Netze und Netzwerke: Archäologie einer Kulturtechnik, 1740-1840 [1. Aufl.] 9783839404386

Netzwerk-Wissen ist der Schlüssel zur Kulturtheorie des 21. Jahrhunderts. Gibt es eine Geschichte der Netze und Netzwerk

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German Pages 118 [117] Year 2015

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Inhaltsverzeichnis
1 Netze und Netzwerke als Kulturtechnik
2 Netze schreiben: Begriffe und Probleme
2.1 Zugänge und methodisch-theoretische Voraussetzungen
2.2 Netz/Netzwerk-Differenzen
2.3 Bildfragen
2.4 Netze und Systeme
2.5 Metapher und Modell
2.6 Performanz
3 Ordnungen des Wissens, Umordnungen des Lebens
3.1 Georges Cuvier: Histoire naturelle des poissons (1828)
3.2 Vitaliano Donati: Della storia naturale marina dell’ Adriatico (1750)
3.3 Georges Buffon: Table de l’ordre des chiens (1755)
3.4 Dennis Diderot: Le rêve de d’Alembert (1769)
3.5 Sphäre und Verwandtschaftstafel: de Saint-Pierre, Hermann, Batsch, Dunal
3.6 Baum und Netz, Koralle und Polyp
4 Optische Telegrafie
4.1 Netz oder nicht Netz?
4.2 Telegrafische Körper
4.3 Fragmente, telegrafisch
5 Exkurs. Ordnungen des Gewebes: Bichat und Jacquard
5.1 Gitter, Gewebe, Netz
5.2 Gewebe I: François Xavier Bichat
5.3 Gewebe II: Joseph-Marie Jacquard
6 École Polytechnique und Saint-Simonismus
6.1 Vernetzung als Programm: Système de la Méditerranée
6.2 Politische Physiologie der Industrialisierung: Saint-Simon
6.3 Saint-Simonismus: Technik, Religion, Netzwerke
7 Für eine Geschichte der Netze und Netzwerke
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
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Netze und Netzwerke: Archäologie einer Kulturtechnik, 1740-1840 [1. Aufl.]
 9783839404386

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Sebastian Gießmann Netze und Netzwerke

Sebastian Gießmann (M.A.) promoviert an der Humboldt-Universität zu Berlin und arbeitet am Tanzarchiv Leipzig. Seine Forschungsschwerpunkte sind Kultur- und Mediengeschichte der Netzwerke, Epistemologie der Übertragungsmedien, Medialität der Bewegung, Geschichte der Druckverfahren und Robert Lepages Medienästhetik.

Sebastian Gießmann Netze und Netzwerke. Archäologie einer Kulturtechnik, 1740–1840

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

© 2006 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung und Innenlayout: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: Marcel Duchamp: Réseaux de stoppages, 1914. © Succession Marcel Duchamp/VG Bild-Kunst, Bonn 2006 Lektorat: Franziska Weber, Anna Echterhölter Satz: Sebastian Gießmann Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 3-89942-438-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhaltsverzeichnis

1 Netze und Netzwerke als Kulturtechnik . . . . . . .

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2 Netze schreiben: Begriffe und Probleme . . . . . .

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2.1

Zugänge und methodisch-theoretische Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . Netz/Netzwerk-Differenzen . . . . . . Bildfragen . . . . . . . . . . . . . . . . Netze und Systeme . . . . . . . . . . . Metapher und Modell . . . . . . . . . Performanz . . . . . . . . . . . . . . .

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3 Ordnungen des Wissens, Umordnungen des Lebens . . . . . . . . . . . . . . .

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2.2 2.3 2.4 2.5 2.6

3.1

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Georges Cuvier: Histoire naturelle des poissons (1828) . . . . . . . Vitaliano Donati: Della storia naturale marina dell’ Adriatico (1750) Georges Buffon: Table de l’ordre des chiens (1755) Dennis Diderot: Le rêve de d’Alembert (1769) . . . Sphäre und Verwandtschaftstafel: de Saint-Pierre, Hermann, Batsch, Dunal . . . . . . Baum und Netz, Koralle und Polyp . . . . . . . . .

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4 Optische Telegrafie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3.2 3.3 3.4 3.5 3.6

4.1 4.2 4.3

Netz oder nicht Netz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Telegrafische Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fragmente, telegrafisch . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5 Exkurs. Ordnungen des Gewebes: Bichat und Jacquard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 5.2 5.3

Gitter, Gewebe, Netz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewebe I: François Xavier Bichat . . . . . . . . . . . . Gewebe II: Joseph-Marie Jacquard . . . . . . . . . . .

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6 École Polytechnique und Saint-Simonismus . . . 6.1 6.2 6.3

Vernetzung als Programm: Système de la Méditerranée . . . . . . . . . . . . . . . Politische Physiologie der Industrialisierung: Saint-Simon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Saint-Simonismus: Technik, Religion, Netzwerke . . .

7 Für eine Geschichte der Netze und Netzwerke . .

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

Danksagung

Forschungen über Netze und Netzwerke sind selbst Ergebnis akademischer Vernetzungen: Herzlicher Dank für Inspiration, Hilfe, und Kritik gilt Hartmut Böhme, Kirsten Wagner, Thomas Macho, Christian Kassung, Robert Felfe, Natascha Adamowsky, Wolfgang Ernst, Annette Bitsch, Wolfgang Hagen, Lorenz Engell, Joseph Vogl, Anke Johanna Hübel, Martina Brand, Derrick de Kerckhove, Liss Jeffrey, Birgit Schneider, Eleonore Kalisch, Mathilde Roussat, Anne Chanteux, Michael Werner und allen Teilnehmenden des Kolloquiums von Hartmut Böhme und des deutsch-französischen Seminars Penser les réseaux. Ohne das sorgfältige Lektorat von Franziska Weber und Anna Echterhölter wäre der Text nicht bis zur Druckreife gelangt. Die Unterstützung durch meine Eltern hat die Entstehung des Buches überhaupt erst möglich gemacht. Schreibwerkzeuge arbeiten an den Gedanken mit: Dieses Buch wurde mit Open-Source-Software geschrieben und gesetzt. Allen Köpfen hinter Linux und LATEX – insbesondere Markus Kohm und Jens Berger – sei deshalb gedankt.

1 Netze und Netzwerke als Kulturtechnik »Wenn ich in spielerischer Laune bin, mache ich mir aus Längen- und Breitengraden ein Netz und fange damit im Atlantischen Ozean Wale!«1 Mark Twain, Leben auf dem Mississippi Jener unbekannte betrunkene Shipman, der auf dem Mississippi von Huck Finn und Jim belauscht wird, bringt die Erzeugung von Netzwerk-Wissen auf den Punkt. Das Netz, von dem hier die Rede ist, besteht nicht einfach nur aus Seemannsknoten und Tauen: Es sind die Längen- und Breitengrade, mit denen operiert wird, um ein »Wadennetz« (engl. seine) herzustellen. Technische und wissenschaftliche Zeichenpraktiken, Navigation und Geografie werden so auf die individuelle Lebenswelt übertragen – und umgedreht. Nichts ist leichter, als die Herstellung eines zweidimensionalen Netzes auf einer Fläche Papier. Man verbindet Knoten und Linien, zusammen ergeben beide ein mehr oder weniger komplexes, mathematisch berechenbares Diagramm.2 Zum Netz oder zum Netzwerk kann auf diese Art und Weise potentiell alles werden, was sich in einen relationalen Zusammenhang bringen lässt. An Netzwerktheorie ist daher quer durch alle Wissenschaften kein Mangel. Aktuelle Sozial- und Kulturtheorie analysiert selbstverständlich hybride Akteurs-Netzwerke3 und hat den »Aufstieg der Netzwerk-Gesellschaft« auf die letzten 50 Jahre datiert.4 Seltsam unbeachtet ist dabei die Frage nach historischen Bedingungen 1

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»When I’m playful I use the meridians of longitude and parallels of latitude for a seine, and drag the Atlantic Ocean for whales.« Mark Twain: Life on the Mississippi. In: Mississippi Writings. New York: The Library of America 1982, S. 242. Vgl. Christian Kassung: Papier/Zahl/Note: Anmerkungen zur optischen, mathematischen und akustischen Selbstähnlichkeit. In: Lydia Grün/Frank Wiegand (Hg.): Musik-Netz-Werke: Konturen der neuen Musikkultur. Bielefeld: transcript 2002, S. 20f. Vgl. Bruno Latour: Wir sind nie modern gewesen. Versuch einer symmetrischen Anthropologie. Berlin: Akademie-Verlag 1995; John Law (Hg.): Actor network theory and after. Oxford: Blackwell 1999. Vgl. Manuel Castells: The Rise of the Network Society. 2. Auflage. Oxford; Malden, MA: Blackwell Publishers 2000.

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1 Netze und Netzwerke als Kulturtechnik des modernen Netzwerk-Wissens geblieben. Es gibt bisher keine Netzwerk-Forschung, die sich Fragen der Historizität von Netzen und Netzwerken widmet. Das Buch in Ihren Händen ist daher keine Schrift über Netzwerktheorie. Es ist ein erster programmatischer und komprimierter Versuch zur Archäologie einer Kulturtechnik, deren Artefakte und Handlungen uns alltäglich umgeben. Im Mittelpunkt steht mit Frankreich eines der politisch und wissenschaftlich innovativsten Länder der beginnenden Industrialisierung. Das Jahrhundert zwischen 1740 und 1840 bringt exemplarische Formen von Netzwerk-Wissen hervor: In naturwissenschaftlichen Forschungen, technisch-medialen Infrastrukturen und der Reflexion sozialen Handels spiegelt sich deren Entwicklung. Die Quellen dieses Wissens sind verstreut, sie sind nur durch Spurensuche in den Text- und Bildwelten des 18. und 19. Jahrhunderts aufzufinden. In den folgenden Kapiteln steht aus diesem Grund Medizingeschichte neben den Taxonomien von Naturgeschichte und Biologie (Kapitel 3 und 5), kommt der Aufschwung von Kanalisationstechnik, Eisenbahnbau (Kapitel 6), Optischer Telegrafie (Kapitel 4) und Webtechnik (Kapitel 5) ebenso zur Sprache wie die Geschichte des französischen Ingenieurswesens und dessen Verbindung zur techno-sozialen Utopie des Saint-Simonismus (Kapitel 6). Historische Forschungen über Netze und Netzwerke sind selbst ein Unternehmen zur Vernetzung des Wissens: Diesem unvermeidbaren Paradox ist das Buch und die dazugehörige Website www.netzeundnetzwerke.de gewidmet. Wenn sich die folgenden Kapitel auf historische und epistemische Konstellationen des europäischen 18. und 19. Jahrhunderts konzentrieren, so sollen damit die tieferen historischen Schichten keinesfalls ignoriert werden. Netzstrukturen sind bereits Teil des antiken Wissens. Die Netzsemantik der Bibel verändert sich zwischen den beiden Teilen des Buchs der Bücher. Im Alten Testament sind Netze per se verstrickend und bedrohlich. Nur Gott kann den Fuß des Schuldigen aus dem Netz ziehen (Psalm 24,15). Demgegenüber repräsentiert sich das Christentum im Neuen Testament als Fischerreligion, in der das Himmelreich einem Netz gleicht, »das ins Meer geworfen ist und Fische aller Art fängt« (Matthäus 13,47). Das erste bekannte Gradnetz entstammt der ptolemäischen Geografie, die Entdeckung der Netzhaut verdankt sich antiker Medizin. Römische Straßen sind ein notorisches (und retrograd erkanntes?) Beispiel früher netzförmiger Großstrukturen, die römische Bau10

1 Netze und Netzwerke als Kulturtechnik kunst wiederum kannte das opus reticulatum als netzbildende Art der Ziegelschichtung. Mit den Portolan-Karten des Mittelalters und der Wiederentdeckung der ptolemäischen Geografie in der Neuzeit konstitutiert sich die Geografie über explizite Netz-Praxen. Eine weitere frühere historische Entwicklung sind kombinatorische Schemata, die sich spätestens in Darstellungen bei Athanasius Kircher als dichtes Gewebe repräsentieren.5 Was unterscheidet die modernen Netze und Netzwerke von diesen und weiteren historischen Vorläufern? Meiner Meinung nach fehlen Ihnen teilweise entscheidende Eigenschaften, darunter vor allem die Verbindung zur Darstellung von Komplexität und das Element der Dezentralisierung bzw. der Distribution.6 Aus diesem Grund verstehe ich Netzwerke zuerst als Movens der Moderne. Zur Beschreibung historischer Phänomene und Artefakte vor dem 18. Jahrhundert sind hingegen Begriffe wie »Vernetzung« oder »Netzstruktur« die vielleicht treffendere Bezeichnung. Die älteren Praktiken mit Netzen verschwinden aber keinesfalls – sie motivieren im Gegenteil den Übergang zu Komplexität und Dezentralisierung, von dem dieses Buch handelt. Netzwerke sind zwar auf den ersten Blick keine Fang- und Haltenetze,7 verdanken aber einem Gegenstand wie dem Fischernetz sowohl ihre spezifische Faszination als auch die Rückbindung an individuelle Lebenswelten. Auf diese Art und Weise können sie, ähnlich wie der Baum, zum symbolischen wie materiellen Bindemittel moderner Gesellschaften werden.8

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Vgl. Athanasius Kircher: Ars Magna Sciendi Sive Combinatoria. Amsterdam 1669. 6 Zu Dezentralisierung und Distribution vgl. Alexander Galloway: Protocol. How Control Exists after Decentralization. Cambridge; London: MIT Press 2004, S. 3ff. 7 Vgl. zur Materialität des Netzes André Leroi-Gourhan: Milieu et Techniques. Paris: Éditions Albin Michel 1945, S. 69ff., insbesondere S. 90–94. 8 Vgl. Thomas Macho: Stammbäume, Freiheitsbäume und Geniereligion. Anmerkungen zur Geschichte genealogischer Systeme. In: Sigrid Weigel (Hg.): Genealogie und Genetik. Schnittstellen zwischen Biologie und Kulturgeschichte. Berlin: Akademie-Verlag 2002, S. 15f.

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2 Netze schreiben: Begriffe und Probleme »Ist es unser Fehler, wenn die Netze gleichzeitig real wie die Natur, erzählt wie der Diskurs, kollektiv wie die Gesellschaft sind?«1 Bruno Latour

2.1 Zugänge und methodisch-theoretische Voraussetzungen »Bildet Rhizome und keine Wurzeln, pflanzt nichts an!« heißt es programmatisch in Deleuze und Guattaris Tausend Plateaus.2 Das Agieren im Sinne eines Wurzelgeflechtes, in dem potentiell alles mit allem Verbindungen eingehen kann, ist ein hervorragendes Beispiel für die distribuierten Netzwerke in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts. Historische Netzwerkforschung ist angewandte Rhizomatik, die sich mit einer Fülle von Schwierigkeiten konfrontiert sieht. Die folgenden Thesen benennen daher zentrale Probleme, ohne vorgefertigte Lösungen zu präsentieren. 1. Netzwerke verfügen über keine scharfe und einheitliche Definition, auch nicht mittels mathematischer Modellierungen. Sie zeichnen sich aber über verschiedene Wissensfelder hinweg durch verwandte Semantiken aus, die auf ein gleiches Vokabular zurück greifen. Basisbegriffe einer allgemeinen sprachlichen Codierung von Netzwerken sind: Fäden – Linien – Kanten, Knoten, Vernetzung, Verflechtung, Netz.3 2. Menschliche Imaginationen von Netzwerken folgen und kreieren Kulturtechniken, die mit Netz-Konzepten operieren. Dabei ist von komplexen diskursiven Wechselwirkungen zwischen Natur, Technik und Gesellschaft auszugehen. 1

Bruno Latour: Wir sind nie modern gewesen. Versuch einer symmetrischen Anthropologie. Berlin: Akademie-Verlag 1995, S. 14. (Hervorhebungen im Original) 2 Gilles Deleuze/Felix Guattari: Tausend Plateaus. Kapitalismus und Schizophrenie. 5. Auflage. Berlin: Merve 2002, S. 41. 3 Vgl. Stefan Weber: Medien, Systeme, Netze. Elemente einer Theorie der CyberNetzwerke. Bielefeld: Transcript 2001, S. 48.

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2 Netze schreiben: Begriffe und Probleme 3. Netzwerke können als solche verstanden werden, wenn Netze als Handlungs- wie Beschreibungsmodell soziale und kulturelle Wirkungskraft gewinnen. 4. Netze und Netzwerke sind »epistemische Dinge« im Sinne Hans-Jörg Rheinbergers. Ihnen gilt die Anstrengung des Wissens. Es sind Dinge, Strukturen, Reaktionen oder Funktionen, in denen sich Begriffe verkörpern. Der taxonomische Umgang mit Netzen bringt Wissen hervor, das durch eine stets verbleibende Unschärfe gekennzeichnet ist.4 5. Die historische Semantik von Netzwerken verfügt über drei komplementäre Schichten: Komplexität (18. Jahrhundert), Dezentralisierung (19. Jahrhundert) und Distribution (2. Hälfte des 20. Jahrhunderts). 6. Netzwerke markieren das räumliche und zeitliche »Dazwischen« von Systemen. 7. Der wissenschaftlich-experimentelle Umgang mit organischen und technologischen Kommunikationssystemen bedingt sich ab dem späten 18. Jahrhundert gegenseitig.5 Ob im 19. Jahrhundert die Modelle der neuen Kommunikationstechnik als Metaphern die Modelle der Neurophysiologie mitgestalten oder umgekehrt, ist in weiten Teilen nicht unterscheidbar.6 8. Die Suche nach Herleitungen modernen Netz-Handelns und Netz-Denkens verfährt archäologisch (im Sinne Walter Benjamins),7 ohne dabei allein gültige mythische Ursprünge zu produzieren. Im Gegenteil: Wichtig ist das Fundstück in seiner 4

Vgl. Hans-Jörg Rheinberger: Experimentalsysteme und epistemische Dinge. Eine Geschichte der Proteinsynthese im Reagenzglas. Göttingen: Wallstein 2001, S. 15ff. 5 Vgl. Laura Otis: The Metaphoric Circuit. Organic and Technological Communication in the Nineteenth Century. In: Journal of the History of Ideas 2002 URL: http://people.hofstra.edu/faculty/Laura_C_Otis/JHI2002pp105-128.pdf, S. 107. Letzter Zugriff am 4.1.2005. 6 Vgl. Christian J. Emden: Epistemische Konstellationen 1800–1900. In: Hartmut Böhme/Jürgen Barkhoff/Jeanne Riou (Hg.): Netzwerke. Eine Kulturtechnik der Moderne. Köln: Böhlau 2004, S. 143. 7 Vgl. Walter Benjamin: Ausgraben und Erinnern. In: Knut Ebeling/Stefan Altekamp (Hg.): Die Aktualität des Archäologischen in Wissenschaft, Medien und Künsten. Frankfurt/Main: Fischer 2004, S. 44/45. Zu Perspektiven von Archäologie und Kulturwissenschaft vgl. auch die grundlegenden Quellen und Beiträge im selben Band.

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2.1 Zugänge und methodisch-theoretische Voraussetzungen Materialität (als Text, Bild, Monument, Apparat), nicht aber eine lineare geschichtliche Erzählung. 9. Forschungen über Netze und Netzwerke sind Bestandteil der aktuellen sozial- und kulturwissenschaftlichen Diskussionen über historische und epistemologische Aspekte von Räumen. 10. Netze und Netzwerke. Archäologie einer Kulturtechnik profitiert von den neuesten kulturwissenschaftlichen Bewegungen und Entwürfen in Wissensgeschichte und Wissenschaftsgeschichte.8 Die Wahlverwandtschaften zwischen Wissen, Kunst und Medien werden daher als konstitutiv für eine Kultur- und Mediengeschichte der Netzwerke verstanden. 11. Netze sind zu einer »absoluten Metapher« (Hans Blumenberg) geworden, die unseren Blick auf die Welt strukturiert.9 Zudem sind sie aber zu verschiedenen Zeiten in je unterschiedlichen Teilen Praxis, Metapher und/oder Modell. Notwendig ist also eine reflektierte Metaphorologie der Netze, die den fundamentalen Einfluss sprachlicher Übertragungen berücksichtigt.10 12. Besonderes Augenmerk gilt Fragen der kollektiven Vorstellungskraft im Kontext neuester Ansätze zu einer Bildwissenschaft.11 Netze und Netzwerke stellen sich selbst dort als Bild8

Vgl. Hans-Jörg Rheinberger/Michael Hagner/Bettina Wahrig-Schmidt (Hg.): Räume des Wissens. Repräsentation, Codierung, Spur. Berlin: Akademie-Verlag 1997. Joseph Vogl (Hg.): Poetologien des Wissens um 1800. München: Fink 1999. Bernhard Siegert: Passage des Digitalen. Zeichenpraktiken der neuzeitlichen Wissenschaften 1500–1900. Berlin: Brinkmann & Bose 2003. Helmar Schramm et al. (Hg.): Bühnen des Wissens. Interferenzen zwischen Wissenschaft und Kunst. Berlin: dahlem university press 2003. Wissensgeschichte meint: »Das, was Wissenschaftsgeschichte früher vorrangig als Einfluss von Religion, Ideologie und Weltanschauungen analysierte und im Sinne äußerer, störender Faktoren und Einflüsse zu bannen versuchte, wird hier gerade als Bedingung bzw. integraler Bestandteil von Wissenschaft selbst verstanden. Wissenschaft ist nur eine besondere Filiation von Wissen, nicht einmal eine autonome.« Olaf Briese: Angst in den Zeiten der Cholera. SeuchenCordon. Berlin: Akademie-Verlag 2003, Band 1, S. 24. 9 Vgl. Hans Blumenberg: Paradigmen zu einer Metaphorologie. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1998, S. 10f. 10 Vgl. Max Black: Models and Metaphors. Studies in Language and Philosophy. Ithaca, New York: Cornell University Press 1962. Paul Ricœur: Die lebendige Metapher. München: Fink 1991. Anselm Haverkamp (Hg.): Theorie der Metapher. 2. Auflage. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1996. 11 Vgl. W.J.T. Mitchell: Iconology. Chicago: University of Chicago Press 1986. W.J.T. Mitchell: Picture Theory. Essay on Verbal and Visual Representation. Chicago: University of Chicago Press 1995. Gottfried Boehm: Was ist ein Bild? München:

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2 Netze schreiben: Begriffe und Probleme und Imaginationsproblem dar, wo sie unübersichtlich oder unanschaulich werden und nur noch als mathematische Zeichenpraxis zugänglich sind. Im Gegenzug sind es gerade Visualisierungen von extrem großen wie extrem kleinen Netzstrukturen, welche zur Konjunktur des Netz-Begriffes beigetragen haben. Netz-Geschichte/n schreiben sich durch und mit Kartierungen und Diagrammen, die Unsichtbares sichtbar machen. 13. Wenn Netzwerke (von Tieren, Maschinen, Institutionen etc.) entstehen, indem Netze im Gebrauch verbunden werden,12 stellt sich die Frage nach netz-spezifischer Performanz13 im jeweiligen historischen Rahmen. Performanz, verstanden als Wirklichkeit erzeugende Kraft von Darstellungen und Verkörperungen, ist Bestandteil aller bereits genannten methodischen Ansätze: als Stil und Rechtfertigungsgestus der Wissenschaften, als alltäglicher Sprechakt oder aber als Erkenntnis generierendes Bild.

2.2 Netz/Netzwerk-Differenzen Wir sind alle nur »Netzeffekte«,14 die nie über gebaute Netze in ihrer Gesamtheit verfügen können, sondern immer auf den Anschluss an diese angewiesen sind.15 Dahingegen verspricht der Begriff des Netzwerks die Möglichkeit aktiver Teilhabe. »Netz generiert (erzeugt, schafft, produziert, konstruiert) als Netz ein mediales Bindungsgefüge, das wir als Netzwerke beschreiben«, schreibt Manfred Faßler mit Bezug auf das Internet.16 Ist es so, dass der Bau und

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Fink 1995. Gernot Böhme: Theorie des Bildes. München: Fink 1999. Hans Belting: Bild-Anthropologie. Entwürfe für eine Bildwissenschaft. München: Fink 2001. Klaus Sachs-Hombach: Das Bild als kommunikatives Medium. Elemente einer allgemeinen Bildwissenschaft. Köln: Herbert von Halem Verlag 2003. Vgl. Manfred Faßler: Netzwerke. Einführung in die Netzstrukturen, Netzkulturen und verteilte Gesellschaftlichkeit. München: Fink 2001, S. 65. Vgl. Uwe Wirth (Hg.): Performanz. Zwischen Sprachphilosophie und Kulturwissenschaften. Frankfurt/Main: Suhrkamp 2002. Jon McKenzie: Perform or Else. From Discipline to Performance. London: Routledge 2001. Paragrana 1/1998; 1/2004. Stefan Münker: Ich als Netzeffekt. Zur Konstitution von Identität als Prozess virtueller Selbsterschließung. In: Jürgen Barkhoff/Hartmut Böhme/Jeanne Riou (Hg.): Netzwerke. Eine Kulturtechnik der Moderne. Köln: Böhlau 2004, S. 349. Vgl. Gernot Böhme: Die Technostrukturen in der Gesellschaft. In: Lutz Burkart (Hg.): Technik und sozialer Wandel: Verhandlungen des 23. Deutschen Soziologentages in Hamburg 1986. Frankfurt/Main; New York: Campus Verlag 1987, S. 57. Faßler: Netzwerke, a. a. O., S. 65.

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2.2 Netz/Netzwerk-Differenzen Gebrauch von Netzen immer Netzwerke schafft, egal ob Spinnen, Bakterien, Ameisen, Freunde, Ingenieure oder Informatiker die Akteure sind?17 Im Deutschen und im Englischen gibt es einen Unterschied zwischen Netz18 und Netzwerk.19 Das Französische spricht hier einfach von réseau, macht aber einen Unterschied zum Fischer- (filet de pêche) und zum Spinnennetz (toile d’araignée). Im Englischen existieren mehrere Worte für das Fischernetz (flew, flue, seine). Neben der Differenz von net und network steht auch noch der Ausdruck mesh, dessen deutsche Übersetzung sowohl Masche, Schlinge oder Netz lauten kann. Auch web steht für Gewebe, Matrix, Netz. Im Gegensatz zum Englischen und Französischen bietet »Netz« auf Deutsch die Möglichkeit zu sprachspezifischen Assoziationsketten, die vom Fischernetz bis zum Internet reichen.20 Das Wort réseau (von résel, 12. Jh.) ist eine Variante des altfranzösischen réseuil, das sich vom lateinischen retiolus ableitet. Jenes ist die Verkleinerungsform von retis (Netz im Sinne von filet), aus der sich auch das französische rêts ableitet. Es bezeichnet schlicht eine Menge ineinander verflochtener oder verschlungener Linien.21 In Samuel Johnsons Dictionary of the English Language ist bereits 1755 von network die Rede: »Ein Netzwerk ist jedwedes retikulare oder in regelmäßigen Abständen durchkreuzte Ding mit Leerräumen zwischen den Schnittpunkten.«22 Das Grimm’sche Wörterbuch ver17 Vgl. Hartmut Böhme: Netzwerke. Zur Theorie und Geschichte einer Konstruktion. In: Jürgen Barkhoff/Hartmut Böhme/Jeanne Riou (Hg.): Netzwerke. Eine Kulturtechnik der Moderne. Köln: Böhlau 2004, S. 17. 18 Indoeuropäisch *ned: zusammen drehen, knüpfen; verwandt mit *(s)nê: Fäden zusammen drehen, mit dem Faden hantieren, weben, spinnen, nähen; lat. nassa: Fischreuse, aus Binsen geflochtener Korb mit engem Hals; nôdus: Knoten, Wulst, Schlinge, Band; alt-irisch nascim: binde, verpflichte; naidm: das Binden, Vertrag; ahd., englisch, schwedisch, finnisch usw.: Netz als geknüpftes Maschenwerk, Gespinst der Spinne, Gesamtheit vieler sich kreuzender und voneinander abzweigender Verbindungen. Vgl. Wolfgang Pfeifer (Hg.): Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 7. Auflage. München: dtv 2004, S. 970. 19 Das deutsche Wort Netzwerk gilt mitunter als Neologismus des englischen network. Eine entsprechender Zusammenhang ist aber bisher linguistisch nicht nachgewiesen worden. 20 Vgl. Böhme: Netzwerke. Zur Theorie und Geschichte einer Konstruktion, a. a. O., S. 17. 21 Vgl. Daniel Parrochia: Philosophie des résaux. Paris: Presses Universitaires de France 1993, S. 5. 22 Im Original: »A network is anything reticulated or decussated, at equal distances, with interstices between the intersections.«. Die Übersetzung von Caitríona Leahy ist kürzer: »ein retikularer Gegenstand in regelmäßigen Abständen durchkreuzt«. Vgl. Caítriona Leahy: Die Be-Gründung des Netzwerks. Bach-

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2 Netze schreiben: Begriffe und Probleme merkt zu Netzwerk nur kurz und mit wenigen Einträgen versehen, dass es etwas Netzartiges bezeichne.23 »Das Wort Netzwerk deutet [...] darauf hin, dass in und durch Netz etwas entsteht [...].«24 Es gibt also ein »Mehr« des Netzwerks, das je nach disziplinärem Zugriff anders zu bestimmen wäre. Informatisch betrachtet liegt die Differenz zwischen Netzen und Netzwerken in der Speicherfunktion: Netzwerke speichern, Netze nicht.25 Entstehen Netzwerke, wenn mehr oder minder heterogene Netze miteinander verbunden werden, bis hin zur Praxis des »internetworking«? Oder sind sie als Geflecht von Netzen, das raumzeitlich nicht mehr lokalisierbar ist, regelrechte Meta-Strukturen von Netzen?26 Meine These ist: Netzwerke können als solche verstanden werden, wenn Netze im performativen Vollzug als Handlungs- wie Beschreibungsmodell soziale und kulturelle Wirkungskraft gewinnen. Damit ist kein Automatismus verbunden: Bau und Gebrauch eines Netzes führen nicht zwingend zur Begründung eines neuen Netzwerks. Historisch gesehen ist es eine Frage der möglich gewesenen Selbstbeobachtungen, ob und wie man über die Bezeichnung Netz hinaus von Netzwerken gesprochen hat. Erst mit der Erhebung von Vernetzung zum gesellschaftlichen Ziel werden bewusst Netzwerke geschaffen, die über die Definition »etwas Netzartiges« hinausgehen. Vielleicht ist es aber genau diese schon etymologisch auffindbare Unschärfe, die »Netzwerk« als Begriff so attraktiv macht. »Etwas Netzartiges« – mehr Freiheit kann man dem individuellen wie kollektiven Imaginären gar nicht geben. Gerade hier – im Imaginären – liegt ein kulturwissenschaftlich zu bestimmendes »Mehr« des Netzwerks.

2.3 Bildfragen Netze können jederzeit auf ihre elementaren Grundformen – Spinnen- und Fischernetz – zurückgeführt werden. Bei kleinsten und

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mann erkundet den Heidegger’schen Grund. In: Jürgen Barkhoff/Hartmut Böhme/Jeanne Riou (Hg.): Netzwerke. Eine Kulturtechnik der Moderne. Köln: Böhlau 2004, S. 297. Vgl. Jacob Grimm/Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch. Siebenter Band. NQuurren. Hg. von Matthias von Lexer. Band 13, Leipzig: S. Hirzel 1889, S. 643. Faßler: Netzwerke, a. a. O., S. 172. So der Wiener Informatiker Jörg Pflüger auf der Konferenz zu Netzstrukturen, Humboldt-Universität zu Berlin, 2.7.2004. Vgl. Weber: Medien, Systeme, Netze, a. a. O., S. 76.

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2.3 Bildfragen großen netzförmig organisierten Infrastrukturen ist es erheblich schwerer, anhand der Signifikanten eine als vollständig fassbare Vorstellung zum Signifikat zu erheben. Statische Karten bieten eine Möglichkeit der Darstellung, zudem organisiert sich Verständnis durch eine Verschiebung von Signifikanten auf alltäglich wahrnehmbare Netzstrukturen. Netzwerke sind allenfalls durch dynamische Kartierungen visualisierbar, die alle beteiligten Akteure abbilden. Wo und wie ist an dieser Stelle noch ein Signifikat? Meiner Meinung nach sind Netzwerke nur noch als Produkt eines Imaginären verständlich, das historisch jeweils auf der Höhe der aktuellen bildgebenden Verfahren operiert. Ihre imaginären Topografien assoziativer Räume27 entstehen im Vollzug: aus Gebrauch, Erweiterung und Verbindung von Netzen. Privilegierte Perspektiven – man denke an die berühmte »Beobachtung der Beobachtung« – entfallen an dieser Stelle. Netzwerke sind ebenso gut das, was Netze mit uns machen. Im Sinne von Michel Serres: »Der Kausalstrom ist nicht mehr kausal, weil Kausalität nicht mehr irreversibel ist. Wer etwas beeinflussen will, wird plötzlich selbst durch das Ergebnis seines Einflusses beeinflusst.«28 So wie der blinde Fleck Dispositiv des Sehens ist, wird visuelle Wahrnehmung nur durch physiologische Strukturen möglich, die als Netzhaut und Nervennetz verstanden werden. Egal, wo und wie man hinschaut: Netze stellen sich als Bildproblem im vollen Umfang dar – angefangen bei den unhintergehbaren Voraussetzungen des menschlichen Körpers. Dass darüber hinaus Ikonografie und Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit das Netz viel eher mit dem Tastsinn in Verbindung bringen, hat Christina Lechtermann eindrucksvoll gezeigt.29 Auch wenn sich das Gefüge der Sinne verändert hat – Telekommunikation ermöglicht genuin andere Formen des Tastens – verdankt sich die Evidenz und Attraktivität von Netzbegriffen ihrer (oft unausgesprochenen) Taktilität. »Let’s keep in touch« heißt es dazu passend im Englischen. Diese 27 Vgl. John Law (Hg.): Actor network theory and after. Oxford: Blackwell 1999, S. 43. 28 Michel Serres: Das Kommunikationsnetz: Penelope. In: Claus Pias/Joseph Vogl/Lorenz Engell (Hg.): Kursbuch Medienkultur. Die maßgeblichen Theorien von Brecht bis Baudrillard. Stuttgart: DVA 1999, S. 164. 29 »und schouwen auch daz netze wol«: Netz-Bilder. Vortrag auf der Netzstrukturen-Konferenz, Humboldt-Universität zu Berlin, 3.7.2004. Der Text steht »in Kürze« auf der Tagungshomepage: http://www.perspicuitas.uniessen.de/sammelbd/netzstrukt/startnetz.htm, letzter Zugriff 29.1.2006.

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2 Netze schreiben: Begriffe und Probleme alltägliche Wendung gehorcht, wie man mit einem Bonmot Jochen Hörischs sagen kann, der Logik einer durch Medien »entfernten Entfernung«. Es sind zunächst Diagramme und Karten, an denen sich Netzwerke als Kulturtechnik der Moderne ablesen lassen. Bilder, schreibt William Mitchell, sind wie ein Schauspieler auf einer historischen Bühne. Sie gewinnen leicht eine mit legendärem Status versehene Präsenz, kreieren eine säkulare Erfolgsgeschichte des (christlichen) Menschen: von der nach dem Ebenbild Gottes geschaffenen Kreatur zum Lebewesen, das sich und die Welt nach seinen eigenen bildhaften Vorstellungen gestaltet.30 Die Welt ist allerdings nicht platonisches Bild von etwas. »Das Imaginäre, von dem ich spreche, ist kein Bild von. Es ist unaufhörliche und (gesellschaftlich-geschichtlich und psychisch) wesentlich indeterminierte Schöpfung von Gestalten/Formen/Bildern, die jedem von ›etwas‹ zugrunde liegen. Was wir ›Realität‹ und ›Rationalität‹ nennen, verdankt sich überhaupt erst ihnen.«31 Jenes radikal Imaginäre – als elementare und nicht weiter zurück führbare Fähigkeit, ein Bild hervorzurufen – wird zur Wurzel des aktualen Imaginären und Symbolischen von Netzen und Netzwerken.32 Teil und Voraussetzung eines (historisch zu differenzierenden) aktualen Imaginären und Symbolischen sind Karten, also »[...] das Medium, Raum zu vergegenwärtigen, Gleichzeitiges und Nebeneinander, über das sich so schwer synchron sprechen lässt, zu fixieren. Karten sind wahrscheinlich die wichtigste Form, die der Mensch sich geschaffen hat, dem Horror vacui zu entgehen, ein Netz von Linien und Punkten, das über den Globus geworfen wird, um sich Orientierung zu verschaffen. Erst wer einen Punkt, einen Halt im Raum gefunden hat, ist nicht mehr verloren.«33

Das Gradnetz – im übrigen ein jahrhundertelang unstabil gebliebener, erst 1911 endgültig normativ fixierter Halt – ist der notwendig regelmäßige Sonderfall: nahezu eine Gitterstruktur.34 Darüber hinaus erfinden Karten Netze, so wie die Malerei des Mittelalters und 30 Vgl. Mitchell: Iconology, a. a. O., S. 9. 31 Cornelius Castoriadis: Gesellschaft als imaginäre Institution. Entwurf einer politischen Philosophie. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1990, S. 12. 32 Vgl. Castoriadis, a. a. O., S. 218ff. 33 Karl Schlögel: Im Raume lesen wir die Zeit. Über Zivilisationsgeschichte und Geopolitik. München: Hanser 2003, S. 51. 34 Vgl. Serres: Das Kommunikationsnetz: Penelope, a. a. O., S. 165.

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2.4 Netze und Systeme der Renaissance panoramatische Gesamtansichten der Stadt – aus einer damals noch gar nicht einnehmbaren (also imaginären) Perspektive – zeigten.35 Straßen und Postkutschenverbindungen bilden in ihrer kartografischen Repräsentation Netze, bevor diese als solche verstanden werden. Besonders gut lässt sich dies im Frankreich des 18. Jahrhunderts nachvollziehen, dessen Raumordnung nicht an Querverbindungen interessiert ist, sondern vielmehr die gen Paris laufenden Linien fixiert. Im gängigen Streit von benachbarten Städten um Straßenanschluss wird eine regelrechte Sperre des Imaginären deutlich: Jeder Ort versteht sich zuerst selbst als Hauptstadt eines kleinen Landes, nicht als Bestandteil größerer Verbindungen. Zudem dauert die vereinheitlichende Klassifizierung des nationalen Straßensystems bis 1813.36 Historisch – man kann es an diesem Beispiel deutlich nachvollziehen – sind Systembegriffe modernen Netzkonzepten gleich mehrfach vorgelagert. Wer heute »Netz« sagt, kommt um eine Diskussion dieses Umstands nicht herum.

2.4 Netze und Systeme »Geschmeidiger als der Begriff des Systems, historischer als die Struktur und empirischer als die Komplexität« sei der Netzbegriff, heißt es bei Bruno Latour.37 Nichtsdestotrotz provozieren die aktuellen Theorie-Konjunkturen die berechtigte Frage, worin Unterschiede zwischen Systemen38 und Netzen bestehen. Die naturwissenschaftliche Systemtheorie selbst setzt beide Begriffe annähernd gleich. Tatsächlich gilt für beide: Sie sind selbstgenerativ, selbst35 Vgl. Michel de Certeau: Kunst des Handelns. Berlin: Merve 1988, S. 181. 36 Vgl. Bernard Lepetit: L’impensable réseau: Les routes françaises avant les chemins de fer. In: Georges Dupuy (Hg.): Réseaux territoriaux. Caen: Paradigme 1988, S. 22ff. 37 Latour: Wir sind nie modern gewesen, a. a. O., S. 10. 38 Griech. systema: aus Einzelteilen zusammengefügtes und gegliedertes Ganzes, Vereinigung, Gruppe, die in einem Staat zusammen Lebenden, Staatsgebäude, Staatsverfassung, aus mehreren Lehrsätzen zusammengesetztes Lehrgebäude, von synistanai: zusammenstellen, -fügen, -bringen, vereinigen, zustande bringen; System im dt. Sprachraum seit 18. Jh. (über lat. Sistemata, Mitte 16. Jh.); Anwendung zunächst als Planeten-, Sonnensystem, dann Gefäß-, Kreislaufsystem, Nervensystem und Staats-, Verwaltungs-, Wirtschaftssystem. System; philosophisch: gegliederte Gesamtheit von Anschauungen, Erkenntnissen, Lehren; allg. Plan, Konzept, Methode. Vgl. Pfeifer: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, a. a. O., S. 1403/04.

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2 Netze schreiben: Begriffe und Probleme steuernd, selbsterweiternd, also autopoietisch und evolutionär.39 Ohne methodische Netzwerk-Heuristik wären die Forschungen von Humberto Maturana und Francico Varela zur Autopoiese von Zellen um 1970 nicht denkbar. Deren Computersimulationen binärer Netzwerke knüpfen direkt an die Kybernetik und McCullochs logisches Kalkül der Nerventätigkeit an.40 Autopoiese ist in diesem Kontext »als Netzwerkmuster definiert, in dem jede Komponente die Funktion hat, sich an der Produktion oder Transformation anderer Komponenten zu beteiligen.«41 Eine Möglichkeit zur Unterscheidung von Systemen und Netzen eröffnet sich durch die Frage nach der jeweiligen Selbstbegrenzung. Bei Dirk Baecker kann man nachlesen, dass Netzwerktheorie Grenzen stärker problematisiere.42 Die Formulierung ist bewusst offen und daher auf zweierlei Art anschlussfähig. Im Falle von Maturanas und Varelas mittels Gitternetzwerken simulierten Zellautomaten43 ergeben sich notwendigerweise Selbstbegrenzungen: Zellen müssen abgeschlossen sein. Jenseits der naturwissenschaftlichen Zeichenpraktik überwinden Netzwerke aber auch tendenziell systemische Grenzen. Sie sind also entschiedene Herausforderung an ein Denken, das die Ausdifferenzierung sozialer (Teil-)Systeme in den Vordergrund stellt. Weiter gehende Denkoptionen, darunter die Analyse hybrider Verbindungen zwischen Systemen, werden bisher nur wenig ausgelotet. Am ehesten kann die Systemtheorie Netzwerke als verfestigte strukturelle Kopplungen von Systemen verstehen.44 Dabei ermöglicht Netzwerktheorie auch dank der gemeinsamen Herkunft aus der kybernetischen epistéme einige Revisionen systemtheoretischer Leitunterschiede: »Umwelt/System« wird durch ein flexibleres Begriffspaar wie »Knoten/Netze« zumindest ergänzt.

39 Vgl. Böhme: Netzwerke. Zur Theorie und Geschichte einer Konstruktion, a. a. O., S. 19. 40 Vgl. Warren S. McCulloch/Walter Pitts: A Logical Calculus of the Ideas Immanent in Nervous Activity. In: Bulletin of Mathematical Biophysics 5 1943, 115f. 41 Frithjof Capra: Lebensnetz. Ein neues Verständnis der lebendigen Welt. Bern: Scherz 1996, S. 237. 42 Vgl. Dirk Baecker: Rechnen lernen: Soziologie und Kybernetik. In: Claus Pias (Hg.): Cybernetics – Kybernetik. The Macy Conferences 1946–1953. Berlin: diaphanes 2004, S. 292. 43 Vgl. dazu Capra: Lebensnetz, a. a. O., S. 222ff. 44 Vgl. Weber: Medien, Systeme, Netze, a. a. O., S. 58f.

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2.4 Netze und Systeme

Leitunterscheidung Bildstatus

Ausdehnung

Geschichte Ordnung

Medienbegriff

System System/Umwelt

Netz Knoten/Netz

funktionale Reduktion von Komplexität bei geringerer Anschaulichkeit (systemische Logik); bevorzugt: Diagramme begrenzt, auf statische Stabilität hin gedacht; Veränderung nur im Rahmen stetiger Selbstreproduktion; de Certeaus Ort45 ... von Ausdifferenzierungsprozessen wahrscheinlich/unwahrscheinlich

hohe Metaphorizität bei gleichzeitiger hoher Komplexität von Praxen und Modellen; Diagramme und Karten

symbolische, generalisierte Kommunikationsmedien (Geld, Macht, Liebe)

wachsend, auf dynamische Stabilität hin gedacht; ständige Veränderung; de Certeaus Raum46 ... von Ver- und Entnetzungen Situationen wandeln sich von Wahrscheinlichkeit zu Überdeterminierung (Serres) als Grundlage von Übertragungsmedien: technisch-operativ47

Tabelle 2.1: Unterschiede zwischen Netzen und Systemen

Die einleuchtendste Verbindung beider Begriffe findet sich bei Volker Grassmuck: Netzwerke markieren das »Dazwischen der Systeme«. Sie sind nicht nur Mittel für die Verbindung von Systemelementen, sondern auch konstitutiv für dessen Kopplung an andere Systeme über räumlich und zeitlich immer größere Distanzen.48 So empfiehlt sich ein Wechsel des Beobachtungsstandpunkts: Soziabi45 Vgl. de Certeau: Kunst des Handelns, a. a. O., S. 217/18. 46 Vgl. de Certeau, a. a. O., S. 218/19. »Erzählungen führen [...] also eine Arbeit aus, die unaufhörlich Orte in Räume und Räume in Orte verwandelt. Sie organisieren auch das Spiel der wechselnden Beziehungen, die die einen zu den anderen haben.«; de Certeau, a. a. O., S. 220. Mit einer derart spielerischen Auffassung lässt sich auch das Verhältnis von Systemen und Netzen darstellen. 47 Zu anderen möglichen Medienbegriffen vgl. dieses Buch, S. 97f. 48 Vgl. Volker Grassmuck: Geschlossene Gesellschaft. Mediale und diskursive Aspekte der ›drei Öffnungen‹ Japans. München 2002, S. 25.

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2 Netze schreiben: Begriffe und Probleme lität wäre von den Netzen her zu untersuchen. Das Verhältnis von System und Netz kehrt sich um.49

2.5 Metapher und Modell Metaphorologie ermittelt die logische »Verlegenheit«, für welche Metaphern einspringen.50 Dass sprachliche Übertragungen auch für »harte« Wissenschaft fundamental sind, ist spätestens seit Max Blacks Studien zu Modellen und Metaphern – in den 1950er Jahren in Vorlesungen präsentiert, 1962 in Buchform veröffentlicht – fester Bestandteil akademischer Selbstreflexion geworden.51 Neben der Wende in der anglo-amerikanischen Wissenschaftstheorie hat zudem die Wiederentdeckung der Rhetorik im (Post-)Strukturalismus und im Kontext eines New Rhetoricism (White, Haverkamp, de Man) neue Perspektiven eröffnet.52 Metaphern existieren nur im performativen Vollzug. Indem sie vergleichen, substituieren und interagieren, werden und sind sie vom jeweiligen Blickwinkel abhängige Setzungen. Mit Blumenberg lässt sich sagen, dass die zulässig-unzulässige metaphorische Übertragung den Zugang zu höheren Abstraktionsgraden ermöglicht. Einmal dort angelangt, vergisst man sie gerne wieder.53 Derrida hat es noch plastischer ausgedrückt: »Man bemerkt die Metapher nicht mehr und hält sie für den reinen Sinn. Doppelte Auslöschung [einer transparenten Figur der ›eigentli49 Vgl. hierzu die Bemerkungen Jörg Pflügers zur sukzessiven Fusion von systemischen Hierarchien und Netzwerktheorien in den letzten 20 Jahren. Jörg Pflüger: Writing, Building, Growing. Leitvorstellungen der Programmiergeschichte. In: Hans-Dieter Hellige (Hg.): Geschichten der Informatik. Berlin; New York: Springer 2004, S. 310/311. 50 Blumenberg: Paradigmen zu einer Metaphorologie, a. a. O., S. 10. 51 Black: Models and Metaphors, a. a. O. Noch größeres Echo hat Lakoffs und Johnsons Buch mit dem programmatischen Titel Metaphors we live by erzeugt. Vgl. George Lakoff/Mark Johnson: Metaphors we live by. Chicago: University of Chicago Press 1980. Die Literatur zum Thema Metapher/Modell füllt mittlerweile etliche Regalmeter. Vgl. als Einstieg und Überblick David E. Leary (Hg.): Metaphors in the History of Psychology. Cambridge: Cambridge University Press 1990. 52 Vgl. die detaillierte Darstellung bei Anselm Haverkamp: Einleitung in die Theorie der Metapher. In: Anselm Haverkamp (Hg.): Theorie der Metapher. 2. Auflage. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1996. Aus medientheoretischer Perspektive einschlägig ist Georg Christoph Tholen: Die Zäsur der Medien. Kulturphilosophische Konturen. Frankfurt/Main: Suhrkamp 2002. 53 Vgl. Hans Blumenberg: Ästhetische und metaphorologische Schriften. Hg. von Anselm Haverkamp. Frankfurt/Main: Suhrkamp 2001, S. 179.

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2.5 Metapher und Modell chen‹ Grundbedeutung und deren Metaphorisierung im philosophischen Diskurs, SG]. Die Philosophie wäre dann dieser Prozess der Metaphorisierung, der sich immer selbst wegspült. Ihrer Konstitution wegen wird die philosophische Kultur immer abgegriffen gewesen sein.«54

Die Metapher »Metapher« bleibt unhintergehbar. Prägnanter als durch Novalis ist dies selten benannt worden: »Der Mensch – Metapher.«55 Mit Vico hat eine der Gründerfiguren der Kulturwissenschaft zurecht bemerkt, dass Metaphernsprache ebenso eigentlich ist wie die gemeinhin für »eigentlich« gehaltene.56 Sie hört nie auf, sich zu stratifizieren, sich gleichzeitig auszuhöhlen und zu stärken.57 Dabei ist sie ebenso gut nomadische Enteignung, ein Außerhalb-des-Zuhause-Seins. Das Unbehagen, mit dem die neuzeitliche Cartesianisch-Bacon’sche Wissenschaft auf metaphorischen Austausch blickt, resultiert vielleicht aus diesem ambiguen Zustand. (Es sagt zudem viel über Begehren und Wünsche forschender Männer aus.) Derrida hat auf die »Enteignung« des Metaphorischen hingewiesen und auf die Möglichkeit einer Wieder-Aneigung. Man ist in der metaphorischen Rede nicht Zuhause, aber eben an einem anderen, Vertrauen erweckenden Ort: »außerhalb von sich in sich«.58 Auf diese Art und Weise ist die Netz-Metaphorik produktiv. Sie macht aber auch Grenzziehungen »eigentümlich schwierig« und verdankt einen Teil ihrer Faszination »exakt dieser Tatsache«.59 Lebendiges, Mechanisches und Informationstheoretisches geht auf diese Art und Weise ineinander über – selbst dort, wo Trennungen und Brüche zu konstatieren sind. So wirken technische und soziale 54 Jaques Derrida: Die weiße Mythologie. Die Metapher im philosophischen Text. In: Peter Engelmann (Hg.): Randgänge der Philosophie. 2. Auflage. Wien: Passagen Verlag 1999, S. 232. 55 Poeticismen 174, Novalis: Schriften: die Werke Friedrich von Hardenbergs; in 4 Bänden und einem Begleitband. Hg. von Paul Kluckhohn und Richard Samuel. Band 2, 3. Auflage. Stuttgart: Kohlhammer 1977, S. 561. 56 Vgl. Giovanni Battista Vico: Prinzipien einer neuen Wissenschaft über die gemeinsame Natur der Völker. Band 2, Hamburg: Meiner 1990, S. 188f. Zur Setzung des Fluchtpunkts der metaphorischen Rede als hegemonialem, kritisch zu hinterfragenden Akt vgl. Gerd Mattenklott: Metaphern in der Wissenschaftssprache. In: Helmar et al. Schramm (Hg.): Bühnen des Wissens. Interferenzen zwischen Wissenschaft und Kunst. Berlin: Dahlem University Press 2003. 57 Vgl. Derrida: Die weiße Mythologie, a. a. O., S. 272/73. 58 Derrida, a. a. O., S. 273. Derrida bezieht sich hier auf Du Marsais’ Traité des tropes. 59 Hartmut Winkler: Docuverse. Zur Medientheorie der Computer. München: Boer 1997, S. 45.

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2 Netze schreiben: Begriffe und Probleme Netzwerke oft unausgesprochen verlebendigend, gerade wenn von Hybridformen die Rede ist. Die historische Relation der modernen Netze und Netzwerke zur Anatomie und zur Ordnung der Natur kann diesen Zusammenhang teilweise erklären. Neben der Faszination steht aber immer auch die Ambivalenz, die der Metapher vor allem in den Wissenschaften vom Leben zukommt.60 Man kann diesem Konflikt in Teilen beikommen, indem man stets Metaphorologie mit Aspekten von Modellbildung kontrastiert. Anstelle des absoluten Verlusts von Grenzen und totaler metaphorischer Enteignung besitzen Netzwerke Eigenschaften von Modellen – und sind selbst als Mode(ll) zum Maß der Gegenwart geworden.61 Max Blacks grundlegender Text zu Models and Metaphors von 1962 wirkt auch unter dieser Perspektive erstaunlich frisch. Man mag die Unterteilung von Modellarten heute vielleicht nicht mehr mit einer Hierarchie versehen wollen – produktiv und elegant ist sie allemal. Blacks Entwurf differenziert zwischen: 1. maßstabsgetreuen Modellen (scale models), z. B. Verkleinerungen oder Vergrößerungen eines Gegenstandes, Simulationen, Zeitraffer/Zeitlupe. Black versteht diese im Anschluss an Peirce als Ikonen. Egal ob größer, oder kleiner – sie sagen: dies ist, wie das Original ist. Sie reproduzieren dazu ausgewählte Eigenschaften des Originals. 2. analogen Modellen (analogue models). Sie beinhalten einen Wechsel des Mediums (change of medium), Beispiele sind hydraulische Modelle der Ökonomie und elektrische Schaltkreise in Computern. Blacks Definition lautet: Ein Prozess, ein materielles Objekt, ein System, welches so getreu wie möglich in einem neuen Medium die Struktur oder das Netz von Relationen zum Original nachbildet.62 Dominantes Prinzip ist die Isomorphie. Analoge Modelle sind nur auf einer höheren Abstraktionsebene ikonisch. 60 »Could not one say, similarly, that in biology the models [...] being the best are those which halt our latent tendency to identify the organic with its model? A bad model, in the history of science, is that which the imagination evaluates as a good one. The imagination is inclined to believe that to construct a model is to borrow a vocabulary and so obtain an identification of two objects.« Georges Canguilhem: The Role of Analogies and Models in Biological Discovery. In: A.C. Crombie (Hg.): Scientific Change. London: Heinemann 1963, S. 517. 61 Von lat. modellus – Maßstab [Diminutiv von Modus, Maß]; als modello im 16. Jh. in Italien gebildet. Vgl. Jürgen Mittelstraß (Hg.): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Band 2: H–O, Stuttgart: Metzler 1984, S. 911. 62 Im Original: »Some material object, system or process designed to reproduce

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2.5 Metapher und Modell Sie kreieren zwar plausible Hypothesen, können aber keine eindeutigen Beweise liefern. 3. rein theoretischen Modellen, die entweder auf der Grundannahme eines als wenn (as if) oder eines als wäre (as being) beruhen. Als wenn (as if) durchzieht die Logik von Modellen, die bewusste heuristische Fiktion sind. Ein Beispiel wäre Maxwells Darstellung eines elektrischen Kraftfelds aufgrund der vermuteten Eigenschaften eines imaginären inkompressiblen Fluids. »Das imaginäre Medium ist hier nur noch eine Gedächtnishilfe zur Erfassung mathematischer Beziehungen.«63 Physikalische Modelle nach der Vorgabe eines as being besitzen hingegen eine stark existentielle Komponente. Kelvins mechanische Modelle, Rutherfords und Bohrs Atommodelle beschreiben ihren Gegenstand, wie er ist (as it is).64 Die Wissens- und Mediengeschichte der Netze hat es mit allen drei Arten von Modellen zu tun. Sie verdanken sich weniger einer Logik der Beweisführung, als spielerisch zu verstehenden Prozessen von Entwurf und Entdeckung. Auch ohne Verwendung dieser Begriffe gilt Leonhard Eulers Lösung des Problems der Sieben Brücken von Königsberg (1736) als erstes mathematisches Netzwerkmodell. Zugleich ist Eulers Text ein vielfach tradierter mythopoietischer Gründungsakt der mathematischen Graphentheorie, deren topologische Berechnungsformen wiederum die Grundlage der Netzwerktheorien des 20. Jahrhunderts sind.65 Nach obiger Einteilung ist die Berechnung der möglichen Wege über die Sieben Brücken von Königsberg ein rein theoretischmathematisches Modell. Euler selbst will die ihm gestellte Aufgabe zunächst gar nicht der Mathematik zurechnen – ordnet sie aber dann nahezu zähneknirschend der »Geometrie der Lage« zu. Er fasst die zu lösende Aufgabe wie folgt zusammen: as faithfully as possible in some new medium the structure or web of relationships in an original.« 63 Ricœur: Die lebendige Metapher, a. a. O., S. 229. 64 Vgl. Black: Models and Metaphors, a. a. O., S. 221f. 65 Ein erstes Lehrbuch erscheint 1936 in Leipzig, Autor ist der ungarische Mathematiker Dénes König. Vgl. Dénes König: Theorie der endlichen und unendlichen Graphen. Band 6, Teubner-Archiv zur Mathematik. Leipzig: Teubner 1986. Die Tradierung des graphentheoretischen Wissens über zwei Jahrhunderte hinweg ist brüchig und voller Wiederentdeckungen. Vgl. als Ausgangspunkt Horst Sachs: Einführung in die Theorie der endlichen Graphen. Band 1, Leipzig: Teubner 1970, S. 5ff.

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2 Netze schreiben: Begriffe und Probleme

Abbildung 2.1: Illustration zu den »Sieben Brücken von Königsberg«, 1736. »Zu Königsberg in Preussen ist eine Insel A, genannt ›der Kneiphof‹, und der Fluss, der sie umfliesst, teilt sich in zwei Arme, wie dies aus der Fig. I [hier: Abbildung 2.1, SG] ersichtlich ist. Über die Arme dieses Flusses führen sieben Brücken a, b, c, d, e, f und g. [...] Es wurde mir gesagt, dass einige diese Möglichkeit verneinen, andere daran zweifeln, dass aber niemand sie erhärte. Hieraus bildete ich mir folgendes höchst allgemeine Problem: Wie auch die Gestalt des Flusses und seine Verteilung in Arme, sowie die Anzahl der Brücken ist, zu finden, ob es möglich sein, jede Brücke genau einmal zu überschreiten oder nicht.«66

Euler hielt sich zum Zeitpunkt der Lösung in St. Petersburg auf. So wie Kant ein halbes Jahrhundert später den Umkreis von Königsberg nicht verlassen musste, um Geografie zu lehren und Weltbilder zu verändern, widmet sich Euler einem Raumproblem abstrakt, ohne vor Ort zu sein. Zugetragen wurde es ihm durch seinen Freund Carl Leonhard Gottfried Ehler, seines Zeichens Bürgermeister von Danzig. Jener wiederum, die postalische Gelehrtenrepublik lässt grüßen, leitete nur die Anfrage von Heinrich Kühn (1690–1769), Professor der Mathematik am akademischen Gymnasium in Danzig, weiter. Euler löst die Flaneurs-Frage problemlos und schreitet, sichtlich gelangweilt ob der geringen Komplexität der Aufgabe, zur Modellierung eines allgemeinen Theorems weiter. Grundlage ist die Aufteilung der Stadtgebiete entlang der Vorgaben des städtischen Raums 66 Leonhard Euler: Das Königsberger Brückenproblem. In: Theorie der endlichen und unendlichen Graphen. Kombinatorische Topologie der Streckenkomplexe. Leipzig: BSB Teubner 1986, Teubner-Archiv zur Mathematik 6, S. 291.

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2.5 Metapher und Modell (A, B, C, D) und deren Formalisierung in möglichen Wegen (AB, ACDA etc.). Folgende Regeln beweisen, dass kein Wanderer einen Euler’schen Pfad über die Brücken der Pregel finden wird: »Wenn es mehr als zwei Gebiete gäbe, für welche die Zahl der Zugangsbrücken ungerade ist, so gibt es keinen Weg der verlangten Art. Wenn die Anzahl der Zugangsbrücken für nur zwei Gebiete ungerade ist, so gibt es Wege, vorausgesetzt, dass man in einem dieser beiden Gebiete beginnt. Wenn es aber gar kein Gebiet gibt, für welches die Zahl der Zugangsbrücken ungerade ist, so kann man den verlangten Spaziergang ausführen, gleichgiltig in welchem Gebiet man beginnt.«67

Königsberger Spaziergänger, nach denen man ja mitunter die Uhr stellen kann, geben zwar Anlass zur Geburtsstunde der Graphentheorie, als die Eulers Text heute gerne tradiert wird. Ihr leibliches Vorhandensein ist dabei aber unwichtig – Wege werden über Buchstabenkombinationen repräsentiert. Die räumliche Referenz entgleitet in der Formalisierung. In diesem Modus werden über zwei Jahrhunderte später digitale Medientechnologien wie das Internet rechentechnisch möglich: »Im Computer löst sich Information von ihrem Träger, löst sich Information von ihrem Raum.«68 Dementsprechend sind alle Kartierungen und Cybergeografien ein vielleicht vergeblicher Versuch der Verortung – gleitende Signifikantenketten für Nicht-Räume, éspaces jamais vécus.69 Die Überlieferung von Eulers Text als Gründungsakt der Netzwerktopologie ist ein Resultat der Rezeptionsgeschichte. Ungezählte Referenzen im World Wide Web sorgen zudem für die Popularisierung eines Mythos. Markierungen in Knotenform, wie sie im Internet verbreitet sind,70 finden sich im Original nicht. Netzwerk-Wissen hat seine eigene Historizität. Bestes Beispiel sind die Netzwerk-Modelle der heutigen Informatik, die auch Linie, Stern und Baum als Vernetzungsformen beinhalten (vgl. Abbildung 2.2). Aus kulturgeschichtlicher Perspektive existieren aber gravie67 Euler, a. a. O., S. 300. 68 Wolfgang Hagen: Computerpolitik. In: Computer als Medium. München: Fink 1994, S. 146. 69 Zum Begriff des Nicht-Raums vgl. Marc Augé: Orte und Nicht-Orte. Vorüberlegungen zu einer Ethnologie der Einsamkeit. 2. Auflage. Frankfurt/Main: Fischer 1994, zum Begriff des éspace vécu als gelebtem Raum vgl. Henri Lefebrve: La production de l’espace. 4. Auflage. Paris: Anthropos 2000. 70 Vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/Seven_Bridges_of_Koenigsberg – letzter Zugriff am 4.2.2006.

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2 Netze schreiben: Begriffe und Probleme

Abbildung 2.2: Netzwerktopologien in der Informatik, 2004.

rende Unterschiede: Kanäle in Baumform unterscheiden sich von einer Radialkanalisation, sich treffende Postlinien sind nicht auf Dezentralisierung hin optimiert, Stammbäume sind keine Netze.

2.6 Performanz Performanz ist ein Sammelbegriff. In der deutschsprachigen Diskussion fasst er »Performativität« und »Performance« zusammen, ist also philosophischer Sprechakttheorie wie kulturwissenschaftlichem Interesse an Darstellung und Inszenierung verpflichtet.71 Als dynamische Darstellung von Prozessen im Vollzug überwindet er zudem spielend die Grenzen zwischen menschlichem Handeln, institutioneller Logik und maschineller Regel.72

71 Vgl. Eckhard Schumacher: Performativität und Performance. In: Uwe Wirth (Hg.): Performanz. Zwischen Sprachphilosophie und Kulturwissenschaften. Frankfurt/Main: Suhrkamp 2002, S. 384. 72 Vgl. die Analysen John McKenzies zu cultural, institutional und technological performance in McKenzie: Perform or Else. From Discipline to Performance, a. a. O. Das Programm des Berliner Sonderforschungsbereichs Kulturen des Performativen verweigert sich – berechtigterweise – einer einseitigen Technikzentrierung und unterwirft Medien- und Wissensgeschichte einem pragmatischen kulturanthropologischen Zugriff. Vgl. Arbeitsgruppe Medien des Sonderforschungsbereichs Kulturen des Performativen: Über das Zusammenspiel von ›Medialität‹ und ›Performativität‹. In: Paragrana. Internationale Zeitschrift für Historische Anthropologie 1 2004, Nr. 13, 129ff.

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2.6 Performanz Für performativ-diskursive Wissensgeschichte(n) von Netzen und Netzwerken gelten folgende Thesen: 1. Wissenschaftlich-technische Metaphern diffundieren in die Alltagswelt, werden popularisiert und führen fortan ein Eigenleben. 2. Die Evidenzherstellung der Wissenschaften ist selbst als Cultural Performance zu begreifen. 3. Physiologien (und ebenso alle Praktiken mit Netz) rekurrieren notwendigerweise auf Figuren des kollektiven Imaginären und »Tiefenschichten der abendländischen Mnemosyne«.73 Die Performanz der Wissenschaften äußert sich als deren Stil-, Formund Rechtfertigungsgestus, sie vollzieht sich in Experimentalsystemen, medialen Darstellungsmodi und akademischen Ritualen. Ludwik Fleck hat in einer erst spät, dafür in den letzten Jahren umso stärker rezipierten Monografie von 1935 die Entstehung einer wissenschaftlichen Tatsache als einen in hohem Maße durch spezifische »Denkstile« bedingten Prozess verstanden.74 Der Denkstil ist »gerichtetes Wahrnehmen, mit entsprechendem gedanklichen und sachlichen Verarbeiten des Wahrgenommenen«, welches aus einer spezifischen historischen Stimmung und der realisierenden, performativen Ausführung erwächst.75 Er ist Begrenzungen ausgesetzt, wie sie aus systemtheoretischer Perspektive für Beobachungen erster Ordnung typisch sind. Wissenschaftliche Tatsachen erwachsen aus denjenigen Wahrnehmungen, die denkstilgebunden als Zwang, als unmittelbar zu erlebende »Gestalt« erfahren werden. Vernetzung als »Wahrnehmungsdimension«76 ist Denkstil, der zum kollektiven Denkzwang geworden ist. Paradoxerund bezeichnenderweise kommt auch Fleck nicht um das Bild des 73 Im Anschluss an: Philipp Sarasin/Jakob Tanner: Physiologie und industrielle Gesellschaft. In: Philipp Sarasin/Jakob Tanner (Hg.): Physiologie und industrielle Gesellschaft. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1998, S. 41. 74 Vgl. Ludwik Fleck: Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. Einführung in die Lehre vom Denkstil und Denkkollektiv. Hg. von Lothar Schäfer. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1993. 75 Fleck, a. a. O., S. 130. 76 Jochen Koubek: Vernetzung als kulturelles Paradigma. Dissertation, HumboldtUniversität zu Berlin 2003, URL: http://edoc.hu-berlin.de/dissertationen/ koubek-jochen-2003-02-10/HTML/index.html, S. 50. Letzter Zugriff am 4.1.2005.

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2 Netze schreiben: Begriffe und Probleme Netzes herum. Die Verknotung von Ideen, schreibt der polnische Mediziner, schafft einen fixen Punkt, der zum Ausgangspunkt neuer Linien wird; es entstehen immer neue Knoten, die alten Knoten verändern sich. Resultat: »Ein Netzwerk in fortwährender Fluktuation: Es heißt Wirklichkeit oder Wahrheit.«77 Nietzsche hat Wahrheit als »bewegliches Heer von Metaphern, Metonymien, Anthropomorphismen« bestimmt. Eben dies ist Bedingung kultureller Performanz, als »[...] Summe von menschlichen Relationen, die, poetisch und rhetorisch gesteigert, übertragen, geschmückt wurden, und die nach langem Gebrauch einem Volke fest, canonisch und verbindlich dünken: die Wahrheiten sind Illusionen, von denen man vergessen hat, dass sie welche sind, Metaphern, die abgenutzt und sinnlich kraftlos geworden sind, Münzen, die ihr Bild verloren haben und nun als Metall, nicht mehr als Münzen in Betracht kommen.«78

Benutzung (frz. usage) und Abnutzung (frz. usure) von Sprache79 – Illusion zu Wahrheit, Münzen zu Metall, die abgegriffene Metapher – sind dialektische Voraussetzung jeder Rede von Netzen. »Abnutzung« ist dabei in keinster Weise negativ zu verstehen, sondern als Mehrwertproduktion80 – mithin als Ausdruck eines kollektiven Imaginären, das sich in der alltäglichen Verwendung abgegriffener Metaphern auffinden lässt.

77 Fleck: Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache, a. a. O., S. 105. Ähnliche Aussagen können ein ganzes Buch füllen. Stellvertretend ein Zitat von Jaques Derrida: »Jedes Mal, wenn eine Rhetorik die Metapher definiert, schließt dies nicht nur eine Philosophie, sondern ein begriffliches Netz mit ein, innerhalb dessen die Philosophie sich konstituiert. Überdies bildet jeder Faden in diesem Netz eine Wendung (tour), eine Metapher, könnte man meinen, wenn dieser Begriff nicht zu weit hergeholt wäre. Das Definierte ist also im Definierenden der Definition mit eingeschlossen.« Derrida: Die weiße Mythologie, a. a. O., S. 249. 78 Friedrich Nietzsche: Ueber Wahrheit und Lüge im aussermoralischen Sinne. In: Giorgio Colli/Mazzino Montinari (Hg.): Werke III/2. Nachgelassene Schriften 1870–1873. Berlin; New York: de Gruyter 1973, S. 374/75. 79 Vgl. Derrida: Die weiße Mythologie, a. a. O., S. 229ff. 80 Vgl. Jaques Derrida: Der Entzug der Metapher. In: Anselm Haverkamp (Hg.): Die paradoxe Metapher. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1998, S. 207.

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3 Ordnungen des Wissens, Umordnungen des Lebens 3.1 Georges Cuvier: Histoire naturelle des poissons (1828) Auf den letzten Seiten des ersten Bandes seiner 22-teiligen Naturgeschichte der Fische (Histoire naturelle des poissons, 1828) drückt Georges Cuvier seine Zweifel an den etablierten Ordnungsmodellen der Naturgeschichte/Biologie aus. Er bricht in aller Deutlichkeit mit dem alten Mythos der »Kette der Lebewesen« (scala naturae) und spricht sich für ein funktionales Bestimmen von Ähnlichkeiten und Verwandtschaften aus.1 Die Absage an eine der »falschesten Ideen, die man in der Naturgeschichte je hatte«2 bringt aber neue Schwierigkeiten mit sich. Die Methoden der eigenen Disziplin beachten nur die nahe stehendsten Beziehungen und vermögen lediglich, ein Wesen zwischen zwei anderen zu platzieren. Dabei müsste es aber darum gehen, ein Lebewesen stets im Milieu aller anderen Lebewesen zu lokalisieren. Die richtige Methode zeige alle Querverbindungen, mit denen sich ein Fisch, ein Vogel oder ein Säugetier ins immense Netz der organisierten Natur (»cet immense réseau qui constitue la nature organisée«) einreiht. Zehn oder zwanzig Strahlen, so Cuvier, reichen beileibe nicht aus, um die unzählbaren Zusammenhänge auszudrücken.3 Trotz der Komplexität dieses 1

Vgl. Georges Cuvier: Histoire naturelle des poissons. Band 1, Paris 1828, S. 406f. Vgl. François Jacob: Die Logik des Lebenden. Von der Urzeugung bis zum genetischen Code. Frankfurt/Main: Fischer 1972, S. 21; Arthur C. Lovejoy: Die große Kette der Wesen. Geschichte eines Gedankens. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1985. 2 Cuvier: Histoire naturelle des poissons, a. a. O., S. 420. 3 Im Original: »Nos méthodes systématiques n’envisagent que les rapports les plus prochains; elles ne veulent placer un être qu’entre deux autres, et elles se trouvent sans cesse en défaut: la véritable méthode voit chaque-être au milieu de tous les autres; elle montre toutes les irridations par lesquelles il s’enchaîne plus au moins étroitement dans cet immense réseau que constitue la nature organisée; et c’est elle seulement qui nous donne de cette nature des idées grandes, vraies et dignes d’elle et son auteur: mais dix et vingt rayons souvent ne suffiraient pas pour exprimer ces innombrables rapports.«; Cuvier, a. a. O., S. 420.

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Abbildung 3.1: Tableau zu Cuviers »Histoire naturelle des poissons«, 1828.

Netzes darf sich aber nicht jedwede Ordnung auflösen: Buffon sei zu weit gegangen, als er sich aufgrund der Unmöglichkeit exakter Taxonomien jeder auf Ähnlichkeit basierenden Organisation verweigert hat. Cuvier beschließt das Buch darum mit einem Tableau aller Fischfamilien (Abbildung 3.1). Das Bild des Netzes taucht in der Naturgeschichte, die sich einmal Biologie nennen wird, bereits 1750 in Donatis Naturgeschichte des adriatischen Meeres auf. Man kann in Wolf Lepenies klassischer Studie zum »Ende der Naturgeschichte« nachlesen, dass alle Versuche leiterförmiger oder netzwerkartiger Taxonomien nichts weiter als die wachsende Krise räumlich orientierter Klassifikationsverfahren ausdrücken.4 Dies beträfe auch die in Ablehnung von Bonnets Baum-Metaphern enstandene Tabula affinitatum animalium Jean Hermanns (1783) und Okens Abriss des Systems der Biologie von 1805. Hermann und Oken haben dabei ein ähnliches Anliegen wie Georges Cuvier am Ende des ersten Bandes seiner Histoire naturelle des poissons: Auch die entferntesten Beziehungen zwischen Lebewesen sollen dadurch besser ausgedrückt werden. 4 Vgl. Wolf Lepenies: Das Ende der Naturgeschichte. Wandel kultureller Selbstverständlichkeiten in den Wissenschaften des 18. und 19. Jahrhunderts. München; Wien: Hanser 1976, S. 45.

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3.2 Donati: Della storia naturale marina dell’ Adriatico (1750) Unter dem Blickwinkel einer Geschichte von Netz-Konzepten kann Lepenies’ Thesen nicht vorbehaltlos zugestimmt werden. Cuviers Leistung liegt in einer rein funktionalen Bestimmung von Ähnlichkeiten, welche ohne die vorhergehenden naturgeschichtlichen Netz-Visionen nicht denkbar wäre. Michel Foucault hat vor allem an Cuvier die Bildung eines neuen Raumes der Identitäten und Unterschiede in der Wissensordnung des 19. Jahrhunderts fest gemacht. Dieser Raum, so Foucault, »ist ohne essentielle Kontinuität, ein Raum, der von Anfang an sich in der Form der Zerstückelung gibt. Es ist ein von Linien durchlaufener Raum, die mitunter divergieren und manchmal sich überlagern.«5 Das Netz der organisierten Natur weist eine Gesamtheit von Zentren auf, aus denen eine Vielzahl von Strahlen hervorgeht. Anstelle einer gottgewollten »Kette der Wesen«, in der alle Dinge kontinuierlich miteinander verbunden sind,6 ist »die Natur des neunzehnten Jahrhunderts [...] in dem Maße diskontinuierlich, wie sie selbst lebendig ist.«7

3.2 Vitaliano Donati: Della storia naturale marina dell’ Adriatico (1750) Die »Kette der Wesen« ist in Vitaliano Donatis Studie zur Adria hingegen noch klarer Bezugspunkt des Netz-Begriffs. Trotz seiner traditionellen Einstellung bleibt der Turiner Naturforscher aber nicht gänzlich beim klassischen Bild der Progression stehen. Diskontinuität verspricht bereits Donatis räumliches Forschungsfeld – das Meer. »Erdkörper finden wir zu aller Zeit, können sie mit der besten Bequemlichkeit untersuchen; wissen, wo sie vorhanden, und wo sie wieder zu suchen sind: Im Meer aber muß man sich dem Winde überlassen, kann nicht zu aller Zeit, noch an iedem Orte, in iedem Meer, bey iedem Winde schiffen und fischen; nicht allemal den eigentlichen Ort wieder finden, wo eine Sache gelegen hat. Manche Seepflanze oder Seethier ist auch so ungewöhnlich, daß man dergleichen gar nicht wieder zu sehen bekommt.«8 5

Michel Foucault: Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1974, S. 332. 6 Vgl. Lepenies: Das Ende der Naturgeschichte, a. a. O., S. 41. Innerhalb dieser Tradition kann Bonnet in seiner Contemplation de la nature (1764) das Universum als immense Bibliothek verstehen, in der alles miteinander systematisch verbunden und verkettet ist. 7 Foucault: Die Ordnung der Dinge, a. a. O., S. 333. 8 Vitaliano Donati: Auszug aus seiner Naturgeschichte des Adriatischen Meeres. Hal-

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3 Ordnungen des Wissens, Umordnungen des Lebens So sei es fast unmöglich, die eigentlichen Naturgesetze zu erforschen. Die Seekörper lassen sich nicht problemlos in die »Kette der Wesen« eingliedern. Donati schlägt darum eine zweiteilige Taxonomie vor. Erstens: Bei einigen »Erzeugungen der Natur« findet man zwar eine Kette, solcher »Fortschritt der Natur« ist aber nicht allen Pflanzen und Tieren gleich. Bei Arten, die sich durch ihre Beständigkeit auszeichnen, gibt es innerhalb eines knappen Rahmens Veränderungen in Größe, Bau, Figur und Farbe. Zweiter wichtiger Aspekt ist die Verbindung der Arten untereinander: »Die Natur hält also bey ieder allgemeinen und bey ieder besonderen Art ihre itzt erzählt gewisse Ordnung. Eine andere Art ihrer Progreßion aber ist, daß sie auch immer unmercklich von einem Gliede ihrer Kette, das ist von einer Art zur andern, fortgehet. Diese Glieder stellen hierbey vielmehr ein Netz als eine Kette vor: und man kann sagen, daß die Natur in dieser andern Weise fortzugehen vielerley Faden zusammen webe, die mit einander Gemeinschaft, Verhältniß und Verbindung haben sollen.«9

Während Donatis Imagination über die philosophischen Traditionen seiner Disziplin hinausreicht, muss er dem hergebrachten Denkstil Tribut zollen. Wirklich in Frage steht hier die »Kette der Lebewesen« nicht. Anstelle der grafischen Übersicht von Cuviers Tableau der Fischarten (Abbildung 3.1) nimmt Donatis Modell der Meerespflanzen eine rein textbasierte Einteilung vor.10 Netz-Taxonomie le: Peter Franckens 1753, S. 18. Im Original: (»Ne voi per questo mi condannerete, ma avvertirete anzi piustosto quanto sia più agevole cosa l’investigare la natura di que’corpi che su la superficie della terra ritrovansi;) e che in qualunque tempo, e spesso a nostro bell’agio essaminare possiamo, e col notare il luogo preciso, rivederli; de quello che sia stando in mare alla discrezione de’venti far la ricerca de’corpi marini; poichè non in ogi stagione, non con ogni tempo, non con ogni mare, e con ogni vento, si può liberamente navigare, e far pesche. Oltre di che potendosi con precisione notare que’luoghi, ne’quali alcuni dati corpi ritrovansi, accade spesso, che talvolta si estragga alcuna pianta o animale, che poi riesca impossibile di rivedere.« Vitaliano Donati: Della storia naturale marina dell’ Adriatico. Venedig: Francesco Storti 1750, S. XIX. 9 Donati: Auszug aus seiner Naturgeschichte des Adriatischen Meeres, a. a. O., S. 20. Im Original: »In ciascheduno di tali ordini, o Classi la natura forma la sua serie, ed ha li suoi insensibili passagi da anello in anello delle sue catene. Oltre di che gli anelli d’una catena talmente sono uniti con quelli d’un altra, che ad una rete piuttosto, che ad una catena le naturali progressioni si dovrebbero rassomigliare, essendo, per dir così, tessuta di vari fili, che tra loro hanno scambievole communicazione, correlazione, ed unione.« Donati: Della storia naturale marina dell’ Adriatico, a. a. O., S. XXI. 10 Vgl. Donati: Auszug aus seiner Naturgeschichte des Adriatischen Meeres, a. a. O., S. 21ff. Die Kategorien folgen dabei einer halb militärischen Logik: Donati spricht von »Legion«, »Kohorte« und »Zenturie«.

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3.2 Donati: Della storia naturale marina dell’ Adriatico (1750) und lineare Darstellung existieren nebeneinander, so dass am Ende keine konsequente Ordnung ersichtlich ist. Zur deutschen Ausgabe von 1753 haben die (unbekannten) Herausgeber zudem eine offenbar der Orientierung dienende klassische Darstellung von Bonnets scala naturae beigefügt, die klar an der Kettenstruktur festhält.11 Fluchtpunkt der Naturgeschichte des Adriatischen Meeres ist die Frage nach Übergängen zwischen Pflanzen- und Tierreich. Koralle und Polyp sind dabei zentral für Donatis Überlegungen. Der Clou seiner Erwägungen bringt denn auch beide zusammen: Polypen bauen Korallen, wie Bienen es mit Bienenstöcken tun.12 Diese – wie man heute formulieren würde – quasi-symbiotische Beziehung lässt den Korall sowohl Tier wie Pflanze sein.13 Damit wären zwei neue Klassen zu beschreiben: Pflanzen-Tiere und Tier-Pflanzen.14 Sowohl Donati als auch Cuvier gelangen anhand der fluiden Umgebung des Meeres zu einem vernetzten Verständnis der Natur. Beide sprechen vom Netz der Lebewesen, visualisieren es aber nicht. Während der französische Biologe auf einen in der Vergangenheit bereits mehrfach benutzten Begriff zurück greifen konnte, ist das Konzept des italienischen Naturalisten neu. Woher kommt es? Donati selbst hat deutlich gemacht, dass die maritime Umgebung kontinuierliche Darstellungen zumindest schwierig macht. Seine mikroskopisch beobachteten Naturobjekte stellt er – ebenso wie bereits Marcello Malpighi im 17. Jahrhundert – in Abbildun11 Vgl. Donati, a. a. O., S. 70. Im Original und in der französischen Übersetzung von 1758 findet sich dieses Schema nicht. Zudem ist die Leiter im Vergleich zu Buffons Idée d’une echelle des êtres naturels von 1745 umgekehrt. Die deutschen Herausgeber wirken etwas ängstlich gegenüber Donatis Werk: Das Frontispiz kehrt den Bacon’schen Aufbruch ins Ungewisse (Frontispiz zum Neuen Organon, 1620) um. Das Schiff wird an Land zurück getrieben, anstelle von »Multi pertransibunt & augebitur scientia« zeigt das Schriftband ein sich hallensischpietistisch bescheidendes »HOMO PROPONIT DEVS DISPONIT«. 12 In der deutschen Ausgabe erweitert Leonhard Sesler in einem Brief an Donati dieses Verständnis: »Ich habe demnach Ursach, Ihnen unendlich dankbar zu seyn, daß Sie mir eine so dunckele und zweifelhafte Sache, die mich so lange Zeit bekümmert hat, so leicht und begreiflich machen wollen, daß ich nunmehro völlig glauben kann, dergleichen Körper seyen keine Pflanzen, sondern Baum-Wercke von mancherley Meer-Insecten, und mit gleichem Schein sonderbarer Kunst gemacht, als Bienen-Zellen, als Gespinste zu Thier-Gehäusen, oder als Netze, Gewebe und andere Arten vom Bau der Thiere, dergleichen wir auch täglich von den Erd-Insecten sehen [...].« Donati, a. a. O., S. 64. 13 Vgl. Donati, a. a. O., S. 47ff. 14 Nach heutigem Verständnis sind Korallen skelettbildende Hohltiere. Die ebenfalls unter die Hohltiere eingeordneten Polypen tragen im Gegensatz zu Donatis Vermutungen nicht zur Vermehrung der Korallen bei.

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Abbildung 3.2: Zeichnung zu Donatis Fischernetz-Konstruktionen, 1758.

gen dar, die er oft mit Begriffen von Gewebe und Netz versieht.15 Aber dies allein reicht als Begründung kaum aus. Viel gravierender ist hingegen die Rolle der Bergungstechnik. Die dem Forscher ins Netz gehende Natur kann selbst wiederum im Bild des Netzes beschrieben werden. Bergendes Beobachten schafft Begriffe – und Kerbungen im glatten Raum des Adriatischen Meeres. Donati weiß um die erste Bedingung seiner Beobachtungen und verwendet viel Aufmerksamkeit auf die Beschreibung seiner Netz-Apparaturen. 15 Vgl. Donati, a. a. O., S. 27, 29, 43.

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3.3 Buffon: Table de l’ordre des chiens (1755) Aus der fundamentalen Kulturtechnik des Fischens erwächst so das Netz als Instrument (Abbildung 3.2).16

3.3 Georges Buffon: Table de l’ordre des chiens (1755) Während Donati sich der Komplexität des Lebensraumes Meer gegenüber sieht, kapituliert Buffon einige Jahre später beinahe vor der Vielzahl unterschiedlicher Hunde. Wie lassen sich Lebewesen erfassen, die offensichtlich zur selben Spezies gehören (»ne font qu’une seule et même espèce«), aber in Größe, Farbe, Form dermaßen variieren, wie es Hunde nun einmal tun?17 Hinter all diesen Differenzen, so Buffon, muss sich eine originäre, eine Mutterrasse verbergen. Daraus erwächst die Frage, wie man die Einflüsse von Klima, Ernährung und Vermischung der Hundearten untereinander wissenschaftlich ermitteln kann. Dies gilt insbesondere für domestizierte, in der Nähe des Menschen lebende Tiere, bei denen weit mehr Varianzen auftreten als bei wilden Tieren. Der französische Naturforscher macht weiterhin die kurze Lebensdauer und die dadurch erhöhte Fortpflanzungsaktivität für die Vielfältigkeit der Hunderassen verantwortlich. Aus dieser Disposition heraus entwickelt Buffon ein räumliches Ordnungsmodell in Form einer schematisierten Karte. Sie fungiert als ein implizites Netz verorteter Spezies, deren Multiplizität aus der Anpassung an klimatische Gegebenheiten entsteht (Abbildung 3.3). Buffons Überblick ist eine der frühen Darstellungen mit Bezug zur geografischen Karte. »Alle Pflanzen zeigen nach überall hin Verwandtschaft, wie ein Territorium auf einer Landkarte.«, hatte Carl von Linné 1751 behauptet.18 Auf dieser Aussage beruhen die netzwerk-artigen Taxonomien der Natur bis hin zu Cuvier. Sie folgt direkt auf Linnés berühmten Ausspruch, dass die Natur keine Sprünge mache.19 Unter diesem 16 Vgl. Donati, a. a. O., S. 16–18. 17 Vgl. Georges Louis Leclerc de Buffon: Nos domestiques carnivores. Du chien. In: P. Bernard (Hg.): Histoire naturelle. Histoire des quadrupèdes. Tome I. Band 4, Paris: Crapart, Caille & Ravier 1804, S. 199. 18 Die Ursprünge dieser Ansicht lassen sich bis zur ersten Auflage des Linné’schen Systema naturae von 1735 zurück verfolgen. Vgl. Giulio Barsanti: La scala, la mappa, l’albero. Immagini e classificazioni della natura fra Sei e Ottocento. Florenz: Sansoni Editore 1992, S. 48. 19 Vgl. Carl von Linné: Philosophica botanica, in qua explicantur Fundamenta botanica. Stockholm: G. Kiesewetter 1751, S. 27. Im Original: »Natura non fascit saltus. /

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Abbildung 3.3: Karte zu Buffons »Le chien avec ses varietés«, 1755.

Aspekt ist die Kartierung der Natur auch problematisch: Je genauer die Zeichnung, desto labyrinthischer wird sie. Linné selbst spricht wiederholt vom »Labyrinth« der Natur und dem wissenschaftlich zu findenden »Faden der Ariadne«.20 Auch im neuen, kartografischsimultanen Repräsentationsverfahren bleibt also die Sehnsucht nach Linearität und einheitlicher Verkettung erhalten. Buffon, der große Antagonist des Schweden, rollt in der Table de l’ordre de chiens weitaus mehr Fäden aus. Hirtenhund (chien de berger), Schäferhund (mâtin) und Dogge (dogue) erscheinen darauf als zentrale Knoten, um die sich alle anderen Variationen und Mischlinge gruppieren. Linnés Metapher ist hier bereits – im Sinne Derridas – abgenutzt, eine einzelne Linie oder ein einzelner Faden reicht zur Beschreibung nicht mehr aus. Das Tableau fungiert zugleich als genordete Karte, in der eine vereinfachte Windrose eine Nord-Süd-Achse etabliert. Würde Buffon sich allein des genealogischen Baumes als Plantae omnes utrinque affinitatem monstrant, uti Territorium in Mappa geographica.« 20 Carl von Linné: Caroli Linnaei Fundamenta botanica quae majorum operum prodromi instar theoriam scientiae botanices per breves Aphorismos tradunt. Amstelodami: Salomonem Schouten 1736, S. 156, 160. Carl von Linné: Bibliotheca botanica: Recensens libros plus mille de plantis huc usque editos ... Amstelodami: Salomonem Schouten 1736, S. IX. Carl von Linné: Systema naturae (...) edition decima reformata. Band 1, Holmiae: impensis Laurentii Salvii 1758/59, S. 8.

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3.4 Diderot: Le rêve de d’Alembert (1769) Darstellungsmuster bedienen, wäre der Hirtenhund sein Ausgangspunkt.21 Im Wirrwar der Hunderassen bleibt dessen Benennung als Ursprung notwendig, ist aber nicht rein zeitlich zu denken. Die kartenförmige Anordnung schafft ein Netz, in dem ausgehend von den großen Knoten Abstammung transportiert wird (»le chien transporté à...«), inklusive der Anpassung an klimatische Gegebenheiten. Arten sind so keine statischen, sondern historische Einheiten, die in Wechselwirkung mit ihrer Umwelt signifikante Modifizierungen erfahren.22 Die transformatorischen Verbindungen der Table de l’ordre des chiens visualisieren, was Donati nur schriftlich angedeutet hatte. Von Netz ist bei Buffon zwar nicht die Rede, wohl aber überführt er das für die »Kette der Lebewesen« typische Prinzip der Verknüpfung in eine gänzlich neue Darstellungsform. Die Kombination durchgezogener und verschiedener gepunkteter Linien ist fortan allen Darstellungen einer Tabula Affinitatum eigen. Weit über die plane Fläche des Papiers hinaus wird hier Natur als dreidimensionaler Raum in seiner Historizität modelliert.23

3.4 Dennis Diderot: Le rêve de d’Alembert (1769) Diderot schreibt in den Gesprächen mit d’Alembert von einem anderen Netz. D’Alemberts Traum (Le rêve de d’Alembert, 1769) entwickelt eine schwebende Rhetorik des Netzes – als Art und Weise, naturwissenschaftliche Thesen anschaulich zu machen. Mit einer Unterhaltung der beiden Väter der Encyclopédie fängt der szenische Dialog an: Gegenstand ist – im Anschluss an Condillac – der Unterschied zwischen einem Menschen und einer Statue, zwischen Marmor und Fleisch. Die Differenz beziffern beide in der Art der Empfindlichkeit: die Statue hat eine inaktive Empfindlichkeit aufzuweisen, Menschen/Tiere/Pflanzen hingegen sind mit einer aktiven Empfindlichkeit versehen. Das Gespräch verläuft weiter, indem Diderot 21 Vgl. Buffon: Nos domestiques carnivores. Du chien, a. a. O., S. 213. Zur Temporalität genealogischer Ordnungen in Baumform vgl. Thomas Macho: Stammbäume, Freiheitsbäume und Geniereligion. Anmerkungen zur Geschichte genealogischer Systeme. In: Sigrid Weigel (Hg.): Genealogie und Genetik. Schnittstellen zwischen Biologie und Kulturgeschichte. Berlin: Akademie-Verlag 2002, S. 15f. 22 Vgl. Annette Diekmann: Klassifikation – System – ›scala naturae‹. Das Ordnen der Objekte in Naturwissenschaft und Pharmazie zwischen 1700 und 1850. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 1993, S. 116. 23 Vgl. Barsanti: La scala, la mappa, l’albero, a. a. O., S. 54.

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3 Ordnungen des Wissens, Umordnungen des Lebens und d’Alembert munter von einem Punkt zum nächsten springen. D’Alembert weist etwas spitzfindig nach, dass auch die Statue aktiv empfindungsfähig werden kann, indem man sie zermahlt, mit Humus vermischt und darauf Gemüse sät. Zur Entwicklung der Lebewesen heißt es: »D’Alembert: Warum sollten die gleichen Elemente, wenn sie sich nach ihrer Zerstreuung wieder vereinigen, nicht die gleichen Ergebnisse hervorbringen? Diderot: Weil in der Natur alles zusammenhängt, aber derjenige, der eine neue Erscheinung annimmt oder einen vergangenen Moment zurückholt, wieder eine neue Welt erschafft.«24

In einem nächsten diskursiven Sprung vergleicht Diderot die Fasern menschlicher Organe mit empfindlichen, vibrierenden Saiten.25 Auf d’Alemberts Einwand unterscheidet er genauer zwischen »Denkinstrument« und »Saiteninstrument«. Das Denkinstrument sei empfindungsfähig, es sei gleichzeitig Musiker und Instrument. Als empfindendes Wesen würde es sich sofort des Tones bewusst, den es hervorbringt; als lebendes Wesen erinnert es sich dieses Tones. Und weiter: Diderot: »Wir sind doch Instrumente mit Empfindungsvermögen und Gedächtnis. Unsere Sinne sind soundso viele Tasten, die von der uns umgebenden Natur angeschlagen werden und sich oft auch selbst anschlagen. Das ist meines Erachtens alles, was in einem Klavier vorgeht, das so eingerichtet ist wie sie und ich.«26 D’Alembert: »Wenn dieses empfindungsfähige und beseelte Klavier nun auch noch die Fähigkeit besäße, sich zu ernähren und fortzupflanzen, dann würde es leben und entweder aus sich selbst oder seinem Weibchen kleine 24 Dennis Diderot: Gespräche mit D’Alembert. In: Philosophische Schriften. Band 1, Berlin: Aufbau-Verlag 1961, S. 516. Das Modell findet sich ebenso bei Bonnet – vgl. Britta Herrmann: Monströse Verbindungen. Experimentelle Wissenschaft und poetische Kombination um 1800. In: Jürgen Barkhoff/Hartmut Böhme/ Jeanne Riou (Hg.): Netzwerke. Eine Kulturtechnik der Moderne. Köln: Böhlau 2004, S. 92. 25 Friedrich Schillers Dissertation zur Philosophie der Physiologie verfährt noch gegen Ende des 18. Jahrhunderts ähnlich, obwohl die physiologischen Forschungen Albrecht von Hallers entsprechende Konzepte schon widerlegt hatten. Vgl. Olaf Breidbach: Die Materialisierung des Ichs. Zur Geschichte der Hirnforschung im 19. und 20. Jahrhundert. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1997, S. 59. 26 Vergleichbar argumentiert La Mettrie im L’homme machine. Vgl. Julien Offray de la Mettrie: L’homme machine. Die Maschine Mensch. Hg. von Claudia Becker. Hamburg: Meiner 1990, S. 57.

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3.4 Diderot: Le rêve de d’Alembert (1769) Klaviere erzeugen – lebende und tönende kleine Klaviere.« Diderot: »Zweifellos.«27

Man sieht, der sensualistische Non/Sens hat Methode. Der Mathematiker versucht sich aus dem überdrehten Gespräch zurückzuziehen, woraufhin er prophezeit und angedroht bekommt, er werde von dieser Unterhaltung noch träumen. Im zweiten, D’Alemberts Traum überschriebenen Teil gesellen sich zur Szene noch der Arzt Bordeu und Mademoiselle de Lespinasse hinzu. Des Freundes Gedankenfeuerwerk hat sein übriges getan: D’Alembert fiebert.28 Bordeu, der deswegen hinzugezogene Doktor, profitiert von der Sekretärinnenleistung der Lebensgefährtin d’Alemberts, die sein Gestammel notiert hat. Darin führen Verweise auf die Kontinuität molekularer Verbindungen zum Bild der Welt als Bienenstock, in dem die Bienen als einzelne Elemente letzten Endes ein großes Individuum bilden.29 Bordeu nimmt diese Metapher gerne auf, radikalisiert sie, und bezieht sie auf die menschlichen Organe. Für den Mediziner sind »alle unsere Organe nur unterschiedliche ›Lebewesen‹, die das Kontinuitätsgesetz in allgemeiner Übereinstimmung, Einheit und Identität hält«.30 Damit ist die Veränderung des Wesens empirischer Erkenntnis, wie sie François Jacob für die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts beschrieben hat, angedeutet. »Analyse und Vergleich erstrecken sich nicht mehr ausschließlich auf die die Objekte bildenden Elemente, sondern auch auf die zwischen diesen Elementen entstehenden inneren Beziehungen. Die reine Möglichkeit der Körper verlagert sich zunehmend in ihr Inneres.«31 Wenn fortan die Oberfläche eines Wesens vom Inneren und das Sichtbare der Organe von dem Unsichtbaren der Funktionen bestimmt wird, so kann Diderot Mademoiselle de Lespinasse von einer mysteriösen »Spinne im Netz« sprechen lassen: »Mlle de Lespinasse: Stellen Sie sich eine Spinne im Mittelpunkt ihres Netzes vor. Bewegen Sie einen Faden, so sehen Sie das flinke Tier sofort herbei 27 Diderot: Gespräche mit D’Alembert, a. a. O., S. 518 28 Vgl. Diderot, a. a. O., S. 525ff. 29 Das Modell der Bienentraube stammt aus Maupertuis’ Essai sur la formation des corps organisés (1754). Vgl. auch die Analogie bei Donati, Kapitel 3.2 dieses Buches, S. 37. Zum Bild des Körpers als Bienenstock im Kontext der sensualistischen Hochschätzung des Tastsinnes vgl. Thomas Becker: Mann und Weib – schwarz und weiss: die wissenschaftliche Konstruktion von Geschlecht und Rasse 1650–1900. Frankfurt/Main: Campus 2005, S. 186f. 30 Diderot: Gespräche mit D’Alembert, a. a. O., S. 529. 31 Jacob: Die Logik des Lebenden, a. a. O., S. 86.

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3 Ordnungen des Wissens, Umordnungen des Lebens eilen. Und wenn die Fäden, die das Insekt aus seinem Inneren spinnt und wieder einzieht, sobald es ihm beliebt, nun einen empfindlichen Teil desselben darstellten? [...] Bordeu: Ich verstehe sie. Sie stellen sich in Ihrem Innern irgendwo, in einem verborgenen Winkel Ihres Kopfes, zum Beispiel in der sogenannten Hirnhaut, eine oder mehrere Stellen vor, mit denen alle längs der Fäden hervorgerufenen Empfindungen in Beziehung stehen.«32

Bordeu nutzt die Spinnennetzmetapher, die er selbst kurze Zeit später als rein imaginär verwerfen wird, um Mlle de Lespinasse »Geflecht« als Beschreibungsmodell des menschlichen Körpers nahezubringen. »Die Fäden«, sagt er, »sind überall«. »An der Oberfläche ihres Körpers gibt es keinen Punkt, zu dem sie nicht führen [...].«33 Der Mensch ist anfangs ein unsichtbarer Punkt, der dann zu einem feinen Faden und dann zu einem Fadenbündel, einem bloß »empfindlichen System« wird. Von dort aus entstehen aus den Keimfasern die einzelnen Organe. Alle Abweichungen, Erbkrankheiten und Missbildungen sind Resultat einer Störung des Ursprungs des Faserbündels, den Bordeu im Gehirn ansiedelt.34 Man kann Diderots implizite Theorie der Epigenese als einen nahezu reproduktionsmedizinischen Text lesen. Das finale Mittagessen zwischen dem Fräulein und Bordeu wird unter der Frage »Wie denken sie von der Mischung der Arten?« von entsprechenden Züchtungsfantasien flankiert.35 Dazu erzählt der Arzt über Verbindungen zwischen Karnickeln und Hennen und seinem Plan zur Züchtung einer kräftigen, klugen, unermüdlichen und flinken Kreuzung aus Mensch und Ziege. Die amüsierte Replik der Mademoiselle de Lespinasse: »Flink, Doktor, gehen Sie an die Arbeit und machen Sie uns Ziegenmenschen.«36 Somit wird auch das Eingangsgespräch in ein neues Licht gerückt: Wenn Fasern wie Saiten eines Musikinstruments sind, dann bedarf es einer virtuosen Person, die die richtigen Züchtungstöne anzuschlagen weiß. 32 33 34 35 36

Diderot: Gespräche mit D’Alembert, a. a. O., S. 539. Diderot, a. a. O., S. 540. Vgl. Diderot, a. a. O., S. 557. Vgl. Diderot, a. a. O., S. 578f. Zum Status von Monstrositäten als (historisch) wirkungsvollem Instrument im Diskurs der Lebenswissenschaften vgl. Michael Hagner: Zwei Anmerkungen zur Repräsentation in der Wissenschaftsgeschichte. In: Hans-Jörg Rheinberger/Michael Hagner/Bettina Wahrig-Schmidt (Hg.): Räume des Wissens. Repräsentation, Codierung, Spur. Berlin: Akademie-Verlag 1997, S. 350.

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3.4 Diderot: Le rêve de d’Alembert (1769) Le rêve de d’Alembert wirkt wie ein Ideenlaboratorium, welches die Traumsituation zu einem Modell kombinatorischer Wissensgenerierung, vergleichbar den Verweisen der Enzyklopädie, gerinnen lässt.37 Diderots Text ist zudem Zeugnis eines am Tastsinn orientierten Sensualismus und propagiert eine sich nach außen kehrende, mehrfach vernetzte Sensibilität.38 Wichtig ist an dieser Stelle die (vielleicht mehr als nur argumentativ bedingte) Gleichsetzung von Gewebe/Geflecht und Netz. Der italienische Anatom Marcello Malpighi hatte im 17. Jahrhundert den Begriff Netz (lat. rete) anhand seiner Mikroskopien von Pflanzen und der Entdeckung des Kapillarsystems in die Medizin eingeführt.39 Er bleibt auch im 18. Jahrhundert der Medizin vorbehalten.40 Der Begriff des Gewebes (frz. tissu) in seiner modernen Bedeutung, d. h. als Grundlage der Organe, wird 1801 durch Xavier Bichat in seiner Anatomie générale appliquée à la physiologie et à la médecine geprägt.41 Ausgehend von Bichat und Franz-Joseph Galls phrenologischen Forschungen berichtet eine von Georges Cuvier geleitete Kommission 1809 der französischen Akademie der Wissenschaften über Änderungen der Vorstellungen zur Nervenstruktur: »Mehrere Physiologen sehen daher das Nervensystem nicht mehr wie einen Baum an, der sich nach Art des arteriösen Systems von einem einzigen Stamme in Aeste und in Zweige theilet, sondern sie betrachten es jetzt vielmehr wie ein Netz, dessen Theile alle bis auf einen gewissen Grad, und vorzüglich nach Massgabe ihrer Grösse an der Bildung und an den Verrichtungen des Gesammten theilnehmen.«42 37 Vgl. Herrmann: Monströse Verbindungen, a. a. O., S. 99. 38 Becker: Mann und Weib – schwarz und weiss: die wissenschaftliche Konstruktion von Geschlecht und Rasse 1650–1900, a. a. O., S. 186. Die Assoziation des Netzes mit der haptischen Wahrnehmung findet sich bereits in der mittelalterlich-christlichen Ikonografie und Literatur. Christina Lechtermann: »und schouwen auch daz netze wol«: Netz-Bilder. Vortrag auf der Netzstrukturen-Konferenz, Humboldt-Universität zu Berlin, 3.7.2004. 39 Vgl. Marcello Malpighi: De pulmonibus. In: Opera omnia: figuris elegantissimis in aes incisis illustrata. Hildesheim: Olms 1975, S. 133f. 40 Armand Mattelart: L’invention de la communication. Paris: La Découverte 1997, S. 35. 41 Xavier Bichat: Anatomie générale, appliquée a la physiologie et la médecine. Hg. von P.-A. Béclard. Paris: J.-A. Brosson et J.-S. Chaudé 1821, 3 Bände. Bichat verdankt den Begriff wiederum in Teilen Pinels Nosographie philosophique von 1798. 42 Bericht der Kommission, zitiert nach Joseph-Maria Gall/K. Spurzheim: Untersuchungen über die Anatomie des Nervensystems, ueberhaupt, und des Gehirns inbesondere. Wien 1809, S. 145/146. Das Zitat bezieht sich auf Forschungen Monros, Prochàskas und Reils und ist Ausdruck einer Unsicherheit über die Grund-

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3 Ordnungen des Wissens, Umordnungen des Lebens Trotz aller Binnenverweise in Diderots und d’Alemberts Jahrhundertpublikation, der Encyclopédie (1751–1780),43 war diese nicht als Netz, sondern als Baum und Tableau angelegt. Der erste Schritt zur »sinnvollen und wohldurchdachten Ausarbeitung einer Enzyklopädie«, notiert Diderot im 1751 erschienen Prospekt, ist die Erstellung eines Stammbaums aller Wissenschaften und Künste, »der den Ursprung jedes Zweiges unserer Kenntnisse, ihre wechselseitigen Verbindungen und ihren Zusammenhang im gemeinsamen Stamm« zeigt.44

3.5 Sphäre und Verwandtschaftstafel: de Saint-Pierre, Hermann, Batsch, Dunal Grafische Darstellungen von Verwandschaft im 18. Jahrhundert, seien sie netz- oder baumförmig, spiegeln die Suche nach einem gesetzmäßigen Zusammenhang zwischen den mannigfaltigen äußeren Formen der Natur wider.45 Der Vorteil von netzartigen Taxonomien liegt in ihrem räumlichen Gehalt, wie man an Buffons Tableau de l’ordre des chiens ersehen kann. Anstelle der Verästelung des Baumes eröffnet die Querverbindung neue epistemische Dimensionen. Schlagendes Beispiel für die grafische Assoziation von Arten ist eine Illustration zu Bernardin de Saint-Pierres Idée d’un ordre spherique von 1773 (Abbildung 3.4), die sich im 10. Brief des literarisch bearbeiteten Reisetagebuchs Voyage à l’Isle de France findet.46 Die grafische Anordnung von Muscheln versucht Überschneidungen in bzw. von Familien zu visualisieren, welche im Fließtext nach de Saint-Pierres eigener Angabe verwirrend wirken. Er rückt darum zunächst das einfachste Wesen in die Mitte seiner Darstellung (No.1: lépas applati). Auf dem selben Strahl (rayon) werden andere, der Form nach ähnliche Mitglieder der Familie platziert, so dass dem Forscher kein Exemplar der sammelnden Ordnung entgeht (»aucun individu ne m’échappe«). Andersartig geformte Muscheln

43 44 45 46

beschaffenheit des Hirngewebes. Vgl. Breidbach: Die Materialisierung des Ichs, a. a. O., S. 72. Inklusive der fünf der Ergänzungsbände (1776/77) und zweier Bände der Table Analytique (1780). Dennis Diderot: Prospekt zur Enzyklopädie. In: Artikel aus der von Diderot und D’Alembert herausgegebenen Enzyklopädie. Leipzig: Reclam 1972, S. 27. Vgl. Diekmann: Klassifikation – System – ›scala naturae‹, a. a. O., S. 113. »Les productions maritimes, poissons, coquilles, madrépores.«, Port-Louis, Isle de France, 12. Januar 1769.

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3.5 Sphäre und Verwandtschaftstafel: Von de Saint Pierre bis Dunal

Abbildung 3.4: Bernardin de Saint-Pierre, »Idée d’un ordre spherique«, 1773.

(»wurmartig«, »spiralförmig«) reihen sich auf weiteren Strahlen auf. Originell ist der Umgang mit strittigen Zuordnungen, welchen de Saint-Pierre folgendermaßen beschreibt: »Wenn ich zusammengesetzte Arten [especes composées] finde, die weder dem einen noch dem anderen Strahl angehören, ziehe ich ein Band [ein Seil, einen Strick – corde] zwischen zwei analogen Individuen: Dieses Band wird der Durchmesser einer neuen Sphäre – und meine neue Muschel stellt dessen Zentrum dar.«47

Eine entsprechende Ordnung ließe sich nicht nur auf alle Reiche ausdehnen, sondern böte auch neue Hinweise auf noch nicht entdeckte Arten. Wenn die naturhistorischen Kabinette nicht genügend Exponate für die Bestückung der Strahlen und Bänder bereit stellen können, lassen sich aus den Leerstellen die noch fehlenden Familien ersehen. De Saint-Pierre denkt die Natur nicht nur auf ihre Sammelbarkeit hin, er geht schon immer von ihrem Gesammelt-Sein aus. Aus 47 Bernardin de Saint Pierre: Voyage à l’Isle de France, a L’Isle de Bourbon, Au Cap de Bonne-Experance etc.: Avec des observations nouvelles sur la nature & sur les hommes / par un officier du roi. Band 1, Neuchatel: De l’Imprimerie de la Sociéte Typographique 1773, S. 104. Übersetzung SG. Im Original: »Si je trouve des especes composées, qui n’appartiennent pas plus à un rayon qu’à l’autre, je tire une corde des deux individus analogues: cette corde devient le diametre d’une nouvelle sphere, & ma nouvelle coquille en sera le centre.«

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3 Ordnungen des Wissens, Umordnungen des Lebens

Abbildung 3.5: Johann Hermann, »Tabula affinitatum animalium«, 1783 (Ausschnitt).

dieser Haltung heraus lehnt er auch die Vorstellung einer einzelnen »Kette der Wesen« ab, sondern spricht von einer Unendlichkeit weiterer, sich überschneidender Ketten. Anstelle einer Natur, die keine Sprünge macht (Linné), tritt eine Natur, die alles, was möglich ist, gemacht hat (»la nature a fait tout ce qui étoit possible«). Alle Räume bilden dabei die Strahlen einer universellen Sphäre (sphere universelle) und fungieren dabei jeweils als Zentrum einer partikularen Sphäre. Die sphärische Ordnung ist komplementär zu der des Netzes und weist wie diese über die reine Zweidimensionalität hinaus – jedoch ohne die Option der dritten Dimension zwingend zu nutzen. Beide Denk- und Bildtraditionen gehören in der Vorstellung der Naturforscher zusammen. Kunstvolle Querverbindungen haben allerdings klare typografische und drucktechnische Grenzen. Am deutlichsten erkennbar ist dies in der Tabula affinitatum animalium des Straßburger Professors Johann Hermann, die im Jahr 1783 erscheint. Ihre ausklappbaren Tafeln borden vor Bezeichnungen und Linien über und präsentieren sich als Linné’sches Labyrinth – ohne Theseus, Minotaurus oder Fa48

3.5 Sphäre und Verwandtschaftstafel: Von de Saint Pierre bis Dunal den der Ariadne (Abbildung 3.5). Die Suche nach einem Gesetz der perfekten Visualisierung führt in ein überkomplexes Nichts. Im Gegensatz zu Buffon, aber auch zu de Saint-Pierre fehlen zentrale Bezugspunkte. Das Netz der gesamten Natur ist schlicht nicht in einem übersichtlichen grafischen Modell abzubilden, gelungene Karten zeigen immer nur Ausschnitte. Sie operieren zudem mit Nummerierungen und einer begrenzten Anzahl von typografisch unterschiedenen Linien. Hermann war sich dieses Problems vollauf bewusst und wünschte sich einen plastischen Transfer seiner Karte in die dritte Dimension.48 Eleganter als Hermanns monströse Klassifikationsarbeit ist August Batschs Jenenser Tabula affinitatum regni vegetabilis von 1802. Hier ist auf die Abbildung der textlichen Systematik im Tableau verzichtet worden: Die Unterteilung in Klassen, Ordnungen und Familien verbleibt den Buchseiten vorbehalten.49 Objekte einzelner Familien sind mit Zahlen versehene Knotenpunkte in der Tabula affinitatum (Abbildung 3.6). Auch Michel-Félix Dunals 1817 erschienene Monographie de la famille des Anonacées wartet mit einem »tableau des affinités des genres« auf. Die Ausdifferenzierung verschiedener Darstellungsformen ist hier noch weiter als bei Batsch vorangetrieben. Dunals Schrift über die Rahmapfelgewächse50 enthält Tableaus, eine monografische Auflistung aller Pflanzen und großformatige Zeichnungen einzelner Exemplare. Anstelle einer grafischen Darstellung gibt es gleich vier: zwei analytische Übersichten, eine lineare Abfolge der Arten und eine spektakuläre Kartierung von Verwandtschaften (Abbildung 3.7).51

48 Vgl. Johanne(s) Hermann: Tabula Affinitatum Animalium. Argentorati: Treuttel 1783, S. 35. Vgl. auch Barsanti: La scala, la mappa, l’albero, a. a. O., S. 59. 49 Vgl. A.J.G.C. Batsch: Tabula affinitatum regni vegetabilis. Vinariae: LandesIndustrie-Comptoir 1802, S. XI ff. 50 Anonaceen sind eine der größten Familien der Magnolienartigen (120 Gattungen, ca. 2000 Arten) und kommen vor allem in tropischen Regenwäldern vor. 51 Vgl. Michel-Félix Dunal: Monographie de la famille des Anonacées. Paris: Treuttel et Würtz 1817, 21f. Dunal verweist u. a. auf die geografisch-genealogische Karte des Hamburger Gymnasialprofessors Paul Giseke, welche dieser 1789 als Illustration zu Linnés Systematik angefertigt hatte. Jene ordnet die Arten in mehr und weniger entfernten Kreisen an. Der Stich ist meines Wissens nach kunsthistorisch noch nicht eingeordnet worden. Laut Robert Felfe greift er eine alte, um 1600 gebräuchliche Bildform auf. Angesichts der Datierung im historischen Umfeld der europäischen Romantik geht es hier vielleicht um eine spezielle Ausprägung einer spezifisch romantischen Kunst der Arabeske.

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3 Ordnungen des Wissens, Umordnungen des Lebens

Abbildung 3.6: August Batsch, »Tabula affinitatum regni vegetabilis«, 1802.

Die einzelnen Arten (genres)52 werden darin mittels mehrerer textiler Bänder ineinander verwoben. Wie bei Cuvier können Bänder aneinander vorbei gehen: Das Band zwischen Monodora und Uvaria ist nicht verknotet. Wissenschaftliches Sammeln, Ordnen und Kategorisieren ist hier Vernetzungstechnik – ohne einen Bezug zu Elektrizität und Telekommunikation. Bei Batsch bildet die Natur selbst ein Netz, in dem die einzelne Art zum Knoten wird. Dunals Illustration geht unwissentlich einen großen Schritt weiter: Die verflechtende Anordnung der Signifikanten zu einem Netz lässt (einen Teil der) Natur als solches erscheinen. Es ist nicht das Netz, welches die Natur konstituiert, wie dies Cuvier ein Jahrzehnt später behauptet. Menschliche Imaginationen des Netzes der Natur folgen Kulturtechniken, die mit Netz-Konzepten operieren. Im Falle Dunals ist es das textile Band/Gewebe, Donatis Denken verdankt sich der Materialität des Fischernetzes.

52 Die Unterscheidung zwischen Gattung und Art ist anhand des französischen genre nicht zu treffen.

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3.6 Baum und Netz, Koralle und Polyp

Abbildung 3.7: Illustration zur »Monographie de la famille des Anonacées«, Kupferstich von E. Moquin, 1817.

3.6 Baum und Netz, Koralle und Polyp Diskontinuität denken zu können ist keine Selbstverständlichkeit. Die Durchsetzung dieses grundlegenden Gedankens moderner epistéme im Feld der Biologie ist Georges Cuvier zu verdanken. Obwohl man in diesem Rahmen alle Qualitäten eines Paradigmenwechsels im Sinne Thomas Kuhns vorfindet, profitiert Cuviers Denkstil vor allem von einer Bewegung im naturgeschichtlichen Diskurs, die schon in der Mitte des 18. Jahrhunderts einsetzt. Er geht den entscheidenden Schritt weiter, in dem gleich mehrfach Verbindungen gekappt werden. Es geht Cuvier nicht um eine Konstanz der Arten, sondern um deren Veränderbarkeit in ihrer Positionierung zueinander. Die Linien des »Netzes der organisierten Natur« sind veränderlich und können auch aneinander vorbei gehen. Was ihnen auf den ersten Blick fehlt, ist ein zeitliches Element. Dem französischen Naturforscher ist oft vorgeworfen worden, dass er (noch) kein Evolutionstheoretiker war, gerade in Bezug auf seine vergleichende Anatomie. Deren Grundannahme – Veränderungen eines Organs im Organismus verursachen notwendig Modifikationen aller anderen53 – ist Voraussetzung des Netz-Konzeptes von 53 Zur vergleichenden Anatomie Cuviers im Kontext des biologischen Organismusbegriffes siehe Tobias Cheung: Die Organisation des Lebendigen. Die Ent-

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3 Ordnungen des Wissens, Umordnungen des Lebens 1828. Cuviers Systematik ordnet noch nicht ausschließlich in der Zeit, sondern verbindet sie mit räumlichem Denken. Zudem ist er Begründer der modernen Paläoontologie: Seit seinen Recherches sur les ossemens fossiles de quadrupèdes von 1812 gilt als sicher, dass Arten komplett aussterben können. Gerade vor diesem Hintergrund hätte sein Netz-Denken (fast) alle Möglichkeiten einer dynamischen historischen wie räumlichen Darstellung ausschöpfen können. Warum markiert es in seiner eigenen Disziplin aber eher einen End- als einen Anfangspunkt? Vielleicht ist es eine Frage des Mediums: Auf der zweidimensionalen Oberfläche des Papiers lassen sich die von Beginn an dreidimensional gedachten Netze von Naturgeschichte und Biologie nicht adäquat darstellen.54 So müssen sie zu Beginn bei Donati und am Ende bei Cuvier schriftlich festgehaltener Sprechakt bleiben. Temporale Darstellungen werden im 19. Jahrhundert eine Notwendigkeit. Es ist der Baum, welcher als Leitbild fungiert und zur »absoluten Metapher« wird.55 Trotz des großen Einflusses der »Kette der Wesen« war eine solche Beschränkung auf eine hegemoniale Darstellungsform vorher nicht die Regel. Im Gegenteil – die Naturforscher sind erstaunlich flexibel in der Wahl ihrer Darstellungsformen, wie das Beispiel Dunals zeigt. Zudem wird der Bedarf an modellhaft verwendbaren räumlichen Metaphern nicht durch das Ordnen in der Zeit gelöst. So verfolgt Hugh Stricklands radikale Metaphernkritik der True Method of discovering the Natural Systems in Zoology and Botany von 1841 nachdrücklich das Ziel, der »wilden Üppigkeit« (wild luxuriance) der Natur Herr zu werden.56 Kette, Kreis oder Netz seien dafür keine angemessenen Bilder. Die Natur zeichnet sich durch ihre Vielfalt (variety) aus, nicht durch ein symmetrisches Strukturgesetz. So gäben mehrere irregulär gewachsene Bäume und Sträuche eine adäquate Installation für die stehung des biologischen Organismusbegriffs bei Cuvier, Leibniz und Kant. Frankfurt/Main; New York: Campus 2000, S. 93. 54 Vgl. die Bemerkungen zu Hermanns Tabula affinitatum, Kapitel 3.5 dieses Buches, S. 49. 55 In Auseinandersetzung mit Bonnet und Donati hatte Peter Simon Pallas den Baum bereits als ideale Darstellung der Natur ausgemacht. Vgl. Peter Simon Pallas: Elenchus Zoophytorum sistens generum adumbrationes generaliores et specierum cognitarum succintas descriptiones. Frankfurt/Main: Franziscus Varrentrapp 1766, S. 23. 56 Vgl. Hugh E. Strickland: On the true Method of discovering the Natural System in Zoology and Botany. In: The Annals and Magazine of Natural History 6 1841, S. 184ff.

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3.6 Baum und Netz, Koralle und Polyp museale Präsentation ab – inklusive der auf ihren einzelnen Zweigen positionierten Spezies. Analog zur geografischen Abstraktion dreidimensionaler Räume wäre ein Set von Karten die beste Form der wissenschaftlichen Taxonomie. Obwohl die topologische Karte spätestens seit Linné und Buffon zum festen Inventar der Naturgeschichte gehört, ist Stricklands Intervention von Bedeutung. Horst Bredekamp hat nachdrücklich auf dessen Verbindung mit Charles Darwin hingewiesen. Darwins Tagebuch-Skizzen sind in ihren »Verstrüppungen« den Gedanken der True Method verwandt.57 Die flüchtigen Zeichnungen führen ihn aber zu einem anderen Bild der Natur: Korallen eröffnen in ihrer dreidimensionalen Erweiterbarkeit in alle Richtungen Möglichkeiten nicht-hierarchischer und temporaler Darstellung. Damit entsprechen sie Darwins Anliegen weit eher als die späteren, ausschließlich baumförmig organisierten evolutionären Diagramme. Paradoxe Koinzidenz: Bereits Donati hatte seine ganze Aufmerksamkeit den Korallen gewidmet.58 Er dachte aber keineswegs daran, diese als Bild der Natur schlechthin zu verwenden. Viel eher sind es Polyp und Regenwurm, die bei ihm zum Symbol einer sich selbst regenerierenden Natur werden.59 Das ist mehr als Autopoiesis avant la lettre. Polypen sind nicht nur selbstgenerativ, sie sind Inbegriff eines sich von allein regenerierenden und ausbreitenden Netzes. Die zeitgenössische Faszination für die von Abraham Trembley 1740 entdeckte nicht-geschlechtliche Fortpflanzung des Polypen findet sich auch bei Diderot wieder. In D’Alemberts Traum fantasieren Bordeu und Mademoiselle de Lespinasse von eventuell auf Jupiter oder Saturn lebenden menschlichen Polypen.60 Dessen irdische Entdeckung ist nichts weniger als einer der wichtigsten Denkimpulse für den französischen Materialismus.61 Trembleys Misshandlung von 57 Vgl. Horst Bredekamp: ›Die wilde Üppigkeit der Natur‹. Stricklands Karten und Darwins Kreise der Arten. In: Natascha Adamowsky/Peter Matussek (Hg.): [Auslassungen] Leerstellen als Movens der Kulturwissenschaft. Würzburg: Königshausen und Neumann 2004, S. 346. 58 Vgl. Donati: Auszug aus seiner Naturgeschichte des Adriatischen Meeres, a. a. O., S. 34ff. 59 Vgl. Donati, a. a. O., S. 20. 60 Vgl. Diderot: Gespräche mit D’Alembert, a. a. O., S. 530/31. 61 Vgl. Aram Vartanian: Trembley’s Polyp and La Mettrie. In: Journal of the History of Ideas 3 1950, Nr. 11, S. 286. Zu Trembleys und Bonnets Forschungen über den Polyp und zur Spezifik der Genfer Naturforschung um 1750 siehe Virginia P. Dawson: Nature’s Enigma: The Problem of the Polyp in the Letters of Bonnet, Trembley and Réaumur. Philadelphia: American Philosophical Society 1987.

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3 Ordnungen des Wissens, Umordnungen des Lebens Polypenkörpern und deren unerwartet quicklebendige schnelle Regeneration und Vermehrung sind in jedem Falle ein wortwörtlicher Einschnitt für zukünftige, weiter gehende Netz-Historiografien. Naturgeschichte und Biologie profitieren vom kombinatorischen Gehalt des Netz-Begriffs, schrecken aber vor mathematischen Formalisierungen zurück. Eine Ausnahme ist der Göttinger Professor Lorenz Oken. In seinem romantisch-naturphilosophischen Abriss des Systems der Biologie von 1805 will er nicht weniger als die Gleichheit der Natur mit der mathesis aufdecken. Resultat ist ein hybrides Netz-Konzept, das er selbst freilich einige Jahre später als »zu unbestimmt«62 verwirft: »Der Standpunkt und die Verwandschaften der Thiere zu einander und zu den übrigen Producten der Natur möge in folgendem Schema, übersehen werden, damit es sich sogleich zeige, dass die Natur, weder nach einer blossen Leiter, noch nach einem flachen Neze die Thiere geordnet habe, sondern nach einem stereotischen Neze, nach einer Leiter, deren Basis ein Nez ist.«63

In seinem pythagoräisch-hermetischen Tonfall ist Oken freilich die Ausnahme unter den Naturforschern. Sie denken zwar in und durch grafische Verbindungen, nicht aber in Formalisierungen, wie sie später die Graphentheorie ermöglicht. Die Komplexität der Natur gilt im 19. Jahrhundert als eigentlich nicht mehr räumlich darstellbar. Besonders deutlich hat dies in aller Ambivalenz Hugh Strickland ausgedrückt. Angesichts der von ihm imaginierten urwald-artigen Verästelungen von Affinitäten mutmaßt er über deren Berechenbarkeit: »Sie können sogar von einer dermaßen komplizierten Natur sein, dass sie nicht in räumlichen Begriffen ausgedrückt werden können. Viel eher sind sie wie jene algebraischen Formeln, welche jenseits der Beschreibungsmöglichkeiten des Geometers liegen.«64

Was bleibt, ist eine Wahlverwandtschaft von Netz und Karte, die meiner Meinung nach bis heute aktuell ist. Ähnliches gilt für historische Verhältnisse von System und Netz: Systematisches Einordnen 62 Lorenz Oken: Naturgeschichte. Band 1, Leipzig: Reclam 1813, S. 13. 63 Lorenz Oken: Abriss des Systems der Biologie. Göttingen: Vandenhoek und Ruprecht 1805, S. 203. 64 Strickland: On the true Method, a. a. O., S. 190. Übersetzung SG. Im Original: »They may even be of so complicated a nature that they cannot be correctly expressed by terms of space, but are like those algebraical formulae which are beyond the powers of the geometrician to depict.«

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3.6 Baum und Netz, Koralle und Polyp geht einem Denkstil im Zeichen des Netzes voraus. Trotz Cuvier kann das Netz als epistemisches Ding in einer mehr und mehr vom evolutionären Denken geprägten Biologie nur noch bedingt als Inbegriff von Komplexität gelten.65 Alexander von Humboldt beschwört in seinen ab 1827 gehaltenen und ab 1844 gedruckten Kosmos-Vorlesungen noch einmal ein ganzheitliches Bild der belebten Welt im Zeichen des Netzes. Die Natur ist im Humboldt’schen Kosmos allgemein verkettet, aber »nicht in einfach linearer Richung, sondern in netzartig verschlungenem Gewebe«.66 Mit Lamarck und Darwin wird jedoch die Zeit zum ersten Ordnungskriterium der Arten. Räumliche Taxonomien werden von evolutionär-zeitlichen Regeln abgelöst. Anstelle von Hierarchien im Raum treten zeitliche Hierarchien, die in der Metapher des Baumes ihren stärksten Ausdruck finden. Komplex sind von nun an eher die Zeitschichten, welche anhand geologischer Sedimente sichtbar werden.67 Um den Faktor Zeit wird der Netz-Diskurs mit den elektrischen Übertragungsmedien bereichert. Die elektrischen Telegrafen- und Funkverbindungen erlauben erst die zeitliche Synchronisierung des Gradnetzes der Erde und einen »zeitkompakten Globus«.68 Raum wird »stabil« durch Zeitnetze, ohne telegrafische Vermessung gibt es im 19. Jahrhundert keine genaue Verortung.69 Daneben macht der Netz-Begriff fortan, wie hier nur kurz angedeutet, in der Hirnphysiologie Karriere. Seine vormalige Verbindung zur Ordnung der Natur wird durch beide Entwicklungen verdeckt. Heute werden die historischen Entwürfe ab Donati gerade durch diese Verwerfung wieder interessant. Denn während Cuvier in der Pariser Akademie der 65 Zum Verhältnis von Netz und Komplexität vgl. Michel Serres: Das Kommunikationsnetz: Penelope. In: Claus Pias/Joseph Vogl/Lorenz Engell (Hg.): Kursbuch Medienkultur. Die maßgeblichen Theorien von Brecht bis Baudrillard. Stuttgart: DVA 1999. 66 Alexander von Humboldt: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Hg. von Hanno Beck. Band 7/1, Humboldt-Studienausgabe. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1993, S. 39. 67 Zum Zeitschichten-Begriff vgl. Reinhardt Koselleck: Geschichte, Geschichten und formale Zeitstrukturen. In: Reinhart Koselleck/Wolf-Dieter Stempel (Hg.): Geschichte – Ereignis und Erzählung. München: Fink 1973. Zum Einfluss der Geologie auf das Denken und Schreiben von Geschichte im 19. Jahrhundert vgl. Helga Nowotny: Eigenzeit. Entstehung und Strukturierung eines Zeitgefühls. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1989, S. 82ff. 68 James T. Fraser: Time, the Familiar Stranger. Amherst: University of Massachusetts Press 1987, S. 312. 69 Vgl. dazu insbesondere Peter Galison: Einsteins Uhren und Poincarés Karten. Die Arbeit an der Ordnung der Zeit. Frankfurt/Main: Fischer 2003.

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3 Ordnungen des Wissens, Umordnungen des Lebens Wissenschaften seine Naturgeschichte der Fische präsentiert, stellen sich die ingenieurstechnischen Entwürfe anderer Academiciens wie Girard von Linie und Baum auf netzförmige Infrastrukturen um. Dies ist nicht als streng kausaler Zusammenhang zu verstehen, aber: es ist eine wichtige parallele Bewegung.70

70 Vgl. Kapitel 6 dieses Buches.

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4 Optische Telegrafie 4.1 Netz oder nicht Netz? Abraham und René Chappe schlagen 1829 vor, dass die »von Paris wie von einem Zentrum strahlenförmig ausgehenden Linien, die untereinander in keinerlei Verbindung stehen«, durch »Querverbindungen« ergänzt werden sollten.1 Die Erfindung ihres Bruders Claude Chappe, der optische Telegraf, war bis zu diesem Zeitpunkt auf jeder Landkarte als Stern erkennbar.2 Eine Notiz des Ministère de l’Intérieur aus dem folgenden Jahr resümiert den Netzstatus wie folgt: »Die fünf von Paris ausgehenden Linien haben untereinander keinerlei Verbindung. Sie bestehen vereinzelt nebeneinander, so daß sich jede selbst genügen muss und aus den anderen keinerlei Nutzen ziehen kann [...]. Sind die einzelnen Linien dagegen untereinander verbunden, so können Umstände wie schlechte Witterung oder Kapazitätsüberlastung, die die Übertragung ansonsten zum Erliegen bringen oder zumindest verzögern, keinen großen Schaden mehr anrichten [...], da jede Telegraphenstation dann mindestens zwei Möglichkeiten hat, mit dem Zentrum in Verbindung zu treten.«3

Aus der Diagnose resultiert eine strukturelle Veränderung der telegrafischen Infrastruktur. Neben direkt auf Paris zulaufende Linien treten Querverbindungen. Die Fertigstellung der Linie Toulon– Bayonne im Jahr 1835 führt dazu, dass 10% der Depeschen von Toulon nach Paris fortan über Bayonne via Montpellier und Toulouse versendet werden. Schnellstmögliche Übertragung und kürzester 1

Abraham Chappe/René Chappe: Mémoire sur la Télégraphie. Januar 1829, S. 10. Musée de la Poste, Paris (D 6812). Vgl. allg. Patrice Flichy: Tele: Geschichte der modernen Kommunikation. Frankfurt/Main; New York: Campus 1994, S. 56f. 2 Vgl. dazu Frank Haase: Stern und Netz – Anmerkungen zur Geschichte der Telegraphie im 19. Jahrhundert. In: Jochen Hörisch/Michael Wetzel (Hg.): Armaturen der Sinne: Literarische und technische Medien 1870–1920. München: Fink 1990; Frank Haase: Medien – Codes – Menschmaschinen. Opladen; Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 1999. 3 Zitiert nach Flichy: Tele, a. a. O., S. 56.

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4 Optische Telegrafie

Abbildung 4.1: Telegrafennetz Frankreichs, 1830–40.

Übertragungsweg müssen ab jetzt nicht mehr zusammenfallen. Netze sind von nun an ein in sich gegliedertes Ganzes (vgl. Abbildung 4.1). Man könnte aus heutiger mathematischer und informatischer Sicht einwenden, dass die bis dato gegebene sternförmige Struktur der in der französischen Hauptstadt zusammenlaufenden Linien bereits ein Netzwerk darstellt. Ich würde – ausgehend von den Bemerkungen der Brüder Chappe – den Übergang zur Dezentralisierung von Verbindungen, d. h. den Übergang vom Stern zum Netz, als entscheidendes Kriterium erachten. Dies gilt umso mehr, als sich in den USA der 1950er und 1960er Jahre eine ähnliche Bewegung vollzog. Die ersten Pläne zur Errichtung von Computernetzwerken sahen noch eine geografisch zentral in Omaha gelegene Telefonvermittlung vor, die dann während der Arbeiten am Arpanet zugunsten dezentraler digitaler Architekturen verworfen wurde.4 Anhand solcher Konstellationen lässt sich ermessen, wie schwierig es ist, aus der Perspektive des Internet-Zeitalters über historische Netze zu sprechen. »Der Netz-Begriff gehört zu den Konzepten, die gewissermaßen erzeugen, was sie erkennen, und dies dann auch dort erkennen, wo nichts erzeugt, sondern evolutionär emergiert 4

Vgl. Jochen Koubek: Vernetzung als kulturelles Paradigma. Dissertation, Humboldt-Universität zu Berlin 2003, URL: http://edoc.hu-berlin.de/ dissertationen/koubek-jochen-2003-02-10/HTML/index.html, S. 65.

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4.1 Netz oder nicht Netz?

Abbildung 4.2: Illustration aus Bertuchs »Bilderbuch zum Nutzen und Vergnügen der Jugend«, 1806.

ist [...].«5 So wird man von einem Netz optischer Telegrafen erst ab den 1830er Jahren sprechen können, wenn man die dezentrale Architektur des Internets zum Gradmesser des Netz-Status macht. Von einem europäischen Netzwerk, also einer Verbindung der einzelnen Telegrafenlinien auch über Ländergrenzen und damit über operationale Protokolle (Codebücher, Flügelstellungen, Sprache) hinweg, kann ohnehin kaum die Rede sein. Gäbe es nicht das nachrichtentechnische Gespür Napoleons, die Netze blieben auf Nationalstaaten beschränkt. Wer keine Revolutionsarmeen über europäisches Territorium zu bewegen hat, kann die spanische Linie nach Irún nur wenige Kilometer vor der französischen Endstation in Béhobie enden lassen.6 Der optische Telegraf, vom Physiker Claude Chappe zunächst Tachygraph (Schnellschreiber) getauft, hat – entgegen weit verbreiteter Meinungen – keine lineare Erfolgsgeschichte aufzuweisen.7 Die Zustimmung des Revolutionskonvents zum Bau einer 5 6 7

Hartmut Böhme: Netzwerke. Zur Theorie und Geschichte einer Konstruktion. In: Jürgen Barkhoff/Hartmut Böhme/Jeanne Riou (Hg.): Netzwerke. Eine Kulturtechnik der Moderne. Köln: Böhlau 2004, S. 27. Vgl. Flichy: Tele, a. a. O., S. 44. Insofern sind die Einträge in der ansonsten so zuverlässigen Großen Medienchronik etwas irreführend: Dort ist im Zuge von Napoleons Eroberungen von

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4 Optische Telegrafie ersten Versuchslinie von Paris nach Lille ergeht erst am 26. Juli 1793, sechzehn Monate nachdem Chappe die von ihm und seinen Brüdern entwickelte technische Neuerung vorgestellt hatte. Das nahezu exklusive Anwendungsfeld – bezeichnenderweise hatte sich Napoleons späterer Kriegsminister Carnot im Konvent für den Telegrafen ausgesprochen8 – wird die Nachrichtenübermittlung in bewaffneten Konflikten sein. Im August 1794 sind es die raschen Nachrichten von den Siegen der Revolutionsarmee in Le Quesnoy (15.8.)9 und Condé (29.8.), welche den Nutzen des Telegrafen erkennbar machen. Paradoxerweise ist die Telegrafie zwar primär Staatsangelegenheit, fußt aber vor allem in Friedenszeiten auf dem beständigen Engagement der fünf Gebrüder Chappe.10 Im Gegensatz zur späteren Entwicklung des elektrischen Telegrafen setzen sich die von den Chappes gewünschten und zum ökonomischen Erhalt des Telegrafen dringend benötigten privaten Anwendungen (Wechselkursnachrichten, Schiffsmeldungen) nicht durch. Lediglich Claude Chappes Vorschlag zur Übermittlung von Ergebnissen der Nationallotterie – also eines staatlichen Unternehmens – fand 1801 das Gehör Napoleons.11 Zentrales Charakteristikum der »Semaphorentelegrafie«12 ist zu jenem Zeitpunkt die einzelne, der militärischen Logik des Vormarsches folgende Linie. Dies gilt auch danach für die meisten anderen europäischen Infrastrukturen: In England steht die Verbindung von London mit Hafenstädten im Vordergrund,13 in Preußen dominiert die 1832 errichtete Linie Berlin–Koblenz, in Russland wird 1839 die Linie St. Petersburg–Warschau eröffnet. Lediglich in Schweden

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einem fortgehenden Ausbau des französischen Netzes die Rede, nicht aber von Rückbau und Betriebspausen. Vgl. Hans H. Hiebel et al.: Große Medienchronik. München: Fink 1999, S. 807ff. Lazare Carnot (1753-1823) ist neben seinen Beiträgen zur Thermodynamik ebenso als Mitbegründer der École Polytechnique (1794 zunächst als École centrale des travaux publics etabliert) bekannt geworden. »Garnison autrichienne forte de 3000 esclaves a mis bas les armes et s’est rendue à discretion.« Vgl. hierzu Pierre Musso: Télécommunications et philosophie des réseaux. La posterité paradoxale de Saint-Simon. Paris: Presses Universitaires de France 1997, S. 255. Vgl. Flichy: Tele, a. a. O., S. 41. Die herrschaftstechnische Nutzung des Telegrafen hinderte den Ersten Konsul nicht daran, die Mittel für den Unterhalt zunächst um zwei Drittel zu kürzen. Semaphore bedeutet auf der Höhe der Diskurse um 1800 »Zeichenträger« und ist damit eine veritable Mediendefinition durch das Medium selbst. Der Aufbau erfolgt von 1796 bis 1808. Nach Kriegsende 1814 werden diese Linien wieder geschlossen.

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4.2 Telegrafische Körper entsteht um Stockholm ein geografisch begrenztes engmaschiges Netz.14 Im Rahmen einer Geschichte der Netze und Netzwerke ist die optische Telegrafie eine wichtige Figur des Übergangs. In den bisherigen Forschungen ist vor allem der Kontext der Revolution von 1789 stark betont worden. Auch wenn die Frühzeit des elektrischen Telegrafen vielleicht bemerkenswerter erscheint, bringen die Jahre nach der Juli-Revolution von 1830 eine entscheidende Wende im Bereich der bereits veralteten optischen Telegrafie. Dass Nachrichten – über Knoten verteilt – auf Umwegen mit ähnlicher Geschwindigkeit wie auf der physikalisch kürzeren Verbindung transportiert werden können, ist eine kommunikationsgeschichtliche Neuheit. Die endgültige Etablierung des Prinzips Kommunikationsnetz(werk) kann infolgedessen erst der elektrische Telegraf leisten. Für die Historie/n der Übertragungsmedien hingegen ist Chappes Codebuch ohnehin das Modell des signal processing schlechthin, wird doch hier schon auf Ebene der Infrastruktur Semantik und Signal getrennt. Die Bedienmannschaften wissen aufgrund der Verschlüsselung nicht, welcher Nachrichteninhalt übertragen wird.15 Aus einer epistemologischen Perspektive wäre die Medienapparatur des optischen Telegrafen im historischen Rahmen einer konsequenten Geometrisierung des Raumes zu verstehen. Haben Geometrie, Geografie und Festungsarchitektur des 18. Jahrhunderts vergleichbare Konzepte von Knoten und Linien hervorgebracht?16

4.2 Telegrafische Körper Weitere Traditionslinien reichen bis in die Antike zurück (Aischylos’ Agamemnon, Polybios’ Fackeltelegrafie), oder zu Robert Hookes Ide14 Vgl. Flichy, a. a. O., S. 43. 15 In Chappes System müssen die Ziffern des Telegrafen mittels Wörterbuch entschlüsselt werden. Der entsprechende Code befindet sich in einem von drei Büchern, welche zudem die Ver- und Entschlüsselung von Buchstaben, Silben und Redewendungen ermöglichten. Vgl. Hiebel et al.: Große Medienchronik, a. a. O., S. 807f. 16 Gleichermaßen wären Urbanistik und Architekturgeschichte – ausgehend von den sternförmigen Entwürfen in der französischen Revolutionsarchitektur bei Boullée und Ledoux – nach städtischen Vernetzungsideen zu durchforsten. Vgl. André Guillerme: Bâtir la ville. Révolutions industrielles dans les matériaux de construction; France-Grande-Bretagne (1760–1840). Seyssel: Champ Vallon 1995; Christoph Asendorf: Ströme und Strahlen. Das langsame Verschwinden der Materie um 1900. Hg. vom Werkbund-Archiv. Gießen: Anabas 1989, S. 58ff.

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Abbildung 4.3: Vorschlag für einen französischen Telegrafen mit Zeichengebung in Baumstruktur, um 1800.

en zur optischen Kommunikation über Fernrohre.17 Frank Haase hat zudem sehr präzise gezeigt, welche Korrespondenzen zwischen Taubstummenpädagogik und Telekommunikation im Vorfeld der 1789er Revolution existierten.18 Deren sich im Flügeltelegrafen 17 Vgl. Robert Hooke: On Showing a Way How to Communicate One’s Mind at Great Distances. In: Philosophical Experiments and Observations of the late Eminent Dr. Robert Hooke. London: Royal Society 1726. 18 Vgl. Haase: Medien – Codes – Menschmaschinen, a. a. O., S. 36ff.

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4.2 Telegrafische Körper technisch verwirklichendes Motto – »eine Nation, ein Gesetz, eine Sprache« – steht gleichauf mit Condorcets an Leibniz gemahnendes Projekt einer Universalsprache, die geometrische Exaktheit reproduziert. Parallel dazu existiert eine große Faszination für Zeichenalphabete, vor allem für die gestische Taubstummensprache der Abbés L’Epée und Siccard, ihres Zeichens Leiter der Pariser Taubstummenanstalt.19 Das beredte stumme Sprechen der Hände und die Flügelstellungen des optischen Telegrafen symbolisieren und signalisieren beide zugleich. Eben diese Wendung – »Symbolisieren und signalisieren« – findet sich bei Novalis im 690. Eintrag des Allgemeinen Brouillons. Dort schreibt er: »Die Frau ist das Symbol der Güte und Schönheit – der Mann das Symbol der Wahrheit und des Rechts. Warum das Männchen im Thierreiche schöner (relative Schönheit) seyn muß, als das Weibchen. (Die thierische Schönheit – der Reitz – ist Stärke, Energie) (Direkt reizender ist der Mann überhaupt. Indirect reitzender die Frau) Problem: Schönheit soll das unzertrennliche Symptom – äußre Kennzeichen von Güte seyen – Schönheit soll Güte – Güte Schönheit nothwendig symbolisiren und signalisiren zugleich. Zunge und Lippen etc. sind Teile eines Telegrafs. Telegraf ist ein künstliches Sprachwerckzeug. Die Augen sind Fernröhre – die Fernröhre Augen – die Hand, als Sprachwerckzeug – acustischer Excitator und Nichtleiter – als Pinsel – als allgemeines Directionswerckzeug – Hebe, Griff – als Unterstützung, Unterlage.«20

Im Modus romantischer Universalkommunikation werden hier Geschlecht, Ästhetik, Körper und Apparat kurz geschlossen. Die Gleichsetzung Fernrohr/Auge ist, um den Gründerzeitbegriff von Ernst Kapp kritisch zu benutzen, eine veritable Form von Organ19 Vgl. Armand Mattelart: Networking the World 1794–2000. Minneapolis: University of Minnesota Press 2000, S. 3. Auch in der deutschen Aufnahme ist von den »sprechenden Bewegungen« des Telegrafen die Rede. Vgl. Anonymus: Abbildung und Beschreibung des Telegraphen oder der neuerfundenen Fernschreibemaschine in Paris und ihrem innern Mechanismus. Von einem Augenzeugen, Leipzig: Baumgärtner, 1795. In: Frithjof Skupin (Hg.): Abhandlungen von der Telegraphie oder Signal- und Zielschreiberei in der Ferne nebst einer Beschreibung und Abbildung der neuerfundenen Fernschreibemaschine in Paris. Berlin: Transpress 1986, S. 30/31. 20 Allgemeines Brouillon 690, Novalis: Schriften: die Werke Friedrich von Hardenbergs; in 4 Bänden und einem Begleitband. Hg. von Paul Kluckhohn und Richard Samuel. Band 3, 3. Auflage. Stuttgart: Kohlhammer 1977, S. 399/400.

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Abbildung 4.4: Redner mit langen Armen, den Geheimnissen einer Wissenschaft vom Telegrafieren auf der Spur; angesichts der vielen Signale stößt seine Beredtheit auf Grenzen. Karikatur von Honoré Daumier, um 1840.

projektion.21 Fernrohre verändern jedoch das Sehen an sich22 – ein Umstand, der in Novalis’ pragmatischer Gleichsetzung nicht reflektiert wird. Es ist gerade diese Unschärfe und Metaphorizität, welche fundamentaler Bestandteil von Wissenskulturen ist – insbesondere im analogie-versessenen 19. Jahrhundert.Wenn Claude Chappe von sich sagen konnte, »J’écris dans l’éspace – ich schreibe im Raum«,23 dann schrieb (sich) trotz des Quasi-Status eines Familienunternehmens nicht er, sondern die gesamte Apparatur inklusive der dazu nötigen Bedienmannschaft (Abbildung 4.2). Das »künstliche Sprachwerckzeug« Telegraf scheint zu sprechen, indem es seinen eigenen Körper bewegt. Dahinter verbirgt sich letzten Endes niemand anderes als Hermes selbst (Abbildung 4.3). Von den erhabenen Darstellungen des Götterboten, wie sie die Ikonografie 21 Vgl. Ernst Kapp: Grundlinien einer Philosophie der Technik. Zur Entstehungsgeschichte der Cultur aus neuen Gesichtspunkten. Braunschweig: Westermann 1877. 22 Vgl. hierzu Joseph Vogl: Medien-Werden. Galileis Fernrohr. In: Lorenz Engell/ Joseph Vogl (Hg.): Archiv für Mediengeschichte: Mediale Historiographien. Weimar: Universitätsverlag 2001, S. 115ff. 23 Birgit-Susann Mathis: Eine Idee kommt nach Deutschland. In: Klaus Beyrer/ Birgit-Susann Mathis (Hg.): So weit das Auge reicht. Die Geschichte der optischen Telegrafie. Karlsruhe: Braun 1995, S. 55.

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4.3 Fragmente, telegrafisch der ersten Jahrzehnte prägen – sei es als Signet der handschriftlichen Botschaften, sei es als atlantisches Rückgrat der Semaphoren – ist in deutschen und französischen Karikaturen der 1840er Jahre wenig übrig geblieben. Wohl aber bleibt die Verbindung zur Zeichensprache erhalten, wenn auch nicht ohne Hinweis auf eine Überforderung des Menschen angesichts zu vieler Signale (Abbildung 4.4).

4.3 Fragmente, telegrafisch Man kann eine dritte Perspektive, eine dritte Geschichte der Optischen Telegrafie in Frankreich schreiben. Sie muss, mehr noch als die »offiziell-staatliche« (Kapitel 4.1) oder »sprachlich verkörperte« (Kapitel 4.2) nach toten Enden, Auslassungen und misslungenen apparativen Entwürfen fragen. Mit Michel Serres gesagt: »Über Prometheus sollte man einmal vom Standpunkt des Adlers aus reden. Prometheus ist eins mit dem Raubvogel [d. h. seinem Parasiten, SG], der am Ende der Entwicklung vielleicht sein Nest im Brustkorb des Produzenten baut, angekettet und verschlungen. Es ist kühl und klar gesprochen, wenn man von diesem System sagt, es bilde das Telefon ab, den Telegraphen, das Fernsehen, das Straßen- oder Eisenbahnnetz oder das der Schiffahrtswege, die Kreisbahnen der Satelliten, die Zirkulation der Nachrichten oder der Bergbauprodukte, der Sprache oder der Teigwaren, des Geldes oder der philosophischen Theorie; es ist kühl und klar gesprochen, wenn man danach forscht, wer diese verschiedenen Ströme unterbricht.«24

In diesem Sinne muss man nüchtern feststellen, dass über die Erfindung der Chappes mehr geschrieben worden ist, als diese selbst geschrieben hat. Die Anzahl der mit ihr übermittelten Nachrichten steht in keinem Verhältnis zu ihrem von Anfang an legendären Status. In Deutschland sorgt das Interesse an der Telegrafie für rege Publikationstätigkeit in den Jahren 1794 und 1795. Der Informationsstrom von Frankreich ins zersplitterte Deutschland ist aber alles andere als perfekt. Parasiten sind zunächst profilierungswillige deutsche Gelehrte: der Professor für Physik Abel Burja (Berlin),25 24 Michel Serres: Der Parasit. 2. Auflage. Frankfurt/Main: Suhrkamp 2002, S. 25. 25 Vortrag an der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften vom 25. September, erscheint am Ende des Jahres 1794 in der Vossischen Buchhandlung.

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4 Optische Telegrafie der Karlsruher Physikprofessor Johann Lorenz Böckmann und Johann Bergsträßer in Hanau. Burjas Entwürfe zur Fackeltelegrafie – vier Fackeln bilden Buchstaben ab; oder Buchstabenschablonen werden durch Feuer in Übertragungsröhren illuminiert – unterscheiden sich gänzlich vom optischen Telegrafen Chappe’scher Bauart. Bergsträßer nutzt die Gunst der Stunde, um auf seine eigenen Arbeiten zur »Synthematographik« aus den Jahren 1784 und 1785 hinzuweisen – und krittelt an Böckmanns praktischer Leistung herum. Jener hatte als einziger eine telegrafische Übertragung realisiert und sich damit gleich der Staatsmacht empfohlen: Am 22. November 1794 schickt er vom Durlacher Turmberg nach Karlsruhe ein Geburtstagstelegramm an seinen Landesherrn, den Markgrafen Karl Friedrich von Baden: »Groß ist das Fest, und schön! Triumph! der Gute lebt, / Um DEssen Fürstenthron der Vorsicht Auge schwebt, / DER SEines Volkes Lieb, DER Bürgertreu beglücket! – / Heil IHM! – So tönt es fern und nah! – / O Fürst, sieh hier, was Teutschland noch nicht sah, / Daß DIR ein Telegraph heut Segenswünsche schicket.«26

Der veritable Gelehrtenstreit enthüllt nicht nur die Eitelkeiten deutscher Wissensarbeiter – er verkennt auch die Codierung des französischen Telegrafen. Man geht prinzipiell von einer Verschlüsselung Buchstabe für Buchstabe aus und scheitert so am eigentlichen Betriebsgeheimnis des Chappe’schen Familienstaatsbetriebs: dem Codebuch. Interessanter als funktionstüchtige Flügeltelegrafen sind Fehlentwicklungen und gescheiterte Entwürfe. Wer ein wenig Leichenfledderei betreibt, erfährt vielleicht mehr über eine nur noch museal zugängliche frühe Medientechnik als allein aus deren Erfolgsgeschichte.27 Die kläglichen Versuche zum nächtlichen Betrieb und die Behinderungen durch Nebel sind nur ein nahe liegender Aspekt. Da wäre z. B. das »nicht lebensfähige siebenarmige Monstrum«: ein Entwurf des Mathematikers Gaspard Monge aus dem Jahr 1795 (Abbildung 4.5). Aus welchen Gründen der für die Linie Paris– Landau vorgesehene Apparat nur ein Versuch blieb, ist keineswegs 26 Klaus Beyrer: Johann Lorenz Böckmann. Ein Pionier der optischen Telegrafie in Deutschland. In: So weit das Auge reicht. Die Geschichte der optischen Telegrafie. Karlsruhe: Braun 1995, S. 74. 27 Zum Dead Media Project und den Aporien aller Historiografien technischer Apparaturen vgl. Siegfried Zielinski: Archäologie der Medien. Zur Tiefenzeit eines technischen Hörens und Sehens. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 2002, S. 9f.

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4.3 Fragmente, telegrafisch geklärt. Neben administrativ-politischen Fragen und eventuellen Unstimmigkeiten zwischen Claude Chappe und Monge28 wird immer wieder auf die technische Disfunktionalität verwiesen. Die Idee ist simpel: Pro Flügelstellung sollten nicht mehr nur ein, sondern fünf Signale übertragen werden. Im Vergleich zu der üblichen Praxis dürfte es aber schwer gewesen sein, diese zu versprachlichen. Anstelle von maximal sieben Sprachbefehlen für die Positionen aller Flügelstellungen träten weitaus mehr.29 Der Telegraf von Gaspard Monge ist nicht mehr »beredt«, er ist mathematisch abstrakt. Er steht schon in seiner Konstruktion nicht nur klaren Linien, sondern deren Überkreuzung und gegenseitigem Querverweis nahe: telegrafische Vektoren. Über die Person des überzeugten Republikaners und glühenden Napoleon-Verehrers Monge lässt sich tatsächlich eine Nähe zu den zeichnerisch-konstruktiven Methoden im Befestigungswesen herstellen, die bei der Familie Chappe nicht gegeben ist. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Professor für Mathematik (1768) und für Physik (1771) an der École de Mézières hatte er sich durch fortan geheim gehaltene, hoch geschätzte Arbeiten zur Geometrie der Festungsarchitektur Anerkennung erworben. Über den geometrischen Gehalt hinaus gibt der Monge-Telegraf ein weiteres mathematisches Rätsel auf. Man kann in Pierre Gilbauds La Cybernetique von 1954 ein schönes Beispiel zum Maß von Information finden, welches mittels der Semaphorentelegrafie argumentiert. Ich spare mir ein vollständiges Referat, verweise aber darauf, dass Guilbaud im Ende das Gedankenexperiment des informationstheoretisch »idealen Codes« für ein Alphabet/Keyboard mit 85 Zeichen durchspielt. In diesem Fall – der den Code massiv aufbläht – müssen über einen Kanal am wenigsten Zeichen übertragen werden, wenn jeweils fünf Buchstaben mit sieben visuellen Signalen codiert werden.30 Nun geht man heute davon aus, dass das »siebenarmige Monstrum« pro Stellung aller Flügel fünf Zeichen übertrug. Das Codebuch für den schnell verworfenen Monge-Telegrafen ist nicht bekannt, deswegen ist die Koinzidenz des Beispiels von Guilbaud selbstverständlich purer Zufall. Vielleicht ist sie aber auch ein Hin28 Vgl. Pierre Loiseaux: Les frères Chappe, la genèse des telecommunications en région parisienne 1794/1830. Dissertation, Paris IV: Sorbonne 1994, S. 110f. 29 Zu den sieben Anweisungen vgl. Loiseaux, a. a. O., S. 157. 30 Vgl. G.T. Guilbaud: What is Cybernetics? London: Heinemann 1959, S. 45ff.

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4 Optische Telegrafie

Abbildung 4.5: Gaspard Monges Telegraf. Kupferstich, 1824.

weis auf eine informationstheoretische Eigenheit der Maschine. Darüber hinaus nimmt in Monges Œuvre die ingenieurstechnische Beherrschung der Objekte in einem dreidimensionalen Raum einen entscheidenden Platz ein. In jedem Falle ist der gebaute Entwurf seines Telegrafen eine geometrische Heterotopie. Wer auf der ebenen Fläche des Papiers die Semaphoren verlängert – also Zeichenpraktik und gebaute Maschine zusammen denkt – erhält veritable zweidimensionale Netze. Ungeklärt sind die Umstände, unter denen das Mémoire sur la Télégraphie31 von 1829 entsteht. In Aneignung des Medien-Begriffs von Joseph Vogl könnte man vom Netz-Werden eines Mediums spre31 Vgl. dieses Buch, S. 57.

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4.3 Fragmente, telegrafisch chen.32 Vor 1830 lag auch nach dem Urteil der Telegrafie-Historiker des 19. Jahrhunderts kein Netz/werk im »eigentlichen« Sinne vor.33 Umgekehrt ließe sich daraus schlussfolgern, dass das 19. Jahrhundert ein eigenes implizites Wissen34 dafür entwickelt hat, was ein Netzwerk konstituiert. Ein nüchterner Blick auf die Statistik übertragener Nachrichten zwischen 1825 bis 1830 bemerkt eine Vervierfachung der Kommunikation zwischen Paris und Lyon.35 Trotz der in den 1830er Jahren etablierten Umleitungsmöglichkeit über Avignon und Bordeaux setzt aber keine Entspannung ein: die ringförmige Netzarchitektur setzt das Limit der Übertragungsrate nicht entscheidend herauf. Hier liegt auch eine Differenz zu den verwandten Entwürfen im Bereich der Kanalisationsarchitektur: Während der »canal de circonvallation«36 tatsächlich für einen Druckausgleich sorgt, hat es Signaltechnik eher mit dem zeitkritischen Prozessieren von zu übertragenden Zeichen zu tun. So wäre nach den Ab- und Umbrüchen im Netzwerk-Denken zu fragen, die mit der Elektrifizierung und mathematischen Formalisierung einher gehen. Wieviel bleibt vom französischen réseau um 1830, das sich – um mit Friedrich Kittler zu sprechen – auf der Höhe des »Aufschreibesystems 1800«37 bewegt?

32 Vgl. Vogl: Medien-Werden. Galileis Fernrohr, a. a. O. 33 »Jusqu’en 1830, les lignes télégraphiques existantes ne consitutaient pas, à proprement parler, un véritable réseau; c’étaient, comme l’a dit M. Édouard Gerspach, des lignes qui rayonnaient de Paris vers les extrémités du territoire, construites à des époques très éloignées les unes des autres et pour des besoins spéciaux.«, Hervorhebung SG; Alexis Belloc: La télégraphie historique. Paris: Firmin-Didot 1894, S. 183. 34 Im Sinne von Polanyis Begriff eines tacit knowledge. Vgl. Michael Polanyi: Implizites Wissen. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1985. 35 Vgl. Loiseaux: Les frères Chappe, la genèse des telecommunications en région parisienne 1794/1830, a. a. O., S. 55/56. 36 Vgl. dieses Buch, S. 85. 37 Vgl. Friedrich Kittler: Aufschreibesysteme: 1800–1900. 4. Auflage. München: Fink 2003. Die englische Übersetzung der »Aufschreibesysteme« trägt kurioserweise den Titel Discourse Networks.

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5 Exkurs. Ordnungen des Gewebes: Bichat und Jacquard »Alle machten sehr emsig Filet.«1 E.T.A. Hoffmann, Prinzessin Brambilla (1820)

5.1 Gitter, Gewebe, Netz Gitter, Gewebe und Netz sind verwandte, aber nicht deckungsgleiche Begriffe. Die Entdeckung und mathematische Formalisierung kristalliner Strukturen ist aufs Engste mit dem Namen René Just Haüys (1743–1822) verbunden. Sein Essai d’une théorie sur la structure des cristaux von 1784 gilt als Gründungsurkunde der modernen mathematischen Kristallografie. Haüy, Schüler Daubentons, führt darin die Struktur der Kristalle auf ihre konstituierenden Moleküle (molécules constituantes) zurück und sucht anhand der ermittelten Formen nach verallgemeinerbaren Gesetzen.2 Haüys umfassendes kristallografisches Lebenswerk ist Bedingung der Möglichkeit eines Begriffs vom kristallinen Gitter, wie er bei Auguste Bravais um 1850 an der Pariser École Polytechnique erstmals formuliert werden wird. »Gitter« heißt hier allerdings »réseau« (Netzwerk), nicht »grille« oder »treillis«, wie man im Französischen vielleicht erwarten würde.3 Zum Verhältnis von Gitter und Netz wäre, gerade im Kontext von kunsthistorischem, geografischem und mineralogischem Wissen, deutlich mehr zu sagen. Dies betrifft insbesondere Bravais’ 1 2

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E.T.A. Hoffmann: Prinzessin Brambilla. In: Poetische Werke. Band 10, Berlin: de Gruyter 1961, S. 91. Vgl. René Just Haüy: Essai d’une théorie sur la structure des crystaux, appliquée a plusieurs genres de substances cristallisées. Paris: Gogué & Née de la Rochelle 1784. Haüys Schnitte in Kristalle und deren Vermessung (flankiert durch ideal operierende Berechnungen) knüpfen an Methoden des schwedischen Chemikers Torbern Olof Bergmann (1735–1884) an. Vgl. M.A. Bravais: Mémoire sur les systèmes formés par des points distribués régulièrement sur un plan ou dans l’espace. In: Journal de l’École Polytechnique 1850, Nr. 19; M.A. Bravais: Etudes Cristallographiques. In: Journal de l’École Polytechnique 1851, Nr. 20.

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5 Exkurs. Ordnungen des Gewebes: Bichat und Jacquard formal-mathematische Deduktion von Gitterstrukturen, welche erst durch die ein halbes Jahrhundert später verfügbare Röntgenstrahlung sichtbar gemacht werden konnten. Das regelmäßige kristalline réseau wird bei Auguste Bravais im cartesischen Koordinatensystem visualisiert, verortet und berechnet. Am Objekt ist es nicht sichtbar gewesen. Ebenso wie in der Biologie ist die Analyse der Organisation vorrangig geworden.4 Welcher Art von imaginativem wie formalisierendem Denkstil bedarf es zu einer solchen wissenschaftlichen Benennung?5 Es geht mir im Folgenden aber nicht um die Kristallografie, sondern um zwei verschiedene Modi von »Gewebe«, die um 1800 denkbar und technisch realisierbar werden. Während François Xavier Bichat (1771–1802) analog zu Haüys Vorgehen die Gewebearten des menschlichen Körpers funktional bestimmt, automatisiert Joseph-Marie Jacquard (1752–1834) mit Napoleons ausdrücklichem Segen die Textilverarbeitung.6

5.2 Gewebe I: François Xavier Bichat Bichat unterscheidet in seiner 1800 erschienen Anatomie génerale 21 Arten von im menschlichen Körper vorkommenden Geweben.7 Diese nehmen dabei in seinem System den gleichen Ort ein wie die chemischen Elemente bei Lavoisier oder aber die Pflanzen- und Tierspezies in den naturhistorischen Taxonomien. Gewebearten werden 4 Vgl. François Jacob: Die Logik des Lebenden. Von der Urzeugung bis zum genetischen Code. Frankfurt/Main: Fischer 1972, S. 86ff. 5 Angesichts des im engen Umfeld der École Polytechnique der 1820er und 1830er Jahre entstehenden Netz-Bauens und Netz-Denkens drängt sich die Frage nach Zusammenhängen förmlich auf. Vgl. Kapitel 6 dieses Buches. 6 Zur Wissensgeschichte und Poetik des Gewebes im 18. Jahrhundert vgl. Nathalie Binszek/Barbara Thums (Hg.): Wissensgeschichte und Poetik des Gewebes 1700–1800. Band 49/2, Themenheft der Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft. Hamburg: Meiner 2004. 7 Seine Kommentatoren haben später andere Taxonomien gewählt und die Zahl der Gewebearten auf 11 reduziert. Vgl. Xavier Bichat: Anatomie Générale, précédée des recherches physiologiques sur la vie et la mort. Hg. von M. Maingault. Band 1, Paris: Ladrange & Lheureux 1818, S. 36. Diese Reduktion hat sich weiter fortgesetzt: Rezente Einordungen unterscheiden nunmehr fünf Arten tierischen Gewebes: Epithelgewebe, Bindegewebe, Stützgewebe, Muskelgewebe und Nervengewebe. Deren Definition lautet: »Verbände gleichartiger Zellen innerhalb eines vielzelligen Organismus, die gemeinsam einen umschriebenen Aufgabenbereich erfüllen und das spezifische Baumaterial für Organe bilden.« Lexikon der Biologie in fünfzehn Bänden. Band 6, Heidelberg: Spektrum, Akademischer Verlag 2001, S. 318.

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5.2 Gewebe I: François Xavier Bichat ausgehend von ihren physikalisch-chemischen Eigenschaften und ihren Funktionen definiert. Jede so verzeichnete Art gilt als Element mit eigenem, unverwechselbarem Namen. Ihre Beziehungen mit anderen Geweben im menschlichen Körper lassen sich gleichsam kombinatorisch, nach algebraischer Gleichung, darstellen: »Die Chemie hat ihre einfachen Körper, welche durch die ihnen möglichen diversen Kombinationen organisierte Körper bilden. Dieses sind die Kalorien, das Licht, der Wasserstoff, der Sauerstoff, der Kohlenstoff, der Stickstoff, der Phosphor etc. Gleichermaßen kennt die Anatomie einfache Gewebe, die durch ihre Kombinationen (vier zu vier, sechs zu sechs, acht zu acht etc.) die Organe formen.«8

Während der neue Umgang mit den Geweben tierischer Körper einen epistemologischen Bruch darstellt, ist Bichats Bekenntnis zur »Kette der Lebewesen« ganz traditionell.9 Mit Vehemenz bekennt er sich zum Newton’schen Denken und will die Physiologie auf die gleichen Grundsätze wie die Physik einschwören: Die Eigenschaften der Dinge sind die Ursachen alles Beobachtbaren, die Phänomene sind deren Effekte. Es geht um nicht weniger als die Parallelisierung von physikalischen Phänomenen und Lebensprozessen.10 Während die Physik aber über konstante (weil: Newton’sche) Gesetze verfügt, entzieht sich das Lebendige der Vorhersehbarkeit. Seh- und Sichtbarkeit ergibt sich beim Kliniker Bichat ohne mikroskopische Vergrößerung: Gewebe ist hier das, was man unbewehrten Auges sieht.11 Die »Eigenschaften des Lebenden« (propriétés vitales) fasst Bichat in vier Abteilungen: 1. organische Sensibilität und nicht-sensible Kontraktilität (sensibilité organique et contractilité insensible) – Phänomene der kapillaren Blutzirkulation, Sekretion, Absorption, Atmung, Ernährung; 8

Xavier Bichat: Anatomie générale, appliquée a la physiologie et la médecine. Hg. von P.-A. Béclard. Paris: J.-A. Brosson et J.-S. Chaudé 1821, S. 48. Übersetzung SG. Im Original: »La chimie a ses corps simples, qui forment, par les combinaisons diverses dont ils sont susceptibles, les corps composés: tels sont le calorique, la lumière, l’hydrogène, l’oxygène, le carbone, l’azote, le phosphore etc. De même, l’anatomie a ses tissus simples, qui, par leurs combinaisons quatre à quatre, six à six, huit à huit, etc., forment les organes.« 9 Vgl. Bichat, a. a. O., S. 2ff. 10 Vgl. Bichat, a. a. O., S. xx, 19. 11 Vgl. Georg Dohm: Geschichte der Histopathologie. Berlin; Heidelberg; New York: Springer 2001, S. 7f.

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5 Exkurs. Ordnungen des Gewebes: Bichat und Jacquard 2. sensible organische Kontraktilität (contractilité organique sensible) – Verdauung, Blutzirkulation in den großen Gefäßen, Urinexkretion; 3. animalische Sensibilität (sensibilité animale) – die fünf Sinne, Hunger, Durst; 4. animalische Kontraktilität (contractilité animale) – willentliche Bewegung, Stimme.12 Sensibilität und Kontraktilität sind dabei in Bichats Denken für die Physiologie so grundlegend wie die Zusammengehörigkeit (affinité) für die Chemie und wie Elastizität und Gravitation für die Physik. Der entscheidende Unterschied zwischen den seit Lamarck epistemologisch klar zu trennenden organischen und anorganischen Körpern liegt in den »unabhängigen Eigenschaften des Lebens« (propriétés indépendantes de la vie), die der französische Arzt die Eigenschaften des Gewebes (propriétés de tissu) nennt.13 Der Begriff des Lebens bekommt um 1800 eine eigene Logik: Die Bedingung der Körper rückt in ihr Inneres, die Lebewesen bilden sich durch den spontanen Zusammenbau der Bestandteile – also: ihre Selbstorganisation.14 So wird Biologie möglich. Bichat gibt dafür ein schönes Beispiel, gerade in seiner an den élan vital gemahnenden Bestimmung des Lebens als Ensemble der Funktionen, welche dem Tod widerstehen.15 Man mag einwenden, dass sein GewebeKonzept keineswegs etwas mit Netzen zu tun hat. Verblüffenderweise findet nur wenige Jahre später in einem ganz anderen, für die Industrialisierung maßgeblichen, Feld ebenfalls eine Funktionalisierung von Gewebe statt. Jacquards automatisierte Lyoner Webstühle sind kombinatorische, programmierbare Maschinen. Für den Gewebebegriff gilt in diesem Umfeld eine typische Eigenheit von Netzwerken: Grenzen von Belebtem und Unbelebtem können in der his12 Bichat denkt diese Bereiche immer in einer Dialektik gesund-krank und gibt Beispiele für beides. 13 Vgl. Bichat: Anatomie générale, appliquée a la physiologie et la médecine, a. a. O., S. 40. 14 Vgl. Jacob: Die Logik des Lebenden, a. a. O., S. 86. »Leben« kann man durch »Natur« ersetzen. Haüys strukturelle Bestimmung der Kristalle folgt einem vergleichbaren Muster wie Bichats Gewebelehre (und umgekehrt). Zur historischen Analogie zwischen lebenden und kristallinen Strukturen vgl. Jacob, a. a. O., S. 322. 15 »La vie est l’ensemble des fonctions qui resistent à la mort«. Xavier Bichat: Récherches physiologiques sur la vie et la mort. Paris: Brosson, Gabon et Cie 1798, S. 1.

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5.3 Gewebe II: Joseph-Marie Jacquard torischen Schau verfließen – auch da, wo man eigentlich eine harte Differenz konstatieren muss.

5.3 Gewebe II: Joseph-Marie Jacquard Wie die optische Telegrafie der Gebrüder Chappe verdankt sich auch der Jacquard-Webstuhl vielen Vorläufern. Mit einer Steuerung durch Lochkarten hatten bereits Basile Bouchon und Jean Philippe Falcon im Lyon der Jahre 1727 und 1728 erfolgreich experimentiert.16 Jacques de Vaucanson, neben Wolfgang von Kempelen der Automatenbauer des 18. Jahrhunderts, scheiterte 1745 mit seinem Versuch, die aufwändige Mustereinwirkung zu automatisieren. Die Gründe waren weniger technischer, als sozialer Natur: Die Lyoner lehnten seinen Entwurf einer gänzlich ohne Menschen funktionierenden »Hochsprungmaschine« verängstigt ab. Joseph-Marie Jacquard analysiert 1804 das durchaus bekannte Modell von Vaucanson im Pariser Konservatorium der Künste und Gewerbe und lässt sich für den Wettbewerb der Société d’Encouragement pour l’Industrie Nationale von ihm inspirieren. Sein eigenes Design von 1805 profitiert so von vorangegangenen Entwürfen und Innovationen, stößt aber ebenfalls auf den heftigen Widerstand der Arbeiter und Arbeiterinnen. Napoleons Versuch, die Neuerung 1806 per Regierungsdekret durchzusetzen, ist aufgrund des Widerstands der Zünfte nicht unmittelbar erfolgreich. Nachdem englische Textilfabriken mit der Verwendung automatisierter Webstühle beginnen, setzen sie sich auch in ihrem Herkunftsland durch. 1812 existieren allein in Frankreich 18.000 Maschinen. Jacquards Aneignung des Lochkartensystems ist eine der beliebtesten Referenzen der Computergeschichte, gerade im Bezug auf Charles Babbages maschinelle Rechenautomaten. Von Ada 16 Vgl. für die folgende Darstellung und weitere Details Almut Bohnsack: Der Jacquard-Webstuhl. München: Deutsches Museum 1993, S. 31ff.; Birgit Schneider: Bildtexturen. Punkte, Zeilen, Spalten. In: Sabine Flach/Christoph Tholen (Hg.): Kulturforschung. Mimetische Differenzen. Der Spielraum der Medien zwischen Abbildung und Nachbildung. Kassel: Univ. Press 2002, S. 181ff. Im oberösterreichischen Haslach existierte schon um 1690 ein vollautomatischer Musterwebstuhl (»Bröselmaschine«), dessen Steuerung auf Leinenstreifen beruhte, die in unterschiedlichen Abständen mit aufgeklebten Hölzern versehen war. Vgl. Heinz Zemanek: Weltmacht Computer. Weltreich der Information. Esslingen: Bechtle 1991, S. 194.

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5 Exkurs. Ordnungen des Gewebes: Bichat und Jacquard Lovelace’ berühmten Kommentar zur Analytical Engine17 rührt eine eigene Tradition der Verbindung von Weberei und Rechentechnik her. Der übliche Dreischritt Vaucanson – Jacquard – Babbage (hin zu Hollerith) verdeckt aber die durchaus unterschiedlichen Funktionalitäten, den großen zeitlichen Abstand und die zwangsläufigen Kontingenzen: die Ignoranz gegenüber Vaucanson, Jacquards Pariser Aufenthalt von 1804, Babbages nie gebaute analytische Maschine. So verzichtete Vaucanson bei der Hochsprungmaschine auf die bereits eingeführten Lochkarten Falcons und verwendete stattdessen eine mit Vertiefungen versehene auswechselbare Trommel als Muster-Speicher.18 Die projektierte Operationalisierung der analytischen Maschine mit Operationskarten und Variablenkarten19 ist keine reine Weiterentwicklung des Jacquard-Prinzips, sondern folgt anderen Absichten. Es gibt ein stummes Wissen von Apparaten, das nur schwierig zu ergründen ist (Christian Kassung). Im Falle der zum Mythos gewordenen Maschine Jacquards ist dies zum einen deren basale Disfunktionalität – aus/gerechnet in der Lochkartensteuerung. Die reibungslose Befestigung der Lochkarten auf dem Prisma20 verdankt sich einem anderen, vergessenen Lyoner Mechaniker. Jean Antoine Breton beantragt hierfür 1815 ein Patent, welches er 1817 erhält. Breton perfektioniert Litzen- und Lochkartenherstellung.21 Zum an17 »Am treffendsten könne wir sagen, dass die Analytical Engine algebraische Muster webt, gerade so wie der Jacquard-Webstuhl Blätter und Blüten.« Luigi Federico Menabrea/Ada Augusta Lovelace: Grundriss der von Charles Babbage erfunden Analytical Engine. Aus dem Französischen des Luigi Federico Menabrea übersetzt und kommentiert von Ada Augusta Lovelace (1843). In: Bernhard Dotzler (Hg.): Babbages Rechen-Automate. Ausgewählte Schriften. Band VI, Wien; New York: Springer 1996, S. 335. 18 Dies legt eine Verbindung zu den ähnlich funktionierenden Musikautomaten des 18. Jahrhunderts und zur musikalischen Notation nahe. Vgl. Birgit Schneider: Kleider für Automaten. Muster und Karten in der Lochkartenweberei des 18. Jahrhunderts unter spezieller Berücksichtigung des Webstuhls von Vaucanson. In: Technikgeschichte 3 2003, Nr. 70, S. 185ff. 19 Vgl. Menabrea/Lovelace: Grundriss der von Charles Babbages erfunden Analytical Engine, a. a. O., S. 317f. 20 Vom gleichzeitig dem Transport dienenden Prisma wird das Programm der Lochkarte mittels elastisch gelagerten Federn abgelesen. (D in Abbildung 5.1) 21 Vgl. Anne Laure Carré: Célébrations nationales. Sciences et techniques. JosephMarie Charles, dit Jacquard. 2002 URL: http://www.culture.gouv.fr/culture/ actualites/celebrations2002/jacquard.htm, letzter Zugriff am 30.11.2004. Litzen (auch: Latzen) sind Stäbe, die zum Ordnen der vertikalen Kettfäden dienen. Mit ihrer Hilfe wird das sogenannte »Fach« ausgehoben. So wird die Musterbildung durch den horizontalen »durchschossenen« Faden ermöglicht. Eine zentrale Innovation des von Breton vollendeten Jacquard-Prinzips besteht im

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5.3 Gewebe II: Joseph-Marie Jacquard

Abbildung 5.1: Schematische Darstellung eines Jacquard-Webstuhls. Stahlstich, 1879.

deren existiert heute weder eine Zeichnung des ersten Modells von Jacquard noch ein funktionsfähiges Exemplar im Urzustand. Alle vorliegenden Bilder und Beschreibungen (so auch Abbildung 5.1) beziehen jeweils nachfolgende Verbesserungen mit ein.22 einfachen Ausheben des »Fachs« mit nur einem Fußtritt. (durch Betätigung von M in Abbildung 5.1) 22 Mit Dank an Birgit Schneider.

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5 Exkurs. Ordnungen des Gewebes: Bichat und Jacquard

Abbildung 5.2: Netzknüpfmaschine von Jacquard (1804). Stich von 1824.

Es gibt noch einen weiteren Ursprung der Jacquard’schen Kombination von Innovationen. Die Reise nach Paris im Jahr 1804 ist einem vorhergehenden Wettbewerb geschuldet, der nach einer gebrauchstüchtigen Maschine zum automatisierten Knüpfen von Fischernetzen suchte.23 Die von Jacquards Maschine (Abbildung 5.2) hergestellten Netze werden zwar für gut befunden, die technischen Details bleiben der Jury aber unverständlich. Die Vergabe des Preises wird verschoben, der Ausschreibungstext nochmals publiziert. Der Wortlaut ist bezeichnendes Indiz für die sprachübergreifende diskursive Unschärfe aller Netz-Vorstellungen: »Es fehlt der französischen Industrie an einer Sorte von maschinell hergestelltem Gewebe [tissu], die zur Ersetzung der Fischernetze geeignet ist. Die Fabrikation dieses Gewebes [tissu] wird in England bereits praktiziert. Um sie in Frankreich zu etablieren, muss man den Herstellern nur die Vorteile anzeigen. Es gibt bereits einige unter ihnen, die mit Erfolg ein GewebeNetzwerk [tissu-réseau] herstellen, das Spitze imitiert. Diese unendlich feine Arbeit lässt keinen Zweifel daran, dass den schon damit beschäftigten Leuten die Herstellung von Gewebe-Netzen [tissu-filets] nicht leicht gelingen wird. [...]«24 23 Vgl. Emanuel Anthony Posselt: The Jacquard-Machine analyzed and explained. Philadelphia; London: Posselt 1888, Posselt’s Textile Library IV, S. 7/8. 24 Société d’encouragement pour l’Industrie Nationale (Hg.): Bulletin de la Société d’Encouragement pour l’Industrie Nationale. Band 1, Paris: Huzard & Fuchs 1802/1803 No. V, S. 52. (Nivôse, Jahr XI). Übersetzung SG. Im Original: »Il

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5.3 Gewebe II: Joseph-Marie Jacquard Nachdem ein erstes Modell die Jury nicht überzeugt,25 wird Jacquard für eine noch nicht hundertprozentig funktionierende Erweiterung der Preis der Gesellschaft zur Förderung des Gewerbefleißes zuerkannt.26 Moderner Umgang mit Netzen beginnt im Zeichen ihrer Automatisierung. Wenn man damit anfängt, Fischernetze maschinell herzustellen, können auch andere Apparate mit Netz-Attributen versehen werden. Jacquards bis heute erhaltene Maschine27 ist ein erster automatischer Netz-Agent – im Dienst einer industriellen Vervielfältigung. Die derart maschinell gefertigten Netze finden sich als manuelles Zauberwerk getarnt in der romantischen Literatur wieder: In E.T.A. Hoffmanns Kunstmärchen Prinzessin Brambilla von 1820 sind die als Feendamen getarnten Jacquard-Apparate mit nichts anderem beschäftigt, als »Filetnetze« zu machen, die den Protagonisten Giglio in ihre Welt und damit auf eine andere Ebene des literarischen Textes zu ziehen vermögen.28 Was verwoben ist, hat keine Knoten, wird man leichthin sagen. Netze sind elastisch, textile Gewebe müssen hingegen möglichst reißfest sein. Der Gewebebegriff um 1800 lässt sich auch anhand eines Fundes, wie ihn Jacquards Fischernetz-Maschine darstellt, nur bedingt für Geschichten impliziter wie expliziter Netz-Begriffe einholen. Vielmehr verfügen Gewebe wie Netzwerke über eine spezifische eigene Logik, die zwischen Lebendigem und Technologischem oszilliert. Fragen nach dem strukturellen anatomischen Programm des menschlichen Organismus und Probleme der maschinell-programmierten Herstellung von Stoffen stellen sich im gleichen historischen Umfeld. Es geht in beiden Fällen um Regelmäßigkeit und Steuerung, wenn auch mit unterschiedlichen Akzenten.

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manque à l’industrie françoise un genre de tissus faits au métier, propre à remplacer les filets pour la pêche. La fabrication des ces tissus est practiquée en Angleterre, et pour la faire naître en France il ne faut qu’en indiquer les avantages à nos fabricans. Déjà, plusieurs d’entre eux [...] fabriquent avec succès un tissu-réseau imitant la dentelle. Ce travail infiniment délicat ne laisse aucun doute que ceux qui s’en occupent ne puissent aisément réussir à fabriquer des tissus-filets. [...]« Vgl. Société d’encouragement pour l’Industrie Nationale, a. a. O., No. XIII, S. 109/110. (2 Messidor, Jahr XI). Vgl. Société d’encouragement pour l’Industrie Nationale, a. a. O., No. XX, S. 165/166. (Ventose, Jahr XI). Ein Modell befindet sich im Pariser Musée des Arts et Métiers. (Mit Dank an Anne Chanteux und Birgit Schneider) Vgl. Hoffmann: Prinzessin Brambilla, a. a. O., S. 20, 91f., 131.

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5 Exkurs. Ordnungen des Gewebes: Bichat und Jacquard »Gewebe« verfügt hier bereits über Operativitäten, die im 19. und 20. Jahrhundert zur Bedingung gebauter Netze werden. Man muss – und dies ist aus heutiger Perspektive nicht leicht – die Textilmetaphoriken entwirren. Netze werden nicht gewoben, sie werden geknüpft. Anstelle des Obens und Untens der Fäden verfügen sie über Knoten. So man keine Spinne ist, funktionieren Webtechnik und Netztechnik grundlegend verschieden. Nur der ungenaue Blick wird über die Differenz hinweg gehen.

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6 École Polytechnique und Saint-Simonismus 6.1 Vernetzung als Programm: Système de la Méditerranée Das zentrale Dokument des französischen Netzwerk-Denkens um 1830 ist ein großformatiger Artikel mit dem Titel Système de la Méditerranée, der am 12. Februar 1832 in der Zeitung Le Globe erscheint.1 (Abbildung 6.1 und 6.2) Autor ist Michel Chevalier: Bergwerksingenieur, Chefredakteur des Blattes und zukünftiger Professor am Collège de France (1806–1879). Zugleich ist er zentraler Kopf einer neuen religiösen Bewegung, die sich selbst als Saint-Simonismus bezeichnet. Der Globe, im Vorfeld der französischen Julirevolution von 1830 eine von Europas führenden liberalen Zeitschriften, ist unter der Ägide Chevaliers Zentralorgan der saint-simonistischen »Kirche«.2 Von deren Paten, dem Grafen von Saint-Simon und 1

Vgl. Michel Chevalier: Système de la Méditerranée. In: Le Globe. Journal de la réligion saint-simonienne 12. Februar 1832, S. 169–171. 2 Die kurze und wechselvolle Geschichte des von 1825 bis 1832 erscheinenden Journals ist nachzulesen bei: Jean-Jaques Goblot: La jeune France libérale. Paris: Librairie Plon 1995 und Heinz Hamm: Goethe und die französische Zeitschrift Le Globe. Eine Lektüre im Zeichen der Weltliteratur. Weimar: Böhlau 1998. Allgemein gelten, ganz den Lektüregewohnheiten Goethes folgend, die saintsimonistischen Jahre (11. November 1830 bis 20. April 1832) nurmehr als Abgesang eines ehrgeizigen Publikationsprojekts mit (ehemals) europäischem Anspruch. Dabei greift die Zweiteilung in »romantisch-liberale Zeitschrift« (bis zur Julirevolution) und »Sektenjournal« zu kurz. Die Nähe zur École Polytechnique und die Beförderung einer industriellen Gründerzeit ist bereits vorher ein markantes Merkmal des Globe. Das Interesse für Verbindungen und Vernetzungen ist schon in den ersten Jahren präsent: In der Betonung von Internationalität (eingangs stehen zuerst die Auslandsnachrichten), durch die minutiöse Berichterstattung zum Pariser Wissenschaftsbetrieb und die performative Betonung von Bauprojekten in aller Welt. Wie auch die anderen Zeitungen dieser Jahre liest man den Globe vorwiegend in Cafés. Man tut dies nicht allein, sondern steht oftmals zu mehreren um einen Vorleser gruppiert. Zeitungslesen ist öffentliche Angelegenheit – ebenso wie der Inhalt der gedruckten Artikel. Restaurative Royalisten und Liberale versuchen, die Zirkulation von Journalen so gering wie möglich zu halten. Die ungeheure, wirtschaftlich ruinöse Publikationstätigkeit der Saint-Simonisten richtet sich auch gegen ein solches Umfeld. Allein für die Jahre 1830 bis 1832 schätzt man die Zahl der von ihnen unter die Leute gebrachten Druckseiten auf 18 Millionen: Zeitungsfieber! Derlei Kreuzwege der Kommunikation propagieren nicht nur eine neue Religion oder Vernetzungsprogramme, sondern bringen

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6 École Polytechnique und Saint-Simonismus

Abbildung 6.1: Titelblatt der Zeitschrift »Le Globe«, 12. Februar 1832.

seinen Exegeten soll später die Rede sein. Zunächst möchte ich das Programm des Système de la Méditerranée kurz vorstellen und historisch einordnen. Bei dem von Chevalier angekündigten System handelt es sich um nicht weniger als einen verkehrs-, wirtschafts- und weltpolitischen Gesamtentwurf. Die Verbindung von Orient und Okzident, die Chevalier als Schlüsselfrage zur Erhaltung eines dauernden Friedens ansieht, ist hier eine Frage der Verschaltung von Eisenbahn und Schifffahrtswegen. Unter der Überschrift »Der Frieden ist heute die Bedingung der Emanzipation der Völker« wird die Eisenbahn als das perfekteste Symbol der association universelle – einer der Grundformeln des Saint-Simonismus – verherrlicht. Chevalier arrangiert Weltverkehr über die Kontinente hinweg: Spanien, Frankreich, England, Italien, Deutschland, Russland, Asien und Afrika werden in je einem Absatz in ihrer künftig zu bauenden Infrastruktur betrachtet. Neben dem autokratischen Russland ist Deutschland dabei das größte Sorgenkind. Gekennzeichnet durch die Differenzen katholisch/evangelisch und Norden/Mitte soll es im Entwurf des Système das zentrale Bindeglied zum Balkan und zur Türkei werden [sic!]. Knotenpunkt eines »réseau symétrique« wäre dabei Dresden, die »Stadt der Franzosen in Deutschland«. Von »Netz«, frz. réseau ist hier im Gegensatz zu früheren Texten auffällig oft die Rede, angefangen bei den engen Verbindungen zwischen durch Verteilung und Gebrauch selbst veritable Netzeffekte hervor. Besonders nachdrücklich zeigt sich dies in den seitenlangen, detaillierten Sitzungsprotokollen der Julirevolution von 1830. Der Globe ist hier nahezu Amtsblatt einer Revolution, die zur konstitutionellen Monarchie des »Bürgerkönigs« Louis Philippe führt.

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6.1 Vernetzung als Programm: Système de la Méditerranée

Abbildung 6.2: »Système de la Méditerranée« von Maurice Chevalier, 12. Februar 1832.

dem Netz der Banken (réseau immateriel) und dem Netz der Transportlinien (réseau materiel). In Chevaliers Entwurf soll ein Reisender Le Havre am Morgen verlassen, in Paris frühstücken, in Lyon zu Abend essen und am selben Abend in Toulon ein Schiff nach Algier oder Alexandria besteigen können. »Netz« dient dabei einer metaphorischen Verlebendigung. So ist das Gleis von Barcelona nach Lissabon mit all seinen Abzweigungen wie ein »System von Venen und Arterien, von denen das schlafende, seine zerstückelten Glieder wieder verknüpfen wollende Spanien träumt«.3 Die Verkehrsverbindungen des »belebenden Netzes« (réseau vivifiant) werden – dem enthusiastischen Sprachstil der Saint-Simonisten sei’s gedankt – Russland animieren und ihm den Charakter eines erstarrten, im Schnee gefangenen Volkes nehmen. Komplett wird das Netz »erster Ordnung« durch eine Eisenbahnlinie entlang der nordafrikanischen Küste. An das »premier réseau« werden dann perspektivisch alle »réseaux secondaires« angeschlossen. Chevalier beziffert die Kosten seines Systems mit 18 Milliarden Francs. Der Vorschlag zur Finanzierung folgt der pazifistischökonomischen Logik des gesamten Artikels: Für 15 Jahre soll der Unterhalt aller europäischen Armeen (1,5 Mrd. Francs/Jahr) umgewidmet werden. Wenn alle Soldaten in die Industrie gehen, fallen auch die nationalen Beschränkungen: Als Jean Monet avant la lettre lässt Chevalier seinen Entwurf mit der Vision einer conféderation méditerranéene enden. Das Système ist nicht nur Ausdruck der politischen Bewegungen im Umfeld der Julirevolution von 1830 und eines zukunftsorien3

Chevalier: Le Globe. Journal de la réligion saint-simonienne 1832, a. a. O., S. 170.

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6 École Polytechnique und Saint-Simonismus tierten Liberalismus der Industrialisierung. In ihm spiegeln sich vielfältige Bewegungen des Wissens, die zu einem Netzwerk-Bauen im Frankreich des 19. Jahrhunderts geführt haben. Chevalier entwickelt techno-soziale »Vernetzungsenergien«,4 deren historische Bedingungen der Text ob seines Charakters als Programmschrift und Pamphlet nicht benennt. Auf welchen Wissensformen beruht das dezentralisierende saint-simonistische réseau? Nach einer These des Urbanisten André Guillerme leitet sich das vorwiegend von den Saint-Simonisten geprägte Netzwerk-Denken der 1820er und 1830er Jahre aus drei geschichtlichen Strängen her. Erstens: aus dem Umfeld der französischen Militäringenieure, die im 18. Jahrhundert städtische Befestigungen und deren vorgelagerte Bastionen im Umfeld bauen. Zweitens: hervorgehend aus ziviler Ingenieurstätigkeit, vor allem in den Konzeptionen zur Wasserversorgung großer Städte zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Drittens: Aus der Medizin, beginnend mit Harveys Analyse des Blutkreislaufes von 1628 und Malpighis Entdeckung der Kapillaren in der Froschlunge 1661.5 Der Ausgangspunkt für architektonische Formen wie Anatomie ist zumeist die Beschreibung in pflanzlichen Begriffen. »Stamm«, »Ast« und »Zweig« (tronc, branche, rameau) sind die Referenzen von Entwurf und Beschreibung, bevor von Netzen die Rede ist.6 Eine paradigmatische Bewegung »vom Baum zum Netz« lässt sich wiederholt auf mehreren Wissensfeldern beobachten. Bestes Beispiel ist d’Alemberts und Diderots Encyclopédie: Stamm, Ast und Zweig strukturieren den zur Gewinnung von Subskribenten verfassten Prospekt. Das Projekt entwickelt sich im Verlauf aber zu einem gigantischen Vernetzungsunternehmen, das mehr durch Binnenverweise als durch den vorab skizzierten Stammbaum des Wissens gekennzeichnet ist. Entscheidend für die Vorgeschichte(n) des Système de la Méditeranée ist neben der latenten Verbindung zur Epistemologie des 4 5 6

Vgl. Thomas Becker: Mann und Weib – schwarz und weiss: die wissenschaftliche Konstruktion von Geschlecht und Rasse 1650–1900. Frankfurt/Main: Campus 2005, S. 333f. Vgl. William Harvey: Exercitation anatomica de mota cordis et sanguinis in animalibus. Frankfurt/Main 1628; Marcello Malpighi: De pulmonibus. In: Opera omnia: figuris elegantissimis in aes incisis illustrata. Hildesheim: Olms 1975. Vgl. André Guillerme: L’émergence du concept du réseau (1820–1830). In: G. Dupuy (Hg.): Réseaux territoriaux. Caen: Paradigme 1988, S. 33. Vgl. auch Pierre Musso: Télécommunications et philosophie des réseaux. La posterité paradoxale de Saint-Simon. Paris: Presses Universitaires de France 1997, S. 35f.

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6.1 Vernetzung als Programm: Système de la Méditerranée Lebendigen die Entwicklung von Kanalisationstechniken. 1788 schreibt die Pariser Akademie der Wissenschaften einen Preis für die Darlegung der besten Methode des Wassertransports zwischen einzelnen Stadtteilen unter Berücksichtigung verschiedener Geländeformen aus. Der Text des ersten Preisträgers, Gonouin des Luais, ist nicht erhalten. Das anonyme Manuskript des zweiten Preises schlägt eine hierarchische, baumartige Struktur nach Art der cloaca maxima Roms vor, in der jeder Hauptzweig vergleichsweise unabhängig von den anderen Kanälen ist. Ein ähnliches System wird unter Leitung des Ingenieurs Pierre Girard 1812 projektiert. Dazu gehörte als entscheidende Änderung die Planung eines »canal de circonvallation«, einer dezentralisierenden Querverbindung zum Druckausgleich. Gaspard de Prony, Leiter der École des Ponts et Chaussées, hatte bereits 1804 entsprechende Berechnungen angestellt.7 Aus Finanzmangel und Politikversagen wird eine entsprechende Wasserversorgung in Paris allerdings nicht vor 1826/27 realisiert. Bis dahin existieren lediglich einzelne Wasserwerke. Ähnliches gilt für die Londoner Infrastruktur. Die Polytechniciens de Chabrol, Mallet, Genieys und der Direktor der Londoner New-River Company Anderson stellen 1825 fest, dass ringförmige Querverbindungen (Verteilungs- und Verzweigungsröhren) für einen konstanten Wasserdruck auch bei Ausfall anderer Röhren sorgen.8 Das Wort réseau wird – zeitlich parallel zum Mémoire sur la Télégraphie der Chappes – in diesem Kontext erstmals 1829 von Genieys, dem leitenden Ingenieur für Gewässer und Straßen der Direction des Travaux Publics de Paris, verwendet.9

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Vgl. de Prony, Gaspard: Recherches physico-mathématiques sur la théorie des eaux courantes, 1804. Dt. Gaspard Claire François Marie Ride de Prony: Theoretischpraktische Abhandlung über die Leitung des Wassers in Kanälen und Rohrenleitungen. Giessen: Heyer 1810. 8 Diese Notwendigkeit ist vor allem bei der Wasserversorgung der Feuerwehr gegeben. 9 Vgl. Genieys: Recueil de tables pour faciliter et abréger les divers calculs relatifs, 1829. Siehe Guillerme: L’émergence du concept du réseau (1820–1830), a. a. O., S. 44.

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6 École Polytechnique und Saint-Simonismus

6.2 Politische Physiologie der Industrialisierung: Saint-Simon »1801 entfernte ich mich von der École Polytechnique und siedelte mich nahe der medizinischen Hochschule an: Ich trat mit den Physiologen in Austausch.«10 Saint-Simon Rückblende: Wie konnte es dazu kommen, dass sich aus den verstreuten, kaum publizierten Schriften des Grafen Henri de SaintSimon eine sozialrevolutionäre Bewegung entwickelt, die mit dem Système de la Méditerranée Vernetzung zum Programm erhebt? Die dafür von den Saint-Simonisten als Ahnherr verehrte historische Person ist bereits mehrfach in Vergessenheit geraten. Sieht man vom gelegentlichen Aufflackern eines linken Interesses in Ost- und Westdeutschland ab, findet sich die letzte umfassende kulturwissenschaftliche Beschäftigung mit Saint-Simon bei Walter Benjamin. Dessen Passagen-Werk entwirft und ist ein imaginäres Paris des 19. Jahrhunderts. Eine der prominentesten kulturwissenschaftlichen Entdeckungen des »Unbewussten des Kollektivs«11 entzündet sich just an dem Ort, der konstitutiv für das moderne Netz-Denken ist. Der Lebenslauf des Claude-Henry de Rouvroy, Comte de Saint Simon schillert wie ein großer, selbst inszenierter Roman. In vielerlei Hinsicht stellt seine Biografie eine Miniatur der französischen Geschichte zwischen 1860 und 1924 dar. Geboren am 17. Oktober 1760, ist er wie Condorcet und Saint-Just ein Kind der Picardie – der genaue Ort ist unbekannt. Mythisch ist die gern tradierte Herkunft des Hauses: Saint-Simon nimmt für sich selbst in Anspruch, ein Verwandter Karls des Großen zu sein. Mit 17 Jahren tritt er in der Militärdienst ein und zeichnet sich mehrfach im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg aus, vor allem unter dem Oberkommando von George Washington in der entscheidenden Schlacht von Yorktown 1781. Im Rückblick auf sein eigenes Leben lässt er keine Gelegenheit aus, die biografischen Erlebnisse – sei es in Amerika, oder im Verlaufe der Revolution – zu dramatisieren. Seine zunehmende Abscheu vor dem Waffenhandwerk, schreibt er im großen Essay L’Industrie 10 Claude Henri de Saint-Simon: Histoire de ma vie. In: Œuvres de Claude-Henri de Saint-Simon. Band I/1, Paris: éditions anthropos 1966, S. 69. Übersetzung SG. Im Original: »Me m’éloignai en 1801 de l’École Polytechnique, je m’établis près de celle de Médecine: j’entrai en rapport avec les physiologistes.«; 11 Vgl. Sigrid Weigel: Entstellte Ähnlichkeit. Walter Benjamins theoretische Schreibweise. Frankfurt/Main: Fischer 1996, S. 38f.

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6.2 Politische Physiologie der Industrialisierung: Saint-Simon von 1817, ist ihm Anlass für eine Hinwendung zum politischen Denken.12 Die Revolution von 1789 nutzt er für Gewinn bringende Spekulationen mit enteigneten Kirchengütern. Trotz mehrfacher, teils pathetischer Bekenntnisse zur Republik wird sein florierender Handel aufgedeckt. Zu Hochzeiten der Terreur von 1793 und 1794 sitzt der ehemalige Graf deswegen im Gefängnis, stets nur einen Fuß breit von der Guillotine entfernt. Nach Robespierres Sturz arbeitet er weiter an Handelsprojekten: Sein Versuch der Etablierung eines privaten Postdiensts scheitert am staatlichen Monopolanspruch (1797). Als großer Projektemacher kümmert sich Saint-Simon kaum um Buchhaltung und überblickt seine Schulden nicht. Streitereien mit seinen Geschäftspartnern, vor allem dem deutschen Diplomaten Redern, führen zu seinem Rückzug aus der Geschäftswelt. Das ihm verbliebene Geld gibt er mit vollen Händen aus und widmet sich ab 1798 der Wissenschaft. Die wenig erfolgreichen, auf eigene Faust betriebenen Publikationsprojekte13 tragen zur fortwährenden Verarmung bei. Gelegenheitsarbeiten als Drucker und Kopist sind überliefert, sogar eine zeitweilige Existenz als einfacher Bettler. Sein Mémoire sur la science de l’homme veröffentlicht er 1813 aus Geldmangel in Form eigenhändiger Abschriften. Die Restauration bringt für Saint-Simon etwas verbesserte Lebensumstände und publizistische Erfolge14 mit sich. Während Napoleons hunderttägiger Rückkehr wird er durch Vermittlung von Lazare Carnot zum Hilfsbibliothekar an der Bibliothèque de l’Arsenal – um nach Waterloo die Stelle wieder schnell zu verlieren. Erfolg und Ansehen bringt ihm die Herausgabe der Zeitschrift L’Industrie (1816-1818), später eine Reihe von Heften unter dem Titel L’Organisateur (1819/20). »Industrie« wird hier in einem weiten Sinne verstanden, im Sinne der antiken techné: als Weise des Hervorbringens, als produktive Tätigkeit überhaupt. Adam Smiths Unterscheidung in produktive und nicht-produktive Tätigkeiten von 177615 hebt Saint-Simon romantisch auf. Wissen12 Vgl. Claude Henri de Saint-Simon: L’Industrie (Tome I). In: Œuvres de ClaudeHenri de Saint-Simon. Band I/2, Paris: éditions anthropos 1966, S. 148. 13 Darunter die Lettres d’un habitant de Genève à l’humanité (1802), die Einleitung in die wissenschaftlichen Arbeiten des XIX. Jahrhunderts (1807/08) und die ausführlichen Ankündigungen zu einer Nouvelle Encyclopédie. 14 Hierzu gehören das Alexander I. gewidmete und an den Wiener Kongress versandte Buch De la Réorganisation de la Société européene (1814) und Artikel im liberalen Le Censeur. 15 Adam Smith: The Wealth of Nations. Books I-III. London: Penguin 1999, S. 429ff.

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6 École Polytechnique und Saint-Simonismus schaftliche und künstlerische Arbeit gilt ihm ebenso als Produktion. Reüssieren kann Saint-Simon in diesen Jahren vor allem durch seine Sekretäre: Nach dem Historiker Augustin Thierry ist es der spätere Begründer des Positivismus Auguste Comte, durch dessen Hand die Veröffentlichungen des Grafen gehen. Die teils offenen Affronts gegen die Bourbonen-Dynastie, besonders in der großen Parabel in der ersten Lieferung des Organisateur16 sorgen dafür, dass die Geldquellen der Großbourgeoisie erneut versiegen. Das Ende, zwei Jahre nach einem missglückten Selbstmordversuch, ist eine eigene kleine Mythe geworden. Wenige Wochen vor seinem Tod wird er, vermutlich von seinen Anhängern, in eine andere Wohnung transportiert. Die religiöse Wendung im Denken der letzten Lebensjahre geht hier fast nahtlos auf seine Jünger über. Von ihnen stammt auch die Überlieferung des letzten Satzes vom 19. Mai 1825: »Wir führen unsere Aufgabe durch.«17 Als der Graf von Saint-Simon 1825 stirbt,18 hinterlässt er mit seinem utopischen sozio-physiologischen Denken ein Vermächtnis, das vor allem unter den Ingenieuren der École Polytechnique wirksam wird. Saint-Simons Philosophie funktioniert durch eine Form von säkularisiertem Mikro-/Makrokosmos-Modell, dessen Theorie der Zirkulation im sozialen Gemeinschaftskörper drei Flüsse verortet: Wissen, Ansehen/Aufmerksamkeit und Geld. Der Ahnherr des Sozialismus ist darum von Pierre Musso als Vordenker eines als organisch verstandenen Netzes beschrieben worden.19 Mir scheint Saint-Simon, der als an der École Royale de Mezières ausgebildeter Militäringenieur zum wissenschaftlichen, politischen, ökonomischen und letztendlich religiösen Propheten eines »Industrialisme« wird, eher in der älteren Tradition eines zirkulären Denkens in Kreis16 Saint-Simons literarisches Meisterstück spielt zwei Utopien gegeneinander aus: Was wäre, wenn Frankreich seine 50 besten Physiker, Mathematiker, Musiker, Literaten, Techniker, Unternehmer ... auf einmal verliert? Der ungeheure Verlust wäre nicht aufzufangen. Was wäre, wenn Frankreich seine Königsfamilie, Herzöge, Militärs, Geistlichen ... an einem Tag verlöre? Sie sind ersetzbar durch andere. Claude Henri de Saint-Simon: L’Organisateur. In: Œuvres de Claude-Henri de Saint-Simon. Band II/2, Paris: éditions anthropos 1966, S. 17– 24. 17 »Nous tenons notre affaire.«; Walter Benjamin: Das Passagen-Werk. Gesammelte Schriften Band V.1. Hg. von Rolf Tiedemann. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1991, S. 730. 18 Sein Gehirn wird im Anschluss von Joseph Gall nach den Maßgaben von dessen Phrenologie begutachtet. 19 Vgl. Musso: Télécommunications et philosophie des réseaux. La posterité paradoxale de Saint-Simon, a. a. O..

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6.2 Politische Physiologie der Industrialisierung: Saint-Simon läufen zu stehen. Diese ist für ihn selbst unvermindert aktuell: in ihrer industriellen wie thermodynamisch-wissenschaftlichen Neucodierung zu den Hochzeiten der Dampfmaschine. So findet man in den Notizen zur Industrie eine schon bei Hobbes vorkommende klassische Gleichsetzung: Geld ist für den politischen Körper, was Blut für den menschlichen Körper ist.20 In diesem Sinne ist Saint-Simon gleichauf mit der europäischen Romantik: »Etwas das strömt (Wasser, Menschenmengen etc.) scheint selbstbewegt, ohne Anfang und Ende. Im romantischen Subjekt strömen Empfindungen und Erkenntnisse zusammen, werden entweder fixiert oder treten wieder aus. Der Gedanke, der ausgetauscht wird, ist greifbar – und abgenutzt – wie das Geld. Das romantische Modell des Gedankenstromes, in dem die Vorstellung des Sich-Verströmens mitschwingt, sucht derartiger Quantifizierung entgegen zu wirken: alles fließt, der (poetische) Strom kann nicht partikularisiert werden – eine Idee unendlicher Kommunikation. Strömung ist das Gegenbild zu Verdinglichung.«21

Das Wort réseau kommt bei Saint-Simon nicht vor, Musso betont vor allem den Begriff der »capacité«, der im wissenschaftlichen Sinne auf Inhalt, Größe, Fassung (contenance) eines Kanals verwendet werden kann und durchaus an das Vokabular von Shannons mathematischer Theorie der Kommunikation denken lässt. Tatsächlich ist SaintSimon – wie später Alexander von Humboldt und Goethes Faust im zweiten Teil der Tragödie – ein praktischer Philosoph des Kanals. Biografischer Hintergrund sind Aufenthalte in Mexiko (1783), wo er dem Vizekönig vorschlägt, beide Ozeane durch einen Kanal zu verbinden; in Holland (1785) und vor allem in Spanien, wo er 1787 aktiv versucht, Madrid (via Sevilla) mit dem Atlantischen Ozean zu verbinden.22 Die Herkunft des Verständnisses von »capacité« ist zu20 Vgl. Claude Henri de Saint-Simon: L’Industrie (Tome II). In: Œuvres de ClaudeHenri de Saint-Simon. Band II/1, Paris: éditions anthropos 1966, S. 93. Siehe dazu Thomas Hobbes: Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines kirchlichen und bürgerlichen Staates. Hg. von Iring Fetscher. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1994, S. 194. Zu Kreisläufen im 18. und 19. Jahrhundert vgl. Jochen Hörisch: Der Sinn und die Sinne. Frankfurt/Main: Eichborn 2001, S. 214; Sigfried Giedion: Die Herrschaft der Mechanisierung. Frankfurt/Main: Büchergilde Gutenberg 1983, S. 647; Albrecht Koschorke: Körperströme und Schriftverkehr. Mediologie des 18. Jahrhunderts. München: Fink 1999, S. 15ff. 21 Christoph Asendorf: Batterien der Lebenskraft. Zur Geschichte der Dinge und ihrer Wahrnehmung im 19. Jahrhundert. Hg. vom Werkbund-Archiv. Gießen: Anabas 1984, S. 110. 22 Vgl. de Saint-Simon: Histoire de ma vie, a. a. O., S. 64f. Vgl. zudem Martinus Emge: Saint-Simon. Einführung in ein Leben und Werk, eine Schule, Sekte und Wirkungsgeschichte. München; Wien: Oldenbourg 1987, S. 46f.

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6 École Polytechnique und Saint-Simonismus nächst eine doppelte: Zum einen entstammt sie – als Kapazität von Blutgefäßen, wie sie Albrecht Haller 1765 beschrieb – der Anatomie. Zum anderen verweist sie auf die Elektrizität, insbesondere die Apparatur der Leidener Flasche. Mit der zunehmenden Politisierung im Denken Saint-Simons verfügt »capacité« über weitere Aspekte: Als »aptitude« ist sie persönliche »Eignung« und »Fähigkeit« – ähnlich dem Machiavell’schen Begriff der virtú. Zudem bezieht sie sich auf unternehmerische Handelskraft, ist also »Vermögen« im mehrfachen Sinne des Wortes. Das sozialwissenschaftliche Interesse am Grafen von Saint-Simon lässt sich eher an der Konsequenz seines Fortschrittgedankens und an der Ausprägung eines frühen Sozialismus fest machen. Aus kulturwissenschaftlicher Sicht sind aber zuerst dessen Imaginationen vom Gemeinschaftskörper interessant, zumal sie am ehesten die Verbindung zum Netz-Denken der Saint-Simonisten aufscheinen lassen. Schon die erste wissenschaftliche Publikation, die Briefe eines Genfers an seine Zeitgenossen, beginnen sozialphysiologisch: »Meine Freunde, wir bilden einen organischen Körper [nous sommes des corps organisés]; dadurch, dass ich unsere sozialen Beziehungen als physiologische Erscheinungen auffasste, entwickelte ich das Ihnen vorgelegte Projekt und will Ihnen seine Nützlichkeit auf Grund von Betrachtungen beweisen, die ich dem von mir angewendeten System der Verbindung der physiologischen Tatsachen entnehme.«23

Das Mémoire sur la science de l’Homme strebt, ähnlich wie auch Novalis und Schleiermacher wenige Jahre zuvor, nach einer Wiedergeburt des Mittelalters – und damit des Katholizismus. Unter dem Eindruck eines von Kriegen erschütterten Europas verspricht es nichts weniger als die Reorganisation des moralischen, religiösen und politischen Systems.24 Dazu gehört ein offener verbaler Angriff auf alle 23 Claude Henri de Saint-Simon: Lettres d’un habitant de Genève à ses contemporains. In: Œuvres de Claude-Henri de Saint-Simon. Band I/1, Paris: éditions anthropos 1966, S. 40/41. Übersetzung SG. Im Original: »Mes amis, nous sommes des corps organisés; c’est en considérant comme phénomènes physiologiques nos relations sociales que j’ai conçu le projet que je vous présente, et c’est par les considérations puisées dans le système que j’emploie pour lier les faits physiologiques que je vais vous démontrer la bonté du projet que je vous présente.« 24 Vgl. Claude Henri de Saint-Simon: Mémoire sur la science de l’homme. In: Œuvres de Claude-Henri de Saint-Simon. Band V/4, Paris: éditions anthropos 1966, S. 11.

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6.2 Politische Physiologie der Industrialisierung: Saint-Simon europäischen Wissenschaftler, deren Bemühungen die Maschine des Krieges antreiben, anstatt sie zu stoppen. Als Programmschrift zur Bildungsreform schlägt Saint-Simons Text gänzlich andere Neugründungen vor als etwa Wilhelm von Humboldt in Preußen. »Die Organisation der Universitäten«, heißt es bei Saint-Simon, »ist monströs«.25 Stattdessen soll die universitas litterarum vom »Institut« flankiert werden.26 Als Königsdisziplinen dieser neuen Institution – und damit der allgemeinen Wissenschaft vom Menschen – sind Astronomie und Physiologie zu betreiben. Unbelebte (corps bruts) und belebte Körper (corps organisés) sind in ihren Gesetzmäßigkeiten zu erfassen, alles Wissen soll davon ausgehend positiv werden. Dies betrifft auch Philosophie und Politik. Erster Bezugspunkt ist Newtons Physik, die bei Saint-Simon Grundlage einer universellen »allgemeinen Gravitation« ist. Ebenso häufig wie programmatisch ist das Bekenntnis zu englischsprachigen Denkern, neben Newton insbesondere Bacon und Locke. Obwohl deutlich in der Tradition der Enzyklopädisten stehend, geht er durch den Bezug auf Descartes’ Empirismus und Rationalismus teilweise auf Distanz zum aufklärerischen Denken des 18. Jahrhunderts. »Beobachtung« liefert dabei einen Schlüsselbegriff, der die Methode der Physik auf Physiologie und Sozialwissenschaft überträgt. Saint-Simons an Condorcet geschulte Geschichtsphilosophie27 kritisiert den unendlich perfektiblen Fortschrittsgedanken des Esquisse d’un tableau historique des progrès de l’esprit humain von 1794, um ihn selbst neu zu formulieren. Zum ehernen Gesetz der Historie wird so der stetige Wechsel von wissenschaftlichen und politischen Revolutionen. Nach Kopernikus folgt Luther, an Bacon und Galilei schließt sich die englische Glorious Revolution an; Newton, Locke und die Enzyklopädisten bereiten der Französischen Revolution den Boden. Folgerichtig steht nun eine erneute wissenschaftliche Revolution an, deren positiven Geist Saint-Simon als Projektemacher im Feld der epistéme durch das eigene Schreiben performativ heraufbeschwören will. In Bezug auf den Begriff vom Leben heißt es hier ganz heraklitisch: Alles fließt. Die Zirkulation von Flüssigkeiten in Kanälen, Röh25 de Saint-Simon, a. a. O., S. 34. 26 Gedacht ist hier wohl an die Pariser Académie des Arts et Sciences, die unter Napoleon den Titel »Institut des Arts et sciences« trägt. (Mit Dank an Anna Echterhölter) 27 Weitere implizite Bezugspunkte sind Turgot und Rousseau.

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6 École Polytechnique und Saint-Simonismus ren und Kapillaren schafft das Phänomen des Lebens und erhält es aufrecht.28 Saint-Simon bezieht sich vor allem auf den Pariser Arzt Burdin (den er selbst mäzenatisch unterstützte) und die Physiologien Vicq-D’Azyrs, Cabanis’ und Bichats.29 Innerhalb dieses Systems von Aneignungen gilt: Die Intelligenz eines jeden Tieres hängt von seiner Organisation ab. Je komplexer, je organisierter ein Lebewesen, umso intelligenter ist es. Demzufolge steht der Mensch an der Spitze der »Kette der Wesen«. Er tut dies im Denken Saint-Simons vor allem, weil sein Körper und hauptsächlich sein Gehirn das leistungsfähigste retikulare Kanal- und Röhrensystem ausgebildet hat. Der Organisationsgrad bemisst sich an der mit bloßem Auge erkennbaren Kanalisierung eines Lebewesens.30 Die Physio-Logik von Chevaliers Système de la Méditeranée verfährt ganz analog: Je mehr materielle und immaterielle Netzwerke den Kollektivkörper durchziehen, umso lebendiger und leistungsfähiger ist die Menschheit – magische Kanäle. So wundert es auch nicht, dass im Mémoire unter allen anderen Lebewesen ausgerechnet der Biber dem Menschen in der Funktionalität des Körperbaus und der Intelligenz am nächsten kommt. Im Gegensatz zu ihren Konkurrenten Affe und Elefant haben die in Gesellschaft lebenden Biber ihre »positive Intelligenz« nachgewiesen: Durch Kanalbau, was auch sonst?31

28 Vgl. de Saint-Simon, a. a. O., S. 91ff. Die andere große zeitgenössische Definition des Lebendigen – als Effekt von Irritabilität, Kontraktilität und Sensibilität – lässt Saint-Simon ebenso gelten. 29 Zur neuen Art der »Verbindungskunst« als Vernetzung und zum allgemeinen Projekt einer Science de l’homme bei Cabanis vgl. Inge Baxmann: ›Gesellschaftskunst‹. Pierre George Cabanis und die Fusion von Medizin, Ästhetik und Moral. In: Das Laokoon-Paradigma: Zeichenregime im 18. Jahrhundert. Berlin: Akademie-Verlag 2000. 30 Dies folgt der Methodik Bichats, die ohne Mikroskop auskommt. Vgl. dieses Buch, S. 73. 31 Vgl. de Saint-Simon: Mémoire sur la science de l’homme, a. a. O., S. 181.

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6.3 Saint-Simonismus: Technik, Religion, Netzwerke

6.3 Saint-Simonismus: Technik, Religion, Netzwerke »Die Saint-Simonisten: eine Heilsarmée in der Bourgeoisie.«32 Walter Benjamin Saint-Simons 1824er Schrift zum Nouveau Christianisme inauguriert tatsächlich eine neue Kirche: die der Saint-Simonisten.33 Die Anhänger rekrutieren sich zu weiten Teilen aus aufsteigenden und aufgestiegenen Bürgertum, mit einem hohen Anteil jüdischer Sympathisanten.34 »Kirchenväter« der unter den Schülern der École Polytechnique populären Bewegung sind der Ingenieur Barthélemy Prosper Enfantin und Saint-Amand Bazard. Während Enfantin wie Chevalier dem liberalen bis konservativen, einem Primat des Technischen verpflichteten Flügel angehören, sieht sich die Fraktion um Bazard dem Kommunismus und einem Primat des Politischen verpflichtet. An dem daraus resultierenden Konflikt zerbricht die Gemeinschaft 1832; durchgesetzt haben sich dabei mit Enfantin und Chevalier diejenigen Kräfte, welche sozialen Wandel durch Technik vorantreiben wollen: Social engineering, wortwörtlich. Enfantin versucht dabei, das Orient-Okzident-Programm des Système de la Méditerannée materiell umzusetzen. Sein Versuch, den Bau des Suez-Kanals zu beginnen und einen Nil-Staudamm zu errichten (1833–37), endet als Misserfolg. Das Système de la Méditerannée bleibt vor allem das Projekt einer multiplen Vernetzung von Banken, Transportwegen und Nachrichtenübermittlung. Obwohl der optische Telegraf hierin nicht erwähnt wird, ist er doch festes Inventar. Man kann dies aus einer Strophe des poetischen Pendants zum Artikel im Globe, Chevaliers Gedicht Le Temple, ersehen: »Au sommet des minarets le télégraphe agitait des bras et de toutes parts apportait, de bonnes nouvelles au peuple.«35 32 Benjamin: Das Passagen-Werk. Gesammelte Schriften Band V.1, a. a. O., S. 734. 33 Vgl. Claude Henri de Saint-Simon: Nouveau Christianisme. In: Œuvres de Claude-Henri de Saint-Simon. Band III/2, Paris: éditions anthropos 1966. 34 Trotz programmatischer Aussagen zur Rolle des Arbeiterschaft findet die saintsimonistische Melange aus Techno- und Meritokratie (»jeder nach seinen Fähigkeiten, jeder nach seinen Werken«) in den unteren Schichten kaum Anklang. Vgl. Emge: Saint-Simon. Einführung in ein Leben und Werk, eine Schule, Sekte und Wirkungsgeschichte, a. a. O., S. 152f. 35 Michel Chevalier: Le Temple. In: Philippe Régnier (Hg.): Le livre nouveau des

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6 École Polytechnique und Saint-Simonismus Die Verschaltung von konnektiven Netzen zu interkonnektiven Netzwerken,36 wie sie im nahtlosen Wechsel von Eisenbahn zu Schiff bei Chevalier anklingt, formulieren die Ingenieure Lamé, Clapeyron, Stéphane und Eugène Flachat im September 1832 als Programm.37 Dabei klingt die Bestandsaufnahme ähnlich wie bei Chevalier: Es gibt noch keine wirklich ausgebauten Netze, alles verbleibt im Stückwerk. Die großen Flüsse, Kanäle und Eisenbahnverbindungen sollen von nun an als »prémier réseau« fungieren, während die lokalen Verbindungen als Netz zweiter Ordnung die Infrastruktur ausdifferenzieren. Man sollte sich von den hier besprochenen Beispielen eines Netz-Denkens nicht täuschen lassen: Eine allgemeine Karriere macht der Begriff zunächst keineswegs.38 Mit Vorliebe wird er im Rückblick als Beschreibung von bereits gebauten Infrastrukuren verwendet, so z. B. im Falle der französischen Telegraphie durch Ignace Chappe und für die deutsche Eisenbahn durch Friedrich List. Trotz der Verwendung durch Saint-Simonisten wie Chevalier und umfassenden politisch-raumordnerischen Entwürfen von Netzen erster, zweiter und dritter Ordnung ist weitaus häufiger von Systemen der Distribution/Kommunikation oder von Linien die Rede. Von einem Ideal-Netz mit optimal geplanten Knoten, wie es mit utopischem Schwung das Système de la Mediterannée entwirft, kann bei der Eisenbahn nicht die Rede sein. Erst muss eine Linie refinanziert sein, bevor eine neue gebaut wird: Die zahlreichen Bahnhöfe in den europäischen Städten sind heute noch manifester Ausdruck dieser ökonomischen Pressionen. Und doch findet in den 1830er Jahren ein mentalitätsgeschichtlicher Umschwung statt. Nach dem anfänglichen Entwurf eines Saint-Simoniens. Manuscrits d’Émile Barrault, Michel Chevalier, Charles Duveyrier, Prosper Enfantin, Charles Lambert, Léon Simon et Thomas-Ismayl Urbain (1832– 1833). Tusson; Charente: Éditions du Lérot 1991, S. 238. »Auf den Spitzen der Minarette / würde der Telegraf seine Flügel ausbreiten / und brächte aus allen Teilen / gute Neuigkeiten unters Volk.« Übersetzung SG. 36 Vgl. Hartmut Böhme: Netzwerke. Zur Theorie und Geschichte einer Konstruktion. In: Jürgen Barkhoff/Hartmut Böhme/Jeanne Riou (Hg.): Netzwerke. Eine Kulturtechnik der Moderne. Köln: Böhlau 2004, S. 19. 37 Lamé, Clapeyron, Stéphane, Flachat: Vues politiques et pratiques sur les travaux publiques en France, 1832. Siehe dazu Musso: Télécommunications et philosophie des réseaux. La posterité paradoxale de Saint-Simon, a. a. O., S. 196f. 38 Vgl. Georges Ribeill: Au temps de la revolution ferroviaire. L’utopique réseau. In: Réseaux territoriaux. Caen: Paradigme 1988; Yves Machefert-Tassin: Réseaux ferrés d’hier et de demain. In: Traverses 1978, Nr. 13, S. 128/129.

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6.3 Saint-Simonismus: Technik, Religion, Netzwerke Systems der Eisenbahnen redet man auch im zersplitterten Deutschland vom Netz der Schienenverbindungen. Friedrich Lists Artikel im Pfennig-Magazin vom 7. März 1835 trägt noch den Titel »Über Eisenbahnen und das deutsche Eisenbahnsystem.«39 Vier Jahre später spricht ein Artikel über die Eisenbahnen im wirtschaftlich progressiven Belgien explizit vom Eisenbahnnetz.40 Hinter diesen spärlichen Hinweisen steht ein spezifisch moderner Impuls, der von Frankreich ausgeht. Von diesem Moment an stellt sich die Frage nach historischen Vernetzungsenergien41 und Netzeffekten42 neu. Vielleicht ist ja die 1840 vollzogene Einführung des einheitlichen Briefportos in England, die Penny Post Rowland Hills,43 ein Indiz für das Aufkommen neuer, abstrakter Netzoperativitäten?44 In jedem Falle bleibt das Programm der Saint-Simonisten widersprüchlich. Einerseits sind sie, nach einem Wort des Schriftstellers Halévy, die Verkünder eines ganzen Jahrhunderts. Die Weltausstellungen sind Unternehmungen im Geiste Saint-Simons. Andererseits ist Chevaliers Vernetzungs-Entwurf aus den Angriffen auf die saint-simonistische Bewegung entstanden. Diese führen im August 1832 zum Prozess gegen die Sekte und bringen ihn und Enfantin für ein Jahr ins Gefängnis. In den letzten Publikationswochen des Globe versucht Chevalier, mittels zweier Artikel (9. und 11. April 1832) sein Système angesichts der in ganz Europa grassierenden Cholera nochmals zu propagieren. Ein »industrieller Staatsstreich« soll Enteignungen möglich machen, damit die öffentlichen Infrastrukturen – Straßen, Kanäle, Eisenbahnen, Banken – schnellstens geschaffen werden können. Der so entstehende medialisierte Ge39 Vgl. Friedric List: Über Eisenbahnen und das deutsche Eisenbahnsystem. In: Das Pfennig-Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse 7. März 1835, Nr. 101. 40 Vgl. Anonymus: Chronik der Eisenbahnen im Jahre 1838. In: Das PfennigMagazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse 9. Februar 1839, Nr. 306, S. 42. 41 Vgl. Becker: Mann und Weib – schwarz und weiss: die wissenschaftliche Konstruktion von Geschlecht und Rasse 1650–1900, a. a. O., S. 333f. 42 Vgl. Stefan Münker: Ich als Netzeffekt. Zur Konstitution von Identität als Prozess virtueller Selbsterschließung. In: Jürgen Barkhoff/Hartmut Böhme/ Jeanne Riou (Hg.): Netzwerke. Eine Kulturtechnik der Moderne. Köln: Böhlau 2004, S. 335f. 43 Vgl. dazu und zur Veränderung des Post-Begriffs mit dem Weltpostverein Bernhard Siegert: Geschicke der Literatur als Epoche der Post; 1751–1913. Berlin: Brinkmann und Bose 1993, S. 110ff. 44 Die gleiche Frage könnte man für die Einrichtung von Briefkästen im Wien der 1840er Jahre stellen.

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6 École Polytechnique und Saint-Simonismus meinschaftskörper wäre mit Sicherheit unverwundbar der Cholera gegenüber (»sérait certainement invulnérable au choléra«).45 Not lehrt hier nicht beten, wie es Aby Warburg einmal ausgedrückt hat,46 sondern gebiert lautstarke Forderungen nach staatlichem Handeln. Parallel zur Cholera-Epidemie im Paris des Jahres 1932 wird das Netzwerk zum multiplen säkularen Cordon47 der Seuchenabwehr – Vernetzung als Immunisierungsstrategie aus dem Inneren des Gemeinschaftskörpers.

45 Michel Chevalier: Fin du choléra par coup d’état. In: Le Globe. Journal de la religion saint-simonienne 11. April 1832, S. 404. 46 Vgl. Aby Warburg: Schlangenritual. Ein Reisebericht. Berlin: Wagenbach 1996, S. 10. 47 Der Cordon sanitaire ist ein Sperrgürtel bzw. Abwehrriegel gegen das Einschleppen epidemischer Krankheiten. Cordon bedeutet im Französischen ebenfalls Schnur oder Band. Vgl. Olaf Briese: Angst in den Zeiten der Cholera. SeuchenCordon. Berlin: Akademie-Verlag 2003.

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7 Für eine Geschichte der Netze und Netzwerke Wie lässt sich eine Geschichte von Netzen und Netzwerken schreiben, die notwendig verkürzen, ver-ordnen, linearisieren muss? Stellt man die Zusammenhänge, in denen Netze eine Rolle spielen, schlicht nebeneinander, ist noch nichts gewonnen. In diesem Modus verfuhr zumindest die Ausstellung Das Netz. Sinn und Sinnlichkeit vernetzter Systeme (Berlin 2002) – und verlor ob der Multiplizität der Gegenstände den ordnenden Überblick. Man könnte sagen, es entspräche ja dem Sujet, Besuchern und Leserinnen das Herstellen von Zusammenhängen, also mithin deren Vernetzung zu überlassen. Für historiografische Umgänge mit dem Thema Netz/werke wäre dies auch denkbar: »Netz und Natur«, »Netz und Gehirn«, »Verkehrsnetze«, »Telekommunikationsnetze«, »soziale Netzwerke« etc. In jedem Fall stellt sich die Frage nach Unterschieden und Gemeinsamkeiten der verschiedenen Formen von Netzwerk-Wissen, die seit dem 18. Jahrhundert Movens der Moderne geworden sind. Jean-Luc Godard hat in seinen Histoire(s) du cinema einen Weg wählen können, der die Eigenheiten und Möglichkeiten der Kinematografie zur historiografischen Methode erhebt. (Wohlgemerkt, während mit Videoband und nicht mit belichtetem Film gearbeitet wird – also ein fast unmerklicher Sprung über Mediengrenzen.) Anstelle von Zeitschichten zu sprechen, wie dies eine schrift-orientierte akademische Geschichte tut, gibt es bei Godard visuelle und akustische Überblendungen, Überlagerungen und Schnitte. »Une histoire – tous les histoires« ist dabei die rituell wiederkehrende Beschwörungsformel. »Une histoire des réseaux – tous les histoires, tous les réseaux« müsste auch das Motto einer umfassenden Geschichte der Netze in Buchform sein. Michel Serres hat vorgeschlagen, Geschichtserzählung im Modell eines netzförmigen Graphen zu denken. Dies setzt die Erzeugung einer Philosophie der Kommunikation voraus, die ohne Festigkeit und Referenz ist. Erzählungen im Modell eines netzförmigen Graphens betonen weniger die Zellen, welche sich aus den Maschen des Netzes ergeben, 97

7 Für eine Geschichte der Netze und Netzwerke »als vielmehr den gefaserten Raum als solchen, den die Maschen des Netzes ergeben. Anders ausgedrückt, die Aufteilung hat weniger Bedeutung als die Zirkulation auf den Wegen oder Fasern; die Grenzen eines Gebietes sind von geringerem Interesse als die Knotenpunkte, an denen die Linien sich kreuzen, denn nach der These sind die Knotenpunkte nichts anderes als die Gebiete selbst.«1

Ist dies im Medium der Schrift überhaupt möglich? Der in Godards Filmen wiederkehrende Topos – die Schrift als Gegner des Films (und doch als dessen Bedingung) – nun noch einmal als: der lineare Verlauf der Schrift als Gegner des Netzes? Ja, vielleicht. Ein Weg, Netze zu schreiben, könnte Serres’ Philosophie der Kommunikation mit den fragmentarischen Qualitäten von Benjamins Passagen-Werk verbinden. Mit dem Saint-Simonismus steht eine zutiefst widersprüchliche moderne Bewegung am Anfang einer bis heute anhaltenden Entwicklung. Ihr Fortschrittsglauben verdankt sich einer Kombination, um nicht zu sagen: Verschaltung, von Hochtechnologie und religiöser Gemeinschaft. Unsere heutige, säkulare Perspektive verdeckt viel zu leicht solche Zusammenhänge und pflegt gerne einen Denkstil entlang der apparativen Vorgaben eines digitalen Zeitalters. Zugegeben: Eine große Linie der Geschichte von Netzen und Netzwerken ist ohne Zweifel ihre mathematische Formalisierung. Es gibt aber schlicht keinen kalten Blick auf Technik, mit der man selbst umgeht. Aus diesem Grund ist der Begriff Kulturtechnik in Bezug auf Netze vielleicht angebrachter als ein streng operativer Medienbegriff (der gleichwohl physikalisch-nachrichtentechnische Bedingungen der Netze festzuhalten vermag). Einen Mittelweg bietet Joseph Vogls Ausdruck des »Medien-Werdens«: ein poietischer Medien-Begriff, der das erfasst, was immer nur als Prozess gedacht werden kann. Netzwerke werden als solche verstanden, bevor sie mathematisch-formal erzeugt und behandelt werden. Moderne Netz-Verständnisse etablieren sich noch vor der rasanten Elektrifizierung des 19. Jahrhunderts.2 Da deren Einfluss noch heute spürbar ist, muss 1 Michel Serres: Hermes II. Interferenz. Berlin: Merve 1992, S. 13. 2 Die Wissenschaftsgeschichte der elektrischen Netzwerke führt just an den Ort zurück, der Anlass erster graphentheoretischer Überlegungen Eulers war (vgl. S. 27). Gustav Kirchhoffs Königsberger Forschungen der 1840er Jahre sind der Auftakt zur mathematisch-regelhaften Vernetzung von und durch Schaltkreise.

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7 Für eine Geschichte der Netze und Netzwerke man historische Semantiken über das 18. und 19. Jahrhundert hinaus verfolgen. Es geht also um eine mentalitätsgeschichtliche longue durée, welche über und unter den epistemologisch-apparativen Brüchen geschichtete Kontinuitäten benennt. Aus dem Quellenmaterial dieses Buches, also aus Medizingeschichte [Gewebe, Hirnphysiologie, Blutzirkulation], Naturgeschichte/Biologie [Ordnung der Natur, Ordnung des Wissens, Netz-Rhetorik, Kristallstrukturen], Kanalisationstechnik, Eisenbahnbau, telegrafischen Infrastrukturen und techno-sozialen Utopien wie dem Saint-Simonismus bildet sich im Ende ein um 1830 datierbares, nicht-kausales Netzwerk von Zusammenhängen. Im Angesicht der elektrischen Augenblicksverknüpfungen des 20. Jahrhunderts, der gegenwärtig allgegenwärtigen Rede von sozialen Netzstrukturen sind derlei Anfänge durchaus verschüttet worden. Die markanten Eigenschaften heutiger Netzwerk-Diskurse sind hier aber schon angelegt, insbesondere die übergreifende Korrespondenz von »Natur« und »Kultur«. Ähnliches gilt für die Bewegung vom »System« zum »Netz«, welche auch die heutige Theoriebildung kennzeichnet.3 Wer verstehen will, wie das kulturelle Symbol Netz zum Bindemittel moderner Gesellschaften werden konnte, muss den historischen Rückgriff zumindest versuchen. Bei Walter Benjamin heißt es einmal, dass jede Epoche nicht nur die ihr folgende träumt, sondern träumend auf ihr Erwachen hindrängt. Sie trägt ihr Ende bereits in sich und entfaltet es mit hegelianischer List.4 Vernetzungen, so scheint es jedenfalls am Anfang des 21. Jahrhunderts, kennen kein Ende. Während die ebenfalls inflationäre Rede von der Beschleunigung mittlerweile ihr dialektisches Gegenüber als »Entschleunigung« kennt, während globalisierende Enträumlichungen neue Verräumlichungen schaffen, sind Entnetzungen schwer zu denken.5 Epoché, im griechischen 3

Dass dies auch die Informatik als Fluchtpunkt aller heutigen Netz-Praktiken betreffen kann, hat Heidi Schelhowe mehrfach gezeigt. Vgl. die Bemerkungen zu Petri-Netzen in Heidi Schelhowe: Produktionsmaschine oder Kommunikationsmedium? Carl Adam Petri und sein Vorschlag für eine einheitliche Theorie der Computertechnologie. In: Hans-Dieter Hellige (Hg.): Geschichten der Informatik. Visionen, Paradigmen, Leitmotive. Berlin; New York: Springer 2004. 4 Paris, die Hauptstadt des XIX. Jahrhunderts, In: Walter Benjamin: Das PassagenWerk. Gesammelte Schriften Band V.2. Hg. von Rolf Tiedemann. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1991, S. 59. 5 Ansätze dazu finden sich am ehesten in der Wirtschaftswissenschaft, die auf ein materielles Denken von historischen Ver- und Entflechtungen angewiesen ist.

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7 Für eine Geschichte der Netze und Netzwerke Sinne des Wortes, also: reflexive Zurückhaltung, ist geboten. Auch »alle Geschichten aller Netze« können nicht anders, als ihr Ziel zu verfehlen. Vielleicht ist aber nur so noch Historiografie möglich: als fortwährende Verfehlung einer im Darstellen hergestellten Erkenntnis.

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Abbildungsverzeichnis 2.1 2.2 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 4.1 4.2 4.3 4.4

4.5 5.1 5.2 6.1 6.2

Illustration zu den »Sieben Brücken von Königsberg«, 1736. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Netzwerktopologien in der Informatik, 2004. . . . . . Tableau zu Cuviers »Histoire naturelle des poissons«, 1828. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeichnung zu Donatis Fischernetz-Konstruktionen, 1758. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karte zu Buffons »Le chien avec ses varietés«, 1755. . Bernardin de Saint-Pierre, »Idée d’un ordre spherique«, 1773. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Johann Hermann, »Tabula affinitatum animalium«, 1783 (Ausschnitt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . August Batsch, »Tabula affinitatum regni vegetabilis«, 1802. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Illustration zur »Monographie de la famille des Anonacées«, Kupferstich von E. Moquin, 1817. . . . . . . . Telegrafennetz Frankreichs, 1830–40. . . . . . . . . . . Illustration aus Bertuchs »Bilderbuch zum Nutzen und Vergnügen der Jugend«, 1806. . . . . . . . . . . . Vorschlag für einen französischen Telegrafen mit Zeichengebung in Baumstruktur, um 1800. . . . . . . . . Redner mit langen Armen, den Geheimnissen einer Wissenschaft vom Telegrafieren auf der Spur; angesichts der vielen Signale stößt seine Beredtheit auf Grenzen. Karikatur von Honoré Daumier, um 1840. . Gaspard Monges Telegraf. Kupferstich, 1824. . . . . . Schematische Darstellung eines Jacquard-Webstuhls. Stahlstich, 1879. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Netzknüpfmaschine von Jacquard (1804). Stich von 1824. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titelblatt der Zeitschrift »Le Globe«, 12. Februar 1832. »Système de la Méditerranée« von Maurice Chevalier, 12. Februar 1832. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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28 30 34 38 40 47 48 50 51 58 59 62

64 68 77 78 82 83

Abbildungsverzeichnis Titelbild: Marcel Duchamp: Réseaux de stoppages, Öl auf Leinc Succession Marcel Duchamp / VG Bild-Kunst, Bonn wand, 1914.  2006. Abb. 2.1 entnommen aus Leonhard Euler: Das Königsberger Brückenproblem. In: Theorie der endlichen und unendlichen Graphen. Kombinatorische Topologie der Streckenkomplexe. Leipzig: BSB Teubner 1986, Teubner-Archiv zur Mathematik 6; Abb. 2.2: Adaption von http://upload.wikimedia.org/wikipedia/en/6/6a/Nettopoc.png (GPL); Abb. 3.1 entnommen aus Georges Cuvier: Histoire naturelle des poissons. Band 1, Paris 1828; Abb. 3.2 entnommen aus Vitaliano Donati: Essai sur l’histoire naturelle de la mer Adriatique, La Haye: c Staatsbibliothek zu Berlin \bpk 2006; Abb. De Hondt 1758 –  3.4 entnommen aus Johanne(s) Hermann: Tabula Affinitatum Anic Staatsbibliothek zu Berlin malium. Argentorati: Treuttel 1783 –  \bpk 2006; Abb. 3.3./3.5/3.6/3.7 entnommen aus Giulio Barsanti: La scala, la mappa, l’albero. Immagini e classificazioni della natura fra Sei e Ottocento. Florenz: Sansoni Editore 1992; Abb 4.1 entnommen aus Volker Aschoff: Geschichte der Nachrichtentechnik, Band 1, Berlin: Springer 1989; Abb. 4.2/4.3/4.4/4.5 entnommen aus Klaus Beyrer/Birgit-Susann Mathis (Hg.): So weit das Auge reicht: die Geschichte der optischen Telegrafie. Karlsruhe: Braun 1995; Abb. 5.1 entnommen aus Almut Bohnsack: Der Jacquard-Webstuhl. München: Deutsches Museum 1993, Abb. 5.2 entnommen aus Description des machines et procédés consignés dans les brevets d’invention, de perfecc Herzogin Annationnement et d’importation, Tome VIII, 1824 –  Amalia-Bibliothek / Klassik Stiftung Weimar 2006; Abb. 6.1/6.2. entnommen aus Le Globe, 12. Februar 1832. Die Bilder sind in ihrer Materialität belassen worden. Retuschen wurden nur vereinzelt vorgenommen, um eine angemessene Druckqualität zu gewährleisten.

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Die Neuerscheinungen dieser Reihe: Ralf Adelmann, Jan-Otmar Hesse, Judith Keilbach, Markus Stauff, Matthias Thiele (Hg.) Ökonomien des Medialen Tausch, Wert und Zirkulation in den Medien- und Kulturwissenschaften

Jens Schröter, Gregor Schwering, Urs Stäheli (Hg.) Media Marx Ein Handbuch

Juni 2006, ca. 300 Seiten, kart., 19,80 €, ISBN: 3-89942-499-9

Michael Leicht Wie Katie Tingle sich weigerte, ordentlich zu posieren und Walker Evans darüber nicht grollte Eine kritische Bildbetrachtung sozialdokumentarischer Fotografie

Annett Zinsmeister (Hg.) welt[stadt]raum mediale inszenierungen Juni 2006, ca. 130 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 16,80 €, ISBN: 3-89942-419-0

Simone Dietz, Timo Skrandies (Hg.) Mediale Markierungen Studien zur Anatomie medienkultureller Praktiken Juni 2006, 270 Seiten, kart., ca. 26,80 €, ISBN: 3-89942-482-4

Helga Lutz, Jan-Friedrich Mißfelder, Tilo Renz (Hg.) Äpfel und Birnen Illegitimes Vergleichen in den Kulturwissenschaften Juni 2006, ca. 250 Seiten, kart., ca. 26,80 €, ISBN: 3-89942-498-0

Barbara Becker, Josef Wehner (Hg.) Kulturindustrie reviewed Ansätze zur kritischen Reflexion der Mediengesellschaft Mai 2006, ca. 250 Seiten, kart., ca. 26,80 €, ISBN: 3-89942-430-1

Mai 2006, 408 Seiten, kart., ca. 29,80 €, ISBN: 3-89942-481-6

Mai 2006, ca. 180 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 22,80 €, ISBN: 3-89942-436-0

Birgit Käufer Die Obsession der Puppe in der Fotografie Hans Bellmer, Pierre Molinier, Cindy Sherman Mai 2006, 230 Seiten, kart., 26,80 €, ISBN: 3-89942-501-4

Markus Fellner »psycho movie« Zur Konstruktion psychischer Störung im Spielfilm Mai 2006, ca. 500 Seiten, kart., ca. 29,80 €, ISBN: 3-89942-471-9

Petra Gropp Szenen der Schrift Medienästhetische Reflexionen in der literarischen Avantgarde nach 1945 Mai 2006, ca. 420 Seiten, kart., ca. 32,80 €, ISBN: 3-89942-404-2

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Die Neuerscheinungen dieser Reihe: Heide Volkening Am Rand der Autobiographie Ghostwriting – Signatur – Geschlecht

Volker Pantenburg Film als Theorie Bildforschung bei Harun Farocki und Jean-Luc Godard

April 2006, 262 Seiten, kart., 27,80 €, ISBN: 3-89942-375-5

März 2006, 324 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN: 3-89942-440-9

Achim Geisenhanslüke, Christian Steltz (Hg.) Unfinished Business Quentin Tarantinos »Kill Bill« und die offenen Rechnungen der Kulturwissenschaften

Annette Runte Über die Grenze Zur Kulturpoetik der Geschlechter in Literatur und Kunst

April 2006, 188 Seiten, kart., 24,80 €, ISBN: 3-89942-437-9

Sebastian Gießmann Netze und Netzwerke Archäologie einer Kulturtechnik, 1740–1840 April 2006, 118 Seiten, kart., 13,80 €, ISBN: 3-89942-438-7

Meike Becker-Adden Nahtstellen Strukturelle Analogien der »Kreisleriana« von E.T.A. Hoffmann und Robert Schumann März 2006, 288 Seiten, kart., 28,80 €, ISBN: 3-89942-472-7

Martin Heller, Lutz Liffers, Ulrike Osten Bremer Weltspiel Stadt und Kultur. Ein Modell März 2006, 248 Seiten, geb., durchgängig farbig mit zahlr. Abb., 22,80 €, ISBN: 3-89942-485-9

März 2006, 384 Seiten, kart., 28,80 €, ISBN: 3-89942-422-0

Jürgen Straub, Doris Weidemann, Carlos Kölbl, Barbara Zielke (eds.) Pursuit of Meaning Advances in Cultural and Cross-Cultural Psychology März 2006, 518 Seiten, kart., 32,80 €, ISBN: 3-89942-234-1

Peter Glotz, Stefan Bertschi, Chris Locke (Hg.) Daumenkultur Das Mobiltelefon in der Gesellschaft März 2006, 348 Seiten, kart., 28,80 €, ISBN: 3-89942-473-5

Andi Schoon Die Ordnung der Klänge Das Wechselspiel der Künste vom Bauhaus zum Black Mountain College März 2006, 216 Seiten, kart., 25,80 €, ISBN: 3-89942-450-6

Leseproben und weitere Informationen finden Sie unter: www.transcript-verlag.de

Die Neuerscheinungen dieser Reihe: Arne Höcker, Jeannie Moser, Philippe Weber (Hg.) Wissen. Erzählen. Narrative der Humanwissenschaften März 2006, 226 Seiten, kart., 25,80 €, ISBN: 3-89942-446-8

Bernard Robben Der Computer als Medium Eine transdisziplinäre Theorie Januar 2006, 316 Seiten, kart., 28,80 €, ISBN: 3-89942-429-8

Sibylle Peters, Martin Jörg Schäfer (Hg.) »Intellektuelle Anschauung« Figurationen von Evidenz zwischen Kunst und Wissen

Christina Bartz, Jens Ruchatz (Hg.) Mit Telemann durch die deutsche Fernsehgeschichte Kommentare und Glossen des Fernsehkritikers Martin Morlock

März 2006, 362 Seiten, kart., 30,80 €, ISBN: 3-89942-354-2

Januar 2006, 260 Seiten, kart., 26,80 €, ISBN: 3-89942-327-5

Ulf Schmidt Platons Schauspiel der Ideen Das »geistige Auge« im Medien-Streit zwischen Schrift und Theater Februar 2006, 446 Seiten, kart., 32,80 €, ISBN: 3-89942-461-1

Heike Piehler (Hg.) Weißes Rauschen 1. Ästhetik-Festival der Universität Bielefeld. Eine Dokumentation Januar 2006, 110 Seiten, kart., zahlr. farb. Abb., 15,80 €, ISBN: 3-89942-462-X

Andreas Jahn-Sudmann Der Widerspenstigen Zähmung? Zur Politik der Repräsentation im gegenwärtigen US-amerikanischen Independent-Film Januar 2006, 400 Seiten, kart., zahlr. Abb., 31,80 €, ISBN: 3-89942-401-8

Leseproben und weitere Informationen finden Sie unter: www.transcript-verlag.de