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German Pages 275 [276] Year 1973
Operations Research Herausgegeben von H.J. Zimmermann
Α. Kaufmann
·
R. Faure
Methoden des Operations Research Eine Einführung in Fallstudien
Deutsche Fassung von
Klaus P. Liesenfeld
w DE
G Walter de Gruyter • Berlin • New York 1974
Titel der Originalausgabe: Invitation â la Recherche Operationelle, 2ème Edition. Dunod, Paris. Über die Autoren: A. Kaufmann, Professor am Institut polytechnique, Grenoble. Wissenschaftlicher Berater bei Bull-General Electric. R. Faure, Professor an der Ecole nationale supérieure des Mines, Paris. Wissenschaftlicher Berater bei R.A.T.P. Dr. Klaus Peter Liesenfeld, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Unternehmensforschung der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen.
© Copyright 1973 by Walter de Gruyter & Co., vormals G.J. Göschen'sche Verlagshandlung J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer - Karl J. Trübner - Veit & Comp., Berlin 30 - Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Photokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unterVerwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. — Satz und Druck: Hans Richarz, Sankt Augustin — Printed in Germany ISBN 3 11 0 0 3 4 7 3 5
Geleitwort
Eines der schwierigsten Probleme, vor denen bisher Personen standen, die auf dem Gebiete der Unternehmensforschung oder des Operations Research tätig waren, ist die Kommunikation mit dem Personenkreis, der die Methoden des Operations Research verwenden will, ohne zunächst damit vertraut zu sein. Da dieses Problem bis jetzt noch nicht zufriedenstellend gelöst werden konnte, werden bis zum heutigen Tage noch viele Möglichkeiten des Operations Research nicht genutzt. Der Grund hierfür liegt u.a. darin, daß die Methoden des Operations Research noch nicht sehr lange an Universitäten und anderen Institutionen gelehrt werden und so für die meisten Personen, die heute in der Wirtschaft oder der Verwaltung wichtige Entscheidungen zu fallen haben, noch neu und unbekannt sind. Die große berufliche Belastung verbietet den meisten Angehörigen dieses Kreises ein gründliches Studium dieser für sie so wichtigen und hilfsreichen Methoden. A. Kaufmann und R. Faure schließlich haben es in einzigartiger Weise verstanden, die oft recht abstrakt erscheinenden Methoden des Operations Research in einer Art dem Leser nahe zu bringen, die gleichzeitig klar, praxisrelevant und auch amüsant zu lesen ist. Sie beschränken dabei die Darstellung der Theorie auf das absolute Minimum und führen den Interessenten mittels einer Anzahl kurzer Fallstudien, in denen jeweils die Problemstellung, deren Formulierung und deren Lösung vorgeführt werden, in dieses Gebiet ein. Diese Fallstudien sind so interessant u n d amüsant dargestellt, daß sie den Leser geradezu verleiten, einen weiteren dieser praktischen Fälle zu lesen, bis er schließlich, ohne es recht gemerkt zu haben, das Buch durchgelesen hat. Der Leser sollte danach in der Lage sein, seine Berater zu verstehen, wenn sie ihm Lösungen oder Hilfen zur Entscheidungsvorbereitung in Form von Modellen vorlegen. Er wird ferner feststellen, daß das Operations Research ihn nicht vom Fällen einer Entscheidung entbinden kann, sondern lediglich als sehr gutes Hilfsmittel zur Entscheidungsfällung dient. Den Abschluß des Buches bildet eine nach Kapiteln geordnete, ausführliche Bibliographie, die für die deutsche Ausgabe vom Übersetzer überarbeitet und ergänzt wurde. Das Buch konnte bereits einen außerordentlichen Erfolg verbuchen; es wurde in acht Sprachen übersetzt, u n d ich glaube, daß es in vielen Ländern sowohl Praktikern als auch Unternehmensforschern beim gegenseitigen Verständnis viel geholfen hat. Ich begrüße es deshalb außerordentlich, daß dieses für die Verständigung zwischen Management und Unternehmensberatung nützliche und wichtige Werk nun auch in einer deutschsprachigen Ausgabe vorliegt. Ich danke dem Verlag und dem Übersetzer für ihre Mühe u n d wünsche dem Buch in Deutschland den gleichen Erfolg, den es bereits in anderen Ländern erringen konnte. Aachen, im August 1973
Professor Dr. H.-J. Zimmermann
Vorwort der französischen Ausgabe
Dieses Werk stellt keinerlei wissenschaftliche Ansprüche; es ist mit dem alleinigen Ziel verfaßt und geschrieben worden, die im industriellen Management tätigen Entscheidungsträger fur die jüngsten Entwicklungen in der angewandten Mathematik zu interessieren — soweit diese für die Führung von Unternehmen von Belang sind. Solche Entscheidungsträger haben im allgemeinen nicht genügend Zeit zur Verfügung, um sich an Hand von rein wissenschaftlichen, aber schwer verständlichen Werken über die neuen Methoden auf dem laufenden zu halten. Sie müssen jedoch über die neuen Methoden informiert werden, da sie schließlich deren Nutznießer sind. Eeshalb meinen wir, wie viele andere übrigens auch, daß ein pädagogischer Versuch unternommen werden sollte: Wir haben ihn gewagt und hoffen, allerdings ohne dessen sicher zu sein, daß wir Erfolg haben. Wir gehen von folgendem Kriterium aus: Wenn man ein solches Buch im Zug, in der Metro, im Flugzeug oder sogar zu Hause lesen kann, wenn man ferner, mit lediglich einem Bleistift und Papier als Hilfsmittel die sehr einfachen Berechnungen nachvollziehen kann, wenn man schließlich, einige Zeit später, sich dazu aufrafft, anspruchsvollere und grundlegendere Bücher zu kaufen, dann ist das Buch gut. Wir geben natürlich zu, daß gewisse Leute das Buch möglicherweise nur hinter verschlossenen Türen lesen werden, um lediglich ihre Neugierde zu befriedigen und ohne zugleich um ihren guten Ruf bangen zu müssen. Mit achtzehn kleinen Geschichten — im Grunde genommen vereinfachten Fallstudien, von denen neun in Mexiko spielen, acht andere in unserem Land (Frankreich) und eine letzte auf dem Ozean dazwischen — stellen wir die wichtigsten Methoden und analytischen Schritte vor, die zur Aufstellung der Gleichungen und mathematischen Modelle notwendig sind. Weiterhin geben wir im Anschluß an jedes Kapitel einen möglichst knappen Überblick über die allgemeinen theoretischen Aspekte des behandelten Problems. Diese Abschnitte, die wahrscheinlich etwas schwieriger zu lesen sein werden, sind klein gedruckt. Das Buch schließt mit einer summarischen Bibliographie. Zwar muß ein guter Schriftsteller, wenn er wissenschaftliche Themen allgemeinverständlich darstellen will, wissenschaftlich gebildet sein und die wichtigsten neueren Forschungsergebnisse verstanden haben, aber er muß auch die täglichen Sorgen derer nachvollziehen können, die mit der harten Wirklichkeit des Lebens konfrontiert werden. Man wird uns verzeihen, wenn wir für dieses Buch nicht so qualifiziert sind, wie wir eigentlich sein sollten. Wir haben dieses Buch jedoch nicht
Vorwort der französischen Ausgabe
VII
nur in der Hoffnung geschrieben, anderen damit nützen zu können, sondern auch, weil es uns selbst Spaß machte. Einige werden uns sicher fragen wollen, warum wir so scherzhaft über so ernste Dinge reden und wozu diese spaßigen Histörchen gut sind. Wir werden ihnen antworten: „Nehmen sie ihre Arbeit, aber um Himmels willen nicht sich selbst ernst!" Selbst wenn dieses Buch schlecht gemacht ist, so ist das Thema, das es behandelt, doch so fesselnd, daß es vielleicht zahlreiche Kritiker finden wird. Wie wir bereits sagten, hoffen wir jedoch, daß sie sich nicht mit der Kritik begnügen werden. Einer von uns, der gerade aus Mexiko zurückgekommen ist, widmet die im folgenden zu lesenden Anekdoten seinen mexikanischen Freunden: Cardona, Cortina, Portilla, Lanuza, Meade, Quirez-Cuaron, Senderos und all den anderen, die nicht in dieser kurzen alphabetischen Liste aufgeführt sind: den Ingenieuren, den Geschäftsleuten, den Architekten, den Rechtsanwälten, den Advokaten und Professoren, alles Leute, die durch ihren Einsatz ihrem Land eine große Zukunft sichern wollen. A. Kaufmann, R. Faure
Bemerkung des Übersetzers
So wie es den Autoren A. Kaufmann und R. Faure Spaß bereitete, die französische Originalausgabe „Invitation a la Recherche Opérationelle" zu verfassen, machte es mir Spaß, dieselbe zu übersetzen. Es ist den Autoren tatsächlich gelungen, den Leser in einer leicht lesbaren und dennoch ausreichend exakten Form zum Verständnis des Operations Research und seiner fur die Praxis wichtigsten Methoden „einzuladen". Dabei verfolgen die Autoren mit ihrem Buch die Zielsetzung, die in Industrie und öffentlicher Verwaltung tätigen Entscheidungsträger für das Gebiet des Operations Research zu interessieren und ausreichend zu informieren. Dem Leser wünsche ich, daß ihm das Lesen und Durcharbeiten des Stoffes neben einem klaren Verständnis fur diese Methoden eines modernen Management auch wirkliche Freude an der Arbeit bringt. Wenn die Übersetzung an einigen Stellen literarisch besonders gut gelungen scheint, so ist dies allein Frau Dr. D. Ruhe und Herrn Prof. Dr. P. Ruhe zu verdanken, die als engagierte Romanisten eine unentbehrliche Hilfe bei der Übersetzung des sprachlich oft sehr ausgeklügelten französischen Original-Textes waren. Mein Dank gilt nicht zuletzt Herrn Professor Dr. H.-J. Zimmermann, der mich bei der Arbeit an dieser Übersetzung stets verständnisvoll unterstützte. Besonderer Dank gebührt auch dem Verlag W. de Gruyter, der stets ein offenes Ohr für die Sorgen eines Übersetzers hatte. Dr. K.P. Liesenfeld
Inhaltsverzeichnis
1 2
Die Geschichte eines Zeitungsverkäufers (Ein Problem der Lagerhaltung)
1
Wie sollen wir unsere Investitionen verteilen? (Ein kombinatorisches Zuweisungsproblem; Dynamische Programmierung)
20
Der Marionettenfabrikant (Markov Ketten. Sequentielle Entscheidungsprobleme)
29
Geduld bei zeitlichen Verzögerungen (Ausgabe von Werkzeug in einem Unternehmen. Theorie der Warteschlangen)
49
5
Verschiffung von Kaffee (Eine französisch-mexikanische Geschichte. Transportnetzwerke und der Algorithmus von Ford-Fulkerson)
63
6
Mexiko-Acapulco (Wo sollen die Besatzungen wohnen? Ein Zuordnungsproblem)
71
225.000 Flaschen an einem Tag! (Ein Transportproblem. Der Stepping-Stone Algorithmus)
95
3 4
7 8
Wann sollte ich meine Golondrina wieder verkaufen? (Ersatz von der Wertminderung unterliegenden Anlagen, Investitionen und Diskontierung)
117
Behalten Sie die Reifen im Auge! (Theorie der Ersatzbeschaffung)
131
10
Haltet den Dieb! (Eine rationale Anwendung der Spieltheorie)
144
11
Eins und eins ist eins (Ein Thesen- und Erfolgsstück in zwei Akten. Anwendung der Boole'schen Algebra)
155
Dolmetscher für Teotihuacan (Personalbedarfsplanung)
171
Der Triumph des Denis-Papin (Einfuhrung in die lineare Programmierung)
185
Libre oder Completo (Entscheidungsregeln bei Ungewißheit)
199
Arme und Reiche (Aufstellen eines Armutsindexes. Gewichtung von Werten)
209
9
12 13 14 15
Inhaltsverzeichnis 16
Der neue Fregoli (Der Algorithmus von Foulkes und dessen Anwendungsmöglichkeiten)
221
17
Die fahrenden Künstler (Ein Reihenfolgeproblem. Johnson's Algorithmus)
231
Ein Abendessen à la française (Wobei man sieht, daß die Graphentheorie und die Boolesche Algebra für die Küche von Nutzen sein können)
240
18
Schlußwort
247
Literatur
249
Sachregister
263
1 Die Geschichte eines Zeitungsverkäufers (Ein Problem der Lagerhaltung)
Nicht nur in den USA hat mancher Millionär als Zeitungsverkäufer angefangen; ähnliches finden wir auch in anderen Ländern, vor allem in den dortigen Legenden. Leider ist uns jedoch das Rezept, Millionär zu werden, nicht bekannt, und in der Erwartung, daß es uns ein liebenswürdiger Leser einmal mitteilt, verkaufen wir inzwischen ohne allzu großen Verlust Zeitungen, wenn möglich, sogar mit geringerem Überschuß, so daß wir uns ein einfaches Leben erlauben können. Ist es nicht so, daß Fortuna auf uns wartet, sobald wir nur die Methoden des Operations Research erlernen? Wie dem auch sei, erzählen wir nun in aller Bescheidenheit die Geschichte unseres Freundes Théophraste, bei dem wir gewöhnlich unsere Zeitungen kaufen. Théophraste kauft Zeitungen, die er dann später für 1 F pro Exemplar verkauft; gekauft hat er sie für 0,50 F das Stück und wenn er unverkaufte Exemplare behält, nimmt man sie ihm am darauffolgenden Tag für 0,20 F zurück. Dieses Verkaufssystem könnte nun den Anschein erwecken, ungewöhnlich oder sogar grausam zu sein; jedoch unterliegt der Zeitungsgrossist der Grausamkeit der Druckerei, diese wiederum unterliegt der Grausamkeit ihrer eigenen Lieferanten, diese . . . , aber das ist eine ganz andere, ebenso grausame Geschichte. Glückstage sind für Théophraste unvorhersehbar und sehr oft ist er nicht einmal in der Lage, seine Verluste zu decken. Man sagt zwar, daß Hunger ein sehr schlechter Ratgeber sei; er kann jedoch auch zur Weisheit und . . . zur statistischen Analyse fuhren. Wir werden zeigen, daß die Konjunktion und nicht mit dem exklusiven oder zu verwechseln ist. Nach einem besonders schlechten Tag (die Gründe dafür wollen wir nicht anführen . . . ) tut unser Freund einen ersten wichtigen Schritt, um seine Kenntnisse über sein Geschäft zu erweitern: er beschließt, seine Verkaufszahlen zu analysieren. Entsprechend seinen täglichen Aufzeichnungen hatte er an einem Tag nie 50 Exemplare oder mehr und selten 40 oder mehr abgesetzt. Demgegenüber waren Verkäufe von 20 oder mehr häufig. Es ist klar, daß diese Verkaufszahlen von wichtigen politischen Ereignissen oder auch vom Photo eines appetitlichen Geschöpfs auf dem Titelblatt beeinflußt werden. Was das letztere anbetrifft, so erinnert sich Théophraste noch sehr genau, daß er sich eines Tages geweigert hatte, sein letztes Exemplar herzugeben. Als Geschäftsmann wird man zum Buchhalter (neidische Geister behaupten, das Gegenteil sei ebenfalls wahr). In diesem Sinn fertigt unser Held durch Einordnung
2
Die Geschichte eines Zeitungsverkäufers
seiner Käufe und Verkäufe in Gruppen von jeweils 10 Exemplaren die folgende kleine Tabelle seiner möglichen Gewinne an. Die möglichen Gewinne können der Tabelle 1.1 in F-Beträgen und zwar in den Schnittpunkten der Zeilen und Spalten entnommen werden Dabei beziehen sich die Zeilen auf die Anzahl der eingekauften und die Spalten auf die Anzahl der verkauften Exemplare. TabeUe 1.1 Nachfrage
0
10
20
30
40
50
0
0
0
0
0
0
0
10
—3
5
5
5
5
5
20
—6
2
10
10
10
10
30
—9
—1
7
15
15
15
40
— 12
—4
4
12
20
20
50
— 15
—7
1
9
17
25
Bei Betrachtung der obigen Tabelle ist Théophraste völlig perplex. Wenn er 50 Zeitungen kauft, kann er 25 F verdienen, riskiert es aber auch, 15 F zu verlieren ; kauft er 20, kann er 10 F verdienen, aber auch 6 F verlieren; die einzige Möglichkeit Verluste auszuschließen, ist die . . . , überhaupt keine Zeitung zu kaufen! Aber es ist nun einmal unvermeidlich, welche zu kaufen, wenn man Zeitungsverkäufer ist. Geschicklichkeit im Geschäftsleben steht fast immer in Verbindung mit guter Beobachtungsgabe. Unser Freund ist voller Unruhe und davon überzeugt, daß er diese Situation aus nächster Nähe untersuchen muß, und so kommt es, daß der Dämon der Statistik Zugang zu seinem Verstand findet, welcher auf dessen Empfang jedoch zugestandenermaßen schlecht vorbereitet ist. Hier ist nun das Fazit der Überlegungen unserer Freundes:
Ein Problem der Lagerhaltung
3
„Es ist nicht so wichtig, was ich an einem Tag verdiene, sondern was ich in einem, in zwei oder gar noch mehr Monaten verdiene. Ist es nicht möglich, eine Vorhersage über den Verdienst während einer längeren Periode zu treffen, wenn ich jeden Tag (ausgenommen die außergewöhnlichen Tage, die ich vorhersagen könnte) die gleiche Anzahl Zeitung kaufen würde? Aber wie groß soll diese Anzahl sein und wie soll ich das Verhalten meiner Kunden vorhersagen? Nun gut, anstatt meinen Kiosk zu verlassen, wenn ich alle Zeitungen verkauft habe, werde ich eine Zeit lang jeden Tag bis 19.00 Uhr bleiben, so, als ob ich noch nicht alles verkauft hätte. Ich werde auch nicht die Anzahl der verkauften Exemplare notieren, sondern statt dessen die Höhe der Nachfrage, unabhängig davon, ob ich sie nun befriedigen kann oder nicht. Bei den Kunden, die ich nicht mehr bedienen kann, werde ich mich dann gegebenenfalls sehr liebenswürdig entschuldigen. Um eine runde Sache zu machen, beschließe ich jetzt, das zu untersuchen, was während 100 Tagen normalen Verkaufs vor sich geht." Man kann sagen, daß unser Zeitungsverkäufer alle Voraussetzungen besitzt, um Statistiker oder Milliardär zu werden. Er kam zu folgenden Ergebnissen1 : Tabelle 1.2
Anzahl der nachgefragten Zeitungen in Gruppen v o n j e l O
0
10
20
30
40
50
Anzahl der Tage, an denen diese Nachfrage bestand
3
17
37
29
12
2
„Angenommen", fuhr er jetzt fort, „die Zukunft sieht wie die Vergangenheit aus, dann wäre es doch interessant zu berechnen, was geschehen würde, wenn ich tagtäglich die gleiche Anzahl Zeitungen (0, 10, 20, 3 0 , . . . ) kaufe. Ich könnte dann mit Hilfe meiner Häufigkeitstabelle den Gesamtverdienst für 100 Tage und damit gleichzeitig auch den durchschnittlichen Tagesgewinn berechnen, indem ich den Gesamtverdienst einfach durch 100 dividiere. Somit ist es gleichgültig, ob ich der Tabelle die Werte 3 , 1 7 , 37, etc. oder 0,03,0,17,0,37, etc. entnehme."
1
Um diese Tabelle zu erhalten, notierte er zunächst die täglich auftretende Nachfrage. Dann hat er Klassen gebildet: die Klasse 0 durch Zusammenfassung aller Tage mit einer Nachfrage zwischen 0 und 4, die Klasse 10 durch Zusammenfassung aller Tage mit einer Nachfrage zwischen 5 und 14, etc.
4
Die Geschichte eines Zeitungsverkäufers
Einzelheiten und Ergebnisse dieser Berechnungen sind in der Tabelle 1.3 angegeben. Der Leser ist vielleicht überrascht, daß ein Zeitungsverkäufer die fundamentalen Prinzipien der Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung wiederentdeckt. Aber wieso sollte dieser eigentlich nicht intelligent und geschickt sein? Die Mehrzahl aller Zeitungsverkäufer ist ohnehin weitaus intelligenter und geschickter als man gemeinhin a priori annimmt. Tabelle 1.3
Die Anzahl meiner gekauften Exemplare ist:
Dann wird sich mein mittlerer Gewinn belaufen auf:
0
= 0
10
(— 3X0.03)
+
(5)(0,17) + (5)(0,37)
+
(5)(0,29) + (5)(0,12)
+
(5)(0,02) = 4,76
20
(— 6)(0,03) +
30
(— 9)(0,03) + (—1)(0,17) +
(7)(0,37) + (15)(0,29) + (15)(0,12) + (15)(0,02) = 8,60
40
(—12X0,03) + (—4)(0,17) +
(4)(0,37) + (12)(0,29) + (20)(0,12) + (20)(0,02) = 6,72
50
(—15)(0,03) + (—'7)(0,17) +
(1)(0,37) +
(2X0,17) + (10X0,37) + (10)(0,29) + (10)(0,12) + (10)(0,02) = 8,16
(9)(0,29) + (17)(0,12) + (25)(0,02) = 3,88
„Demgemäß", schließt er, „werde ich pro Tag 30 Zeitungen kaufen und somit im Schnitt 8,60 F verdienen." Hier sieht man, wie die Begriffe der mathematischen Erwartung, der Optimierung einer ökonomischen Funktion, und des ökonomischen Planungshorizontes wieder neu entdeckt wurden. Unsere Geschichte ist jedoch noch nicht zu Ende. Zu den treuen Kunden von Théophraste gehörte auch ein Mathematikstudent, jung, sympathisch und diskussionsfreudig. Aber statt mit seinen zwanzig Jahren vom Wetter, von der Zukunft oder von der guten alten Zeit zu reden (und dabei sind das doch universelle und unerschöpfliche Gesprächsthemen!) sprach er lieber von mehr technischen Dingen. So entstand eine neue Zusammenarbeit zwischen Universität und Industrie, für deren Effizienz wir im Laufe der Geschichte noch einen, allerdings bescheidenen, Beweis bringen werden. Als Stammkunde wollte unser junger Mathematiker seinem Zeitungsverkaufer aus der Verlegenheit helfen und deshalb eine einfach anzuwendende Formel austiif-
5
Ein Problem der Lagerhaltung
Häufigkeit
Nachfrage
Häufigkeit
Summenhäufigkeit
Nachfrage
Häufigkeit
Summenhäufigkeit
Nachfrage
Häufigkeit
Summenhäufigkeit
0
0
0
13
1
17
26
4
64
39
1
94
1
0
0
14
3
20
27
3
67
40
2
96
2
1
1
15
3
23
28
3
70
41
0
96
3
1
2
16
3
26
29
4
74
42
1
97
4
1
J
17
4
30
30
2
76
43
1
98
5
2
5
18
3
33
31
3
79
44
0
98
6
1
6
19
4
37
32
3
82
45
0
98
7
1
7
20
3
40
33
2
84
46
1
99
8
1
8
21
4
44
34
2
86
47
0
99
9
2
10
22
5
49
35
2
88
48
0
99
10
2
12
23
4
53
36
1
89
49
1
100
11
1
13
24
4
57
37
2
91
50
0
100
12
3
16
25
3
60
38
2
93
> 50
0
100
Summenhäufigkeit
Nachfrage
Tabelle 1.4
teln. Eines Abends trafen sich die beiden in einem kleinen Café 2 . Dank der ausfuhrlichen Notizen, die sich Théophraste in einem Notizbuch gemacht hatte, war es möglich, eine besser ausgearbeitete und besser verwertbare Tabelle (vgl. Tabelle 1.4) aufzustellen, als es die oben angeführte mit der Einteilung in 10-er Klassen war. Ausgehend von den Häufigkeiten der Verkäufe konnte die Summenhäufigkeit sehr leicht berechnet werden 3 . Die graphische Darstellung der Abb. 1.1, die die Summenhäufigkeit als Funktion der Nachfrage wiedergibt, wurde schließlich von dem Studenten gezeichnet. Natürlich fragte der Zeitungsverkäufer daraufhin nach der Bedeutung einer solchen Darstellungsweise. 2
3
Welch wichtige Dinge wurden nicht schon an diesen kleinen runden Tischchen der Pariser Bistros diskutiert und entdeckt! Darin liegt auch der Ursprung (ohne Gewähr), sich bei internationalen Treffen, die den Zeitungsverkauf ja sehr günstig beeinflussen, um „tables r o n d e s " zu versammeln. Eine Nachfrage, die kleiner oder gleich 11 ist, hat z. B. nach unserer Tabelle die Summenhäufigkeit: 0 + 0 + 1 + 1 + 1 + 2 + 1 + 1 + 1 + 2 + 2 + 1 = 13.
6
Die Geschichte eines Zeitungsverkäufers
Abb. 1.1
Der Begriff der Wahrscheinlichkeit ist in der Form, wie wir ihn verstehen, erst seit etwa 300 Jahren Gegenstand mathematischer Forschungen. Intuitiv ist der Begriff jedoch allen Menschen geläufig und zwar in der unpräzisen Form dessen, was man mit Chance bezeichnet. Hören wir uns nun das Gespräch an, welches unsere beiden Freunde diesbezüglich führten: „Wenn sich die Häufigkeiten in der Zukunft in gleicher Weise wiederholen, wie sie in der Vergangenheit auftraten", sagte unser Mathematiker, „dann hast Du in 100 Tagen 12 mal die Chance mindestens 10 Zeitungen zu verkaufen, 13 mal mindestens 1 1 , . . . , und 44 mal die Chance, mindestens 21 zu verkaufen. Das Verhältnis der Chancen, eine bestimmte Nachfrage zu realisieren zur Zahl 100 wird nun Wahrscheinlichkeit dieser Nachfrage genannt. Wir schreiben von jetzt an P(x), um die Wahrscheinlichkeit für eine Nachfrage, die höchstens gleich χ ist, anzugeben. Mit einer sehr einfachen Überlegung wirst Du sofort auf eine Methode — die man mit Marginalanalyse bezeichnet — stoßen, welche es Dir erlaubt, die täglich zu kaufende Anzahl Zeitungen zu berechnen, welche Dir in 100 aufeinanderfolgenden Tagen einen maximalen Gewinn erbringt, falls — ich wiederhole es nochmal — die zukünftigen Häufigkeiten mit denen der Vergangenheit übereinstimmen. Nehmen wir einmal an, Du kauftest jeden Tag (s — 1) Zeitungen; was würde geschehen, wenn Du Dich entschließen würdest, ein Exemplar zusätzlich zu kaufen? Nun, Du würdest mit der Wahrscheinlichkeit 1 — P(s - 1), also der für eine Nachfrage größer als s - 1, 0,50 F verdienen und mit der Wahrscheinlichkeit P(s— l) also der für eine Nachfrage kleiner gleich s — 1, 0,30 F verlieren. Damit beliefe sich Dein zusätzlicher Gewinn auf:
Ein Problem der Lagerhaltung (0,5) [1 -
P(s -
7 (0,3) P(s -
1)] -
1)
oder: 0,5 — (0,8) P(s — 1). Es ist deshalb für Dich vorteilhaft, sooft eine Zeitung zusätzlich zu kaufen, wie 0,5 — 0,8 P(s — 1) > 0, d.h. 0,50
" - ·> * m - °·625· Du mußt also bei dem Wert für s aufhören, für den P(I — 1) < 0,625 ; gilt, d.h. s ist folgendermaßen eingeschränkt: P(s — 1) < 0,625
+ pMrW, =
max [325 ; 320]
=
325.
p
mrm +
p ^ }
Wenn Manuel sich zum Zeitpunkt JV - 1 in der Situation E ¡ befindet, dann muß er die Entscheidung Px fállen, um einen optimalen Zustand von Ν — 1 bis Ν zu erhalten. Η Ν -
1 ; N ) = MAX [ p V r U + p V r V ,
pgr®
+
= max [20 ; — 80] =
20.
Befindet sich Manuel zum Zeitpunkt TV — 1 in der Situation E 2 , dann sollte er die Entscheidung Q¡ fállen, um einen optimalen Zustand für den Zeitraum zwischen Ν - 1 und Ν zu erhalten. Wir wollen jetzt versuchen herauszufinden, wie man das Optimum für zwei Wochen vom Zeitpunkt Ν -2 bis zum Zeitpunkt Ν - 1 findet. Optimale Geschäftspolitik für zwei Wochen (vom Zeitpunkt Ν — 2 bis zum Zeitpunkt N) Man vergleiche die Abb. 3.3 und 3.5. Die Vorgehensweise bleibt gleich; um aber R i ( N - 2; TV), dann i? 2 (TV- 2; TV) und die übrigen Erwartungswerte für die Gewinne während 3, 4 und mehr Wochen zu bestimmen, müssen jedesmal die Ergeb-
Markov Ketten. Sequentielle Entscheidungsprobleme
39
nisse verglichen werden, die aus den verschiedenen jeweils möglichen Entscheidungen resultieren.
So wird Manuel als Wert für R ! (TV - 2; TV) den größten der Werte
pWn -
1;
^ + PWn - 1 ; + Cn + pïïrïz
pWR^N
1 ; N) + P^R2(N
und _
-
1 ; N) + p f { r f ) +
pf¡rf¡,
auswählen müssen. 2 D.h. er muß wählen zwischen (0,5) (325) +
(0,5) (20) +
325 =
497,5
(0,6) (325) +
(0,4) (20) +
320 =
523.
und
Er sollte also die Entscheidung P2 wählen, wenn die dem Zeitpunkt Ν —2 vorhergehende Woche erfolgreich war. Dann wird sein Geschäft im Zeitraum Ν —2 bis Ν optimal verlaufen und 523 einbringen. Das bedeutet also: Ri(N
— 2
Λ0 =
523.
Ist die Situation fur Manuel zum Zeitpunkt Ν — 2 jedoch gleich E2 anstatt El, dann kommt er aufgrund einer ähnlichen Berechnung zum folgenden Vergleich: 3
pWn
-
ι ;
+
PW"
«
+
2 Wir nehmen hier an, daß Manuel seine Produktion (Geschäftstätigkeit) und seinen Verkauf nach Ν Perioden beendet und sein Geschäft gratis abgibt, wie auch die Schlußsituation sein mag. Andernfalls kann man die hier angewandte Methode verallgemeinern und prüfen, was passiert, wenn das Geschäft verkauft würde. 3 Es erscheint zweifelhaft, daß Manuel solche Berechnungen selbst vornehmen kann, aber angesichts des Interesses, das die mexikanischen Ingenieure dem Operations Research entgegenbringen, wird er leicht einen kompetenten Berater finden.
40
Der Marionettenfabrikant
oder p W
n
-
1
;
+ Ρ Ά (
ν
-
ι ;
+ p'M
+
/»g'g.
woraus sich (0,7) (325) + (0,3) (20) + 20 = 253,5 oder (0,8) (325) + (0,2) (20) — 80 =
184.
ergibt. War die vorhergehende Woche erfolglos, dann muß er zum Zeitpunkt TV — 2 also die Entscheidung Ql treffen, um während des Zeitraumes TV— 2 bis Ν eine optimale Geschäftspolitik zu verfolgen, die ihm 253,5 einbringen wird. Es gilt also: Rz(N — 2 ; TV) = 253,5. Optimale Geschäftspolitik für drei Wochen (vom Zeitpunkt Ν — 3 bis zum Zeitpunkt N) Es wird die gleiche Vorgehensweise wiederholt; um Ri(TV - 2; TV) zu berechnen, müssen wir PiWN
-
2
pV)Ri{N
- 2 ;
- W
+ P W
n
-
2:
+ Piirii
+
P1K2
mit Ν) + pf¡R¿N
- 2 ; TV) + />®r® +
vergleichen. Dabei ergibt sich: R ^ N — 3 ; TV) = max [462,15 ; 389,1] = 462,15, mit der Entscheidung P2 ; ebenso ergibt sich: (0,6) (325) + (0,4) (20) + 320 = 523 ; mit der Entscheidung Q¡. Fährt man auf diese Weise fort, so erhält man fur TV = 20:
pf¡rf¡,
Markov Ketten. Sequentielle Entscheidungsprobleme Optimale Geschäftspolitik während η Wochen
Gesamte mittlere Gewinne
η = 4
R\(N — 4 ; N) = Rz(N — 4 ; Λ0 =
n = 5
Ri(N—
5 ;N)=
Optimale Entscheidung 945,98 673,28
P2 ßi
1 156,90
P2
884,17
0!
R2(N — 5 ; N) =
η — Ν = 20
41
Λι(0 ; 20) = 4 320,33 Ri(0 ; 20) = 4 047,60
¿>2 βχ
Die optimale Geschäftspolitik für 20 Wochen (vom Zeitpunkt 0 bis zum Zeitpunkt 20, wenn Manuel seine Produktion und seinen Handel nach 20 Wochen einstellt, wie auch immer die Situation zum Zeitpunkt 18 sein mag) wird schließlich sein: Für alle Zeitpunkte 0, 1, 2, 3 , . . . 18: a) Wenn die vorhergehende Woche ein Erfolg gewesen ist: P2 wählen; b) Wenn die vorhergehende Woche ein Mißerfolg gewesen ist: Q x wählen. Für den Zeitpunkt 19: a) Wenn die vorhergehende Woche ein Erfolg gewesen ist: Ρ ι wählen; b) Wenn die vorhergehende Woche ein Mißerfolg gewesen ist: 5/7. Übergangsmatrizen, deren η-te Potenz einem Grenzwert zustrebt und deren Zeilen fur η ->oo gleiche Elemente aufweisen, heißen vollständig ergodisch. In diesem Fall führt die Markov'sche Kette zu einem stabilen Zustand, der von den Anfangsbedingungen unabhängig ist. Das ist nicht immer so: es gibt mehrere Kategorien stochastischer Matrizen. Wenn sie reduzierbar sind, d.h. folgende Form haben
Markov Ketten. Sequentielle Entscheidungsprobleme
47
wobei A und D quadratische Teilmatrizen sind, wird man ausgehend von einem Zustand, der in A enthalten ist, nie in einen gelangen, der in D enthalten ist und umgekehrt. Betrachten wir z.B. die Matrix [Λί>] und den ihr zugeordneten Graphen (Abb. 3.7): 0,8
nc
•COO çs?*> 0,4 η
[JC] =
Λ
^
Ol
0,7
Abb. 3.7
ρ 0,2
0,8
0
O-i
I 0,4
0,6
0
0
0
0,1
0,9 I
0 0,7 1 2
0,3J 3
I O L o 0
I
Man sieht, daß der Graph aus zwei disjunkten Teilgraphen besteht und man erhält:
•
lim [JC]» '
=
1,5625 l,5625_ Wenn die Matrizen periodisch sind, d.h. die Form
Π
haben, wobei die Nullmatrizen quadratisch sind, wird das System zwischen den Zuständen Β und C oszillieren. Beispiel: ro
i
[X] = I i
0
I: 0
n o
.--y-.,
oli 3
1 2
2-
Abb. 3.8 Das System geht aus dem Zustand 0 in den Zustand 1 oder 2 über, um zum Zustand 0 zurückzukehren und so weiter. Es ist zum Beispiel leicht einzusehen, daß:
[ 1
0
0Ί
Man erhält also: 00
ii
iU
Γ0
i
η
und [ Χ ] 3 = 1L i
o0
0o j
[X] 2 =
2
[Χ] " =
[X]
2
und [ Χ ]
2η+1
=
[Χ],
Das bedeutet, daß man sich, wenn man vom Zustand 0 ausgegangen ist, nach einer geraden Anzahl von Stufen erneut dort befindet, während die Wahrscheinlichkeit dafür, sich nach einer ungeraden Anzahl von Stufen im Zustand 1 oder 2 zu befinden, gleich 1/2 ist. Andererseits ist die Wahrscheinlichkeit dafür, sich nach einer geraden Anzahl von Stufen im Zustand 1 oder 2 zu befinden, gleich 1/2, wenn man von einem dieser beiden Zustände startete, unabhängig
48
Der M a r i o n e t t e n f a b r i k a n t
davon, ob der Zustand 1 oder 2 Ausgangspunkt war. Nach einer ungeraden Anzahl Stufen befindet man sich immer in 0, wenn man von 1 oder 2 ausgegangen ist. Schließlich können stochastische Matrizen auch zu einer der folgenden speziellen Formen gehören
lc 2 -
[o
a
wobei A und D wieder quadratisch sind. Beispielsweise sei folgende Matrix gegeben:
[JlC] =
Abb. 3.9 Man sieht leicht, daß man zu den Zuständen 0 oder 1 nicht mehr zurückkehren kann, wenn man von diesen ausgehend in die Zustände 2 oder 3 gelangt ist. In einem solchen Fall nennt man die Zustände 0 und 1 Übergangszustände des Systems.
49
4 Geduld bei zeitlichen Verzögerungen (Ausgabe von Werkzeug in einem Unternehmen. Theorie der Warteschlangen)
Die Fabrik Lavenbloc stellt Geschirrspülmaschinen her; sie liegt am Stadtrand von Paris. Im Augenblick läßt ihre Produktion die männlichen Franzosen weitgehend gleichgültig, aber das wird nicht von Dauer sein, denn das verderbliche Beispiel ihrer amerikanischen (U.S.) Geschlechtsgenossen, die auf dem Gebiet des Geschirrspülens über eine solide Erfahrung verfugen, wird vermutlich den Börsenkurs der Aktien dieser Firma in schwindelerregende Höhen steigen lassen. Momentan beschäftigt Lavenbloc ca. 1.000 Arbeiter und stellt sechs verschiedene Typen von Geschirrspülmaschinen her; es ist eine Tatsache, daß es für einen Franzosen kaum akzeptabel ist, die gleiche Maschine wie sein Nachbar zu besitzen oder Teller mit normalen Ausmaßen zu verwenden. Daher stellt Lavenbloc bisher nur mittlere Serien her und muß über eine sehr differenzierte Werkzeugausstattung verfügen. Man kann den Arbeitern die Werkzeuge, die sie benötigen, nicht ständig zur Verfugung stellen; viele von ihnen müssen für jeweils eine bestimmte Arbeit aus dem großen Werkzeugmagazin, das in der Montagehalle liegt, ausgeliehen werden. Das Ergebnis ist leider die Bildung von langen Schlangen von Arbeitern vor den Schaltern des Magazins. Natürlich ist es wichtig, die Wartezeit der Arbeiter möglichst gering zu halten, denn sie geht der Gesamtproduktionszeit verloren. Es ist einleuchtend, daß die Zahl der Magazinangestellten, die für die Ausgabe der Werkzeuge zuständig sind, die Wartezeit beeinflußt. Wenn es zu viele von ihnen gibt, wird man keine Schlangen von Arbeitern mehr feststellen können, allerdings ist es ziemlich sinnlos, Magazinarbeiter zu bezahlen, deren Hauptsorge es auf Grund ihrer zwangsläufigen Beschäftigungslosigkeit ist, gemeinsame Diskussionen über ihre Chancen beim Toto anzustellen. Wenn dagegen zu wenig Magazinarbeiter vorhanden sind, werden die Warteschlangen häufig, lang und kostspielig sein. Man steht deshalb vor dem folgenden ökonomischen Problem: Wieviele Magazinangestellte muß man in der Werkzeugausgabe beschäftigen, damit sich die von den Arbeitern einerseits und den Angestellten andererseits verlorene Zeit auf ein Kostenminimum beschränkt? Der Stundenlohn eines Arbeiters beträgt 6 NF, der eines Angestellten 3 NF 1 . Wir wollen untersuchen, wie man die Gesamtkosten der Wartezeit berechnen kann, wenn an den Schaltern der Werkzeugausgabe 1, 2, 3 , . . . , oder η Angestellte beschäftigt werden. 1
Diese Zahlen sind völlig willkürlich gewählt!
50
Geduld bei zeitlichen Verzögerungen
In der Abb. 4 . 1 ist das Schema eines Warteschlangensystems dargestellt. Die kleinen Drehkreuze stellen Magazinschalter dar, an denen jeweils nur ein Arbeiter gleichzeitig bedient werden kann.
Magazinangestellte
Abb. 4.1 Der erste Schritt unserer Untersuchung besteht nun darin, die Gesetzmäßigkeit der Ankunft der Arbeiter an den Magazinschaltern zu analysieren: Wir müssen diese Ankünfte statistisch erfassen. Wir werden von dieser Erfassung jeweils diejenige halbe Stunde ausschließen, die auf den Arbeitsbeginn folgt, die den Essenspausen vorangeht oder folgt und die vor dem Ende der Arbeitszeit liegt. V o n diesen besonderen Zeitabschnitten abgesehen, nehmen wir an, daß sich die statistischen Gesetzmäßigkeiten, denen die Ankünfte unterliegen, nicht ändern. (Die Mathematiker würden von einem stationären Vorgang sprechen.) Um unsere statistischen Kenngrößen zu erhalten, sind wir folgendermaßen vorgegangen: Hundertmal hintereinander haben wir für ein Intervall von jeweils zehn Minuten die Anzahl der Arbeiter notiert, die bei der Werkzeugausgabe ankamen, um Werkzeug auszuleihen. Für die beobachteten Stichprobenwerte haben wir dann die entsprechenden Häufigkeiten berechnet und unsere Ergebnisse in der Tabelle 4.1 in den Zeilen 1 und 2 festgehalten. Mit den Werten aus Zeile 1 und 2 dieser Tabelle bestimmten wir dann den Mittelwert der Anzahl an Ankünften während eines zehnminütigen Zeitintervalls zu: L
=
(5) ( 0 , 0 1 ) +
(6) (0) +
(7) ( 0 , 0 1 ) +
... +
(14) ( 0 , 1 0 )
+
... +
(25) ( 0 , 0 1 ) =
15,61 «
16
Daraus kann man schließen, daß durchschnittlich 16 Arbeiter während 1 0 Minuten ankommen, oder (wenn der Leser dieses eher eines Kannibalen würdige Zerschneiden freundlicherweise entschuldigen will) 1,6 Arbeiter pro Minute. Wir werden uns nun damit beschäftigen, unseren statistischen Mittelwert in ein in der Wahrscheinlichkeits-
Ausgabe von Werkzeug in einem Unternehmen. Theorie der Warteschlangen
51
Tabelle 4.1
Anzahl an Ankiinften während 10 Minuten
5
6
7
8
9
10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25
Beobachtete Häufigkeiten
1
0
1
2
1
3
Theoretische Wahrscheinlichkeiten (Poisson'sches Gesetz)
5
6
9
10 11 12 8
9
7
5
4
3
1
1
1
0,1 0,2 0,6 1,2 2,1 3,4 4,9 6,6 8,1 9,3 9,9 9,9 9,3 8,3 6,9 5,5 4,2 3,1 2,1 1,4 0,9
theorie sehr gängiges und bequemes theoretisches Gesetz einzuführen. Nehmen wir zu diesem Zweck an, daß die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind : 1. Die Ankunft eines Arbeiters ist unabhängig von der eines anderen (Unabhängigkeit der Ankünfte); 2. es kommen nie zwei oder mehr Arbeiter gleichzeitig an; 3. die durchschnittliche Ankunftsrate ist zeitinvariant. Mit diesen Voraussetzungen kann man nun zeigen, daß die zufälligen Ankünfte mit der folgenden Gesetzmäßigkeit, dem Poisson'schen Gesetz, beschrieben werden können: β-λ«(λθ» P
'
=
η !
(1)
worin e die Basis der natürlichen Logarithmen bezeichnet und n! gleich 1 · 2 · 3 . . . ( η - 1) · η ist, d.h. das Produkt aller ganzen positiven Zahlen von 1 bis η einschließlich darstellt. Die Formel gibt nun die Wahrscheinlichkeit dafür an, daß in einem Zeitabschnitt der Länge t genau η Ankünfte zu verzeichnen sind. Die Größe λ stellt die mittlere Ankunftsrate bezüglich der gewählten Zeiteinheit dar; in unserem Beispiel ist X = 1,6 Ankünfte pro Minute. In der dritten Zeile der Tabelle 4.1 haben wir die einer anderen Tabelle entnommenen Werte angeschrieben, die λί = 16 entsprechen. Aber warum führen wir das Poisson'sche Gesetz überhaupt ein? Das geschieht einfach deshalb, weil man damit für den Fall, daß Warteschlangensysteme diesem Gesetz unterliegen, bequeme Formeln zur Verfügung hat. Wenn zufällig aufeinanderfolgende Ereignisse auftreten, und wenn die drei oben genannten Voraussetzungen zumindest näherungsweise erfüllt sind, dann unterliegt dieser Prozeß häufig dem Poisson'schen Gesetz. Wie kann man nun zeigen, daß die Beobachtungen (Zeile 2) genügend genau mit dem theoretischen Gesetz (Zeile 3) übereinstimmen? Indem wir die relativen quadratischen Abweichungen zwischen den beobachteten Häufigkeiten und den theoretischen Wahrscheinlichkeiten 2 berechnen und diese dann addieren zu: 2
Im Zuge der Vereinfachung vermeiden wir es hier, statistische Techniken (Klassenbildung, etc.) anzuwenden; wir beschränken uns darauf, eine grobe Näherung für χ 2 zu berechnen.
52
Geduld bei zeitlichen Verzögerungen a
•y¿
λ
—
(1 -
0,1 (1
+
0,1)2
-4-
(o
0,2)2 0,2
- 2,1)2 2,1
_
(1 "'
-4-
(1 _
0,6
1,4)2 1,4
0,6)2 (1 -
+
-4-
(2 _
0,9)2
1,2)2 1,2 =
0,9
Unser Rechenergebnis bezeichnen wir mit χ2 (Chi-Quadrat). Es gibt Tabellen für die Größe χ 2 , mit deren Hilfe man die Wahrscheinlichkeit dafür abschätzen kann, daß ein bestimmtes theoretisches Gesetz ein gemessenes Phänomen genügend genau beschreibt. In unserem Fall finden wir die Wahrscheinlichkeit 0,88 dafür, daß unsere Hypothese zutrifft. Wir betrachten diesen Wert als ausreichend, um zu sagen, daß unsere Beobachtungen durch einen Poissonprozeß mit dem Mittelwert \t = 16, d.h. einer mittleren Ankunftsrate von λ = 1,6, beschrieben werden können. Wir wollen noch einmal festhalten, daß wir nun mit dem Poisson'schen Gesetz (1) für jedes vorgegebene λ die Wahrscheinlichkeit für η Ankünfte während eines beliebigen Zeitintervalls t berechnen können. Die Wahrscheinlichkeit, daß η Ankünfte in einem Intervall von 10 Minuten auftreten, ist also gegeben durch: Pn =
e _16 (16) re ; ' n\
wobei η die Werte 0, 1, 2, 3, 4 , . . . annimmt. Wir müssen uns jetzt mit der Art und Weise beschäftigen, in der die Bedienung ausgeführt wird, d.h. wie die Werkzeuge ausgeliefert werden. Wenn ein Arbeiter ankommt, sucht einer der freien Magazinangestellten — wenn einer frei ist! — die gewünschten Werkzeuge und händigt sie ihm gegen eine Marke aus. Die Dauer dieses Bedienungsvorgangs ist zufallsbedingt, z.B. 15 Sekunden, oder 30, oder 90 . . . Wenn alle Magazinangestellten beschäftigt sind, warten die Arbeiter und bilden eine Schlange. Wir nehmen an, daß die Arbeiter keine Vorliebe für bestimmte Magazinangestellte haben; sind mehrere Magazinangestellte frei, dann ist also die Wahrscheinlichkeit, daß der Angekommene von diesem oder jenem bedient wird, für jeden Angestellten gleich groß. Um eine Gesetzmäßigkeit für die Zeitdauer der Bedienungsvorgänge zu erhalten, sind wir auf eine andere Art und Weise als eben vorgegangen: Wir haben eine elektronische Registriervorrichtung benutzt. Sobald ein Bedienungsvorgang anfangt, drückt der Magazinangestellte auf den roten Knopf „Beginn des Bedienungsvorgangs"; am Ende des Bedienungsvorgangs drückt er dann auf den grünen Knopf „Ende des Bedienungsvorgangs". Es wird jeder Bedienungsvorgang registriert. Auf diese Weise nimmt man lOOOmal (oder öfter, falls nötig) die Zeitdauer eines Bedienungsvorgangs auf. Dann haben wir die Häufigkeiten für Zeitdauern von 0—15, 15 — 30, 30 — 45 etc. Zeiteinheiten berechnet, und diese in Zeile 2 der Tabelle 4.2 eingetragen, wobei wir die Klassen 0, 15, 30, 45 etc. (Tabelle 4.2, Zeile 1) bildeten.
Ausgabe von Werkzeug in einem Unternehmen. Theorie der Warte schlangen
53
Tabelle 4.2
Zeitintervalle (S) Beobachtete kumulierte Häufigkeit % 0
0
15 30 45
60
75 90 105 120 135 150 165 180 195 210 225 240 255 270 285 300
1 000 813 652 512 408 330 261 210 163 125 9 5
79 62
51 44
35
26 21
17
13
10
Theoretische Wahrscheinlichkeit (Ex- 1 000 798 637 508 406 324 259 207 165 131 105 ponentialverteilung)
84 67
53 42
34
27 21
17
14
11
Mit Hilfe der Tabelle der nicht kumulierten Häufigkeiten war es dann einfach, den Mittelwert der Bedienungszeit auszurechnen, der sich zu 1,1 Minuten ergab. Schließlich haben wir in Zeile 3 der Tabelle 4.2 die Zahlenwerte notiert, die einem Gesetz über Intervalle, dem sogenannten Exponentialgesetz, entsprechen: Pr { Θ > θ } = 1 000 e-*«, wobei Pr{ Θ > Θ } „die Wahrscheinlichkeit, daß ein Intervall Θ größer oder gleich einem gegebenen Wert θ ist", bedeutet; e ist wieder die Basis der natürlichen Logarithmen, und μ bezeichnet die mittlere Abfertigungsrate, d.h. die mittlere Anzahl Abfertigungen pro Zeiteinheit. Hier hat μ den Wert μ = 1/1,1 ~ 0,9, und θ wird in Minuten gemessen. Warum sollte man überhaupt die beobachteten Gesetzmäßigkeiten mit dem theoretischen Exponentialgesetz vergleichen3 ? Aus folgendem Grund: Wenn für Beobachtungen das Poisson'sche Gesetz gilt, falls man die zwischen den Beobachtungen liegenden Zeitintervalle aufeinanderfolgend ordnet, dann unterliegen diese Beobachtungen, wie gezeigt wurde, einer Exponentialverteilung. Es ist nun an der Zeit, eine sehr wesentliche Größe einzuführen: die Stärke des Verkehrs, bzw. die Verkehrsdichte pro Magazinangestellter. Wenn μ die mittlere Abfertigungsrate eines Magazinangestellten bezeichnet, dann ist ßS die mittlere Abfertigungsrate für S Magazinangestellte, wenn man deren Fähigkeiten als gleichwertig voraussetzt. Da es sich um Durchschnittswerte handelt, ist es wichtig, daß die Anzahl der Ankünfte nicht die Gesamtzahl der Bedienungsvorgänge überschreitet, d.h. es muß Λ < μΞ oder
λ — < 1 μΞ
sein. 3
Ein x 2 -Test, den wir auf die beobachteten Häufigkeiten anwandten, ergab χ 2 = 8,85 (19 Freiheitsgrade); damit können die beobachteten Werte als exponentiell verteilt angenommen werden.
54
Geduld bei zeitlichen Verzögerungen
Die Größe λ/μΞ, die wir mit φ bezeichnen wollen, gibt die Verkehrsdichte an. Der Leser wird intuitiv einsehen, daß die durchschnittliche Schlangenlänge und die durchschnittliche Wartezeit eines beliebigen Kunden in der Schlange Funktionen von φ sind, was auch bewiesen werden kann. Für das zu behandelnde Problem erhalten wir: Ψ
0,9 S
S
Um die ökonomischen Gesichtspunkte unseres Problems zu betrachten, müssen wir über eine Anzahl von Formeln verfugen, die wir hier zwar nicht beweisen können, aber trotzdem benutzen wollen. Wir wollen es jedoch nicht unterlassen, daraufhinzuweisen, daß sie sehr klassisch sind und vor etwa 40 Jahren von dem dänischen Ingenieur Erlang gefunden wurden, als er die berühmte analytische Untersuchung über Wartezeiten bei einer Fernsprechvermittlung durchführte. Wenn wir zunächst die Wahrscheinlichkeit p0 für eine Wartezeit von Null Zeiteinheiten bestimmen mit: _
1
Po
s
s
S >ß
S!(i — Φ)
Ξφ +
1 +
U
Sty* +
~ιΓ
55-1^-1 +
"'
+
'
(s — i)!
dann erhalten wir für die durchschnittliche Wartezeit in der Schlange den Ausdruck * =
1 ~μ
Ssips '
p o
-
Diese Formeln scheinen sehr kompliziert zu sein, und die Spezialisten des Operations Research kennen eine ganze Menge ähnlich komplizierter! Wir brauchen diese Spezialisten jedoch nicht zu bedauern, da sie gewöhnlich Nomogramme zur Anwendung solcher Formeln benutzen. Ein solches Nomogramm ist in Abb. 4.2 wiedergegeben; wir können darin tf als Funktion von φ, μ und S ablesen. Um es dem Leser leicht zu machen, werden wir also auf eine Berechnung von p0 verzichten und statt dessen das Nomogramm benutzen. Für verschiedene Werte von S, nämlich für S = 2, 3 , 4 , . . . , berechnen wir nun zunächst den Ausdruck φ = 1,77/5. Dann können wir zu jedem Abszissenwert S den gesuchten Ordinatenwert bestimmen, indem wir den Schnittpunkt einer Parallele zur Ordinate durch diesen Abszissenwert mit einer dem Abszissenwert entsprechenden Kurve φ suchen; notfalls interpolieren wir. Beispielsweise ergibt sich für S = 2 der Wert 0,88 für φ ( φ = 1,77/2 « 0,88). Wir interpolieren nun zwischen den Kurven φ = 0,85 und φ = 0,90 und erhalten 3,6 als gesuchten Ordinatenwert. Die Ordinate stellt μ if dar. Da μ = 0,9 ist, erhalten wir somit l f = 4 (Minuten) für S = 2. Im folgenden sind, zur Kontrolle für den Leser, noch einige Ergebnisse für verschiedene Werte von S angegeben:
Ausgabe von Werkzeug in einem Unternehmen. Theorie der Warteschlangen 5 = 2;
ψ = 0,88 ; μΐ/ = 3,6 , daraus folgt
5 = 3 ; φ = 0,59 ; μί> = °>28 , daraus folgt 5 = 4;
φ = 0,44 ; μϊί = 0,054, daraus folgt
3,6 tf = —
55
= 4;
0,28 0,9
= 0,31 ;
tf = ^ ^ 0,9
= 0,06.
ί> =
Den Wert von Tf für 5 = 1 haben wir nicht ausgerechnet. Denn in diesem Fall ist φ > 1 und die durchschnittliche Dauer der Wartezeit würde unendlich werden, was bedeutet, daß die Warteschlange, falls sie einmal entstanden ist, ständig anwächst.Mit unseren Kenntnissen über die durchschnittliche Wartezeit eines beliebigen sich in der Schlange befindlichen Arbeiters sind wir nun imstande, den ökonomischen Gesichtspunkt unseres Problems zu betrachten. Während eines 8-Stunden-Tages erscheinen, bei einer Ankunftsrate von 1,6 pro Minute, Λ χ 60 X 8 = 1,6 X 60 χ 8 = 768, 768 Arbeiter vor den Schaltern des Magazins. Bei einer Abfertigungsrate von 1 /μ benötigt man dann eine Gesamtbedienungszeit von 1 768 768 X - = — - 853 mn μ 0,9 = 14 h 13 mn =· 14,21 h. pro Tag. Anschließend können wir die Stundenanzahl, in der die Magazinangestellten während eines Tages unbeschäftigt sind, berechnen: Bei zwei Angestellten (5=2):
2 X 8 - 14,21 = 16 - 14,21 = 1,79 h
Bei drei Angestellten (5=3):
3 X 8 - 14,21 = 24 - 14,21 = 9,79 h
Bei vier Angestellten (5 = 4):
4 X 8 - 14,21 = 32 - 14,21 = 17,79 h
pro Tag ohne Beschäftigung. Jetzt wollen wir noch die Anzahl Stunden bestimmen, welche die Arbeiter durch Wartezeiten verlieren. Wir erhalten für 5 = 2 : 5 = 3 : 5 = 4 :
768 X 4 = 3 072 min = 51,2 h ; 768 X 0,31 = 238 min = 3,96 h ; 768 X 0,06 = 46 min 0,76 h.
Bei einem Stundenlohn von 3 F bzw. 6 F für Magazinangestellte bzw. Arbeiter berechnen sich die täglichen Gesamtkosten für die verlorene Zeit in den drei Fällen zu:
60 50 40 30 ZO
10 6 O 4
3 2
0. Der Quotient aus der mittleren Anzahl sich im System befindlicher Einheiten ñ und
Ausgabe von Werkzeug in einem U n t e r n e h m e n . Theorie der Warteschlangen
61
der mittleren Bedienungsrate μ gibt uns offensichtlich die mittlere Verweilzeit η/μ an. Der Quotient aus der mittleren Anzahl Einheiten in der Warteschlange (mittlere Schlangenlänge) ν und der mittleren Ankunftsrate λ gibt uns die mittlere Wartezeit ν/λ an. Da wir einen stationären Zustand annahmen, sind beide Größen gleich groß: ñ
ν
μ
Λ
Wir sind nun in der Lage, die mittlere Schlangenlänge ν zu berechnen: .
ν
λ _ . _ Φ2 = - · η = ψ·η = -· μ 1 — Φ
und damit auch die mittlere Wartezeit t f . . _
i _
1
λ
Al — φ
φ*
_ 1
φ
μ 1 — φ
Beispiel: Wir wollen einen ambulanten Bankschalter, wie es sie an Markttagen in ganz kleinen Städten gibt, betrachten: Ein einziger Angestellter führt dort alle von den Kunden erwünschten Aufträge aus; der Schalter ist von 7 Uhr bis 13 Uhr durchgehend geöffnet. Man hat festgestellt, daß durchschnittlich 54 Kunden pro Tag an den Schalter kommen und im Mittel 5 Minuten zur Bedienung eines Kunden benötigt werden. Wir können deshalb sofort berechnen: λ = 54/6 = 9 Personen pro Stunde und μ = 60/5 = 1 2 Bedienungen pro Stunde. Damit bekommen wir: Φ Φ 1 — Φ φζ
3
μ ~ 3/4
4; 3
ι - 3/4 9/16
1 — Φ ''
λ =
ι ν =
λ
9 16
3/4 9/4 =
Τ
1 =
4
Diese Berechnungen zeigen uns, daß die mittlere Anzahl Kunden im System (den Inbegriffen, der gerade bedient wird) 3 beträgt, daß die mittlere Schlangenlänge sich auf 9/4 = 2,25 4 beläuft (den nicht eingeschlossen, der gerade bedient wird), und daß schließlich die mittlere Wartezeit eine Viertelstunde lang ist. Eine vollständigere Untersuchung des Problems würde es uns erlauben, die Wahrscheinlichkeiten dafür zu bestimmen, daß mehr als Ν Personen im System sind, daß die mittlere Wartezeit länger als Τ wäre etc., wobei Ν und Τ Zahlen sind, die wir zu Beginn unserer Betrachtungen festlegen. Betrachten wir jetzt ein System, in dem die mittlere Ankunftsrate und die mittlere Bedienungszeit immer gleich λ bzw. μ sind, wo aber die Anzahl der Bedienungsstationen gleich S ist. Wenn die Anzahl η von Einheiten im System kleiner als S ist, dann werden alle Einheiten gleichzeitig bedient, ohne daß alle Bedienungsstationen beschäftigt wären, und wir hätten ein System, mit einer mittleren Gesamtbedienungsrate von ημ. Ist andererseits die Anzahl η größer oder gleich S, dann sind alle Stationen beschäftigt und wir sehen, daß die Gesamtbedienungsrate gleich Ξμ ist. 4 Wir erhalten ν = η - 1 für η > 0, aber ¡ T = ñ - l + p 0 = w - ψ = 3 - 3 / 4 = 9/4.
62
Geduld bei zeitlichen Verzögerungen
Unter diesen Bedingungen müssen dann die Rekursionsformeln, die wir oben für den Fall des Dauerzustandes angaben, in folgender Weise modifiziert werden: η — 0
λ/>ο + μρι = 0
1 ζ η < S η 2
(λ + ημ) Ρη +
S
1 + (η + 1) μρη+ι = 0
(λ + S/i) Ρη + λρη-ΐ
+
1 = 0.
Durch eine ähnliche Vorgehensweise wie oben erhalten wir dann: ψ« Pn — Po — ni
wenn
1 ζ η < S
und φη Ρη = Po
s l
sn
S
wenn
η Ζ S,
sowie 1
Po = ¿s S'-O -
φη ΦΙ S)
ψβ+Ι - · po ; ñ = ν + φ; SS!(1 — φΙΞ)'1· '
+
¿
0
~ñ\
f 0-5 if = - = —— · ρ0. λ SS! μ(1 — φ/S)2
Die mittlere Anzahl beschäftigungsloser Bedienungsstationen ergibt sich z u : ^ = S ψ. Für S-2
und ψ = 1,777 . . ., die Daten des Lavenbloc Problems, findet man sofort:
*
=
(l,777) a l· 21(1 — — —1,777/2)
1/777 = 1 + —1!—
(1,777)2 if = „ ñ ' — X 2 - 2 ! 0,9(1 — 1.777/2)2
^
0.0582 = 4,00 mn
Ρ = 2 — 1,777 = 0,222. Daraus folgt dann: 3 6 C2 = 0,222 χ 480 X — + 768 χ 4 χ — = 312,5 F, weil während eines Tages die Schalter (Bedienungsstationen) 480 Minuten lang geöffnet sind und 768 Arbeiter (Kunden) ankommen. Dieses Ergebnis stimmt sehr gut mit dem vorherigen von 312,57 F überein!
5 Verschiffung von Kaffee (Eine französisch-mexikanische Geschichte. Transportnetzwerke und der Algorithmus von Ford-Fulkerson)
Die Gesellschaft Corora Hermanos y Cía bevorratet in den Häfen Veracruz, Tampico, Tuxpan und Campeche Kaffee, fur den sie nun Bestellungen von Importeuren aus Dünkirchen, Bordeaux, Saint-Nazaire und Le Havre erhalten hat. 1 Es ist ja allgemein bekannt, daß der mexikanische Kaffee ein unvergleichlich intensives Aroma besitzt und daß Mexiko die Hälfte seiner Produktion an Kaffee exportiert. In den mexikanischen Häfen stehen folgende Vorräte zur Verfugung: Veracruz: 120 t; Tampico: 100 t; Tuxpan: 1001; Campe'che: 100 t. Entsprechend den eingegangenen Bestellungen sind die folgenden Mengen nach folgenden französischen Häfen zu verschiffen: Dünkirchen: 1001; Bordeaux: 801; Saint Nazaire: 901; Le Havre: 1501. Von den Häfen der Atlantikküste Mexikos fahren verschiedene Schiffe zu den französischen Zielhäfen; die auf ihnen zur Verfügung stehende Tonnage ist in der Tabelle 5.1 aufgeführt. Beispielsweise ist auf dem Schiff, welches von Veracruz nach Dünkirchen fährt, eine Tonnage von 701 frei; es gibt jedoch kein Schiff, das von Veracruz nach Le Havre fährt (oder, wenn es eines gibt, dann ist auf ihm keine Tonnage frei): d.h. die freie Tonnage (= Transportkapazität) von A nach H ist null. Weiterhin kann man der Tabelle entnehmen, daß die den einzelnen französischen Häfen zur Verfügung stehende Transportkapazität größer als die dort jeweils bestehende Nachfrage und daß die freie Tonnage jedes Schiffes größer als die im entsprechenden mexikanischen Abfahrtshafen bevorratete Menge an Kaffee ist. Stellen wir uns nun folgendes Problem: Es soll möglichst viel des bestellten Kaffees angeliefert werden, wobei wir die Transportkosten jedoch nicht berücksichtigen wollen (Wir nehmen dazu einfach an, daß die Transportkosten von Veracruz oder von jedem anderen mexikanischen Hafen nach jedem französischen Hafen praktisch gleich hoch sind).
1 Wir wissen nicht, wieviel Kaffee Frankreich aus Mexiko importiert oder ob es überhaupt wahrscheinlich ist, daß in den genannten Häfen Kaffee gelagert wird, und noch weniger, ob es Trampschiffe fur Kaffee zwischen den von uns ausgewählten Häfen gibt. . . Jedoch könnte sich das gleiche Problem fur jeden anderen Importartikel Ihrer Wahl ergeben.
Verschiffung von Kaffee
64 Tabelle 5.1 ^^Bestimmungshafen
Ursprungshafen
Dünkirchen
Bordeaux
Saint-Nazaire
Le Havre
E
F
G
H
Veracruz
A
70
30
20
0
Tampico
Β
50
40
10
0
Tuxpan
C
0
20
40
80
Campêche
D
0
20
40
80
Um das Problem etwas schwieriger zu gestalten, können wir noch annehmen, daß gewisse Bestellungen vorrangig auszuführen sind, z.B. die 8 0 1 für Bordeaux und die 1501 für Le Havre. Wir werden jedoch sehen, daß diese Bedingung unsere Optimierung nicht verändert. Es ist leicht, zur Darstellung des Problems ein Diagramm — oder einen Graph — zu skizzieren: 1. Jeder Abfahrtshafen wird durch einen Pfeil oder eine gerichtete Kante mit den Bestimmungshäfen verbunden. An jede dieser Kanten ist eine Zahl angeschrieben, deren Wert ihre Kapazität, d.h. die auf dieser Route verfugbare freie Tonnage, angibt. Man wird natürlich keine Kante einzeichnen, wenn auf der entsprechenden Route kein Schiff verkehrt oder die freie Tonnage des Schiffes null ist. 2. Ein Hilfspunkt 0 wird mit jedem Abfahrtshafen durch eine gerichtete Kante verbunden, deren Kapazität den in diesem Hafen verfugbaren Vorrat angibt. 3. Jeder Bestimmungshafen wird mit einem Hilfspunkt Ζ durch eine gerichtete Kante verbunden, deren Kapazität die Liefermenge für diesen Hafen angibt. Auf diese Weise erhalten wir das Transportnetzwerk der Abb. 5.1 (die Zahlen in Kästchen geben Bestellungen mit Priorität an), und das Problem besteht nun darin, die maximale von 0 nach Ζ transportierbare Menge - oder den von 0 nach Ζ maximal möglichen Fluß — zu bestimmen. Zunächst werden wir einen vollständigen Gesamtfluß ermitteln, d.h. einen Fluß zwischen 0 und Ζ derart, daß jeder Weg von 0 nach Ζ mindestens eine gesättigte Kante (Kante, deren Transportkapazität erschöpft ist. Übers.) enthält.
Transportnetzwerke und der Algorithmus von Ford-Fulkerson A
65
E
0
Ζ
Abb. 5.1 Das hierzu nötige Verfahren ist äußerst einfach. Und zwar nimmt man irgendeinen möglichen Gesamtfluß 0 nach Ζ an, und prüft, ob ein Weg existiert, der nicht mindestens eine gesättigte Kante enthält. Tritt dieser Fall auf, dann erhöht man den Fluß längs dieses Weges um eine Einheit usw., bis alle Wege des gleichen Typs mindestens je eine gesättigte Kante aufweisen. In unserem Fall wollen wir zunächst die vorrangigen Bestellungen erfüllen. Um z.B. die Bestellung in Η zu erfüllen, sättigen wir die Kante HZ: Wir weisen dem Weg ODHZ einen Fluß von 80 zu (damit wird DH gesättigt) und dem Weg OCHZ einen Fluß von 70 zu, der nun lediglich die Kante HZ sättigt. Indem wir auf diese Weise fortfahren, erhalten wir schließlich z.B. das Schema der Abb. 5.2 (es gibt nämlich auch andere mögliche Lösungen!), worin die gesättigten Kanten durch Doppelpfeile gekennzeichnet sind.
£
A
Abb. 5.2 Man kann leicht nachprüfen, daß es keinen Weg gibt, der nicht mindestens eine gesättigte Kante enthält, und daß außerdem der gesamte in einen Knotenpunkt fließende Fluß gleich dem aus ihm herausfließenden ist. Bei der hier vorgeschlagenen Lösung, sind alle Bestellungen bis auf die in G erfüllt. Man muß also jetzt versuchen, den Gesamtfluß zu erhöhen. Dazu kennzeichnen wir den Punkt 0 mit einem + und jeden mit diesem durch eine nicht gesättigte Kante verbundenen mit +0, d.h. hier die Punkte A und B. Verallgemeinern wir
66
Verschiffung von Kaffee
diese Vorgehensweise, dann kennzeichnen wir also, wenn ein Punkt X gerade markiert wurde, mit einem +X alle Punkte, die mit X durch eine von X ausgehende, nicht gesättigte Kante verbunden sind. Jeden Ursprungspunkt einer in X endenden Kante wollen wir mit —X markieren, wenn ihr Fluß nicht null ist. Gelingt es mit diesem Kennzeichnungsprozeß auch den Punkt Ζ zu markieren, dann ist der Gesamtfluß nicht maximal. Bei unserem Beispiel werden wir zunächst A und Β mit +0 markieren (CL4 und OB sind nicht gesättigt), dann F mit +A (AF nicht gesättigt), E mit +B (BE nicht gesättigt), C und D mit —F (der Fluß in CF und DF ist größer als null), G mit +C oder mit +D (CG und DG sind nicht gesättigt), und schließlich Ζ mit +G (GZ ist nicht gesättigt). A (+0 )
30
(-F)
(+C)
50
»
»
(+0)
Abb. 5.3
Wir betrachten nun eine Folge markierter Punkte: 0, /l(+0), F(+A), G(+C), Z(+G); wie sie in Abb. 5.3 dargestellt ist.
C(-F),
Ist der Ursprung einer Kante mit einem + markiert, so bezeichnet die an sie angeschriebene Zahl den Fluß, der der bereits getroffenen Flußaufteilung in dieser Kante noch hinzugefugt werden kann; Beispiel: an OA ist 30 angeschrieben, da 120 — 90 = 30. Wenn der Ursprung einer Kante jedoch mit einem - markiert ist, so wird der Fluß in ihr die gleiche Größe wie in der vorhergehenden Aufteilung haben. Man sieht leicht (Abb. 5.4), daß der Fluß von 0 nach F um 20 erhöht werden kann, wenn man gleichzeitig CF um 20 vermindert und CZ um 20 erhöht. A
•¿Γ 20 C Abb. 5.4
-·— 20 β
Σ
Damit erhält man eine neue Flußaufteilung mit erhöhtem Gesamtfluß ohne die Gleichheitsbedingung für die in das Netzwerk hereinfließenden mit den das Netzwerk verlassenden Flüssen zu verletzen. (Abb. 5.5).
Transportnetzwerke und der Algorithmus von Ford-Fulkerson
67
Abb. 5.5
In Abb. 5.5 können wir immer noch den Punkt Ζ markieren; d.h. der Gesamtfluß ist nicht maximal. Wir können nämlich notieren: Ό, -4(+0), F(+A), D(—F), G(+D), Z(+F); womit wir jetzt sofort Abb. 5.6, in der die kleinste noch freie Kapazität gleich 10 ist, skizzieren können. Mit Abb. 5.6 erhält man dann den in Abb. 5.7 skizzierten zusätzlichen Fluß. A(+0)
Abb. 5.6
Abb. 5.7
Damit erhält man schließlich die in Abb. 5.8 wiedergegebene Aufteilung des Gesamtflusses. Man sieht, daß es jetzt nicht mehr möglich ist, den Punkt Ζ zu markieren. Wir haben also den maximalen Gesamtfluß durch unser Netzwerk und damit die maximal transportierbare Menge an Kaffee bestimmt. Die sich hieraus ergebende Aufteilung löst unser Transportproblem. Lediglich der Hafen von Saint-Nazaire kann nicht vollständig beliefert werden, und dieser Mangel ist in Tampico begründet. Alle Schiffe, die von Veracruz abfahren, werden die auf ihnen verfügbare freie Tonnage voll ausnutzen: 701 für Dünkirchen, 301 für Bordeaux und 201 für Saint-Nazaire. Das gleiche gilt für die Schiffe, die von Tampico nach Bordeaux und Saint-Nazaire auslaufen: sie laden 40 bzw. 10 t. Lediglich das Schiff nach Dünkirchen wird anstelle von möglichen 501 nur 301 laden.
68
Verschiffung von Kaffee Tabelle 5.2
E
F
G
H
A
(70)
(30)
(20)
0
120
Β
30
(40)
(10)
0
80
C
0
0
30
70
100
D
0
10
10
(80)
100
100
80
70
150
Abb. 5.8
Von den Schiffen, die in Tuxpan ablegen, wird keines seine verfugbare freie Tonnage voll ausnutzen: die Schiffe nach Saint-Nazaire bzw. Le Havre werden 30 t bzw. 701 laden und das Schiff nach Bordeaux wird noch nicht mal einen einzigen Sack Kaffee mitnehmen. Die Schiffe schließlich, welche von Campéche nach Bordeaux, Saint-Nazaire und Le Havre fahren, werden jeweils 10, 10 und 80 Tonnen Kaffee laden; nur auf dem letzten Schiff wird die verfügbare freie Tonnage also voll ausgeschöpft sein. Durch Zeilen- und spaltenweise Addition der Elemente aus Tabelle 5.2 erhalten wir: Dünkirchen: 1001; Bordeaux: 801; Saint-Nazaire: 70 t; Le Havre: 1501;
69
Transportnetzwerke und der A l g o r i t h m u s von F o r d - F u l k e r s o n
Veracruz: 120 t; Tampico: 8 0 t ; T u x p a n : 1001; Campéche: 100 t. Schließlich bleibt noch festzustellen, daß die nach Saint-Nazaire zu wenig gelieferten 20 Tonnen auf den Quais von Tampico verblieben sind. Eine Überprüfung der Tabelle 5.2 zeigt jedoch, daß es kein Mittel gibt, um diese Situation zu ändern. Tabelle 5.3
E
F
G
H
I
70
30
20
0
Ì
30
40
10
0
F H
gesattigt
Γ
0
4
IIIIII! + 20 + 100-
0
+ 100-
ι 100 ittigt
120 verbleibt am Kai
—
Γ 10
— 60
— 150
gesättigt durch f Prioritäten
Dispon.
gesättigt, wenn möglich
F H
C 10 8 0 ( + 10)
C 0 80 ( + 20)
D 0 7 0 ( + 30)
D 10 70 ( + 20)
Si
St.
F H
F H
C 10 7 0 ( + 2 0 )
C 0
D 0 80 ( + 2 0 )
D 10 80 ( + 10)
Ss
70 ( + 30)
Si
In Tabelle 5.3 kann die Zeile A sofort ausgefüllt werden, die wiederum die Berechnung aller Elemente der Zeile Β ermöglicht. Bei Betrachtung der Spalte E stellt man jetzt sofort fest, daß 2 0 1 in Tampico zurückbleiben müssen. Beschäftigen wir uns nun mit den Spalten F und H, deren jeweilige Spaltensumme zur Erfüllung unserer Prioritätsforderungen möglichst mit der Nachfrage in F und H übereinstimmen muß. Es ergeben sich vier mögliche, verschiedene Lösungen: Slf S2, S3 und 5 4 . Alle diese Lösungen sind gleichwertig. Die Behandlung des Problems mit dem Algorithmus von Ford-Fulkerson hat uns zur Lösung S 4 geführt. Durch die Wahl anderer Routen hätten wir jedoch andere gleichwertige Lösungen erhalten.
Der Algorithmus und das Theorem von Ford-Fulkerson Wir wollen jetzt versuchen zu zeigen, daß wir tatsächlich das Optimum mit Hilfe des im ersten Teil eingeführten Algorithmus gefunden haben. Zu diesem Zweck kehren wir wieder zur Abb. 5.8 zurück und betrachten die Menge aller nicht markierten Punkte, nämlich: C, D, F, G, H und Z. Alle Kanten, deren Ausgangspunkte markiert sind, und die in Punkten dieser Menge e enden, sind gesättigt; denn sonst hätte man wenigstens einen der Punkte aus e markieren können.
70
Verschiffung v o n K a f f e e
Man bezeichnet nun mit Schnittmenge von € die Menge aller Kanten, die in Elementen von e enden, vorausgesetzt, daß e eine Menge von Punkten beschreibt, die zwar Z, jedoch nicht 0 enthält. Die Kapazität einer Schnittmenge ist gleich der Summe aus den Kapazitäten jeder ihrer Kanten. Da Ζ in e enthalten ist, geht jeder Fluii notwendig durch eine der in € hineingehenden Kanten, und deshalb ist der Fluß φ kleiner oder höchstens gleich der Kapazität einer Schnittmenge, wie groß diese auch immer sein mag. Findet man demzufolge einen Fluß, dessen Größe mit der Kapazität einer Schnittmenge übereinstimmt, so kann man sicher sein, daß dieser Fluß maximal und die Kapazität dieser Schnittmenge minimal ist. Kehren wir zu unserem Beispiel zurück, so finden wir für den Fluß: φ =
100 + 80 + 70 + 150 = 400;
und fur die Kapazität der Schnittmenge e : Kapazität ( e ) = 100 + 30 + 20 + 40 + 10 + 100 + 100 = 400. Ford und Fulkerson haben gezeigt, daß fur jedes Transportnetz gilt: ^ m a x = Schnittmenge minimaler Kapazität (Theorem von Ford-Fulkerson). Anmerkung: Die von uns eingeführten Prioritäten hatten keinen Einfluß auf den Optimierungsprozeß. Es genügte, daß wir von einer Gesamtverteilung ausgingen, die unsere Prioritäten erfüllte. Dies war möglich, da die Kapazitäten der in F und H endenden Kanten größer als 80 bzw. 150 waren. Diese Flüsse können durch das Optimierungsverfahren jedoch nur erhöht und niemals verringert werden. Denn es kann keiner der Bestimmungspunkte markiert werden, da dies bedeuten würde, daß Ζ markiert ist, und man dann den Fluß in einer der in Ζ endenden Kanten erhöhen könnte ohne gleichzeitig den Fluß der anderen in Ζ endenden Kanten zu verringern.
6 Mexico — Acapulco (Wo sollen die Besatzungen wohnen? Ein Zuordnungsproblem)
Sie verlassen Mexico auf einer Autobahn, die sich durch ein Vulkangebirge windet und die unermeßliche Hochebene durchschneidet, auf der sich die Hauptstadt eines wunderschönen Tales erhebt. In diesem Tal verbirgt sich Cuernavaca, Perle und Hauptort von Morelos. Wenn Sie Zeit haben, sollten Sie die Autobahn verlassen und einen Abstecher nach Taxco machen. Taxco ist die Stadt des Silbers, nicht des schnöden Silbers der Krämer, sondern des kunstvoll ziselierten. Hinter Taxco geraten Sie plötzlich in die tropische Hitze des Guerrero und sind nach einigen weiteren Fahrstunden in Acapulco angelangt, am schönsten Strand der Pazifikküste. Die Sonne scheint strahlend über der Bucht mit den 20 von Kokospalmen, Hotels und Traumvillen eingerahmten Stränden, und wenn sie nach einem heißen Tag am Horizont untergeht, haben Sie vom Pic de la Cuesta das unvergleichliche Schauspiel eines Sonnenuntergangs über dem Pazifik: ein in allen Farben leuchtender Himmel, von blau bis rot, violett bis gelb, und vielleicht werden Sie in diesem Märchenbild sogar den grünen Strahl sehen, der genau in dem Augenblick sichtbar wird, wenn die Sonne gerade verschwunden ist. Sie werden dann mitten in der Nacht dem Todessprung der Taucher von Quebrada beiwohnen, die einen Kopfsprung aus 35 Meter Höhe in die enge Felsenbucht vollfuhren, in der das entfesselte Meer tobt und die von einem auf den Felsen angezündeten Feuer phantastisch erleuchtet wird. Diese vier bis fünf Stunden dauernde Reise unternehmen Zehntausende von Einwohnern Mexikos D.F. (um die Stadt von dem Staat und den Staat von der Republik zu unterscheiden, wird „Distrito Federal" zugefügt) an den Wochenenden oder in den Ferien, um die herrliche milde Luft von Acapulco zu genießen (eine manchmal etwas übertrieben milde Luft: aber wo bliebe der Charme der Tropen ohne sie? ). Man fährt von Mexiko nach Acapulco im eigenen Privatwagen oder in dem von Freunden als Tramp oder per Flugzeug, im Luxusbus oder in einem „Lastwagen", wie die Busse vor 20 Jahren genannt wurden. (Hier ist anzumerken, daß der Omnibus in Mexiko Lastwagen heißt, was nicht pejorativ gemeint ist: Manche „Lastwagen" sind so bequem, daß sie es mit Flugzeugen aufnehmen könnten.) Die Lastwagen der Luxusklasse von der Gesellschaft Pelicano de Oro versehen (ebenso wie die der Konkurrenzfirmen) einen Liniendienst Mexiko — Acapulco. Die Besatzung besteht aus einem stets fröhlichen und manchmal geschwätzigen Fahrer und einer immer hübschen, jedoch (nach Meinung der männlichen Reisenden) selten gesprächigen Hostess. Der Fahrplan Mexiko — Acapulco ist wie folgt:
72
Mexico — Acapulco Mexico - Acapulco: Abfahrt 06,00
Linie a
Ankunft 12,00
07.30
13,30
11,30
17,30
19,00
01,00
00,30
06,30
Dauer: 6 Stunden
Acapulco - Mexico: Ankunft 11,30
Linie 1
Abfahrt 05,30
15,00
09,00
21,00
15,00 Dauer: 6 Stunden
00,30
18,30
06,00
00,00
Unter den zahlreichen Problemen, die sich der Pelicano de Oro stellen, ist das des Wohnortes für die Besatzungen ein ziemlich wichtiges. Denn man muß unter Berücksichtigung des Fahrplanes die Gesamtzeit der Abwesenheit der Besatzungen von ihrem Wohnort so klein wie möglich halten und zwar neben finanziellen Gründen (den Besatzungen wird die Abwesenheit vom Wohnort bezahlt, ganz gleich, ob sie auf Strecke sind oder ihre Rückkehr nach Mexiko oder Acapulco abwarten, auch aus sozialen Gründen: um die betroffenen Familien nicht zu lange ihres Oberhauptes zu berauben — (einer der Fahrer hatte allerdings vorgeschlagen, eine Optimierung mit entgegengesetzter Zielsetzung anzustreben . . . ). Weiterhin sind physiologische Bedingungen einzuhalten: Eine Besatzung muß mindestens 4 Stunden Pause gehabt haben, bevor sie wieder Dienst tut. Schließlich soll eine Besatzung aber auch nicht mehr als 24 Stunden pausieren, bevor sie die Rückreise antritt. Unter diesen Bedingungen läßt sich das Problem wie folgt formulieren: Wo müssen die Besatzungen wohnen und auf welchen Linien müssen sie eingesetzt werden, damit die Gesamtzeit, welche die Gesamtheit der Besatzungen mit Warten auf den Beginn des Rückfahrtdienstes zubringt, minimal ist? Hierbei wird
Wo sollen die Besatzungen wohnen? Ein Zuordnungsproblem
73
vorausgesetzt, daß die individuelle Wartezeit mehr als 4, jedoch weniger als 24 Stunden beträgt. Es ist der Traum aller, in Acapulco zu wohnen; jedoch wird die Pelicano offensichtlich von einem Mann geleitet, der auf den Charme des Pazifiks nicht anspricht. Nehmen wir beispielsweise an, daß eine in Mexiko wohnende Besatzung die Linie c auf der Hinfahrt und die Linie 2 auf der Rückfahrt bedient, dann stellen wir fest, daß diese Besatzung in Acapulco 15 1/2 Stunden warten muß (Ankunft: 17.30; Abfahrt 9.00). Mit einer entsprechenden Rechnung stellen wir nun zwei Tabellen fur Zeitverluste auf: die erste unter der Annahme, daß alle Besatzungen in Mexiko wohnen, die zweite unter der Annahme, daß sie alle in Acapulco wohnen. Tabelle 6.1 Besatzungen, die in Mexiko City wohnen.
1
2
3
4
5
a
17,5
21
3
6,5
12
b
16
19,5
1,5
5
10,5
c
12
15,5
21,5
1
6,5
d e
4,5 23
8 2,5
14 8,5
17,5
23
12
17,5
Tabelle 6.2 Besatzungen, die in Acapulco wohnen.
1
2
3
4
5
9
5,5
0
a
18,5
15
b
20
16,5
10,5
7
1,5
c
0
20,5
14,5
11
5,5
d
7,5
22
18,5
e
13
4 9,5
3,5
0
13 18,5
Mit Hilfe dieser beiden Tabellen werden wir jetzt eine dritte aufstellen, in der jedes Element aus der kleinsten Zahl der diesem entsprechenden Kästchen in den ersten beiden Tabellen gebildet wird; dabei wollen wir jedoch die Zahlen, deren Werte kleiner oder gleich 4 sind, eliminieren, um einer Übermüdung der Besatzungen vorzubeugen. Wenn wir hierbei z.B. eine Wahl zwischen a 1 (Wohnung in Mexiko) und
74
Mexico — Acapulco Tabelle 6.3 1
2
3
4
5
9
5,5
12
a
17,5
15
b
16
16,5
10,5
5
10,5
c
12
15,5
14.5
11
5.5
14
17,5
13
12
17,5
4,5
d
8
8,5
9,5
13
e
la (Wohnung in Acapulco) zu treffen haben, werden wir uns für a l entscheiden, womit wir eine Wartezeit von 17 1/2 Stunden anstelle von 18 1/2 Stunden erzielen. Von b3 (Mexiko) und 3b (Acapulco) müssen wir hingegen 3b auswählen, obwohl dieser Wahl nicht die geringste Wartezeit entspricht; denn b3 ist nicht akzeptabel, da wir hierbei eine Ruhezeit von weniger als 4 Stunden erhalten (oder mehr als 24 Stunden, was wir in den Tabellen 6.1 und 6.3 unberücksichtigt ließen), Tabelle 6.4 Beispiel
für eine mögliche
Lösung
1
2
3
4
5
a
0
1
0
0
0
b
1
0
0
0
0
c
0
0
0
0
1
d
0
0
1
0
0
e
0
0
0
1
0
Die Entscheidung, eine Besatzung für eine bestimmte Linie oder einen bestimmten Dienst, wie z.B. al, 2a, a3 etc. einzuteilen, wollen wir mit Zuordnung bezeichnen. Natürlich kann man ein- und dieselbe Besatzung nur einer Linie zuordnen und umgekehrt. Somit kann jede mögliche Lösung unseres Zuordnungsproblems in einer aus 0 und 1 gebildeten Tabelle dargestellt werden, und zwar derart, daß in jeder Spalte oder Zeile nur eine einzige 1 angegeben ist (die 1 symbolisiert eine gewählte Zuordnung). Beispielsweise entspricht die in Tabelle 6.4 angegebene Lösung dem folgenden Dienstplan: 2a, bl, 5c, d3, c4, wie man anhand der vorstehenden Tabellen leicht sieht. Es würden also drei Besatzungen in Mexiko wohnen und zwei in Acapulco. Die gesamte Wartezeit wäre: 15 +
16 +
5,5 +
14 +
12 =
62,5 h.
Wo sollen die Besatzungen wohnen? Ein Zuordnungsproblem
75
Für eine Tabelle aus 5 Zeilen und 5 Spalten gibt es
1 x 2 x 3 x 4 x 5
= 120
mögliche Lösungen. Der Leser könnte diese 120 möglichen Lösungen systematisch bestimmen; eine schöne Zerstreuung fur einen verregneten Sonntag, an dem man sich damit begnügen müßte, von Acapulco lediglich zu träumen. Unter diesen 120 Lösungen würde man dann die beste auswählen. Bei einer Tabelle aus 6 Zeilen und 6 Spalten erhielte man bereits
1 x 2 x 3 x 4 x 5 x 6
= 720
mögliche Lösungen, die man alle berechnen und miteinander vergleichen müßte. Bei einer Tabelle aus 20 Zeilen und Spalten betrüge die Anzahl aller möglichen Lösungen sogar
2,4329 · 1023. Setzt man zur Berechnung einer Lösung von Hand 1 Minute an (was wirklich schnell wäre), so benötigt man 4,63 Milliarden von Millionen von Jahrhunderten, um diese Berechnungen alle durchzuführen! Probleme dieser Arten können also, wenn es sich um mehr als 6 Zuordnungen handelt, nicht mehr durch Berechnung aller möglichen Lösungen gelöst werden — wenn man von wirklichen Sonderfállen absieht. Man muß vielmehr einen Algorithmus zur Lösung der Probleme anwenden. Wir werden uns der ungarischen Methode bedienen (so genannt nach einem berühmten Theorem des ungarischen Mathematikers König). Wir werden den Leser mit diesem Algorithmus vertraut machen und ihm zeigen, wie man das Besatzungsproblem der Pelicano damit lösen kann; obwohl man es von Hand durch Vergleich und Berechnung der hier lediglich 120 möglichen Lösungen in einigen Stunden tun kann und wahrscheinlich noch schneller, wenn man sich an die Lösungen etwas herantastet. Das grundlegende Prinzip der ungarischen Methode ist einfach zu verstehen (obwohl es gewisse strenge Beweise gibt, die wir in dieser ersten Darstellung jedoch bewußt weglassen wollen). Es besagt, daß sich die optimale Lösung (oder Lö-
sungen) eines Zuordnungsproblems nicht ändert, wenn man in der Tabelle der Zeiten1 c¡¡ alle Elemente einer Zeile (oder Spalte) um den gleichen Wert c erhöht (oder vermindert). Das ist evident, weil eine mögliche Lösung nur ein Element mit dem Wert 1 pro Zeile und Spalte enthalten kann (vgl. Tabelle 6.4). Deshalb verringert (oder erhöht) die oben angegebene Operation nur die Gesamtsumme (an Wartezeit oder an Kosten) einer beliebigen Lösung (= Wert einer Lösung) um die Größe c, ohne jedoch die optimale Lösung selbst zu ändern.
1 Bei anderen Problemstellungen können die c¡¡ etwas anderes als Zeiten bedeuten, z.B. Kosten.
Mexico — Acapulco
76
Wir wollen die ungarische Methode jetzt auf das Problem der optimalen Besatzungszuordnung bei der Pelicano anwenden. Es mag seltsam erscheinen, aber um die len der optimalen Lösung in Form der Tabelle 6.4 darzustellen, müssen wir zunächst versuchen, in die Tabelle 6.5 (entspricht genau der Tabelle 6.3) Nullen zu bringen. Stufe I: Erzeugen der Nullelemente Wir subtrahieren von allen Elementen jeder Spalte das kleinste Element dieser Spalte und bauen damit eine neue Tabelle mit den Elementen Cf
=
et) — min C{],
auf, wobei der Index i die Zeile und der Index / die Spalte bezeichnet (beispielsweise: c14 ist das Element der 1.Zeile in Spalte 4). Zur Vereinfachung bezeichnen wir jetzt auch die Zeilen mit Ziffern anstelle der vorher benutzten Buchstaben. Die den einzelnen Ziffern entsprechenden Buchstaben finden wir durch Vergleich der Indices in den Tabellen 6.3 und 6.5. Tabelle 6.5 1
2
3
4
9
5,5
12
5
1
17,5
15
2
16
16,5
10,5
5
10,5
3
12
15,5
14,5
11
5,5
14
17,5
13
12
17,5
4 5
4,5 13
8 9,5
8,5
Bei der hier geschilderten Vorgehensweise erhalten wir mindestens ein Nullelement pro Spalte. In unserem Beispiel (Tabelle 6.5) wird man also den Wert 4,5 von den Elementen der Spalte 1 subtrahieren, den Wert 8 von den Elementen der Spalte 2, usw. Auf diese Weise erhalten wir dann die Zahlenwerte der Tabelle 6.6, d.h. die Elemente
Φ
Jetzt behandeln wir die Zeilen in Tabelle 6.6 auf die gleiche Art und Weise wie vorher die Spalten. Damit erhalten wir alle Elemente Cjf J (Tabelle 6.7), mit Cy 2> = cy1'— min 1
>
Wo sollen die Besatzungen wohnen? Ein Zuordnungsproblem
77
Tabelle 6.6
1
2
3
4
5
1
13
7
0,5
0,5
6,5
2
11,5
8,5
2
0
5
3
7,5
7,5
6
6
0
4
0
0
5,5
5
8,5
1,5
0
1
2
3
4
5
1
12,5
6,5
0
0
6
2
11,5
8,5
2
0
5
3
7,5
7,5
6
6
0
4
0
0
5,5
12,5
7,5
5
8,5
1,5
0
7
12
12,5 7
7,5 12
Tabelle 6.7
Wir stellen fest, daß diese Tabelle mindestens ein Nullelement je Zeile und Spalte enthält.
Stufe II: Suche nach der optimalen Lösung Mit Hilfe der Nullelemente von Ó& wollen wir jetzt eine Lösung suchen, für die die Gesamtzeit (oder die Gesamtkosten bei einer anderen Problemstellung) gleich Null wird, d.h. eine Zuordnung so, daß alle Cjp die Bestandteil unserer Lösung sind, den Wert Null haben. Wenn das möglich ist, haben wir die optimale Lösung gefunden, wenn nicht, gehen wir zur Stufe III über. Um eine solche Lösung zu bestimmen, betrachten wir zunächst die Zeile oder eine der Zeilen, welche die geringste Anzahl an Nullelementen enthält. Um eines der Nullelemente dieser Zeile zeichnen wir ein Kästchen und streichen dann alle Nullen, die sich in der gleichen Zeile oder Spalte wie die gerade eingerahmte befinden, durch. Von den verbleibenden Zeilen bestimmen wir nun wieder die mit der geringsten Anzahl an Nullen und wiederholen die gleiche Prozedur wie vorhin, usw., bis wir keine Nullen mehr einrahmen können.
78
Mexico — Acapulco Tabelle 6.8
1
2
1
12,5
6,5
N o /
2
11,5
8,5
2
3
7,5
7,5
6
6
4
m
Ν » /
5,5
12,5
7,5
5
8,5
1,5
7
12
3
/Ν m
4 N o /
5 6 5
E
m
In unserem Beispiel (Tabelle 6.8) haben wir c 24 eingerahmt, dann c 3 S , dann cs3 und c13 und c 14 gestrichen (es wäre aufs gleiche herausgekommen, wenn wir c 1 3 eingerahmt und c 5 3 gestrichen hätten). Zum Schluß haben wir c4l eingerahmt und c 42 gestrichen, aber man hätte ebenso das Gegenteil tun können. Offensichtlich haben wir jedoch keine Lösung mit dem Wert Null gefunden; vervollständigen wir die bisher getroffene Zuordnung nämlich durch die Wahl von c 1 2 , dann wäre der Wert der Lösung: 6,5 + 0 + 0 + 0 + 0 = 6,5. Wir müssen uns also mit der Stufe III befassen. Vorher wollen wir uns jedoch vergewissern, daß die in Tabelle 6.8 erhaltenen Relationen einen maximalen Verbund beschreiben, d.h. daß wir tatsächlich die größtmögliche Anzahl an Nullelementen zuordneten. Der Leser wird sicher bemerken, daß man diese Kontrolle mit der Methode zur Bestimmung eines maximalen Gesamtflusses durchführen könnte, wie sie bereits in Kapitel 5 beschrieben wurde. Interpretiert man die eingerahmten Nullelemente als gesättigte Kanten und die gestrichenen Nullelemente als Kanten mit einem Fluß von null in einem Transportnetzwerk, so erhält man die in Abb. 6.1 gezeigte Dar-
Man sieht, daß es mit dem Verfahren von Ford-Fulkerson nicht möglich ist, S zu markieren; der in Tabelle 6.8 angegebene Verbund ist also maximal.
79
Wo sollen die Besatzungen wohnen? Ein Zuordnungsproblem Stufe III . Bestimmung der minimalen Anzahl Zeilen und Spalten, die sämtliche Nullelemente enthalten Wir wollen Schritt für Schritt in der folgenden Weise vorgehen: a) Kennzeichne mit einem Kreuz (X) alle Zeilen, die kein eingerahmtes Nullelement enthalten. b) Kennzeichne in gleicher Weise jede Spalte, die in einer oder mehrerer der unter a) markierten Zeilen ein gestrichenes Nullelement enthält. c) Kennzeichne ebenso jede Zeile, die ein eingerahmtes Nullelement in einer der markierten Spalten enthält.
d) Wiederhole b) und c) bis keine Spalte oder Zeile mehr markiert werden kann. Tabelle 6.9 1
2
1
12,5
6,5
2
11,5
8,5
3
7,5
4
E
5
8,5
3
4
5
\/ 0\ /
6
Χ
2
m
5
Χ
7,5
6
6
E
\/ 0\/
5,5
12,5
7,5
m
7
12
X
X
1,5
/\
Χ
So sieht man in Tabelle 6.9, daß zunächst Zeile 1 markiert wurde, was zur Markierung der Spalten 3 und 4 sowie der Zeilen 2 und 5 führte. Diese Vorgehensweise wird es uns ermöglichen, die minimale Anzahl Zeilen und Spalten, die sämtliche eingerahmten oder gestrichenen Nullelemente enthalten, zu bestimmen. In Stufe IV werden wir sehen, auf welche Weise. Stufe IV: Vervollständigung der Phase ΙΠ Wir ziehen eine Linie durch jede nicht markierte Zeile und durch jede nicht markierte Spalte. Damit haben wir die minimale Anzahl an Zeilen und Spalten, die alle eingerahmten oder gestrichenen Nullelemente enthalten, bestimmt. Für unser Beispiel ergibt sich, daß die Zeilen 3 und 4 sowie die Spalten 3 und 4 durchzustreichen sind (Tabelle 6.10).
80
Mexico — Acapulco Tabelle 6.10 1
2
1
12,5
6,5
2
11,5
8,5
J
1·
>< >
;
>
Stufe V: Entfernen gewisser Nullelemente Wir betrachten nun den Teil der Tabelle 6.10, der aus den nicht gestrichenen Elementen dieser Tabelle besteht, und bestimmen davon das mit dem kleinsten Wert. Diesen Zahlenwert subtrahieren wir von allen Elementen nicht gestrichener Spalten und addieren ihn zu allen Elementen gestrichener Zeilen.1 Für unser Beispiel bestimmt sich der gesuchte Zahlenwert zu c 52 =1,5. Subtrahiert man diesen Wert von allen Elementen der Spalten 1,2 und addiert man ihn zu allen Elementen der Zeilen 3, 4, dann erhält man die Tabelle 6.11. Tabelle 6.11 1
2
3
4
5
1
11
5
0
0
4,5
2
10
7
2
0
3,5
7,5
0
3
7,5
7,5
7,5
4
0
0
7
14
7,5
5
7
0
0
7
10,5
1 Wir erhalten das gleiche Ergebnis, wenn wir den fraglichen Zahlenwert aus der Menge aller nicht gestrichenen Tabellenwerte bestimmen und diesen Wert dann zu allen Elementen, die sowohl einer gestrichenen Zeile als auch einer gestrichenen Spalte angehören, addieren.
Wo sollen die Besatzungen wohnen? Ein Zuordnungsproblem
81
Stufe VI: Bestimmung der optimalen Lösung oder Beginn eines neuen Zyklus In der Tabelle Óp aus der Stufe V suchen wir jetzt eine optimale Lösung nach der Methode der Stufe II. Wir finden hier sofort eine mögliche Lösung, wenn wir jeder Spalte und jeder Zeile genau ein Nullelement zuordnen (Tabelle 6.12): Tabelle 6.12 1
2
3
Θ
11
5
10
7
2
7,5
7,5
7,5 0
X
7
Θ >o
. . . Lm dieser Matrix sei mit (L) und die Menge der η Spalten C l 7 C 2 , . . . Cn sei mit (C) bezeichnet. Ein Deckliniensystem der Matrix [Λ/] sei als eine solche Menge von Reihen (Zeilen und/ oder Späten) definiert, daß die nach dem Streichen dieser Reihen verbleibende Restmatrix keine Nullelemente mehr enthält. Die Menge aller Zeilen oder Spalten stellt natürlich ein solches Deckliniensystem dar, welches jedoch im allgemeinen nicht minimal ist. Besteht ein Deckliniensystem aus ρ Zeilen L¡ι Lip und q Spalten C j l t . . . , Cjq gilt natürlich ρ + q ^ min (m, n), da ein Deckliniensystem aus höchstens min (m, ή) Reihen besteht. Als Beispiel wollen wir Matrix 1 betrachten. Hier bilden L\,. .. , Li, und C j , . . . , C; Deckliniensysteme. Das kleinste dieser Deckliniensysteme umfaßt 4 Reihen. Es ist jedoch möglich, ein Deckliniensystem mit einer noch geringeren Anzahl an Reihen zu finden, nämlich: Ci, L3, ¿ 4 . 2 3 4
Einige behaupten, daß Frobenius (1912) den ersten Beweis lieferte; während Kuhn die von König bewiesenen Eigenschaften bei Egervaxy fand. Vgl. die Bibliographie. Algorithmus und Theorem von Ford-Fulkerson sind Gegenstand der Geschichte Nr.5. Für diesen Hinweis sind wir Herrn M.Y.Malgrange, Ingenieur bei Machines Bull, sehr dankbar.
Wo sollen die Besatzungen wohnen? Ein Zuordnungsproblem Ci
Li
0
U
[Ö]
£3
C2
C3
¡ΊΓ]
C4
83
C5
0 0
u
j_ o~|
- m) oder durch eine Kante OLj mit jedem der m Punkte Lit... , Lm (falls m > η) verbunden, wobei man jeder dieser Kanten eine Kapazität von 1 zuordnet.
5
Im französischen Originaltext: indice de dissémination.
84
Mexico — A c a p u l c o
b) Ein Ende Ζ wird durch eine Kante LfZ mit jedem der Punkte Li,... , Lm (falls m ^ ή) oder durch eine Kante C¡Z mit jedem der η Punkte Cy,... , Cn (falls η < m) verbunden, wobei man jeder dieser Kanten wiederum eine Kapazität von 1 zuordnet. c) Jedes Nullelement Lfij der Matrix wird durch eine Kante CjL¡ (falls m ^ n) oder eine Kante Lfij (falls η < m) beschrieben, wobei man diesen Kanten eine jeweils unendlich große Kapazität zuordnet. Beispiel: Das der Matrix zuordnenbare Transportnetzwexk ist in Abb. 6.2 gezeigt. Die Bestimmung eines maximalen Deckliniensystems der Matrix entspricht der Berechnung eines maximalen Flusses im entsprechenden Transportnetzwerk. Der Wert dieses maximalen Flusses werde mit Q(M) bezeichnet. Ein Nullelement L f i j der Matrix wird tatsächlich durch eine Kante C¡L¡ dargestellt. Fließt in dieser Kante ein Fluß der Größe 1, dann werden die Kanten OCj und LfZ ebenfalls von einem Fluß in gleicher Höhe durchflossen, wobei dann beide Kanten gesättigt sind. Mit anderen Worten: Jede Zeile und Spalte kann nur einmal zugewiesen werden. Man sieht sofort, daß der gesamte in Ζ fließende Fluß fiir m η kleiner oder höchstens gleich m werden kann. Denn die auf Ζ endenden Kanten bilden eine Schnittmenge 6 unserer Transportnetzwerkes. Wir werden jetzt zeigen, daß wir jedem Deckliniensystem eine Schnittmenge zuordnen können, deren Kapazität der Anzahl Reihen ihres Verbundes entspricht, und daß wir umgekehrt auch zu jeder Schnittmenge mit endlicher Kapazität einen Verbund bestimmen können, dessen Anzahl Reihen der Kapazität dieser Schnittmenge entspricht. C,
Abb. 6.3 Daraus folgt: D(M) = minimale Kapazität einer Schnittmenge. Aus dem Theorem von Ford-Fulkerson, minimale Kapazität einer Schnittmenge = Maximaler Fluß, folgt dann: Q(M) = D(M). 1. Wir wollen zunächst beweisen, daß jedem Deckliniensystem eine Schnittmenge zugeordwerden kann, deren Kapazität gleich der Anzahl Reihen des Deckliniensystems ist. Dazu betrachten wir das Deckliniensystem, das durch die Menge (L+) seiner Zeilen , . . . , L¡p und die Menge (C*) seiner Spalten C , i , . . . , CI(? beschrieben sei. Für unsere Matrix 1 erhalten wir beispielsweise: (L + ) = (Li, ¿2, L3),
(C + ) = (C 5 ).
6 Der Begriff der Schnittmenge ist im vorhergehenden Kapitel definiert worden.
Wo sollen die Besatzungen w o h n e n ? Ein Z u o i d n u n g s p r o b l e m
85
Die Menge aller Zeilen bzw. Spalten, die nicht zum Deckliniensystem gehören, wollen wir mit (X ) bzw. (C~) bezeichnen. Streichen wir (Z + ) und (C + ), dann enthält die lediglich aus (L~) und ( C _ ) gebildete Restmatrix keine Nullelemente mehr. In dem der Restmatrix zuordenbaren Transportnetzwerk ist kein Knotenpunkt aus (C ) mit einem Knotenpunkt aus (L ) durch eine Kante verbunden! Für unser Beispiel ergibt sich: (L-) = (£4) (C-) = (Cu Ci, Cs, C 4 ) ; tatsächlich ist ¿ 4 mit keinem der Knotenpunkte C1.C2.C3 und C4 verbunden. Es sei e eine Menge von Knotenpunkten, die aus 1. dem Knotenpunkt Z, _ 2. den Knotenpunkten aus (L~), 3. den Knotenpunkten aus (C ) bestehe. In unserem Fall also: 6 = (Z, ¿4, C5). Diese Knotenpunkte definieren nun eine Schnittmenge C(e ), deren auf 6 endenden Kanten alle von einem Knotenpunkt, der nicht Element von e ist, ausgehen. Damit ergibt sich folgendes: a) Die einzigen Kanten, die von einem Knotenpunkt ausgehen, derglicht Element von e ist, und die gleichzeitig in Ζ enden, sind solche, deren Ursprung in (L ) liegt. Für jeden Knotenpunkt L¡ aus (L+) gibt es eine und nur eine Kante L¡Z mit einer Kapazität gleich 1. Enthält (L ) ρ Knotenpunkte, wobei ρ die Anzahl an Reihen des Deckliniensystems (hier: ρ = 3) angibt, dann ist die Gesamtkapazität dieser Kanten gleich p. b) Kein Knotenpunkt aus (L~) ist mit einem Knotenpunkt aus (C~) verbunden. Es gibt also keine Kante, die in € ankommt und an den Knotenpunkten aus (L~) endet. Im vorliegenden Fall endet keine ankommende Kante in ¿ 4 . c) Jeder Knotenpunkt aus (C4") ist durch eine Kante der Kapazität 1 mit dem Knotenpunkt 0 verbunden. Enthält (C4") also q Punkte, wobei q die Anzahl Spalten des Deckliniensystems (hier:
Daraus folgt dann: Δ' = C"(yi)
· C'(y2) = C(yi) — C(y2) - 2 "< + 2 I i = C(yi) - C(y2) = Δ.
~~ Σ )
V} +
Σ
V}
)
2. Außerdem kann man für jeden Wert von c,y zeigen, daß wenn + cy, für jeden Verbund 7 gilt: C(y) » Σ i
M1 +
Σ
V1
'
)
wobei es unerheblich ist, wie groß die u¡ und Vj bestimmt werden. Daraus folgt: wenn wir a) die Größen u¡ und Vj so bestimmen, daß »i + i>j < ctj für alle i und alle /, und wenn b) ein Verbund 7 existiert, mit C(y) = 2 «( + 2 t )
v
>'
C(y) minimal ist, und 5
= Σ(
u {
+ Σ v> j
maximal ist. Wir sehen also, daß wir, wenn wir für bestimmte Werte u¡ und Vj, mit cu = ut + vj
[bzw. c'a = Ci] — (ut + vj) = 0]
einen aus den Kanten gebildeten Graphen mit gesättigtem Verbund 7 bestimmen - d.h., wenn alle Zeilen und Spalten der Matrix zugeordnet sind - erhalten: C(y) = cilfl + ... + cinU = (κ«! + vh) + ... + (1/,„ + v]n) und C(y) = (utl + vh) + ... + (uin + V]„) = 2
Si.
Wo sollen die Besatzungen wohnen? Ein Zuordnungsproblem Tatsächlich erhalten wir, da der Verbund D(M) = Q(M)
91
/ Zeilen und J Spalten umfaßt:
S2 = Si + k(n — I — kJ = Si + k[n -
(/ + 7)]
und I + J = Q(M) < n, außerdem k[n - (/ + J)} > 0. Damit ist die Bedeutung des Theorems von König zur Behandlung von Zuordnungsproblemen deutlich geworden.
Η
0
0
LU 0
X j * ^
m
»V,
Abb. 6.7
H 0
1
—
Matrix 7
Aus Abb. 6.7 und der entsprechenden Matrix (Matrix 7) ist der gesättigte Verbund leicht zu ersehen: y2 = (ATiKi, XzYs, X3Y2, XtY3,
A5I4),
mit C(y2) = 3 + 1 + 1 + 2 + 1 = 8
-
S2.
Damit haben wir eine optimale Zuordnung bestimmt. Wäre der Verbund nicht gesättigt, so müßten neue Werte u{ und vf wie oben berechnet werden.
Anwendung auf zyklische Probleme Man hat daran gearbeitet, die ungarische Methode auf gewisse zyklische Probleme und insbesondere auf das berühmte Problem des Handlungsreisenden anzuwenden: Gegeben sind η Städte A, B,. . . , N, deren jeweilige Entfernung zueinander bekannt ist oder fur die auch die Transportkosten von einer Stadt zur anderen bekannt sind. Gesucht ist die wirtschaftlichste Rundfahrt mit Ausgangs- und Endpunkt A, bei der jede Stadt nur einmal berührt wird. Die praktischen Schwierigkeiten dieses Problems kann man leicht ermessen, wenn man bedenkt, daß sich für 10 Städte (bei einem symmetrischen Problem) * 9 ! = Η 9 · 8 · 7 · 6 · 5 · 4 · 3 · 2 · 1 )
= 181440
mögliche unterschiedliche Rundfahrten ergeben und bei 31 Städten bereits mehr als IO 3 0 ! Das Problem kann als ganzzahliges lineares Programmierungsproblem dargestellt werden. Der Algorithmus von Gomory müßte also dessen Lösung ermöglichen. Die Programmierung dieser Methode führt jedoch sehr schnell zu Berechnungen, deren Umfang in keinem Verhältnis zur Kapazität der augenblicklich verfügbaren elektronischen Rechenanlagen steht.
92
Mexico — Acapulco
Dem Zuordnungsproblem ist das Problem des Handlungsreisenden insofern ähnlich als man 1. eine Kostenmatrix kennt, deren Anzahl Zeilen und Spalten der Anzahl Städte entspricht, (man setzt C¡¡ = da man voraussetzungsgemäß nicht in einer Stadt bleibt) 2. eine Zuordnung der Zeilen zu den Spalten sucht; diese Zuordnung muß jedoch so beschaffen sein, da£> die Folge der Zeilen- und Spaltenindices eine vollständige Rundreise ergibt. Einige Forscher (M.M. Flood, G.B. Dantzig) haben Lösungsverfahren für einige besondere Spezialfälle vorgeschlagen; ein allgemein mögliches Lösungsverfahren muli jedoch noch entdeckt werden. Begnügen wir uns also damit, an dieser Stelle einige klassische Beispiele darzustellen, um die Wirksamkeit und die Grenzen der Methoden zu veranschaulichen, auf die wir gerade anspielten. Erstes Beispiel: Gegeben sei die Matrix 8, welche die Transportkosten zwischen den 5 Städten A Αι, A 3, A4 und A 5 beschreibt. 1
2
3
4
5
Ul
1
00
5
6
10
8
3
2
5
00
5
12
12
2
3
6
5
00
8
10
3
4
10
12
8
00
6
3
5
8
12
10
6
00
3
3
2
3
3
3
Matrix 8 Wie beim Zuordnungsproblem ändert sich die Lösung nicht, wenn wir von jedem Koeffizienten C,y die Summe u¡ + v,· subtrahieren. Wir erhalten dann Matrix 9, für die c
if = ca — ("< + "])•
gilt. Dantzig hat gezeigt, daß das Problem sich - im Fall der Symmetrie - nicht ändert, wenn man setzt C
*l - m = w= 07)06> V }
v(7)
0,85
v(l)
wohingegen wir für einen neuen Reifen den Ausdruck e(4) = 0,95. erhalten hätten. Um bequem rechnen zu können, wandeln wir Abb. 9.2 in eine Tabelle um (Tabelle 9.1). Wir wollen annehmen, daß der Reifenexperte alle Reifen zum Zeitpunkt 0 in die folgenden Klassen aufgeteilt hätte: N( o) = 130, Na) = 90, N(2) = 80, N{3) = 60, N(i) = 4 0 ; (R) wobei 7V(o) die Klasse aller neuen Reifen, JV(J) die Klasse aller Reifen in sehr gutem Zustand, usw. bezeichnen möge. Würde man nun keine beschädigten Reifen ersetzen, so hätte sich diese Grundgesamtheit bis zum Zeitpunkt t verringert auf: v(t + 3) v(t + 6) Nio) · v(t)
+
v(t +
3
Nw
+
·
+
v(3)
9)
"< > · - Η 9 Γ
v(t +
"
N(2)
+
•
12)
v(6)
+
134
Behalten Sie die Reifen im Auge!
oder: Νφ)
· v(t)
+ 1,05 N(i) · t)(f + 3) + 1,18 ΛΓ(2) · v(t + 6) + 1,67 N{3) · v(t + 9) + 3,33 Nw
· v(t + 12).
Wir werden jetzt eine Gleichung entwickeln, die die Reifenverluste der Firma durch Ersatzbeschaffung ausgleicht. Da der Klassenwechsel eines Reifen - wegen der Art der Überprüfungen —jedoch nur alle 3 Wochen stattfinden kann, werden wir von jetzt ab als Zeiteinheit 3 Wochen wählen. Für den obigen Ausdruck ergibt sich dann: Ni0)v(t)
+
1,05 Na)
· ι 15
0
· v(t +
4).
Theorie der Ersatzbeschaffung
135
Die Aufstellung unserer Gleichung beruht auf einer simplen Überlegung. Bezeichnet nämlich r(u) die Anzahl der bis zum Zeitpunkt u ersetzten Reifen, dann bezeichnet P(u)
= r(«) -
r(u -
1)
1)
(u>
die Anzahl aller Reifen, die während des Zeitintervalls u — 1 bis m ersetzt werden. Wir bezeichnen p(i) deshalb mit Ersatzrate. Wie die Reifen, die zum Zeitpunkt t = 0 bereits in Benutzung oder ersetzt waren, werden auch die, welche zum Zeitpunkt u ersetzt wurden, der Gesetzmäßigkeit v{t) bezüglich ihrer Lebensdauer unterliegen. Die Zahl der Reifen, die zum Zeitpunkt u ersetzt wurden und die zum Zeitpunkt t noch brauchbar sind, wird sich deshalb bestimmen zu p(ü)
· v(t
—
u),
da die Anzahl der zum Zeitpunkt u ersetzten Reifen gleich p(it) und die Zeitspanne von u bis t gleich t — u ist. Deshalb ergibt sich die Gesamtzahl aller zum Zeitpunkt t noch brauchbaren Reifen aus der Summe der das Zeitintervall u = 1 bis u = t überlebenden Reifen und derer,, die zum Zeitpunkt t = 0 Elemente der Klassen N^, N^, N(2)> N^ waren und noch weiterhin gebrauchsfähig sind. Man erhält also: Νφ)
· v(t)
+ N{i) · t i t +
1) + N{2)
· v(t
+
2) +
N{3)
· v(t
+
3)
(1)
t +
N'(i)
• v(t
+
4) + 2 P(") ' u-l
— «).
mit: N(0)
=
N('d
=
N'w =
1,05 Nu
1,67 N(3),
=
N{2)
0
(e',
y! + y2 + y3 = 1. (/') Wir sehen links die primdle Formulierung2 eines linearen Programmierungsproblems und rechts dessen duale Formulierung (oder umgekehrt). Glücklicherweise werden wir die Lösung dieses Problems mittels einer eingehenderen Betrachtung leicht herausfinden. Tatsächlich sehen wir sofort, indem wir nämlich (¡2') und (b') addieren, daß der Wert des Spieles nur positiv oder Null sein kann: (e) X i 4- X2 +
1
g > 0. 2 Diese Begriffe werden in Kapitel 14 behandelt.
153
Eine rationale A n w e n d u n g der Spieltheorie Durch Addition von (β) und 2 · (b) erhalten wir dann: 2xi — 2x2 — 2x3 + 2x4 SÌ 0 — 2xi + 2x2 + 2X3 — 4X4 ^ 0 — 2X 4
^ 0
und da X4 ^ 0, muß man notwendigerweise X4 = 0 setzen. Damit ergibt sich dann für (b) und (c): — χι + X2 + X3 > 0, Xl — X2 — 2x3 > 0, woraus durch Addition - X 3 ^ 0 folgt, was wiederum wegen X3 ^ 0 für X3 den Wert x 3 = 0 ergibt. Schließlich erhalten wir: — Xl + X2 > 0 xi — Xi > 0, woraus Χι = Xi = ^ und g = 0 folgen. Die vom Spieler Β zu verfolgende optimale gemischte Strategie ergibt sich nun zu: xi = i ,
X2 = i ,
X3 = 0,
X4 = 0,
mit g = 0.
Damit können wir jetzt das System II auf das folgende reduzieren: ' 2yi — y2 + yz = 0, \ lyi — 2y2 + 3>>3 < 0, 1 yi, yi. y3 > o, 1 yi + y2 + y3 = 1, dessen Lösung sich zu yi = 1/7 + 2A, yz = 4/7 + Λ, y3 = 2/7 — 3A, ergibt, mit 0 < λ ^ 2/21. Für die beiden extremen Werte von λ erhalten wir: (Λ = 0)
yi = 1/7, y\ = 4/7,
y\ = 2/7
und (λ = 2/21) >>2 =
1/3, y¡ = 2/3, y¡ = 0.
Damit haben wir augenscheinlich wieder einen Fall vorliegen, in dem die Entscheidung für einen Spieler (nämlich B) leichter zu treffen ist. Das sieht jedoch nur so aus. Der Erwartungswert seines Spielgewinns läßt sich beschreiben durch: E(B)
=
(— 2 / 7 +
3λ) x 3 — 7Λ X4 ;
er wird also in dem Augenblick gleich Null, wenn A sich entscheidet, X3 und nicht X4 zu spielen. Es gilt deshalb: E(A) = E{B) = g = 0. Um eine optimale gemischte Strategie spielen zu können, muß nun jeder Spieler Zufallszahlen aus Tafeln entnehmen, oder sich aber auf ein Glücksrad verlassen, um so mit den vorher berechneten relativen Häufigkeiten zu spielen, ohne daß sein Gegenspieler die Reihenfolge seiner Spielzüge im voraus kennt. 3 3 Hätte A beispielsweise x ¡ = x 2 = L· zu spielen, so könnte er ein Glücksrad mit 100 Zahlen von 00 bis 99 benutzen. Er würde dann Strategie 1 immer dann spielen, wenn er Zahlen zwischen 00 und 49 ziehen würde und die Strategie 2 bei allen Zahlen zwischen 50 und 99 (Grenzen eingeschlossen).
154
Haltet den Dieb!
Beobachtung I: Das System II kann auf zwei gleichartige Gleichungen (β') und (b') sowie zwei strenge Ungleichungen (c') und (ä') reduziert werden, was der weiter oben angegebenen Regel, daß χ 3 = X4 = 0 gelten muß, entspricht. Das System I kann auf drei Gleichungen reduziert werden, wobei y1, y 2 und y 3 von Null verschieden sind. Beobachtung II: Die Existenz einer optimalen gemischten Strategie ist eigentlich nur eine Verallgemeinerung des von Neumann'schen Satzes. Man findet hier den Begriff des Gleichgewichts (einziger Wert des Spiels) und die Begriffe der Stabilität und der Sicherheit (Unmöglichkeit für jeden der Spieler, von der optimalen Strategie abzuweichen, ohne mehr riskieren zu wollen) wieder.
11
Eins und eins ist eins
(Ein Thesen- und Erfolgsstück in zwei Akten. Anwendung der Boole'schen Algebra.)
I.Akt 1. Szene (Die Szene spielt auf einer Straße, wo sich Pierre und Jean gerade getroffen haben). Pierre - Ich habe eine tolle Idee für unsere Kirmes! Jean - Welche? Pierre - Wir stellen kleine Radiogeräte her und verkaufen sie auf unserem eigenen Stand. Dann richten wir eine kleine Werkstatt ein, und da alle Jungen gerne an Radios basteln, brauchen wir keine Lohnkosten zu zahlen. Das einzige, was wir tun müssen, ist, alle Einzelteile zu kaufen und diese dann zusammensetzen. Jean — Die Idee ist nicht schlecht. Aber: Hast du Schaltpläne? Pierre — Ja, sogar mehrere. Ich werde sie dir morgen zeigen. 2. Szene (Am nächsten Tag bei Jean zu Hause.) Pierre - Hier sind drei Montagetypen. Ich kenne die Preise für Röhren, Bauelemente und Gehäuse. Alle Montagetypen können realisiert werden, jedoch nur unter bestimmten Bedingungen: 1. Wie du siehst, kann man in jedem Empfänger eine der drei Röhrentypen Tlt T2 oder T3 verwenden. Da diese Typen sich voneinander unterscheiden, dürfen in jedem Empfänger nur Röhren der gleichen Type verwendet werden. 2. Man könnte ein Holzgehäuse E anfertigen oder eines aus Plastik Ρ kaufen. Im Plastikgehäuse können wegen der Maße jedoch keine Röhren des Typs T2 eingebaut werden. Da dort außerdem kein Platz für einen Transformator vorhanden ist, müßten wir auch noch eine besondere Stromversorgung A vorsehen. 3. Entscheiden wir uns für Röhren des Typs Τχ dann ist der Transformator F der geeignetste. 4. Alle Röhren der Typen T2 und T3 erfordern die besondere Stromversorgung A.
156
Eins und eins ist eins
Die Preise für die Röhren und anderen Teile sind: Eine Serie der Röhren
Ein Transformator Besondere Stromversorgung
Τι T2 T-ì F
... ... ... ...
28 F 30 F 31F 25 F
A
...
23 F
Holzgehäuse Plastikgehäuse
E ... Ρ ...
9F 6F
Die Preise für die anderen Bauelemente (Widerstände, Spulen, Kondensatoren, mechanische Teile, Schalter, Potentiometer, Skala etc.) hängen zwar von der verwendeten Röhrenart ab, sie unterscheiden sich jedoch nach meinen Berechnungen kaum voneinander: 27 F bei Röhren des Typs 7 \ , 28 F bei T2 und 25 F bei T3. Nach meiner Kalkulation werden wir unsere Radios 30 % billiger als die Einzelhändler anbieten können; ich habe mir die Preise angesehen. Ein Gerät mit Holzgehäuse wird 110 F und eines mit Plastikgehäuse wird 105 F kosten müssen. Wie du siehst, ist eine Entscheidung bezüglich des herzustellenden Modells nicht minder schwierig als eine des Montageschemas. Was meinst du? Wir könnten Röhren des Typs T2 einbauen, aber in welches Gehäuse: in das aus Holz oder das aus Plastik? Vielleicht ist aber auch der Typ T3 der günstigere? Jean — Ich schlage vor, daß wir die Röhren und Gehäuse nehmen, die uns den größten Gewinn bringen. Pierre - Ich bin einverstanden und werde mich jetzt an die Berechnungen machen. II. Akt 1. Szene (Am übernächsten Tag bei Pierre zu Hause.) Pierre — Wie abgemacht, habe ich versucht, unsere Selbstkostenpreise zu berechnen. Leider komme ich mit all den widersprüchlichen Bedingungen, die ich dir schon nannte, nicht zu Rande. Jean — Fragen wir doch meinen Bruder Louis um Rat. Er ist verdammt gut in Mathematik. Es gibt keine Aufgabe, die er nicht löst. 2. Szene (10 Minuten später bei Jean zu Hause.) Louis — Liebe Freunde, euer Problem ist interessant! Übrigens — habt ihr schon mal etwas von Georg Boole gehört? Pierre und Jean - Wer ist das?
Ein Thesen- und Erfolgsstück in zwei Akten. Anwendung
157
Louis - Sein Leben zu erzählen, ist eine spannende Geschichte. Er war ein englischer Mathematiker, der vor mehr als 100 Jahren lebte und damals vorschlug, logische Zusammenhänge in algebraischer Form auszudrücken. Dank der Boole' sehen Algebra ist das Problem der Beurteilung, ob eine Gesamtheit von Sätzen richtig oder falsch ist, eine Folge sehr einfacher Operationen. Das ist ganz lustig, ihr werdet sehen. Pierre und Jean - Wir sind ganz Ohr! (Hier beginnt nun ein langer Monolog, wie es sich für ein Thesenstück gehört.) Louis — Gegeben seien die beiden Elemente a und b einer Aussage, die durch die Konjunktion und miteinander verknüpft sind, was wir in der Form a • b schreiben. Weiterhin wollen wir annehmen, daß die Konjunktion oder das eine oder das andere oder auch beide zusammen bedeutet, was dem lateinischen vel, das man mit und/oder übersetzen könnte, entspricht. Um dieses auszudrücken, wollen wir a + b schreiben. Hierbei müßt ihr aufpassen, daß ihr dieses oder, welches ja und/oder bedeutet, nicht mit dem exklusiven oder der Umgangssprache verwechselt (wie z.B. bei: Geld oder Leben!). Wir wollen uns jetzt die Aussage: „Zum Schreiben benötigt man einen Füller oder einen Bleistift und ein Blatt Papier", einmal genauer ansehen. Ich will folgende Bezeichnungen benutzen: einen Füller haben: einen Bleistift haben: Papier haben: schreiben können:
a b c 1
keinen Füller haben: keinen Bleistift haben: kein Papier haben: nicht schreiben können:
a Έ c 0
Mit diesen Bezeichnungen kann ich jetzt unsere zuletzt gemachte Aussage beschreiben, und zwar durch: (a + b) • c = 1. Wie einfach, nicht wahr? Und viel präziser als mit Worten, denn in der Umgangssprache wird zwischen dem exklusiven und dem nichtexklusiven oder kein Unterschied gemacht. Unsere ursprüngliche Aussage wollen wir nun etwas abändern: „Um schreiben zu können, muß man einen Füller oder einen Bleistift in der Hand haben und vor sich ein Blatt Papier". Das oder hat hier exklusive Bedeutung (versucht mal, mit einem Füller und einem Bleistift gleichzeitig zu schreiben!), und diese Aussage kann man beschreiben durch:
(a · b -j- ά • b) · c = 1. Damit wird das exklusive Oder dargestellt durch α· Έ + α • b, was bedeutet, daß man entweder einen Füller und keinen Bleistift oder keinen Füller aber einen Bleistift hat. Auf diese Weise können wir das System einer elementaren Algebra aufbauen, welches dem, das ihr in der Schule behandelt, stark ähnelt, und in dem die üblichen Regeln gelten, falls man beachtet, daß
158
Eins und eins ist eins
a ' a
a
=
und a
+
a
=
a.
gilt. Wir wollen jetzt einige spezielle Notationen und Eigenschaften betrachten: ist a richtig, ist a falsch,
schreiben wir a = 1 ; schreiben wir a = 0.
Konsequenterweise werden wir deshalb Variable benutzen, die nur einen von zwei möglichen Werten, nämlich 0 oder 1, annehmen können. Haben wir nun zwei Variable a und 6 dieses Typs, die auch binäre Variable heißen, so können wir sagen, daß wenn: -
a α α α
= = = =
0, 0, 1, 1,
6 6 6 6
= 0, = 1 , = 0, = 1,
dann: -
α α α a
· 6 = · 6 = 0 · 6 = · 6 =
0, α + 6 , α + 6 0, α + 6 1, α + 6
= = = =
0» 1 , 1, 1 ,
gilt, womit wir die folgenden Tabellen für logische Produkte und logische Summen erhalten: 0-0
= 0,
0 - 1 = 0 ,
0 + 0 = 0, 0 + 1 = 1,
1 - 0 = 0,
1+0=1,
1 - 1 = 1,
1+1 = 1
Der Punkt bedeutet hier nicht „multipliziert mit", sondern „und", während das mit einem Punkt versehene Pluszeichen nicht „addiert zu", sondern „und/oder" bedeutet. Hierfür könnte man eigentlich auch die aus der Mengenlehre bekannten Symbole Π und U verwenden; das wäre in der binären Algebra jedoch nicht sehr vorteilhaft. Kehren wir nun zu unserem Problem zurück! Welchen Radiotyp müßt ihr herstellen, um den größtmöglichen Gewinn zu erzielen? Die vier Bedingungen, die ihr aufgestellt habt, wollen wir von jetzt an Ci,C2,C3 und C 4 nennen. C\. Man darf nur Röhren der gleichen Serie verwenden. Diese Bedingung läßt sich mit der Boole'sehen Algebra in folgender Weise beschreiben: Ti • T2 · Ts +
Ά · T2 · T3 +
Tj. · Tz - T3 = 1,
wobei Τχ bedeutet: man benutzt Röhren des Typs T¡ und T, : man benutzt nicht die Röhren des Typs Τι ; das gleiche gilt für die anderen T¡. Bevor wir nun die anderen Bedingungen diskutieren, können wir bereits festhalten, daß es sinnlos ist, sieben Variable, nämlich: TlyT2,T3, Ε, Ρ, A und F
Ein Thesen- und Erfolgsstück in zwei Akten. Anwendung . . .
159
beizubehalten. Denn da sich E und Ρ sowie A und F gegenseitig ausschließen, genügt es 5 Variable einzuführen. Wir erhalten einerseits: E = Ρ
oder
Ε = Ρ,
(1)
oder
λ = F,
(2)
und andererseits: A = F
Gehen wir nun zu Bedingung C2 über. C 2 . Verwenden wir die Gehäuseart P, dann impliziert das, daß wir keine Röhren des Typs T2 und keinen Transformator F verwenden können. Wie können wir diese Implikation ausdrücken? Ganz einfach: a impliziert b, also gilt: a · b = 0, Das bedeutet, daß es falsch ist, a und nicht auch b zu haben. Diese Beziehung ist gleichbedeutend mit: â + b = 1, womit die komplementäre Aussage gemacht wird.1 Die Bedingung C2 können wir also folgendermaßen ausdrücken: Ρ ' (Γ 2 -i- F) = 0 oder ρ + Tz · F = 1. C 3 . Die Verwendung von Röhren des Typs 7\ impliziert die Verwendung des Transformators F. Damit bekommen wir eine weitere Implikation, nämlich Γι · F = 0 oder auch Τι + F = 1. C 4 . Die Verwendung von T2 oder T3 impliziert die Stromversorgung A : {T2 + T3) · Ä -
0
oder wieder Τ2 · Tz + A 1
1 ;
Man kann leicht zeigen, daß
a + b — â ' b, a -}- b = ä · b
a · b = ä + b, und
a · b — à
b,
gilt, was übrigens auch in allgemeinerer Form ausgedrückt werden kann.
160
Eins und eins ist eins
da aber A=F
ist, kann diese Bedingung auch in der Form
Tz · Tz + F = 1. notiert werden. Damit alle vier Bedingungen beachtet werden, muß es richtig sein, daß Cx ' C2 ' Cz · C\ = 1, d.h. Τχ . Γ 2 · Γ 3 +
Ti · Tz - Tz + Τχ - Tz - T3) · (P + TÍ • F) (3) • (Γι + F) · {Ti • Tz + F) = 1.
Dieser Ausdruck kann erheblich vereinfacht werden, wenn man die Gleichungen (1) und (2) sowie die Beziehungen a 4 - ö = l ,
α ' ά = 0, a + 0 — a,
a 4 - 1 = 1» a - ί = a, a · 0 = 0,
die euch jetzt klar sein sollten, berücksichtigt. Die Produkte (im Sinne der Booleschen Algebra) der Gleichung (3) können in beliebiger Reihenfolge aufgelöst werden. Wir wollen zunächst das letzte auflösen und erhalten: (Τχ 4- F) · (T 2 · Tz 4- F) = Τχ • Tz · Tz 4- Τχ · F 4- T2 · T3 · F. Von diesem Ausdruck bilden wir nun das logische Und (Boolesches Produkt) mit C 2 : (P 4" Tt F) · (Tx ' r a · Tz + Tx · F + Tz • Tz • F) = Τ1 · Tz · Τ3 · Ρ 4- Τχ · F · Ρ 4- Tz • Tz ' F · Ρ 4" Τχ · Tz · F. Ihr seht, daß einer der sechs Terme gleich Null ist: Tz - F · Tz - Tz · F = 0, und daß ein anderer in Tl • T2 - F enthalten ist; wir erhalten: (Tz • F) · (Γι · Tz · Tz) = Tx · Tz · Tz · F und bemerken, daß Tt · T2 • T3 • F bereits durch Τχ
T2 • F beschrieben ist,da:
(Γχ · Tz · F) · 1 = (Γι · Tz · F) · (Tz 4- Tz) = Τχ · Tz · Tz · F 4- Τχ · Tz · Tz · F. Damit brauchen wir nur noch das Boole'sche Produkt unseres letzten Ergebnisses mit Ci zu bilden: (Τχ · Tz · Tz 4" Tx · Tz ' Tz 4- Tx · Tz · Tz) . (Tx · Tz · Tz · Ρ + Τχ · F · Ρ 4- Tz · Tz • F ' Ρ + Τχ · Tz - F) = Tx ' Tz · Tz · F · Ρ 4- Tx · Tz · Tz ' F · Ρ + Τχ · Γ 2 · Τ3 · F.
Ein Thesen- und Erfolgsstück in zwei Akten. Anwendung
161
Wenn das Endresultat gleich 1 sein soll, muß mindestens einer dieser Terme auch gleich 1 sein: Τ ι • T2 • T3 • F • Ρ= 1 beschreibt eine mögliche Lösung; dJi. eine Montageart, die mit unseren Bedingungen konform geht, ist Tx FE; T1 • T2 • T3 • F • P = 1 bedeutet, daß die Montageart T2AE eine mögliche Lösung ist und entsprechend beschreibt Ti • T2 T3 -F=1 unsere letzte mögliche Lösung, nämlich T3A. Da jedoch entweder E oder Ρ benutzt werden kann, müssen wir noch zwischen T3AE und T3AP unterscheiden. Wir wollen jetzt die Gewinne, die jeder dieser möglichen Lösungen entsprechen, berechnen. Wir erhalten: TiFE TzAE TzAE TzAP
: : : :
110 — 110 — 110 — 105 —
(28 (30 (31 (31
+ + + +
25 23 23 23
+ + + +
9 9 9 6
+ + + +
27) 28) 25) 25)
= = = =
21 20 22 20
F. F, F, F.
Das Radiomodell mit Holzgehäuse, in dem Röhren des Typs T3 und die besondere Stromversorgung A eingebaut sind, wird euch also den größten Gewinn, nämlich 22 F, bringen. (Endlich können auch die beiden Zuhörer ein Wort anbringen . . . ) Piene — Was soll diese ganze Rechnerei? Wäre es nicht einfacher gewesen, alle möglichen Fälle zu berechnen, wobei man die, welche mit den Baubedingungen nicht vereinbar sind, sofort ausscheiden könnte . . . Louis - In diesem besonderen Fall hast Du durchaus recht. Seht euch mal das Diagramm an (Abb. 11.1). Ihr seht, daß man nur 12 Kombinationen betrachten muß, von denen wiederum nur 4 möglich sind. Ich wollte euer kleines Problem jedoch dazu benutzen, euch eine Vorstellung von der Boole'schen Algebra und ihrer Leistungsfähigkeit zu geben. In der Industrie sind die Probleme natürlich viel komplizierter und die Anzahl der zu betrachtenden Einzelteile ist wesentlich zahlreicher und verschiedenartiger als bei eurem Problem. In einem solchen Fall müßtet ihr eine astronomisch große Anzahl von Lösungen berechnen.
Eins und eins ist eins
162
Die Boole'sche Algebra beschränkt die Prüfung der einzelnen Lösungen dagegen auf eine viel geringere Anzahl Fälle. Außerdem dürft ihr nicht vergessen, daß es bei gewissen Problemen fast unmöglich ist, das Endprodukt m i t Hilfe der Spezifikationen seiner Bestandteile zu analysieren; in diesen Fällen ist die Boole 'sehe Algebra sogar unabdingbar. Boole'sche Algebra und deren Anwendungen A. Eigenschaften von Vereinigung und Durchschnitt Wir beabsichtigen nicht, auf den wenigen folgenden Seiten einen vollständigen Überblick über die Boole'sche Algebra zu geben; vielmehr wollen wir mit dem Versuch beginnen, die oben angewandten Rechenregeln zu rechtfertigen. Betrachten wir zunächst eine Menge von Objekten: z.B. alle in einem Sack enthaltenen Kugeln. Die so definierte Menge bildet die Grundmenge, innerhalb deren Grenzen wir argumentieren wollen. Die im Sack enthaltenen 100 Kugeln teilen wir nun in mehrere Gruppen ein: 1. die dicken Kugeln, 2. die Kugeln normaler Größe. Haben wir zwei Kästen A und B, so legen wir in den ersten die 36 dicken Kugeln, in den zweiten die 64 normalen (Abb. 11.2). 11
6
r
8
3
J
17
9
ν
Β
A
14
12
b
64
36
14
6
ν
64
36
R Abb. 11.2
Β A Abb. 11.3
Da die Kugeln jedoch unterschiedlich - nämlich: rot, gelb, grün, blau und violett - gefärbt sind, unterteilen wir jeden Kasten noch einmal in jeweils 5 kleinere Kästchen. Die Anzahl der Kugeln, die in jedem der jetzt 10 Kästchen enthalten ist, ist in Abb. 11.3 angegeben. a) Begriff der Vereinigung Bilden wir die Vereinigung(smenge) aller Kugeln der Kästen A und B, so erhalten wir (Abb. 11.4) die Gesamtheit aller Kugeln unserer Grundmenge R:
Die Vereinigung ist durch die beiden schraffierten Flächen dargestellt. Abb. 11.4
Ein Thesen- und Erfolgsstück in zwei Akten. Anwendung
163
Wir können die Kugeln der Art A und Β jedoch auch für jede Art nach Farben ordnen: Ar U A, U Av U Ab U Ar = A ; Br U Β) U Bv U Bb U Br = B, wobei die Indizes die verschiedenen Farben bezeichnen (r = rot,/ = gelb, ν = grün, b = blau, ν = violett) und die Teilmengen von A und B, welche nur rote, gelbe etc. Kugeln enthalten, mit Af, Bf, Aj, Bf, etc. bezeichnet werden. Die Reihenfolge, in der die Vereinigung vorgenommen wird, kann man natürlich auch umkehren. Beispielsweise gilt: AUB=BUA = K; d.h. die Operation, die wir mit Vereinigung bezeichnen, ist kommutativ. Man kann auch partielle Vereinigungen bilden; z.B. {[(Ar U A¡) U Av] U Ab) U Ar = A oder Ar U {[{A, U Av) U Ab] U Ar} = A. Man sieht, daß die Operation der Vereinigung auch assoziativ ist. b) Begriff des Durchschnitts Wir wollen jetzt alle roten Kugeln betrachten: unter diesen gibt es 6 dicke Kugeln und 11 Kugeln normaler Größe. Bezeichnen wir die Menge aller roten Kugeln mit Er, dann gilt: Er = Ar U Br.
m
.
m
Der Durchschnitt ist durch eine kreuzweise Schraffur dargestellt. Abb. 11.5,
Abb. 11.6
Die Mengen Er und A haben verschiedene gemeinsame Elemente, die wir zu einer neuen Teilmenge Ar zusammenfassen können: Es gilt dann: Er Π A = Ar, wobei die Operation Durchschnitt heifit. Entsprechend gilt: Er U Β = Br. Man sieht sofort, daß auch die Operation des Durchschnitts kommutativ ist. Nehmen wir jetzt an, daß ein Teil der Kugeln aus Ton, der andere aus Plastik besteht. Wir führen eine weitergehende Sortierung ein, und unterteilen dazu jedes Kästchen nochmal mittels einer zusätzlichen Trennlinie (Abb. 11.7). Dabei stellen wir z.B. fest, daß Ev = Av U Bv = AVT U AVP U BVP U BVT,
Eins und eins ist eins
164
wobei wir mit Ανγ bzw. Avp jeweils die Teile des Kästchens Av bezeichnen, die Tonbzw. Plastikkugeln enthalten. Betrachten wir jetzt die Operation: (Α Π Ρ) Π Εν. Sie besteht darin, zunächst die Mengen A und Ρ zu schneiden, d.h. (Abb. 11.8, links) wir bestimmen alle Kugeln, die im Raum aßyS enthalten sind, und schneiden die so erhaltene Menge mit Ev, d.h. wir erhalten dann alle Kugeln, die im Kästchen abcd enthalten sind. Wir erhalten das gleiche Ergebnis,
32
32
21
15
r
5
6
3
3
J
4
4
2
1
V
9
8
4
5
b
6
8
9
3
V
8
6
3
3
64
36
Β
A
Abb. 11.7 wenn wir zunächst Ρ mit Ev schneiden (Abb. 11.8 rechts), d.h. aß'y'S bestimmen, und die so erhaltene Menge dann mit A schneiden, nämlich ebenfalls die Menge abcd. In beiden Fällen erhalten wir also die Menge Avp. Wir können also notieren: α
η (ρ η Εν) =
(Α
η
ρ)
η
ev,
was wiederum bedeutet, daß auch die Operation des Durchschnitts zweier Mengen assoziativ ist. Ρ Ρ
(α π ρ) η ε, λ η (ρ η ε.) Nur das Quadrat enthält alle drei Schraffierweisen Abb. 11.8 c) Zu berechnen sei nun Α
U (Ρ η
Ev) ;
Wir wollen zeigen, daß α
υ (ρ
η Εν) =
{Α
υ ρ)
η (Α
U
Ev).
Ein Thesen- und Erfolgsstück in zwei Akten. Anwendung
165
Aus den Abb. 11.9a und 11.9b ist ersichtlich, daß die Vereinigung in Relation zum Durchschnitt distributiv ist, eine im übrigen sehr bemerkenswerte Eigenschaft [z.B. ist die Addition in Relation zur Multiplikation nicht distributiv; denn es ist falsch, zu schreiben 7 + (3 χ 5) = (7 + 3) X (7 + 5)].
ΛυίΡηε,,) (a) Der gesamte Bereich (Vereinigung) ist schraffiert
(AVP)n
(A U EyJ
(»)
Der gemeinsame Bereich (Durchschnitt) ist kreuzweise schraffiert Abb. 11.9b
A n(P\JEv) Der gemeinsame Bereich (Durchschnitt) ist kreuzweise schraffiert Abb. 11.10a
(ΑΠΡ) U (AtìEv) Der gesamte Bereich (Vereinigung) ist schraffiert Abb. 11.10b
Wir wollen jetzt zeigen, daß auch der Durchschnitt in Relation zur Vereinigung distributiv ist, d.h., daß für drei Mengen L, M und Ν L η (M u Ν) = (¿ η M) u {L η Ν). gut. Als Beispiel zeigen wir folgendes: α η (ρ u Εν) = (α η Ρ) u (α η
ευ)
In der Abbildung 11.10a ist das Ergebnis der Operationen des linken Teils der obigen Gleichung dargestellt, während die Abbildung 11.10b das Ergebnis der Operationen des rechten Teils der Gleichung veranschaulicht. Man sieht, daß das Ergebnis in beiden Fällen das Gleiche ist.
166
Eins und eins ist eins
d) Satz von A.de Morgan Wir führen zunächst die Menge M einer Menge M ein. Sie ist definiert als die Gesamtheit aller Elemente, die zwar Bestandteil der Grundmenge jedoch nicht der Menge M sind. Beispielsweise
Abb. 11.11 haben wir in der Abbildung 11.11 alles, was zur Grundmenge, jedoch nicht zur Teilmenge Ev, gehört, schraffiert gekennzeichnet. Damit erhielten wir Ev. Sehen wir uns jetzt das Ergebnis von EvuP (Abb. 11.12) an: man sieht sofort, daß es mit dem der Operation EJ~\P (Abb. 11.13 und 11.14) übereinstimmt. Ebenso sieht man, daß (Abb. 11.15 und 11.16) £ , U Ρ = El Π P. Schreiben wir die oben gefundenen Beziehungen nebeneinander, £„ Π Ρ = El U Ρ und Ev U Ρ = E¿ Π Ρ, so bemerken wir die Symmetrie oder - wie man auch sagt - die Dualität zwischen den beiden Beziehungen. Diese Dualität bildet den Inhalt des Satzes von Morgan.
Û
M
Ψ*
!
Ε,,υ Ρ (entspricht dem schraffierten Gebiet)
(entspricht dem schraffierten Gebiet) Abb. 11.13
Abb. 11.12
Abb. 11.14
Abb. 11.15
ενΓ\ Ρ entspricht den kreuzweise schraffierten Gebieten Abb. 11.16
Allgemein gilt fur zwei Mengen L und M: L η M = L U Sì,
LO
Si = L U M,
L υ M = ι
LU
a = ζ, η
η A?,
μ.
B. Einführung universeller Elemente Vereinbarungsgemäß bezeichnet man die Grundmenge mit 1, d.h. R = 1. Alle Elemente, die nicht Bestandteil der Grundmenge sind, beschreiben bezüglich der betrachteten Objekte eine leere Menge, der man das Zeichen 0 zuordnen kann. Es gilt also: R = 0.
Ein Thesen- und Erfolgsstück in zwei Akten. Anwendung .
167
Betrachten wir die Grundmenge 1 und zwei Mengen A und B, die Bestandteile dieser Grundmenge sind und zwar so, daß Β eine Teilmenge von A ist, was man in der Form Β C A. schreibt, so sieht man, daß Β η A = Β und Β U Α = Α. ist. Den Sachverhalt, daß Β C. A ist, kann man auf zwei Arten beschreiben. Ι·Α
CT} Abb. 11.17
Abb. 11.18
Nehmen wir zunächst an, daß A mit der Grundmenge identisch ist (Abb. 11.18), so erhalten wir: Äfi^ = i n i
= 5,
Bezeichnen wir mit A jetzt eine leere Menge, so erhalten wir j η /( = i η o = o, i U /( = i υ o = i . Man sieht, daß 1 3 í D 0, i U ¿ = I
und
β Π 5 = 0
Ebenso sieht man, daß fiUJ
=
ä
und Β Π Β = Β. Schließlich kann man die Inklusion noch auf eine andere Art ausdrücken. (Abb. 11.19): A U Β = 1
und
Ä Π Β = 0.
Die letzten beiden Ausdrücke sind im Sinne von de Morgan wieder dual zueinander.
168
Eins und eins ist eins
C. Die binäre Algebra von Boole Wir betrachten eine Menge A einer gewissen Grundmenge R und ordnen jedem Element χ aus R eine charakteristische Funktion f(x) so zu, daß diese den Wert 1 annimmt, wenn χ ein Element aus A ist, und den Wert 0, wenn χ kein Element aus A ist.
Abb. 11.20 Der Abbildung 11.20 entnehmen wir, daß / ( * ) = I. Gegeben seien nun zwei Mengen A und Β so, daß deren nicht leerer Durchschnitt in der Grundmenge R liegt. Das Schema 1 der Abbildung 11.21 ist so, daß
fA{x) = 1, Mx)
= I,
und •FUnfiM = 1. Dem Schema 2 entnehmen wir: /A(X) = 1, Mx)
= 0
und
FAÇ\B(x) = 0,
= 0, fB(x) = 1
und
FA
dem Schema 3
Mx)
η B(X) = 0,
und schließlich dem Schema 4
Mx) = 0. Mx) Wir bemerken, daß FAOB(X)
=
M x )
= 0,
FA
η FL(x) = 0.
- M x )
wobei nach den gewöhnlichen Regeln der Multiplikation gilt: 1 - 1 = 1 1-0 = 0
0 - 1 = 0 0 - 0 = 0.
Abb. 11.21
Wir haben es hier mit dem bereits weiter oben eingeführten logischen Produkt zu tun: Tatsächlich enthält der Durchschnitt Elemente, die sowohl zu A als auch zu Β gehören. Mit anderen Worten: diese Elemente besitzen die beiden unterschiedlichen Eigenschaften von A, d.h. p, und von B, d.h. q, also ρ und q.
Ein Thesen- und Erfolgsstück in zwei Akten. Anwendung .
2
Abb. 11.22
3
169
4
Betrachten wir jetzt die Vereinigung von A und Β (Abb. 11.22). Unter den gleichen Bedingungen wie oben für die Werte f¿(x) und fß(x) erhalten wir dann: Fall 1: fA(x) = 1, ft,(x) = 1 ; F ^ u b « = 1 ; Fall 2: U(x) = 1, fn(x) = 0 ; Fa u b(x) = 1 ; Fall 3: fA(x) = 0, fn(x) = 1 ; Fa υ b(x) = 1 ; Fall 4: Mx) = 0, Mx) = 0 ; F^u b(x) = 0. Man sieht sofort, daß man die charakteristische Funktion einer Vereinigung nicht durch Summation der charakteristischen Funktionen der Mengen, die vereinigt werden, bestimmen kann. Man muß also eine neue Tabelle aufstellen, und zwar die der logischen Summe: 1 +
1 = 1
1 + 0 = 1
0 + 1
= 1
0 + 0 = 0.
Erinnern wir uns zum Verständnis dieser Tabelle einfach daran, daß die logische Summe der Elemente von zwei Mengen A und Β die Elemente beschreibt, welche entweder die Eigenschaft ρ (das Charakteristikum von A) oder die Eigenschaft q_ (das Charakteristikum von B) oder auch die Eigenschaften ρ und q zusammen besitzen (p oder q oder auch ρ und q =p und/oder q). Es ist wohl unnötig, auf die übrigen, jetzt offensichtlichen Beziehungen: A · A = A, A -i- A = A A + Ä = A · Ä = 0, A + 1 = 1, A • I = A A + 0 = Α, Λ · 0 = 0, näher einzugehen und wohl auch überflüssig, den Begriff der Inklusion A CB in der Logik manchmal Implikation nennt) näher zu erläutern:
(den man
Ä + Β = 1, A • 5 = 0. Im übrigen sind diese beiden Beziehungen durch den Satz von de Morgan miteinander verknüpft.
Abb. 11.23 Selbstverständlich sind die kommutativen, assoziativen und distributiven Gesetze auch bezüglich der binären Algebra von Boole gültig. Wir hoffen, daß diese wenigen Ausführungen dem Leser eine Einführung in die binäre Algebra Boole's oder die logische Algebra in . . . logischer Weise geboten haben.
170
Eins u n d eins ist eins
D. Anwendungen der Boole'schen Algebra Wie wir bereits sahen, kann die Boole'sche Algebra in der binären symbolischen Logik angewendet werden, in der die Prinzipien der Nichtwiderspriichlichkeit (Α · A = 0) und des ausgeschlossenen Dritten (Α +A = 1) gültig sind. Ihre wichtigsten Anwendungsbereiche liegen in der Synthese und Analyse von Kontaktketten, aus denen die industriellen Automaten und die numerischen Rechner aufgebaut sind. Sie wird bereits seit einer Reihe von Jahren bei der detaillierten Berechnung von Relais- oder Schaltwerken angewendet, selbst wenn es sich bei den logischen Bauelementen um Röhren, Halbleiter, Torusse, Paramétrons, etc. handelt. Damit nicht genug: Da die Boole'sche Algebra vorzüglich zur Darstellung kombinatorischer Phänomene geeignet ist, wird sie auch in der Unternehmensforschung verwendet, wobei sie häufig mit ganzzahligen Lösungen (Gitterpunkten) bei der linearen Programmierung im Zusammenhang gebracht wird.
12
Dolmetscher für Teotihuacan ( Perso na ι Deda rf sp la η u ng )
Teotihuacan (Mexiko). — Während des ganzen Jahres sind die Pyramiden dieses archäologischen Mekkas der Anziehungspunkt für viele Touristen, vor allem Amerikaner. Den noch aus der präkolumbianischen Zeit verbliebenen Überresten (der Sonnenpyramide, der Mondpyramide und anderen Monumenten) hat man eine Anzahl von Rekonstruktionen hinzugefügt. Alles in allem bilden diese Monumente einen der hauptsächlichen archäologischen Schätze der Gegend um Mexiko. Für die ausländischen Touristen führt die Gesellschaft Las Tres Estrellas seit vielen Jahren tägliche Rundfahrten mit Teotihuacan als Hauptattraktion durch. Die Gesellschaft Las Tres Estrellas entleiht nun die Busse einschließlich Fahrer von einem hierzu spezialisierten Unternehmen, wirbt mehrsprachige Führer an und stellt all dies den Touristen zur Verfügung. Die mehrsprachigen Führer werden entweder monatlich oder fest angestellt; ihr Gehalt und die sonstigen Kosten belaufen sich pro Tag auf 41 Pesos. Da die festangestellten Führer 5 1/2 Tage pro Woche arbeiten, kostet jeder Arbeitstag 52 Pesos. Manchmal erhöhen die Dolmetscher ihr Gehalt, indem sie mit den Verkäufern von Caritas1 kleine Absprachen treffen; das behaupten jedoch nur die Touristen, denen man sicher auch nicht mehr glauben darf als den Führern. Die Anzahl der festangestellten Führer ist so groß, daß täglich 5 von ihnen zur Verfügung stehen. Werden einmal mehr als 3 mehrsprachige Führer benötigt, so stellt man fur jeweils einen Tag eine entsprechende Anzahl Aushilfskräfte ein, die pro Tag 70 Pesos kosten. Es kann nun vorkommen, daß wegen fehlender Aushilfskräfte eine Rundfahrt ausfallen muß; den dadurch entstandenen Verlust setzt die Gesellschaft mit 400 Pesos an. Wieviel mehrsprachige Führer soll die Gesellschaft nun fest anstellen, damit die gesamten Kosten möglichst gering sind? Die Anzahl der Busse und Fahrer ist nicht beschränkt. Zur Untersuchung einer derartigen Problemstellung benötigt man zunächst eine be bestimmte Anzahl statistischer Werte: — 1
täglicher Bedarf an mehrsprachigen Führern; tägliches Angebot an Aushilfskräften. Das sind kleine Statuen aus Stein, von denen die zahllosen Verkäufer in Teotihuacan steif und fest behaupten, daß sie alle aus präkolumbianischer Zeit stammen. In Wirklichkeit werden die Caritas jedoch von zeitgenössischen Künstlern hergestellt, die die wenigen, wirklich antiken Modelle kopieren. Die Kopien sind jedoch ebenso hübsch wie die Originale, denn als Künstler stehen die Mexikaner von heute ihren Vorfahren in nichts nach.
Dolmetscher für Teotihuacan
172
Man ist übereingekommen, bei den Statistiken die Wochen- und Sonntage zwar bezüglich des Angebots jedoch nicht bezüglich des Bedarfs getrennt zu erfassen. Berücksichtigt man den saisonalen Einfluß auf den Bedarf und das Angebot, so erhält man, wenn man sich auf die vier Monate des größten Touristenandranges beschränkt, die folgenden Tabellen, deren Häufigkeiten als Wahrscheinlichkeiten aufgefaßt werden können. Tabelle 12.1 Täglicher Bedarf an mehrsprachigen Führern.
(1)
Bedarf
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
(2)
Häufigkeit
2
4
4
8
10
12
12
12
10
10
8
6
2
(3)
Wahrscheinlichkeit
(4)
Kumulierte Wahrscheinlichkeit
0,02 0,04 0,04 0,08 0,10 0,12 0,12 0,12 0,10 0,10 0,08 0,06 0,02
0,02 0,06 0,10 0,18 0,28 0,40 0,52 0,64 0,74 0,84 0,92 0,98
1
Die Häufigkeiten erhält man unter Zugrundelegung eines Zeitraumes von 100 Tagen während der Hauptreisezeit. Daraus folgen dann die in den Zeilen (3) und (4) angegebenen Wahrscheinlichkeiten. Die Mittlere Nachfrage ist 10,32. Tabelle 12.2 Angebot an Aushilfskräften (in der Woche).
(1)
Angebot (Wochentag) . . .
0
1
2
3
4
5
6
7
(2)
Häufigkeit
3
9
15
20
22
14
10
7
(3)
Wahrscheinlichkeit
0,03
0,09
0,15
0,20
0,22
0,14
0,10
0,07
(4)
Kumulierte Wahrscheinlichkeit
0,03
0,12
0,27
0,47
0,69
0,83
0,93
1
Die Häufigkeiten erhält man auf der Grundlage von 100 Wochentagen während der Hauptreisezeit. Daraus folgen dann wieder die in den Zeilen (3) und (4) angegebenen Wahrscheinlichkeiten. Das mittlere Angebot während eines Wochentages ist 3,66.
Wir zeigen jetzt, wie man die optimale Anzahl S* aller festangestellten Führer mit Hilfe der Simulation bestimmen kann. Anschließend werden wir ein analytisches Verfahren anwenden. Eigentlich ist für unser Beispiel letzteres empfehlenswert. Da wir die Simulation jedoch an einem einfachen Problem erläutern wollen, werden wir es aus pädagogischen Gründen an Hand dieses Beispiels tun.
Personalbedarfsplanung
173 Tabelle 12.3 Angebot an Aushilfskräften (sonntags).
(1)
Angebot (Sonntag)
0
1
2
3
4
5
6
7
(2)
Häufigkeit
7
13
14
9
4
2
1
0
(3)
Wahrscheinlichkeit
0,14
0,26
0,28
0,18
0,08
0,04
0,02
0
(4)
Kumulierte Wahrscheinlichkeit
0,14
0,40
0,68
0,86
0,94
0,98
1
1
Die Häufigkeiten erhält man bei der Betrachtung von 50 Sonntagen während eines Jahres. (Das sonntägliche Angebot unterliegt keinem Saisoneinfluß.) Das mittlere Angebot an Sonntagen beträgt 1,96.
Zur Simulation werden wir uns einige Geschichten ausdenken, die dann jeweils den Geschäftsverlauf einer Woche darstellen. Hierzu müssen wir uns zunächst eine Folge gleichwahrscheinlicher Zahlen besorgen. Das sind Zahlen, die irgendwie ausgelost werden und wo das Los auf jede Zahl mit gleicher Wahrscheinlichkeit fallen kann. Um nun eine Folge gleichwahrscheinlicher Zahlen zu bestimmen, kann man ein Glücksrad benutzen, welches 10 völlig gleichartige Sektoren, die von 0 bis 9 durchnumeriert sind, besitzt. Das Glücksrad soll perfekt sein, d.h. das Ergebnis eines jeden Versuches ist unabhängig von dem des jeweils vorhergehenden. Durch
Drehen des Glücksrades können wir nun z.B. die folgende Ziffernfolge erhalten: 5 6 6 3 8 7 0 0 5 4 1 9 4 2 7 2 4 8 1
137...
Stellen wir 1 000 solcher Zufallsexperimente an, so erhalten wir 1 000 Ziffern, wobei wir ungefähr 100 mal eine Null, 100 mal eine Eins, 100 mal eine Z w e i , . . . , 100 mal eine Neun erhalten. Daraus schließen wir, daß sich die beobachteten Häufigkeiten umsomehr den theoretischen Häufigkeiten annähern, je größer die Anzahl der durchgeführten Zufallsexperimente wird. Um in der Praxis derartige Zahlenfolgen zu erhalten, benutzt man jedoch arithmetische Methoden, elektronische Rechner oder auch physikalische Prozesse. Tatsächlich gibt es Tafeln mit 100 OOOen gleichverteilter Ziffern. Aus einer solchen Tafel geben wir im folgenden einen Auszug wieder:
174
Dolmetscher für Teotihuacan
4 7 1 7 2 2 9 4 6 7 0 3 3 9 7 2 7 1 6 7 5 3 4 3 9 7 3 0 9 8 6 0 2 7 1 7 7 3 9 7 8 1 3 1 0 0 3 9 2 5 4 5 7 2 8 7 1 6 0 3 9 5 4 1 9 3 0 1 0 9 8 5 6 8 7 0 2 0 8 3 3 1 0 8 9 2 3 8 3 1 7 3 6 7 0 8 8 1 8 7 4 2 4 7 9 8 0 0 0 3 7 2 3 2 5 5 5 1 0 3 8 1 6 9 7 6 1 2 9 9 8 3 3 0 6 7 7 9 4 7 6
191
6 2 3 6 1 5 9 1 0 5 3 9 3 3 8 5 9 3 5 8 6 3 1 9 3 1 5 5 8 6 5 7 6 9 5 8 6 8 4 9 9 4 2 3 0 8 3 8 3 8 7 5 2 1 6 3 6 4 5 6 3 0 2 8 4 3 4 5 5 7 7 9
Es ist offensichtlich, daß die Zahlen, die aus jeweils zwei Ziffern gebildet werden, eine Wahrscheinlichkeit von 1/100, und die, die aus jeweils drei Ziffern gebildet werden, eine solche von 1/1 000 besitzen. Ausgehend von einer Folge gleichverteilter Zufallszahlen, kann man Beispiele für Zufallszahlen so finden, daß beliebige Gesetze der Wahrscheinlichkeitslehre gültig sind. Hierzu genügt es, die bereits behandelten Gesetzmäßigkeiten für Verteilungen anzuwenden. Wir werden das jetzt anhand des Beispiels der mehrsprachigen Führer für Teotihuacan vorführen. Um nun Zahlenbeispiele für eine Nachfrage, deren Verteilungsfunktion der in Tabelle 12.1 angegebenen entspricht, zu erhalten, werden wir entsprechend der in Zeile (4) von Tabelle 12.1 beschriebenen Gesetzmäßigkeit vorgehen. Beispielsweise entspreche eme Nachfrage der Höhe 4 jeder der Zahlen 00 und 01, die wir aus der obigen Tafel gleichverteilter Ziffern erhalten können, wenn wir jeweils zwei Ziffern paarweise betrachten; eine Nachfrage der Höhe 5 jeder Zahl zwischen 02 und 05 einschließlich; eine Nachfrage der Höhe 6 jeder Zahl zwischen 06 und 09 einschließlich; e t c . . . . Auf diese Weise erhalten wir dann die Tabelle 12.4, in der die in Tabelle 12.1 angegebenen Häufigkeiten berücksichtigt sind. In der gleichen Weise gehen wir vor, um Tabellen für das Angebot an Aushilfskräften, und zwar fur die Wochen- und Sonntage getrennt, aufzustellen. DJi. wir gehen von den Tabellen 12.2 und 12.3 aus, um die Tabellen 12.5 und 12.6 zu erhalten. Wir sind nun in der Lage, das Zusammenspiel zwischen Angebot und Bedarf zu simulieren. Betrachten wir beispielsweise eine Folge zweiziffriger Zahlen, die wir aus der ersten Zeile unserer Zufallszahlen tabelle entnehmen: 47 - 17 - 22 - 94 - 67 - 03 - 39 . Der Tabelle 12.4 entnehmen wir, daß diese Folge den folgenden Werten für den Bedarf entspricht: 10-7-8-15-12-5-9. Zur Berechnung des Angebots gehen wir genauso vor, wobei wir jedoch von der zweiten Zeile unserer Zufallszahlentabelle ausgehen wollen: 73 - 97 - 81 - 31 - 00 - 39 - 25 .
Personalbedarfsplanung Tabelle 12.4
Tabelle 12.5
Zufallsexperiment bezüglich des Bedarfs
Gleichwahlscheinliche Zufallszahl
175 Tabelle 12.6
Zufallsexperiment bezüglich des Angebots (Wochentag)
Bedarf
Zufallsexperiment bezüglich des Angebots (Sonntag)
Gleichwahrscheinliche Zufallszahl
Angebot
Gleichwahrscheinliche Zufallszahl
Angebot
00 oder 01
4
00 bis 02
0
00 bis 13
0
02 bis
05
5
03 „
11
1
14 „
39
1
06 „
09
6
12 „
26
2
40 „
67
2
10 „
17
7
27 „
46
3
68 „
85
3
18 „
27
8
47 „
68
4
86 „
93
4
28 „
39
9
69 „
82
5
94 „
97
5
40 „
51
10
83 „
92
6
98 „
99
6
52 „
63
11
93 „
99
7
64 „
73
12
74 „
83
13
84 „
91
14
92 „
97
15
98 oder 99
16
Für die ersten 6 Zahlen finden wir in Tabelle 12.5 das folgende Angebot fur Werktage: 5 - 7 - 5 - 3 - 0 - 3 . Bezüglich der 7.Zahl müssen wir in Tabelle 12.6 nachsehen, wo wir dann den Wert 1 fur das Angebot am Sonntag finden: 1; Fassen wir zusammen, so ist festzustellen, da£ wir bereits dsn Ablauf einer Woche simuliert haben. Simulieren wir jetzt in gleicher Weise eine große Anzahl von Wochen und führen wir mit den so erhaltenen Zahlenwerten eine statistische Untersuchung durch, so werden wir relative Häufigkeiten erhalten, deren Werte denen der angegebenen Wahrscheinlichkeiten sehr nahe kommen.
176
Dolmetscher für Teotihuacan
Nachdem wir so eine Woche simuliert haben, werden wir die Kosten dieser Woche berechnen. Dazu nehmen wir an, das Unternehmen hätte beschlossen, täglich 2 10 festangestellte Führer zur Verfügung zu haben. Wir erhalten dann die Tabelle 12.7. Tabelle 12.7
Überschuß
Angebot
Anzahl an Aushilfskräften
Ausfälle
Kosten für Festangestellte
Mo
10
47
10
0
73
5
0
0
520
0
0
520
Di
10
17
7
0
97
7
0
0
520
0
0
520
Mi
10
22
8
0
81
5
0
0
520
0
0
520
Do
10
94
15
5
31
3
3
2
520
210
800
1 530
Fr
10
67
12
2
00
0
0
2
520
0
800
1 320
Sa
10
03
5
0
29
3
0
0
520
0
0
520
So
10
39
9
0
25
1
0
0
520
0
0
520
Gesamtkosten
Bedarf
Ä;
Ausfallkosten
ξ
Tag
Kosten für Aushilfskräfte
Verfügbarkeit
1.Woche — S3 = 1 0
Gesamt: 5 450 In ähnlicher Weise können wir natürlich auch 100 Wochen simulieren. Mit diesen Zahlenwerten könnten wir dann die mittleren Kosten und die Standardabweichung der Kosten bestimmen. Schließlich berechnet man eine ähnliche Tabelle und simuliert wieder 100 Wochen für jeweils unterschiedliche S: 8 , 9 , 11, 12,13, etc. Die Tabellen 12.8 und 12.9 geben die Simulationsergebnisse für die gleiche Woche wie oben, auf der Grundlage der Tabelle 12.4, jedoch mit S = 9 im einen und S = 11 im anderen Fall, wieder. Simuliert man 100 Wochen und rechnet für alle Werte von S = 8 , 9 , 10,11, 12, 13,14 und 15, so ergibt sich, daß die Kosten für 5 = 1 2 minimal werden. 4 Sie betragen 4 860 Pesos pro Woche. 2 3
Berücksichtigt man die Verfügbarkeit eines jeden festangestellten Führers (51/2 von 7 Tagen), so würde man das gleiche Ergebnis erhalten, wenn man die Berechnungen aufgrund der Gesamtzahl aller einzustellenden Führer vornähme. S gibt die Anzahl der täglich verfügbaren festangestellten Führer an.
4
12x7 Das bedeutet eine feste Anstellung von - τ - τ — w 15 Führern.
Personalbedarfsplanung
177 Tabelle 12.8
Angebot
Anzahl an Aushilfskräften
Ausfälle
Kosten für Festangestellte
47
10
1
73
5
1
0
468
70
0
538
Di
9
17
7
0
97
7
0
0
468
0
0
468
Mi
9
22
8
0
81
5
0
0
468
0
0
468
Do
9
94
15
6
31
3
3
3
468
210
1 200
1 878
Fr
9
67
12
3
00
0
0
3
468
0
1 200
1668
Sa
9
03
5
0
39
3
0
0
468
0
0
468
So
9
39
9
0
25
1
0
0
468
0
0
468
Gesamtkosten
Überschuß
9
Ausfallkosten
Bedarf
Mo
Kosten für Aushilfskräfte
Tag
Verfügbarkeit
1.Woche — 5 = 9
Gesamt: 5 956 Tabelle 12.9
Überschuß
Angebot
Anzahl an Aushilfskräften
Ausfälle
Kosten für Festangestellte
Mo
11
47
10
0
73
5
0
0
572
0
0
572
Di
11
17
7
0
97
7
0
0
572
0
0
572
Mi
11
22
8
0
81
5
0
0
572
0
0
572
Do
11
94
15
4
31
3
3
1
572
210
400
1 182
Fr
11
67
12
1
00
0
0
1
572
0
400
972
Sa
11
03
5
0
39
3
0
0
572
0
0
572
So
11
39
9
0
25
1
0
0
572
0
0
572
Gesamtkosten
Bedarf
¡ξ
Ausfallkosten
ξ
Tag
Kosten für Aushilfskräfte
Verfügbarkeit
1 .Woche — S = 11
Gesamt: 5 014
Dolmetscher für Teotihuacan
178
Ol £ ÎR Li I ^
Ο Ο r-»
II Ρ » I s
"o cu
§
f, . ¿« o OQ
c
£
to
rp
ε
ν
ΚJ
ρ Q. S) ^ Q
O rx ·0 2 Η Η·
•Η
(S
(Ί
,.
Ο Ο ^ co
Personalbedarfsplanung
179
Für eine vollständige Simulation benötigt man mit einem mittleren elektronischen Rechner wenige Minuten und mit einem kleinen Tischrechner ein oder zwei Stunden. Generell sollte die Simulation nur bei wesentlich komplexeren Fällen als d e m hier geschilderten angewendet werden, w e n n nämlich die analytischen Methoden nur sehr schlecht oder gar nicht anwendbar sind. Wenn wir zur Lösung des vorliegenden Problems simuliert haben, dann nur deshalb, weil wir die Vorteile eines einfachen Beispiels nutzen wollten. Es wird jetzt interessant sein, zu zeigen, wie unser Problem analytisch gelöst werden kann. Simulation und Analyse Wir nennen X die Zufallsvariable, welche den täglichen Bedarf darstellt, und p(x) die Wahrscheinlichkeit für diesen Bedarf x, wobei χ wie in Tabelle 12.1 die Werte * = 4 , 5 , 6 , . . . , 16 annehmen kann. Die Wahrscheinlichkeit für alle anderen Werte χ ist gleich Null. Mit Y bezeichnen wir die Zufallsvariable zur Beschreibung des täglichen Angebots an Aushilfskräften und mit ·?i(0) + ( 2 (3) · X I 5 ) · [ 9 i ( 0 ) +
+
(4) · X I 6 ) · foi(0) +
g i ( y ) = ( 1 )
1 χ 0,10 χ 0,03 +
2 χ 0,08 χ 0,12 + +
) ?1
· (1) +
?i(l) +
'
+
[ ? i ( 0 )
?1
(2)]
qi(2)
3 χ 0,06 χ 0,27 4 χ 0,02 χ 0,47 =
+
? i ( 1 ) ]
?i(3)[ 0,1084
zu berechnen. Damit erhalten wir dann: A(12) =
624 +
Setzen wir jetzt qi(y) A(12) =
70 X 0,4116 — 330 X 0,0504 + 4 0 0 X 0,1084 = anstatt q^fy)
784,512 Pesos,
ein, so erhalten wir
679,540.
182
Dolmetscher für Teotihuacan
woraus dann endlich Γ*{ 12) = 6 /i(12) + A(12) = 4 861,752 Pesos. folgt. Um nun unser optimales S bezüglich der mittleren Gesamtkosten einer Woche Γ*(S) zu bestimmen, führen wir die gleichen Rechnungen für S = 8, 9, 1 0 , . . . , 14, 15 durch und stellen fest, daß 5 = 1 2 optimal ist. Man kann dieses Optimum auch mit einer anderen, weniger langwierigen, dafür aber auch weniger exaktén Methode finden: der Marginalanalyse, die wir schon beim Problem des Zeitungsverkäufers anwendeten. Wir nehmen an, daß das Unternehmen an jedem Tag S festangestellte Führer zur Verfügung hat. An jedem Tag kann sich dann eine der drei folgenden Situationen ergeben: a) Die festangestellten Führer reichen zur Bedienung der Nachfrage aus: Wahrscheinlichkeit: 1 - P(S + 1), mit CO
P(S + 1) = 2 ito r-S+1 b) Die festangestellten Führer reichen nicht zur Bedienung der Nachfrage aus; es können jedoch genügend Aushilfskräfte engagiert werden: Wahrscheinlichkeit: 00 2 P( U + S) ' ßl("), li-l mit
öi(") = 29i(r)' CO
r—*
wobei u die für eine vollständige Bedienung der Nachfrage notwendige Zahl an Aushilfskräften beschreibt. c) Die festangestellten Führer reichen nicht aus, und es können nicht genügend Aushilfsführer engagiert werden. Damit hat man einen Fehlbestand von mindestens einem Führer: Wahrscheinlichkeit: oo
2 Λ» + S) • [1 1Í-1
ßi(w)]
oo
= P(S + 1) -
2 / * " + 5) · ßi(«) . u-l
Stellt man jetzt einen Führer zusätzlich fest ein, so beträgt die Anzahl der festeingestellten Führer 5 + 1 . Damit ergibt sich eine Kostenänderung von: 1. 2. 3.
+Ci, - C2, -C3,
in jedem Fall nur im Fall b); denn man benötigt einen Aushilfsführer weniger nur im Fall c); denn da sich die Anzahl aller Führer um eins erhöht, verringert sich der Fehlbestand um eine Einheit.
Personalbedarfsplanung
183
Der Erwartungswert der Kosten ändert sich also gemäß: ® ΔΛ(5)
= Ci -
C2 2 Ρ(- + S) «-ι
-
öi(")
Cs |P(S + 1) -
J
/*« + S) · ßi(«)]·
11-1
*
Um das Optimum zu bestimmen, stellen wir nun zunächst fest, daß 1)
P(S + 1)
eine in S fallende Funktion, CO
2)
+ S) • ß,(i.) u-l
eine Funktion ist, deren Eigenschaften von p(x) und q\ty) abhängen. Daraus folgt, daß Γ ι (S) nicht notwendigerweise konvex ist. 5 Eine kurze Rechnung ergibt:
S P(S +
1)
7
8
9
10
11
12
13
0,82
0,72
0,60
0,48
0,36
0,26
0,16
0,4074
0,4114
0,3844
0,3418 0,2778 0,2218 0,1500
14
15
0,08 0,02
16
0
oo + 'S)· öi(»)
tt-1 Δ(Λ5)
— 141,5 — 1 0 0 , 2 — 61 — 2 7 , 2 — 0 , 4 +
für S = 1 1 , Δ Λ < 0, für S = 12, Λ?ι > 0,
also also
21,1 +
37,5
Γ,(12) < Λ(11). Γχ(12) < Γ,(13).
Bezüglich der Wochentage ist also der Wert S = 12 optimal. Eine gleichartige Berechnung ergibt für Sonntage:
ΔΓ2(11) = — 32,2, ΔΓ2(12) = — 0,5, ΔΓ2(13) = 24,7, woraus sich das Optimum für S = 13 ergibt. Mit
ΔΓ*(5) = 6 Δ Λ (S) + Δ A(5) ; kann man nun auch die Woche insgesamt betrachten.
5
Das fUhrt manchmal zu Schwierigkeiten bei der Anwendung der Marginalanalyse; jedoch nicht in unserem Fall.
D o l m e t s c h e r für T e o t i h u a c a n
184 Man erhält dann: ΔΓ*(11) ΔΓ*(12)
= 6 χ ( - 0,4) + ( - 32,2) = 6 χ 21,1 + ( - 0,5)
= — 34,6, 126,1, =
ΔΓ*(13)
= 6 χ 37,5
=
+ 24,7
249,7 ;
woraus folgt, daß 5 = 1 2 auch dann noch optimal ist, wenn man die Sonntage in die Rechnung mit einbezieht. Wie man sieht, verlangt auch die Marginalanalyse einen erheblichen, wenn auch stark vereinfachten, Rechenaufwand. Reale Probleme sind im allgemeinen jedoch wesentlich komplexer, weshalb oft die Simulation benutzt wird. Trotzdem raten wir denen, die an solchen Problemstellungen interessiert sind, zunächst ihre analytischen Untersuchungen möglichst weit voranzutreiben, auch wenn sie sich letztlich dazu entschließen, eine Simulation anzuwenden. Eine sorgfältige mathematische Analyse wird ihnen nämlich vermeiden helfen, in eine der zahlreichen Schwierigkeiten zu geraten, die sich fast immer hinter den mit wahrscheinlichkeitstheoretischen und statistischen Begriffen verbundenen Problemen verbergen. Wenn Sie jetzt also nach Mexiko fahren, dann besuchen Sie die erhabenen Denkmäler von Teotihuacan, diese letzten Zeugen einer alten und großartigen Kultur. Aber suchen Sie nicht nach den Bussen der Gesellschaft Las Tres Estrellas; es handelt sich hierbei um einen frei erfundenen Namen. Glücklicherweise haben die für Touristen wirklich existierenden Reiseunternehmen jedoch genauso hübsche Namen!
13
Der Triumph des Denis-Papin (Einführung in die lineare Programmierung.)
In der Energiewirtschaft könnte vielleicht bald das Atom triumphieren; für Reisen steht vielleicht der Triumph der Rakete bevor und für den Straßenverkehr vielleicht des Schusters Rappen. Aber ein Triumph ist wohl unbestritten: der νon Denis-Papin bei den französischen Hausfrauen. Da jetzt die ganze Familie in Zeitdruck ist, sind der Dampfkochtopf und die Dampfkaffeemaschine für jeden Haushalt unentbehrlich geworden. Wer Druck sagt, meint Dampf für Küchenprobleme. Und trotz der Vorwürfe, die von Dr.Edouard de Pomiane, dem König der wissenschaftlich geführten Küche, erhoben werden, ist ein wahrer Begeisterungstaumel für die berühmten Dampfkochtöpfe festzustellen... 1 Die Gesellschaft Denis-Papin, Sohn, Enkel & Co. produziert den Dampfkochtopf A und die automatische Dampfkaffeemaschine B. Die hauptsächlichen Arbeitsgänge für beide Produkte sind: — Stanzen — Biegen — Montage. Diese Arbeitsgänge sind jedoch leider gewissen Beschränkungen unterworfen. So stehen für die kommende Woche lediglich die folgenden Kapazitäten für das eine oder das andere Produkt zur Verfügung: Produktionskapazität
(in Stück)
Dampfkochtopf A
Stanzen Biegen Montage Dampfkochtopf Montage Dampfkaffeemaschine
25 000 33 333 22 500
Danipíka'Uv maschine Β
35 000 16 667 —
15 000
Die Nachfrage ist praktisch unbegrenzt; die Auftragsbücher sind also randvoll (vielleicht sagen wir besser: unter Druck). 1
Natürlich hatte der leider zu früh verstorbene Dr.de Pomiane nichts an einer im Dampfkochtopf zubereiteten Kohlsuppe mit gepökeltem Rindfleisch auszusetzen.
186
Der Triumpf des Denis-Papin
Die Firma erzielt pro Dampfkochtopf 15 F und pro Dampfkaffeemaschine 12,5 F Gewinn 2 . Mit χ ι bzw. x 2 bezeichnen wir die Anzahl der im Lauf der nächsten Woche zu produzierenden Dampfkochtöpfe bzw. Dampfkaffeemaschinen. Die Prozentsätze der Gesamtkapazitäten 3 , die zur Fertigung von jeweils einer Produkteinheit benötigt werden, sind im folgenden Schema aufgeführt:
Dampfkochtopf A Stanzen Biegen Montage A Montage Β
0,004 0,003 0,00444 0
Dampfkaffeemaschine Β 0,00286 0,006 0 0,00667
Wie man leicht an Hand des Schemas der Produktionskapazität berechnen kann. Welche Anzahl Dampfkochtöpfe und/oder Dampfkaffeemaschinen muß man unter den geschilderten Umständen produzieren, um den größtmöglichen Gewinn zu erzielen? Die Gleichungen zur Formulierung der Kapazitätsbeschränkungen können leicht an Hand unserer Tabelle formuliert werden: Stanzen:
0,004 χχ + 0,00286 xz < 100
Biegen:
0,003 xi + 0,006 xz
< 100
Montage A:
0,00444 x\
2,
XI + X2 > 3, 3 X2 > 2, mit der zu minimierenden Zielfunktion F = 20 χι + 40 X2 und Nichtnegativitätsbedingungen bezüglich aller Variablen. Schreiben wir dieses Programm in schematischer Form auf, so kann man zeigen, daß diesem primalen Programm ein duales Programm entspricht, welches sich unmittelbar aus dem Schema ablesen läßt, und das in folgender Form geschrieben wird: yi + yz < 20, y2 + 3 y3 « 40,
E i n f ü h r u n g in die lineare Programmierung
197
mit der zu maximierenden Zielfunktion Φ = 2 yi + 3 y2 + 2
yi
1
0
.w
1
1
0
3
20
40
A OP
Jedes dieser Programme kann graphisch gelöst werden. Den Abb. 13.3a und 13.3b entnehmen wir, daß der Zielfunktionswert
a) Primales Programm: Als Lösung kommen nur die Ecken A oder Β in Frage; die Richtung der Zielfunktion zeigt, daß A die Lösung ist, mit x ¡ = 7/3, Χι = 3/3 b) Duales Programm: Die Richtung der Fläche D zeigt, daß die Ecke Ρ Lösung ist, mit y ι = 0 , ^ 2 = 20, y 3 = 20/3 Abb. 13.3 der Lösung des primalen Programms sich zu F = 20 χ (7/3) + 40 X (2/3) = 220/3, und der des dualen Programms sich ebenfalls zu Φ = 2 χ 0
+ 3χ20
+ 2 χ
(20/3) = 220/3.
ergibt. Beide Programme haben also die Eigenschaft, den gleichen Zielfunktionswert im Optimum anzunehmen.
Der Triumpf des Denis-Papin
198
Hätten wir die vollständige Formulierung der Programme mit ihren Schlupfvariablen hingeschrieben, nämlich: xi — X3 = 2 xi + X2 — X4 = 3 3 X2 — xs = 2
ι
yi + y2 + yt =20 >2 + 3 >>a + >>5 = 40
so hätte man für das Primale erhalten: Werte der Variablen:
= 7/3,
Grenzkosten:
Δ2 = 0, A3 = 0,
Δ\ = 0,
x2 = 2/3,
x3 = 1/3, Xi = 0, zl4 = 20,
x5 = 0
zJ5 = 20/3
und für das Duale: Werte der Variablen:
yi = 0, y2 = 20, y3 = 20/3, y4 = 0, y5 = 0
Grenzkosten: Δ[ = 1/3, Δί = 0, Δζ = 0, J 4 ' = 7/3, ids = 2/3 Das zeigt, daß die Variablen des einen Programms die gleichen Werte wie die Grenzkosten des anderen annehmen, und umgekehrt. Die ökonomische Interpretation des Dualen eines linearen Programms ist nicht immer sofort einsichtig, weshalb wir diesen Gesichtspunkt nicht behandeln wollen.
14
Libre oder Completo (Entscheidungsregeln bei Ungewißheit)
An den großen Touristenstraßen Mexikos gibt es heutzutage die gleichen Motels wie in den USA; sie erfreuen sich großer Beliebtheit, sind jedoch nicht sehr zahlreich. Wenn Sie sich also einmal der Stadt Mexiko City nähern, dann sollten Sie auf die Schilder Libre oder Completo achten, die stets an der Front dieser Gebäude angebracht sind. Wie man sich denken kann, werden die Motels hauptsächlich von Gringos aufgesucht, jedoch beginnen inzwischen auch die Mexikaner diese Einrichtungen schätzen zu lernen. Deshalb entschließt sich unser Freund Salvador Amoldo, seine Ersparnisse in den Betrieb eines Motels vor den Toren der Hauptstadt zu investieren. Salvador hat einige Millionen Pesos zur Verfugung. Für 250 000 Pesos hat er bereits schönes Gelände am Rande der Straße gekauft um dort ein Motel zu errichten. Er weiß nur noch nicht, ob er es mit 20, 30,40 oder 50 Zimmern ausstatten soll. Ein Kostenvoranschlag hat folgenden Inhalt: 1. Teil der jährlichen Kosten, der unabhängig von der Anzahl S der zu errichtenden Zimmer ist. Erschließung des Geländes: 100 000 Pesos. Es wird unterstellt, daß die gebauten Anlagen 10 Jahre lang betrieben werden können. Daraus ergibt sich dann eine Aufteilung der fixen Gesamtkosten auf 10 Jahre. D Ji. der hieraus resultierende jährliche Kostenanteil beläuft sich auf 10 000 Pesos Ausgaben für Reparaturen und Wartung. Es wird angenommen, daß diese Kosten aus einem fixen, von der Anzahl der Zimmer unabhängigen, Teil und einem variablen, der Anzahl der Zimmer proportionalen Teil, bestehen. Für den fixen Anteil ergäben sich jährlich 1 500 Pesos 1 Nachtwächter (15 Pesos täglich); d.h. einschließlich verschiedener sonstiger Zuwendungen jährlich 6 000 Pesos 1 Hausmeister (20 Pesos täglich); d.h. einschließlich sonstiger Zuwendungen jährlich 8 000 Pesos Der Kaufpreis des Geländes bleibt unberücksichtigt, da sein Wert annähernd in dem gleichen Maße wie ein entsprechendes zum üblichen Satz verzinstes Kapital anwächst. Damit belaufen sich die jährlichen fixen Kosten auf insgesamt
25 000 Pesos
200
Libre o d e r C o m p l e t o
2. Teil der jährlichen Kosten, der proportional mit der Anzahl S der zu errichtenden Zimmer anwächst S =
20
30
40
Bau, Dekoration und Möblierung der Zimmer Ein Zimmer kostet 40 000 Pesos. Nimmt man eine jährlich gleichbleibende Abschreibung bei einer Lebensdauer von 10 Jahren an, so erhält man für die verschiedenen Möglichkeiten
80 000
120 000
160 000
200 000
Für jeweils 10 Zimmer wird ein Zimmermädchen benötigt. Bei jährlichen Kosten von 6 000 Pesos ergeben sich somit
12 000
18 000
24 000
30 000
3 000
4 500
6 000
7 500
500
750
1 000
1 250
95 000
143 250
191 000
238 750
Die variablen Kosten fur Wartung und Reparaturen betragen 150 Pesos pro Zimmer und Jahr, d.h. insgesamt
50
Feuerversicherung (25 Pesos pro Zimmer und Jahr) Insgesamt
3. Jährliche Kosten, die von der Anzahl R der belegten Zimmer abhängen1 R=
0
10
20
30
40
50
0
18 000
36 000
54 000
72 000
90 000
und Zimmer)
0
18 000
36 000
54 000
72 000
90 000
Insgesamt
0
36 000
72 000
108 000
144 000
180 000
Wäsche, Reinigung (5 Pesos pro Tag und Zimmer) Elektrizität, Gas und Wasser (5 Pesos pro Tag
Andererseits können die voraussichtlichen Einnahmen wie folgt beziffert werden:
1
Zur Vereinfachung wollen wir für R nur die Werte 0, 10, 20, 30, 40 und 50 betrachten.
Entscheidungsregeln bei Ungewißheit
201
Mieteinnahmen Das mexikanische Fremdenverkehrsbüro erlaubt Mietpreise von 60 Pesos pro Tag und Zimmer. Dementsprechend können in Abhängigkeit von R die folgenden Einnahmen erzielt werden: R= Einnahmen
0
10
20
30
0 219 000
438 000
657 000
40
50
876 000 1 095 000
Stellt man die oben angegebenen Zahlenwerte einander gegenüber, so kann man die folgende Tabelle für die bei den jeweiligen Werten von R und S möglichen Jahresgewinne aufstellen: Gewinne in Millionen Pesos
R= 0
R = 10
R = 20
R = 30
R = 40 R = 50
5 = 20
— 121
62
245
245
245
245
S = 30
— 168,75
14,25
197,25
380,25
380,25
380,25
S = 40
— 216,5
— 33,5
149,5
332,5
515,5
515,5
S = 50
— 264,25
— 81,25
101,75
284,75
467,75
650,75
Zugegebenermaßen ist es schwierig, den Ertrag eines Motels zu berechnen, wenn man keine gültigen Informationen über die wahrscheinliche Höhe von R hat. Salvador meint, das erste Jahr sei ausschlaggebend. In den folgenden Jahren sei es immer noch früh genug, bauliche Erweiterungen erst dann vorzunehmen, wenn es die Situation erfordert, obwohl man zur Verwirklichung eines einmal gefaßten Planes ein ganzes Jahr benötigt. Eigentlich sitzt Salvador Amoldo ganz schön in der Tinte! Sollte er sich dazu entschließen, nur 20 Zimmer zu bauen, so wird er nicht mehr als 121 000 Pesos verlieren, aber auch nicht mehr als 245 000 Pesos verdienen können. Bei 30 Zimmern kann er zwar größere Gewinne erzielen, aber auch höhere Verluste hinnehmen müssen, usw. Wie soll er sich angesichts dieser Ungewißheit entscheiden? Glücklicherweise findet Salvador in seiner Bibliothek ein Buch, welches verschiedene Regeln zur Entscheidungsfindung bei Ungewißheit zum Inhalt hat: Games against nature von J. W.Milnor. Hier sind die Resultate seiner Überlegungen: Regel von Laplace. — Der bedeutende Mathematiker Laplace argumentierte folgendermaßen: „Ich weiß nichts über die zukünftigen Zustände der Umwelt; ich kann deshalb alle Zustände als gleichwahrscheinlich betrachten." Entsprechend dieser Regel würde Salvador also allen möglichen Werten R (0,10,20,30,40,50)
202
Libre oder Completo
die gleiche Wahrscheinlichkeit, nämlich 1/6, zuordnen. Für die jeweiligen Werte S erhielte er dann die folgenden wahrscheinlichen Gewinne: wahrscheinlicher Gewinn
S= s= s= s=
20 30 40 50
153,5 197,25 210,5 · 300,
das jährliche Steueraufkommen der Gemeinden beschreibt, die Summe aller Ausgaben der Gemeinde pro Jahr, den sogenannten Armutsparameter das Zusatzsteueraufkommen der Kommune, die Einwohnerzahl, den sogenannten Reichtumsparameter
angibt. Wenn i < 1 200 war, wurde die Gemeinde als arm, im anderen Fall als reich eingestuft. In dieser Formel wurden jedoch die tatsächlichen Quellen des Reichtums oder die Ursachen der Armut nicht berücksichtigt. Der willkürliche Charakter der Formel war für jeden offensichtlich. Und so führte diese Art der Klassifizierung dann auch zu endlosen Streitereien. Endlich setzte man eine Studiengruppe ein, die zu folgendem ersten Schluß kam: Man muß die Kenngrößen festlegen, die als Beweis fur Reichtum oder Armut angesehen werden können. Weiterhin kam man überein, nicht einen Index für den Reichtum einer ganzen Kommune, sondern einen für den Wohlstand des einzelnen Einwohners einzuführen. Welche Parameter müssen nun in die Berechnung eines solchen Indexes eingehen? Anzahl der Privatwagen eines Einwohners? Wert der Gebäude? Anzahl der im Sommer anreisenden Touristen? Die monatlichen Ausgaben der Frauen für den Friseur? Die Ausgaben in allen Cafes? Nach ernsthafter Diskussion entschied sich schließlich eine aus Finanzexperten, hohen Beamten und der Studiengruppe zusammengesetzte Kommission für neun Parameter oder signifikante Größen von den rund 20 zunächst vorgeschlagenen. Die neun signifikanten Größen werden Teilindizes genannt. Die 475 Gemeinden des Departements Haute-Seine sind durchnumeriert. Diese Nummern werden mit / bezeichnet und treten als Index wieder bei den verschiedenen für die Gemeinden signifikanten Größen auf. Beispielsweise beschreibt Mj die Anzahl Einwohner der Gemeinde j. Von den neun Teilindizes sind 7 zur Kennzeichnung von Wohlstand und 2 zur Kennzeichnung von Armut geeignet. Vier der 7 Wohlstandsindizes beziehen sich auf die Bestandteile der Zusatzsteuer, d.h. jene Teile der Steuer, die der Gemeinde aus verschiedenen Kanälen zufließen: Steuer für bebaute Grundstücke : ^ M, Steuer für unbebaute Grundstücke B, Mj
Aufstellen eines Armutsindexes. Gewichtung von Werten
211
Möbelsteuer C)
; = —M, Gewerbesteuer Dt = Mj
Die beiden folgenden Indizes beziehen sich auf tatsächliche Einnahmen: E, F
Gemeindesteuer =
Mi Einkünfte aus Geme indeve rmögen
'
Μ,
Ein weiterer Teilindex kennzeichnet mittelbar den Wohlstand: Prozentualer Anteil an der Gesamtbevölkerung des Departements Mi Die beiden noch folgenden Teilindizes sind zur Charakterisierung der Armut eingeführt worden: Länge des Straßennetzes H ¡
Μ, Ausgaben für Soziales
h
'
Mi
Eine erste statistische Analyse bestand nun darin, die Häufigkeitsverteilungen der Teilindizes in den verschiedenen Gemeinden zu untersuchen, d.h. Histogramme für jeden der neun Teilindizes aufzustellen und diese auf mögliche Korrelationen zu untersuchen. Die auf diese Art erhaltenen Verteilungen ähnelten sehr der Normalverteilung, wenn man von den Verteilungen für die D¡ und F¡ absieht, die stark von der Normalverteilung abwichen. Nach einer summarischen Überprüfung der Korrelationen wurde schließlich beschlossen, diese beiden Teilindizes als statistisch voneinander unabhängig zu betrachten und man kümmerte sich im weiteren auch nicht mehr um den abnormen Charakter der D¡ und Fj. Für die Mittelwerte und Standardabweichungen erhielt man die folgenden Zahlenwerte: Index
Mittelwert
Standardabweichung
σΛ
Α)
Ä =
487
=
1 049
Β}
Β =
501
ob =
314
Ci
C =
231
378 =
[— 0,262 ; +
0,405 ; — 0,021 ; — 0,071 ; — 0,425 ; — 0,022 ; + 1,733 ; + 0,247 ; + 0,767].
Es ist klar, daß die einzelnen Komponenten der Rohprofile und der relativen Profile spezifisch für jedes Departement bestimmt werden müssen. Beispielsweise bestände das Rohprofil des Departements Provence Maritime aus 12 Einflußgrößen, wobei man die Touristensteuern als Parameter benutzen könnte. Im übrigen ist jedes Departement in der Wahl seiner Einflußgrößen frei, solange nur die gleiche Methodik zugrunde gelegt wird. Das Problem besteht nun darin, zwei relative Indizes miteinander zu vergleichen. Eine Aufgabe, die sich als äußerst schwierig erweist, sofern nicht ein Index den anderen dominiert, d.h. sofern nicht alle Einflußgrößen seines Profils größer sind als die entsprechenden des anderen — eine selbstverständlich außergewöhnliche Situation. Die Mathematiker lehren, daß man, um zwei nicht parallele Vektoren zu vergleichen, eine Metrik einfuhren muß, d.h. eine universelle Meßmethode. Um nun die relativen Profile vergleichen zu können, beschloß man, eine Gewichtung derselben vorzunehmen, d Ji. für unseren Fall neun Gewichte: \ ¡ , λ/,, • . • , λ,· einzuführen, deren Summe der Absolutwerte gleich 1 ist. Damit läßt sich der Gesamtindex für den Wohlstand einer Gemeinde beschreiben durch: Kj = Ko + Ααα; + \φ)
+ ··· + Aiij,
mit I λα I +
I λ01 +
... +
I λ, I =
1.
213
Aufstellen eines Armutsindexes. Gewichtung von Werten Die Gewichte
X ¿ , . . . , λ^ werden positiv (Teilindizes für Wohlstand) und die
Gewichte λ/,, λ,· werden negativ (Teilindizes für Armut) sein; die Größe K 0
dient
lediglich dazu, die Lage der Mittelwerte der Kj zu korrigieren. Die Menge aller neun Gewichte wird nun mit Profil des Departements λ =
bezeichnet:
[λ α , Xb, ..., λ 0) und 47 % sogenannte arme (Kj < 0) entspricht. Damit erhält die Gemeinde Courtebrise den Reichtumsindex — 0,0747, wie die folgende Rechnung zeigt: ΑΓ378 =
0,05 + +
=
_
0,06 X ( — 0,262) +
0,04 X 0,404 +
0,05 X 0,021
0,17 X ( — 0,071) + 0,13 X ( — 0,424) + 0,25 X ( — 0 , 2 2 7 )
+ 0,06 X 0,0747.
1,733 — 0,15 X 0,248 — 0,09 X 0,768
Diese Gemeinde ist also arm und kann folglich finanzielle Zuwendungen beanspruchen.
Arme und Reiche
214
In der Abbildung 15.1 ist das Histogramm für die 475 Gemeinden dargestellt. Worin bestehen die Vorteile dieser Methode? Nun, sie gestattet es, alle die Größen zu berücksichtigen, die bezüglich des Reichtums oder der Armut eines Bewohners relevant erscheinen. Die hier eingeführte Gewichtung bewirkt dabei eine Harmonisierung der unterschiedlichen und oft gegensätzlichen persönlichen Auffassungen der Mitglieder einer Kommission oder beratenden Versammlung. Demgegenüber erlaubt es das Profil einer Gemeinde oder eines Departements die lokalen oder regionalen Aspekte gegenüber der zentralen Verwaltung geltend zu machen. Die Formeln zur Berechnung der Kj könnten den Eindruck erwecken, sehr kompliziert zu sein; tatsächlich sind alle Berechnungen jedoch sehr schnell durchgeführt und sogar gedruckt (in weniger als einer Stunde bei 500 Gemeinden), wenn man eme mittlere elektronische Rechenanlage benutzt (1961 hatte man einen Gamma ET für diese Berechnungen benutzt). Ohne Rechner würde sich diese Methode jedoch angesichts der aufgewandten Zeit und Kosten fast verbieten.
κ - 0,
σκ =» 0,318.
Abb. 15.1 Histogramm für die Gemeinden in der Haute-Seine
Abschließend noch einige kritische Anmerkungen zur eben beschriebenen Methode. Der tatsächliche Reichtum einer Gemeinde scheint proportional zur Anzahl ihrer Einwohner zu sein. Eine kleine Gemeinde mit reichen Einwohnern, und deshalb als reich eingestuft, wird angesichts einer außergewöhnlichen Ausgabe natürlich arm sein. Die Einstufung ist deshalb bezüglich außergewöhnlicher Ausgabenfälle nicht vertretbar. Im übrigen kann man zahlreiche Varianten der obigen Methode
Aufstellen eines Armutsindexes. Gewichtung von Werten
215
erfinden. Beispielsweise könnte man den dynamischen Aspekt des Problems in die Betrachtung einbeziehen. Die Gemeinden entwickeln sich von Jahr zu Jahr weiter, und die Teilindizes Α,·,Β,·,... ,Ij müßten aufgrund mehrerer Rechnungsjahre berechnet werden. Vielleicht sollten sie auf einer zeitlichen Basis gewichtet werden, so daß die relativen Änderungen im Wohlstand und in der Einwohnerzahl der Gemeinden berücksichtigt sind. Vom Standpunkt der theoretischen Statistik aus kann man dieser Methode vorwerfen, daß sie die Tatsache vernachlässigt, daß gewisse Verteilungen, insbesondere die der D¡ und F¡, von einer Laplace-Gauss'schen Verteilung sehr abweichen. Darüber hinaus verdienten wahrscheinlich die (wenn auch geringfügigen) Korrelationen zwischen den einzelnen Faktoren eine genauere Untersuchung . . . Schließlich ist es möglich, daß die Kommissionsmitglieder, die über die Gewichte beschließen, nach Verkündung der Resultate ihrer Wahl ein gewisses Bedauern über ihre persönliche Wahl empfinden. Es wäre vielleicht wünschenswert, die Gewichtung erneut vorzunehmen, d Ji. wenn nötig, mit der Wahl von neuem zu beginnen. Wichtig ist nämlich, daß einerseits die auftretenden Meinungsverschiedenheiten nicht zu stark auseinanderklaffen, und daß andererseits die beschlossenen Resultate von allen akzeptiert werden. Ein gutes Mittel, um diese Ziele zu erreichen, ist es, die Abstimmenden mit den Konsequenzen ihres Votums zu konfrontieren und sie so zu einer anschließenden Korrektur ihres Standpunktes zu veranlassen. Auf diese Weise sind dank des Operations Research und der elektronischen Rechenanlagen die Mitglieder des Finanzausschusses für das Departement HauteSeine und die Präfektur zu einer Einigung gekommen.
Die Gewichtung von Werten Jedes Mal, wenn man Daten zu vergleichen hat, ist es notwendig, eine Einheit zu deren Messung zur Verfügung zu haben, damit man anschließend ihre Klassifikation vornehmen kann. Tabelle 15.1 Jahr
1954
1955
1956
1957
1958
1959
1960
Gesamtumsatz % Anteil ausi. Artikel
160,1
152,1
199,2
206,7
202,3
211,2
243,5
51,7
54,8
63,4
60,0
52,5
59,0
61,8
Man könnte meinen, daß allein die Tatsache, daß die meisten Daten, die in den Problemen des Operations Research wichtig sind, in Geldeinheiten ausgedrückt werden, ihren Vergleich leicht macht.
216
Arme und Reiche
Dem ist jedoch sofort entgegenzuhalten, daß jede Geldeinheit im Zeitverlauf Änderungen unterworfen ist und daß deshalb der Vergleich zwischen Daten, die sich auf zwei oder mehr unterschiedliche Perioden beziehen, schwierig wird. Als Beispiel wollen wir den Verlauf der Umsatz Schwankungen einer Handelsgesellschaft in den Jahren 1954 bis 1960 in Form einer Kurve darstellen. Die uns interessierende Gesellschaft verkauft französische und ausländische Artikel (Artikelgruppen C und H, L, M) und erzielte in den Jahren 1954 - 60 die in der Tabelle 15.1 angegebenen Umsätze. In der Tabelle 15.2 haben wir für jede Artikelkategorie deren relative Preisentwicklung angegeben. Dabei haben wir alle mittleren Preise des Jahres 1954 als Basis gewählt und diese gleich 100 gesetzt. Anschließend stellten wir die Tabelle 15.3 auf, in der die Anteile jeder Artikelgruppe am Gesamtumsatz für die betrachteten Jahre angegeben sind. Bezeichnen wir die Zahlenwerte der Tabelle 15.3 mit α, β, y und δ, dann können wir die jedes Jahr im Mittel erzielten Preise berechnen mit: π =
S2
+
S3.
Das veranlagt uns, für s j einen Wert anzusetzen, der höher als 0,9 + 0,6 =1,5 ist, z.B. 1,6. Damit erhalten wir für die Präferenz des A: 51,6; 29 und 19,3. Β könnte sagen, daß er der Dose Amselpastete den Vorzug gibt, damit ergäbe sich: S3
>
Sl
+
St
und z.B. die folgenden Präferenzzahlen: 27,6; 20,7 und 51,7, wenn man S3 = 1,5 setzt. Schließlich können wir uns vorstellen, daß C keine besondere Vorliebe hat: Sl
=
S-i
+
S3,
Woraus sich mit î ! = 1,6 für C die folgenden Werte eigeben: 50, 25 und 25. Nachdem man solche Berechnungen für alle Testpersonen angestellt hat, kann man spaltenweise mittein und diese Mittelwerte in Prozentsätzen ausdrücken. Für die verschiedenen Nutzeneinschätzungen erhielte man dann z.B. 48, 28, 24. Bei unseren Berechnungen sind wir ziemlich willkürlich voigegangen. Denn um die Bedingung î ! > s 2 + S3 zu erfüllen, wählten wir beispielsweise í ¡ = 1,6. Ebensogut hätten wir jedoch 1,7 oder 1,8 oder . . . wählen können. Mehr als zwei Situationen, Ergebnisse oder Dinge zu klassifizieren, indem man eine größere Anzahl entsprechender Personen abstimmen läßt, scheint also nur unter der Bedingung möglich zu sein, daß die Eigenschaft der Additivität gegeben ist, von der wir jedoch gerade sahen, wie willkürlich diese Eigenschaft angewendet werden kann. Amerikanische und französische Autoren haben auf diesem Gebiet umfangreiche Untersuchungen angestellt. Es ist bekannt, daß die ersten Forschungen von Vilfredo Pareto in der Schweiz durchgeführt wurden. Seine Idee läuft darauf hinaus, zunächst Präferenzen derart einzuführen, daß man für jedes Paar zu vergleichender Größen (x, y) prüft, ob χ y vorzuziehen ist (oder umgekehrt) oder ob χ als gleichwertig mit y anzusehen ist, und dann eine Ordnung zu bestimmen, indem man die zu vergleichenden Größen in Äquivalenzklassen, die kein gemeinsames Element besitzen, einteilt. Soll zwischen den Objekten 0 ¡ eine Wahl getroffen werden, so bedienen sich die Amerikaner im allgemeinen der folgenden Axiome: Axiom 1. - Man kann jedem Objekt 0¡ eine nichtnegative Zahl X¡ zuordnen. Axiom 2 . - W e n n das Objekt 0¡ dem Objekt Oj vorzuziehen ist, dann ist X¡ > X¡; wenn 0¡ mit Oj gleichwertig ist, dann gilt X¡ = Xj. Axiom 3. - Wenn die Zahlen X¡ und Xj den Objekten 0¡ und Oj zugeordnet werden können, dann bedeutet X¡ + Xj, daß man 0¿ und Oj zusammen auswählt. Aus diesem Axiom folgen die nachstehenden Hilfssätze:
220
Arme und Reiche
Hilfssatz (a). - Wenn man das Objekt 0¡ dem Objekt Oy und Of dem Objekt Ok vorzieht, dann ist auch (O,· + Oy) dem Objekt Ok vorzuziehen. Hilfssatz (b). - Es ist gleich, ob man (Oy und Ok) oder (Ok und Of) betrachtet. Hilfssatz (c). - Wenn eine Wahl zwischen (Oy und Ok) zusammen und Ok alleine indifferent ist, dann bedeutet dies, daß Xj = 0. Das Axiom 3 (Additivitätseigenschaft) schließt ein, daß 0¡ und 0.· zugleich gewählt werden können, wenn 0¡ und Oy Situationen sind, die voneinander unabhängig realisiert werden können, was eine sehr gewichtige Einschränkung bedeutet. Die französische Schule läßt àie Eigenschaft der Unabhängigkeit voneinander jedoch im allgemeinen nicht zu. Diesbezüglich sollte man die Arbeiten von Masse und Allais lesen. Dem Übergang von der Ordinalskala der individuellen Bevorzugung zur Kardinalskala von Zahlenwerten, den die Anhänger einer subjektiven Nutzentheorie vorschlagen, wird von den Anhängern einer objektiven Theorie mit deren Argumentationen widersprochen. Abschließend kann man also sagen, daß es sich selbst bei Beschränkung auf die Gewichtung von Größen um ein schwieriges Problem handelt, von dessen allgemein akzeptierbarer Lösung man noch ziemlich weit entfernt ist.1
1 Entsprechend der allgemein üblichen Vorgehensweise haben die Autoren zur mathematischen Interpretation des Nutzens Luxusartikel herangezogen. Denn es ist äußerst schwierig, eine Nutzenskala für Alltagsartikel aufzustellen. Hat Brot einen höheren Nutzen als Schuhe? Man wird einwenden, daß es sich in dem oben gewählten Beispiel um gleichartige Produkte, nämlich Pasteten, handelte. Aber handeln die Menschen nicht gerade in einem solchen Fall im Gegensatz zu ihrer Vorliebe, besonders, wenn sie über nur wenig Geld verfugen? Tatsächlich läßt sich der Begriff einer Präferenz nur auf gleichwertige oder kostenlos zur Verfügung stehende Dinge anwenden. Andererseits müssen wir beim Treffen einer Wahl den relativen Wert der Dinge angesichts der uns zur Verfügung stehenden Mittel berücksichtigen. Es ist reichlich paradox, eine Wertskala mit einem Kriterium aufstellen zu wollen, das voraussetzt, daß die zur Wahl stehenden Dinge den gleichen oder keinen monetären Wert haben. Deshalb muß die von uns hier vorgestellte Methode eher in der Perspektive einer Meinungsumfrage unter Verbrauchern, etwa um eine genauere Kenntnis der globalen Nachfrage zu erlangen, gesehen werden. Solche Nachforschungen, die häufig fur Marktstudien benutzt werden, können in größerem Rahmen zur Bestimmung der Bedürfnisse (jeglicher Art) einer Bevölkerung angewandt werden. Damit solche Umfragen sinnvoll sind, müssen sie jedoch die Kosten der verschiedenen Güter und die finanziellen Möglichkeiten der Nachfragenden berücksichtigen: Preise und augenblickliche Möglichkeiten bei Untersuchung eines kurzfristigen Zeitraums, Preise und wahrscheinliche Möglichkeiten, bei einer Untersuchung, die einen längeren Zeitraum in die Betrachtung einbezieht.
16
Der neue Fregoli (Der Algorithmus von Foulkes und dessen Anvvendungsmöglichkeiten)
Neulich haben wir unseren in Mexiko sehr bekannten Freund Fregoli aufgesucht und ihn gefragt, ob er uns das Geheimnis anvertrauen könnte, das ihn zu einem bedeutenden, von jung und alt geschätzten Zirkuskünstler macht. Es ist sicher bekannt, daß Fregoli sich in Rekordzeit umziehen kann. „Das ist kein Geheimnis", antwortete er uns, „sondern eine logische An- und Auskleidemethode, die mir meine Vorfahren weitergegeben haben". Und da er ein wohlerzogener Mensch ist, glaubte er hinzufügen zu müssen: „Wahrscheinlich können Sie aufgrund Ihrer berufsmäßigen Mathematikkenntnisse die Mühe abschätzen, die mein Urgroßvater aufwenden mußte, um solche Probleme zu lösen." Der Leser wird von dieser Behauptung vielleicht überrascht sein. Einen Zweifel wollen wir ihm nehmen: Wenn es die Mathematik von einst auch tatsächlich erlaubte, die Zahl der anzuziehenden Kleidungsstückkombinationen zu berechnen, um sich möglichst bequem an- und auszuziehen, so ermöglicht es die Mathematik von heute jedoch, die beste all dieser Kombinationen zu bestimmen. Der Einfachheit halber wollen wir nun annehmen, daß unser Freund Fregoli bei seinem Kleiderwechsel, sein Unterhemd, sein Hemd und seine Unterhose nicht auszieht. Nichtsdestoweniger kann er, um als Dandy aufzutreten, eine ganze Uniform mit Hose, Weste, Jacke, Krawatte, Mantel, Socken, Schuhen und Handschuhen anziehen und dann auch noch seinen Stock mit dem Silberknauf in die Hand nehmen. Wir wollen jetzt untersuchen, wie er bei diesen acht Kleidungsstücken vorgehen sollte, wobei jeder zugeben wird, daß Fregoli 1. zuletzt seinen Stock nehmen sollte, 2. nicht mehr als 8! = 8 x 7 x 6 x 5 x 4 x 3 x 2 x 1
= 40 320
verschiedene Möglichkeiten zu prüfen braucht und eine große Anzahl dieser Möglichkeiten von vornherein ausgeschieden werden kann, da er unmöglich den Mantel vor der Jacke, die Jacke vor der Weste, usw. anziehen wird. Um uns in diesem Wust von Möglichkeiten etwas besser zurechtzufinden, stellen wir zunächst einmal Hierarchien bezüglich der verschiedenen Kleidungsstücke auf. Dabei fuhren wir zur Vereinfachung der Schreibweise die folgenden Buchstaben ein: A = Hose, Β = Weste, C = Jacke, D = Krawatte, E = Mantel, F = Socken, G = Schuhe, H = Handschuhe.
Der neue Fregoli
222
Wir sind sicher, daß auch ein Fregoli die Weste z.B. vor der Jacke anziehen muß. Bedingungen dieser Art wollen wir folgendermaßen beschreiben: Β < C (was gelesen wird: Β vor C). Demgegenüber ist es unerheblich, ob er zuerst seine Weste oder die Krawatte anzieht. Das beschreiben wir mit dem Ausdruck: Β ig. D. Schließlich wollen wir es als sehr wahrscheinlich annehmen, daß er z.B. die Schuhe sofort nach den Socken anzieht: F Κ G (.F geht G unmittelbar voraus). Fassen wir die verschiedenen Relationen, die wir für unser Problem definiert haben, zusammen, so erhalten wir: Α < Β, D, G ; C < E;
D < C;
Β < C ; Β & D, F \ F Κ G;
G < C, H.
A H
Beziehungen dieser Art können, wie bereits des öfteren gesagt, in Form einer Zeichnung oder eines Graphen dargestellt werden. Der Graph selbst kann mit einer Matrix beschrieben werden, wobei wir vereinbaren wollen, daß alle zwischen dem Buchstaben einer Zeile und dem Buchstaben einer Spalte möglichen Ordnungen durch eine 1 im entsprechenden Feld der Matrix gekennzeichnet werden. Wir wollen jetzt untersuchen, ob ein Weg zwischen irgendeinem Buchstaben, der als Anfang bezeichnet werde, und einem anderen, der mit Ende bezeichnet werde, existiert, womit wir dann eine solche Ankleidemethode für Fregoli gefunden hätten, daß kein Widerspruch zu den oben formulierten Bedingungen auftritt.
Der Algorithmus von Foulkes und dessen Anwendungsmöglichkeiten
A
Β
c
Matrix 1 D E
F
G
H
A
1
1
0
1
0
0
1
0
Β
0
1
1
1
0
1
0
0
C
0
0
1
0
1
0
0
0
D
0
1
1
1
0
0
0
0
E
Ò
0
0
0
1
0
0
1
F
0
1
0
0
0
1
1
0
G
0
0
1
0
0
0
1
1
H
0
0
0
0
1
0
0
1
223
Um dieses Problem zu lösen, werden wir eine etwas eigenartige Operation vornehmen, nämlich die Matrix mit sich selbst multiplizieren, wobei wir jedoch die übliche arithmetische Summenbildung durch die Bildung logischer (Boolescher) Summen ersetzen werden. Die Boolesche Summe war bereits im 11.Kapitel dargestellt worden, und wir wollen sie uns mit der folgenden Tabelle nur schnell ins Gedächtnis zurückrufen.
+
Β
A+
Β
Um nun beispielsweise das dritte Element in der ersten Zeile unseres gesuchten Produktes zu berechnen, bilden wir einfach das Produkt aus dem Vektor der Zeile A mit dem der Zeile C, wobei wir stets Boolesche Summen bilden wollen: 0 1 1 [110 10 0 10]©
1 0 0 1 0
=
1 · 0 + 1 · 1
+
4-o-o-i-
0 · 1 + 1 · 1 l - i
+
o·o.
+
0·0
Der neue Fregoli
224
Das gesuchte Element ist also gleich 1. Man sieht, daß unsere neue Matrix, die wir symbolisch mit Λ/121 bezeichnen wollen, nur Einsen und Nullen enthält. Das gleiche gilt für Λ/1 4 '.
A
Α
Β
C
D
1
1
(1)
1
1
1
1
Β C
E
(1)
1 1
D
F
G
H
(1)
1
(1)
1
(1)
1
1
1
(1)
(1)
E
(1)
1
F
1
(1)
G
1 1
(1)
1
(1)
1
(1)
1
1
1
H
1
N.B. Die mit (1) bezeichneten Elemente hatten in M den Wert Null.
A Β
A
B
1
1
1
1
m
1
1
1
1
1
1
1
1
1
[n
D
E
1
c D
C
1
1
G H
G
H
1 1
1
1 1
mm
1
E F
F
1
1 1
1
m 1 1
1 1
1
1
1
1 1
Der Algorithmus von Foulkes und dessen Anwendungsmöglichkeiten
225
Der Matrix Λ/' 4 ! können wir entnehmen, daß A ein Kleidungsstück ist, welches (mittelbar oder unmittelbar) vor jedem anderen jedoch nicht nach irgendeinem anderen angezogen werden kann.
Β
Β
C
D
E
F
G
H
1
1
1
1
1
1
1
D
1
1
1
1
1
1
1 1
1
E F
1
1
1
C
1
1
1
1
1
1
G
1
1
1
1
1
1
H
1
Es ist unzweckmäßig, die Zeile und Spalte A in Λ/f 4 1 zu streichen um dann Aft 8 ' zu berechnen; damit würden wir Af'f81 bekommen, die, wie man sieht, genau mit dem entsprechenden Teil von Aft41 übereinstimmt. Unter solchen Umständen müssen wir entsprechend dem Algorithmus von Foulkes1 unsere bisherigen Operationen abbrechen. Durch elementare Umformungen kann die Matrix M l 4 ) jetzt in die Form der Matrix J U 4 ) gebracht werden, dJi. wir erhalten 5 geordnete Teilgraphen. A
1
B
D
F
G
C
E
H
A
1
1
1
1
1
1
1
1
Β
0
1
1
1
1
1
1
1
D
0
1
1
1
1
1
1
1
F
0
1
1
1
1
1
1
1
G
0
0
0
0
1
1
1
1
C
0
0
0
0
0
1
1
1
E
0
0
0
0
0
0
1
1
H
0
0
0
0
0
0
1
1
Vergleiche die Beschreibung des Algorithmus im zweiten Teil des Kapitels.
Der neue Fregoli
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Bei dieser Anordnung können wir nur einen Hamiltonschen Weg2 bestimmen, nämlich ADBFGCEH. Das bedeutet (Abb. 16.2 und 16.3), daß unser Freund Fregoli nur eine einzige Möglichkeit hat, sich als Dandy anzuziehen, und daß diese darin besteht, seine Kleidungsstücke in der folgenden Reihenfolge anzuziehen: Hose, Krawatte, Weste, Socken, Schuhe, Mantel, Handschuhe. Für bestimmte Probleme ähnlicher Art können sich mehrere Lösungen ergeben. Gälte im obigen Beispiel etwa die Bedingung D SS F, so bekämen wir eine weitere Lösung, nämlich: ABDFGCEH, Wir haben den Algorithmus von Foulke an einem lustigen Beispiel vorgeführt, aber es ist wohl klar, daß er auch zur Lösung von viel ernsthafteren Problemen angewendet werden kann. Reihenfolgeprobleme in der Industrie besitzen beispielsweise den gleichen kombinatorischen Charakter. Es handelt sich dabei jeweils darum, eine bestimmte Anzahl von Operationen auf verschiedenen Maschinen ablaufen zu lassen, wobei die Reihenfolge dieser Operationen durch Relationen wie