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German Pages 15 [20] Year 1927
Sitzungsberichte der
Heidelberger Akademie der Wissenschaften Stiftung Heinrich Iianz
Mathematisch - naturwissenschaftliche Klasse *) Jahrgang 1921 erschien im Veriage von Carl Winters buchhandlung in Heidelberg.
Universitäts-
Im Verlag von Walter de Gruyter & Co. vormals G. J. Göschen1 sehe Verlagshandlung — J. Guttemtag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J. Trübner — Veit & Comp., Berlin erschienen: A b t e i l u n g A.
Mathematisch - physikalische Wissenschaften. J a h r g a n g 1922.
1.
PERRON,
OSKAR.
nach Polynomen. 2.
3.
Neue Summationsmethoden Reichsmark 0-30
und
Entwicklungen
PERRON, OSKAR. Über transzendente Funktionen auf RiEMANNSchen Flächen. Reichsmark 0 6 0 3ALDUS, R I C H A R D .
Uber die singulären Punkte reeller Parameterkurven.
Reichsmark 0"50 J a h r g a n g 1923. W. Mitteleuropäische Meeresströmungen der Vorzeit. Reichsmark 0'60 2 . LIEBMANN, HEINHIGH. Die LIE'sche Cyklide und die Inversionskrümmung. Reichsmark 0'40 3 . PERRON, O S K A R . Über Gleichungen ohne Affekt. Reichsmark 0 4 0 4 . LIEBMANN, HEINRICH. Beiträge zur Inversionsgeometrie I I I . Reichsmark 0 * 4 0 5. KRATZERT, J. Beitrag zur Kenntnis des Andesins von Bodenmais. Reichsmark 0'50 Jahrgang 1924. 1. T H . GURTIUS und A . B E R T H O . Einwirkung von Stickstoffkohlenoxyd und von Stickwasserstoffsäure unter Druck auf aromatische Kohlenwasserstoffe. Reichsmark 0'50 2 . LIEBMANN, H E I N R I C H . Umkehrung des Variationsproblems der ebenen Affingeometrie. Reichsmark 0 - 60 3 . SALOMON, W I L H E L M . Die Intensitäten alluvialer und diluvialer geologischer Vorgänge und ihre Einwirkung auf die plioeäne Rumpffläche des Kraichg ues und Odenwaldes. Reichsmark 1*20 4. H E F F I E R , L. Zur absoluten Geometrie. Reichsmark 0 6 0 5 . VAN W E R V E K E , L. Über die Entstehung der lothringischen Lehme und des mittelrheinischen Lößes. Reichsmark l - 5 0 1.
DEECKE,
¡ForUdzung
siehe 3.
Umtchlatnette.J
*) Bestellungen auf solcbe Veröffentlichungen der math.-naturw. Klasse, welche früher im Verlag von Carl Winters Universitätsbuchhandlung in Heidelberg erschienen sind, nimmt auch der VeTlag Walter de Gruyter & Co., Berlin, entgegen.
Sitzungsberichte der H e i d e l b e r g e r Akademie der Wissenschaften Stiftung Heinrich. L a n z Mathematisch- naturwissenschaftliche =
Klasse
J a h r g a n g 1927. 6. A b h a n d l u n g .
—
Naturwissenschaftliche Ästhetik Von
Adolf Mayer in Heidelberg.
Vorgelegt in der Sitzung vom 26. Februar 1927
Berlin
und
Leipzig
1927
W a l t e r d e G r u y t e r & Co. v o r m a l s G. J. G ö s c h e n ' s c h e V e r l a g s h a n d l u n g / J. G u t t e n t a g , V e r l a g s b u c h h a n d l u n g / G e o r g R e i m e r / K a r l J. T r ü b n e r / V e i t & Comp.
Naturwissenschaftliche Ästhetik. Die Ästhetik wird zur Zeit noch ganz den Geisteswissenschaften zugerechnet, und das würde sie auch wohl bleiben, wenn man, wie häufig geschieht, diese Wissenschaften mit der Kulturwissenschaft als ein und dasselbe erklärt. Die Naturwissenschaft würde dann keinen Anteil an ihr haben; denn Kultur scheint der Natur überall entgegengesetzt und somit ein Schnitt zwischen den beiden wohl angebracht, während doch vom Geistigen zum Körperlichen die Scheidung recht flüssig geworden ist. Aber man kann doch auch die Kultur als Natur auffassen, als eine höhere oder spätere Stufe derselben, und dann wird es wieder einleuchtend, daß ein Weg von der einen zur andern führen muß und mithin auch von den Wissenschaften, die sich mit diesen Gegenständen beschäftigen. Und wirklich, in der Praxis gibt es Beispiele genug dafür, daß es hier Brücken gibt, und ein Naserümpfen über derlei Versuche ist nicht mehr am Platze. Schon methodologisch haben die Geisteswissenschaften von den Naturwissenschaften sehr viel zu lernen und haben auch von ihnen gelernt, da diese, sich mit einfacheren Problemen beschäftigend, sich in ihren Realtaten selber korrigierend, eher in der Lage waren, gute Wege der Erkenntnis aufzuspüren und so in der Lage waren, als Vorbild eines geregelten Fortschreitens zu dienen. So hat die Volkswirtschaftslehre, die Soziologie, die vergleichende Sprachforschimg schon vielfach naturwissenschaftliche Methoden angewendet, und selbst in der Psychologie hat sich eine ganz neue Richtung von dieser Grundlage aus gebildet. Fleißig experimentiert nach naturwissenschaftlichem Muster wurde auf diesen Gebieten, oder, wo das Experiment (wegen der Kostbarkeit oder Heiligkeit des Materials) versagte, die logisch verwandte Methode der Statistik entlehnt, anstatt daß man, wie dies vor der Zeit der Berührung mit den Naturwissenschaften der Fall war, meist aus vermeintlich feststehenden Axiomen deduzierte und sogar — überheblich genug — die (aus dieser Perspektive gesehen) am Boden der Erfahrung kriechende Naturwissenschaft zu meistern suchte. Also mag wohl die Frage gestellt werden, ob es nicht auch in der Wissenschaft der schönen Künste Dinge gibt, die vom naturwissenschaftlichen Gesichtspunkte aus zu erfassen sind und auf diese Weise 1*
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ADOLF MAYER:
ein wenig mehr Klarheit bringen in ein Gebiet, auf dem bisher allerdings viel gedacht und noch viel mehr geredet worden ist, weil es einem Gebiet gilt, das der gesamten Menschheit mit ihrer Kultivierung je länger je mehr am Herzen liegt, und auf welchem gerade, weil es einer Herzenssache gilt, noch viel mehr gefühlt als eigentlich nach einigermaßen feststehenden Grundsätzen nachgedacht wiid. Es gibt freilich noch andere Gründe, die eine Teilnahme der naturwissenschaftlichen Behandlungsweise an der Klarlegung der Welt des Schönen nachgerade mehr empfehlenswert erscheinen lassen. Solche habe ich a. a. 0. klarzulegen versucht.1) Zu einer Einleitung zu dem, was ich hier vorzubringen habe, wird aber, denke ich, das Gesagte genügen. Überzeugender als Gründe übrigens werden hier wohl Beispiele sein, wie u. a. sich einer der größten Naturforscher auch an die hier berührten Dinge heranzumachen nicht verschmähte. Ich meine HELMHOLTZ mit seiner Theorie der Tonempfindungen, mit einem Werk, das ich sogar in der Bücherei von ausübenden Musikern vorgefunden zu haben mich erinnere, und mit seinen zahlreichen Versuchen ähnlicher Art in bezug auf die Raumkünste, Malerei und Plastik in seinen viel gelesenen populären Vorträgen und Aufsätzen. Auch von mehreren namhaften Anatomen neuester Zeit, BRAUS U. a., wären ähnliche Beispiele aufzuführen. Auch V. G O L D S C H M I D T von der hiesigen Hochschule ist ja mit Ähnlichem beschäftigt. Ich gedenke also im folgenden nur ganz kurz einige Sätze aufzustellen, zu denen ich auf dem angedeuteten Wege gelangt bin oder gelangt zu sein glaube, ebenso kurz die Beweisgründe derselben anzudeuten und im übrigen auf meine Veröffentlichungen zu weisen, in denen eine ausführliche Darlegung meiner Beweisgründe dargelegt ist, und wo diese von etwaigen Belangstellenden nachgesehen werden können. Zuerst auf dem Gebiete der Raumkunst. 1. Momentphotographien sind schlechte B e r a t e r für die bildenden K ü n s t e . Sie können wohl künstlerisch verwendet werden im Film, wo viele Aufnahmen zu einem fortlaufenden Ganzen verschmelzen, wodurch die Illusion der Bewegung hervorgerufen wird, aber nicht einzeln, und nicht die Einzelphotos, die untef Umständen ganz verkehrte Eindrücke geben. Und zwar deshalb, weil nicht jede kleine Einzelsitüation sich dem Gedächtnis einprägt und als Wirklichkeit empfunden wird, sondern nur die mehr dauernden Situationen. Beispiel die Wanduhr mit Perpendikel, die nie mit senkrechtem Stand dieses abgebildet werden darf, wenn sie als „gehend" dargestellt werden soll, *) M. DESSOIB: Zschr. f. Ästh. u. allg. Kunstwissenach. VI, 612.
Naturwissenschaftliche Ästhetik.
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obwohl dieser Stand vorübergehend in Wahrheit häufiger ist wie jeder andere. Er ist es aber zu kurz, um im Gedächtnis zu bleiben. Es handelt sich also hierbei um die einfachste Grundfrage des sogenannten I m p r e s s i o n i s m u s . Daher z. B. Pferde im Laufe mit grätschenden Beinen dargestellt werden, auch wenn diese Stellung in Wirklichkeit nicht vorkommt. Siehe Neue Heidelb. Jahrb. 1909 S. 100 und Preuß. Jahrb. 1910, 140. Ein Aufsatz: K u n s t im K i n o von meiner Hand ist noch ungedruckt. 2. Selb st porträts können den Beschauer n i e m a l s n a t ü r l i c h a n s c h a u e n , sondern haben wegen ihrer parallelen Augenstellung stets den Blick in die Ferne gerichtet. Darum, weil der Künstler das Spiegelbild malt, das in allen Dingen der Wirklichkeit gleicht, nur nicht in bezug auf die Augenstellung. Denn wenn der Maler das rechte Auge malt, sind beide Augen auf das rechte gerichtet, also auch das rechte. Wenn er das linke malt, auch das linke auf dieses. Folglich konvergieren nicht beide Augen, wie sie in Wirklichkeit bei Normalsichtigen tun auf einen Punkt, sondern sind parallel gerichtet. Sie starren in die Ferne, haben etwas Träumerisches. Preuß. Jahrb. ebd. 140 S. 506. 3. Es ist kein V o r t e i l für den Maler, m i t zwei Augen zu sehen, sondern eher ein Nachteil. Grund, weil er sein Werk auf die Fläche projiziert, auf die er nicht gleichzeitig die Bilder zweier Augen bringen kann. Es gibt in der Praxis mehrere Beispiele von guten Malern, die nur ein gutes Auge hatten (Lenbach, S c h ö n l e b e r ) ebd. S. 50f. 4. Auch sind daselbst die Gründe klargelegt, warum B i l d n i s s e dem B e s c h a u e r m i t den Augen zu f o l g e n s c h e i n e n , ob dieser seine Stellung auch nach Willkür ändert. Siehe auch Heidelb. Jahrb. 1909 S. 95. 5. Die Kunst des breiten Pinsels und des Pointillierens beruht auf der Mischung nahe aneinander grenzender, verschieden gefärbter Flächen auf der Netzhaut, wodurch größere Farbenfrische erreicht wird als durch substantielle Farbenmischung. Der Nachteil ist aber, daß diese Kunst nur bei gewissen Entfernungen, die nicht jedem Auge zugänglich, ihre Wirkung tut. 6. Das Gefühl der F a r b e n h a r m o n i e beruht zum großen oder größten Teil auf der E r f a h r u n g , nämlich der organischen Zusammengehörigkeit in der lebenden Welt. So werden verschiedene Sättigungsgrade derselben Farbe auch an menschlichen Kostümen harmonisch empfunden, weil ähnliche Zusammenstellungen auch am Haarkleide der
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Adolf Mayer:
Tiere, am Federkleide der Vögel aus naheliegenden Gründen die Regel sind. Wird die Erfahrung erweitert, wie im bunten Italien oder gar auf Neu-Guinea, so findet auch der Geschmack weitere Grenzen zulässig. Farben, die zu krankhaften Zuständen, zum Welken und Altern und zum Schmutze in Beziehung stehen, werden auch dieser Erfahrung wegen als unschön empfunden, und die Empfindung steht in Abhängigkeit zur abgeänderten Erfahrung, beruht also auf Urteil. Dies alles ganz unbeschadet der rein optischen Farbenharmonien und Diskrepanzen, die auf w o h l t ä t i g e Abwechslung angestrengter Sehnerven oder deren Gegenteil beruhen. Preuß. Jahrb. 1909, 138, S. 460 und 64 und Himmel und Erde 22, S. 275. Komplementäre Farben (namentlich in voller Beleuchtung oder Sättigung) tun einander immer weh, weil sie sich beim Betrachten steigern bis zum Augenschmerzen. Ein mäßiger Abstand im Farbenkreise wird erfahrungsgemäß am angenehmsten empfunden. 7. Ähnlich wie mit der Farbenharmonie verhält es sich auch mit der schönen L i n i e , deren aesthetischer Wert auch großenteils auf der Erfahrung beruht. Die unberührte, ihrer eigenen Entwicklung überlassene Natur zeigt eben die Linienführung, die wir als schön empfinden. Beispiel das sich lockende Haar, die Ranke an der sich windenden Pflanze. Hiüderung dieser Linie deutet auf gewalttätigen Eingriff in die Natur. Man hat wohl einmal versucht, im Jugendstile auch die Knickung ästhetisch zu Ehren zu bringen, aber nicht mit dauerndem Erfolg, während die der Pflanze abgesehene gotische Linie, sowie des Baroks, die mehr dem Tierreich entnommen zu sein scheint, noch immer ihren Einfluß auf unseren Geschmack übt. Ebenso wird die nach oben konkave Linie des Gebirges mit steilen Gipfeln und sanften Hängen als schöne Linie empfunden, während die konvexe Linie, die den Bergen eine Sackform gibt, als unschön gilt. Ganz erklärlich; denn die erstere Form bildet sich bei der Aufschüttung, die dem Entstehen eines Berges entspricht, die letztere durch gewaltsame Erosion, die den Berg mit Vernichtung bedroht und zunächst steile Abhänge und Klüfte erzeugt. Also daß auch hier, wie bei den Farben, das dunkle Gefühl des Entstehens und Vergehens mit bei der Bildung unseres Urteils beteiligt ist. Der Geschmack ist eben Urteil. Das optisch Gleiche wird verschieden bewertet, je nach diesem Beispiel: Fettfleck und Muster. 8. Was die vielbesprochene Grenze der Malerei von der B i l d hauerkunst betrifft, so sind hierfür auch teilweise ganz einfache naheliegende, aber von der höheren Ästhetik nur zu häufig vernachlässigte Dinge maßgebend. Zur Malerei treibt das Leben im Hause, wo die drei
Naturwissenschaftliche Ästhetik.
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Wände gleichsam mit Ausguckfenstern versehen werden, während die vierte durch die wirkliche Fensteröffnung das äußere Licht hinzuläßt. Dies ist historisch deutlich nachzuweisen an der Entwicklung der protestantischen Niederlande zum Malervolke, da ihm durch den Calvinismus die architektonische Gestaltung der Häuser nach außen hin versagt und zugleich (durch die Arbeit „tun Gottes willen" und die Einschränkung des Genusses desgleichen) die Zahlungsfähigkeit in hohem Maße gesteigert war. Malerei gewährt die Aussicht auf Schönheit und Interessantes aller Art in dem stillen Kämmerlein ohne Platzverbrauch, da sie alles auf die Fläche zaubert. Daher auch der Rahmen mit dem Rahmen eines Fensters oder einer Ausguckluke vergleichbar ist und als solcher stilistisch behandelt sein will. Bildhauerei aber gehört in den freien Raum des Parkes, Gartens, des Palastes und der Tempelhalle. Daß man bei ihr auf Färbung oder wenigstens auf naturalistische Färbung verzichtet, hängt mit der Frage nach der Illusion in der Kunst zusammen, die so groß sein muß, daß sie das Gefühl der Möglichkeit des „Als ob" verbreitet, aber nicht so groß, um bis an die Grenze des Verwechselns zu führen, da der Schrecken der Täuschung etwas Unästhetisches ist. Um dies zu verhüten, dient auch der Sockel der Bildsäule. Weitere Ausführung dieser Dinge in noch zu veröffentlichenden Aufsätzen. Über Landschaftsmalerei: Neue Heidelb. Jahrb. 1910 S. 182. 9. Was die Theorie der Musik anlangt, so ist naturwissenschaftlich seit lange und namentlich durch HELMHOLTZ festgestellt, daß die Harmonie der Töne sich aus den Zahlenverhältnissen ihrer Wellenlängen erklären lasse. Aber warum packen gerade die durch das Gehör vermittelten Erschütterungen unserer Psyche diese so besonders mächtig und greifen in unser Seelenleben ein wie keine anderen physischen Reize ? Die Antwort ist, weil der seelische Verkehr der Menschen untereinander durch die Stimme derselben vermittelt wird. Musik ist nichts anderes als eine künstlerisch ins Unendliche schweifende Modulation der Menschenstimme, die sich zuerst zum Gesänge erhebt, dann aber von der Unvollkommenheit des natürlichen Organs sich ablöst und durch Werkzeuge, die in diesem Falle Instrumente heißen, vervollkommnet wird zu Leistungen, die uns als Engelsgesang erscheinen und zu nie geahnten Höhen geistigen Genusses emporheben. Vgl. Preuß. Jahrb. 1909, 137, S. 43. 10. Auch noch bis zu den unteren Stufen der Dichtkunst führen die Sprossen unserer Leiter. Z. B. der Wohllaut des Reimes wird auf die Weise erklärt, daß an die Klangnachahmung der Sprache
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ADOLF
MAYER:
angeknüpft wird, die deshalb so wirksam ist, weil durch sie nicht bloß der abstrakte (ganz unsinnlich gewordene) Begriff des Worts, sondern der sinnliche K l a n g des Wortes selbst an die Sache e r i n n e r t , welche das Wort bezeichnet. Das Wort wird dadurch mehr als ein bloßes Zeichen oder eine Katalognummer, es wird zum Miniaturbilde der Sache, die dadurch in unserm Geiste lebendiger wird. Hieran knüpft der Klang der Reime an, aber nicht der Klang an die Sache, sondern ein Klang, der eine Sache bezeichnet, an einen andern, der eine andere Sache bedeutet. Dadurch aber werden zwei Sachen, die miteinander begrifflich verbunden werden sollen, auch dem Klange nach einander nahe gebracht und dadurch die gesteigerte Wirkung erzielt, die eben in einem Gedichte erreicht werden soll. Dies gilt zugleich für den Endreim wie für den Stabreim. Vgl. Die K u l t u r , Wien 1913, 14. 449. Auch für den Rhythmus glaube ich ähnliche Beziehungen gefunden zu haben oder bestätigen zu können. Die darauf bezügliche Abhandlung ist bisher ungedruckt geblieben. 11. Schon von etwas allgemeinerer, die Grenzen der einzelnen Künste überschreitender Bedeutung ist dann weiter die Frage nach der K o m i k als besonderes Genre einer Kunstleistung. Auch hierüber bestehen in der philosophischen Ästhetik die verschiedensten und keineswegs miteinander in Einklang stehenden Erklärungsversuche. Von unserem Standpunkte aus ist die besonders starke, wenn auch nicht gerade tiefgehende Heiterkeit, die eine komische Leistung im Zuschauer (beziehlich im Zuhörer) erweckt, dadurch zu erklären, daß alles L ä c h e r liche auf der kunstvollen, wenn auch nicht immer absichtlichen E n t hüllung von etwas sorgfältig Verhehltem beruht. Die Freude, die empfunden wird, wird nicht ausgelöst durch einen Kontrast, wie bis dahin so vielfach und von bedeutenden Autoritäten behauptet wurde — wann hätten je Kontraste Freude gemacht ? —, sondern durch die gelungene Leistung, etwas, das man gerne ans Licht gebracht sähe und das man um der guten Sitte willen doch nicht ans Licht bringen darf, doch — allen Widerständen entgegen — ans Licht zu bringen. Oder auch daß dies dem Zufall glückt, iii jedem Falle, daß wir uns damit die Hände und den Namen nicht zu beschmutzen brauchen. Das Nähere ausgeführt in Aufsätzen in Die Gegenwart: 1907, 22, S. 295 und Die Z e i t s c h r i f t , 1911, 2. Heft 2, S. 39. 12. Dann gibt es Frageni, die aller Kunst gemeinsam sind, z.B. die große Frage nach dem Wesen der K u n s t überhaupt, für die es in der bisherigen philosophisch orientierten Ästhetik nur wenig klare
Naturwissenschaftliche Ästhetik.
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und befriedigende Antworten gibt. Für unsern naturwissenschaftlich empirischen Ausgangspunkt ist die Kunst der schöne Schein, der Trost für die Unvollkommenheit des Wissenschaftlichen und Wahren. Von jener idealphilosophischen Einheit des Wahren und des Schönen wollen wir heute nicht mehr wissen; wir begnügen uns mit einer Wahrscheinlichkeit, die die Wahrheit illusionistisch vortäuscht. Daher auch die Wandelung des Geschmacks im Laufe der Zeiten; die Not der Kunst in den Zeiten der Aufklärung, wo die Nachahmung des Naturalismus an Stelle der Täuschung tritt und diese zunichte macht, ausgeführt in den Aufsätzen: K u n s t g e s c h m a c k : Heidelb. Jahrb. 1909, S. 257; Was ist K u n s t ? : Heidelb. Jahrb. 1916, S. 160 und D a s I d e a l in W a n d l u n g u n d auf der W a n d e r u n g : Die Gegenwart 1911, 41, S. 692. 13. Eine andere die ganze Ästhetik umfassende Frage ist dann die nach den Grenzen der Kunst, nicht bloß ihr Verhältnis zur Wissenschaft, sondern zur Religion und insbesondere zu der Moral. In einem besonderen Essay habe ich zu zeigen versucht, daß man die Religion selbst als K u n s t betrachten kann, wenn damit auch nicht ihr ganzes Wesen erschöpft ist. Wissen u n d Wehr 1921 S. 175. Dies berührt nur die tröstliche Seite der Religion. 14. Die andere Seite der Religion, ihre Sollseite oder die Moral, hat mit der Kunst nichts zu tun, sondern vielmehr mit der Wissenschaft. Hier erscheint eine säuberliche Grenzscheidung notwendig, aber nicht die moderne viel beliebte: Die Kunst habe mit der Moral nichts zu tun, sie sei amoralisch und könne gelegentlich auch unmoralisch sein. Die Scheidung ist da, und ganz gewiß gibt es große Kunstwerke, die unzweifelhaft unmoralisch wirken. Aber man soll dabei sich nicht beruhigen und der Sache ihren Lauf lassen, sondern sich in jedem besondern Falle fragen, ob die künstlerische Leistung die moralische Schädigung weit überwiege oder ob das Gegenteil der Fall sei. In dem letzteren Sinne wurde der Dichter H e i n e vor allem scharf unter die Lupe genommen (Glauben und Wissen 1908 S. 127) und die ganze Frage unter dem Titel: K u n s t und S i t t l i c h k e i t in D e r G e i s t e s k a m p f d e r G e g e n w a r t 1910 S. 171, und unter dem: S i m p l i c i s s i m u s in G l a u b e n u n d W i s s e n 1910, S. 401 behandelt. Es muß eben, um es so auszudrücken, ein erträgliches Verhältnis zwischen angerichteten moralischen Schäden und der Freude am Schönen bestehen, damit den Genießern diese Freude nicht allzu teuer zu stehen kommt, gerade wie zwischen Kunstwert und dem Preise desselben ein verständiges Verhältnis bestehen muß.
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ADOLF M A Y E B :
15. Verwandt mit diesem Gegenstande ist auch die Frage nach der T e n d e n z in der K u n s t , die namentlich von dem verstorbenen Tür binger Ästhetiker K O N R . LANGE SO vielfach behandelt wurde. Tendenz in der Kunst ist ein Greuel, sagen die einen und zumeist die Künstler selber. Dem widerspricht aber die unerschütterlich feststehende Tatsache, daß gerade allergrößeste Kunstwerke ausgesprochene Tendenzwerke sind. Der S o n n e n g e s a n g des heiligen Franz, wenigstens in seiner modernen Erweiterung von L E H E S , ist vielleicht das schönste lyrische Gedicht der gesamten Weltliteratur und hat eine ausgesprochene monotheistische Tendenz. Dasselbe gilt von der g ö t t l i c h e n K o m ö d i e . Die ergreifendste Tragödie S h a k e s p e a r e s : K ö n i g L e a r hat die Tendenz, auf die Folgen des Zorns zu weisen, wie der O t h e l l o auf die der Eifersucht, ist also moralisch eingestellt. Dasselbe gilt vom F a u s t und von sämtlichen Schiller sehen Dramen. LAUGE sucht um das alles sein Tüchlein zu wickeln, aber er ist nicht naturwissenschaftlich in seiner Auffassung, obwohl sein Streben dahin geht. •Naturwissenschaftlich liegt die Sache so, daß alle K u n s t T e n d e n z h a b e n m u ß , das liegt in dem Begriffe des Schaffens einer schöneren Welt, aber ebenso, daß diese Wahrheit dem Kunstgenießenden verhüllt werden muß und auch den Künstlern, die nicht zugleich tiefe Denker sind, besser verhüllt bleibt; denn „man merkt die Absicht und man ist verstimmt", sagt der große Dichter, der auch ein großer Denker war, und „man hat die Absicht und verfehlt das Ziel"könnte man für die Bloß-Künstler hinzusetzen; denn es nimmt ihnen die Unbefangenheit. Kunst ohne Tendenz würde schließlich so langweilig werden wie ein Feuerwerk, wozu die ganz modernen, bloß Farbenprächtigen ja schon den Beweis geliefert haben. Die Kritiker aber, die am meisten gegen Tendenz schreien, meinen im Grunde nur die Tendenz, die ihnen unbequem ist, nicht selten selbst, weil sie an ihr Gewissen rührt. Auch sie aber haben die Tendenz, keine Tendenz zu haben, wenigstens keine moralische. Dies alles näher ausgeführt in K O N R . LANGES K u n s t t h e o r i e in Oase 1911, S. 44 und die Alpen 1913, 7, S. 718. Schließlich mag hinsichtlich der Grenzen zwischen Kunst und Wissenschaft auf meinen Aufsatz: Göthe und Helmholtz i. d. Preuß. Jahrb. 1908, 133, S. 191 hingewiesen werden. 16. Neben der für andere als den Künstler selbst bestimmten Kunst gibt es dann noch eine S e l b k u n s t , worauf i. d. Preuß. Jahr. 1920, 182, S. 321 hingewiesen wird.
Naturwissenschaftliche Ästhetik.
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Andere Aufsätze, verwandte Gegenstände betreffend, sind von meiner Hand noch veröffentlicht worden: 17. Ü b e r den holl. S c h r i f t s t e l l e r M u l t a t u l i : Preuß. Jahrb. 1907, 129, S. 215. 18. G e s c h w o l l e n e r S t i l : Die Sonde 1909, S. 451. 19. Der N a t u r a l i s m u s u n d die W a h r h a f t i g k e i t : Die Wartburg 1909, S. 478; M a u p a s s a n t u n d d e r N a t u r a l i s m u s noch ungedruckt. 20. H ä c k e l als Ä s t h e t i k e r : Unsere Welt 1910. 21. Zur P s y c h o l o g i e des K u s s e s : Die Gegenwart 1910, S. 364. 22. P o m p : Das Magazin 1910, S. 90. 23. T r u n k e n h e i t u n d K u n s t 1912. 24. V e r t e i l u n g der G ü t e r u n d E n t w i c k l u n g der K u n s t : Nord und Süd 1911, S. 277. 25. W i l d e u n d N i e t z s c h e : Die Wartburg 1910, S. 83. 26. B o m b a s t : Die Gegenwart 1913, S. 37. 27. G a b r i e l e d'Annunzio: Die Wartburg 1916, S. 76. Ein Aufsatz: W o r ü b e r f r e u t m a n sich im T r a u e r s p i e l e ? ist noch ungedruckt. Die Not der Zeit gestattet nicht, alle diese an so verschiedenen Orten veröffentlichten Darlegungen zu einem geschlossenen Werke zu vereinigen. So müssen eben die eröffentlichungen einer wissenschaftlichen Akademie, die Geisteswissenschaften und Naturwissenschaften umfaßt und die auch dem Verfasser dieser Mitteilung den Ehrentitel eines a. o. Mitgliedes verliehen hat, demselben auch die praktische Gunst erweisen, seinen zerstreuten Arbeiten auf einem Grenzgebiete als Archiv zu dienen und so das Gute, was etwa darin erhalten sein mag, hinüberzuretten in eine glücklichere Zeit einer neuen Kulturblüte. Nur zum Schlüsse sei es mir gestattet, den literarischen Hinweisen, die ich gegeben habe, noch eine kurze Übersicht über den Aufbau der naturwissenschaftlichen Ästhetik (und deren Anschauungen über den Werdegang der Kunst) zu geben, wie er sich logisch von selber gefügt hat und in den es möglich ist, die Unterteile, auf die ich hingewiesen habe, einzufügen. Alle Dinge, die wir Menschen machen, alle Worte, die wir schreiben oder reden, müssen wenigstens der Absicht nach in irgendeinem Sinne nützlich sein. Wird durch sie unsere Notdurft befriedigt, unser Genuß vermehrt, unser Wissen ausgebreitet, so ist dieser Nutzen der, daß da-
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Adolf Mayeb:
durch unsere Gewalt über Natur und Umgebung, unsere Lebensmöglichkeiten größer werden. Darauf ist alle Tätigkeit des gemeinen Lebens zurückzuführen und — das Dasein des Banausen erschöpft sich in denselben. Oder aber man verbraucht die Verfertigten Gegenstände nicht um der Notdurft und des direkten Nutzens wegen, man liest die Bücher, hört die Vorträge nicht um des Wissens willen, das durch sie erworben wird, sondern man hört und gebraucht sie gerne, weil unsere Stimmung dadurch verändert wird in der Richtung der H e i t e r k e i t . I n diesem Falle handelt es sich um K u n s t . Einen dritten Fall gibt es überhaupt nicht, wohl aber zahllose Gemische beider Kategorien, deren Analyse nicht immer ganz einfach ist. Und nun ergeben sich die folgenden einfachen Regeln. Jedes Kunstwerk muß sein: 1. W a h r s c h e i n l i c h . Deshalb muß der Künstler eine genaue Kenntnis der Natur und dazu mit dem besonderen künstlerischen Gedächtnis begabt sein, daß diese Kenntnis ihm jederzeit zu Gebot steht. Dazu dient das Studium der Natur, das Aktzeichnen, Skizzieren usw., und das Resultat ist das t e c h n i s c h e K ö n n e n . Die Kunst muß 2. in irgendeinem Punkte ü b e r die W i r k l i c h k e i t e r h a b e n , i d e a l i s i e r t sein. Zu diesem Zwecke muß der Künstler auch P h a n t a s i e haben und auch in dieser Beziehung über sein Publikum hervorragen. Er muß demselben eine I l l u s i o n aufzunötigen imstande sein. Da aber allmählich das Publikum in dieser letzteren Beziehung den Künstler einholt, zwar nicht in betreff seiner schöpferischen Phantasie, aber geholfen durch die des Künstlers, die Illusion genießt, sodann aber erschöpft, so findet im Laufe der Zeiten eine W a n d e r u n g des I d e a l s statt von der Quantität zur Qualität, vom Stoffe zur Kraft, vom Gröbern zum Feinern, und zwischen jedem Aufschwung zu einer neuen Illusion kommt, eine Periode des Niedergangs der Phantasie, der kleinbürgerlichen Ehrlichkeit, der philiströsen Nüchternheit, die man gemeinhin als Naturalistik bezeichnet. Besser sagen wir Realistik, um nicht den Namen Natur in zwei einander scheinbar widersprechenden Bedeutungen zu gebrauchen. In dieser Periode bleibt nur die zuerst genannte Eigenschaft des Künstlers und gilt dann oft als die einzig maßgebende. Außer dem Können, das mühsam erlernt werden muß, und der Einbildungskraft, die eine unveräußerliche Naturgabe ist, muß aber der C'est la rôle de l'artiste de créer le soleil, lorsqu'il n'y en a pas.
Romain Rolland.
Naturwissenschaftliche Ästhetik.
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wahre Künstler noch ein D r i t t e s besitzen, das nicht wie das erste in hartem Ringen erlernt wird, auch nicht wie das zweite eine Naturgabe ist, sondern auf D u r c h b i l d u n g beruht. Dies ist (was auch der kunstsinnige Laie, wenn er genießen will, besitzen muß) der Geschmack, nicht der absolute, den es vielleicht nicht gibt, sondern — wenn er wirken will — der seiner Zeit. Im Grunde handelt es sich arlso um ein dreifaches Können, das sich selten in einer Person zusammenfindet. Und also heißt eine solche seltene Erscheinung mit Recht ein K ü n s t l e r , denn es ist ein Können in der dritten Potenz. 1 ) Etwas ganz von diesen Grundprinzipien abseits Liegendes ist die K u n s t k e n n e r s c h a f t , die auch Genuß gewährt, aber nicht den ursprünglichen der Illusion, sondern den wissenschaftlichen der Schätzungskunde des Könnens des Künstlers. Wie die Menschheit die periodische Kunstbewegung zeigt von immer neuen Illusionen, die nach einiger Zeit durchschaut und danach von den illusionsarmen Zwischenzeiten des Naturalismus oder Realismus durchbrochen werden, so zeigt auch das menschliche Individuum eine gesetzmäßige Periodizität. Diese ist aber ganz anderer Art, im Grunde nur eine große Periode für einen jeden. Jede dieser Perioden hebt an mit der großen Illusion seiner Zeit — und es ist ja nicht viel Aussicht, daß das Individuum eine andere erlebe; und wenn sie überwunden ist (was glücklicherweise nicht immer der Fall ist), "so tritt meist die Kunstkennerschaft mit ihren allerdings abgeblaßten, aber mehr dauernden Genüssen an deren Stelle. Nun freut man sich der Einsicht, des Durchschauens des Tricks, der Fähigkeit, die technischen Schwierigkeiten zu schätzen und den wirtschaftlichen Wert der Produktion beurteilen zu können. Poesie und Musik bewahren von allen Künsten ihre Illusionen am längsten, und gegenüber einer Beethovenschen Sonate ist auch wohl der Kunstkenner noch von schwer verlöschender kindlicher Naivität. Was den Uberblick über die verschiedenen Künste betrifft, so kann man sie einteilen zunächst in O r t k u n s t und Z e i t k u n s t , wobei t ) Auch noch, wie R U S K I N wollte, die Sittlichkeit in die Bedingungen zum Künstlertum eingeschalten, erscheint mir gezwungen und aus der Verworrenheit herstammend, worein allzu reichliche puritanische Bibellektüre den Kritiker versetzte. Denn ohne Zweifel gibt es große a m o r a l i s c h e Künstler und Dichter. Ich nenne nur Heine, d'Annunzio, Maupassant, Nietzsche, Wilde, gewissermaßen Dichter von des Teufels Gnaden, die nur von dem sittlich reifen Menschen und mit Vorsicht zu genießen sind, und bei denen man sich fragen muß, ob das Eintrittsgeld zu ihren Vorstellungen — um es so auszudrücken — nicht mit dem Heile der Seele bezahlt wird.
u
ADOLF M A T E S :
die erstgenannte eine gegebene Situation, die man aus irgendeinem Grunde wiederholt zu sehen wünscht, nachahmt, die letztgenannte eine Handlung, von der das gleiche gilt. Primitive Kunstwerke der ersteren Art sind die in Lehm nachgebildeten Bisons, die man in Höhlen aus der Eiszeit (in Südfrankreich) gefunden hat. Fast gleichzeitig oder etwas später kommen dann die zeichnerischen oder koloristischen Nachbildungen, zu denen schon etwas Abstraktion für die Projektion des räumlich Geschauten auf die Fläche) nötig ist. Erst sehr viel später setzt die Benützung lebender Geschöpfe zu dem gleichen Zwecke ein, weil dazu Disziplin und Maskerade nötig ist, und was man dann später lebende B i l d e r genannt hat. Im ganzen ist hier der Ursprung der gesamten bildenden Kunst, der P l a s t i k und der Malerei: alles Ortkunst. Es gibt keine Ortkunst, die auf dem Gehöre beruht, weil hier die Mannigfaltigkeit des Augenblicks (selbst in dem vollsten Akkord) nicht reich genug ist, um Erinnerungswert zu haben. Z e i t k u n s t ist zunächst die P a n t o m i m e , die wohl, weil sie schon von einem einzelnen geübt werden kann und bei entsprechender Geschicklichkeit ohne Vermummung sehr weit hinaufragt. Hier zweigt sich, die besondere Geschicklichkeit der Bewegung als Ausgangspunkt nehmend, die Tanzkunst ab und zuletzt in unserer Zeit, gestützt durch die wissenschaftliche Beherrschung ganz unerwarteter Möglichkeiten, die F i l m k u n s t . Sodann, an das Ohr appellierend, R h e t o r i k und in der Evolution aus dieser der Gesang, der dann wieder in weiterer Entwicklung die I n s t r u m e n t a l m u s i k von sich abzweigt. Das nach der Abzweigung der Musik tonlos gewordene und bald schriftlich überlieferte Wort wird sodann in der D i c h t k u n s t in seine verschiedenen Richtungen weiterentwickelt. Die objektive Darlegung des Geschehens wird zum Epos, die Darstellung der subjektiven Empfindung des Einzelnen zur L y r i k , mit der an die Gesichtswelt appellierenden Mimik vereinigt, zur d r a m a t i s c h e n K u n s t . Alle Künste beginnen zunächst mit der Nachahmung — und je treuer diese ist, je besser scheint der Kunstzweck erreicht. In mancher Kunst bleibt die Natur noch heute unerreicht. Das gilt namentlich auch für die Malerei, wo das geschärfte Auge der Gegenwart noch Fehler auf Fehler auch bei den größten Künstlern entdeckt. Aber trotzdem ist die bloße Nachahmung nur Mittel zum Zweck. Alle Kunst strebt immer zum Idealen, zwar nicht immer, wie man lange meinte, zum: „schöner wie die Natur", aber immer schöner wie der Augenblick des Lebens, den man durch die Illusion zu verdrängen sucht.
Naturwissenschaftliche Ästhetik.
15
Die Plastik und die Malerei schafft die Illusion eines Gewesenen, dem man nachtrauert, eines in der Gegenwart Unerreichbaren, in das man sich hineinträumt, oder eines Künftigen, das man heiß ersehnt, einer zweiten und dritten Natur, in der schließlich aus Erz und Marmor Blumen sprießen. Daneben gibt es freilich auch S t u d i e n zur Prüfung der Kunstfertigkeit, wie es bei Theatervorstellungen Proben gibt, die aber auch Freude gewähren können. Es ist dies aber weniger die Freude des elementaren Kunstgenusses, sondern mehr die der Kennerschaft, wie sie auch auf Gebieten ganz abseits der Kunst sich findet. Bei der Malerei, wo die bloße Nachahmung schon so unendlich schwierig ist, begnügt man sich noch am ehesten mit dieser allein. Aber selbst dann gilt es doch die Nachahmung eines bald verschwindenden Momentes, den man aus irgendeinem Grunde von hinzukommenden Gefühlsassoziationen verlängert oder wiederkehrend wünscht. Bei anderen Künsten aber, die eine Entwicklung weitab von ihrem natürlichen Ausgange zeigen, ist das Dargestellte ein Ideal, das natürlich wie alles, das der Künstler zu bilden imstande ist, aus Elementen, die in der Natur sich finden, zusammengesetzt ist, aber doch eines, das sich so wie jetzt gebildet in der Natur nirgends findet und nirgends gefunden hat. Das gilt vor allem für die Musik, die freilich ihren Ausgangspunkt hat in dem Tonfall der Menschenstimme, aber schließlich in ihren Melodien phantastisch von jeder dem menschlichen Organe natürlichen Kadenz sich weit entfernt, so sehr, daß dieser Ursprung ganz und gar in Vergessenheit geraten konnte.
6.
KRULL,
WOLFGANG.
Die verschiedenen Arten
der
Hauptidealringe.
Reichsmark 0'50 7. 8. 9.
10. 11.
Übergang von der nichteuklidischen Streckentrigonometrie zur Winkelmessung. Reichsmark 0 - 30 W E L L S T E I N , JULIÜS. Zur Differentialgeometrie der isotropen Kurven. Reichsmark 1'50 E W A L D , R U D O L F . Die geodynamischen Erscheinungen des krystallinen Odenwaldes als Beispiel einer geoisostatischen Ausgleichsschwingung. Reichsmark 1*50 VOELCKER, ILSE. Über eine ganz junge Verwerfung bei Rauenberg im Kraichgau. Reichsmark 0 30 LIEBMANN, H E I N R I C H . Die Aufschließung von Differentialinvarianten Reichsmark 0 ' 5 0 ROESER, ERNST.
A b t e i l u n g B. 1.
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
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Biologische Wissenschaften.
J a h r g a n g 1923. und R . E . G R O S S . Über die Darstellung und quantitative Bestimmung des Arginins. Reichsmark O'SO Von Jährgang 1925 ab findet die Trennung in Abteilung A und £ nicht mehr statt. KOSSEL, A .
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LOTHAR.
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Theorie
und A n w e n d u n g
der
verallgemeinerten
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KLEBS, GEORG.
Über die Längenperiode der Internodien.
Reichsmark
2-40
L. und v.
G. Zur Windefrage. Reichsmark 0 - 8 0 Gibt es Gesteine, die für bestimmte Erdperioden charakteristisch sind? Reichsmark 0 - 3 0 1 0 . ROESEH, ERNST. Der reelle Übergang zwischen den beiden nichteuklidischen Geometrien und ihrem Parallelenbegriff. Reichsmark 1 ' 2 0 1 1 . SALOMON, WILHELM. Kugelförmige Absonderung. Reichsmark 0-80 1 2 . SALOMON, WILHELM. Felsenmeere und Blockstreuungen. Reichsmark 0 ' 8 0 8.
JOST,
9.
SALOMON,
UBISCH,
WILHELM.
1 3 . SALOMON, WILHELM.
Reichsmark
Die
Gruppendefinitionen
Jahrgang 1. 2. 3.
4. 5. 6.
in
der
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090 1927.
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LOEWY,
Abhandlungen der Heidelberger Akademie der Wissenschaften Mathematisch - natur wissen schaftliche Klasse Abteilung A 12.
ERNST. Über den Zusammenhang zwischen der Struktur und den morphologischen Merkmalen des Diamanten. 1 9 2 4 . Reichsmark 3 - 5 0 1 3 . R E I N K U T H , K A R L . Die Herschel-Nebel, nach Aufnahmen der KönigstuhlSternwarte. 1 9 2 6 . Reichsmark 20- — 14. SALOMON, WILHELM. Die Erbohrung der Heidelberger Radium-Sol-Therme und ihre geologischen Verhältnisse. 1927. Reichsmark 8 ' — MOHR,
Druck: Hermann Bühlaus Nachfolger Hof-Buchdrackerei G.m.b.H. Weimar.