Operations Research: Eine Einführung in die Unternehmensforschung 9783486819229, 9783486434651


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Table of contents :
TEIL I. EINLEITUNG
1 Was ist Operations Research ?
2 O.R. Untersuchung eines Systems als Ganzheit
3 Untersuchung einer Prüfabteilung mit der Team-Methode
TEIL II. DAS PROBLEM
4 Analyse der Organisation
5 Die Formulierung des Problems
6 Die Bewertung von Zielen
TEIL III. DAS MODELL
7 Konstruktion und Auswertung des Modells
TEIL IV. LAGERHALTUNGSMODELLE
8 Elementare Lagerhaltungsmodelle
9 Lagerhaltungsmodelle mit mengenabhängigen Preisen (Preissprüngen)
10 Lagerhaltungsmodelle mit Nebenbedingungen
TEIL V. ZUTEILUNGSMODELLE
11 Lineare Programme
12 Das Zuordnungsproblem
13 Einige Beispiele für Zuteilungsprobleme
TEIL VI. WARTEZEITMODELLE
14 Warteschlangen-Modelle
15 Verkehrsstauungen bei Mautstellen
16 Ablaufplanungs-Modelle
TEIL VII. ERSATZMODELLE
17 Ersatzmodelle
TEIL VIII. KONKURRENZMODELLE
18 Die Theorie der strategischen Spiele
19 Anbotmodelle
TEIL IX. PRÜFUNG, ÜBERWACHUNG UND VERWIRKLICHUNG
20 Unterlagen für die Prüfung des Modells
21 Überwachung und Verwirklichung der Lösung
TEIL X. DIE VERWALTUNG VON OPERATIONS RESEARCH
22 Auswahl, Ausbildung und Organisation für Operations Research
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Operations Research: Eine Einführung in die Unternehmensforschung
 9783486819229, 9783486434651

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SCIENTIA

NOVA

eine Bibliothek des modernen wissenschaftlichen Denkens

Bisher erschienen: Karl R.

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Wirtschaftliches Verhalten bei Unsicherheit

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Die Rechenmaschine und das Gehirn Elemente der physikalischen Semantik W a s ist ein Naturgesetz?

Philosophie der Mathematik und Naturwissen-

schaft Dean E. WOOLDRIDGE, Mechanik der Gehirnvorgänge Dean E. WOOLDRIDGE, Mechanik der Lebensvorgänge

C. WEST CHURCHMAN RÜSSEL L. ACKOFF E. LEONARD ARNOFF

Operations Research Eine Einführung in die Unternehmensforschung

R. OLDENBOURG M Ü N C H E N - W I E N 1971

Titel der Originalausgabe: C H U R C H M A N - A C K O F F - A R N O F F , Introduction to Operations Research New York J o h n Wiley & Sons, Inc. 1957 4. Auflage 1959

Übersetzt von Dr. Elvine Schlecht und Dr. Franz Ferschl. 5. Auflage 1971

© 1 9 6 1 R. Oldenbourg, Wien Das Werk ist urheberrechdich geschützt Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Funksendung, der Wiedergabe auf photomechanischem oder ähnlichem Wege sowie der Speicherung und Auswertung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Werden mit schriftlicher Einwilligung des Verlages einzelne Vervielfaltigungsstücke für gewerbliche Zwecke hergestellt, ist an den Verlag die nach §54, Abs. 2 U G zu zahlende Vergütung zu entrichten, über deren H ö h e der Verlag Auskunft gibt. Druck: Leuthold, München

ISBN:

3-486-43465-9

INHALTSVERZEICHNIS T E I L I. E I N L E I T U N G 1

Was ist Operations Research ?

13

2

O . R . U n t e r s u c h u n g eines Systems als Ganzheit

28

3

U n t e r s u c h u n g einer Prüfabteilung mit der T e a m - M e t h o d e

63

T E I L II. D A S P R O B L E M 4

Analyse der Organisation

5

Die Formulierung des Problems

105

73

6

Die Bewertung von Zielen

132

7

Konstruktion u n d Auswertung des Modells

T E I L III. DAS

T E I L IV.

MODELL

LAGERHALTUNGSMODELLE

8

Elementare Lagerhaltungsmodelle

9

Lagerhaltungsmodelle mit mengenabhängigen Preisen (Preissprüngen)

10

151

189

Lagerhaltungsmodelle mit N e b e n b e d i n g u n g e n T E I L V.

. . . 219 235

ZUTEILUNGSMODELLE

11

Lineare P r o g r a m m e

257

12

Das Z u o r d n u n g s p r o b l e m

314

13

Einige Beispiele für Zuteilungsprobleme

337

T E I L VI.

WARTEZEITMODELLE

14

Warteschlangen-Modelle

357

15

Verkehrsstauungen bei Mautstellen

379

16

Ablaufplanungs-Modelle

409

T E I L VII. 17

ERSATZMODELLE

Ersatzmodelle

439 T E I L VIII.

KONKURRENZMODELLE

18

Die T h e o r i e der strategischen Spiele

473

19

Anbotmodelle

510

6

Inhaltsverzeichnis T E I L IX. P R Ü F U N G , Ü B E R W A C H U N G U N D V E R W I R K L I C H U N G

20 21

Unterlagen für die Prüfung des Modells Überwachung und Verwirklichung der Lösung

527 54.3

T E I L X. D I E V E R W A L T U N G VON O P E R A T I O N S RESEARCH 22

Auswahl, Ausbildung und Organisation für Operations Research

571

VORWORT

ZUR D E U T S C H E N

AUSGABE

„Introduction to Operations Research" von C. W. Churchman, R. L. Ackoff und E. L. Arnoff war eines der ersten Bücher über Operations Research. Es hat eine publizistisch überaus fruchtbare Periode eingeleitet, in der eine größere Zahl von Werken über Operations Research als Ganzes oder einzelne seiner Teilgebiete (Linear Programming, Production Control usw.) erschienen. Operations Research steht — trotz der dynamischen Entwicklung in England und den USA — im deutschen Sprachgebiet noch im Anfangsstadium, und es besteht hier ein echtes Bedürfnis nach einem Werk, das den Interessenten in der Industrie einen praxisnahen Einblick in das Wesen von Operations Research gibt und sie über dessen Anwendungsmöglichkeiten unterrichtet. Es ist dies genau das Bedürfnis, das das Buch von Churchman, Ackoff und Arnoff in seiner natürlichen Ursprünglichkeit — aus heterogenen Elementen zusammengetragen — in so hervorragender Weise erfüllt. Auch der Mathematiker wird vieles davon mit Gewinn lesen. Es wird ihm bei der Lektüre deutlich werden, wo die echten Probleme der Praxis liegen. „An Introduction to Operations Research" stellt daher ein wirksames Gegengewicht gegen die zunehmende Theoretisierung von Operations Research dar. Die vorliegende Übersetzung wurde von Frau Dr. E. Schlecht und Herrn Dr. F. Ferschl angefertigt. Sie bietet eine möglichst Originaltreue Wiedergabe. Nur vereinzelt wurden — im Einvernehmen mit den Autoren — geringfügige Abänderungen vorgenommen. Hinweise auf deutschsprachige Bücher über Operations Research finden sich am Schluß. Es sei an dieser Stelle den Verfassern, insbesondere Herrn Arnoff, gedankt, die unsere Anfragen mit großer Sorgfalt beantwortet haben. Unser Dank gebührt ferner dem Verlag R. Oldenbourg, der nicht nur für eine vorzügliche drucktechnische Ausstattung des Werkes Sorge getragen hat, sondern auch in allen Phasen der Arbeit intensiv um das Gelingen der Übersetzung bemüht war. Wien, Dezember 1960. J. Pfanzagl

VORWORT

Dieses Buch entstand aus den Vorlesungsunterlagen der vom Case Institute of Technology seit 1952 jährlich abgehaltenen „Kurzseminare über Operations Research". Diese Seminare und daher auch das vorliegende Buch verfolgen zwei Ziele: 1. sollen sie den zukünftigen Auftraggebern für Operations-Research-Untersuchungen eine Grundlage bieten, dieses Wissensgebiet zu beurteilen und seine Möglichkeiten und Methoden zu verstehen. 2. sollen sie denjenigen, die Operations Research in der Praxis betreiben wollen, einen Uberblick verschaffen und eine Grundlage f ü r ihre weitere Ausbildung geben. In beiden Fällen ging es uns darum, Verständnis für die Anwendung wissenschaftlicher Methoden auf betriebliche Probleme zu wecken, nicht aber darum, Methoden aufzuzählen. Für den zukünftigen Auftraggeber werden die Teile I, II, I I I und X sowie die in anderen Teilen enthaltenen Darstellungen praktischer Fälle von besonderem Interesse sein. Wer sich auf Operations Research spezialisieren will, sollte das gesamte Material durcharbeiten. Es muß betont werden, daß es sich bei diesem Buch um eine Einführung handelt. Es soll kein Nachschlagewerk für Spezialisten sein. Wir bemühten uns, das fachliche Material zu vereinfachen, ohne es zu verfälschen. Eine besondere mathematische Vorbildung ist nicht nötig. Die Teile I, II, I I I und X erfordern vom Leser nur elementare mathematische Kenntnisse, die auch aus „ferner Vergangenheit" stammen können — sofern er sich nicht von Formeln und Abstraktionen abschrecken läßt. Die Teile IV bis I X verlangen gelegentlich ein höheres mathematisches Niveau, namentlich die Beherrschung der elementaren Differential- und Integralrechnung. Die einzelnen Kapitel dieses Buches wurden ursprünglich von verschiedenen Verfassern ausgearbeitet: Kapitel 3 von Loring G. Mitten, Kapitel 4 von Van Court Hare, der praktische Fall in Kapitel 4 von R. J. D. Gillies, Kapitel 8 und 18 von Eliezer Naddor, Kapitel 10 und 17 von Bertram E. Rifas, Kapitel 12 und 16 von Ram Vaswani, Kapitel 14 von Walter R. van Voorhis, Kapitel 19 von Lawrence Friedman, das praktische Beispiel über die Durchführung in Kapitel 21 von Elizabeth A. Small und Kapitel 22 von Joseph F. McCloskey. Fall I in Kapitel 6 stellt einen auszugsweisen Nachdruck eines Artikels von Paul Stillson dar. Kapitel 15 ist ein Nachdruck eines Artikels von Leslie C. Edie. Für diese Nachdrucke haben die Verfasser und die Herausgeber der Zeitschriften „Industrial Quality Control" bzw. „Operations Research" ihre freundliche Erlaubnis erteilt. U m einen fortlaufenden und zusammenhängenden Text zu erhalten, wurden die genannten Artikel überarbeitet. In mehreren Fällen waren die Abänderungen sogar ziemlich umfangreich. Für alle Ungenauigkeiten und Unstimmigkeiten, die dadurch entstanden sein mögen, tragen wir die Verantwortung.

1U

Vorwort

Im vorliegenden Buch wurde vor allem die Bedeutung von Operations Research für industrielle Probleme aufgezeigt, weil wir auf diesem Anwendungsgebiet Erfahrungen besitzen. Wir sind uns durchaus darüber im klaren, daß Operations Research in großem Umfang zur Lösung militärischer Probleme herangezogen wurde. Ebenso ist uns bekannt, daß auch die öffentliche Verwaltung, wie Kapitel 15 zeigt, ein bedeutendes Arbeitsfeld für Operations Research darstellen könnte. Zwei der Autoren dieses Buches haben sich bereits eingehend bemüht, Operations Research bei der Lösung gewerkschaftlicher Probleme und bei der Städteplanung zur Anwendung zu bringen. Wir sind auch weiterhin der Ansicht, daß Operations Research auf allen Gebieten der Verwaltung Eingang finden sollte. Tatsache ist jedoch, daß die militärischen und industriellen Führungskräfte viel stärker als die Verwaltungsbehörden daran interessiert sind, Operations-Research-Projekte zu unterstützen und deren Dienste in Anspruch zu nehmen. W. W. Cooper, Alfred W. Jones, J. S. Minas, John F. Muth, Leon Pritzker, Richard S. Rudner und Max A. Woodbury gebührt unser Dank für ihre konstruktive Kritik während der Vorbereitung dieses Buches. Wertvolle redaktionelle Unterstützung erhielten wir von Beverly Bond, Richard E. Deal und Arthur J. Yaspan. Besonderer Dank gilt dem Leiter unserer Fakultät, Clay H. Hollister, und den Dekanen Elmer H. Hutchisson und Karl B. McEachron für die Ermutigung und begeisterte Unterstützung, die sie unserer Operations-Research-Gruppe bei dieser und anderen Arbeiten zuteil werden ließen. Schließlich möchten wir Carol Mara Prideaux und Grace White für ihre. Mitarbeit am Manuskript unsere Anerkennung aussprechen. Cleveland, Ohio, 25. Oktober 1956.

C. West Churchman Russell L . Ackoff E. Leonard Arnoff

TEIL 1

EINLEITUNG

Teil I dieses Buches befaßt sich mit der Bedeutung bringt eine Definition punkt

steht der Gedanke,

von Problemen

von Operations

des Gegenstandes und eine Untersuchung daß Operations

das gesamte

System

Research

darauf

zu berücksichtigen,

Research. Kapitel

seiner Merkmale. abzielt,

bei der

praktische

Fall

verschiedener

Research-Team

erläutert aufbaut,

sehr eindrücklich, Wissenszweige

warum

wird jedoch erst in Kapitel

wird. Wie man ein

22 im einzelnen

Dies

3 geschilderte

ein Operations-Research-Team

zusammengesetzt

l

Mittel-

Behandlung

in dem diese auftreten.

wird an Hand des in Kapitel 2 besprochenen Beispiels gezeigt. Der in Kapitel Fachleuten

Im

dargelegt.

aus

Operations-

KAPITEL

WAS

IST

1

OPERATIONS

RESEARCH?

Die wesentlichen Merkmale von Operations Research Eine Wissenschaft ist noch nie an einem bestimmten T a g geboren worden. Wissenschaft entsteht dann, wenn sich für irgendeinen Problemkreis erhöhtes Interesse entwickelt und gleichzeitig wissenschaftliche Methoden und Verfahren verfügbar werden, die zur Lösung dieser Probleme geeignet sind. Operations Research (O.R.) 1 ) bildet in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Seine Wurzeln sind so alt wie die Wissenschaft und wie die Funktion des Unternehmers. Sein Name stammt erst aus dem Jahre 19402). Der erste Anstoß zu O.R. wurde während des Zweiten Weltkrieges in Großbritannien gegeben, und die Vereinigten Staaten schalteten sich sogleich in die Entwicklung ein. Diese Anfänge lagen auf militärischem Gebiet. Nach dem Krieg drang O.R. in die Wirtschaft und in die Verwaltung ein. In den Vereinigten Staaten spielte sich diese Entwicklung langsamer ab als in England, aber ab 1951 setzte sich O.Ri auch in der amerikanischen Industrie durch und hat sich seither außerordentlich rasch verbreitet. Trotz des militärischen Ursprungs von O.R. läßt sich seine Entwicklung oder Entstehung in Anlehnung an die wohlbekannte Entwicklung der industriellen Organisation beschreiben. Vor der industriellen Revolution bestanden die meisten Wirtschaftszweige aus kleinen Unternehmungen unter der Leitung eines einzelnen Unternehmers, der alles selbst besorgte: den Einkauf, die Produktionsplanung und -Überwachung, den Verkauf, die Einstellung und Kündigung des Personals usw. Die Mechanisierung der Produktion führte zu einem so raschen Wachstum der Unternehmungen, daß all diese leitenden Funktionen unmöglich mehr von einem einzelnen Menschen bewältigt werden konnten. Die Folge davon war eine Aufteilung der unternehmerischen Aufgabe. Es kam zur Ausbildung eigener Führungskräfte für Produktion, Verkauf, Finanzierung, Personalfragen. usw. Die zunehmfende Mechanisierung, teilweise ergänzt durch Automatisierung, führte zu einem noch stärkeren industriellen Wachstum, das sich in einer Dezentralisation der betrieblichen Vorgänge und einer immer stärker ausgeprägten Spezialisierung der Unternehmeraufgaben auswirkte. So zum Beispiel wurden die Produktionsabteilungen in ') A n m e r k u n g der Ü b e r s e t z e r : D e r A u s d r u c k „Operations Research" w u r d e unübersetzt ü b e r n o m m e n , da zwar verschiedene Verdeutschungsvorschläge, wie z. B. „ U n t e r n e h m e n s f o r s c h u n g " , ,,Planungsforschung" usw., vorliegen, sich jedoch bisher keiner dieser Ausdrücke i m Sprachgebrauch durchsetzen konnte. Die Ü b e r n a h m e des Ausdruckes „Operations Research" ins D e u t s c h e erscheint i m Hinblick auf die Pionierarbeit, die von amerikanischen u n d englischen Wissenschaftlern auf diesem Gebiet geleistet wurde, d u r c h a u s gerechtfertigt. 2 ) Eine kurze Geschichte von O . R . findet sich bei Florence N . T r e f e t h e n : „ A History of Operations Research" in J o s e p h F. McCloskey u n d Florence N . T r e f e t h e n ( H r s g . ) : O p e r a t i o n s R e s e a r c h f o r M a n a g e m e n t , T h e J o h n H o p k i n s Press, Baltimore 1954.

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1. Was ist Operations Research ?

Unterabteilungen aufgegliedert, die mit der Instandhaltung, Qualitätsüberwachung, Produktionsplanung, dem Einkauf, der Lagerhaltung usw. betraut wurden u n d häufig der Leitung von Personen im Direktorenrang unterstanden. Die Aufteilung der Produktion auf mehrere Werke führte zur Schaffung vieler neuer Werksdirektorenstellen. Immer weniger Leiter von Produktionsabteilungen haben noch einen direkten Kontakt mit dem Herstellungsprozeß. Sie tragen jedoch dafür die Verantwortung und müssen die Tätigkeit der ihnen untergeordneten Bereiche koordinieren. Mit zunehmender Differenzierung und Aufgliederung der Unternehmerfunktion begann sich die Wissenschaft in steigendem Maße f ü r die in den verschiedenen Abschnitten des Betriebsgeschehens auftretenden Probleme zu interessieren. Sie widmete ihre Aufmerksamkeit beispielsweise mehr und mehr den Produktionsproblemen. Das Ergebnis dieser Bemühungen war die Entstehung mehrerer neuer Zweige der angewandten Forschung, wie der mechanischen, chemischen und industriellen Technologie und der statistischen Qualitätskontrolle. Durch die Beschäftigung mit anderen Betriebsfunktionen entstanden Marktforschung, Betriebswirtschaft, Ökonometrie, Betriebspsychologie, industrielle Soziologie und andere angewandte wissenschaftliche Disziplinen. Während dieser Periode der Differenzierung und Aufgliederung der Unternehmerfunktion tauchte eine neue Art unternehmerischer Probleme auf, die als spezifische Probleme übergeordneter Führungskräfte angesehen werden können. Diese Probleme ergaben sich unmittelbar aus der Arbeitsteilung im Betrieb, die zu einer Organisation des Betriebsablaufes führt. In einer Organisation hat jede Abteilung oder Unterabteilung einen Teil der Gesamtaufgabe durchzuführen. Jeder dieser Teile ist f ü r die Verwirklichung der Ziele der Organisation notwendig. Aus dieser Arbeitsteilung ergibt sich jedoch auch, daß jede Abteilung auch eigene Ziele entwickelt. So zum Bejspiel setzt sich die Produktionsabteilung gewöhnlich das Ziel, die Produktionskosten so gering und das Produktionsvolumen so hoch wie möglich zu halten. Die Verkaufsabteilung strebt an, die Verkaufskosten je Einheit, bezogen auf den Umsatz, zu minimisieren und das Absatzvolumen zu maximisieren. Die Finanzabteilung versucht die Investitionspolitik des Unternehmens optimal zu gestalten. Die Personalabteilung will gute Kräfte bei geringstmöglichen Kosten aufnehmen und dem Betrieb erhalten usw. Diese Ziele sind nicht immer miteinander vereinbar. Nicht selten geraten sie sogar untereinander in direkten Widerspruch. Betrachten wir beispielsweise die Einstellung der verschiedenen Abteilungen eines Unternehmens zum Problem der Lagerhaltung. Die Produktionsabteilung ist an langen, ununterbrochenen Produktionsläufen interessiert, weil dadurch die Kosten für die Vorbereitung der Produktion und daher die Herstellungskosten überhaupt so niedrig wie möglich gehalten werden, doch kann dies trotz Beschränkung auf wenige Produkte zu großen Lagern an halbfertigen und Fertigwaren führen. Die Verkaufsabteilung strebt hingegen an, eine Vielfalt von Produkten rasch ausliefern zu können. Sie ist daher an einem reichhaltigeren, aber dennoch im einzelnen nicht zu beschränkten Sortiment interessiert. Sie wünscht auch eine elastische Produktionsabteilung, die in der Lage ist, kleine Spezialaufträge kurzfristig zu erfüllen. Die Finanzabteilung ist f ü r ein möglichst kleines Lager, weil sie Kapitalinvestitionen, die das Betriebskapital auf unbestimmte Zeit hinaus binden, möglichst herabsetzen

Die wesentlichen Merkmale von Operations Research

15

will. Die Personalabteilung will die Beschäftigung stabilisieren und dies ist nur möglich, wenn während flauer Perioden auf Lager produziert wird usw. Die Lagerhaltungspolitik wirkt sich demnach auf jede Abteilung einer industriellen Organisation aus. Die für eine Abteilung beste Politik ist gewöhnlich für die anderen nicht die beste. Daraus ergibt sich das Problem: Welche Lagerhaltungspolitik ist für die Organisation als Ganzes am besten ? Wir haben es dabei mit einem Problem übergeordneter Verantwortungsträger zu tun, weil es a) die Leistung der gesamten Organisation beeinflußt und b) einen Widerspruch der Interessen der einzelnen Abteilungen der Organisation in sich birgt. Ein ähnliches Problem kann sich auch innerhalb einer bestimmten Betriebsabteilung ergeben. So zum Beispiel kann ein Interessenkonflikt bezüglich der Lagerhaltung entstehen, der sich nur auf die Produktionsabteilung erstreckt und daher ein Koordinierungsproblem für den Leiter der Produktionsabteilung darstellt. Es kann eine Stelle der Produktionsabteilung daran interessiert sein, die Vorbereitungskosten für die Produktion herabzusetzen, wodurch sich jedoch für gewisse Produkte ein Lagerbestand ergäbe, der die Kapazität der vorhandenen Lagerhäuser überschreiten würde. Dadurch ist ein Interessenkonflikt innerhalb der Produktionsabteilung gegeben, dessen Lösung als ein Koordinationsproblem für diese Abteilung zu betrachten ist. Dabei muß hervorgehoben werden, daß eine solche Teilung der organisatorischen Ziele nicht „schlecht" ist. Wenn mehrere Personen gemeinsam eine Aufgabe zu erfüllen versuchen, so wird es ihnen wahrscheinlich nicht möglich sein, wie eine Einzelperson vorzugehen. Es ist daher sinnlos, einen Plan für eine große industrielle Organisation zu entwickeln, der von der Annahme ausgeht, daß ein jeder weiß und abschätzen kann, was jeder andere tut. Die Funktionsteilung scheint in dieser Situation die einzig mögliche Lösung zu sein. Das Koordinationsproblem ergibt sich demnach aus der Notwendigkeit, die Funktionen in Teilfunktionen aufzulösen. Es läßt sich kaum dadurch bewältigen, daß man sagt: „Versuchen wir alle, die Probleme der anderen zu verstehen." Es verlangt vielmehr, daß man die Ziele der einzelnen Abteilungen und das Gesamtziel außerordentlich gewissenhaft gegeneinander abwägt. Die Abteilungen müssen an der Verfolgung ihrer eigenen Ziele interessiert sein, und es besteht die Gefahr, daß ihre Bemühungen erlahmen, wenn sie zu sehr nach dem Wohl des übergeordneten Ganzen fragen. Wenn wir von einem „Gesamt-Optimum" sprechen, meinen wir daher eine Vorgangsweise, die die Notwendigkeit einer Funktionsteilung innerhalb der Organisation sehr wohl berücksichtigt. Mit dem Auftauchen der Koordinationsprobleme entwickelte sich ein neuer Berufsstand: der des Industrieberaters. Diese Berater versuchten den mit solchen Problemen ringenden Verantwortlichen dadurch zu helfen, daß sie ihnen ihre Erfahrung mit Problemen ähnlicher Art in anderen Zusammenhängen zur Verfügung stellten. Die von ihnen eingeführte Methode bestand darin, zu beobachten, was den verschiedenen, von den verantwortlichen Führungskräften zu lösenden Problemen gemeinsam war und die vorgeschlagenen Lösungen zu analysieren. Auf diese Weise gelangte man ganz natürlich zu Versuchen, eine gemeinsame Struktur („Modell") dieser Lösungen aufzudecken sowie zu Grundlagen für die Prüfung solcher Strukturen. Dies führte zu der Anwendung wissenschaftlicher Methoden bei der Behandlung von Koordinationsproblemen. Solche Methoden wurden auf diesem Gebiet bereits vor der Entwicklung von O.R. fallweise angewendet.

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1. Was ist Operations Research ?

Während des Zweiten Weltkrieges appellierte die militärische Führung an eine große Zahl von Wissenschaftlern, bei der Lösung strategischer und taktischer Probleme mitzuwirken. Bei vielen dieser Probleme handelte es sich um jene Fragestellungen, die wir als Koordinationsprobleme bezeichnet haben. Wissenschaftler verschiedener Disziplinen wurden zu Teams zusammengefaßt, deren Aufgabe es war, eine optimale Ausnützung aller Hilfsmittel zu ermöglichen. Dies waren die ersten „O.R.-Teams". Ein Ziel von O.R. — wie es sich von der Entwicklung der industriellen Organisation her ergab — besteht darin, den Unternehmensleitungen eine wissenschaftliche Grundlage für die Lösung von Problemen, bei denen Komponenten der Organisation in einer Wechselbeziehung stehen, in der dem Interesse der Gesamtorganisation am besten dienenden Form zur Verfügung zu stellen. Eine für die Gesamtheit der Organisation „beste" Entscheidung wird als „optimal" bezeichnet, eine in bezug auf einen oder mehrere Teile der Organisation beste Entscheidung als „suboptimal". Wie man die Kriterien für eine optimale Entscheidung aufstellt, ist wieder ein sehr kompliziertes methodisches Problem. Es wird im einzelnen im Kapitel 5 behandelt werden. O.R. versucht, die für einen möglichst großen Teil der Organisation beste Entscheidung zu finden. Wenn beispielsweise ein Instandhaltungsproblem in einer Fabrik zu lösen ist, bemüht sich O.R., die Wirkung verschiedener Instandhaltungspläne auf die gesamte Produktionsabteilung abzuschätzen. Wenn möglich, wird berücksichtigt, wie sich die Auswirkungen auf die Produktionsabteilung ihrerseits wieder auf andere Abteilungen und letztlich auf den ganzen Betrieb übertragen. Manchmal untersucht man sogar, welchen Einfluß die Umstellungen in einem bestimmten Betrieb auf die gesamte Industriesparte haben usw. O.R. versucht, die Wechselwirkungen oder Kettenreaktionen, soweit sie von Bedeutung sind, zu berücksichtigen. In der Praxis ist der Rahmen für O.R.-Untersuchungen jedoch normalerweise beschränkt, entweder deshalb, weil der Zugang zu höheren Organisationsebenen versperrt ist, oder weil Zeit, Geld und andere.Mittel nur in begrenztem Umfang zur Verfügung stehen. Dies muß man bei der Lektüre des Buches im Auge behalten. Zwischen dem, was man tun möchte, und dem, was man wirklich tut, besteht immer ein Unterschied. O.R. wird hier durch seine wichtigste Zielsetzung charakterisiert: den umfassenden Einblick in optimale Lösungen von Koordinationsproblemen in Organisationen. O.R. setzt sich das Ziel, Probleme unter Berücksichtigung des gesamten Systems zu betrachten. Unter „System" verstehen wir eine Gesamtheit funktionell miteinander verknüpfter Teile. Eine geschäftliche Organisation ist beispielsweise ein soziales oder ein Mensch-Maschine-System. Aber nicht in allen Systemen gibt es menschliche oder soziale Komponenten. Ein Kraftfahrzeug etwa ist ein mechanisches System. Es besteht aus funktionellen Einheiten, wie z. B. dem Motor, der Kraftübertragung, dem Kühler und der Lichtmaschine. Diese und andere Einheiten sind miteinander zu einem Mechanismus verbunden, der verschiedenen Zwecken dienen kann. Die Wirksamkeit jeder Einheit hängt davon ab, wie sie in das Ganze hineinpaßt, und die Wirksamkeit des Ganzen davon, wie jede Einheit funktioniert. Das Problem der bestmöglichen Gestaltung eines mechanischen Systems ähnelt den Problemen in Mensch-Maschine-Systemen, wenn es auch nicht mit ihnen identisch ist. In beiden Systemen besteht ein Konflikt der Interessen. Die Benützer von Kraftfahrzeugen wünschen Wagen, die rasch, sicher, wirtschaftlich,

Die wesentlichen Merkmale von Operations Research

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bequem, geräumig und formschön sind. Es ist unmöglich, allen diesen Wünschen gleichzeitig gerecht zu werden. Bei der Festlegung des Entwurfes muß daher eine Optimallösung unter Berücksichtigung einer Reihe von zumindest teilweise einander widersprechenden Zielsetzungen getroffen werden. Die „Arbeitsteilung" menschlicher Organisationen unterscheidet sich jedoch von dem Zusammenspiel der Teile in einem mechanischen System. In menschlichen Organisationen besteht das kritische Problem, daß die Abteilungen zur Ausführung der ihnen zugedachten Funktionen den entsprechenden Antrieb besitzen müssen. Die Anwendung der Wissenschaft bei der Entwicklung mechanischer Mensch-Maschine-Systeme wird manchmal als Systemanalyse bezeichnet und diese oft mit O.R. gleichgesetzt. In diesem Sinn ist die Entwicklung und die Auswertung von Waffen und Nachrichtensystemen O.R. Das vorliegende Buch beschäftigt sich jedoch mit menschlichen Organisationen, weil auf diesen das Schwergewicht der O.R.-Praxis in Wirtschaft und Industrie liegt. Die Betrachtung von Problemen unter Berücksichtigung des ganzen Systems, in dem sie auftreten, bedeutet nicht, daß sehr allgemein formulierte Probleme in einem einzigen Untersuchungsgang gelöst werden müssen. So wünschenswert das auch sein mag, es läßt sich doch in der Praxis selten verwirklichen. Praktisch werden die einzelnen Teile eines umfassenden Problems der Reihe nach gelöst. In vielen Fällen kann das Gesamtproblem gar nicht im vorhinein formuliert werden, sondern die Lösung einer bestimmten Phase trägt dazu bei, die nächste Phase abzugrenzen. So zum Beispiel kann ein Problem auf dem Gebiet der Produktionsplanung die Bestimmung der wirtschaftlichsten Produktionsmengen verschiedener Güter erforderlich machen. Sobald diese gefunden sind, kann sich unter Umständen herausstellen, daß es gar nicht möglich ist, solche Mengen mit der vorhandenen Ausrüstung in der zur Verfügung stehenden Zeit herzustellen. Dadurch entsteht ein neues Problem, dessen Lösung auf die in der ersten Phase erzielte Lösung nicht ohne Einfluß bleibt. Obwohl die gleichzeitige Optimisierung aller Phasen eines Systems wünschenswert wäre, zwingen die praktischen Verhältnisse meist zu einer schrittweisen Optimisierung von Teil-Systemen, jeweils verbunden mit einer Anpassung der bereits bestimmten „Phasen-Optima", um das „Gesamt-Optimum" auch wirklich zu erreichen. Wenn man sagt, daß O.R. einen möglichst großen Teil des Systems betrachtet, so heißt das nicht, daß von vornherein mit dem ganzen System begonnen wird. Die meisten O.R.-Projekte beginnen mit bekannten Problemen von begrenztem Umfang. Aber im Laufe der Untersuchung wird dieser Rahmen so weit ausgedehnt, wie es die Umstände erlauben. Der Umfang der Untersuchung ist sogar ein Maßstab dafür, inwieweit in einem bestimmten Fall tatsächlich O.R. betrieben wird. Es ist demnach so, daß O.R. zwar häufig mit denselben Problemen beginnt, mit denen auch ein Maschineningenieur, Betriebsingenieur, Chemiker oder Marktforscher anfangen würde, selten jedoch mit denselben Problemen aufhört. Diese Seite von O.R. wird noch in dem im Kapitel 2 dargelegten praktischen Fall erläutert. Es ist.für O.R. charakteristisch, daß durch die Lösung eines jeden Problems neue Probleme aufgeworfen werden. Deshalb wird O.R., wenn man bei einer Untersuchung mit einem Schlag eine endgültige Lösung erzielt und es dabei bewenden läßt, eigentlich nicht richtig eingesetzt. Aus den oben dargelegten Zielen von O.R. folgt, daß der größte Nutzen erst durch eine kontinuierliche Weiterverfolgung der Untersuchung erzielt wird.

18

1. Was ist Operations Research ?

Es ist ein wesentliches Merkmal von O.R., daß es eine optimale Entscheidung, Vorgangsweise oder Gestaltung finden will. Nicht nur eine bessere Lösung eines Problems soll gefunden werden als die bisher übliche, sondern die beste Lösung. Infolge der Beschränkungen, die der gegenwärtige Stand der Wissenschaft, Mangel an Zeit, Geld oder Gelegenheit auferlegen, wird diese beste Lösung vielleicht nicht immer gefunden, O.R. ist aber jedenfalls ständig bemüht, das Optimum zu erreichen oder ihm zumindest so nahe wie möglich zu kommen. Manchmal läßt sich eine Optimallösung nicht bestimmen, weil eine (oder mehrere) der wesentlichen Größen des Systems nicht bewertet werden kann. So wird es vielleicht nicht möglich sein, den Zeitaufwand von Kunden, die auf Bedienung warten, kostenmäßig zu erfassen. Mit Hilfe von O.R. kann man jedoch die optimale Entscheidung für jeden Wert angeben, der dieser Wartezeit zugeordnet werden kann. Welcher Wert solchen Wartezeiten zuzuordnen ist, muß dem Urteil desjenigen überlassen werden, der die Entscheidung trifft. Sobald dies geschehen ist, steht die bezüglich dieses Wertes optimale Lösung fest. O.R. erlaubt es, die quantitativen Auswirkungen solcher Beurteilungen auf das System aufzuzeigen. Beispielsweise kann es angeben, auf welchen Betrag sich bei jedem der für die Wartezeit der Kunden eingesetzten Werte die zu erwartenden Gesamtkosten für den Betrieb einer Bedienungsstelle belaufen werden. In jedem Fall liegt die endgültige Entscheidung bei den verantwortlichen Betriebsleitern und nicht bei den O.R.-Fachleuten. Diese können nur Empfehlungen für die Lösung bzw. für die Grundlagen zur Auswahl der Lösung geben. Sobald die Entscheidung gefallen ist, können sie wieder bei der praktischen Verwirklichung der Lösung mithelfen. Wenn wir das bisher Gesagte zusammenfassen, so können wir O.R. im allgemeinsten Sinn charakterisieren als die Anwendung wissenschaftlicher Methoden und Verfahren auf Probleme betreffend die Arbeitsweise von Systemen, mit dem Ziele, jenen Personen, die diese Arbeitsweise lenken, optimale Lösungen für diese Probleme zu liefern. Das vorliegende Buch beschränkt sich auf die Anwendung von O.R. auf das Problem der Koordination in Organisationen. Das bedeutet nicht, daß wir andere Formen der Systemanalyse vernachlässigen wollen; aber wenn ein Modell, z. B. eines Produktionssystems, konstruiert wird, so geschieht das zu dem Zweck, dem O.R.-Fachmann klarzumachen, wie die Produktion organisatorisch verankert ist. Wir beginnen daher unsere Diskussion in Kapitel 4 mit den Fragen der Problem-Formulierung; dies ist im wesentlichen ein Versuch, einen möglichst übergeordneten Gesichtspunkt zu gewinnen. Dieses Kapitel sollte sich der Leser bei allen späteren Darlegungen, die sich mit speziellen Gesichtspunkten der ProblemLösung beschäftigen, vor Augen halten. Auf diese Weise wird ein aufmerksamer Leser nicht in erster Linie an die „Lösung" von Lagerhaltungsproblemen als solche denken, sondern daran, daß ein organisatorisches Problem zu lösen ist, in dem die Lagerhaltung eine wichtige Rolle spielt. Wie wir später sehen werden, ist ein Lagerhaltungsmodell ein „Verfahren", und die Art und Weise, wie man es in die ganze Untersuchung einbaut, ist eine „Methode". Beim Studium der Kapitel über Modelle sollte sich der Leser ständig fragen, wie ein beliebiges Modell innerhalb eines bestimmten, ihm bekannten Systems verwendet werden kann. Dadurch wird er am besten vermeiden, sich zu einseitig auf die technischen Gesichtspunkte zu konzentrieren.

Die Team-Methode

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Die Team-Methode

Da sich O.R. aus anderen Wissenschaften heraus entwickelte, macht es bei diesen umfangreiche Anleihen. Das war bei der „Geburt" jeder wissenschaftlichen Disziplin der Fall. Es ist immer schwierig, ein neues Fach von jenen Fächern zu unterscheiden, aus denen es entstanden ist, weil sich Probleme, Methoden und Begriffe naturgemäß überschneiden. Nach und nach wird die Differenzierung deutlicher, und diePraktiker werden nicht mehr von der Frage verfolgt: „Worin liegt hier eigentlich der Unterschied zu diesem oder jenem Fach ?" Die rasche Verbreitung von O.R. unter einer eigenständigen Bezeichnung legt Zeugnis dafür ab, daß diese Eigenständigkeit in zunehmendem Maße anerkannt wird. Aber die Differenzierung ist noch lange nicht abgeschlossen. Die Überschneidung der Methoden und Verfahren von O.R. mit denen anderer Wissenszweige ist größtenteils auf die Art und Weise zurückzuführen, in der O.R. ursprünglich betrieben wurde und noch heute betrieben wird. Es ist eine von einer Gruppe von Wissenschaftlern gemeinsam getragene Forschungsarbeit, wobei die einzelnen Glieder des Arbeitsteams von verschiedenen wissenschaftlichen und technischen Fächern herkommen. So werden beispielsweise ein Mathematiker, ein Physiker, ein Psychologe und ein Wirtschaftswissenschaftler gemeinsam an einem Problem der optimalen Kapitalerhöhung arbeiten. Der Erfolg, mit dem solche aus Fachleuten mehrerer Wissenszweige zusammengesetzte Teams jene Probleme behandeln, die als spezifisches Aufgabengebiet von O.R. anzusehen sind, beruht nicht auf Zufall. Wenn ein Wissenschaftler einem neuen Problem gegenübersteht, so versucht er — wie es jeder in einer ähnlichen Situation tun würde — das Wesentliche des Problems herauszuarbeiten und festzustellen, ob er nicht einem ähnlich gelagerten Problem schon in einem anderen Zusammenhang, insbesondere in seinem engeren Fachgebiet, begegnet ist. Sobald er ein analoges Problem in seinem Spezialgebiet entdeckt hat, kann er sich fragen, ob sich die Methoden, die er zur Lösung desselben anwenden würde, auch für das neue Problem eignen. Auf diese Weise geht er an das neue Problem mit Methoden heran, an die man in diesem Zusammenhang sonst vielleicht gar nicht gedacht hätte. Wenn Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen dies gemeinsam tun, so wächst das Reservoir der möglichen Vorgangsweisen naturgemäß an. So zum Beispiel wird ein Schwachstromingenieur angesichts eines Problems der Produktions- und Lagerhaltungsplanung bald erkennen, daß die Schwankungen des Lagerbestandes eine Funktion jener Zeitspanne sind, die zwischen der Änderung der Marktlage und der Anpassung des Produktionsniveaus verstreicht. Er sieht das Problem unter dem Gesichtspunkt eines Regelungssystems, in dem die notwendigen Informationen über Änderungen der Marktlage rasch und richtig zu jener Stelle, welche die Produktion regelt, rückzukoppeln sind. In dieser Zentrale können Produktionsanpassungen so vorgenommen werden, daß gewisse Kostenfunktionen ein Minimum werden. Der Schwachstromingenieur hat somit das Problem in ein regelungstechnisches verwandelt und er weiß darüber Bescheid, wie solche Probleme zu lösen sind. Dieses Beispiel ist übrigens durchaus nicht erfunden. Ein Chemiker wiederum würde das gleiche Problem in Begriffen der Strömungslehre formulieren und, sobald dies geschehen ist, über die Methoden zu seiner Lösung verfügen.

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1. Was ist Operations Research ?

Welche der verschiedenen Betrachtungsweisen am fruchtbarsten ist, hängt von den Umständen ab. Das Untersuchungsteam prüft die verschiedenen Möglichkeiten und wählt eine davon aus oder entwickelt eine neue Vorgangsweise, die Elemente mehrerer Methoden enthält. Einer der Hauptgründe, warum man O.R. mit Hilfe von Teams betreibt, ist die dadurch gebotene Möglichkeit, die am weitesten fortgeschrittenen wissenschaftlichen Methoden für die Lösung der Probleme zur Verfügung zu haben oder neue Methoden zu entwickeln, die leistungsfähiger sind als irgendeine der bestehenden. Der Grundgedanke dabei ist, daß das Gehirn eines einzelnen Menschen unmöglich das gesamte möglicherweise brauchbare Wissen umfassen kann, während dies einem „Team-Gehirn" möglich ist. Ein anderer wichtiger Vorteil der Team-Methode liegt in der Tatsache begründet, daß die meisten Mensch-Maschine-Systeme physikalische, biologische, psychologische, soziologische, wirtschaftliche und technische Gesichtspunkte vereinen. Diese verschiedenen Seiten eines Systems werden am besten von Fachkräften verstanden und analysiert, die in dem entsprechenden Gebiet ausgebildet sind. Die für die Steuerung des Systems Verantwortlichen sind sich unter Umständen eines oder mehrerer dieser Gesichtspunkte gar nicht bewußt und verfügen daher nur über ein unvollkommenes Bild des Systems. Man muß also, um ein System als Ganzes zu sehen, nicht nur alle seine Komponenten und deren Beziehungen untereinander erkennen, sondern auch alle Seiten der innerhalb dieses Systems durchgeführten Operationen. Ein gemischtes Arbeitsteam erhöht die Zahl jener Seiten der Operationen, die ¡m einzelnen untersucht werden können. Dieser Punkt wird durch den im Kapitel 3 dargelegten praktischen Fall erläutert werden. Die Entwicklung der O.R.-Methoden und -Verfahren

Da bestimmte Gruppen von Problemen immer häufiger zum Gegenstand von O.R. gemacht werden, beschäftigt man sich natürlich mit diesen besonders eingehend. Daraus ergibt sich, daß für viele immer wiederkehrende Probleme neue Methoden entwickelt oder schon bestehende modifiziert wurden. Nach und nach ist die Zahl der Methoden und Verfahren, die speziell für O.R.Probleme entwickelt oder von O.R. übernommen wurden, angewachsen. Schon jetzt ist sie so umfangreich, daß ein einzelner nur mehr schwer über alle diese Entwicklungen auf dem laufenden bleiben kann. Aus dieser Tatsache ergeben sich einige wichtige Konsequenzen. Vor zehn Jahren konnte jeder mit schöpferischer Phantasie begabte Wissenschaftler oder Ingenieur leicht O.R.-Fachmann werden, wenn er sich dafür interessierte. Er bedurfte hiezu keiner besonderen Ausbildung. Jetzt ist der Zugang zu O.R. nicht mehr so leicht, denn je mehr sich O.R. entwickelt, desto mehr Zeit ist erforderlich, um einen Überblick über die bereits geleistete Arbeit zu bekommen und sich über die zur Verfügung stehenden Methoden und Verfahren zu informieren. Andrerseits wird durch die Zunahme an Fachwissen O.R. immer leichter lehrbar. Zahlreiche Universitäten und technische Hochschulen halten Vorlesungen über O.R. ab, und manche haben sogar Studiengänge eingeführt, die mit einem akademischen Grad abschließen. Nur dank der Entwicklung einer großen Zahl von Methoden und Verfahren ist es überhaupt möglich, ein Buch wie das vorliegende zu verfassen. Dieses Buch wird sich auf den wachsenden Schatz des O.R.-Wissens konzentrieren. Es wird sich nicht darum bemühen, das umfangreiche Hand-

Die Phasen einer O . R . - U n t e r s u c h u n g

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werkszeug mit einzubeziehen, das die O.R.-Fachleute für ihre Arbeit brauchen. So zum Beispiel wird nicht versucht werden, jene mathematischen und statistischen Kenntnisse zu vermitteln, die für die Ausübung von O.R. notwendig sind. Mit allen diesen Dingen muß der O.R.-Fachmann vertraut sein und wenn sie in diesem Buch nicht behandelt werden, so ist das nicht als eine bewußte Herabsetzung ihrer Bedeutung zu verstehen. Es wäre unmöglich, all dieses Material in einem Buch zu bewältigen und es ist auch gar nicht notwendig, es zu versuchen. Es gibt genügend gute Werke über diese Gegenstände. Hingegen gibt es derzeit noch keine Einführung in die Methoden, Begriffe und Verfahren, die durch O.R. hervorgebracht wurden oder anderswo ihren Ursprung nahmen und für den Gebrauch von O.R. adaptiert wurden. Dieser Aufgabe will sich das vorliegende Buch widmen. Die Ausdrücke „Verfahren" und „Methoden", die wir in der Wissenschaft oft wechselweise gebrauchen, werden hier genau unterschieden. So ist beispielsweise die Verwendung einer Tabelle von Zufallszahlen ein wissenschaftliches Verfahren. Der Untersuchungsplan, der die Verwendung einer Tabelle von Zufallszahlen beinhaltet, ist eine wissenschaftliche Methode. Obwohl es richtig ist, daß die Methoden und Verfahren aller Wissenschaften gemeinsame Züge aufweisen, kann man mit gleichem Recht sagen, daß jede Wissenschaft eigenständige Methoden und Verfahren verwendet, die die Eigenart der von ihr untersuchten Materie widerspiegeln. Die Entwicklung einer Wissenschaft erfolgt sogar in engem Zusammenhang mit der Entwicklung von Methoden und Verfahren, die ihrem speziellen Gegenstand entsprechen. Lehrbücher über traditionelle Forschungsgebiete, wie Physik und Chemie, beschäftigen sich nur sehr oberflächlich mit wissenschaftlichen Methoden. Ihr Hauptaugenmerk gilt den Verfahren und Hilfsmitteln. Das vorliegende Buch legt besonderen Nachdruck auf Methoden, weil in einem neuen Forschungsgebiet die Art und Weise, wie man an ein Problem herangeht, wichtiger ist als die dabei verwendeten Verfahren und Hilfsmittel. O.R. war schon bevor es eigene Verfahren und Hilfsmittel zu entwickeln begann, wegen der besonderen Aufmerksamkeit, die es dem richtigen Anpacken der Probleme schenkt, von größtem Wert. Wie wir bereits feststellten, sollte der Leser die Anwendung eines Verfahrens stets als eine Seite des ganzen Problems betrachten und nicht als etwas für sich Wertvolles. Auf diese Weise wird er eine zu einseitige Konzentration auf eine bestimmte Gruppe von Verfahren vermeiden. Die Aufgeschlossenheit gegenüber Verfahren, gepaart mit einem fundierten Wissen über ihre Anwendbarkeit sowie einem richtigen Verständnis des übergeordneten Problems, ist wesentliches Kennzeichen einer gesunden wissenschaftlichen Methode. Die Phasen einer O.R.-Untersuchung Vor zehn Jahren hätte man M ü h e gehabt, einen O.R.-Fachmann zu einer Beschreibung der Arbeitsweise bei der Lösung eines O.R.-Problems zu bewegen. Heute ist es schwierig, ihn davon abzuhalten. Die Versionen, die verschiedene Praktiker über die Methoden einer O.R.-Untersuchung geben würden (wenn man darüber Aufzeichnungen besäße), dürften in verschiedener Hinsicht voneinander abweichen. Aber sie hätten auch vieles gemeinsam.

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1. W a s ist Operations Research ?

So zum Beispiel würden wahrscheinlich die meisten von ihnen die nachstehenden Phasen eines O.R.-Projektes als die wichtigsten bezeichnen: 1. Die Formulierung des Problems. 2. Den Entwurf eines mathematischen Modells für das zu untersuchende System. 3. Die Ableitung einer Lösung aus dem Modell. 4. Die Überprüfung des Modells und der daraus abgeleiteten Lösung. 5. Die Vorsorge für eine Überwachung und Anpassung der Lösung. 6. Die praktische Verwirklichung der Lösung. Jede dieser Phasen wird in den nachfolgenden Kapiteln im einzelnen besprochen werden, aber es ist vielleicht von Nutzen, durch eine kurze Zusammenfassung die Orientierung zu erleichtern. Die Formulierung des Problems Sowohl das Problem des Auftraggebers als auch das des O.R.-Fachmannes muß formuliert werden. Der Auftraggeber ist jene Person (oder Personengruppe), die über die Durchführung der Untersuchung zu entscheiden hat. Bei der Formulierung des Problems des Auftraggebers muß das von ihm gesteuerte System, müssen seine Ziele und die verschiedenen möglichen Vorgangsweisen untersucht werden. Es muß festgestellt werden, wer sonst noch von den zu untersuchenden Entscheidungen betroffen wird und welche Ziele und Handlungsmöglichkeiten die Betroffenen besitzen. Was wir den übergeordneten Gesichtspunkt genannt haben, ist eng mit dem Versuch verknüpft, Ziele zu definieren. O.R. versucht, eine möglichst umfassende Zielsetzung zu berücksichtigen. Ganz allgemein ausgedrückt besteht das Problem der Untersuchung darin, festzustellen, welche Vorgangsweise im Hinblick auf eine Gruppe von Zielen am wirksamsten ist. Daher muß bei der Formulierung des Problems der Untersuchung ein Maß für die Wirksamkeit angegeben und dessen Brauchbarkeit nachgewiesen werden. Entwurf eines mathematischen Modells Dieses Modell stellt die Wirksamkeit des untersuchten Systems als Funktion einer Reihe von Veränderlichen dar, von denen zumindest eine beeinflußbar ist. Die allgemeine Form eines O.R.-Modells ist E=f(xt,y]), wobei E die Wirksamkeit des Systems bedeutet, Xi die Veränderlichen des Systems, die beeinflußt werden können, und yj jene Veränderlichen, die nicht beeinflußbar sind. Einschränkungen bezüglich der Werte der Veränderlichen können durch weitere Gleichungen bzw. Ungleichungen ausgedrückt werden. Die Ableitung einer Lösung aus dem Modell Im wesentlichen gibt es zwei Methoden, um aus einem Modell eine Optimallösung (oder die Annäherung an eine solche) abzuleiten: die analytische und die numerische. Analytische Methoden bedienen sich der mathematischen Ableitung. Dabei müssen verschiedene Teilgebiete der Mathematik herangezogen werden, wie beispielsweise die Differential- und Integralrechnung und die Matrizenrechnung. Analytische Lösungen erhält man in allgemeiner Form, d. h. die Symbole werden erst nach Ermittlung der Lösung durch Zahlen ersetzt.

Die Phasen einer O.R.-Untersuchung

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Bei numerischen Verfahren probiert man im wesentlichen verschiedene Werte der beeinflußbaren Variablen des Modells aus, vergleicht die Resultate und wählt diejenigen Werte, die das beste Ergebnis liefern. Solche Methoden reichen vom einfachen Probieren bis zur komplexen Iteration. Unter einem Iterationsverfahren versteht man ein Verfahren, bei dem die aufeinanderfolgenden Werte sich immer mehr der Optimallösung annähern. Außerdem gibt es zu einem Iterationsverfahren gewöhnlich Kriterien, mit deren Hilfe man die Optimallösung, wenn sie einmal erzielt wurde, als solche erkennen kann. Manchmal können Ausdrücke in einem Modell aus mathematischen oder praktischen Gründen numerisch nicht genau bestimmt werden. In vielen solchen Fällen kann man eine bestimmte Abart der Zufallsstichprobe, die sogenannte Monte-Carlo-Methode, für eine näherungsweise Auswertung der Ausdrücke heranziehen. Überprüfung des Modells und der Lösung Ein Modell ist immer nur ein teilweises Abbild der Wirklichkeit. Es erfüllt seinen Zweck, wenn es trotz seiner Unvollkommenheit vorherzubestimmen vermag, wie sich Veränderungen im System auf die Gesamtleistung desselben auswirken. Seine Angemessenheit läßt sich überprüfen, indem man nachprüft, wie genau es die Auswirkungen derartiger Veränderungen vorherzubestimmen vermag. Die Lösung kann man bewerten, indem man die mit und ohne ihre Hilfe erzielten Resultate vergleicht. Diese Bewertungen können entweder rückschauend mit Hilfe bereits vorhandener älterer Ergebnisse oder aber mit Hilfe eines „Probegalopps" oder eines Vortests vorgenommen werden. Bei der Überprüfung muß sorgfältig untersucht werden, welche Ergebnisse gültig sind und welche nicht. Die Überwachung und Anpassung der Lösung Eine aus einem Modell abgeleitete Lösung bleibt nur so lange gültig, als die im Modell nicht erfaßten Variablen ihre Werte beibehalten und die Beziehungen zwischen den im Modell erfaßten Variablen gleich bleiben. Die Lösung wird unbrauchbar, wenn sich der Wert einer oder mehrerer nicht erfaßter Variablen bzw. eine oder mehrere der Beziehungen zwischen den Variablen wesentlich verändert hat. Die Bedeutung dieser Veränderung hängt davon ab, wie stark die Lösung unter den veränderten Bedingungen von dem wirklichen Optimum abweicht, sowie von den Kosten, die eine Änderung der bereits in die Wirklichkeit umgesetzten Lösung mit sich bringen würde. Wenn man die Lösung unter Kontrolle halten will, dann muß man Verfahren entwickeln, mit denen man feststellen kann, wann wesentliche Änderungen eintreten und Regeln dafür aufstellen, wie die Lösung unter Berücksichtigung dieser Veränderungen zu modifizieren ist. Die praktische Verwirklichung der Lösung Die überprüfte Lösung muß in eine Reihe von Betriebsanweisungen übersetzt werden, die von dem verantwortlichen Personal verstanden und angewendet werden können. Die notwendigen Veränderungen bestehender Methoden und Hilfsmittel müssen festgelegt und durchgeführt werden. Die aufgezählten Phasen werden selten, wenn überhaupt, in der angegebenen Reihenfolge durchlaufen. Sie können zudem auch gleichzeitig erfolgen. In

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1. Was ist Operations Research ?

vielen Fällen kann beispielsweise die Formulierung des Problems erst dann vollendet werden, wenn die Untersuchung selbst schon so gut wie abgeschlossen ist. Im allgemeinen besteht während des ganzen Verlaufes der Untersuchung ein dauerndes Wechselspiel zwischen den verschiedenen Phasen. Die häufigsten O.R.-Probleme

Bei den zu besprechenden Verfahren und Hilfsmitteln sind verschiedene Gruppen zu unterscheiden, je nach dem Problem, auf welches sie anzuwenden sind. In den meisten Fällen besitzen diese Probleme schon allgemein gebräuchliche Bezeichnungen, in einigen jedoch noch nicht. Da war es dann die Aufgabe der Verfasser, geeignete Namen zu finden. In diesem Buche werden folgende Problemkreise behandelt: Lagerhaltungsprobleme

Unter einem Lagerhaltungsproblem versteht man im Rahmen von O.R. ein Problem, das eine oder beide der nachstehenden Entscheidungen erfordert: a) wieviel in Auftrag zu geben (d. h. zu produzieren oder einzukaufen) ist und b) wann der Auftrag erteilt werden soll. Bei diesen Entscheidungen muß man die Lagerhaltungskosten gegen eine oder mehrere der folgenden Kosten abwägen: Auftragskosten bzw. Kosten der Auflegung einer Produktionsserie, durch Erschöpfung des Lagerbestandes oder verzögerte Lieferung verursachte Kosten, und Kosten, die mit einer Änderung des Produktions- und Einkaufsvolumens zusammenhängen. Zu den Hilfsmitteln für die Lösung dieser Probleme gehören die Gleichungen für die wirtschaftlichen Auftragsmengen sowie das lineare, dynamische und quadratische Programmieren. Zuteilungsprobleme

Zuteilungsprobleme ergeben sich a) wenn eine Reihe von Operationen durchzuführen ist und es hierzu verschiedene Wege gibt und b) wenn die Hilfsmittel und Einrichtungen nicht verfügbar sind, um jede Operation in der bestmöglichen Weise durchzuführen. Das Problem besteht dann darin, die Operationen und Hilfsmittel so zu kombinieren, daß, insgesamt gesehen, die beste Leistung erzielt wird. Dabei können für die Hilfsmittel oder Operationen bestimmte Anweisungen bestehen. Wenn diese einen gewissen Spielraum lassen, besteht das Problem darin, jene Kombinationen ausfindig zu machen, die die größte Wirksamkeit ergeben. Die bei Zuteilungsproblemen am häufigsten verwendeten Verfahren sind das lineare Programmieren und andere Arten mathematischen Programmierens. Wartezeitprobleme

Bei Wartezeitproblemen handelt es sich darum, daß Personen oder Güter durch eine oder mehrere Stellen bedient oder bearbeitet werden müssen. Von Ausnahmsfällen abgesehen, müssen dabei zu bedienende Einheiten oder die Bedienungsstellen warten. Mit beiden Arten von Wartezeiten sind Kosten verbunden. Das Problem liegt nun darin, das Eintreffen der zu bedienenden Einheiten bzw. die Organisation der Bedienungsstellen so zu gestalten, daß die Summe beider Kosten ein Minimum wird. Für Probleme, die die Bestimmung der Anzahl von Bedienungsstellen oder die Festlegung der Zeitpunkte des Eintreffens der abzufertigenden Einheiten

D i e häufigsten O . R . - P r o b l e m e

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betreffen, kann die Warteschlangen-Theorie herangezogen werden. Die Ablaufplanungs-Theorie ist auf Probleme anwendbar, bei denen die Reihenfolge festzusetzen ist, in der die bereitstehenden Einheiten bedient werden sollen. Die Theorie des Abstimmens der einzelnen Arbeitsgänge an einem Montageband (line-balancing theory) schließlich eignet sich für die Lösung von Problemen, bei denen die einzelnen Arbeitsgänge einer Bedienungsaufgabe auf eine Reihe von Bedienungsstellen aufzuteilen sind. Ersatzprobleme Bei Ersatzproblemen sind je nach der Art des „Alterungsprozesses" zwei Fälle zu unterscheiden: entweder verlieren die in Frage stehenden Einrichtungen durch den Gebrauch nach und nach ihre Leistungsfähigkeit oder veralten durch den technischen Fortschritt (wie im Fall von Werkzeugmaschinen), oder sie fallen, anstatt allmählich abgenützt zu werden, plötzlich zur Gänze aus (z. B. Glühlampen). Bei allmählichem Leistungsabfall besteht das Problem darin, den Zeitpunkt der Ersetzung so zu wählen, daß die Summe aus den Kosten der neuen sowie den Kosten für die Erhaltung der Leistungsfähigkeit der alten Einrichtung und die durch Ausfall verursachten Kosten minimisiert werden. Bei Einrichtungen, die vollständig ausfallen, besteht das Problem darin, festzustellen, welche Stücke zu ersetzen sind (z. B. alle außer den in der letzten Woche neu installierten) und wie oft man sie ersetzen soll, um die Gesamtsumme der Kosten, die durch die Einrichtung selbst sowie durch den Ausfall und den Ersatz entstehen, so niedrig wie möglich zu halten. Instandhaltungsprobleme können als Sonderfall der Ersatzprobleme betrachtet werden, da bei der Instandhaltung meist nicht eine ganze Einheit zu erneuern ist, sondern ein Bestandteil ausgetauscht werden muß. Daraus folgt, daß Instandhaltungs- und Ersatzprobleme mit denselben Methoden zu lösen sind. Konkurrenzprobleme Ein Konkurrenzproblem ergibt sich, wenn die Entscheidung des einen Partners in ihrer Wirksamkeit durch die Entscheidung eines anderen beeinträchtigt werden kann. Die in O.R.-Kreisen meistdiskutierte Konkurrenzsituation ist ein „Spiel". Ein Spiel ist charakterisiert durch eine Anzahl von Spielern, durch Spielregeln, die alle erlaubten Züge festlegen, durch eine Reihe von Endsituationen (z. B. Gewinnen, Verlieren, Unentschieden) und durch den mit diesen Endsituationen verbundenen Gewinn bzw. Verlust. Die grundlegenden Verfahren zur Behandlung dieses Problemkreises werden als „Spieltheorie" bezeichnet. Eine andere Art von Konkurrenzsituationen ist die des Anbietens. Sie unterscheidet sich von einem Spiel in folgendem: a) die Zahl der Konkurrenten ist gewöhnlich nicht bekannt; b) die Anzahl der möglichen „Spiele" ist im allgemeinen unbegrenzt; c) die Gewinne oder Verluste sind unbekannt und können nur geschätzt werden; und d) das Ergebnis eines Spieles (Gewinnen oder Verlieren) kann gewöhnlich nur geschätzt werden. Man hat eben erst begonnen, eine Theorie für die Behandlung von Anbotssituationen zu entwickeln, doch gibt es bereits jetzt einige sehr nützliche Hilfsmittel.

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1. W a s ist Operations Research ?

Kombinierte Probleme N u r selten tritt in den wirklichen Systemen bloß eines der soeben besprochenen Probleme auf. So zum Beispiel beinhaltet ein Produktionsplanungsproblem eine bestimmte Kombination von Lagerhaltungs-, Zuordnungs- und Wartezeitproblemen. Ein Ersatzproblem für Materialien, bei denen es zu Totalausfall kommt, wiederum enthält gewöhnlich ein Lagerhaltungsproblem, und ein Anbotsproblem kann die Aufteilung verfügbarer Mittel auf verschiedene Einheiten erfordern, für die Anbote erstellt werden. Gewöhnlich behandelt man kombinierte Probleme so, daß man eines nach dem anderen löst. Wir wissen aber, daß wir auch bei wiederholten zyklischen Anpassungen in vielen Fällen kein echtes Optimum erreichen. O.R. sieht sich daher in zunehmendem Maße vor die Notwendigkeit gestellt, die abstrakten Probleme zu kombinieren und Modelle zu konstruieren, die die Wechselwirkungen zwischen mehreren der oben geschilderten Probleme berücksichtigen. Dieser Aufgabe wird mehr und mehr Aufmerksamkeit von Seiten der Wissenschaft geschenkt. Weiters ist zu beachten, daß die hier skizzierten fünf Probleme durchaus nicht alle Situationen umfassen, die O.R. zu bewältigen hat. Immerhin berücksichtigen sie den größten Teil der in der Praxis vorkommenden Aufgaben. Wir können jedoch erwarten, daß in Zukunft eine wachsende Zahl häufig wiederkehrender Probleme herauskristallisiert und der mathematischen Analyse unterworfen wird. Schließlich sollte sich der Leser nicht zu sehr durch den Namen des abstrakten Modells beeinflussen lassen. Lagerhaltungsmodelle sind auf Geld-, Betriebskapital- und Personalprobleme anwendbar. Warteschlangen-Modelle können unter Umständen zur Lösung bestimmter Lagerhaltungsprobleme von Nutzen sein. Als Schlüssel zum wissenschaftlichen Erfolg kommt der Phantasie eine ebenso große Bedeutung zu, wie irgendeiner anderen geistigen Fähigkeit. Der Leser wird den größten Nutzen von der Lektüre dieses Buches dann haben, wenn er mit Aufgeschlossenheit und der Fähigkeit, Analogien zu erkennen, an sie herantritt. Zusammenfassung Es wurde gezeigt, daß O.R. aus der Entwicklung von Organisationen hervorging, in denen sich die unternehmerische Funktion in verschiedene Führungsarten und Führungsebenen aufspaltete. Aus der Notwendigkeit eines wissenschaftlichen Studiums von Koordinationsproblemen — jener Probleme, die sich aus der Wechselwirkung zwischen verschiedenen funktionellen Einheiten der Organisation ergaben — und der von der militärischen Führung im letzten Krieg den Wissenschaftlern gegebenen Gelegenheit zur Behandlung solcher Probleme wurde O.R. geboren. O.R. ist vielleicht noch zu jung, als daß man es schon endgültig definieren könnte. Es wurde jedoch eine provisorische Arbeitsdefinition versucht: O.R. ist die Anwendung wissenschaftlicher Methoden, Verfahren und Hilfsmittel auf Probleme, betreffend die Arbeitsweise von Systemen mit dem Ziele, den für diese Arbeitsweise Verantwortlichen optimale Lösungen für diese Probleme zu liefern. In dem vorliegenden Buch stehen Mensch-Maschine-Systeme in industriellen Organisationen im Vordergrund.

Zusammenfassung

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E s wurde gezeigt, daß durch den Einsatz von T e a m s (mit Mitgliedern aus verschiedenen Wissenszweigen) ein umfangreicher Schatz an wissenschaftlichen Methoden, Verfahren und Hilfsmitteln verfügbar gemacht werden kann. O . R . hat begonnen, eine M e t h o d e zu entwickeln, die speziell auf die wirksame L ö s u n g seiner spezifischen Probleme abgestellt ist. Diese M e t h o d e läßt sich in folgende Schritte zerlegen: 1. D i e Formulierung des Problems. 2. D e r E n t w u r f eines mathematischen Modells für das zu untersuchende System. 3. D i e Ableitung einer L ö s u n g aus dem Modell. 4. D i e Überprüfung des Modells und der daraus abgeleiteten Lösung. 5. D i e Vorsorge für die Überwachung und Anpassung der Lösung. 6. D i e praktische Verwirklichung der L ö s u n g . Obwohl die gemischten Untersuchungsteams über eine große Zahl von Verfahren und Hilfsmittel für spezielle Probleme verfügen, wurden neue Verfahren und Hilfsmittel entwickelt und bereits bekannte modifiziert, um bestimmte, immer wiederkehrende Aufgaben zu lösen, die vor allem die folgenden fünf Problemkreise umfassen: Lagerhaltungsprobleme, Zuteilungsprobleme, Wartezeitprobleme, Ersatzprobleme und Konkurrenzprobleme. J e d e dieser Phasen von O . R . wird in den nachfolgenden Kapiteln im einzelnen behandelt. Ü b e r die Grundzüge von O . R . sind in der Fachliteratur bereits zahlreiche Artikel erschienen. D i e meisten vor 1954 publizierten Artikel sind in dem ausgezeichneten Literaturverzeichnis in „Operations Research for Managem e n t " enthalten 1 ). W i r wollen uns nunmehr Untersuchungen praktischer Fälle zuwenden, die einige der in diesem Kapitel besprochenen wichtigen Eigenschaften von O . R . erklären sollen. Siehe Trefethen a. a. O.

KAPITEL 2

O.R. U N T E R S U C H U N G E I N E S GANZHEIT

SYSTEMS

ALS

Einleitung

Bei der Darlegung des nachstehenden praktischen Falles wird besonderer Nachdruck auf die Wechselbeziehungen zwischen den verschiedenen Phasen eines industriellen Prozesses und auf die Bedeutung dieser Beziehungen für Untersuchungen gelegt, mit deren Hilfe ein Problem der Betriebsführung gelöst werden soll. Wenige Unternehmer oder Wissenschaftler werden im Prinzip etwas gegen die Betrachtung eines Problems im Rahmen des Systems als Ganzheit einzuwenden haben. Leider besteht jedoch zwischen Prinzip und Praxis ein unglücklicher Zwiespalt. Die Belastungen, die eine Führungskraft gewöhnlich zu tragen hat, machen es ihr im allgemeinen unmöglich, alle Konsequenzen einer Entscheidung zu überprüfen. Aber selbst, wenn es ihre Zeit erlaubt, verfügen Führungskräfte nur in seltenen Fällen über eine systematische Methode, die ihnen die Gewißheit gibt, alle Auswirkungen der vorgeschlagenen Lösung eines Problems geprüft zu haben. Die in diesem Buch (insbesondere in Teil II, III und IX) besprochenen Untersuchungsmethoden sollen umfassende Lösungen für Probleme der Betriebsführung liefern. Einzelheiten dieser Methoden werden im vorliegenden praktischen Beispiel nicht berücksichtigt, da es lediglich dazu dienen soll, die Betrachtung eines Problems im Rahmen des Systems als Ganzheit in allgemeiner Weise zu veranschaulichen. Nachstehende Darlegung verfolgt jedoch noch einen weiteren Zweck. Bei der späteren detaillierten Betrachtung von Methoden, Verfahren und Hilfsmitteln ist es günstig, ein Beispiel zu haben, auf das man sich zur Erläuterung beziehen kann. Es werden daher mehr Einzelheiten gebracht, als zur Erklärung der Betrachtung notwendig wären, um bei späteren Ausführungen darauf zurückgreifen zu können. A u f b a u d e s U n t e r n e h m e n s u n d des O . R . - T e a m s

Beginnen wir mit einer Beschreibung des Unternehmens. Es ist vor allem durch die Herstellung einer Werkzeugmaschine bekannt, die zur Erzeugung von Metallwaren verwendet wird. Es handelt sich um den größten Produzenten dieses Maschinentyps auf der ganzen Welt, der mehr als die Hälfte der amerikanischen Produktion solcher Werkzeugmaschinen erzeugt. Außerdem erzeugt das Unternehmen noch verschiedene andere Maschinentypen, die zum Teil mit dem Hauptprodukt in Beziehung stehen, zum Teil auch nicht. Der Verkaufspreis der verschiedenen Modelle des Hauptproduktes liegt zwischen 10.000 und 40.000 Dollar. Zur Zeit der Untersuchung hatte das Unternehmen einen Jahresumsatz von rund 50 Millionen Dollar. Es beschäftigte in seinen beiden Werken ungefähr 3500 Arbeitskräfte. Während des Krieges war der

Aufbau des Unternehmens und des O.R.-Teams

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Beschäftigungsstand höher, lag aber auch zur Zeit der Untersuchung (1952/53) nahe an der der Werkskapazität entsprechenden Höchstgrenze. Bei der ersten Unterredung teilten die leitenden Kräfte des Unternehmens den Mitgliedern der O . R . - G r u p p e des Case-Institutes mit, daß sie in erster Linie daran interessiert seien, zu erfahren, ob sich O.R. in ihrem Betrieb anwenden läßt. Obwohl sie kein bestimmtes Problem nennen wollten, mit dem begonnen werden sollte, beschäftigte sie doch eine Frage sehr. Wir brauchen sie nicht im einzelnen zu behandeln; sie ist bei diesen Ausführungen nur wegen der Gründe wichtig, die die O . R . - G r u p p e veranlaßten, sich nicht damit zu beschäftigen. Wir können dieses Problem kurz folgendermaßen skizzieren: D i e Produktion an Werkzeugmaschinen war relativ konstant, da ein beträchtlicher Rückstand noch nicht erfüllter Aufträge bestand. Die Werke waren praktisch bis zur Höchstkapazität ausgelastet. E s gingen neue Aufträge ein, deren U m f a n g jedoch hinter der vollen Kapazitätsauslastung zurückblieb. Dadurch wurde der Auftragsrückstand allmählich abgebaut. Bei gleichbleibender Marktlage würde das Unternehmen ungefähr in einem Jahr alle Rückstände aufgearbeitet haben. Wenn es sein derzeitiges Produktionsvolumen beibehielte, müßte es von da ab auf Lager produzieren. Ein Nebenprodukt des Unternehmens, das in keiner Beziehung zum Hauptprodukt stand, wurde in weit geringerem U m f a n g hergestellt und die Absatzwerbung hierfür in engen Grenzen gehalten, damit nicht mehr Aufträge einliefen, als erfüllt werden konnten. Durch intensivere Absatzbemühungen könnte man die Umsätze bei' diesem Produkt zweifellos erhöhen. Somit ergab sich das Problem, wann die Firma den Ausstoß an Werkzeugmaschinen verringern und den des Nebenproduktes erhöhen sollte, und in welchem Ausmaß diese Einschränkungen und Ausweitungen vorzunehmen wären. Die Betriebsführung stellte sich also die konkrete Frage, wie die miteinander zusammenhängenden Maßnahmen auf dem Gebiet der Produktionsplanung und die Absatzbemühungen optimal gestaltet werden könnten. D a s O . R . - T e a m ersuchte, die Behandlung dieses Problems noch aufschieben zu dürfen, und zwar aus folgendem G r u n d : In dem zur Diskussion gestellten Problem wurde von vornherein angenommen, daß die Produktion des Nebenproduktes einzig und allein dann erhöht werden könne, wenn man die Produktion der Werkzeugmaschine einschränkte. E s wurde also stillschweigend vorausgesetzt, daß die Werkzeugmaschinen mit größtmöglicher Produktivität hergestellt wurden oder zumindest keine Möglichkeit bestand, die Produktionskapazität wirksam zu erhöhen. D a s O . R . - T e a m hielt es nicht für ratsam, bei seiner ersten Arbeit in dem Betrieb von einer solchen Annahme auszugehen. U m diese Annahme richtig beurteilen zu können, so meinten die O.R.-Fachleute, müßten sie erst den Betrieb viel besser kennenlernen. Sie kamen daher mit der Betriebsleitung überein, zunächst ein paar Wochen der Orientierung im Betrieb zu widmen. Das O . R . - T e a m sollte sich mit der Arbeitsweise des Betriebes vertraut machen und selbst ein Problem formulieren, mit dem es die Arbeit beginnen wollte. N u n wurde ein Arbeitsteam von drei Personen aufgestellt. E s bestand aus zwei Mitgliedern der O . R . - G r u p p e des Engineering Administration Department des Case Institutes und einem Betriebsangehörigen. Der Betriebsangehörige war Fachmann für Finanzfragen. Seine Aufgabe im Betrieb war, für den Leiter der Finanzabteilung wunde Punkte in der Finanzgebarung ausfindig zu machen, und in dieser Eigenschaft hatte er mit einer großen

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2. O . R . - U n t e r s u c h u n g eines Systems als Ganzheit

Zahl komplizierter Probleme in allen Phasen des Betriebsgeschehens zu tun. Obwohl O.R. für ihn etwas völlig Neues war, machten ihn seine umfangreiche Erfahrung und seine Beschäftigung mit Methoden der Problemlösung zu einem idealen Mitarbeiter des Teams. Aus praktischen Gründen wurde das Team im Büro des Leiters der Finanzabteilung untergebracht, obwohl es direkt dem geschäftsführenden Vizepräsidenten der Firma unterstand. Der Leiter der Finanzabteilung stellte die Verbindung zum Personal des Betriebes her. Im Laufe der Untersuchung wechselte die Zusammensetzung des Teams. Einige Zeit lang umfaßte es sogar vier Fachleute des Case-Institutes, mehrere Studenten in höheren Semestern als Hilfspersonal und bis zu neun Betriebsangehörige. Während der ganzen Untersuchung wurden verschiedentlich Beratungen mit anderen Mitgliedern der O.R.-Gruppe des Case-Institutes, mit Fakultätsmitgliedern und mit einer großen Anzahl von Betriebsangehörigen durchgeführt. Die Periode der Orientierung Die erste Phase der Untersuchung war — wie bereits gesagt — der Orientierung gewidmet. Zuerst wurden das Hauptwerk und die Verwaltungsbüros besucht. Das Team erbat Einblick in den Organisationsplan des Unternehmens. Da dieses nicht sehr auf Pläne versessen war, stieß der Wunsch auf einige Schwierigkeiten. Als endlich ein Organisationsplan aufgetrieben wurde und das Teäm Fragen zu stellen begann, stellte sich heraus, daß zwischen dem Plan und dem tatsächlichen Ablauf des Betriebsgeschehens keine sonderliche Übereinstimmung bestand. Das Team mußte nun zu allererst den Arbeitsablauf des Betriebes kennenlernen und weiters feststellen, wie dieser Ablauf gesteuert wurde. Das Team beschloß daher, die ganze Firma als ein organisiertes System von Nachrichtenverbindungen zu betrachten, das einen Produktionsprozeß steuert (im Kapitel 4 werden die begrifflichen Grundlagen für eine derartige Untersuchung gebracht). Wo liegt der letzte Ausgangspunkt der Nachrichtenflüsse dieses Systems ? Beim Kunden, dem Verbraucher des Produktes. Wie werden die den Bedarf des Kunden betreffenden Nachrichten der Firma übermittelt? Durch das Personal der Verkaufsabteilung. Das Team begann also seine Orientierung in der Verkaufsabteilung. Es informierte sich darüber, wie das Verkaufspersonal potentielle Kunden auswählte, auf welche Weise mit den Kunden Kontakt aufgenommen wurde, welche Tätigkeitsberichte erstellt, wie Aufträge und Absatzprognosen ausgearbeitet wurden usw. Dann wurde geprüft, wie diese Informationen durch die verschiedenen Stellen der Verkaufsabteilung bearbeitet und die ausgewerteten Informationen für die Produktion formuliert und an diese weitergeleitet wurden. Das Team erhielt ferner Einblick in die Art und Weise, wie diese Informationen die Heranbringung von Rohmaterial an die Produktion auslösten und letztlich zur Fertigstellung eines Produktes führten, das an den Kunden geliefert wurde. Im Verlauf von zwei Wochen häuften sich ganze Stöße von Daten und Formularen bei den Mitgliedern des O.R.-Teams an, das mehrere Tage damit verbrachte, das Wesentliche dieses komplexen Prozesses herauszuarbeiten und in einem „Steuerungs- und Materialfluß-Diagramm" festzuhalten (siehe Abb. 2.1). Es ist für unsere Zwecke nicht notwendig, dieses Diagramm im einzelnen zu erläutern, aber es mag vielleicht von Nutzen sein, einen Teil

Die Periode der Orientierung

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des „Kreislaufs" zu erklären, um klarzumachen, wie sehr ein solcher Plan das Verständnis des Nachrichtenflusses in einem Betrieb erleichtert. Man betrachte zunächst die folgende verbale Beschreibung eines Teils des Nachrichtenflusses: Die Abteilung Produktionsplanung erhält jeden Monat vom Programmierungsausschuß (monatliche Besprechung des Fertigungsprogramms) ein Montageprogramm, das die Anzahl der Maschinen nach Typen getrennt enthält, die in den folgenden fünf Monaten zum Zusammenbau gelangen sollen. Für jede eingeplante Maschinentype verfügt die Produktionsplanung über eine komplette Stückliste (Liste der erforderlichen Einzelteile). Außerdem besitzt sie eine eigene Materialbedarfskartei, die in Evidenz hält, wieviel Stück von jedem Einzelteil auf Lager, in Fertigung bzw. auswärts in Bestellung sind. Hinsichtlich jedes Einzelteils kann eine der folgenden vier Möglichkeiten zutreffen: 1. Er wird von der Firma selbst erzeugt und befindet sich entweder auf Lager oder in Produktion; 2. er wird von der Firma selbst erzeugt und befindet sich weder auf Lager noch in Produktion; 3. er wird gekauft und ist entweder auf Lager oder in Bestellung; 4. er wird gekauft und ist weder auf Lager noch in Bestellung. Wir wollen uns hier nur damit beschäftigen, was geschieht, wenn die vierte dieser Möglichkeiten zutrifft. Für jedes eingeplante Maschinenmodell stellt die Abteilung Produktionsplanung eine Liste der Einzelteile zusammen, die im Lager nicht vorhanden sind, d. h. eine Liste der einzukaufenden Einzelteile. Sie wird dem Einkauf zugeleitet, der von jedem Einkaufsauftrag sieben Exemplare anfertigt und die ursprüngliche Liste der Produktionsplanung zum Zeichen dafür, daß die Aufträge ergangen sind, zurücksendet. Die Lager-Karteiblätter der betroffenen Einzelteile erhalten einen diesbezüglichen Vermerk. Das Originalexemplar der Bestellung wird der Lieferfirma zugeschickt. Ein Exemplar ergeht an die Kalkulation, die es später, zusammen mit anderen Unterlagen, zur Bestimmung der Produktionskosten verwendet. Drei Exemplare kommen in die Materialübernahme. Die restlichen zwei Exemplare werden in der Registratur des Einkaufs aufbewahrt, um die Einhaltung des Liefertermins zu überwachen. Wenn die bestellten Einzelteile in der Materialübernahme einlangen, sendet diese ein Exemplar des Einkaufsauftrages an den Einkauf zurück. Dieser legt sein Exemplar des Einkaufsauftrages ab. Seine Aufgabe ist damit beendet. Die Materialübernahme befördert die Einzelteile zusammen mit den ihr verbliebenen zwei Exemplaren in den Lagerraum. Der Lagerist signiert ein Exemplar und schickt es an die Materialübernahme zurück, deren Tätigkeit damit abgeschlossen und registriert ist. Sobald die Einzelteile ins Lager aufgenommen sind, geht das letzte Exemplar des Einkaufsauftrages vom Lagerraum an die Produktionsplanung. Diese vermerkt nun auf dem Lager-Karteiblatt des betreffenden Einzelteils, daß er verfügbar ist. Damit ist der Kreislauf geschlossen. Man beachte, wie diese Beschreibung in Abb. 2.1 in einfacher und relativ leicht faßlicher Weise dargestellt ist. Die Kreisläufe, die sich ergeben, wenn eine der anderen Möglichkeiten (hinsichtlich der Verfügbarkeit der Einzelteile) zutrifft, werden gleichfalls auf dieser Skizze gezeigt und auch noch andere Phasen des Produktionsablaufs. Diese Untersuchung des Systems der Steuerung und der Nachrichtenübermittlung wurde nicht nur vom O.R.-Team laufend verwendet, auch die Führungskräfte der Firma fanden sie für organisatorische Besprechung und für die Orientierung neuer Angestellter sehr nützlich.

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2. O . R . - U n t e r s u c h u n g eines Systems als Ganzheit (leuißjjo)

Die Periode der Orientierung e|iei ejeOozeqpuieJj

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2. O . R . - U n t e r s u c h u n g eines Systems als Ganzheit

Beim Sammeln der Unterlagen für die eben besprochene Analyse des Systems stellte das O.R.-Team fest, daß eines der Probleme alle Abteilungen betraf. Das war nicht überraschend, da es sich um das Problem der Lagerhaltung handelte. Man hatte im allgemeinen in dem Betrieb das Gefühl, der Lagerbestand sei zu umfangreich. Einige Führungskräfte wiederum hielten ihn für zu niedrig. Aber jeder beschäftigte sich mit diesem Problem. Das O.R.-Team beschaffte sich die Unterlagen über die am Ende des vorangegangenen Jahres durchgeführte Inventur und stellte zur Erleichterung der Untersuchung Bestandstabellen her (siehe Tabelle 2.1). Die senkrechte Einteilung bezog sich auf die Art des Produktes, die horizontale auf den Bearbeitungsgrad. Der auf jedes Kästchen entfallende Wert des Materialbestandes wurde in Prozenten des (ungefähr) 11 Millionen Dollar betragenden Gesamtwertes des Materialbestandes ausgedrückt. Die Tabelle 2.1 enthüllte einige bereits bekannte Tatsachen; so zum Beispiel, daß sich 65% des Materialbestandes auf das Hauptprodukt bezogen. Sie unterstrich aber auch etwas weniger Bekanntes: 29% des Bestandes umfaßten in Fertigung befindliche und fertige Teile für die Werkzeugmaschinenproduktion. Auf Grund dieser Tatsache und weil man mit Hilfe eines Lagerhaltungsproblems offenbar direkt in das Betriebsgeschehen vorstoßen konnte, entschloß sich das Team, eine Untersuchung der Lagerhaltung für die Teile der Werkzeugmaschine vorzuschlagen. T A B E L L E 2.1 Aufgliederung des Materialbestandes nach Art des Produktes u n d in Prozenten

Produkt

AM B C D2) E F G Insgesamt

GeFertige RohEinmate- kaufte Teile heiten rial

Fertiggestellte Baugruppen 3,3

0,4 0,1 0,1 0,1

9,9 0,0 + 0,6 0,6

0,0 +

0,4 2,7

1,3

0,1 0,0 +

14,2

1,3

3,8

0,7

0,4 0,0 +

Fertige B a u g r u p Einzelpen in teile Fertigung

Einzelteile in Fertigung

2,5 2,5

12,0 0,2 1,0 2,6

3,1 0,2

1,6 0,4

0,3 0,2

24,8

25,1

16,3

16,8 0,0 + 2,1 2,6

18,1

Bearbeitungsgrad

Sonstiges

Insge samt

5,0 0,0 + 0,2 0,2 0,2 4,8 3,4

65,5 0,3 6,9 8,6 0,2 11,6 6,9

13,8

100,0

Das Team besprach sich wieder mit den leitenden Herren der Firma, zeigte und erläuterte das Diagramm der Steuerung und des Materialflusses und schlug das Problem der im Lager befindlichen Teile vor. Der Vorschlag wurde angenommen und das Team wurde „losgelassen". ') Die Werkzeugmaschine. ) Das N e b e n p r o d u k t .

2

Die P l a n u n g der Einzelteilproduktion

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Die Planung der Einzelteilproduktion Man begann die Arbeit damit, die Betriebsangehörigen zu fragen, was sie sich eigentlich unter dem Problem der im Lager befindlichen Einzelteile vorstellten. Die übliche Formulierung war: Welches Minimum an Einzelteilen muß im Lager sein, damit Montage und Lieferungen im gegenwärtigen Ausmaß aufrechterhalten werden können ? Das Team war mit dieser Formulierung unzufrieden, weil dabei eine konstante Gewinnspanne vorausgesetzt wird, oder zumindest eine Gewinnspanne, deren Schwankungen in keinem wesentlichen Zusammenhang mit dem Niveau der Lagerhaltung stehen. Wenn der Umfang des Lagers mit den Produktionskosten zusammenhängt, so sollte der Umfang des Lagers nach Ansicht des Teams eigentlich nicht als die kleinste Menge bestimmt werden, die zur Aufrechterhaltung eines gegebenen Absatzvolumens notwendig ist, sondern als jene Menge, die bei gegebenem Absatzvolumen den größten Gewinn ergibt. Diese Überlegung führte das Team zu einer Neuformulierung des Problems. Es ging darum, die Produktion der Einzelteile so zu planen, daß die gesamten Fertigungskosten (einschließlich der Lagerhaltungskosten) ein Minimum werden. Was wird alles für die Erzeugung eines Einzelteils benötigt ? Zunächst einmal Rohmaterialien, deren Kosten sich aus Einkaufspreis und Frachtkosten zusammensetzen. Dann werden die Rohmaterialien ins Lager gebracht, wodurch sich ihre Kosten weiter erhöhen. Im Planungsstadium wird über die Zukunft des Materials entschieden. Diese Planung (Vorbereitung der Produktionsserie auf Büroebene) verursacht gleichfalls Kosten. Dann m u ß die Produktionsanlage für die Herstellung eingerichtet werden. Das Material wird bearbeitet und muß zwischen den einzelnen Arbeitsgängen warten. Zuletzt kommen die Fertigteile auf Lager und der mit der Herstellung in Zusammenhang stehende Schriftverkehr wird abgeschlossen. Auf Grund einer Voruntersuchung kam das Team zu dem Schluß, daß das Rohmaterialund das Zwischenlager durch Veränderungen in der Produktionsplanung kaum berührt werden würden. Zur Vereinfachung des Problems wurde im folgenden mit dieser Annahme gearbeitet. Sie wurde im späteren Verlauf auch überprüft, doch darüber soll an anderer Stelle berichtet werden. Diese summarische Beschreibung der Produktion eines Einzelteils mußte präzisiert werden. Das geschah, indem man die zur Zeit durchgeführte Produktionsplanung der Einzelteile studierte, die einschlägigen Veränderlichen in diesem Prozeß herausfand und festhielt. Die Terminpläne für die Einzelteilproduktion wurden monatlich erstellt (d. h. die Planungsperiode erstreckte sich auf einen Monat). Es wurde aber nicht jeder Einzelteil in jedem Monat erzeugt. Von den insgesamt rund 18.000 verschiedenen im Werk erzeugten Einzelteilen wurde monatlich ungefähr ein Drittel (6000) produziert. Es erwies sich günstig, für die Kostenberechnung einen bestimmten Zeitraum festzulegen. Man wählte dazu den Zeitraum eines Jahres. Das später entwickelte mathematische Modell des Produktionsprozesses ist in dem Sinn allgemein, als der Zeitraum, der der Kostenberechnung zugrunde liegt, beliebig ausgedehnt oder verkürzt werden kann. Das Modell und seine Entwicklung werden im Kapitel 7 besprochen werden. Es enthält drei wichtige Kostenbestandteile : 1. Vorbereitungs- und Abschlußkosten pro Produktionsserie (auf den Einzelteil bezogen sind diese Kosten variabel).

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2. Rohmaterialkosten und Bearbeitungskosten pro Einzelteil (auf den Einzelteil bezogen sind diese Kosten fix)1). 3. Lagerhaltungskosten, ausgedrückt als Prozentsatz des Wertes des Einzelteils pro Monat. Da die Bedeutung zumindest einiger dieser Kostenbestandteile durchaus nicht selbstverständlich ist, wollen wir sie der Reihe nach näher betrachten. Die Kosten der Einzelteilproduktion Zunächst wollen wir die Kosten für die Vorbereitung und den Abschluß einer Produktionsserie betrachten. Die „Serie" umfaßt alle Einzelteile, die erzeugt werden, nachdem man eine Maschine in einer bestimmten Weise eingerichtet hat. Der Umfang einer Serie kann stark variieren. Mit anderen Worten: die Produktionsserie ist die Anzahl von Einzelteilen, die in kontinuierlicher Folge hergestellt werden. Die Kosten für die Vorbereitung und den Abschluß einer Produktionsserie setzen sich aus vier Hauptkomponenten zusammen: 1. Vorbereitung auf Büroebene. Bevor im Werk etwas geschieht, muß die Abteilung Produktionsplanung die Produktion planen und die Normenstelle die notwendigen Zeichnungen und Kontrollformulare anfertigen. 2. Vorbereitung auf Werksebene. Dazu gehören jene Kosten, die durch die direkte Umstellung der Maschinen auflaufen, die Kosten für den Ausschuß, der in der ersten Phase der Einrichtung anfällt, sowie die Kosten für die Organisation der Qualitätsüberwachung. 3. Abschluß auf Werksebene. Hier ergeben sich Kosten für die Verbringung der fertigen Einzelteile in das Lager und den damit verbundenen Schriftverkehr. 4. Abschluß auf Büroebene. Darunter sind die Kosten für die von der Kalkulationsabteilung durchgeführte Analyse zu verstehen. Offensichtlich ist es nicht leicht, die beim An- und Auslaufen der Produktion auflaufenden Kosten für irgendeinen Einzelteil abzuschätzen. Im vorliegenden Fall war hierfür die Zusammenarbeit mit einer Reihe von Abteilungen erforderlich. Dies wirkte sich sehr gut aus, denn es kam dabei ein wichtiges Problem zum Vorschein. Die Kostenrechnung war nicht geeignet, diese Kosten für jeden Einzelteil anzugeben. Sollte sie nicht darauf eingerichtet werden ? Der neue Rechnungsdirektor der Firma hakte bei dieser Frage ein, um seine Bemühungen zu verstärken, das Rechnungswesen aus einer Sammlung historischer Daten in eine Quelle zu Steuerungszwecken verwendbarer Daten umzuwandeln. Die Arbeit des Teams rückte die Notwendigkeit einer nach Funktionsbereichen aufgegliederten Kostenrechnung ins rechte Licht. Das Team leistete hierzu auch insofern einen kleinen praktischen Beitrag, als es zeigte, wie die Regressionsanalyse dazu verwendet werden kann, die festen und die variablen Kosten zu trennen und wie man für die laufende Kontrolle dieser Kosten die Methoden der statistischen Qualitätskontrolle heranziehen kann. l ) Diese Kosten sind nicht in irgendeinem absoluten Sinn fix, aber ihre Ä n d e r u n g ist i m Vergleich zu den als variable Kosten bezeichneten Kosten sehr gering. Wie wir sehen w e r d e n , w u r d e n einige Rohmaterialkosten tatsächlich geändert.

Die Planung der Einzelteilproduktion

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Die Ausarbeitung von Methoden zur Überwachung der in die Berechnung eingehenden Kosten ist für jede O.R.-Untersuchung unerläßlich. Eine einmal gewonnene Lösung bleibt nur so lange wirklich eine Lösung, als die verwendeten Kosten der Wirklichkeit entsprechen. Aber die Kosten verändern sich. Daher muß man ein Verfahren entwickeln, um die durchschnittlichen Kosten konstant zu halten bzw. um Veränderungen rasch festzustellen, damit die Lösung entsprechend angepaßt werden kann. Dies geschieht gewöhnlich mit Hilfe statistischer Methoden. Die Vorbereitungs- und Abschlußkosten pro Einzelteil wurden dann durch die Untersuchung der hierfür im Durchschnitt aufgewendeten Zeit und deren Kosten in jeder der betroffenen Abteilungen bestimmt. Diese Untersuchung lieferte die in Tabelle 2.2 ausgewiesenen Ergebnisse. T A B E L L E 2.2 Kosten f ü r Arbeitskräfte, Pläne u n d Papier in 8 Arbeitskräfte: Produktionsplanung Normenstelle Lager Pläne Papier Insgesamt

0,85 0,20 0,38 0,10

0,05 1,70

Man sieht, daß bei einer Reduzierung der durchschnittlichen Zahl der monatlich aufgelegten Produktionsserien auch die Produktionskosten geringer werden. Das Problem liegt daher, wie bereits hervorgehoben, nicht nur darin, wie man die Lagerhaltung im Verhältnis zum Absatz verringern kann, sondern auch darin, wie man die Kosten für die Produktionsplanung herabsetzen kann. Diese Kosten sind durch Vergrößerung der Produktionsserie zu reduzieren, wobei gleichzeitig die Anzahl der Serien pro Jahr verringert und der Lagerbestand erhöht wird. Wir stehen nun vor dem Problem, diese beiden Faktoren, nämlich die Kosten für die Lagerhaltung einerseits und die Kosten für Vorbereitung und Abschluß der Serie andererseits, gegeneinander abzuwägen. Das ist ein typisches Problem der Betriebsführung, wie wir es im vorigen Kapitel besprochen haben. Das Ergebnis vorwegnehmend, wollen wir hier vermerken, daß sich die Kosten für die Vorbereitung und den Abschluß der Produktionsserie als sehr bedeutend erwiesen und daß ein richtiges „Ausbalancieren" der beiden Kostenbestandteile bei der Planung der Einzelteileproduktion eine Kostenersparnis von rund 40.000 Dollar ermöglichen würde. Die tatsächlichen Aufwendungen sollten dabei zwar nicht reduziert werden, denn man wollte kein Personal der Abteilung Produktionsplanung entlassen, aber die so gewonnene Zeit könnte für andere Aufgaben verwendet werden, die man bisher aus Personalmangel und aus Mangel an Platz für weiteres Personal nicht in Angriff nehmen konnte. Die Durchführung dieser Arbeiten würde voraussichtlich zu weiteren Kosteneinsparungen führen.

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2. O . R . - U n t e r s u c h u n g eines Systems als Ganzheit

Die auf Seite 36 unter Punkt 2 angeführten Kostenbestandteile beruhen auf einer Kombination von zweierlei Kosten — für das Rohmaterial und dessen Bearbeitung —, die ursprünglich getrennt behandelt wurden. Es erwies sich als günstig, sie zusammenzuziehen, da es sich in beiden Fällen u m fixe Kosten pro Einzelteil handelt. Die erste Komponente sind die Kosten des für die Herstellung des Einzelteils verwendeten Rohmaterials. Die zweite sind die durch die Herstellung des Einzelteils auflaufenden Fertigungslohnkosten plus Fertigungsgemeinkosten. Die sowohl in den Kosten für die Vorbereitung und den Abschluß der Produktionsserie als auch in den Material- und Bearbeitungskosten enthaltenen Gemeinkosten waren nicht leicht zu bestimmen oder zuzurechnen. Man gelangte aber zu einem befriedigenden Schätzwert, der diese Kosten als Funktion der aufgewendeten Arbeitsstunden ausdrückte. Die dritte Kostenart sind die Lagerhaltungskosten. Das Team untersuchte die mit dem Betrieb eines der Lagerhäuser der Firma verbundenen kosten. Dabei wurden Miete, Beheizung und Beleuchtung, Wachdienst, Löhne, Beaufsichtigung, Belieferung und Abschreibung berücksichtigt. Dazu kamen noch die Kosten für das im Lager investierte Kapital. Diese Kosten zusammen betrugen monatlich rund 1% des im Lager investierten Kapitals. Sicherheitshalber wurde bei einer späteren Untersuchung daneben noch ein „pessimistischerer" Wert von 2 % angenommen. Welche Auswirkungen sich daraus ergaben, wird an späterer Stelle berichtet werden. Die gesamten Gemeinkosten und Lagerhaltungskosten wurden also als Kosten behandelt, die sich proportional zur Anzahl der erzeugten Einzelteile ändern. Diese Kosten haben jedoch Bestandteile, die in gewissen Bereichen des Produktionsvolumens fix bleiben. Aber es stellte sich heraus, daß die Ergebnisse, die man letztlich bei verschiedenen Methoden der Aufteilung dieser Kosten erhielt, nicht wesentlich voneinander abwichen. Man entschied sich daher für den einfachsten Weg einer Zuordnung der Gemeinkosten und Lagerhaltungskosten, nämlich nach aufgewendeten Arbeitsstunden bzw. investierten Dollars. Die Planungsgleichung Es wurde ein Modell des Produktionsprozesses entwickelt, in dem die gesamten jährlichen Herstellkosten für jeden Einzelteil als Funktion der Seriengröße (und demnach der Anzahl gleich großer Serien pro Jahr) ausgedrückt werden. Diese Gleichung enthielt vier wichtige Kostenbestandteile: 1. die Rohmaterialkosten, 2. die Fertigungskosten, 3. die Kosten für Zwischenlager und 4. die Lagerhaltungskosten für die fertiggestellten Einzelteile. Infolge der Kürze der Fertigungszeit wurde festgestellt, daß die Zwischenlagerkosten nur einen geringen Bruchteil der Gesamtkosten ausmachten. Sie wurden daher in der Gleichung nicht berücksichtigt und das Interesse konzentrierte sich auf die darüber hinausgehenden jährlichen Herstellkosten. Das Problem besteht darin, für jeden Einzelteil diejenige Seriengröße zu finden, die eine Minimisierung der jährlichen Kosten ermöglicht. Durch Heranziehung eines analytischen Verfahrens, wie es in Kapitel 7 eingehend beschrieben wird, wurde nachstehende Gleichung für die optimale Serien(oder Los-) Größe gefunden:

Die Planung der Einzelteilproduktion

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Die Symbole in dieser Gleichung haben folgende Bedeutung: _Yo = die optimale Zahl von Einzelteilen pro Serie; L = die monatlich erforderlichen Einzelteile; P = die Lagerhaltungskosten für Fertigteile, in Prozenten des investierten Kapitals; c\ = die Kosten für die Vorbereitung und den Abschluß der Produktionsserie ; C2 = die Herstellgrenzkosten (Rohmaterialkosten und durch den Arbeitsgang direkt verursachte Kosten pro Einzelteil). Die Probeserie Nachdem diese Gleichung entwickelt worden war, besprach sich das Team wieder mit den Führungskräften des Unternehmens. Die mathematischen Grundlagen wurden nicht im einzelnen diskutiert, wohl aber die dahinter stehenden Gedankengänge. Die Besprechung ergab wichtige Resultate bezüglich der Kostendefinition. Die Führungskräfte kamen zu der Auffassung, daß es sich lohnen würde, das Modell auszuprobieren. Die Produktionsplanung schlug vor, die Gleichung für die Seriengröße zuerst auf 23 von ihr ausgewählte Einzelteile anzuwenden. Diese Auswahl erfolgte nicht auf Grund einer echten Stichprobe; es wurden vielmehr jene Einzelteile ausgewählt, die bei der Produktionsplanung schwierige Probleme verursachten. Sobald die Teile ausgewählt waren, berechnete das Team für jeden Einzelteil die gesamten jährlichen Kosten und die Vorbereitungszeit auf Grund der bisherigen Seriengrößen sowie jene Kosten und Zeiten, die sich für die optimalen Seriengrößen ergeben würden. Es zeigt sich, daß sowohl bei den Kosten als auch bei den Zeiten erstaunlich große Einsparungsmöglichkeiten bestanden. Um sie zu verwirklichen, müßte man allerdings das Lager der fertigen Einzelteile mehr als verdoppeln. Man konnte also durch eine Vergrößerung der Produktionsserien und demnach auch durch eine Vergrößerung des Lagerbestandes an Fertigteilen wesentliche Einsparungen an Zeit und Geld erzielen. Bei einer weiteren Besprechung mit den Führungskräften einigte man sich auf Grund der bisher erzielten Resultate darauf, eine systematischere Untersuchung einer repräsentativeren Gruppe von Einzelteilen durchzuführen. Hierzu wurde ein Montagestück mit 112 Einzelteilen ausgewählt. Die Untersuchung zielte auf die Frage ab, wie weit die Herstellkosten durch die Größe der Produktionsserie zu beeinflussen sind. Das Ergebnis war, daß die optimale Planung (zum Unterschied von der derzeitigen Planung) die Kosten der Produktion um 3,5% und die Zeit für die Vorbereitung der Serie um 70% verkürzen würde. Die Betriebsleitung betrachtete diese Resultate als genügend eindrucksvoll, um weitere Untersuchungen darüber zu rechtfertigen, was sich bei dem Versuch, diese potentiellen Zeit- und Kosteneinsparungen zu verwirklichen, tatsächlich ergeben würde. Manche Leser werden vielleicht den Eindruck haben, daß damit die Rolle der Wissenschaft zu Ende war. Tatsächlich stand man aber noch in einem sehr realen Sinn „erst am Beginn" des O.R.-Programms. Die größten Schwierigkeiten des gesamten Problems wurden erst sichtbar, als sich das Interesse darauf konzentrierte, die Produktion mit optimalen Seriengrößen zu verwirklichen. Diese Seite des Problems ist sogar eine typischere Sorge der Betriebsführung als irgendein anderes der von uns erwähnten Probleme.

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An diesem Punkt stellte sich das O.R.-Team eine Reihe von Fragen, deren Beantwortung für eine allgemein befriedigende Lösung des Problems der Minimisierung der Kosten der Einzelteilfertigung notwendig war. 1. Welche Informationen sind erforderlich, um die Herstellkosten mit Hilfe der Gleichung für die optimale Seriengröße herabzusetzen und welche Auswirkung würden fehlerhafte Informationen haben ? 2. Welche Hilfsmittel werden zusätzlich notwendig sein, bevor man sich der Planungsgleichung bedienen kann ? 3. Wie werden die gegenwärtigen Arbeitsverfahren geändert werden müssen, bevor man die Planungsgleichung für die Produktionsplanung heranziehen kann ? 4. Kann irgendeiner der Arbeitsgänge, die von den Produktionsmengen abhängen, so verändert werden, daß seine Wirksamkeit nach Einführung der Planungsgleichung noch weiter gesteigert wird ? 5. Welche bei der Formulierung des vorgeschlagenen Planungsverfahrens vorausgesetzten Bedingungen unterliegen einer Veränderung und wie soll das Verfahren beim Auftreten solcher Veränderungen modifiziert werden ? Mit Hilfe von detaillierten Unterlagen über die Arbeitsgänge des Systems, die während der Orientierungsperiode gesammelt worden waren, wurden diese allgemeinen Fragen in die nachstehenden spezielleren Fragen umgewandelt: 1. Welche Fehler in den Schätzungen der Kosten werden bei Verwendung der Planungsgleichung zu einer Erhöhung der Herstellkosten führen ? 2. Wie kann die erweiterte Lagerhaltung finanziert werden und welche Auswirkungen wird dies auf den Kredit der Firma haben ? 3. Wie läßt sich die Umstellung auf größere Produktionsserien bewerkstelligen, ohne daß während der Umstellungsperiode Einzelteile ausgehen ? 4. Wie kann ein hoher Ausnutzungsgrad der Produktionsmittel garantiert werden, wenn in jedem Monat weniger, aber umfangreichere Produktionsserien aufgelegt werden ? 5. Wieviel zusätzlicher Lagerraum wird erforderlich sein und wie ist er zu erlangen ? 6. Wie lassen sich Produktion und Zurichten von angeforderten Ersatzteilen für Reparaturen am besten in das vorgeschlagene Verfahren der Einzelteilfertigung für die Montage einbauen ? 7. Läßt sich der Einkauf von Rohmaterial im Hinbück auf die in Aussicht genommenen Veränderungen bei der Produktion der Ersatzteile verbessern ? 8. Was kann man tun, um die Veralterung von Bestandteilen, die in größeren Mengen gelagert werden, in möglichst engen Grenzen zu halten ? 9. Kann die Planung des Zusammenbaus im Hinblick auf die in Aussicht genommenen Veränderungen bei der Produktion von Einzelteilen verbessert werden ? 10. Wie kann das Produktionsplanungsverfahren an die (mit Sicherheit einmal eintretende) Situation angepaßt werden, in der die Nachfrage nicht bekannt und konstant, sondern nur geschätzt und veränderlich sein wird? 11. Wie soll die Produktionsmenge für jede Art von Einzelteilen tatsächlich bestimmt werden ? Bevor wir darauf eingehen, wie diese und ähnliche Fragen beantwortet wurden, wollen wir noch eine Folgerung aus den bis zu diesem Zeitpunkt erzielten Untersuchungsergebnissen hervorheben.

Die Auswirkung von Fehlern — Kapitalerfordernisse und Kredit

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Der Leser wird sich erinnern, daß es bei der ersten Besprechung mit den Führungskräften darum ging, die Produktion des Nebenproduktes zu erhöhen und diejenige der Werkzeugmaschinen herabzusetzen. Durch die erste Phase der Untersuchung wurde gezeigt, daß eine Herabsetzung der Herstellzeit für die Werkzeugmaschinen um ungefähr 150.000 Arbeitsstunden jährlich möglich war. Diese eingesparte Zeit wäre ausreichend, um die gewünschte Produktionserhöhung bei dem Nebenprodukt durchzuführen, ohne das Produktionsniveau bei der Werkzeugmaschine herabzusetzen. Man hatte also eine Antwort auf die ursprüngliche Frage dadurch gefunden, daß man den Betrieb als Ganzes betrachtete. Nun wollen wir uns der zweiten Phase des Problems zuwenden. Die Auswirkung von Fehlern auf die erwarteten Kostensenkungen Bei der Berechnung wirtschaftlicher Seriengrößen müssen die VorbereU tungs- und Produktionskosten geschätzt werden. Diesen Schätzungen wurden die Kosten der Vorgabezeiten für Vorbereitung und Produktion zugrunde gelegt, so daß natürlich mit dem Auftreten von Fehlern zu rechnen ist. Das Ausmaß dieser Fehler konnte nicht genau abgeschätzt werden. Es war daher notwendig, das Problem umgekehrt anzugehen. Man stellte sich folgende Frage: Können die geschätzten Kosten von den tatsächlichen Kosten so weit abweichen, daß das in Aussicht genommene Verfahren — im Lichte der tatsächlichen Kosten besehen — schlechter als das gegenwärtig geübte ist ? Eine Analyse zeigte, daß die Schätzungen sowohl der fixen als der variablen Kosten durchschnittlich um 10% unter den tatsächlichen Kosten liegen müßten, wenn sich das vorgeschlagene Verfahren teurer als das derzeit angewendete stellen sollte. Offensichtlich müßte das Unternehmen aber, wenn man bei den Kostenschätzungen so weit dänebengriff, mangels Gewinns längst zugrunde gegangen sein. Es bestand also kein Risiko, daß infolge einer fehlerhaften Schätzung dieser beiden Kosten eine Verschlechterung eintritt. Wie stand es nun mit den Lagerhaltungskosten? Hier wurde der gleiche Weg beschritten. Eine Untersuchung ergab, daß die jährlichen Lagerhaltungskosten 42% des Durchschnittswertes der auf Lager befindlichen Einzelteile übersteigen müßten, bevor das vorgeschlagene Verfahren kostspieliger wurde als das gegenwärtig angewendete. Da das Unternehmen 24% als pessimistischeste Schätzung für diese Kosten angegeben hatte, schien auch von da her keine Gefahr zu erwarten. Kapitalerfordernisse und Kredit Eine Erhöhung der Seriengröße und (als Konsequenz hiervon) des Lagerbestandes erfordert zusätzliches Kapital. Dadurch ergaben sich drei Fragen: 1. Welcher Betrag würde zur Finanzierung der erhöhten Lagerhaltung erforderlich sein und zu welchem Zeitpunkt würde er gebraucht werden? 2. Zu welchen Kosten wäre dieses zusätzliche Kapital erhältlich ? 3. Wie würden sich die erhöhten Investitionen in das Lager auf den Kredit der Firma auswirken ? Das dem Team angehörende Belegschaftsmitglied verfügte über alle Voraussetzungen, um diese Fragen zu klären. Man stellte einen Voranschlag über das erforderliche Kapital auf, wobei man von einer gleichbleibenden Geschäftslage ausging. Die Untersuchung ergab, daß dieses Kapital zu den gleichen Kosten wie bisher erhältlich war. Außerdem kam man auf Grund von Vergleichen mit anderen Firmen und einer Analyse des bei der Kredit-

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2. O.R.-Untersuchung eines Systems als Ganzheit

bewertung angewendeten Verfahrens zu dem Schluß, daß der Firmenkredit durch die in Aussicht genommene Erhöhung des Fremdkapitals kaum beeinträchtigt werden würde. Es war jedoch zu diesem Zeitpunkt schon ziemlich sicher, daß sich die Geschäftslage nicht auf dem gleichen Niveau halten, sondern ein Rückgang der Nachfrage eintreten würde. Es wurde festgestellt, daß beim Eintritt dieses vorhergesagten Rückganges kein zusätzliches Kapital erforderlich sein würde, das heißt, die Lagerhaltung würde trotz Einführung wirtschaftlicherer Produktionsserien infolge des Umsatzrückganges im wesentlichen auf dem bisherigen Stand bleiben. Normalerweise wäre mit sinkenden Umsätzen ein Rückgang der Lagerhaltung verbunden gewesen. Die Umstellung der Produktionsserien Eine Reihe weiterer Probleme ergab sich bei der Ausarbeitung eines Planes für die Umstellung der Fertigung auf größere Produktionsserien. Vor allem mußte ein Weg gefunden werden, u m den „Umstellungsschock" zu überwinden. Dieser Schock war deshalb zu erwarten, weil das bereits fast bis zur Kapazitätsgrenze ausgelastete Werk in jedem Monat einen durchschnittlichen Dreimonatsbedarf für 6000 Einzelteiltypen herstellte. Auf Grund der neuen Planung sollte in jedem Monat ein durchschnittlicher Neunmonatsbedarf für 2000 Einzelteiltypen erzeugt werden. Es mußte sich daher bei der Umstellung der Vorrat an den übrigen 4000 Teilen erschöpfen. Zur Lösung dieses Problems gab es drei verschiedene Möglichkeiten: 1. zusätzliche Arbeitskräfte und Maschinen einzustellen und dadurch die Produktionskapazität zu erhöhen, 2. einige Einzelteile von anderen Firmen erzeugen zu lassen und 3. den Umstellungsschock durch eine allmähliche Umstellung zu mildern, bei der man nur die vorhandenen Mittel ausnützt. Diese drei Möglichkeiten wurden nun geprüft. Die Umsatzprognosen deuteten an, daß ein Geschäftsrückgang zu erwarten war und demnach eine Kapitalausweitung nicht gerechtfertigt wäre. Durch die Weitervergebung von Aufträgen würden sich die Produktionskosten so erhöhen, daß während der Umstellungszeit eindeutig ein Verlust eintreten müßte. Als günstigste Möglichkeit erwies sich demnach die allmähliche Umstellung der Werksanlagen. Diese Entscheidung warf wieder eine Reihe von Fragen auf: 1. Wie sollte die Umstellung durchgeführt werden ? 2. Wie lange würde die Umstellung dauern ? Zunächst beschloß man, die verschiedenen Modelle der Werkzeugmaschine nach der Wahrscheinlichkeit ihrer Veralterung zu reihen und bei der Umstellung mit denjenigen zu beginnen, deren Veralterung am wenigsten wahrscheinlich war. Ferner konnte man berechnen, welche Kostenersparnis sich bei jedem Einzelteil durch die Umstellung von der gegenwärtigen Praxis auf optimale Produktionsserien ergeben würde und die Einzelteile dann nach diesem Gesichtspunkt reihen. Auf diese Weise erhielt man eine Prioritätsliste für die Umstellung. U m die monatliche Produktionssteigerung zu bestimmen, die man vom Werk fordern konnte, mußte man Ausmaß und Art der über die normale Produktion hinaus zur Verfügung stehenden Maschinenzeit feststellen. Von der Abteilung Produktionsplanung wurde eine gesonderte Untersuchung durchgeführt, u m eine Methode zu entwickeln, auf Grund derer man mit Hilfe einer IBM-Rechenanlage einen Produktionsplan auf die voraussichtliche Maschinenauslastung umrechnen konnte. Da zunächst eine solche Methode

Fehlmengen und Lagerraum — Einzelteile für Reparaturzwecke

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nicht zur Verfügung stand (seither ist sie bereits entwickelt worden), mußte man es dem Planungspersonal überlassen, die zusätzliche Leistung festzusetzen, die man in jedem Monat den Maschinen noch abverlangen konnte. Auf Grund dieser Unterlagen schätzte das O.R.-Team, daß für die vollständige Umstellung auf wirtschaftliche Seriengrößen zwei bis drei Jahre erforderlich sein würden. Fehlmengen und Lagerraum Während der im Zusammenhang mit dem Umstellungsproblem durchgeführten Untersuchung wurde klar, daß kein Produktionsplan aufgestellt werden konnte, bei dem die gesamte zur Verfügung stehende Maschinenzeit ausgenützt wurde. Verschiedene Teile der Anlage würden zeitweise ungenutzt sein, weil sie auf die Fertigstellung von Arbeiten an anderen Maschinen warten müßten. Die Planung des Maschineneinsatzes wurde zudem noch dadurch erschwert, daß im Laufe des Monats, nachdem das Arbeitsprogramm bereits ausgegeben worden war, infolge unvorhergesehener Fehlmengen ein Notstand eintreten konnte. Für ausgegangene Teile trafen Nachbestellungen hoher Dringlichkeit ein, die zusätzlich zur normalen Produktion erfüllt werden mußten. Dieses stark ins Gewicht fallende Problem der Fehlmengen beschwerte die Fertigung sehr. Mit Hilfe einer an späterer Stelle geschilderten Untersuchung, die scheinbar mit dem Problem gar nichts zu tun hatte, konnte das O.R.-Team zu einer Verminderung der Bestellungen beitragen, die infolge einer plötzlich auftretenden Verknappung an die Werkstatt ergingen. In dieser Untersuchung wurde das Problem der plötzlich auftretenden Fehlmengen mit dem der Beschaffung zusätzlichen Lagerraumes in Verbindung gebracht. Ein erhöhter Lagerbestand machte mehr Lagerraum erforderlich. Die Firma wollte unbedingt vermeiden, daß zusätzlicher Lagerraum gemietet werden mußte. Daher wurde zunächst die Lagerung der vorhandenen fertiggestellten Einzelteile geprüft. Dabei zeigte sich, daß man durch eine Verbesserung der Lagerhaltungsmethoden oder eine neue Aufteilung des Lagers nur wenig Lagerraum gewinnen konnte. Es schien, als würde sich daraus ein wesentliches Hindernis für die Durchführung des neuen Produktionsplanes ergeben. Während sich das O.R.-Team mit dem Problem der Fehlmengen und der Lagerhaltung beschäftigte, wurde ihm auch die Frage gestellt, wie die Produktion von Einzelteilen für Reparaturzwecke geplant werden könnte. Die Einzelteile wurden nämlich nicht nur für den Zusammenbau, sondern auch für Reparaturzwecke benötigt und das Unternehmen „erfreute" sich eines umfangreichen Ersatzteilgeschäftes. Man pflegte daher auf die Zahl der für den Zusammenbau bestimmten Einzelteile einen gewissen Aufschlag zu machen, u m möglicherweise vor der nächsten Arbeitsplanung eintreffende Ersatzteilbestellungen befriedigen zu können. Der Aufschlag für die Ersatzteile wurde auf Grund der Erfahrungen in früheren Perioden bestimmt. Einzelteile f ü r Reparaturzwecke Das T e a m untersuchte die Verteilung der Ersatzteilbestellungen bei einigen Einzelteilen und machte dabei zwei wichtige Feststellungen: 1. Die Bestellungen waren unter den Einzelteilen sehr unterschiedlich verteilt. 2. Die Ersatzteilbestellungen schwankten von Monat zu Monat sehr stark.

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2. O . R . - U n t e r s u c h u n g eines Systems als Ganzheit

Nun wurde ein einfaches Verfahren zur Registrierung der Zeitpunkte und Mengen der Nachbestellungen entwickelt. Zunächst wurden die Einzelteile danach eingeteilt, wie wichtig sie für das Funktionieren der Werkzeugmaschine waren. Klasse 1 umfaßte jene Einzelteile, ohne die die Maschine überhaupt nicht funktioniert. Klasse 2 enthielt jene Einzelteile, deren Fehlen die Verwendbarkeit der Maschine zwar beschränkt, sie aber nicht völlig unbrauchbar macht. Klasse 3 bestand aus jenen Einzelteilen, die die Verwendbarkeit der Maschine nicht beeinflussen, obwohl ihr Ausfall dem Bedienungspersonal unter Umständen Schwierigkeiten verursacht. Mit Hilfe des für die Erfüllung der Reparaturaufträge verantwortlichen Personals wurden, von dieser Klassifikation ausgehend, annehmbare Risken für das Auftreten von Engpässen festgelegt. Die Planung der Einzelteile von Klasse 1 (unerläßliche Bestandteile) sollte so erfolgen, daß nur bei 27 von 10.000 Planungsperioden die Gefahr der Nichterfüllbarkeit von Reparaturaufträgen bestand. Bei Klasse 2 wurde das Risiko mit S von 100 Planungsperioden festgesetzt, bei Klasse 3 mit 30 von 100. Auf Grund dieser Risken und der Kenntnis der Fertigungsdurchlaufzeit für den Einzelteil konnte man f ü r jede Art von Einzelteil feststellen, bei welchem Lagerstand eine Nachbestellung zu erfolgen hatte. Die Höhe der Nachbestellung wurde so bestimmt, daß man die für den Zusammenbau erforderliche Menge noch um den durchschnittlichen Monatsbedarf für Reparaturzwecke vermehrte. Es war also keine eigene Serie für Ersatzteile aufzulegen, sondern der Ersatzteilbedarf in die normale Produktion für den . Zusammenbau einzubauen. Dieses Verfahren wurde bei einer Anzahl von Einzelteilen ausprobiert. Dabei stellte sich heraus, daß die Kostenersparnis zwar nicht groß war, aber ein sehr unangenehmer Prozeß dadurch zu einer Routineangelegenheit wurde, die dem Personal der Abteilung Produktionsplanung viele Belastungen ersparte. Während dieser Untersuchung wurde dem Team aber mehr und mehr klar, daß der mit den Reparaturaufträgen verbundene Schriftverkehr und die Manipulation des Materials immer nur in sehr losem Zusammenhang mit der Hauptaufgabe, der Produktion der Einzelteile, gestanden war. Das Team schlug daher vor, die Erfüllung von Reparaturaufträgen gesondert zu untersuchen, um festzustellen, ob eine Eingliederung dieses Zweiges in das Hauptgeschäft des Unternehmens wünschenswert war, und wenn ja, wie man dies durchführen konnte. Der Vorschlag wurde angenommen und ein eigenes, vergrößertes Team für diese Aufgabe gebildet. Zur Ergänzung der schon vorhandenen Mitglieder des O.R.-Teams wurde noch ein Vertreter jeder Stelle herangezogen, die mit diesem Prozeß zu tun hatte. Darüber hinaus zog die Firma noch einen Organisationsfachmann zu Rate. Insgesamt bestand das Team aus etwa zehn Personen. Zuerst wurde der Nachrichtenfluß bei der Bearbeitung von Reparaturaufträgen untersucht. Es ergab sich, daß zwei verschiedene Möglichkeiten bestanden, je nachdem, ob alle erforderlichen Einzelteile auf Lager waren oder nicht. Der Nachrichtenfluß in jedem dieser beiden Fälle wird in den Abb. 2.2 und 2.3 dargestellt. Diese Untersuchungen legten gewisse Änderungen nahe, auf Grund deren der Nachrichtenfluß so vereinfacht werden konnte, daß weniger Formulare benötigt wurden und überhaupt eine geringere Zahl von Schriftstücken angefertigt werden mußte, Aber diese Möglichkeit war für das O.R.-Team von weniger großem Interesse als zwei andere Punkte:

Einzelteile f ü r Reparaturzwecke

45

Erstens zeigte die Untersuchung, daß das Lagerpersonal die Ersatzteile auf Anordnung des Auftragseinganges aus dem Lager nahm und erst hinterher die Produktionsplanung davon in Kenntnis setzte. So konnte es vorkommen, daß durch die Entnahme von Einzelteilen für Reparaturzwecke schon jener Lagerstand angegriffen wurde, der für den Zusammenbau des laufenden Monats benötigt wurde, und daß eine Verknappung eintrat, die erst in dem Moment entdeckt wurde, in dem Einzelteile für den Zusammenbau angefordert wurden. Die Entnahme von Einzelteilen aus dem Lager für Reparaturzwecke oblag praktisch dem Auftragseingang, die der Entnahme für Montagezwecke der Abteilung Produktionsplanung. Diese Kompetenzaufteilung war in erster Linie an den auftretenden Verknappungen schuld. Es lag auf der Hand, daß die Produktionsplanung bei der Entscheidung mitzureden haben sollte, ob ein Reparaturauftrag zu erfüllen sei oder nicht, und daß in Zweifelsfällen die Konsequenzen einer Verzögerung in der Erfüllung eines Reparaturauftrages gegenüber jenen Konsequenzen abgewogen werden mußten, die das Auftreten von Fehlmengen beim Zusammenbau hätte. In der gegenwärtigen Praxis wurde einer Verzögerung bei einem Reparaturauftrag jedenfalls gegenüber der Verknappung von Einzelteilen für den Zusammenbau weitaus höheres Gewicht beigemessen. Zweitens stellte man bei der Untersuchung fest, daß bei Reparaturaufträgen, bei denen einige Einzelteile nicht verfügbar waren, die vorhandenen Ersatzteile nach Gutdünken des Lageristen auf Wagen verladen und in ein Durchgangslager geschickt werden konnten, um auf die Ankunft der anderen Einzelteile zu warten, die zur Erfüllung des Auftrags benötigt wurden. Dieses Durchgangslager (,,A"-Lager) nahm beträchtlichen Raum ein. Anstatt der bisher geübten Praxis wäre es möglich, die betreffenden Einzelteile in den von der Produktionsplanung geführten Lagerkarteien für die Auslieferung vorzumerken, sie aber erst dann aus dem Lager zu nehmen, wenn alle sonstigen erforderlichen Einzelteile greifbar sind. Ein solches Verfahren hätte zwei Vorteile: 1. würde es das „A"-Lager verkleinern oder sogar mit der Zeit überflüssig machen, so daß dieser Lagerraum für die Lagerung der fertigen Einzelteile verfügbar wäre, 2. würde es die mit den Ersatzteilen vorzunehmenden Manipulationen vermindern. Von diesen beiden Gesichtspunkten her wurde ein neues Verfahren für die Erfüllung von Reparaturaufträgen entworfen. Dank der Bemühungen der Teammitglieder wurden diese Reformen in den verschiedenen Abteilungen, denen diese Mitglieder angehörten, sogleich durchgeführt. Die Auswirkungen waren binnen kurzem zu spüren. Da Einzelheiten noch verbessert werden mußten, wurde ein Unterausschuß bestellt, der das neue Verfahren im einzelnen auszuarbeiten hatte. Wie die Erledigung von Reparaturaufträgen von nun an vor sich ging, zeigen die Abb. 2.4 und 2.5. Durch die Zentralisierung der Lenkung in der Abteilung Produktionsplanung konnte übrigens nicht nur die Gefahr der Verknappung von Einzelteilen vermindert und der Schriftverkehr vereinfacht werden, sondern im Zusammenhang damit auch das Lagerhaltungsproblem für die beim Zusammenbau benötigten Einzelteile leichter gelöst werden.

46

2. O.R.-Untersuchung eines Systems als Ganzheit

Kundenauftrag

Einzelteile für Reparaturzwecke

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47

A b b . 2.2. F l u ß - D i a g r a m m der B e handlung einer Ersatzteilbestellung in einer Werkzeugmaschinenfabrik im Falle, daß alle bestellten Ersatzteile im L a g e r sind. M a n beachte, daß in erster L i n i e die Kreditüberprüfungsstelle, in zweiter Linie das L a g e r die Bearbeitung des Auftrags bestimmen. Karteien der Einzelteile befinden sich im Auftragseingang, im Lager, in der Produktionsplanung und in der Buchhaltung. Das Diagramm wurde auf G r u n d einer U n t e r suchung des Weges entworfen, den die numerierten Auftragsformulare im W e r k nahmen. Alle T e i l e verfügbar. 1. K o p i e als Auftragsbestätigung. 2. K o p i e für Auftragskartei. 3. K o p i e zur Benachrichtung der Verkaufsniederlassung. 4. K o p i e für Buchhaltungskartei. 5. K o p i e als Original-Rechnung. 6. K o p i e als Rechnungs-Duplikat. 7. K o p i e für die Nachkalkulation. 8. K o p i e zur Feststellung des Materialbedarfs. 9. K o p i e für Terminverfolgung. 10. K o p i e für Versandabteilung. 11. K o p i e als Versandausgangsbestätigung für Auftragskartei. 12. K o p i e als Versandausgangsbestätigung für Produktionsplanung. 13. K o p i e für Leiter des Auftragseinganges. 14. K o p i e als Versandanweisung. 15. K o p i e zur Bedarfsanforderung.

Lager

a) Aufbewahrt bis Erhalt von K o p i e 11. b ) Abgeschickt nach Erhalt von Kopien 1 0 — 1 3 . c ) Abgeschickt nach Versand.

2. O.R.-Untersuchung eines Systems als Ganzheit

Kundenauftrag Kundenauftrag

K U N

Auftragsfreigabe Kredit' Überprüfung

D

Kundenauftrag

E

é o1

Prod.-Planung

L i

'

t ( v ) Kopie wird vernichtet

Kopie enthält alle Einzelteile

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Kopie enthält nur die sofort lieferbaren Einzelteile

Kopie wird abgelegt

Einzelteile für Reparaturzwecke

Auftragseingang

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i

49

Abb. 2.3. Fluß-Diagramm der Behandlung einer Ersatzteilbestellung in einer Werkzeugmaschinenfabrik im Falle, daß die bestellten Ersatzteile nicht alle verfügbar sind. Nach dem Stand vor der O.R.-Untersuchung bestimmt das Lager, wie in Abb. 2.2, die Bearbeitung des Auftrags und verursacht dadurch die im zugehörigen Kapitel beschriebenen Fehler in der Nachrichtenübermittlung. Die im Lager vorhandenen Teile werden hier in das „^4"-Lager gebracht, bis die fehlenden Teile verfügbar sind. Nicht alle Teile verfügbar. Die Legende zu den Nummern der ausgezeichneten Linien ist die gleiche wie auf S. 47. Die Legende zu den Nummern der gebrochenen Linien auf S. 48 lautet wie folgt: 1. Versandanweisung, Kopie für Überprüfung. 2. Versandanweisung, Kopie für Versandabteilung. 3. Versandanweisung, Kopie für das "A"-Lager. 4. Versandanweisung, Kopie für den Kunden. 5. Versandanweisung, Kopie für Buchhaltung. 6. Versandanweisung, Kopie für Auftragskartei. 7. Versandanweisung, Kopie für Produktion. 8. Kopie für Buchhaltungskartei. 9. Kopie als Originalrechnung. 10. Kopie als Rechnungs-Duplikat. 11. Kopie für Nachkalkulation. 12. Kopie zur Bedarfsanforderung. 13. Kopie zur Auftragserteilung. A. Zusage an Auftragseingang. a) Abgeschickt, sobald alle Teile verfügbar sind. b) Zerstört nach Empfang von Nr. 15. c) Abgeschickt nach Eintreffen der ersten Teile. d) Abgeschickt nach Empfang von A. e) Abgeschickt nach Empfang von Nr. 5, 6, 7. f) Geht mit der Lieferung mit. g) Jeweils nach Eintreffen fehlender Teile abgeschickt.

50

2. O.R.-Untersuchung eines Systems als Ganzheit

51

Einzelteile f ü r Reparaturzwecke

A b b . 2.4. F l u ß - D i a g r a m m des Verbesserungsvorschlages zur Behandlung einer Ersatzteilbestellung in einer Werkzeugmaschinenfabrik im Falle, daß alle bestellten Ersatzteile im Lager sind, (Vgl,Abb.2.2.) I n diesem neuen Diagramm bestimmt in erster Linie die K r e d i t überprüfungsstelle, in zweiter die Abteilung Produktionsplanung die Bearbeitung des Auftrags. D e r Schriftverkehr konnte reduziert werden, die Karteien wurden in der Produktionsplanung konzentriert. Alle Teile verfügbar. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12.

Kopie f ü r Auftragskartei. Kopie als Auftragsbestätigung. Kopie für Buchhaltungskartei. Kopie z u r Benachrichtigung der Verkaufsniederlassung. Kopie als Original-Rechnung. Kopie als Rechnungs-Duplikat. Kopie für die Nachkalkulation. Kopie f ü r Leiter des Auftragseinganges. Kopie als Versandausgangsbestätigung an Auftragseingang. Kopie als Versandanweisung. Kopie als Lagerauftrag. Kontroll-Kopie der Produktionsplanung. a) Abgeschickt nach Versand. b) Abgeschickt nach Erhalt von Kopie 9.



Lager

1

52

K U

2. O . R . - U n t e r s u c h u n g eines S y s t e m s als G a n z h e i t

Kopie wird vernichtet Kopie wird abgelegt Kopie enthält alle Einzelteile Kundenaufträge Kopie enthält nur die sofort lieferbaren Einzelteile Kopie wird von statistischer Karte begleitet

Einzelteile für Reparaturzwecke

53

Auftragseingang

4

A

=U

Abb. 2.5, Vorgeschlagene (und d u r c h g e f ü h r t e ) Veränderung des in A b b . 2.3 dargestellten Systems z u r Vermeidung der dort a u f tretenden Fehler. Die S t e u e r u n g wird der Abteilung Produktionsp l a n u n g übertragen, in d e r auch die Karteien konzentriert werden; das „ A " - L a g e r wird aufgelassen, der Schriftverkehr reduziert. Das Diagramm w u r d e auf G r u n d des Studiums elektrischer Regelkreise entwickelt. Nicht alle Teile verfügbar. 1. 2. 3. 4.

W e i t e r l e i t u n g des

Auftrages

PI. P2. P3. P4. P5. P6. P7. P8. P9. 12.


2



.

S

0

0

600

1200

1800

2400

3000

3600

4200

4800

Aufaddierte Punktezahl des FRB-Produktionsindex för dauerhafte Güter.

Abb. 2.8. Bereinigte Dollarwerte pro Maschine nach dem Jahr der Anschaffung. T A B E L L E 2.4 Jahr des ! Reparatur- J auftrages 1952 1951 1950 1949 1948 1944 1940

Aufaddierte Punktezahl des FRB-Produktionsindex für dauerhafte Güter 3648 3641 3263 3232 2824 2368 2100

Diese Tabelle war unerwarteterweise noch in zweierlei Hinsicht von großem Wert. Erstens lieferte sie einen Beweis und einen Maßstab für die zunehmende Qualität des Erzeugnisses. Das war von nicht zu unterschätzender Bedeutung, besonders bei späteren Verhandlungen über Lieferungen im Rahmen von Rüstungsaufträgen. Zweitens konnte der beobachtete Trend, kombiniert mit einer Vorhersage über die Entwicklung des Produktionsindex im laufenden Jahr, zur Angabe jener Kaufjahre verwendet werden, die für den Verkauf von Ersatzmaschinen am günstigsten sind. So erhielt man einen Hinweis darauf, welche Kunden man am ehesten zu Aufträgen zwecks Erneuerung ihres Maschinenparks bewegen kann. Diese beiden Resultate kompensierten zumindest teilweise die Tatsache, daß die Analyse keine (meßbar verläßliche und genaue) Schätzung der für Ersetzungszwecke getätigten Jahresumsätze liefern konnte.

Die Produktionsplanung

61

E s wurde noch eine Reihe weiterer Voraussageprobleme studiert, darunter auch eines, das einen engen Zusammenhang zwischen den Umsätzen im Reparaturgeschäft und dem Maschinenumsatz aufdeckte. Untersuchungen dieser Art lieferten eine verläßlichere Grundlage, die es erlaubte, auch angesichts einer unsicheren Zukunft größere Serien von Einzelteilen zu erzeugen. Die Produktionsplanung Die letzte Phase der Untersuchung beschäftigte sich damit, ein Verfahren zu entwerfen, das bei der Produktionsplanung praktisch angewendet werden konnte. E s wäre unrealistisch gewesen, anzunehmen, daß sich die Angestellten der Abteilung Produktionsplanung tatsächlich der Seriengrößen-Gleichung bedienen würden. E s wurde daher ein graphisches Hilfsmittel (ein N o m o gramm) entwickelt, das es ihnen ermöglichte, wirtschaftliche Produktionsserien ohne jegliche Berechnungen, einfach durch das Ziehen von zwei Linien, zu bestimmen (siehe Abb. 2.9). Für die Verwendung des Nomogramms mußten Aufzeichnungen über die Vorbereitungs- und Produktionskosten und den Monatsbedarf an Einzelteilen in einfacher Weise verfügbar sein.

Abb. 2.9. Optimale Zahl der Monatsbedarfe pro Serie ]/(l99Ci) I (LC2). Beispiel: L = 100, C i = 150$, C 2 = 30$. Die optimale Zahl der Monatsbedarfe pro Serie ist in diesem Kall 3.

62

2. O.R.-Untersuchung eines Systems als Ganzheit

Die Lagerhaltungskartei erschien hierfür als der geeignetste Ort, Man war gerade dabei, die Karteikarten neu zu gestalten, u m ihre Auswertung mittels IBM-Rechenanlage zu ermöglichen. Die erwähnten Aufzeichnungen konnten in das neue Schema eingebaut werden. Dadurch wurde natürlich auch der Gedanke nahegelegt, die Berechnung der Seriengröße mittels IBM-Anlage durchzuführen. Dies geschah auch, und zwar in unkomplizierter und wirtschaftlicher Weise und mit geringem Zeitaufwand. Das Nomogramm wurde jedoch beibehalten, um jene Fälle zu überprüfen, bei denen besondere Probleme auftraten. Zusammenfassung In dem hier besprochenen Fall wurde zunächst eine Optimallösung nur auf einem sehr begrenzten Gebiet erzielt. Dieses optimale Produktionsplanungsverfahren konnte jedoch erst dann praktisch verwirklicht werden, als eine Reihe damit verbundener Probleme gelöst worden war. Die Wirkung, die von der Gestaltung der Produktionsplanung ausging, konnte in beinahe jeder Abteilung des Unternehmens verfolgt werden. Fast jede Phase der Produktion wurde davon berührt: die Produktionsplanung, die Fertigung, die Lagerhaltung und (durch die Verminderung der Fehlmengen) auch die Montage. Außerdem wirkte sich die Untersuchung auf die Finanzierung, die Konstruktion sowie den Ein- und Verkauf aus, die im Rahmen eines u m fassenden, übergeordneten Planes koordiniert wurden. Ein Versuch, wirtschaftlichere Seriengrößen ohne Berücksichtigung des Betriebsganzen einzuführen, wäre entweder frühzeitig zum Fehlschlag verurteilt gewesen oder hätte katastrophale Folgen für die Firma gehabt.

KAPITEL 3

UNTERSUCHUNG

EINER PRÜFABTEILUNG TEAM-METHODE*

MIT

DER

Einleitung Einer der neuen Faktoren bei O.R. ist die Team-Methode. Neue und bessere Problemlösungen ergeben sich nur, wenn die Probleme in einem neuen Licht gesehen und neue Verfahren bei ihrer Analyse und Lösung angewendet werden. Durch den Einsatz von Untersuchungsteams sichert sich O.R. die erforderlichen neuen Gesichtspunkte und Verfahren für die Problemlösung. Jedes Mitglied des Teams bringt einen anderen Erfahrungsschatz und eine andere Ausbildung mit und verfügt über eine Reihe von Untersuchungsverfahren, die sich auf seinem engeren Fachgebiet bereits als leistungsfähig erwiesen haben. Bei dem nachstehenden praktischen Fall ist klar zu ersehen, daß die erzielten Erfolge nahezu ausschließlich der Anwendung der wissenschaftlichen Verfahrensweise durch ein Untersuchungsteam zu danken waren. Das Problem Ungefähr vor viereinhalb Jahren trat eine große Erzeugerfirma an die Ohio State University mit dem Ersuchen heran, eine Untersuchung darüber anzustellen, welche Faktoren die Leistungshöhe bei der Sichtprüfung beeinflussen. Die Firma war sehr daran interessiert, Wege für eine Verbesserung der Leistung und Senkung der Kosten bei der Sichtprüfung eines Einzelteils zu finden, der von der Firma erzeugt und weiterverwendet wurde. Die Prüfaufgabe bestand in einer 100%igen und sehr rasch ablaufenden Sichtprüfung der Einzelteile auf Schönheitsfehler und Defekte, die oft wegen ihrer Kleinheit kaum wahrnehmbar sind. Da die Zahl der jährlich produzierten und geprüften Einzelteile sehr groß war (etwas mehr als 2 Milliarden Stück) und ihre Qualität sowohl im Interesse des guten Rufes der Firma als auch der Zufriedenheit und Sicherheit der Kunden sehr ins Gewicht fiel, ergab sich hier ein Problem von größter Bedeutung. Der Vorschlag der Firma wurde angenommen und die Firma betraute den Leiter ihrer Qualitätsprüfungsabteilung mit der administrativen Leitung des Projektes. Die Universität stellte ein Untersuchungsteam zusammen, das aus einem Optometriker 1 ), einem Psychologen und dem Autor — einem Betriebstechniker und Statistiker — bestand. Man einigte sich darauf, diejenigen Faktoren zu erforschen, die einen wesentlichen Einfluß auf die Sichtprüfung haben. Darüber hinaus sollte irgendein Maß für die quantitative und qualitative Leistungsfähigkeit der einzelnen Prüfer aufgestellt werden. • Von Loring G. Mitten, Professor für Betriebstechnik, Ohio, State University. l ) Anmerkung der Ubersetzer: Auf europäische Verhältnisse übertragen wäre dies ein Orthoptist oder ein auf Orthoptik spezialisierter Physiologe.

64

3. U n t e r s u c h u n g einer Prüfabteilung m i t der T e a m - M e t h o d e

Die erste Phase Ein Jahr hindurch wurden in den Laboratorien der Universität verschiedene Seiten des Problems untersucht. Der Optometriker studierte die Abhängigkeit der Leistung bei der Sichtprüfung von verschiedenen Beleuchtungsarten und Lichtstärken, maß die Sehschärfe verschiedener Prüfpersonen und untersuchte den Ablauf der Augenbewegungen. Der Psychologe befaßte sich mit Motivforschung, Faktoren der Bewertung der Arbeit durch den Arbeitnehmer und Ermüdungsproblemen. Dem Betriebstechniker oblag die Erforschung der Auswirkungen, die die verschiedenen Typen und Konstruktionen der Prüfeinrichtungen haben sowie die statistische Analyse des Untersuchungsmaterials. Für diese Arbeiten wurde eine beträchtliche Anzahl wissenschaftlicher Verfahren herangezogen, die von der physiologischen Optik bis zu Eignungsprüfungen reichte. Der Austausch von Gesichtspunkten und Verfahren unter den drei vertretenen Disziplinen trug wesentlich zum Erfolg des Unternehmens bei. Eine der schwierigsten Fragen, die im Laufe der Untersuchung zu lösen waren, war die Definition eines geeigneten Maßes für die Leistung bei der Sichtprüfung. Die bisher von der Firma verwendeten Maße erwiesen sich im allgemeinen als unbefriedigend. Vor Abschluß der Untersuchungen wurden acht neue Methoden zur Messung der Leistung bei der Sichtprüfung entwickelt. Das Fehlen gültiger und verläßlicher Leistungsmaßstäbe hatte bei früheren von der Firma selbst oder in deren Auftrag durchgeführten Untersuchungen des Prüfproblems außerordentliche Schwierigkeiten verursacht. Die Untersuchungen zeigten, daß die optische Prüfleistung durch eine Reihe von Faktoren beeinflußt wurde, von denen aber die Einstellung der Kontrollperson weitaus am wichtigsten war. Ferner kam man zu dem Ergebnis, daß unter optimalen Bedingungen eine Erhöhung der Prüfleistung um 300 bis 400% erzielt werden könnte, wobei außerdem noch die Qualität der Leistung eine wesentliche Verbesserung erfahren würde. Auf Grund dieser Ergebnisse erstatteten die Teammitglieder und der von der Firma beigestellte administrative Leiter der obersten Betriebsleitung einen persönlichen Bericht. Sie empfahlen der Firma, die Untersuchung auf eine noch breitere Basis zu stellen, um auf Grund der erzielten Ergebnisse praktische Maßnahmen für die Verbesserung der Prüfmethoden auszuarbeiten. Die einigermaßen konservativ eingestellte Unternehmensleitung stand der Untersuchung zunächst etwas skeptisch gegenüber, zeigte sich aber am Ende der Besprechung sehr daran interessiert und beschloß, die Untersuchung sogar in noch größerem Maßstab durchführen zu lassen, als ihr nahegelegt worden war.

Die zweite Phase Als nächste Phase der Untersuchung wurde eine eingehende Studie der Bedingungen und der Verfahren in der Prüfabteilung des Werkes durchgeführt. Diese Untersuchung erbrachte eine Reihe interessanter Beobachtungen, von denen zwei besonders wichtig sind. Entdeckung von Fehlern Da eine Reihe der Fehler, die die Prüfpersonen auf der Oberfläche der Einzelteile entdecken sollten, winzig waren, hatte die Firma jedes Prüfgerät mit einer Vergrößerungslinse ausgerüstet. Dies erschien durchaus logisch:

Die erste u n d zweite Phase

65

wenn man etwas sehr Kleines sehen soll, verwendet man ein Vergrößerungsglas, damit es größer aussieht. Der Optometriker konnte jedoch beweisen, daß die logische Analyse von so komplizierten Problemen wie dem vorliegenden unter Umständen eine sehr subtile Angelegenheit ist. Er entdeckte, daß alle Prüfpersonen der Abteilung die Vergrößerungslinse nicht zur Vergrößerung, sondern zur Korrektur verwendeten. Mit anderen Worten, sie bedienten sich der Linse nicht, um das zu prüfende Werkstück zu vergrößern, sondern um die Augen weniger anzustrengen. Durch die Beschäftigung mit diesem Problem war er in der Lage, eine neue Linse zu entwerfen, die zugleich als Vergrößerungsglas und als Korrektiv wirkte; darüber hinaus verminderte diese Linse die Augenanstrengung, die durch den Zwang zur Akkommodation hervorgerufen wurde, wenn das Auge von einem Bereich der Oberfläche zum anderen wanderte. Dank der neuen Linse konnte die Prüfleistung wesentlich verbessert werden. Einstellung der Arbeitskräfte zu ihrer Arbeit Das eben geschilderte Beispiel zeigt sehr gut, welchen Beitrag der Wissenschaftler für die Lösung von Betriebsproblemen leisten kann. Die Gegebenheiten, die unserem Optometriker sofort auffielen, wären von den Leuten, die sich berufsmäßig mit Qualitätsprüfung befassen, wahrscheinlich nie entdeckt worden. Ein anderer interessanter Abschnitt der Untersuchung betraf die Einstellung der Arbeitskräfte zu ihrer Arbeit. Nachdem dem Ersuchen nach Ausweitung der Untersuchung stattgegeben worden war, wandte sich das Team sogleich an die Unternehmensleitung mit der Bitte, die Einstellung des Personals der Prüfabteilung zu seiner Arbeit erforschen zu dürfen. Die Antwort der Unternehmensleitung lautete, sie sei an der Einstellung der Arbeitnehmer nicht interessiert, sondern lediglich an ihrer Arbeitsleistung. Da jedoch die Voruntersuchungen nahegelegt hatten, daß die Einstellung des Personals zu der Arbeit wahrscheinlich in erster Linie für die Leistung bei der Sichtprüfung entscheidend war, beharrte das Team auf seinem Ersuchen. Die Unternehmensleitung erklärte zur Begründung ihrer Ablehnung einer solchen Untersuchung, sie sehe mit Sicherheit voraus, daß das Prüfpersonal darin eine Gelegenheit zu Lohnforderungen erblicken würde. Es zeigte sich also, daß das Zögern der Unternehmensleitung nicht einer Gleichgültigkeit gegenüber der Einstellung der Arbeitnehmer entsprang, sondern der Überzeugung, daß sie diese Einstellung bereits genau kannte („Wir werden nicht gut genug bezahlt!"). Zuletzt aber erteilte die Unternehmensleitung doch die erwünschte Erlaubnis, und das Team konnte mit der Untersuchung beginnen. An diesem Punkt muß darauf hingewiesen werden, daß eine Untersuchung der inneren Einstellung von Personen eine sehr schwierige Angelegenheit ist, die nur geschulten Fachleuten anvertraut werden sollte. I m vorliegenden Fall war das Problem noch dadurch erschwert, daß die Prüfabteilung nur aus Frauen bestand. Das O.R.-Team sah sich vor die Aufgabe gestellt, das Vertrauen einer Gruppe von Angestellten zu gewinnen und ihre Einstellung — die von der Unternehmensleitung als ablehnend angesehen wurde — möglichst objektiv zu erforschen. Das Problem wurde schließlich in einer allgemein befriedigenden Weise gelöst, indem man einen jungen (und gut aussehenden) Psychologen mit der Aufgabe betraute, die Frauen zu interviewen. (Er war genau der Typ, der die Mädchen dazu herausfordert, einander entzückt

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3. Untersuchung einer Prüfabteilung mit der Team-Methode

zuzuflüstern: „ I s t er nicht f e s c h ! " ) . E s erübrigt sich, zu sagen, daß es mit Hilfe dieses jungen M a n n e s ein Leichtes war, das Vertrauen der weiblichen Arbeitskräfte zu gewinnen. Eine Analyse der Ergebnisse der Interviews brachte einige sehr interessante Tatsachen ans L i c h t . Zunächst fanden sich unter den 150 interviewten Mädchen nur drei, die das T h e m a Entlohnung überhaupt erwähnten; zwei von ihnen hatten ihrer Meinung Ausdruck gegeben, daß die Bezahlung für die Arbeit durchaus angemessen war und nur ein M ä d c h e n klagte, daß sie zu niedrig sei. Zugleich klagten aber 136 von den 150 M ä d c h e n darüber, daß die Sessel sehr unbequem wären. Diese Ergebnisse waren, wie man sich denken kann, für die Unternehmensleitung sehr überraschend. N a c h d e m sie sich von ihrem angenehmen Schock erholt hatte, ließ sie sogleich eine ganze Reihe von Stuhlmodellen in die Prüfabteilung bringen und die Arbeiterinnen durften j e n e s Modell auswählen, das ihnen am meisten zusagte. Eine W o c h e später war um den Preis von 10.000 Dollar die gesamte Prüfabteilung mit neuen Stühlen ausgestattet. Zwischen der Unternehmensleitung und dem Prüfpersonal entwickelte sich daraufhin eine gegenseitige Bewunderung, wie man sie nie zuvor erlebt hatte. Unglücklicherweise ergab sich für das Untersuchungsteam aus der E n t wicklung der Dinge aber eine Schwierigkeit. D i e Frauen in der Prüfabteilung waren überzeugt, daß sie es zumindest zum T e i l dem j u n g e n Interviewer zu danken hatten, wenn sie nun bequemere Stühle erhielten. E r wurde in ihren Augen zu einem Helden. Wissenschaftliche Objektivität zu bewahren, wenn man von 150 j u n g e n Frauen zum Idol gemacht wird, ist eine Anforderung, der wohl kaum ein M e n s c h gewachsen ist! Zu seinem eigenen Besten wurde daher der j u n g e M a n n auf ein J a h r an das psychologische L a b o r der U n i versität zurückgeschickt, wo er Ratten in Irrgärten zu beobachten hatte, um seine wissenschaftliche Einstellung und Sachlichkeit zurückzugewinnen. Außer den Klagen über die Stühle brachte die Untersuchung über die Einstellung der Arbeitnehmerinnen einige weitere Faktoren zutage, die — obwohl sie zunächst unerheblich erschienen — doch beim Personal beträchtliche U n r u h e und Unzufriedenheit verursacht hatten. Dies ist ein Beispiel dafür, wie wissenschaftliche Verfahren, durch Fachleute gehandhabt,, T a t sachenmaterial liefern können, das den Entscheidungen der Betriebsleitung zugrunde gelegt werden kann. Ausbildung D i e nächste Phase der Untersuchung beinhaltete die Errichtung einer Versuchsanlage, in der man unter Bedingungen experimentieren konnte, die denjenigen des Werkes entsprachen. D a s T e a m stellte zwölf zufällig ausgewählte Mädchen an und bildete sie aus. Obwohl die Ausbildung des Prüfpersonals gar nicht auf dem Programm der Untersuchung stand, bot doch die Notwendigkeit, zwölf neue Prüfpersonen auszubilden, Gelegenheit, die bisher geübten Einschulungsmethoden unter die L u p e zu nehmen. Gestützt auf die psychologische Lerntheorie stellte das T e a m ein neues Schulungsprogramm auf, das an der Hälfte der einzuschulenden Prüfpersonen ausprobiert wurde. E s zeigte sich, daß das neue Verfahren eine halb so lange Ausbildungszeit erforderte wie das bisher verwendete. D a s neue Ausbildungsverfahren wurde eingeführt und hatte zur Folge, daß die neuen Prüfpersonen j e t z t schon in der Hälfte der früher dazu notwendigen Zeit produktiv werden.

Die zweite Phase

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Die Anwendung der neuen Methode brachte aber noch ein zweites, sogar wichtigeres Ergebnis. Der Kollektivvertrag mit der Gewerkschaft sieht vor, daß alle neuen Arbeiter und Angestellten eine Probezeit von einer bestimmten Dauer durchmachen müssen. Während dieser Zeit hat die Firma uneingeschränktes Entlassungsrecht, nach ihrem Ablauf jedoch untersteht der Arbeiter oder Angestellte dem Kollektivvertrag und kann nur aus den vertraglich vorgesehenen Gründen entlassen werden. Nun erforderte die alte Ausbildungsmethode einen Zeitraum, der über die Probezeit hinausging und zudem war auch bekannt, daß die Leistung während der Ausbildungszeit nur sehr ungenaue Anhaltspunkte für die spätere, normale Arbeitsleistung gab. Es war der Firma daher fast unmöglich gewesen, Prüfpersonen mit mittelmäßiger oder schwacher Leistung vor Ablauf der Probezeit zu entfernen. Das neue Ausbildungsverfahren änderte diese Situation vollkommen. Die Probezeit bot nun genügend Zeit für den Abschluß der Ausbildung und für eine ausreichende Bewertung der Fähigkeiten der Prüfperson durch Messung ihrer Leistungen bei der normalen Prüftätigkeit. Auf diese Weise konnte die Firma im Laufe der Zeit das allgemeine Leistungsniveau ihres Prüfpersonals heben. Augenbewegungsschemata und Beleuchtung Bei einer anderen in der Versuchsanlage durchgeführten Untersuchung wurde das Schema der Augenbewegung studiert. Offensichtlich bleibt ein Fehler unentdeckt, wenn die Augen der Prüfperson nicht auf jenen Punkt der Oberfläche treffen, an dem dieser Fehler auftritt. Wenn dies oft vorkommt, muß die Prüfung als unzureichend bezeichnet werden. Es kam nun darauf an, genau festzustellen, welche Punkte die Augen der Prüfperson eigentlich berührten. Einer der Wissenschaftler am Optometrischen Institut der Ohio State University half uns bei der Lösung dieses Problems, indem er eine neue Kamera entwarf, die es ermöglichte, bis auf Zoll genau festzustellen, welche Punkte die Augen der Prüfperson während ihrer Arbeit fixierten. Eine Analyse der von dieser Augenbewegung aufgenommenen Photographien zeigte, daß die durchschnittliche Prüfperson tatsächlich wesentlich weniger als 100% der von ihr geprüften Flächen sah. Daraus folgte, daß sie, auch wenn sie alle Einzelteile, deren Fehler sie sah, entfernte, eine Prüfleistung vollbrachte, die noch weit unter der Höchstleistung lag. Auf Grund der wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Fähigkeiten des menschlichen Auges und dessen Grenzen war es möglich, eine neue Prüfapparatur zu entwickeln und den Prüfpersonen durch einen eigenen Ausbildungsgang ein besonders günstiges Schema der Augenbewegung beizubringen, wodurch die früheren Schwierigkeiten weitgehend behoben wurden. Durch Anwendung der Gesetze der Optik auf das vorliegende Problem wurde eine neue und verbesserte Lichtquelle konstruiert, die so eingerichtet war, daß die richtige Lichtmenge und die richtige Lichtart das Auge der Prüfperson traf und damit die Voraussetzung zu einer noch besseren Prüfleistung schuf. Geschwindigkeitsregulierung Die Untersuchungen des Teams legten den Schluß nahe, daß die Schwierigkeit der Prüfaufgabe von dem Prozentsatz fehlerhafter Stücke in einer Serie abhing. Es wurde daher vorgeschlagen, die gebräuchliche, auf eine fixe Ge-

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3. Untersuchung einer Prüfabteilung mit der T e a m - M e t h o d e

schwindigkeit eingestellte Prüfapparatur mit einer Einrichtung zur Regulierung der Geschwindigkeit auszustatten, die von der Prüfperson bedient wurde. Diese wäre dann in der Lage, das Tempo der Prüfarbeit mit dem Anteil der fehlerhaften Stücke in dem geprüften Los und mit ihren eigenen Fähigkeiten in Einklang zu bringen. Die Firma stand dieser Idee anfänglich ziemlich ablehnend gegenüber. Man befürchtete, daß man damit der Prüferin Gelegenheit geben würde, ihre Leistung zu vermindern. Schließlich wurde aber eine solche Einrichtung installiert und ausprobiert. Das Ergebnis war statt einer Verminderung eher eine Erhöhung der Gesamtleistung, wobei außerdem die Qualität der Prüfarbeit noch wesentlich verbessert wurde. Motivforschung Am interessantesten ist vielleicht jene Seite der Untersuchung, die sich mit der Motivation der Prüferinnen beschäftigte. Bei den anderen Resultaten handelte es sich um Erleichterungen irgendwelcher Art, das heißt, sie zielten darauf ab, die physischen und optischen Aspekte der Prüfarbeit so zu verbessern, daß die Prüferin, wenn sie wollte, ihre Arbeit viel rascher und genauer verrichten konnte. Die Frage war, wie man die Prüferin dazu bringen konnte, zu „wollen". Es war naheliegend, dieses Problem durch die Einführung irgendeiner Art von Leistungslohn zu lösen. Auf Vorschlag der Unternehmensleitung wurde ein solches Entlohnungsschema eingeführt und seine Auswirkungen beobachtet. Es kam zu einer wesentlichen Erhöhung des Ausstoßes, aber das Team war auf Grund der durchgeführten Leistungsstudien überzeugt, daß die Prüferinnen ihre Arbeitsleistung noch weiter steigern könnten. Der Gedanke, auf dem der Leistungslohn üblicherweise beruht, ist einfach und direkt: für mehr Leistung mehr Bezahlung. Wie im Fall der Vergrößerungsgläser stellte sich aber bei der logischen Analyse dieses Problems heraus, daß die Sache etwas komplizierter war. Aus den Aufzeichnungen und Interviews bei den in der Versuchsanlage und im Werk beschäftigten Prüferinnen ergab sich, daß nur ein kleiner Teil von ihnen den Lebensunterhalt überwiegend aus ihrem Lohn bestritt. Die meisten waren entweder junge Mädchen, die eben ihre Schulzeit absolviert hatten, zu Hause lebten und bis zu ihrer Verehelichung in die Arbeit gingen, oder verheiratete Frauen, die arbeiteten, um das Einkommen ihres Gatten aufzubessern. Eine Untersuchung der Wertordnung, die sich in den vorhandenen Unterlagen abzeichnete, führte zu dem Schluß, daß die Prüferinnen eher an einer vermehrten Freizeit interessiert sein würden als an mehr Geld. Um diese Hypothese zu prüfen, wurde ein Prämiensystem auf der Basis der Arbeitsverkürzung geschaffen. Es wurde eine wöchentliche Produktionsnorm festgelegt, und wenn eine Prüfperson diese Norm erfüllt hatte, konnte sie die übrigen Tage der Woche zu Hause bleiben. Natürlich erhielt sie für ihre Arbeit den vollen Wochenlohn. Dieses System führte zu einer noch nie dagewesenen Leistungssteigerung. Manche Mädchen waren imstande, die Arbeit von fünf Tagen in zwei oder zweieinhalb Tagen zu erledigen. Damit wurde die bisherige Leistung der Prüfabteilung des Werkes an den betreffenden Tagen nahezu verdreifacht. Bei der Untersuchung, wofür die Prüfpersonen ihre Freizeit verwendeten, ergab sich, daß man mit dem neuen Schema eine Reihe sehr tiefsitzender

Zusammenfassung

69

und wirksamer Motive zum Tragen gebracht hatte. Eine Frau wollte die Zeit beispielsweise zu Hause bei ihren Kindern verbringen. Die beste Prüferin, die alle anderen weit übertraf, hatte einen Gatten, der in Nachtschicht arbeitete. Man fand, daß sich in diesem Fall eine weitere Untersuchung ihrer Antriebe erübrigte. Kurz gesagt, es stellte sich heraus, daß im Gegensatz zu der allgemein üblichen Anschauung das Geld für die in Frage stehende Gruppe von Arbeitnehmern nicht der wichtigste Anreiz zur Leistungssteigerung war. In ihrer Wertordnung stand Zeit höher als Geld, und sie waren bereit, um des Zeitgewinnes willen angestrengter zu arbeiten. Eine ins einzelne gehende wissenschaftliche Untersuchung dieser Gruppe brachte diese Tatsache ans Licht und ermöglichte es dem Team, damit eine Leistungssteigerung zu erzielen. Das neue Leistungssteigerungssystem schuf jedoch trotz seines Erfolges bei der Leistungssteigerung ein anderes Problem. Das bisher übliche Kontrollsystem bot keine Gewähr, daß die Produkte, die die Firma verließen, wirklich die erwünschte Qualität besaßen. Das Team machte sich daher an die Arbeit, ein neues Kontrollsystem auf wissenschaftlicher Basis zu entwickeln. Mit Hilfe einiger recht komplizierter statistischer Verfahren konnte es ein Schema ausarbeiten, bei dem die durchschnittliche Prüferin dann die meiste Freizeit erhielt, wenn sie mengen- und qualitätsmäßig so arbeitete, daß sich daraus für die Firma die geringsten Gesamtkosten ergaben. Auf diese Weise konnte das Team jenes so selten erreichbare Ziel verwirklichen — eine Lösung, bei der der größte Vorteil für den Arbeitnehmer zugleich den größten Vorteil für den Arbeitgeber bedeutete. Zusammenfassung Der geschilderte praktische Fall liefert ein Beispiel dafür, daß ein aus verschiedenen Wissenschaftlern zusammengesetztes Team einen ganz neuen Beitrag zur Untersuchung und Lösung von Problemen der Betriebsführung leisten kann. Indem man eine Reihe von Arbeitsgängen von verschiedenen Seiten her betrachtete, wurde eine ungewöhnlich hohe Zahl beeinflußbarer Veränderlicher aufgedeckt und in der Folge so variiert, daß dadurch eine wesentliche Verbesserung der Prüftätigkeit erzielt werden konnte. Bei einer „normalen" Untersuchung des Prüfverfahrens hätte man bestimmt nicht herausgefunden, daß es eine so große Reihe von „Angriffspunkten" für die Lösung des Problems gab. Eine Prüfung ist ein Verfahren, bei dem früher begangene Fehler aufgedeckt werden. Ein grundsätzlicheres Problem wäre, wie man solche Fehler überhaupt vermeidet. Das Untersuchungsgebiet des Teams war aber von der Unternehmensleitung auf das Prüfproblem beschränkt worden. Nach Ansicht des Teams hätte eine O.R.-Untersuchung der Fehler das Prüfproblem sehr reduziert und zu einem wesentlich höheren Ertrag in Form von geringeren Kosten und besserer Qualität geführt. Wie die Dinge lagen, war das O.R.Team zu einer Sub-Optimisierung gezwungen. Freilich ist die Sub-Optimisierung nur dann ein Fehler, wenn das Untersuchungsteam die Möglichkeit hat, optimale Ergebnisse zu erzielen und diese nicht wahrnimmt. In diesem Fall hatte die Unternehmensleitung sehr reale Grenzen gesetzt, und die Untersuchung führte tatsächlich zur bestmöglichen Nutzung der Möglichkeiten, die die Unternehmensleitung geboten hatte oder die durch Bemühungen des Teams geschaffen worden waren.

T E I L II

DAS

PROBLEM

Eines der wesentlichsten Merkmale der wissenschaftlichen Behandlung eines praktischen Problems ist die genaue Festlegung dessen, was eigentlich angestrebt werden soll.. . Wie oft wird nicht diese grundsätzliche Fragestellung in der Praxis vernachlässigt.. . Was will beispielsweise Großbritannien mit seinen Exportbemühungen letzten Endes erreichen., . Warum bilden die Universitäten eigentlich Studenten aus?... Solche Fragen sind zugegebenermaßen schwer zu beantworten. Aber gewöhnlich ist es doch möglich, einer befriedigenden Lösung nahezukommen, und auf jeden Fall lohnt es sich, wenigstens den Versuch zu unternehmen. Dabei müssen zwei Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Einerseits gibt es sehr allgemeine Überlegungen Über Werte und letzte Zielsetzungen. . . Andrerseits muß man untersuchen, was nach Lage der Dinge tatsächlich erreicht wird... Nur indem man eine auf umfassende philosophische Erwägungen gestützte Kritik mit einer ins einzelne gehenden Feststellung der Tatsachen verbindet, kann man hoffen, zu einer vernünftigen und praktischen Formulierung darüber zu gelangen, welche Richtung die Entwicklung einschlagen sollte...1). Ein altes Sprichwort sagt, daß eine richtig gestellte Frage eine halbe Antwort ist. Das leuchtet ein. Weniger einleuchtend ist jedoch, wie man eine Frage richtig stellt. Man wird sich immer mehr darüber klar, daß die ergiebigste Formulierung eines Problems selbst wieder ein komplexes und fachliches Problem darstellt. Wenn ein Problem innerhalb ein§s Systems von Maßnahmen auftritt — seien sie administrativer, militärischer, industrieller oder kommerzieller Art —, so kann es selten von jenen Leuten vollständig und genau formuliert werden, die sich damit auseinanderzusetzen haben. Aus diesem Grunde neigen die Wissenschaftler dazu, von vornherein anzunehmen, daß ein Problem anders ist, ab es sich zunächst darstellt. Der in Kapitel 2 behandelte praktische Fall ist hierfür ein treffendes Beispiel. In seiner ursprünglichen Formulierung lautete das Problem zunächst, wieviel man von jedem von zwei bestimmten Erzeugnissen produzieren und wie stark man sich um den Absatz eines jeden Erzeugnisses bemühen solle. Letztlich stellte sich aber heraus, daß das Problem darin lag, wie man die Produktivität bei einem dieser beiden Erzeugnisse erhöhen könnte. Tatsächlich werden durch die Art und Weise, wie die Unternehmungsleitung dem O.R.Team ein Problem darlegt, eher Symptome enthüllt, als eine Diagnose gestellt. Es ist die Aufgabe des O.R.-Teams, eine genaue Diagnose (d.h. Formulierung) des Problems zu geben, natürlich mit Unterstützung derer, die davon betroffen sind. Zu einer solchen Diagnose bedarf es einer genauen Kenntnis der Arbeitsweise der Organisation und ihres „Lenkungssystems" 2). Eine solche Kenntnis kann gewöhnlich nicht bei einer einzigen Stelle gewonnen Vgl. C. H. Waddington, The Scientific Attitüde, Penguin Books, London, S. 122— 124, 1941. 2 ) Anmerkung der Übersetzer: Der englische Fachausdruck „control" hat im Deutschen mehrere Bedeutungen, die wir konsequent auseinanderhalten wollen. Wir ver-

72 werden; die Organisationen sind im allgemeinen zu komplexe Gebilde, als daß ein einzelnes Mitglied den Überblick über alle ihre Operationen haben könnte. Das O.R.-Team muß daher, gleichgültig, ob es Firmenangehörige umfaßt oder nicht, normalerweise mit einer systematischen Untersuchung der Organisation, ihrer Arbeitsweise und deren Lenkung beginnen. In Kapitel 4, „Analyse der Organisation", werden wir einige der begrifflichen Werkzeuge und Verfahren betrachten, die bei der Analyse einer Organisation von Nutzen sind. Dabei werden mehr Einzelheiten behandelt, als für eine einführende Analyse der Organisation notwendig wäre. Diese Behandlung der Einzelheiten hat zwei Gründe. 1. Bei der ersten Untersuchung einer Organisation kann es sich herausstellen, daß allenfalls vom O.R.-Team entwickelte Regeln für richtige Entscheidungen nicht wirksam angewendet werden können, entweder weil a) das System der Nachrichtenübermittlung innerhalb der Organisation den Verantwortlichen die für ihre Entscheidungen erforderlichen Unterlagen nicht liefern kann, oder b) die Lenkung des untersuchten Bereiches sich in dezentralisierten Sektoren vollzieht. In jedem der beiden Fälle müßte die Organisation geändert werden, bevor man irgendwelche Untersuchungsergebnisse wirksam zur Anwendung bringen könnte. Solche Fälle kommen gar nicht selten vor. Im Kapitel 4 wird eine Situation dieser Art geschildert werden. Wenn ein solcher Fall eintritt, so muß zu allererst das Problem der Nachrichtenübermittlung bzw. der Betriebslenkung gelöst werden. Die im Kapitel 4 dargelegten Details sollen dem Leser Anleitungen für derartige Situationen geben. 2. Bei der praktischen Anwendung der durch O.R. erzielten Ergebnisse müssen fast immer gewisse Abänderungen oder Ergänzungen bei der Nachrichtenübermittlung und Lenkung der Organisation vorgenommen werden. Um die Ergebnisse in die Praxis umzusetzen, ist demnach eine ins einzelne gehende Analyse des Systems der Nachrichtenübermittlung und Lenkung notwendig. Man wird sich erinnern, daß in den im Kapitel 2 dargelegten Fällen die Lagerhaltungs- und Fehlmengen-Probleme dadurch gelöst wurden, daß man das Verfahren für die Behandlung der Ersatzteilaufträge änderte und zu einer zentralen Lenkung der Entnahmen aus dem Lager überging. In diesem Stadium 4er Untersuchung war eine Analyse der Nachrichtenübermittlung und Lenkung erforderlich. In Kapitel 5 werden wir untersuchen, wie man bei der Formulierung eines Problems vorgehen kann. Es wird dabei jenes Verfahren geschildert, das der Autor für diesen Zweck am geeignetsten hält. Die hier vorgeschlagene detaillierte Formulierung wird man zwar nur in seltenen Fällen entwickeln können, doch bildet sie gewissermaßen eine Norm, die unserer Meinung nach von den O.R.-Fachleuten zumindest angestrebt werden sollte. Ein Aspekt der Problem-Formulierung, die Bewertung der Ziele, erfordert ein eigenes Kapitel. Kapitel 6 wird sich damit beschäftigen. Die hier dargelegte Methode zur Bewertung von Zielen wird auch anderweitig in der Forschung verwendet, wofür in dem genannten Kapitel einige Beispiele vorgeführt werden. stehen unter „Steuerungsvorgängen" solche Vorgänge, bei denen ein System durch äußere Einflüsse bestimmt wird, gewisse Zustände anzunehmen. Unter „Regelung" verstehen wir Vorgänge, die innerhalb des Systems (z. B. durch Rückkopplung) geändert werden können. Unter „gelenkten" Systemen verstehen wir solche Systeme, bei denen sowohl Steuerungs- als auch Regelungsvorgänge auftreten.

KAPITEL

ANALYSE

DER

4

ORGANISATION

Die Grundlagen Gegen Ende der dreißiger und in den vierziger Jahren dieses Jahrhunderts begannen sich Gruppen von Physiologen, Elektroingenieuren, Mathematikern und Sozialwissenschaftlern mit Problemen der Organisation zu beschäftigen. Sie stellten fest, daß viele Organisationen ähnliche Züge aufwiesen. So zum Beispiel schien im Nervensystem des Menschen eine Reihe von Fehlern aufzutreten, die Analogien mit Fehlern in elektrischen Steuermechanismen für Geschütze zeigten. Diagramme (Abb. 4.1), die Biologen und Physiologen vom menschlichen Nervensystem entworfen hatten, glichen Diagrammen elektrischer Stromkreise. Verschiedene Gruppen solcher Wissenschaftler, die in Cambridge, Massachusetts, und anderswo arbeiteten, erkannten bald die Möglichkeit, eine allgemeine Theorie der Organisation oder Steuerung aufzustellen, die für eine Reihe von Disziplinen Gültigkeit besitzt. Professor Norbert Wiener faßte im Jahre 1948 die Arbeit dieser aus Wissenschaftlern mehrerer Fachgebiete bestehenden Gruppen zusammen. In seinem Buch ,,Cybernetics, Control and Communication in the Animal and the Machine"1) sagte er, daß Nachrichtenübermittlung und Steuerung wesentliche Prozesse für das Funktionieren einer Organisation seien. „Nachricht" (oder „Information") wurde von Professor Wiener als allgemeiner Begriff gebraucht, der sich auf jedes Zeichen oder Signal bezieht, das die Organisation für die Lenkung ihrer Tätigkeit verwenden kann. Die Nachricht kann die Form eines elektrischen Impulses, einer chemischen Reaktion oder eines Schriftstückes haben ; sie kann, ganz allgemein ausgedrückt, alles sein, wodurch eine Organisation ihre Handlungen lenken oder steuern kann. Nach Auffassungen der Kybernetik weisen also a) Organisationen aus Zellen in einem Organismus, b) Organisationen aus Maschinen in einer automatischen Fabrik oder ein elektrisches Leitungsnetz und c) Organisationen menschlicher Wesen in sozialen Gruppen bei ihrer Tätigkeit alle die wesentlichen Prozesse der Nachrichtenübermittlung und der Steuerung auf 2 ). Man kann oft industrielle oder militärische Organisationen, auch wenn sie komplexer Natur sind, mit Hilfe der gleichen Begriffe der Nachrichtenübermittlung und Steuerung analysieren. Eine solche Analyse kann auch auf die Konstruktion eines Nachrichtenübermittlungs(oder Steuerungs-) Modells2) dieser Organisation abzielen. ') N . Wiener, Cybernetics. Control and Communication J o h n Wiley & Sons, N e w York, 1948.

in the Animal and the

Machine,

2 ) K . W . Deutsch, „ O n C o m m u n i c a t i o n Models in the Social Sciences", Opinion Quart., 16, S. 356—380 (1952).

Publ.

Bildbeschriftung auf Seite 75

Allgemeine Bemerkungen z u m Modell der Nachrichtenübermittlung

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Allgemeine Bemerkungen zum Modell der Nachrichtenübermittlung Ein Modell der Nachrichtenübermittlung ist nicht mathematisch; es wird nicht für genaue Vorhersagen oder Berechnungen verwendet. Meistens hat es die Form eines Diagramms. Ein solches Diagramm ermöglicht es, aus verschiedenen Forschungsgebieten das Wissen über Organisationen zu kombinieren. Das Diagramm und andere Erkenntnisse können dazu dienen, Angriffspunkte für die Lösung von Organisationsproblemen aufzudecken, wertvolle Informationen über eine Organisation von trivialen zu sondern, einen Einblick in Analogien und Ähnlichkeiten zwischen verschiedenen Arten von Organisationen zu geben und Lösungen für Organisationsprobleme anzuregen und zu erproben 1 ). Besonders zu Beginn einer neuen Untersuchung haben die O.R.-Fachleute solche Hinweise und Richtlinien oft bitter nötig. Da diese Modelle eine große praktische Bedeutung besitzen, wollen wir, anstatt ihre theoretische Entwicklung im einzelnen zu besprechen, mehr Gewicht auf ihre Anwendung legen. Das vorliegende Kapitel wird daher drei Teile umfassen: 1. eine vereinfachte allgemeine Behandlung von Modellen der Nachrichtenübermittlung; 2. eine kurze Beschreibung, wie man ein solches Modell in der Praxis konstruiert, und 3. eine Erörterung der Anwendungsmöglichkeiten, die dieses Modell bietet, sobald es einmal konstruiert ist. (Wenn sich ein Leser für eine genauere Besprechung des einen oder anderen Punktes interessiert, so wird er hierfür am Ende des Kapitels Literaturhinweise finden.) Man kann sich ein Modell des Nachrichtenflusses als ein in eine höhere Sphäre erhobenes Fischernetz, eine Spinnwebe oder ein Netz von Nervenfasern vorstellen, durch das Nachrichten hindurchgehen oder durchfließen. A b b . 4.1. D i e Entwicklung des Nervensystems. Aus Bayliss 2 ), S. 468. Die von Physiologen entworfenen D i a g r a m m e des Zentralnervensystems ähneln den von Elektrotechnikern gezeichneten elektrischen Schaltungen. G a n z allgemein läßt sich jede b e liebige Organisation d u r c h die Wechselbeziehung ihrer Teile beschreiben. D i a g r a m m e über die Entwicklung des Zentralnervensystems 5 = sensorisches N e u r o n ; A = Assoziationsneuron; M = motorisches N e u r o n ; e = Epithelzelle; m = Muskelzelle. Die gestrichelten Linien zeigen die G r e n z e n der Nervenzentren an. 1. 2. 3. 4. 5.

Schwamm. Seeanemone. Einfachste F o r m beim R e g e n w u r m . Ineinandergreifen von Assoziationsneuronen beim Regenwurm. Sonderfall eines einfachen Reflexbogens bei Wirbeltieren. Wahrscheinlich beim Patellarsehnenreflex (Kniesehnenreflex) vorhanden. 6. N o r m a l e F o r m bei Wirbeltieren. Die Zellkörper der sensorischen N e u r o n e n befinden sich, außer im Fall des Geruchsorgans, nicht in den Empfangsorganen, sondern in den Spinalganglien der hinteren Wurzeln des Rückenmarks. 7. A n h ä u f u n g höherer Zentren, die n u r aus Assoziationsneuronen bestehen, wovon einige h e m m e n d wirken. Sie bilden gewissermaßen i m m e r längere parallele oder alternative Verbindungen zwischen den E m p f a n g s - u n d den Ausführungsorganen (Effektoren). G e n a u e r e Darstellung dieser Verbindungen in A b b . 4.2. J ) Vgl. auch eine Besprechung der Entwicklung von kybernetischen Modellen bei Deutsch, „ M e c h a n i s m , Organism, and Society", Phil. Sei., S. 230—252 (Juli 1951). 2 ) W . M . Bayliss, Principles N e w York, 4. Aufl., 1927.

of General Physioiogy,

Longsmans, Green and Co.,

76

4. Analyse der Organisation

D i a g r a m m des Zentralnervensystems von Säugetieren, nach von Monakow und Alott. Das D i a g r a m m zeigt das komplizierte System der Assoziationsneuronen, das in F o r m paralleler oder anderer Bahnen zwischen den den Ausgangspunkt bildenden primären sensorischen N e u r o n e n ( S ) u n d den abschließenden gemeinsamen Bahnen (M) angelegt ist. A b b . 4.2. Zentralnervensystem der Säugetiere, nach von Monakow u n d Mott. Aus Bayliss 1 ), S. 478. Detailliertere Darstellung des in Abb. 4.1 gezeigten Diagramms. M a n beachte die gesteigerte Kompliziertheit der Verbindungen innerhalb des verfeinerten Nervensystems. Vgl. F u ß n o t e 2, S. 75.

Grundzüge der Modelle — Das Diagramm des Modells

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Das mehr ins Fachliche gehende Material der späteren Abschnitte nimmt oft auf ein einfaches Bild dieser Art Bezug; es wird dort mittels der Begriffe des Systems der Nachrichtenübertragung, des Nachrichtenflusses und der zeitlichen Veränderungen beider über verschiedene organisatorische Merkmale gesprochen. Grundzüge der Modelle der Nachrichtenübermittlung

In Kapitel 7 wird der Begriff des Modells ausführlich besprochen werden. Hier soll jedoch festgehalten werden, daß ein Modell eine Miniaturdarstellung oder eine verdichtete Wiedergabe eines Originals ist. Gewöhnlich stellen die Modelle jene Eigenschaften des Originals dar, auf die es ankommt; diese Eigenschaften können so kombiniert werden, daß die Struktur des Modells und des Originals sich decken. Das Modell kann eine Reihe von Vorschriften beinhalten, die angeben, wie es funktioniert oder gehandhabt werden kann. Die in einem bestimmten Modell verwendete Struktur oder die wichtigen Punkte, auf die es sich stützt, werden sich ändern, wenn eine entsprechende Änderung im Original eintritt. Wenn beispielsweise eine Straße zwischen zwei Städten gesperrt oder aufgelassen wird, wird sie wahrscheinlich in später herausgegebenen Straßenkarten dieses Gebietes nicht mehr eingezeichnet werden 1 ). Bei der Entwicklung eines vollständigen Modells der Nachrichtenübermittlung geht man in ähnlicher Weise vor. Man muß dabei über drei Sachverhalte Bescheid wissen: 1. Über das zu einem bestimmten Zeitpunkt existierende System der Nachrichtenübermittlung (eine Aufstellung der wichtigen Punkte und der zwischen ihnen bestehenden Verbindung). 2. Über die Prozesse, durch die das System gesteuert wird (Regeln für die Funktionsweise des Systems). 3. Über die Veränderungen, die das bestehende System und dessen Steuerung im Laufe der Zeit erfahren. So zum Beispiel kann ein Physiologe ein Nervensystem und seine Entwicklung (wie in Abb. 4.1 dargestellt) mittels einer Reihe von Kreisen und Verbindungslinien beschreiben. Bei einer komplexeren Organisation des Nervensystems wird (wie in Abb. 4.2 gezeigt wird) eine verstärkte oder veränderliche Verknüpfung der Nervenzentren erforderlich sein. Wir werden bei der Entwicklung unseres Modells der Nachrichtenübermittlung den gleichen Weg beschreiten. D a s D i a g r a m m des Modells der Nachrichtenübermittlung

Man kann sich eine Organisation als eine Gruppe von Elementen denken (Abteilungen in einer Firma, funktionelle Einheiten bei einer Maschine, Menschen in einer sozialen Gruppe), die durch ihre Briefe, Telephonanrufe, den Materialfluß, die Arbeitsteilung, persönliche Konversation usw. in irgendeiner Weise miteinander in Verbindung stehen. Wenn ein Diagramm gezeichnet wird, das die Verbindungen zwischen den verschiedenen Elementen einer Organisation zeigt (z. B. wenn man in einem Betrieb den Lauf der Schriftstücke von einer Abteilung zur anderen verfolgt), und wenn das Diagramm auch den Nachrichtenaustausch zwischen der Or') A. Rosenblueth, „ T h e Role of Models in Science", Phil. Sei., 12, S. 316—322 (1945).

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4. Analyse der Organisation

ganisation und der Außenwelt wiedergibt (z. B . die W e g e bezeichnet, durch die die F i r m a um Aufträge wirbt, sowie die Wege, die bei der Erfüllung dieser Aufträge beschritten werden), so erhält man zumindest ein Teilbild von der Tätigkeit der Organisation. A u f dem Papier sieht ein solches Diagramm wie eine Straßenkarte oder ein Stromkreis, also ähnlich wie A b b . 4.1 aus. D i e A b b . 2 . 2 bis 2.5 zeigen das Ergebnis einer Analyse des Materialflusses und des Schriftverkehrs in einer Firma, die Ersatzteile für die von ihr hergestellten Maschinen verkauft. D i e Linien bezeichnen die Übermittlung verschiedener Schriftstücke oder Nachrichten. D i e Punkte (oder F ä c h e r ) bezeichnen j e n e Stellen, bei denen diese Nachrichten verwendet, weiterverarbeitet oder aufbewahrt werden. W e n n man ein solches Diagramm ansieht, bekommt man sehr rasch ein Bild davon, wie komplex eine zu untersuchende Organisation ist und gewinnt Einblick in die wechselseitige Verknüpfung der einzelnen T e i l e der dargestellten Organisation. D a s erste, was man bei einer Organisation feststellen muß, sind also die verschiedenen Verbindungen. Diese werden mit Hilfe eines Diagramms dargestellt. D i e Vorgänge innerhalb der O r g a n i s a t i o n : Wie wird sie gesteuert ? Organisationen — Firmen, Gruppen von Bestandteilen einer Maschine, die Funktionselemente des menschlichen K ö r p e r s — arbeiten im R a h m e n eines Nachrichtensystems zusammen, weisen aber auch noch ein anderes Merkmal auf: D i e Elemente einer Organisation arbeiten gemeinsam an der Erreichung oder Erhaltung eines von außen gesetzten Zieles (oder einer innerhalb der Organisation entwickelten Zielvorstellung) 1 ). F ü r die Besprechung von M o d e l len (in vereinfachter F o r m ) kann man ein Ziel als die zu einer bestimmten Zeit in einer Organisation anerkannte N o r m des Verhaltens definieren. E i n Ziel ist eine Norm, die man zu einer gegebenen Zeit anstrebt oder der man nahe bleiben will. S o zum Beispiel wird einem Meister in der Werkshalle ein wöchentliches Produktionsziel aufgetragen; die Rechnungsabteilung stellt Soll-Werte für die Kosten auf, usw. Ziele dieser Art sind ziemlich einfach. D i e Organisation kann auch kompliziertere Ziele verfolgen oder eine ganze Reihe von einfachen und komplizierten Zielen. D i e Einfachheit oder Kompliziertheit der Betriebsziele — und die Art, wie sich die Organisation ihrer bedient — gestatten es, Organisationen danach zu beurteilen, wie sie es verstehen, Informationen zu verarbeiten und eine Grundlage für ihre Entscheidungen zu schaffen. l ) Wir beziehen uns hier auf die von Wiener verwendete Definition des Begriffes „Ziel". Die Arbeit von A. Rosenblueth, N. Wiener und W. Bigelow, „Behavior, Purpose and Teleology", Phil. Sei., 10, S. 18—24 (1943) enthält eine ausführliche und grundlegende Diskussion dieses Begriffes. Wenn wir das Verhalten in ein aktives und ein passives unterteilen, so zerfällt — wir zitieren aus dieser Arbeit — ,,das aktive Verhalten in zwei Gruppen: das nicht zweckgerichtete (oder regellose) und das zweckgerichtete. Der Ausdruck ,,zweckgerichtet" soll bedeuten, daß man die Handlung oder das Verhalten als auf die Erreichung eines Zieles gerichtet interpretieren kann, das heißt auf einen Endzustand, in dem das sich verhaltende Objekt eine bestimmte räumliche oder zeitliche Beziehung zu einem anderen Objekt oder Ereignis erreicht." Die wichtige Einschränkung, die diese Definition des Zieles enthält, wird an einer späteren Stelle der Arbeit dargelegt: Wir haben den Bedeutungsumfang des teleologischen Verhaltens dadurch eingeschränkt, daß wir diese Bezeichnung nur auf zweckgerichtete Reaktionen anwenden, die durch die Regelabweichung gesteuert werden—das heißt durch den Unterschied, der zu einem beliebigen Zeitpunkt zwischen dem Zustand des sich verhaltenden Objektes und dem als Ziel angesehenen Endzustand besteht. Das teleologische

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D e r einfache Wandler — Die einfache Sortieranlage

Der einfache Wandler Die einfachste Organisation erhält ihre Befehle laufend von außen. Sie ist unfähig, eigene Ziele zu finden, so daß man ihr dauernd Anweisungen geben muß, was sie tun soll. Man kann sie nicht sich selbst überlassen. Solchen Organisationen entsprechen einfache mechanische oder elektrische Wandler (Zahnradübertragungen, Verstärker usw.), die wie in Abb. 4.3 in Form eines Diagramms dargestellt werden könnten. Die drei fundamentalen Prozesse, die miteinander verknüpft sind, umfassen 1. den Empfang, 2. die Leitung, Verarbeitung oder Umwandlung, und 3. die Ausgabe (Tätigkeit des Effektors). Eine einfache Umwandlung auf betrieblichem Gebiet findet beispielsweise statt, wenn eine Bestellung in eine Faktur übergeführt wird. Laufende Befehle

Abb. 4.3. Einfacher Wandler. Seine Arbeit wird durch laufend aufeinanderfolgende Befehle aufrechterhalten. Er besitzt kein eigenes Ziel. Beispiel eines solchen Wandlers: eine Z a h n r a d ü b e r tragung.

Laufender Ausstoß

/

O Einfache Umwandlung

Die einfache Sortieranlage Eine andere einfache Organisation ist eine Sortieranlage, wie beispielsweise eine Zitronen- oder Schottersortieranlage. Vom Konstrukteur wird in die Anlage ein Entscheidungs- oder Sortiervorgang eingebaut; die Anlage muß laufend von einer Bedienungsperson beschickt werden. Ein Einsatz (z. B. eine Ladung Schotter) kann zwei oder mehr verschiedene Arten von Ausstoß ergeben (z. B. verschiedene Schottergrößen). Eine einfache Organisation dieser Art kann in Diagrammform wie in Abb. 4.4 dargestellt werden. Sie weist Ähnlichkeiten mit Abb. 4.3 auf, ist aber etwas komplizierter. Die bekannteste Sortieroperation im Geschäftsleben vollzieht sich in der Posteinlaufstelle. Abb. 4.4. Einfache Sortieranlage. Ein einziger Einsatz ergibt zwei Arten von Ausstoß. Die Anlage ist geeignet, nach vorgegebenen Regeln zu sortieren (oder Entscheidungen zu treffen). Die Einheit f ü h r t einfache Such- u n d Erkennensoperationen durch, wie sie auch bei komplizierten Prozessen auftreten.

/ 0

Einfacher Sortiervorgang

Verhalten wird somit synonym mit einem durch Rückkopplung gesteuerten Verhalten und gewinnt daher durch einen hinreichend eingeschränkten Bedeutungsumfang an Präzision." Obwohl dieses Kapitel nicht den Gegensatz zwischen zweckgerichtetem u n d nicht zweckgerichtetem Verhalten (oder die philosophische Frage von Determinismus u n d Willensfreiheit) behandeln will, war dieses T h e m a bei der Entwicklung der Kybernetik von grundlegender Bedeutung. (Das Verständnis dieses Kapitels mag dem Leser noch durch das S t u d i u m der angegebenen Originalarbeit erleichtert werden.) Der interessierte Leser findet weitere A u s f ü h r u n g e n über diesen Gegenstand in C. W . C h u r c h m a n u n d R. L. AckofF, „Purposive Behavior and Cybernetics", Social Forces, 29, S. 32—39 (1950); L. K . Frank, „Teleological Mechanisms", ,4mm. N. Y. Acad. Sei., 50, S. 182—278 (1948); A. Rosenblueth u n d N . Wiener, ,.Purposeful and Non-Purposeful Behavior", Phil. Sei., 17, N r . 4, S. 318—326 (Oktober 1950); und R . T a y l o r , „Purposeful and Non-Purposeful Behavior", Phil. Sei., 17, Nr. 4 (1950).

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4. Analyse der Organisation

Man beachte, daß die Sortiereinheit tatsächlich eine Entscheidung trifft, deren Kriterien in sie eingebaut wurden. Die Schottersortieranlage muß beispielsweise Siebe mit verschiedener Maschendichte eingebaut haben. Einfache Einheiten, die den Zielwert beibehalten Der einfachste Organisationstyp, der sich in einem gewissen Sinn selbst regeln kann, wird durch die Fähigkeit ausgezeichnet, den Arbeitsablauf gegen ein von außen gesetztes Ziel hinzuführen. Eine solche Einheit empfängt einen Befehl und führt ihn selbständig aus. Ein Beispiel einer Einrichtung für die rein mechanische Beibehaltung eines Zielwertes ist der Fliehkraftregler einer Dampfmaschine (Abb. 4.5), der dazu dient, die Geschwindigkeit der Maschine bei verschiedener Belastung zu regulieren. Der Regler wird auf eine gewünschte Geschwindigkeit eingestellt und trachtet, diese einzuhalten. Allgemein gesprochen: Wenn eine Organisation ihre Tätigkeit mit dem angestrebten Ziel vergleicht, etwaige Abweichungen von dieser Zielgröße feststellt (Regelabweichungen) und sie zu verringern sucht, so regelt sie ihre Arbeit.

Abb. 4.5. Einfacher mechanischer Fliehkraftregler, wie ihn erstmalig Clerk Maxwell behandelte. Der Regler soll die Geschwindigkeit einer Dampfmaschine unter sich ändernden Bedingungen konstant halten.

Unerläßliches Element der Regelung: die Rückkopplung Damit eine Organisation feststellen kann, ob zwischen dem, was sie tut, und dem, was sie zur Erreichung ihres Zieles tun wollte, eine Abweichung besteht, muß sie ihre eigene Tätigkeit kontrollieren: Sie muß einen Teil des Ergebnisses ihrer Tätigkeit zum Vergleich mit ihrem Einsatz oder ihrer Norm rückkoppeln. Wenn die Rückkopplung dazu tendiert, den Fehler zu vermindern, anstatt ihn zu vergrößern,, so spricht man auch von einer negativen Rückkopplung — negativ deshalb, weil sie sich dem entgegenstellt, was die Organisation gerade tut 1 ). Der Dampfmaschinenregler ist eine Einrichtung zur negativen Rückkopplung, und im Wirtschaftsleben stellt der laufende Vergleich zwischen Betriebskosten und Standardkosten (zur Kontrolle der tatsächlichen Betriebskosten) eine Form der negativen Rückkopplung dar. Man kann die englische Redewendung „mit den Joneses Schritt halten" mit Hilfe des Bildes der negativen Rückkopplung erklären: Die „Joneses" sind das, was die Soziologen als eine „Bezugsgruppe" bezeichnen. Wenn wir eine derartige Bezugsgruppe oder ein solches Ziel besitzen (nämlich, die finanzielle oder soziale Lage der Joneses zu erreichen), so werden wir unsere eigene ' ) Vgl. Wieners Besprechung der Rückkopplung, „Cybernetics, Control and C o m munication in the Animal and the Machine", Kap. IV. Die Standardliteratur über elektronische Regelkreise und Regelmechanismen enthält ebenfalls Besprechungen über die Wesenszüge der Rückkopplung.

Unerläßliches Element der Regelung: die Rückkopplung

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finanzielle und soziale Lage laufend überwachen, die Abweichung zwischen unserer eigenen Lage und der der Joneses feststellen und sie, wenn möglich, durch geeignete Maßnahmen zu verringern suchen. Das Wesen der negativen Rückkopplung wird offenbar, wenn wir ein Beispiel aus der Elektrotechnik heranziehen. Abb. 4.6 stellt einen einfachen Rückkopplungskreis dar, wie er in den als Regelmechanismen oder Regler bezeichneten Einrichtungen verwendet wird. Solche Einrichtungen können beispielsweise dazu dienen, eine Radarantenne so zu richten, daß ihre Position trotz des auf sie einwirkenden Windwiderstandes (der Belastung) mit der auf einem (nicht am Ort der Antenne befindlichen) Regler eingestellten Position übereinstimmt. Feststellung der Regelabweichung

Stellglied

Abweichung Antriebsmechanismus

Abb. 4.6. Der elementare Rückkopplungskreis. Die einfachste Struktur, die sich selbst regeln kann. Man beachte die Schleifenform der Schaltung. Man kann bei A einen Zielwert einstellen und es dann dem Rückkopplungskreis überlassen, immer wieder auf den Zielwert hinzuregeln. Der Fliehkraftregler der Dampfmaschine arbeitet nach diesem Prinzip.

Eine bestimmte Position oder ein Zielwert kann im Regler A eingestellt werden, der seinerseits auf einen Motor oder Antrieb B dahingehend einwirkt, daß dieser die Antenne C dreht. Die tatsächliche Position der Antenne, die beispielsweise infolge der Windbelastung von dem gesetzten Ziel abweichen kann, wird von C nach A rückgekoppelt, wo die Abweichung zwischen der Position der Antenne und dem vorgegebenen Zielwert festgestellt wird. Daraufhin wird ein Signal an den Motor gesendet, damit er die Abweichung verringert. Mathematisch kann die Wirkungsweise dieser Schaltung durch folgende Beziehung dargestellt werden (vgl. Abb. 4.7):

wobei E i der Einsatz ist, der der Einheit eingegeben wird, E i der Ausstoß der Einheit, K der Verstärkungsfaktor oder Umwandlungsfaktor der Einheit und (—6) derjenige Bruchteil des Ausstoßes der Einheit £2, der als negative Rückkopplung für die Korrektur der Abweichung verwendet wird. Im allgemeinen wird die Verringerung der Fehler oder die Stabilisierung der Einheit um so größer sein, je stärker die Rückkopplung ist. Die Einheit kann so aufgebaut werden, daß man anstatt einer negativen Rückkopplung eine positive Rückkopplung (im Deutschen auch Mitkopplung genannt) erzielt (+A). Ein auf-

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4. Analyse der Organisation Differenzoperator

Produktoperator

Verstärker

K A b b . 4.7. Prinzipschaltung f ü r negative R ü c k k o p p l u n g mit mathematischen Beziehungen, die ihre Arbeitsweise beschreiben.

tretender Fehler würde dadurch vergrößert werden, im Arbeitsablauf des Schaltkreises würden Oszillationen auftreten usw. Die kritischen Werte für Oszillation, Stabilisierung und Fehlerverringerung sind für den Regelungstechniker von besonderem Interesse. Obwohl eine eingehendere Diskussion über die Grundzüge der Rückkopplung über den Rahmen dieses Kapitels hinausgeht, sollte jeder, der mit Modellen des Nachrichtenflusses arbeiten will, die Literatur über die Rückkopplung genau studieren. Wie aus Abb. 4.6 zu ersehen ist, ist der Arbeitsablauf von Regelsystemen in einem gewissen Sinn schleifenförmig. Die Rückkopplung und die Änderung des Antriebsmechanismus bilden einen geschlossenen Wirkungskreis. Systeme, die mit negativer Rückkopplung arbeiten, um ein Ziel zu erreichen oder beizubehalten, nennt man „zielgerichtet"; infolge der für die Rückkopplung erforderlichen Schleifenform ihres Arbeitsablaufes werden sie auch als „Wirkungsstrukturen mit Schleifencharakter" bezeichnet. Das Ablaufdiagramm des Nachrichtenflusses kann darauf hin untersucht werden, ob es solche geschlossene Rückkopplungskreise enthält. Daraus läßt sich einiges über die Rückkopplung und Lenkung in den untersuchten Organisationen entnehmen; dies ist der zweite interessante Punkt. Die O.R.-Fachleute wollen vor allem wissen, welche Prozesse geregelt werden und welche nicht; sie wollen ein Bild über die Wirksamkeit von Rückkopplungskreisen erlangen und feststellen, ob diese Schaltkreise positive oder negative Rückkopplung enthalten und unter welchen kritischen Bedingungen die negative (oder positive) Rückkopplung nützlich oder schädlich sein kann. Die Verfahren für die Einteilung und Erledigung von Aufträgen sollten auf ihre Stabilität, die auftretenden Verzögerungen sowie Prüfung durch Rückkopplung analysiert werden. Die Sortieranlage mit Rückkopplung Die Rückkopplung kann nicht nur bei einfachen mechanischen Umwandlungssystemen (z. B. Fliehkraftregler der Dampfmaschine) zur Anwendung gelangen, sondern auch bei der einfachen Sortieranlage. Dabei werden die verschiedenen Sorten des Ausstoßes mit den zugehörigen Soll-Werten verglichen, um festzustellen, ob die Sortieranlage ordentlich arbeitet. Dadurch wird die

Kombinationen von Wandlern und Sortiereinheiten

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Gleichmäßigkeit und Stabilität der Sortiertätigkeit verbessert. Abb. 4.8 zeigt ein Diagramm eines solchen Systems. Das System der Qualitätskontrolle in der Industrie, das verschiedene Fertigwaren an Hand eines bestimmten SollWertes überprüft und gute und schlechte Produkte voneinander trennt, bildet ein Beispiel für diese Art von Sortierung mit Hilfe der Rückkopplung. Vergleich von 0 1 mit vorgegebenem Sollwert

Vergleich von 0

2

mit

vorgegebenem Sollwert

Abb. 4.8. Einfache Sortieranlage mit Rückkopplung. Der Ausstoß der Sortieranlage wird mit dem Soll-Wert des Ausstoßes verglichen, der dem Sortiermechanismus eingegeben wurde.

Kombinationen von Wandlern und Sortiereinheiten U m eine komplexere und vielseitigere Organisation zu erhalten, kann man verschiedene Kombinationen von Wandlern und Sortiereinheiten (mit oder ohne Rückkopplung) zusammenstellen. Eine solche Kombination tritt auch ein, wenn man verschiedene Teile oder Abteilungen einer Organisation miteinander in Beziehung bringt. Zumeist ist jedoch nicht eindeutig ersichtlich, welche Kombination für eine bestimmte Arbeit am günstigsten wäre, da die Zahl der Veränderungen, die man in einer vielgliedrigen Organisation herbeiführen könnte, unvorstellbar groß ist. Außerdem kann eine Kombination mehrerer Teile Merkmale aufweisen, die von jenen der Teile selbst sehr verschieden sind, besonders wenn es sich um industrielle oder menschliche Organisationen handelt. Professor Wiener, der von befreundeten Sozialwissenschaftlern gedrängt wurde, seine mathematische Theorie der Kybernetik auch auf menschliche Organisationen auszudehnen, zögerte, dies zu tun, da er erkannte, daß die rasch wechselnden Bedingungen sozialer Organisationen, die Notwendigkeit, mit ad-hoc-Statistiken zu arbeiten und die von den Beobachtern ausgehenden Wechselwirkungen die Erzielung genauer Resultate erschweren würden. Mit anderen Worten, wir haben es, wie auf S. 191 bei Wiener 1 ) gesagt wird, in den Sozialwissenschaften mit ad hoc aufgestellten Statistiken zu tun und können auch nicht sicher sein, ob nicht ein wesentlicher Teil dessen, was wir beobachten, ein Produkt unserer eigenen Schöpfung ist. Wenn man den Kapitalmarkt untersucht, läuft man Gefahr, ihn durcheinanderzubringen. Wir stehen selbst in einem zu engen Kontakt mit den Gegenständen unserer !) Vgl. Fußnote 1, S . 73.

84

4. Analyse der Organisation

Beobachtung, u m gute Untersuchungsinstrumente abzugeben. K u r z gesagt, ob unsere sozialwissenschaftlichen U n t e r s u c h u n g e n statistisch oder dynamisch sind — u n d sie sollten beides sein — so können sie doch niemals m e h r als ganz wenige gültige Dezimalstellen liefern u n d niemals zu ü b e r p r ü f b a r e n sinnvollen Informationen in einem Ausm a ß f ü h r e n , das d e m zu vergleichen wäre, das wir in den Naturwissenschaften mit Selbstverständlichkeit erwarten. W i r können es uns nicht leisten, sie zu vernachlässigen, aber wir sollten auch keine übertriebenen H o f f n u n g e n in sie setzen. O b wir es wollen oder nicht, wir müssen vieles der unwissenschaftlichen darstellenden M e t h o d e des Berufshistorikers überlassen.

Wenn man sich dieser Problematik bewußt ist und nur (wie es häufig der Fall ist) ziemlich grobe Verbesserungen des Betriebsablaufes anstrebt, so mag eine weitere Diskussion komplizierter Organisationen, die aus den besprochenen einfachen Elementen aufgebaut sind, für praktische Untersuchungen von Nutzen sein. Einheit, die den Zielwert automatisch ändert Wenn eine Organisation auf verschiedene Arten des Vorgehens eingerichtet ist und auch über Regeln verfügt, wann die eine oder andere von ihnen bei wechselnden äußeren Bedingungen zum Zug kommen soll (d. h. die unter wechselnden Bedingungen jeweils beste Art des Vorgehens vorherbestimmen kann), dann kann sie ihre Tätigkeit wirksamer lenken als ein einfacher Rückkopplungskreis. Ein solches Verhalten erfordert eine Rückkopplung zweiter Ordnung und setzt voraus, daß innerhalb der Organisation ein Speicher oder eine Gedächtnisfunktion für die möglichen Verfahren existiert. Ein Beispiel für diesen Organisationstyp — der verschiedener Vorgehensweisen fähig ist — ist die Fernsprechzentrale. Das unmittelbare Ziel der Fernsprechzentrale ist es, eine bestimmte, vom Teilnehmer gewählte Nummer zu suchen. Im Laufe des Tages können viele solche Nummern gewählt werden; die Vermittlung muß darauf eingerichtet sein, verschiedene Nummern zu empfangen und bei jeder von ihnen automatisch in bestimmter Weise zu reagieren. (Abb. 4.9 zeigt ein vereinfachtes Diagramm eines solchen Systems, das eigentlich eine komplizierte Sortieroperation darstellt.) Ein anderes Bei-

Effektor

A b b . 4.9. Rückkopplungskreis mit Speicher. D u r c h Einbeziehung eines Gedächtnismechanismus u n d komplizierterer Rückkopplungskreise kann eine Organisation ihre Tätigkeit besser lenken. I n diesem Fall ist das System für (vom Rezeptor entdeckte) veränderte äußere Bedingungen auf eine Reihe unterschiedlicher Vorgangsweisen eingerichtet. Ein Beispiel f ü r diesen T y p bildet die automatische Schaltung einer F e r n sprechzentrale.

Einheit, die den Zielwert d u r c h Rückwirkung ändert

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spiel ähnlicher Art für die Änderung des Zielwertes ist die Katze, die eine Ratte jagt, und zwar nicht, indem sie der Position der Ratte in einem bestimmten Moment folgt, sondern indem sie auf Grund ihrer Erinnerung daran, wie andere Ratten in der Vergangenheit liefen, die Position der Ratte vorwegnimmt. Wenn sich eine Organisation selbst lenken, insbesondere wenn sie ihre Ziele ändern kann, nennen wir sie eine selbständige Organisation. Die Selbständigkeit der Organisation, die den Zielwert automatisch ändert, liegt in ihrer Gedächtnisfunktion und ihrer Fähigkeit, Erinnerungen aus dem Speicher aufzurufen. Je besser der Speicher und je rascher der Aufruf, um so selbständiger wird die Organisation wahrscheinlich sein. Das Speichern von Information, das es der Organisation gestattet, verschiedene mögliche Vorgehensweisen bereitzustellen, ist ein Lernvorgang. Das Lernen kann zu einer Neukombination der inneren Kanäle der Organisation oder der Nachrichtenverbindungen führen. Die Struktur der lernenden Organisation verändert sich im Laufe der Zeit. So zum Beispiel können die Schaltungen in einer Telephonvermittlung durch Neugestaltung eines Teiles der elektrischen Anlage erweitert werden, so daß sie die „ N u m m e r n " einer größeren Anzahl von Teilnehmern umfaßt. Vergrößerte Speicher erfordern im allgemeinen kompliziertere wechselseitige Beziehungen innerhalb eines Systems von Nachrichtenverbindungen. Physiologisch ausgedrückt bedeutet besseres Gedächtnis eine größere Zahl von Verknüpfungen zwischen den Nervenzellen. Für einen Bibliothekar bedeutet ein besserer Speicher ein umfassenderes System von Hinweisen auf den Karteikarten. Nachdem wir festgestellt haben, worin die in einer Organisation, die den Zielwert „automatisch" ändert, auflaufenden Nachrichtenübermittlungs- und Lenkungsprozesse bestehen, stellen wir die Frage: Welchen Veränderungen unterliegen diese Prozesse im Laufe der Zeit ? Wie entwickeln sich die internen Nachrichtenkanäle der Organisation? Wie geraten sie außer Gebrauch? Wie bleiben sie in Verwendung ? Wo ist der Sitz des Speichers der Organisation ? Welche Informationen werden im Speicher aufbewahrt? Auf welche Weise werden sie gespeichert? Welche Art von Information wird dem Speicher entnommen? Welchen Inhalt hat der Speicher; wie verändert sich dieser Inhalt ? Lernt die Organisation ? Werden nicht mehr benötigte Speicherinhalte zur rechten Zeit gelöscht? Werden noch benötigte Informationen irrtümlich gelöscht? Was kann die Organisation mit Hilfe ihres Speichers vorhersagen ? Bei einem mit Speicher arbeitenden System haben auch bestimmte Nachrichten gegenüber anderen den Vorrang bei der Übermittlung in den und aus dem Speicher. Die möglichen Handlungsabläufe haben für die Anwendung in bestimmten Situationen verschiedene Vorrangstufen oder Bewertungen und bei einer Untersuchung strebt man danach, diese Bewertungen zu kennen, um die Arbeitsweise des Systems zu verstehen. Wiederum ist es von Nutzen, sich die Fernsprechzentrale vor Augen zu halten. Wenn gleichzeitig zehn Anrufe einlangen, muß sich die Zentrale entscheiden, welchen sie zuerst beantwortet. Einheit, die den Zielwert durch Rückwirkung ändert Wenn eine Organisation Informationen sammeln, sie in einem Speicher aufbewahren und dann zum Zweck der Gewinnung neuer Vorgangsweisen über den Inhalt des Speichers „nachdenken" oder ihn untersuchen kann,

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4. Analyse der Organisation

dann hat sie eine neue E b e n e der Selbständigkeit erreicht. D e r Mechanismus, der verschiedene Ziele u n d Verfahren in Betracht zieht, wird in der bildhafte Vergleiche liebenden amerikanischen Ausdrucksweise m a n c h m a l als „ B e w u ß t s e i n " der Organisation 1 ) bezeichnet. I n solchen Rückkopplungssystemen dritter O r d n u n g werden Entscheidungen d u r c h „ N a c h d e n k e n " getroffen. Die Wirkweise der Organisation beginnt sich d e m zu nähern, was wir von einer wirklichen industriellen oder menschlichen Organisation erwarten w ü r d e n (vgl. Abb. 4.10). U m ein konkretes Bild davon zu bekommen, was das „ B e w u ß t s e i n " ist, stelle man sich j e m a n d e n vor, der sich entspannt in einem wohlgepolsterten S t u h l zurücklehnt u n d überlegt, was er als nächstes t u n wird — wie er seine Lage d u r c h die Vollendung irgendeiner Forschungsarbeit oder den Verkauf einer E r f i n d u n g verbessern könnte, oder ob er seiner Frau folgen m u ß , die i h m auftrug, eine neue Waschmaschine im Badezimmer zu installieren, weil der H a h n rinnt. E r entscheidet sich dafür, lieber d e m W u n s c h seiner Frau nachzukommen, als seiner Brieftasche etwas G u t e s zu t u n . Hierbei setzt er seine den Zielwert ändernden Rückkopplungskreise oder sein Bewußtsein ein. D a s bewußte Lernen kann selektiv sein u n d der großen Zahl von externen Informationsquellen diejenigen I n f o r m a t i o n e n e n t n e h m e n , die f ü r den F o r t bestand der Organisation oder andere wichtige Ziele von Bedeutung sind. D a s „ B e w u ß t s e i n " kann die Aufmerksamkeit der Organisation in eine neue Richtung lenken, ihr einige Geschehnisse bewußt machen u n d sie andere nicht beachten lassen. Es kann auf G r u n d einlangender I n f o r m a t i o n e n z u m Einschlagen neuer oder zur Aufgabe bisheriger Verhaltensweisen veranlassen, den Zustand des Nachrichtensystems in der Organisation erforschen, den Speicher der Organisation durchsuchen u n d Abweichungen zwischen verschiedenen Verhaltensweisen u n d den Zielen, durch die sie gelenkt werden, feststellen — u m nur einige der Tätigkeiten eines solchen Regelungsmechanismus dritter O r d n u n g zu nennen. D u r c h ein solches Vorgehen kann die mit einem Bewußtseinsmechanismus ausgestattete Organisation ihr eigenes Wachstum lenken. Die Möglichkeit, ihr übermittelte wesentliche Nachrichten oder im Gedächtnismechanismus entstandene brauchbare Nachrichtenkombinationen als wertvoll zu erkennen, versetzt die Organisation in die Lage, Neuerungen einzuführen. Eine solche Fähigkeit ist f ü r die meisten Organisationen außerordentlich wünschenswert, u n d daher interessiert sich der O . R . - F a c h m a n n als Industrieforscher natürlich auch f ü r das Bewußtsein der Organisation (für das, was die F ü h r u n g s k r ä f t e tun oder nicht tun). Die Zielwertänderung d u r c h „ N a c h d e n k e n " ist auch bei elektronischen Rechenanlagen von Interesse. So z u m Beispiel müssen Rechenanlagen u n d sich selbst reparierende Mechanismen ihrer gestörten inneren Schaltungen gewahr werden können. Ein solcher M a s c h i n e n - „ B e w u ß t s e i n s " - M e c h a n i s m u s w ü r d e folgendermaßen arbeiten: Der „ B e w u ß t s e i n s " - M e c h a n i s m u s w ü r d e bemerken, daß andere Teile der Organisation (z. B. Bestandteile oder Röhren) funktionsunfähig geworden oder d u r c h ein leistungsfähigeres Modell verdrängt worden sind. E r w ü r d e d a n n die Ersetzung der funktionsunfähigen 1 ) Vgl. insbesondere die Arbeiten von K. W. Deutsch über Wachstum und Lernen, z. B. Nationalism and Social Communication, Technology Press, Cambridge und John Wilev & Sons, New York, 1953, Kap. 8.

Einheit, die den Zielwert durch Rückwirkung ändert

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(b)

Abb. 4.10. (a) Zusätzliche Verfeinerungen der G e d ä c h t n i s f u n k t i o n : W e n n Informationen im Speicher neu kombiniert u n d neue Verhaltensweisen (durch die Maschine oder Organisation selbst) ausgearbeitet w e r d e n können, wird die Einheit vielseitiger u n d selbständiger. Die abgebildete Einheit kann einfache Vorhersagen machen, (b) Zusätzliche Verfeinerungen der G e d ä c h t n i s f u n k t i o n : Entwicklung eines ,,Bewußtseins"Mechanismus. W e n n viele E r i n n e r u n g e n kombiniert werden können u n d wenn von den vielen Kombinationen einige zur näheren Betrachtung, weiteren Neukombination usw. ausgewählt werden können, d a n n hat die Einheit eine noch größere Vielseitigkeit u n d Selbständigkeit erlangt. Die gestrichelten Linien deuten Vergleiche an zwischen dem, was geschieht, mit dem, was in der Vergangenheit geschehen ist u n d in Z u k u n f t geschehen könnte (Vorhersagen zweiter u n d dritter O r d n u n g ) . In vielen Organisationen lassen derartige Vergleiche viel zu wünschen übrig.

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4. Analyse der Organisation

oder veralteten Bestandteile durch neue oder verbesserte veranlassen. Eine solche Vorgehensweise liegt bei Rechenanlagen im Bereich der Möglichkeit, industrielle Organisationen aber handeln j e d e n T a g in dieser Weise! Es liegt nahe, von einem solchen , , B e w u ß t s e i n s " - M e c h a n i s m u s zu erwarten, daß er bei seiner Arbeit alle jene Fehler aufweist, die wir bei Einzelpersonen oder G r u p p e n von F ü h r u n g s k r ä f t e n finden, die Organisationen leiten: I r r t ü m e r , fehlerhafte Leitung, falsche Interpretation von Nachrichten, Ü b e r sehen neuer Gelegenheiten, unklar definierte Betriebsziele und anderes m e h r . Diese Unzulänglichkeiten werden in der zweiten Hälfte dieses Kapitels zur Debatte stehen. Jetzt m ö c h t e n wir aber noch ein anschauliches Beispiel bringen. N e h m e n wir an, daß eine Rechenanlage sich selbst reparieren könne. Sie m ü ß t e dann zur S t e u e r u n g dieser Reparaturen ,,Bewußtseins"-Schaltungen besitzen. W ä r e n diese Schaltungen selbst fehlerhaft u n d w ü r d e n wahllos Reparaturen an der ohnehin richtig arbeitenden Maschine anordnen, so m ü ß t e das zu einer Katastrophe f ü h r e n . Stellen wir u n s vor, daß ein b e t r u n k e n e r Elektromechaniker in einem F e r n s p r e c h a m t aufs Geratewohl Relais auseinanderlöten w ü r d e — wir erhielten ein ähnliches Ergebnis. Es wäre praktisch unmöglich, alle neugeschaffenen Fehler aufzudecken. Die Unverläßlichkeit der elektronischen K o m p o n e n t e n u n d Schaltkreise setzt heute noch der A n w e n d u n g von Selbstreparatur- u n d ,,Bewußtseins"-Mechanismen bei Rechenanlagen enge Grenzen. I n ähnlicher Weise können F ü h r u n g s k r ä f t e in industriellen Organisationen, w e n n sie ihrer V e r a n t w o r t u n g nicht gewachsen sind, V e r h e e r u n g e n anrichten. D a s O . R . - T e a m sollte aus den organisatorischen Erkenntnissen, die die Kybernetik hinsichtlich der Analyse komplexer Organisationen mit „ G e d ä c h t n i s " u n d , , B e w u ß t s e i n s " - F u n k t i o n e n gesammelt hat, den bestmöglichen N u t z e n ziehen. Eine der A u f g a b e n von O.R. mit seinen aus Fachleuten verschiedener Disziplinen zusammengesetzten T e a m s ist die Erweiterung des Gedächtnismechanismus einer Organisation, die d a d u r c h erzielt wird, daß das T e a m eine Fülle von außerhalb der Routinetätigkeit der Organisation liegenden Erkenntnissen mitbringt. D a d u r c h soll es d e m „ B e w u ß t s e i n s " - M e c h a n i s m u s der Organisation (den F ü h r u n g s k r ä f t e n ) helfen, neue Verfahren zu entwickeln u n d zu bewerten. E i n z u s a m m e n g e s e t z t e s Modell d e r N a c h r i c h t e n v e r b i n d u n g e n A b b . 4.11 soll dazu dienen, das, was wir über die N a c h r i c h t e n v e r b i n d u n g e n u n d die L e n k u n g in Organisationen gehört haben, in einen Z u s a m m e n h a n g zu bringen. D a s D i a g r a m m w u r d e von K . W . D e u t s c h als allgemeines Modell der N a c h r i c h t e n v e r b i n d u n g e n zur Beschreibung komplexer Organisationen vorgeschlagen 1 ). F ü r unsere Besprechung können wir es als Blockdiagramm eines Radarmechanismus zur Geschützsteuerung mit eingebautem Gedächtnismechanismus betrachten. Spalte I der Abb. 4.11 enthält Schaltkreise, die als einfaches Rückkopplungssystem mit festem Zielwert funktionieren. Die Schaltkreise bestehen aus einer Empfangsanlage u n d einer Ausführungsanlage (Effektor), das heißt, Die Abbildung 4.11 wurde aus K. W. Deutsch, „Models of Communication and Education" (nicht veröffentlicht), Industrial Engineering Seminar 312, Columbia Universitv, New York, 13. März 1951, mit kleinen Abänderungen übernommen. Das Diagramm von Deutsch läfit sich möglicherweise auf jede Ebene der sozialen Integration einschließlich des Individuums anwenden.

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Ein zusammengesetztes Modell der Nachrichtenverbindungen

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4. Analyse der Organisation

der Radarausrüstung für das Anpeilen der Flugzeuge und den Mechanismen für die Einstellung und das Abfeuern der Geschütze. Wenn ein Flugzeug von der Empfangsanlage entdeckt wird, werden die Einstellmechanismen der Geschütze angewiesen, dem Flugzeug bzw. seiner Position so genau wie möglich zu folgen. Durch das Hinzutreten der in Spalte II eingezeichneten Schaltkreise des Gedächtnismechanismus und der Zieländerung kann der Steuerungsmechanismus des Geschützes vorhersagen, wo das Flugzeug sein wird — also die Position des Flugzeuges vorwegnehmen, anstatt ihr sklavisch zu folgen — und somit die Zahl der Treffer erhöhen. Die Schaltkreise der Spalte II sind im wesentlichen Einheiten, die den Zielwert automatisch ändern; die Regeln für die Zielwertänderung werden vom Regelungstechniker in die Konstruktion eingebaut. Somit kann die Funktionsweise des Steuerungsmechanismus des Geschützes (durch diesen Mechanismus selbst) je nach beobachteter Flugzeugtype, Wetterverhältnissen, der vorhergesagten Qualität des Piloten usw. geändert werden. Spalte I I I , der „Bewußtseins"-Mechanismus, enthält Einheiten, die den Zielwert durch Rückkopplung ändern. Diese wurden eingezeichnet, damit der Leser die Entwicklung des ganzen Systems, von den einfachen Empfängerund Effektor-Schaltungen bis zu den kompliziertesten Rückkopplungskreisen, die ein Bewußtseinsmechanismus brauchen würde, überblicken kann. Die den „Bewußtseins"-Mechanismus bildenden Schaltkreise wurden gestrichelt gezeichnet, um anzudeuten, daß sie in normalen elektronischen Rechenanlagen noch nicht enthalten sind. Wiederum wurden zu Vergleichszwecken in Abb. 4.11 Analogien mit industriellen Organisationen eingefügt. Spalte I entspricht der Kombination zwischen der Fertigung und dem Auftragseingang, der routinemäßig Aufträge empfängt und ausführen läßt. Spalte II stellt den Bereich der Stabsstellen dar, der Registraturabteilung, der im wesentlichen routinemäßig oder auf kleine Bereiche beschränkten Verantwortlichkeit des geschäftsführenden Vizepräsidenten für die Änderung der Betriebsziele. Spalte III zeigt die Planung auf lange Sicht, die in einer normalen Organisation dem Präsidenten oder dem Verwaltungsrat obliegt. Diese Beschreibung einiger Grundzüge der Nachrichtenverbindungen und der Lenkung in Organisationen soll ein Bild davon geben, wie man das Diagramm des Nachrichtenflusses ausgestalten kann und einige der Analogien aufzeigen, die mit Hilfe des Diagramms herausgearbeitet werden können. Darüber hinaus stellt die Art der Anordnung von Schaltungen für Empfang, Ausführung und Bearbeitung, wie sie Abb. 4.11 aufweist, eine ziemlich gebräuchliche Methode bei der Zeichnung von Nachrichtenverbindungen dar. Die Schaltungen für Empfang und Ausführung werden auf der linken Seite, die Schaltungen für die Bearbeitung auf der rechten Seite des Diagramms eingezeichnet. Bevor wir weiter fortfahren, mag es vielleicht nützlich sein, noch einmal zusammenzufassen, was ein Modell der Nachrichtenverbindungen alles enthält. Zusammenfassung der Grundzüge eines Modells der Nachrichtenverbindungen Das Modell der Nachrichtenverbindungen sollte enthalten: 1. Einen Plan des Nachrichtenflusses m der Organisation. 2. Einen Einblick in die in der Organisation ablaufenden Lenkungsprozesse zur Beibehaltung oder Erreichung eines Zieles.

Wie wird ein Modelldiagramm aufgebaut ?

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3. In komplexen, zielgelenkten Organisationen gewisse Kenntnisse über das Verfahren der Zieländerung. Hierbei begegnen wir den Prozessen der Einführung von Neuerungen, des Wachstums, des Lernens, der Funktion des „Gedächtnisses" und des „Bewußtseins" sowie dem Begriff der Selbständigkeit. In jeder dieser Kategorien interessiert sich der O.R.-Fachmann für Art oder Inhalt der übermittelten und empfangenen Nachrichten. Das vollständige Modell der Nachrichtenverbindungen besteht demnach aus einer Reihe von Diagrammen über die bestehenden Verbindungen, ähnlich wie Abb. 4.11 (in der die inneren Nachrichtenkanäle der Organisation im Laufe der Zeit eine Veränderung erfahren), vermehrt um das in verschiedenen Disziplinen angesammelte Wissen über Nachrichtenübermittlung und Lenkung. Dieses Wissen kann mit Hilfe des Diagramms koordiniert werden. Wie wird ein Modelldiagramm aufgebaut ? Den ersten Schritt bei der Entwicklung eines Modells der Nachrichtenverbindungen bildet der Aufbau eines Diagramms der Nachrichtenflüsse. Für die Darstellung des Nachrichtenflusses oder der bestehenden Verbindungen zwischen Individuen in Gruppen oder zwischen größeren Elementen oder Abteilungen in einer Organisation sind zahlreiche Methoden vorgeschlagen worden. Wir wollen einige dieser Methoden mit den entsprechenden Literaturhinweisen kurz skizzieren. Zunächst wird sich der O.R.-Fachmann mehr für den Ursprung und die Bestimmung von Nachrichten interessieren als für ihren Inhalt. Die Befragung Der Zweck einer Analyse des Nachrichtenflusses ist es, herauszufinden, wer mit welcher Wirkung mit wem spricht; daher liegt es nahe, die betreffenden Personen selbst darüber zu befragen. (Von wem erhalten Sie Befehle ? Mit wem sprechen Sie am häufigsten ? Mit wem beraten Sie sich, wenn Sie Entscheidungen innerhalb ihres Aufgabenbereiches zu treffen haben ? Woher stammen die Schriftstücke, mit denen Sie zu tun haben ? Wohin senden Sie sie weiter?) Die Richtung des Nachrichtenflusses ist wichtig; man sollte bei der Untersuchung Ursprung und Bestimmung von Nachrichten sorgfältig beachten. Oft ergibt eine Umfrage über eine ganz bestimmte Art der Nachrichtenübermittlung mehr als eine ganze Reihe allgemeiner Fragen 1 ). Man informiere sich über den Weg, den bestimmte Arten von Aufträgen nehmen, z. B. bezüglich Material, Verkauf usw. (Für praktische Interviewmethoden vgl. I. F. Marcosson 2 ).) Für jede befragte Person oder jedes untersuchte Element der Organisation sollte eine Reihe von Notizen zusammengestellt werden, die die von der befragten Person empfangenen oder weitergeleiteten Formulare, Mitteilungen oder andere wichtige Nachrichten festhalten. Die von jeder Person, Abteilung oder einem sonstigem Element in der Organisation gelieferten Ergebnisse können dann wie in Abb. 4.12 graphisch dargestellt werden. Direkte Beobachtung Wenn die untersuchten Organisationen sehr klein oder sehr groß sind, wird man vielleicht die direkte Beobachtung der Befragung vorziehen. E s ') Vgl. I. Nejelski, „Communication in Practical Affairs", in L . Bryson u . a . , The Communication of Ideas, Harper and Brothers, New York, 1947. 2 ) „Adventures in Interviewing", John Lane, T h e Bodley Head, Ltd., London, 1920.

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4. Analyse der Organisation

kann sein, daß Befragungen den Nachrichtenfluß in kleinen Gruppen unterbrechen 1 ) und in großen Gruppen werden sie vielleicht gerade die wichtigsten Formen des Verkehrs nicht ans Licht bringen. Die Beobachtung ermöglicht zudem eine gute Kontrolle der Richtigkeit der bei Befragungen erzielten Antworten.

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A b b . 4.12. Vorgeschlagene M e t h o d e zur Registrierung von Angaben, die durch Bef r a g u n g eines Elementes in einer Organisation, d u r c h Stichproben aus d e m Schriftverkehr oder m ü n d l i c h e Mitteilungen oder d u r c h die direkte Beobachtung der bestehenden V e r b i n d u n g e n in einer Organisation gewonnen w u r d e n . N ä h e r e Erklärungen im Text.

Professor Oskar Morgenstern von der Universität Princeton bringt das Beispiel eines großen Lagerhauses der amerikanischen Marine, das er in Brooklyn, N. Y., untersuchte 2 ). Das Lagerhaus enthielt einen Bestand von ein bis zwei Millionen Artikeln (ungefähr zehnmal so viel wie Macy's oder General Motors). Morgensterns Untersuchung sollte feststellen, wie diese Artikel in das Lagerhaus gelangten und wie das Lager geleitet werden könnte. Durch Befragungen ergab sich, daß die meisten Artikel per Eisenbahn ankamen, und Morgenstern begann eine Analyse der Schienentransporte. Nachdem er jedoch ein paar Tage lang auf einer Verschublokomotive in den Verschubbahnhöfen herumgefahren war, bemerkte er, daß zwar die den meisten Platz einnehmenden sperrigen Warensendungen per Schiene einlangten, die kleineren, weitaus zahlreicheren und unangenehmeren Artikel aber per Lastwagen ankamen. So stellte er seine Analyse auf die Lastwagenzufuhr um, die ohne diese praktische Beobachtungsperiode vernachlässigt oder zumindest ' ) Zwei Arten der Beobachtung, die wie in A b b . 4.12 in F o r m eines D i a g r a m m s dargestellt w u r d e n , sind die soziometrische Analyse u n d die Wechselwirkungsanalyse. E i n e zusammenfassende Darstellung dieses T h e m a s findet sich bei M . Jahoda, M . D e u t s c h u n d S. W . Cook, Research Methods in Social Relations, Teil I I , T h e D r y d e n Press, N e w York, 1952, S. 562—585. Vgl. auch E. D . Chappie, Measuring Human Relations: An Introduction to the Study of the Interaction of Individuals, Genet. Psychol., 22, N r . 1, F e b r u a r 1940, R. F. Bales, Interaction Process Analysis, Addison-Wesley Press, Cambridge, Mass., 1950 u n d „ T h e Interaction Recorder", Hum. Relat., 1, S. 456—463 (1948) sowie A . Bavelas, „ C o m m u n i c a t i o n Patterns in T a s k Oriented G r o u p s " , J. Acoust. Soc. Amer., 22, S. 725—730 (1950). 2 ) Seminardiskussionen, berichtet in Industrial Engineering 312, Columbia U n i versity, F r ü h j a h r 1953.

Das endgültige Diagramm des Nachrichtenflusses

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nicht genügend beachtet worden wäre. In ähnlicher Weise mag in einer großen Firma die wirkliche Überprüfung der von einer Abteilung in die andere übermittelten Schriftstücke nützlich sein, wenn man herausfinden will, was in ihrem System der Nachrichtenverbindung tatsächlich vorgeht. Bestimmte Typen von Messungen So wie in elektrischen Stromkreisen Stromstärken und Spannungen gemessen werden, sind bei gewissen Experimenten quantitative Messungen der „Wechselwirkung" in soziologischen Gruppen — sowie die zur Durchführung solcher Messungen notwendigen Maschinen — entwickelt worden1). Das Endergebnis solcher Untersuchungen informiert uns wieder darüber, „wer mit wem sprach". Die so ermittelten Unterlagen können ebenso wie die Ergebnisse von Befragungen (Abb. 4.12) graphisch dargestellt werden. Stichproben Stichproben können bei jeder der genannten Erhebungsmethoden angewendet werden, um auf Grund einer kleineren Zahl von Beobachtungen ein Bild der bestehenden Nachrichtenverbindungen zu gewinnen. Man kann sie auch eine gewisse Zeitperiode hindurch zur Erhöhung der Genauigkeit der Analyse anwenden. So könnte man beispielsweise einen Monat lang in der Telephonzentrale der Firma täglich eine Stichprobe der zwischen den verschiedenen Abteilungen stattfindenden Gespräche machen. Um einen Überblick über die Gesamtzahl der von einer Abteilung an eine andere gehenden Nachrichten zu bekommen, würde man ferner, statt alle Schriftstücke zu zählen, eine Stichprobe des schriftlichen Nachrichtenflusses zwischen den einzelnen Abteilungen machen. (Einzelheiten über Stichprobenverfahren finden sich im Kapitel 22.) Regelmäßige und fallweise Nachrichtenflüsse Der routinemäßige Arbeitsablauf einer Organisation kann mit einem kontinuierlichen Nachrichtenfluß Hand in Hand gehen. Solche regelmäßigen Nachrichtenflüsse lassen sich mittels Befragungen oder Stichprobenverfahren leicht aufdecken. Von ebensolchem Interesse ist jedoch die gelegentliche „wichtige" Verbindung. So zum Beispiel kann die Frage „An wen wenden Sie sich, wenn Sie in dieser Abteilung Schwierigkeiten haben oder eine Notlage eintritt?" Nachrichtenkanäle enthüllen, die selten verwendet werden, aber für viele Probleme von Bedeutung sind.

Das endgültige Diagramm des Nachrichtenflusses Das Diagramm des Nachrichtenflusses wird gewöhnlich in mehreren Phasen gezeichnet. Auf Grund der gesammelten Unterlagen kann eine Reihe kleiner Bilder angefertigt und sodann zusammengefügt werden. Gewöhnlich wird Beispiele bei: Bales, ,,The Interaction Recorder", E. D. Chapple, „The Interaction Chronograph: Its Evaluation and Present Application", Personnel, 25, S. 295 —307 (1949). L. S. Christie, R. D. Luce und J. Macy, Jr., „Communication and Learning in Task-oriented Groups", Technical Report Nr. 231, Research Laboratory for Electronics, Massachussetts Institute of Technology, Cambridge, 13. Mai 1952.

K. W. Deutsch, in Political

Community

at the International

Level, Doubleday Short

Studies in Political Science, Doubleday & Co., New York, 1954, gibt 14 Messungen an, die man zur Beschreibung von Organisationen vornehmen könnte. Viele dieser Messungen werden in der einen oder anderen Form in diesem Kapitel skizziert.

94

4. Analyse der Organisation

man eine Reihe großer Darstellungen auf Packpapier oder Pauspapier benötigen. Die kleinen Bilder können so lange verschoben werden, bis sie passen. Der Ursprung einer Nachricht kann mit ihrem Bestimmungsort durch eine Linie verbunden werden. Das endgültige Diagramm sollte wie die Abb. 2.1 bis 2.5 aussehen oder, allgemein, wie Abb. 4.12. Die Zeit, die ein bis zwei Personen für den Aufbau eines Diagramms des Nachrichtenflusses (einschließlich der Erhebungen) aufwenden müssen, läßt sich je nach Größe und Kompliziertheit der untersuchten Organisation schätzungsweise mit zwei Wochen bis drei Monate angeben. Überprüfung des Diagramms Durch Befragung verschiedener Mitglieder der untersuchten Organisation kann die Richtigkeit des entworfenen Systems überprüft werden. „Halten Sie dieses Bild für richtig?". . . „Sehen Sie irgendwelche offensichtliche Fehler oder ausgelassene Nachrichtenwege ?" sind Fragen, die in diesem Zusammenhang nützlich sind. Mit ihrer Hilfe werden oft Irrtümer oder Lücken entdeckt, die man in einer verbesserten Auflage richtigstellen oder berücksichtigen kann. Man m u ß jedoch bei der Verwertung solcher Anregungen Vorsicht walten lassen und unbedingt angebliche „Fehler" nachprüfen, um festzustellen, ob es sich wirklich um Fehler handelt und nicht vielleicht um einen Irrtum seitens des Befragten. Ein weiterer Vorteil der Überprüfung des Diagramms des Nachrichtenflusses Es ist notwendig, daß das Untersuchungsteam und die Auftraggeber eine gemeinsame Basis finden, auf der die weitere Untersuchung aufgebaut werden kann. Diese wird durch Überprüfung des Diagramms gewonnen. Bei der Besprechung der in Zukunft zu behandelnden Problemkreise kann man sich bei Beschreibungen und Erklärungen auf das Diagramm des Nachrichtenflusses beziehen. Damit beruht die Diskussion zumindest teilweise auf einer Grundlage, über die sich alle einig sind. Ein Bild zu haben, auf das man hinweisen kann, auf dem man herumkritzeln oder in sechs Farben einzeichnen kann, ist bei diesen Erklärungen von größtem Wert. Eine Zeichnung ist etwas Greifbares. Das Reden über organisatorische Fragen ist es oft nicht, denn Worte haben für verschiedene Menschen eine verschiedene Bedeutung. Das Diagramm des Nachrichtenflusses trägt dazu bei, diese Unschärfe wenigstens teilweise auszumerzen. Wie setzt man ein Diagramm des Nachrichtenflusses ein ? Die Methoden zur Herstellung eines Diagramms des Nachrichtenflusses versteht man am besten, wenn man sich vor Augen hält, wofür dieses letztlich eingesetzt werden soll. Betrachten wir also die beiden Hauptverwendungszwecke, die das Diagramm für den O.R^-Fachmann erfüllt. Ferner wollen wir einige besondere Fehler aufgreifen, die das Diagramm in dem System aufdecken kann. Auswählen oder In-Beziehung-Setzen von Problemkreisen Von O.R.-Fachleuten wird des öfteren die Feststellung gemacht, daß sie durch ein Diagramm des Nachrichtenflusses am besten zu den speziellen Problemen hingeführt werden, mit denen die Organisation zu kämpfen hat 1 ). 1 ) C. W. Churchman, „Introduction", in Proceedings of the Conference on Operations Research in Production and Inventory Control, Case-Institute of Technology, Cleveland,

S. 8, 20.—22. Jänner 1954.

Gesamtbetrachtung von Fehlern

95

M i t Hilfe der an einer anderen Stelle dieses Buches besprochenen Spezialmethoden (Lagerhaltungsmodelle, Warteschlangen-Modelle, Modelle für das Aufsuchen von Bodenschätzen usw.) können sie eng umschriebene Probleme in Angriff nehmen und diese Probleme miteinander in Beziehung setzen, indem sie auf G r u n d der im Diagramm festgehaltenen wechselseitigen Zusammenhänge die Auswirkung eines Problems auf andere Vorgänge innerhalb der Organisation verfolgen. Untersuchung

der eigentlichen

Probleme

der

Nachrichtenverbindungen

In dieser Gesamtbetrachtung einer Organisation gibt es keine problematischen Punkte, keine offensichtlichen Fehler. Aber wir wollen doch sehen, ob die Organisation wirklich mit der größtmöglichen Ergiebigkeit arbeitet. W e l c h e Verbesserungen können erzielt werden? W e l c h e sinnvollen Fragen können aufgeworfen werden ? W o sind die schwachen Punkte des Systems, die bei entsprechender Beanspruchung nachgeben würden ? Oft werden Studien über den Nachrichtenfluß bis zum Eintreten einer Notlage vernachlässigt und doch können — mit einem M i n i m u m an Energie und K o s t e n — sogar an H a n d von einfachen Analysen des Nachrichtenflusses einschneidende Verbesserungen erzielt werden. Nehmen wir ein einfaches Beispiel aus dem Geschäftsleben: den Verkaufsvorgang bei Flexowritern. D e r Flexowriter ist ein modifizierter Fernschreiber, der wie eine Schreibmaschine arbeitet und einen Eingabestreifen locht. W e n n beispielsweise eine F i r m a eine Bestellung erhält, so kann eine Stenotypistin diese Bestellung (mit Lieferadresse, Lagernummer und anderen Daten) auf dem Flexowriter tippen. Dabei stellt sie automatisch auch den Lochstreifen her. Dieser Lochstreifen kann im ganzen W e r k verwendet werden, um mit großer Zeit- und Kostenersparnis Rechnungen, Lagerberichte, Lieferscheine und andere Formulare, die früher händisch geschrieben werden mußten, automatisch zu schreiben. D i e zu erzielenden Verbesserungen sind gewöhnlich Verbesserungen in der Nachrichtenübermittlung, und um diese T a t s a c h e vor Augen zu führen, zeichnet der Flexowriter-Vertreter ein Diagramm des Nachrichtenflusses der bestehenden Organisation (in der Art, wie wir es diskutiert haben). F e r n e r zeichnet er ein Diagramm unter Einbeziehung eines Flexowriters, der die Büroarbeit vereinfacht. E i n Vergleich der beiden Diagramme erlaubt eine Berechnung der zu erwartenden Kostensenkung 1 ). O . R . befaßt sich mit allen beiden hier erwähnten Anwendungsgebieten, doch da die eng umrissenen Probleme an einer anderen Stelle dieses B u c h e s besprochen werden, soll der Rest dieses Kapitels den allgemeinen Problemen des Nachrichtenflusses in einer Organisation gewidmet werden. G e s a m t b e t r a c h t u n g von F e h l e r n In S y s t e m e n der Nachrichtenverbindungen U m eine allgemeine Vorstellung davon zu bekommen, was in einem System der Nachrichtenverbindungen alles schiefgehen kann, möge der L e s e r T a belle 4.1 betrachten, in der zahlreiche Analogien zu den drei F u n k t i o n e n : 1. Empfang, 2. Bearbeitung und 3. Übermittlung von Informationen aufgezeigt werden. D i e Personen, die mit diesen Funktionen normalerweise l ) Informations- oder Datenbearbeitungsverfahren sind um so wichtiger, wenn große Rechenanlagen in die Büroarbeit eingesetzt sind. Vgl. R. G. Canning, ,,Data Processing System Requirements".

96

4. Analyse der Organisation

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130

5. Die Formulierung des Problems

1.6. M a n bestimme die Dichtefunktion x-\-h(y). Diese Dichtefunktion heißt „Funktion der Gesamtwirksamkeit'' u n d wird mit g{x) bezeichnet. Man erhält sie aus den Wirksamkeitsfunktionen fi(x) und ft*(x) nach der Formel + 00

*(*)=

\

Mu)f2(x~u)du

Abb. 5.7. Funktion der Gesamtwirksamkeit. 1.7. D a n n gilt bei Anwendung von C 0 Erwarteter Verlust (L) = j xg(x)dx (negativ) 00 00 Erwarteter Gewinn (G) — J xg(x)dx (positiv) 0 0 oo oo Erwarteter Ertrag (R) = G + L = f xg(x)dx + j xg(x)dx = J* xg(x)dx —oo 0 —oo Dies läßt sich graphisch in einer ,,Ertragsfunktion'' (Abb. 5.8) darstellen. xg(x)

Abb. 5.8. Ertragsfunktion.

131

Zusammenfassung

1.8. Man führt die Schritte 1.1 bis 1.7 für alle Maßnahmen C i , . . Cn aus und erhält m Funktionen der G e s a m t w i r k s a m k e i t g i ( * ) , . . 1.9. Man wähle das Kriterium der besten Entscheidung aus (z. B. maximaler erwarteter Ertrag). 1.10.

Man

wähle

nach

diesem

Kriterium

eine

bestimmte

Maßnahme

aus.

Möglichkeit 2 2.1. Man transformiere die in der Skala y gemessenen Größen in die Standardskala x durch x = h{y). 2.2., Man wende C an und berechne für jedes beobachtete Wertepaar von x und y die Größe x + h(y). 2.3. Aus den beobachteten Werten von [x + A(>>)] bilde man wie in Schritt 1.2 die Häufigkeitsverteilung. 2.4. Man leite wie in Schritt 1.3 die Dichtefunktion ab. Dies ist nun die Funktion der Gesamtwirksamkeit g(x). Möglichkeit 3, wenn zur Bildung der Dichtefunktionen nicht genügend Daten vorhanden sind. 3.1. Wie bei Schritt 2.1. 3.2. Wie in Schritt 2.2. 3.3. Man berechne den Durchschnitt f ü r die beobachteten Paare (transformiert und addiert). Dies ist ein Schätzwert der durchschnittlichen Gesamtwirksamkeit. 3.4. Man verwende die maximale durchschnittliche Gesamtwirksamkeit als Kriterium der besten Entscheidung. 3.5. Man berechne die durchschnittliche Gesamtwirksamkeit für jede Maßnahme u n d wähle diejenige mit maximaler durchschnittlicher Gesamtwirksamkeit aus.

KAPITEL 6

DIE

BEWERTUNG

VON

ZIELEN

Einführung Im letzten Kapitel wurde gezeigt, daß ein in sich abgeschlossenes Entscheidungsverfahren eine Methode zur Bewertung (Gewichtung) der Ziele voraussetzt, wenn das Problem mehr als ein Ziel betrifft. Ebenso wurde gezeigt, daß es bei quantitativen Zielen notwendig sein kann, die der Formulierung der Ziele zugrunde gelegten Skalen untereinander umzurechnen (z. B. eine eintägige Verzögerung der Lieferung mit einer einprozentigen Verbesserung der Marktposition zu vergleichen). Die notwendigen relativen Gewichte können in Dollar angegeben werden, indem man jedem Ziel einen Dollarwert zuordnet. Dieses Maß wäre leicht verständlich, „objektiv" und universell gebräuchlich. Die Schwierigkeiten bei der Heranziehung von Geldwertskalen sind aber offensichtlich. Viele Ziele können nicht in Geldbeträgen ausgedrückt werden. In vielen Fällen bewerten wir Dinge verschieden hoch, obwohl sie gleich viel kosten. In anderen Fällen lassen sich die Kosten nur sehr schwer bestimmen. Welchen Wert hat beispielsweise eine Verletzung, ein Leben, die Nichtlieferung eines Artikels, der Verlujt des Firmenrufes ? Derartige Ziele wurden fälschlicherweise als „nicht erfaßbar" bezeichnet. Obwohl es richtig ist, daß man sie in Geldbeträgen nicht ausdrücken kann, ist es doch möglich, sie mittels anderer Methoden zu messen, von denen eine in diesem Kapitel besprochen werden soll. Auch wenn ein Ziel grundsätzlich in Geldbeträgen ausgedrückt werden kann, wird diese Bewertung unter Umständen mit großen Schwierigkeiten oder Kosten verbunden sein bzw. es kann die Genauigkeit dieser Messung fragwürdig sein. So sind die Lagerhaltungs-, Werbungs- und Verteilungskosten eines Produktes in manchen Industrien sehr undurchsichtig, obwohl sie für die Entscheidungen der Unternehmen eine große Rolle spielen. Man kann im allgemeinen sicher sagen, daß man bei einer O.R.-Untersuchung dauernd vor der Notwendigkeit steht, in sogenannten auf Gewinn gerichteten Unternehmungen erst adäquate Schätzungen für Kosten und Gewinne vorzunehmen. Nichtsdestoweniger werden Geldwertskalen in fast allen O.R.-Untersuchungen verwendet. Wie überwindet man dabei die Schwierigkeit, Ziele in Geldbeträgen auszudrücken? Zwei Methoden sind hierfür gebräuchlich: 1. Man zieht zunächst nur jene Ziele in Betracht, die sich objektiv und genau in Geldbeträgen ausdrücken lassen und konstruiert ein Modell, in dem die Verlustfunktion dieser Ziele definiert wird. Mit Hilfe des Modells wird sodann die bezüglich dieser Verlustfunktion optimale Entscheidungsregel bestimmt. Diese Entscheidungsregel wird einem Ausschuß von Führungskräften des Unternehmens unterbreitet, die sie im Hinblick auf die

Einführung

133

„nicht erfaßbaren" Ziele beurteilen und auf Grund der Erfahrung und subjektiven Wertung abändern. Beispiel: Optimisierung eines Produktionsprozesses durch Minimisierung der gesamten erwarteten Lagerhaltungskosten und der Kosten für die Auflegung der Produktionsserien; nachher Abänderung des Planes, um Schwankungen im Arbeitskräftebedarf auszuschalten. Auf Grund des ersten Planes kann es beispielsweise notwendig sein, am Anfang jedes Monats eine große Zahl von Arbeitskräften aufzunehmen und gegen Ende des Monats wieder zu entlassen. Das „nicht erfaßbare" Ziel eines stabilen Beschäftigtenstandes würde dann bei der fachkundigen Beurteilung mit hereingenommen und der Plan so modifiziert, daß der Beschäftigtenstand während des ganzen Monats unverändert bleibt, auch wenn dieser Ausgleich eine gewisse Erhöhung der gesamten Kosten für Lagerhaltung und Auflegung der Produktionsserien zur Folge hätte. 2. Man konstruiert ein Modell, das ein „nicht erfaßbares" Ziel, etwa als lineares Glied, enthält. Wenn man zum Beispiel eine „Verknappung" als nicht erfaßbar ansieht, könnte man die Kosten des Fehlens von x Stücken in dem Modell als ein lineares Glied C\x behandeln. Die Gesamtkosten würden dann als K = C\x + sonstige einschlägige Kosten angeschrieben werden, wobei Ci unbekannt ist. Nehmen wir an, es sei möglich, das Minimum von K bezüglich x zu finden (z. B. indem wir die Ableitung von K bezüglich x bilden und

setzen). Dann können wir den Wert von x berechnen, der ein Minimum von K ergibt und auch das Minimum von K selbst. Diese minimalen Gesamtkosten werden nur von Ci abhängen. Wenn wir die Auffassung vertreten, daß die Firma tatsächlich die beste Betriebspolitik verfolgte, können wir die wirklichen Kosten als Näherungswert für das Minimum von K heranziehen. Auf Grund der Kenntnis dieses Minimums können wir nach C j auflösen. Dieser Wert von Cj ist der Wert, den die Firma wissentlich oder unwissentlich angenommen hat, vorausgesetzt, daß ihre früheren Entscheidungen optimal waren. Der Nachteil dieser Methode zur Schätzung der Werte nicht erfaßbarer Größen liegt darin, daß zur Erzielung eines Schätzwertes angenommen werden muß, daß die Wirklichkeit dem Optimum entsprach. Ihr Vorteil liegt jedoch darin, daß die Unternehmensleitung dazu erzogen wird, sogenannte nicht erfaßbare Größen quantitativ zu behandeln. Erläuterung der Methode In diesem Kapitel wird eine Methode für die Schätzung der relativen Werte in einer Gruppe von Zielen entwickelt 1 ), die anscheinend sehr allgemein anwendbar ist. Wo dies der Fall ist, kann man unter Umständen das Problem der „nicht erfaßbaren" Größen umgehen und alle Ziele durch eine gemeinsame Skala bewerten. Die in diesem Kapitel beschriebene Methode eignet sich auch für die Bewertung von Ergebnissen, gleichgültig, ob es sich dabei um Ziele handelt 1

) Andere M e t h o d e n vgl. A n m e r k u n g 1 auf S. 146.

6. Die Bewertung von Zielen

134

oder nicht. Ebenso kann man mit ihrer Hilfe Gegenständen oder Eigenschaften von Gegenständen bzw. Ereignissen, relative Werte zuordnen. Im zweiten Teil dieses Kapitels sollen einige dieser zusätzlichen Anwendungsmöglichkeiten durch praktische Beispiele erläutert werden. Sowohl die theoretischen Grundlagen als das praktische Verfahren sind einfach. Zum besseren Verständnis des Gedankenganges stellen wir uns vor, daß wir vier Holzstücke unterschiedlicher Länge vor uns haben und kein Maß zur Bestimmung ihrer Länge vorhanden ist. Nehmen wir weiter an, daß wir die relative (nicht die absolute) Länge dieser vier Holzstücke bestimmen wollen. Eine der Möglichkeiten, die uns hierfür offenstehen, ist die folgende: Wir ordnen die Holzstücke vom längsten bis zum kürzesten und nennen das längste A, das zweitlängste B, das drittlängste C und das kürzeste D. A erhält nun beispielsweise den Wert 100% und es wird für jedes der Holzstücke B, C und D geschätzt, wie groß ihre Länge — ausgedrückt in Prozenten der Länge von A — ist. Angenommen, es werden folgende Resultate erzielt: B = 60%, C = 30%, D = 20%. Nun können wir B, C und D aneinanderfügen und A mit dieser kombinierten Länge (B + C -\-D) vergleichen. Wenn unsere ursprünglichen Schätzungen stimmten, beträgt B-\-C-\-D 110% von A. Wenn dieser Vergleich jedoch zu einer Diskrepanz führt, müssen wir unsere ursprünglichen Schätzungen etwas abändern. Als nächstes vergleichen wir A mit B-\-C und erwarten, daß B-\-C gleich 90% von A ist. Dieser Vergleich liefert einen weiteren Prüfstein für unsere ursprünglichen Schätzungen. Schließlich würden wir in diesem Fall noch B mit ( C + D ) vergleichen und erwarten, daß B gleich 60/(30 + 20) oder 120% von (C + Z)) ist. Dieses Vorgehen besteht im wesentlichen aus einer systematischen Überprüfung der Schätzungen durch sukzessive Vergleiche. Die im folgenden zu beschreibende Methode deckt sich weitgehend mit der soeben dargelegten. Obwohl sie zugegebenermaßen hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit einigen Einschränkungen unterworfen ist (wie sich aus der noch zu behandelnden Additivitätsannahme ergibt), eignet sie sich doch für einen sehr großen Bereich. Die später gebrachten Beispiele fiir die Anwendung dieser Methode beruhen auf einer mündlichen Beurteilung, doch hat diese Beschränkung auf eine mündliche Beurteilung nichts mit dem Wesen der Methode zutun. SieistfürWahlhandlungen oder andere Arten, eine Wertordnung auszudrücken, ebenso geeignet. Es ist vielleicht nützlich, wenn wir der Besprechung der technischen Seite der Methode ein Beispiel dafür vorangehen lassen, wie sie in praxi funktioniert. Angenommen, wir haben einen Bewertenden (d. h. das Problem stellt sich einer einzelnen Person), und es gibt vier mögliche Ergebnisse. Verfahren

1

1. Man reiht die vier Ergebnisse nach ihrer Wichtigkeit. 0\ sei das als am wichtigsten befundene Ergebnis, O2 das nächstwichtige, O3 das drittwichtigste und O4 das am wenigsten wichtige. 2. Man ordnet dem am höchsten bewerteten Ergebnis provisorisch den Wert 1 zu; den anderen Ergebnissen ordnet man Werte zu, die zunächst ihre relativen Werte zum Ausdruck zu bringen scheinen. So zum Beispiel kann der Bewertende die Ergebnisse Oi, O2, O3 und O4 mit 1,00, 0,80, 0,50 bzw. 0,30 bewerten. Man bezeichnet diese provisorischen Werte mit V\x V2, V3 bzw. V4. Diese Werte sind als erste Näherung für die „wahren" Werte V\, V2, V3 und Vi zu betrachten.

Einführung

135

3. Nun stellt man den folgenden Vergleich an: Oi verglichen mit (O2&O3&O4) x) das heißt: wenn der Bewertende die Wahl zwischen Oi und der Kombination von O2, O3 und O4 hätte, wie würde er wählen ? Angenommen, er findet, daß 0\ vorzuziehen ist. Dann sollte der Wert von i>i so bereinigt werden, daß So zum Beispiel: m =2,00, v2 =0,80, v3 = 0 , 5 0 und v4 =0,30. Man beachte, daß die Werte von O2, O3 und O4 beibehalten wurden. 4. Nun wird O2 mit O3&O4 verglichen. Angenommen, O3&O4 wird vorgezogen. Dann ist eine weitere Bereinigung der Werte notwendig. So zum Beispiel: vi =2,00, v2 =0,70, v3 = 0 , 5 0 und vt =0,30. Jetzt steht jeder Wert mit allen Bewertungen im Einklang. 5. In diesem Fall sind die Bewertungen abgeschlossen. Es kann jedoch von Vorteil sein, diese Werte zu normieren, indem man sie durch h v j — in diesem Fall 3,50 — dividiert. Diese normierten Werte werden mit v/ bezeichnet. e i ' = 2,00/3,50 = 0,57 vi = 0,70/3,50 = 0,20 v3'= 0,50/3,50 = 0,14 v4' =0,30/3,50 = 0 , 0 9 Summe: 1,00 Voraussetzungen Bevor wir die soeben dargelegte Methode formalisieren, mag es von Nutzen sein, auf einige der kritischen Voraussetzungen hinzuweisen, die dieser Methode zugrunde liegen. Zunächst handelt es sich um formale Voraussetzungen: A-1: Jedem Ergebnis O) entspricht eine reelle nichtnegative Zahl Vj, die die wahre Bedeutung von Oj zum Ausdruck bringt. A-2: Wenn Oj wichtiger ist als O*, dann gilt V) > V/t, und wenn Oj und Oic gleich wichtig sind, dann gilt Vj = V f . A-3: Wenn Vj und F* den Ergebnissen Oj bzw. O* entsprechen, dann entspricht dem kombinierten Ergebnis O^&O* die Zahl Vj-f-V/t. A-3 versagt, wenn das Ergebnis Oi logisch das Nichtauftreten von Ergebnis O2 nach sich zisht. In diesem Fall ist das kombinierte Ergebnis O1&O2 unmöglich und besitzt daher nicht den Wert Vi + V2. Angenommen, Oi und O2 werden durch eine Skala, beispielsweise des Jahreseinkommens, charakterisiert. Oi entspreche einem Einkommen von genau 20.000 $ jährlich und O2 einem Jahreseinkommen von genau 10.000 8. Aber O1&O2 ist unmöglich und hat keinen sinnvollen Wert. Auch reduziert sich, wenn das Auftreten von Oi das Auftreten von O2 impliziert, O1&O2 auf Oi, das im allgemeinen nicht den Wert Vi + V2 haben wird. Wenn man ein Einkommen von mindestens 20.000 $ jährlich hat, so impliziert das, daß man auch mindestens 10.000 $ hat. In diesem Fall reduziert sich O1&O2 darauf, daß ein Einkommen von zumindest 20.000 $ im Jahr erreicht wird und hat sicherlich nicht den Wert Vi + V2. Die Methode ist also genaugenommen nur dort anwendbar, 1 ) Das Zeichen „ & " bedeutet die konjunktive V e r k n ü p f u n g „ u n d " , wie sie in der formalen Logik gebräuchlich ist.

136

6. Die Bewertung von Zielen

wo die verschiedenen möglichen Ergebnisse einander weder ausschließen noch gegenseitig bedingen. A-3 ist die grundsätzliche Additivitätsannahme dieser Methode. Folgesätze dieser Annahme sind: A-3a: Wenn O* gegenüber O2 vorgezogen wird, dann wird die Kombination von O* mit einem beliebigen Oj gegenüber Oj vorgezogen. Diese Bedingung wäre nicht anwendbar, wenn die ersten beiden Ergebnisse etwa „heute abend Hummer essen" und „heute abend Schwertfisch essen" wären, während das dritte Ergebnis „heute abend ein dickes Steak essen" hieße. Es könnte sein, daß man ein aus Hummer und Steak kombiniertes Essen nicht einem Essen vorzieht, bei dem es nur Schwertfisch gibt. Aber wenn man die Zielsetzungen in passender Weise neu definiert, so kann man diese Schwierigkeit leicht umgehen, zum Beispiel indem man im vorliegenden Fall die durch die Bestimmung „heute abend" auferlegte Einschränkung wegläßt. A-3b: Die Bedeutung des kombinierten Ergebnisses Oj&Ot ist gleich der Bedeutung des kombinierten Ergebnisses OkScOj. Die Reihenfolge, in der die Ergebnisse präsentiert werden oder ihre Gruppierung hat keinen Einfluß auf die Bewertung. So zum Beispiel wird vorausgesetzt, daß jemand keinen Unterschied zwischen der Kombination „Ansehen und Reichtum" und der Kombination „Reichtum und Ansehen" macht. A-3c: Wenn die Kombination Oj&Ot gleichwertig mit O* ist, dann gilt V l = 01)-. Bei dieser Methode werden auch gewisse technische Voraussetzungen gemacht: 1. Wenn jemandem ein Intervall reeller Zahlen, etwa von 0 bis 1, zur Verfügung steht, kann er eine erste Schätzung des Wertes jedes Ergebnisses durch Zuordnung von Zahlen aus diesem Intervall machen, so daß er einen Hinweis auf die Größe von V) erhält. (Wie zuvor dargelegt, werden Schätzungen von Vj mit Vj bezeichnet. 2. Die Methode bietet eine Grundlage für sukzessive Verbesserungen der Schätzwerte von Vj. Wie zuvor festgestellt, werden die Beobachtungen zwei Tests unterworfen, wovon jeder etwas darüber zutage bringt, wie wichtig der bewertenden Person die verschiedenen Ergebnisse sind. Beim ersten Test ordnet die Person den Größen Vj provisorische Werte aus einem vorgegebenen Intervall zu. Dann werden ihr bestimmte Fragen über Kombinationen von Ergebnissen unterbreitet und die Wertordnungen, die sie hier aufstellt, bieten zusätzliche Informationen über die Größen der Vj. Dabei wird angenommen, daß die Beantwortung dieser Fragen durch die ursprüngliche Bewertung, das erste Zuordnen der Zahlen, nicht eindeutig festgelegt ist. Das heißt, wenn sie etwa zunächst vi = 0,7, vi = 0,5 und 1)3 = 0,4 festlegte, so bedeutet das nicht unbedingt, daß sie beim zweiten Test die Kombination von O2 & O3 gegenüber Oi bevorzugt. Die Bewertungen beim zweiten Test können die des ersten Tests zumindest bis zu einem gewissen Grad revidieren. Diese Annahme wurde durch Daten, die mit Hilfe dieser Methode gewonnen wurden, teilweise auch praktisch bestätigt. ') M a n beachte: W e n n es ein Oj gibt, das der Bedingung A-3 c genügt, besitzt dieses bei allen Skalierungen der hier diskutierten Art den Wert Null; d. h. es gibt einen Nullpunkt der Skala, der von keiner Transformation der K-Skala beeinflußt wird. Bei den in den Literaturhinweisen 12 und 14 besprochenen sogenannten ,,Nutzen"-Messungen trifft dies nicht zu.

Einführung

137

Verläßlichkeit und Verzerrung Für die Verläßlichkeit der Schätzungen lassen sich Maße aufstellen. Gewisse noch nicht abgeschlossene Untersuchungen lassen vermuten, daß es möglich ist, Wiederholungen unter festgelegten Bedingungen vorzunehmen. Aber mit Hilfe dieser Methode erlangt man keinen Aufschluß darüber, ob das Ergebnis verzerrt ist oder nicht. Alle verfügbaren Verfahren für die Schätzung von Maßen der Wertordnung haben diesen tiefgreifenden Fehler gemeinsam. Gegenwärtig besitzen wir eigentlich keine klare und allgemein anerkannte Definition dafür, was unter einer „richtigen" Wertordnung zu verstehen ist, so daß die Verzerrung in einem gewissen Sinn nicht meßbar ist. Bei der praktischen Anwendung der Methode kommt man vielleicht mit der Zeit darauf, wie die Verzerrung geschätzt werden kann. Wir sollten hinzufügen, daß eine Schätzung dieser Verzerrung möglich wäre, wenn die Bedeutung der Größen Vj durch bestimmte Eigenschaften von unter genormten Bedingungen ausgeführten Wahlhandlungen (z. B. Wahlwahrscheinlichkeiten) ausgedrückt werden könnte. Versuche in dieser Richtung sind bereits angestellt worden 1 ), aber es bleibt noch viel zu tun übrig, wenn bei Untersuchungen verwendbare Verfahren entwickelt werden sollen. Formulierung der Methode Die allgemeine formale Darstellung der Methode zur Schätzung der Größe V] erscheint sehr kompliziert (obwohl sie es in Wirklichkeit gar nicht ist). 1. Man ordne die Ergebnisse nach der Größe ihres Wertes. Oi repräsentiere das am höchsten bewertete, O2 das am zweithöchsten bewertete,. . . und Om das am geringsten bewertete Ergebnis. 2. Man ordne Oi den Wert 1,00 zu (d.i. Vi = 100) und den anderen Ergebnissen jeweils passend erscheinende Werte. 3. Man vergleiche Oi mit O2&O3&...&O m . 3.1. Wenn Oi gegenüber O2&O3&.. .&O m vorgezogen wird, bereinige man (wenn nötig) den Wert v\, so daß üi >V% + D3 + . . . +vm. Bei dieser wie bei allen anderen Bereinigungen versuche man, die relativen Werte der bereinigten Gruppe (112, ^3 usw.) unverändert zu belassen. Man setze mit Schritt 4 fort. 3.2. Wenn Oi gleichwertig ist mit O2&O3&. . . & O m , bereinige man (wenn nötig) den Wert von v\ so, daß j>i = vi +1)3 + . . . + ® m . Man setze mit Schritt 4 fort. 3.3 Wenn 0\ niedriger bewertet wird als O2&O3&. . . &cOm, bereinige man (wenn nötig) den Wert von »1, so daß vi < + V3 + . . . + 3.3.1. Man vergleiche Oi mit O2&O3&...&O m _ 1. 3.3.1.1. Wenn Oi vorgezogen wird, bereinige man (wenn nötig) die Werte so, daß Di >V2 + ^3 + . . . Man setze mit Schritt 4 fort. 3.3.1.2. Wenn Oi gleichwertig ist, bereinige man (wenn nötig) die Werte so, daß i>i = V2 + V3 + . . . + 1. Man setze mit Schritt 4 fort. 3.3.1.3. Wenn v\ niedriger bewertet wird, bereinige man (wenn nötig) die Werte so, daß vi < V2 + ^3 + . . . + Vgl. C. W . C h u r c h m a n u n d R. L . Ackoff, „ A n Experimental Definition of Personality", Phil. Sei., 14, N r . 4, S. 304—332 (Oktober 1947).

138

6. D i e B e w e r t u n g v o n Zielen

3.3.1.3.1. Man vergleiche Oi mit O 2 & O 3 & . . . & O m - 2 usw., bis entweder Oi dem kombinierten Rest vorgezogen wird, worauf man mit Schritt 4 fortsetzt, oder bis der Vergleich von Oi mit O 2 & O 3 abgeschlossen ist und man mit Schritt 4 fortsetzt. 4. Man vergleiche O2 mit O 3 & O 4 & . . . & O m und setze fort wie in Schritt 3. 5. Man fahre fort, bis der Vergleich von Om_% mit 0 m abgeschlossen ist. 6. Man verwandle jedes vj in einen normierten Wert vj\ indem man es durch 2 vj dividiert. Dann ist 2t>/ gleich 1. Man beachte, daß die so erhaltenen Schätzwerte durch das Weglassen oder Hinzufügen eines Ergebnisses berührt werden können. Die für eine Gruppe von Ergebnissen geschätzten Werte werden sich im Laufe der Zeit ändern, wenn die wahren Werte eine solche Änderung erfahren 1 ). Die soeben beschriebene Methode eignet sich nicht besonders gut für jene Fälle, wo man es mit sechs oder sieben Ergebnissen zu tun hat. Sie ist dann zu umständlich. Ein für solche Fälle besser geeignetes Verfahren soll daher im nachstehenden beschrieben werden. Verfahren 2 1. Man ordne die Ergebnisse nach ihrem Wert, ohne ihnen Zahlen zuzuordnen. 2. Man wähle darunter zufallsartig ein Ergebnis aus. Dieses (Standard-) Ergebnis werde mit Os bezeichnet. (Eine andere Möglichkeit besteht darin, als O, jenes Ergebnis zu wählen, das die oberste Stelle in der Rangordnung besitzt.) Dann fasse man die übrigen Ergebnisse durch zufällige Zuordnung in Gruppen von höchstens je fünf zusammen, womöglich (obwohl nicht unbedingt) in Gruppen gleicher Größe. Jedes von O s verschiedene Ergebnis sollte in einer und nur einer Gruppe aufscheinen. 3. Man füge 0„ zu jeder Gruppe hinzu und ordne ihm den Wert 1,00 zu = 1,00). 4. Man wende die Schritte 1 bis 5 von Verfahren 1 an, um für die Ergebnisse jeder der in Schritt 3 des Verfahrens 2 gebildeten Gruppen nichtnormierte Werte zu erzielen, vermeide es aber, bei der Bereinigung der Größen V) den Wert von vs zu verändern. 5. Man vergleiche die durch die Schritte 2 bis 4 des Verfahrens 2 erzielte Rangordnung mit der in Schritt 1 erzielten. Sind sie voneinander verschieden, überprüfe man die ursprüngliche Rangordnung noch einmal und wiederhole nötigenfalls die Schritte 2 bis 4 dieses Verfahrens. 6. Sobald die Resultate miteinander in Einklang stehen, normiere man die in Schritt 5 des Verfahrens 2 gewonnenen Werte dadurch, daß man jedes V] durch 2 Vj dividiert. Das soeben beschriebene Verfahren läßt sich durch folgendes Beispiel erläutern: Angenommen, wir haben zehn Zielsetzungen. 1. Sie mögen folgende Rangordnung besitzen: 0 i , 0 2 , . . .Ojo. 2. Nehmen wir an, die Zufallsauswahl führe zu O7 als Standard-Ergebnis. 1 ) A u ß e r d e m k a n n n a t ü r l i c h d u r c h eine W a h l des Intervalls, in d e m die z u g e o r d n e t e n W e r t e liegen, die Skala d e r Vj beliebigen S t r e c k u n g e n u n t e r w o r f e n w e r d e n .

139

Praktische Beispiele

3. Die zufällige Zuteilung der übrigen Ergebnisse möge zu folgender Gruppierung führen: (b) (c) Oi Oe 05 O10 09 03 Og 02 O4

«

4. O7 wird zu jeder G r u p p e hinzugefügt u n d erhält den W e r t 1,00. 5. A n g e n o m m e n , wir erhalten folgende nichtnormierte W e r t e : « a 6 = l,35 f 10 = 0,60 «2=2,70 27 = 1,00

(b) »5 = 1,50 09 = 0,75 24 = 1,80 27 = 1,00

(c) 21 = 3,60 23 = 3,00 28=0,90 27 = 1,00

6. Ein Vergleich mit Schritt 1 zeigt, daß die Reihenfolge von O2 u n d O3 vertauscht w u r d e . W e n n m a n die ursprüngliche R a n g o r d n u n g i m m e r noch als richtig ansieht, müssen die W e r t e von O2 bzw. O3 in ihren G r u p p e n neuerlich bereinigt werden. Die Schritte werden d a n n wie zuvor d u r c h g e f ü h r t . N e h m e n wir jedoch an, es werde beschlossen, daß die berechnete Rangordnung, u n d nicht die in Schritt 1 erzielte, die richtige ist. D a n n werden die in Schritt 5 ermittelten W e r t e normiert ( i n d e m m a n j e d e n W e r t d u r c h 17,2 dividiert), so d a ß m a n erhält: Vi = 0,21 Vi = 0,08 v7 = 0,06 22' = 0,16 23' = 0,17 28 = 0,05 24' = 0,10 29 = 0,04 V» = 0,09 ®10 = 0,03 Bei j e d e m dieser Beispiele wird vorausgesetzt, daß die Bewertung v o n einer einzigen Person d u r c h g e f ü h r t wird. I n vielen Fällen kann es wünschenswert sein, daß dies d u r c h eine G r u p p e geschieht, besonders w e n n die in F r a g e stehende E n t s c h e i d u n g d u r c h eine G r u p p e getroffen w e r d e n m u ß . I n einem solchen Fall kann f ü r j e d e n Vergleich ein G r u p p e n v o t u m eingeholt werden, wobei sich die E n t s c h e i d u n g nach d e m Urteil der Majorität richtet. I n der Praxis ist dieses Verfahren gar nicht so umständlich, wie es erscheinen mag. I n m a n c h e n Fällen mag es wünschenswert sein, d a ß die einzelnen M i t glieder der G r u p p e die Bewertung unabhängig voneinander v o r n e h m e n . D a n n kann m a n j e d e m Ergebnis den D u r c h s c h n i t t der von den verschiedenen Mitgliedern zugeordneten W e r t e z u o r d n e n . Praktische Beispiele W i r wollen n u n zwei Fälle besprechen, in denen die in diesem Kapitel erläuterte M e t h o d e angewendet w u r d e . Beim ersten Fall handelt es sich nicht u m eine O . R . - U n t e r s u c h u n g ; es lassen sich j e d o c h aus i h m eine Reihe von Anregungen e n t n e h m e n , wie m a n dieses Bewertungsverfahren außer bei der P r o b l e m f o r m u l i e r u n g auch noch anderweitig verwenden kann.

140

6. Die Bewertung von Zielen

Fall 71) Die allgemeine Definition eines Fehlers ist: Eine unerwünschte Eigenschaft, welche die Verkäuflichkeit eines Produktes beeinträchtigt. Wie groß diese Beeinträchtigung bei jedem in Frage kommenden Fehler ist, läßt sich nicht direkt in Zahlen ausdrücken und wird daher durch die subjektive Beurteilung auf G r u n d der Erfahrung und industriellen Praxis bestimmt. U n glücklicherweise gibt es ebenso viele Meinungen über die relativen Nachteile bestimmter Fehler wie Personen, die diese Meinungen abgeben. Unter diesen Umständen ist es durchaus möglich, daß das gleiche Los von Fertigprodukten entweder angenommen oder verworfen wird, je nachdem, welche Normen man zugrunde legt und auf welchen subjektiven Meinungen diese Normen beruhen. Es besteht das dringende Bedürfnis nach einer Methode, die es ermöglicht, verschiedene Grade von Fehlern zahlenmäßig zu bewerten. Dann kann man leicht allgemein akzeptable Stichprobenverfahren f ü r die planmäßige Materialprüfung ausarbeiten und auf diese Weise ein objektives Urteil über die Qualität eines Loses fällen. Wir wollen nun eine solche Methode darlegen und ihre Anwendung erläutern. Die Methode der Rangordnung. Die hier zu besprechende Methode ist eine Modifizierung der soeben beschriebenen Rangordnungsmethode, die als Grundlage f ü r Entscheidungen betriebspolitischer Natur dienen soll. Sie beruht auf der subjektiven Beurteilung, durch die man quantitative Beziehungen feststellt, die durch theoretische Betrachtungen oder die Ergebnisse früherer Untersuchungen nicht ermittelt werden können. Man gewinnt diese Beurteilungen entweder von Einzelpersonen oder von mehreren Personen gemeinsam und erhält so einen Hinweis auf die Rangordnung, die jede Größe verglichen mit dem Wert von Kombinationen von Größen desselben Systems besitzt. Die letzte Entscheidung wird nach wiederholten Neubewertungen jeder Größe getroffen und an Hand einer willkürlichen Skala eine relative Rangordnung festgelegt, die mit jeder während des Bewertungsprozesses aufgetretenen Bewertung im Einklang steht. Der erste Schritt bei diesem Verfahren besteht darin, daß man die Größen nach der Rangordnung ihrer Wichtigkeit reiht. Der an der Spitze der Liste stehenden Größe ordnet man willkürlich den Wert 100 zu, den übrigen Größen Werte, die andeuten, welche Bedeutung ihnen schätzungsweise im Vergleich zu dieser wichtigsten Größe zukommt. Diese Werte sind qualitativer Natur und dienen lediglich als eine vorübergehende Reihung bis zu einer späteren Bereinigung. Dann wird die Einzelperson, oder die Gruppe, ersucht, eine Meinung darüber abzugeben, welchen Wert die oberste Größe, verglichen mit der kombinierten Wirkung der zweiten und dritten Größe der Liste, besitzt. Auf diese Frage gibt es drei mögliche Antworten: 1. Die oberste Größe ist wichtiger als die Größen zwei und drei zusammengenommen; 2. sie ist weniger wichtig; 3. beide sind gleich wichtig. I m Falle der ersten Antwort muß der Wert 100 der ersten Größe größer sein, als der kombinierte Wert der für 1 ) Nachstehender T e x t ist ein Abschnitt aus dem in Industrial Quality Control, XI., N r . 1, 9—12 (Juli 1954) erschienenen Artikel von Paul Stillson, ,,A M e t h o d for Defect Evaluation", der hier mit freundlicher Erlaubnis des Autors u n d des Herausgebers abgedruckt wird.

Praktische Beispiele

141

diesen Vergleich herangezogenen zweiten und dritten Größe. Umgekehrt muß letzterer über 100 liegen, wenn die zweite Antwort gegeben wird. Im Falle der dritten Antwort müssen beide Werte natürlich gleich groß sein. Dieses Verfahren wird so lange wiederholt, bis die erste Größe mit allen Kombinationen von je zwei Größen verglichen worden ist. Jedes Urteil wird festgehalten, und Bereinigungen werden in Einklang mit bestehenden und früheren Urteilen durchgeführt. In ähnlicher Weise wird die zweite Größe mit Kombinationen von Größen verglichen, die in der ursprünglichen Liste eine niedrigere Rangordnung haben. Dies wird so lange fortgeführt, bis jede Größe bewertet und die zugeordneten Zahlen so bereinigt worden sind, daß sie mit den einzelnen Urteilen im Einklang stehen. Durch die laufende Bereinigung der ursprünglichen Bewertungen ist es durchaus möglich, daß die ursprüngliche Rangordnung schließlich über den Haufen geworfen wird. Wenn es zu bedeutenden Umstellungen kommt, ist unter Umständen die Aufstellung einer neuen Rangordnung und ein zweites Durchprobieren erforderlich, obwohl man das schon in den frühen Stadien des Verfahrens erkennen sollte. Anwendung der Methode. Die Überprüfung von Medikamentenpackungen in der pharmazeutischen Industrie ist ein Musterbeispiel für einen Vorgang, bei dem das eben geschilderte Verfahren zur Anwendung gelangt. Bei diesem Kontrollvorgang treten sowohl Fehler qualitativer als auch quantitativer Art auf, und beide Arten von Fehlern beeinflussen die Qualität des Produktes. Beide haben einen unterschiedlichen Einfluß auf die Annahme bzw. Ablehnung eines Loses und müssen dementsprechend gewichtet werden. Eine Aufstellung der Fehler ist das Ergebnis sorgfältiger Beurteilungen durch einen verantwortlichen Kader innerhalb der Prüfstelle. In dem zur Debatte stehenden Fall wurde jeder Fehler als qualitatives Merkmal betrachtet und lag somit bei den einzelnen Phiolen vor oder nicht. Die einzige Begrenzung für die Berücksichtigung eines Fehlers lag in seiner Definition, so daß jeder Fehler zur Ablehnung eines Loses führen konnte, wenn er bei hinreichend vielen Packungen eines Loses auftrat. Die früheren Normen für die Annahme oder Verwerfung einzelner Lose basierten auf der Unterteilung der Fehler in zwei Kategorien: größere Fehler und kleinere Fehler. Es wurde willkürlich festgelegt, daß zehn kleinere Fehler, gleichgültig welcher Art, einem größeren Fehler entsprechen. Diese Art der Bewertung ist in der industriellen Praxis sehr häufig anzutreffen. Innerhalb des verantwortlichen Stabes gingen jedoch die Meinungen hinsichtlich der Gleichwertigkeit von größeren und kleineren Fehlern bzw. der Unterscheidung zwischen beiden Fehlerarten sehr auseinander. Es wurde daher als wünschenswert empfunden, eine Norm für die Qualitätsbeurteilung zu schaffen, der der gesamte Stab zustimmte und in deren Rahmen jeder Fehler eine entsprechende zahlenmäßige Bewertung erfahren konnte. Bei diesem Experiment bestand der Kader aus neun Leuten mit sehr unterschiedlichen Begriffen hinsichtlich der relativen Bedeutung der in Frage stehenden Fehler. Man bediente sich bei der Reihungsmethode der Gruppenmeinung, indem man sich bei jedem Vergleich an das Urteil der Majorität hielt und die Gruppenentscheidung als Einzelantwort betrachtete. Die zu bewertenden Fehler wurden besonders definiert, um sicherzugehen, daß die neun Mitglieder des Stabes bei ihren Urteilen von den gleichen Grund-

142

6. Die Bewertung von Zielen

lagen ausgingen. Die Beurteilungen erfolgten durch offene Stimmabgabe, wobei allerdings eine Diskussion der einzelnen Antworten ausgeschlossen war. Die jeder Beurteilung entsprechenden Bereinigungen wurden vor den Augen der Teilnehmer durchgeführt. Versuchsergebnisse. Alle Mitglieder des Stabes wurden gebeten, eine Reihung der Fehler mit entsprechender Bewertung abzugeben. Dem an oberster Stelle der Liste stehenden Fehler wurde ein Wert von 100 und den übrigen Fehlern in absteigender Reihenfolge Zahlen zugeordnet, die ihrem Verhältnis zum höchstbewerteten Fehler entsprachen. Sodann wurde für jeden Fehler aus den zugeordneten Werten ein Durchschnitt gebildet, der als Ausgangspunkt für die Bereinigung diente. Allgemein können wir die Fehler mit den Buchstaben A bis F bezeichnen. Die ursprüngliche Zuordnung sah folgendermaßen aus: Fehler Fehler Fehler Fehler Fehler Fehler

A B C D E F

100 60 55 44 34 27

Die Teilnehmer hatten dann in der oben beschriebenen Weise eine Reihe von Vergleichen betreffend Fehlerkombinationen durchzuführen. Auf Grund jeder Beurteilung wurden die Zahlenwerte, wenn nötig, bereinigt, bis alle für Vergleichszwecke möglichen Kombinationen erschöpft waren. Tabelle 6.1 zeigt einen Ausschnitt aus einer solchen Liste der Vergleiche und Beurteilungen. Wie man sieht, war bei der ersten und zweiten Beurteilung in diesem Abschnitt keine Bereinigung notwendig, da die Summe der an zweiter und dritter Stelle stehenden Fehler von vornherein einen höheren Wert ergab, als ihn der höchstbewertete Fehler besaß. Bei der dritten Abstimmung zeigte sich jedoch, daß B und E allgemein gegenüber A höher bewertet wurden, obwohl bei der ursprünglichen Einstufung der erste Fehler der Liste mit 100 gegenüber 94 der Kombination A und E höher rangierte. Im Einklang mit der Majoritätsentscheidung wurde daher die notwendige Bereinigung durchgeführt. Im vorliegenden Fall wurde der Wert des Fehlers B willkürlich von 60 auf 70 hinaufgesetzt. Man sollte sich nie zu sehr um einzelne zu bereinigende Werte Sorgen machen, ebensowenig über das genaue Ausmaß der Bereinigung, denn die Bereinigung selbst kann unter Umständen wieder als provisorisch betrachtet und einer Neubewertung mittels späterer Vergleiche unterworfen werden. Der vierten in der Tabelle gezeigten Kombination wurde unter Heranziehung des bereinigten Wertes von B der Wert 70 zugeordnet, und sie verursachte gleichfalls keine Änderung der Tabelle. Die fünfte Beurteilung stimmte mit den bestehenden Einstufungen überein, gab jedoch einen deutlichen Hinweis auf die relative Bedeutung der in Frage stehenden Fehler. Bei der ursprünglichen Rangordnung ergibt die Summe von C und D 99, das heißt, nur um eins weniger als den Spitzenwert 100. Der Stab brachte jedoch bei der Abstimmung eine weit höhere Bewertung von A gegenüber C & D zum Ausdruck, wie aus der 7-zu-2-Majorität erkennbar ist. Man würde daher, falls eine Bereinigung der Fehler notwendig würde, dazu tendieren, die Variablen C und D weniger hoch zu bewerten.

Praktische Beispiele

143

T A B E L L E 6.1 Vergleiche von Fehlerkombinationen Beurteilung

Beurteilung Nummer

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

Vergleich

A> A> A> A> A> A> A> A> A> B> B> B> B> B> B> C> C> C> C> D>

(B&C) (B&D) (B&E) (B&F) (C&D) (C&E) (C&F) (B&C&D) (B&C&E) (C&D) (C&E) (C&F) (D&E) (D&F) (C&D&E) (D&E) (D&F) (E&F) (D&E&F) (E&F)

Ja

Nein

Gleich

2 2 3 6 7 9 9 1 1 4 6 8 9 9 2 2 1 5 0 1

7 6 5 1 2 0 0 8 8 2 1 0 0 0 5 7 8 2 7 4

0 1 1 2 0 0 0 0 0 3 2 1 0 0 2 0 0 2 2 4

Majoritätsentscheidung

nein nein nein ja ja ja ja nein nein gleich ja ja ja ja nein nein nein ja nein gleich

Die Methode der Bereinigung wurde unter Festhaltung jeder einzelnen Beurteilung wiederholt. Bei jeder Änderung wurde die sich daraus ergebende Aufstellung zur Grundlage weiterer Bereinigungen. Besonders hervorzuheben sind die Entscheidungen 10 und 20, da sie auf eine Gleichheit zwischen Gruppen von Fehlern hinweisen. In jedem Fall standen die auf G r u n d der letzten Beurteilungen vorgenommenen Bereinigungen mit allen vorherigen Beurteilungen in Einklang. Auf Grund des beschriebenen Verfahrens erzielte man schließlich folgende Endeinstufungen:

Fehler Fehler Fehler Fehler Fehler Fehler

A B C D E F

100 82 43 38 24 13

Wenn dieser Punkt erreicht ist, müssen alle Vergleiche überprüft werden und es m u ß festgestellt werden, ob die Majoritätsentscheidungen mit den endgültigen Bewertungen konform sind. Es zeigt sich, daß die Beurteilungen 10 und 20, B verglichen mit C & D und D verglichen mit E & F , zu nahe benachbarten Werten führen und trotzdem mit den anderen Vergleichen in Einklang stehen. Diskussion. Für den vorliegenden Verpackungsprozeß kann man statistische Stichprobenpläne heranziehen, indem man den an der Spitze stehenden Fehler

144

6. Die Bewertung von Zielen

als Hauptfehler annimmt und die übrigen Fehler auf Grund der vorher erwähnten Einstufungen bewertet. Der Fehler B ist demnach 0,82 des Hauptfehlers, der Fehler C 0,43 usw. Es muß festgehalten werden, daß diese Skala durch eine Majoritätsentscheidung gebilligt wurde, bevor sie der Annahmeprüfung zugrunde gelegt wurde. Wenn wir einen Stichprobenplan betrachten, wie er in den Tabellen des MIL-STD-105A enthalten ist 1 ), so stellen wir fest, daß bei einer Losgröße von 40.000 Einheiten und einem noch tolerierbaren Ausschußanteil (Acceptable Quality Level) von 0,65% maximal sieben Fehler in einer Stichprobe von 450 Einheiten zulässig sind. Um jedoch einen Unsicherheitsbereich zwischen 7000 und 8000 zu vermeiden, wurde der kritische Punkt für die Ablehnung mit einem Fehlerwert von maximal 8000 festgesetzt. Auf Grund der oben entwickelten Fehlerbewertung ist 8000 daher der größte Fehlerwert, der bei der Prüfung noch als akzeptabel betrachtet wird. Während der Überprüfung wird das Auftreten jedes Fehlers festgehalten, und die Gesamthäufigkeit eines jeden Fehlers wird mit dem für diesen Fehler festgesetzten Zahlenwert multipliziert. Indem man diese Produkte addiert, erhält man den oben erwähnten Fehlerwert, der 8000 nicht überschreiten darf, wenn das ganze Los angenommen werden soll. Umgekehrt wird, wenn der Fehlerwert größer als 8000 ist, das gesamte Los abgelehnt und zur Überarbeitung zurückgeschickt 2 ). Wie leicht zu erkennen ist, kann man durch genaues Studium der Prüfprotokolle die Ursachen der Ablehnung herausfinden und feststellen, welche Art von Überarbeitung notwendig ist. Die Überarbeitung bezieht sich in diesem Fall auf das ganze Los, das am Ende dieser 100%igen Überprüfung noch ein zweites Mal einer Zufallsstichprobe von 450 Stück unterzogen wird. Ein Beispiel für einen solchen Vorgang bietet etwa eine fehlerhafte Verschlußoperation bei der Fertigstellung der Pakete. In diesem Fall lag eine ziemlich große Zahl von Einheiten mit windschiefen Verschlüssen vor, so daß dieser Fehler den eigentlichen Grund für die Ablehnung bildete. Daraufhin wurde die ganze Serie auf ein Förderband gelegt und auf .schlechte Verschlüsse hin untersucht. Die Serie wurde dann erneut fertiggepackt und eine Zufallsstichprobe für eine zweite Kontrolle entnommen. Es wurde wieder eine alle Fehler umfassende Prüfung durchgeführt und ein zweiter Fehlerwert bestimmt, auf Grund dessen das Los dann angenommen wurde. Das Bedeutsamste an der Methode der Rangordnung war vielleicht die Tatsache, daß an die Stelle des bisherigen willkürlichen Verfahrens ein festgelegtes Standardverfahren für die Kontrolle eingeführt wurde. Durch die Aufstellung quantitativer Werte für die Annahme bzw. Verwerfung des Loses wurde der Kontrollakt dem Bereich der subjektiven Bewertung entzogen und von persönlichen Vorurteilen, betreffend die relative Bedeutung der zur Debatte stehenden Fehler, frei gemacht. Außerdem hatte die entscheidungtreffende Gruppe während des Bewertungsvorganges Gelegenheit, jeden Fehler in einer Reihe verschiedener Vergleiche zu untersuchen und daher ihre Bewertung mit größerer Sicherheit vorzunehmen. 1 ) Military Standard, Sampling Procedures and Tables for Inspection by Attributes, D e p t . of Defense, U . S . G o v e r n m e n t Printing Office, Washington, 1950. -) A n m e r k u n g der Übersetzer: Ein auf einer „ F e h l e r b e w e r t u n g " b e r u h e n d e r Stichprobenplan garantiert natürlich nicht f ü r die bei der Konstruktion des Stichprobenplans ursprünglich z u g r u n d e gelegten Sicherheitswahrscheinlichkeiten.

Praktische Beispiele

145

Schließlich sollte noch hervorgehoben werden, daß jedes Mitglied dieser Gruppe mit der endgültigen Rangordnung zufrieden war und das Gefühl hatte, daß die so erzielten Werte durchaus seiner von vornherein gehegten Ansicht über die relative Bedeutung der in Frage stehenden Fehler entsprach. Fall

in)

Die Betriebsleitung einer Firma hatte den Wunsch, bestimmte Pläne für die nächsten fünf Jahre zu bewerten. Zunächst stellte das Untersuchungsteam auf Grund des Studiums früherer Firmenentscheidungen eine Liste jener Ziele auf, die die Betriebsleitung offenbar innerhalb der nächsten fünf Jahre erreichen wollte. Dann besprach es sich darüber mit den Abteilungsleitern, um unklare Ziele zu klären oder sie entsprechend zu modifizieren und um bestehende Lücken zu schließen. Diese Ziele waren: 01. Beibehaltung der bestehenden Unternehmensleitung. 02. Garantierte 6%ige Verzinsung der Stammeinlagen der Eigentümer. 03. Die Firma sollte in der Lage sein, einen bis zu 15%igen Ertrag für die Investitionen zu erzielen, wenn der Umsatz zwischen 100 und 200% des gegenwärtigen Standes beträgt. 04. Keine Entlassungen und angemessene Beförderung des Kaderpersonals. 05. Ausgeglichene Beziehungen zu der Belegschaft (die sich beispielsweise im Fehlen von Streikdrohungen und einem Minimum an Personalaufnahmen und -entlassungen zeigen könnte). Oe. Führende technische Position. O7. Über die gesetzlichen Erfordernisse hinausgehende Dienste für die Ortsgemeinde. (Die Erfüllung der gesetzlichen Erfordernisse selbst ist eine notwendige Voraussetzung für die Arbeit des Unternehmens und wird nicht als „Ziel" angesehen.) Jedes Ziel wurde diskutiert und allem Anschein nach allgemeine Übereinstimmung über seinen Inhalt erreicht. Das Untersuchungsteam war der Ansicht, daß die Annahme der Additivität für diese Ziele gerechtfertigt sei. Jedes Mitglied des Ausschusses der Abteilungsleiter führte danH unabhängig von den anderen das Verfahren 2 durch, und man erhielt von jedem Mitglied standardisierte Werte der einzelnen Ziele. Dann setzte sich der Ausschuß zusammen, um die Ergebnisse zu diskutieren, und im Anschluß daran legte jedes Mitglied eine abschließende Bewertung der Ziele vor. In diesem Fall wurde die Stimmabgabe jedes Mitgliedes gleich behandelt, und es wurde der Durchschnitt für die z>j-Werte jedes Zieles ermittelt. (Natürlich stellt dieses Abstimmungsverfahren nur eines v on einer großen Zahl möglicher Verfahren dar. Es ist vielleicht das „demokratischeste", da es, um das Urteil einer Person zu modifizieren, Diskussionen gestattet und da alle Abstimmenden gleich behandelt werden.) Folgendes Endergebnis wurde erzielt: Oi: O2: 03: O4: O5: 06: O7:

Sicherheit der bestehenden Betriebsleitung Finanzielle Sicherheit Guter Ertrag Kaderpersonal Gute Beziehungen zur Belegschaft Führende Position in technischer Hinsicht Dienst an der Ortsgemeinde

Modifikation eines in der Praxis aufgetretenen Falles.

0,25 0,30 0,10 0,15 0,05 0,05 0,10

6. Die Bewertung von Zielen

146

D i e Betriebsleitung zog drei mögliche Vorgehensweisen in E r w ä g u n g : A : 2 0 0 % i g e Ausweitung der Tätigkeit des Unternehmens im Laufe von zwei Jahren, wobei neue Produkte erzeugt und neue M ä r k t e erschlossen werden sollten. B : Beibehaltung der gegenwärtigen G r ö ß e , mit besonderem Gewicht auf Verbesserung der derzeit erzeugten Produkte. C : Beibehaltung der gegenwärtiger 1 ! G r ö ß e mit besonderem Gewicht auf der Ersetzung weniger gewinnbringender Produkte durch neue Produkte. J e d e dieser Vorgehensweisen wurde im Detail festgelegt; hier konnten wir nur Stichproben geben. E s wurde sodann ein Ausschuß gebildet, der aus den Abteilungsleitern, den Fachleuten für die Fertigung und den Verkauf sowie Wirtschaftsberatern bestand. E r erhielt die Aufgabe, j e d e Vorgehensweise in Hinblick auf die sieben Zielsetzungen zu prüfen. D i e gemeinsame Beurteilung ergab eine Zahl zwischen 0 und 1, wobei „ 0 " bedeutete, daß das Ziel ernstlich beeinträchtigt würde, daß die Wahrscheinlichkeit, es zu erreichen, sehr gering wäre; und „ 1 " , daß die Erreichung des Zieles so gut wie sicher wäre (sehr hohe Wahrscheinlichkeit). „ 0 , 5 " bedeutete, daß die Erreichung des Zieles in keiner Weise beeinflußt würde. Das so erzielte Ergebnis ist in Tabelle 6 . 2 zusammengefaßt: T A B E L L E 6.2 Wirksamkeit von Vorgehensweisen für die Erreichung von Zielen Vorgehensweise

Oi

o2

o3

o4

o5

Oe

O,

A B C

0,4 0,9 0,7

0,2 0,9 0,7

0,8 0,2 0,4

0,8 0,3 0,3

0,3 0,8 0,7

0,6 0,4 0,8

0,8 0,3 0,5

Dabei wurde angenommen, daß diejenige Vorgangsweise, die den höchsten „Erwartungswert" lieferte, die vom Standpunkt der F i r m a beste sein würde. D e r Erwartungswert von A für alle Zielsetzungen wurde dadurch berechnet, daß man den W e r t jedes Zieles mit der Wirksamkeit von A multiplizierte und über alle Zielsetzungen summierte: W e r t der Vorgangsweise A = ( 0 , 4 - 0 , 2 5 ) + ( 0 , 2 - 0,30) + ( 0 , 8 - 0,10) + + ( 0 , 8 - 0 , 1 5 ) + (0,3 • 0 , 0 5 ) + + (0,6 - 0 , 0 5 ) + (0,8 - 0 , 1 0 ) = 0 , 4 8 5 Wert der Vorgangsweise B = 0 , 6 5 0 W e r t der Vorgangsweise C = 0,595 D e m n a c h hat B den größten Erwartungswert. Anmerkung

1

I m letzten Jahrzehnt wurde beträchtliche Arbeit hinsichtlich der F o r m u lierung formaler (axiomatischer) W e r t - (Nutzen-) Systeme geleistet. Auf G r u n d einer Anregung von Pareto 1 ) legten v. Neumann und Morgenstern 2 ) eine >) V. Pareto, Manuel d'Economie Politique, 2. Auflage, M. Giard, Paris, 1927. ) J. von Neumann und O. Morgenstern, Tkeory of Games and Economic Behavior, 2. Auflage, Princeton University Press, Princeton, 1947. Eine deutschsprachige Übersetzung erscheint demnächst im Physica-Verlag. 2

Praktische Beispiele

147

Reihe formaler Bedingungen fest, deren Erfüllung die Grundlage für ein Wertmaß Hefern würde. Im Anschluß daran wurden von Davidson, McKinsey und Suppes 1 ), Davidson und Suppes 2 ), Suppes und Winet 3 ) und anderen Wertmaße in axiomatischen Systemen definiert. Ein Großteil dieser und verwandter Arbeiten wurde in dem Buch Decision Processes4) zusammengefaßt. Dieses Werk und der Artikel von Suppes und Winet 3 ) enthalten Literaturhinweise auf dem Gebiet der Wertmessung. Der Leser wird weiters auf das von Churchman und Ratoosh herausgegebene Symposium über das Messen 5 ) hingewiesen, das eine Reihe einschlägiger Arbeiten enthält, sowie auf die — allerdings sehr theoretisch orientierte — Untersuchung von Luce 8 ). Das Problem der Ableitung eines Maßes in einer sozialen Gruppe aus den Werten der einzelnen Mitglieder der Gruppe wird als Problem der Aggregation bezeichnet. Eine ausführliche Besprechung dieses Problems findet sich bei Arrow 7 ). Der gleiche Gegenstand wird von Goodman, Coombs sowie Bush, Mosteller und Thompson in Decision Processes8) behandelt. Einige kürzlich durchgeführte experimentelle Arbeiten von Wirtschaftswissenschaftlern und Psychologen werden in einem Artikel von Edwards 9 ) zusammengefaßt. Ein kritisches Problem in diesem Stadium der Arbeit ergibt sich aus der Schwierigkeit, subjektive Schätzungen der Wahrscheinlichkeit und der Rangordnung voneinander zu trennen. Die Experimente von Mosteller und Nogee können als eine Messung des Wertes interpretiert werden, wobei eine völlige Übereinstimmung zwischen subjektiven und objektiven Wahrscheinlichkeiten angenommen wird. Verwandte Methoden werden von Davidson, Siegel und Suppes 10 ), von Siegel 11 ) und von einer Reihe von Mitarbeitern an Decision Processes unterbreitet. Eine kritische Stellungnahme zu gewissen Versuchen der Nutzenmessung findet sich bei J. Pfanzagl 12 ). D. Davidson, J. C. C. McKinsey und P. Suppes. „Outlines of a Formal Theory of Value, I " , Bericht N r . 1, Stanford Value T h e o r y Project, Februar 1954. s ) D. Davidson und P. Suppes, ,,Finitistic Rational Choice Structures", Bericht N r . 3, Stanford Value Theory Project, Februar 1955. 3 ) P. Suppes und M . Winet, ,,An Axiomatization of Utility Based on the Notion of Utility Differences", Mgmt. Sei., I, N r . 3—4, S. 259—270 (April—Juli 1955). 4 ) R. M. Thrall, C. H . Coombs u n d R. L. Davis, Decision Processes, John Wiley & Sons, New York, 1954. 6 ) C. W. Churchman und P. Ratoosh, Measurement: Definitions and Theories, J o h n Wiley & Sons, N e w York, 1959. 6 ) R. D. Luce: Individual Choice Behavior, A Theoretical Analysis, Chapman & Hall Ltd., London, 1959. 7 ) K . J. Arrow, Social Choice and Individual Values, John Wiley & Sons, New York, 1951. Einen Fehler in dem Buch von Arrow weist Julian H . Blau in „ T h e Existence of Social Welfare Functions", Econometrica, Band 25, 1957, S. 302 nach. 8 ) Vgl. Fußnote 4, S. 147. ®) W. Edwards, „ T h e Theory of Decision Making", Psych. Bull., 51, N r . 4, S. 380 bis 417 (Juli 1954). 10 ) D. Davidson, S. Siegel und P. Suppes, „Some Experiments and Related Theory on the Measurement of Utility and Subjective Probability", Bericht Nr. 4, Stanford Value Theory Project, Mai 1955. n ) S. Siegel, „ A Behavioristic M e t h o d of Obtaining a Higher Ordered Metric Scale of Utility", T h i r d Annual Meeting, Operations Research Society of America, New York, 4. Juni 1955. I2 ) J. Pfanzagl, „ A General T h e o r y of Measurement. Applications to Utility", Nav. Res. Log. Qu., Bd. 6 (Dez. 1959), S. 283—294.

T E I L III

DAS M O D E L L

Das folgende Kapitel untersucht, was ein Modell ist, welche Arten von Modellen es gibt, wie man sie konstruiert und wie man sie zur Lösung von Problemen heranzieht. Wie wir sehen werden, ist ein Modell die Darstellung eines Systems, die sich dazu eignet, die Wirkung möglicher Veränderungen innerhalb des Systems auf die Gesamtwirksamkeit desselben vorherzusagen. Von den drei zu besprechenden Typen von Modellen, den bildhaften, den analogen und den formalen, sind die letztgenannten von besonderer Bedeutung. Durch geeignete mathematische oder logische Operationen kann man auf Grund eines formalen Modells ein gegebenes Problem lösen. Es gibt im wesentlichen zwei Arten von mathematischen Methoden zur Ableitung einer Lösung oder Optimisierung des Systems: die analytische und die numerische. In bestimmten formalen Modellen gibt es Ausdrücke oder Variablen, die sich nicht genau bewerten lassen. In solchen Fällen wendet man die Monte Carlo-Methode an. Analytische, numerische und Monte Carlo-Methoden werden besprochen und erläutert. Schließlich werden Modelle für bestimmte, immer wieder auftretende Systeme kurz beschrieben. Später werden sie eingehender besprochen werden.

KAPITEL

KONSTRUKTION

7

UND AUSWERTUNG DES

MODELLS

Seiner Art nach ist ein wissenschaftliches Modell eine Darstellung eines Untersuchungsobjektes (wie z. B. eines Gegenstandes, Ereignisses, Vorganges, Systems), die der Vorhersage und der Steuerung dient. Ein wissenschaftliches Modell hat weniger die Aufgabe, etwas zu beschreiben, als etwas zu erklären. Es soll Aufschluß darüber geben können, wie sich gewisse Veränderungen des abgebildeten Sachverhalts auswirken können. Die Verwendung von Modellen gestattet es, dies durch eine Änderung des Modells zu bestimmen, anstatt durch eine Änderung des Sachverhaltes selbst. Welchen Vorteil es bietet, ein Modell zu verändern und nicht einen „wirklichen" Gegenstand oder Vorgang, ist offensichtlich, besonders dort, wo es, wie in der Astronomie, unmöglich ist, das „wirkliche" System zu verändern, oder wo, wie in komplexen industriellen Organisationen, eine solche Veränderung sehr kostspielig wäre 1 ). Aber die Bedeutung von Modellen für die Wissenschaft geht noch weit über diese offensichtlich beträchtlichen Vorteile hinaus. Da die wissenschaftliche Theorie in einigen ihrer Bereiche geradezu mit dem Modellbau identisch zu werden beginnt, folgt daraus, daß Wissenschaft ohne Modelle ebenso unmöglich wäre wie ohne Theorien. Angesichts dieser entscheidenden Stellung, die der Modellbau in der Forschung 2 ) einnimmt,, wird es sich lohnen, verschiedene Arten von Modellen, ihre wichtigen logischen Eigenschaften und einige der wichtigen Beziehungen der Modelle untereinander und gegenüber den abgebildeten Sachverhalten ausführlich zu betrachten. Wir unterscheiden drei Arten von Modellen: bildhafte, analoge und formale, die wir in großen Umrissen folgendermaßen charakterisieren wollen: 1. Ein bildhaftes Modell stellt bildlich oder sichtbar gewisse Eigenschaften eines Systems dar (wie etwa eine Photographie oder ein Flugzeugmodell). 2. Ein Analogmodell verwendet eine Reihe von Eigenschaften zur Darstellung einer anderen Reihe von Eigenschaften des untersuchten Systems (so kann z. B. für gewisse Zwecke das Fließen von Wasser durch Rohre als Analogie zum 1 ) W i r wollen natürlich nicht behaupten, d a ß das Experimentieren an wirklichen Systemen vollständig ausgeschaltet wird oder werden sollte. Eine E r p r o b u n g des Modells ist, auf lange Sicht gesehen, immer unerläßlich, u n d sie wird i m allgemeinen i m m e r Experimente am wirklichen System erforderlich machen. A u ß e r d e m sind gewisse Experimente am System dann erforderlich, wenn, wie es häufig der Fall ist, die n o t wendigen Angaben fehlen, u m das Modell zu vervollständigen u n d zu bewerten oder u m es durch die nachträgliche A n w e n d u n g auf die f r ü h e r e Entwicklung des wirklichen Systems zu ü b e r p r ü f e n . 2 ) I n den traditionellen Wissenschaften, wie in der Physik u n d Chemie, gibt es eine Reihe gebräuchlicher Modelle (etwa Atommodelle). Es w u r d e n auch bereits verschiedene typische Modelle entwickelt, die auch auf b e s t i m m t e von O.R. behandelte P r o blemklassen anwendbar sind. (Diesbezüglich wird an einer späteren Stelle diese9 Buches ein Uberblick gebracht werden.)

152

7. Konstruktion u n d A u s w e r t u n g des Modells

„Fließen" der Elektrizität durch Drähte genommen werden). Und 3. verwendet ein formales Modell Symbole zur Bezeichnung von Eigenschaften des untersuchten Systems (mittels einer mathematischen Gleichung oder eines Gleichungssystems). Dies ist, wie gesagt, nur eine Charakterisierung in groben Umrissen. In der Tat würde eine vollständige und genaue Beschreibung jeder Modellart und vor allem der zwischen diesen Arten bestehenden Beziehungen zu einer sehr verwickelten Untersuchung führen, die auch in die Gebiete der symbolischen Logik und der formalen Semantik hineinreichen wüfde. Für unsere gegenwärtigen Zwecke wollen wir einige dieser komplizierten Probleme, die durch solche Betrachtungen aufgeworfen würden, umgehen und uns auf das konzentrieren, was in unserer Skizze angedeutet wurde — wobei immer in Erinnerung bleiben soll, daß über Modelle weitaus mehr zu sagen wäre, als in diesem Kapitel besprochen werden kann. Die drei erwähnten Modellarten stellen offenbar in verschiedener Hinsicht eine Steigerung dar. Das bildhafte Modell kann man sich im allgemeinen am leichtesten vorstellen, es ist das konkreteste. Seine Aufgabe ist mehr beschreibender als erklärender Natur, das heißt, es enthüllt nur in seltenen Fällen kausale Zusammenhänge. Demnach ist es auch nicht besonders geeignet, die Wirkung vieler wichtiger Veränderungen des wirklichen Systems zu bestimmen oder vorherzusagen. Das formale Modell ist gewöhnlich am schwierigsten vorstellbar und ist das allgemeinste und abstrakteste. Es soll eher erklären als beschreiben. Daher eignet es sich zumeist gut dafür, die Auswirkungen von Veränderungen des wirklichen Systems vorherzusagen und zu bestimmen. Analogmodelle nehmen in beiden Hinsichten eine mittlere Position zwischen den bildhaften und formalen Modellen ein. Bildhafte Modelle Ein bildhaftes Modell „sieht aus" wie das, was es darstellt. Viele Photographien, Malereien und Skulpturen sind bildhafte Modelle von Personen, Gegenständen oder Szenen. Das Spielzeugauto ist ein bildhaftes Modell eines „wirklichen" Autos. Ein Globus ist ein bildhaftes Modell der Erde. Die Astronomie hat bildhafte Modelle von Teilen des Sonnensystems hervorgebracht und die Physik Modelle, die bis vor kurzem für bildhafte Modelle der Moleküle und der Atome galten. Allgemein gesprochen ist eine Darstellung insoweit ein bildhaftes Modell, als sie die gleichen Eigenschaften besitzt, wie der Sachverhalt, der repräsentiert werden soll. Diese Eigenschaften werden jedoch gewöhnlich in ihrem Maßstab verändert, das heißt, sie werden entweder vergrößert oder verkleinert. Bei einem Globus wird beispielsweise der Durchmesser der Erde verkleinert, aber der Globus hat annähernd die gleiche Gestalt wie die Erde, und die relativen Größenverhältnisse der Kontinente, Meere usw. sind ungefähr richtig. Ein Atommodell wiederum ist eine Vergrößerung, die die Atomstruktur dem bloßen Auge sichtbar machen soll. Eine Änderung des Maßstabes der dargestellten Eigenschaften macht die Handhabung leichter und billiger. Unter normalen Bedingungen können wir mit dem Modell eines Gebäudes, der Erde, eines Atoms oder eines Produktionssystems leichter arbeiten als mit den dargestellten Gegenständen selbst. Eine Versuchsanlage beispielsweise, die ein verkleinertes bildhaftes Modell einer Fabrik in natürlicher Größe darstellt, ist leichter zu handhaben als die Fabrik selbst.

7. Konstruktion und Auswertung des Modells

153

Bildhafte Modelle eignen sich besonders gut für die Beschreibung von statischen oder dynamischen Dingen zu bestimmten Zeitpunkten. So zum Beispiel kann eine Photographie oder ein Flußdiagramm ein gutes „Bild" von einer Fabriksanlage geben. I m allgemeinen ist jedoch der Einsatz bildhafter Modelle für die Darstellung von Bewegungen, wie etwa der Arbeitsabläufe einer Fabrik, schwierig. Sie eignen sich daher wenig für die Untersuchung der Auswirkungen, die Veränderungen in einem Prozeß oder einemSystem haben können. Es ist natürlich möglich, ein kleines, funktionsfähiges Modell einer Fabrik zu konstruieren. Es wäre aber im allgemeinen zu kostspielig, diese Konstruktion auszuführen und die notwendigen Veränderungen vorzunehmen, u m zu untersuchen, wie das System verbessert werden kann. So sehr ein bildhaftes Modell dem „Original" ähneln mag, so hat es doch mit den anderen Arten von Modellen immer noch gemeinsam, daß es sich von dem, was es darstellt, unterscheidet und nicht alle Eigenschaften des Dargestellten besitzt. Es werden nur jene Eigenschaften erfaßt, die für den Zweck, dem das Modell dienen soll, wesentlich sind. Ein Teil der Wirtschaftlichkeit im Gebrauch jedes Modells liegt in dieser Auswahl. Eigenschaften, die für eine Untersuchung unerheblich sind, brauchen im Modell nicht zum Ausdruck zu kommen. Dies gilt auch für nicht-wissenschaftliche Untersuchungen. So brauchen Automodelle, die für ein Parkplatzproblem herangezogen werden, keine gepolsterten Sitze und auch keine Motoren zu haben. Ebenso braucht ein Globus oder eine Landkarte für bestimmte Zwecke kein Relief aufzuweisen. Analogmodelle Beim Bau eines Modells ist es bei den meisten Gegenständen, Ereignissen, Prozessen oder Systemen nicht immer praktisch, alle einschlägigen Eigenschaften wiederzugeben, auch wenn sie vergrößert oder verkleinert werden. So zum Beispiel ist es nicht leicht, auf einem Globus die geologische Struktur der Erde wiederzugeben. Hingegen können wir die verschiedenen geologischen Formationen leicht durch verschiedene Farben darstellen. Wenn wir dies tun, ersetzen wir auf Grund bestimmter Abbildungsregeln eine Eigenschaft (geologische Struktur) durch eine andere (Farbe). Bei Landkarten, wo derartige Umformungen an der Tagesordnung sind, werden die entsprechenden Anweisungen gewöhnlich in der Zeichenerklärung gegeben. Dabei kann beispielsweise festgesetzt werden, daß eine voll gezeichnete Linie eine Straße mit harter Oberfläche und eine gebrochene Linie eine Straße zweiter Ordnung bedeutet. W e n n ein Modell eine Gruppe von Eigenschaften durch eine andere Gruppe von Eigenschaften darstellt, ist es ein AnalogmodeU. Schaubilder sind sehr einfache Analogmodelle. In Schaubildern verwenden wir Entfernungen zur Darstellung von Eigenschaften wie Zeit, Zahl, Prozentsatz, Alter, Gewicht und anderes mehr. Ein Schaubild eignet sich ebenso wie andere Analogmodelle häufig sehr gut, u m quantitative Beziehungen zwischen gewissen Größen darzustellen. Schaubilder ermöglichen es uns, vorherzusagen, wie eine Veränderung einer Eigenschaft eine andere Eigenschaft beeinflussen wird. Durch die Umwandlung von Eigenschaften in analoge Eigenschaften können wir unser Vermögen, Änderungen durchzuführen, oft steigern. Gewöhnlich ist es einfacher, ein Analogmodell Veränderungen zu unterwerfen als ein bildhaftes Modell, und es sind dabei auch im Vergleich zu bildhaften

154

7. Konstruktion und Auswertung des Modells

Modellen weniger Veränderungen erforderlich. So zum Beispiel sind Konturlinien einer Landkarte Analogmodelle des Ansteigens und Abfallens des Terrains. Es ist leichter, die Konturlinien einer zweidimensionalen Landkarte zu verändern als das Relief eines dreidimensionalen bildhaften Modells. Das Analogmodell eignet sich sehr zur Darstellung dynamischer Situationen, das heißt von Prozessen oder Systemen. Wir können oft ein Gerät herstellen, dessen Arbeitsabläufe analog zu jenen eines Produktionsvorganges in einer Fabrik sind. Wir können die abzusetzende Menge durch entsprechende Änderungen der Eingabe am Gerät ändern. Dies wäre schwierig, wenn wir ein bildhaftes Modell, etwa ein verkleinertes funktionsfähiges Modell einer Werkstatt, verwendeten. Ein weiterer Vorteil des Analogmodells gegenüber dem bildhaften Modell besteht darin, daß man es gewöhnlich mit weniger Modifikationen zur Darstellung vieler verschiedener Prozesse der gleichen Art verwenden kann. Somit ist ein Analogmodell allgemeiner als ein bildhaftes Modell. Ein ausgezeichnetes Beispiel ist das Analogmodell des Nachrichten- und Materialflusses, das in Abb. 2.1 gezeigt wird. Ein (bildhaftes) Modell des Werkes in kleinem Maßstab könnte bei der Untersuchung, welche Auswirkung bestimmte Veränderungen auf das System der Nachrichtenübertragung hätten, nicht sinnvoll eingesetzt werden. Ein Analogmodell, wie etwa ein Flußdiagramm, ist sehr einfach und für diesen Zweck sehr geeignet. Formale Modelle In einem formalen Modell werden die Komponenten des Dargestellten und ihre Beziehungen untereinander durch Symbole bezeichnet, die im allgemeinen mathematischer oder logischer Natur sind. Um die Konstruktion eines formalen Modells eines sehr einfachen Prozesses zu erläutern, betrachten wir den Lagerhaltungsprozeß in dem im Kapitel 2 besprochenen Problem. Die monatliche Produktion des monatlichen Bedarfes kann durch das folgende graphische Analogmodell dargestellt werden: Einsatz1) Lagerbestand1) Ausstoß1)

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 4.0404.04.0;OJ,0;Oj.Oj.Q|.OjO| 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

Daraus läßt sich ablesen, daß der Lagerbestand stets gleich Null ist. Wenn in jedem zweiten Monat der doppelte Monatsbedarf produziert wird, erhalten wir folgendes Analogmodell: 2

2 0|1

2 011

2 (Hl

2 0|1

2 0|1

0

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 Daraus können wir ablesen, daß der durchschnittliche Lagerbestand einem halben Monatsbedarf entspricht, tyir könnten in dieser Weise fortfahren und für jede planbare Produktionsmenge eine eigene Darstellung entwerfen. Es ist jedoch viel einfacher, diesen Vorgang symbolisch darzustellen. ') Zahl der Monatsbedarfe.

Konstruktion des Modells

155

Es sei x die Zahl der pro Produktionsserie hergestellten Monatsbedarfe. Die durchschnittliche Zahl von Monatsbedarfen im Lager läßt sich dann allgemein ausdrücken durch: x-1 2 In vielen Fällen ist es umständlich, mit Analogmodellen zu arbeiten, weil die Untersuchung einer Veränderung zeitraubend ist. So zum Beispiel sind beim Einsatz eines Analogrechengerätes für die Untersuchung der Auswirkung von Absatzänderungen auf einen Prodüktionsvorgang unter Umständen viele Rechengänge erforderlich. Wenn das System jedoch (wie im Kapitel 2) durch eine mathematische Gleichung dargestellt werden kann, lassen sich die Auswirkungen von Veränderungen durch eine mathematische Ableitung in wenigen Schritten feststellen. Wir werden uns daher in diesem und in den folgenden Kapiteln in erster Linie mit formalen Modellen befassen. Man sollte jedoch nicht übersehen, daß es Probleme gibt, auf die sich Analogiemodelle mit besserem Erfolg anwenden lassen, so zum Beispiel, wenn das betreffende System so kompliziert ist, daß die für die Konstruktion eines formalen Modells erforderliche Arbeit nicht zu bewältigen ist. Konstruktion des Modells Wie erinnerlich, war zur Formulierung des Problems eine Analyse des Systems notwendig, die die wesentlichsten Komponenten des zu untersuchenden Systems sowie die Art und Weise seiner Regelung aufdeckte. Ein Diagramm, das diesen Zweck erfüllt (wie etwa das in Abb. 2.1 gezeigte Flußdiagramm), ist entweder ein bildhaftes oder ein Analogmodell. Also wird der erste Schritt zur Konstruktion eines Modells eigentlich schon bei der Formulierung des Problems getan. Auf die Untersuchung des Systems folgt jedoch die Feststellung, welche möglichen Strategien zu bewerten sind sowie die Definition eines Maßes der Gesamtwirksamkeit. Somit besteht der nächste Schritt darin, ein Modell zu konstruieren, in dem die Gesamtwirksamkeit des Systems als eine Funktion der Werte der für das System maßgebenden Variablen ausgedrückt werden kann. Manche dieser Variablen können durch Entscheidungen der Führungskräfte verändert werden (wie etwa in dem im Kapitel 2 geschilderten Fall die Seriengröße), andere jedoch nicht (Nachfrage). Die solchen Veränderungen zugänglichen Variablen werden als „beeinflußbare" Variablen 1 ) bezeichnet. Die beeinflußbaren Variablen sind jene Merkmale des Systems, deren Ausprägungen die verschiedenen möglichen Maßnahmen darstellen. Kurz läßt sich die Rolle des formalen Modells in O.R. in symbolischer Weise folgendermaßen beschreiben: E sei das zu verwendende Maß der Gesamtwirksamkeit. X{ möge diejenigen Merkmale des Systems (Variablen) darstellen, die durch Entscheidung der Führungskräfte beeinflußt werden können, Y( die unbeeinflußbaren Merkmale des Systems. Bei der Konstruktion des Modells versuchen wir nun eine oder mehrere Gleichungen der Form E=f(Xt,Y1) ') Anmerkung der Übersetzer: In der Regelungstechnik werden solche Variablen als ,,Stellgrößen" bezeichnet.

156

7. Konstruktion und Auswertung des Modells

zu formulieren. Die Auswertung eines solchen Modells besteht darin, daß man jene Werte der beeinflußbaren Variablen Xt feststellt, für die das Maß der Gesamtwirksamkeit ein Maximum ist. Es kann natürlich auch nur eine beeinflußbare Variable vorhanden sein (z. B. die Anzahl der Serien pro Jahr in einer Gleichung für die wirtschaftliche Seriengröße). Außerdem ist es in manchen Fällen günstiger, ein Maß der (/«Wirksamkeit anstatt eines solchen der Wirksamkeit zu verwenden (z. B. lieber erwartete Kosten als erwarteter Gewinn), und die Auswertung besteht dann darin, dieses Maß zu einem Minimum zu machen. Komponenten

des

Systems

Wir können die Konstruktion eines formalen Modells des Systems damit beginnen, daß wir alle Komponenten des Systems zusammenstellen, die zur Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Arbeitsweise des Systems beitragen. Wenn die „erwarteten Gesamtkosten" als ein Maß der Gesamtwirksamkeit verwendet werden (wie es in dem im Kapitel 2 dargelegten Beispiel der Fall war), können wir mit einer Untersuchung des bei der Formulierung des Problems aufgestellten bildhaften oder Analogmodells des Systems beginnen. Wir können diejenigen Operationen und Materialien herausheben, die Kosten verursachen. Eine solche provisorische Liste könnte folgendermaßen aussehen: 1. Produktionskosten. a) Einkaufspreis des Rohmaterials, b) Frachtkosten des Rohmaterials, c) Übernahme und Einlagerung des Rohmaterials, d) Rohmateriallager, e) Produktionsplanung (Vorbereitung auf Büroebene), f) Vorbereitung auf Werkstattebene, g) Bearbeitung, h) Zwischenlager, i) Abrüsten auf Werkstattebene und Einlagerung, j) Abschluß auf Büroebene, k) Fertigteilelager. 2. Verkaufskosten. 3. Gemeinkosten. Wesentliche

und unwesentliche

Komponenten

Sobald eine vollständige Liste der Komponenten des Systems aufgestellt wurde, besteht der nächste Schritt darin, festzustellen, ob jede dieser Komponenten berücksichtigt werden soll oder nur manche. Dies geschieht dadurch, daß man für jede der angeführten Komponenten untersucht, ob sie durch die Wahl der Verfahrensweise berührt wird oder nicht. Häufig wird eine oder mehrere der Komponenten (z. B. die fixen Kosten) von den in der Untersuchung zur Auswahl stehenden Verfahren überhaupt nicht beeinflußt. Wenn es beispielsweise darum geht, die wirtschaftlichsten Produktionsmengen zu bestimmen, können wir unter Umständen die Verkaufskosten außer acht lassen, weil diese durch die Festlegung der Seriengröße nicht berührt werden. Wenn die Verkaufskosten außer acht gelassen werden, müssen wir im Auge behalten, daß die „Gesamtkosten" durch eine spezielle Art von Kosten, wie etwa „Gesamtkosten der Produktion", ersetzt werden müssen. In vielen Fällen kann,

Konstruktion des Modells

157

obwohl eine Komponente durch die zur Debatte stehende Entscheidung berührt wird, das Ausmaß der Auswirkung auf diese Komponente im Vergleich zu der Summe der Auswirkungen auf die anderen Komponenten sehr klein sein. In dem im Kapitel 2 besprochenen Beispiel wurden die Kosten des Zwischenlagers außer acht gelassen, weil ihr Beitrag zu den Gesamtkosten der Produktion minimal war. In diesem Stadium der Entwicklung des Modells mag es nicht klar sein, ob die Auswirkung einer Komponente ins Gewicht fällt oder nicht. Man kann annehmen, daß die Auswirkung vernachlässigbar ist und die Komponente zunächst außer acht lassen. Diese Annahme sollte jedoch überprüft werden, sobald die hierzu nötigen Informationen und Methoden verfügbar sind. In manchen Fällen ist der Einblick in ein System nicht klar genug, um die Sicherheit zu bieten, daß die zusammengestellten Variablen wesentlich sind. Es mag dann wünschenswert sein, diese Frage entweder experimentell oder mit Hilfe einer statistischen Auswertung der verfügbaren Daten zu prüfen. Das heißt, wir werden den Wunsch haben, experimentell oder durch Auswertung der vorhandenen Unterlagen festzustellen, ob die angeführten Variablen mit der Gesamtwirksamkeit des Systems in Zusammenhang stehen oder nicht. Wir werden Untersuchungen und Vermutungen anstellen und verifizieren, um herauszufinden, „warum" das System gerade so und nicht anders funktioniert. Kurz gesagt, wir stellen uns die Frage, welche Faktoren die beobachteten Wirkungen hervorrufen und welche Faktoren variiert werden können, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Bei dieser Art der Erforschung werden oft die Methoden der Versuchsplanung (siehe Teil IX) mit Erfolg herangezogen. So zum Beispiel wußte man bei der Untersuchung der sogenannten wichtigen Faktoren, die an der Auslösung von „blindem Alarm" in den Anlagen einer (in einem früheren Kapitel erwähnten) Wach- und Schließgesellschaft beteiligt waren, wenig über die „Ursachen" dieses schlechten Funktionierens des Alarmsystems. Eine Reihe elektrischer Stromkreise, die in Detailhandelsläden, Lagerhäusern, Fabriken usw. installiert waren, sollten über Telephonkabeln Signale an eine Zentrale weitergeben, um die Anwesenheit von Eindringlingen in den bewachten Gebäuden nach Arbeitsschluß anzuzeigen. Als Detektoren wurden photoelektrische Zellen, Relais und andere Apparate benützt. In einer unverhältnismäßig großen Zahl von Fällen wurden jedoch Signale empfangen und die Wachmannschaften der Gesellschaft alarmiert, ohne daß ein Eindringling gefunden werden konnte. Vögel, Katzen, lose schlagende Fensterflügel und verschiedene andere Faktoren wurden als mögliche „Urheber" dieser blinden Alarme in Erwägung gezogen. Man stellte eine Liste von rund 100 Faktoren auf. Mit Hilfe von statistischen Methoden und geplanten Experimenten wurden unwichtige Faktoren ausgeschieden, wodurch sich eine zahlenmäßig stark reduzierte Liste wirklich relevanter Faktoren herauskristallisierte. Kombination und Unterteilung der Komponenten Unter Umständen erweist es sich als günstig, bestimmte Komponenten des Systems zu gruppieren. So können beispielsweise der Einkaufspreis, die Fracht- und die Ubernahmekosten der Rohmaterialien in Form von „Rohmaterial-Beschaffungskosten" zusammengefaßt werden. Diese Beschaffungskosten mögen von der Seriengröße unabhängig sein. Aber selbst, wenn dies der Fall ist, dürfen diese Kosten nicht vernachlässigt werden, weil sie zu den

158

7. Konstruktion u n d Auswertung des Modells

Produktionskosten beitragen und die Kosten des Fertigteilelagers von dem in das Produkt investierten Kapital abhängen. Daher muß man, wenn man die Kapitalkosten als einen Teil der Lagerhaltungskosten ansieht, die Rohmaterialkosten berücksichtigen. Solche indirekte Auswirkungen auf das Maß der Gesamtwirksamkeit sollten nicht übersehen werden. Die Substitution von Symbolen Für jede in der verbesserten Liste verbleibende Komponente ist zu bestimmen, ob ihr Wert fix oder variabel ist. Bei variablen Komponenten sind jene Merkmale des Systems herauszufinden, die ihren Wert beeinflussen. So zum Beispiel setzen sich die Bearbeitungskosten gewöhnlich 1. aus der Zahl der bearbeiteten Einheiten, und 2. aus den Kosten für die Bearbeitung einer Einheit zusammen. Oder die Kosten des Fertigteilelagers hängen ab: 1. von der Anzahl der im Lager befindlichen Einheiten, 2. von der Lagerzeit und 3. von den Lagerhaltungskosten pro Einheit. Sobald für jede variable Komponente in der verbesserten Liste eine solche Aufgliederung durchgeführt worden ist, ordnet man zweckmäßigerweise jeder Unterkomponente ein Symbol zu. In dem im Kapitel 2 angeführten Beispiel erhielt man auf die soeben beschriebene Weise die folgende Liste von Symbolen: cj = durchschnittliche Kosten für die Vorbereitung und das Auslaufen einer Serie, Cz = durchschnittliche Rohmaterial- und Bearbeitungskosten pro Einzelteil, P = durchschnittliche monatliche Kosten der Lagerhaltung im Fertigteilelager, ausgedrückt als Bruchteil des in das Produkt investierten Kapitals, L = normale Anzahl der monatlich erforderlichen Einzelteile, R = Anzahl von Produktionsserien gleichen Umfanges pro Jahr, K = Summe der erwarteten relevanten Kosten für die Produktion der während eines Jahres erforderlichen Teile („relevant" bezieht sich auf die Vernachlässigung der Zwischenlagerkosten). Das letzte Symbol stellt das verwendete Maß der Gesamtwirksamkeit dar. In manchen Fällen können wir damit beginnen, eine einfache Gleichung zu bilden, die die Gesamtwirksamkeit eines Prozesses oder Systems als Funktion der verschiedenen durch Symbole dargestellten Komponenten ausdrückt. In anderen Fällen wird ein System von Gleichungen erforderlich sein. Zur Erläuterung des Vorganges wollen wir einen einfachen Fall betrachten, in dem nur eine Gleichung erforderlich ist. Zu diesem Zweck kehren wir zu dem im Kapitel 2 besprochenen Fall zurück und untersuchen, wie das erste (provisorische) symbolische Modell des Produktionssystems konstruiert wurde. Erläuterung der Konstruktion eines formalen Modells1) Die im vorhergehenden Abschnitt angeführten Symbole werden gemeinsam mit den nachstehenden Symbolen verwendet, die aus praktischen Gründen zusätzlich eingeführt werden: 1 ) Die Entwicklung von Gleichungen f ü r die Bestimmung wirtschaftlicher Seriengrößen bei bekanntem Bedarf geht zumindest auf die Arbeit von F. W . Harris im Jahre 1915 zurück. Erst in letzter Zeit erweiterten Wirtschaftswissenschaftler, Sta-

Konstruktion des Modells

159

N = 12L/R =-• Anzahl der Einzelteile pro Serie (wobei die Zahl 12 von der Anzahl der Monate im Jahr herrührt). KR = K/R = Summe der erwarteten relevanten Kosten pro Serie. Die erwarteten relevanten Gesamtkosten pro Serie sind die Summe dreier Komponenten: der Kosten für Vorbereitung und Abrüsten, der Fertigungsund Materialkosten und der Kosten des im Lager gebundenen Kapitals. (Veränderungen der Zwischenlagerkosten wurden als vernachlässigbar betrachtet und nicht in die gesamten relevanten Kosten einbezogen). Die Gleichung wurde in folgenden Schritten hergeleitet: Durchschnittliche Vorbereitungs- und Auslaufkosten pro Serie = ci Durchschnittliche Fertigungs- und Materialkosten pro Serie = Nc% Durchschnittliche Kosten für das im Lager gebundene Kapital:

(1) (2)

^ +

= durchschnittliche Investition pro Einzelteil bis zum Eingang in das Fertigteilelager (3 a) P (~JTJ ~t- J = durchschnittliche Lagerhaltungskosten pro Einzelteil und ^ ' Monat (3 b) NJL = Seriengröße, ausgedrückt in Monatsbedarfen (3 c) Ferner ist es notwendig, die nach Abschluß einer Produktionsserie auf Lager befindliche Menge zu bestimmen. Mit Hilfe eines graphischen Analogmodells kann man, wie es an früherer Stelle in diesem Kapitel geschah, einen Näherungswert hierfür bestimmen. Wie erinnerlich, nahmen wir damals an, daß die Einzelteile monatlich zum Zusammenbau entnommen werden und weiters, daß sie genau zum Zeitpunkt dieser Entnahme fertig werden1). Demgemäß bekommen wir, wenn in einer Serie der Bedarf für einen Monat hergestellt wird, folgendes Bild: Zugang Lagerbestand Abgang

1 1 1 4- 0 | 0 | 0

I I I

1 1 1

tistiker u n d O . R . - F a c h l e u t e diese Arbeit, indem sie auch den variablen Bedarf während der Auftragszeit mit einbezogen (vgl. Teil IV). In d e r Literatur finden sich zahlreiche Modelle in der Art des hier als Beispiel entwickelten; vgl. L . P. Alford u n d J. R. Bangs, Production Handbook, Ronald Press, N e w York, S. 99—106 (1944), F. B. Avery, „ E c o nomic M a n u f a c t u r i n g Q u a n t i t y " , Industr. Mgmt., 63, N r . 3, S. 169—170,189 ( M ä r z l 9 2 2 ) , Eugene L . G r a n t , Principles of Engineering Economy, Ronald Press, N e w York, S. 263 bis 268, 272/273 (1938), D . A. Kimball, Industriell Economics, M c G r a w - H i l l Book Co., N e w York, S. 283—287 (1929), C. A. Koepke, Plant Production Control, J o h n Wiley & Sons, New York, S. 379—387 (1941), G . H . Mellen, „Practical L o t Quantity F o r m u l a " , Mgmt.&Adm., 9, N r . 6, S. 565—566 (Juni 1925) u n d 10, N r . 3, S. 155 ( S e p t e m b e r 1925), F. E. R a y m o n d , Quantity and Economy in Manufacture, M c G r a w - H i l l Book Co., New York (1931), u n d J. Younger u n d J. Gesechelin, Work Routing, Scheduling, and Dispatching in Production, Ronald Press, N e w York, 3. Aufl., S. 52—57 (1947). J ) Das heißt, daß unser Modell sowohl diskrete Eingänge in das Lager als auch diskrete E n t n a h m e n aus d e m Lager a n n i m m t , wobei diese E n t n a h m e n unmittelbar d a n n stattfinden, wenn es z u m E i n g a n g in das Lager k o m m t . Interessanterweise gilt das so gewonnene formale Modell ebenso f ü r stetige Eingänge u n d stetige E n t n a h m e n . Ein drittes Modell, bei d e m diskrete Eingänge u n d stetige E n t n a h m e n stattfinden, ergibt eine numerisch ähnliche Gleichung, die in vielen der an f r ü h e r e r Stelle dieses Abschnitts zitierten Literaturhinweisen aufscheint.

160

7. K o n s t r u k t i o n u n d A u s w e r t u n g d e s M o d e l l s

Wird ein zweifacher Monatsbedarf auf einmal erzeugt, erhalten wir: Zugang Lagerbestand

2 11

Abgang

2 011

2 0v

1 1 1 1 1

Wird ein vierfacher Monatsbedarf auf einmal erzeugt, erhalten wir: Zugang Lagerbestand

4 v

3

2

1

•l- ^

Abgang

4 01

-l-

1 1 1 1 1

Aus diesen Diagrammen ist zu entnehmen, daß bei gleichzeitiger Erzeugung eines »-fachen Monatsbedarfes die Summe der von einer Produktionsserie herrührenden Lagerbestände in den einzelnen Monaten (im folgenden kurz als „Monatssumme" bezeichnet), ausgedrückt in Monatsbedarfen, gleich ( * - l ) + (*-2)+--- + l ist. Durch arithmetische Umformung erhalten wir daraus: 2 Die Anzahl der pro Serie erzeugten Monatsbedarfe ist aber N/L, das heißt, es gilt x=N/L. Daher ist:

N (N ^ 2L (X \ L

\L

N ¡N \ -=- j —— 11 = Monatssumme der von einer Serie her> ' rührenden Lagerbestände, ausgedrückt in Monatsbedarfen 1 ) (3d) \ ~2\~L— N ¡N \ = ^onatssumme v o n einer Serie herriihM ' \ ' renden Lagerbestände, ausgedrückt durch die Anzahl der Einzelteile (3 e) ) W ~TF C21 = durchschnittliche Gesamtkosten für LägerI \N J haltung pro Serie (3f)

Demnach ist die erwartete Summe der relevanten Kosten pro Serie

Oder, d&N= \2LjR IC

, J.

12L

,

Ar

, PC1/N

, J_ P C l l12

A , NPc2/N

A

t\ , i2LPc2(12

\

*) Die G l e i c h u n g (3 d ) gilt n u r d a n n genau, w e n n NfL eine ganze Zahl ist; a n d e r n falls liefert sie n u r einen — allerdings relativ g e n a u e n — N ä h e r u n g s w e r t .

161

Vom Modell zur Lösung

Nun ist K = R K

Daher gilt ^

* =

R

=



Ä e i

erwartete Summe der relevanten Kosten pro Jahr PciR/12

+ 12LC2 + _

-

, Pc 2 12L/12

1) +

^

-

A

l)

(5 a)

(5B)

Schließlich erhalten wir K=Re1

+ 1 2 LC

2

+

6 PC L 2

- l)

(5c)

Die Gleichung (5 c) ist ein mathematisches Modell eines sehr einfachen und sehr beschränkten Produktions-Lagerhaltungs-Systems, ausgedrückt durch die Summe der relevanten Kosten pro Jahr. Dieses Modell würde weitaus komplizierter werden, wenn die Nachfrage variabel wäre und eine Auftragszeit (Zeit zwischen Einlangen der Bestellung und Auslieferung des Produktes) berücksichtigt werden müßte. Realistischere Lagerhaltungsmodelle werden im Teil IV besprochen. Im vorliegenden Abschnitt ging es natürlich nicht darum, ein allgemeines Modell von Produktions- und Lagerhaltungsprozessen zu entwickeln, sondern vielmehr darum, die Methode, mit deren Hilfe ein formales Modell konstruiert wird, zu erläutern. V o m Modell zur Lösung

Das Modell ist ein Instrument, das uns hilft, verschiedene verfügbare Strategien richtig zu bewerten. Welches Verfahren man auswählt, um die Lösung eines Problems aus dem Modell abzuleiten, hängt von der Art des Modells ab. Diese Verfahren lassen sich in zwei Typen einteilen: analytische und numerische. Analytische Verfahren sind im wesentlichen deduktiv, während numerische Verfahren (Spielarten des systematischen Probierens) im wesentlichen induktiven Charakter besitzen. In manchen Fällen ist keines dieser Verfahren anwendbar, bevor nicht ein Ausdruck der Gleichung mit Hilfe der sogenannten Monte Carlo-Methode ausgewertet wurde. Allgemeine, numerische und Monte Carlo-Methoden sollen nun der Reihe nach betrachtet werden. Beim Bestimmen der Lösung aus dem Modell sollte sich der Leser die Tatsache vor Augen halten, daß jene Verfahrensweise, die auf Grund des Modells als die beste erscheint, in Wirklichkeit unter Umständen nicht die beste ist. Erstens deshalb, weil das Modell die Wirklichkeit vielleicht nicht genau wiedergibt. So zum Beispiel können einige relevante Variablen darin nicht berücksichtigt sein. Oder der Wert (etwa K), der in der Lösung minimisiert wird, ist vielleicht im Hinblick auf die Ziele der Untersuchung nicht das beste Maß der Gesamtwirksamkeit (z. B. kann die Minimisierung der Produktionszeit doppelt so wichtig sein wie die Minimisierung der Produktionskosten). Wenn wir von „Lösungen" sprechen, so meinen wir Lösungen im Rahmen des Modells und nicht unbedingt in bezug auf das durch das Modell dargestellte wirkliche System. Analytische Lösungen Bei dem bereits dargelegten Modell, das zur Gleichung (5 c) führte, können wir uns fragen, wie viele Einzelteile pro Produktionsserie erzeugt werden sollen, das heißt, welche Seriengröße die wirtschaftlichste ist.

162

7. Konstruktion u n d Auswertung des Modells

Bei der Untersuchung der Gleichung (Sc) zeigt sich, daß sich dieses Problem in die Frage übersetzen läßt: Welcher Wert von R (der Anzahl gleich großer Serien pro Jahr) minimisiert K (die erwarteten jährlichen relevanten Gesamtkosten) ? Eine Lösung dieser Frage kann auf mindestens zwei Arten gefunden werden. Eine graphische Lösung erhält man, wenn man für verschiedene Werte von R den zugehörigen Wert von K aufträgt und denjenigen Wert von R auswählt, für den K ein Minimum ist. Oder man kann eine allgemeine Lösung durch Verwendung der elementaren Differentialrechnung finden. In diesem Fall würden wir den Wert R, bei dem der Wert K ein Minimum wird, in Form einer Funktion der anderen Variablen erhalten. Zuerst bestimmen wir die Ableitung von K (Gl. 5c) nach R: dK Pcx ~dR=Cl~~2

72LPC2 W~

(6a)

Diese wird Null gesetzt: Pei

12LPC2 — w ~ = °

... , (6b)

Dann ist niLPa _ lHLPa (¿i —Pci/2) ~ ci (2 —P)

(

>

oder - V ; 1 (2-P)

wirtschaftlichste Serienzahl pro Jahr

(6d)

Dieser Wert von R minimisiert K, vorausgesetzt, daß &K ^ > 0

(6e)

Diese Ungleichung ist jedoch sicher erfüllt: iPK lULPcz > 0 dR2 ~ RS Schließlich ist wegen N=\2LjR gegeben durch

(6f)

die wirtschaftlichste Seriengröße NO LPcz aV-P)'

das heißt (6g)

Letzten Endes gibt also die Gleichung (6 g) in allgemeiner Form die beste Vorgangsweise für die Planung von Produktionsserien unter den durch das Modell dargestellten Bedingungen an. Wenn sich die Art des Modells ändert, ändern sich auch die mathematischen Hilfsmittel zur Ableitung einer Lösung. Bei der soeben abgeleiteten Lösung brauchte man lediglich elementare Differentialrechnung und Algebra.

Vom Modell zur L ö s u n g

163

Angenommen, das Modell enthält nicht nur eine- beeinflußbare Variable, sondern deren zwei. Das wäre beispielsweise bei einem chemischen Prozeß der Fall, in dem Produkte hergestellt werden, deren Produktion erst später getrennt vor sich geht, nachdem sie bereits einige Produktionsphasen gemeinsam durchlaufen haben. In einem solchen Fall würde die Kostengleichung die Form Yn) K=f{XuX2,YuY* annehmen, wobei X i und X2 die beeinflußbaren Variablen darstellen und Yj(j = 1,2,. . .,«) die nicht beeinflußbaren Faktoren. Um aus einem Modell dieser Art eine Lösung abzuleiten, würden wir zuerst K (partiell) nach Xi (dK/dX1) und dann K (partiell) nach X^dKjdXi) ableiten. Dann setzen wir jede der so erhaltenen Gleichungen gleich Null und lösen diese beiden Gleichungen nach X\ und Xi auf 1 ). Dieses Verfahren, das auf partiellen Ableitungen und der Lösung eines Gleichungssystems beruht, läßt sich auf Modelle mit einer beliebigen Anzahl von beeinflußbaren Variablen anwenden. Aber die Berechnungen werden mit zunehmender Zahl der beeinflußbaren Variablen immer komplizierter. In vielen Fällen dieser Art lassen sich jedoch Rechenmaschinen mit gutem Erfolg einsetzen. Eine andere Art mathematischer Komplikationen ergibt sich in dem Modell, wenn das dargestellte System in irgendeiner Weise Beschränkungen unterliegt. Nehmen wir beispielsweise an, daß in dem vorhin und im Kapitel 2 besprochenen Produktions- und Lagerhaltungsproblem die Maschinenkapazität berücksichtigt werden muß. U m zu vermeiden, daß eine höhere Produktion geplant wird, als verwirklicht werden kann, müssen wir in das Modell eine Ungleichung 2 ) einbauen, die besagt, daß die gesamte für einen bestimmten Abschnitt der maschinellen Anlage geplante Arbeitszeit die verfügbare Arbeitszeit nicht überschreiten darf. Eine solche Ungleichung könnte die nachstehende Form annehmen: nAtA + nBtB-\ \-nKtK^T (7) wobei T die gesamte in dem betreffenden Abschnitt der maschinellen Anlage verfügbare Zeit darstellt, ?IA die Anzahl der geplanten Einzelteile A, TJ die in dieser Anlage für die Herstellung eines Einzelteils A erforderliche Zeit usw. U m bei der Ableitung einer Lösung aus dem Modell eine derartige Beschränkung zu berücksichtigen, m u ß man die Methode der Lagrangeschen Multiplikatoren oder eine Variante dieser Methode heranziehen. Modelle dieser Art und ihre Lösung werden im Kapitel 10 besprochen. In vielen Fällen ist es günstiger, das untersuchte System durch ein Gleichungssystem anstatt durch eine einzige Gleichung darzustellen. Nehmen wir beispielsweise an, daß wir zwei Lieferstellen (Quellen) A und B haben, die die Materialmengen QA und QB liefern. Nehmen wir weiters an, daß zwei J ) Das Nullsetzen der partiellen Ableitungen ist n u r eine notwendige Bedingung. N o t w e n d i g e u n d hinreichende Bedingungen f ü r das M a x i m u m oder M i n i m u m einer Funktion von zwei Variablen sind in Standardlehrbüchern über Differential- u n d Integralrechnung zu finden. 2 ) Eine Ungleichung resultiert aus Beschränkungen, die in der F o r m „weniger als", „ m e h r als", „ h ö c h s t e n s " , „ m i n d e s t e n s " usw. ausgedrückt sind. Symbolisch wird „weniger als" d u r c h < , „ h ö c h s t e n s " d u r c h " . „ m e h r als" durch > u n d „ m i n d e s t e n s " d u r c h ^ ausgedrückt.

164

7. Konstruktion und Auswertung des Modells

Stellen (Bestimmungsorte) 1 und 2 dieses Material in den Mengen R% und RI benötigen, wobei RI +R-2^QA + QB- Schließlich sollen die Versandkosten pro Einheit von A nach 1 (CAi), von A nach 2 (CA2% von B nach 1 (CBI) und von B nach 2 (CB2) verschieden sein. Das Problem besteht nun darin, die Lieferungen von den Quellen A und B zu den Bestimmungsorten 1 und 2 so durchzuführen, daß die gesamten Transportkosten ein Minimum sind. Das soeben beschriebene System ist ohne Schwierigkeiten darzustellen, wenn wir ein System von Gleichungen und Ungleichungen heranziehen. Es sei NAI die Anzahl der von A nach 1 usw. zu transportierenden Einheiten. Die gesamten Transportkosten K lassen sich dann folgendermaßen ausdrücken : K = Na1Ca1+NA2Caz

+ NBICbi + NB2CB2

(8)

Wir wissen aber, daß NAI+NA2^QA NBI+NB2^QB

/Q\

K

NAI +NBI = i ? i

>

NA2+NB2=R2

Diese Situation läßt sich durch die in Tabelle 7.1 angegebene Matrix darstellen. T A B E L L E 7.1

Quelle

A B

Bei der Quelle verfügbare Menge QA QN

Am Bestimmungsort benötigte Menge

Bestimmungsort 1

2

NAI NB i

NAZ NBZ

RI

RZ

Das Problem läßt sich mit Hilfe dieser Matrix folgendermaßen formulieren: Man finde jene Werte von NAI, NA2, NBI und NB2, für welche K, die gesamten Transportkosten, ein Minimum werden, wobei die in den oben angeführten Gleichungen und Ungleichungen ausgedrückten Beschränkungen zu berücksichtigen sind. Zur Lösung eines solchen Problems ist unter U m ständen der Einsatz des Matrizenkalküls notwendig. Modelle dieser Art und ihre Lösungen werden in Teil V besprochen werden. Obwohl man ein solches Problem auch allgemein auf deduktivem Wege lösen kann, ist es oft günstiger, eine Lösung durch systematisches Probieren oder durch ein Iterationsverfahren zu gewinnen, was im nächsten Abschnitt diskutiert werden soll. Modelle können die verschiedensten mathematischen Formen annehmen, und dementsprechend können viele Arten der mathematischen Analyse notwendig sein, u m eine Lösung zu finden. Die Ableitung von Lösungen erfordert daher unter Umständen ein hohes Niveau an mathematischen Kenntnissen. Aber zur Formulierung eines Modells muß man nicht unbedingt

165

V o m Modell zur L ö s u n g

über alle Kenntnisse verfügen, die zu seiner Lösung unerläßlich sind. Aus diesem Grund braucht ein O.R.-Team nicht lediglich aus Mathematikern zu bestehen, obwohl man ohne das Werkzeug der Mathematik auf keinen Fall erfolgreiche Arbeit leisten kann. Numerische Lösungen Numerische Methoden zur Ableitung einer Lösung aus einem Modell bestehen im wesentlichen darin, daß man die Symbole in dem Modell durch Zahlen ersetzt und herausfindet, welche Werte der eingesetzten Zahlen die höchste Gesamtwirksamkeit liefern. So zum Beispiel können wir den optimalen Wert der beeinflußbaren Variablen in einem symbolischen (mathematischen) Modell dadurch finden, daß wir jede mögliche Substitution von Werten für die beeinflußbare(n) Variable(n) ausprobieren und die zugehörige Gesamtwirksamkeit berechnen. Dann können wir jene Werte auswählen, die das höchste Maß der Gesamtwirksamkeit ergeben. Dieses Verfahren ist aber zumeist langwierig, langweilig und kostspielig, selbst wenn elektronische Rechenmaschinen eingesetzt werden. Im allgemeinen ist es jedoch nicht notwendig, alle möglichen Substitutionen durchzuprobieren, da man gewöhnlich ein Verfahren entwerfen kann, bei dem die Substitutionen schrittweise zu immer besseren Ergebnissen führen. Wenn weitere Substitutionen keine wesentliche Verbesserung gegenüber früheren Schritten mit sich bringen, bricht man ab. Auf diese Weise können wir in weniger Schritten zu einer Lösung konvergieren, als beim systematischen Probieren erforderlich wären. Dieses Verfahren, das als eine konvergente Probiermethode bezeichnet werden könnte, wird Iteration genannt. Als Beispiel eines Iterationsverfahrens betrachten wir das nachstehende sehr einfache Modell, das durch eine Matrix und eine Ungleichung dargestellt werden kann. Angenommen, ein Vertreter hat zwei Kunden, A und B, deren Aufträge davon abhängen, wieviel Zeit er ihnen widmet. Er kann aber insgesamt auf diese beiden Kunden nur sechs Stunden aufwenden. Wie soll er diese Zeit verteilen, um den größtmöglichen Umsatz bei den genannten Kunden zu erzielen ? T A B E L L E 7.2 Kunde A Pro Kunde Durchschnitt- G r e n z aufgewendete licher E r t r a g ertrag 1 ) Zeit in * in $ in S t u n d e n 1 2 3 4 5 6 7 8

8 14 18 20 21 21 21 21

8 6 4 2 1 0 0 0

Kunde B Durchschnittlicher E r t r a g in $

Grenzertrag 1 ) in $

12 21 28 34 38 41 42 42

12 9 7 6 4 3 1 0

Ertragszuwachs bei A u f w e n d u n g einer zusätzlichen S t u n d e .

166

7. Konstruktion u n d A u s w e r t u n g des Modells

Wir können die Ansprechbarkeit jedes der Kunden in Abhängigkeit von der aufgewendeten Zeit in Tabellenform darstellen (vgl. Tabelle 7.2). Für Ansprechbarkeitsfunktionen der in dieser Tabelle angegebenen Art (parabolische oder quadratische Funktionen) kann folgendes Iterationsverfahren herangezogen werden. 1. Wir beginnen damit, jedem Kunden einen gleich großen Anteil an der verfügbaren Zeit zuzuweisen, das heißt, jeweils drei Stunden. Der Gesamtertrag wäre hierbei 18 $ + 28$ = 4682. Wir bestimmen, bei welchem Kunden die Aufwendung einer zusätzlichen Stunde die größere 'Ertragssteigerung bringen würde. Es ist dies B, bei dem sich eine mögliche Steigerung von 34$ —28$, das ist 6$, ergibt. 3. Wir vergleichen den in Schritt 2 berechneten Gewinn mit dem Verlust, der sich ergibt, wenn wir die mit A verbrachte Zeit um eine Stunde kürzen. Wir erhalten 18$ —14$, das ist 4$. 4. Da der Verlust geringer ist als der Gewinn ( 4 $ < 6 $ ) , führen wir eine Neuverteilung der Zeit durch, und zwar zwei Stunden für A und vier Stunden für B, wodurch wir einen Gesamtertrag von 48 $ bekommen. 5. Dies setzen wir fort, bis keine weitere Steigerung des Gesamtertrages mehr zu erzielen ist. Im vorliegenden Fall sind wir bereits am Ende angelangt. Würden wir die auf A oder B aufgewendete Zeit um eine Stunde erhöhen, ergäbe sich hier eine Steigerung um 4 $, doch würde die Herabsetzung der auf A bzw. B verwendeten Zeit zu einer Verringerung des Ertrages um 6 $ führen. Das heißt, daß wir insgesamt mit einem Verlust von 2$ rechnen müßten. Die optimale Verteilung 1 ) in diesem Fall ist demnach: zwei Stunden für A und vier Stunden für B. Eine mehr ins einzelne gehende Erläuterung der Iteration wird in Anmerkung 1 am Ende dieses Kapitels gebracht. Im Teil V werden verschiedene kompliziertere Iterationsverfahren für die Lösung von wirklichkeitsnäheren Problemtypen besprochen werden. Die Monte Carlo-Methode Bei der Konstruktion des Modells eines Systems ist es wünschenswert, Variablen zu verwenden, deren Werte man ohne zu große Schwierigkeit bestimmen kann. Jedoch können einige der aus ganz einfachen Variablen aufgebauten Ausdrücke des Modells selbst sehr kompliziert werden. Dies ist insbesondere der Fall, wenn es um Wahrscheinlichkeiten geht. Betrachten wir beispielsweise ein neues Produkt, das zwei Bestandteile enthält, welche mit der Zeit ihren Dienst aufsagen. Es könnte sich etwa um eine Vakuumröhre und einen Kondensator handeln. Aus früheren Untersuchungen kennen wir die Wahrscheinlichkeit, mit der jeder dieser Bestandteile ausfällt, als Funktion der Gebrauchszeit; das heißt, wir kennen ihre sogenannte „Abgangsordnung". Was wir jedoch kennen wollen, ist die Abgangsordnung des Produktes, das beide dieser Elemente enthält. Anders ausgedrückt, wenn f ( t ) die Häufigkeitsverteilung der Lebensdauer des einen Bestandteils und g(t) die Häufigkeitsverteilung der Lebensdauer des anderen darstellt, dann ist die Häufigkeitsverteilung der Lebensdauer des Produktes, die wir mit h(t) bezeichnen wollen, d u r c h / ( i ) und g(t) eindeutig bestimmt. 1 ) Diese L ö s u n g hätte m a n auch durch Heranziehung der Tabelle 7.2 finden können. Unsere Absicht war hier jedoch nicht, das vorliegende — oder irgendein anderes — P r o b l e m zu lösen, sondern vielmehr das Iterationsverfahren zu erläutern.

Vom Modell zur Lösung

167

Wenn eine Funktion dieser Art in dem Modell eines Systems auftritt, können wir aus dem Modell weder eine allgemeine Lösung ableiten, noch ein Iterationsverfahren anwenden, bevor diese Funktion bestimmt wurde. Angenommen, die Funktionen/(*) und g(t) sind bekannt, so muß die Funktion h(t) explizit dargestellt werden, bevor man eine Lösung ableiten kann. Nun kann in manchen Fällen h(t) auf mathematischem Wege abgeleitet werden, so zum Beispiel, wenn f(t) und g(t) Dichtefunktionen der Normalverteilung sind. In anderen Fällen ist es jedoch entweder nicht möglich oder nicht praktisch, eine solche Funktion auf mathematischem Wege zu bestimmen. Dies ist zum Beispiel bei gewissen grundlegenden Ausdrücken der Fall, die in Warteschlangen- und Ersatzmodellen auftreten (siehe Teil VI und VII). Aber glücklicherweise lassen sich solche Ausdrücke näherungsweise mit Hilfe der Monte Carlo-Methode berechnen. Die Monte Carlo-Methode ist ein Verfahren, mit dem wir mathematische Ausdrücke, die aus einer oder mehreren Verteilungsfunktionen aufgebaut sind, näherungsweise bestimmen können. Solche Ausdrücke sind in den bei O.R. verwendeten Modellen sehr häufig. Wenn dieses Verfahren mit analytischen oder Iterationsverfahren kombiniert wird, ermöglicht es die Ableitung einer Lösung für ein Problem, das durch eine Gleichung abgebildet ist, die Ausdrücke der diskutierten Art enthält. Die Monte Carlo-Methode stellt eine neue Anwendung eines alten Verfahrens dar. Das alte Verfahren ist die „reine Zufallsstichprobe" (die Auswahl von Einheiten aus einer Gesamtheit, bei der jede Einheit mit gleicher Wahrscheinlichkeit ausgewählt wird). Das Neue besteht darin, daß man die Zufallsstichprobe dafür heranzieht, ein Spiel mit der Natur oder einem durch Menschen geschaffenen System zu spielen, in dem ein Experiment simuliert wird. Im wesentlichen besteht die Monte Carlo-Methode in der Simulation eines Experimentes, das den Zweck hat, irgendeine wahrscheinlichkeitstheoretische Eigenschaft einer Gesamtheit von Gegenständen oder Ereignissen durch die Anwendung der Zufallsstichprobe auf die Komponenten dieser Gegenstände oder Ereignisse zu bestimmen. Diese ziemlich abstrakte Definition läßt sich sowohl durch Beispiele als auch durch die Kenntnis der Entwicklung der Methode klarmachen. Ebenso wie die Legende die Entdeckung der Gesetze der Schwerkraft darauf zurückführt, daß Newton einen fallenden Apfel beobachtete, so wird die Entdeckung der Monte Carlo-Methode einem legendären Mathematiker zugeschrieben, der dem Herumtorkeln eines Betrunkenen zuschaute. Bei jedem Schritt des Betrunkenen war die Wahrscheinlichkeit, daß er in diese oder jene Richtung gehen würde, gleich groß. Der Mathematiker stellte sich die Frage, wie viele Schritte der Betrunkene im Durchschnitt machen müßte, um sich von seinem Ausgangspunkt eine bestimmte Strecke weit zu entfernen. Dieses Problem wurde als Problem des „Zufallsweges" bezeichnet. Zu seiner Lösung wurde eine Variante der Zufallsstichprobe, die sogenannte „stochastische Stichprobe" entwickelt, doch stellte man fest, daß die Methode vielfältige praktische Anwendungsmöglichkeiten besaß, und gab ihr später den plastischeren Namen Monte Car/o-Methode. Betrachten wir das Problem des „Zufallsweges". Angenommen, ein Betrunkener lehnt in der Mitte eines großen, gepflasterten Platzes an einem Laternenpfahl. Er entschließt sich zum Gehen, ohne ein bestimmtes Ziel anzustreben. Während wir ihn beobachten, macht er etwa einige Schritte in eine Richtung, dann einige Schritte in eine andere Richtung usw., in einer

168

7. Konstruktion und Auswertung des Modells TABELLE 7.3. Zufallszahlen

09 54 42 01 80

73 20 26 90 79

25 48 89 25 99

33 05 53 29 70

76 64 19 09 80

53 89 64 37 15

01 47 50 67 73

35 42 93 07 61

86 96 03 15 47

34 24 23 38 64

67 80 20 31 03

35 52 90 13 23

48 40 25 11 66

76 37 60 65 53

80 20 15 88 98

95 63 95 67 95

90 61 33 67 11

90 04 47 43 68

17 02 64 97 77

39 00 35 04 12

29 82 08 43 17

27 29 03 62 17

49 16 36 76 68

06 06 26 57 79

57 01 97 33 64

47 08 76 21 57

17 05 02 35 53

34 45 02 05 03

07 57 05 32 52

27 18 16 54 96

68 24 56 70 47

50 06 92 48 78

36 35 68 90 35

69 30 66 55 80

73 34 57 35 83

61 26 48 75 42

70 14 18 48 82

65 86 73 28 60

81 79 05 46 93

33 90 38 82 52

98 74 52 87 03

85 39 47 09 44

11 23 18 82 35

19 40 62 49 27

92 30 38 12 38

91 97 85 56 84

52 80 45 68 59

01 50 29 34 46

77 54 96 02 73

67 31 34 00 48

14 39 06 86 87

90 80 28 50 51

56 82 89 75 76

86 77 80 84 49

07 32 83 01 69

22 50 13 36 91

10 72 74 76 82

94 56 67 66 60

05 82 00 79 89

58 48 78 51 28

60 29 18 90 93

97 40 47 36 78

09 52 54 47 56

34 42 06 64 13

33 01 10 93 68

50 52 68 29 23

50 77 71 60 47

07 56 17 91 83

39 78 78 01 41

48 12 35 91 89

11 43 09 62 32

76 56 98 68 05

74 35 17 03 05

17 17 77 66 14

46 72 40 25 22

85 70 27 22 56

09 80 72 91 85

50 15 14 48 14

58 45 43 36 46

04 31 23 93 42

77 82 60 68 75

69 23 02 72 67

74 74 10 03 88

73 21 45 76 96

03 11 52 62 29

95 57 16 11 77

71 82 42 39 88

86 53 37 90 22

40 14 96 94 54

21 38 28 40 38

81 55 60 05 21

65 37 26 64 45

49 33 10 55 60

91 69 48 07 64

45 45 19 37 93

23 98 49 42 29

68 26 85 11 16

47 94 15 10 50

92 03 74 00 53

76 68 79 20 44

86 58 54 40 84

46 70 32 12 40

16 29 97 86 21

28 73 92 07 95

35 41 65 46 25

54 35 75 97 63

94 53 57 96 43

75 14 60 64 65

08 03 04 48 17

99 33 08 94 70

23 40 81 39 82

37 42 22 28 07

08 05 22 70 20

92 08 20 72 73

00 23 64 58 17

19 47 55 48 52

69 44 72 11 37

04 52 85 62 83

46 66 73 13 17

26 95 67 97 73

45 27 89 34 20

74 07 75 40 88

77 99 43 87 98

74 53 87 21 37

51 59 54 16 68

92 36 62 86 93

43 78 24 84 59

37 38 44 87 14

29 48 31 67 16

65 82 91 02 26

39 39 19 07 25

45 61 04 11 22

95 01 25 20 96

93 18 92 59 63

42 33 92 25 05

58 21 92 70 52

26 15 74 14 28

05 94 59 66 25

49 54 96 80 05

35 99 31 80 88

24 76 53 83 52

94 54 07 91 36

75 64 26 45 01

24 05 89 42 39

63 18 80 72 09

38 81 93 68 22

24 59 54 42 86

45 96 33 83 77

86 11 35 60 28

25 96 13 94 14

10 38 54 97 40

25 96 62 00 77

61 54 77 13 93

96 69 97 02 91

27 28 45 12 08

93 23 00 48 36

35 91 24 92 47

65 23 90 78 70

33 28 10 56 61

71 72 33 52 74

24 95 93 01 29

17 23 56 15 86

90 46 54 51 43

02 14 14 49 19

97 06 30 38 94

87 20 01 19 36

37 11 75 47 16

92 74 87 60 81

52 52 53 72 08

41 04 79 46 51

05 15 40 43 34

56 95 41 66 88

70 66 92 79 88

70 00 15 45 15

07 00 85 43 53

86 18 66 59 01

74 74 67 04 54

31 39 43 79 03

71 24 68 00 54

57 23 06 33 56

85 97 84 20 05

39 11 96 82 01

41 89 28 66 45

18 63 52 85 11

08 62 48 26 18 51 62 32 95 10 04 06

45 24 02 84 04 41 94 15 09 49 96 38 27 07 74

44 99 90 88 96 89 43 54 85 81 20 15 12 33 87

39 09 47 34 07 88 69 54 19 94 25 01 62 52 98

35 44 13 18 37 54 87 30 94 62 46 11

Vom Modell zur L ö s u n g

169

nicht vorhersehbaren oder zufälligen Weise. Das Problem besteht darin, zu bestimmen, wie weit er nach n irregulären Zickzackphasen seines Weges vom Laternenpfahl entfernt sein wird. Anders ausgedrückt: Wie groß ist die durchschnittliche Entfernung (ies Betrunkenen vom Laternenpfahl nach n Schritten ? Wie kann man eine solche durchschnittliche Entfernung schätzen, ohne eine große Zahl von Betrunkenen in einer ähnlichen Situation beobachtet zu haben ? Es wäre unmöglich oder nicht sehr leicht, eine große Zahl solcher Beobachtungen zu machen. Da sich dieser eine Betrunkene zufallsartig fortbewegt, können wir jedoch den Verlauf seines Weges mit Hilfe einer Tabelle von Zufallszahlen (vgl. Tabelle 7.3) simulieren 1 ) und dadurch eine Annäherung an die wirkliche Situation erhalten. Aus einer großen Zahl dieser simulierten Versuche können wir dann die durchschnittliche Entfernung für eine beliebige Zahl n von regellosen Zickzackphasen schätzen. Zur Illustration, wie die Monte Carlo-Methode auf das Problem des „Zufallsweges" angewendet werden kann, schätzen wir die durchschnittliche Entfernung, die nach fünf Schritten gleicher Größe (d. i. n = 5) zurückgelegt wurde. Zu diesem Zweck ziehen wir Tabelle 7.3 heran, eine Tabelle zweistelliger Zufallszahlen. Ferner wollen wir nachstehende Bezeichnungsweise verwenden:

1. Der Laternenpfahl wird durch den Ursprung der X- und Y-Achse repräsentiert (vgl. Abb. 7.1). 2. Die erste Stelle der aus der Tabelle ausgewählten zweistelligen Zufallszahl gibt die Richtung des Schrittes entlang der X-Achse : positiv, wenn gerade oder Null, negativ, wenn ungerade. ') Eine Diskussion dieser Tabellen vgl. K a p . I V in R. L . Ackoff, The Design of Social Research, University of Chicago Press, Chicago, 1953 ; wegen einer vollständigen Tabelle vgl. T h e R A N D Corporation, A Million Random Digits, T h e Free Press, Glencoe, 1955. Letztere Arbeit enthält auch ein Quellenverzeichnis ü b e r Tabellen u n d Veröffentlichungen ü b e r diesen Gegenstand.

170

7. K o n s t r u k t i o n u n d A u s w e r t u n g des M o d e l l s

3. Die zweite Stelle der gleichen zweistelligen Zufallszahl gibt die Richtung des Schrittes entlang der Y-Achse: positiv, wenn gerade oder Null, negativ, wenn ungerade. (xn>yn) repräsentiert die Position des Betrunkenen am Ende der »-ten Phase. 5. dn ist gleich der Entfernung des Betrunkenen vom Laternenpfahl am Ende der n-ten Phase; das heißt, dn2 = xn2 -\-yn2. Wenn wir den Ausgangspunkt zufällig auswählen und etwa mit der zweistelligen Zahl in Spalte 10 und Zeile 6 der Tabelle 7.3 beginnen, dann in dieser Spalte abwärts gehen, erhalten wir folgende fünf Zahlen: 36, 35, 68, 90 und 35. Diese Zahlen kann man entsprechend auswerten und erhält die in Tabelle 7.4 angegebenen Bewegungen des Betrunkenen. Die Punkte (x n ,y n ) können auch wie in Abb. 7.1 graphisch dargestellt werden. T A B E L L E 7.4 Phase n

Erste Stelle

Zweite Stelle

1 2 3 4 5

3 3 6 9 3

6 5 8 0 5

Koordinaten des P u n k t e s U„,y„) (-1,1) (-2,0) (-1,1) (-2,2) (-3,1)

In diesem Beispiel ist somit eine Schätzung, daß der Betrunkene am Ende der fünften Phase 3,16 Einheiten vom Laternenpfahl entfernt sein wird. Dieses Ergebnis wird folgendermaßen erzielt: ¿52 = * 5 2 +;V52

¿52=9 + l ¿5=1/10 = 3,16 Obiges Verfahren muß dann für verschiedene Zufallszahlen in der Tabelle wiederholt werden, so daß wir eine größere Zahl von Schätzungen der gewünschten Entfernung erhalten. Von diesen Schätzungen kann sodann ein Durchschnittswert errechnet werden, damit man einen Schätzwert für die durchschnittliche Entfernung vom Laternenpfahl bekommt. Allgemein werden unsere Schätzungen mit zunehmender Zahl der Stichproben genauer. Allgemeiner ausgedrückt: Wir können aus einer größeren Zahl solcher simulierter Versuche, für jede beliebige Zahl von n unregelmäßigen Zickzackschritten, die Wahrscheinlichkeit feststellen, mit der der Betrunkene eine bestimmte Entfernung von dem Laternenpfahl erreicht hat. Um dem Leser eine Grundlage für einen Vergleich mit seinen eigenen Monte Carlo-Lösungen zu geben und einen interessanten Umstand hervorzuheben, möchten wir darauf hinweisen, daß man in diesem Beispiel eine allgemeine Lösung in Form von dn = a\/n angeben kann, das heißt, die durchschnittliche Entfernung des Betrunkenen von dem Laternenpfahl — nach einer großen Zahl unregelmäßiger Schritte

Vom Modell zur Lösung

171

seines Weges — ist gleich der durchschnittlichen Länge a der von ihm durchschrittenen geraden Strecke mal der Quadratwurzel von M, der Anzahl der von ihm zurückgelegten Schritte. Nachdem wir uns dieses Beispiel der Anwendung der Monte Carlo-Methode vor Augen geführt haben, kehren wir zu dem Problem zurück, mit dem die Diskussion der Monte Carlo-Methode eröffnet wurde, nämlich die Bestimmung der Häufigkeitsverteilung der Lebensdauer eines Produktes, das aus zwei Bestandteilen mit bekannter Häufigkeitsverteilung der Lebensdauer besteht. Angenommen, beide Bestandteile haben eine normalverteilte Lebensdauer, wobei die erste — f(t) — einen Mittelwert von 100 Stunden mit einer Standardabweichung von 20 Stunden und die zweite — g(t) — einen Mittelwert von 90 Stunden und eine Standardabweichung von 10 Stunden hat. Diese

A b b . 7.2. Häufigkeitsverteilung der Lebensdauer.

beiden Verteilungen sind in Abb. 7.2 dargestellt. Die Verteilung der Lebensdauer der Bestandteile kann auch durch die Summenkurve der Lebensdauer charakterisiert werden (vgl. Abb. 7.3). Beim Zusammenbau des Produktes wird aus beiden Arten von Bestandteilen je einer zufällig ausgewählt. Mit Hilfe der Monte Carlo-Methode können wir diese Zufallsauswahl simulieren und die sich ergebende Lebensdauer des Produktes feststellen. Bevor dies geschieht, sollte aber noch ein Wort darüber gesagt werden, wie man eine Zufallsauswahl aus einer normalverteilten Gesamtheit treffen kann 1 ). Da a) die Einheiten so ausgewählt werden müssen, daß für jede die gleiche Wahrscheinlichkeit des Gewähltwerdens besteht und b) in einem Intervall der Lebensdauer (etwa zwischen 95 und 105) mehr Einheiten als in anderen Intervallen (etwa zwischen 75 und 85) vorhanden sind, muß man so vorgehen, daß die Wahrscheinlichkeit der Auswahl einer Einheit aus irgendeinem Zeitintervall gleich dem Anteil der in dieses Intervall fallenden Einheiten ist. Das bedeutet, daß wir weder in Abb. 7.2 noch in Abb. 7.3 ') D a die beiden Bestandteile in diesem Beispiel normalverteilt sind, bezieht sich unsere Betrachtung auf Normalverteilungen. D i e M e t h o d e z u r Erzielung einer Zufallsauswahl ist jedoch allgemein u n d auf jede Verteilung anwendbar.

172

7. Konstruktion u n d Auswertung des Modells

eine Zufallsstichprobe der Werte entlang der Abszisse (Horizontalachse) nehmen können, weil in diesem Fall eine Einheit mit einer Lebensdauer zwischen 95 und 105 und zwischen 75 und 85 mit der gleichen Wahrscheinlichkeit einbezogen würde. Wir müssen demnach die Zufallsauswahl aus den Werten der Ordinate (Vertikalachse) treffen 1 ). Für Summenkurven der Lebensdauer (wie in Abb. 7.3) wird dies folgendermaßen getan: Die Entfernung vom Ursprung der Ordinate bis zu dem von der Summenkurve erreichten höchsten Wert kann in, sagen wir, 100 gleiche Intervalle

Abb. 7.3. S u m m e n k u r v e der Lebensdauer.

Abb. 7.4. Zufallsauswahl aus Normalverteilung. A n m e r k u n g der Übersetzer: Dies ist deshalb gerechtfertigt, weil f ü r eine zufällige Variable X m i t der (stetigen) Verteilungsfunktion Fix) die zufällige Variable F(X) in [0,1] gleichverteilt ist.

Vom Modell zur Lösung

173

TABELLE 7.5. Normalverteilte Zufallszahlen 1 ) ^ = 0, F(S0)=„ erfüllt.

=0,8636; d. h. C f(r)dr = 0,8636

J

0

202

8. Elementare

Lagerhaltungsmodelle

Dies kann in folgender Weise geschehen: ^ f{r)dr

daraus folgt:

=

^ (0,02 - 0 , 0 0 0 2 r ) dr =

0,02 r — ^

¡

^

=0,8636

0,02S 0 - 0 , 0 0 0 1 So2 =0,8636 So = 100+36,93

Folglich gibt es zwei Lösungen: 1. gi = 100 + 36,93 = 136,93 Pfund. 2. ? 2 = 1 0 0 - 3 6 , 9 3 = 6 3 , 0 7 Pfund. Die erste Lösung ist unbrauchbar, da die vorgegebene Wahrscheinlichkeitsdichte bei Werten größer als 100 verschwindet. Daher wird die zweite Lösung verwendet. In diesem speziellen Fall kann, da f(r) eine Gerade ist, dasselbe Resultat auf dem Wege einer einfachen geometrischen Betrachtung erzielt werden, ohne von der Integralrechnung Gebrauch zu machen. f(r) wird auch in Abb. 8.5 dargestellt. Der Flächeninhalt u n t e r / ( r ) ist 1. Wir wollen nun ein S finden, dergestalt, daß die Fläche unter/(r) zwischen 0 und S (das Trapez 0 C D E ) 0,8636 ist. Die Fläche des Trapezes ist die Summe aus den Flächen des Rechteckes A und des Dreieckes B in Abb. 8.5. Da der Flächeninhalt des Trapezes 0,8636 betragen soll, setzen wir Flächeninhalt von A + Flächeninhalt von B = 0,8636

0 02

0,01 Abb. 8.5. Schaubild von Beispiel IV.

f(r),

Nun hat der Flächeninhalt von A den Wert S f ( S ) und der Flächeninhalt von B ist 4 - S ( 0 , 0 2 - f ( S ) ) . Wir erhalten also: So -/(So)

S o ( 0 , 0 2 - / ( S o ) ) = 0,8636

das heißt So(0,02 - 0,0002S 0 ) + -j- S0(0,02 - 0,02 + 0,0002So) = 0,8636 oder

0,02S 0 - 0,0001 S 0 2 = 0 , 8 6 3 6

so daß sich schließlich wiederum So = 100 + 36,93 ergibt.

203

Modell V

Interpretation

des Optimums von S

Die Gleichung F ( S ) = C2/(Ci + C 2 ) kann in der Form C2 Ci

F(S) 1-

F(S)

geschrieben werden und läßt demgemäß eine interessante Interpretation zu. Man kann nämlich sagen, daß unter optimalen Bedingungen das Verhältnis der Wahrscheinlichkeit, daß der Bedarf kleiner als der optimale Lagerbestand, zur Wahrscheinlichkeit, daß er größer oder gleich dem optimalen Lagerbestand ist, gleich ist dem Verhältnis der Fehlmengenkosten pro Mengeneinheit zu den Lagerkosten pro Mengeneinheit. Modell V Dieser Problemtyp gleicht dem vorhergegangenen, allerdings mit der wichtigen Ausnahme, daß nun die Lieferzeit ins Gewicht fällt. Das heißt, die Zeit zwischen der Aufgabe einer Bestellung und der Auslieferung der Ware muß berücksichtigt werden. Beispiel

V

Ein Ladeninhaber bestellt täglich Waren, welche sieben Tage später ausgeliefert werden (d. h. die Lieferzeit ist sieben Tage). An einem bestimmten Tag hat der Geschäftsmann 10 Pfund auf Lager. Ferner hat er an den sechs vorhergehenden Tagen bereits Bestellungen auf zu liefernde Mengen in der Höhe von 2, 4, 1, 10, 11 und 5 Pfund in dieser Reihenfolge für die nächsten sechs Tage getätigt. Um die Berechnungen zu vereinfachen, nehmen wir ähnliche Bedingungen wie im letzten Beispiel an, nämlich Ci = 15c; C 2 = 9 5 c und die Verteilung der Bedarfsmengen einer Siebentageperiode R ' ist /(i?') = 0,02 — 0,0002i?' Das Problem ist folgendes: Welche Menge soll nun für den siebenten Tag bestellt werden; das heißt, wie hoch soll q-j bemessen werden ? Kostengleichung

und allgemeine

Lösung

Es seien kurz die bekannten Größen für unser Modell zusammengestellt: k — Anzahl der Bestellperioden innerhalb der Lieferzeit; So = Lagerbestand am Ende der Periode, welche dem Bestellungstermin vorausgeht; ?i>?2, • •

1 = bereits bestellte Mengen, welche am ersten, zweiten, . . . und k — 1 . Tag einlangen sollen; f(R') = f | s rij wobei R' der Bedarf innerhalb der Lieferzeit ist (in unserem Fall sieben Tage).

Unsere Aufgabe ist es, den Wert von qic zu bestimmen, welcher den Erwartungswert der Gesamtkosten für die k. Bestellperiode minimisiert.

8. E l e m e n t a r e

204

Lagerhaltungsmodelle

Wir wollen eine Kostengleichung konstruieren, welche die gesamte Zeit zwischen Bestellung und Auslieferung umfaßt. Der Grund hierfür ist, daß die Kosten für die Zeitspanne von 1 bis k — 1 bereits bestimmt sind, da ja die Bestellungen der Mengen qi, qi •« i

Setzt man S' für S und R' für R in Gleichung (12) ein, so erhält man S' TC(S')=C\

SO und S" < SQ gelten ebenfalls die entsprechenden Ungleichungen der Form (42a) bzw. (42b), da L(S) nicht fallend ist. Wir haben also TC(S')> TC(S")>

TC(SO) TC(SO)

f ü r S'> für

S0 S" 7 5 0 so daß die optimale Einkaufsmenge qo = 894 beträgt. Dieser Fall ist in Abb. 9.8 dargestellt. TC

A b b . 9.8. ?o = 894.

Beispiel V Wenn wir 5 wird mit der Anzahl der verfügbaren Einheiten bei 53, nämlich 5 Einheiten, verglichen und 3 Einheiten werden in das Fach S3D5 eingetragen. 3. Da bei S3 immer noch 2 Einheiten verfügbar sind, wählt man die dritthöchsten Kosten, nämlich —7 im Fach S3D3 aus. Man setzt in der dritten Spalte D3 zusammen mit seinem Gesamtbedarf von 4 Einheiten ein. Dieser Bedarf von 4 Einheiten bei D3 wird mit der Anzahl der noch verfügbaren Einheiten bei S3, nämlich 2 = 8 — 3 — 3, verglichen und 2 Einheiten in das Fach S3D3 eingetragen, wodurch alle bei S3 verfügbaren Einheiten verbraucht werden. D3 sind jetzt noch 2 Einheiten zuzuweisen. 4. Wir vergleichen die mit D3 verknüpften Kosten (C13 = —5 und C23 = — 8) und wählen Si als zweite Zeile aus. Damit wird gleichzeitig die Zahl der bei Si verfügbaren Einheiten, nämlich 9, in die Endspalte eingetragen.

Diese bei S1 verfügbaren Einheiten (nämlich 9) werden mit dem noch bestehenden Bedarf bei D3 (nämlich 2 = 4 — 2) verglichen und 2 Einheiten in das Fach S1D3 eingetragen, wodurch der Bedarf bei D 3 gedeckt ist.

\

s3

Di

Ds

D3

Summe

3

3

2

8

2

9

Si

Summe

3

3

4

5. Indem man in dieser Weise fortfährt, erhält man folgende Matrix: Die Kosten dieser ersten zulässigen Lösung sind durch 3(-l) + 3(-4) + 2(-7) + 2(-5) + 6(-9) + l(-20)+4(-10) gegeben, das sind 153 $ (wenn man das die „Kosten" andeutende Minuszeichen wegläßt), gegenüber 251 $ bei der mittels der Nordwestecken-Regel

274

11. L i n e a r e P r o g r a m m e

erzielten ersten zulässigen Lösung (und gegenüber der optimalen Lösung mit 150 $). Eine solche Umordnung der Matrix 1 ) führt im allgemeinen zu einer besseren ersten zulässigen Lösung (d. h. einer Lösung mit geringeren Kosten oder höherem Gewinn), so daß die optimale Lösung zumeist mit einer geringeren Zahl von Schritten erzielt wird.

\

S3

Oi

Ö5

D3

3

3

2

Si

2

DI

3

3

4

Summe 8

6

S2

Summe

£>2

6

1

9

4

4

5

21

Schließlich2) soll noch darauf hingewiesen werden, daß die TransportMethode erstens dazu verwendet werden kann, die mit den Abweichungen von optimalen Programmen verknüpften Kosten zu bestimmen, und zweitens keiner komplizierten Mathematik bedarf, sondern mit Addition, Subtraktion und Multiplikation auskommt. Das bedeutet, daß man für die Lösung von Problemen viel größeren Umfangs ohne weiteres normale Bürokräfte einsetzen kann. Demnach steht zu erwarten, daß die Transport-Methode mehr und mehr in verschiedenen Disziplinen und Arbeitsgebieten Anwendung finden wird. Allgemeine lineare Programme

Im ersten Teil dieses Kapitels wurde ein Optimisierungsproblem mit Hilfe der Transport-Methode gelöst. In diesem Abschnitt wird das allgemeine lineare Programmierungsproblem behandelt und zugleich eine allgemeine Methode zur Gewinnung optimaler Lösungen oder Programme für solche Aufgaben dargelegt werden. Diese Methode wurde vor nicht allzu langer Zeit von G. B. Dantzig 3 ) formuliert und wird als Simplexmethode bezeichnet 4 ). r ) D e r L e s e r beachte, d a ß diese erste zulässige L ö s u n g m i t einer Kosterihöhe v o n 153 $ auch o h n e U m o r d n u n g d e r M a t r i x h ä t t e erzielt w e r d e n k ö n n e n . M a n b e g i n n t einfach m i t d e m F a c h m i t d e n n i e d r i g s t e n K o s t e n (in u n s e r e m Fall S3-D1) u n d f ä h r t e n t s p r e c h e n d fort. 2 ) W e i t e r e L i t e r a t u r ü b e r die T r a n s p o r t - M e t h o d e einschließlich einer B e h a n d l u n g d e r s o g e n a n n t e n e n t a r t e t e n Fälle findet d e r L e s e r in W . W . C o o p e r u n d A. C h a r n e s , „ T r a n s p o r t a t i o n S c h e d u l i n g b y L i n e a r P r o g r a m m i n g " , Proceedings of the Conference on Operations Research in Marketing, Case I n s t i t u t e of T e c h n o l o g y , Cleveland, 1953. D i e m a t h e m a t i s c h e A b l e i t u n g d e r T r a n s p o r t - M e t h o d e w i r d in T . C. K o o p m a n s ( H g b . ) Activity Analysis of Production and Allocation, K a p . 23 gegeben. 3 ) G . B. D a n t z i g , K a p i t e l 1, 2, 20, 21 u n d 23 in T . C. K o o p m a n s ( H g b . ) Activity Analysis of Production and Allocation, Cowles C o m m i s s i o n M o n o g r a p h N r . 13, J o h n Wiley & S o n s , N e w York, 1951. ") D i e m a t h e m a t i s c h e A b l e i t u n g d e r S i m p l e x m e t h o d e w i r d hier n i c h t b e s p r o c h e n . Sie ist in T . C. K o o p m a n s ( H g b . ) Activity Analysis of Production and Allocation, Kapitel 21 z u finden.

Allgemeine lineare P r o g r a m m e

275

Kurz gefaßt ist die Simplexmethode eine auf Probleme der Optimisierung einer linearen Funktion anwendbare Methode, wobei Nebenbedingungen in Form linearer Ungleichungen gegeben sind. Wir wollen die Simplexmethode, ebenso wie wir es im Fall der Transport-Methode taten, mittels eines Beispieles darlegen. Vorher sollen jedoch noch einige einschlägige Symbole und Begriffe erörtert werden. Mathematische Symbole und Bezeichnungen Zunächst wird es vielleicht zweckmäßig sein, den Unterschied zwischen einer Gleichung und einer Unglekhung zu veranschaulichen. Eine Gleichung wie etwa 3; = 2a: stellt geometrisch eine Gerade mit der Steigung 2 dar; vgl. Abb. 11.1. Damit wird in einer einfachen und knappen Art folgendes ausgedrückt: „Wir haben eine Beziehung zwischen zwei Variablen x und y, derart, daß für jeden Wert von * der zugehörige Wert von y doppelt so groß ist." Jeder Punkt, dessen Abszisse x und Ordinate y dieser linearen Beziehung entsprechen, liegt auf dieser Geraden. So zum Beispiel sind der Punkt, dessen (rechtwinkelige Cartesische) Koordinaten durch x = 1, y = 2 gegeben sind [man schreibt (1, 2)], und der Punkt (3, 6) Punkte auf dieser Geraden und daher Lösungen der vorliegenden Gleichung 1 ). Umgekehrt erfüllt ein Punkt, wie etwa (1, 3) oder (3, 8), der nicht auf der gegebenen Geraden liegt, die entsprechende Gleichung oder funktionale Beziehung nicht. Eine Ungleichung wird je nach der gewünschten Interpretation durch eines von vier verschiedenen Symbolen dargestellt. Diese Symbole sind < , > , < oder und > oder 2g. < bedeutet, daß der Wert der Variablen auf der linken Seite geringer ist als der Wert der Variablen auf der rechten Seite. So bedeutet y< 2x, daß y kleiner als das Zweifache von x ist. Diese Ungleichung wird von jedem Punkt erfüllt, der innerhalb des Bereiches A der Abb. 11.1 liegt; das heißt, die Koordinaten jedes Punktes (x,y) im Bereich A {exklusive der Grenzlinie y =2x) sind so beschaffen, daß seine Ordinate y kleiner ist als das Zweifache des Wertes seiner Abszisse x. Ebenso bedeutet y > 2x, daß für jedes x der zugehörige Wert y größer als das Zweifache dieses Wertes x ist. Diese Beziehung wird geometrisch durch alle Punkte im Bereich.© (ausgenommen die Gerade y = 2x) repräsentiert. Noch allgemeiner sind die anderen Symbole, < und > . 2x oder auch y^2x, daß der Wert von y größer oder gleich dem Zweifachen des Wertes von x ist und geometrisch durch alle Punkte des Bereiches B und auf der Geraden y = 2x dargestellt wird. Demnach gelten die Ungleichungen y< 2x bzw. y>2x auch dann, wenn y = 2x, da jede Lösung der Gleichung automatisch auch eine Lösung jeder der beiden Ungleichungen ist. Umgekehrt jedoch braucht eine Lösung etwa ') W e n n m a n vom „ P u n k t " (x,y) spricht, meint m a n in Wirklichkeit den Punkt, dessen Koordinaten x u n d y sind, w o beispielsweise in einem rechtwinkeligen Cartesischen Koordinatensystem die zuerst a n g e f ü h r t e G r ö ß e die Abszisse u n d die an zweiter Stelle angeführte G r ö ß e die Ordinate ist.

276

11. Lineare Programme

von y>2x keine Lösung von y = 2x zu sein. So sind die Punkte (1, 6) und (3, 8) (sowie unendlich viele andere) Lösungen voay>2x, nicht aber Lösungen

Nun ein anderes Beispiel. Man betrachte das folgende System von drei Ungleichungen: *-5>0 y—2^0 — 6x — 8;y + 1 2 0 > 0 Geometrisch werden die Lösungen dieses Systems von Ungleichungen durch die (geschlossene) Menge von Punkten dargestellt, die an der Peripherie und im Inneren des Dreiecks ABC der Abb. 11.2 liegen. Das heißt, daß es eine Y

unendliche Zahl von Lösungen für dieses System von Ungleichungen gibt. Andrerseits hat das entsprechende System von Gleichungen r-5=0 y-2 = 0 — 6x — 8^ + 120 = 0

277

Allgemeine lineare Programme

keine

Lösung. (Damit es eine solche geben könnte, müßten alle drei Geraden einander in einem Punkt schneiden, wie dies bei den drei Geraden in Abb. 11.3 der Fall ist.) Y

1 - 5 - 0

X A b b . 11.3. Lösung dreier linearer Gleichungen in F o r m des Schnittpunktes der Geraden

Aus den hier angeführten Beispielen ersieht man leicht, daß eine Gleichung (oder ein System von Gleichungen) wesentlich einschränkender ist als eine entsprechende Ungleichung (oder ein System von Ungleichungen) 1 ). Umgekehrt zeigt sich, daß die Ungleichung insofern eine viel größere Freiheit bietet, als Lösungen der Gleichung, falls vorhanden, nur eine besondere Untergruppe aller Lösungen der Ungleichung sind. Dieser Unterschied ist für viele Probleme im wirtschaftlichen Bereich sehr wichtig. Dort enthalten die Probleme zumeist Einschränkungen, wie etwa „Die Abweichung in der Größe darf nicht mehr als 0,002 Zoll vom Soll-Wert betragen. . . " , mindestens so viel wie ... produzieren", „ . . . nicht mehr als .. . kosten . . . " usw. Diese Einschränkungen sind Ungleichungen; das heißt, sie legen obere oder untere Grenzen fest, aber keinen exakten Wert. Jede unrichtige Interpretation dieser Einschränkungen, gleichgültig ob bei einer verbalen oder mathematischen Formulierung des Problems, die ein System von Ungleichungen in ein System von Gleichungen verwandelt, schließt sofort unzählige Lösungsmöglichkeiten aus und kann sogar, wie im zweiten unserer Beispiele angedeutet wurde, dazu führen, daß man überhaupt keine Lösung findet, obwohl in Wirklichkeit eine oder mehrere existieren. Außerdem können, selbst wenn man eine sogenannte optimale Lösung für das System der Gleichungen bestimmen kann, viele Lösungen des wirklichen Systems (von Ungleichungen) bestehen, die im Hinblick auf die Optimisierung des gegebenen Zieles besser sind. Andrerseits ermöglichen Systeme von Ungleichungen, im Gegensatz zu Systemen von Gleichungen, optimale Lösungen, die sowohl auf der Geraden als auch nicht auf der Geraden liegen können. Demnach ist es wichtig, immer die wirklichen einschränkenden Beziehungen zu bestimmen, um irreführende und kostspielige Ergebnisse zu vermeiden. *) Von jetzt an werden Ungleichungen nur mehr mit den Symbolen bezeichnet und < und > nicht mehr verwendet werden.

278

11. Lineare P r o g r a m m e

Ein anderes von uns zu verwendendes Symbol ist das Summationszeichen 2 . Wenn man einen Ausdruck hat wie Xi

+X3 +X,

+X6

+X7

so kann man ihn zunächst durch dazwischengesetzte Punkte in folgender Weise abkürzen: X!+X2 + ---+X7 Eine noch wirksamere „Kurzschrift" stellt jedoch ^ 7

)=

X) dar, wobei

>=l

1

Dieses Symbol, das große Sigma für die Bezeichnung unendlicher die unendliche Reihe 1 1 1 + 2 + 4 +

des griechischen Alphabets, ist besonders Reihen praktisch. So zum Beispiel kann 1 1 1 ¥ + T6 +

3 2 + -

(die übrigens die Summe 2 ergibt) noch kürzer gefaßt folgendermaßen geschrieben werden: «=

j

2 2" n=0 Schließlich werden im folgenden auch Doppelindizes verwendet, wie etwa Xi]. Dies wird sich ganz natürlich aus dem Wunsch und der Notwendigkeit ergeben, die Stellung der Zahlen (oder Elemente) in einem rechtwinkeligen Schema (oder einer Matrix) in einfacher Weise zu kennzeichnen. So bezieht sich, wenn man die Matrix ^ ^

Spalte Ci

Zeile

C2

C3

c4

Ri

1

2

4

7

Rz

—3

6

1

0

Rs

- 2

—1

0

3

betrachtet, X u auf das in der ersten Zeile und der zweiten Spalte liegende Element, also 2. Allgemein werden beliebige rechteckige Matrizen mit {Xy} bezeichnet; Xy bedeutet ein bestimmtes Element in der i. Zeile und der j. Spalte der Matrix. Nachdem wir uns diese mathematischen Bezeichnungen vor Augen gehalten haben, wollen wir nun zu dem allgemeinen Problem der Lösung von Systemen simultaner Gleichungen oder Ungleichungen zurückkehren und

Die Simplexmethode

279

wieder aus den verschiedenen Lösungen die für die Erreichung des angegebenen Zieles günstigste(n) [(optimalen)] Lösung(en) auswählen. Insbesondere wollen wir nun untersuchen, wie die Simplexmethode für die Behandlung von allgemeinen Problemen der linearen Programmierung eingesetzt werden kann. Die Simplexmethode

Um die Simplexmethode zu erläutern, wollen wir das folgende, relativ einfache Beispiel betrachten: Ein Erzeuger will den durch die Produktion zweier Artikel, R und S, zu erzielenden Gewinn maximisieren. Die Artikel R und 5 werden in einem zweistufigen Prozeß hergestellt, bei dem alle Anfangsarbeiten im Maschinenzentrum I und alle abschließenden Arbeitsgänge im Maschinenzentrum IIA oder im Maschinenzentrum 1 ) IIB durchgeführt werden. Die Maschinenzentren IIA und IIB unterscheiden sich voneinander insoweit, als sie im allgemeinen einen bestimmten Artikel mit einer verschieden hohen Ausstoßrate und mit einem unterschiedlichen Gewinn pro Stück herstellen. Bei unserem Beispiel wollen wir auch annehmen, daß im Maschinenzentrum IIA für die Herstellung der Artikel R und 5 eine gewisse Überstundenzeit verfügbar gemacht worden ist. Da sich bei Überstunden der Gewinn pro Stück (nicht aber die Ausstoßgeschwindigkeit) verändert (nämlich herabgesetzt wird), wollen wir die Heranziehung des Maschinenzentrums IIA für Überstundenarbeit gesondert bezeichnen, und zwar mit IIAA. Die für die Herstellung der Artikel R und S erforderlichen Stückzeiten, die bei jedem Maschinenzentrum verfügbaren Arbeitsstunden und die Reingewinne pro Stück werden in Tabelle 11.13 angegeben. Zur Vereinfachung der nachstehenden Besprechung werden darüber hinaus die Bezeichnungen Ri, R% und R3 für die drei möglichen Kombinationen zur Herstellung von Ri und die Bezeichnungen Si, S2 und S3 für die Herstellungsarten bei Artikel 5 eingeführt. Um noch einmal zu wiederholen: Das Problem besteht darin, zu bestimmen, in welchem Umfang jeder Artikel mittels jeder möglichen Kombination der Maschinenzentren hergestellt werden soll, damit der Reingewinn in seiner Gesamtheit ein Maximum wird, wobei die angegebenen Beschränkungen bezüglich der Kapazitäten der Maschinenzentren berücksichtigt werden müssen 2 ). Wir wollen nun das Problem noch einmal in mathematischer Form darstellen. Wenn Xi, X2, X3, X4, X5, Xg die Mengen bezeichnen, die von den Artikeln Ri, R2, R3 bzw. Si, S2, S3 hergestellt werden, dann ergibt sich der Gesamtgewinn Z (vgl. Tabelle 11.13) wie folgt: Z = 0 , 4 0 ^ + 0,28X 2 + 0,32X3 + 0,72X4 + 0,64X5 + 0,60X 6

(1)

Hier verstehen wir unter einem Maschinenzentrum eine G r u p p e von Maschinen — nicht unbedingt der gleichen T y p e —, die für den Zweck unserer Aufgabe und der nachstehenden Analyse derselben als zusammengehörig betrachtet werden können. a ) Man setzt hier voraus, daß man alles verkaufen kann, was man herstellt. Das ist eine Vereinfachung, die man sehr leicht beseitigen kann, indem man weitere Einschränkungen in Form der maximalen zulässigen Mensen jedes Artikels einführt.

280

11. Lineare Programme T A B E L L E 11.13 Artikel S

Artikel R Arbeitsgang

Maschinenzentrum

I ( IIA ] IIAA l IIB

1 2 Reingewinn pro Stück (in Dollar)

Ri

Rt

Ä3

Sx

S2

S3

0,01 0,02

0,01

0,01

0,03 0,05

0,03

0,03

0,02

0,40

0,28

850 700 100 900

0,05 0,08

0,03

0,32

Verfügbare Arbeitsstunden

0,72

0,64

0,60

Darüber hinaus sind die Beschränkungen, denen das Problem unterliegt, folgendermaßen definiert: 0,01 X i + 0,01 X 2 + 0,01X 3 + 0,03 X 4 + 0,03 X 5 + 0,03 X 6 ^ 850 0,02Xi+0,05X4^700 0,02X2 + 0 , 0 5 * 5 ^ 1 0 0

'

(

0,03X 3 + 0 , 0 8 X 6 ^ 9 0 0 (Diese Beschränkungen besagen ganz einfach, daß die Summe der für die Erzeugung der Artikel R und S in jedem Maschinenzentrum erforderlichen Zeiten nicht die gesamte in diesen Zentren verfügbare Zeit überschreiten darf.) Das Problem kann nun in folgender Weise neu formuliert werden 1 ): Man bestimme jene Werte X} ^ 0 (wobei j = 1, 2,. . ., 6 gilt), bei denen Z = 0,40Xi + 0,28X2 + 0,32X3 + 0,72X4 + 0,64X5 + 0,60X6

(1)

ein Maximum wird, unter den Nebenbedingungen 0,01 X i + 0,01 X 2 + 0,01 X 3 + 0,03X4 + 0,03X5 + 0,03X6 ^ 8 5 0 0,02Xi+0,05X4 ^ 7 0 0 0,02X2 + 0 , 0 5 X 5 ^ 1 0 0 0 , 0 3 X 3 + 0 , 0 8 X e ^ 900

(2)

Als nächstes wird, um zu einer Lösung mittels Simplexmethode zu gelangen, das System von Ungleichungen (2) in ein äquivalentes System von Gleichungen umgewandelt, indem man neue nicht-negative Variablen, X 7 , Xg, X9, X10, einführt, so daß 0,01 X i +0,01 X 2 + 0,01X 3 + 0,03 X 4 + 0,03 X 5 + 0,03 X 6 + X , 0,02Xi+0,05X4+X8 0,02X 2 + 0 , 0 5 X 5 + X 9 0,03X3 + 0,08X6 + X 1 0 gilt.

= = = =

850 700 100 900

(

'

i) Die Beschränkungen 1, 2 , . . . , 6 ergeben sich daraus, daß Herstellungsprozesse irreversibel sind und man daher negative Werte für diese Variablen ausschließen muß.

281

Die Simplexmethode

Diese neuen Variablen, XT, Xg, X9 und J10, werden abwechselnd als „verfügbare Aktivitäten", „Pseudovariablen" oder „Schlupfvariablen" bezeichnet. Im vorliegenden Problem liegt es auf der Hand, daß bei positiven Werten dieser Schlupfvariablen eine unvollständige Kapazitätsausnutzung der Maschinenzentren I, IIA, IIAA bzw. IIB yorliegt. Um die Umwandlung des vorliegenden Systems von Gleichungen (1 und 3) in die bei der Simplexmethode übliche Standardform zu vollenden, und auch, um eine möglichst große Geschlossenheit der Form zu erreichen, wird abschließend noch eine Gruppe von Umformungen vorgenommen. Angenommen, man ordnet die Gleichungen (3) so an, daß die einander entsprechenden Xj in der gleichen Spalte aufscheinen. Behandeln wir alle leeren Fächer als Null, so erhalten wir zum Beispiel für Xi folgende Spalte von Koeffizienten: 0,01, 0,02, 0, 0. Bei der letzten Gruppe von Umformungen wird j die Spalte der Koeffizienten von Xj ( j = 1, 2, . . . , 10) mit dem Symbol Pj und die rechts vom Gleichheitszeichen stehende Zahlenspalte im Gleichungssystem (3)1) mit Po bezeichnet. Die Multiplikation von Pj (oder Po) m i t einer reellen Zahl bedeutet, daß jede Komponente der Spalte mit dieser reellen Zahl zu multiplizieren ist. Somit ergibt sich, wenn wir zu den Koeffizienten von Xi zurückkehren,

X1P1=X1\

'

=

'

(4)

n

Schließlich ist, wenn Pi und P2 zwei solche „Vektoren" sind, 0,01 Xi +0,01 X 2 N o ° S

I

Wir können nun unser lineares Programmierungsproblem unter Verwendung der Symbole Pj folgendermaßen neu formulieren: Man bestimme nichtnegative X j (wobei y = l, 2, . . . , 10), welche die lineare Form (Funktion)2) Z = 0,40Xi + 0,28^2 + 0,32X3 + 0,72X4 + 0,64X5 + + 0,60X6 + 0 X 7 + 0 X 8 + 0 -X9 + 0 X10

^ '

unter den Nebenbedingungen 10

maximaleren.

^XjPj=P0 i=1

(3a)

1 ) Das heißt, die P j (und Po) sind Vektoren in einem Raum, dessen Dimension durch die Zahl der Einschränkungen bestimmt ist, denen das Problem unterliegt (im obigen Beispiel vierdimensional). 2 ) Hier nehmen wir an, daß mit jeder Schlupfvariablen XT, XE, XS und X10 ein Gewinn Null oder eine Kostenhöhe Null verknüpft ist.

282

11, Lineare Programme

Nachdem wir das Problem in dieser Weise formuliert haben, sind wir vorbereitet, es mit Hilfe der Simplexmethode zu lösen 1 ). Der erste Schritt besteht darin, daß wir für die Spaltenvektoren Pj eine systematische Anordnung treffen. Dies wird in Tabelle 11.14 für die Gleichungen (3) getan, wobei alle leeren Fächer in der Tabelle Nullen darstellen. TABELLE

11.14

Pl

P2

Pi

P4

Pi



P7

0,01

0,01

0,01

0,03

0,03

0,03

1

0,02

0,05 0,02

Ps

Pio

700 1

0,08

Po 850

1 0,05

0,03

Ps

100 1

900

Man beachte, daß man daraus die Gleichungen (3) einfach dadurch zurückgewinnen kann, daß man in der Pj-Spalte jeden Koeffizienten mit X] multipliziert und dann den Zeilen entlang addiert. (Die stark gezeichnete Senkrechte gibt an, wo die Gleichheitszeichen zu setzen sind.) Die durch P7, Pg, P9, Pio gebildete quadratische Submatrix, die aus Elementen besteht, welche entlang der Hauptdiagonale gleich 1 und überall sonst gleich Null sind, ist von besonderer Wichtigkeit. Eine solche Matrix heißt Einheitsmatriii. Die Gruppe von Vektoren wiederum, die die Einheitsmatrix bilden, werden als Basis dieses zur Debatte stehenden Raumes bezeichnet, der in diesem Beispiel ein vierdimensionaler Raum ist 2 ). Für das nachstehende Berechnungsverfahren der Simplexmethode werden nun diese Spalten, wie in Tabelle 11.15 a gezeigt, neu angeordnet. Dann wird links von der Po-Spalte eine als „Basis" überschriebene Spalte eingefügt. In dieser Spalte werden die jeweiligen Basisvektoren angeführt 3 ). Sodann wird I n Wirklichkeit kann m a n mit Hilfe des Dualitätstheorems der linearen P r o g r a m mierung zwischen zwei zu lösenden Problemen wählen. Dies deshalb, weil jedes Problem, das mit linearer Programmierung zu lösen ist, ein duales Problem besitzt, wobei das eine Problem die Maximisierung einer linearen Funktion, etwa Z, beinhaltet u n d das andere die Minimisierung einer linearen Funktion, etwa g, u n d Z m a I = gm¡n gilt. Wegen einer eingehenderen Besprechung des dualen Problems der linearen P r o g r a m m i e r u n g vgl. m a n A n h a n g 1 1 C sowie A. Charnes u n d A. Henderson, An Introduction to Linear Programming, J o h n Wiley & Sons, N e w York, 1953, u n d T . C. K o o p m a n s (Hrsg.), Activity Analysis of Produktion and Allocation. 2 ) Die Basisvektoren sind linear unabhängige Vektoren, m i t deren Hilfe jeder P u n k t im n-dimensionalen (hier n = 4) R a u m in eindeutiger Weise ausgedrückt werden kann u n d mit deren Hilfe eine L ö s u n g (oder Lösungen) dargestellt werden kann. 3 ) I m vorliegenden Beispiel bilden die Schlupfvektoren die Basis. Bei einigen P r o blemen, in denen einige der Beschränkungen in F o r m von Gleichungen oder U n gleichungen angegeben sind, die Minimumsgrenzen auferlegen, müssen sogenannte künstliche Vektoren eingeführt werden, u m eine Basis zu bilden (vgl. A. Charnes u n d . A. Henderson, An Introduction to Linear Programming, John Wiley & Sons, N e w York,

283

Die Simplexmethode

eine Zeile mit den Cj hinzugefügt, wobei die Cj als die in Gleichung (1) aufscheinenden Koeffizienten der entsprechenden Xj definiert sind. Dann kommt eine Spalte C(, die den Cj entsprechen, aber anstatt des Index j, der die Spalte bezeichnet, einen Index i haben, der zur Bezeichnung der Zeile dient. Der Ausdruck für Z kann nunmehr folgendermaßen geschrieben werden: 10

Z=^C,X,

(6)

Nachdem wir die Gleichungen und die Cj in die Tabelle eingetragen haben, fügen wir nunmehr eine mit „Zj" bezeichnete Zeile hinzu, wobei j die entsprechende Spalte angibt. Diese Zj werden folgendermaßen bestimmt: Wenn Xtj das Element in der i. Zeile u n d / Spalte der Tabelle bezeichnet, dann sind die Zj (einschließlich ZQ) definiert durch Z,=^CiXt, i

(7)

Schließlich wird eine mit „Zj— Cj" bezeichnete Zeile in die Tabelle eingetragen. Die Werte in den einzelnen Spalten findet man durch Subtraktion des entsprechenden Cj von dem in der vorangehenden Zeile eingetragenen Zj. Damit sind die Eintragungen abgeschlossen (Tabelle 11.15a) und zugleich der erste Berechnungsschritt gemacht. Gemäß der Terminologie, die wir zuvor verwendeten, hat man nun eine zulässige Lösung des Problems. Sie wird durch die Zahlwerte im Spaltenvektor Po gegeben. Die entsprechenden Xj, welche eben diese Werte annehmen, sind den jeweiligen Basisvektoren, in unserem Fall Prj, T\, Pc, und Pio zugeordnet: X-j = 850;

Xg = 700;

X 9 = 100;

X i o = 900

(8)

Das heißt, das erste zulässige Programm lautet: „Man verwende keine in den Maschinenzentren verfügbare Zeit, das heißt, man tue gar nichts" und führt somit zu einem Reingewinn Z — 0. Kriterien einer optimalen Lösung Sobald man ein zulässiges Programm erzielt hat, erhebt sich sogleich die Frage, ob es ein noch günstigeres Programm gibt. Demgemäß müssen die folgenden, einander gegenseitig ausschließenden und zusammengenommen erschöpfenden Fälle in Betracht gezogen werden: M l . Das Maximum ist Z = oo (d. h. das maximale Z ist unendlich groß). Diese Tatsache ist aus der vorliegenden Tabelle ablesbar. M2. Das Maximum Z ist endlich und wurde mit Hilfe des vorliegenden Programms erzielt. M3. Es ist noch kein optimales Programm gefunden worden und ein Z mit höherem Wert ist möglich. Die Simplexmethode ist so beschaffen, daß die Fälle M 1 oder M 2 in einer endlichen Zahl von Schritten erreicht werden müssen. Außerdem ist (wenn wir uns daran erinnern, daß Xy das Element in der i. Zeile und j. Spalte der Tabelle bezeichnet) das Verfahren derart beschaffen, daß für ein gegebenes Tableau (d. h. für eine Tabelle oder Matrix) gilt: 1953, S. 15 ff.). M a n beachte, daß auch Strukturvektoren so beschaffen sein können, daß sie in die Basis einbeziehbar sind.

«

-

-

£

o w-, 00

£ £ £ £

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O Ci

t?

C" 1 N"

£

1

î

8

£

1

Pio

£

-

o o -0,112

O (N

•i-

14,4

-

10.080

o" 0,288 -0,28

-0,32

0,03

-0,72*

0,72

-

10.080

0,02

0,01

-0,002

0,03

-0,32

0,02

-0,28

0,02

-0,40 TABELLE 11.15 b

-

14.000

£

0,72

o £ o o"

0,03 0,03

-0,64*

-0,60

0,08

-0,60

0,08

-0,64

1 SO'O 1

o o" so'o

0,03

£ 0,03

0,28

£ 0,03

0,32

£ 0,01

0,72 £

0,01

0,64 £

1 so'o

1

£

Basis

0,60 £

0,40

284 11. Lineare Programme

c 1

Die Simplexmethode

285

ü

î

1

' I '

o CN

-

-

?

o m

£ £ £ £

CT 1

1

o (S

1

1

o fN

H« 1

1

1

1

1

12,8

M l£J - 0,024*

0,005

0,28

iclcl 0,28

lo Ho Im

Ol om

o LO

£ £

lA ft,

£

î

24.880

[

30.000

o" Hm 1

0,32

^

•He»

2.000

-

— 0,64

Ol oloo -0,002

ccjoo

-0,6

1 -0,095*

irti«

TABELLE 11.15f

cT - 0,024

0,60

-

35.000

mfc) 1

12,8

fr

0,40

£

22.030

Hw 1

11.250

lo Ho

- 0,60

£

2.000

O {Zk — Ck) (12) gegeben oder, da Co = 0, durch (Zo —Co)' = ( Z o —Co) — 0

das heißt,

{Zk — Ck) gegeben. Man beachte die Ähnlichkeit zwischen der Verbesserung in diesem Fall und bei der Transport-Methode.

290

11. Lineare Programme

und (Zi - C,)' = (Zx - Ci) -

( ^ j (Z4 -

C4)

= (-0,40)-(^|)(-0,72) = ( - 0 , 4 ) - (0,4) ( - 0 , 7 2 ) = - 0 , 4 + 0,288 = - 0,112 usw. Schließlich wird der neue Wert der Gewinnfunktion durch (Z0 - C 0 )' = (Z 0 - C 0 ) - 0,

7 = 1 , 2 , . . . ,n

und X1P1 +x2p2

+ ••• +xnpn

=

ANHANG

IIA

2xipi=P»

maximisieren (minimisieren).

Eine weitere Methode für die Bewertung von Fächern bei der Transport-Methode In Kapitel 11 wird (als Teil der Transport-Methode) eine Methode dargelegt, wie man jene Fächer einer zulässigen Lösungsmatrix bewerten kann, die keine eingeringelten Zahlen enthalten, das heißt, eine Methode für die Bewertung der Substitutionskosten, die mit anderen als den in dieser bestimmten Matrix gegebenen Möglichkeiten verbunden sind. Im vorliegenden Anhang wollen wir eine zweite Methode behandeln, die nicht nur eine einfache Art dieser Bewertungen ermöglicht, sondern außerdem noch zusätzliche Informationen darüber liefert, welche Mindestkosten bei der Abweichung von dem gegebenen Programm entstehen 1 ). l ) Die hier dargelegte Bewertungsmethode ist eine A b w a n d l u n g der ursprünglich von Dantzig in Kapitel 21 bei K o o p m a n s , Activity Analysis of Production and Allocation, entwickelten M e t h o d e u n d ist in d e m bei H e n d e r s o n u n d Schlaifer beschriebenen Verfahren enthalten. Bezüglich der B e s t i m m u n g der Kosten, die bei einer A b weichung von der optimalen L ö s u n g entstehen, wird auf A. H e n d e r s o n u n d R. Schlaifer, „Mathematical Programming", Harv. Busin. Rev. ( M a i - J u n i 1954) verwiesen.

302

11. Lineare P r o g r a m m e

Um die hier dargelegte Bewertungsmethode mit der früher besprochenen vergleichen zu können, wollen wir zu den Tabellen 11.2 und 11.3, also der Kostentabelle und der Tabelle über die erste zulässige Lösung des gegebenen Transportproblems, zurückgehen. Der erste Schritt des Bewertungsverfahrens besteht in der Bildung einer neuen Tabelle (Tabelle 11A.1), die der Tabelle 11.3 entspricht, aber anstatt der zu versendenden Mengen die Kosten pro Einheit angibt. Diese Kosten werden durch die fettgedruckten Zahlen der Tabelle 11A. 1 dargestellt. Nunmehr wird zu Tabelle 11 A.l eine Spalte mit der Bezeichnung „Zeilenwerte" und eine Zeile mit der Bezeichnung „Spaltenwerte" hinzugefügt und diese Werte folgendermaßen berechnet: 1. Man ordnet irgendeiner Zeile oder Spalte einen beliebigen Wert zu. Zur Veranschaulichung ordnen wir beispielsweise der Zeile Si den Wert 0 (Null) zu. 2. Nunmehr ordnet man jedem Fach in Zeile Si, das eine einen Teil der zulässigen Lösung darstellende eingeringelte Zahl enthält, einen entsprechenden Spaltenwert (der positiv, negativ oder Null sein kann) zu, derart, daß die Summe aus Spaltenwert und Zeilenwert gleich den Kosten pro Einheit ist. Allgemeiner ausgedrückt erhält man, wenn r< der Zeilenwert der j. Zeile, Cj der Spaltenwert der^'. Spalte und C'y die Kosten pro Einheit für das Fach in der i. Zeile und/. Spalte ist, alle Zeilen- und Spaltenwerte mittels der Gleichung rt + C] =

(A.l)

Ci}

Setzen wir ri = 0 , so folgt aus der Gleichung (A.l) sofort ci = —10;

C2 = —20;

c 3 = —5

3. Da £3 = —5 und C23 = — 8, erhalten wir r 2 = —3. 4. Da r2 = —3 und C 2 4 = —30, gilt c4 = —27. 5. Aus £4 = —27 und C34 = —10 erhalten wir r^ — +17. 6. Schließlich erhält man aus i-3 = -(-17 und C35 = —4 den Wert c5 = —21. Man beachte, daß dieses Verfahren für die Zuordnung von Zeilen- und Spaltenwerten für jede nicht-entartete Lösungsmatrix verwendet werden kann, das heißt, bei jeder Matrix mit m Zeilen und n Spalten, bei der die Lösung genau m + n — 1 von Null verschiedene Elemente enthält. (Jede Lösung, die aus weniger als m + n — 1 von Null verschiedenen Elementen besteht, wird als entartet bezeichnet.) Einfache Methoden für die Behandlung der Entartung sind bei Charnes und Cooper 1 ), Henderson und Schlaifer2), Dantzig 3 ) und anderen zu finden. Nachdem man alle Zeilen- und Spaltenwerte für Tabelle 11 A.l berechnet hat, kann man die Tabelle nun fertigstellen, indem man gemäß Gleichung (A.l) die noch übrigen Fächer ausfüllt. Dadurch ergeben sich die normalgedruckten Zahlen in Tabelle 11A. 1. ') A. Charnes u n d W . W . Cooper, „ T h e Stepping Stone M e t h o d of Explaming Linear Programming Calculations i n ' T r a n s p o r t a t i o n Problems", Mgmt. Sei., 1, N r . 1, A n h a n g (Okt. 1954). 2 ) A. H e n d e r s o n u n d R. Schlaifer, „Mathematical P r o g r a m m i n g " , Harv. Busin. Rev. (Mai-Juni 1954). 3 ) G . B. Dantzig, Kap. 1, 2, 20, 21 u n d 23 in T . C. Koopmans (Hrsg.), Activity Analysis of Production and Allocation, Cowles Commission M o n o g r a p h , N r . 13, J o h n Wiley & Sons, New York, 1951.

Anhang I l a

303

T A B E L L E 11.2 Versandkosten pro Einheit \

Bestimmungsorte

•Di

Di

D3

Si

-10

-20

-5

-9

-10

Sa

-2

-10

-8

-30

-6

S3

-1

-20

-7

-10

-4

Dt

Dt

Ursprungsorte

T A B E L L E 11.3 Erste zulässige Lösung Bestimmungsorte

Di

Dt

D3

®

©

wenn Mittel i der Aufgabe / zugeordnet wird | 0, sonst

b) in jeder Zeile und Spalte der Matrix X ist ein Element 1 und alle übrigen Elemente 0. Die Bedingung (3) legt zusammen mit Gleichung (1) und (2) fest, daß aus der Matrix AQ n Elemente derart auszuwählen sind, daß keine zwei Elemente in dieselbe Zeile und dieselbe Spalte fallen und daß die Summe dieser Elemente ein Minimum ist. Sind diese drei Bedingungen gleichzeitig erfüllt, dann erhalten wir die Permutationsmatrix der optimalen Lösung. Um diese mathematischen Begriffe zu erläutern, betrachten wir die in Tabelle 12.1 gezeigte 4 x 4 (oder 4 2 ) Matrix A0, welche die Kosten ay von jedem Element der Spalte j ( j — 11, . . .,20) in Matrix A0 und erhalten Matrix Ax (Tabelle 12.6). Diese Matrix besitzt in jeder Spalte zumindest ein Nullelement. Schritt 2. Die Mindestzahl der Vektoren, die alle Nullelemente in Matrix Ai überdecken können, ist sechs. Somit ist Si = { Vektoren 2, 4, 5, 6, 7, 9 } und n\ = 6o CO

o o

O O

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CS co

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o

io >o

5,80

7,20

o

6,10

1,20

7,00

g

0,60

3,00

2,40

5,70

5,40

6,50

0,40

4,20

4,80

6,00

5,10

0,30

6,10

4,60

2,30

3,40 2,50 4,50 0,10

1,20 g 9,20

6,70 1,00

5,90

o

7,40

6,70

0,30

3,30 2,60

5,10

9,30

3,10

6,50

0,10

g

2,50

o

6,80

0,10

1,20

0,30

5,70

6,30

5,00 0,50

8,40

3,60

6,30

g

4,00

5,20

5,90

5,10

3,20



7,10

4,60

5,80

o

2,00

4,00

0,90

7,30

NO

1,30

4,10

f-

5,20

1

oo

6,70

CM

1,70

Ti-

4,70

g

2,50

1,00

IO o

8,20

1,80

5,90

7,50

2,20

1,50

8,00

9,30

o co o*

0l'9

N.

a» g

[0]

Traktor Nr.

O alle Null. T A B E L L E 12.12 Matrix A. Bewertungsmatrix: Kosten f ü r die Z u o r d n u n g der Lastwagen zu den Abstellplätzen in $ "x

Lastwagen

1

2

3

4

7

3

6

2

6

8

7

1

4

4

9

3

8

5

8

10

6

4

3

7

11

5

2

4

3

12

5

7

6

2

Abstellplatz

334

12. Das Zuordnungsproblem T A B E L L E 12.13 Matrix An Lastwagen 1

2

3

4

5

6

7

3

6

2

6

0

0

8

7

1

4

4

0

0

9

3

8

5

8

0

0

10

6

4

3

7

0

0

11

5

2

4

3

0

0

12

5

7

6

2

0

0

vi"" = M i n a y ' ° ' i

3

1

2

2

0

0

Abstellplatz

Wir können nun dazu übergehen, das Problem mit Hilfe der bereits skizzierten Methode zu lösen. Die optimale Zuordnung wird in der Tabelle 12.14 durch die Werte [0] angegeben. Die Lösung ist folgendermaßen zu interpretieren: Zuordnung von Lastwagen 1 zum Abstellplatz 9 Zuordnung von Lastwagen 2 zum Abstellplatz 8 Zuordnung von Lastwagen 3 zum Abstellplatz 7 Zuordnung von Lastwagen 4 zum Abstellplatz 12 Abstellplätze 10 und 11 bleiben leer. T A B E L L E 12.14 Matrix Ai. Die optimale Zuordnung ist durch [0] gekennzeichnet ^

Lastwagen 1

2

3

4

5

6

7

0

5

[0]

4

0

0

8

4

[0]

2

2

0

0

9

[0]

7

3

6

0

0

10

3

3

1

5

0

[0]

11

2

1

2

1

[0]

0

12

2

6

4

[0]

0

0

Abstellplatz

Spielarten des Zuordnungsproblems

335

D i e mit dieser Zuordnung verbundenen Kosten sind 3 + 1 + 2 + 2 = 8,00$ Wie man sieht, gilt für dieses Beispiel V ] = V ) { 0 \ für 7 — 1 , . . . , 4

und

« ¡ = 0, für i = 7, . . .,12

Aus Tabelle 12.13 ist ferner leicht zu entnehmen, daß die Dualitätsbedingungen (6) und (7) erfüllt sind. Maximisierungsproblem D i e bisher betrachteten Beispiele waren im wesentlichen Minimisierungsprobleme. E s ist jedoch leicht zu erkennen, daß man mit derselben Technik auch Maximisierungsprobleme anpacken kann. Ein solches Problem besteht darin, Personen in solcher Weise Aufgaben zuzuordnen, daß der erwartete Gewinn ein M a x i m u m wird. D i e Methode für die L ö s u n g dieses Problemtypus wird mittels eines Beispiels illustriert, das, obwohl es fiktiv ist, durchaus real wirkt. Beispiel 12.3. Nehmen wir an, Womanpower, Inc., sei ein Unternehmen, das sich damit beschäftigt, weibliche Hilfskräfte in einer kleinen Handelsstadt zu vermitteln. E s unterhält einen Angestelltenstab von vier Frauen (von 1 bis 4 numeriert), die Experten auf einem bestimmten Gebiet sind und darüber hinaus verschiedene gängige Arbeiten verrichten können. Außerdem besitzt die Firma eine Liste von Hausfrauen, die über verschiedene Ausbildungen verfügen und bereit sind, an Tagen, an denen mehr als vier Hilfskräfte angefordert werden, einzuspringen. Die Bezahlung, die die K u n d e n für die Hilfskräfte zu entrichten haben, richtet sich zumeist nach deren Leistung (d. h. nach der Zahl der geschriebenen Briefe, Rechnungen, verpackten Sendungen usw.). An einem bestimmten T a g erhält die Firma Aufträge von K u n d e n für vier Aufgaben (von 5 bis 8 numeriert), bei denen die zu erwartende Leistung jeder der angestellten Mitarbeiterinnen aus Erfahrung bekannt ist. E s läßt sich eine Gewinnmatrix C aufstellen, die den erwarteten Gewinn pro T a g zeigt, wenn man die Hilfskraft i ( « ' = 1 , . . . , 4 ) der Aufgabe j ( j = 5, . . . , 8 ) zuordnet (Tabelle 12.15). Angestrebt wird, die vier angestellten Hilfskräfte T A B E L L E 12.15 Matrix C. Gewinnmatrix: Erwarteter Tagesgewinn in $ x.

Aufgabe 5

6

7

8

1

1

ä

4

1

2

5

7

6

5

3

3

5

4

2

4

3

1

6

3

Angestellte^^^

336

12. Das Z u o r d n u n g s p r o b l e m

den vier Aufgaben so zuzuordnen, daß der erwartete Gewinn für diesen Tag ein Maximum wird. U m dieses Problem mittels der Methode von Flood zu lösen, brauchen wir lediglich Matrix C mit Hilfe des nachstehenden Schrittes 1' in Matrix Ag zu verwandeln. Schritt 1'. Wir bestimmen Max Cy in Matrix C. Dann bilden wir mittels der folgenden Transformation die Matrix AQ V0,=(Max.cn)-cv

(19)

Matrix Ao hat mindestens ein Nullelement. Nun wenden wir dasselbe Verfahren an wie bei Minimisierungsproblemen und wählen vier unabhängige Nullen aus. Der Leser kann sich leicht überzeugen, daß die optimale Zuordnung 1-6, 2-8, 3-5 und 4-7 ist und der erwartete Tagesgewinn für diese Zuordnung (8 + 5 + 3 + 6) = 22,00 $ beträgt. Weitere Nebenbedingungen Zum Zweck der besseren Veranschaulichung haben wir in den obigen Beispielen Fälle betrachtet, in denen alle endliche Elemente waren, aber das m u ß nicht immer der Fall sein. So zum Beispiel kann man, wenn gesetzliche oder andere Beschränkungen die Zuordnung eines bestimmten Mittels zu einer bestimmten Aufgabe verbieten, so vorgehen, daß man dem betreffenden au i 0 ) beliebig hohe (unendliche) Kosten zuordnet, das heißt, V0,=°O

(20)

setzt. Diese Zuordnung wird dann automatisch aus der optimalen Lösung eliminiert. Dieses Verfahren wird bei dem in Kapitel 16 zu beschreibenden Problem des Handelsreisenden angewendet. Zusammenfassung I m vorliegenden Kapitel wurde ein spezielles Problem des linearen Programmierens — das Zuordnungsproblem — besprochen. Das Zuordnungsproblem ist ein mathematischer „Zwilling" des Verteilungsproblems (des sogenannten Transportproblems), für welches viele Lösungsalgorithmen bestehen. Bei Berechnungen ohne Zuhilfenahme von Rechenmaschinen ist die Heranziehung der „ungarischen" Methode für die Lösung des Zuordnungsproblems, in der von Flood entwickelten Form, besonders zu empfehlen.

K A P I T E L 13

EINIGE

BEISPIELE

FÜR

ZUTEILUNGSPROBLEME

In Kapitel 11 wurden zwei Verfahren für die Lösung linearer Programme dargelegt, nämlich die Transport-Methode und die Simplexmethode. Die Transport-Methode hat den Vorteil, nur ganz elementare Rechenoperationen zu benutzen (eignet sich also für den Einsatz von Büropersonal), ist jedoch, wie in Kapitel 11 erläutert, auf eine bestimmte Gruppe linearer Programme beschränkt. Die Simplexmethode wiederum läßt sich wohl auf das allgemeine lineare Programm anwenden, jedoch ist, obwohl lediglich elementare Mathematikkenntnisse hierfür notwendig sind, der Umfang der Berechnungen gewöhnlich derart groß, daß entweder mit hoher Geschwindigkeit rechnende elektronische Rechenanlagen herangezogen werden müssen oder Vereinfachungen notwendig sind, um den Umfang des Problems zu reduzieren. Im Wirtschaftsleben, besonders dort, wo elektronische Rechenanlagen nicht unmittelbar verfügbar sind, wird die Heranziehung elektronischer Rechenanlagen mit hoher Rechengeschwindigkeit oft nicht vorteilhaft sein, selbst wenn man diese Arbeiten in Lohnarbeit außer Haus geben könnte. In vielen Fällen müssen nämlich Entscheidungen so kurzfristig nach Empfang der wesentlichen Unterlagen getroffen werden, daß für den Einsatz der Rechenanlagen nicht die erforderliche Zeit zur Verfügung steht. Das kann zum Beispiel bei der Entscheidung der Fall sein, welche Arbeit den einzelnen Maschinen täglich zugeteilt werden soll sowie bei anderen laufend anfallenden Problemen. Um solche lineare Programme zumindest so optimal wie möglich zu lösen, wird in diesem Kapitel ein Näherungsverfahren beschrieben, und zwar an Hand eines tatsächlich aufgetretenen industriellen Problems und eines hypothetischen Beispiels. Damit man nicht annehmen muß, alle linearen Programme seien nur durch Näherungsverfahren zu lösen, werden außerdem einige praktische Fälle skizziert, in denen exakte Verfahren angewendet wurden. N ä h e r u n g s v e r f a h r e n z u r L ö s u n g eines Z u t e i l u n g s p r o b l e m s

Das Problem stellte sich einem Erzeuger von Antibiotika und kann folgendermaßen umrissen werden: Die Herstellung von Antibiotika verläuft in mehreren Abschnitten, die mit einer halbautomatischen Abfüllung enden. Dabei werden kleine Phiolen gefüllt und sodann nach einem kurzen Transport mittels Fließbands von der sterilen Abfüllzone zur Verschlußmaschine verschlossen. Die Abfüllmaschinen sind Spezialmaschinen, die entweder gekauft oder gemietet werden können; sie haben verschiedene Kapazitäten, Abfüllgeschwindigkeiten und Betriebskosten. Der für den Zeitplan der Abfüllung Verantwortliche erhält im voraus die Angaben über die monatlichen Produktionserfordernisse. Sein Produktionsplan hat dann nicht nur anzugeben, wieviel von jedem Produkt durch welche Maschine abzufüllen ist, sondern auch

338

13. Einige Beispiele für Zuteilungsprobleme

wann die Abfüllung erfolgen soll. Mit anderen Worten, er muß folgende Fragen beantworten: 1. Wieviel ? (Seriengröße usw.) 2. Wo ? (Zuteilung) 3. Wann ? (Zeitplan) Zur ersten Frage, „Wieviel ?", gehört unter anderem die Bestimmung wirtschaftlicher Seriengrößen. Die zweite, „Wo ?", bezieht sich auf die Zuteilung der Produkte zu den verschiedenen Abfüllmaschinen und das „Wann ?" betrifft die Festsetzung der Zeitpunkte, zu welchen die verschiedenen Produktionsschritte und Maschinen zur Durchführung bzw. zum Einsatz gelangen. Nun ist der Vorgang so gelagert, daß man vom vollendeten Zeitplan ausgehend nach rückwärts schreiten und die gesamte Herstellung der Antibiotika in allen erforderlichen Schritten auf dieser Grundlage planen kann. Die Zeitplanung nach vorwärts, im Hinblick auf die Verschlußmaschinen, ist im vorliegenden Fall kein Problem, da die Verschlüsse bei allen Phiolen gleich sind, alle Verschlußmaschinen der gleichen Marke angehören und über beachtliche ungenutzte Kapazitäten verfügen. Wie läßt sich dieses Problem mit Hilfe eines linearen Programms anpacken ? Sobald die zu produzierenden Mengen feststehen, kann man mit einem linearen Programm die Frage 2 beantworten, das heißt, es hilft bei der Zuteilung des Produktes zu den verschiedenen Abfüllmaschinen. Man beachte, daß ein lineares Programm zuteilt, nicht aber die Frage 3 beantwortet, das heißt, keine Zeitplanung angibt. Mit anderen Worten, es bleibt, nachdem die optimale Zuteilung festgelegt wurde, immer noch die Aufgabe der Zeitplanung. Nun produziert die in Frage stehende Firma zwölf verschiedene Grundtypen von Antibiotika, die entweder Pulverform haben oder in Öl oder Wasser suspendiert sind. Wenn wir jene Antibiotika, die in mehr als einer Form auftreten, jeweils separat zählen, erhalten wir insgesamt 16 Produkte. Außerdem kann jedes Produkt in bis zu sechs Phiolengrößen hergestellt werden, so daß alles in allem 53 verschiedene Kombinationen produziert werden. Die Abfüllabteilung umfaßt neun Abfüllmaschinen. Drei davon sind sogenannte Naß-Füllmaschinen, das heißt, Maschinen für die Abfüllung der in Ol oder Wasser suspendierten Produkte. Die anderen sechs sind TrockenFüllmaschinen. Die von diesen beiden Typen abgefüllten Produkte schließen einander gegenseitig aus und umfassen zusammen das gesamte in Frage stehende Produktionsprogramm; mit anderen Worten: es kann keines der erwähnten 16 Produkte auf beiden Maschinentypen abgefüllt werden. Somit treten an die Stelle des ursprünglichen Gesamtproblems zwei kleinere Probleme. Hier haben wir uns mit dem Problem zu beschäftigen, wie die Trockenfüllprodukte zuzuteilen sind, damit die Gesamtkosten der Abfüllung ein Minimum werden. Diese Trockenfüllprodukte stellen 10 der 16 Produkte dar und umfassen 31 von den ursprünglichen 53 Kombinationen. Mathematische Formulierung des Problems Zur Lösung dieses Problems bedienen wir uns der folgenden Symbolik: xi] = Menge des auf der i. Maschine abzufüllenden j. Produktes. Ca = Kosten der Abfüllung des j. Produktes auf der i. Maschine. t(] = für die Abfüllung einer Phiole des j. Produktes auf der i. Maschine erforderliche Zeit.

Näherungsverfahren zur Lösung eines Zuteilungsproblems

pj bi m n

= = = =

339

für diese Planungsperiode erforderliche Menge des j. Produktes. Kapazitätsgrenze der i. Maschine. Zahl der Trockenfüllmaschinen, also sechs. Zahl der in der Planungsperiode abzufüllenden verschiedenen Produkte 1 ), 31.

Die Bedeutung

der gegebenen

Konstanten

Kosten. Die Produktionskosten sind Standardkosten, die den Aufwand für die Auflegung, die Instandhaltung, Reinigung, Anpassungen während des Betriebs, Bedienung, Material, Ausschuß und Schwund beinhalten. Unter Verwendung unserer symbolischen Schreibweise ergibt sich für die Gesamtkosten für die Abfüllung der Produkte die Formel m

n

C = 2 2 xijdj i= 1 )- 1

= ^

x

i,j

a

c

a

Andere einschlägige Größen, wie die verbrauchte Zeit oder die erzeugten Mengen, werden durch folgende Ausdrücke dargestellt: 1. Von allen Produkten an der i. Maschine insgesamt verbrauchte Zeit: 2 UjXij i~ l

2. Von allen Maschinen zusammen abgefüllte Menge des j. Produktes:

2*«

i=i Somit kann unser lineares Programm folgendermaßen formuliert werden 2 ): Es sind bei gegebenen cy, iy, p1t (i = 1,2, . . . , » » ; / = 1 , 2 , . . ,,n) Größen X f j > 0 zu bestimmen, die C = ^

cij xtj

unter den Nebenbedingungen n

tiixiip}y

j = 1,2, . . .,n

minimisieren. Zu beachten ist die Voraussetzung, daß alle Kosten und Zeiten linear sind; das heißt, es wird angenommen, daß es zehnmal soviel kostet, zehn Phiolen zu füllen als eine, und daß man dazu zehnmal so lange braucht. Die Linearitätsannahme *) In der nachstehenden Diskussion werden verschiedene Phiolengrößen des gleichen Antibiotikums als verschiedene Produkte behandelt. Die Bestimmung des Ablaufes der Abfüllung ist ein eigenes (Zeitplanungs-) Problem, das durch die Technik der linearen Programmierung (Zuteilung) nicht beantwortet wird. 2 ) Das Problem hätte sich auch mittels Höchstgewinnen, optimalen Lagerbeständen usw. formulieren lassen. Es muß jedoch betont werden, daß geringste Kosten nicht unbedingt, wie es hier der Fall ist, zugleich Höchstgewinne bedeuten.

340

13. Einige Beispiele für Zuteilungsprobleme

ist im allgemeinen für ein Problem dieser Art notwendig, damit man die erwähnten Verfahren anwenden kann; daher auch die Bezeichnung lineares Programm 1 ). Wo die angeführten Kosten in keinem Zusammenhang mit der Maschine standen, wurden sie in der Untersuchung vernachlässigt, da eine Änderung der Zuteilung keine Auswirkung auf ihre Höhe zeitigt. Außerdem waren im vorliegenden Problem auch die Unterschiede der Auflegungskosten für verschiedene Produkte zwischen den einzelnen Maschinen so gering, daß sie gleichfalls vernachlässigt werden konnten. (Durch diese Annahme wird übrigens ein nicht-linearer Kostenfaktor eliminiert; im vorliegenden Problem hätten jedoch auch fühlbare Unterschiede der Auflegungskosten insofern kein allzu großes Problem dargestellt, als die Produkte normalerweise in Serien TABELLE 13.1 Produktionskosten pro 1000 Phiolen ~

Maschine 1

2

3

4

5

6

1

1,417

2,747

2,373

1,564

3,252

2,060

2

1,425

2,450

2,236

1,509

3,084

2,141

3

1,368

2,402

2,188

1,452

2,994

2,061

4

1,368

2,900

2,686

1,452

2,994

2,061

S

1,355

2,470

2,201

1,460

2,978

2,048

6

2,703

2,806

3,138

2,192

7

6,118

4,227

8

10,040

Produkt

9

1,365

2,400

2,185

1,448

10 11

2,612

2,693

12

2,990

2,056

6,109

4,216

2,990

2,056

6,109

4,216

13

1,425

2,450

2,236

1,509

3,085

2,141

14

1,425

2,450

2,236

1,509

3,085

2,141

3,355

2,384

15

1 ) Diese Methoden lassen sich auch auf bestimmte nicht-lineare Optimisierungsprobleme anwenden. Vgl. zum Beispiel C. E. Lemke und A. Charnes, „Extremal Problems in Linear Inequalities", Technical Report Nr. 36, Carnegie Institute of Technology, Pittsburgh, 1953.

Näherungsverfahren zur Lösung eines Zuteilungsproblems

341

bestimmten Umfangs hergestellt werden und somit eine eindeutige Grundlage für die Zuordnung der Auflegungskosten pro Phiole und Maschine vorhanden gewesen wäre.) Durch die Kombination der verbleibenden Kosten erhält man, wie in Tabelle 13.1 gezeigt, eine Matrix der relevanten Produktionskosten pro 1000 Phiolen 1 ). Abfüllzeiten. Die Abfüllzeiten wurden durch Beobachtung und mittels Standardgeschwindigkeiten ermittelt, die auf Zeitstudien beruhen. Sie sind in Tabelle 13.2 dargestellt 2 ). TABELLE 13.2 Abfüllzeiten (Minuten pro Phiole), Bedarfsmengen und verfügbare Zeiten Maschine 1

2

3

4

5

6

Bedarfs mengen

1

0,0125

0,0200

0,0200

0,0125

0,0625

0,0417

55.500

2

0,0125

0,0200

0,0200

0,0125

0,0625

0,0417

22.799

3

0,0125

0,0200

0,0200

0,0125

0,0625

0,0417

35.933

4

0,0125

0,0250

0,0250

0,0125

0,0625

0,0417

53.097

5

0,0125

0,0200

0,0200

0,0125

0,0625

0,0417

514.793

6

0,0250

0,0250

0,0625

0,0417

43.987

7

0,1250

0,0833

77.697

8

0,2000

Produkt

9

0,0125

0,0200

0,0200

0,0125

10 11

0,0250

0,0250

12

4.363

0,0625

0,0417

447.060

0,1250

0,0833

11.494

0,0250

0,0417

215.646

0,1250

0,0833

12.023

13

0,0125

0,0200

0,0200

0,0125

0,0625

0,0417

25.154

14

0,0125

0,0200

0,0200

0,0125

0,0625

0,0417

44.963

0,0625

0,0417

4.046

7920

7920

15 Verfügbare Zeit

7920

7920

7920

7920

') Leere Fächer bedeuten, daß das Produkt auf der betreffenden Maschine nicht abgefüllt werden konnte. a ) Leere Fächer bedeuten, daß das Produkt auf der betreffenden Maschine nicht abgefüllt werden kann.

342

13. Einige Beispiele f ü r Zuteilungsprobleme

Maschinenkapazitäten. Die verfügbare ideale Gesamtzeit muß so bereinigt werden, daß Ruhepausen, Auflegungszeiten, Pannen, Stauungen usw. berücksichtigt sind. Dies ergibt die praktisch verfügbare Kapazität. Bei der ursprünglichen Untersuchung wurde angenommen, daß diese praktisch verfügbare Zeit bei allen Maschinen gleich war und 7920 Minuten pro Monat betrug. Von jedem Produkt zu erzeugende Gesamtmenge. Die Produktionserfordernisse werden der Produktionsplanungsabteilung von der Verkaufsabteilung bekanntgeben und basieren auf Absatzprognosen und Lieferkontrakten. Diese Unterlagen sind leicht zu beschaffen und können für einen bestimmten Monat beispielsweise so aussehen, wie in der rechten Spalte von Tabelle 13.2 angegeben. Für die in Tabelle 13.2 angegebene Monatsproduktion kann man das lineare Programm nunmehr wie folgt formulieren. Es sind bei gegebenen cy, Uh Ph h (» = 1,2,. . .,6;y = 1,2, . . .,15), die * y > 0 zu bestimmen, die 6

15

c = 2 2 C(fx*i i=ij= i unter den Nebenbedingungen 6

^Xij>p}, ;-i

7 = 1 , 2 , . . . , IS

IS

2 U}Xtj 0 als Summe der zusammengesetzten Wahrscheinlichkeiten der folgenden vier unabhängigen Ereignisse ausgedrückt werden: 1. Das Produkt der Wahrscheinlichkeiten, daß a) zum Zeitpunkt t die Warteschlange aus n Einheiten besteht b) während des Intervalls At kein Zugang erfolgt

[1 - A ( A i ) ] c) während des Intervalls At keine Einheiten abgefertigt werden [1 - u ( A < ) ]

360

14. Warteschlangen-Modelle

2. Das Produkt der Wahrscheinlichkeiten, daß a) zum Zeitpunkt i die Warteschlange aus (n + 1) Einheiten besteht [f»+i(t)] b) während des Intervalls Ai eine Einheit abgefertigt wird [«(Ai)] c) während des Intervalls Ai kein Zugang erfolgt [1 — A(Ai)] 3. Das Produkt der Wahrscheinlichkeiten, daß a) zum Zeitpunkt i die Warteschlange aus (n— 1) Einheiten besteht [-Pn-iW] b) während des Intervalls Ai ein Zugang erfolgt [A(Ai)] c) während des Intervalls At keine Einheiten abgefertigt werden [1 — /¿(Ai)] 4. Das Produkt der Wahrscheinlichkeiten, daß a) zum Zeitpunkt i die Warteschlange aus n Einheiten besteht

[Pn(t)}

b) während des Intervalls Ai ein Zugang erfolgt c) während des Intervalls Ai eine Einheit abgefertigt wird

[A(Ai)] [^(A/)]

Die Wahrscheinlichkeiten, daß während des Intervalls At mehr als eine Einheit eintrifft oder abgefertigt wird, werden als vernachlässigbar angenommen. Diese vier Wahrscheinlichkeiten können folgendermaßen umgeformt werden: 1. Pn(t) (1 - A Ai) (1 - ft At) = Pn(t) [ 1 - AAt - n Ai] + 2. Pn+1(t)(fiAt)(l - AAt) =Pn+1(t)nAt + o2{At) 3. Pn-i(t){XAt)(l-fiAt) = Pn-i(t)AAi 4. Pn(t){XAt){fiAt)=Oi(At)

Ol(A0

+ o 3 (Ai)

Die Of(At) sind hier Glieder zweiter Ordnung in At. Wenn man diese Wahrscheinlichkeiten addiert, so erhält man als Wahrscheinlichkeit, daß sich zum Zeitpunkt (t + At) n Einheiten in der Warteschlange befinden P„(t + At) = Pn(t) [1 — A Ai — pAi\ +Pn+i(t)ßAt + P n - i ( 0 A Ai + + oi(Ai) + o 2 (Ai) + o 3 (Ai) + o 4 (Ai)

f n (

'

Di^fee Gleichung kann folgendermaßen umgeformt werden: P„(i + A i ) - P M ( i ) = XPn-i(t) + /xPn+i(t) At

- (A +1u)Pn(t) + 0 ( A i )

Dabei ist O(Ai) ein Glied von erster Ordnung in At. Läßt man Ai gegen Null streben, so erhält man die Differentialgleichung ^P^XPn-W+ftPn^M-iX+riPnit)

( « > 0)

(2)

Für n = 0 müssen die oben angeführten vier Fälle modifiziert werden. Betrachtet man die zum Zeitpunkt i gerade in Abfertigung befindliche Einheit (sofern es gerade eine solche gibt) als zur Schlange gehörig, so ist die W a h r -

Ein Warteschlangen-Problem bei einer einzigen Bedienungsstelle

361

scheinlichkeit, daß zum Zeitpunkt t + A< 0 Einheiten in der Warteschlange sind, die Summe der beiden Wahrscheinlichkeiten: 1. Po(t)(l — XA(): Wahrscheinlichkeit, daß sich zum Zeitpunkt t Null Einheiten in der Warteschlange befinden und innerhalb des Zeitintervalls At kein Zugang erfolgt. 2. Pi(t)(fi&t)(l — XAt): Wahrscheinlichkeit, daß sich zum Zeitpunkt t eine Einheit in der Warteschlange befindet, daß im Zeitintervall At eine Einheit abgefertigt wird und daß in diesem Zeitintervall kein Zugang erfolgt. Wenn wir diese beiden Wahrscheinlichkeiten addieren, so erhalten wir als Wahrscheinlichkeit für eine Länge 0 der Warteschlange zum Zeitpunkt t + Ai P 0 ( i + Ai) = P o ( 0 ( l - A A i ) +Pl{t)iiAt-XliP1(t)(Mf (3) woraus folgt, daß + A g - AW = _ m t ) + l l P i { t ) _ ) fiPi(t) m und

dPo(0 = -XPo(t)+/iP1(t) dt

(n = 0)

(4)

Die Differentialgleichungen (2) und (4) drücken implizite die Beziehung zwischen Wartezeit und Bedienungszeit aus und liefern so die Basis für die Lösung vieler Warteschlangen-Probleme. Je nachdem, wie kompliziert die FunktionP w (i) ist, sind die Lösungen mehr oder weniger schwierig. Wenn man annimmt, daß Pn(t) von t unabhängig ist, gelangt man jedoch leicht zu einer Lösung. Da sich diese Wahrscheinlichkeit nicht mit der Zeit ändert, ist die Änderungsrate gleich 0: d p a p*=0, « = 0,1,2,... dt Somit nehmen die Gleichungen (2) und (4) folgende Gestalt an: 0 = AP»_i + fiPn+i — (A + ix)Pn (b>0) (2a) 0 = - A P 0 + ( uPi (n = 0) (4a) Die Gleichungen (2a) und (4a) sind nicht Differential-, sondern Differenzengleichungen. Die Größen Po, P i , . . ., Pn, . . . können sukzessive durch Po ausgedrückt werden. Po selbst erhält man dann auf Grund der Relation o Po=Po

' X '

)p.

Pl=\ 'X

CM

P2=\

A

, o

f

!

P o

[Aus Gleichung (4a)] [Indem man in Gleichung (2 a) n einsetzt] [Indem man in Gleichung (2 a) n und P i einsetzt]

362

14. Warteschlangen-Modelle

Durch Summierung dieser Gleichungen erhalten wir

Nun nehmen wir an, daß < 1 (d. h. die durchschnittliche Ankunftsrate) geringer als die durchschnittliche Abfertigungsrate sei. Diese Bedingung muß gelten, wenn die Warteschlange nicht ins Grenzenlose wachsen soll. Da 00

CO

V i>, = 1 0

und

V {XlfxY = 1/[1 0

(%)]

(dies ist die Formel für die Summe einer unendlichen geometrischen Reihe), ist 1-A/i» Daher gilt

(6)

Po = l-Wp)

Setzt man diesen Wert von Po in den oben angegebenen Ausdruck für Pn ein, so folgt daraus, daß die Wahrscheinlichkeit einer Warteschlange der Länge n durch

M^K) —-H1

P)

gegeben ist. Der Quotient Xjfi wird manchmal als „Verkehrsintensität" bezeichnet. Er ist ein Maß für die Auslastung der Bedienungsstellen, ausgedrückt in einer als „Erlang" bezeichneten Maßeinheit. Diese Bezeichnung wurde von Kendali zu Ehren von A. K . Erlang vorgeschlagen, der zur Theorie der Warteschlangen Wesentliches beigetragen hat. n, die durchschnittliche Länge der Warteschlange, ist wegen 2 P „ = 1 gegeben durch n=^nP o

(8)

n

Setzt man den durch (7) gegebenen Wert von Pn in (8) ein, so erhält man ¿ y _

(9)

Allgemein gilt:1 + 2 * + 3*2-|

»»»-i-l

_

für |*|< 1

Ein Warteschlangen-Problem bei einer einzigen Bedienungsstelle

363

Diese Relation erhält man, indem man bei der Formel 1+*+** + * H

h^H

=•

1 - *

beide Seiten nach x differenziert. Daher ist der bei Formel (9) in eckiger Klammer stehende Ausdruck

Durch Einsetzen dieses Wertes in (9) erhalten wir

H^H'-I)™*

- n). Ebenso sehen wir, daß bei gegebener Verteilung der Abfertigungszeit die durchschnittliche Länge der Warteschlange nur durch eine Verkleinerung von X reduziert werden kann. Wenn X reduziert wird, wird der Wert von 1 — (XIft) erhöht, und die Länge der Schlange nimmt ab. Das bedeutet, daß die Lösung eines Warteschlangen-Problems ein gegenseitiges Abwägen der Kosten für die Verkleinerung der Warteschlange einerseits und der mit nicht ausgenützten Bedienungseinrichtungen verbundenen Kosten andererseits erfordert. Wartezeit Die durchschnittliche Wartezeit der bei einer Bedienungsstelle regellos eintreffenden Einheiten kann folgendermaßen formuliert werden: Es sei und

ito = durchschnittliche Wartezeit f, = durchschnittliche bei der Bedienung verbrauchte Zeit (Bedienungs- oder Abfertigungszeit). Dann ist t w -\-i, = durchschnittliche Aufenthaltszeit. Ist die durchschnittliche Ankunftsrate X, dann gilt n=X(la

+ i,)

woraus folgt, daß =

(25)

Für den Fall regellosen Zugangs und regellosen Abgangs gilt 1

-Xlp

und es kann gezeigt werden, daß

ig = —1 f

[analog zu Gleichung (21)]

Durch Einsetzen in (25) erhält man 1 » = - , - ¡x — X fi

(26)

als Gleichung für die durchschnittliche Wartezeit bei einer einzelnen Bedienungsstelle.

Allgemeines Warteschlangen-Problem bei einer einzelnen Bedienungsstelle

367

Bei regellosem Zugang und einer Verteilung der Abfertigungszeit mit der Varianz a(»2 und dem Mittelwert i s erhält man folgende Gleichung 1 ) für die durchschnittliche Wartezeit bei einer einzelnen Bedienungsstelle ITA

A W l + i M H

Allgemeines Warteschlangen-Problem bei einer einzelnen Bedienungsstelle

Beim allgemeinen Warteschlangen-Problem, bei dem die Ankunfts- und Abfertigungsraten von der Länge der Warteschlange abhängen, sind die grundlegenden Gleichungen dPn(t) . = - (A„ + ftn)Pn(t) + A„- iPn-i(t)+1uB+1P„+i(0 di

(28)

dPojt) = - A 0 P 0 « +^1^1(0 dt

(29)

Der Prozeß, den diese Gleichungen beschreiben, wird im allgemeinen als „Geburts- und Sterbeprozeß" bezeichnet. Um ihn zu illustrieren, wollen wir folgendes Beispiel betrachten: In einem Restaurant kann man zwischen 17 und 21 Uhr Mahlzeiten einnehmen. Nehmen wir vorläufig an, daß die Anzahl der Personen, die bedient werden können, keiner Einschränkung unterliegt. Weiters wollen wir annehmen, daß die Gäste zufällig eintreffen und daß gemäß der von uns verwendeten Symbolik die Wahrscheinlichkeit, daß ein Gast im Zeitraum (t, t + At) eintrifft, XAt ist. Die Wahrscheinlichkeit, daß ein Gast im Zeitraum (i, i + Ai) das Lokal verläßt, wird mit npAt angenommen. Das heißt, daß sich die Bedienungsrate erhöht, je mehr sich das Restaurant füllt. Für die in den Gleichungen (24) und (25) auftretenden Ankunfts- und Bedienungsraten erhalten wir daher A n =A, Hn=nfl Die Differentialgleichungen für die Bestimmung von P»((), der Wahrscheinlichkeit, daß sich zum Zeitpunkt t n Gäste im Restaurant befinden, sind

!)

^

i )

d i

j r ) -=-*Po(t)+uPi(t)

= - ( A + «iu)Pn(co e-Wriaiu)» = -

t —> oo

(33)

n\

Daher ist nach einer hinreichend großen Zeit die Wahrscheinlichkeit, daß die Anzahl der Gäste genau n beträgt, poissonverteilt mit dem Mittelwert — . X (1 Angenommen wir stellen am frühen Abend fest, daß — = 9. Dann ist die Wahrscheinlichkeit, das Restaurant leer zu finden, gleich e _J_ so gilt e " = 0 , 9 0 4 8 .

x '' = 0 , 0 0 0 1 . Ist — = 0 , 1 , f*

- —

Es sei n(t) die durchschnittliche Anzahl der Gäste zum Zeitpunkt t. Die Funktion n(i) kann ohne Heranziehung der expliziten Lösung für Pn(t) folgendermaßen bestimmt werden: (34)

n(t)=XnPn(t) d n(t) dt

--•£ndPn(t)ldt

= X-fin(t)

(35)

Die Lösung für n(t) ist n{t)=

— ( l-e-n') j"

(36)

wenn wir annehmen, daß n(0) = 0. Warteschlangen-Problem bei mehreren Bedienungsstellen Das soeben besprochene Beispiel wäre realistischer, wenn es eine Annahme darüber enthielte, wie viele Gäste maximal bedient werden können. Wir wollen diese Beschränkung im Rahmen eines anderen Beispiels darlegen. Es wird angenommen, daß die an eine Versandabteilung erteilten Aufträge — ebenso wie die Restaurantgäste im vorigen Beispiel — regellos eintreffen und daß die Wahrscheinlichkeit, daß ein Auftrag während des Zeitraums (t, t + At) erteilt wird, gleich XAt ist. Weiters nehmen wir an, daß die Aufträge von einer bestimmten Anzahl s von Angestellten der Abteilung erledigt werden. Wenn dann alle s beschäftigt sind, können neu hereinkommende Aufträge nicht sofort behandelt werden und müssen in eine Warteschlange eingereiht werden. Wir sagen, das System befindet sich im Zustand En, wenn n die Gesamtzahl der in Bearbeitung oder in der Warteschlange befindlichen Aufträge ist. Eine Warteschlange besteht nur dann, wenn das System in einem Zustand n > i ist. In diesem Fall befinden sich n — s Aufträge in der Warteschlange. Solange mindestens ein Angestellter unbeschäftigt ist, haben wir dieselbe Situation wie im vorhergehenden Beispiel. Befindet sich das System jedoch im Zustand En mit n >s, dann werden nur s Aufträge bearbeitet, und daher ist H n = S f i für n ^ s .

Warteschlangen-Problem bei mehreren Bedienungsstellen

369

Dieser Fall wird durch nachstehendes System von Differentialgleichungen beschrieben : (« = 0) dfi,(0 di

= -{X + n(i)Pn{t) + XPn.1(t) + {n + \)tiPn+i{t)

dP n (t) = dt

(\0.

0

2

4

6 Ankünfte

8

10

12

14

16

18

20

pro 3 0 - S e k u n d e n - I n t e r v a l l

Abb. 15.4 Vergleich zwischen der tatsächlichen und theoretischen Ankunft von 1100 Fahrzeugen pro Stunde bei der George Washington-Brücke.

Auslastung und Wartezeitverhältnis

387

höheren Verkehrsintensitäten weniger gut mit der tatsächlichen Verteilung übereinzustimmen, obwohl beide noch eine annehmbare Anpassung mit einer Wahrscheinlichkeit größer als 0,05 aufweisen. Die Verschlechterung der Anpassung ist jedoch insofern von Interesse, als sie mit der vorhin hervorgehobenen Ausweitung der rechten Ausläufer der empirischen Verteilungen zusammenhängt. Sowohl die ausgeweiteten Ausläufer als die schlechtere Anpassung bei höheren Verkehrsintensitäten lassen sich durch die Entwicklung der Verkehrsstockung erklären, die zur Folge hat, daß sich die Fahrzeuge durch ihr Verhalten gegenseitig beeinflussen. Bei noch höheren Verkehrsdichten würde offensichtlich überhaupt keine Anpassung mehr bestehen, und bei direkten Stauungen würde die Verteilung gegen einen konstanten Wert streben. Die Verkehrsintensität, bei der die Anpassung unbefriedigend wird, hängt natürlich von der Anzahl der Fahrbahnen der betreffenden Straße ab. Die Spalte, die die theoretisch bessere Anpassung angibt, geht davon aus, daß die Poissonverteilung bei einem Mittelwert unter 5 und die Normalverteilung bei einem Mittelwert über 5 die bessere Anpassung an die Binomialverteilung ausdrückt. Dieser Mittelwert entspricht einer Verkehrsintensität von 120 X 5, das ist 600 Fahrzeugen pro Stunde. Zwei in der Tabelle mit Sternchen bezeichnete Ausnahmen werden als nicht wesentlich betrachtet. Die Ergebnisse stützen die Annahme, daß die richtige Verteilung eine Binomialverteilung ist und daher eine reine Zufallsverteilung vorliegt, solange Verkehrsstauungen keine Rolle spielen. Auslastung und Wartezeitverhältnis Nachdem wir den Zufallscharakter des Verkehrs festgestellt hatten, dachten wir, daß es möglich wäre, jede der verschiedenen Kennzahlen für die Güte des Mautdienstes als Funktionen der Verkehrsdichte darzustellen und eine Theorie des Warteprozesses zu entwickeln, die hinreichend gut mit den empirischen Kurven übereinstimmt, so daß zumindest einige dieser Kennzahlen auf Grund dieser Theorie vorhersagbar wären. Leider war dies nicht der Fall. F ü r einige Größen konnten keine befriedigenden empirischen Kurven gezeichnet werden, weil die Punkte zu weit streuten. U m die Regressionslinien für einige der Kennzahlen direkt aus den berechneten Punkten bestimmen zu können, hätte man eine sehr große Zahl von Daten benötigt. Jene Beziehung, deren Untersuchung am nächstliegenden ist — die zwischen Verkehrsdichte und durchschnittlicher Wartezeit in Sekunden —, fiel in diese Kategorie. Ein Grund hierfür ist, daß die in Sekunden gemessene durchschnittliche Wartezeit nicht nur eine Funktion der Verkehrsintensität, sondern auch der Abfertigungszeit ist. Infolge der unterschiedlichen Zusammensetzung des Verkehrs sind die Abfertigungszeiten bei den verschiedenen Mautstellen verschieden, und die bei einer Mautstelle erhobenen Daten sind für eine andere nicht zu brauchen. Ein anderer Faktor ist, daß die Abfertigungszeit bis zu einem gewissen Grad vom Mautpersonal abhängt, das in manchen Fällen wußte, daß Beobachtungen stattfanden und infolgedessen natürlich rascher arbeitete als sonst. Aus allen diesen Gründen erzielte man mit der direkten Eintragung der durchschnittlichen Wartezeit bei den einzelnen Mautstellen keine befriedigenden Ergebnisse. U m dieser Schwierigkeit Herr zu werden, richtete sich unsere Aufmerksamkeit auf die Kurven betreffend Auslastung und Wartezeitverhältnis. Diese B e -

388

15. Verkehrsstauungen bei Mautstellen

ziehung ist von der Abfertigungszeit unabhängig und erlaubt die Kombination von Daten verschiedener Mautstellen. Die Punkte streuten weitaus weniger, und auf Grund der viel größeren Anzahl von Beobachtungen, die sich durch die Kombination aller Mautstellen ergaben, konnten zufriedenstellende empirische Kurven gezeichnet werden. Hinzu kommt, daß die Wartezeit-Theorie auf der Basis der Abfertigungszeit entwickelt wird und es erwünscht war, die empirischen Resultate mit den Theorien von Erlang1), Molina2) und der gemeinsamen Theorie von Pollaczek und Crommelin3) zu vergleichen. Die Theorie von Erlang führt zu der Gleichung ,

W x W x K x - y ) '

\+y+(y2l2\)+(y3IV.)+

2

]

• •• + l y - ^ l ( x - l ) Y i + ( y l x l ) [ x l ( x - y ) ]

wobei d die durchschnittliche Wartezeit, ausgedrückt als Vielfaches der Abfertigungszeit, x die Anzahl der Verkehrskanäle und y die Verkehrsintensität in Erlang4) ist. Ein Erlang ist definiert als die gesamte Beschäftigungszeit während einer Zeitspanne T, dividiert durch T, also eine dimensionslose Größe. Wenn beispielsweise drei Kanäle innerhalb einer Zeitperiode T jeweils die Hälfte der Zeit hindurch beschäftigt sind, so ist die gesamte Beschäftigungszeit 1,5 T, und die Verkehrsintensität beträgt 1,5 Erlang. Die Anzahl der Erlang drückt auch die durchschnittliche Anzahl der Fahrzeuge aus, die gleichzeitig bedient werden. Die Erlangsche Wartezeit-Gleichung beruht auf der Annahme exponentiell verteilter Abfertigungszeiten, wobei P(t) =e~tlh die Wahrscheinlichkeit ist, daß ein zufällig ausgewähltes Fahrzeug eine Abfertigungszeit größer als t hat, wenn die durchschnittliche Abfertigungszeit h ist. Die Gleichung von Molina stellt einen Korrekturfaktor dar, der auf die Erlangsche Gleichung angewendet wird, um sie für konstante Abfertigungszeiten abzuändern5). Der Korrekturfaktor wird durch den Ausdruck [*/(* +1)] [1 - (jy/*)*+1] / [l - 0,/*)*] gegeben. Die Pollaczek-Crommelin-Gleichung, die auf der Annahme einer konstanten Abfertigungszeit6) basiert, ist durch den Ausdruck (zvy)u

x

-sr*

(wy)u

gegeben. Abb. 15.5 zeigt einen Vergleich zwischen Werten, die sich auf Grund dieser Gleichung ergeben, und den empirischen Resultaten für ein einzelnes Mauthäuschen. Die empirischen Werte werden als Punkte eingezeichnet. Es zeigt ' ) E. Brockmeyer, H . L . Holstrom u n d Arne Jensen, The Life and Work of A. K. Erlang, Copenhagen T e l e p h o n e Co., Kopenhagen, 1948. 2) G. S. Berkeley, Traffic and Trunking Principles in Automatic Telephony, Ernest Benn, L t d . , L o n d o n , 1949. 3) C. D . Crommelin, P. O. Electr. Engrs' J., 26, Teil 4 (Jan. 1934). •») Siehe F u ß n o t e 1. 5

) G . S. Berkeley, vgl. F u ß n o t e 2.

«) C. D . Crommelin, vgl. F u ß n o t e 3.

Auslastung und Wartezeitverhältnis

389

100

90

80

I 70 o > c

/

/

// //

Theoretisc Ii Empi rise H

/ /

1

2

3

Wartezeitverhältnis

Abb. 15.6. Vergleich d e r Kurven f ü r tatsächlich beobachtete u n d theoretische Werte d e r Auslastung u n d d e r Wartezeitverhältnisse bei vier M a u t h ä u s c h e n .

zu berücksichtigen, waren erfolglos, und daher mußte mit den empirischen Werten weitergearbeitet werden. In der Darstellung werden für die vier Mauthäuschen zwei empirische Kurven gezeigt, von denen sich eine auf vier linksseitig gelegene Mauthäuschen und die andere auf drei linksseitig und ein rechtsseitig gelegenes bezieht. Linksseitig gelegene Mauthäuschen befinden sich auf der Seite des Fahrers, der die Mautstelle passiert, rechtsseitig gelegene auf der gegenüberliegenden Seite. Die beiden Kurven wurden gezeigt, um zu demonstrieren, daß die rechtsseitigen Mauthäuschen den linksseitigen unterlegen sind. Dies wird durch Tabelle 15.3 noch deutlicher gemacht; sie zeigt den prozentualen Anstieg des Wartezeitverhältnisses bei gleicher Auslastung und die Verminderung der Auslastung bei gleichen Wartezeiten, wenn ein linksseitiges Mauthäuschen durch ein rechtsseitiges ersetzt wird. Beim ersten Vergleich wird man feststellen, daß hierbei eine Erhöhung der Wartezeit um rund 50% eintritt. Diese Erhöhung bezieht sich auf den gesamten Verkehr, nicht nur auf den vom rechtsseitigen Mauthäuschen abgewickelten Teil des Verkehrs. Beim zweiten Vergleich wird man feststellen, daß bei mäßigen Wartezeiten ein rechtsseitig gelegenes Mauthäuschen nicht einmal halb soviel wert ist wie ein linksseitig gelegenes. Der Wert eines rechtsseitig gelegenen Mauthäuschens erhöht sich bei zunehmender Verkehrsstauung an der Mautstelle, was darauf hindeutet, daß ein solches Mauthäuschen in erster Linie als Ausweichbehelf fungiert. Auf Grund dieser Ergebnisse baut die Port Authority alle Mautstellen so um, daß sämtliche Mauthäuschen linksseitig gelegen sind.

Verkehr u n d Abfertigungszeit

391

T A B E L L E 15.3 Vergleich z w i s c h e n vier linksseitigen M a u t h ä u s c h e n m i t d r e i linksseitigen u n d e i n e m rechtsseitigen M a u t h ä u s c h e n

Auslastung m %>)

E n t s p r e c h e n - W a r t e z e i t v e r h ä l t n i s f ü r die d e A u s l a s t u n g in S p a l t e (1) a n g e g e b e n e Auslastung f ü r 3 linkss. u . 1 rechtss. 4 linkss. 3 linkss. u . MautMaut1 rechtss. häuschen2) häuschen Mauth.

Erhöhung der Wartezeit f ü r 3 linkss. u. 1 rechtss. M a u t h . in %

W e r t von rechtsseitigen gegenüber linksseitigen Mauthäusc h e n in %

(1)

(2)

(3)

(4)

(5)

(6)

50 60 70 80 90

40 50 60 70 83

0,40 0,60 0,85 1,25 2,00

0,60 0,85 1,25 1,80 3,00

50 41 47 44 50

20 33 43 50 69

Verkehr und Abfertigungszeit D i e dimensionslosen K e n n z a h l e n „Auslastung" u n d „Wartezeit" in die praktischen Einheiten „Fahrzeuge pro Stunde" und „Wartezeit in Sekunden" u m z u r e c h n e n , erfordert eine B e s t i m m u n g der Abfertigungszeiten. I n m a n c h e n Wartezeit-Problemen wird die Abfertigungszeit von der Verkehrsstockung u n d der A n z a h l der v e r w e n d e t e n Verkehrskanäle n i c h t berührt. D i e s ist beispielsw e i s e i m T e l e p h o n v e r k e h r der Fall. Bei der M a u t e i n h e b u n g j e d o c h stellte s i c h , w i e in A b b . 1 5 . 7 a m B e i s p i e l d e r G e o r g e W a s h i n g t o n - B r ü c k e g e z e i g t wird, heraus, daß die Abfertigungszeit eine F u n k t i o n der Verkehrsdichte 13 '5 ä e3 ;g>

12

J c i i «•s I I f «io c c -C — I O

9 8

0

100 200 300 400 Verkehrsdichte (Fahrzeuge pro Stunde) pro Fahrbahn

500

A b b . 15.7. D u r c h s c h n i t t l i c h e A b f e r t i g u n g s z e i t p r o F a h r z e u g an d e r G e o r g e W a s h i n g t o n Brücke. *) U n t e r d e r A n n a h m e g l e i c h m ä ß i g e r B e n ü t z u n g aller M a u t h ä u s c h e n . ) G e m e i n t ist dabei j e n e A u s l a s t u n g , d i e bei d r e i linksseitigen u n d e i n e m r e c h t s seitigen M a u t h ä u s c h e n zu d e m s e l b e n W a r t e z e i t v e r h ä l t n i s f ü h r t wie die in Spalte (1) a n g e g e b e n e A u s l a s t u n g bei vier linksseitigen M a u t h ä u s c h e n . 2

392

15. Verkehrsstauungen bei Mautstellen

und der Anzahl der eingesetzten Mauthäuschen war. Man kann feststellen, daß die Abfertigungszeit bei geringerer Verkehrsintensität merklich höher ist als bei hoher Verkehrsintensität. Wenn sich der Verkehr pro Fahrbahn dem Werte Null nähert, strebt die Abfertigungszeit gegen einen Höchstwert von 13 Sekunden, und wenn sich die Verkehrsdichte auf das Höchstmaß zu bewegt, nähert sich die Abfertigungszeit einem Mindestwert von 8,5 Sekunden. Aus der Abbildung ist auch zu entnehmen, daß die Abfertigungszeit um so rascher abzunehmen beginnt, je mehr Mauthäuschen in Betrieb sind. Sobald jedoch dieser Rückgang einsetzt, verläuft er in allen Fällen gleich, nämlich proportional zur Erhöhung der Verkehrsintensität pro Fahrbahn, und zwar beträgt der Abfall ungefähr 1 Sekunde bei einer Erhöhung der Verkehrsdichte um 50 Fahrzeuge pro Fahrbahn und Stunde. Diese Tatsache ist leicht zu erklären. Erstens nimmt die Abfertigungszeit mit zunehmendem Verkehr pro Fahrbahn deshalb ab, weil sich sowohl die Fahrer als das Mautpersonal unter dem Druck des sich aufstauenden Verkehrs um eine möglichst rasche Abfertigung bemühen. Es ist dies eine ziemlich allgemeine Erscheinung bei Wartezeit-Problemen, in denen sich die beteiligten Personen einer Stauung bewußt sind. In unserem Beobachtungsgebiet war festzustellen, daß bei schwachem Verkehr wesentlich mehr zwischen den Kraftfahrern und dem Zollpersonal gesprochen wurde als bei starkem Verkehr. Auch der Umstand spielt eine Rolle, daß bei Vorhandensein einer Warteschlange vor dem Mauthäuschen die Kraftfahrer schon während des Wartens ihr Mautgeld herrichten können; ist das Mauthäuschen jedoch unbesetzt, fahren sie direkt heran, bevor sie nach dem Mautgeld greifen — und müssen dann eventuell noch danach suchen. Die Erklärung für das schneller einsetzende Absinken der Abfertigungszeit, wenn mehrere Mauthäuschen in Betrieb sind, scheint in der uneinheitlichen Verteilung der Fahrzeuge auf die in Betrieb befindlichen Mauthäuschen zu liegen. Bestimmte Fahrbahnen, insbesondere solche mit linksseitig gelegenen Mauthäuschen oder solche, die in der Mitte der Mautstelle liegen, werden von den Kraftfahrern den anderen Fahrbahnen deutlich vorgezogen. Der größere Verkehrsdruck in diesen bevorzugten Fahrbahnen verursacht eine Herabsetzung der Abfertigungszeit, auch wenn die durchschnittliche Verkehrsdichte, auf alle Fahrbahnen bezogen, noch niedrig ist. Da die bevorzugten Fahrbahnen den meisten Verkehr abwickeln, haben sie einen verhältnismäßig größeren Einfluß auf den Mittelwert als die weniger bevorzugten Fahrbahnen. Als man die Wartezeit als Funktion der Verkehrsdichte pro Fahrbahn darstellte, stellte man fest, daß bei den höheren Verkehrsdichten zu wenig Werte vorhanden waren, um die Kurven bei diesen Verkehrsdichten genau zu bestimmen. Der Grund hierfür war, daß zur Erzielung von Werten bei großer Verkehrsdichte pro Fahrbahn die Herbeiführung einer starken Verkehrsstauung notwendig gewesen wäre. Eine solche Stauung hätte jedoch Klagen hervorgerufen, denen man schwer etwas entgegenhalten hätte können. Wir suchten daher nach anderen Methoden, um festzustellen, wo die Abfertigungszeit abzusinken begann. Die wichtigste Methode bestand darin, die Einhebungszeit mit der Stoppuhr zu messen und die Zufahrtszeit bei verschiedenen Arten der Abwicklung zu berechnen. Die Abfertigungszeit setzt sich aus zwei Bestandteilen zusammen: einerseits aus der Zeit, die das Mautpersonal braucht, um das Mautgeld vom Kraftfahrer entgegenzunehmen und, wenn nötig, Wechselgeld herauszugeben; andererseits aus der Zeit, die das Fahrzeug

Verkehr u n d Abfertigungszeit

393

braucht, um die richtige Position beim Mauthäuschen einzunehmen. Die Einhebungszeit ist das Intervall zwischen dem Zeitpunkt, in dem die Räder eines Fahrzeuges aufhören, sich bei der Zufahrt zum Mauthäuschen zu drehen, und dem Zeitpunkt, wenn sie sich bei der Ausfahrt wieder zu drehen beginnen. Die Zufahrtszeit ist das Intervall zwischen dem Zeitpunkt, in dem ein Fahrzeug vom Mauthäuschen wegfährt, und aem Zeitpunkt, in dem das nächste Fahrzeug in der richtigen Position beim Mauthäuschen zum Stillstand kommt. Mit Hilfe dieser Aufgliederung der Abfertigungszeit war es relativ leicht, Messungen der Mindest-Einhebungszeiten mittels Stoppuhr vorzunehmen, indem man einfach in den Fahrbahnen, in denen sich Warteschlangen bildeten, die Räder der Fahrzeuge von dem Zeitpunkt an, wo sie stillstanden, bis zur Abfahrt beobachtete. Es wäre auch leicht gewesen, die Zufahrtszeit auf ähnliche Weise zu messen, aber dies wurde nicht als notwendig erachtet, da über die Beschleunigung und Abbremsung von Kraftfahrzeugen leicht zugängliches Informationsmaterial vorliegt und man daher die Zufahrtszeiten auf Grund der vorhandenen Unterlagen bestimmen konnte. T A B E L L E 15.4 Aufgliederung durchschnittlicher Mindest-Abfertigungszeiten f ü r verschiedene Fahrzeugtypen

Zufahrtszeit in Sekunden

Personenwagen Autobus Lastkraftwagen Zugmaschine mit Anhänger

5,0 6,5 6,0 7,5

Einhebungszeit in Sekunden

Abfertigungszeit in Sekunden

Mauthäuschen linkss. rechtss.

Mauthäuschen linkss. rechtss.

3,0 3,0 5,0 6,5

4,0 4,0 6,5 8,0

8,0 9,5 11,0 14,0

9,0 10,5 12,5 15,5

Die Beobachtungen der Einhebungszeiten, die bei mehreren hundert Fahrzeugen vorgenommen wurden, sowie die Bestimmung der Zufahrtszeiten auf Grund von Unterlagen über Beschleunigung und Abbremsung führten zu einer Aufgliederung der Mindest-Abfertigungszeiten nach Fahrzeugtypen und Typen von Mauthäuschen. Diese Aufgliederung wird in Tabelle 15.4 gezeigt. Mit Hilfe dieser Unterlagen ist es möglich, die Mindest-Abfertigungszeiten für einen Verkehr festzustellen, der sich aus Personenwagen, Autobussen, Lastkraftwagen und Zugmaschinen mit Anhängern zusammensetzt. So besteht beispielsweise der Verkehr beim Lincoln-Tunnel zur Zeit der Verkehrsspitzen aus rund 64% Personenkraftwagen, 15% Autobussen, 14% Lastkraftwagen und 7 % Zugmaschinen mit Anhängern. Die Mindest-Abfertigungszeiten für linksseitige und rechtsseitige Mauthäuschen können folgendermaßen berechnet werden: Linksseitige Mauthäuschen Abfertigungszeit = 0,64 X 8 + 0 , 1 5 X 9,5 + 0 , 1 4 x 1 1 + 0 , 0 7 X 14 = = 5,1 + 1,4 + 1,5 + 1,0 = 9,0 Sekunden Höchstkapazität der Mauthäuschen = 3600/9 = 400 Fahrzeuge pro Stunde

394

15. Verkehrsstauungen bei Mautstellen

Rechtsseitige

Mauthäuschen

Abfertigungszeit = 0,64 x 9 + 0,15 x 1 0 , 5 + 0 , 1 4 x 1 2 , 5 + 0 , 0 7 x 15,5 = = 5,8 + 1,6 + 1,8 + 1,1 = 10,3 Sekunden Höchstkapazität der Mauthäuschen = 3600/10,3 = 350 Fahrzeuge pro Stunde Zur Überprüfung dieser Methode wurde ein anderes Verfahren herangezogen. Bei der George Washington-Brücke betrug während 18 Verkehrsspitzenzeiten, in denen wegen überlasteter Mauthäuschen starke Verkehrsstockungen auftraten, die durchschnittliche Verkehrsdichte pro Fahrbahn 403 Fahrzeuge. Nimmt man zu diesen Zeiten eine Auslastung von 95% an, so wäre die minimale Abfertigungszeit 0,95 X (3600/403) = 8,5 Sekunden. Dies stimmt genau mit den Ergebnissen der Analyse der Einhebungs- und Zufahrtszfeit überein, bei der gleich viele linksseitige und rechtsseitige M a u t häuschen angenommen werden, die einen nur aus Personenkraftwagen bestehender» Verkehr abfertigen — einen Verkehr, wie er tatsächlich bei den genannten Gelegenheiten an der George Washington-Brücke feststellbar war. Diese Methode läßt sich nur bei einer Brücke anwenden, da bei einem Tunnel die durch den Tunnel selbst verursachte Stauung am Tunnelanfang den Verkehr daran hindert, nach der Abfertigung die Mautstelle zu verlassen und somit die Abfertigungszeit künstlich verlängert, ebenso wie er beim Tunnelausgang den Verkehr zurückhält und auf diese Weise verhindert, daß die Mauthäuschen voll ausgelastet werden. Entwicklung durchschnittlicher Wartezeitkurven Nachdem die Beziehung zwischen der Verkehrsdichte pro Fahrbahn und der Abfertigungszeit ebenso wie die Beziehung von Auslastung und Wartezeitverhältnis festgestellt wurde, ist es nun angezeigt, die Beziehung zwischen Verkehrsdichte und durchschnittlicher Wartezeit in Sekunden zu entwickeln, die eigentlich gesucht wird. Tabelle 15.5 zeigt die Berechnungen für einige Punkte einer Kurve für vier linksseitige Mauthäuschen, wobei Werte benützt werden, die den beiden vorhin besprochenen Kurven entnommen wurden. Tabelle 15.5 bezieht sich nur auf die George Washington-Brücke, da die in T A B E L L E 15.5 Verkehrsdichte und Wartezeiten bei vier linksseitigen Mauthäuschen Fahrzeuge Gesamt- Abfertigungspro Fahrbahn zahl der. zeit in und Stunde Fahrzeuge Sekunden

100 150 200 250 300 350 375 385 400

400 600 800 1000 1200 1400 1500 1540 1600

12,9 12,7 11,8 10,8 9,8 8,9 8,7 8,6 8,5

Abfertigungszeit pro Mauth. in Sekunden

Auslastung in %

Wartezeitverhältnis

Wartezeit in Sekunden

1290 1910 2360 2700 2940 3120 3260 3310 3400

36,0 53,0 65,5 75,0 81,6 86,7 90,6 91,9 94,4

0,20 0,45 0,73 1,02 1,31 1,66 2,00 2,36 3,40

2,6 5,7 8,6 11,0 12,8 14,8 17,4 20,3 28,9

Entwicklung durchschnittlicher Wartezeitkurven

395

der dritten Spalte enthaltenen Abfertigungszeiten nur für die dortige Mautstelle gelten. Bei der Berechnung dieser Punkte wurde jeweils eine bestimmte Verkehrsdichte pro Fahrbahn angenommen. Nehmen wir beispielsweise die Zeile, die sich auf 300 Fahrzeuge pro Fahrbahn und Stunde bezieht. Die nächste Spalte zeigt die Verkehrsdichte der vier Fahrbahnen zusammen, nämlich 1200 Fahrzeuge pro Stunde. Die dritte Spalte gibt die Abfertigungszeit von 9,8 Sekunden an, die aus den Kurven über die Abfertigungszeit abgelesen wurde. Abfertigungszeit mal Anzahl der Fahrzeuge pro Fahrbahn ergibt die in der vierten Spalte ausgewiesenen 2940 Sekunden an aufgewendeter Abfertigungszeit pro Mauthäuschen. Wenn dieser Wert durch die in einer Stunde verfügbaren 3600 Sekunden Abfertigungszeit dividiert wird, so erhält man die in der nächsten Spalte angegebene Auslastung von 81,6%. Aus der Kurve über die Abhängigkeit von Auslastung und Wartezeitverhältnis erhält man für diese Auslastung ein Wartezeitverhältnis von 1,31. Dieses multipliziert mit der Abfertigungszeit von 9,8 Sekunden ergibt eine durchschnittliche Wartezeit von 12,8 Sekunden.

Abb. 15.8. Durchschnittliche Wartezeit f ü r verschiedene Verkehrsdichten an der George Washington-Brücke.

Durch Berechnung und Auftragen der Punkte für die verschiedenen Kombinationen von Mauthäuschen, die gewöhnlich an der George WashingtonBrücke verwendet werden, erhielt man eine Schar von Kurven, wie sie in Abb. 15.8 gezeigt wird. Aus diesen Kurven ist zu ersehen, daß die Kapazität der verschiedenen Mauthäuschen zur Verkehrsabwicklung bei gegebener Wartezeit nicht konstant ist. Die Kapazität ist vielfach — bei gegebener Wartezeit — für die verschiedenen Kombinationen der Mauthäuschen sehr verschieden. Vor dieser Untersuchung nahm die Betriebsleitung im allgemeinen bei der Ausarbeitung der Dienstpläne an, daß ein Mauthäuschen sich unter allen Umständen wenig von einem anderen unterschied. Hier wird aber wieder gezeigt,

396

15. Verkehrsstauungen bei Mautstellen

daß die rechtsseitigen Häuschen im wesentlichen Aushilfscharakter haben. Die Kurven für Kombinationen von vier linksseitigen mit einem bis vier rechtsseitigen Mauthäuschen verschmelzen bis zu einer Verkehrsdichte von etwa 400 Fahrzeugen pro Stunde alle mit der Kurve, die sich ergibt, wenn nur vier linksseitige und überhaupt. keine rechtsseitigen Mauthäuschen in Betrieb stehen. Bei geringerer Verkehrsdichte als dieser entfällt auf die rechtsseitigen Mauthäuschen fast überhaupt kein Verkehr. Eine Lösung des Wartezeit-Problems war nun erreicht worden. Es wäre aber wünschenswert, vor ihrer praktischen Anwendung noch etwas über ihre Genauigkeit zu wissen. Um festzustellen, ob die Kurven tatsächlich die ursprünglichen Beobachtungen widerspiegeln, wurden die aus den Kurven abgelesenen Werte mit den direkten Berechnungen der durchschnittlichen Wartezeiten aus den Beobachtungswerten verglichen. Dabei stellte sich heraus, daß der durchschnittliche Fehler bei Beobachtungsperioden von etwa 20 Minuten 2,64 Sekunden betrug.Wenn man berücksichtigt, daß die aus den Beobachtungen berechneten Werte den Mittelwert einer Stichprobe darstellen, so kann man schätzen, daß für eine Stichprobe dreifachen Umfangs der Fehler um den Faktor — geringer wäre, also 1,53 Sekunden betragen würde. Die durchschnittliche Wartezeit bei allen Beobachtungen war 11 Sekunden, woraus sich ergibt, daß man auf Grund dieser Kurven für Zeiträume im Ausmaß einer Stunde die durchschnittliche Wartezeit mit einem mittleren Fehler von rund 1 5 % vorhersagen kann. Dies war glücklicherweise für unsere Zwecke genau genug. Andernfalls hätten wir uns, um Normen für den Mautdienst zu entwickeln und zu bestimmen, wie viele Mauthäuschen für verschiedene Verkehrsdichten erforderlich wären, eines anderen Kriteriums bedienen müssen. Untersuchung der Verkehrsstauungen Oft genügt es bei Wartezeit-Problemen nicht, die durchschnittliche Wartezeit zu kennen. Nicht nur diese ist interessant, sondern auch die Grenzwerte für die größten Verzögerungen, die unter gegebenen Bedingungen auftreten können. Wenn ein Kraftfahrer auf dem Wege zu einer wichtigen Verabredung an einer Mautstelle mehrere Minuten lang in der Warteschlange verbringen muß, so wird er es nicht sehr tröstlich finden, wenn man ihm sagt, daß er bei regelmäßiger Benützung der Einrichtungen der Port Authority eine sehr geringe durchschnittliche Wartezeit hätte. Diese Erkenntnis führt zu einer Untersuchung der Stauungen, die sich bei der Abwicklung des Verkehrs ergeben. Eine Methode zur Untersuchung dieser Stauungen besteht einfach darin, daß man die größten beobachteten Warteschlangen als Funktion der Verkehrsdichte für jede Kombination von Mauthäuschen darstellt. T u t man dies, so tritt wieder das Problem der starken Streuung auf. Bei der in Frage stehenden Beziehung ist die Streuung ärger als bei irgendeiner anderen untersuchten Beziehung. Aus der begrenzten Anzahl von Beobachtungswerten läßt sich die zu erwartende Stauung nur ungefähr abschätzen, und es sind auch nur grobe Schätzungen möglich, wie oft eine solche Stauung bei einer bestimmten K o m bination von Mauthäuschen und einer gegebenen Verkehrsdichte eintreten wird. Es ist daher notwendig, zur Bestimmung dieser Beziehung Methoden der mathematischen Statistik heranzuziehen. Bei der Aufbereitung der in Tabelle 1S.1 angegebenen Beobachtungswerte für die statistische Untersuchung der Stauungen beschloß man, nicht den

U n t e r s u c h u n g der Verkehrsstauungen

397

gesamten Rückstand aller in Betrieb befindlichen Mauthäuschen zu berücksichtigen, sondern vielmehr die Anzahl der Fahrzeuge in der längsten Warteschlange. Der Grund hierfür liegt natürlich darin, daß es bei dieser Untersuchung um denjenigen Kraftfahrer geht, der die längste Verzögerung in Kauf nehmen muß, und die gesamte Stauung hierfür kein Maßstab sein kann, weil sie zwischen den in Betrieb stehenden Mauthäuschen uneinheitlich verteilt ist. Die ersten Schritte bei der Untersuchung der Stauung ähneln dem bei der Untersuchung der Fahrzeugankünfte eingeschlagenen Verfahren, allerdings mit dem Unterschied, daß viel kleinere Stichproben verwendet werden. Bei der Untersuchung der Fahrzeugankünfte wurden die Beobachtungswerte nach der Verkehrsdichte in Gruppen von 200 Fahrzeugen zusammengefaßt. Durch diese Gruppierung erhielt man Stichproben, die mehrere hundert Intervalle umfaßten, so daß die sich daraus ergebenden Häufigkeitsverteilungen verhältnismäßig glatt waren. Bei der Untersuchung der Fahrzeugankünfte war die Anzahl und die Art der eingesetzten Mauthäuschen irrelevant, für die Untersuchung der Stauungen mußten die Beobachtungen jedoch in dieser Beziehung aufgegliedert werden. In der Praxis wird die Einteilung der Mauthäuschen zwei- oder mehrmals in der Stunde geändert, weil die Verkehrsdichte variiert und die Pausen, die das Mautpersonal einschalten muß, manchmal dazu führen, daß ein Mauthäuschen eines Typs durch ein Mauthäuschen eines anderen Typs ersetzt wird. Es empfiehlt sich daher bei der Untersuchung der Stauungen ebenso wie bei der Untersuchung der durchschnittlichen Wartezeit Zeiträume von ungefähr 20 Minuten zugrunde zu legen. Dadurch erhält man Stichproben von nur 40 Intervallen — zwei pro Minute während der 20 Minuten. Um die Unregelmäßigkeiten in der Häufigkeitsverteilung, die sich aus der Kleinheit der Stichproben ergeben, auszugleichen, kann ein gewogener dreigliedriger gleitender Durchschnitt verwendet werden. Abb. 15.9 zeigt die Kurven, die man erhält, wenn man Häufigkeitsverteilungen des Rückstandes der längsten Warteschlange für eine Kombination

A b b . 15.9. Empirische Häufigkeitsverteilung der maximalen Verkehrsstauung f ü r drei linksseitige Mauthäuschen.

398

15. Verkehrsstauungen bei Mautstellen

von drei linksseitigen Mauthäuschen aufträgt, nachdem die empirisch ermittelten Verteilungen durch Bildung eines gleitenden Durchschnitts geglättet und in Prozente umgerechnet worden waren. Diese Kurven betreffen Fälle sowohl am Lincoln-Tunnel als an der George Washington-Brücke. Die ersten beiden Kurven, für Verkehrsdichten von 575 und 670 Fahrzeugen pro Stunde, beziehen sich auf den Tunnel, die beiden anderen, für Verkehrsdichten von 705 und 890 Fahrzeugen pro Stunde, auf die Brücke. Es zeigt sich, wie erwartet, daß diese Verteilungen den Verteilungen der Fahrzeugankünfte ähneln, da die Abfertigungszeiten im wesentlichen konstant sind und daher die Veränderungen der Stauungen vor allem auf die Schwankungen bei den Ankünften zurückgehen.

Abb. 15.10. Theoretische Häufigkeitsverteilung der maximalen Verkehrsstauung f ü r drei linksseitige M a u t h ä u s c h e n .

Abb. 15.10 zeigt den in Abb. 15.9 dargestellten empirischen Verteilungen entsprechende Poissonverteilungen. Abgesehen davon, daß die empirischen Verteilungen unregelmäßig sind, ähneln sie den Poissonverteilungen. Bei der Berechnung der Werte für die Poissonverteilungen wurde jener Mittelwert der Stauung angewendet, der bei den empirischen Verteilungen festgestellt wurde. Hierin liegt eine Differenz gegenüber der Untersuchung der Fahrzeugankünfte, da es im Fall der letzteren nicht notwendig war, den Mittelwert empirisch zu bestimmen; er ergab sich direkt aus der Verkehrsdichte und dem Beobachtungsintervall. Es besteht ohne Zweifel eine eindeutige Beziehung zwischen der Verkehrsdichte und dem Mittelwert der Stauung für eine bestimmte Kombination von Mauthäuschen, aber wir konnten weder eine theoretische noch eine empirische Formel entwickeln, die es erlaubt hätte, den Mittelwert der Stauung für eine bestimmte Verkehrsintensität vorherzusagen. Wie gut die Poissonverteilung der tatsächlichen Verteilung der Stauung entspricht, wird noch deutlicher in Abb. 15.11 illustriert, die beide Verteilungen gemeinsam zeigt. Dieser Fall bezieht sich auf drei linksseitige Mauthäuschen, die einen Verkehr am Lincoln-Tunnel bei einer Verkehrsdichte von 615 Fahrzeugen pro Stunde bewältigen. Das entspricht übrigens zufällig

399

Untersuchung der Verkehrsstauungen

30

20

10

0

0

1

2

3

4

5

6

7

8

Fahrzeugstauung In der längsten Warteschlange

Abb. 15.11. Empirische und theoretische Verteilung der maximalen Stauung bei 615 Fahrzeugen pro Stunde für drei linksseitige Mauthäuschen beim Lincoln-Tunnel.

den Werten der in der Tabelle 15.1 wiedergegebenen Stichprobe. Für diesen .Fall ist der Mittelwert der Stauung 2,16 Fahrzeuge und die Standardabweichung 1,52 Fahrzeuge. Die Standardabweichung des Mittelwertes, die wir später verwenden werden, beträgt 0,15. Die nach dem / 2 -Kriterium berechnete Sicherheitswahrscheinlichkeit (die hier als grober Indikator für die Güte der Anpassung verwendet wird) beträgt bei der Poissonverteilung 0,64. Für die Normalverteilung beträgt die Wahrscheinlichkeit nur 0,01. Die Ergebnisse bei der George Washington-Brücke sind, wie in Abb. 15.12 gezeigt wird, mit denen am Lincoln-Tunnel vergleichbar. Dort ist die Fahrzeugdichte etwas höher, nämlich 705 Fahrzeuge pro Stunde, und der Mittelwert der Stauung beträgt 2,79 Fahrzeuge, die Standardabweichung 1,67 und die Standardabweichung des Mittelwertes 0,31. Die nach dem Kriterium berechnete Sicherheitswahrscheinlichkeit ist bei der Poissonverteilung 0,55, bei der Normalverteilung weniger als 0,01. Ebenso wie die Verteilung der Verkehrsankünfte bei Tunnel und Brücke nahezu die gleiche ist, ist es auch die Verteilung der Stauungen. Die Übereinstimmung ist so groß, daß wir zwischen Brücke und Tunnel kaum unterscheiden können. Dies war ziemlich überraschend, da infolge von Unterschieden in der Verkehrszusammensetzung und der Abfertigungszeit sehr fühlbare Unterschiede in den durchschnittlichen Wartezeiten zwischen diesen

400

15. Verkehrsstauungen bei Mautstellen

A b b . 15.12. Empirische u n d theoretische Verteilung der maximalen S t a u u n g bei 705 Fahrzeugen p r o S t u n d e f ü r drei linksseitige M a u t h ä u s c h e n an der George W a s h i n g t o n Brücke.

Mautstellen auftreten. Wir verwendeten ziemlich viel Mühe darauf, Unterschiede bei den Stauungen herauszufinden, aber ohne Erfolg. So gelangten wir zu der Überzeugung, daß außer in Fällen nahezu vollständiger Auslastung bei gegebener Verkehrsdichte die durch Verlängerung der Abfertigungszeiten hervorgerufene Vergrößerung der Verkehrsstauungen sich eher in der Wartezeit als in der Zahl der Fahrzeuge auswirkt. Um ein konkretes Beispiel zu geben: Bei einer Verkehrsdichte von 615 Fahrzeugen pro Stunde und drei linksseitigen Mauthäuschen wurde der Mittelwert der Stauung mit 2,16 Fahrzeugen ermittelt, die Abfertigungszeit mit 11,1 Sekunden. Dies bedeutet eine durchschnittliche Wartezeit von 2 , 1 6 x 1 1 , 1 = 2 4 , 0 Sekunden. Wenn sich die Abfertigungszeit um 20% auf 13,3 Sekunden und die Wartezeit gleichfalls um 20% auf 28,8 Sekunden erhöhte, so bliebe die Fahrzeugstauung immer noch 2,16. So ähnlich scheint die Situation bei kleinen Unterschieden in der Abfertigungszeit tatsächlich zu sein. In allen Fällen wies die Normalverteilung eine schlechtere Anpassung an die Verteilung der Stauung auf als die Poissonverteilung, so daß man annehmen kann, letztere entspreche der wahren Verteilung des Rückstandes — wenn auch nur bis zu einem gewissen Punkt. Tabelle 15.6 deutet an, daß die Poissonverteilung bei steigender Verkehrsdichte nicht immer gültig bleibt. Beginnend mit einer sehr beachtlichen Anpassung von 0,93 bei einer Verkehrsdichte von 575 Fahrzeugen pro Stunde nimmt die Güte der Anpassung allmählich ab, um bei einer Verkehrsdichte von ungefähr 800 Fahrzeugen pro Stunde un-

Verkehrsdichte und Durchschnitt der maximalen Stauung

401

T A B E L L E 15.6 Güte der Anpassung der Verteilung der Stauungen durch eine Poissonverteilung bei drei linksseitigen Mauthäuschen Verkehrsdichte

Güte der Anpassung

575 615 625 670 705 750 867 890

0,93 0,64 0,55 0,85 0,55 0,05 0,01 0,32

befriedigend zu werden. Die genannte Verkehrsdichte bezieht sich nur auf jenen Fall, in dem drei linksseitige Mauthäuschen in Betrieb sind. Die gleiche Verschlechterung der Anpassung wurde jedoch auch bei allen möglichen anderen Kombinationen von Mauthäuschen bei Annäherung der Verkehrsdichte an eine 60- bis 7 5 % i g e Auslastung festgestellt. Der G r u n d für diese Verschlechterung scheint darin zu liegen, daß für immer mehr Fahrzeuge die Wartezeit von "einem Beobachtungszeitpunkt bis z u m nächsten reicht, je näher die Verkehrsdichte der vollen Auslastung kommt. Jene Verkehrsdichte, bei der die Poissonverteilung zusammenbrach, wurde als „Poissonpunkt" bezeichnet. Verkehrsdichte und Durchschnitt der m a x i m a l e n Stauung Nachdem wir festgestellt haben, in welchem Bereich die Poissonverteilung von Nutzen ist, besteht der nächste Schritt darin, die Beziehung zwischen Verkehrsdichte und Durchschnitt der maximalen Stauung zu ermitteln, da der Mittelwert der einzige zur Charakterisierung der Poissonverteilung notwendige Parameter ist. Als einzige befriedigende Methode zur Bestimmung der Mittelwerte erwies sich das Einzeichnen einer empirischen Kurve, wie dies in Abb. 15.13 gezeigt wird. U m den Verlauf der K u r v e leichter festlegen zu können, wurde zu jedem Punkt ein Intervall der L ä n g e ± 1 Standardabweichung (des Mittelwertes) eingezeichnet. In vielen Fällen, wie etwa in unserem, häuften sich die Punkte hauptsächlich innerhalb jenes Bereiches der Verkehrsdichte, die normalerweise von der betreffenden Mauthäuschenkombination bewältigt werden muß. U m Beobachtungswerte bei höherer Verkehrsdichte zu erhalten, hätte man übermäßige Verkehrsstauungen bewußt herbeiführen müssen, was für manche Kraftfahrer unzumutbar gewesen wäre. Glücklicherweise war dies nicht notwendig, da es auf der Hand lag, daß sich die Kurven asymptotisch der bei vollständiger Auslastung erreichten Kapazität der Kombination von Mauthäuschen annähern. E s ist bekannt, daß diese Kapazität für vier linksseitige Mauthäuschen am Lincoln-Tunnel bei vollständiger Auslastung 400 Fahrzeuge und an der George Washington-Brücke 450 Fahrzeuge pro Stunde beträgt. Zur Sicherheit wurde der niedrigere Wert verwendet und die K u r v e für drei linksseitige Mauthäuschen so gezeichnet, daß sie sich asymptotisch einer Verkehrsdichte von 1200 Fahrzeugen pro Stunde nähert. Durch die Zusammenstellung ähnlicher Kurven für verschiedene K o m b i nationen von Mauthäuschen erhält man die in Abb. 15.14 gezeigte Schar von

402

15. Verkehrsstauungen bei Mautstellen

Mittelwerte der maximalen Fahrzeugstauung

Abb. 15.13

Abb. 15.14 Kurven. Als die Poissonpunkte in diese Darstellung eingetragen wurden, konnte man feststellen, daß sie im wesentlichen der als „Poissonlinie" bezeichneten gestrichelten Geraden folgen. Voraussichtliche maximale Stauung Wenn wir den Mittelwert der Stauung in der längsten Warteschlange kennen und wissen, daß diese Variable poissonverteilt ist, so können wir mittels Summationen die Maximalwerte bestimmen. Dabei stellt sich die Frage, für welche Maximalwerte wir uns interessieren; mit anderen Worten: Mit welcher Irrtumswahrscheinlichkeit sollte gearbeitet werden ? Die Antwort

Voraussichtliche maximale Stauung

403

auf diese Frage hängt in einem gewissen M a ß vom Gutdünken ab. Wenn man die Irrtumswahrscheinlichkeit zu groß, etwa mit 0,1, annimmt, so wird der Maximalwert so häufig überschritten werden, daß er ein schlechtes M a ß für die maximale Wartezeit darstellt, die ein Kraftfahrer auf sich nehmen muß. Wird die Irrtumswahrscheinlichkeit andererseits zu gering, etwa mit 0,001, angenommen, so dürfte der Maximalwert so selten auftreten, daß eine Irreführung im entgegengesetzten Sinn erfolgt. Sehen wir nun die Frage von einer etwas anderen Seite an: Es sei der für uns interessante Zeitraum eine Stunde, die in 120 30-Sekunden-Intervalle zerlegt wird, und es bestehe eine Wahrscheinlichkeit von 0,1, daß der Maximalwert der Stauung erreicht oder überschritten wird. Dann wird dies im Durchschnitt bei 0,1 X 12 Intervallen der Fall sein. Wird die Irrtumswahrscheinlichkeit mit 0,001 angenommen, dann beträgt die Zahl der Intervalle, in denen der Maximalwert erreicht oder überschritten wird, 0,12 pro Stunde, und das Maximum wird voraussichtlich nur einmal in acht Stunden auftreten. Es erscheint daher logisch, zur Definition der sogenannten „voraussichtlichen maximalen Stauung" eine Irrtumswahrscheinlichkeit von 0,01 zu wählen, da man erwarten kann, daß dieses Maximum im Durchschnitt innerhalb einer Stunde während eines einzigen 30-SekundenIntervalls erreicht oder überschritten wird. Die in Abb. 15.15 gezeigte Schar von Kurven enthält Stauungswerte mit dieser Irrtumswahrscheinlichkeit. Diese Kurven wurden wieder beträchtlich über die empirisch gegebenen Werte hinaus extrapoliert, und zwar so, daß jeweils eine asymptotische Annäherung an die Verkehrsdichte von 400 mal der Anzahl der Mauthäuschen eintritt.

0 i^T^ I I I I I 1 2 3 4

5 6

7 8

I——LJ————L_l———LJ——III!

9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 Maximale

Fahrzeugstauung

A b b . 15.15. Voraussichtliche Fahrzeugstauung in der längsten Warteschlange.

Wie im Fall der Kurven für die durchschnittliche Wartezeit wurde es als ratsam erachtet, die Verläßlichkeit der Kurven über die voraussichtliche maximale Stauung durch einen Vergleich mit beobachteten Werten zu prüfen. In 53 Beobachtungsperioden am Lincoln-Tunnel und an der George Washington-Brücke, die sich auf rund 20 Stunden erstreckten während derer von einem bis zu acht Mauthäuschen in Betrieb waren, wurde bei 26 Einzelbeobachtungen aus insgesamt 2379 die in Abb. 15.15 angegebene voraussichtliche maximale

404

15. Verkehrsstauungen bei Mautstellen

Stauung tatsächlich erreicht oder überschritten. Die sich so ergebende Wahrscheinlichkeit, daß die Werte der Kurve erreicht oder überschritten werden, beträgt 2 6 / 2 3 7 9 = 0 , 0 1 0 9 , ein Fehler von 9 % gegenüber der vorgegebenen Irrtumswahrscheinlichkeit 0,01. Innerhalb von 53 jeweils 20 Minuten langen Perioden gab es 10 Perioden, in denen die Stauung den vorausgesagten Extremwert in einem oder mehreren 30-Sekunden-Intervallen übertraf. Die Überschreitung betrug im Durchschnitt 1,4 Fahrzeuge und hatte ihr Maximum bei 4 Fahrzeugen. Für 41 Intervalle war das tatsächliche Maximum um durchschnittlich 1,5 und höchstens 4 Fahrzeuge geringer. Das Optimisierungs-Problem Nachdem das Wartezeit-Problem hinsichtlich der durchschnittlichen Wartezeit pro Fahrzeug und der voraussichtlichen maximalen Stauung gelöst worden ist, stellt sich als nächstes das Problem, das optimale Ausmaß des Mautdienstes festzulegen, das heißt Regeln für die Bemessung des Mautdienstes auszuarbeiten. Eine Möglichkeit besteht darin, eine obere Grenze der durchschnittlichen Wartezeit, etwa 20 Sekunden, festzusetzen, und jedesmal, wenn diese Grenze erreicht wird, ein zusätzliches Mauthäuschen in Betrieb zu stellen. Eine solche willkürliche Entscheidung läßt sich aber schwer rechtfertigen und kann im Rahmen von O.R. kaum empfohlen werden. Im übrigen geht es weniger darum, eine Obergrenze für die Wartezeit zu setzen, als die Wartezeit besser als bisher zu regeln. Der Hauptgrund der Unzufriedenheit mit den bisherigen Methoden zur Besetzung der Mauthäuschen lag j a darin, daß bei im wesentlichen normalen Bedingungen zu Nicht-Stoßzeiten die Zeit für das Passieren der Mautstelle so stark schwankte, nämlich zwischen 2 und 50 Sekunden. Um diese extremen Schwankungen der Wartezeit zu reduzieren und gleichzeitig die Abfertigung zu optimisieren, liegt es nahe, nicht einen maximalen Wert, sondern einen Mittelwert festzulegen. Bei zunehmendem Verkehr sollte die durchschnittliche Wartezeit um den gleichen Betrag über den zulässigen Mittelwert hinausgehen, um den sie diesen unterschreitet, wenn ein zusätzliches Mauthäuschen in Betrieb genommen wird. Die Frage ist, wie man diesen zulässigen Mittelwert der Wartezeit nach einer logischen und von Willkür möglichst freien Methode auswählen kann. Eine Möglichkeit wäre, daß man der Zahl der abgefertigten Fahrzeuge einen relativen Wert zuordnet: so zum Beispiel könnte man festsetzen, daß eine Abfertigung von zehn Fahrzeugen pro Mauthäuschen und Stunde den gleichen Wert hat wie eine Erhöhung der Wartezeit um eine Sekunde. Diese Methode der Gleichsetzung könnte logisch kaum fundiert werden. Eine bessere Methode in der gleichen Richtung wäre, daß man den Wert der Zeit, die die Kraftfahrer und das Mautpersonal aufwenden, gleichsetzt. So würde ein zusätzliches Mauthäuschen etwa dann in Betrieb genommen werden, wenn die Verkehrsdichte mal der Herabsetzung der Wartezeit, die durch Inbetriebnahme eines zusätzlichen Mauthäuschens erzielt werden könnte, 3600 Sekunden betrüge. Obwohl dieses Prinzip einiges für sich hat, wurde es nicht praktisch verwertet. Eine andere Möglichkeit besteht in der Beachtung des Punktes des abnehmenden Ertrages. Diese Methode hat den Vorteil, daß sie weniger umstritten ist und es dabei um einen der Betriebsführung geläufigen Begriff geht. In diesem Fall sind die Kosten durch die Wartezeit und der Ertrag durch die Verkehrsdichte charakterisiert. Der Punkt, an dem der Ertrag im Verhältnis

405

Zeitliche Änderung der Verkehrsdichte

zu den Kosten abzunehmen beginnt, liegt an der Stelle mit der geringsten K r ü m m u n g der Kurven. Oberhalb dieses Punktes wird der Zuwachs der Verkehrsdichte, bezogen auf den Zuwachs der Wartezeit, immer kleiner und nähert sich dem Wert Null, wenn die Wartezeit gegen Unendlich geht. D i e Punkte des abnehmenden Ertrages können durch eine direkte Kontrolle bestimmt werden. F ü r die George Washington-Brücke variieren sie zwischen 10,5 und 16 Sekunden, mit einem gewogenen Durchschnitt von ungefähr 12 Sekunden. F ü r den Lincoln- und den Holland-Tunnel betragen sie durchschnittlich etwa 10 bzw. 11 Sekunden. D a man einen einheitlichen Mautdienst bei allen drei Stellen wünschte, wurde der Durchschnitt von 11 Sekunden als gemeinsamer Mittelwert genommen. N u n kann man für die verschiedenen Arten von Mauthäuschen Regeln für die Bemessung des Mautdienstes dadurch festlegen, daß man die Ausschläge nach beiden Seiten der zulässigen mittleren Wartezeit, die durch Hinzufügen neuer Mauthäuschen entstehen, möglichst gleich macht. I m Fall der George Washington-Brücke führte dies zu Tabelle 15.7. Wie man sehen kann, nehmen T A B E L L E 15.7 Kapazität der Mautstelle an der George Washington-Brücke Zahl der Mauthäuschen linksseitig 1 2 3 4 4 4 4 4

rechtsseitig

1 2 3 4

Kapazität, Fahrzeuge pro Stunde

Wartezeit in Sekunden

225 450 750 1050 1250 1525 1850 2150

0—16,9 5,1—15,5 6,5—14,0 8,0—11,5 10,5—12,0 10,0—11,8 10,2—11,5 10,5—11,5

Maximale Stauung (Anzahl der Fahrzeuge) 6 7 8 8 9 10 11 12

die Stauungen mit zunehmender Zahl der Mauthäuschen zu, wenn man diese jeweils der zulässigen mittleren Wartezeit anpaßt. Sie variieren zwischen sechs bei einem Mauthäuschen und zwölf bei acht Mauthäuschen. Glücklicherweise ist dies ein wünschenswertes Ergebnis, da die Erfahrung zeigt, daß die K r a f t fahrer bei zunehmender Verkehrsdichte eher geneigt sind, längere Warteschlangen in K a u f zu nehmen. Offenbar spüren sie intuitiv, daß eine Stauung von zwölf Wagen bei acht geöffneten Mauthäuschen anders zu bewerten ist als eine Stauung von zwölf Wagen bei nur einem in Betrieb befindlichen Mauthäuschen. Zeitliche Änderung der Verkehrsdichte E s können nunmehr zwei Kennzahlen für die Güte des Mautdienstes — die durchschnittliche Wartezeit und die maximale Stauung — in zufriedenstellender Weise vorhergesagt werden, wenn die Verkehrsdichte bekannt ist und der Wert der einen Kennzahl festgelegt wurde. Als nächstes erhebt sich die Frage, wie genau die Verkehrsdichte vorhergesagt werden kann. Diese Frage erfordert eine Untersuchung über die Schwankungen der Verkehrsdichte im L a u f des T a g e s und über die Streuungen von T a g zu T a g . Bei

406

15. Verkehrsstauungen bei Mautstellen

dieser Untersuchung wurden Schaubilder der stündlichen Verkehrsdichten angelegt, wobei die Tageszeit auf der Abszisse und die Verkehrsdichte auf der Ordinate aufgetragen wurden. Es stellte sich heraus, daß die Tage in der Mitte der Woche einen nahezu identischen Ablauf aufwiesen und zusammengelegt werden konnten. Abb. 15.16 zeigt den Verlauf an der George WashingtonBrücke im Sommer 1952 für Dienstage, Mittwoche und Donnerstage zusammen. Von den übrigen Wochentagen erforderte jeder eine gesonderte Behandlung, weil die Unterschiede sehr groß waren.

Abb. 15.16. Zeitliche Änderung der Dichte des westwärts gerichteten Verkehrs auf der George Washington-Brücke.

Wie Abb. 15.16 zeigt, wurden durch bestimmte Punkte Kurven gelegt. In einem Fall waren dies die Mediane — die einfachste Methode, ohne viele Berechnungen zu Mittelwerten der Verkehrsdichte zu gelangen. Eine andere Kurve wurde durch die Spitzenwerte gelegt, um auf einfache Weise die Höchstwerte des zu erwartenden Verkehrs festzustellen. Eine Betrachtung der Kurven ergibt für die George Washington-Brücke eine Spannweite zwischen den Medianen und den Spitzenwerten von 10 bis 6 0 % . Bei den Tunnels war die Spannweite geringer; sie betrug zwischen 10 und 3 0 % . Diese Schwankungen begrenzen das Ausmaß, in dem man für die Mauthäuschen schon im voraus einen Zeitplan ausarbeiten kann, der einen optimalen Mautdienst garantiert. Dies bringt uns zum letzten Teil unseres Problems: den Zeitplan für die Mauthäuschen und das Mautpersonal. Das Ausarbeiten eines Zeitplanes Bei der Zeitplanung der Mauthäuschen für den Tagesablauf wurde die Anzahl der erforderlichen Mauthäuschen zuerst auf Grund der Kapazitäten der verschiedenen Kombinationen von Mauthäuschen bestimmt, die sich auf die oben diskutierten zulässigen Wartezeiten stützen. Wegen der starken Schwankungen des Verkehrs innerhalb des Tages mußte der Plan für halbstündige Zeiträume aufgestellt werden. Nachdem dies geschehen war, untersuchte man die Spitzenwerte des Verkehrs in jeder halbstündigen Periode

Das Ausarbeiten eines Zeitplanes

407

hinsichtlich der maximalen Stauung, die in ihnen auftreten könnte. Dann beschäftigte man sich mit jenen Fällen, in denen Stauungen zu erwarten waren, die den Poissonpunkt um einige Fahrzeuge überschritten. Natürlich nahm die Möglichkeit, befriedigende Vorhersagen über Stauungen zu machen, in diesem Bereich rasch ab. Da man sich der vollen Auslastung der Kapazität der Mauthäuschen näherte, konnten selbst geringfügige Erhöhungen der Verkehrsdichte zu einem markanten Emporschnellen der Stauungen führen. Es blieb dem Fingerspitzengefühl überlassen, welches Risiko man eingehen wollte. Obwohl man exaktere Methoden hätte verwenden können, war dies überflüssig. Die angestellten Überlegungen ließen es ratsam erscheinen, höchstens eine Stauung von drei Fahrzeugen über den Poissonpunkt zuzulassen. Wenn daher die Spannweite zwischen dem Median und dem Spitzenwert des Verkehrs so groß war, daß sich Stauungen über diesen Wert hinaus ergaben, wurde ein zusätzliches Mauthäuschen in Betrieb genommen. Auf diese Weise gelangte man zu einem-Tagesplan für die Mauthäuschen, aus dem die Gesamtzahl der an einem Tag benötigten Dienststunden ermittelt werden konnte. Als ein weiterer Schritt verblieb die Frage, wie viele Mauteinnehmer erforderlich waren, um die geplante Anzahl von Mauthäuschen in Betrieb zu halten und gleichzeitig dem Mautpersonal innerhalb gewisser Grenzen Eßpausen und sonstige Pausen gewähren zu können. Die hierbei gesetzten Beschränkungen umfaßten folgende Punkte: 1. Die Arbeitszeiten durften zwischen den einzelnen Pausen bzw. den Pausen und dem Ende des Turnus nicht kürzer als eine und nicht länger als drei Stunden sein. 2. Die Eßpause mußte in den mittleren vier Stunden eines Turnus liegen. 3. Die Arbeit durfte nicht vor 6 Uhr früh beginnen und nicht später als um 0,30 Uhr enden. Die Ausarbeitung eines Zeitplanes für das Mautpersonal, der diesen Bedingungen genügt, erfordert für jeden Tag die Anlage einer Gantt-Karte, in der die Arbeitszeiten und die Pausen jedes einzelnen Mauteinnehmers eingetragen werden. Die Beginnzeiten und Pausen des Mautpersonals müssen so lange hin- und hergeschoben werden, bis das für einen optimalen Mautdienst in jeder halben Stunde des Tages benötigte Personal zur Verfügung steht. Das ist weitgehend eine Frage des Durchprobierens, und die Aufstellung solcher Zeitpläne kann ziemlich zeitraubend sein, wenn man es sich zum Ziel setzt, einen möglichst wirksamen Zeitplan zu schaffen. Der Wirkungsgrad eines Zeitplanes ergibt sich aus dem Verhältnis der Anzahl des für die Dienststunden nominell erforderlichen Personals zu der auf Grund des Zeitplanes notwendigen Zahl. So waren beispielsweise im Sommer 1953 an den mittleren Tagen der Woche bei der George WashingtonBrücke 344 Dienststunden pro Tag notwendig. Die tägliche Netto-Arbeitszeit pro Mauteinnehmer beträgt 6 % Stunden, die Mindestanzahl der Mauteinnehmer, die die erforderlichen Dienststunden bestreiten können, daher 344/6,25=55,04. Werden im Rahmen des Zeitplanes hierfür 57 Personen eingesetzt, so beträgt sein Wirkungsgrad 5 5 , 0 4 / 5 7 = 9 7 % . Die ersten Zeitpläne, die ausgearbeitet wurden, waren nicht sehr wirksam, und es blieb immer die Frage offen, ob ein bestimmter Zeitplan der bestmögliche war, solange die Anzahl der eingesetzten Mauteinnehmer die nächstgrößere ganze Zahl oberhalb des nominellen Personalbedarfes überschritt. Es kann ziemlich viel Zeit kosten, wenn man versucht, die Anzahl der eingesetzten Mauteinnehmer herabzusetzen, während dies innerhalb der auferlegten Beschränkungen tatsächlich gar nicht möglich ist.

408

15. Verkehrsstauungen bei Mautstellen

Durch Untersuchungen und durch die Erfahrung erweist sich jedoch, daß der Wirkungsgrad eines solchen Zeitplanes weitgehend von der Länge und Dauer der Spitzenperioden abhängt. Unter Berücksichtigung der notwendigen Pausen während der Spitzenzeiten morgens und abends sowie während der Zeit kurz nach Mitternacht kann eine Schätzung des in jedem T u r n u s erforderlichen Personals durchgeführt werden. Dies geschieht, indem man die während der 3 % Spitzenstunden erforderlichen Dienststunden addiert und durch 3 dividiert. Damit ist eine halbstündige Pause für jeden Mauteinnehmer einkalkuliert. Wenn wir mit dem Beispiel der George Washington-Brücke fortfahren, so sind dort an Tagen in der Mitte der Woche während der Spitzenzeit am Morgen 70 Dienststunden erforderlich, bei denen 7 0 / 3 = 2 3 , 3 , also 24 Personen benötigt werden; während der Spitzenzeit am Abend fallen 71,5 Dienststunden mit einem Erfordernis von 7 1 , 5 / 3 = 2 3 , 8 , also 24 Personen an, und 21 Dienststunden nach Mitternacht erfordern 2 1 / 3 = 7 Mauteinheber. Insgesamt wird in diesen drei Turnussen ein Mautpersonal von 55 Personen benötigt, und dies zeigt, daß es möglich ist, einen Zeitplan zu finden, der den tatsächlichen Erfordernissen sehr nahe kommt. Der tatsächlich angewendete Zeitplan stützte sich auf 56 Personen, wobei ein Wirkungsgrad von 55,04/56 = = 98,3% erzielt wurde. In den meisten Fällen ist es möglich, Zeitpläne mit einem Wirkungsgrad von mindestens 95% aufzustellen. Ergebnisse Mit der Entwicklung einer wirksamen Methode der Zeitplanung war das letzte Problem der Untersuchung gelöst. Bevor die Ergebnisse der Betriebsleitung empfohlen werden konnten, war noch eine wichtige Frage zu beachten, nämlich: Würde man mittels einer auf diesen Verfahren basierenden Methode zur Bemannung der Mauthäuschen wirklich bessere Resultate erzielen als bisher, wo man den Mautsergeanten einfach eine ungefähr angemessene Zahl von Mauteinnehmern zur Verfügung stellte und die Entscheidung, wie viele Mauthäuschen jeweils in Betrieb stehen und wann Pausen eingelegt werden sollten, ihrem Gutdünken überließ ? Diese Frage konnte nur durch die Praxis beantwortet werden. Wenn sich die neue Methode eine Woche lang bewährte, würde sie es wohl immer tun. Beim Lincoln-Tunnel wurde also ein Versuch durchgeführt. Die Anzahl der in jeder halben Stunde der Woche erforderlichen Mauthäuschen wurde in beiden Verkehrsrichtungen vorausberechnet, wofür 512 Voraussagen notwendig waren. Jeder Mauteinnehmer erhielt einen Plan für seine Dienststunden und Pausen und erhielt den Auftrag, diesen Plan strikt einzuhalten. Die ganze Woche lang wurde der Zeitplan ohne Zwischenfall befolgt. Es entstanden keinerlei übermäßige Stauungen, und niemals mußten Pausen verschoben werden. Die Turnusse der Mauteinnehmer sowie das Öffnen und Schließen der Mauthäuschen vollzogen sich, ohne daß der Mautsergeant darauf zu achten hatte. Zeitweise waren etwas zu viele Mauthäuschen in Betrieb, jedoch nicht in dem Ausmaß, wie dies bei der bisherigen Methode der Fall gewesen war. Daß es große Befriedigung gewährt, die Bestätigung dafür zu erhalten, daß sich der große Arbeitsaufwand für die Ausarbeitung der Methode tatsächlich gelohnt hat, braucht wohl nicht weiter betont zu werden.

K A P I T E L 16

ABLAUFPLANUNGS-MODELLE Einleitung Bei den in Kapitel 14 behandelten Warteschlangen-Problemen war jene Anzahl der Bedienungsstellen zu bestimmen, bei der die gesamten, sowohl durch die Wartezeit der „Kunden" als auch der Bedienungsstellen, entstehenden Kosten ein Minimum sind. In diesem Kapitel wenden wir uns dem umgekehrten Problem zu, nämlich jenen Fällen, in denen die Zahl der Bedienungsstellen festgelegt ist und die Ankünfte oder die Reihenfolge, in der die wartenden Kunden bedient werden, beeinflußbar ist. Das Problem besteht darin, die Ankünfte zeitlich so zu planen, oder den Ablauf der zu leistenden Arbeit so zu regeln, daß die Summe der damit verknüpften Kosten ein Minimum wird. Der Ausdruck ,,Zeitplanung" bezeichnet die Festlegung der Zeitpunkte für den Zugang bzw. Abgang der abzufertigenden Einheiten. So zum Beispiel ist ein Autobus- oder Eisenbahnfahrplan ein Zeitplan für die Ankünfte und Abfahrten. „Ablaufplanung" bezieht sich auf die Reihenfolge, in der die abzufertigenden Einheiten bedient werden. So zum Beispiel kann für Produktionslose, die auf das Freiwerden eines Maschinenzentrums warten, die Reihenfolge der Bearbeitung festgelegt werden. Die Ausdrücke Zeitplanung und Ablaufplanung werden oft synonym gebraucht. Dadurch wird leicht ein grundsätzlicher Unterschied der diesen beiden Problemtypen zugrunde liegenden Struktur verhüllt. Das Zeitplanungs-Problem ist mit Hilfe der WarteschlangenTheorie lösbar, da es die gleiche Struktur hat wie das in Kapitel 14 besprochene Problem. Es unterscheidet sich von ihm nur durch die Art der beeinflußbaren Variablen: Anzahl der Bedienungsstellen, Zeitpunkt der Ankünfte, durchschnittliche Anzahl der Ankünfte (Ankunftsrate). Da sich die in Kapitel 14 besprochenen Modelle und Verfahren auf die Zeitplanung anwenden lassen, wird dieses Problem hier nicht weiter behandelt. In diesem Kapitel befassen wir uns in erster Linie mit dem Problem der Ablaufplanung. Mit der mathematischen Analyse des Ablaufplanungs-Problems wurde soeben erst begonnen, und die bisher erzielten Fortschritte sind relativ gering. Die Problemformulierung selbst ist noch unvollständig, weil dabei nur die Minimisierung einer bestimmten Zeitfunktion berücksichtigt wird. Das Hauptmerkmal der O.R.-Probleme, das Abwägen einander widerstreitender Ziele, hat in die Formulierung des Ablaufplanungs-Problems noch keinen Eingang gefunden. Diese Konflikte sind jedoch in der Wirklichkeit anzutreffen. So zum Beispiel müssen wir bei der Ablaufplanung für Produktionsserien, die über eine Reihe von Maschinen laufen, nicht nur danach streben, die Gesamtlaufzeit minimal zu halten (um die Kosten des Zwischenlagers zu reduzieren und den Ertrag einer bestimmten Investition zu erhöhen), sondern gewöhnlich auch trachten, dem an den verschiedenen Maschinen arbeitenden Personal den gleichen Leistungsanreiz zu bieten. Solche und andere Erwägungen, wie etwa

410

16. Ablaufplanungs-Modelle

Versandprioritäten (und die damit verknüpften Wartezeitkosten), widerstreiten zumeist dem Ziel, irgendeine Funktion der Bearbeitungszeit zu minimisieren. Ohne Zweifel werden diese komplizierten Zusammenhänge nach und nach in der Formulierung de^ Ablaufplanungs-Problems berücksichtigt werden. Tatsächlich wurden auch schon Schritte in diese Richtung unternommen. So zum Beispiel haben Rowe und Jackson 1 ) Ablaufplanungs-Probleme, bei denen Prioritäten zu berücksichtigen sind, formuliert und sind ihrer Lösung nähergekommen. Mit diesen Feststellungen soll die Bedeutung der geleisteten Arbeit, die wir in diesem Kapitel besprechen werden, nicht geschmälert werden. Sie wurden nur gemacht, um den Leser vor einer unkritischen Anwendung der zu behandelnden Verfahren zu warnen. Am häufigsten haben sich Produktionsabteilungen mit Problemen (ier Ablaufplanung zu befassen. Das ist auch insofern einleuchtend, als es das dauernde Bestreben der Produktionsabteilungen sein muß, die verfügbaren Einrichtungen besser zu nutzen und damit einen höheren Ertrag zu erzielen. Die Betriebsleitungen sind gern bereit, jede mögliche Untersuchung zu unterstützen, die darauf abzielt, durch eine Verbesserung der Entscheidungsregeln bezüglich der Zeit- oder Ablaufplanung des Produktionsprozesses vorhandene Einrichtungen wirksamer einzusetzen. Viele Produktionsabteilungen versuchen eine solche wirksame Ausnützung der Betriebsanlagen mit Hilfe verschiedener optischer Hilfsmittel, wie etwa des Gantt-Diagramms, zu erreichen (vgl. Kapitel 10 bei Moore) 2 ). Obwohl solche Hilfsmittel sicher von Nutzen sind, lassen sich damit doch oft die optimalen Reihenfolgen nicht feststellen, ja oft nicht einmal entnehmen, wie weit eine auf dieser Basis erzielte Ablaufplanung vom Optimum entfernt ist. Um einen Begriff zu bekommen, wie kompliziert das Problem der Ablaufplanung ist, wollen wir den Fall betrachten, daß vier Arbeiten zu erledigen sind, von denen jede den Einsatz von fünf Maschinen erfordert. Wenn die Reihenfolge der Maschinen eindeutig festgelegt ist, so gibt es (4!) 5 = 7 962624 Möglichkeiten für die Reihenfolge, in der die vier Arbeiten auf den fünf Maschinen durchgeführt werden. Davon ist allerdings ein Teil technisch nicht realisierbar. Es liegt auf der Hand, daß jedes Verfahren, das zu einer optimalen oder fast optimalen Reihenfolge führt, ohne daß alle oder ein Großteil der Möglichkeiten durchprobiert werden müssen, beträchtlichen Wert besitzt. Wie angedeutet, unterliegen die zulässigen Reihenfolgen der Arbeitsgänge oft Einschränkungen, die technisch begründet sind. So zum Beispiel muß ein Bestandteil zuerst entfettet werden, bevor er gestrichen wird, und ein Loch muß gebohrt werden, bevor man das Gewinde schneidet. In allen diesen Fällen ist es notwendig, einen Arbeitsgang, der auf einen anderen folgen muß, derselben Arbeitsstelle zuzuweisen, wo der vorhergehende Arbeitsgang durchgeführt wird, oder einer Arbeitsstelle, die später an die Reihe kommt. Zwei A r b e i t s s t e l l e n u n d n A r b e i t e n — kein Ü b e r s p r i n g e n

Betrachten wir den sehr einfachen Fall, daß n Arbeiten auf zwei Maschinen (Arbeitsstellen), A und B, durchzuführen sind, wobei für jede Arbeit die gleiche Reihenfolge der Arbeitsgänge eingehalten werden muß und kein Überspringen A. J. Rowe und J. R. Jackson, „Research Problems in Production Routing and Scheduling", Research Report Nr. 46, Management Sciences Research Project, University of California, L o s Angeles, 26. Okt. 1955. 2 ) F. G. Moore, Production Control, McGraw-Hill Book Co., New York, 1951.

Zwei Arbeitsstellen und n Arbeiten — kein Überspringen

411

möglich ist. Jene Arbeit, die bei Maschine A an erster Stelle steht, muß auch bei Maschine B an erster Stelle stehen, und jene Arbeit, die bei Maschine A an zweiter Stelle kommt, muß auch bei Maschine B an zweiter Stelle kommen usw. Solche Fälle kommen beispielsweise bei vielen chemischen Prozessen vor, wo das Material auf Förderbändern oder durch Rohrleitungen von einer Arbeitsstelle zur anderen weiterfließt. Es wird jedoch vorausgesetzt, daß das Material zwischen den Arbeitsstellen aufgehalten werden kann, zum Beispiel vorübergehend auf den Förderbändern oder in den Rohrleitungen und in Tanks gespeichert werden kann, bis die nächste Arbeitsstelle empfangsbereit ist. Mittlerweile kann die vorhergehende Arbeitsstelle schon mit einer neuen Arbeit beginnen. Ohne Beeinträchtigung der Allgemeinheit kann also angenommen werden, daß alle Arbeiten zuerst Maschine A und dann Maschine B durchlaufen müssen. Es sei Ai Bf T Xi

= von der Arbeit i auf Maschine A benötigte Zeit; = von der Arbeit i auf Maschine B benötigte Zeit; = Gesamtzeit für Arbeiten 1, . . ., n; — Leerzeit auf Maschine B zwischen der Beendigung von Arbeit i— 1 und dem Beginn der Arbeit i.

Das Problem besteht darin, jene Reihenfolge (i'i in), das heißt jene Permutation der ganzen Zahlen 1 bis rt, zu bestimmen, die T minimisiert. Es gibt n! mögliche Reihungen. Eine solche Reihung kann auf einem Gantt-Diagramm1) dargestellt werden, wie dies in Abb. 16.1 für n = 5 geschehen ist. Abb. 16.1 stellt die Reihenfolge (1,2,3,4,5) dar. Arbeit 1 besetzt Maschine A während eines Zeitraums von Ai Stunden, während Maschine B leersteht. Sobald Arbeit 1 Maschine A verläßt, beginnt dort Arbeit 2, während Arbeit 1 auf Maschine B weiterläuft, usw.

Maschine A

A2

Al

B Maschine B

1

l

X

A3 A4 As

2 ! B2

t

-®3

( (

(

= Nutzungszeit - • — • — • = Leerzeit At, Bt — Maschinenzeiten Xi = Leerzeit von Maschine B vor Arbeit i A b b . 16.1. G a n t t - D i a g r a m m .

Die gesamte abgelaufene Zeit T ist gegeben durch den Zeitpunkt, zu dem Arbeit 1 auf Maschine A anzulaufen beginnt, und den Zeitpunkt, zu dem Arbeit 5 Maschine B verläßt. In jedem Moment ist Maschine B entweder in ') Einzelheiten über die V e r w e n d u n g von G a n t t - D i a g r a m m e n finden sich bei F. G . M o o r e (vgl. F u ß n o t e 2, S. 410) S. 228—235.

412

16. Ablaufplanungs-Modelle

Betrieb oder unbeschäftigt. Die Gesamtzeit, in der Maschine B läuft, ist 5 2 Bi\ dies wird durch die technischen Erfordernisse bestimmt und nicht ¡=1 durch die Reihenfolge. Nun gilt 5

5

i=i ¡=i Das Problem besteht darin, T zu minimisieren; da aber ^5B t festgelegt ist, i=i . . . geht es darum, y Xi zu minimisieren. i=i Aus Abb. 16.1 geht hervor, daß _ ( A 1 + A 2 — B1—Xi, wenn Ai+A2^X1+B1 ~ { 0, wenn A1+A2 M a x ß ; nicht gelten, gibt es vorläufig noch kein allgemeines Verfahren zur Bestimmung einer optimalen Reihenfolge. Daraus ergibt sich natürlich, daß es vorläufig auch noch keine allgemeine Lösung für das allgemeinere Problem mit n Arbeiten und m Maschinen gibt, bei dem jede Arbeit die Arbeitsgänge in derselben Reihenfolge durchlaufen muß und kein Überspringen möglich ist. Hingegen gilt auch in diesem allgemeinen Fall, daß für optimale Folgen (wobei das Kriterium die gesamte verbrauchte Zeit ist) die gesamte Leerzeit der letzten Maschine minimisiert werden muß. Gleicher Weg über die Arbeitsstellen — Überspringen erlaubt Es gibt Fälle, in denen jede von n Arbeiten in einer eindeutig festgelegten Reihenfolge die m Arbeitsstellen durchlaufen muß, aus dem Wesen des Prozesses jedoch nicht folgt, daß die Reihenfolge, in der die n Arbeiten verrichtet werden, bei jeder Arbeitsstelle die gleiche ist. Bellman 1 ) und Johnson 2 ) haben jedoch gezeigt, daß bei Prozessen mit zwei oder drei Arbeitsstellen die optimale Reihenfolge immer so aussieht, daß die Arbeiten auf jeder Arbeitsstelle in der gleichen Reihenfolge durchgeführt werden. Bei mehr als drei Arbeitsstellen muß dies jedoch nicht unbedingt gelten. Unterschiedliche Wege Uber die Arbeitsstellen Bei vielen Fertigungsprozessen, besonders bei der Einzelfertigung, müssen die verschiedenen Arbeiten, die zu verrichten sind, die einzelnen Arbeitsstellen oder Zentren auf verschiedenen Wegen durchlaufen. Zwei Arbeiten und m Arbeitsstellen Betrachten wir einen Fall, in dem zwei Arbeiten den Einsatz von m Maschinen erfordern, wobei die Reihenfolge der m Maschinen bei jeder Arbeit eine andere ist. Für jede Arbeit ist der Weg über die Arbeitsstellen jedoch eindeutig festgelegt, und jede Maschine kann gleichzeitig nur für eine Arbeit eingesetzt werden. Es wird angenommen, daß Lagerraum für Zwischenlager vorhanden ist. Das hier zur Diskussion stehende Problem besteht darin, für jede Maschine die Reihenfolge der Arbeiten so festzulegen, daß die insgesamt verstrichene Zeit ein Minimum wird. Es gibt 2m mögliche Reihenfolgen, von denen nicht alle technisch realisierbar sind. In unserem Fall gibt es vielleicht wesentlich mehr nicht realisierbare Reihenfolgen als realisierbare. Es wäre daher sehr wünschenswert, diese nicht realisierbaren Reihenfolgen zu eliminieren. Außerdem umfassen die restlichen realisierbaren Lösungen etliche, die unmöglich optimal sein können und die ' ) Vgl. F u ß n o t e 2, S . 4 1 3 . Vgl. F u ß n o t e 1, S . 4 1 3 .

2)

417

Unterschiedliche Wege über die Arbeitsstellen

daher gleichfalls zu eliminieren wären. Akers und Friedman 1 ) entwickelten ein Verfahren für eine solche Eliminierung, bei dem man sich der symbolischen Logik (genauer gesagt, der Booleschen Algebra) bedient. Mit Hilfe dieses Verfahrens erhält man eine Teilmenge von Reihenfolgen, von denen eine oder mehrere optimal sind. Um dieses Verfahren zu beschreiben und zu erläutern, wollen wir einen Fall 2 ) mit zwei Arbeiten und vier Maschinen, a, b, c und d, betrachten. Nehmen wir an, die erforderliche Reihenfolge für die beiden Arbeiten wäre: Arbeit 1: a, b, c, d Arbeit 2: d, b, a, c A sei das Symbol für den Befehl: Auf Maschine a ist Arbeit 1 vor Arbeit 2 der Vorrang zu geben. A sei das Symbol für den Befehl: Auf Maschine a ist Arbeit_2 vor Arbeit 1 der Vorrang zu geben. In ähnlicher Weise stellen B, B, C, C, D und D die entsprechenden Befehle für die Maschinen b, c und d dar. So bezeichnet beispielsweise in dieser Symbolik AD den Befehl: Auf Maschine a hat Arbeit 1 vor Arbeit 2 den Vorrang und auf Maschine d hat Arbeit 2 vor Arbeit 1 den Vorrang. Die (als „Programme" bezeichneten) 16 möglichen Reihenfolgen der Arbeiten auf den Maschinen können, wie in Tabelle 16.4 gezeigt wird, mit Hilfe dieser Symbolik dargestellt werden. T A B E L L E 16.4 Sämtliche P r o g r a m m e f ü r zwei Arbeiten auf vier Maschinen Programm Nr.

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10 11 12 13 14 15 16

Ä

A

Ä

A

Ä

A

A A

Ä

A

Ä

A

Ä

A

Ä A

B

B B

B B

B

B

B B

B

B

B

B

B

B

B

C C C C C C C C C C C C C C C C D D D D D D D D D D D D D

D D D

Tabelle 16.4 kann in die „Binärsprache" übertragen werden, indem man mit „1" einen Befehl, der gilt, und mit „0" einen Befehl, der nicht gilt, bezeichnet. Wir setzen die vier Befehle A, B, C und D in die Spalte links und geben für jede Reihenfolge auf Grund der Tabelle 16.4 an, ob die betreffenden Befehle gelten oder nicht. Die Ergebnisse werden in Tabelle 16.5 gezeigt. Wenn in Tabelle 16.4 A steht, steht in Tabelle 16.5 1, und wenn in Tabelle 16.4 A steht, steht in Tabelle 16.5 0, usw. S. B. Akers, Jr., u n d J. F r i e d m a n , ,,A N o n - N u m e r i c a l Approach to Production Scheduling P r o b l e m s " , J. Opns. Res. Soc. Am., 3, N r . 4, S. 4 2 9 ^ 4 2 (Nov. 1955). 2 ) Dieses Beispiel w u r d e aus Akers u n d Friedman (siehe F u ß n o t e 1) e n t n o m m e n .

418

16. Ablaufplanungs-Modelle T A B E L L E 16.5 Binärtabelle der Programme für zwei Arbeiten auf vier Maschinen \

Programm Nr. 1

2

3

4

5

6

7

8

9

A

0

1

0

1

0

1

0

1

0

1

0

1

0

1

0

1

B

0

0

1

1

0

0

1

1

0

0

1

1

0

0

1

1

C

0

0

0

0

1

1

1

1

0

0

0

0

1

1

1

1

D

0

0

0

0

0

0

0

0

1

1

1

1

1

1

1

1

N.

10 11

12 13 14 15 16

Befehl

Als nächsten Schritt müssen wir feststellen, welche Reihenfolgen technisch nicht realisierbar sind. Zu diesem Zweck stützen wir uns auf die vorgeschriebenen Wege für die beiden Arbeiten: Arbeit 1: a,b,c,d Arbeit 2: d, b, a, c Offensichtlich muß Arbeit 1, bevor sie auf die Maschine d kommt, Maschine a durchlaufen. Ebenso muß Arbeit 2 zuerst Maschine d durchlaufen, bevor sie auf Maschine a kommt. Daher kann eine Reihenfolge, die AD enthält, technisch nicht realisiert werden. Dies läßt sich so einsehen: 1 . A bedeutet, daß Arbeit 2 auf Maschine a vor Arbeit 1 den Vorrang hat. 2. Aber Arbeit 2 kann nicht auf Maschine a kommen, bevor sie nicht Maschine d durchlaufen hat, und 3. da Befehl D gilt, ist dadurch festgelegt, daß Arbeit 2 nicht vor Arbeit 1 auf Maschine d kommen kann. Arbeit 1 kann jedoch nicht auf Maschine d kommen, bevor sie Maschine a durchlaufen hat. 4. Daher könnte diese Reihenfolge nie realisiert werden. Das eben dargelegte Prinzip wurde von Akers und Friedman in ihrem Satz I folgendermaßen verallgemeinert: Eine notwendige und hinreichende Bedingung dafür, daß ein Programm mit zwei Arbeiten technisch realisierbar ist, besteht darin, daß für jedes Maschinenpaar * und y, wo x für Arbeit 1 vor y kommt und y für Arbeit 2 vor * kommt, der Ausdruck XY nicht im Programm aufscheint.

Auf Grund dieses Satzes können wir in_ unserem^ erläuternden Beispiel alle Programme ausscheiden, die ÄD, ÄB, BD und CD enthalten. Die Programme, in denen beispielsweise AC vorkommt, können auf dieser Basis nicht eliminiert werden, da sowohl Arbeit 1 als Arbeit 2 zuerst Maschine a und erst dann Maschine c durchlaufen. Nun wollen wir jene Programme herausfinden und für weitere Betrachtungen bereithalten, für die ÄD, ÄB, BD und CD nicht gilt. Dies geschieht in folgender Weise: Jede Spalte in Tabelle 16.5 wird untersucht und mit 1 bezeichnet, wenn „nicht (AD)" gilt, und mit 0, wenn „AD" gilt. So zum Beispiel wird jedes Programm, für das AD gilt, in der ersten Zeile 0 und in der

Unterschiedliche Wege über die Arbeitsstellen

419

vierten Zeile 1 haben, denn 0 in der ersten Zeile der Tabelle 16.5 ist mit A äquivalent und 1 in der vierten Zeile mit D. Ähnlich ist in Tabelle 16.5 AB = 0 in der ersten Zeile, 1 in der zweiten, BD = 0 in der zweiten Zeile, 1 in der vierten, CD = 0 in der dritten Zeile, 1 in der vierten. Tabelle 16.6 zeigt die Ergebnisse, zu denen man mit diesem Verfahren gelangt. TABELLE 16.6 Bestimmung der Binärzahlen für die technisch realisierbaren Programme Programm Nr. 1 Befehl

2

3

4

5

6

7

8

9 10 11 12 13 14 15 16

\

Nicht (ÄD)

1

1

1

1

1

1

1

1

0

1

0

1

0

1

0

1

Nicht (ÄB)

1

1

0

1

1

1

0

1

1

1

0

1

1

1

0

1

Nicht (ED)

1

1

1

1

1

1

1

1

0

0

1

1

0

0

1

1

Nicht (CD)

1

1

1

1

1

1

1

1

0

0

0

0

1

1

1

1

Logisches Produkt

1

1

0

1

1

1

0

1

0

0

0

0

0

0

0

1

Realisierbare Programme sind solche, die alle vier Bedingungen erfüllen und daher in jeder Zeile eine 1 haben. Wir verwerfen jede Spalte, in der 0 ein- oder mehrmals aufscheint. Diese Operation ist äquivalent mit der Bildung eines logischen Produktes der Zeilen und dem Eintragen einer 1 unter jeder Spalte, die aus lauter 1 besteht und dem Eintragen einer 0 unter allen übrigen Spalten. 9 von den 16 möglichen Programmen wurden eliminiert; 7 bleiben übrig. Akers und Friedman zeigten, daß die Anzahl der realisierbaren Programme N durch die Formel m AT=l+m+Vü

(4)

gegeben ist, wobei t* angibt, wie viele k-tupeln von Maschinen (k = 2 , 3 , . . . , m) es gibt, die bei beiden Arbeiten in der gleichen Reihenfolge aufscheinen (wobei die dazwischenliegenden Maschinen außer acht gelassen werden). In dem von uns betrachteten Beispiel ist

Daher erhalten wir

wi = 4 k = 2, 3 , 4 ¿2 = 2 (nämlich a, c und b, e) i3 = 0 ¿4 = 0 N—l + 4 + 2 + 0 + 0 = 7

16. Ablaufplanungs-Modelle

420

Diese realisierbaren Programme werden in Tabelle 16.7 angeführt. Die realisierbaren Programme werden nunmehr untersucht, um festzustellen, ob sie im Hinblick auf ein bestimmtes Maß der Gesamtwirksamkeit optimal sind. T A B E L L E 16.7 Technisch realisierbare Programme \Programm 1

2

4

5

6

8

A oder Ä

Ä

A

A

Ä

A

A

A

B oder ~B

B

B

B

B

B

B

B

C oder C

C

C

C

C

C

C

C

D oder D

D

D

D

D

D

D

D

Nr. Befehl

16

\

Wenn man Programm 16 (A, B, C, D) untersucht, sieht man, daß es nicht optimal sein kann, weil Arbeit 2 dabei warten müßte, bis Arbeit 1 abgefertigt ist. Wie erinnerlich, beginnt man mit Arbeit 2 auf Maschine d. Somit erfolgt eine getrennte Behandlung der beiden Arbeiten und es läuft jeweils nur eine Maschine. Offensichtlich kann also ein Programm, das D enthält, nicht optimal sein. Wir haben nunmehr die Absicht, alle derartigen Programme zu eliminieren. Das Wesentliche an dem soeben betrachteten Programm 16 läßt sich folgendermaßen formulieren: Es gibt eine Maschine x, auf der die beiden Arbeiten zeitlich nacheinander abgefertigt werden, und während diese Maschine in Betrieb ist, sind alle anderen Maschinen unbeschäftigt. Eine solche Maschine wird für ein bestimmtes Programm als freie Maschine bezeichnet. Akers und Friedman formulierten hierfür folgende Verallgemeinerung: Eine notwendige und hinreichende Bedingung dafür, daß ein realisierbares Programm für zwei Arbeiten zu den optimalen Programmen gehört, besteht darin, daß es keine freien Maschinen enthält 1 ). Die freie Maschinen enthaltenden Programme werden auf Grund des folgenden Prinzips ausgeschieden: Eine notwendige und hinreichende Bedingung, daß ein realisierbares Programm keine freien Maschinen enthält, besteht darin, daß für jede Maschine y folgendes gilt: (1) Wenn es Maschinen x und z gibt, die wie folgt angeordnet sind: Arbeit 1: . . . xy . . . z . . . Arbeit 2: . . . x

. . . yz . . .

dann darf der Ausdruck XYZ in dem Programm nicht aufscheinen. (Wenn y die erste Maschine für Aufgabe 1 ist, wird X weggelassen; wenn y die letzte Maschine für Arbeit 2 ist, wird Z weggelassen.) x ) Die in kleinerer Schrift gesetzten Abschnitte sind im wesentlichen direkte Zitate aus Akers und Friedman (a. a. O.). Sie wurden leicht abgeändert, um sie mit der in diesem Kapitel bisher verwendeten Terminologie in Einklang zu bringen.

421

Unterschiedliche Wege über die Arbeitsstellen (2) Wenn es Maschinen u und v gibt, die wie folgt angeordnet sind: Arbeit 1: . . . u . . .yv . . . Arbeit 2: . . . uy . ..

v...

dann darf der Ausdruck UYV in dem Programm nicht aufscheinen. (Wenn y die erste Maschine für Arbeit 2 ist, wird U weggelassen; wenn y die letzte Maschine für die Arbeit ist, wird V weggelassen.) Wendet man (1) an, wobei y die Maschine a bezeichnet und z die Maschine c, so erhält man folgende Situation: Arbeit 1: y . . . z . . . Arbeit 2 : . . . yz Daher müssen Programme, die YZ (d. h. AC) enthalten, eliminiert werden. Wendet man (1) nochmals an, wobei dieses M a l x die Maschine b und y die Maschine c bezeichnet, so erhält man die Situation: Arbeit 1: . . . xy . . . Arbeit 2 : . . . x . . . y Daher müssen Programme, die XY (d. h. BC) enthalten, eliminiert werden. N u n kehren wir zu Tabelle 16.7 zurück und bestimmen, welche der technisch realisierbaren Programme auch die drei_Bedingungen der Optimalität erfüllen: nicht (D), nicht (AC) und nicht (BC). D i e Ergebnisse werden in Tabelle 16.8 gezeigt. T A B E L L E 16.8 Realisierbare Programme, die die notwendigen Bedingungen der Optimalität erfüllen Programm 1

2

4

5

6

8

16

Nicht (D)

1

1

1

1

1

1

0

Nicht (ÄC)

1

1

1

0

1

1

1

Nicht (BC)

1

0

1

1

1

1

Logisches Produkt

1

0

0

1

1

0

Nr. Befehl

\

1

E s gibt demnach vier Programme, die die notwendigen (aber nicht unbedingt die hinreichenden) Bedingungen sowohl für die technische Realisierbarkeit als auch für die Optimalität erfüllen: 1, 2, 6 und 8. N u n haben wir nur noch für jede Operation die Werte der Maschinenzeiten einzusetzen und j e d e s dieser vier Programme — etwa mit dem Gantt-Diagramm — auszuwerten. Dabei wollen wir annehmen, daß für die verschiedenen Arbeitsgänge folgende Maschinenzeiten erforderlich sind:

422

16. Ablaufplanungs-Modelle T A B E L L E 16.9 Maschinenzeiten in Stunden Maschine a

b

c

d

1

2

4

5

1

2

2

S

3

6

Arbeit

Die Gantt-Diagramme für die vier Programme sind in Abb. 16.3 dargestellt. Programm 1 Zeitverbrauch = Arbeit 1

0 l

l

»X

,

«1

25 Stunden

-(*+« + I T 7

+

(ifV''

+

+

(T+V>) +

(1+r)2"-1/

K>

Dies kann auch geschrieben werden (l+r)
Q

— K n > 0 äquivalent ist mit Q

und daß Kn+i—Kn>0

(4)

i-[i/(V+ö] äquivalent ist mit 1

(5) i-[i/(i+o]>jRr" 2 Die Ungleichungen (4) und (5) müssen gelten, damit Kn ein Minimum ) ist, das heißt, damit die Ersetzung nach n Perioden die beste Strategie ist, und sie können in sinnfälliger Weise interpretiert werden. Betrachten wir zuerst Ungleichung (4)

wo wir X=ll(l - f r ) gesetzt haben. Daraus folgt, daß C „ < ( 1 — X)Kn„i, so daß man, wenn man für Kn_i jenen Ausdruck einsetzt, den man durch Substitution von n— 1 für n in Gleichung (3) erhält, zur Ungleichung c

n

< ( \ - x )

(4b)

r ^ p i

oder (A+C1)

+ CZX+

. ••

gelangt. Der Ausdruck auf der rechten Seite der Ungleichung (4c) ist das arithmetische Mittel aller Kosten bis zum Zeitabschnitt n — 1. Die Gewichte 1, X, X2, . . ., n 2 X ~ sind die in jedem Zeitraum auf die Kosten angewendeten Diskontfaktoren.

Die andere Ungleichung kann in eine ähnliche Form gebracht werden: Cn+1>

Kn(\~X)

(5a)

Cn+i

>

(A + C! +C2x+

r c »+1

- (A+Ci) + C 2 X + - - . > 1 + X + X 2 + . . .

• • • +C„X»~

1)

(5b)

oder +CnX»~i P

*) Vgl. Anmerkung 1 am Ende dieses Kapitels. ) Die Ungleichungen (4) u n d (5) sind zweifellos notwendige Bedingungen. Es kann jedoch gezeigt werden, daß sie auch hinreichende Bedingungen für den Fall sind, in dem die Cn monoton ansteigen, das heißt, wenn f ü r alle n C n < C n + i gilt. 2

444

17. Ersatzmodelle

Als Ergebnis dieser beiden Ungleichungen können folgende Regeln für die Minimisierung der Kosten aufgestellt werden: 1. Man nehme keine Ersetzung vor, wenn die Kosten innerhalb des nächsten Zeitabschnittes geringer-sind als das arithmetische Mittel der Kosten in den vorhergehenden Zeitabschnitten. 2. Man nehme eine Ersetzung vor, wenn die Kosten innerhalb des nächsten Zeitabschnittes größer sind als das gewogene arithmetische Mittel der Kosten in den vorhergehenden Perioden.

Summe der Diskontfaktoren ( E X 1 ' " * )

Abb. 17.1. Beziehung der S u m m e der diskontierten Kosten zur S u m m e der Diskontfaktoren. (Die Zahlen entstammen der Tabelle 17.3.)

Eine geometrische Interpretation dieser Regeln wird in Abb. 17.1 gegeben. Die Summe der diskontierten Kosten wird auf der vertikalen Achse und die Summe der Gewichte auf der horizontalen Achse aufgetragen. Der Anstieg der Geraden vom Ursprung zu einem eingezeichneten Punkt ist dann gleich dem gewogenen Mittel der Kosten. M a n betrachte nunmehr zwei aufeinanderfolgende Punkte auf der Zeichnung, Pn und Pn+\. Die Differenz in vertikaler Richtung zwischen den Punkten ist Cn+iXn und die Distanz in horizontaler Richtung Xn. Demnach ist der Anstieg der Geraden zwischen Pn und Pn+i gleich ( C n + i X n ) / X n = Cn+i. Wenn Cn+i kleiner ist als der Anstieg zu Pn, dann wird der Anstieg zu Pn, i kleiner sein als der Anstieg zu Pn. (In Abb. 17.1 gilt dies beispielsweise für n = 1.) Man nehme daher keine Ersetzung vor. Ist Cn+1 größer als der Anstieg vom Ursprung zu Pn, dann wird der Anstieg

Ersatz von Einheiten mit abnehmender Leistungsfähigkeit

445

vom Ursprung zu Pn+i größer sein als der Anstieg zu Pn. (In Abb. 17.1 ist dies beispielsweise für, sagen wir, n = 6 der Fall.) Man nehme daher eine Ersetzung vor. Die in Abb. 17.1 verwendeten Zahlen wurden von den in Tabelle 17.3 angegebenen Kosten abgeleitet. In dieser Tabelle tritt der Mindestwert der Spalte (7) im dritten Zeitabschnitt auf. Dieser Mindestwert wird bestimmt, indem man die Kosten im vierten Zeitabschnitt [nämlich 30, wie in Spalte (2) angegeben ist] mit dem gewogenen arithmetischen Mittel nach drei Perioden, 27,16 [Spalte (7)], vergleicht. T A B E L L E 17.3 .Erneuerungskosten (A = 50, r = 0,05) (2)

(1) Zeitabschnitt (0

Kosten (CO

(

1

U+r) 01) 10 20 30 40 50 60 70 80 90

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Spalte Spalte Spalte Spalte

(4)

(3) X'-1

(6)

(5)

(7)

=

SCiX'-1

A +

V"1

1,0000 0,9524 0,9070 0,8638 0,8227 0,7835 0,7462 0,7107 0,6768 0,6446

CtX'~'

A +

£X
—4>>i + 3 =g

Also erhalten wir 2vi — 4 = —4yi + 3;

daraus folgt:

7 yi = — 6

Dies widerspricht jedoch der Beschränkung 0 ^ y i iS 1 für die Variable yi. Wenn wir also die Bedingungen alle als Gleichungen behandeln, erhalten wir keine Lösung. Ein allgemeines Verfahren besteht nun darin, eine Ungleichung anzunehmen und die anderen Bedingungen als Gleichungen zu behandeln. Wenn wir wiederum auf einen Widerspruch treffen, führen wir andere Ungleichungen ein, bis schließlich eine Lösung erreicht ist. Es gibt jedoch einen Lehrsatz, welcher die Berechnungen vereinfacht. Er behauptet folgendes: Falls die Relation al]Xi+a2}X2-\

+am]Xj>g

gilt, folgt >7 = 0

und analog, wenn aayi +at2y2 H +atnyng, dann ist y\ = 0 . Dann ergeben die Gleichungen (24), (25) und (26): y2=0, g = 0, so daß yi—>2 = 0, was mit yi -\-y2 = 1 in Widerspruch steht. b) Ähnlich erhalten wir einen Widerspruch, wenn wir —4*i + 3 *2 + 2*3 > g annehmen. c) Wenn — 2y\ — ^y2g —2yi — 4yzg

(29)

-2*i + 5*2>?

(30)

3*i —*2

(31)

2y1-2y2 + 3ys^g

(32)

-Zyi-\-Sy2—y3^g

(33)

W e n n wir die Gleichungen, welche den Spieler mit nur zwei möglichen Aktionen (in diesem Falle A ) betreffen, umformen und vereinfachen, erhalten wir: 2 * i — 3 ( l — xi)~2:g

und daraus

5*i —3¿¡.g

— 2 * i + 5(1 — * i ) S i £

und daraus

—7*i + 5 ^ £

3*i—

(1—*i)2i£

und daraus

4

*

i



(34) (35) (

3

6

)

W i r zeichnen die Gerade g = 5 * i — 3, so wie dies aus A b b . 18.2 zu ersehen ist. Diese Gerade teilt die E b e n e in zwei Bereiche. F ü r j e d e n Punkt (*o, g) oberhalb der Geraden gilt: g > g o = 5xo — 3 und für j e d e n Punkt unterhalb: £ < £ o = 5 * o — 3. I n unserem Fall interessiert uns die Ungleichung 5 * i — 3 2 : g . D i e verlangte L ö s u n g wird daher auf der Geraden oder darunter liegen. W i r zeichnen sodann alle drei Geraden im Intervall 0 * i 5 i 1 und b e trachten alle Punkte, die unterhalb aller drei Geraden liegen (siehe A b b . 18.3). Von diesen wählen wir j e n e n Punkt, für den g am höchsten liegt. I m vorliegen-

Abb. 18.3. Schaubilder der G e r a d e n g im Intervall 0 > x\'

1.

den Beispiel liegt der Punkt im Schnitt der Geraden g = 5 £ = — 7 + 5 ; daraus folgt: Xl =

T'

X2

=T

überdies ist , 10 > = 5 * i — 3 = -j

1 3= —

— 3 und

490

18. Die T h e o r i e der strategischen Spiele

Da Gleichung (31) auf , 2 3*1 — *2 = 3 • — 3

1

5 — = — > 3 3

oder

=g

3 xi — x% > g

führt, ist yz = 0. Die Gleichungen (28) und (32) ergeben yi+y2

also

= l,

y2 =

l—yi

2>i-2(l-yi)=-p oder yi =

Und

12

yi =

12

Machen wir mit Gleichung (33) die Kontrolle: 7

,

(

-

3 )

-!2

+

, r 5

5

, n

- 1 2

+ 0 =

25-21 4 - 1 2 - = ! 2

=

1 T

=

*

Die Lösung ist also: *i =

2 3 '

*

2 =

1 r

yi=

n =

i2'

y3 = 0,

i 2 '

g~-

Wir wollen nun die graphische Lösungsmethode auf das früher besprochene Spiel mit Sattelpunkten anwenden, welches in Tabelle 18.11 dargestellt wird. T A B E L L E 18.11

B Wahrscheinlichkeit

A

yi

ya

Aktion

S

T

XI

P

-2

-4

XI

Q

-1

3

X3

R

1

y i +JV2 = 1 —2XI — X2+X3^g —2yi — 4y2^g —yi + 3y2>i = l, so daß sich g = 1 und y% = 0 ergibt.

A b b . 18.4. Schaubilder f ü r g i m Intervall 0 ¿yi

Si 1.

Gleichung (41) liefert — 2yi — 4^2 = — 2 < 1 =g. Also ist jci = 0. Gleichung (42) liefert —yi + 3^2 = — 1 < 1 =g. Also ist = 0. Gleichung (43) liefert yi + 2yi = 1 =g. Da = l und xi gültige Lösung ist also *l = 0,

»2=0,

0, X2 — 0, so folgt daraus «g = l . Die end-

«3 = 1,

>1 = 1,

>2=0,

g- = 1

Lösung durch Verwendung der Matrizenrechnung (Anmerkung: Dieser Abschnitt wendet sich nur an solche Leser, welche mit Matrizenschreibweise und Matrizenrechnung vertraut sind.) Bezeichnungen: an Ö21

ai2 . . . ain Ö22 • • • (=' -11

"

:52)

—2)' (-6, -5) c

- J

P

-

(-6,-5)

M

(-4.-7) -11

/ 6_ _5\

r



1

Ul'll

6 „ 5 „ 4 „ .7 Da YY > 0, — > 0, — > 0 und — > 0, setzen wir fort.

Mn-n) Y=(»-rv¡i)

oder 6 *i=lY>

5 TT'

X2 = = ñ>

g =

yi = ==0, yi °>

2 3 5 1 -11

2- -15

6 11

12 3 5 3 -TT ~TT

4

11

7 ñ

yi =ñ'

yz =

y3==

-13 -11

)t: z

15 11

3 í í


- [2,00, - 1 , 2 5 , - 0 , 7 5 ] B,C

[ - 0 , 1 5 , 0,85, - 0 , 7 0 ] y [ - 0 , 7 5 , 0,25, 0,50] A,B

Allgemein haben wir für Aufteilungen: [yu yz, • • •> yn] 1

wenn

y

[*i, x2,...,

*»]

i „ i t J . . ,,»v

yt,>x(, für Ä = l, 2 r erfüllt ist. Wir sprechen auch (allgemein) von der Dominanz einer Aufteilung über eine andere. In diesem Fall meinen wir folgendes: Es existiert eine Gruppe von Spielern (zwei oder mehr), für die Dominanz gegeben ist. So ist etwa (3) > ( 4 ) (die Gruppe sind die Spieler A und C). Es existiert aber keine Dominanzrelation zwischen den Aufteilungen (1) und (3), da keine Gruppe von Spielern existiert, für welche Dominanz gegeben ist. Definition einer Lösung Wir sind nun so weit, um die Definition der Lösung eines n-PersonenNullsummenspiels nach v. Neumann und Morgenstern geben zu können. Eine Lösung eines gegebenen «-Personenspieles ist eine Menge von Aufteilungen mit folgenden Eigenschaften: 1. Keine Aufteilung aus der Menge dominiert eine andere Aufteilung der Menge. 2. Jede andere Aufteilung wird von einer der Aufteilungen der Menge dominiert. Für das Beispiel, welches in diesem Kapitel besprochen wurde, besteht die Lösung aus der folgenden Menge von drei Aufteilungen: £ = [0,50, 0,25, - 0 , 7 5 ] ¿ = [0,50, - 1 , 2 5 , 0,75] M = [—1,00, 0,25, 0,75] insofern diese die beiden obigen Bedingungen erfüllen. Vergleicht man diese Aufteilungen mit den im letzten Abschnitt gegebenen, so ergibt sich: L (1) M y (2) L (3) L y (4)

in in in in

bezug bezug bezug bezug

auf A, auf B, auf A, auf A,

C C C C

504

18. Die T h e o r i e der strategischen Spiele

M a n kann folgende Sätze beweisen: 1. Jedes Dreipersonenspiel hat eine Lösung. Diese L ö s u n g kann bestehen aus: a) einer eindeutig bestimmten, endlichen M e n g e von drei Aufteilungen, b) einer unendlichen M e n g e von Aufteilungen; es gibt unendlich viele solcher M e n g e n . 2. Jedes Vierpersonenspiel hat eine Lösung. Spiele ohne N u l l s u m m e n b e d i n g u n g Aufteilungen

Ein Spiel ohne N u l l s u m m e n b e d i n g u n g ist so beschaffen, d a ß die S u m m e aller Zahlungen an die Spieler am E n d e des Spiels nicht N u l l sein m u ß . Solche Spiele können ökonomische Situationen beschreiben, in welchen das Endresultat z u m Beispiel f ü r zwei konkurrierende U n t e r n e h m e n nicht darin bestehen m u ß , daß der G e w i n n eines U n t e r n e h m e n s genau gleich d e m Verlust des anderen U n t e r n e h m e n s ist. Es ist a m einfachsten, K-Personenspiele ohne N u l l s u m m e n b e d i n g u n g als n + 1-Personen-Nullsummenspiele a u f z u fassen, bei welchen der n + 1 . Spieler ein fiktiver Spieler ist, dessen G e w i n n derart beschaffen ist, daß die S u m m e aller Zahlungen N u l l wird. I m Fall der beiden konkurrierenden U n t e r n e h m e n kann die „ N a t u r " als dritter Spieler a n g e n o m m e n werden, so daß auf diese Weise ein Nullsummenspiel konstruiert wird. Es sei jedoch angemerkt, daß die E i n f ü h r u n g eines n + 1. Spielers in das n-Personenspiel die L ö s u n g desselben nicht auf die eines n + 1-PersonenNullsummenspiels reduziert, da der n + 1 . Spieler nicht nach Belieben den verschiedenen möglichen Koalitionen beitreten kann. W i r behandeln Spieler n + 1 aus diesem G r u n d e n u r v o m Gesichtspunkt seines größtmöglichen Verlustes. Diese Betrachtungen f ü h r e n n u n auf folgende Definition einer A u f t e i l u n g : Es sei gi, g2, . . .,gn jeweils der W e r t des Spiels f ü r die Spieler 1, 2, . . ., n. W i r erinnern uns, daß der W e r t g des Spiels f ü r die in Koalition befindlichen Spieler 1, 2, . . ., n G=g(l,2,...,n) =

-gn+i

ist. W i r definieren (»i, .*2, . . ., xn) als Aufteilung, w e n n die Bedingungen xt>g(

für

»= 1,2,...,»

n

und

^

xt = G

erfüllt sind. Ein Beispiel f ü r ein Zweipersonenspiel sei: gi = — 1.

£2=0,

£ n + i = g3 = — 3

D a n n ist G = —gz = 3 u n d die folgenden Zahlenpaare sind A u f t e i l u n g e n : [1,2]

[-1,4]

[4,-1]

da

[1,1]

da

[3,0]

jedoch nicht -1

< J ? 2

=0

und 1 + 1= 2 0 =¿>(^4) *2 = 0,5 > — 1 =g(B) »s = - 1 , 0 >-2=g(C) E* < = * i + * 2 + *S = 1,5+0,5 — 1,0 = 1 = G Beachte, daß jeder Punkt ( = Aufteilung) der punktierten Fläche von P übertroffen (dominiert) wird, während jeder Punkt des nicht-punktierten Gebietes P übertrifft (dominiert). Eine Lösung des Spiels wird durch die Punkte D, E und F gegeben: £> = [ 2 , 1 , - 2 ]

£ = [0,1,0]

F = [2,-l,0]

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Abschluß

*1> 0 *l