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German Pages 264 [268] Year 1876
Optimismus und Pessimismus, D e r Gfrang* der
christlichen Welt- und Lebensansicht
von
Dr. W. Gass.
B e r l i n . Druck und Verlag von G e o r g Reimer.
1876.
Welt- und Lebensansicht sind Lieblingsworte unserer Zeit; die Wissenschaft überlässt sie dem Tagesgespräch und den Zeitungen, aber sie wird zuweilen genöthigt, auch diese weitschichtigen Namen in ihrem eigenen Interesse strenger und gründlicher zu handhaben. Für mich ist es ergreifend gewesen, unter dem Eindruck des neuesten pessimistischen Streits die Weltanschauung der Vergangenheit wieder lebendig werden zu sehen. Ich versuchte es, ihr und ihren Wandelungen nachzugehen, und habe erfahren, dass es nichts Anregenderes giebt, als von einem Gesichtspunkt der Gegenwart aus die Reihe der Jahrhunderte zu durchwandeln. Denn dabei ergeben sich immer eigenthümliche Zusammenhänge, und selbst allbekannte Erscheinungen gestatten eine neue Beleuchtung. So ist diese Schrift entstanden. Ihre Absicht geht dahin, den erwähnten Verhandlungen einen historischen Hintergrund zu geben, um sie dadurch fruchtbarer zu machen, als sie durch blosse Vergleichung oder Entgegensetzung allgemeiner Gedanken werden können-
IV
Der grösste Theil der folgenden Blätter gleicht daher einer religions- und
culturgeschichtlichen
Uebersicht
innerhalb der durch das T h e m a bezeichneten Grenzen. Nur die letzten Abschnitte sind der P r ü f u n g des modernen Pessimismus gewidmet, denn diese durfte nicht unterlassen jener
werden,
obgleich
andere Z w e c k
sie m i c h ,
hinzugekommen,
wäre nicht
für sich allein
noch nicht zum Schreiben würde bewogen haben. Nach dieser Seite spreche ich hiermit mein Verständniss des christlichen Wesens und zugleich mein eigenes Lebensgefühl
aus
und füge kein
Wort zur
Vertheidigung hinzu. Dagegen will ich zwei andere Bemerkungen nicht zurückhalten.
Ein Gegenstand wie dieser fordert eine
möglichst weite Umschau und verdient unstreitig auch vom umfassendsten
welthistorischen
Standpunkt
aus
in's A u g e gefasst zu werden, und in gewissem Grade mag
dies schon jetzt möglich
sein.
Ich selbst bin
im Wesentlichen innerhalb der Christenheit stehen geblieben, durch
mein Studium
schränkung auferlegt.
sah ich mir diese Be-
Die Universalität,
deren ich
bedurfte, suchte ich auf dem christlichen Boden, der ohnehin, wie ich zu meinem Tröste sagen darf, auch für eine andere A r t der Behandlung immer der wichtigste bleiben wird.
Sodann wolle der Leser beden-
ken, welche A r t der Bearbeitung die
allein
geeignete
war.
für meine A u f g a b e
Dogmen
haben
in
der
Schäl fe ihrer Formen eine Selbständigkeit, welche es erlaubt, sie wie eine Sache für sich historisch fortzuleiten ; auch Cultus und Verfassung lassen sich noch
V
mit Sicherheit herausheben.
Hier dagegen war nicht
Ausscheidung, sondern Anknüpfung und Combinätion erforderlich.
E s handelte sich um einen viel weiche-
ren Stoff, der Lehre und Leben, Literatur und Sitte berührt,
um Stimmungen, welche zwar in
charaktervollen
Zügen
an's
Licht treten,
dadurch Bedeutung gewinnen, aus
einem
sind.
Ganzen
Es
schien
und
daher
einzelnen aber
erst
dass sie
nachweislich
Gemeinsamen
entsprungen
nöthig,
einiges
Material herbeizuziehen, nicht zu viel,
historische
um nicht den
W e g zu verlieren, nicht zu wenig, um des allgemeineren Verbandes gewiss zu bleiben. und dogmatische Entscheidungen
Auch Theorieen
mussten einige Mal
benutzt werden, aber lediglich soweit in ihnen religiöse
und
kommt.
Nur auf diese Weise konnte
sittliche
das christliche Gottesstehen, liches auf
wie
es
sich
Bewusstsein
Ausdruck
es
gelingen,
und Selbstgefühl so zu anfänglich
als ein
schwierigen einer
Pfaden
in
die
Welt und für sie einzudringen. der Zusammenschau, Maassbestimmung, mir
Mittel
bildenden Wirksamkeit
ver-
ausserwelt-
und überweltliches ausgeprägt hat, um
gungen
was
zum
das
und
dann Bedin-
innerhalb
der
E s war eine Arbeit
aber auch der Gestaltung und
die Mühe gekostet h a t , und eben
schwer geworden,
Liebsten vor der Kritik
darin
bestehen.
möchte
ich
am
Die Eigenart
des
christlichen Geistes verleugnet sich auch nach dieser Richtung
nicht; um so wichtiger ist
dessen ganze Beweglichkeit mit
dessen
Fähigkeit,
den
es,
dass
auch
offenbar werde, und sogrossartigen
Gang
der
VI
Menschengeschichte mitbestimmend zu begleiten und dem fortschreitenden Wechsel der Zustände und Bildungsformen sich förderlich anzuschliessen. Auf diese Erkenntniss gründet sich das Vertrauen, ihm auch fernerhin anzugehören. Heidelberg im November 1875.
Dr. W. G a s s .
U e b e r s i c h t des I n h a l t s .
Seite.
I.
Vorbemerkungen.
E r k l ä r u n g der beiden
und A n w e n d u n g auf den G e g e n s t a n d .
Namen
Genauere Bestimmung
der A u f g a b e II.
'•
Biblische
hältniss
Anschauungen.
zum Hellenismus
und
Z u n ä c h s t im
Orientalismus.
*—
7
Ver-
Standpunkt
des Alten T e s t a m e n t s , die L e b e n s a n s i c h t e n der B ü c h e r H i o b 7
und K o h e l e t h
~
1 5
Der G r u n d t o n des Evangeliums, friedlicher Charakter und eintretender Gegensatz.
Das Gottesreich im Vergleich
W e i t . — W i e stellen sich die Briefe? den
Begriffen AVeit, Fleisch,
Paulus
Natur
und in den übrigen Briefen.
zur
Die Amphibolie in und
Schöpfung
nach
E s ergeben sich A n -
knüpfungen für die historische Entwicklung III. Die
15—39
Gemeinde und Kirche a u s s e r h a l b der Welt.
Weltreligion
als
weltverachtend.
Die
Gemeinde
und
die Anschauungen der Apologeten. I d e a l i s m u s und Optimismus im B e k e n n t n i s s . tische mus.
Tendenz.
Daneben
Gnostlcismus,
die asketische Montanismus
und antitheund
Chilia-
Die altkatholische K i r c h e . Die Materialien der T h e o -
dicee und Origenes
39—61
VIII Seite.
IV.
Die Kirche
verbunden
mit
der Welt.
Ein-
führung d e r s e l b e n in die W e l t durch A u f h e b u n g der F e i n d schaft.
V e r b r e i t u n g , L i t e r a t u r und T h e i l n a h m e an den Cul-
turaufgaben. keiten.
Die
weltlichen
Bande
und
deren
Schwierig-
D e r vorhandenen U n l a u t e r k e i t s t e l l t sich das M ö n c h -
thum e n t g e g e n . D i e e r w e i t e r t e W e l t a n s i c h t wirkt v e r s c h ä r f e n d auf das
Sündenbewusstsein,
und O p t i m i s t z u g l e i c h . V.
Die
Kirche
des Mittelalters.
daher Augustin
als
Pessimist
D e r G o t t e s s t a a t und die T h e o d i c e e über
der
Welt.
61—82
Pessimismus
A l l g e m e i n e s ü b e r den G e i s t d e s Z e i t -
a l t e r s u n d der K i r c h e n h e r r s c h a f t . V ö l l i g e S p a l t u n g des K l e r u s und L a i e n t h u m s . lichen
D i e S c h o l a s t i k als G e g e n s a t z zu den wirk-
Zuständen
wird
ersichtlich
aus
den
Theorieen
der
V e r s ö h n u n g und T h e o d i c e e
82—92
A u s der s i t t l i c h e n N i e d r i g k e i t und Z e r r i s s e n h e i t d e s Zustandes
entspringen
die S c h m e r z e n s l a u t e .
T h r ä n e n t h a l , I n n o c e n z I I I . und
n ä c h s t e n J a h r h u n d e r t e schaffen Milderung. wird zur G e l d f r a g e .
Das L e b e n
der c o n t e m p t u s mundi.
als Die
Die Kirchenfrage
L e b e n s a n s i c h t des T h o m a s von K e m p e n
und S a v o n a r o l a VI.
92 — 1 1 6
D i e R e f o r m a t i o n a l s W e l t v e r s öh nu n g .
formatoren
und O o n f e s s i o n e n .
und v e r t i e f e n d e T e n d e n z
Re-
Reinigende, erweiternde
der R e f o r m a t i o n .
Der Werth
der
A d i a p h o r a , die B e r e c h t i g u n g des Creatürlichen und das neue V e r h ä l t n i s s zum S t a a t und zur W e l t
116 — 121
L u t h e r s B e k e n n t n i s s e ü b e r W e l t - und L e b e n s g ü t e r n e b e n der v e r s c h ä r f t e n S ü n d e n l e h r e , s e i n e H e i t e r k e i t und T r a u r i g keit.
Calvin, M e l a n c h t h o n , Zwingli als P e r s ö n l i c h k e i t e n .
D e n k a r t und Differenz der O o n f e s s i o n e n .
Die
D e r P i e t i s m u s und
die H e r r n l i u t e r VII.
Der
nehmende
121 — 135 neuere
Friedlichkeit,
Optimismus. Duldsamkeit
Leibnitz. und
Zu-
Glückseligkeit.
L e i b n i t z als EröfFner d e s neuen Optimismus und s e i n e L e h r e , gegen Bayle
135 — 146
IX Stile.
Aehnliche Gegensätze in a n d e r e n L ä n d e r n . r e i c h Montaigne und Charron als P e s s i m i s t e n
In F r a n k dann
Male-
branche als Optimist. P a s c a l . U e b e r g a n g zur Weltlichkeit und V o l t a i r e ' s Candid. — In E n g l a n d die beginnende H e r r s c h a f t d e s Empirismus.
Der P l a t o n i k e r Cudworth.
S h a f t e s b u r y als
V e r t h e i d i g e r der Fröhlichkeit in d e r Religion verglichen mit Hurae
146—156
V I I I . D i e A u f k l ä r u n g a l s P Iii l o s o p h i e u n d T h e o logic.
Welt,
Natur,
Leben
im L i c h t e
der Befriedigung.
Wolf und seine N a c h f o l g e r , die A u f k l ä r u n g als E r h e i t e r u n g n a c h g e w i e s e n au der P o p u l a r p h i l o s o p h i e eines Gottsched und Weishaupt.
Der
Intellectualismus
der
Glückseligkeit
zu-
rückgewiesen von Katit, dessen Abhandlungen zur T h e o d i c c e H i s t o r i s c h e Vertiefung des H u m a n i s m u s durch H e r d e r
Da-
zu a u f k l ä r e n d e V e r ä n d e r u n g e n in der Theologie, S a t a n , E r b s ü n d e und ewige V e r d a m m n i s s IX.
mistischer Gegendruck. d e r n e r sei? nimmt
156—173
Die ästhetische Glückseligkeit. Die Ideen
die P o e s i e
Ein pessi-
Ob der N a t u r g e n u s s
der Naturphilosophie.
die F ü h r u n g
zum Guten
und
S t i m m u n g und Geist der klassischen D i c h t e r , G ö t h e und die Romantiker.
ein mo-
Jetzt
über-
Wahren
Schiller
und
Der ästhetische Eudämonismus
wird überspannt, daher nöthige Z u g e s t ä n d n i s s e an den P e s s i mismus X.
173—188 Das
XIX.
Pessimismus.
Jahrhundert
und
Allgemeiner C h a r a k t e r
Verhältuiss zum vorigen.
der
moderne
deB Zeitalters und
Das W a c h s t h u m der p r a k t i s c h e n
Interessen und zunehmender Realismus. Die ßliithe der historischen
und naturwissenschaftlichen Studien.
Die W e n d u n -
gen der Philosophie, F i c h t e , Schölling und Hegel.
Die theo-
1 ogische Weltansicht nach Schleiermacher, ihr g e g e n ü b e r die neueste
der N a t u r w i s s e n s c h a f t .
D a s P r i n c i p des Monismus
und dessen A u s b e u t u n g , G e f a h r e n des E m p i r i s m u s und Materialismus. — W e l c h e s
sind
modernen P e s s i m i s m u s ? Gass,
Ujitiniismu.s mxl I'essiinisinus.
die A n k n ü p f u n g s p u n k t e
des 188—208
X Seite.
XI.
Portsetzung.
und T a u b e r t .
Schopenhauer,
Harttnann
Die pessimistische W e l t a n s c h a u u n g
Schopenhauer begründet,
von Harttnann
durch
systematisch
aus-
geführt XII blick
auf
2 0 9 - 242 Z u s a i n m e n f a s s u n g und Sch l u s s s ä t z e . den
bisherigen Gang.
Rück-
Nochmalige Analyse
des
P r o b l e m s u n d G r ü n d e für d a s höhere R e c h t des Optimismus. Schlussthesen
242—254
Optimismus und Pessimismus,
T.
Vorbemerkungen. Der N a m e O p t i m i s m u s , d u r c h L e i b n i t z
in die L i t e r a t u r
g e f ü h r t , b e z i e h t sich n a c h dem jetzigen S p r a c h g e b r a u c h
ein-
nicht mehr
a u f ein einzelnes p h i l o s o p h i s c h e s o d e r t h e o l o g i s c h e s S y s t e m u n d die in d e m s e l b e n d u r c h g e f ü h r t e L e h r e von d e r G ü t e d e r W e l t u n d
von
ihren heilsamen Zwecken, sondern dient auch häufig n u r zur Bezeichn u n g einer vorwiegend heiteren und hoffnungsvollen Lebensansicht, w e l c h e r e i n e a n d e r e h a r t e u n d d ü s t e r e als P e s s i m i s m u s
gegenüber-
s t e h t . Soviel ich finden k a n n , ist der l e t z t e r e A u s d r u c k e r s t in u n s e r e m J a h r h u n d e r t gebräuchlich geworden. ist es n i c h t g e r a d e nötliig, die
angegebenen
denken;
Bei d i e s e r
Verallgemeinerung
sich b e i d e D e n k a r t e n , d a m i t sie u n t e r
Katcgorieen fallen,
in
äussersler Steigerung
d e r S u p e r l a t i v der B e n e n n u n g , d e r mit d e m
zu
historischen
U r s p r u n g z u s a m m e n h ä n g t , h a t in u n s e r e r R e d e oft n u r den W e r t h eines Comparaliv
und Positiv,
da wir
bei d e r A n w e n d u n g
dieser
Namen nicht immer extreme Standpunkte vor Augen h a b e n ,
son-
dern nur solche,
ein-
ander
entfernen
d a s sie sich schieden
die sich können,
nach
auch gradweise
nähern
oder von
die a b e r doch d u r c h d a s
entgegengesetzten
Seiten
Uebergewicht,
geben,
deutlich
ge-
bleiben.
Das geistige A u g e theilt mit d e m
leiblichen
die
Gradverhält-
n i s s e d e r S c h ä r f e u n d T r a g f ä h i g k e i t , a b e r i n d e m es sich die Dinge verdeutlichen will,
e n t s i e h t zugleich d a s B e s t r e b e n ,
sie i h r e r
n a c h zu v e r s t e h e n , zweckvoll zu b e t r a c h t e n u n d n a c h d i e s e r
Art oder
j e n e r R i c h t u n g zu v e r w e r l h e n ; d a r a u s e r g i e b t sich e i n e B e l e u c h t u n g , die n i c h t e b e n s o gewiss ist wie d e r G e g e n s t a n d s e l b s t . demselben Individuum
kann
diese A u f f a s s u n g d u r c h
Gass, OpUiui-smus und P^i^iiiii.^uiud.
Schon den
1
T
bei
W echsel
2 der Stimmungen modificirt w e r d e n ,
noch m e h r bei
verschiedenen
vermöge der Ungleichheit der Anlage und des subjectiven Interesse's. Hell u n d dunkel, Licht und Schatten, Gunst und Ungunst, F r e u d e u n d Leid, H e m m u n g und F ö r d e r u n g sind Gegensätze, nach welchen ein Angeschautes sich in uns abspiegelt, aber die Veranschlagung u n d Vertheilung derselben wird auch durch unsere eigene Empfindungsweise mitbestimmt. trüben
Farbengebung
Je n a c h d e m
uns
wir unserer E i g e n t ü m l i c h k e i t nach neigen,
werden
finden.
Zwar die ganz einfachen
zwingend
und
sich
nicht
zuwenden,
je
zur E u k o l i e o d e r
auch j e n e a n d e r e n lassen
wir der heileren oder d e r
bereitwilliger
Namen
auf u n s
nachdem Dyskolie
Anwendung
u n d starken Eindrücke umdeuten,
so
wirken
wenig
als
ein
schriller Welieruf für einzelne Ohren den Klang einer Segensstimme annehmen kann;
aber diese durchschlagenden
Laute haben
Menge von weniger grellen Mitteltönen zwischen die ungleich
in der Menschenbrust wiederhallen
eine
u n d neben
sich,
und darum
auch
den Eindruck d e r Harmonie oder Disharmonie des Ganzen f ü r sie beeinflussen.
Man s a g t ,
der Barometer sei im Steigen begriffen,
sobald die Oberfläche des Quecksilbers sich wölbe; Wölbung
bereits
eingetreten
sei
oder noch
schwer zu s a g e n , und d e r W u n s c h kann
nicht,
aber ob diese ist
zuweilen
dabei in's Auge
treten.
Noch weit m e h r unterliegen die kleineren u n d doch nicht
gleich-
gültigen Uebergänge einer geistigen Bewegung dein Schicksal, ungleicher Himmel
Weise
erregt
nur
abgeschätzt ungewisse
zu
werden.
Aussichten
Ein für
in
halbbewölk ler
das Morgen,
der
Name Lauf der Welt verbindet sich mit u n g e f ä h r e n Vorstellungen; da n u n j e d e r grossen Anschauung weltlicher Veränderungen
und
menschlicher Zustände Einiges von dieser unbestimmten und d a r u m sehr d e u t b a r e n Grösse beigemischt i s t : so werden d a d u r c h
auch
die im Einzelnen sicheren Ziige allgemeiner Lebensbilder einer a b weichenden B e u r t e i l u n g
ausgesetzt.
Niemand bestreitet, dass diese Abstufungen wirklich auf eine qualitative Verschiedenheit der Neigung u n d des geistigen Sehverm ö g e n s zurückweisen, u n d zwar ist die Differenz eine naturartige, die durch Bildung u n d Gesinnung zwar gemildert, aber nicht a u s -
3 gelöscht
wird.
menschliche
Wir
sind
längst
Nothwendigkeit
g e w ö h n t und s u c h e n
an
einer
die
Berechtigung,
solchen
j a an
doppelten
von ihr V o r t h e i l zu z i e h e n .
die
Spiegelung
Wenn
eine
be-
d e u t e n d e A n g e l e g e n h e i t von zwei G e s i c h t s p u n k t e n
aus und
gleich-
sam
uns
Augen
durch
tritt:
so
welches mögen
die sie
finden. und
zweierlei
Perspective
wiedergegeben
s c h e i n t dies den Nutzen Gestalten
dann sie
lebensvoller
auch
Nun g i c b t
Leben,
eines Stereoskops
erst
in
es a b e r
sind
der
und
uns
vor
zu
plastischer
selber
ihre
gewähren, hervorhebt,
letzte
Erklärung
keine breitere Angelegenheit unerschöpfliche
Gegenstand
als des
d e n k e n s , und i h r e r e a l e und ideale W a h r h e i t d a r z u s t e l l e n , endliche A u f g a b e
der Historiker,
Denker
und D i c h t e r .
die
Und
farblos sollen sie i h r e B i l d e r e n t r o l l e n , l i e b e r wird ihnen ihr eigenes Lieht z u v e r s i c h t l i c h
voranzutragen,
Dichter,
der geistigen W e l t , und diese b e w e i s t n u r i h r e n sie
einer
umfassenden
nicht
sei es a u c h ein
metscher
wenn
und
un-
gestattet,
seitiges.
Reichthum,
Geschichtschreiber
Welt Nach-
Philosophen
ein-
sind
Dol-
eigenen
Gebirgsaussicht
ähnlich,
die sich erst vollständig entfaltet, indem sie am Morgen und A b e n d , bei vollem und bei g e b r o c h e n e m S o n n e n l i c h t z u m B e s u c h —
ebenso ihre B e w o h n e r
Umstünden
begleiteter Untersuchung
Handelt es sich
nur d a r u m ,
auffordert.
diese D i v e r g e n z e n
wiederkehrende Thatsache nachzuweisen
Seienden von
diesem
sprochen.
festgehalten.
handelten, Historiker
Tacitus, o b sie
Sphäre
o d e r des W i r k e n d e n
Gibbon
Menschengeschichte kuräer,
die P l a t o
und B y r o n
Ilerodot,
oder
und
Lebensgefühl
Thucydides,
wohl danach in
Leibnitz
Livius,
unterscheiden,
und die
und K a n t ,
gruppirt w e r d e n ;
es
sie
ausge-
ähnlicher
und
die S t o i k e r
des
indem
leisten,
Spinoza,
verglichen
Verkündiger haben,
Beurtheilung
Vorschub
erund
niederschlagenden
und A r i s t o t e l e s ,
die H u m e ,
grossen
eigenstes
u. A. lassen sich
einer erhebenden
könnten
ihr
eine stets
d e r individuellen
und G e s c h e h e n e n
auch wie
Alle
als
und mit B e i s p i e l e n zu
läutern : so w e r d e n wir d u r c h a u s i n n e r h a l b subjeeliven
einladet,
zu o f t m a l i g e r u n d von e n t g e g e n g e s e t z t e n
wäre
der
Weise Epi-
die G ö t h e eine
psy-
c h o l o g i s c h - i n t e r e s s a n t e Mühe, o b g l e i c h für sich allein eine u n f r u c h t 1*
4 bare, welche der Skepticismus f ü r sich ausbeuten w ü r d e .
Unsere
Aufgabe k a n n
voraus,
dabei
nicht
dass Optimismus und
stehen
bleiben.
Pessimismus auch
Wir
setzen
ein o b j e c t i v e s
Recht
haben, dass sie sich gegenseitig b e s c h r ä n k e n d , ablösend und steigernd als allgemeine Wahrheiten und Wirkungen die J a h r h u n d e r t e durchwalten und in das Gesammlbewusstsein e i n d r i n g e n , in den Weltmächten
selber Gestalt gewonnen h a b e n .
es aber keine
grössere Weltmacht als die Religion,
christliche,
welche
keine blosse W e l t m a c h t
allen berufen, ihr Zeugniss a b z u g e b e n , Frage h e r a n , einnimmt.
welche Stellung sie
Aufschluss g e b e n , diese schon sein,
die
ziehen.
ist;
erwähnten
darüber
religiösen
und
sittlichen
giebt die
sie ist
vor
keinen
Denkweisen
hinreichenden
auch nicht allein sittliche G r u n d s ä t z e ,
eher in Betracht k o m m e n ,
Christenthums,
Nun für uns
an sie treten wir mit der
zu den
Blosse Dogmen können
dass sie
sondern
Motive
obgleich
es wird
und
nöthig
Maassstäbe
des
die sein Weltleben b e d i n g e n , in U n t e r s u c h u n g zu
Die B e a n t w o r t u n g selber kann natürlich auch in systema-
tischer
Weise
unternommen
werden,
und
dazu bietet theils
die
Ethik theils die Darstellung vom Wesen des Christenthums Gelegenheit 1 ).
Wir haben der Form einer historischen E r ö r t e r u n g deshalb
den Vorzug g e g e b e n , weil uns d a r u m des c h r i s t l i c h e n staltungen
nach
Geistes
und
der Folge
zu thun
war,
den
Gang
dessen f o r t s c h r e i t e n d e
der Zeitalter zum
Verständniss
Gezu
bringen. Zunächst wäre nochmals zu s a g e n , Namen
für
uns
bedeuten.
Einfache
was die
und
vorangestellten
feststehende
Grössen
werden nach ihrem Inhalt, bewegliche und zusammengesetzte nach ihren
summarischen
Verhältnissen
beurtheilt.
Durch
Vor-
und
Rückschau wird eine Uebersicht e r r e i c h t , und wer das Bediirfniss h a t , diese mit Hinweisung auf ein glückliches Resullat, also
ver-
trauensvoll abzuschliessen, m a g er dabei an Hoffnung o d e r Besitz oder an Widerpart ' ) Unter
Beides d e n k e n ,
muss O p t i m i s t
erklärt sich alsdann den
neueren
interessanten
Moraltheologen
Abschnitt gewidmet.
genannt
von selbst. hat
Martensen
werden,
sein
Der Eine m a g
sich
unserem
Thema
C h r i s t l i c h e E t h i k , I, S. 2 3 0 f f .
einen
5 d u r c h seine Auffassung bis zur oberflächlichen Schönmalerei
und
zum
und
Leichtsinn,
der. Andere
Verkleinerungssuchl
hinreissen
zur k r a n k h a f t e n Düsterseherei lassen.
Beide halten sich,
ihr Urlheil ü b e r h a u p t einen bestimmten Ausdruck e r l a n g t ,
soweit an die
Beschaffenheit des Weltlichen, an Zustände, Erfolge und Aussichten, u n d wir haben zu e r w ä g e n , nach welcher Seite ihnen dabei die christliche Religion
in der Gestalt einer
Lebensansicht entgegenkommt.
allgemeinen Welt-
und
Verhält sie sich zu diesen Einseitig-
keiten der Beleuchtung etwa neutral,
oder wenn dies nicht
Kall sein k a n n , welchem Standpunkt rückt sie n ä h e r ? Licht oder welchen Schatten verbreitet sie ü b e r die
der
Welchcs
menschlichen
Angelegenheiten, welches natürliche und sittliche Lebensgefühl hat sie in
sich g e n ä h r t oder aus sich erzeugt und
durch
den Gang
ihrer Entwicklung begünstigt, und wenn wirklich beide Richtungen in ihr Spielraum gewonnen h a b e n , wie vertheilen sie sich, welche erscheint als die vorzugsweise berechtigte und gebende?
Damit sei die Frage formulirt,
stehende Untersuchung anzuknüpfen h a t ?
an
und
ausschlag-
welche die
nach-
Nicht der Ursprung des
Christenthunis allein, auch dessen Gcschichte als die reichste Auslegerin seines Wesens möge darüber Aufschluss geben. Optimistischen Zweck nur
und
eine
dessen
Gegentlieil
kann
daher
gewisse Art der Schätzung uud
für
Mit dein unseren
Nichlsehälzung
des Irdischen genieint sein, folglich etwas ganz Allgemeines Qualitatives,
und
womit nicht geleugnet wird, dass noch eine a n d e r e
und speeiellere Beziehung möglich ist.
Denn auch die B e u r t e i -
lung des persönlichen Handelns unterliegt oft genug den Einflüssen einer vorauswirkenden
Gunst oder U n g u n s t ,
und
wer
von
vorn
herein gestimmt ist, einer ihm fremden Handlungsweise schlechtere oder bessere Motive unterzulegen, kann ebenfalls Pessimist Optimist g e n a n n t werden.
Dasselbe gilt von
Parteien,
uud
oder wir
werden Gelegenheit h a b e n , auch diese zweite A n w e n d u n g zu berücksichtigen. Uebrigens sei erinnert, dass die erste Ueberschrilt dieser Abhandlung d u r c h die zweite ergänzt wird; d u r c h j e n e Namen
soll
keineswegs der ganze Inhalt des Folgenden umgrenzt werden, wir
6 bedienen welche
uns die
derselben
zu
gebende
nur
als
-wichtiger
Charakteristik
Gesichtspunkte,
abschnittsweise
auf
zurück-
weisen wird. Ihrem Wesen nach kann die Religion niemals schlechtweg den Erfahrungen der Traurigkeit zugehören, sonst würde sie gar nicht als menschliches Bedürfniss ergriffen, noch als theures Eigenthum überliefert sein.
Immer behauptet sie von sich, aus der Höhe zu
stammen und Kunde zu geben von einer Region, aus welcher die Macht und Entscheidung, aber auch die Hülfe kommt.
Von Furcht
und Resignation allein lebt sie nicht, denn das Göttliche, mittheilt oder darstellt,
das sie
kündigt sich als ein Vollkommneres
an
gegenüber dem Irdischen, aber sie kann nicht umhin, auch dieses Letztere zu sich selber in eine Beziehung zu setzen, die ihm einen Werth verleiht.
Natur und Welt und menschliche Erlebnisse lässt
keine Religion von der in ihr selbst enthaltenen Causalität ganz unabhängig sein, sie ist jederzeit genöthigt, unter die Wirkungen, die von dieser auf jene übergehen, auch wohlthätige aufzunehmen. Unter dieser Voraussetzung wird das Göttliche geglaubt, der Antheil an ihm soll unter Bedingungen auch befriedigen und beglücken, und dazu eben liefern irdische Stoffe das Medium ').
Mögen ein-
zelne Religionen sich meist aus schreckhaften Eindrücken zusammensetzen, an Einer Stelle müssen Segen denn
für diesen
hat
und Trost
jede Religionssprache
durchbrechen,
einen
Wortvorrath.
Ebenso wenig kann das Christenthum in einen allgemeinen Pessimismus auslaufen, seine Signatur ist längst darin gefunden worden, dass es sich über die sehnsuchtsvolle Düsterkeit des Orientalismus erhebt, aber auch über die leichtsinnige Heiterkeit des Hellenismus und den Tugendstolz des Römerthums.
Christliche Gedanken um-
spannen und überfliegen das Universum, um nach der Richtung des Aufgangs und des Niedergangs eine freie Aussicht zu eröffnen. Die Frage nach dem Woher und Wohin fordert die gleiche Auskunft, die Eine Macht des Ursprungs soll auch als das wahre Ziel ') R o s e n k r a n z , m u s bei E r s c h der Welt.
n o c h w e i t e r g e h e n d , b e h a u p t e t s o g a r in d e m Artikel O p t i m i s und G r u b e r ,
k e i n e Religion
bezweifle
die
Vollkommenheit
7 a n e r k a n n t w e r d e n , in welchem zuletzt alles Zeitliche endet.
Zwischen
diesen äussersten Punkten d e h n t sich eine unendliche Fläche aus, und auf ihr r u h e n allerdings die schwersten, a u s Welt- u n d Naturund
Willensstoff
aufgehäuften
Wolken;
aber
eine
offenbarende
Thatsache hat sie gelichtet, und wie sie nicht aus s t a m m e n : so können sie auch f ü r die Religion, und Liebe nicht undurchdringlich wollen ja hier
keine Antwort
Reihenfolge der Abschnitte, theilt h a b e n ,
sein.
Doch g e n u g !
vorwegnehmen.
u n t e r welche
dein
wir
keiner Rechtfertigung, sie ergiebt
Ewigen
d. h. f ü r Glaube denn
wir
Auch bedarf
die
unseren Stoff v e r sich aus der von
uns gewählten historischen F o r m von selbst.
II.
Biblische Anschauungen. Das vorchristliche Alterthum bildet einen Kreis f ü r sich, aber es hat die B e s t r e b u n g e n , poetisch
deren es Uberhaupt fähig w a r ,
und philosophisch
in
fast
erschöpfender
religiös,
Vollständigkeit
dargelegt als Hoffnung u n d F u r c h t oder Verzichtleistung, als Leichtsinn u n d Sinuenlust wie als unerschütterliche Ruhe, als Sehnsucht nach der höheren Stufe der Gottähnlichkeit wie als oberflächliche Hingebung an die E r s c h e i n u n g e n , als Idealismus und
Empirismus,
Stoicismus u n d Epikuräismus, endlich als ernstes Interesse an dem Wirklichen im Sinne des A r i s t o t e l e s , der das Leben w e d e r verschmähen noch zu einer e r t r ä u m t e n Vollkommenheit e m p o r s c h r a u b e n , s o n d e r n gelten lassen will als das was es ist, ohne einen u n a u s f ü h r b a r e n Maassstab mitzubringen.
Die Bestimmung des
Lebenszwecks fällt entgegengesetzt a u s ,
hiernach
höchsten
vertheilen
sich
die griechischen Philosophenschulen in zwei Gruppen, auf der einen Seite
die E p i k u r ä e r
und
Skeptiker,
auf
der
anderen
die
Pla-
toniker, Stoiker, Neuplatoniker, in einer gewissen Mitte, doch den Letzteren a n g e n ä h e r t Aristoteles; von j e n e n wird die schwache u n d f u r c h t s a m e , von diesen die starke Gesinnung vertreten.
Der Epi-
8 k u r ä e r hält sich an die Lust u n d v e r w e n d e t alle Mühe darauf, sie mit einiger Tugend
zu v e r k n ü p f e n ; der Stoiker
e r h e b t sich ü b e r
F r e u d e und Schmerz zu einer leidenschaftslosen F a s s u n g ,
er will
n u r sich selbst und seiner Pflicht a n g e h ö r e n , m a g auch Alles u m ihn her u n t r e u w e r d e n , und da ihm seine Standhaftigkeit Entsagungen a u f n ö t h i g t : so scheint er sich statt des W o h l g e f ü h l s gerade die Härte
des Menschenlooses
Stellung die besser gesicherte. Gefahr, dem Uebel,
das er
aufzuerlegen.
Dennoch
ist
seine
Denn j e n e r Andere bleibt ewig in
flieht,
selbst anheimzufallen; was er
sucht, erreicht er n i c h t , seine Moral wird zur klugen
Berechnung
der Umstände, und abhängig von dem Zufall der Genüsse wird er durch keinen Glauben an eine h ö h e r e Leitung der Dinge aufrecht erhalten, w ä h r e n d der Stoiker sein eigenes Pflichtprincip schon in den Einrichtungen d e r Natur vorgezeichnet findet u n d alle Schicksale aus einem göttlichen Walten innerhalb des Universums herzuleiten
bereit
ist.
Dem
ersteren S t a n d p u n k t
unmittelbar n a h e , der sich freilich, auch dem a n d e r e n zugesellen k a n n . satz- nicht genau d e m j e n i g e n ,
liegt der
wie reichlich
Egoismus
geschehen
ist,
Auch entspricht dieser Gegen-
der uns hier beschäftigt.
Aber
es
erklärt sich doch leicht, dass und w a r u m man später die Epikuräer, weil sie in u n f r o m m e r Selbstgenügsamkeit ihre Lehre auf die Hochschätzung der Lust g r ü n d e t e n ,
dem Pessimismus zugewiesen,
die
Stoiker dagegen vermöge ihrer sittlich-religiösen A n e r k e n n u n g einer erhabenen, Vertheidiger
wenn auch
pantheistisch
des Optimismus
vorgestellten
bezeichnet
hat.
Weltmacht
Optimisten
als
sollten
sie deshalb gewesen sein, weil sie gross dachten von dem Ganzen, statt es in vergängliche Glücksgüter zu zerstückeln.
Die n e u e r e n
Verhandlungen über L e i b n i t z ' s Thcodicee haben deshalb bis auf die Grundgedanken des Stoicismus zurückgeleitet, und es liess sich a n f ü h r e n , dass selbst von S e n e c a versums gepriesen worden
die Vollkommenheit des Uni-
Nicht m i n d e r ergab sich, dass nach
der Lehre des P l o t i n und der Neuplatoniker in dem stufenmässigen Antheil der Welt am Göttlichen, ')
M. H. H e i n b a r i ) , tonlia, Torg.
1738.
zu
welchem
sich Jeder
durch
C o m m e n t . de m u n d o o p t i m o p r a e s e r t i m ex S t o i c o r u m
scn-
9 Reinigung und Tugend von der Materie aus erheben soll, zugleich deren Rechtfertigung enthalten
sei.
Das Religionsbevvusstsein der Hellenen spricht sich am Eigenthünilichsten in dem Gebet der alten Spartaner aus, dass die Götter ihnen zu dem Guten auch das Schöne geben möchten.
Das Schöne
wollten sie nicht entbehren, j a es war ihnen gewisser als das Gute selber, dem j e n e s nur als Zugabe dienen sollte. Spruch: auch
svdaifiovss
olai
als religiöses
machen.
In
xaxcov
ayevavog
Motto anwenden,
der That
aber
ist
er
Der Sophokleische alwv1),
die Religion nur
lässt
sich
ihn
wahr
soll
ein identisches
dessen Prädicat nicht viel mehr besagt als das S u b j e c t . nun die Glückseligen,
Urtheil, Wer sind
worin besteht das llebel, worin das Gute?
Der sittliche Gehalt beider Vorstellungen blieb schwankend,
ebenso
schwackend wie der religiöse Standpunkt selber. Nur die alttestamentliche Religion als die der heiligen, sittlich begründeten und gesetzlich niedergelegten dem
alleinigen Gott besitzt
und Festigkeit.
bleibt
entwickeln,
ja
dem Menschen
Wehe,
Schranken
Einheit
Auch unter ihrer Herrschaft kann sich das Lebens-
gefühl als Hoffnung, Sorge und F u r c h t , allseitig
Bundesgenieinschaft mit
in ihren positiven
als Stolz und
bis zur Entartung
unverwehrt,
Leid
Verzagtheit
ausschweifen,
und
Freude,
und
Wohl
es und
Gewinn und Verlust als solche naturgemäss zu empfinden;
aber alle diese Wechsel erhalten aus dein Verhältniss zu Gott ihr entscheidendes Gegensätze
Regulativ.
der
Erfahrung
Alles kommt giebt
es
von
nur
Gott,
Eine
und für
letzte
Erklärung.
Gottesfurcht und Rechtschaffenheit, Frömmigkeit und Gewissen binden
sich
Anfang
ist
Lohnes, aber
in
demselben
Ganzen
die Gottesfurcht,
sie
des Dekalogs. empfängt
wie auf Ungehorsam und Untreue
nicht
nach
gleichen
sondern
mit
einem
Segens,
der sich unendlich
Maassen
trostreichen
sollen
rechten ')
kennt
Sophocl.
Antig.
vs.
583.
lässt
ver-
Weisheit
die Verheissung sich
beide
des
Den
verbreiten,
Uebergewicht
viel reichlicher vererben
der Herr und
Der
auch die Strafe folgt;
optimistischen
strafende Heimsuchung ( 2 Mos. 2 0 , 5 . 6 ) .
die
des
wird als die
Wandel
sie selber gedeihen
der Gewie
den
10 Baum an Wasserbächen, aber der W e g der Frevler führt zum Verderben.
Mit
dieser Ueberzeugung
eröffnet
sich
das
Psalmbuch,
und im Ganzen drückt es den zur Ruhe gekommenen
Standpunkt
des hebräischen Glaubens a u s , welcher nicht davon ablassen will, den
Verband
zwischen
Frömmigkeit
und
Glückseligkeit,
auch
irdisches Wohlsein mit eingerechnet, sowie den gegentheiligen Zusammenhang
als gesichert anzusehen.
Uebel und Böses
werden
als Thatsachen hingestellt, aber es giebt keine Naturordnung,
welche
dem freien und gnädigen oder auch dem richterlichen Gotteswillen widersprechen könnte.
Auch würden einzelne persönliche Geschicke
schwerlich ausgereicht haben, den Vergeltungsglauben zu erschüttern. Als aber das ganze Volk durch die schwersten Erfahrungen selbst über ihr d a m a l i g e s
Verschulden hinaus gebeugt w u r d e ,
als die
Propheten, die Ausleger der höchsten Rathschlüsse, wohl die erste, aber nicht die zweite Hälfte ihrer Verheissung erfüllt sahen, ihnen selbst aber der Segen
ihrer Arbeit bitter vorenthalten
schien:
da
tauchte aus der frommen Zuversicht der Zweifel auf und mit ihm das P r o b l e m , haben.
an
dessen
Lösung
ganze Generationen
gearbeitet
Und jetzt kam es dahin, dass sich den Zeitgenossen auch
an hervorragenden
Persönlichkeiten
Glück und Verdienst,
ein
greller Widerspruch
von Tugend und Lohn
nach
von
beiden Seiten
hin unverschleiert und herausfordernd für das herrschende Urtheil vor Augen stellte.
Der
allgemeine
Weltgott
bleibt
unangetastet,
aber an den Gott des Menschenlebens richtet sich die schmerzliche Klage über
eine ungerechte,
weil
der
göttlichen
Zusage
selber
widersprechende Verwaltung der Geschicke. Das Buch Iliob als das grossartigste
diesem Problem
gewid-
mete Schriftstück des A. T. hat bekanntlich nicht die Absicht, überlieferte Vergeltungsichre überhaupt aus den Fugen zu
die
bringen
oder mit einer anderen zu vertauschen, welche j e d e Schwierigkeit überwindet.
Es lässt sie b e s t e h e n ,
Schärfe,
mit
sondern
ergänzt
aber nicht in der doctrinaren
welcher sie von Iiiobs und
veredelt
durch
Freunden
wiederholt
Erwägungen,
welche
wird, die
Stellung des Betroffenen zu dein ihm auferlegten Leiden verändern. Der Dichter,
wie er in diesem Werke so
oft den blossen Denker
11 vergessen m a c h t , keiner
verfährt um so poetischer, da er seine Antwort
abschliessenden
Formel
anvertraut,
die
der
Hoheit
des
Gegenstandes nicht entsprechen w ü r d e , s o n d e r n sie mehr aus der Gedanken folge seiner Darstellung erschliessen lassen will. ist es Sünde, was sich durch Leiden s t r a f t , durch
göttliche Wohlthaten
Gedichtes
giebt Anleitung,
läuternden
Einwirkung,
Selbst der Gute kann
belohnt
wird,
die Trübsal
Wirklich
wie die Gerechtigkeit aber d e r Verlauf
auch
in ihrer
folglich als heilsame P r ü f u n g
des
sittlich anzusehen.
Uber das Maass seiner Verschuldung
dem
Uebel unterworfen werden, aber er erhält d a d u r c h zur B e w ä h r u n g eines a u s h a r r e n d e n Gottvertrauens Gelegenheit;
f ü r i h n , der auch
in der bittersten Noth nicht wanken noch abweichen will von der alten T r e u e , s o n d e r n
vielmehr im Aufblick zu Gott sich an
menschliche Kurzsichtigkeil m a h n e n lüssl,
eine endliche W i e d e r k e h r des Segens dennoch stehen. liche Auffassung wird also durch weitert und
vertieft.
Nehmen
die
bleibt die Hoffnung auf Die richter-
eine ethische und religiöse
er-
wir den Schluss h i n z u , so scheint
sich folgender Sinn zu e r g e b e n :
Wenn
der Gerechte leidet,
so
soll auch dies zu seinem Heil gereichen und schliesslich vielleicht zum guten Ende ausschlagen.
Die E r f a h r u n g , —
d e n n auf
ein
jenseitiges Leben wird nicht gerechnet, — vermag allein ü b e r die Zweifel
und
Widersprüche,
wieder zu e r h e b e n ;
die
aus
ihr
selber
stammen,
auch
wir aber haben uns d u r c h ü e m u t h , f r o m m e n
Gehorsam und Geduld
in den Stand
zu setzen, dem letzten E r -
folge mit Hoffnung entgegen zu gehen '). Mit diesem Gedicht b e r ü h r t sich in m a n c h e n
Punkten
auch
die zweite Schrift, die in unserem vorchristlichen H i n t e r g r u n d nicht fehlen
d a r f , das weit j ü n g e r e Buch K o h e l e t h ,
in welchem
die
F r a g e nach der Vergeltung gleichfalls hingeworfen und summarisch erledigt wird ( P r e d . Sal. 8, 14. 16. 11, 9. 12, 13).
Betrachtet m a n
dieses Buch n u r als lose S p r u c h r e i h e : so bietet es zahlreiche u n d z. Th. höchst sinnvolle
sittliche u n d religiöse Beherzigungen
und
praktische B e o b a c h t u n g e n , die sich jedoch nicht immer gegenseitig ' ) Vgl. H i o b ,
b e a r b e i t e t von D i l l m a n n ,
Alttestam. Theologie,
II, S. 1 2 2 ff.
S. 16 d e r E i n l e i t u n g .
H.
Schultz,
12 bestätigen, sonder» einigemal zurücknehmen oder beschränken. Als Ganzes angesehen hat es dagegen seine eigene und von der des Hiob weit abweichende Tendenz, und wer sich von dessen E r gebniss unbefriedigt abwendet, w i l d doch nicht umhin können, dein Verfasser seine volle Theilnahine zu schenken. Der Schriftsteller wird uns im Lesen ganz gegenwärtig als heller Kopf und lebhaftes ja inniges und tiefes Gemiith; in keinem gewöhnlichen Menschen werden solche Eindrücke so stark nachklingen, von Keinem so unumwunden wiedergegeben werden. Er hat Vieles bedacht, vielleicht versucht und gewagt, jetzt will er eine Summe menschlicher Existenz ziehen als Niederschlag seiner Erfahrungen. Aber nicht was der Einzelne l e i d e t , beschäftigt ihn, sondern was er erreicht oder nicht erreicht; daher werden die menschlichen B e s t r e b u n g e n mit ihren Erfolgen verglichen, und siehe da, j e hochlliegender sie sind, desto mehr erweisen sie sich als fruchtlos, denn die 'Welt nimmt sie auf in ihren stets wieder zum Anfang zurücklenkenden und jede Mühe vereitelnden Kreislauf, und der Zeitenwechsel weist allem Thun und Lassen seine Stelle an, aber nur damit es vom Nächsten verdrängt und verschlungen werde. Das Menschenloos scheint sich dem thicrisehen gleichzustellen, derselbe Lebenshauch, der Allen Dasein giebt, derselbe Staub, in den Alle vergehen (3, 19. 20). Auf diesen Refrain von der Menge der Arbeilen und der Nichtigkeit des Ertrages und von dem Gesetz der Wiederkehr des Gewesenen, der Erneuerung und Verallung, der Erinnerung und Vergessenheit, lenkt der Schriftsteller mehrmals wieder um. Alle Tage des Menschen sind schmerzvoll, Kummer ist sein Theil, selbst des Nachts ruhet sein llerz nicht (2, 23). Alles menschliche Streben droht unter der Gewalt dieser Eitelkeiten zu erliegen, und doch sollen wir nicht ganz ohne Trost bleiben. Eine W e i l e blickt der Beschauer gleichsam über diesen trüben Alles verschlingenden Strom hin, bis ihm einige grüne Gipfel und einladende Ufer auftauchen, welche beweisen, dass die W e l t dennoch kein leeres Gewirr von täuschenden W e g e n und entrückten Zielen sei. Zwar die grossen Unternehmungen gewähren keine Aussicht, sie sind nur Haschen-nach W i n d , deshalb werden geflissentlich alle Höhe-
13 punkte lichen
herabgesetzt, Kühnheiten
Lebensraum,
die
Fernsichten
eingedämmt;
welcher
immer
verkürzt
dafür
noch
eröffnet
ausreicht,
und
die
mensch-
sich
ein
mittlerer
kleine
Ansiede-
um
l u n g e n m e n s c h l i c h e r G l ü c k s e l i g k e i t zu g e s t a t t e n . W e r a l s o , statt nach h o h e n Dingen zu t r a c h t e n , wer Jugend und
das zu
(Vgl.
Pred.
die
beherrschen Sal.
Zuflucht
Wünsche an
und S o n n e n s c h e i n ,
Gesetz d e r Zeit
fiihls
dein
finden.
das Gute j e d e s T a g e s d a n k b a r a n n i m m t ,
G,
versteht,
17.
8,
eine
kurzen
engere Dasein
Dorthin
als
Gottesfurcht 13.
und
10,
nach
ihn
bleiben.
9. die
auch
Gehorsam
geniesst
nicht
7.
ff.).
Und dies ist
Irrfahrten es
allein
noch
seine
das
unbefriedigt
11,
vielen
Heimalh,
fröhlich
Wohlge-
des M e n s c h e n
begleitet
(12,
und L i e b e
eines bescheidenen
wird
15.
des P r e d i g e r s ,
in
Wein
zu G u n s t e n
weist
möglich
einiges
er
Gefallen
Frömmigkeit,
Ende
aller
alle
mache, zu
welche
Lehre
bildet
14).
Um den Geist b e i d e r S c h r i f t e n
zu v e r d e u t l i c h e n , s c h e i n t
kurze Vergleichung angemessen.
Die e r s t e r e ist
voll im g r o s s e n S t i l ,
kunstlos retlectirend,
die
andere
eine
religiös-sehwungsententiös,
m o d e r n , a b e r auch weit tiefer e i n g e t a u c h t in das W e l t g e f ü h l .
Im
K o h e l e t h k o m m t d a s religiöse P r i n c i p n i c h t zu s e i n e m R e c h t ,
der
Verfasser
lässt
es wohl
stellenweise
d u r c h g r e i f e n d ! n Gi b r a u c h von n i c h t die F r a g e auf, w i e sich gegnet Noch
ist,
zu
weniger
den wird
ihm zu m a c h e n , Anstalten
christliche
ohne
d a h e r wirft e r g a r denen er
und Absichten
Ansicht
einen be-
verhalten. denn
der
an
dem
sich
e r e r g e h t sich in E i n z e l h e i t e n
und
ver-
P r e d i g e r stellt nichts Ganzes und Viele b e t h e i l i g e n , s o n d e r n
aber
die vielen E i t e l k e i t e n ,
göttlichen die
mitreden,
befriedigt,
Gemeinsames hin,
folgt das T r a c h t e n des E i n z e l n e n , w e l c h e s , da es stets h i n t e r s e i n e m Ziele z u r ü c k b l e i b t , der Eitelkeiten
ihm i m m e r n e u e V e r a n l a s s u n g g i e b t , die S u m m e
aufzuhäufen;
damit
schleicht
sich
ein
Zug in s e i n e Auffassung, ein e g o i s t i s c h e s V e r h a r r e n bei sich s e l b s t , d e s s e n für den W e r t h allgemeiner fertigen
soll.
der
Vereitelung Aber
persönliches Interesse
Bestrebungen bis
auch
auf
den
selbstischer
des
Menschen
den M a a s s s t a b
bildet
ü b e r h a u p t und d a h e r das Urtheil einen
bescheidenen
eigenthümlichen
Rest
Vorzug
und
rechtReiz
14 dieser Schrift wolle man nicht v e r k e n n e n .
Das Gedicht Hiob v e r -
herrlicht Gott als den e r h a b e n e n Weltschöpfer und gerechten L e n k e r der Dinge zu dem Zweck, um auch den Menschen mit den ihm oft unerforschlichen
von Oben verhängten Schickungen
hier empfangen w i r also n u r Lebensansicht,
auszusöhnen;
eine religiös-sittliche N a t u r -
dagegen im Koheleth schon eine
im engeren Sinn.
und
Weltansicht
Offenbar steht dem letzteren Schriftsteller die
Welt schon in i h r e r relativen Selbständigkeit vor Augen, nicht bloss als Schauplatz göttlich als
Zeitlichkeit
und
Wiederholungen Macht, an einer
und
welcher
mehr
in's
veranlasster V e r ä n d e r u n g e n , Kreislauf, als Inbegriff in ihrer
tausend
Grosse
von
er denkt Wechseln
Vergänglichkeit zugleich
A n s t r e n g u n g e n scheitern.
gehenden
Welterkenntniss
S t a n d p u n k t nicht füglich ausbleiben
konnte:
sie und
als
eine
W e n n bei ein
solcher
so enthielt
derselbe
doch eine n e u e P r ü f u n g f ü r die Stärke des religiösen Glaubens. Wie sich die genannten Schriften innerlich zu einander stellen u n d wie ungleich sie w i r k e n ,
d a r ü b e r kann kein
Zweifel sein.
Der
Leser des Hiob wird durch den Schlusssegen des Drama's getröstet und erheitert, also auch angeleitet, seinerseits den Blick v o r w ä r t s und aufwärts zu w e n d e n , w ä h r e n d der des Koheleth in der blossen Umschau v e r h a r r e n
soll, die ihm
schlagende E i n d r ü c k e zuführt.
gleichartige und
meist n i e d e r -
W e r das Leben m e h r als V o r b e -
w e g u n g b e t r a c h t e t , wird länger in d e r Hoffnung a u s h a r r e n , wer n u r als K r e i s b e w e g u n g ,
wie im Koheleth geschieht, wird leichter
h e r a b g e s t i m m t ; ihm bleibt der Trost des socios h a b e r e m a l o r u m , doch will
er
gegen T ä u s c h u n g e n
sichergestellt
n u r ein bescheidenes Gut in der Hand
behalten.
Seite ist daher die aus der Demüthigung
sein
und
daher
Auf d e r einen
entspringende Hebung,
auf der a n d e r e n die deprimirende W i r k u n g die v o r w i e g e n d e ,
was
denn auch von j e h e r e m p f u n d e n worden ist. Innerhalb der Christenheit h a b e n beide Schriften eine b e d e u t e n d e Mission e r l a n g t , eine d a u e r n d , die a n d e r e wie der Jakobusbrief zeitweise. greifenden Reden Keiner
und Vorhaltungen
verschliessen
wollen,
im Hiob h a t sich
die
Den ereigentlich
wie es j a stets das Vorrecht
Dichters gewesen, dass er bei Allen Gehör e r w a r t e n darf;
des
diesem
15 aber
haben
die dcmiithig
Hoffenden und
für
jede
Empfänglichen sich besonders willig angeschlossen. den
trüber
und
nüchterner
Gestimmten
Begeisterung Dagegen u n t e r
hat Koheleth
Partei
ge-
macht, die Düsterseher führten das Buch im Munde, und fiir den kirchlichen Pessimismus ist es zur Autorität geworden.
Und wer
damit noch nicht genug halle, m o c h t e auch an viele Psalmstellen, an
die Klagelieder Jeremiii und
dessen
mancherlei
Aussprüche
endlich
an Jesus Sirach
denken,
stellenweise wieder auf den alten
Vergeltungskanon zurückweisen, der es aber 40, 1 gerade h e r a u s s a g t : „es sei ein elend jämmerlich Ding um aller Menschen Leben, von Mntterleibe an bis sie in die Erde b e g r a b e n w e r d e n , die u n s e r Aller Muller i s t . " ' )
Es werden
daher
auch
iheils hoffnungsvolle
theils geknickte und rcsignirende oder ganz abgewendete Gesinnungen gewesen s e i n , in welche n a c h h e r gung e i n d r a n g . Gesichtspunkte
die evangelische Verkündi-
Schon hiermit sind u n s e r e r U n t e r s u c h u n g gewisse gegeben.
Dein harten
Spruche
des Jesus
Sirach
und den verwandten Urtheilen des Koheleth stellt sich der einfache Segen der S c h ö p f u n g g e g e n ü b e r : „ l i n d Gott sah Alles was er gemacht, und siehe es w a r sehr g n l " (1. Mos. 1, 31).
Hier also eine s c h ö n e
herrliche S c h ö p f u n g und dort ein j ä m m e r l i c h e s L e b e n ! Gehören sie aber
nicht zusammen
Muss
und
nicht der Mensch in
w a r u m widersprechen Beklemmung g c r a t h e n ,
zwischen tretend inne wird beiden
sie sich
doch?
indem er da-
anzugehören?
Wie tritt uns aber nach solchen Vorbereitungen das Evangelium
selber e n t g e g e n ?
dass wir
Die gestellte Aufgabe bringt es mit
gleichsam von Aussen
sich,
herein in den nculestamenllichen
G e d a n k e n r a u m eingehen, um bei denjenigen S.tellen zu verweilen, die nachfolgende Entwicklung
abhängt.
Der allgemeine Geist des Wortes Jesu ist b e g l ü c k e n d .
von
deren
Versländniss
Freude
tönt schon im Namen des Evangeliums, dann in den Seligpreisungen, in der Bezeichnung des Ileilszwecks der S e n d u n g Christi, in der Erfüllung des Verlieissenen ')
Freudiger
tauten
andere
Stellen:
u n d in allen e r h e b e n d e n Sir. 1, 1 2 .
18.
Schluss-
2 , 1 4 . 1 5. 4 , 1 2 . 1 3 . 2 8 , 2 0 .
16 punkten der Rede des Herrn.
Schon die Kindheitsgeschichte stellt
diese schöne Heberschrift- voran (Luc. 1, 1 4 . 2 , 1 0 ) . digung
des
Himmelreichs
soll
ein
höchstes,
Die Ankün-
unter
Bedingungen
erreichbares, unsichtbares aber schon gegenwärtiges Gut darbieten und zu dessen Aneignung auffordern,
—
ein Gut,
den sonstigen Lebensbedarf nicht ausschliesst, und zweite Gabe hoffen lässt (Matth. 6 , 3 3 ) . dessen, was F r e u d e , Rettung, Beseligung sich Spruchreihen und Parabeln.
dessen Besitz
sondern als Zuthat In der Hervorhebung
schaffen soll,
begegnen
Auch entspricht dem Worte die
That, von heilenden errettenden Erfolgen, die immer den gleichen Segen
seiner
begleitet;
Gegenwart
Beglückungen
auffrischen,
macht beglaubigen (Matth. 1 1 , 5 ) . und Weckstimmen
aufzählen!
neutestamentlichen
Schriften,
wie ayaXXiäv,
ist der Wandel
aller Art sollen
/.taxagl^eiv.
Wer möchte
Das Wort x Q®
Herrn
alle diese T r o s t klingt durch
a
stärkere
des
seine messianische Voll-
Ausdrücke
kommen
alle hinzu
Die Ermahnung zum Bitten, Suchen,
Anklopfen dient zur Ermulhigung, und das „volle, geschüttelte, gerüttelte und
übei fliessende Maass" (Luc. 6, 3 8 ) richtet den Blick
empor zu einem unendlichen Gabenreichthuin im Gottesreich.
Aber
auch den irdischen Schranken soll sicli der Sinn nicht entfremden; die Empfindung
menschlicher
Bedürftigkeit
bleibt s t e h e n ,
die Erinnerung an die jedem Tag anhaftende Matth. 6 , 3 4 , xonog,
Luc. 1 1 , 7 ) ,
ebenso
Beschwerde ( x a x t ' a ,
und die letztere Stelle
besagt
deutlich genug, dass. die Umständlichkeiten und die kleinen Aergernisse, die Zeit und Stunde, Tag und Nacht bringen, lich ignorirt werden sollen.
nicht
künst-
Der irdische Stoff mit seiner Lästig-
keit und Unentbehilichkeit wird also anerkannt,
aber
wenn
die
menschliche Beschränktheit Unmögliches ausschliesst (Matth. 6 , 2 7 ) : so nöthigt sie doch, nicht,
das Gewöhnliche,
was Jeder braucht,
wie eine hochwichtige Angelegenheit zu betreiben. Uber weiten
ängstliche
Sorgen
([i£Qi[iva)
Haushalt der S c h ö p f u n g ,
Nahrung giebt (Matth. 6 , 2 6 ) .
erhebt
der
der
selbst
Im Gegentheil, Einblick
den
in
den
Nichtsorgenden
Damit wird eine fromme und ver-
trauensvolle Naturbetrachtung anbefohlen,
weit entfernt von einer
zaghaft berechnenden Vergleichung der Mittel und Zwecke.
Gerade
17 a u f diesen R e d e g r u p p e n wohllhuendsten
r u h t der Duft des h ö c h s t e n
H a r m o n i e , wie sie dieser ö r t l i c h e S c h a u p l a t z
als m a n c h e a n d e r e G e g e n d e n
veranschaulichte.
A c k e r und S a a t , W e i n b e r g und W e i n s t o c k , der
Parabel
sagen, so
ihre
wo
leicht
lichen
reinsten
sinnvollsten
der U c b e r g a n g
Vorgängen.
Denn
von
auch
B a u m und und
Scenen
am
der Anblick der I i r n d t e laden
wandtes aus geistigen Gebieten lium
iiiesst
schon
crzählungcn Buchstaben. des
Eines
stellt sich
in's
vor
dem
ist
zu
beginnt,
zu den die
wirkUeber-
der G a n g z u r
u n w i l l k ü r l i c h dazu ein,
Ver-
h e r b e i z u z i e h e n ; im vierten E v a n g e Andere.
Auch in einigen
eine D e u t u n g
ungezwungen
Der a p o s t o l i s c h e A u s s p r u c h
Zorns
kaum
See,
l'ahrtcn, F i s c h z ü g e und S e e s t ü r m e , die W a n d e r u n g e n , Quelle,
mehr
Frucht,
das T h a t s ä c h l i c h e
den p a r a b o l i s c h e n die
der
Hirt und H e e r d e leihen
Züge,
das Gleichniss a u f h ö r t und
ist
Friedens,
Sonnenuntergang,
von
Wunder-
neben
den
der B e s c h w i c h t i g u n g
um ihn h i e r
einzuschalten
(F.ph. y , 2 6 , vgl. ¡Matth. 5 , 2 5 ) , wirkt sittlich desto e r g r e i f e n d e r , er landschaftlich bel u m s c h i n e l z e n .
Bei
diesem v e r t r a u e n s v o l l e n
Natürlichen findet das A l l t a g s l e b e n Stellung, mag selbst
wird
es
zwar
zur
stetigen
aufspricssen
gabe nach Soweit
salzlos d a h i n ,
bringt,
denn
dann
Dornen
und
Rede
Christi
friedlich
und b e i n a h e
leibliche
dann
Lebensbedingungen Hinlergrund liasN,
auf
gegeben
Optimismus
einen
Bedarf;
uml
ihr a n c r s c h a f f e n e s dem
Naturboden
wenn
das
gegen-
Seelenheil
Zu-
die
als
Angelegencreatiirlicheii
Piccht, und das H i m m e l r e i c h der
Schöpfung,
ist, den k e i n e s p ä t e r e k i r c h l i c h e IVssiniisimi*.
ruht
die Heilung, z u e r s t das
heit v o r a n s t e h t (Matth. 1 6 , 2 6 ) : d a n n b e h a u p t e n einträchtig
Unkraut
sie l e h r t n u r E r h e b u n g u n d V e r t r a u e n . der
da
die sittliche Auf-
h ö c h s t e und mit k e i n e m i r d i s c h e n B e s i t z v e r g l e i c h b a r e
ruht
diese
vollziehen.
erst der T r o s t der S ü n d e n v e r g e b u n g , Gottcsrcicli,
da
Um so l i e b e r m a g sich a u c h die
denn
und V o r s i c h t g e b i e t e n ,
und statt des F l u c h e s (Mos. 3 , 1 9 )
dieser A e h n l i c h k e i t tliesst
dem seine
(Matth. 1 3 , 6 . 2 5 . 2 0 , 1 2 u. a . ) , a b e r
E r t r a g verlieisst sie d o c h , ein S e g e n a u f ihr.
mit
von s e l b e r
aufgemuntert;
kosten
Gefahr
Verkehr
des M e n s c h e n
Arbeit
Mühe und S e h w e i s s
der S o n n e n s c h e i n
ungesehen
da
eingekleidet ist, e r liesse sich a u c h in eine P a r a -
womit
ein
Entwieklun 2
18 zu zerstören
vermag.
Aus jenem Aufschwung des Gemüllis folgt
weiterhin Unabhängigkeit Freiheit von
von
den
Naturschranken
als solchen?
äusserer Beobachtung (Luc. 17, 2 0 ) , Verinnerlichung
des Glaubens, Anbetung im Geist u n d in der Wahrheit (Job. 4, 2 3 ) . Aber mit jedem weiteren Schritt befinden wir uns sofort in antithetischen
Verhältnissen.
Schon
das
Gleiehniss
vom Schatz im
Acker (Matth. 13, 4 4 ) h a t einen solchen Nebensinn, d e r Finder, um den Schatz zu erkaufen, verbirgt ihn, d e n n — das liegt dahinter — die W e l t weiss nichts von ihm. Bergpredigt,
indem sie die h e r r s c h e n d e n Begriffe theils
theils u m s t ö s s t , zu entwerfen. dass
erweitert
um ein Bild des neuen Lebens in idealen Zügen Man denke nochmals an den Sophokleischen Satz,
diejenigen
haben;
In schärfere Contraste führt die
glücklich
hier vernehmen
sind,
die
vom Unheil
nicht
wir die volle U m k e h r u n g
gekostet
desselben 1 ).
Die A r m e n ,
Verfolgten, Geschmähten werden selig gepriesen, das
Evangelium
dringt tief in das Leiden und
den Schmerz
hinein,
nicht um ihn auszulöschen, s o n d e r n um von ihm a u s seinen Beruf der Beseligung zu erfüllen. die heitere V e r k ü n d i g u n g , Ausweitung und
Ein tragischer Zug mischt sich in
der sittliche Menschengeist bedarf
B e f r e i u n g , er besitzt sich noch
W a h r h e i t , s o n d e r n soll von Unten
herauf
natürlichen und weltlichen Schwierigkeiten
nicht in
aus dem und
der
seiner
Kampfe mit
aus der Nachbar-
schaft der Trübsal und des Todes erst zu seinem Gehalt
empor-
kommen. Diese F o r d e r u n g e n
werden
deutlicher,
wenn
wir
zweite Hauptstück der Rede Christi in Betracht ziehen. reich ist nichts ohne seine G e r e c h t i g k e i t , endeten
Gesetzeserfüllung
gleichkommt
auch
das
Das Gottes-
deren Inhalt der voll-
(Matth. 5, 17).
Gerecht
oder g u t sein heisst frei sein f ü r das Gute und schöpfen aus ihm allein, vollkommen sein wie Gott (Matth. 5, 4 8 ) ; hinweg also mit j e d e r Halbheit, hinweg mit der Herabsetzung Schcintugend
und auf das Maass der
' ) Damit soll nicht geleugnet werden, Gedanken einer bessernden W i r k u n g im
Agamemnon.
dass
auf die pharisäische
blossen
schon
Wiedervergeltung,
die antike Tragödie
des Leidens hindeutet,
z. U.
auf d c n Acsehyluä
19 die zwar stehen bleibt, Liebe überboten
aber nach
der Seite des Guten
werden soll (Matth. 5, 3 8 ff. 7, 1 2 ) .
und
der
An dieser
Stelle geht die Verkündigung in gebieterische und auf den innersten Lebensnerv eindringende Mahnung über. Entscheidung,
damit
Es gilt volle u n g e t e i l t e
nicht das Herz doch noch an dem vergäng-
lichen Schatz haften bleibe (Matth. 6, 2 1 . 2 4 ) . nur wer geopfert hat, und nur das höchsten
Gewinn
(Matth. 10,
38.
Luc. 17, 3 3 ) .
fachen Gebot der S i n n e s ä n d e r u n g Verfolg Selbstverleugnung
Empfangen kann
grösste Opfer entspricht dem (¡.lezävoia)
Aus
dem
ein-
ergeben sich im
(Matth. 16, 2 4 , Parall.),
Umkehr
ohne
Rückblick auf den verlassenen Weg (Luc. 9, 6 2 ) , Wegwerfung des ärgerlichen Gliedes (Matth. 5, 2 9 ff.), Zerreissung
der
Rande (Luc. 14, 2 6 ) , Wiedergeburt (Job. 3, 3), — derselben
Kette
und
Folgerungen
des Einen
theuersten
lauter Glieder
sittlichen
l'rincips,
welches zugleich die persönliche Nachfolge Christi in sich schlicsst mit der Aufforderung,
dessen
Kreuz zu tragen und seinen Kelch
zu H inken (Matth. 10, 3 8 . 16, 2 4 . 2 0 , 2 2 . 2 3 . Marc." S, 3 4 ) .
Mit
Recht ist in diesen Steigerungen eine Analogie des Sterbens wahrgenommen worden, welches eben das Aufgeben des Allen und den Durchbruch neuer Kräfte bezeichnet.
Aber
nicht weniger bemer-
kenswerth ist es, dass in dieser Stätte der stärksten sittlichen und religiösen Zumulluingen und ernstesten Relierzigungen der freudige Ton, von dem Alles ausgegangen, wieder aufgenommen wird.
Die
Aufgabe der Hingebung ist schwer (Matth. 7, 13. 14) und grenzt an's Unmögliche
(ebend. 19, 2 3 . 2 4 ) ,
(ebend. 11, 3 0 ) , Jedes in seinem lingen,
aber
Sinne.
sie
ist auch
leicht
Es ist ein grosses Ge-
ein herrlicher Sieg des Lebens über
den T o d , wenn
der
Sünder Busse thul, das Verlorene gefunden wird, der untreu gewordene S o h n ,
der
schon
„gestorben"
den Weg zum Vaterhause einzuschlagen.
war, wieder autlebt, um Daher doppelte Freude,
die sich verbreitet und die im Himmel vviederklingt, über die Rettung
des
Verlorenen
(Luc. 15, 10 ff. bis V. 3 2 .
19,
10);
abermals stellt sich hier auf dem natürlichen Gebiet der terndste Uebergang
der
kennt (Job. 16, 2 0 .
21).
Gefühle zur Seite,
welchen
2*
das
und
erschütLeben
20 Wunderbar
verschlingen
sich die inneren
Kreise der
Reden
Jesu, aber sie lösen sich auch wieder, wenn zwei G e d a n k e n r e i h e n unterschieden w e r d e n , die eine von darbietendem und eröffnendem, die a n d e r e von
antreibendem
G e h a l t , jene von
von überwiegend ethischer Herkunft.
religiöser, diese
Beide z u s a m m e n bilden den
ewigen Tonfall des Evangeliums, aus ihnen erhellt der Aufschwung aus d e r Tiefe zu Gott und mit ihm der innerste Wille des Christenthums.
Christus aber steht dazwischen, e r ,
als das alte metaphysisch-kosmische wohl aber als das Geschichtswunder
den wir zwar nicht
W u n d e r von zwei
Naturen,
der Religion a n e r k e n n e n ,
—
er ist d e r alleinige Erzeuger der B e w e g u n g , als in welchem sowohl
die ganze ideale
glaubt,
wie auch
Wahrheit
des
Gottesreichs,
die Kraft der E r n e u e r u n g ,
welche
ge-
die d u r c h Wollen
und T h u n v o l l b r a c h t werden soll, offenbar geworden ist. Christus und sein Wort b e d e n k t ,
Wer
dem müssen sich sofort F r e u d e
und Betriibniss und W e h m u t h bis zur tiefsten Traurigkeit vergegenwärtigen; und
dennoch wird
belebenden
e r sich von dem frischen,
Ilauch der Begeisterung und
erweckenden
d e r L i e b e , die ja
selber schon eine F r e u d e in sich trägt, in weit höherem Grade a n geweht fühlen.
Aeusserungen
der
Wehmuth
finden
sich
wohl,
aber f ü r das T r ü b e als Sorge oder Stimmung ist Christus zu e r haben,
den
allgemeinen
Druck
des Daseins empfindet er
und die Pessimisten haben kein Recht, den Heiland
nicht,
an die Spitze
i h r e r Schaar zu stellen. Dieses Umwegs b e d u r f t e n
wir,
um zu zeigen,
wie und an
welcher Stelle der Gegensatz zur W e l t in der Rede Christi auftritt.
Denn von vornherein ist derselbe noch nicht g e g e b e n ,
in m e h r e r e n
und
Gleichnissen wie vom Sauerteig u n d vom Senfkorn
stellt sich das Gottesreich
einfach dem Lebensstoff g e g e n ü b e r ,
den es eindringen oder innerhalb dessen es W a c h s t h u m
in
gewinnen
soll, ohne dass diesem eine feindliche Beziehung zu j e n e m beigelegt w ü r d e .
Aber es ist höchst i n t e r e s s a n t ,
wie allmählich
die
Begriffe F l e i s c h , W e l t und selbst N a t u r mit einer b e d e u t u n g s vollen
Amphibolie behaftet w e r d e n .
Der
Gegensatz zürn
Geiste
und zum Göitlichen giebt dem Fleische ( a a p § ) den C h a r a k t e r des
'21 Schwachen,
Niedrigen,
Beschränkten,
für
sich
Unberechtigten
(Malth. 1(3, 17. 20, -11. Joh. 3, 6. 18, 15), a n d e r w ä r t s ist es das Medium aller Erscheinung, der sichtbare Factor der Mcnsclienualur, ja das Band
der innigsten Gemeinschaft (Matth. 19, 5. 6).
Lud
wenn in dem Gleichniss vom S ä e m a n n der Acker, der den Samen aufnimmt, die Welt g e n a n n t wird (Matth. 13, 3 8 ) : unter
diesem xoö/iog
liehen Lebensboden. des
Reichthums
nichts Anderes verstehen
so kann
man
als den creatür-
Dagegen die Welt der glänzenden Reiche und
erscheint
nicht m e h r
indifferent,
sondern
sich
selbst und ihrer Eitelkeit verfallen; ihr dernialiger Zustand hat sie ihrem
Urquell
suchungen i'cicli.
entfremdet,
und zum
das macht sie zur Quelle
Gegenpol des Trachtens
der
nach dem
Ver-
Gollcs-
Alle W a r n u n g e n vor dem Reichlhuni gehören hierher, denn
im Mammon
und
seinem
Dienst
steigern sich
die Gefahren
der
Weltgiiler auf's Höchste (Malth. 6, 24. Luc. 16, 9. 11. 13 u . a . ) . Schon
die Synoptiker
bezeugen
also
diese
doppelte
Auffassung,
(Matth. 1, 8. IG, 26. Luc. 12, 30), das Johannes-Evangelium geht weiter, es f ü h r t beide Bedeutungen in ihrer principiellen Verschiedenheit durch alle Kapitel neben
einander
fort.
Die
Aussagen
d r ä n g e n sich förmlich, sie gelten zunächst der gesummten
Wohn-
ställe,
wo Jeder geboren w i r d , in welche Ghrislus als der Kom-
mende
eintritt
und wo die W i r k u n g e n
des Geistes sich realisireu
(Joh. 1, 9. 3, 16. 17. 16, 8. u. a . ) ; dies Alles ist Welt, und wie sie von Gott s t a m m t : so bleibt sie auch der Gegenstand der gülllichen
Liebe
(3, 16).
Die
Liebe
Goltes
war
Sohn s e n d e t e , damit er das w a h r e Leben bringe Licht der Well werde (Joh. 8, 42). schöne Stelle: „Ich bitte dich n i c h t ,
es, und
welche
den
selbst das
Und wer denkt nicht an die dass du sie aus der Well
nehmest, s o n d e r n dass du sie bewahrest vor dem Bösen" (Joh. 17, 15)! womit gesagt ist, dass sich die sittliche Aufgabe gerade
auf
diesem irdischen Schauplatze, nicht ausserhalb desselben zu vollziehen habe. Auf der a n d e r n Seile aber stellt sich derselbe Kosmos dar als die Region eines u n t e r g e o r d n e t e n Sinnes und Friedens (15, 18. 19. 17, 14), als die Ileimalh vergänglicher F r e u d e n , habsüchtiger
Ge-
lüste und selbstischer Neigungen, die des wahren Lebens e n t b e h r e n
22 (6, 33. 1 r>, 1 9 ) ; diu Sünden der Menschen sind daher Sünden der Welt und der Satan ist ihr A n f ü h r e r (1, 29, 14, 31). 16, 11), sie selbst
aber
(1(5, 3 3 ) .
wird
von
Christus
und
seinem
Reich
überwunden
Auch die Aeusserungen über die Wahl der J ü n g e r und
Einiges aus der lnstructionsrede der Synoptiker Hesse sieh hierherziehen.
Bei
dieser grell contrastirenden
F ä r b u n g treffen jedoch
beide Auflassungen in Einem Moment z u s a m m e u , in dem der Allgemeinheit, Stück
weil
immer u n t e r
der Welt
eines solchen verstanden
die an sich seiende neutrale
wird.
ein G a n z e s ,
nicht
das
Auch stellt sieh zwischen
u n d die Gott entfremdete Welt
der
ausgleichende Mittelbegritt'der J e t z t w e l t als einer historisch gewordenen, O xoo/.IOT;
(18, 3 6 ) , entsprechend
OVTOQ
im Unterschiede vom aubv
fislhov,
dein alwv
oviog
der a b n o r m e Charakter geht
alsdann auf einen bestimmten Zcitlauf über, und es wird Gelegenheit gegeben, den contemptus m u n d i in einen contemptus saeculi zu verwandeln. und
Bestrebungen,
Geringschätzung; und Befehdung derselben erhalten
Abwendung
vermöge ihres
Zusammenhangs
Gedankenkreis
der
Evangelien
von den
weltlichen
Dingen
eine unentbehrliche Stelle in dem und
behaupten
sie.
Aber wie sehr w ü r d e
Unrecht t h u n , wollte man das christliche Religionsprincip, doch
immer
nur in der W i e d e r g e b u r t ,
man
welches
Gotteskindschaft und Hei-
ligung gesucht werden kann, in die blosse Weltverachtung verlegen. Nein,
diese ist vielmehr n u r das i N ' o t h w e n d i g e
des A n d e r e n ,
und
machen
nimmermehr
mag,
zur A u s f ü h r u n g
so einseitig dieses Moment sich auch darf es
die positiven
geltend
Bildungskräfle
v e r d u n k e l n , welche dazu dienen, den Gegensatz zur Welt im Laufe der
Zeiten
zu m i l d e r n ,
damit
er einst immer
mehr
entbehrlich
werde. Zweitens
haben
wir auch
in
die
apostolischen
unserem Gesichtspunkt aus einen Blick zu w e r f e n ;
Briefe
von
von ihnen ist
bekannt, dass sie das Thema der Evangelien in eigenthümlich verä n d e r t e r Form r e p r o d u c i r e n . statt n u r
das W o r t
Denn
Christi vom
dass die apostolischen Briefe, Gottesreich
und seinem Wesen
als das ideale Gesetz evangelischer Vollkommenheit zu wiederholen
23 und auszulegen, wie höchstens im Jakobusbrief geschieht, vielmehr im Rlückblick auf das Ganze der Erscheinung schichtsglauben
Christi einen
Ge-
entwerfen und d u r c h ihren Lehrzweck zu einer
m e h r systematischen Fassung der evangelischen Gegrift'e, also auch zu fortschreitenden Schlussfolgerungen
hingelcitet
werden,
eine der wichtigsten Thatsachen der biblischen Theologie. als d e r alleinige historische Ileilsgrund
tritt an
bleibt Christus
die Spitze
aller
G l a u b e n s e r f a h r u n g e n , von ihm fällt eiu Licht a u f w ä r t s in die Gottheit
und
herab in die menschlichen Z u s t ä n d e ,
und
zwar
ist es
nicht der dunkle und schwierige biographische Christus, von dem Alles ausgesagt wird, sondern im allgemeineren Sinne der historische mit d e r Herrlichkeit und Kraft der von ihm giösen Eindrücke.
ausgegangenen
Dieser Christus ist eine o f f e n b a r e n d e
reliThat-
s a c h e , aber auch ein persönlich verwirklichtes P r i n c i p , — Unterscheidung,
eine
welche beiläufig gesagt, obgleich sie biblisch n u r
angedeutet ist, die Doginatik schwerlich wird entbehren
können.
Als Offenbarung des göttlichen Rathschlusses, d. h. als der in das L e b e n u n d den Tod Gesendete, hat Christus das christliche Gnadenverhiillniss zu Gott unwiederholbar aufgerichtet und mit dem Tode besiegelt, er ist nach dieser Seile ein Einmaliges,
Abschliessendes
und Grundlegendes, w ä h r e n d er als persönlich dargestelltes Princip sein heiliges Leben in der Gemeinschaft
fortsetzt und
Die eine Wirkung vollzieht sieh
gläubigen
in dem
verewigt.
ßewusslsein,
welches losgesprochen von dein Druck des Gesetzes und der Schuld und über die Täuschungen
einer vermeintlichen Gerechligkeil e r -
hoben den sittlichen Makel nicht mehr als verdannnlich empfindet, sondern
in der Gewissheit der Gnade u n d des Friedens mit Golt
und der Golteskindschaft a u s r u h e n - d a r f ;
das a n d e r e
Verhältnis»
f ü h r t weiter, denn es treibt zum neuen W a n d e l mit Christus und in
ihm u n d zu den Früchten der Heiligung aus
heiligen Geistes.
So entsteht die Idee
der Kraft des
der Versöhnung
als
der
Befreiung von den Mächten, welche die Menschheit gehindert haben, die Religion als höchste Gottesgabe zu gemessen, dann aber auch die der Rechtfertigung, sofern diese schon den L'ebergang zu einer gottgefälligen menschlichen Lebensrichtung ausdrücken soll.
24 Der Leser wolle sich durch
diese Andeutungen
sofort in die
Mitte der Paulinischen Theologie mit ihren scharfen Umrissen und grossarlig.cn Wendungen
versetzen
lassen.
Auf P a u l u s ,
wir hier die meiste Aufmerksamkeit schuldig s i n d , Meisten A n w e n d u n g
finden,
wenn
welchem
m ö c h t e es am
das Christenthum die
d e s L e i d e n s genannt w i r d , weil er bei derartigen
Religion
Vorstellungen
mit einseitiger Vorliebe verweilt, weil er eine Fülle von Motiven von dem Mittelpunkt des Todes Christi herleitet, neuester Zeit nachgesagt w i r d , dem irdisch
thätigen und l e h r e n d e n
Christus alles Heil aus
Hand des Gekreuzigten h a b e empfangen wollen. in den
Paulinischen
weshalb ihm
in
dass er aus Unbekanntscliafl mit
Briefen Dreierlei:
Der Tod
der
besagt
er ist erstens Strafe der
Sünde und begleitet deren Herrschaft von Anbeginn vor und unter dem Gesetz, und er ist zweitens Opfer und hat als freie Darbriug u n g des sündlosen Lebens Christi in Mitten der S ü n d e r s ü h n e n d gewirkt ihren
und
den alten
Fluchverband
F o l g e n , also dein göttlichen
gelöst').
Aber
dann im Innern
auch
zwischen
der
Sünde
drittens ist es etwas Todesähnliehcs,
des Menschen
und
Z o r n e u n d der Verurtheilung
vor sich g e h t , wenn
was
derselbe im
Anschluss an Christi Vorgang den alten fleischlich gesinnten Charakter in sich ersterben lässt,
damit d e r neue vom Geist erfüllte
und Christus nachgebildete e m p o r k o m m e (Rom. 6, 1 ff. 8, 5 ; —11). Zuerst also der Tod als Strafe gedacht, dann als Werkzeug einer göttlichen
Veranstaltung,
zu einein neuen
endlieh
Geistesleben.
als Uebergang und
So verfolgt der Apostel
Durehbruch gleichsam
die Mission des Todes durch alle Stadien, immer b e m ü h t , sie für dessen Gegentheil zu benutzen und aus dem starren Gedanken des lindes die kräftigsten Lebensimpulse herauszuschlagen, freilich von der Voraussetzung aus, dass der Mensch den Tod nicht als allgemeines Gesetz der Vergänglichkeit, s o n d e r n stets in Beziehung auf sein eigenes höheres Wesen und Sollen erfahre.
Auch Beschwer-
den, Leiden und Anfechtungen aller Art befinden sich im Gefolge dieses vergeistigten Todesweges.
P a u l u s kehrt zuweilen seine per-
- f ) Die g e n a u e r e A u s e i n a n d e r s e t z u n g g e h ö r t n k h t [¡¡bl. Theologie des N . T .
zu u n s e r e m Z w e c k , s.
S , 3 1 9 IT., P f l e i d e r e r ,
der Paulinismus,
Weiss, S . 9 2 ff.
25 sönlieheu dass
er
Erfahrungen eine
recht
Abtödlung
geflissentlich
oder
heraus,
Erstorbenheit
in
wenn sieli
er
sagt,
umhertrage
(2. K o r . 4, 1 0 ) u n d d a s s s e i n e L e i d e n z u r E r g ä n z u n g d e r T r ü b s a l Chrisli d i e n e n (Kol. 1, 2 4 ) ; die A u f z ä h l u n g 2 . Kor. 11, 2311'. Meiert gleichsam Aber
ein C o t n p e n d i u m
künftiger christlicher Leidensgeschichte.
diese E r l e b n i s s e sollen e r h e b e n ,
statt niederzubeugen,
in d e r S c h w ä c h e o f f e n b a r t sich die K r a f t : Q Svva/.ttg teXsaai
( 2 . K o r . 1 2 , 9. 10. R o m . 8, 3 5 ) .
EV
denn
ao&sveicc
W o es d a r a u f a n k o m m t ,
g e g e n s ä t z l i c h e V e r h ä l t n i s s e zu b e h e r r s c h e n , e n t w i c k e l t e r sein g a n z e s dialektisches Sünde
und
Feuer.
Er
Gesetz,
rechnet
Fleisch
und
stets
mit
Geist,
Tod
Gnade und Gerechtigkeit sind Mächte,
allgemeinen und
Grössen;
Leben,
Glaube,
d i e sich g e g e n s e i t i g
auszu-
löschen d r o h e n , a b e r w o die v e r d e r b l i c h e G e w a l t o b z u s i e g e n s c h e i n t , da e b e n liegt die i n n e r e B ü r g s c h a f t d e r Um
genauer
ansieht zu
das
ermitteln,
xöo[ios,
xziaig
apostels
kann
haben
wir
auf
in
dieser
J a k o b u s b r i e f h ä l t sieh s t e t s b e s c h r e i b t die W e l t ,
der die
nochmals einzugehen. sich
l'eberwindung.
Unterscheidende
Paulinischen
Lebens-
Begriffe aag^,
rpvoig,
Der S t a n d p u n k t d e s W e l t -
Beziehung
an dasselbe
nicht
verleugnen.
Der
feindliche Verhällniss,
w i e sie n a c h i h r e m d e r n i a l i g e n Z u s t a n d e
er mit
i h r e n R e i c h t h ü m e r n , i h r e r I l o f f a h r t , P r u n k e r e i u n d K ä l t e n u r sich s e l b e r d i e n t , i h r e F r e u n d s c h a f t s c h l i e s s t die w a h r e G o t t g e n i e i n s c h a f t a u s (Jak. 1, 2 7 . 4 , 4 ) .
Nicht so P a u l u s .
G e b r a u c h s w e i s e n des W o r t e s xooftog, 1. Kor. 4, 9. 5, 1 0 ) ,
Denn er k e n n t
beiderlei
t h e i l s die n e u t r a l e (llöni. 1, 8 .
theils d i e a n d e r e s p c c i f i s c h e
und
aus
einein
sittlichen U n h e i l h e r v o r g e g a n g e n e , d e r e n e r sich a l l e r d i n g s h ä u t i g e r bedient.
Die
Jetztwell
Welt,
h e i s s t es n a c h d r u c k s v o l l ,
hat ihre
e i g e n e n Begriffe von
auch ihre Sorgen und G e w ö h n u n g e n
oder
Weisheit
genauer und
(1. K o r . 1, 2 0 ff. 7,
2. Kor. 7, 10 u. a.), l a u t e r Dinge, die als A b z e i c h e n e i n e s (iemdeten können.
Sinnes Gott
vor
hat
der Norm
ihre
des
Ansprüche
Evangeliums zu
Schanden
nicht
die
Thorheil, 31—31. gottentbestehen
gemacht,
ihre
Weisheit z u r T h o r h e i t h e r a b g e s e t z t u n d zu E h r e n g e b r a c h t , w a s in ihren Augen anstössig war. zugleich
der
weile
Aber eben
Schauplatz
der
d i e s e W e l t ist f ü r P a u l u s
Versöhnung,
wo
die
grossen
26 RathschlUsse Gottes sich -verwirklichen und Menschheit endlich
zusainnienfliessen
die beiden Arme d e r
werden (Köm. 11, 12. 15),
und, was besonders m e r k w ü r d i g , Gesetz und Satzung werden von ihm Gal. 4, 3 dem Weltgange organisch eingeordnet.
Wenn diese
als otoi%£iin L ü g e n b ä c h e , S a n d zu f ü h r e n .
Selbst
um
uns
geschätzt nach
werden;
allen
bei d e r B e u r t h e i l u n g
er
Seiten
der
Familienglücks nimmt er das Kernhafte und nahezu
Ehe
ver-
auf den und
des
Unzerstörbare
wie n a m e n t l i c h den täglichen Antheil an d e r M e n s c h e n b i l d u n g , d e n sie gewährt,
viel
allgemeinen
zu l e i c h t ,
Bedeutung
geistiger C i r c u l a t i o n ,
und des
welches
soll e t w a d e r A u s t a u s c h zuzählenden halb
er weiss w e n i g
socialen durch
geachtet
werden,
weil
als
alle Schichten
des G e m ü t h s s a m m t
Wohlthatcn und Erquickungen
gering
zu s a g e n von
Verkehrs
sie
den
des
reicht. gar
der
Mediums Oder
nicht a u f -
des G e s p r ä c h s
des-
auch
und
Geschwätz
Klatscherei im Gefolge h a b e n , ähnlich wie d e r Dilettantismus sich an
die K u n s t ,
die P f u s c h e r e i a n
die
Wissenschaft hängt?
Dann
die C a r r i c a t u r e n e r m ä c h t i g t , alle W a h r h e i t zu v e r d u n k e l n 2 ) .
werden
Freilich setzen w i r in u n s e r e n E n t g e g n u n g e n als den sittlich t h ä t i g e n ,
ja
als den
den Menschen
arbeitenden
eben d a r i n sieht H a r t m a n n ein n e u e s E l e n d .
stets
voraus,
und
„ N i e m a n d " , sagt
er,
„ a r b e i t e t , d e r n i c h t m u s s " , d e r nicht d u r c h B e d ü r f n i s s e des U n t e r h a l t s u n d d e r ä u s s e r e n Existenz tung,
die selbst
genöthigt w i r d , — 3
w i r ü b r i g e n s k e i n e r W i d e r l e g u n g werth h a l t e n ) . über
das blosse
schichtiges Ding. biete
du
eine Behaup-
f ü r die „ A r b e i t e r f r a g e " n i c h t a u s r e i c h t und Belieben
die
Alle Arbeit f ü h r t
h i n a u s , a b e r ihr Müssen
ist ein
weit-
Der Dichter a n t w o r t e t an b e k a n n t e r S t e l l e : „ v e r -
dem Seidenwurm
zu
s p i n n e n " u. s. w. I
Künste
und
W i s s e n s c h a f t e n , w o sie nicht völlig d e m B r o d e r w e r b verfallen sind, folgen e i n e r i n n e r e n N ö t h i g u n g , u n d i h r e J ü n g e r wollen leben,
um
zu a r b e i t e n ,
Ge-
nicht
umgekehrt.
Selbst im Handel und j e d e m
s c h ä f t w e r d e n Arbeit u n d E r w e r b z w a r n a t u r g e m ä s s u n d rechtlich
Preuss. Jahrbb. 1 8 7 3 , S. 2 7 0 . ) W e r erinnert sich nicht gern a u s dem bekannten Mährchen an die F r a g e : „ W a s ist erquicklicher als G o l d ? " „ D a s G e s p r ä c h " antwortet die grüne Schlange, und diesmal wahrlich w a r sie keine Verführerin. 3 ) H a r t m a n n , S. 6fif>ff. 4 9 4 . 3
229 wie U r s a c h e und W i r k u n g , a b e r d a r u m n o c h n i c h t m o r a l i s c h Mittel
u n d Zweck
verbunden.
Wer
aber jenen
der
wie
Menschheit
u n w ü r d i g e n Salz in den Mund n i m m t , sollte d a n n w e n i g s t e n s nicht vor d e m
gähnenden Abgrund,
der
die Müssigen
d r o h t , d. h. d e r „ L a n g e n w e i l e "
erschrecken1).
s c h o n Pascal ü b e r
obwohl
diese k l a g t e ,
man
zu
verschlingen
Merkwürdig
dass
ernstlich nicht b e -
greift, wo sie h e r k o m m e n soll a u s s e r f ü r d i e j e n i g e n , die z w i s c h e n Anstrengung
und
völligem
Mittelglieder k e n n e n .
Ausruhen
Die Alten
oder
scheinen
an
Genuss
noch
keine
diesem
Uebel
nicht
gelitten zu h a b e n , w e n i g s t e n s h a b e n , soweit m e i n e K e n n t n i s s reicht, w e d e r Griechen noch R ö m e r ein Eine d r i t t e
entsprechendes Wort dafür.
kritische E r w ä g u n g betrifft die Art d e r
z i e h u n g des christlichen Princips.
In d e n
äussersten
Herbei-
Lebensüber-
d r u s s d e r alten Well ist einst d e r z ü n d e n d e Blitz d e r „ c h r i s t l i c h e n I d e e " eingeschlagen.
Christus l e h r t die G e r i n g s c h ä t z u n g des Irdi-
s c h e n ; die W e l t giebl keine Befriedigung,
wohl a b e r
das Jenseits
mit seiner himmlischen Seligkeit, dorthin w e n d e d e r F r o m m e
sei-
nen Blick, d o r t e r w a r t e er den L o h n , w e l c h e n die Zeit
ge-
währen
kann.
Diese V e r k ü n d i g u n g
findet
nicht
„gierige" Aufnahme un-
t e r den Völkern, u n g e a c h t e t die griechische P h i l o s o p h i e ü b e r kindlichen w a r (?!).
evangelischen
Standpunkt
„längst
diesen
hinausgeschritten"
Die siegreiche V e r b r e i t u n g der christlichen K u n d e e r k l ä r t
sich d a h e r a b e r m a l s a u s dem
egoistischen V e r l a n g e n
der
Menge,
welche e r m ü d e t von ihrer eigenen L u s t u n d u m i r d i s c h e H o f f n u n g e n b e t r o g e n die A n w a r t s c h a f t auf jenseitigen Gewinn u n d G e n u s s d e s t o
') Von Schopenhauer weiden gelegentlich Arbeit und Anstrengung als unentbehrliche B e s t a n d t e i l e alles Menschenlebens hoch gepriesen. „ S i c h zu m ü h e n " , äussert er einmal, „und mit dem Widerstande zu kämpfen, ist d e m Menschen Bedürfniss wie dem Maulwurf das G r a b e n " . Dazu macht S t r a u s s im Anschluss an das Wort Lessings, dass das Suchen nach Wahrheit f ü r den Menschen wichtiger sei als das fertige Haben derselben, die treffende Bemerk u n g : „Denn liegt darin nicht die beste Antwort auf die grobe S c h o p e n hauer'sche Rede von dem ü b e l b e r a t e n e n Gott, d e r nichts Besseres zu t h u n gewusst, als in diese elende Welt einzugehen? W e n n nämlich d e r Schöpfer selbst auch der Meinung Lessings gewesen wäre, das Bingen d e m ruhigen Besitze vorzuziehen"? S. Der alte und neue Glaube, S. 2 2 4 .
230 begeisterter ergreifen musste 1 ).
So Hartmann, und hier berühi't
er sich mit Strauss, der in seiner letzten Schrift an der christlichen Religiosität
ebenfalls nichts
Anderes
als wesenhaft übrig
lassen will als eine Weltfhicht aus idealistischem Dualismus. Allein auch
diese Folgerung
wird
durch Unterschlagung
erreicht,
die
Thatsachen widersprechen ihr, und wäre sie richtig: so würde das Christenthum schon hinter uns liegen, ja es würde gar nicht SQ weit gelangt sein 2 ).
Man mag den Gedanken der Weltverachtung
in seiner ganzen Wichtigkeit und
Tragweite
würdigen:
dennoch
ist er für sich allein nur antithetisch, nicht schöpferisch. das Christenthum sei und wolle, lässt sich nur aus
dem
Was Wesen
des Guten und Göttlichen in seinem Gegensatz zum Schlechten verstehen,
nicht
aus
dem
relativen Verhältniss
des Irdischen zum
Ueberirdischen; wo also diese letzteren Begriffe nothwendig an die Spitze treten, sollen sie doch erst aus jenen anderen ihr Licht empfangen.
Ethische Geistesgüter sind es, um deren willen die
Abwendung
vom
Irdischen
oder
Erhebung
Uber
dasselbe
zur
Pflicht gemacht wird; so viel wird sich hoffentlich aus unseren ersten Abschnitten ergeben haben. thum
ohne Christus und
Was wäre auch ein Christen-
ohne die Mächte der Liebe
und
der
Gnade, der Wiedergeburt und Gotteskindschaft, des Geistes und der Freiheit! Eben darum ist es auch nicht erlaubt, den Glauben an das Jenseitige auf ein vertauschendes Auskunftsmittel und noch dazu ein illusorisches zu reduciren, durch welches einein lohnsüchtigen Egoismus, nachdem ihm die eine Heimath abgesprochen, die andere in Aussicht gestellt wird; das heisst ihn auf den Nothbedarf der geringen Seelen herabsetzen. lichkeit der Egoisten,
Nicht die sinnliche Begehr-
die sie selbstisch auszubeuten oder senti-
mental auszumalen wussten, hat -die Hoffnung der Unsterblichkeit gefristet, denn mit den frommen und hochgestimmten Gemüthern sind ihr auch die ernsten Denker der Jahrhunderte aus Ueberzeugung zugefallen.
Gewiss ist dieselbe, —
inniger
wir haben es
nachgewiesen, — vielfach und sogar zum Nachtheil der Thatkraft ') H a r t m a n n , a. a. 0 . S. 715BF. ,J
) S t r a u s s , Der alte u n d neue Glaube, S . 61 — 7 6 .
231 Überspannt worden; dass
wir
wollen
daher
nicht m e h r
nachsprechen,
d e r Mensch ü b e r h a u p t nicht für dieses L e b e n b e s t i m m t , s o n -
d e r n n u r gastweise in dasselbe eingetreten sei, d a s j e n i g e zu k u r z k o m m e n , w a s u n s in d e n
d e n n dabei w ü r d e
geweihtesten
Augen-
blicken als das Höchste u n d Tiefste ergreift, d a s Verlangen
gerade
im Zeitlichen ein L'nzeitliches u n s a n z u e i g n e n . j e n e r G l a u b e eng v e r b u n d e n
mit
D e n n o c h a b e r bleibt
der christlichen
Religion
als A n w a r t s c h a f t des p e r s ö n l i c h e n Geistes auf das Ewige, v e r s i e h t d e r V e r k l ä r u n g des L e b e n s u n d des Sieges ü b e r
selber als
Zu-
den^Tod,
v o r Allem a b e r als sittliche F o r d e r u n g e i n e r V o l l k o m m e n h e i t , , h ö h e r als
sie das
f r a g m e n t a r i s c h e irdische
Dasein
diesem S i n n e ist er a u c h d e r unsrige.
gewährt; — und
in
Quos p u t a s perisse, p r a e -
missi s u n t ' ) . Viertens
endlich m u s s g e f r a g t w e r d e n ,
wie sich d e r G a n g
d e r Menschengeschichte, hier also der christlichen, zu d e n a n g e f ü h r ten E r k l ä r u n g e n veiliiilt.
Der Philosoph
bedient
sich
d e r Mittel, die er sich selbst z u r V e r f ü g u n g gestellt.
folgerichtig
Die historische
E n t w i c k l u n g k a n n kein a n d e r e s Ziel h a b e n als B e f r e i u n g des B e w u s s t seins v o n nöthigt
der Last,
worden,
welche
Heilung
ihm aus dem
d e r Individuen
Willensprincip von
dem
aufge-
Wahne
der
Glückseligkeit, an w e l c h e m sie zehren m u s s t e n , u n d d e r i h n e n n u n schrittweise
abgenommen
werden
soll;
vertheilen sich die grossen E p o c h e n . ein
durch
directe Eingriffe
hiernach
bestimmen
und
Das C h r i s t e n t h u m selber w a r
des U n b e w u s s t e n
in d a s
Genie
der
G r ü n d e r h e r v o r g e b r a c h t e s I n t c r i m i s t i c u m ; z w a r d i e n t e es gleichfalls d e r T ä u s c h u n g , a b e r es enthielt doch einen b e d e u t u n g s v o l l e n F o r t schritt in d e r d u r c h
seine K u n d g e b u n g e n
gewonnenen
g u n g , d a s s das Glück nicht in der G e g e n w a r t zu s u c h e n sei.
Nachdem
und
T r o s t einer
selbst
der
nun
diese E r k e n n t n i s s
Schadloshaltung
des
UeberzeuProcesses
durchgedrungen
im J e n s e i t s ' p r e i s g e -
') Uebrigens wird in der Hartmann'scben Lehre deD Atomen schon ein „individuelles continuirliches Dasein von Anfang bis E n d e d e r W e l t " beigelegt; d a m i t ist aber die Leugnung individueller Kortexistenz sehr erschwert, u n d der Verfasser weiss sie n u r noch künstlich durchzusetzen. Vgl. W e y g o l d t , S. 1 1 8 ff.
232 geben, das Christenthiim
also von
weiteren Leistungen
ist, muss auch der letzte Vorhang
fallen
dispensirt
und mit ihm das
Ver-
trauen gleichsam auf einen bevorstehenden Chiliasmus oder auf eine irdische Zukunft, welche mehr Wohlsein und Befriedigung schaffen werde.
Auch
die Vorschau
muss sich verdüstern
wie die R ü c k -
s c h a u ; mit der Intelligenz wächst die Kritik, welche die Uebel nur vollständiger offenbar werden lässt,
folglich
auch
das Missgefühl.
F ü r individuelle Wünsche giebt es keine Erfüllung mehr, dem Einzelnen bleibt nichts übrig als mit völligem Absehen von sich selbst zur Förderung und zum Abschluss
des Processes
seine
Schuldig-
keit zu thun, und für solche Aufopferung des individuellen Daseins an das Ganze bietet die L e h r e des Buddhismus, den auch Schopenhauer und Strauss mit Vorliebe herbeigezogen haben, eine bedeutende Analogie 1 ). —
Gegen
eine
Anschauung
wie
diese
mit
Gründen
allgemeiner Denkbarkeit und Wahrscheinlichkeit aufzukommen, scheint vergeblich. keit des
Lieber möge die Geschichte selber über
ihr aufgenöthigten
die Haltbar-
Rahmens Rechenschaft a b l e g e n ;
wer
nicht glauben will, dass das menschliche Leben von einem lebendigen Gott
verwaltet
wird,
soll
wenigstens
die
Schicksale
und
Thatsachen gelten lassen als das, was sie sind und wofür sie sich geben.
Nach
Hartmann's
Construction
sollen
wir
annehmen,
dass sich an die altchristliche Weltverachtung nach und nach eine Anerkennung
des
irdischen Bestandes
und
später
Weltliebe angeschlossen habe, und das lassen standen
gefallen.
Nun aber soll
das letzte
eine
richtige
wir uns wohl verStadium
wieder nur
einem verkappten Fortschritt gleichen, indem es in den Standpunkt des Pessimismus zurückgreift,
um der Welt den letzten Stoss
zu
geben und sie aus dem Princip individueller Resignation zur Selbstauflösung zu zwingen.
Eine solche Wendung lässt sich aber nir-
gends nachweisen, man müsste sie denn in die Gegenwart und in das Hartmann'sche Werk selber v e r l e g e n , , wobei aber das Fleisch der
vorangegangenen
würde.
Culturentwicklung
unverstanden
bleiben
Wissenschaft, Bildung und Nationalität dieses Jahrhunderts
liefern keine Vorstufe zu diesem Extrem, sie haben das Vertrauen ' ) H a r t m a n n , S, 717. 23. 25.
233 a u f die Zukunft auch vielfach erweitert.
belebt und die p e r s ö n l i c h e n
F e r n e r wird b e h a u p t e t ,
die Unseligkeit z u n e h m e ;
dass
mit
Rechte
d e r Intelligenz
auch
das liessc sich k a u m n o c h a u f das Mittel-
a l t e r u n d dessen gesteigerte S c h m e r z e n s l a u t e a n w e n d e n , viel w e n i g e r a u f den
A u f s c h w u n g der R e f o r m a t i o n ,
Z e i t a l t e r des Leibnitz
und
der Aufklärung,
e r h ö h t e n E i n s i c h t seinen w e n n danken wollte, entsagen. stetigen an
noch
ohne jedoch
auch
das j a
seichten
der Hoffnung
w e n i g e r a u f das gerade
seiner
Eudämonismus
ver-
der U n s t e r b l i c h k e i t
Die E r k e n n t n i s s hat also n i c h t in der Unseligkeit
zu
ihren
B e g l e i t e r g e h a b t ; wir entadeln sie, w e n n wir nichts w e i t e r
ihr h a b e n wollen als eine z e r s t ü c k e l n d e und t a d e l s ü c h t i g e K r i t i k .
Mit E i n e m W o r t , der S c h l ü s s e l reicht n i c h t aus, um in das I n n e r e des B i l d u n g s g a n g e s
zu
trala n scha uung
und
der nackten gen
leiten; zwar
eine
fordert
religiös-sittliche,
eine
Cen-
die sich
aus
W e l t f r a g e s a m m t den mit i h r v e r b u n d e n e n T ä u s c h u n -
und E n t t ä u s c h u n g e n
nimmer mehr gewinnen
s c h i c h t l i c h e L e b e n s e l b e r ist Schranken
die G e s c h i c h t e
zu
reich
und
zu
lässt. frei,
um
Das
ge-
in
die
e i n e r solchen A b f o l g e g e z w ä n g t zu w e r d e n , und w e r es
einen P r o c e s s n e n n e n will, m u s s doch g e i s t i g e r e und g r o s s a r t i g e r e V e r h ä l t n i s s e in) Auge h a b e n , als sie uns in diesem W e r k e n a c h d e m e i n seitigsten M a a s s s t a b e d a r g e b o t e n werden.
Nur in d e m W e n d e p u n k t
d e r R e f o r m a t i o n trifft u n s e r e o b i g e Skizze mit I l a r t m a n n ' s A n d e u t u n g e n z u s a m m e n ' ) . — W o l l t e n wir
uns j e d o c h
diese g a n z e
Construction
mit i h r e r D e u t u n g gefallen l a s s e n : Eins würde, i m m e r n o c h zweifelhaft
sein,
wirklich
ob
sie
zur
Gewinnung
des
beabsichtigten
Ergebnisses
a u s r e i c h t , und ob sie nicht v i e l m e h r den P h i l o s o p h e n
Unbewusstcn
in Gefahr s e t z t ,
Ende zurückzunehmen.
was
er
am
Anfang
behauptet,
des am
Denken wir n ä m l i c h die A b t h e i l u n g e n des
P r o c e s s c s in der v o r g e s c h r i e b e n e n W T eise e i n a n d e r f o l g e n d und j e d e so w i r k s a m ,
dass sie leistet, was ihr zugewiesen i s t : so w ä r e darin
i m m e r n o c h ein Aufgebot g r o s s e r , w e n n a u c h n u r Kräfte
zur
Darstellung
versellen
über
Verfasser
könnte
den
selbstischen
also
' ) A. a. 0 . S. 727.
gelangt von
und
zugleich
Widerstand
seinem
intellectueller
ein
Sieg
des
der Individuen;
Standpunkte
aus
immer
Unider noch
234 s a g e n : nicht umsonst hat der blinde Wille das Endliche in's Dasein gesetzt, die Welt ist besser als die Nichtweit. Unsere E n d m e i n u n g geht dahin, dass die dargestellte Begründung dieser Ansicht n u r durch
u n s t a t t h a f t e Methode u n d Willkür
in der A u s f ü h r u n g zu Stande k o m m t ,
namentlich
aber an
Fehler einer verwerflichen Zurückstellung der e t h i s c h e n e s s e n gegen die n u r eudämonologischen keine Beweiskraft, am Wenigsten stellten Principien erheischen.
Inter-
Darum
hat
diejenige, welche die
sie
vorange-
Das aufgestellte Lebensgemälde geizt
mit den F a r b e n der einen Art, schwendet.
leidet.
dem
w ä h r e n d es die der a n d e r e n v e r -
Bei aller Vollständigkeit fehlt ihm die Unbefangenheit
und d a r u m auch die Wahrheit und die Treue.
Es ist keine Hel-
denthat, die menschlichen Z u s t ä n d e sittlich herabzusetzen,
uui sie
dem Heer der Uebel, die dann allein das Feld behalten, z u m R a u b e werden zu lassen. Ein dritter Vertheidiger
desselben
S t a n d p u n k t s , A.
Taubert,
ist f r ü h e r schon erwähnt worden, doch verdient er hier noch eine besondere
Berücksichtigung.
T a u b e r t erscheint
als
der
Marcion
dieser Gnosis, er hält sich zwar streng an Hartmann's G r u n d g e d a n k e n und bestreitet
die E n t g e g n u n g e n Havm's und Bona-Meyer's,
ohne viel Aufhebens zu machen von dein metaphysischen
aber
Hinter-
g r ü n d e des S y s t e m s , d. h. von der unvordenklichen Entzweiung zwischen dem Unbewussten u n d dem blinden Willen und von d e r nachträglichen
Theilnahme
jenes
dem
an
Werke
des
letzteren.
Alles Gewicht seiner Schrift r u h t auf den empirischen Eiuzelunters u c h u n g e n l ) . . Seine Abschnitte
lauten:
und seine Beurtheilung, die privativen Liebe, das Mitleid, der N a t u r g e n u s s , ' ) A. T a u b e r t ,
der
Werth
des
Lebens
Güter und die Arbeit,
die Glückseligkeit
D e r P e s s i m i s m u s u n d seine G e g n e r , Berl. 1 8 7 3 .
die
als ästheS. 2 wer J e n
n o c h m e h r e r e e i n s c h l ä g i g e S c h r i f t e n a u f g e f ü h r t : Ein Apostel des P e s s i m i s m u s von O t t o H e n n e — Am R b y n , d e u t s c h e W a r t e , H. 2 . 3. 1 8 7 3 . D r . L . Antimatprialismus, 1872.
G. K n a u e r ,
bewussten, Rede
3 . B d . , Kritik aller Das F a c i t
Berl. 1 8 7 3 .
gegen
Jahrbb. 1873.
Sch.'s H.
und
1—3.
Philosophie
Weis,
des U n b e w u s s t e n ,
Un-
J. B o n a - M e y e r , W e l t e l e n d u n d W e l t s c h m e r z ,
eine
Pess:,
J-. V o l k e l t ,
Bonn,
1872.
Philosophie
Berl.
des
H.'s
a u s E. v. H a r t m a n n ' s
R. H a y m ,
a . a. 0 . Pr.
Die E n t w i c k l u n g des m o d e r n e n P e s s . ,
•235 tische Anschauung,
als Tugend,
im Jenseits
und
als historische
Zukunftsperspective, endlich der Pessimismus und das Leben.
Im
Ganzen wird der Gedankengang des Vorgängers innegehalten, aber die Frage nach
der Glückseligkeit noch
bestimmter
vorangestellt.
F ü r das Individuum, sagt Taubert, steht d e r sittliche Gesichtspunkt unzweifelhaft h ö h e r , für die Gesammtheit
der
eudämonologische;
die Glückseligkeit des Ganzen ist der einzig mögliche Selbstzweck des „ P r o c e s s e s " .
Als unbedingte F o r d e r u n g
kann
das
Postulat
der Sittlichkeit sich nicht b e h a u p t e n , oder, wie sich Taubevt selbst für diese „ e l e n d e W e l t " allzuschlecht ausdrückt, — es darf nicht „ v e r a b s o l u t i r t " werden (S. 14).
Da es n u n trotz aller
Einreden
von Haym d u r c h vorurtheilsloses Denken u n d Abstraction möglich wird, das Sein der Dinge mit ihrem Nichtsein zu vergleichen vom S t a n d p u n k t so kleidet
sich
der
Existenz
und
für die Nichtexistenz zu s t i m m e n :
das Problem in den Satz:
„steht
das Leben an
eudämonologischem Werth über oder unter dem Nichtsein, ist das Sein der Welt ihrem Nichtsein vorzuziehen " o d e r umgekehrt (S. 2 3 ) ? W a h r scheinlich w ü r d e Haym auch gegen diese Fragestellung protestiren. Logisch ist der Gedanke einer nichtseienden Welt wohl vollziehbar; wer aber versucht, ihm einen vergleichbaren Inhalt zu geben, muss streng genommen wieder ein denkendes Subject voraussetzen und mit ihm die Welt selber, die er gerade hinwegdenken soll, oder er m u s s diese Abwägung
auf
dessen k a n n
einen
ausserweltlichen
Standpunkt
verlegen').
dieser erste Skrupel hier füglich auf
In-
sich b e r u h e n .
Der Verfasser tritt n u n m e h r den Beweis d e r Negative an, er setzt das Seiende, wie es ist, unter das Nichtseiende
herab,
geht
aber
dabei vorsichtiger als Hartmann zu W e r k e , denn er empfindet die Schwierigkeit.
Es
wird
Gesundheit u n d Freiheit
nochmals
ausgesprochen,
nichts weiter
als
dass
Jugend,
eine Abwesenheit
des
Uebelbefindens b e d e u t e n ; er denkt sie also wieder als blosse Zu-
Im n e u e n
lteich, 1 8 7 2 ,
N. 2 5 .
des U n b e w . , ( k a t h o l i s c h e s ) die
Taubert'sche
Schrift
K.-Z. 1 8 7 4 . S. 1 0 . 4 1 . ' ) S. H a y m ,
a. a . 0 . S. 2 3 8 .
F. A. H a r t s e n ' s
Theolog. s.
den
Literaturblatt, Aufsatz
von
A.
Kritik
der
1872,
N. 7. —
Schweizer,
Philosophie Ueber l'rotest.
236 stände, w ä h r e n d sie doch zugleich etwas Dynamisches in sich t r a gen.
Wo eine aufstrebende Kraft der Bewegung lebendig ist und
sich u n t e r Wechseln und sogar unter Hemmungen erhält, da entsteht auch im Bewusstsein ein Niederschlag des Wohlgefühls; d a her ist nicht zu fürchten, dass sich eine frische Jugcndlust diesem pessimistischen
Edict
unterwerfen
wird.
Ferner
giebt
sich
Verfasser alle Mühe, die Arbeit zu entseligen, von ihren tigen W i r k u n g e n
macht er eine Reihe von
trauriges Geschäft der S u b t r a c t i o n ,
der
wohltä-
Abzügen; es ist
ein
das aber nicht ausreicht, um
die F r e u d e am Gelingen zu zerstören, und in diese wächst J e d e r schon aus dem Spiel der Kindheit h i n e i n , ehe Mühen gekostet h a t ' ) .
er noch
schwere
Zur Steigerung dieses Leidwesens soll auch
die jetzt h e r r s c h e n d e Arbeitstheilung dienen, — gewiss ein s c h w e r e r l'ebelstand, den Jeder eingestehen wird, der aber doch nicht dem ganzen Universum zur Last fallen kann, sondern n u r unserer Zeit, welcher es. obliegt, ihn zu mildern.
Wie j e d e r Tag seine
Plage h a t : so auch jedes J a h r h u n d e r t die seinige.
eigene
Iin Folgenden
hat T a u b e r l die H a r t m a n n ' s c h e Erklärung des Mitleids
verbessert,
die „illusorische" Beschaffenheit der Geschlechtsliebe aber bei bestem Willen nicht vollständig a u f r c c h t erhalten k ö n n e n ' ) .
Kunst
und
Wissenschaft behaupten sich natürlich auch f ü r ihn in ihrer h e r vorragenden E h r e n s t e l l u n g ,
aber was hilft uns dies,
eine sehr kleine Gemeinde
haben?
da sie n u r
Hierauf lässt sich
antworten,
dass, so lange menschliche Begabung und Beschäftigung so ungleich bleiben, wie es zum Heil des Ganzen erforderlich ist, das Forschen wie das künstlerische Bilden sich immer n u r in den Händen einer Minderheit befinden w i r d ; a b e r
f ü r deren m i t t e l b a r e n
giebt es eigentlich keine G r e n z e , und
Einfluss
an diesen kann sich eine
a n d e r e Art geistiger H a n d r e i c h u n g anschliessen, wie sie bei gleichmassiger Vertheilung der intellectuellen Geistesgüter den würde.
DaS Wissen ist es n u n einmal nicht,
nicht stattfinsondern
das
sittliche und religiöse Band, welches den Untergrund der Gemeinschaft bilden soll. ') 3
Eine
a n d e r e Entgegnung
T a u b e r t , a. a. 0 . S. 33 IT.
) Taubert,
S. 37£f. 51 ff.
fällt stärker in's
Gewicht.
237 Schon Schopenhauer und Hartmann bieten Alles auf, um Wissenschaft u n d Kunst zu preisen,
während Welt und Leben von ihnen wie
von Taubert auf alle Weise entwcrthet aber ein unleidlicher Widerspruch; ihren Reiz e m p f a n g e n , wenn den
Regungen
der
werden.
denn
Daraus
entsteht
w o h e r sollen denn j e n e
nicht aus dem Aether, welcher von
lebendigen
Schöpfung
emporsteigt,
nicht aus den Eindrücken der E r s c h e i n u n g ,
wenn
aus der Gemüthswelt
und den Schätzen der Vergangenheit? Das eine Urtheil m u s s also nothwendig ermässigt w e r d e n , wenn das a n d e r e fortbestehen soll. Am Wenigsten sind diejenigen zu h ö r e n , welche als F r e u n d e der Kunst,
die
sie
sogar
zum
Ersatzmittel
der
Religion
machen,
immer wieder auf die „flüchtigen Momente" ihrer Gaben mit d e m selben Bedauern
zurückkommen ').
ren, sollte nicht nöthig sein.
Darüber ein Wort zu verlie-
Was die Kunst ü b e r h a u p t leistet, —
denn zu der Lösung der höchsten Aufgaben verhält sie sich immer n u r begleitend, niemals hervorbringend, — ist nicht flüchtig, wir kennen sie
schlecht,
ihren
wenn
wir
ihrem Wesen,
dass
unter
Pausen
langen
sie
Brust
positive
Glückseligkeit
Befriedigung
der
Phänomen
die
— sich
empfinden,
Tugend sondern
diese schon
ihres
soll
also damit,
welcher
Es gehört zu
nothwendigen
Zeugen
und
mit-
Waltens
ebenfalls
nur
eine
doch,
„gewisse
—
dass
in
keine
und
das
die
Leben
ist und daher keine anderen Hoffnungen übrig
seines eigenen A u f h ö r e n s ,
des Ich in den
endlich
Die
schaffen,
Seele",
erledigt
selbst ein Uebel
Wer
nicht
ihrer
stillen
zurücklässt.
Unsterblichkeit als
während einen
unserer
Uisst
den Nachhall
unmittelbaren Wohllaut zehnfach überdauert.
noch
Frieden
womit das
der Alleinheit
leidensvolle
zurückkehrt').
die Perspective der Zukunft zu Rathe
will, dem bietet auch sie keine andere Hülfe als die
ziehen
Verbreitung
der „pessimistischen Doctrin", d. h. die Verkündigung des Allleidens der Menschheit zur Bändigung
des Missbehagens
der Unter-
drückten, damit sie erkennen, „ d a s s ihr Leidensloos n u r das a l l g e m e i n e Daseinsloos der Menschheit ist, und dass ihr grimmiger ') T a u b e r t ,
S. 1 7 8 .
2
S. 8 3 . 9 9 .
)
Taubert,
Strauss,
Der alte und n e u e Glaube, S. 3 6 8 .
238 Neid auf die scheinbar bevorzugten Hoch- und
Gutgestellten
nur
ermöglicht wird durch ein vollständiges Verkennen des eudämonologischen Seelenzustandes, d e r sich hinter den äusseren Glücksgütern birgt,
weil
das Leid
allerorten,
w o h n t ; — eine L e h r e ,
im Palast wie in der
sich schliesst,
die aber f ü r s i c h
sondern
der Erschlaffung wie
eher
Hütte
die zwar einen sehr w a h r e n Gedanken in genommen der
keineswegs trösten,
Lieblosigkeit
Vorschub
leisten w ü r d e 1 ) . Anfang u n d E n d e dieser Doctrin verlieren sich im Dunkel und w e r d e n durch die dazwischen gehellt.
liegenden
Erörterungen
nicht
w ü r d e sich immer noch ein Anstand der ernstesten Art gen.
auf-
Aber selbst w e r ihnen vollen Beifall schenken wollte, dem aufdrän-
F ü r das Individuum, wird gesagt, steht-der sittliche Gesichts-
p u n k t höher, in Bezug auf das Universum dagegen hat H a r t m a n n mit Becht den Endzweck
eudämonologischen als
aufgerichtet*).
So
lautet
den allein das Urtheil
maassgebenden im Namen
des
„ W e l t p r o c e s s e s " , dieser erlaubt oder befiehlt also seinen Unterthanen, auf eigene Hand u n b e d i n g t g u t u n d sittlich zu sein, doch mit dem Vorbehalt, dass seine eigene letzte Glückseligkeit keinen
Abbruch
dadurch
mir
aus
seine eigene Gültigkeit
auf-
erleiden
dürfe.
Ich b e k e n n e
einem individuellen Moralismus,
der
offen,
dass
ich
giebt, um sich einem universellen E u d ä m o n i s m u s zu keinen Vers zu m a c h e n
weiss.
unterwerfen,
Wie k a n n das Sittliche auch
nur
individuell gedeihen, wenn es diesen Nebengedanken mitbringt, u n d an welcher Stelle soll der Einzelne aus dem einen Gesetz, also aus der individuellen
Sittlichkeit in das a n d e r e der Dienstbarkcit f ü r
das Ganze hinübertreten, o d e r auch wie entsteht ein Allgefühl der Seligkeit, wenn das Individuum es vorziehen sollte, bei seinem individuell sittlichen
Rechte zu
beharren?
überhaupt halten,
an das Allleiden
Woran
sollen
wir uns
der Menschheit oder
an
die
Glückseligkeit als den alleinigen Endzweck des Processes? Auch die ')
Vgl. dagegen l a s s u n g von
F. A. v. H a r t s e n ,
Die
u r t e i l u n g des m o d e r n e n N a t u r g e n u s s e s ") T a u b e r t ,
Moral
des
Pessimismus
T n u b e r t ' s S c h r i f t , N o r d h . 1 8 7 4 , S. 3 1 ff. — S.
12-14.
ist
nach
Veran-
Auf T a u b e r l ' s
oben schon geantwortet
Be-
worden.
239 Religion kennt einen Eudämonismus, j a ihrer W i r k u n g nach
will
sie selbst ein solcher sein, aber ein ethisch b e g r ü n d e t e r und der schon im Individuum ansetzt, statt erst für das Ganze in Kraft zu treten.
In enger Verbindung hiermit steht ein Zweites, dass n ä m -
lich von Taubert und Hartmann die S e l b s t p f l i c h t e n
gestrichen
werden, und zwar mit der Erklärung, dass die Vorschriften, welche gewöhnlich
unter
diesem Namen zusammengefasst w e r d e n ,
aller-
dings den Charakter der Pflicht haben, aber n u r deshalb, weil sie die Mittel schaffen sollen, um den Pflichten gegen Andere zu geniigen, womit sie sich also in indirectc Nächstenpflichten deln ').
verwan-
Zurückgewiesen wird dafür auf S c h o p e n h a u e r und
selbst
auf Fichte; und es würde sehr weit abführen, wenn die so anger e g t e Untersuchung
an
dieser Stelle durchgeführt werden
sollte.
Soviel aber ist uns gewiss und möge hier gesagt s e i n , dass wer an den Selbstwcrth der Individuen glaubt,
was sich f ü r den reli-
giösen Menschen von selbst ergiebt, auch nicht umhin kann, eine n o t h w e n d i g e Rückbezichung der Pflicht auf diesen und dessen W a h r heit und Fortbestand anzuerkennen. nicht das Erste, woran sich der
Zwar sind die Selbstpflichten
Pflichtbegriff, emporbildet,
denn
jede Erziehung geht von der Regelung des Verhältnisses zu Anderen
aus;
aber mit der Bildung des Selbstgefühls verbindet
sich
das Bestreben, die einzige Ställe, über welche der Einzelne volle Verfügung hat, zu einer sittlichen zu machen. auf dieses Interesse• ein, es kann
Das Gewissen geht
sich nicht in der Richtung auf
die Anderen erschöpfen; die hinzutretende Selbstpflicht aber liefen nicht allein M i t t e l
für die Socialpflicht, sondern
von j e n e r aus auch ihre Gestalt
und Schranke.
der Selbstpflicht scheint daher eine Verkürzung schliesscn,
was von Taubert ausdrücklich
diese e m p f ä n g t Die L e u g n u n g
dessen in sich zu
bejaht w i r d , die
volle
Gültigkeit des individuell Sittlichen. Hiermit w ü r d e n wir die Taubert'sche Schrift n u r als eine a b geschwächte WMederholung Hartmann'scher Gedanken aus der Hand legen, wenn sie nicht am Schluss eine achtungswerthe Seite d a r böte.
Der Verfasser erklärt die Idee der Glückseligkeit T a u b e r t , a. a. 0. S. 13.
f ü r den
240 eigentlichen Gegenstand sich
angelegen
sein,
der Frage,
m e h r als H a r t m a n n
d a s sittliche Moment a u s d e r
mit d e m e u d ä m o n o l o g i s c h e n h e r a u s z u z i e h e n .
lässt er
Vermischung
D a d u r c h g e w i n n t die
Schrift a n H a l t u n g u n d Recht, weil sie in den G e d a n k e n auslauft, dass w e n n a u c h d a s eine Gut a u f r i c h t i g in mann
Alles
Ehren nur
gehalten
versinken,
lässt, wird hier d o c h R a u m Besserung. auf d e n
werden
soll.
ermatten
und
d a s a n d e r e doch
Während
also
Hart-
verschlechtert
werden
geschafft f ü r die Möglichkeit
einiger
Der S c h l u s s a b s c h n i t t will den Beweis liefern, d a s s erst
Trümmern
Sittlichkeit
zusammenbricht,
sich
alles
erhebe.
ziehung werden verboten,
individuellen
Eudämonismus
Unthätigkeit
und
die
quietistische
n a c h Verzichtleistung
echte
Zurück-
auf j e d e s indivi-
duelle Glück gilt es, den Boden des irdischen W a n d e l s a u f ' s Neue u n d mit a n d e r e n S i n n e n zu b e t r e t e n ; d a s Leben
wieder
erträglich
so allein k a n n es gelingen,
zu m a c h e n ,
sogar
F r e u d e n zu s c h m ü c k e n u n d d u r c h H i n g e b u n g
m i t ungehofften
an die „Allgemein-
h e i t " (sie) die „ e d e l s t e n F r ü c h t e " zu erzielen. F r e u n d s c h a f t , W i s s e n s c h a f t , K u n s t l a s s e n sich a u s dem S c h i f f b r u c h vermeintlicher Güter retten, übrigens m u s s Entsagung zur herrschenden Gesinnung werden.
Und
dieser S t a n d p u n k t
ist nicht etwa u n f r u c h t b a r ,
u n d t r ä g e , nein er ist t a p f e r u n d e n t s c h i e d e n ;
blasirt
a u s dieser U e b e r -
z e u g u n g e r w a c h s e n l e b e n d i g e Kräfte, aus i h r e n t s p r i n g t
der kräf-
tige E n t s c h l u s s , e i n e r s c h w i n d c l h a f t e r r e g t e n Zeit n e u e
Spannung
zu verleihen, f ü r d e n E r n s t des L e b e n s hagen,
einzutreten,
U c b e r h e b u n ' g u n d eitle V e r t r a u e n s s e l i g k e i t ,
rationalistische
Selbstzufriedenheit und
sicheres Be-
v e r a l t e t e platt-
grobsinnliche
Genusssucht,
k u r z die i m m e r w e i t e r u m sich greifenden G e b r e c h e n d e r G e g e n w a r t mit selbstlosem Eifer zu b e k ä m p f e n ' ) . herrlich, Jeder
wird
mit dieser W e n d u n g
Nun w o h l , d a s klingt e i n v e r s t a n d e n sein, er
' ) Man lese die weitere Ausführung bei Taubert S. 1 2 9 132 IT. 1 3 7 , dazu N i e t z s c h e , l'nzeitgemässe Betrachtungen, III, S. 5011. Der Letztere ergeht sich zu dein T h e m a : Aufklärung über d a s Dasein und Weibe d e r Cultur in mancherlei anregenden, aber äusserst nebelhaften Gedanken, die darauf h i n auskommen, dass wer die „Verschrobenheit der jetzigen Menschennatur" eck a n n t habe, bestrebt sein müsse, die „Wiedererzeugung Schopenhauers, das heisst d e s philosophischen Genius vorzubereiten" ( S . 8 9 ) .
241 müsste
denn
unvernünftiger Weise einem ausschliesslichen
Opti-
mismus huldigen, der von dem Gegentheil nichts wissen noch lernen will. auf.
Leider n u r tritt auch diese Tendenz in unreiner Gestalt
Die Absicht ist g u t , a b e r wir wollen
sie nicht empfangen
aus den Händen einer Doctrin, welche sie nicht tragen kann, noch weniger f ü r sich allein in Anspruch n e h m e n
darf.
Man
braucht
die Welt nicht n i e d e r z u t r e t e n , um gerüstet Zu sein gegen T r ä u m e r e i und Leichtfertigkeit, noch auch das Leben
unter den Null-
p u n k t zu vei'setzen, um ihm dann doch wieder „ u n g e h o f f t e F r e u den"
u n d edelste Früchte abzugewinnen.
Verneinung
und
Ver-
zichtleistung sind noch keine S c h ö p f e r k r a f t , welche Hoffnung und Glauben zu ersetzen vermöchte.
Die „Allgemeinheit" welcher alle
Individuen ihr Wohlgefühl zu opfern h a b e n , wird uns zwar dringend an's Herz gelegt, aber worin sie bestehe, erfahren wir nicht. Die Selbstlosigkeit,
welche dieser Hingebung zum
soll, müsste mit der Selbstpflicht verbunden zu v e r d i e n e n ;
Grunde
sein, um
liegen
Vertrauen
von dieser aber hält Taubert viel zu wenig, wenn
er ü b e r den Selbstmord zu sagen sich e r d r e i s t e t : „Die Wahl stehe Jedem frei, und Jeder (?), der ernsthaft mit dem Leben rang, h a b e wohl einmal vor dieser dunkelsten aller Alternativen g e s t a n d e n " ] ) . Ich
kenne
doch Alternativen,
die weit dunkler s i n d ,
welcher nach aller Wahrscheinlichkeit
diese
aber,
die Mehrzahl der Menschen
nicht ausgesetzt g e w e s e n , ist die radicalste.
Wenn
Semler
von
sich erzählt, dass er in den Jahren seiner W a n d e l u n g oft innerlich gerufen h a b e : ach wäre ich doch wie dieser Stein! so lag auch darin ein Ringen mit dem Leben, ein schmerzliches Verlangen, ihm und seiner
Schwierigkeit zu entfliehen, aber doch
danken des Selbstmordes weit verschieden.
von dem Ge-
Was endlich Demutli
und Selbstverleugnung betrifft: so b r a u c h e n wir sie nicht aus dieser j ü n g s t e n Quelle zu b e z i e h e n , wie j a auch der Gemeinspruch, dass w e r wenig e r w a r t e t , m e h r zu finden hoffen darf, schon älteren Datums ist. Taubert ]
nennt
diesen
seinen
Pessimismus eine
) T a u b e r t , a. a. 0 . S. 1 2 8 .
Gnss,
Optimismus
und
Pessimismus.
16
„moderne
242 C u l t u r i d e e e r s t e n R a n g e s " ; allein wie derselbe vorliegt, v e r b ü r g t er keine W i r k u n g e n auf die Cultur, wir m e i n e n , er müsste ganz anders b e g r ü n d e t sein, u m statt eines merkwürdigen toms ein Heilmittel des mit sich selbst uneins
Symp-
gewordenen
Zeit-
geistes zu heissen.
XII.
Zusammenfassung und Sclilusssätze. Von den merksamkeit
neuesten nochmals
Verhandlungen dem
wendet sich unsere
allgemeinen
vielumfassenden
Auf-
Gegen-
s t a n d e dieser U n t e r s u c h u n g zu, der Leser wolle uns kürzlich d a hin folgen.
Der weite Weg von der Verachtung zur ü e b e r w i n d u n g
u n d Aneignung der W e l t , von der A b w e n d u n g zur A n e r k e n n u n g des irdischen Bodens oder auch vom ältesten zum jüngsten Pessimismus ist d u r c h m e s s e n ; was hat er uns gelehrt, welche gemeinsamen
Züge,
welche
Festigkeit
und
Beweglichkeit
des
Bildes
h a t sich ergeben, u n d welche Aufforderung an den Menschen, ihm gegenüber sich selbst, sein Wesen und Ziel zu bestimmen?
Die
Antwort muss möglich s e i n ,
ge-
oder unsere Arbeit ist umsonst
wesen. Im Vorstehenden Meinung
gehandelt
ist
von Welt-
worden,
u n d Lebensansicht
dass Beides
in innigster
in
der
Beziehung
stehe, aber doch nicht dasselbe bedeute, und diese Voraussetzung ist unwiderlegt geblieben, muss also auch in unser Ergcbniss Ubergehen.
Fiele Beides zusammen,
w ä r e das Welt- und Naturgefühl
n u r ein erweitertes menschliches Selbstgefühl oder dieses n u r ein bewusstes Naturleben, ohne sich qualitativ von diesem a b z u l ö s e n : so
läge
die F r a g e
schwierig u n d tief. zu v e r w i s c h e n ,
einfach,
erst
die Unterscheidung
Moderne Theorieen
suchen
macht
sie
diese Scheidelinie
aber sie stellt sich im Geiste wieder her.
Kein
243 Monismus, sei es des Princips oder der empirischen hat bis jetzt zum Schweigen g e b r a c h t , andern
zuraunt;
wir
verstehen
die
Beobachtung,
was ein J a h r h u n d e r t Rede
vergangener
eben d a r u m , weil sie in unserem Bewusstsein
dem
Zeitalter
wiederklingt,
weil
die S e l b s t ä n d i g k e i t des Menschenwesens in ihr Bestätigung findet. . Die Wahrheit des Geistesprincips ist die Bedingung und zugleich das Ergebniss alles Einverständnisses u n t e r den Ergieb dich allen Folgerungen
des Naturalismus,
gemeinheit",
wirf
dich
Ilartmann'scher
schmerzliche
oder
beseligende
nach
„Allgefühl",
Menschen.
diene der „All-
Vorschrift in lass
dich
von
das den
Fluthen des Processes selbstlos ergreifen: dennoch wirst du dich wieder an deinem
eigenen Ufer ausgesetzt und
geben sehen.
Aber auch
umgekehrt.
dir selbst
Entreisse
wiederge-
dich ganz
dem
Staube, steige in schwärmerischem Idealismus zu den reinsten inlelligibein Daseinsformen e m p o r :
immer wird dich die Natur wie-
der leiser o d e r . gewaltsamer auf ihren Boden ziehen und in ihren Schooss a u f n e h m e n . Beides gilt vom Individuum wie von der Gemeinschaft, sie besitzen der Naturbestimmtheit ganz zu entreissen.
eine relative F r e i h e i t ,
ablöst,
welche sie von
o h n e sie ihr und ihren S c h r a n k e n
Darüber hat die menschliche Rede jederzeit
geschwankt, ob sie die Materie als Fessel oder als Gehäuse,
als
Reiz- und Darstellungsmittel oder selbst als S c h w u n g f e d e r des Geistes bezeichnen
solle; ein Name diente dem a n d e r e n
oder zur Ergänzung,
damit das Mysterium
z u r Berichtigung
der S c h ö p f u n g
immer
vollständiger ausgesprochen w e r d e ; soviel aber war in j e d e r Vorstellung mit enthalten, dass das Materielle etwas Anderes sei, was wir als das U n s r i g e in sie hineinlegen.
als
Sich selbst und sei-
nen Zwecken folgen, heisst leben im menschlichen Sinn, von sich aus Stellung nehmen zu den Aussendingen,
heisst der Welt
und
Natur gehören. Es wird gefragt, ob dieses seinen F o l g e n , Schwierigkeiten
doppelte Verhältniss s a m m t und
Unendliche erreichbares sittliches Ziel in sich t r a g e , ausgedrückt,
ob w a s der Mensch
gestellt
aus Gewissen
und
allen
Aufgaben ein h ö c h s t e s , oder
in's
anders
als Lebensansicht in sich fest-
und Religion empfangen h a t , 16*
auch in
244 d e r S u m m e natürlicher Ordnungen und in der Reihenfolge der Erfahrungen
volle Unterstützung
und Bürgschaft
hat?
Wird
diese
Ueberzeugung g e w o n n e n : so enthält sie zugleich die Rechtfertigung der Welt und ihres G r u n d e s ,
die einzige, die als
unabweisliche
F o r d e r u n g dem menschlichen Gemüthe sich aufnöthigt, und neben welcher alle rein intellectuellen E r w ä g u n g e n immer n u r einen untergeordneten W e r t h behaupten w e r d e n .
Es erzeugt die höchste Be-
friedigung zu wissen oder zu glauben, dass die Welt nicht andere gemeint sei wie der Mensch, sie ist alsdann gut oder vollkommen für
ihn,
und
diese
endgültige Gewissheit
wird
durch
alle ihr
vorangehenden Bedenken, Hindernisse u n d Umwege nicht zu theuer erkauft.
Dagegen sind dem eben Gesagten gemäss die dahin füh-
renden E r k l ä r u n g e n nicht mit Einem Schlage gegeben, weil sie an ungleichartigen
Fäden
hängen.
und Güter scheiden s i c h , auch w i e d e r , indem
aber
Natürliche
und
sittliche Uebel
sie verknüpfen und
kreuzen sich
die Güter der einen Art zu den Uebeln der
a n d e r e n und u m g e k e h r t in Beziehung treten.
Ein Resultat
wird
durch E i n o r d n u n g und Unterbringung der einen Qualität innerhalb des Bereichs der a n d e r e n , nicht durch Gleichgewicht erzielt. also Schopenhauer u n d Hartmann Lichtpunkten a u s s t a t t e n , das
ihr düsteres Bild mit
weil es sonst nicht möglich sein würde,
v o r h e r r s c h e n d e Dunkel als solches nachzuweisen
einer
Wie
einigen
noch v o r h a n d e n e n
Helligkeit a u s :
ausser von
so muss auch der Opti-
mismus seine eigenen Gegengründe in sich selbst zum
Ausdruck
bringen, sonst w ü r d e er Antwort geben, ohne die F r a g e vollständig vernommen
zu
haben.
Spannung,
und
Alle,
Aber die
wollten, hatten die Absicht,
auf
eben
dies
diesem
versetzt
Gebiet
mit reinem Gemüth
mit lichten Augen um sich zu s c h a u e n ,
den
Zeugniss
Geist
in
ablegen
aufzufassen
und
um dann ihr Bestes zu
sagen. Die Theodicee, d. h. die religiös u n d sittlich motivirte darum
nicht ohne A n w e n d u n g des Z w e c k b e g r i f f s
ausführbare
WTelt- und L e b e n s a n s c h a u u n g stellt, wie wir sie kennen ein gewisses Unisono d a r ,
und
gelernt,
sie lebt s t e t s von denselben G r u n d g e -
d a n k e n ; doch wird sie d a d u r c h historisch veränderlich, dass ihre
245 Instanzen einer verschiedenen beslimmung
unterliegen.
subjectiven oder objectiven
Indem
sie
mehrere
Reihen
Maass-
von
Ein-
drücken u n d Aussagen ordnet und vergleicht, giebt sie sich selber das Ansehen einer Erkeimtniss; aber um als Ueberzeugung festzustehen u n d über zufällige Erschütterungen Herr zu werden, m u s s sie eine Kraft der Gesinnung und des Willens in sich a u f n e h m e n , weil der ganze Mensch betheiligt ist.
Soweit behält Kant Recht,
wenn er philosophische Beweismittel für unzureichend
erachtete.
Versuchen wir nochmals eine kurze Analyse: so stellen sich ähnliche Kategorieen wie die Leibnitzischen von selbst zu Gebote, und
nur
das
metaphysische Hebel b r a u c h t uns keine Sorge zu
machen, da
es,
empirisch
niemals mit Sicherheit
werden k a n n .
wenngleich
philosophisch
richtig
gedacht,
veranschlagt oder
doch
abgegrenzt
Wo beginnt und wo endet das Nothwendige an der
Endlichkeit, was gestattet sie und was schliesst sie schlechthin von sich a u s ,
um nicht diese ihre Schranke zu ü b e r s c h r e i t e n ?
exacte und auf den Bestand der Dinge a n w e n d b a r e dieser F r a g e kenne ich nicht.
Eine
Beantwortung
Wie aber Leibnitz von der
Har-
m o n i e des Universums ausging: so muss auch f ü r uns das allgemeine N a t u r g u t Hintergrund Worten
an
nebst seinem sittlichen Seitenstück der Spitze stehen.
Die Sonne geht nach Christi
ü b e r Gerechten und Ungerechten
Sternenhimmel,
von
als grosser
den gesetzmässigen
a u f , dasselbe gilt vom Wandelungen
des
Erd-
lebens u n d tausend Erscheinungen, welche, ohne nach d e r m e n s c h lichen S o r g e zu
fragen, an unseren Augen vorbeiziehen als
vergängliche Abbilder wissenschaftlich
des Friedens
erkennbar
und
und
der
künstlerisch
un-
Uebereinstimmung, darstellbar.
Eindrücke sind von Anbeginn dieselben g e w e s e n ,
Diese
erhebend u n d
ergreifend, weder die vermehrte Zahl der Planeten noch die W u n der des Spectrums können sie verringern, u n d n u r sinnige verschliesst sich i h n e n ; durch
Voranstellung
seines
der Stumpf-
der Religiöse aber verbindet sie
Princips.
Kein Tag geht
ohne
die
wohlthätige Empfindung der Einrichtungen
v o r ü b e r , welchen sich
alles Lebendige willig fügt.
grossartigen
Von diesem
Panorama
hebt sich zweitens der Vordergrund des u n h a r m o n i s c h e n ,
chaoti-
246 sehen und
widerspruchsvollen Menschenlebens
bedeutungsvoll
aber nicht ohne v e r w a n d t e Züge d a r z u b i e t e n , der Gedanke einer s i t t l i c h e n sein.
Weltordnung
denn sonst
ab,
könnte
gar nicht entstanden
Freilich ist diese Grösse weit weniger g r e i f b a r als jene ex-
acte der kosmischen Normalverhältnisse,
a b e r sie deutet doch auf
eine sich u n t e r Gegensätzen wiederherstellende Regel, auf eine dem Unheil ein „bis hierher u n d nicht w e i t e r " z u r u f e n d e V e r w a l t u n g ; Durchblicke
zu
dieser Höhe
fehlen
nirgends.
Natürliche
Uebel
k ö n n e n moralische F r ü c h t e bringen, aber niemals ist durch m o r a lische E n t a r t u n g die Naturkraft gesteigert worden, vielmehr war es immer eine S c h w ä c h u n g des Gleichgewichts,
womit die Natur auf
eine d a u e r n d e sittliche Abnormität geantwortet hat. Schranken,
weit
genug
für
das
Walten
des
So entstehen
Geistes
und
der
Freiheit, u n d f ü h l b a r genug, um stets d a r a n zu m a h n e n , dass die Schöpfung dem Guten dient. verloren,
Die Menschheit
um sie wieder zu finden.
h a t diese Leitmittel
Auf derselben Basis
erhebt
sich die positivere und idealere Gestalt des Gottesreichs als einer vom h. Geiste geleiteten Bürgerschaft u n d Bruderschaft, deren Mitglieder nicht nach Maassgabe d e s s e n , was sie heute und morgen leisten und sind, s o n d e r n was sie sein m ö c h t e n und wozu schon Hingebung, Hoffnung und Liebe in ihnen lebendig geworden, geschätzt werden, und f ü r welche es wohl einen Tod, aber kein Ersterben u n d keinen Untergang giebt. ' Dies n e n n e ich
die beiden
constituirenden Mächte
natürlich-
sittlicher Freudigkeit, die eine der Welt-, die a n d e r e der Lebensansicht zugewendet, und es b r a u c h t
nicht wiederholt zu
werden,
wie sie durch die Glücksgüter der Gemeinschaft und der Gattung, d u r c h Ehe, F r e u n d s c h a f t u n d Volksthum, durch und künstlerische Thätigkeit ergänzt werden.
wissenschaftliche
Emporzublicken zu
dem Inbegriff harmonischer Erscheinung und zu der
unsichtbaren,
allem Leben einwohnenden Satzung, ist das nicht zu v e r b r a u c h e n d e Stärkungsmittel, d u r c h welches auch die religiöse Zuversicht immer a u f ' s Neue angefrischt wird.
Allein das Bewusstsein, welches in
ihnen Befestigung sucht, stösst auf ein doppeltes Hinderniss,
zwei
Störungen dringen erschütternd in das kaum erlangte Wohlgefühl.
247 Zuerst also das s i t t l i c h e
Uebel;
teren meist einfach die Sünde sinnten
wirkt
es
noch
als
solches
vorgeführt, aber
niederschlagender,
haben
die
A ei-
auf den Ernstge-
wenn
eben
dieses
Schwache und Sündhafte in seiner Verbindung mit dem Starken, also mit deu menschlichcn Bestrebungen,
die doch f ü r das Beste
am Menschen gelten, in's Auge gefasst wird.
Das Schwerste
an
der Sünde ist nicht ihr vereinzeltes nacktes Auftreten, s o n d e r n ihr tiefes Verschlungensein mit dem sittlichen Process.
In dieser Rich-
tung ist oben S. 1 8 3 — 8 8 dem Pessimismus das W o r t geredet worden, zurücknehmen
lässt sich das dort Gesagte in keinem P u n k t .
ewigen W i d e r s p r ü c h e des Wollens und Vollbringens, der und Praxis, des Systems und
Die
Theorie
der begleitenden Zustände, die u n -
aufhörliche Zersplitterung des Wissenstriebes in einseitige o d e r entgegengesetzte Momente, l e b t , um
nur
die Inconsequenz, von welcher die Welt
von der Stelle zu k o m m e n ,
die in die guten Ab-
sichten einschleichende S ü n d e und Selbstsucht, der ewige U e b e r g a n g von der blossen Verkennung zum Aergerniss und zur Anfeindung, die alte u n d neue Schwierigkeit der Erziehung u n d Charakterbild u n g , welche Kräfte fordert, die sich gegenseitig beschränken oder ausschliessen, die unter dem Deckmantel der Wissenschaft u n d Kunst f o r t w u c h e r n d e Leidenschaft, die willkürliche Verkümmerung des Glücks: — auf blossen Irrthum lassen sich alle diese Schäden nicht z u r ü c k f ü h ren, weil sich überall auch etwas Moralisches einmischt.
Um so be-
t r ü b e n d e r erscheint das Gepräge des Menschenwandels, o h n e dass wir an die
schweren Unthaten
sonderlich
zu
denken
brauchen.
Die Menge der Täuschungen kommt hinzu, denn wie Mancher h a t erfahren,
dass
handelte und
redete;
vielleicht hörte ihn die Welt, aber sie machte gewöhnlich
etwas
Anderes
er
mit aller Aufrichtigkeit
als er nieinte
aus seinem Wort.
etwas Tröstliches h i n z u z u f ü g e n , verweilende
Blick
auf
diese
dass
Hier weiss ich
nämlich
vollgeschriebene
nuc
der zweite
länger
Leidenstafel
meist
günstiger ausfällt als der erste flüchtige, zumal in intellectuellen Angelegenheiten.
Gründliche Kenner
der
mals bezweifelt, dass das Verstehen unter
Geschichte den
haben
Menschen
nieweiter
reicht als das Missverstehen, denn es dringt ü b e r den Buchstaben
248 hinaus, das Gelingen weiter als das Misslingen, dass mitten unter Widersprüchen sich einigende Mächte regen, Entlegene
zusammenführt,
aus
starrer
dass der Geist
Ueberlieferung
das
lebendige
Quellen entspringen, aus unscheinbaren Trümmern eine neue Wölbung des Gedankens hervorgehen lässt.
Und selbst der Beschauer
des sittlichen Verlaufs, dem doch das weit härtere kritische Amt anheimfällt, — wie oft wird er durch das Emporkommen heilender Kräfte aus dem Schooss der Sünde überrascht und ergriffen!
Der
Historiker würde es längst müde geworden sein, immer wieder in den
Schachten
menschlicher
Greuel umherzuwandern, wenn
nicht hoffen dürfte, auch Erz zu Tage zu fördern.
er
Die allgemeine
Schwäche der menschlichen Angelegenheiten wird in der Bibel oft und stark betont;
aber
wer sind
denn diejenigen,
8 , 9 (Ps. 1 4 4 , 4 . 1 Chron. 3 0 , 1 5 .
die mit Hiob
Weish. 2 , 7 ) sprechen möchten:
wir sind von gestern und wir wissen nichts?
Ich glaube, es sind
nicht die Leichtsinnigen, durch die Alles nur noch
gebrechlicher
wird, sondern gerade Andere, die genug in sich tragen, um auch sagen zu können: wir sind n i c h t von gestern, wir wissen e t w a s , unser Leben
ist,
soll werden
ein Licht.
verhüllte Grösse der menschlichen
Die Demuth
ist die
Bestimmung.
Endlich taucht zwischen dem friedlichen Weltgesetz und freien sittlichen Bewegung
noch
ein Letztes und
der
Unbestimmbares
auf, welches von jeher empfunden worden, da es den Lebensboden in jedem Augenblick
unsicher
solchen rechnen
dahin nicht,
wir
den hohen Gedanken,
zu
machen
droht.
denn dieser
die er weckt, und
Den Tod
als
soll sich ja
mit
mit seinen mahnenden,
erhebenden und versöhnenden Wirkungen als ernster Begleiter in das Fortleben
der Gattung
und
der
Geschichte
verflechten, —
.wohl aber die tausend Eingriffe einer unberechenbaren Naturgewalt in das Handeln der Menschen und deren Existenz von den Widerwärtigkeiten des Wetters und den Kleinigkeiten der petites miseres an
bis
zu
den
verheerenden
Schicksalen jeder Art.
Unglücksfallen
und
schrecklichen
Welche Stelle dieses N a t u r ü b e l
in dem
Glauben an Vorsehung und Vergeltung eingenommen hat, wie sehr es dessen Folgen
die Frömmigkeit geweckt und
erschwert,
wie oft
249 den
Verstand
ihn
dann
zu
wieder
vermessenen zu
Schlüssen
beschämen
und
herausgefordert,
seine
Theorieen
um
zu
zer-
brechen, und wie sich an diesem Faden die Klage u n d der Trost des Hiob durch alle Zeitalter hinzieht, gen ohne Schwierigkeit.
ergiebt sich aus dem Obi-
Die alte Theologie wusste zur
Deutung
und Zweckbestimmung dieser Uebel noch Vieles zu s a g e n , und
nach
sind
die Erklärungen
immer
bescheidener
nach
geworden.
Der religiöse S t a n d p u n k t gestattet es nicht, die S u m m e dieser Unfälle aus dem Gedanken der göttlichen W e l t r e g i e r u n g als lästigen Ballast herauszuwerfen, aber er giebt auch Niemandem ein Recht, schärfere moralische oder richterliche F o l g e r u n g e n , Calvin wagte, an sie zu knüpfen. sein ist der Ausleger
wie sie
noch
Nur das individuelle Bewusst-
des individuellen
Geschicks.
Daher
bleibt
uns n u r die doppelte Mahnung in d e r H a n d : ertrage was als Unglück über dich kommt, aber a u c h : v e r m i n d e r e nach Kräften
das
Uebel; jenes Wort ist an die religiöse E r g e b u n g ,
dieses an
den
Verstand, den Willen und die Thatkral'l gerichtet.
Es liegt in der
Neigung unserer Zeit, auch diesen Factor des Plötzlichen, b a r Zufälligen
und Incominensurabeln
mag es Förderung
oder Zerstörung
in
dem Gang
schein-
der
b r i n g e n , — immer
Dinge, genauer
kennen zu lernen, weshalb beispielsweise versucht worden ist, durch Musterung Ausgang
vieler Beispiele der Schlachten
den Einfluss
empirisch
der W i t t e r u n g
festzustellen.
auf
Vor Zeiten
den hat
ein Voltaire dem zuversichtlichen Leibnitz das E r d b e b e n von Lissabon
e n t g e g e n g e h a l t e n ; jetzt w ü r d e er sich zwar nicht auf so e r -
schütternde, doch noch auf sehr zahlreiche Katastrophen dieser Art, — vermehrt freilich durch das immer keckere Vordringen licher Technik und Mechanik, — b e r u f e n können.
mensch-
Die Zeitungen
ü b e r n e h m e n das Amt eines L e h r b u c h s , sie berichten Grausen
Er-
regendes g e n u g , w o d u r c h der Leser a u s einer E r w ä g u n g
die
in
a n d e r e geworfen wird.
Aber selbst aus dieser dunkeln Region, die
durch
Wissenwollen
ein
müssiges
nur
noch
mehr
wird, scheint doch wieder Ein sicherer allgemeiner porzukommen. Krankheit
ganz
Das
Unglück
anders
als
im
engeren
das Aergerniss
Sinne der
verdunkelt
Gedanke emwirkt
wie
die
Sünde und
des
250 Hasses,
nicht
reizend,
sondern
stählend und anspornend.
demüthigend,
aber
auch übend,
Der Kampf mit der Natur umfasst von
Anbeginn einen beträchtlichen Theil der Menschenbildung,
und er
hat., so unzählbar auch die Opfer sein mögen, der Menschheit weit mehr verliehen Unseres
als
geraubt.
Erachtens
gemeingültigen
sind dies immer
Materialien
des
Streits,
noch
die sicheren
während
und
andere Gründe
mehr auf einzelne Zeitalter oder Verhältnisse Anwendung erleiden. Zwei
grosse Mächte
weisen
empor
und
Freudigkeit,
Quellen der Erhebung
als
allgemein zwei
zugängliche
andere
mit
ihren
hemmenden, verleidenden und vereitelnden Einflüssen ziehen herab, und aus ihrem Bereich heraustreten zu wollen, ist vergeblich. mit ist
die Möglichkeit,
aber
auch
setzten Entscheidung gegeben, — Allen
mehr
Stellung geben
oder
minder
nehmen,
selbst
der Ernst
entgegenge-
einer Entscheidung, die sich in
vollzieht; wenn
denn
er
innerlich muss
sich
keine
Jeder
Rechenschaft
mag.
Unsere
Antwort ist im Verlauf
hinreichend
braucht hier nur formulirt zu werden. det
einer
t)a-
die
erste Position
In beiden Fällen
kann sein.
der
von
dann
mässigkeit
das Resultat,
entschei-
immer nur der wieder aufgenommene und bestätigte Anfang gehen
über
sie.
das Ende
Die Schopenhauer
auch
vorbereitet,
und Hartmann sammt
der Behauptung als
Traurigkeit,
des
irdischen
eines
allgemeinen
Vergeblichkeit, Daseins
allen ihren
Unwerthes
Eitelkeit
bezeichnet
Vorgängern oder
aus,
Mittel-
werden k a n n ,
und
diesen trüben Grundcharakter lassen sie dann durch einige geistige und intellectuelle Lichter unvollständig erhellt sein. Meinung kehrt sich das Verhältniss um.
Nach unserer
Voran steht nothwendig
die Anerkennung eines wesentlichen, mit der Schöpfung selber gegebenen L e b e n s g u t e s an dieser «tets
von unbegrenzter Weite und F r u c h t b a r k e i t ;
im Flusse befindlichen Realität
haften
die Leiden
und Uebel, sie mögen mit positiver Kraft auf uns einstürmen, aber sie werden nicht für s i c h ,
sondern
im Zusammenhang mit einem
schon vorhandenen Glücksantheil erfahren Stelle von Verlusten,
Abzügen
und nehmen daher die
und Mängeln
ein.
Im
Grossen
251 wird das n e g a l i v e o d e r tiven überwogen. liegende.
privative G e w i c h t von dem
posi-
So zu denken ist f ü r die Mehrzahl das Nächst-
Denn nicht als Zweifler noch
tritt der Einzelne in das L e b e n ,
als a b w ä g e n d e r
Kritiker
er ist vielmehr Empfänger eines
Wohlbefindens, das er dem a n d r i n g e n d e n Schmerz entgegenstellt. Allein auf diesem Wege entsteht innner
n u r ein Besitz rela-
tiver Befriedigung, ein zuständlicher Genuss des Wohlgefühls, welches von Umständen abhängig und t a u s e n d S c h w a n k u n g e n worfen, durch sich allein noch keine endgültige b e g r ü n d e n vermag.
unter-
Lebensansicht
zu
Dass die W e l t in der Hervorbringung mensch-
licher Lustemplindung ihren E n d z w e c k
habe, kann nicht bewie-
sen
die S u m m e
w e i d e n , ja es ist ganz u n m ö g l i c h ,
vorhandener
Glückseligkeit aus den Zuständen zu destilliren, f ü r sich abzuwiegen u n d mit der g e g e n t e i l i g e n zu vergleichen;
eine Statistik der.
Glückseligkeit wird, wie schon b e m e r k t ,
darum
niemals gelingen,
weil
Haben eintragen niüsste.
sich Jeder selbst in das Soll und
Folglich gleicht die Eudäinonie n u r einer natürlichen U n t e r l a g e , sie bildet den obwohl u n e n t b e h r l i c h e n Boden creatiirlicher Gesundheit.
Auch Gleichheit des individuellen
Wohlseins verheisst
und
g e w ä h r t die Welt nicht, aber sie liegt wie die der Begabung auch nicht in
der F o r d e r u n g der Menschennatur.
Genug
wenn
diese
Unterschiede durch die Gemeinsamkeit der sittlichen Zwecke überb o t e n werden, genug wenn auf dem ethischen Gebiet die Weltanlage der menschlichen Bestimmung entgegenkommt.
Dadurch wird
d e r eudämonistische Maassstab die Vorstufe zu einem a n d e r e n ents c h e i d e n d e n , welchen der Wille statt des blossen Denkens sich anzueignen
hat.
Der n u r
rellectirende
oder
empfindende Mensch
u n t e r l i e g t dem Wechscl und der Unruhe, der wollende erst erreicht die Festigkeit der Ueberzeugung, indem er sich an die Mächte der h ö h e r e n O r d n u n g a n k l a m m e r t ; selbst sittlich ergriffen, erblickt er in ihnen das Gleiclibild des Guten.
diese stellen
statt des
ewigen Zwiespalts von Lust und Unlust einen heilvollen
Denn
Einklang
v o r Augen, welchem auch das Menschenleben in den F o r m e n Freiheit nicht gleich gemacht, aber verähnlicht werden soll.
der
Wenn
eine thätige F r e u d e ü b e r die Flüchtigkeit des sinnlichen Genusses
252 hinausstrebt,
das Uebel aber u n t e r
der bildenden
Menschenhand
seine u n f ü g s a m e Starrheit ablegt, dann n ä h e r n sich beide u n d eröffnen
die Stätte
Hülfsgeister
für
eine
sind Religion
sittlich und
getränkte
Thatkraft,
jene
Glückseligkeit.
indem
sie
auch
mitten in der Schwachheit und Trübsal einen Antheil am Höchsten dem Bewusstsein zueignet, diese w e n n sie niemals ablässt, an der Lieberwindung den
zu
des
Schlechten,
arbeiten.
Krankhaften
Das Universum
aber
und
Widerstreben-
erscheint im
Vollkommenheit, weil es zur F o r t f ü h r u n g dieser
Lichte
der
Laufbahn uner-
schöpfliche Stoffe und Anregungsmittel darbietet. Was wir somit vertreten w o l l e n , ist ein Glaube an die
un-
endliche u n d von der Weltordnung selber unterstützte intellectuelle und
sittliche
Ertragsfähigkeit
ein O p t i m i s m u s
der Gesinnung,
des
menschlichen
welcher,
Wandels,
indem er
sich
als p e r s ö n l i c h e T h a t s t a t t des b l o s s e n D e n k e n s u n d Abwägens
selbst
unter
Schwierigkeiten
und
ungelösten
R ä t h s e l n a u f r e c h t e r h ä l t , m e h r l e i s t e n will als die e n t gegengesetzte Richtung. mag er sie zu entkräften.
Und n u r
durch eigene Stärke ver-
Dass diese Ansicht allein aus
phischen Quellen geschöpft wird, behaupten aber
auch
die Philosophie
vermag
sie
philoso-
wir also keineswegs,
von sich
aus zu g e n e h -
migen '). Der Pessimismus n e n n t sich t a p f e r , er will den Dingen zu Leibe gehen u n d sie nehmen wie sie s i n d ; t h u t er d a s : so wird er immerhin dem Leichtsinn der Sanguiniker gewachsen sein. sitzt
er
in
seiner
Traurigkeit
noch keine
Aber d a r u m b e -
ausharrende
noch wird er die Fackel vorantragen, welche n u r
Kraft,
Liebe u n d
Be-
geisterung entflammen k ö n n e n . Von Kant ist oben Niemand Lust haben
der
Ausspruch a n g e f ü h r t w o r d e n ,
dass
werde,
das Spiel des L e b e n s , sei es
auch
auf jede beliebige Bedingung, — n u r nicht einer F e e n w e l t , s o n dern dieser irdischen, — von Neuem durchzuspielen. ')
Man v e r g l e i c h e n o c h tigung
einige S t e l l e n in K i t s c h l ' s
und V e r s ö h n u n g , b e s . III, S. 1 7 3 . 5 4 0 . 4 1 :
Lehre
von
Ich e r l a u b e der
Hechtfer-
„Weltverneinung
a m C h r i s t e n t h u m n u r so viel als z u r W e l t b e h e r r s c h u n g
gehört".
haftet
253 mir anderer Meinung zu sein. und geneigt sein, noch
Gewiss würden nicht. Alle bereit
einmal von vorn anzufangen;
wer aber
überhaupt einen solchen Wunsch hegt, wird schwerlich nach der Feenwelt greifen, er wird Zehn gegen Eins
gerechnet
der unsri-
gen sammt ihren Härten, Untiefen und Protuberanzen den Vorzug geben.
In dieser Uebersicht sind einige Momente, an denen uns gelegen war, noch
nicht hervorgehoben.
Mögen sie daher in den
nachfolgenden Schlusssätzen ihre Stelle finden. 1.
Das Christenthum beschreibt den Weg von der Verach-
tung der Welt zur Aussöhnung mit ihr und zur freien Bewegung innerhalb derselben, aber der Kampf gegen die moralische W e l t l i c h k ei t dauert fort. 2.
Jede Erweiterung der Weltansicht fordert Befestigung des
sittlichen Standpunkts. 3.
Angst als Grundempfindung der Geschöpfe ist nicht nach-
zuweisen, vielmehr fliesst ein unmittelbares Wohlgefühl durch die Schöpfung, knüpfen hat. 4.
an
welches
auch
der
ethische
Optimismus
anzu-
Die Lust ist produetiver als die Unlust.
Der Stimmung nach wird es jederzeit Pessimisten geben,
aber sie dürfen nicht die Mehrheit bilden, wenn nicht das Ganze leiden soll. 5.
Wer das Leben nur als Kreislauf betrachtet, wird
zum
Pessimisten, wer nur als Fortschritt, zum oberflächlichen Sanguiniker oder Progressisten werden.
Der
ernstere Optimismus
hat
die erste Auffassung in die zweite einzuschalten, muss also wissen, dass der Fortschritt durch die Schwierigkeiten des Kreislaufes hindurchgeht. 6.
Der Pessimismus
besitzt nicht
das Recht des Princips,
sondern nur das einer zeitweiligen R e a c t i o n gegen Täuschungen und Schlaffheiten,
womit jedoch der neueste eitele und forcirte Malis-
mus und Miserabilismus noch keineswegs gerechtfertigt wird. 7.
Der wahre Pessimismus ist die K r i t i k ,
die überall zu
254 bemängeln
und auszustellen
verbieten soll, aber auch 8.
Die Wahrheit
im umfassenden 9.
Beiden
findet, und der Niemand den
die
des
Selbstkritik.
Optimismus ist G l a u b e
und
durch
Liebe
Sinn. unentbehrlich
ist die A r b e i t ;
aber während sie
dem Pessimisten das Leben nur erträglich machen soll, Andere,
Mund
sie zu den
höchsten Freuden
hofft
des S u c h e n s
der und
Findens, des Gelingens und der Erfüllung erhoben zu werden. 10.
Die D o p p e l h e i t der Menschennatur, Uber welche Pascal
bitter klagte, ist zugleich ihr Segen, denn sie
gestattet auch eine
doppelte Hülfe. Für Krankheit, Verlust und körperlichen Schmerz giebt es kein
als welches die h ö h e r e
Mensch-
lichkeit darbietet.
anderes Gegengewicht,
Wenn aber der Geist leidet, muss selbst
der Leib
Beistand
leisten;
bei inneren Kämpfen,
entsteht
die Nöthigung,
betreten, wo Luft und Licht, schaffen.
Spannungen
die n i e d e r e Stufe
des
und
Sorgen
Creaturlebens zu
Schlaf und Sonnenschein
Linderung
Niemand gedeiht ohne diesen Wechsel.
Berichtigungen. S . 5 . Zeile 1 8 von Oben ist statt ? Punctum zu setzen. S . 6 1 lies in d e r Ueberschrift mit d e r Welt s t a t t mit Welt. Zu S . 4 9 von der allzu grossen Bewunderung der Natur vgl. Constitt. apost. V, cp. 1 2 . VIII, cp. 1 2 .