Nicolai Hartmanns Neue Ontologie und die Philosophische Anthropologie: Menschliches Leben in Natur und Geist 9783110615555, 9783110613902

The contributors to this volume examine the relationship between new ontology and philosophical anthropology. The essays

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German Pages 292 Year 2019

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Table of contents :
Danksagung
Inhalt
Einleitung
Philosophie aus der Ferne?
Wie ist eine „anthropologische Einlösung“ der Kategorienlehre Nicolai Hartmanns überhaupt möglich?
Schichtenlehre, Phänomenologie und Kategorialanalyse in der Philosophie des Organischen von Nicolai Hartmann und Helmuth Plessner
Das Reflexivitätsproblem und die Kategorienlehre
Lebendige Individuen und ihre Umgebungen
“Consistency” and maintenance of the personal identity in Nicolai Hartmann’s Philosophie der Natur
Bedingungen und Vollzug von Personalität
Person, Gesamtperson und Geistiges Sein
Tradition als Anthropinon?
Ontological Axiology in Nikolai Lossky, Max Scheler, and Nicolai Hartmann
Hohe und höchste Werte
Anhang
Max Scheler
Personenverzeichnis
Sachverzeichnis
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Nicolai Hartmanns Neue Ontologie und die Philosophische Anthropologie: Menschliches Leben in Natur und Geist
 9783110615555, 9783110613902

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Nicolai Hartmanns Neue Ontologie und die Philosophische Anthropologie

Philosophische Anthropologie

Herausgegeben von Hans-Peter Krüger und Gesa Lindemann Wissenschaftlicher Beirat: Richard Shusterman (Philadelphia) und Gerhard Roth (Bremen)

Band 11

Nicolai Hartmanns Neue Ontologie und die Philosophische Anthropologie Menschliches Leben in Natur und Geist Herausgegeben von Moritz von Kalckreuth, Gregor Schmieg und Friedrich Hausen

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Projektgruppe „Complexity or Control?“ und der Potsdam Graduate School.

ISBN 978-3-11-061390-2 e-ISBN (PDF) 978-3-11-061555-5 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-061436-7 ISSN 2191-9275 Library of Congress Control Number: 2019932024 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Danksagung Dieser Band steht am Ende eines längerfristigen Arbeitsprozesses, bei dem uns von vielen Seiten Unterstützung zuteilwurde. Zunächst danken wir der Helmuth Plessner Gesellschaft e.V. und der Potsdam Graduate School für die großzügige Förderung der Tagung im November 2016. Dann danken wir dem Institut für Philosophie der Universität Potsdam und hier insbesondere Hans-Peter Krüger dafür, die Veranstaltung am Institut durchführen zu dürfen und ferner für die rührige Unterstützung vor Ort. Joachim Fischer danken wir für viele Anregungen bei der inhaltlichen Vorbereitung der Tagung. Dann danken wir der Lüneburger Projektgruppe „Complexity or Control?“ sowie noch einmal der Potsdam Graduate School für die Gewährung eines großzügigen Druckkostenzuschusses. Dem Verlag Walter De Gruyter und den Reihenherausgebern Gesa Lindemann und Hans-Peter Krüger danken wir für die Bereitschaft, den Band in Nicolai Hartmanns „Hausverlag“ und in der Reihe Philosophische Anthropologie veröffentlichen zu dürfen. Lisa Spöri danken wir für eine erste Durchsicht der Beiträge und Thomas Ebke für zahlreiche Ratschläge hinsichtlich der Edition. Einen ganz besonderen Dank möchten wir schließlich Matthias Wunsch aussprechen, der von den ersten Überlegungen bis zur Vorbereitung dieser Publikation als engagierter Ansprechpartner zur Verfügung stand. Berlin, Juli 2018. Die Herausgeber

https://doi.org/10.1515/9783110615555-001

Inhalt Moritz v. Kalckreuth/Gregor Schmieg/Friedrich Hausen 1 Einleitung Katrin Felgenhauer Philosophie aus der Ferne? Zur Autonomie des Seins im a-zentrischen Ansatz Nicolai Hartmanns und im ex-zentrischen Ansatz Helmuth Plessners 11 Jörn Bohr Wie ist eine „anthropologische Einlösung“ der Kategorienlehre Nicolai Hartmanns überhaupt möglich? 29 Georg Toepfer Schichtenlehre, Phänomenologie und Kategorialanalyse in der Philosophie 45 des Organischen von Nicolai Hartmann und Helmuth Plessner Gregor Schmieg Das Reflexivitätsproblem und die Kategorienlehre Versuch einer Aktualisierung 63 Matthias Wunsch Lebendige Individuen und ihre Umgebungen Zur Frage ausgedehnter Grenzen bei Nicolai Hartmann

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Carlo Brentari “Consistency” and maintenance of the personal identity in Nicolai Hartmann’s Philosophie der Natur 111 Moritz v. Kalckreuth Bedingungen und Vollzug von Personalität Was wir von Helmuth Plessner, Nicolai Hartmann und Max Scheler über 127 die Frage nach der Person lernen können Antonio Da Re Person, Gesamtperson und Geistiges Sein Nicolai Hartmann im Vergleich mit Max Scheler

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VIII

Inhalt

Steffen Kluck Tradition als Anthropinon?

173

Frédéric Tremblay Ontological Axiology in Nikolai Lossky, Max Scheler, and Nicolai 193 Hartmann Friedrich Hausen Hohe und höchste Werte Zur Verteidigung einer umstrittenen Idee bei Scheler und 233 Hartmann

Anhang Nicolai Hartmann Max Scheler † Translated by Frédéric Tremblay Personenverzeichnis Sachverzeichnis

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Einleitung

Max Scheler beginnt seinen berühmten Essay über Die Stellung des Menschen im Kosmos mit der Bemerkung, dass sich (mindestens) „drei unter sich ganz unvereinbare Ideenkreise“ angeben lassen, die die Frage danach, was der Mensch sei, völlig verschieden beantworten (Scheler 1995a, 11). In diesem Sinne sei das Selbstverständnis des Menschen durch die Ausdifferenzierung der Geistes-, Natur- und Sozialwissenschaften im Laufe der Moderne nicht etwa klarer geworden, sondern im Gegenteil problematischer denn je (vgl. ebd.). Diese Beobachtung deutet bereits die Schwierigkeiten einer Philosophischen Anthropologie an: Einerseits besteht Bedarf nach einer einheitlichen Theorie des Menschen, andererseits sollte diese Theorie bestimmten einzelwissenschaftlichen Erkenntnissen ebenso gerecht werden wie dem menschlichen Selbstverständnis, das sich in alltäglicher Lebenspraxis sowie in Kunst, Kultur etc. artikuliert. Auch Helmuth Plessner hat diese Herausforderung gesehen. In seinen Stufen des Organischen stellt er die Frage: „[U]nter welchen Bedingungen läßt sich der Mensch als Subjekt geistig-geschichtlicher Wirklichkeit, als sittliche Person von Verantwortungsbewußtsein in eben derselben Richtung betrachten, die durch seine physische Stammesgeschichte und seine Stellung im Naturganzen bestimmt ist?“ (Plessner 1975, 6; Hervorhebung im Original gesperrt). Dabei zeigt sich in seinem Bezug auf „Bedingungen“ bereits die Spezifik von Plessners Ansatz, nach naturphilosophischen Ermöglichungsbedingungen einer Philosophischen Anthropologie und anthropologischen Ermöglichungsbedingungen des kulturellgeistigen Selbstverständnisses zu fragen (vgl. ebd., 26). Scheler hingegen verbindet seine Phänomenologie der Wesensstufen von Lebendigkeit mit einer Geist-Metaphysik (vgl. Scheler 1995a, 12 ff., 54 ff.), während wiederum Arnold Gehlen seine Anthropologie als eine Art Überschau aller empirischen Wissenschaften über den Menschen zu verstehen scheint (vgl. Gehlen 1993, 1‒17; Gehlen 1983). Trotz grundsätzlich ähnlicher Fragestellungen unterscheiden sich die verschiedenen Programme Philosophischer Anthropologie sowohl in ihrem methodischen Selbstverständnis als auch in ihrer Durchführung. Joachim Fischer hat in seinem Standardwerk zur Philosophischen Anthropologie hervorgehoben, dass im Wechsel der 1920er zu den 1930er Jahren zahlreiche namhafte Philosophen Vorlesungen über „philosophische Anthropologie“ hielten, sich also von der jeweils eigenen philosophischen Position aus mit dem Thema „Mensch“ auseinander setzten (Fischer 2008). Ebenso weist Matthias Wunsch darauf hin, dass auch Martin Heideggers Daseinsontologie und Ernst Cassirers Philosophie der Symbolischen Formen die „Frage nach dem Menschen“ stellten, https://doi.org/10.1515/9783110615555-002

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obwohl ihre Positionen im Gegensatz zu denen Max Schelers und Helmuth Plessners nicht explizit als Philosophische Anthropologie auftraten (Wunsch 2014). Auch wenn sicherlich nicht behauptet werden kann, dass alle Philosophien des Menschen einzelwissenschaftlichen Erkenntnissen gegenüber derart aufgeschlossen waren wie Scheler, Plessner und Gehlen, so ist es doch auffallend, dass zu dieser Zeit offenkundig über die Grenzen philosophischer Schulen hinweg eine gewisse Tendenz bestand, den Menschen vom eigenen philosophischen Standpunkt her zu problematisieren. Obwohl Nicolai Hartmann (1882‒1950) seine eigene Philosophie als „Neue“ bzw. „kritische Ontologie“ verstand und sich entsprechend gegen jeden Versuch einer Verengung auf eine bloße „Anthropologie“ gewehrt hätte, so nimmt doch die Thematik des Menschen in seinem umfangreichen Gesamtwerk eine nicht zu unterschätzende Stellung ein: Ausgehend von seiner These, dass das reale Sein eine „Schichtung“ von physischem Sein, organischem Sein, seelischem Sein und geistigem Sein aufweise, gibt er zu bedenken, dass der Mensch alle Schichten in sich enthalte (Hartmann 1964, 179‒183).¹ Daraus folgen natürlich auch mehrere Perspektiven, von denen aus sich der Mensch betrachten lässt: Der Mensch kann vom biologischen Standpunkt als Organismus oder Gattung, auf der Ebene seelischen Seins als Bewusstsein und schließlich auf der Ebene geistigen Seins anhand von Geistes- und Sozialwissenschaften oder auch ausgehend von seiner alltäglichen Lebenspraxis als Person verstanden werden. Der Begriff der Person markiert dabei durch seinen ontologischen und zugleich axiologischen Charakter auch den Übergang zur Moralphilosophie, in der der Mensch als handelnde, wertfühlende und strebende Person thematisiert wird (Hartmann 1949, 1‒17).² Hartmanns These, dass sich das Verhältnis von höheren zu niederen Schichten sowohl durch Bedingtheit als auch durch Autonomie verstehen lasse (vgl. Hartmann 1962, 66‒71), erweist sich auch mit Blick auf die verschiedenen Betrachtungsweisen des Menschen als informativ: Wir können selbstverständlich vieles lernen, wenn wir Gesetzmäßigkeiten des menschlichen Organismus oder Bewusstseinsprozesse untersuchen, es ist jedoch zugleich Vorsicht geboten vor Verlockungen, die Eigengesetzlichkeiten höherer Schichten auf Vorgänge niederer Schichten zu reduzieren. Damit berücksichtigt Hartmann nicht nur verschiedene Weisen des „Fragens nach dem Menschen“, sondern bietet auch einen Weg, die verschiedenen Fragestellungen unter Berücksichtigung der jeweiligen Originalität

 Vgl. hierzu auch die beiden instruktiven Einführungen in die Philosophie Hartmanns: Morgenstern 1997 sowie Cicovacki 2014.  Neben den in Anm. 1 bereits erwähnten Einführungen siehe speziell zu Hartmanns Ethik Kelly 2011 sowie Da Re 1996 (in italienischer Sprache).

Einleitung

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miteinander zu verbinden, ohne sich dabei auf Reduktionismen einzulassen (vgl. Hartung 2011). Mit Blick auf die eingangs erwähnte Grundintuition der Philosophischen Anthropologie ließe sich somit zwar sagen, dass es Hartmann – ebenso wie Scheler, Plessner und Gehlen – um eine Berücksichtigung der verschiedenen Aspekte menschlichen Lebens geht. Zugleich scheint sich aber die Weise der Darstellung dieser Aspekte in einer Weise zu unterscheiden, die nicht übersehen werden sollte: Auch wenn Hartmann einzelwissenschaftliche Ergebnisse (etwa aus Biologie und Geisteswissenschaften) bekannt waren und er es für selbstverständlich hielt, der philosophischen Tragweite einzelwissenschaftlicher Erkenntnisse gerecht werden zu müssen, so fällt doch auf, dass seine Erörterungen mit Blick auf Themen wie Biologie, Psychologie, Gesellschaft, Politik u. Geisteswissenschaften einen eher wenig konkreten Charakter aufweisen, während Scheler, Plessner und Gehlen einzelwissenschaftliche Autoren wie Uexküll, Buytendijk, Köhler, Weber, Tönnies usw. explizit diskutieren. Anders gesagt: Hartmanns Position bleibt Philosophie, während sich die größere Nähe der Philosophischen Anthropologie zu den Einzelwissenschaften bereits in dem Selbstverständnis als „Anthropologie“ zeigt – also einer terminologischen Abgrenzung von einer Philosophie.³ Es würde in der Tat zu kurz greifen, nur darauf hinzuweisen, dass sich die Forschungsgegenstände der Philosophie Hartmanns und der Philosophischen Anthropologie wie durch Zufall überschneiden: Vielmehr fällt auf, dass Hartmann, Scheler und Plessner die verschiedenen Arbeiten der jeweils anderen explizit rezipierten. So diskutierte Hartmann beispielsweise in seiner Ethik Schelers Person-Konzeption und im Problem des geistigen Seins Plessners „Exzentrizität“, Scheler würdigte Hartmann in verschiedenen Aufsätzen seiner Spätphase und Plessner rezensierte Hartmanns Buch über das geistige Sein.⁴ Vor

 Hierin unterscheidet sich in der Terminologie Joachim Fischers eine Philosophische Anthropologie von einer philosophischen Anthropologie (vgl. Fischer 2008, 519 ff.). Gemäß der Beschreibung von Hans-Peter Krüger wäre hingegen wäre für Philosophische Anthropologie noch ein weiterer Schritt nötig, nämlich die philosophische Kritik an der Anthropologie. Siehe Krüger 2010, 53 ff.  Für Hartmanns Scheler-Kritik vgl. Hartmann 1949, 227‒249 sowie Hartmann 1962, 56‒58, für Schelers Hartmann-Rezeption vgl. u. a. Scheler 1995b (siehe zu dieser Thematik den Beitrag von Antonio Da Re im vorliegenden Band). Für Hartmanns Plessner-Rezeption vgl. Hartmann 1962, 108‒115. Für Plessners Rezension vgl. Plessner 1985. Analog fand einige Jahre später eine gegenseitige Rezeption von Hartmann und Gehlen statt, indem Hartmann Gehlens Werk „Der Mensch“ rezensierte und Gehlen in seinem Buch die Idee einer Schichtenontologie diskutierte. Vgl. Hartmann 1958b; Gehlen 1993, 7, 71 ff. Später plante Gehlen, einen Aufsatz für den Gedenk-

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allem aber lehrten ab 1925 alle in Köln, wo sie untereinander in direktem Austausch standen.⁵ Zudem gehörten Scheler und Hartmann beide dem Mitherausgeber-Kreis der von Plessner initiierten und herausgegebenen Zeitschrift Philosophischer Anzeiger an. Damit stellt sich philosophiegeschichtlich die Frage, in welchen Denkfiguren sich der rege inhaltliche Austausch, die gegenseitige Rezeption und Kritik der drei Denker – die Joachim Fischer als „Kölner Konstellation“ bezeichnet (Fischer 2012) – zeigt.⁶ Während der letzten Jahre hat sich die Philosophische Anthropologie einer merklichen Renaissance erfreut. Ursächlich dafür scheint nicht nur zu sein, dass sie sich auf Grund anspruchsvoller Konzeptionen von Natur, Leiblichkeit, Körper, Gefühlen, Ausdruck, Miteinandersein usw. dazu eignet, an Hinwendungen zu bestimmten Themen wie etwa dem „Bodily Turn“, dem „Emotional Turn“, dem „Collective Turn“ oder anderen anzuknüpfen, sondern vor allem, dass sich mit ihr eine Möglichkeit bietet, einzelwissenschaftliche Erkenntnisse und unser alltägliches Selbstverständnis miteinander zu vermitteln.⁷ Die systematische Grundfrage lautet hier, ähnlich wie vor beinahe hundert Jahren: Wie kann der Mensch in seiner Vieldeutigkeit – d. h. als biologisch beschreibbare Gattung, als kulturellgeistige Person, als sozialer und politischer Akteur sowie als Inhaber eines besonderen normativen Status (der selbst im säkularisierten Selbstverständnis als „Menschenwürde“ formuliert wird) – verstanden werden, ohne reduktionistischen Verkürzungen zum Opfer zu fallen? Damit stellt Philosophische Anthropologie heute den Versuch dar, einen ausgewogenen ‚Mittelweg‘ zwischen reduktiven Materialismen einerseits und sozialen Konstruktivismen andererseits zu finden. Auch Hartmanns Neue Ontologie scheint eine solche Rolle spielen zu können, wobei die größere terminologische Nähe zu klassischen Positionen der Philosophie womöglich jene Missverständnisse vermeidet, die die Resonanz anthropologischer Denkfiguren in Gegenwartsdiskursen zuweilen begleiten.⁸

band von 1952 beizusteuern, der jedoch abgelehnt wurde. Vgl. dazu Gehlen 2008, 277‒284 sowie Rehberg 2008, 273‒276.  Zur Real- und Ideengeschichte der Philosophischen Anthropologie vgl. Fischer 2008, siehe mit Blick auf Plessner auch Dietze 2006.  Einen Versuch, die gegenseitige Beeinflussung von Plessner und Hartmann in einen systematischen Vergleich ihrer Konzeptionen objektiven Geistes einfließen zu lassen, hat Matthias Wunsch unternommen: Vgl. Wunsch 2015.  Für derartige Versuche siehe etwa Krüger 2010; Lindemann 2002; Heinz 2014.  So wird etwa Plessners exzentrische Positionalität aufgrund des Umstands, dass sie eine Realisierungsweise von Lebendigkeit darstellt, heute zuweilen als ‚Biologismus‘ missverstanden. Vgl. dazu den Beitrag von Felgenhauer im vorliegenden Band. Gerald Hartung und Matthias Wunsch heben in der Einleitung ihrer Aufsatzsammlung Hartmanns Bedeutung für die Frage

Einleitung

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Dass Versuche einer nicht-reduktionistischen Vermittlung der verschiedenen Aspekte menschlichen Lebens prinzipiell weiterhin gefragt sind, zeigt sich u. a. am Erfolg des von McDowell in den philosophischen Diskurs re-importierten Begriffs der „zweiten Natur“ (McDowell 2001, 109 ff.). So erfreulich die anti-reduktionistische Orientierung dieser Denkfigur auch sein mag, scheint Geist als zweite Natur hier doch vor allem auf das Begriffliche abzuheben, wodurch sich letzten Endes ein Primat des Denkens und (vernünftigen) Handelns ergibt. Für Autoren wie Max Scheler, Helmuth Plessner und Nicolai Hartmann wäre eine solche Fassung zu eng: Eine wesentliche Pointe Philosophischer Anthropologie und Neuer Ontologie besteht offenkundig darin, Geist als etwas zu fassen, was als objektiver Geist oder Wir-Sphäre über das Begriffliche hinausgeht. Ebenso geht es ihnen allen – insbesondere Plessner und Hartmann – um ein den Phänomenen angemessenes Verständnis dessen, was Natur bzw. Leben ist (vgl. Plessner 1975; Hartmann 1958a; Hartmann 1980).⁹ Ein ebenso großer Bedarf besteht nach philosophischen Positionen, die verschiedene Weisen von Erfahrung und Erleben – etwa reflexive Erkenntnis, emotionales Erleben (in Gefühlen und Emotionen) und Erleben von Normativität ‒ angemessen begreifen und zueinander ins Verhältnis setzen. Dieser Themenbereich stellt zwar ein klassisches Projekt der Phänomenologie dar, allerdings haben sich hier auch pragmatistische Konzeptionen als sehr attraktiv erwiesen.¹⁰ Sowohl die Philosophische Anthropologie als auch die Philosophie Nicolai Hartmanns sind hier insofern geeignete Dialogpartner, als sie einen begrifflichen Rahmen anbieten, der einen Zugang zu diesen verschiedenen Arten von Erfahrungen und Erlebnissen eröffnet: So bietet sich etwa mit Scheler die Möglichkeit, verschiedene ‚Schichten‘ emotionalen Lebens, Aspekte religiöser Erfahrungen sowie verschiedene emotionale Zugänge zu Werten im Kontext personalen Aktvollzugs differenziert zu interpretieren (vgl. Scheler 1927 bzw. Scheler 1966).¹¹ Plessner hingegen stellt sich u. a. die Frage, auf welche Weise Individuen verschiedene normative Ansprüche in Gemeinschaft und Gesellschaft in ihrer

nach der Formulierung eines angemessenen Naturalismus hervor: Sie sehen in ihm den Vertreter eines schwachen, nicht reduktiven Naturalismus. Vgl. Hartung/Wunsch 2014, 9‒14.  Der aktuelle Forschungsstand zu Plessners Stufen ist kürzlich in einem Band der Reihe „Klassiker Auslegen“ zusammengefasst worden. Siehe dafür Krüger 2017.  So hat etwa Matthias Jung unter Bezug auf pragmatistische, hermeneutische und analytische Positionen eine Konzeption von „gewöhnlicher Erfahrung“ entwickelt, die vor der Trennung von reflexiv, volitional und normativ liegt. Vgl. Jung 2014. Mit Blick auf die Frage nach Wert- und Idealbindungen sowie ihrem Verhältnis zur individuellen und sozialen Lebenspraxis siehe Joas 1997; Joas 2017.  Vgl. hierzu u. a. Vendrell-Ferran 2008; Kelly 2011; Hausen 2015; Kalckreuth 2017.

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personalen Lebensführung vermitteln (vgl. Plessner 1981; Plessner 2000).¹² Auch Hartmanns anspruchsvolle Lesart von Personalität, emotional-transzendierenden Akten (z. B. dem Betroffensein durch Personen und Situationen) und dem Zugang zu Werten stellt hier eine vielversprechende Alternative dar (vgl. Hartmann 1949; Hartmann 1962; Hartmann 1965). Damit ergeben sich die zwei Anliegen dieses Bandes: Erstens geht es darum, nach den systematischen und philosophiegeschichtlichen Verhältnissen von Hartmanns Neuer Ontologie und Philosophischen Anthropologien verschiedener Provenienz zu fragen. Zweitens soll danach gefragt werden, zu welchen Problematiken der gegenwärtigen Philosophie die beiden Theorieströmungen einen Zugang eröffnen und wie ihre spezifischen Fragestellungen (und vielleicht sogar Lösungsansätze) aussehen.¹³ Die ersten Beiträge des Bandes setzen direkt bei einer Verhältnisbestimmung von Neuer Ontologie und Philosophischer Anthropologie an. So fragt Katrin Felgenhauer nach Möglichkeiten einer ontologischen bzw. metaphysischen Grundlegung der Erkenntnis. Auch wenn sich Plessner und Hartmann beide durch die Überwindung eines Primats der Erkenntnistheorie auszeichnen, so hebt Felgenhauer hier doch auch hervor, dass Plessner die Idee einer Selbst-Historisierung der Philosophie – und somit auch der Erkenntnis – deutlich ernster nehme, während Hartmann eine philosophisch neutrale, vor-theoretische Zone zu unterstellen scheine. Der Beitrag von Jörn Bohr befasst sich mit der Frage nach einer anthropologischen Einlösung der von Hartmann herausgearbeiteten Kategorien. Hierbei wird untersucht, inwiefern die Ansätze der Philosophen Hermann Wein und Michael Landmann, die an Hartmann anschließen, geeignet sind, Hartmanns Ontologie mit Fragestellungen der Philosophischen Anthropologie zu verbinden. Eine weitere Gruppe von Beiträgen bewegt sich im Bereich einer Philosophie der Natur und der Biologie: Der Beitrag von Georg Toepfer unternimmt hier den Versuch, grundlegende Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Naturphilosophien Hartmanns und Plessners aufzuzeigen. Dabei vertritt er die These, dass die beiden Autoren das Verhältnis von phänomenologisch-philosophischer Schau und empirischen Einzelwissenschaften unterschiedlich begreifen, was sich u. a. im jeweiligen Verständnis dessen zeigt, was „Schichten“ sind. Im Anschluss fragt der Text von Gregor Schmieg nach formal ontologischen Eigenschaften der Kate Der Begriff der „personalen Lebensführung“ wurde insbesondere von Hans-Peter Krüger stark gemacht. Vgl. Krüger 1999; Krüger 2001.  Damit schließt dieser Band an einen Zeitschriften-Schwerpunkt und einige Sammelbände an, die während der letzten Jahre erschienen: Poli 2001; Poli et al. 2011; Hartung et al. 2012; Peterson/ Poli 2016.

Einleitung

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gorientheorie bei Plessner und Hartmann sowie ihrer naturphilosophischen Bedeutung. Der Ausgangspunkt hierfür ist die systematische Unterscheidung von Reflexivität und Reflexion. Die letzten beiden Beiträge behandeln bereits den Übergang von Naturphilosophie zur Philosophie geistigen Seins: Matthias Wunsch untersucht in seinem Beitrag die verschiedenen Alternativen ausgedehnter Grenzen von lebendigen Individuen, wie sie sich gemäß Hartmanns Ontologie ergeben. Dabei wird zwischen Organismen, Tieren (die über ein Bewusstsein verfügen) und Personen unterschieden. Schließlich arbeitet Carlo Brentari in seinem Beitrag heraus, inwiefern naturphilosophisch beschreibbare Prozesse die Persistenz von Personen ermöglichen. Von entscheidender Bedeutung ist hier der Begriff der Konsistenz. Die nachfolgenden Beiträge befassen sich mit Fragen der Philosophie der Person, des objektiven Geistes und der Kultur: Zunächst wertet der Beitrag von Moritz v. Kalckreuth die Konzeptionen Plessners, Hartmanns und Schelers hinsichtlich der Frage nach Personalität aus. Dabei wird die These vertreten, dass sich mit allen drei Autoren Person-Konzeptionen entwickeln lassen, in denen kognitive Funktionen nicht als konstitutive Bedingungen verstanden werden und in denen zudem nach dem Vollzug von Personalität in spezifischen Phänomenen gefragt wird. Anschließend erörtert der Beitrag von Antonio Da Re das Verhältnis der Personbegriffe von Scheler und Hartmann. Dabei wird untersucht, wie sich die beiden Philosophen gegenseitig rezipieren und wie sich in den jeweiligen Rezeptionen grundsätzliche Unterschiede zeigen. Zuletzt fragt der Aufsatz von Steffen Kluck nach dem Stellenwert der Tradition im objektiven Geist sowie im menschlichen Lebenszusammenhang. Die letzten beiden Beiträge des Bandes befassen sich mit Hartmanns Theorie der Werte und der Ethik. Hier untersucht zunächst Frédéric Tremblay das philosophiegeschichtliche und systematische Verhältnis der Axiologien von Nicolai Lossky, Scheler und Hartmann. Im Anschluss fragt der Beitrag von Friedrich Hausen nach Kriterien der Werthöhe, wobei er einen Weg zur objektiven Deduktion der Ranghöhe von Werten vorstellt. Im Anhang rundet eine von Frédéric Tremblay vorgenommene englische Übersetzung des kurzen Beitrags „Max Scheler †“ von Hartmann aus dem Jahre 1928 den Band ab.

Literatur Cicovacki, Pedrag (2014): The Analysis of Wonder. An Introduction to the Philosophy of Nicolai Hartmann, New York.

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Einleitung

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Moritz v. Kalckreuth/Gregor Schmieg/Friedrich Hausen

Wunsch, Matthias (2014): Fragen nach dem Menschen. Philosophische Anthropologie, Daseinsontologie und Kulturphilosophie, Frankfurt a. M. Wunsch, Matthias (2015): „Anthropologie des geistigen Seins und Ontologie des Menschen bei Helmuth Plessner und Nicolai Hartmann, in: Köchy, Kristian/Michelini, Francesca (Hg.): Zwischen den Kulturen. Helmuth Plessners „Stufen des Organischen“ im zeithistorischen Kontext, Freiburg/München, 243 – 271.

Katrin Felgenhauer

Philosophie aus der Ferne? Zur Autonomie des Seins im a-zentrischen Ansatz Nicolai Hartmanns und im ex-zentrischen Ansatz Helmuth Plessners Abstract: The purpose of this paper is to discuss two metaphysical concepts of epistemology in the works of Nicolai Hartmann and Helmuth Plessner. The discussion of both concepts focuses on one of the most critical problems of modern epistemology, known as “Satz des Bewußtseins” or “Satz der Immanenz” (Theorem of Immanence). The problem can be briefly summarized by the question why we should assume that things can be real, autonomous entities if we only know them through our subjective capacities, commonly referred to as awareness or intentionality. Hartmann and Plessner develop distinct solutions to this problem. Hartmann’s approach is described as a-centristic while Plessner’s approach is introduced as an alternative, ex-centristic solution. The discussion of both approaches is motivated by the intent to clarify which notion of epistemological distance necessitates consideration to recognize and understand the autonomy of things. Keywords: Helmuth Plessner, Nicolai Hartmann, Epistemology, Phenomenology, Consciousness, New Ontology, Realism, A-centric, Ex-centric

Einleitung Nicolai Hartmann und Helmuth Plessner eint die Absicht, eine neue metaphysische Grundlegung der modernen Erkenntnistheorie auszuarbeiten. In diesem Sinne sind sie für die gegenwärtige philosophische Auseinandersetzung in besonderer Weise interessant. Zum einen weil der erkenntnistheoretische Primat, der noch immer in weiten Teilen der abendländischen Subjektphilosophie proklamiert wird, in sich die große „Gefahr“ birgt, wie es Edmund Husserl einst formulierte, „in der skeptischen Sintflut zu versinken und damit unsere eigene Wahrheit fahren zu lassen“ (Husserl 1954, 12). Die metaphysischen Grundlagen der Erkenntnis (wieder) zu erforschen und über die Grundlagen einer kritischen Erkenntnistheorie nachzudenken, damit diese nicht ins Bodenlose zu versinken droht, erscheint insofern nicht nur sinnvoll, sondern mithin notwendig. Zum anderen ist hiermit der Anspruch verbunden, der Realität der Welt (wieder) zu ihrem Recht zu verhelfen, d. h. dass sich die Dinge nicht allein nach unserer Erhttps://doi.org/10.1515/9783110615555-003

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kenntnis von ihnen richten, sondern auch als an-sich Seiende zu begreifen sind – freilich ohne hierbei in ein vorkritisches Denken zurückzufallen. Heutzutage wird ein solcher Anspruch mit Namen wie Graham Harman, Quentin Meillassoux und Markus Gabriel verbunden, die (trotz unterschiedlicher Ansätze) ihre Abkehr vom „korrelationalistischen Vorurteil“ eint: Seiendes sei nur für ein Subjekt, nicht aber an-sich.¹ Eine systematische Auseinandersetzung mit dem Problem eines nur subjektrelativen Seins finden wir allerdings auch schon knapp hundert Jahre zuvor bei Hartmann und Plessner.² Die folgende Auseinandersetzung ist darum bemüht, den jeweiligen Ansatz Hartmanns und Plessners zur metaphysischen Grundlegung der Erkenntnistheorie genauer zu beleuchten. Hartmanns Grundlegung führt über den Weg einer neuen, kritischen Ontologie. Plessner schlägt den Weg der naturphilosophischen Begründung des Lebens ein. Die Darstellung der beiden Ansätze wird hierbei auf das zentrale Erkenntnisproblem, das als Satz des Bewusstseins oder als Satz der Immanenz bezeichnet werden kann, hin orientiert – ein Problem, das folgende Fragen umfasst: Wie können wir sagen, dass wir es mit wirklichen Dingen in der Erkenntnis zu tun haben und nicht nur mit Bewusstseinsinhalten? Was garantiert die Autonomie, respektive die Objektivität, desjenigen Seienden, welches Gegenstand eines Bewusstseins ist? Was garantiert also, dass wir es mit Seiendem zu tun haben, welches „auch ohne Gegenstehen und unabhängig vom Bewusstsein ist, was es ist“ (Hartmann 1965a, 49)? Obgleich beide Denker einiges gemeinsam haben, sind ihre Ansätze in Bezug auf jenes Problem der Methode nach ganz verschiedene.³ Das Erkenntnisproblem vom Satz des Bewusstseins ist für Plessner  Die drei Autoren können als Hauptvertreter der jungen philosophischen Strömung des spekulativen, bzw. des neuen Realismus gelten.  Entgegen der verbreiteten Annahme, der Begriff des Korrelationismus sei von Quentin Meillassoux geprägt, ist die gleiche Verwendung und Definition unter dem Terminus „Korrelativismus“ schon bei Nicolai Hartmann zu finden, der vom „korrelativistischen Vorurteil“ spricht (Hartmann 1965a, 77 f.).  Die These, dass sich die Ansätze der beiden Denker tiefgreifend unterscheiden, wird nicht von jedem geteilt. So begreift z. B. Joachim Fischer die Ansätze als nahe beieinander liegend. Er bezeichnet bekanntermaßen das Gespann, zu dem er auch Max Scheler zählt, als die „Kölner Konstellation“ und gesteht Hartmann hierin eine Schlüsselrolle zu (Fischer 2012). Es kann Fischer dahingehend zugestimmt werden, dass es bisher ein Desiderat geblieben ist, Hartmanns Einfluss auf die Philosophische Anthropologie zu erforschen. Bei aller vermeintlichen Nähe, die die Rede von „Schichten“ (Hartmann) und „Stufen“ (Plessner) suggeriert, sollte m. E. hierbei aber auch nicht die Differenz der beiden Ansätze, Neue Ontologie und Philosophische Anthropologie, aus dem Blick geraten. Den von Fischer postulierten epistemologisch gleichen Ausgangspunkt der beiden Ansätze, die distanzierte Außensicht auf das Objekt, scheint mir, u. a. auch angesichts der von Plessner diesbezüglich geäußerten Kritik an Hartmann, auf die ich weiter unten noch zu sprechen kommen werde, überaus fraglich (ebd., 144). Auch die These, die gleichsam von Matthias Wunsch

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nämlich im Grunde gar nicht problematisch. Für Hartmann andererseits ist das Problem der Beweis dafür, dass „die metaphysische Kernfrage der Erkenntnis eine ontologische ist“ (Hartmann 1965b, 78) – womit er den Primat der Ontologie offenbart. Plessner will sich hingegen eines Primates enthalten. Wenn er aber einen zu benennen hätte, dann wäre dieser das Leben.⁴ Mit der im Titel getroffenen Unterscheidung zwischen a-zentrischem Ansatz (Hartmann) und ex-zentrischem Ansatz (Plessner) sind die jeweils verschiedenen methodologischen Herangehensweisen der beiden Denker angezeigt, welche in Bezug auf das Problem der Autonomie eines dem Bewusstsein gegebenen Seienden in Frage zu stellen sind. Anschließend an die Besprechung des Hartmann’schen Ansatzes (1) ist für die Auseinandersetzung dabei vor allem jene Frage von Interesse, die sich aus Plessners Kritik in seiner ansonsten überaus anerkennenden Rezension von Hartmanns Problem des geistigen Seins ergibt: Bedarf es, um der Autonomie eines dem Bewusstsein gegebenen Seienden epistemologisch gerecht zu werden, einer Philosophie aus der Ferne – des Zurücktretens vom eigenen Bewusstseinsstandpunkt? (2) Der neue Realitätsbeweis in Plessners Ansatz am Leben geht zumindest von einer eigentümlichen Fern-Nähe zu den Dingen aus (3). Ihm gemäß muss Hartmanns Ansatz als theoretische Konstruktion erscheinen, welche einen methodologischen Vorentscheid über die Sache enthält und die Realität in der Erscheinung damit gerade verkennt. Ihr gerecht zu werden, geht für Plessner nicht mit einer (künstlichen) Distanznahme zum eigenen Bewusstsein einher. Denn auf der Grenze zwischen dem eigenen Stehen in der Welt hier und dem Gegenstehen gegen eine Welt dort situiert Plessner das menschliche Bewusstsein, das insofern von beiden Seiten und in dieser Weise von der Realität, respektive Objektivität der Welt und ihrer Dinge zeugt (4).

geteilt wird, Hartmann liefere die ontologische Basis für die Philosophische Anthropologie, halte ich, zumindest mit Blick auf die Philosophie Plessners, für nicht haltbar (Fischer 2012, 145; Wunsch 2012). Ich werde auf die Schwierigkeiten, die sich gerade aufgrund des m. E. systematisch und methodologisch anderen Ansatzes Hartmanns ergeben, im Text zu sprechen und auf die damit verbundenen Differenzen von Hartmann und Plessner zurückkommen. Den Vergleich beider Denker respektive beider Denkrichtungen miteinander halte ich aber dennoch für überaus fruchtbar. Ich würde nur die These vertreten, dass es hierbei gerade die Differenzen sind (und nicht die vermeintlichen Gemeinsamkeiten), die die jeweils andere Seite erhellen.  Plessner vertritt mit diesem Ansatz jedoch weder einen Naturalismus noch Biologismus, wie ihm zuweilen unterstellt wird. Eine dezidierte Auseinandersetzung kann diesbezüglich im Rahmen dieses Aufsatzes nicht geleistet werden, es wird aber an den entsprechenden Stellen auf die Missdeutung dieser ‚Ismen‘ hingewiesen.

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1 Zur Autonomie des Seins im a-zentrischen Ansatz Hartmanns Nicolai Hartmann zufolge hat jede Erkenntnistheorie metaphysische Voraussetzungen. Der moderne kritische Argwohn gegenüber der Metaphysik sei einem Missverständnis der Kantischen Kritik geschuldet: Dass wir die Dinge nicht erfahren, wie sie an-sich sind, sondern immer so, wie sie für ein Bewusstsein erscheinen, verführt zu dem „negativistischen Glauben“, man müsse sich „aller metaphysischer Gedankenrichtung überhaupt […] enthalten“ (Hartmann 1965b, 34). Die stete Prominenz dieses Vorurteils sei hierbei vornehmlich auf den Kritizismus neukantischer Prägung zurückzuführen. Im Rahmen einer dezidierten Erkenntniskritik vermeinen die Anhänger desselben, so Hartmann, dass metaphysische Probleme und mithin alle ontologischen Probleme keine Berechtigung auf dem Gebiet der Erkenntnistheorie hätten – sie seien hierin einfach falsch formulierte Probleme (vgl. Hartmann 1955, 17). Indes ist es gerade die Leugnung des metaphysischen Gehaltes, die zur Verfehlung des eigentlichen Erkenntnisproblems führt: Dass es Probleme gibt, die nicht lösbar sind, in denen immer ein unlösbarer, ein irrationaler Rest bleibt. Dies hätte „[a]lle besonnene Erkenntniskritik, auch die Kantische, […] stillschweigend anerkannt“ (ebd., 12). Die Kritik der Erkenntnis, allen voran die Kantische, wendet sich nicht gegen das Metaphysische im Erkenntnisproblem, sondern „gegen die Metaphysik bestimmter ‚Lösungen‘“ (ebd., 12). Hierzu zählen die Spekulationen über einen Urgrund oder ein Telos, über Gott, die Seele oder über eine ganzheitliche Kosmologie (vgl. ebd., 13). Worauf Hartmann also hinweist: Zunächst sei zu klären, was Metaphysik dem Begriffe nach meint und sodann, wogegen sich eine Kritik derselben richtet. Wir müssen nämlich unterscheiden zwischen einer Metaphysik spekulativer Systeme, in deren Rahmen wir es mit Seiendem zu tun haben, wie es im Lichte eines systematischen Prinzips deduziert werden kann und derjenigen des Erkenntnisproblems. Gegen die vorkritisch spekulativen Metaphysiken richtet sich z. B. der moderne Szientismus. Doch dieser glaubt, dass lediglich das, was durch das naturwissenschaftliche Prinzip erklärt werden kann, überhaupt nur sinnvoll vorgestellt werden könne und stellt gerade hierin die Kantische Kritik gänzlich auf den Kopf. Indem der Szientismus nämlich eine Teildisziplin, die Wissenschaft von der Natur, zum ganzheitlichen Prinzip der Welt erklärt und hierin seine Abkehr von der Metaphysik begründen will, übersieht er, dass er in seinem Absolutheitsanspruch nicht weniger metaphysisch ist als das vorkritische Zeitalter. Und so sind es gerade die großen positivistisch-szientistischen Metaphysikkritiker unserer Zeit, welche heute blind dasjenige affirmieren, was eigentlich zu kritisieren sei: die Metaphysik des Systems.Wobei sie dasjenige, was eine solche Kritik

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eigentlich notwendig macht, d.i. das Metaphysische im Erkenntnisproblem, verkennen. Denn es ist gerade das, was im Dunkel bleibt – für Hartmann ist dies das Irrationale oder eben Metaphysische im Erkenntnisproblem und nach Kant ist es das Ding an sich ‒, ohne das die Erscheinung nur „leerer Schein wäre“ (Hartmann 1955, 17). Dementsprechend hat die Metaphysikkritik der Erkenntnistheorie auf das Metaphysische im Erkenntnisproblem zu achten, um ihre wissenschaftlichen Methoden in Bezug darauf kritisch zu reflektieren. Leugnet sie es, fehlt ihr gerade dasjenige, weswegen es einer Kritik bedarf und sie wird in der Behandlung des Erkenntnisproblems metaphysisch und unkritisch. Deshalb auch stellt Hartmann der These Kants – „Keine Metaphysik ohne Kritik.“ – ihre „natürliche Antithese gegenüber […]: keine Kritik ohne Metaphysik“ (Hartmann 1965b, 5). Ausgehend von einer Erkenntniskritik, die am metaphysischen Problemgehalt orientiert ist, will Hartmann eine Systematik „erst aus dem sachlichen Gang der Untersuchung [der Phänomene] bilden“ (ebd., 8). Das Ding an-sich in diesem Sinn „positiv auszuwerten“, muss für eine Theorie, „die nicht gegen das Phänomen, sondern gegen den theoretischen Standpunkt kritisch sein will“, grundlegend sein (ebd., 184). Insofern aber gilt es, die „negative Ontologie Kants […] in eine positive Ontologie“ zu transformieren (ebd., 184). Damit die Ontologie systembildend fungieren kann, müssen wir zunächst die Realität des Erkenntnisgegenstandes begründen und uns dieser auch methodisch versichern können. Der Kritizismus bestreitet die Realität, d. h. das Ansichsein der Dinge unabhängig von unserem Denken. Denn an-sich Seiendes ist undenkbar: Wird es gedacht, ist es schon Gegenstand eines Bewusstseins – nicht an-sich, sondern für-es ist es da. Das System der kritischen Philosophie gründet sich auf dem Satz des Bewusstseins (vgl. Neeb 1795): „Alles was für uns den Charakter des Seins hat, muss dem Bewusstsein entweder als Gegenstand oder als Erlebnis immanent sein“ (Jaspers 1956, 49; Hervorhebung im Original – KF). Denn „die Immanenz des Setzens“, d. h. dass das Bewusstsein etwas als außer ihm seiend setzt, „ist gleichsam stärker als die Intention des Transzendenten“ (Hartmann 1965b, 62). Das Bewusstsein vermeint zwar etwas außer ihm Seiendes, d.i. von ihm Unabhängiges zu setzen, aber gerade in diesem Meinen ist das Seiende abhängig vom Bewusstsein, d. h. „eben doch nur in ihm gesetzt, gedacht, angeschaut, empfunden“ (ebd., 62; Hervorhebung im Original gesperrt – KF). Der Reinhold’sche Satz vom Bewusstsein, den er zum Grund seiner Elementarphilosophie erklärt, lautet daher: „Im Bewusstsein wird die Vorstellung durch das Subjekt von Subjekt und Objekt unterschieden und auf beide bezogen“ (Reinhold 2003, 113 [167]). Nicolai Hartmann versteht das Gegenüber von Subjekt und Objekt hingegen nicht als ein Immanenzverhältnis, sondern als eines „gegenseitiger Urgeschiedenheit“ oder Transzendenz (Hartmann 1965b, 44). Für ihn ist Erkenntnis „kein bloßes Bewusstseinsphänomen“, sondern „das Erfassen eines Ansichseienden“ (Hartmann

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1955, 19). Erkenntnis soll nicht heißen: Erschaffen, Erzeugen, Hervorbringen, d. h. Setzen eines Gegenstandes, sondern soll heißen „ein Erfassen von etwas, was auch vor aller Erkenntnis und unabhängig von ihr vorhanden ist“ (Hartmann 1965b, 1). Hierbei zeugt das Grundphänomen der Erkenntnis von der Realität des Gegenstandes, denn primär wird nach Hartmann der transzendente Gegenstand erfasst und nicht das immanente Vorstellungsbild desselben. Sehe ich beispielsweise meinen Kater Levi, wie er da vor mir sitzt, dann nehme ich nicht das (immanente) Vorstellungsbild von Levi wahr, sondern meine Wahrnehmung ist auf meinen seienden Kater Levi gerichtet. Diese Tatsache durchbricht für Hartmann die Immanenz. Bestimmtheiten des Objektes können nur erfasst werden, wenn das Erkenntnissubjekt seine Sphäre verlässt und in die Sphäre des Objektes ‚hinübergreift‘ (ebd., 44). Erkenntnis ist somit der transzendente Akt des Ergreifens eines Jenseitigen.Wenngleich das Erkenntnissubjekt sich des Erfassens nur bewusst sein kann, wenn es andererseits bei sich ist. Doch das Erfasstwerden des Objektes wird nicht zugleich noch miterfasst, sondern ist sekundär. Die Besinnung auf Subjekt, Akt und immanentes Vorstellungsbild des Objektes im Subjekt ist „im schlichten, unreflektierten Erkenntnisakt […] nicht gegeben“ (ebd., 45). Insofern wurzelt für Hartmann „[d]ie Möglichkeit des ‚Erfassens überhaupt‘“ nicht im Bewusstsein, sondern „im Wesen der seienden Sache“ (ebd., 76). Mit dieser ‚Wende zum Objekt‘ unterscheidet er im Erkenntnisphänomen Gegenstand und Sein: Nicht alles Seiende muss Gegenstand eines Bewusstseins sein und genauso wenig sind alle Gegenstände (wie es z. B. Denk- und Phantasiegegenstände nicht sind) Seiendes (Hartmann 1955, 20). Der große Fehler aller Bewusstseinsphilosophien läge darin, so Hartmann, „im Erkenntnisphänomen Gegenstand und Sein zu verwechseln – so die Neukantianer, so die meisten Positivisten, so Husserl“ (ebd., 20). Wir haben zwar vom Sein nur ein Wissen, sofern es schon Gegenstand der Erkenntnis ist – hier ordnet sich die Epistemologie der Ontologie vor, doch dieser Umstand ist für Hartmann sekundär. Das Grundphänomen jeder Erkenntnis ist das Realitätsbewusstsein, dass wir es eben nicht bloß mit Vorstellungen, sondern mit real Seiendem zu tun haben. Die Realität der Erkenntnisgegenstände muss nicht erst bewiesen werden. Umgekehrt fällt vielmehr dem Skeptiker die Beweislast zu, den vermeintlichen Schein der Realität zu erklären (Hartmann 1955, 18 f.). Die Bedingung der Möglichkeit für das Realitätsbewusstsein liegt Hartmann zufolge darin begründet, dass das Bewusstsein in Distanz zu den Dingen zu treten vermag. Er unterscheidet diesbezüglich geistiges (d.i. menschliches) Bewusstsein, welches zur Distanznahme fähig ist und geistloses (d.i. tierisches) Bewusstsein, welches eingespannt in die Welt, d. h. unmittelbar und distanzlos in dieser lebt: „Es geht nahezu auf im Zupacken, Zuspringen, Flüchten, Sich-Ängstigen“

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(Hartmann 1949, 109). Geistiges Bewusstsein ist hingegen durch sein Mitwissen um das eigene In-der-Welt-Sein charakterisiert und tritt genau aus diesem Grund in Distanz zur Welt. Zur genaueren Charakterisierung des geistlosen und des geistigen Bewusstseins lehnt sich Hartmanns Darstellung der Formulierung nach an Plessners Konzeption der zentrischen und exzentrischen Positionalität an:⁵ Das tierische Bewusstsein sei frontal gegen seine Umwelt gestellt. Es bildet den Mittelpunkt oder das Zentrum für eine Welt, die es auf sich bezieht. Geistiges Bewusstsein tritt in Distanz zur zentrischen Unmittelbarkeit und „orientiert nicht mehr die Welt auf sich, sondern sich auf die Welt“ (ebd., 111). Die um das zentrische Bewusstsein orientierte Umwelt wird durch diese Umwendung zur Welt für ein Bewusstsein, das seiner Form nach exzentrisch positioniert ist (ebd., 111). Weil die Form der exzentrischen Position jedoch nicht Plessners Konzept der exzentrischen Positionalität entspricht, sondern hiervon zu unterscheiden ist, kann Hartmanns Ansatz besser als a-zentrischer verstanden werden. In der A-Zentrizität des geistigen Bewusstseins findet Hartmann den methodologischen Ansatz, sich der Realität des Erkenntnisgegenstandes zu versichern. Erst in Distanz werden Dinge zu Objekten, d. h. nicht relativ auf ein unmittelbares Begehren, sondern als das, was sie sind, kommen sie zu Bewusstsein. An einem Beispiel Hartmanns lässt sich dies verdeutlichen: Für den Schimpansen ist die Banane zwar etwas Bestimmtes, denn er begehrt sie zu essen. Aber er erfasst sie nicht, wie sie an-sich ist, denn das Begehrtsein ist für die Banane nicht charakteristisch. Das geistige Bewusstsein hat hingegen Distanz zum unmittelbaren Begehren und kann so etwas von den Bestimmtheiten erfassen, die die Banane an-sich hat (vgl. ebd., 120). Hierbei ist es nicht wichtig, ob eine konkrete Vorstellung von dem Ding auch wirklich auf dieses zutrifft oder nicht. Vielmehr kommt es auf die Einstellung des Bewusstseins als solche an, sich vom Ort des Bewusstseins zu distanzieren, um sich ein Seiendes zu „objizieren“. Gleichwohl ist auch im Falle des Irrtums ein Seiendes zum Objekt des Bewusstseins gemacht (ebd., 116). Die Offenheit gegenüber jedem Standort garantiert der Autonomie des Seins gerecht zu werden, indem es unabhängig von einem erkennenden Bewusstsein ist, was es ist. Für Hartmann bedeutet dies, dass sich das Ansichsein oder die Realität der Welt nur a-theoretisch, nur deskriptiv erfassen lässt – unabhängig von jedem Systemstandpunkt. Das Problem der Bewusstseinsphilosophien ist es folglich, die Zentralität des geistlosen Bewusstseins beizubehalten

 Wenngleich sich methodologisch, wie noch zu zeigen sein wird, Hartmann und Plessner deutlich voneinander unterscheiden und Plessners exzentrische Positionalität nicht mit Hartmanns geistigem Bewusstsein gleichgesetzt werden kann. Hartmann übernimmt hier lediglich einige Formulierungen Plessners, nicht aber dessen Theorie.

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und mit dieser anthropozentrischen Auffassung von Welt ihre Realität zu entwerten (vgl. ebd., 113). Der offene Blick einer mittelpunktlosen Anschauung aus der Distanz heraus garantiert, dass ein Ding nicht von mir aus zu ihm hin, sondern von sich selbst her so und so aussieht. Insofern bleibt es immer ein Stück weit für mich unverfügbar. Am deutlichsten tritt das Metaphysische im Erkenntnisphänomen für Hartmann jedoch dort hervor, wo die Auseinandersetzung mit den Phänomenen aporetisch wird (Hartmann 1965b, 78). In dem beinah schon pathologischen Zwang moderner Wissenschaftlichkeit, Probleme um jeden Preis lösen zu wollen, wird die hierfür nötige Kunst der Aporetik allerdings zunehmend verlernt. Weil z. B. die Immanenzphilosophie den Satz des Bewusstseins als Grundbedingung von Erkenntnis verstehen will, übersieht sie gerade die allgemeine Aporie der Erkenntnis: Wie ist die Erkenntnisrelation zwischen zwei einander transzendenten Sphären überhaupt möglich? Sie übersieht die Aporie, so Hartmann, „weil in ihr das Bewusstsein des Ansichseins, das alles Objektbewusstsein begleitet, als Phänomen übersehen ist“ (ebd., 63). Freilich, die Frage, wie die Erkenntnisrelation überhaupt möglich ist, kann für Hartmann nur ontologisch beantwortet werden: Nur weil es Seiendes gibt, kann es Gegenstand eines (seienden) Bewusstseins werden – womit er letztlich den Primat der Ontologie vor der Erkenntnistheorie behauptet.⁶ Die Aporie wird damit unter ontologischem Gesichtspunkt gelöst und das Ding an-sich von Hartmann in dieser Weise positiv gefasst – unter gnoseologischem Gesichtspunkt bleibt die Aporie aber erhalten (vgl. ebd., 233). Helmuth Plessner bezeichnet den gegen jeden theoretischen Standort offenen Ansatz Hartmanns als dessen „natürlich-realistische“ Blickrichtung. Hartmanns a-zentrischer Ansatz gestattet quasi einen Blick von der Seite aus auf die SubjektObjekt-Relation zu werfen, während für die zentralistische Logik „jeder Blick selber wieder eine Subjekt-Objekt-Relation [stiftet] und [so] die Bewusstseinsimmanenz nicht durchbrechen [kann]“ (Plessner 1979, 68). Plessner bezweifelt nun allerdings, dass es sich bei dem offenen, dem sich eines jeden theoretischen Standpunktes enthaltenden Blicks Hartmanns wirklich um eine a-theoretische Einstellung handelt, und fragt, ob nicht auch die Standortlosigkeit selbst schon wieder einen Standort, eine Theorie, d. h. Philosophie darstellt.

 Die Erkenntnisrelation „wurzelt“, so Hartmann, in der Seinsrelation (ebd., 60).

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2 Philosophie aus der Ferne? Zwei Kritikpunkte äußert Helmuth Plessner in der ansonsten überaus anerkennenden Rezension von Hartmanns Problem des geistigen Seins. Der erste Einwand betrifft die Annahme einer philosophisch neutralen Zone. Mit diesem Einwand bringt Plessner Nicolai Hartmann in die Nähe zu Husserl, aber auch zu Heidegger und Scheler, wenn er schreibt, dass der Glaube an die Offenheit des Blicks „bezeichnend für die ganze phänomenologische Richtung“ sei; „ein ‚Ismus‘, für den es noch keinen Namen gibt“ (ebd., 85). Plessner gibt hier zu bedenken, inwiefern die methodologische Anweisung einer zunächst reinen Deskription, auf die dann erst, quasi in einem zweiten Schritt, die Theoriebildung zu folgen hat, nicht selbst schon eine Theorie sei. Und darüber hinaus, ob nicht „in dem Vertrauen auf den nur blickaufschließenden Sinn des Sprachgebrauchs“ zur Beschreibung und Diskutierbarkeit der Dinge „bereits eine (uneingestandene und nicht formulierte) Auffassung oder Theorie [steckt]“ (ebd., 85). Der Einwand gegen die Annahme einer philosophisch neutralen Zone trifft Hartmann freilich in anderer Weise als er sich bspw. gegen Edmund Husserl richtet, denn Hartmann geht, anders als Husserl, nicht von einem transzendental gereinigten Bewusstsein aus. Der, wie Hartmann ihn nennt, „naive“ Erkenntnisakt ist eine Abstraktion: „Zum schlicht Erfassten tritt“ immer auch die „Meinung über das Erfasste“ (Hartmann 1965b, 46). Daher gibt es für Hartmann auch keine absolute Sphäre mehr, keinen Standort, von dem aus ein Weltbegreifen ansetzen könnte; nur eine absolute Offenheit gegen jeden möglichen Standort. Offen also auch gegenüber dem Standort eines transzendentalen Egos Husserls oder gegenüber dem formal anthropologischen a priori – genannt „Dasein“ – eines Heideggers. Und eben daher wird, so Plessner, „das Mittel der phänomenologischen Beschreibung bei Hartmann erst zu der Freiheit voll entbunden, welche als eine wahre Gegengabe zur Überfülle der grenzenlosen Welt und unserer in sie sich eingliedernden selbstbeschränkenden Erfahrung gefordert ist“ (Plessner 1979, 87). Doch bei aller Achtung für den phänomenologischen Gehalt des Hartmann’schen Werkes hält Plessner Hartmanns Ansatz nicht für a-theoretisch. Hiermit wird nun der zweite Einwand gegen die spezifisch Hartmann’sche Sehweise verbunden: Plessner fragt, ob die für selbstverständlich genommene Art des Sehens der exzentrischen oder distanzierten Blickstellung Hartmanns nicht eigentlich erst im Laufe der Geschichte durch Menschen wie Kopernikus und Giordano Bruno erobert werden musste. Durch Personen also, die maßgelblich an der Revolution des geozentrischen Weltbildes beteiligt waren, indem sie „das Universum im Sinne einer mittelpunktlosen ‚Natur‘ zur Anschauung“ brachten (ebd., 85). Ist sie wirklich eine natürliche Blickstellung und nicht vielmehr eine

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natürlich Gewordene? Für Plessner ist Hartmanns Art zu sehen, „unbeschadet ihrer Natürlichkeit für uns Menschen von heute“ (ebd., 87), selbst schon eine Philosophie – eine Philosophie, so ließe sich sagen, aus der Ferne. Und mittels ihrer wird (unbemerkt oder uneingestanden) eine Vorentscheidung darüber getroffen, wie sich die Dinge einem geistigen Bewusstsein gegenüber zu zeigen vermögen. Dies zeigt sich insbesondere in der Erfahrbarkeit des geistigen Seins, über das Plessner folgendes schreibt: Um es mit einem Bilde zu sagen: er [Hartmann] sieht das geistig-geschichtliche Leben wie auf einem fremden Stern sich abspielen. Eingebettet in den unermesslichen Strom der Realzeit, in die Jahrmillionen alte Geschichte dieses Planeten, für kosmische Maßstäbe geringfügig, zeigt sich unserer Erfahrung dieses seltsame Sein und Geschehen des menschlichen Geistes (ebd., 85).

Die a-zentrische, die a-theoretische Blickstellung Hartmanns übersieht nicht nur den eigenen geistes-historischen Standort und leugnet insofern die Notwendigkeit seiner Reflexion. Die Fernstellung des distanzierten Blicks scheint zudem auch der falsche Abstand, um des (geistigen) Seins gewahr zu werden. Um den letzten Punkt deutlicher zu machen, ist an dieser Stelle kurz auf Hartmanns Realontologie der Zeit einzugehen. Hartmann unterscheidet zwischen Anschauungs- und Realkategorie des Geistes. Als reales Sein ist der Geist, wie das geistlose Sein, in der Zeit, sie ist für beide identisch (Hartmann 1949, 87) und „stell[t] die Einheit der realen Welt her“ (ebd., 97). In der Anschauungskategorie der Vergegenwärtigung ist der Geist erhaben über die Zeit. Hier wird er als etwas aufgefasst, was er in Wirklichkeit nicht ist: als identisches Wesen, als beharrende Substanz. Real ist der Geist für Hartmann aber in der Zeit, von der er, wie alle Dinge, beständig fortgeführt wird: Das Ganze des Geisteslebens spielt sich in einer steten Dynamik ab. Man kann wohl Schnitte hindurchlegen um der Betrachtung willen, aber die Statik der Schnitte ist Abstraktion, am lebenden Geist gibt es sie nicht. Hier haben die kontemplativen Theorien Verwirrung angerichtet. Der lebende Geist steht nicht als Zuschauer unbeteiligt dabei, während das reale Leben sich an ihm vorüberdrängt. Er steht immer selbst mitten im Drange (ebd., 99).

Insofern kann das geistige Sein als Ganzes im Grunde niemals vergegenwärtigt werden, weil es in die Dauer, den Wandel auseinandergezogen ist (vgl. ebd., 130 f.). Distanz, schreibt Plessner in seinem Aufsatz „Mit anderen Augen“, ist notwendig, um zu sehen (Plessner 1982a, 102). Angesichts seiner Kritik am Hartmann’schen Ansatz eines gegenüber allen Standorten distanzierten Bewusstseins ist allerdings anzunehmen, dass Plessner ein anderes Verständnis der Distanzname entwickelt als Hartmann – nicht im Sinne einer Fernstellung, son-

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dern als eigentümliche Fern-Nähe begreift er diese. Im Zuge der folgenden Darstellung des Plessner’schen Ansatzes werde ich auf die beiden obigen Kritikpunkte noch einmal Bezug nehmen. Ich hoffe damit, die bisher nur angezeigte Kritik Plessners am phänomenologischen Ansatz im Allgemeinen und konkreter an der spezifisch Hartmann’schen Sehweise in der Darstellung seines methodologisch anderen Ansatzes ausführlicher begründen zu können.

3 Der neue Realitätsbeweis in Plessners Ansatz am Leben Das Problem der Bewusstseinsimmanenz stellt sich zunächst für Plessners naturphilosophischen Ansatz am Leben nicht. Denn statt danach zu fragen, wie ein Bewusstsein der Welt möglich ist, fragt er danach, wie ein Erleben der Welt möglich ist und „[d]as Erleben ist weiter als das Bewusstsein“, so Plessner (Plessner 2002, 85). Da Erleben Leben zur Voraussetzung hat, fragt er nach dem Begriff des Lebens, um von diesem ausgehend einen geeigneten Begriff vom Erleben zu entwickeln. Seine phänomenologisch fundierte Naturphilosophie des Lebens beansprucht insofern nicht, eine Naturphilosophie des Menschen oder des menschlichen Erlebens zu sein. Vielmehr wird, da für uns auch außermenschliche Entitäten als lebendig gelten, eine Vorrangstellung des Menschen vom Ansatz her vermieden. Seinen Begriff des Lebens will Plessner weder naturwissenschaftlich materialistisch noch metaphysisch vitalistisch begründen, sondern mit den Mitteln der Phänomenologie. Entsprechend vermeidet Plessners Ansatz zudem einen Reduktionismus auf entweder die physische oder die psychische Realität des Lebens. Plessner fragt nach dem Phänomen des Lebens und was dieses in der Anschauung von unbelebten Dingen unterscheidet. Unbelebte Dinge erscheinen nur als einen Raum füllend, nur als Kontur, nur gestalthaft. Die Begrenzung zwischen einem Körper und das an ihn angrenzende Medium begreift Plessner als nicht mehr als einen einfachen Übergang, welcher entweder keinem von beiden oder beiden gemeinsam angehört. Lebendige Dinge erscheinen hingegen als sich selbstständig gegenüber ihrer Umwelt begrenzend, d. h. ab- und aufschließend, wie sich dies zum Beispiel am Stoffwechselvorgang der Atmung zeigt. In dieser Hinsicht ist das Phänomen eines lebendigen Dinges durch eine divergente Außen-Innenbeziehung charakterisiert. Nach Plessner gehört diese Grenze – in welcher die beiden Richtungen, nach innen und nach außen, jeweils in ihr Gegenteil umschlagen – ontisch dem belebten Ding selber

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an.⁷ Und insofern die Grenze nicht nur einfacher Übergang ist, sondern dem Körper selbst angehört, ist für sein Erscheinen wesentlich, dass er in der Anschauung von sich selbst aus einen Raum zu behaupten scheint. Das in dieser Weise raumeinnehmende In-der-Welt-Sein lebendig erscheinender Dinge nennt Plessner „Positionalität“. Lebendige Dinge unterscheiden sich aber nicht grundsätzlich von Dingen überhaupt. „Frosch und Palme“, so Plessner, „unterliegen denselben Erscheinungsgesetzlichkeiten der Dinglichkeit, wie ein Stein“ (Plessner 1975, 89), d. h. genau wie dieser erscheinen sie in Raum und Zeit. Aber durch das Zueigensein der Grenze wird „nicht nur material die Erscheinung des betreffenden Dings, sondern darüber hinaus auch formal seine Erscheinungsweise verändert“ (ebd., 89). Es erscheint „als Einheit von Außen und Innen“ (ebd., 104), d. h. als übergestalthaftes Ganzes, welches nicht nur in Raum und Zeit erscheint, sondern darüber hinaus die Raum-Zeitstelle, an der es erscheint, selbst einnimmt. Nachfolgend unterscheidet Plessner drei Stufen erscheinender Lebendigkeit, respektive drei Stufen von Positionalität: offen, zentrisch und exzentrisch. Die Stufen der positionalen Organisationsweisen sind durch verschieden komplexe Umweltbeziehungen charakterisiert. Dass die letzte Stufe der exzentrischen Positionalität nicht linear aus den beiden vorhergehenden Stufen entwickelt ist, daran erinnert u. a. der Titel von Plessners Hauptwerk „Die Stufen des Organischen und der Mensch“.⁸ Denn mit dem Begriff der exzentrischen Positionalität wird auf einen Bruch im selbstvollzogenen Umweltbezug des lebendigen Dings hingewiesen. Dieses erlebt nicht einfach und geht in seinem Erleben auf (wie das zentrische Lebewesen), sondern es erlebt sein Erleben. Es ist Subjekt seiner Erlebnisse im Hier und Jetzt und ist zugleich Objekt seiner Erlebnisse in Gegenstellung zu sich: Die Beziehung mit seiner Umwelt in der es steht, ist ihm selbst noch einmal gegeben und daher weiß es um sein Erleben. Vor dem Hintergrund der phänomenalen Gegebenheit meint der Begriff der exzentrischen Positionalität demnach, von sich aus eine Raum-Zeitstelle, einen Ort zu behaupten und zugleich außerhalb dieses Ortes zu sein. Das „ex“ ist folglich nicht (nur) als Präfix zu lesen: Der Begriff umfasst die Zentrizität sowie die Exzentrizität der Position.

 Zu Plessners zentralem Begriff der Grenze siehe: Plessner 1975, 100 ff.  Hiermit wird deutlich, dass Plessner keinen Biologismus vertritt. Zwar gibt die zentralistische Organisationsform des Tieres die Basis für die Exzentrizität ab, weil mit der Exzentrizität keine neue Organisationsform ermöglicht wird. Dennoch hat aber das, was der Mensch mit dem Tier gemeinsam hat – nämlich seine Physis, nach Plessner nur empirischen Wert. Wer die „Stufen“ evolutionstheoretisch (miss)interpretiert, übersieht gerade den Witz, der in Plessners Werk steckt, dass nämlich der Mensch als Wesen zweier Welten – der sogenannten natürlichen und der geistigen – nirgends zu Hause ist: „Seine Existenz ist wahrhaft auf Nichts gestellt“ (ebd., 293).

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Insofern gibt Plessner den (alleinigen) seins- und erkenntnismäßigen Vorrang des Subjektes auf und zeigt eine aller anderen Erfahrung vorgeordnete, methodisch unhintergehbare Weise der Erfahrung auf: Als Subjekt meiner Erlebnisse erlebe ich unmittelbar und zugleich als Objekt meiner Erlebnisse erlebe ich mittellbar, dass ich erlebe. Nur aufgrund dieser, wie Plessner sie nennt, vermittelten Unmittelbarkeit, kann ich überhaupt von einem Erleben, von einem Erfassen, von Wahrnehmung und Erkennen sprechen. Ich kann also nur sagen, dass ich meinen Kater Levi wahrnehme (wie er da vor mir sitzt), weil ich zugleich wahrnehme, dass ich ihn wahrnehme. Hierbei dominiert die Unmittelbarkeit die Vermittlung: „Das Auge vergisst sich notgedrungen, wenn es sieht“ (ebd., 329). Unmittelbar haben wir es nur mit Erscheinungen bzw. Bewusstseinsinhalten zu tun: „Seine Situation [die des Menschen in der Welt – KF] ist die Bewusstseinsimmanenz“ (ebd., 328; Hervorhebung im Original gesperrt – KF). Das heißt aber nicht, dass er in diesem ‚gefangen‘ ist. Denn er ist zwar in die Mitte, in das Zentrum seiner Existenz gestelltes Ich. Doch aus dieser Mitte heraus vollzieht er selbst den Kontakt und den Austausch mit seiner Umwelt. Und insofern er als exzentrisch positionierte Lebensform um den Vollzug mit seiner Umwelt weiß, ja ihn selbst handelnd vollzieht, steht er zugleich ‚hinter‘ oder ‚über‘ sich; außerhalb der Mitte seines Stehens. Folglich sind die dem Bewusstsein unmittelbar gegeben Erscheinungen gerade der Beweis für die Realität der Welt, in der der Mensch um die Beziehung mit ihr wissend positioniert ist (vgl. ebd., 328). Um sich also der Realität gewiss zu sein, ist nicht nochmals ein Schluss notwendig oder eine Umwendung oder Intuition etc. Vielmehr fasst in ein und derselben Bewegung kraft der Vermittlung „das Wissen unmittelbar etwas Mittelbares: die Realität in der Erscheinung“ (ebd. 329; Hervorhebung KF). Dem exzentrisch positionierten Lebewesen sind also nicht bloß Bilder gegeben (wie sich dies für ein zentrisch positioniertes Lebewesen denken lässt, denn es ist frontal gegen sein Umfeld gestellt, ohne um diese Frontalität noch einmal zu wissen), sondern Objekte.⁹ Insofern also wirkliche Dinge, die in ihrer gegenständlichen „Gegebenheit von ihrer Gegebenheit ablösbar erscheinen“, weil zu ihrem Wesen das „Überschussmoment“, das „Übergewicht“ des Realen, des an-sich Seins in der Erscheinung gehört (ebd., 327). Seins- und Erkenntnisrelation sind bei Plessner nicht zwei verschiedene Relationen.¹⁰ Weil generell für Lebewesen gilt, dass sie in indirekter Beziehung

 Hiermit ist eine spezifische Differenz zwischen Tieren und Menschen angezeigt: Ein Tier nimmt bildlich war, nicht gegenständlich und hat den damit gegebenen „Sinn fürs Negative“ (Objekte haben immer eine Rückseite, d. h. wir nehmen sie perspektivisch war) nicht. Vgl. Plessner 1975, 270.  Wie dies für Hartmann, wie am Ende des ersten Teils dieses Aufsatzes kurz ausgeführt wurde, der Fall ist: Die Aporie der Bewusstseinsimmanenz kann für die Erkenntnisrelation nicht gelöst

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zum an-sich Seienden leben – weil die Haut, das Ohr, das Auge, zusammengefasst ihr Leib, das Zwischending ist, das den direkten Realkontakt verhindert – kommt dem exzentrisch positionierten Lebewesen die Realität unmittelbar zu Bewusstsein. Vermittels des Leibes ist die „seinsentsprechende Distanz“ gegeben, der „Spielraum, in welchem allein Wirklichkeit zur Erscheinung kommen kann“ (ebd. 331; Hervorhebung im Original gesperrt – KF). An seiner Lebensform (nicht seiner rationalistisch verstandenen Bewusstseinsform!), die sowohl die Bedingung der Möglichkeit des rezeptiven Erfassens von Welt als des handelnd zu ihr In-Beziehung-Tretens bietet, hat der Mensch die Gewähr für die Realität der Welt. Immanenz steht hier nicht gegen Transzendenz, sondern: „Die Immanenzsituation des Subjektes [ist] als unerlässliche Bedingung für seinen Kontakt mit der Wirklichkeit [zu] begreifen“ (ebd., 330). Hierin liegt die Stärke des neuen Realitätsbeweises von Plessner: „Nur in der Verschränkung von Abgehobenheit und Dabeisein, Ferne und Nähe erfüllt die Bewusstseinsimmanenz ihren wirklichkeitsaufschließenden Sinn“ (Plessner 1982b, 247). Im Folgenden möchte ich genauer auf die Bedeutung der exzentrischen Positionalität für eine kritische Erkenntnistheorie eingehen. In diesem Zusammenhang werden ich nochmals auf die beiden Kritikpunkte Plessners an Hartmanns Ansatz zu sprechen kommen: Der gegen jeden (theoretischen) Standort offene Blick und die damit gegebene Fernstellung zum menschlichen Geist.

4 Doppelaspektivität und Grenzgesetz Was bedeutet das Gesagte in methodologischer Hinsicht für eine Theorie der Erkenntnis? Zunächst folgt aus der vermittelten Unmittelbarkeit der exzentrischen Positionalität, d. h. aus der Situation, zu erleben, zu erleiden, durchzumachen und zu spüren und zugleich sein Erleben zu erleben, zu zügeln, zu analysieren und zu beobachten, dass hiermit die Unentscheidbarkeit gegenüber dem ästhetisch-bildhaften Moment des sinnlichen Erlebnisses und dem normativ-begrifflichen Moment des (irgendetwas daran) Verstehens angezeigt ist. Auf, oder besser: in die Grenze zwischen In-der-Welt (zentrisch) und zugleich gegen sie (exzentrisch) ist für Plessner das menschliche Bewusstsein gestellt. Und die Grenze – wir erinnern uns an seine Darstellung – ist nur reine Richtungsdivergenz des aus sich heraus und in sich hinein, d. h. sie ist selbst indifferent gegenüber beiden Richtungen. So nehmen wir, kraft des damit gegebenen Doppelaspekts des Bewusstseins, in dem Anschaulichkeit und

werden, für die Seinsrelation ist sie unproblematisch. Die Erkenntnisrelation wurzelt daher für Hartmann in der Seinsrelation.

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Verständlichkeit zugleich untrennbar gegeben sind, nicht nur Bilder war, sondern Objekte, d. h. Einheiten eines gestalthaften Außen und eines sinnhaften Innen. Weil für Plessner Erfahrung den Charakter der vermittelten Unmittelbarkeit trägt, läuft für ihn die Frage nach der Bedingung der Möglichkeit objektiver Erfahrung nicht auf die Alternative vor-reflexiv (intentio recta) – Gerichtetsein nach Außen auf den Gegenstand – oder reflexiv (intentio obliqua) – Gerichtetsein nach Innen auf das Subjekt – hinaus. Hieran wird nun zum einen verständlich, warum für Plessner der offene Blick, sowohl in der Lesart der gesamten phänomenologischen Richtung als auch der speziell Hartmann’sche, selbst schon eine Theorie darstellt: Er ist beschnitten um die zugleich auch analysierende, reflexive Seite der Erfahrung. Hartmann gesteht zwar ein, dass Erfahrung niemals rein ist, sondern immer schon ein Umgang mit den Dingen erfolgt – eine Meinung spontan zum rezeptiven Erfassen hinzutritt. Doch dieser Umstand betrifft für ihn einzig das immanente Vorstellungsbild, nicht den transzendent objektiven Gegenstand, der hiervon unberührt bleibt und dessen Erfassen primär ist. Die Gewähr für das Ansichsein, der Realität und Objektivität der Welt hat der Mensch nach Hartmann an der exzentrischen (a-zentrischen) Form seines Bewusstseins. Entsprechend wird methodologisch die Objektivität der Welt mit dem Absehen vom eigenen Standort erkauft.¹¹ Zum anderen ist mit der von Plessner herausgestellten Doppelaspektivität des Bewusstseins aber auch die Kurzsichtigkeit der theoretischen Gegenrichtung einer rein analytischen Philosophie angezeigt. Ihre Methode, dies gilt auch für die der Phänomenologie, soll damit nicht verworfen sein – sie tragen schließlich beide unter je ihrem Aspekt zur Klärung der Sache bei. Nur den jeweiligen methodischen Ansatz zu überhöhen und schließlich einen theoretischen Vorentscheid für einen Aspekt zu treffen, – darauf macht Plessners mit der Doppelaspektivität des Bewusstseins aufmerksam ‒, führt in einen methodologischen Reduktionismus, in Folge dessen die seiende Sache weniger reichhaltig erscheint, als sie ursprünglich erlebt (erfahren, wahrgenommen) wird. Es müsste insofern deutlich geworden sein, dass Plessner unter Exzentrizität methodologisch etwas vom Ansatz her anderes als Hartmann versteht: Für ihn ist damit die spezifische Lebensform des Menschen charakterisiert und mit ihr das menschliche Bewusstsein als doppelaspektives offenbart. Für Hartmann meint Exzentrizität die spezifische Bewusstseinsform der Distanzierung gegenüber dem realen Ort des Bewusstseins. Darüber hinaus wird mit Plessner deutlich, dass jedwede Trennung der beiden Aspekte bedeutet, einem Reduktionismus an der Einheit der (lebendigen) Erfahrung das Wort zu reden. Spricht er sich damit aber  Gleichwohl verweist Hartmann darauf, und hier unterscheidet er sich von der klassischen Phänomenologie, dass einen theoretischen Standort einzunehmen, für jede Wissenschaft unabdingbar ist, doch ist die Bildung desselben gegenüber der objektiven Erkenntnis (als Erleben, Wahrnehmen, Erfassen eines Ansichseienden) des Phänomens sekundär.

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letztlich für den Primat der Erkenntnistheorie aus – einer Erkenntnistheorie im Doppelaspekt? Nein! Denn „als durchzumachende wie als beobachtbare Wirklichkeit erscheine ich mir, indem ich selbst die Wirklichkeit bin“ (Plessner 1982b, 298). Erkenntnistheorie und Ontologie gehen hier Hand in Hand, insofern die lebendige Wirklichkeit des Ich-bin als Grund der Erscheinung zu begreifen ist. Es können allerdings Dinge unterschieden werden, bei denen der Erkenntnistheorie der Primat zukommen darf, insofern der seiende Grund der Erscheinung nicht in der Erscheinung selbst liegt, sondern durch ein erkennendes Bewusstsein in die Dinge ‚gelegt‘ wird. Dies sind Dinge, die nach Plessner kraft des Doppelaspektes als leblose erscheinen. Hiervon zu unterscheiden sind solche Dinge, die zugleich im Doppelaspekt und somit als lebendige erscheinen. Mit dieser Differenzierung möchte ich auf den zweiten Einwand Plessners zu sprechen kommen. Plessner moniert, dass sich unter Hartmanns a-zentrischem Ansatz das Sein und Gebaren des menschlichen Geistes, in den unermesslichen Strom der Realzeit eingebettet, der Erfahrung gegenüber wie auf einem fremden Stern darbietet. Zunächst: Für Plessner steht das exzentrisch positionierte Lebewesen zugleich außerhalb seines Stehens, womit „sein im Hier-Jetzt Sein […] nicht mehr in den Punkt seiner Existenz fällt“ (Plessner 1975, 298). Mit Blick auf Plessners Verständnis der Grenze lässt sich dies genauer fassen: Die Grenze wurde als Zone des „Umschlag[s] zweier wesensmäßig ineinander nicht überführbarer Richtungen“ vorgestellt (ebd., 102). Demnach kann die Grenze selbst weder örtlich noch zeitlich sein, weil sie dann an sich selbst eine Richtung hätte, was den sie auszeichnenden Richtungsgegensatz aufhöbe (vgl. ebd., 100). Das bedeutet, dass das Bewusstsein des exzentrisch positionierten Lebewesens indifferent ist gegenüber einem früher oder später – es ist selbst nicht in der Zeit. Zeit ist für Plessner keine Realkategorie, aber neben Raum und Zeit als Anschauungskategorien tritt als eine dritte, und diesen beiden quasi vorausliegende Kategorie: das Leben. Nun können mit Plessner Dinge unterschieden werden, bei denen der Erkenntnistheorie der Primat zukommen darf. Dies sind Dinge, die lediglich in Raum und Zeit erscheinen. „[D]as im Problementwurf in die Dinge gelegte Apriori hat für die Erkenntnis von Naturobjekten als Erscheinungen eine konstitutive Bedeutung“ (Plessner 1981, 180). Sowie auf der anderen Seite Dinge, an denen sich unser Erkennen immer wieder kritisch an seinem Gegenstand zu prüfen hat. Diese Dinge scheinen von sich selbst her einen Ort in Raum und Zeit einzunehmen und insofern besitzt das Apriori für die Erkenntnis von ihnen lediglich eine regulative Bedeutung (vgl. ebd., 180). Im Erleben eines Körpers, der kraft des Doppelaspekts erscheint, hat das Objekt keinen Sinn an-sich. Bildlichkeit und Verständlichkeit werden kraft der Doppelaspektivität unseres Bewusstseins vermittelt. Hier kommt dem Bewusstsein die objektivierende Leistung allein zu. Anders verhält es sich, wenn die Grenze Eigen-

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schaft des Körpers ist, denn dann erscheint uns jener als Objekt nicht nur kraft des Doppelaspekts, sondern auch und zugleich im Doppelaspekt. Das bedeutet, dass das, was dem Bewusstsein kraft des Doppelaspektes verständlich ist, gegenüber dieser Auffassung zugleich autonom ist, insofern das Objekt selbstgesetzgebend sein Erscheinen gestalten kann. Denn im selbstvermittelten Verhältnis eines (lebendigen) Körpers zu seiner Umwelt erscheint uns dieser von sich selbst her als Einheit von Innen und Außen, d. h. in seinem leibhaften Verhalten zu seiner Umwelt sind an ihm Anschaulichkeit und Verständlichkeit zugleich untrennbar gegeben: Das lebendige Ding erscheint von sich selbst her sinnhaft. Entsprechend kann „das Verhalten nicht wahrgenommen werden […], ohne im Ansatz wenigstens (evtl. falsch) gedeutet zu werden“ (Plessner 1982c, 84).¹² Um in dem Verhalten eines Lebewesens nicht nur einen einfachen Ablauf, der sich bspw. nicht von dem Ablauf eines Vulkanausbruches unterscheidet, zu erblicken, sondern seinem Sinn gewahr zu werden, ist entsprechend der eigene geistes-geschichtliche Standort des Menschen unabdingbar. Dieser geht in diesem Standort aber nicht auf, sondern ist zum Standort seines Stehens zugleich in Distanz und sich aus eben diesem Grund als das andere seiner selbst gegeben: Der Mensch erscheint sich selbst kraft des Doppelaspektes im Doppelaspekt, womit die durch die exzentrische Positionsform geschaffene Sphäre offenbar ist, die Plessner Geist nennt. Es ist die Sphäre zwischen mir und mir, mir und ihm und macht keine Realität aus, „ist jedoch realisiert, wenn auch nur eine Person existiert“ (Plessner 1975, 303). Die Möglichkeit der Objektivation seiner selbst und der Welt beruht auf diesem Abstand, der keine Fernstellung, sondern eine Fern-Nähe ist, d. h. beruht auf dem Geist als die „Sphäre, kraft derer wir als Personen leben“ (ebd., 304).

Literatur Fischer, Joachim (2012): „Neue Ontologie und Philosophische Anthropologie. Die Kölner Konstellation zwischen Scheler, Hartmann und Plessner“, in: Hartung, Gerald/Wunsch,

 Insofern wird an dieser Stelle nochmals deutlich, dass Plessner keinen Naturalismus vertritt, denn wo die Grenze zwischen dem Belebten und dem Unbelebten verläuft, liegt für den Menschen nicht von Natur aus fest. Lebendigkeit ist als Phänomen nur wahrnehmbar und d. h. von Leblosigkeit zu unterscheiden, wenn und weil ich mich zugleich verstehend auf den Gegenstand beziehe. Plessner weist in diesem Zusammenhang z. B. auf die Tendenz von Kindern hin, auch leblose Objekte zu verlebendigen: „Erst der Ernüchterungsprozess durch die Verstandeskultur bringt den Menschen zum Bewusstsein toter Dinge“ (Plessner 1975, 301). Insofern eröffnet Plessners Ansatz, wie unter anderem besonders von Gesa Lindemann hervorgehoben, eine sinnvolle Alternative für die noch immer weitestgehend der Medizin überantwortete Frage danach, wo (menschliches) Leben anfängt und wo es aufhört. Siehe hierzu v. a.: Lindemann 1999.

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Matthias/Strube, Claudius (Hg.): Von der Systemphilosophie zur systematischen Philosophie – Nicolai Hartman, Berlin/Boston, 131‒151. Hartmann, Nicolai (1949): Das Problem des geistigen Seins. Untersuchungen zur Grundlegung der Geschichtsphilosophie und der Geisteswissenschaften, Berlin. Hartmann, Nicolai (1955): „Systematische Selbstdarstellung“, in: Ders.: Kleinere Schriften, Bd. I. Abhandlungen zur systematischen Philosophie, Berlin, 1 – 51. Hartmann, Nicolai (1965a): Zur Grundlegung der Ontologie, Berlin. Hartmann, Nicolai (1965b): Grundzüge einer Metaphysik der Erkenntnis, Berlin. Husserl, Edmund (1954): „Die Krisis der europäischen Wissenschaften und die transzendentale Phänomenologie. Eine Einleitung in die phänomenologische Philosophie“, in: Ders.: Husserliana, Bd. VI, Den Haag. Jaspers, Karl (1956): Philosophie, Bd. I. Philosophische Weltorientierung, Berlin/Göttingen/Heidelberg. Lindemann, Gesa (1999): „Doppelte Kontingenz und reflexive Anthropologie“, in: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 28, H. 3, 165 – 181. Neeb, Johann (1795): System der kritischen Philosophie auf den Satz des Bewusstseins gegründet, Bonn/Frankfurt a. M. Plessner, Helmuth (1975): Die Stufen des Organischen und der Mensch. Einleitung in die philosophische Anthropologie, Berlin/New York. Plessner, Helmuth (1979): „Geistiges Sein. Über ein Buch Nicolai Hartmanns“, in: Ders.: Zwischen Philosophie und Gesellschaft. Ausgewählte Abhandlungen und Vorträge, Frankfurt a. M., 67 – 87. Plessner, Helmuth (1981): „Macht und menschliche Natur. Ein Versuch zur Anthropologie der geschichtlichen Weltansicht“, in: Ders.: Gesammelte Schriften, Bd. V. Macht und menschliche Natur, Frankfurt a. M., 135 – 234. Plessner, Helmuth (1982a): „Mit anderen Augen“, in: Ders.: Gesammelte Schriften, Bd. VIII. Conditio humana, Frankfurt a. M., 88 – 104. Plessner, Helmuth (1982b): „Lachen und Weinen. Eine Untersuchung der Grenzen menschlichen Verhaltens“, in: Ders.: Gesammelte Schriften, Bd. VII. Ausdruck und menschliche Natur, Frankfurt a. M., 201 – 387. Plessner, Helmuth (1982c): „Die Deutung des mimischen Ausdrucks. Ein Beitrag zur Lehre vom Bewusstsein des anderen Ichs“, in: Ders.: Gesammelte Schriften, Bd. VII. Ausdruck und menschliche Natur, Frankfurt a. M., 67 – 129. Plessner, Helmuth (2002): Elemente der Metaphysik. Eine Vorlesung aus dem Wintersemester 1931/32, Berlin. Reinhold, Karl Leonhard (2003): Beiträge zur Berichtigung bisheriger Missverständnisse der Philosophen, Erster Band: Das Fundament der Elementarphilosophie betreffend, Hamburg. Wunsch, Matthias (2012): „Kategoriale Gesetze. Zur systematischen Bedeutung Nicolai Hartmanns für die moderne philosophische Anthropologie und die gegenwärtige Philosophie der Person“, in: Hartung, Gerald/Wunsch, Matthias/Strube, Claudius (Hg.): Von der Systemphilosophie zur systematischen Philosophie – Nicolai Hartmann, Berlin/Boston, 153 – 169.

Jörn Bohr

Wie ist eine „anthropologische Einlösung“ der Kategorienlehre Nicolai Hartmanns überhaupt möglich? Abstract: This paper discusses the question whether anthropological attempts to answer ontological tasks are sufficient, adequate or possible at all. Hermann Wein has made such an attempt to the theory of his teacher and colleague Nicolai Hartmann that seems to be more part of the problem than of its solution. Despite of this the main philosophical question remains: Are such attempts systematic clues if not to Hartmann’s ontology or ontology at all but to its possible anthropological implications, as in a way represented in classical German philosophical anthropology of the 1920’s? This question could be crucial for further research in metaphysics of man. Keywords: Nicolai Hartmann, Hermann Wein, Michael Landmann, Philosophical Anthropology, Ontology, Categories, History

Einleitung Wie ist eine „anthropologische Einlösung“ der Kategorienlehre Nicolai Hartmanns überhaupt möglich? Dies als kritische, nicht als realistische Frage – denn dass eine „anthropologische Einlösung“ möglich sei, ist noch keineswegs ausgemacht. Unter Hartmanns Schülern haben ein naher: Hermann Wein (1912– 1981) – und einer im weiteren Kreise: Michael Landmann (1913 – 1983), der gern Hartmanns Schüler gewesen wäre – jeweils auf eigenwillige Weise versucht, die Kategorienlehre Hartmanns für philosophisch-anthropologische Fragen systematisch nutzbar zu machen.¹ Die Frage ist aber: was sind die Bedingungen der Möglichkeit – oder schlicht: die Voraussetzungen – eines solchen Unterfangens? Denn das bloße Vorhandensein solcher Versuche erweist noch nicht die Möglichkeit einer tatsächlichen „anthropologischen Einlösung“, sondern zunächst nur ihre Problematik, denn sowohl Hartmann, als auch sein systematisches Vorbild Kant haben prinzipieller gedacht (an Vernunftwesen überhaupt), als jede ‚anthropologische Wendung‘ oder gar ‚Anwendung‘ ihrer Metaphysik bzw. On-

 Zu Landmann habe ich mich an anderer Stelle ausführlich geäußert, vgl. Bohr 2015. https://doi.org/10.1515/9783110615555-004

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tologie.² Ich möchte am Beispiel von Hermann Weins Realdialektik fragen und prüfen, ob – abgesehen von biographischen und partikularen Besonderheiten – nicht nur die Epigonen Hartmanns Außenseiter der Philosophie, sondern auch ob ihre Philosophien zu recht Außenseiterpositionen geblieben sind, oder ob sie uns als systematische Angebote in der veränderten Situation einer Wiederentdeckung Hartmanns für die uns heute wieder verstärkt interessierende philosophische Anthropologie der 1920er Jahre von Nutzen sein könnten (vgl. Wunsch 2011; Wunsch 2012; Wunsch 2013). Wein ist vielleicht nur ein Epigone, aber wenigstens einer von Format. Wenn hier wie immer Erkenntnisfortschritt erzielt werden soll, so müssen Weins – und v. a. Hartmanns – Werke überwunden werden, was mehr heißt, als sie einfach zur Seite zu legen. Auch wir sind glückliche Epigonen. Wir beschäftigen uns mit Hartmann heute, d. h. nach den großen politischen und philosophischen Systemschlachten des 20. Jahrhunderts. Man kann heute ohne Revisionismusvorwurf sagen: Hartmanns Philosophie engagiert sich nicht für den Menschen oder die Gesellschaft, sie ist politisch indifferent und konservativ in dem Sinne, dass sie allen Extremismen abhold ist. Es geht um die Bedingungen der Möglichkeit einer Ineinanderschaltung von Ontologie und Anthropologie, ohne dass auf ein Vorhandensein einer solchen Integration verwiesen werden könnte, derentwegen sie möglich sein müsste, und wir nur noch ihre Entstehungsbedingungen nachzuzeichnen brauchten. Das ist eine radikalisierte oder eben: dialektische Frage nach dem Wie. Deswegen ist ja auch der Begriff der „Einlösung“ bereits problematisch, sofern darin eine Entscheidung bzw. eine Hypostasierung liegt. Die vermeintliche Frontstellung aber von einer ontologischen und einer anthropologischen Seite der Frage gilt es von vornherein zu vermeiden. Gibt es nicht auch zahlreiche nichtanthropologische und nichtphilosophische Frageweisen nach dem Menschen, so dass man, nicht zuletzt mit Hermann Wein, die Frage stellen muss: was ist eigentlich das Philosophische an der philosophischen Anthropologie? Die Frage ist in ontologischer, anthropologischer wie realdialektischer Absicht nach wie vor die nach der Stellung des Menschen – aber nicht nur nach der Stellung des Menschen im Kosmos (der von Gesetzen durchwaltet ist), sondern auch nach der Stellung des Menschen in der Geschichte bzw. unter Menschen und in der Menschenwelt („Kultur“), die eine historische ist und deren Schöpfer wie

 Helmut Fahrenbach hat dazu m. E. Entscheidendes gesagt (Fahrenbach 1973). „Der Mensch“, das ist nicht mehr als eine regulative Idee (ebd., 894), kein Erkenntnisgegenstand (Kant). Wesensbestimmungen sind keine Antwort auf die Frage: ‚Was ist der Mensch?‘, sondern Problemformeln (ebd., 895). In den ‚Definitionen‘ des Menschen als animal rationale oder animal symbolicum ist allemal das animal nicht konsequent mitgedacht. Die Einheit des Menschenwesens bleibt eine bloß postulierte.

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Geschöpfe die Menschen sind. Das ist eine dialektische Frage, die sich nicht durch Wortspiele auflösen lässt. Etymologisch wäre z. B. nichts gewonnen, wenn man statt „die Geschichte“ „das Geschichte“ sagt, wenn man folglich meint, damit ‚das Geschehene‘ (in diesem Sinn Belege bei Luther), eigentlich im Plural: ‚die Geschicke‘ – mit ‚dem Geschichteten, Aufgeschichteten‘, in Erinnerung an Hartmanns Schichtenlehre, in Einklang bringen zu können. Hier wird die Differenz eher noch deutlicher. Geschichte ist nicht nur nichts unabhängig von Akteuren Aufgeschichtetes, sie ist überhaupt nichts Aufgeschichtetes. Ihre Realität besteht nicht physisch, ohne darum weniger wirklich zu sein. Ich gehe im Folgenden 1. auf den positiv verstandenen onto-gnoseologischen Zirkel bei Hartmann ein, stelle dann 2. Hermann Weins Anlauf auf eine Realdialektik vor und schlage 3. und abschließend eine Revision des Projekts einer anthropologischen ‚Einlösung‘ vor.

1 Onto-gnoseologischer Zirkel Man kann in Hartmanns Philosophie einen „onto-gnoseologischen Zirkel“ sehen, der übrigens interessante Konsequenzen für die Begriffe Subjekt und Objekt oder Wahrheit und Irrtum bereithält. Beispielhaft formuliert findet sich dieser Zirkel, mit starkem Anklang an Hegel, in den letzten beiden Sätzen von Das Problem des geistigen Seins: „Die ontologische Grundlage des Geschichtsbewußtseins ist eben jederzeit die eigene Geschichtlichkeit des lebenden Geistes. Es ist im Grunde nur die ihm selbst lebensnotwendige Rückwendung zu ihr.“ (Hartmann 1933, 482) Aus diesem Zirkel führt nur eine Entscheidung heraus. Man kann, wie Katharina Kanthack, von der das Wort vom Zirkel stammt, das ‚Ende der Ontologie‘ feststellen und an deren Stelle die Heidegger’sche Seinsmetaphysik setzen (vgl. Kanthack 1962). Man kann die Entscheidung aber auch dialektisch als EntScheidung und damit als Synthese verstehen, die realdialektisch am Menschen ihren Ort hat. Damit ist man wieder im Kern von Hartmanns Philosophie und beim Thema von Hermann Wein angelangt. Das „Problem des Relativismus“ war eben nicht die Konsequenz, sondern die Verkennung des zirkelhaften Zusammenhangs Geist-Geschichte-Mensch, wie wir uns von Wein belehren lassen können (vgl. Wein 1950, insb. 111‒114). Dieser Zusammenhang wird deutlich in Hartmanns programmatischen Äußerungen, z. B. in Das Problem des geistigen Seins: Wir greifen, wenn wir das spezifisch Menschliche bestimmen wollen, unfehlbar nach solchen Merkmalen wie Erkenntnis, Zielbewußtsein, Sinnverständigkeit, Freiheit, Ethos, schöpferisches Tun u. a.m., – nach lauter Fragmenten des geistigen Seins also.Wir definieren in Wahrheit immer noch umgekehrt den Menschen durch unser fragmentarisches Wissen

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vom Geist [auf den wir nicht das Monopol halten, aber mit dem allein wir Erfahrung haben – JB]. Es darf einen hieran nicht irremachen, daß wir die Merkmale des Geistes [personaler, objektiver, objektivierter – JB] doch wiederum nur am Menschen ablesen können. Das hat mit der Begriffsbestimmung nichts zu tun. Freilich ist der Mensch und seine Welt das Feld der Erfahrung, die wir vom geistigen Sein haben, – aber nicht in der Weise, daß wir zuerst einen Begriff des Menschen gewinnen, dem wir dann Bestimmungen entnehmen könnten. Nicht vom Begriff des Menschen, sondern vom Menschen selbst lesen wir die Merkmale des Geistes ab. Und in dem Maße, als hierbei ein Begriff des Geistes sich herausbildet, wird auch das spezifisch Menschliche am Menschen begrifflich faßbar (Hartmann 1933, 48).

In den Grundzügen einer Metaphysik der Erkenntnis lautet gleich der erste Satz: Die nachstehenden Untersuchungen gehen von der Auffassung aus, daß Erkenntnis nicht ein Erschaffen, Erzeugen oder Hervorbringen des Gegenstandes ist, wie der Idealismus alten und neuen Fahrwassers uns belehren will, sondern ein Erfassen von etwas, das auch vor aller Erkenntnis und unabhängig von ihr vorhanden ist (Hartmann 1941, 1).

In dieser Perspektive kann erst die Aporie von Subjekt und Objekt richtig, nämlich als Korrespondenzverhältnis gesehen werden. Es gibt eine „transkausale“ Determination des Subjekts durch das Objekt, vielleicht Hartmanns problematischster Begriff (im mehrfachen Sinne): Für eine solche Determination ist die allgemeine Bedingung insofern vorhanden, als Subjekt und Objekt ontologisch homogen sind: sie sind beide seiende und gehören einer einheitlichen Seinssphäre an. Die Heterogeneität besteht nur für den Gesichtspunkt des Subjekts, für seinen Innenaspekt, seine Immanenzsphäre; denn diese ist exklusiv und immer geneigt, ihre Grenze für eine Seinsgrenze zu halten. Die Erkenntnisrelation aber geht im Subjekt ohnehin nicht auf, sie ist eine Relation, die seine Sphäre transzendiert, und trägt den Stempel des Ontologischen bereits an sich. Es liegt also [ontologisch – JB] kein Grund vor, warum eine Determination des Subjekts durch das Objekt nicht sollte stattfinden können (ebd., 313).

Das ist nichts anderes als ontologische Aufhebung der Aporien. Das Wie der Erkenntnisrelation bleibt dabei ausdrücklich „unlösbares Restproblem“ (vgl. ebd., 314‒315), aber „über Struktur und genauere Funktion dieser Determination braucht die Erkenntnistheorie keine Hypothese aufzustellen“ (ebd., 314).³ „Die Gewißheit ihres Vorhandenseins genügt für den Gedankengang“ (ebd.) und sie genügt noch insofern, als es Hartmann zufolge nicht angeht, das Wirkliche von vornherein begrifflich zu fassen, denn es überschreitet prinzipiell die Grenzen der Erkenntnis. Die Kategorien sind nicht nur neutral gegen die Geschichte (nicht

 Die Rede vom „Restproblem“ hat Cassirer zu einer Stellungnahme herausgefordert, vgl. Cassirer 1927, Abschnitt 4.

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zuletzt gegen die Geschichte der Kategorienlehren), sondern sie machen die ‚Bewegung des objektiven Geistes‘ generell nicht mit (vgl. Hartmann 1940, 18 u. 30‒31). Sie sind folglich keine Denkformen, sondern treten in Denkformen allenfalls auf. Sie sind vom Konkreten, für das sie gelten, ablösbar; ihre Bestimmungsfunktion ist vollständig (vgl. Nachtsheim 2004, 623). Dass sie auch gedacht werden können, beweist nur ihr Prinzip (vgl. Kant 1990, 25). Zu Zeiten der Kybernetik der 1960er/70er Jahre hätte man die Kategorien vielleicht als die ‚Programmsprache der Welt‘ bezeichnen können. Heißt das etwa: die gesamte Ontologie Hartmanns sperrt sich bereits in der Anlage gegen eine wie immer geartete Anthropologisierung? Damit wäre unser Thema schnell am Ende. Ontologie aber fasst weiter als Logik – sie umfasst auch das Unlogische und Alogische, sie reicht weiter als der logos, sie geht auf den kosmos – einmal ganz abgesehen davon, dass sich im Spätwerk Hartmanns durchaus anthropologische Studien finden.

2 Hermann Weins Realdialektik Hermann Wein wird von Odo Marquard in dem von ihm verfaßten Lemma Anthropologie im Historischen Wörterbuch der Philosophie, prominent in den hier interessierenden Zusammenhang gestellt. Es heißt dort im Zusammenhang, dass Anthropologie als Fundament der Soziologie sich an Ethnographie und Ethnologie wende: „Dabei können – wie bei Wein – Gesichtspunkte der Kategorienlehre N. Hartmanns in die anthropologische Diskussion eingebracht werden.“ (Marquard 1971, 373) Heute ist Wein weitgehend vergessen, ja er wurde bereits zu Lebzeiten marginalisiert. Seine Vita und sein notorisch unleidliches Auftreten (vgl. Dietze 2006, 432; Knopf 1982, 7) hatten ihm buchstäblich eine Karriere verbaut.⁴

 Die Lebensdaten in Kürze: *20. 5.1912 München,Vater Bankier, katholisch. 1931‒36 Studium der Philosophie, Rechtswissenschaft, Nationalökonomie in Berlin, Wien, Heidelberg, Freiburg, u. a. bei Heidegger, Hartmann, Baeumler. 1935 Mitglied NS-Kraftfahrkorps. 1936 Promotion. 1.5.1937 Eintritt in die NSDAP. 1939 Lektor im Hauptamt Schrifttumspflege des Amtes Rosenberg. 1942 Habilitation. 1943 Dozent in Berlin, Assistent bei Hartmann. Es gibt Hinweise auf einen Kriegseinsatz in Russland (?). 1.4.1947 Dozent Universität Göttingen. 1950 Sekretär des Deutschen Philosophischen Kongresses. 1951/52 Research Fellow Rockefeller-Foundation Harvard-University. 1964/65 Gastprofessor an der Queen’s University in Kingston. 1969 Gastprofessor an der Pennsylvania State University. 1972 Abschied aus Göttingen wegen schwerer Zuckerkrankheit. 1979 im Sanatorium Haar bei München aufgrund psychischer Auffälligkeit, die jedoch auf falsch behandelten Diabetes zurückzuführen war. †3.11.1981 München, er hinterlässt Frau (Dorothea) und einen erwachsenen Sohn (Randolph); vgl. neben den Einträgen in einschlägigen Samm-

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Die Person Hermann Weins völlig beiseite gesetzt, lohnt es sich, dem Hinweis Marquards auf die Abhandlung Realdialektik. Von hegelscher Dialektik zu dialektischer Anthropologie von 1957, die sich einer Anregung Nicolai Hartmanns verdankt, zu folgen.⁵ In dieser Arbeit wird die Kategorienlehre Hartmanns ausdrücklich anthropologisch geltend gemacht.⁶ Es geht Hermann Wein um die zwar von Hegel entdeckte, jedoch noch nicht als Realkategorie verstandene Kategorie des objektiven Geistes, die sich – mit Hartmann – am leichtesten am Menschen und seiner Teilhabe am Überindividuellen aufweisen lasse. Der objektive Geist ist dabei genauso wenig wie der Mensch ein ‚Ding‘, sondern etwas Wirkliches, d. h. er wirkt und ist real. Die von Hartmann aufgewiesenen Kategorien sind Prinzipien, keine Substanzen. Hier setzt Hermann Weins anthropologischer Einlösungsversuch an, den man mit Nebil Reyhani, der die einzige Dissertation zu diesem Thema geschrieben hat, eine „Anthropologie der menschlichen Verwirklichungsweisen als realdialektische Strukturanalyse des menschlichen In-der-Welt-Seins“ nennen kann (Reyhani 2001, 212).⁷ Weins Frage ist, ob in einem bestimmten Bereich der Realität, nämlich

lungen wie dem World Biographical Information System, Wer ist Wer von 1967 u. 1981 sowie Kürschners deutschem Gelehrtenkalender von 1983: Tilitzki 2002, 863; Wein 1981.  Vgl. Weins Nachwort (Wein 1957, 181‒185) sowie Hartmann 1935.  Es scheint naheliegend, dass Hartmann selbst noch die Anregung zu einer solchen Durchführung gegeben hat, und zwar u. a. durch seine Besprechung von Gehlens Der Mensch (Gehlen 1940) in den Blättern für Deutsche Philosophie (vgl. Hartmann 1941/42, 159 – 177), und durch die Komposition des Sammelbandes Systematische Philosophie (Hartmann 1942), wo er seine ‚Neue Ontologie‘ neben die Vertreter der ‚Neuen Anthropologie‘ (Gehlen, Rothacker) stellte. Diese Anregung könnte dann insbesondere seinem Assistenten Wein gegolten haben, dessen Habilitationsschrift in dem genannten Sammelwerk erschien (Das Problem des Relativismus). Vgl. auch den Hinweis auf eine „bedingte Billigung“ durch Hartmann (vgl. Wein 1957, 93).  Ich rette im Folgenden Wein gegen Wein und spare die – vorsichtig gesagt – schlecht ‚völkerpsychologischen‘ Stellen im Werk aus (vgl. z. B. ebd., 54: „Die eminent philosophischen Völker, wie die Inder, die Griechen, die Deutschen, sind sicher nicht aus Zufall zugleich die Völker mit den einzigartig flexiblen Sprachen“ usw.). Auch die Beispiele, derer sich Wein zur Illustration seiner Theorie bedient, sind schwach, wenn nicht irreführend. Ich bediene mich darin derselben distanzierenden Methode, die Hartmann und Wein bereits gegen Hegel einsetzen – und die heute bei jeder Beschäftigung mit Rothacker, Freyer, Gehlen u. a. rechtskonservativen Autoren angezeigt ist. An Ernst Blochs Auseinandersetzung mit dem in seinen Augen neben Nicolai Hartmann einzig ernstzunehmenden ‚bürgerlichen‘ Gegner Heidegger aus den 1950er Jahren brauche ich nur zu erinnern. Der „Professor für Angst und Sorge“ (Bloch 1950, 293) ist immerhin derjenige, der diese Fragen aufgeworfen hat. Das ist allenfalls auch Politik – denn philosophisch lässt sich konstatieren, dass jeder originäre Denker in der Geschichte der Philosophie zumindest das Verdienst hat, bestimmte Probleme entdeckt zu haben. Historisch abgetan sind dann die Lösungen, nicht die Fragen, die als unabgegoltene stehen bleiben, insofern sie philosophisch gestellt sind, d. h. ohne ideologische Nebenabsichten (vgl. für den Fall Hegel diese bis auf Windelband zurückzu-

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dem Bereich von Akten des Menschlichen, bzw.: im Bereich der Verwirklichungsweisen des Menschen im Objektiven, in das der Mensch ‚ausgegeben‘ ist (vgl. Rombach 1966, 273), dialektische Strukturen real sind (vgl. Wein 1957, 12). Theorie vom objektiven Geist ist keine metaphysische Spekulation, sondern Theorie von der Geschichtlichkeit der grundlegenden Wertsysteme jeder Kultur bzw. Gesellschaft (vgl. ebd., 50). Wein nimmt Teil an Hartmanns Projekt, die realistischen Bestandteile der Hegel’schen Geschichtsphilosophie und Logik philosophisch fruchtbar zu machen, indem er sich der Theoriebildung über die Struktur (bzw. des Aufbaus) der geschichtlichen Welt als eines ausgezeichneten Wirklichkeitsgebietes anschließt. Objektiver Geist ist ebenso real wie alles andere, biologisch oder physikalisch Wirkliche. Seine Realität ist keine von ‚der‘ biologischen oder physikalischen (‚eigentlichen‘) Wirklichkeit abgezogene, sondern er ist Teil der realen Welt, deren Realitätscharakter als solcher weder zu- noch abnimmt, und das heißt: nicht substantiell misszuverstehen ist. Hartmann spricht von der ‚Superexistenz‘ des Geistes (Hartmann 1933, 248), was zugleich anzeigt, dass das Verhältnis des Menschen zum Geistigen in der Teilhabe (methexis) besteht, die Kategorie des Geistigen also viel weiter reicht, als die des Menschlichen – wobei Geistiges am sichersten immer noch am Menschen aufzuweisen ist. Für eine erkennende Überschreitung des Menschlichen am Geiste fehlen uns als Menschen die Phänomene. Aber damit ist noch nichts über die ‚Reichweite‘ der kategorialen Prinzipien gesagt. Realdialektisch daran ist die nach wie vor rätselhafte „gegenseitige Durchdringung von Individuellem und Überindividuellem als Bedingung der Möglichkeit desjenigen Geschehens, das wir ein ‚geschichtliches‘ nennen“ (Wein 1957, 49) – insofern im ganz ausgezeichneten Sinn beim Menschen davon zu sprechen ist, dass er sich selbst verwirklicht, indem in einer Art Selbst-Entfremdung nur über den Umweg über Andere, Äußeres und Überindividuelles ein Selbst erwirbt, obwohl er als Individuum auf die Welt kommt (vgl. ebd., 72). Dieses Verhältnis des Individuums zu sich selbst ist ein dialektisches, verstanden nicht als ein Widerspruch, sondern als ein Widerstreit zweier Realien am Menschen, als ‚Realrepugnanz‘, wie Hartmann sagen würde (Hartmann 1940, 320). ‚Identität‘ ist keine ‚Einheit mit sich selbst‘, sondern eine ‚synthetische Einheit‘ aus Bestandteilen heterogener Herkunft. Nicht das Absolute, sondern die Vermittlung ist das ei-

führende Prämisse bei Hartmann 1974, 252 u. 277). Ich sehe davon ab, dieses schwierige Thema in einer Anmerkung weiter zu diskutieren. Hierfür genügt es zu wissen, dass es sich im Folgenden um einen – wie stets – auf ein bestimmtes Erkenntnisinteresse zugerichteten Hermann Wein handelt, die keine Würdigung des ‚ganzen Wein‘ bedeuten oder gar inaugurieren will. Seine philosophische Nachrangigkeit erweist sich bei aller Anregung von selbst, und das ist schließlich entscheidend.

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gentliche Thema der Dialektik. Deswegen kann Hermann Wein die von Hartmann namhaft gemachten Kategorien in ihren Überformungs- und Überbauungsverhältnissen als „durchgängige Arten der synthetischen Einung“ (ebd., 93), in ihrer Gesamtheit ablesbar am Menschen, auffassen.⁸ Das Reale weist kausale Struktur auf. Wäre das Reale strukturlos oder auf einen Finalnexus hin geordnet, so wäre jedwedes Eingreifen, wie wir es doch täglich vollführen, unmöglich. Alles von Hegel verabsolutierte, insbesondere der ‚Geist‘, ist nunmehr bloßes Moment einer aufgebauten und aufzubauenden Einheit, in welcher ihre Momente wiederum aufgehoben sind.⁹ D. h. in Erweiterung der Transzendentalphilosophie Kants, dass es die ‚synthetische Einheit‘ nicht nur im Verstande oder im transzendentalen Bewusstsein gibt. „‚Synthesis‘ ist nicht bloß ‚Verstandeshandlung‘, ‚synthetische Einheit‘ nicht bloß die der Apperzeption. Es ist vielmehr klar, daß die ‚Synthesis‘ eine Verfassung, eine durchgängige Strukturbewandtnis des Wirklichen selbst meint“ (ebd., 100 – 101). Hermann Weins Aufmerksamkeit gilt dem ‚Bereich der Verwirklichungsweisen des Menschen im Außermenschlichen‘. Darin sei eine Realdialektik aufzuweisen, die Wein folgendermaßen formuliert: Der Mensch, wie er zunächst – ‚an sich‘ ist, als ein Komplex von Anlagen, Möglichkeiten, Bedingungen, die ihn ‚bestimmen‘, und der Mensch, wie er sich in seinem tätigen Leben schließlich verwirklicht, seine ‚Bestimmung‘ erfüllt hat, wie er sich erarbeitet und gefunden hat, das ist eines und nicht eines. Das eben wäre das Realdialektische (ebd., 72).

Dazu tritt ‚Tradition‘ als ein überbiologischer und überindividueller Realfaktor (vgl. ebd., 56). Die spezifisch menschliche ‚synthetische Einheit‘ weist Wein schließlich als anthropologischen Fundamentalbefund aus, indem das Gemeinsame nur von Individuen hervorgebracht werden kann, die ihrerseits aber nur insofern Individuen sind, als sie am Gemeinsamen teilhaben: „Ihr Für-sich-Sein schlägt – in der ‚Ausführung‘ – in Für-anderes-Sein um“ (ebd., 129) – bzw. in Fürandere-Sein. Das trifft sich wieder mit Hartmann, der den Verdacht der Wiedereinführung der metaphysischen Spekulation durch ein Hintertürchen, nämlich in der Behauptung, die Kategorie des objektiven Geistes reiche weiter als der Begriff des Menschen, ausräumt, indem er argumentiert, dass das Allgemeine schließlich

 Diese Ausmachungen treffen sich heute sicher nicht zufällig mit denen der Paläontologie (vgl. Shubin 2015), wo es um evolutionäre Überformungs- und Überbauungsverhältnisse geht, die zwar mitunter atavistisch am erwachsenen Individuum auftreten, embryonal aber regelhaft – „der Fisch in uns“ – gebildet und umgebildet werden (Kiemen, Schwanz, Schwimmhaut): die folglich in einer bestimmten Hinsicht im menschlichen Körper aufgehoben erscheinen.  Vgl. Wein 1957, 96.

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nur ‚im‘ Individuellen Realität habe (vgl. Hartmann 1940, 65) bzw. ‚am‘ Individuellen bestehe (vgl. ebd., 375 – 377), sofern das Allgemeine gemeinsame Kategorie sowohl des idealen, als auch des realen Seins ist. „Es ist einfach dieses: alle Einzelzüge eines Individuellen sind allgemeine, denn sie sind faktisch, jeder für sich genommen, ihm mit unzähligem anderen gemeinsam; aber das Ganze ihres Ineinandergefügtseins an ihm ist einzig“ (ebd., 376). Die dialektischen Formeln für das Verhältnis des Menschen zu sich selbst und zu seiner Welt lauten dann Verschränkung und Wechselwirkung. Das ist keine von Wein neu in die Diskussion eingebrachte Erkenntnis. Die Dialektik von prinzipieller Weltoffenheit des Menschen und tatsächlicher relativer Geschlossenheit der Weltgestaltungen des Menschen ist der philosophischen Anthropologie geläufig. Aber Weins Theorie zielt letztlich auf eine Auflösung des klassischen SubjektObjekt-Dualismus (vgl. Wein 1957, 179‒180)¹⁰, die sich vielmehr jeweils ineinander fortsetzen in Verschränkung und Durchdringung. Wenn das aber die Metaphysik Weins sein sollte, so wäre das gleichzeitig der Angriffspunkt gegen jede sich als ‚realdialektisch‘ begreifende Anthropologie. Was, wenn es auf diese Weise gelingen sollte, dem Menschen eine Art ‚neue Heimat‘ anzubieten, die durch den Aufweis seines ontologischen Rückhalts in der Welt aufscheint, in dem alles Dialektische versöhnt wäre? Wein nimmt schließlich für sich in Anspruch, den Telos der philosophischen Anthropologie wieder rein ausgesprochen zu haben: Dieses Telos bedeutet die Auffassung von der Philosophie als dem Zu-sich-selbst-Kommen des Menschen, als dem Sich-nicht-mehr-Selbstverleugnen des Menschen, das an der Zeit sein mag – eben in der Zeit, das es neuartig dringlich wurde, den Menschen vor sich selbst zu retten (Wein 1957, 184).

Sollte also der Polemiker Ernst Bloch recht behalten, der u. a. Hartmanns Philosophie als das „Muffgebiet“ bezeichnet hat, „in das der reaktionäre Neuhegelianismus hinausläuft“ (Bloch 1969, 310)?

3 Relativierung der ‚grandiosen Einseitigkeit‘ So einfach ist es jedoch nicht. Hier ist schließlich eine Ontologie am Werke, die auf der Kategorie des objektiven Geistes aufbaut und „die es gestattet, Übermaterielles in Materiellem und Übersubjektives in Subjektivem aufzuheben“ (Simmel 1950, 72). Dadurch bestimmt die Kategorie des objektiven Geistes die ganze historische Entwicklung der Menschheit: „Dieser objektive Geist läßt die Arbeit der  Vgl. dazu sprachkritisch Mauthner 1980, 174‒181.

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Menschheit ihre Ergebnisse über alle Einzelpersonen und Einzelreproduktionen hinaus bewahren“ (Simmel 1950, 72). Georg Simmel hat auf die überragende Bedeutung der Begriffe für die Kategorie des objektiven Geistes aufmerksam gemacht, die nichts substantiell-Materialistisches an sich haben: Das, was ein Ding geistig bedeutet, wodurch es als ein Element des geistigen Lebens konstruierbar wird, ist sein Begriff. […] Darum ist der Begriff für Hegel durchaus nicht nur eine Abstraktion […]. Wir gewinnen ihn vielleicht durch solche Analyse […], aber was die Erkenntnis mit dem so Gewonnenen meint, ist der durchaus konkrete Sachgehalt der Dinge, das Ding in der zeitlosen Sprache des objektiven Geistes, gleichsam bevor es in die des zeitlichen Objekts und die des zeitlichen Geistes übersetzt ist. Nun ist dieser Sachgehalt insoweit noch etwas Unlebendiges […]. Damit die Bewegtheit und die Form der Wirklichkeit wie die des Erkennens ihren Inhalt und ihre Brücke in dem objektiven Geist finden, müssen die Begriffe sozusagen in Fluß geraten, es muß eine Art auch ihrer Beziehung und Entwicklung geben, die ebenso geistig objektiv und ebenso für jene beiden Verwirklichungsformen gültig ist, wie es sich von ihren Inhalten selbst gezeigt hat. Als diese Bewegtheitsform entdeckt Hegel die Logik [und in ihr v. a. die Dialektik – JB] (ebd., 73‒76).

Subjektiver und objektiver Geist stehen in einem Korrespondenzverhältnis, das dadurch garantiert ist, dass nicht nur alle jeweils subjektiven bzw. objektiven Inhalte in sich zusammenhängen, d. h. kohärent sind, sondern beide logischen Zusammenhänge als logische beständig ineinander überführt werden. Es geht also hier nicht um eine quasi materialistische Beheimatung des Menschen in der Realität, sondern um den Aufweis, dass er seinen einzigen ‚Rückhalt‘ im objektiv Geistigen findet. So erklärt sich erst im Vollsinne der stete Hinweis Hartmanns auf den kausalen Zusammenhang der Welt, was nämlich nicht heißt, dass der Mensch bloße Folge der Natur (des Kosmos) wäre oder gar seine Konsequenz, sondern dass der Mensch der strukturell mit der Natur (dem Kosmos) verwandte ‚Ort‘ ist, an dem das durch den objektiven Geist vermittelte ‚Welt‘–Verhältnis ansetzt, an dessen Entstehen, Bestand wie Überwindung der Mensch selbst aktiven Anteil hat.¹¹ Die politischen Feindbilder der 1950er Jahre zuletzt sind uns fremd oder eben historisch geworden, was nicht heißt: erledigt. Der Mensch aber bleibt sich unbedingt ein ungelöstes und unlösbares Problem, und seine ontologische bzw. objektiv-geistige Rückbindung – die ja auch als Zumutung verstanden werden kann – wirft mehr Fragen auf, als sie beantwortet. Es bedeutet keine Vergewaltigung Kants, wenn der erste Satz der Vorrede der ersten Auflage der Kritik der reinen Vernunft auf die Frage des Menschen nach sich selbst bezogen wird:

 Vgl. Hartmann 1940, 593 – 606 über die dialektische Methode.

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Die menschliche Vernunft hat das besondere Schicksal in einer Gattung ihrer Erkenntnisse: daß sie durch Fragen belästigt wird, die sie nicht abweisen kann; denn sie sind ihr durch die Natur der Vernunft selbst aufgegeben, die sie aber auch nicht beantworten kann; denn sie übersteigen alles Vermögen der menschlichen Vernunft (Kant 1990, 5).

Mit dem Hartmann’schen Begriff des „Überbauungsverhältnisses“ der Kategorie des (objektiv und personal) Geistigen über den übrigen Kategorien des anorganischen, organischen und psychisch-seelischen ist eine Problemformel bezeichnet. Das Wie und v. a. das Verhältnis der Überbauung zur bloßen Überformung sind die Hauptthemen in Hartmanns Aufbau der realen Welt. Eine anthropologische Einlösung oder: eine Anthropologie auf Basis der Hartmann’schen Kategorienlehre bleibt nach wie vor möglich, so, wie vieles möglich ist. Das ist trivial. Allerdings wird sie so lange nicht in voller Konsequenz erscheinen, wie nicht die konkreten Bedingungen ihrer Möglichkeit festgestellt sind. Es bleibt die Frage, was eigentlich mit einer solchen Einlösung erreicht sein will. Anthropologie ist nicht der Nachklapp einer Ontologie, sie ist auch keine Meta-Ontologie. Es geht bereits Hermann Wein um anderes, wenn vermutet werden kann, dass Hartmann nicht zugestimmt hätte, wenn man ihm unterstellte, jede Anthropologie sei in der Ontologie bereits aufgehoben. In einem nachgelassenen Manuskript ringt Wein offenbar genau mit diesen Fragen nach der ‚Anthropologie‘ Hartmanns. Wein fragt im Zusammenhang mit Hartmanns Problem des geistigen Seins: Wieso darf sich das Buch im Untertitel eine ‚Untersuchung zur Grundlegung der Geschichtsphilosophie‘ nennen? Wegen des Anthropologischen, verstanden im Sinne des Hindurchgehens durch Hegel in anti-hegelscher Richtung – nicht hin zur Rechtfertigung Gottes in der Geschichte, sondern durch Exemplifizierung des Menschlichen in der Geschichte, genauer: der empirisch belegbaren, über das Psychologische und über das Biologische hinausreichenden Spezifität der Geschichtlichkeit beim Menschen (Miosge 2013, 28)¹²

‒ also als des alleinigen Sinnschöpfers, der nicht Instrument höherer Ideen, sondern Selbstverwirklicher ist. Aus diesem Grunde ist in der Frage des Menschen nach dem Menschen ein besonderes Problembewusstsein angezeigt. „Der Mensch kann sich nicht feststellen: auch nicht vom objektiven Geist her“ (Wein 1957, 51), lautet das Fazit Hermann Weins.

 Mitgeteilt dankenswerter Weise durch Gerald Hartung. Das originale Manuskript Weins befindet sich im Privatbesitz Miosge, Braunschweig. S. 1– 100 dieses Ms. sind unveröffentlicht; S. 101– 134 sind veröffentlicht als Wein 1982.

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In seinem einzigen Radiointerview hat sich Hartmann kurz vor seinem Tod im Gespräch mit Hermann Wein schließlich selbst zum Thema geäußert: Die ‚metaphysischen Fragen‘ […] beschränken sich ja nicht auf die letzten geistigen Gründe. Sie liegen mitten auf dem Weg, im Leben, beim Menschen, bei der Natur, bei der Geschichte; sie liegen insbesondere bei unserer Stellung in der Welt, beim objektiven Geiste, seinen Tendenzen und seiner Macht, und um nichts weniger auch bei den Grenzen dieser Macht. Da überall sind philosophische Fragen, die wir nicht abweisen können, aber auch nicht bis zu Ende lösen können. Und vieles können wir neu beantworten auf Grund heutiger Wissenschaft. Wir dürfen nur nicht ein frei konstruiertes Weltbild zugrundelegen […]. Wir müssen nach dem rechten Bild der Welt erst suchen, von Phänomenen ausgehend die Fragen richtig stellen lernen […]. Und das ist ein langer Weg. Er hat, wie es scheint, zwei Abschnitte, die man klar voneinander scheiden muß. Der eine betrifft unsere Stellung in der Natur, im Kosmos, der soviel älter ist als der Mensch und dessen Gesetz wird nicht ändern können. Der zweite betrifft unsere Stellung in der vom Menschen geschaffenen oder doch mitgeschaffenen Welt, der Welt des geschichtlich–kulturellen Lebens, dessen Gesetze zum Teil die unsrigen sind. Und es scheint, daß die erstere Welt weit einfacher und günstiger für uns ist als die letztere. Man sollte meinen, es müsse umgekehrt sein, weil die Natur doch von uns hingenommen werden muß, wie sie ist, die Menschenwelt aber dauernd von uns mitgestaltet wird (Wein 1982, 320‒321)¹³

– aber es ist gerade deswegen so. Der Naturprozess ist im Gegensatz zur Menschentätigkeit kein zweckgerichtetes Tun und bleibt im Rahmen seiner Gesetzmäßigkeiten neutral und deswegen brauchbar als Mittel für unsere Zwecke. Menschen sind in ihren Zwecksetzungen alles andere als neutral, und während sich die Natur nie willentlich bzw. intentional gegen den Menschen stellt, fallen dem Menschen seine eigenen Schöpfungen zur Last. Hier handelt es sich nicht mehr um eine Bürger-zweier-Welten-Lehre, sondern um Realdialektik: als der Ort, wo Anthropologie und Ontologie zusammengehen – wo wirklich (real) Gegensätze ineinander übergehen. ‚Der Mensch‘ bleibt dabei wiederum die Problemformel. In einer zu Lebzeiten gedruckten Fassung der anthropologischen Argumente Hartmanns wird zwischen ‚dem Menschen‘ und ‚den Menschen‘ klar unterschieden (vgl. Hartmann 1955, 232).¹⁴ Der Begriff des Menschen umfasst seine zwei Erscheinungsformen als Individuum wie als geschichtliches Wesen. In der Anthropologie geht es laut Hartmann trivialerweise

 Vgl. das Radiogespräch Wein/Hartmann, Bayrischer Rundfunk, Sendung vom 4.8.1949. CDMitschnitt als Beilage zu Krämer 2003.  Was es schwer macht, diese Ausführungen von 1944 zu zitieren, sind ihre vielfältigen völkischen Reverenzen und Zugeständnisse an das „Führerprinzip“.

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nicht um den Menschen als isoliert dastehendes Wesen, sondern um den Menschen in der Natur und in der Geschichte, d. h. um den Menschen, wie er inmitten der umgebenden Welt dasteht. Damit wird man auf die Aktualität des Verhältnisses zwischen der Natur in ihm und der Natur außer ihm zurückgeworfen. Denn ontologisch ist die Sachlage ja die, daß dieselben Seinsschichten, welche die ganze reale Welt ausmachen, auch am Menschenwesen wiederkehren. Auch er ist materielles, organisches, seelisches und geistiges Wesen, und auch in ihm wie im Aufbau der realen Welt ‚tragen‘ die niederen Schichten die höheren, diese aber haben ihre eigenen höheren Seinsprinzipien. Das klingt zwar wunderbar selbstverständlich, wenn man es einmal erfaßt hat. Aber es ist jahrhundertelang in der Philosophie ignoriert worden. Heute ist in der Biologie das ‚Verhältnis zur Umwelt‘ wieder zu einem Hauptanliegen der Untersuchung geworden. Aber anthropologisch ist es noch keineswegs ausgewertet. In der Zeit der vorwiegenden Erkenntnistheorie sah man auch dieses Verhältnis fast ausschließlich vom Erkennen aus; die Gegenüberstellung von ‚Subjekt und Objekt‘ schien es ganz zu beherrschen. Man beging dabei den Fehler, auch die umgebende Welt des Menschen nur als sein ‚Objekt‘ zu betrachten, als ob sie nur insofern für ihn bestimmend wäre, als sie von ihm erkennend erfaßt wird. […] Das Wichtige hierbei ist ja gerade, daß die den Menschen umgebende wirkliche Welt für ihn auch in unzähligen Bezogenheiten bestimmend ist, die er nicht erfaßt. […] Will man das rätselvolle Wesen Mensch recht verstehen, so muß man es von vornherein aus seiner Stellung in der Natur heraus verstehen, ja, genauer: aus den besonderen Bedingungen heraus, welche seine nächste Umgebung ausmachen […]. Diese Bedingtheit haftet natürlich keineswegs an der umgebenden Natur allein, sondern auch an der vom Menschen selbst geschaffenen und gestalteten Sphäre, der Menschenwelt mitsamt ihrer zeitlichen Erhaltung und Veränderung, d. h. mitsamt ihrer Geschichte. Denn die Sphäre, die der Mensch sich als die seinige in der Welt schafft, wächst ihm über den Kopf, sie beschwört Nöte und Aufgaben herauf, mit denen er fertig werden muß. Und so teilt sich denn das Problem in das seiner Stellung im Kosmos und seiner Stellung in der Geschichte. […] Man denke sich das nun nicht zu einfach. Die Sache liegt nicht etwa so, daß die Stellung des Menschen im Kosmos nur den Organismus in ihm, die Stellung in der Geschichte aber nur sein geistiges Leben beträfe. […] Der Mensch ist auch als organisches Gebilde geschichtliches Wesen […]. Und er ist ebensosehr auch als geistiges Wesen ein Faktor im Kosmos; denn in einem gewissen Umkreise seines Lebens gestaltet er die umgebende Natur zu ‚seiner Welt‘ um, er züchtet Tiere und Pflanzen, verändert die Landschaft und das Angesicht der Erde (ebd., 217‒219).

Hier ist das Projekt einer Realdialektik als dialektischer Anthropologie am Platze. Es ist kaum nachzuvollziehen, wieso hier nicht einmal der Name Plessners fällt (Uexküll ist erwähnt, und das, obwohl bei Hartmann grundsätzlich wenig Namen aufgeführt werden). Weins Durchführung stellt dann insofern eine Einlösung dar – allerdings nicht so sehr der Kategorienlehre Hartmanns in anthropologischer Absicht, als vielmehr als Titel eines Projektes, das von diesen Voraussetzungen wiederholt auszugehen hätte. Es ginge darum, die „Einheit in der Schichtung des Menschenwesens“ vor der „kategorialen Heterogeneität von Bewußtsein und äußerer Natur“ herauszuarbeiten, wie Hartmann etwas sperrig formuliert: „Die ontologische Aufgabe wäre […], die in mannigfachen Bezogenheitsphänomenen gegebene Einheit auch kategorial inmitten der Verschiedenheit

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aufzuspüren“ (ebd., 225), und diese ontologische Aufgabe wäre als logische bzw. dialektische Theorie des objektiven Geistes zu verstehen. Anders formuliert: als Anthropologie des objektiven Geistes (vgl. Wunsch 2015). Abschließend noch einmal ‚kybernetisch‘ oder eben formal gesprochen: Leib/ Körper und Geist sind synthetisch zusammengeschlossen in der Einheit Mensch, die in Wechselwirkung steht sowohl mit der Natur als auch dem objektivierten Geist, so dass alle gedankliche Vergegenwärtigung in der Einheit Mensch zwar über Raum und Zeit steht, die Einheit selbst jedoch gebunden bleibt an eine endliche Existenz, deren Endlichkeit mit der Kausalität der Welt korrespondiert. Der Geist „führt ein Doppeldasein in den Dimensionen der Welt, weil diese in ihm selbst als die seinen wiederkehren“ (Hartmann 1933, 83). Das ist aber nur das sozusagen ‚individuelle‘ Verhältnis. In der überindividuellen Spanne des objektivierten Geistes tritt eine andere Dopplung hinzu, indem hier geistiger Gehalt an einen sinnlich wahrnehmbaren Träger durch Begriffe gekoppelt ist. Helmuth Plessner zitiert in seiner ausführlichen Besprechung von Hartmanns Buch in den Kant-Studien 1933 Hartmanns Antwort: Der spontane Einsatz des auffassenden Geistes ist in das Verhältnis eingeschaltet, ist gleichsam zwischen das tragende Realgebilde und den getragenen Geist als verbindende Funktion eingerückt. […] Ist aber das Enthaltensein nur ein erscheinendes, nur ‚für‘ adäquate Auffassung bestehendes, so ist hier nicht nur der lebende Geist als verbindendes Moment eingeschaltet, sondern mit ihm zugleich auch das Gefüge der ihn tragenden niederen Seinsschichten des Realen (ebd., 388).

Plessner fasst die Konsequenz zusammen: „Damit sind die beiden Klammern gezeigt, welche alles Menschenwerk mit den Geschicken der Realität verbinden: die Brüchigkeit des tragenden Materials und das Angewiesensein des objektivierten Geistes auf adäquates Erfassen durch den lebenden Geist im reinen Fürihn Sein“ (Plessner 1933, 419), womit zugleich verdeutlicht ist, dass ‚adäquat‘ hier im ganz bestimmten Sinn verstanden werden muss. Adäquates Erfassen ist nicht ein solches, dass einen ‚ursprünglichen Sinn‘ in Artefakten zu reproduzieren hätte, sondern eines, dass überhaupt den irgendwie sinnhaften Artefaktcharakter eines Gegenstandes erkennt oder anerkennt und ihn nicht mit einem lusus naturae verwechselt (Laune der Natur, Bsp. ‚Faustkeil‘ vs. ‚Ammonit‘).Wie dem auch sei – was bleibt, ist der grundlegende Hinweis darauf, dass die Selbstbewegung der Begriffe in der Geschichte und die Selbstkonstitution des Menschen in derselben Geschichte als aufeinander bezogene Prozesse real-dialektische oder eben: von Grund auf prekäre Prozesse sind, insoweit die Menschen sie selbst nicht bemerken. Jeder Versuch der Aufklärung in einer Theorie des objektiven Geistes ist daher von großem Wert, denn auch der objektive Geist geht in der Geschichte seiner Theorien nicht auf.

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Georg Toepfer

Schichtenlehre, Phänomenologie und Kategorialanalyse in der Philosophie des Organischen von Nicolai Hartmann und Helmuth Plessner Abstract: The discussions of the ontological status of living beings and the categories for their analysis played an important role in both Nicolai Hartmann’s and Helmuth Plessner’s philosophy of biology. While the applications of doctrines of layers, stressing the importance of phenomenology and providing a categorical analysis make the theoretical approach and conceptual structure similar, there is much difference in the details. For Hartmann, his layer-model is derived in “intentio recta” from the ontology of the things themselves and was closely aligned with corresponding sciences (the four layers of the inorganic, organic, psychic and mental world corresponding to physics, biology, psychology and the humanities respectively). For Plessner, on the other hand, the “vital layer” (comprising the three “levels of the organic”: plants, animals and humans) is accessible only by intuition in phenomenological analysis which sharply differs from scientific approaches. In contrast to Hartmann’s approach which started from the diversity of scientific accounts, Plessner also derived his categorical analysis from the phenomenological approach. This emphasized the systematic character and coherence of the categories that were deduced from one phenomenological fact that Plessner considered to be unpresentable in science. Keywords: Helmuth Plessner, Nicolai Hartmann, Biology, Organic, Phenomenology, Categories

Einleitung Die Beschäftigung mit dem Organischen spielte sowohl für Nicolai Hartmann als auch für Helmuth Plessner zu Beginn ihrer wissenschaftlichen Karriere eine große Rolle. Beide haben angefangen, Medizin zu studieren und bei beiden gehören Werke zur Philosophie des Organischen zu den ersten Büchern, die sie geschrieben haben. Hartmann (1882‒1950), Sohn eines Ingenieurs in Riga, studierte zunächst 1902‒03 Medizin in Dorpat und veröffentlichte nach Studium, Promotion und Habilitation in Philosophie 1912 seine erste Monografie unter dem Titel https://doi.org/10.1515/9783110615555-005

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Philosophische Grundfragen der Biologie (Hartmann 1912).¹ Plessner (1892‒1985), Sohn eines Arztes in Wiesbaden, interessierte sich schon als Jugendlicher für biologische und philosophische Fragen; er nahm 1910 ein Studium der Medizin und Zoologie in Freiburg im Breisgau auf, setzte es nach zwei Semestern in Heidelberg fort und veröffentlichte nach einigen Aufsätzen zur Kontroverse um den Vitalismus des Zoologen Hans Driesch (vgl. Plessner 1985a; Plessner 1985b) im Jahre 1928 eines seiner Hauptwerke Die Stufen des Organischen und der Mensch (vgl. Plessner 1975).² Nach einer kurzen Station als ordentlicher Professor in Marburg auf der Natorp-Nachfolge, war Hartmann von 1925 bis 1931 an der Universität Köln und kam dort mit dem acht Jahre älteren Max Scheler und dem zehn Jahre jüngeren Helmuth Plessner zusammen. Gemeinsam bildeten diese drei ein sehr fruchtbares, lokales wissenschaftliches Netzwerk, die von Joachim Fischer so genannte „Kölner Konstellation“ (Fischer 2012).³ Ideengeber dieses Netzwerks war in wichtigen Punkten Nicolai Hartmann mit seiner Neuen Ontologie. Nach dem Tod Schelers 1928 verließ Hartmann Köln und wechselte 1931 an die Universität nach Berlin, wo er bis zum Kriegsende blieb, um danach einem Ruf an die Universität Göttingen zu folgen, an die später, nach Hartmanns Tod 1950, auch Helmuth Plessner kam. Biophilosophische Schriften standen bei Hartmann und Plessner nicht nur am Anfang, sondern auch am Ende ihrer wissenschaftlichen Laufbahn. In einem zeitlichen Abstand von fast vierzig Jahren nach seinem ersten Buch zur Philosophie der Biologie kam Hartmann im Rahmen einer Analyse der „organologischen Kategorien“ in seiner Philosophie der Natur auf das Thema zurück (Hartmann 1950, 512‒709). Bei Plessner waren es zumindest kleinere Ergänzungen und Kommentare zu seinen frühen Schriften, die er in ebenfalls fast vierzigjährigem Abstand Mitte der 1960er Jahre verfasste.⁴ Im Folgenden werden vor dem Hintergrund dieser Parallelen in drei Hinsichten das Gemeinsame und Trennende der Philosophie des Organischen bei Hartmann und Plessner herausgearbeitet werden.

   

Vgl. Morgenstern 1997, 16. Vgl. Pietrowicz 1992, 92 f.; Dietze 2006, 29 ff. Siehe hierzu auch Wunsch 2015. Vgl. Plessner 1983; Plessner 1975, 349‒361.

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1 Schichten und Stufen Wiederholt ist in den letzten Jahren auf die Bedeutung Nicolai Hartmanns für die Begründung des Programms der Philosophischen Anthropologie hingewiesen worden. Joachim Fischer spricht von der „Schlüsselrolle“, die Hartmann für die Entstehung und Etablierung der Philosophischen Anthropologie gespielt habe – sowohl wissenschaftsgeschichtlich als auch theoriesystematisch. Hartmanns Philosophie habe durch diesen Einfluss „Epoche gemacht“ (Fischer 2012, 131). In gleicher Weise attestiert Matthias Wunsch Hartmanns Kategorienlehre, sie habe „die entscheidende ontologische Basis für die moderne philosophische Anthropologie“ geliefert (Wunsch 2012, 153). Epoche machend war die Hartmannsche Schichtenlehre zunächst insofern, als sie der naturwissenschaftlichen Perspektive ihr Recht einräumte – auf den unteren Schichten der Wirklichkeit – gleichzeitig aber idealistische Ansprüche nicht aufgab und diese entfaltete – mittels der Kategorien der oberen Schichten. Der Ansatz stellt damit einen naturwissenschaftlich informierten Antireduktionismus in Aussicht: Die Grundlagen des naturwissenschaftlichen Weltbildes können dargestellt und entfaltet werden, ohne dass sie als erschöpfend erscheinen und alle Phänomene von ihnen aus verstanden und erklärt werden müssen. Hartmann liefert die ontologische Grundlage für ein Weltbild des begründeten Pluralismus: Ihm geht es darum, der „Buntheit und Fülle“ (Hartmann 1935, 317) des Realen gerecht zu werden und sie zum Ausgangspunkt seiner Ontologie zu machen.⁵ Der entscheidende Schritt Hartmanns liegt in seiner Ontologie. Diese enthält eine differenzierte Lehre von Kategorien, die Hartmann als die inhaltlichen Grundbestimmungen alles Seienden auffasst. Die von Hartmann anvisierte „Neue Ontologie“ charakterisiert er in seiner „Systematischen Selbstdarstellung“ von 1933 folgendermaßen: [Die] neue Ontologie […] wird niemals als Ganzes ‚von oben her‘ zu entwerfen, niemals als System zu konzipieren sein. Sie muß ‚von unten auf‘ in Angriff genommen werden, muß aus der Detailforschung, aus der Analyse aufweisbarer Problemgehalte heraus gewonnen werden (Hartmann 1955a, 49).⁶

 Der Antireduktionismus und Pluralismus in der Ontologie Hartmanns wird in der Forschungsliteratur vielfach herausgestellt. Vgl. z. B. Cicovacki 2014, 30; Kleineberg 2016, 83.  Hartmann schreibt auch: „Kritische Ontologie […] ist möglich nicht ‚von oben her‘, synthetisch, aus Axiomen, Hypothesen, Identitätsthesen; sondern ‚von unten her‘, aus der Analyse vorliegender Strukturphänomene, […] als eine analytische Ontologie“ (Hartmann 1949, 193).

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Hartmanns neue Ontologie beginnt also nicht bei ersten Prinzipien, sondern in der Fülle der Phänomene. Seine Lehre von den Schichten des Seins ist im Wesentlichen ein Mittel, das geordnete Nebeneinander verschiedener Seinsformen zu begründen. Seit seinem Aufsatz über „Kategoriale Gesetze“ von 1926 unterscheidet Hartmann zwischen den vier Schichten des „Anorganische[n]“, „Organischen“, „[S]eelischen“ und „[G]eistigen“ (Hartmann 1926, 212‒214).⁷ Dieser Aufsatz erschien im ersten Band der von Plessner begründeten und herausgegebenen Zeitschrift Philosophischer Anzeiger. Darin formuliert Hartmann als Absage an den Reduktionismus u. a. ein „Gesetz der Schichtenselbständigkeit“, dem zufolge die niedrigen Seinsschichten nicht die höheren bestimmen, und ein „Gesetz der Freiheit“ der oberen Kategorien gegenüber den niederen, nach dem die höheren Kategorien eine „Überformung“ enthalten, die „neuartige“ Determinationen bewirkt (ebd., 249).⁸ Auf höherer Ebene entstehen nach Hartmann neue Gesetze, neue Autonomien, eine ganze „Schichtung von Autonomie“. So spricht er von der „Autonomie des Seelischen über dem Determinismus des Organischen“ und der „Autonomie des Organischen über dem Kausaldeterminismus des mechanisch-physischen Seins“ (ebd., 261 f.). Die Schichten sind bei Hartmann zunächst gestufte Bereiche von Prinzipien zur Erkenntnis von Gegenständen, nicht unbedingt Schichten der Gegenstände selbst. Die Schichten werden von Hartmann ausdrücklich verschiedenen Wissenschaften zugeordnet. Die Schichtenfolge der Erkenntniskategorien ordnet Hartmann von unten nach oben der Physik, Biologie, Psychologie und den Geisteswissenschaften zu. Diese korrespondieren in einer Grafik Hartmanns zwar streng zu den vier „Seinskategorien“ des Anorganischen, Organischen, Seelischen und Geistigen (Hartmann 1955b, 149), allerdings geht er dabei von einer unterschiedlich starken Korrespondenz von Seins- und Erkenntniskategorien aus. Der Bereich des Organischen sei durch ein „Versagen der kategorialen Identität“ gekennzeichnet, denn: „es fehlen eben unserem Verstande die maßgebenden Kategorien des organischen Gegenstandes, oder doch wenigstens viele von ihnen, wahrscheinlich die wichtigsten“ (ebd., 150). Plessner übernimmt von Hartmann nicht nur das Modell einer nicht-reduktionistischen Pluralität von Erkenntnisprinzipien für verschiedene Seinsbereiche, sondern auch die Begrifflichkeit von Schichten. Prominenter ist bei Plessner aber zunächst die Begrifflichkeit von „Stufen“: Die „Stufen des Organischen“ sind bei Plessner die von ihm unterschiedenen drei Existenzweisen von Lebewesen:

 Vgl. Wunsch 2012; Hartung 2012.  „Das Gesetz der Freiheit. Jede höhere Kategorie ist der niederen gegenüber, die als Element in sie eingeht, durchaus neuartige, inhaltlich überlegene Formung“ (Hartmann 1926, 249).

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Pflanze, Tier, Mensch. Charakterisiert werden sie durch die Begriffe „Positionalität“, „zentrische Positionalität“ und „exzentrische Positionalität“. Diese Stufen des Organischen weist Plessner nicht verschiedenen Schichten zu, sondern er verortet sie alle in einer Schicht: der „Vitalschicht“ (Plessner 1975, 77). Plessner kennt also auch Schichten, allerdings führt er den Begriff, soweit ich sehen konnte, nicht explizit ein. Der Ausdruck erscheint in zahlreichen Passagen der Stufen. Plessner kontrastiert die „Schicht des spezifisch Lebendigen, zu dessen Wesen Indeterminiertheit gehört“, mit einer „rechnerisch erforschbaren Schicht des Seins“ (ebd., 110). In Bezug auf erstere spricht er von der „nur anschauungsfähigen Schicht lebendiger Dinge“ (ebd., 110), in Bezug auf letztere von „Seinsschichten, in denen physikalische und chemische Begriffsbildung zu Hause ist“ (ebd., 114). In vielen Variationen charakterisiert Plessner die Seinsschicht des Lebendigen als naturwissenschaftlich nicht vollständig erfassbar; so spricht er von ihr als „der erschaubaren, nicht […] darstellbaren Seinsschicht des Körpers“ (ebd., 163), „der für die erschaubare Washeit ‚Leben‘ und ‚Lebendigkeit‘ spezifischen Seinsschicht“ (ebd., 164) oder „der phänomenalen Schicht des Lebens“ im Unterschied zu „anderen nichtphänomenalen Schichten körperlichen Seins“ (ebd., 217). Bestimmt wird diese phänomenale Schicht des Lebens durch die in ihr vorliegende spezifische Selbstgesetzgebung des Lebendigen: „Autonom ist das Leben nur in der besonderen Schicht der Phänomenalität, in welcher die irreduziblen Wasstrukturen, wie überall in der Natur, liegen“ (ebd., 164). Eine darüber liegende Selbstgesetzgebung anderer Art verortet Plessner in der „psychophysischen Vitalschicht des Menschen“ (ebd., 77). Wie sich diese spezifisch menschliche Seinsschicht zur letzten Stufe des Organischen, die durch exzentrische Positionalität gekennzeichnet ist, verhält, wird von Plessner nicht klar gemacht. Plessner-Interpreten gehen in der Regel von einer starken „Verklammertheit“ (Fischer 2008, 536) oder „Duchdringung“ (Wunsch 2013, 241) der Stufen bei Plessner aus: Die für den Menschen kennzeichnende exzentrische Positionalität ist danach keine bloße Hinzufügung zu seiner Position, Positionalität und zentrischen Positionalität, sondern verändert auch die niederen Stufen seines körperlichen, pflanzlichen und tierischen Seins. Menschen sind in anderer Weise physisch, vegetativ und animalisch als es Steine, Pflanzen und Tiere sind. Im Gegensatz zu den Stufen sind die Schichten des Seins aber von Plessner offenbar nicht in ähnlicher Weise verklammert oder durchdrungen gedacht. Die Schichten sind bei Plessner primär durch die Differenz von phänomenologischer Anschaulichkeit und naturwissenschaftlicher Darstellbarkeit bestimmt. Die „psychophysische Vitalschicht des Menschen“ ist daher wohl auch nicht als eigene zusätzliche Schicht zu denken, sondern als besonderer Bereich innerhalb

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der einen in phänomenologischer Einstellung zu erschließenden Vitalschicht zu verstehen. Demzufolge würde Plessner also nur zwei Seinsschichten unterscheiden: die des Berechenbaren der Physik und Chemie und die des nur Anschauungsfähigen, nicht Darstellbaren der Phänomenologie (zu der die psychophysische Vitalschicht des Menschen gehört). Weil diese Schichtenlehre nicht von der Ontologie der Dinge, sondern der Zugangsweise unserer Erkenntnis ausgeht, bestehen hier erhebliche Differenzen zur Schichtenontologie Hartmanns. Besondere Aufmerksamkeit widmet Plessner der „nur anschauungsfähigen Schicht lebendiger Dinge“ (Plessner 1975, 110). In dieser Schicht finde sich „die erschaubare Washeit ‚Leben‘ und ‚Lebendigkeit‘“ – aber gerade nicht die Biologie. Ausdrücklich unterscheidet Plessner zwischen der „erschaubaren“ und der „darstellbaren Seinsschicht des Körpers“ (ebd., 163). Die „Sphäre des Erschaubaren“ bewege sich dabei jenseits der empirischen Untersuchungsmöglichkeiten der Biologie; sie sei „ontisch begründet“, aber „für den exakten Biologen nicht zwingend“, „nur qualitativ faßbar“ (ebd.). Die gesamte Auszeichnung von Organismen als autonome Systeme bewegt sich für Plessner in dieser jenseits der empirischen Forschung liegenden Ebene des Erschauens von Qualitäten. In der empirischen Untersuchung stelle sich das „lebendige Ding“ dagegen immer nur dar als „Resultanteneffekt von Faktoren bzw. Teilen“; auf dieser empirischen Ebene gebe es überhaupt kein „Realsubjekt“, sondern nur „Wirkeinheit und Wirkelemente“ (ebd., 160). Die Gegenüberstellung dieser zwei „Seinsschichten“ – der empirisch-darstellbaren und der qualitativ-erschaubaren – findet sich bei Plessner bereits in seinen frühen biotheoretischen Schriften, in denen er zu der Auseinandersetzung zwischen dem vitalistischen Biologen Hans Driesch und dem naturwissenschaftlich argumentierenden Gestalttheoretiker Wolfgang Köhler Stellung nimmt. In einem Kommentar zu dieser Debatte aus dem Jahr 1922 folgt Plessner insofern dem Programm Drieschs, als es auch ihm um eine Verteidigung der Sonderstellung des Lebendigen im Bereich des Materiellen geht.⁹ Bei Plessner bewegt sich diese Verteidigung auf der Ebene der „Anschauung“ und des „Qualitativen“. Drieschs nicht-räumlichen Faktor der „Entelechie“ gesteht er daher zu, eine „unbestreitbare Anschaulichkeit und Denkbarkeit“ zu besitzen, und ihr komme ein „ordnender Wert für das qualitativ erlebte Weltbild“ zu (Plessner 1985a, 19). In den Stufen verteidigt Plessner die „Entelechie“ als „Seinsmodus“ und spezifische „Grenzbedingung“; er verwendet sie als Name für die ontologische Besonderheit des Organischen (Plessner 1975, 146). Hier, ebenso wie 1922, schränkt er aber

 Vgl. Toepfer 2015.

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gleich ein, dies habe „nur Bedeutung für die Philosophie“ (Plessner 1985a, 19). Denn die „Erkenntnis der Qualitäten“ sei allein Aufgabe der Philosophie und nur ihr komme es zu, „qualitative Stufen“ und „Anordnungen“ der Welt zu erfassen (ebd., 26). Das Schichtenmodell dient Plessner hier wesentlich dazu, den Streit zwischen Vitalismus und Mechanismus zu schlichten, indem er den spezifischen ontologischen Faktor einer Lebenskraft in einer phänomenologischen Schicht verortet und von den in einer anderen Schicht liegenden „feststellbaren und berechenbaren Faktoren der Energie“ trennt (Plessner 1975, 146). Es ist Plessners ausdrückliche Absicht, durch dieses Modell eine „Konkurrenz“ zwischen diesen zwei Faktoren zu vermeiden (ebd.). Die naturwissenschaftliche Untersuchung des Lebendigen ist für Plessner demzufolge auf nicht-qualitative, mechanistische Analysen festgelegt.¹⁰ Die Naturwissenschaften, einschließlich der Biologie, müssten die „Spielregeln der eindeutigen Bestimmbarkeit einhalten“, und aus ihnen könnten keine „Wesensaussagen“ gewonnen werden (Plessner 1985a, 19.): „So wenig die Physik uns über das Wesen der Qualität einer Farbe, eines Klanges Aufschluß gibt, so wenig kann uns die Biologie die qualitativen Erscheinungen des Lebens verständlich machen“ (ebd., 26). Die Biologie ist bei Plessner – anders als bei Hartmann – also beschränkt auf Bestimmungen in der „rechnerisch erforschbaren Schicht des Seins“, der Schicht des Berechenbaren, eindeutig Bestimmbaren und Darstellbaren. Die Differenz zwischen der unteren Schicht des rechnerisch Erforschbaren und der Vitalschicht korrespondiert bei Plessner mit der Unterscheidung von Naturwissenschaft und Philosophie – darin unterscheidet sich seine Schichtenlehre sehr deutlich von derjenigen Hartmanns. Für Hartmann gibt es keine spezifisch philosophische Schicht, in der die Kategorien anders gegeben wären als vermittelt über die empirischen Wissenschaften. Genau das behauptet aber Plessner. ‚Leben‘ und ‚Lebendigkeit‘ ist ihm überhaupt ein Phänomen, eine „erschaubare Washeit“, die, weil sie in Qualitativem besteht, nur im Bereich der Philosophie gegeben sei. Dem könnte Hartmann nicht folgen, weil er sich vehement dagegen wendet, dass die Philosophie eine von den empirischen Wissenschaften losgelöste Zugangsmöglichkeit zur Wirklichkeit hat. Beiden, Hartmann wie Plessner, geht es um die Auszeichnung des Bereichs des Lebendigen als einer eigenen Seinsschicht. Bei Hartmann erfolgt dies im Anschluss an die Biologie seiner Zeit und deren Kategorien, die zu gewinnen – der Biologie abzugewinnen – er als Aufgabe der Philosophie ansieht. Plessner sieht sich dagegen vor dem Hintergrund seiner Kritik an Driesch dazu genötigt, die

 Vgl. Mitscherlich 2007, 79; Ebke 2012, 52.

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Eigengesetzlichkeit des Lebendigen nicht im Bereich der Naturwissenschaften zu suchen – wie es Driesch mit seiner Entelechie tat –, sondern im Qualitativ-Erschaubaren, für das er die Philosophie zuständig erklärt. Bei Hartmann geht die Philosophie also von den Bestimmungen der Biologie aus, bei Plessner umgeht die Philosophie gerade diese Bestimmungen, weil das Phänomen des Lebens als etwas Qualitatives überhaupt nur jenseits dieser Bestimmungen bestehe.

2 Phänomenologie und Apriorität Hartmann und Plessner bringen beide die Frage nach dem Einsatzpunkt der Philosophie mit der Phänomenologie in Verbindung. Dies erfolgt aber in unterschiedlicher Weise, wie sich am Status der Phänomenologie und der Rolle von Aprioritäten in der Argumentation der beiden Autoren zeigt. Hartmann selbst bezeichnet den ersten Schritt seiner Analyse als „Phänomenologie“ (Hartmann 1940, 589 f.). Er spricht von dem „[d]eskriptiv-phänomenologischen Ausgangspunkt der Analysis“ und erläutert: [A]lles, was der Rückschluß aufdecken kann, [muss] dem Concretum abgewonnen werden […]. Es ist das Verdienst der Phänomenologie das Gegebene wieder in größerer Fülle und Mannigfaltigkeit greifbar gemacht zu haben – im Gegensatz zu denen, die nur Resultate gewisser Wissenschaften als Ausgangsbasis gelten ließen (ebd.).

Hier zeigt sich wieder die antireduktionistische Stoßrichtung, der zufolge es nicht die eine basale Wissenschaft gibt. Darüber hinaus zeigt sich hier, dass Hartmanns Einsatzpunkt nicht in der Philosophie liegt, nicht in einem Einheitspunkt auf Seiten des Subjekts, sondern bei den Phänomenen, in der Fülle und Mannigfaltigkeit auf Seiten der Objekte. Von den allgemeinen Begriffen, die in der Philosophie bestimmt werden, betont Hartmann immer wieder, dass sie nicht für sich bestehen, dass sie nicht real sind. Real ist für ihn allein das Individuelle. Das Allgemeine der Kategorien sei dagegen „nicht selbständig, es besteht nur ‚an‘ und ‚in‘ den Realfällen“ (ebd., 64 f.; vgl. auch 160).¹¹ Die Kategorien bilden also keine zweite Realität, keine neben dem Konkreten stehende Welt.¹²

 Hartmann schöpft aus der Realität allein des Individuellen auch einen gewissen Trost angesichts des Unvermögens des Menschen zur Erreichung des „Ewigen und Unvergänglichen“: „[D]ie Realität [ist] schon rein als solche die höhere Seinsweise: Alle Buntheit und Fülle haftet dem Realen an. Denn sie haftet am Individuellen. Und das heißt, sie haftet gerade am Zeitlichen, Vergänglichen, Ephemeren. […] Die wahren Werte des Menschenlebens liegen immer im Vergänglichen, sie blitzen auf im hellen Licht des Augenblicks wirklicher Erfüllung. Das Wertvolle im

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Darüber hinaus sind die Kategorien Hartmann zufolge nicht nur nicht real, sie gelten auch nicht apriori. Das macht Hartmann auf der ersten Seite seiner Philosophie der Natur unmissverständlich klar. Seine Kategorialanalyse ist Phänomenanalyse ausgehend vom Stand einer Wissenschaft: In einer Kategorienlehre liegt alles Entscheidende beim Inhaltlichen und Besonderen. […] [M]an [bewegt] sich auf dem Boden des sachlich Gegenständlichen […]. Darüber muß man sich von Anbeginn an klar sein: es gibt keinen Apriorismus der Kategorienerkenntnis. Alles, was wir über Kategorien wissen, ist direkt oder indirekt den konkreten Gegenstandsgebieten abgewonnen […]. Die Kategorialanalyse ist also auf Phänomenanalyse angewiesen und muß diese dort suchen, wo sie vorliegt. Darum ist und bleibt sie stets an den jeweiligen Stand der Wissenschaften gebunden, auf deren Gegenstandsgebiet die gesuchten Kategorien sich erstrecken (Hartmann 1950, 1 f.).¹³

Die Kategorialanalyse kann also nicht anders ansetzen, als „auf Grund der von den Naturwissenschaften geleisteten Arbeit“, wie es im Vorwort der Philosophie der Natur heißt (Hartmann 1950, VII). Dieses von Hartmann so genannte „Abgewinnen“ der Kategorien aus den konkreten Gegenstandsgebieten bedeutet aber nicht, dass die Kategorien in diesen Gebieten schon explizit vorlägen. Der Prozess des Abgewinnens ist vielmehr der Einsatzpunkt der Philosophie. Indem sie die Erschließung des Gegenstandes und die argumentative Struktur der Biologie analysiert, gewinnt erst sie die Kategorien und kann diese geordnet darstellen. Einmal gewonnen und bestimmt, sind sie für die analysierte Schicht determinierend, wie Hartmanns bevorzugte Vokabel zur Bestimmung der Rolle von Kategorien lautet: Die Kategorien determinieren die Erkenntnis der Prozesse und Phänomene auf ihrer Schicht. Verbunden ist dieser Einsatz in der Phänomenologie bei Hartmann auch mit dem Primat der Ontologie gegenüber der Erkenntnistheorie. Er spricht von einer „Umkehrung der ‚kopernikanischen Tat‘ Kants“ (Hartmann 1949, 286): „Wie dort [bei Kant] die Vernunft dem Sein übergeordnet wurde, so hier das Sein der Vernunft“ (ebd.). Hartmanns Kategorialanalyse vollzieht sich damit als Fortsetzung der „natürlichen Einstellung“, des direkten Gegenstandsbezuges, der intentio recta, wie Hartmann diesen seit 1935 nennt (Hartmann 1935, 49).¹⁴ Durch den Zugang der

Leben kann nicht währen, weil es real ist. Und wenn es währte, so hätte es für den Menschen nicht das alles überstrahlende Licht“ (Hartmann 1935, 317).  Vgl. Hansen 2008, 27.  Hartmanns Position begründet damit einen „wissenschaftlichen Realismus“. Vgl. Breil 2012.  Hartmann bringt diese Einstellung in Gegensatz zur reflektierenden Einstellung der intentio obliqua, einer auf das Erkenntnissubjekt zurückgebogenen Einstellung, die die Erkenntnistheorie

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intentio recta kann Hartmann in seiner neuen Ontologie von der ganzen Mannigfaltigkeit der realen Dinge ausgehen: Ontologie […] bedarf der Umbiegung nicht. Sie beginnt nicht mit Reflexion, stellt die natürliche Richtung des Erkennens nicht um, sie folgt ihr vielmehr, verfolgt sie geradlinig weiter. Sie ist nichts anderes als die Fortsetzung des Vordringens in Richtung auf den Erkenntnisgegenstand (ebd.).

Auch Plessner stellt an den systematischen Anfang seiner Philosophie des Organischen die „phänomenologische Deskription“ (Plessner 1975, 23, 30).¹⁵ Anders als bei Hartmann stellen weite Teile von Plessners Argumentation aber keine unmittelbare Reflexion auf biologische Begriffe und Theorien in ihrer ganzen Vielfalt dar, sondern laufen – zumindest anfangs – parallel zur biologischen Gegenstandsbeziehung: Wie gesagt, stellt Plessner die Phänomenalität der Erscheinung des „lebendigen Dinges“ in eine eigene „spezifische Seinsschicht“, die „Seinsschicht des Lebens“, die neben der anderen Seinssphäre der naturwissenschaftlich untersuchbaren Gegenständlichkeit liege. Dieses Schichtenmodell war ja seine Lösung des Mechanismus-Vitalismus-Streits: die Verteilung des Empirisch-Darstellbaren als „Wirkeinheit“ und „Resultanteneffekt“ (Plessner 1975, 160) einerseits und der Qualitäten des Lebendigen, dessen „irreduzible Wasstrukturen“ und „Autonomie“ allein in der „besonderen Schicht der Phänomenalität“ (ebd., 164) andererseits auf zwei unterschiedliche Schichten. Leben wird damit bei Plessner insgesamt zu einer bloß phänomenologischen, in der Anschauung erscheinenden Evidenz, die naturwissenschaftlich nicht dingfest zu machen ist, aber der naturwissenschaftlichen Forschung doch vorausliegt, weil sie allererst den Gegenstand liefert: das Lebewesen als ein ontologisch besonderes Naturding. Anders als bei Hartmann scheint es außerdem, dass die Phänomenologie Plessner nicht zur Mannigfaltigkeit der Dinge führt, sondern im Gegenteil vor allem zur „Einheit“ und „Ganzheit“ des individuellen Lebewesens. Von dem „Ordnungstypus Ganzheit“ behauptet Plessner in den Stufen ausdrücklich, dass er auf die Seite der Phänomenologie, „zur Klasse der nur erschaubaren Gehalte“ gehört (ebd., 120). Auch Plessners zentraler Begriff der „Grenzrealisierung“ ist nach Plessner nur in „phänomenologischer Deskription“ gegeben. Plessner erkennt in phänomenologisch-philosophischer – also in nicht-naturwissenschaftlicher – Einstellung die Grenzrealisierung als Grund dafür, dass ein Ding als

an den Anfang stellt. Hartmann propagiert demgegenüber eine „Rückkehr zur natürlichen Einstellung“ des direkten Gegenstandsbezugs. Vgl. Hartmann 1935, 49.  Vgl. Beaufort 1998, 29 f.

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Lebewesen erscheint und wie die Merkmale es einem Lebewesen in seiner Tatsächlichkeit ermöglichen, seine Grenze zu „vollziehen“. Der phänomenologische Grundsachverhalt, der dabei zunächst nur hypothetisch angenommen wurde, wird durch die schrittweise Darstellung der Wesensbestimmungen von Lebewesen und ihres Zusammenhangs selbst bestätigt. Darin besteht die von Olivia Mitscherlich und anderen näher analysierte „Verwobenheit von Grenzrealisierung und Lebensmerkmalen“ (Mitscherlich 2007, 102), die „Gleichursprünglichkeit der begrifflichen Erkenntnis und der Anschauung“ (ebd., 111) und „doppelseitige Deduktion“ (ebd., 102). Ohne darauf näher einzugehen, soll hier nur festgehalten werden, dass die Phänomenologie Plessner zur Einheit der Lebensmerkmale und zum höchsten Punkt seiner Argumentation, d. h. zur Bestimmung des Wesens von Lebendigkeit und seiner Stufen, führt, während sie Hartmann die Vielfalt und bunte Mannigfaltigkeit der Dinge eröffnet, von der seine Ontologie ihren Ausgang nimmt.

3 Kategorien und Systematik Die sich aus dem phänomenologischen Ansatz ergebende Vielfalt in Hartmanns Philosophie des Organischen zeigt sich besonders deutlich in seinem Kategoriensystem. Dieses System umfasst 19 organologische Kategorien, die Hartmann zu Beginn seiner Analyse aufzählt: I. Gruppe: ‚Das organische Gefüge‘. Kategorien: 1. Das Individuum, 2. Der formbildende Prozeß, 3. Das Widerspiel der Prozesse, 4. Formgefüge und Prozeßgefüge, 5. Die Selbstregulation. II. Gruppe: ‚Das überindividuelle Leben‘. Kategorien: 6. Das Leben der Art, 7. Wiederbildung und Erblichkeit, 8. Tod und Zeugung, 9. Die Variabilität. 10. Die regulativen Faktoren des Artlebens. III. Gruppe: ‚Die Phylogenese‘. Kategorien: 11. Die Abartung, 12. Die Zweckmäßigkeit, 13. Die Selektion (und Höherbildung), 14. Die Mutation, 15. Die Deszendenz. IV. Gruppe: ‚Organische Determination‘. Kategorien: 16. Das organische Gleichgewicht, 17. Die Lebendigkeit, 18. Der Vitalnexus, 19. Die Artgesetzlichkeit (Hartmann 1950, 513 f.).

Auffallend an dieser Kategorientafel ist zunächst die Anzahl der Kategorien: 19. Diese Primzahl, die sich schon formal deutlich von den zehn Kategorien bei Aristoteles oder den zwölf bei Kant unterscheidet, bezeugt ihre Entstehung nicht aus einem theoretischen Prinzip, sondern aus der Mannigfaltigkeit der Phänomene. Die Aufzählung beginnt, wie Hartmann schreibt, nicht mit den grundle-

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genden, sondern mit den „Oberflächenkategorien“, es sei keine „ontische Reihenfolge“, sondern eine des „Erkenntnisweges“, an dessen Ende erst der „Gesamtaspekt“ stehe, mit den vier Kategorien des „Organischen Gleichgewichts“, der „Lebendigkeit“, des „Vitalnexus“ und der „Artgesetzlichkeit“ (ebd., 514). Aufschlussreich an Hartmanns Reihenfolge und Gruppierung der Kategorien ist, dass die grundlegenden, also die letzten Kategorien, nicht das organische Gefüge des einzelnen Individuums betreffen, sondern überindividuelle Phänomene. Besonders deutlich wird dies an Hartmanns Einordnung der Kategorie der „Zweckmäßigkeit“ in die Gruppe der „Phylogenese“. Diese Zuweisung entspricht nicht der Kantischen und Neukantianischen Analyse des Zweckbegriffs, die vom einzelnen Organismus als einem in sich und durch sich selbst organisierten „Naturzweck“ ausgeht. Hartmann schließt hier an seine Philosophischen Grundfragen der Biologie von 1912 an, in denen er bereits die organische Zweckmäßigkeit durch ihre Entstehung in Selektionsprozessen erklärte: „Die phylogenetische Selektion ist das Gesetz der ursprünglichen Bildung zweckmäßiger Form […]: in ihr ist die ‚Angepaßtheit‘ wirklich auf einen ‚Anpassungsprozeß‘ zurückgeführt, welcher seinen Grund hat im fortgesetzten ‚Überleben des Passendsten‘“ (Hartmann 1912, 130 f.). In seiner Philosophie der Natur von 1950 nimmt Hartmann diese Überlegungen wieder auf, indem er vom Prinzip der Selektion behauptet, es stelle „den ersten ernsthaften Versuch dar, die organische Zweckmäßigkeit auf eine konstitutive Kategorie zurückzuführen“ (Hartmann 1950, 645). Diese Erklärung der organischen Teleologie durch Selektion nimmt viel diskutierte Positionen in der biophilosophischen Teleologiedebatte seit den 1970er Jahren vorweg. Die Rekonzeptualisierung der organischen Zweckmäßigkeit ausgehend von überindividuellen Prozessen der Phylogenese und Selektion (und nicht, wie bei Kant, ausgehend von der funktionalen Geschlossenheit der Organisation des individuellen Organismus) offenbart die Offenheit des Systems der organologischen Kategorien Hartmanns gegenüber den empirischen Fortschritten der biologischen Forschung. Diese Offenheit bedingt einen historischen Wandel der Kategorien, den Hartmann auch herausstellt, indem er von „kategorialem Wandel“ oder dem „Wandel der Erkenntniskategorien“ spricht und diesen mit einem historischen „Wandel der Sehweisen“, „Denkformen“ und „Begriffe“ in Verbindung bringt (Hartmann 1955b, 161 ff.). Das System organologischer Kategorien unterliegt also einem historischen Wandel, der dem Wandel der Wissenschaften folgt. Noch deutlicher als Hartmann macht dies Ernst Cassirer in seinem 1940 (also zeitlich parallel zu Hartmann) geschriebenen Abriss der Biologiegeschichte unter dem

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Titel „Das Erkenntnisideal der Biologie und seine Wandlungen“ (Cassirer 1957).¹⁶ Darin beschreibt Cassirer die Geschichte der Biologie als eine Abfolge von Phasen, die jeweils durch die Dominanz eines „Ideals“ der Erkenntnis charakterisiert werden können.¹⁷ Die Differenz der zeitlich parallel entstandenen Systeme der Kategorien bei Hartmann und der Erkenntnisideale bei Cassirer macht zudem deutlich, dass nicht nur ein historischer Wandel des Kategorienapparates besteht, sondern dieser auch im Rahmen verschiedener theoretischer Ansätze unterschiedlich rekonstruiert wird. Gegenüber der Kategorientafel Hartmanns sind bei Cassirer einige Aspekte als „Erkenntnisideale“ hinzugekommen, wie die taxonomische Ordnung von Organismen in ein hierarchisches System der Verwandtschaft oder die Umweltbezogenheit der Organismen. Außerdem können sowohl bei Hartmann als auch bei Cassirer Prinzipien, Kategorien oder Erkenntnisideale vermisst werden, die für die von ihnen betrachtete Periode der Biologiegeschichte zweifellos von Bedeutung waren: So spielt bei beiden die hierarchische Gliederung von Organismen in Gewebe, Zellen und die genetische Ebene keine ausdrückliche Rolle. Der gesamte Dualismus von Genotyp und Phänotyp wird vernachlässigt – bei Hartmann ist er lediglich als ein Aspekt des nexus organicus enthalten. Auch die überindividuelle Ebene der Ökologie ist nicht berücksichtigt. „Überindividuelles Leben“ ist für Hartmann doch nur das „Artleben“ und der Transformationsprozess der Phylogenese, nicht aber die wechselseitige Bezogenheit von Organismen verschiedener Arten aufeinander, die es rechtfertigt, von einer ‚Lebensgemeinschaft‘ oder einem ‚Ökosystem‘ zu sprechen. Die differenzierten Kategoriensysteme Hartmanns und Cassirers können also als zeit- und interessebedingte Vorschläge zur Entfaltung biologischer Prinzipien gelten. Sie können ergänzt werden durch Kategorien, die sich aus Entwicklungen der späteren Forschung oder anderen Interesselagen ergeben. Für den Pluralismus Hartmanns, der „Buntheit und Fülle“ der phänomenologischen Betrachtung an den Anfang stellt, dürfte dies auch kein Problem sein: Sein Kategoriensystem

 Zum Vergleich der Stellung der Biologie im Denken Cassirers und Hartmanns vgl. Regelmann 1979.  Cassirer macht die Ideale an den für eine Zeit einflussreichen Biologen fest: Klassifikation (Linné), Organismen als integrierte Systeme (Cuvier), Morphologische Typen und Metamorphose (Goethe), Embryogenese als sukzessive Differenzierung (C. F. Wolf), Historische Dimension des Lebendigen (Darwin), Entwicklung als kausal-mechanischer Prozess (Roux), Autonome Selbstregulation (Driesch), Organismen als umweltbezogene Konstruktionen (von Uexküll) und Organismen als ganzheitliche Systeme (von Bertalanffy). Vgl. Cassirer 1957.

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ist hinreichend offen, um weitere Phänomene in einem veränderten Kategoriensystem zu berücksichtigen. Anders als Hartmann hat Plessner keine geordnete und strukturierte Tafel der Kategorien des Organischen vorgeschlagen. Bei Plessner steht der phänomenologische Ansatz zunächst für einen Einheitspunkt, nämlich den in der phänomenologischen Anschauung gewonnenen Begriff oder „Sachverhalt“ der Grenzrealisierung. Dieser fungiert als Referenzpunkt, von dem aus sich die Kategorien oder „Modale“ des Organischen entfalten – und dabei zugleich den Sachverhalt der Grenzrealisierung bestätigen. Plessner nimmt die Grenzrealisierung zunächst hypothetisch als „Grund […] der Lebenserscheinungen“ (Plessner 1975, 106) an, um aus ihnen die Kategorien oder Modale des Organischen zu deduzieren. Er schreibt: Eine […] Deduktion der Kategorien oder Modale des Organischen – wohlgemerkt nicht aus dem Sachverhalt der Grenzrealisierung, denn den gibt es ja für sich nicht, sondern unter dem Gesichtspunkt seiner Realisierung – bildet den Zentralteil der Philosophie des Lebens (ebd., 122).

In seiner Spezifizierung der „Kategorien oder Modale des Organischen“ geht Plessner von, wie er sagt, „z.T. recht abstrakten Begriffen“ aus, die er als „Letztheiten einer Wesenscharakteristik des Lebendigen“ bezeichnet. Diese lauten „Vererbung“, „Wachstum“, „Entwicklung“, „Ernährung“ und „Regulation“ (ebd., 110). Es handelt sich dabei also um die zumeist seit der Antike definitorisch mit dem Lebensbegriff verknüpften Begriffe zur Bezeichnung von Grundfähigkeiten oder Grundfunktionen von Lebewesen. In ihrer theoretischen Begründung und ihrem philosophischen Status vergleicht Plessner die bestehenden Listen dieser Grundfunktionen der Lebewesen oder Lebenscharakteristika mit den Listen von Kategorien der Erkenntnis vor Kant (ebd., 113). Es komme daher darauf an, die organischen Modale an einem Leitfaden zu entfalten und in ein System zu bringen. Plessner zielt damit auf eine, in seiner Formulierung, „apriorische Theorie der organischen Wesensmerkmale“ (ebd., 107). Die Modale sind für Plessner ähnlich elementare Letztheiten der Anschauung wie die qualitativen Sinnesempfindungen, z. B. die Qualitäten der Farbwahrnehmung. Zusammen machen die Modale für Plessner eine „geschlossene Sphäre anschauungsfähigen, aber nicht direkt meßfähigen, quantifizierbaren ‚Seins‘“ aus (ebd., 108), auf diese Weise würden sie einen in Stufen geordneten „großen Zusammenhang“ bilden (ebd., 115). Plessners Argumentation ist darauf gerichtet, die Modale in ihrer „Anschaulichkeit“ darzustellen und ihren Zusammenhang herauszuarbeiten.

Schichtenlehre, Phänomenologie und Kategorialanalyse

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Unter dem Leitfaden der Grenzrealisierung behandelt er in den folgenden Abschnitten verschiedene Aspekte der „lebendigen Dinge“, die in einem nicht immer ganz klaren Verhältnis zu diesen Modalen stehen, die aber im Vergleich zu diesen einerseits anschaulich und andererseits auf den Sachverhalt der Grenzrealisierung bezogen sein und diesen dabei bestätigen sollen. Plessner zielt damit auf, wie er es formuliert, „Wesensmerkale, im Sinne der die biologische Erkenntnis möglich machenden Kategorien“, die „am gegenständlichen Sein in der Anschauung gewonnen“ sind (ebd., 113). Begriffe, die Plessner in diesem Zusammenhang nennt, ohne sie immer klar als Kategorien auszuweisen, sind u. a. „Individualität“, „Typenhaftigkeit“, „Systemcharakter“, „Entwicklungscharakter“, „innere Gliederung in Organe“, „Vertretung des Ganzen in den Teilen“, „Zukunftsbezogenheit“ und die „positionale Stellung des Ganzen in Raum und Zeit“ (ebd., 123‒184). Diese Darstellung Plessners wirft viele Fragen auf, unter anderem danach, warum gerade diese Modale aus der großen und variablen Menge von grundlegenden Merkmalen und Funktionen der Lebewesen ausgewählt wurden und worin genau ihr „großer Zusammenhang“ besteht. Diese Fragen werden von Plessner nicht direkt behandelt. Sein besonderes Augenmerk ist darauf gerichtet, ein fundierendes Prinzip für die Menge der organischen Modale auszuweisen, einen Leitfaden, mit dessen Hilfe sie gefunden und begründet werden können. Dieses Prinzip findet er in der besonderen Art der Begrenzung der Lebewesen, eben ihrer Grenzrealisierung, also ihrer aktiven Selbstbegrenzung, die nicht nur ihre Einschließung, sondern auch ihre Aufschließung gegenüber der Umwelt bedingt. Als problematisch erscheint es schließlich, dass Plessner die von ihm identifizierten „Sachverhalte“ der Grenzrealisierung und Positionalität für „erschaute“ Phänomene hält, die in der empirischen Erforschung der Gegenstände nicht feststellbar sind. Plessner zufolge zeigen sie sich allein in dem nicht mehr der Naturwissenschaft, sondern der Naturphilosophie zugehörigen Vermögen der Anschauung. Auch die Lebendigkeit, die unmittelbar an der Positionalität hängt, wird damit zu einem nicht mehr rein empirischen Phänomen. Gegen Plessners Gegenüberstellung von Phänomenologie und Biologie ließe sich argumentieren, dass Washeiten und Qualitäten bereits in die Beschreibungen und Erklärungen der Biologie eingelassen sind. Viele Begriffe und Theorien der Biologie bewegen sich auf einer Ebene jenseits von Resultanteneffekten, Wirkeinheiten oder Energieerhaltung. Die Sprache der Biologie enthält wesentlich den Bezug auf ganzheitliche Einheiten, die sie ‚Systeme‘, oder ‚Organismen‘ nennt und denen sie phänomenale Vermögen wie ‚Ernährung‘, ‚Wachstum‘ und ‚Fortpflanzung‘ zuspricht, lange bevor diese kausal verstanden wurden. Eine scharfe Trennung der phänomenalen „Schicht“ von den theoretischen Analysen der

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Biologie besteht also nicht. Das Phänomenale und das Empirische sind in der Biologie miteinander verschränkt. Als irreführend erscheint es daher, wenn Plessner in seiner Analyse das Empirisch-Darstellbare und das Qualitativ-Erschaubare als zwei „Seinsschichten“ des Organischen voneinander trennt. Seine ontologische Schichtenlehre steht damit in der Gefahr, das methodologischfunktionale Verhältnis der beiden Ebenen zueinander zu verdecken.¹⁸ Zusammenfassend gesagt unterscheidet sich die Lehre der organischen Kategorien bei Plessner darin von der Kategorienlehre Hartmanns, dass Plessner erstens zumindest in stärkerem Maße als Hartmann für den Zusammenhang der Kategorien und ihre Deduktion von einem Sachverhalt her argumentiert und dass er zweitens diesen Sachverhalt nicht ausgehend von der empirischen Naturwissenschaft entwickelt, sondern gerade im Gegensatz zu dieser aus dem „nur Anschauungsfähigen“, der „erschaubaren, nicht der darstellbaren Seinsschicht“ (Plessner 1975, 163).

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 Vgl. Toepfer 2017a; Toepfer 2017b.

Schichtenlehre, Phänomenologie und Kategorialanalyse

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Georg Toepfer

Wunsch, Matthias (2012): „Kategoriale Gesetze. Zur systematischen Bedeutung Nicolai Hartmanns für die moderne philosophische Anthropologie und die gegenwärtige Philosophie der Person“, in: Hartung, Gerald/Wunsch, Matthias/Strube, Claudius (Hg.): Von der Systemphilosophie zur systematischen Philosophie – Nicolai Hartman, Berlin/Boston, 153‒170. Wunsch, Matthias (2013): „Stufenontologien der menschlichen Person“, in: Römer, Inga/Wunsch, Matthias (Hg.): Person. Anthropologische, phänomenologische und analytische Perspektiven, Münster, 237‒256. Wunsch, Matthias (2015): „Anthropologie des geistigen Seins und Ontologie des Menschen bei Helmuth Plessner und Nicolai Hartmann“, in: Köchy, Kristian/Michelini, Francesca (Hg.): Zwischen den Kulturen. Plessners „Stufen des Organischen“ im zeithistorischen Kontext, Freiburg/München, 243‒272.

Gregor Schmieg

Das Reflexivitätsproblem und die Kategorienlehre Versuch einer Aktualisierung Abstract: The present paper starts by arguing that a systematically important distinction between two forms of reflexiveness is tenable. The first emphasizes acts involving a human subject whereas the second transcends this category and is better pronounced as an ontological – possibly ecological – relation. The distinction itself is framed as a proactive problem invigorating a certain strand in the history of philosophy dealing with biological questions since Kant’s Critique of Judgment. Sketching out the genealogy then allows for contextualizing the method of categorical exposition insofar as it is deployed for conceptualizing living beings in Hartmann and Plessner. In so doing the categorical difference of upward and downward causation is introduced while seizing upon Hegel’s ontology of logical grounding. Finally, the mathematically inspired concept of a reflexive closure operator summarizes the whole argument while relating both Hartmann’s and Plessner’s thought to current trends in the philosophy of science and also to some empirical contexts indicated in recent complex systems related research. Keywords: Helmuth Plessner, Nicolai Hartmann, Logic, Organic, Categories, Ontology, Reflexivity

1 Genealogische Einführung des Reflexivitätsproblems Ich beginne meinen Beitrag mit einer kleinen Beobachtung und systematischen Verschiebung innerhalb der Werkentwicklung Nicolai Hartmanns, auf die er selbst im Vorwort zum Aufbau der realen Welt hinweist. Von hier aus weite ich die genealogische Skizze des Reflexivitätsproblems in beide Richtungen der Zeitachse aus. Anschließend beginne ich die systematische Einführung desselben Problems mit Plessners Logik ¹, um dann fokussiert auf Hartmann zu vertiefen und

 Ich beziehe mich mit Logik ausschließlich auf den zweiten Abschnitt der 1920er Kölner Habilitationsschrift Untersuchungen zu einer Kritik der philosophischen Urteilskraft, der den Titel https://doi.org/10.1515/9783110615555-006

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Gregor Schmieg

eine begriffliche Fassung des Reflexivitätsproblems zu erreichen. Damit ist im letzten Abschnitt die Möglichkeit eines Brückenschlages in Fragen aktueller Forschung außerhalb der Philosophie gegeben, die für eine gegenwärtige Naturphilosophie und philosophische Anthropologie Aktualisierungen beinhalten. Es besteht ein besonders enger Zusammenhang zwischen Hartmanns 1923er Abhandlung „Wie ist kritische Ontologie überhaupt möglich? – Ein Kapitel zur Grundlegung der allgemeinen Kategorienlehre“ und der 1926er Abhandlung aus der von Plessner herausgegebenen Zeitschrift Philosophischer Anzeiger mit dem Titel „Kategoriale Gesetze“, die den gleichen Untertitel trägt, wie der zuerst genannte Text. Der frühere Ansatz beschreibt die „traditionellen Fehler“, die bisher ein adäquates Verständnis des Systemcharakters der Kategorienlehre verhindert hätten und skizziert dieses dann in groben Zügen der Tektonik der Seinsschichten und ihrer prinzipienhaften Grenzen als Grenzen des rational Erkennbaren (vgl. Hartmann 1958c, 304). Während die 1923er Arbeit also eher negierend verfährt, beschäftigt sich der 1926er Text mit der expliziteren oder positiven „Herausarbeitung der elementaren Gesetze, die das Kategorienreich überhaupt beherrschen“ (Hartmann 1926, 203, Fn. 1). Kategorien sind für Hartmann logisch-ontologische Hybride, deren gesetzmäßige Relationierungen zu Konkretem und Realem sie als Grundzüge einer Metaphysik der Erkenntnis verbinden, so der Titel zu Hartmanns 1921er erstem Hauptwerk, das die Grundlage für die beiden genannten kürzeren Abhandlungen darstellt. Synthetisiert wird der ganze hier infrage stehende Ansatz, das wird schon im Untertitel deutlich, in Hartmanns Aufbau der realen Welt – Grundriss der allgemeinen Kategorienlehre von 1940. Es lässt sich also erahnen, dass Hartmann die Metaphysik der Erkenntnis in letzter Konsequenz als allgemeine Kategorienlehre versteht. Damit ist eine Perspektive aufgegriffen, die auch für Plessner, wenngleich in etwas anderer Ausrichtung, wichtig war. Sie erwächst aus Plessners Kant-Lektüre und hier aus der Wahrnehmung einer tiefen systematischen Diskrepanz und zugleich fruchtbaren Komplementarität zwischen der Kritik der reinen Vernunft und der Kritik der Urteilskraft (vgl. Krüger 2001). Genauer geht es um die Schieflage zwischen der Kategorientheorie als erkenntniskritisches Kernelement der ersten Kritik und den höchstens quasi-kategorialen Reflexionsbestimmungen besonders der teleologischen Urteilskraft in der dritten Kritik. In der Einleitung zur dritten Kritik macht Kant schon selbst darauf aufmerksam, dass ein wichtiges systematisches Ergänzungsverhältnis zu den früheren Kritiken vorliegt, aus dem das ganze kritische Geschäft eine „erweiterte Denkungsart“ (Kant 1790, 295) gewinnen könne – wenn

„Die Umwertung der logischen Form“ trägt (vgl. Plessner 1981b, 103 – 158). Es handelt sich bei der 1981er Suhrkamp-Ausgabe um die Erstveröffentlichung von Plessners Habilitationsschrift.

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nicht die systematische Schräglage zum Schiffbruch führt. In dieser Richtung bewegt sich mein Beitrag in einen systematischen Problembereich hinein, den Kant in der Vorrede zur Kritik der Urteilskraft von 1790 in „Dunkelheit“ liegen sah und zwar an der Schwelle zwischen transzendentalkritischem und metaphysisch „doctrinalem“ Vorgehen (vgl. ebd., 170). Die explizitesten und zumindest für Plessner vermutlich wichtigsten Darstellungen dieses Verhältnisses in Bezug auf die Kategorientheorie bei Kant selbst haben m. E. vorgelegt Hans Driesch in „Die Kategorie ‚Individualität‘“ (Driesch 1911) sowie Wilhelm Windelband in Die Prinzipien der Logik (Windelband 1912).² Das Thema der Prinzipienforschung und Kategorienlehre steht für Hartmann im Rahmen der Arbeit an einer systematisch methodischen Verbindung von erkenntniskritischen Fragen mit ontologischen, die zusammen eine gewisse metaphysische Konstruktion im Sinne einer realen Positivität kategorialer Inhalte bedeutet (vgl. Hartmann 1958a, 51 f.). Vor solchen synthetischen Aussagen über die Welt wie sie ist und wie sie erscheint scheute Kants Kritik zurück, zugleich aber war er von den etwaigen Voraussetzungen ihrer Ermöglichung fasziniert, so Hartmann. Die Verbindung von Ontologie und Erkenntniskritik als das „von Kant offen gelassene Problem“ (ebd., 52) wiederum faszinierte Hartmann und ließ ihn nach einer kritischen oder rationalen Ontologie suchen. Als kritisch beäugte Folie diente ihm dazu v. a. der deutsche Idealismus. Man kann sagen, dass Schelling das offen gebliebene Problem auch gesehen hatte, als er den Topos einer „Subjekt-Objektivität“ methodisch zwischen Realität und Konstruktion der Natur suchte. Als Vorlage für seine Untersuchung hatte Schelling u. a. Spinozas metaphysisches System und speziell die Rolle des Kausalmechanismus darin wiederentdeckt und es in der genannten Richtung mit Kants Reflexionsbegriff des Organismus aus der Kritik der Urteilskraft verknüpft (vgl. Schelling 1907, 102‒129).³

 Windelband betreute Plessners Dissertation in Heidelberg und wird in Plessners Logik als einer der wenigen Autoren zitiert (vgl. Plessner 1981b, 125). Auch Plessners Unterscheidung von indikatorischen und konstitutiven Wesensbestimmungen in den Stufen steht daher in unvermerkter Verbindung zu Windelbands Unterscheidung und gesetzmäßiger Verbindung von reflexiven und konstitutiven Kategorien (vgl.Windelband 1912, 28 – 37). Für Plessners Logik ist hier Windelbands Deutung des kantischen Schematismus (vgl. ebd., 33 f.) als Fokussierung des Raum-Zeit-Bezugs oder des Anschauungsbezugs der Logik besonders aufschlussreich, welche in Plessners Stufen unter dem Topos der absoluten Raum-Zeit Union der relationalen Positionalität auftauchen (vgl. Plessner 1981a, 240 – 245).  Ich halte die Bedeutung von Spinozas Ethik für eine philosophiegeschichtliche aber auch systematisch-methodische Kritik der in gegenwärtigem Beitrag entfalteten Problematik der weiteren Erforschung wert – allein schon aufgrund ihres systematischen Kontrasts zu der neukantianischen Denktradition (vgl. u. a. Windelband 1912, 34). Hier aber kann ich nur Hinweise und Anspielungen liefern. Zunächst ist die systematische Verknüpfung eines formal kausalen

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Gregor Schmieg

Die Entdeckung der kategorialen Reflexion als relationale Reflexivität in struktur- oder ordnungstheoretischer Sichtweise ist in Kants dritter Kritik zwar höchstens angedeutet, sie wird aber in ihrem potentiellen philosophischen Folgenreichtum imposant skizziert. Die schrittweise Aufdeckung des Reflexivitätsproblems reicht von diesem Anfang bis in die turbulente Geistesgeschichte des frühen zwanzigsten Jahrhundert hinein. Kuno Fischer etwa diskutiert einflussreich die Bedeutung dieser Entdeckung für den Topos der Reflexionsbegriffe in Hegels Wissenschaft der Logik (vgl. Fischer 1901, 488 – 503). So wird die Transformation der erkenntnistheoretischen Frage Kants nach der Amphibolie der Reflexionsbegriffe zwischen Sinnlichkeit und Verstand aus der Kritik der reinen Vernunft über ihre Reevaluation im Organismusbegriff der Kritik der Urteilskraft und weiter zur ontologischen Frage nach dem Grund der Wirklichkeit und Realität bei Hegel möglich. Mein Beitrag erschließt mit Hartmann und

Mechanismus mit der strengen Immanenz der Seinsursache zu einem durchgängigen Doppelaspekt eine Position mit Resonanz. Sie beeinflusste etwa Johannes Müllers Physiologie der Sinne in dessen Handbuch der Physiologie. Von hier griff Jakob von Uexkülls semiotische Theorie der physiologischen Funktionskreise und der Umweltlehre wichtige Elemente auf, die noch in Plessners Positionalitätslehre und im Doppelaspekt von Zentrizität und Exzentrizität menschlicher Weltverhältnisse abgewandelt wiedererkennbar ist (vgl. Uexküll/Uexküll 1947). Auch Drieschs Konzeption und Kontextualisierung der dynamischen Teleologie, die Plessner in einem Nachruf zusammenfassend als „Biologie more geometrico“ (Plessner 1941, 399) bezeichnet, erinnert nicht nur an den Untertitel von Spinozas Ethik. Im Falle Nicolai Hartmanns kann man sich vor diesem Hintergrund nur wundern über das Schweigen zu Spinoza. Behandelt Hartmann in präziser Kritik cartesianische und Leibniz’sche Positionen, so wird Spinoza schlicht übersprungen, obwohl dieser mit Hartmann etwa die wichtige Teleologiekritik im Kern teilt (vgl. Hartmann 1958c). Auch insofern Hartmann die totalen Systemansprüche und monistischen Tendenzen der früheren metaphysischen Philosophien besonders von Hegel und Leibniz relativiert und teilweise integriert, wundert die Spinoza-Abstinenz. Nicht zuletzt die axiomatische Methode der Ethik betreffs der Substanzmetaphysik könnte für Hartmanns kategoriale Untersuchung der strukturellen Elemente der Wirklichkeit auf Basis einer quasi doppelaspektiven Anordnung von Kategorie und Concretum relevant gemacht werden (vgl. dazu bei Plessner die Bemerkung in Fn. 2 oben). Ein Grund für Hartmanns Schweigen zu Spinoza könnte sein, dass Max Scheler, in Köln einflussreich und dort seit 1925 kritischer Kollege von Hartmann, bereits öffentlich auf Spinoza Bezug genommen und besonders die Affektlehre und Anthropologie der zweiten Hälfte von Spinozas Ethik hervorgehoben hatte (vgl. Scheler 1995, 175 f., 178 f., 182). Hartmann dagegen hätte sich, wie gesagt, eher auf die erste substanzmetaphysische Hälfte kritisch beziehen können, tat dies aber nur mittelbar über seine Leibniz-Kritik (vgl. Hartmann 1958c, 282 f.). Jedenfalls setzte er sich auch durch Umgehung Spinozas von Scheler in Köln ab. Unabhängig von der Spinoza-Frage behandelt die „Kölner Konstellation“, zu der auch Plessner gehörte, ausführlich Fischer (vgl. Fischer 2008).

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Plessner einen Strang der Auseinandersetzung mit dem Reflexivitätsproblem in Deutschland, der als solcher bisher nicht registriert wurde. Für die französische Rezeption dieser Transformation und des an Facettenreichtum kaum zu überbietenden Problems der Reflexionskategorien als SubjektObjekte oder schlicht als (seins)prozessuale Reflexivität sui generis ist die Darstellung von Jean Hyppolite einflussreich gewesen (vgl. Hyppolite 1954 sowie Hoth 2007). Hinzu kommt die französische Rezeption der Betonung von Relationalität und Prozesscharakter im Reflexivitätsproblem ausgehend von der Philosophie der Mathematik nach Russell und Whitehead, welche u. a. durch Louis Couturat geprägt wurde und welche über die starke Akzentuierung durch die Bourbaki Gruppe, Lautman und Cavaillès seit etwa 1939 noch Spuren bei einflussreichen Autoren um 1968 hinterlassen hat.⁴ In der weiteren philosophiegeschichtlichen Entwicklung des Reflexivitätsproblems setzt sich verstärkt bis in die Gegenwart die genannte französische Rezeption bei anglophonen Autoren fort.⁵ Couturat, Leibnizkurator, mit Russell befreundet und in Principles of Mathematics mehrfach zitiert, bildet auch eine deutsch-französische Brücke zu der in meinem Beitrag behandelten Bearbeitung des Reflexivitätsproblems. Plessner formuliert seine Alternative zur „algorithmischen Logik“ Russells mit Verweis auf Couturat (vgl. Plessner 1981b, 114– 119 sowie Couturat 1912). Hartmann und Plessner wurden auch durch die Arbeiten von Hermann Cohen beeinflusst, dessen Philosophie der Mathematik von Russell als Mystizismus kritisiert wurde (vgl. Russell 1903, 326, 338 – 345). Wichtig für Plessner war vor allem die prinzipielle oder auch kategoriale Bedeutung der infinitesimalen Relation als Grenzübergang  Dafür stehen die von dieser Mathematikinterpretation geprägten Arbeiten in Cahiers pour l’Analyse 1966 – 1969 herausgegeben von u. a. Alain Badiou, Jacques-Alain Miller und François Regnault (vgl. Hallward/Peden 2012). In einem Aufsatz habe ich eine Darstellung des mathematischen Begriffs des ‚Infinitesimalen‘ als Relation in Plessners Logik versucht, die eine Tendenz in Richtung auf diese Tradition aufweist (vgl. Schmieg 2017). Auch Isabell Stengers Aufgreifen von prozessontologischen Gedanken Whiteheads könnte in Verlängerung dieser u. a. aus dem Kant/ Hegel-Komplex der Reflexivität hervorgehenden Linie gelesen werden (vgl. u. a. Debaise/Stengers 2017).  Vgl. Peden 2014 sowie Debaise/Stengers 2017. Beispielhaft inzwischen für eine Reihe von Whitehead über Isabelle Stengers und ihre Zusammenarbeit mit Ilya Prigogine beeinflussten englischsprachigen Autoren ist u. a. Martin Savransky (Savransky 2016). Auch hier müsste das Reflexivitätsproblem allerdings erst eigens heraus präpariert und mit der Affekttheorie von Spinoza über Uexküll zu Deleuze und derjenigen von William James in Verbindung gebracht werden. Dies geht einerseits über die Analyse der Kant-Rezeption im amerikanischen Pragmatismus, die mit derjenigen Plessners teilweise vergleichbar ist, wie Hans-Peter Krüger verschiedentlich gezeigt hat. Auch die systematische Interpretation von Max Schelers Affekttheorie zwischen Phänomenologie und Metaphysik würde hier, wie schon in Fn. 3 angedeutet, in Rechnung gestellt werden können.

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und ihre systematische Rolle in der realistischen Logik der reinen Erkenntnis (vgl. Cohen 1977 sowie Schmieg 2017). In diesem freilich hier nur grob skizzenhaften und sehr heterogenen Spektrum der Genese und Entwicklung des Reflexivitätsproblems spielt der Ansatz von Hartmann, der bei Cohen und Nartorp in Marburg promoviert wurde, eine sehr selbständige Rolle. Um mit einer konzisen Skizze von Hartmanns Ansatz beginnen zu können und damit das Reflexivitätsproblem selbst näher einzugrenzen, müssen aber einige Grundlagen voraus geschickt werden. Dazu setze ich zunächst bei Plessner an und stelle einige Punkte seiner im Gesamtwerk singulären Studie zur Logik der philosophischen Urteilskraft zusammen. In der Zusammenstellung wird das Reflexivitätsproblem greifbar als systematisches und methodisches Spannungsfeld zwischen eher subjektphilosophischer Reflexion und eher seinsphilosophischer Reflexivität – ein für meinen Beitrag entscheidender Unterschied, der in der Gegenwart etwa von Brian Massumi als operative Logik im Grenzbereich von Phänomenologie und Metaphysik und in ihren leibtheoretischen, politischen sowie geschichtstheoretischen Konsequenzen variiert wurde (vgl. Massumi 2015). Die Unterscheidung von Reflexion und Reflexivität ist für meinen Beitrag vor allem deshalb wichtig, weil sie in Hartmanns Durchführung derselben als Kategorienlehre im Aufbau der realen Welt vorausgesetzt wird, was freilich noch zu zeigen ist. Allgemeiner erlaubt der Brückenschlag von Plessner zu Hartmann die versuchsweise Formulierung einer genuin philosophischen Perspektive auf einen wichtigen Aspekt der Logik von Ordnungsrelationen, welcher von vielversprechender Anwendbarkeit in einigen gegenwärtigen Grenzgebieten der Naturphilosophie zu sein scheint – was man auch schon in Plessners Stufen des Organischen an der Wiederkehr einiger Hauptmomente der o.g. Logik sehen kann. Von der Aktualität dieser Perspektive, die ich als reflexiver Grenz- oder Hüllenoperator hier in einem ersten Aufriss skizziere, gebe ich zum Schluss einen kleinen Beleg. Der vorliegende Beitrag hat insgesamt einen vorbereitenden, explorativen Charakter. Es ist vorgesehen, dass eingehendere Untersuchungen folgen werden. Vorerst ergibt sich die terminologische Motivation des der Mathematik entnommenen Topos reflexiver Grenz- oder Hüllenoperator aus der Suchbewegung nach einer Neuformulierung von Plessners Grenzbegriff im Sinne einer zunächst formalisierenden Aktualisierung. Der Begriff der Hüllenoperation (eng. closure) gehört seit seiner Axiomatisierung in den 1920er Jahren durch Tarski und Kuratowski zu den grundlegendsten mathematisch logischen Motiven (vgl. Erné 2009). Abgesehen von einem hier nicht zentralen rein formalen Argument für die Bedeutung der Reflexivitätseigenschaft der Hüllen- oder Grenzoperation, liegt ihre Sinnfälligkeit in der konstruktiven Betonung systematisch-methodischer Spannungsverhältnisse und in der Aufschlüsselung kategorialer Dynamiken – womit Reflexivität sowohl einen prinzipiellen Praxis- und Anwendungsbezug als auch

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ein kreatives Moment an einer Operation ausweist, die nicht auf die subjektive Denkoperation reduziert werden kann. Das infrage stehende Reflexivitätsproblem ist also kein bloß formales, was im folgenden dadurch belegt wird, dass es über den Problemkreis des organisch Lebendigen erarbeitet wird.

2 Systematische Einführung des Reflexivitätsproblems Mit diesem Abschnitt mache ich den ersten Schritt zu dem Ziel einer Neustrukturierung eines alten und sehr allgemeinen wissenschaftlichen Problems: die methodologische Notwendigkeit der Verbindung von heraushebender und einbettender Untersuchung. Seit Platons Politeia gilt dieses Problem als Forderung nach der Verhältnisbestimmung zweier gegensinniger Vorgehensweisen forschender Erkenntnis, der aufsteigenden anabasis und der absteigenden katabasis im Höhlengleichnis. Die Richtung der Interpretation, die ich hier mit Hartmann und Plessner einschlagen werde, geht auf die Formulierung des Begriffs ‚System‘ im Sinne einer lokal und real vorkommenden zugleich erhabenen und eingebetteten (ökologischen) Ordnung. Ein derartiges System ist also eine begrenzte relationale Struktur mit bestimmten klar unterschiedenen Eigenschaften. Mit Blick auf die Autoren geht es in diesem und den folgenden Abschnitten darum, Plessners Prinzip der „Grenze“ als Strukturprinzip im Vergleich zu einigen zentralen Elementen in Hartmanns Aufbau der realen Welt zu untersuchen.⁶ Im Erweis dieser Verknüpfung liegt ein Hinweis auf die zentrale systematische Bedeutung des Organischen für den gesuchten Systembegriff bei Hartmann und Plessner, nicht aber ein Versuch der Reduktion des einen auf den anderen Ansatz. Um diesen Anschein zu vermeiden formuliere ich im Ergebnis das Organische als besonderes Ordnungsprinzip jenes Systembegriffs und verwende dabei formale Charakterisierungen von Relationen, die sowohl bei Hartmann als auch bei Plessner implizit bleiben. Ich hoffe durch diese Blickstellung den angesichts der genannten Schriften zwischen Plessner und Hartmann wohl virulentesten systematischen Streitpunkt, nämlich über die Gewichtung von Phänomenologie und

 Eine wichtige Vorarbeit auf anderer Textgrundlage stellt hier die Arbeit von Fischer dar (Fischer 2008).

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Ontologie, einerseits zu umgehen und andererseits fruchtbar oder konstruktiv machen zu können.⁷ Der geeignete Ort, um diese Untersuchung anzufangen, ist bei Plessner die Logik. Ihren systematischen Aufbau mit Bezug auf die Ordnungsrelationen habe ich bereits in einer früheren Arbeit dargestellt (vgl. Schmieg 2017). Der Grundgedanke der „Grenze“ wird hier in einem methodisch systematischen Dreischritt entwickelt, der Logik, Erkenntnistheorie und Ontologie miteinander verknüpft, indem die Grenzübergänge zwischen Sinnlichkeit, Begriffen und geistigem Sein affirmativ untersucht werden. Diese Verknüpfung erarbeitet Plessner unter der Frage des Systems als einer quasi räumlichen Ordnungsstruktur, wobei durch die ganze Argumentation hindurch mit quasi Räumlichkeit nicht nur ein logischer Richtungs- und Orientierungssinn als ein kategoriales Medium der Erfahrung, sondern immer auch „Raum als Ort des Körpers“ (Plessner 1981b, 109) gemeint ist. Daher ist Plessners stereoskopische Perspektive auf abstrakte relationale Strukturen und logische Ordnungen immer auch aus der anderen Richtung als sinnlich verkörperte Erfahrung und mithin als stoffliches Sein betrachtet. Figuren der Leiblichkeit als reale Sinnformen, die hier auftauchen und die Plessner später in der Einheit der Sinne als Ästhesiologie des Geistes von 1923 interpretiert, bleiben aber in der Logik am Kantischen „Schematismus“ aus der Kritik der reinen Vernunft orientiert, der die Arbeit der Kategorien im Experimentalvollzug verbildlicht (vgl. Kant 1787, 133 – 139). Die Ordnungsrelationen, die ich im Folgenden hervorhebe, sind solche systematisch komplexen Kategorien, die eine deutlich logischontologische Bedeutung transportieren und dennoch oder besser deshalb nahe an der lebendigen Erfahrung operieren.⁸ Die wichtige Rolle des Körpers habe ich

 Mit dieser Strategie folge ich Matthias Wunsch darin, wenngleich auf inhaltlich und thematisch recht anderen Pfaden, „Grundlagen für die systematische Anknüpfung an Plessner und Hartmann zu schaffen“ (Wunsch 2015, 244).  Diese Perspektive auf das Kategorienproblem, die Plessner auch noch in den Stufen des Organischen durchhält, hat m. E. zwei wichtige Grundlagen. Da wären einerseits die von Dilthey diskutierten Lebenskategorien, welche z.T. auf leibliche, v. a. aber auf geistige Erfahrungen bezogen sind. Dilthey formuliert darin ein empirisches Apriori, welches meint, „daß diese Kategorien nicht a priori auf das Leben als ein ihm Fremdes angewandt werden, sondern daß sie im Wesen des Lebens selber liegen“ (Dilthey 1927, 232). Bei Dilthey kommt aber die Raumkomponente der Kategorien nicht klar hervor, welche dagegen im Erlanger Programm von Felix Klein als dynamische Geometrie ausgearbeitet wird. Cassirer hatte 1910 in Substanzbegriff und Funktionsbegriff gezeigt, wie unter den Erlanger Prämissen der starke Substanzbegriff in einen Funktionsbegriff der relationalen Invarianten beweglicher räumlicher Strukturen übersetzt werden kann. Plessner, der mit den Marburger Autoren gut vertraut war, versteht den Körper als eine solche bewegte Invariante, in den Stufen auch positionale „Mitte“, die frei nach Dilthey „im Wesen des Lebens selber“ liegt und zu der hin sich

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in der früheren Arbeit daher auch nicht als Leiblichkeit, sondern als Schematismus des Raumes beschrieben. Die systematische Interpretation der Ordnungsrelationen ist schließlich das zugleich begrifflich apriorische und bildgebende Vehikel, das die Grenzübergänge zwischen den methodisch heterogenen Gebieten des genannten Dreischritts beschreibbar macht und die „Grenze“ im Sinne des „logischen Ganzen“ (Plessner 1981b, 148) zugleich als trennendes und vereinendes, als heraushebendes und einbettendes Prinzip eines ökologischen Denkens darstellt. Grenze meint hier auch die Begrenzung und Bestimmung eines konkreten Forschungsgebietes als reales Experimentalsystem (vgl. ebd., 332). Insgesamt ist Grenze so etwas wie ein „Arbeitsbegriff“ (ebd., 13) der Logik. Die Grenze ist damit in Plessners Logik einerseits die Akzentuierung einer geordneten Struktur in ihrer Tendenz zur sinnlichen Gegebenheitsform der räumlichen Gegenständlichkeit – Grenze hat dabei schematischen Bildcharakter. Andererseits ist Grenze diejenige begriffliche Inhaltsbegrenzung oder die Begriffsbestimmung, die das sinnlich Anschauliche zu einem reinen Gegenstand der Logik werden lässt. Dieser Übergang geschieht gleichsam in Stufen des logischen Raumes, die Iterationen wechselseitiger Verhältnisse von Sinnlichkeit und Denken sowie von Stoff-Form-Relationen darstellen. Grenze ist dabei aber auch ontologisch gemeint, d. h. in der Art der „unbedingt-ursprünglichen Bedingung“ (ebd., 139) als geistiges Sein und Freiheit gegen sinnliches Sein sowie in Ablehnung bloß mentaler oder bewusster Bildlichkeit. Diese Negativität liegt selbst an der Grenze der Logik, welche in ihrer theoretischen Arbeit Form nur praktisch und affirmativ begrenzend anwendet. Die Logik der Grenze geht demnach von drei axiomatischen Setzungen aus, die einen minimal-ontologischen Gesamtcharakter des Ansatzes erkennbar machen: 1. Grenze als Relation und Beziehung zwischen mehreren beliebigen Elementen setzt die „Identität (Selbigkeit)“ der Elemente „mit sich selbst“ voraus. Die Grenzrelation setzt eine reflexive Relation voraus (vgl. ebd., 110).⁹ 2. Grenze als formale und logische Relation ist begrifflich immer als „Form“ und „Bedeutung“ bezogen auf einen „Sachverhalt“ und in letzter Instanz auf ein

selbst noch das menschliche Verhalten rezentrieren kann, wenn es, wie Plessner in Lachen und Weinen von 1941 zeigt, durch Grenzerfahrungen erschüttert wird.  Eine Relation R heißt reflexiv, wenn für jedes Element e im Geltungsbereich von R gilt: eRe. Für die Relation ‚=‘ hat diese Eigenschaft einen tautologischen Charakter. Ein nicht tautologisches Standardbeispiel einer reflexiven Relation ist ‚!‘ (‚kleiner oder gleich‘). Reflexivität besagt also die Möglichkeit von Differenz in Identität oder die Vergleichbarkeit symmetrischer und asymmetrischer Relationalität.

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außerlogisch sinnliches „Urmaterial“ als „Inhalt des Inhalts“ (vgl. ebd., 113, 117). Grenze hat eine untere stoffliche Basis, wie in 2., aber sie hat der Formsetzung nach keinen Anfang. Das je begrenzte System setzt an in einem radikalen Setzungsakt, indem es aus Freiheit seinen Anfang jeweils urteilspraktisch in der „Form der Form“ macht – aus der Richtung des Nichts, ab nihilo nicht ex nihilo, aus dem Nichts (vgl. ebd., 139, 146, 148).

Ich möchte nun zeigen, dass Axiom 1 eine rein relationale Gemeinsamkeit der ansonsten deutlich anders gehaltenen Axiome 2 und 3 ausdrückt. Dies ist die Voraussetzung, um von einem konkreten und realen System als einem je begrenzten Forschungsgegenstand oder Problembereich sprechen zu können – um also den reflexiven Arbeitsbegriff der Grenze zu formulieren.

3 Reflexivitätsproblem und reflexiver Grenz- oder Hüllenoperator Dazu muss zunächst dargelegt werden, dass in Axiom 1 nicht nur „Identität“ als gänzliches Einssein, sondern auch Differenz „mit sich selbst“ gemeint ist. Aus meiner Sicht ist dies genau „die Hauptsache“ oder das Problem, das Hegel in Zuspitzung der Reflexionsbestimmungen den „reale[n] Grund“ nennt (vgl. Hegel 1979, 974– 978). Was ich oben lokal begrenztes und reales System genannt habe, heißt bei Hegel „unmittelbare Mannigfaltigkeit“. Sie ist ein „sich auf sich beziehender Inhalt“ und insofern nach Axiom 1 durch eine reflexive Relation charakterisiert – nach Hegel eben Reflexionsbestimmung, was nicht das gleiche ist aber die entscheidende Richtung vorzeichnet. Die Art der Relation der realen „Mannigfaltigkeit“ auf radikal Anderes, nämlich auf die Differenzmomente Sinnlichkeit und Freiheit, welche in Axiom 2 und 3 ausgedrückt ist, versteht Hegel als Grundlosigkeit; das reale System hat keinen Grund, sondern nur – aus Sicht der rein dialektischen Logik – abgeschwächt, „positive Grundlage“. Daraus folgt, dass die Einheit oder das „Eins des Etwas“ als Identitätsform des relational zusammenhängenden Mannigfaltigkeitsgefüges für Hegel nur ein „äußerliches Band“ ist. „Der reale Grund ist daher Beziehung auf Anderes, einerseits des Inhalts auf anderen Inhalt, andererseits der Grundbeziehung selbst (der Form) auf Anderes, nämlich auf ein Unmittelbares, nicht durch sie Gesetztes“ (ebd., 978). Der erste Aspekt, der des anderen Inhalts, dieser doppelten „Beziehung auf Anderes“ entspricht oben Axiom 2, während der zweite Aspekt ohne große

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Schwierigkeit in Verbindung zur unmittelbaren, nicht erst durch Form bestimmten Freiheit oder eben „Form der Form“ in Axiom 3 gesetzt werden kann. Die in Hegels Logik als Defizit oder Oberflächlichkeit gewendete Äußerlichkeit des lokal begrenzten und realen Systems ist für den vorliegenden Beitrag ein großer Gewinn. Durch die aus Hegels Sicht schwache Bestimmung und Gründung gewinnt gerade die inhaltliche und formale, d. h. die reflexive, Beweglichkeit der Gesuchten Systemperspektive. Die Grenze in Plessners Logik ist also mit Hegel die „Grundlage“ dieser Systemperspektive, die die relationale Reflexivität als stereoskopische Hülle oder als „Band“ des Begrenzten akzentuiert. Dieser Akzent macht die Lokalisierung und Ausschnitthaftigkeit eines realen Systems verständlich. Systematisch bezeichnet die Grenze zwischen Sinnlichkeit und idealem Sein (Freiheit) einen genuinen Ausschnitt und Bereich des Seins. Die reflexive Relation in Axiom 1 oben beschreibt also den relationalen Charakter dessen, was bei Hegel der „reale Grund“ ist. Als bloße Identität ist Reflexivität tautologisch, aber als echte Selbst-Referenz bekommt der formale Charakter der Reflexivität bei Plessner, hier also in indirekter Anlehnung an Hegel, seinsmäßige Bedeutung in der nicht universalen, sondern „fundamentalen Beziehung eines Urmaterials auf Form“. Der Satz, dass diese Relation bestehe, beschreibt die Reflexivität der Grenze und kann als Plessners „Fundamentalsatz“ im Rahmen der Logik gelten. Er besagt, dass die Grenze formal variabel ist und deshalb verschiedene Stufen abbilden kann. Diese Eigenschaft macht die Grenze zur „Funktion“ (vgl. Plessner 1981b, 118). Der durch die Grenzfunktion ausgezeichnete Seinsbereich wird in den Stufen des Organischen von Plessner als der Bereich des Lebendigen untersucht, in dem sich eine Vielheit von realen Organismen tummelt. Auch der oben eingeführte Ansatz Hegels bezieht sich auf den Bereich der Theorie des Organismus (vgl. Michelini 2008). Plessner wiederum unterteilt die Organismen in relationale Charaktere oder Formen der „Positionalität“. Das sich identisch zu sich selbst verhalten als einer latenten Selbstdifferenz „mit sich“ zeigt sich in den Positionalitätsformen des Lebendigen in unterschiedlichen Formen des organischen Werdens. Diese Stufen der reflexiven Relation sind zugleich Stufen des werdenden organischen Seins zwischen den Extremen des unbelebten materiellen Seins und des Seins der Freiheit in Geist und Geschichte der Menschen. Da gerade bei Organismen die charakteristischen Eigenschaften in der Regel Funktionen genannt werden, ist es sinnvoll, um die Funktionseinheiten der Organe bis hin zur funktionalen Ganzheit des Organismus zu unterscheiden von der Grenze als Funktion im Sinne der reflexiven Relation, die neue Bezeichnung der Grenze in letzterem Sinn als Operator einzuführen. Insofern kann man bei Plessner mit Blick auf die Logik von einer zunehmenden Ontologisierung der Grenze in den Stufen sprechen, die zugleich eine Operationalisierung meint. Die Grenze ist mit Bezug auf den „Fundamentalsatz“ der Logik

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ein reflexiver Operator, der die Heraushebung und die Einbettung eines Organismus als einer ökologisch operativen Organisierung in Stufen sowie als lokales und reales System bezeichnet.

3.1. Vertiefung des Grenz- oder Hüllenoperators Dass die Grenze als reflexiver Operator besonders im Bereich der Theorie des Lebendigen also der Biologie von Bedeutung ist, kann man auch in Nikolai Hartmanns Aufbau der realen Welt nachvollziehen. Der Gebrauch der neuen Bezeichnung ‚Operator‘ und die Inanspruchnahme der logisch relationsbasierten Argumentationsweise wird bei Hartmann unter der Überschrift „Kategorienforschung“ noch ein Stück verständlicher. Auch die systematische Bewegung der Ontologisierung des Grenzoperators wird unter Einbeziehung von Hartmanns Perspektive noch einen Schritt deutlicher. „Kategorienforschung“ beschreibt in aller Stringenz, dass der reflexive Grenzoder Hüllenoperator keinem methodisch systematischen ‚Ismus‘ verhaftet ist, sondern pluralistisch gemeint ist. Es handelt sich um ein Grundprinzip kritischer Ontologie, für welche Hartmann feststellt, dass alle ins Besondere und Inhaltliche gehende Ontologie die Form der Kategorienlehre annehmen muß. Nicht von Verstandesbegriffen handelt die Kategorienlehre, sondern von den strukturellen Fundamenten der realen Welt. […] Kategorienlehre ist nicht Sache der Erkenntnistheorie; sie ist für diese zwar unentbehrlich, kann aber von ihr allein nicht bewältigt werden. Nur ontologische Frageweise hat für sie die rechte Einstellung und die nötige Weite (Hartmann 1949, v).

Mit Hartmanns emphatischer Wendung von den „strukturellen Fundamenten der realen Welt“ ist der ausschnitthafte, reale und konkrete Charakter des gesuchten, zugleich hervorgehobenen und eingebetteten Systems und kein Prinzipien-Universalismus angesprochen. Es ist daher systematisch möglich, die mit Plessner und Hegel eingeführte relationale Struktur der Grenze als reflexiver Hüllenoperator in Hartmanns „Kategorienlehre“ von 1940 weiter zu untersuchen. Mein Ansatzpunkt dazu ist die systematische Neuerung der 1940er Arbeit im Vergleich zu der eingangs erwähnten Arbeit über „kategoriale Gesetze“ von 1926. Ich möchte also zeigen, wie sich diese Verschiebung innerhalb der Kategorientheorie auf das Argument oben beziehen lässt, nach welchem die Grenze auch sinnvoll als der „reale Grund“ und als reflexiver Hüllenoperator beschrieben werden kann. Dazu muss bei den kategorialen „Dependenzgesetzen“ in Hartmanns Aufbau der realen Welt angefangen werden, welche eine wichtige und im Vergleich zur 1926er

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Formulierung neuartige Problematisierung in der Seinsschicht des Organischen erfahren. Mit diesem neuen Ansatz erfasst Hartmann das Problem des Organischen in seiner kategorientheoretischen Fassung, welches ihm schon 1912 in den beiden Texten „Systematische Methode“ und „Philosophische Grundfragen der Biologie“ als wichtige systematische und methodische Herausforderung klar geworden war. Vor dem Hintergrund besonders dieser drei Schriften hat Stephan Nachtsheim von „Hartmanns Idee regionaler Ontologien“ als einer „Regionalisierung und Spezifizierung der Kategorien“ gesprochen (vgl. Nachtsheim 2012, 81 f.). In großen Linien und in philosophiegeschichtlicher Einordnung formuliert Hartmann 1923 diese Regionalität als kritische Begrenzung seiner systematischen Position: Es gibt demnach im Kategorienreich eine untere und eine obere Rationalitätsgrenze“. „Wir erkennen […] auch innerhalb der beiden Grenzen immer nur einzelne Gruppen von Kategorien, nicht ein Kontinuum […] und zwischen den Gruppen klaffen Lücken, deren inhaltliche Erfüllung wir nicht erraten können (Hartmann 1958c, 304).

Der regionale Charakter der Ontologie als Kategorienforschung ist auch im Aufbau der realen Welt noch gültig (vgl. Hartmann 1949, v f.). „[I]nnerhalb der beiden Grenzen“, die das je regionale System als realer, lokaler Ausschnitt einer umfassenderen realen Struktur charakterisieren, gelten kategoriale Gesetze unter denen, wie gesagt, die für meinen Beitrag entscheidenden von Hartmann unter den Dependenzgesetzen erarbeitet werden. Zugespitzt formuliert, liegt die regionale, kritische oder rationale Ontologie Hartmanns zwischen materialistischem Atomismus und rationalistischem Idealismus. Die Doppelfunktion dieser Regionalität als systematische Position und kategoriale Struktur oder als kritisch rationale Ontologie und konkretes System, entspricht weitgehend dem, was ich in Plessners Logik am Prinzip der Grenze in einer Doppelfigur aufgezeigt habe als minimalontologische Fundierung und ordnungsrelationale Struktur (vgl. Schmieg 2017, 137 f.). Außerdem liegt eine grundlegende Übereinstimmung mit dem oben dargestellten Verhältnis der drei Axiome zur vorläufigen Definition des reflexiven Hüllenoperators vor.¹⁰ Damit ist klar, dass die „Dependenzgesetze“ im Aufbau der

 Diese doppelte Interpretation von Plessners Prinzip der Grenze als systematische Position und als reales System, welche unter der Bezeichnung ‚Operator‘ ausgedrückt ist, entspricht in wichtigen Punkten der Charakteristik des transzendentalen Funktors in Badious Logik der Welten (vgl. Badiou 2010, 244 ff.). Hartmann diskutiert, was man aus dieser Richtung als methodisch systematischen Prozess (Operator oder Funktor) bezeichnen kann, in „Systematische Methode“. Dass dieser Prozess Reflexivität ausdrückt, wird hier als doppelte „Umbiegung“ beschrieben, welche den „Zusammenhang zwischen den beiden Polen des Seins [Prinzip und Gegenstand – GS] er-

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realen Welt die kategoriale Struktur „innerhalb der beiden Grenzen“ beschreiben und damit genannten Operator weiter in Richtung seiner Anwendbarkeit im Bereich des Organischen charakterisieren. Wie schon die Bezeichnung HüllenOperator nahelegt, ist damit also eine Aussage über die Beziehung zwischen kategorialen Seinsschichten gemeint, denn dies ist der vorrangige Untersuchungsbereich der Dependenzgesetze. Es kommt aber noch etwas hinzu, das vergleichsweise schwieriger zu fassen ist, nämlich, dass der Hüllenoperator einen reflexiven Abschluss eines Systems von unterschiedlichen kategorialen Seinsschichten bezeichnet. Dieser reflexive Abschluss garantiert die Identitätsform der Individualität und meint wieder zugleich Heraushebung und Einbettung des Systems in und aus einer Art kategorialer Umwelt. Selbstverständlich kann dieses Individuum auch ein Kollektiv sein, da sich bei Hartmann Systeme auch in die Seinsschichten des Geistigen und Geschichtlichen erstrecken können. Die Identitätsform, die der Hüllenoperator als reflexiver Abschluss garantiert, schließt also das ganze System zusammen zu einer Einheit, was nicht heißt, dass sie isoliert wäre. Der Abschluss, der hier gemeint ist, bezeichnet vielmehr einen reflexiven Prozess, in dem Methode und Gegenstand sich treffen – wenn man so will, ein Prozess der Individuation. Der reflexive Hüllenoperator betrifft nur das Verfahren der Kategorienforschung sofern dieses einer inhaltlichen Verflochtenheit folgt, welche die Betrachtung zwingt, bei jedem umgrenzten Gebilde über die Begrenzung hinaus zu gehen und weitere Zusammenhänge einzubeziehen. Dabei verschiebt sich auch der Inhalt des Umgrenzten wesentlich und erweist sich immer wieder als ein anderer als der, den man ins Auge gefasst hatte. Ein solcher Zwang zum Hinausgehen besteht zwar in jeder Problemverfolgung. Seine Bedeutung aber bekommt er erst in der Prinzipienforschung, weil hier alle Umgrenzung vorläufig ist und, wenn man sie festhält, zum Hemmnis wird (Hartmann 1949, 593 f.).

Diese Korrelation von Methode und Gegenstand als Eigenschaft des Hüllen- oder Grenzoperators hatte Plessner in den Stufen ganz deutlich gemacht als „(relative) Systemabgeschlossenheit“ und als Beispiel einer „konstitutiven“ Kategorie des Lebendigen (vgl. Plessner 1981a, 167, 170).¹¹ Insgesamt dienen die konstitutiven

gänzt und vollendet“ (Hartmann 1958a, 55 f.). Hartmanns Bezugnahme auf Platon in diesem Zusammenhang ist ein weiterer Berührungspunkt mit Badiou.  Matthias Wunsch (in diesem Band) beschreibt diese Eigenschaft als „erweiterte“ Grenze. Damit ist das zentrale Axiom der von Tarksi und Kuratowski eingeführten Hüllenoperation benannt: die Extensionalität des Abschlusses, worauf Wunsch indessen nicht eingeht. Ein zusätzliches Argument für die Verwendung dieser Terminologie. Der Beitrag von Wunsch zeigt auch weitere aktuelle und angewandte Forschungszusammenhänge auf, auf die mein Beitrag bezogen werden kann – darunter die Debatten zu „niche construction“ und „extended organism“, in denen Plessners und Hartmanns Positionen nicht berücksichtigt werden (so Wunsch).

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Kategorien, wie auch Hartmanns kategoriale Dependenzgesetze, dem „Versuch einer Führung durch die Wesensschichten“ (ebd., 168) als Seinsschichten des Lebendigen. Es sind nun auch wiederum die konstitutiven Wesensmerkmale oder Kategorien des Lebendigen, die in den Stufen die „Ganzheit“ eines realisierten lebendigen Systems garantieren, wofür die „(relative) Systemabgeschlossenheit“ ein Beispiel ist (vgl. ebd., 174 f.). In Verknüpfung von Stufen und Logik kann man auch sagen, dass der Hüllenoperator das „logische Ganze“ als „geschlossene Linie der Betrachtung“ beschreibt, welches zwar anschaulich ist, aber als schlechthin dynamischer Prozess – und nicht anders – mit Realisierung zu tun hat (vgl. Plessner 1981a, 187 sowie Plessner 1981b, 112). Nicht ganzheitlich, sondern lediglich gestalthaft, beschreiben dagegen die „indikatorischen Wesensmerkmale“ das Lebendige.Wichtig, um in zentraler Sache mit Hartmann weiter zu kommen, ist nun, dass diese indikatorischen Kategorien sich dadurch auszeichnen, dass sie besonders auf die materialen Anschauungsmomente und die Momente der Fülle des Lebendigen gehen (vgl. Plessner 1981a, 177 f.). Hartmann hatte den Fehler der 1926er Schrift darin gesehen, dass er das Kategorienpaar Materie‒Form in den höheren Seinsschichten überstrapaziert habe, was einer ebensolchen Hypostasierung des Dependenzgesetzes der Überformung entspricht. Ich möchte nun behaupten – und darin bin ich uneinig mit Roberto Poli ‒, dass Hartmann im Aufbau der realen Welt ein Dependenzgesetz der Ganzheitlichkeit eingeführt hat, namentlich dasjenige der Überbauung (vgl. Poli 2011, 29). Wenigstens drängt sich diese Behauptung nach der bisherigen Untersuchung des Grenz- oder Hüllenoperators auf. Es geht letztlich darum, dass die oben zitierte Rede von Hartmanns „regionalen Ontologien“ bei Nachtsheim den Weg vorzeichnet für das, was Poli eine kategoriale und ontologische Untersuchung von „complex formations or wholes“ (Poli 2011, 30) nennt und worin eine Erweiterung des Hartmann’schen Ansatzes liege, so Poli. Um wenigstens anzudeuten, dass der reflexive Hüllenoperator eben auch Hartmann-immanent in diese Richtung verstanden werden kann, setze ich bei der zentralen Unterscheidung von Überformung und Überbauung an, welche Hartmann in dem genannten Aufsatz von 1926 noch nicht systematisch macht. Dies läuft darauf hinaus, die relationale Grundlage zu benennen, auf der das, was Hartmann aus kritischer Sicht, wie oben zitiert, „einzelne Gruppen von Kategorien“ nennt, durch den reflexiven Hüllenoperator etwas schärfer begriffen werden kann, weil sie so in ihrer Begrenztheit erfasst werden.

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3.2. Die Dependenzgesetze Überformung und Überbauung Um Missverständnissen vorzubeugen, sei es nochmals betont, dass die reflexive Hülle einer regionalen Ontologie bei Hartmann nicht als idealistische Reflexionsphilosophie verstanden werden darf. Es geht in meinem ganzen Beitrag nicht um Reflektiertheit oder Reflexion im Sinne eines irgendwie subjektiven, rationalistischen oder gar spekulativen Moments. Es geht auch nicht um reine Logik, was auch immer das sein soll. Dieses beides würde auch weder zu Hartmann noch zu Plessner passen. Freilich aber versuche ich eine tiefe systematische Spannung im Sinne von philosophischer Forschung zu zeigen, die immer metaphysisch und positiv allemal zu entgleiten droht. Hartmann nennt dies die Forschung an „Prinzipien“, die in ihren Grenzbereichen einen dialektischen Charakter annimmt. Das ist aber nicht ausschlaggebend für die „Wissenschaft vom Seienden“ als Kategorienlehre. Sie kann methodisch die Dialektik „vernachlässigen“, sofern sie ihre Regionalität als Ontologie im bescheidenen, nicht skeptischen Blick behält (vgl. Hartmann 1949, 13 f., 17). „Andererseits aber ist auch der engste Ausschnitt aus der kategorialen Mannigfaltigkeit nur aufgrund größerer Zusammenhänge fassbar. Man muss diese wenigstens im Blick haben, wenn auch die Analyse sie nicht bewältigt“ (ebd., vii), so Hartmanns Einschränkung der bloß kritischen Haltung. Es ist daher in aller Bescheidenheit doch möglich, dass „etwas vom Aspekt des Ganzen“ in den Blick gerät, denn „[g]erade das Ganze ist von den Anfängen [und von den Grenzen – GS] aus in gewissen Umrissen erkennbar“ (vgl. ebd.). Von hierher ist es berechtigt mit Reflexivität einigermaßen positiv und konstruktiv oder besser konstitutiv als relationales „Prinzip“ umzugehen. Das heißt in Richtung auf Ganzheitlichkeit den reflexiven Hüllenoperator vorzuschlagen und ihn als reflexive „intentio recta“ (ebd., 8) diesseits der Dialektik zu erarbeiten.¹² Dieser Operator ist weiterhin ein Hinweis auf die Spiegelung des systematischen Gesamtansatzes der Kategorienlehre im sogenannten „Realnexus“, mit welchem der reflexive Einheits- und Identitätstypus korrespondiert. Das syste-

 Diese Möglichkeit eskaliert in ihren systematischen und methodischen Konsequenzen angesichts der Geschichtlichkeit von Hartmanns Kategorienlehre selbst, deren kritisch reflexives Moment mit der dialektischen Methodologie zusammen eine Klammer um den Aufbau der realen Welt setzt (vgl. Hartmann 1949, 18 – 23, 33 – 40 sowie den ganzen Abschnitt V über „methodologische Folgerungen“ und besonders den Unterabschnitt zur „Dialektik“, 593 ff.). Verfolgt man indessen die Klammer rückwärts, so sieht man auf diesen Seiten deutlich Elemente von Diltheys geschichtsphilosophischem Denken unter dem Topos einer Philosophie der Philosophie bei Hartmann, worin vermutlich eine der wichtigsten Verständigungsbrücken zu Plessner und vielleicht auch zu Scheler und Heidegger besteht (vgl. Dilthey 1931).

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matische Profil des Operators oder das „natürliche System des Seienden“ beinhaltet diese Form der Ganzheitlichkeit, insofern der Gesamtzusammenhang der kategorialen Gesetze einen „Einheitstypus“ bildet (vgl. Hartmann 1949, 575). Der Operator als „Funktion geht in keiner Subsumption auf“ (ebd.), vielmehr relationiert er kritische Ontologie und Realität in beidseitiger Irreduzibilität, Souveränität oder Selbständigkeit. „Er ist eine in sich komplexe Beziehungseinheit, in der die umfasste Mannigfaltigkeit wesentlich bleibt“ und „lässt keine andere Einheit zu als die ‚umfassende‘, in der die Besonderheit des Umfassten von Stufe zu Stufe die Art des Umfasstseins mitbestimmt“ (vgl. ebd.). Diese umfassende Einheit kommt in letzter Instanz von der Ganzheitlichkeit des „Realnexus“ und das stufenweise Variieren der „Art des Umfasstseins“ betont der vorgeschlagene Hüllenoperator.¹³ Es ist aber wichtig in aller Deutlichkeit festzuhalten, dass Hartmann den Ausdruck ‚Ganzheit‘ fast gänzlich vermeidet. In der Darstellung der methodologischen Bedeutung der zusammenfassenden und gewissermaßen auf die kategorialen Elemente rückblickenden Bedeutung der Überbauung kommt das, was ich hier als Ganzheitlichkeit behaupte, zum Vorschein. Von der Überbauung fällt ein „eigenartiges Licht […] zurück“ auf die besonderen „Gestalten“ sowie die elementare „Grundgestalt“. Ein „Licht“, das als „einheitliche[r] Charakter der Grundstruktur […] von vielen Seiten her“ scheint (vgl. ebd., 615). Die rückblickend reflexive Einheit von den höheren Schichten des kategorialen Systems her ist also Ausdruck einer übergestalthaften ganzheitlichen Funktion. Für Hartmann liegt diese in der methodologischen Bedeutung des Dependenzgesetzes der Überbauung. Dieser Erfahrungsbegriff des ontologischen Denkens ist für Hartmann streng im Bereich der Anschauung angesiedelt und zwar des kategorial Niederen durch das kategorial Höhere. Das Schauen ist ein methodisches Moment, an dem Hartmanns Kategorienlehre ihre dialektischen Grenzen zeigt – und ein „Licht“ darauf wirft, was Hartmann als metaphysische Konstruktion versteht (vgl. Hartmann 1958a). Gleichermaßen liegt hier das kritische Fundament, denn in der kategorialen Ganzheits- und Zusammenschau eines methodisch heterogenen

 Die Verbindung einer nicht bestimmenden, nicht subsumierenden Urteilsart mit übersummenhafter Ganzheitlichkeit (das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile) besonders im Bereich des Organischen ist in Hans Drieschs „Kategorie der Individualität“ von 1911 besonders deutlich. Hiermit sieht man u. a. deutlich, wie die Kategorienlehre bei Hartmann, Plessner und Driesch streng an empirischer Forschung (Biologie) orientiert ist. Das kann als Akzentuierung einer systematischen Position verstanden werden, die in Kants Kritik der Urteilskraft als ganzer unter der Thematik der reflektierenden Urteilskraft vorbereitet ist und nicht nur in ihrem zweiten Teil, der Kritik der teleologischen Urteilskraft. Die Lebensphilosophie bei Dilthey und Misch geht in dieser Richtung auf ein empirisches Apriori vor, welches u. a. für die Leibphänomenologie des 20. Jahrhunderts einen systematischen Ausgangspunkt darstellt.

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„Ineinandergreifens besteht die alleinige Möglichkeit, daß die Kategorialanalyse ihrer großen Aufgabe in den Grenzen endlicher Erkenntnis Herr werde“ (ebd., 616). In methodisch vergleichbarer Weise wird auch in Plessners Stufen Ganzheitlichkeit geschaut, besonders im Prozesscharakter des lebendigen Seins (vgl. Plessner 1981a, 194 f.). Dass Hartmann den sich aufdrängenden Begriff der Ganzheit sehr vorsichtig verwendet und die Art und Weise, wie Übergestalthaftes angedeutet wird, weisen also beide auf eine Grenzerfahrung der kritischen oder rationalen Ontologie hin. Dass Hartmann diese Grenze nicht überschreiten will, liegt sehr wahrscheinlich an seiner strikten Ablehnung der Teleologie, welche im philosophischen Diskurs des frühen 20. Jahrhunderts durch den Vitalismus und besonders Hans Driesch mit Ganzheitlichkeit in schwer lösbare Verbindung gebracht wurde. Sachlich allerdings und diesseits der jeweiligen systematischen Grenzen versuchen Driesch und Hartmann bei aller sonstigen Verschiedenheit ihre Probleme durch strukturelle Überlagerungs-, Schichtungs- und Mannigfaltigkeitsfiguren zu lösen.¹⁴ Ich versuche das Problem eines strukturellen im Unterschied zu dem eben eingeführten systematischen oder methodischen Ganzheitsbegriffs bei Hartmann nun noch etwas genauer in den Griff zu bekommen. Den entscheidenden Schritt in die genannte Richtung macht Hartmann im Aufbau der realen Welt, wie schon mehrfach angedeutet, im Bereich der „Überlagerung der Seinsschichten“, die in der Gruppe der „Dependenzgesetze“ untersucht wird. Das Ergebnis ist, dass dem „Form-Materie-Verhältnis“ als „Überformungsverhältnis“ nun im Sinne einer Differenzierung oder eines neuen Relationstyps „eine zweite Art der Überlagerung sich dazwischenschiebt und nach oben zu immer mehr das Feld beherrscht“. Darin sieht Hartmann das „Hauptthema des ganzen Werkes“ (vgl. Hartmann 1949, viii). Im Vergleich zu den kategorialen Gesetzen von 1926 ermöglicht das die

 Diejenige Perspektive Drieschs, die am ehesten mit Hartmanns Kategorienlehre vergleichbar wäre, ist in der Ordnungslehre von 1912 ausgearbeitet. Besonders Hartmanns wichtiges Gesetz der durchgängigen irreversiblen Überformung ist mit Drieschs Prinzip der Monotonie des „Mannigfaltigkeitsgrades“ vergleichbar, „daß jede Erhöhung des Grades der Mannigfaltigkeit eines Naturausschnittes im Werden nicht von selbst, d. h. unbezogen auf frühere ‚irgendwo‘ befindliche Werdemannigfaltigkeit, statthaben kann“ (Driesch 1923, 202) – beide haben die Form einer kategorialen Entropie. Dieses Monotonieprinzip steht wiederum in direkter formaler Korrelation zum Monotonieaxiom der Hüllenoperation nach Tarski und Kuratowski. Außerdem ist die Struktur dessen, was Driesch in der „dynamischen Teleologie“ als „Entelechie“ (vgl. u. a. Driesch 1909, 137 f.) ausarbeitet, so nahe am Mechanismus gehalten, dass Hartmanns zwei Arten der strukturellen Überlagerung jedenfalls nicht in weitester Ferne liegen. Hartmann erwägt etwa die kategoriale Möglichkeit des Eintretens neuer Determinanten in den Mechanismus eines realen Organismus. „Und gegen das Eintreten solcher (wenn es sie gibt) ist in der Struktur des Kausalnexus durchaus kein Hemmnis vorhanden“ (Hartmann 1926, 260).

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umfassendere Berücksichtigung der strukturellen Heterogenität und Komplexität regionaler Ontologien oder komplexer Systeme (vgl. Hartmann 1926, 250 f.). Dies bedeutet einen Bruch im „Doppelgesetz der Materie und der Freiheit“. Denn im früheren Modell gelten sie zwar als „zwei heterogene Arten der Selbständigkeit, die in der Überlagerung der Seinsschichten auftreten“ (vgl. ebd., 256). Aber dies ist ein allzu harmonischer Doppelaspekt: „an jeder Seinsschicht doppelseitige Autonomie. An jeder einzelnen halten sich das Gesetz der Stärke [d.i. Materie – GS] und das der Freiheit die Wage“ (vgl. ebd., 257). Deshalb unterscheidet Hartmann 1926 auch Überformung (materiale Determination) und Überbauung (formale Determination) noch nicht, was mit dem Zitat oben über die „zweite Art der Überlagerung“ aus dem Aufbau unvereinbar ist. Mit dieser kategorialen Neuordnung komme ich zum Ende meines Beitrags. Der neue Unterschied von Überformung und Überbauung ist zentral und wird unter dem „kategorialen Grundgesetz“, dem Dependenzgesetz der „Materie“ eingeführt, das Hartmann auch das „Gesetz der Stärke“ nennt.¹⁵ Nun möchte ich diejenigen Momente der kategorialen Materie aufsuchen, die aufschlussreich sind in Bezug auf die mit Hegels Topos des Realgrundes eingeleitete Rede vom reflexiven Hüllenoperator. Ich hatte diesen ja betreffs Plessners Funktionsbegriff der Grenze ebenfalls besonders mit Stofflichkeit und Materie in Verbindung gebracht, was nötig ist, da er ja reale komplexe Systeme wie etwa Organismen kategorial fassbar machen soll. Mit der Einführung einer „zweite[n] Art der Überlagerung“ in die Materie kommt ihre „innere Dynamik“ in den Blick, die sie als besonders „komplexe Gesetzlichkeit“ auszeichnet und die als Dynamik an den anderen Dependenzgesetzen weniger deutlich ist (vgl. Hartmann 1949, 520 – 522). In dem systematisch gleichen Rahmen untersucht Plessner in den Stufen die Wesensmerkmale des Lebendigen mit Hauptaugenmerk auf die dynamischen Phänomene. Bezüglich der zwei Richtungen der Begrenzung und Negativität eines kategorial komplexen Systems, welche oben in den Axiomen 2 und 3 eingeführt und dann rückgeführt auf Axiom 1 als reflexiver Grenz- und Hüllenoperator bei Plessner und Hartmann beschrieben wurden, zeigt sich nun Folgendes: Die gleichermaßen Heraushebung und Einbettung eines konkreten realen Systems geschieht als Bündelung und gegenseitige Begrenzung heterogener Abhängigkeiten und Kausalformen zu einer System-Umwelt-Relation. „Das Gesetz der Materie bedeutet demgegenüber kritische Besinnung nach beiden Seiten. Es besagt, dass die Wahrheit in der Mitte“,

 Ich möchte den Determinationsmechanismus der Stärke hier nicht im Einzelnen wiedergeben, da dies schon verschiedentlich geschehen ist, und verweise auf den oben zitierten Beitrag von Poli (Poli 2011).

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des Systems liegt. Plessner nennt dies positionale „Mitte“ (vgl. Plessner 1981a, 220 f.). Die „Kompetenz“ einer kategorialen Materie kann nie mehr als eine „conditio sine qua non“ sein. Durch die Einführung der Überbauung wird die elementare und durchgängig determinierende Materie zum „Seinsfundament, determiniert also nur noch, wie die Tragkraft einer Unterlage“. Sie bestimmt nicht wie die Überformung eines realen Systems „positiv seinen Inhalt“ (vgl. Hartmann 1949, 541). Daher zeigen sich im Determinationszusammenhang der Überbauung auch phänomenale Unabhängigkeiten, wie neue Systemeigenschaften, die in einzelwissenschaftlicher Forschung oft als emergent beschrieben werden. Der reflexive Hüllenoperator zeichnet das reale System als ganzheitliche „Mitte“ eines komplexeren Zusammenhangs von Überformung und Überbauung aus. Für die kategoriale Perspektive darauf ist er die notwendige Bedingung und drückt eine definitorische Aussage darüber aus, wie ein komplexes System erfasst werden kann.

4 Ausblick und Anwendungsbeispiel Die heraushebende und einbettende Analyse einer regionalen Ontologie im Sinne eines komplexen Systems durch den reflexiven Hüllen- oder Grenzoperator kann stringent operationalisiert werden und führt in Grenzbereiche angewandter Forschung. Darunter finden sich so heterogene Forschungsbereiche, wie bakterieller Stoffwechsel, soziale Netzwerke, Energieversorgungsnetze, neuronale Netze, das Internet und vieles mehr. Diese Grenzbereiche werden etwa seit dem Jahr 2000 programmatisch erforscht als komplexe Netzwerke. ¹⁶ Ein Beispiel, das ich hier abschließend diskutieren möchte, ist die informationstheoretische Analyse dynamischer Machtverhältnisse innerhalb einer Makakengruppe von Jessica Flack (Flack 2012; Flack 2017a; Flack 2017b).¹⁷ Ihr Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass die hierarchische Machtstruktur innerhalb der Gruppe durch eine subtile Verarbeitung von Informationen darüber zustande kommt, dass verschiedene Individuen zu verschiedenen Zeiten in unterschiedlichem Maße in der Lage sind Konkurrenzkämpfe zu gewinnen. Diese Informationen sind als Unterwerfungsund Dominanzsignale im Verhalten der Affen kodiert und können von den Individuen dechiffriert werden. Die eigenen oder durch Beobachtung erworbenen Kampferfahrungen der Individuen sind also gewissermaßen in einem kollektiven  Die Liste der Publikationen aus diesem Bereich ist inzwischen schier endlos. Vgl. beispielhaft den ‚frühen‘ Übersichtsartikel von Steven Strogatz (Strogatz 2001).  In der folgenden Darstellung beziehe ich mich auf die Zusammenfassung der früheren Veröffentlichungen in Flack 2017b.

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Machtschema aggregiert, so dass u. a. Kämpfe ohne Erfolgsaussicht effektiv vermieden werden können. Dadurch wird einerseits die soziale Kohäsion der Gruppe gestärkt und andererseits der Kräfteeinsatz der Individuen und ihr Verhalten insgesamt ökonomisiert. Letzteres insbesondere dadurch, dass die Erinnerung sämtlicher Machtkämpfe innerhalb der Gruppe nicht von jedem Individuum einzeln geleistet werden muss, sondern kollektiv schematisch präsent ist. Das schafft Kapazitäten u. a. für andere kognitive Leistungen als Gedächtniserinnerung und auch für anderes Sozialverhalten als Machtstreben. Das kollektive Machtschema ist also dadurch dynamisch, dass es die Gruppenstruktur oder das Netzwerk der Individuen zusammen- und gleichzeitig in Bewegung hält bzw. Entwicklungspfade der Gruppenstruktur eröffnet. Die kollektive Antizipation dieses Systems von Stärkegraden beschreibt Flack als ein algorithmisches Modell der Informationsverarbeitung höherer Ordnung innerhalb der Gruppe oder des Systems der Makaken. Das Modell entspricht einer Art sozialer Ordnungsrelation. Diese versteht Flack als Algorithmus höherer Ordnung, der in einer FeedbackSchleife das Verhalten der Individuen beeinflusst, welches wiederum auf einer algorithmischen Antizipation niederer Ordnung basiert. Dieses Modell entspricht den formalen Grundzügen des reflexiven Grenz- oder Hüllenoperators, der sich ebenfalls dadurch auszeichnet, dass zugleich und irreduzibel aufeinander die höhere Gruppenstruktur als Systemgrenze und die individuellen Elemente formal definitorisch und kausal empirisch akzentuiert werden. Das Beispiel der Makakengruppe belegt damit die empirische und formale Anwendbarkeit – aber nicht Reduzierbarkeit! – jenes Operators. Ich muss hier viele Details aussparen, um einen letzten Punkt zu machen, der freilich noch, wie vieles dieses versuchsweisen Beitrags, genauer erforscht werden müsste. Zunächst aber ist es wichtig, dass Flack die beiden algorithmischen Strukturen als kausale Prozesse versteht, die auf das Verhalten innerhalb der Makakengruppe einwirken. Genauer wird das Verhalten des einzelnen Individuums mit dem Verhalten der Gruppe als ganzer kausal vermittelt. Speziell im Falle der kausalen Struktur, die auf Gruppenebene entsteht, spricht Flack von effektiver abwärtsgerichteter Kausalität. Zugleich aber ist das kollektive Machtschema kausal abhängig von der, wenngleich nicht reduzierbar auf die, Aggregation antizipativen Verhaltens der Individuen und zwar durch aufwärtsgerichtete Kausalität. Die Betonung der Kombination beider Richtungen entspricht formal exakt Hartmanns Doppelfigur von Überformung (aufwärtsgerichtetes Dependenzgesetz) und Überbauung (abwärtsgerichtetes Dependenzgesetz). Entscheidend ist hierbei der kategoriale Unterschied beider Richtungen, den Hartmann mehr noch als Plessner, aufgrund der höheren systemischen Komplexität auf höheren Strukturebenen, sehr stark betont. Das erlaubt mir mit einem kurzen Hinweis auf die Forschungsrichtung, die sich aus diesem Zusammenhang ergibt, zu schließen. Sie

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geht allgemein auf eine kategoriale Interpretation und Analyse der ontologischen Grundlagen einer, beispielsweise algorithmischen, Theorie komplexer Netze oder Graphen, die als komplexe adaptive Systeme verstanden werden können. Diese Arbeit fängt mit einer systematisch und methodisch stringenten Untersuchung des reflexiven Grenz- oder Hüllenoperators in denjenigen Feldern an, die komplex adaptive Systeme als Forschungsprobleme untersuchen. Dies wäre im Kern eine Aktualisierung der Kategorienlehre im Sinne von Hartmann und Plessner, denn der „Anschluß an die Einzelgebiete der positiven Wissenschaft […] ist für die Kategorienlehre tief charakteristisch“ (Hartmann 1949, 2). Um in dieser Richtung weiter zu kommen, ist eine starke Präzisierung des hier aufgerissenen erforderlich. Sicher scheint aber, dass das Konzept des reflexiven Grenz- oder Hüllenoperators eine notwendige Voraussetzung liefert, um den angedeuteten Brückenschlag von philosophisch orientierter Grundlagenforschung in die „Einzelgebiete der positiven Wissenschaft“ zu schaffen. In der weiteren Ausarbeitung wäre es auf Seiten der Kategorienlehre, wie oben eröffnet, wichtig, das Thema der strukturellen Ganzheit zu vertiefen. Dazu bedarf es auch bei Hartmann einer vertiefenden Untersuchung und zwar unter Einbeziehung der Gruppe der horizontal strukturierenden Kohärenzgesetze, welche eine wichtige Ergänzung der im vorliegenden Beitrag fokussierten vertikal strukturierenden Dependenzgesetze darstellen (vgl. Hartmann 1949, 599 f. sowie Hartmann 1926, 221‒233). Anhand dieser Dualität kann man nachvollziehen, wie Hartmanns Konzeption von Komplexität sich zwischen 1926 und 1940 von der Horizontale leicht in die Vertikale verschiebt. Da die vorgeschlagene Forschungsrichtung Fragen der Ganzheitlichkeit u. a. innerhalb der Netzwerktheorie aufsuchen muss, sind die Kohärenzgesetze wichtig für die Bearbeitung und vollständige Beantwortung der möglicherweise wichtigsten Frage: Wann ist in einem gegebenen Fall struktureller Elemente ein kategorialer Ebenen- oder Schichtenunterschied angezeigt und wann nicht? Der Ansatz von Flack richtet diese Frage an die Struktur des betreffenden algorithmischen Raumes (vgl. Flack 2017b, 10). Es ergibt sich zusammenfassend gesagt die Charakteristik einer Forschungsrichtung, die das Versprechen der Möglichkeit beinhaltet, in nicht-philosophischen Problemstellungen der Wissenschaften neue Kategorien zu entdecken für Grundsatzfragen einer gegenwärtigen kritischen Ontologie und tendenziell auch einer philosophischen Anthropologie, die etwa Phänomene der Digitalisierung von Lebenswelten und der Vernetzung von Menschen berücksichtigen muss. Dass die hier beschriebene kategoriale Struktur des reflexiven Grenz- oder Hüllenoperators besonders auf die sozialen Fragen bezogen werden kann, die eine philosophische Anthropologie immer mitführt, dürfte soweit klar sein. Hartmann und Plessner sehen jedenfalls den systematisch und methodisch vorgezeichneten Weg auch in den hier verhandelten Werken vom

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Organischen ins Soziale führen. Ebenso ist dies die Richtung, welche aus dem Makakenbeispiel hervorgeht, insofern Macht eine wesentliche soziale Kategorie für Menschen und Makaken darstellt. Bevor dieser Schritt aber von der theoretischen Grundlegung, die ich in diesem Beitrag zu skizzieren versucht habe, gegangen werden kann, ist die oben geforderte Präzisierung durchzuführen. Denn horizontale Relationierungen dürften im Bereich des Sozialen von besonderer Dringlichkeit sein – im Rückblick auf das Makakenbeispiel besonders, um Machtverhältnisse komplementär zu asymmetrisch vertikalen Strukturen zu erforschen und ihrer Komplexität gerecht zu werden.

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Matthias Wunsch

Lebendige Individuen und ihre Umgebungen

Zur Frage ausgedehnter Grenzen bei Nicolai Hartmann Abstract: The specific relationship that living individuals have to their surroundings is often explained in terms of their boundary. Two basic variants of this can be distinguished. While in the first variant the spatial boundary of living individuals, as opposed to merely material bodies, has special function that is essential to the life process, according to the second variant living individuals have a boundary that extends beyond their spatial boundary. The thesis of an extended boundary has been defended in different scientific fields, for instance in recent theoretical biology (R. Dawkins, J. S. Turner) or in recent philosophy of cognition (A. Clark, D. Chalmers). However, that the thesis in its entire range was already developed in the first half of the 20th century by Nicolai Hartmann is largely unknown. The essay shows how Hartman’s ontology of layers and levels can be used to acquire a conception of the extended boundary of living individuals that integrates organisms in general, animals and human persons in a unified way. Keywords: Nicolai Hartmann, Helmuth Plessner, Philosophy of Nature, Organism, Extended Boundaries, Person, Objective Spirit

Einleitung Lebendige Individuen sind materielle Körper. Allerdings unterscheiden sie sich von bloß materiellen (das heißt nicht belebten) Körpern dadurch, dass sie ein besonders Verhältnis zu ihrer Umgebung haben. Sie können ihre strukturelle und funktionale Einheit, sogar ihr Sein als lebendige Individuen nur aufrechterhalten im Austausch mit ihrer Umgebung, das heißt durch Interaktion mit einigen Dingen dieser Umgebung. Eine Weise, das näher zu erläutern, besteht darin, auf die besondere Art von Grenzen aufmerksam zu machen, die lebendige Individuen haben. Während bloß materielle Körper lediglich räumliche Grenzen haben – sie hören irgendwo auf,

Der vorliegende Beitrag entstand im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekts „Personale Lebensform und objektiver Geist“ (GZ: WU 599/2 – 1). https://doi.org/10.1515/9783110615555-007

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und zwar da, wo ihre Umgebung anfängt –,¹ muss, was lebendige Individuen begrenzt, auch in einem funktionalen Sinn verstanden werden. In dieser Hinsicht sind Grenzen lebendiger Individuen dadurch gekennzeichnet, dass sie eine gegenüber ihrer Umgebung öffnende und abschließende Funktion haben und dass sie in einer Weise überschritten werden, die für den Lebensprozess wesentlich ist. In der Philosophie der Biologie und der philosophischen Biologie ist dieser Gedanke immer wieder hervorgehoben worden. Ein aktuelles Beispiel dafür ist Evan Thompsons Anknüpfung an die Idee von Maturana und Varela, dass lebendige Systeme autopoietisch sind, das heißt eine halbdurchlässige Grenze („semipermeable boundary“) haben, die durch ein Netzwerk von innerhalb dieser Grenze stattfindenden Reaktionen erzeugt wird, zu dem auch Reaktionen gehören, die Komponenten des Systems erneuern (vgl. Thompson 2007, 101). Und vor etwa 90 Jahren war es Helmuth Plessner, der das Vollziehen der Grenze bzw. die Grenzrealisierung als naturphilosophische Grundbestimmung von Lebewesen etabliert hat. Seiner Auffassung nach hat die räumliche Grenze von lebendigen Individuen den Sinn einer funktionalen Grenze, oder in seinem eigenen Vokabular gesagt, einen „‚Wert‘ als Aspektgrenze“ (Plessner 1975, 102 f.). Doch wenn es stimmt, dass lebendige Individuen im Unterschied zu bloß materiellen Körpern in einem Austauschverhältnis zu ihrer Umgebung stehen, ohne das ihr Sein als lebendige Individuen nicht aufrechterhalten werden kann, dann liegt es nahe, ihre Besonderheit noch anders zu erläutern. Statt die Besonderheit dadurch einzufangen, dass man sagt, die räumliche Grenze erhält im Fall von lebendigen Individuen eine neue, und zwar funktionale Dimension, könnte man auch sagen, lebendige Individuen haben eine im Vergleich zu ihrer räumlichen Grenze ausgedehnte Grenze. Innerhalb dieser Grenze, so die Idee, ist nicht nur das lebendige Individuum qua Organismus zu verorten, sondern auch ein Ausschnitt seiner räumlichen Umgebung. Die dem zugrunde liegende Intuition ist, dass gerade die das Lebendige kennzeichnende Verwobenheit des Individuum-Umgebung-Verhältnisses dafür spricht, das lebendige Individuum für sich genommen nicht als Ganzes, sondern als Teil eines größeren Ganzen zu verstehen. Diese beiden Sichtweisen schlagen sich in zwei verschiedenen Konzeptionen von lebendigen Systemen nieder. In der ersten Konzeption sind lebendige Individuen mit lebendigen Systemen identisch; in der zweiten sind sie lediglich Teile solcher Systeme. In beiden Konzeptionen sind die Vitalgrenzen des lebendigen

 Für eine aufschlussreiche Diskussion der Kategorie der Grenze von realweltlichen Individuen, in der allerdings nicht auf die besondere Problematik lebendiger Individuen eingegangen wird, siehe Varzi 1997.

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Individuums, das heißt die Grenzen, die es als Lebewesen hat, mit den Grenzen des betreffenden lebendigen Systems identisch. Das bedeutet für die erste Konzeption, dass die Vitalgrenzen des lebendigen Individuums mit seinen räumlichen Grenzen zusammenfallen, und für die zweite Konzeption, dass sie darüber hinausreichen.² Für das 20. Jahrhundert muss Jakob von Uexküll als der wegweisende Vertreter dieser zweiten Konzeption gelten. Er hat in Abgrenzung zum Begriff der Umgebung des lebendigen Individuums, wie sie sich uns darstellt, den Begriff „Umwelt“ geprägt (Uexküll 1909, 117‒119).³ Umwelten sind Uexküll zufolge auf lebendige Individuen relativ, werden von ihnen hervorgebracht und sind artspezifisch. Das bedeutet, dass jedes lebendige Individuum eine eigene Umwelt hat und dass diese Umwelten ihrer Existenz und Beschaffenheit nach von den Lebensvollzügen dieser Individuen, genauer gesagt, von den jeweiligen artspezifischen „Bauplänen“ abhängig sind, die diese Vollzüge ermöglichen. Mit dieser Konzeption geht bei Uexküll die Annahme von lebendigen Systemen einher, deren Grenze über die räumliche Grenze lebendiger Individuen hinausreicht. Uexküll meint, daß die Natur und das Tier, nicht wie es den Anschein hat, zwei getrennte Dinge sind, sondern daß sie zusammen einen höheren Organismus bilden. […] Die Umwelt, wie sie sich in der Gegenwelt des Tieres spiegelt, ist immer ein Teil des Tieres selbst, durch seine Organisation aufgebaut und verarbeitet zu einem unauflöslichen Ganzen mit dem Tiere selbst (Uexküll 1909, 196).

Da Uexkülls theoretische Biologie häufig als antidarwinistisch gilt, ist es aufschlussreich, dass der Gedanke der ausgedehnten Grenze lebendiger Individuen auch in der theoretischen Biologie der jüngeren Vergangenheit wieder starke Fürsprache erhalten hat. Als erstes ist in diesem Zusammenhang Richard Dawkins’ Buch The Extended Phenotype (1982) zu nennen. Der Grundgedanke ist hier, dass die Phänotypen, mit deren Hilfe sich die genetischen Replikatoren erhalten und fortschreiben, nicht nur in individuellen Organismen bestehen, sondern auch deren Umgebungen umfassen. Biberdämme sind in diesem Kontext ein zentrales Beispiel.⁴ Ein weitergehender wichtiger Beitrag zu der damit ausgelösten Debatte ist die Monographie von J. Scott Turner The Extended Organism (2000). Turner zufolge können Organismen selbst als ausgedehnt verstanden  Zu diesen beiden Konzeptionen mit Blick auf die Problematik einer Biologie und Anthropologie der Wahrnehmung siehe Toepfer 2017. Den dort vorgestellten Ansatz kommentiere ich in Wunsch 2017.  Zu Uexkülls Umweltbegriff siehe ausführlich Brentari 2015, insb. Kap. 5.  Vgl. Dawkins 1982, insb. Kapitel 11‒13.

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werden. Sein Fallbeispiel sind Termiten. Diese schaffen externe adaptive Strukturen, und zwar Termitenhügel, die als äußere Organe ihrer ausgedehnten Physiologie gelten können, das heißt physiologische Leistungen erbringen, etwa die Aufrechterhaltung der Sauerstoffmenge.⁵ Parallel zur Debatte in der theoretischen Biologie ist seit gut 20 Jahren auch in der Philosophie der Kognition und des Geistes eine Debatte um ausgedehnte Grenzen von lebendigen Individuen im Gang. Allerdings sind die Individuen, die dabei im Vordergrund stehen, Menschen. Der wegweisende Text in diesem Zusammenhang ist Andy Clarks und David Chalmers’ Aufsatz „The Extended Mind“ von 1998.⁶ Die darin entwickelte Idee ist, dass kognitive Prozesse und Zustände nicht nur im Gehirn verortet sind, sondern sich in den biologischen Körper und sogar in die Umgebung hinein erstrecken. Clark hat diese Überlegungen in einer Monographie mit dem sprechenden Titel Supersizing the Mind auf vielfältige Weise ausgebaut (Clark 2011). Die genannten Hinweise zeigen, dass die „Grenze“ zwischen lebendigen Individuen und ihrer Umgebung auch in der gegenwärtigen Debatte weiter im Fluss ist. Mit Blick auf die Forschungslage ist außerdem zu beobachten, dass die in der theoretischen Biologie sowie in der Philosophie der Kognition und des Geistes geführten Überlegungen um Konzeptionen ausgedehnter Grenzen bislang nicht ausreichend zusammengeführt worden sind.⁷ Angesichts dieser Ausgangssituation muss ein Projekt auf Interesse stoßen, das die verschiedenen Inhaltsbereiche, in denen sich die Frage nach ausgedehnten Grenzen lebendiger Individuen stellt, von vornherein in einem einheitlichen ontologischen Ansatz zu integrieren verspricht. Nicolai Hartmanns Neue Ontologie ist ein solches Projekt. Ich möchte den Gedanken der ausgedehnten Grenze daher im Folgenden vor dem Hintergrund von Hartmanns Schichten- und Stufenontologie nacheinander in Bezug auf Organismen überhaupt, Tiere und menschliche Personen verfolgen.⁸ Dabei orientiere ich mich an Hartmanns Monographien Philosophie der Natur (1950) und Das Problem des geistigen Seins (1933).

 Turner 2000. Siehe zur Debatte zwischen diesen beiden Positionen Turner 2004 und Dawkins 2004.  Clark/Chalmers 1998. Siehe dazu die Diskussion in Menary (Hg.) 2010 und in Michel/Boström/ Pohl (Hg.) 2016.  Eine wichtige Ausnahme stellen hier die Arbeiten von Robert A. Wilson dar (Wilson 2004 und Wilson 2005).  Auf die Grundzüge von Hartmanns Schichten- und Stufenontologie kann ich bei dieser Gelegenheit nicht eingehen. Siehe dazu in der Hauptsache Hartmann 1964, einführend Morgenstern 1997 und mit Bezug auf die Gegenwartsphilosophie Dahlstrom 2012.

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1 Organismen Die Philosophie der Natur ist das letzte große Werk Hartmanns, das zu seinen Lebzeiten erschien. Es bildet den abschließenden Teil seiner vierbändigen Ontologie und gibt, so der Untertitel, einen „Abriss der speziellen Kategorienlehre“ – „Abriss“ und nicht „Grundriss“, weil Hartmann sich auf die Kategorienschichten des anorganischen und organischen Seins beschränkt (Hartmann 1950, V). Dem organischen Sein, auf das es für mein Thema in naturphilosophischer Hinsicht ankommt, ist der Schlussteil des Buchs gewidmet, der mit „Organologische Kategorien“ überschrieben ist. Hartmann unterscheidet dort vier Kategoriengruppen. Sie betreffen erstens das Leben der Individuen (ebd., 512 ff.), zweitens das Artleben (d. h. das Fortbestehen einer Spezies im Wechsel der Individuen verschiedener Generationen – ebd., 560 ff.), drittens die Deszendenz und Verzweigung der Arten (ebd., 611 ff.) und sind viertens um Fragen zur besonderen Form des Nexus spezifisch organischer Prozesse (nexus organicus) gruppiert (ebd., 667 ff.). Wo es wie hier um die Grenzen lebendiger Individuen geht, kann man sich auf die erste Gruppe organologischer Kategorien konzentrieren, das heißt die Kategorien, deren Grundkategorie „Individuum“ ist. Hartmann behandelt diese Gruppe unter dem Titel „Das organische Gefüge“. Der Titel ist etwas rätselhaft, wird sich für das Verständnis von Hartmanns Konzeption aber als entscheidend erweisen. Organische Gefüge fallen bei Hartmann in das „Reich der begrenzten Gebilde“, deren paradigmatische Vertreter, wie er schreibt, Körper, Dinge, Sachen sind (ebd., 442). Präziser gesagt, gehören sie zu den sogenannten „dynamischen Gefügen“. Das sind Ganzheiten, die durch das gegenseitige Kräfteverhältnis ihrer Glieder zusammengehalten sowie begrenzt werden und die gegenüber äußeren Einwirkungen, sofern diese in einem bestimmten Rahmen bleiben, Stabilität bewahren (ebd., 444, 447). Beispiele für solche dynamischen Gefüge sind Regentropfen, Bäume, aber auch Planetensysteme und Atome. Dynamische Gefüge sind Systeme.⁹ Diejenigen dynamischen Gefüge, die Hartmann „organische Gefüge“ nennt, zeichnen sich dadurch aus, dass „ihre Struktur und Determination“ das bloß Dynamische überschreite (ebd., 485). Das bedeutet, im organischen Gefüge oder System bilden die Komponenten nicht nur wegen des Wechselver-

 Hartmann vermeidet jedoch das Wort „System“, weil es „Zusammenstand“ heiße, also statisch konnotiert sei (ebd., 445). Ob der Ausdruck „Gefüge“ in dieser Hinsicht passender als „System“ ist, halte ich aber für zweifelhaft. Jedenfalls erscheint mir die Rede von dynamischen Systemen nicht schlechter geeignet zu sein als die von dynamischen Gefügen.

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hältnisses innerer Kräfte ein Ganzes, sondern sie haben auch verschiedene Funktionen und funktional bestimmte Stellen im Ganzen (ebd., 515 f.).¹⁰ Hartmann formuliert die Frage nach dem Leben der Individuen, um die es unter dem Titel „Das organische Gefüge“ gehen soll, auch als Frage nach dem Leben des „Organismus“ (Hartmann 1950, 517). Dabei bleibt zunächst offen, ob beide Bezeichnungen deckungsgleich sind. Um das zu klären, ist zu verfolgen, wie Hartmann das Leben des Organismus kategorial bestimmt. Sein Ausgangspunkt ist, dass „Leben“ eine „Sonderform des Realseins“ ist, genauer gesagt: eine besondere „Prozessform“, die zuerst auf der Schicht des organischen Seins auftritt und dann auch die höheren Schichten, also das seelische und das geistige Sein, durchzieht (ebd., 518 f.). Die Frage ist daher, wodurch sich der für Organismen charakteristische Lebensprozess (im Kontrast zu einem bloß physischen Prozess) kategorial auszeichnet. Hartmann führt sieben verschiedene Bestimmungen an. (1) Der Lebensprozess hat eine besondere, durch das Individuum selbst gegebene Art der Begrenzung (Erzeugung und Tod). (2) Beim Entstehen und Vergehen des Lebensprozesses kommt es zu einem Wechsel der Seinsart bzw. Seinsordnung (Kluft des Organischen). (3) Der Lebensprozess und durch ihn der Organismus verändert sich selbsttätig (Spontaneität). (4) Der Lebensprozess besitzt, indem er sich zwischen Anfang und Ende selbst begrenzt und sich in sich gliedert, eine geschlossene zeitliche Ganzheit (Lebenskurve). (5) Der Organismus, an dem der Lebensprozess abläuft, erstreckt sich selbsttätig über sich hinaus und in seine Umgebung hinein (organische Erstreckung). (6) Der Organismus, an dem der Lebensprozess abläuft, macht sich selbst zum Zentrum einer Sphäre, der er den Stempel seines Lebensbereichs aufprägt (organische Zentralität). (7) Der Lebensprozess und durch ihn der Organismus gibt den Teilprozessen eine Eigenrichtung, die nach Maßgabe innerer Verhältnisse auslösend oder hemmend auf Spannungen der Umgebung wirkt (organische Aktivität). Die kategorialen Bestimmungen bilden einen strukturellen Zusammenhang. Dabei sind die Bestimmungen (1) und (2) besonders eng miteinander verknüpft, weil die Art der zeitlichen Begrenzung von Lebensprozessen (Erzeugung und Tod) systematisch mit den Seinswechseln einhergeht, die sich an diesen Begrenzungen  Das Paar „Element – Gefüge“ gehört bei Hartmann zu der „Seinsgegensätze“ genannten Gruppe von Fundamentalkategorien. Vor diesem Hintergrund ist dem Gegensatzpaar auch ein Kapitel in der allgemeinen Kategorienlehre gewidmet, die Hartmann in Der Aufbau der realen Welt entwickelt; siehe Hartmann 1964, 212, 300 – 311.

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ereignen (Kluft des Organischen). Lebensprozesse sind aber nicht nur mit Blick auf ihre zeitlichen Grenzen bestimmt, sondern entwickeln sich als Prozesse auch über die Zeit. Die Bestimmungen (3) und (4) kennzeichnen Modi dieser Entwicklung. Diese erfolgt selbsttätig (Spontaneität) und auf gegliederte Weise im Rahmen einer zeitlichen Ganzheit (Lebenskurve). Die Bestimmungen (5) bis (7) betreffen das Verhältnis zwischen dem Organismus und seiner Umgebung, wobei (7) die in (3) eingeführte Spontaneität des Lebensprozesses mit dessen Teilprozessen und deren Umgebungsbezug in Verbindung bringt (organische Aktivität). Die im Kontext der hier verfolgten Problemstellung entscheidenden Bestimmungen sind (5) und (6). Denn sie betreffen die Grenzen zwischen Organismen und ihrer Umgebung. Dass sich Organismen selbsttätig in ihre Umgebung hinein erstrecken – Punkt (5) –, scheint darauf hinzudeuten, dass es zu ihrem Lebensprozess gehört, ihre Grenze auszuweiten. Nun ist die dinglich-materielle Grenze des Lebendigen häufig zwar auch dehnbar – man denke an Phänomene wie Wachstum oder die Effekte (zu) reichhaltiger Ernährung –, aber Hartmann nimmt eine von dieser Grenze verschiedene, zweite Grenze an. Das belegt etwa seine Bemerkung, es sei das „Besondere des lebenden Organismus […], daß die dinglich-materielle Grenze des Körpers nicht mit der Grenze des lebenden Individuums zusammenfällt“ (ebd., 525). Die Annahme scheint hier zu sein, dass diese Grenze in wesentlicher Hinsicht weiter reicht als die materielle Oberflächengrenze, also außerhalb des Körpers liegt. Um zu klären, was für die Annahme einer solchen zweiten, ausgedehnten Grenze sprechen mag, ist es hilfreich, zunächst eine vorgeordnete Frage zu erörtern: Was am Organismus ist es, wodurch er sich selbsttätig über sich hinaus und in seine Umgebung hinein erstreckt? Hartmann zufolge handelt es sich dabei um bestimmte Lebensfunktionen des Organismus, etwa die Atmung, den Stoffwechsel, die Nahrungssuche und die Selbsterhaltung gegenüber Bedrohungen verschiedener Art. Es ist offensichtlich, dass eine ausgedehnte Grenze, die durch solche Funktionen abgesteckt wird, sich nicht trennscharf ziehen lässt. Das ist allerdings auch nicht nötig, weil diese Unschärfe schon bei der räumlichen Begrenzung vieler nicht-organischer dynamischer Gefüge zu beobachten ist. Wir können nicht angeben, wie weit ein kosmisches System – ein Spiralnebel oder ein Planetensystem – genau reicht, wie weit genau die Sonne reicht oder die Erde, wenn ihre Atmosphäre auch zu ihr gehört. Ähnliches gilt auch im Bereich des ganz Kleinen. Denn auch bei Atomen gibt es keine Raumgrenzen mit räumlichen „Oberflächen“. Hartmann konstatiert daher zu Recht, dass scharf umrissene räumliche Begrenzungen, wie wir sie etwa von Kieselsteinen her kennen, eine kosmische Seltenheit sind (vgl. ebd., 448 f.). Oder umgekehrt gesagt: Was kosmisch ubiquitär ist, sind dynamische Begrenzungsformen. Vor diesem Hintergrund würde also eher eine relativ fest umrissene dinglich-materielle Grenze des

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Lebewesens einen Sonderfall darstellen als dessen ausgedehnte Grenze. Diese begrenzt den „Lebenskreis“ des Individuums, das heißt die „Reichweite“ von dessen „in die Umgebung sich hineinerstreckenden Lebensfunktionen“, ist aber eine „räumlich verschwimmende Grenze“ (ebd., 526). Hartmann meint nun, dass die in die Umgebung reichenden Lebensfunktionen des Organismus „ein Geflecht von Aktionen und Reaktionen [bilden], mit denen der Organismus sich selbsttätig […] mit einem Ausschnitt der realen Welt unlöslich verknüpft“ (ebd., 525). Wie die Unlöslichkeit dieser Verknüpfung zu begreifen ist, macht Hartmann mit der folgenden gedanklichen Operation klar: „Eine Blütenpflanze, losgelöst vom Boden, von Luft, Sonne, Regen, ja selbst von der im gleichen Raum verbreiteten Insektenwelt, ist nicht nur dem Untergange verfallen, sondern schlechterdings eine Abstraktion“ (ebd.). Dem lässt sich folgende Rechtfertigung der Annahme einer zweiten Grenze des Organismus, seiner Lebenskreisgrenze, entnehmen. Organismen sind aus dem Grund mit ihrer Umgebung unlöslich verknüpft, dass ihr Leben wesentlich an bestimmte Lebensfunktionen und -bedingungen gebunden ist, die ihre Umgebungsbeziehung zu einer internen Relation machen. Diese Relation ist insofern intern, als sie nicht aufgelöst werden kann, ohne dass der Organismus sein Wesen verändert oder, wie es hieß, schlechterdings zu einer Abstraktion wird. Die Konzipierbarkeit eines konkreten Organismus erfordert daher über die Annahme einer dinglich-materiellen Grenze hinaus die Annahme einer im Vergleich dazu ausgedehnten Grenze. Innerhalb dieser Grenze liegt all das, was diejenigen Lebensfunktionen und -bedingungen des Organismus realisiert, die dessen Umgebungsbeziehung zu einer internen Relation machen.¹¹ Vor diesem argumentativen Hintergrund kann man nun den Begriff des organischen Gefüges einholen und sein Verhältnis zum Organismusbegriff aufklären. Dass der von seinem Lebenskreis losgelöste Organismus „schlechterdings eine Abstraktion“ ist, bedeutet mit Hartmann gesagt, dass er mit seiner Umgebung zusammen „ein Ganzes eigener Art und eigener geschlossener Funktionseinheit“ bildet (ebd., 526). Es ist dieses Ganze, für das Hartmann den Terminus „organisches Gefüge“ reserviert. Denn das organische Gefüge war im Unterschied zum dynamischen gerade durch den funktionalen Zuschnitt und Zusammenhang seiner Komponenten bestimmt. Die wichtigste Konsequenz daraus ist, dass Organismen nicht mit organischen Gefügen identisch sind, sondern als Organismen lediglich jeweils das zentrale Glied eines solchen Gefüges sind. Hartmann drückt

 Damit wird auch klar, warum Hartmann, wie oben zitiert, von einer „räumlich verschwimmende[n] Grenze“ (ebd., 526) spricht. Denn was innerhalb der Lebenskreisgrenze liegt, hängt von den jeweiligen dynamischen Lebensvollzügen ab.

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diese Gedanken in einem Vokabular der Grenzverschiebung aus: „Das Individuum zieht seine Lebenssphäre um sich her, indem es die Grenze seiner Lebendigkeit über sich hinaus verlegt, sie gleichsam exteriorisiert. Es erfüllt sie je nach seiner Organisation, seinen Bedürfnissen und Fähigkeiten mit seinem Leben“ (ebd., 526). Diese Position steht im Kontrast zu der in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelten und bis heute einflussreichen Standardauffassung des organischen Seins, die man als „Genzentrismus“ oder „genetischen Essentialismus“ bezeichnen kann.¹² Denn sie bringt das Wesen des Organismus nicht mit dem in Verbindung, was ‚kleiner‘ ist als dieser – den Genen –, sondern mit dem, was ‚größer‘ als dieser ist: Die kategoriale Basiseinheit des organischen Seins ist Hartmann zufolge das gesamte Organismus-Lebenssphäre-System. Diese Idee sollte nicht gegen die Wichtigkeit genetischer Forschungsperspektiven ins Feld geführt werden, zumal Hartmanns Überlegungen sämtlich in die Zeit vor der Entdeckung der DNA fallen. Sie kann aber solchen theoretischen Ansätzen als Argumentationshilfe dienen, die nach Alternativen zu einem gen-zentristischen bzw. -essentialistischen Paradigma der theoretischen Biologie suchen. Das wird sich verdeutlichen lassen, indem die Bestimmung (6) der gegebenen Übersicht mit einbezogen wird. Während sich bislang gezeigt hat, dass Organismen von Organismus-Lebenssphäre-Systemen her zu denken sind, betont (6), dass ihnen in diesen Systemen die Zentrums-Rolle zukommt. Hartmanns Hervorhebung der organischen Zentralität ist zugleich eine Betonung des Akteursstatus von Lebewesen. Lebewesen beziehen selbst das in ihrer Lebenssphäre für sie Relevante in ihre Lebensfunktionen ein. Hartmann spricht in diesem Zusammenhang nicht nur von einem aktiven Sich-Zueigenmachen der Umgebung, sondern auch von einem aktiven „Sicheinpassen“ und knüpft damit offenbar an Jakob von Uexküll an, der den Gedanken der Einpassung gegenüber dem Darwin’schen Gedanken der Anpassung betont hatte. Er lehnt zwar den idealistischen Hintergrund von Uexkülls Umweltlehre ab – Umwelten sind für ihn um den Organismus zentrierte Ausschnitte der realen Welt und nicht, wie bei Uexküll, Erzeugnisse von deren Bauplänen (vgl. Hartmann 1950, 526 Anm. 1 u. Uexküll 1921, 4) –, hat aber gesehen, dass der Gedanke der Einpassung von diesem Hintergrund unabhängig ist. Das sieht man bereits bei Uexküll selbst. Dieser versteht die Einpassung der Tiere in ihre Umwelt so, dass sie aus der unübersichtlichen Vielfalt der Natur sich gerade das aussuchen, was zu ihnen passt (Uexküll 1921, 4). Hartmann nimmt diesen Gedanken der Einpassung auf, ohne ihn gegen den der Anpassung auszuspielen. Das lebendige Individuum, so Hartmann, „passt sich

 Siehe dazu die kritische Auseinandersetzung bei Schmidt 2014.

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selbst zwar weitgehend dem Vorgefundenen an, wählt sich aber dabei doch seinen Ausschnitt aus dem Vorhandenen nach seinem eigenen Bedarf und prägt ihm sein Lebensgesetz auf, indem es ihn zu seiner Sphäre gestaltet“ (Hartmann 1950, 527). In der heutigen theoretischen Biologie bildet genau diese Überlegung die Basis einer Konzeption, die die Eindimensionalität einer gen-fixierten Biologie aufbricht, und zwar der Theorie der niche construction (siehe vor allem OdlingSmee/Laland/Feldman 2003). Dabei werden aus der Erkenntnis, dass Lebewesen in hohem Maße Mitgestalter ihrer Umwelt sind, evolutionsbiologische Konsequenzen gezogen. Indem Organismen ihre Umgebungen in einer bestimmten Richtung dauerhaft gestalten, man denke etwa an Dachsbauten oder Biberdämme, verändern sie aktiv den Selektionsdruck, unter dem sie und ihre Nachfahren stehen. Die aktive Umweltgestaltung eröffnet also neben der genetischen eine zweite Schiene der Vererbung, die „ökologische Vererbung“ (dazu Laland/OdlingSmee/Feldman 2000, 133). Dadurch kommt es zu Feedback-Prozessen, die in der Standardauffassung nicht vorgesehen sind. Ich möchte das an einer Abbildung verdeutlichen, die auf die wichtigsten Vertreter der Theorie der Nischenkonstruktion – Kevin Laland, John Odling-Smee und Marcus Feldman – zurückgeht. Der Standardauffassung zufolge übertragen Organismuspopulationen Gene von einer Generation zur nächsten – siehe Pfeil (i) –, und zwar unter der Leitung der natürlichen Selektion, Pfeile (ii) und (iii). Aus Sicht der Theorie der Nischenkonstruktion muss das Bild auf komplexere Weise gezeichnet werden:

Abb. 1: Nischenkonstruktion und Evolution (nach Laland/Odling-Smee/Feldman 2000, 134).

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Denn die Phänotypen modifizieren ihre lokalen Umgebungen durch Nischenkonstruktion, Pfeile (iv) und (v). Jede Generation ererbt dann nicht nur die Gene ihrer Vorfahren, sondern übernimmt von ihnen auch die Erbschaft der aktiv modifizierten Umgebung – Pfeil (vi) – und erbt damit einen veränderten Selektionsdruck. – Natürliche Selektion und Nischenkonstruktion bilden Schleifen. Die Standardauffassung hat zwar darin Recht, die Fähigkeiten, in denen sich Nischenkonstruktion zeigt, für ein Produkt der natürlichen Selektion zu halten; über diese Einsicht darf aber nicht ausgeblendet werden, dass auch umgekehrt das Verhalten der Nischenkonstruktion den Selektionsdruck umgestaltet bzw. die Selektionsbedingungen modifiziert. Hartmann hat aus seiner Auffassung, dass Lebewesen ihre Umwelt in hohem Maße mitgestalten, soweit ich sehe, keine evolutionsbiologischen Konsequenzen gezogen. Mit seinen Überlegungen zur organischen Erstreckung, Zentralität und Aktivität hat er jedoch einen naturphilosophischen Beitrag geliefert, der im Rahmen der Grundlegung der Theorie der Nischenkonstruktion fruchtbar gemacht werden kann (und anders als Uexkülls Beitrag keine antirealistische Schlagseite hat).¹³ Umgekehrt ist bemerkenswert, dass sich von dieser Theorie her eine weitere Rechtfertigung für Hartmanns These von der vorrangigen Bedeutung der Organismus-Lebenssphäre-Systeme gewinnen lässt. Denn wenn das organische Leben im Rückgriff auf Schleifen zwischen natürlicher Selektion und Nischenkonstruktion beschrieben werden muss, dann zeigt sich auch in evolutionsbiologischer Hinsicht die Berechtigung von Hartmanns Annahme, dass Organismus und Lebenssphäre eine innere Einheit bilden.

2 Tiere Hartmann ist in dem Teil seiner Philosophie der Natur, der sich mit der lebendigen Natur beschäftigt, nicht an taxonomischen Differenzen in dieser Natur, sondern an den Kategorien des Organischen als solchen interessiert. Die organologischen Kategorien sind auch bezüglich der Differenz zwischen Pflanzenreich und Tierreich neutral, sodass bereits die Pflanze-Tier-Unterscheidung in der Philosophie der Natur kategorialanalytisch nicht in den Blick kommt. Das ist allerdings insofern nicht überraschend, als Hartmann davon ausgeht, dass viele Tiere als Lebewesen mit Bewusstsein gelten müssen, „Bewusstsein“ jedoch die Grundka-

 Angesichts der insgesamt schwachen Rezeption Hartmanns erübrigt sich vermutlich der Hinweis, dass die Texte zur Theorie der Nischenkonstruktion keinen Hinweis auf Hartmann enthalten.

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tegorie der in Bezug auf das organische Sein nächst höheren Kategorienschicht ist, und zwar der des seelischen Seins. Leider hat Hartmann keine spezielle Kategorienlehre entwickelt, die auch das seelische Sein behandeln würde. Das weist auf eine empfindliche Lücke seiner ansonsten sehr umfassenden Ontologie hin (vgl. Jaeschke 2012). Zugleich ist damit ein wichtiges Desiderat für eine an Hartmann anknüpfende und sein Programm weiter entwickelnde Forschung bezeichnet: Es wird eine kategorialanalytische Untersuchung des seelischen Seins als solchem benötigt. Da es sich bei Lebewesen, die Kategorien des seelischen Seins instantiieren, um Tiere handelt, würde es sich bei dieser Untersuchung zugleich um eine ontologische Grundlegung der Tierphilosophie handeln. Hartmann selbst hat bereits wichtige Materialien dafür geliefert, die sich in seinen Überlegungen zu denjenigen Seinsschichten befinden, die dem seelischen Sein benachbart sind. Die in diesem Zusammenhang wichtigsten Texte sind die Philosophie der Natur und Das Problem des geistigen Seins. Die Kategorien, die für Organismen als solche gelten, sind selbstverständlich für Lebewesen mit Bewusstsein nicht außer Kraft gesetzt. Daher muss nicht erst geklärt werden, ob auch bewusste Tiere Lebewesen mit einer ausgedehnten Grenze sind, sondern nur, in welcher Weise sie dies sind. Dabei liegt die Annahme nahe, dass sie nicht nur organische Gefüge oder Systeme sind, sondern, wie man in einem teilweise an Hartmanns Diktion anknüpfenden Vokabular sagen könnte, zugleich „kognitive Gefüge oder Systeme“. Von „Gefügen“ spricht Hartmann, von „Kognition“ aber nicht. Mit der Verwendung dieses Begriffs trägt man jedoch der Intention Hartmanns Rechnung, dass die philosophische Kategorienbildung in Anknüpfung an den Stand der empirischen Wissenschaften erfolgen sollte. Die der Kategorienschicht des seelischen Seins korrespondierende Einzelwissenschaft ist die Psychologie; und im Anschluss an die kognitive Wende der Psychologie in den 1950er Jahren (vgl. Miller 2003), das heißt nach Hartmanns Tod, stellt sich die Frage, ob eine spezielle Kategorienlehre des seelischen Seins heute statt mit „Bewusstsein“ nicht mit „Kognition“ als Grundkategorie operieren sollte. Auch wenn ich diese basale Frage hier nicht beantworten möchte, wähle ich den Terminus „kognitives Gefüge oder System“, weil auch Tiere, denen wir Bewusstsein nur zögerlich (oder gar nicht) zuschreiben, kognitive Prozesse vollziehen. In Bezug auf die Frage, in welcher Weise Tiere Lebewesen mit einer ausgedehnten Grenze sind, besteht nach der Diskussion der organologischen Kategorien, wie gesagt, Anlass zu der Vermutung, dass sich bei ihnen nicht nur die organischen Funktionen in die umgebende physische Welt hinein erstrecken, sondern dass dies auch für ihre kognitiven Funktionen gilt. Ihre Grenze wäre dann sowohl in organischer als auch in kognitiver Hinsicht exteriorisiert.

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Genau diese Idee steht heute im Mittelpunkt des schon angesprochenen, auf Andy Clark und David Chalmers zurückgehenden Paradigmas der Kognitionswissenschaft (Clark/Chalmers 1998). Sie wird dort als „Extended-Mind-These“ bezeichnet und lässt sich dahingehend bestimmen, dass kognitive Verarbeitungsprozesse und mentale Zustände zu gekoppelten Systemen gehören können, deren Grenzen gegenüber den dinglich-materiellen Grenzen lebendiger Individuen ausgedehnt sind. Näherhin müssen solche Prozesse und Zustände Clark und Chalmers zufolge nicht im Gehirn lokalisiert sein, sondern können in die Umgebung von Menschen hinein ausgedehnt sein. Das berühmteste Beispiel der Autoren in diesem Kontext sind bestimmte Überzeugungen einer an einer leichten Form der Alzheimer-Krankheit leidenden Person namens Otto. Wie viele Alzheimer-Patienten verlässt sich Otto, um sein Leben zu strukturieren, auf Informationen in seiner Umgebung. Er hat immer ein Notizbuch dabei, das er zum Eintragen neuer und zum Nachschlagen alter Informationen verwendet. Unter der Annahme bestimmter Randbedingungen¹⁴, so Clark und Chalmers, spielt das Notizbuch für Otto eine Rolle, die gewöhnlich das biologische Gedächtnis spielt, bzw. hat eine im Notizbuch enthaltene Information dieselbe Funktion wie die Information, die eine gewöhnliche nicht-präsente Überzeugung ausmacht – sie ist nur jenseits von Ottos Organismus verortet. Ein weiteres, klassisches Beispiel in diesem Zusammenhang ist die Verwendung eines Blindenstocks. Es stammt von Maurice Merleau-Ponty, der in seiner Phänomenologie der Wahrnehmung schreibt: „Der Stock des Blinden ist für ihn kein Gegenstand mehr, er ist für sich selbst nicht mehr wahrgenommen, sein Ende ist zu einer Sinneszone geworden, er vergrößert Umfänglichkeit und Reichweite des Berührens, ist zu einem Analogon des Blicks geworden“ (Merleau-Ponty 1966, 173). An dieser Stelle ist es wichtig zu betonen, dass die Extended-Mind-These auch für nicht-menschliche Lebewesen vertreten wird. Als Beispiel kann etwa eine kognitionswissenschaftliche Untersuchung zu Ameisen angeführt werden, die an die bekannte Tatsache anknüpft, dass Ameisen, während sie sich fortbewegen, auf ihrem Weg Pheromone abgeben, die für sie selbst und andere Ameisen als orientierende Markierungen fungieren. Die in der genannten Untersuchung vertretene These ist, dass die Ameisen ihre Umgebung mittels der Pheromone als extended mind ausnutzen, dass ihre kognitiven Prozesse der Orientierung also außerkörperliche Konstituenten besitzen (Bosse et al. 2004, 192). Sollten sich Überlegungen dieser Art erhärten lassen, so bestünde Grund zu der Annahme,  Zu diesen Randbedingungen gehören: Das Notizbuch stellt eine Konstante in Ottos Leben dar; die Information darin ist für Otto ohne Schwierigkeit direkt verfügbar; sobald Otto sie abruft, bekräftigt er sie automatisch; sie wurde irgendwann früher bewusst gebilligt und ist als Folge dieser Billigung im Notizbuch (Clark/Chalmers 1998, 17).

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dass die organologische Kategorie der ausgedehnten Grenze auf höheren Schichten wiederkehrt. Das führt zurück zu Hartmann. Die Überlegung war, dass sich bei ihm wichtige Materialien für die kategorialanalytische Untersuchung speziell von Tieren finden, und zwar in seinen Überlegungen zu den Seinsschichten, die dem tierlichen Leben benachbart sind. Das betrifft nicht nur seine Philosophie der Natur, deren Überlegungen zur ausgedehnten Grenze auch in Hinblick auf die Untersuchung kognitiver Gefüge oder Systeme fruchtbar sein können, sondern es gilt auch für die Philosophie des Geistes, die in seinem Buch Das Problem des geistigen Seins behandelt wird. Tiere sind dort aber nicht für sich selbst von Interesse, sondern in ihrer Differenz zu nicht bloß bewussten, sondern geistigen Lebewesen, das heißt Personen. Entsprechend werden sie dort vor allem in negativen Termini beschrieben. Im Unterschied zum geistigen Bewusstsein von Personen haben sie, so Hartmann, ein (wenn überhaupt) „geistloses Bewusstsein“. Die positive Charakterisierung tierlichen Bewusstseins bleibt in Das Problem des geistigen Seins eher allgemein: Geistloses Bewusstsein, so Hartmann, sei „noch ganz dienendes Bewusstsein“, das heißt „in die Vitalfunktionen“, „in den Dienst des Organischen“ eingespannt (Hartmann 1962, 108 f.). Die Bestimmung, dass es dies „noch“ sei, deutet an, dass Hartmanns Blick eigentlich auch hier schon auf menschliche Personen gerichtet ist, deren Bewusstsein dann metaphorisch so beschrieben wird, dass es dieser Eingespanntheit entronnen und aus der „Fesselung“ an die „Unmittelbarkeit herausgetreten“ sei (ebd., 109). Wer genauer wissen möchte, wie es sich mit dem tierischen Bewusstsein verhält, den verweist Hartmann in einer seiner raren Bezugnahmen auf andere oder gar zeitgenössische Autoren an Helmuth Plessner, der das tierische Bewusstsein mit Hilfe des naturphilosophischen Begriffs der „Positionalität der geschlossenen Form“ beschrieben habe (ebd., 110). Obwohl er das nicht näher ausführt, gibt er damit zu erkennen, wo er selbst sachliche Anknüpfungspunkte für eine kategorialanalytische Untersuchung des bewussten Lebens als solchem sieht.¹⁵ Darüber hinaus nennt er auch einen interessanten methodischen Anknüpfungspunkt: „Das Bewusstseinsleben des Tieres ist, soweit wir überhaupt in seine Form eindringen können, in dem Verhalten des Tiers zu seiner Umwelt gegeben. Alle Tierpsychologie muss sich an diese äußere Gegebenheit halten“ (Hartmann 1962, 108; meine Hvh. – MW). Tierpsychologie ist demnach Verhaltensforschung, Ethologie, und als solche muss sie die für die Tiere spezifische Umwelt mit einbeziehen, was als Hinweis auf die Unverzichtbarkeit von Freilandforschung gewertet werden kann. Mit Blick auf Hartmanns Betonung der

 Zum Plessner-Hartmann-Verhältnis insgesamt siehe Wunsch 2015.

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inneren Einheit von Organismus und Umgebung in der Philosophie der Natur ist dieses Votum nur konsequent.

3 Menschliche Personen Vom Feld des tierlichen Lebens gehe ich nun auf das des personalen Lebens über. Während ersteres bei Hartmann nur am Rande von Interesse ist, spielt letzteres für ihn eine eminente Rolle. Das tierliche Leben kam bei ihm selbst insoweit in Betracht, als es ein Leben mit Bewusstsein ist. Auch personales Leben ist ein bewusstes Leben. Das betreffende Bewusstsein ist dabei jedoch im Unterschied zu einem geistlosen ein geistiges Bewusstsein. Personen sind bei Hartmann „geistige“ Lebewesen. Der dabei investierte Geistbegriff darf aber nicht mit dem verwechselt werden, wofür im Englischen „mind“ steht. Denn wie die Begriffe des Organischen und des Seelischen bezeichnet auch der Begriff des Geistigen bei Hartmann primär eine Seinsschicht. In Das Problem des geistigen Seins wird deutlich, dass es drei kategoriale Grundformen dieser Schicht gibt: personalen Geist, objektiven Geist und objektivierten Geist (Hartmann 1962, 71‒73). Während der personale Geist der Geist lebendiger Individuen ist, handelt es sich beim objektiven um überindividuellen Geist und beim objektivierten um nicht-lebendigen Geist. Der objektive Geist ist ein verschiedenen lebendigen Individuen gemeinsamer Geist und zeigt sich etwa in sozialen Praktiken, in gemeinsamen Mustern des Erfahrens, Denkens und Fühlens, in der Sprache sowie in sozialen Ordnungen. Der objektivierte Geist dagegen ist ein in Artefakten oder anderen Handlungsprodukten, wie konventionellen Zeichen oder technischen Infrastrukturen, manifestierter Geist. Die beiden Formen des nicht-personalen Geistes bilden, so kann man das ausdrücken, verschiedene Aspekte der „geistigen Lebenssphäre“ personaler Individuen, anders gesagt, Aspekte ihrer Kultur. Hartmann betont nachdrücklich die innere Verwobenheit und Untrennbarkeit der drei geistigen Grundformen. Sie seien weniger „Bausteine oder Elemente“ des geistigen Seins, als „verschiedene Seiten“ eines Ganzen, das eine „unzerreißbare Einheit“ aufweise (ebd., 73). Für die Konzeption von Personen hat das vergleichbare Konsequenzen wie im Fall der Organismen als solchen: „Das Charakteristische für geistiges Leben ist gerade dieses, dass die Einzelindividuen gar nicht für sich bestehen, ein isoliertes Dasein außerhalb der gemeinsamen geistigen Lebenssphäre also gar nicht haben. Eine Betrachtung, die es isolieren wollte, würde sich in Abstraktionen bewegen und weit von der Wahrheit abkommen“ (ebd., 69; vgl. ebd., 125 f.). Diese Überlegung ist bis in die Wortwahl hinein ganz ähnlich konzipiert wie die entsprechende für Organismen. Auch Personen sind demnach insofern mit der gemeinsamen geistigen Lebenssphäre

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auf nicht isolierbare Weise verknüpft, als es bestimmte Funktionen und Bedingungen des personalen Lebens gibt, die die Beziehung zu dieser Sphäre zu einer internen Relation machen. Eine Betrachtung, die die Person aus dieser Relation herauslöst, erginge sich in Abstraktionen. Anders gesagt: Konkrete Personen sind nur unter der Voraussetzung konzipierbar, dass sie über ihre dinglich-materielle Grenze hinaus eine ausgedehnte Grenze besitzen. Innerhalb dieser Grenze liegt all das, was diejenigen Funktionen und Bedingungen des personalen Lebens realisiert, die die Beziehungen zwischen Person und gemeinsamer geistiger Lebenssphäre zu einer internen Relation machen. Was ich hier als „Funktionen und Bedingungen personalen Lebens“ bezeichnet habe, nennt Hartmann „Kategorien der Person“. Diese Kategorien, so Hartmann, sind in erster Linie den Verhältnissen abzugewinnen, in denen das geistige Individuum steht, und nicht diesem selbst (ebd., 175). Ein relationaler Grundzug des Personseins, dem Hartmann große Beachtung schenkt, ist die sogenannte „Expansivität“ der Person. Er schreibt: „Die Person ist zwar individuell, sie geht auch nicht von Mensch zu Mensch über, aber sie greift über, erstreckt sich expansiv in die Lebenssphäre hinein, in der sie mit anderen Personen zusammensteht“ (ebd., 140). Damit ergibt sich die Frage, wie diese Lebenssphäre näher zu bestimmen ist, in die hinein menschliche Personen gewissermaßen erweitert oder ausgedehnt sind. Es ist aufschlussreich, dass Hartmann, wie schon in der Diskussion der organologischen Kategorien auch im Kontext der Diskussion der Kategorien der Person den Begriff des Lebenskreises verwendet. Der „Lebenskreis der Person“ ist für ihn ein fundamentaler Zug des Personseins. Er umfasst einerseits, was einer Person „wirklich zu eigen ist“, also die im täglichen Umgang vertrauten Gegenstände, zusammen mit den Umgebungen des täglichen Lebens; andererseits umfasst er auch die Personen, mit denen gewohnheitsmäßig Kontakt besteht, und die betreffenden Nahbeziehungen (ebd., 141 f.). Der Lebenskreis ist ein bestimmter „Ausschnitt der Welt“; er ist für die Personen jedoch nicht beliebig oder neutral, sondern sowohl für ihr Selbstverständnis als auch für ihre emotive und volitive Verfassung hoch bedeutsam. Die Person „identifiziert sich“ mit ihrem Lebenskreis, fühlt sich mit ihm „im Strom des Geschehens schicksalsverbunden“ und verbindet sich auch „aktiv dem Strebensziel nach“ mit ihm: „Was in diesen Kreis hineinspielt, empfindet sie als etwas, was ihr selbst geschieht, ist betroffen davon wie von ihrem eigenen Schicksal“ (ebd., 140 f.). Entsprechend betont Hartmann, dass die Personen ihren Lebenskreis zwar gestalten, ebenso aber von ihm geprägt werden (ebd., 141 f.). Der „Lebenskreis“ ist daher zugleich „Bannkreis“ der Person – in jedem Fall aber „ein fundamentaler Grundzug“, sogar „das eigentümlichste Moment der Personalität als Realkategorie“ (ebd., 141).

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Doch obwohl die Personen mit ihren Lebenskreisen „innerlich verwachsen“ (ebd., 143) sind, ist der personale Lebenskreis nicht einfach die geistphilosophische Dublette des Lebenskreises von Organismen oder Tieren. Die vom organischen Sein her bekannte Kategorie des Lebenskreises kehrt zwar in der Schicht des geistigen Seins wieder, aber in abgewandelter Form. Beim Schritt ins geistige Sein findet eine folgenreiche kategoriale Transformation statt, allgemein gesagt, die Umstellung von „Umwelt“ auf „Mitwelt“ (ebd., 111). Während die Umwelt eine auf das organische und tierliche Individuum der jeweiligen Art zentrierte Welt ist, ist die Mitwelt die Welt, „mit der der Mensch“ bzw. die Personen leben. An dieser Umstellung sind mehrere Aspekte hervorzuheben. Erstens wird aus den Multiversen des Lebens der Tiere ein einziges Universum personalen Lebens. Die Differenz zwischen dem geistlosen und dem geistigen Bewusstsein markiert Hartmann zufolge eine „primäre Grenzscheide“, ihr liegt eine „radikale Umstellung des Bewusstseins“ zugrunde. Diese besteht darin, dass „ich die Welt [nicht mehr] als ‚die meinige‘ sehe“, sondern „als ‚die Welt schlechthin‘“ (ebd., 112). Wo der Unterschied zwischen „meiner“ Welt und „der“ Welt bewusst werden kann, da kann sich der eigene Lebenskreis auch als das zeigen, was er ist, ein „Ausschnitt der Welt“. Zweitens ist die Welt (im Singular) primär nicht als Außenwelt, sondern als Mitwelt gefasst. Die Welt des personalen Individuums ist Hartmann zufolge in erster Linie die wirkliche „Welt, in der es als Mitlebendes steht“ (ebd., 110). Ich möchte die Mitwelt daher als das „primäre personale Gefüge“ bezeichnen und dieses rein heuristisch vom „sekundären personalen Gefüge“ unterscheiden, zu dem all das gehört, was Personen im kollektiven Handeln hervorbringen: die materielle, symbolische und institutionelle Kultur.¹⁶ Wenn die Welt (im Singular) als Mitwelt gefasst wird – das ist nun die entscheidende Konsequenz –, dann impliziert die Rede von „der Welt“ (ebd.) die Annahme von etwas wie der Mitwelt (im Singular). Die Mitwelt ist demnach die alle Personen übergreifende oder allen Personen gemeinsame Sphäre. Das bedeutet, mit der Umstellung von der organismischen „Umwelt“ auf die personale „Mitwelt“ geht eine Ausweitung des Lebenskreises einher, die diesen Kreis der Idee nach in eine Weltbürgergesellschaft transformiert. Erfahrungsmäßig umfasst die Mitwelt zunächst den Nahbereich

 Vgl. dazu: „Das Individuum ist eben nirgends vor der Gesamtheit, das tierische Exemplar nicht vor der Art, die Person nicht vor der Koexistenz der Personen, der subjektive Geist nicht vor dem objektiven. Auf der ganzen Linie kennen wir stets beide nur zusammen, ihr Ineinander, das Gefüge“ (Hartmann 1962, 297). „Es gibt den personalen und den objektiven Geist nur zusammen, in Wechselbezogenheit und Wechselbedingtheit, nur als Einheit des Ineinanderseins, als Gefüge“ (ebd., 319).

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von Personen, der Sache nach aber, sofern es nur eine einzige Mitwelt gibt, die gesamte Welt der Personen. Drittens sind die grundlegenden Relationen in der als Mitwelt gefassten Welt nicht epistemischer Art, sondern Beziehungen des Handelns, des Behandeltwerdens und der Praxis. Primär, so Hartmann, ist nicht die Beziehung zwischen einem Ich als Subjekt und einem zu erkennenden Objekt, sondern die zwischen einem Ich als Person und interagierenden anderen Personen (ebd., 127 f.). Viertens ist die Stellung des Menschen auf originäre Weise prekär, in einer Weise, für die es bei Tieren mit geistlosem Bewusstsein keine Entsprechung gibt. In ausdrücklicher Anknüpfung an Helmuth Plessners Konzeption der exzentrischen Positionalität der menschlichen Lebensform erläutert Hartmann, die Welt ist für den Menschen nicht eine solche, „die um ihn und auf ihn als Zentrum bezogen“ ist, sondern eine, „die ihr Zentrum außer ihm hat“ (ebd., 111). Das menschliche Individuum hat damit von vornherein eine marginale Stellung, einen prekären Status. Statt dass die Welt auf es ausgerichtet ist, muss es sich auf sie ausrichten (ebd.). Das ist insbesondere in sozialer Hinsicht auch tatsächlich zu beobachten. So zeigen entwicklungspsychologische Studien mit Kindern im Vorschulalter und besonders deutlich auch im Vergleich mit Menschenaffen (Schimpansen und Orang-Utans), dass Menschen zu „starker Konformität“ mit der Mitwelt neigen. Beispielsweise tendieren Kinder im Vorschulalter dazu, auch wissentlich falsche Antworten zu geben, um einer sich irrenden Mehrheit zu entsprechen (Haun/Tomasello 2011; Haun/Reker/Tomasello 2014). Ich werte das als einen deutlichen Ausdruck des prekären Status menschlicher Individuen in der Welt. Auch Hartmann bezieht die soziale Dimension der Beschaffenheit dieses Status ausdrücklich in seine Überlegungen mit ein. Das Verhältnis des Menschen zur Welt und insbesondere zur Mitwelt „erschöpft sich nicht im Für-ihn-Sein der Welt“, maßgeblich ist vielmehr „eine andere Bindung […]: sein eigenes Für-dieWelt-Sein“ (Hartmann 1962, 126). Menschliche Individuen handeln und werten nicht nur, sie werden auch in bestimmter Weise behandelt und bewertet. Sie mögen diese Weise beeinflussen können, bleiben der Mitwelt aber doch ausgesetzt und in der Definitionsmacht, die sie über sich haben, strukturell eingeschränkt. Hartmann lässt keinen Zweifel daran, dass Menschen die geistige Lebenssphäre gemeinsam hervorbringen. Er stellt aber auch die Beziehungen heraus, die in der umgekehrten Richtung laufen. Der objektive Geist, so Hartmann, wird bezüglich der menschlichen Individuen zu einer „sie überformenden und beherrschenden Macht“, ja er „hebt sie damit erst auf die höhere Seinsstufe, die des eigentlich geistigen Seins“ (ebd., 290; vgl. ebd., 296). Daran lässt sich messen, für wie groß Hartmann die Macht des objektiven Geistes gegenüber den menschlichen Individuen hält. Diese werden erst durch den objektiven Geist auf die Stufe

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des geistigen Seins gehoben. Da, wie gesagt, der personale Geist eine der kategorialen Grundformen des geistigen Seins ist, bedeutet dies zugleich, dass die Personalität von menschlichen Individuen vom objektiven Geist abhängt. Dieser Zusammenhang manifestiert sich auch in historischen Erfahrungen, die Hartmann selbst allerdings weder 1933, dem Erscheinungsjahr von Das Problem des geistigen Seins, noch später hervorhebt: Bestimmte menschliche Individuen können für die jeweilige Welt-der-Personen als Barbaren, Sklaven oder gar als „lebensunwert“ gelten. Es ist möglich, dass ihnen das Personsein abgesprochen wird. Es ist diese Pointierung von Hartmanns Gedanken der Unselbständigkeit des personalen gegenüber dem objektiven Geist, die die prekäre Stellung des menschlichen Individuums in der Mitwelt am eindringlichsten vor Augen führt.

Schluss Die vorangehenden Abschnitte haben auf verschiedenen Stufen – Organismen, Tieren und menschlichen Personen – von Nicolai Hartmann her das Phänomen der ausgedehnten Grenze untersucht. Bevor ich ein kurzes Fazit ziehe, möchte ich auf ein mögliches Missverständnis dieser Überlegungen hinweisen. Die These, dass lebendige Individuen der genannten Stufen ausgedehnte Grenzen haben, sollte nicht als die Behauptung verstanden werden, dass lebendige Individuen selbst größer sind, als man bisher angenommen hat. Für eine solche Behauptung treten etwa Clark und Chalmers ein, aus deren Sicht die Grenzen des Selbst „may also fall beyond the skin“: „Otto himself is best regarded as an extended system, a coupling of biological organism and external resources“ (Clark/Chalmers 1998, 18; Hvh. im Orig.). Ich halte diese Auffassung von einem „extended self“ nicht für plausibel.¹⁷ Die These der ausgedehnten Grenze von lebendigen Individuen besagt nicht, dass diese Individuen größer sind, als bisher gedacht, sondern ist eher so zu verstehen, dass die lebendigen Systeme, die als Analyseeinheit im Nachdenken und Forschen über das Lebendige zugrunde gelegt werden, größer sein sollten als meist angenommen. Ein lebendiges System ist nicht einfach ein lebendiges Individuum selbst, sondern umfasst außer diesem Individuum immer auch einen bestimmten Ausschnitt der es umgebenden Welt. Lebendige Individuen sollten daher als Teile solcher lebendigen Systeme und nicht schon für sich als Ganze verstanden werden. Anders gesagt, die Grenzen, die ein lebendiges Individuum als das Lebewesen hat, das es ist – seine Vitalgrenzen –, reichen weiter als die Grenzen, die es

 Zur Kritik an Clark und Chalmers in diesem Punkt vgl. auch Baker 2009.

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als materieller Körper hat, und zwar so weit wie die Grenzen des lebendigen Systems, zu dem das Individuum gehört. Wie lässt sich die Reichweite dieser Grenzen näher bestimmen? Lebendige Individuen sind auf allen Stufen auf vielfältige nicht isolierbare Weise mit ihrer Lebenssphäre verknüpft. Für das organismische, das kognitive und das personale Leben gibt es jeweils bestimmte Funktionen und Bedingungen, mit Hartmann gesagt: Kategorien, die die Beziehung zwischen den betreffenden lebendigen Individuen und ihrer Lebenssphäre zu einer internen Relation machen. Alles, was diese Funktionen und Bedingungen realisiert, liegt innerhalb der ausgedehnten Grenze dieser Individuen, alles andere außerhalb. Damit zu einem kurzen Fazit. Lebendige Individuen sind Glieder von Individuum-Umgebung-Systemen, die ihnen gegenüber vorrangig sind. In Hinblick auf Organismen nennt Hartmann diese Systeme „organische Gefüge“, wobei er an seine Konzeption der dynamischen Gefüge anknüpft. Organische Gefüge als solche unterscheiden sich vor allem dadurch von dynamischen Gefügen, dass es ein Element gibt, das sich selbst zum Zentrum des Gefüges macht, und zwar den Organismus (organische Zentralität). Die Kategorie des Gefüges kehrt auch auf den darüber liegenden Schichten in modifizierter Weise wieder. In Anknüpfung an Hartmanns Terminologie habe ich daher für die Schicht des seelischen Seins die Rede von „kognitiven Gefügen“ und für die Schicht des geistigen Seins die Rede von „personalen Gefügen“ vorgeschlagen. Dabei sind kognitive Gefüge TierUmwelt-Systeme und personale Gefüge Person-Mitwelt-Systeme. In Hinblick auf personale Gefüge ist entscheidend, dass die von organischen und kognitiven Gefügen her bekannte Zentralität eine gebrochene ist. Hier ist dem menschlichen Individuum die Zentrums-Rolle, die es als Organismus und als Tier in den betreffenden Gefügen hat, verschlossen. Denn hier, so Hartmann ausdrücklich, ist nicht der Mensch „das Primäre, sondern […] die Welt, die ihr Zentrum außer ihm hat“ (Hartmann 1962, 111), eine Welt, die grundlegend Mitwelt ist. Die weitreichendste Konsequenz daraus ist, dass Personalität (anders als Organizität oder Tierheit) ein von der Mitwelt gewährleisteter, prekärer Status ist.

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“Consistency” and maintenance of the personal identity in Nicolai Hartmann’s Philosophie der Natur Abstract: In Nicolai Hartmann’s work, person and personal identity are regularly appearing issues. In the Ethics (1926), Hartmann writes a severe criticism of any metaphysical personalism, but also (following Scheler) of Kant’s formalism. Keeping in the background such discussion, this contribution focuses on how, in Philosophie der Natur (1940), Hartmann analyzes the form of persistence of entities such as the person, or the self, in the ontological sphere of the real being (time, space, natural becoming, and the changing social and cultural conditions). Starting from the refusal of any absolute substantiality, Hartmann succeeds in ‘isolating’ highly dynamic forms of relative ontological duration. Among them, the consistency [Konsistenz] of the person, i. e., the process of reaffirmation of the identity of the self with the series of the past selves. This activity is concretely performed through the insertion of biographical contents, for instance recollections, into one’s identity. The result is a sequence of horizontal sections, each one constituted by the person’s inner life of the moment; inside each section, some important events stand out that, in the subsequent activity of self-maintenance, will play the role of inner marker for that age. Keywords: Nicolai Hartmann, Philosophy of Nature, Organism, Consistency, Person, Personal Identity

Introduction In Nicolai Hartmann’s thought, the theme of the person is the object of a constant attention; in the different phases of his production, this issue deploys itself under a multiplicity of viewpoints. Without any pretence of completeness, let us cast a glance on the major moments of his reflection on the person. In the first volume of Ethics, Hartmann conducts, in a phenomenological perspective narrowly connected to Scheler’s material ethics of value, a severe criticism of Kant’s formalism and, in general, of any metaphysical personalism (Hart-

https://doi.org/10.1515/9783110615555-008

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mann 2002, 317‒341),¹ but also of Scheler’s views of the non-objectual character of the person, of the existence of communal persons. In the second volume of the Ethics, special attention is paid to personality (Persönlichkeit) seen as a special value, and differentiated from the broader concept of personhood (Personalität) (Hartmann 2003, 341‒368);² this issue is also faced in the later essay “Das Ethos der Persönlichkeit”.³ The third volume of the Ethics prevailingly focuses on Kantian issues such as personal freedom, autonomy, and self-determination (Hartmann 2004, 205‒240).⁴ Finally, in Hartmann’s mature stratified ontology, the person is discussed under the viewpoint of his links to the spiritual being (history, tradition, socio-political configurations) and focusing on his function of purposive mediation between the ideal and the real being (this last point will be treated in the following pages).⁵ Keeping in the background such a broad discussion, but establishing with it the appropriate references, this contribution aims to achieve a far more circumscribed purpose. It intends to analyze how, according to Hartmann, individual entities such as the person or the self (das Ich) can last in time, space, natural becoming, and in the flow of all social and cultural conditions. In other words, the discussed problem will be that of the peculiar modality of persistence of the person in the ontological sphere of the real being, of which (according to Hartmann) nature is a part.⁶ Consequently, we will leave the connections with the ideal being (especially the values) and the phenomenological dimensions of the person in a marginal position. Our focus will be, instead, the natural and pragmatic dimension of the person, that is at the same time the precondition  For an in-depth discussion of the different position of Scheler and Hartmann on the issue of the person see also Kelly 2011, 181‒222.  In this regard, see also Da Re 1996, 221‒227; Bulk 1971, 183‒188.  Hartmann 1955b, 311‒318.  See Da Re 1996, 316‒339.  See Hartmann 1962, 124‒172. As possessive adjective and pronoun for ‘the person’ we chose respectively ‘his’ and ‘him’, to avoid the connotation of neutrality and impersonality of ‘its’, ‘it’. A greater accuracy would be obtained through ‘his/her’ and ‘him/her’, but this choice would make the reading harder. In our intention, however, the female form is always included.  In Hartmann’s ontology, the real being is divided into inorganic being, organic being, psychic being and spiritual being (which includes history, institutions, culture, and personal life). Inside the real being, the sphere of nature extends itself on the first two levels, that of the inorganic being and the organic being. This does not mean the higher levels are in any sense ‘supernatural’, or that elements of continuity are missing (the present contribution intends precisely to detect, even in the upper levels, properly natural ontological traits, in particular as far as the issue of the persistence of the entities is regarded), but only that their organizational autonomy is such as to situate them in an autonomous location. For an introduction attentive of the ethical implication of this theoretical frame, see Kinnegin 2002.

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of his capacity of effective action. As we shall see, if the space of action of the subject is the real being, then his mode of existence must be such as to allow him firstly to last in the natural dimension of time, space, and change (in the same way as the other natural entities he interacts with) and, secondly, to last in them as a person – and this means, in a dynamic, affirmative, and not a thing-like modality.

1 The persistence of the person as an ontological problem One of the first appearances of this basic problem is linked to what Hartmann, since the Ethics of 1926, sees as the main task of the person: the phenomenological ‘grasping’ of the ideal values and their realisation in the real being. In this regard, one must remember that, according to Hartmann, ethical values belong to the ideal being, but – due to this same placement – they fail to influence the real being in an autonomous way. Their ontological distance and being-in-themselves (aseitas) makes them weak, and only human beings as persons can give them reality (Wirklichkeit) insofar as they modify the real being according to the grasped value (Kinnegin 2002, xxiv‒xxix).⁷ Already in this early phase, thus, the person has a pragmatic side, which, however, is seen to coincide with the notion of the subject. As Kinnegin correctly remarks, in Hartmann’s Ethics “man has a double nature. […] [H]e is both a ‘subject’ and a ‘person’. As a subject he is purely ontological being, as a person he is at the same time an axiological being” (ibidem, xxvii; italics mine – CB).⁸ If so, however, then the person has to be almost partially included in that real being he should mould according to the values: “persons are from beginning to end embedded in a communal world of real objects. They share the same mode of reality with things and the relation of things. That they do not exist except in the fulfilment of acts makes no difference. For the acts themselves share the same reality with events of every kind” (Hartmann 2002, 321‒322). This does not mean that

 For an in-depth discussion of the problem of the being-in-itself of the ideal being in Hartmann see Bulk 1971; for the particular problem of the being-in-themselves of the values, see ibidem, 100‒116. One of Hartmann’s most radical formulations of the weakness of the values as ideal entities is the idea of the “impotence of the values” (Hartmann 1955a, 263), a condition to which corresponds, for man, a high moral responsibility and the possibility of a sense-conferring action towards the real being.  On this subject see also the valuable analysis of Natalia Danilkina in Danilkina 2016, 235‒244.

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human beings are things; they share the same domain of reality with things and objects, but they do it as subjects of knowledge and action and as persons, that is, as centres of axiological evaluation. This is their peculiarity; but, we reiterate, our purpose here is to explore the apparently trivial precondition of subjective and personal being: permanence, that is to say, the capability to last inside the real being and, particularly, in the midst of natural processes – and, for this reason, we will examine in particular the Philosophie der Natur (1950).⁹ With the progression of his ontological reflection, Hartmann begins to explore other implications of the observation that persons “share the same reality” with real objects and natural processes. In Das Problem des geistigen Seins, the person is seen as one form of the spiritual being besides others (i. e., objective and objectivated forms)¹⁰; consequently, but in a different way than in the phenomenological approach of the Ethics, the person maintains his ontological distinction from the ideal being. In general, writes Hartmann, the reality of the spirit “is not the same of essences and values, but of events, things, relationships between things, and persons”.¹¹ What is more important to our aim, is that in Das Problem des geistigen Seins the mode of persistence of the person presents many of the same traits that, as we shall see, will be the focus of Philosophie der Natur (self-affirmation, self-recovery, loyalty to oneself, etc.). These traits, however, are seen as common feature of all forms of the spiritual being (with the exception of the objectivated ones), i. e. in a sharp contrast to organic life and natural events (Hartmann 1962, 90). Moreover, both in Das Problem des geistigen Seins and in New Ways of Ontology (1940), the participation of the person in the real being implies the acceptance of his limited persistence: “the living spirit (actualized both in persons and in superpersonal historical structures) exists only in the form of becoming. It, too, has its birth, duration, and decline” (Hartmann 1953, 77).¹² This is fully consistent with one of the fundamental traits of Hartmann’s stratified ontology, in which the superior formations depend on the de facto existence of the lower layers, while not being reducible to them in their categorial originality. Consequently, even if personality is irreducible to psychological and biological

 Used edition Hartmann 1980 (second, unchanged edition of the work).  Hartmann distinguishes between objective forms of the spiritual being, such as institutions, traditions, languages, forms of art, etcetera, and objectivated forms of the spiritual being such as pictures, statues, monuments (see Hartmann 1962).  “[S]eine Wirklichkeit ist nicht die von Wesenheiten und Werten, sondern die von Geschehnissen, Dingverhältnissen, Lebewesen und Personen” (Hartmann 1962, 302‒303).  See also Hartmann 1962, 92‒93. On this subject, but in the context of a confrontation with the German philosophy of history, see also Da Re 2001, 320.

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individuality, nevertheless it depends on them for its existence and duration. As we shall see, however, this dependence does not fully explain the peculiar modality of the lasting of the person, which is not reducible to any inferior stratum – neither to organic or psychological life, nor to the subject’s activity of knowledge. At this stage of our reconstruction, the problem presents itself in this way: the person, whose task is the grasping of the ideal values and their realisation in the real being, cannot accomplish this task without sharing the same reality of real entities themselves. On the one side, this seems to require his transitory character; on the other, it allows for an affirmative and dynamic modality of persistence. The point is, though, whether the person’s strategies of persistence are closer to the one of spiritual entities, or to natural ones. In the texts examined so far, and especially in Das Problem des geistigen Seins, the case seems to be the first; what must be done now is to see the change of perspective that occurs with Philosophie der Natur.

2 The persistence of the person as self-preservation of a natural process Rather surprisingly, in the midst of a discussion on natural categories (such as time, space, and processuality) the reader of Hartmann’s Philosophie der Natur meets a section entitled “Preservation of the self and the moral person [Erhaltung des Ich und der moralischen Person]” (Hartmann 1980, 311‒312). Here the problem of the persistence of the person is approached inside a decided shift of perspective: from the phenomenological-axiological approach of the Ethics, and from the ontology of the spiritual being, to a perspective of philosophy of nature. The mode of persistence of the person is compared to that of natural entities, and only secondary to that of spiritual-cultural entities (which, however, never disappear from the ontological horizon; it should be remembered that, according to Hartmann, both spirit and nature are parts of the real beings). This shift of perspective occurs not only without any reductionistic intention – the person’s role as mediator of ideal values, for instance, is never endangered by Hartmann’s affirmation of his closeness to nature – but also with innovative results, even from the ethical and axiological point of view. In other words, in Philosophie der Natur, the way in which the persistence of the person is described is not at all morally neutral; nor is it, as we shall see, the definition of a sheer factual precondition of morality (as it might seem from the discussion developed so far).

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The chief aim of Nicolai Hartmann’s Philosophie der Natur is to define the categories of natural ontology, thus completing and deepening the project of a pluralist and stratified ontology started in works such as Das Problem des geistigen Seins and Der Aufbau der realen Welt. ¹³ Since at this point it is not possible to account for the complexity of Hartmann’s ontology of nature, we just underline what are perhaps its distinguishing features: a pervasive presence of becoming (Werden, also translated with ‘change’), contingency, and processuality. In Hartmann’s ontology of natural being (and, in general, of real being), everything is involved in transformative processes – with the relevant exception of some dimensional categories (such as space, time, etc.) that provide the basic coordinates inside which something can change. “Change is the general form of being of the real” – writes Hartmann – “The ‘process’ as such, understood as the common element of all kinds of movement, transition, modification, course, progression, or event, is therefore an eminent category of the real. It is not contained inside the boundaries of space, does not break above the organic; like time, it passes through all the strata of being and connects them”.¹⁴ This does not mean that, inside nature, everything is absolutely fluid and we cannot talk about structures, discrete entities, and even subjects.¹⁵ On the contrary, one of the most innovative parts of Hartmann’s philosophy of nature is the constant effort to identify different modes of resistance to becoming, implemented at the various levels of nature itself. In other words, the conceptual shift towards a processual ontology of nature requires a rethinking of the identity of natural entities, meaning by identity their capability of lasting in the flow of time and change. The first step in this rethinking is the refusal of the traditional idea that the persistence of an entity depends on the presence of something that does not change or, better, of “something [that] remains identical in the process, on

 See Hartmann 1940.  “Das Werden ist die allgemeine Seinsform des Realen. Der ‘Prozeß’ als solcher, verstanden als das Gemeinsame aller Art von Bewegtheit, Übergang, Veränderung, Vorgang, Ablauf oder Geschehen, ist daher eminente Realkategorie. Es ist nicht an die Grenze der Räumlichkeit gebunden, bricht oberhalb des Organischen nicht ab; er geht wie die Zeit durch alle Seinsschichten hindurch und verbindet sie” (Hartmann 1980, 265).  Here vanishes the analogy that, at first glance, one could establish between Hartmann’s Philosohie der Natur and A Thousand Plateaus by Deleuze and Guattari. Although both ontologies are based on becoming and unceasing transformation, Hartmann refuses to bring the centrality of the category of processuality up to the denial of the effective existence of any nucleus of ontological identity. If, to make an example regarding biology, according to Deleuze and Guattari “the enemy is the organism” (Deleuze/Guattari 2004, 175), according to Hartmann the enemy is the absolutisation of the ‘essence’ of the organism, or the ‘substantial form’ of a species (Hartmann 1980, 283), that robs the living of further possibility of change.

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which the states can change”.¹⁶ This idea was well represented in what Hartmann calls the “popular-metaphysical concept of substance [populärmetaphysischer Substanzbegriff]” (Hartmann 1980, 280): a substantial nucleus (the essence, the soul, etc.) that is, in itself, absolutely immune to becoming and bears a succession of states and accidents.¹⁷ Taking into account the intent of this paper, I do not want to focus on the articulated criticism that Hartmann moves to this metaphysical scheme. I just want to mention two different lines of argumentation proposed by the author. The first is the realisation that all different versions of the metaphysical concept of substance imply a logical contradiction: “what was asked, basically, was the timelessness of a temporal being”¹⁸ – since, in Hartmann’s ontology, only temporal being can intervene directly in real processes. The second is the analysis of the motivational and anthropological roots of the appeal of the Substanzbegriff, which leads to the (more or less clearly expressed) suspicion that behind the philosophers’ theoretical interest for the substantial persistence there is an all-too-human concern about their own finitude. This concern expresses itself in the “flight of thought in the face of transience”¹⁹ and, if the philosopher succeeds in identifying some alleged nucleus of absolute permanence, in “the hope that his own human life must necessarily be part of it in some way”.²⁰ Leaving aside Hartmann’s critique of the metaphysical idea of an absolute duration, let us return to his discussion of the strategies of relative duration that different entities display in the real being. In Hartmann’s categorial analysis, the relative permanence of natural formations (Gebilde) is the conceptual counterpart of the general processuality of the real; consequently, if permanence should not be understood in a substantial way, all that remains is to say that natural formations are quite similar to “successive unit[s]” (ibidem, 271) of processual states or phases. In other words, they show the same kind of cohesion that makes up the identity of natural processes and share with the latter the property of the “resolvability in the overall process” ²¹ – i. e., in the whole of natural becoming. But their transience must not be exaggerated (as if, in nature, a sort of cupio dissolvi were at work); in the sober view of Hartmann, natural for-

 “[Die Anwesenheit von] etwas [was] im Prozess identisch bleibe, woran die Zustände wechseln können” (ibidem, 268).  In this regard, see the whole chapter 22 “Die Substantialität” (ibidem, 280‒290).  “[M]an verlangte im Grunde die Überzeitlichkeit eines Zeitlichen” (ibidem, 282).  “[in der] Flucht des Gedankens vor der Vergänglichkeit” (ibidem, 280).  “[in der] Hoffnung, auch das eigene Menschenleben müsste irgendwie daran teilhaben” (ibidem, 281).  “[von der] Auflösbarkeit im Prozess” (ibidem, 447).

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mations are nevertheless characterised by a “natural closure”²², a strong capability of stability and ‘self-isolation’ within the process itself. Although far from being a substance in the traditional sense – it is “basically only a state of manifold instantaneous states”²³ – each concrete entity can, in short, efficiently “play the role of what remains temporary identical”.²⁴ In Hartmann’s ontological view, “relative substrates” (ibidem, 450) are stable enough to guarantee both identity and transformation. As we have seen, this result is achieved through a sharp distinction between the two aspects of the traditional concept of substance: on the one side absolute permanence, on the other the function of a substrate. According to Hartmann, the second trait does not depend on the first. Inside the real being there is no absolute permanence; if discrete entities can emerge, as they do, it is because something plays the role of what remains identical to itself. Anyway, to understand the entire variety of the possible strategies of permanence in the flow of time and becoming, the distinction between absolute substances and relative substrates is not enough. To go a step further, Hartmann calls into play the distinction – which is internal to the strategies of relative persistence displayed by natural entities – between the category of subsistence (Subsistenz) and that of consistency (Konsistenz): “So we have to deal with two main forms of preservation: 1. With the actual persistence, in which the preservation depends on the inertia of a substrate, while the shaped formations change; and 2. With the preservation without substrate, whereby, in the process itself, uniformly shaped formations arise again and again. In contrast to ‘subsistence’, this kind of preservation can be called ‘consistency’; the place of the ‘substance’ (Substanz), as the unchanged basis, is taken by the ‘constancy’ (Konstanz) of the form, as continuous return of the borne and resting elements”.²⁵ Bound as it is to inertia and other elementary phenomena of matter, mass and energy, subsistence is a static category; in its sheer form, it is to be found only at the lower levels of the natural being. By contrast, consistency appears  “[eine] natürliche Geschlossenheit” (ibidem, 447).  “[Jedes Ding ist] im Grunde nur ein Zustand mannigfaltiger Momentanzustände” (ibidem, 450).  “[Jedes Ding spielt] die Rolle des ‘zeitweilig’ Identischbleibenden” (ibidem, 450).  “Wir haben also mit zwei Hauptformen der Erhaltung zu tun: 1. Mit der eigentlichen Beharrung, bei der die Erhaltung an der Trägheit eines Substrats hängt, während die geformten Gebilde wechseln; und 2. Mit der Erhaltung ohne Substrat, bei der im Prozess immer wieder die gleichgeformten Gebilde auftreten. Im Gegensatz zur “Subsistenz” kann man diese Art der Erhaltung als “Konsistenz” bezeichnen; an die Stelle der “Substanz” als der unveränderten Grundlage, tritt die “Konstanz” der Form, als die stetige Wiederkehr des Getragenen und Aufruhenden” (ibidem, 307).

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at the higher level of the organic being and is a dynamic category. Thanks to consistency, the living entities do not depend on a static substratum bearing “accidental” qualities. They last, instead, as processual Gestalten and depend on a constant activity of re-affirmation, that allows them to change in a considerable amount without losing their identity. In his ontological analysis of living being, Hartmann identifies phenomena of consistency working on many biological levels: from metabolism and self-regulation (seen as the continuous restatement of the physiological balance inside the organism) to the maintenance of the species identity through reproduction and to the maintenance of life on Earth through the modification of the species (ibidem, 309‒311). Thus, starting from the refusal of any kind of absolute substantiality and focusing instead on the possibility of different strategies of relative duration, Hartmann succeeds in ‘isolating’ highly dynamic forms of identity; they are grouped under the name of consistency, occur primarily at the level of organic processes and are based on an unceasing activity of self-maintenance. This achievement is very relevant for our focus, the issue of personal identity. In the Philosophie der Natur – and, particularly, in the already mentioned section “Erhaltung des Ich und der moralischen Person”²⁶ – the permanence of the self and the moral person is seen as a particular mode of consistency, based on the constancy of the form: “The self” – writes Hartmann – “is not substance, but it has constancy in the changing of its states, acts and contents”²⁷. What is commonly called personal identity is seen by Hartmann as resistance against that sector of becoming that more directly invests the person: the flow of the psychic experience, the changing Umwelt of our inner nature, which is just as dominated by

 Unlike in the Ethics, where personality and subjectivity are kept quite distinct, in Hartmann’s ontological work (starting from Das Problem des geistigen Seins) the two instances show some affinities and can even partially overlap. As stated by Da Re (Da Re 1996, 318‒319), this tendency can be traced back to the influence on Hartmann of the German philosophical anthropology (the late Scheler, Helmuth Plessner, Arnold Gehlen), a current for which Hartmann manifests a strong interest (Hartmann 1941; see also Fischer 2011). Despite strong differences between the various authors, the approach of the German philosophical anthropology is based on the intention to find unifying concepts for the whole human sphere (such as Gehlen’s concept of Entlastung). Whatever the reasons, it is clear that, in the mentioned paragraph of Philosophie der Natur, the issues of the moral person, the self and the human being (der Mensch) overlap to a large extent – first of all, as far as their ontological mode of persistence is concerned. Anyway, a particular closeness of Hartmann to Gehlen can be perceived also in the theme of the stabilisation of the personal identity (Gehlen 1980, 159‒166), which is present in the background of many ‘anthropological’ pages of Philosophie der Natur.  “Das Ich ist nicht Substanz, aber er hat Konstanz im Wandel seiner Zustände, Akte und Inhalte” (Hartmann 1980, 311).

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time and becoming as the external one and unceasingly threatens the self of disintegration. Being a form of consistency, the persistence of the person is based on a spontaneous activity of re-affirmation. But, before going more in-depth into this activity, we must preliminarily criticize, always from Hartmann’s point of view, the theories of personal identity based on the notions of self-consciousness (Bewusstsein) or memory (Gedächtnis). Such theories are not sufficient to account for the durability of self and person. In the case of self-consciousness, states Hartmann leaning on Kant, what has to be explained is not the phenomenon of the being-conscious of certain psychic contents, but rather the “unity of the apperception” (ibidem, 311), that such contents relate to a unique subject. Moreover, even if the phenomenon of consciousness is brought back to the factum of apperception, even then we must understand that the contents of consciousness do not limit themselves to arrange around a mere ‘pole’, or a static ‘centre’, like the spokes of a wheel; rather, they succeed in constituting a dynamic totality, an organic whole. Even the metaphor of the flow has heavy limitations: “the persisting person is someone not vanishing in the flight of experience. His consciousness is more than a flow of changing representations, reactions, and drives”.²⁸ A similar criticism, according to which identity has nothing to do with the different degree to which we are aware of the different contents of our inner life, is moved by Hartmann to the attempts to explain the permanence of the self through the faculty of memory. Like self-consciousness, memory presupposes the permanence of the self as a unit, and therefore cannot found it. Incidentally said, this does not mean memory is nothing but a mechanical process, a mere function of storing and reactivating of mental contents; on the contrary, notes Hartmann, the functioning of memory “takes the path of the reconstruction of the content through the faculty of representation”.²⁹ Memory shows a

 “Der beharrende Mensch ist der nicht in der Flucht des Erlebens Aufgehende. Sein Bewusstsein ist mehr als Strom wechselnder Vorstellungen, Reaktionen und Antriebe” (ibidem, 312). This is another point where the German term for human being (Mensch) overlaps with the concept of person, and has been translated correspondingly.  “[Das Gedächtnis] nimmt den Weg der Wiederbildung des Inhalts durch die Vorstellung” (ibidem, 312). It is interesting to note that Hartmann shares with Bergson a pragmatic view of memory. Memory is functional to action; it works through representation, not for representation. So writes Bergson: “The body retains motor habits capable of acting the past over again; it can resume attitudes in which the past will insert itself; or, again, by the repetition of certain cerebral phenomena […] it can furnish to remembrance a point of attachment with the actual […]: but in no case can the brain store up recollections or images” (Bergson 1991, 225). At a first sight, (but this issue would deserve further studies), even Bergson’s view of the ontological context memory

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spontaneity that can recall to our minds the phenomenon of consistency, but this analogy in the functioning mode isn’t enough to explain the permanence of the self (that even memory presupposes). In brief, the permanence of the personal self must be understood without any reference to other psychic faculties or experiential basis. It is a ‘pure’ activity, based on the interaction of a minimum of ontological elements – and precisely, only of those necessarily required by the entity ‘self’ and by the temporal character of the sphere to which it belongs (i. e., the processual flow of external and internal real being). In Hartmann’s sober ontology of nature, personal identity consists in only two components: a centre of reaffirmation, and time. In each moment of our lifetime, we are a present self who reaffirms its identity with a series of past selves – and that is nothing but reaffirmation of the identity with this series: Here appears a totally new form of self-preservation […]. The sustained persistence of the self in the change of its states and contents [is] an active adhesion to oneself, a self-assertion as a unity against one’s own disintegration in the flow of experience. This is difficult to grasp at the lower stages of consciousness, but at the higher ones it takes on the form of a self-affirmation and self-acknowledgment, and precisely in the actual being- different from the past.³⁰

Already in the phenomena of consistency occurring at the organic level – metabolic regulation, reproduction, etc. – there is permanence of a structure, or an organised Gestalt, but this permanence is physically dependent on the presence of the elements to be organised (although the organisation itself, of course, is not determined by them but is, in Hartmann’s terminology, a categorial novelty). The life of the self brings with it another discontinuity with the organic self-organisation: in the non-spatial dimension of the inner experience, the self can discharge himself from any dependence on material elements and reach a higher level of freedom, i. e. moral freedom (or, at least, the ontological precondition of moral freedom). The self-determination of the person is allowed by the very

works in appears to be close to Hartmann’s concept of the real being: memory, writes Bergson, “frees us from the movement of the flow of things” (ibidem, 228).  “Hier setzt eine ganz neue Form des Sichselbsterhaltens ein […]. Das Fortbestehen des Ich im Wechseln seiner Zustände und Inhalte [ist] aktives Festhalten an sich, ein Sich-Durchsetzen als Einheit gegen das eigene Zerfließen im Erlebnisstrome. Das ist auf den niederen Stufen des Bewusstseins schwer zu fassen, nimmt aber auf den höheren die Form eines Sich-selbst-Bejahens und -Anerkennens an, und zwar gerade im tatsächlichen Andersgewordensein” (Hartmann 1980, 312). It is difficult not to hear a Nietzschian echo in Hartmann’s choice of terms such as affirmation (Bejahung) and loyalty to oneself.

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condition that, for its factual existence, the self does not depend on any other factor except a past self (with respect to which the present one reaffirms itself). The Konsistenz of the moral person, then, rests on the faculty (or the obligation) to take a position toward oneself, choosing constantly whether and to what extent the present self should ‘stick to’ the past; it is – writes Hartmann in a further passage – “an active position of the self as identical with itself, a spontaneous ‘self-identification’”.³¹ This does not mean that the biographical elements, for instance our recollections, do not play any role. On the contrary, the process of self-affirmation can be exercised concretely only through the insertion of biographical contents into one’s identity. In most cases, this translates in a relative ‘loyalty’ to some major moments in the series of the past selves, but there is always the possibility of the ‘betrayal’ of oneself. “Here the identity of the self is posed straightly in its freedom” – writes Hartmann – for, as a moral person, the self can also release itself from itself; he can pass over accepted commitments, can deny his actions, which were rooted in his decision. In this way he gives up its identity. But he can also commit to his actions, assume his guilt, comply what he promised, stand by his word – even if he under changed circumstances, no longer wants the same.³²

Depending on this choice (for or against him- or herself), the person also determines the way he or she is seen by others: “as a reliable unit, or as something disintegrating and vanishing in the flight of experience”.³³ The ontological essentiality of the Hartmannian self does not imply the complete exclusion of the biographical contents of the psychic and relational life of the person (commitments, decisions, actions, faults etc.) – with the caveat, however, that they do not determine nor cause the maintenance of identity. They work, so to speak, like ‘hallmarks’ for the various phases of the past self, or like index fossils for the different geological layers of our biography. The inner

 “[Das Ich ist] ein aktives Sich-Identischsetzen, ein spontanes ‘Sich mit sich selbst identifizieren’” (ibidem, 312).  “Hier ist die Identität des Ich sogar in seiner Freiheit gestellt. Denn als moralische Person kann das Ich sich auch von sich lossagen; er kann übernommene Verpflichtungen abwälzen, kann seine Taten, die in seine Entscheidung gestellt waren, verleugnen. Damit gibt es seine Identität preis. Er kann aber auch sich zu seinen Taten bekennen, verwirkte Schuld auf sich nehmen, Zugesagtes einhalten, zu seinem Worte stehen, und zwar auch dann, wenn es unter veränderten Umständen nicht mehr dasselbe will” (ibidem, 312).  “[Die Person ist gesehen] als verlässliche Einheit oder als ein zerfallendes Etwas in der Flucht des Erlebens Aufgehende” (ibidem, 312).

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life of the person appears as a sequence of horizontal sections; each section is constituted by the rich texture of the psychic and experiential life of the moment, in whose plot some important events, which will subsequently act as an inner marker for that age, stand out. The identity of the person, the unification of all sections as phases of a single inner life, is, instead, the fruit of a constantly repeated act of self-identification with the previous phases. In this way, the self-consciousness of the present self and – thanks to the ‘index fossils’ – the mnemonic availability of the previous selves make the process of Selbstbejahung possible. Nevertheless, the responsible building of that ontological unicum which is the moral person depends on a spontaneous, ‘pure’ and morally relevant activity of self-reference, which cannot be traced back to any of the underlying faculties. “The identity of the moral person” – summarises Hartmann – “consists in the power that consciousness has upon itself to stand up and vouch for itself. But this power must be exercised and realized in full measure. The preservation of one’s own person does not fall into man’s lap”.³⁴ As this last quotation shows clearly, Hartmann’s discussion of the persistence of the personal identity is not at all neutral from the axiological point of view; it is not, in other words, the definition of a sheer logical-formal precondition of morality, but invests the sphere of the ethical contents and attitudes. The preservation of the self is a value in itself; consequently, like all values in Hartmann’s ontology, it must be pursued inside an ontological context totally indifferent to the value and can be moulded only through the commitment of an agency, the human being, who can grasp the values and transform them into his own goals.

Concluding remarks Carried out as it is, on the background of his unceasing interest for the theme of the person, Hartmann’s analysis of the person’s mode of persistence is an issue of great interest for scholars interested in the intersection between ethics and ontology. Hartmann’s discussion of the problem of how persons last in the real world (in its spiritual and natural dimensions) is intertwined by its very nature with the issue of personal identity. As we have seen, the starting point is Hartmann’s awareness that the person is an active instance and that, as such, he cannot but share the same sphere of reality with the entities on which he  “Die Identität der moralischen Person […] besteht in der Macht, die das Bewusstsein über sich selbst hat, für sich einzustehen und gutzusagen. Aber diese Macht muss ausgeübt und im Vollzuge verwirklicht werden. Von selbst fällt dem Menschen die Erhaltung der eigenen Person nicht in den Schoß” (ibidem, 312).

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acts, or with which he interacts. Consequently, also in the subsequent phases of Hartmann’s production there will never be opposition between the axiological and the ontological aspects of the person. In Hartmann’s ethics, in other words, the ‘grasping’ of the values (as an original, pre-predicative access to the ideal being) translates spontaneously in transformative activities of senseconferring, and the latter are oriented to a real being made of cultural, historical and natural processes and entities. If a strong link connects the ethical issue of the values to the ontological problem of the permanence of the person inside the being real, there is, instead, a clear discontinuity in the way that Hartmann chooses to get closer to the latter point. But here one has to be precise. In both key passages that he devotes to this topic – “Identität und Ganzheit im Wandel der Person”, in Das Problem des geistigen Seins (Hartmann 1962, 130‒132)³⁵, and the already mentioned “Erhaltung des Ichs und der moralischen Person”, in Philosophie der Natur – the traits defining the mode of persistence of the person inside the being real are almost the same: the refusal of the substantiality of the person, the correspondent idea of the person as active self-identification, the theme of the freedom towards the past self, the temporal limitation of the person, etc. What changes is the ontological context in which these dynamics are embedded. In Das Problem des geistigen Seins, they are seen as common traits of the personal and objective forms of the spiritual being; in the Philosophie der Natur, the very idea of the personal form of the spirit disappears and the maintenance of the personal identity is strictly bound to the issue of the stability of the organic processes.³⁶ This is made possible by the notions of constancy and consistency, which are developed inside a wide discussion of the different strategies of permanence developed by natural (and, particularly, living) formations. The shift of perspective brought by Philosophie der Natur must absolutely not be understood in a reductionist way, as if it would explicitly aim, or should implicitly lead, to an overall naturalization of the person. It affects only the mode of permanence of the person, and therefore does not diminish in any way the categorial novelty of the person as an agency. Also in Philosophie der Natur, only the person can add the trait of freedom to the ontological context from which it emerges – a context that, in this work, is more the organic being than the spiritual-objective, historical one. He alone can give effective reality  See also Hartmann 1962, 90‒91.  A discussion of the collective forms of the spirit (art, natural language, juridical systems) is, instead, present, and precisely in the section “The forms of preservation of the spiritual being [Die Erhaltungsformen des geistigen Seins]”, that follows the one on the person and is kept clearly separated from it; see Hartmann 1980, 312‒315.

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(Wirklichkeit) to the remote world of the ideal values; finally, he alone is able to act on the real being, including the inner nature of our psychological sphere, in a purposeful and transformative way.³⁷ But the mode of permanence of the self that Hartmann sketches in Philosophie der Natur should not even be read in an idealistic sense, and this for reasons that go well beyond the mere placement of the issue in a treaty of natural ontology. Despite its ontological essentiality, Hartmann’s theory of the self is neither a form of Hegelian or Gentilian idealism, nor a variety of Kant’s transcendental subjectivism. It distinguishes itself from the first position through several elements: the radical individuality, finiteness and transience of the person; the risky, contingent, spontaneous character of the maintenance of the identity; the refusal to reduce to a single root the collective forms of the spirit and the consistency of the self; the unavoidable dependence of the person, with respect to its factual existence, from the lower ontological layers of man’s constitution, and so on. But Hartmann’s position is profoundly different also from Kant’s subjectivism, for the person does not have a noumenal dimension. In Hartmann’s processual view of real being, the person is always in time and in situation, facing the basic problem all entities must face in a non-substantialist ontology: how to last in the flow of becoming, as well as how to secure a relative constancy in the form, boundaries, and identity of the self.

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Bedingungen und Vollzug von Personalität Was wir von Helmuth Plessner, Nicolai Hartmann und Max Scheler über die Frage nach der Person lernen können Abstract: The aim of this text is to discuss the various concepts of Personhood developed by Helmuth Plessner, Nicolai Hartmann and Max Scheler. It is to be shown that many approaches in contemporary analytical philosophy try to offer “conditions” of personhood, which are on one hand philosophical categories (as self-consciousness, a free will etc.), but on the other hand understood as functions which can be observed reliably in everyday-behaviour. In contrast, Plessner, Hartmann and Scheler differ the categorical descriptions of personhood developed in philosophy from empirical behaviour, in which these categories become accessible. Finally, they all have in common not just to clarify philosophically what a Person is, but also to show which concrete phenomena have to be interpreted in terms of a personal sphere. Keywords: Helmuth Plessner, Nicolai Hartmann, Max Scheler, Person, Personhood, Objective Spirit, Phenomenology

Einleitung Obwohl Personalität auch in der europäischen bzw. deutschen Philosophie des 20. Jahrhunderts als philosophisches Thema in seiner Bedeutsamkeit erkannt und entsprechend thematisiert wurde – so finden sich etwa bei Edmund Husserl, Max Scheler, Edith Stein, Nicolai Hartmann, Helmuth Plessner und anderen ausführliche Überlegungen hierzu ‒, ist der philosophische Gegenwartsdiskurs in erster Linie durch die analytische Tradition geprägt. In diesem Aufsatz möchte ich die These vertreten, dass sich die Berücksichtigung dieser Ansätze in der Debatte um den Personbegriff lohnt, und zwar nicht aus Gründen philosophiehistorischer Korrektheit bzw.Vollständigkeit, sondern weil sich hier tatsächlich Einiges lernen lässt. In diesem Sinne werde ich zunächst versuchen, einige Thesen verschiedener analytischer Positionen zusammenzufassen und zu diskutieren (1). Dabei wird die Frage nach dem Verhältnis konstitutiver Bedingungen und empirischer Verhaltensweisen bzw. Funktionen eine besondere Rolle spielen. Zudem werde ich die grundlegendere Frage stellen, inwiefern die analytischen Standard-Konzeptionen https://doi.org/10.1515/9783110615555-009

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überhaupt in der Lage sind, das alltägliche Selbstbild von Personen einzuholen. Anschließend werde ich versuchen, Helmuth Plessners Personbegriff zu erläutern (2). Für Plessner stellt Personalität eine Weise dar, wie sich die Lebendigkeit eines Lebewesens realisieren kann und mit der sowohl eine spezifische Gestelltheit (Gebrochenheit in Außen-, Innen- und Mitwelt) als auch ein spezifischer Vollzug (dessen Struktur durch die anthropologischen Grundgesetze beschrieben wird) einhergeht. Anschließend werde ich Nicolai Hartmanns Person-Konzeption herausarbeiten (3). Dabei wird deutlich werden, dass Hartmann die Mitweltlichkeit von Personen stark macht, indem er Personalität als etwas versteht, das sich nur in Verbindung mit objektivem Geist und objektivierten Erzeugnissen vollziehen kann. Nachfolgend wird eine letzte Möglichkeit vorgestellt, Personalität zu verstehen: die phänomenologische bzw. aktmetaphyische Konzeption Max Schelers (4). Scheler versteht die Person als Struktur von Akten, die sich in konkreten Aktvollzügen des Individuums realisiert. Zuletzt werden die Ergebnisse der Untersuchung in einem Fazit zusammengefasst.

1 Standardkonzeptionen von Personalität – zwischen Philosophie und Empirie Obwohl sich in der Philosophie der Gegenwart eine gewaltige Menge an Arbeiten zur Thematik der Person finden lässt, scheinen doch die meisten Publikationen über wesentliche Gemeinsamkeiten zu verfügen: Im Anschluss an John Locke und Peter Strawson wird die Person als eine Entität verstanden, die sowohl gewisse physische, als auch bestimmte mentale Eigenschaften aufweist (vgl. Locke 1975, 335; Strawson 1959, 87 ff.). Dabei wird die Person je nach Konzeption vom menschlichen Organismus, menschlichen Lebewesen (human being) bzw. menschlichen Körper – also einer Entität mit physischen, aber ohne mentale Eigenschaften – unterschieden. Die Person stellt somit den anspruchsvolleren Begriff dar, denn nicht alle menschlichen Organismen weisen diejenigen mentalen Prädikate auf, die vorhanden sein müssen, um eine Person zu sein. Entsprechend geht es den gängigen Persontheorien für gewöhnlich darum, einen Katalog von Bedingungen für Personalität zu erarbeiten. Bei diesen Bedingungen handelt es sich in der Regel um Vernunft, Selbstbewusstsein, Freiheit, praktische Überlegungsfähigkeit etc. (vgl. Dennett 1976; Kanzian 2009, 229‒259). Das heißt: Eine Person hat mentale Zustände und weiß dabei, dass sie mentale Zustände hat, sagt „ich“ und unterscheidet sich selbst von anderen, kann denken und über eigene Volitionen und Handlungsalternativen nachdenken, Gründe angeben und einfordern sowie Verhalten moralisch bewerten.

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Zwar weisen die verschiedenen analytischen Positionen, die das Problem der Personalität thematisieren, untereinander erhebliche Divergenzen auf, diese Divergenzen betreffen aber in erster Linie besondere Fragestellungen jeweiliger Spezialdiskurse. So wird etwa diskutiert, wie das Verhältnis der mentalen Charakteristika von Personen zu ihrer körperlichen Verfasstheit ontologisch gedacht werden kann und inwiefern beispielsweise ontologische Relationen wie „Emergence“ oder „Constitution“ die Kluft zwischen (physischem) Organismus und (physischer und mentaler) Person schließen könnten (vgl. Baker 2007, 67‒93; Hasker 2001, 171‒235). Andere Ansätze stellen die Frage, ob wir eigentlich ‚grundlegend‘ Personen oder aber menschliche Organismen seien (Olson 1997). Mit Blick auf die für beide Diskurse grundlegende Frage, was Personen sind und welche Charakteristika sie aufweisen, besteht jedoch weitgehende Einigkeit. Michael Quante weist in seinem Person-Buch darauf hin, dass die oben genannten Bedingungen von Personalität als „konstitutive“, nicht nur „epistemische“ Bedingungen verstanden werden müssen (Quante 2007, 18): Werden sie von einem Individuum erfüllt, dann wird dieses Individuum nicht nur als Person wahrgenommen (wie im Falle bloßer „epistemischer Bedingungen“), sondern ist tatsächlich eine Person. Diese Überlegung ist insofern verständlich, als es ja gerade der Anspruch einer Ontologie der Person zu sein scheint, herauszuarbeiten, was eine Person tatsächlich ist, anstatt lediglich anzugeben, unter welchen Bedingungen ein Individuum als Person wahrgenommen wird. Etwas unübersichtlich wird die Lage jedoch, wenn bedacht wird, dass die Frage nach (konstitutiven) Bedingungen in vielen Fällen von der Idee einer Person-„Zuschreibung“ begleitet wird: Ausgehend von der Idee, dass wir uns in der Alltagspraxis als Personen behandeln und verstehen, wird angenommen, dass anderen Individuen der Personstatus zugeschrieben werde (vgl. Quante 2007, 31; Schechtman 2014, 119 ff.). Diese Zuschreibung erfolgt jedoch eben nicht auf der Grundlage epistemischer, sondern konstitutiver Bedingungen. Die Lage stellt sich nun also folgendermaßen dar: Im Alltagsleben finden wir uns von menschlichen Individuen umgeben, die trivialerweise Organismen sind und denen wir darüber hinaus auch den Status einer Person zuschreiben können. Diese Zuschreibung setzt jedoch voraus, dass die Organismen die entsprechenden, oben genannten Bedingungen von Personalität erfüllen. Erfüllen sie diese Bedingungen, dann sind sie Personen, denn die Bedingungen sind konstitutiv, und daher wird ihnen jede andere Person den Personstatus zuschreiben. Auch wenn diese Herangehensweise gewiss nicht unvernünftig klingt, so kommt es doch zu einer wenig erwünschten und mittlerweile häufig thematisierten Folge: Es lassen sich erstens einige Individuen nennen, die wir zwar tendenziell als Personen betrachten würden, die aber die Zuschreibungsbedingungen nicht erfüllen (Kleinkinder, Komapatienten etc.), zweitens lassen sich vielleicht Indivi-

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duen angeben, die zumindest Kandidaten für die Erfüllung der Bedingungen sein könnten, obwohl wir sie nicht als Personen betrachten. Ich halte nun folgende Beobachtung für interessant: Durch den (in vielen Fällen vielleicht etwas leichtfertigen) Bezug auf die Zuschreibungspraxis und das damit verbundene Verständnis von konstitutiven Bedingungen als Zuschreibungsbedingungen wird die zuvor eigentlich kategorisch-prinzipielle Frage danach, was Personen seien, tendenziell auf eine empirische Ebene verlegt. Dies lässt sich an zwei Stellen besonders gut beobachten: Zum einen in den sehr geläufigen Gedankenexperimenten, in denen zwar der hypothetisch-kontrafaktische Charakter der jeweiligen Inhalte betont, dabei aber auch immer die prinzipielle Möglichkeit, empirisch nachprüfen zu können, ob konkrete Individuen Personen seien, vorausgesetzt wird. So nehmen diverse Theoretikerinnen und Theoretiker an, dass sich in Fällen einer hypothetischen Körper-Transplantation und in ähnlichen Szenarien klar angeben ließe, ob das betroffene Individuum noch über mentale Zustände, Selbstbewusstsein, eine Erste-Person-Perspektive etc. verfüge oder nicht (vgl. z. B. Olson 1997, 42‒52; Baker 2000, 141‒146; Schechtman 2014, 166‒168). Zum anderen thematisieren weitere Debatten die konkreten Folgen des Umstands, dass gewissen menschlichen Organismen kein Personenstatus zugeschrieben werden könne – auch diese Diskussion scheint es als gegeben anzunehmen, dass sich der Personstatus eines Individuums tatsächlich empirisch nachprüfen lasse: Die konkrete Frage nach dem Umgang mit menschlichen Lebewesen, die die Bedingungen von Personalität nicht erfüllen, setzt offensichtlich voraus, dass die Überprüfung der entsprechenden Bedingungen auch tatsächlich empirisch möglich ist (vgl. z. B. Singer 1994, 115 ff.; Beauchamp & Childress 2009, 71‒75). Thorsten Jantschek fasst die Lage folgendermaßen zusammen: „[Die] Neubestimmung des Personbegiffs [ist] zurecht als seine Naturalisierung betrachtet worden, denn die Bedeutung dieses moralischen Grundbegriffs wird über empirische, deskriptive Kriterien bestimmt“ (Jantschek 1998, 466; Hervorhebung im Original – MvK). An dieser Stelle sollte vielleicht noch einmal genauer differenziert werden: Wird ein Phänomen wie etwa Selbstbewusstsein philosophisch artikuliert und Individuen zugeordnet, dann sind prinzipiell auch Individuen denkbar, denen es nicht zugeordnet wird – und selbstverständlich lässt sich auch dieser Umstand philosophisch artikulieren. Es scheint mir aber etwas Anderes zu sein, anzunehmen, man könne einzelne Phänomene wie Selbstbewusstsein, Denken, eine Erste-Person-Perspektive etc. tatsächlich auf völlig unstrittige Weise empirisch wahrnehmen und zuschreiben. Vernunft, Selbstbewusstsein etc. sind nun einmal – zumindest so, wie sie in der Philosophie verwendet werden – kategoriale Begriffe, die zwar mit empirisch beobachtbaren Verhaltensweisen zusammenhängen, dabei aber nicht mit ihnen verwechselt werden sollten. Eine Verknüpfung

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von philosophischen Kategorien und empirischen Verhaltensweisen bzw. Funktionen ist zwar möglich, bedarf aber offensichtlich einer Interpretationsleistung sowie einer methodisch reflektierten Durchführung. Natürlich hat die beschriebene Annäherung philosophischer Begrifflichkeiten an empirische Verhaltensweisen einen verständlichen Zweck: eine gänzlich ‚spekulative‘ Bestimmung von praktisch relevanten Begriffen wie Personalität ohne Berücksichtigung empirischer Tatsachen soll vermieden werden. An dieser Stelle wird zuweilen auch angefügt, dass die bioethische Diskussion einen praktisch ‚anwendbaren‘ Personbegriff benötige. Hier ließe sich kritisch nachfragen, ob der Personbegriff – gerade angesichts der dargestellten Schwierigkeiten im Übergang vom philosophisch-kategorialen zum empirischen Gegenstandsbereich – in der konkreten Behandlung bioethischer Fragen im klinischen Alltag wirklich hilfreich sei, oder ob sich die Philosophie hier nicht unnötigerweise selbst zur Klinikerin erklärt. Eine zweite, ebenfalls grundlegende Beobachtung scheint mir folgende zu sein: Einerseits wird im Rahmen etlicher analytischer Konzeptionen von Personalität darauf hingewiesen, dass der Begriff der Person unser alltägliches Selbstverständnis artikuliere (vgl. z. B. Baker 2007, 3 ff.; Schechtman 2014, 1 ff.). Personen führen ihr Leben, treffen Entscheidungen, verlieben sich, denken über sich und ihre Lebensführung nach und fragen nach der Zukunft. Philosophisch herausgearbeitet werden in der Regel jedoch lediglich die bereits angeführten Bedingungen der Personalität. Die als Bedingungen verstandenen Funktionen fangen aber offenkundig nicht das Spektrum unserer Lebensvollzüge ein, werden dem eigentlich zu explizierenden Gegenstand „Person“ also nur annähernd gerecht. Zwar könne hier eingeräumt werden, eine befriedigende Beschreibung und Analyse der Realisierung von Personalität sei ein uferloses Unterfangen, weshalb es angemessen sei, sich auf personale Bedingungen wie Vernunft, Selbstbewusstsein etc. zu beschränken. Diese Bedingungen scheinen mir jedoch auch nur sporadisch auf den Gesamtzusammenhang eines personalen Lebens rückbezogen zu werden. Zusammengefasst erweisen sich viele gängige Persontheorien in zweierlei Hinsicht als problematisch: Erstens wird eine methodisch kaum reflektierte Annäherung bzw. Gleichsetzung der Bedingungen eines (philosophischen) Personbegriffs mit empirischen Funktionen oder Verhaltensweisen vorgenommen. Zweitens arbeiten diese Persontheorien zwar Bedingungen für Personalität heraus, kommen aber ihrem eigenen Anliegen, unser alltägliches Selbstverständnis zu artikulieren, nur unzureichend nach, da die angegebenen Bedingungen nicht auf das alltägliche Selbsterleben zurückbezogen werden. Kurz gesagt: Es fehlen Beschreibungen dessen, was es nun eigentlich qualitativ heißt, eine Person zu sein.

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2 Personalität in der Philosophischen Anthropologie Helmuth Plessners Im Zuge der intensiven Plessner-Forschung der letzten Jahre ist in jüngerer Vergangenheit auch die Verbindung zur Thematik der Person hergestellt worden. So hat vor allem Matthias Wunsch Plessners Philosophische Anthropologie explizit als Theorie der Person interpretiert und mit einigen einschlägigen Persontheorien verglichen (vgl. Wunsch 2013, Wunsch 2014, Wunsch 2016).¹ In vielerlei Hinsicht werde ich an diese Überlegungen anschließen, dabei aber versuchen, Plessners Philosophie der Person nicht nur als Philosophie personaler Strukturen, sondern zusätzlich als Philosophie personalen Vollzugs zu verstehen. Auch wenn der Begriff der Person in den Werken Helmuth Plessners nicht ständig verwendet wird, so scheint er doch im Kontext der Philosophischen Anthropologie von nicht zu unterschätzender Bedeutung zu sein: In Die Stufen des Organischen bezeichnet Plessner die „Lehre von den Wesensgesetzen der (psychophysisch neutralen) Person“ als „zentrale[n] Teil“ einer Philosophischen Anthropologie (Plessner 1975, 28). Dass der Personbegriff einen Grundbegriff seiner Philosophischen Anthropologie darstellt, zeigt auch eine häufig zitierte Stelle aus dem weiteren Verlauf des Buches. Hier schreibt Plessner: Positional liegt ein Dreifaches vor: das Lebendige ist Körper, im Körper (als Innenleben oder Seele) und außer dem Körper als Blickpunkt, von dem aus es beides ist. Ein Individuum, welches positional derart dreifach charakterisiert ist, heißt Person [Hervorhebung im Original – MvK]. Es ist das Subjekt seines Erlebens, seiner Wahrnehmungen und seiner Aktionen, seiner Initiative. Es weiß und es will. Seine Existenz ist wahrhaft auf Nichts gestellt (ebd., 293).

Schon aufgrund der etwas schwierigen und enorm verdichteten Formulierungen scheint diese Stelle einiger Interpretation zu bedürfen. Zunächst halte ich es für sinnvoll, zu bedenken, dass der zitierte Absatz den Abschnitt über „Die Positionalität der exzentrischen Form“ abschließt, und somit im Kontext der ersten Überlegungen zur „Exzentrischen Positionalität“ gelesen werden muss. Ohne allzu intensiv in die vorhergehende naturphilosophische Diskussion einsteigen zu wollen, kann es nicht schaden, sich daran zu erinnern, was „Positionalität“ eigentlich bedeutet: die Gestelltheit eines Lebewesens und die damit zusammen-

 Auch Volker Schürmann hat sich in diese Debatte eingeschaltet: Vgl. Schürmann 2017.

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hängende Realisierung eigener Lebendigkeit (vgl. ebd. 129 f.).² Für Plessner zeichnet sich ein Individuum auf der Ebene exzentrischer Positionalität durch Gebrochenheit aus: Das Individuum ist zum einen zentrisch, d. h. es realisiert sich als Körper und Zentrum leiblichen Erlebens (Vgl. ebd., 288 f.). Zum anderen ist es ex-zentrisch, d. h. es nimmt zu der eigenen zentrischen Realisierung einen Standpunkt ein, als sei es ein „Fluchtpunkt“ außerhalb seiner selbst bzw. „hinter sich“ (ebd., 290). Diese Realisierung wie von einem Fluchtpunkt aus ermöglicht es, Distanz zum eigenen Körper, dem eigenen (seelischen) Innenleben und überhaupt zu sämtlichen Lebensvollzügen einnehmen zu können. Entscheidend ist dabei die Einsicht, dass sich das exzentrisch-positionale Lebewesen zugleich zentrisch und ex-zentrisch realisiert, denn seine Gebrochenheit besteht gerade darin, in seinen Lebensvollzügen das ständige Hin-undHer zwischen beiden Polen vermitteln zu müssen (vgl. ebd., 292).³ Charakteristisch für die exzentrische Position ist also nicht bloße Distanz, sondern die Dopplung von Distanz und gleichzeitigem Angesprochensein durch das Hier und Jetzt. Genau diese Situation ist es, die Plessner im oben stehenden Zitat beschreibt und der Person zuschreibt. Er versteht Personalität also nicht anhand einzelner Fähigkeiten oder Funktionen (Selbstbewusstsein etc.), sondern anhand einer spezifischen Realisierung der eigenen Lebendigkeit (die exzentrische Position und die damit einhergehende Gebrochenheit). Wie sind einem solchen Lebewesen nun die Umwelt, der eigene Körper und das eigene Erleben gegeben? Die positional dreifach charakterisierte und dabei auch noch gebrochene Gestelltheit der Person bringt gemäß Plessner die Unterscheidung dreier Welten bei gleichzeitiger Gebrochenheit mit sich: Sie steht in einer „Außenwelt“, in der der eigene Leib zum gegenständlichen Körper objektiviert wird und in der an den lebendigen Vollzug gebundene Dinge zugleich undifferenzierte Gegenstände sind (ebd., 293‒295), ferner ist ihr das eigene seelische Innenleben – die „Innenwelt“ – sowohl als „Seele“ (d. h. als geformter Charakter) als auch als unbestimmtes „Erlebnis“ gegeben (ebd., 295‒300). Zuletzt erlebt sich das Individuum in der „Mitwelt“ zugleich in seiner Unersetzbarkeit als „individuelles Ich“ und als austauschbares „allgemeines Ich“, das eines von vielen ist (ebd., 300‒303). Dabei ist der Status der Mitwelt ein besonderer: Plessner bezeichnet die Teilhabe an ihr als Voraussetzung für die Ausbildung der anderen Welten (ebd., 302, 304 f.).⁴  Für eine ausführliche Interpretation der einschlägigen Stufen-Kapitel siehe die verschiedenen Beiträge in Krüger (Hg.) 2017.  Hans-Peter Krüger hat in diesem Zusammenhang die dynamischen Begriffe der „Exzentrierung“ und „Rezentrierung“ geprägt. Vgl. Krüger 2017a.  Vgl. hierzu Lindemann 2011, 596‒598.

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Inwiefern sind all diese Überlegungen nun gehaltvoll mit Blick auf die Diskussion um den Begriff der Person? Besonders wichtig erscheint mir zunächst das Verhältnis von Positionalität und Personalität: Wie oben herausgearbeitet, versteht Plessner unter Personalität eine bestimmte Weise positionaler Gestelltheit im Sinne einer dreifachen Realisierungsweise eigener Lebendigkeit (als Körper, im Körper, außer dem Körper). Matthias Wunsch bezeichnet Personalität in der Lesart Plessners daher als „Lebensform“ (Wunsch 2016, 237).⁵ Plessners Überlegung scheint mir nicht folgenlos für das generelle Verhältnis zur Empirie zu sein: In konkreten, empirisch beobachtbaren Verhaltensweisen zeigt sich die Positionalität, sie ist aber nicht mit ihnen identisch. Personalität als Spezialfall von Positionalität, in dem sich die Lebendigkeit als Körper, im Körper und außer dem Körper realisiert, ist eben kein empirisches Faktum, das sich nachprüfen und auf dieser Basis zuschreiben ließe, sondern eine naturphilosophische bzw. anthropologische Kategorie, die unter Rückgriff auf eine Interpretation empirischen Verhaltens plausibilisiert wird.⁶ Das heißt umgekehrt, dass eine konkrete, empirisch beobachtbare Eigenschaft keinesfalls den Status einer konstitutiven Bedingung für Personalität haben kann, sondern bestenfalls einen symptomatischen bzw. indikatorischen Charakter.⁷ Auch die Mitwelt scheint mit Blick auf das Problem der Personalität von zentraler Bedeutung zu sein: Wie bereits angemerkt, versteht Plessner die Mitwelt als Voraussetzung für die Bildung einer Außen- und Innenwelt. Das bedeutet, dass reflexive Selbstverhältnisse – auch wenn sie positional (statt empirisch) begriffen werden – sich nur in einem mitweltlichen Gefüge realisieren können. Dass für Plessner Mitwelt und Person nicht ohne einander zu haben sind, zeigt sich auch an seiner These, dass sich in der Mitwelt die Individuen als Personen gegenüber treten, sodass Personen die „Elemente“ der Mitwelt – oder „Geist“ bzw. „Wirsphäre“, wie sie auch genannt wird – bilden (Plessner 1975, 302 f.). Diese Überlegung unterscheidet sich wesentlich von der oben beschriebenen Zuschreibungspraxis, wie sie sich in der analytischen Diskussion findet: Während dort die Erfüllung einschlägiger Bedingungen der Person-Zuschreibung vorausgeht, behauptet Plessner, dass wir mitweltlich strukturierten Individuen immer schon als

 Zusätzlich macht Wunsch Personalität als „Prinzip der Ansprechbarkeit“ stark. Vgl. Wunsch 2016, 238‒241.  Vgl. dazu Beaufort 2017, 80‒83.  Mit Blick auf die üblicherweise als Bedingungen für Personalität angefügten Funktionen würde Plessner zudem fragen, welche der angegebenen Charakteristika überhaupt empirisch seien, und welche hingegen auf der Ebene positionalen Vollzugs beschrieben werden müssten.

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Person begegnen (diese Überlegung wird auch im nächsten Abschnitt noch einmal aufgegriffen und erörtert).⁸ Zusätzlich zur Frage nach der (positionalen) Gestelltheit eines Lebewesens lässt sich gemäß Plessner auch fragen, wie die Lebensvollzüge beschaffen sein müssen, in denen sich dieses Lebewesen realisiert. Diese Frage stellt er sich auch bezogen auf die exzentrische Positionalität, wenn es heißt: „Wie wird der Mensch dieser seiner Lebenssituation gerecht? Wie führt er die exzentrische Position durch? Welche Grundmerkmale muß seine Existenz annehmen, die er als Lebewesen besitzt?“ (ebd., 309). Als solche „Grundmerkmale“ werden in den Stufen „vermittelte Unmittelbarkeit“, „natürliche Künstlichkeit“ und die Realisierung eines „utopischen Standorts“ zwischen „Nichtigkeit“ und „Transzendenz“ angeführt, d. h. es geht hier zunächst um strukturelle Merkmale bzw. Gesetzmäßigkeiten personaler Lebensvollzüge, nicht um konkrete inhaltliche Bestimmungen (ebd., 309‒346). Was es darüber hinaus inhaltlich bedeutet, ein personales Leben zu führen – im Sinne der Beschreibung konkreter personaler Phänomene – wird in verschiedenen Werken Plessners entwickelt, wenn auch ohne expliziten Bezug auf die Frage nach Personalität. In diesem Sinne könnten etwa die Werke Lachen und Weinen, Grenzen der Gemeinschaft und weitere Texte als Konkretisierungen dessen, was es heißt, ein personales Leben zu leben, verstanden werden: Für Plessner scheinen Lachen und Weinen unter anderem darum interessant zu sein, weil es sich hier um besondere personale Vollzüge handelt, in denen die Person als Person sinnvoll Situationen beantwortet, ohne dass diese Weise des Antwortens ohne Weiteres auf den Nenner ‚Rationalität‘ zu bringen wäre (vgl. Plessner 1982, 359‒384). Ebenso bedeutet der Vollzug von Personalität, die eigene Würde zu realisieren bzw. zu erhalten und in der Einnahme sozialer Rollen zwischen sich-Zeigen und sich-Verhüllen in Gesellschaft und Gemeinschaft vermitteln zu müssen (vgl. Plessner 1981, 58‒112). Mit Blick auf das Thema Personalität wird in all diesen Texten eben jene Frage thematisiert, die in der analytischen Debatte etwas zu kurz kommt: Was heißt es, als Person zu leben? Vor allem Hans-Peter Krüger scheint dieser Frage in seiner Lesart einer Philosophischen Anthropologie personalen Lebens, die neben Ermöglichungsbedingungen konkrete Phänomene wie Leidenschaften, Süchte, Rollenspiel, Lachen und Weinen berücksichtigt, nachgegangen zu sein (vgl. Krüger 1999; Krüger 2017b). Zusammenfassend lässt sich Helmuth Plessners Philosophische Anthropologie mit Blick auf die Frage nach Personalität folgendermaßen auswerten: Bei Personalität handelt es sich ihm zufolge nicht um ein Bündel von Bedingungen

 Diese Überlegung unterstreicht auch Volker Schürmann. Vgl. Schürmann 2017, 128‒133. Für die Frage nach dem Verhältnis von Mitweltlichkeit und personaler Lebensform vgl.Wunsch 2016, 247‒249.

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(Quante) im Sinne zuschreibbarer Eigenschaften, sondern um eine spezifische Weise positionalen Vollzugs, die nicht empirisch beobachtbar ist. Wesentlicher Aspekt dieses Vollzugs ist auch die Selbst-Realisierung des Lebewesens in einer Mitwelt, in der sich konkrete personale ‚Fähigkeiten‘ erst bilden und vollziehen. Zuletzt muss eine Theorie der Person auch Durchführungsebene von Personalität und damit verbundene konkrete Phänomene berücksichtigen.

3 Personalität in der Neuen Ontologie Nicolai Hartmanns Auch Nicolai Hartmann entwickelt in seinem Gesamtwerk eine umfangreiche Philosophie der Person: Bereits in seiner Ethik weist er auf den ontologischaxiologischen Doppelcharakter (also die Dopplung von spezifischer Seinsweise und einer besonderen normativ-moralischen Dimension) von Personen hin (Hartmann 1949, 227‒249).⁹ Die Frage nach der ontologischen Beschaffenheit von Personen und ihren Akten wird anschließend in seinem Buch Das Problem des geistigen Seins ausführlich entwickelt und einige Aspekte dieser Theorie in einem Kapitel der Grundlegung der Ontologie wiederholt bzw. vertieft. Um Hartmanns Konzeption von Personalität zu verstehen, erscheint es mir zunächst sinnvoll, einige zentrale Thesen seiner Schichten-Ontologie darzustellen: Hartmann vertritt die Auffassung, dass sich das reale Sein durch eine Schichtung auszeichne, die in der Geschichte der Philosophie immer wieder unter verschiedenen Begriffen – etwa der Unterscheidung von Natur und Geist – auftauchte (vgl. Hartmann 1964, 173‒181). Da seine Ontologie keine „alte“ Ontologie im Sinne eines Systembaus sein will, setzt er voraus, dass eine Schichtung (ebenso wie jede andere ontologische Differenzierung) „in einschlägigen Phänomengruppen eindeutig greifbar“ sein müsse (ebd., 173). Von besonderer Bedeutung für eine solche Differenzierung sind Eigengesetzlichkeiten: Treten bestimmte Phänomene auf, die in den Gesetzmäßigkeiten und kategorialen Bestimmungen einer Schicht nicht mehr beschreibbar sind, so könnte dies nahelegen, dass sie auf einer höheren Schicht verortet werden müssen. Hartmann unterscheidet auf diesem Wege vier Schichten: das physische, das organische, das seelische sowie das geistige Sein, wobei sich die höheren Schichten gegenüber den niederen Schichten durch gleichzeitiges „Getragensein“ (ohne die niederen Schichten kann sich kein Sein auf einer höheren Schicht realisieren) und „Autonomie“ (d. h. Eigengesetzlichkeiten und Phänomene, die nicht auf niedere  Vgl. hierzu Cicovacki 2014, 125‒152.

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Schichten reduziert werden können) auszeichnen (ebd., 179‒183; Hartmann 1962, 66). Bei den ontologischen Verhältnissen zweier Schichten differenziert Hartmann schließlich zwischen „Überformung“ – d. h. einer Neuorganisation, die die niedere Schicht in sich „enthält“ – und „Überbauung“, womit das Auftauchen gänzlich neuer Gegebenheitsweisen gemeint ist (vgl. Hartmann 1962, 67).¹⁰ Hartmann vertritt die These, das Verhältnis von geistigem und seelischem Sein sei als Überbauungsverhältnis zu verstehen, da sich geistiges Sein eben nicht nur durch eine besondere Form des Bewusstseins (als Aspekt des personalen Geistes) beschreiben lasse, sondern auch Entitäten wie etwa Sprachen, Weltanschauungen, Wissenschaften etc. (objektiver Geist) sowie Kulturgegenstände wie Bücher, Kunstwerke usw. (objektivierter Geist) umfasse – also Entitäten, deren Gegebenheit und Sein gerade nicht nur anhand Bewusstsein und Subjektivität verständlich sei (ebd., 69‒71). Hartmann verortet Personalität auf der Ebene geistigen Seins, damit lassen sich aus den bisherigen Darstellungen bereits einige Schlussfolgerungen ziehen: Zuerst einmal enthalten Personen in gewisser Weise alle Seinsschichten in sich, diese werden aber geistig „überbaut“. Das bedeutet, dass die organischen Prozesse und Bewusstseinsfunktionen von Personen innerhalb eines geistig-strukturierten Rahmens ablaufen und in diesem Rahmen interpretiert werden müssen, auch wenn sie nicht selbst geistig sind.¹¹ Damit wendet sich Hartmann implizit gegen drei Alternativen: Weder wird die Person anhand einer gänzlich von der Natur gelösten Geistsubstanz verstanden (dagegen spricht das Moment des Getragenseins) oder auf einen rein organisches oder seelisches Individuum reduziert (dagegen spricht das Moment der Autonomie höherer Schichten), noch werden geistige Akte als etwas begriffen, das einfach auf Organismen mit Bewusstsein ‚draufgesetzt‘ werden könne, ohne dass sich dadurch die eigene organische und psychische Realisierung ändere. Auch wenn damit die Stellung des Geistigen im realen Sein zumindest grob umrissen ist, ist damit noch nicht beantwortet, in welchen Phänomenen Personalität „eindeutig greifbar“ werden soll. Hartmann weist zwar darauf hin, dass Personalität auch Phänomene wie etwa Selbstbewusstsein, Distanz etc. enthalte,

 So „überformt“ organisches Sein das physische Sein, denn organische Prozesse verfügen zwar über eigene Gesetzlichkeiten wie z. B. Vererbung, Verhältnis Individuum‒Gattung etc., in ihnen sind aber auch noch die ‚grundlegenderen‘ Kategorien physischen Seins wie Räumlichkeit und Zeitlichkeit greifbar. Im Gegensatz dazu „überbaut“ seelisches Sein das organische Sein: Zwar kann es Bewusstsein nur geben, wo es organische Prozesse gibt, aber die Funktionen des Bewusstseins sind auf gänzlich andere Weise gegeben. Vgl. Hartmann 1962, 66‒71.  Matthias Wunsch bezeichnet Persontheorien dieser Art als „Durchdringungsmodelle“: Wunsch 2013, 240 f., 250‒255. Vgl. auch Wunsch 2012, 162‒167.

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die er im Anschluss an Plessner unter dem Titel „Exzentrizität“ zusammenfasst (ebd., 110‒124). Als entscheidenden Aspekt hebt er jedoch hervor, dass personale Akte – im Gegensatz zu Bewusstseinsfunktionen – erst unter Einbeziehung anderer personaler Individuen und zwischen ihnen befindlicher Vermittlungsinstanzen verständlich seien. Diese These bringt er in Formulierungen wie „Der Geist aber verbindet, das Bewußtsein isoliert“ (ebd., 71) auf den Punkt.¹² Worin könnte sich nun aber dieses ‚Verbindende‘ zeigen? Zum einen zeichnen sich etwa die geäußerten Gedanken, Meinungen etc. einer Person dadurch aus, dass das Individuum sie eben nicht ‚für sich‘ hat, sondern dass sich andere Personen mit ihnen auseinander setzen, sie teilen oder verwerfen. Die Inhalte sind also „ablösbar“ und führen ein Eigenleben ‚zwischen‘ den Personen (vgl. ebd., 179‒181). Dies gilt allgemeiner gefasst auch für alles, was die Person tut und wie sie mit anderen Personen oder Situationen umgeht: Handlungen und Haltungen vollzieht ein Individuum eben nicht isoliert, sondern sie betreffen und berühren andere Personen, etwa indem sie Gegenstand von Bewunderung, Akzeptanz, Missbilligung, Kritik usw. werden. Personen zeichnen sich somit gemäß Hartmann durch „Expansivität“ aus (ebd., 140 f.), wobei sich diese Expansivität (wie die gerade genannten Beispiele andeuten) in besonderem Maße in emotionalen Akten realisiert, die über den „Lebenskreis“ einer Person „hinausgreifen“ und deshalb „emotional-transzendente Akte“ genannt werden (ebd., 141‒143; Hartmann 1965, 163‒193). Zusätzlich zu diesem Betreffen und Berühren anderer Personen verweisen personale Lebensvollzüge ebenfalls auf Strukturen, die zwar selbst unpersönlich sind, aber von Personen vorausgesetzt und geteilt werden – etwa Sprache, geltende Moralvorstellungen, Sitten, Wissenschaft, Weltanschauungen, Kunstgeschmack etc. Diese Strukturen bezeichnet Hartmann als „objektiven Geist“, der die personalen Individuen trägt und von ihnen getragen wird (ebd., 212‒256). Der objektive Geist steht als Sphäre ‚zwischen‘ den Individuen, indem er ihre Vollzüge und Akte vermittelt: So bewerten Personen beispielsweise die Handlungen anderer nicht aus dem luftleeren Raum heraus, sondern auf der Basis geteilter oder abgelehnter Moralvorstellungen und Sitten, während etwa die Ablösung ausgesprochener Gedanken an die Sprache gebunden ist.¹³ Dass die verschiedenen

 Es ist auffällig, dass die Idee des Verhältnisses von personalem und objektivem Geist im sonst sehr instruktiven Buch Cicovackis fast komplett fehlt. Ursächlich hierfür scheint mir zu sein, dass Cicovacki sich fast ausschließlich auf Textstellen aus Hartmanns Ethik bezieht. Vgl. Cicovacki 2014.  Mit anderen Worten: Nur dadurch, dass es eine Vermittlung durch objektiven Geist gibt, wird ein unmittelbares Betroffensein durch Meinungen, Handlungen etc. ermöglicht. Die Beziehungen zwischen Personen sind also „vermittelt unmittelbar“. Siehe dazu Plessner 1975, 325‒327.

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Bereiche objektiven Geistes selbst reales Sein darstellen, wird gemäß Hartmann vor allem dann deutlich, wenn das Individuum eine Moralvorstellung, eine Fachsprache oder auch einen Kunstgeschmack gerade nicht teilt, da sie in diesem Fall als Widerstand erlebt werden (vgl. ebd., 272‒280). An dieser Stelle zeigt sich auch die Gegenseitigkeit des Verhältnisses von Person und objektivem Geist: Zwar ist der objektive Geist immer schon ‚vor‘ der einzelnen Person da und trägt sie, er kann sich dabei aber nicht selbst erhalten, sondern nur bestehen, indem er von den Personen getragen, d. h. „tradiert“ wird (ebd., 251‒256). Hartmann fasst seine Interpretation des Verhältnisses von Person und objektivem Geist sehr eingängig zusammen, wenn er darauf hinweist, dass Personen ein „isoliertes reales Dasein außerhalb der geteilten Lebenssphäre also gar nicht haben“ (ebd., 69). Genauer gesagt: Personalität zeichnet sich dadurch aus, dass ihre entscheidenden philosophischen Bestimmungen „Relationscharakter“ aufweisen (ebd., 175), also den Rückgriff auf etwas außerhalb der Person (andere Personen, überpersönliche Strukturen etc.) erfordern.¹⁴ Neben Exzentrizität und der geteilten Lebenssphäre im objektiven Geist betont Hartmann jedoch noch einen weiteren Aspekt mit Blick auf Personalität: Die Person steht immer in einer „Aktualität“, in der sie „angesprochen“ wird (ebd., 124). Dieser Punkt wurde schon mit Blick auf die Expansivität der Person angeschnitten, soll nun aber noch einmal genauer ausgeführt werden: Person zu sein, bedeutet, in einem besonderen „Lebenszusammenhang“ zu stehen – nämlich in einem ständigen Strom von Ereignissen und Situationen – und sich darin behaupten zu müssen (ebd., 124 ff.). Die Bandbreite des Betroffenseins im Lebenszusammenhang ist dabei denkbar weit: Uns Personen betreffen nicht nur die Handlungen und Meinungen anderer, sondern auch eigene und fremde Gefühle, die Folgen eigener Handlungen, verschiedene Gebilde objektiven Geistes (besonders wenn es zur direkten Auseinandersetzung kommt, z. B. mit einer fremden Sprache oder fremden Sitten), Kulturerzeugnisse wie Bücher, Kunstwerke, Erinnerungsstücke usw., aber auch geschichtliche Ereignisse wie Wirtschaftskrisen, Kriege und vieles mehr.¹⁵ Zu betonen ist dabei, dass Betroffensein kein distanziertes Wahrnehmen oder Beobachten meint, der Lebenszusammenhang von Personen also primär als praktischer verstanden wird. Erst innerhalb dieses

 Vgl. hierzu Da Re 2001, 319‒321.  Hartmanns These, dass Handlungen einer Person nach der Entscheidung für eine Handlungsalternative (sei sie nun durch Gründe gerechtfertigt oder nicht) und dem anschließenden Vollzug gerade nicht ‚erledigt‘ seien, sondern dass es immer unerwartete Handlungsfolgen und Reaktionen gebe, die die Person „rückbetreffen“, stellt meines Erachtens eine überraschende Übereinstimmung mit dem amerikanischen Pragmatismus John Deweys dar.

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praktischen Lebenszusammenhangs und aus einer Vielzahl an Situationen heraus vollzieht die Person Denk- und Willensakte. Wie können diese Überlegungen nun mit Blick auf die zu verfolgende Frage nach Personalität auf den Punkt gebracht werden? Zunächst einmal würde auch Hartmann einräumen, dass Personen für gewöhnlich Selbstbewusstsein, einen freien Willen und all die Fähigkeiten aufweisen, die auch in den genannten analytischen Texten herausgearbeitet wurden. Er würde jedoch dreierlei hinzufügen: Erstens werden die angeführten kognitiven Akte von Personen in einem (geistigen) Lebenszusammenhang vollzogen. Im Gegensatz zu Plessner, der Personalität als eine Möglichkeit der Realisierung von Lebendigkeit im Lebendigen verortet, begreift er jedoch den Lebenszusammenhang als einen geistig „überbauten“. Zweitens zeichnen sich Personen auch durch eine besondere Weise des Betroffenseins aus, deren Beschreibung essentieller Teil einer Philosophie der Person ist. Damit würde er – ähnlich wie Plessner – dafür plädieren, Personalität nicht nur anhand bestimmter Eigenschaften zu verstehen, sondern zugleich nach der Durchführung von Personalität zu fragen. Drittens (und dies scheint mir der wichtigste Punkt zu sein) versteht Hartmann die Person als Individuum, das im Gegensatz zu anderen Typen von Individuen (Organismus, Bewusstsein) nur unter Einbeziehung eines Verhältnisses zu anderen Personen sowie etwas Außer- bzw. Überpersönlichem – dem objektiven Geist – verstanden werden kann. Wie oben bereits dargestellt, handelt es sich hierbei um das grundlegendste Moment von Personalität.¹⁶ In der Terminologie der gegenwärtigen Debatte wäre damit die Teilhabe am objektiven Geist für Hartmann am ehesten Kandidat für eine ‚konstitutive Bedingung‘ für Personalität.¹⁷ Zu beachten ist dabei jedoch, dass es Hartmann (ebenso wie Plessner) weniger um die Zuordnung konkreter empirischer Verhaltensweisen geht, denn Person und Personalität sind (wie eingangs erwähnt) ontologische und axiologische Begriffe.

 Auch in diesem Punkt ähnelt Hartmanns Position derjenigen Plessners, erscheint mir aber etwas deutlicher, da die Beschreibung des objektiven Geistes einen erheblich größeren Raum einnimmt als Plessners Überlegungen zur Mitwelt.  Walter Jaeschke erkennt zwar völlig richtig den auf objektiven Geist bezogenen Charakter der Person an, scheint mir Hartmann aber so zu verstehen dass die Teilhabe am objektiven Geist letztlich „Objektion“ und moralische Verantwortung voraussetze (vgl. Jaeschke 2012, 248‒250). Damit steht seine Interpretation konträr zu meiner, die die Teilhabe am objektiven Geist als grundlegend versteht.

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Gleichwohl könnte Hartmann gefragt werden, ob sich nicht etwas darüber sagen ließe, was es heißt, am Geist teilzuhaben und ob dies wirklich auf alle menschlichen Individuen zutreffe. Dazu würde er vielleicht Folgendes zu bedenken geben: Das grundlegende Verhältnis von Person und objektivem Geist ist das gegenseitige Tragen und Getragensein. Zu beachten ist hierbei, dass Tragen und Getragensein dabei in keinem ausgeglichenen Verhältnis im Sinne eines quid pro quo stehen: Bereits in der üblichen personalen Biografie steht das Individuum während der Phase des „Hineinwachsens“ zunächst vor allem in einem Verhältnis des Getragenseins. Dieses Getragensein ist jedoch eines, das gleichzeitig das spätere Mittragen des objektiven Geistes antizipiert (d. h. ein pädagogisches – vgl. ebd., 251‒256). Ebenso ist es möglich, dass Personen in der Endphase ihres Lebens den objektiven Geist in geringerem Maße mittragen, aber nichtsdestoweniger von ihm getragen werden. Die Metapher Wachstum – Reife – Niedergang sollte dabei nicht überstrapaziert werden: Gemäß Hartmann zeichnen sich auch die ‚reifen‘ Individuen durch ein unausgeglichenes Verhältnis zum objektiven Geist aus, denn keine einzelne Person (nicht einmal das Genie, das neue Denkweisen oder Kunstformen eröffnet) kann eine ganze Wissenschaft oder Sprache erschöpfend in sich enthalten. Person sein bedeutet in diesem Sinne, trotz einer gewissen Eigenständigkeit das Lernen vom objektiven Geist niemals zu beenden, in diesem Sinne ist eine Person also niemals ‚fertig‘ oder ‚ausgewachsen‘. Schon im vorherigen Abschnitt wurde Personalität als etwas verstanden, das zwar nicht auf konkrete empirische Funktionen reduzierbar ist, sich aber vielleicht in ihnen zeigt. Auch mit Hartmann könnte gefragt werden, worin sich die Teilhabe am objektiven Geist zeigen könnte. Eine Antwort könnte darin bestehen, dass die Person bereits vor der Geburt einen Namen und einen Platz in der Generationenfolge erhält, zudem schon wenig später angesprochen wird als jemand, der sich in einen geteilten, geistigen Lebenszusammenhang einlebt. Auch der Umstand, dass ein Individuum über eine Lebensgeschichte verfügt, könnte zeigen, dass es den objektiven Geist mitgetragen hat und von ihm getragen wird.

4 Personalität in der Phänomenologie Max Schelers Zum Abschluss soll nun noch eine Position angeführt werden, die die Person in einer ganz anderen Weise bestimmt: die Phänomenologie Max Schelers. In seinem Formalismusbuch entwickelt Scheler wesentliche Aspekte seiner Theorie der Person in zwei Kapiteln, wobei ersteres mit „Zur theoretischen Auffassung der Person überhaupt“ und letzteres mit „Die Person in ethischen Zu-

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sammenhängen“ betitelt ist. Bei der Lektüre beider Kapitel fällt auf, dass die jeweiligen Überlegungen schwer miteinander vereinbar zu sein scheinen: Im Kapitel zur „Person in ethischen Zusammenhängen“ vertritt Scheler die Auffassung, Personalität charakterisiere nicht den Menschen „qua Mensch“, sondern erst eine „bestimmte Stufe menschlicher Existenz“ (Scheler 1927, 495 f.). Diese Stufe menschlicher Existenz zeichne sich üblicherweise durch eine Reihe von Fähigkeiten aus: Die Person weist erstens „Vollsinnigkeit“ auf, d. h. ihre Akte sind „zu verstehen“ im Sinne eines möglichen Nachvollzugs (ebd., 496). Zudem ist sie zweitens „mündig“, worunter die Einsicht in die Trennung von eigenen und fremden Akten verstanden wird (ebd., 498 f.). Ein gutes (Gegen)Beispiel hierfür könnten kleine Kinder darstellen, die Meinungen der Eltern ganz selbstverständlich ‚nachplappern‘, weil sie das Mit- und Nachurteilen (noch) nicht als losgelöst vom Miteinander-Sein mit den Eltern erleben. Anstatt den fremden Akt als fremden Akt mit- und nachzuvollziehen, lassen sich unmündige Individuen anstecken. Drittens steht die Person zu ihrem Leib in einem Verhältnis der „Herrschaft“, womit gemeint ist, dass der eigene Leib als „zu sich gehörig“ erlebt wird (ebd., 499; Hervorhebung im Original gesperrt – MvK). Ihre eigene „Leibeinheit“ ist der Person zwar nicht als Ding, wohl aber als gegenständlich gegeben, womit auch die Idee des Willens verknüpft ist (ebd., 499). All diese Überlegungen scheinen sehr in Richtung der Person-Auffassung zu gehen, wie sie im ersten Abschnitt – wenn auch in einer anderen Terminologie – dargestellt wurden: Sofern ein menschliches Individuum vollsinnig und mündig ist sowie ihre eigene Leiblichkeit vergegenständlichen könnte, wäre es demnach eine Person. Diese Interpretation wäre jedoch voreilig, denn sie berücksichtigt noch nicht das bereits erwähnte weitere Kapitel über Personalität in Schelers Formalismusbuch. Welches Bild ergibt sich nun bei Betrachtung des Kapitels „Zur theoretischen Auffassung der Person überhaupt“? Hier schreibt Scheler, „daß nämlich Person niemals als ein Ding oder eine Substanz gedacht werden darf, die irgendwelche Vermögen oder Kräfte hätte, darunter auch ein ‚Vermögen‘ oder eine ‚Kraft‘ der Vernunft usw.“ (ebd., 385; Hervorhebung im Original gesperrt – MvK). Damit widerspricht Scheler konsequent eben jener Auffassung von Personalität, wie sie zu Beginn dieses Beitrags vorgestellt wurde: Weder ist die Person für ihn eine Entität im Sinne einer Substanz, die bestimmte (physische und mentale) Eigenschaften aufweist, noch besteht Personalität in bestimmten Vermögen oder Kräften. Darüber hinaus kann eine Person nicht vergegenständlicht werden, ist also nicht als Gegenstand in einer Erkenntnisrelation gegeben (vgl. ebd., 402). Stattdessen bestimmt Scheler die Person als „die konkrete, selbst wesenhafte Seinseinheit von Akten verschiedenartigen Wesens“ (ebd., 397 f.; Hervorhebung im

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Original gesperrt – MvK) bzw. an anderer Stelle als „konkrete Einheit aller nur möglichen Akte“, die nur „im Vollzug ihrer Akte“ existiert (ebd., 24).¹⁸ Was bedeutet nun diese Beschreibung? Zuerst einmal fällt auf, dass die Person nicht als ein Subjekt betrachtet wird, das Akte auf eine bestimmte (nämlich einheitliche) Weise vollzieht, sondern als Einheit der Akte selbst. Diese Überlegung erscheint zunächst insofern wenig eingängig, als eingewandt werden könnte, die Person als ‚Vollzieher‘ sei ontologisch von dem faktischen Aktvollzug getrennt, indem sie unabhängig von ihm bestehe. Eben das bestreitet Scheler: Die Person als Akteinheit wird erst im Vollzug realisiert, sodass es keine Person (weder im Sinne einer Akteinheit noch im Sinne einer Aktvollziehers) ‚vor‘ dem Aktvollzug geben kann. Dies scheint mir die Bezeichnung „konkret“ zu betonen, die ja gerade die Möglichkeit einer vom Vollzug losgelösten Einheit ausschließt. Mit Blick auf Schelers Überlegungen stellt sich jedoch eine weitere, wichtige Frage: Wenn die Person eine Akteinheit darstellt, wie kann dann ihre Individualität verstanden werden? Schließlich nimmt Scheler für seine Theorie in Anspruch, erklären zu können, warum die Person einmalig und unvertretbar sei, während er der oben erwähnten Auffassung von Person als X mit bestimmten Vermögen bzw. Kräften (Vernunft) vorwirft, auf die Frage nach der Unvertretbarkeit von Personen keine Antwort zu bieten (vgl. ebd., 384 f.). Dabei mag es vielleicht nicht ganz einleuchten, warum gerade der Bezug auf die Akteinheit einen Zugang zur Unvertretbarkeit der Person eröffnen soll. Hier scheinen zwei Details von Bedeutung zu sein: Erstens ist eine Akteinheit trivialerweise keine Aktsumme. Wie auch immer sie zu verstehen sein mag, sie kann nicht einfach darin bestehen, dass im Aktvollzug eine bestimmte Menge von Akten realisiert wird, sondern sie stellt etwas dar, was sich als konsistente Struktur ‚zwischen‘ den verschiedenen Akten realisiert und – wie Scheler selbst in der oben zitierten Textstelle zu bedenken gibt – berücksichtigt dabei alle „nur möglichen Akte“ (was bei einer bloßen Summe schwer vorstellbar wäre). Zweitens soll diese Akteinheit selbst „wesenhaft“ sein. Diese Charakterisierung könnte darauf hinweisen, dass sich die Einheit auf eine Weise vollzieht, die selbst ein Wesen darstellt – etwa im axiologischen Sinne ein „Wertwesen“ (ebd., 509). Als eigenes Wesen wird die Akteinheit auf eine Weise beschrieben, die über die Beschreibung einzelner Akte hinausgeht. An dieser Stelle ergibt sich auch eine Verbindung mit der vorherigen Frage: Scheler weist darauf hin, es sei möglich, mit Blick auf die Person von einem „individuellen Wesen“ zu sprechen (ebd., 509), d. h. von einem Wesen, das gerade nicht in Allgemeinheit besteht.

 Vgl. zu Schelers Person-Konzeption u. a. Kelly 2011, 182‒188.

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An dieser Stelle ist auf die enorme Bedeutung von Akten der Liebe und des Hasses hinzuweisen: Da die im Liebesakt stattfindende Bejahung von etwas die Person gegenüber anderen Personen, der Welt und ihren Werten öffnet, die Verneinung im Hass die Person hingegen verschließt, fundieren Liebe und Hass des gesamten (möglichen) Aktvollzug der Person in besonderer Weise (ebd., 267, 508; Scheler 1923a, 176‒194).¹⁹ In diesem Sinne ist auch die berühmte Äußerung Schelers zu verstehen, dass der „ordo amoris“ (d. h. die Ordnung ihres Liebens und Hassens) den tiefsten Kern einer Person darstelle (Scheler 1986, 348).²⁰ Wie lassen sich die beiden dargestellten Charakterisierungen Schelers – Person als „bestimmte Stufe“ menschlicher Existenz einerseits und als nicht dingliche Akteinheit andererseits – nun zusammenbringen? Diese Frage ist nicht nur mit Blick auf eine konsistente Scheler-Exegese interessant, sondern trägt offensichtlich auch entscheidend zur Klärung des Verhältnisses von Schelers (theoretischer) Konzeption der Person und der analytischen Standardauffassung bei, welche Schelers Beschreibung der Person „in ethischen Zusammenhängen“ der Sache nach nicht unähnlich ist. Zwei Vorschläge, wie beide Teile des Formalismusbuches zusammen gelesen werden können, haben Heinz Leonardy und Angelika Sander unterbreitet: Leonardy vertritt die Auffassung, dass Vollsinnigkeit, Mündigkeit und Herrschaft über den eigenen Leib gemäß Scheler tatsächlich als Bedingungen für Personalität gemeint seien (vgl. Leonardy 1976, 120 f.). In diesem Sinne wird die Person als Akteinheit erst auf einer „bestimmte[n] Stufe menschlicher Existenz“ realisiert, nämlich dort, wo die entsprechenden Bedingungen erfüllt werden. Diesen Vorschlag halte ich für wenig überzeugend, denn schließlich lehnt Scheler jede Person-Konzeption auf der Basis einzelner Vermögen ab, was mir gerade gegen die Interpretation von Vollsinnigkeit, Mündigkeit und Herrschaft über den Leib als ‚Bedingungen‘ zu sprechen scheint. Sander hingegen weist darauf hin, dass die Beschreibung der Person „in ethischen Zusammenhängen“ gewissermaßen eine Konkretisierung der theoretischen Person-Auffassung darstelle, die für Scheler wichtig sei, weil es ihm als Verfasser einer Ethik eben um praktische Zusammenhänge gehe (vgl. Sander 1996, 206‒210). Sanders Vorschlag, theoretische und konkrete Ebene zu unterscheiden, erscheint mir generell aussichtsreicher. Es stellt sich dabei jedoch die Frage, in welchem Verhältnis beide Ebenen stehen

 Die fundamentale Bedeutung der Liebe in der Philosophie Schelers ist in der Forschung immer wieder hervorgehoben worden. Für eine mittlerweile klassische Arbeit zu diesem Thema siehe Leonardy 1976. An dieser Stelle ist auch noch darauf hinzuweisen, dass Akt hier natürlich nicht im Sinne von ‚to act‘ oder im Sinne eines Zustands zu verstehen ist, sondern im Sinne einer intentional bezogenen Gefühlsbewegung.  Vgl. dazu Cusinato 2012, 155‒157, 177‒183.

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sollen: Soll die Konkretisierung zeigen, wie sich Personalität in ethisch relevanter Weise realisiert, oder soll sie zeigen, was die Einheit aller möglichen Akte bedeutet? Auch Leonardy würde sicherlich von einer Konkretisierung reden, jedoch im letzteren Sinne. Hier erscheint mir Sanders These zu mehrdeutig. Auf dem Weg zu einer eigenen Interpretation könnte es sich als sinnvoll erweisen, noch einmal die unterschiedlichen Kontexte und Vorgehensweisen der Kapitel zu bedenken. In seinem Kapitel zur theoretischen Auffassung der Person beschreibt Scheler, was eine Person ist. ²¹ Da diese Bestimmung des Seins der Person anhand von Akten durchgeführt wird, könnte sie vielleicht – mit einer kleinen Anleihe an seine spätere Terminologie – eine „aktmetaphysische“ Bestimmung von Personalität genannt werden. Offen bleiben aber mehrere Fragen: Erstens ist unklar, auf welche Weise diese aktmetaphysische Bestimmung phänomenologisch gewonnen werden soll. Zweitens stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis die hier beschriebene Personalität überhaupt zu unserer alltäglichen Selbstauffassung steht. Hilfreich erscheint mir hier Schelers Unterscheidung von Akt und Funktion: Während Akte und Aktvollzug weder psychisch noch leibgebunden sind (vgl. Scheler 1927, 402‒405), vermutlich weil sie sich auf einer ‚fundierenden‘, d. h. vor der Unterscheidung von psychisch, physisch und leiblich liegenden Ebene befinden, setzen Funktionen offensichtlich eine Trennung von psychisch und physisch im Leiblichen voraus (vgl. ebd., 414).²² Mit Blick auf die Person bedeutet dies: Als Akteinheit ist sie weder psychisch noch physisch. Auffällig ist nun, dass Scheler im Kapitel zu den „ethischen Zusammenhängen“ Personen im Verhältnis zu ihrer Leiblichkeit (sie erleben den Leib als zu sich gehörig) beschreibt. Dabei scheint es mir tatsächlich um eine ganz bestimmte Konkretisierung zu gehen: Scheler untersucht an dieser Stelle nicht etwa in einer anderen, ‚konkreteren‘ Terminologie ein weiteres Mal, was die Person ist, sondern er fragt danach, wie sich Personalität unter Berücksichtigung der leiblichen, d. h. psychophysischen Konstitution, die menschliche Individuen aufweisen, realisiert. Zu dieser Interpretation passt auch Schelers Überlegung, dass Akte durch Funktionen „vermittelt“ werden (ebd., 403): Ging es im Kontext der theoretischen Bestimmung von Personalität noch um die Beschreibung einer Akteinheit unter Ausklammerung einer leiblichen Vermittlung durch Funktionen, müssen die Vermittlungen nun, wo es um die alltägliche Lebenssituation personaler Individuen geht, mit einbezogen werden.  An dieser Stelle ist anzumerken, dass Scheler auch Gott als „reine Person“ bezeichnet. Vgl. Scheler 1927, 501, 546.  Diesen – der Trennung von physisch und psychisch vorhergehenden – Aktvollzug nennt Scheler „geistig“. Vgl. ebd., 404.

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Diese Interpretation ist nicht ohne Nachteil, denn sie deutet eine Mehrdeutigkeit an: Zum einen bezeichnet „Person“ eine Akteinheit, zum anderen ein bestimmtes (menschliches), nämlich personales und leibliches Individuum.²³ Diese Dopplung mag verwirrend sein, scheint mir aber zu diversen Textstellen zu passen: So verwendet Scheler etwa mehrmals Formulierungen wie „Person im Menschen“ (u. a. ebd., 380 Anm. 4, 387). Wäre Person nichts anderes als eine (höhere) Stufe menschlicher Existenz (im Sinne eines Organismus + X), dann wäre es wenig einleuchtend, diesen Organismus + X ‚im‘ Menschen zu situieren. Darüber hinaus scheint mir diese terminologische Dopplung auch ein Problem auszudrücken, das Scheler an dieser Stelle aufwerfen will (weshalb er zu Beginn des Absatzes auch vorschlägt, zunächst einmal von der theoretischen Person-Auffassung abzusehen): Da Akte und eine aus ihnen gebildete Akteinheit nicht gegenständlich, d. h. auch nicht empirisch wahrnehmbar sind, sie uns im Verhalten menschlicher Individuen also verknüpft mit physischen und psychischen Vermittlungsfunktionen begegnen, stellt und stellte sich „in ethischen Zusammenhängen“ grundsätzlich die Frage danach, welche Individuen als personale Individuen „gelten“ (ebd., 495). Die Frage nach der Geltung ist dabei eine andere als die nach dem Sein bzw. Wesen der Person selbst: Die Geltungsfrage kann in einer konkreten historischen und sozialen Situation beantwortet werden, indem ausgehandelt wird, in welchen konkreten Verhaltensweisen sich Personalität zeigen könnte. Die Frage danach, in welchen Verhaltensweisen oder Vermögen sich Personalität zeigt, ist über die Frage geschichtlich-sozialer Geltung hinaus aber auch für Scheler wichtig: Da die Person uns offenkundig nicht ohne weiteres als Akteinheit begegnet, stellt sich ihm als Phänomenologen die Frage, auf welche Weise das Wesen der Person überhaupt phänomenologisch freigelegt werden kann, sofern es nicht das Produkt einer abstrakten Spekulation sein soll. Hier scheinen die „ethischen Zusammenhänge“ personaler Individuen eine Rolle zu spielen: Da uns im alltäglichen Lebenszusammenhang nun einmal personale Individuen und ihre geistig fundierten, dabei aber auch psychophysisch vermittelten Lebensvollzüge als Ganzheiten begegnen, muss der theoretische Personbegriff hier durch phänomenologische Reduktion gewonnen werden. Dafür bieten sich natürlich Lebensvollzüge an, in denen geistige Akte noch am ehesten erahnt werden können (Vollsinnigkeit, Mündigkeit, Herrschaft über den Leib). Erstaunlich ist  Zur Vermeidung von Missverständnissen verwende ich die Bezeichnung „Person“ für die Akteinheit, während ich das Individuum, das neben Personalität auch psychische und physische Funktionen aufweist, als „personales Individuum“ bezeichne. Vielleicht ließe sich auch sagen, dass Scheler mit der Person als Akteinheit eigentlich Personalität meint, und die Person als personales Individuum ein Individuum darstellt, in dem sich Personalität realisiert.

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hier, dass gerade jene Akte, die die Person fundamental prägen – Liebe und Hass sowie religiöse Akte – offensichtlich nur eine geringe Rolle spielen.²⁴ Wie kann Schelers Person-Konzeption nun zusammengefasst werden und wie ist sie im Zusammenhang des vorliegenden Beitrags zu deuten? Scheler versteht unter der Person eine Akteinheit aller konkreten und möglichen Akte, die sich im Aktvollzug realisiert. Dabei kommen Liebe und Hass eine fundamentale Doppelrolle zu, indem sie einerseits die Akteinheit in besonderer Weise prägen und andererseits einen Zugang zum anderen als Person eröffnen. Auch religiöse Akte und geistige Gefühle (z. B. Verzweiflung) betreffen die Person, d. h. sie verleihen den vollzogenen Akten und damit auch den geistig fundierten Lebensvollzügen eine bestimmte Richtung bzw. qualitative Färbung und setzen die Person in ein Verhältnis zur Welt als Ganzheit (ebd., 347‒356).²⁵ In den „ethischen Zusammenhängen“ praktischer Lebensvollzüge ergibt sich ein etwas anderes Bild: Die Individuen, die uns begegnen, haben zwar eine personale Einheit ‚in‘ sich, ihre Lebensvollzüge stellen jedoch eine Verbindung von (fundierenden) Akten und (vermittelnden), leiblichen (d. h. psychophysischen) Funktionen dar. In diesen Individuen zeigt sich Personalität üblicherweise anhand bestimmter Fähigkeiten und Verhaltensweisen. Schelers These hat es gewissermaßen in sich: Erstens würde er sagen, dass wir uns im Alltag primär als Menschen, d. h. als personale Individuen erfahren. Von diesem Selbstverständnis ausgehend sind zwei differenziertere Zugänge zu sich möglich: Entweder die Vergegenständlichung unseres Organismus’ unter Absehung von Leiblichkeit und Person – der Mensch betrachtet sich dann als biologischen Gegenstand und Teil einer Gattung (ebd., 278‒302, 395). Oder der Zugang zur personal-geistigen Akteinheit, die als fundierender Kern „im“ Menschen situiert ist und auf die wir rekurrieren, wenn wir etwa fragen, „was denn in einem Menschen jener ‚Autonomie‘ und ‚Würde‘, was jener Unverletzlichkeit und Achtung teilhaftig sein soll“ (ebd., 387; Hervorhebung im Original gesperrt – MvK). Damit steht Schelers Personbegriff in interessanter Spannung zu den eingangs dargestellten Standardkonzeptionen: Personen sind keine Organismen mit

 Dieser interessanten Frage kann hier leider nicht weiter nachgegangen werden, daher beschränke ich mich auf eine kurze Mutmaßung: (Geistige) Liebe eröffnet gemäß Scheler zwar einen profunden Zugang zur Person, dieser Zugang setzt aber offensichtlich gerade ein Involviertsein des Liebenden voraus, ist also nicht anschlussfähig als Grundlage ‚distanzierter‘ Beobachtung. Aus einer solchen ‚unpersönlichen‘ Perspektive scheint es beispielweise keine Möglichkeiten zur Differenzierung der verschiedenen Liebesformen (vitale Liebe, seelische Liebe, geistige Liebe) zu geben.  Vgl. Scheler 1923b; siehe auch Kalckreuth 2019.

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zusätzlichen Fähigkeiten, stattdessen erfordert die Betrachtung von sich selbst als Organismus oder als Person die Einnahme zweier gänzlich verschiedener Perspektiven.²⁶ Wie verhält es sich nun mit dem Verhältnis von empirischen Merkmalen und der Person-Kategorie? Zunächst einmal dürfte klar geworden sein, dass Personalität gemäß Scheler nicht beobachtet werden kann, also keine empirische Kategorie ist: Ob alle faktischen und möglichen Akte eines Individuums eine Akteinheit bilden, ist nichts, was durch Beobachtung nachgeprüft werden kann. Als Einheit aller nur möglichen Akte fundiert die Person vielmehr empirische Lebensvollzüge und liegt damit vor jeder empirischen Verhaltensklassifizierung. Zwar ist ein Zugang zum Personkern eines Individuums in der Liebe, im Hass, im Mitvollzug und einigen anderen Phänomenen möglich, dieser Zugang stellt aber weder eine Bedingung für die Behandlung als Person dar, noch handelt es sich bei ihm um einen zu verallgemeinernden Maßstab für das Miteinander mit anderen (in dem Sinne, dass wir bei jedem bis in den tiefsten Personkern vordringen müssten). Im lebensweltlichen Alltag begegnen uns personale Individuen, die wir üblicherweise als Personen behandeln (wir erleben sie als unvertretbar, Inhaber einer Würde etc.) und bei denen wir uns fragen können, auf welche Weise sich Personalität üblicherweise zeigt. Dabei können bestimmte Fähigkeiten, an denen die geistige Fundierung menschlicher Lebensvollzüge am ehesten greifbar zu sein scheint, angeführt werden. Diese Fähigkeiten haben aber nicht den Status konstitutiver Bedingungen, sondern eher eine illustrative oder indikatorische Funktion. Zwar weist auch Scheler darauf hin, dass sich die Frage nach einer „Geltung“ als Person immer wieder gestellt hat, hierbei scheint es sich aber vor allem um eine historisch immer wieder anders beantwortete soziale Frage zu handeln, die eben keine philosophische Bestimmung von Personalität darstellt. Offensichtlich erfordert eine Theorie der Person auch eine Theorie der Lebensvollzüge und Phänomene des personalen Individuums: Da die Person selbst nur auf dem Umweg einer phänomenologischen Reduktion aus dem lebensweltlichen Selbstverständnis und Vollzug gewonnen werden kann, bieten die damit zusammenhängenden Phänomene überhaupt erst die Grundlage, von der aus diese Reduktion möglich wird. Einmal durchgeführt, stellt sich wiederum die Frage, auf welche Weise sich die Person in Liebe und Hass, im Mitvollzug mit einem Vorbild, in religiösen Erfahrungen, in verschiedenen Gefühlen und im eigenen Werterleben zeigt. Obwohl Person als Akteinheit und als personales Indi-

 Aus diesem Grund spricht Scheler auch von der Mehrdeutigkeit des Begriffs vom Menschen: Der Mensch erlebt sich selbst als Organismus und als Person. Vgl. Scheler 1919, 301‒303.

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viduum nicht dasselbe sind, ist Schelers Theorie der Person also nicht von einer Phänomenologie des personalen Individuums zu trennen.

Fazit In diesem Beitrag wurde mit einer kritischen Darstellung gängiger Person-Konzeptionen der analytischen Philosophie begonnen. Die Person wird in diesen Konzeptionen in der Regel als Organismus bzw. Körper mit bestimmten (mentalen) Funktionen bzw. Fähigkeiten verstanden, wobei diese Funktionen den Stellenwert konstitutiver Bedingungen haben. Dabei wird in diversen Positionen davon ausgegangen, dass die tatsächliche Erfüllung der Bedingungen empirisch nachgeprüft und der Personstatus einem konkreten Individuum tatsächlich zugeschrieben oder abgesprochen werden kann. Hierzu wurden drei Alternativen dargestellt: Die Philosophische Anthropologie Helmuth Plessners, die Neue Ontologie Nicolai Hartmanns sowie die Phänomenologie Max Schelers. Dabei begreift Plessner Personalität anhand seiner Konzeption von Positionalität als eine bestimmte Realisierungsform eigener Lebendigkeit, die sich zwar in bestimmten empirischen Verhaltensweisen zeigt, jedoch als naturphilosophische Kategorie selbst nicht auf empirische Tatsachen reduziert werden kann. Hartmann hingegen vertritt die Auffassung, bei Personen handle es sich um Individuen auf der Ebene geistigen Seins, welche sich als Teilhaber an einer geteilten, objektiven Seinssphäre erleben und zu ihr in einem Doppelverhältnis des Tragens und Getragenseins stehen, in dem sich ‚geistige‘ Fähigkeiten wie Selbstbewusstsein usw. erst entwickeln. Zuletzt stellt Schelers Phänomenologie einen Sonderfall dar: Während Plessner und Hartmann Personen immerhin als Lebewesen bestimmter Art (exzentrisch-positionale bzw. geistige) begreifen, verortet Scheler die Person als fundierende Akteinheit im Menschen, die nicht gegenständlich und daher nicht empirisch zugänglich, sondern nur in bestimmten Aktvollzügen (etwa Liebe, Hass, Mitvollzug) erlebbar ist. Menschen als personale Individuen weisen zwar konkrete Fähigkeiten auf, in denen die geistig-personale Fundierung sichtbar wird, diese Fähigkeiten haben aber nicht den Stellenwert von Bedingungen. Zusammengefasst ergibt sich bei allen drei Philosophen eine klare Unterscheidung von Personalität als philosophischer Kategorie (die sich zwar ‚in‘ Lebensvollzügen bzw. Verhalten realisiert, aber nicht empirisch ist) einerseits und empirischen Verhaltensweisen bzw. Lebensvollzügen (in denen sich zwar Personalität zeigt, auf die sie aber nicht reduziert werden kann) andererseits. Auch heben alle drei die Notwendigkeit, nicht nur nach dem „was“ einer Person, sondern auch nach ihrer Realisierung in verschiedenen Phänomenen (Emotio-

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nen, Religion, Kultur, Gesellschaft usw.) zu fragen, hervor: Eine Theorie der Person kann offensichtlich nicht von einer philosophischen Beschreibung der verschiedenen lebensweltlichen Vollzüge von Personalität getrennt werden. Zuletzt ist zu betonen, dass diese Konstellation unterschiedlicher Philosophien keineswegs den Eindruck erwecken soll, es sei einer analytischen Theorie der Person prinzipiell unmöglich, der von mir geforderten Unterscheidung von Personalität als philosophischer Kategorie und empirischen Merkmalen gerecht zu werden. Gerade Selbstbewusstsein, Freiheit usw. sind ja ursprünglich philosophische Begriffe, was sich auch daran zeigt, dass die Übertragung in empirische Verhaltensweisen keineswegs unproblematisch ist. Entscheidend scheint mir schließlich das eigene Philosophie-Verständnis zu sein: Die Frage lautet hier, ob die Philosophie – etwa in der Bioethik – mit dem Anspruch auftreten will, selbst eine ‚klinische‘ Disziplin (in Abgrenzung zu einer sogenannten ‚Lehnstuhlphilosophie‘) zu sein oder ob es ihr genügt, mit ihrem eigenen Repertoire eine Reflexion auf bestimmte Grundlagen empirischer Forschungen anzuregen.

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Antonio Da Re

Person, Gesamtperson und Geistiges Sein Nicolai Hartmann im Vergleich mit Max Scheler Abstract: While Max Scheler and Nicolai Hartmann both develop notions of person and personhood in their philosophical works, these notions still differ in many aspects. Analysing the critics formulated by Hartmann on Scheler’s theory of person and also Scheler’s discussions of Hartmann’s ontology, it is to be shown that despite some fundamental disagreements regarding the connection between subjectivity and personhood as well as the notion of collective and absolute persons, both thinkers in some way influence each other’s positions. Keywords: Max Scheler, Nicolai Hartmann, Person, Personhood, Religion, Freedom, Objective Spirit

Einleitung Nicolai Hartmann beendet im Herbst 1925 die Abfassung seiner Ethik, die 1926 erscheint. Die Schlusskapitel des ersten Teils, d. h. die Kapitel 24 („Zur Metaphysik der Person“) und 25 („Der metaphysische Personalismus“), sind einer ausführlichen Diskussion der Scheler’schen Auffassung der Person gewidmet, die in dem sehr langen Kapitel VI des zweiten Teils vom Formalismus entwickelt wird. Hartmann rekonstruiert die Argumentation Schelers Schritt für Schritt, seine Rekonstruktion ist dabei jedoch ständig von kritischen, teilweise auch sehr scharfen Bemerkungen begleitet, die Schelers Hauptthesen hinsichtlich der Auffassung der Person als Einheit von Akten, der angeblichen Nicht-Objektivierbarkeit der Person, des Verhältnisses zwischen Ich und Du sowie die Beziehung zwischen Person und Welt betreffen. Einen besonderen Schwerpunkt der Kritik bildet an dieser Stelle die Scheler’sche Auffassung der Gesamtperson und der Personen höherer Ordnung. Der vorliegende Beitrag versteht sich als eine Gegenüberstellung der Positionen Hartmanns und Schelers hinsichtlich des Begriffs der Gesamtperson. Hierfür gilt es zunächst unter Berücksichtigung einiger Präzisierungen und einiger schon im Formalismus enthaltenen, doch von Hartmann weitgehend unterschätzten Überlegungen, die Stichhaltigkeit der Hartmann’schen Kritik zu überprüfen. Auch wenn diese Gegenüberstellung hauptsächlich die Idee der Gesamtperson betrifft, wird es sich doch auch als sinnvoll erweisen, die verschiehttps://doi.org/10.1515/9783110615555-010

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denen Möglichkeiten, das Verhältnis zwischen Ethik und Religion zu verstehen, zu berücksichtigen, denn vor allem in diesen Zusammenhang ist die Hartmann’sche Kritik der Idee von Personen höherer Ordnung einzuordnen: Obgleich er ontologische Gründe für diese Kritik anführt, beruht seine Ablehnung dieser Idee doch hauptsächlich auf der Befürchtung, eine religiöse Fundierung könnte die notwendige Autonomie der Ethik aufheben. Im Kontext dieser Thematik sollen anschließend diverse Beiträge Schelers aus den Jahren nach der Veröffentlichung von Hartmanns Ethik betrachtet werden, die nahelegen, dass auch er ein differenzierteres Verständnis der Relation von Ethik und Religion entwickelt. Zuletzt wird sich die Frage stellen, welche Momente seiner Kritik an der Auffassung von Gesamtpersonen Hartmann in seinem Werk Das Problem des geistigen Seins von 1933 wiederholt und welche Unterschiede bzw. Einschränkungen diese Kritik aufweist.

1 Die Person in Hartmanns Ethik 1.1 Person und kategoriales Grundgesetz „Personalität kann es nicht ohne Subjektivität geben“ (Hartmann 1962a, 244). Diese Aussage kann als Leitfaden für die Persontheorie Hartmanns angesehen werden. Die (moralische) Personalität kann nicht für sich isoliert bestehen, sondern erfordert Subjektivität. Diese These ergibt sich aus seiner Ontologie bzw. der dort durchgeführten „Kategorialanalyse“, die in Teilen bereits in der Ethik vorgenommen wird: Für Hartmann gibt es Gesetze, die für die gesamte kategoriale Ordnung des realen Seins gelten und an ihr aufgewiesen werden können. Dabei drückt das „kategoriale Grundgesetz“ die Abhängigkeit des Seienden, das höher ist, von dem Seienden, das niederer, aber dafür stärker ist, aus (Hartmann 1926, 248).¹ Von entscheidender Bedeutung sind hier zwei Gesetze: Erstens das Gesetz der Stärke, demgemäß das Niedere das Höhere trägt, wodurch das Höhere vom Niederen abhängig ist. Zweitens das „Gesetz der Freiheit“, demzufolge das Höhere immer auch gegenüber dem Niederen ein Novum aufweist, d. h. Strukturen, die über die Kategorien der niederen Schichten und ihre Gesetzlichkeiten hinausgehen (vgl. ebd., 235, 249). Miteinander verknüpft besagen diese beiden Gesetze, dass das Höhere einerseits durch das Niedere bedingt, dabei aber gleichzeitig in  Den hier zitierten Aufsatz zur Problematik der „Kategorialen Gesetze“ verfasste Hartmann bereits in den 20er Jahren und somit ungefähr zeitgleich zur Ethik. Später griff er die Thematik in seinem Werk Der Aufbau der realen Welt wieder auf. Für diese spätere, teilweise revidierte Ausarbeitung der kategorialen Gesetze siehe Hartmann 1964.

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gewisser Hinsicht autonom ist.² In der Terminologie der „Kategorialanalyse“ ließe sich bezogen auf die Personalität sagen, dass sich die Subjektivität eben als ein niederes, wenn auch stärkeres Prinzip gegenüber dem höheren, jedoch schwächeren Prinzip der Personalität verhält.³ Nach Hartmann ist die Person – noch bevor sie in ihrer ontologisch-axiologischen Spezifik erscheint, bevor sie sich also als ein Wesen darstellt, das sich mit seinen transzendierenden Akten zum Träger von Werten und Unwerten macht – ein Subjekt, d. h. ein Wesen, das sich der realen äußeren Welt gegenüberstellt (vgl. Hartmann 1962a, 227). Der Irrtum Schelers bestehe darin, dass er die Subjektivität von der Personalität trenne: Er beschränke sich darauf, die höhere Form, die Personalität, zu beschreiben, vergesse dabei jedoch, dass diese, um sich überhaupt in Freiheit und Moralität vollziehen zu können, zunächst Subjektivität voraussetze. Erst diese eigentlich ungerechtfertigte Trennung von Subjektivität und Personalität gestatte es Scheler, Gott als Person zu verstehen, die nicht Subjekt ist, während für Hartmann Gott (aufgrund des Bedingungsverhältnisses zwischen den beiden Begriffen) nicht Person sein kann, wenn er nicht Subjekt ist (vgl. ebd., 232‒235). Die fehlende Einsicht Schelers in das oben skizzierte kategoriale Grundgesetz liegt nach Hartmann auch der Konzeption von der Gesamtperson zu Grunde: Aus der an sich korrekten Feststellung, dass die Personen durch überindividuelle Strukturen und durch einander bedingt werden, leite Scheler nämlich die ungerechtfertigte Schlussfolgerung ab, es gebe Gesamtpersonen, indem er die Personalität auf Wesenheiten wie Volk, Staat, Menschheit und Kirche übertrage. Gemäß Hartmanns Standpunkt jedoch kann man dem, was nicht Subjekt ist, keine Personalität zusprechen und folglich kann es auch keine „Gesamtpersonen“ geben (vgl. ebd., 241 ff.). Genauer gesagt: Person ist nur die Einzelperson, d. h. das Subjekt, das frei ist, verantwortlich sein kann, das sich der eigenen Akte bewusst und zudem im Stande ist, über sich und seine Akte Rechenschaft abzulegen. Der Umstand, dass es ein Bewusstsein der von anderen Subjekten vollzogenen Akte gibt oder dass die Akte vieler Subjekte sich untereinander solidarisch durch die Teilnahme an einem Gesamtakt ausdrücken können, rechtfertige keineswegs die Existenz der Gesamtpersonen. Er bedeute vielmehr, dass es ein Gesamtbewusstsein, ein Bewusstsein der Gemeinsamkeit, gebe, dass aber nicht über oder jenseits der individuellen persönlichen Subjekte stehe, sondern ausschließlich in ihnen (vgl. ebd., 245).  Auch Scheler hat dieses Gesetz in der Spätphase übernommen, z. B. in Die Stellung des Menschen im Kosmos (Scheler 1976a, 51).  Für eine weitere Darstellung der verschiedenen Theorien von „Person“ und „Persönlichkeit“ siehe Römer 2012.

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1.2 Freiheit als wesentliches Moment von Personalität Getreu der kategorialen Analyse setzt Hartmann es sich zum Ziel, das Wesen der Person ontologisch zu formulieren, indem er ein dialektisches Verhältnis zwischen dem Begriff der Person und dem des Subjekts einführt. Wie er in seinem späteren Aufsatz über „Das Ethos der Persönlichkeit“ behauptet, (der jedoch im Wesentlichen der Position der Ethik entspricht), ist die Person nicht das Subjekt und nicht das Ich. Sie ist auch nicht das Bewußtsein, geschweige denn das Selbstbewußtsein. Sie setzt das erkennende Subjekt wohl voraus, desgleichen das geistige Bewußtsein mit seiner Objektivität und seiner charakteristischen Distanz zu den Dingen der umgebenden Welt; aber sie ist noch etwas mehr: das in die Zukunft schauende, vorsorgende, Zwecke setzende, handelnde und im Handeln sich frei entscheidende Wesen, das zugleich den Sinn für Wert und Unwert, das Wissen um Gut und Böse hat und selbst befähigt ist, gut oder böse zu sein (Hartmann 1955, 311 f.).

Die Person – so könnte man sagen – ist das moralische Subjekt, d. h. sie ist dasjenige Subjekt, das jenseits seines Subjekt-Seins auf einem höheren Niveau einen neuen kategorialen Zug aufweist, der in der Einheit zweier Momente besteht: frei zu sein und Wertträger zu sein. Angesichts der Formulierungen Hartmanns entsteht zunächst womöglich der Eindruck, dass diese zwei Momente gleichermaßen dazu beitragen, die Person zu charakterisieren. Bei genauerer Betrachtung jedoch genießt die Freiheit einen nicht zu übersehenden Primat, weil sich der Mensch ohne sie nicht als moralischer Träger der Werte begreifen ließe.Wenn er nicht frei wäre, könnte er zwar die Werte fühlen und im Handeln realisieren, doch würde er dies sozusagen automatisch tun. Damit wäre auch seine Aufgabe der ständig neuen Vermittlung zwischen dem Idealen und dem Realen – um die es Hartmann mit Blick auf die Wertbindung personaler Akte zu gehen scheint – vollständig obsolet. Daraus folgt, dass die Person primär ein freies, autonomes, sich selbst bestimmendes Individuum sein muss, und erst dann, nur weil es frei ist, auch Träger der Werte. Es ist gewiss kein Zufall, dass Max Scheler Hartmanns Konzeption von Personalität in den Jahren nach dem Erscheinen der Ethik eine mehr oder weniger explizite Hervorhebung der Bedeutsamkeit von moralischer Freiheit und moralischer Autonomie attestiert, die man als ‚Emphatisierung‘ bezeichnen könnte. Die entscheidende Bedeutung der Freiheit für den Begriff der Person bewirkt, dass der Begriff der Person nicht nur ontologisch, sondern zugleich axiologisch und moralphilosophisch verstanden werden muss. Dieses Verfahren birgt jedoch auch einen Nachteil: Wie oben dargestellt, beabsichtigt Hartmann eigentlich, das Wesen der Person ontologisch zu explizieren, indem er Personalität zu den anderen Schichten des realen Seins in Beziehung setzt, insbesondere zur Subjektivität. Die

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gerade dargestellten Überlegungen jedoch scheinen von einem solchen ontologischen Verständnis von Personalität eher wegzuführen, hin zu einer Konzeption überwiegend praktisch-moralischer Natur. Das Abschweifen vom Ontologischen zum Axiologischen erklärt sich wahrscheinlich durch die Schwierigkeit, die Willensfreiheit des Menschen angemessen zu verstehen, wenn man sich darauf beschränkt, sie ganz einfach als einen Sonderfall der ohnehin zwischen den Schichten bestehenden kategorialen Autonomie begreifen zu wollen.⁴ Das erscheint tatsächlich insofern problematisch, als sich die Schwelle, die zwischen Subjektivität und Personalität liegt, offenbar schwer mit dem Gefälle zwischen physisch-materieller Realität und organischem Leben gleichsetzen lässt – oder mit dem Bruch zwischen organischen Prozessen und der Subjektivität.⁵ In all diesen Fällen ist von „Autonomie“ der höheren Schichten die Rede, aber es stellt sich dabei jeweils die Frage, worin diese Autonomie konkret besteht. Mit Blick auf die Person erscheint es Hartmann ausreichend, festzustellen, dass sie „ein zugleich ontologisches und axiologisches Wesen“ sei, während das Subjekt nur ontologisch sein könne. Die Person (als moralisches Wesen) ist „Träger […] eigener spezifischer Werte und Unwerte“, d. h. sie ist ein „axiologisches Wesen“ und nicht nur ein „rein ontologisches“ wie das Subjekt (Hartmann 1962a, 189). Gemäß Hartmann ist die Person außerdem das einzige Wesen, das im Stande ist, Ziele bzw. Zwecke zu setzen und sie zu verwirklichen. In diesem Sinne ist es

 Gemäß Hartmann ist das reale Sein durch eine Serie von Schichtungen gekennzeichnet, die von der physisch-materiellen Schicht und der des organischen Lebens ausgehend über die Schicht der Subjektivität zur Personalität reichen. Es ist klar, dass sich nur beim Menschen die Vielfalt der Schichtungen zeigt, während zum Beispiel in der anorganischen Realität einzig die physischmaterielle Schicht und in der pflanzlichen sowohl die physisch-materielle Schicht als auch die des organischen Lebens existiert. Wichtig ist dabei, dass sich (wie bereits oben angemerkt) die höhere Schicht auf Grund der kategorialen Gesetze als ein Novum darstellt, also als etwas, das zwar von der niederen Schicht abhängt, dieser gegenüber jedoch frei bzw. autonom ist. Vgl. Hartmann 1964, Kap. 20, 21.  Die scharfe Unterscheidung zwischen Personalität und Subjektivität, die vor allem dann auftaucht, wenn es um eine praktisch-moralische Formulierung des menschlichen Seins geht, mag vielleicht überraschen. Man darf jedoch nicht vergessen, dass die Subjektivität, zumindest in ihren unmittelbarsten Formen von Bewusstsein und Bewusstheit, auch bei den Tieren und nicht nur beim Menschen auffindbar ist. In diesem Sinn gibt die in Das Problem des geistigen Seins von 1933 verwendete Terminologie Anlass zu geringerer Zweideutigkeit, da sie zwischen psychischem Leben und geistigem Sein (das wiederum die Formen des persönlichen, des objektiven und des objektivierten Seins umfasst) differenziert. Für eine kritische Beurteilung, vor allem in Bezug auf die Originalität der ‚ontologischen‘ Anthropologie Hartmanns, vgl. Stallmach 1982; Grötz 1989; Morgenstern 1997, 107‒122.

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streng genommen nur mit Bezug auf die moralische Natur des Menschen überhaupt möglich, von Teleologie zu sprechen: Nur die Person kann Werte erfassen und Zwecke des eigenen Handelns festlegen, nur sie ist „vorsehend“, weil sie die Erfüllung von Zwecken und ihre Bedingungen in der Zukunft voraussehen kann, und schließlich kann auch nur sie „vorsorgen“, also die zukünftige Verwirklichung des Zwecks schon in der Gegenwart vorbereiten. Somit kommen nur dem Menschen als moralischer Person (und folglich nicht Gott) „Vorsehung“ und „Vorbestimmung“ zu (ebd., 198 f.). Damit stellt auch die Teleologie von Personen einen Wesenszug dar, der auf moralisch-praktischem Gebiet liegt. Und auch hier ist wieder zu bemerken, dass die Teleologie des Menschen nur auf der Grundlage der Annahme personaler Freiheit möglich ist. Zugleich lehnt Hartmann jegliches teleologische Verständnis von Natur, Realität und ganz besonders den Pantheismus entschieden ab.⁶ Seine Ablehnung ist hierbei auf die Auffassung zurückzuführen, dass diese Teleologien Gefahr laufen, die Ethik anzutasten, indem sie die Bedingung für die Möglichkeit ethischen Erlebens aufheben: die Freiheit.

2 Die Person in der Philosophie Max Schelers 2.1 Einzelperson und Gesamtperson im Formalismus Begeben wir uns nun einen Schritt zurück und fragen uns, inwiefern die kritischen Einwände Hartmanns an Schelers Formalismus gerechtfertigt sind. Mit Blick auf den entscheidenden Kern der Kritik könnte man sich fragen, ob es Scheler mit dem Ausdruck „Gesamtperson“ wirklich beabsichtige, Wesenheiten wie Staat, Nation oder Kirche jene rein moralische Verantwortung zuzuschreiben, die üblicherweise dem personalen Individuum zugestanden wird. Bei genauer Betrachtung des Scheler’schen Textes fällt auf, dass dort ein klares Bewusstsein der über den Unterschied zwischen der Einzel- und der Gesamtdimension herrscht – nicht zufällig trägt der entscheidende Paragraph den Titel „Einzelperson und Gesamtperson“. Für Scheler besteht die Herausforderung in diesem Kapitel darin, den gemeinschaftlichen und sozialen Erfahrungsbereich in seine Theorie der Person zu integrieren, es aber gleichzeitig zu vermeiden, dass dieser gegenüber dem Sein der (Einzel)Person als nachrangig aufgefasst wird. Der gemeinschaftliche und soziale

 Diese schon in der Ethik vorhandenen Thesen werden in der nachgelassenen Schrift Teleologisches Denken weiter vertieft. Vgl. Hartmann 1966.

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Aspekt wird also von der Person vermittelt und kann nur von ihr vermittelt werden. Hier erscheint es sinnvoll, die Idee der Gesamtperson gemeinsam mit der ‚allgemeinen‘ Wesensbeschreibung der Person zu interpretieren: Für Scheler ist die Person eine Einheit geistiger Akte, d. h. sie ist eine (konkrete) Einheit vielfältiger Akte verschiedener Natur, bei denen es sich also nicht nur um Akte erkennenden und theoretischen Charakters, sondern auch um Akte des Fühlens, Wollens usw. handelt. Beim Vollzug jedes Aktes begreift sich die Person auch als einer Gesamtheit von Personen zugehörig, und dieses Begreifen ist Ausdruck eines direkten, unmittelbaren Wissens, das von den Einzelerfahrungen absieht, die das Subjekt augenblicklich hinsichtlich der Beziehung zu anderen Subjekten haben oder nicht haben kann. Mit einem auch in dem Band über Wesen und Formen der Sympathie angeführten Beispiel stellt Scheler fest, selbst Robinson Crusoe „würde […] dieses sein Gliedsein in einer Sozialeinheit miterleben“ (Scheler 1966, 511; Hervorhebungen im Original – ADR).⁷ Die Gesamtperson und die Person sind also Begriffe, die den gleichen Ursprung im Aktvollzug haben und die vom physischen und psychischen Standpunkt aus gleich indifferent sind: So wie die Person nicht anhand einer Objektivierung des Körpers oder der psychischen Funktionen gerechtfertigt werden kann, so kann die Gemeinschaft nicht auf naturalistische Art oder mit Hilfe von Begriffen aus der Biologie, wie z. B. dem der Rasse, verstanden werden. Die Zugehörigkeit der Person zu einer Gemeinschaft kann sich auf mehrere Weisen konkretisieren. Scheler stellt diesbezüglich eine Rangordnung der verschiedenen Formen von sozialer Einheit auf, in denen sich die Lebenserfahrung der Einzelperson entfaltet. Auf dem untersten Niveau steht die Masse, in der das Verhalten des Einzelnen unverantwortlich und amoralisch ist (vgl. ebd., 515). Es folgt die Lebensgemeinschaft (z. B. die Familie), deren Einheitsform einen natürlichen Charakter hat, und dann die Gesellschaft, die der Erlangung materieller und geistiger Güter (Wissenschaft, Kultur, etc.) dient und als eine „künstliche“ Einheit von Individuen betrachtet werden muss (vgl. ebd., 515 ff.). Auf dem höchsten Niveau schließlich steht die auf die Realisierung geistiger (die Nation, die Kultur) und religiöser Werte (Kirche) gerichtete Gesamtperson (vgl. ebd., 522). Auch der Staat ist eine Gesamtperson, wenn auch von unvollkommener und geistig nicht reiner Art.

 Siehe auch Scheler 1973, 228 ff. Über Schelers Betrachtung des sozialen Seins vgl. Leonardy 1976, 214‒217; Zhok 1997; Henckmann 1998, 130 ff.; Kelly 2011, 203 ff. (hier findet sich auch eine Analyse der Hartmann’schen Kritik an dem Begriff der Gesamtperson); Szanto 2016, 296 ff.

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Scheler unterscheidet also soziale Einheiten verschiedenen Wesens, wobei die Gesamtperson genau genommen eine – nicht die einzige – der möglichen Formen von sozialer Einheit darstellt. Wichtig ist, dass sich jede Einzelperson als einer sozialen Einheit zugehörig erlebt, weil sie nicht nur singularisierende, sondern auch soziale Akte wie das Lieben, das Gehorchen, das Versprechen etc. vollzieht. Scheler kommt zu dem Ergebnis: „[Z]u jeder endlichen Person ‚gehört‘ also eine Einzelperson und eine Gesamtperson“ (Scheler 1966, 511), weil Einzelperson und Gesamtperson in Korrelation gesetzt sind, so wie die Einzelwelt das Korrelat der Singulärakte bildet, während die Gesamtwelt das Korrelat der sozialen Akte ist. Aber wie sind die Gesamtwelt und – analog dazu – die Gesamtperson zu verstehen? Scheler schließt entschieden aus, dass die Gesamtwelt eine einfache Summe der Einzelwelten sei, auf welche sich die Akte der einzelnen Personen richten. Entsprechend ist es auch nicht möglich, die Gesamtperson als Summe von Einzelpersonen zu betrachten, als ein künstliches Kollektiv (wie es zum Beispiel die statistische Einheit ist) oder ein reales „Kollektivding“ (der gestirnte Himmel) (ebd., 512). Die wiederholte Warnung davor, die Gesamtperson auf eine Summe zu reduzieren, beruht darauf, dass dieses Verständnis eine zu kurz greifende, individualistische Auffassung von Kollektivität voraussetzt. Die Gesamtperson jedoch hat eine eigene Identität und eine eigene Einheit, welche über die vielfältigen Identitäten der Einzelpersonen hinausgeht, die sie bilden. Die Idee, dass das Sein der Gesamtperson von jeder endlichen Person direkt erlebt wird, scheint aus der Annahme zu folgen, dass die Person tout court eine Einheit geistiger Akte ist, d. h. eine (konkrete) Einheit von Akten des Denkens, Liebens, Fühlens, Wollens usw. Wenn nämlich das Kriterium zur Bestimmung der Person weder physischer noch psychischer, sondern geistiger Art ist und dabei auch die sozialen Akte einschließt, wie erklärt es sich dann, dass letztere Akte von mehreren Einzelpersonen zusammen erlebt werden? Schelers These lautet hier, dass das Gesamterleben solcher sozialen Akte ein Wesen (die Gesamtperson) konstituiert, das sich in jedem an ihm teilnehmenden einzelnen persönlichen Wesen realisiert, ohne sich jedoch in ihm zu erschöpfen. Dies erklärt ebenso, warum die Gesamtperson autonom ist und ein eigenes intentionales, von dem der Einzelpersonen verschiedenes „Bewusstsein-von“ hat (vgl. ebd., 512). Die Feststellung, dass es ein solches „Bewusstsein-von“ gibt, eine autonome und von der Gesamtperson realisierte Intentionalität, mag paradox erscheinen, ist es aber in Wirklichkeit nur, wenn man für die Person eine Konstitution physischer oder psychischer Art annimmt. Vielleicht kann ein Beispiel hier zum Verständnis beitragen: Versuchen wir uns eine Situation vorzustellen, in der ein politischer Vertreter nicht den von den eigenen Parteiorganen gefassten Beschluss teilt. Man könnte sagen, dass die Partei in ihm und in allen anderen Individuen, die dazu

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gehören und der Linie folgen, „lebt“. Aber die Partei hat ihre eigene Identität und Intentionalität, von der eine an ihr teilhabende Einzelperson abweichen kann, obwohl sie ihr angehört. Hier zeigt sich auch, warum die Partei nicht einfach als die reine Summe von mehreren Individuen aufgefasst werden kann. Der Inhalt des Erlebens der Gesamtperson und ihrer Welt kann sich nie vollständig in der einzelnen Mitgliedsperson erschöpfen, auch weil die Einzelperson gleichzeitig mehreren Gesamtpersonen angehören kann, z. B. einem Staat und einer Kirche (vgl. ebd., 513). Entscheidend ist jedoch die Frage, wie die eigene Intentionalität von der Gesamtperson bestimmt werden kann. Und lässt sich diese Intentionalität außerdem – um auf die späteren Vorwürfe Hartmanns einzugehen – mit derjenigen der Einzelperson gleichsetzen? Scheler schließt eine solche Gleichsetzung explizit aus. Dabei warnt er davor, „die Gesamtperson bewusst oder heimlich selbst wieder als eine nur umfänglichere Einzelperson anzusehen und von ihr eine Art des Bewusstsein-von zu fordern, das eben nur Einzelpersonen zukommen kann“ (ebd., 513, Anm. 1; Hervorhebung im Original – ADR). An anderer Stelle kritisiert er die aristotelische Definition des Menschen als politischem Lebewesen: Einem solchen Verständnis zufolge hätte die Einzelperson keinen autonomen Wert, sondern hinge ontologisch von der Gesamtheit und vom Staat ab. Ob die Scheler’sche Exegese dem Denken von Aristoteles an dieser Stelle voll und ganz gerecht wird, darf bezweifelt werden, jedoch kommt Schelers Darstellung die Leistung zu, mögliche Missverständnisse seiner eigenen Thesen auszuschließen, z. B. eben die unangemessene Gleichsetzung des Begriffs der Gesamtperson mit dem der Einzelperson. Er erklärt nämlich, dass „jede Person gleichursprünglich Einzelperson und (wesenhaft) Glied einer Gesamtperson“ (ebd., 514; Hervorhebung im Original – ADR) ist, und dass „ihr Eigenwert als Einzelperson […] unabhängig von ihrem Werte als solches Glied“ ist (ebd.). Zudem behauptet er ausdrücklich, dass „Gemeinschaft überhaupt ihre letzte Fundierung in der Idee der Person hat“ und dass „nicht Gemeinschafts-, sondern Personwerte die höchsten Werte sind – unter den Gemeinschaftswerten also die höchsten Werte diejenigen, die einer Gesamtperson zukommen“ (ebd., 514).

2.2 Schelers Reaktionen auf die Veröffentlichung der Ethik Schelers Bemühungen im Formalismus sind darauf gerichtet, den Reichtum des ethischen Lebens der Personen in all seiner Vielfalt zu beschreiben. Die Konzeption der Gesamtperson folgt hierbei letztlich der Absicht, Personalität – die sich auch, und notwendigerweise, auf sozialer Ebene entfaltet – in all ihren möglichen Aspekten zu begreifen. Und gerade das Fehlen einer solchen Absicht

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kann nach Schelers Auffassung dem Hartmann’schen Projekt der Ethik vorgeworfen werden. In dem Vorwort zur dritten Auflage des Formalismus, geschrieben 1926, also unmittelbar nach der Veröffentlichung der Hartmannschen Ethik, merkt Scheler an, dass in diesem Werk eine Betrachtung des ethischen Lebens des Individuums fehle. Die Gründe für dieses Defizit seien im „Ontologismus“ bzw. „Objektivismus“ Hartmanns zu suchen, d. h. in der These von der Existenz eines „idealen Ansichseins“ der Werte, welche somit unabhängig vom Vollzug geistiger Akte vorhanden sind (ebd., 21). Der Geist – daran erinnert Scheler – ist ein lebendiger Geist. Diese Wahrheit, die schon mit dem Christentum durchgebrochen sei und die in der Moderne ihre weitere Wertsteigerung finde, werde von Hartmann verkannt. Daraus folge auch eine Unfähigkeit, die historische und soziale Natur jedes lebenden Ethos zu begreifen. Die von Hartmann formulierte Kritik an der Trennung von Subjektivität und Personalität sowie am Begriff der „Gesamtperson“ wird als Folge eines übertriebenen Objektivismus verstanden und somit als unberechtigt zurückgewiesen. Der Mensch – so Scheler – „atmet auch als geistiges Wesen nur in Geschichte und Gesellschaft“ (ebd., 22). Das Ziel Schelers in seinem Vorwort besteht nicht nur darin, die eigenen Thesen (in primis die These von der konstitutiven Beziehung von Einzelperson und Gesamtperson) gegen die als unangemessen beurteilte Kritik Hartmanns zu verteidigen. Seine Auseinandersetzung ist grundlegender, denn sie zielt darauf ab, einige Kernthesen der Hartmann’schen Wertethik in Frage zu stellen. Ein zentrales Anliegen Schelers ist es dabei, gegen Hartmanns resolute Trennung von Ethik und Religion, die im letzten Kapitel der Ethik zu einem geradezu antinomischen Verhältnis zugespitzt wird, Einspruch zu erheben. Scheler selbst weist Ende der zwanziger Jahre darauf hin, dass sich seine Stellung bezüglich der Metaphysik des einen und absoluten Seins nun nicht mehr als „theistisch“ definieren lasse und das sie gegenüber den vorausgehenden Ausgaben des Formalismus von 1913/16 bis 1921 eine tiefgreifende Veränderung erfahren habe (vgl. ebd., 17). Doch nicht einmal diese Veränderung könne die Trennung von Ethik und Metaphysik des absoluten Seins in einer Weise rechtfertigen, dass man zu einer Art „postulatorischen Atheismus“ komme (ebd., 23). Mit diesem von ihm in diversen Schriften gebrauchten Titel beabsichtigt Scheler zu zeigen, dass die (in der Ethik Hartmanns angenommene) umfassende Autonomie und Souveränität des Menschen ebenso wie die Anerkennung seiner moralischen Würde und Freiheit letzten Endes nur dann möglich seien, wenn die Nicht-Existenz Gottes angenommen werde.⁸ Mit anderen Worten: Der bereits

 Die ausführlichste Rezeption findet sich in dem Essay „Mensch und Geschichte“ (Scheler

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dargestellte, umfassende Stellenwert von Freiheit zeigt sich in der Hartmann’schen Ethik nicht nur in der Auffassung von der Person, sondern sie verlangt auch, die Bindungen ethischer Akte zur Religion zu durchtrennen, da die Religion sonst die Autonomie der Ethik und die Freiheit des moralischen Subjekts bedrohen könnte. Für Scheler handelt es sich hier um eine gänzlich neue Lesart von Atheismus, die gerade nicht ausschließt, dass „es im theoretischen Sinne etwas wie einen Weltgrund, ein Ens a se gäbe“, obgleich wir nichts von dieser Wesenheit wissen, wobei gleichzeitig festgehalten wird, „ein Gott darf und soll nicht existieren“, denn andernfalls werde auf moralischer Ebene der Primat des Menschen gefährdet (Scheler 1987c, 141‒144, insb. 142).⁹ Frappant ist dabei, dass die Annahme der Nicht-Existenz Gottes für den Menschen gerade keine Verminderung oder gar Befreiung von Verantwortung bedeutet, sondern eher dazu tendiert, die eigene Verantwortlichkeit als Vorrecht des Menschen in der Welt zu verherrlichen. Bei einer aufmerksamen Lektüre der verschiedenen Stellen, an denen Scheler die Hartmann’sche Theorie mit dem Ausdruck eines „postulatorischen Atheismus“ betitelt, entsteht der Eindruck, dass er sich in gewisser Hinsicht von dieser Idee angezogen fühlt. Er sympathisiert wahrscheinlich mit deren Einforderung der moralischen Würde des Menschen und der Verweigerung einer Auffassung von Religion, welche den Menschen marginalisiert. Gerade auf diese Periode gehen zahlreiche, zumeist sehr kurze Schriften des Nachlasses zurück, in denen Scheler jenen Typ von Religion kritisiert, der den Menschen in einen Sklaven verwandelt, ihn abhängig macht oder ihn wie ein Kind behandelt.¹⁰ Die Forderungen, die Scheler hier formuliert, sind denen von Hartmann nicht unähnlich, 1976b). Auf die gleiche Periode gehen auch einige Anmerkungen und Entwürfe zurück, die Teil des für die Abfassung einer umfassenden Philosophischen Anthropologie bestimmten Materials waren. Dieses Vorhaben konnte jedoch – wie bekannt – aufgrund des plötzlichen Todes von Scheler nicht mehr durchgeführt werden. Das aus kurzen Schriften, Fragmenten, Notizen, Vorlesungsentwürfen usw. bestehende Material wurde später in den 3. Bd. der Schriften aus dem Nachlass aufgenommen. Den postulatorischen Atheismus behandeln die Texte „Atheismus – Nietzsche, N. Hartmann, D. H. Kerler“ (Scheler 1987b) sowie „Metaphysische Sonderstellung des Menschen“ (Scheler 1987c).  Hinsichtlich Hartmanns ‚praktischer‘ Rechtfertigung der Nichtexistenz Gottes (welche jedoch die Verteidigung einer Art von metaphysischem Agnostizismus nicht ausschließt) vgl. Da Re 1996, Kap. VI.  Neben den schon genannten Schriften „Atheismus“ (Scheler 1987b, 52 f.) und „Metaphysische Sonderstellung des Menschen“ (vgl. Scheler 1987c, 214) siehe vor allem „Tod Gottes“ (Scheler 1987a), in dem offensichtlich Hartmann’sche Ausdrücke übernommen werden, obgleich sein Name nicht explizit genannt wird. Siehe auch: „Zur Geschichte der menschlichen metaphysischen Freiheit. Mensch und Gott. Historische Typik“ (Scheler 1987e), „Actus der Menschwerdung“ (Scheler 1987d) und schließlich „Sinn der Religionsgeschichte“ (Scheler 1987 f).

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wobei sich auch in der gebrauchten Terminologie Anleihen an Hartmann erkennen lassen. Bei aller Sympathie stellt er aber doch klar, dass er selbst keinen postulatorischen Atheismus vertreten könne, da er insbesondere die harte Trennung bzw. das antinomische Verhältnis von Ethik und Religion ablehne (vgl. Scheler 1966, 22 f.). Er weist darauf hin, dass diese Trennung bei Hartmann nicht nur die Methode betreffe (woraus sich folgern lässt, dass eine bloß methodische Trennung in den Augen Schelers noch gerechtfertigt wäre, da sie es gestatten würde, die epistemologische Autonomie der Ethik zu rechtfertigen), sondern vor allem den Gegenstand bzw. die Materie. Auf diese Art entstehe eine intellektualistische Auffassung der Ethik, in der alle Verknüpfungen mit Problemen der Religion oder – wie Scheler präzisiert – der Metaphysik des Absoluten mit der Philosophie der Religion durchtrennt werden. Scheler selbst versucht in seinen Spätschriften, einen dritten Weg zu erschließen, mit dem sich sowohl der ethische Atheismus als auch der traditionelle Theismus durch Kombination der wesentlichen Stärken beider Positionen überwinden ließen. Das Ziel besteht darin, die Idee des Göttlichen neu und in einer Weise zu denken, die die Anerkennung der freien Verantwortlichkeit des Menschen ermöglicht. Doch um dies zu erreichen, ist es gleichermaßen notwendig, den alten Theismus wie auch eine statische Vision des Pantheismus aufzugeben. Scheler spricht von der „Werdeform des Gottseins“, von der „Mitwirkung des Menschen und der Geschichte am Schicksal Gottes“ und davon, dass „Gott sich nur im menschlichen Selbst realisiert“, denn „nur im Menschen ist Gott ganz Gott und kann er werden, der er werden will“ (Scheler 1987b, 52). Gleichzeitig verlangt die Idee der Teilhaberschaft von Mensch und Gott, also die Idee vom Sich-Verwirklichen des Menschen in Gott durch den Vollzug des Guten und die Summe seiner geistigen Akte, dass auch die Realität des Menschen tiefgehend durchdacht wird. Aus diesem Grunde wird in der Schrift „Metaphysische Sonderstellung des Menschen“ von 1927 die Idee der Verabsolutierung des Menschen Gegenstand scharfer Kritik, welche sich auch, wenn nicht ausschließlich, gegen den postulatorischen Atheismus von Hartmann wendet. Scheler schreibt: „Der Mensch ist eben kein absolut aus sich rollendes Rad. […] Das menschliche Individuum scheint hier aus Natur, Gesellschaft, Geschichte absolut losgerissen und auf nichts weiter gestellt als auf sich selbst.“ (Scheler 1987c, 212). Er ist „einsam und absolut mißtrauisch in allem, was er nicht selbst beschlossen“ hat (ebd., 212).

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3 Hartmann und der Begriff des Personalen Seins In der von Scheler vorgenommenen kritischen Betrachtung und in seiner eigenen Verteidigung gegen die Kritik Hartmanns hat sich gezeigt, dass sich seine Perspektive von derjenigen Hartmanns grundlegend unterscheidet. Vor allem ist aufgefallen, dass bei Hartmann die Kritik des Begriffs der Gesamtperson das Resultat einiger theoretischer, nicht immer ausreichend geklärter und diskutierter Voraussetzungen ist. Dabei handelt es sich erstens um die eher praktische als ontologische Rechtfertigung des Begriffs der Person, zweitens die umfassende Bedeutung der menschlichen bzw. personalen Freiheit, drittens die Verteidigung des radikal autonomen Charakters der Ethik und schließlich viertens die Abwertung der Religion. Es lässt sich nicht zweifelsfrei ermitteln, inwieweit Schelers Rezeption auf die weitere Entwicklung der Konzeption Hartmanns eingewirkt hat – es gibt hierüber keine Aussagen oder Schriftstücke. Tatsache ist jedoch, dass man in dem Werk Das Problem des geistigen Seins von 1933, also sieben Jahre nach der Veröffentlichung der Ethik, verschiedene Präzisierungen und Differenzierungen innerhalb der Hartmann’schen Position bemerkt.¹¹ Zwar wird die Kritik am Begriff der „Gesamtperson“ wiederholt: Nach wie vor hält es Hartmann für unangemessen, für Wesenheiten wie „Volk“, „Kultur“, „Menschheit“ den Ausdruck „Person“ zu verwenden, der schon „die Analogie mit dem menschlichen Individuum verrät“ (Hartmann 1962b, 309 f.). Auch wird die Kritik an der Trennung von Subjektivität und Personalität beibehalten. Es ist jedoch zu beachten, dass der Kritik nun eine neue Motivation zugrunde liegt, denn Hartmann geht in diesem Buch systematisch die Fragestellung an, wie man die geschichtlichen und sozialen Beziehungen und Bindungen, welche notwendigerweise das Sein des Einzelnen – also der Person – kennzeichnen, verstehen und ontologisch formulieren soll. Entscheidend für diese stärkere Differenzierung ist u. a. Hartmanns eingehende Auseinandersetzung mit der Hegel’schen Auffassung vom objektiven Geist: Nicht zufällig zieht Hartmann es vor, das „geistige Sein“ einzuführen, welches den objektiven Geist als einen von drei „Geistbereichen“ zusammen mit dem personalen Geist und dem objektivierten Geist enthält (ebd., 71 ff.).¹²

 Dieses Werk entstand während der gemeinsamen Zeit von Scheler, Hartmann und auch Helmuth Plessner in Köln, sodass Einflüsse von Scheler und Plessner in diesem Werk besonders naheliegend wären. Vgl. zur allgemeinen Thematik der „Kölner Konstellation“ Fischer 2011; Fischer 2012; Fischer 2014.  Für eine kritische Auseinandersetzung mit Hartmanns Konzeption siehe Jaeschke 2012.

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Durch den objektiven Geist wirkt die Vergangenheit stillschweigend in der Gegenwart fort (ebd., 35): Er ist ein geschichtlicher Geist, der sich erhalten und verwandelt hat und doch noch lebendiger Geist ist. So kann z. B. eine juristische Einrichtung aus der Vergangenheit Teil des objektiven Geistes sein, weil sie ihre Gültigkeit in der heutigen Praxis weiterbehält, auch wenn ihr Ursprung nicht mehr klar ist. Im objektivierten Geist hingegen zeigt sich die Vergangenheit als „vernehmliches Hineinragen“, dank der Vermittlung der Materie oder der Schrift (ebd., 36): Hier ist der Geist nicht mehr lebendig und wandelbar, sondern endgültig einem Zeugnis überantwortet, das für den objektiven Geist auch verloren gehen kann (man denke z. B. an ein Dokument, das Jahrhunderte lang unbekannt bleibt, bis es in einem Archiv oder einer Bibliothek entdeckt wird). In derartigen, konkreten Erzeugnissen wird die Vergangenheit – bzw. der in ihr wirkende, lebendige Geist – neu erfahrbar. Neben dem objektiven und dem objektivierten Geist gibt es noch eine dritte Form des geistigen Seins: den personalen Geist. Hartmann erinnert daran, dass die Unterscheidung zwischen diesen drei Formen nicht zu verabsolutieren sei, sondern dass sie vor allem eine klärende Funktion habe und es somit falsch wäre, daraus zu schließen, dass es drei verschiedene ‚Geister‘ gebe. Es gibt im Gegenteil das „einzige, einheitliche und unteilbare geistige Wesen“ (ebd., 72 f.). Im Zuge der genauen Betrachtung der drei Formen bzw. Geistbereiche erarbeitet Hartmann einige Merkmale, die Unterschiede und Ähnlichkeiten darstellen: Der personale Geist und der objektivierte sind z. B. heterogen, sie stehen jedoch vermittelt durch den objektiven Geist in Verbindung. Der personale und der objektive Geist haben die Lebendigkeit gemeinsam, während der objektivierte Geist nicht lebendig ist. Ebenso haben der objektive und der objektivierte Geist kein Bewusstsein, beide sind über-persönlich und über-individuell, während der personale Geist bewusst ist. Von einem einzigen und unteilbaren geistigen Wesen zu sprechen, bedeutet nun aber, indirekt das theoretische Problem aufzunehmen, das von Scheler formuliert wurde, als er, um persönliche Akte von sozialem Charakter zu berücksichtigen, die Wendung der „Gesamtperson“ eingeführt hatte. Die in der Ethik enthaltene Grundthese, dass nur die Einzelperson moralisches Subjekt sei (eine These freilich, der, wie wir gesehen haben, auch Scheler mühelos zustimmen könnte), entfällt nicht: Nur der personale Geist kann lieben und hassen, kann eine Schuld oder ein Verdienst auf sich nehmen und folglich als moralisch verantwortlich betrachtet werden, weil er ein freies Wesen ist. Dieses Merkmal, das ihn von den anderen beiden Formen unterscheidet, beruht darauf, dass der personale Geist singulär ist. Man könnte vielleicht sogar so weit gehen, hinzufügen, dass der objektive und der objektivierte Geist nur deshalb zwei Formen des Geistes sind, weil sie irgendeine Beziehung mit der Person haben oder gehabt haben. Zugleich ist es ebenso offensichtlich, dass die Person, obgleich sie der höchste Ausdruck,

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die höhere Form des Geistes ist, die Realität des Geistes nicht erschöpft. In diesem Sinne bedeutet von Singularität sprechen keineswegs, einen Individualismus zu vertreten: Die Person realisiert sich nie auf ausschließlich singuläre oder individuelle Art, sondern ist immer mit dem objektiven Geist verflochten. Dieser seinerseits ist in die Zeit gestellter Gemeingeist und folglich geschichtlicher Natur, während der objektivierte Geist unzeitlich ist und einer über-geschichtlichen Dimension angehört. Es ist außerdem wichtig, zu bemerken, dass in Das Problem des Geistigen Seins kein präjudiziell negatives Urteil hinsichtlich der Religion formuliert wird. Gerade die Betrachtung der zwischen objektivem und personalem Geist bestehenden Verflechtung treibt Hartmann dazu, die Rolle anzuerkennen, welche die Religion geschichtlich und kulturell spielt. Diesbezüglich sei auch daran erinnert, dass der Hegel’sche Begriff des objektiven Geistes nicht nur als Bestandteil einer idealistischen Metaphysik kritisiert wird, sondern auch eine bedeutsame Verwandlung erfährt. Wie schon Dilthey festgestellt hatte, lässt sich der Inhaltsbereich des objektiven Geistes gegenüber der Beschränkung auf Recht, Moral und Sittlichkeit, die sich bei Hegel findet, bedeutend erweitern (Dilthey 1982, 317 ff.; Dilthey 1992, 151 ff.). Dergestalt wird auch die Religion, zusammen mit der Sprache, der Kunst, der Wissenschaft, der Kultur usw. unter den Ausdrucksformen des objektiven Geistes eingeordnet. Die Religion ist folglich ein gemeinschaftlicher und sozialer, geschichtlich bestimmbarer Ausdruck des geistigen Seins. Wenn wir jedoch von dem ausgehen, was bereits hinsichtlich der Verbindung von objektivem und personalem Geist gesagt wurde, dann erscheint die Religion auch als eine Dimension des persönlichen, nicht nur gemeinschaftlichen Lebens: Das persönliche Leben ist sicherlich durchdrungen und bedingt von der Gegenwart des objektiven Geistes, wie auch andererseits der objektive Geist – und folglich auch die Religion als gemeinsame Dimension – nur kraft des vom personalen Geist geleisteten Beitrags bestehen kann. Mit Blick auf das Potenzial, die Erfahrung des Einzelnen auf den Boden des gemeinsamen Fühlens und Erfahrens zu beziehen, ist die Religion sogar „die reinste und prototypische Form, in der wir das Leben des objektiven Geistes kennen“, und das Glaubensleben „bindet den Einzelnen fester an den Gemeingeist als Sprache und Wissen, Sitte und Moral, Geschmack und Kunst“ (Hartmann 1962b, 245). Weiter führt Hartmann aus, unter den verschiedenen Bereichen des geistigen Lebens drücke die Religion weit wirksamer als die anderen Formen des objektiven Geistes (Technik, Recht, Wirtschaft,Wissenschaften usw.) „die Gegenwärtigkeit des Vergangenen“ aus, d. h. die Tatsache, dass die Vergangenheit als bedeutsam für das Heute und als immer gegenwärtig empfunden wird (ebd., 40 f.). Diese Öffnung hin zur Religion auf der geschichtlich-phänomenologischen Ebene stellt ein wichtiges Moment für jeden Versuch dar, die geschichtliche und

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soziale Dimension der persönlichen Realität zu erfassen, um die es schon Scheler ging und die – wie jener meinte – vorher von Hartmann eindeutig unterschätzt worden war. Als besonders geeignet, um die Komplexität der Hartmann’schen Auffassung von Personalität zu erfassen, die sich nicht mehr darauf beschränkt, die Selbstgenügsamkeit der moralischen Person zu betonen, erweist sich das Kapitel über das sogenannte Vorurteil der Authentizität des objektiven Geistes: Dieses Vorurteil besteht in der Annahme, dass der objektive Geist wesenhaft authentisch und superior sei, woraus folgen soll, dass sich das persönliche Bewusstsein entweder dem vermeintlich authentischen und infalliblen objektiven Geist unterordnen bzw. anpassen müsse, oder einer egozentrischen Verirrung zum Opfer falle (ebd., 338 ff.). Hartmann sieht in diesem Vorurteil, das den objektiven Geist leichtfertig zum Maßstab des personalen Handelns erklärt, die Folge einer unangemessenen, allzu optimistischen Auffassung von Geschichte. Gemäß seiner eigenen Position kann nur der personale Geist sich als urteilende Instanz konstituieren, um die Authentizität des objektiven Geistes festzustellen oder nicht. Dies schließt zwar nicht aus, dass der personale Geist selbst Opfer des Phänomens der Verfälschung werden kann, aber als Bewusstsein, Mitwissen und Gewissen hat er in sich die Voraussetzungen, um diese Tendenz in sich genauso wie in den Erscheinungen des objektiven Geistes zu erkennen (vgl. ebd., 341‒343). Hartmann versucht auf diesem Wege, zwei (wie er selbst behauptet) extreme Thesen zu vermeiden. Die erste These, die zurückgewiesen wird, besagt, dass der objektive Geist imstande wäre, in sich selbst das Kriterium der Authentizität zu finden. Eine mögliche Verfälschung wäre demnach den Individuen anzulasten, die vom objektiven Geist abweichen. Diese These ist für Hartmann inakzeptabel, weil der Gemeingeist nicht auf den kritischen Beitrag des persönlichen moralischen Bewusstseins verzichten kann. Er verwirft jedoch auch die zweite These, die man als individualistisch bezeichnen könnte und die genau entgegengesetzt zur ersten besagt, dass dem persönlichen Bewusstsein als alleinigem, aus sich selbst begründetem Urteilsmaßstab ein beinahe verabsolutierender Primat zukomme, während der objektive Geist ausschließlich eine Bedrohung der individuellen Authentizität darstelle. Hartmann stellt gegenüber dieser These klar: Ein individualistisch verstandenes Bewusstsein gibt es nicht, da das Bewusstsein immer mit dem objektiven Geist verflochten ist. Indem er den Individualismus kritisiert, scheint Hartmann zugleich auch den Moralismus oder individualistischen Voluntarismus treffen zu wollen, d. h. den Anspruch, dem Phänomen der Inauthentizität durch individuelle Gesten und Vorsätze zu begegnen, ohne auf Gegebenheiten objektiven Geistes wie z. B. die Gesamtheit der Gesetze, Institutionen und Gewohnheiten einwirken bzw. sie verändern zu können.

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Schlussbetrachtungen Die Person, ihre Beziehungsstruktur und geschichtlich-soziale Einbettung sind in den Werken Schelers und Hartmanns von großer Bedeutung. Somit stellte diese Thematik einen geeigneten Ausgangspunkt dar, um die unterschiedlichen Standpunkte Schelers und Hartmanns in ihren verschiedenen Werken zu beleuchten. Bei der Durchführung dieser Analyse wurde deutlich, dass Hartmann den Begriff der Gesamtperson als unangemessen kritisiert, wobei seine eigene Konzeption zunächst trotz des Anspruchs, durch den Rückgriff auf die Kategorialanalyse ein ontologisches Verständnis von Personalität anzubieten, als eine stark praktisch-moralische Charakterisierung der Idee der Person auftritt. Diese Charakterisierung von Personalität, die betont, dass nur die einzelne Person als moralisch verantwortliches Subjekt begriffen werden kann, beruht auf einer Auffassung von Freiheit, die letzten Endes überzogen erscheint und wenig Rücksicht auf die Betrachtung der geschichtlich-sozialen Verknüpfungen nimmt, in der sich das Sein von Personen immer schon vollzieht. Auch in der Interpretation der Relation von Ethik und Religion als Antinomie zeigt sich ein starker (und ungerechtfertigter) Hang zur Verabsolutierung der Autonomie des Menschen und der Ethik selbst. Mit einem erweiterten Verständnis des personalen Seins, wie es in der Auffassung vom sogenannten geistigen Sein konzipiert wurde, ergab sich eine Möglichkeit, um diese Verabsolutierung wieder zu relativieren. Dies geschah durch eine Rezeption von Hegel, dem gemäß Hartmann das Verdienst zuzuschreiben ist, als erster den Begriff des objektiven Geistes geprägt zu haben. Hartmann zieht es dabei vor, von geistigem Sein zu sprechen, gerade um seinen Abstand von der spekulativen Geschichtsphilosophie Hegels hervorzuheben und den Primat des persönlichen Geistes zu unterstreichen, der unter den Formen des geistigen Seins als einzige mit Bewusstsein ausgestattet ist. Gleichzeitig erkennt er an, dass es ein unauflösbares Band zwischen objektivem und personalem Geist gibt, und gerade diese Überlegung gestattet es, nun die Person als einen lebendigen Geist anzusehen, der in der Geschichte und in der Gesellschaft atmet (um die kritischen Bemerkungen Schelers aus dem Vorwort zur dritten Auflage des Formalismus wieder aufzunehmen). In diesem Rahmen erklärt sich auch die andere Einschätzung der Religion, die sich in dem Buch von 1933 als eine besonders wirkungsvolle Modalität darstellt, dank derer die Person sich mit dem Gemeingeist verbindet. Der Angelpunkt der Scheler’schen Theorie von der Person liegt in der Auffassung der Person als Einheit und Vollzug geistiger Akte, welche auch soziale

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Akte einschließt. Dabei ist Scheler sich darüber im Klaren, dass die spezifische und autonome Intentionalität der Gesamtperson gewiss nicht der Intentionalität und dem ‚Bewusstsein-von‘ der Einzelperson gleichgesetzt werden kann. Unter diesem Gesichtspunkt erwiesen sich demensprechend mehrere der Hartmann’schen Kritikpunkte als ungerechtfertigt. Es ist die Auffassung von der Person als Vollzugseinheit von Akten, die es Scheler gestattet, im Laufe der Jahre die Grundthesen seiner personalistischen Auffassung festzuhalten – zumindest wenn man den Aussagen im Vorwort zur dritten Auflage des Formalismus Glauben schenken will.¹³ Die Schwierigkeit, das Göttliche auf eine neue Weise begreifen zu wollen, lässt es für Scheler unattraktiv erscheinen, eine strenge und konstruierte Trennung von Ethik und Religionsphilosophie, zwischen Ethik und Metaphysik des Absoluten zu übernehmen. Es ließe sich vielleicht noch über einen anderen Aspekt eine Entwicklung in der Theorie Schelers aufzeigen, den zu vertiefen hier nicht möglich war: Während er noch 1913 bzw. 1916 schreiben konnte, dass „aller Geist dann auch wesensnotwendig ‚persönlich‘ ist und die Idee eines ‚unpersönlichen Geistes‘ ‚widersinnig‘ ist“ (Scheler 1966, 388; Hervorhebung im Original – ADR), so geht er in den Werken der letzten Jahre so weit, zu erklären: „das erste Attribut ‚Geist‘ ist nicht persönlich“ (Scheler 1979, 208). Gerade angesichts der Betrachtung des Göttlichen entfällt nun die Gleichsetzung von Geist und Person: Auf der Grundlage des von Hartmann aufgestellten und von Scheler übernommenen Kategorialgesetzes wird die Idee Gottes als Person und allmächtiger Geist, der alles aus dem Nichts schafft, abgelehnt. Stattdessen wird von der „Ohnmacht des Geistes“, vom „unfertigen Gott“, vom „werdenden Gott“ gesprochen, und davon, dass für die Menschen gilt: „Man kann an seinem Leben und seiner geistigen Aktualität teilhaben nur durch Mitvollzug, nur durch den Akt des Einsatzes und der tätigen Identifizierung“ (Scheler 1976a, 71; Hervorhebungen im Original – ADR).

Literatur Da Re, Antonio (1996): Tra Antico e Moderno. Nicolai Hartmann e l’Etica materiale dei Valori, Milano.

 Hier schreibt Scheler: „Um so wichtiger erscheint es dem Verfasser, an dieser Stelle scharf hervorzuheben, daß die im vorliegenden Werke niedergelegten Gedanken durch diese Umbildung der metaphysischen Grundansicht des Verfassers nicht nur nicht mitbetroffen wurden, sondern daß im Gegenteil sie ihrerseits einige der Gründe und geistigen Motive darstellen, die diese Umbildung erst herbeigeführt haben“. Scheler 1966, 17; Hervorhebungen von mir – ADR.

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Tradition als Anthropinon? Abstract: Both Philosophical Anthropology and Nicolai Hartmann have devoted themselves – at least partially – to the phenomenon of tradition. In the context of an anthropological analysis of the human being and what follows from it for the human self and its relation to the world, tradition was taken on the one hand as a point of orientation and stabilization, on the other hand also as a limiting and oppressive instance or force. For Hartmann though, tradition was mainly a positive – that is useful and necessary – fixpoint of the objective mind. The article tries, foremost, to extract Hartmann’s concept of tradition and compare it with the concept used by Arnold Gehlen and others. The aim is to show that there are descriptive and normative differences in detail that merit wider attention. Finally, an attempt is made to examine and contextualize the two perspectives against the background of current perspectives on tradition. Keywords: Nicolai Hartmann, Arnold Gehlen, Philosophical Anthropology, Tradition, Objective Spirit, Culture, History

Einleitung In einer aktuellen philosophischen Publikation zum Phänomen der Tradition wird, ganz unhinterfragt, die These aufgestellt, Tradition sei ein anthropologisches Spezifikum (vgl. Winter 2017, 2). Was den Menschen von anderen Lebewesen, vom Tier insbesondere unterscheide, ist das Haben von bzw. Leben in Traditionen. Stimmt das aber? Max Scheler hatte in Die Stellung des Menschen im Kosmos, seiner wegbereitenden anthropologischen Skizze von 1927/28, das Gegenteil behauptet: ‚Nachahmung‘ und ‚Kopieren‘ sind nur Spezialisierungen jenes Wiederholungstriebes, angewandt auf fremdes Verhalten und Erleben, der zunächst eigenen Verhaltensweisen und Erlebnissen gegenüber tätig ist und sozusagen den Dampf alles reproduktiven Gedächtnisses darstellt. Durch die Verknüpfung beider Erscheinungen bildet sich erst die wichtige Tatsache der ‚Tradition‘, die zu der biologischen ‚Vererbung‘ eine ganz neue Dimension der Bestimmung des tierischen Lebens durch die Vergangenheit des Lebens der Artgenossen hinzubringt […]. Doch beruht alle echte menschliche Entwicklung wesentlich auf einem zunehmenden Abbau der Tradition (Scheler 1995, 29).

Hier wird Tieren Traditionalität als Kennzeichen zugesprochen, den Menschen zeichnet dagegen gerade die Abstandsnahme davon aus. Auch moderne biolohttps://doi.org/10.1515/9783110615555-011

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gische Forschungen lassen gelegentlich den Schluss zu, dass die Auffassung der Tradition als Anthropinon im Sinne Michael Landmanns, also als genuin menschliche Kategorie, nicht ohne weiteres einsichtig ist.¹ Für diese disparaten Ansichten gibt es einen wesentlichen Grund – es fehlt noch immer an einer tragfähigen Phänomenologie der Tradition, die erst herausstellen könnte, was denn Tradition eigentlich ist.² So trennt Scheler etwa Tradition im oben zitierten Sinne von „aller Überlieferung auf Grund von Zeichen, Quellen, Dokumenten, (allem Geschichtswissen) aufs allerschärfste [ab]“ (Scheler 1995, 29). Solch eine Begriffsverwendung ist sicher eher ungewöhnlich, oft wird Tradition geradezu mit Überlieferung identifiziert.³ Zuletzt hat Thomas Arne Winter einen Versuch vorgelegt, Tradition mittels einer abstrakten Strukturanalyse als eine spezifische Weitergabe von wiederholbaren und weitergebbaren Mustern zu deuten. Aber er kann aufgrund des hohen Verallgemeinerungsgrades seiner Herangehensweise ebenfalls nicht mehr deutlich machen, auf welche Phänomene sich seine Analyse bezieht.⁴ Das Problem der Uneinheitlichkeit des Verständnisses von Tradition belastet die gesamte philosophische Auseinandersetzung mit ihr. Auch Nicolai Hartmann und viele Autoren des „Denkansatzes“⁵ Philosophische Anthropologie – vor allem Michael Landmann, Arnold Gehlen, Erich Rothacker – sind im Rahmen ihrer Beschäftigungen mit dem Menschen und seinen Lebenswirklichkeiten auf das Phänomen Tradition gestoßen. Im Folgenden soll zunächst Hartmanns Überlegungen ein Stück weit gefolgt, anschließend ein kurzer Seitenblick auf die Philosophische Anthropologie gewagt werden, um daran zweierlei nachzuvollziehen. Einerseits geht es darum, zu verstehen, auf welche Weise Tradition jeweils mit dem Menschen verbunden gedacht wird. Andererseits steht aber auch eine In-Beziehung-Setzung der beiden Ansätze – Kritische Ontologie und Philosophische Anthropologie – im Fokus. Im Medium der Beschäftigung mit Tradition wird sich zeigen, dass die Parallelen deutlich zu betonen sind, was den wissenschaftshistorischen und -soziologischen Beobach-

 Verwiesen sei auf einige Schilderungen zum symbolischen Erbe bei Jablonka/Lamb 2006, 193‒ 231 sowie Hinweise im Kontext des Erziehens im Tierreich bei Böx 2012. – Zum Begriff des Anthropinons vgl. Landmann 1984a; Landmann 1984b. Auf eine detaillierte Diskussion dieses Terminus wird hier verzichtet, vgl. dazu aber Bohr 2015.  Auch Gadamer 1962 leistet dies nicht, bleibt undifferenziert.  So ganz exemplarisch bei Gadamer 1965, u. a. 257, 262, 266. Berechtigte Kritik daran bei Winter 2017, 28, 140 f., 172, 246.  Vgl. zu seiner Bestimmung von Tradition Winter 2017, v. a. 226‒294.  Ich greife aus pragmatischen Gründen auf die Systematisierung von Joachim Fischer zurück. Vgl. Fischer 2008, 14 f., 515‒575.

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tungen Joachim Fischers, der Hartmann als einen „Geburtshelfer“ (Fischer 2008, 48) des Denkansatzes titulierte, eine systematische Komponente beigibt. Gleichwohl kann das im Rahmen eines kurzen Beitrages nur kursorisch geschehen. Zum einen deshalb, weil das geschilderte Defizit eines belastbaren Begriffs von Tradition hier nicht behoben werden kann, es muss vielmehr der Versuch einer Annäherung genügen. Zum anderen ist der Textkorpus so groß und die Komplexität der Theoreme so hoch, dass es vorerst um eine abstrakte, erste und allgemeine Annäherung geht. Und schließlich soll, um historische Beschäftigungsungleichgewichte wettzumachen, die Philosophie Hartmanns den Schwerpunkt bilden.⁶ Aus den genannten drei Gründen wird die den Beitrag betitelnde Frage nur eine bedingte Beantwortung finden, soll dem Nachdenken aber im Text und über den Text hinaus Anregung und Richtung geben.

1 Was Tradition ist – eine Annäherung Bevor der Blick auf Hartmann sowie die Philosophische Anthropologie gewagt werden soll, stellt sich, wie erläutert, die Frage, was denn eigentlich Traditionen sind? Wiewohl ein jeder diesem Phänomen in irgendeiner Weise im Leben begegnet, ist eine einheitliche, belastbare Definition schwer anzugeben. Zumeist orientieren sich Bestimmungen – prominent etwa Edward Shils’ (vgl. Shils 1983) – an dem Motiv der Weiter- oder Übergabe. Dies reicht jedoch offensichtlich nicht zu, weshalb von einigen Denkern besondere Aneignungsprozesse (so exemplarisch Winter 2017, 244‒253), von anderen Wächter bzw. Hüter, von wieder anderen die geheiligte Abstammung (vgl. etwa Pieper 1957) oder ähnliches als differentia specifica angeführt werden. Auch ob sie als statischer oder dynamischer Prozess zu sehen sind, bleibt umstritten. Generell zeichnet sich zudem ab, dass Tradition nicht immer trennscharf von verwandten Phänomenen wie Konventionen, Geboten, Sitten, Bräuchen, Überlieferungen, Gewohnheiten, Habitus oder Routinen abgegrenzt wird. Angesichts dieses exegetischen Befundes erscheint es im gegebenen Kontext aus heuristischen Gründen klug, Tradition nicht zu definieren, sondern – in einer an Aristoteles angelehnten methodischen Volte – von ihren typischen Leistungen her zu begreifen und sich ihr so gleichsam anzunähern. Dazu werden im Folgenden in aller Kürze wesentliche Schwächen und Stärken angerissen. Das auf diese Weise evozierte Bild soll hinreichen, um im Anschluss  Erst in den letzten Jahren ist es zu einer Renaissance der Beschäftigung mit Hartmann gekommen. Studien zur Philosophischen Anthropologie gibt es dagegen zahlreiche, so dass im vorliegenden Beitrag schwerpunktmäßig Hartmanns Denken im Mittelpunkt steht, die Philosophische Anthropologie undifferenzierter und pauschaler behandelt wird.

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daran die bei Hartmann und den anthropologischen Autoren zu findenden Aussagen auf konkrete Phänomene beziehen zu können. Wenn man sich mit diesem Interesse ansieht, welche Schwächen bzw. Probleme die Kritik an der Tradition herausgestellt hat, fallen vier wesentliche ins Auge. Zunächst entzündet sich die Kritik daran, dass Tradition ein Moment der Fremdbestimmung beinhaltet. Als von anderen Übernommenes ist sie kein autonom erzeugtes Gut. In diesem Sinne stellt Herder, obwohl sonst ein Traditionsverteidiger, fest: „Niedriger also kann kein vernünftiges Geschöpf stehen, als der Mensch steht; denn er ist lebenslang […] ein Zögling der Vernunft anderer […].“ (Herder 1966, 228) Besonders die Aufklärung mit ihrem Ideal der Autonomie hat sich deshalb an den Traditionen gerieben und abgearbeitet. Aber auch Martin Heideggers Feststellung, Tradition würde ein eigentliches Verhalten zur Geschichte gerade verhindern, insofern sie schon ein vorgefertigtes Verhältnis anbiete, gehört in diesen Kontext (vgl. Heidegger 2001, 21; Heidegger 2005, 366). Ein zweiter Punkt ist damit eng verbunden – das Fortbestehen von Traditionen hängt nämlich davon ab, dass Menschen zumindest vorübergehend eine rezeptive, ehrfürchtige, vielleicht gar demütige Haltung einnehmen. Kritik als genuin moderner Habitus widerspricht dieser Bedingung anscheinend ganz unmittelbar. Es ist daher immer wieder in Frage gestellt worden, ob die erforderliche Haltung überhaupt noch möglich ist. Gleichwohl aber haben etwa Alasdair MacIntyre und zuletzt Hartmut Rosa die Relevanz des Rezeptiven für den Menschen hervorgehoben (vgl. MacIntyre 2001; vgl. Rosa 2016). Drittens hat die historisch wie kulturübergreifend geschulte Kritik auf die Kontingenz der Traditionen hingewiesen. Wenn eine Sache zu einer Zeit so, zu einer anderen aber anders gehandhabt wird, wenn es an einem Ort so, an einem anderen wiederum anders durchgeführt wird, verlieren tradierte Verhaltensweisen, Normen, Regeln usw. ihren Nimbus und werden als bloß kontingente, relative Faktoren erkannt. Einen Schritt weiter geht die damit zusammenhängende These von Eric Hobsbawm und Terence Ranger, wonach viele Traditionen gänzlich Erfindungen, d. h. Hervorbringungen der Menschen seien (vgl. Hobsbawm/Ranger 2012). Aus diesen Beobachtungen zieht die Kritik den Schluss, Traditionen seien in keiner Weise hinsichtlich ihres epistemischen wie normativen Gehalts zu bevorzugen, gegebenenfalls sogar gar nicht zu berücksichtigen. Viertens schließlich haben Friedrich Nietzsche und andere herausgestellt, dass Traditionen zur Belastung werden können, insofern sie den Menschen durch überkommene Verhaltensvorschriften in ein Korsett zwingen, dass der Entfaltung seines eigentlichen Wesens oder gar des „Lebens“ im Wege stehe (vgl. Nietzsche 1999, 243‒334). Daher werden vor diesem Hintergrund Freiheit und Vitalität gegen Traditionen in Stellungen gebracht. Diese vier Hauptmotive sind – in unter-

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schiedlichen Ausprägungen – die wesentlichen Kritikpunkte gewesen, die sich auf bestimmte spezifische Eigenarten von Tradition bezogen. Zugleich kann man mindestens fünf Hinsichten betonen, in denen Traditionen etwas zu leisten vermögen, auf das der Mensch anscheinend nur schwer verzichten kann. Zunächst zu nennen ist in diesem Kontext die identitätsstiftende Leistung der Tradition. MacIntyre meint: „Der Mensch ist in seinen Handlungen und in seiner Praxis ebenso wie in seinen Fiktionen im Wesentlichen ein Geschichten erzählendes Tier“ (MacIntyre 1995, 288). Ein wesentlicher Erzählstrang ist der je eigene Traditionszusammenhang. Ohne diesen steht der Mensch an einem nicht bestimmten Ort und es gelingt ihm nur eingeschränkt, sich zu positionieren. Freilich gibt es Surrogate, die funktionell die Traditionen ersetzen können – Rollen, Vorbilder usw. –, aber diese tragen das Stigma der Kontingenz noch viel deutlicher an sich als die Tradition. Fällt die Identitätsstiftung aus, wird dem Menschen sein Sichfinden in der jeweiligen Situation zu einem fortwährenden Problem. Ohne überkommene und zumindest vorübergehend gültige Antworten auf wesentliche ethische, praktische usw. Fragen ist er ständig selbst aufgefordert, autark Lösungen zu entwickeln. Damit hängt die zweite Stärke der Tradition zusammen, denn sie kann als Entlastungsprozess beschrieben werden (vgl. Gehlen 1983, 138).⁷ Sie nimmt implizit und explizit Entscheidungen und Weichenstellungen vor, die zwar einerseits das Subjekt in seinen Möglichkeiten und Freiheiten beschneiden, andererseits aber dessen Handlungsspielraum offen halten, insofern er nicht auf ständige Jetztbewältigungen angewiesen ist, sondern auf ein Fundament schon je vollzogener Entscheidungen zurückgreifen kann (vgl. Popper 1994, 190). Verstehbar wird diese Leistung vor dem Hintergrund der Prämisse, die die Kritik an den Traditionen sich implizit zu eigen gemacht hat, nämlich die These, der Mensch sei zur vollkommenen Autonomie berufen. Im Interesse dieses Leitbildes hatte die Aufklärung zahlreiche Autoritäten kritisiert und auf Dauer destruiert. Gleichwohl aber verweisen Traditionen in ihren Funktionen darauf, dass es – zumindest für den Menschen, wie er zumeist in der Geschichte und Gegenwart begegnet – eine Überforderung darstellt, absolute Autonomie zu erstreben. Herder hat dies eingesehen: Der „Mensch wähnet im Traum seines Lebens, er sei alles, was er ist, durch sich selbst worden [sic!]“ (Herder 1966, 225). Gegen diesen falschen, weil übertriebenen Autonomieglauben richtet sich das Insistieren auf die Stärken der Tradition. Einhergehend mit dieser Korrektur an der menschlichen Autonomiehybris werden Traditionen auch – zum Beispiel von Adam Smith, Karl Popper oder

 In diesem Sinne vgl. auch Winter 2017, 77, 286‒294.

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Friedrich Hayek – angeführt, um auf die Grenzen menschlicher (Sozial‐)Konstruktionen hinzuweisen. Dabei geht es nicht darum, wie einige bekannte Bemerkungen Humes nahelegen (vgl. Hume 1988, 339), das Althergebrachte um seiner selbst willen zu verteidigen, sondern darum, den Menschen auf die Grenzen seiner Weitsicht und Vernunft zu stoßen, die womöglich nur durch Traditionen zu erweitern sind. In diesem Sinne meint Hayek, ein Aufgeben der Traditionen zugunsten falsch verstandener Vernunftvorstellungen führe viele Menschen in durch menschliche Konstruktionen bedingtes Elend (vgl. Hayek 1996, 25). Schließlich lässt sich fünftens anführen, dass man Traditionen nicht nur, wie es die Kritik getan hat, als vernunftferne Phänomene begreifen sollte. Vielmehr kann man sie als Wissensakkumulation begreifen. Besonders Gadamer hat dafür argumentiert (vgl. Gadamer 1965, 263‒266). Dahinter steht die Beobachtung, dass durch Traditionen Erfahrungen und Wissen weitergegeben werden, die sich womöglich einer rein rationalen Vermittlung bislang widersetzt haben. Dieses Reservoir möchten einige Theoretiker dem Menschen zugänglich halten und fordern daher gegen die rationalistische Kritik, den Begriff von Wissen offen zu halten. Diese sehr knappen Hinweise auf zumeist mit Traditionen verbunden gedachte positive wie negative Leistungen können als erste Annäherung reichen, um ein zumindest ungefähres Verständnis zu evozieren. Zukünftige Arbeiten werden die empirisch-phänomenologische Grundlage verbessern müssen, um beurteilen zu können, inwiefern die unterschiedlichsten Autoren eigentlich über dasselbe sprechen oder nicht.⁸ Wie aber interpretieren Hartmann und Autoren der Philosophischen Anthropologie Tradition – worunter das mit den genannten Leistungen Versehene verstanden werden soll – und in welches Verhältnis setzen sie diese zum Menschen?

2 Nicolai Hartmann über Tradition Will man ein Verständnis der Traditions-Theoreme Hartmanns gewinnen, so ist das nur im Rahmen seiner Philosophie des Geistes möglich. Dieser Bereich, der nach heutigem Verständnis ein Konglomerat mindestens aus ethischen, ontologischen, pädagogischen, kulturphilosophischen, geschichtsphilosophischen, subjekttheoretischen und epistemologischen Teilen darzustellen scheint, ist im Kosmos Hartmanns von herausragender Bedeutung. Hartmann operiert dabei mit

 Insofern verdient Winter 2017 erhöhte Aufmerksamkeit, da er einen sehr abstrakten Definitionsversuch macht, bei dem unklar bleibt, welche der genannten Phänomene wirklich darunterfallen und welche nicht.

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einem Verständnis von Geist, das in erheblichem Maße Überschneidungen zeigt mit dem heutigen Begriff „Kultur“.⁹ Sein Vorgehen leistet dabei die schon bei Hegel problematisch gebliebene Vermittlung zwischen dem Individuum mit seinen Bedürfnissen und dem Allgemeinen, d. h. dem Nicht-Subjektiven. Gleichzeitig wird ihm Kultur nicht zu einem bloß Äußeren, sondern etwas, das lebensweltlich fortwährend antreffbar und wirksam ist. Kultur erweist sich als kein einfach (Vor‐) Gegebenes, keine unentrinnbare Last, sondern etwas, das der Mensch sich in bestimmter Weise aneignen und mit dem er umgehen muss. So akzeptiert Hartmann zwar im Anschluss an die Philosophische Anthropologie, insbesondere Helmuth Plessner, die These von der exzentrischen Positionalität, verbindet sie jedoch mit der Einbettung der Person in einen größeren, heteronomen Zusammenhang (vgl. Hartmann 1949, 114).¹⁰ Insofern vermittelt er den „freigestellten Menschen“ gerade mit zwanghaften Mächten wie etwa der Tradition oder der Geschichte. Neben diesem Vermittlungs- und Aneignungsfokus ist zudem festzustellen, dass Hartmann von Anfang an im Rahmen seiner Kulturphilosophie implizit statt nach dem Ursprung die Frage nach der Dauer von Kultur stellt. Was muss geschehen, damit es Kultur für den Menschen nicht nur im Gestern und Heute, sondern auch im Morgen noch gibt? Das macht ihn besonders empfänglich für die Besonderheiten, die das Phänomen Tradition auszeichnen. Für eine kulturphilosophische Betrachtung in der Perspektive Hartmanns ist, wie angedeutet, die Schicht des Geistigen relevant. Hartmann greift hier terminologisch wie inhaltlich neben Hegel und Wilhelm Dilthey auf Hans Freyer zurück (vgl. Dilthey 1970; vgl. Freyer 1928). Das Geistige steht über dem Bewusstsein, dem Seelischen und bildet eine Sphäre der Gemeinsamkeit, der Kommunion. Es ist etwas, das den einzelnen Menschen als „Anderes“ begegnet und nicht allein von ihnen stammt wie ihr Bewusstsein (vgl. Hartmann 1949, 69 ff.). Alles Geistige wird von Hartmann nochmals in drei Sphären untergliedert, den personalen, den objektiven und den objektivierten Geist. Anders als bei der ontologischen Schichtung im Bereich des Anorganischen, Organischen und Seelischen gliedern sich diese Sub-Schichten nun nicht nach dem Modell des Aufruhens, sondern sie durchdringen und bedingen sich gegenseitig (vgl. Hartmann 1940, 188‒200). Es heißt dazu: „Es gibt nur das eine, einheitliche geistige Sein, ungeteilt und unteilbar. […] Es [d.i. die Sub-Schichten – SK] sind drei Grundkategorien desselben

 Auf die genauen terminologischen Differenzierungen kann hier nicht eingegangen werden, was im Kontext des vorgesetzten Themas auch nicht notwendig scheint. Zu generellen Relevanz des Konzeptes „objektiver Geist“ auch für die heutige Philosophie vgl. Wunsch 2015.  Vgl. dazu Morgenstern 1997, 110 f.; Zimmermann 1982, 60.

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geistigen Seins.“ (Hartmann 1949, 73) Was aber hat man sich unter diesen drei Seinsformen des Geistigen vorzustellen? Der personale Geist zeichnet sich durch die Eigenschaften der Individualität und der Lebendigkeit aus und zeigt Nähen zu dem, was man in der heutigen Diskussion mitunter „Person“ oder „Subjekt“ nennt. Hartmann führt weiter aus, dass nur der personale Geist Verantwortung trägt, Schuld und Verdienst sowie einen Ethos hat. Der objektive Geist, so Hartmann definitorisch, „ist das Geistesleben in seiner Ganzheit, wie es geschichtlich in einer jeweilig bestehenden, durch Zeitgenossenschaft und Lebensgemeinschaft verbundenen Menschengruppe sich herausbildet, entwickelt, zur Höhe gelangt und niedergeht.“ (Hartmann 1949, 205) An anderer Stelle heißt es ähnlich lautend, dass er die „Sphäre geistiger Gemeinsamkeit“ sei, das „gemeinsame Geistesleben, das über die Individuen weggeht, sie verbindet und trägt, den Boden ihres Wachstums und ihrer Differenzierung bildet“ (ebd., 176). Um die Begriffserläuterung zu vervollständigen, sei schließlich eine dritte Bestimmung zitiert: Er ist die geistige Sphäre, in die Geburt, Erziehung und geschichtliche Zeitlage uns hineinstellen und hineinwachsen lassen; jenes allgemeine Etwas, das wir in Kultur, Sitte, Sprache, Denkformen, Vorurteilen, herrschenden Wertungen als überindividuelle und doch reale Macht kennen […], ist ein Medium, durch das hindurch wir alle Dinge sehen, auffassen, beurteilen, auswerten, behandeln. Und doch zugleich weit mehr als ein Medium, ein Gestaltendes, Formendes, Führendes in uns selbst (Hartmann 1929, 300).

Beispiele aus der Klasse seiner Phänomene sind neben der erwähnten Sprache auch die Produktion und Technik, die vorherrschenden Wertungen, die herrschende Moral, die hergebrachte Form der Erziehung, der tonangebende Geschmack oder auch der Stand der Erkenntnis und Wissenschaft (Hartmann 1949, 212). Dabei gilt es zu beachten, dass der objektive Geist von Hartmann als wesentlich nicht fixierbar charakterisiert wird (ebd., 406 f.). Er ist auch keineswegs ein abstraktes Allgemeines, an dem die Individuen nur Anteil hätten, sondern er ist eben ein Grundton der Zeit, das Ethos einer Zeit (ebd., 83). Vermittels dieser Umschreibungen ist offensichtlich, dass er als vergänglich aufgefasst wird und durch Individualität gekennzeichnet ist – hier greift Hartmann historistische Theoreme auf. Als ein solches individuelles geschichtliches Vorkommnis ist er zugleich die „Arbeit von Generationen“ (Hartmann 1935, 39), die ihn hervorgebracht haben. Und er ist schließlich auch nicht, gegen Hegel gesprochen, ein Leben hinter oder jenseits von Individuen, sondern eines, das „in“ ihnen als einer ständig wechselnden und sich auffüllenden Vielheit abläuft (vgl. Hartmann 1949, 289).

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Anders als bei Hegel ist dem objektiven Geist zudem keine Fortschritts-Teleologie eigen. Hartmann nutzt den Terminus in erster Linie deskriptiv, erweitert ihn letztlich aber doch mit der Rede vom „Echten“ bzw. „Falschem“ im Geist um eine normative Dimension.¹¹ Die Wissenschaften sollen es sein, die das Echte auf Dauer bewahren und sichern können. Außerdem ist Hartmann der Überzeugung, dass „on the long run“ sich das Echte und Wahre im objektiven Geist durchsetzen werde. Ein Scheitern schließt er aber – zumindest für eine begrenzte Zeitphase – nicht aus. Generell ist sein Bild vom objektiven Geist pluralistischer als dasjenige Hegels, wenn er auch an einer Stelle erkennen lässt, dass das eigentliche Ideal „das vollständige Durchwaltetsein der Individuen von der Einheit eines Geistes“ (ebd., 245) sei. Wenn man aber bedenkt, dass dieses Ideal an den monotheistischen Religionen abgelesen wird, lässt sich vermuten, dass Hartmann dessen Realisierung ohnehin für in der Gegenwart fragwürdig hält. Der objektivierte Geist wiederum ist die Sphäre von Gebilden, „die einmal von ihm [d.i. dem objektiven Geist – SK] hervorgebracht, relativ selbständig ihm gegenüberstehen und seinen Wandel, seine Schicksale, sein Vergehen nicht teilen“ (ebd., 406). Es handelt sich demnach um die Sphäre der dauernden, stabilen materialen Manifestationen des objektiven Geistes, also etwa um Kunstwerke oder die in den Räumen von Archiven gelagerten Bestände. Die Entstehung der Gebilde des objektivierten Geistes vollzieht sich mittels Objektivationen, welche einen Augenblicksbedarf des objektiven Geistes darstellen (vgl. Hartmann 1966, 87). Wenn zum Beispiel ein Satz formuliert wird, so ist dies eine solche Objektivation. Allerdings ist das gesprochene, nicht irgendwie fixierte Wort nur ein unselbständiger Fall, von dem die selbständigen – exemplarisch ein gedruckter Roman oder auch eine Skulptur – zu trennen sind. Der objektivierte Geist ist gekennzeichnet durch eine längere zeitliche Dauer als der personale oder objektive, was nach Hartmann daran liegt, dass das Material sich erhält. So ist der Geist jeder antiken Polis längst vergangen, ebenso der personale Geist eines jeden PolisBürgers, aber die Statuen, Schriftstücke, Münzen, Tempel, Plätze usw. haben sich durch die Zeit erhalten. In ihnen ist der Geist jener Epoche objektiviert und gewissermaßen auf Abruf vorrätig. Für die eingangs vorgelegte Frage nach dem Verhältnis von Mensch und Tradition erweist es sich nun als vonnöten, drei Phänomenbereiche des Geistes in ihrem Zusammenwirken in den Blick zu nehmen. Generell hält Hartmann nämlich fest, dass das „geistige Sein […] eine Bewegtheit eigener Art [ist], ein Sich-Wandeln und Sich-Entfalten, eine Lebendigkeit, anders als die des Organischen“

 Vgl. ebd., 354‒375. Parallelen zu Heideggers Eigentlichkeits- bzw. Authentizitäts-Theorem deuten sich an.

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(Hartmann 1949, 58). Diese spezifische Bewegtheit und Dynamik des Geistes ist es, der nachzugehen sein wird. Dazu werden drei Phänomene in den Fokus genommen: natürlich die Tradition, dazu aber aufgrund sachlicher Gebotenheit auch die Person und das Ethos. Anorganisches Sein scheint die längste zeitliche Existenz zu haben, ohne dafür etwas tun zu müssen. Ein Stein kann Millionen, gar Milliarden Jahre alt werden, ganz unabhängig von irgendwelchen Aktionen seinerseits. Das Organische sichert seine zeitliche Fortdauer vermittels Fortpflanzungsmechanismen unterschiedlichster Art. Wie ist es in dieser Hinsicht um das Geistige bestellt? Hartmann schreibt: „Das Wandern des geistigen Inhalts von Person zu Person […] ist die Grundlage aller lebendigen Tradition und bildet somit ein Grundphänomen des objektiven Geistes“ (ebd., 181). Und an anderer Stelle heißt es gleichbedeutend: „[D]er Geist vererbt sich nicht, er tradiert sich nur; er wandert im Übergeben und Übernehmen von Generation zu Generation. Dieses Wandern ist das Fortleben des geistigen Seins […], sein Überleben als objektiver Geist“ (ebd., 214 f.).Es tritt also an die Stelle des durch biologische Mechanismen wie Vererbung gesicherten Weiterlebens der Traditionszusammenhang. Carlo Scognamiglio hatte zuletzt vor diesem Hintergrund die Bedeutung der Tradition als Determinante des historischen Seins hervorgehoben (vgl. Scognamilio 2012, 318, 324). Nun bleibt bei Hartmann der Begriff „Tradition“ weitestgehend offen, man erfährt nur, dass zwischen einer „vernehmlichen“, also offenbaren, und einer „stillschweigenden“, unterschwelligen Form zu unterscheiden ist (vgl. Hartmann 1949, 35‒39). Eine Phänomenologie der Tradition findet sich bei ihm nicht, wie sie auch generell, wie erwähnt, bis heute Desiderat geblieben ist. Besieht man aber, wie er sich das Tradieren denkt, fällt auf, dass er keineswegs von einem einfachen, eindimensionalen Übergabevorgang ausgeht, wie es etwa Josef Pieper später getan hat (vgl. Pieper 1957, 14 f.). Vielmehr erweist sich das Tradieren als bedingt durch einen Aneignungsprozess. Wenn der einzelne Mensch durch Erziehung und Bildung die vorhergehende Arbeit von Generationen übergeben bekommt, funktioniert dies nicht nach dem Modell des „Nürnberger Trichters“, sondern muss als emphatische Aufgabe verstanden werden: „Die Elemente des geistigen Seins braucht der einzelne nicht selbst zu finden, sondern nur anzunehmen; aber er muß sie sich doch in einem langwierigen und mühevollen Prozess aneignen […]“ (Hartmann 1954, 127). Oder in ähnlicher Diktion: „Dem Individuum wird […] nichts geschenkt, es muß seinen Einsatz daran setzen, muß die Arbeit des Zueigenmachens leisten“ (Hartmann 1949, 215). Es kommt gerade auf das Individuum an, sich beim Tradieren zu engagieren. Kulturelles Fortbestehen ist eine Aufgabe, kein anonym sich vollziehender, gleichsam mechanischer Prozess. Damit einhergehend steht zugleich die Möglichkeit des Verfehlens der Aufgabe im Raum – Kulturen können an der Sicherung ihrer Dauer scheitern. Der Geist kann dabei versagen, sich über den

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Wandel hinweg eine Einheit zu geben (vgl. ebd., 93). Mit der Tradition ist demnach der wesentliche Prozess der Kulturfortdauer aufgezeigt, aber er vollzieht sich nicht automatisch oder gar autonom, sondern es kommt auf die besonders geartete Aneignung durch Personen an. Hartmann nimmt, das zeigt sich klar, die Person im Kulturrahmen wieder ernst. Gleichwohl wird er dabei kein „Sozialatomist“, sondern durch den Begriff des Geistes wird das Überpersönliche parallel betont. Wenn man verstehen will, was die Person für das Fortbestehen von Kultur, das Tradieren, zu leisten hat, lohnt ein Seitenblick auf die Ethik. Dort schreibt Hartmann: „Unter allen realen Wesen besitzt nur das Subjekt die Potenz der Vermittlung. […] Person ist das Subjekt [dabei] insofern, als es mit seinen transzendenten Akten, d. h. in seinem Verhalten, Träger sittlicher Werte und Unwerte ist“ (Hartmann 1926, 205 f.). Was hier die Person im Hinblick auf Werte leistet, nämlich deren Vermittlung in der realen Welt, lässt sich analog auf die Kulturproblematik allgemein und die Tradition speziell übertragen. Es ist das personale Subjekt, welches vermittels seines Einsatzes über die Entwicklung des objektiven Geistes entscheidet (vgl. Hartmann 1949, 488). Dem entspricht, dass die Person von Hartmann als dasjenige verstanden wird, dem qua seiner Freiheit die Chance und zugleich Bürde auferlegt ist, sich durchfinden zu müssen. Die Person ist durch ihre Freiheit das labile, fortwährend in die Krise gestellte Wesen und mit ihren Entscheidungen und Handlungen bedingt sie auch die Kultur (vgl. ebd., 166 f.). Die Erhaltung und die Identität des Geistes sind auf Freiheit gestellt (vgl. ebd., 90). Dabei ist allerdings zu betonen, dass nicht nur die Kultur auf die Person angewiesen ist, sondern auch andersherum ein Bedingungsverhältnis besteht. Hartmann fasst beide Relationen pointiert so zusammen: „Der persönliche Geist hat am objektiven die Macht, die ihn erst einmal auf das Niveau hebt, sodann die Atmosphäre, in der er lebt und arbeitet. Der objektive aber hat am persönlichen nicht nur den ephemeren Träger und Beweger, sondern auch die Bewußtheit, sein Fürsichsein, seine Krönung“ (ebd., 320). Somit ist Kultur, um Fortbestehen zu können, darauf angewiesen, dass eine Person, also ein dank exzentrischer Positionalität zu freien Entscheidungen berufenes Subjekt, sich überkommenes Kulturgut aneignet, unter Umständen transformiert und weiterreicht oder zumindest für zukünftige Aneignungen zur Verfügung hält. Wie aber lässt sich sicherstellen, dass eine Person dieser Aufgabe nachkommt? Hängt hier alles nur von individuellen Entscheidungen ab? Erweist sich kulturelles Fortbestehen durch Tradierung als im Grunde genommen zufälliges, riskiertes Phänomen? Dagegen spricht die historische Erkenntnis, dass Kulturen und mit ihnen objektiver Geist sich als relativ stabile Gebilde erwiesen haben. Es muss demnach das Tradieren durch Personen häufiger gelingen als misslingen. Eine, wenn nicht die wesentliche Wurzel dafür scheint das Ethos darzustellen.

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Unter Ethos ist die Haltung und Gesinnung zu verstehen, die eine Person auszeichnet (vgl. Hartmann 1952). Hartmann betont gegen einen übersteigerten Individualismus und Autonomieglauben, wie er ihn insbesondere bei Heidegger zu finden glaubte (vgl. Hartmann 1965, 182), dass das rechte Ethos demütige Züge trage: Trotz aller Individualität und Konkretheit liegt aber das Kernstück der Persönlichkeit dort, wo sie sich wieder als bloße Person unter Personen in die Gemeinschaft und ihre geschichtlichen Schicksale eingliedert. […] Die wirkliche Eigenart wächst gerade dort, wo der Mensch seine Ziele weit über sich hinaus setzt und sich an Aufgaben hingibt, die ihn über sich hinausreißen. […] Das wahre Ethos der Persönlichkeit ist kein Ethos des Sichselbstsuchens oder Sichdurchsetzens, sondern der Selbsthingabe und der Selbstvergessenheit (Hartmann 1952, 11).

Diese Formulierungen verweisen auf die normativen Implikationen der impliziten Anthropologie Hartmanns. Im Kontext der vorgelegten Frage bedeuten sie, dass die Person gerade dann ihr Ethos erreicht, wenn sie sich der Aufgabe der Aneignung und damit Tradierung des objektiven Geistes, also dem Engagement für das Fortdauern der Kultur, zuwendet. Damit ist freilich keineswegs das Gelingen des Projektes gesichert, Scheitern steht als Möglichkeit weiterhin im Raum. Aber die Person trägt ihrer Freiheit Rechnung und übernimmt die Schwere ihrer Stellung in der Welt. In Hartmanns Worten: „Bei [der] Bezogenheit aus sich hinaus in das Mitseiende liegt auf dem Ethos das einzigartige Gewicht der Verantwortung“ (Hartmann 1949, 232). Indem die Person sich zu den ihnen begegnenden Situationen verhalten kann, von der die beschriebene Aufgabe der Tradierung eine mögliche ist, ist es allerdings keineswegs durch den objektiven Geist oder andere kollektive Phänomene determiniert, sondern bleibt dank seiner Entscheidungen und Handlungen immer partieller Schöpfer seiner selbst. Auch der Vollzug eines Traditionsabbruchs ist ja möglich. Es kommt hier auf die inhaltliche Füllung der Aufgabe zunächst nicht weiter an, sondern nur auf die Feststellung, dass es also das rechte Ethos ist, welches letztlich das Fortbestehen von Kultur und Traditionen in Form des objektiven Geistes maßgeblich bedingt. Was lässt sich aus diesen Beobachtungen zusammenfassend ableiten? In der Hauptsache sind fünf zentrale Aspekte zu betonen, nämlich dass erstens Tradition eine überindividuelle Überlebensbedingung darstellt, dass zweitens ein spezifischer Aneignungsprozess erforderlich ist, kein reiner Automatismus vorliegt, dass drittens sich das Individuum in Grenzen frei zu Traditionen verhalten kann, dass viertens Traditionen das Individuum heraufheben, es normativ „steigern“, und dass schließlich fünftens Traditionen eines bestimmten Ethos’ bedürfen. All dies hatte sich an den Überlegungen Hartmanns direkt gezeigt bzw. war aus ihnen

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ableitbar. Um die behauptete Nähe Hartmanns zur Philosophischen Anthropologie zu untermauern, soll eine fünffache Parallele gezogen werden.

3 Tradition in der Philosophischen Anthropologie Wie eingangs erwähnt, steht die Theorie Hartmanns im Hauptfokus des Beitrags. Im Folgenden wird daher die Philosophische Anthropologie weniger differenziert betrachtet. Binnengliederungen, Unterschiede der Positionen usw. finden keine direkte Thematisierung, sondern es finden nur die möglichen Brückenschläge Beachtung.¹² Eine ausführliche Behandlung der Thematik bleibt Desiderat, mag aber durch das Geschilderte angeschoben werden. Zunächst rückt die Feststellung Hartmanns in den Fokus, dass die Traditionen die Grundbedingung für den dauerhaften Bestand von kollektiven Entitäten sind. Das ist keineswegs so selbstverständlich, wie es scheint. Oft wurde dafür argumentiert, dass nur kodifizierte Gesetze oder Regelwerke Dauer sichern – etwa bei Staaten oder Vereinen. Landmann, der wohl profilierteste Traditionstheoretiker im Umfeld der Philosophischen Anthropologie, teilt Hartmanns Einschätzung: „Er [der Mensch – SK] ist […] das Traditionswesen, das di[e] Kultur nicht nur erzeugt, sondern ihr Dauer gibt, sie übermittelt und aufnimmt“ (Landmann 1975, 31). Die Kultur ist auf den Menschen angewiesen, denn nur insofern er sie – wohl nicht als Ganzes, aber in Teilakten – tradiert, existiert sie fort. Ähnlich hat, wenn auch bezogen auf Institutionen,¹³ Gehlen gedacht. In Urmensch und Spätkultur vertritt er die bekannte These, nach der der „Bestand einer jeden Institution […] nur dann gesichert [ist], wenn ein […] Unterbau gewohnheitsmäßigen, auf Außensteuerung abgestellten Verhaltens vorhanden ist“ (Gehlen 1956, 26 f.). Mit dem spezifischen Unterbau wäre der Traditionsbegriff leicht zur Deckung zu bringen. Die Parallele zu Hartmann ist offensichtlich, wenngleich dieser sich über das Zustandekommen der kulturrelevanten Tradierungsakte kaum explizite Gedanken gemacht hat. Hier kann ihm Gehlens Institutionentheorie gleichsam ein Fundament liefern. Welche Gefahren Kollektiven drohen, wenn sie gerade nicht über Traditionen verfügen, kann man – in einer ungewöhnlichen Lesart – an einer Schrift aus dem Umfeld von Plessners berühmter Deutschland-Studie sehen. Dort

 Auch wird die Zuordnung der Autoren zum Denkansatz nicht begründet oder überhaupt thematisiert. Vgl. dazu aber generell Fischer 2008. Über diese Studie hinaus wird hier vor allem Landmann breitere Einbeziehung erfahren.Vgl. dazu vor allem Bohr/Wunsch 2015, v. a. 7, 10 ff. und Fischer 2015, obgleich auch dort Landmann randständig bleibt.  Traditionen scheinen für Gehlen eine zu Institutionen gehörende Praxis zu sein. Vgl. Gehlen 1958, 328.

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wird diskutiert, inwiefern sich in einem Land, das kaum oder gar nicht in bestimmten zivilisatorischen Traditionen verankert ist, Tendenzen irrationaler Entwicklungen manifestieren können (vgl. Plessner 1982, 255).¹⁴ Man kann diese Deutung auch in Absehung der konkreten Inhalte traditionstheoretisch – mit Hartmann – so verstehen, dass Kultur eben auf die Tradierung überhaupt angewiesen ist und der immer wieder erklingende Wunsch nach einer „tabula rasa“ auch in einem normativen Sinn das Ende von Kultur meint. Hinsichtlich der Behauptung, Tradition beruhe auf einem spezifischen Aneignungsakt, sei kein Automatismus, kommt es mit der Philosophischen Anthropologie ebenfalls zu einer sachlichen Übereinkunft.¹⁵ Gleichwohl muss man festhalten, dass die Gemeinsamkeiten eher oberflächlich bleiben. So gibt Landmann zwar zu, dass die Übernahme von Traditionsgütern nicht rein passiv sein kann, versteht die Aktivität jedoch eher als eine Rückwirkung, weniger als eine dem Subjekt selbst innewohnende Handlungssphäre, wie dies Hartmann tut (vgl. Landmann 1961, 156).¹⁶ Stärker scheint sich Rothacker als Bezugsautor anzubieten. Bei ihm wird deutlich, dass alle Glieder eines Brauchtums durch ihre Handlungen über das Schicksal dieses Brauchtums entscheiden (vgl. Rothacker 1948, 89). Insofern also spezifische Aneignungsakte unternommen oder unterlassen werden, kommt der individuellen Handlungsweise Bedeutung zu. In diesem Sinne wären Traditionen bewusst durch spezifische Akte „erkämpfte“ Güter. Dies formuliert Rothacker sogar als anthropologisches Differenzkriterium, da Tiere keine „erkämpften Welten“ kennen würden, nur gegebene (vgl. ebd., 171). Jedoch bleiben alle diese Aussagen abstrakt, eine konkrete Phänomenologie des Aneignungsgeschehens scheint zu fehlen. Die Parallelität ist daher nur von bedingter Belastbarkeit. An Hartmann hatte sich drittens gezeigt, dass der Person im Kontext des Umgangs mit Traditionen ein gewisses Maß an Freiheit zukommt. Es kann bei der Tradierung scheitern, es kann Traditionen und ihren Ansprüchen entfliehen. Damit wandte sich Hartmann gegen einen eindimensionalen und unplausiblen Konservatismus. Auch in diesem Kontext zeigt ein kursorischer Seitenblick auf einschlägige Texte der Philosophischen Anthropologie, dass beide Seiten sich befruchtend aufeinander beziehen könnten. So versteht Landmann den Menschen als durch zwei Wurzeln geprägt, Kreativität und Traditionalität (vgl. z. B.

 Vgl. dazu Fischer 2016, 34.  Hartmann teilt diese Auffassung prominent mit Gadamer und Jaspers. Vgl. dazu Jaspers Insistieren auf dem aktiven Anteil bei der Übernahme von Traditionen (Jaspers 1999, 171) sowie Gadamers Insistieren auf dem Zusammenhang von Freiheit und Tradition (Gadamer 1965, 264 f.).  Ähnlich wäre auch die These von der partiellen Offenheit der Traditionen für den Benutzer zu interpretieren (vgl. Landmann 1975, 82).

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Landmann 1975, 21). Indem er also zugleich schöpferisch tätig ist und andererseits zu erheblichen Teilen rezipierend, kommt ihm immer ein gewisses Maß an Einfluss zu, das Begegnende zu verändern, zu erneuern: „Der Mensch muß in einem schwierigen Zugleich der gegenseitigen Durchdringung immer sowohl Traditionen wiederholen wie der Schaffende bleiben.“ (ebd., 51) Gleichwohl zeigt ein genauer Blick, dass Landmann die Freiheit nicht im konkreten Umgang mit Traditionen verortet, sondern gleichsam am Gegenpol. Es geht ihm um ein Austarieren. Hartmann hingegen hatte schon im Kontext des Umgangs mit Traditionen selbst einen Platz für „Differenz“ ausgemacht. In diese Richtung gehen auch Rothacker und Gehlen. Letzterer hält generell, wie bekannt, Kultur für „unwahrscheinlich“, vielmehr das Chaos für das zu Erwartende (vgl. Gehlen 1956, 118 f.). Was bedeutet nun das empirisch-faktische Vorliegen von Kultur(en)? Es verweist auf den Tradierungsprozess (einen Sonderfall von Kulturprozessen überhaupt) als einen riskierten Vorgang, der gelingen, aber auch misslingen kann. Die Erfolgsbedingungen liegen in den Händen der Individuen, die eine Kultur durch Handlungen realisieren. Wenn die institutionellen, traditionellen „Sicherungen“ entfallen, so legt Gehlen nahe, dann wird menschliches Verhalten formlos, affektgesteuert, unberechenbar, chaotisch (vgl. Gehlen 1983, 132). Das, was bei Hartmann als ein Motiv der Freiheit auftauchte, wird bei Gehlen stärker von der Verantwortung her gedacht. Beides sind aber im Kontext von Traditionen nur Kehrseiten einer Medaille. Ganz in dieselbe Richtung argumentiert Rothacker. Er spricht dem Individuum zu, dass es im kulturellen Kontext durch fortwährende Stellungnahmen zu Situationen, bei ihm terminologisch als „Lagen“ gefasst, Verantwortung für kulturelle Traditionsbestände übernimmt oder gegebenenfalls gerade nicht übernehmen möchte (vgl. Rothacker 1934, 55). In jedem Fall verstehen sowohl Hartmann als auch Gehlen und Rothacker den Traditionsakt als von einem gewissen Mit-Wirken-Wollen des Individuums bedingt, wobei dieses Wollen der Kultur zwar als Formbares begegnet, jedoch auch in Teilen unverfügbar bleibt. Gerade deshalb kann es zu dem Abgleiten ins „Chaotische“ oder „Stillose“ kommen. Damit ist zugleich deutlich, dass Traditionen sehr wohl als Determinanten gefasst sind, aber keineswegs einem Determinismus das Wort geredet ist, denn andernfalls wäre die „Riskiertheit“ eben keine solche. Hartmann hat Traditionen als heraufziehende Kräfte verstanden. Menschen werden durch die Teilhabe und Teilnahme an ihnen auf ein höheres Niveau – etwa bildungsspezifisch – gehoben.¹⁷ Hier zeigt sich die Philosophische Anthropologie als sehr anschlussfähig. Allgemein etwa vertreten Gehlen und Landmann die Ansicht, dass Traditionen spezifische, besondere Erfahrungsspeicher seien (vgl.

 So sei etwa alle Erziehung immer Erziehung zum objektiven Geist (vgl. Hartmann 1949, 252).

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Gehlen 1958, 328; Landmann 1976, 24). In ihnen werden „irrationale“ – und das heißt nur: von der herrschenden Form der Rationalität abweichend – Bestände an Erfahrungswissen weitergereicht. Wer nun an solchem Wissen teilhat, wird als Individuum eine Wissensmehrung erfahren. Gleiches gilt für den nicht-kognitiven Bereich, denn auch emotionale Handlungsmuster oder ähnliches sind tradiert. Aus all diesem folgt, wie auch bei Hartmann bereits deutlich geworden ist, eine stark normative anthropologische These. Nur wer an den Traditionen und ihren Möglichkeitssteigerungen teilhat, verwirklicht das humane Optimum: Kultur ist ihrem Wesen nach das vom Menschen selbsttätig seiner gleichbleibend unvollständigen Natur (und eben deshalb geschichtlich so wechselvoll) vervollständigend Hinzugefügte. Eine solche Kultur wird also in jeder menschlichen Gemeinschaft tradiert, und in diese Tradition muß jeder Einzelne, um im vollen Sinne Mensch zu werden, hineinwachsen (Landmann 1961, 137).¹⁸

Es hängt, um es mit Gehlen auszudrücken, die „Dauer und Kontinuität des Höheren im Menschen“ letztlich von – insofern sie Institutionen seien sollten – Traditionen ab (Gehlen 1956, 8). Es deuten sich hier neben argumentativen Gemeinsamkeiten auch geteilte Werte der Ansätze an, insofern man sich fragen kann, was denn das implizite Leitbild vom Menschen ist. Ganz sicher wäre dann zu sagen, dass eine De-Autonomisierung wesentlicher Bestandteil der beiden Denkansätze ist.¹⁹ Über diese Brücke erklärt sich ebenso die gemeinsame Haltung im Hinblick auf die normativ verstandene Steigerung des Menschen durch Traditionen. Jenseits dieser fast schon weltanschaulichen Dimension bietet Gehlens Ästhetik einen konkreten Einblick, wie man sich das „Heraufziehen“ denken kann. Er schildert dort, wie eine Sachrationalität innerhalb eines künstlerischstilistischen Traditionszusammenhangs im Laufe der Zeit gesteigert wird, im Falle einer Revolution – eines Traditionsbruchs durch Stilwechsel zum Beispiel – aber eine Phase der rationalen Regression einsetzt (vgl. Gehlen 1965, 145 ff.). Diesen Beschreibungen hätte Hartmann vor dem Hintergrund seiner Philosophie des Geistes vorbehaltlos zustimmen können. Als letztes sei das Ethos thematisiert, das bei Hartmann dafür sorgt, dass die Individuen in bestimmter Weise sich auf Traditionen einlassen und mit ihnen umgehen. Diese Analysen finden in der Philosophischen Anthropologie durchaus Entsprechungen, allerdings sind die Gemeinsamkeiten wenig spezifisch. So er Vgl. auch Landmann 1961, 138, 147.  Exemplarisch sei Landmanns folgende Frage zitiert: „Statt zu fragen, ob und wie der Einzelne autonom sein kann, müßte man erst einmal fragen, wo und wie weit er autonom sein soll.“ (Landmann 1961, 148) Plessners Position käme in diesem Kontext allerdings eine Sonderstellung zu.

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kennt auch Rothacker Haltungen als Grundlage von Kultur und Tradition an, versteht diese jedoch stärker kollektiv (vgl. Rothacker 1948, 149). Ihm werden Haltungen zur vollendeten Kulturentwicklung am Individuum (vgl. Rothacker 1934, 77). Dennoch finden sich bei Gehlen gewisse Aussagen, die den von Hartmann für Traditionen und deren Wirken essentiellen Ethos zu stützen scheinen. So wird etwa analysiert, worin die Transzendenz von Institutionen besteht, und eine der prägnantesten Formen zeichnet sich dadurch aus, dass im Grenzfall ein den Institutionen gewidmetes Verhalten mit der Aufgabe des individuellen Lebenswillens zusammenfallen könnte (vgl. Gehlen 1956, 19). Eine solche Haltung kommt der von Hartmann geschilderten nahe, überstiege sie womöglich sogar. Anhand der vorgängig geschilderten fünf Thesen oder Erläuterungen zum Traditionsbegriff, wie sie aus der Philosophie Hartmanns gewonnen wurden, konnten mögliche Brückenschläge zur Philosophischen Anthropologie aufgezeigt werden. Freilich ist damit nur ein Feld aufgezeigt, die detaillierte Bearbeitung ist erst noch zu leisten. Die gegenseitigen Affinitäten auf – im weiteren Sinne – kulturphilosophischem Gebiet sind jedoch deutlich erkennbar.

4 Schlussbemerkungen Nach diesem aufschließenden Durchgang ist am Ende auf die Leitfrage des Beitrags zurückzukommen. Ist Tradition ein Anthropinon? Mit Hartmann wäre zu sagen, dass sie es allgemein gesprochen ist, aber im konkreten Einzelfall auch nur vermindert realisiert sein und eventuell fast fehlen kann. Dann sinken das Individuum und das Kollektiv auf ein anderes, normativ – nicht ontologisch – als „organisch“, „tierisch“ zu bezeichnendes Niveau zurück. Der Mensch ist so nur noch dem Vermögen, nicht der Wirklichkeit nach ein Traditionswesen. Ganz ähnlich – er sei stellvertretend herausgegriffen – sieht es auch Landmann, der Traditionalität als Anthropinon charakterisiert, aber durchaus weiß und diskutiert, dass sie in der Lebensrealität gerade missachtet werden kann (vgl. z. B. Landmann 1961, 135). Damit wird Tradition im Rahmen eines anthropologischen Essentialismus interpretiert – als etwas, was der Mensch haben muss, wenn er Mensch sein soll. Das sich daraus ergebende Schillern der Analysen zwischen normativer und deskriptiver Dimension ist deutlich zu konstatieren. Traditionen als empirisch faktisch vorkommende Phänomene werden einerseits erfasst, andererseits wird behauptet, dass sie auch sein müssen. Exemplarisch wäre an Gehlens Institutionenlehre zu erinnern, deren Kerngedanke darin besteht, dass der Mensch als Mensch überhaupt Institutionen haben müsse – welche, ist dann letztlich sekundär.

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Zudem verkompliziert sich die Sachlage noch dadurch, dass bei vielen der verhandelten Autoren im Kontext der Analyse von Traditionen zugleich – mehr oder weniger deutlich – ein kulturkritischer Begleitdiskurs mitläuft. So wird die Moderne oft mit Traditionsabbau oder subjekttheoretischer Emanzipation assoziiert und kritisch betrachtet. Hartmann hat sich wohl am stärksten davon zurückgehalten, hier explizit Position zu beziehen, das geschilderte implizite Leitbild lässt aber – ebenso wie seine Kritik am als Individualismustheoretiker verstandenen Heidegger – doch eine Position erahnen, die derjenigen Landmanns, Gehlens und Rothackers nicht zu fern steht. Systematisch lässt sich dennoch festhalten, dass der Zusammenhang zwischen Mensch und Tradition als ein enger, wesentlicher gefasst wird. Dahinter steht die Beobachtung, dass der Mensch in den empirisch-historischen Formen, in denen er bislang bekannt geworden ist, niemals außerhalb von Tradition verortet war. Zudem lassen sich Traditionen aus anthropologischen Erwägungen heraus leicht verstehen, wenn man sie als Defizitskompensationen ansieht. Hartmann ist diesen Spuren gefolgt bzw. zum Teil hat er sie selbst anderen Denkern geformt und hinterlassen. Für die aktuelle Forschung gilt es, die Frage nach den Traditionen wieder ernsthaft in einen anthropologischen Kontext – in Auseinandersetzung insbesondere mit verhaltensbiologischen Forschungen – zu stellen. Nur auf diese Weise lässt sich die kulturanthropologische Dimension richtig aufgreifen. In diesem Kontext wäre das genannte Problem der Zwischenstellung der Traditionstheorien zwischen Deskriptivität und Normativität vor dem Hintergrund des modernen Normenpluralismus‘ erneut zu stellen. Dass das Phänomen einen solchen Blick erfordert und zulässt, mögen die vorstehenden Parallelen zwischen dem Ontologen Hartmann und der Philosophischen Anthropologie gezeigt haben.

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Ontological Axiology in Nikolai Lossky, Max Scheler, and Nicolai Hartmann Abstract: The prominent Russian philosopher Nikolai Lossky and his ex-student Nicolai Hartmann shared many metaphysical and epistemological views, and Lossky is likely to have influenced Hartmann in adopting several of them. But, in the case of axiological issues, it appears that Lossky also borrowed from the axiologies of Hartmann and the latter’s Cologne colleague, Max Scheler. The links between the theories of values of Scheler and Hartmann have been studied abundantly, but never in relation to Lossky. In this paper, I examine the manifold relationships – similarities, differences, borrowings, criticisms, and possible influences – between Lossky’s axiology and those of Scheler and Hartmann on four key interweaving issues: (1) their ontological realism with regards to the objectivity of values, (2) their epistemological theories of the intuition of values, (3) their ontological definitions of “value”, i. e., whether values are relations, qualities, essences, powers, meanings, etc., and (4) their theories of the stratification of values. Keywords: Nikolai Lossky, Max Scheler, Nicolai Hartmann, Ontology, Axiology, Theory of Values, Material Value Ethics, Value Realism, Intuitivism, Stratification of Values

Introduction The Russian philosopher Nikolai Lossky – whom Joseph Dieška called “the greatest living metaphysician of our century” (Dieška 1961, 38) – and his ex-student Nicolai Hartmann, who studied with Lossky at the Saint Petersburg Imperial University, shared many metaphysical and epistemological views, and Lossky is likely to have influenced Hartmann in adopting several of them.¹ But, in the case

 Hartmann had been a student of Lossky at the Department of Classical Philology and Philosophy at the Saint Petersburg Imperial University for some time between 1903 and 1905. In support of this claim, I rely principally on unpublished notes that Herbert Spiegelberg took when interviewing Lossky for the book that he was then writing on the phenomenological movement (Spiegelberg 1982). In these notes, Spiegelberg writes that the relationship “with Nicolai Hartmann, who studied under L[ossky] in St. Petersburg, was strong” (Spiegelberg 1960). For indications concernhttps://doi.org/10.1515/9783110615555-012

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of axiological issues, it appears that Lossky also borrowed from Hartmann. When developing his ontological theory of values in Freedom of Will (Свобода воли, 1927), Value and Being (Цѣнность и бытiе, 1931), and Conditions of the Absolute Good (Условия абсолютного добра, 1949), Lossky took Hartmann and the latter’s Cologne colleague – Max Scheler – as his interlocutors and found support for his own views in their axiologies. Scheler was aware of the impact that he had on Lossky. In the “Vorwort” (written in 1921) to the second edition of Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik, he lists Hartmann and Lossky among the philosophers whom he thought had been influenced by the first edition. But, although he discussed Hartmann at great length, his remark concerning Lossky is limited to saying that, in “a work written in Russian” (einer russisch geschriebenen Arbeit), Lossky was one of those who provided positive stimulation to further his own work through their acceptance of his results, their continuation of his thought, as well as its simplification and popularization (Scheler 1921, ix). By “einer russisch geschriebenen Arbeit” Scheler was most probably referring to Lossky’s Fundamental Questions of Gnoseology (Основные вопросы гносеологии, 1919a), in which the Russian philosopher discusses Scheler in relation to his own intuitivism (Lossky, 1919a, 97– 98, 101, 103 – 104).² It is worthy of note, also, that Lossky claims to have met Scheler in person at the fifth International Congress of Philosophy in Naples in 1924, where the former was presenting “L’intuitivisme et le réalisme contemporain”.³ As to Lossky and Hartmann, their paths would have crossed again at the eight International Congress of Philosophy in Prague in 1934.⁴ This being said, the links between the philosophies of Scheler and Hartmann – and especially their axiologies – have been studied abundantly and I claim no originality in my own comparison of their views.⁵ But they have never been studied in relation to Lossky. In this paper, I examine the manifold relationships – similarities, differences, borrowings, criticisms, and

ing Lossky’s influence on Hartmann, see: Tremblay 2017a, 138– 139 and Tremblay 2017b, 198– 199, 204.  On Scheler’s influence on Lossky, see also: Navickas 1978.  Herbert Spiegelberg wrote that Lossky told him that “he remembers Scheler well from an international congress in Naples in 1923, [and] likes particularly his emotional intuition in ethics as an extension of his own intuitionism” (Spiegelberg 1960). The note says “1923”, but the congress was held in 1924. Although Scheler figures on the list of the people who took part to the congress, his paper was not published in the proceedings.  They each submitted a paper for the “Actes du Congrès”; Hartmann submitted “Das Wertproblem in der Philosophie der Gegenwart” (Hartmann 1936) and Lossky “Die christliche Weltauffassung als allseitige Synthese” (Lossky 1936).  E. g., Koehle 1941; Kelly 2008; Kelly 2011a; Kelly 2011b; Prusik 2011; Ehrl 2012; Fischer 2011; Fischer 2012; Rö mer 2012.

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possible influences – between Lossky’s axiology (theory of values) and those of Scheler and Hartmann on four key interweaving issues: (1) their ontological realism with regards to the objectivity of values, (2) their epistemological theories of the intuition of values, (3) their ontological definitions of “value”, i. e., whether values are relations, qualities, essences, powers, meanings, etc., and (4) their theories of the stratification of values.

1 The Objectivity of Values In Value and Being (Цѣнность и бытiе, 1931) and other places, Lossky developed an ontological axiology according to which values exist independently of whether they are experienced or known by a feeling or thinking subject. He held the view that “[v]alues are objectively-real aspects of existence” (Lossky 1937, 154). Lossky recognized that his realist axiology bears similarities with that of Scheler in this regard. As he wrote, it is “clear that Scheler is a determined defender of the objectivity of values”.⁶ To support this claim, Lossky quotes Formalismus, in which Scheler says something to the effect that “the existence of the many values there are is not at all connected to the psychophysical organization of human beings, and does not even presuppose the I or subject: values exist in all of nature”.⁷ Lossky’s reading finds reinforcement from various passages throughout Scheler’s works. In Das Ressentiment im Aufbau der Moralen (1915), Scheler says that “[c]ontrary to what Nietzsche thought, genuine morality does not spring from ressentiment. It rests on an eternal hierarchy of values, and its preferential laws are as objective and as clearly ‘evident’ as mathematical truths”.⁸ In fact, it is often the man of ressentiment who, in his torment, because of his désordre du cœur, denies the objective existence of values, and subjectivizes and relativizes them (Scheler 1915a, 223‒224). Scheler makes similar claims one year later in the second part of Formalismus (1916), where he writes that “[v]alues can be neither created nor destroyed.

 “Изъ всего сказаннаго ясно, что Шелеръ рѣшительный защитникъ объективности цѣнностей” (Lossky 1931, 14).  “Но существованiе многих цѣнностей вовсе не связано съ психофизическою организацiею человѣка и даже вообще не предполагаетъ я или субъекта: цѣнности существуютъ во всей природѣ” (Lossky 1931, 14).  “Nicht die echte Sittlichkeit – wie Nietzsche meint – gründet sich auf Ressentiment. Diese beruht auf einer Rangordnung der Werte und ihr entsprechenden evidenten Vorzugsgesetzen, die so objektiv und so streng ‘einsichtig’ sind, wie die Wahrheiten der Mathematik” (Scheler 1915a, 100).

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They exist independently of the organization of any particular spiritual beings”.⁹ Still in Formalismus, he says that, “[i]nsofar as the being of values is concerned, it does not matter whether an ego ‘has’ or ‘experiences’ values. […] The being of values no more presupposes an ego than does the existence of objects (e. g., numbers), or nature as a whole”.¹⁰ And, again, he says that “values subsist in all of nature – irrespectively of our comprehension of them”.¹¹ In his short posthumously published text, “Ordo amoris”, Scheler characterizes the realm of values as “thinglike” (sachlich) (Scheler 1957a, 360). In the same text, he makes the claim that “there is an ordre du cœur, a logique du cœur, a mathématique du cœur as rigorous, as strict, as objective, as absolute, and as inviolable as the propositions and inferences of deductive logic”.¹² This realm is “independent of the psychological organization of human beings”¹³ and it would “persist in the universe even if Homo sapiens disappeared”.¹⁴ It is as independent of thinking subjects “as the truth of the proposition 2 × 2 = 4”.¹⁵ And, just as some people are more disposed than others to miscalculate, a désordre du cœur, he says, disposes one to “misintuit” this universally valid ordo amoris (Scheler 1957a, 350). Scheler’s value-objectivism was in tune with his anti-Kantianism. With regards to axiological matters, Kantianism was one of Scheler’s two main enemies. As Hartmann remarks in his obituary of Scheler: “Scheler marshaled the new theory of values on two fronts: against Nietzsche’s moral relativism and against the Kantian formalism of the moral law”.¹⁶ Kant, Scheler says, “believed that the nature of the ‘world’ itself could be reduced to an ‘idea’. However, ‘the world’ is by no means an idea, but rather an absolute, always concrete, individual

 “Werte können nicht geschaffen und vernichtet werden. Sie bestehen unabhängig von aller Organisation bestimmter Geisteswesen” (Scheler 1916a, 268).  “Ob also ein Ich überhaupt Werte ‘hat’, oder ‘erfährt’, ist für deren Sein überhaupt ganz gleichgültig. […] Das Sein des Wertes setzt so wenig ein Ich voraus, als die Existenz von Gegenständen (z. B. Zahlen), oder als die gesamte Natur ein ‘Ich’ voraussetzt” (Scheler 1916a, 273).  “Abgesehen vom Auffassen der Werte – bestehen die Werte auch an der gesamten Natur” (Scheler 1916a, 274).  “Es gibt einen ordre du cœur, eine logique du cœur, eine mathématique du cœur, die so streng, so objektiv, so absolut und unverbrüchlich ist wie die Sätze und Folgerungen der deduktiven Logik” (Scheler 1957a, 362).  “von der psychologischen Menschenorganisation unabhängige” (Scheler 1957a, 362).  “die auch bei Aufhebung des homo sapiens im All bestehen bliebe” (Scheler 1957a, 362).  “so wie die Wahrheit des Satzes 2 × 2 = 4” (Scheler 1957a, 362).  “Nach zwei Fronten hin grenzte Scheler hier den neuen Wertgedanken ab: gegen den Wertrelativismus Nietzsches und gegen den Kantischen Formalismus des Sittengesetzes” (Hartmann 1928, XII). For a translation of Hartmann’s obituary of Scheler, see: Hartmann 2019.

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being”.¹⁷ Although there is still, as Eugene Kelly says, “a residue of idealism in Scheler” (Kelly 2011b, 190), in “Die Sonderstellung des Menschen” (1927), later re-published as Die Stellung des Menschen im Kosmos (1947), Scheler argues that, unlike (other) animals, who are completely immersed in their environment (Umwelt), the human being is relatively free from it (umweltfrei); it stands “open to the world” (weltoffen) (Scheler 1927, 195; Scheler 1947, 37). But that the human being is “world-open” or that it has “world-openness” (Weltoffenheit) (ibid.) implies that there is a world – of inorganic, organic, psychic, and spiritual beings – that exists independently of it.¹⁸ Scheler adopted the view – which he traced back to Maine de Biran, Friedrich Bouterwek, and others – that reality is given in our experience of resistance. In Probleme einer Soziologie des Wissens (1926), he says that “reality, in all modes of perception and remembrance, is given only as ‘resistance’ against dynamic, drive-like attentiveness”.¹⁹ The year after, in “Die Sonderstellung des Menschen”, he writes that “[w]hat gives us existence is the experience of resistance”.²⁰ In “Idealismus‒Realismus” (1928), he claims again that reality is apprehended through our “experience of resistance” (Widerstandserlebnis or Widerstandserfahrung).²¹ And, in the posthumously published “Phänomenologie und Erkenntnistheorie”, he says that, in principle, the world is given to us through experience both “as a ‘bearer of values’ and as ‘resistance’”.²² Our experience of reality is thus akin to hitting a “stone wall”, to use Dostoevsky’s metaphor from Notes from the Underground. ²³

 “Kants, der ja das Wesen der ‘Welt’ selbst zu einer ‘Idee’ herabsetzen zu dürfen glaubte. ‘Die Welt’ ist aber durchaus keine ‘Idee’, sondern ein absolutseiendes, überall konkretes, individuelles Sein” (Scheler 1916a, 409).  In “Die Sonderstellung des Menschen”, Scheler identifies four essential stages on the spectrum between immersion in the environment and detachment from it, namely inorganic beings, plants, animals, and human persons: “es vier Wesensstufen sind […]. Anorganische Gebilde […] der Pflanze […] Tiere […]. Die Person im Menschen” (Scheler 1927, 197‒198). In the revised edition, Scheler puts the emphasis on “man” rather than on the “person”: “Vier Wesensstufen sind es […]. Anorganische Gebilde […] der Pflanze […] Tiere […]. Der Mensch” (Scheler 1947, 39‒40).  “Nur als “Widerstand” […] ist Realität in allen Modi der Wahrnehmung und der Erinnerung gegeben” (Scheler 1926, 161).  “Was uns das Dasein gibt, das ist vielmehr das Erlebnis des Widerstandes” (Scheler 1927, 208). In the 1947 revised edition, Scheler amended this sentence as follows: “Was uns das Dasein (= Wirklichsein) gibt, das ist vielmehr das Erlebnis des Widerstandes” (Scheler 1947, 49).  It is noteworthy that in “Idealismus‒Realismus” Scheler profusely engages with Hartmann’s Grundzüge einer Metaphysik der Erkenntnis. For Scheler’s “Widerstandstheorie der Realitätsgegebenheit”, see: Scheler 1928, 285‒293; Scheler 1947, 16.  “als ‘Wertträger’ und als ‘Wider-stand’ gegeben” (Scheler 1957b, 384).  “каменная стѣна” (Dostoevsky 1866, 14– 15).

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But Scheler’s views on the issue of the ontological status of values seem to have vacillated. In the “Vorwort” (written in December 1926) to the third edition of Formalismus, reacting to criticisms that Hartmann had made to Formalismus in Ethik (1926), Scheler charges Hartmann with the heresy of quasi-medievalism and accuses his theory of values of being overly realistic: “Hartmann’s return to an all-too-palpable real-ontologism and value-essence-objectivism, which seem almost medieval, appears to me to be an exaggerated reaction to the typical Marburgian excesses of ‘creative thinking’ and the ‘law-bound’, ‘pure’ willing that creates values”.²⁴ Here Scheler warns that “we should not fall back into an objectivism and ontologism that stifles the living spirit”.²⁵ Scheler may have been accusing Hartmann out of spite, to get back at him, even if this meant contradicting himself (five years earlier, in the second “Vorwort” to Formalismus, he had claimed that his own view was a “strict ethical absolutism and objectivism”²⁶). But he might also have changed his mind in earnest. This volte-face brought Eckhard Koehle to speak of Scheler’s “double standard” with regards to the ontological status of ethical values (Koehle 1941, 228). On the question of the existence of the external world in general, in “Idealismus‒Realismus”, Scheler takes a stance beyond the “idealism of consciousness” (Bewußtseinsidealismus) and “critical realism” (kritischen Realismus). And, in a manuscript posthumously published as an addendum to a reedited version of “Idealismus‒Realismus” (“Aus Teil V. Das emotionale Realitätsproblem”), he takes a stance straddling between Heidegger’s “solipsism” (Solipsismus), or what he also calls his Daseinssolipsismus, and Hartmann’s “critical realism” (kritischen Realismus) (Scheler 1976, 260‒265). Yet, Scheler clearly stands on the side of realism more than on that of idealism, because he explicitly maintains “[t]he independence of the external world from the internal world”.²⁷ So, despite the fact that he is distinctly closer to realism than he is to idealism on the idealism-realism spectrum, including with regards to the ontological status of values, Scheler’s “double standard” compels us to use caution when using the word “realism” to refer to his theory of values. What we can say with certain-

 “Es erscheint mir eine übertriebene Reaktion gegen die maßlosen Marburger Überspannungen eines ‘erzeugenden Denkens’ und eines die Werte erst erzeugenden ‘gesetzmäßigen’ ‘reinen’ Wollens, wenn Hartmann nun auf einen allzu handgreiflichen Realontologismus und Wertwesensobjektivismus zurückgeht, der fast mittelalterlich anmutet” (Scheler 1954, 22).  “sollen wir nicht in einen den lebendigen Geist erstarrenden Objektivismus und Ontologismus zurückfallen” (Scheler 1954, 21).  “Der Geist, der die hier vorgelegte Ethik bestimmt, ist der Geist eines strengen ethischen Absolutismus und Objektivismus” (Scheler 1921, XI).  “Die Selbständigkeit der Außenwelt […] vor der Innenwelt” (Scheler 1928, 268).

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ty, however, is that, at least in one of his phases (namely, before 1926), Scheler held values to be objective, mind-independent, as endowed with being as numbers, and held their interrelations to be as valid as mathematical inferences. I spent more time on Scheler, because of the ambivalence in his thought, than is needed for Hartmann and Lossky, whose views were more stable. Much the same as Scheler (although perhaps not the Scheler of late 1926 who charges him of quasi-medievalism), Hartmann agreed that “values actually have an autonomous existence, independent of all cognizing and desiring”.²⁸ At the beginning of Ethik, he speaks of values as “real”.²⁹ But one must keep in mind that Hartmann here uses the word “real” in the broad sense, which includes both real and ideal being. Because, for Hartmann, values are not “real” in the narrow sense of the word; they are rather ideal beings. As he says, the “mode of being of values is that of Platonic Ideas”.³⁰ For Hartmann, axiology is akin to pure mathematics in that it only retrieves contents already subsisting prior to consciousness, which means that he agreed with the Scheler of “Ordo amoris” that values are as objective as logical and mathematical inferences. For him, “[v]alues subsist independently of their degree of realization in reality”.³¹ They “are independent of consciousness”.³² Hartmann also took an anti-Kantian stance and turned the world back on its feet, i. e., on its ontological foundation, and resorted to the argument from our experience of resistance in Zum Problem der Realitätsgegebenheit (1931) as well as in Grundlegung der Ontologie (1935), where he in fact also refers to Scheler on this issue (Hartmann 1931, 23; Hartmann 1935, 184). Lossky was also a committed realist with regards to the existence of the external world in general. He had decided early on that his own philosophical mission was “to overcome Hume and Kant, and to develop a theory of knowledge that would explain how it is possible to have knowledge of things in themselves, and would justify the pursuit of metaphysics”.³³ Ontologism was in fact a distinc-

 “Werte tatsächlich ein selbständiges, von allem Erdenken und Ersehnen unabhängiges Wesen haben” (Hartmann 1926, 47).  “Durch sein Vorhandensein unterscheidet sich ethische Wirklichkeit von der ontologischen. Beide sind gleich real” (Hartmann 1926, 53).  “Werte sind der Seinsweise nach Platonische Ideen” (Hartmann 1926, 108).  “Werte bestehen unabhängig vom Grade ihres Erfülltseins im Wirklichen” (Hartmann 1926, 52).  “Werte bestehen unabhängig vom Bewußtsein” (Hartmann 1926, 134).  “преодолеть Юма и Канта, именно развить теорию знания, которая объяснила бы, как возможно знание о вещах в себе и оправдала бы занятия метафизикою” (Lossky 1968, 87).

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tive feature of Russian philosophy since as early as the Slavophile movement in the nineteenth century. Lossky himself says that the view that the external world is knowable is widely prevalent in Russian philosophy, and indeed is often stated in its extreme form, namely, as the doctrine of intuition or immediate contemplation of objects as they are in themselves. A keen sense of reality, opposed to regarding the contents of external perception as mental or subjective, seems to be a characteristic feature of Russian philosophy (Lossky 1952, 403).

Lossky was not alone in this assessment. Semyon Frank, for example, also wrote, in Die russische Weltanschauung (1926), that one of the main tendencies among Russian philosophers is “their leaning toward realism, or better said, toward ontologism, the impossibility for them of being satisfied with any form of idealism or subjectivism”.³⁴ The realism of Lossky, Scheler, and Hartmann, their anti-Kantianism and anti-subjectivism in general (with a proviso in Scheler’s case), was not limited to their epistemological and metaphysical views, but also had implications for their axiologies and ethics. Lossky, for one, wrote that exaggerated concern with the subjective aspect of conduct, shifting the centre of gravity to one’s own inner life, may easily lead to the moral perversion called pharisaism. It consists in a man doing good for ‘the sake of the good’ and not out of real love for his fellow creatures; his attention is occupied not with the person he loves or pities, but with his own efforts to be ‘good’, ‘righteous’, and ‘just’ […] (Lossky 1939, 289‒290).

And he comments, while also seeking support for his own view, that “Scheler thinks that Kant’s ethics come dangerously near to this, in so far as Kant maintains that the morally good man in the true sense of the term in rendering help to another is concerned not with that person’s welfare but with carrying out his own duty” (Lossky 1939, 290). This holds true for Hartmann, too, who equally criticizes the tendency toward pharisaism in Ethik (Hartmann 1926, 433). And, insofar as Scheler’s and Hartmann’s ethics are “material value ethics” precisely because they are anti-Kantian, i. e., non-formal, not rule-based, ethics, Lossky’s ethics may also be considered a “material value ethics”. A criticism of the formalist aspect of the Kantian philosophy was already to be found in Lossky’s Foundations of Intuitivism (Обоснованiе интуитивизма,

 “ihr Hang zum Realismus oder, besser gesagt, zum Ontologismus, die Unmöglichkeit für sie, sich mit irgendeiner Form von Idealismus oder Subjektivismus zu befriedigen” (Frank 1926, 11). For further characterizations of Russian philosophy as inclining toward ontologism, see, e. g.: Radlov 1925, esp. 11‒12; Zenkovsky 1948, esp. 17.

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1906), which appeared in German translation in 1908.³⁵ It was in fact also already to be found in other Russian philosophers.³⁶ Kantian moral formalism was an object of criticism for Vladimir Solovyov – the first great Russian philosopher ‒, who made such criticisms throughout his career, from The Crisis of Western Philosophy (Кризисъ западной философiи, 1874), in which he criticizes Kant for “the complete emptiness of formalistic morality”,³⁷ to Justification of the Good (Оправданiе добра, 1899), in which he writes that “in morality, as in everything else, form and matter are equally necessary”.³⁸ This raises the question whether Hartmann – and perhaps also Scheler – found inspiration in Lossky or in Russian philosophy in general for their critical stance toward Kantian formalism and intellectualism (in ethics and elsewhere). In Russian thought, except for a handful of relatively faithful Russian Neo-Kantians, the emphasis was on the “living experience” and “living knowledge” of values and ethical demands that are felt in one’s guts, so to say, that are immediately given through emotions, rather than on the dry and lifeless respect for abstract rules (formal ethics). Early inoculation by Lossky could explain why Hartmann remained unaffected, while in Marburg, by the Neo-Kantian formalist legalistic ethics of his professor Hermann Cohen. For Cohen, “[t]he law is the foundation of human morality”.³⁹ In fact, Cohen had himself been a target of criticism in Russia, including by Lossky, who attacked his “abstract ideal-realism”, to which he opposed his own “concrete ideal-realism” (Lossky 1922, 7 ff.). Moreover, since, on Lossky’s account, the existence of values is not “relative” to a feeling or thinking subject, he characterizes objective values as “absolute”. And, seeking support in Scheler, he says that “[b]y asserting the objectivity of values, Scheler also defends the existence of absolute values”.⁴⁰ This is consistent with the remark in the “Vorwort” to the second edition of Formalismus, where Scheler writes: “The spirit behind my ethics is the spirit of a strict ethical

 Losskij 1908a, Chapter 4.  On the Russian general aversion to Kantian formalism, see Thomas Nemeth’s Kant in Imperial Russia, 2017. See also my review of Nemeth’s book: Tremblay 2018.  “совершенная пустота формалической нравственности” (Solovyov 1874, 118).  “такъ какъ въ нравственности, какъ и во всемъ остальномъ, форма и матерія одинаково необходимы” (Solovyov 1899, 611). See also: Critique of Abstract Principles (Критика отвлеченныхъ началъ, 1880), Chapters VI-VIII. On Solovyov in relation to Kantian ethics, see: Nemeth 2014, §. 5.4; Nemeth 2017, §§. 8.7‒8.8.  “Das Recht ist die Grundlage der menschlichen Sittlichkeit” (Cohen 1919, 386). On Cohen’s legalistic ethics, see also: Zank 2004.  “Утверждая объективность цѣнностей, Шелеръ отстаиваетъ также существованiе абсолютныхъ цѣнностей” (Lossky 1931, 14).

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absolutism and objectivism”.⁴¹ And, referring to Hartmann’s Ethik, Lossky says that “Hartmann in many essential points agrees with Scheler. […] By defending the objectivity of values, N. Hartmann, like Scheler, asserts the existence of absolute values”.⁴² And, indeed, although he claimed that values are in a sense beyond the dichotomy between subjectivity and objectivity (Hartmann 1926, 167), Hartmann admitted the existence of absolute values: The existence of values of goods is […] not in the least affected by the relativity of these goods to a subject. Vis-à-vis the subject and its valuing-feeling, it has the character of being-in-itself (Ansichseins). Its absoluteness includes the being-in-itself (Ansichseins) of that relatedness. To state this formally: the being-for-me (Fürmichsein) of the goods depends on the being-in-itself (Ansichsein) of the values of the goods.⁴³

For Hartmann, thus, values have being-in-themselves (Ansichsein), and this thesis is in fact, he says, “simply the positive formulation of what has resulted […] from our criticism of Kantian subjectivism”.⁴⁴

2 The Axiological Intuition According to Lossky’s metaphysics, which he calls “ideal-realism”, being is divided into ideal being, the criterion of which is to be non-spatial and non-temporal, and real being, the criterion of which is to be spatial and temporal. These criteria are mentioned, for instance, at the beginning of “Concrete and Abstract Ideal-Realism” (Конкретный и отвлеченный идеал-реализм, 1922), where Lossky says that “noticeable in contemporary philosophy is a growing interest for the ideal in the exact, Platonic sense of the word, i. e., for the realm of supertemporal and superspatial principles. On this ground emerge systems that may be called ideal-realistic, since they take the ideal to lie at the foundation of real (i. e.,

 “Der Geist, der die hier vorgelegte Ethik bestimmt, ist der Geist eines strengen ethischen Absolutismus und Objektivismus” (Scheler 1921, XI).  “Гартманъ въ весьма существенныхъ пунктахъ согласенъ съ Шелеромъ. […] Отстаивая объективность цѣнностей, Н. Гартманнъ, какъ и Шелеръ, утверждаетъ также существованiе абсолютныхъ цѣнностей” (Lossky 1931, 14‒15).  “Das Sein der Güterwerte ist […] durch die Relativität der Güter auf ein Subjekt nicht im mindesten tangiert. Es hat dem Subjekt und seinem Wertgefühl gegenüber den Charakter eines Ansichseins. Seine Absolutheit schließt das Ansichsein jener Bezogenheit mit ein. Um es formelhaft zu sagen: das Fürmichsein der Güter beruht schon auf dem Ansichsein der Güterwerte” (Hartmann 1926, 127).  “Werte haben ein Ansichsein. Diese These ist zunächst einfach die positive Formulierung dessen, was sich […] in der Kritik des Kantischen Subjektivismus ergab” (Hartmann 1926, 134).

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spatiotemporal) being”.⁴⁵ Hartmann’s criterion for determining what belongs to reality appears to be a refinement of Lossky’s own criterion. Based on considerations on his theory of levels of reality, Hartmann recognizes that everything spatial is temporal, whereas not everything temporal is spatial. He thus grants reality to everything temporal, which also encompasses the mereologically subordinate region of everything spatiotemporal. With the aim of justifying his ideal-realism, Lossky developed an epistemology – or rather “gnoseology” (гносеология), to use the Russian terminology (handed-down to Hartmann) – that he calls “intuitivism”. This gnoseology was principally developed in his Foundations of Intuitivism (Обоснованiе интуитивизма, 1906), but its main theses are also to be found in other, shorter writings. According to his intuitivism, real beings are intuited by way of sensory intuition and ideal beings by intellectual intuition. Lossky characterizes intellectual intuition as the “knowledge consisting in the processing of non-sensory experience”.⁴⁶ By knowledge of the non-sensory he means “cases in which knowledge requires complete abstraction from sensory experience, and in which it is hindered by sensory experience”.⁴⁷ An example would be the intuition involved in “the deductive inferences of pure mathematics”.⁴⁸ Intellectual intuition is also the mode of intuition of the self-evidence of mathematical “axioms and postulates”.⁴⁹ When someone understands the self-evidence of such axioms and postulates, there “is an immediate intellectual vision, or intuition, by which the truth is apprehended with perfect clearness” (Lossky 1919b, 366).⁵⁰ This being said, for Lossky the realm of ideal beings includes the subrealm of values, which is intuited by way of an “axiological intuition”. The axiological  “В современной философии заметен возрастающий интерес к идеальному в точном, платоновском смысле слова, т. е. к царству сверхвременных и сверхпространственных начал. На этой почве возникают системы, которые можно назвать идеал-реалистическими, так как они полагают в основу реального (пространственно-временного) бытия – идеальное” (Lossky 1922, 4).  “Знанiе, состоящее въ обработкѣ нечувственнаго опыта” (Lossky 1906, 325).  “когда знанiе требуетъ особенно полнаго отвлеченiя отъ чувственнаго опыта, когда оно встрѣчаеть только помѣху въ чувственномъ опытѣ” (Lossky 1906, 326).  “дедуктивныя умозаключенiя чистой математики” (Lossky 1906, 326).  “аксiомъ и постулатовъ” (Lossky 1906, 326). Needless to say, Lossky has in mind self-evidently true axioms and postulates, and not hypotheses and assumptions the truth of which remains to be verified.  I here use Nathalie Duddington’s 1919 translation, which makes use of the terminology of “intuition”, instead of the 1906 original, in which Lossky used the word умозрѣнiе, which is best translated as “speculation”. Since Duddington’s translation was made in consultation with Lossky, we have to infer that Duddington’s terminology reflects Lossky’s mature conception.

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intuition is immediate contemplation of moral and aesthetic values. In this regard, Lossky remarks that, for Scheler also, “some special kind of perceiving is required by which values may be discovered”.⁵¹ But, whereas for Lossky values are apprehended by an intellectual intuition, for Scheler they “are perceived not by theoretic, but by emotional-intentional functions, by the activities of feeling (Fühlen)”.⁵² Lossky says that what Scheler calls “emotional intuitivism” is the “theory that values are perceived by means of feeling, as a special function directed toward them”.⁵³ Scheler’s emotional intuitivism, he adds, is a theory that claims “the immediate givenness of transsubjective values in the feelings of the subject”.⁵⁴ And Lossky fully concurs with Scheler “that feeling is a special kind of cognition in which values are given”.⁵⁵ Hartmann, too, admitted the presence of a similar intuition. He partly sought the solution of the problem of the teachability of values and virtue in the ἀνάμνησις (anamnesis) of Plato’s Meno, which is an aprioristic kind of apprehension. In fact, for Hartmann “[a]prioristic knowledge is always inherently intuitive”.⁵⁶ But, as is the case with Lossky, for Hartmann there is a ratiocinative a priori and an emotional one, an a priori of thinking and one of feeling, which must be distinguished. Just like the rational a priori, “[a]ll moral preference is intuitive, is immediately there, and is always contained in the grasping of a given situation […]. It does not first wait for a judgment of the understanding”.⁵⁷ This kind of “aprioristic insight” (apriorische Einsicht, e. g.: Hartmann 1926, 27, 28, 56, 102) or “aprioristic intuition” (apriorische Intuition, e. g.: Hartmann 1926, 56) through which values are revealed, Hartmann sometimes calls “value-feeling” (Wertgefühl, e. g.: Hartmann 1926, 482‒483), as Scheler does,

 “Необходимъ, правда, особый видъ сознаванiя, посредствомъ котораго цѣнности могутъ быть найдены” (Lossky 1931, 14).  “Воспрiятiе цѣнностей осуществляется не посредствомъ теоретическихъ, а посредсвомъ эмоцiональныхъ интенцiональныхъ функцiй, посредствомъ дѣятельностей чувства (Fühlen)” (Lossky 1931, 13).  “ученiе о томъ, что цѣнности постигаются посредствомъ чувства, какъ особой направленной на нихъ функцiи” (Lossky 1931, 14).  “непосредственную данность транссубъективныхъ цѣнностей въ чувствѣ субъекта” (Lossky 1931, 123).  “Нельзя не согласиться съ Шелером, что чувство есть особый видъ сознаванiя, въ которомъ даны цѣнности” (Lossky 1931, 123). Lossky is here referring to: Scheler 1916, xi, 64, 261‒269.  “Apriorische Erkenntnis ist vielmehr immer ursprünglich intuitiv” (Hartmann 1926, 103).  “Alle moralische Stellungnahme ist vielmehr intuitiv, ist unmittelbar da und immer im Erfassen der gegebenen Sachlage […] bereits enthalten. Sie wartet nicht erst auf den urteilenden Verstand” (Hartmann 1926, 104).

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but also “valuational insight” (Werteinsicht, e. g.: Hartmann 1926, 101), and “emotional apriorism” (emotionaler Apriorismus, e. g.: Hartmann 1926, 104). According to Scheler, not only values, but also the relations between values are apprehended by way of intuition. As he says, “the rank order of values can never be deduced or derived. Which value is ‘higher’ can only be grasped through acts of preferring and pursuing. There is here an intuitive ‘evidence of preference’ that cannot be replaced by logical deduction”.⁵⁸ Although Lossky accepts Scheler’s emotional intuitivism, he considered – perhaps unfairly – his account incomplete and one-sided. Because, even though values are given via emotions, they are not properly speaking known through emotions. Knowledge (as justified true belief) of values requires the involvement of a theoretical or ratiocinative activity just as much as any other kind of knowledge – just as much as, say, geometrical knowledge. On this point, Lossky sides with Hartmann, for whom the “knowledge” of values is also a theoretical activity. As Lossky says, unlike Scheler, for Hartmann values “are accessible not to thought, but to an emotional, intuitive Schau […]. However, knowledge of them, as any other knowledge, has a theoretical character”.⁵⁹ Thus relying on Hartmann, Lossky says that “distinguishing in this way the practical experience of values by means of feelings from their theoretical identification by means of knowledge, we may accept Scheler’s emotional intuitivism for the practical sphere of action and, at the same time, speaking of the cognition of values, we may affirm that it can be obtained by a theoretical intuition”.⁶⁰ This is because, he says, the awareness and the experiences thus far mentioned are not as yet knowledge. They have a primary practical importance as possible directors of our behavior. But in order for them to gain theoretical importance, i. e., to become knowledge, intentional acts of cognition are necessary on the part of the observer. These intentional acts must be directed both upon the outer object and upon the feelings with which the object is clothed in consciousness.

 “daß die Rangordnung der Werte niemals deduziert oder abgeleitet werden kann. Welcher Wert der ‘höhere’ ist, das ist immer neu zu erfassen durch den Akt des Vorziehens und Nachsetzens. Es gibt hierfür eine intuitive ‘Vorzugsevidenz’, die durch keinerlei logische Deduktion zu ersetzen ist” (Scheler 1916a, 87).  “Доступны они не мысли, а видѣнiю, ‘Schau’, эмоцiальному, интуитивному […]. Однако знанiе о нихъ, какъ и всякое другое знанiе, имѣетъ теоретическiй характер” (Lossky 1931, 15). Lossky is here referring to the 1926 edition of Hartmann’s Ethik, p. 108.  “Разграничивая, такимъ образомъ, практическое переживанiе цѣнностей чувствомъ и теоретическое различенiе ихъзнанiемъ, мы можемъ принять эмоцiональный интуитивизмъ Шелера для практической сферы и въ то-же время, говоря о познаванiи цѣнностей, утверждать, что оно осуществляется посредствомъ такой же теоретической интуицiи” (Lossky 1931, 125).

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These acts are differentiation, abstraction, inference, etc., and they result in the judgment of value, the knowledge of value.⁶¹

Moreover, Lossky and Scheler both distinguish the intuition of values from the intuition of the objects of religion. In On the Eternal in Man (Vom Ewigen im Menschen, 1923), Scheler speaks of a “religious act” (religiöser Akt), which is acquaintance with the “religious object”. The religious act “transports the subject directly into a sphere of existence and of values accessible to him only”.⁶² This act appears to be distinct from the “emotional act” (emotionaler Akt) (Scheler 1923a, 89). This distinction is quite similar to that which Lossky makes between the “axiological” and the “mystical” intuition, about which he works out his ideas in “Mystical Intuition” (1938a) and Sensual, Intellectual, and Mystical Intuition (Чувственная, интеллектуальная и мистическая интуицiя, 1938b). Needless to say, Hartmann resorts neither to a religious act nor to a mystical intuition given that he does not have recourse to the God hypothesis in the first place.⁶³ According to Lossky, the objectivity and absoluteness of values combined with the intuitivist gnoseological approach has the advantage of ruling out axiological relativism and, thereby, moral relativism such as that of Nietzsche. In this respect, he agrees with Scheler, for whom, Lossky says, “from the subjectivity of the choice does not follow the subjectivity of what is chosen”.⁶⁴ In order to avoid relativism, he says, we should distinguish, as Scheler explained, between the norms of behavior and the values corresponding to them, and keep in mind that one and the same value under different con-

 “Перечисленныя сознаванiя и переживанiя еще не суть знанiе; они имѣютъ перевенствующее практитическое значенiе, какъ возможные руководители нашего поведенiя. Но для того, чтобы они получили теоретическое значенiе, т. е. стали знанiемъ, необходимы еще интенцiюнальные познавательные акты наблюдателя, направленные и на внѣшнiй предметъ и на чувства, которыми онъ одѣтъ въ сознанiи; эти акты суть различенiе, отвлеченiе, обсужденiе т. п.; въ результатѣ ихъ является сужденiе оцѣнки, знанiе о цѣнности” (Lossky 1931, 124).  “er versetzt sich als religiöser Akt auf unmittelbare Weise in eine nur ihm zugängliche Daseins- und Wertsphäre” (Scheler 1923, 350).  Concerning his Christian beliefs, Lossky is certainly closer to Scheler than he is to Hartmann, who was rather on the agnostic – if not on the atheist – side of the religious spectrum. On the question of Hartmann’s religious beliefs or lack thereof, see also: Scheler 1929, 43‒46 (“Mensch und Geschichte”, §. V); Breton 1951; Zwingen 1958; Galecki 1971; Buch 1983; Reinhard 1995; Jordan 2002.  “изъ субъективности выбиранiя вовсе не вытекаетъ субъективность выбраннаго” (Lossky 1931, 134).

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ditions can be the source of different, sometimes even contradictory norms. So, for example, the contention that ‘the personal value of one person is equal to that of another person’ under different conditions can give rise to two contradictory norms: ‘take care of others’ and ‘take care of yourself’.⁶⁵

Lossky believes that the intuitional approach to axiology has also the advantage of avoiding the pitfalls of the axiological psychologism developed by members of the Austrian School of the theory of values, namely by the early Alexius Meinong in Psychologisch-ethische Untersuchungen zur Werththeorie (1894) and by Christian von Ehrenfels in System der Werttheorie (1897/1898).⁶⁶ Such theories, he says, are subjective and thus have to renounce any commitment to the existence of absolute values. As Barry Smith says, “for Ehrenfels value is itself just the relation of desirability of an object for a subject” (Smith 1994, 296). In contrast, Lossky claims, the proponents of intuitivism (e. g., Scheler […], and also the author of this book [i. e., Lossky himself]) can escape falling into psychologism especially well. In fact, the proponents of intuitivism argue that besides the individual psychical experiences of the subject there may also be present in consciousness many parts of the external world and different species of being – material being, the psychic being of others, ideal being, etc. Understanding the structure of consciousness in this way, it is natural to look for values not in the subjective feelings caused by them, but deeper, namely moving in the direction of the objects of the feelings.⁶⁷

 “слѣдуеть различать, какъ это разъяснено М. Шелеромъ, нормы поведенiя и соотвѣтствующiя имъ цѣнности и отдавать себѣ отчетъ въ различныхъ условiяхъ быть источникомъ различныхъ, даже иногда противоположныхъ нормъ. Такъ, напр., положенiе ‘собственная цѣнность личности равна цѣнности другой личности’ можетъ дать начало въ различныхъ условiяхъ двумъ противоположнымъ нормамъ: ‘заботься о другихъ’ и ‘заботься о себѣ’” (Lossky 1931, 119). Here Lossky is referring to Scheler 1916a, 219, 306‒320.  I say the “early” Meinong, because he will later change his mind and defend an anti-psychologistic axiology in Zur Grundlegung der allgemeinen Werttheorie (1923).  “особенно четко отграничиться отъ впаденiя въ психологизмъ могутъ сторонники интуитивизма (напр., Шелеръ […], а также авторъ этой книги). Въ самом дѣлѣ, сторонники интуитивизма утвержаютъ, что въ сознанiи, кромѣ индивидуально – психическихъ переживанiй субъекта, могутъ наличествовать любые отрѣзки внѣшняго мiра и любые виды бытiя – матерiальное бытiе, чужое психическое бытiе, идеальное бытiе и т. п. При такомъ пониманiи строенiя сознанiя естественно искать цѣнности не въ субъективномъ чувствѣ, вызываемомъ ею, а глубже, именно идя въ направленiи къ предмету чувства” (Lossky 1931, 25‒26).

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3 The Definition of Values Lossky is not only interested in knowing that values are, but also what they are – not only quod sit, but also quid sit. Are values relations, qualities, essences, powers, meanings, or something else? To tackle this issue, he begins by surveying previous definitions of values. He considers the position of the German philosopher and psychologist Johannes Heyde as he developed it in Wert: Eine philosophische Grundlegung (1926) and according to whom a value is a relation between a subject and some object (Lossky 1931, 26‒27). For Lossky, such theory has the advantage of not being purely subjective, because the relation between the subject and the object already extends outside the subject. And, for sure, a relation between the subject and some kind of object is necessary in the apperception of values. But, even if the concept of value is closely related to that of relation, for Lossky, Heyde mistakes the relation between the subject and the valuable object for the value itself; a value may or may not stand in a relation, but it is a categorial mistake to take the relation for the value itself. The value must rather be on the side of the valuable being (Lossky 1931, 27‒28). Thus, he concludes, “no matter how much we agree with Heyde that the concept of value is very closely connected with the concept of relation […], still we cannot accept as true the fundamental assertion of Heyde that ‘value is a relation’”.⁶⁸ In contrast to the definition of value as relation is that of Scheler, for whom values are qualities (Qualitäten) (Scheler 1916a, 249). But Scheler also characterizes values as Urphänomene (Scheler 1916a, 260).⁶⁹ This terminology is likely to have been borrowed – directly or indirectly – from Goethe, who was seeking, throughout his scientific writings (on mineralogy, botany, osteology, anatomy, the theory of colors, etc.), what he called the Urphänomen. The prefix Urtakes the sense of “primordial”. The word can thus be translated as “primordial phenomenon” or “proto-phenomenon”. The Urphänomen, that Goethe also occasionally called the Urform, is similar to Plato’s intelligible Forms in that it is an original model or plan that nature expresses in an infinite number of variations through the multiplicity of natural phenomena.⁷⁰ It is in this sense, I think, that one must understand Scheler’s conception of values. That is why Scheler says  “какъ бы далеко мы ни шли за Гейде, соглашаясь, что понятiе цѣнности тѣснѣйщимъ образомъ связано съ понятiемъ отношенiя […], все же нельзя признать истиннымъ основное утвержденiе Гейде, что ‘цѣнность есть отношенiе’” (Lossky 1931, 27). In his rejection of the definition of values as relations, Lossky agrees with Scheler 1916a, 248‒249.  “Werte als Urphänomene” (Scheler, 1916a, p. 260). On Scheler’s characterization of values as Urphänomene, see: Zhang 2010, 180‒183.  On Goethe’s theory of the Urphänomen, see, e. g.: Henel 1956; Hennigfeld 2015.

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that values “as Urphänomene, do not admit of any further explanation”.⁷¹ As Urphänomene, as primordial forms, these qualities are the beginning of a series – they have no cause ‒, so their being cannot be explained. Concerning the latter definition of values as urphenomenal qualities, Lossky says that, for Scheler, “values, for instance, ‘pleasant, charming, delightful, noble’, etc., are not relations, but peculiar qualities forming a special realm of objects”.⁷² He interprets Scheler as reducing values to such qualities as ‘pleasant’, ‘charming’, ‘delightful’, ‘noble’, and so on, and he disagrees with this reduction. Although values are “given as feeling and may be expressed in such words as pleasant, noble, sweet, delightful, tender, sublime, […] and so on […], value cannot be reduced simply to these moments: these are only the symptomatic moments of value”.⁷³ He explains that, when we use words such as ‘pleasant’, ‘charming’, ‘delightful’, and ‘noble’ in order to express our axiotic experience of an object, these words denote a complex fact of cognition that has both a subjective and a transsubjective side: the subjective side consists in the fact that the observer experiences his own subjective ‘feeling of delight’, ‘feeling of exaltedness’, ‘feeling of beauty’, ‘feeling of nobleness’, etc., whereas the transsubjective side is the perceived object of the external world with its colors, sounds, and activities in that wholeness that imparts it its specific worth and specific meaning for the plenitude of being, the meaning that is experienced by the observer in the ‘feeling of delightfulness’, the ‘feeling of nobleness’, etc.⁷⁴

 “die Werttatsachen als Urphänomene, die keiner weiteren Erklärung zugänglich sind” (Scheler 1916a, 259).  “цѣнности, напримѣръ, “прiятный, милый, восхительный, благородный” и т. п. суть не отношенiя, а своеобразныя качества образующiя особое царство предметовъ” (Lossky 1931, 12).  “данный вь развитомъ сознанiи въ чувствѣ и выразимый такими словами, какъ прiятный, милый, благородный, нѣжный, восхитительный, возвышенный, […] и т. п. […], цѣнность не сводится только къ этимъ моментамъ: это симптоматическiе моменты ценности” (Lossky 1931, 79‒80).  “сложный фактъ сознанiя, имѣющiй субъективную и транссубъективную сторону: субъективная сторона состоитъ въ томъ, что наблюдатель перижваетъ свое субъективное ‘чувство восхитительности’, ‘чувство возвышенности’, ‘чувство красоты’, ‘чувство благородства, мужества’, и т. п., а транссубъективная сторона есть сознаваемый предметъ внѣшняго мiра съ его красками, звуками, дѣятельностями въ той ихъ цѣлости, которая придаетъ имъ специфическое достоинство и специфическое значенiе для полноты бытiя переживаемое наблюдателемъ въ ‘чувствѣ восхитительности’, ‘чувствѣ благородства’ и т. п.” (Lossky 1931, 124).

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For Hartmann, values have a mode of being other than that of reality.⁷⁵ Now, as I already mentioned in the section on the objectivity of values, he does say on occasion that values are “real” (Hartmann 1926, 53). But one must differentiate between “real” in the broad sense of what is in general and “real” in the narrow sense of that which exists in time. Because, for Hartmann, what is real in the narrow sense of the term is that which is temporal. As he says in Philosophie der Natur, “temporality is the main characteristic of reality”.⁷⁶ This is the only way to make sense of other claims, such as the following, where Hartmann says that “[v]aluestructures are ideal objects, beyond all real being and nonbeing”.⁷⁷ Scheler has a slightly narrower criterion than Hartmann for determining what is real. For him, what is real is not what is temporal, but rather what is causally efficient. In “Idealismus‒Realismus”, he says that, “[f]or us, reality and causality belong essentially together. That which is not effective (wirkfähig) is also not real (wirklich)”.⁷⁸ Commitment to this criterion compels him to reject the reality of such things as space, shadows, rainbows, and… values.⁷⁹ Although Scheler and Hartmann have different criteria for determining what is “real”, they nevertheless both agree that values are unreal. As Kelly says, “[f]or Scheler and Hartmann, values are not ontologically real” (Kelly 2008, 5). But, again, this is true only insofar as we understand “real” in the narrow sense that they attribute to this term in accordance with their respective criteria. Values are not real, yet they still constitute some form of being. For Hartmann, they are not categories of being, because categories have no existence separate from the concretum in which they exist.⁸⁰ They are rather ἀρχαί, principles (Prinzipien)⁸¹ of being in the sense that they are a prius, in the sense that they exist prior to the valued things – a characterization that is not without resemblance to Scheler’s own characterization of values as Urphänomene. As such, they belong to a different realm of being, namely the realm of ideal being: “there is a self-ex-

 “Haben sie also ein Sein, so jedenfalls ein anderes als Realität” (Hartmann 1936, 976).  “daß Zeitlichkeit geradezu das Hauptmerkmal des Realen ist” (Hartmann 1950, 217). For Hartmann’s criterion of reality as that which is temporal, see: Hartmann 1935, 185; Hartmann 1938, 9; Hartmann 1942, 218; Hartmann 1949, 784.  “Wertstrukturen sind eben ideale Gegenstände, jenseits alles realen Seins und Nichtseins” (Hartmann 1926, 107).  “Realität und Kausalität gehören für uns wesensmäßig zusammen. Was nicht wirkfähig ist, ist auch nicht wirklich” (Scheler 1928, 318).  For more examples of what Scheler deems unreal, see: Scheler 1928, 292; Scheler 1957b, 387.  “Kategorien nicht ein Sonderdasein neben dem Concretum haben” (Hartmann 1942, 257).  “ethische Prinzipien sind nicht Kategorien” (Hartmann 1926, 51).

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isting ideal sphere, in which values are at home”.⁸² It is this realm that Plato called the realm of Ideas, that Aristotle called that of the εἶδος, the Scholastics that of essentia, and which made a comeback, Hartmann says, with the phenomenological movement under the guise of the Reich der Wesenheiten (Hartmann 1926, 108).⁸³ The word Wesenheit being the German translation of the Latin word essentia, we may say that Hartmann defines values as “essences”. For him, as Lossky points out, to the realistic experience of that which ought to be corresponds an ideal moment, an ideal of that which ought to be, necessarily connected with the eidetic structure of the will; and the will is governed by a normative idea of the individual participation in the absolute plenitude of being. This is the moment that N. Hartmann calls ideales Seinsollen. ⁸⁴

Lossky remarks that Hartmann in many essential points agrees with Scheler. Values, he says, are not laws, but objective formations possessing material content. They are ideal (i. e., they belong to the an sich seiende ideale Sphäre […]), their being does not have an ‘existence’ (Existenz), but their matter can be realized […]. Values are essences (Wesenheiten); they represent a specific quality of things, relations, or persons. They are those essences thanks to which everything that is connected with them is valuable.⁸⁵

So, as with Scheler, Hartmann considers values qua essences as existing in the “ideal realm” rather than in the “real realm”. And, again like Scheler, he takes values to have a status analogical to logical and mathematical objects.⁸⁶ A

 “es eine an sich seiende ideale Sphäre gibt, in der die Werte ursprünglich heimisch sind” (Hartmann 1926, 96).  On the rebirth of the doctrine of essentia in phenomenology, see also: Hartmann 1942, 207.  “Реальному переживанiю долженствованiя соотвѣтствуетъ въ идеальномъ единствѣ воли и цѣнности идеальный моментъ, идеальное долженствованiе, необходимо связанное съ эйдетическою структурою воли, руководимой нормативною идеею индивидуальнаго участiя въ абсолютной полнотѣ бытiя. Это тотъ моментъ, который Н. Гартманнъ называетъ ideales Seinsollen” (Lossky 1931, 129).  “Гартманнъ въ весьма существенныхъ пунктахъ согласенъ съ Шелеромъ. Цѣнности, говоритъ онъ, суть не законы, а содержательно-матерiальныя, объективныя образованiя. Они идеальны (принадлежатъ къ an sich seiende ideale Sphäre […]), ихъ бытiе не имѣетъ ‘существованiя’ (Existenz), но матерiя ихъ доступна реализацiи […]. Цѣнности – сущности (Wesenheiten), они представляюъ собою специфическое качество вещей, отношенiй, лицъ. Они такiя сущности, благодаря которымъ все, что имъ причасто, цѣнно” (Lossky 1931, 14‒15).  “Die Parallele mit den logischen und mathematischen Gegenständen ist für den Seinscharakter der Werte außerordentlich lehrreich” (Hartmann 1926, 137).

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value, he says, “has as much an ideal being-in-itself as a mathematical law”.⁸⁷ But values are nevertheless gnoseologically different from logical and mathematical objects insofar as they are objects of an emotional rather than intellectual intuition. As such, they must belong to a different structure and constitute a subrealm of the ideal realm – “the ideal realm of values”.⁸⁸ And Lossky largely agrees with these definitions. Hartmann also considers values to be principles in the sense that they have a certain “power” of determination (Hartmann 1926, Kap. 17). They do not have a power of determination as efficient causes, but rather as final causes – in the same way that the Aristotelian prime mover determines by way of attraction. For this reason, Hartmann further characterizes values as “prime movers” (erste Beweger) (Hartmann 1926, 172). This suggests that Hartmann defines values as powers or as having powers. Lossky notes in this regard that “Hartmann […] says that value is a power (сила) that causes existence to lose its balance and to strive beyond itself, tendiert über hinaus”.⁸⁹ To this definition, Lossky formulates the following objection: “Values in themselves contain no power (силы) that could cause or create the strivings and actions of the subject. The dynamic moment of striving and action belongs to the subject himself, to the substantival agent, and to nothing else”.⁹⁰ He explains that the “illusion that value is itself a power arises because the substantival agent is not an abstract bearer of power, abstracted from its experiences, but a concrete individual whole, imbued with the fundamental striving for the absolute plenitude of being”.⁹¹ Lossky remarks, however, that, on this issue, Hartmann has been inconsistent and that his last word went in the sense of his own view: “However, page 701 [of Ethik – FT],

 “[Der Wert] hat ein ebenso echtes ideales Ansichsein wie ein mathematisches Gesetz” (Hartmann 1926, 140).  “der idealen Welt der Werte” (Hartmann 1926, 122).  “Гартманнъ […] говоритъ, что цѣнность есть сила, благодаря которой бытiе теряетъ равновѣсiе и устремляется за предѣлы себя самого, tendiert über hinaus” (Lossky 1931, 126).  “Сами цѣнности не содержатъ въ себѣ никакой силы, которая могла бы причинить, творчески породить стремленiя субъекта и его дѣятельности; динамическiй моментъ стремленiя и дѣятельности принадлежить самому субъекту, самому субстанцiальному дѣятелю и никому больше” (Lossky 1931, 125).  “Иллюзiя, будто сама цѣнность есть сила, возникаетъ потому, что субстанцiальный дѣятель есть не оторванный отъ своихъ переживанiй абстрактный носитель силы, а конкретное индивидуальное цѣлое, проникнутое основнымъ стремленiемъ къ абсолютной полнотѣ бытiя” (Lossky 1931, 126).

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Hartmann says that values have no power, that power belongs to the human will”.⁹² Lossky agrees that values are ideal beings. And he is much closer to the Schelerian and the Hartmannian definitions than to, say, Ehrenfels’s and Heyde’s definitions, because at least for Scheler and Hartmann values are on the side of the object. Lossky nevertheless proposes a different definition. For him, values are not simply properties or qualities or essences (even urphenomenal or archetypal ones) of what is – they are the same as what is, only conceived from a different perspective. Here is some textual evidence (in order of appearance in the text): – “According to the ontological theory of values that I am developing, being itself is not only a bearer of values, but is itself a value, if taken in its meaning; it is itself either good or evil”.⁹³ – “each substantival agent, each actual and even each potential person, is an absolute intrinsic value potentially all-embracing. Thus, the whole primeval world created by God consists of beings that are not means to some ends and values, but are absolute intrinsic values in themselves”.⁹⁴ – “in keeping with our own ontological ideal-realistic axiology, […] being itself in its meaning for the plenitude of life is a value”.⁹⁵ – “value is not an addition to being, not a quality which it has alongside of other qualities, but the organic unity of existence and meaning” (Lossky 1952, 258). The identification of value and being applies also to aesthetic values, which Lossky – in his posthumously published book on aesthetics The World as the Realization of Beauty: The Foundations of Aesthetics (Мир как осуществление

 “однако стр. 701, гдъ Гартманнъ говоритъ, что цѣнности не имѣютъ силы, что сила принадлежитъ человѣческой волѣ” (Lossky 1931, 126).  “Согласно развиваемой мною онтологической теорiи цѣнностей, бытiе не есть только носитель цѣнностей, оно само, будучи взято въ его значительности, есть цѣнность, оно само есть добро и зло” (Lossky 1931, 80).  “каждый субстанцiальный дѣятель, каждая дѣйствительная и даже каждая потенцiальная личность есть абсолютная самоцѣнность, потенцiально всеобъемлющая. Такимъ образомъ, всѣ дѣятели, т. е. весь первозданный мiръ, сотворенный Богомъ, состоитъ изъ существъ, которые суть не средства для какихъ нибудь цѣлей и цѣнностей, а самоцѣнности абсолютныя” (Lossky 1931, 90).  “придерживаясь своей онтологической идеалъ-реалистической аксiологiи, […] само бытiе въ его значенiи для полноты жизни есть цѣнность” (Lossky 1931, 123‒124).

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красоты: Основы эстетики, 1998) – classifies as species of value in general.⁹⁶ “Beauty”, he says, “is not some addition to being, but being itself”.⁹⁷ But, unlike those – such as Lev Shestov and Emmanuel Lévinas – who would like to see ontology abdicate the imperial throne of first philosophy and cede it to ethics, Lossky is not, for that matter, subordinating being to value and ontology to axiology. Piama Gaidenko says of Lossky that “it would not be an exaggeration to say that his metaphysics is ontologized ethics”.⁹⁸ But, at the same time, Lossky claims that metaphysics remains the queen philosophical science.⁹⁹ For him, a value is an ideal being, more specifically a meaning (значенiе). But this meaning is simply “being” conceived from the perspective of its meaningfulness for substantival agents: “Meaning and sense are the ideal aspect of value. Therefore, every value is either wholly ideal, or at least contains an ideal aspect within itself. If valuable being is itself ideal being, then value is wholly ideal”.¹⁰⁰ Lossky gives the following examples: the substantival agent, as a supertemporal and superspatial source of activity, is a wholly ideal value. If the valuable being is a real being, then the corresponding value is ideal-real: such is, for instance, the aria performed by a singer. The idea of the aria, the idea of a shrine, the idea of a deed, and so on, is wholly an ideal value that can be realized. The performed aria, the built temple, or the committed deed, are ideal-real values.¹⁰¹

 “Beauty is a value” (Красота есть ценность) (Lossky 1998, 15). Hartmann, too, classified aesthetic values as species of values in general. On this, see especially his “Über die Stellung der ästhetischen Werte im Reich der Werte überhaupt” (1927), which is concerned with the specific difference between aesthetic and moral values. The same subordination of the various species of value to value in general may be found in the thought of Semyon Frank, for whom “[w]hatever may be the defining characteristic of moral value in contrast to the other species of objective value, moral value is only one of the possible manifestations of value as such” (“В чем бы ни заключался определяющий признак нравственной ценности в ее отличии от других видов объективной ценности – во всяком случае, нравственная ценность есть только одно из возможных обнаружений ценности как таковой”) (Frank 1990, 398).  “красота есть не какая-либо прибавка к бытию, а само бытие” (Lossky 1998, 19).  “не будет преувеличением сказать, что его метафизика – это онтологизированная этика” (Gaidenko 2016, 46).  “According to my view, metaphysics is the most important philosophical science” (Lossky 1934, 266).  “Значенiе и смыслъ есть идеальный аспектъ цѣнности. Такимъ образомъ, всякая цѣнность или сполна идеальна или, по крайней мѣрѣ, заключаетъ въ себѣ идеальный аспектъ. Если само цѣнное бытiе есть бытiе идеальное, то цѣнность сполна идеальна” (Lossky 1931, 80).  “субстанцiальный дѣятель, какъ сверхвременный и сверхпространственный источникъ дѣйствованiй, есть сполна идеальная цѣнность. Если цѣнное бытiе есть бытiе реальное, то соотвѣтствующая цѣнность идеально-реальна: такова, напр., исполняемая

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Now, one of the difficulties with this definition is that it is not a standard kind of definition per genus proximus et differentia specifica; the word “value”, according to Lossky, does not let itself be defined by the Aristotelian method of definition. As he says, the whole difficulty lies in the definition of primary, supercosmic, absolute positive value. It is […] the absolute plenitude of being. It possesses within itself the meaning that justifies it, makes it an object of approval, gives it the absolute right to be realized and preferred above everything else. In this definition, there is no division into elements […]. Likewise, the definition of derivative value does not contain a division into genus and differentiae. ¹⁰²

On this view, “being” is not a genus that would include the species “value”.¹⁰³ Value is rather “an organic unity, including in itself as elements being and meaning (бытiе и значенiе), which, although it is based on these elements, represents a novel aspect of the world, different from its elements”.¹⁰⁴ In identifying value with being, Lossky claims to be following a line of thinkers including Dionysius the Areopagite, Scotus Eriugena, Albertus Magnus, and Thomas Aquinas, who, according to him, all more or less understood ens and bonum as the same thing conceived from different perspectives (Lossky 1931, 31‒32). Such identification is commonplace in the Christian Neo-Platonism that Lossky embraces. The identification of value and being is possible only insofar as there is identification (confusion?) of what ought to be with what is, which implies also an identification of what ought not to be, i. e., evil (negative values), with nonbeing, where the attainment of the hypostatized Good is synonymous with the absolute plenitude (pleroma, πλήρωμα) of being, as opposed to the deficiency of being. In the teleologically realized world, there is thus no difference between value and being, because the plenitude of being is also the plenitude of the Good (positive values) (Lossky 1931, 52).

пѣвцомъ арiя. Идея арiи, идея храма, идея поступка и т. п. есть сполна идеальная цѣнность, могущая быть реализованною; исполняемая арiя, построенный храмъ, совершаемый поступокъ есть цѣнность идеально-реальная” (Lossky 1931, 80).  “Вся трудность заключается въ опредѣленiи первичной сверхмiровой абсолютной положительной цѣнности: это […] абсолютная полнота бытiя, сама въ себѣ имѣющая смыслъ, оправдывающiй ее, дѣлающiй ее предметомъ одобренiя, дающiй ей безусловное право на осуществленiе и препочтенiе чему бы то ни было другому. Въ этомъ опредѣленiи нѣтъ разложенiя на элементы […]. Также и опредѣленiе производной цѣнности не содержитъ въ себѣ разложенiя на родъ и видовой” (Lossky 1931, 78‒79).  “‘бытiе’ не есть родъ, подъ который подходить понятiе цѣнности” (Lossky 1931, 79).  “органическое единство, включающее въ себя, какъ элементы бытiе и значенiе, но, опираясь на эти элементы, она представляетъ собою новый аспектъ мiра, отличный отъ своихъ элементовъ” (Lossky 1931, 79).

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The Losskyan philosopher John Marshall recapitulates in nuce Lossky’s innovation as follows: Max Scheler and Nicolai Hartmann give us a new type of absolute. They give us values that are qualities, material qualities that may be added to existents. These qualities are borne by existences. In a sense values exist in their purity only in a very unreal sense. It would be better to say that pure value subsists rather than exists. An existent per se is not valuable, it only bears values. Pure value may have reality apart from existence (Marshall 1935, 203).

The theory of Scheler and Hartmann is problematic, Marshall thinks, insofar as it deprives existence itself of intrinsic worth. If we are dealing with a beautiful object we ask ourselves […] if the picture itself is not beautiful apart from the adding of a quality called beauty. If we take the position that a tertiary quality is the only value, we must ask ourselves whether there is not a value that lies in the bearer of the quality in addition to the quality borne (Marshall 1935, 203‒204).

Marshall’s interpretation seems accurate. Scheler did affirm the independence of values from the bearers of values. As William Werkmeister says, for Scheler the order of rank [is] independent of the existence of ‘goods’ and [is], in fact, […] determinative of the various value levels of the actual ‘goods’. What Scheler underscores here is the fact that value is one thing and a ‘bearer of a value’ (Wertträger) is quite another. This distinction underlies his whole argument (Werkmeister 1970, 290).

As to Hartmann, he explicitly declared the independence of values from the valued things.¹⁰⁵ But Hartmann, who claimed that values are principles, will also later claim in “Neue Wege der Ontologie” (1942) that principles are universal,¹⁰⁶ and he will dissociate himself from doctrines that hypostatize universals.¹⁰⁷ This would seem to imply a dissociation from his earlier thesis that values are existentially independent. In any case, on the interpretation that they take values to be independent of the valued things, Scheler and Hartmann would be guilty, according to Marshall, of a sort of duplication or reification (hypostatization) – a fallacy that Vladimir Solovyov identified as the chief tendency of Western philosophy, which consists in “the one-sided predominance of rational analysis, af-

 “Werte sind nicht nur unabhängig von Wertdingen Gütern, sondern sind auch positiv deren Bedingung” (Hartmann 1926, 109).  “alles Prinzipielle allgemein ist” (Hartmann 1942, 207).  “Man muß überhaupt gegen die Wesenslehre Abstand gewinnen; und zwar nicht nur, weil man sich mit ihr wieder allen Umständen eine Verselbständigung des ‘Allgemeinen’ hängt…” (Hartmann 1942, 207).

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firming abstract concepts in their separateness and thence necessarily hypostatiz[ing] them”.¹⁰⁸ On Marshall’s view, the Losskyan solution avoids this fallacy.

4 The Stratification of Values Scheler and Hartmann both developed theories of the strata of values and of the strata of feelings coordinated to them. In Formalismus, these strata of feelings are identified as follows: (1) sensory feelings, (2) bodily feelings (as conditions) and vital feelings (as functions), (3) pure psychical feelings (pure feelings of the I), and (4) spiritual feelings (feelings of personhood).¹⁰⁹ Each one of these levels of feelings follows its own laws and is coordinated to a respective set of values. Sensory feelings apprehend the bodily agreeable and disagreeable, as well as their species. Vital feelings apprehend vital values, such as health, vigor, strength, and their opposites, i. e., illness, tiredness, and weakness. Psychic feelings apprehend values pertaining to the ego, such as happiness and sadness. Spiritual feelings, which pertain to the person (in relation to family, friends, society, etc.), apprehend spiritual values, i. e., beautiful and ugly, right and wrong, shame, remorse, etc. Spiritual values belong to a rank of values higher than purely psychical values, psychical values are higher than vital values, and the latter are higher than sensory values (Scheler 1916a, 109).¹¹⁰ Likewise, for Hartmann the lower values are stronger and bear weaker yet higher and nobler ones. For instance, friendship and love are nobler than and preferable to the more mundane and commonplace respect for the life of other human beings, but there cannot be friendship or love without respect for human life in the first place. The higher values are more preferable, but necessitate the lower ones in order to be realized. Thus, Hartmann says, to “sin against a lower value is in general more grievous than to sin against a higher one; but the realization of a higher is morally more valuable than that of a lower one. Murder is considered to be the most grievous offense, but respect for another’s life is not on that account the highest moral habitus – not compa-

 “одностороннее преобладанiе разсудочнаго анализа, утверждающаго отвлеченныя понятiя въ ихъ отдѣльности и вслѣдствiе этого необходиме ихъ гипостазирующаго” (Solovyov 1874, 76).  “Es gibt: 1. Sinnliche Gefühle oder ‘Empfindungsgefühle’ (Carl Stumpf), Leibgefühle (als Zustände) und Lebensgefühle (als Funktionen), 3. rein seelische Gefühle (reine Ichgefühle), 4. geistige Gefühle (Persönlichkeitsgefühle)” (Scheler 1916a, 344).  For a study of Scheler’s theory of the stratification of emotional life, see: Werkmeister 1970, 287‒313; Geniusas 2015.

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rable to friendship [and] love”.¹¹¹ Murder is thus a most grievous offense insofar as it is a sin against the foundational (lowest-level) value of “vitality” or “aliveness”, without which one is deprived of the possibility to realize higher, nobler values.¹¹² I mentioned what Lossky calls “the plenitude of being” (Seinsfülle), which is a stage that remains to be realized. The teleological view that the activity of substantival agents is directed at the realization of the plenitude of being implies a conception of the stages of evolution leading to that ultimate state. On this issue, Lossky relies partially on Scheler and Hartmann, but his earliest – and thus most formative – influence was Solovyov’s theory of the stages of being (Lossky 1931, 54). Lossky’s theory of levels is not, like that of Hartmann, a theory of static strata, but rather of evolutionary stages toward the attainment of the plenitude of being. And, in the same way that the most fundamental levels of being are necessary conditions for the possibility of higher levels of being, the most fundamental values are necessary conditions for the possibility of higher values. As Lossky says, [a]mong relative values the ranks (ранги) are determined in part by the steps of normal evolution. Thus, for instance, on earth the biological values are in general higher than the values of inorganic nature, the values of the social process are higher than the biological ones. To classify values into groups according to their rank would be possible only by having a thoroughly developed theory of the system of values.¹¹³

Instead of reinventing the wheel, Lossky invokes the work of Scheler and Hartmann: “Not intending to develop such a system, I limit myself to a defense of the theory of ranks. Many of its aspects have been elucidated by M. Scheler in his Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik [and] by N. Hartmann in his Ethik”.¹¹⁴

 “Die Versündigung am niederen Wert ist im allgemeinen schwerer als die am höheren; die Erfüllung des höheren aber ist moralisch wertvoller als die des niederen. Der Mord gilt als schwerstes Vergehen, aber die Respektierung fremdem Lebens ist deswegen nicht der höchste moralische Habitus – nicht zu vergleichen mit Freundschaft [und] Liebe” (Hartmann 1926, 252).  For a study on the theory of lower and higher values in Hartmann, see: Hübler 1950.  “Среди относительныхъ цѣнностей ранги опредѣляются, между прочимъ, ступенями нормальной эволюцiи; такъ, напр., у насъ на землѣ цѣнности бiологическiя въ общемъ выше цѣнностей неорганической природы, цѣнности соцiальнаго процесса выше цѣнностей бiологическихъ. Попытку расположить цѣнности въ ряды по рангамъ можно было бы осуществить не иначе, какъ имѣя обостоятельно разработанное ученiе о системѣ цѣнностей” (Lossky 1931, 120).  “Не собираясь разрабатывать такую систему, я ограничиваюсь также и въ ученiи о рангахъ только защитою этого понятiя. Многiя стороны его выяснены М. Шелеромъ въ

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Lossky agrees with Scheler and Hartmann that in choosing between several values under the conditions of psycho-material being we have to be guided not only by the rank, but also by other properties of values, as, for example, by the fact that the non-realization of some inferior positive value (say, nutrition) leads to the appearance of different destructive negative values (illness, death, etc.).¹¹⁵

Lossky is here referring to “Hartmann’s theory of the existence of two laws of preference: the preference of value in virtue of its height, and the preference of value in virtue of its strength”.¹¹⁶ And in Conditions of the Absolute Good (Условия абсолютного добра, 1949), he makes use of “the law formulated by M. Scheler and N. Hartmann, [according to which] the greater the value of a being, the weaker it is, the more it depends on a being the value of which is lower than itself”.¹¹⁷ Lossky admits the Hartmannian Schichtenlehre insofar as it applies to values, but his conception of the axiotic levels as stages toward the completion of the plenitude of being only makes sense within an evolutionary-teleological worldview. Hartmann did not oppose to a genetic interpretation of his theory of strata. “The categorial laws as such”, he says in “Neue Wege der Ontologie”, “absolutely allow for a genetic interpretation of the sequence of strata”.¹¹⁸ But he staunchly rejected teleologism, which, according to him, makes the categorial mistake of giving primacy to axiological principles over ontological ones. As Hartmann says in “Wie ist kritische Ontologie überhaupt möglich?”,

его ‘Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik’, Н. Гартманом въ его ‘Этикѣ’” (Lossky 1931, 120).  “при выборѣ между нѣсколькими цѣнностями приходится въ условiяхъ психоматерiальнаго бытiя руководствоваться не только рангомъ, но и другими свойствами ихъ, напр. тѣмъ, что неосуществленiе какой-лидо низшей положительной цѣнности (скажемъ, сытости) ведетъ за собою появленiе разрушительныхъ отрицательныхъ цѣнностей (болѣзни, сметри и т п.)” (Lossky 1931, 121). Scheler also speaks in terms of “positive and negative values” (positiven und negativen Werten) in Scheler 1916a, 368 ff.  “ученiе Н. Гартмана о наличiи двухъ законовъ предпочтенiя: о предпочтенiи цѣнности въ зависимости отъ ея высоты и предпочтенiи цѣнности въ зависимости отъ ея силы” (Lossky 1931, 121).  “Согласно закону, установленному М. Шелером и Н. Гартманом, чем более ценно какое либо бытие, тем более оно хрупко, тем более оно зависит от бытия, низшего по своей ценности” (Lossky 1949, 201).  “die kategorialen Gesetze als solche eine genetische Auffassung der Schichtenfolge durchaus zulassen” (Hartmann 1942, 286‒287). See also: Hartmann 1942, 284.

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[a]ll teleological thinking is axiologically determined, because the being-a-finality of a content is necessarily rooted in its quality of having a value. So, by implication, a teleological worldview gives categorial primacy to values rather than to ontological principles, and allows the latter to be determined by the former.¹¹⁹

But there is no reason why the ens perfectissimum should be prior to the ens realissimum, or why the axiological principle should also be the principle of everything else (Hartmann 1926, 152). Axiology does not have priority over the strictly ontological matters of the real sphere (Hartmann 1926, 153). Scheler was much closer to Lossky than he was to Hartmann with regards to his cosmogenetic conception. As Hartmann writes in his obituary of Scheler, “[a]ccording to him, the secret of the world was a world-development on a grand scale, from the alogical and blind urge for being up to the fulfilling of value and meaning in pure spiritual being. But this was also at the same time the secret of the divine essence, because he understood this very process as the becoming of God in the world”.¹²⁰ Yet, with his characteristic constant inconsistency, on this issue Scheler nevertheless sided with Hartmann in “Die Sonderstellung des Menschen”, where he says that Hartmann very aptly stated the same thought as his own with regards to “the untenable nonsense of a so-called ‘teleological’ worldview, which has dominated the entire theistic philosophy of the West”.¹²¹ Hartmann further argues – in Ethik as well as in other places – that within a teleologically-determined world, the gift of freedom would be wasted, because in such a world there would be no wiggle room for freedom of choice; in such a world even the smallest decisions would be predetermined by the final cause, and such freedom would only be an apparent one: The metaphysical primacy of the axiological determination implies a perfect determinism, in which man is deprived of all wiggle room for any determination that could come from

 “Alles teleologische Denken ist axiologisch bedingt, denn das Zwecksein eines Inhaltes wurzelt notwendig in seinem Wertcharakter. Ein teleologisches Weltbild also gibt ohne weiteres den Werten den kategorialen Primat vor den Seinsprinzipien, läßt diese durch jene bedingt sein” (Hartmann 1924, 134).  “Eine Weltentwicklung großen Stils, vom alogischen und blinden Seinsdrang bis hinauf zur Wert- und Sinnerfüllung im reinen geistigen Sein, schwebte ihm als das Geheimnis der Welt vor. Zugleich aber auch als das Geheimnis des göttlichen Wesens. Denn eben diesen Prozeß verstand er als das Werden Gottes in der Welt” (Hartmann 1928, xiv).  “dem haltlosen Un-Sinn einer sogenannten ‘teleologischen’ Weltanschauung, wie sie die gesamte theistische Philosophie des Abendlandes beherrscht” (Scheler 1927, 219). This passage is also to be found on page 60 of the 1947 re-edited version published under the title Die Stellung des Menschen im Kosmos.

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himself. The finalistic nexus determines differently from the causal nexus; it fixes the ends, thus the results of all processes, in advance. Against such determination, a finite being such as man, embedded in the cosmic process itself, cannot rise up. He is over his head unconditionally at the mercy of his bondage to the fixed goals of the world.¹²²

Lossky replied to Hartmann’s criticism by saying that his objections against world-teleology, in particular his assertion that world-teleology would take away from man the power of determining anything, because in such a case everything would have been predetermined for him, are unconvincing, because in discussing this issue he has in mind only two possibilities: teleological determinism and causal determinism. He misses the third possibility: free purposive activity, i. e., an indeterministic teleology in which it is possible to have wrong aims, unsuccessful attempts, trials, falling into blind alleys, with a return to the same position for new attempts, etc.¹²³

Moreover, it is the above-mentioned law of strength that, for Hartmann, makes freedom possible. And, in Freedom of Will (1932), Lossky accepts Hartmann’s conception of the relationship between the lower and higher levels as well as of the possibility of categorial freedom, which is the relative freedom that categories of a higher stratum enjoy over the categories of lower strata. He explains that inanimate nature with its mechanical uniformity enters as a component part into the system of animate nature that is determined biologically. The higher categories do not cancel the lower but give the lower realm new forms, creating new syntheses wherever the lower system leaves room for it. The lower realm is raised to a higher level through Überformung

 “Ein solcher metaphysischer Primat der axiologischen Determination bedeutet aber einen vollkommenen Determinismus, in welchem dem Menschen der Spielraum für jede von ihm ausgehende Determination benommen ist. Der Finalnexus determiniert ja anders als der Kausalnexus; er legt die Ziele, also die Resultate aller Prozesse, zum Voraus fest. Gegen solche Festlegung kann ein endliches, in den Weltprozeß selbst eingebettetes Wesen wie der Mensch nicht mehr aufkommen. Er ist der über seinen Kopf weg bestehenden Bindung an die festgelegten Weltzwecke bedingungslos ausgeliefert” (Hartmann 1926, 184). For the full criticism, see: Hartmann 1926, 183‒184. See also: Hartmann 1953, 435.  “Возраженiя Н. Гартманна противъ мiровой телеологiи, между прочимъ, утвержденiе его, что мiровая телеологiя отняля бы у человѣка силу детерминировать что бы то ни было, такъ какъ и безъ него все напередъ было бы предопредѣлено, не убѣдительны, такъ какъ при обсужденiи этого вопроса онъ имѣетъ въ виду только двѣ возможности – телеологическiй детерминизмъ и причинный детерминизмъ, упуская изъ виду третью возможность – свободную цѣлестремительность, т. е. индетерминистическую телеологiю, при которой возможна постановка ложныхъ цѣлей, неудачныя попытки, пробы, попаданiя въ тупикъ, возвраты на прежнiя позицiи для новыхъ попытокъ и т. п.” (Lossky 1931, 127‒128).

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or Überdeterminierung by the higher categories. The higher realm is something new in relation to the lower, which does not oppose new forms imposed upon it; in this sense, the higher may be said to be free in relation to the lower. This is precisely what categorial freedom means: it is not the absence of law, but a plurality of necessary determinations, the higher of which do not cancel the lower but combine them in an infinite number of new ways. In that sense they are free in relation to the lower and contain ‘the law of freedom’ (Gesetz der Freiheit) (Lossky 1932, 132‒133).¹²⁴

Yet Lossky accuses Hartmann’s theory of freedom of failing to be what it claims to be, namely a theory of freedom. He considers that Hartmann’s theory “is really a species of the most thoroughgoing determinism” (Lossky 1932, 133). Because, on his view, Lossky says, everything is determined through and through. Moral freedom is, according to N. Hartmann, merely a special variety of categorial freedom and may be described as follows. Man’s empirical will is determined in two ways: from without (by external conditions) and from within (by motives, feelings, etc.) (Lossky 1932, 132‒133).

This kind of freedom, Lossky objects, can only be a mere titulus sine re, i. e., a mere name without reality (Lossky 1932, 134). So, both Lossky and Hartmann ended up accusing each other of determinism on different grounds. We have seen that, despite these disagreements, Lossky borrowed from the Schichtenlehre of Scheler and Hartmann, and especially from that of the latter. But, once more, the borrowing was probably not unilateral. Hartmann was himself most likely already under the influence of the Solovyovian and Losskyan theory of the realms (цapcтв) of being ever since his studies in Saint Petersburg.¹²⁵ Solovyov divided the world into five more or less discrete realms corresponding to the five stages of the cosmic process ascending toward perfection: the mineral or inorganic realm, the vegetal realm, the animal realm, the realm of natural-humanity, and the realm of divino-humanity (Solovyov 1899, 238). Since these are teleological stages of re-ascension of the fallen man from the depths of nonbeing and evil toward Being and the absolute Good, they also thereby consist in stages in an axiotic hierarchy of positive and negative values, where monads evolve or devolve depending on the choices that they make in selecting values. Selecting positive values

 This passage consists in an addendum that is absent from the Russian original (Свобода воли, 1927).  For a presentation of Solovyov’s theory of Seinsstufen by Lossky, who adopted the latter, see: Lossky 1930. For a comparison of Solovyov’s theory of the realms of being with Hartmann’s theory of the levels of reality, and for an argument in favor of the probability of an influence, see: Tremblay 2017a.

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(e. g., altruism) leads to evolution (i.e., re-ascension), whereas selecting negative ones (e. g., selfishness) leads to devolution. Solovyov distinguished four ordered ranks of values in Critique of Abstract Principles (Критика отвлеченныхъ началъ, 1880), each one of which is a necessary step: “first, the human being’s material pleasure as an animal organism; second, aesthetical enjoyment; third, intellectual enjoyment, and finally, fourth, the enjoyment of the will or properly moral enjoyment”.¹²⁶ Lossky largely espoused Solovyov’s theory of the realms of being and of its concomitant hierarchy of values as testifies his Freedom of Will (Свобода воли, 1927, esp. 170‒174). Early acquaintance with this worldview most likely played a formative role in the development of Hartmann’s theories of ontological and axiological levels. And this probable influence well predates the one that Scheler’s theory of the strata of values could have had on Hartmann. Eugene Kelly expressed surprise that Hartmann uses the word ‘stratum’, which clearly refers to Scheler’s phenomenology of the stratification of emotional life without crediting him for the insight. He may be borrowing the term from his own ontological notion of levels or strata, but that is from another context, and its use does not apply here (Kelly 2011, 221).

But, on the one hand, as we have just seen, Hartmann had other, earlier sources and, on the other hand, it was not uncommon at the time to apply the Schichtenlehre to a wide range of contexts.¹²⁷ It was also customary to omit mentioning influences beyond the top-ten philosophers (Plato, Aristotle, Kant, Hegel, etc.). So, it seems natural that Hartmann would have tried to apply the Schichtenlehre to his axiological research without crediting anyone, as he also did in fact in his works on aesthetics (Hartmann 1927, 432; Hartmann 1953, esp. Chap. 11‒15).

 “Мы находимъ въ опытѣ что человѣку свойственны наслажденiя или удовольствiя четырехъ родовъ: вопервыхъ, матерiальныя наслажденiя человѣка какъ животнаго организма; вовторыхъ, наслажденiя эстетическiя; втретьихъ, наслажденiя умственныя, и наконецъ вчетвертыхъ – наслажденiя воли или наслажденiя собственнонравственныя” (Solovyov 1880, 19). For a brief comparison of Solovyov’s ranks of values with Scheler’s ordo amoris, see: Dahm 1975, 127‒135.  See, for instance, volume 9 of the journal Studium Generale edited by Karl Bauer et al., which was entirely devoted to the Schichtenlehre and its application to the various sciences, including meteorology, geology, ethnology, psychology, the theory of personhood, characterology, history, law, economy, etc. Many of the authors contributing to this volume were, in fact, under the influence of Hartmann’s Schichtenlehre.

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Conclusion To sum up, in his works on freewill and axiology Lossky relies on Scheler and Hartmann for their ontological realism with regards to values, as well as on their gnoseological theories of the intuition of values. Concerning their ontological definitions of the word “value”, Lossky thinks that they approach the truth more than the other contemporary definitions, because they take values to be on the side of the valued goods (and not on that of the subject or of the relation between the subject and the object). Yet he considers that they have the disadvantage of depriving beings of their intrinsic worth. For Lossky, beings are themselves values and vice versa. Since, for him, the plenitude of being is also the plenitude of positive values, and since this state is yet to be realized, his axiology implies a teleological scale of values à la medieval scala naturae with an evolutionary spin. For this scale of values, he stands on the shoulders of Scheler and Hartmann. But with regards to the teleological aspect, he criticizes Hartmann’s “new ontology”, which he accuses of not being new at all, but of being just “the old ontology of naturalism” (Lossky 1954, 163). Kelly claimed that a comparison of the theories of values of Scheler and Hartmann is profitable, because “in ethics the doctrines of the two men supplement each other and are generally consistent with the thought on ethics of at least two of their contemporaries, Husserl and [Dietrich] von Hildebrand” (Kelly 2011, 233). Given the overall similarities between the theories of values of Scheler, Hartmann, and Lossky, I think that the latter’s name could be added to this list. In comparing Scheler, Hartmann, Husserl, and Hildebrand, Kelly was seeking to construct a “philosophical platform upon which the work of axiology, deontology, virtue-theory, and social philosophy can be fruitfully conducted” (Kelly 2011, 233). From what we have seen, it appears that Lossky’s work on axiology, too, could have something to contribute to such a project. But Lossky’s significance may not lie solely in the mere similarities and differences that his axiology has with those of Scheler and Hartmann; it lies also in the potential influence that it had on them, and thus in the potential that it has in explaining the historical genesis of their views. Although Lossky borrows from Scheler and Hartmann, the borrowing may not have been as unilateral as it might seem at first glance. The Hartmannian theses on which Lossky relies might very well have been suggested to Hartmann at the outset of his philosophical development by the intuitivism that Lossky defended – among other places – in Foundations of Intuitivism: Propaedeutic to the Theory of Knowledge (Обоснованiе интуитивизма: Пропедевтическая теорія знанія), which was already

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published in 1906, and which was also published as a series of articles in the journal Questions of Philosophy and Psychology (Вопросы философiи и психологiи) in 1904 and 1905 (i. e., precisely when Hartmann was studying in Saint Petersburg, well before the publication of the first part of Scheler’s Formalismus in 1913). Hartmann – who could read Russian – expressed in print adhesion to a Losskyan-style intuitivism at least as early as 1921 in Grundzüge einer Metaphysik der Erkenntnis (Chap. 18, §. “Deskriptiver Apriorismus und Intuitivismus”) – a book that, I might add, Scheler “valued highly”, if we are to believe HansGeorg Gadamer’s recollections in Philosophische Lehrjahre. ¹²⁸ Lossky himself noted the possibility that his intuitivism had exerted an influence on Scheler. In History of Russian Philosophy, he writes: “Russian young men studying philosophy in Germany were in lively contact both with their teachers and with the German students, and imparted to them information about Russian philosophy. It may therefore be said that at that time not only the German philosophy affected the Russian, but also Russian ontologism and intuitivism began to influence the German. This probably is the source of the ‘emotional intuitivism’ in M. Scheler’s theory of values.” (Lossky 1952, 319) In a brief article on Lossky, Eugene Assmann – who was a personal acquaintance of Lossky and Hartmann – said that Lossky had been a source of inspiration for both Scheler and Hartmann: “That he was a source of inspiration for contemporary German philosophy, one can see from his relations with Max Scheler and Nicolai Hartmann. This is especially true of Lossky’s early contribution to gnoseological intuitivism and critical ontology”.¹²⁹ That Lossky exerted an influence on Hartmann is becoming increasingly conspicuous as the scholarship grows on this subject. That Lossky had been a “source of inspiration” for Scheler, however, is a more unexpected claim, although one that could have considerable explanatory power. If Assmann is correct, i. e., if Lossky’s intuitivism

 Gadamer relates the following anecdote about Scheler: “It is said that his reading so devoured him that whenever he met a colleague he would compel his participation simply by ripping pages out of whatever book he was reading and pressing them into their hands. In this way, he is said to have used up several copies of Nicolai Hartmann’s Metaphysik der Erkenntnis, which he valued highly” (“Man erzählt sich, daß die jeweilige Lektü re, die er verschlang, ihn so einnahm, daß er Kollegen, die er traf, dadurch zur Teilnahme zwang, daß er aus dem Buch, das er las, ganze Bögen einfach herausriß, um sie dem Überraschten in die Hand zu drü cken. Von Nicolai Hartmanns ‘Metaphysik der Erkenntnis’, die er sehr schätzte, soll er auf diese Weise mehrere Exemplare verbraucht haben”) (Gadamer 1977, 77).  “Daß er der zeitgenössischen deutschen Philosophie einige Anregungen zu bieten hatte, erfährt man aus seinen Beziehungen zu Max Scheler und Nikolai Hartmann. Dies gilt insbesondere fü r Losskys frü he Zuwendung zum gnoseologischen Intuitivismus und zur kritischen Ontologie” (Assmann 1961, 50).

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also exerted an influence on Scheler, it would be no wonder, then, that Lossky found in the latter’s works so many points of contact with his own philosophy. An unacknowledged influence from Lossky unto Scheler’s Formalismus, especially with regards to the theory of intuition, is indeed conceivable; some of Lossky’s works on intuitivism and cognate topics had already been published in German translation prior to the publication of the first part of Formalismus (which was published in the Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische Forschung in 1913). These works include Die Grundlehren der Psychologie vom Standpunkte des Voluntarismus (1904), the fifth chapter of which (entitled “Die Intuition”) is devoted to the theory of intuition, Die Grundlegung des Intuitivismus (1908a), “Thesen zur Grundlegung des Intuitivismus” (1908b), “Die Erkenntnis und das Problem des Erkenntnisursprungs” (1911), and “Die logische und die psychologische Seite der bejahenden und verneinenden Urteile” (1912). Moreover, Scheler wrote a positive review – published in 1914 – of the first volume of Thomas Masaryk’s book on Russian philosophy (Zur russischen Geschichts- und Religionsphilosophie, 1913), in which, I should add, Scheler mentions Solovyov. Scheler also mentioned Solovyov in 1927 in a speech entitled “Der Mensch im Zeitalter des Ausgleichs” (Scheler 1929, 67), where he sought support in the latter’s conception of the “eternal feminine” or “divine Sophia”. In fact, Scheler mentioned Solovyov in more or less seven places throughout his work.¹³⁰ We may thus surmise that, despite his remarks about the differences between the Germanic and Slavic cultures in general in his books on war (Scheler 1915b; Scheler 1916b), Scheler may have been, at the time, nourishing an interest in Russian philosophy. And Hartmann could certainly have introduced the philosophy of his Russian teacher to his German colleague, especially given the concordances between their reciprocal philosophies. So, if Assmann is right, Lossky may only have taken back what Scheler borrowed from him in the first place, and the influence may not have been as unidirectional as Joseph Navickas paints it to be in his study of Lossky and Scheler (Navickas 1978). And, since Lossky was a follower of Solovyov, this could also help explaining the “striking similarities” (Shein 1976, 357) between the philosophies (especially the gnoseologies) of Solovyov and Scheler, which have been extensively studied by Helmut Dahm in Vladimir Solovyev and Max Scheler: Attempt at a Comparative Interpretation (1975).

 For a list with references, see: Dahm 1975, 177‒178. Dahm lists only six occurrences, but he omitted Scheler’s review of Masaryk’s Zur russischen Geschichts- und Religionsphilosophie (Scheler 1914).

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It is tempting to seek an influence with regards to the theory of emotional intuition in Husserl. But, on the one hand, as Manfred Frings says, Scheler has falsely been labeled as a student of Husserl and remained independent from the phenomenological movement his whole life (Frings 2002, 172). And, when Husserl and Scheler met in person and had their first live discussion, they “both realized they had expanded the phenomenological notion of intuition independently of each other” (Frings 2002, 173). On the other hand, Husserl was not the only other philosopher developing a theory of intuition at the time (e. g., Bergson) and, in fact, the emphasis on intuition was much stronger in Lossky. The same could be said also of the distinction between real and ideal being.¹³¹ At any rate, the importance of Lossky for twentieth-century philosophy has certainly been unintentionally downplayed. We might not go so far as to say, with Sergei Levitzky, that “[n]o true philosopher can avoid studying Plato, Aristotle, Kant, Hegel, and – last but not least – Lossky” (Levitzky 1963, 82). But the father of Russian intuitivism certainly deserves to be paid greater attention, even if only from the point of view of intellectual history.

Acknowledgments Thanks are due to Eugene Kelly, Thomas Nemeth, and Barry Smith for valuable comments. This research received support from the Russian Academic Excellence Project at the Immanuel Kant Baltic Federal University, Kaliningrad, Russia.

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 For a comparison of Bergson and Lossky with a focus on the issues of intuition, ideal being, and real being, see: Tremblay 2017c.

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Friedrich Hausen

Hohe und höchste Werte Zur Verteidigung einer umstrittenen Idee bei Scheler und Hartmann Abstract: The Idea of an objective hierarchy of values is a center-piece in value-ethics of Scheler und Hartmann. While many objections against value-objectivism, the claim, that there are enteties called “values” at all, the hierarchy-claim hasn’t been objected and discussed in a comparable prominent way. The question, how such a hierarchy is grounded, is crucial both to understanding and defending the hierarchy-claim and for making clear, how value-objectivism could be understood at all. After discussion about some differences in the understanding in the concepts of value-order of Scheler and Hartmann, I will offer a way, how the structure of value hierarchy can be deduced from implications of a meaning-principle. In this way, I try to defend the hierarchy claim in a way, which is explicitly refused by Hartmann and Scheler, although both claimed similarities between the valueorder and orders in geometry, in whose inherent relations are available both for intuition and formal deducing. Despite some unsolved problems concerning conditions of reliability of concrete value-judging and -balancing, the work in deducing structures of hierarchy of values can provide insights about range and borders of what could be subject of apriori-value-theories and how it is related to contingent features such as concrete situations, personal meaningfulness, social norms. Keywords: Max Scheler, Nicolai Hartmann, Hierarchy of Values, Axiology, Ethics, Objectivism

Exposition Wir beginnen mit einem Dissens zwischen zwei jungen Menschen, nennen wir sie Sarah und Paul: Sarah glaubt nach einem mehrtägigen Aufenthalt in einem Kloster, dass das Leben der Nonnen eine höhere, angemessenere Lebensform repräsentiert. Sie ist beeindruckt von der Bescheidenheit und Freundlichkeit, und von Ritualen, in denen sie die Feier geistiger und kosmischer Ordnungen erblickt, beindruckt von dem gelebten und vielfach symbolisierten Glauben an etwas Höheres, der ihr – im Korrektiv der Gemeinschaft ins vertretbare Maß gebracht – als Voraussetzung für eine balancierte Einschätzung der Wichtigkeit der Dinge im Leben erscheint. Und sie vergleicht die Ruhe des monastischen Lebens im Zeichen des Verzichts mit der https://doi.org/10.1515/9783110615555-013

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Geschäftigkeit der großen Städte, mit den Entwicklungsspiralen aus immer spezialisierterer Arbeit und immer raffinierterem Konsum, mit rasantem Wachstum und einer hoffnungslos anmutenden Ausbeutung der Erde und der Zukunft. Und sie denkt, dass in jener Welt der beschleunigten, reibungslosen Prozesse und glatten Oberflächen Krankheit und Tod keinen Ort haben, keine Würde, ja selbst das, worum es sich zu leben lohnt, nur in knalligen Zerrbildern erscheint. Paul, ihr Kontrahent dagegen verachtet das klösterliche und überhaupt das religiöse Leben, das er für ein hoffnungslos rückständiges Relikt aus Zeiten hält, in denen religiöse Wahnbilder einen Überlebensvorteil boten. Paul ist begeistert von den technischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte. Er sieht auch Gefahren, die sich angesichts unbekannter Nebenfolgen von Neuerungen ergeben, glaubt jedoch, dass die Menschheit dem mit Vernunft, Moral und immer weiter verfeinerten Innovationen beikommen kann. Die geistige und lebenspraktische Teilhabe an einer Höherentwicklung der Menschheit ist etwas, das Paul stolz macht und worin er sich von den unwürdig selbsttäuscherischen, rückwärtsgewandten und seiner Meinung nach moralisch oft höchst heiklen, ja verfehlten Praxen religiösen Lebens gerne distinguiert. Religion verwische Differenzen, verzerre die Moral ebenso wie die Erkenntnis mit ungerechtfertigten Ansprüchen. Und das mache sie heute angesichts weitreichender Effekte in einer technisierten Welt nicht nur unglaubwürdig, sondern auch verantwortungslos und gefährlich. Sarah hingegen glaubt ebenfalls, dass religiöse Selbsttäuschungen, die auch ihrer Meinung nach mit theistischen Überzeugungen einhergehen können, auf Kosten der Würde bestehen, doch hält sie dies für das geringere Übel als die kollektive Selbsttäuschung eines gelebten Fortschrittsoptimismus. Ihr scheinen klösterliche Traditionen am ehesten geeignet, wirkliche Weisheit, Sinn, angemessene Gegenwart, Würde zu vermitteln, und die Inkaufnahme bestimmter Verblendungen, die mit den traditionellen religiösen Spielen einhergehen können, hält sie ebenfalls für weise. Denn sie glaubt, dass keine Lebensform, keine Sinnform ohne Abfälle, ohne Missbildungen auskommen wird, dass täuscherische Praxen so tief in der Natur des Lebens und des Menschen verankert sind, dass es da ohnehin keinen wirkmächtigen Ausschluss gibt. Und unter den Dummheiten scheinen ihr oft die religiösen der Weisheit noch am nächsten und die Transparenz auf Wesentliches im Zusammenspiel religiöser Bilder noch am größten. Nehmen wir unseren Dissens als Beispiel eines Wertedissenses, ja als Dissens bezüglich Wertranghöhen, genau genommen ein Dissens bezüglich der Realisertheit von hohen Werten in konkreten Praxen. Sarah glaubt, dass solche Einstellungen, die typischerweise in religiösen Kontexten gepflegt werden, den raffinierten modernen Techniken des Wissens, Wohlergehens und Schaffens überlegen sind, dass die in ersterem realisierten Werte höher sind. Paul hingegen

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glaubt das Gegenteil, hält die monastische, und überhaupt religiöse Praxis für unwürdig. Sarah und Paul sind keine Philosophen, haben keinen terminologischen Begriff davon, was „Wert“ sei. Doch sie haben Intuitionen hinsichtlich dessen, was vorzuziehen sei, was mehr Achtung verdiene. Welche wertbezogene Erkenntnis dürfen wir unseren Kontrahenten Sarah und Paul unterstellen? Allenfalls ein Kennen eigener Präferenzen bzw. evaluativer Einstellungen, oder ein Kennen von objektiven Werteigenschaften und Wertranghöhen? Hier besteht ein praktisch relevanter Unterschied: Wenn Werte und Wertränge subjektiv sind, mag es genügen, für wertbasierte Entscheidungen sich hinsichtlich dessen zu vergewissern, welche Werte- bzw. Präferenzordnung das eigene seelischgeistige Leben bestimmt, und durch welche Möglichkeiten in der Welt die relevanten Werte und Präferenzordnungen am ehesten realisiert werden können. Wenn Werte und Wertränge hingegen objektiv sind,¹ lohnt es sich zudem, hohe Werte zu suchen und sich zu bemühen, ein Leben daran (oder an Vorbildern, die sie realisiert haben) auszurichten. Und dann gibt es auch wahre Urteile darüber, wer besondere Achtung, Bewunderung und in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit und Einfluss verdient, zu was für Handlungen und Lebenspraxen wir uns selbst und unsere Mitmenschen ermuntern sollten usw. Und dann dürfen wir auch hoffen, dass eine sorgfältige wertund wertrangbezogene epistemische Praxis konvergente Untersuchungsergebnisse fördern wird, die zu epistemisch verlässlichen Konsensbildungen führen und die wiederum verlässliche praktische Orientierungen stützen können. Diese Intuitionen bilden Grundlagen von Wertethiken. Die bekanntesten Vertreter der Wertethik im 20. Jahrhundert, Max Scheler und Nicolai Hartmann, gehen davon aus, dass Werte apriorisch und objektiv sind und in der Einstellung des Wertfühlens unmittelbar intuitiv einsehbar, was auch bedeutet – und dies ist besonders attraktiv an der wertebasierten Ethik –, dass Werte emotional affizieren und unmittelbar motivieren können. Und Hartmann

 Im weiteren Sinne scheint mir dies auch für Buck-Passing-Ansätze in der Wertetheorie im Sinne von T. M. Scanlon zu gelten (Scanlon 1998): Wenn wir statt einer Werterhetorik eine Gründerhetorik, und insbesondere diejenige guter Gründe vorziehen (Bzw. Rhetoriken der Rationalität oder der angemessenen Emotionen usw.), werden wir m. E. eine Wertbedeutung im Begriff der Gründe (bzw. Rationalität usw.) nicht los.Was wir mit guten Gründen schätzen, pflegen, üben sollten usw. ist eben dasjenige, was intrinsisch oder dienend wertvoll ist, und der Wert gibt uns den guten Grund. Nur, wem Begriffe wie Gründe, Rationalität, Angemessenheit usw. einfacher, selbstverständlicher scheinen als Wertbegriffe, wird von Buck-Passing-Strategien, die Wertbegriffe auf Begriffe anderer Art reduzieren, überzeugt werden können. Wem hingegen die Wertbegriffe einfacher scheinen, hingegen Gründe usw. klärungsbedürftig, wird den „schwarzen Peter“ der „guten Gründe“, die ihm rätselhaft erscheinen, auf den einfacheren, selbstverständlicheren Begriff der Werte verschieben und Gründe mit Rekurs auf Werte definieren (vgl. Hausen 2015a, 356 ff.).

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und Scheler gehen auch davon aus, dass Wertrangunterschiede ebenso objektiv wie unmittelbar einsichtig sind. Während nun der Phänomenologie der Werte ohne ihren Objektivitätsanspruch einiges abgewonnen wurde,² ist der Anspruch auf Objektivität bezüglich der Werte und Wertränge massiv bestritten worden, ja führte letztlich zu einer lang anhaltenden Diskreditierung dieser Ansätze. Besonders einflussreich war seit den 80er Jahren die Objektivismuskritik von John Leslie Mackie: Mackie insistierte zum einen auf die offenkundige soziale Relativität von intersubjektiv geteilten Werteinstellungen (Mackie 1983, 40 ff.), zum anderen auf eine epistemische und ontologische Absonderlichkeit der Werte (ebd., 43 ff.): Einmal gebe es keine klare Antwort auf die Frage, mit welchem Sinnesorgan Werte, die angeblich so anders seien als natürliche Eigenschaften, erkannt werden könnten, und dann sei ebenso unklar bis zur Absonderlichkeit, um was für Entitäten es sich bei solchen denn handeln solle. Die Fragen danach, was genau „objektive“ Werte sind, was ihre Annahme begründet, blieb auch manchen Hartmann- und Scheler-Forschern letztlich unbeantwortet (oder nur unverständlich beantwortet). Dies mag daran liegen, dass die Äußerungen hierzu zwar bei beiden Autoren zahlreich sind, jedoch mit Begriffen wie „Wesenheiten“, „Prinzipien“, „Seinsnormen“ (Hartmann) oder „nichtnatürliche Gegenstände“ und „fühlbare Phänomene“ (Scheler) den Eindruck einer ungeklärten ontologischen Heterogenität erwecken können und leicht als thereotische Kunstprodukte erscheinen. Ein spezielles Problem, das prominent von Herbert Schnädelbach thematisiert wurde, betrifft eine anscheinend ungeklärte Beziehung zwischen Wert und Sollen, von Wert und Norm, die dazu führt, dass oft das eine mit dem anderen identifiziert wird, was falsch scheint (Schnädelbach 2004, 272 ff.). Doch damit nicht genug: Die Annahme, dass objektive Werte und Wertränge erkannt werden können, erschien nicht nur falsch, sondern offenkundig politisch verdächtig, ideologieverdächtig (vgl. ebd., 268). In der mitteleuropäischen Philosophie besaß längere Zeit die diskursethische Idee einer Intersubjektivierung des Kantischen kategorischen Imperativs vor dem Hintergrund demokratischer Ideale auch eine Popularität, angesichts derer das Anknüpfen an die intuitionistische, phänomenologisch beim erkennenden Subjekt ansetzende Wertphilosophie wenig attraktiv erschien. Ich möchte voranschicken, dass m. E. durchaus gesagt werden kann, was „objektive“ Werte sind, und auch eine Werterangordnung durchaus eingesehen und begründet werden kann und auch der politische Verdacht durch ein grund-

 Vgl. bspw. Joas 1997 und Steinfath 2002.

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legendes Verständnis von sittlicher Höhe deutlich an Plausibilität verliert.³ Sowohl die theoretischen Einwände als auch der politische Verdacht werden allerdings durch eine Problematik in Schelers und Hartmanns Verständnis von Wertrangunterschieden regelrecht eingeladen: Für Scheler und Hartmann ist die apriorische Ordnung nicht deduzierbar, sondern nur intuitiv-anschaulich zugänglich. Mit einem intentional eindimensionalen Zugang zu Werten scheint es jedoch, als könne der Status der Wertintentionalität als epistemischer Intentionalität und damit die Objektivität der Werte und ihrer Ordnung nicht gut begründet werden. Es scheint dann, als wären Werte gleichsam diskursiven Bemühungen seltsam entzogen (oder nur „Auserwählten“ zugänglich, was dem ideologischen Weg Tore öffnen würde). Denn wie wollte man – um ein Korrektiv einzuführen – die Werte als phänomenale Eigenschaften besonderer Art von den Gefühlsqualitäten selbst (also subjektiven Erlebnisqualitäten) unterscheiden? Um einen Vergleich anzuführen: Wenn wir die Gegenstände unseres Sehens nur sehen, und nicht auch anders erfassen könnten (z. B. ertasten, teils hörend lokalisieren usw.), dann wäre nicht klar, wie die bloße visuelle Erscheinung als Wahrnehmung von etwas gedeutet werden sollte, das von unserem Sehen unabhängig besteht. Die Konvergenz verschiedenartiger Bezugnahmen macht oft erst unsere Rede von Objektivität, die Unterscheidung von Wahrnehmung und Täuschung, Wahrheit und Irrtum verständlich. Mit einer Reduktion der Wertordnung auf intuitive Evidenz einer bestimmten Art, so die kritische Diagnose, ist nicht mehr klar, warum ihr objektives Sein angenommen werden sollte. Damit geht einher, dass ohne mehrdimensionale Bezugnahme die Rede von Objektivität unverständlich bleibt. Für dieses Problem, das vermutlich dazu beigetragen hat, dass die Wertlehren von Scheler und Hartmann lange in Misskredit gerieten, gibt es allerdings bereits Andeutungen zu Auswegen im Werk der Autoren selbst. Hartmann vergleicht Werte mit mathematischen Gegenständen (vgl. Hartmann 1962, 152). Scheler vergleicht die Rangordnung mit einer „Geometrie der Farben“ (vgl. Scheler 1954, 99). Wenn eine apriorische Wertetheorie für eine Wertethik eine ähnliche Voraussetzung ist wie die Mathematik für die Physik, dann lässt sich der Status von Werten möglicherweise mit einer Klärung dieser Analogie besser explizieren. Ich glaube, dass dieser Vergleich sehr ernst genommen werden kann und dass es – wie in geometrischen Beziehungen – neben der Möglichkeit eines anschaulichen  Es scheint nicht klar, ob ein Wertobjektivismus Diktaturen begünstigt oder nicht: Es kann genauso argumentiert werden, dass der absolute Wertrelativismus das „Recht“ der „Wahrheit“ schlicht dem Mächtigen überträgt. Nur dann, wenn der Wertobjektivmus falsch ist, taugt er eindeutig eher zur Ideologie, als zu epistemischer Aufrichtigkeit und Gerechtigkeit. Dass er falsch ist, müsste aber erst gezeigt werden.

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Zeigens auch die des begrifflich-deduktiven Verfahrens gibt, wenn es darum geht, intuitive Anschauungen von Wesensbeziehungen zwischen Werten zu klären und zu stützen. Zwar können Werterkenntnisse im Sinne einer intuitiven Gegenwart der Werte selbst, d. h. im Sinne eines Werterlebens nicht deduziert werden (genauso wenig, wie sinnliche Gegenstandswahrnehmungen als solche deduziert werden können). Doch können, so meine These, aus grundlegenden Sinnbedingungen (Aussagen über Bedingungen von Sinn und Verständlichkeit von Handlungen bzw. praktischen Ordnungen) Aussagen über Wertrangunterschiede deduziert werden. Und erst die Ergänzung der intuitiv-phänomenalen Gegebenheit durch eine begrifflich-deduktive Rekonstruktion von grundlegenden Wertrangbeziehungsmerkmalen stiftet die Möglichkeit einer mehrdimensionalen Bezugnahme auf die Wertrangbeziehungen und damit die Möglichkeit einer Begründung und Klärung von deren Status der Objektivität. Im Folgenden möchte ich daher nach kurzen Paraphrasierungen der Wertbegriffe von Scheler und Hartmann im Anschluss an diese ein objektivistisches Wertekonzept plausibilisieren (1.) und nach einer Darstellung der Werterangordnung (2.), wie sie jeweils bei Scheler und Hartmann verstanden wird, die Problematik von deren angenommener Apriorität und Objektivität präzisieren (3.) und dann eine Begründungsstrategie bezüglich ihrer apriorischen Erkennbarkeit und Geltung skizzieren, die ausgehend von einem Sinnbegriff (4.) Wertrangbeziehungen deduktiv erschließt (5.) u. (6.).

1 Was sind Werte? Werte sind zunächst die Eigenschaften, die wir mit unseren Wertungen den Wertträgern zuschreiben: Ein Mahl wird beispielsweise als wohlschmeckend und gesund bewertet, oder ein Kunstwerk als expressiv, schön oder elegant oder eine Person als gerecht, diszipliniert oder weise. Wertausdrücke sind zahlreich. Was aber bezeichnen sie? Scheler charakterisiert Werte als fühlbare Phänomene (vgl. Scheler 1954, 39), Qualitäten. Sie motivieren. Und sie fundieren Güter, machen sie zu wertvollen Gegenständen. Bei Hartmann sind Werte Wesenheiten (Hartmann 1962, 119), sie bedeuten „ideales An-sich-sein“, „sind“ in der idealen Sphäre und sind gesollt, und werden real, wenn sie realisiert, d. h. verwirklicht werden. Werte gelten bei Hartmann. Sie sind Normen und zwar Seinsnormen, sie stellen ein „ideales, reines Seinsollen“ dar (ebd., 171). „Werte sind Wesenheiten“ heißt, sie (in dem Falle positive Werte) sind wesentlich (notwendig und hinreichend) das, was Güter wertvoll macht (ebd., 120, vgl. auch Scheler 1962, 32 u. 35). Sie sind – wie Hartmann an vielleicht weniger prominenter Stelle, dafür aber umso klarer sagt – „Arten des Wertvollseins“ (Hartmann 1958, 328). Wert fungiert als „Gesichtspunkt

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der Auswahl“(Hartmann 1962, 153). Ein hoher Wert macht das Leben wertvoll und Arbeit sinnvoll (vgl. ebd.). Werte sind aber auch „Prinzipien“, Bedingungen der Möglichkeit von Gütern und Zwecken (vgl. Hartmann 1958, 327).⁴ Vermutlich wird eine alltagssprachliche Ausbuchstabierung dessen, was Werte im Sinne eines Objektivismus sein sollen, immer so oder ähnlich aussehen, wie Hartmann sie als „Arten des Wertvollseins“ charakterisiert. Positive Werte sind Weisen des Wertvollseins, Hinsichten oder Gesichtspunkte, in denen etwas wertvoll ist, Arten des Wertvollseins. Positive Wertattribute drücken die Art und Weise aus, in der etwas wertvoll ist.⁵ Werte werden bei Scheler gefühlt. Sie sind nicht ohne Fühlen gegenwärtig. Die Wesenheiten bzw. Prinzipien, bzw. Arten des Wertvollseins werden auch bei

 Auch wenn Hartmann und Scheler explizit Güter von Werten trennen, ist die Trennlinie in konkreten Fällen nicht immer leicht zu ziehen und vieles, was als Wert bezeichnet wird, kann oft mit demselben Recht als Gut bezeichnet werden. Ist bspw. eine Tugend ein Wert oder ein geistig-seelisches Gut? Ist Freundschaft eine Werteigenschaft, eine wertvolle Eigenschaft einer Beziehung, oder ist sie selbst eine gute Beziehung bestimmter Art, d.h. ein Gut? Bei Tugenden wie Tapferkeit, Weisheit usw., die Hartmann als „Werte“ behandelt, sind die entsprechenden Begriffsdefinitionen reich an rein deskriptiven Merkmalen und es ist nicht immer klar ist, ob einige von ihnen nicht möglicherweise ganz ohne axiologische Begriffe definiert werden können so dass bestimmte axiologische Merkmale ihnen dann nicht notwendigerweise, sondern kontingenterweise zukommen mögen oder nicht. Man kann bspw. nach dem Wert von Tapferkeit fragen, d.h. danach, ob sie wertvoll ist, was sie wertvoll macht, d. h. danach, in welcher Weise sie wertvoll ist, welche Werteigenschaft sie besitzt. Damit erscheint der Begriff der Tapferkeit semantisch demjenigen des Guts näher, als dem des puren Wertes. Im Anschluss an die etablierte Unterscheidung von „thick and thin valueproperties“ können wir hier von einem deskriptiv „gesättigten“ Wert im Sinne einer „wertvollen Eigenschaft“ sprechen, während „dünne“, „ungesättigte“ Wertprädikate, d.h. solche mit geringerem oder gar keinem differenziert deskriptivem Anteil (wie „wohltuend“, „selbstwerthaft“, oder „intrinsisch gut“) vollere oder pure Werteigenschaften darstellen. Im Falle purer positiver Werte wird die Frage, ob sie denn überhaupt wertvoll seien, unsinnig. Sie haben nicht Wert, sind nicht „wertvoll“, sondern sind selbst „Wert“.  Sehr vergröbert kann man dann sagen, das „Werte“ im Sinne Hartmanns in drei verschiedenen Klassen erscheinen, die mit Blick auf den bei Hartmann normativen Status mehr oder weniger gleichartig behandelt werden: als W (1): pure Werteigenschaften (Weisen des Wertvollseins, pure Bedeutsamkeitseigenschaften, nur in axiologischen Begriffen ausgedrückt), als W (2): wertvolle Eigenschaften (bspw. bestimmte natürliche Eigenschaften) und als W (3) wertvolle Dinge (Eigenschaften, die darin bestehen, ein wertvolles Ding bestimmter Art zu sein). W (2) und W (3) haben Wert, W (1) ist Wert. Der nichtnormative Begriff objektiver und apriorischer Werte im engeren Sinne, den ich als basal favorisiere, ist hingegen W (1), während W(2) und W(3), und damit auch Tugenden und gute menschliche Beziehungen auf der Seite der „Güter“ erscheinen, deren Wertvollsein durch Analysen nach W(1) verständlich gemacht wird. Bei Hartmann werden Tugenden durch einen normativen Status zu „Werten“, d. h. ein normativer Prinzipienstatus im Sinne eines idealen Ansichseins verleiht dem Sachbereich der Werte eine ontologische Homogenität, die eine Heterogenität bezüglich der Arten des Wertvollseins selbst überformt.

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Hartmann gefühlt. Die Frage, worin genau ein solches Wertfühlen bestehen mag, hat in den letzten Jahrzehnten verschiedene Positionen gefördert. Bei Christine Tappolet sind Emotionen selbst bereits ein Wahrnehmen von Werten, ein nonpropositionales, analoges Auffassen, wo die Intensität eines angemessenen Gefühls analog die Ausprägung des Wertes (z. B. die Intensität einer Furcht analog die Ausprägung einer Gefahr) repräsentiert (vgl. Tappolet 2009, 452 f. u. 458 f.). Kevin Mulligan hingegen betont stärker Schelers Unterschied zwischen einem primären intentionalen Fühlen von Werten und Emotionen, die eher sekundäre Antwortreaktionen darstellen (vgl. Mulligan 2008). Bereits Dietrich v. Hildebrand unterschied ein „Wertfühlen“, das affektiv stark involviert und ein „Wertsehen“, ein sensibles Erfassen von Werten ohne tiefe Involvierung (vgl. Hildebrand 1982, 29 ff.). Hier gehe ich nicht näher auf diese Positionen ein: Entscheidend scheint mir, dass es einerseits ein diskretes sensibles Erfassen von Qualitäten eines Kunstwerks, einer sozialen Beziehung, des Wertes einer Gefahr oder einer Chance usw. ebenso gibt, wie auch affektiv stark involvierende Gefühle, die zu unserem Verstehen der Bedeutung bestimmter Dinge für uns und andere beitragen. Und es scheint, dass ohne (je gegenwärtige oder vergangene) Erfahrungen eines solchen involvierenden Fühlens auch kein Verstehen der Werteigenschaften, kein tieferes Verstehen der existenziellen Situationen, in denen diese Werteigenschaften auftauchen, möglich wäre. Es kann bezüglich des Unterschieds zwischen diskreterem Wertfühlen und mehr involvierenden Emotionen von verschiedenen Arten des affektiven Werterfassens gesprochen werden. Die Werte nun, die bei Hartmann Wesenheiten sind, stehen auch bei Scheler in „Wesensbeziehungen“, d. h. in konstanten, von jeweiligen Aktualisierungen in Gütern unabhängigen Relationen untereinander. Und was über die Werte in ihren jeweiligen Unterschieden gesagt werden kann, das kann oft als „Wesensbeziehungen“ ausgedrückt werden. Der Begriff der Wesenheiten mag heute vielen fremd klingen, meint aber nichts anderes als Klassen notwendiger Merkmale. Die Rede von „Wesenheiten“ im Sinne solcher Merkmale, die bestimmte Güter besitzen müssen, um nicht nur wertneutrale Dinge, sondern Güter zu sein, und die bestimmten Werten jeweils in allen ihren möglichen Aktualisierungen zukommen, scheint ebenso mit der Sicht Schelers kompatibel. Ein weiterer Punkt, wo sich Scheler und Hartmann einig sind, ist die Idee der Apriorität der Werte. Auch die Wertrangordnung soll nach Scheler apriorisch sein. Die Apriorität der Werte ist bei Hartmann mit einem einfachen Argument untermauert: Werte können nicht empirisch sein, sonst könnten wir nur erstreben, was wir bereits erreicht haben. Oft werden wir aber die erstrebten Ziele und Ideale niemals erreichen, und zwar gerade dann, wenn sie besonders hoch sind. Und dennoch sind wir in unserem Streben auf sie bezogen (vgl. Hartmann 1962, 122 ff.). Ebenso kann man auf die affektiv involvierenden Erlebnisse bei der Lektüre von

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Romanen verweisen. Wir können in der Lektüre von Romanen, z. B. von Dostojewski oder Proust, Werte entdecken und verstehen, ohne dass wir diese Werte an realen Gütern erkennen. Die Rede von „Geltung“ scheint hingegen schwierig, da damit die Werte nicht nur als „Arten des Wertvollseins“, sondern darüber hinaus normativ gelesen werden. So droht der Wertbegriff unübersichtlich komplex zu werden und der Position eines Wertobjektivismus werden zusätzliche argumentative Lasten aufgebürdet. Für Hartmann sind Werte Seinsnormen, drücken als Wertausdrücke ein Seinsollen aus.⁶ Bei Scheler sind Werte zumindest als zu realisieren gegeben. Sie motivieren und fundieren das Sollen. Dennoch spricht Scheler z. B. mit Bezug auf die Schönheit einer Landschaft den Werten eine weitere Reichweite zu als dem Gesolltsein.⁷ Und Scheler scheint auch eine Art Wertdeterminismus zu vertreten, der mit einer bestimmten Idee menschlicher Freiheit, die Hartmann besonders wichtig scheint (vgl. Hartmann 1962, 299 ff.), möglicherweise schwer kompatibel ist: Bei Scheler kann nur der Gute Gutes tun, nur der Selige auch höchste Werte realisieren. Und er ist auch freier, indem er durch höhere Werte motiviert ist. Eine „Zugkausalität“, die von den Werten ausgeht, führt zum guten Handeln und macht gutes Sein, bzw. sittliche Höhe aus. Bei Hartmann scheint also neben einer Betonung der Freiheit gegenüber den Werten eine normative Implikation des Wertes direkter und stärker als bei Scheler. Eine Kritik der „Sprache der Werte“, wie sie Herbert Schnädelbach formulierte, und die insbesondere auch das Vermischen von Sein und Sollen, von evaluativer und normativer Rede im Wertbegriff auszeichnet, scheint also eher die normative Werterhetorik von Hartmann (vgl. Hartmann 1962, 170 ff.)⁸ zu treffen als die meist weniger normativen Werterheto Zugleich ist die Wertetheorie mit diesem Schritt durchaus elegant an die schichtenontologische Auffassung vom geistigen Sein angeschlossen, in der personaler, objektiver (kollektiver) und objektivierter Geist in unlöslicher Interdependenz bestehen. Nur macht eine Seinsleere, die geistige Entitäten an kollektive Instanzen knüpft, die Idee einer apriorischen Wertetheorie nicht verständlicher, insofern damit historische Kontingenz betont wird.  Hartmann hingegen geht davon aus, dass das Seinsollen kein Tunsollen impliziert, und lässt damit die Frage offen,was unter „Sollen“ und entsprechend unter „Norm“ überhaupt zu verstehen ist (vgl. Hartmann 1962, 170 f.). Einem landläufigen Verständnis nach wären Seinsnormen und Seinsollen auf Verantwortungen zurückgebunden, d. h. es bräuchte Personen, denen die Verantwortung zukommt, für die Realisiertheit des Gesollten zu sorgen. Und diese müssten, um gerechtfertigter Weise die entsprechende Verantwortung zugeschrieben zu bekommen, auch für eine entsprechende Realisiertheit sorgen können, womit das Seinsollen von x zwar kein Tunsollen von x durch Person S impliziert, aber doch offenbar ein Tunsollen von y, sofern y das Sein von x realisiert.  Wo dieses „Seinsollen“ systematisch „herkommt“, wie es zu verstehen sei, bleibt ein offenbar ungeklärter Punkt. Es gibt die Affordanzerfahrung im Werterleben, bzw. die erlebbare Tendenz zum Motiviertsein. Jedoch daraus folgt noch nicht das Sollen, und schon gar nicht die Verpflichtung. Mit Rekurs auf Hartmanns Schichtenontologie könnte man sagen: Werte werden be-

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riken bei Scheler. Im Folgenden möchte ich positive Werte entsprechend der nichtnormativen Explikation bei Hartmann schlicht als Arten, Hinsichten, Weisen des Wertvollseins verstehen, und von der komplexen Frage danach, inwiefern Werte mit Normen verbunden sein können, solche notwendig stützen oder gar in einer reziproken Notwendigkeitsbeziehung stehen, absehen.⁹ Als Ausgangspunkt genügt für das Folgende (und m. E. auch für eine Werteethik) die zurückhaltendere Annahme, dass Werteigenschaften zu den Sinnbedingungen von Normen gehören: Nur etwas, das (in sich oder dienend) auch wertvoll ist, kann auch gesollt, sinnvoller Inhalt einer Norm sein.¹⁰ Allerdings sind die „objektiven Werte“ als Arten des Wertvollseins in einer Pluralität gegeben und selbst dann, wenn wir nicht glauben, dass es einen direkten Übergang von Werten zu Normen gibt, scheint es doch unfraglich, dass für sinnvolle Normen nicht einzelne Werte, sondern immer nur Wertgewichtsunterschiede, oder eben das, was bei Scheler und Hartmann Wertrangunterschiede sind, notwendig sind.

reits im „psychischen Sein“ relevant und vollständig gegeben, und nicht erst in der Schicht des „Geistigen“, die immer schon institutionelle Tatsachen involviert.  Zu einer näheren Diskussion vgl. Hausen 2015a, 233‒256. Zur Idee, wonach tatsächlich Werte das Sollen mehr als nur als ermöglichenende Bedingung bestimmen, liefert der Ansatz einer Antworttheorie der Verpflichtung eine Basis: Danach ist die verpflichtende Beziehung durch ein vorgängiges Erhalten existenziell bedeutsamer, d. h. besonders wertvoller Güter bestimmt, die ihrerseits zu einer würdigen Antwort verpflichten (vgl. hierzu auch: Hausen 2015a, 244‒251 u. Hausen 2015b, 40 ff.). Diese berechtigterweise erwartete „Antwort“, die rein formal eine Gewissenhaftigkeit enthält, d. h. ein Bewusstsein der Pflicht und ein dementsprechendes, förderliches, kooperatives Handeln, könnte ganz grundlegend das Realisieren der höheren Werte beinhalten, wie es Wertethiker nahelegen.  Die Schwierigkeiten der normativen und evaluativen Rede reichen bis in die Grammatik (vgl. Schnädelbach 2004, 272 ff.): Während Bewertungen gradiert werden, ist ein Handeln relativ auf eine Norm entweder richtig oder falsch. Was gesollt ist, welche Regel gilt, wird gewöhnlich beschlossen, d. h. das Sollen kommt institutionell in die Welt. Das „Sollen“ bei Hartmann, dass die Werte per se ausdrücken, könnte wohlwollend als motivationale Notwendigkeit charakterisiert werden, d. h. eine Art von Bedingung, die dann, wen sie nicht erfüllt wird, zu sinnärmerem oder gar sinnlosem Verhalten führt. Dafür lässt sich gut argumentieren und das, was Hartmann als Norm bezeichnet, als eine Art „Naturgesetz“ des Geistes verstehen. Wenn ich mich scheue, diese Form von Abhängigkeit als so etwas wie eine metaphysische oder apriorische Norm aufzufassen, so deswegen, weil es überhaupt nicht klar ist, wie aus Sinnbedingungen des Handelns ohne zusätzliche Hilfe einer normativen Instanz ein Sollen hervorgehen soll. Der Begriff des Sollens scheint den eines Wollens und rechtmäßigen Forderns zu enthalten. Die Lesart der Norm und des Normativen, die bereits die Sinnbedingungen normativ erscheinen lässt, scheint mir zu weit.

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2 Die Wertrangordnung bei Scheler und Hartmann Hartmann und Scheler teilen die Auffassungen, dass Wertränge objektiv sind, dass Wertränge intuitiv eingesehen werden, und dass – worin die Kernannahme einer Werteethik steckt – die Realisiertheit der jeweils höheren Werte sittlich gut ist. Bei Scheler und Hartmann gibt es Erwägungen zu Kriterien für Wertranghöhen neben der unmittelbaren intuitiven Evidenz, wobei sich Hartmann deutlich zurückhaltender zeigt als Scheler, der Kriterien der Dauer, Unteilbarkeit, Fundierung, Nichtrelativität, Tiefe der Befriedigung nennt (vgl. Scheler 1954, 110‒119).¹¹ Hartmann kritisiert allgemein eine Undifferenziertheit der Kriterien Schelers (vgl. Hartmann 1962, 280 f.) und hält offenbar eine differenzierte Analyse in der Spur Hildebrands für ertragreicher, die die vielfältigen affektiv involvierten Wertreaktionen (Begeisterung, Hingabe, Gehorsam, Liebe u. a.) und ihre Korrelate behandelt (vgl. ebd., 281). Hartmann stimmt Scheler jedoch zumindest zu, dass die Realisierung höherer Werte eine tiefere Befriedigung bedeutet als die niederer Werte (vgl. ebd. 279). Scheler meint zudem, dass der niedere Wert die Erfülltheit des höheren braucht, um auch vollwertig erfüllt zu sein, dass höhere Werte niedere „fundieren“, höhere von niederen unabhängig sind (vgl. Scheler 1954, 114 f.). Hartmann hingegen betont im Gegenzug, dass niedere Werte viel stärker binden als die höheren (Mord als Verletzung des Vitalwerts wird mehr bestraft als das Fehlen von Großmut) und betont umgekehrt die Abhängigkeit der höheren von den unteren Werten bezüglich der Realisierung (vgl. Hartmann 1962, 279).¹² Die Realisierung höherer Werte ist oft verzichtbarer, „schwächer“ als diejenige niedrigerer Werte, die vergleichsweise „stärker“ gelten (karikaturartiges Beispiel: man muss leben (Vitalwert) um moralisch handeln zu können).Wir können nicht ruhig ästhetische Güter genießen, wenn wir dazu zu viel Schmerz empfinden, oder zu krank oder hungrig sind, um der Schönheit unsere Aufmerksamkeit zu geben. Hartmanns Punkt trifft und nötigt einen Scheler-Folger dazu, den Bezugsrahmen der beschriebenen Wertrealisierung zu weiten, so dass die Realisierung höherer Werte in der Regel auch die Realisierung der unteren mit integrieren muss. Die

 Zur Diskussion und Begründung dieser Kriterien vgl. Hausen 2015a, 206‒216.  Generell fällt auf, dass Hartmann durchaus im Sinne seiner hypothetischen Ontologie die Annahmen Schelers konsequent testet, dabei jedoch eine größere argumentative Transparenz erreicht. Und seine Einwände gegen Schelers Konzept sind in gewissem Maße treffend und unausweichlich. Doch folge ich an entscheidenden Stellen eher den Grundintuitionen Schelers, die, wie mir scheint, einen kohärenteren Gesamtzusammenhang ermöglichen, zugleich aber einiger Reparaturen bedürfen.

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höhere Kultur muss Rücksicht auf die niederen, fundamentalen, und daher in konkreten Fällen auch „stärkeren“ Werte pflegen, wenn sie nicht zur Unkultur werden möchte, die sich ihrer eigenen Voraussetzungen beraubt. Das scheint jedoch implizit: Die moralischen Tugenden, die uns als kooperierende Wesen betreffen, beinhalten grundlegend auch Tugenden der Berücksichtigung unserer Voraussetzungen, unserer Verletzlichkeit, unserer leiblichen Bedingtheit. Ebenso wie der Künstler seine Farben, seinen Untergrund kennen und berücksichtigen muss, und dies zu seiner Kunst gehört, muss auch der Kooperierende die Basisbedingungen der Kooperation kennen und berücksichtigen. Wenn wir entsprechende Kohärenzbedingungen bzw. Rücksichtsbedingungen für die höheren Werte im Auge behalten und in den Begriff von deren Realisiertheit integrieren, scheint mir der Dissens zwischen Scheler und Hartmann geschlichtet. Aber auch hinsichtlich der Wertrangordnung selbst gibt es Differenzen zwischen Hartmann und Scheler: Bei Scheler stehen in der vielleicht klassischsten Variante der Wertrangordnung zuoberst die Werte des Heiligen, gefolgt von Kulturwerten bzw. geistigen Werten, den sittlichen, ästhetischen und epistemischen (Werten der Erkenntnis), gefolgt von den Vitalwerten (wie Gesundheit) und zuunterst den sinnlichen Werten (wie bspw. Annehmlichkeit). Die vier Reihen der Werte drücken jeweils Selbstwerte aus (vgl. Scheler 1954, 125‒130). Ihnen werden „Konsekutivwerte“ zur Seite gestellt, einerseits die Symbolwerte, andererseits die Werte des Nützlichen. Werte des Nützlichen stehen unterhalb der Werte des Sinnlichen. Symbolwerte können auch den höheren Werten, bspw. dem Heiligen dienen (es scheint, dass bei Scheler bloße Nützlichkeit sich bei höheren Werten immer auch mit Symbolisierung verbinden, in eine solche übergehen würde). Hohe Werte zeichnen sich bei Scheler durch Dauer, Fundierungskraft, Tiefe der Erfüllung u. a. aus. Bei Hartmann entfällt die höchste Wertreihe des „Heiligen“ (vgl. Hartmann 1962, 287 f.), da er beansprucht, dass die höchsten Werte auch für Atheisten zugänglich sind. In der Rekonstruktion der Werte des Heiligen ist jedoch der Rekurs auf theistische Konzeptionen nicht notwendig. Schelers Zuordnungen von Wertrealisierungen zu personalen, affektiven Zuständen verdeutlichen, in welcher Weise die „Werte des Heiligen“ übergeordnet sein mögen: Das Unangenehme (sinnlicher Unwert) ist nicht schlimm, solange es nicht auch ungesund (vitaler Unwert) oder grundsätzlich massiv beeinträchtigend ist oder in Verzweiflung (Gefühl angesichts des „Unheiligen“) führt. Das ist die Perspektive, in der sich Schelers Fundierungsbehauptung durchhalten lässt.¹³ Die Realisierung der hö-

 Schelers Religionsphilosphie, die den Personbegriff und damit auch den Gottesbegriff von dem Begriff des Subjekts löst, ist ebenso tief wie missverständlich und interpretationsbedürftig.

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heren Werte integriert die Realisierung der niedrigen, solange letztere für erstere notwendig ist. Die Realisierung höherer Werte enthält die Sorge um das Wichtige im Bereich der unteren Stufen. Für die Rekonstruktion der obersten Wertreihe Schelers liegt also eine Interpretation nahe, die nicht an den Glauben an übernatürliche Wesen gebunden ist: Sie können als Sinnwerte (entsprechend sind religiöse Einstellungen auf Quellen von „Sinn“ bezogen) rekonstruiert werden. Die Werte des Heiligen sind Werte der Entstehung und Stiftung von Sinn. Der Heilige als Person stiftet mit seinem Vorbild, dem Effekt seiner Handlungen und seinem Charisma Sinn, verstärkt die Quellen zu sinnvollem Handeln, erfüllter Motivation, sinnerfüllter Lebensform. Heiligkeit heilt, und zwar insbesondere und zuerst vom toten, leeren oder verzweifelten Leben. Der Schauder angesichts des „Numinosen“, der mit dem Heiligen assoziiert wird (vgl. Otto 2004), ist auch auf Grundlage der Erfahrung der Unselbstverständlichkeit und Fragilität von Sinn, von phänomenaler Erfahrung und phänomenaler Welt überhaupt, sowie der machtvollen ästhetischen Symbolisierung desselben verständlich. Um der Homogenität der Rangordnungskonzeption willen schlage ich vor, Schelers Dreiteilung der geistigen Werte in ästhetisch/sittlich bzw. praktisch/erkenntnisbezogen auch bei den Vitalwerten und den sinnlichen Werten durchzuführen: Die Wertrangordnung erscheint in einer leichten Modifikation (ohne die dienenden Werte) folgendermaßen (siehe Tab. 1): Den Werträngen entsprechen unterschiedliche Weisen phänomenaler Gegenwart: Die Vorzugsevidenz der höheren Werte ist verbunden mit ihrer Erscheinung in unterschiedlichen Sphären des Bewusstseins: So erscheinen Personenwerte (wie der sittliche Wert der Einstellung einer Person) in der Einstellung des Personverstehens, ästhetische Werte im Erleben ästhetischer Gestaltqualitäten, sinnliche Werte (wie bspw. die Annehmlichkeit milder Sonnenwärme auf der Haut) im sinnlich-leiblichen Erleben (vgl. Hausen 2015a, 200).

Wenn ich hier eine Rekonstruktion der Werte des Heiligen im nichttheistischen Sinne vorschlage, widerspricht dies damit nicht einmal unbedingt Schelers Gottesbegriff, der gar nicht theistisch im traditionellen Sinne ist.

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Tab. 1: Die Wertrangordnung. Schema nach Scheler und ihre Modifikation Rangstufen (nummeriert) nach Schelers modifizierte, systemische Form Modalitäten . Heiliges

Sinnwerte (der Sinnstiftung, Sinngenese),

horizontales Gliederungsschema für die Werte der Geunteren Stufen: genwart

Werte der Aktivität

Werte der Information

. Kulturwerte/ geistige Werte

Ästhetische Werte

sittliche Konsequenz

Wissenskultur, Weisheit

. Vitalwerte

Lebensgefühl

Handlungsfähigkeit Wissen

. sinnliche Werte

Angenehmes

Beweglichkeit

Wahrnehmung

3 Objektive Wertränge – der Vorschlag einer deduktiven Ergänzung des intuitiven Zugangs Mit der Rationalität der Annahme einer objektiven Rangordnung der Werte steht und fällt das vielleicht wichtigste Fundament einer Wertethik. Wie müsste eine Wertrangordnung aussehen, um objektiv und apriorisch zu sein? Dieser Frage stellt sich die metasprachliche Frage zur Seite: Wie kann oder sollte man den Begriff der „Wertranghöhe“ verstehen? Er kann bedeuten: (1) Dass wir dort, wo die höheren Werte aktiv realisiert werden, zu mehr Hochachtung neigen, als dort, wo es sich um die Realisierung niedrigerer Werte handelt. Eine solche Hochachtung geht oft natürlicherweise damit einher, dass die Realisierung höherer Werte in höherem Maße kohärente Ordnungen intentionaler Einstellungen involviert, was zum nächsten Punkt führt. (2) Dass die höheren Werte mehr Herrschaft betreffen, weitreichendere oder hochgradigere sowie kohärentere intentionale Beeinflussung (so wie wir z. B. wertvolle mentale Zustände wie Wissen, kognitive Balance, tugendhafte Wünsche usw. nicht nur zufällig haben, sondern auch erstreben). Ich möchte einen metaphorischen Vergleich liefern: Die höheren Werte entsprechen der Chefetage, die niederen den unteren Angestellten. Die höheren Werte entsprechen weitreichenden Verantwortungsbereichen, die unteren nur Teilen davon. (3) Oder dass die höheren Werte auch in entscheidender Weise das Bessere, Vorteilhafte sind.

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Legt man dem Begriff des Wertrangs (1) und (2) zugrunde, so scheint es wenig kontrovers, dass diesem auch in der Erfahrung etwas entspricht. Auch korrelieren sie offenbar: Unsere spontane Hochachtung wird augenscheinlich in solchen Fällen provoziert, wo es scheint, dass eine besondere Leistung, eine besonders anspruchsvolle Tat oder Lebensweise vorliegt, eine Ordnung, die einer widerständigen Welt abgetrotzt wurde. Es ist die intentionale Herrschaft, Beherrschung der Mittel einer Künstlers, eines Filmers, eines Musikers, eines Extremsportlers oder eines Wissenschaftlers, oder eine besondere Einsicht und praktische Konsequenz, die Hochachtung provoziert. Das in sich zerfledderte, widerspruchsvolle, unentschiedene Selbst provoziert eher Mitleid als Hochachtung. (1) und (2) bilden zusammen ein Paar von Annahmen, die sich ergänzen und zusammen einen Kandidaten für Wertranghöhe liefern, jedoch nicht ausreichen, um Objektivität und eine ethische Relevanz der hohen Werte zu begründen. Bei (3) hingegen ist es durchaus kontrovers, ob die These zutrifft. Wenn nun Scheler in der Kritik von Wertidealisten oder Wertmaterialisten annimmt, dass Werte phänomenale Qualitäten sind, dann droht er, den eigenen Anspruch auf Objektivität zu untergraben. Wenn Werte nur die phänomenalen Erlebnisqualitäten selbst sind, Wertbegriffe gleichsam Begriffe von Klassen phänomenaler Erlebnisqualitäten sind, dann scheint das Objektive zu fehlen, was in der subjektiv-phänomenalen Werterfahrung erkannt wird und das Erkannte reicht nicht über die Erlebnisqualität selbst hinaus. Das betrifft auch die Rede von Wertrangunterschieden, wenn diese nur auf die unterschiedlichen Klassen von Erlebnisqualitäten, die mit ihren Erfahrungen verbunden sind, reduziert bleiben. Hartmanns Rede von Werten als „Gesichtspunkten der Wahl“ oder „Arten des Wertvollseins“ suggeriert jedoch eher Beziehungen in der Welt im weitesten Sinne, d. h. Situationsmerkmale, die möglicherweise affektiv erkannt werden, aber nicht die affektiven Erlebnisqualitäten selbst sind, die eher Werte (oder Aspekte von ihnen) repräsentieren, als mit ihnen vollständig identisch zu sein. Wie aber versichert man sich, dass ein Wert in einer affektiven Erfahrung angemessen repräsentiert ist? Wir bemühen einen Vergleich: Woran versichern wir uns, ob unsere Augen trügen, wenn wir eine zweifelhafte Wahrnehmung haben? Wir gehen näher heran, ändern die Lichtsituation. D. h. wir manipulieren die subjektive Erscheinung durch unsere Bewegung und durch Veränderung des Lichts und testen u. a. die erwartete Kontinuität, die das Ding, das wir dort vermuten, in einer passenden Raum-Zeit-Stelle bestätigen würde. Oder wir testen es mit anderen Sinnen, ertasten den fraglichen Gegenstand, testen seine Festigkeit mit einem Werkzeug. Bei geometrischen Vermutungen (z. B. bezüglich der stets gleichen Winkelsumme des Dreiecks) können wir visuelle oder imaginative Manipulationen des Dreiecks vornehmen, oder Berechnungen. Wir sind nicht auf die erste Evidenz angewiesen

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und auch nicht auf die Wiederholung von Einzelevidenzen im Horizont desselben Sinnesorgans. Verschiedene Zugänge, verschiedene Bezugnahmen bestimmen unseren Gegenstand als solchen als relativ unabhängig von den einzelnen Bezugnahmen und Arten der Bezugnahme, und ermöglichen die Versicherung bezüglich seiner Eigenschaften, wo sie in Zweifel stehen. Entsprechendes gilt für Wertrangintuitionen. Wenn wir nichts als den Eindruck unmittelbarer phänomenaler Evidenz einer bestimmten Art haben, ist (3) fraglich. Wenn (3) fraglich ist, ist angesichts der Abhängigkeit des Sollens von Wertranghöhen auch das ethische Gewicht von (1) und (2) fraglich. Hohe Werte nach (1) sind nur dann in einem ethisch bedeutsamen Sinne „hoch“, wenn wir den Träger entsprechender Werte nicht nur achten, sondern er auch Achtung verdient. Dazu sollte aber das Realisierte besonders wertvoll sein. Für (2) gilt dasselbe, nämlich dass die Herrschaft oder Kontrolle nur dann wertgeschätzt werden sollte, wenn sie es verdient, weil sie in hinreichender Weise Gutes verheißt.¹⁴ Um die These des Besseren im „Höheren“ (3) zu spezifizieren und zu plausibilisieren, möchte ich im Folgenden eine formalere Erschließung der Wertordnung vorstellen, die gleichsam begrifflich-deduktiv eine zweite Dimension der Bezugnahme auf Wertränge eröffnet. Ausgehend von einer Vereinheitlichung des Konzepts von Scheler werde ich Wertranghöhen aus Sinnvoraussetzungen ableiten.

4 Ausgangspunkt einer Begründung der Wertränge: Ein anspruchsvoller Sinnbegriff Neben klassischen Formulierungen der Wertrangordnung und wesentlichen Wertmerkmalen, die mit Ranghöhen korreliert sind, nennt Scheler auch eine Reihe von trägerbezogenen Rangmerkmalen, die die Möglichkeit eines vereinheitlichten Ranghöhenkriteriums nahelegen: So sind Personenwerte höher als Sachwerte, Aktwerte höher als Funktionswerte, diese wiederum höher als Reaktionswerte. Gesinnungswerte sind höher als Handlungswerte, diese höher als Erfolgswerte, Intentionswerte höher als Zustandswerte usw. (vgl. Scheler 1954,

 Nur insofern kann man Hartmanns These, dass es für einen Menschen unmöglich ist, sich vom Wertgefühl leiten zu lassen, ohne dass dieses ein Gefühl der Rangordnung sei (Hartmann 1962, 271: „unmittelbar muss mit dem Gefühl für den Wert selbst ein solches für die Werthöhe verbunden sein“), oder die These, dass die höheren Werte als Vorzugswerte gegeben wären (Scheler) in ihrer objektivistischen Intention stützen. Es genügt ja nicht, dass wir die höheren Werte als Zeichen von Errungenschaften achten. Wir müssen auch glauben, dass die Errungenschaften irgendwie sinnvoll sind.

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120 ff.).Wenn man die verschiedenen Wertrangmerkmale Schelers (in einer weiten Lesart, die Hartmanns Gegenbeispiele zu integrieren vermag) zusammenfassen möchte, scheinen sie zusammen fundamental so etwas wie zentrale personale Aktivität zu betreffen: Höher sind Werte umso mehr, als sie zentralere personale Aktivität betreffen.Wenn die Aktivität peripherer ist, sind die Werte niedriger, oder wenn die Person passiver betroffen ist.¹⁵ Die Person ist bei Scheler die Seinseinheit von Akten verschiedenartigen Wesens, später prägnanter auch schlicht „Aktzentrum“ genannt, aktübergreifendes Zentrum intentionaler Akte (vgl. Scheler 1954, 392 sowie Scheler 2010, 28). Die Person selbst besteht in einer Sinnganzheit. Bei Scheler ist die Person über den Sinnbegriff verständlich, die in Sinnganzheit existiert und nur verstehbar, nicht aber beobachtbar ist. Ich möchte in Anlehnung an Scheler behaupten, dass die höheren Werte die Realisierung des jeweils Sinnvolleren bedeuten, wobei das Sinnvollere auch das interpersonal Verständlichere, mehr eigenbestimmten Akteuren Zurechenbare bedeutet. Ich verfolge ein Konzept von Sinn, das sehr anspruchsvoll ist und von Scheler in seiner mittleren Schaffensperiode vertreten wurde: Selbstwirksames d. h. freies Handeln ist dabei aus einer Sinnkontinuität bestimmt.¹⁶ Je umfassender die Sinnganzheit, aus der das Handeln bestimmt ist, desto mehr ist es auch frei, motiviert, selbstwirksam usw. vollzogen worden, desto mehr ist es auch verständlich und nicht nur aus externen Ursachen heraus erklärbar. „Anspruchsvoll“ an diesem Sinnbegriff ist die innerpersonale Kohärenz, die für verständliches Handeln vorausgesetzt wird, und die nicht nur einen sehr lokalen Zusammenhang zwischen Wunsch und Überzeugung, oder Zweck und Mittel betrifft, sondern einen viel weiteren Zusammenhang, der die Erkenntnis und Erfahrung in Anbindung an den kontinuierlichen Sinn im personalen Leben des Akteurs enthält. Die „anspruchsvolle“ Sinn- und Verstehensperspektive ist nicht die äußerliche des Beobachters, der Akteuren Zwecke zuschreibt, sondern die des verstehenden Freundes, Lehrers, Elternteils oder Partners. Nicht nur können die höchsten Werte als Sinnwerte rekonstruiert werden, sondern die Rangordnung überhaupt als Sinnordnung: Die Vorzugsnotwendigkeit höherer Werte ist eine motivationale Notwendigkeit unter einem anspruchsvollen Sinnverständnis. In einem anspruchsvollen Sinnbegriff scheinen Bedingungen vorausgesetzt, die implizieren, dass bei uns sowie überhaupt bei Wesen, die uns Menschen in bestimmten Hinsichten ähnlich sind, höhere Werte auch die besseren sind, d. h. einen Vorteil bedeuten, und daher auch entsprechend motivieren.

 Zur detaillierten Begründung dieser Lesart vgl. Hausen 2015a, 217‒228.  Das hier zugrunde gelegte Sinnverständnis ist dargelegt in Max Scheler: „Phänomenologie und Metaphysik der Freiheit“ (Scheler 1986).

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Für die Ableitung von Wertrangbeziehungen aus Sinnbedingungen explizieren wir im Anschluss an Scheler einige Sinnvoraussetzungen. Diese betreffen zunächst interne Sinnbedingungen im Sinne von Kohärenzbedingungen der Personalität selbst. Dazu gehören die Motiviertheit von Person S zu Handlungsweise H, Selbstwirksamkeit (Freiheit) von S in H, intentionale Kohärenz von S in H, Verstehbarkeit von S in H, tendenziell positive Werteinstellung von S zu H: zu den Finalitäten (Zielen, Zwecken, Werten) und den Mitteln zu deren Realisierung, sowie zu den Voraussetzungen der Handlung.¹⁷ Diese Voraussetzungen bedingen sich wechselseitig in starker Form, derart, dass der jeweils höhere Grad der Erfülltheit eines Kriteriums mit dem entsprechend höheren Grad der Erfülltheit der anderen Kriterien korreliert.¹⁸ Neben den internen Sinnbedingungen, die die interne Kohärenz der Selbstwirksamkeit betreffen, gibt es eine externe Bedingung der Adäquatheit: Dies folgt daraus, dass Person S, um zu Handlungsweise H vollsinnig motiviert zu sein, wertbezogen valide motiviert sein muss, da sie sonst getäuscht wäre und dies als Defizienz bezüglich der Selbstwirksamkeit bewerten müsste. (Wäre S nämlich nicht einer Täuschung erlegen, hätte sie anders gehandelt: Die Täuschung bestimmt ein Handeln rücklings). Handlungsweise H muss sinnvoll sein, um vollsinnig motiviert vollzogen werden zu können, heißt auch: H muss geeignet sein, Selbstwert zu befördern, d. h. prima facie Selbstwerte realisieren oder zu deren Realisierung beitragen, d. h. H muss Selbstwerthaftigkeit (von S, oder S1, oder S2 usw.) befördern.¹⁹ Ich nenne diese Bedingung Prinzip BSW (Beförderung-SelbstWert). Der Begriff des selbstwerthaften Seins betrifft selbstwerthafte Erfahrung und ist analog zum Begriff des Selbstzwecks gebildet: Selbstzweck ist, was um seiner selbst willen getan wird. Selbstwerthaft ist, was um seiner selbst willen geschätzt und genossen wird (Erfahrungen von Freundschaft, Liebe, Achtung, der Schönheit oder Erhabenheit in einer Landschaft oder einem Kunstwerk, Erfahrung eines guten Lebensgefühls usw.). Die selbstwertbezogene Adäquatheitsbedingung ist nicht per se egoistisch: Der existenzielle Vorteil, der Handeln moti-

 Diese Bedingung steht für eine „evaluative Identität“: Wir reichen in unserer Selbstbestimmung nur so weit, wie wir auch bejahen, bzw. bejahen können (zur näheren Erörterung vgl. Hausen 2015a, 288‒303). Das ist fundamental für Motivation und Freiheit, und die Systemstelle, wo Schelers „Liebe“ als fundierend für das Wertfühlen angesetzt werden kann.  Die Bezogenheiten können als Äquivalenzen analysiert werden (vgl. hierzu Hausen 2015a, 279 ff.).  Für die Grenze selbstbestimmten bzw. sinnvollen Verhaltens genügt m. E. bezüglich des Effekts der wahrscheinlich positive Effekt. Ganz unwahrscheinliche Vereitelungen eines Handlungserfolgs vereiteln m. E. nicht wirklich den Sinn der Handlung.

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viert, kann auch altruistisch sein, wenn er empathische Teilhabe des Handelnden am Profitierenden involviert. Unter diesen Voraussetzungen nun ergeben sich ontologische Bedingungen bezüglich der Realität, der Verfassung der Welt: Letztere muss, damit sinnvolles/ verständliches Verhalten/Handeln möglich ist, so sein, dass Selbstwerthaftigkeit unselbstverständlich ist, d. h. in irgendeiner Weise gefährdet oder mit Steigerungspotential versehen ist. Sonst wäre Handeln sinnlos (bzw. unverständlich, unmotiviert). Handeln muss zumindest dann, wenn es sinnvoll (bzw. verständlich, kohärent motiviert) ist, einen Prima-facie-Vorteil liefern. Entsprechend wäre eine Welt ohne sinnhaft/intentionale Beeinflussung, bzw. ohne kohärent motiviertes Handeln bei ansonsten gleichen Bedingungen entsprechend nachteilig (bezüglich selbstwerthafter Erfahrung). Ich nenne diese Implikation des Sinnbegriffs „Postulat der unzuverlässigen Umgebung“ (PUU) bzw. Postulat der relativ zuverlässigeren kohärenten Sorge bzw. kohärenten Intentionalität. Wir verstehen Verhaltensweisen als sinnvoll, die das selbstwerthafte Leben von uns und unseren Mitwesen schützen und fördern, vom schutzgebenden Hausbau, bis hin zu Praxen der Bereicherung des Erlebens durch Kunst, der Freundschaft und Liebe usw. Wenn nun die Fähigkeit der Akteure begrenzt und die Ressourcen gefährdet (unselbstverständlich) sind, erstreckt sich die Geltung von PUU nicht nur auf Selbstwerthaftigkeit selbst, sondern auch auf die Bedingungen für das Selbstwerthaftigkeit fördernde Tun, d. h. die Sorge darum. Wir verstehen darunter auch solche Handlungen, die Selbstwerthaftigkeit fördernde Mittel fördern, so die Bemühung um Tugenden, um Weisheit, um kommunikative Fähigkeiten usw.²⁰ Was hingegen weder direkt noch indirekt das Prinzip BSW erfüllt, d. h. nicht Selbstwerthaftigkeit fördert (d. h. unter PUU: diese dem zufälligen Einfluss einer unzuverlässigen Umgebung zuungunsten kohärenter Sorge entzieht), das finden wir nicht sinnvoll, verstehen es nicht, rechnen es auch nur bedingt der vollsinnig motivierten Selbstwirksamkeit eines Akteurs zu.²¹

 Zu der unzuverlässigen Umgebung kohärenter Intentionalität gehören auch ungünstige Gewohnheiten im Sinne eines Kontrollwahns, wo auch zuverlässige Umgebungen als unzuverlässig behandelt werden, wo gleichsam die Reichweite von PUU lokal übertreiben wird, und zugleich die Unzuverlässigkeit einer situationsunangemessenen, blinden Kontrollneigung unterschätzt. Zur unzuverlässigen Umgebung gehört aber auch Intentionalität und intentional Verursachtes in einer feindlichen oder gleichgültigen sozialen Umgebung.  Das beinhaltet auch, dass die Entscheidungen mit Rekurs auf Wissen, auf Erfahrung, erschlossene Bewährungszusammenhänge erfolgen. Diese Konzeption mag suggerieren, dass sie nicht imstande ist, altruistisches oder religiöses Handeln zu verstehen (vgl. Judenau 2017, 319): Die Teilhabe an der realisierten Selbstwerthaftigkeit ist, wie ich sie verstehe, bei höherem Wert gerade eine „geistigere“: Franz von Assisi, wenn er nicht irrt, hat in seinem aufopfernden Handeln selbst am „Himmelreich“ teil, dem selbstwerthaften Leben „Gottes“, welches als allerreichstes

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5 Verschiedene Begründungsstrategien der Wertrangordnung mit Rekurs auf Sinn Auf Grundlage dieser Bedingungen ermöglichen sich nun sowohl Begründungen der Wertrangordnung mit Blick auf den intrinsischen Wertaspekt, als auch Begründungen mit Rücksicht auf einen instrumentellen Wertaspekt: 1. Zunächst können Werte der Gegenwart, Aktivität und Erkenntnis als notwendige Momente von selbstwerthafter Erfahrung analysiert werden. Die höheren, mehr intentional involvierenden Qualitäten der Gegenwart geben auch mehr Dichte und Fülle. Aber auch für Werte der Erkenntnis lässt sich gut argumentieren, dass Erkenntnis Voraussetzung für subjektive Gegenwart ist, dass es zum Erleben von Fülle ebenso veridischen Kontakt braucht, wie es für Überzeugungsinhalte bei Donald Davidson Wahrheit (oder bei Williamson Wissen) braucht. Täuschungen sind tendenziell parasitär an veridischem Kontakt, und damit auch an der Fülle des Erlebens, die notwendig subjektive Gegenwart enthält.²² Ebenso scheint die Aktivität für die Gegenwart notwendig und damit auch für selbstwerthafte Erfahrung. Mit der Realisierung höherer, für Sinnhaftigkeit notwendiger Werte, so eine mögliche Argumentation, wird gleichsam eine verdichtete, differenziertere Gegenwart, Aktivität und Erkenntnis realisiert und damit die Selbstwerthaftigkeit als solche gesteigert. Ein solches Argument scheint angesichts der Möglichkeit der Steigerung von Unwerterfahrung, von Unglück und Leiden nicht hinreichend tragend für die These, dass die höheren Werte auch die besseren seien. Doch kann m. E. prima facie eine schwächere Variante betont werden, nämlich dass die Realisierung höherer Werte zumindest nicht ungeeignet ist, mehr subjektives Dasein, mehr Gegenwart und damit auch mehr selbstwerthafte Erfahrung zu bedeuten. 2: Ein zweites Argument rekurriert auf spontane Achtung und Selbstachtung, allerdings unabhängig von im engeren Sinne moralischen Implikationen im angesehen wird. Und er hat an dem Leben jener teil, das reicher wird, indem er ihm dient. Das christliche Heilsversprechen enthält das Versprechen eines Lösens der Sinnbedingungen von materiellen Vorteilen und Abhängigkeiten, nicht aber von Vorteilen überhaupt („ein Schatz im Himmel, der nicht von Motten gefressen wird“). Und wenn Franz nicht irrt, dann verlässt er sich in seinem Gottvertrauen auch auf eigene Erfahrungen des Glaubens sowie auf tradierte Einsichten und Erfahrungen (bzw. auf einen Corpus von Lehren der epistemischen Gemeinschaft, der er angehört, und deren Autoritäten er vertraut).  Entsprechend ist für Davidson Irrationalität parasitär zu Rationalität, sie setzt Rationalität voraus, wie auch falsche Überzeugungen einer Person wahre Überzeugungen voraussetzen, da selbst die falschen sonst keinen Inhalt hätten. Zur Philosophie der Irrationalität vgl. Davidson 2006.

Hohe und höchste Werte

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Kantischen Sinne: Wenn die höheren Werte mehr Sinn realisieren, wächst mit unserem Realisieren höherer Werte und unserer Würde die Achtung, die wir verdienen sowie die Achtung, die wir anderen entgegenzubringen geneigt sind. Andere-und-sich-achten-Können ist eine selbstwerthafte Erfahrung. Dieses Argument trifft allenfalls eine, wenn auch wichtige Art bzw. Dimension selbstwerthafter Erfahrung, die durch andersartige Wert- und Unwerterfahrungen relativert werden kann, und kann daher auch kaum allein tragen, sondern nur ergänzen. 3: Das dritte Argument rekurriert auf Verständlichkeitsbedingungen von Handlungen: Wertrangunterschiede sind den Sinnbedingungen/Verständlichkeitsbedingungen unseres Verhaltens und Handelns inhärent. Die höheren Werte bedeuten einen probabilistischen Vorteil, damit ihnen der Einfluss auf unsere selbstwerthafte Erfahrung einer unzuverlässigen Umgebung zugunsten zuverlässiger Sorge entzogen wird.²³ Daher besteht in entsprechenden Optionen für entsprechende Wesen eine motivationale Notwendigkeit der Realisierung höherer

 Judenau verweist bei dieser Theorie, wonach das höhere Maß intentionaler Verursachung mit dem höheren Vorteil korreliert, auf eine schwere Vermittelbarkeit mit Schelers Auffassung, wonach die höheren Werte weniger „realisierbar sind“ (Judenau 2017, 318). Scheler betont u. a. die Unmöglichkeit, sein eigenes Gutsein zu bewirken. Der Konflikt scheint gemindert, wenn man 1) die notwendige Verursachungsrelation so versteht, dass hier nicht das eigene Gutsein direkt intentional verursacht wird, sondern durch die Tugend (die ein mehr an intentionaler Verursachung, mehr Kohärenz der Bestimmtheit des Tuns enthält) prima facie mehr Wert realisiert wird. Das implizierte Sinnurteil ist ex post, nicht normativ, empfehlend oder fordernd, womit noch mal ein Abstand der Werte- und Sinn-Theorie zur Ethik markiert wäre. 2) würden, wenn Scheler recht hat, bestimmte Optionen mit Bezug auf höchste Werte schlicht nicht auftreten (bspw. mit direktem Intendieren eigenen Gutseins, das Narzissmus und damit ein Scheitern der Wertrealisierung nahelegt; vgl. eine Argumentation hierzu in: Hausen 2015a, 170 ff.), es könnte also sein, dass die höchsten Werte selbst nicht intentional direkt realisiert werden können, also aus dem Sinn-WertNexus, wenn er nach Optionen modelliert ist, herausfallen. Zugleich gibt es uneitles und wirksames Bestreben, mit bestimmten Übungen, Einflüssen (bspw. durch Vorbilder) usw. Fähigkeiten und Haltungen zu verbessern, und dies ist zentral für die Höhe ästhetischer, moralischer, epistemischer und auch religiöser und spiritueller Kulturen. Im Bemühen um eine Verbesserung ist jeweils die Umsetzung der gestellten Aufgabe das primäre Ziel. Die Selbstverbesserung ist dabei nicht das stärkste, intentional fixierte Ziel, aber doch teleologisch relevanter, als dass sie nur in Kauf genommen wäre. Auch kann man bspw. Liebe (bei Scheler als Einstellung mit höchsten Wert) zwar nicht „herstellen“, aber doch eine Beziehung und deren Umgebung so gestalten, dass sie mehr von destruktiven Stresseffekten freigehalten wird. Auch wird das Problem einer Unvereinbarkeit des optionenrelativen Sinnprinzips mit Schelers geringer Realisierbarkeit „hoher und höchster Werte“ entschärft, wenn der Blick von individueller Intentionalität auf kollektive Intentionalität und Sorge erweitert wird: Es ist ja auch nicht nur die Sorge des Individuums, sondern auch diejenige der Eltern, Lehrer, der Wegbegleiter, überhaupt der umgebenden Kultur, die dem Einzelnen in seinem Bemühen um Tugenden hilft, ihn leitet und begleitet.

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Werte (eine Vorzugsnotwendigkeit, von der Scheler und Hartmann überzeugt waren). Andernfalls droht Verlust an Sinn, damit auch an Selbstwirksamkeit und Identität. Notwendig für sinnhaftes Verhalten ist eine (implizite oder explizite) angemessene Berücksichtigung von Werten der Erkenntnis: Man muss die Situation verstehen, die Bedeutung der Situationselemente einschließlich gegebener Handlungsmöglichkeiten verstehen, um sinnvoll entscheiden zu können. Notwendig ist auch eine angemessene Berücksichtigung von Werten der Gegenwart: Subjektive Gegenwart ist sowohl notwendig, um die Situation angemessen zu erkennen, als auch dafür, entsprechend zu agieren. Und notwendig ist auch eine angemessene Berücksichtigung von Werten der Aktivität, da ohne Beweglichkeit, ohne Handlungsfähigkeit, ohne entsprechende differenzierte Fertigkeiten kaum angemessen gehandelt werden könnte. Legen wir uns damit auf eine utilitaristische Perspektive fest? Scheler selbst kritisiert am Utilitarismus, dass er Nützlichkeit (hier im weiteren, nicht nur auf Werte des Angenehmen bezogenen Sinne als dem „Dienenden“) allein als Grund für Sollen ansieht. Zugleich stimmt er darin zu, dass alles sittlich Hohe und Gute immer auch nützlich ist, und wirft letztlich dem Utilitarismus einen Selbstwiderspruch vor, da eine Reduktion auf Nützlichkeit eben für die Gesellschaft gar nicht nützlich, sondern vielmehr schädlich sei (vgl. Scheler 1954, 193‒195). Es folgt also nicht aus Nützlichkeit sittliche Höhe, jedoch folgt aus sittlicher Höhe notwendig Nützlichkeit, was den Schluss erlaubt, dass aus fehlender Nützlichkeit auch fehlende sittliche Höhe folgt. Nützlichkeit steht gleichsam auf der Rückseite von „sittlicher Höhe“. Diesen Aspekt ernst genommen, lassen sich offenbar Wertrangbeziehungen unter PUU deduzieren, wie im Folgenden skizziert wird.²⁴

 Eine solche Möglichkeit scheint Hartmann abzulehnen, insofern er glaubt, dass Vorteilsbeziehungen nur bei niederen Werten offensichtlich sind und als metaphysisch unproblematisch erscheinen: Bei höheren Werten hingegen scheint dies für Hartmann anders: Auch können diese nicht auf die selbstverständlichen Werte wie Vitalwerte reduziert werden: Während für Tiere der Lebenswert von Gesundheit, von Instinktsicherheit außer Frage steht, ist gar nicht so klar, worin der Wert des Lebens selbst bestehen mag (vgl. zum metaphysischen Wertproblem: Hartmann 1966, 340 ff.). Dann spielt für Hartmann das Wertgefühl die Rolle, den Wert zu bestätigen. Die Relation auf selbstwerthaftes Erfahren, wie ich es als Anker für eine systematische Wertmetaphysik vorschlage, setzt hingegen im ersten Schritt nicht das qualitativ differenzierte Erfahren und Fühlen von Werten verschiedener Höhe voraus, sondern schlicht Erfahrungen wie des Genießens bzw. der Fülle, die grundlegender und einfacher sind und auch für den „Wert des Lebens“ entscheidend. Von hieraus lassen sich dann die „höheren“ Werte ebenso erschließen wie die „weniger hohen“. Die Realisierungen höherer Werte scheinen durchaus weniger „offensichtlich“, weil a) diese sich oft weniger im einzelnen Moment, als im längeren Prozess der Erfahrung bestätigt, und b) schon ihre Träger schwerer zu beschreiben sind, komplexere Realisierungen von Wert darstellen, die jeweils mehr und tiefere Realisierungen anderer Werte integrieren.

Hohe und höchste Werte

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6 Zur Deduktion von Wertrangbeziehungen in konsekutivem Wertaspekt aus Sinnbedingungen Ausgangspunkt sind einige allgemeine Unterstellungen im Rahmen hermeneutischer Praxis bezüglich eines konkreten Verhaltens V, die dem explizierten anspruchsvollen Sinnverständnis inhärent sind. Diese sind:²⁵ (1) Akteur S ist in Verhalten V intentional eigenbestimmt. (2) SW ist unselbstverständlich. (3) Akteur S zielt in Verhalten V intentional auf BSW. (4) Akteur S verfügt über Mittel zu BSW. (5) Als kausaler Einfluss auf SW ist die Umgebung weniger zuverlässig als die intentionale Eigenbestimmtheit von Akteur S (PUU).²⁶ (6) Die Mittel zu BSW von Akteur S sind begrenzt. (7) Die Mittel zu BSW von Akteur S sind unselbstverständlich. (8) Akteur S zielt in manchem Verhalten V darauf, Mittel zu BSW zu befördern (d. h., SW direkt oder indirekt zu befördern) und intendiert auch ihren Gebrauch. (9) Akteur S befördert in Verhalten V prima facie SW. (10) Akteur S ist erfährt sich in Verhalten V als selbstwerthaft und hat an dem intendierten SW teil.

 Zur Herleitung dieser Unterstellungen aus dem Sinnprinzip BSW und internen Sinnbedingungen vgl. Hausen 2015a, 384‒391.  Um vorweg metaphysischen Einwänden der Hume-Tradition zu begegnen: Das hier vorausgesetzte Kausalitätsverständnis ist phänomenologisch begründet: Ich kann mich selbst als Agens, als Patiens oder als Beides erfahren. Ich mache die Erfahrung, mit Kraft einen Widerstand zu beseitigen (eine klemmende Tür zu öffnen, entgegen permanenter Ablenkungen meine Aufmerksamkeit zu fokussieren usw.), mache die Erfahrung, etwas zu erleiden, anderen Leiden zuzufügen usw. Diese Erfahrungen liegen dem Verständnis von Kausalität zugrunde, zusammen mit der Idee, dass Ursache und Wirkung in der Natur jeweils an Stellen aktual sind, die wir prinzipiell (als Agens oder Patiens) einnehmen könnten, wenn wir mächtig oder flexibel genug wären. Der Begriff der Kausalität wird gleichsam zunächst phänomenologisch „getauft“, und aufgrund von erfahrenen Regelmäßigkeiten als in Naturregelmäßigkeiten gründend angenommen, d. h. der phänomenologische Begriff hypothetisch erweitert: Die erfahrenen bzw. beobachteten Regelmäßigkeiten in Agens-Patiens-Beziehungen machen es wahrscheinlich (stützen die Hypothese), dass entsprechende Regelmäßigkeiten die Natur durchwirken, d. h. Teil des Realen sind. Damit sind sowohl generelle als auch individuenbezogene Kausalaussagen zwar niemals vollständig belegt, jedoch besser oder schlechter gestützt.

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Was nun für sinnvolles Verhalten konsekutiv notwendig ist, ist unter PUU auch notwendig konsekutiv wertvoll. Was a) notwendig konsekutiv wertvoll und b) zugleich unselbstverständlich ist, d. h. mit der Gefahr des Verlustes behaftet sowie mit der Steigerungsmöglichkeit und zugleich c) als Finalität für intentional eigenbestimmtes Verhalten zugänglich, das ist notwendige Finalität sinnvollen Verhaltens, welche direkt oder indirekt und positiv oder negativ zu befördern ist, wenn das Verhalten nicht sinndefizient sein soll. Herleitung von Wertrangunterschieden (konsekutiver Wertaspekt) (1) (= P1): Eine Verhaltensweise ist nur insoweit intentional eigenbestimmt, als sie dazu tendiert, Selbstwert (SW) zu befördern und auch darauf abzielt. (2) (= P2): SW ist in seinem Bestehen und Wachsen unselbstverständlich (Satz I(2), PUU). (3) (= P3): Mittel zur Beförderung von SW sind unselbstverständlich (Satz I(7)). (4) (= K1 aus (1) und (2) und (3)): Intentional eigenbestimmte Akteure zielen in ihrem eigenbestimmten Verhalten auf direkte oder indirekte Beförderung von SW (Satz I(8)). (5) (= P4): Eigenbestimmte Akteure haben Mittel zur direkten und indirekten Beförderung von SW (Satz I(8)). (6) (= K2 aus (4) und (5)): Intentional eigenbestimmte Akteure befördern mit eigenbestimmtem Verhalten SW direkt und indirekt. (7) (= K3 aus (2) und (6)): Für eigenbestimmte Akteure gilt: Intentionale Verursachung ist verlässlicher als die Umwelt. (8) (= K4 aus (7)): Wenn mehrstufige Intentionalität ein höheres Maß an Intentionalität bedeutet, ist sie verlässlicher als einfache Intentionalität. (9) (= P5, tautologisch): Mehrstufige Intentionalität bedeutet prima facie ein Involvieren von mehr intentionalen Einstellungen und somit von mehr Intentionalität. (10) (= K5, aus (8) und (9)): Mehrstufige Intentionalität ist prima facie verlässlicher als einfache Intentionalität. (11) (= P6): Schelers Werthierarchie korreliert mit dem Ausmaß intentionaler Verursachung, das mit der Erfülltheit der Werte einhergeht: Je höher ein Wert ist, desto mehr Intentionalität und tendenziell höherstufige intentionale Einstellungen und Akte sind bei seiner Erfülltheit involviert. (12) (= K6 aus (7) und (8) und (11)): Bestimmtheit durch höhere Werte verursacht (prima facie) auch ein Mehr an Selbstwerthaftigkeit. (13) (= K7 aus (1) und (12)): Bestimmtheit durch höhere Werte bedeutet auch ein Mehr an Sinn.²⁷

 Die quantitative Rede soll nicht bedeuten, dass damit die Werte selbst gegeben seien, auch

Hohe und höchste Werte

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Die Wertkategorien, die wir von Scheler entnehmen, betreffen im weitesten Sinne Werte 1. der Aktivität (praktische Werte), 2. der Information, 3. der Gegenwart und zuletzt, auf einer allgemeineren Ebene und zuoberst auch 4. Sinnwerte (Werte des Heiligen). Erfüllte Sinnwerte implizieren eine angemessene Balance bezüglich der Erfülltheit der Werte der Gegenwart, der Aktivität und der Information, sie erfüllen trivialerweise die Sinnkriterien unter PUU. Das Maß der Verlässlichkeit unter PUU mit Blick auf beteiligte/verursachende Intentionalität lässt sich im Sinne probabilistischer Vorteile ausdrücken: Es scheint also, dass Wertränge durchaus deduziert werden können: So wie geometrische Beziehungen sowohl anschaulich als auch mathematisch-logisch einsichtig gemacht werden können, geht dies auch bei Sätzen über Wertränge. Doch kann die Werterkenntnis, das konkrete Werterleben, die Wertgegenwart im Erleben, wie Scheler es sich vorstellt, nicht deduziert werden.²⁸ Eine andere Frage betrifft den Grad, in dem unsere tatsächlichen kulturellen Praxen sich als Träger der höheren und höchsten Werte, wie sie hier güterbezogen bzw. tugendbezogen entfaltet sind, eignen. Ist es angemessen, der Kunst als Träger von Kulturwerten der Gegenwart die Rolle zuzuschreiben, die unser deduktives Schema ihr nahelegt: Nämlich dass sie beispielsweise hohe Qualitäten der Gegenwart befördert, die Dichte der subjektiven Gegenwart, die epistemische, affektive und motivationale Aspekte verbinden mag? Oder wie verhalten sich hohe Werte der Aktivität im Sinne sittlicher Konsequenz zu den moralischen Werten? Können sie nicht rein egoistisch gedacht werden? Der Sprung vom Wert zum Sollen gelingt auf Grundlage der Wertordnung nicht: Selbst wenn man der geteilten Intentionalität, die in gerechten Gemeinschaften und Gesellschaften unterstützt wird, große

nicht, dass das quantitative Denken das qualitative Fühlen ersetzen kann. Vielmehr denke ich, dass eine implizit quantitative Anschauung (höher, niedriger, oberflächlicher, tiefer usw.) den abstrakten „Wertraum“ strukturiert, in dem die Werte erscheinen. Und dies reicht bis in unser qualitatives Werterleben: Wir „sehen“ in unseren Eindrücken von Personen und Kulturen (mehr oder weniger treffend) seelische „Größe“ oder sittliche „Höhe“ analog zur visuellen Wahrnehmung von Bäumen.  Hier könnte die größte Abweichung von Scheler bestehen: Schelers Werte als Phänomene können natürlich niemals deduziert werden. Eine andere Differenz, auf die Judenau aufmerksam macht, besteht darin, dass Solidarität und Liebe hier ebenso verschwinden, wie Schelers Konzept der Gesamtperson (vgl. Judenau 2017): In der hier deduzierten apriorischen Lesart sind Solidarität oder Empathie nicht per se „hoch“ sondern erweisen sich erst aufgrund der größeren Reichweite kohärenter Intentionalität im Mitmenschlichen als „höher“ als egoistische Perspektiven. Möglicherweise ist uns die Achtung vor dem Moralischen ebenso angeboren wie die Liebe, also gleichsam Teil der evolutionären Erfahrung, und daher bereits in einem biologisch gegründeten Sinne a priori: Das Apriori, das ich im Sinne einer „Geometrie der Werte“ verfolge, ist allgemeiner, und inhaltsleerer.

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probabilistische Vorteile einräumen möchte, bindet diese Grundlage ja noch nicht, sondern bildet allenfalls eine Sinnbedingung entsprechender Normen. Tab. 2: Konkretisierung der Rangordnung (probabilistisch)²⁹ Abhängigkeit der Rangordnung Selbstwerthaftigkeit

Wahrscheinlichkeitr von viel SW unter PUU

mehr intentionaleav Bestimmtheit

höhere Wahrscheinlichkeitr

weniger intentionaleav Bestimmtheit und mehr Bestimmtheit durch Zufall/ Umgebung

. Sinnwerte (der Sinnstiftung, Sinngenese, Sinnvernichtung): Verstehbarkeitav, Kohärenzav, … Werte der Gegenwartal

Werte der Aktivitätal

Werte der Informational

. Kulturwer- . Kulturwerte der te der GeAktivität: sittliche genwart: äs- Konsequenz thetisch und spirituell

. Kulturwerte des (reflektierten) Wissens und der geringere Wahrscheinlichkeitr Weisheit

. Lebensge- . Handlungsfühl fähigkeit/ Gesundheit

. Wissen

. Angenehmes

. Wahrnehmung

. Kraft/ Beweglichkeit

Kommen wir zu unserem Beispiel des Anfangs zurück: Sarah glaubt, dass die klösterliche Praxis, die sie erlebte, höheren Wert hat, mehr Bewunderung und mehr öffentlichen Einfluss verdient, als Praxen und Haltungen des geschäftigen Lebens. Nach den Überlegungen zur Wertrangordnung können wir den Inhalt ihres Eindrucks besser spezifizieren, damit verbundene propositionale Gehalte auf Wahrheitsbedingungen zurückführen und vielleicht auch die Herkunft des Eindrucks tiefer verständlich machen: Wenn die höheren Werte mehr kohärente intentionale Selbstwirksamkeit involvieren, und diese einen Prima-facie-Vorteil gegenüber dem Ausgesetztsein einer unzuverlässigen Umgebung darstellt, so besteht nach dem Eindruck von Sarah eine unzuverlässige Umgebung gerade in

 Hier werden der Anschaulichkeit halber Werte im weitesten Sinne (Also auch wertvolle Güter oder Zustände, wertvolle Eigenschaften) in die Tabelle integriert. Der av-Index bezieht sich auf einen holistischen, anspruchsvollen Sinnbegriff, der al-Index auf partikuläre, anspruchslosere Begriffe. Der Wahrscheinlichkeitsbegriff Wahrscheinlichkeitr bezieht sich auf Regelwahrscheinlichkeit, die eine objektive zu erwartende Verteilung, aber eine Epistemische Wahrscheinlichkeit bezüglich von Einzelfällen betrifft (vgl. Hausen 2015a, 517 f.).

Hohe und höchste Werte

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den unbescheidenen Praxen und Gewohnheiten unserer wachsenden Zivilisation, die gleichsam inkohärenten intentionalen Einstellungen ein großes Maß an Herrschaft über naturkausale Zusammenhänge erlaubt, aber uns damit auch einer halbsinnigen, inkohärenten Ordnung unterwirft. Weisheit hingegen überlässt die Sinnhaftigkeit unserer Lebensführung, der Bewegungen unserer Wünsche, Überzeugungen, Motivationen usw. nicht dem Zufall, so, wie eine Wissenskultur das Wissen nicht zufälligen Wahrnehmungserlebnissen überlässt. Sarahs Eindruck nach hat die klösterliche Praxis mit einer Pflege von epistemischen Tugenden der Weisheit, in einer Reduzierung der Ansprüche, einer Übung der Erfahrung von Fülle im Wenigen, eine relativ geringere Abhängigkeit von einer unzuverlässigen Umgebung realisiert. Ob diese Einschätzung stimmt? Hartmann kritisierte an Schelers Wertrangmerkmalen unter anderem ihre Grobheit und Vagheit. Es scheint, dass eine solche Undifferenziertheit und Vagheit insbesondere in der Anwendung des (m. E. durchaus apriorisch begründbaren) Wertrangprinzips auf Einzelfälle, wie in unserem Beispiel sehr massiv ausfällt. Ist deswegen der umständliche Weg einer Wertrangbegründung, die an diese „groben“ Merkmale anschließt, umsonst? Verschiedenste ältere Traditionen teilen die Auffassung, dass es besonders hohe, besonders achtenswerte, bewunderungswürdige Tugenden gibt. Eine Hierarchie der Werte, wie wir sie im Anschluss an Hartmann und Scheler mit Rekurs auf das Postulat der unzuverlässigen Umgebung untersuchten, erscheint als schematische Verallgemeinerung von Zusammenhängen, die wir im Kern der verschiedensten Kulturen und individuellen Lebensformen in jeweils anderen Ausprägungen finden. Und es spricht für eine akademische Philosophie, wenn sie imstande ist, deren Anspruch und Wahrheitsgehalt zu verstehen, der sich vermutlich über lange Wege und Akkumulationen von Erfahrungen in die Traditionen eingeformt hat, bzw. wenn sie imstande ist, unsere spontane Hochachtung, Begeisterung, Bewunderung, sowie die Pflege der öffentlichen Präsenz entsprechender Vorbilder oder langfristige Bemühungen zum Erwerben entsprechender Tugenden zu verstehen. Auch ohne die Möglichkeit einer schnellen und präzisen Anwendung auf Einzelfälle scheint eine mit Blick auf Einzelfälle durchaus vage Form der Wertrangordnung derart grundlegend in unseren Orientierungen (gerade, wenn diese sehr langfristig sind), in unserem praktischen und emotionalen Leben enthalten, dass wir einen großen Teil unserer selbst sowie des Sinnpotentials unserer Kulturen, sowie das Wissen der Weisheitstraditionen verfehlten, wenn wir nicht die Rangordnung selbst verstünden.

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Anhang

Nicolai Hartmann

Max Scheler † Translated by Frédéric Tremblay Abstract: This is a translation of the obituary that Nicolai Hartmann wrote for his colleague and friend, Max Scheler, after the latter’s premature death in 1928. In this eulogy, after emphasizing the unfortunate incompleteness of Scheler’s lifework, his keeping abreast with the development of the various sciences, his power of intuition, and the fact that he was a philosopher of life without for that matter having a Lebensphilosophie, Hartmann chronologically recapitulates Scheler’s life achievements, beginning with his career in Jena, his interest for ethical principles, his relation to the phenomenological movement in Munich, his theory of values, wartime in Berlin, his work on the sociology of knowledge, he gives us glimpses into Scheler’s unwritten and still fluctuating metaphysical views, his ever-growing interest in ontological questions, which was guided by his continued interest in the problem of man, his power of relearning, and the apparent contradictions in his thought, which, Hartmann says, was primarily the thought of a “problem-thinker.” The original German text was first published in Kant-Studien: Philosophische Zeitschrift der Kant-Gesellschaft, 33, 1928, ix‒xvi. The original pagination is indicated in angle brackets. Keywords: Nicolai Hartmann, Max Scheler, Twentieth Century German Philosophy, Phenomenology, Axiology, Theory of Values, Material Value Ethics, Intuition of Values On May 19th, Max Scheler succumbed to a heart attack in Frankfurt. In the midst of his newly begun teaching activities at the University of Frankfurt, in the midst of his work on his great anthropological and metaphysical projects, he was taken by death, as unexpectedly to himself as to his numerous friends and students. His lifework remains unfinished. He, who was not yet even fifty four years old, still saw it as lying more in the future than in the past. He was neither deluded by the high degree of scientific fame and recognition that he enjoyed, nor by the far-reaching impact of his writings within as well as beyond the German border, nor by the long inflamed controversy for and against his philosophy, nor

The work for this translation received support from the Russian Academic Excellence Project at the Immanuel Kant Baltic Federal University, Kaliningrad, Russia. https://doi.org/10.1515/9783110615555-014

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by again the fact that, year after year, many of the best minds – and not only the youngest – continue to work fruitfully on paths to which he pointed. Some modest researchers never get to see and follow the effect that they have. Scheler was given this gratification early on. But he never let himself be blinded by this. To him, it did not mean accomplishment, but rather the beginning of greater things. For he felt called to greatness. And there is no doubt that he could attain it. These were not empty, unrealizable projects, which he carried out with restless inward labor; they were well thought out, slowly matured, often most minutely detailed intellectual goods – the fruit of the most positive research and creation of his best years. The great lecture series of his nine-year Cologne teaching activity, from which many striking words arose in the auditorium, the works of his students, the speeches and essays, in which he himself made many anticipatory pronouncements, sufficiently testify to that. His sudden death thus leaves a gap in the vital course of German philosophy, which could be filled neither by an eager wish, nor by faithful advances on the part of others following in his footsteps. If his lifework, compared to its inner plan and the magnitude of its scope, has remained a fragment, it turns out to be much more than a fragment if one takes into account what was done purely in and of itself and if one measures its achievement in comparison to the others around it at the same time. It was in Scheler’s nature to create all that he created from direct contact with the latest and most advanced achievements of research in the special sciences. His unique power of rapid, intuitive comprehension, the high gift of singling out the essential from intricate contexts on the first try, understanding it in a plastic form and subordinating it to larger points of view, enabled him to do so. He was incessantly following what was happening in the social sciences and psychology, in physiology and clinical research, in religious studies, and theoretical physics. The most recent advances were always to be found together in his “intellectual workshop”. He never joined them eclectically, but always reconstructed an organic whole from the ground up. His vitality in keeping up with the scientific developments and his constant reshaping of his ideas gave his work the actuality and penetrative power that could keep his contemporaries – and not only academics – in suspense. But, to friends who sought him personally, he had the same effect, although in completely overwhelming proportions. Scheler, like none other, had the ability to develop, even recast, his thoughts in conversation, offering insights and opening up perspectives, in which everything had been directly intuited (geschaut) or at least traced back to what had been intuited (Geschautes). He could present a barely born idea in a plastic-concrete and convincing manner, in such a way that a mere glimpse was needed to follow and to understand for oneself. This wonderful power of intuition never left him. It

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spread wherever it found eager learners, the abundance of which seemed to know no bounds. In it lay the secret of that power, which always attracted the best to him, which resulted in everyone taking leave from him with a gift. And many have been consumed for years wrestling and laboring with the gift of such an hour with Scheler. The first quarter of our century, which was the time when a whole intellectual world came to maturity, was a period of profound change for German philosophy. It is characterized by the overcoming of psychologism, positivism, and Neo-Kantian Idealism, the reawakening of metaphysics, the recovery of the plenitude of problems (Problemfülle), and the slow rise of a philosophy close to life (lebensnahen), filled with life (lebenerfüllten), and therefore that does justice to life (Leben gerechtwerdenden). What is reflected in Scheler’s academic career is far from a mere reflection of this development. He was essentially a moving force here and, on more than one decisive point, he was the leader. This, too, lies deep in his personal character. For, with him, all philosophy was from the very outset a philosophy of life, and in a sense different from that of those who coined this slogan and included it in their book titles. He did not need to turn life into an object, he did not need to philosophize “about” life; with him philosophy flowed from the outset from the plenitude of life. For him, life and philosophy were not two different things. The wealth of his ideas came from the wealth of the plenitude of presence (reiche Gegenwartsfülle) ; he was an expression, a token, a testimony to what was filling his own life and the life of his own time. A heightened capacity for the most intense experience was, in his case, identical to a heightened capacity for intuitive grasping and philosophical analysis. He bridged the chasm between life and thought, which most of the great philosophers found so difficult to close. He lived embracing the world and embracing life. The enjoyment of a happy moment was sacred to him. He knew how to embrace each moment in a loving manner as it unfolded, much like the fleeting presence often received through him, through his loving compassion and radiance, its coronation, its consecration. To extract the eternal from the ephemeral in the grasping and the restoring, and to hold on to its meaning in the timelessness of his mature thought, was his own gift, the never-ending source of his power of thought. It was this gift that made him – who never wrote a philosophy of life – a real and true philosopher of life. “Whosoever thought the deepest loved the liveliest”¹ – this poetic expres-

 Note from the translator: “Wer das Tiefste gedacht, liebt das Lebendigste”. This is a line from Friedrich Hölderlin’s ode entitled “Sokrates und Alcibiades”, which was published in Musen-Almanach für das Jahr 1799, herausgegeben von Friedrich Schiller, Tübingen, 1798, 47.

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sion inspired by Socrates fits him, too, although in reverse. For, it was because his love was the liveliest, and because in him this love took the form of thought, that he thought the deepest. At the turn of the century began his career in Jena. The writing with which he introduced himself to the intellectual world, Die transzendentale und die psychologische Methode (The Transcendental and the Psychological Method) (1901), is dedicated to the central point of contention over which the schools were then battling. This writing already indicates the form of his subsequent way of working: the uncovering of the weaknesses on both sides in order to reach a new, positive understanding. To a far greater extent than Scheler could foresee at the time, what his investigation showed was that both parties of that battle succumbed, both “methods” gave way to a third, which was brought about by Husserl’s Logische Untersuchungen (Logical Investigations) around the same years. Thus, change took place in him in close contact with the passage of time. He often hurried ahead, but his sight always remained fixed on the foundations. The problem of methodology as such could not fetter him down for any lasting period. He had the keen instinct of all productive minds, namely that genuine method does not arise in methodological awareness (Methodenbewußtsein), let alone through research on the method, but rather crops up unsought when the researcher is oblivious to the issue. But the matter that kept him captive since his dissertation of 1899, and that continued to occupy him for a decade and a half, was the problem of “ethical principles”, the question of the essence of the Good, the Ought, the valuable (Wertvollen) and the unworthy (Wertwidrigen), action (Handlung) and ethos (Gesinnung). In order to master this question, a new kind of approach was needed – that third method, on the track of which he was from the beginning. It fell on him like a ripe fruit of advanced work, when he joined, during his Umhabilitation ² in Munich, that circle of “phenomenologists” who had just then begun to reap the fruits of Husserl’s intellectual work. Here, he found an arsenal that suited his intuitive way of thinking. This finding was and remained the decisive event in his philosophical development. In the circle of the similarly inclined and like-minded, he quickly became a master of the new procedure, and brought about the great force of traction in phenomenology, which raised it to an intellectual movement by means of his wealth of problems (Problemfülle), and which is now leading its progress.

 Note from the translator: The term Umhabilitation refers to the process through which professors or private lecturers acquire their authorization to teach (venia legendi) at a university in a shortened procedure.

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What first reached maturity was the ethical problem. Three writings full of new deep insights bear witness to this: the two smaller works Über Ressentiment und moralisches Werturteil (On Ressentiment and Moral Value Judgment) (1912) and Zur Phänomenologie und Theorie der Sympathiegefühle (On the Phenomenology and Theory of the Feeling of Sympathy) (1913), as well as the fundamental work Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik (Formalism in Ethics and the Material Ethics of Values) (Part 1, 1913). Scheler marshaled the new theory of values on two fronts: against Nietzsche’s value relativism and against the Kantian formalism of the moral law. At the same time, he adopted from both sides that which was actually positive and obvious: the multiplicity and the richness of content of the realm of values, as Nietzsche sees it, and the apriority of valuational consciousness (Wertbewußtsein), as Kant had proved it for the categorical imperative. He thereby performed a historical synthesis of such importance, made a field of research accessible to such an extent, that he paved the way for philosophical ethics in the long-run. There was something groundbreaking and eminently positive about this: the idea of the feeling of values (Wertgefühl) and of the intuition of values (Wertschau) based on it. That the acts of preference and of value-feeling, such as acceptation (Anerkennung) and rejection (Ablehnung), approval (Billigung) and disapproval (Missbilligung), admiration (Bewunderung) and indignation (Empörung), love and hate, are also value-disclosing acts (werterschließende Akte); indeed, that in their presence in all human activity the presence of the values themselves are also disclosed – this thought, which was in itself quite simple and had been, so to speak, immediately learned from life, was by no means obvious in an era when the act could only be interpreted in psychogenetic terms and the content only in Kantian-formal terms. It required a radical break with a long series of traditional prejudices to establish the validity of the new insight. The energy with which Scheler executed this break, the intuitive force with which he could not only establish the meaning of the material (i. e., contentual) value-a priori (Wertapriori) in all regions of value (Wertgebieten), but could also make the reader aware of his own living feeling of values (Wertgefühl), stands alone among the philosophical achievements of those years. It opened an insight into the still untrodden realm of values, showed not only the gateway to its undiscovered riches, but also the means and ways of heaving it up, and thereby retrieved for ethical research an almost buried field of objects. At the same time, however, it shone into the depths of human nature as no one had been able to do since Nietzsche. Therefore, in this first major group of works also lay, besides the foundations of the new ethics, the beginnings of his later religious-philosophical and anthropological studies.

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The war years dragged him back to the present. He was able to convincingly disclose the meaning of the events and intellectual currents of the time. Thence appeared his books on war, the first of which, Genius des Krieges (The Genius of War) (1915), penetrated broad circles and made him known to the stranded inhabitants of Berlin.³ At the same time, however, an ever-stronger religious tone came to permeate his thinking. Already, the second, broad-based part of his book on ethics (1916), was concerned, alongside the theory of personhood and value, with the problem of God. The essays – rich in ideas – that he published in 1921 under the title Vom Ewigen im Menschen (On the Eternal in Man) are devoted to the philosophy of religion. In the meanwhile, his sociological studies were maturing in numerous articles. Here, too, he was the leader of new paths. In contrast to Marx and those of a materialist orientation, under his hands came into being a sociology of intellectual life (des geistigen Lebens), of cultural creations, of knowledge (Wissens) and of science (Wissenschaft). His collection of writings Zur Soziologie und Weltanschauungslehre (On Sociology and the Theory of Worldviews) (1923/24) and his last major work Die Wissensformen und die Gesellschaft (The Forms of Knowledge and Society) (1926) are overflowing with ideas. The second part of the latter, entitled “Erkenntnis und Arbeit” (“Cognition and Work”), gives a significant preview into his metaphysics, which has long been planned yet has never been developed, and its epistemologico-theoretical foundations. Based on what is available, however, it is not easy to say whither his metaphysics tended. For it had not even fully matured in Scheler’s own mind, and whoever often had the opportunity to hear his intimations on the subject could very well sense the fluctuating state to which even its ultimate fundaments were still liable. In the course of the last decade, his idea of God had altered most profoundly. Still in 1916, in the second part of his book on ethics, his worldview was a decidedly personalist one: God stood at once as the highest “collective person” (Gesamtperson) and as the value of all values at the center of the world. From this position, Scheler was able to reach the wide circles of those who had church-positive sensibilities (positiv kirchliches Empfinden)⁴ in such a

 Note from the translator: what we translate here as “stranded”, and which we could also have translated as “secluded” or “isolated”, is the word “zurückgezogen”. Hartmann is presumably referring to the fact that during WWI Berlin was isolated in the sense that poverty and shortage of paper decreased the circulation of new books, journals, newspapers, and such luxuries. On this see, e. g., Arnulf Scriba: “Berlin in the 1914‒1918 War”, Cahiers Bruxellois – Brusselse Cahiers, 2014/1E (XLVI), 173‒188.  Note from the translator: In the second half of the nineteenth and early twentieth centuries, the “church-positive orientation” (die kirchlich-positive Richtung) was a conservative movement

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way that they saw in him the pioneer of a newly awakening religiosity. But the inner dynamic of his thought did not stand still. It inevitably led him further. What must have appeared to them like a breach of their fixed dogma was just plain philosophical consistency. The gravity of the problem of reality, which preoccupied him more and more year after year, coerced him toward a reorientation. The problem of ontology, which had begun to reawaken in various minds during these years, had also preoccupied him. And, in accordance with the radicalism of his nature, he could not, as always and everywhere, make a merely half-baked work on this subject. The importance (Gewicht) of the lower, non-spiritual forces of being (ungeistige Seinsmächte) demanded to be expressed and recognized. Scheler found this expression in the form of a voluntarism, which in some respects was reminiscent of that of Schopenhauer, but without the latter’s “pessimism” given its anticipation of perfection and its final goal. He conceived the secret of the world as a world-development (Weltentwicklung) on a grand scale, from the alogical and blind urge for being (Seinsdrang) up to the fulfilling of value and meaning in pure spiritual being (geistiges Sein). But this was also at the same time the secret of the divine essence, because he understood this very process as the becoming of God in the world. Scheler’s strength was his power of constant relearning (Umlernen), of steadfast metamorphosis and reorganization, the insouciance with which he abandoned his earlier claims as soon as they could no longer satisfy him and be adequate for the shifting problems (Problemlage) of the time – it was precisely this that must have been the stumbling block for those unable to advance at the same pace. It was precisely for the fluctuation of his metaphysical intuitions that he was accused; it was considered as a defection, as a kind of desertion. His relearning (Umlernen) appeared as a lack of continuity, as a concession to the moment. The inner consistency standing behind it was, of course, all the more difficult to see in the distance as Scheler’s writings still had to account for what remained unaccounted for. He may well have prepared this account, but did not live to present it. At bottom, however, it is precisely on this point that those who are not pressed by ideological bias will not be misled into rejecting his views indiscriminately. The mastery of the fine art of progressive relearning (Umlernens) is not given to everyone. Even among the great [thinkers] of history, only a few possessed it. With it, Scheler stands in a line of thinkers including Fichte, Schelling,

within German Protestantism that was opposed to theological and ecclesiastic liberalism. Hartmann is possibly referring to this movement, although he may also only be referring to whoever had a favorable attitude toward the church.

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Nietzsche, and, yes, even Plato. The fact that he was leading not only at a point in time, but also continued to lead the unfolding of problems and the development of theories in more than one field, was made possible only through his own progression, which was always keeping up with the times and was often moving forward. Certainly many concessions to the historical moment will be noticed [in his work] . He himself has at least sought to conceal this in the judgment about his own earlier works, e. g., about his war books. Nevertheless, what he said at the time was often enough the decisive word at the decisive hour. There is also a right of the moment (Recht des Augenblicks) and a truth of the moment (Wahrheit des Augenblicks). Not everything that is true in itself is thereby the truth that is needed at the moment. Whoever wants to do justice to the gravity of the hour can only do so by becoming its spokesperson, not by standing aside in the ivory-tower (weltfremd). Could someone unable to face the truth of the moment even plausibly utter the eternal truth? Whoever walks in front of the line must inexorably move forward. He must not shy away from the appearance of inconsistency. Scheler did not shun it. That is why the odium of those who were left behind befell on him. But he just accepted the consequence of his inner consistency. He was not a system builder, even though everything he touched instantly took a systematic form under his hands. He made no sense to those who, from a thesis – no matter how well grounded ‒, leisurely draw implications without constantly revising their own foundation. He was at bottom a problem-thinker (Problemdenker). He kept pushing back to the origins. And, often, when he found something new, he had to contradict the old. Is that not, after all, a false philosophical criterion, whether one contradicts oneself? How much had Nietzsche, how much had Kant contradicted themselves! Every newly considered problem has its own dynamic, its own logic, its own consequence. Those who do justice to it [i. e., to the newly considered problem], unaffected by some utopian postulated uniformity, are the genuine problem-thinkers. From the constructed representation of a system (Systembild), it is easy to give uniform perspectives. But this does not do justice to the world of reality (Wirklichkeit). The world is not without contradiction. To understand it [i. e., the world of reality] cannot mean to formulate its essence in theses free of contradiction. And even if all contradictions were at last to find their solution, one must still initially admit the contradictions, do justice to them. The philosopher may do this in all kinds of ways. He can, like Cusanus, understand the concrete world as the world of opposita and reserve coincidence for the divinity. Or he can, like Hegel, make contradiction the theme of everything and follow its development through the stage-realms (Stufenreich) of the world as a dialectic. But he can also simply let himself bear witness in his own life and in his thinking without any anticipated scheme. And then it comes about that life and think-

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ing become a constant relearning. Scheler took that path. His life and thought thus became an undeviating struggle and thrusting forward. And so, at every step, this path was just a single great undeviating genuine philosophical testimony to truth. If we look a little deeper into this struggle, it is not difficult to grasp the unity it contains as a great line. At bottom, there is a single central problem that has guided him on all of the intricate paths of his lifetime: the problem of man. Psychology and metaphysics, epistemology and sociology, ethics and ontology – they all converge on this one subject, the most distant and at the same time the nearest. To give an account of this large-scale convergence was the plan of his anthropology. In it, the fruit should have become ripe, which so many blossoms had preceded. But to reap that fruit was denied to him. As was the case on a smaller scale during his lifetime, the fact that other fruits could be reaped, which he had nurtured, it now seems to be, at the time of his death, at the very center of his lifework. An overabundance of intellectual goods (gedankliches Gut) is Scheler’s legacy, which now befalls to posterity. To accept this legacy is now up to this posterity.

Personenverzeichnis Aristoteles

55, 161, 175, 212, 215

Badiou, Alain 67, 75 f. Baker, Lynne 107, 129–131 Bergson, Henri 120 f., 227 Bloch, Ernst 34, 37 Bohr, Jörn 6, 29, 174, 185 Bosse, Tibor 101 Bourbaki, Nicolas 67 Böx, Susanne 174 Brentari, Carlo 7, 91, 111 Bruno, Giordano 19 Bulk, Werner 112 f. Buytendijk, Frederik J. J. 3 Cassirer, Ernst 1, 32, 56 f., 70 Cavaillès, Jean 67 Chalmers, David 89, 92, 101, 107 Cicovacki, Pedrag 2, 47, 136, 138 Clark, Andy 89, 92, 101, 107 Cohen, Hermann 67 f., 201 Couturat, Louis 67 Da Re, Antonio 2 f., 7, 112, 114, 119, 139, 153, 163 Dahlstrom, Daniel 92 Dahm, Helmut 223, 226 Danilkina, Natalia 113, 125 Darwin, Charles 57, 97 Davidson, Donald 252 Dawkins, Richard 89, 91 f. Debaise, Didier 67 Deleuze, Gilles 67, 116 Dietze, Carola 4, 33, 46 Dilthey, Wilhelm 70, 78 f., 167, 179 Driesch, Hans 46, 50–52, 57, 65 f., 79 f. Fahrenbach, Helmut 30 Feldman, Marcus W. 98 Felgenhauer, Katrin 4, 6, 11 Fischer, Joachim 1, 3 f., 12 f., 46 f., 49, 66, 69, 119, 165, 174 f., 185 f., 194

https://doi.org/10.1515/9783110615555-015

Flack, Jessica 82–84 Freyer, Hans 34, 179 Gabriel, Markus 12 Gadamer, Hans-Georg 174, 178, 186, 225 Gehlen, Arnold 1–4, 34, 119, 173 f., 177, 185, 187–190 Goethe, Johann Wolfgang 57, 208 Grötz, Arnd 157 Guattari, Félix 116 Hallward, Peter 67 Harman, Graham 12 Hartmann, Nicolai 2–7, 11–21, 23–26, 29– 42, 45–48, 50–58, 60, 63–70, 74–84, 89, 92–100, 102–108, 111–125, 127 f., 136–141, 149, 153–159, 161–170, 173– 176, 178–190, 193–206, 210–214, 216– 226, 233, 235–244, 247–249, 254, 259, 263, 268 f. Hartung, Gerald 3–6, 39, 48 Haun, Daniel 106 Hausen, Friedrich 1, 5, 7, 233, 235, 242 f., 245, 249 f., 253, 255, 258 Hayek, Friedrich A. v. 178 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 31, 34–36, 38 f., 63, 66 f., 72–74, 81, 125, 165, 167, 169, 179–181, 223, 227, 270 Heidegger, Martin 1, 19, 31, 33 f., 78, 176, 181, 184, 190, 198 Heinz, Andreas 4 Henckmann, Wolfhart 159 Herder, Johann Gottfried 176 f. Hildebrand, Dietrich v. 224, 240, 243 Hobsbawm, Eric 176 Hoth, Sabina 67 Hume, David 178, 199, 255 Husserl, Edmund 11, 16, 19, 127, 224, 227, 266 Hyppolite, Jean 67 Jablonka, Eva 174 Jaeschke, Walter 100, 140, 165

274

Personenverzeichnis

James, William 67 Jaspers, Karl 15, 186 Joas, Hans 5, 236 Judenau, Cristof 251, 253, 257 Jung, Matthias 5

Nachtsheim, Stephan 33, 75, 77 Nartorp, Paul 68 Neeb, Johann 15 Nietzsche, Friedrich 163, 176, 195 f., 206, 267, 270

Kalckreuth, Moritz v. 1, 5, 7, 127, 147 Kant, Immanuel 14 f., 29 f., 33, 36, 38 f., 42, 53, 55 f., 58, 63–67, 70, 79, 111 f., 120, 125, 196 f., 199–202, 223, 227, 236, 253, 263, 265, 267, 270 Kanthack, Katharina 31 Kelly, Eugene 2, 5, 112, 143, 159, 194, 197, 210, 223 f., 227 Kerler, Dietrich Heinrich 163 Kinnegin, Andreas A. M. 112 f. Knopf, Jan 33 Köhler, Wolfgang 3, 50 Kopernikus, Nikolaus 19 Krämer, Lise 40 Krüger, Hans-Peter 3–6, 64, 67, 133, 135 Kuratowski, Kazimierz 68, 76, 80

Odling-Smee, John 98 Otto, Rudolf 101, 107, 245 Peden, Knox 67 Peterson, Keith 6 Pieper, Josef 175, 182 Platon 69, 76, 199, 202, 204, 208, 211, 223, 227, 270 Plessner, Helmuth 1–7, 11–13, 17–27, 41 f., 45 f., 48–52, 54 f., 58–60, 63–71, 73–84, 89 f., 102, 106, 119, 127 f., 132–135, 138, 140, 149, 165, 179, 185 f., 188 Poli, Roberto 6, 77, 81, 181 Popper, Karl R. 177 Prigogine, Ilya 67 Proust, Marcel 241

Laland, Kevin N. 98 Lamb, Marion J. 174 Landmann, Michael 6, 29, 174, 185–190 Lautman, Albert 67 Leibniz, Gottfried Wilhelm 66 Leonardy, Heinz 144 f., 159 Levi, Kater 16, 23 Lindemann, Gesa 4, 27, 133 Lossky, Nicolai 7, 193–195, 199–209, 211– 216, 218–227

Ranger, Terence 176 Regnault, François 67 Rehberg, Karl-Siegbert 4 Reinhold, Karl Leonhard 15 Reyhani, Nebil 34 Rombach, Heinrich 35 Römer, Inga 155 Rosa, Hartmut 176 Rothacker, Erich 34, 174, 186 f., 189 f. Russell, Bertrand Arthur William 67

MacIntyre, Alasdair 176 f. Mackie, John Leslie 236 Massumi, Brian 68 McDowell, John 5 Meillassoux, Quentin 12 Meinong, Alexius 207 Merleau-Ponty, Maurice 101 Michelini, Francesca 73 Miosge, Dieter 39 Misch, Georg 79 Morgenstern, Martin 2, 46, 92, 157, 179 Müller, Johannes Peter 66 Mulligan, Kevin 240

Savransky, Martin 67 Scanlon, Thomas M. 235 Scheler, Max 1–5, 7, 12, 19, 46, 66 f., 78, 111 f., 119, 127 f., 141–149, 153–156, 158– 166, 168–170, 173 f., 193–202, 204–211, 213, 216–220, 222–227, 233, 235–250, 253 f., 256 f., 259, 263–271 Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph 65, 269 Schmieg, Gregor 1, 6, 63, 67 f., 70, 75 Schnädelbach, Herbert 236, 241 f. Scognamiglio, Carlo 182 Shils, Edward 175 Shubin, Neil 36

Personenverzeichnis

Simmel, Georg 37 f. Smith, Adam 177, 207, 227 Solovyov, Vladimir Sergeyevich 218, 222 f., 226 Spiegelberg, Herbert 193 f. Spinoza, Baruch de 65–67 Stallmach, Joseph 157 Steinfath, Holmer 236 Stengers, Isabell 67 Strogatz, Steven 82 Szanto, Thomas 159

Uexküll, Jakob von 99

275

3, 41, 57, 66 f., 91, 97,

201, 216–

Tappolet, Christine 240 Tarski, Alfred 68, 80 Thompson, Evan 90 Tilitzki, Christian 34 Toepfer, Georg 6, 45, 50, 60, 91 Tomasello, Michael 106 Tönnies, Ferdinand 3 Tremblay, Frédéric 7, 193 f., 201, 222, 227, 263 Turner, J. Scott 89, 91 f.

Varzi, Achille C. 90 Vendrell-Ferran, Íngrid

5

Weber, Max 3 Wein, Hermann 6, 29–31, 33–37, 39–41, 71, 135 Whitehead, Alfred North 67 Williamson, Timothy 252 Wilson, Robert A. 92 Windelband, Wilhelm 35, 65 Winter, Thomas Arne 173–175, 177 f. Wunsch, Matthias 1 f., 4 f., 7, 12 f., 30, 42, 46–49, 70, 76, 89, 91, 102, 132, 134 f., 137, 179, 185 f., 249 Zhok, Andrea 159 Zimmermann, Klaus

179

Sachverzeichnis absolut 19, 36, 65, 111, 117–119, 153, 162, 164, 170, 177, 194, 196, 201 f., 207, 211– 213, 215 f., 219, 222, 237 Akt 6, 16, 35, 119, 128, 136, 138, 140, 142– 148, 153, 155 f., 159 f., 163, 166, 170, 183, 186, 205 f., 249, 256, 267 – Aktvollzug 5, 143–145, 147, 159 – emotionaler Akt 138, 206 – geistiger Akt 137, 146, 159 f., 162, 164, 169 Anerkennung 162, 164, 267 anorganisch 39, 48, 93, 157, 179, 182, 197 Anschauung (siehe auch: Intuition) 18–22, 50, 54 f., 58 f., 79, 238, 257 Anthropologie 1–3, 30, 33 f., 37, 39–42, 66, 91, 157, 184 – anthropologisch 1, 4, 6, 19, 29–31, 33 f., 36, 39–41, 117, 119, 134, 173, 176, 186, 188–190, 263, 267 – Philosophische Anthropologie 1–6, 12 f., 30, 37, 47, 64, 84, 132, 135, 149, 163, 174 f., 178 f., 185–190 Antinomie 162, 164, 169 Aporetik 18 Aporie 18, 23, 32 Atheismus 162–164 Autonomie 2, 11–14, 17, 48, 54, 81, 136 f., 147, 154, 156 f., 162–164, 169, 176 f. Axiologie siehe: Wertphilosophie Bedingtheit 2, 41, 244 Bedingung 1, 7, 16, 24 f., 29 f., 32, 35 f., 39, 41, 71, 82, 96, 104, 108, 111–113, 122, 127–131, 134 f., 140, 144, 148 f., 158, 176, 194, 207, 216–219, 222, 233, 238 f., 242, 249–252 Berühren 101, 138 Betroffensein 6, 56, 93, 95, 129, 138–140, 147, 153, 244, 246, 249 f., 257 Bewusstsein 2, 7, 12–21, 23–27, 36, 99 f., 102 f., 105 f., 120 f., 123, 137, 140, 155, 157 f., 160 f., 166, 168–170, 179, 242, 245 https://doi.org/10.1515/9783110615555-016

Bioethik 150 Biologie 3, 6, 41, 46, 48, 50–53, 56 f., 59 f., 66, 74 f., 79, 90–92, 97 f., 159 – biologisch 2, 4, 35, 39, 46, 54, 56 f., 59, 92, 101, 147, 173 f., 182, 257 – Biologismus 4, 13, 22 Böses 156, 213, 215, 222 Bruch 22, 81, 157 Christentum

162

Dasein 19, 103, 139, 197, 206, 252 demokratisch 236 Diesseits 78, 80 Ding 11–23, 25–27, 34, 38, 49 f., 54 f., 59, 89, 91, 93, 118, 133, 142, 156, 180, 233, 239 f., 247 Dualismus 37, 57 Eigenschaft 6, 27, 69, 71, 73, 76, 128, 134, 136, 140, 142, 180, 236–239, 248, 258 Emotion (siehe auch: Gefühl) 5, 150, 201, 205, 235, 240 – emotional 4–6, 138, 188, 194, 198, 204 f., 212, 217, 223, 225, 227, 235, 259 Entfremdung 35 epistemisch 106, 129, 176, 235–237, 244, 252 f., 257–259 Epistemologie siehe: Erkenntnistheorie Erfahrung 5, 19 f., 23, 25 f., 32, 70, 107, 119–122, 148, 167, 178, 196 f., 199, 201, 203, 205, 207, 209, 211 f., 240, 245, 247, 249–255, 257, 259, 265 Erkenntnis 5 f., 11–16, 18, 24–26, 31–33, 37 f., 48, 50 f., 53, 55, 57–59, 64, 68 f., 80, 98, 180, 183, 197, 204, 225 f., 234 f., 244, 249, 252, 254, 268 – erkenntnistheoretisch 11–13, 66, 164, 178 – Erkenntnistheorie 6, 11 f., 14–16, 18, 24, 26, 32, 41, 53, 70, 74, 197, 203, 271 Erleben 5, 21–26, 120, 122, 132 f., 142, 145, 148 f., 158, 161, 173, 245, 251 f., 257 Erlebnis 15, 133, 197

278

Sachverzeichnis

Ethik (siehe auch: Bioethik, Wertethik, Moralphilosophie) 2 f., 7, 65 f., 111–115, 119, 123 f., 136, 138, 144, 153 f., 156, 158, 161–166, 169 f., 183, 194, 198–202, 205, 212, 214, 218–220, 224, 233, 235, 253, 267 f., 271 – ethisch 112 f., 115, 123 f., 141 f., 144–147, 158, 161–164, 177 f., 198 f., 201 f., 207, 210, 247 f., 263, 266 f. – Ethos 31, 112, 156, 162, 180, 182–184, 188 f., 266 – ewig 52, 195, 206, 226, 265, 268, 270 Exzentrizität (siehe auch: Positionalität) 3, 22, 25, 66, 138 f. Fähigkeit 97, 99, 133, 136, 140, 142, 147– 149, 251, 253 Freiheit 19, 31, 48, 71–73, 81, 122, 128, 150, 154–156, 158, 162 f., 165, 169, 176 f., 183 f., 186 f., 222, 241, 249 f. Fühlen 103, 156, 159 f., 167, 204, 239 f., 254, 257 Funktion 7, 32, 42, 59, 73, 79, 90, 94 f., 100 f., 104, 108, 127, 131, 133 f., 137, 141, 145–149, 159, 166, 177, 217 Ganzheit 54, 73, 77, 79 f., 84, 93–95, 124, 146 f., 180 Gefühl (siehe auch: Emotion) 4 f., 139, 147 f., 217, 240, 244, 248 Gegenstand 12, 15 f., 18, 25–27, 32, 42, 48, 53 f., 75 f., 101, 133, 142, 147, 164, 247 f. Gehirn 92, 101 Geist (siehe auch: Akt) 1 f., 4 f., 7, 20, 24, 26 f., 31–40, 42, 70, 73, 92, 103, 105– 107, 128, 134, 136–141, 162, 165–170, 179–184, 187, 198, 202, 242 – objektiver Geist 5, 35, 38, 89, 137, 179, 182 f. – objektivierter Geist (siehe auch: Objektivation) 137, 241 Geisteswissenschaften 3, 48 Geltung 146, 148, 238, 241, 251 Gemeinschaft 5, 135, 159, 161, 184, 188, 233, 252, 257 Generation 93, 98 f., 180, 182

Geschichte 19 f., 30 f., 33 f., 39–42, 57, 73, 136, 162–164, 168 f., 176 f., 179, 206 – geschichtlich 1, 20, 27, 35, 40 f., 76, 114, 124, 139, 146, 165–167, 169, 180, 184, 188, 224, 267, 270 – Geschichtsphilosophie 35, 39, 78, 169, 178 Gesellschaft 3, 5, 30, 35, 135, 150, 159, 162, 164, 169, 217, 254, 257, 263, 268 Gesetz 30, 40, 48, 56, 64, 80 f., 154 f., 168, 185, 195 f., 198, 201, 211 f., 217, 219, 221–223, 267 – anthropologisches Grundgesetz 128 – kategoriales Gesetz 48, 64, 74 f., 79 f., 154, 157, 219 Gott 14, 39, 145, 155, 158, 162–164, 170, 206, 213, 220, 251, 268 f. Göttliches 220, 226, 269 Grenze 2, 7, 13, 21 f., 24, 26 f., 32, 40, 54 f., 58 f., 64, 69–76, 78–81, 89–93, 95–97, 100–102, 104, 107 f., 116, 135, 178, 184, 250 Gut 156, 164, 176, 194, 200–202, 213, 215 f., 219, 222, 224, 235, 239, 241–243, 248, 250, 253, 254, 258, 264, 266, 271 Handlung 113 f., 120, 122, 138 f., 177, 183 f., 186 f., 205, 212, 235, 238, 245, 250 f., 253, 266 Hass 144, 147–149, 166 Heilig 244–246, 257 Ideal (siehe auch: Sein) 37, 57, 112 f., 115, 125, 156, 162, 176, 181, 201–203, 210– 214, 236, 238–240 – Idealismus 32, 65, 75, 125, 197 f., 200, 265 – idealistisch 47, 78, 97, 125, 167 Idee 1, 30, 39, 164, 169 f., 196 f., 199, 206, 211, 214 Individuum 35 f., 40, 55 f., 76, 83, 90 f., 93– 97, 104–108, 128–130, 132 f., 137–142, 146, 148 f., 156, 158, 162, 164 f., 179, 182, 184, 187–189, 253 Intention 15, 100, 112, 115, 119, 248

Sachverzeichnis

Intuition (siehe auch: Anschauung) 23, 45, 90, 193–195, 200, 202–206, 212, 224, 226 f., 233, 235, 263 f., 267, 269 – intuitiv 204 f., 235, 237 f., 243, 246, 264– 267 Irrtum 17, 31, 237 Kategorie 6, 26, 33–39, 46–48, 51–53, 55– 60, 63–66, 70, 75–77, 79, 84 f., 90, 93, 99 f., 102, 104 f., 108, 116, 118 f., 131, 134, 137, 148–150, 154, 174, 210 – Erkenntniskategorie 48, 56 – kategorial 35, 41, 48, 56, 64–68, 70, 74– 84, 94, 97, 103, 105, 107, 130 f., 136, 154–157, 220 – kategoriale Gesetze siehe: Gesetz – Kategorialanalyse 45, 53, 80, 154 f., 169 – Seinskategorie 48 Kausalität 36, 38, 42, 57, 59, 65, 83, 210, 255 Körper 4, 21 f., 26 f., 36, 42, 49 f., 70, 89 f., 92 f., 95, 108, 120, 128, 130, 132–134, 149, 159 – körperlich 4, 49, 129, 217 Kultur 1, 7, 30, 35, 103, 105, 150, 159, 165, 167, 179 f., 182–189, 244, 253, 257, 259 – Kulturphilosophie 179 Kunst 1, 18, 167, 244, 251, 257 Lachen 71, 135 Leben 3, 5, 12 f., 20 f., 24, 26 f., 36, 38, 40 f., 49–55, 57 f., 70, 89, 93 f., 96 f., 99, 101–105, 108, 111 f., 114–117, 119–124, 131, 135, 141, 157, 161 f., 167, 170, 173, 175–177, 180, 193, 198, 200 f., 213, 217 f., 223, 227, 233–235, 239, 243, 245, 249, 251 f., 254, 258 f., 263, 265, 267 f., 270 f. – Lebendiges 7, 21 f., 25–27, 49–52, 54, 57– 59, 69 f., 73 f., 76 f., 80 f., 89–93, 95, 97, 99, 101, 103, 107 f., 132 f., 140, 162, 166, 169, 182, 198 – Lebendigkeit 1, 4, 22, 27, 49–51, 55 f., 59, 97, 128, 133 f., 140, 149, 166, 180 f. – Lebensform 23–25, 89, 106, 134 f., 233 f., 245, 259 – Lebensphilosophie 79, 263

279

– Lebenswelt 84 – Lebewesen 22–24, 26 f., 45, 48, 54 f., 58 f., 63, 90 f., 96–103, 107, 114, 119, 128, 130, 132 f., 135 f., 149, 161, 173 Leib 24, 42, 133, 142, 144–146 – leiblich 70, 133, 145–147, 244 f. – Leiblichkeit 4, 70 f., 142, 145, 147 Liebe 144, 147–149, 160, 166, 200, 217 f., 243, 250 f., 253, 257, 266 f. Logik 18, 33, 35, 38, 63, 65–68, 70–73, 75, 77 f., 196, 270 – logisch 38, 42, 63 f., 68, 70 f., 74, 77, 117, 123, 199, 205, 211 f., 226, 257, 266 material 22, 42, 77, 81, 89, 111, 121, 163, 181, 193 f., 200, 207, 211, 216, 218 f., 223, 263, 267 Mensch 1–4, 14, 19–25, 27, 29–42, 46, 49 f., 52 f., 65 f., 68, 73–79, 84 f., 90, 92 f., 95–98, 100 f., 103–108, 113, 118– 120, 123, 125, 130, 135, 142, 146–149, 155–158, 160–166, 168–170, 173 f., 176– 190, 195, 197, 200, 206, 216, 220–222, 225 f., 233 f., 237, 239–241, 243, 246– 249, 253 f., 257, 263, 268, 271 – Menschheit 38, 155, 165, 234 – menschlich 1–3, 5, 7, 13, 16, 20 f., 24–27, 31 f., 34–36, 39, 45, 49, 63, 66, 71, 89, 92, 101–104, 106–108, 113 f., 117, 119 f., 123, 128–130, 141 f., 144–146, 148, 157, 163–165, 173 f., 177 f., 187 f., 195–197, 201, 213, 217, 223, 239, 241, 267 Metaphysik 1, 14 f., 29, 32, 37, 64, 67 f., 153, 162, 164, 167, 170, 197, 225, 249 – metaphysisch 6, 11–15, 18, 21, 35 f., 40, 65 f., 78 f., 153, 163 f., 170, 221, 242, 254 f. Methode 12, 15, 25, 34, 38, 66, 76, 164, 266 – systematische Methode 75 Mitvollzug (siehe auch: Vorbild) 148 f., 170 Modale 58 f. Modalität 169, 246 Moderne 1, 11, 14, 18, 47, 162, 173, 176, 190, 234

280

Sachverzeichnis

Moral 113, 115, 119, 121–123, 167, 180, 195 f., 200 f., 204, 206, 214, 217, 222 f., 234, 267 – Moralphilosophie 2, 156 Natur 1, 4 f., 14, 19, 27, 38–42, 49, 65, 89, 91, 97, 99, 111–113, 115–117, 119, 121, 123, 125, 136 f., 157–159, 162, 164, 167, 188, 196, 218, 221, 234, 255 – Naturalismus 5, 13, 27, 159 – Naturphilosophie 1, 6 f., 12, 21, 46, 53, 56, 59, 64, 68, 90, 92 f., 99 f., 102 f., 111, 114–116, 119, 124 f., 132, 134, 149, 210 – Naturwissenschaft 14, 21, 47, 49–54, 59 f. Norm 176, 206 f., 233, 236, 238, 241 f., 258 – normativ 4 f., 24, 136, 173, 176, 181, 184, 186, 188 f., 211, 239, 241 f., 253 – Normativität 5, 190 Numinoses 245 – Nützlichkeit 244, 254 Objektivation (siehe auch: Geist) 27, 181 Objektivität 12 f., 25, 65, 156, 193, 195, 201 f., 206, 210, 236–238, 247 Ontologie 6 f., 11, 13, 15 f., 18, 26, 29–31, 33, 36 f., 39 f., 45, 47, 50, 53–55, 63, 65, 70, 74 f., 77 f., 80–82, 89, 93, 100, 112, 114–117, 121, 123, 125, 129, 136, 153 f., 193, 199, 214, 216, 219, 224 f., 243, 269, 271 – kritische Ontologie 2, 12, 47, 64, 74, 79, 84, 174, 219, 225 – Neue Ontologie 4–6, 12, 34, 46–48, 54, 92, 136, 149 – ontologisch 2, 6, 13 f., 18, 29–32, 37 f., 41 f., 45, 47, 50 f., 54, 60, 63–66, 70 f., 74 f., 77, 79, 84, 92, 100, 111–116, 118– 125, 129, 136 f., 140, 143, 154–157, 161, 165, 169, 178 f., 189, 193–195, 198 f., 213, 219 f., 223 f., 236, 239, 251, 263 organisch 1, 22, 39, 41, 45 f., 48–50, 54– 56, 58–60, 63, 68–70, 73, 75 f., 79, 85, 93–97, 99 f., 102 f., 105, 108, 114–116, 119–121, 124, 132, 136 f., 157, 179, 181 f., 189, 197, 213, 215, 264 Organismus 2, 7, 41, 50, 56 f., 59, 65, 73 f., 76, 80 f., 89–101, 103, 105, 107 f., 111,

116, 119, 128–130, 137, 140, 146–149, 223 Person 1–4, 6 f., 19, 27, 34, 89, 92, 101– 108, 111–115, 119–125, 127–150, 153– 161, 163, 165–170, 179 f., 182–184, 186, 194, 197, 200, 207, 211, 213, 217, 227, 238, 241, 245, 249 f., 252, 257, 268 – Gesamtperson 153–155, 158–162, 165 f., 169 f., 257, 268 – personal 5 f., 32, 39, 89, 103–105, 107 f., 112, 114, 121, 124, 127, 131 f., 135–138, 141, 145–149, 156, 158, 165–169, 179– 181, 183, 207, 225, 233, 241, 244, 249, 265 – Personale Identität 111, 119–121, 123 f. – Personalität 6 f., 104, 107 f., 112, 127–137, 139–142, 144–150, 153–157, 161 f., 165, 168 f., 217, 223, 250, 268 – Persönlichkeit 112, 114, 119, 155 f., 184 Phänomen 5, 7, 15, 18, 21, 25, 27, 35, 40, 47 f., 51–53, 55 f., 58 f., 81, 84, 95, 107, 118–121, 127, 130, 135–137, 148 f., 168, 173–176, 178–180, 182–184, 189 f., 208, 236, 238, 257 Phänomenologie 1, 5 f., 11, 19, 21, 25, 45, 49–55, 57–59, 67–69, 101, 111–115, 127 f., 141, 145 f., 148 f., 167, 174, 178, 182, 186, 193, 197, 211, 223, 226 f., 236, 249, 255, 263, 266 f. Philosophie 1–7, 11–13, 15, 18–20, 25, 29– 31, 33–35, 37, 40 f., 45–48, 51–56, 58, 63 f., 66–68, 75, 78, 80, 84, 89 f., 92, 100, 111, 114–116, 119, 127 f., 130–132, 136, 139 f., 144, 148–150, 153, 158, 164, 173–175, 179, 189, 193 f., 199–202, 208, 214, 216, 220, 224–227, 236, 252, 259, 263–271 – Philosophie des Geistes 102, 178, 188 – Philosophie der Kultur siehe: Kultur – Philosophie der Werte siehe: Wert – philosophische Anthropologie siehe: Anthropologie physisch 1, 21, 31, 49, 94, 100, 128 f., 136, 142, 145 f., 157, 159 f.

Sachverzeichnis

Positionalität 22, 49, 59, 65, 73, 102, 132, 134, 149 – exzentrische Positionalität (siehe auch: Exzentrizität, Mensch, Person) 4, 17, 22, 24, 49, 106, 132 f., 135, 179, 183 – zentrische Positionalität 49 Pragmatismus 5, 67, 139 Prinzip 14, 33, 55 f., 59, 69, 71, 75, 78, 80, 134, 155, 250 f. Prozess 7, 42, 53, 55–57, 75–77, 83, 92–95, 98, 100 f., 117 f., 137, 157, 175, 182 f., 221, 234, 254 – psychisch 21, 33, 39, 137, 145 f., 157, 159 f., 242 – Psychologie 3, 48, 100, 226 – psychologisch 39, 196, 207, 226, 266 psychophysisch 49 f., 132, 145–147 Qualität 50 f., 54, 58 f., 208, 238, 240, 247, 252, 257 – qualitativ 50–52, 58, 60, 131, 147, 254, 257 – quantitativ 256 f. Rangordnung (siehe auch: Wert) 159, 195, 205, 237, 246, 248 f., 258 f. rational 30, 64 f., 75, 80, 178, 188, 204, 216 – Rationalismus 24, 75, 78, 178 Raum 21 f., 26, 42, 59, 65, 70 f., 84, 96, 137, 247 Reales (siehe auch: Sein) 71 f., 74 f., 139, 160 – real 4, 11, 16, 20, 23, 25, 34–36, 39–42, 47, 52–54, 63–65, 68–70, 72–78, 80– 82, 94, 96 f., 113–117, 123 f., 154–156, 180, 183, 195 f., 198–200, 202 f., 209– 212, 214, 220–222, 227, 238, 241, 255, 265, 267 – Realismus 11 f., 53, 193, 195, 197 f., 200– 203, 210, 224 – Realität 11, 13, 15–18, 21, 23–25, 27, 31, 34 f., 37 f., 42, 52, 65 f., 79, 113–115, 123 f., 157 f., 164, 167 f., 197, 199 f., 203, 210, 216, 222, 251, 269 f. Recht 167, 201, 237, 270 Reduktion 69, 146, 148, 237, 254 – Reduktionismus 4 f., 21, 25, 48

281

Reflexion 7, 20, 54, 66, 68, 78, 150 Reflexivität 7, 66–68, 71, 73, 75, 78 Relativismus 31, 34, 196, 206, 267 Religion 150, 153 f., 162–165, 167, 169, 181, 206, 234, 268 – religiös 5, 147 f., 154, 159, 206, 234 f., 245, 251, 253, 264, 267 f. Schicht 2, 5 f., 12, 41, 47–51, 53 f., 59, 79, 92, 94, 102 f., 105, 108, 136 f., 154, 156 f., 179, 242 – Schichtenlehre 31, 45, 47, 50 f., 60, 219, 222 f. Seele 14, 132 f. Sein 1–5, 7, 11–17, 20–27, 29–42, 45–60, 65–68, 70–73, 75 f., 78–80, 82, 84 f., 89–102, 106–108, 119–122, 127–143, 145–150, 153–166, 168–170, 173 f., 176– 186, 188–190, 196 f., 199, 202, 210, 220 f., 225, 234, 237–253, 256 – geistiges Sein (siehe auch: Geist) 2 f., 7, 13, 19 f., 31 f., 39, 70 f., 92, 94, 100, 102 f., 105–108, 112, 114–116, 119, 124, 136 f., 149, 153 f., 157, 165–167, 169, 179–182, 196 f., 220, 241, 269 – ideales Sein 73, 112–114, 124, 199, 202 f., 207, 210, 212–214, 227 – organisches Sein 2, 73, 93 f., 97, 100, 105, 112, 119, 124, 137 – physisches Sein 2, 48, 137 – reales Sein 2, 20, 37, 111–118, 121, 124 f., 136 f., 139, 154, 156 f., 202 f., 210, 214, 227 – seelisches Sein 2, 100, 108, 137 Selbstbewusstsein 128, 130 f., 133, 137, 140, 149 f. Sinn 23‒27, 32, 39, 42, 58, 66, 70–73, 101, 156, 163, 220, 235, 238, 242, 245, 247– 254, 256–258 sinnlich 24, 42, 70–72, 217, 238, 244–246 Sitten 138 f., 167, 175, 180 Situation 6, 23 f., 30, 125, 133, 135, 138– 140, 146, 160, 177, 184, 187, 204, 233, 240, 254 Solidarität 257

282

Sachverzeichnis

Sollen 59, 145, 154, 181, 198, 236, 239, 241 f., 248, 254, 257 – sozial 4 f., 82–85, 103, 106, 135, 146, 148, 158–162, 165–169, 178, 236, 240, 251 Staat 155, 158 f., 161, 185 Streben 240 Subjekt 1, 12, 15 f., 18, 22–25, 31 f., 37, 41, 52, 65, 67, 106, 132, 143, 155–157, 159, 163, 166, 169, 177, 180, 183, 186, 202, 236, 244 – subjektiv 37 f., 69, 78, 105, 179, 235, 237, 247, 252, 254, 257 – Subjektivität 119, 137, 153–157, 162, 165, 202, 206 Substanz 20, 34, 118 f., 142 System 14 f., 34, 47, 50, 55–59, 63, 65, 69 f., 72–77, 79, 81–84, 90 f., 93, 95, 97, 99–102, 107 f., 124, 202, 207, 218, 221, 270 Technik 167, 180, 234 Teleologie 56, 64, 66, 79 f., 158, 181, 218– 222, 224, 253 Theismus 162, 164, 220, 234, 244 f. Tier 7, 22 f., 30, 41, 45, 49, 89, 91 f., 97, 99 f., 102, 105–108, 157, 173, 177, 186, 197, 222 f., 254 Tradition 7, 36, 67, 112, 114, 127, 173–179, 181–190, 234, 255, 259 Transzendenz 15, 24, 135, 189 – transzendent 15 f., 18, 25, 138, 183 Tugend 204, 219, 224, 239, 244, 251, 253, 259 Umwelt 17, 21–23, 27, 41, 59, 76, 81, 91, 97–99, 102, 105, 108, 119, 133, 197, 256 Universalismus 74 Urteil 167, 226, 235 Verantwortung 140, 158, 163, 180, 184, 187, 241 Vernunft 38 f., 53, 64, 66, 70, 128, 130 f., 142 f., 176, 178, 234 Verstehen 1 f., 18, 24, 31, 41 f., 50, 90, 107, 128 f., 132, 136 f., 140, 142–144, 154 f.,

157, 160, 165, 174, 183 f., 186 f., 190, 240–242, 246, 251, 254, 259 vital 45, 147, 217, 244, 264 Vitalismus 46, 51, 54, 80 Vollzug (siehe auch: Akt, Leben) 7, 23, 123, 127 f., 132–136, 139, 143, 148, 159, 162, 164, 169, 184 Vorbild 148, 177, 245, 253, 259 Vorziehen 205, 235 Wahrnehmung 16, 23, 64, 91, 101, 132, 197, 237, 246 f., 257 f. Welt 11, 13 f., 16–25, 27, 32–35, 37–42, 45, 51 f., 63–65, 68 f., 74–78, 80, 94, 96 f., 100, 104–108, 113, 116, 123, 125, 133, 144, 147, 153–156, 161, 163, 173, 183 f., 186, 196–200, 207, 209, 212 f., 215, 220–222, 234 f., 242, 245, 247, 251, 265 f., 268–270 – Außenwelt 105, 133, 198 – Innenwelt 133 f., 198 – Mitwelt 105–108, 128, 133 f., 136, 140 – Weltanschauung 137 f., 200, 220 Wert 5–7, 22, 42, 50, 52, 65, 90, 106, 111– 115, 123–125, 144, 155–159, 161 f., 183, 188, 193–199, 201–220, 222–225, 233– 254, 256–259, 263, 267–269 – geistiger Wert 217, 244–246 – Wertethik 162, 193 f., 200, 218 f., 235, 237, 242, 246, 263, 267 – Wertfühlen (siehe auch: Fühlen) 235, 240, 250 – Wertordnung (siehe auch: Rangordnung) 237, 248, 257 – Wertphilosophie (Axiologie) 7, 113–115, 123 f., 193–196, 199 f., 202 f., 206 f., 213 f., 219 f., 223 f., 233, 236, 263 Wesen 16, 20, 22 f., 40 f., 49, 51, 55, 70, 96 f., 142 f., 146, 155–157, 159 f., 162, 166, 176, 183, 188, 197, 199, 220 f., 244 f., 249, 253 Wille 20, 140, 178, 245, 250 Wissen 16, 23, 31, 35, 53, 102, 156, 159, 163, 167, 178, 188, 197, 234, 246, 251 f., 258 f., 268

Sachverzeichnis

Wissenschaft 1, 14, 25, 40, 48, 51–53, 56, 66, 78, 84, 100, 137 f., 141, 159, 167, 180 f., 268 Würde 3, 13, 35, 50, 58, 67, 78, 95, 100, 103, 129, 134 f., 140 f., 145, 147 f., 156, 159, 162–164, 176, 186, 234, 237, 244, 247, 253

Zeit

283

20, 22, 26, 38, 41 f., 46, 52, 59, 65, 94 f., 116‒118, 167, 176, 180‒182, 188, 210, 247 Zweck 40, 55 f, 156–158, 239, 249 f.