1318). 79 Cuttino, George, English Medieval Diplomacy, Bloomington 1985, S. 65. 80 Brown (Anm. 51), S. 99, 117. 81 Tabacco (Anm. 2), S. 130f.
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die unter intensiver päpstlicher Anteilnahme unternommenen Versuche, die Beziehungen wieder herzustellen, sollten fatale Konsequenzen für den englischen König haben. Als zentraler Teil der diplomatischen Verhandlungen reiste Königin Isabella im März 1325 nach Frankreich, um dort mit ihrem Bruder Karl IV. direkten Kontakt aufzunehmen. Die Verhandlungen zogen sich bis zum Sommer hin und resultierten in der Abmachung, nach der das Herzogtum Aquitanien zunächst von der französischen Krone eingezogen werden sollte, nach der Leistung des Vasalleneides durch Eduard II. sowie der Zahlung einer finanziellen Entschädigung aber wieder restituiert werden 82 würde. Allerdings verzögerte der englische König seine Abreise, und es wurde schließlich vereinbart, dass nicht er, sondern der Thronfolger nach Frankreich reisen und den Lehenseid leisten sollte. So reiste der zukünftige Eduard III. im September 1325 an den französischen Hof, wo seine Mutter nicht nur diplomatische Verhandlungen führte, sondern auch enge Kontakte zu den aus England geflohenen Gegnern Eduards II. und seiner Regierung geknüpft hatte. Isabella half also einerseits den Saint-Sardos Konflikt von 1324 beizulegen, gleichzeitig bereitete sie aber auch den politischen Umsturz in England vor und kehrte nicht – wie ihr Mann offensichtlich erwartete – nach England zurück. Sie begründete diese Entscheidung nicht mit einer Abneigung gegen ihren Gemahl, sondern mit der Furcht vor den Günst83 lingen Eduards II. Da Johannes XXII. in diesen Monaten mit den Parteien in intensivem Kontakt stand, stellt sich die Frage, ob ihm die Pläne Isabellas und der englischen Exilanten bekannt waren, oder ob er sogar an den Vorgängen beteiligt war. Die Atmosphäre der guten Zusammenarbeit zwischen dem Monarchen und dem Papst hatte sich zu verändern begonnen, nachdem Eduard II. die Opposition 1322 militärisch besiegt hatte und daraufhin seine überlebenden Gegner verfolgte. Problematisch für das Verhältnis zur Kurie war, dass sich unter ihnen auch eine Reihe englischer Bischöfe befand, allen voran Adam Orleton, Bischof von Hereford und Henry Burghersh, Bischof von Lincoln, der sich der Politik seiner mittlerweile gegen den englischen König intrigierenden Familie angeschlossen hatte. Die Prälaten verloren ihre Temporalien und Eduard II. forderte den Papst auf, Burghersh und 84 John Droxford, Bischof von Bath und Wells, aus England zu versetzen. 82 The War of Saint-Sardos (1323–1325). Gascon Correspondence and Diplomatic Documents, hg. v. Chaplais, Pierre (Camden Society, third series 87), London 1954, S. ix–xiii; Phillips (Anm. 13), S. 471–474. 83 Ibid., S. 491. 84 Syllabus (Anm. 32), III, S. 219 (2. 2. 1323), S. 220 (13. 4. 1323), S. 223 (10. 10. 1323); Foedera (Anm. 7), II, S. 356.
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Diesem Ansinnen kam Johannes XXII. nicht nach, sondern er begann Partei 85 für die in Ungnade gefallenen Bischöfe zu ergreifen. Bei der Besetzung von Bistümern wurden Kandidaten Eduards II. vom Papst übergangen. Der vom König zum Kardinal vorgeschlagene Roger Northburgh wurde zwar im Januar 1322 Bischof von Coventry und Lichfield, doch er scheint bis zum Ende der Herrschaft der letzte erfolgreiche Kandidat des Königs 86 gewesen zu sein. Der bewährte Kronbeamte Robert Baldock wurde von Eduard II. dreimal erfolglos für ein englisches Bistum vorgesehen, 1321 für die Diözese Coventry und Lichfield, 1323 für das reiche Bistum Winchester, das an den späteren Erzbischof von Canterbury John Stratford vergeben wurde, der sich zur Zeit der Vakanz gerade als königlicher Gesandter in Avignon aufhielt und 1325 für Norwich, ein Bistum das William Airmyn ein Vertrauter der mittlerweile in Frankreich lebenden Königin Isabella vom 87 Papst zugesprochen bekam. Robert Baldock dagegen wurde nie Bischof, sondern endete als Opfer des Staatsstreichs von 1326–1327. Dem Papst zeigte sich bei diesen Episoden immer wieder die Inkonsequenz der englischen Politik. Er empfing zum Beispiel Briefe, in denen die Integrität des neuen Bischofs von Winchester angezweifelt wurde, Eduard II. wandte sich sogar an den Grafen von Périgord mit der Bitte um Einflußnahme an der Kurie und sandte im August 1323 Adam Murimuth als seinen Gesandten nach Avignon, damit die Entscheidung rückgängig gemacht 88 werden sollte. Die Reaktion Johannes’ XXII. kommt in einem Brief an den Erzbischof von Canterbury zum Ausdruck, in dem der Papst sagt, er könne sich kaum vorstellen, dass der König von den in seinem Namen 89 versandten Schriftstücken Kenntnis gehabt habe. Nach seiner Rückkehr nach England wurde Stratford im Januar 1324 sogar der Prozeß gemacht und noch im Februar sah sich der Papst gezwungen, den Bischof in Schutz
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Phillips (Anm. 13), S. 449; Calendar (Anm. 33), S. 457. Calendar (Anm. 33), S. 447. Liber Epistolaris (Anm. 8), Nr. 156. Syllabus (Anm. 32), III, S. 222 (8. 7. 1323, 18. 7. 1323, 28. 7. 1323), S. 223 (17. 8. 1323); Calendar of Close Rolls 1323–27 (Anm. 58), S. 127; The National Archives, London, E403/202 m 7. 89 Nuper karissimus in Christo filius noster Edwardus rex Anglie illustris quasdam litteras quarum seriem interclusam presentibus tibi transmittimus nostro apostolatui destinauit, que licet ex parte sua misse fuerint, eas tamen et miramur et credere vix valemus de ipsius consciencia processisse. Liber Epistolaris (Anm. 8), Nr. 457.
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zu nehmen. Dennoch wurde Stratford im gleichen Jahr von Eduard II. 91 wieder mit einer Gesandtschaft an die Kurie betraut. Mit derartigen Reaktionen war der Papst bereits früher konfrontiert worden, etwa in der Affäre des heiligen Öls des St. Thomas von Canterbury, von dem Eduard II. durch einen Dominkaner erfuhr, den er in der Folge sehr förderte. Als der Papst jedoch von einer Wiederholung der Salbung abriet, fiel der Prediger sofort 92 in Ungnade. Diese Abkühlung der diplomatischen Verbindungen nach 1322 ging einher mit der Verschlechterung und dem Zusammenbruch der anglo-fran93 zösischen Beziehungen. Dass die folgenden Verhandlungen der Königin Isabella übertragen wurden, die daraufhin nach Frankreich reiste und das englische Königreich erst wieder bei ihrer Invasion im Herbst 1326 betrat – Eduard II. sollte im Frühjahr 1326 erklären, dies sei auf Anregung des Papstes hin geschehen – ist nur durch die Erwartung zu erklären, dass ihr Bruder Karl IV. sich zu einem für England günstigen Friedens94 schluß bereiterklären würde. An diesen Verhandlungen waren nicht nur Isabella und englische sowie französische Diplomaten beteiligt, sondern auch der Erzbischof von Vienne und der Bischof von Orange als Vertreter Johannes’ XXII. Es ist davon auszugehen, dass die kurialen Gesandten von der im Dezember 1324 vorgetragenen französischen Forderung wußten, den englischen Thronfolger zu seiner Mutter nach Frankreich zu senden, damit er dort, die für die englischen Festlandbesitzungen notwendigen Lehenseide leisten könne. Obwohl Eduard II. bereits im Mai 1325 den Papst von seinem Verdacht des Verrats unterrichtete, wurde dem Thronfolger im September 1325 nach dem Friedensschluß mit Karl IV. doch erlaubt, zu seiner Mutter nach Frankreich zu reisen, wo die Königin und ihr Sohn prompt das Zentrum der Verschwörung gegen die englische Regierung 95 wurden. Der Papst reagierte nicht auf die fast gleichzeitig vorgebrachten Forderungen Eduards II. nach Absetzung der Erzbischofs von Dublin und 96 des Bischofs von Hereford. Stattdessen wies er seine Gesandten an, sich 90 Foedera (Anm. 7), II, S. 541; Calendar (Anm. 33), S. 457, 459 (28. 1. 1324, 6. 2. 1324). 91 Er reiste am 11. Dezember 1324 aus England ab: The National Archives, London, E101/309/27 m 1. 92 Phillips (Anm. 13), S. 324–327. 93 Vale, Malcolm, The Origins of the Hundred Years War. The Angevin Legacy 1250–1340, Oxford 1996, S. 236. 94 Phillips (Anm. 13), S. 497. 95 Foedera (Anm. 7), S. 599. 96 Syllabus (Anm. 32), III, S. 231.
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für die in Ungnade gefallenen englischen Bischöfe einzusetzen und darauf hinzuarbeiten, dass die bereits in Frankreich weilende Isabella sie in dieser Angelegenheit schriftlich unterstütze: quod carissima in Christo filia nostra 97 Isabellis, regina Anglie super hiis dirigat efficacia scripta sua. Ende Juli 1325, als die Verzögerung des Friedensprozesses immer deutlicher wurde, schrieb der Papst an den Bischof von Winchester, er wisse, dass Eduard II. den Frieden wolle und kenne bereits den Inhalt eines Schreibens des Königs an Isabella, in dem der Monarch seiner Gemahlin mitteile, sie solle bis zum Abschluß des Friedens in Frankreich bleiben, eine unverständliche Aussage, 98 denn die Rückkehr der Königin an den englischen Hof wurde erwartet. Noch im Oktober 1325 ermahnte er Isabella, ihrem Sohn eine gute Erziehung zukommen zu lassen, und schrieb am gleichen Tag an den jungen Prinzen, nicht nur seine Eltern zu ehren, sondern auch seinen Onkel, den 99 König von Frankreich velut tuo domino speciali. Johannes XXII. war über die politischen Ereignisse im Herzogtum Aquitanien und in Frankreich allgemein besser informiert als über Vorgänge im Norden der Britischen Inseln. Dennoch maß er auch den Territorien an der Peripherie Europas Bedeutung zu und bezog sie in seine konstante Politik des Ausgleichs mit ein. Durch sie hoffte er die Voraussetzungen für seine eigentlichen Ziele zu schaffen, eine Konsolidierung der päpstlichen Finanzen, die Vorbereitung eines neuen Kreuzzuges, ein Eingreifen in Italien. Trotz der Distanz, die im Verhältnis zu Eduard II. nach 1322 spürbar ist, verlor der Papst diese Ziele nicht aus den Augen. Es ist unwahrscheinlich, dass er in einer Zeit der Auseinandersetzungen mit Ludwig dem Bayern die politische Situation in Europa durch die Vorbereitung eines Umsturzes in England weiter komplizieren wollte. Diese Einschätzung gilt auch für die Politik Johannes’ XXII. in den folgenden zwölf Monaten, zwischen November 1325 und der Landung Isabellas etwas über ein Jahr später. Hatte er noch im Dezember 1325 in einem Brief an Eduard II. seine Freude über die Friedensvereinbarungen ausgedrückt, so wandte er sich im Februar 1326 an Karl IV. in der Hoffnung,
97 Lettres Secrètes (Anm. 67), Nr. 2508, S. 71. 98 Ibid., Nr. 2558, S. 82: habitum perturbare nisus fuerat hostis pacis, ac quomodo post modum pacis angelo prevalente, prefatus rex Anglie cor suum ad ipsam pacem inclinans, tractatui predicto consenserat et suas litteras quas tu deferre debeas in Franciam fieri fecerat oportunas, carissime in Christo filie nostre Isabelli, regine Anglie illustri, consorti sue mandando nichilominus ut nullatenus de Francia discederet, mandato contrario non obstante. 99 Ibid., Nr. 2617, S. 95; Nr. 2618, S. 95f.
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dieser könne im Streit zwischen Isabella und Eduard II. vermitteln. Die Quellen dokumentieren sein Bemühen, zwischen den Eheleuten einen Ausgleich herbeizuführen und er ging dabei soweit, einem der Günstlinge in der englischen Regierung nahezulegen, die für eine Rückkehr Isabellas 101 notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Doch weder dies noch die Ermächtigung der päpstlichen Gesandten, alle Maßnahmen zu treffen, die für eine Versöhnung des Ehepaares dienlich seien, beweisen, dass Johannes 102 XXII. an der Verschwörung gegen Eduard II. beteiligt war. Es ist dabei auch zu bedenken, dass er in diesen Jahren, in denen sich die Konfrontation mit Ludwig dem Bayern zuspitzte, wohl kaum ein Interesse an Machenschaften gehabt haben kann, deren Resultat ungewiß war. Dagegen ist es durchaus möglich, dass man in Avignon nicht wußte, wie es um die Loyalität der englischen Gesandten an der Kurie bestellt war. Als Beispiel mag der Karrierediplomat und Professor des Zivilrechts William de Weston dienen, der ein Kanonikat an der Kathedrale von Lincoln inne hatte. Weston war 103 bereits 1321 als englischer Gesandter an der Kurie. Zur Zeit der Auseinandersetzungen um die Bastide Saint-Sardos hielt er sich, wie auch der Erzbischof von Dublin und Edmund Graf von Kent, im Herzogtum Guyenne auf und wurde im August in einem Schreiben des französischen Königs zusammen mit ihnen als englischer Bevollmächtigter genannt, der die Besitzungen des Herzogtums übergeben solle. Militärisch handlungsunfähig, waren die drei im September führend am Abschluß eines Waffenstillstandes 104 beteiligt. Weston war der einzige der drei, der nach dieser Episode nicht in Ungnade fiel; der Graf von Kent blieb in Frankreich und schloß sich dort der englischen Königin an, während Eduard II. vom Papst forderte, Alexander 100 Calendar (Anm. 33), S. 467; Lettres Secrètes (Anm. 67), Nr. 2692, S. 107f. 101 Calendar (Anm. 33), S. 475; Lettres Secrètes (Anm. 67), Nr. 2713, S. 111. 102 Ibid., Nr. 2714, S. 111f.: nos ad tollendum quecumque impedimenta seu obstacula hiis quomodolibet obvia, etiam si essent juramento quod vinculum iniquitatis esse non debet vel alia quacumque firmitate vallata, necnon firmandum et corroborandum auctoritate nostra penis et sententiis spiritualibus de quibus expedire videritis quecumque super predictis et ea tangentibus contigerit ordinari, vobis et vestrum cuilibet in soldum plenam et liberam concedimus tenore presentium potestem. 103 The National Archives, London, E403/196 m 4, 5; E403/198 m 3. 104 Ibid., E403/204 m 6; E403/217 m 4; War of Saint-Sardos (Anm. 82), S. 53f., 55f., 61ff.; Cheyette, Frederic, Paris B.N. ms. latin 5954: The Professional Papers of an English Ambassador on the Eve of the Hundred Years’ War, in: Économies et sociétés au moyen âge. Mélanges offerts à E. Perroy (Publications de la Sorbonne, Série ‘Études’ 5), Paris 1973, S. 400–413.
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Biknor, den Erzbischof von Dublin abzusetzen. Weston wurde stattdessen von der Regierung Eduards II. mit einer wichtigen diplomatischen Mission betraut, dem Abschluß einer strategischen Allianz mit dem König 106 von Kastilien. Nach Abschluß der Mission kehrte er aus Spanien nach England zurück, wurde jedoch gleich mit einem neuen Auftrag an die Kurie gesandt, wie Zahlungen an Magistro Willelmo de Weston’ misso ad Curiam Romanam per dominum Regem pro negociis ipsum contingentibus bewei107 sen. Bei diesen Verhandlungen ging es um einen päpstlichen Dispens, der Voraussetzung für eine doppelte Heiratsallianz mit Kastilien war und 108 in der dem englischen Thronfolger die zentrale Rolle zugedacht war. Weston scheint nicht erfolgreich gewesen zu sein und kehrte nach England zurück, wo er im Dezember 1325 ausbezahlt wurde, war jedoch im März 109 1326 wieder in Avignon. Im April 1326, zur Zeit der franko-schottischen Militärallianz von Corbeil, bat man an der Kurie den französischen König um einen Geleitbrief für William de Weston, einen Gesandten Eduards II., da dieser ein Verteidiger der Königin Isabella sei. Wenige Tage später schrieb der Papst nach England, der Bote William de Weston sei eingetroffen und habe an der Kurie bestimmte Zahlungen geleistet, so als ob dieser noch 110 loyal sei. Gleichzeitig schrieb Johannes XXII. aber auch an Isabella, Weston sei als Gesandter Eduards II. eingetroffen, habe aber nichts gegen 111 sie vorgebracht, sondern ihre Ehre verteidigt. Der Ton der päpstlichen Korrespondenz mit dem englischen König kühlte sich stattdessen ab. Der Papst versicherte, er werde sich für den – gegen den Willen Eduards II. zum Bischof von Norwich erhobenen – William Airmyn einsetzten und wenig später wird aus der Korrespondenz Johannes’ XXII. an seine Gesandten klar, dass es der englische König sei, der sein Herz zu Friede und Versöh112 nung öffnen müsse. Im Juli wandte sich der Papst in einem scharf gefaßten Schreiben an Eduard II., da dieser den Frieden mit Frankreich gefährde; der englische König hatte nämlich, trotz des Lehenseides seines Sohnes 105 Phillips (Anm. 13), S. 492; Syllabus (Anm. 32), III, S. 231. 106 War of Saint-Sardos (Anm. 82), S. 140ff., 214–217; The National Archives, London, E403/217 m 4. 107 The National Archives, London, E403/217 m 13. 108 Syllabus (Anm. 32), III, S. 233; Calendar of Close Rolls 1323–27 (Anm. 58), S. 515. 109 The National Archives, London, E403/217 m 5, 13, 14; Calendar (Anm. 33), S. 476; Syllabus (Anm. 32), III, S. 234. 110 Calendar (Anm. 33), S. 473, 477. 111 Ibid., S. 477. 112 Ibid., S. 476ff.
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für das Herzogtum Aquitanien, diesem nicht wirklich die Kontrolle überlassen, sondern eigene Verwalter eingesetzt. Hier drückte der Papst nun dem Monarchen gegenüber aus, dass dieser seine Augen öffnen und den 113 Weg des Friedens wählen solle. William de Weston, der zuletzt mit einem Geleit an den französischen Hof ausgestattete Diplomat verschwand von der Bildfläche. In England dachte man, er sei in Brabant ergriffen und dort 114 inhaftiert worden und bat sogar um seine Freilassung. Sein Verbleib und seine Rolle in dieser Zeit sind ungewiß; er war ab 1328 allerdings wieder als 115 Diplomat an der Kurie tätig, diesmal für die neue englische Regierung. Johannes XXII. setzte seine Vermittlungsbemühungen noch fort, als Isabella bereits in England gelandet war. Ende Oktober ermahnte der Papst seine Gesandten, auf die Aussöhnung zwischen der Königin und ihrem Gemahl hinzuarbeiten. Wenige Tage später wies er an, auch Karl 116 IV. von Frankreich in diesen Friedensschluß mit einzubeziehen. Allerdings vollzogen sich die Ereignisse in England, die Flucht des Königs, die Zerschlagung seiner Regierung und schließlich die Gefangennahme Eduards II. am 16. November 1326, in so rascher Abfolge, dass ein Eingreifen von Avignon aus gar nicht möglich war. Der Papst rief im Dezember 1326 seinen 117 Gesandten, den erkrankten Bischof von Orange, an die Kurie zurück. An den Ereignissen in England, dem verfassungsrechtlich fragwürdigen Parlament vom Januar 1327, der als Thronverzicht dargestellten Absetzung des englischen Königs und der Thronfolge seines Sohnes hatte er keinen Anteil obwohl die neue Regierung unter Isabella und Roger Mortimer bemüht 118 war, ihrem Handeln den Anschein der Legalität zu geben. Der gefangene König hatte dem Papst noch im Dezember 1326 einen Nachfolger für den in den Londoner Herbstunruhen ermordeten Bischof von Exeter empfohlen, bezeichnender Weise einen Angehörigen der Familie Berkeley, die Königin 113 Profecto, fili carissime, miramur nec sufficimus admirari quis tibi ausus consulere fuerit tantum scelus. Miramur insuper cui potuisti credere ut sic inprovide divine majestatis oculos tantumque principem contra te irritares. Lettres Secrètes (Anm. 67), Nr. 2921, S. 144f. 114 Calendar of Close Rolls 1323–27 (Anm. 58), S. 647; Syllabus (Anm. 32), III, S. 237. 115 The National Archives, London, E403/236 m 3. Auch andere Diplomaten, wie der Florentiner Andrea Sapiti, wurden von der neuen Regierung weiter als Prokuratoren an der Kurie eingesetzt, Bombi (Anm. 17), S. 40. 116 Lettres Secrètes (Anm. 67), Nr. 3046, S. 11f., Nr. 3068, S. 15. 117 Ibid., Nr. 3105, S. 20. 118 Adae Murimuth, Continuatio Chronicarum (Anm. 2), S. 49–52; McKisack (Anm. 16), S. 89–95.
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Isabella unterstützte, doch abgesehen von dieser Empfehlung eines ohnehin 119 bereits gewählten Kanonikers war der Papst nicht beteiligt. Es wurde weder versucht, die Vorgänge an der Kurie zu erklären, noch wurde es für nötig befunden, den Thronwechsel durch päpstliche Zustimmung zu legitimieren. Erst einen Monat nach der Krönung Eduards III., am 28. Februar 1327, wandte sich die neue Regierung an die Kurie, mit der Bitte den 1322 hingerichteten Grafen Thomas von Lancaster heilig zu sprechen, ein Schritt, 120 den Johannes XXII. wohl niemals ernsthaft erwogen hat. Die dramatischen Ereignisse der letzten Regierungsjahre Eduards II., die als Phase der Tyrannei des unpopulären Monarchen bezeichnet worden sind, wurden von Johannes XXII. wohl nur noch als Hintergrund zu anderen, dringenderen Ereignissen wahrgenommen. Die systematischen Bemühungen des Papstes, eine Aussöhnung zwischen dem französischen König Karl IV. und dem englischen Monarchen herbeizuführen, vollzogen sich parallel zu den sich verschärfenden Spannungen mit Ludwig dem Bayern, der bereits im Januar 1324 soweit gegangen war, den Papst der Häresie 121 zu beschuldigen. Die zunächst in der Publizistik und mit juristischen Mitteln ausgetragene Auseinandersetzung führte schon bald zu konkreten Maßnahmen: einem von der Kurie geförderten Bündnis Roberts von Anjou mit den Guelfen in Italien sowie Plänen einer französischen Thronkandidatur im Reich. Im Sommer 1324 war Johannes XXII. an der Vermittlung eines Treffens zwischen dem Habsburger Herzog Leopold und Karl IV. von Frankreich beteiligt, auf dem eine Thronkandidatur des französischen 122 Königs vertraglich festgelegt wurde. Es ist vermutet worden, dass sich die damit verbundenen Aktivitäten bis zum Herbst 1326 hinzogen, der Zeit, in 123 der Eduard II. von England und seine Regierung gestürzt wurden. Der 1327 begonnene Italienzug Ludwigs des Bayern überschattete die Ereignisse auf den Britischen Inseln. Zu den Maßnahmen gegen die drohende 119 Foedera (Anm. 7), II, S. 648. 120 Ibid., S. 695. 121 Tabacco (Anm. 2), S. 288; Herde, Peter, From Adolf of Nassau to Lewis of Bavaria, 1292–1347, in: The New Cambridge Medieval History. Volume VI c. 1300–c. 1415, hg. v. Jones, Michael, Cambridge 2000, S. 515–50, hier 538–542. 122 Homann, Hans-Dieter, Kurkolleg und Königtum im Thronstreit von 1314– 1330 (Neue Schriftenreihe des Stadtarchivs München 56), München 1974, S. 211. 123 Stengel, Edmund Ernst, Avignon und Rhens. Forschungen zur Geschichte des Kampfes um das Recht am Reich in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts (Quellen und Studien zur Verfassungsgeschichte des Deutschen Reiches in Mittelalter und Neuzeit 6), Weimar 1930, S. 37.
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wirkungsvolle Zusammenarbeit zwischen dem deutschen König und den Ghibellinen gehörte die Eröffnung neuer Prozesse gegen ihn, intensive diplomatische Verbindungen zu den Führern der Guelfen sowie die Koordination militärischer Aktionen mit dem Hof von Neapel, die auch einen Kreuzzugsaufruf gegen den mittlerweile zum Kaiser gekrönten Gegner 124 einschlossen. Johannes XXII. machte sich nach seiner Wahl schnell mit der komplexen politischen Situation in England vertraut. Zielstrebig versuchte der Papst am finanziellen Potential des zentralistisch regierten Landes zu partizipieren, einen hohen Grad an Kontrolle über die englischen Bistümer zu erlangen 125 und das Königreich in seine Kreuzzugspläne zu integrieren. Dazu mußte die innere Stabilität des Staates gewährleistet werden und Johannes XXII. versuchte zwischen der Regierungspartei und der sich um den Grafen 126 Thomas von Lancaster versammelten Opposition zu vermitteln. In ähnlicher Weise griff er in die Außenpolitik ein, wobei die anglo-französischen 127 und anglo-schottischen Beziehungen im Vordergrund standen. Bei seinen Bemühungen um Kontrolle der englischen Kirche war er zu Kompromissen bereit, beharrte dabei aber prinzipiell auf seinen Rechten. Er kannte die Schwächen des Monarchen und seiner Regierung und verstand, sie zuweilen geschickt zu nutzen, war aber immer um Ausgleich bemüht. Ein direktes Eingreifen in die politischen Ereignisse war hingegen nicht möglich. Nach 1322 wurde versucht, die königliche Politik gegen in Ungnade gefallene englische Bischöfe zu mildern und der Einfluß Eduards II. an der Kurie scheint sich in dieser Zeit verringert zu haben. Es ist nicht auszuschließen, dass Johannes XXII. von der Verschwörung gegen Eduard II. und seine 124 Chroust, Anton, Die Romfahrt Ludwigs des Bayers 1327–1329, Gotha 1887, S. 77; Stengel (Anm. 123), S. 36; Pauler, Roland, Die deutschen Könige und Italien im 14. Jahrhundert: von Heinrich VII. bis Karl IV., Darmstadt 1997, S. 144–157. Zum Kontext, der Italienpolitik Johannes’ XXII.: Baethgen, Friedrich, Der Anspruch des Papsttums auf das Reichsvikariat. Untersuchungen zu Theorie und Praxis der potestas indirecta in temporalibus, in: Zeitschrift für Rechtsgeschichte 41, Kanonistische Abteilung 10 (1920), S. 168–268, hier 247–263. 125 Bauer, Clemens, Die Epochen der Papstfinanz. Ein Versuch, in: Historische Zeitschrift 138 (1928), S. 457–503, hier 468f. 126 Calendar (Anm. 33), S. 415 (20. 4. 1317), S. 431 (29. 12. 1316?), S. 434f. (7. 11. 1317, 9. 1. 1318), S. 438f. (20. 5. 1317), S. 441 (15. 5. 1318?); Lettres Secrètes (Anm. 65), Nr. 504, Sp. 424f. 127 Foedera (Anm. 7), II, S. 295 (20. 8. 1316); Calendar (Anm. 33), S. 440 (30. 5. 1318?).
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Regierung Kenntnis hatte. Als aufmerksamem Beobachter wird ihm nicht entgangen sein, wie sich immer mehr Angehörige der landbesitzenden Elite und der Kronverwaltung vom König abwandten, zum Teil sogar ins Exil gingen. Daraus ist jedoch keinesfalls zu schließen, dass der Papst in irgendeiner Form an den Plänen zur Absetzung des englischen Königs beteiligt war. Wie seine Vorgänger bemühte sich Johannes XXII. um einen Ausgleich 128 auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene. Die päpstliche Politik dieser Zeit zielte nicht auf eine einfache Allianz mit Frankreich ab, wie vermutet worden ist, noch ging es um den Vorrang des geistlichen Schwertes 129 vor der weltlichen Herrschaft. Die erkennbaren Grundzüge päpstlicher Politik dieser Jahre richten sich auf den Mittelmeerraum, primär nach Italien und erstrecken sich darüber hinaus auf die Vorbereitung eines neuen Kreuzzuges. Dazu galt es, das wirtschaftliche Potential der europäischen Kirchenprovinzen nutzbar zu machen und die Politik der großen zentral regierten Königreiche so zu harmonisieren, dass ihre Kräfte gebündelt werden konnten. Die dabei auftretenden zahlreichen Partikularinteressen konnten jedoch von der Kurie nicht ausgeglichen werden, zumal die päpstliche Politik primär reaktiv gewesen zu sein scheint. Dies trifft auch auf die Situation in England zu: Johannes XXII. setzt seine Vermittlungsversuche bis in den Herbst 1326 hinein fort, denn er war sich der pernitiosa pericula, die sich aus dem Zwist zwischen Eduard II. und Isabella ergaben, durchaus 130 bewußt. Seine Versuche, einen Ausgleich zwischen den Parteien Isabellas und Eduards II. herbeizuführen wurden mindestens bis zum November 1326 fortgesetzt. Unter dem Regime Isabellas und Roger Mortimers wurden die Beziehungen nicht wesentlich verändert. Johannes XXII. erkannte jedoch auch dessen Schwächen und scheint von dem Plan eines Umsturzes, der die Alleinherrschaft des jungen Monarchen sichern sollte, gewußt zu haben. Zu diesem Zweck wurde in den Jahren nach 1327 eine Geheimkorrespondenz geführt. In der letzten Phase des Pontifikats schwächte sich der päpstliche Einfluß allerdings ab. Auf die erneute Verschlechterung der anglo-schottischen Beziehungen nach 1332 reagierte Johannes XXII. ebensowenig wie auf die Absetzung und Ermordung Eduards II. 128 Gaudemet, Jean, Le role de la papauté dans le règlement des conflits entre états aux XIIIe et XIVe siècles, in: La Paix, Bd. 2 (Recueils de la Société Jean Bodin pour l’Histoire Comparative des Institutions 15), Bruxelles 1961, S. 79–106, hier 99f. 129 Menache, Sophia, The Failure of John XXII’s Policy toward France and England: Reasons and Outcomes, 1316–1334, in: Church Hisory 55 (1986), S. 423–437, hier 424f. 130 Lettres Secrètes (Anm. 67), Nr. 2692, S. 107f. (Avignon 15 Feb 1326).
IV. Geschichtsschreibung und Erinnerung
Die sog. ‘chronica n. minorita’: Rezeptionswege und das sich wandelnde Bild von Johannes XXII. Heike Johanna Mierau (München/Göttingen)
Die sog. Chronik, die auf schmaler Indizienlage Nikolaus Minorita zugesprochen wird, ist als eine der zentralen Quellen für die Geschichte Papst Johannes XXII. vielfach benutzt worden. Die Edition von 1996 durch Gedeon Gál und David Flood hat das Arbeiten mit dem Text spürbar 1 erleichtert, doch leider haben die Editoren in der Frage der Textgeschichte keine besondere Herausforderung gesehen. Es scheint aus diesem Grunde sinnvoll, sich dem Werk mit Blick auf seine Genese und seine Überlieferungen noch einmal in wissenschaftlicher Reflexion zu nähern. Dabei werde ich, anders als in der bisherigen Forschung, nicht nach unserem Nutzen und unseren Vorbehalten über das vermittelte Bild fragen, sondern in einem ersten, den Handschriften gewidmeten Teil versuchen, die Perspektiven der Entstehungssituation(en) zu erfassen. Das Augenmerk wird auf die Wünsche, Erwartungen und Intentionen desjenigen gerichtet, der zunächst eine Dokumentensammlung zu Johannes XXII. angelegt hat, und der Person bzw. der Personen, die diese Überreste des Diskurses in eine kommentierte Ordnung gebracht hat bzw. haben. Schließlich ist nach dem Nutzen für diejenigen zu fragen, die das Werk für so interessant hielten, dass sie sich eine Kopie erstellen ließen. Als Ergebnis wird festzuhalten sein,
1 Nicolaus Minorita: Chronica. Documentation on Pope John XXII, Michael of Cesena and The Poverty of Christ with Summaries in English. A Source Book, hg. v. Gál, Gedeon und Flood, David, St. Bonaventure, NY 1996; zur Programmatik S. 19*. Die Textgrundlage bildet die Handschrift E (Paris, BNF, lat. 5154). Textzeuge B (Vatikan, BAV, Vat. lat. 4009) wird gelegentlich herangezogen, vgl. etwa S. 624 mit Anm. 1; zur Bewertung dieses Vorgehens vgl. Miethke, Jürgen, Der erste vollständige Druck der sogenannten „Chronik des Nicolaus Minorita“ (von 1330/1338): Bemerkungen zur Präsentation eines „Farbbuches“ des 14. Jahrhunderts, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 54 (1998), S. 623–642, S. 629ff.
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dass für die Verbreitung des Werkes nicht die Minoriten, sondern vor allem papstnahe Kreise bzw. die Päpste selbst verantwortlich waren. Dies führt unter neuer Perspektive zur Frage nach den vermittelten Inhalten. Betrachtet wird in einem zweiten Teil des Aufsatzes der Prozess der Traditionsbildung, die das Wirken Johannes’ XXII. aus interessantem Blickwinkel erfassen lässt. Die Durchsicht des Textes ist in drei Bereiche gegliedert, nämlich die Analyse der Darstellung des Papstes in den Zwischentexten des sog. Chronista, dann die Bewertung der Informationen aus den in die Chronik aufgenommenen Selbstzeugnissen des Papstes und schließlich die Untersuchung der Informationen aus den in die Chronik aufgenommenen Fremdzeugnissen, wobei in die franziskanischen Appellationen und die Appellationen Ludwigs des Bayern getrennt wird. Ausgeblendet bleiben die Protagonisten der Gegenseite, also Michael von Cesena und Bonagratia von Bergamo, deren Darstellung für eine Gesamt2 sicht des Streits durchaus von Interesse wäre. Die Beschäftigung mit ihnen stellt aber eine zweite Aufgabe, die dem Themenfokus unserer Tagung und dieses Bandes nicht gerecht würde. Der Teil der Sammlung, der die Dokumente bereitstellt, die nach dem Tod Johannes’ XXII. entstanden sind, wird weniger intensiv beleuchtet, weil die Idee zur Zusammenstellung offenbar nicht erst nach 1334 bzw. 1338 spontan aufgetaucht ist, sondern vielmehr das Spätere an eine bereits vorhandene Sammlung angeschlossen wurde, wie im ersten Teil nachgewiesen werden kann. In den Pauschalurteilen der bisherigen Forschung wird immer wieder ausgeführt, die Chronik habe das Ziel, gegen den häretischen Papst zu 3 polemisieren. Das Ergebnis der Untersuchung wird eine Neubewertung in diesem Punkt zeitigen. Die Positionierung der Traditionsbildung gegen Johannes XXII. ist nämlich keineswegs von Beginn an auf der Oberfläche zu
2 Wittneben, Eva Luise, Bonagratia von Bergamo. Franziskanerjurist und Wortführer seines Ordens im Streit mit Papst Johannes XXII. (Studies in Medieval and Reformation Thought 90), Leiden 2003. 3 So besonders Horst, Ulrich, Evangelische Armut und päpstliches Lehramt: Minoritentheologen im Konflikt mit Papst Johannes XXII. (1316–34) (Münchener kirchenhistorische Studien 8), Stuttgart et alibi 1996; vgl. Wittneben (Anm. 2), S. 11; Nold, Patrick, Two Views of John XXII as a Heretical Pope, in: Defenders and critics of Franciscan life: Essays in honor of John V. Fleming, hg. v. Geltner, Guy und Cusato, Michael F., Leiden et alibi 2009, S. 139–158, hier 147ff.
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spüren. Bis auf einige verdeckte Manipulationen der Selbstaussagen, wird – wie die genaue Analyse ergibt – streng dokumentarisch und ohne besondere Polemik gearbeitet. Eine historiographische Hetzschrift gegen den Papst oder auch nur eine agitatorische Verteidigungsschrift der führenden Münchener Minoriten hätte ganz anders aussehen müssen.
I. Zur sog. ‘chronica n. minorita’ Als Werkbezeichnung für die hier interessierende Dokumentensammlung hat sich ‘chronica n. minorita’ in der jüngeren Forschung durchgesetzt. 6 Früher wurde Nikolaus Minorita als Autor angenommen. Weil das Werk mit unserer allgemeinen Erwartung an Chroniken überhaupt nicht übereinstimmt, wird auch in der Regel von der sog. Chronik bzw. ‘Chronik’ gesprochen. Der Autor selbst notiert, das Werk per modum chronicae redigiert 7 zu haben, aber es handelt sich nicht um eine narrative Quelle im eigentlichen Sinn. Jürgen Miethke hat das Stück als Farbbuch bzw. Buntbuch 8 klassifiziert, also eine neuzeitliche Sprechweise für die Charakterisierung benutzt, die meiner Auffassung nach die Sache auch nicht trifft. Es handelt sich nicht um eine von offizieller Seite für die Öffentlichkeit zusammengestellte Dokumentensammlung. Es ist vielmehr eine gewachsene Dokumen4 Nold, Patrick, Pope John XXII and his Franciscan Cardinal: Bertrand de la Tour and the Apostolic Poverty Controversy, Oxford 2003, S. 21 diagnostiziert eine schrittweise Veränderung; der Papst erscheine nicht von Anfang an als Tyrann; Nold, Two Views (Anm. 3), S. 150 formuliert: „The Chronicle of Nicholas the Minorite and the Appellatio in forma maiori provide a history of the Apostolic poverty controversy which unequivocally represents John XXII as a heretical tyrant“. 5 Nold, Patrick,Thomas of Braunceston O.M./O.P., in: Kirchenbild und Spiritualität: dominikanische Beiträge zur Ekklesiologie und zum kirchlichen Leben im Mittelalter. Festschrift für Ulrich Horst OP zum 75. Geburtstag, hg. v. Prügl, Thomas und Schlosser, Marianne, Paderborn et alibi 2007, S. 179–195. 6 So noch bei der Edition (Anm. 1), und darauf basierend in der Datenbank http://www.geschichtsquellen.de/repOpus_03573.html (zuletzt eingesehen am 31. 12. 2013). 7 Gál/Flood (Anm. 1), S. 62. 8 Miethke (Anm. 1), S. 624: „Die Öffentlichkeit der Zeit sollte von München aus durch die Aneinanderreihung verschiedenster Dokumente, Schriftstücke, Memoranden von der Richtigkeit ihrer Position und der Verwerflichkeit der Entscheidungen des Papstes [...] überzeugt werden.“
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tensammlung, die in einer konkreten Situation mit Kommentaren ergänzt wurde, um das Verständnis zu verbessern. Die Adressatenkreise veränderten sich im Laufe der Entstehungszeit. Sie waren und blieben klein und elitär. Die „Öffentlichkeit“ oder auch nur „Teilöffentlichkeiten“ waren als Publikum weder im Blick der Sammler noch der späteren Kopisten. I. 1 Die Handschriftenüberlieferung Die in der als ‘chronica n. minorita’ bezeichneten Dokumentensammlung benutzten Positionspapiere und Schriftstücke wurden im Kampf der Meinungen von beiden Seiten einzeln in Umlauf gebracht und waren deshalb 9 in interessierten Kreisen verfügbar. Aus diesem Grund ist es möglich, dass ähnlich gelagerte Konvolute mit den zentralen Schreiben an verschiedenen Stellen gesammelt und wegen des Sinnzusammenhangs auch zu einer Handschrift zusammengebunden wurden. Dies ist vorauszuschicken. Gleichzeitig muss betont werden, dass die Übereinstimmungen der im Folgenden zu nennenden Handschriften so groß sind, dass eine Verwandtschaft zwischen ihnen nicht angezweifelt worden ist. Es gab allerdings aus verschiedenen Gründen die Tendenz, die Handschriftengruppe nicht insgesamt zu untersuchen, sondern immer nur ausgewählte Teile auf ihre Verwandtschaft hin zu 10 betrachten. Anfangs hatte dies pragmatische Gründe, denn am Beginn der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Werk war der Zugriff auf die an unterschiedlichen Orten verwahrten Handschriften nicht möglich. Die jüngere Forschung separiert die reine Dokumentensammlung von der Sammlung mit Kommentierungen. Nur für letzte wird der Titel ‘chronica n. minorita’ verwendet. Ich hingegen sehe die gesamte Gruppe von Handschriften als Einheit mit verschiedenen Entwicklungsstufen. 9 Zum Streit vgl. Horst (Anm. 3); manche Stücke blieben freilich vereinzelt wie vor einigen Jahren der Beitrag Flüeler gezeigt hat, vgl. Flüeler, Christoph, Eine unbekannte Streitschrift aus dem Kreis der Münchener Franziskaner gegen Papst Johannes XXII., in: Archivum Franciscanum historicum 88 (1995), S. 497–514 mit einem Rechtsgutachten über Synoden, das aus Vatikan, BAV, Ottob., lat. 1816 ediert wurde. 10 Die beschränkten Möglichkeiten der Handschriftenstudien im 19. Jahrhundert sind dafür nicht unwesentlich: Kämpf, Hellmut, Die Codices latini 4008–4010 der vatikanischen Bibliothek, in: QFiAB 26 (1935–36), S. 143–171 beschränkte sich auf die vatikanischen Handschriften. Vgl. Eubel, Konrad, Zu Nicolaus Minorita, in: Historisches Jahrbuch 18 (1897), S. 375–386. Müller, Karl, Einige Aktenstücke und Schriften zur Geschichte der Streitigkeiten unter den Minoriten in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte Bd. 6 (1884), S. 63–112 lag nur die Pariser Handschrift vor.
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Wie nah die verschiedenen Texte sich tatsächlich stehen, wäre nur durch eine exakte philologische Fehler- und Vorlagenanalyse zu klären, die Abhängigkeiten und Verwandtschaftsbeziehungen recht exakt ermitteln kann. Die Edition von 1996 hat diese Chance nicht ergreifen wollen oder aufgrund pragmatischer Vorgaben können, doch enthebt das die Forschung nicht von der Verpflichtung, hier weiter zu arbeiten. Diese philologischen Details werden auch nicht Inhalt dieses Beitrags sein. Meine hier verfolgten Ziele, nämlich der Nachweis, dass die Rezeption jenseits der Fratizellen erfolgte und die inhaltliche Ausrichtung erstaunlich neutral ist, bedürfen der mühsamen Textphilologie zunächst nicht. Ich argumentiere vorerst mit den Handschriften und ihrer Geschichte, nicht mit Varianten im Text. Meine erneute Durchsicht der Handschriften ist chronologisch nach ihrer Entstehungszeit gegliedert. Zwar ist es immer möglich, dass Bände auf älteren Vorlagen beruhen, die nicht überliefert sind, aber fehlende Zwischenstücke sollten im Gang des Kopierens immer erst hypothetisch in Betracht gezogen werden, wenn das Überlieferte allein keinen Sinn ergibt. Sonst ist Zurückhaltung zu üben, auch wenn Verluste aus den verschiedensten Gründen selbstverständlich immer wieder vorgekommen sind. Der Kodex Vatikan, BAV, Vat. lat. 4009 ist der älteste mit der Chronik 11 in Verbindung stehende Band, der – wie schon Kämpf betont hat – kein wirkliches Buch darstellt, sondern eine Buchbindersynthese von Einzel12 lagen. Etliche von ihnen haben zuvor ein Eigenleben geführt, das klare Spuren hinterlassen hat, die uns Einblick geben in das Verschicken von Verlautbarungen durch die beiden in Konflikt stehenden Parteien. Kämpf hat darauf nicht hinreichend hingewiesen. Der Nachweis sei an den ersten 13 Blättern erbracht. Dort ist selbst am Mikrofilm deutlich zu erkennen, dass es sich um einen zweifach gefalteten, also sehr wahrscheinlich gelaufenen Brief handelt, der eine Rückaufschrift erhalten hatte, bevor er in den Band integriert wurde. Auf fol. 5v ist im oberen rechten Quadrat quer zur 11 Kämpf (Anm. 10), S. 144. Selbst für den Pergamentfaszikel fol. 32–84 muss berücksichtigt werden, dass er allein einen Text bietet, nämlich die ‘Appellatio in forma maiora’. 12 Zum Band vgl. Becker, Hans-Jürgen, Zwei unbekannte kanonistische Schriften des Bonagratia von Bergamo in Cod. Vat. lat. 4009, in: QFiAB 46 (1966), S. 218–276 sowie Maier, Anneliese, Eine unbeachtete Quaestio aus dem VisioStreit unter Johann XXII., in: Archivum Franciscanum historicum 63 (1970), S. 280–318. 13 Die Bearbeitung der Überlieferung war mir durch die Anschaffung der Filme aus Mitteln des SFB 231 (Münster) der Deutschen Forschungsgemeinschaft möglich.
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Bindung folgender Text eingetragen: duo consilia videlicet consilium Capituli generalis et consilium magistrorum de pauperitate Christi et apostolorum. Es folgen dann noch weitere Bemerkungen. Die Angabe von Kämpf, fol. 5 und 6 seien leer, auf 5v fände sich der Titel zu Nummer 2 ist also zu spezi14 fizieren. Verwiesen sei auch auf fol. 7v, wo im Anschluss an den Text von ‘Ad conditorem’ ebenfalls deutlich zu erkennen ist, dass es sich um einen auf andere Art, aber auch zweifach gefalteten Brief handelt, der gleich mehrere Rückvermerke trägt: 1) am linken Rand in der Mitte mit einer Schreibrichtung, die im gebundenen Band überkopf steht: fratri H. de Talheim theologiae doctori venerabili, 2) im unteren Drittel mittig steht eingerahmt: vestre significat und 3–5) die Einträge im unteren Viertel, deren Schreibrichtung wieder über Kopf und quer zur Bindung verläuft: 3) tenor nove decretalis, 4) Const. ad conditorem und 5) ein zweites tenor nove decretalis. Es handelt sich also offensichtlich um ein Exemplar der Dekretale ‘Ad conditorem canonum’, das an Heinrich von Talheim geschickt worden ist. Die beiden Schreiben wurden nicht auf die gleiche Weise gefaltet. Dass sie gemeinsam transportiert wurden, ist auch aufgrund des Befundes der Vermerke eher unwahrscheinlich. Neben solchen gelaufenen Texten finden sich auch 15 Entwürfe aus der Werkstatt der Münchener Minderbrüder. Die Rechtskraft wird bei mehreren Stücken aus den notariellen Bestätigungsformu16 laren ersichtlich. In enger Verbindung mit der Handschrift Vat. lat. 4009 steht das heute im Archivio Segreto des Vatikan aufbewahrte, nur 31 Blatt starke Konvolut, 17 das die Appellation Michaels von Cesena enthält. Diese Blätter wurden offenbar ausgeschieden, als die Bindung erfolgte. Wann Vat. lat. 4009 gebunden wurden, ist noch nicht kodikologisch geklärt. Das Zusammenfügen des Materials ist aber klar der direkten Auseinandersetzung mit Johannes bzw. seinen Nachfolgern verpflichtet und sollte einerseits Argumentationshilfen bieten sowie andererseits eine exakte Erinnerung an die bislang geführte Debatte garantieren. Als Stapel lag diese Sammlung 18 1332/1333 auf dem Schreibtisch von Bonagratia de Bergamo in München. Beide Teile sind am Beginn der Neuzeit im Umfeld der Päpste, nicht 19 der Minoriten nachweisbar. Dies ist interessant, denn man wird kaum 14 15 16 17
Kämpf (Anm. 10), S. 145. Ibid., S. 46, Nr. 11, S. 147f., Nr. 16 et passim Ibid., S. 148, Nr. 17. Vatikan, Archivio Segreto, Collectoriae 276 A; Gál/Flood (Anm. 1), S. 13*f.; vgl. Becker (Anm. 12), S. 228 und 234–237. 18 Ibid., S. 236. 19 Becker (Anm. 12), S. 236.
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vermuten wollen, dass dies eine sekundäre, erst nach 1500 eingetretene Situation ist. Vielmehr scheint das Material zeitnah zur geführten Auseinandersetzung an die Kurie gelangt zu sein, die in der Folge eine propagandistische Benutzung durch die Minoriten unterbinden konnte. Nur die Handschrift Florenz, Bibl. Laurentiana, Plut. 20 sin. 12, die auf die Mitte des 14. Jahrhunderts datiert und weiter unten noch eingehend betrachtet wird, zeigt Spuren, die auf eine Verwendung im Kreise der Minoriten hindeuten. Der nächst jüngere Band ist Vatikan, BAV, Vat. lat. 4010. Er stammt wie 4009 aus der heißen Phase des Kampfes in der ersten Hälfte des 14. Jahrhun20 derts. Auch hier sind Originaldokumente eingeflossen. Eigentlich sind es aber zwei Hauptschreiber, die Material kopiert haben, das ihnen vorgelegen hat. In diesem Band ist eine narrative Einleitung vorangestellt. Der Text dieser Einleitung startet hier nicht mit den reflektierenden Bemerkungen des Chronisten über sein Tun, sondern mit einer Einführung, die sich mit der 21 tribulatio befasst, die der Heilige Franziskus vorhergesagt hat. Es entsteht der Eindruck einer gewissen Heilsnotwendigkeit des zu ordensinternen 22 Konflikten führenden Armutsstreits. Zentral wird die Auseinandersetzung zwischen dem Dominikaner Johannes de Baune und dem Lektor der Minderbrüder in Narbonne, Berengar Taloni, thematisiert, die sich aus der verschiedenen Bewertung der Auffassung eines Beguinen ergab. Dieser hatte festgestellt, dass Christus und die Apostel weder als einzelne noch als Gruppe Besitzrechte gehabt hätten (nihil habuerunt iure proprietatis et 23 dominii). Da Berengar gegen die Haltung des Dominikaners argumentierte und nicht widerrufen wollte, appellierte er direkt an den Papst. Es ist noch klar fassbar, dass die Debatte durch divergierende Auffassungen in den Orden ausgelöst wurde. Erst die Appellation brachte den Streit vor den Papst, der nicht selbst aus eigenem Antrieb darüber urteilte. Dieser Band ist auf pragmatische Benutzung hin angelegt, wie die am Beginn stehende Tabula verdeutlicht, die zwei Texte mehr ankündigt, als der
20 Gál/Flood (Anm. 1), S. 10* und S. 17* mit einer Datierung in die Mitte des 14. Jahrhunderts; Kämpf (Anm. 10), S. 161. 21 Chronica (Anm. 1), S. 63f., Anm. 6 bietet den Text. 22 Zur Sache vgl. Horst (Anm. 3); Burr, David, The spiritual Franciscans: from protest to persecution in the century after Saint Francis, Philadelphia 2001; id., Olivi and Franciscan poverty: the origins of the Usus Pauper controversy, Philadelphia 1989 und Sedda, Filippo, Veritatem sapientis animus non recusat: testo fraticellesco sulla povertà contro Giovanni XXII, studio ed edizione critica (Medioevo 17), Roma 2008. 23 Chronica (Anm. 1), S. 62 und S. 63f., Anm. 6.
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Band tatsächlich enthält. Es fehlt heute spannenderweise eine angekündigte Liste der häretischen und schismatischen Päpste. Wann diese aus dem Band ausgeschieden wurde, ist nicht bekannt. Der Hinweis deutet darauf hin, dass in einer Phase der Rezeption nicht nur die Sachfragen des Armutsstreits, sondern vor allem der Ketzervorwurf gegen Johannes XXII. interessierte, mithin die Frage, ob er in die Liste der häretischen und schismatischen Päpste aufzunehmen sei oder nicht. Aufgrund des Verlustes ist uns ein Blick auf die Entscheidung des Benutzers der Texte nicht mehr bekannt. Mutmaßungen, dass die Liste nur fehlt, weil sie nicht der Sicht der Römischen Kirche entsprochen hat, lassen sich jedoch nicht mit anderen Argumenten beweisen. Die Handschrift Florenz, Bibl. Laurentiana, Plut. 20 sin. 12 stammt aus 25 der Mitte des 14. Jahrhunderts. Der Text beginnt mit dem Incipit Incipit motiuum primum questionis orte in curia auinionis tempore domini Johannis pape XXII de paupertate Christi et apostolorum et processus et ordo. Hier ist eigentlich schon der Textbestand erreicht, der in der sog. ‘chronica n. mino26 rita’ vorzufinden ist. Die Einleitung ist gegenüber Vat. lat. 4010 modifiziert, doch sind die Passagen zum Streitbeginn in Narbonne so ähnlich, dass sie nicht ohne Kenntnis des Bandes geschrieben sein können. Die Autorenbestimmung orientiert sich an dieser Fassung, weil sie eine Verfasserzu27 weisung an n. minorita enthält. Einzelne Varianten in der Edition deuten darauf hin, dass auch Vat. lat. 4009 bei der Herstellung benutzt wurde. Die in Florenz aufbewahrte Handschrift ist durch Spuren des Arbeitens geprägt, die von den Herausgebern als „confusion“ bezeichnet worden 28 sind. Diese Arbeitsversion übergeht in der Einleitung die internen Streitigkeiten zwischen den Orden und zielt auf die Gegnerschaft zwischen dem Papst und den Minoriten ab. Das Hauptziel liegt aber nicht in einer Verfluchung des Papstes, sondern allein im juristischen Nachweis seiner Ketzerei, was ihn wiederum ipso facto vom Amt enthebt. Die Antwort des frater n. minorita auf Gerald Odonis, die 1328 nach der Absetzung Michaels verfasst 29 wurde, fehlt in diesem Band ebenso wie in Vat. lat. 4010. Der Text dieser Handschrift kann kaum als Grundlage für eine Veröffentlichung gedient haben, denn diese Werkstattfassung hat nicht den Status, mit
24 25 26 27 28 29
Gál/Flood (Anm. 1), S. 10*. Ibid., S. 10*f. Der Text stimmt bis S. 896 mit der Edition überein. Gál/Flood (Anm. 1), S. 10*. Ibid. Ibid., S. 938–960, vgl. S. 938, Anm. 82.
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dem in der Öffentlichkeit nach Anhängern gesucht werden konnte. Diese wären am Ende eher verwirrt, denn überzeugt worden. Man hat sich im Kreis der aktiv gegen Johannes XXII. kämpfenden Minoriten bemüht, aus dem vorbereitenden Arbeitsexemplar ein fertiges Sammelwerk zu produzieren, wie die nächste zu besprechende Handschrift zeigen wird. Zunächst sei aber noch die weitere Überlieferungsgeschichte des heute in Florenz befindlichen Bandes thematisiert. Auch diese Handschrift hat den Kreis der im Armutsstreit kämpfenden Minoriten wohl noch im Mittelalter verlassen. Am Beginn der Neuzeit wurde der Text jedenfalls durch Streichungen umgearbeitet, die den Intentionen der Entstehungszeit klar entgegengesetzt sind. Negatives zu Johannes XXII. und Lob für Michael von Cesena wurden von einer Hand des 16. Jahrhunderts gestrichen, so dass am Ende eine von der ursprünglichen Intention abweichende Darstellung übrig blieb, die freilich im Band noch die Spuren der Manipulation bewahrt hat. Die Editoren der sog. Chronik sprechen der Pariser Handschrift der 30 Bibliotheque National, lat. 5154 eine besondere Bedeutung zu. Der Band wird von den Editoren ins späte 14. Jahrhundert datiert, womit die Herstellung von den Ereignissen des Streits zwei bis drei Generationen entfernt liegen dürfte. Mit Blick auf die Inhalte ist eine enge Verwandtschaft zur Florentiner Handschrift zu verzeichnen. Am Ende bietet diese Hand31 schrift aber mehr Texte. Hier erscheint auch das Verteidigungsschreiben des Chronista gegen Gerald Odonis. Die Hand, die den Text erstellte, gilt als französisch. Die Zuweisung des Textes an Nikolaus Minorita erfolgte erst durch einen Bibliothekar des 19. Jahrhunderts, der auch die Verwandtschaft zur Handschrift Vatikan, BAV, Vat. lat. 4008 diagnostizierte, die uns gleich noch beschäftigen wird. Der Band stammt aus der päpstlichen Bibliothek Benedikts XIII., wie die Edition der Predigten Johannes XXII. 32 nachgewiesen hat. Man wird sich fragen dürfen, welches Interesse dieser Papst am Besitz des Textes hatte und ob er als Auftraggeber der Handschrift anzusehen ist. Er war seit 1394 Papst. Als Gründe für die Beschäftigung Benedikts XIII. mit dem Werk sind sowohl der ‘Armutsstreit’ an sich als auch die abstrakte Thematik der Papstanklage zu sehen. Eine Auseinandersetzung mit dem Stoff in der Phase seines Pontifikats, als er sich wegen des Schismas in allgemeiner Kritik sehen musste, erscheint plausibel. 30 Gál/Flood (Anm. 1), S. 11*. 31 Nämlich den Text S. 896–960 und alle Texte nach S. 975. 32 Dykmans, Marc, Les sermons de Jean XXII sur la vision béatifique: texte précédé d’une introduction et suivi d’une chronologie de la controverse avec la liste des écrits pour et contre le pape (Miscellanea historiae pontificiae 34), Roma 1973, S. 213.
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Die Sammlung konnte als Basis für seine eigene Verteidigung gegen Häresieverdacht dienen. Die Vorlage des Bandes dürfte aus Avignon stammen, denn dass der aus Aragón stammende Kanonist Petrus de Luna, der an der Wahl Clemens VII. beteiligt war und für diesen als Legat fungierte, noch in seiner Heimat an die Sammlung gelangte, wird man ausschließen dürfen. In der Pariser Handschrift selbst findet sich die Notiz, dass Ludwig für die 33 Übersendung der Sammlung nach Avignon verantwortlich war. Ob Benedikt XIII. das Material in seinen eigenen Traktaten zur Stellung des Papstes benutzt hat, ist noch nicht untersucht. Gegenüber der Version in der Handschrift Vatikan, BAV, Vat. lat. 4010 ist die Einleitung deutlich modifiziert. 34 Auch sonst finden sich in den Texten des Chronista Abweichungen, die mit den Interessen des Papstes zu harmonieren scheinen. Ebenfalls aus Avignon stammt die mit der Pariser Handschrift am engsten verwandte Abschrift der sog. Chronik in der Handschrift Vatikan, BAV, Vat. 35 lat. 4008. Während die Edition den Band für eine direkte Abschrift des Pariser Bandes halten will, sprechen die Indizien eine andere Sprache. Offler hat bei seinen Studien zu den Allegationes festgestellt, dass der Band wohl älter sein dürfte als die Pariser Handschrift und dass beide auf eine gemein36 same Vorlage zurückgehen. Die philologischen Untersuchungen zu ‘Licet 37 iuris’, das in den Text der Handschrift integriert ist, haben ergeben, dass beide Handschriften von einer gemeinsamen Vorlage stammen, Vat. lat. 4008 jedenfalls nicht direkt von der Pariser Handschrift abgeschrieben worden sein kann. Der Band ist damit ein zweites Zeugnis für das historische Interesse am Armutsstreit. Dies wird durch den ausführlichen Index des Bandes 38 betont, durch den es möglich wurde, jedes Stück schnell aufzufinden. Hier ist kein zeitgenössisches Dokumentieren des Geschehens, sondern rückblickende Rezeption zu erkennen. Dies wirkte auf die äußere Gestalt des Bandes, der in Großquart von nur zwei Händen geschrieben wurde. Kämpf hat bemerkt, dass das Schreiben Michaels von Cesena gegen das 1329 nach Paris einberufene Generalkapitel gegenüber der Überlieferung in Vat. lat. 4010 eine längere Arenga aufweist, die eine Warnung vor einem drohenden 33 34 35 36
Chronica (Anm. 1), S. 1155. Ibid., S. 62ff. Gál/Flood (Anm. 1), S. 9*f. und 16*f. Offler, Hilary Seton, Zum Verfasser der ‘Allegaciones de potestate imperiali’ (1338), in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 42 (1986), S. 568 mit Anm. 57. 37 Zeumer, Karl, Ludwigs des Bayern Königswahlgesetz „Licet iuris“ vom 6. August 1338, in: Neues Archiv 30 (1905), S. 85–112 und S. 485ff. 38 Gál/Flood (Anm. 1), S. 9*.
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Schisma ausformuliert. Außerdem wird ausdrücklich der Absetzung Michaels gedacht. Ansonsten ist aber mit Kämpf davon auszugehen, dass 40 beide Handschriften eng zusammen gehören. Der Band ist 1620 noch in Avignon gewesen, als die päpstliche Bibliothek bereits nach Rom umge41 zogen war. Dennoch ist er ein Beleg dafür, dass man sich vor allem in Avignon für die kommentierte Dokumentensammlung interessiert hat. Der Codex Vatikan, BAV, Vat. lat. 4128, der ebenfalls aus dem 15. Jahrhundert stammt, hat die promichaelitische Tendenz des Werkes offenbar gar nicht wahrgenommen, denn am Anfang des Textes wurde die Überschrift ‘Chronica contra opinionem fraticellorum’ hinzugefügt und auch 42 im eigentlichen Incipit wird der Inhalt dergestalt charakterisiert. Der Text 43 endet schon nach dem Brief Michaels von 1332 und unterschlägt die Dokumente, die von Johannes’ Läuterung auf dem Sterbebett berichten und die kaiserlichen Dokumente des Jahres 1338 sowie die Schrift ‘Contra defensores papae Johannis’. Was als Schwert gegen den Papst konzipiert worden war, wandte sich gegen die Minoriten, die in extremer Form auf die Armut der Kirche zielten. Als Urheber ist ein papsttreuer Minorit zu erschließen. Hier sind zwar Franziskaner am Werk, aber sie haben sich von den Positionen ihrer Vorgänger im Armutsstreit längst gelöst. Auch dieser Band hat den Weg in die vatikanische Bibliothek gefunden und ist den Kreisen der Bettelmönche entzogen worden. In dieser gekürzten Form erscheint der Text mit sehr ähnlicher Einleitung und mit gleichem Schluss in der Handschrift Vatikan, BAV, Vat. lat. 7316, die 44 aus dem Collegio Capranica stammt. Offenbar war Kardinal Domenico Capranica, der 1447 und 1455 Papstkandidat war, bemüht, diese gemäß der Überschrift gegen die Fratizellen gerichtete Dokumentensammlung für die Ausbildung der römischen Priester zur Verfügung zu haben, die im Collegio 45 Capranica organisiert war. Gemäß der Benutzungssituation ist der Text, der zunächst selbständig war, in eine Sammelhandschrift integriert worden. 39 40 41 42 43
Kämpf (Anm. 10), S. 153, Anm. 4. Ibid., S. 159. Gál/Flood (Anm. 1), S. 9*f. Ibid., S. 11* mit Bezug auf G. Etzkorn. Gál/Flood (Anm. 1), S. 9*f.; es fehlen also die Texte, die in der Edition S. 1015ff. gedruckt sind. 44 Ibid., S. 11*f.; Miethke (Anm. 1), S. 624 mit Anm. 9. 45 Miethke, Jürgen, Politiktheorie im Mittelalter: Von Thomas von Aquin bis Wilhelm von Ockham, Tübingen 2008, S. 317 verzeichnet Petrus von Kaiserslautern, Contra Michaelem de Cesena et socios eius u. a. aus dieser Handschrift.
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Man wappnete sich gegen die Angriffe der extremen Armutstheologen und bewahrte damit die hierarchisch organisierte Kirche der Pfründenträger. Ein zweiter berühmter Kardinal und Papstkandidat hat sich ebenfalls für 46 den Text interessiert: Johannes Bessarion. Seine Handschrift, die in humanistischer Schrift geschrieben ist, befindet sich heute in der Biblioteca Nazionale in Venedig. Ms lat. Classic VIII cod. 174 ist trotz gleichem Rezeptionsmilieu nicht von dem zuletzt genannten Textzeugen abgeschrieben worden, sondern greift auf eine Urfassung der Sammlung zurück. Der Beginn stimmt mit dem Textanfang in der Handschrift Vatikan, BAV, Vat. lat. 4010 überein, betont also die innerminoritischen Auseinandersetzungen. Dennoch ist dieser Text verkürzt und endet bereits mit der Münchener Appellation. Die Handschrift Vatikan, BAV, Chigi cod. B V 70, die ebenfalls aus dem 15. Jahrhundert stammt, weist eine Reihe von zentralen Texten aus dem Streit zwischen Johannes XXII. und den Minoriten auf, steht aber in der 47 Form und Zusammensetzung singulär. Auf sie kann hier nicht detailliert eingegangen werden. Es gibt zudem eine mittelalterliche Übersetzung ins 48 Italienische, die offenbar auf ein Publikum ausgerichtet war, das Probleme mit dem Verständnis des Lateinischen hatte. Der Text bedürfte intensiverer Beachtung, kann aber hier ausgeblendet bleiben. Die überlieferungsgeschichtliche Durchsicht hat das kuriose Faktum ergeben, dass sich die sog. ‘chronica n. minorita’ in ihrer eigentlichen, vollständigen Form mit den Zwischenkommentaren nicht im minoritischen, sondern im päpstlichen Umfeld erhalten hat. Dies kann bei der Beschäftigung mit dem Text nicht unberücksichtigt bleiben, denn die letzte Hoheit über das, was wir über den Armutsstreit wissen, hatten nicht die Minoriten, die Michael von Cesena unterstützten, sondern die Papstkirche und die papsttreuen Minderbrüder. Dies gilt umso mehr, als auch die Kladde, die 46 Gál/Flood (Anm. 1), S. 12*; Miethke (Anm. 1), S. 630 mit Anm. 42; vgl. darüber hinaus die Arbeiten zu Bessarion: Labowsky, Lotte Minne, Bessarion’s library and the Biblioteca Marciana: six early inventories, Roma 1979; Martin, Jacquilyne Emily, Cardinal Bessarion, mystical theology and spiritual union between East and West, University of Manitoba 2000. 47 Gál/Flood (Anm. 1), S. 12*. 48 Florenz, Bibl. Naz., magl. XXXIV 76, vgl. die Edition von Zambrini, Francesco Saverio, Storia di fra Michele Minorita, come fu arso in Firenze nel 1389, Bologna 1864, ND 1964; Conrad, Susanne, Der „theoretische Armutsstreit“ als Medienereignis: Neue Beobachtungen in kommunikationstheoretischer Absicht, in: Studia Monastica. Beiträge zum klösterlichen Leben im Mittelalter. Festschrift für Gert Melville zum 60. Geburtstag, hg. v. Butz, Reinhardt und Oberste, Jörg (Vita regularis 22), Münster 2004, S. 171–190.
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uns in der Handschrift Vat. lat. 4009 vorliegt, offenbar früh nach Avignon kam und nicht mehr für die minoritische Argumentation zur Verfügung stand. In Avignon wurden die Texte nicht öffentlich, sondern blieben im engen Umfeld der Päpste, die für die weitere Benutzung Sorge trugen. Dabei traten die päpstlichen Interessen gegenüber der minoritischen Rechtfertigung in den Vordergrund. Kürzungen wurden mehrfach vorgenommen, die das Bild vom Streit zu Lasten der juristischen Argumente aus der Hauptphase des Streits verzerrten. I. 2 Die Verfasserfrage Nachdem die Substanz der Überlieferung mit Blick auf die Texte vorgeführt ist, muss die Verfasserfrage angesprochen werden, da die Diskussion über den Urheber der Sammlung in der Forschung intensiv geführt worden ist. 49 Müller war zunächst von einem Verfasser ausgegangen. Während Kämpf 50 von zwei Verfassern und damit von zwei Versionen der Chronik ausgeht, 51 sprechen die Editoren nur von einem Verfasser. Ich plädiere jetzt für mindestens zwei Autoren, die wesentlich zur Gestalt des Werkes beigetragen haben. Die beiden von Lasić erarbeiteten Handschriftenfamilien I 52 und II können kaum von demselben Autor stammen, es sei denn, dieser hätte seine persönliche Haltung im Streit in hohem Alter radikal geändert und eine Neubewertung zugunsten von Johannes XXII. intendiert. Mehr Sinn ergibt es, gleich von zwei verschiedenen Verfassern auszugehen. Ich halte es ferner für möglich, dass der ursprüngliche anonyme Sammler, dessen Werk uns in Vatikan, BAV, Vat. lat. 4010 erhalten geblieben ist, durch einen ersten Kommentator und Redaktor abgelöst wurde, den man durchaus als 53 zweiten Verfasser innerhalb der ‘familia I’ nach Lasić bezeichnen kann. Er hat die chronistischen Zwischentexte aus Vat. lat. 4010 nicht unmodifiziert übernommen und sich selbst als n. minorita benannt. Auf sein selbständiges Arbeiten gehen wohl auch die Stücke zurück, die in der Edition in Kapitel 8 und 9 gesammelt sind. Sie weisen einen anderen Fokus auf als 49 Müller (Anm. 10), S. 67 mit der Vermutung, dass der Chronista Bruder N. mit dem Verfasser des Antwortschreibens an Gerald Odonis identisch ist. 50 Kämpf (Anm. 10), S. 165 betont die Vernetzung der Sammler. 51 Gál/Flood (Anm. 1), S. 17*ff. 52 Lasić, Dionysius, S. Iacobus de Marchia. Dialogus contra Fraticellos, Falconara 1975, S. 262ff. 53 Miethke (Anm. 45), S. 262, Anm. 828 verweist darauf, dass die „ebenfalls von einem Münchener Minoriten stammende Einleitung zur Aktensammlung von Vat Lat. 4010 […] wesentlich wortkarger bleibt“.
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der vorangehende Teil, für den Vat. lat 4010 als Vorlage gedient hatte. Die Zugriffsmöglichkeit auf die Dokumente der Kanzlei Ludwigs des Bayern lässt eindeutig die Zusammenarbeit mit dem Herrscher und die Zugehörigkeit zum Münchener Kreis erkennen. Auf jeden Fall scheint der chronista n. minorita selbst zwei Anläufe für die Zusammenstellung unternommen zu haben. Er hat seinen ersten Versuch der Zusammenstellung der Argumente für die Verteidigung Michaels von Cesena selbst verworfen, denn die Florentiner Handschrift wurde von ihm nicht fortgeführt. Vielmehr hat er sein Werk in einem zweiten, heute nicht mehr erhaltenen Band überarbeitet und fertiggestellt, der als Vorlage für die Pariser Handschrift und der Handschrift Vat. lat 4008 gedient hat. Namen wurden bei der Herstellung und Bearbeitung eigentlich nicht genannt. Es erscheinen nur Namenskürzel und immer wieder ein Bekenntnis zur Zugehörigkeit zum Minoritenorden. In minoritischen Kontexten kann man mehrfach ähnliche Erfahrungen mit Anonymität, Arbeiten am Text 54 und neuen Verfasserzuweisungen machen. Auch die als ‘Flores temporum’ bezeichnete Chronik ist zunächst anonym abgefasst worden, und auch hier drängeln sich einzelne Abschreiber, die nur wenig modifiziert haben, in die 55 Rolle des Autors. So wäre es durchaus möglich, dass auch die ausgeformte minoritische Dokumentensammlung, für die sich n. minorita als Verfasser nennt, anonym bleiben wollte. Jürgen Miethke hat noch einmal ausführlich darauf hingewiesen, dass n. sowohl die Kürzung eines Namens als die 56 Anonymisierung signalisieren kann. Zum Schutz gegen eine Ketzereianklage scheint dies sehr sinnvoll. Die Verurteilung des amtierenden bzw. in legitimer Sukzession geführten Papstes wegen Häresievorwurfs, wie dies in der sog. Chronik vertreten wird, hätte eine Strafverfolgung nach sich ziehen können, vermutlich sogar nach sich gezogen, wenn man den Autor eindeutig hätte bestimmen können. Andererseits sind alle Münchener Minoriten ihren Weg ohne Leugnung ihrer Identität gegangen. So ist die Möglichkeit der Namenskürzung erneut in Betracht zu ziehen. Müller wollte die Identität 57 mit Nikolaus von Freising nachweisen, was Skepsis hervorgerufen hat. 54 Roest, Bert, Reading the book of history: Intellectual contexts and educational functions of Franciscan historiography 1226 – ca. 1350, Groningen 1996; id., A history of Franciscan education (c. 1210–1517), Leiden et alibi 2000. 55 Mierau, Heike Johanna, Sander-Berke, Antje und Studt, Birgit, Studien zur Überlieferung der Flores temporum (MGH Studien und Texte 14), Hannover 1996. 56 Miethke (Anm. 1), S. 640. 57 Müller (Anm. 10), S. 67 hat sich für die Identität stark gemacht, konnte mit den Argumenten aber nicht überzeugen.
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Nikolaus von Freising ist zwar in der Antwort Michaels von Cesena auf 58 ‘Quia Vir’ neben anderen Münchener Minoriten als Zeuge genannt, aber die Identität ist allein damit nicht wahrscheinlich zu machen. Hinzuweisen ist nämlich darauf, dass im Kreis der Minoriten noch weitere Personen in Betracht kommen, deren Name mit N. gekürzt worden sein könnte. In der ‘appellatio in forma maiore’ treten der Minorit Nicolao de Prato als Richter 59 und der Notar Ser Nicolo auf. Zudem erscheint bereits in der ‘littera capi60 tuli generalis’ unter den Absendern Nicolaus, minister provinciae Franciae, der auch sonst als Zeuge erscheint. Ob einer von diesen Männern klar als Verfasser identifiziert werden kann, muss hier offen bleiben. Die Interessen des Verfassers, der sich n. minorita nennt, können jedoch noch genauer charakterisiert werden, denn es ist kaum zu bezweifeln, dass der Verfasser der Zwischentexte zu den aufgenommenen Dokumenten und der Verteidiger der von Johannes XXII. abgesetzten Führungsriege 61 des Ordens gegen Gerald Odonis identisch sind. Dafür spricht neben dem Hang zum historischen Arbeiten und dem Sprachstil vor allem die direkte Bezugnahme auf die vorangestellten Stücke in der Verteidigungsschrift selbst. Die ‘responsio’ ist in sich nicht abgeschlossen, sondern argumentiert explizit mit den vorangestellten Texten des Papstes und der abgesetzten 62 Minoriten. Volle Wirkkraft erhält die Antwort gegen Gerald Odonis nur im Verbund mit der gesamten vorangehenden Sammlung. Der Verteidiger nennt sich selbst ego n. Ordinis Minorum minimus praedictorum fratris 63 Michaelis, generalis ministri et magristrorum sectator et amicus fidelis. Er gehört nicht zu den Verfassern der antipäpstlichen Positionspapiere der ersten heißen Phase des Streites nach 1322. Nachdem diese gescheitert waren, unternahm er einen letzten Versuch, um Michael von Cesena, 58 Chronica (Anm. 1), S. 865. 59 Ibid., S. 423. 60 Ibid., S. 67, 69 und 82. 61 Für die Identität haben sich bislang eigentlich alle Forscher ausgesprochen, ohne freilich daraus Schlüsse auf die Herstellung der Sammlung zu ziehen. Die ‘Responsio N. ad sententiam Geraldi’ ist in der Edition S. 938–960 zu finden, steht also fast am Ende der Texte, die zu Lebzeiten Johannes’ XXII. entstanden sind. Es folgen nur noch die Antworten Geralds auf die ‘Excusatio Michaelis’ und die ‘Replicatio Michaelis ad litteram Geraldi’. 62 Chronica (Anm. 1), S. 940 mit Bezug auf die Schriften Johannes’ XXII.: quas hic omnes inserere esset superfluum, cum plene superius in locis pluribus et pluries sint insertae. Vgl. auch S. 945: Praedicta omnia perfectius et clarius probantur in appellationibus et allegationibus magistrorum. 63 Ibid., S. 938.
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Heinrich von Talheim, Wilhelm von Ockham und Bonagratia zu verteidigen und die Umgestaltung des Ordens zu verhindern. Johannes XXII. wird hier mehrfach als Häretiker bezeichnet, weil sein als Skandal bezeichnetes Handeln begründet, warum Geralds Stellung als neuer Generalminister nicht legitimiert ist. Johannes selbst ist nicht der Gegner, sondern die Minoriten, die im Streit eingelenkt haben und die von Michael, Bonagratia und Wilhelm von Ockham verfochtenen Ansichten preisgegeben haben. Sein erster Feind ist Geraldus Odonis als neuer General. Dabei ist dem Verteidiger eine gewisse Hochmut anzumerken, denn er verhöhnt Gerald, wenn er aus Prov. 26,5 zitiert, man solle dem Törichten gemäß seiner Dummheit 64 antworten, damit er sich nicht für weise hält. In der Tat unterscheidet sich diese Verteidigungsschrift deutlich von den vorangehenden Texten. Zwar wird auch hier ausführlich mit dem Kirchenrecht argumentiert, aber neben die Rechtsargumente treten historische Beispiele, die bislang noch nicht so intensiv verwendet worden waren. Am schlagkräftigsten dürfte der Hinweis auf die Päpstin Johanna gewesen sein, mit dem nachgewiesen wird, 65 dass Inhaber des Papstamtes fehlbar sein können. Thematisiert werden aber auch die Berechtigung des Kaisers zur Papstabsetzung und Rolle der 66 Kardinäle. Dieser Themenfocus kennzeichnet auch den Schluss der Sammlung, der offenbar mit einigem zeitlichen Abstand zum Vorangehenden erst nach 1338 entstanden ist. Die Antwort auf Gerald hingegen muss, wenn sie im Ablauf der Ereignisse Wirkung haben sollte, schon 1331 verfasst worden sein. Der erste Teil der Sammlung hat da bereits vorgelegen. Es spricht einiges dafür, dass er zusammen mit dem Antwortschreiben an Gerald geschickt werden sollte. Zumindest ein Exemplar verblieb jedoch beim Verfasser, das weiter ergänzt werden konnte, so dass die Chronik ihre Gesamtgestalt erhalten konnte. Als Adressat der umfänglichen kommentierten Textsammlung war also zunächst nicht die Öffentlichkeit gedacht, sondern der in seiner Legitimität angezweifelte neue Ordensgeneral. Wenn darüber hinaus mit den Texten Meinungen beeinflusst werden sollten, dann diejenigen der Ordensglieder im Generalkapitel. Ihre Bildung reichte dazu aus, den subtilen Argumenten aus dem Kirchenrecht zu folgen. Die Überlieferung des Textes in zwei Handschriftenfamilien lässt sich mit dieser Interpretation in Einklang bringen, obwohl keine Handschrift überliefert ist, die exakt diese Textgestaltung – also ein Ende mit den an Gerald gerichteten Schreiben – aufweist. 64 Chronica (Anm. 1), S. 938. 65 Ibid., S. 955. 66 Ibid., S. 947ff.
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Es spricht nämlich einiges dafür, dass die Grundlage für die ‘familia II’ eine Sammlung darstellte, die noch nicht den vollen Umfang hatte. Ganz sicher gibt es für die hier interessierende Chronik zum Armutsstreit jenseits der Eingriffe in der vom Armutsstreit geprägten Kompilationsphase des 14. Jahrhunderts einen letzten Kompilator, der für die Umwidmung des Vergangenheitsbildes zu Lasten der Minoriten im ausgehenden 14., wahrscheinlicher sogar erst im 15. Jahrhundert verantwortlich war. Die Handschriften, die seine Textgestaltung bieten, lassen sich der Rezeptionsphase zuordnen und wurden von Lasić als ‘familia II’ bezeichnet. Hier 67 nennt sich der Verfasser ego fr. J. ordinis fratum minorum, was ich für glaubhaft halten würde, ohne mich auf die Suche nach einer Identifizie68 rung zu machen. Statt der Texte des internen Streits mit Gerald Odonis, dem Widerruf Johannes’ XXII. und den kaiserlichen Dokumenten am Ende 69 erscheint eine fiktive ‘Appellatio fratris Michaelis’. Die ordensinternen Gegner, die man mit Argumenten zur Loyalität gegenüber der Münchener Gruppe bringen wollte, haben sich der Texte bedient und für ihre eigene Verteidigung genutzt. Wenn man davon ausgeht, dass dieser Gruppe nur eine Sammlung vorgelegen hat, die mit den Schreiben der Michaeliten gegen Gerald endete, dann hätte dieser Bearbeiter nur die direkten Angriffe auf die mit Papst Johannes XXII. kooperierenden Minoriten getilgt und durch ein fiktives Schreiben ersetzt, das Michael von Cesena Worte in den Mund legte, die er nie geschrieben hat. Für den Widerruf Johannes’ XXII. und die kaiserlichen Dokumente sowie den Traktat ‘De potestate papae’ müsste man kein bewusstes Auslassen und damit keine massive Verzerrung der Aussagen annehmen. Diese Texte kamen erst nach 1338 zur Sammlung hinzu und lagen den papsttreuen Minoriten mit gewisser Wahrscheinlichkeit gar nicht vor. Bemerkenswert ist jedenfalls das juristisch-historistische Vorgehen der Autoren, welche die grundsätzliche Anlage des Konvoluts als adäquate Form der Traditionsbildung für den Armutsstreit angesehen haben und keine echte Historifizierung in Form einer Prosadarstellung vorgenommen haben. Vergleicht man die hier interessierende Sammlung mit ähnlich gelagerten anderen Sammlungen, so ist zu verzeichnen, dass es sich bei diesen oft um kodikologische Einzelstücke handelt, die keine Abschriften erfahren 67 In dieser Form erscheint der Text in der Sammlung von Mansi, vgl. Gál/Flood (Anm. 1), S. 17*. 68 Die intensive Benutzung der ‘chronica n. minorita’ bei Jacobus de Marchia könnte einen Fingerzeig geben, doch kann diese Spur hier nicht weiter verfolgt werden. 69 Miethke (Anm. 1), S. 630.
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haben. Wenn uns von der sog. Chronik gleich mehrere Kopien bekannt sind, so deutet dies auf eine Sonderstellung hin, die nicht zuletzt durch die Sache bedingt war. Der Streit wurde über eine längere Phase hinweg geführt. Eine ganze Gruppe war am Diskurs beteiligt. Mit einer Sammlung wurden in drei verschiedenen Situationen unterschiedliche Zielgruppen angesprochen. Wie es wirklich gewesen ist, sollte nach Ansicht der Sammler und Bearbeiter aus den Originaldokumenten deutlich werden, nicht aufgrund historiographischer Überformung, die dem Leser ein eigenes Urteil aufgrund der Überlieferung verwehrt hätte. Dieses Vorgehen ist eigentlich dazu geeignet, eine Verzerrung der Sachverhalte auszuschließen. Zumindest der einfache Leser, der keine Chance hat, Manipulationen in den Originaltexten anhand der Parallelüberlieferung offen zu legen, erhält die Vorstellung aufgrund des bereitgestellten Materials bestens und objektiv informiert zu werden. Auch bei intensiverer Prüfung ist festzustellen, dass von der Möglichkeit der Manipulation kaum Gebrauch gemacht wurde. Gerade deshalb schien es kurialen Kreisen des ausgehenden 14. und des 15. Jahrhunderts möglich, die Sammlung für eigene Interessen einzusetzen. Hier kam es dann auch zur Manipulation des ursprünglichen Textbestandes. Wie trügerisch die auf Dokumenten basierende Wahrheit sein kann, zeigt unser Beispiel durch die Umwidmung mit den erwähnten Verkürzungen sehr eindrücklich. Die Übersendung nach Avignon durch Ludwig den Bayern, von der in 71 der Chronik berichtet wird, hatte fatale Folgen für die Wirkung der Sammlung und damit für die Entscheidung über die Armutsfrage. Die beiläufige Bemerkung der Forschung, die Sammlung habe in Avignon keine Beachtung 72 gefunden, ist auf jeden Fall zu korrigieren. Für die Zeit direkt nach der Übersendung ist uns ein Urteil verwehrt, aber für den weiteren Verlauf im 14. Jahrhundert ist das Diktum falsch. Auf diese Zusendung geht ein großer Teil der Rezeption zurück, insbesondere die beiden Handschriften, von denen die Forschung sich sicher ist, dass sie den eigentlichen Textbestand des sog. ‘chronica n. minorita’ enthalten. Diejenigen, die die Hoheit über die Chronik erlangt haben, obwohl sie diese nicht erstellt hatten, gingen nach mehr als einem Jahrhundert als Gewinner aus dem Streit über die Armut hervor.
70 Die Beurteilung basiert auf einer Datenerhebung von mehreren hundert Handschriften. Eine Publikation des von mir erstellten Katalogs steht leider noch aus. 71 Chronica (Anm. 1), S. 1155. 72 Miethke (Anm. 1), S. 632, Anm. 48.
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II. Berichtshorizonte der ‘Chronik’ über Johannes XXII. Bei der folgenden Textanalyse liegt die Fokussierung anders als in der bisherigen Forschung nicht auf der Armutsfrage und den inhaltlichen Debatten, sondern gemäß dem Tagungsthema auf der Person von Papst Johannes XXII. Ich untersuche, was der Leser durch das Werk tatsächlich über Johannes XXII. erfährt und versuche bewusst das Vorwissen auszublenden, welches die moderne Geschichtsforschung erzielt hat. Ich syste73 matisiere die Durchsicht des Textes in drei Bereiche: 1. Die Darstellung in den Zwischentexten des sog. Chronista und in der Antwort auf Gerald Odonis, 2. Die Informationen aus den in die Chronik aufgenommenen Selbstzeugnissen des Papstes, 3. Die Informationen aus den in die Chronik aufgenommenen Fremdzeugnissen, 3.1 Franziskanische Stellungnahmen, 3.2 Stellungnahmen Ludwigs des Bayern und seiner Kanzlei. II. 1 Die Darstellung in den Zwischentexten des sog. Chronista und in der Antwort auf Gerald Odonis Bevor die einzelnen Passagen zu Papst Johannes XXII. gesammelt und ausgewertet werden, sei eine kurze Bemerkung zur Selbsteinschätzung des Kommentators erlaubt: Im Initium betont er, dass er den Streit mit Johannes XXII. um die Armutsfrage mit pro und contra schildern will, damit nicht das Unwissen, das Mutter aller Irrtümer sei, gemäß Decretum 74 38, c. 1, Bedeutung erlangt. Er wolle die Geschichte der zukünftigen Erinnerung übergeben, damit die Handlungen nicht von Schweigen bedeckt 75 würden. Per modum chronice will er den Streit von Beginn an verfolgen. Erneute Bekenntnisse zur Objektivität finden sich in zwei weiteren Selbst76 einlassungen des Chronista. Dagegen wird in den Zwischentexten kein Kommentar eingefügt, der eine Negativbeurteilung des Papstes programmatisch formuliert hätte. Nun können wir zur konkreten Darstellung von Papst Johannes’ XXII. in den erklärenden Zwischentexten der sog. Chronik kommen. Im ersten 73 74 75 76
Die Analyse bezieht sich auf die Version, die der Druck bereitstellt. Chronica (Anm. 1), S. 62. Ibid. Ibid., S. 125f. und 479.
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Kommentar zur Sammlung erfolgt eine knappe Skizze der Auseinandersetzungen in Narbonne und die Appellation des Lektors Berengar nach 77 Avignon, wo in dieser Zeit Papst Johannes mit seiner Kurie residiert habe. Im Konsistorium habe Berengar seine Position vertreten, woraufhin er in Arrest genommen wurde. Um die Vorwürfe zu klären, habe Johannes XXII. öffentlich die Frage aufgeworfen, ob jemand, der behauptet, dass Jesus und die Apostel weder einzeln noch gemeinsam Besitz gehabt hätten, für einen 78 Ketzer gehalten werden müsse. Dabei habe er das Gegenteil dessen festsetzen wollen, was in der Decretale ‘Exiit’ festgehalten sei. Der Kommentator berichtet dann, dass Michael von Cesena 1321 im Streit aktiv geworden sei und sich zu ‘Exiit’ bekannt habe. Er sei aufgefordert worden, Widerruf zu leisten, habe dagegen aber appelliert, weil er nur vertreten habe, was 79 sanum et catholicum, et tamquam tale per ecclesiam definitum sei. Schriftlich habe er allen Prälaten und Magistern der Theologie seines Hofes die ‘Forma traditonis’ übergeben lassen. Das Gegenteil von der Decretale ‘Exiit’ 80 habe er definieren wollen. Im Zwischentext zwischen ‘Quia nonumquam’ und der ‘Littera capituli Generalis’ von 1322, die Michael von Cesena verantwortete und besiegeln 81 ließ, wird die Hoffnung von Kardinälen und anderen Notablen erwähnt, 82 Johannes XXII. zu zügeln. Im Kommentar wird hier deutlich formuliert, 83 dass Johannes ad errores dispositus sei. Im Kommentar vor der ersten Fassung von ‘Ad conditorem’ wird betont, dass Johannes die Bestimmungen 84 von Nikolaus III. habe verwerfen wollen. Zu den zwei Versionen von ‘Ad conditorem’ nimmt der Chronista im Anschluss an die Erstfassung und vor der ersten Appellation von Bonagratia de Bergamo klar Stellung. 85 Er erklärt, dass nur die Kurzform promulgiert worden sein. Als Johannes aber gesehen habe, dass Bonagratia gegen ‘Ad conditorem’ appelliert, habe er nicht von seinen Fehlern abweichen wollen und habe deshalb eine Langform von ‘Ad conditorem’ verfasst, in der er Fehler auf Fehler häufe (errores
77 78 79 80 81 82 83 84 85
Chronica (Anm. 1), S. 62f. Ibid., S. 63: publice hanc proposuit quaestionem. Ibid. Ibid., zur Stelle vgl. Nold (Anm. 4), S. 8f. Chronica (Anm. 1), S. 69. Ibid., S. 67 unter Benutzung des Verbs refrenare. Ibid. Ibid., S. 83. Ibid., S. 89.
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erroribus cumulando). In der Handschrift Vatikan, BAV, Vat. lat. 4010 hat der Kommentator hinter die Langform von ‘Ad conditorem’ eine Bemerkung gesetzt, dass Johannes XXII. über die Armut anders denke als Niko87 laus III. Der Chronista erklärt, dass Johannes XXII. eine zweite Kon88 stitution ‘Cum inter nonnullos’ verfasst habe. Im Kerntext des Chronista wird vor ‘Cum inter nonnullos’ eingefügt, dass Johannes XXII. nach dieser Bestimmung an der Kurie über die Frage debattieren wolle, woraufhin er 89 ‘Cum inter nonnullos’ erlassen habe. Der Chronista berichtet als Einleitung zum Textdokument ‘Quia quorundam’ recht wertneutral, Johannes XXII. habe bemerkt, dass Ludwig 90 gegen ihn appelliere und ihm vorwerfe, Häretiker zu sein. Daraufhin habe der Papst ‘Quia quorundam’ als eine dritte Konstitution zur Verteidigung ediert und öffentlich bekannt gemacht. Der Chronista mischt sich im Umfeld der Textwiedegabe der Zitation, die Johannes gegen Michael 91 ausgesprochen hat, etwas umfänglicher ein. Vor dem Zitationsschreiben gibt er eine Inhaltsangabe mit dem Hinweis auf die gesetzte Frist von 30 Tagen für das Erscheinen. Außerdem hilft er bei der Datierung der Vorgänge und übersetzt das 11. Jahr der Regierungszeit Johannes, wie es im Originalschreiben aufscheint, in das Jahr 1327. Im Anschluss an den Text des Zitati92 onsschreibens folgt der Bericht über die Krankheit Michaels. Dieser habe Boten zu Johannes geschickt und um Aufschub für die Vorladung gebeten, den der Papst auch erteilt habe. Es folgt der Bericht, dass Michael nach der Genesung vor Johannes erschienen sei, der ihn wohlwollend (benignus) und 93 freundlich (gratiosus) empfangen habe. Für die Zeit des Aufschubs habe der Papst Michael entschuldigt, wie das rechtens sei. Hier ist ein relativ positives Bild vom Papst gezeichnet worden. Er erscheint als ein fairer Richter, der sich an die Vorgaben der Prozessordnung hält. Der weitere Bericht schildert die Gesamtlage: Während Michael in Avignon gewesen sei, habe Ludwig der Bayer in Rom die Kaiserkrone
86 Chronica (Anm. 1), S. 118, der Text steht vor der Langfassung und stimmt den Leser negativ auf das Schreiben ein. 87 Ibid., S. 127, Anm. 108. 88 Ibid. 89 Ibid., S. 128. 90 Ibid., S. 159. 91 Ibid., S. 177. 92 Ibid., S. 177f. 93 Ibid., S. 178.
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empfangen. Am 9. April habe Johannes XXII. Michael dann zum Gespräch einbestellt, an dem auch Bertrand de la Tour, Petrus von Prato, Raymund 95 de Lados und Laurentius de Choalono teilgenommen hätten. Michael sei vom Papst über das Manifest von Perugia befragt worden, aus dem Johannes mehrfach lang zitiert und erklärt habe, dass diese Auffassungen häretisch seien. Im Angesicht des Papstes habe Michael widersprochen. Es handele sich um rein katholische Aussagen, die mit Nikolaus III. und der Kirche 96 harmonieren. Alle nach Nikolaus III. seien Häretiker gewesen, wenn Johannes auf seiner Meinung beharrte. Michael habe noch mehr vorgebracht, was dem Chronista aber zu unwichtig scheint, um es auszuführen: 97 et plura alia ibi dixit et respondit, quae esset longum per singula enarrare. Daraufhin habe Johannes Michael in Arrest gesperrt. Zeugnis dafür ist ein Brief von Raymund, Petrus und Laurentius, in dem die Vorladung durch Johannes XXII. und die zentralen Antworten des Ordensgenerals sowie 98 das Verbot, die Kurie zu verlassen, beschrieben und bezeugt werden. Der Chronista verzeichnet im nächsten Zwischentext, dass Michael bemerkt 99 habe, dass Johannes ihn zum Abschwören bewegen wolle. Dies habe Michael als ungerechtfertigt empfunden und appelliert. Als Beleg folgt der 100 Text der Appellation. Als Einleitung zum Gesetz Ludwigs des Bayern gegen Majestätsverbre101 chen befindet der Chronista, dass der Kaiser gegen Johannes XXII., der öffentlich und allgemein bekannt der Häresie beschuldigt sei, habe vorgehen 102 wollen. In dem Stück selbst wird Johannes dann gar nicht genannt, weil ganz allgemein die Strafe für alle Majestätsverbrecher und Häretiker festgesetzt wird, man also den Schluss, dass dies auch Johannis betrifft, selbst ziehen muss. Diese Leistung hat der Chronista seinem Leser erspart und damit Johannes XXII. in ein negatives Licht gerückt. Den Zeitgenossen
94 Chronica (Anm. 1); zur Sache vgl. Godthardt, Frank, Marsilius von Padua und der Romzug Ludwigs des Bayern: politische Theorie und politisches Handeln (Nova Mediaevalia 6), Göttingen 2011, S. 387. 95 Chronica (Anm. 1), S. 179. 96 Ibid. 97 Ibid., S. 180. 98 Ibid. 99 Ibid., S. 182. 100 Ibid., S. 182ff. 101 Ibid., S. 190f. nach der kritischen Edition in MGH Constitutiones VI,1, Nr. 435, S. 343f. 102 Ibid., S. 190.
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hingegen dürfte diese Ergänzung keine neue Information gewesen sein, denn der Kontext, in dem Ludwigs Regelung stand, war ganz offensichtlich. Beim Bericht des Chronista, dass Ludwig Johannes, als er die drei schon genannten Häresiestatuten promulgiert hat, aus dem Papstamt entfernt 103 habe, wird auf die Nachahmung Ottos I. rekurriert. Dieser Hinweis 104 stammt aus dem nachfolgenden Text des Dokuments, weshalb er allein nicht als Argument für die historische Bildung des Chronista gewertet werden darf. Eigene historische Kenntnisse sind aber aus seiner Antwort auf Gerald Odonis klar zu erkennen. Im Anschluss an die kaiserliche Sentenz von 1328 unterstreicht der Chronista noch einmal die drei häre105 tischen Dekretalen, die Ludwig gar nicht ins Spiel gebracht habe. Hier wird Johannes aber mit Blick zurück noch als dominus Johannes papa ange106 sprochen. Er folgt also nicht dem zuvor kopierten Dokument, in dem 107 bereits ein Wandel in der Namensgebung stattgefunden hatte. In dieser Phase hat der Chronista seine eigentliche Erzählerfunktion eingenommen. Er berichtet von der Wahl eines neuen Papstes durch den Kaiser in Verbin108 dung mit Klerus und Volk von Rom. Dies sei notwendig geworden, weil die Kardinäle ihre Kompetenz zur Papstwahl durch die Unterstützung des häretischen Papstes verwirkt hätten. Als historisches Exempel dient hier Nikolaus II. Ein weiterer Zwischentext, der auf dem nächsten Blatt eingetragen wurde, rechtfertigt die Kompetenz des Kaisers zur Papstab- und einsetzung im Fall eines häretischen Papstes mit den zentralen Stellen des 109 Kirchenrechts. Auch wenn die öffentliche Debatte diese Argumente allgemein bekannt gemacht haben dürfte, so zeigt sich hier die Eigenschaft des Chronista, kirchenrechtlich und nicht in erster Linie politisch oder historisch zu argumentieren. Die im Verhältnis zur sonstigen Praxis lange Passage der Zwischenkommentare ist damit aber noch nicht beendet. Es schließt sich nach dem 110 Bericht über die Flucht Michaels von Cesena die Nachricht an, Johannes XXII., der immer noch als dominus Johannes papa bezeichnet wird, habe 103 Chronica (Anm. 1), S. 191. 104 Ibid., S. 198. 105 Ibid., S. 200: Quia praedicta sententia fuit insufficiens quoad aliqua, et maxime quia errores per dictum dominum Johannem papam publice dogmatizatos et in supra dictis tribus decretalibus insertos minime exprimebat. 106 Ibid. 107 Ibid., S. 199. 108 Ibid., S. 201. 109 Ibid., S. 201f. 110 Ibid., S. 203.
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Michael feindlich verfolgen lassen, ihn aber nicht zu fassen bekommen. Ungeachtet der Appellation habe er gegen Michael am 6. Juni die Absetzungssentenz verhängt, die dann auch im Wortlaut folgt. Wieder unterstützt der Chronista das Verständnis des Lesers für den Handlungsablauf, denn bevor der Text der erneuten Appellation Michaels eingefügt wird, erfolgt die Schilderung der Umstände: Dabei wird Johannes als jemand charakteri112 siert, der Michael usque ad mortem verfolge. Mit falschen und erfundenen Vorwürfen habe er Michael und seinen Anhängern Prozesse gemacht bzw. machen lassen. Von dieser Stelle an wird Johannes klar negativ gezeichnet. In dieselbe Richtung zielt der Kommentar des Chronista vor der Münchener Appellation, wo bemerkt wird, wie sehr ‘Quia vir reprobus’ dessen Ruf geschädigt und dennoch eine Vorverurteilung Michaels und des 113 katholische Glaubens bewirkt habe. Die erklärenden Zwischenkommentare nehmen im weiteren Verlauf ab. Jetzt werden nur noch die sehr umfangreichen minoritischen Schriften gegen Johannes XXII. aneinandergereiht. Beim Brief Michaels an die Ordensmitglieder hielt der Chronista noch einen kurzen Hinweis auf das Zielpublikum von Nöten, in dem Johannes XXII. als Person aber nicht mehr genannt wird, sondern nur noch von den Häre114 sien gesprochen wird. Der Brief sei in die ganze Welt verschickt worden, lässt der Chronista seinen Leser wissen. Offenbar erwartete der Verfasser, dass sein Adressat diese Phase des Streites selbst einzuschätzen wusste. Erst im letzten Dokumententeil, der den Widerruf des Papstes beinhaltet, meldete sich der Chronista noch einmal zu Wort. Der Text wird eingeleitet mit dem Hinweis auf die schwere Erkrankung des Papstes im Dezember 1334. Johannes wird als praefatus dominus Iohannes XXII. betitelt, ihm also der Papstname belassen, aber die Amtsbezeichnung gegen ein einfaches dominus getauscht. Beim Schreiben ‘Quoniam ut ait Leo papa’, das Bonagratia de Bergamo verfasst hat, wird vom Chronista das vernichtende Urteil gesprochen, dass sich nach Johannes’ Tod keiner gefunden habe, der ihn von der Häresie habe freisprechen wollen. Niemand habe ihn zu den Katho115 liken gezählt. Dennoch hat der führende Minoritenjurist noch einmal die Feder in der Sache ergriffen, weil er die Maßnahmen Benedikts XII. nicht für ausreichend gehalten hat. Der Text nennt den Namen des neuen Papstes noch nicht. Unkommentiert folgt die lange Liste der errores, die 111 Chronica (Anm. 1), S. 203. 112 Ibid., S. 227. 113 Ibid., S. 624. 114 Ibid., S. 896. 115 Ibid., S. 1017.
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Johannes XXII. anzulasten sind. Das Bild von Johannes wird hier verfestigt: seine Haltungen müssen von der Kirche revidiert werden. Der Chronista schweigt aber über die einzelnen Vorwürfe. Länger werden seine Erklärungen erst beim Aufbäumen Michaels von Cesena gegen den neuen Papst. Er berichtet von der Papstwahl und beklagt, dass Benedikt seine Schritte nicht von Gerechtigkeit und wahrem katholischem Glauben leiten 116 ließ, sondern er auf den Abwegen Johannes’ XXII. verharre. Daraufhin habe Michael eine Appellation an ein legitimes Generalkapitel und an einen zukünftigen katholischen Papst gerichtet. Mit dem Urteil über Benedikt bestärkt der Chronista die negative Sicht auf Johannes XXII. Um die Position des Chronista zu erfassen, ist der Blick auch auf die 117 Antwort auf Gerald Odonis von 1328 zu lenken, denn der als ego frater n. minorita bezeichnete Verfasser kann mit guten Gründen mit dem Chronista 118 identifiziert werden. Johannes XXII. ist hier nicht der direkte Gegner. Da er aber für die Absetzung Michaels und die Einsetzung Geralds verantwortlich war, die der Verfasser für unrechtmäßig hielt, wird offengelegt, warum Johannes als haereticus eine solche Entscheidung gar nicht mehr treffen konnte. Innerhalb der abstrakten Debatte über das Unrecht Appellierende zu verurteilen und die Rolle von Kardinälen und Kaiser gegen häretische Päpste vorzugehen, erscheint immer wieder der Hinweis auf die Häresie von Päpsten, doch die Rationalität der Argumentation verbot anscheinend eine öffentlichkeitswirksame Polemik gegen den Kontrahenten im Armutsstreit. Die Schrift zielt nicht auf den Nachweis der Häresie, der dem Verfasser bereits erbracht zu sein scheint, sondern auf die konkreten Folgen für die Stellung Geralds. Weite Strecken des Textes sprechen nicht konkret von Johannes, sondern allgemein vom Umgang mit häretischen Päpsten. Beim Argument, die Verurteilung könne aus der Unkenntnis der Appellation resultieren, wird konkret auf Johannes Bezug genommen und 119 betont, dass diese Entschuldigung in seinem Fall nicht zutrifft. Insgesamt bleiben die Nennungen im Gesamttext recht knapp. Der Fokus liegt auf anderen, abstrakt rechtlichen Fragestellungen.
116 Chronica (Anm. 1), S. 1099. 117 Ibid., S. 938–960. 118 Siehe oben Anm. 61. 119 Chronica (Anm. 1), S. 941 und 956.
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II. 2 Informationen aus den in die Chronik aufgenommenen Selbstzeugnissen des Papstes Der Papst kommt in der vorliegenden Sammlung ausführlich selbst zu Wort, indem seine Dekretalen und Verlautbarungen in Gesamtlänge eingefügt 120 werden. Zunächst wird ‘Quia nonumquam’ zitiert. Dort betont Johannes XXII. sein Interesse an der Wahrheit, die in Argumenten und Kollationen zu Tage trete. Deshalb habe er eine Vielzahl von Erzbischöfen, Bischöfen, Prälaten und Professoren herangezogen. Er berichtet von sich selbst, dass er das Schreiben an die Türen bzw. die Türstürze der Domkirche zu Avignon 121 habe anbringen lassen. Dem Leser erscheint der Papst dadurch als gewissenhafter Vertreter auf dem Stuhle Petri, der die Verfahrensvorschriften 122 einhält. In der ersten Version von ‘Ad conditorem’ argumentiert er gegen die Bestimmungen seines Vorgängers Nikolaus III., nachdem zunächst programmatisch festgehalten wird, dass ein Papst seine eigenen Dekrete und die seiner Vorfahren verändern kann, wenn sich erwiesen hat, dass sie mehr schaden als nutzen. Diese Regelung verhindere weiteren Schaden. Das grundsätzlich positive Ansinnen, für den Nutzen innerhalb der Christenheit zu sorgen, wird zugleich ausgedrückt. Mit konkreten Beispielen wird verdeutlicht, welche praktischen Probleme sich aus den Regelungen 123 ergeben, die er widerrufen hat. Nicht nur eigene Überlegungen, sondern auch die zahlreichen Klagen anderer über die geübte Praxis haben ihn zu 124 der Entscheidung geführt. Das Bild eines fürsorglichen Papstes tritt bei der Lektüre an die Oberfläche. Am Ende betont er, dass er nicht intendiere, die Regel des Ordens oder die den Brüdern bzw. dem Orden erteilten Privi125 legien zu widerrufen. Nach seinem Willen sollten diese weiter in Kraft bleiben. Auch dies hinterlässt zunächst ein positives Bild. In der Langfassung von ‘Ad conditorem’ betont der Papst ein weiteres Mal sein Bemühen 126 um die Wahrheit. Erneut wird die Sicherung des Ordens betont. Auch die Mühsal, die aus der Altregelung erfolgte, bleibt Thema. Sonderregelungen werden von der Zustimmung des Apostolischen Stuhles abhängig gemacht, 120 Chronica (Anm. 1), S. 64ff. 121 Ibid., S. 66. 122 Ibid., S. 83–88. 123 Vgl. im Einzelnen die Interpretation bei Nold (Anm. 4), S. 149–158, insb. S. 154ff. 124 Chronica (Anm. 1), S. 87: nos itaque praemissis in scrutinio rectae considerationis adductis multorumque clamoribus excitati. 125 Ibid., S. 87f. 126 Ibid., S. 125f.
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aber nicht gänzlich ausgeschlossen. Dennoch ist diese doppelte Aufnahme von ‘Ad conditorem’ zentral für die negative Wirkung des Papstes, denn hier erscheint das Bild eines Mannes, der sich selbst korrigieren muss, weil die Argumente des Gegners ihn überzeugen. Die fehlende Promulgation zeigt, dass er von Verfahrensgewohnheiten abrückt, um seine Wirkung nach außen zu verbessern. 128 In die Sammlung wurde auch ‘Cum inter nonnullos’ aufgenommen. In diesem knappen Schreiben erscheint der Papst als oberster Interpret der Heiligen Schrift. Diejenigen, die sich dagegen stellen, werden als irrend bezeichnet und zu Häretikern erklärt. Ohne eigene Bibelkenntnis war ein Urteil nicht möglich. Polemik gegenüber den Minderbrüdern versagte sich der Papst. In ‘Quia quorundam mentes’ nimmt Johannes XXII. auf seine 129 beiden Stellungnahmen ‘Ad conditorem’ und ‘Cum inter nonullos’ Bezug. Man erfährt von seiner Haltung zur päpstlichen Schlüsselgewalt. Diejenigen, denen der spirituelle Schlüssel anvertraut sei, hätten keine scientia, sondern 130 die postestas ligandi et solvendi. Aus seinen Schriften wird deutlich, dass 131 Papst Johannes sich gegen die stemmt, die Lügen in die Welt setzen. Der Papst hat in sein Schreiben Argumente des Kirchenrechts aufgenommen, die in den bisherigen Verlautbarungen weitgehend gefehlt hatten. Insofern hat er sich auf den Stil seiner Gegner eingelassen. Ihre Positionen werden als falsch bezeichnet. Die Gegenseite wird polemisch als adsertores huiusmodi 132 betitelt und ihre Ansichten Schritt für Schritt widerlegt. Er selbst will verhindern, dass sich diejenigen, die nur Lügen erfinden, rühmen und andere in ihren Strudel ziehen. Er benutzt für die Positionen der Gegenpartei das Wort Blasphemie und deklariert ihr Tun als Feindschaft zum katholischen Glauben. Er selbst stellt sich im gleichen Atemzug als Verfechter des wahren Glaubens dar. Er nutzt seine Autorität, um die Unterstützung der Häretiker zu unterbinden. Wer sich gegen seine Setzungen ausspricht, soll für 133 contumax et rebellis Romanae ecclesiae gehalten werden. Bei der Zitation Michaels an die Kurie, dem nächsten wörtlich in die Sammlung übernommenen Dokument Johannes’ XXII., handelt es sich um 134 eine ganz knappe Aufforderung, die sehr sachlich bleibt. Es folgt das 127 Chronica (Anm. 1), S. 127. 128 Ibid., S. 128f. 129 Ibid., S. 159–171. 130 Ibid., S. 160. 131 Ibid., S. 170. 132 Ibid., S. 169. 133 Ibid., S. 171. 134 Ibid., S. 177.
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Schreiben an Michael, mit dem der Papst dessen Entschuldigung für das 135 Fernbleiben wohlwollend akzeptiert. Auch hier ergibt sich also ein positives Bild vom Papst. In der Absetzungssentenz gegen Michael von Cesena legt Johannes XXII. 136 seine Haltung im Streit dar. Der Leser wird also auch mit den Argumenten der Gegenseite ausgestattet. Diese Tendenz wird nicht durch verbale Angriffe des Chronista gestört, der nur knapp festhält, dass die Urteilsverkündung die vorausgegangene Appellation Michaels ignoriert habe. Nur wer sich in Verfahrensfragen des kirchlichen Prozessrechts auskannte, sah die Fehler in voller Schärfe. Endgültig negativ auf das Bild von Johannes XXII. wirkt sich die Aufnahme des Widerrufs in der ‘Retractio papae 137 Johannis’ aus. Die Lösung des Streits ergibt sich gemäß der Komposition der Dokumente in der Sammlung durch Papst Johannes XXII. selbst. Derjenige, der nach eigener Anschauung durch niemanden auf der Welt gerichtet werden kann, spricht das Urteil über sich am Ende selbst. Auf dem Sterbebett, im Angesicht des Todes und in der Angst vor dem Jüngsten Gericht widerruft er selbst seine Auffassungen. Die im Papstmilieu und bei den papsttreuen Minoriten entstandenen Kopien der Sammlung haben diesen Text nicht aufgenommen, sei es, weil ihre Vorlage bereits vorher endete oder sie mit Streichung reagierten. Der Text konnte jedenfalls bei der Rezeption des Werkes keine volle Wirkung erzielen. Der Papst kommt in der Sammlung also vielfach selbst zu Wort, sehr viel seltener und kürzer aber als seine Gegenspieler. Der Papst hat keine Hoheit über die Stücke mehr, die versendet werden. Der Kompilator arbeitet – wie Nold nachgewiesen hat – an einigen wenigen Stellen mit bewussten Auslassungen oder er hat bereits Exemplare vorliegen, in denen die Auslassungen jenseits der eigentlichen Fassungen erscheinen. Ohne eine detaillierte textkritische Untersuchung sollten vorschnelle Urteile über die Manipulation durch den Kompilator vermieden werden. Als die Sammlung in päpstlichen Kreisen weiterbenutzt wurde, hat man die Johannes’ Dekretalen nicht an die tatsächliche Originalform angepasst. Entweder hat man die spitzfindigen Abweichungen im Meer der zitierten Paragraphen nicht bemerkt oder man hielt die Modifikationen nicht für so gravierend, dass man eine Kommentierung eingefügt oder gar Abänderungen vorgenommen hätte. Man scheint noch nicht einmal Argwohn gespürt zu haben, sondern vertraute auf das
135 Chronica (Anm. 1), S. 178. 136 Ibid., S. 203–206. 137 Ibid., S. 1015f.
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Bekenntnis des Chronista zu unparteiischer Berichterstattung. An etlichen anderen Stellen der Dokumentensammlung wurden Selbstaussagen von Johannes XXII. als Zitate aufgenommen, die in den Schriften der Minoriten erscheinen, um dagegen zu argumentieren. Hier sind eindeutig Zuspitzungen und Verkürzungen erfolgt, die den Papst in ein schlechteres Licht rücken. Bei der Rezeption der Sammlung hatten diese Darstellungen allerdings nur noch wenig Wert, weil sie aus dem Mund von Exkommunizierten stammten. Das Urteil über die Verfasser entkräftete die von ihnen getroffenen Aussagen. Eine Aussonderung aus dem Textbestand der Sammlung schien deshalb gar nicht notwendig. II. 3 Informationen aus den in die Chronik aufgenommenen Fremdzeugnissen II. 3. 1 Franziskanische Stellungnahmen Die franziskanischen Appellationen bilden das Gros der gegnerischen Textdokumente. Der minoritische Sammler, der den Kernbestand zusammenstellte, hatte auf diese Texte den besten Zugriff. Aber seine Liste der Texte ist keineswegs lückenlos. Es fällt auf, dass keine Traktate einbezogen werden, sondern es sich bei den verwendeten Texten nur um rechtsrelevante Schreiben handelt. Dokumente der Jahre 1335 bis 1337 fehlen und auch für die Zeit danach ist zentrales Schriftgut nicht aufgenommen worden. Der Zugriff auf die Texte Michaels von Cesena blieb unvollständig, wobei das Fehlen des Memorandums ‘Quoniam scriptura testante divina’, in dem der Kaiser vor einem Verhandlungsfrieden mit der Kurie gewarnt worden war, wohl nicht aus Unkenntnis zu erklären ist, sondern der Tendenz des Sammlers geschuldet ist. In dieser letzten Phase arbeitete der Chronista dem Kaiser zu, der sich gegen Michaels Rat entschlossen hatte, auf den Papst zuzugehen und ihn mit den Argumenten der vorliegenden Sammlung zu überzeugen. In der ‘Littera capituli’ ist noch die volle Anerkennung Johannes’ XXII. 139 zu spüren, der als divina providentia papa angesprochen wird. Die Bezugnahme auf seine Deklaration zur Regel der Minoriten in ‘Quorumdam exigit’ (Extra. Joh. XXII. 14 1.) ist neutral formuliert. Die declaratio der 140 Minoriten, die 1322 in Perugia verabschiedet wurde, bleibt ganz ohne Bezug auf die Haltung des Papstes. Diese Selbsteinlassung trägt zum Bild des Papstes gar nichts bei. Für eine Schmähschrift gegen den Papst erscheint 138 Siehe oben Anm. 76. 139 Chronica (Anm. 1), S. 67–70, das Zitat S. 68. 140 Ibid., S. 71–82.
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die Aufnahme völlig sinnlos. Sie ist nützlich zur Beurteilung der Verurteilung Michaels wegen Häresie durch den Papst, weil dieser sich direkt darauf bezogen hat. Zudem bildet dieser Text ein Kernstück für den Diskurs innerhalb des Ordens über die Absetzung Michaels, der oben als wichtiges Motiv für die Umarbeitung der Dokumentensammlung zu einer kommentierenden ‘Chronik’ herausgearbeitet wurde. Den papsttreuen Minoriten wurde nach 1328 vorgeworfen, diesen Beschluss zu missachten. Es ist also sinnvoll, gerade diesen Text verfügbar zu machen. Anders verhält es sich bei der ersten Appellation Michaels von Cesena, 141 aus der man einiges über Johannes erfährt. Bei der Datierung auf den 14. Januar 1323 wird auf den Palast Johannes’ XXII. in Avignon als dem Ort der Handlung Bezug genommen, genau genommen das dort einberufene Konsistorium. Bonagratia habe dort vor dem Papst und den Kardinälen ein Libellum übergeben. Die Anrede für den Papst ist Vestra sanctitas; hier ist also ein formgerechter Umgang mit dem höchsten kirchlichen Würdenträger nachzuweisen. Erst in der nächsten Appellation Michaels in Avignon wird der Ton deutlich kritischer, wenn der Papst als dominus Johannes, qui 142 se Johannen papam XXII. appellat betitelt wird. Die wörtliche Aufnahme des Ladungsschreibens, die darauf folgt, ist mit der üblichen Papsttitulatur versehen. Michael erklärt, er sei nach einem Aufschub wegen Krankheit am 2. Dezember vor Johannes XXII. erschienen und freundlich empfangen 143 worden. Michael unterlässt es nicht, auf die Kontrolle seines Zustandes durch einen Arzt König Roberts von Sizilien hinzuweisen. Die förmlichen Entschuldigungen, die er auf verschiedenen Wegen zum Papst geschickt habe, seien akzeptiert worden. Nach seiner Genesung sei er dann nach Avignon gereist. Johannes habe ihm erklärt, warum er vorgeladen worden sei. Wegen der schlechten Leitung von Ministern verschiedener Provinzen 144 sei es zu Schaden und schweren Gefahren gekommen. Dies wolle der Papst ihm aber nicht zuschreiben, da er ja keine potestas besitze, die Minister der Provinzen zu überwachen. Johannes habe ihm aber über Missstände in der Provinz des Hl. Franziskus und in Aragón berichtet. Johannes habe ihm das Mandat erteilt und ihn beauftragt, die Minister abzusetzen und neue, geeignetere einzusetzen. Bis zum 8. April habe der Papst Michael nicht gesagt, dass er wegen irgendeines Verbrechens angeschuldigt oder angeklagt
141 Chronica (Anm. 1), S. 89–118. 142 Ibid., S. 182. 143 Ibid., S. 183. 144 Ibid.
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sei. Am 9. April sei er dann aber vor Johannes beordert worden, der ihn als töricht (fatuus), leichtfertig (temerarius), hinterlistig (captiosus) und als Begünstiger der Häretiker (fautor haereticorum) bezeichnete und ihn insbesondere wegen des Manifests von Perugia beschuldigt habe, das häretisch 146 sei. Constanter habe Michael Johannes gesagt, dass er nicht häretisch sei, doch Johannes habe ihn mit der Strafe der Exkommunikation, dem Verlust des Amtes und dem Verbot der Übernahme jedweden Amtes oder jedweder 147 Pfründen bedroht, falls er ohne päpstliche Zustimmung die Kurie verlasse. Nach Schilderung der Situation stellt Michael fest, Johannes habe ihn nimis 148 iniuste et irrationabiliter gescholten. In Wahrheit sei nämlich, was er und das Generalkapitel befunden hätten, durch die Gesamtkirche bestimmt. Als Titel für den Papst wird in diesem Schreiben zumeist ipse dominus gewählt. Gesteigert wird die Negativsicht auf das Handeln und die Person des 149 Papstes in der ‘Appellatio in forma maiore’. Allein wegen des Umfangs dieses Textes kommt ihm innerhalb der Sammlung eine große Bedeutung zu. Hier wurde der gesamte Streit noch einmal aus der Sicht Michaels aufge150 rollt. Die drei Häresien des Papstes werden einzeln untersucht: Johannes 151 habe sich mit scharfen Worten gegen Nikolaus III. geäußert. Bischof Vitalis von Alba, der als Minorit die Kardinalswürde erlangt hatte, habe die Positionen des Ordens vertreten, dann aber auf päpstlichen Druck hin 152 im Konsistorium seine Schuld bekannt. Die Erzbischöfe Arnaldus von Salerno, Heinrich von Lucano und Hieronymus von Kaffa habe der Papst scharf zurechtgewiesen, weil sie sich gegen seine Einschätzung von ‘Exiit’ 153 gestellt hatten. Die Botschaft dieser Berichterstattung liegt darin, dass die Macht des Papstes dazu eingesetzt wurde, seine falschen Ansichten innerhalb der hohen kirchlichen Würdenträger durchzusetzen. Dies galt nicht als normal, sondern wurde klar als Verfehlung stilisiert. Im Weiteren wird die Promulgation der häretischen Dekretalen deutlich herausgestrichen, weil vor allem die Veröffentlichung Teil der Anklage war, die Michael 145 Chronica (Anm. 1), S. 183f. 146 Ibid., S. 184. Zur Stelle vgl. auch Nold (Anm. 4), S. 109. 147 Chronica (Anm. 1), S. 184. 148 Ibid., S. 185. 149 Ibid., S. 308–424. 150 Zur Frage, welche Kompetenz der Papst zur Klärung von Dogmenfragen hat, vgl. Heft, James L., John XXII and papal teaching authority (Texts and studies in religion 27), Queenston 1986. 151 Chronica (Anm. 1), S. 308ff. 152 Ibid., S. 310. 153 Ibid.
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erhob. Die zweite Häresie soll nur in dem Punkt betrachtet werden, wo Michael sich zu klaren Wertungen hinreißen lässt: die Schilderung bezieht 155 sich auf den 9. April 1328, als der Papst Michael zu sich beordert hatte. Er berichtet von seiner Angst wegen der Tyrannei des Papstes. Dies ist zwar ein klares Negativurteil, das aber in der Gesamtmenge des Textes schnell zu tilgen oder zu überlesen ist. Aus dominus Johannes Papa wurde in Verlauf des Textes der Appellation Johannes haereticus, genau wie es nach Michaels 156 Ansicht die juristische und historische Argumentation erwiesen hat. Der Text wird gespeist aus vielen wörtlichen Zitaten der päpstlichen Verlautbarungen zur Armutsfrage. Das Resultat der Analyse ergibt immer wieder: 157 Johannes dogmatizat errorem bzw. haereses. Was Johannes sagt, wider158 spricht dem, was Christus gelehrt hat; er verstehe Augustinus falsch und handle gegen das Kirchenrecht. Er sei nicht nur ein Häretiker, sondern auch unbelehrbar, er lasse sich nicht auf den rechten Weg zurückführen. Dies sei 159 bekannt (notorium) in der ganzen Kirche. Deshalb müsse er exkommu160 niziert werden. Kein Apostolicus, sondern ein Apostaticus sei Johannes. Den gleichen Tenor bewahrt die ‘Appellatio in forma minore’, sie reduziert die Argumentation, ist aber im Urteil gleichlautend. Der Kampf um die Meinungen wurde in der Christenheit ausgetragen, die in lebenspraktischer Form informiert werden musste. Ein Text wie die ‘Appellatio in forma maiore’ war dafür nicht geeignet. Die Vervielfältigung hätte zu lange gedauert und wäre zu kostspielig gewesen. Auch die Kurzform ist eigentlich noch erstaunlich lang und es verwundert, dass sie das Publikum erreichen konnte. Wenn hier von Öffentlichkeit zu sprechen ist, dann von der interessierten Gelehrtenöffentlichkeit der theologischen Kreise und insbesondere der Teilöffentlichkeit des Minoritenordens. Doch diese Funktion nahm der Einzeltext wahr, nicht seine Aufnahme in eine langatmige Sammlung aller entstandenen Texte. Diese Sammlung war nur für interne, juristisch gebildete Kreise sinnvoll. 161 Die Münchener Appellation von 1330 führt diesen Duktus fort: Jacobus de Caturco, der behauptet, Papst Johannes XXII. zu sein, ist neben Jakobus haereticus manifestus die übliche Bezeichnung für den gewichtigen 154 Chronica (Anm. 1), S. 311. 155 Ibid., S. 314ff., bes. S. 318. 156 Ibid., S. 325 et passim. 157 Ibid., S. 386, 400f. et passim. 158 Ibid., S. 392. 159 Ibid., S. 406ff., 418f. 160 Ibid., S. 408. 161 Ibid., S. 624–866.
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Gegenspieler, dem man den Amtsnamen verweigert, weil man ihn nicht 162 mehr als legitimen Papst anerkennt. Ansonsten wird auf das Kirchenrecht 163 vertraut, dessen Zitate dicht gestreut sind. Mit Blick auf die Beurteilung der Urkirche werden die Bibelstellen wörtlich zitiert. Immer wieder wird auf die dicta et scripta des Papstes Bezug genommen und dann festgestellt, je mehr er schreibe, desto blinder würde er in seinem Irrtum. Michael von Cesena geht die Fehler des Papstes noch einmal durch und baut die juristische Widerlegung noch kunstvoller auf als in den früheren Schreiben. Die letzten Argumente aber bietet die Heilige Schrift als unumstößliche Instanz 164 bei der Frage nach der Armut Christi und der Apostel. Es gibt keine 165 Entschuldigung für Johannes’ Irrlehren. II. 3. 2 Die Stellungnahmen Ludwigs des Bayern und seiner Kanzlei 166
Als erster Text erscheint die Sachsenhäuser Appellation, die sich zu Lasten Johannes’ XXII. zum Armutsstreit äußert. Hier wird Bezug auf ‘Cum inter nonnullus’ genommen. Johannes XXII. wird nicht auf der Oberfläche angegriffen. Die Namen der Päpste, welche die franziskanische Position vertreten haben, sind präsenter als der Name von Johannes. An der Häresie 167 der päpstlichen Auffassungen wird kein Zweifel gelassen. Die Appellation Ludwigs des Bayern vom 18. April 1328 zeichnet von 168 Johannes XXII. ein sehr negatives Bild. Der Entzug der Papstwürde durch den Kaiser war vorausgegangen, so dass er nur noch als Jakobus de Caturco, qui nunc se papam Johannem XXII, licet mendaciter, adserere 169 non veretur angesprochen wird. Eine Variante findet dieser verächtliche Ton in usurpator se nunc papam nominans bzw. se papam confingens und 170 eine Steigerung in mysticus antichristus, qui se papa, nominat. Er sei vom Frieden und der Lehre (disciplina) abgewichen und die übelste Wurzel des Schismas. Diese sehr negative Darstellung Johannes’ XXII. durch das kaiserliche Schreiben bleibt vom Chronista nicht unkommentiert. Er beurteilt seinerseits diese Sentenz des Kaisers negativ, was ihre Gesamtwirkung im 162 Chronica (Anm. 1), S. 624f. et passim. 163 Ibid., S. 627f. 164 Ibid., S. 862. 165 Ibid., S. 863ff. 166 Ibid., S. 130–155, vgl. insbesondere S. 143ff. 167 Ibid., S. 154: conditor constitutionis Ad conditorem vere haereticus est censendus. 168 Ibid., S. 191–200. 169 Ibid., S. 192. 170 Ibid., S. 194.
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Rahmen der Sammlung stark relativiert. Der Text wird nicht als zentraler Baustein in die Argumentation eingebaut, sondern als ungenügend klassifiziert. Die öffentlich als Dogma erklärten Irrlehren Johannes’ XXII. seien 171 nicht zur Sprache gekommen. Die Distanz der Sammlung gegenüber dem Verhalten des Kaisers wurde bislang kaum wahrgenommen, scheint aber für die Beurteilung der Situation nach der Absetzung Michaels wichtig. Aufge172 nommen wurde dann auch die ‘appellatio correcta et emendata’, in der sich eine Auflistung der errores des abgesetzten Papstes findet. Ausführlich 173 werden Ludwigs Schreiben dann ganz am Ende der Sammlung zitiert. Hier erscheinen theoretische Äußerungen zur Zwei-Schwerter-Lehre und der erneute Vorwurf, Johannes habe sich gegen Kaiser und Reich gestellt. II. 4 Ergebnisse Als Resultat meiner Durchsicht ergibt sich, dass das Bild Johannes’ XXII. über weite Strecken gar nicht auf der Oberfläche negativ ist. Am schärfsten ist der Ton in einem Dokument, das den Armutsstreit gar nicht tangiert und dessen Verfasser, der selbsternannte Kaiser, in allen Kreisen der Kurie keine hohe Reputation besessen hat. Auch für die anderen Invektiven der Sammlung gilt, dass sie aus unberechtigtem Mund vorgebracht wurden. Infamie war aber nur möglich, wenn sie von ehrwürdigen Gliedern der Kirche, nicht von Exkommunizierten formuliert wurde. Es ist also nicht nur die Vorspiegelung der fair geführten Argumentation zu verzeichnen, sondern eine Neutralität, wie sie der Chronista am Beginn seines Werkes angekündigt hat, die sich in der Sammlung niedergeschlagen hat. Selbstverständlich bleiben die Grundüberzeugungen der Minoriten für die Bewertung der Lage und des Papstes maßgeblich. Von publikumswirksamer antipäpstlicher Propaganda ist hier aber nur wenig zu spüren. Innerhalb der Zitate des Kirchenrechts verloren die knappen Bemerkungen schnell ihre Effektivität. Die Sammlung ist mit ihrer juristisch versierten Argumentation ein Lehrbuch für Möglichkeiten, einen Papst wegen seiner Vergehen aus dem Amt zu entfernen. Die Intention der Sammler und Bearbeiter der Kompilationsphase zielt darauf. In der Rezeptionsphase hingegen konnte Johannes XXII. für alle, die das negative Ergebnis der gegen ihn angestrengten Amtsenthebungspläne kannten, als Exemplum dafür dienen, wie man sich Anwürfen widersetzen und seine Position bewahren kann.
171 Chronica (Anm. 1), S. 200. 172 Ibid., S. 457–468. 173 Ibid., S. 1123ff.
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III. Der Zweck der Sammlung und ihrer Abschriften Einen Zweck zu benennen, dem die sog. ‘chronica n. minorita’ gedient hat, reicht nicht aus: drei verschiedene Kontexte und drei verschiedene Nutzungsinteressen sind in der Kompilationsphase zu verzeichnen. Hinzu tritt eine weitere Bearbeitung in der Rezeptionsphase. Dabei zielt keine der Sammlungen auf ein diskursiv argumentierendes breites Publikum oder gar eine kirchenpolitisch interessierte Öffentlichkeit. Bisherige Zuweisungen der Sammlung als Buntbuch für die Öffentlichkeit oder zum Zweck der kaiserlichen Propaganda scheinen wenig überzeugend. Die Struktur des Werkes mit ihrem ungeheuer großen Umfang und den Erwartungen an die eigene Urteilsfähigkeit der Leser spricht gegen eine solche Zuordnung. Vielmehr sind klare Nutzungskonzepte für Einzelpersonen oder kleine Personengruppen auszumachen. a) Die ursprüngliche Kanzleikladde stammt aus dem Umfeld von Bonagratia de Bergamo und Heinrich von Talheim. Ihre Texte gegen Johannes XXII. argumentieren substantiell mit Bezug auf seine Selbstaussagen. Dafür brauchte man das Material, das die Gegenseite zur Legitimierung ihrer Position verwendet hat. Man musste aber auch seine eigenen Äußerungen, die im Verlauf des Streits immer subtiler wurden, im Blick behalten, wofür eine wörtliche Dokumentation der offiziellen Stellungnahmen am besten geeignet schien. Die Debatte wurde auf so hohem Niveau geführt, dass die Erinnerung in allen Teilen schriftlich gestützt werden musste. Konzepte für Schreiben sind gepaart mit den Endfassungen. Handschriftliche Zusätze auf den Einzeldokumenten sind nicht für die Herstellung der Sammlung zu werten, denn sie können auch der Phase entstammen, als die Schreiben noch zirkulierten. In diesem Stadium bedurfte es noch keiner Kommentare und Erklärungen, weil die Sammler und Benutzer des Bandes alles selbst miterlebt hatten. b) Die Dokumente wurden dann aber für die Vorbereitung neuer Positionspapiere arrangiert. In der Phase der Bearbeitung veränderte sich die Argumentationsrichtung. Die Sammlung wurde auf ein Publikum zugeschnitten, das nicht zum internen Kreis der Papstgegner zählte. Nach der Absetzung Michaels 1328 musste nicht nur die Gesamtkirche überzeugt werden, sondern sogar der eigene Orden. Es sollte eine Abwendung von Gerald Odonis erreicht werden. Hier war Johannes XXII. nicht der direkte, sondern nur der indirekte Kontrahent. Man wollte offenbar die Mitglieder des Ordens, die nicht im engsten Zirkel als Akteure des Streits fungiert hatten, dazu befähigen, sich ein Urteil über den Streit zu machen. Dazu reichten die Dokumente allein nicht aus, sondern man musste Erklärungen
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über die Handlungsabläufe beisteuern. Klar erkennbar ist jedenfalls die Notwendigkeit für die beteiligten Minoriten, das Material noch einmal ordentlich zusammenzutragen und mit hinreichenden Zusatzinformationen über den Ablauf des Streites auszustatten, um den an der eigentlichen Auseinandersetzung kaum beteiligten Dritten die Entscheidung in der Sache zu ermöglichen. Der erste Versuch ging schief und gelangte nach Florenz, wobei die konkreten Umstände hier nicht interessieren konnten. In der Antwort auf Gerald Odonis wird sowohl auf die päpstlichen Schreiben Bezug genommen, die im Band vereinigt sind, als auch auf die bisherigen Appellationen verwiesen. Der Einzeltext und die ihn umgebene Dokumentensammlung stellen eine logische Einheit dar. Ohne die Sammlung bleibt die Argumentation des Schreibens lückenhaft. Die juristischen Argumente wurden eingesetzt, um nachzuweisen, dass Johannes als haereticus kein Recht hatte, Gerald mit der Leitung zu bevollmächtigen und damit den Streit zu beenden. So wie die Sammlung gestaltet war, diente sie beiden Zwecken: dem Nachweis der Ketzerei des Papstes wie der Legitimierung von Michael von Cesena, Heinrich von Talheim und Bonagratia. Vor allem Gerald Odonis musste überzeugt werden, dass er im Dienst der falschen Sache arbeitet. Von dem neuen Generalminister konnte man auch erwarten, dass er die langatmige Argumentation mit allen Beweisstücken nachvollziehen konnte. Auch bei den Stimmführern im Generalkapitel wird man kaum Zweifel hegen, dass sie der Argumentation folgen konnten. Fraglich bliebt aber aufgrund der fehlenden Überlieferungsdokumente für die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts, ob diese Gruppe binnen kurzer Frist mit ausreichend vielen Abschriften versorgt werden konnte. Ob nur ein Exemplar oder mehrere an die Feinde innerhalb des Ordens verschickt wurden, lässt sich nicht klären. Die zurückhaltende Bewertung der bisherigen Politik Ludwigs macht in diesem Kontext jedenfalls mehr Sinn als wenn man das Werk als Auftragsarbeit für den Kaiser interpretiert. Die Genese der Sammlung lässt sich bis 1334 trotz Einbeziehung einzelner Schreiben Ludwigs in die Argumentation allein aus minoritischer Perspektive erklären. Die Kritik an der kaiserlichen Absetzungssentenz durch den Chronista führt mich dazu, die Minoriten in ihren Aktionen vor 1334 nicht zu eng mit dem Kaiser zusammenzurücken. Sie sammelten die Texte zunächst aus Eigeninteresse. Die Minoriten wollten einen Stimmungswandel im Generalkapitel gegen Gerald, weil dies für die Minoriten um Michael von Cesena bereits ein Sieg gewesen wäre. c) Die vollständige Sammlung mit allen Texten bis 1338 wurde dann von Ludwig dem Bayern an die Kurie geschickt. Hier ist die Zusammenarbeit von Minoriten und Kaiser klar erkennbar, denn erst hier treten verstärkt
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kaiserliche Dokumente hinzu, die durch den Kommentar des Chronista nicht mehr relativiert werden. Diese Erweiterung zielt darauf, den Papsthof in Avignon in seiner neuen Zusammensetzung zu einem klaren, negativen Urteil über Johannes XXII. zu bewegen. Dem neuen Papst und den Kardinälen war das Werk in Umfang und Gestalt zuzumuten. Die Minoriten und der Kaiser wollten die Dokumente, sowohl die aus der bereitliegenden Sammlung als auch die neuen Texte seit 1332, sehr wahrscheinlich benutzen, um sie in einem Prozess gegen Johannes XXII., der gleichzeitig eine Rehabilitierung des alten Führungskreises bewirkt hätte, einbringen zu können, bei dem am Ende ein unabhängiger Richter ihre eigene Position als die legitime Rechtsauffassung bestätigte. Das Ziel der erweiterten Sammlung scheint ein substanzieller innerkirchlicher Absetzungsprozess post mortem gewesen zu sein, der notwendig war, weil die bisherigen Bemühungen nicht von Erfolg 174 gekrönt gewesen waren. Das prinzipielle Recht des Herrschers zu einem solchen Schritte hat n. minorita in seiner Antwort auf Gerald ausführlich anhand historischer Beispiele nachzuweisen versucht. Der ordentlich geratene Band, der offenbar in München von Ockham benutzt wurde, gelangte nach Avignon, weil man Benedikt XII. dazu bewegen wollte, die Entscheidungen von Johannes XXII. für ungültig zu erklären. Er ist bislang nicht gefunden worden, war aber offenbar die Vorlage für die Handschriften Paris, BNF, lat. 5154 und Vatikan, BAV, Vat. lat. 4008. Das eigentliche Ziel, die Verurteilung Johannes’ XXII., wurde nicht erreicht. Erhalten sind die beiden davon offenbar in Avignon genommenen Abschriften, die uns die Chronik in ihrer Hauptform vermitteln. Sie sind aufgrund der Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte nicht direkt minoritischen Kontexten zuzuweisen. Da diese Abschriften verschiedenen Milieus zuzuordnen sind, sie aber weitgehend den gleichen Textbestand bieten, ist wohl kaum davon auszugehen, dass gegenüber der Vorlage umfangreichere Säuberungen vorgenommen wurden. Ausschließen kann man dies aber nicht, wenn etwa beim Arbeiten an der verlorenen Vorlage bereits Passagen durch Streichung getilgt oder durch Randnotizen entsprechend gekennzeichnet waren. Zumindest die heute in Paris aufbewahrte Handschrift zeigt, dass der Text als Lehrschrift für den Kampf gegen Häresie-Vorwürfe allgemein verstanden wurde und die direkte Streitsituation über die Armutsfrage nur als Exemplum diente. d) Der letzte Zweck ist die Benutzung in der Rezeptionsphase durch die Kardinäle. Um im 15. Jahrhundert als amtskirchliche Diskussionsbasis 174 Miethke (Anm. 1), S. 633 ignoriert dies und kommt zu dem Schluss, die ganze Sammlung habe einer propagandistischen Unterfütterung der Münchener Appellation von 1330 gedient.
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dienen zu können, wurden an der ursprünglichen Chronik Kürzungen und Umarbeitungen vorgenommen. Geschichte wurde zu Lasten der Michaeliten umgeschrieben, wobei die Textphilologie noch klären muss, ob die Bearbeitungsstufe gegen Gerald den Ausgang bot oder die in Avignon kursierenden Volltexte. Die Wirkung dieser Modifikationen war größer als die der Originalsammlung, aber sie zielte nicht auf Öffentlichkeit, sondern die Klerusausbildung im kurialen Umfeld. Nicht zuletzt durch diese Geschichtssicht gelang es tatsächlich, die Widerstandskraft der Fratizellen zu brechen. Ihren Argumenten war die historische Substanz entzogen worden. Sie selbst hatten offenbar keine unabhängige Schrifttradition, mit der sie die Manipulationen des Streitverlaufs hätten offen legen und in ihrer Schlagkraft schwächen können. Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass hier jeweils kleine, juristisch hoch gebildete Gruppen erreicht werden sollten, nämlich einerseits die Minoriten, die sich im Verlauf des Streites auf die Seite des Papstes geschlagen hatten, und andererseits die kuriale Elite, die nach dem Tod Johannes XXII. an die Macht gekommen war. Die Möglichkeit, die Sammlung am Ende für eine Dokumentation des Siegs Johannes’ XXII. zu verwerten, betont die relativ neutrale Positionierung über weite Strecken hinweg, die erst durch den Widerruf des Papstes in eine eindeutige Interpretation gebracht wird. Nicht umsonst brechen die pro-Johannes konzipierten Abschriften an dieser Stelle ab. Folgt man der oben vorgetragenen Deutung der Textgenese, war Johannes XXII., obwohl der Feind der Michaeliten, nicht der Zielpunkt der Sammlung in der Phase der Kommentierung durch n. minorita, sondern Gerald Odonis. Nachdem die Aussöhnung innerhalb des Ordens gescheitert war, erhielt die Sammlung nach 1338 eine neue Zielrichtung. Erst in den verkürzten Abschriften der papsttreuen Minoriten steht dann klar der Streit zwischen Johannes XXII. und Michael im Fokus, dann aber mit der Tendenz, die päpstliche Haltung zu legitimieren. Die Idee der Chronik hatte sich vom 14. zum 15. Jahrhundert klar gewandelt. Sie hat sich nicht nur vom eigenen Arbeitskonvolut hin zu einer kommentierten Aufbereitung mit knappen Erklärungen entwickelt, die wohl noch vor dem Tod Johannes XXII. erfolgte, um die Haltung der Fratizellen zu festigen, sondern im 15. Jahrhundert wurde dieses Material durch Kürzung zu einer Waffe gegen die Michaeliten. Eine wesentliche Voraussetzung dafür war, dass die Sammlung mit gewisser Wahrscheinlichkeit an Gerald Odonis und sicher an die Kurie übersendet wurde. Die ursprünglich intendierten Geschichtsbilder waren somit den Verteidigern Johannes’ XXII. bekannt und konnten unschädlich gemacht werden.
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Die hier untersuchte Dokumentensammlung, die sich zur sog. ‘chronica n. minorita’ entwickelt hat, kann zugleich als Beleg für das Aufbäumen gegen die Unanfechtbarkeit des Papstes gewertet werden. Diese Frage wurde gerade in der von n. minorita verfassten Antwort auf Gerald ausführlich juristisch behandelt. Über die konkreten Dokumente des Streits hinaus, auf die er nur verweist, die er aber nicht erneut zitiert, bringt der Verfasser eine ganze Reihe von Kirchenrechtsbestimmungen und historischen Beispielen. Dass Päpste irren können und falsche Personen ins Amt gelangen, war damit offenbar. Ebenso klar schienen die unterschiedlichen Mechanismen, gegen einen solchen Papst vorzugehen. Wenn die innerkirchlichen Kontrollsysteme versagten, so ist im Antwortschreiben auf Gerald zu lesen, dann müsse 175 in letzter Instanz der Kaiser über den Papst richten. Da es um die juristische Klärung des Falls ging, waren die Kompilatoren und die Nutzer des Werkes im Mittelalter keine Historiker, sondern in erster Linie Juristen. Diese Ausgangssituation ist wohl als Grund dafür anzusehen, dass es zu der zuvor beim Umgang mit Geschichte nur selten genutzten Form kam, bei der zeitgenössische Dokumente für sich selbst sprechen sollten. Bis zum Ende des Mittelalters entstanden dann zu den verschiedensten Themen immer häufiger solche Zusammenstellungen. Die Dokumente waren nicht die Garnitur innerhalb der Narrativität, sondern der Kern des Werkes. Gerade dieses Verfahren erlaubte es aber im hier untersuchten Fall später, das Geschichtsbild in die Geschichte der Gewinner umzuarbeiten.
175 Chronica (Anm. 1), S. 948ff.
Das Bild Johannes’ XXII. in der süddeutschen Reichschronistik Georg Modestin (Freiburg i. Ü.)*
I. Statum Alamanie perturbavit Nach seiner Wahl zum Papst „stürzte er Deutschland mit seinen Prozessen 1 gegen Ludwig, die jedoch nur schlecht beachtet wurden, in Unordnung“. Mit diesen Worten brachte der Konstanzer Domherr und Chronist Heinrich von Diessenhofen (um 1299–1376) die Reichspolitik Johannes’ XXII. auf einen kurzen Nenner. Die beklagte „Unordnung“ beschränkte sich dabei keineswegs auf die ‘hohe’ Politik, sondern schlug sich direkt bis auf die 2 Ebene einzelner Stifte oder Ordenshäuser nieder. In Heinrich von Diessenhofens Heimbistum Konstanz bestimmte die Auseinandersetzung zwischen
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Dieser Beitrag entstand im Rahmen des vom Schweizer Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (SNF) unterstützen Projekts ‘Heinrich von Diessenhofen als Historiograph seiner Zeit’. Letzterem ist ein dreieinhalbjähriger Aufenthalt in München als Schweizer Gastforscher bei den Monumenta Germaniae Historica vorausgegangen. Dieser Aufenthalt diente der Erarbeitung der ersten kritischen Edition von Heinrich von Diessenhofens Chronik, die zusammen mit den Resultaten unseres Projekts vorgelegt werden soll. In Erwartung unserer Edition, auf die sich die hier angegebenen Kapitelnummern beziehen, verweisen wir auch auf den bisherigen Referenztext von Alfons Huber: Heinricus de Diessenhofen und andere Geschichtsquellen Deutschlands im späteren Mittelalter, hg. aus dem Nachlasse Joh. Friedrich Boehmer’s von Huber, Alfons (Fontes Rerum Germanicarum 4), Stuttgart 1868, S. 16–126. 1 Heinrich von Diessenhofen, Chronik, Kap. 1: statum Alamanie perturbavit in suis processibus contra Ludewicum factis, qui tamen male servabantur (= Huber, S. 16). 2 Einen Überblick über die Lage im Reich bietet Kaufhold, Martin, Gladius spiritualis. Das päpstliche Interdikt über Deutschland in der Regierungszeit Ludwigs des Bayern (1324–1347) (Heidelberger Abhandlungen zur Mittleren und Neueren Geschichte 6), Heidelberg 1994.
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Johannes XXII. und Ludwig dem Bayern ab 1323/1324 die Politik. Im Anschluss an den Tod Friedrichs des Schönen am 13. Januar 1330 und die Rückkehr von seinem Romzug im Februar selben Jahres verstärkte Ludwig den Druck auf die papsttreuen Geistlichen: den Konstanzer Bischof Rudolf 4 von Montfort (1322–1334), der als mächtigster habsburgischer Parteigänger im Bodenseeraum galt, und das Konstanzer Domkapitel. Die kaiserliche Offensive zeigte insofern Wirkung, als die Stadt Konstanz Ludwig aner5 kannte und auch Bischof Rudolf eine Kehrtwendung vollzog – Letzterer zweifellos unter dem Eindruck des am 6. August 1330 in Hagenau ausgehandelten habsburgisch-wittelsbachischen Ausgleichs zwischen Herzog Otto 6 und Ludwig dem Bayern. Am 2. Juni 1332 verpflichtete sich der Konstanzer Bischof, bis zum 7. Juni 1333 die Reichslehen aus Ludwigs Händen zu empfangen und den Klerus, d. h. das Domkapitel und die pfaffhait, die ietz nit singent, zum Bruch des über die Anhänger des Bayern verhängten päpstlichen Interdikts anzuhalten. Sollte der Kaiser gegen papsttreue Geistliche vorgehen, so würde sich der Bischof nicht einmischen (das sol uns nit 7 anegan). Der Druck Ludwigs fiel in eine für Johannes XXII. schwierige Zeit: Mit seinen vier zwischen dem 1. November 1331 und dem 2. Februar 1332 gehaltenen Predigten zur Gottesschau der Heiligen hatte er seinen Gegnern eine Angriffsfläche geboten, welche bereitwillig ausgenutzt wurde. Nicht zuletzt führte der dogmatische Streit, in dessen Verlauf die päpstliche These zur
3 Vgl. Bihrer, Andreas, Der Konstanzer Bischofshof im 14. Jahrhundert. Herrschaftliche, soziale und kommunikative Aspekte (Residenzenforschung 18), Ostfildern 2005, S. 40–50. 4 Zu Bischof Rudolf von Montfort vgl. Helvetia Sacra I/2: Das Bistum Konstanz […], red. v. Degler-Spengler, Brigitte, 2 Bde., Basel/Frankfurt a. M. 1993, S. 291–297 (B. Degler-Spengler). 5 Bihrer (Anm. 3), S. 59–60. 6 Zum genannten Ausgleich vgl. Lhotsky, Alphons, Geschichte Österreichs seit der Mitte des 13. Jahrhunderts (1281–1358) (Veröffentlichungen der Kommission für Geschichte Österreichs 1. Geschichte Österreichs, Neubearbeitung der Geschichte Österreichs von Alfons Huber II. Bd. 1. Teil), Wien 1967, S. 317. 7 Bihrer (Anm. 3), S. 60 mit Verweis auf MGH, Const. 6,2, zweite Lieferung bearb. v. Eggert, Wolfgang, Hannover 1999, S. 184–185, Nr. 284.
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visio beatifica „fast die ganze christliche Welt […] in Aufregung versetzt[e]“, 8 dazu, dass sich ein Teil der Kardinäle vom Papst abwandte. Die stärkste päpstliche Waffe im Kampf gegen Ludwig den Bayern und gleichzeitig Quelle ungezählter Auseinandersetzungen im Alltag war 9 das Interdikt. Heinrich von Diessenhofen, der als Mitglied des päpstlich gesinnten Konstanzer Domkapitels diese Streitigkeiten einschließlich der vorübergehenden Stadtvertreibung (1343) selbst erlebt hatte, warf dem Nachfolger Johannes’ XXII., Benedikt XII., denn auch übermäßige Härte (duritia nimia) bei der Durchsetzung des seit 1326 auf der Stadt lastenden Kirchenbanns vor, da er – anders als sein Vorgänger – keine vorübergehende Lockerung zulassen wollte. Als Folge dieser starren Haltung sei das Interdikt unter Benedikt weniger gut beachtet worden als unter Johannes, bis es schließlich, Heinrich von Diessenhofen zufolge, am 13. Januar 1339 10 unter dem Druck der Bürger ganz aufgegeben wurde. Der Chronist kannte also die durch den Kampf zwischen den Päpsten und Ludwig dem Bayern entstandene „Unordnung“ aus eigener Anschauung, was seine kritische Bemerkung zu Johannes’ Prozessen erklärt.
II. Heinrich von Diessenhofen Die angesprochene Kritik an Johannes XXII. ist an einer auffälligen Stelle in Heinrich von Diessenhofens Chronik über die Jahre 1316–1361 platziert: Im Grunde genommen setzt das Geschichtswerk nämlich erst mit der Schilderung des öffentlichen Konsistoriums vom 26. Juli 1333 ein, in dem Johannes XXII. den französischen König Philipp VI. zum Anführer eines 11 Kreuzzugs ernannte und ihm entsprechende Ressourcen zusprach. Die Vorgeschichte, d. h. die Ereignisse seit der Wahl Johannes’ am 7. August 1316, berichtete Diessenhofen nicht als Zeitzeuge, sondern entnahm sie der ‘Historia satyrica’ des venezianischen Franziskaners Paulinus von Venedig
8 Vgl. Kaufhold (Anm. 2), S. 181–182. Zum Streit um die visio beatifica vgl. auch Maier, Anneliese, Schriften, Daten und Personen aus dem Visio-Streit unter Johann XXII., in: Archivum historiae pontificiae 9 (1971), S. 143–186 (Zitat S. 143). 9 Zum Interdikt vgl. allgemein Kaufhold (Anm. 2). 10 Heinrich von Diessenhofen, Chronik, Kap. 16 (= Huber, S. 30). 11 Ibid., Kap. 2 (= Huber, S. 18).
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bzw. Paulinus Minorita (ca. 1270/1274–vor Juli 1344). Diese Übernahme ging ohne nennenswerte Veränderungen vonstatten – von einer einzigen Ausnahme abgesehen: Sie betrifft die angesprochene Kritik an Johannes’ Prozessen, die eine Interpolation in Paulinus’ Text darstellt und von Heinrich von Diessenhofen sicherlich bewusst eingeschoben worden ist. Aus Indizien, die hier nicht im Detail ausgebreitet werden können, geht zudem hervor, dass der Chronist seine Interpolation im Jahr 1333 eingearbeitet haben muss, also auf dem Höhepunkt der Spannungen im heimatlichen Bistum Konstanz. Allerdings befand er sich zur fraglichen Zeit selber nicht in seiner Heimatdiözese, sondern in Avignon, wo er allem Anschein nach in den Jahren 1332 bis 1337 weilte; am 17. Oktober 1331 ist er mutmaßlich letztmals, am 24. Januar 1338 sicherlich erstmals wieder in der Diözese Konstanz fassbar. Dazwischen wird er sich an der Kurie aufgehalten haben, wie aufgrund der in seiner Chronik zum Ausdruck kommenden Erzählperspektive vermutet wird. Drei Einträge in den Registern Benedikts XII. vom 15. Oktober 1335 bzw. 22. April 1336 scheinen diese Annahme zu 13 bestätigen. In allen drei Fällen wurde Heinrich von Diessenhofen als Exekutor in geistlichen Angelegenheiten in seiner Heimdiözese Konstanz eingesetzt, und zwar als jeweils dritter, als einziger mit Namen genannter Exekutor, was seine Kurienanwesenheit wahrscheinlich, wenn auch nicht zwingend erscheinen lässt, während die beiden ersten, nur über ihr geistliches Amt identifizierten Exekutoren die Angelegenheiten der ihnen vom 14 Papst Anempfohlenen vor Ort vertreten haben dürften. Die Gründe für den Kurienaufenthalt von Heinrich von Diessenhofen, der von Johannes XXII. zum päpstlichen Ehrenkaplan ernannt wurde – ein Ehrentitel, der gerade von diesem Papst ausgesprochen freigiebig verteilt 15 wurde und deshalb nicht überbewertet werden darf – sind nicht restlos 12 Bis zum Abschluss unserer eigenen Forschungen vgl. einstweilen Schmugge, Ludwig, Zur Überlieferung der Historia Ecclesiastica nova des Tholomeus von Lucca, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 32 (1976), S. 495–545, hier S. 531. 13 Rieder, Karl, Römische Quellen zur Konstanzer Bistumsgeschichte zur Zeit der Päpste in Avignon 1305–1378, Innsbruck 1908, S. 294, Nr. 995–996; S. 295, Nr. 999. 14 Freundliche Präzisierung von Dr. Kerstin Hitzbleck (Universität Bern), die uns darauf hingewiesen hat, dass die Art von Diessenhofens Nennung in den Exekutionsmandaten ein Anzeichen für seine Kurienanwesenheit ist, jedoch keinen Beweis dafür darstellt. 15 Vgl. Guillemain, Bernard, Les chapelains d’honneur des papes d’Avignon, in: Mélanges d’archéologie et d’histoire (École française de Rome) 64 (1952),
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geklärt. Verschiedentlich wurde angenommen, dass sich der in Bologna ausgebildete doctor decretorum, der zu Beginn der 1330er Jahre etwa dreißig Jahre zählte, als habsburgischer Verbindungsmann, namentlich Herzog Ottos, nach Avignon begeben hatte, doch fehlen diesbezügliche Nachweise. Für diese These spricht allenfalls, dass Heinrich von Diessenhofens Vater, Truchsess Johann, der dem habsburgischen (Gegen-)König Fried16 rich dem Schönen als Hofmeister und Kuriengesandter gedient hatte, in den frühen 1330er Jahren zum engeren Umkreis Herzog Ottos zählte, der ab 1329 die oberrheinischen Besitzungen der Habsburger verwaltete und nach dem Tod seines Bruders Friedrich im Jahr darauf eine aktivere Rolle in 17 den dynastischen Auseinandersetzungen im Reich annahm. In der Folge der am 6. August 1330 zwischen Herzog Otto und Ludwig dem Bayern geschlossenen Übereinkunft von Hagenau wurde am 23. November 1330 in Augsburg ein Schiedsgericht konstituiert, das Streitfälle zwischen den beiden Parteien klären sollte. Dafür wählten sowohl Ludwig als auch Otto jeweils drei Mitglieder des ‘gegnerischen’ Rates aus, die unter dem Vorsitz eines Obmanns, Graf Rudolf von Hohenberg, tagten. Als von kaiserlicher Seite bestimmter habsburgischer Rat gehörte diesem Gremium auch 18 Johann Truchsess von Diessenhofen an, was dessen Herzogsnähe illustriert, welche wiederum die Abordnung von Truchsess Johanns gelehrtem Sohn Heinrich an die Kurie denkbar erscheinen lässt. Die mit dem 26. Juli 1333 einsetzende eigene Berichterstattung Heinrichs von Diessenhofen ist insofern prohabsburgisch und antiwittelsbachisch, als S. 217–238, hier S. 219, wonach Johannes XXII. während seines Pontifikats nicht weniger als 431 Kapläne ernannte, bei denen es sich meist um Ehrenkapläne gehandelt haben wird, da gerade mal achtundzwanzig von ihnen besoldet wurden. 16 Die Familiengeschichte der Truchsessen von Diessenhofen ist Gegenstand unserer Forschung. Bis zu deren Abschluss verweisen wir auf Wegeli, Rudolf, Die Truchsessen von Diessenhofen, in: Thurgauische Beiträge zur vaterländischen Geschichte 45 (1905), S. 5–51; 47 (1907), S. 124–205; 48 (1908), S. 4–64. Wir zitieren nach dem Sonderdruck, Frauenfeld 1908, wo Johann Truchsess von Diessenhofen auf S. 19–34 behandelt wird. Vgl. auch Lutz, Eckart Conrad, Das Diessenhofener Liederblatt. Ein Zeugnis späthöfischer Kultur (Literatur und Geschichte am Oberrhein 3), Freiburg i. Br. 1994, S. 49–53. 17 Zu Herzog Otto vgl. Neue deutsche Biographie [NDB], hg. v. der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 1953– (unvollst.), hier 19, S. 690–691 (G. Scheibelreiter); Lhotsky (Anm. 6), S. 316–335. 18 MGH, Const. 6,1, hg. v. Schwalm, Jakob, Hannover 1914–1927, S. 734–735, Nr. 882; S. 735–736, Nr. 883.
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Ludwig der Bayer durchwegs nur als „Möchtegernkaiser“ bezeichnet wird (qui se pro imperatore gerebat bzw. qui se imperatorem intytulabat), und – bei aller Kritik – papsttreu. Angesichts von Heinrichs Anwesenheit in Avignon stellt sich die Frage, inwieweit er das Niedergeschriebene selbst erlebt hatte: Anders als beispielsweise der ebenfalls in Avignon weilende Chronist Mathias von Neuenburg, der dem öffentlichen Konsistorium vom 9. Oktober 1335 nach eigenem Bekunden selbst beigewohnt hatte (publico consistorio, cui interfui), fehlen bei Diessenhofen derartige Selbstaussagen. Anlässlich des besagten Konsistoriums warb der Augsburger Domherr Marquard von Randegg als Wortführer einer kaiserlichen Delegation bei Benedikt XII. für die Lösung Ludwigs aus dem Kirchenbann, wobei seine Rede Mathias zufolge von 19 allen Anwesenden bewundert worden sei. Unter diesen könnte sich auch Heinrich von Diessenhofen befunden haben, wie seine eigene Schilderung 20 desselben Konsistoriums nahelegt. Überhaupt schenkte Heinrich von Diessenhofen den Rekonziliationsverhandlungen Ludwigs mit der Kurie höchste Aufmerksamkeit, wobei wir andernorts die Vermutung geäußert haben, dass er als ehemaliger Studienkollege Marquard von Randeggs in Bologna über einen direkten Draht 21 zu den kaiserlichen Delegationen verfügte. Geht man nun davon aus, dass Heinrich als habsburgischer Verbindungsmann in Avignon weilte, so erscheint sein auffälliges Interesse an den besagten Verhandlungen in einem 22 neuen Licht. Da die von ihm geschilderten Gesandtschaften jedoch in das Pontifikat Benedikts XII. fallen – die Verhandlungsangebote Ludwigs an Johannes XXII. in den Jahren 1331 und 1332 haben sich in Diessenhofens Chronik nicht niedergeschlagen, da der Autor zu der Zeit vermutlich noch nicht an der Kurie war – wollen wir hier nicht weiter darauf einge19 Die Chronik des Mathias von Neuenburg, hg. v. Hofmeister, Adolf (MGH SS rer. Germ. N. S. 4), Berlin 1924–1940, S. 139, 11–141, 12 (S. 374, 21–375, 9). 20 Heinrich von Diessenhofen, Chronik, Kap. 9 (= Huber, S. 24). – Die Konsistorialrede Marquards von Randegg vom 9. Oktober 1335 liegt vor in: Vatikanische Akten zur deutschen Geschichte in der Zeit Kaiser Ludwigs des Bayern, hg. v. von Riezler, Sigmund, Innsbruck 1891, S. 597–600, Nr. 1759. 21 Vgl. Modestin, Georg, Heinrich von Diessenhofen, Marquard von Randegg und der Große Drache – Avignon, 11. April 1337, in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 59 (2009), S. 329–341. 22 In seiner Einleitung zur Chronik Heinrichs Taube von Selbach, hg. v. Bresslau, Harry (MGH SS rer. Germ. N.S. 1), Berlin 1922, S. LIX–LX, spricht der Herausgeber die in Avignon weilenden Agenten an, die ihren Auftraggebern brieflich Kenntnis von den nova curie verschafften.
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hen. Erwähnt sei hingegen Diessenhofens Bericht über die Verhandlungen rund um den angeblichen Thronverzicht Ludwigs des Bayern zugunsten seines Neffen Heinrich, als Heinrich XIV. Herzog von Bayern, als Heinrich II. Herzog von Niederbayern, welche Johannes XXII. und die Kurie Anfang März 1334 bewegten. Aus Gründen, die wir an dieser Stelle nicht ausführen wollen, alarmierten die – alles in allem höchst kurzlebigen – Pläne Robert von Anjou, König von Sizilien, dessen Neffen Karl Robert, König von Ungarn, sowie breite Kreise in Norditalien, während das Vorhaben von König Philipp VI. von Frankreich und dem böhmischen König Johann vom Luxemburg unterstützt wurde, wie der politisch hellhörige Diessen24 hofen vermerkte. In Bezug auf den von Johannes XXII. provozierten Visio-Streit schreibt Diessenhofen, der Papst habe die Frage nach dem Zeitpunkt der Gottesschau 1333 angestoßen – in Tat und Wahrheit hatte er sie bereits im Herbst und Winter 1331–1332 losgetreten, als der Chronist wohl noch nicht in Avignon weilte. Präziser sind seine Angaben zum sog. ‘großen Konsistorium’ vom 28. Dezember 1333 bis zum 3. Januar 1334, das ganz dem Visio-Problem gewidmet war. Im Beisein von „Kardinälen, Prälaten und Kaplänen“ – Letzteres möglicherweise ein eingestreuter Hinweis auf Diessenhofens eigene Anwesenheit – habe der Papst seine Bereitschaft beteuert, allfällige Irrtümer zurückzunehmen, wobei in Diessenhofens Zusammenfassung der Papstrede die ursprüngliche Wortwahl Johannes’ XXII. mitschwingt, so wie sie in zeit25 genössischen Aufzeichnungen überliefert wird. Die Visio-Frage sollte den Chronisten bis zu deren endgültigen ‘vorjohannitischen’ Regelung durch Benedikt XII. am 29. Januar 1336 beschäftigen, wobei einmal mehr anzu26 nehmen ist, dass Heinrich dem entscheidenden Konsistorium beiwohnte. Wir übergehen hier eine andere, unproblematischere Neuerung Johannes’ XXII., die päpstliche Anerkennung des Dreifaltigkeitsfestes am 27 ersten Sonntag nach Pfingsten, und wenden uns Diessenhofens Schilderung eines ‘Quasimiraculums’ zu, deren visuelle Qualitäten die persönliche 23 Heinrich von von Diessenhofens Aufenthalt zwischen dem 17. Oktober 1331, als er in seiner Funktion als Thesaurar des Chorherrenstifts Beromünster zum päpstlichen Exekutor, und zwar allen Anschein nach in partibus, ernannt wurde (Rieder [Anm. 13], S. 272, Nr. 938), und dem Sommer 1333, als seine eigene Berichterstattung aus Avignon beginnt, lässt sich nicht eruieren. 24 Heinrich von Diessenhofen, Chronik, Kap. 4 (= Huber, S. 18–19). 25 Ibid., Kap. 3 (= Huber, S. 18). Die Parallelquellen zur Rede Johannes’ XXII. werden in unserer Edition nachgewiesen. 26 Ibid., Kap. 10 (= Huber, S. 25). 27 Ibid., Kap. 6 (= Huber, S. 20).
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Anwesenheit des Chronisten nahelegen: Es geht um das vorübergehende Verschwinden einer Hostie, die Johannes XXII. am 26. März 1334, am Vorabend des Osterfests, dem Kardinaldiakon Jacopo Gaetano Stefaneschi 28 darreichen wollte. Der Papst glaubte, dem Kardinal die Hostie in den Mund gelegt zu haben; jener aber antwortete, er habe nichts empfangen. Nach einer einstündigen Suche wurde die Hostie schließlich in einer Falte der päpstlichen Kasel gefunden. Nach der Messe sagte Johannes, er habe mit eigenen Augen gesehen (dixit se visibiliter vidisse), dass der Leib des Herrn seinen Händen entsprungen sei, ohne jedoch ausmachen zu können, wohin. Et papa, so der Chronist, hoc pro miraculo factum reputavit. Im selben Kapitel erwähnt er auch die letztlich erfolglosen Legationen der Kardinäle Bertrand du Pouget in der Romagna und Gian Gaetano Orsini in der Toskana und im nördlichen Latium, die – so das vernichtende Urteil Diessenhofens, das eine an der Kurie verbreitete Stimmung widerspiegelt haben dürfte – einen „übergroßen Schatz ausgegeben“ hätten und dabei „leer“ nach Avignon zurückgekehrt seien (ambo infinitum expenderunt 29 thesaurum et vacui recesserunt). Der Chronist datierte die Rückkehr Gian Gaetano Orsinis auf den Zeitraum zwischen dem Tod Johannes’ XXII. am 4. Dezember 1334 und der Wahl von dessen Nachfolger Benedikt XII. am 30 20. Dezember. Gian Gaetano Orsini fehlte also an Johannes’ Totenbett, an das der sterbende Papst unserer Quelle zufolge alle Kardinäle am frühen 31 Nachmittag des 3. Dezember gerufen hatte. Als zweiten Abwesenden vermerkte Diessenhofen den Kardinaldiakon Napoleone Orsini, der zwar in Avignon geweilt, sich aber dem Ruf des Papsts entzogen haben soll. Napoleone Orsini war der Wortführer der Opposition, die sich im Kardinalskollegium als Reaktion auf die päpstlichen Äußerungen zur visio beatifica 28 Heinrich von Diessenhofen, Chronik, Kap. 5 (= Huber, S. 19). 29 Zu Bertrand du Pouget vgl. Jugie, Pierre, Un Quercynois à la cour pontificale d’Avignon: le cardinal Bertrand du Pouget (v. 1280–1352), in: Cahiers de Fanjeaux 26 (1991), S. 69–95; Lützelschwab, Ralf, Flectat cardinales ad velle suum? Clemens VI. und sein Kardinalskolleg. Ein Beitrag zur kurialen Politik in der Mitte des 14. Jahrhunderts (Pariser Historische Schriften 80), München 2007, S. 442–445. Zu Gian Gaetano Orsini vgl. Beattie, Blake R., Angelus Pacis. The Legation of Cardinal Giovanni Gaetano Orsini, 1326–1334 (The Medieval Mediterranean. Peoples, Economies and Cultures, 400–1500, 67), Leiden/Boston 2007. 30 Beattie (Anm. 29), S. 179, setzt die Rückkehr Gian Gaetano Orsinis später an. So habe der Legat die Kurie am 31. Januar 1335 noch nicht erreicht; mit Sicherheit sei er erst 15. Mai 1335 zu fassen. 31 Heinrich von Diessenhofen, Chronik, Kap. 7 (= Huber, S. 20).
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gegen Johannes XXII. herausgebildet hatte. Als Opponent Johannes’ hatte der Kardinal im Juni 1334 insgeheim Kontakt zu Ludwig dem Bayern aufgenommen, wobei die Einberufung eines allgemeinen Konzils erörtert 32 wurde. Heinrich von Diessenhofen wird das Wissen um diese Geheimkontakte gefehlt haben: Als Sprachrohr einer weiter verbreiteten Meinung (presumitur, quod) führte er die selbst für Außenstehende offenkundige Animosität zwischen Napoleone Orsini und Johannes XXII. auf eine anekdotisch anmutende Begebenheit zurück. Anlässlich seiner Wahl in Lyon im Jahr 1316 habe Johannes geschworen, niemals ein Pferd oder ein Maultier zu besteigen, es sei denn, sein Weg führe ihn nach Rom. Anstatt, so der mitzudenkende Kontext der Geschichte, die Kurie zurück nach Rom zu verlegen, habe Johannes tatsächlich nie mehr ein Reittier benutzt. Den Weg von Lyon nach Avignon habe er auf der Rhone per Schiff zurückgelegt, danach sei er zu Fuß zum Papstpalast hinaufgestiegen, den er in der Folge, abgesehen von Besuchen in der an den Palast anstoßenden Kathedrale, nicht mehr verlassen habe. Die von Diessenhofen wiedergegebene Erzählung darf angezweifelt 33 werden, sie besitzt aber insofern einen wahren Hintergrund, als Napoleone Orsini ein glühender Verfechter der Rückkehr des Papsttums nach Rom war und Johannes XXII. ob seiner Kapitulation gegenüber dem König von Frankreich, der sich einer Verlegung der Kurie widersetzte, gezürnt 34 haben wird. Heinrich von Diessenhofen zufolge fiel der Tod Johannes’ XXII. mitten in die Beratungen zweier wichtiger Geschäfte, der bereits angesprochenen „Kreation“ eines neuen Kaisers in der Person Herzog Heinrichs von Bayern und der Bestimmung der Frage nach der Gottesschau (cum papa Iohannes XXII duabus arduis causis valde diligenter intenderet, scilicet creationi imperatoris novi […] et determinationi questionis de visione, an scilicet sancti in patria ante resurrectionem haberent visionem essentie divine). Mit den genannten Angelegenheiten beschäftigt, habe der Papst auf den 2. Dezember 1334 ein Konsistorium einberufen, um Provisionen auszustellen. In der vorangehenden Nacht, nach dem Nachtessen und [vor] dem ersten Hahnenschrei, habe ihn jedoch der Tod eingeholt (invasit eum mors). Die Agonie des Papstes zog sich drei Tage lang hin: Das auf den 2. Dezember angesetzte
32 Vgl. Kaufhold (Anm. 2), S. 182; dazu vor allem auch Willemsen, Carl Arnold, Kardinal Napoleon Orsini (1263–1342) (Historische Studien 172), Berlin 1927, S. 112–129. 33 Vgl. Willemsen (Anm. 32), S. 187, Anm. 503. 34 Ibid., S. 120–121 et passim.
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Konsistorium fiel aus. Am 3. Dezember habe Johannes die Kardinäle zu sich gerufen, um in ihrer Gegenwart sein Testament abzulegen. Zudem habe er ihnen die Kirche und seine Neffen anempfohlen. Am selben 3. Dezember machte der Papst einen Rückzieher in der Frage nach dem Zeitpunkt der 35 Schau Gottes, womit Diessenhofens Aussage, Johannes XXII. sei bis zuletzt intensiv mit dem Visio-Frage beschäftigt gewesen, eine Bestätigung erfährt. Vom Truchsessen ist weiterhin zu erfahren, dass der Papst im Morgengrauen des 4. Dezember die Messe hörte und die Kommunion empfing, worauf er in der dritten Tagesstunde betend verstarb (orando 36 migravit de hoc seculo) – nachdem er noch kurz zuvor, „zwischen der Mitte der Nacht und dem Morgengrauen“ (inter mediam noctem et auroram) infirmitate corporali detentus, sed in sua bona memoria constitutus eine Reihe von punktuellen Anordnungen hatte beurkunden lassen, mittels derer er u. a. seinem camerarius Gasbert von Laval, Erzbischof von Arles, décharge 37 für seine Amtsführung erteilte. Neun Tage nach Johannes’ Ableben, am 13. Dezember, versammelten sich die Kardinäle zum Konklave im Papstpalast, wobei das Tagesdatum nur von Diessenhofen chronikalisch überliefert wird, und wählten am 20. Dezember einen der Ihren, den Zisterzienser Jacques Fournier, der den 38 Namen Benedikt XII. annahm. Die ausführliche Schilderung der Agonie Johannes’ XXII. durch den Truchsessen aus Diessenhofen besitzt kein zeit39 genössisches Gegenstück. Ihr Verlauf entspricht aber der kurialen Tradition, so wie sie – freilich erst Ende des 14. Jahrhunderts – vom päpstlichen
35 Chartularium Universitatis Parisiensis, tomus II, sectio prior (1286–1350), hg. v. Denifle, Henri und Châtelain, Émile, Paris 1891, S. 440–442, Nr. 987. 36 Heinrich von Diessenhofen, Chronik, Kap. 7 (= Huber, S. 21). 37 Bei den von Albe, Edmond, Quelques-unes des dernières volontés de Jean XXII, in: Bulletin de la Société des Études littéraires, scientifiques et artistiques du Lot 27 (1902), S. 205–219, veröffentlichten Stücken, die belegen, dass der Papst bis zu seinem Ableben urteilsfähig war, kann es sich kaum um das von Heinrich von Diessenhofen auf den 3. Dezember datierte Testament handeln. Laut einem von Albe, S. 208, angeführten Registereintrag verstarb Johannes XXII. circa horam primae, d. h. gegen 6 Uhr morgens, was im Widerspruch zu Diessenhofens Angabe hora tertia steht. 38 Heinrich von Diessenhofen, Chronik, Kap. 8 (= Huber, S. 21). 39 Vgl. die zeitgenössischen Biographien Johannes’ XXII. bei Baluze, Étienne, Vitae paparum Avenionensium […], nouvelle édition d’après les manuscrits par Mollat, G[uy], 4 Bde. Paris 1914–1928, hier Bd. 1.
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Zeremonienmeister Pierre Ameilh schriftlich festgehalten worden ist, wodurch Diessenhofens Darstellung einen besonderen Quellenwert erhält. Heinrich von Diessenhofens Johannes-Bild zeichnet sich durch eine Reihe von präzisen Zügen aus, die alle den Zeitraum vom Sommer 1333 bis zum Tod des Papstes am 4. Dezember 1334 betreffen, eine Zeitspanne, in welcher der Chronist mutmaßlich selbst in Avignon weilte. Geht man davon aus, dass er von seinen habsburgischen Landesherren mit einem Beobachtungsauftrag an die Kurie entsandt worden war, so sind die in der Chronik festgehaltenen Episoden ein Abbild dieser Mission: Diessenhofens Interesse galt in auffälliger Weise dem Kommen und Gehen fremder Gesandtschaften – eine Tendenz, die sich bei der Schilderung des Pontifikats Benedikts XII. noch verstärkt. Dabei erweist er sich in seinem Geschichtswerk vor allem als Zeuge öffentlicher Anlässe, d. h. öffentlicher Konsistorien, Messen und der im Kreis der Kardinäle erfolgten Agonie Johannes’ XXII. Im Fall der herrschaftlichen Ambitionen Herzog Heinrichs von Bayern verrät Diessenhofens Darstellung ein feines Gespür für die mit der Sache verbundenen politischen Implikationen, die im Text jedoch nur angedeutet werden. Derartige Stellen lassen vermuten, dass er über Gewährsleute verfügte, die ihm Informationen zuspielten, die er als bloßer Zaungast öffentlicher Rituale nicht hätte erlangen können. Wir vermuten, dass dazu auch der kaiserliche Gesandtschaftswortführer Marquard von Randegg gehörte, der ein ehemaliger Studienkollege Heinrichs war. Was das Pontifikat Johannes’ XXII. bis ins Jahr 1333 betrifft, so hielt sich Heinrich von Diessenhofen an den Wortlaut des Paulinus von Venedig, und zwar von der Wahl Johannes’ im Jahr 1316 bis zu der vom selben Papst 41 vorgenommenen Heiligsprechung Thomas von Aquins im Jahr 1323. Bis zum Einsetzen von Diessenhofens eigenen Schilderungen im Jahr 1333 klafft in dessen Chronik eine zehnjährige Lücke, die sich allem Anschein nach nicht mittels einer anderen Vorlage überbrücken ließ. In dem von Paulinus von Venedig übernommenen Textblock fällt in erster Linie die bereits eingangs angesprochene Interpolation auf, in der Diessenhofens 40 Vgl. Paravicini Bagliani, Agostino, La cour des papes au XIIIe siècle (Coll. La vie quotidienne), Paris 1995, S. 256–257; id., Le corps du pape, Paris 1997 [ital. Orig. Turin 1994], S. 136–137. Der Tradition an der Kurie zufolge wurden die Kardinäle zwei oder drei Tage, bevor der Papst die Sprache verlor, zu ihm gerufen, damit der Sterbende in ihrer Gegenwart sein Testament diktierte und den Ort seiner letzten Ruhe bestimmte. Nach der Ablegung des Glaubensbekenntnisses empfahl er den Kardinälen die Kirche und seine Familiaren. Schließlich übergab er ihnen die Güter und Schätze der Kirche. 41 Heinrich von Diessenhofen, Chronik, Kap. 1 (= Huber, S. 16–17).
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Missbehagen mit der Situation im Reich zum Ausdruck kommt: Von Haus aus papsttreu gesinnt, hält er Johannes XXII. nichtsdestotrotz die durch sein Vorgehen gegen Ludwig den Bayern im Reich hervorgerufene Unordnung vor. Um Heinrich von Diessenhofens historiographisches Profil zu verdeutlichen, wollen wir seine Darstellung Johannes’ XXII. in der Folge mit derjenigen von vier ausgewählten Zeitgenossen konfrontieren, die zusammen mit Diessenhofen „nach der geläufigen Forschungsmeinung zu den bedeutenderen oder gar bedeutendsten Geschichtsschreibern gehören, die das 42 deutsche 14. Jahrhundert hervorbrachte“. Es handelt sich um Johann von Viktring, Mathias von Neuenburg, Heinrich Taube von Selbach sowie Johann von Winterthur. Sie alle, einschließlich Heinrich von Diessenhofens, weisen eine Reihe gemeinsamer Eigenschaften auf, zu denen die Sprache – das Lateinische –, der Zeitpunkt der Niederschrift ihrer jeweiligen Chroniken – ungefähr die Mitte des 14. Jahrhunderts –, ein gemeinsames, in der Zeitgeschichte verankertes inhaltliches Spektrum und der Wirkungsort – 43 der Süden Deutschlands – zählen. Ergänzt wird die Auswahl durch den Straßburger Fritsche Closener und zwei bayerische Chroniken.
III. Johann von Viktring Der Zisterzienser Johann († zwischen 1345, Juni 30, und 1347, Okt. 31), seit 1312 Abt der Kärntner Abtei Viktring, bewegte sich als Kaplan (seit 1334) und Rat im Umkreis Herzog Heinrichs VI. von Kärnten. In den Jahren 1330–1335, in denen das Schicksal des Kärnter Erbes zwischen den Habsburgern und Ludwig dem Bayern ausgehandelt wurde, war er diplomatisch tätig. Nach dem 1335 eingetretenen Tod des ohne männlichen Erben verstorbenen Herzogs von Kärnten und der darauf folgenden Belehnung der Habsburger mit dem Herzogtum arrangierte sich Abt Johann mit der neuen 44 Landesherrschaft. Er wurde Kaplan Herzog Albrechts II. von Österreich, 42 Moraw, Peter, Politische Sprache und Verfassungsdenken bei ausgewählten Geschichtsschreibern des deutschen 14. Jahrhunderts, in: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein im späten Mittelalter, hg. v. Patze, Hans (Vorträge und Forschungen 31), Sigmaringen 1987, S. 695–726, hier: 697. 43 Diese, sowie weitere gemeinsame Züge sind bei Moraw (Anm. 42), S. 697–700 aufgeführt. 44 Zu Johann von Viktring vgl. NDB 10, S. 574–575 (S. Haider); Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon [in der Folge VL]. Zweite, völlig
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dem er den 1341 entstandenen autographen Entwurf (recensio A) seines in 45 mehreren Redaktionen erhaltenen ‘Liber certarum historiarum’ widmete. Johannes XXII. erscheint im ‘Liber’ hauptsächlich in Verbindung mit der Reichsgeschichte. Die wenigen Ausnahmen betreffen u. a. die Etablierung 46 47 der Kurie in Avignon, die Heiligsprechung von Ludwig von Anjou (1317) 48 und Thomas von Aquin (1323) oder die Verurteilung Matteos I. Visconti und seiner Söhne als Ketzer, welche ihrerseits Ludwig dem Bayern diejenige als 49 fautor hereticorum eintrug. Ansonsten aber spricht der Kärnter Abt mit habsburgischen Sympathien vom Papst vor allem im Zusammenhang mit dem Kampf um die Königskrone. So berichtet er von der Gesandtschaft Friedrichs des Schönen an die Kurie, die 1322 letztlich erfolglos die päpstliche Approbation von Friedrichs Königswahl erwirken sollte. Die Gesandtschaft stand unter der Leitung von Konrad von Enslingen, Abt des Zisterzienserklosters Salem und Beichtvater Friedrichs, der die Sache seines Herrn den Worten Johann von Viktrings zufolge persuasibilibus alloquiis vertrat. Der in der Chronik zusammengefasste Inhalt von Konrads Rede sowie die 50 abschlägige Antwort des Papstes werden dem Viktringer Abt über ‘innerzisterziensische’ Kanäle zugeflossen sein, wobei Johanns Schilderung konsequenterweise die übrigen Gesandtschaftsmitglieder übergeht, die aufgrund ihrer Beglaubigung durch König Friedrich vom 25. Mai 1322 namentlich bekannt sind: Es handelte sich um Herbord von Simmering, den Hofmeister der Königin, und Friedrichs eigenen Hofmeister, Johann Truchsess von 51 Diessenhofen, den Vater des Chronisten. Die ausführliche Darstellung von Konrad von Enslingens Auftritt vor dem Papst kontrastiert auf bezeichnende Weise mit der Beiläufigkeit, mit der die ‘Gegengesandtschaft’ Ludwigs
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neu bearbeitete Auflage, hg. v. Ruh, Kurt et alii, 13 Bde. Berlin/New York 1978–2007, hier 4, Sp. 789–793 (E. Hillenbrand). Die Widmung ist ediert in Iohannis abbatis Victoriensis Liber certarum historiarum [Johann von Viktring, Liber], hg. v. Schneider, Fedor (MGH SS rer. Germ. 36,1–2), 2 Bde. Hannover/Leipzig 1909–1910, hier 1, S. 141–142, 144, 146. Johann von Viktring, Liber 2 (Anm. 45), S. 30, 16–19. Ibid., S. 115, 11–14. Ibid., S. 121, 20–22. Ibid., S. 122, 12–20. Ibid., S. 68, 13–69, 4 (S. 111, 8–15). MGH Const. 5, hg. v. Schwalm, Jakob, Hannover/Leipzig 1909–1913, S. 523, Nr. 659.
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des Bayern gestreift wird. Als Fazit hält der Chronist fest, der Papst habe 53 weder Friedrich noch Ludwig als König anerkannt. Ungeachtet seiner ‘neutralen’ Haltung in der Königsfrage spielte Johannes XXII. die habsburgische Karte gegen Ludwig. So wusste Johann von Viktring beispielsweise um die Unterstützung, die der Papst Herzog Leopold I. in Form von Kirchenzehnten zusprach, damit der Habsburger Ludwig „um so kraftvoller widerstehen könne“. Der Tod Leopolds am 28. Februar 1326 habe diese Konzession hinfällig gemacht, so dass die 54 entsprechenden littere bullate an der Kurie verblieben seien. Tatsächlich hatte Johannes XXII. am 13. November 1325 Herzog Leopold einen zweijährigen Kirchenzehnten in den habsburgischen Herrschaften zugespro55 chen. Zwei Monate später, am 24. Januar 1326 – und damit vier Wochen vor dem Ableben Herzog Leopolds –, wies der Papst drei hochrangige geistliche Würdenträger an, den von seinem Vorgänger Clemens V. am Konzil von Vienne für das Heilige Land bzw. gegen die Rebellen und Feinde der Kirche bestimmten sechsjährigen Kirchenzehnten in den Herzogtümern Österreich und Steiermark für die Dauer von drei Jahren zugunsten Herzog Leopolds einzuziehen, da dem Vernehmen nach in certis tamen Alamannie 56 partibus zu wenig oder nichts davon gesammelt worden sei. Johannes XXII. reagierte empört auf die geheimen Verhandlungen vom April 1325 zwischen Leopolds älterem Bruder Friedrich dem Schönen und Ludwig dem Bayern, die auf Friedrichs Entlassung aus der bayerischen Gefangenschaft folgten, in die der Habsburger nach der Niederlage bei Mühldorf am 28. September 1322 geraten war – und das um so mehr, 57 als sie den Papst ein Umschwenken Leopolds fürchten ließen. Johann von Viktring zufolge wurde der Papst durch Gottfried, den Prior der Kartäuser von Mauerbach, von der reconciliacio der beiden Kontrahenten in Kenntnis gesetzt, die in der Münchner Aussöhnung vom 5. September 1325 münden sollte. Darin verständigten sich die beiden Kontrahenten auf ein gemeinsam ausgeübtes Doppelkönigtum, wobei die Abmachung von habsburgischer Seite u. a. von Johann Truchsess von Diessenhofen bezeugt
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Johann von Viktring, Liber 2 (Anm. 45), S. 69, 5–7. Ibid., S. 69, 7–10. Ibid., S. 89, 15–20 (S. 124, 23–27). Von Riezler (Anm. 20), S. 253–254, Nr. 580–581. Ibid., S. 266–267, Nr. 617–618. Zum Kontext dieser Verhandlungen vgl. Lhotsky (Anm. 6), S. 288–293. – Vgl. die an Herzog Leopold gerichteten päpstlichen Ermahnungen bei von Riezler (Anm. 20), S. 223, Nr. 487 (1325, Mai 5); S. 230–231, Nr. 507 (1325, Juni 3).
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wurde. Johannes XXII. habe Gottfried ungehemmt angeschrien (crudeliter inclamavit) – ein Affront, den der Gesandte, der von Friedrich nach59 60 weislich öfters an die Kurie geschickt wurde, nur schwer ertragen habe. Obwohl Johannes XXII. Herzog Leopold bis zuletzt hofierte – zu nennen sind die ihm vom Papst überlassenen Kirchenzehnten – schwenkte Friedrichs Bruder Anfang 1326 schließlich auch auf das Doppelkönigtum 61 ein. Sein Tod am 28. Februar 1326 mag ihn davon bewahrt haben, „den nun unvermeidlichen Hass gegen ihn, der so lange der verlässlichste Partisan 62 der Kurie gewesen war“, erleben zu müssen. Johann von Viktring schreibt 63 dazu, Johannes XXII. habe den Tod Leopolds, „wie es heißt“, betrauert; allerdings findet sich dieser Satz bezeichnenderweise erst in einer späteren Redaktionsstufe. In der ersten Fassung aus dem Jahr 1341 fehlt jeder 64 Hinweis auf eine päpstliche Reaktion auf das Ableben des Herzogs. Die Aussöhnung mit den Habsburgern ließ Ludwig dem Bayern freie Hand im Reich, um über die Alpen zu ziehen. Sein Romzug, zu dem er in den letzten Tagen des Jahres 1326 aufbrach, sowie die Einsetzung Nikolaus’ V. sind Johann von Viktring ein ganzes Kapitel wert, in dem er den Antipapst als eine „Ungeheuerlichkeit auf dem Stuhl des heiligen 65 Peter“ (super beati Petri cathedram monstrum) bezeichnet. Da Ludwigs Romzug unter Einbezug der darüber berichtenden chronikalischen Quellen
58 MGH Const. 6,1, S. 72–74, Nr. 105. – Johann von Viktring, Liber 2 (Anm. 45), S. 90, 9–92, 1 (S. 125) zufolge habe Prior Gottfried von Mauerbach die Versöhnung Ludwigs des Bayern mit Friedrich dem Schönen betrieben, wobei ihm der Chronist in den Worten von Lhotsky (Anm. 6), S. 287, „eine rührende Prunkrede in gereimter Prosa zuschrieb, die sicherlich nicht so gehalten wurde, doch den Stimmungsgehalt erkennen läßt“. 59 Von Riezler (Anm. 20), S. 294–295, S. 721 (1326, Aug. 3); S. 299–300, Nr. 739 (1326, Sept. 25); S. 323, Nr. 829 (1327, März 18). Zu diesen Gesandtschaften vgl. Lhotsky (Anm. 6), S. 295–296. 60 Johann von Viktring, Liber 2 (Anm. 45), S. 92, 5–10. 61 Vgl. Lhotsky (Anm. 6), S. 292–293. 62 Ibid., S. 294 (Zitat)–295. 63 Johann von Viktring, Liber 2 (Anm. 45), S. 128, 14–16 (Papa Iohannes audita morte sua, probitatem eius et actus commendans, dicitur doluisse). 64 Vgl. ibid., S. 96. 65 Ibid., S. 92–95, bes. S. 94, 17–18; 132–134; 148–150.
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einschließlich Johann von Viktrings unlängst eingehend untersucht worden 66 ist, gehen wir hier auf dieses Thema nicht ein. Was das Ende des Pontifikats Johannes’ XXII. betrifft, also die anderthalb Jahre, die Heinrich von Diessenhofen aus seiner Avignoner Perspektive heraus privilegierte, so ging Johann von Viktring einer erhaltenen Kapitelüberschrift zufolge auf die Visio-Frage sowie den Tod des Papstes ein; der 67 entsprechende Text ist aber heute verloren. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Johannes XXII. in Johann von Viktrings Chronik vorwiegend im Rahmen der Reichsgeschichte erwähnt wird. Pointierte Aussagen sind selten und beziehen sich auf den Ärger des Papstes über den habsburgisch-wittelsbachischen Ausgleich, der seinen Anstrengungen im Kampf gegen Ludwig den Bayern entgegenwirkte. Kein Thema ist das über die Anhänger Ludwigs im Reich verhängte Interdikt, über dessen Auswirkungen Heinrich von Diessenhofen aus persönlicher Betroffenheit berichtete.
IV. Mathias von Neuenburg Von Mathias von Neuenburg (* vor 1300, † nach 1370), Verfasser einer um 1352 begonnenen Reichsgeschichte von König Rudolf von Habsburg bis in die ersten Regierungsjahre Karls IV., wissen wir bereits, dass er, wie 68 Heinrich von Diessenhofen, über gewisse Kurienerfahrungen verfügte. In den Jahren 1315 und 1316 lässt er sich in Bologna aufspüren, wo er als 69 Student des Kirchenrechts belegt ist – zeitgleich mit Heinrich von Diessenhofen, der ebenfalls 1316 in Bologna fassbar wird. 1327 taucht Mathias als Prokurator am geistlichen Gericht in Basel wieder auf, wo er in Beziehung zum Landkomtur der Deutschordensballei Elsass-Burgund, Berthold Graf
66 Vgl. Godthardt, Frank, Marsilius von Padua und der Romzug Ludwigs des Bayern. Politische Theorie und politisches Handeln (Nova Mediaevalia. Quellen und Studien zum europäischen Mittelalter 6), Göttingen 2011. 67 Johann von Viktring, Liber 2 (Anm. 45), S. 154, 27–30. 68 Zu Mathias’ Biographie vgl. NDB 16, S. 411 (P.-J. Heinig); VL 6, Sp. 194–197 (K. Arnold). 69 Schmutz, Jürg, Juristen für das Reich. Die deutschen Rechtsstudenten an der Universität Bologna 1265–1425. Teil 2: Personenkatalog (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte 2/2), Basel 2000, S. 631, Nr. 2481.
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von Buchegg, trat. Nachdem Berthold von Johannes XXII. 1328 mit dem Bistum Straßburg providiert worden war, folgte ihm Mathias als rechtsgelehrter Berater in die elsässische Metropole und widmete ihm aller Wahrscheinlichkeit nach die mit dem modernen Titel ‘Gesta Bertholdi episcopi 71 Argentinensis’ versehene Lebensbeschreibung Bertholds. 1335 und 1338 72 unternahm Mathias zwei Gesandtschaftsreisen an die Kurie Benedikts XII. In Straßburg, wo der anti-wittelsbachisch orientierte Berthold von Buchegg von Johannes XXII. eingesetzt wurde, zogen sich die politischen Sympathien quer durch die Stadt, wobei die Anhänger Friedrichs des Schönen und diejenigen Ludwigs des Bayern in einem fragilen Gleichgewicht zusammenlebten. Wie delikat die Lage war, lässt die straßburgische Reaktion auf die vom Papst verlangte Publikation der Prozesse gegen Ludwig den Bayern erkennen: Nachdem sich die Bürger- und Schöffenmeister geweigert hatten, die Prozesse zu publizieren, forderte Johannes XXII. den Straßburger Bischof – Berthold von Bucheggs Vorgänger Johann von Zürich – am 1. April 1324 auf, die straßburgischen Stadtväter auf die päpstliche Sache 73 einzuschwören. In der Folge schlug sich der Widerstand der Bürgerschaft gegen die Veröffentlichung der Prozesse in einem Schreiben an den Papst nieder, das in zwei Redaktionsstufen erhalten ist und in dem die Nichtpublikation begründet wird. Eines der Argumente bezieht sich auf die geteilten Loyalitäten in der Stadt, aufgrund derer eine Veröffentlichung der Prozesse zu einem unvermeidbaren Blutbad führen würde (propter talem publica74 cionem cedes magna et inevitabilis accideret in nostra civitate). Ohne
70 Zu Berthold von Buchegg vgl. Helvetia Sacra IV/7: Die Johanniter, die Templer, der Deutsche Orden… in der Schweiz, red. v. Zimmer, Petra und Braun, Patrick, 2 Bde., Basel 2006, S. 575 (Liste der Landkomture der Ballei ElsassBurgund mit Berthold von Buchegg für die Jahre 1305–1321); Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1198 bis 1448, hg. v. Gatz, Erwin, Berlin 2001, S. 758–759 (H. Ammerich/F. Rapp). Vgl. auch Pfleger, Luzian, Kirchengeschichte der Stadt Straßburg im Mittelalter (Forschungen zur Kirchengeschichte des Elsass 6), Kolmar 1941, S. 111–115. 71 Die Gesta sind als Anhang zur Chronik des Mathias von Neuenburg (Anm. 19), S. 502–543, herausgegeben worden. 72 Der Herausgeber von Mathias’ Chronik, Adolf Hofmeister, vermutete den Autor bereits 1333–1334 in Avignon (Die Chronik des Mathias von Neuenburg [Anm. 19], S. 140, Anm. 5). 73 MGH Const. 5, S. 703, Nr. 888. 74 Ibid., S. 705, 23–24, Nr. 890; vgl. auch S. 704, 9–10, Nr. 889 (Konzept). Die Argumente der Straßburger Bürgerschaft sind bei Kaufhold (Anm. 2), S. 136– 137, zusammengefasst.
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an dieser Stelle auf weitere Einzelheiten aus der straßburgischen Stadtgeschichte eingehen zu können, sei doch angemerkt, dass die Neutralität Straßburgs im Kampf zwischen Ludwig dem Bayern und Johannes XXII. der Stadt 1324 die Verhängung des Interdikts einbrachte (welches bis nach 75 dem Tod Ludwigs andauerte) und dass sich die unterschiedlichen politischen Loyalitäten zur habsburgischen bzw. wittelsbachischen Sache in den innerstädtischen Parteiungen widerspiegelten, ohne diese aber allein hinreichend zu erklären. Dies gilt insbesondere für den Geschlechterkampf des 76 Jahres 1332 und die anschließende Ratsänderung. Wir können im Folgenden nicht auf alle Stellen eingehen, die in Mathias von Neuenburgs Chronik auf Johannes XXII. Bezug nehmen, sondern konzentrieren uns auf einige ausgewählte, reichsgeschichtlich relevante Aussagen und auf die Würdigung des Papstes durch den Geschichtsschreiber. Die im Anschluss an die Niederlage Friedrichs des Schönen vor Mühldorf 1322 einsetzende Eskalation der Beziehungen zwischen Ludwig dem Bayern und Johannes XXII., sprich: das Eingreifen des Wittelsbachers zugunsten des als Ketzer verurteilten Galeazzo I. Visconti in Mailand, die Eröffnung eines Verfahrens gegen Ludwig, weil dieser ohne päpstliche Approbation die Reichsgewalt ausgeübt und die Visconti unterstützt habe (1323, Okt. 8), die Verhängung des Kirchenbanns über Ludwig (1324, März 23), seine Verurteilung als Ketzer (1327, Okt. 23), die Aberkennung der aus Ludwigs Königswahl abgeleiteten Rechte (1324, Juli 11) sowie diejenige seines Herzogtums (1327, April 3) und nicht zuletzt die päpstlichen Sentenzen gegen Ludwigs Söhne und Parteigänger, werden von Mathias von Neuenburg aus der Rückschau zu einem einzigen Abschnitt verdich77 tet. Darin machte der Chronist eine gegen den Bayern gerichtete Allianz zwischen Johannes XXII., dem französischen König Karl IV. und Herzog Leopold von Österreich (conglutinatis autem papa, Franco et Lúpoldo) 78 aus, die sich u. a. darin niedergeschlagen habe, dass Leopold nach Möglich79 keit sämtliche Sentenzen gegen Ludwig publizieren ließ. Auf das Sterben Johannes’ XXII. geht Mathias von Neuenburg – anders als der Kurienaufenthalter Heinrich von Diessenhofen – nicht ein. Hingegen 75 Vgl. Pfleger (Anm. 70), S. 112–114. 76 Vgl. zuletzt Egawa, Yuko, Stadtherrschaft und Gemeinde in Straßburg vom Beginn des 13. Jahrhunderts bis zum Schwarzen Tod (1349) (Trierer Historische Forschungen 62), Trier 2007, S. 198–222. 77 Die Chronik des Mathias von Neuenburg (Anm. 19), S. 126, 19–127, 10 (S. 365, 7–19). 78 Ibid., S. 127, 2–3 (S. 365, 8–9). 79 Ibid., S. 127, 9–10 (S. 365, 18–19).
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bietet ihm der Tod des Papstes Gelegenheit zu einer moralischen Beurteilung Johannes’: Mathias von Neuenburg stößt sich an der von ihm betriebenen ‘Versorgungspolitik’ zugunsten seiner Neffen und an seinem offenem Ohr gegenüber den Petitionen unwürdiger Adliger, aber auch daran, dass er jähr80 lich mehr als siebzig Grafen und Ritter eingekleidet habe. Im Rahmen einer von Mathias wiedergegebenen Anekdote über einen an die Kurie reisenden Bischof, dem in der Todesnacht Johannes’ dessen Nachfolger im Schlaf erschienen sein soll, wird die Kurie und der apostolische Sitz mit einem „überaus ekelerregenden Stall“ (immundissimum stabulum) verglichen, den der neue Papst von Habsucht und „simonistischem Mist“ 81 reinigen sollte. Benedikt XII., auf den die Weissagung bezogen wurde, wird in der Geschichte als der demütigste und ärmste aller Kardinäle gepriesen, und was die Bevorzugung seiner Verwandtschaft betrifft, so legt ihm der Chronist eine Aussage in den Mund, die von hohem politischen Fingerspitzengefühl zeugt, so sie denn tatsächlich auf den Nachfolger Johannes’ XXII. zurückgehen sollte: Es dürfe nicht sein, dass er, Benedikt, wie sein Vorgänger vom französischen König wegen seiner von ihm begüterter Verwandten in 82 seiner Entscheidungsfreiheit beschnitten werde. Mathias von Neuenburg übt also heftige Kritik an Johannes XXII., die ungleich stärker ausfällt als Diessenhofens eher politisch zu verstehenden Vorhaltungen bezüglich der Auswirkungen der päpstlichen Prozesse gegen Ludwig den Bayern auf das Reich. Diessenhofen spricht zwar die von Benedikt XII. eingeleiteten Schritte zur Verhinderung vom Missbräuchen an, so die Weigerung des neuen Papstes, den anlässlich seiner Krönung massenhaft eingegangenen Suppliken unbesehen stattzugeben, oder seine Weisung vom 10. Januar 1335, mit der alle Geistlichen, denen die Seelsorge oblag und die keine belegbaren Gründe hatten, um an der 83 Kurie zu bleiben, von selbiger verwiesen wurden. In diesen Zusammenhang fällt auch die von Diessenhofen erwähnte Widerrufung aller sich nicht im Besitz von Kardinälen befindlicher Kommenden, die von Benedikts Vorgängern eingerichtet worden waren (1335, Mai 18), sowie die Kassierung aller von seinen Vorgängern herrührender ungerechtfertigter 84 Gunstbeweise (1335, Dez. 18). Eine grundsätzliche Kritik an den unter 80 Die Chronik des Mathias von Neuenburg (Anm. 19), S. 135, 6–9 (S. 372, 7–10); S. 137, 6–11 (S. 373, 16–19). 81 Ibid., S. 136, 20–23 (S. 372, 29–32). Die ganze Anekdote steht auf S. 135, 10– 136, 23 (S. 372, 11–32). 82 Ibid., S. 136, 14–15 (S. 372, 23–24); S. 137, 11–138, 2 (S. 373, 20–374, 1). 83 Heinrich von Diessenhofen, Chronik, Kap. 8 (= Huber, S. 22). 84 Ibid., Kap. 9 (= Huber, S. 23, 24).
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Johannes XXII. an der Kurie herrschenden Zuständen mochte Diessenhofen darob aber nicht zu formulieren, vielleicht weil er aufgrund seiner habsburgerfreundlichen Herkunft im Kampf zwischen Papst und Kaiser ‘von Haus aus’ auf der Seite Johannes’ XXII. stand. Zudem hatte Heinrich, als noto85 rischer Pfründenkumulant ohnehin in einer delikaten Lage, als Ehrenkaplan Johannes’ XXII. von dessen Freigiebigkeit bei der Verleihung kurialer Ehren Nutzen gezogen. Mathias von Neuenburgs Kritik an Johannes XXII. mag auf seinen Kurienaufenthalt im Jahr 1335 zurückgehen – dem Jahr, in dem Benedikt XII. eine Reihe von Korrekturen an der Benefizialpolitik seines Vorgängers anbrachte; sie mag aber auch eine allgemein in klerikalen Kreisen im Reich vorherrschende Stimmung widerspiegeln. Mathias’ Vorwurf, Johannes habe den 86 Suppliken von Adeligen selbst bei ungenügender Eignung stattgegeben, lässt sich anhand von Daten zur päpstlichen Stellenvergabe am Konstanzer Domkapitel erhärten: Sind bei den Domkanonikatsexpektanzen Johannes’ XXII. „mindestens zwei Drittel der Petenten als Adelige einzustufen“, was Ressentiments seitens Nichtadeliger hervorgerufen haben mag, so schrumpfte „der sichtbare Part adeliger […] Bittsteller [unter Benedikt XII.] gegenüber den Werten unter Johannes XXII. […] Hochschuler87 fahrung kennzeichnete nunmehr den Gesamtkreis der Petenten“. Wir wollen hier nicht auf die Politik der Bistumsbesetzungen durch Johannes XXII. eingehen, wie sie in Mathias von Neuenburgs ‘Gesta Bertholdi episcopi Argentinensis’ am Beispiel von Mathias’ Patron Berthold von Buchegg detailliert dargestellt wird und die schließlich 1328 zur Provision von Berthold mit dem Straßburger Bistum führte. Dieser war vom Papst zuvor in Speyer eingesetzt worden, wo er sich aber nicht gegen den vom Domkapitel gewählten Walram von Veldenz durchsetzen konnte. Dessen ungeachtet hielt er Teile des Hochstifts besetzt, bis ihn der Papst nach der 88 1329 erfolgten Ernennung Walrams zu deren Aufgabe aufforderte. Der Papst sollte dies bald bedauern, so Mathias in den ‘Gesta Bertholdi’, da sich Walram 1330 Ludwig dem Bayern anschloss, worauf Johannes XXII.
85 1345 bat Heinrich von Diessenhofen Clemens VI. mit Erfolg um eine Dispens wegen Pfründenkumulation; Rieder (Anm. 13), S. 333, Nr. 1097. 86 Die Chronik des Mathias von Neuenburg (Anm. 19), S. 137, 6–10 (S. 373, 16–19). 87 Vgl. Hotz, Brigitte, Päpstliche Stellenvergabe am Konstanzer Domkapitel. Die avignonesische Periode (1316–1378) und die Domherrengemeinschaft beim Übergang zum Schisma (1378) (Vorträge und Forschungen, Sonderbd. 49), Ostfildern 2005, S. 131–142 (Zitate S. 137, 140). 88 Vgl. Gatz (Anm. 70), S. 758.
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Berthold geschrieben habe, die bereits aufgegebenen festen Plätze des Spey89 erer Hochstifts zurückzubehalten. Überhaupt habe der Papst die habsburgischen Herzöge und die von ihm selbst eingesetzten Bischöfe gedrängt (feventer instetit), sich Ludwig nach dessen Rückkehr aus Italien entgegenzustemmen, worauf sich Herzog Otto mit den Bischöfen von Straßburg, Berthold von Buchegg, und Konstanz, Rudolf von Montfort, verbündet habe. Nach einigen kriegerischen Vorstößen, die von Mathias beschrieben werden, schloss Herzog Otto indes am 6. August 1330 mit dem Bayern den Vertrag von Hagenau. „Kaiser Ludwig war nun einmal eine Tatsache“, so Alphons Lhotsky, „ihn nochmals 90 bekämpfen zu wollen, würde Wahnsinn gewesen sein“. Vor dem habsburgisch-wittelsbachischen Ausgleich hatte Johannes XXII. Herzog Otto umfangreiche Zusagen gemacht, im Glauben, so Mathias von Neuenburg, der Herzog wolle „dem Herrn Ludwig“ nach dem Vorbild seiner Brüder 91 entgegentreten. Nun sah er sich von Otto getäuscht. Bischof Berthold von Straßburg söhnte sich seinerseits erst 1339 mit Ludwig aus, worauf er von Benedikt XII. exkommuniziert wurde.
V. Fritsche Closener Mathias von Neuenburg vertrat als Vertrauter des Straßburger Bischofs Berthold von Buchegg eine Perspektive, die Johannes XXII. gegenüber politisch grundsätzlich loyal war, hingegen an moralisch begründeter Kritik dem Papst gegenüber nicht sparte. Was nun die (Stadt-)Chronik des Straßburger Klerikers Fritsche Closener († vor dem 11. März 1373) betrifft, die 92 nach Angaben ihres Verfassers 1362 fertig gestellt wurde, so scheint es, als habe Closener das in der Stadt zwischen den Anhängern und Gegnern der habsburgischen bzw. wittelsbachischen Partei herrschende Patt im Nachhinein auch sprachlich nachbilden wollen: So nennt er Friedrich den Schönen und Ludwig den Bayern die zwen erweleten kunige und betitelt beide alternierend als kunig. Zur Einsetzung von Ludwigs Antipapst 89 Die Chronik des Mathias von Neuenburg (Anm. 19), S. 512, 16–19 (Gesta Bertholdi). 90 Lhotsky (Anm. 6), S. 317. 91 Die Chronik des Mathias von Neuenburg (Anm. 19), S. 516, 1–517, 17 (Gesta Bertholdi). 92 Zu Fritsche Closener vgl. NDB 3, S. 294–295 (H. Gerber); VL 4, Sp. 1225– 1235, zur Chronik insbes. Sp. 1230–1234 (G. Friedrich/K. Kirchert).
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Nikolaus V. schreibt Closener zwar, kunig Ludewig […] maht […] einen barfußen zů eime bobeste, doch lässt er keinen Zweifel daran, dass Johannes der rehte bobest war. Davon abgesehen ist der Chronist Ludwig auffallend wohlgesinnt: Bezüglich des über Ludwigs Anhänger verhängten Interdikts berichtet der Straßburger, es sei in dem merrenteil der stete gebrochen worden. Angesichts der Spaltung im Reich sei der keiser […] so gut und so tugenthaft gewesen, daz er wenig ie keinen armen pfaffen darumbe [für die Befolgung des Interdikts] dette kestigen. Hingegen twang er bischof und prelaten, daz sü můstent ire lehen von im enpfohen. Zu Ludwigs Land93 friedenspolitik, die nicht zuletzt seiner Herrschaftsdurchsetzung diente, schrieb Closener: der keiser was fridesam und gůt, und wo die stete woltent lantfriden machen, do det er sin helfe zů, und waz er mit gůt moht zubringen, 94 do erlies er sich krieges. Der Straßburger Chronist erwähnt auch den ‘Defensor pacis’ (ohne dessen Autor Marsilius von Padua zu nennen), der mit redelichen sprüchen der heiligen geschrift beweise, daz ein bobest under eime keiser sol sin und daz er kein weltlich herschaft sol han. Dazu belege er des bobestes und der cardinal grit und ire hofart und ire simonie, die sü gewonlich tribent und sich 95 des beschonent mit falschen glosen. Anders als Mathias von Neuenburg, der Johannes XXII. direkt kritisierte, brachte Fritsche Closener seine Kritik also indirekt an, indem er zustimmend auf den ‘Defensor pacis’ verwies. Im Zusammenhang mit der Doppelwahl Friedrichs des Schönen und Ludwigs des Bayern und der damit verbundenen Frage nach dem legitimen König verhielt sich Closener den verwendeten Titeln nach neutral, machte aber aus seinen Sympathien für den Bayern keinen Hehl. In seiner ausführlichen Darstellung des Straßburger Geschlechterkampfs im Jahr 1332 werden die reichspolitischen Bezüge nahezu vollständig ausgeblendet, vielleicht weil der Chronist auch mit zeitlichem Abstand keine politischen Sensibilitäten 96 verletzen wollte. 93 Vgl. Kreutz, Bernhard, Städtebünde und Städtenetz am Mittelrhein im 13. und 14. Jahrhundert (Trierer Historische Forschungen 54), Trier 2005, S. 110–141, et passim. 94 Fritsche Closener, Chronik, in: Die Chroniken der oberrheinischen Städte. Straßburg. Erster Bd. (Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert 8), Leipzig 1870, S. 1–151, hier S. 68, 4–69, 25. 95 Ibid., S. 70, 5–10. Vgl. dazu Godthardt (Anm. 66), S. 384–385. 96 Fritsche Closener, Chronik (Anm. 94), S. 122–125. Bei Ausbruch der Konfliktes zwischen den konkurrierenden Geschlechtern der Mülnheim und der Zorn hätten die erbern bürgere und antwerglute befürchtet, die beiden Parteien würden die landesherren in die stat zu in ladende (Fritsche Closener,
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VI. Heinrich Taube von Selbach Eine ganz andere Wertung als bei Fritsche Closener erhält der ‘Defensor pacis’ in der Chronik des Eichstätter Klerikers Heinrich Taube von Selbach († 9. Okt. 1364), Präbendar am St. Willibald-Chor im Dom und bischöflicher Kaplan. In seinem Geschichtswerk, dessen erster, um 1344 entstan97 dener Teil bis zum Tod Benedikts XII. im Jahr 1342 reicht, erwähnt Heinrich Taube auch die durch Johannes XXII. vorgenommene Verurteilung des Johann von Jandun und des Marsilius von Padua als Ketzer, da Letztere „einige unheilvolle und gegen die Ehre der Kirche gerichtete Bücher“ verfasst hätten und von Ludwig dem Bayern in seine Hofgemeinschaft 98 aufgenommen worden seien. In seinen ‘Gesta Iohannis pape’, wie der Autor die in seine Chronik inte99 grierte Vita Johannes’ XXII. nennt, legt Heinrich Taube einen längeren 100 Abriss zum Pontifikat dieses Papstes vor, den er – so wie Heinrich von Diessenhofen – persönlich erlebt haben wird. Seit einem Quellenfund Edmund E. Stengels ist nämlich bekannt, dass der Dekretalist Taube einem in den Jahren 1332–1335 vor der päpstlichen Rota verhandelten Prozess als Prokurator beiwohnte, wobei Stengel vermutet hat, dass Taube bereits 1328 101 in dieser Funktion an der Kurie wirkte. In seinen ‘Gesta Iohannis’ spricht 102 er dessen hohes Alter bei der Wahl zum Papst an und hält den Finger, unter anderen Dingen, auf Johannes’ Neigung, sich die Besetzung von Pfründen zu reservieren (disposicioni sue tot prelaturas reservavit, quot ante
Chronik, S. 122, 14–16). Dieselbe Furcht vor dem Eingreifen Ludwig dem Bayern ergebener nobiles fortes et potentes hatte die Straßburger Bürgerschaft 1324 geäußert, als sie zu verhindern suchte, dass die päpstlichen Prozesse gegen Ludwig in der Stadt publiziert würden; vgl. MGH Const. 5, S. 705, 16–21, Nr. 890; vgl. auch S. 704, 1–7, Nr. 889 (Konzept). 97 Zu Leben und Chronik Heinrich Taubes vgl. VL 9, Sp. 628–631 (K. Colberg). Vgl. auch die ausführliche Einleitung von Harry Bresslau zur Chronik Heinrichs Taube von Selbach (Anm. 22), S. VII–LXXVII. 98 Ibid., S. 22, 14–19. Zu dieser Stelle vgl. den Kommentar von Godthardt (Anm. 66), S. 58–59. 99 Die Chronik Heinrichs Taube von Selbach (Anm. 22), S. 41, 5. 100 Ibid., S. 20, 7–28, 5. 101 Vgl. Stengel, Edmund E., Heinrich der Taube. Neue Nachrichten über den Eichstätter Chronisten, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 71 (1963), S. 76–86. 102 Die Chronik Heinrichs Taube von Selbach (Anm. 22), S. 20, 11.
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ipsum communiter ita consuetum non erat). Dieser tatsächlich zu beobachtende Hang zum päpstlichen Zentralismus – im Konstanzer Domstift z. B. geriet die päpstliche Stellenvergabe ab 1320 zur vorherrschenden Kollatur104 form zuungunsten der Selbstergänzung durch das Domkapitel – wird in den ebenfalls Heinrich Taube zugeschriebenen ‘Vitae episcoporum Eichs105 tetensium’ nochmals ausführlicher thematisiert: Papst Johannes habe sich und dem apostolischen Sitz die Provision sämtlicher Kathedralkirchen reserviert, worin ihm seine Nachfolger gefolgt seien, wobei sich das Provisionswesen auch auf andere Dignitäten ausgedehnt habe. Folglich würden 106 Wahlen durch die Kapitel von päpstlichen Provisionen abgelöst. Auch in anderer Hinsicht rief die Benefizialpolitik Johannes’ XXII. den Chronisten auf den Plan: Zu Beginn seines Pontifikats sei er „sehr streng“ (valde rigidus) zu Pfründenkumulanten gewesen und habe die einschlägige Konstitution ‘Execrabilis’ (Extravag. Jo. XXII, 3) erlassen; gegen Ende sei er aber gefäl107 liger geworden und habe leicht Dispense erteilt. Das in Heinrich Taubes Chronik dokumentierte Interesse des Verfassers an Benefizialfragen erhält besonderes Gewicht, wenn man es mit dem Prozess vor der Rota in Verbindung bringt, an dem Taube nachweislich beteiligt war: Darin ging es nämlich um eine durch Todesfall frei gewordene Domherrenpfründe am Regensburger Domkapitel; von den zwei Kandidaten war einer vom Domkapitel 108 ausersehen worden, der andere vom Papst providiert. Wir können Heinrich Taubes Johannes-Vita nicht in allen Einzelheiten kommentieren. Grundsätzlich ist aber Harry Bresslau beizupflichten, dass der Chronist kein direktes Urteil über Johannes XXII. abgab; es sei aber „leicht zu erkennen“, und wir haben einige Beispiele dafür angeführt, dass „er den Papst nicht liebt[e]“. Ähnlich vorsichtig äußerte er sich zu Ludwig dem Bayern: Heinrichs „Charakteristik Ludwigs hebt die guten Seiten seines Wesens sehr nachdrücklich hervor, verschweigt aber auch seine Fehler 109 nicht“. Dazu gehört namentlich, dass Ludwig „sich herausgenommen“ 103 Die Chronik Heinrichs Taube von Selbach (Anm. 22), S. 20, 14–15. 104 Bihrer (Anm. 3), S. 317; vgl. auch Hotz (Anm. 87), S. 77, wo im Bezug auf das Konstanzer Domkapitel vom „Ansturm von Expektanten“ und der dadurch „erzwungenen Einschränkung der Selbstergänzung unter Johannes XXII.“ die Rede ist. 105 Edition als Anhang zur Chronik Heinrichs Taube von Selbach (Anm. 22), S. 123–132. 106 Ibid., S. 126, 14–22 (Vitae episcoporum Eichstetensium). 107 Ibid., S. 21, 9–13. 108 Vgl. Stengel (Anm. 101), S. 77–78. 109 Die Chronik Heinrichs Taube von Selbach (Anm. 22), S. LXI.
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habe, Johannes XXII. abzusetzen (papam Iohannem deponere presumpsit), und einen neuen Papst „ordiniert“ habe. Daraufhin sei ein großes Schisma in Klerus und Volk in Italien und Deutschland ausgebrochen, da Ludwig und der Antipapst Nikolaus sich den von Johannes in denselben „Provinzen“ ausgestellten Provisionen (ein Thema, das, wie wir gesehen haben, Heinrich 110 Taube am Herzen lag) entgegengestellt hätten. An anderer Stelle spricht der Geschichtsschreiber bezeichnenderweise vom „Papst oder eher Antipapst“ (papa vel potius antipapa) Nikolaus, der in Rom „vom Bischof von Castello und anderen Häresiarchen“ geweiht worden sei (consecratus est 111 ab episcopo Castellano et aliis heresiarchis in Urbe). Grundsätzlich aber hielt der Geschichtsschreiber Johannes’ Vorgehen gegen Ludwig den Bayern (und Nikolaus V.) für zu hart: idem Iohannes Avinione processus aggrava112 torios valde enormes fecit contra Ludwicum et Nycolaum predictos. Der Grund für die Vorsicht, derer sich Heinrich Taube in seinen Stellungnahmen befleißigte, ist zweifellos in den delikaten kirchenpolitischen Verhältnissen in Eichstätt zu sehen. Als Pfründner am St. Willibald-Chor im Eichstätter Dom gehörte er einem Stift an, das zwischen dem Kaiser und dem Papst lavierte. Daraus hat Harry Bresslau die „vorsichtigen Urteile“ erklärt, 113 „die der Chronist im ersten Teile seines Werkes abgibt“. Der Bischof von Eichstätt, Heinrich Schenk von Reicheneck (1329–1344), war 1329 von Johannes XXII. mit dem Bistum providiert worden, musste sich aber vor der Inbesitznahme mit einem Domkapitel verständigen, das sich zur Abwehr 114 päpstlicher Ansprüche mit Ludwig von Bayern verbündet hatte. Bischof Heinrich konnte in Eichstätt erst einziehen, nachdem er sich 1331 vor dem Domkapitel und der Bürgerschaft für den Wittelsbacher ausgesprochen hatte, dem er Treue und Untertänigkeit geloben musste. Zudem verpflichtete er sich, „keinerlei Mandate, Sentenzen und Prozesse des Papstes gegen 115 Ludwig anzunehmen“. In der Folge verschlechterte sich sein Verhältnis zu Ludwig jedoch wieder: Heinrich Taube zufolge befolgte Heinrich Schenk von Reicheneck das Interdikt gegen Ludwig, seine Helfershelfer und die ihm zugewandten Gebiete, mit denen ganz Deutschland „getäfelt“ (laqueata)
110 Die Chronik Heinrichs Taube von Selbach (Anm. 22), S. 24, 2–12. 111 Ibid., S. 40, 18–22. 112 Ibid., S. 25, 12–14. 113 Ibid., S. LXI. 114 Vgl. in der Folge, soweit nicht eigens ausgewiesen: Die Chronik Heinrichs Taube von Selbach (Anm. 22), S. XXXIV–XXXV; zu Heinrich Schenk von Reicheneck vgl. auch Gatz (Anm. 70), S. 171–172 (H. Flachenecker). 115 Die Chronik Heinrichs Taube von Selbach (Anm. 22), S. XXXIV (Zitat).
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war, gleichzeitig hatte er mit einer Opposition im Domkapitel und mit dieser Opposition verbundenen Bürgern zu kämpfen. Seine letzten Lebensjahre verbrachte der Bischof im Nürnberger Exil, während in Eichstätt das Domkapitel die Geschäfte führte. Was den Geschichtsschreiber betrifft, so hielt er sich selbst vermutlich nicht an das Interdikt, wie seine fünf erhaltenen Gründonnerstagspredigten aus den Jahren 1339–1343 nahelegen. Ob dies aus persönlicher Überzeugung oder – wie anderswo – auf Druck der Bürgerschaft geschah, bleibe dahingestellt. Auffällig ist, dass Heinrich Taube im zweiten Teil der Chronik, den er um 1355 während des Episkopats des von Clemens VI. eingesetzten und mit Karl IV. verbündeten Berthold von Zollern (1351–1365) in Arbeit nahm, 117 ungleich harscher über Ludwig den Bayern urteilte als im ersten Teil. Damit übernahm der Chronist den Standpunkt des Bischofs, dem er u. a. als Leiter der Kanzlei diente.
VII. Johann von Winterthur Das fraglos negativste Bild Johannes’ XXII. in unserer Auswahl zeichnet Johann von Winterthur. Der zu Beginn des 14. Jahrhunderts in Winterthur geborene Franziskaner lebte, seinen eigenen Aussagen zufolge, in den Konventen von Basel (1328), Schaffhausen (1335) und Lindau, wo er 118 von 1340 bis zu seinem nach dem 4. Juni 1348 eingetretenen Tod blieb. Seine Zugehörigkeit zum Orden der Minoriten konditionierte seine Abneigung gegen Johannes XXII., dem er gleichsam im ersten Atemzug die am 116 Die Chronik Heinrichs Taube von Selbach (Anm. 22), S. 128, 18–24 (Vitae episcoporum Eichstetensium). 117 Ibid., S. LXII. Vgl. dazu die Abrechnung mit Ludwig anläßlich der Schilderung seines Todes in der Chronik, ibid., S. 68, 7–69, 9. 118 Zu Johann von Winterthur vgl. NDB 10, S. 576–577 (M. Beck); VL 4, Sp. 816– 818 (K. Arnold). Vgl. auch von Knonau, G[erold] Meyer, Deutsche Minoriten im Streit zwischen Kaiser und Papst. Zu Johann von Winterthur, in: Historische Zeitschrift 29 (1873), S. 241–253; Brun, Carl, Der Armutsstreit bei Johannes von Winterthur. Ein Beitrag zum Kommentar und zur Kritik des Chronisten, in: Zeitschrift für Schweizerische Geschichte 3 (1923), S. 111–122; Hofer, Johann, Die Geschichte des Armutsstreites in der Chronik des Johann von Winterthur, in: Zeitschrift für Schweizerische Kirchengeschichte 21 (1927), S. 241–263; Borst, Arno, Johann von Winterthur. Franziskaner in Lindau, in: id., Mönche am Bodensee: 610–1525 (Bodensee-Bibliothek 5), Sigmaringen 1978, S. 264–281.
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25. Oktober 1317 erfolgte Promulagation und Versendung des noch auf Clemens V. zurückgehenden ‘Liber septimus’ (heute als Clementinen bekannt) vorwarf. Damit habe er in Deutschland so viele pericula, scandala, dissensiones, commociones in populis, tot terrores, tot perplexitates hervorgerufen, dass sie von niemandem aufgezählt werden könnten. Insbesondere die gegen die Beginen gerichtete Konstitution ‘Cum de quibusdam mulieribus’ (1 Clem, III, 11) erregte den Zorn des Franziskaners, da sie missverstanden worden sei (pessime intellecta) und deswegen auch die Drittordensschwestern in Mitleidenschaft gezogen worden seien. Wortgewaltig geißelt er den Hohn und Spott (quot ludibria, quot contemptus, temeritates, irrisiones), den viele „schamhafte und keusche“ Schwestern über sich 119 hatten ergehen lassen müssen. Wir können uns hier nicht weiter auf dieses 120 bereits verschiedentlich behandelte Thema einlassen, möchten aber auf den rhetorischen Duktus von Johanns Sprache hinweisen, die an einen geübten Prediger gemahnt. Mathias von Neuenburgs Ordenszugehörigkeit wird sicherlich auch seine Einschätzung Nikolaus’ V. beeinflusst haben, der selbst ein Franziskaner war. Der „gewöhnlich“ (communiter) Antipapst genannte Nikolaus, den Johann im übrigen ob seiner Armut und seiner Milde rühmt, habe sich mit allen Kräften gegen seine Ernennung gestemmt, allerdings vergebens, so dass er sich cum amaritudine permaxima mentis non volens, sed nolens in sein Amt gefügt habe. Obgleich viele ihn als wahren Vertreter Christi anerkannt hätten, sei er – nachdem er den Irrtum Ludwigs und des römischen Volkes, der auch sein eigener war, erkannt habe – zu Papst Johannes geeilt (dessen 119 Die Chronik Johanns von Winterthur, hg. v. Baethgen, Friedrich in Verbindung mit Brun, C[arl] (MGH SS rer. Germ. N.S. 3), Berlin 1924, S. 73, 3–76, 6 (Zitate S. 73, 8–11, 26–27). 120 Vgl. den von Patschovsky, Alexander, Straßburger Beginenverfolgungen im 14. Jahrhundert, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 30 (1974), S. 56–198, hier S. 101–109, behandelten Straßburger Fall. Für eine breitere Perspektive vgl. Lerner, Robert E., The Heresy of the Free Spirit in the Later Middle Ages, Berkeley/Los Angeles 1972, S. 47–49, bes. S. 48, wonach die ‘Bulle Sancta Romana’, die Johannes XXII. am 30. Dezember 1317 veröffentlichen ließ, den Eindruck erweckt habe, dass auch die Franziskanertertiaren zu verfolgen seien. Dieses Missverständnis könnte den Schlüssel für die Aussage Johanns von Winterthur bilden, wonach die falsche Auslegung von ‘Cum de quibusdam mulieribus’ zur Verfolgung der franziskanischen Drittordensschwestern geführt habe. Vgl. auch Utz Tremp, Kathrin, Von der Häresie zur Hexerei. ‘Wirkliche’ und imaginäre Sekten im Spätmittelalter (MGH Schriften 59), Hannover 2008, S. 357–364.
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Rechtmäßigkeit vom Chronisten nicht in Frage gestellt wird) und habe ihn 121 wegen des begangenen Frevels um Gnade gebeten. Das über den Anhängern Ludwig des Bayern lastende Interdikt und die sich daraus ergebenden Verwerfungen werden von Johann von Winterthur 122 bedauert, der daraus aber kein direktes Argument gegen den Papst bezog. Dieses lieferte ihm der Armutsstreit Johannes’ XXII. mit den Minoriten, der „den Franziskanerorden und die Kirche aufs tiefste bewegt[e] und […] durch seine Verflechtung in den kirchenpolitischen Kampf zwischen Papst Johann XXII. und Kaiser Ludwig dem Bayern für die allgemeine 123 Geschichte von Bedeutung [wurde]“. Johann von Winterthur leitete seine ausführliche Darstellung dieses Streites mit den Worten ein, das Folgende sei dazu angetan, die Leser mit Entsetzen zu erfüllen, „da es die ganze Kirche 124 erschüttert“ habe. Der Papst habe sich, von „Wahnsinn“ dazu getrieben (vesania ductus), angestrengt, mittels „Vernunftgründen und Autoritäten“ (racionibus et auctoritatibus) zu belegen, dass Christus mit seinen Jüngern nicht der lauteren Armut verpflichtet war, sondern mit ihnen gemeinsamen 125 Besitz besaß, den er bei Bedarf nutzte. Der Chronist preist den mannhaften Widerstand der Minoriten gegen 126 Papst Johannes’ „falsche und irrtümliche Aussage“ und bringt in der Folge auch die Flucht des Generalministers Michael von Cesena, Bongratias von Bergamo und weiterer Brüder aus Avignon an den Hof Ludwigs des 127 Bayern im Mai 1328 zur Sprache, so wie auch den durch Johannes XXII. drei Jahre später erzwungenen Ordensausschluss der Flüchtigen, der Johann von Winterthur nach eigener Aussage in besonderem Maße bestürzte (De 128 quo ego sum nimium conturbatus). Wir gehen hier jedoch nicht weiter
121 Die Chronik Johanns von Winterthur (Anm. 119), S. 86, 19–87, 11. 122 Ibid., S. 91, 4–26. 123 Brun (Anm. 118), S. 111. 124 Die Darstellung des Armutsstreites findet sich in der Chronik Johanns von Winterthur (Anm. 119), S. 92, 16–98, 24, das hier wiedergegebene Eingangszitat auf S. 92, 16–19. 125 Ibid., S. 92, 21–26. 126 Ibid., S. 92, 29–93, 1. 127 Vgl. dazu u. a. Schütz, Alois, Der Kampf Ludwig des Bayern gegen Papst Johannes XXII. und die Rolle der Gelehrten am Münchner Hof, in: Wittelsbach und Bayern I/1. Die Zeit der frühen Herzöge. Von Otto I. zu Ludwig dem Bayern, hg. v. Glaser, Hubert (Beiträge zur Bayerischen Geschichte und Kunst 1180–1359), München/Zürich 1980, S. 388–397. 128 Die Chronik Johanns von Winterthur (Anm. 119), S. 95, 24–96, 18.
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auf seine Schilderung des Armutsstreites ein, da diese in der Vergangenheit 129 bereits verschiedentlich behandelt worden ist. Die Italienpolitik Johannes’ XXII. kommentierte Johann von Winterthur dahingehend, dass durch diesen Papst in der Lombardei viel Blut vergossen worden sei und viele Menschen den Tod gefunden hätten. Seine „Grausamkeit“ (crudelitas) sei daran zu erkennen, dass nach Auskunft eines glaubwürdigen Soldaten während des Pontifikats Johannes’ auf päpstlicher wie auf kaiserlicher Seite, besonders aber auf päpstlicher, soviel Blut geflossen sei, dass der Bodensee ganz blutig bzw. blutrot erschiene, falls er jenes Blut 130 in sich aufnähme; zudem wäre er kaum groß genug für all die Leichname. Was den Visio-Streit betrifft, den Johann vom Hörensagen kannte (ut percepi relacione multorum hominum), so sei die neue päpstliche Lehre von den zahlreichen Klerikern und Laien, welche die Kurie in eigenen Angelegenheiten aufgesucht hatten, bei ihrer Rückkehr in der Heimat verbreitet worden. Nichtsdestoweniger sei sie falsch. Wie eine ansteckende Krankheit habe sie dort, wo sie sich ausgebreitet hatte, die Herzen vieler einfa131 cher Gläubiger angesteckt. Immerhin hielt der Chronist dem heftig kritisierten Papst zugute, er habe seine Irrtümer dem Vernehmen nach in fine 132 vite sue berichtigt. Johann von Winterthur missfiel vieles an Johannes XXII., insbesondere die Beginenkonstitutionen, der Armutsstreit und die Visio-Frage, wobei zwei Steine des Anstoßes, die Beginenfrage und der Armutsstreit, ‘franziskanerspezifisch’ sind und von den übrigen Geschichtsschreibern kaum berührt werden. Es erstaunt nicht, dass das von Johann von Winterthur – in Ermangelung eigenen Augenscheins – eingestandenermaßen der fama publica nachgezeichnete physische Porträt des Papstes nicht besonders schmeichelhaft wirkt: von kleiner Statur, abgemagert und ausgesprochen missgestaltet (deformis valde), sei dieser trotzdem schwatzhaft und mit einer 133 sehr schnellen Zunge ausgestattet gewesen, der – so lässt sich die Aussage weiterspinnen – die ganzen Irrtümer zuzuschreiben sind.
129 Vgl. die in Anm. 118 angeführten Studien. 130 Die Chronik Johanns von Winterthur (Anm. 119), S. 103, 11–13; S. 103, 35– 104, 11. 131 Ibid., S. 104, 19–105, 5. 132 Ibid., S. 106, 17–18. Vgl. dazu die am 3. Dezember 1334 verbriefte Abkehr Johannes’ XXII. von seiner Visio-Lehre in Denifle/Châtelain (Anm. 35), S. 440–442, Nr. 987. 133 Die Chronik Johanns von Winterthur (Anm. 119), S. 105, 34–36.
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VIII. Die ‘Chronica Ludovici imperatoris quarti’ Wir schließen unsere historiographische Umschau mit zwei bayerischen Chroniken ab, die ebenfalls eine scharfe Verurteilung Johannes’ XXII. erwarten lassen: Bei der ersten handelt es sich um die panegyrische ‘Chro134 nica Ludovici imperatoris quarti’, für die der Editor, Georg Leidinger, das Entstehungsjahr 1341 mit Nachträgen aus den Jahren 1342 und 1347 ermittelt hat. Das anonyme „Gemisch von Chronik und Biographie“, von Leidinger in einem niederbayerischen Augustinerkloster angesiedelt, ist inhaltlich auffallend selektiv. So ist der „große kirchenpolitische Kampf 135 jener Tage […] nur in einigen ganz farblosen Ausdrücken angedeutet“, währenddem Johannes XXII. kein einziges Mal namentlich genannt wird, so als wollte der Autor die unliebsame Thematik schweigend übergehen.
IX. Die ‘Chronica de ducibus Bavariae’ Dies ist kein Einzelfall, wie die ebenfalls anonyme ‘Chronica de ducibus Bavariae’ über die Jahre 1301–1371 belegt, deren Entstehung von Leidinger 136 auf die frühen 1370er Jahre datiert worden ist. Darin wird das Zerwürfnis zwischen Ludwig dem Bayern und Johannes XXII. auf eine Intrige des königlichen Kanzlers Meister Ulrich von Augsburg zurückgeführt – kein anderer als Ulrich Hofmaier, der sich in Ludwigs Auftrag um die Rekonzi137 liation mit der Kurie bemühte –, der die königlichen Briefe an die Kurie verfälscht und den Papst darin in Anspielung auf Offb. 13, 1 als „das aus 138 dem Meer steigende Tier“ (bestia a mari ascendens) betitelt haben soll. In Rom habe Ludwig, so die Chronik, die dem Wittelsbacher ansonsten mehr als zugetan ist, seinen Ruhm befleckt, indem er einen Papst bzw. 134 Chronica Ludovici imperatoris quarti, in: Bayerische Chroniken des XIV. Jahrhunderts, hg. v. Leidinger, Georg (MGH SS rer. Germ. 52), Hannover/Leipzig 1918, S. 105–118 (Einleitung), S. 119–138 (Edition). 135 Ibid., S. 105–112, bes. S. 107–109. 136 Chronica de ducibus Bavarie, in: Bayerische Chroniken (Anm. 134), S. 139– 150 (Einleitung), S. 151–175 (Edition). 137 Zu Ulrich Hofmaier vgl. NDB 9, S. 443 (H. Bansa); Moser, Peter, Das Kanzleipersonal Kaiser Ludwigs des Bayern in den Jahren 1330–1347 (Münchener Beiträge zur Mediävistik und Renaissance-Forschung 37), München 1985, S. 208–237. 138 Chronica de ducibus Bavarie (Anm. 136), S. 157, 23–159, 15.
Das Bild Johannes’ XXII. in der süddeutschen Reichschronistik
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Antipapst erhoben habe. Nach Ludwigs Rückzug habe sich jener in Avignon der Gnade Johannes’ XXII. überantwortet, wodurch das Schisma durch 139 Gottes Güte beendet worden sei. In der Folge wird Johannes’ XXII. noch bei zwei Gelegenheiten erwähnt: das erste Mal in einer Episode, in der es um die Bemühungen König Johanns von Böhmen zu gehen scheint, die Aussöhnung Ludwigs mit der Kurie zu verhindern, die aber nur vor dem Hintergrund des von König Johann eingefädelten angeblichen Thronverzichts Ludwigs zugunsten seines Neffen Herzog Heinrichs von Niederbayern zu verstehen ist, der gleichzeitig der 140 Schwiegersohn des böhmischen Königs war. Die zweite Erwähnung Johannes’ XXII. geschieht in Zusammenhang mit der zurückliegenden 141 Exkommunikation Ludwigs und dem Interdikt. Daneben wird noch die von der kaiserlichen Partei ausgearbeitete Argumentation resümiert, wonach beide, die päpstliche und die kaiserliche Gewalt, unmittelbar von Gott kämen und voneinander zu unterscheiden seien: die päpstliche sei in spiritualibus, die kaiserliche in temporalibus. Das imperium sei nicht in der Verfügungsgewalt des Papstes, vielmehr sei der zum Kaiser (!) Gekrönte sola eleccione wahrhafter König der Römer. Der Papst besitze weder die universalis iurisdicio noch die plenitudo potestatis in weltlichen Angelegenheiten. Für diesen in der Chronik den Franziskanern Franz von Ascoli und Wilhelm von Ockham zugeschriebenen Standpunkt übernimmt der Autor bezeichnenderweise nicht selbst die Verantwortung, sondern überlässt ihn dem Streit zwischen den Predigern und 142 den Minoriten. Dieses Nichteintretenwollen widerspiegelt die Bemühungen des Autors um einen gleichsam rückwirkenden Ausgleich zwischen Ludwig dem Bayern und Johannes XXII.: Ihr Zerwürfnis wird der Intrige eines Einzelnen angelastet, wobei Ludwigs fehlende Lateinkenntnisse verhin143 dert hätten, dass er die manipulierten Briefe erkennen konnte. Die Erhebung Nikolaus V. wird in der Chronik missbilligt, das Ende des Schismas 144 erleichtert zur Kenntnis genommen. Um 1370 war selbst in den Ludwig
139 Chronica de ducibus Bavarie (Anm. 136), S. 159, 22–29. 140 Ibid., S. 162, 13–22. 141 Ibid., S. 165, 10–166, 1. 142 Ibid., S. 164, 1–165, 10. 143 Ibid., S. 157, 23–158, 5. 144 Zur Bewertung der Erhebung Nikolaus V. in den erzählenden Quellen vgl. zusammenfassend auch Godthardt (Anm. 66), S. 360–372.
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am freundlichsten zugetanen Kreisen klar, dass sich der Bayer mit der Kreierung eines Papstes in der öffentlichen Meinung selber geschadet hatte.
X. Fazit Heinrich von Diessenhofen ist ein schönes Beispiel dafür, dass in der Beurteilung von Johannes XXII. durch seine Zeitgenossen, mit Ausnahme vielleicht von Johann von Winterthur, keine Schwarz-Weiß-Schemata auszumachen sind. Als päpstlicher Parteigänger und Ehrenkaplan Johannes’ ließ es sich Heinrich nicht nehmen, den Finger auf die dramatischen Auswirkungen der – seiner Ansicht nach letztlich nutzlosen – Prozesse gegen Ludwig den Bayern zu legen. So wie Heinrich von Diessenhofen stand auch der Kärntner Abt Johann von Viktring auf der habsburgischen Seite. In seiner Chronik erscheint Johannes XXII. vor allem im Zusammenhang mit dem habsburgisch-wittelsbachischen Thronstreit, wobei er gewisse Informationen über innerzisterziensische Kanäle bezogen haben dürfte. Heinrich von Diessenhofen hingegen verfügte über Kurienerfahrungen aus erster Hand, gleich wie Mathias von Neuenburg – Letzterer freilich erst aus dem Episkopat Benedikts XII. – und Heinrich Taube von Selbach, der spätestens in den frühen 1330er Jahren an der päpstlichen Rota als Prokurator wirkte. Möglicherweise waren es die dabei gewonnen Eindrücke, die Taube zum scharfen Kritiker des kurialen Zentralismus unter Papst Johannes werden ließen. Was seine Haltung gegenüber Ludwig dem Bayern angeht, so ist sie auffallend vorsichtig und muss im Zusammenhang mit den politischen Kräfteverhältnissen in Eichstätt gesehen werden, wo er in bischöflichem Dienst stand. Mathias von Neuenburg und Heinrich Taube sind dadurch verbunden, dass sie sich beide im Gefolge von Bischöfen bewegten, die von Johannes XXII. eingesetzt worden waren: Mathias war mit dem Straßburger Bischof Berthold von Buchegg verbunden, Heinrich mit dem Eichstätter Bischof Heinrich Schenk von Reicheneck. Dies hinderte aber keinen der beiden Geschichtsschreiber, den Papst zu kritisieren: Heinrich Taube stieß sich, wie wir gesehen haben, an Johannes’ Pfründenpolitik, Mathias von Neuenburg geißelte seinerseits den Nepotismus des Papstes und die seiner Ansicht nach an der Kurie verbreitete Simonie. Bezeichnenderweise erfolgte die Niederschrift ihrer Werke in beiden Fällen lange nachdem sich ‘ihre’
Das Bild Johannes’ XXII. in der süddeutschen Reichschronistik
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Bischöfe auf politischen Druck Ludwig dem Bayern zugewandt hatten, Berthold von Buchegg 1339, Heinrich Schenk von Reicheneck bereits 1331. In Straßburg, wo Mathias von Neuenburg als rechtsgelehrter Berater des Bischofs wirkte, herrschte ein fragiles Gleichgewicht zwischen den habsburgischen und den wittelsbachischen Sympathisanten. Fritsche Closener befand sich auf der wittelsbachischen Seite und rezipierte dabei auf wohlwollende Weise den ‘Defensor pacis’ bzw. daraus zirkulierende Ideen. Weniger prowittelsbachisch denn antipäpstlich ist Johann von Winterthur einzuschätzen, der sich als Franziskaner über Johannes’ Beginenpolitik und seine Haltung zur Armutsfrage empörte. Auf Johanns dezidierte Ablehnung stießen auch die päpstlichen Ansichten zur ‘Visio beatifica’. Von den berücksichtigten Autoren schenkt Johann von Winterthur der VisioFrage die stärkste Aufmerksamkeit, vielleicht weil sie in der antipäpstlichen Polemik dazu diente, Johannes XXII. als Ketzer zu diskreditieren. Überschlägt man kurz die Themen, an denen sich unsere Chronisten rieben – die durch die päpstliche Politik gegenüber Ludwig dem Bayern entstandenen Unruhen im Reich, der päpstliche Zentralismus und die Reservationspolitik Johannes’ XXII., sein Nepotismus und die an der Kurie verbreitete Simonie, Johannes’ Beginengesetzgebung, seine Haltung in der Armutsfrage und seine neue Visio-Lehre –, so fällt auf, dass niemand sämtliche Kritikpunkte aufgegriffen hat. Vielmehr hielt jeder Autor dem Papst das vor, was sich aus den eigenen Erfahrungen und aus dem persönlich Erlebten ergab. Auffallend versöhnlich gegenüber dem Papst erweist sich die Johannes’ Gegenspieler Ludwig im Grunde günstig gesonnene ‘Chronica de ducibus Bavariae’ aus den frühen 1370er Jahren. Allem Anschein nach waren zum Zeitpunkt ihrer Entstehung die politischen Schlachten geschlagen und die Leidenschaften abgekühlt.
Der tote Papst im Sessel und andere Gespenster Michail A. Bojcov (Moskau)
Wir sind über die allerletzte Station in der langen Laufbahn von Jacques Duèze (oder Jakob von Cahors), des Papstes Johannes XXII., leider nicht ausreichend informiert.1 Immerhin wissen wir vor allem dank einem Augenzeugen, dem doctor decretorum und päpstlichen Kaplan Heinrich von Diessenhofen (1300/03–1376),2 dass die letzte Krankheit des etwa neunzigjährigen Papstes wirklich kurz war. Am Donnerstag, dem 1. Dezember 1334 soll er noch voller Kräfte und Pläne gewesen sein, in der Nacht (zwischen Abendessen und dem ersten Hahnenschrei) auf den 2. Dezember ging es ihm aber plötzlich schlecht, weswegen u. a. das Konsistorium nicht stattfand, welches an diesem Tag zusammengerufen werden sollte.3 Giovanni Villani 1 Diese Studie wurde vorbereitet im Rahmen des Projekts ‘Ost- und Westeuropa im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit: Gemeinsamer historisch-kultureller Raum, regionale Besonderheiten und Dynamik der Wechselwirkungen’ innerhalb des Programms für Grundlagenforschung an der Nationalen Forschungsuniversität ‘Hochschule für Ökonomie’ (Moskau) für das Jahr 2013. Der Verfasser bedankt sich bei Frau Maria Panfilova für ihre beträchtliche bibliographische Hilfe und bei Herrn Ludger Hartmann für sprachliche Nachbesserungen des Textes dieses Aufsatzes. 2 Siehe zu ihm neben dem kurzen Lexikonartikel Schnith, Karl, H. (Truchseß) v. Diessenhofen, in: Lexikon des Mittelaters, Bd. 4, Lachen am Zürichsee 1999, Sp. 2090, zuvor: Wyß, Georg von, Diessenhofen: Heinrich, Truchseß v. D., in: Allgemeine Deutsche Biographie 5 (1877), S. 148f.; Krüger, Sabine, Diessenhofen, Heinrich Truchseß von, in: Neue Deutsche Biographie 3 (1957), S. 662f.; Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, 2. Aufl., hg. v. Kurt Ruh et alii, 3 (1981), S. 708–711; Hotz, Brigitte, Diessenhofen, Heinrich Truchsess von, in: Historisches Lexikon der Schweiz 3 (2004), S. 720f.; eadem, Die Truchsessen von Diessenhofen und das Domkapitel von Konstanz zu Beginn des Grossen Schismas, in: Der schweizerische Teil der ehemaligen Diözese Konstanz (Itinera 16), hg. v. Degler-Spengler, Brigitte, Basel 1994, S. 60–73. 3 […] et iiii. nonas decembris consistorium mandasset, ut aliquas provisiones quibusdam faceret, in nocte precedenti nonas predictas post cenam et [ante ? – M.B.] primum galli cantum invasit eum mors. Et sic obmisso consistorio illa die quarto nonas decembris nihil fecit […]. Heinricus de Diessenhofen und
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beschreibt die Krankheit als „infermità di flusso, che tutto il suo corpo si disolvette“.4 Schon am Samstag, den 3. Dezember abends war die Lage so ernst einzuschätzen, dass Johannes alle Kardinäle zu sich rufen ließ, welche sich zu dieser Zeit in Avignon aufhielten.5 Es sammelten sich insgesamt 21 Kardinäle (fünf Bischöfe, neun Priester und sieben Diakone), aber auch weitere Kleriker und Notare.6 In ihrer Anwesenheit soll das Testament des Papstes angefertigt worden sein, wobei der Sterbende den Kardinälen „die Heilige Kirche wie auch seine Nepoten anvertraute“ – so Diessenhofen.7 Wahrscheinlich später in derselben Nacht, aber schon in der ersten Stunde des Sonntags, des 4. Dezember, hora diei prima – wurde die letzte Bulle des Papstes ausgefertigt. In dieser widerrief er seine irreführende Lehre (nachdem er dasselbe auch mündlich getan haben soll), wonach die Seelen
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andere Geschichtsquellen Deutschlands im späteren Mittelalter, hg. aus dem Nachlasse Joh. Friedrich Böhmers v. Huber, Alfons (Fontes rerum Germanicarum – Geschichtsquellen Deutschlands 2), Stuttgart 1845, S. 20. Villani, Giovanni, Nuova Cronica, hg. v. Porta, Giovanni, Bd. 3, Parma 1991, S. 58 (XII, 19). […] tercio nonas die sequenti post vesperas fecit vocari omnes cardinales in Avinione. Diessenhofen (Anm. 3), S. 20. Diessenhofen nennt hier zwei abwesende Kardinäle: Giovanni Gaetano Orsini (ca. 1285–1335), der legatus de latere in Italien (allerdings noch im August 1334 des Amtes enthoben), war gerade unterwegs ([…] qui non erat presens tunc in civitate), wogegen Napoleone Orsini Frangipani (1263–1342) zwar damals in Avignon weilte und zum sterbenden Johannes XXII. auch eingeladen, aber nicht nur diese Einladung ignorierte, sondern auch den Exequien für den verstorbenen Papst wie auch der Veröffentlichung seines Testaments aus prinzipiellen Gründen fernblieb ([…] qui, licet in civitate esset et vocatus per papam, ipse tamen noluit interesse nec exequiis nec testamento pape.) Napoleone Orsini hielt den Papst bekanntlich für einen Ketzer wegen seiner dubiosen Lehre, dass selbst die Seelen der Heiligen nicht zur Anschauung Gottes vor dem letzten Gericht gelassen werden. Diessenhofen führt aber hier einen anderen, allerdings fabelhaften Grund an: Der Papst sei für den Kardinal offensichtlich zu schlau und skrupellos. Jacques Duèze habe bei seiner Wahl geschworen, nur dann ein Pferd oder Maultier zu besteigen, wenn er nach Rom fahren sollte. In Wirklichkeit aber, anstatt seine Residenz nach Rom zu verlegen, erfüllte er seinen politischen Schwur formell insofern, als er die Benutzung von Reittieren bei seinen Reisen vermied. Die Liste der anwesenden Kardinäle führt Benedikt XII. (damals der titulare Kardinalpriester der Kirche Santa Prisca) selbst an, siehe: Caesaris Baronii, Raynaldi et Jacomi Laderchii congregationis oratorii presbyterorum Annales ecclesiastici denuo excusi, Barri-Ducis/Parisiis/Friburgi Helv. 1880, S. 15 (1334, 36). Sed papa nichilominus coram aliis cardinalibus disposuit rite et legitime testamentum suum, et reconmendans sanctam ecclesiam et nepotes suos cardinalibus. Diessenhofen (Anm. 3), S. 21.
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der Heiligen nach ihrem Tod bis zum Jüngsten Tag nicht zur Anschauung Gottes gelangen würden, sondern lediglich zur Anschauung Christi als Mensch.8 Ob Johannes diesen Widerruf noch bei klarem Bewusstsein machte oder vielleicht jemand aus seiner nächsten Umgebung in seinem Namen handelte, jemand, dem das seelische Heil des sterbenden Papstes besonders am Herzen lag, ist nicht mehr festzustellen. Jacques Fournier, der damalige Kardinal von Santa Prisca, bezeugte allerdings, dass der Sterbende sowohl seine mündliche, wie auch schriftliche Abdiktion persönlich, in vollem Bewusstsein und öffentlich gemacht hatte.9 Es mangelte nur an der Zeit, die Urkunde vollständig zu verfertigen und vor allem zu versiegeln, weil Johannes XXII. zu schnell verstarb, deswegen musste der neue Papst die Bulle schon unter seinem Namen am 17. März 1335 veröffentlichen.10 8 […] III nonas decembris, die dominica, hora diei prima, ipse Johannes, anno pontificates sui XIX, quadam infirmitate depressus, cum se moriturum videret, ad exhortationem amicorum suorum, submisit se et doctrinam suam judicio Ecclesie romane in hec verba […] De qua revocatione scripsit pulchram litteram, sub hac forma […]. Petrus de Herenthal, Sexta vita Joannis XXII, in: Baluzius, Stephanus, Vitae Paparum Avenionensium hoc est Historia Pontificium Romanorum qui in Gallia sederunt ab anno Christi 1305 usque ad annum 1394. Nouvelle édition par Mollat, Guillaume, Bd. 1, Paris 1916, S. 178–182, hier 181. Ebenda siehe auch den Text der Bulle, welche der Autor des Berichts die pulchra littera nennt. Die Angabe III nonas decembris sei die dominica, ist falsch, der Fehler ist aber am ehesten dadurch zu erklären, dass die beschriebenen Ereignisse in der Nacht von Samstag auf Sonntag vorkamen. Die abweichenden Textvarianten derselben Bulle siehe in: Annales ecclesiastici (Anm. 6), S. 15f.; Chronica fratris Nicolai Glassberger Ordinis minorum observantium, in: Analecta franciscana sive chronica aliaque varia documenta ad historia fratrum minorum spectantia, Bd. 2, Quarracchi 1887, S. 160f.; Chartularium universitatis Parisiensis sub auspiciis consilii generalis facultatum Parisiensium, hg. v. Denifle, Henricus, Bd. 2, Paris 1891, S. 440ff., Nr. 987; Annales Minorum seu trium ordinum a S. Francisco institutorum auctore Luca Waddingo Hiberno editio tertia accuratissima auctior et emendatior ad exemplar editionis Josephi Mariae Fonseca ab Ebora prodit iussu et auctoritate Bonaventurae Marrani, Bd. 7, Quarracchi 1932, S. 173, Nr. 14. 9 […] et nonnullis praelatis et tabellionibus publicis presentibus et propterea specialiter evocatis, quamdam litteram grossatam sub ejus nomine legi fecit, ac se credidisse et credere declaravit; et confessionem, revocationem et submissionem fecit, de quibus in ipsa littera agebatur, sub his verbis […]. Annales ecclesiastici (Anm. 6), S. 15 (1334, 36). Giovanni Villani fügt hinzu, dass der Papst vor allem von seinem Nepoten Kardinal Bertrand du Pouget, wie auch altri suoi parenti zum Widerruf seiner falschen Lehre bewegt wurde. 10 Verum licet idem praedecessor super hujusmodi contentis in dicta littera glossata voluerit, et mandaverit fieri publica Instrumenta, ipsamque litteram Bullae suae muniminae roborari; quia tamen superveniente obitu ejus,
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Diese ganze Episode hinterließ auf die Kurialen offensichtlich einen so starken Eindruck, dass ihr Nachklang in einem zeremoniellen Ordo zu hören ist, welcher wahrscheinlich von François de Conzié (ca. 1356– 431/1432) um 1365, oder erst um 1390 konzipiert wurde. Sollte der Sterbende etwas vorgelesen, gelehrt, geäußert oder gepredigt haben, was direkt oder indirekt der Doktrina der heiligen Doktoren widerspräche, widerruft er das alles und bestätigt, dass das alles als nie ausgesprochen gälte. Diese Stelle im Ordo weist viel Ähnlichkeit mit dem Text der Bulle vom 3. Dezember 1334 (bzw. 17. März 1335) auf.11 Ein Autor aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, der Prämonstratenser Petrus von Herenthal stellte fest, dass der Papst sofort nach der Fertigstellung seiner letzten Bulle verstarb.12 Laut des Berichts Heinrichs von Diessenhofen blieb Johannes XXII. bis zu seinem Tod am Sonntag, dem 4. Dezember, in der dritten Stunde geistig durchaus präsent. Er soll ordentlich als guter Christ verschieden sein: nach einer Messe und Kommunion,
hujusmodi littera bullata non extitit, nos volentes, quod hujusmodi ejusdem praedecessoris declaratio, et omnia alia supradicta ad communem fidelium notitiam deducantur, super contentis in dicta littera et aliis suprascriptis de praefatorum cardinalium fratrum nostrorum consilio prasentes litteras, Bulla nostra munitas, fieri mandavimus in testimonium praemissorum. Annales ecclesiastici (Anm. 6), S. 16 (1334, 37). Dass die Bulle nicht versiegelt werden konnte, erstaunt nicht: der Siegelstempel mit dem Namen des Papstes musste mit einem Hammer öffentlich zerschlagen werden, sobald der Pontifex verschied. 11 Item etiam consuevit profiteri se tenere fidem catholicam, ac credere omnes articulos eiusdem, tam explicitos quam implicitos, et alia quecumque sancta mater Ecclesia credit et tenet. Et demum subiungere quod si aliquando legendo, docendo, predicando vel conferendo dixerit, docuerit, predicaverit, tenuerit vel asseruerit contrarium, directe vel indirecte, vel aliquid aliud quod sit contra bonos mores, aut alias contra communem et sanam doctrinam sanctorum doctorum, illud et illa revocat et vult haberi pro non dicto vel dictis, vultque vivere et mori, quando Deo placuerit, in veritate et sinceritate fidei orthodoxe et sacrosancte Romane ecclesie unitate, et super hoc requirere testimonium dictorum dominorum cardinalium, et aliorum omnium qui ibi fuerint presentes. Et ita fecerunt et facere consueverunt hactenus plures summi pontifices, ne in posterum bonum nomen et famam ipsorum possent malitiose maculare detractores. Dykmans, Marc, Le cérémonial papal de la fin du Moyen Âge à la Renaissance, Bd. 3, Les textes avignonnais jusqu’à la fin du grand schisme d’Occident (Bibliothèque de l’Institut historique Belge de Rome 26), Bruxelles/Roma 1983, S. 263. Vgl. auch S. 51. 12 Hac siquidem revocatione facta, statim die et hora supradictis exspiravit. Herenthal (Anm. 8), S. 182.
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betend und Psalmen singend, ein musterhafter Tod also.13 Einer der Spiritualen (wäre ein solcher dabei gewesen) hätte die letzten Stunden des Papstes Johannes’ bestimmt anders beschreiben können ... Solche Darstellungen der letzten Minuten von politischen Persönlichkeiten waren von Zeitgenossen doch so gut wie nie bloß objektivistisch konzipiert: sie meinten darin ihr Urteil über die Rolle des Verstorbenen auszudrücken. Das Urteil Diessenhoffens war also durchaus positiv – und dass ist das einzige, was man in diesem Punkt mit Sicherheit zu seinem Bericht sagen kann. Von einer quasiritualen Ausplünderung des leblosen Körpers des Papstes, seines Sterbezimmers, ja des ganzen Palastes hören wir diesmal – im Gegensatz zu so vielen anderen Fällen14 – gar nichts (was allerdings noch nicht bedeutet, dass eine solche in der Tat ausblieb.) Eher umgekehrt: man stellte Inventare der päpstlichen Schätze zusammen.15 Zur Bestattung äußert sich Heinrich von Diessenhofen kurz: Johannes XXII. wurde schon am nächsten Tag nach dem Tod, am 5. Dezember begraben, und zwar in der Domkirche von Avignon.16 Seine Ruhestätte hatte der Papst schon lange vorher bestimmt: es sollte die Allerheiligenkapelle im südlichen Teil der Liebfrauenkathedrale sein, der Ort, wo man schon begonnen hatte, die Bischöfe von Avignon zu bestatten (Abb. 1). Dort errichtete man für Johannes XXII. ein kolossales und höchst beeindruckendes Freigrab in Gestalt eines gotischen Doms (Abb. 2 a.-b.) mit einem gisant aus weißem Marmor (verlorengegangen in der Revolution 13 Et sic ii. nonas decembris post auditam missam in aurora diei, et communione recepta, orando migravit de hoc seculo hora tercia et dominica die, qui erat tunc ii. nonas decembris. Diessenhofen (Anm. 3), S. 21. Ähnlich in einer nicht mehr identifizierbaren Notiz aus dem Archiv von Vaucluse: Nonas decembris anno 1334, Johannes XXII, summus pontifex, post sacra audita et eucharistiam susceptam, in crepusculo diei, orans et psallens, die dominica, hora tertia, Avenione, in Palatio Apostolico, ex hac vita, nonagenarius migravit. Duhamel, Léopold, Le tombeau de Jean XXII à Avignon (Mémoires de l’Académie de Vaucluse 6), Avignon 1887, S. 24–46, hier 24, Anm. 1. Guillaume Mollat kommentierte diese beiden Stellen eher skeptisch: „Les mots crepusculo et hora tertia ne peuvent s’accorder“. Baluzius (Anm. 8), Bd. 2, Paris 1927, S. 295. 14 Siehe dazu: Bojcov, Michail, Die Plünderung der toten Herrscher als allgemeiner Wahn, in: Bilder der Macht in Mittelalter und Neuzeit. Byzanz – Okzident – Rußland, hg. v. Oexle, Otto Gerhard und Bojcov, Michail (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 226), Göttingen 2007, S. 53–117 mit weiterführender Literatur. 15 Sägmüller, Johann Baptist, Der Schatz Johanns XXII., in: Historisches Jahrbuch 18 (1897), S. 37–57, hier 43f. (7. 4. 1435). 16 Sepultus est autem Avinione in ecclesia cathedrali nonis decembris. Diessenhofen (Anm. 3), S. 21.
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Ende des 18. Jahrhunderts), eine komplizierte und anspruchsvolle Konstruktion, welche später auch von seinem Nachfolger Benedikt XII. und einigen anderen Päpsten nachgeahmt wurde.17 Das Monument war Anfang des 18. Jahrhunderts baufällig geworden; man hatte es 1759 verlegt, aber 1842 wieder auf den alten Platz zurückgebracht. Der heutige Zustand entspricht also bei weitem nicht dem ursprünglichen Konzept des Auftraggebers und des Künstlers und kann nur als spätere und sehr ungenaue Nachahmung des Originals gelten. Im Gegensatz zum Hinweis auf den Ort des Begräbnisses erwecken die Angaben Diessenhofens über die Zeit dieses Aktes gewisse Zweifel. Warum musste der Papst so vorschnell – schon am nächsten Tag nach dem Tod – begraben werden? Die nachfolgenden Zeilen des Berichts können diesen Zweifel nur verstärken. Denn derselbe Heinrich von Diessenhofen schreibt, das Konklave aus 24 Kardinälen habe am 13. Dezember, also genau 9 Tage nach dem Tod des Papstes begonnen.18 Diese neun Tage deuten natürlich auf die Novena, den neuntägigen Trauergottesdienst presente cadavere – vor der Leiche des toten Papstes. Erst nach dem Abschluss der Novena und Bestattung des Toten konnte man zur Wahl des nächsten Nachfolgers Petri übergehen. Aus diesen Andeutungen darf man vermuten, dass das Datum 5. Dezember allein auf die Überführung des Körpers aus dem Palast in den Kirchenraum Bezug nehmen dürfte, wobei die Beerdigung selbst wahrscheinlich am 13. Dezember stattfand. Diessenhofen erwähnte dann in seinem Bericht allein den Ausgangspunkt der Zeremonie, welche erst neun Tage später zu ihrem Ende kam. Er machte dabei keinen großen Fehler: es war üblich, den Tag der Überführung der Leiche in den Kirchenraum als dies sepulturae oder dies primus sepulturae zu bezeichnen, selbst wenn die Grablegung erst später stattfand. Erst im Laufe des 15. Jahrhunderts begann 17 Müntz, Eugène, Les Tombeaux des Papes en France, in: Gazette des beauxarts 29/36 (1887), S. 279–285; Duhamel (Anm. 13), S. 24–46; Borgolte, Michael, Petrusnachfolge und Kaiserimitation: die Grablegen der Päpste, ihre Genese und Traditionsbildung (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 95), Göttingen 19952, S. 239–240. 18 Anno dominice incarnacionis m.ccc.xxx.iiii., ydus decembris cardinales omnes includuntur numero xxiiii per comitem Novelum in palacio Avinonensi, in quo papa Iohanes decessit. Diessenhofen (Anm. 3), S. 21. Villani stimmt hier zu: „Dopo la morte e sepoltura di papa Giovanni i cardinali, ch’erano allora XXIIII, e tutti ritrovandosi in Vignone, per lo siniscalco di Proenza del re Ruberto furo messi nel conclavi per bene guardati e distretti, a ciò che tosto facessono lezione di papa“. Villani (Anm. 4), S. 64 (XII, 21). Die beiden Orsini, welche am Sterbebett des Papstes gefehlt hatten, – siehe Anm. 5 – waren jetzt dabei.
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man den Körper in der Tat am ersten Tag zu bestatten, wobei die Zeremonien der Noven vor seinem symbolischen Ersatz (die lectica und/oder das castrum doloris) stattfanden.19 Die Wahrscheinlichkeit, dass die Leiche des Papstes schon am Sterbetag einbalsamiert wurde, ist hoch, obwohl m. W. kein Zeitgenosse das deutlich erwähnte. Es gibt aber einige indirekte Indizien oder besser gesagt Andeutungen, welche in diese Richtung weisen. In der Chronik von Giovanni Villani liest man eine vage Bemerkung, entweder der ganze Körper Johannes’, oder ein Teil davon sei von einigen Verwandten des Verstorbenen später in seine Geburtsstadt Cahors gebracht worden.20 Von der ganzen Leiche kann natürlich keine Rede sein, genauso wie von einer Hälfte davon, wie eine lokale avignonesische Tradition seinerzeit behauptete.21 Um welchen Körperteil könnte es sich dann also gehandelt haben? Bestimmt nicht um einen Fuß oder eine Hand. Dem breit dokumentierten Brauch dieser Zeit entsprechend konnte es alleine das Herz gewesen sein.22 19 Herklotz, Ingo, Paris de Grassis Tractatus de funeribus et exequiis und die Bestattungsfeiern von Päpsten und Kardinälen in Spätmittelalter und Renaissance, in: Skulptur und Grabmal des Spätmittelalters in Rom und Italien. Akten des Kongresses „Scultura e monumento sepolcrale del tardo Medioevo a Roma e in Italia“, hg. v. Garms, Jörg und Romanini, Angiola Maria (Publikationen des Historischen Instituts beim Österreichischen Kulturinstitut in Rom 1/10), Wien 1990, S. 217–248, hier 245. 20 „[…] e seppellito fue in Vignone; ma poi i suoi parenti ne portaro o tutto o parte del suo corpo a Caorsa […].“ Villani (Anm. 4), S. 63 (XII, 20). 21 „Sur quoy quelqu’un des assistants ayant dit à Sa Grandeur qu’il y avoit dans le pays, une espèce de tradition dont quelque historien avoit meme fait mention, et qui portoit que le corps du Souverain Pontife n’étoit pas tout entier dans ledit tombeau, que sa famille en avoit fait emporter une partie considérable, même la moitié, à Cahors, dans sa patrie […].“ Duhamel (Anm. 13), S. 37. 22 Zu diesem Thema siehe vor allem: Bojcov, Michail, Величие и смирение. Очерки политического символизма в средневековой Европе [Majestät und Demut. Studien zum politischen Symbolismus im mittelalterlichen Europa], Moskva 2009, S. 356–372. Vgl. auch: Bradford, Charles Agnell, Heart Burial, London 1933; Nagle, Jean, La civilisation du cœur. Histoire du sentiment politique en France, du XIIe au XIXe siècle, Paris 1998; Gaude-Ferragu, Muriell, Le cœur „couronné“: tombeaux et funérailles de cœur en France à la fin du Moyen Âge, in: Micrologus 11 (Il Cuore / The Heart) (2003), S. 241–266; eadem, D’or et de cendres, la mort et les funérailles des princes dans le royaume de France au bas Moyen Âge, Villeneuve-d’Ascq 2005, S. 315–344; Bande, Alexandre, Le Cœur du roi. Les Capétiens et les sépultures multiples, XIIIe–XVe siècle, Paris 2009; Warntjes, Immo, Programmatic Double Burial (Body and Heart) of the European High Nobility, c.1200–1400. Its Origin, Geography, and Functions, in: Death at Court, hg. v. Spieß, Karl-Heinz und Warntjes, Immo, Wiesbaden 2012, S. 197–260.
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Das Herz konnte aber genau wie alle übrigen Eingeweide nur im Laufe der Einbalsamierung dem Leib des Verstorbenen entnommen werden, sonst nicht. Obwohl jede Zergliederung der toten Körper in der Bulle von 1299 ‘Detestande feritatis abusum’ des Papstes Bonifaz’ VIII. streng verboten worden war, hatte diese Prozedur einen so hohen sozialen Wert, dass die europäische Elite (einschließlich der Kirchenfürsten) sehr schnell Wege gefunden hat, dieses Verbot zu umgehen.23 Der Sarg von Johannes XXII. wurde am 8. März 1759 geöffnet. Was dabei gefunden wurde, ist in zwei Textstücken überliefert: der erste ist ein eher privater Augenzeugenbericht eines gewissen Kanonikers Deveras,24 der zweite ist das offizielle Protokoll der Untersuchung.25 Aus beiden Beschreibungen geht zunächst hervor, dass der Papst wirklich kein besonders stattlicher Greis war („piccolo fu di persona“, wie Giovanni Villani formulierte),26 er soll kaum 5 Fuß groß gewesen sein. Außerdem bestätigte man, dass keine auffallenden Körperteile nach Cahors entführt wurden: man bemerkte keinen Mangel an Füßen, Händen oder anderen Gliedern; nach Vorhandensein der Eingeweide, einschließlich des Herzens fragte man leider nicht.27 Dagegen wurde aber sehr wohl die Tatsache festgestellt, dass der ganze Körper (man meinte damit wohl die sichtbaren Körperteile, aber vor allem die Bekleidung) von einer Art Teer oder Harz (es wird hier das Wort „goudron“ oder „liqueur“ benutzt) bedeckt war.28 Dieser Umstand, wie auch der verhältnismäßig gut erhaltene Zustand des Körpers, sind zusätz23 Ausführlich dazu siehe: Brown, Elizabeth A. R., Death and the Human Body in the Later Middle Ages: The Legislation of Boniface VIII on the Division of the Corpse, in: Viator 12 (1981), S. 221–270. 24 Müntz (Anm. 17), S. 281ff. 25 Duhamel (Anm. 13), S. 35–39. 26 Villani (Anm. 4), S. 63 (XII, 20). 27 „Le corps étoit entier, réduit en squelette, il avoit encor 7 ou 8 dents et n’avoit que 5 pieds de longueur.“ Müntz (Anm. 17), S. 282. Vgl. auch: „[…] il a apparu […] qu’il y avoit dans icelle un corps entier, et nullement partagé […] s’est trouvé avoir dans toute sa longueur cinq pieds seulement.“ Duhamel (Anm. 13), S. 37f. 28 „On trouva dans cette caisse le corps du Pape tout couvert de goudron, les chairs consumées et desséchées par ce long laps de tems. […] L’odeur du goudron et la durée de quattre siècles révolus avoient un peu terni l’étoffe de cette chappe, qui étoit attachée sur son corps avec des rubans ou cordons.“ Müntz (Anm. 17), S. 282f. Aus dem Untersuchungsprotokoll geht deutlicher hervor, dass die Stoffumhüllung des Körpers von einem Balsam reich durchtränkt war: „on s’est aperceu que ladite toille avoit été induite intérieurement d’une liqueur qui s’étoit épaissie et endurcie, à peu près comme de la pois résine.“ Duhamel (Anm. 13), S. 38.
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liche Argumente für die Vermutung, dass der Papst nach seinem Tod nicht nur in mit „liqueur“ getränktem Stoff eingewickelt, sondern auch selbst einbalsamiert worden war. Über die Methode der Balsamierung sagt aber das Vorhandensein des „goudron“ auf der Stoffbedeckung des Körpers gar nichts aus – im Gegensatz zur mutmaßlichen Entwendung des Herzens nach Cahors (vorausgesetzt natürlich, dass eine solche in der Tat vorkam). Im Zeremonienbuch der päpstlichen Kurie aus der Zeit um 1400 von Pierre Ameil wird eine nicht invasive, d. h. leichenschonende Methode beschrieben, welche nur äußerliche Prozeduren vorsah. Die Leiche des Papstes muss zunächst mit warmen Wasser „mit guten Kräutern [...] gut abgewaschen“ werden, dann rasiert man „den Kopf und den Bart“, stopft alle Körperöffnungen mit Barchent oder Werg zu, durchtränkt mit Salböl oder Aloe („falls sie auffindbar sind“), wäscht den Körper wieder, diesmal aber mit „erwärmten guten Weißwein“ ab, stopft den Hals mit einem Tampon durchtränkt von aromatischen Stoffen und weiteren „Spezien“ wie auch mit anderen Tamponen – diesmal mit Moschus – die Nasenlöcher. Anschließend reibt man dann lange den ganzen Körper „und selbst die Hände“ mit „einem guten Balsam“ ein.29 Wir können so gut wie sicher sein, dass die Leiche Johannes’ auf diese oder eine andere Weise (vermutlich aber doch mit Obduktion und Entfernung der Eingeweide) von einem päpstlichen apothecarius behandelte. Selbst der Name dieses päpstlichen Beamten wird in der Literatur gelegentlich
29 Et interim cum illis fratribus de bulla, si fuerint, vel de Pignota cum aqua calida cum bonis herbis, quam cubicularii parare debeant, lavent corpus bene, et barbitonsor radat sibi caput et barbam. Eo sic loto, apothecarius et dicti fratres de bulla obturent sibi bene omnia foramina cum bumbasio vel stupa, anum, os, aures, nares, cum myrra, thure et aloe, si possit haberi. Laventur etiam corpus cum bono vino albo et calefacto cum herbis odoriferis, et cum bona vernagia, que cubicularii vel buticularii pape debent dictis lavatoribus administrare. Guttur vero impletur de aromatibus et speciebus cum bumbasio, et etiam nares cum musqueto. Ultimo etiam totum corpus multum fricetur et ungatur cum balsamo bono, et etiam manus. Dykmans, Marc, Le cérémonial papal de la fin du Moyen Âge à la Renaissance, Bd. 4, Le retour á Rome ou le céremonial du patriarche Pierre Ameil (Bibliothèque de l’Institut historique Belge de Rome 27), Bruxelles/Roma 1985, S. 218f. Ein Ordo aus dem 15. Jahrhundert beschreibt die Vorbereitung der Leiche zum Begräbniszeremoniell in anderen Worten und scheint unabhängig zu sein, spricht aber auch nicht von der eventuellen Obduktion: Göller, Emil, Die päpstliche Pönitentiarie von ihrem Ursprung bis zu ihrer Umgestaltung unter Pius V., Bd. 1/1, Roma 1907, S. 145f., Anm. 1.
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genannt.30 Der Hintergrund für seine Identifizierung ist allerdings unsicher, sie stützt sich allein auf einen einzigen Satz im berühmten Buch des Arztes Guy de Chauliac (um 1298–1368) ‘Chirurgia magna’ (1363). Im Abschnitt ‘Regimen custodiae corporum mortuorum’ beschreibt der Verfasser zwei verschiedene Methoden, die Leichen zu konservieren. Er zitiert dabei einen Iacobus pharmacopoeus, qui multos Romanos pontifices praeparauerit.31 Diese kurze Bemerkung reichte den Medizinhistorikern Ernst von Rudloff und Paul Diepgen seinerzeit durchaus dafür aus, den päpstlichen apothecarius Jacobus Melioris für die Balsamierung der Leichen zumindest Johannes’ XXII., Benedikts XII. und Clemens’ VI. verantwortlich zu machen. Der heutige Kenner der Papstgeschichte Agostino Paravicini Bagliani ist vorsichtiger und folgt Rudloff und Diepgen gerade in diesem Punkt nicht.32 Und zurecht: Jacobus, oder Jaquetus Melioris (auch Jacques, oder Jaquet Mélior), eigentlich Giacomo Megliore aus Florenz († um 1361),33 lieferte den Päpsten und ihrem Hof jahrzehntelang verschiedene Spezereien, Arzneien und Papier, wie auch Wachs (nicht zuletzt für feier30 Rudloff, Ernst von, Ueber das Konservieren von Leichen im Mittelalter. Ein Beitrag zur Geschichte der Anatomie und des Bestattungswesens. Inaug.Diss., Freiburg i. Br. 1921, S. 20f.; Diepgen, Paul, Ueber Leicheneinbalsamierung im Mittelalter, in: Janus 26 (1922), S. 91–94, hier 92. 31 Chirurgia magna Guidonis de Gauliaco, Lugduni 1585, S. 275. 32 Paravicini Bagliani, Agostino, Der Leib des Papstes. Eine Theologie der Hinfälligkeit, München 1997, S. 135ff. Der Verfasser hat aber die Stelle in der ‘Chirurgia magna’ in dem Sinne missverstanden, dass Iacobus pharmacopoeus ihm zufolge seine Auskunft zur ‘Obduktionsmethode’ der Leichenkonservierung gäbe. Wenn das richtig wäre, hätte das für uns ernsthafte Folgen: man hätte mit gutem Grund behaupten können, dass die Autoren der päpstlichen Ordines nur ihre theoretischen Vorstellungen von der nur äußerlichen Behandlung der toten Päpsten wiedergaben, wobei die Chirurgen-Praktiker in Wirklichkeit alle Eingeweide aus den Leichen der Päpste konsequent zu entfernen pflegten. In der Tat kehrt Guy de Chauliac hier zum Thema der ‘körperschonenden’ Balsamierung zurück und spricht von Komplikationen, welche dabei entstehen können. Iacobus pharmacopoeus gibt ihm aus seiner großen Erfahrung einen Rat für den Fall, wenn der Bauch des Toten sich bläht. Dann sollte man mit dickem Pfriem (magna subula) oder Ähnlichem ein Paar Löcher in den Bauch stechen, damit Flüssigkeiten und Gase dadurch entfernt werden könnten. Es liegt auf der Hand, dass eine solche Empfehlung völlig sinnlos wäre, sollte man ohnehin geplant haben, den Körper völlig zu entleeren. Diese Aussage des Iacobus widerspricht also den kurialen Ordines gar nicht, sondern unterstützt sie eher. 33 Siehe zu ihm speziell: Gagnière, Sylvain, Les apothicaires à la cour des Papes d’Avignon, in: Revue d’histoire de pharmacie 64, Nr. 230 (1976), S. 147–157, hier 148f., 153f., 156.
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liche Exequien). Die veröffentlichten kurialen Rechnungen sagen leider zu seiner eventuellen Beteiligung an der Balsamierung der päpstlichen Leichen nichts aus. Dieses Schweigen schließt eine solche Beteiligung natürlich noch nicht aus, zumal die Ausgaben für die Bearbeitung der toten Päpste sich nur schwer identifizieren lassen. Bedenklich ist aber, dass in dem seltenen Fall, als die Balsamierung deutlich erwähnt wurde, der Name Giacomos Megliore gar nicht erscheint: die Bearbeitung der Leiche von Benedikt XII. 1342 wurde einem anderen apothecarius anvertraut, und zwar einem Pierre (Perrin, Petrin) de Cerdona (Cordona).34 Der ‘Liber pontificalis’ betont, dass der Körper Johannes’ XXII. mit angemessenen Ehren begraben wurde.35 Die Graböffnung von 1759 bestätigt diese Behauptung. Der aufwendig hergestellte Sarg bestand aus Zypressenholz und wurde mit „gutem Stoff“ bedeckt,36 die Leiche war sorgsam
34 Dez. 12. Iaqeto et Petrino de Cerdona apothecariis pro preparatura et rebus necessariis ad condendum corpus Benedicti s. mem., ne corpus ipsius ob fetorum inficeret circumstantes, 40 fl. […] Mai 16. Petro de Cerdona pro labore et salario tam suo quam aliorum, qui condiderunt et sueverunt corpus Benediciti XII. in coriis bovinis, ut a fetore perservaretur, 15 fl. Schäfer, Karl Heinrich, Die Ausgaben der Apostolischen Kammer unter Benedikt XII., Klemens VI. und Innocenz VI. (1335–1362.), (Vatikanische Quellen zur Geschichte der päpstlichen Hof- und Finanzverwaltung 1316–1378, 3), Paderborn 1914, S. 197. Vgl. Gagnière (Anm. 33), S. 153. 35 Anno Domini M°CCCoXXXIIIIo papa Iohannes obiit in Avinione, die quarta mensis decembris, que fuit littera dominicalis illius anni B, pontificatus sui anna decimo nono. Cuius corpus fuit in maiori Avinionensi ecclesia cum honore debito traditum sepulture. Le Liber pontificalis, hg. v. Duchesne, Louis, Bd. 2, Paris 1955, S. 486. Vgl. auch: Sepultus cum magna funeris pompa […]. Duhamel (Anm. 13), S. 24, Anm. 1. Die Quelle für die folgende – diesmal schon eigene – Behauptung Duhamels bleibt mir aber leider verborgen: on lui fit de magnifiques obsèques qui durèrent plusieurs jours et qui amenèrent, à Avignon, une affluence considérable. Ibid., S. 25. Dokumentiert ist aber eine Trauerfeierlichkeit zum Anniversar (Jahresgedächtnis) im Dezember 1335: Dez. 22. Francisco de Terdona, servienti am. pape et ypothecario, pro 100 torticiis cereis ponderis 603½ librarum pro anniversario facto in ecclesia Auin. 4. Dez. pro fel. record. dno Iohanne pape XXII. (16 d. cor. pro libra) 61 fl. 11 s. 8 d. cor. Schäfer (Anm. 34), S. 33. 36 „[…] une caisse en bois de cyprés fort entiére, en forme de dos d’asne, couverte d’une bonne toile blanche appliquée avec du goudron aux jointures des planches, et fortifiée par 4 petites esquerres de fer aux 4 coins.“ Müntz (Anm. 17), S. 282. Vgl. auch: „et, après un examen attentif, il a apparu que ladite caisse étoit d’un bois odoriférent tel que le cyprès. […] les jointures de ladite caisse avoient été couvertes avec des lisières d’une toile rousse extrêmement forte, dont il ne restoit que des lambeaux.“ Duhamel (Anm. 13), S. 37.
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in Pontifikalien eingekleidet:37 eine einfache weiße Mitra,38 eine „chappe fort ample, d’une très belle étoffe, or et argent, parsemée de beaucoup de petites perles fines“,39 Handschuhe aus weißer Seide an den gekreuzten Händen, weiße Sandalen,40 das Pallium mit Perlen, wahrscheinlich in den üblichen Stecknadeln.41 Der Mantel war mit einer Agraffe aus Elfenbein und Emaille zusammengehalten. Darauf war ein Dreieck dargestellt, – wohl als Symbol der Heiligen Dreifaltigkeit – umgeben von vielen kleinen Perlen.42 Am Finger trug der Papst einen goldenen Ring mit einem Pseudosmaragd.43 Solche Funeralien sprechen für eine sorgfältige Vorbereitung des Begräbnisses. Als Benedikt XII., der Nachfolger des verstorbenen Papstes, einen Bericht über den vererbten Schatz erhielt (welcher übrigens nicht Millionen an Goldmünzen umfasste, wie Giovanni Villani wissen wollte,44 sondern ‘nur’ etwas mehr als 700’000 Goldstücke), erwähnte man dort das Begräbnis
37 „[…] le corps avoit été revêtu d’habits pontificaux de soye et d’or, les plus intérieurs paroissant d’une étofe simple de soye comme le sont les tunisselles, et le plus apparent étant d’un tissu or et soye, comme une chasuble.“ Duhamel (Anm. 13), S. 38. 38 „[…] une mitre simple blanche, dont le bout des pendants étoit de soye rouge, et bien reconnoissable.“ Ibid. Eine ausführliche Beschreibung dieser Mitra siehe: Ibid., S. 41f. mit Hinweis auf ein Manuskript aus der Bibliothek von Avignon, wo sie auch bildlich dargestellt sein soll. 39 Müntz (Anm. 17), S. 282. 40 „Il avoit les bras croisés, ses gants de soye blanche et ses sandales blanches étoient encor en fort bon état.“ Ibid. Vgl.: „on a distingué les bras et les mains croisés sur la poitrine, les mains encore couvertes de gants de soye et or […] les pieds dudit corps étoint couverts de sandales de soye encore assez conservées et de la forme dont se servent les évêques lorsqu’ils officient pontificalement.“ Duhamel (Anm. 13), S. 38. 41 „Il étoit revêtu de son pallium sur lequel étoient aussi des perles.“ Müntz (Anm. 17), S. 282. Vgl.: Item in crucibus pallii sint tres acus, prout moris est […]. Dykmans (Anm. 29), S. 219. 42 „J’ay veu 2 échantillons de la ditte étoffe avec l’aggraffe d’ivoyre qui fermoit la ditte chappe. Elle étoit émaillée, de la grandeur d’une pièce de 60 sols, sur laquelle étoit la figure d’un triangle à l’honneur de la très Sainte-Trinité, et toute entourée de petites perles.“ Müntz (Anm. 17), S. 282. 43 „Il avoit une bague d’or avec une èmeraude fausse.“ Ibid. Vgl. auch eine andere Beschreibung: „[…] et à un des doigts on y a trouvé une grosse bague […] et […] a paru […], qu’elle étoit d’or, le métail ayant conservé sa beauté et son lustre, et qu’il y avoit une grosse pierre dont le brillant avoit été entièrement obscurci par le baume et les autres ingredients qui avoint servi à embaumer le corps […].“ Duhamel (Anm. 13), S. 38. 44 Villani (Anm. 4), S. 61 (XII, 20).
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Johannes XXII. in der Reihe der wesentlichen Ausgaben aus allerletzter Zeit – pro expensis funerariis.45 Wie viel genau die Trauerfeierlichkeiten kosteten, ist aber leider nicht überliefert. Von ihren Einzelheiten wissen wir gleichfalls nichts. In solchen Fällen sucht man üblicherweise nach Analogien, nach ähnlichen Gebräuchen dieser Zeit, welche unsere Unkenntnis in einer bestimmten Episode durch Anführung der allgemein geltenden Normen kompensieren könnten. Worin bestanden die Rituale, welche den Tod der Päpste im Spätmittelalter üblicherweise begleitet haben? Darüber wissen wir (oder denken wir nur, dass wir das wissen?) erstaunlich viel. Vielleicht sogar zu viel, wie sich im Folgenden zeigen wird. Es gab unter den päpstlichen Begräbnisbräuchen einen, welcher einerseits besonders beeindruckend, andererseits aber recht mysteriös auf die heutigen Historiker wirkt. Ich zitiere einen der besten Kenner des mittelalterlichen Begräbniszeremoniells den Amerikaner Ralph Giesey, den Schüler von Ernst Hartwig Kantorowicz. In seiner höchst angesehenen Studie zur ‘Royal Funeral Ceremony in Renaissance France’ erwähnt er u. a. auch die Päpste. „For the part of this display [Giesey meinte hier die Aufbahrung des toten Papstes] the Pope’s body is in a sitting position and thus is reminiscent of the Byzantine cleric’s funeral [...]“.46 Diese Beobachtung wird von Giesey im breiteren historischen Kontext gemacht: er war auf der Suche nach Parallelen zu den rituellen Mahlen, welche für die toten französischen Könige ausgerichtet wurden. Für die deutschsprachigen Historiker maßgebend war aber nicht die kurze Bemerkung von Giesey, sondern die Überlegungen des höchst autoritativen Ethnologen Wolfgang Brückner. In seinem breit rezipierten und immer wieder gern zitierten Buch aus dem Jahre 1966 ‘Bildnis und Brauch. Studien zur Bildfunktion der Effigies’ schrieb er unter anderem: „Das päpstliche Zeremoniell kannte im 14./15. Jahrhundert zumindest für den Beginn der novena, der neuntägigen Trauerfeierlichkeiten die sitzend aufgebahrte Gegenwart der Leiche. So ist sie in Ordo Romanus quindecim von 1401 festgehalten. Nach der Einbalsamierung wird der tote Papst in Pontifikalien auf die Kathedra gesetzt und ihm dann von den Kardinälen einzeln die Absolution erteilt“.47 Diese Stelle wurde in zahlreichen Publikationen immer wieder nacherzählt oder mindestens erwähnt. So etwa lesen wir im Buch von Rudolf Meyer über Königs- und Kaiserbegräbnisse 45 Sägmüller (Anm. 15), S. 44f. (7. 4. 1435). 46 Giesey, Ralph E., The Royal Funeral Ceremony in Renaissance France (Travaux d’Humanisme et Renaissance 37), Genève 1960, S. 165, Anm. 66. 47 Brückner, Wolfgang, Bildnis und Brauch. Studien zur Bildfunktion der Effigies, Berlin 1966, S. 34.
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im Spätmittelalter folgendes: „Bei einer sitzenden Aufbahrung denkt man zunächst an einen Kleriker – insbesondere an das Papstbegräbnis. Dort bahrte man den Toten spätestens zu Beginn der Novena, einer neuntägigen Phase der Andacht, auf der Kathedra, dem Sinnbild der apostolischen Amtsgewalt, auf, weil das verstorbene Kirchenoberhaupt in dieser Haltung von den Kardinälen die Absolution erhielt“.48 In der Anmerkung fügt der Verfasser noch einiges hinzu: „Dieser Ritus gehört nicht erst seit seiner Fixierung in Ordo Romanus von 1401 zum festen Bestandteil des Papstbegräbnisses [...]. In Byzanz war im Klerikerstand sogar die sitzende Bestattung üblich.“ Wem genau die Ehre zuteil wurde, den ersten auf der Kathedra sitzenden toten Papst in der Vergangenheit erkannt zu haben, bleibt nur zu raten. Die früheste Schrift, welche ich festzustellen vermochte, stammt von Ludwig Ruland (er wird auch von Rudolf Meyer erwähnt). In seiner ‘Geschichte der kirchlichen Leichenfeier’ (erschienen 1901 in Regensburg) schrieb er u. a. folgendes: Die Exequien für einen Papst sollen neun Tage dauern. Sobald der Papst gestorben, sollen die poenitentiarii sogleich das Totenofficium und die Bußpsalmen beten. Das Waschen und Einbalsamieren der Leiche ist genau vorgeschrieben. Der Tote soll zunächst aufrecht in roten Paramenten auf den Thron gesetzt werden, gleich als wolle er celebrieren. So besuchen ihn einzeln alle Kardinäle und sprechen die Absolutio über ihn. Hierauf wird die Leiche auf die Bahre gelegt und unter dem Gesang Subvenite in die päpstliche Hauskapelle getragen, wo sogleich das Officium defunctorum beginnt [...] Neun Tage lang soll auch ein feierliches Amt gehalten werden, bei dem die Kardinäle zu erscheinen haben.49
Heißt das vielleicht, dass Johannes XXII. nach seinem Tod auch sitzend präsentiert wurde? Alle Historiker, welche die Szene mit dem sitzenden toten Papst so gerne ausmalen, stützen sich dabei auf eine einzige Quelle – eine Tatsache, die sie auch nicht verheimlichen. Diese Quelle ist der sogenannte ‘Ordo Romanus’, welchen Jean Mabillion seinerzeit unter der Nummer XV veröffentlichte.50 In der neueren Edition von Marc Dykmans heißt dieser Text 48 Meyer, Rudolf J., Königs- und Kaiserbegräbnisse im Spätmittelalter: von Rudolf von Habsburg bis zu Friedrich III. (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta imperii 19), Köln/Weimar/Wien 2000, S. 148, vgl. auch Anm. 19. 49 Ruland, Ludwig, Die Geschichte der kirchlichen Leichenfeier, Regensburg 1901, S. 186f. 50 Museum Italicum seu collectio veterum scriptorum ex bibliothecis Italicis, hg. v. Mabillon, Johanne und Germain, Michaele, Bd. 2, Paris 1724, S. 527.
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‘Das Zeremonienbuch von Pierre Ameil’. Direkt nach der vorher zitierten Stelle, die vom Einbalsamieren des Papstes handelt, geht der Verfasser zum Thema über, wie die Leiche bekleidet werden muss. Zunächst werden Hose, Hemd und Strümpfe angezogen. Dann muss der Papst quasi sedendo weiter bekleidet werden und zwar so, als ob er gleich die Messe zelebrieren wird, wobei Mitra und Pallium auch nicht vergessen werden dürfen.51 Auf diese kleine Wendung quasi sedendo, zur Notwendigkeit also, den toten Körper etwas zu erheben, um ihn weiter bekleiden zu können, gehen alle schönen Erzählungen über die sitzenden toten Päpste zurück, genauso wie alle zahlreichen Theorien, Vermutungen und anthropologischen Parallelen, welche inzwischen entstanden sind, um den angeblichen und dazu recht seltsamen Brauch der römischen (oder doch auch der avignonesischen?) Kurie erklären zu können. Der tote Papst ‘sitzt’ also nicht aus repräsentativen, sondern aus rein technischen Gründen und nicht neun Tage lang, sondern nur wenige Minuten, bis seine liturgischen Gewänder in Ordnung gebracht sind. Lesen wir denselben Ordo etwas weiter. Sobald der Papst richtig angekleidet ist, trägt man ihn auf die lectica, eine Art Bahre.52 Oder war das vielleicht eine Art Tragsessel im Sinne der späteren sedes gestatoria?53 Dann musste der tote Papst schließlich vielleicht doch sitzen? Aber wenn man den Text aufmerksam zur Kenntnis nimmt, wird klar, dass die Leiche nicht darauf gesetzt, sondern gelegt wurde. Denn man legte ein langes festes Kissen – pulvinar54 – unter den Kopf des Toten und noch ein weiteres „hinter seinen
51 Demum dicti penitentiarii induant ipsum bracas, camisiam, caligas et tunicam. Tunc quasi sedendo erigant eum dicti penitentiarii, et induant ipsum totaliter sacris vestibus rubei coloris: primo sandaliis albis, cinctorio et subcinctorio, fano, stola, tunicella, manipulo, dalmatica, cirothecis, planeta, pallio de corpore Petro sumpto, et plicent fanum super caput, et circa scapulas circumdent, ac si deberet celebrare, et ponant in capite eius biretam albam cum mitra alba sine perlis et sine auro. Dykmans (Anm. 29), S. 219. 52 Ipso vero sic parato, dicti penitentiarii ponant eum super feretrum novum vel lectica [...]. Ibid. 53 Zur Entstehung der sedes gestatoria erst im Pontifikat Pius’ II. (1458–1464) siehe: Märtl, Claudia, Papst Pius II. (1458–1464) in der Kapelle des Palazzo Medici Riccardi zu Florenz. Ein Beitrag zu Ikonographie und Zeremoniell der Päpste in der Renaissance, in: Concilium medii aevi 3 (2000), S. 155–183, hier 163, 167. 54 Zur Bedeutung des Wortes siehe: Revised Medieval Latin Word-list from British and Irish Sources, hg. v. Latham, Ronald F., London 1965, S. 382; Lexicon Latinitatis Nederlandicae medii aevi, Bd. 6, Leiden 1998, S. 4035; Georges, Karl Ernst, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch, Bd. 2, Basel 1951, Sp. 2082f.
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Füßen“.55 Dadurch ist die Position der Leiche m. E. genügend beschrieben, zumal man an anderer Stelle, wo es bereits um das Begräbnis eines Kardinals ging, deutlich schreibt, dass der Tote auf der lectica liegt – jacet.56 Der sitzende tote Papst ist also nichts anderes als ein Gespenst, welches von einer gelehrten Publikation leise zur nächsten durchdringt, und zwar schon Jahrzehnte lang. Heißt das dann, dass die Päpste nie sitzend aufgebahrt wurden? Ich wage hier nicht feierlich zu schwören, weil es auch andere Gespenster gibt, welche verhindern, diese Frage mit gutem Gewissen mit einem einfachen ‘nein’ zu beantworten. Einige dieser Gespenster sind dank demselben Wolfgang Brückner und einiger anderer Forscher gut bekannt geworden. Der erste unter ihnen verweist auf die sitzende Statue des florentinischen Bischofs Antonio d’Orso († 1320)57 in der berühmten Domkirche Santa Maia del Fiore von Florenz58 – ein Werk von Tino di Camaino aus Siena (um 1285–1337), hergestellt im Jahr 1322 (Abb. 3). In der Fachliteratur hat man mehrere Versuche unternommen zu erklären, warum der Bischof hier als schlafend, wohl im Todesschlaf dargestellt wurde.59 Keine dieser Erklärungen kann leider als völlig überzeugend akzeptiert werden.
55 Item subtus caput eius sit pulvinar coopertum de panno aureo, et post pedes eius in eodem feretro aliud pulvinar consimile cum floxis de serico et cordonibus de auro, super quod debent stare duo capelli seu pilei pape. Pulvinaria debent esse latitudinis feretri. Dykmans (Anm. 29), S. 220. 56 Cardinalis vero debet iacere in lectica parata de pannis aureis et fimbriis de nigro cum armis illius. Dykmans (Anm. 29), S. 247. 57 Zu seiner Persönlichkeit siehe zunächst: Davidsohn, Robert, Geschichte von Florenz, Bd. 3, Berlin 1912, S. 367ff., 615f. et passim. 58 Einen Versuch, das ursprüngliche Aussehen des gesamten Monuments nachzubilden (wie auch die Kritik der früheren Versuche dieser Art), siehe in: Kreytenberg, Gert, Tino di Camainos Grabmäler in Florenz, in: Städel Jahrbuch 7 (1979), S. 33–60, besonders S. 41, einen anderen aber in: Tripps, Johannes, Restauratio imperii. Tino di Camaino und das Monument Heinrichs VII. in Pisa, in: Grabmäler der Luxemburger. Image und Memoria eines Kaiserhauses, hg. v. Schwarz, Michael Viktor (Publications du CLUDEM 13), Luxemburg 1997, S. 51–78, hier 65. 59 Dass der Bischof hier nach dem Tod dargestellt ist, wird noch in der folgenden maßgebenden Studie festgestellt: Keller, Harald, Die Entstehung des Bildnisses am Ende des Hochmittelalters, in: Römisches Jahrbuch für Kunstgeschichte 3 (1939), S. 227–356, hier 311 und Abb. 278. Auch später wurde diese Meinung nicht bestritten. So nur als Beispiel: „Auf eine Liegefigur ist auch hier verzichtet worden; stattdessen präsentiert sich der Bischof als thronender Leichnam auf einem Sarkophag, als sitzender gisant“. Middeldorf Kosegarten, Antje, Grabmäler von Ghibellinen aus dem frühen Trecento, in: Skulptur und Grabmal (Anm. 19), S. 317–329, hier 324.
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Für Brückner war aber die Parallele zum sitzenden toten Papst offensichtlich.60 Der höchst autoritativen Meinung Brückners folgten inzwischen auch mehrere Kunsthistoriker. Einer von ihnen sagte zu dem Florentiner Monument polemisch: „ […] vielmehr hält es den in den Quellen mehrfach bezeugten Brauch der ‚Kathedrasetzung‘ eines verstorbenen Bischofs auf eindrucksvoll realistische Weise fest“.61 Ein anderer meinte, die Skulptur gäbe „buchstäblich“ die Situation des Trauergottesdienstes wieder (bei welchem der tote Bischof also saß), wodurch diese liturgische Handlung perpetuiert wurde.62 Bemerkenswert könnte in diesem Kontext ein Relief eines unbekannten hohen Klerikers erscheinen, welches sowohl Brückner wie auch anderen Gelehrten unbekannt blieb. Es befindet sich im Kreuzgang der Lateranbasilika und stellt wohl auch einen sitzenden Toten dar, aber sicher nicht in einer liturgischen Situation (Abb. 4). Diese Darstellung wartet nicht nur auf ihre Interpretation, sondern es mangelt auch noch an einer vollständigen kunsthistorischen Beschreibung und einer Datierung. Für meine nächste Episode fehlt nach wie vor eine ausführliche und maßgebende Interpretation, Beschreibungen hingegen gibt es genügend.63 60 Brückner (Anm. 47), S. 34f. 61 Schmidt, Gerhard, Typen und Bildmotive des spätmittelalterlichen Monumentalgrabes, in: Skulptur und Grabmal (Anm. 19), S. 13–82, hier 20, Anm. 37. Der Verfasser bezieht sich auf: Reinle, Adolf, Das stellvertretende Bildnis. Zürich/München 1984, S. 196 und Brückner (Anm. 47), S. 30–36, wobei Reinle einfach auf Brückner hinweist und keinen eigenen Standpunkt vertritt. 62 Körner, Hans, Praesente cadavere. Das veristische Bildnis in der gotischen Grabplastik Italiens, in: Die Trauben des Zeuxis: Formen künstlerischer Wirklichkeitsaneignung, hg. v. Körner, Hans et alii (Münchner Beiträge zur Geschichte und Theorie der Künste 2), Hildesheim/Zürich/New York 1990, S. 41–60, hier 54–57. 63 Ausführlich und summierend zu diesem Brauch siehe: Bojcov, Величие (Anm. 22), S. 382–387. Die früheren Studien und Quellenpublikationen: Gropp, Ignaz, Dissertatio IX: De antiquis Ritibus ac pompis in Episcoporum Wirceburgensium Electione, Consecratione et funere quondam adhiberi solitis, in: id., Collectio novissima scriptorum et rerum Wirceburgensium a saeculo XVI, XVII et XVIII hactenus gestarum [...], Bd. 1, Francofordiae/Lipsiae 1741, S. 89–94; Schäffler, Augustus, Tod und Bestattung des Wirzburger Fürstbischofes Melchior Zobel, in: Archiv des historischen Vereins von Unterfranken und Aschaffenburg 23 (1876), S. 193–232; Merzbacher, Friedrich, Die Begräbnisordnung der Würzburger Fürstbischöfe im späten Mittelalter, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte 69, Kanonistische Abteilung 38 (1952), S. 500–506; Brückner (Anm. 47), S. 31ff.; Grebner Christian, Tod und Begräbnis des Würzburger Fürstbischofs Konrad von Thüngen (1519–1540), in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 50 (1988), S. 121–129; Rausch,
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In Würzburg war es spätestens seit dem 15. Jahrhundert und zwar bis zum Jahre 1617 üblich, den verstorbenen Bischof nach dem Einbalsamieren, im Sessel sitzend, im vollen liturgischen Ornat, von einer Kirche seiner Stadt in die andere herumzutragen. In einer Hand musste der Tote seine Pastorale, in der anderen aber ein Schwert halten. Der Sessel befand sich auf einer Bahre, welche von jungen adligen Leuten getragen wurde (Abb. 5). Auf der Bahre reichte der Platz auch für den ältesten Diener des Verstorbenen, der hinter dem Sessel stand und den Kopf des Bischofs mit seiner Mitra darauf mit beiden Händen hielt, damit der Kopf nicht wackelte. Diese Vorkehrung war trotz der Tatsache notwendig, dass man (das wissen wir auch) üblicherweise den ganzen Körper des Bischofs mit einem harten Pfeil von unten bis zum Hals durchbohrte. Während der Trauerprozession wurde der Bahre mit dem sitzenden Bischof sein Herz in einem Gefäß feierlich vorangetragen. Die Würzburger Bischöfe starben üblicherweise in ihrer Residenz auf der Burg Marienberg, ebenda wurden sie einbalsamiert und zur öffentlichen Ausstellung vorbereitet. Die Eingeweide sind – bis auf das Herz – auch in der dortigen Marienkapelle bestattet, das Herz musste aber schließlich in Begleitung desselben alten Dieners zum Kloster Ebrach gebracht werden,64 ins Mausoleum der bischöflichen Herzen, welches dort sei dem 13. Jahrhundert existierte. Der Diener blieb übrigens auch dort und die Zisterzienser mussten ihn bis zu seinem Tod verpflegen.65 Die ausgerichtete sitzende Leiche des Würzburger Bischofs wurde zunächst auf den Schultern von 14 jungen Adligen in feierlicher Prozession aus Marienberg ins Jakobskloster gebracht, wo sie die ganze Nacht saß. Die zweite Nacht musste der tote Bischof in Neumünster am Grab des Heiligen Kilians verbringen (vielleicht um dort dem heiligen Patron der Stadt und des Bistums einen ausführlichen Bericht über seine Taten und Missetaten abzugeben?). Erst am dritten Tag wurde der Bischof im Dom begraben – allerdings nicht mehr sitzend. Ob man den Pfeil dabei aus seinem Körper entfernte, ist leider nicht überliefert. Die ziemlich ausführliche Reihe der Würzburger Episoden zeigt, dass die Idee, den toten Bischof sitzend aufzubahren, der westlichen Kirche nicht völlig fremd war. Die Anwendung derselben Idee für weltliche Fürsten ist Fred G., Fürstenlob am Katafalk. Zwei Veränderungen im Bestattungsritual der Würzburger Fürstbischöfe im 17. Jahrhundert, in: Volkskultur – Geschichte – Region. Festschrift für Wolfgang Brückner zum 60. Geburtstag, hg. v. Harmening, Dieter und Wimmer, Erich (Quellen und Forschungen zur Europäischen Ethnologie 7), Würzburg 1990, S. 360–369. 64 Item der ime das heubt helt uff der bare, der sol das hertz furen gein Eberach uff dem wagen. Merzbacher (Anm. 63), S. 505. 65 Schäffler (Anm. 63), S. 228–231; Grebner (Anm. 63), S. 128.
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übrigens auch bekannt, und zwar nicht anderswo, sondern im Heiligen Römischen Reich. Der Mainzer Eberhard Windecke (um 1380–um 1440) erzählt wie vernünfticlich sein Patron und Protagonist seines historischen Werkes Kaiser Sigismund von Luxemburg 1437 verschied. Er hat zunächst im vollen kaiserlichen Ornat die Messe gehört, dann ließ er sich bescheidene Kleidungen anziehen, in welcher er begraben zu werden wünschte. Anschließend setzte er sich auf einen Stuhl und verschiet. Also soltu nü merken, waz er in begalch, e er starp: wanne er sturbe, so solt man in ston lossen zwen oder drige tage, daz alle menglichen sehen sollten, dass aller der welt herre dot und gestorben were.66 In den beiden erhaltenen illuminierten Handschriften des Werkes von Windecke wurde diese Stelle von einer eindrucksvollen Miniatur begleitet (Abb. 6–7). Die Unterschrift lautete (ich zitiere die Variante aus dem Exemplar, welches sich z. Zt. in einer irischen Privatsammlung befindet): Hie starp der Römsche keyser sygmunt in der stat zu / znem in dem lande zu mernhern uff einem grossen schö- / nen stůl und hette sin episteler cleyder an und man lies in / ston also tod untz an den dritten tag dar umb wer in sehen / wollte der mochte es tůn.67
Wenn man einem anspruchsvollen habsburgischen Geschichtswerk ‘Der Spiegel der Ehre’ vertrauen darf, muss auch Friedrich III. 1495 nach seinem Tod in einem Sessel gesessen haben: Es haben auch die gelerten vnnd gehaimisten Chamerräthe [...] nach dem absterben des Kaysers den Kayserlichen Leyb entwaydeten vnnd nach dem fürstlichen geprauch mit allerlay kostlichen vnd wolriechenden wassern, salben vnd Specereyen palsamieren, auch mit den Kayserlichenn Claydern zieren, inn ainen kostlichen sessel setzen vnnd menigelich wer sein begert, zu Lintz inn der grosen stuben offentlichen sehen lassen.68
Es scheint sogar, dass es für die anständigen Fürsten dieser Zeit Mode geworden war, nach dem Abschied von dieser Welt sitzen zu bleiben. Auf jeden Fall stellte man sich etwa den Tod Ottos I. genau in diesem Sinn vor, wie man auf dem entsprechenden Bild (die Hand eines Malers aus
66 Windecke, Eberhard, Denkwürdigkeiten zur Geschichte Kaiser Sigmunds zum ersten Male vollständig herausgegeben v. Wilhelm Altmann, Berlin 1893, S. 447. 67 Göttingen, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek, Cod. ms. histor. 98i, fol. 290 v. 68 München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 896, S. 383.
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der Werkstatt Lucas Cranachs des Älteren) in der sogenannten SpalatinChronik um 1515 sehen kann (Abb. 8).69 Kehren wir aber von den hohen weltlichen Personen zu den geistlichen zurück. Um 1430 berichtete ein gewisser Hans Schiltberger aus Konstantinopel: Unnd wann ein priester stirbt, so legt man im alles das an, das zu ainem priester gehört, so er meß halten will, und setzen in in das grab auff ainen sessel und decken in mitt kot zu.70 Über die sitzenden Begräbnisse in Byzanz ist bis jetzt m. W. nichts bekannt, der Brauch, den toten Bischof sitzend aufzubahren, besteht aber in einigen Gebieten Griechenlands noch bis heute.71 Während der Trauerfeierlichkeiten nach dem Tod des griechischen Patriarchen im Jahre 1878 bekam der Berichterstatter der Londoner ‘Times’ hierfür auch eine bemerkenswerte Erklärung: „Das ist ein alter Brauch. Es war doch üblich, die byzantinischen Kaiser sitzend zu beerdigen“. Wie Schiltberger 450 Jahre zuvor, hat dieser Korrespondent die Bestattung selbst höchst wahrscheinlich nicht gesehen. Das erste bekannte Foto eines hohen Repräsentanten der Ostkirche, welcher nach seinem Tode saß, wurde erst 1910 angefertigt und stellt den Metropoliten von Smyrna dar (Abb. 9). Aber auch die Armenische apostolische Kirche pflegte denselben Brauch noch um 1900, wie ein anderes, allerdings sehr schlechtes und undatiertes, Foto beweist (Abb. 10). Was aber die andere vorchalcedonische Kirche anbelangt, und zwar die Koptische, konnte man noch 2012 im Fernsehen beobachten, wie ihr Oberhaupt, der Papst von Alexandria und Patriarch von ganz Afrika Shenouda III., nach seinem Tod am 17. März auf seiner Kathedra sitzend in der Markuskirche von Alexandria aufgebahrt wurde (Abb. 11). Man begrub ihn allerdings auch liegend. Wenn zu viele Gespenster herumschweben, wird es zusehends schwieriger, Sein und Schein zu unterscheiden. Ich habe damit begonnen, das rein historiographische Gespenst des sitzenden Papstes zu vertreiben. Jetzt habe ich selbst so viele andere überzeugend wirkende Gespenster zum Leben erweckt, dass ich schon selber zu zweifeln beginne, ob Johannes XXII. vielleicht doch nicht zwischen dem 5. und 13. Dezember 1334 in der 69 Siehe jetzt auch die online Ausgabe der Chronik: http://spalatin.franconica. uni-wuerzburg.de. Die Beschreibung der Handschrift siehe ebenda. 70 Hans Schiltbergers Reisebuch nach der Nürnberger Handschrift herausgegeben von Valentin Langmantel (Bibliothek des literarischen Vereins in Stuttgart 172), Tübingen 1885, S. 51. Vgl. Brückner (Anm. 47), S. 35. 71 Kyriakakis, James, Byzantine Burial Customs: Care of the Deceased from Death to the Prothesis, in: The Greek Orthodox Theological Review 19 (1974), S. 37–72, hier 56.
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Liebfrauenkathedrale von Avignon auf der dortigen Kathedra aus Stein (12. Jahrhundert) in seinen Pontifikalien und mit der Ferula in seiner abgemagerten lebenslosen Hand saß. Nein, das ist doch höchst unwahrscheinlich. Ich habe aber jetzt schon keine Widerstandskraft mehr, der Versuchung nachzugeben, die Möglichkeit einer solchen Ausstellung für tote Päpste nicht voll und ganz ausschließen zu können. Besonders wenn es um die frühmittelalterlichen Päpste orientalischen Ursprungs ging. Im Jahre 1334 dauerte die papstlose Zeit nur 16 Tage lang.72 Schon am 20. Dezember hatte die Römische Kirche wieder ihr Oberhaupt. Das war der Sohn eines Bäckers oder eines Müllers Jacques de Novelles, genannt auch Jacques Fournier, welcher den Stuhl Petri als Benedikt XII. bestieg.
72 Et vacavit sedes xvi diebus. Sed xiii. kal. ianuarii elegerant cardinales ut infra sequitur. Diessenhofen (Anm. 3), S. 21.
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Abb. 1 – Avignon, Kathedrale Notre-Dame des Doms.
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Abb. 2 a, b – Avignon, Kathedrale Notre-Dame des Doms, Grabmal des Papst Johannes XXII.
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Abb. 3 – Florenz, Santa Maia del Fiore, Grabmal des Bischofs Antonio d’Orso von Tino di Camaino.
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Abb. 4 – Rom, San Giovanni in Laterano, Grabstein eines Klerikers.
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Abb. 5 – Würzburg, Universitätsbibliothek, M.ch.f.760, fol. 151r, Prozession mit Körper eines verstorbenen Bischofs von Würzburg, 1574.
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Abb. 6 – Wien, Österreichische Nationalbibliothek, cvp 13975, fol. 439r, Tod des Kaisers Sigismund von Luxemburg, 1443.
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Abb. 7 – Privatsammlung, Ms. Eberhard Windeck, Buch von Kaiser Sigmund, fol. 290v, Tod des Kaisers Sigismund von Luxemburg, um 1443.
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Abb. 8 – Coburg, Landesbibliothek, Ms. Cas. 10, fol. 114r, Tod Otto des Großen, aquarellierte Federzeichnung, 1515–1517.
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Abb. 9 – Metropolit von Smyrna vor seinem Begräbnis, Fotoaufnahme, 1910.
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Abb. 10 – „Leichenprozession eines armenischen Patriarchen in Caesarea. Aus der Sammlung Professor Hilprecht, München“, Fotoaufnahme, 1910-er Jahre (?).
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Abb. 11 – Aufbahrung Shenoudas III., des koptischen Patriarchs von Alexandria, in der Markuskathedrale in Kairo, Fotoaufnahme, 2012.
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Bildnachweise: Abb. 1, 4 – Fotos des Autors; Abb. 2a – nach: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/4a/ Tombeau_de_Jean_XXII.jpg; Abb. 2b – nach: http://images-02.delcampe-static.net/img_large/auction/ 000/105/071/266_001.jpg; Abb. 3 – aus: Keller, Harald, Die Entstehung des Bildnisses am Ende des Hochmittelalters, in: Römisches Jahrbuch für Kunstgeschichte 3 (1939), Abb. 278; Abb. 5 – aus: Die Fries-Chronik des Fürstbischofs Julius Echter von Mespelbrunn, hg. v. Mälzer, Gottfried, Fries, Lorenz und Mack, Georg, Würzburg 1989, Nr. 21; Abb. 6 – aus: Sigismund von Luxemburg. Ein Kaiser in Europa, hg. v. Pauly, Michel und Reinert, François, Mainz 2006, S. 42; Abb. 7 – aus: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 61 (2005), zwischen S. 178 und 179, Abb. 1; Abb. 8 – aus: Otto der Große: Magdeburg und Europa, hg. v. Puhle, Mathias, Bd.1, Mainz 2001, S.11, Abb. 7; Abb. 9 – aus: Schlosser, Julius von, Tote Blicke, Geschichte der Porträtbildnerei in Wachs, ein Versuch, Berlin 1993, S. 29; Abb. 10 – aus: Die Türkei. Mit 215 Abbildungen, zusammengestellt und eingeleitet von Franz Carl Endres, München [1916], S. 47; Abb. 11 – nach: http://www.dailymail.co.uk/news/article-2116673/PopeShenouda-III-Egypt-died-Worshippers-pay-tribute-DEAD-CopticPope-sitting-throne.html.
Orts- und Personenregister
A Aachen 110 Adam Murimuth 395, 409, 416 Adam Orleton 401, 415 Aegidius Alvarez de Albornoz 163, 308 Agout des Baux 297 Aicardo Antimiani 293 Aix-en-Provence 69, 158 Alba 309 Albano 109 Alberti, Leon Battista 109 Albertino de Arcellis 314 Albertino Mussato 112 Alberto de Bonacossis 307 Alberto della Scala 327 Albertus Magnus 49 Albi 154, 155 Albrecht I., römisch-deutscher König 84, 371 Albrecht II., Herzog von Österreich 478 Alderico da Prata 307, 316 Alessandria 282, 291, 310 Alexander III., Papst 151 Alexander IV., Papst 180, 206 Alexander Biknor 419 Alexander von St. Elipidio 20–22 Alexandria 520, 532 Alfons III., König von Aragón 361–363
Alfons IV., König von Aragón 354, 359, 368, 369, 378–380, 383, 386, 388, 391 Alioto degli Alioti 296–299, 324, 326 Alméria 357 Altopascio 287 Ambrosius 150 Amiens 218 Anagni 109, 363, 380, 388 Ancona 319 Andrea Sapiti 403 Andreas, Guardian 168 Angelus Clarenus 130 Angelus von Arezzo 171 Angers 215 Angoulême 215 Annibaldo di Ceccano 152 Antonin von Florenz 110 Antonio d’Orso 516 Antonius von Parma 171 Antony Bek 403 Arbroath 269, 272, 411 Aristoteles 60, 61, 66, 68 Arles 214 Armand de Fages 306–308 Arnald Bernard von Preissac 398 Arnaldus, Erzbischof von Benevent 214 Arnaldus, Erzbischof von Salerno 457 Arnaldus Aurioli 223 Arnaldus Escuderius 251
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Orts- und Personenregister
Arnaud Nouvel 132–134 Arnaud de Via 154, 215, 292 Arnold de Sancto Michaele 413 Arrigo Lanterii 293 Asola 305, 326 Assisi 134 Asti 291, 309 Augsburg 471 Augustinus 20 Augustinus Triumphus 19, 21–23 Autun 218 Averroes 45, 60 Avignon 7, 8, 10, 12, 17, 21–23, 25, 38, 41, 44, 45, 69, 72, 80, 83, 99, 101, 102, 109, 113, 122, 124, 127, 128, 132, 133, 136, 149, 156–162, 165, 170, 174, 186, 199–202, 227, 231, 233–235, 237, 247, 251–260, 268–272, 275, 276, 279, 282, 283, 292–294, 301, 304, 306, 312, 314, 315, 317–319, 322, 324, 327, 343, 345, 349, 350, 352, 358, 361, 366, 368, 377, 385, 387, 390, 397, 401, 403, 411, 413, 416, 419–421, 436, 437, 439, 444, 446, 447, 452, 456, 463, 464, 470–475, 477, 479, 494, 497, 502, 505, 512, 521–523 Aymer de Valence 406 Aymericus von Piacenza 167 Azzo de Manfredis 301, 302 Azzo Visconti 291, 296, 305, 306, 309, 310
B Balduin von Trier 219 Bannockburn 269 Barcelona 358
Bartholomew de Badelesmere 403, 406 Bartolomeo Fiadoni 303 Bartolus von Sassoferrato 174 Basel 482, 492 Bassignana 326 Bath 404, 415 Beaumont 402 Beaune 218 Belluno 27 Benedikt XII., Papst (= Jacques Fournier) 69–72, 74, 139, 162, 180, 182, 183, 186–189, 191–194, 236, 239, 241, 244–246, 249, 251, 252, 326, 327, 400, 450, 451, 463, 469, 470, 473, 474, 476, 477, 483, 485–487, 489, 498, 502, 506, 510–512, 521 Benedikt XIII., Gegenpapst 195, 435, 436 Benedikt von Nursia 134 Benevent 214 Berengar Taloni 433, 446 Bérenger Frédol 152 Bergamo 282, 291, 317, 326 Bernard VII. de Comminges 154 Bernard de Castanet 154 Bernard von Clairvaux 19 Bernard Gui 23, 282, 283, 317, 325 Bernard Roqua 160 Bernardus Botelha 223, 224 Bernardus de Fonte 223 Bernardus de St. Genesio 215 Bernat Desclot 362 Beromünster 473 Berthold von Buchegg 482, 483, 486, 487, 498, 499 Berthold von Neuffen 83 Berthold von Straßburg 487
Orts- und Personenregister
Berthold von Zollern 492 Bertrand de Deaux 320 Bertrand Favès 215 Bertrand de Got 398 Bertrand de Montfavès 154, 215, 256, 292, 315 Bertrand du Poujet 11, 82, 154, 155, 157, 160, 162, 170, 172–174, 176, 283, 286–288, 290, 294–299, 301–303, 305–307, 310–313, 315–320, 322–325, 474, 503 Bertrand de la Tour 28, 69, 154, 161, 282, 448 Berwick 410 Beverley 406 Boccaccio 174, 321 Bologna 10, 45, 60, 152, 155, 156, 162, 165–167, 169, 170, 172–175, 281, 287, 288, 297, 299, 302, 313, 316, 317, 319–321, 323, 324, 326, 327, 471, 472, 482 Bonagratia von Bergamo 38, 46, 140, 428, 432, 442, 446, 450, 456, 461, 462, 494 Bonaventura 151 Bonifacio da Marano 302 Bonifaz VIII., Papst 84, 151, 152, 179, 181, 182, 194, 196, 263, 265, 271, 276, 343, 345, 363, 380, 382, 385, 388, 508 Bonifazio della Gherardesca 109 Bonincontro Morigia 292 Borgo San Donnino 296, 301 Brescia 291, 298, 309, 310, 317 Bulgarus 151 Burghersh 415
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C Caesarea 531 Cahors 70, 157, 159, 191, 199, 207, 223, 286, 507–509 Caltabellota 366 Cangrande della Scala 82, 282, 286 Canterbury 403, 416, 417 Caravaggio 304, 305, 310, 326, 327 Cartagena 387 Casale Montferrato 319 Castanet 155 Castelfranco 317 Castellano Beccaria 311 Castello 109 Castelnau-Montratier 286 Castelnuovo Bocca d’Adda 305, 313–316, 318, 319, 326, 327 Castruccio degli Antelminelli 175 Castruccio Castracani 91, 287, 381, 385 Catania 72 Cecco d’Ascoli 170–172 Charles d’Anjou 323 Châteauneuf-du-Pape 234, 235 Cherasco 309 Chieti 214 Civitate 214 Clemens IV., Papst 178, 179 Clemens V., Papst 67, 68, 79, 80, 84, 128, 152–155, 157, 182, 196, 201, 271, 284, 352, 356, 357, 380, 395, 397, 398, 400, 480, 493 Clemens VI., Papst 21, 44, 68, 72–74, 160, 188, 190, 192, 194, 249, 274, 486, 492, 510 Clemens VII., Gegenpapst 186, 436 Coburg 529 Colorius Gozzadini 176 Como 287, 293, 317
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Orts- und Personenregister
Conti di Ceccano 153 Corbeil 412, 420 Coventry 404, 416 Cranach, Lucas d. Ä. 520 Crema 291, 304, 305, 310, 326, 327 Cremona 291, 298, 300, 313, 317, 326 Cunardo 291 Cuneo 309
D Dante Alighieri 172, 174, 175, 321, 325 David II., König von Schottland 412, 413 Dietrich von Nieheim 184–187 Domenico Capranica 437 Dominic Grima 24 Dondinus von Pavia 18–23, 39 Dublin 417, 419, 420 Dupplin Moor 412 Durandus de Sancto Porciano 20, 136 Durham 399, 402, 410
E Eberhard Windecke 519 Ebrach 518 Edinburgh 412 Edmund, Graf von Kent 419 Edmund von Woodstock 405 Eduard I., König von England 398, 408, 410, 411 Eduard II., König von England 269, 270, 274, 395, 397–412, 414–421, 423, 424 Eduard III., König von England 11, 400–402, 404, 407, 412, 413, 415, 422
Eduard Balliol 412, 413 Eduard Bruce 401 Egidio Spiritale 304 Eichstätt 491 Ely 406 Étienne Baluze 159 Étienne de Muret 142 Exeter 421
F Federico von Montefeltro 166 Ferrara 165, 288, 297, 319, 320 Fischelak 215 Florenz 110, 162, 167, 171, 172, 174, 272, 287, 288, 300, 312, 320, 385, 434, 435, 462, 516, 524 Floriano Villola 321 Fogliano 297 Formigine 317 Fortanerius Vassalli 72 Francesco di Ascoli 72, 497 Francesco Bedocii 160 Francesco di Marchia 9, 45–48, 53–55, 58, 64, 66, 68, 69, 72, 73 Francesco Scotti 327 Francesco Silvestri 292 Francisco de Terdona 511 Franciscus Accursii 44 Franciscus de Esculo 73 François de Conzié 504 François de Meyronnes 64, 67 Frankfurt 88, 95 Franziskus von Assisi 30–32, 41 Fréjus 246, 365, 397 Friedrich II., römisch-deutscher Kaiser 250, 263 Friedrich III., römisch-deutscher Kaiser 519
Orts- und Personenregister
Friedrich der Schöne, römischdeutscher König 82, 88, 189, 264, 267, 268, 345, 349, 371–376, 393, 468, 471, 479–481, 484, 487, 488 Friedrich III., König von Sizilien, 343, 345, 358, 362–373, 375, 376, 378–381, 391 Friedrich von Schärding 374 Fritsche Closener 478, 487–489, 499 Fritzlar 213, 214 Fulco de Popia 225, 226 Fulk von Villaret 124–126, 128
G Galeazzo Visconti 292, 295, 301, 484 Galhard de la Mothe 154 Garanachin 291 Gasbert du Val 316, 476 Gasparino Teopoldi 293 Gauscelin de Jean 154, 157, 159, 315, 397, 410 Genua 284, 289, 363, 381, 386 Gérald de Lalo 293 Gerald Odonis 45–48, 53–58, 64, 66–69, 71, 72, 413, 434, 435, 439, 441–443, 445, 449, 451, 461–465 Geraldus de Valle 214 Gerardus de Campimulo 224 Gerona 389 Giaccomo da Colonna 109, 110, 349, 374 Giacomo Alberti Giacomo Savelli 109 Gilbert de Middelton 410 Giovanni d’Andrea 312 Giovanni de Bonoldis 315 Giovanni Gaetano Orsini 162, 474, 502
539
Giovanni Morigia 292 Giovanni de Mussi 291, 313 Giovanni Villani 115 Giovanni Visconti 306, 327 Glasgow 413 Gloucester 405 Gottfried 480, 481 Granada 356–360, 379 Grandmont 122 Gratian 150, 151 Graziolo Bambaglioli 175, 176 Gregor I., Papst 26, 150 Gregor V., Papst 95 Gregor XI., Papst 185, 188, 196, 233 Gregor XII., Papst 187 Gregor XIII., Papst 181 Gregor von Lucca 27–34, 36, 38 Gualterio de Curte 312 Guglielmo de Rabiis 293 Guglielmo Rossi 297, 298, 299 Guglielmus Anglicus 169 Guido da Baisio 304 Guido Terreni 24 Guido di Valperga 311 Guido Vernani 21, 174, 175 Guillaume de Mandagout 152, 157 Guillaume Péllicier 123 Guillaume de Petrilia 314 Guillaume de Pierre Godin 21 Guillelmo de Cucurono 250 Guillelmus Dufuillot 225 Guillermus Destruchols 216 Guy de Chauliac 510
H Hagenau 468, 487 Halidon Hill 412, 413 Hamo Hythe 403 Hans Schiltberger 520
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Orts- und Personenregister
Heinrich VII., römisch-deutscherKaiser 79, 81, 82, 84, 108, 282, 284, 294, 298, 306, 309, 371 Heinrich XIV., Herzog von Bayern 473, 475, 477, 497 Heinrich VI., Herzog von Kärnten 478 Heinrich Bucglant 212 Heinrich von Diessenhofen 11, 467, 469–473, 475–478, 482, 484–486, 489, 498, 501, 502, 504–506 Heinrich von Jülich 224 Heinrich von Lucano 457 Heinrich Schenk von Reicheneck 491, 492, 498, 499 Heinrich von Talheim 432, 442, 461, 462 Heinrich Taube von Selbach 478, 489, 490–492, 498 Heinrich von Virneburg 219 Helia Fulcherii 216 Helion de Villeneuve 125, 127, 142 Henricus Johannis de Confluentia 212–214 Henri de Dampierre 306 Henri de Mesnils 127 Henry Burghersh 403, 415 Herbord von Simmering 479 Hereford 401, 402, 410, 415, 417 Hervaeus Natalis 20, 21, 167 Hieronymus 150 Hieronymus von Kaffa 457 Hostiensis 93, 152 Hugo de Engolisma 218 Hugo von Novocastro 64, 67 Hugues Géraud 157, 158, 159 Humbert de Romans 325
I Imbert du Puy 150, 154, 159, 160, 162 Innozenz III., Papst 41, 79, 83, 151, 152, 265, 275 Innozenz IV., Papst 84, 151, 276 Innozenz VI., Papst 187, 188, 195, 274 Irnerius 151 Isabella, Ehefrau von Friedrich dem Schönen 371, 372, 376 Isabella, Königin von England 400, 402–406, 414–422, 424 Isnardo Colleoni 326 Iulianus de’ Preunti 171
J Jaca 387 Jacobino Rangoni 297 Jacobus de Curte 312 Jacobus de Marchia 443 Jacobus Melioris 510, 511 Jacopo Gaetano Stefaneschi 218, 474 Jacopo de Strictis 314 Jacques Duèse (= Johannes XXII., Papst) 7, 44, 119, 145, 151, 156, 201, 279, 281, 306, 349, 395, 398, 501, 502 Jacques Fournier (= Bendedikt XII., Papst) 476, 503, 521 Jacques de Révigny 44 Jacques de Thérines 132–136, 142, 143, 145, 146, 148 Jacques de Vie 154, 157 Jakob II., König von Aragón 11, 345, 347–378, 380–393 Jakob von Oza 236 Jakob von Viterbo 20, 21
Orts- und Personenregister
Jean-Raymond de Comminges 154 Jesselinus de Cassanis 181 Joachim von Fiore 33 Johann von Luxemburg, König von Böhmen 317–319, 473, 497 Johann, Sohn von Jakob II. 389, 390 Johann von Diessenhofen 471, 479, 480 Johann von Durazzo 283 Johann von Viktring 478–482, 498 Johann von Winterthur 492–495, 499 Johann von Zürich 483 Johanna, Päpstin 442 Johannes Andreae 168, 169 Johannes de Arpadella 223 Johannes de Baune 433 Johannes Bessarion 438 Johannes Duns Scotus 44, 47, 49–52, 54, 57–59, 64, 68 Johannes von Jandun 100–102, 107, 111, 115, 489 Johannes von Parma 167 Johannes von Neapel 20, 21 Johannes de Warenna 215 John de Lilburn 410 John Droxford 415 John de Sandale 398 John Stratford 416 Jourdain de Rabastens 142 Justello de Curte 312 Justinian, römischer Kaiser 150
K Kairo 532 Karden 213
541
Karl der Große, Kaiser 32, 85, 90, 97 Karl IV., römisch-deutscher Kaiser 274, 318, 482, 492 Karl IV., König von Frankreich 281, 412, 414, 415, 417, 418, 421, 422, 484 Karl I., König von Sizilien-Neapel 310 Karl II., König von Sizilien-Neapel 395 Karl, Herzog von Kalabrien 172, 323 Karl von Valois 358, 377 Karl Robert, König von Ungarn 473 Katharina, Schwester von Friedrich dem Schönen 372 Koblenz 212 Köln 224 Konrad von Enslingen 479 Konrad von Megenberg 107 Konstanz 468
L Lambertus von Cingoli 171, 172 Landolfo Colonna 96 Landulph Caracciolo 64, 65, 68 Lanfranchino de Minutis 315 Laurentius de Choalono 448 Lellus 222 Leopardus Napoleonis de Fulgineo 214 Leopold I., Herzog von Österreich 422, 480, 481, 484 Le Puy 155 Lewis de Beaumont 402, 410 Lichfield 416 Limburg 213 Lincoln 403, 415, 419
542
Orts- und Personenregister
Lindau 492 Livy 23 Locarno 304 Lodi 306–309, 311, 312, 326, 327 Lombardino della Torre 287 Lombez 223 London 215, 399, 404 Lottus 223 Luca Fieschi 19 Lucas Alberegno 223 Lucca 354, 381 Ludwig der Bayer, römisch-deutscher Kaiser 10, 22, 44, 75–77, 83, 85–88, 90, 91, 93, 100–103, 107–116, 189, 200, 264, 266–268, 270–275, 281, 287, 300, 301, 303, 305–307, 309–311, 317, 324, 325, 327, 348, 351, 364, 366, 371, 373, 375–379, 385, 391, 393, 418, 419, 422, 428, 436, 440, 444, 445, 447–460, 462, 467–469, 471–473, 475, 478–492, 494, 496–499 Ludwig X., König von Frankreich 395, 414 Ludwig von Toulouse 395 Luther, Martin 199 Lyon 235, 247, 325, 349, 475
M Mailand 108, 110, 280, 282, 287, 289, 291–294, 300, 305, 306, 309, 314, 317, 326, 484 Mainz 219 Manfredo di Vico 109 Manfredino de Scurioni 306, 307 Mantua 172, 282, 297, 326 Marco Visconti 284 Marguerite Porete 27
Marquard von Randegg 472, 477 Marseille 246 Marsilio Rossi 299, 303 Marsilius von Padua 10, 43, 75–77, 91–108, 110–116, 313, 488, 489 Martinengo 291, 305, 326, 327 Martin V., Papst 194 Martin von Troppau 23 Martinus 151 Maschambronus de Maschambronis 215 Mastino della Scala 326, 335 Matheus Rosso Orsini 167 Mathias von Neuenburg 472, 478, 482–488, 493, 498, 499 Matteo da Monza 293 Matteo Riboldi 293 Matteo Visconti 282, 284, 292, 306, 479 Mensuratus 18 Mezerii, R. 251 Michael von Cesena 45–47, 70, 71, 131, 132, 136, 172–174, 428, 432, 434–438, 440–443, 446–451, 453–462, 494 Michael Stephani 268, 343 Michel de Bec-Crespin 225 Michel le Moine 129 Modena 282, 288, 297, 302, 317 Monselice 286 Montefiascone 233, 234 Montfavet 246 Montisregalis 291 Montpellier 17, 153–156, 159, 160, 162 Montpezat 414 Montpezat-de-Quercy 157 Monza 287, 291–295, 300, 303 Mortara 286
Orts- und Personenregister
Mühldorf 480 München 429, 432, 463 Muzio di Assisi 166 Muzio Beccaria 311
N Napoleone Orsini 89, 352–354, 373, 375, 378, 381, 385, 474, 475, 502 Narbonne 137, 433, 434 Neapel 215, 283, 309, 322, 323, 363, 380, 395, 406, 423 Nicholas Trevet 23, 24 Nicolaus de Atrio 218, 219 Nicolo, Notar 441 Nikolaus II., Papst 449 Nikolaus III., Papst 42, 128, 131, 141, 325, 352, 446–448, 452, 457 Nikolaus V., Gegenpapst 77, 114, 115, 481, 488, 491, 493, 497 Nikolaus von Freising 440, 441 Nikolaus von Lyra 24 Nikolaus Minorita 427, 429, 435 Nikolaus von Prato 441 Nocera 222 Norwich 406, 416, 420 Nottingham 404, 405 Novara 291, 317, 326
O Obizzo d’Este 165, 170 Odardo de Curte 312 Oldradus de Ponte 205 Opicino de Canistris 312 Orange 417, 421 Orlando Bandinelli 152 Orléans 17, 44, 146, 156 Orleton 402
543
Ostagio da Polenta 174 Ostia 109 Otto I., römisch-deutscher Kaiser 449, 519, 529 Otto, Herzog von Österreich 468, 471, 487
P Padua 155, 156 Palermo 366 Pampany 237 Pamplona 387 Paris 17, 27, 46–48, 53, 60, 74, 75, 100, 101, 223, 224, 318, 390, 395, 463 Parma 282, 284, 288, 289, 291, 295– 303, 308, 310, 317, 323–327 Passerino Bonacolsi 172, 297, 282 Paul II., Papst 195 Paulinus von Venedig 469, 470 Pavia 282, 291, 300, 306, 311–313, 317, 326 Perpignan 70 Perugia 169, 233, 318, 455, 457 Peter III., König von Aragón 361, 362, Peter IV., König von Aragón 345, 362, 376, 383 Peter von Aspelt 373 Peter Auriol 44, 45, 48, 60, 62–65, 67–69, 72 Petrarca 281, 321 Petro Andeberti 251 Petro de Podio 249 Petrus Brancacii 214 Petrus de Coruaria 378 Petrus von Herenthal 504 Petrus de Ixar 386 Petrus Johannis Olivi 9, 24, 26, 28–34, 37, 38, 40, 48, 59, 74
544
Orts- und Personenregister
Petrus von Kaiserslautern 437 Petrus Lombardus 47, 49, 60 Petrus de Luna 436 Petrus de la Palude 21 Petrus Piscis 232 Petrus von Prato 448 Petrus Raymundi 218 Petrus Vaurelli 214 Petrus de Via 246, 248 Philipp IV., König von Frankreich 263, 271, 361, 414 Philipp V., König von Frankreich 125, 140, 358, 414 Philipp VI., König von Frankreich 285, 318, 322, 469, 473 Philipp, Graf von Tarent 283 Philipp von Poitiers 395 Philippa, Ehefrau von Eduard III. 407 Pichilion 291 Pierre Ameilh 477, 509 Pierre Bertrand 150, 153, 154, 156, 163 Pierre de Cerdona 511 Pierre des Chappes 156 Pierre Déprez 149, 150, 154, 157, 158, 162, 215, 315 Pierre de Mailg 127 Pierre Marin 311, 316, 326 Pierre de Mortemart 153, 158, 315 Pierre d’Ongle 127 Pierre Roger (= Clemens VI., Papst) 41, 44, 46, 70–72 Pierre Tessier 154, 157, 158, 216 Pietro da Colonna 374 Pietro von Corvaro (= Nikolaus V., Gegenpapst) 113, 115, 306 Pietro della Gazzata 297, 302, 321 Pietro Tacula 307 Pietro Temacoldo 306–310, 326
Pilfort de Rabastens 154 Pino della Tosa 174 Piacenza 282, 286, 291, 292, 294–296, 301, 307, 310, 311, 313–316, 318, 319, 325–327 Pisa 109, 115, 287, 300, 320, 353, 354, 363, 371, 380–385 Pont de Sorgues 234, 235, 246 Pontius, Bischof von Barcelona 358 Pontius de Podiobarzaco 215 Porto 109, 397, 398 Prato 109 Prosper von Reggio Emilia 167, 168 Ptolomeus von Lucca 21–23
R Radulphus de Maleyo 225 Raimund Guilhem von Budos 398 Raimundus Singlerii 191 Ramon de Cardona 322 Ramón Muntaner 362, 376 Raymond de Mostuéjouls 154 Raymond de Roux 154 Raymund de Lados 448 Reggio d‘Emilia 288, 291, 295, 297, 299, 301, 302, 310, 317, 321, 323 Rhodos 124, 126–128 Richard von Bury 413 Riez 158 Rigaud de Asserio 403 Rimini 293 Rinaldo d’Este 165 Robert I., König von Sizilien-Neapel 79, 80, 82, 84, 108, 109, 128, 165, 272, 283, 284, 310, 322, 323, 360, 363, 365–372, 374, 379, 382, 383, 395, 406,
Orts- und Personenregister
422, 456, 473 Robert Bruce, König von Schottland 268–275, 398, 401, 410–413 Robert Baldock 416 Robert de Mauvoisin 158 Robert de Tanton 414 Robert von Virneburg 224 Rochester 403 Rodez 154 Roger Mortimer 400, 404, 405, 412, 421, 424 Roger de Northburgh 406, 416 Rolando von Pavia 312 Rolando Rossi 297, 299, 301–303, 327 Rom 7, 10, 12, 36, 95, 98, 107, 108, 110–113, 115, 151, 153, 160, 163, 178, 187, 200, 233, 234, 251, 281, 282, 289, 325, 377, 475, 496, 502, 525 Romano 291, 304 Romeo Pepoli 169, 170, 173, 176 Rouen 41 Roy Martin Haines 401 Rudolf von Habsburg, römischdeutscher König 482 Rudolf von Hohenberg 471 Rudolf von Montfort 468, 487 Ruggero de Cornu 315
S Saintes 223, 311 Saint-Gilles 126 Saint-Sardos 414, 415, 419 Sanchia, Ehefrau von König Robert von Sizilien 406 Sarlat 414 Sassari 383 Savona 377
545
Schaffhausen 492 Senigallia 293 Shenouda III., Papst von Alexandria und Patriarch von ganz Afrika 520, 532 Siena 170 Sigismund von Luxemburg, römisch-deutscher Kaiser 519, 527, 528 Simon Montagu 404 Sixtus IV., Papst 196 Smyrna 520, 530 Sondrio 305 Southwell 406 Spagnolo de Curte 312 Speyer 486 Spoleto 237 St. Andrews 413 Stephanus Gaetani 218 Stirling 398 Straßburg 483, 484
T Taddeo Pepoli 176 Tarascon 362 Tarragona 369, 373, 388 Temacoldo 311 Temperiis, L. de 187 Teruel 387, 388 Thaddaeus von Parma 171 Thomas de Aschele 160 Thomas von Aquin 17, 48, 49, 58, 59, 63, 67, 69, 141, 477, 479 Thomas von Canterbury 417 Thomas Cantilupe 410 Thomas Cobham 402 Thomas de Eugubio 222 Thomas von Lancaster 409, 410, 422, 423 Tibaldo di Sant’Eustachio 109
546
Orts- und Personenregister
Tino di Camaino 516, 524 Toledo 389, 390 Tolomeo Fiadoni 325 Tommaso de Curte 312 Tortona 291, 310 Toulouse 45, 47, 127, 146, 149, 153–157, 160, 162 Trient 108, 303 Trier 212–214
U Ubertino da Casale 112, 136 Ugolino von Celle 91 Ugolino Rossi 299, 301 Ulrich von Augsburg 496 Ulrich Hofmaier 496 Urban V., Papst 162, 183, 188, 190, 194, 246 Urban VI., Papst 163, 184 Urbino 248
V Valenza 291, 310, 317, 326 Vaprio 287, 292, 294 Velletri 109 Venedig 109, 195, 223 Vercelli 291, 317, 326 Verona 82, 282, 327 Versuzio de Landi 292 Vicenza 282, 327 Vidal du Four 161 Vidal de Villanova 350, 381, 382, 384, 387 Vienne 45, 47–49, 58–63, 65, 67, 68, 119, 129, 132, 133, 396, 402, 408, 409, 417, 480 Vigevano 304 Vincennes 156 Vitalis von Alba 457
Viterbo 233, 234
W Walram von Veldenz 486 Walter Langton 397 Wells 404, 415 Weston 420 Wien 527 Wilhelm von Alnwick 169 Wilhelm von Cucurono 235 Wilhelm von Granholis 235 Wilhelm von Ockham 22, 27, 43, 45, 46, 442, 463, 497 Wilhelm Testa 403 William Airmyn 416, 420 William of Laudun 26 William Melton 401 William de Weston 419, 421 Winchester 398, 402–405, 416, 418 Worcester 402, 404 Würzburg 518, 526
Y York 215, 216, 222
Z Zappolino 172 Zaragoza 386, 387