Neuordnung der Telekommunikation; Bericht der Regierungskommission Fernmeldewesen 3768534871


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Neuordnung der Telekommunikation; Bericht der Regierungskommission Fernmeldewesen
 3768534871

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Regierungskommission Fernmeldewesen

Vorsitz Eberhard Witte

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Ausgangssituation

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Neuordnung der

Telekommunikationsmärkte



Ordnungspolitische Dimensionen



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Strukturelle Konsequenzen für die Bundespost



Umsetzung der Empfehlungen

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Neuordnung der Telekommunikation

Neuordnung der Telekommunikation Bericht der Regierungskommission Fernmeldewesen

Vorsitz:

Eberhard Witte

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R.v. Decker’s Verlag, G. Schenck

Heidelberg 1987

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Neuordnung der Telekommunikation: Bericht d. Regierungskomm. Fernmeldewesen / Vorsitz Eberhard Witte. — Heidelberg: v. Decker, 1987. (R. v. Decker’s Fachbücherei: Wirtschaft — Verwaltung — Organisation)

ISBN 3-7685-3487-1

NE: Witte, Eberhard [Hrsg.]; Deutschland «Bundesrepublik» Regierungskommission Fernmeldewesen

R. v. Decker’s FACHBÜCHEREI

Wirtschaft — Verwaltung

© 1987

— Organisation

R. v. Decker’s Verlag, G. Schenck GmbH, Heidelberg

Satz: Roman Leipe GmbH, Hagenbach

Druck und Verarbeitung: Friedrich Pustet, Regensburg

ISBN 3-7685-3487-1

/

„Ich bin kein Verfechter häufiger Änderungen von Gesetz und Ordnung; Gesetze und Satzungen müssen jedoch mit dem Fortschritt menschlichen Denkens Hand in Hand gehen. Da diese Entwicklung andauert und immer deutlicher zum Ausdruck kommt, da man neue Entdeckungen macht, neue Wahrheiten findet und die Veränderung der Umstände eine Veränderung der Verhaltensweisen und Ansichten nach sich zieht, müssen auch Verwaltungen bestrebt sein, Schritt zu halten mit der Zeit.“ Thomas Jefferson (1743—1826)

Vorwort

Die Kommission legt nach zweijähriger Arbeit auftragsgemäß ihren Bericht zur Neuordnung der Teilekommunikation in der Bundesrepublik Deutschland vor. Der Bericht wurde mit 9:2 Stimmen bei einer Enthaltung beschlossen. Die Kommission hat in voller Unabhängigkeit Empfehlungen beraten.

ihre Feststellungen

und

Die Bearbeitung der gestellten Aufgabe war schwierig. Nicht nur die Komplexität des Problems und die Stabilität der gewachsenen Strukturen, sondern auch die Unterschiedlichkeit der Standpunkte erlaubten keine modellhafte Optimallösung. Die Kommission war bestrebt, Argumente und Gegenargumente nicht zu verwischen, sondern deutlich offenzulegen. Sie hat deshalb bereits in ihrer ersten Sitzung beschlossen, abweichende Vorstellungen einzelner Mitglieder auszuweisen. Dadurch wird für die Entscheidung der Bundesregierung und die öffentliche Diskussion eine umfassende Orientierungshilfe geboten. Einige Empfehlungen wurden besonders kontrovers diskutiert. Zur Frage des Netzwettbewerbs bevorzugen vier Mitglieder eine noch weitergehende Lösung, während zwei Mitglieder die betreffenden Kommissionsempfehlungen als zu weitgehend bezeichnen. Um so mehr ist hervorzuheben, daß der Bericht insgesamt mit einer großen Mehrheit verabschiedet wurde. Er beansprucht, realistisch und konsensfähig zu sein. Die Neuordnung der Telekommunikation wird nicht als einmaliger Eingriff verstanden, sondern als ein lernender, auch veränderte Situationen und Einsichten verarbeitender Prozeß. Für die Innovationen der Zukunft werden die Kräfte des Wettbewerbs freigesetzt, der Bundespost ein unternehmenspolitisches Handeln ermöglicht und eine einheitliche Infrastruktur garantiert. München, im September 1987

Eberhard Witte

vu

Inhalt

VOrWOrt

..... 2.222 neeeeeeeneesneessennesnnesererenersnernenn

0. Zusammengefaßtes Ergebnis

..........2222222sesereeenereenn

1

........2222ceeseeesneeseerseenernerne ren

9

1.1 Auftrag ....000coooneeeeneeeennnnnnnnenesresseeneeeenn 1.2 Zusammensetzung ......2cn2ceeeeeeeensneeeennereenennne 1.3 Arbeitsweise ......22ce2csseessenenseneeeseneeerseerrann

9 10 11

1. DieKommission

2. Ausgangssituation ....

2.222222 220er eenees ee neneneenenennn

13

2.1 Die gewachsene Aufgabenteilung .........c2cceceeseeenan 2.2 Bundespost .....2222222sseeeeneeeneenensreeeeneeer ne 2.3 Privatwirtschaft ........22cceeeeseeeeseeseneeereeerennn

13 14 18

3. Handlungsbedarf und Handlungsrahmen

4.

vu

.....................

21

3.1

Handlungsbedarf ...............222cecensenerseeeeeen en 3,1.1 Veränderte Aufgabenstellung des Fernmeldewesens .... 3.1.2 Veränderte Anforderungen an die Deutsche Bundespost 3.1.3 Gesamtwirtschaftliche Erfordernisse ................. 3.2 Rechtlicher Handlungsrahmen .........:.cceceeceeeeuuenn 3.2.1 Deutsches Verfassungsrecht .....2.22222cccn seen 3.2.1.1 Fernmeldemonopol ........222ecceeeeeeen 3.2.1.2 Organisation ......:22ceeeeeeeeeeneee een 3.2.1.3 Mitwirkung der Länder .........c22c22222.... 3.2.2 Europäisches Gemeinschaftsrecht ...........2....2..: 3.2.2.1 Freier Warenverkehr .........c22ccceeceen 3.2.2.2 Freier Dienstleistungsverkehr ................ 3.2.2.3 Wettbewerbsvorschriften ..........222222222..

21 22 24 28 30 30 31 36 38 40 40 41 42

Neuordnung der Telekommunikationsmärkte im Ausland ........

46

Al 4.2 4.3 4.4 4.5

47 51 55 59 63

USA ....oocunseneeeeeserseseneeeenerserserseenerneren Großbritannien ...... 222 22eoneeneeeereenneesennnneeenne Japan .....ooceeeeeeeeennenunenereeeseneeseeenennensee Planungen in anderen Ländern ..........22 scene eeenene nn Entwicklungstendenzen in der Europäischen Gemeinschaft ...

5. Ordnungspolitische Dimensionen 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5

.............2rr2ereernere:

65

Öffentliche und private Unternehmen ...............2..... Monopol und Wettbewerb ...........--2cceessesnerenenn Allgemeiner und spezieller Bedarf ...........ccr2ccercc0n Regulierungsgrad der Leistungen ...........:ccrsccencnenn Hoheits- und Unternehmensaufgaben ............:-.-.....-

65 66 68 69 70

6. Neustrukturierung der Telekommunikationsmärkte

.............

73

Netze ......2222esseeeeeeeneeneneneesnner nenne en nnnnne 6.1.1 Argumentationsebenen .........-cee2c nennen en 6.1.2 Bedingtes Netzmonopol ............:.22ecceeeeenen 6.2 Dienstleistungen .........222e2ones sensnnenennnnennne 6.2.1 Monopolleistungen ..........2222erseneeennenenene 6.2.2 Pflichtleistungen ...........:2cceeeeeeeesnerenennn 6.2.3 Freie Leistungen ..........2c2csseeeeeeeneene nenn 6.3 Endgeräte .......2ccceeseeneennesnnennennenneenenennne 6.3.1 Endgerätemarkt .........2..--22cunceeneennnnnnnnn 6.3.2 Endgerätezulassung ............2222ceneneennennenn 6.4 Ergebnis der Neuordnung .............22222sereeeennenen

73 74 81 88 89 92 94 99 100 102 104

6.1

7. Strukturelle Konsequenzen für die Bundespost 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 7.6

.................

106

Ministerium und Unternehmen ..............2cssuessceen. Post- und Fernmeldewesen ...........:22c2sseseseenenene Unternehmensorganisation ......:.-.---zo2cneeeeeeennnne Rechtsbeziehungen zum Kunden .................2crcr00. Ablieferungen, Steuerpflicht und Gewinnverwendung ....... Personalwesen ........222eeeeneesernerenssensnenen nenne

106 111 113 118 119 123

8. Umsetzung der Empfehlungen

.............-.:.+---rr0cesern:

128

8.1 Alternative Handlungskonzeptionen ..............ceecer0. 8.2 Voraussetzungen zur Realisierung der Konzeptionen ......... 8.3 Förderungskräfte der Entwicklung ..............2.20.00..

128 130 132

Sondervotum

.........:22ceeeneeeeeeenesrenen essen neennennuens

134

Anmerkungen

..........--.--2erseeesenenenesensnenneenennens

150

Anlagen

............:2cesseseeeseseenennerseeesereeenernenen

153

0.

Zusammengefaßtes Ergebnis

Durch das Zusammenwachsen der Märkte des Fernmeldewesens (Telekommunikation) und der Datenverarbeitung, verursacht durch die Entwicklung der Mikroelektronik als Basistechnologie, bieten sich erweiterte Möglichkeiten der ordnungspolitischen Gestaltung von Netzen, Dienstleistungen und Endgeräten an. Ausbau und Weiterentwicklung der vorhandenen Netze zu einem integrierten Universalnetz und darüber hinaus zu einem umfassenden Breitbandnetz sind eine bedeutsame Zukunftsaufgabe. Ihre Erfüllung verlangt erhebliche Investitionen. Über die Infrastrukturaufgaben hinaus sind neue Anstrengungen zu unternehmen, bedarfsgerechte, innovative und im Preis-Leistungs-Verhältnis angemessene Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten für Wirtschaft und private Haushalte zu schaffen. Dafür ist eine Intensivierung des Wettbewerbs auf den Telekommunikationsmärkten erforderlich. Neben dem Angebot von Universaldiensten an jedermann wird eine zusätzliche Orientierung an den spezifischen Kommunikationsbedürfnissen unterschiedlicher Teilnehmer notwendig. Um der veränderten Aufgabenstellung zu entsprechen, ist eine Neuordnung der Telekommunikationsmärkte zu erwägen, die der Deutschen Bundespost einen hinreichenden Gestaltungsspielraum gewährt und gleichzeitig den Wettbewerb mit privaten Unternehmen öffnet. Im einzelnen gelangt die Kommission zu den folgenden Feststellungen (F) und Empfehlungen (E): F

1 Die Bundespost hat eine technisch hochwertige, zuverlässige und flächendeckende Infrastruktur der Telekommunikation realisiert. Der Ausbau des bestehenden Netzes für digitale und integrierte Dienste ist eingeleitet. Nur eine verstärkte Orientierung des Dienstleistungsangebotes am Kommunikationsbedarf wird zur intensiven Nutzung der neuen Infrastruktur führen (S. 24/25).

Handlungsbedarf und Handlungsrahmen F

2 Es ist zu prüfen, inwieweit öffentliche und private Unternehmen an der Errichtung und dem Betreiben von Netzen sowie dem Anbieten von Dienstleistungen und Endgeräten mitwirken sollen und dürfen (S. 22—24).

F

3 Telekommunikation und Datenverarbeitung stellen einen Wirtschaftssektor dar, der für die zukünftige Entwicklung des Sozialprodukts, des Exports und des Arbeitsmarktes von hervorragender Bedeutung ist (S. 28/29).

F

4 Das bestehende Fernmeldemonopol ist durch einfache Gesetzgebung ($ 1 Fernmeldeanlagengesetz) geschaffen worden. Nach überwiegender Ansicht besteht ein verfassungsrechtlicher Monopolschutz nicht

F

5 Eine Privatisierung des Fernmeldewesens würde erhebliche verfassungsrechtliche Risiken auslösen (Artikel 87 Grundgesetz) (S. 36/37,

(S. 20, 31 ff.). 73).

Entwicklung im Ausland F

6 Inden USA, tionssystem privatisiert, Ebenen der

in Großbritannien und Japan wurde das Telekommunikatiefgreifend verändert: Staatliche Unternehmen wurden private Monopoleentflochten und der Wettbewerb auf den Netze, Dienstleistungen und Endgeräte geöffnet (S. 47 ff.).

F

7 Liberalisierende Maßnahmen sind in Frankreich, den Niederlanden, Belgien und in der Schweiz eingeleitet. Die europäische Gemeinschaft fordert und empfiehlt die Liberalisierung der Telekommunikation (S. 59 ff.; vgl. auch S. 40 ff.).

Ordnungspolitische Dimensionen F

F

8 Die zu beantwortenden ordnungspolitischen Fragen richten sich auf (S. 65 ff.): — die Aufgaben Öffentlicher und privater Unternehmen, —

die Gewährung eines Monopols bzw. die Sicherstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen,



die Orientierung des Angebots mehr am allgemeinen oder mehr am speziellen Bedarf,



den Grad staatlicher Regulierungseingriffe,



die Verbindung oder Trennung von Hoheits- und Unternehmensaufgaben.

9 Die Bundespost wird nicht als Ganzes, sondern lediglich mit ihrem Fernmeldebereich in die Betrachtung einbezogen. Dieser wird im folgenden als TELEKOM bezeichnet (S. 18, 73; vgl. auch Kap. 7).

Netze Die Kommission hat die Frage des Monopols oder des Wettbewerbs auf den folgenden Argumentationsebenen diskutiert:

2



Besteht ein natürliches Monopol?



Ist zur Sicherstellung einer flächendeckenden und einheitlichen Infrastruktur das Monopol der TELEKOM notwendig oder kann die Infrastrukturaufgabe auch durch konkurrierende Netze erfüllt werden?



Besteht ein Konflikt zwischen der Deckung eines allgemeinen, gleichen Bedarfs und eines differenzierten Bedarfs? Sollen gegebenenfalls Prioritäten gesetzt werden?



Istein Netzmonopol zur Erhaltung der Ertragskraft der TELEKOM im Interesse der Finanzierung langfristiger Investitionen, der Erfüllung politischer Auflagen, der Ablieferungen an den Bund und der Subventionierung des Postwesens notwendig?



IstNetzwettbewerb zum Abbau von Tarifverzerrungen, zurinnovativen und preiswerten Deckung des Bedarfs und im Interesse der Kostensenkung notwendig?



Soll der Wettbewerb zwischen der TELEKOM und privaten Unternehmen auf allen Ebenen der Telekommunikation (Netze, Dienstleistungen, Endgeräte) geöffnet werden, oder soll die Infrastrukturaufgabe der TELEKOM auferlegt, dagegen die Nutzung der Infrastruktur sowie der Bereich der Endgeräte privaten Unternehmen zugeordnet werden?



Welche der ordnungspolitischen Lösungen Prinzip der Einfachheit vorzuziehen?

ist unter

dem

organisatorischen

Nach Abwägung der vielfältigen Argumente wurde der folgende Vorschlag zur Abstimmung gestellt: Nach einer angemessenen Übergangszeit werden Lizenzen zur Errichtung eines oder mehrerer konkurrierender Netze neben den Netzen der TELEKOM zugelassen (S. 82). Der Vorschlag erhielt keine Mehrheit (Stimmenverhältnis 6:6). Die folgende Empfehlung E 1 wurde im Stimmenverhältnis von 10:2 beschlossen. Alle weiteren Empfehlungen wurden mit deutlicher Mehrheit oder sogar einstimmig beschlossen: E 1 Die TELEKOM behält das Netzmonopol, solange sie Mietleitungen (Festverbindungen) zu angemessenen und wettbewerbsfähigen Bedingungen entsprechend dem qualitativen und quantitativen Bedarf anderen überläßt. Die Bundesregierung wacht über die Entwicklung des Wettbewerbs. Die Überprüfung der Entwicklung erfolgt jeweils nach drei Jahren. Im Falle einer nicht befriedigenden Marktentwicklung läßt die Bundesregierung die Errichtung konkurrierender Netze zu (S. 82). E

2 Die bestehenden Befugnisse zur Genehmigung von privaten Fernmeldeanlagen sollten weitestgehend genutzt werden ($. 83).

E

3 Kabelverbindungen zwischen mehreren, einem Besitzer mehrheitlich gehörenden oder zu einem Betrieb gehörenden Grundstücken sind genehmigungsfrei, wenn sie ausschließlich für den der Benutzung der Grundstücke entsprechenden unentgeltlichen Verkehr bestimmt sind

(S. 83).

E

4 Derindividuelle Datenverkehr niedriger Bitraten über Satelliten (point-

E

5 Die Bundesregierung kann Infrastrukturauflagen für die TELEKOM

F10

E

to-point) unterliegt nicht dem Netzmonopol. Dasselbe gilt für die einseitig gerichtete Datenverteilung (point-to-multipoint) (S. 84). festlegen (S. 85).

Die Infrastrukturauflagen können sich auf die flächendeckende Versorgung, den Kontrahierungszwang, die Gleichbehandlung der Kunden, die Tarifeinheit im Raum und die Sicherung für den Katastrophen-, Krisen- und Verteidigungsfall beziehen (S. 85). 6 Die TELEKOM wird durch geeignete Maßnahmen, beispielsweise des Finanzausgleichs, in die Lage versetzt, Infrastrukturauflagen für das Gemeinwohl erfüllen zu können (S. 86).

E

7 Die Maßnahmen zur Sicherung der Infrastrukturauflagen dürfen nicht zu einem unfairen Wettbewerb zwischen der TELEKOM und ihren privaten Konkurrenten führen (S. 86).

E

8 Die innerbetrieblichen Verrechnungspreise für die Netznutzung durch die Dienstleistungsbereiche der TELEKOM sollen den Tarifen entsprechen, die privaten Wettbewerbern für die Netznutzung berechnet werden (S. 86).

F11 E

Öffentliche Sprechstellen Netzes (S. 87/88).

des Telefondienstes sind Bestandteile des

9 Der Betrieb öffentlich zugänglicher Sprechstellen durch Private wird

freigestellt (S. 88).

Dienstleistungen F12

Es werden die folgenden Gattungen von Dienstleistungen der Telekommunikation unterschieden: Monopolleistungen, Pflichtleistungen und freie Leistungen. Hierzu werden unterschiedliche ordnungspolitische Empfehlungen vorgelegt (S. 88).

E10

Die TELEKOM behält das Monopol am Telefondienst. Alle anderen Dienstleistungen der Telekommunikation werden im Wettbewerb angeboten (S. 9%).

F13

Unter Telefondienst wird die reine Sprachübermittlung verstanden. Die Speicherung oder Umformung der Signale (z. B. Voice Mail) sowie die Integration der Sprache mit der Text-, Bild- oder Datenkommunikation sind vom Monopol nicht betroffen (S. 90).

E11

Die Tarife für Monopolleistungen (Festverbindungen und Telefon) bedürfen der Genehmigung durch den Bundesminister für Post und Telekommunikation (BMPT) im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft. Die Tarife sollen sich grundsätzlich an den Kosten orientieren. Der BMPT prüft vor der Genehmigung die Angemessenheit der Tarife (S. 91).

E12 Die Tarifverzerrungen im Telefondienst, die vorwiegend in überhöh-

ten Ferntarifen und tendenziell in nichtkostendeckenden Nahtarifen bestehen, sind abzubauen ($. 92).

F14

Pflichtleistungen sind Dienstleistungen, die die TELEKOM erbringen muß. Diese Leistungen werden im Wettbewerb mit privaten Unternehmen angeboten, wobei für Private keine Leistungspflicht besteht (S. 93).

E13

Die Pflichtleistungen werden festgelegt (S. 93).

F15

Freie Leistungen sind unreguliert. Sie können sowohl von der TELEKOM als auch von privaten Unternehmen angeboten werden. Ein Monopol oder eine Leistungspflicht besteht nicht (S. 94).

E14

Private Unternehmen erhalten das Recht, alle Dienstleistungen der Telekommunikation mit Ausnahme des Telefondiensies zu erbringen

durch

Gesetz oder Rechtsverordnung

(S. 94).

E15

Die TELEKOM soll neben dem Telefondienst und den Pflichtleistungen freie Leistungen nach eigenem Ermessen anbieten (S. 95).

E16

Weder die Anbieter freier Leistungen noch die freien Leistungen selbst oder ihre Preise unterliegen einer Anmeldungs- oder Genehmigungspflicht (S. 95).

F16

Wegen der weitgehenden Beibehaltung des Netzmonopols können Private ihre Dienstleistungen grundsätzlich nur auf Fest- und Wählverbindungen realisieren, die von der TELEKOM zu überlassen sind (S. 95).

E17

Jeder Nachfrager soll einen Rechtsanspruch auf Überlassung Festverbindungen (Mietleitungen) erhalten (S. 95).

E18

Privaten Dienstleistungsunternehmen wird gestattet, — — —

von

Festverbindungen mit Festverbindungen, Festverbindungen mit Wählverbindungen, Wählverbindungen mit Wählverbindungen

zusammenzuschalten (S. 95).

E19

Nutzungszeitabhängige Tarife für Festverbindungen sollen im Interesse einer Aktivierung des Wettbewerbs im Netz nach und nach deutlich gesenkt werden (S. 97).

Endgeräte E20

Der Teilnehmer erhält das Recht, einen Netzabschluß installieren zu lassen, der ihm den Anschluß eines Gerätes seiner Wahl erlaubt (Stek-

kerlösung). Dies gilt auch für den analogen Telefonanschluß (S. 100). E21

Die TELEKOM soll kein Monopol für das Angebot oder die Wartung von Endgeräten besitzen. Dies gilt auch für den Telefonapparat am einfachen Hauptanschluß (S. 100).

E22

Die Preise der von der TELEKOM und von privaten Unternehmen angebotenen Endgeräte bedürfen nicht der Genehmigung (S. 100).

E23

Die TELEKOM soll am Wettbewerb auf dem Endgerätemarkt teilnehmen. Sie darf Endgeräte verkaufen, vermieten und warten (S. 101).

E24

Die TELEKOM muß berechtigt und befähigt werden, Software für Netze, Dienstleistungen und Endgeräte selbst zu entwickeln (S. 101).

E25

Die TELEKOM benötigt eine hinreichende Forschungskapazität, um an der Innovation der Netze, Dienstleistungen und Endgeräte aktiv teilnehmen zu können($. 101).

E26

Die TELEKOM soll gegenwärtig nicht die Produktion von Geräten aufnehmen (S. 102).

E27 Die Zulassungsstelle für Endgeräte der Telekommunikation wird als selbständige Behörde direkt dem Bundesminister für Post und Telekommunikation unterstellt. Auch die Geräte der TELEKOM bedürfen der Zulassung (S. 102).

E28

Die Zulassungsstelle prüft, ob das vorgestellte Gerät das Netz oder die Kommunikationspartner stört oder gefährdet (S. 102).

E29

Der Bundesminister für Post und Telekommunikation soll für ein ein-

faches Zulassungsverfahren hinsichtlich der administrativen Anforderungen, der Prüfzeit und der Kosten sorgen ($S. 104).

Strukturelle Konsequenzen für die Bundespost E30

Die Hoheitsaufgaben werden von den Unternehmensaufgaben organisatorisch getrennt (S. 107).

E31

Das Bundesministerium für Post und Telekommunikation nimmt als

E32

Der Bundesminister für Post und Telekommunikation überwacht die Erfüllung der Unternehmensaufgaben (8.107).

eigenständiges Ministerium die Hoheitsaufgaben wahr (S. 107).

E33

Der Haushalts-/Wirtschaftsplan der TELEKOM wird vom Bundesminister für Post und Telekommunikation im Benehmen mit dem Bundesminister der Finanzen genehmigt (S. 110).

E34

Das Postwesen und das Fernmeldewesen werden organisatorisch getrennt (S. 112; vgl. auch S. 36/37).

E35

Im Interesse der Entwicklung der Telekommunikation ist es notwendig, die Subventionen der TELEKOM an das Postwesen innerhalb von fünf Jahren stufenweise abzubauen. In jedem Fall sollen sie gesondert im Haushalt der TELEKOM ausgewiesen werden (S. 113).

E36

Der Fernmeldebereich der Deutschen Bundespost bleibt ein öffentliches Unternehmen und Bestandteil des Sondervermögens des Bundes

E37

Die Vorstandsmitglieder des Unternehmens einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis. zweite Leitungsebene (S. 114).

E38

Als Teilbereiche der TELEKOM werden das Netz, die Monopolleistungen, die Pflichtleistungen, die freien Leistungen und die Endgeräte in Teilwirtschaftsplänen mit getrennter Jahresrechnung geführt. Etwaige innerbetriebliche Finanzausgleiche müssen erkennbar werden (S. 116).

E39

Die Unternehmensbereiche für freie Leistungen und Endgeräte sind organisatorisch und rechnerisch so zu behandeln, daß die Übertragung von Monopolgewinnen in den Wettbewerbsbereich wirksam verhindert wird. Durch Testat einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wird jährlich festgestellt, ob dieser Forderung entsprochen worden ist

E40

Für freie Leistungen und ergänzende Geschäftsfelder können Tochtergesellschaften der TELEKOM in privater Rechtsform gegründet werden, um außerhalb der Bindungen an das öffentliche Haushaltsund Dienstrecht im Wettbewerb aktiv agieren zu können. Auch Gemeinschaftsgründungen der TELEKOM mit privaten Unternehmen

(S. 113; vgl. auch S. 36/37).

stehen zum Bund in Dasselbe gilt für die

(S.117).

sind zu erwägen (S. 118).

E41

Für die Rechtsbeziehungen zwischen der TELEKOM den soll privates Recht gelten (S. 119).

E42

Zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen ist es ratsam, die TELEKOM anstelle der Ablieferungspflicht der Mehrwertsteuerpflicht zu unterziehen. Diese Regelung soll zumindest für die im Wettbewerb befindlichen Pflichtleistungen und freien Leistungen sowie für die Endgeräte kurzfristig realisiert werden. Für die Monopolleistungen soll sie nach einer angemessenen Übergangsfrist ebenfalls eingeführt werden (S. 122).

und ihren Kun-

E43

Nach einem Übergang von der Ablieferung zur Mehrwertsteuer unterliegt die TELEKOM wie eine Kapitalgesellschaft allen anderen Steuerpflichten (S. 123).

E44

Die Regelung der Gewinnverwendung orientiert sich zweckmäßig am Aktienrecht (S. 123).

E45

Pensionsrückstellungen sollen nur für Pensionsverpflichtungen gebildet werden, die nach dem 1. 1. 1987 eingegangen wurden (S. 123).

E46

Die Stellenobergrenzenregelung, die Belohnungsverfahren, die Gewährung von Vergütungen auf besonders schwierigen Dienstposten sowie die finanziellen Bedingungen zur Nachwuchsgewinnung sind flexibler zu gestalten und leistungsbezogener anzuwenden (S. 126).

E47

Durch Personalkostenbudgetierung für Unternehmensbereiche und dezentrale Organisationseinheiten wird der TELEKOM größere Flexibilität des Personaleinsatzes eingeräumt (S. 127).

1.

Die Kommission

1.1

Auftrag

In der Konzeption der Bundesregierung zur Förderung der Entwicklung der Mikroelektronik, der Informations- und Kommunikationstechniken vom 14. März 1984 wurde die Einsetzung einer Kommission mit Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik angekündigt'. Die Bundesregierung hat die Kommission am 13. März 1985 eingesetzt. Für die Beratungen der Kommission wurde ein Zeitraum von etwa zwei Jahren vorgesehen, Die konstituierende Sitzung fand am 22. April 1985 statt. Der Auftrag hatte den folgenden Wortlaut: „Die Regierungskommission Fernmeldewesen soll einen Bericht über Aufgabenstellung und Möglichkeiten zur Verbesserung der Aufgabenerledigung im Bereich des Fernmeldewesens vorlegen. Dem Bericht ist die ‚Konzeption der Bundesregierung zur Förderung der Entwicklung der Mikroelektronik, der Informations- und Kommunikationstechniken‘ zugrunde zu legen. Ziel des Auftrags ist die bestmögliche Förderung technischer Innovation, die Entwicklung und Wahrung internationaler Kommunikationsstandards sowie die Sicherung des Wettbewerbs auf dem Markt der Telekommunikation. Die Untersuchung soll sich im wesentlichen auf folgende Punkte erstrecken: —

Gegenwärtige und zukünftige Aufgabenstellung im Bereich des Fernmeldewesens unter nationalen und internationalen Aspekten;



Umfang, Grenzen und des Fernmeldewesens;



organisatorische, wirtschaftliche und rechtliche Voraussetzungen für eine anforderungsgerechte und rationelle Erledigung der staatlichen Aufgaben durch die Deutsche Bundespost;



Struktur staatlicher Aufgaben

im Bereich

staatliche Rahmensetzung für die Erfüllung von privatwirtschaftlichen Aufgaben. Bei der Untersuchung soll von der in Art. 73 und 87 GG vorgegebenen Zuständigkeit des Bundes für das Post- und Fernmeldewesen sowie den im PostVerwG festgelegten Grundlinien der Verfassung der DBP ausgegangen werden. Es wird erwartet, daß die Kommission die Meinungen aller für diese Fragestellung relevanten gesellschaftlichen Gruppen ermittelt und in ihre Überlegungen einbezieht.“

1.2

Zusammensetzung

Die Kommission hat aus zwölf Mitgliedern bestanden: fünf Vertretern der Wirtschaft, der Wirtschaftsverbände und der Gewerkschaften, drei Vertretern der Wissenschaften und vier Vertretern aus den politischen Parteien. In der konstituierenden Sitzung wurden der von der Bundesregierung benannte Vorsitzende und die aus dem Kreis der Kommissionsmitglieder vorgeschlagenen Stellvertreter einstimmig gewählt: Vorsitzender:

Prof. Dr. Dres. h.c. Eberhard Witte Institut für Organisation, Universität München Stellvertretende Vorsitzende: Albert Stegmüller Stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Postgewerkschaft Dr. jur. Edmund Stoiber MdL (Christlich Soziale Staatskanzlei

Union),

Staatsminister,

Leiter

der Bayerischen

Dr. jur. Jürgen Terrahe Vorstandsmitglied der Commerzbank AG Mitglieder: Dieter Fertsch-Röver Vorsitzender des Bundesfachausschusses

der Freien Demokratischen Partei

für Wirtschaft

und

Verbraucher

Dr. phil. Peter Glotz Bundesgeschäftsführer der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands Hansheinz Hauser Stellvertretender Vorsitzender Bundestages

der

CDU/CSU-Fraktion

des

Deutschen

Prof. Dr. jur. Wernhard Möschel Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht, Juristische Fakultät der Universität Tübingen Dipl.-Volksw. Dr. h. c. Tyll! Necker Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie Prof. Dr.-Ing. Ingolf Ruge Lehrstuhl für Integrierte Schaltungen, Technische Universität München; Fraunhofer Institut für Festkörpertechnologie, München 10

Horst Schwabe 1. Vorsitzender des Verbandes von Aufbaufirmen für Fernmeldeanlagen Dr. rer. pol. Gerd Wigand Vorstandsvorsitzender des Fachverbandes Informations- und Kommunikationstechnik im Zentralverband der Elektrotechnischen Industrie (ZVED); Präsident des Dachverbandes der europäischen Kommunikations- und Elektronikindustrie (ECTEL)

1.3

Arbeitsweise

Die Kommission hat ihre Beratungen an 28 Sitzungstagen im Inland und an 15 Sitzungstagen im Ausland durchgeführt. Darin sind fünf mehrtägige Klausurtagungen enthalten. Hinzu traten 12 Sitzungen von Arbeitskreisen, um Teilaspekte des Auftrags zu bearbeiten und die vergebenen Studien zu diskutieren. Der ständige Kontakt zur Bundespost, zu anderen Bundesministerien, zu den Ländern, zu inländischen und ausländischen Sachverständigen, wissenschaftlichen Institutionen, Verbänden und Unternehmen wur-

de vom Vorsitzenden und teilweise den Kommissionsmitgliedern in Einzelund Gruppengesprächen wahrgenommen. Im Sitzungsverlauf wurde unterschieden zwischen —

Verhandlungsteil, an dem auch geladene Sachverständige und Vertreter von Bundesministerien (interministerieller Ausschuß) teilnahmen;



Beratungsteil, an dem nur die Mitglieder der Kommission teilnahmen.

Die Kommission hat die für die Fragestellung relevanten gesellschaftlichen Gruppen mündlich oder schriftlich angehört. Die Sachverständigen, die die Kommission zu ihren Sitzungen hinzugezogen hat, sind aus Anlage 1 ersichtlich. Als Sachverständiger des Post- und Fernmeldewesens hat Staatssekretär Dr. Florian regelmäßig an den Kommissionssitzungen teilgenommen. Für die Einbeziehung der Kundenwünsche wurden schriftliche Stellungnahmen von 41 Verbänden und anderen Institutionen, die in Anlage 2 ausgewiesen sind, verarbeitet. Zusätzlich wurde ein mündliches Hearing veranstaltet. Um auch die Entwicklung in anderen Industrieländern einbeziehen und in den Empfehlungen berücksichtigen zu können, hat die Kommission Informationsreisen nach USA, Japan und Großbritannien durchgeführt. Die aufgesuchten Institutionen und Personen, mit den diskutiert und verhandelt wurde, sind in Anlage 3 nachgewiesen. Weiterhin wurden Repräsentanten aus Frankreich, den Niederlanden und Schweden sowie Vertreter der Europäischen Gemeinschaft (EG) angehört (siehe Anlagen 1 und 3).

11

Zur weiteren Fundierung der Feststellungen und Empfehlungen hat die Kommission zwei Studien zum Thema „Leistungsstand, Tarife und Innovationsförderung im Fernmeldewesen“ an die McKinsey & Company, Inc., und an die Scientific Control Systems GmbH (SCS) vergeben. Außerdem erhielt die Kommission Ausarbeitungen des Wissenschaftlichen Instituts für Kommunikationsdienste der Deutschen Bundespost (WIK) zu den in Anlage 4 ausgewiesenen Themen. Die Mitglieder des interministeriellen Ausschusses nahmen am Verhandlungsteil der Sitzungen teil und wurden über die Beratungsergebnisse durch den Vorsitzenden unterrichtet. Sie wurden außerdem um Informationen, Stellungnahmen und Ausarbeitungen gebeten. Die Zusammensetzung des interministeriellen Ausschusses ist aus Anlage 5 ersichtlich. Die organisatorische Abwicklung des Kommissionsauftrags lag in den Händen einer Geschäftsstelle, deren Mitarbeiter in Anlage 6 aufgeführt sind. Der vorliegende Kommissionsbericht ist von Prof. Eberhard Witte unter Mitwirkung von Dipl.-Ing. Karlheinz Solda und Dipl.-Kfm. Hans-Peter Taubitz verfaßt worden. Den Abschnitt 3.2 zum rechtlichen Handlungsrahmen hat Prof. Wernhard Möschel verfaßt.

12

2.

Ausgangssituation

Um erkennen zu können, an welchem Istzustand die Überlegungen der Kommission ansetzen, ist die gegenwärtige Situation des Fernmeldewesens in der Bundesrepublik Deutschland darzustellen. Dabei kann sich die Betrachtung nicht auf die Deutsche Bundespost beschränken, sondern hat auch die Beteiligung der privaten Wirtschaft als Zulieferer, Abnehmer und Konkurrent der Bundespost einzubeziehen.

2.1

Die gewachsene Aufgabenteilung

Das Fernmeldewesen wurde in Deutschland — wie in fast allen europäischen Ländern — als eine öffentliche Aufgabe verstanden, die vom Staat durch Gesetze und Verordnungen weitgehend reglementiert und hinsichtlich des Infrastrukturbeitrages selbst wahrgenommen wurde. Mit der Gründung des Deutschen Reiches 1871 wurden die Postanstalten der einzelnen Reichsländer zu einer Reichspost vereinigt und auch das Fernmeldewesen einbezogen. Es entstand die Tradition einer klassischen PTT, in der Post und Fernmeldewesen als einheitliche Staatsverwaltung (Staatsunternehmen) zusammengefaßt sind. Diese Organisationsform wurde der Problemlage des ausgehenden 19. Jahrhunderts gerecht, da es zunächst galt, eine Infrastruktur für die Telegrafie und den Telefondienst aufzubauen. Wegen des Fehlens einer Dienstevielfalt wurde Wettbewerb weder für nötig noch für möglich gehalten. Die PTT-Organisation ist auch beim Übergang der Fernmeldeaufgaben von der Reichspost zur Bundespost beibehalten worden. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland enthält neben Art. 10 GG (Post- und Fernmeldegeheimnis) zwei Artikel, die dem Staat weitgehende Kompetenzen auf dem Gebiet des Fernmeldewesens zuweisen. Art. 73: Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über...das Post- und Fernmeldewesen... Art. 87: In bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau werden geführt...die Bundespost... Art. 73 ist für die Kommission insoweit eine wichtige Ausgangslage, als die gesetzgeberische Kompetenz benannt wird, die bei Realisierung der Kommissionsempfehlungen durch den Bund und nicht durch die Länder wahrzuneh-

13

men ist. Darüber hinausgehende verfassungsrechtliche Festlegungen sind damit noch nicht erfolgt. Art. 73 bezieht sich auch auf andere sehr unterschiedliche Bereiche wie z. B. die Bundeseisenbahnen und den Luftverkehr. Dagegen stellt Art. 87 eine bedeutende Einengung für die Empfehlungen der Kommission dar. Zwar sind auch hier neben der Bundespost die Bundeseisenbahnen genannt, die wesentlich freizügiger als die Bundespost organisiert sind. Aber es bleibt doch die Forderung bestehen, daß es sich um eine bundeseigene Verwaltung handeln muß, so daß einer Privatisierung verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt sind, die nur durch eine parlamentarische Zweidrittelmehrheit verändert werden können. Die juristische Analyse hierzu findet sich in Abschnitt 3.2 dieses Berichtes. Auf der anderen Seite war vom Beginn des Fernmeldewesens im 19. Jahrhundert an unstrittig, daß die Produktion der technischen Anlagen, und zwar sowohl der Übertragungs- und Vermittlungsanlagen als auch der Endgeräte, ausschließlich von privaten Unternehmen erfolgt. Auch die Forschung und Entwicklung in diesen technischen Bereichen liegt fast vollständig in den Händen der Privatwirtschaft. Die Bundespost besitzt ein Forschungsinstitut, das aus nur 150 Wissenschaftlern sowie 200 weiteren Mitarbeitern besteht und über ein Jahresbudget von lediglich 50 Mio. DM verfügt. Seine primäre Aufgabe liegt in der Beratung der Bundespost in Fragen der technischen Entwicklung im Fernmeldewesen. Im Mittelpunkt der Aufgaben stehen die Gewinnung und Verwertung neuer Erkenntnisse für die Weiterentwicklung des Dienstleistungsangebots. 2.2

Bundespost

Nach $ 1 des Postverwaltungsgesetzes von 1953, das die Tradition des Reichspostfinanzgesetzes von 1924 fortführt, wird die Bundespost von dem Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen geleitet. Dieser ist Mitglied des Bundeskabinetts. Damit steht an der Spitze der Bundespost nicht ein Leitungskollegium (Vorstand, Geschäftsführung), sondern eine einzelne, politisch legitimierte Person. Dem Minister unmittelbar unterstellt sind ein beamteter Staatssekretär und ein parlamentarischer Staatssekretär, der die Verbindung zum Bundestag pflegt. Eine fachliche Aufteilung nach Ressorts erfolgt erst auf der dritten Rangebene (9 Abteilungen). Die Organisation des Ministeriums ist in Abbildung 1 ausgewiesen. Unterhalb des Ministeriums bestehen u. a. 18 regionale Direktionen und auf örtlicher Ebene 328 Postämter und 108 Fernmeldeämter (Abbildung 2). Die Trennung zwischen Postwesen und Fernmeldewesen erfolgt also erst im operativen Bereich. 14

Organisation, Personal,

Wirtschaftsführung Postdienste

Postdienste, Betriebstechnik Internat. Postangelegenheiten und -dienste, Präs. des Vollzugsrates d. Weltpostvereins Postbank und Postgelddienste, Postrentendienst, IV Postwesen

1 nn! Postbankdienste

Organısation, Personal, Wırtschaftsfuhrung, IV Fernmeldewesen

Fernmeldedienste

Rundfunk, Forschung, Breitbandverteildienste

Fernmeldenetze, Satellıten Mobilfunk, Internationale

Fernmeldeangelegenheiten

Fernsprechdienst/-netz,

Verwaltungsrat

ISDN, Hochbau

Fernmeldedienste

Hauptper-

Benutzungsverordnungen, Fernmelderecht,

sonalrat

Fernmelderechnungsdienst

Parlamentarischer Staatssekretär

Text-, Fax- und Datendienst/-netz

Bund

Personal der Deutschen Bundespost

ster für das

Post-und

Fer

wesen

Endeinrichtungen, Vertrieb

Id

Staats-

[| sckretär

Personalwesen

Tarifangelegenheiten, Personalausgaben Personalwirtschaft Berufliche Bildung, Sozıalangelegenheiten

Finanzwesen

Haushalt, Geld- und Kreditwirtschaft Industriepolitik, Kassenwesen,

|

Betriebswirtschaft, Einkauf, Steuern

Zentr. Organisation, Bauwesen, Liegenschaften

Bauwesen, Liegenschaften Zentrale Organisatıon

Öffentlichkeit, Markt

Erfolgskontrolle, Revision

Zentralabteilung

Zentrale Planung Rechtsangelegenheiten, Verwaltung

Abb. 1.: Organisation des Bundesministeriums für das Post- und Fernmeldewesen

15

Zentralbehörden

Ortsbehörden

Mittelbehörden

Postämter

Posttechnisches Zentralamt

328

1 Fernmeldetechnisches Zentralamt

Fernmeldeämter

108

1 ____Verwaltungsrat

Postgiroämter

Sozialamt der

Deutschen Bundespost

13

1 Bundesministerium

für das Post- und Fernmeldewesen

Dostsparkassen-

Zentralstelle für

mier

ntwicklungen

2

1 Zentralamt für Zulassungen im Fernmeldewesen

Oberpostdirektionen und Landespostdirektion Berlin

Fernmeldezeugämter

1

15

18

Abb. 2: Organisationsplan der Deutschen Bundespost

Die Bundespost wird in einer Rechtsform eigener Art geführt. Das Postund Fernmeldewesen wird als Sondervermögen des Bundes mit eigener Haushalts- und Rechnungsführung von dem übrigen Vermögen des Bundes getrennt gehalten. Obgleich die Bundespost nicht über eine eigene Rechtspersönlichkeit verfügt, darf sie unter ihrem Namen selbständig handeln, klagen und verklagt werden. Sie ist auch berechtigt, im eigenen Namen Kredit aufzunehmen und Anleihen auf dem Kapitalmarkt zu begeben. Die Bundespost hat jährlich Ablieferungen an den Bund in Höhe von 10 % der Betriebseinnahmen zu leisten. Zusätzlich unterliegt sie im Bereich der Nebenstellenanlagen der Mehrwertsteuerpflicht. Die Deutsche Bundespost beschäftigt etwa 550000 Personen, die zu rund 330000 auf das Postwesen und zu rund 220000 auf das Fernmeldewesen entfallen?. Die Bediensteten der Bundespost sind Beamte, Angestellte und

16

Arbeiter des Bundes. Es gilt uneingeschränkt das öffentliche Dienstrecht. Die Beamten der Bundespost verfügen — wie alle Beamten — nicht über das Streikrecht. Als gewerkschaftliche Vertretungen der im Post- und Fernmeldewesen tätigen Bediensteten fungieren die folgenden Organisationen: Deutsche Postgewerkschaft Deutscher Postverband Christlich-demokratische Postgewerkschaft An der Leitung der Bundespost wirkt ein Verwaltungsrat mit. Er besteht aus 24 Mitgliedern (je 5 Vertretern des Bundestages, des Bundesrates und der Gesamtwirtschaft, 7 Vertretern des Postpersonals sowie je einem Sachverständigen des Nachrichten- und Finanzwesens). Der Verwaltungsrat hat gemäß $ 12 Postverwaltungsgesetz bestimmte Entscheidungs- und Beratungsrechte. Jedoch kann die Bundesregierung auf Antrag des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen Beschlüsse des Verwaltungsrats aufheben. Die Rechtsverordnungen über Gebühren der Post- und Fernmeldedienste bedürfen der Zustimmung durch den Bundesminister für Wirtschaft. Der Haushaltsplan ist im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen zu erstellen. Der Jahresabschluß und die Jahresrechnung unterliegen der Prüfung durch den Bundesrechnungshof. Die Bundespost hat im Jahre 1986 einen Gesamtumsatz von 49,6 Mrd. DM erwirtschaftet. Er setzt sich wie folgt zusammen’: Postdienste Postbankdienste Fernmeldedienste

13,3 Mrd. DM ( 86 %) 1,8 Mrd. DM (100 %) 34,5 Mrd. DM (111 %)

Der Kostendeckungsgrad ist in Klammern vermerkt. Innerhalb des Fernmeldewesens gliedern sich die Umsätze (1986) wie folgt: Telefon Telex Teletex Telegramm Hörfunk- und Fernsehübertragung einschl. Kabelfernsehen Datenwählleitungen DatexL DatexP Datenfestverbindungen (HfD)

30887 984 76 148

Mio. Mio. Mio. Mio.

DM DM DM DM

853 Mio. DM 120 Mio. DM 148 Mio. DM 783 Mio. DM 17

Telegrafenstromwege und Internationale Mietleitungen Bildschirmtext (Btx) Sonstige Fernmeldedienste

190 Mio. DM 14 Mio. DM 300 Mio. DM

Das Gesamtvermögen der Bundespost beläuft sich (1986) auf 148 Mrd. DM. Davon entfallen auf die Sachanlagen rund 100 Mrd. DM. Das Anlagevermögen des Fernmeldewesens beträgt ca. 90 Mrd. DM. Das Postwesen und das Fernmeldewesen sind unterschiedlich in ihrer wirtschaftlichen Struktur. Während das Postwesen mit ca. 60 %Y0 des Personals weniger als ein Drittel der Umsätze erwirtschaftet, erbringt das Fernmeldewesen mit 40 % des Personals zwei Drittel der Umsätze, deckt den Verlust des Postwesens (1986 ca. 2,2 Mrd. DM) ab und erwirtschaftet darüber hinaus einen jährlichen Gewinn (1986 3,3 Mrd. DM). Da sich der Auftrag an die Kommission ausdrücklich auf das Fernmeldewesen beschränkt, bleibt das Postwesen in der weiteren Erörterung ausgeklammert. Es wird nur dann einbezogen, wenn sich Konsequenzen für das Fernmeldewesen ergeben.

2.3

Privatwirtschaft

Angesichts der Tatsache, daß das Fernmeldewesen seit seinen Ursprüngen einer starken Einwirkung durch den Staat unterworfen wurde, ist es ande-

rerseits wichtig festzustellen, daß die Privatwirtschaft seit jeher am Gesamtsystem des Fernmeldewesens einen erheblichen Anteil hat und auch einen beachtlichen Teil der Verantwortung trägt. Da die Bundespost nicht über eine eigene Produktion von Geräten verfügt und auch keine Forschungskapazität zur Entwicklung neuer Techniken besitzt, ist eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit der Elektroindustrie entstanden. Zwar hat sich die früher bestehende Bindung an einen engeren Kreis von Zulieferern inzwischen aufgelöst und einem marktwirtschaftlichen Angebots-NachfrageVerhältnis Raum gegeben. Aber immer noch bleibt der Tatbestand erhalten, daß die Zulieferer der Bundespost vor jedem Innovationsschritt erhebliche Investitionen in Forschung, Entwicklung und Produktionsanlagen vornehmen müssen und daher ein vitales Interesse an den Planungen der Bundespost haben. Zwangsläufig führt dies zu einer engen vorausschauenden Zusammenarbeit zwischen Bundespost und Fernmeldeindustrie. Während sich der Produktionssektor vollständig in der Hand der Privatwirtschaft befindet und auch Forschung und Entwicklung nahezu ausschließlich von privaten Unternehmen getragen werden, hat sich im Angebot von Endgeräten und Dienstleistungen sowie im Betreiben von Netzen eine unterschiedliche Aufgabenteilung entwickelt.

18

Die Marktanteile der Bundespost und der Privaten an den Endgeräten sind in Tabelle 1 ausgewiesen. Es wird deutlich, daß die Bundespost einen hundertprozentigen Marktanteil lediglich am einfachen Telefonhauptanschluß besitzt. Bei den Nebenstellenanlagen liegt der Anteil bei 15 % und bezieht sich im übrigen vorwiegend auf kleinere Anlagen, während große Nebenstellensysteme durchweg von Privatunternehmen bereitgestellt werden. Auch bei Telefaxgeräten ist der Marktanteil der Bundespost gering, bei den übrigen Geräten sogar null. Tab. I: Marktanteile auf dem Endgerätemarkt (Quelle: DBP) Endgeräteart

Angebostsart

Telefonhauptanschlüsse Nebenstellenanlagen

posteigen

Bestand

Marktanteil %

26725967

100

ei ehmersigen

414081

15

privat

706587*

85

Funktelefon

privat

53510

100

Europ. Funkrufanschluß

privat

130890

100

3285

8

Telefaxgeräte

posteigen privat

40514

92

Telexhauptanschlüsse

privat

167295

100

Telex-Nebenstellenanlagen

privat

650

100

privat

16128

100

Teletexhauptanschlüsse

*1985

Stand 12. 86

Für die Dienstleistungen des Fernmeldewesens ist die Frage schwer zu beantworten, wie hoch die „Marktanteile“ der Bundespost und privater Unternehmen sind. Denn die öffentlich deklarierten „Dienste“, die von jedermann

in Anspruch

genommen

werden können,

werden ausschließlich von

der Bundespost angeboten. Auf der anderen Seite ist es Privatunternehmen (auch Gemeinden) freigestellt, von der Bundespost Festverbindungen (Stromwege) zu mieten und auf diesen privat betriebenen Netzen für den Eigenbedarf (und in begrenztem Umfang auch für Dritte) Dienstleistungen zu erbringen. Das wirtschaftliche Volumen dieses privaten Sektors ist schwer abzuschätzen. Es handelt sich auch nicht eigentlich um einen Marktanteil, denn die Dienste der Bundespost und die Nutzung der Festverbindungen durch Private stehen nicht im Wettbewerb zueinander. Immerhin ist festzustellen, daß die privaten Anwender eine große Anzahl von Dienstleistungen entwickelt haben, die international als VANS = Value Added Network Services im Sinne kombinierter Fernmelde- und Datendienstleistun-

gen bezeichnet werden“.

19

Für die Fernmeldenetze besteht ein Monopol der Bundespost. $ 1 des Fernmeldeanlagengesetzes (FAG) von 1928 bestimmt: (1) Das Recht, Fernmeldeanlagen, nämlich Telegrafenanlagen für die Vermittlung von Nachrichten, Fernsprechanlagen und Funkanlagen zu errichten und zu betreiben, steht ausschließlich dem Bund zu. Allerdings kann der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen die Befugnis zur Errichtung und zum Betrieb einzelner Fernmeldeanlagen verleihen ($ 2 FAG). Außerdem können nach $ 3 FAG Behörden, Transportanstalten und Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne Verleihung Fernmeldeanlagen errichten und betreiben. Auf dieser gesetzlichen Basis haben staatliche Institutionen und öffentliche Unternehmen wie die Bundesbahn, die Schiffahrtsdirektionen und die Straßenverwaltungen, sowie private Unternehmen der Elektrizitäts-, Ferngas- und Mineralölversorgung bundesweite Fernmeldenetze errichtet und betreiben sie in eigener Verantwortung. Allerdings geschieht dies nur zur Deckung des eigenen Kommunikationsbedarfs. Die Netze dürfen nicht zur Nutzung durch Dritte verwendet werden. Damit besteht ein Wettbewerbsverhältnis zwischen Bundespost und privaten Netzbetreibern nicht. Die privaten Netze folgen den Standards des öffentlichen Netzes. Die Deutsche Bundespost hat die Entscheidung getroffen, das Fernmeldenetz zu digitalisieren und zu einem diensteintegrierten Netz (ISDN) auszubauen’. Der weitere Ausbau zu einem integrierten Breitbandnetz ist für die neunziger Jahre vorgesehen. Die Kommission geht von dieser Ausgangslage aus und betrachtet die zukünftige Entwicklung der Dienstleistungen und Geräte auf der Grundlage von ISDN,

20

3.

Handlungsbedarf und Handlungsrahmen

3.1

Handlungsbedarf

Die Frage des Handlungsbedarfs ist bereits grundsätzlich im Auftrag der Bundesregierung an die Kommission angeschnitten. Die Untersuchung soll sich auf —

die Aufgabenstellung im Bereich des Fernmeldewesens sowie



die Möglichkeiten zur Verbesserung der Aufgabenerledigung

erstrecken. Daraus leitet sich die umfassende Frage ab, ob und in welchem Umfang es einer Neuformulierung der Ziele, der Betätigungsfelder und der einzusetzenden Instrumente zur Zielerfüllung bedarf. Dabei erstreckt sich die Spannweite des Auftrags sowohl auf die gegenwärtige und die zukünftige Aufgabenstellung als auch auf die nationalen und internationalen Aspekte des Fernmeldewesens. Der Auftrag präzisiert zusätzlich, in welcher Hinsicht eine Verbesserung anzustreben ist. Es werden genannt: —

die bestmögliche Förderung technischer Innovation,



die Entwicklung dards,



die Sicherung des Wettbewerbs tion.

und Wahrung

internationaler Kommunikationsstanauf dem

Markt

der Telekommunika-

Die Betrachtung ist nicht auf die Bundespost eingeengt. Vielmehr wird prinzipiell die Frage nach dem Umfang, den Grenzen und der Struktur einer staatlichen Betätigung im Bereich des Fernmeldewesens gestellt, dabei die besondere Rolle der Deutschen Bundespost als organisatorisches, wirtschaftliches und rechtliches Untersuchungsfeld genannt und die Mitwirkung von Privaten innerhalb eines gesetzten Rahmens vorgesehen. Insgesamt ist aus den genannten Zielen zu schließen, daß eine dem jeweiligen Stand der Technik entsprechende bedarfsgerechte, innovative, zuverlässige und im Preis-Leistungs-Verhältnis angemessene Kommunikations- und Informationsmöglichkeit für die Wirtschaft, die Verwaltung und die privaten Haushalte zu schaffen ist. Unter diesen Aspekten ist die Existenz eines Handlungsbedarfs zu prüfen und zu begründen.

21

3.1.1

Veränderte Aufgabenstellung des Fernmeldewesens

Das Fernmeldewesen, das im internationalen Sprachgebrauch Telekommunikation genannt wird, beschränkte sich in der Vergangenheit auf die Errichtung und den Betrieb von Netzen sowie die Vermittlung und Übertragung von Nachrichten in diesen Netzen. Dies gilt sowohl für die individuell vermittelte Kommunikation (z. B. Fernsprechen, Fernschreiben, Datex) als auch für die Verteilkommunikation (Übertragung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen). In allen Fällen beschränkte sich die Telekommunikation auf den Vorgang der Übermittlung (Übertragung und Vermittlung) von Kommunikationsinhalten, die weder gespeichert, noch umgeformt, selektiert oder verarbeitet wurden. In den letzten Jahren sind ergänzend zu den vorhandenen Telekommunikationsdiensten neue Anforderungen des Marktes in Richtung erweiterter Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten entstanden. Dazu gehört neben der reinen Nachrichtenübermittlung das Einbeziehen von Funktionen der Nachrichtenspeicherung, des Informationsabrufs aus Sprach-, Text-, Daten- und Bildbanken sowie der Informationsverarbeitung (Value Added Services). Die Telekommunikation wächst mit der Datenverarbeitung zusammen. Mit Unterstützung der Mikroelektronik als Basistechnologie entstehen neue Möglichkeiten zur Ausgestaltung von Netzen, Dienstleistungen und Endgeräten. In vielen Fällen kann nicht mehr unterschieden werden, ob es sich um ein Gerät der Telekommunikation, der Datenverarbeitung oder der Bürotechnik handelt. Bereits heute deutet sich die weitere Entwicklung dahingehend an, daß nicht nur die Geräte der Büroarbeit, sondern auch die Produktionsanlagen (computerunterstützte Fertigung), die Geräte der Forschung und Entwicklung (computerunterstützter Entwurf), die Kraft- und Luftfahrzeuge, die pädagogischen Hilfsmittel und schließlich die Geräte des privaten Haushalts an Netze der Telekommunikation angeschlossen werden, um ferngesteuert zu werden bzw. selbst eine Fernsteuerung zu bewirken. Ein ferngesteuerter Produktionsautomat, eine Forschungsanlage zum computerunterstützten Entwurf, ein pädagogisches Hilfsmittel mit Fernzugriff zu Da; tenbanken oder ein privater Personal Computer können nicht lediglich als Endgeräte des Fernmeldewesens verstanden werden, sondern sind Bestand. teile eines umfassenden Informations- und Kommunikationssystems. Die Nutzung dieser neuen Techniken ist heute bereits in großen Organisationen und speziellen Anwendergruppen mit Unterstützung innerbetrieblicher Netze und eigenen Datenverarbeitungsanlagen realisiert. Für mittlere und kleine Betriebe sowie für private Teilnehmer hat sie erst begonnen und stellt eine bedeutende Zukunftsaufgabe dar. Die Tendenz zur dezentralen Inanspruchnahme von leistungsfähigen Kommunikations- und Informations(verarbeitungs)leistungen wird sich — nicht zuletzt durch den Einsatz

22

multifunktionaler Arbeitsplatzstationen und kommunikationsfähiger Personal Computer — künftig noch verstärken. Es entstehen neue Anforderungen an Netze und Dienstleistungen. Entscheidende Voraussetzung für die Erfüllung dieser Anforderungen ist die zügige und flächendeckende Realisierung einer innovativen Telekommunikationsinfrastruktur, die von der Kommission als Zukunftsaufgabe von erstrangiger Bedeutung verstanden wird. Die Infrastrukturaufgabe im Fernmeldewesen erlangt angesichts der starken innovations-, wettbewerbsund wachstumsfördernden Effekte dieser Modernisierungsaufgabe und angesichts der Größe der hierfür zu mobilisierenden Investitionsbeträge eine neue Qualität. Die Kommission sieht deshalb ein zentrales Element des Handlungsbedarfs darin, die Bedingungen für die Realisierung eines zukunftssicheren Ausbaus der Netze und Dienste des Fernmeldewesens sicherzustellen. Der Handlungsbedarf bezieht sich weiter auf die Frage, welche staatlichen und privaten Institutionen an der Hervorbringung innovativer Dienstleistungen und dem Angebot integrierter Informations- und Kommunikationsgeräte mitwirken sollen und dürfen. Da bisher die Telekommunikation und die Datenverarbeitung nicht nur technisch, sondern auch organisatorisch getrennt waren, ist zu prüfen, ob die integrierten Dienstleistungen von der Bundespost oder von privaten Unternehmen oder im Wettbewerb miteinander entwickelt und angeboten werden sollen. Solange die Frage offen bleibt, ob die Bundespost in den Bereich der verbundenen Telekommunikations- und Datendienste vordringen darf, und ob private Unternehmen auf die Zustimmung der Bundespost angewiesen sind, wenn sie solche Dienstleistungen für Dritte erbringen wollen, wird der Innovationsimpuls behindert oder verzögert. Der Handlungsbedarf tritt am deutlichsten zutage, falls die Bundespost selbst auf die Hervorbringung von Value Added Services (über Bildschirmtext, Temex und Mailbox hinaus) verzichten und andererseits durch benutzungsrechtliche Restriktionen private Unternehmen behindern sollte, derartige Dienstleistungen auf dem offenen Markt anzubieten. Selbst wenn die Bundespost eine verständnisvolle Haltung der Duldung praktiziert und privaten Unternehmen auf deren Antrag die Entwicklung von Value Added Services für den eigenen Gebrauch gestattet, aber ein aktives Marketing weder selbst praktiziert noch anderen überläßt, dann wäre der Innovationsgrad geringer, als er sein könnte, Der Handlungsbedarf zur Neustrukturierung einer derart weitgefaßten Telekommunikation ist offenkundig. Im Netzbereich stellt sich die besondere Frage, wer künftig Netze errichten und betreiben darf, welche Rolle überlassene Festverbindungen (Mietleitungen) spielen und in welchem organisatorischen und rechtlichen Verhältnis öffentliche und private Vermittlungsanlagen stehen. Zusätzliche Probleme ergeben sich aus der Tatsache, daß unter einem „Netz“ heute nicht aus-

23

schließlich kabelgebundene Übertragungswege (einschließlich Glasfaserkabel), sondern auch Richtfunkstrecken, Mobilfunk- und Satellitenverbindungen zu verstehen sind. 3.1.2

Veränderte Anforderungen an die Deutsche Bundespost

Die Aufgaben der Deutschen Bundespost sind im Postverwaltungsgesetz als Rechte und Pflichten einer öffentlichen Verwaltung formuliert. Im Vordergrund steht die Verpflichtung, den „Grundsätzen der Politik der Bundesrepublik Deutschland“ zu dienen. Zwar ist an zweiter Stelle genannt, daß den „Interessen der deutschen Volkswirtschaft“ Rechnung zu tragen ist. Jedoch wird diese Aufgabe unmittelbar mit der Infrastrukturverantwortung in Beziehung gesetzt, wenn als Drittes verlangt wird, die Anlagen der Deutschen Bundespost in gutem Zustand zu erhalten, weiterzuentwikkeln und zu vervollkommnen. In der vorgegebenen Aufgabenstellung fehlen also Formulierungen, die sich auf den Bedarf der Kunden nach Kommunikation, auf die preiswürdige Befriedigung des Bedarfs und die Pflicht zu rationellen Leistungsprozessen beziehen. Lediglich die Erwähnung, daß den „Anforderung des Verkehrs entsprechend“ zu handeln ist und die Verpflichtung, die „notwendigen Ausgaben aus ihren Einnahmen“ zu bestreiten (Eigenwirtschaftlichkeit), weisen auf die Pflichten der Bundespost als öffentliches Unternehmen hin. Durch die Betonung der „Anlagen“ werden die Dienstleistungen in den | Hintergrund gerückt. Die Teilnehmer sind „Benutzer“ der Infrastruktur und erfüllen ihre Kommunikationsbedürfnisse ohne weiteres Zutun der Bundespost nach dem Aufbau der Punkt-zu-Punkt-Verbindung. Damit reicht nach der gesetzlichen Regelung und dem traditionellen Selbstverständnis der Bundespost die Infrastruktur aus, um die Kommunikationsdienste zu verwirklichen. Die Vorhaltung der Kommunikationsmöglichkeit wird bereits als Erfüllung der Unternehmensaufgabe verstanden. Die historisch gewachsene Eingrenzung der Aufgabenstellung auf die Verpflichtung, der Politik der Bundesregierung zu folgen und die Kommunikationsanlagen eigenwirtschaftlich zu betreiben, genügt den modernen Anforderungen an ein Unternehmen, das allen Teilen der Bevölkerung und der Wirtschaft innovative Kommunikationsdienste anbieten soll, nicht mehr. Es ist grundsätzlich die Frage neu zu stellen, inwieweit ein Unternehmen, das für die Produktivität der Wirtschaft und die Wohlfahrt der Bevölkerung ausschlaggebende Bedeutung hat, vorrangig den am Markt erkennbaren Kommunikationsbedürfnissen oder mit gleichem Gewicht auch politischen Aufgaben gewidmet wird. Das Ziel eines flächendeckenden Kommunikationsangebots ist hinsichtlich traditioneller Dienste heute praktisch erfüllt. Nahezu jeder Haushalt ver-

24

fügt über einen Telefonanschluß und damit über einen Zugang zu vielen anderen Kommunikationsangeboten. Der Ausbau des bestehenden Netzes zum ISDN-Standard ist eingeleitet. Unter der Voraussetzung, daß die vorgesehenen Pläne uneingeschränkt realisiert werden, besteht das Problem der Zukunft über die Erhaltung und Weiterentwicklung der Anlagen hinaus in der Hervorbringung von bedarfsgerechten, innovativen Dienstleistungen. Dies ist dann kostengünstig zu erreichen, wenn die vorhandene Infrastruktur in qualitativer Vielfalt und großer mengenmäßiger Kapazitätsauslastung genutzt wird. Neben dem Angebot von Universaldiensten an jedermann wird eine zusätzliche Orientierung an Benutzergruppen mit spezifischen Kommunikationsbedürfnissen notwendig sein. Angesichts dieser zukunftsweisenden Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten richtet sich das Interesse auf die Anforderungen der Benutzer des Telekommunikationssystems. Die Kommission hat an 46 Verbände, Vereinigungen und Benutzergruppen sowie die Bundesländer die Frage gerichtet, wie der Leistungsstand der Telekommunikation im Vergleich zum Ausland beurteilt wird, welche Verbesserungsmöglichkeiten gesehen werden, welcher noch ungedeckte Kommunikationsbedarf besteht und inwieweit die Gebühren, der Kundendienst sowie die administrative Handhabung den Anforderungen entsprechen. 41 Institutionen haben die Fragen beantwortet. An einer zusätzlich einberufenen Anhörung haben Vertreter von 14 dieser Organisationen teilgenommen. Es ergibt sich ein umfassender Einblick in die bisherige Entwicklung, den Leistungsstand, die zukünftigen Erwartungen und den Handlungsbedarf, diesen Erwartungen zu entsprechen. Ganz allgemein wird die Qualität der Infrastruktur, deren hoher technischer Entwicklungsstand und das flächendeckende Kommunikationsangebot für jedermann anerkannt. Die praktisch erreichte Vollversorgung im Telefondienst, die automatische Selbstwahl, die Paketvermittlung in der Datenübertragung und die Errichtung kombinierter Kabel- und Satellitensysteme zur Einführung des Kabelfernsehens wird neben anderen Einzelleistungen positiv hervorgehoben. Änderungsvorschläge und Kritik richten sich auf diejenigen Leistungsbereiche, die über die allgemeine Grundversorgung hinausgehen. So wünschen sich manche Anwender die Errichtung privater Übertragungswege, z. B. über Satelliten oder Richtfunk, auch werden spezielle Einzelverbindungen verlangt, um Rechenzentren oder Inseinetze miteinander zu verbinden. Im Vordergrund der kritischen Anregungen stehen nicht die herkömmlichen Dienste, sondern die neuen und zum Teil noch nicht hinreichend entwickelten kombinierten Dienstleistungen der Telekommunikation und Datenverarbeitung.

25

Das Benutzungsrecht wird von einigen Organisationen als zu restriktiv bezeichnet. Es sei zu wenig transparent und werde auf der örtlichen Ebene zu eng angewendet. Hinderlich seien vor allem die Verbote der Zusammenschaltung von Festverbindungen und Wählverbindungen. Die Kritik an den Gebühren richtet sich insbesondere auf die Festverbindungen. Außerdem werden zu lange Wartezeiten bei der Befriedigung von Sonderwünschen, eine mangelhafte Kundenberatung, der fehlende Rund-um-dieUhr-Service zur Entstörung und ein unzureichendes Modemangebot (nach Preis und Vielfalt) festgestellt. Das Zulassungsverfahren für Endgeräte sei zu schwerfällig. Die McKinsey-Studie ergänzt dieses Bild“. Sie bescheinigt der Deutschen Bundespost in den klassischen Diensten Telefon und Telex sowie im wesentlichen auch in den heutigen Daten-, Text- und Bilddiensten überdurchschnittlichen Leistungsstand, insbesondere hinsichtlich der technischen Qualität. Bei den Tarifen wird allgemein eine Mittelstellung festgestellt, Datex-L- und Datex-P-Tarife erscheinen sehr günstig, während die Tarife nationaler Mietleitungen im Vergleich zu den günstigsten Ländern Großbritannien und USA erheblich überhöht sind. Bei neuartigen Leistungen wie Netzwerkmanagement- und Mailbox-Diensten, sowie ganz besonders bei anwenderspezifischen Diensten, die auf bestimmte Kundengruppen zugeschnitten sind, erkennt McKinsey ein weniger vielfältiges Angebot als in Großbritannien, Japan und USA. Die bei Mehrwertdiensten bestehenden Möglichkeiten werden außer bei Bildschirmtext von der Bundespost selbst kaum wahrgenommen. Betriebsinterne Anwendungen bei den Kunden gebe es zwar in großer Zahl; Angebote für Dritte seien jedoch durch Benutzungsbeschränkungen und Gebührenstrukturen behindert. Bei den Endgeräten wird ebenfalls ein hoher technischer Standard festgestellt. Aus Anwendersicht sei jedoch infolge teilweise überzogener Standards und komplexer Zulassungsbedingungen eine geringere Angebotsbreite als in Japan und USA festzustellen; außerdem seien die mit Anschaffung und Miete verbundenen Kosten höher. Die Bundespost hält diesen Aussagen von McKinsey entgegen, daß sie neben einer frühzeitigen Verfügbarkeit innovativer Technik auch andere Ziele der Bundesregierung zu befolgen habe. Hierunter nennt sie: — — —

die Berücksichtigung sozialer und volkswirtschaftlicher Auswirkungen, die Sicherung einer offenen Kommunikation und frühzeitiger Standardisierung von Diensten und Endgeräten sowie den Abbau von Standortnachteilen peripherer und ländlicher Gebiete.

Dementsprechend sei das Angebot der Bundespost in erster Linie durch Flächendeckung, Kompatibilität und Tarifeinheit im Raum gekennzeich-

26

net. Ein Dienstleistungsangebot mit derartigen Zielsetzungen könne man nicht vergleichen mit Inselangeboten und Großkundenpräferenzen in anderen Ländern. Außerdem würden nach Auffassung der Bundespost Anwender durch eine zu kurze Innovationsfolge und durch ein zu vielfältiges, teilweise unübersichtliches Angebot eher verunsichert. In einer Anhörung führender Vertreter der deutschen Fernmeldeindustrie ist deutlich geworden, daß ein dauerhaftes Angebot von standardisierten Diensten auch von den Zulieferern der Bundespost erwartet wird. Die Orientierung der Telekommunikationspolitik an den Infrastrukturbedürfnissen wird bejaht. Die Fortsetzung der engen Zusammenarbeit zwischen Bundespost und Fernmeldeindustrie wird befürwortet. Aufgrund dieses Gesamtbildes von Anerkennung und Kritik gelangt die Kommission zu der Feststellung, daß die Bundespost in der Verfolgung der ihr politisch vorgegebenen und auch selbst entwickelten Ziele der Infrastrukturvorhaltung und der gleichmäßigen Grundversorgung mit Fernmeldediensten durchaus erfolgreich gearbeitet hat. Jedoch treten in der Kombination von Telekommunikation und Datenverarbeitung durch die immer differenzierter werdenden Bedürfnisse der Kunden, die höheren Ansprüche an Service und Flexibilität und schließlich auch durch das Verlangen großer Anwender, eigene Systeme der Übertragung, Vermittlung und Verarbeitung von Informationen zu gestalten, neue Aufgaben für die Bundespost auf. Es handelt sich also nicht um eine bloße Veränderung in der Aufgabenerledigung, sondern um eine Zielkorrektur oder besser eine Zieldifferenzierung. Insbesondere das Genehmigungsverhalten einer öffentlichen Verwaltung ist bei aller Aufgeschlossenheit nicht geeignet, den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Es bedarf vielmehr eines aktiven Marketing, das nicht auf die Äußerung des Bedarfs wartet, sondern auf die Kunden zugeht, um mit diesen gemeinsam neue Problemlösungen zu erarbeiten. Dabei werden auch Differenzierungen in der Technik, dem Service und den Entgelten unvermeidlich. Ein derartiges Verhalten wäre der Bundespost nach dem derzeitigen Stand der rechtlichen Bindung nicht ohne weiteres möglich. Damit wird der Handlungsbedarf erkennbar, die Bundespost von den Hemmanissen zu befreien, die einer aktiven Marktpolitik im Wege stehen. Bei einer stärkeren Marktorientierung kann dem Problem der Gebührenhöhe und Gebührenstruktur nicht ausgewichen werden. Durch die zu hohen Gebühren im Fernverkehr werden Kommunikationsvorgänge über weite Strecken benachteiligt und insgesamt das Kommunikationsvolumen, das von der Infrastruktur her möglich wäre, gedrückt. Da die Nachfrage im Fernverkehr, insbesondere während der Bürostunden, wenig preiselastisch ist und politisch auch nicht abgestützt wird, können hier sehr hohe Gebühren beibehalten werden, obgleich in den letzten Jahren die Kosten drastisch 27

gesenkt wurden. Die Einnahmen der Bundespost aus dem Fernverkehr des Telefons bilden heute die Hauptquelle des Gewinns, während im Nahverkehr eine Kostendeckung nicht erzielt wird. Aber gerade weil die Gebühreneinnahmen im Fernverkehr weit über den Kosten liegen, öffnet sich hier die Möglichkeit für potentielle Wettbewerber, durch Preisunterschreitung Kommunikationsverkehr abzuziehen. Diese Gebührenarbitrage, die auch „Rosinenpicken“ oder „Cream Skimming“ genannt wird, ist in dem Maße ausgeschlossen, wie die Gebührenverzerrung abgebaut wird. Hier haben grundsätzliche, auch die politische Einflußnahme einbeziehende Erwägungen anzusetzen. Höhe und Struktur der Gebühren hängen außerdem von den Verpflichtungen der Bundespost ab, aus den Einnahmen des Fernmeldewesens Teile des Postwesens zu subventionieren (vor allem Paketdienst, Postzeitungsdienst) und außerdem eine umsatzabhängige Ablieferung von 10 % an die Bundeskasse zu zahlen. In diesem Zusammenhang ist die Frage aufzuwerfen, ob die Ablieferung durch Einbeziehung der Bundespost in die Mehrwertsteuerpflicht (eventuell auch anderer Steuerpflichten) abgelöst werden kann. 3.1.3

Gesamtwirtschaftliche Erfordernisse

Der Handlungsbedarf, der sich aus der veränderten Aufgabenstellung des Fernmeldewesens und den veränderten Anforderungen an die Bundespost ergibt, wird noch dadurch unterstützt, daß der Telekommunikation und der Datenverarbeitung als Schlüsselindustrie und Wachstumsbereich eine hervorragende volkswirtschaftliche Bedeutung zukommt. Bereits die Größenordnung des Wirtschaftszweiges verstärkt die Einsicht, daß dem Handlungsbedarf entsprochen werden muß. Das Fernmeldewesen der Bundespost umfaßt 1986 einen Jahresumsatz von ca. 34,5 Mrd. DM, einen Anlagenbestand von ca. 90 Mrd. DM und ein Investitionsvolumen von 16 Mrd. DM. Damit reicht die Größenordnung dieses öffentlichen Unternehmens in eine volkswirtschaftlich relevante Größenordnung hinein. Hinzu treten die Umsätze der kommunikationstechnischen Industrie von jährlich 19,7 Mrd. DM’ und der Computerindustrie von jährlich 17,6 Mrd. DM*®. Es wird erwartet, daß der Anteil dieses Wirtschaftszweiges am Bruttosozialprodukt von heute 2 % bis zum Jahre 2000 auf 7 % ansteigt. Er ist ein wesentlicher Faktor für die zukünftige Entwicklung des Wohlstands, der staatlichen Finanzen und der Arbeitsplätze. Angesichts dieser Tatsachen ist ein auch nur vorübergehender Verzicht auf Innovationen im Bereich kombinierter Telekommunikations- und Datenverarbeitungstechniken (Geräte, Dienstleistungen, Netze) nicht zu verantworten. Der Handlungsbedarf besteht darin, alles zu tun, um diesen

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Wachstumssektor der Wirtschaft zu fördern und mögliche Entwicklungshemmnisse abzubauen. Im einzelnen ist zunächst die kommunikationstechnische Industrie betroffen. Sie ist heute nicht mehr vorwiegend auf den nationalen Markt ausgerichtet, sondern muß sich auf den Weltmarkt und hier wieder besonders auf die Teilmärkte mit der höchsten Entwicklung einstellen. Dort werden die Pionierentscheidungen getroffen, wesentliche Leistungsmerkmale definiert und schließlich die Wettbewerbsentscheidung auch für die übrigen Märkte vorgeprägt. Differenzierte Produktionspläne für einen fortgeschritteneren Auslandsmarkt und einen verharrenden Inlandsmarkt sind schon aus Kostengründen unzweckmäßig. Deshalb liegt es im Interesse dieser Schlüsselindustrie, auf dem Inlandsmarkt nicht nur für die Infrastruktur, sondern auch für deren Nutzung ein Innovationsniveau zu erreichen, das mindestens dem Entwicklungsstand anderer Industrieländer entspricht. Im Inland bewährte Techniken überzeugen auch im Export. Die Anwender moderner Geräte und Dienstleistungen der Telekommunikation sind mindestens im gleichen Umfang betroffen wie die herstellende Industrie. Die Information wird heute als Produktionsfaktor verstanden und tritt damit gleichberechtigt neben die menschliche Arbeitskraft, die Rohstoffe und die Betriebsanlagen. Die Wettbewerbsfähigkeit auch der Anwenderunternehmen ist heute von einem leistungsfähigen innerbetrieblichen und zwischenbetrieblichen Kommunikationssystem abhängig. Behinderungen in der Zulassung von Endgeräten, Modem und Dienstleistungen, überhöhte Gebühren und zeitliche Verzögerungen tragen die Gefahr in sich, daß Großunternehmen ihre Kommunikationszentralen nicht im Inland, sondern im Ausland plazieren. Beispiele dafür gibt es bereits”. Eine nur passive Duldung der Entwicklung kombinierter Telekommunikations- und Datenverarbeitungssysteme bedeutet im übrigen, daß die Standards der Datenkommunikation, die sich in der Definition der Protokollebenen ausdrücken, weitgehend fremdbestimmt werden. Es ist jedoch von hohem volkswirtschaftlichen Interesse, die Datenverarbeitungsinseln, die bisher nur unter großen Schwierigkeiten miteinander zu kommunizieren vermögen, durch ein einheitliches und leistungsfähiges Kommunikationsnetz miteinander zu verbinden. Nur eine aktive Förderung der technischen Möglichkeiten und die Einbringung eigener Erfahrungen liefern die Chance, die neuen Strukturen entscheidend mitgestalten zu können. Das kommt nicht zuletzt den mittleren und kleinen Anwendern bis hin zu den 26 Mio. privaten Haushalten zugute, die — oft nur als gelegentliche Benutzer mit verhältnismäßig einfachen Endgeräten — ebenfalls kombinierte Kommunikations- und Informationsleistungen in Anspruch nehmen wollen. Dabei ist diese bei weitem größte Anwendergruppe auf leistungsfähige und leicht handhabbare Dienstleistungen angewiesen.

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Schließlich liegt es auch im Interesse der Bundespost selbst, den genannten gesamtwirtschaftlichen Erfordernissen zu entsprechen und die neuen Techniken auf den Ebenen der Geräte, der Dienstleistungen und der Netze zu fördern. Mit der Konzipierung des diensteintegrierten digitalen Netzes (ISDN) ist der Weg für die Innovation der Zukunft geöffnet. Eine Behinderung neuer kombinierter Dienstleistungen in Art und Menge kann nicht im Interesse der Bundespost liegen. Die Jahre mit sprunghaften Zuwachsraten in den klassischen Grunddiensten sind vorüber. Das quantitative Wachstum nähert sich der Sättigungsgrenze. Für die Zukunft ist ein qualitatives Wachstum erforderlich. Die Netzinnovation verlangt zu ihrer wirtschaftlichen Amortisation parallele Innovationsprozesse auch bei den Dienstleistungen und den Geräten. Der erhebliche Bedeutungszuwachs der Telekommunikation beschränkt sich nicht nur auf den wirtschaftlichen Sektor. Angesichts der Entwicklung des „Faktors Information“ zu einer Schlüsselgröße und der mit dem technischen Fortschritt eröffneten neuen Möglichkeiten des Informationstransfers wird der Einfluß der Telekommunikation auf Lebensqualität, Gesellschaft, Kultur, Familie und Arbeitswelt erheblich steigen. Der Handlungsbedarf richtet sich hier darauf, allen Bürgern zur Gewährleistung gleicher Informations- und Kommunikationschancen eine moderne, bedarfsgerechte und erschwingliche Versorgung mit Telekommunikationsdiensten zu ermöglichen und einer Entstehung neuer regionaler und sozialer Unterschiede entgegenzuwirken.

3.2

Rechtlicher Handlungsrahmen

Nachdem der Handlungsbedarf erkennbar geworden ist, schließt sich die Frage an, ob ein hinreichend weitgespannter rechtlicher Handlungsrahmen gegeben ist, der die Neuordnung der Telekommunikation in der Bundesrepublik Deutschland erlaubt. 3.2.1

Deutsches Verfassungsrecht

Die Kommission hat für ihre Überlegungen den von der Verfassung vorgegebenen Handlungsrahmen als Datum zugrunde gelegt. Schon die Formulierung ihres Auftrages zeichnet dies vor. Hinzu tritt die Feststellung, daß für eine Änderung des Grundgesetzes im Telekommunikationsbereich keine politische Mehrheit erkennbar ist. Die Kommission sieht ihre Aufgabe nicht darin, eine weitere wissenschaftliche Stellungnahme zu den verwickelten und insgesamt wenig geklärten Fragen um Fernmeldewesen und Grundgesetz zu formulieren. Es geht ihr darum, die Grenzen zu bezeichnen, welche die Verfassung gegenüber der Bewegungsfreiheit des einfachen Gesetz-

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gebers und damit jedem Reformbemühen zieht. In etwa im Hinblick auf eine materielle Privatisierung englischem oder japanischem Vorbild (Umwandlung schaft und Veräußerung von Anteilen an das breite bereits die Feststellung von Verfassungsrisiken für Handlungsrahmens.

einzelnen Bezügen — der Bundespost nach in eine AktiengesellPublikum) — hält sie eine Begrenzung des

Die Kommission ist auch durch ihren Auftrag gebunden, von den im PostVerwG festgelegten Grundlinien der Verfassung der Deutschen Bundespost auszugehen, wenngleich sie diese Vorgabe nicht in einem engen Sinne versteht. In Kapitel 7 sind an den Stellen, an denen das PostVerwG berührt wird, abweichende Empfehlungen im einzelnen begründet. 3.2.1.1

Fernmeldemonopol

Gefordertes Monopol Ein Reformierungsspielraum des Gesetzgebers ist dann am stärksten eingeengt, wenn die Verfassung einzelne Monopolstellungen der Bundespost verlangen würde. Im wissenschaftlichen Schrifttum wird dies vereinzelt angenommen. Dabei finden sich Differenzierungen. Letztere knüpfen an überkommene Tätigkeitsfelder im Unterschied zu neuen Tätigkeitsausweitungen an, an „wesentliche“ Tätigkeiten, an solche, die „notwendig“ unter dem Aspekt leistungsstaatlicher Daseinsvorsorge seien, an einen „Kernbereich“ im Sinne eines Stammonopolrechts oder an eine „Gesamtbild“-Bewertung. Eine direkt klärende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu dieser Frage gibt es nicht. Die Kommission hat die These vom verfassungsrechtlich geforderten Monopol nicht zum Ausgangspunkt ihrer

Überlegungen gemacht.

Das Grundgesetz selbst formuliert im wesentlichen zwei Aussagen. Nach Artikel 73 Nr. 7 GG hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebung über das Post- und Fernmeldewesen. In Art. 87 Abs. 1 GG heißt es: „In bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau werden geführt der Auswärtige Dienst, die Bundesfinanzverwaltung, die Bundeseisenbahnen, die Bundespost und nach Maßgabe des Artikels 89 die Verwaltung der Bundeswasserstraßen und der Schiffahrt.“ Der Wortlaut dieser Verfassungsnormen weist nicht in Richtung Monopolgewährleistung. Art. 73 Nr. 7 GG ist eine bloße Gesetzgebungskompetenz-Vorschrift. Art. 87 Abs. 1 GG begründet jedenfalls zunächst eine Verwaltungszuständigkeit, eine Vorschrift, die allein schon wegen der grundsätzlichen Verwaltungszuständigkeit der Länder nach Art. 83 GG ff. unerläßlich ist. Auch die Entstehungsgeschichte spricht nicht für ein verfassungsrechtlich geschütztes Monopol. Innerhalb des Postbereiches hat es im Paketdienst z. B. schon immer private Wettbewerber gegeben. Bei Briefen existiert lediglich ein Beförderungsvorbehalt ($ 2 PostG). Im Telekommunikationsbe-

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reich sind private Anbieter bei den Nebenstellenanlagen schon seit Beginn dieses Jahrhunderts präsent. $ 2 FAG (Verleihung einer Befugnis zur Errichtung und zum Betrieb einzelner Fernmeldeanlagen) und die dazugehörige Praxis zeigt, daß man historisch ein Monopol nicht für unerläßlich hielt. Im Hinblick auf die in Art. 87 Abs. 1 GG ebenfalls genannte Bundesbahn ist zu bedenken, daß sie bis 1937 in privater Rechtsform betrieben wurde und daß private Eisenbahnen nicht als verfassungsrechtlich unzulässig gelten. Es gibt sie in großer Zahl. Ebenso ergeben sich aus dem systematischen Zusammenhang der genannten Normen keine Auslegungshinweise in dieser Richtung. Art. 87 Abs. 1 GG regelt in sich schon völlig heterogene Materien. Erwähnt sei nur der Auswärtige Dienst und die Bundesfinanzverwaltung, welche als genuin hoheitliche Aufgaben dort ebenfalls aufgeführt sind. Auch besteht nicht notwendig eine Identität von ausschließlicher Gesetzgebungszuständigkeit für das „Post- und Fernmeldewesen“ einerseits und der von der Bundespost ausgeübten Verwaltungszuständigkeit andererseits. Die Verwaltungskompetenz der Bundespost kann durchaus hinter der Gesetzgebungskompetenz des Bundes zurückbleiben, die Reichweite der letzteren stellt nur eine äuBerste Grenze für die erstere dar. Nicht voll überzeugend sind schließlich die stärker an Sinn und Zweck der Vorschriften ausgerichteten Argumentationen. Man will in diesen Kompetenzregelungen zum Teil materielle Schutzfunktionen erblicken, einen Kompetenzschutz des Bundes gegenüber den Ländern, gekoppelt an eine unmittelbare Verantwortung des Bundes, einen Schutz der Länder vor Aufgaben mit gleichzeitigem bundesstaatlichen Integrationseffekt, die sie nicht wahrnehmen können, und Schutz der Interessen der Bürger an einer angemessenen Verkehrs- und Kommunikationsbedienung. Dieser Gedankengang setzt das Ziel mit dem eingesetzten Mittel gleich. Die Frage, ob solches Ziel im Marktwege oder in Zwischenformen ebenso oder besser erreicht werden kann, bleibt ausgeblendet. Als Gegenbeispiel sei nur auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Presse verwiesen. In deren Existenz sieht das Bundesverfassungsgericht bekanntlich eine Lebensvoraussetzung einer Demokratie, ohne daß dies öffentlich-rechtliche Formen erforderlich machte. Auch der Hinweis auf einzelne Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, in welchen das Gericht mit grundgesetzlichen Kompetenznormen einen materiellen Gehalt verbunden hat, führt hier nicht weiter (z. B. BVerfGE 14, 105, 111 zu den Finanzmonopolen, 41, 205, 218 zu den Gebäudeversicherungsmonopolen). In diesen Entscheidungen ging es nur um die Frage, ob ein solches Monopol verfassungsrechtlich zulässig, nicht ob es verfassungsrechtlich gefordert ist. Überdies hat das Gericht dabei die konkrete Verhältnismäßigkeit einzelner Regelungen geprüft.

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Zu keiner durchgängigen verfassungsrechtlichen Begrenzung führt die These, ein Vorbehaltsbereich der Bundespost sei in dem Ausmaß garantiert, als nur eine alleinige staatliche Obhut eine gebotene Daseinsvorsorge bewirken könne. Dies läuft auf eine Einzelfallprüfung hinaus, in letzter Analyse auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Im Telekommunikationsbereich erweisen überdies die ausländischen Erfahrungen, daß solche infrastrukturellen Zielsetzungen nicht die Notwendigkeit eines Monopols nach sich ziehen, sondern allenfalls eine entsprechende legislative Rahmenordnung erforderlich machen. Letzteres ist auch die Entgegnung auf Denkansätze, welche im gegebenen Zusammenhang auf den sogenannten Parlamentsvorbehalt verweisen oder in Art. 87 Abs. 1 GG eine Art institutionelle Garantie erkennen wollen. Das Bundesverfassungericht, welches die aufgeworfene Frage explizit noch nicht beantwortet hat, dürfte der hier formulierten Auffassung nahestehen. In der Direktruf-Entscheidung hat es vermieden, die verfassungsrechtliche Relevanz eines Monopols für die Bundespost näher zu bestimmen, dies vielmehr ausdrücklich dahingestellt sein lassen und die Maßstäbe des Grundgesetzes unmittelbar an die einzelnen Bestimmungen der Direktruf-Verordnung angelegt (BVerfGE 46, 120, 136). Ohne dies überbewerten zu wollen, ist es doch eher ein Indiz, daß solche Monopole verfassungsrechtlich nicht selbstverständlich sind. Gerade aus dieser Entscheidung ergeben sich zusätzliche Hinweise gegen die hier zurückgewiesene Auslegung. So hat es das Bundesverfassungsgericht als zweifelhaft bezeichnet, ob eine Datenfernverarbeitung durch die Bundespost für Dritte verfassungsrechtlich zulässig wäre (a.a.O., S. 151 unter Hinweis auf das 1. Fernsehurteil BVerfGE 12, 205, 226 f.). Das Gericht hat diesen Hinweis gegeben, obwohl die Frage nicht entscheidungserheblich war. Das Posteigentum an Modem (a.a.O., S. 146 ff.) hat es nur deshalb akzeptiert, weil es auf eine technische Übergangszeit begrenzt ist und weil eine Schnittstellenveränderung für die Benutzer noch belastender gewesen wäre. Ein Vermittlungsverbot (a.a.O., S. 143) hat es nur deshalb hingenommen, weil es zum Zeitpunkt dieser Entscheidung technisch nicht möglich war, verkehrsabhängige Gebühren festzusetzen. Eine Einflußnahme auf die Endgeräte (a.a.O., S. 155) hat es nur in dem Ausmaße akzeptiert, als dies „fernmeldemäßige“ Gründe erfordern, etwa die Sicherung der Störfreiheit im Netz. Mit der These von einem schon verfassungsrechtlich geforderten Monopol läßt sich dies schwer vereinbaren. Im 1. Fernsehurteil (BVerfGE 12, 205, 238) hat das Bundesverfassungsgericht beiläufig ausgeführt, daß der Bund durch Gesetz rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts errichten kann, denen Bau und sendetechnischer Betrieb bundeseigener Anlagen für den Rundfunk übertragen werden können. Daran wird deutlich, daß es jedenfalls nicht zwingend die Bundespost sein muß, welche diese Tätigkeit auszuüben hat. Auch dies weist nicht in Richtung auf ein verfassungsrechtlich gefordertes Postmonopol.

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Zulässiges Monopol Eine andere Frage ist es, ob ein Monopol in dem gegenwärtigen oder einem sonstwie zu definierenden oder in einem beliebigen Umfang verfassungsrechtlich zulässig ist. Als Prüfungsmaßstab käme in erster Linie Art. 12 GG in Betracht mit dem vielfältig differenzierten Streit, ob sogenannte Verwaltungsmonopole an dieser Vorschrift überhaupt, gegebenenfalls eingeschränkt oder völlig uneingeschränkt gemessen werden können. Eine Klärung dieser Frage berührt weniger den Handlungsspielraum des Gesetzgebers. Wenn Monopolstellungen nur einfachgesetzlich begründet und nicht verfassungsrechtlich erzwungen sind, kann der Gesetzgeber solche einfachen Gesetze ändern. Auf der anderen Seite ist nicht zu verkennen, daß die Frage einer verfassungsrechtlichen Zulässigkeit den Handlungsrahmen des Gesetzgebers dann betrifft, wenn vorhandene oder erwogene Regelungen sich als verfassungswidrig darstellen sollten. Dann steht die Verfassung einer legislativen Korrektur bzw. Abstinenz nicht nur nicht entgegen, sondern erfordert diese. Auch daraus kann ein Impuls in Richtung einer Reformierung erwachsen. Es mag vertretbar sein, aus den Kompetenzregelungen des Grundgesetzes im Hinblick auf das Post- und Fernmeldewesen abzuleiten, daß die Verfassung Monopole jedenfalls in einem Kernbereich oder in ihrem historisch überkommenen, von den Verfassungsvätern vorgefundenen Umfang gebilligt hat. Solche Auffassung führt zu einer Trennung zwischen traditionellen und „neuartigen“ Tätigkeitsfeldern. Die technische Entwicklung bewirkt nun vielfach, daß solche Trennung willkürlich wird. Bei digitaler Übertragungstechnik z. B. werden nur noch Bits über ein Übertragungsmedium geleitet. Letztlich würde sich in einem solchen Denkansatz eine eher statische Auslegungsmethode niederschlagen. Hierher gehört auch das Argument, bei Änderung der tatsächlichen technischen oder sonstigen Lebensverhältnisse sei der Verfassungsgesetzgeber zu einer entsprechenden Änderung des Grundgesetzes aufgefordert. Eine andere Option ist ein stärker sinngeleiteter Durchgriff auf die jeweiligen sachlichen Rechtfertigungen einer überkommenen Monopolgestaltung, verbunden mit der Frage, ob jene Rechtfertigungen angesichts veränderter Umstände heute noch Gültigkeit haben. Eine solche eher dynamische Argumentationsweise bestimmt z. B. die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den überkommenen Monopolstellungen von öffentlichrechtlichem Hörfunk und Fernsehen unter dem Aspekt der Frequenzknappheit und des Finanzaufwandes, der für die Erbringung solcher Dienstleistungen erforderlich sei. Für die letztgenannte Betrachtungsweise spricht namentlich dieses: Allgemeine Meinung ebenso wie Bundesverfassungsgericht verstehen „Fernmeldewesen“ im Sinne der grundgesetzlichen Kompetenzvorschriften außeror-

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dentlich weit. Jedenfalls gehörten dazu auch die „Fernmeldeanlagen“ im Sinne des $ 1 FAG, für deren Errichtung und Betreibung ein grundsätzliches Ausschließlichkeitsrecht des Bundes besteht. Der Begriff der Fernmeldeanlage wiederum wird vom Bundesverfassungsgericht entwicklungsoffen und dynamisch interpretiert. Der „Zweck der körperlosen Nachrichtenbeförderung“, nicht das Merkmal irgendeiner sinnlichen Wahrnehmbarkeit sei entscheidend, so daß in diesem Ausmaß auch alle neuartigen Übertragungstechniken erfaßt würden (BVerfGE 46, 120, 139, 142 ff.). Der Begriff der Fernmeldeanlage in diesem vom Grundgesetz vorgefundenen Verständnis könnte dann wie eine Blankettermächtigung für eine unbesehene Fortführung der Monopole in alle Zukunft hinein wirken. Da jedes Hörfunkund Fernsehgerät, jede Datenverarbeitungsanlage oder jede Schreibmaschine, welche an ein Übertragungsnetz angeschlossen sind, damit zum Endgerät eines Netzes werden, könnte die Bundespost als öffentliches Unternehmen in eine umfassende Dominanz eines ganzen Wirtschaftszweiges hineinwachsen, ohne daß dies verfassungsrechtlich zu begrenzen wäre. Allein die technische Entwicklung müßte zu immer größeren Freiräumen für staatliches Handeln führen. Für einen gewollten Automatismus dieser Art gibt es keinen Anhaltspunkt. Das Grundgesetz sollte staatliches Handeln vielmehr an die Verfassung, namentlich

an

die Grundrechte

binden.

Die

Vorstellung

einer

Art

„verfas-

sungsrechtlichen Ausnahmebereichs“, der dann gegebenenfalls noch unabsehbar wachsen könnte, liefe dem entgegen. Mit anderen Worten: Gerade weil der Kompetenzbereich des Bundes auch von Verfassungs wegen entwicklungsoffen verstanden und nicht auf eine historisch vorgefundene Situation des Jahres 1948 begrenzt wird, bedürfen Fortbestand und gegebenenfalls Ausdehnung dieser Monopolstellung der sachlichen Rechtfertigung. Die infrastrukturellen Gründe, um deretwillen das Grundgesetz solche Alleinstellungen hingenommen hat, müssen auch heute noch tragfähig sein. Den Anforderungen der Geeignetheit, der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit muß dabei Rechnung getragen sein.

Aus dieser Sicht wird verständlich, wenn gegen Monopole der Bundespost z. B. auf den Endgerätemärkten, gegenwärtig beim Fernsprechhauptanschluß, verfassungsrechtliche Bedenken formuliert werden. Eher Skepsis ist gegenüber Versuchen angebracht, die gebotene Begrenzung dadurch zu erreichen, daß man die ausschließliche Bundeskompetenz aus Art. 73 Nr. 7 GG als eine strikt übermittlungstechnische versteht. Solche Versuche greifen namentlich auf einzelne Formulierungen des Bundesverfassungsgerichts im 1. Fernsehurteil zurück (BVerfGE 12, 205, 225 ff.). Eine unmittelbare Folge solcher Auffassung ist, daß sämtliche sogenannten Mehrwertdienste, also Dienstleistungen, welche eine Nachricht in irgendeiner Weise veredeln, außerhalb der Zuständigkeit der Bundespost liegen.

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Die Anlehnung solcher Auffassung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erscheint etwas spekulativ, da diese zur Verteilkommunikation und nicht zur Individualkommunikation ergangen ist. Auch in der Sache erscheint sie nicht unbedingt sinnvoll: Unzulässig wäre danach z. B. jegliche Protokollumwandlung, welche zwischen verschiedenen Rechnern eine Kommunikationsmöglichkeit überhaupt erst eröffnet. Telebox-Systeme, bei welchen Nachrichten gespeichert werden, die dann nach Bedarf abgerufen werden, wären ausgeschlossen, Komfortdienste wie automatische Anrufweiterleitungen und ähnliches in gleicher Weise. Offen wäre auch die Frage, ob sich hier dann nicht eine konkurrierende Kompetenz des Bundes begründen ließe, z. B. aus dem Recht der Wirtschaft nach Art. 74 Nr. 11 GG. Wenn man aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur ' Verteilkommunikation etwas ableiten will, dann geht dies eher in die Richtung, daß das Feld der Produktion, d. h. des Angebots und der Auswahl von Kommunikationsinhalten, nicht von der Kompetenz des Bundes erfaßt ist. Beispiele sind etwa, daß die Bundespost Datenbanken installiert, aus welchen Benutzer dann beliebige Nachrichten abrufen können. Ein anderes Beispiel ist die Installation eines großen Rechners, dessen Kapazität dann an einzelne Benutzer vermietet würde. Abgrenzungsfragen dieser Art haben sich bei Bildschirmtext und Videotext ergeben. Ähnliches gilt für nichtauxiliäre Ansagedienste wie z. B. den Wetterbericht, der über Telefon abgerufen werden kann, im Unterschied z. B. zu den Telefonbüchern. Der Streit darüber ist im Bund-Länder-Verhältnis nie endgültig ausgetragen worden. 3.2.1.2

Organisation

Nach dem Wortlaut des Art. 87 Abs. 1 GG wird die Bundespost „in bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau“ geführt. Die überwiegende Meinung leitet daraus ab, daß schon eine mittelbare Bundesverwaltung in Form einer rechtlich selbständigen Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts unzulässig ist. Unbedenklich erscheint eine sogenannte Bundesbahnlösung, d. h. eine atypische öffentlich-rechtliche Organisationsform mit größerer Verselbständigung und zugleich mit privatrechtlichen Benutzungsverhältnissen. Angesichts der identischen Behandlung, welche Bundesbahn und Bundespost in Art. 87 Abs. 1 GG erfahren, sind durchschlagende Zweifel nicht begründbar. Eine solche Lösung hätte unter dem Aspekt der Anwendbarkeit von UWG, GWB und AGB-Gesetz ihre praktische Bedeutung. Ebenso bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen eine organisatorische Aufspaltung der Bundespost in selbständige Bereiche Telekommunikation und klassische Post. Art. 87 Abs. 1 GG schreibt den historisch überkommenen Verbund nicht verfassungsrechtlich fest. Gegenteiliges ergibt

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sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Zulässigkeit sogenannter Quersubventionierungen zwischen diesen Sektoren innerhalb der bestehenden Bundespost. Dies besagt nur, daß solch interner Ausgleich nicht zu beanstanden war. Es bedeutet nicht, daß unter diesem Aspekt ein Einheitsunternehmen Bundespost verfassungsrechtlich gefordert sei. Privatrechtliche Organisationsformen werden in der juristischen Diskussion von einer Minderheit dann für zulässig erachtet, wenn der staatliche Letzteinfluß über entsprechende Kapitalbeteiligung, vertragliche Bindung oder sonstige Abhängigkeiten sichergestellt ist. Dies hält man z. T. bei der GmbH aufgrund des dort gegebenen größeren gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsspielraums für möglich, bei der Aktiengesellschaft dagegen nicht. Methodisch steht dahinter ein Rückgriff auf das eigentliche Sachanliegen, welches man in Art. 87 Abs. 1 GG sehen will, nämlich die Sicherung einer auf den Bund bezogenen Staatlichkeit, nicht aber eine durchgehende öffentlich-rechtliche Struktur. Hinzu tritt der Versuch, den Anschluß an einige faktische Entwicklungen zu gewinnen. Hinzuweisen ist etwa auf sogenannte Mittlergesellschaften, die in Form von GmbHs im Bereich der auswärtigen Kulturpolitik betrieben werden. Die Bundespost betreibt in Form von GmbHs mit der Bundesbahn gemeinsame Regionalgesellschaften, welche einen Busdienst aufrechterhalten. Hinzu treten einzelne Hilfsgesellschaften der Bundespost wie die Postreklame GmbH, die Deutsche Fernkabel-Gesellschaft mbH. Andere halten es nur für denkbar, die Rechtsfigur des sogenannten beliehenen Unternehmers zu aktivieren, dies freilich nur in Randbereichen (z. B. Verlegung von Breitbandkabeln), aber nicht sozusagen flächendeckend für den gesamten Fernmeldebereich. Eine Privatisierung in einem materiellen Sinne, daß der Staat seine Letztverantwortlichkeit im Hinblick auf ein Unternehmen zur Gänze aufgibt, wird von beiden Auffassungen her abgelehnt. In diesem Zusammenhang ist auf zwei verfassungsrechtliche Unsicherheiten hinzuweisen: Die Verselbständigung des gesamten Telekommunikationsbereichs der Bundespost in einer staatlich beherrschten GmbH würde sich über den Wortlaut des Art. 87 Abs. 1 GG hinwegsetzen und rekurriert unmittelbar auf die normativen Zwecke, welche man in dieser Vorschrift sieht. Dies ist auslegungsmethodisch grundsätzlich möglich, doch besteht keine Gewißheit, ob das Bundesverfassungsgericht dem im Streitfalle folgen wird. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang weiter der sogenannte Funktionsvorbehalt aus Art. 33 Abs. 4 GG. Es wird hier im Ergebnis nicht die Meinung vertreten, daß die Telekommunikation eine Ausübung hoheitlicher Befugnisse darstellt, welche zwingend von Beamten wahrzunehmen seien. Das ist auch schon gegenwärtig nicht der Fall. Doch gibt es zu diesem Punkt beträchtliche Meinungsunterschiede. Ohnehin erscheint es nur eingeschränkt sinnvoll, eine öffentlich-rechtliche Organisationsform durch

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eine privatrechtliche zu ersetzen, wenn letztere de facto keinen zusätzlichen Verhaltensspielraum implizieren soll. Praktische Schwierigkeiten erwachsen zudem aus dem öffentlichen Dienstrecht. Eine GmbH kann — über vorübergehende Abordnungen hinaus — nicht Arbeitgeber von Beamten sein. Das Schaffen finanzieller Anreize für einen erleichterten Übergang wird nicht möglich und in der Sache auch nicht wünschenswert sein. Ein Rekurs auf die natürliche Fluktuation bei den Mitarbeitern zieht lange

Übergangszeiten nach sich.

3.2.1.3

Mitwirkung der Länder

Die Kompetenz des Bundes aus Art. 73 Nr. 7 GG im Hinblick auf „das Post- und Fernmeldewesen“ ist eine ausschließliche. Eine Zustimmungsbedürftigkeit seitens der Länder ist verfassungsrechtlich nicht normiert. Nach Art. 80 Abs. 2 GG bedürfen indes vorbehaltlich anderweitiger bundesgesetzlicher Regelung Rechtsverordnungen der Bundesregierung oder eines Bundesministers über Grundsätze und Gebühren für die Benutzung der Einrichtungen der Bundeseisenbahnen und des Post- und Fernmeldewesens der Zustimmung des Bundesrates. Darin schlägt sich ein föderalistisches Prinzip, ein legitimes Interesse der Länder an der inhaltlichen Ausgestaltung solcher Rechtsverordnungen nieder. Das Bundesverfassungsgericht hat in Korrektur einer Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entschieden, daß eine „anderweitige bundesgesetzliche Regelung“, welche eine Mitwirkung der Länder beim Erlaß solcher Rechtsverordnungen ausschließt, insoweit nur mit Zustimmung des Bundesrates ergehen kann. Anderenfalls könnte das Mitwirkungsrecht aus Art. 80 Abs. 2 GG ausgehebelt werden. Das PostVerwG von 1953, welches in seinem $ 14 anordnet, daß Benutzungsverordnungen nicht der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, erforderte deshalb die Zustimmung des Bundesrates. Diese ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts seinerzeit konkludent erteilt worden (BVerfGE 28, 66 ff.). Man könnte davon ableiten, jedes Bundesgesetz, welches eine Mitwirkung der Länder insoweit eliminiere, bedürfe dann auch der Zustimmung des Bundesrates. Solche Auffassung würde praktisch relevant werden, wenn die gegenwärtig hoheitlichen Benutzungsverhältnisse zwischen Bundespost und Kunden in privatrechtliche Vertragsformen überführt werden. Sie setzt allerdings voraus, daß Art. 80 Abs. 2 GG nicht so sehr auf die untergesetzliche Rechtsform der Verordnung abstellt als auf ein materielles Mitwirkungsinteresse der Länder. Die überwiegende Meinung teilt diese Prämisse jedoch nicht: Eine Gebührenregelung in Gesetzesform löst keine Zustimmungsnotwendigkeit des Bundesrates aus Art. 80 GG aus. Das Bundesverfassungsgericht hat diese strikte Trennung von Rechtsverordnung und förmlichem Gesetz für den umgekehrten Fall bestätigt, daß eine (aus anderen Gründen zustimmungspflichtige) Ermächtigung zum Erlaß einer

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Rechtsverordnung ausgesprochen worden war, obwohl eine unmittelbare Regelung zustimmungsfrei auch in einem förmlichen Gesetz hätte getroffen werden können. Der Gesetzgeber mußte sich an dem einmal eingeschlagenen Wege festhalten lassen. „Das Grundgesetz unterscheidet zwischen der Rechtsetzung in der Form des Gesetzes und in der Form der Rechtsverordnung; Zuständigkeiten und Voraussetzungen der Rechtsetzung in der einen und der anderen Form sind im Grundgesetz verschieden geregelt. Hat sich der Gesetzgeber zu einer Ermächtigung zur Rechtsetzung durch die Exekutive entschlossen, so regeln sich Zuständigkeiten und Voraussetzungen dieser Rechtsetzung nach den Vorschriften des Grundgesetzes über den Erlaß von Rechtsverordnungen, hier nach Art. 80 Abs. 2 GG. Es geht nicht an, eine bestimmte Auslegung dieser Vorschrift darauf zu stützen, daß diese Regelungen nicht zustimmungsbedürftig gewesen wären, wenn der Gesetzgeber die andere Form der Rechtsetzung, die des Gesetzes gewählt hätte“ (BVerfGE 24, 184, 199). Dies weist in die Richtung, daß ein Bundesgesetz, welches im Fernmeldebereich nicht zum Erlaß von Rechtsverordnungen nach Maßgabe von Art. 80 Abs. 2 GG ermächtig, sondern den Abschluß privatrechtlicher Verträge ermöglicht, keine Zustimmungsbedürftigkeit auslöst. Der Bundesrat wäre aus dieser Sicht auf die Mitwirkungs- und Einwirkungsrechte beschränkt, die das Gesetzgebungsverfahren für sogenannte einfache Gesetze vorsieht (Art. 77 GG). Dies stimmt mit der Praxis zu $ 16 BBahnG (Tarifmaßnahmen der Bundesbahn) überein, die anderenfalls verfassungswidrig wäre. Zweifelhaft ist ferner, ob sich eine Zustimmungsbedürftigkeit daraus ergibt, daß ein solches Reformgesetz das PostVerwG von 1953 aufheben würde. Die differenzierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Frage, wann ein Änderungsgesetz zu einem mit Zustimmung des Bundesrates ergangenen Gesetz seinerzeit wieder der Zustimmung bedarf, betrifft in ihrer Substanz andere Problemlagen (grundlegend BVerfGE 37, 363, 379 ff.; vgl. ferner BVerfGE 48, 127, 180 ff. und 55, 274, 318 £f.). Sie hat nicht direkt Bezug zu dem hier im Vordergrund stehenden Sachverhalt, daß der Bundesgesetzgeber mit einem unfassenden Reformgesetz eine völlig neue Grundlage schafft. Unstreitig hat eine früher einmal in einem Sachbereich gegebene Zustimmungsbedürftigkeit keine „Fern- und Dauerwirkung“ von Ewigkeit (vgl. BVerfGE 37, 363, 382). Bei einem Reformgesetz dieser Art käme es auch nicht zu „Systemverschiebungen im bundesstaatlichen Gefüge im Wege der einfachen Gesetzgebung“. Dies ist in diesem Zusammenhang der Bezugspunkt des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 55, 274, 319). Der Bund nähme vielmehr eine legislative Verantwortlichkeit wahr, welche ihm kraft Verfassung grundsätzlich als eine ausschließliche überantwortet ist. Doch bleibt in diesem Punkt eine verfassungsrechtliche Unsicherheit bestehen.

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3.2.2

Europäisches Gemeinschaftsrecht

Während das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland für eine Neuordnung im Telekommunikationsbereich eher Begrenzungen setzt, wirkt das europäische Gemeinschaftsrecht umgekehrt in Richtung einer Veränderung. Dies ist unter drei Aspekten bedeutsam: —

Das Gemeinschaftsrecht hat Vorrang vor jedem (nur) nationalen Recht eines Mitgliedstaates, auch vor einer nationalen Verfassung. Es ist überdies der Disposition eines nationalen Gesetzgebers entzogen.



Die Kommission in Brüssel als Hüterin des Gemeinschaftsrechts verfügt über ein Instrumentarium, seine Anwendung nicht nur gegenüber Unternehmen, sondern auch gegenüber den Mitgliedstaaten durchzusetzen (Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 169 EWG-Vertrag, Entscheidungskompetenz nach Art. 90 Abs. 3 EWG-Vertrag).



Die hier einschlägigen Vorschriften (freier Warenverkehr, freier Dienstleistungsverkehr, Wettbewerbsregeln) haben unmittelbare Wirkung in dem Sinne, daß sich jeder Gemeinschaftsbürger vor nationalen Behörden und Gerichten darauf berufen kann. Dies hat zur Folge, daß dieses Gemeinschaftsrecht trotz entgegenstehenden oder fehlenden nationalen Rechts anzuwenden ist. Daraus ergibt sich ein Durchsetzungsmechanismus, der nicht von Überlegungen politischer Opportunität, sei es auf europäischer, sei es auf nationaler Ebene, abhängig ist.

Es ist damit zu rechnen, daß das europäische Gemeinschaftsrecht neben der technischen Entwicklung mittel- und langfristig sich als die stärkste reformierende Kraft erweisen wird. Im folgenden wird eine Übersicht der für den Telekommunikationsbereich erheblichen Vorschriften und einiger damit verbundener Probleme gegeben. 3.2.2.1

Freier Warenverkehr

Die Vorschriften über den freien Warenverkehr in den Art. 30 ff. EWGVertrag werden im Telekommunikationsbereich für die Endgerätemärkte erheblich. Sie betreffen dagegen nicht den Dienstleistungsverkehr, der in den Art. 59 ff. EWG-Vertrag gesondert geregelt ist. Der weitestgehende Ordnungszwang geht hier von Art. 37 EWG-Vertrag aus. Danach sind staatliche Handelsmonopole derart umzuformen, daß die Versorgungsund Absatzbedingungen für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten diskriminierungsfrei sind. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften läuft dieser Umstellungszwang praktisch auf eine Auflösung der Monopole hinaus. Die EG-Kommission hat diese Vorschrift eingesetzt, als die Deutsche Bundespost das schnurlose Telefon und die Modem in ihr Fernmeldemonopol

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einbeziehen wollte. Im ersteren Fall gab die Deutsche Bundespost ihr Vorhaben auf, im zweiten Fall kam es zu einer Beilegung des Verfahrens im Wege eines Vergleichs, der den Markt für Modem jedenfalls partiell für Private (wieder) öffnete. Gesichert ist dabei die Erkenntnis, daß die staatliche Monopolisierung eines Endgerätes, welches durch eine Schnittstelle klar vom Netz getrennt ist, gemeinschaftswidrig wäre. Schwierigkeiten ergeben sich dagegen aus der Notwendigkeit, eine Abgrenzung zwischen Waren (= Endgeräten) und einem von Art. 37 EWG-Vertrag nicht erfaßten Dienstleistungsmonopol zu treffen. Diese Frage beantwortet sich ausschließlich nach Gemeinschaftsrecht. Die zu anderen Bereichen vorhandene und auf dezidierte Marktöffnung zielende Rechtsprechung des Gerichtshofs sowie der Rechtsgedanke des Art. 90 Abs. 2 EWG-Vertrag, wonach die Mitgliedstaaten Unternehmen zwar mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betrauen und auf diese Weise zugleich den Vertragsvorschriften entziehen können, dies aber nur in dem Maße, als die ihnen übertragene besondere Aufgabe sonst rechtlich oder tatsächlich verhindert würde, sprechen dafür, daß Fernmeldeeinrichtungen nur insoweit zu einem Dienstleistungsmonopol gehören, als sie zu dessen Leistungserbringung unerläßlich sind. Daran fehlt es schon immer dann, wenn die Dienstleistung auch bei weniger einschneidenden Regelungen sachgerecht erbracht werden kann. Aus dieser Sicht lassen sich Bedenken formulieren, ob das gegenwärtige Monopol der Bundespost am ersten Fernsprechapparat vor Art. 37 EWG-Vertrag Bestand hat. Die EG-Kommission geht in ihrem Grünbuch davon aus, daß diese Ausnahme nur noch für eine Übergangszeit in Betracht kommt. Im Modem-Verfahren wurde ein Verstoß gegen Art. 37 EWOG-Vertrag von der EG-Kommission auch darin gesehen, daß die Zusammenfassung von Marktbeteiligung und Zulassungskompetenz bei der Deutschen Bundespost die Gefahr einer Diskriminierung zwischen Angehörigen der Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Bedingungen der Marktteilnahme in sich trage. 3.2.2.2

Freier Dienstleistungsverkehr

Im Zusammenhang der Individualkommunikation gibt es noch keine Anwendungspraxis zu Art. 59 ff. EWG-Vertrag. Ein Verstoß gegen diese Grundfreiheit des EWG-Vertrages ist z. B. im Hinblick auf bestehende Agenturverbote denkbar: In anderen Ländern der Gemeinschaft zugelassene Anbieter privater Telekommunikationsdienste (z. B. Telexagenturen) sind daran gehindert, in der Bundesrepublik Deutschland ihre Dienstleistungen anzubieten. Eine Stellungnahme hängt von der nicht einheitlich beantworteten Frage ab, ob Art. 59 ff. EWG-Vertrag im wesentlichen auf ein Diskriminierungsverbot im Sinne einer unterschiedlichen Behandlung von Inländern und Ausländern hinauslaufen — dann wären Beschränkungen zulässig, soweit sie nur unterschiedslos gelten — oder ob diese Vorschriften

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weiterreichend auf eine Beseitigung aller Beschränkungen zielen, welche dem Entstehen eines gemeinsamen Dienstleistungsmarktes entgegenstehen, ohne dabei für die Erreichung eines einzelstaatlichen Allgemeininteresses unerläßlich zu sein. Letzteres dürfte der grundsätzlichen Linie des Gerichtshofes entsprechen. Im Hinblick auf Fernsehsendungen hat er entschieden, daß die Mitgliedstaaten nicht durch Art. 59 ff., 90 Abs. 1 EWG-Vertrag gehindert sind, einer Anstalt oder mehreren Anstalten ein ausschließliches Recht zu deren Verbreitung einzuräumen, wenn dies aus Gründen geschieht, „die im öffentlichen Interesse liegen und nicht wirtschaftlicher Natur“ sind (EuGH Sig. 1974, 409, 430 Sacchi; die Einschränkung „di carattere extra-economico“ fehlt aufgrund eines Versehens in der deutschen Urteilsfassung; vgl. auch EuGH Sig. 1980, 833, 856 Debauve zu einem unterschiedslos geltenden Verbot der Ausstrahlung von Werbesendungen). Ob diese Rechtsprechung zu Beschränkungen mit eher kulturpolitischem Hintergrund zwingend Beschränkungen von Dienstleistungen mit abdeckt, welche mit Hilfe von Fernmeldenetzen erbracht werden, kann zweifelhaft erscheinen. In der grundlegenden British-Telecom-Entscheidung des EuGH kam es darauf nicht an; der Gerichtshof ging davon aus, daß British Telecom nach der Rechtslage in Großbritannien kein Dienstleistungsmonopol hatte (Urteil vom 20. 3. 1985, Rs 41/83, RdNr. 22). In ihrem Grünbuch Telekommunikation, in welchem die EG-Kommission Gesichtspunkte politischer Konsensfähigkeit und rechtlicher Handlungsmöglichkeiten zu verbinden sucht, akzeptiert die EG-Kommission bei einigen Einschränkungen das „Prinzip der Gewährung ausschließlicher oder besonderer Rechte für die Fernmeldeverwaltungen bezüglich des Angebots, der Bereitstellung und des Betriebs der Netzinfrastruktur“. Bei den damit angebotenen Diensten hält sie eine Ausschließlichkeit nur noch beim Telefon für vertretbar, letzteres zusätzlich unter dem Vorbehalt einer Überprüfung in regelmäßigen Zeitabschnitten. 3.2.2.3

Wettbewerbsvorschriften

Die bisherige Anwendung des Gemeinschaftsrechts im Sektor Telekommunikation konzentriert sich eindeutig auf die Wettbewerbsvorschriften, hierbei namentlich auf Art. 86 EWG-Vertrag (mißbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung). Dies gilt für die Deutsche Bundespost in den bereits erwähnten und beigelegten Verfahren schnurloses Telefon und Modem. Gegenwärtig bemüht sich die Generaldirektion Wettbewerb, in Anwendung von Art. 86 EWG-Vertrag das in der Bundesrepublik geltende Verbot privater Telexagenturen zu beenden. Aus dem Bereich der klassischen Postdienste ist der Versuch der Deutschen Bundespost zu erwähnen, den gesetzlichen Beförderungsvorbehalt, der bei Briefen besteht, auf die sogenannten Internationalen Kurierdienste auszudehnen. Sie mußte ihn, als die Kommission Bedenken aus Art. 86 EWG-Vertrag äußerte, auf42

geben. Zu nennen ist des weiteren der SWIFT/CEPT-Fall. Hier hatten die europäischen Postverwaltungen bei Mietleitungen,welche für den elektronischen Überweisungsverkehr zwischen Banken benutzt werden, einen zusätzlichen volumenabhängigen Tarif eingeführt. Die EG-Kommission intervenierte mit der Begründung, die beteiligten Post- und Fernmeldeverwaltungen hätten damit das Kartellverbot aus Art. 85 EWG-Vertrag verletzt und zugleich individuell und kollektiv gegen Art. 86 EWG-Vertrag verstoßen. Als unter erheblicher Tarifreduzierung eine Vereinbarung mit SWIFT erzielt wurde, stellte die EG-Kommission das Verfahren ein. Die einzige förmliche Entscheidung der EG-Kommission betraf British Telecom, als dieses noch ein Staatsunternehmen war (Amtsblatt L 360 vom 21. 12. 1982, S. 36). Die Entscheidung stützte sich auf Art. 86 EWG-Vertrag und führte zu dem bereits erwähnten Urteil des Gerichtshofes. Die Anwendung der Wettbewerbsvorschriften (Art. 85, 86, 90 EWG-Vertrag) setzt voraus, daß die Deutsche Bundespost als Unternehmen handelt. Unstreitig wird eine Unternehmenseigenschaft nicht schon durch die öffentlich-rechtliche Organisationsform ausgeschlossen, ebenso scheitert die Qualifizierung einer Verhaltensweise als unternehmerisches Handeln nicht schon daran, daß es sich in hoheitlicher Rechtsform vollzieht. Die EGKommission stuft die Bundespost in ständiger Praxis als (öffentliches) Unternehmen ein und sieht im Erlaß von Benutzungsordnungen auch durchweg unternehmerisches Handeln, da hierbei ein inhaltlicher Entscheidungsspielraum bestehe. Daß den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 des Grundgesetzes, den politischen Vorgaben des Postverwaltungsgesetzes Rechnung zu tragen sei und bei Rechtsverordnungen über Gebühren ein Einvernehmen des Bundeswirtschaftsministers erforderlich sei, ändere daran nichts. Die Bundespost will sich demgegenüber zum einen als Teil der Staatsverwaltung verstehen und Benutzungsordnungen zum anderen als staatliche Hoheitsakte der Bundesrepublik Deutschland zugerechnet wissen. Der Gerichtshof hatte das frühere Staatsunternehmen British Telecom schon deshalb als Unternehmen im Sinne der Art. 85 ff. EWG-Vertrag eingestuft,

weil

British

Telecom

öffentliche

Fernmeldeanlagen

betreibe

und

diese gegen Zahlung einer Gebühr den Kunden zur Verfügung stelle. Im Erlaß der sogenannten Schemes seitens British Telecom, welche in ihrem Rechtscharakter den deutschen Benutzungsordnungen entsprechen, sah der Gerichtshof „einen wesentlichen Bestandteil der Unternehmenstätigkeit von British Telecom“, weil das Parlament des Vereinigten Königreichs den Inhalt der Schemes nicht näher bestimmt hatte und British Telecom über entsprechende Freiheit verfügte (a.a.0., RdNr. 18—20). Da sich der Gerichtshof mit der Problematik nicht eingehender auseinandergesetzt hat und im Hinblick auf Schemes im Vereinigten Königreich einerseits und Benutzungsordnungen in der Bundesrepublik andererseits auch einige Unterschiede im Sachverhalt bestehen, lassen sich Zweifel formulieren, ob damit

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im Hinblick auf die wettbewerbsrechtliche Stellung der Deutschen Bundespost eine abschließende Klärung erreicht ist. Doch ist dabei zu differenzieren: Mit Rücksicht auf den sogenannten funktionalen Unternehmensbegriff, welcher den Art. 85 ff. EWG-Vertrag zugrunde liegt, und die ständige Praxis des Gerichtshofes, sich nicht an rechtlichen Formen, sondern an der sachlichen Substanz zu orientieren, erscheint es wenig aussichtsteich, der Bundespost a priori die Eigenschaft eines „öffentlichen Unternehmens“ absprechen zu wollen. Schwierigkeiten können nur im Hinblick auf einzelne bestimmte Tätigkeitsformen und ihre Bewertung entstehen. Doch hier ist der Streit, ob staatliches Handeln oder eher unternehmerisches Handeln, weitgehend müßig. Denn bei Zuordnung an den Staat greifen die Handlungsmöglichkeiten der EGKommission nach Art. 90 Abs. 1 EWG-Vertrag ein, wonach die Mitgliedstaaten in bezug auf Öffentliche Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine dem Vertrag widersprechende Maßnahmen treffen oder beibehalten dürfen. Neben Art. 90 Abs. 1 EWG-Vertrag ergeben sich bei staatlichen Rechtsetzungsakten nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs zusätzlich Eingriffsmöglichkeiten nach Maßgabe von Art. 5 in Verbindung mit Art. 3 f) EWG-Vertrag. Danach haben die Mitgliedstaaten alle Maßnahmen zu unterlassen, welche die Verwirklichung der Ziele des Vertrags gefährden könnten. Zu den grundlegenden Vertragszielen gehört nach Art. 3 f) EWG-Vertrag „die Errichtung eines Systems, das den Wettbewerb innerhalb des gemeinsamen Marktes vor Verfälschungen schützt“ (vgl. dazu EuGH Sig. 1977, 2115, 2141 INNO/ATAB; EuGH NJW 1985, 1615 Leclerc; EuGH NJW 1986, 1423 Cullet; EuGH NJW 1986, 2182 Luftverkehr). Bezüglich der Anforderungen, welche Art. 86 EWG-Vertrag an ein Fernmeldeunternehmen stellt, ist wieder die Entscheidung des Gerichtshofs in Sachen British Telecom aufschlußreich. Private Agenturunternehmen in Großbritannien hatten sich das Gebührengefälle zu Nutze gemacht, welches zwischen einer Telexübermittlung vom europäischen Kontinent unmittelbar in die USA zu einer solchen über Großbritannien bestand. Das lag nicht nur an Unterschieden in der absoluten Höhe der Gebühren, sondern auch an unterschiedlichen Gebührenstrukturen (Verhältnis von Grundgebühr zu Verkehrsgebühr). Sie benutzten bei der Weiterübermittlung von Großbritannien in die USA das Telefonwählnetz, wobei sie mit Hilfe von Computern eine sehr viel schnellere Übertragungsgeschwindigkeit — und damit Kostenersparnisse — erreichten, als sie innerhalb des Telexnetzes möglich war (Zonenarbitrage und Bandbreitenarbitrage). Als British Telecom — auf den Druck der übrigen europäischen Fernmeldeverwaltungen hin —

diese Konkurrenz

zu unterbinden suchte, sah der Gerichtshof darin

den Mißbrauch einer markbeherrschenden Stellung. 44

Weniger gesichert ist die Anwendungspraxis der EG-Kommission, da die einschlägigen Verfahren ohne förmliche Entscheidungen beigelegt wurden bzw. noch nicht abgeschlossen sind. Die potentielle Reichweite der Norm wird freilich aus den Vorwürfen deutlich, welche die Kommission z. B. im Modem-Verfahren erhob. Mißbräuche wurden gesehen —

inder Ausdehnung des Netzmonopols auf einen weiteren Markt,



in der Weigerung, Direktrufleitungen ohne Postmodem zur Verfügung zu stellen (unzulässige Kopplung), — inder Verzögerung bzw. Verweigerung der Gerätezulassung, als es noch private Modem gab, um die eigene Marktstellung zu fördern, -—- in der Verschaffung von Wettbewerbsvorteilen durch die Verbindung der Funktionen von Netzbetreiber, Zulassungsstelle und Geräteanbieter,



in der zwangsweise durchgesetzten Umstellung der analogen Direktrufverbindungen auf IDN, ohne daß letzteres nach Auffassung der Kommission hinsichtlich Preis und Leistung eine gleichwertige Alternative darstellte.

Auf der anderen Seite wird die Ausnahmevorschrift des Art. 90 Abs. 2 EWG-Vertrag sehr restriktiv angewandt. Der Gerichtshof hat in der British-Telecom-Entscheidung das Vorbringen, die Tarifarbitrage seitens der genannten Übermittlungsagenturen füge British Telecom einen wirtschaftlichen Schaden zu, als unerheblich angesehen, soweit die Erfüllung der British Telecom anvertrauten Aufgabe, wirtschaftlich gesehen, dadurch nicht gefährdet sei. Ganz ähnlich argumentiert die EG-Kommission jetzt bezüglich des in der Bundesrepublik bestehenden Verbots privater Telexagenturen. Auch nach einer Zulassung solcher Agenturen bleibe die Bundespost tatsächlich und rechtlich in der Lage, im gesamten Bundesgebiet für ihre Leistungen einheitliche Gebühren zu erheben und Bedingungen festzusetzen.

Mit der Schilderung solcher Sachverhalte soll keine Stellungnahme zum jeweiligen Einzelfall abgegeben werden. Es soll nur konkret verdeutlicht werden, welches Anwendungspotential in den einschlägigen Vorschriften des europäischen Gemeinschaftsrechts liegt.

45

4.

Neuordnung der Telekommunikationsmärkte im Ausland

In der Konzeption der Bundesregierung zur Informationstechnik wird verlangt, daß der Kommissionsbericht auch die Entwicklung in anderen Ländern berücksichtigen soll. Entsprechend sieht der Auftrag an die Kommission vor, daß die Untersuchungen die gegenwärtige und zukünftige Aufgabenstellung im Bereich des Fernmeldewesens unter nationalen und internationalen Aspekten berücksichtigen sollen. Die Kommission ist nicht nur auftragsgemäß dieser Aufforderung gefolgt. Sie hat sich durch das Studium der internationalen Literatur, der von den ausländischen Regierungen und Fernmeldegesellschaften vorgelegten Unterlagen und schließlich durch Augenschein und intensive Gespräche während der Kommissionsreisen davon überzeugt, daß die internationalen Erfahrungen für die Neustrukturierung des Telekommunikationsbereichs in der Bundesrepublik Deutschland wertvolle Anregungen bieten, wenn sie auch nicht unmittelbar auf die Bundesrepublik übertragen werden können. Insbesondere ergeben sich die folgenden Orientierungshilfen: — Identifikation von ordnungspolitischen Problemen der Telekommunikation; —

Analyse der Problemstruktur; Gewinnung von Einsichten über Teilprobleme;



Aufzeigen von verschiedenen Lösungsmöglichkeiten der Probleme; Erkenntnisse über die Realisierbarkeit der einzelnen Problemlösungen und über die dabei auftretenden Hemmnisse, Verzögerungen und Nebenwirkungen auf andere Problemlösungen;





Erfahrungen über die Auswirkungen einzelner Problemlösungen.

Insgesamt widerspricht die Verwertung der internationalen Lösungsansätze der Vorstellung, daß die im eigenen Lande traditionell gewachsene Struktur die einzige oder die beste Realität sei. Der folgende Überblick zeigt eine derart bemerkenswerte Vielfalt an Denk- und Handlungsalternativen, daß die Darstellung im Interesse der Durchschaubarkeit auf die jeweils wesentlichen Entwicklungsmerkmale der einzelnen Länder konzentriert werden muß. Ergänzende Details werden in den Kapiteln zu den einzelnen Problemfeldern verarbeitet.

46

4.1

USA

Privatwirtschaftliches Monopol Die USA bieten den Sonderfall einer von vornherein privatwirtschaftlich organisierten Telekommunikation. Das Problem der Privatisierung, das in anderen Ländern ein wesentlicher Diskussionspunkt war, stellte sich hier also nicht. Dennoch existierten die meisten Probleme, die in anderen Ländern durch das staatliche Fernmeldemonopol hervorgerufen wurden. Denn die in privatem Streubesitz befindliche Gesellschaft American Telephone & Telegraph (AT&T) besaß bis zu ihrer Entflechtung im Jahre 1984 ein faktisches Monopol, das noch durch die Eigenproduktion der systemtechnischen Einrichtungen und der Endgeräte verstärkt wurde. Allerdings existieren in einigen Regionen der USA, insbesondere in dünn besiedelten Gebieten ca. 1400 private Telefongesellschaften, die ihrerseits über ein Gebietsmonopol verfügen. Angesichts dieser im Vergleich zu Europa völlig anderen Ausgangslage drängt sich die Frage auf, ob eine nichtstaatliche Telekommunikationsstruktur der Forderung nach Flächendeckung entgegensteht. Die USA haben in der Marktdurchdringung eine Spitzenstellung in der Welt erreicht: 92 Sprechstellen je 100 Einwohner gegenüber 59,8 in der Bundesrepublik

Deutschland'°, 7,2 öffentliche Sprechstellen je 1000 Einwohner gegenüber

2,7 bei der Bundespost''. Pro Kopf und Jahr wird nach McKinsey in den USA

1632mal telefoniert gegenüber 417 Gesprächen in Deutschland’?. Sie-

mens nennt ein Verhältnis von 1572 zu 432'?. Das Angebot ist hinsichtlich

Vielfalt, Qualität, Innovationsgrad und Tarifstruktur in den Regionen unterschiedlich. Die Tarife sind deutlich niedriger als in Europa. Entflechtung des Monopolunternehmens Neben den Einsichten aus einer privat organisierten Telekommunikation liefern die USA eine weitere ordnungspolitische Erfahrung, die weltweit diskutiert wird: die Aufhebung des Telefonmonopols für AT&T und gleichzeitig die Entflechtung dieses Großunternehmens (Divestiture). Ursprünglich wurde AT&T verboten, auf dem Gebiet der Datenverarbeitung tätig zu werden. Als diese Entwicklung schließlich nicht mehr aufzuhalten war, wurde verlangt, daß der mit der Datenverarbeitung zusammenhängende Unternehmensbereich als unabhängige Tochtergesellschaft (Separate Subsidiary) geführt wird. Die Unternehmen der Datenverarbeitung wiederum erhielten keinen Zugang zum Markt der Telekommunikation. Sie betrieben einen satellitengestützten Datenfernverkehr (Satellite Business Systems). Die Divestiture ist das Ergebnis eines Antitrustverfahrens, das in der Zeit von 1974 bis 1982 vom Department of Justice gegen AT&T angestrengt

47

wurde und schließlich in einem gerichtlichen Vergleich vom 24. 8. 1982 endete. AT&T wird auf den Fernverkehr beschränkt, behält allerdings seine Produktionsfabriken (Western Electric) sowie seine Forschungsinstitute (Bell Labs) und darf zusätzlich in das Computergeschäft eintreten. Gleichzeitig wird AT&T in allen Geschäftszweigen der Konkurrenz mit anderen privaten Wettbewerbern ausgesetzt. Die Divestiture ist vom Department of Justice betrieben worden, weil AT&T sich allzu deutlich als Monopolist verhalten hatte. Auf der anderen Seite stimmte AT&T der Divestiture zu, weil ihr damit der Zugang zu neuen Märkten geöffnet wurde. Aus europäischer Sicht wird angesichts der Gründe für die Entflechtung von AT&T deutlich, daß es nicht empfehlenswert ist, ein staatliches Monopol in ein privates Monopol zu überführen. Die bloße Privatisierung unter Beibehaltung der starken Marktposition scheint nach den amerikanischen Erfahrungen kein anzustrebender Zustand zu sein. Der von AT&T abgetrennte Orts- und Nahverkehr ist sieben regionalen Holding-Gesellschaften (RHCs) übertragen worden, die völlige unternehmerische Selbständigkeit besitzen. Sie unterteilen sich über die Fläche der USA in 22 Bell Operating Companies (BOCs). Jede dieser BOCs bedient mehrere Nahverkehrsnetze (Local Access and Transport Areas = LATASs). Der Telekommunikationsverkehr innerhalb einer LATA befindet sich im Gebietsmonopol der zuständigen Bell Operating Company. Der Verkehr zwischen den LATAs und der Verkehr zwischen den BOCs und natürlich zwischen den regionalen Holding Companies gilt als Fernverkehr und wird im Wettbewerb zwischen AT&T und mehreren privaten Konkurrenten, insbesondere MCI und GTE Sprint abgewickelt. Die einschneidendste Folge der Entflechtung ist der Abbau von Tarifverzerrungen, d. h. die Annäherung der Tarife an die Kosten. Die Weitverkehrstarife sind kräftig gesenkt worden, was der wirtschaftlichen Entwicklung des ganzen Landes sehr zugute kommt. Andererseits sind die zuvor aus dem Fernverkehr subventionierten Ortstarife prozentual z. T. drastisch gestiegen, was zu Protesten der Privatkunden geführt hat. Auch die Rechnungen von mehreren in Anspruch genommenen Weitverkehrsgesellschaften wirkten zunächst irritierend. Dabei muß aber berücksichtigt werden, daß die absolute Höhe der Telefonrechnung auch nach Anpassung noch niedriger ist als in Europa — insbesondere wenn man die Tatsache einbezieht, daß in den USA pro Anschluß rund viermal so oft telefoniert wird wie in Deutschland. Während nach Aussage der Federal Communications Commission (FCC) der Anstieg der Telefontarife unterhalb der Inflationsrate geblieben ist, nennt die Consumer Federation of America eine Erhöhung der Monatsrechnung für Grundgebühr und Ortsgespräche von 10,55 auf 15,40 $ mo-

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natlich innerhalb von 3 Jahren. Diese Beträge stellen für die meisten Privatkunden zugleich den Gesamtbetrag der Telefonrechnung dar, da ca. 75 % von ihnen praktisch nur Gespräche innerhalb der (sehr großen) LATAs führen. Für Härtefälle ist in vielen Bundesstaaten ein Sozialtarif eingeführt worden (Kalifornien: 1,68 $ monatlich einschließlich 60 Ortsgesprächen). Mit der Trennung von Orts- und Fernverkehr stellt sich die Frage eines finanziellen Ausgleichs für die Zubringerleistung der BOCs. Die hierfür von den Fernverkehrsgesellschaften zu zahlenden Beträge machen bis zu einem Drittel der Einnahmen der BOCs aus. Sie liefern zugleich den Anreiz zum Bypassing der Ortsnetze. Das Bypassing besteht darin, daß ein Teilnehmer (zumeist ein größeres Unternehmen) unmittelbar Anschluß an das Netz einer der Weitverkehrsgesellschaften findet oder den direkten Punkt-zuPunkt-Kontakt zwischen einzelnen Unternehmensteilen (z. B. durch Richtfunk) herstellt. In beiden Fällen wird das Netz der örtlichen Bell Operating Company umgangen. Die Smart Buildings (zumeist Hochhäuser in Geschäftsbezirken) bieten ihren Mietern einen hohen Komfort in der Telekommunikation untereinander und im Zugang zum Bypass der örtlichen BOC an. Ob aus diesen Umgehungen der BOCs künftig ein ökonomisch wirksamer Wettbewerb auch im Ortsnetz entstehen wird, ist bisher noch nicht abzusehen. Deregulierung Zur Analyse der jüngsten amerikanischen Entwicklung ist deutlich zu trennen zwischen der Entflechtung von AT&T (Divestiture) und der Rücknahme staatlicher Eingriffe (Deregulation). Die Divestiture ist die Konsequenz eines Gerichtsprozesses. Demgegenüber ist die Deregulation die Zielsetzung der FCC-Politik zur Herbeiführung von Wettbewerb. Die FCC hat in einem pragmatischen Verfahren die Neuordnung der Telekommunikationsmärkte bewirkt. Aus europäischer Sicht wäre dazu eine Gesetzgebung nötig gewesen. Tatsächlich aber hat sich der Kongreß bewußt zurückgehalten. Lediglich einzelne Mitglieder des Parlamentes haben sich an der öffentlichen Diskussion beteiligt und gelegentlich in Aussicht gestellt, daß sie eine Gesetzgebung anregen werden, falls die Neuordnung nicht einvernehmlich im Rahmen der FCC gelingt. Da niemand der Beteiligten voraussehen kann, ob eine Gesetzgebung für ihn vorteilhaft wäre, ist die einschneidende Veränderung der amerikanischen Telekommunikationslandschaft weitestgehend auf dem Wege der gegenseitigen Einigung und der begleitenden Umregulierung durch die FCC vollzogen worden. Es bestand von vornherein kein ordnungspolitischer Gesamtplan, der gleichsam in einem Guß entworfen wurde. Ein derartiger Anspruch wurde bewußt nicht gestellt. Vielmehr wird schrittweise vorgegangen, wobei der zweite Schritt erst dann eingeleitet wird, nachdem die Auswirkungen des ersten Schrittes auf den Telekommunikationsmärkten sichtbar werden. Dadurch können

49

unerwünschte Wirkungen der Eingriffe schnell korrigiert werden. In manchen Fällen wird ein Eingriff sogar vermieden, indem man ihn nur für den Fall einer Fehlentwicklung ankündigt. Aus europäischer Sicht mit der hier gewachsenen anderen Rechtstradition wird ein solches pragmatisches Vorgehen oftmals als ungeplant und ungeordnet mißverstanden'*. Eine einschneidende Deregulierungsmaßnahme der FCC liegt in der völligen Freigabe des Endgerätemarktes. Die Prüfungskriterien beschränken sich im wesentlichen auf den Schutz des Netzes vor Störungen. Die darüber hinausgehenden Merkmale insbesondere auch der Qualität werden dem UTteil des Käufers anheimgegeben. Der Einzelhandel bietet seitdem Telefonapparate in großer Vielfalt an, während sich einige Bell-Gesellschaften angesichts der Preissenkungen aus dem Geschäft mit einfachen Telefonen ganz zurückgezogen haben. Die Regulierungspolitik gegenüber den im Wettbewerb stehenden Anbietern verfolgt das mittelfristige Ziel, im Weitverkehr einen funktionstüchtigen Wettbewerb herbeizuführen, also zu vermeiden, daß ein Großanbieter von Telekommunikationsleistungen (Dominant Carrier) eine monopolähnliche Position behält oder erringt. Auf dem Wege zu diesem erwünschten Zustand, der dann im Idealfall keiner Regulierung mehr bedarf (die eigentliche Deregulierung), muß die FCC zunächst eher mehr regulieren als während des vorherigen Monopolbetriebs (Umregulierung)”. Eine bemerkenswerte regulierungspolitische Maßnahme besteht darin, die Weitverkehrsgesellschaften bewußt nicht in gleicher Weise zu regulieren: Den neu entstehenden, zunächst kleinen Wettbewerbern wird jede Freiheit eingeräumt, während AT&T (mindestens befristet) noch kräftigen Regulierungen unterworfen ist. Dazu gehört die Genehmigung der Tarife, die Festlegung der Abschreibungsraten und der Kapitalrendite sowie die Kontrolle, ob Gewinne aus dem herkömmlichen Telefongeschäft in die neuen Wettbewerbsbereiche transferiert werden. Auch hinsichtlich der Zahlungen, die die Weitverkehrsgesellschaften für den Eintritt in die Ortsnetze an die BOCs zu entrichten haben, bestehen Unterschiede zwischen dem Dominant Carrier und den neuen Wettbewerbern. Die letzteren brauchen zunächst nur eine geringere Access Charge zu zahlen. Mit der Computer-IIl-Entscheidung von 1986 ist eine zusätzliche Chance für die neuen Wettbewerber geschaffen worden. AT&T und die BOCs haben den Wettbewerbern den ungehinderten Zugang zu ihren Vermittlungsanlagen zu gestatten, so daß diese in gleicher Weise wie AT&T in der Lage sind, alle Dienstleistungen anzubieten, obgleich sie selbst noch nicht über eine hinreichend entwickelte Infrastruktur verfügen. Damit greift die Regulierung erstmals auch in die Technik der Netze ein. Die konkrete Ausgestaltung dieses mit Open Network Architecture (ONA) bezeichneten Modells steht allerdings gegenwärtig noch aus und ist umstritten.

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Mit dieser Regulierungspolitik wird deutlich, daß zur Öffnung des Wettbewerbs nicht das Rosinenpicken (Cream Skimming) verboten oder auch nur behindert werden soll. Dies wird als normaler und erwünschter Wettbewerb betrachtet. Die Regulierung bezieht sich vielmehr auf das bisher im Monopol operierende Großunternehmen, dessen Wettbewerbsvorteile so offensichtlich sind, daß es keines Schutzes bedarf. Im übrigen stellt sich nicht die strikte Alternative, ob ein Monopol bestehen bleiben soll oder ob der völlig ungebundene Wettbewerb geöffnet wird. Vielmehr zeigen die amerikanischen (positiven wie negativen) Erfahrungen, daß für die Ordnungspolitik eine Fülle von Regulierungsvariablen verfügbar ist: Zulassung von Anbietern und Dienstleistungen, differenzierte Behandlung von Leistungsgattungen (Grunddienste, erweiterte Dienste), Tarifgenehmigung, Sonderabgaben, Zutrittsregelungen zu Orts- und Fernverkehrsnetzen, technische Vorgaben, Organisationsstrukturen, Informationspflichten sowie die ungleiche Behandlung großer und kleiner Konkurrenten. Ermutigend ist die Erkenntnis, daß Wettbewerb und dadurch bewirkter Rationalisierungsdruck nicht zu einem generellen Beschäftigungsrückgang führen, Nach Aussagen der betroffenen Gewerkschaft (Communication Workers Union) stehen rund 50.000 bei AT&T (und den BOCs) eingesparten Arbeitsplätzen etwa gleich viele neue Arbeitsplätze in anderen Firmen gegenüber.

4.2

Großbritannien

Die Entwicklung in Großbritannien ist für die Überlegungen zur Neustrukturierung des Fernmeldewesens in Deutschland deshalb von besonderem Interesse, weil im Gegensatz zu den USA die traditionelle Ausgangslage ähnlich war, wie sie in Deutschland noch heute besteht. Post und Telekommunikation waren als Post Office unter einem Ministerium zusammengefaßt. Allerdings wurde dieses Post Office bereits 1969 vom Ministerium getrennt. Damit begann eine neue Entwicklung für dieses öffentliche Unternehmen. Für den Bereich der Telekommunikation wurde eine neue unternehmenspolitisch orientierte Entwicklung angestrebt, um den technologischen Veränderungen und der für notwendig gehaltenen Innovation Rechnung zu tragen. Die Weltmarktfähigkeit der britischen Industrie sollte durch eine Öffnung des Telekommunikationssystems gefördert werden. Das öffentliche Unternehmen British Telecom mußte in die Lage versetzt werden, das notwendige Investitionskapital auf dem offenen Markt aufzunehmen und in personalpolitischer Hinsicht eine neue Freiheit zu gewinnen.

5l

Trennung von Post und Telekommunikation Durch den Telecommunications Act von 1981 wurde das Post Office in zwei Unternehmen aufgespalten: „Post Office“ und „British Telecom“. Als Gründe für die Trennung wurden das unterschiedliche Marktwachstum der beiden Bereiche, die unterschiedliche Innovationsgeschwindigkeit und die differenzierten Qualifikationsanforderungen an die Mitarbeiter genannt. Die Verbundvorteile wurden als unerheblich bezeichnet. Die beiden Unternehmen haben sich nach der Erlangung ihrer Unabhängigkeit als wirtschaftlich überlebensfähig und durchaus erfolgreich erwiesen. Nicht nur die Trennung der Telekommunikation vom Postwesen, sondern vor allem seine Loslösung vom Ministerium hat British Telecom in die Lage versetzt, ein eigenständiges Bewußtsein als Unternehmen zu entwickeln. Obgleich British Telecom zunächst in hundertprozentigem Staatsbesitz blieb, ist es fortschreitend dem Wettbewerb ausgesetzt worden. Wettbewerb Bereits mit der Verabschiedung des Telecommunications Act von 1981 wurde die Einführung von Wettbewerb auf allen Ebenen der Telekommunikation eingeleitet: Endgeräte, Dienstleistungen, Netze. Im Endgerätebereich wurde das ursprünglich vorhandene Monopol von British Telecom, das sich nicht nur auf den Hauptanschluß, sondern auch auf Nebenstellenanlagen bis zu 100 Sprechstellen bezog, aufgehoben. Die Wartung von Endgeräten wurde ebenfalls liberalisiert. Der Markt benötigte fünf Jahre, um den gesetzlich zugelassenen Wettbewerb tatsächlich zu etablieren. Dadurch erhielt British Telecom die zeitliche Möglichkeit, sich auf die Veränderungen einzustellen. Die im Handel angebotene Vielfalt von 90 verschiedenen Fernsprechgeräten bewirkt eine erhebliche Marktbelebung und ein jährliches Wachstum von 11 %. Nutznießer dieser Entwicklung ist durchaus auch British Telecom. Obgleich ihr Marktanteil prozentual geringfügig gesunken ist, ist ihr Umsatz im Endgerätebereich stark gestiegen. Im Bereich der Dienstleistungen erhielten private Unternehmen von dem zuständigen Ministerium Lizenzen zum Angebot von Value Added Network Services. Hierzu stellt British Telecom Mietleitungen zur Verfügung. Allerdings bleibt der einfache Wiederverkauf von Mietleitungskapazität verboten. Erst für 1989 sind Neuregelungen zur Öffnung auch dieses Marktsegmentes angekündigt. Tabelle 2 veranschaulicht, welche Lizenzen für VAN-Dienste vergeben wurden. Ein Teil dieser Dienstleistungen bestand bereits vor 1981. Auch neugegründete, kleinere Unternehmen ergriffen die Chance, mit speziellen Telekommunikationsangeboten den Markt zu betreten.

52

Im Netzbereich war bereits in der Gesetzgebung von 1981 die Möglichkeit vorgesehen, Lizenzen zur Errichtung und zum Betrieb von Übertragungswegen der Telekommunikation an private Unternehmen zu vergeben. Tatsächlich wurde jedoch — neben der Zulassung von zwei Funktelefongesellschaften und einer Reihe von Kabelfernsehgesellschaften — nur ein einziger Wettbewerber für allgemeine Telekommunikationsnetze lizenziert: Mercury Communications Ltd. Dieses 1981 gegründete Unternehmen ist (nach dem Rückzug anderer Gründungsgesellschafter) eine Tochter von Cable & Wireless, der traditionellen Telefongesellschaft der ehemaligen britischen Kolonien, die heute noch Netze in mehreren überseeischen Ländern betreibt, über ein weltumspannendes Seekabelnetz verfügt und in den nächsten Jahren ein eigenes Glasfaser-Transatlantikkabel verlegen wird. Der Aufbau des Netzes begann 1982 und war im Frühjahr 1986 soweit abgeschlossen, daß ein wirksamer Wettbewerb zu British Telecom entstand. Das

Mercury-Glasfasernetz verbindet London mit den Industriestädten Mittelenglands. Die Netzform einer Acht wird durch weitere Verbindungskreise nach Süden und Westen ergänzt, so daß die wesentlichen WirtschaftszenTab. 2:

VAN-Dienste in Großbritannien (Quelle: A. Heuermann u. a.: Telekommunikationspolitik Sonderdruck aus dem Jahrbuch der DBP 1986, S. 220)

VAN-Dienste Automatische Platzbuchung Konferenzgespräche Kunden-Datenbanken Zeitversetzte Nachrichtenübertragung Langfristige Archivierung Mailboxdienste Rundsenden an mehrere Empfänger Protokollumwandlung zwischen nichtkompatiblen Computern und Terminals

Sicherheitsdienste

im

Vergleich,

vergebene Lizenzen 9 8 36 42 24 50 37 51

17

Geschwindigkeits- und Codeumwandlung zwischen nichtkompatiblen Terminals Nachrichten-Speicher- und Wiedergabe-Systeme Anrufbeantwortungsdienste Software-Speicherung und -Wiedergabe Textredigierung Kunden-Anwendungspakete (z. B. Buchhaltung, Statistik)

35 65 65 16 21 33

Bildschirmtextdienste

37

Text- und Fax-Schnittstellen

31

Anzahl der VAN-Dienste insgesamt:

577

Stand Frühjahr 1985

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tren miteinander verbunden werden. In der Londoner City errichtet Mercury außerdem ein Glasfaserortsnetz. Die Kunden von Mercury sind vorwiegend große Unternehmen mit starken internationalen Verkehrsbeziehungen. So verfügt Mercury bei den festgeschalteten Satellitenkanälen bereits über einen Marktanteil von 50 %. Der Marktanteil am inländischen Telekommunikationsmarkt als Ganzem ist allerdings noch sehr gering. Er wird im Verlaufe der nächsten fünf Jahre auf 5 bis 10 % geschätzt, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, daß der Markt in absoluter Höhe stark wächst. Privatisierung Mit der Verabschiedung eines neuen Telecommunications Act von 1984 wurde British Telecom privatisiert. Nach der Umformung in eine Aktiengesellschaft wurde die Mehrheit der Anteile an der Börse veräußert. Das nunmehr private Unternehmen erhielt, wie alle anderen Wettbewerber, Lizenzen zum Betrieb des Netzes und zum Angebot von Dienstleistungen und Geräten. Mit der Öffnung des Wettbewerbs und der zusätzlichen Privatisierung hat sich bei British Telecom eine weitgehende Mentalitätsänderung und ein neues Selbstbewußtsein eingestellt. Während früher eine enge Bindung an das öffentliche Dienstrecht und an den Staatshaushalt bestand, können nun marktgerechte Gehälter bezahlt und Kredite auf dem Kapitalmarkt aufgenommen werden. Die Gewerkschaft erhielt das Streikrecht. Die Abschaffung des Monopols hat nicht zu den befürchteten negativen Auswirkungen geführt, sondern die Position von British Telecom in jeder Hinsicht verbessert. Durch den Wettbewerb hat sich vor allem das Bewußtsein der Mitarbeiter verändert. Wo bisher Ingenieurdenken nach technischer Perfektion strebte, ist heute eine wesentlich stärkere Marktorientierung anzutreffen. 1980 verfügte British Telecom über eine Belegschaft von 250000 Mitarbeitern, die jährlich um 5000 stieg. Dabei bestand eine Warteliste für eine Viertelmillion Hauptanschlüsse. Fünf Jahre später wurde ein verdoppelter Verkehrsumfang mit 10 % weniger Personal abgewickelt. Die Warteliste ist abgebaut. Bemerkenswert ist, daß die Umstellung von einer Monopolverwaltung zu einem Wettbewerbsunternehmen mit derselben Belegschaft vollzogen wurde. Lediglich in der Spitze des Managements wurden ca. 50 % der Führungskräfte aus der Privatwirtschaft gewonnen. Regulierungsinstanz Mit dem bereits genannten Telecommunications Act von 1984, der die Privatisierung von British Telecom festlegt, wurde gleichzeitig das Office of Telecommunications (OFTEL) als Regulierungsbehörde eingesetzt. Wäh-

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rend das zuständige Ministerium sich die Lizenzierungsfunktion vorbehielt, wurde OFTEL die Aufgabe übertragen, die Einhaltung fairen Wettbewerbs auf den Märkten der Telekommunikation zu garantieren. OFTEL hat bis zum Herbst 1986 (Kommissionsreise) ca. 500 neue Dienstleistungen der Telekommunikation registriert. Eine weitere wichtige Funktion besteht in der Genehmigung von Tarifänderungen bei British Telecom. In dieser Funktion hat OFTEL das „re-balancing“, d. h. das Anpassen der Tarife an die Kosten bewirkt. Die Tarife im Weitverkehr wurden um 30 % gesenkt. Um einen gewissen Ausgleich zu erreichen, wurde die Anhebung des Ortstarifes angestrebt. Dabei ist British Telecom jedoch differenziert vorgegangen und hat lediglich die Ortsgespräche zu den Spitzenzeiten des Geschäftsverkehrs um 35 % erhöht. Im Durchschnitt ist die Telefonrechnung des privaten Haushalts geringer gestiegen als die Inflationsrate. British Telecom hat — trotz Wettbewerb und Privatisierung — nach wie vor die Auflage zu befolgen, Universaldienste im ganzen Land flächendekkend anzubieten, auch die Tarifeinheit im Raum ist nicht prinzipiell aufgegeben worden. Bei grundsätzlicher Gültigkeit der Tarife für das Gesamtgebiet Großbritanniens sind lediglich die stark frequentierten High-DensityRouten in der Tarifierung um 20 % gesenkt worden. Dies kann als De-facto-Auflösung der Tarifeinheit verstanden werden. Eine Diskriminierung anderer Teilnehmer wird darin jedoch nicht gesehen, sondern lediglich eine teilweise Rücknahme der Subventionierung des Gesamtsystems aus den besonders einnahmenintensiven (und kostengünstigen) Strecken.

4.3

Japan

Die Entwicklung in Japan ist dadurch gekennzeichnet, daß sich die Neustrukturierung des Telekommunikationswesens in einer größeren Zeitspanne (1952 bis 1985) vollzog, daß gleitende Übergänge gewählt wurden und der Gesamtprozeß als Teil umfassender Überlegungen zur Rolle des Staates und der öffentlichen Wirtschaft verstanden wurde. Eine unabhängige Regierungskommission war zu dem Ergebnis gelangt, den Anteil des Staates an der Wirtschaft zurückzudrängen, die personelle Überbesetzung der öffentlichen Verwaltung zu mindern und die japanische Industrie auf dem Wachstumssektor der Telekommunikation sowohl im Inlandsmarkt als auch im Export zu neuen Leistungen zu motivieren. Trennung von Post und Telekommunikation Die organisatorische Trennung der Telekommunikation vom Postwesen hat in Japan eine lange Tradition und drückte sich nach dem Zweiten Weltkrieg sogar in der Existenz zweier Ministerien aus. Die grundlegende Neuordnung erfolgte 1952. Das Ministerium für Post und Telekommunika55

tion (MPT) war für beide Bereiche zuständig. Organisatorisch wurde jedoch eine asymmetrische Lösung realisiert: Das Postwesen blieb als öffentliche Verwaltung Bestandteil des Ministeriums, während die Telekommunikation in einen Hoheitsbereich und einen Unternehmensbereich aufgeteilt wurde. Die Hoheitsaufgaben blieben Bestandteil des Ministeriums (ca. 500 Beamte). Die Unternehmensaufgaben wurden einer neugegründeten öffentlichen Unternehmung „Nippon Telegraph und Telephone Public Corporation (NTT)“ zugewiesen. Ein Jahr später (1953) wurde für den Betrieb der internationalen Telekommunikation eine eigene (privatrechtlich gestaltete) Gesellschaft (KDD) gegründet. Trotz dieser frühen Ausgliederung war NTT weiterhin streng an den öffentlichen Haushalt und das öffentliche Dienstrecht gebunden. Es blieb praktisch eine staatliche Monopolverwaltung. Wettbewerb Ein erster Liberalisierungsschritt erfolgte in den Jahren 1971 bis 1973. Nachdem NTT bereits 1968 eigene Datenübertragungsdienste aufgenommen hatte, wurde nun auch privaten Wettbewerbern gestattet, auf den Wählleitungen von NTT Datenübertragung und Value Added Network Services (z. B. Börseninformationen) anzubieten. In einem zweiten Liberalisierungsschritt 1982 wurde dies auch auf Mietleitungen gestattet. Angeregt durch den Bericht der Verwaltungsreformkommission vom Juli 1982 wurde eine grundlegende Umgestaltung des japanischen Telekommunikationswesens diskutiert und durch zwei gesetzgeberische Maßnahmen am 1.4.1985 verwirklicht: — Telecommunications Business Law — NTT Company Law Das Business Law beendete das Monopol der NTT für die nationale Telekommunikation und das Monopol der KDD für den internationalen Verkehr. Es wurde auf allen Ebenen Wettbewerb zugelassen. Für die Konkurrenten von NTT wurden die folgenden Kategorien geschaffen: Kategorie 1: Netzbetreiber, die eigene Übertragungswege (Kabelnetze, Richtfunkstrecken, Satellitenkanäle) besitzen. Sie bedürfen der Genehmigung durch das MPT. Ausländer dürfen sich bis zu 30 % beteiligen. Die Unternehmen dieser Kategorie dürfen alle Dienstleistungen der Telekommunikation anbieten. Kategorie 2a): Große Dienstleistungsunternehmen ohne eigenes Netz. Die Unternehmen dieser Kategorie bieten ihre Dienste jedermann auf Miet- oder

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Wählleitungen an, die sie von NTT oder von anderen Unternehmen der Kategorie 1 erhalten. Die Unternehmen bedürfen der Registrierung durch das MPT. Diese kann mit Begründung abgelehnt werden. Kategorie 2b): Kleine Dienstleistungsunternehmen ohne eigenes Netz. Es handelt sich um regional operierende, auf spezielle Benutzergruppen ausgerichtete Unternehmen, die Value Added Services anbieten. Eine Genehmigung durch das Ministerium ist nicht erforderlich. Es bedarf lediglich der Mitteilung an das MPT, daß der Dienst aufgenommen wurde. Diese vom Gesetz vorgesehenen Unternehmenstypen wurden in den Jahren 1985 und 1986 auch tatsächlich realisiert: Kategorie 1:

Es wurden zunächst sechs Netzkonkurrenten (neben NTT) lizenziert, davon zwei Betreiber von Glasfaserstrecken (entlang der Eisenbahn und der Autobahn), ein Richtfunkunternehmen, zwei Betreiber von Satellitenkanälen und die Elektrizitätsgesellschaft im Großraum Tokio. Alle neuen Konkurrenten konzentrieren sich auf den Ballungsraum zwischen Tokio und Osaka, in dem 70 % des japanischen Telekommunikationsfernverkehrs stattfinden.

Kategorie 2a): Ca. zehn Großunternehmen bieten insbesondere anspruchsvolle Datendienste landesweit an. Die Marktstruktur ist noch in der Entwicklung befindlich, Kategorie 2b): Sehr schnell haben sich bis zu 200 Unternehmen auf dem Gebiet der Value Added Services betätigt. Teilweise haben sie bereits seit 1982 auf Mietleitungen operiert. Vor dem 1. 4. 1985 hatte NTT das Monopol am ersten Endgerät, legte die Standards fest und entschied über die Zulassung von Geräten. Mit der Liberalisierung hat NTT diese Kompetenzen verloren. Die Standards werden vom Ministerium festgelegt. Die Zulassung der Geräte ist einer unabhängigen Stiftung (JATE) übertragen worden. Der Handel mit den zugelassenen Geräten ist völlig frei. Auch NTT darf uneingeschränkt auf dem Gerätemarkt konkurrieren. Privatisierung Durch das NTT Company Law wurde das öffentliche Unternehmen privatisiert, d. h. zunächst in eine private Rechtsform überführt. Die Aktien sollen schrittweise (bis 50 %) an der Börse veräußert werden. Ausländern ist der Erwerb nicht gestattet. 57

NTT ist — entgegen dem ursprünglichen Vorschlag — nicht in regionale Betriebsgesellschaften zerlegt worden. Auch wurde die Betätigungsvielfalt nicht eingeengt oder irgendeine Vorschrift erlassen, bestimmte Geschäftszweige nur durch Tochtergesellschaften zu betreiben. Zwar ist NTT insoweit unter Druck gesetzt worden, als der volle Wettbewerb auf allen Ebenen (Netz, Dienstleistungen, Geräte) zugelassen und vital realisiert wurde. Andererseits hat NTT die uneingeschränkte Handlungsfreiheit auf allen Gebieten der Telekommunikation. Nicht nur der Netzbetrieb, das Angebot der vollen Dienstevielfalt und der Gerätehandel sind erlaubt, sondern grundsätzlich auch die Produktion von Hardware. NTT hat jedoch zunächst darauf verzichtet, eigene Geräte herzustellen. Dagegen verfügt NTT über eine erhebliche Forschungskapazität (ca. 4000 Mitarbeiter) und kann dadurch die Gestaltung der technischen Einrichtungen und der Dienstleistungen selbständig ausprägen. NTT ist nach wie vor das dominierende Unternehmen der Telekommunikation mit einer Belegschaft von mehr als 300000 Mitarbeitern und über 50 Mrd. DM Jahresumsatz. Mit der Privatisierung hat NTT einen weiten unternehmenspolitischen Spielraum erhalten, die Bemühungen um ein aktives Marketing verstärkt und gezielte Rationalisierungen eingeleitet. Die Mentalitätsänderung im Innern und die Verbesserung des Unternehmensprofils nach außen haben bewirkt, daß NTT in der Präferenzskala von Hochschulabsolventen vom Platz 23 auf Platz 1 vorgerückt ist. NTT hat in kurzer Zeit 60 Tochtergesellschaften gegründet, die sich neuen Betätigungsfeldern, insbesondere Mehrwertdiensten widmen, darunter sind auch Joint Ventures mit ausländischen Unternehmen. Die für den internationalen Telekommunikationsverkehr zuständige KDD brauchte nicht privatisiert zu werden, weil sie von vornherein in privater Rechtsform geführt wurde. Die Liberalisierung besteht hier in der Zulassung von zwei weiteren Wettbewerbern. Regulierung Durch die Privatisierung und die neue Wettbewerbsrolle von NTT ist dieses ehemals öffentliche Unternehmen deutlich vom Ministerium für Post und Telekommunikation abgerückt. Das MPT identifiziert sich heute nicht mehr mit dem dominanten Unternehmen, sondern fühlt sich für alle Marktteilnehmer in gleicher Weise verantwortlich. Dadurch wird die Abteilung „Kommunikationspolitik“ zur umfassenden Regulierungsinstanz. Die Regulierung bezieht sich auf die Zulassung von Konkurrenten der Kategorie 1, die Registrierung (oder Ablehnung) von Unternehmen der Kategorie 2a) und die Fortschreibung der bekanntgegebenen Konkurrenten der Kategorie 2b).

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Gegenüber NTT bestehen einige Genehmigungsvorbehalte. Der Geschäftsplan von NTT, der früher die Zustimmung durch das Parlament benötigte, wird heute vom MPT genehmigt. Die Investitionen werden im Dreijahresrhythmus freigegeben. Außerdem bleiben die Gebühren von NTT reguliert. Die Berufung von Vorstandsmitgliedern durch die Hauptversammlung bedarf der Bestätigung durch das Ministerium. Ein Regulierungsproblem stellte sich dadurch, daß die Netzwettbewerber auf der Strecke zwischen Tokio und Osaka die Tarife der NTT drastisch unterbieten wollten. Das MPT hat schließlich um bis zu 27 % niedrigere Tarife zugelassen. NTT wird zunächst nicht gestattet, mit einer entsprechenden Gebührensenkung zu antworten. Den neuen Wettbewerbern soll die Chance der Markteinführung erhalten bleiben. Allerdings zeigt sich, daß keineswegs große Umsatzeinbußen für NTT entstehen. Denn erstens ist das Gesamtvolumen der Telekommunikation stark angestiegen, und zweitens ziehen es viele Kunden vor, weiterhin die Dienste von NTT in Anspruch zu nehmen. Eine wichtige Aufgabe des Ministeriums wird in der Förderung der Forschung gesehen. Nachdem NTT mit ihrer erheblichen Forschungskapazität privatisiert ist und die Forschungsergebnisse dadurch nicht mehr allen Marktpartnern zur Verfügung stellt, hat das Ministerium zwei neue Forschungsinstitute (für Grundlagenforschung und für Anwendungsforschung) gegründet. Die Finanzierung soll aus dem Erlös des Verkaufs von NTT-Aktien erfolgen. Der japanische Gesetzgeber hat von vornherein vorgesehen, das Telecommunications Business Law nach drei Jahren und das NTT Company Law nach fünf Jahren zu novellieren. Angesichts der relativ kurzen Zeit seit Inkrafttreten der beiden Gesetze können Aussagen zur Entwicklung in Japan nur vorläufigen Charakter haben.

4.4

Planungen in anderen Ländern

Frankreich

In Frankreich wurde eine Neuorganisation der Telekommunikation mit dem Ziel einer Entstaatlichung eingeleitet bzw. angekündigt. Das 1986 erlassene Gesetz über die Freiheit der Kommunikation betrifft zwar in erster Linie die Verteilkommunikation (Hörfunk und Fernsehen), in dem es eine Rücknahme der bisher weitgehenden staatlichen Regulierung vornimmt, stellt jedoch auch erste Weichen für eine Neuorganisation der Individualkommunikation und kündigt noch für 1987 ein Gesetz über den Wettbewerb im Fernmeldewesen an. Mit dem Gesetz von 1986 wurde bereits eine

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Kommission für die Freiheit der Kommunikation (CNCL) eingerichtet, die bisher bei der DGT (Direction Generale des Telecommunications) liegende Zulassungsaufgaben übernimmt. Die mit der Vorbereitung des angekündigten Gesetzes befaßten Kommissionen des Senats und der DGT erwägen die folgenden Liberalisierungsmaßnahmen: —

Ausnahmen vom Netzmonopol werden zugelassen, wobei zunächst an Netze des Mobilfunks und des Datenverkehrs gedacht wird. Andere Netze (entlang privater Trassen) werden nach Auflagen hinsichtlich der Standards, der Flächendeckung und des kontinuierlichen Angebots durch die Regierung lizenziert.



Der Wettbewerb auf der Ebene der Dienstleistungen wird auf gemieteten Netzen geöffnet.



Universaldienste sollen zunächst nur von den Netzbetreibern angeboten werden. Hierzu werden mit der Lizenzvergabe Auflagen verbunden.



Das Ministerium reguliert den Markt der Telekommunikation.



Die DGT wird ein öffentliches Unternehmen. Dieses ist bereits jetzt von der Ablieferung befreit und unterliegt der Mehrwertsteuerpflicht. Eine

Quersubvention zum Postwesen besteht nicht. —

Der Staat behält die Mehrheit der Anteile an der DGT. Die Belegschaft erhält Minderheitsanteile.



Das Personal der DGT erhält ein Wahlrecht, den Beamtenstatus aufrechtzuerhalten oder in das private Angestelltenverhältnis zu wechseln.



Private dürfen Fernsprechzellen errichten und betreiben.

Niederlande

Die niederländische PTT ist bisher ein öffentliches Unternehmen, das der Kontrolle durch den Staatssekretär für Verkehrs- und Wasserwirtschaft unterliegt. Ihr Jahresbudget ist Teil des Staatshaushaltes. Im Jahre 1985 hat die Steenbergen-Kommission Vorschläge zur Neuorganisation des Post- und Fernmeldewesens ausgearbeitet. Die Vorschläge dieser Kommission, die in erster Linie auf eine größere Flexibilität des Unternehmens abzielen, sind im wesentlichen von der Regierung aufgegriffen worden und sehen folgende Veränderungen vor: Die PTT wird in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, die zu 100 % in der Hand des Staates verbleibt. Innerhalb dieser Holding wird je eine GmbH für das Postwesen und für die Telekommunikation gebildet. Zwischen den GmbHs soll keine direkte Übertragung von Geldern erfolgen. Eine weitere

60

Trennung innerhalb der Telekommunikation, die gemeinnützige und unternehmerische Funktionen organisatorisch abgrenzen sollte, wurde zwar von der Kommission vorgeschlagen, von der Regierung jedoch zunächst zurückgestellt. Eine finanzielle Abgrenzung zwischen diesen Bereichen, die eine versteckte Quersubventionierung verhindern soll, ist jedoch vorgesehen. Für die Hoheitsaufgaben der Telekommunikation wie z. B. Zulassung, Konzessionserteilung und Frequenzverwaltung soll eine Abteilung innerhalb des Ministeriums gebildet werden. Die Grundlinien der Geschäftspolitik sollen der Unternehmung mit der Konzession vorgegeben werden. Das Unternehmen erhält ein Monopol für das Errichten und Betreiben der Infrastruktur. Über die Einbeziehung von bisher meist privaten Kabelfernsehnetzen in dieses Monopol wird eine weitere Kommission beraten. Das Monopol ist verknüpft mit der Verpflichtung zur Bereitstellung von Mietleitungen. Im Dienstleistungsbereich werden Basisdienstleistungen und Teleinformationsdienste unterschieden. Zu den erstgenannten, die ebenfalls dem Monopol der PTT unterliegen, gehören Telefon, Telegraf, Teiex und Datenübertragung. Teleinformationsdienste sind beispielsweise Verschlüsselungs- oder Datenverarbeitungsdienste. Sie sollen dem Wettbewerb unter Beteiligung der PTT unterliegen. Anbieter von Teleinformationsdiensten benötigen eine Lizenz, für die eine genaue Beschreibung des Dienstleistungsangebotes Voraussetzung ist. Der Wiederverkauf derartiger Dienste ist uneingeschränkt möglich. Das Endgerätemonopol (das bisher auch Autotelefone, Personenruf- und Nebenstellenanlagen umfaßte) wird aufgehoben. Das Personal der PTT wird unter Wahrung erworbener Rechte seinen Beamtenstatus aufgeben. Einstellungs- und Arbeitsbedingungen sollen marktkonform gestaltet werden. Zieldatum für die Neuorganisation ist der 1. Januar 1989.

Belgien In Belgien hat die im Jahre 1986 vom PTT-Ministerium eingesetzte deBondt-Kommission Vorschläge zur Neuorganisation des Telekommunikationsmarktes vorgelegt. Nach Auffassung der Kommission ist eine Befreiung des belgischen Telekommunikationsunternehmens RTT (Regie des Tel&graphes et des Telephones) von der ständig zunehmenden Beeinflussung durch verschiedene Ministerien dringend erforderlich. Hierzu soll die RTT zunächst in ein halbstaatliches Unternehmen umgewandelt werden. In einer späteren Phase soll dann die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft erfolgen, die zunächst im 61

Staatsbesitz bleibt, in der weiteren Entwicklung aber auch minderheitlich an Belegschaftsmitglieder oder kleine Anleger veräußert werden kann. Schon in der ersten Phase soll die staatliche Einflußnahme nur noch durch einen einzigen verantwortlichen Minister wahrgenommen werden. Andere Ministerien können nur durch Entsendung von Mitgliedern in ein neu zu schaffendes Lenkungsorgan, das später den Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft bilden soll, Einfluß nehmen. Die Übergangsphase dient insbesondere dazu, die schwierigen Fragen des Personalstatus und der Pensionsverpflichtungen zu lösen. Dabei sollen erworbene Rechte erhalten bleiben. Ein leistungsbezogenes Entlohnungssystem wird angestrebt. Die innere Struktur des Unternehmens soll drei große Bereiche unterscheiden: Infrastruktur, Teilnehmerdienste und Logistik (Personal, Finanzen, Versorgung etc.). Innerhalb der Teilnehmerdienste soll dabei nach Basisdiensten und Mehrwertdiensten differenziert werden. Zum Basisdienst werden Telefon, Telex und Datendienste gezählt. Die Neustrukturierung soll für die Zentrale und die regionalen Einheiten gelten. Sie soll für die Zentrale sofort eingeführt werden. Das Monopol der RTT soll mittels einer Konzession auf die Basisinfrastruktur beschränkt werden. Die Konzessionsbedingungen werden vom Staat festgesetzt. Die RTT ist verpflichtet, Mietleitungen zu überlassen, wobei die hierfür zu entrichtenden Tarife nicht nur die Investitionskosten decken, sondern auch einen Beitrag zur allgemeinen Infrastruktur liefern sollen. Für interne Nutzungen sollen Mietleitungstarife pauschaliert sein. Zur Förderung von Mehrwertdiensten soll für den Fall einer Mitbenutzung durch Dritte alternativ eine Tarifierung nach CCITT-Empfehlungen (nutzungszeitabhängig) angeboten werden. Das Endgerätemonopol soll in einer Übergangszeit von drei bis fünf Jahren abgeschafft werden. Danach soll bei allen Endgeräten ein Wettbewerb bestehen, an dem die RTT sich beteiligen kann. Zur Verhinderung von Quersubventionierungen in den Endgerätebereich werden folgende Instrumentarien in Betracht gezogen: Kontrolle durch den Rechnungshof, Schaffung von Profit Centers, Anwendung der Wettbewerbsgesetze und Schaffung von Tochtergesellschaften. Die Standardisierungs- und Zulassungsaufgabe wird dem Ministerium zugeordnet. Hinsichtlich der Einkaufs- und Investitionspolitik soll die RTT vollständige Autonomie erhalten. Sie bleibt allerdings an die Grundsätze der Industrie- und Kapitalmarktpolitik der Regierung gebunden. Sofern der RTT außerökonomische Verpflichtungen hinsichtlich ihrer Tarifpolitik auferlegt werden, soll dies nur über die Konzession geschehen. Zur Sanierung der schwierigen finanziellen Situation und um in einer späteren Phase auch eine angemessene Dividende an die Eigentümer ausschütten zu können, erscheinen Tariferhöhungen notwendig. Diese sollen jedoch zu-

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mindest um ein Viertel unter der allgemeinen Preissteigerungsrate bleiben. Sofern dieser Rahmen nicht überschritten wird, werden Änderungen der „Ecktarife“ vom zuständigen Minister genehmigt. Bei größeren oder strukturellen Veränderungen ist vor der Zustimmung des Ministers die Empfehlung eines unabhängigen Beratungsgremiums einzuholen. Bei den sonstigen Tarifen soll die RTT völlige Handlungsfreiheit bekommen.

Schweiz

In der Schweiz ist seit längerem ein neues Fernmeldegesetz in Vorbereitung. Der Entwurf dieses Gesetzes hat im Verlauf einer mehrjährigen Diskussion erhebliche Änderungen erfahren, die noch nicht abgeschlossen sind. Seine endgültige Fassung wird voraussichtlich Ende 1987 vorliegen. Erwartet wird allgemein eine Aufgabe des bisherigen Monopols der PTT an Telefonen, Nebenstellenanlagen und Modem, nicht jedoch des Monopols am Netz.

4.5

Entwicklungstendenzen in der Europäischen Gemeinschaft

Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat im Entwurf zu ihrem Grünbuch über die Entwicklung des gemeinsamen Marktes für Telekommunikationsdienstleistungen und Telekommunikationsgeräte im Mai

1987 richtungweisende Vorschläge formuliert'°. Es wird eine möglichst um-

fassende Übereinstimmung bezüglich wesentlicher gemeinsamer ordnungspolitischer Zielsetzungen für den Telekommunikationsbereich in der Gemeinschaft angestrebt. Der Grundgedanke aller Empfehlungen liegt in der Stärkung des Wettbewerbs und der europaweiten Öffnung der Märkte. Die neuen Dienstleistungen und Endgeräte erfordern Marktbedingungen, die Innovation, Experimente und einen hohen Grad an Flexibilität begünstigen. Dies erfordert ein offeneres, mehr wettbewerbsorientiertes Umfeld. Andererseits soll die starke Rolle der Fernmeldeverwaltungen bei der Bereitstellung der Netzinfrastruktur und der Einführung europaweiter Netzstandards erhalten bleiben. Es wird als notwendig erachtet, die finanzielle Lebensfähigkeit der Fernmeldeverwaltungen zu bewahren, um den Ausbau der Telekommunikationsinfrastruktur und die damit verbundenen Investitionen sicherzustellen. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften ist sich bewußt, daß ein ausreichender Anpassungszeitraum für die gegenwärtigen Strukturen, die historisch über einen langen Zeitraum gewachsen sind, gewährleistet werden muß. Ordnungspolitische Veränderungen im Telekommunikationsbereich stellen einen Kompromiß zwischen allen Beteiligten dar, insbeson-

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dere den privaten und geschäftlichen Nutzern, den Fernmeldeverwaltungen, den Beschäftigten der Verwaltungen, den Mitbewerbern sowie der Telekommunikations- und Datenverarbeitungsindustrie. Im einzelnen wird empfohlen: Die Fernmeldeverwaltungen dürfen besondere Rechte bezüglich der Errichtung und des Betriebs der Netzinfrastruktur behalten. Sofern ein Mitgliedstaat für die Netze ein liberaleres System wählt, soll die Wahrnehmung der Infrastrukturaufgabe sichergestellt werden. Ein begrenztes Angebot von Zweiweg-Satellitenkommunikation im Wettbewerb sollte von Fall zu Fall zulässig sein. Satellitenempfangsantennen für den individuellen Datenaustausch (Punkt-zu-Punkt oder Punkt-zu-Mehrpunkt) sollen zugelassen und den Bedingungen für Telekommunikationsendgeräte gleichgestellt werden. Im Bereich der Dienstleistungen wird der staatlichen Fernmeldeverwaltung allenfalls ein Monopol am herkömmlichen Fernsprechdienst (Sprachübertragung) eingeräumt. Alle anderen Dienstleistungen, insbesondere die Mehrwertdienste, sollen im Wettbewerb für den eigenen Bedarf, für gemeinsame Nutzung mit anderen Teilnehmern und für Dienstleistungen für Dritte angeboten werden. Die staatlichen Fernmeldeunternehmen

men.

sollen am

Wettbewerb

teilneh-

Um den Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch die Fernmeldeverwaltung oder multinationale Computer- und Datenverarbeitungsfirmen zu vermeiden, müssen die Überwachungsmaßnahmen gegenüber Marktteilnehmern mit marktbeherrschender Stellung verstärkt werden. Der Endgerätemarkt soll dem Wettbewerb geöffnet werden. Die hoheitlichen und betrieblichen Funktionen der Fernmeldeverwaltungen sollen klar getrennt werden. Die Quersubventionierung des Wettbewerbsbereichs der Fernmeldeverwaltung soll einer strikten kontinuierlichen Überprüfung unterzogen werden. Allen Wettbewerbern soll ein offener Netzzugang (Open Network Provision) gewährt werden. Bei der Endgerätezulassung sollen die Staaten der Europäischen meinschaft die Testverfahren gegenseitig anerkennen.

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Ge-

5.

Ordnungspolitische Dimensionen

Um erkennen zu können, aus welchen Einzelfragen der Gesamtkomplex einer Neuordnung der Telekommunikation besteht, ist im folgenden darzustellen, welche Dimensionen oder Ordnungsebenen gestaltet werden müssen, um zu einer Gesamtkonzeption der Telekommunikation zu gelangen. Jede Dimension stellt sich als eine Skala mit gegensätzlichen Polen für alternative Konzepte dar. Dabei werden gleichzeitig die Zwischenlösungen auf der Skala der Entscheidungsmöglichkeiten sichtbar.

5,1

Öffentliche und private Unternehmen

Eine erste ordnungspolitische Frage besteht darin, ob das Erbringen von Telekommunikationsleistungen dem Bereich der öffentlichen Wirtschaft oder der Privatwirtschaft zuzuordnen ist. Im einen Grenzfall werden sämtliche Aufgaben der Telekommunikation einem staatlichen Unternehmen auferlegt und private Unternehmen völlig ausgeschlossen. Im anderen Grenzfall wird die Telekommunikation vollständig der privaten Betätigung geöffnet und ein vorher existierender Staatsbetrieb privatisiert. Die ordnungspolitische Antwort auf diese Frage steht im Zusammenhang mit dem Subsidiaritätsprinzip. Dieses Prinzip verlangt, daß der Staat sich mit eigener wirtschaftlicher Betätigung zurückhält, soweit dies nicht aus zwingenden Gründen im Allgemeininteresse geboten ist. Die Beweislast liegt nach diesem Grundgedanken auf der Seite des Staates. Dieser soll sich auf den Kern seiner Aufgaben beschränken. Die allgemeine Formulierung des Subsidiaritätsprinzips bringt allerdings noch keine Klarheit, wo im Falle der Telekommunikation die Trennlinie zwischen öffentlicher Wirtschaft und Privatwirtschaft verlaufen soll, denn sowohl das öffentliche Interesse als auch der Kern staatlicher Aufgaben bedürfen der inhaltlichen Bestimmung. Je nachdem, ob den staatlichen Aufgaben ein größerer oder kleinerer Betätigungsraum zugestanden wird, verschiebt sich die Trennlinie mehr in Richtung auf den einen oder den anderen Grenzfall. Die staatliche Kompetenz im Fernmeldewesen wird damit begründet, daß alle Bereiche der Wirtschaft, der Verwaltung und der privaten Haushalte auf den Austausch von Informationen angewiesen sind. Die Telekommunikation erfüllt einen elementaren Sozialbedarf. Insbesondere die flächendekkende Versorgung und die Tarifeinheit im Raum werden als im öffentlichen

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Interesse liegend gefordert. Hinzu tritt das Verlangen nach einem offenen System, das eine Kommunikation „jeder mit jedem“ erlaubt, also kompatible (standardisierte) Endgeräte und Prozeduren verlangt. Die staatliche Infrastrukturverantwortung schafft in dieser Sichtweise erst die Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit wirtschaftlichen Wettbewerbs. Auf der anderen Seite können diese Ansprüche auch im Falle einer privatwirtschaftlichen Wahrnehmung der Telekommunikationsaufgaben weitgehend erfüllt werden. In weiten Bereichen der Telekommunikation, nicht nur im Bereich der Endgeräte und des Datenverkehrs hat sich gezeigt, daß ein umfassendes Angebot durch private Unternehmen verwirklicht werden kann. Die Standardisierung läßt sich durch internationale Vereinbarungen in den dafür kompetenten Institutionen sicherstellen. Damit ist die Frage deutlich geworden, inwieweit der Staat im öffentlichen Interesse tätig werden oder nach dem Subsidiaritätsprinzip zurücktreten soll. In diesem Zusammenhang kommt der Privatisierung des Staatsunternehmens eine besondere Bedeutung zu. Dieses Problem wird in der öffentlichen Diskussion häufig so dargestellt, als sei mit der Überführung des staatlichen Monopolbetriebes in eine private Unternehmung die gesamte ordnungspolitische Frage gelöst. Die nähere Analyse der internationalen Entwicklung läßt dagegen erkennen, daß das Eigentum an der Unternehmung nicht die ausschlaggebende Variable ist. In den USA war und ist AT&T ein privates Unternehmen, unterliegt aber dennoch einschneidenden staatlichen Begrenzungen und Auflagen, die sogar die Abschreibungsraten und die Kapitalrendite einschließen. Derartige Eingriffe sind selbst bei staatlichen Monopolunternehmen unüblich. Auch British Telecom und Nippon Telephone and Telegraph haben trotz ihrer Privatisierung erheblichen Regulierungseingriffen des Staates zu gehorchen. Der ordnungspolitische Kernpunkt liegt also nicht so sehr in der Privatisierung, sondern eher in der Selbständigkeit des Telekommunikationsunternehmens, die allerdings durch Privatisierung gefördert wird.

5.2

Monopol und Wettbewerb

Für die Telekommunikation ist zu fragen, ob auch in Zukunft ein Monopol zu begründen ist und auf welche Bereiche es sich bezieht. Im Grenzfall befinden sich alle drei Ebenen der Telekommunikation (Netze, Dienstleistungen, Endgeräte) im Monopol. Dabei bedeutet Monopol das Recht, jeden anderen von der Mitwirkung auszuschließen, also zu verbieten, daß ein Wettbewerber Netze errichtet und betreibt, Dienstleistungen anbietet und Endgeräte verkauft oder vermietet. Dieses puristische Modell

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der öffentlichen Wirtschaft besteht heute in keinem europäischen Land mehr. Zumindest die Kommunikationsgeräte wie Telex-, Teletex-, Telefax-, Bildschirmtext- und Datenkommunikationsgeräte befinden sich vollständig oder teilweise im Eigentum von Privaten. Aber auch vielfältige Dienstleistungen (insbesondere der Datenkommunikation) werden inzwischen von Privatunternehmen für eigene Zwecke oder auch für Dritte erbracht. Es geht also um eine Abgrenzung zwischen monopolistischer Betätigung des Staates und privatwirtschaftlichem Wettbewerb. Dabei sind zwei grundsätzliche Modelle denkbar: eine vertikale Trennung (Abbildung 3) und eine horizontale Trennung (Abbildung 4) zwischen staatlicher und privater Betätigung.

STAAT

STAAT

RB

PRIVATE