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German Pages 453 Year 2012
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 240
Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer – Beurteilungsgrundlagen und Zulässigkeitsmaßstäbe
Von
Annette Krahforst
Duncker & Humblot · Berlin
ANNETTE KRAHFORST
Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer – Beurteilungsgrundlagen und Zulässigkeitsmaßstäbe
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 240
Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer – Beurteilungsgrundlagen und Zulässigkeitsmaßstäbe
Von
Annette Krahforst
Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln hat diese Arbeit im Jahre 2011 als Dissertation angenommen.
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© 2012 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-026X ISBN 978-3-428-13863-0 (Print) ISBN 978-3-428-53863-8 (E-Book) ISBN 978-3-428-83863-9 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2010/2011 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation angenommen. Für die Veröffentlichung sind Rechtsprechung und Literatur bis Anfang Juni 2012 berücksichtigt. Mein besonderer Dank gilt Herrn Professor Dr. Ulrich Preis für die Betreuung dieser Arbeit, den Freiraum, den er mir bei ihrer Erstellung gewährte, für seine Anregungen und die zeitnahe Erstellung seines Gutachtens. Für die Übernahme und zügige Erstattung des Zweitgutachtens danke ich Herrn Professor Dr. Björn Gaul. Während der Entstehung dieser Arbeit war ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin für Herrn Dr. Wilhelm Moll bei der Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek tätig, dem ich für die Bestärkung in der Themenwahl sowie die guten Forschungsbedingungen danke. Herzlich danke ich Herrn Dennis Spallino für seinen fortwährenden Zuspruch und seine vielseitige Unterstützung, insbesondere in der Endphase der Erstellung dieser Arbeit. Mein größter Dank richtet sich an meine Eltern, die meinen beruflichen und persönlichen Lebensweg stets mit sehr großem Interesse begleitet und mich in jeglicher Hinsicht unterstützt haben. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Leverkusen, im Juni 2012
Annette Krahforst
Inhaltsverzeichnis Einleitung
25
§ 1 Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
§ 2 Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
§ 3 Ziel, Gegenstand und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
1. Teil Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer und ihre Beurteilung durch Rechtsprechung und Literatur § 1 Rechtsstellung des GmbH-Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Doppelstellung des GmbH-Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Organ der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Geschäftsführertypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechte und Pflichten aufgrund der Organstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Organschaftliche Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vertretung der GmbH, § 35 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Führung der Geschäfte der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechnungslegungs-, Auskunfts- und Handelsregister-, öffentlich-rechtliche und sonstige Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Organschaftliche Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sorgfaltsmaßstab und Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sorgfaltsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Angestellter der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verhältnis von Organbestellung und Anstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zustandekommen und Bestehen des Anstellungsvertrages . . . . . . . . . III. Rechtsnatur des Anstellungsvertrages – Arbeits- oder Dienstvertrag? IV. Anzuwendendes Recht bei Fehlen von Regelungen im Anstellungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Arbeitsrechtliche Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sozialversicherungsrechtliche Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Steuerrechtliche Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32 32 33 33 34 37 37 37 38 40 42 42 43 43 44 44 45 46 51 52 56 56 57
10
Inhaltsverzeichnis
§ 2 Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer – Grundlagen und „Arten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Gesetzliches Wettbewerbsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wettbewerbsverbot während der Dauer der Organstellung – § 88 AktG bzw. § 112 HGB analog oder § 85 GmbHG? . . . . . . . . . . . II. Wettbewerbsverbot nach Erlöschen der Organstellung – § 85 GmbHG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Wettbewerbsverbot während der Laufzeit des Anstellungsvertrages – § 60 HGB analog bzw. §§ 17, 18, 3 UWG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Wettbewerbsverbot nach Beendigung des Anstellungsvertrages – §§ 17 Abs. 2, 3 UWG bzw. § 826 BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Wettbewerbsverbot aus organschaftlicher Loyalitäts- und Treuepflicht . . . . I. Wettbewerbsverbot während der Dauer der Organstellung . . . . . . . . . II. Wettbewerbsverbot nach Erlöschen der Organstellung . . . . . . . . . . . . . C. Wettbewerbsverbot aus Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung . . . . . . . . . . D. Wettbewerbsverbot aus Anstellungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wettbewerbsverbot während der Laufzeit des Anstellungsvertrages . . II. Wettbewerbsverbot nach Beendigung des Anstellungsvertrages – „Nachvertragliches Wettbewerbsverbot“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57 57 58 59 60 61 62 62 63 64 66 66 68 68
§ 3 Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote mit GmbHGeschäftsführern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Praktische Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Vereinbarungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gängige Klauselkonstellationen – Abgrenzung von Kundenschutzabreden und Konkurrenz-/Tätigkeitsverboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
71
§ 4 Beurteilung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote für GmbHGeschäftsführer durch Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Stand der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsprechungsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Urteil des BGH vom 7.1.1965 – II ZR 187/63 . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wesentliche Urteilsinhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) § 138 BGB als Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Konkretisierung der Prüfung anhand von § 138 Abs. 1 BGB cc) Prüfungsintensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Urteil des BGH vom 9.5.1968 – II ZR 158/66 . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wesentliche Urteilsinhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Urteil des BGH vom 26.3.1984 – II ZR 229/83 . . . . . . . . . . . . . . .
74 74 75 75 75 75 76 76 76 76 77 77 77 78
69 69 70
Inhaltsverzeichnis
4.
5.
6. 7.
8.
a) Wesentliche Urteilsinhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ablehnung der Analogie der §§ 74 ff. HGB . . . . . . . . . . . . bb) Geltender Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Mandantenschutzklausel ohne Karenzentschädigung und Konkurrenzklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ablehnung der Gesamtanalogie der §§ 74 ff. HGB . . . (2) Ablehnung der analogen Anwendung des § 74 Abs. 2 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Keine andere Bewertung bei Fremdgeschäftsführern . (4) Anwendung von § 138 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Konkretisierung der Prüfung anhand von § 138 BGB . . . . Urteil des BGH vom 15.4.1991 – II ZR 214/891 . . . . . . . . . . . . . . . a) Wesentliche Urteilsinhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wirksamkeit des Wettbewerbsverbotes . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anrechnung anderweitigen Erwerbes . . . . . . . . . . . . . . . . . . Urteil des BGH vom 17.2.1992 – II ZR 140/91 . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wesentliche Urteilsinhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gesetzliche Verzichtsmöglichkeit des § 75a HGB trotz fehlender Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beurteilungsmaßstab: Analoge Anwendung die GmbHInteressen schützender Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Teilanaloge Anwendung von § 75a HGB . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Urteil des OLG Düsseldorf vom 22.8.1996 – 6 U 150/95 . . . . . . . Urteil des BGH vom 4.3.2002 – II ZR 77/00 . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Instanzgerichtliches Urteil des OLG Köln vom 4.2.2000 – 4 U 37/99 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wesentliche Urteilsinhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Urteil des BGH vom 4.3.2002 – II ZR 77/00 . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kein Entfallen des Wettbewerbsverbotes wegen Freistellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verzichtsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Urteil des BGH vom 28.4.2008 – II ZR 11/07 . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wesentliche Urteilsinhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11 78 78 79 80 81 81 81 81 81 82 82 82 82 84 84 84 84 85 87 87 87 89 89 90 90 91 91 92 92 92 93 94 96 96
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Inhaltsverzeichnis aa) Keine Anrechnung anderweitigen Erwerbes nach § 74c HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Keine Anrechnung anderweitigen Erwerbes nach ergänzender Vertragsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Beschluss des BGH vom 7.7.2008 – II ZR 81/07 . . . . . . . . . . . . . . a) Wesentliche Urteilsinhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zusammenfassende Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Meinungsstand in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. § 138 Abs. 1 BGB, allgemeine Rechtsgedanken und teilanaloge Anwendung der §§ 74 ff. HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtmäßigkeitsprüfung anhand von § 138 Abs. 1 BGB . . . . . . . . 2. Geltung der allgemeinen Rechtsgrundsätze der §§ 74 ff. HGB . . 3. Problematik der teilanalogen Anwendung der §§ 74 ff. HGB . . . . II. Analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB auf besonders schutzbedürftige Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Analogie bei konkret individuell-persönlich begründeter Schutzbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Analogie bei abstrakt-gesellschaftsrechtlich indizierter Schutzbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Analogie bei abstrakt-gesellschaftsrechtlich indizierter und individuell-persönlich begründeter Schutzbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . III. Analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB auf alle Geschäftsführer . . . IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
96 97 98 102 102 103 103 105 106 106 107 109 110 110 111 112 113 114 115
2. Teil Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe § 1 Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Verstoß gegen AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verstoß gegen Art. 101 AEUV (vormals Art. 81 EG) . . . . . . . . . . . . . 1. Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenstaatlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wettbewerbsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verstoß von nachvertraglichem Wettbewerbsverbot gegen Art. 101 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verstoß gegen Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
117 117 118 118 119 119 120 121 124 125 125
Inhaltsverzeichnis 1. Arbeitnehmerfreizügigkeit, Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Diskriminierungs- und Beschränkungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gemeinschaftsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Drittwirkung der Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rechtfertigung von Beschränkung und Verhältnis zu Art. 101 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verstoß von nachvertraglichem Wettbewerbsverbot gegen Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Verstoß gegen europäische Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Herleitung, Adressaten, Schutzumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verstoß von nachvertraglichem Wettbewerbsverbot gegen europäische Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13 126 126 127 127 129 130 133 133 133 136 136 136
§ 2 Nationales Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 A. Beachtung von Grundrechten in Privatrechtsverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . 137 B. Beachtung von Grundrechten bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten für Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 § 3 Einfaches nationales Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Verstoß gegen § 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) I. Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einschlägige GWB-Fassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis zu Art. 101 AEUV (vormals Art. 81 EG) . . . . . . . . . . . . 3. Verhältnis zu den §§ 74 ff. HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausschließliche Zuständigkeit der Landgerichte und Kartellsenate . . III. Voraussetzungen des § 1 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wettbewerbsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bezwecken oder Bewirken einer Beschränkung . . . . . . . . . . . . . b) Spürbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Immanenztheorie/Rule of Reason – Zulässigkeit von Nebenabreden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gleichlauf mit Nebenabredendoktrin des EuGH . . . . . . . . . bb) Voraussetzungen einer zulässigen Nebenabrede . . . . . . . . . (1) Entwicklung in der jüngsten Rechtsprechung des BGH (2) Gleichlauf mit BGH-Rechtsprechung zu § 138 BGB . . (3) Wettbewerbsverbote in Unternehmensveräußerungs-, Gesellschafts- und Subunternehmerverträgen . . . . . . . .
139 140 140 140 140 141 141 141 142 143 143 143 144 144 145 146 146 147 149
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Inhaltsverzeichnis 4. Verstoß von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten gegen § 1 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Verstoß gegen das Unlauterer Wettbewerb-Gesetz (UWG) . . . . . . . . . . . . . . C. Verstoß gegen die §§ 74 ff. HGB analog? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Praktische Relevanz der Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen einer Normanalogie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Lückenbegriff, Lückenarten, Lückenfeststellung und Lückenausfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vorliegen einer Gesetzeslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausführungen des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Veranlassung durch BAG-Rechtsprechungswandel . . . . . . bb) Prüfungsaspekte des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Lückenart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Offene – verdeckte Lücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anfängliche – nachträgliche Lücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Anfängliche Lücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Entwicklung des Rechtes der nachvertraglichen Wettbewerbsverbote von 1895 bis 1914 . . . . . . . . . (b) Keine anfängliche Lückenhaftigkeit hinsichtlich Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Nachträgliche Lücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Planwidrige Gesetzeslücke? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Fehlen einer Lücke wegen Eingreifens von Generalklausel des § 138 BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Fehlen einer Lücke wegen Gewohnheitsrecht? . . . . . . . . . . cc) Fehlen einer Lücke wegen Ausgestaltung durch allgemeine Rechtsgrundsätze? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Fehlen einer Lücke wegen bewusster gesetzgeberischer Entscheidung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) § 138 BGB als grundsätzlich tauglicher Maßstab bei Wettbewerbsverboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Beredtes Schweigen des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . (a) Zeitablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Gesetzgeberische Initiativen bezüglich Wettbewerbsverboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Änderung der §§ 74 ff. HGB seit 1914 . . . . . (bb) Andere Personengruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) AG-Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . .
153 155 155 157 158 159 159 161 164 164 166 167 168 169 169 169 169 172 174 175 175 175 177 179 180 180 181 181 181 182 183 183 184
Inhaltsverzeichnis
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(g) Handelsvertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 (d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 (cc) Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 (c) Gesetzgeberische Initiativen bezüglich Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 4. Interessengleichheit mit den §§ 74 ff. HGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 b) Kriterien zur Bestimmung der Interessengleichheit . . . . . . . . . . 195 aa) Kriterien der Rechtsprechung bzgl. sonstiger Arbeitnehmerschutzvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 bb) Vereinheitlichungsversuche der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . 198 cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 dd) Ergebnis und Prüfungsablauf: Zwei-stufiges Prüfungsschema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 c) Vergleichbare Schutzbedürftigkeit des Geschäftsführers und Vereinbarkeit der Anwendung der §§ 74 ff. HGB mit Organverhältnis zwischen GmbH und Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . 207 aa) Vergleichbare Schutzbedürftigkeit des Geschäftsführers . . 207 bb) Vereinbarkeit der Anwendung der §§ 74 ff. HGB mit Organverhältnis zwischen GmbH und Geschäftsführer . . . . . 210 (1) Reichweite des Vorranges des Organverhältnisses . . . . 210 (2) Vereinbarkeit der Anwendung der §§ 74 ff. HGB mit Organverhältnis im weiten Sinne? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 (a) Keine Vereinbarkeit nach BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 (b) Vereinbarkeit nach Teil der Literatur . . . . . . . . . . . . 214 (c) Unvereinbarkeit nach anderem Teil der Literatur . . 216 (d) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 (aa) Besonderer Kenntnisschutz als vorrangiges organschaftliches Interesse der GmbH . . . . . . 217 (a) Zugriffsmöglichkeit des Geschäftsführers auf Unternehmensinterna . . . . . . . . . . . . . . 217 (b) Bedürfnis besonderen Kenntnisschutzes und erhöhte Schädigungsgefahr der GmbH 218 (g) Organschaftlichkeit und Vorrangigkeit des Kenntnisschutzinteresses der GmbH 219 (d) Kein erhöhtes Schutzinteresse des Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 (e) Keine Gefahr der Veränderung der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzstruktur . . . 221 (z) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
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Inhaltsverzeichnis (bb) Unanwendbarkeit des Gesamtregelungssystems der §§ 74 ff. HGB . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergebnis zur analogen Anwendung der §§ 74 ff. HGB . . . . . . . . . D. Verstoß gegen § 90a HGB analog? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Verstoß gegen § 138 Abs. 1 BGB i.V. m. Art. 12 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG und §§ 74 ff. HGB als allgemeine Rechtsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. § 138 Abs. 1 BGB als Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Generalklausel – verfassungsrechtlich hinreichende Rechtsgrundlage? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einzelfallbezug und Entwicklungsoffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Prüfungsmodell des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Grundsätze zur Konkretisierung des § 138 Abs. 1 BGB 2. Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Wertungen aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Berücksichtigung der Rechtsgrundsätze der §§ 74 ff. HGB? . . . . a) Problem: Vereinbarkeit von Inhaltskontrolle entsprechend Voraussetzungen des § 74a Abs. 1 HGB mit Sittenwidrigkeitsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechts- und Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtsprechung zu nachvertraglichen Wettbewerbsverboten bb) Meinungsstand in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) „Wettbewerbsverbote“ – Sonderfall im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Prüfung anhand von § 138 Abs. 1 BGB i.V. m. Wertungen des § 74a Abs. 1 HGB sachgerecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Inhaltskontrolle von Verträgen zwischen Privatpersonen (2) Zulässigkeit intensiver Inhaltskontrolle bei § 138 BGB (a) Generelle Zulässigkeit intensiver Inhaltskontrolle wegen Lückenfüllungsfunktion des § 138 BGB? . . (b) Zulässigkeit intensiver Inhaltskontrolle bei Wettbewerbsverboten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Einheitlichkeit von gesetzlichen Regelungen und Rechtsprechung hinsichtlich Zulässigkeitskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Einheitliche – intensive – Inhaltskontrolle wegen besonderer Grundrechtsrelevanz von Wettbewerbsverboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Argumentationsansatz des BGH . . . . . . . . (b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zulässigkeit der Heranziehung der Wertungen des § 74a Abs. 1 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
223 224 226 226 227 227 227 230 230 230 231 231
232 232 232 233 236 236 237 237 240 241 242
242
247 247 250 257
Inhaltsverzeichnis
F.
G.
H.
I.
d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verstoß gegen die §§ 305 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Angemessenheitskontrolle von Wettbewerbsverboten mit Arbeitnehmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Angemessenheitskontrolle von Wettbewerbsverboten mit Geschäftsführern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergänzung des Vertrages durch teilanaloge Anwendung der §§ 74 ff. HGB, sofern und insoweit sie der GmbH günstig? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Teilanaloge Anwendung der §§ 74 ff. HGB nach Rechtsprechung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Stellungnahme – Schutz durch das Gesamtregelungssystem der §§ 74 ff. HGB nur für die GmbH? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendung der allgemeinen Rechtsgrundsätze der §§ 74 ff. HGB und des § 90a HGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorliegen und Feststellung eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes . . . II. Allgemeine Rechtsgrundsatzqualität der §§ 74 ff. HGB nach der Rechtsprechung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17 258 259 260 260 261 263 264 265 265 266 267 268 269 270 270
3. Teil Die zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote mit GmbH-Geschäftsführern § 1 Zulässigkeit einer Wettbewerbsabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote als zulässig anerkannt . . . . . . . . . . . . B. Notwendigkeit einer schriftlichen Abrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Notwendigkeit einer Karenzentschädigung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Karenzentschädigungen nach § 74 Abs. 2 und § 90a Abs. 1 S. 3 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsprechung des BGH zu Geschäftsführern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsprechung der zivilrechtlichen Instanzgerichte zu Geschäftsführern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtslage bei Arbeitnehmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsprechung des BAG bis zur analogen Anwendung der §§ 74 ff. HGB bei allen Arbeitnehmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Rechtsprechung bei anderen Personengruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
275 275 276 276 277 278 278 278 279 279 279 280
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Inhaltsverzeichnis VI. Schutzzwecke der Karenzentschädigung nach §§ 74 Abs. 2, 90a HGB VII. Auffassungen der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfassungsrechtliche Gebotenheit einer Karenzentschädigung und allgemeine Rechtsgrundsatzqualität des § 74 Abs. 2 HGB . . a) Entscheidungen des BAG zu §§ 75b S. 2 und 75 Abs. 3 HGB a. F. sowie des BVerfG zu § 90a Abs. 2 S. 2 HGB a. F. . . . . . . b) Gebotenheit einer Karenzentschädigung aus Schutzzweckgesichtspunkten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kein allgemeiner Grundsatz bezahlter Karenz wegen Vertragsfreiheit und Maßstab des § 138 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Karenzentschädigung als Billigkeitsaspekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erforderlichkeit von Karenzentschädigung – Leitlinien . . . . . . . . . a) Differenzierungen der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtsprechung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtsprechung der zivilrechtlichen Instanzgerichte . . . . . b) Differenzierungen der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Differenzierung zwischen Kundenschutzklauseln und Tätigkeitsverboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Differenzierung nach gesellschaftsrechtlicher Stellung des Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Berücksichtigung sonstiger vertraglicher Leistungen . . . . (1) Sonstige vertragliche Leistungen als Gegenleistung für Wettbewerbsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Sonstige vertragliche Leistungen ohne Bezug zum Wettbewerbsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Entscheidend: Abmilderung der Berufsbeeinträchtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Vertragliche Leistungen für die Dauer der Anstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Vertragliche Leistungen für die Zeit nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . (aa) Sachleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Übergangsgelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Abfindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Betriebsrenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Höhe ausgleichender Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Vorliegen eines berechtigten Interesses und Billigkeit der Beschränkung . .
281 282 284 284 285 290 291 292 292 294 294 294 296 296 299 299 300 301 301 301 302 303 304 305 305 305 307 308 310 312
Inhaltsverzeichnis Gesetzliche Regelungen in § 74a Abs. 1 S. 1–3 und § 90a Abs. 1 S. 1 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsprechung des BGH zu Geschäftsführern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsprechung der zivilrechtlichen Instanzgerichte zu Geschäftsführern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsprechung des BAG vor analoger Anwendung der §§ 74 ff. HGB bei allen Arbeitnehmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Rechtsprechung bei anderen Personengruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Rechtsprechung zu § 1 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Auffassungen der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Heranziehung des § 74a HGB zur Konkretisierung des § 138 Abs. 1 BGB und daraus folgender Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . 2. Berechtigtes Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Prüfungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sachlich/gegenständlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Tätigkeitsgebiet entscheidend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kundenschutzabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Konkurrenz- bzw. Tätigkeitsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Räumlich/örtlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zeitlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Keine unbillige Beschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Relevanz von Karenzentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sachliche/gegenständliche – örtliche/räumliche – zeitliche Unbilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beurteilungszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zeitpunkt bei § 74a Abs. 1 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zeitpunkt bei § 138 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zeitpunkt bei § 138 Abs. 1 BGB i.V. m. § 74a Abs. 1 HGB . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsfolge des § 74a Abs. 1 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsfolge des § 1 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsfolge des § 138 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtsprechung: Nichtigkeit – geltungserhaltende Reduktion in Ausnahmefällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Nichtigkeit – Normzweckvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Generelle Zulässigkeit geltungserhaltender Reduktion (3) Nichtigkeit – geltungserhaltende Reduktion in Ausnahmefällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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313 313 315 320 321 325 326 332 332 333 333 334 334 334 337 338 339 339 340 340 341 341 342 343 344 344 344 345 345 345 347 347 348 348
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Inhaltsverzeichnis d) § 138 BGB i.V. m. § 74a Abs. 1 HGB – Geltungserhaltende Reduktion statt Nichtigkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundsätzliche Zulässigkeit geltungserhaltender Reduktion bei § 138 BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Allgemeiner Rechtsgrundsatz geltungserhaltender Reduktion unwirksamer Wettbewerbsverbote als Normzweckvorbehalt i. S. v. § 138 BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Sachgerechtigkeit einer geltungserhaltenden Reduktion entsprechend § 74a Abs. 1 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Geltungserhaltende Reduktion analog § 139 BGB . . . . . . . (1) Voraussetzungen des § 139 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Fallkonstellationen quantitativer Teilnichtigkeit . . . . . . (3) Quantitative Teilnichtigkeit von Wettbewerbsverboten (a) Derzeitige Rechtslage und Problematik . . . . . . . . . (b) Allgemeine Grundsätze quantitativer Teilnichtigkeit (c) Grundsätze quantitativer Teilnichtigkeit von Wettbewerbsverboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Geltungserhaltende Reduktion von Wettbewerbsverboten in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Fehlen eines berechtigten geschäftlichen Interesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Unbillige Erschwerung des Fortkommens . . . ee) Geltungserhaltende Reduktion bei salvatorischer Klausel . . e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
§ 2 Verzicht und Anrechnung anderweitigen Erwerbes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Verzichtsmöglichkeit der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verzichtsrechte nach § 75a und § 90a Abs. 2 HGB . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsprechung des BGH zu Geschäftsführern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine Verzichtsmöglichkeit vereinbart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verzichtsmöglichkeit geregelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsprechung der zivilrechtlichen Instanzgerichte zu Geschäftsführern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine Verzichtsmöglichkeit vereinbart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verzichtsmöglichkeit geregelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsprechung des BAG bei Arbeitnehmern vor analoger Anwendung der §§ 74 ff. HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Rechtsprechung bei anderen Personengruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Schutzzweck einer Verzichtsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Auffassungen der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine Verzichtsmöglichkeit vereinbart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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350 351 352 352 353 356 356 356 357 358 358 360 361 362 364 365 366 366 366 367 370 370 370 373 374 374 375 375 376
Inhaltsverzeichnis
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a) Verzichtsrecht analog § 75a HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Herrschende Meinung: Analoge Anwendung des § 75a HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Problem: Geltung des § 75a HGB auch hinsichtlich Tatbestand und Rechtsfolge? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Verzichtsrecht auch über § 75a HGB hinaus . . . . . . . . (3) Verzichtsrecht nur entsprechend § 75a HGB . . . . . . . . bb) Mindermeinung: Kein Verzichtsrecht analog § 75a HGB – Vorrang der Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verzichtsrecht als allgemeiner Rechtsgrundsatz? . . . . . . . . . . . . 2. Verzichtsmöglichkeit geregelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verzicht auch nach Beendigung des Vertrages . . . . . . . . . . . . . . b) Dispositionsfrist zugunsten des Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . VIII. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine Verzichtsmöglichkeit vereinbart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ergänzende Vertragsauslegung hin zu Verzichtsrecht analog § 75a HGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeine Grundsätze ergänzender Vertragsauslegung . . bb) Ergänzende Vertragsauslegung – § 75a HGB . . . . . . . . . . . (1) Planwidrige Unvollständigkeit der Wettbewerbsabrede (2) § 75a HGB als lückenfüllendes Gesetzesrecht . . . . . . . (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anerkennung eines Verzichtsrechtes als allgemeiner Rechtsgrundsatz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verzichtsmöglichkeit geregelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verzichtsmöglichkeit auch nach Beendigung des Vertrages . . . c) Wahrung von Dispositionsfrist mit Dauer der vereinbarten Kündigungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Anrechnung anderweitigen Erwerbes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesetzliche Regelung nur in § 74c HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsprechung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine Vereinbarung der Anrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anrechenbarkeit anderweitigen Erwerbes geregelt . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsprechung der zivilrechtlichen Instanzgerichte . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine Vereinbarung der Anrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anrechenbarkeit geregelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis IV.
Rechtsprechung des BAG vor analoger Anwendung der §§ 74 ff. HGB auf Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Schutzzweck der Anrechenbarkeit anderweitigen Erwerbes . . . . . . . . VI. Auffassungen der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine Vereinbarung der Anrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anrechenbarkeit anderweitigen Erwerbes geregelt . . . . . . . . . . . . . VII. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine Vereinbarung der Anrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ergänzende Vertragsauslegung hin zur Anrechenbarkeit anderweitigen Erwerbes nach § 74c HGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Allgemeiner Rechtsgrundsatz der Anrechnung anderweitigen Erwerbes? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anrechenbarkeit anderweitigen Erwerbs geregelt . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 3 Zusammenfassung und Gesetzesvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 4. Teil Zusammenfassung der Ergebnisse
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§ 1 Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für Geschäftsführer und ihre Beurteilung durch Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 § 2 Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Art. 101 AEUV, Europäische Grundfreiheiten und Grundrechte . . . . . . . . . . B. § 1 GWB und §§ 3, 4 UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. §§ 74 ff. bzw. § 90a HGB analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. §§ 305 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. § 138 Abs. 1 BGB i.V. m. Art. 12 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG sowie den allgemeinen Rechtsgrundsätzen der §§ 74 ff. HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Ergänzung des Anstellungsvertrages anhand §§ 74 ff. HGB, soweit der GmbH günstig bzw. allgemeine Rechtsgrundsätze enthaltend . . . . . . . . . . .
410 410 411 412 414
§ 3 Die zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote . . . . . . A. Schriftform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Notwendigkeit einer Karenzentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Vorliegen eines berechtigten Interesses und Billigkeit der Beschränkung . . D. Verzichtsmöglichkeit der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Anrechenbarkeit anderweitigen Erwerbes durch GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 4 Gesetzesvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445
Abkürzungsverzeichnis AcP AEUV AG AGBGB AktG Anm. ArbGG ArbR ArbRB ArbR-Hdb. ArbZG Art. BAG BB Bd. Beck RS BetrAVG BetrVG BFH BGB BGH BSG DB DNotZ DrittelBG DStR EG EGV ErfK EU EUV EU-Wettb.R EWiR GewO GG GmbH GmbH & Co. KG
Archiv für die civilistische Praxis Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Aktiengesellschaft Gesetz zur Regelung des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen, gültig ab 30.6.2000 bis 31.12.2001 Aktiengesetz Anmerkung Arbeitsgerichtsgesetz Arbeitsrecht Aktuell Der Arbeits-Recht-Berater Arbeitsrechtshandbuch Arbeitszeitgesetz Artikel Bundesarbeitsgericht Betriebs-Berater Band Beck-Rechtsprechung Betriebsrentengesetz Betriebsverfassungsgesetz Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Bundessozialgericht Der Betrieb Deutsche Notar-Zeitschrift Drittelbeteiligungsgesetz Deutsches Steuerrecht Europäische Gemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Erfurter Kommentar Europäische Union Vertrag über die Europäische Union EU-Wettbewerbsrecht Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Gewerbeordnung Grundgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung KG, deren alleinige Komplementärin eine GmbH ist
24 GmbHG GmbH-GF GmbHR GmbH-StB GWB Hdb.GesR Hdb.KartellR HGB HK-AktG HK-BGB Hrsg. JurisPR-HaGesR JZ Kap. KG Lfg MAH MitbestG NJW NK NZA NZA-RR NZG OLG ProstG RdA Rn. S. SGB TVG TzBfG u. a. Urt. UWG VR WM WuW ZfA ZGR ZHR ZIP zit.
Abkürzungsverzeichnis Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau Der GmbH-Steuerberater Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Handbuch des Gesellschaftsrechts Handbuch des Kartellrechts Handelsgesetzbuch Heidelberger Kommentar zum Aktiengesetz Heidelberger Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Herausgeber juris PraxisReport Handels- und Gesellschaftsrecht Juristenzeitung Kapitel Kommanditgesellschaft Lieferung Münchener Anwaltshandbuch Mitbestimmungsgesetz Neue Juristische Wochenschrift NomosKommentar Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht NZA Rechtsprechungsreport Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Oberlandesgericht Prostitutionsgesetz Recht der Arbeit Randnummer Seite Sozialgesetzbuch Tarifvertragsgesetz Teilzeit- und Befristungsgesetz unter anderem Urteil Unlauteres Wettbewerbsgesetz Verwaltungsrundschau Wertpapier-Mitteilungen Wirtschaft und Wettbewerb Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis zitiert
Einleitung § 1 Problematik Nachvertragliche Wettbewerbsverbote sollen schädigendes Wettbewerbsverhalten des GmbH-Geschäftsführers zulasten der GmbH nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses verhindern. Sie finden sich bereits seit Jahrzehnten in Anstellungsverträgen von Geschäftsführern.1 Dennoch ist ihre Vereinbarung noch immer mit Rechtsunsicherheit verbunden, und es stellen sich in der Praxis immer wieder insbesondere die Fragen des zulässigen Gegenstandes entsprechender Abreden, der Notwendigkeit einer Karenzentschädigung sowie der Möglichkeit der GmbH, auf das Wettbewerbsverbot mit Wirkung des Entfallens der Karenzentschädigungspflicht zu verzichten oder anderweitigen Erwerb des Geschäftsführers auf die Karenzentschädigung anzurechnen.
§ 2 Rechtslage Spezielle gesetzliche Regelungen existieren für nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit GmbH-Geschäftsführern2 – anders als für solche mit Handlungsgehilfen (§§ 74 ff. HGB), Arbeitnehmern (§ 110 GewO i.V. m. §§ 74 ff. HGB) oder Handelsvertretern (§ 90a HGB) – nicht. Der Bundesgerichtshof beurteilt die Zulässigkeit entsprechender Abreden seit jeher anhand der Sittenwidrigkeitsgeneralklausel des § 138 Abs. 1 BGB und betont die auch in Privatrechtsverhältnissen zu berücksichtigende Wertentscheidung des Grundgesetzes, insbesondere der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG sowie der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG.3 BGH-Entscheidungen zum kartellrechtlichen Verbotstatbestand des § 1 GWB sind – soweit ersichtlich – dagegen noch nicht ergangen4; 1
Vgl. zu gängigen Klauselkonstellationen Teil 1 § 3 C. Im Folgenden nur noch: Geschäftsführer. 3 Vgl. BGH, Urt. v. 7.1.1965 – II ZR 187/63, WM 1965, 310 f.; BGH, Urt. v. 9.5.1968 – II ZR 158/66, WM 1968, 893 f.; BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366; BGH, Beschluss v. 7.7.2008 – II ZR 81/07, DB 2008, 1842. 4 Vgl. zu nachvertraglichen Wettbewerbsverboten und deren Vereinbarkeit mit § 1 GWB in Unternehmensveräußerungsverträgen: BGH, Urt. v. 13.3.1979 – KZR 23/77, NJW 1979, 1605 – Ausscheidensvereinbarung; BGH, Urt. v. 3.11.1981 – KZR 33/80, NJW 1982, 2000 – Holzpaneele; umfassend hierzu: Molle, Zur Beurteilung „begleitender“ Wettbewerbsverbote im Rahmen von Art. 81 Abs. 1 EG und § 1 GWB, S. 1 ff.; in Gesellschaftsverträgen: BGH, Urt. v. 3.5.1988 – KZR 17/87, NJW 1988, 2737 – neuform-Bereich; BGH, Urt. v. 19.10.1993 – KZR 3/92, NJW 1984, 384 – Ausscheidender 2
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Einleitung
den §§ 305 ff. BGB kommt bei Wettbewerbsverboten nur geringe Bedeutung zu5. Die (gesamt-)analoge Anwendung des ursprünglich nur für Handlungsgehilfen geschaffenen, durch das Bundesarbeitsgericht aber zwischenzeitlich bei allen Arbeitnehmern analog angewendeten6 Regelungssystems der §§ 74 ff. HGB, das nicht nur Vorgaben für den zulässigen Gegenstand und Umfang des Wettbewerbsverbotes festlegt, sondern insbesondere auch eine Karenzentschädigungspflicht statuiert sowie dem Prinzipal ein gesetzliches Recht zum Verzicht auf das Wettbewerbsverbot eröffnet und die Anrechnung anderweitigen Erwerbes auf die Karenzentschädigung gestattet, lehnt der BGH in ständiger Rechtsprechung ab.7 Die den §§ 74 ff. HGB zugrunde liegende Interessenlage sei mit der bei der Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes mit einem Geschäftsführer vorzufindenden Interessenlage nicht vergleichbar.8 In einer Entscheidung im Jahre 1984 hat er aber herausgestellt, dass die §§ 74 ff. HGB analoge Anwendung finden können, soweit es sich bei ihnen um allgemeine Rechtsgrundsätze handelt. Konkret hat er die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 74a Abs. 1 HGB auf seine Sittenwidrigkeitsprüfung nach § 138 Abs. 1 BGB übertragen.9 In einer späteren Entscheidung im Jahre 1992 hat er darüber hinaus die entsprechende Heranziehung der §§ 74 ff. HGB zur Ergänzung der Wettbewerbsabrede zwischen GmbH und Geschäftsführer zugelassen. Dabei hat er allerdings eingeschränkt, dass nur solche Normen der §§ 74 ff. HGB analog gelten könnten, die es gerade zum Ziel hätten, die besonderen Interessen des Unternehmens zu wahren; Normen, die allein dem Schutz des vom Wettbewerbsverbot Betroffenen dienten, könnten dagegen keine Berücksichtigung finden. Die die besonderen Interessen des Unternehmens wahrenden Normen der §§ 74 ff. HGB könnten hinsichtlich ihrer Tatbestände und Rechtsfolgen ferner nur insoweit Anwendung finden, wie dies nach Abwägung des besonderen Interesses der GmbH, sich bei der Wahrung ihrer Interessen nicht unangebrachte Beschränkungen auferlegen zu Gesellschafter; in Subunternehmerverträgen: BGH, Urt. v. 12.5.1988 – KZR 18/97, NJW-RR 1998, 1508 – Subunternehmervertrag; BGH, Urt. v. 10.12.2008 – KZR 54/08, NJW 2009, 1751, 1753 – Subunternehmervertrag II. 5 Vgl. zu § 305c und § 307 Abs. 1 S. 2 BGB: LAG Niedersachsen, Urt. v. 8.12.2005 – 7 Sa 1871/05, NZA-RR 2006, 426; LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 30.1.2008 – 10 Sa 60/07, NZA-RR 2008, 508; zur Frage, ob § 307 Abs. 1 BGB Anwendung findet: LAG Hamm, Urt. v. 23.3.2010 – 14 SaGa 68/08, NZG 2010, 920; eingehend: Mirza Khanian, Inhaltskontrolle von Anstellungsverträgen am Beispiel des GmbH-GF-Vertrages, S. 195 ff. 6 Vgl. BAG, Urt. v. 16.5.1969 – 3 AZR 137/68, NJW 1970, 443; BAG, Urt. v. 13.6.1969 – 3 AZR 138/68, NJW 1970, 626; BAG, Urt. v. 2.5.1970 – 3 AZR 134/69, AP Nr. 26 zu § 74 HGB; BAG, Urt. v. 26.11.1971 – 3 AZR 220/71, AP Nr. 26 zu § 611 BGB; BAG, Urt. v. 9.8.1974 – 3 AZR 346/73, AP Nr. 27 zu § 611 BGB. 7 Vgl. grundlegend BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366; BGH, Urt. v. 4.3.2002 – II ZR 77/00, NJW 2002, 1875; BGH, Beschluss v. 7.7.2008 – II ZR 81/07, DB 2008, 1842. 8 Vgl. BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366. 9 Vgl. BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366.
§ 2 Rechtslage
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lassen, mit dem Schutzinteresse des Geschäftsführers geboten erscheine.10 Im Ergebnis hat der BGH auf diese Weise der GmbH ein Verzichtsrecht analog der Gesetzesregelung des § 75a HGB zuerkannt, obwohl die Parteien in dem zugrunde liegenden Sachverhalt ein solches nicht vereinbart hatten und die §§ 74 ff. HGB nach der bisherigen Rechtsprechung keine Anwendung fanden.11 Unter welchen Voraussetzungen der GmbH ein Verzichtsrecht zustehen soll, hat der BGH in dieser Entscheidung12 aber ebenso wenig wie in der Folgeentscheidung im Jahre 200213 deutlich gemacht.14 In einer seiner jüngsten Entscheidungen im Jahre 2008 hat der BGH nun aber unter Betonung der Vertragsfreiheit von GmbH und Geschäftsführer die vertragsergänzende analoge Anwendung des die Anrechnung anderweitigen Erwerbes auf eine gezahlte Karenzentschädigung anordnenden § 74c HGB abgelehnt.15 Hierdurch hat er nicht nur hervorgehoben, die §§ 74 ff. HGB bei Geschäftsführern – insoweit an seiner bisherigen Rechtsprechung festhaltend – nicht gesamt-analog anzuwenden; vielmehr hat er zugleich sein einige Jahre zuvor herausgebildetes Konzept, die §§ 74 ff. HGB zur Ergänzung der Wettbewerbsabrede (teil-)analog heranzuziehen, wenn und insoweit sie die Interessen der GmbH schützende Regelungen enthalten, jedenfalls wieder in Frage gestellt, indem er es hinsichtlich des § 74c HGB nicht zur Anwendung gebracht hat.16 Die Literatur kritisiert die Rechtsprechung des BGH bereits seit Jahrzehnten – teilweise in ihrer Gesamtkonzeption, teilweise wegen ihrer Nutzung zu beliebiger Einzelfallkasuistik – anhaltend, aber erfolglos in Monographien17, Lehrbüchern18, Kommentaren19, Aufsätzen und Entscheidungsanmerkungen20. Sie 10
Vgl. BGH, Urt. v. 17.2.1992 – II ZR 140/91, NJW 1992, 1892. Vgl. die Analyse der Entscheidung in Teil 1 § 4 B. I. 5. b) bb); zur Kritik an der Entscheidung: Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885, 887; Kamanabrou, ZGR 2002, 898, 902, 909. 12 Vgl. BGH, Urt. v. 17.2.1992 – II ZR 140/91, NJW 1992, 1892. 13 Vgl. BGH, Urt. v. 4.3.2002 – II ZR 77/00, NJW 2002, 1875. 14 Vgl. die Analysen der Entscheidungen: Teil 1 § 4 B. I. 5. b) cc) und Teil 1 § 4 B. I. 7. b) cc), zur Kritik an den Entscheidungen: Heidenhain, NZG 2002, 605; Bergwitz, GmbHR 2007, 523, 524. 15 Vgl. BGH, Urt. v. 28.4.2008 – II ZR 11/07, GmbHR 2008, 930. 16 Vgl. die Analyse der Entscheidung, Teil 1 § 4 B. I. 8. b); zur Kritik an der Entscheidung: Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote Rn. 1086. 17 Vgl. Gravenhorst, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit GmbH-GF, S. 105 ff.; Brachert, Organmitgliedschaft und Arbeitnehmerstatus, S. 192, 218; Gissel, Arbeitnehmerschutz für den GmbH-GF, S. 126, 137; Groß, Der Anstellungsvertrag des GmbHGeschäftsführers im Zivil-, Arbeits-, Sozialversicherungs- und Steuerrecht, S. 363; Wertheimer, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Arbeitsverhältnissen, S. 123 ff. 18 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote Rn. 1043 ff.; Oppenländer/Trölitzsch/Baumann, GmbH-Geschäftsführung, § 14 Rn. 14 ff. 19 Vgl. Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 87 ff.; Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 146a; KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 88 Rn. 37; Scholz/Schneider/Sethe, GmbHG, § 35 Rn. 182; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 196 ff. 11
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Einleitung
wirft ihr vor, sie sei „ziemlich verworren“ 21, vermittle ein „diffuses Bild“ 22 bzw. habe „eigene Grenzen entwickelt, die in vielen Punkten noch nicht präzise gezogen sind“ 23. Die Rechtsprechung, prangert sie an, „krankt seit Jahren daran, dass handhabbare Leitlinien fehlen. Obwohl der BGH in den letzten Jahren mehrfach mit der Thematik befasst war, nutzte er die Chance nicht, der Praxis brauchbare Hinweise zur Vertragsgestaltung zu geben. Stattdessen hangelt sich der BGH von Einzelfall zu Einzelfall weiter, nicht wenige seiner Entscheidungen sind überdies unklar, widersprüchlich und dogmatisch kaum nachvollziehbar“ 24. „Missliche Folge der unübersichtlichen und inkonsistenten BGH-Rechtsprechung“ sei „eine mittlerweile nicht mehr prognostizierbare Rechtsprechung der Instanzgerichte“; mit dem Wettbewerbsverbot eines Organmitglieds zu Gericht zu gehen, geriete daher für die Praxis immer mehr zu einem „Vabanquespiel“.25 Ein Teil der Literatur fordert – in der Regel zugunsten von Fremdgeschäftsführern – die (gesamt-)analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB.26 Nach seiner Abberufung aus der Organstellung befinde sich der Geschäftsführer in einer Interessenlage, die der in den Normen geregelten entspräche.27 Ebenso wie das BAG seine ursprüngliche Haltung aufgegeben habe, die §§ 74 ff. HGB nicht auf die von den Normen nicht erfassten Arbeitnehmer analog anzuwenden, sei auch eine Rechtsprechungsänderung des BGH zugunsten der analogen Anwendung der §§ 74 ff. HGB geboten.28 Der andere Teil der Literatur folgt dagegen dem BGH 20 Vgl. Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885, 886; Boemke, ZfA 1998, 209, 234; Heidenhain, NZG 2002, 605 f.; Thüsing, NZG 2004, 9; Baeck/Winzer, Anm. zu BGH v. 28.4.2008 – II ZR 11/07, NZG 2008, 775; Diller, Anm. zu BGH v. 28.4.2008 – II ZR 11/07, BeckRS 2008, 1175; ders., Anm. zu BGH v. 7.7.2008 – II ZR 81/07, BeckRS 2008, 1175. 21 Vgl. Kallmeyer/Fuhrmann, GmbH-Handbuch, 10 Abschnitt (136. EL 01/2011) Rn. 2187. 22 Vgl. Heidenhain, NZG 2002, 605; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 198. 23 Vgl. Thüsing, NZG 2004, 9. 24 Vgl. Diller, Anm. zu BGH, Beschluss v. 7.7.2008 – II ZR 81/07, BeckRS 2008, 18206. 25 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote Rn. 1037. 26 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote Rn. 1038; Boemke, ZfA 1998, 209, 234; Brachert, Organmitgliedschaft und Arbeitnehmerstatus, S. 192, 218; Ensthaler/Etzel, GK-HGB, §§ 74–75d Rn. 2; Gaul, GmbHR 1991, 144, 147 f.; Gaul/Mirza Khanian, MDR 2006, 181, 184; Gissel, Arbeitnehmerschutz für den GmbH-GF, S. 126, 137; Gravenhorst, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit GmbH-GF, S. 115–119, 128; Henssler, RdA 1992, 289, 294–296; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG, § 35 Rn. 106; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 182; Großkomm-HGB/Weber, Vor § 74 Rn. 21; Wertheimer, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Arbeitsverhältnissen, S. 141. 27 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote Rn. 1038; dies., GmbHR 1999, 885, 886; Bellstedt, GmbHR 1976, 236, 239. 28 Vgl. Gravenhorst, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit GmbH-GF, S. 115– 119, 128.
§ 3 Ziel, Gegenstand und Gang der Untersuchung
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in seiner Grundentscheidung für § 138 BGB als Prüfungsgrundlage.29 Bei der Konkretisierung des § 138 BGB anhand der §§ 74 ff. HGB gelangen die Literaturvertreter aber teilweise zu gegenüber der BGH-Rechtsprechung abweichenden Ergebnissen.30 Auch lehnen einige die vom BGH entwickelte vertragsergänzende (teil-)analoge Anwendung der der GmbH günstigen Regelungen der §§ 74 ff. HGB ab.31 Der Gesetzgeber hat zur Begründung von mehr Rechtssicherheit im Umgang mit nachvertraglichen Wettbewerbsverboten mit Geschäftsführern bisher weder spezielle Normen noch eine Verweisungsnorm auf sonstige spezielle Regelungen geschaffen. Es liegen derzeit auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass in näherer Zukunft eine Regelung erfolgt.
§ 3 Ziel, Gegenstand und Gang der Untersuchung Diese fortbestehende Rechtsunsicherheit ist Grund und Anlass, sich mit der Problematik nachvertraglicher Wettbewerbsverbote für Geschäftsführer auseinanderzusetzen. Ziel und Gegenstand dieser Arbeit ist dabei zum einen, festzustellen, welchen Normen diese Abreden genügen müssen. Zum anderen soll auf der Grundlage der gefundenen Ergebnisse herausgearbeitet werden, unter welchen Voraussetzungen Wettbewerbsverbote zulässig sind, und zu den in der Praxis noch offenen Fragen eingehend Stellung genommen werden. Dabei soll auch erwogen werden, ob nicht zwecks Schaffung von Rechtssicherheit eine gesetzliche Regelung sachgerecht bzw. sinnvoll wäre. Hierfür werden nach einem kurzen Überblick über die Rechtsstellung des Geschäftsführers32 sowie Erläuterungen zu nachvertraglichen und Geschäftsführer im Übrigen betreffenden Wettbewerbsverboten33 die wesentlichen Entscheidungen des BGH zu nachvertraglichen Wettbewerbsverboten mit Geschäftsführern 29 Vgl. (z. B.) Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken, HGB, § 74 Rn. 8; Bartl/ Bartl/Fichtelmann/Koch/Schlarb, HK-GmbH-Recht, § 35 Rn. 124; Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 146a; Baumbach/Hopt, HGB, § 74 Rn. 3; MünchKommHGB/ von Hoyningen-Huene, § 74 Rn. 9; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anhang § 6 Rn. 25. 30 Z. B. Erforderlichkeit einer Karenzentschädigung: Groß, Das Anstellungsverhältnis des GmbH-Geschäftsführers im Zivil-, Arbeits- und Sozialversicherungs- und Steuerrecht, S. 363; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anhang zu § 6 Rn. 25; Münch. Hdb.GesR IV/Wiesner, § 21 Rn. 71; geltungserhaltende Reduktion in allen Unwirksamkeitsfällen: Jaeger, Anstellungsvertrag des GmbH-GF, S. 175; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 201. 31 Vgl. Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 88; Heidenhain, NZG 2002, 605 f.; KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 88 Rn. 37. 32 Vgl. Teil 1 § 1. 33 Vgl. Teil 1 § 2.
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Einleitung
analysiert und das Beurteilungskonzept des BGH kritisch nachvollzogen34. Ergänzend wird der Meinungsstand der Literatur wiedergegeben.35 Im Anschluss daran folgt in Teil 2 die Prüfung, welchen Rechtsvorschriften nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit Geschäftsführern genügen müssen. Im Hinblick auf Teil 3 dieser Arbeit wird dabei stets auch erörtert, ob den behandelten Normen einheitliche Wertungen im Umgang mit Wettbewerbsverboten entnommen werden können.36 Begonnen wird in Anbetracht der zunehmenden Bedeutung europarechtlicher Vorgaben mit dem europäischen Wettbewerbsrecht des Art. 101 AEUV (vormals Art. 81 EG)37, den europäischen Grundfreiheiten38 und Grundrechten39. Es folgen die national-verfassungsrechtlichen Anforderungen40 sowie eine eingehende Auseinandersetzung mit § 1 GWB, so auch zu dessen Verhältnis zu § 138 BGB und damit der Übertragbarkeit von Rechtsprechungsansätzen41. Der Schwerpunkt der Prüfung liegt neben einem Rekurs auf die §§ 305 ff. BGB42 und die §§ 3, 4 UWG43 auf der Frage, ob die §§ 74 ff. HGB bei Geschäftsführern gesamt-analoge Anwendung finden oder ob § 138 BGB die sachgerechte Beurteilungsgrundlage darstellt. Hierbei wird auch überprüft, ob der BGH berechtigterweise § 138 BGB anhand der Wertungen der Art. 12 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG sowie den allgemeinen Rechtsgrundsätzen der §§ 74 ff. HGB konkretisiert und insbesondere ob der dadurch entstehende intensive Prüfungsmaßstab mit § 138 BGB vereinbar ist.44 Schließlich wird der Ansatz des BGH, die §§ 74 ff. HGB zur Vertragsergänzung analog anzuwenden, in Frage gestellt.45 Auf die gefundenen Ergebnisse aufbauend wird in Teil 3 sodann erörtert, unter welchen Voraussetzungen nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit Geschäftsführern wirksam vereinbart werden können. Es werden die derzeit noch ungeklärten und daher diskutierten Fragen der Erforderlichkeit einer Karenzentschädi34
Vgl. Teil 1 § 4 B. Vgl. Teil 1 § 4 C. 36 Vgl. i. E. zur Einheitlichkeit der gesetzlichen Regelungen (§§ 74 ff. HGB, § 90a HGB), den Wertungen bei § 138 BGB und bei Tatbeständsbeschränkung des § 1 GWB und der Rechtsprechung (Reichsgericht [RG], BGH und BAG) hinsichtlich der Zulässigkeitsvoraussetzungen von Wettbewerbsverboten: Teil 2 § 3 F. II. 3. c) bb) (2) (b) (aa). 37 Vgl. Teil 2 § 1 A. I. sowie Molle, Zur Beurteilung „begleitender“ Wettbewerbsverbote im Rahmen von Art. 81 Abs. 1 EG und § 1 GWB, S. 1 ff. 38 Vgl. Teil 2 § 1 A. II. 39 Vgl. Teil 2 § 1 B. 40 Vgl. Teil 2 § 2. 41 Vgl. Teil 2 § 3 A. 42 Vgl. Teil 2 § 3 E. sowie Mirza Khanian, Inhaltskontrolle von Anstellungsverträgen am Beispiel des GmbH-GF-Vertrages, S. 195 ff. 43 Vgl. Teil 2 § 3 B. 44 Vgl. zur analogen Anwendung der §§ 74 ff. HGB Teil 2 § 3 C.; zu § 138 BGB Teil 2 § 3 F. 45 Vgl. Teil 2 § 3 G. 35
§ 3 Ziel, Gegenstand und Gang der Untersuchung
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gung46, der Zulässigkeit von Kundenschutzabreden oder Konkurrenzverboten47, des maßgeblichen Beurteilungszeitpunktes48, der Zulässigkeit der geltungserhaltenden Reduktion einer ansonsten nichtigen Abrede49, aber auch der Möglichkeit der GmbH, auf das Wettbewerbsverbot zu verzichten50 oder anderweitigen Erwerb auf die Karenzentschädigung anzurechnen51, erörtert. Der Stellungnahme zu jedem Problemkomplex geht dabei die getrennte Wiedergabe der zu dieser Problematik einschlägigen Entscheidungen einerseits von BGH und anderseits von Instanzgerichten zu Wettbewerbsverboten mit Geschäftsführern voraus. Dem schließt sich ein Überblick über die zu dieser Problematik bei Wettbewerbsverboten mit sonstigen Personengruppen ergangenen Entscheidungen an. Sodann folgen die zu der jeweiligen Problematik ergangenen Entscheidungen des BAG zu Wettbewerbsverboten mit Arbeitnehmern, die das BAG noch auf der Grundlage des § 138 BGB getroffen hat, also bevor es dazu übergegangen ist, die §§ 74 ff. HGB analog anzuwenden. Schließlich werden die Ansichten der Literatur wiedergegeben. Durch diese getrennte Wiedergabe der Rechtsprechung von BGH und Instanzgerichten bei Geschäftsführern, BAG bei Arbeitnehmern sowie BGH bei anderen Personengruppen, ergänzt um die Auffassungen der Literatur, soll der Praxis im Sinne eines Nachschlagewerkes ein geordneter Überblick über die Rechtslage bei Geschäftsführern ermöglicht werden. Die bestehende Rechtsunsicherheit in der Praxis scheint nämlich jedenfalls dadurch noch verstärkt, dass die Literaturerläuterungen Rechtsprechung und Literatur zu den o. g. Problematiken unter Einflechtung des eigenen Standpunktes lediglich zusammengefasst wiedergeben, so dass der Rechts- und Meinungsstand hinsichtlich einer Frage konkret bei Geschäftsführern nur schwer erkennbar ist. Abschließend wird angedacht, ob vor dem Hintergrund der zuvor gefundenen Ergebnisse eine gesetzliche Regelung sachgerecht wäre.52
46 47 48 49 50 51 52
Vgl. Teil 3 § 1 C. Vgl. Teil 3 § 1 D. Vgl. Teil 3 § 1 D. Vgl. Teil 3 § 1 D. Vgl. Teil 3 § 2 A. Vgl. Teil 3 § 2 B. Vgl. Teil 3 § 3.
1. Teil
Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer und ihre Beurteilung durch Rechtsprechung und Literatur Im Verlauf dieser Arbeit wird geprüft, anhand welcher rechtlichen Grundlagen nachvertragliche Wettbewerbsverbote für Geschäftsführer1 auf ihre Rechtmäßigkeit beurteilt werden und – hierauf aufbauend – welche Zulässigkeitsmaßstäbe für ihre Vereinbarung gelten. Im Hinblick auf diese Prüfungen soll im Folgenden einführend erläutert werden, wann nachvertragliche Wettbewerbsverbote für Geschäftsführer gegeben sind und wie sie durch Rechtsprechung und Literatur beurteilt werden.
§ 1 Rechtsstellung des GmbH-Geschäftsführers Für die Abgrenzung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote von anderen die Geschäftsführer betreffenden oder mit ihnen zu vereinbarenden Wettbewerbsverboten sind ebenso wie für die Diskussion, welche rechtlichen Anforderungen für nachvertragliche Wettbewerbsabreden mit Geschäftsführern bestehen, die Besonderheiten der Rechtsstellung des Geschäftsführers von großer Bedeutung. Daher werden zunächst die wesentlichen Kennzeichnen dieser Rechtsstellung erläutert. Die Darstellung beschränkt sich dabei mangels Relevanz weiterer Differenzierungen für die hiesige Problemstellung auf Geschäftsführer, für die nicht durch Satzung2 oder Spezialgesetze3 Besonderheiten begründet werden.
1 Zum Begriff des „Geschäftsführers“ allgemein, insbesondere zu seiner Verwendung durch den Gesetzgeber im untechnischen und damit mehrdeutigen Sinne, also über den konkret gesetzlich umrissenen Geschäftsführer-Begriff, hinaus vgl. Küttner/Kania, Personalbuch, „Geschäftsführer“ A. Rn. 1. 2 Insbesondere: fakultative Einrichtung von Aufsichtsrat (§ 52 GmbHG), Gesellschafterausschuss, Beirat oder Verwaltungsrat (§ 45 GmbHG). 3 Insbesondere: obligatorische Einrichtung von Aufsichtsrat: §§ 27–29, 31–33 MitbestG, Montan-MitbestG, § 3 MitbestErgG, § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG und § 6 Abs. 2 InvestmG; Bestellung eines gleichberechtigten Geschäftsführer als Arbeitsdirektor: § 33 MitbestG, § 13 Montan-MitbestG, § 13 MitbestErgG; Bestellung von Geschäftsführer durch Aufsichtsrat: § 31 MitbestG, § 12 Montan-MitbestG, § 13 MitbestErgG.
§ 1 Rechtsstellung des GmbH-Geschäftsführers
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A. Doppelstellung des GmbH-Geschäftsführers Die Rechtsstellung des Geschäftsführers ist nicht zusammenhängend und umfassend im GmbHG geregelt. Zwar finden sich zahlreiche, wenn auch teilweise lückenhafte4 Normen bzgl. der – die Rechtsstellung besonders prägenden – Organstellung des Geschäftsführers. So sind die Bestellung zum GmbH-Organ und die dadurch grundsätzlich begründeten organschaftlichen Rechte und Pflichten des Geschäftsführers, im Besonderen Geschäftsführung und Vertretung, geregelt. Die Rechtsposition des Geschäftsführers beschränkt sich jedoch nicht auf das vornehmlich durch Gesetz und Satzung ausgestaltete organschaftliche Rechtsverhältnis zur GmbH. Vielmehr hat der Geschäftsführer eine Doppelstellung einerseits als Organ und andererseits als Angestellter bzw. Dienstnehmer der Gesellschaft inne.5 Für seine Rechtsstellung maßgebliche Regelungen – insbesondere zu seiner persönlichen Beziehung zur GmbH – folgen aus dem Anstellungsverhältnis.6 Im Folgenden wird unter B. zunächst auf die Rechtsstellung des Geschäftsführers als Organ der GmbH, insbesondere auf seine organschaftlichen Rechte und Pflichten eingegangen. Abschnitt C befasst sich sodann mit der Stellung des Geschäftsführers als Angestellter der GmbH. Erörtert werden das Verhältnis von Organstellung und Anstellung und die Rechtsnatur des Anstellungsvertrages. Ergänzend wird aufgezeigt, inwieweit sonstige, insbesondere arbeits-, sozial- und steuerrechtliche Normen auf Geschäftsführer Anwendung finden, wenn entsprechende Regelungen im Anstellungsvertrag fehlen.
B. Organ der GmbH § 6 Abs. 1 GmbHG legt zwingend fest, dass eine GmbH einen oder mehrere Geschäftsführer haben muss. Dem Geschäftsführer obliegen nach den §§ 35 ff. GmbHG die Führung der Geschäfte und die Vertretung der Gesellschaft. Er ist nach der GmbH-Verfassung daher notwendiges Handlungsorgan der GmbH, während die Willensbildung durch die Gesellschafterversammlung als oberstes, ebenfalls notwendiges, Gesellschaftsorgan (§§ 45 ff. GmbHG) erfolgt.7 Die 4 Vgl. Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG, § 35 Rn. 3; Ulmer/ Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 2. 5 Vgl. BAG, Urt. v. 13.5.1992 – 5 AZR 344/91, GmbHR 1993, 35; BAG, Beschluss v. 6.5.1999 – 5 AZB 22/98, NZA 1999, 839; BGH, Urt. v. 28.10.2002 – II ZR 146/02, NJW 2003, 351; BAG, Urt. v. 25.10.2007 – 6 AZR 1045/06, 1. Lts., NZA 2008, 168, 169; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 44; Stück, GmbHR 2006, 1009 ff.; Tillmann/ Mohr, GmbH-GF, Rn. 1 ff. 6 Vgl. Freckmann, DStR 2008, 52; Küttner/Kania, Personalbuch, „Geschäftsführer“ A. Rn. 3; Scholz/ Schneider/Sethe, GmbHG, § 35 Rn. 151; Hachenburg/Stein, GmbHG, § 35 Rn. 136. 7 Vgl. Roth/Altmeppen, GmbHG, § 35 Rn. 1; § 6 Rn. 2; Baumbach/Hueck/Hueck/ Fastrich, GmbHG, § 6 Rn. 1.
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1. Teil: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer
Rechtsstellung als Handlungsorgan „Geschäftsführer“ ist nur durch den wirksamen körperschaftlichen Akt der auch als solche zu bezeichnenden Bestellung zu begründen. Sie richtet sich ausschließlich nach gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen, insbesondere nach den Vorschriften des GmbHG (vgl. § 6 GmbHG).8 I. Geschäftsführertypen Zum Geschäftsführer einer GmbH können nach § 6 Abs. 3 S. 1 GmbHG Gesellschafter oder andere Personen bestellt werden. Das GmbHG differenziert also zwischen Gesellschafter-Geschäftsführern und Fremdgeschäftsführern, knüpft hieran im Folgenden aber grundsätzlich keine unterschiedlichen Rechtsfolgen an. Während es für die Rechtsstellung als Gesellschaftsorgan daher ohne Auswirkungen bleibt, wenn der Geschäftsführer Gesellschaftsanteile hält, ist dies für seine Rechtsstellung im Übrigen von weitreichender Bedeutung. So ist es sowohl für das Verhältnis zur Gesellschaft und zu anderen Gesellschaftsorganen als auch für arbeits-, sozial- und steuerrechtliche Fragen von Relevanz, ob und sodann auch mit welchem Beteilungsanteil der Geschäftsführer zugleich Gesellschafter der GmbH ist.9 Arbeitsrechtliche Normen finden vereinzelt auf Geschäftsführer Anwendung, wenn sie unter bestimmten Voraussetzungen auch für Nichtarbeitnehmer gelten und der betroffene Geschäftsführer als Nichtarbeitnehmer im Sinne des Gesetzeszweckes zu bewerten ist.10 So wendet die Rechtsprechung z. B. das BetrAVG, das nach seinem § 17 Abs. 1 S. 2 auch bei Personen einschlägig ist, die nicht Arbeitnehmer sind, denen aber Altersversorgungsleistungen aus Anlass ihrer Tätigkeit für ein Unternehmen zugesagt wird, auf wirtschaftlich-abhängige und daher arbeitnehmerähnliche Geschäftsführer, nicht aber auf selbständige/UnternehmerGeschäftsführer im Sinne des Gesetzeszwecks an.11 Sozialversicherungsrechtliche Normen gelten nach § 7 Abs. 1 SGB IV für abhängig-beschäftigte Geschäftsführer, während Unternehmer-Geschäftsführer nicht in den Geltungsbereich der Normen fallen.12 Die Rechtsprechung hat mithin für einzelne Gesetze weitere 8 Vgl. Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 6 Rn. 25; Moll/Grobys, MAH Arbeitsrecht, § 77 Rn. 2. 9 Vgl. Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 135; Scholz/Schneider/Sethe, GmbHG, § 35 Rn. 149; Hachenburg/Stein, GmbHG, § 35 Rn. 137; Baumbach/Hueck/Zöllner/ Noack, GmbHG, § 35 Rn. 20 ff. 10 Vgl. zur Geltung arbeitsrechtlicher Normen allgemein: Teil 1 § 1 C. 11 Vgl. zusammenfassend: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 95 ff.; Kemper/Kisters-Kölkes/Berenz/Bode/Pühler, BetrAVG, § 17 Rn. 3 ff.; Jula, Der GmbH-GF, S. 219 ff.; Blomeyer/Rolfs/Otto, BetrAVG, § 17 Rn. 90 ff.; Scholz/Schneider/Sethe, GmbHG, § 35 Rn. 257 ff.; Hachenburg/Stein, GmbHG, § 35 Rn. 264 ff.; ErfK/Steinmeyer, § 17 BetrAVG Rn. 9 ff.; Tillmann/Mohr, GmbH-GF, Rn. 310 ff. 12 Vgl. zusammenfassend: BGH, Urt. v. 24.7.2003 – IX ZR 143/02, NZG 2003, 1020 f.; Arens/Beckmann, Anwaltliche Beratung des GmbH-GF, § 10 Rn. 1 ff.; Arens,
§ 1 Rechtsstellung des GmbH-Geschäftsführers
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Geschäftsführertypen herausgebildet, um die Anwendbarkeit der jeweiligen Gesetze auf Geschäftsführer zu systematisieren. Bei der Abgrenzung dieser gesetzesspezifischen Geschäftsführertypen, also z. B. der Feststellung, ob es sich um einen arbeitnehmerähnlichen oder aber um einen selbständigen/Unternehmergeschäftsführer i. S. d. BetrAVG bzw. um einen abhängig-beschäftigten oder aber einen Unternehmergeschäftsführer i. S. d. Sozialversicherungsrechtes handelt, gehen Rechtsprechung und Literatur aber wieder von der gesetzlichen Konzeption der Differenzierung von Fremd- und Gesellschafter-Geschäftsführern als Anhaltspunkt aus. Fremdgeschäftsführer werden daher zunächst als i. d. S. arbeitnehmerähnlich bzw. abhängig-beschäftigt qualifiziert. In einem zweiten Schritt wird sodann aber geprüft, ob im gegebenen Einzelfall keine andere Bewertung geboten, der Geschäftsführer nach den tatsächlichen Umständen also nicht selbständiger- bzw. Unternehmergeschäftsführer ist.13 Gesellschafter-Geschäftsführer werden dann als selbständige bzw. Unternehmergeschäftsführer bewertet, wenn sie auf die Gesellschaft maßgeblichen unternehmerischen Einfluss haben. Hierfür sind insbesondere ihre Kapitalanteile und Stimmrechte von Bedeutung.14 Hinsichtlich des Einflusses aufgrund der Kapitalanteile differenziert die Rechtsprechung sodann grundsätzlich zwischen Mehrheits- und Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführern. Während Mehrheits-Gesellschafter-Geschäftsführern, also solchen, die die Mehrheit der Gesellschaftsanteile (mindestens 50 %) halten, grundsätzlich zuerkannt wird, auf die Unternehmenspolitik Einfluss zu nehmen, nimmt man dies bei Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführern zunächst nicht an.15 Auch diese DStR 2010, 115, 117; Ebert, ArbRB 2012, 24; Freckmann, BB 2006, 2077 ff.; Hidalgo/ Schmidt, BB 2006, 602 f., Jula, Der GmbH-GF, S. 172 ff.; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 161 ff.; ErfK/Rolfs, § 7 SGB IV, Rn. 21 ff.; Schäfers, GmbH-StB 2006, 176, 177; Scholz/Schneider/Sethe, GmbHG, § 35 Rn. 378 ff.; Schwenzer, NZG 2006, 281; KassKomm/Seewald, § 7 SGB IV Rn. 90 ff.; Hachenburg/Stein, GmbHG, § 35 Rn. 140 ff.; Tillmann/Mohr, GmbH-GF, Rn. 662 ff.; Schaub, ArbR-Hdb./Vogelsang, § 15 Rn. 27 ff. 13 Vgl. BetrAVG: BGH, Urt. v. 9.6.1980 – II ZR 180/79, AP Nr. 4 zu § 17 BetrAVG; BGH, Urt. v. 9.6.1980 – 2 ZR 255/78, NJW 1980, 2257; BGH, Urt. v. 28.1.1991 – II ZR 29/90, NJW-RR 1991, 764; SGB IV: BSG, Urt. v. 5.2.1998 – B 11 AL 71/97 R, NZS 1998, 492; BSG, Urt. v. 18.12.2001 – B 12 KR 10/01 R, NZA-RR 2003, 325, 326 f. 14 Vgl. BetrAVG: BGH, Urt. v. 28.4.1980 – II ZR 254/78, AP Nr. 1 zu § 17 BetrAVG; BGH, Urt. v. 6.4.1981 – II ZR 252/79, AP Nr. 12 zu § 16 BetrAVG; BAG, Urt. v. 25.1.2000 – 3 AZR 769/98, AP Nr. 38 zu § 1 BetrAVG; BGH, Urt. v. 24.7.2003 – IX ZR 143/02, NZG 2003, 1020; BSG, Urt. v. 4.7.2007 – B 11 a AL 5/06 R, GmbHR 2007, 1324; SGB IV: BSG, Urt. v. 5.2.1998 – B 11 AL 71/97 R, NZS 1998, 492; BSG, Urt. v. 18.12.2001 – B 12 KR 10/01 R, NZA-RR 2003, 325, 326 f. 15 Vgl. BetrAVG: BGH, Urt. v. 28.4.1980 – II ZR 254/78, AP Nr. 1 zu § 17 BetrAVG; BGH, Urt. v. 9.6.1980 – II ZR 180/79, AP Nr. 4 zu § 17 BetrAVG; BGH, Urt. v. 6.4.1981 – II ZR 252/79, AP Nr. 12 zu § 16 BetrAVG; BGH, Urt. v. 28.1.1991 – II ZR 29/90, NJW-RR 1991, 746; BAG, Urt. v. 16.4.1997 – 3 AZR 869/05, AP Nr. 25 zu § 17 BetrAVG; BGH, Urt. v. 2.6.1997 – 3 AZR 869/95, AP Nr. 25 zu § 17 BetrAVG; BAG,
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1. Teil: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer
Differenzierung dient der Rechtsprechung aber nur als Ausgangspunkt bzw. zur Systematisierung ihrer Prüfung. Ebenso wenig, wie es ausgeschlossen ist, dass ein Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer nicht über den notwendigen „maßgeblichen Einfluss“ verfügt, ist es möglich, einen Minderheits-Gesellschafter aufgrund der sonstigen gesellschaftsvertraglichen oder tatsächlichen Umstände wegen seines Einflusses auf die Gesellschaft als selbständigen bzw. Unternehmergeschäftsführer zu qualifizieren.16 Im Steuerrecht kommt der Differenzierung des GmbH-Rechts zwischen Fremd- und Gesellschafter-Geschäftsführern insofern Bedeutung zu, als dass bei Gesellschafter-Geschäftsführern zwischen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit (Arbeitslohn) und Einkünften als Kapitalvermögen (Gewinnanteile als Gesellschafter) zu unterscheiden ist. Wird auf der Grundlage eines Dienstverhältnisses Entgelt an einen Gesellschafter-Geschäftsführer geleistet, ist zu prüfen, ob es sich hierbei in voller Höhe um Arbeitslohn handelt oder aber, ob ein Teil als Ertrag der Beteiligung, also als Gewinnausschüttung, anzusehen ist. Arbeitslohn ist die Vergütung nur, soweit sie angemessen ist. Hierfür ist entscheidend, ob die Gesellschaft einem Fremdgeschäftsführer unter denselben Umständen für dieselbe Leistung eine gleich hohe Vergütung gezahlt hätte. Nicht mehr als angemessen zu bewertende Zahlungen sind als verdeckte Gewinnausschüttungen den Einnahmen aus Kapitalvermögen zuzurechnen.17 Ob ein Geschäftsführer zugleich auch Gesellschafter der GmbH ist, ist also für die Rechtsstellung des Geschäftsführers – von der Organstellung abgesehen – von Bedeutung. So dient die Differenzierung des GmbHG zwischen Fremd- und Gesellschafter-Geschäftsführern als Ansatzpunkt bei der Feststellung, ob ein Geschäftsführer durch einzelne arbeits- und sozialrechtliche Normen geschützt wird bzw. wie an ihn gezahlte Vergütungen steuerrechtlich zu bewerten sind. Zu beUrt. v. 25.1.2000 – 3 AZR 769/98, AP Nr. 38 zu § 1 BetrAVG; SGB IV: BSG, Urt. v. 18.4.1991 – 7 Rar 32/90, NZA 1991, 869, 870; BSG, Urt. v. 5.2.1998 – B 11 AL 71/97 R, NZS 1998, 492; BSG, Urt. v. 4.7.2007 – B 11 a AL 5/06 R, GmbHR 2007, 1324; LSG NRW, Urt. v. 12.6.1991 – 12 Ar 136/89, GmbHR 1992, 174, 175. 16 Vgl. BetrAVG: BGH, Urt. v. 28.4.1980 – II ZR 254/78, AP Nr. 1 zu § 17 BetrAVG; BGH, Urt. v. 9.6.1980 – II ZR 180/79, AP Nr. 4 zu § 17 BetrAVG; BGH, Urt. v. 9.6.1980 – II ZR 255/78, AP Nr. 2 zu § 17 BetrAVG; BGH, Urt. v. 25.9.1989 – 2 ZR 259/88, NJW 1990, 49; BAG, Urt. v. 16.4.1997 – 3 AZR 869/05, AP Nr. 25 zu § 17 BetrAVG; BGH, Urt. v. 2.6.1997 – II ZR 191/96, AP Nr. 26 zu § 17 BetrAVG; BAG, Urt. v. 25.1.2000 – 3 AZR 769/98, AP Nr. 38 zu § 1 BetrAVG; SGB IV: BSG, Urt. v. 29.10.1986 – 7 Rar 43/85, GmbHR 1987, 351, 352; BSG, Urt. v. 5.5.1988 – 12 Rk 43/ 86, – GmbHR 1989, 32; BSG, Urt. v. 18.4.1991 – 7 Rar 32/90, NZA 1991, 869, 870; BSG, Urt. v. 5.2.1998 – B 11 AL 71/97 R, NZS 1998, 492; BSG, Urt. v. 4.7.2007 – B 11 a AL 5/06 R, GmbHR 2007, 1324, 1325; LSG NRW, Urt. v. 12.6.1991 – 12 Ar 136/ 89, GmbHR 1992, 174, 175. 17 Zum Ganzen: Arens/Beckmann, Anwaltliche Beratung des GmbH-GF, § 1 Rn. 60, § 11; Jula, Der GmbH-GF, S. 193 ff.; Küttner/Seidel, Personalbuch, „Geschäftsführer“, B Rn. 36, 39; Tillmann/Mohr, GmbH-GF, Rn. 204 ff.; Baumbach/Hueck/Zöllner/ Noack, GmbHG, § 35 Rn. 21.
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achten ist allerdings, dass die Rechtsprechung die Unterscheidung bei ihren rechtlichen Erwägungen stets nur als Ausgangs- bzw. Anhaltspunkt heranzieht. Sie nutzt sie zur Systematisierung ihrer Prüfungen, ohne ihr aber prägende Wirkung zuzumessen. Vielmehr kommt es entscheidend stets auf die Umstände des Einzelfalles an. II. Rechte und Pflichten aufgrund der Organstellung Mit der Funktion des Geschäftsführers einer GmbH sind zahlreiche (organschaftliche) Rechte und Pflichten verbunden.18 1. Organschaftliche Pflichten
Die oberste allgemeine Pflicht des Geschäftsführers liegt in der sorgfältigen Geschäftsführung. Er ist dem Wohl der Gesellschaft verpflichtet und hat im Rahmen der Gesetze, des Gesellschaftsvertrages, der verbindlichen Beschlüsse anderer Organe und unter gebotener Berücksichtigung der Interessen der Öffentlichkeit und der Arbeitnehmer des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens, die Zwecke der Gesellschaft zu fördern, ihren (wirtschaftlichen) Vorteil zu wahren und Schaden von ihr abzuwenden.19 Im Einzelnen treffen Geschäftsführer insbesondere folgende Pflichten bzw. Zuständigkeiten: a) Vertretung der GmbH, § 35 GmbHG Der Geschäftsführer ist (alleiniger) organschaftlicher Vertreter der Gesellschaft.20 Erst durch seine Bestellung wird die GmbH als juristische Person handlungsfähig. Die organschaftliche Vertretung der GmbH durch den Geschäftsführer ist daher zwingendes Element der GmbH-Verfassung und kann weder durch Satzung noch durch sonstige Regelung beseitigt werden.21 Der Geschäftsführer 18 Auf die Pflichten des Geschäftsführers mit Bezug zum Gesellschaftsverhältnis wird mangels Relevanz für die vorliegende Bearbeitung nicht eingangen. Treuepflicht und Wettbewerbsverbot werden später erörtert. 19 Vgl. BGH, Urt. v. 12.6.1989 – II ZR 334/87, NJW-RR 1989, 1255; BGH, Urt. v. 26.11.2007 – II ZR 161/06, DB 2008, 50; umfassend mit einzelnen, hieraus hergeleiteten Richtlinien dieses Gebotes sorgfältiger Geschäftsführung: Hachenburg/Mertens, GmbHG, § 43 Rn. 19 ff., 35 ff. (Aspekte der Treuepflicht). 20 Vgl. zum Charakter der organschaftlichen Vertretung: Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 6, 38; Scholz/Schneider, GmbHG, § 35 Rn. 13; zur gesetzlichen Struktur der Gesamtvertretung i. S. v. § 35 Abs. 2 S. 2, 3, den Gestaltungsmöglichkeiten durch Gesellschaftsvertrag sowie den weiteren Voraussetzungen wirksamer Vertretung: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 35 Rn. 38 ff., 50 ff., Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 106 ff., 123 ff. 21 Vgl. Scholz/Schneider, GmbHG, § 35 Rn. 13; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 3, 76.
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1. Teil: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer
vertritt die Gesellschaft nach § 35 Abs. 1 S. 1 GmbHG in allen gerichtlichen und außergerichtlichen Angelegenheiten. Die ihm eingeräumte Vertretungsmacht ist – abgesehen von einigen Sonderfällen, in welchen statt seiner andere Personen oder Gremien (Gesellschafterversammlung22, Aufsichtsrat23 oder besondere Vertreter zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen24) zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt sind – umfassend und sachlich in keiner Weise, weder durch Gesellschaftsvertrag noch durch Gesellschafterbeschluss, zu beschränken (vgl. § 37 Abs. 2 S. 1 GmbHG). Die aktive gesetzliche Vertretung erfolgt nach § 35 Abs. 2 S. 1 GmbHG durch alle Geschäftsführer gemeinsam (Gesamtvertretung), während für die Empfangnahme von Willenserklärungen zwingend jeder Geschäftsführer einzeln ermächtigt ist, § 35 Abs. 2 S. 3 GmbHG (Einzelvertretung). Die Form der Aktivvertretung kann von den Gesellschaftern nach § 35 Abs. 2 S. 2 GmbH abweichend geregelt werden. b) Führung der Geschäfte der GmbH Dem Geschäftsführer obliegt aufgrund seiner Organstellung nach einhelliger Auffassung die Führung der Geschäfte der GmbH. Unter Geschäftsführung sind die zur Verfolgung des gesellschaftsvertraglich vorgegebenen Gesellschaftszwecks erforderlichen Maßnahmen und Entscheidungen, insbesondere die Bestimmung über den Einsatz und die Koordinierung der Unternehmensressourcen, einschließlich der Setzung von sachlichen und zeitlichen Teilzielen für die Bediensteten der Gesellschaft, zu verstehen.25 Der originäre Zuständigkeitsbereich von Geschäftsführern wird grundsätzlich in der sog. laufenden Geschäftsführung, die von außergewöhnlichen Angelegenheiten und den Grundentscheidungen der Unternehmenspolitik abgegrenzt wird, gesehen.26 Unter die laufende Geschäftsführung fallen die tatsächlichen und rechtgeschäftlichen Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft mit sich bringt, und solche organisatorischen Maßnahmen, 22 Insbes.: Bestellung, Abberufung und Entlastung von Geschäftsführern (§ 46 Nr. 5 GmbHG), Abschluss von Anstellungsverträgen mit Geschäftsführern, Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Gesellschafter oder Geschäftsführer (§ 46 Nr. 8 GmbHG), Vertretung der Gesellschaft in Prozessen mit Geschäftsführern (§ 46 Nr. 8 GmbHG); vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 73. 23 Ggf. Vertretung der Gesellschaft gegenüber Geschäftsführern, § 52 GmbHG i.V. m. § 112 AktG analog, im Einzelnen umstritten, vgl. hierzu: Baumbach/Hueck/Zöllner/ Noack, GmbHG, § 35 Rn. 71, § 52 Rn. 100 ff. 24 Durch Gesellschafterversammlung nach § 46 Nr. 8 GmbHG bestellt. 25 Vgl. Hachenburg/Mertens, GmbHG, § 37 Rn. 3; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 103; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 2, § 35 Rn. 29; zu den Begriffen der Geschäftsführung im weiteren und im engeren Sinne: Scholz/Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 2 ff. 26 Vgl. Roth/Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 20; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 4.
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die zur gewöhnlichen Verwaltung der Gesellschaft gehören („Tagesgeschäft“).27 Soweit die Satzung nicht Abweichendes vorsieht und die Gesellschafterversammlung sich die Entscheidung über laufende Angelegenheiten nicht vorbehalten hat, können die Geschäftsführer im Bereich der laufenden Geschäftsführung selbständig entscheiden.28 Inwieweit sie darüber hinaus die Grundentscheidungen der Unternehmenspolitik bzw. außergewöhnliche Geschäfte vornehmen dürfen, wird unterschiedlich bewertet. Überwiegend wird die Zuständigkeit hierfür alleine bei den Gesellschaftern gesehen, so dass ein Gesellschafterbeschluss einzuholen wäre.29 Die Gegenansicht gesteht den Geschäftsführern zwar auch hier Geschäftsführungsbefugnis zu, verlangt indes aber dann die Einholung eines Gesellschafterbeschlusses, wenn Grund zur Annahme besteht, die Maßnahme könnte dem Willen der Gesellschaftermehrheit widersprechen, da auch sie die Unternehmensleitung den Gesellschaftern zuspricht.30 Von der Geschäftsführungsbefugnis nach allgemeiner Meinung nicht erfasst sind die Wahrnehmung der Gesellschafterrechte und Änderungen des Gesellschaftsvertrages.31 Der Gegenstand der Geschäftsführungsbefugnis kann im Einzelnen durch Gesetz, Satzung oder Beschluss der Gesellschafter begrenzt werden. Nicht zulässig ist es aber, dem Geschäftsführer diejenigen Kompetenzen abzuerkennen, auf die er zur Wahrnehmung seiner Pflicht zur Erhaltung des Stammkapitals (§§ 43 Abs. 3, 30, 31, 33, 49 Abs. 3 GmbHG), zur Erfüllung der Handelsregisterpflichten und der sonstigen der Öffentlichkeit gegenüber bestehenden Pflichten (u. a.: Buchführungspflicht, Pflicht zur Aufstellung des Jahresabschlusses, Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrages, steuerbezogene Pflichten) angewiesen ist.32 An Weisungen, durch deren Befolgung sich der Geschäftsführer Ansprüchen wegen Verstößen gegen diese Gesetzespflichten aussetzen würde, ist er nicht gebunden.33 Ob darüber hinaus auch Regelungen unzulässig sind, die dem Geschäfts27 Vgl. Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG, § 37 Rn. 6; Scholz/ Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 11. 28 Vgl. Roth/Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 20; /Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG, § 37 Rn. 6; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 6. 29 Vgl. BGH, Urt. v. 5.12.1983 – II ZR 56/82, NJW 1984, 1462; OLG Karlsruhe, Urt. v. 4.5.1999 – 8 U 153/97, NZG 2000, 267; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 22; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 9 nur eingeschränkt; Scholz/Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 12; Wicke, GmbHG, § 37 Rn. 3. 30 Vgl. Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG, § 37 Rn. 8; Hachenburg/Mertens, GmbHG, § 37 Rn. 4, 9, 11; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 8; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 2, 10, § 35 Rn. 29. 31 Vgl. BGH, Urt. v. 5.12.1983 – II ZR 56/82, NJW 1984, 1416; BGH, Urt. v. 25.2.1991 – II ZR 76/90, ZIP 1991, 509; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 19; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG, § 37 Rn. 14 zustimmend jedenfalls für Satzungsänderungen; Hachenburg/Mertens, GmbHG, § 37 Rn. 3; Baumbach/ Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 2. 32 Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG, § 37 Rn. 18; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 12.
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1. Teil: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer
führer jede eigene Geschäftsführungsentscheidung nehmen, d.h. die Geschäftsführungsbefugnis außerhalb der dargestellten, zwingenden Bereiche vollständig beseitigen, indem sie bspw. festlegen, dass der Geschäftsführer ausschließlich auf Anweisung der Gesellschafter oder eines anderen Organs zu handeln hat, ist durch die Rechtsprechung noch nicht geklärt34 und in der Literatur umstritten. Während einige Literaturvertreter annehmen, die Erfüllung der zwingenden Aufgaben würde gefährdet, wenn den Geschäftsführern jegliche Entscheidungsspielräume aberkannt, sie dadurch zu autoritätslosen „Vertretungsmarionetten“ degradiert und hierdurch die GmbH-Verfassung pervertiert würde,35 lehnt die überwiegende Ansicht in der Literatur einen Entscheidungsspielraum unter Verweis auf die umfassende Weisungsbindung der Geschäftsführer – §§ 6 Abs. 3, 37 Abs. 2, 38 Abs. 1, 46 Nr. 5 GmbHG – und damit die Organisationsverfassung in der GmbH ab.36 Geschäftsführer sind verpflichtet, die Geschäfte in angemessenem Umfang so zweckfördernd wie möglich zu führen. Hierfür müssen sie mit anderen Geschäftsführern kooperieren, diese aber auch überwachen, und organisieren, jederzeit über ausreichende Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft zu verfügen.37 c) Rechnungslegungs-, Auskunfts- und Handelsregister-, öffentlich-rechtliche und sonstige Pflichten Geschäftsführer sind zwingend verpflichtet, für die ordnungsgemäße Buchführung der Gesellschaft zu sorgen (§ 41 GmbHG), die Bücher zu führen (§ 238 Abs. 1 HGB) und den Jahresabschluss aufzustellen (§ 264 Abs. 1 HGB). Weiter sind sie verpflichtet, bestimmte Vorgänge zur Eintragung ins Handelsregister an33 Vgl. BGH, Urt. v. 14.12.1959 – II ZR 187/57, BGHZ 31, 258; BGH, Urt. v. 18.3.1974 – II ZR 2/72, NJW 1974, 1088; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 7.2.1997 – 23 U 28/95, GmbHR 1997, 346; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 6. 34 Vgl. OLG Brandenburg, Urt. v. 12.6.1996 – 7 U 156/95, GmbHR 1997, 168 zur Sittenwidrigkeit eines Vertrages, das den Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH in jeglicher Hinsicht Weisungen des, das Stammkapital zur Verfügung stellenden, Treugebers unterwirft; OLG Nürnberg, Urt. v. 9.9.1999 – 12 U 4408/98, NZG 2000, 154, nach dem oberste Leitungsfunktion im Gesellschaftsvertrag oder anderen organisatorischen Regelungen der Gesellschaft bis auf die unenziehbaren Mindestbefugnisse abgeschwächt werden kann. 35 Vgl. Hachenburg/Mertens, GmbHG, § 37 Rn. 16 Fn. 24 unter Verweis auf: Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 18. 36 Vgl. Roth/Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 5; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG, § 37 Rn. 22; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 14; Scholz/Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 38 m.w. N. 37 Vgl. Hachenburg/Mertens, GmbHG, § 43 Rn. 29 ff.: Pflicht zu loyaler/kollegialer Zusammenarbeit mit anderen Organen/Geschäftsführern und Aufsichtspflicht bei Geschäftsverteilung; Moll/Grobys, MAH Arbeitsrecht, § 77 Rn. 7; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 33.
§ 1 Rechtsstellung des GmbH-Geschäftsführers
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zumelden (§ 78 GmbHG). Die Anmeldepflicht kann hierbei gegenüber der Gesellschaft oder aber gegenüber dem Staat bestehen. Gegenüber der Gesellschaft sind Geschäftsführer insbesondere verpflichtet, die Gesellschaft (selbst) (§ 7 Abs. 1 GmbHG), Änderungen des Gesellschaftsvertrages (§ 54 Abs. 1 S. 1 GmbHG), Erhöhungen (§ 57 Abs. 1 GmbHG) bzw. Herabsetzungen des Stammkapitales (§ 58 GmbHG) und Umwandlungen der Gesellschaft (durch Verschmelzung, § 16 UmwG, Spaltung, § 129 UmwG oder Formwechsel, 198 UmwG) beim Registergericht zur Eintragung anzumelden. Gegenüber dem Staat obliegt es den Geschäftsführern, jede Änderung in den Personen der Geschäftsführer sowie die Beendigung der Vertretungsbefugnis eines Geschäftsführers (§ 39 GmbHG), die Auflösung der Gesellschaft (§ 65 GmbHG) und Liquidatoren (§ 67 Abs. 1 GmbHG) zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden. Teilweise sind die Geschäftsführer bei der Anmeldung verpflichtet, bestimmte Tatsachen zu versichern (z. B. § 8 Abs. 2 und 3 GmbHG, § 57 Abs. 2 GmbHG). Darüber hinaus treffen Geschäftsführer zahlreiche Einreichungspflichten. So sind sie bspw. gemäß § 40 Abs. 1 GmbHG verpflichtet, dem Handelsregister nach Veränderungen in den Personen der Gesellschafter oder deren Beteiligungsumfängen (aktualisierte) Gesellschafterlisten einzureichen. Nach § 325 Abs. 1 S. 1 und 3 HGB haben sie zudem als gesetzliche Vertreter einer Kapitalgesellschaft, bei dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers den Jahresabschluss und mit diesem zusammen den Lagebericht, den Bericht des Aufsichtsrates und den Ergebnisverwendungsvorschlag und -beschluss elektronisch einzureichen.38 Schließlich haben Geschäftsführer noch Pflichten zu erfüllen, die sich entweder ausdrücklich aus Gesetzen ergeben oder durch die Rechtsprechung im Wege der Auslegung von gesetzlichen Vorschriften als vom Geschäftsführer verletzbare Schutzgesetze i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB begründet werden. Auf diese Weise werden den Geschäftsführern zunehmend Pflichten übertragen, die eigentlich der GmbH obliegen. Umwelt-, gewerbe-, wettbewerbs-, steuer- bzw. datenschutzrechtliche Pflichten sind daher z. B. mittlerweile durch die Geschäftsführer zu wahren.39 In steuerrechtlicher Hinsicht ist der Geschäftsführer nach § 34 Abs. 1 AO verpflichtet, die steuerlichen Pflichten der GmbH zu erfüllen. Hierzu muss er u. a. Bücher und Aufzeichnungen führen, §§ 140–148 AO, die Steuererklärung abgeben und berichtigen, §§ 149–153 AO, und die Steuern aus dem verwalteten Vermögen fristgerecht entrichten, § 34 Abs. 1 S. 2 AO.40 38
Modifikationen je nach Größe der GmbH, vgl. §§ 325 Abs. 2, 326, 327 HGB. Vgl. Hachenburg/Mertens, GmbHG, § 43 Rn. 20 spricht allgemein von der Sorge für das rechtsmäßige Verhalten der Gesellschaft nach außen; Scholz/Schneider, GmbHG, § 35 Rn. 13 m.w. N., kritisiert dies als Fehlentwicklung der Organhaftung, Forts. Rn. 357 ff.; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 60. 40 Vgl. Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 160; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 362 ff.; Küttner/Seidel, Personalbuch, „Geschäftsführer“, B Rn. 38. 39
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1. Teil: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer 2. Organschaftliche Rechte
Mit den aus der Organfunktion folgenden Pflichten und Zuständigkeiten korrespondieren aber auch Rechte des Geschäftsführers. So folgt aus der Pflicht zur ordnungsgemäßen Buchführung der Gesellschaft (§ 41 GmbHG) und Aufstellung des Jahresabschlusses (§ 264 Abs. 1 HGB) das Recht des Geschäftsführers zur Rechnungslegung, da sich für ihn ggf. wiederum Folgepflichten ergeben. So muss nach § 49 Abs. 3 GmbHG die Gesellschafterversammlung unverzüglich berufen werden, wenn sich aus der Jahresbilanz oder einer im Laufe des Geschäftsjahres aufgestellten Bilanz ergibt, dass die Hälfte des Stammkapitals verloren ist. Zudem verpflichtet § 15a InsO (bis 31.10.2008: § 64 GmbHG) den Geschäftsführer, bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung Insolvenzantrag zu stellen und die Masse zu sichern. Der Geschäftsführer ist daher verpflichtet und zugleich auch berechtigt, eine Organisation zu schaffen, die ihm die erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht.41 Generell können Geschäftsführer ihre Pflichten nur erfüllen, wenn sie über die Angelegenheiten der Gesellschaft in Kenntnis sind. Sie haben daher grundsätzlich ein umfassendes Informationsrecht. Diesem unterfallen auch die wesentlichen Vorgänge in Ressorts, für die andere Geschäftsführer alleinverantwortlich sind. Werden dem Geschäftsführer Informationen vorenthalten, die er zur pflichtgemäßen Überwachung seines Mitgeschäftsführers benötigt, steht ihm das Recht zur Amtniederlegung und fristlosen Kündigung zu.42 Das Informationsrecht kann durch Satzung, Gesellschafterbeschluss oder Beschlusss des sonst nach dem Gesellschaftsvertrag zuständigen Organes bei Vorliegen eines wichtigen Grundes beschränkt werden. Ein wichtiger Grund kann in einem besonderen Geheimhaltungsinteresse oder einer zu befürchtenden Interessenskollision liegen.43 3. Sorgfaltsmaßstab und Haftung
§ 43 GmbHG legt den Sorgfaltspflicht- und den Haftungsmaßstab für Geschäftsführer hinsichtlich der Wahrnehmung der organschaftlichen Pflichten fest.
41 Vgl. BGH, Urt. v. 20.2.1995 – II ZR 9/94, ZIP 1995, 560; Jula, Der GmbH-GF, S. 132. 42 Vgl. BGH, Urt. v. 20.2.1995 – II ZR 9/94, ZIP 1995, 560; BGH, Urt. v. 26.6.1995 – II ZR 109/94, NJW 1995, 2850; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 24; Leuering/ Dornhegge, NZG 2010, 13, 15 ff. 43 Vgl. Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 12; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 62.
§ 1 Rechtsstellung des GmbH-Geschäftsführers
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a) Sorgfaltsmaßstab § 43 Abs. 1 GmbHG spezialisiert für Geschäftsführer im Hinblick auf deren Position und die besonderen Anforderungen des Amtes den allgemeinen Sorgfaltsmaßstab „der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt“ des § 276 Abs. 2 BGB. Geschäftsführer haben danach die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. Der Begriff des ordentlichen Geschäftsmannes wird nach allgemeiner Meinung mit demjenigen des „ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ in § 93 Abs. 1 S. 1 AktG gleichgesetzt und geht über den Standard der Sorgfalt eines „ordentlichen Kaufmannes“ i. S. v. § 347 HGB hinaus.44 Der Geschäftsführer schuldet der GmbH die Sorgfalt, die ein ordentlicher Geschäftsmann in verantwortlich leitender Position bei selbständiger Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen zu beachten hat. Art und Größe des Unternehmens, u. U. auch der Unternehmenszweck sind zu berücksichtigen.45 Die arbeitsrechtlichen Grundsätze zur Haftungsmilderung finden im Bereich der Organfunktion keine Anwendung.46 b) Haftung Weiterhin schafft § 43 GmbHG Abs. 2 eine (allgemeine) GmbH-rechtliche Anspruchsgrundlage für Schadensersatzansprüche der GmbH gegen ihre Geschäftsführer wegen Verletzung organschaftlicher Pflichten (Verhaltens-/Verschuldenshaftung), die die vereinzelten, sie bei Einschlägigkeit teilweise verdrängenden47, Sondervorschriften der §§ 9a Abs. 1, 3, 57 Abs. IV, 64 GmbHG ergänzt.48 Grundlage des Schadensersatzanspruchs ist die Organbestellung des Geschäftsführers; weder das wirksame Zustandekommen eines Anstellungsver44 Vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 10.6.1991 – 6 U 1650/89, GmbHR 1991, 416; OLG Zweibrücken, Urt. v. 22.12.1998 – 8 U 98/98, NZG 1999, 506; OLG Celle, 15.3.2000 – 9 U 209/99, NZG 2000, 1178; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 3; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 33; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 7; den Bezug zu § 93 Abs. 1 S. 1 AktG nicht herstellend, sondern streng objektiven und relativen Verhaltensstandard fordernd: Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 17 f. 45 Vgl. OLG Zweibrücken, Urt. v. 22.12.1998 – 8 U 98/98, NZG 1999, 506; OLG Koblenz, Urt. v. 12.5.1999 – 1 U 1649/97, GmbHR 1999, 1201; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 3; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 33 m.w. N.; Baumbach/ Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 9 m.w. N. 46 Vgl. ganz hM: BGH, Urt. v. 27.2.1975 – II ZR 112/72, WM 1975, 467, 469; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 5; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG, § 43 Rn. 8; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 21; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 6 m.w. N. 47 Vgl. zu den Konkurrenzen: OLG Rockstock, Urt. v. 2.2.1995 – 1 U 191/94, GmbHR 1995, 658; OLG Celle, Urt. v. 15.3.2000 – 9 U 209/00, NZG 2000, 1178, 1179; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 1; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 4 f. 48 Vgl. Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 1; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 4 f.; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 1.
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1. Teil: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer
trages noch die Eintragung ins Handelsregister sind relevant.49 Gegenüber etwaigen vertraglichen Ansprüchen ist § 43 GmbHG lex specialis, da die Norm als Spezialregelung Organstellung und Anstellungsvertrag in sich aufnimmt;50 deliktische Ansprüche bleiben aber unberührt.51
C. Angestellter der GmbH Von der Organbestellung ist die Anstellung52 zu unterscheiden.53 I. Verhältnis von Organbestellung und Anstellung Durch die Bestellung zum Organ wird die Rechtsbeziehung zwischen Geschäftsführer und Gesellschaft nur unvollständig geregelt. Insbesondere fehlen Regelungen zur persönlichen Beziehung, also z. B. zu den Leistungspflichten der Parteien, den Rechten und Pflichten bei Beendigung der Organstellung oder auch zu einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot.54 Diese Regelungen finden sich im Anstellungsverhältnis. Organstellung und Anstellung ergänzen sich somit. Es 49 Vgl. BGH, Urt. v. 21.4.1994 – II ZR 65/93, NJW 1994, 2027; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 2; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 17; Wicke, GmbHG, § 43 Rn. 3. 50 Vgl. BGH, Urt. v. 12.6.1989 – II ZR 334/87, NJW-RR 1989, 1255; BGH, Urt. v. 9.12.1996 – II ZR 240/95, NJW 1997, 741; BGH, Beschluss v. 26.11.2007 – II ZR 161/ 06, NJW-RR 2008, 484; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 2; Rowedder/SchmidtLeithoff/Koppensteiner, GmbHG, § 43 Rn. 3; Hachenburg/Mertens, GmbHG, § 43 Rn. 4; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 245, § 43 Rn. 5; Baumbach/Hueck/Zöllner/ Noack, GmbHG, § 43 Rn. 4; aA: Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 18. 51 Vgl. BGH, Urt. v. 12.6.1989 – II ZR 334/87, NJW-RR 1989, 1255, 1258; BGH, Urt. v. 10.2.1992 – II ZR 23/91, NJW-RR 1992, 800, 801; BGH, Urt. v. 10.5.2010 – II ZR 70/09, NZA 2010, 889; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG, § 43 Rn. 84 ff.; Wicke, GmbHG, § 43 Rn. 2. 52 Vgl. hierzu umfassend: Fleck, WM 1968, Sonderbeilage Nr. 3; ders., Forts. v. WM 1968, Sonderbeilage Nr. 3 in WM 1981, Sonderbeilage Nr. 3. 53 Hinsichtlich der üblichen Gegenstände eines Anstellungsvertrages sei auf folgende Muster verwiesen: Brandmüller, Der GmbH-Geschäftsführer im Gesellschafts-, Steuerund Sozialversicherungsrecht, S. 369 ff. (Muster eines Anstellungsvertrages für Fremdgeschäftsführer), S. 376 ff. (Muster eines Anstellungsvertrages für beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer), S. 385 ff. (Muster eines Anstellungsvertrages für nicht beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer); Sudhoff/Breitfeld, GmbH & Co. KG, § 77 „Geschäftsführeranstellungsvertrag“; Jaeger, Anstellungsvertrag des GmbH-GF, S. 5 ff.; Beck’sches Formularbuch GmbH-Recht/Gerber, S. 370 ff. (Anstellungsvertrag für Fremdgeschäftsführer), S. 391 ff. (Anstellungsvertrag für beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer); Jula, Der GmbH-GF, S. 403 ff.; Beck’sches Formularbuch ArbR/Ohmann-Sauer, S. 739 ff.; Formular- und Verfahrensbuch ArbR/Schrader, § 3 I „Einfacher Dienstvertrag für Geschäftsführer“, II. „Qualifizierter Geschäftsführervertrag bei Einschaltung eines Beirats“; Beck’sches Formularbuch Bürgerliches, Handelsund Wirtschaftsrecht/Stephan, „Anstellungsvertrag eines Geschäftsführers“ S. 1983, „Anstellungsvertrag mit einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer“, S. 1989.
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handelt sich jedoch um verschiedene, zu trennende Rechtsverhältnisse, die weder rechtlich zwingend noch tatsächlich notwendig miteinander verknüpft sind, also weder in einem Kausalverhältnis zueinander stehen noch ein einheitliches Rechtsverhältnis i. S. v. § 139 BGB bilden.55 Daher ist es möglich, dass ein Geschäftsführer als solcher bestellt ist, ein Anstellungsverhältnis aber nicht geschlossen oder beendet ist oder umgekehrt die Anstellung erfolgt ist, die vorgesehene Bestellung aber ausbleibt oder zurückgenommen worden ist.56 II. Zustandekommen und Bestehen des Anstellungsvertrages Die persönliche Beziehung des Geschäftsführers zur GmbH kann in der Satzung (gesellschaftsvertraglich) oder in einem Anstellungsvertrag (schuldrechtlich) geregelt werden.57 Üblicherweise und in den hier relevanten Fällen wird mit dem Geschäftsführer ein Anstellungsvertrag geschlossen, in welchem sich auch das nachvertragliche Wettbewerbsverbot findet. Der Anstellungsvertrag kommt in der Regel zwischen der GmbH, für die der Geschäftsführer tätig werden soll, und dem Geschäftsführer zustande.58 Dies ist aber nicht zwingend. Es schadet insbesondere nicht, wenn der Anstellungsvertrag nur mit der Konzernobergesellschaft oder der KG, nicht aber mit der konzernabhängigen Gesellschaft bzw. der Komplementär-GmbH der GmbH & Co. KG geschlossen wird, für die der Geschäftsführer bestellt werden soll.59 Für den Abschluss und die Kündigung des 54 Vgl. Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 75; Freckmann, DStR 2008, 52; Jula, Der GmbH-GF, S. 110; Hachenburg/Mertens, GmbHG, § 35 Rn. 136; Baumbach/Hueck/ Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 12. 55 Sog. Trennungstheorie (ganz hM): BGH, Urt. v. 9.2.1978 – II ZR 189/76, AP Nr. 1 zu § 38 GmbHG; BGH, Urt. v. 28.10.2002 – II ZR 146/02, NJW 2003, 351 BGH, Urt. v. 23.1.2003 – IX ZR 39/02, NZA 2003, 439, 440; BGH, Urt. v. 10.5.2010 – II ZR 70/ 09, ZIP 2010, 1288; BAG, Urt. v. 13.5.1992 – 5 AZR 344/91, GmbHR 1993, 35, 36; BAG, Beschluss v. 6.5.1999 – 5 AZB 22/98, NZA 1999, 839; BAG, Urt. v. 25.10.2007 – 6 AZR 1045/06, 1. Lts., NZA 2008, 168, 169; Arens/Beckmann, Anwaltliche Beratung des GmbH-GF, § 1 Rn. 2; Freckmann, DStR 2008, 52; Jula, Der GmbH-GF, S. 159; Küttner/Kania, Personalbuch, „Geschäftsführer“ A. Rn. 3; Moll/Grobys, MAH Arbeitsrecht, § 77 Rn. 2; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 17 ff. in Abgrenzung zur Einheitstheorie; Scholz/Schneider/Sethe, GmbHG, § 35 Rn. 150 m.w. N.; Wicke, GmbHG, Anhang § 6 Rn. 2. 56 Vgl. BGH, Urt. v. 9.2.1978 – II ZR 189/76, AP Nr. 1 zu § 38 GmbHG; BGH, Urt. v. 23.1.2003 – IX ZR 39/02, NZA 2003, 439, 440; Moll/Grobys MAH Arbeitsrecht, § 77 Rn. 2; Scholz/Schneider/Sethe, GmbHG, § 35 Rn. 151; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 16. 57 Vgl. Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 73; Hachenburg/Mertens, GmbHG, § 35 Rn. 136; Scholz/Schneider/Sethe, GmbHG, § 35 Rn. 152. 58 Vgl. Scholz/Schneider/Sethe, GmbHG, § 35 Rn. 189; Hachenburg/Stein, GmbHG, § 35 Rn. 173; zum Anstellungsvertrag des Geschäftsführers einer GmbH im Konzern: Schneider, GmbHR 1993, 10 ff.; hinsichtlich Vertragspartner des Geschäftsführers: Schrader/Schubert, DB 2005, 1457, 1459. 59 Vgl. BAG, Urt. v. 15.4.1982 – 2 AZR 1101/79, NJW 1983, 2405; BAG, Urt. v. 13.5.1992 – 5 AZR 344/91, GmbHR 1993, 35, 36; BAG, Urt. v. 25.10.2007 – 6 AZR
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1. Teil: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer
Anstellungsvertrages ist nach herrschender Auffassung die Gesellschafterversammlung im Wege einer Annexkompetenz zu § 46 Nr. 5 GmbHG zuständig.60 Der Anstellungsvertrag unterliegt keinem Formzwang und kann daher auch konkludent geschlossen werden.61 In der Praxis werden Anstellungsverträge aber zu Nachweiszwecken und mit Gesellschafter-Geschäftsführern auch aus steuerlichen Gründen immer schriftlich geschlossen.62 Kommt kein wirksamer Anstellungsvertrag zustande, ist der fehlerhafte Geschäftsführeranstellungsvertrag unter Heranziehung der Grundsätze des fehlerhaften Arbeitsverhältnisses für die Dauer der Geschäftsführertätigkeit als wirksam zu behandeln.63 III. Rechtsnatur des Anstellungsvertrages – Arbeits- oder Dienstvertrag? In den seltenen Fällen, in denen keine Vergütung für die Geschäftsführungstätigkeit im Anstellungsvertrag vereinbart ist, ist der Anstellungsvertrag als Auftrag i. S. d. §§ 662 ff. BGB zu qualifizieren.64 Enthält der Anstellungsvertrag eine Vergütungsvereinbarung, handelt es sich nach der ständigen Rechtsprechung des BGH65 und der ganz überwiegenden Ansicht in der Literatur66 stets um einen 1045/06 3. Lts., NZA 2008, 168, 169; generell zur Drittanstellung: Scholz/Schneider/ Sethe, GmbHG, § 35 Rn. 190 ff.; Hachenburg/Stein, GmbHG, § 35 Rn. 174. 60 Vgl. BGH, Urt. v. 21.1.1999 – II ZR 144/90, NJW 1991, 1727, 1728; BGH, Urt. v. 21.6.1999 – II ZR 27/98, NJW 1999, 3263, 3264; BGH, Urt. v. 3.7.2000 – II ZR 282/ 98, NJW 2000, 2983; BGH, Beschluss v. 8.1.2007 – II ZR 267/05, NZA 2007, 1174, 1175; BGH, Beschluss vom 26.11.2007 – II ZR 61/06, NJW-RR 2008, 484, 485; Küttner/Kania, Personalbuch, „Geschäftsführer“ A. Rn. 5 „analoge Anwendung“; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG, § 35 Rn. 79; Scholz/Schneider/Sethe, GmbHG, § 35 Rn. 194, 307 f.; Hachenburg/Stein, GmbHG, § 35 Rn. 176. 61 Vgl. BGH, Urt. v. 20.12.1993 – II ZR 217/92, NZA 1994, 367; BGH, Urt. v. 27.1.1997 – II ZR 213/95, NJW-RR 1997, 669, 670; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 74; Scholz/Schneider/Sethe, GmbHG, § 35 Rn. 207; Wicke, GmbHG, Anhang § 6 Rn. 8. 62 Vgl. Beck’sches Formularbuch ArbR/Ohmann-Sauer, S. 745, 762; Scholz/Schneider/Sethe, GmbHG, § 35 Rn. 207; Hachenburg/Stein, GmbHG, § 35 Rn. 186. 63 Vgl. BGH, Urt. v. 6.4.1964 – II ZR 75/62, AP Nr. 2 zu § 75 AktG (bzgl. AG-Vorstand); BGH, Urt. v. 3.7.2000 – II ZR 282/98, NJW 2000, 2983; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 84 m.w. N.; Scholz/Schneider/Sethe, GmbHG, § 35 Rn. 209 f. 64 Vgl. Arens/Beckmann, Anwaltliche Beratung des GmbH-GF, § 1 Rn. 5; Ulmer/ Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 136; Scholz/Schneider/Sethe, GmbHG, § 35 Rn. 167; Hachenburg/Stein, GmbHG, § 35 Rn. 160. 65 Vgl. BGH, Urt. v. 11.7.1953 – II ZR 126/52, NJW 1953, 1465 (für AG-Vorstandsmitglied als Organmitglied); BGH, Urt. v. 8.12.1977, II ZR 219/75, NJW 1978, 756 (für AG-Vorstand); BGH, Urt. v. 9.2.1978 – II ZR 189/76 – AP Nr. 1 zu § 38 GmbHG; BGH, Urt. v. 29.1.1981 – II ZR 92/80, AP Nr. 14 zu § 622 BGB; BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 120/83, NJW 1984, 2528; BGH, Urt. v. 7.12.1987 – II ZR 206/87, NJW-RR 1988, 420; BGH, Urt. v. 10.5.2010 – II ZR 70/09, ZIP 2010, 1288; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 6.12.1972 – 6 U 152/71, GmbHR 1973, 58. Auch keine Entstehung von Arbeitsverhältnis nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf Insolvenzverwalter: LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 25.9.2008 – 10 Sa 162/08, NZG 2009, 195.
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Dienstvertrag über eine Geschäftsbesorgung i. S. v. §§ 611, 675 BGB.67 Zur Begründung wird im Wesentlichen angeführt, die Arbeitnehmereigenschaft sei mit der Organstellung nicht vereinbar. Geschäftsführer übten Arbeitgeberbefugnisse für die Gesellschaft aus und könnten daher nicht gleichzeitig auch ihre Arbeitnehmer sein.68 Sie seien auch nicht mit den partielle Arbeitgeberfunktionen wahrnehmenden, leitenden Angestellten gleichzusetzen, da diesen die Arbeitgeberfunktion lediglich rechtsgeschäftlich eingeräumt werde, nicht aber originär zustehe.69 Der Status als Repräsentationsorgan der Gesellschaft70, das Fehlen einer Person mit Arbeitgeberrolle gegenüber dem Geschäftsführer71, die Tatsache, dass der Geschäftsführer nicht neben den anderen Arbeitnehmern in den Betrieb
66 Vgl. Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 73; Arens/Beckmann, Anwaltliche Beratung des GmbH-GF, § 1 Rn. 5; Boemke, ZfA 1998, 209, 213; Brandmüller, Der GmbHGeschäftsführer im Gesellschafts-, Steuer- und Sozialversicherungsrecht, S. 96; Erman/ Edenfeld, BGB, § 611 Rn. 151; Fleck, in: FS Hilger/Stumpf, S. 197; Gissel, Arbeitnehmerschutz für den GmbH-GF, S. 12; Goette, Die GmbH, § 8 Rn. 69; Heyll, Anwendung von Arbeitsrecht auf Organmitglieder, S. 74; Holthausen/Steinkraus, NZA-RR 2002, 281, 282; Hueck, A., DB 1954, 274, 275; Hueck, G., ZfA 1985, 25, 26 ff.; Hueck, G., in: FS Hilger/Stumpf, 365, 375; Hümmerich, NJW 1995, 1177, 11778; Jula, Der GmbH-GF, S. 161; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anhang § 6 Rn. 3; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG, § 35 Rn. 78; Kuhn, Abgestuftes Arbeitsrecht am Beispiel des abhängigen GmbH-Geschäftsführers, S. 57 ff.; Lepke in Anm. zu LG Köln, Urt. v. 1.10.1975 – 49 O 169/75, AP Nr. 2 zu § 37 GmbHG; Mohr, GmbHStB 1999, 321, 322; Moll/Grobys, MAH Arbeitsrecht § 77 Rn. 9; Nägele, BB 2001, 305, 306 f.; Nebendahl, NZA 1992, 289, 290; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 136; Reiserer, DStR 2000, 31; Staudinger/Richardi, BGB, Vor § 611 Rn. 233; Hachenburg/ Stein, GmbHG, § 35 Rn. 160; Tillmann/Mohr, GmbH-GF, Rn. 3; Baumbach/Hueck/ Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 172. 67 Vgl. zum Streitstand: MünchKommBGB-Müller/Glöge, § 611 Rn. 145 ff.; Scholz/ Schneider/Sethe, GmbHG, § 35 Rn. 167 ff.; umfassend m.w. N.: Kuhn, Abgestuftes Arbeitsrecht am Beispiel des abhängigen GmbH-Geschäftsführers, S. 21 ff.; zur Einordnung des Anstellungsverhältnisses bei der AGB-Kontrolle und i. S. v. § 310 Abs. 4 S. 2 BGB, GmbHR 2011, 116 ff. 68 Vgl. BGH, Urt. v. 9.2.1978 – II ZR 189/76 – AP Nr. 1 zu § 38 GmbHG; BGH, Urt. v. 24.10.1989 – X ZR 58/88, NJW-RR 1990, 349 (bzgl. Anwendbarkeit des ArbNEG); OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 6.12.1972 – 6 U 152/71, GmbHR 1973, 58; Arens/ Beckmann, Anwaltliche Beratung des GmbH-GF, § 1 Rn. 5; Erman/Edenfeld, BGB, § 611 Rn. 151; Holthausen/Steinkraus, NZA-RR 2002, 281, 282; Hueck, A., DB 1954, 274, 275; Hueck, G., ZfA 1985, 25, 31; Hueck, G., in: FS Hilger/Stumpf, 365, 375; Hümmerich, NJW 1995, 1177, 1177; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anhang § 6 Rn. 3; Lepke in Anm. zu LG Köln, Urt. v. 1.10.1975 – 49 O 169/75, AP Nr. 2 zu § 37 GmbHG; Moll/Grobys, MAH Arbeitsrecht § 77 Rn. 10; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 144; Staudinger/Richardi, BGB, Vor § 611 Rn. 233; Hachenburg/Stein, GmbHG, § 35 Rn. 170. 69 Vgl. Hueck, G., ZfA 1985, 25, 31; Hueck, G., in: FS Hilger/Stumpf, 365, 375; Hümmerich, NJW 1995, 1177 f. 70 Vgl. Boemke, ZfA 1998, 209, 213; Nebendahl, NZA 1992, 289, 291; Hachenburg/ Stein, GmbHG, § 35 Rn. 170 spricht von „gesellschaftlichem Leitungsorgan“. 71 Vgl. Heyll, Anwendung von Arbeitsrecht auf Organmitglieder, S. 74; Nebendahl, NZA 1992, 289, 291.
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1. Teil: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer
eingegliedert, sondern ihnen übergeordnet sei72, die gesetzlichen Mindestpflichten jedes Geschäftsführers (§§ 41, 43 Abs. 3 GmbHG, § 15a Abs. 1 InsO), von deren verantwortlicher Erfüllung weder der Gesellschaftsvertrag noch die Gesellschafter disponieren könnten73 und insbesondere die unbeschränkte Vertretungsbefugnis für die Gesellschaft (§ 35 GmbHG) mit der hiermit einhergehenden Unternehmerfreiheit ständen der Annahme arbeitsrechtlicher, weil persönlicher Weisungsabhängigkeit entgegen.74 Etwaige Weisungsbefugnisse der Gesellschafterversammlung beträfen alleine das Organ-, nicht aber das nach der Trennungstheorie hiervon zu unterscheidende Anstellungsverhältnis und seien daher nicht geeignet, persönliche Abhängigkeit zu begründen.75 Legte der Anstellungsvertrag Pflichten oder Bedinungen fest, handelte es sich lediglich um deklaratorische Regelungen der sich aus dem Organverhältnis ergebenden Pflichten, die den materiell-rechtlichen Status des Geschäftsführers daher nicht beeinflussen könnten.76 Die sich aus der Bindung der Arbeitskraft ergebende Schutzbedürftigkeit des Geschäftsführers sei kein Kriterium zur Begründung der Arbeitnehmereigenschaft. Sie könne allenfalls Ansatzpunkt für den Gedanken der analogen Anwendung arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften sein.77 Ferner stelle sich nach der Annahme der Arbeitnehmereigenschaft die Frage, welche arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften aus Rücksichtnahme auf das Organverhältnis keine Anwendung finden dürfen, so dass mit der Einordnung der Organmitglieder als Arbeitnehmer weder ein Ergebnis noch Rechtssicherheit gewonnen sei.78 Das BAG79 und mit ihm einige Vertreter der Literatur80 nehmen dagegen im Einzelfall ein Arbeitsverhältnis an, wenn der Geschäftsführer nach den allgemei-
72 Vgl. Gissel, Arbeitnehmerschutz für den GmbH-GF, S. 12; Holthausen/Steinkraus, NZA-RR 2002, 281, 282; Hueck, G., ZfA 1985, 25, 31; Hümmerich, NJW 1995, 1177 f.; Nebendahl, NZA 1992, 289, 291. 73 Vgl. Jula, Der GmbH-GF, S. 161; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anhang § 6 Rn. 3. 74 Vgl. BGH, Urt. v. 24.10.1989 – X ZR 58/88, NJW-RR 1990, 349 (bzgl. Anwendbarkeit des ArbNEG); Holthausen/Steinkraus, NZA-RR 2002, 281, 282; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anhang § 6 Rn. 3; Kuhn, Abgestuftes Arbeitsrecht am Beispiel des abhängigen GmbH-Geschäftsführers, S. 57 ff.; Moll/Grobys, MAH Arbeitsrecht, § 77 Rn. 9. 75 Vgl. Boemke, ZfA 1998, 209, 203; Hueck, A., DB 1954, 274, 275; Hueck, G., ZfA 1985, 25, 29; Hueck, G., in: FS Hilger/Stumpf, 365, 376; Hümmerich, NJW 1995, 1177 f.; Jula, Der GmbH-GF, S. 161; Nebendahl, NZA 1992, 289, 291. 76 Vgl. Nägele, BB 2001, 305 f. 77 Vgl. Hümmerich, NJW 1995, 1177 f. 78 Vgl. Henssler, RdA 1992, 289, 290; Hueck, G., in: FS Hilger/Stumpf, 365, 380; Hueck, G., ZfA 1985, 25, 26 f. 79 Vgl. BAG, Urt. v. 15.4.1982 – 2 AZR 1101/79, NJW 1983, 2405; BAG, Urt. v. 13.5.1992 – 5 AZR 344/91, GmbHR 1993, 35; BAG, Beschluss v. 6.5.1999 – 5 AZB 22/98, NZA 1999, 839; BAG, Urt. v. 26.5.1999 – 5 AZR 664/98, AP Nr. 10 zu § 35 GmbHG; vgl. auch LG Wuppertal, Urt. v. 6.6.2005 – 19 O 405/05, AE 2007, 302.
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nen Kriterien als Arbeitnehmer zu qualifizieren ist.81 Der Status als Repräsentationsorgan der Gesellschaft stehe einer arbeitsrechtlichen Weisungsabhängigkeit nicht zwingend entgegen. Zumindest bei einer Mehrpersonen-Geschäftsführung seien die Repräsentation der Gesellschaft, die unternehmerische Willensbildung und die Wahrnehmung von Arbeitgeberfunktionen auch dann noch möglich, wenn einzelne Mitglieder der Geschäftsführung wegen entsprechender Weisungsabhängigkeit materiell-rechtlich als Arbeitnehmer anzusehen seien. Geschäftsführerstatut und Arbeitnehmereigenschaft schlössen sich zumindest in einem solchen Fall nicht aus.82 Auch schade es nicht, dass der Geschäftsführer als Organ der juristischen Person gegenüber den Arbeitnehmern des Unternehmens im Regelfall Arbeitgeberfunktionen wahrnehme. Ein striktes Ausschlussverhältnis, nach welchem derjenige, der selbst Arbeitgeberrechte ausübe und eine Unternehmerstellung einnehme, nicht zugleich Arbeitnehmer sein könne, bestehe nicht. Dies zeige bereits der Vergleich mit den leitenden Angestellten. Diese übten ebenfalls regelmäßig Arbeitgeberfunktionen aus; darüber hinaus könnten ihnen unternehmerische Entscheidungskompetenzen übertragen werden. Ihrer Qualifikation als Arbeitnehmer stehe dies dennoch nicht entgegen.83 Etwas anderes folge auch nicht aus der Tatsache, dass dem Geschäftsführer eine originäre, ei80 Vgl. Diller, Gesellschafter und Gesellschaftsorgane als Arbeitnehmer, S. 240 ff. (nach finanziellen Chancen und Einflussmöglichkeiten auf diese Chancen in Form von Entscheidungskompetenzen differenzierend); Gehlhaar, NZA-RR 2009, 569; Groß, DB 1984, 1447, 1452; Henssler, RdA 1992, 289, 292; Kamanabrou, ZGR 2002, 898, 907; Kamanabrou, DB 2002, 146, 147; Küttner/Kania, Personalbuch, „Geschäftsführer“ A. Rn. 17; Köhl, DB 1996, 2597, 2601; Miller, BB 1977, 723, 724; MünchKommBGB/ Müller-Glöge, § 611 Rn. 145 m. z.w. N.; Namendorf, Der arbeitsrechtliche Status von GmbH-Geschäftsführern, S. 107 f., 198; Schmidt, Anm. zu BAG, Urt. v. 26.5.1999 – 5 AZR 664/98, GmbH-StB 1999, 251; Schrader/Schubert, DB 2005, 1457, 1460; Stück, GmbHR 2006, 1009, 1012; Schaub, ArbR-Hdb./Vogelsang, § 14 Rn. 2; Wank/Maties, NZA 2007, 353, 354; Wank, in: FS Wiedemann, S. 587 ff. (allerdings nicht herrschenden Arbeitnehmerbegriff anwendend, sondern teleologischen Ansatz fordernd); Wehrmeyer, Arbeitsrechtliche Einordnung der Organe jur. Personen, S. 202. 81 Vgl. zur Problematik des ruhenden Arbeitsverhältnisses: Küttner/Kania, Personalbuch, „Geschäftsführer“ A. Rn. 20 m. z.w. N., der mit früherer BAG-Rspr. (BAG, Urt. v. 9.5.1985 – 2 AZR 330/84, AP Nr. 3 zu § 5 ArbGG 1979; BAG, Urt. v. 12.3.1987 – 2 AZR 336/86, AP Nr. 6 zu § 5 ArbGG 1979) Ruhen annimmt; aA: nunmehr BAG, Urt. v. 7.10.1993 – 2 AZR 260/93, AP Nr. 16 zu § 5 ArbGG 1979, BAG, Urt. v. 8.6.2000 – 2 AZR 207/99, AP Nr. 49 zu § 5 ArbGG 1979; BAG, Urt. v. 24.11.2005 – 2 AZR 614/ 04, AP Nr. 19 zu § 1 KSchG 1979; BAG, Urt. v. 14.6.2006 – 5 AZR 592/05, AP Nr. 62 zu § 5 ArbGG 1979; so auch weiterhin unter Annahme, schriftliches Geschäftsführerdienstverhältnis beinhalte nach § 623 BGB zwingend schriftlich zu erfolgende Aufhebung des Arbeitsverhältnisses: BAG, Urt. v. 19.7.2007 – 6 AZR 774/06, AP Nr. 18 zu § 35 GmbHG in Fortführung von BAG, Urt. v. 16.9.2004 – 2 AZR 628/03, AP Nr. 78 zu § 2 KSchG 1979. 82 Vgl. BAG, Urt. v. 26.5.1999 – 5 AZR 664/98, AP Nr. 10 zu § 35 GmbHG. 83 Vgl. BAG, Urt. v. 26.5.1999 – 5 AZR 664/98 1. u. 2. Lts., AP Nr. 10 zu § 35 GmbHG; Henssler, RdA 1992, 289, 292; Kamanabrou, DB 2002, 146, 147; Köhl, DB 1996, 2597, 2601; Schrader/Schubert, DB 2005, 1457, 1460; Wank, in: FS Wiedemann, S. 587, 595; Wank/Maties, NZA 2007, 353, 354.
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nem leitenden Angestellten dagegen nur eine vertraglich abgeleitete Arbeitgeberfunktion zukomme, da sich diese gesellschaftsrechtliche Besonderheit wegen der grundsätzlichen Trennung von Bestellung und Anstellung bei der Qualifikation des Anstellungsverhältnisses nicht auswirke.84 Zudem gebiete auch die Einheit der Rechtsordnung, die Möglichkeit eines Arbeitsverhältnisses nicht abweichend von der Rechtsprechung im Sozialversicherungsrecht abzulehnen.85 Ob ein Geschäftsführer in einem Arbeitsverhältnis zur Gesellschaft stehe, hinge daher allein davon ab, ob der Gesellschaft eine über ihr gesellschaftsrechtliches Weisungsrecht hinausgehende Weisungsbefugnis auch bezüglich der Umstände zukomme, unter denen der Geschäftsführer seine Leistung zu erbringen habe. Ein Arbeitsverhältnis liege nur vor, wenn die Gesellschaft dem Geschäftsführer auch arbeitsbegleitende und verfahrensorientierte Weisungen erteilen und auf diese Weise die konkreten Modalitäten der Leistungserbringung bestimmen könne.86 An der persönlichen Abhängigkeit fehle es, wenn der Geschäftsführer zugleich Gesellschafter sei und aufgrund seiner Kapitalbeteiligung derart Einfluss auf die Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung habe, dass er für sich unangenehme Entscheidungen verhindern könne.87 Ein Fremdgeschäftsführer sei als Arbeitnehmer zu qualifizieren, wenn er in den Betrieb der Gesellschaft eingegliedert sei, d.h. regelmäßig einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Direktionsrecht der Gesellschafter unterliege.88 Dies liege nur bei besonderer Vertragsgestaltung vor, etwa wenn der Geschäftsführer vertraglich dem Hauptgesellschafter als „disziplinarischem Vorgesetzten mit Einspruchsrecht in Sachfragen“ unterstehe, wenn er dessen Zustimmung bei Einstellung und Entlassungen benötige und Anschaffungen für die Gesellschaft nur in geringem Umfang tätigen dürfe.89 Im „Normalfall“ fehle es aber an der persönlichen Abhängigkeit des Fremdgeschäftsführers.90 Die Weisungsgebundenheit, die, bei Dienste höherer Art leistenden Geschäftsführern, nur stark eingeschränkt vorliege, sei lediglich eines von mehreren Unterscheidungsmerkmalen. Könne der Geschäftsführer seine Tätigkeit im Wesentlichen frei gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen, sei er selbständig und gehe nicht – fremdbestimmt – in der vorgegebenen Ordnung auf. 84
Vgl. Henssler, RdA 1992, 289, 292; Kamanabrou, DB 2002, 146, 147. Vgl. Henssler, RdA 1992, 289, 293. 86 Vgl. BAG, Urt. v. 26.5.1999 – 5 AZR 664/98, AP Nr. 10 zu § 35 GmbHG; Henssler, RdA 1992, 289, 294; Köhl, DB 1996, 2597, 2602; weitergehend und gesellschaftsrechtliche Weisungsabhängigkeit ausreichen lassend: Wank/Maties, NZA 2007, 353, 354. 87 Vgl. BAG, Urt. v. 13.5.1992 – 5 AZR 344/91, GmbHR 1993, 35; Henssler, RdA 1992, 289, 291. 88 Vgl. BAG, Urt. v. 15.4.1982 – 2 AZR 1101/79, NJW 1983, 2405, 2407; BAG, Urt. v. 13.5.1992 – 5 AZR 344/91, GmbHR 1993, 35. 89 Vgl. BAG, Urt. v. 15.4.1982 – 2 AZR 1101/79, NJW 1983, 2405, 2407. 90 Vgl. Küttner/Kania, Personalbuch, „Geschäftsführer“ A. Rn. 18; Schrader/Schubert, DB 2005, 1457, 1460 ohne Beschränkung auf Fremdgeschäftsführer. 85
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In der Literatur wird vereinzelt generell die Arbeitnehmereigenschaft von Fremd- und Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführern angenommen.91 Es könne nicht wesentlich darauf ankommen, ob der Geschäftsführer weisungsabhängig sei. Entscheidend sei vielmehr, wie die Stellung des abhängigen Geschäftsführers zu bewerten sei, der seine Arbeitskraft binde, ohne zugleich wesentlich am Unternehmensergebnis beteiligt zu sein bzw. wie der soziale Schutz zu sichern sei. Der Fremd- und der Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer unterscheide sich vielfach nicht vom leitenden Angestellten. Er verliere seine Anstellung und damit sein persönliches Einkommen, wenn er die Vorgaben durch den beherrschenden Gesellschafter oder die Gesellschaftermehrheit nicht befolge.92 Die für die Qualifikation des Geschäftsführeranstellungsvertrages als Dienstoder Arbeitsvertrag entscheidende Frage, ob der – Fremd- – Geschäftsführer Arbeitnehmer ist, wird seit Jahrzehnten von BGH und BAG unterschiedlich beantwortet und ist seitdem regelmäßig Gegenstand von Aufsätzen und Dissertationen93. Eine umfassendere Darstellung dieser Problematik und eine etwaige Stellungnahme würden den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Zudem stände mit der Arbeitnehmereigenschaft der bzw. jedenfalls bestimmter Geschäftsführer nicht zugleich fest, dass die §§ 74 ff. HGB auf sie unmittelbare Anwendung fänden. Die überwiegende Auffassung geht nämlich davon aus, dass die besondere Stellung des Geschäftsführers als Organ Ausnahmen von der Anwendung arbeitsrechtlicher Normen bedingen kann, sowie umgekehrt die Verneinung der Arbeitnehmereigenschaft nicht zugleich bedeutet, dass die entsprechende Anwendung arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften nicht in Betracht kommt.94 Vor diesem Hintergrund werden im Folgenden mit der für die hiesige Erörterung maßgeblichen, ständigen Rechtsprechung des BGH die Arbeitnehmerstellung des Geschäftsführers abgelehnt und der Geschäftsführeranstellungsvertrag als Dienstvertrag über die Besorgung von Geschäften (§§ 611, 675 BGB) eingeordnet. IV. Anzuwendendes Recht bei Fehlen von Regelungen im Anstellungsvertrag Während zur Organstellung des Geschäftsführers, insbesondere zu den Rechten und Pflichten, zahlreiche Regelungen im GmbHG zu finden sind, §§ 35 ff. 91 Vgl. Brachert, Organmitgliedschaft und Arbeitnehmerstatus, S. 192 f.; Groß, Anstellungsverhältnis des GmbH-GF, S. 295, 333 (Arbeitnehmer-Geschäftsführer sind: Fremdgeschäftsführer und Gesellschafter-Geschäftsführer bei Ausgleich von Kapitalrisiko durch Weisungsbindung); Scholz/Schneider/Sethe, GmbHG, § 35 Rn. 175 m.w. N.; Wank/Maties, NZA 2007, 353, 354. 92 Vgl. Brachert, Organmitgliedschaft und Arbeitnehmerstatus, S. 192 f.; Scholz/ Schneider/Sethe, GmbHG, § 35 Rn. 177. 93 Siehe die Nachweise in Fn. 66, 80. 94 Vgl. Hueck, G., ZfA 1985, 25 f.
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GmbHG, fehlen Normen zur arbeits-, sozialversicherungs- oder steuerrechtlichen Einordnung des Geschäftsführers weitgehend. Treffen die Parteien hierzu keine Vereinbarungen, ist fraglich, inwieweit sonstige gesetzliche Regelungen bei Geschäftsführern (entsprechend) gelten.95 1. Arbeitsrechtliche Stellung
Zahlreiche arbeitsgesetzliche Schutzvorschriften finden auf Geschäftsführer kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnungen keine Anwendung. So nehmen § 5 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG, § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG96, § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG97 und § 1 Abs. 3 Nr. 1a VermBG98 „in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist“ von ihren Geltungsbereichen aus.99 GmbH und Geschäftsführer steht es aber frei, die entsprechende Geltung der arbeitsrechtlichen Normen zu vereinbaren und auf diese Weise deren Regelungsgehalt zum Vertragsinhalt zu machen, sofern hierdurch nicht in die gesetzliche oder statutarische Ausgestaltung des vorrangigen Organverhältnisses eingegriffen wird.100 Zulässig sei die Vereinbarung der entsprechenden Geltung der materiellen Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes.101 Arbeitsrechtliche (Schutz-)Gesetze, die hinsichtlich ihres persönlichen Geltungsbereiches festlegen, neben Arbeitnehmern und in der Regel Angestellten 95
Zur wettbewerbsrechtlichen Stellung siehe unten. Fiktion der Vorschrift gilt auch, wenn ausnahmsweise Arbeitverhältnis vorliegt oder Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG bzw. einer Tochtergesellschaft in Anstellungsverhältnis zu KG bzw. Konzernobergesellschaft steht: BGH, Beschluss v. 8.1.2007 – II ZR 267/05, NZA 2007, 1174, 1175 (für GmbH & Co. KG); BAG, Urt. v. 25.10. 2007 – 6 AZR 1045/06, NZA 2008, 168, 169 (für Konzernstruktur); vgl. ErfK/Kiel, § 14 KSchG, Rn. 3 ff.; umfassend: Holthausen/Steinkraus, NZA-RR 2002, 281, 282 ff. 97 Fiktion der Vorschrift gilt unabhängig davon, ob das der Organstellung zugrundeliegende Rechtsverhältnis materiell-rechtlich freies Dienst- oder Arbeitsverhältnis ist und/oder Geschäftsführer einer GmbH& Co KG in Anstellungsverhältnis zu KG steht; nicht aber bei Rechtsstreit hinsichtlich anderer Rechtsbeziehung als Organstellung zugrundeliegendes Rechtsverhältnis: BAG, Beschluss v. 6.5.1999 – 5 AZB 22/98, NZA 1999, 839; BAG, Beschluss v. 20.8.2003 – 5 AZR 79/02, NZA 2003, 1108, 1109; zur Eröffnung des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten bei nicht aufgehobenem Arbeitsverhältnis nach dem Ende der Geschäftsführerbestellung: BAG, Beschluss v. 23.8.2011 – 10 AZB 51/10, A Nr. 69 zu § 5 ArbGG 1979; zum Ganzen: Schwab/Weth/Kliemt, ArbGG, § 5 Rn. 271, 289 ff.; ErfK/Koch, § 5 ArbGG Rn. 6; Germelmann/MüllerGlöge, ArbGG, § 5 Rn. 45 m. z.w. N.; Moll/Ziemann, MAH, § 74 Rn. 13; umfassend: Hothausen/Steinkraus, NZA-RR 2002, 281, 282 ff. 98 Vgl. Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 77. 99 Zur Zulässigkeit der vertraglichen Regelung, dass das KSchG auf den Geschäftsführer Anwendung findet: BGH, Urt. v. 10.5.2010 – II ZR 70/09, ZIP 2010, 1288. 100 Vgl. BGH, Urt. v. 10.5.2010 – II ZR 70/09, NZA 2010, 889 zur vereinbarten Anwendung des KSchG. 101 Vgl. BGH, Urt. v. 10.5.2010 – II ZR 70/09, NZA 2010, 889, 890. 96
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unter bestimmten Voraussetzungen auch Nichtarbeitnehmer zu erfassen, gelten für Geschäftsführer, wenn diese als Nichtarbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes zu qualifizieren sind. Die praxisrelevanteste Frage, inwieweit das BetrAVG auf Geschäftsführer Anwendung findet und damit im Geschäftsführeranstellungsvertrag zugesicherte Ansprüche auf Altersvorsorge dem Schutz dieses Gesetzes, insbesondere des vierten Abschnitts, Insolvenzsicherung, §§ 7 ff.102, unterfallen, ist an obiger Stelle bereits erörtert worden.103 Im Übrigen gelten arbeitsrechtliche Schutzgesetze für Geschäftsführer mangels Arbeitnehmerstellung grundsätzlich nicht.104 Das gilt auch dann, wenn das Organverhältnis bereits beendet ist.105 Die Rechtsprechung wendet einzelne Schutzgesetze, auch ohne Annahme eines Arbeitsverhältnisses, im Einzelfall – und mit abweichenden Begründungen – nur dann an, wenn auch der Geschäftsführer des Schutzes durch den jeweiligen arbeitsrechtlichen Grundsatz bzw. die arbeitsrechtliche Schutzvorschrift bedarf und die gesetzliche Konzeption der Anwendung nicht entgegensteht.106 In diesem Zusammenhang hat sie vereinzelt Fremdgeschäftsführern einen arbeitnehmerähnlichen Status zuerkannt, sich dabei aber nicht grundlegend mit der Arbeitnehmerähnlichkeit auseinandergesetzt.107 Keine Anwendung finden nach diesen Grundsätzen nach der überwiegenden Auffassung z. B. das ArbZG108, das TzBfG109, das ArbNEG110, das NachwG111 102 Daneben: Sicherung der Anwartschaft und des Ruhegehaltes durch den Grundsatz der Unverfallbarkeit (§ 1b BetrAVG), das Auszehrungs- und Anrechnungsverbot (§ 5 BetrAVG), die Verpflichtung zur regelmäßigen Anpassung (§ 16 BetrAVG). 103 Vgl. Teil 1 § 1 B. I. 104 Vgl. BGH, Urt. v. 9.11.1967 – II ZR 64/67, NJW 1968, 396; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 76; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 144; Hachenburg/Stein, § 35 Rn. 170 f.; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 175. 105 Vgl. BGH, Urt. v. 23.1.2003 – IX ZR 39/02, NZA 2003, 439, 440. 106 So bereits BGH, Urt. v. 11.7.1953 – II ZR 126/52, NJW 1953, 1465 zur Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze des Reichsarbeitsgerichts auf länger bestehende Dienstverhältnisse; BGH, Urt. v. 9.11.1967 – II ZR 64/67, NJW 1968, 396; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 76; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 144; eingehend: Goette, in: FS Wiedemann, 2002, S. 873 ff. 107 Vgl. BGH, Urt. v. 9.11.1967 – II ZR 64/67, NJW 1968, 396 (wirtschaftliche Abhängigkeit je nach Gehalt, § 630 BGB); BGH, Urt. v. 14.5.1990 – II ZR 122/89, AP Nr. 7 zu § 35 GmbHG (Geltung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes für arbeitnehmerähnliche, weil nicht oder nicht nennenswert an Gesellschaft beteiligte Geschäftsführer); BAG, Urt. v. 10.7.1980 – 3 AZR 68/79, AP Nr. 1 zu § 5 ArbGG 1979 (Arbeitnehmerähnlichkeit i. S. d. § 5 ArbGG); zur Arbeitnehmerähnlichkeit des Geschäftsführers: Namendorf, Der arbeitsrechtliche Status von GmbH-Geschäftsführern, S. 126 ff. 108 Vgl. OLG Dresden, Urt. v. 5.12.1996 – 7 U 1338/96, NJW-RR 1997, 1535; Roth/ Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 77 und Küttner/Kania, Personalbuch, „Geschäftsführer“, A. Rn. 23 (unter Verweis auf § 18 Abs. 1 Nr. 1, nach welchem selbst leitende Angestellte ausdrücklich aus Anwendungsbereich ausgenommen sind); Baeck/Deutsch, ArbZG, § 2 Rn. 86 f. und ErfK/Wank, § 2 ArbZG Rn. 3: Geltung des allgemeinen arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffes.
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und § 613a BGB112, die nur Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinne erfassen und nach ihren Gesetzzwecken nicht auf Geschäftsführer zu erstrecken sind. Ebenfalls keine Anwendung findet nach der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur auch das BUrlG. Die für sozial abhängige Arbeitnehmer herausgebildeten Grundsätze sollen aber grundsätzlich auch für den Urlaubsanspruch eines Organmitgliedes gelten.113 Auch das EGFZG greift zugunsten von Geschäftsführern nicht. Fehlt eine entsprechende Regelung im Anstellungsvertrag, besteht im Krankheitsfall „für eine nicht erhebliche Zeit“ ein Anspruch des Geschäftsführers aus § 616 BGB.114 Die Feststellung der verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit erfolgt unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles, wobei die Sechs-Wochen-Periode des § 3 Abs. 1 EGFZG einen Anhaltspunkt, insbesondere bei langjährig tätigen Geschäftsführern aber keine Grenze bildet.115 Umstritten ist, welche Kündigungsfrist bei einer ordentlichen Kündigung zu wahren ist.116 Während teilweise der für Dienstverträge geltende § 621 Nr. 3 BGB zur Anwendung gebracht wird117, zieht die überwiegende An109 Vgl. offen lassend, aufgrund der Ausführungen aber Ablehnung der Anwendung anzunehmen: BGH, Urt. v. 25.7.2002 – III ZR 207/01, NJW 2002, 3104; ErfK/Preis, § 2 TzBfG Rn. 4 und Laux/Schlachter, TzBfG, § 2 Rn. 8: Maßgeblichkeit des allgemeinen/herkömmlichen arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffes. 110 Vgl. BGH, Urt. v. 22.10.1964 – Ia ZR 8/64, GRUR 1965, 302, 304; BGH, Urt. v. 24.10.1989 – X ZR 58/88, NJW-RR 1990, 349; BGH, Urt. v. 11.4.2000 – X ZR 185/97, NJW-RR 2001, 472, 475; BGH, Urt. v. 26.9.2006 – X ZR 181/03, NJW-RR 2007, 103; BGH, Urt. v. 31.1.2008 – 6 U 2464/97, NJOZ 2009, 4044; OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.6.1999 – 2 U 11/98, GRUR 2000, 49; OLG München, Urt. v. 15.3.2007 – 6 U 5581/ 05, NJOZ 2007, 4716, 4717. 111 Vgl. Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 77; ErfK/Preis, § 1 NachwG Rn. 1, Geltung für Arbeiter, Angestellte und leitende Angestellte. 112 Vgl. BGH, Urt. v. 11.4.2000 – X ZR 185/97, NJW-RR 2001, 472, 476; BAG, Urt. v. 13.2.2003 – 8 AZR 654/01; NZA 2003, 552; Staudinger/Annuß, BGB, § 613a Rn. 25; Erman/Edenfeld, BGB, § 613a Rn. 42. 113 Vgl. BGH, Urt. v. 3.12.1962 – II ZR 201/61, AP Nr. 89 zu § 611 BGB (Urlaubsabgeltungsanspruch), BGH, Urt. v. 21.4.1975 – II ZR 2/73, WM 1975, 761; OLG Frankfurt, Urt. v. 9.2.2007 – 24 U 184/0, GmbHR 2007, 1222; umfassend Haase, GmbHR 2005, 338 ff.; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 77; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 144, 243; Scholz/Schneider/Sethe, GmbHG, § 35 Rn. 182, 247 m.w. N.; Hachenburg/Stein, GmbHG, § 35 Rn. 308; aA: Erman/Edenfeld, BGB, § 611 Rn. 157, der Gesamtanalogie zum BUrlG befürwortet. 114 Vgl. Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 114; Haase, GmbHR 2005, 1260, 1266; Jula, Der GmbH-GF, S. 204; Staudinger/Oetker, BGB § 616 Rn. 30; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 144; Scholz/Schneider/Sethe, GmbHG, § 35 Rn. 182, 297; Hachenburg/Stein, GmbHG, § 35 Rn. 207. 115 Vgl. Haase, GmbHR 2005, 1260, 1266; Jula, Der GmbH-GF, S. 204; Ulmer/ Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 201; Scholz/Schneider/Sethe, GmbHG, § 35 Rn. 297; Hachenburg/Stein, GmbHG, § 35 Rn. 207; auf sechs Wochen begrenzend: Erman/Belling, BGB, § 616 Rn. 47 ff. und MünchKommBGB/Henssler, § 616 Rn. 60; auf Umstände des Einzelfalles abstellend: Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG, § 35 Rn. 92 und Staudinger/Oetker, BGB, § 616 Rn. 98, der Gleichsetzung mit Sechs-Wochenfrist strikt ablehnt.
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sicht die für Arbeitnehmer geltende Kündigungsfristregelung des § 622 BGB heran, da die Interessenlage auf beiden Seiten der des § 622 BGB entspreche.118 Eine vermittelnde Ansicht wendet § 621 Nr. 3 BGB bei beherrschenden Gesellschaftergeschäftsführern und § 622 BGB bei Fremd- und nicht beherrschenden Gesellschaftergeschäftsführern an.119 Letzterem haben sich der BGH120 und zahlreiche Obergerichte121 angeschlossen. Das BAG hat unter Verweis auf die Tatsache, dass der Gesetzgeber zahlreiche Modifikationen in § 622 BGB vorgenommen, die Beschränkung in § 622 Abs. 1 BGB auf Arbeitsverhältnisse aber nicht aufgehoben hat, die Anwendung der Norm auf arbeitnehmerähnliche Personen abgelehnt.122 Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht ausgeschlossen, dass der BGH bei Geschäftsführern zukünftig die Regelung für Dienstverträge des § 621 BGB zur Anwendung bringen wird.123 Die außerordentliche Kündigung ist unter den Voraussetzungen des § 626 BGB möglich.124 Einer Abmahnung bedarf es nach der Rechtsprechung nicht, da die Funktion des Geschäftsführers als Arbeitgeber einen Umstand i. S. v. § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB darstellt, der eine solche entbehrlich macht.125 Uneinheitlich wird weiter beurteilt, inwieweit sich Ge116 Vgl. Namendorf, Der arbeitsrechtliche Status von GmbH-Geschäftsführern, S. 136 ff. 117 Vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.6.1976 – 8 U 265/75, GmbHR 1977, 132; Moll/ Grobys, MAH Arbeitsrecht, § 77 Rn. 44. 118 Vgl. Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 122 f.; Jula, Der GmbH-GF, S. 234; Küttner/Kania, Personalbuch, „Geschäftsführer“, A. Rn. 29; Scholz/Schneider/Sethe, GmbHG, § 35 Rn. 312, 314 m.w. N. zum gesamten Streitstand. 119 Vgl. Arens/Beckmann, Anwaltliche Beratung des GmbH-GF, § 1 Rn. 114; ErfK/ Müller-Glöge, § 622 BGB Rn. 7; Nägele, BB 2001, 305, 309; Staudinger/Preis, BGB, § 621 Rn. 9, § 622 Rn. 14; Tillmann/Mohr, GmbH-GF, Rn. 414. 120 Vgl. BGH, Urt. v. 29.1.1981 – II ZR 92/80, AP Nr. 14 zu § 622 BGB (Fremdgeschäftsführer, Anwendung von § 621 BGB auf beherrschenden Gesellschafter offen gelassen); BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 120/83, NJW 1984, 2528 (Geschäftsführer mit Minderheitsbeteiligung); BGH, Urt. v. 9.3.1987 – II ZR 132/86, NJW 1987, 2073, 2074; BGH, Urt. v. 29.5.1989 – II ZR 220/88, NJW 1989, 2683. 121 Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 27.1.1992 – 8 U 200/91 – NJW-RR 1993, 493; OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.4.2000 – 16 U 109/99, NZG 2000, 1044, 1045 (für beherrschenden Geschäftsführer offen gelassen); OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.10.2003 – 17 U 35/03, NZG 2004, 478, 481; LAG Köln, Urt. v. 18.11.1998 – 2 Sa 1063/98, NZA-RR 1999, 300, 301. 122 Vgl. BAG, Urt. v. 8.5.2007 – 9 AZR 777/06, AP Nr. 15 zu § 611 BGB. 123 Vgl. Erman/Belling, BGB, § 622 Rn. 3, zum Streitstand, § 611 Rn. 153 – analoge Anwendung von § 622 Abs. 1 BGB auf arbeitnehmerähnliche Personen und Organmitglieder befürwortend; aA: Hümmerich, NJW 1995, 1177, 11778; Schaub, ArbR-Hdb/ Vogelsang, § 14 Rn. 25; Baumbach/Hueck/Zöller/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 242 f. 124 Vgl. BGH, Urt. v. 3.7.2000 – II ZR 282/98, NJW 2000, 2983; BGH, Urt. v. 28.10.2002 – II ZR 146/02, NJW 2003, 351; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 131 ff.; Küttner/Kania, Personalbuch, „Geschäftsführer“ A. Rn. 9, Rn. 15; Tschöpe/Wortmann, NZG 2009, 161 ff. 125 Vgl. BGH, Urt. v. 14.2.2000 – II ZR 218/98, AP Nr. 16 zu § 611 BGB; BGH, Urt. v. 10.9.2001 – II ZR 14/00, AP Nr. 15 zu § 35 GmbHG; BGH, Beschluss v. 2.7.
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1. Teil: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer
schäftsführer auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz berufen dürfen.126 Wenn überhaupt soll Gleichbehandlung aber nur mit anderen Geschäftsführern verlangt werden können.127 2. Sozialversicherungsrechtliche Stellung
Die Differenzierung der Rechtsprechung, wann ein Geschäftsführer als sozialversicherungspflichtig, weil abhängig beschäftigt i. S. v. § 7 Abs. 1 SGB IV, zu qualifizieren ist, wurde bereits dargestellt.128 3. Steuerrechtliche Stellung
Geschäftsführer werden – unabhängig ihrer arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Behandlung – steuerrechtlich (bislang) als Arbeitnehmer behandelt. Dies trage nach Ansicht des BFH insbesondere dem Umstand Rechnung, dass Geschäftsführer als Organe in den Organismus der Gesellschaft eingegliedert seien und die Weisungen zu befolgen hätten, die sich aus Anstellungsvertrag und Gesellschafterbeschlüssen ergäben. Die Beteiligung an der GmbH stehe der Arbeitnehmereigenschaft nicht entgegen.129 Für die Umsatzsteuer hält der BFH an diesem Grundsatz nunmehr aber ausdrücklich nicht mehr fest. Bei Geschäftsführern sei zwischen der Organstellung und dem Anstellungsverhältnis zu unterscheiden. Ob das Anstellungsverhältnis als Arbeitsverhältnis (im steuerrechtlichen Sinne) zu beurteilen sei, richte sich nach den allgemeinen Kriterien zur Abgrenzung von selbständiger und unselbständiger Tätigkeit. Maßgeblich seien mithin die Umstände des Einzelfalles.130 2007 – II ZR 71/06, NJW-RR 2007, 1520; OLG Celle, Urt. v. 4.2.2004 – 9 U 203/03, GmbHR 2004, 425, 426, 428; Moll/Grobys, MAH Arbeitsrecht, § 77 Rn. 65; Scholz/ Schneider/Sethe, GmbHG, § 35 Rn. 324; Tillmann/Mohr, GmbH-GF, Rn. 427; aA: Namendorf, Der arbeitsrechtliche Status von GmbH-Geschäftsführern, S. 135 und Schumacher-Mohr, DB 2002, 1606 unter Verweis auf § 314 Abs. 2 S. 1 BGB. 126 Vgl. BGH, Urt. v. 14.5.1990 – II ZR 122/89, AP Nr. 7 zu 35 GmbHG; BGH, Urt. v. 20.12.1993 – II ZR 217/92, NZA 1994, 367; zur Anwendbarkeit des AGG: Eßer/ Baluch, NZG 2007, 321 ff. 127 Vgl. BGH, Urt. v. 17.2.1969 – II ZR 19/68, WM 1969, 686, 688; BGH, Urt. v. 14.5.1990 – II ZR 122/89, AP Nr. 7 zu § 35 GmbHG; BGH, Urt. v. 9.5.1994 – II ZR 128/93, DStR 1994, 1240; Küttner/Kania, Personalbuch, „Geschäftsführer“, A. Rn. 28; Wertheimer, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Arbeitsverhältnissen, S. 136. 128 Vgl. Teil 2 § 1 B. I. 129 Vgl. BFH, Urt. v. 9.10.1996 – XI R 47/96, GmbHR 1997, 374; BFH, Urt. v. 19.2.2004 – VI R 122/00, GmbHR 2004, 829; BFH, Urt. v. 10.3.2005 – V R 29/03, GmbHR 2005, 794; BFH, Urt. v. 23.4.2009 – VI R 81/06, DStR 2009, 1355; Mohr, GmbH-StB 1999, 321 322; BSG, Urt. v. 24.11.2005 – B 12 RA 1/04 R, NZA 2006, 308; umfassend zur Rechtstellung des Geschäftsführers im Steuerrecht: Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 152 ff. 130 Vgl. BFH, Urt. v. 10.3.2005 – V R 29/03, GmbHR 2005, 1204, 1205 m. Anm. Macher, NZA 2005, 1344; umfassend: Tillmann/Mohr, GmbH-GF, Rn. 12.
§ 2 Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer – Grundlagen und „Arten‘‘ 57
D. Zwischenergebnis Die Rechtsstellung des Geschäftsführers erhält ihr Gepräge durch die Organstellung. Hinsichtlich der persönlichen Rechtsstellung des Geschäftsführers kommt es im Wesentlichen auf die anstellungsvertraglichen Regelungen an. Im Übrigen ist anhand der im Einzelfall entscheidenden Rechtsprechung festzustellen, inwieweit sonstige Schutzvorschriften auch auf den Geschäftsführer Anwendung finden. Allgemeine Grundsätze, wann dies der Fall ist, oder auch eine allgemeine Tendenz zur Ausweitung des Schutzes sind nicht zu erkennen.
§ 2 Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer – Grundlagen und „Arten“ Nach einhelliger Auffassung fallen unter den Begriff des Wettbewerbsverbotes sowohl gesetzlich angeordnete Wettbewerbsverbote als auch vertragliche Wettbewerbsabreden, durch welche der Betroffene während der Dauer des Rechtsverhältnisses oder nach dessen Beendigung in der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit beschränkt wird.131 Im Folgenden wird ein Überblick über Wettbewerbsverbote mit Geschäftsführern – differenziert nach rechtlichen Grundlagen und zeitlichen Geltungsbereichen – gegeben. Auf diese Weise soll verdeutlicht werden, wann ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vorliegt und warum seine Vereinbarung so bedeutsam ist.
A. Gesetzliches Wettbewerbsverbot Eine spezialgesetzliche Regelung, die Geschäftsführern verbietet, in Wettbewerb zur GmbH zu treten, existiert nicht.132 Der Regierungsentwurf zur „Großen Reform des GmbH-Gesetzes“ von 1971133 sah zwar in § 71 ein § 88 AktG nachgebildetes Wettbewerbsverbot für Geschäftsführer vor. Das Wettbewerbsverbot trat jedoch aufgrund des Scheiterns des Reformvorhabens nicht in Kraft. Im Rahmen der GmbH-Gesetz-Novelle von 1980 wurde der Kodifikationsgedanke nicht wieder aufgegriffen. Ein gesetzliches Wettbewerbsverbot ergibt sich nach hiesiger Auffassung auch nicht durch analoge Anwendung von für andere Organmitglieder oder Personen 131 Vgl. allgemein: Schaub-ArbR-Hdb./Vogelsang, § 55 – Überblick; zur Unterteilung zwischen gesetzlichen und vertraglichen Wettbewerbsverboten: Staudinger/Olzen, BGB, § 241 Rn. 509 ff. und MünchArbR/Reichold, § 52 Rn. 1 ff.; zur Differenzierung zwischen Wettbewerbsverboten für die Vertragszeit und nach Vertragsende: SchaubArbR-Hdb./Vogelsang, §§ 54, 55. 132 Vgl. Strelau, Wettbewerbsverbote für GF und Befreiungsmöglichkeiten, S. 23. 133 Vgl. BT-Drs. 7/253.
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1. Teil: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer
geschaffenen gesetzlichen Regelungen oder durch extensive Auslegung sonstiger, grundsätzlich einschlägiger gesetzlicher Regelungen. I. Wettbewerbsverbot während der Dauer der Organstellung – § 88 AktG bzw. § 112 HGB analog oder § 85 GmbHG? Während § 88 AktG Vorstandsmitgliedern einer AG für die Dauer ihrer Amtszeit134 ein gesetzliches Wettbewerbsverbot auferlegt, begründet für OHG-Gesellschafter und KG-Komplementäre § 112 HGB für die Dauer der Gesellschafterstellung ein gesetzliches Wettbewerbsverbot. Insbesondere, ob § 88 AktG bei Geschäftsführern analog herangezogen und dadurch ein gesetzliches Wettbewerbsverbot für die Dauer der Organstellung begründet werden kann, ist in der Literatur umstritten. Teilweise wird die analoge Anwendung ausdrücklich abgelehnt. Die aktienrechtlichen Vorschriften der §§ 87 ff. AktG seien auch von öffentlichem Interesse geprägt, welches bei der GmbH nur schwächer vorzufinden sei. Zudem unterliege der Geschäftsführer, anders als das Vorstandsmitglied nach § 88 AktG, nur einem Wettbewerbsverbot im engeren Sinne, nicht aber zugleich einem Betätigungsverbot.135 Nach der überwiegenden Gegenansicht findet § 88 AktG dagegen auch auf Geschäftsführer Anwendung. Allerdings wird die Norm in der Regel nur zur Bestätigung bzw. Konkretisierung des aus der Treuepflicht folgenden Wettbewerbsverbots herangezogen und in diesem Kontext erörtert.136 Folgt aber, wie im Folgenden aufzuzeigen sein wird, ein Wettbewerbsverbot bereits aus der organschaftlichen Treuepflicht, scheidet die analoge Anwendung des § 88 AktG zur Begründung des, wenn auch gesetzlichen, Wettbewerbsverbotes mangels Regelungslücke bereits aus. Die Norm kann aber ggf. zur Konkretisierung des Wettbewerbsverbotes herangezogen werden.137 Aus demselben Grund bedarf es auch der analogen Anwendung des § 112 HGB nicht.138 Ein gesetzliches Wettbewerbsverbot für die Dauer der Organstellung ist auch nicht durch extensive Auslegung des § 85 GmbHG zu begründen. § 85 GmbHG statuiert einen Straftatbestand für die Verletzung von Geheimhaltungspflichten und sichert die bei Geschäftsführern – anders als bei AG-Vorständen (§ 93 Abs. 1 S. 2 AktG) – nicht geregelte139, aber als organschaftliche Pflicht i. S. v. 134
Vgl. Hüffer, AktG, § 88 Rn. 2; MünchKommAktG/ Spindler, § 88 Rn. 8. Vgl. Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 85; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 153, 155. 136 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1027; Bergwitz, GmbHR 2006, 1129 f.; ders., GmbHR 2007, 523; Diller, ZIP 2007, 201 f.; ders., ZIP 2007, 201, 202; Fleischer, NZG 2003, 985, 986; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 38, 41; Spiegelberger, GmbHR 1992, 727, 728; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 49. 137 Vgl. Gaul, GmbHR 1991, 144 f. 138 Vgl. Gaul, GmbHR 1991, 144 f. (quasigesetzliches Wettbewerbsverbot aus Organpflicht); aA: Goette, DStR 1998, 1137, 1139 (Konkretisierung durch § 112 HGB). 139 § 75 RegE 1971 sah in Abs. 1 S. 2 vor, die Regelung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG in das GmbHG zu übernehmen. 135
§ 2 Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer – Grundlagen und „Arten‘‘ 59
§ 43 GmbHG anerkannte Verschwiegenheitspflicht gegenüber der Gesellschaft strafrechtlich ab.140 Diese Verschwiegenheitspflicht stellt eine Ausprägung der Treue- und Loyalitätspflicht gegenüber der Gesellschaft dar, aus der nach allgemeiner Ansicht auch ein Wettbewerbsverbot folgt, begründet aber an sich noch kein umfassendes Wettbewerbsverbot, das so dann durch § 85 GmbHG gesetzlich abgesichert wäre.141 § 85 GmbHG kann sich mithin zwar als Wettbewerbsverbot auswirken, begründet aber kein generelles gesetzliches Wettbewerbsverbot für Geschäftsführer.142 II. Wettbewerbsverbot nach Erlöschen der Organstellung – § 85 GmbHG? Aus diesem Grund begründet § 85 GmbHG auch für die Zeit nach Erlöschen der Organstellung kein Wettbewerbsverbot. Zwar endet die durch § 85 GmbHG abgesicherte Verschwiegenheitspflicht des Geschäftsführers nicht mit Erlöschen der Organstellung, so dass Täter des § 85 GmbHG auch Geschäftsführer sein können, die ein Geheimnis in ihrer Organwalterfunktion erfahren haben, im Zeitpunkt des Geheimnisverrats aber nicht mehr Organ der GmbH sind.143 § 85 GmbHG begründet jedoch kein umfassendes Wettbewerbsverbot.144 Zudem tritt die Geheimhaltungspflicht aus § 85 GmbHG bei der Wahrnehmung eigener berechtigter Interessen zurück. Es wäre mit Art. 12 GG unvereinbar, dem Geschäftsführer die Aufnahme einer neuen beruflichen Tätigkeit zu verweigern, weil diese mit der Verwertung von Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnissen oder Know-how verbunden ist.145 140 Vgl. Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 25; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 144; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 40. 141 Vgl. zur Abgrenzung von Verschwiegenheitspflicht und Wettbewerbsverbot: BAG, Urt. v. 15.12.1987 – 3 AZR 474/86, NJW 1988, 1686; LAG Hamm, Urt. v. 16.4. 1986 – 15 Sa 165/86, DB 1986, 2087 f.; Hachenburg/Stein, GmbHG, § 35 Rn. 312. 142 Vgl. Brachert, Organmitgliedschaft und Arbeitnehmerstatus, S. 218; Gissel, Arbeitnehmerschutz für den GmbH-GF, S. 138; Gravenhorst, Rechtliche Grenzen für die Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote mit GmbH-Geschäftsführern, S. 6; Groß, Anstellungsverhältnis des GmbH-GF, S. 363; von der Osten, GmbHR 1989, 450, 454; Wertheimer, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Arbeitsverhältnissen, S. 71. 143 Vgl. BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366, 2367; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 85 Rn. 3; Janssen, in: Park (Hrsg.), Kapitalmarktstrafrecht, Teil 3 Kap. 9 T3 § 85 GmbHG Rn. 13; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 248; Scholz/ Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 220; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 40. 144 Vgl. Brachert, Organmitgliedschaft und Arbeitnehmerstatus, S. 218; Gissel, Arbeitnehmerschutz für den GmbH-GF, S. 138; Gravenhorst, Rechtliche Grenzen für die Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote mit GmbH-Geschäftsführern, S. 6; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 248; Wertheimer, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Arbeitsverhältnissen, S. 71. 145 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1030; dies., GmbHR 1999, 885, 886; Gissel, Arbeitnehmerschutz für den GmbH-GF, S. 138; Gravenhorst, Rechtliche Gren-
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1. Teil: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer
III. Wettbewerbsverbot während der Laufzeit des Anstellungsvertrages – § 60 HGB analog bzw. §§ 17, 18, 3 UWG? Ein gesetzliches Wettbewerbsverbot ist auch nicht für die Laufzeit des Anstellungsvertrages anzunehmen. Ein solches folgt weder aus § 60 HGB analog, noch ergibt es sich bei extensiver Auslegung der §§ 17, 18 bzw. des § 3 UWG. § 60 HGB gilt nach der Rechtsprechung des BAG zwar auch für sonstige Arbeitnehmer, nicht aber für freie Mitarbeiter, Organe von Kapitalgesellschaften oder Handelsvertreter, da diese Personen einem Dienstverhältnis unterliegen und daher nicht abhängig beschäftigt i. S. v. § 60 HGB sind.146 § 17 UWG147 stellt den Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen bzw. die Verwertung von (im geschäftlichen Verkehr anvertrauten) Vorlagen unter Strafe. Die Norm soll den Unternehmensinhaber vor einer Verletzung seiner Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse und zugleich den Wettbewerb vor Verfälschung schützen.148 Dagegen ist es nicht ihr Zweck, den Unternehmensinhaber umfassend vor wettbewerblichem Handeln seines Beschäftigten zu schützen. Ein umfassendes Verbot wettbewerblichen Handelns wird durch die Norm daher nicht begründet.149 Ihrer dahingehenden extensiven Auslegung steht das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot entgegen. § 18 UWG erweitert den Geheimnisschutz des § 17 UWG durch die Einbeziehung bestimmter Vorbereitungshandlungen.150 Täter können aber nur Dritte sein, da Beschäftigten Vorlagen etc. nicht „im geschäftlichen Verkehr“, sondern im innerbetrieblichen Verkehr anvertraut werden.151 Die Generalklausel des § 3 UWG findet auch im Anwendungsbereich der §§ 17, 18 UWG Anwendung.152 Sie untersagt anhand der Gesamtumstände der zen für die Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote mit GmbH-Geschäftsführern, S. 6. 146 Vgl. BGH, Urt. v. 23.1.1964 – VII ZR 133/62, NJW 1964, 817; BAG, Urt. v. 21.1.1997 – 9 AZR 778/95, NJW 1998, 99; Oppenländer/Trölitzsch/Baumann, GmbHGeschäftsführung, § 14 Rn. 12; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 60 Rn. 11; MünchArbR/Reichold, § 52 Rn. 5. 147 Vgl. zu §§ 17, 18 UWG: Wertheimer, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Arbeitsverhältnissen, S. 50 ff. 148 Vgl. MünchKommUWG/Brammsen, § 17 Rn. 3 f.; Köhler/Bornkamm, UWG, § 17 Rn. 2; Piper/Ohly, UWG, § 17 Rn. 1. 149 Vgl. zu Abgrenzung des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zu Wettbewerbsverbot: BAG, Urt. v. 15.12.1987 – 3 AZR 474/86, NZA 1988, 502; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken, HGB, § 74 Rn. 24; MünchKommUWG/Brammsen, Vor § 17 Rn. 15; Ensthaler-Etzel, GK-HGB, §§ 74–75d Rn. 8 ff. 150 Vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, § 18 Rn. 2; Piper/Ohly, UWG, § 18 Rn. 1. 151 Vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, § 18 Rn. 14; Piper/Ohly, UWG, § 18 Rn. 3, 7; Wertheimer, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Arbeitsverhältnissen, S. 55. 152 Vgl. BGH, Urt. v. 21.12.1962 – I ZR 47/61, NJW 1963, 856; Wertheimer, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Arbeitsverhältnissen, S. 52.
§ 2 Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer – Grundlagen und „Arten‘‘ 61
jeweiligen Einzelfälle festzustellende unlautere geschäftliche Handlungen, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern zu beeinträchtigen. Mitbewerber sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG Unternehmen, die in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen. Hiernach ist es möglich, dass während der Laufzeit des Anstellungsvertrages zulasten der GmbH vorgenommenes, wettbewerbliches Handeln des Geschäftsführers als potenziellem Mitbewerber im Einzelfall eine unlautere geschäftliche Handlung darstellt und daher nach § 3 UWG unzulässig ist. Zu beachten ist jedoch, dass nach der Norm grundsätzlich nur einzelne geschäftliche Handlungen unzulässig sind. Zudem steht die Rechtsprechung der Annahme eines Verstoßes gegen § 3 UWG wegen der unerlaubten Offenbarung oder Verwertung von Unternehmensgeheimnissen sehr restriktiv gegenüber und verlangt besondere Umstände, die das Vorgehen als anstößig erscheinen lassen, da grundsätzlich kein Anspruch auf Erhalt des Absatzgebietes oder Kundenkreises bestehe.153 Ein umfassendes Verbot wettbewerblichen Handelns wird daher nur in seltenen Fällen mit Hilfe von § 3 UWG zu begründen sein. IV. Wettbewerbsverbot nach Beendigung des Anstellungsvertrages – §§ 17 Abs. 2, 3 UWG bzw. § 826 BGB? Ein gesetzliches Wettbewerbsverbot für die Zeit nach der Beendigung des Anstellungsvertrages besteht für Geschäftsführer nicht.154 Nach § 17 Abs. 2 UWG wird zwar auch die Verwertung eines unbefugt erlangten Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses nach dem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis bestraft.155 § 17 UWG enthält, wie dargestellt, aber kein umfassendes gesetzliches Wettbewerbsverbot.156 Ein solches folgt auch nicht aus § 826 BGB. Bei Wettbewerbsverboten mit Arbeitnehmern findet § 826 BGB nur Anwendung, wenn außergewöhnliche Umstände den Wettbewerb ausnahmsweise sittenwidrig machen. Machen die Parteien von der gesetzlich eingeräumten Möglichkeit, ein vertragliches Wettbewerbsverbot (§§ 74 ff. HGB) zu vereinbaren, nicht Gebrauch, können sie 153 Vgl. BGH, Urt. v. 8.4.1952 – I ZR 80/51, GRUR 1952, 582 (Angestellter); BGH, Urt. v. 21.12.1962 – I ZR 47/61, NJW 1963, 856 (Angestellter); BGH, Urt. v. 6.11.1963 – Ib ZR 41/62, GRUR 1964, 215 (Angestellter); BGH, Urt. v. 3.12.1969 – I ZR 151/67, GRUR 1970, 182 (Pächter eines Getränkeverlages); BGH, Urt. v. 24.2.1994 – I ZR 74/ 92, GRUR 1994, 447 (Geschäftsführer); eingehend: BGH, Urt. v. 3.5.2001 – I ZR 153/ 99, GRUR 2002, 91 (Angestellte); LAG Hamm, Urt. v. 21.6.2004 – 7 Sa 590/03, BB 2005, 164 (Angestellter). 154 Vgl. zum Wettbewerbsverbot als vertragliche Nebenpflicht i. S. v. § 241 BGB, siehe Teil 1 § 2 D. I. 155 Vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, § 17 Rn. 49; Piper/Ohly, UWG, § 17 Rn. 17, 20. 156 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 31; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Boecken, HGB, § 74 Rn. 24; Gravenhorst, Rechtliche Grenzen für die Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote mit GmbH-Geschäftsführern, S. 5 f.; Wertheimer, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Arbeitsverhältnissen, S. 51.
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1. Teil: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer
sich grundsätzlich nicht zur Abwehr von Wettbewerb auf § 826 BGB berufen.157 Nichts anderes kann bei Geschäftsführern gelten, da auch mit diesen nach einhelliger Auffassung ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart werden kann.
B. Wettbewerbsverbot aus organschaftlicher Loyalitätsund Treuepflicht Durch die Organstellung erhalten Geschäftsführer hinsichtlich der Angelegenheiten der Gesellschaft weitreichende Befugnisse und Einwirkungsmöglichkeiten. Im Gegenzug sind sie der Gesellschaft nach einhelliger Auffassung zu Loyalität und Treue verpflichtet.158 I. Wettbewerbsverbot während der Dauer der Organstellung Aufgrund dieser Treue- und Loyalitätspflicht unterliegt der Geschäftsführer während seiner Bestellung auch ohne dahingehende Vereinbarung oder Satzungsregelung einem Wettbewerbsverbot159, das es ihm u. a. verbietet, ein Handelsgewerbe konkurrierender Art zu betreiben, im Geschäftszweig der Gesellschaft Geschäfte zu machen (Anlehnung an § 88 Abs. 1 S. 2 AktG)160, Vorstandsmitglied, 157 Vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 1.8.1985 – 6 U 618/85, WM 1985, 1848, 1845; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 44; Staub, Großkomm.HGB/ Weber, Vor § 74 Rn. 1; zu §§ 823 Abs. 2, 826 BGB bzw. dem allgemeinen Deliktsschutz von Betriebsund Geschäftsgeheimnissen: Wertheimer, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Arbeitsverhältnissen, S. 62 ff. 158 Vgl. BGH, Urt. v. 11.7.1953 – II ZR 126/52, NJW 1953, 1465; BGH, Urt. v. 9.11.1967 – II ZR 64/67, NJW 1968, 396; Fleischer, WM 2003, 1045, 1046; Rowedder/ Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG, § 43 Rn. 19; Hachenburg/Mertens, GmbHG, § 43 Rn. 35; von der Osten, GmbHR 1989, 450 ff.; umfassend zur Treuepflicht und ihren Ausprägungen: Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 35 ff.; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 151, 198; Strelau, Wettbewerbsverbote für GF und Befreiungsmöglichkeiten, S. 77 ff.; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 39. 159 Vgl. BGH, Urt. v. 23.9.1985 – II ZR 246/84, NJW 1986, 585, 586; BGH, Urt. v. 12.6.1989 – II ZR 334/87, NJW-RR 1989, 1255, 1257; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 13.5.1997 – 11 U 68/96, GmbHR 1998, 376; OLG Oldenburg, Urt. v. 17.2.2000 – 1 U 155/99, NZG 2000, 1038; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 85, § 43 Rn. 29; Oppenländer/Trölitzsch/Baumann GmbH-Geschäftsführung, § 14 Rn. 12; Gaul, GmbHR 1991, 144 f.; Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anhang § 6 Rn. 20; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG, § 43 Rn. 19 m.z.w.N; Kunz, DB 1993, 2482, 2484; Hachenburg/Mertens, GmbHG, § 43 Rn. 39; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 248, § 43 Rn. 38; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 153, 158; Strelau, Wettbewerbsverbote für GF und Befreiungsmöglichkeiten, S. 56, 75 f. m. z.w. N.; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 41; aA: OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 15.4.1982 – 6 U 104/81, BB 1982, 1383, 1384 (ohne nähere Begründung). 160 Vgl. BGH, Urt. v. 11.10.1976 – II ZR 104/75, GmbHR 1977, 43 f.; BGH, Urt. v. 17.2.1997 – II ZR 278/95, NJW 1997, 2055, 2056; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 83, § 43 Rn. 29; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG, § 43 Rn. 19 m. z.w. N.; Oppenländer/Trölitzsch/Leinekugel, GmbH-Geschäftsführung, § 18 Rn. 70;
§ 2 Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer – Grundlagen und „Arten‘‘ 63
Geschäftsführer oder persönlich haftender Gesellschafter einer konkurrierenden Handelsgesellschaft zu sein161, die Abwicklung bereits abgeschlossener Verträge zu vereiteln162 und Geschäftschancen der Gesellschaft für sich selbst zu nutzen163. II. Wettbewerbsverbot nach Erlöschen der Organstellung Nach Erlöschen der Organstellung wirkt diese Treue- und Loyalitätspflicht des Geschäftsführers in bestimmtem Umfang fort.164 So bleibt der Geschäftsführer zur Rücksichtnahme, insbesondere zur Verschwiegenheit, verpflichtet.165 Ihm ist es verboten, die Durchführung während der Amtszeit eingegangener Verträge zu beeinträchtigen oder zu vereiteln166. Ferner darf er nicht auf Kosten der Gesellschaft persönlichen Nutzen ziehen.167 Dagegen ist er ohne dahingehende Vereinbarung nicht verpflichtet, sich des Wettbewerbes gegenüber der Gesellschaft zu Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 41 ff.; zu Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 41 m. z.w. N. 161 Vgl. Gaul, GmbHR 1991, 144, 145; Hachenburg/Mertens, GmbHG, § 43 Rn. 39; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 41 m. z.w. N. 162 Vgl. BGH, Urt. v. 11.10.1976 – II ZR 104/75, GmbHR 1977, 43 f.; BGH, Urt. v. 23.9.1985 – II ZR 246/84, NJW 1986, 585, 586; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 30; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG, § 43 Rn. 19 m. z.w. N. 163 Vgl. BGH, Urt. v. 8.5.1967 – II ZR 126/65, GmbHR 1968, 141; BGH, Urt. v. 9.7.1979 – II ZR 125/77, WM 1979, 1328, 1330 (zu AG-Vorstand); BGH, Urt. v. 21.2. 1983 – II ZR 183/82, GmbHR 1983, 300; BGH, Urt. v. 23.9.1985 – II ZR 246/84, NJW 1986, 585, 586; BGH, Urt. v. 12.6.1989 – II ZR 334/87, NJW-RR 1989, 1255, 1257; Hachenburg/Mertens, GmbHG, § 43 Rn. 38 m.w. N.; zur hier diskutierten Geschäftschancenlehre vgl.: Fleischer, NZG 2003, 985 ff.; ders., WM 2003, 1045, 1054; Schiessl, GmbHR 1988, 53 ff.; Theiselmann, GmbHG-StB 2010, 326 ff., Timm, GmbHR 1981, 177 ff. sowie Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 201 f. und Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 41 m. z.w. N. 164 Vgl. BGH, Urt. v. 11.10.1976 – II ZR 104/75, GmbHR 1977, 43 f.; OLG Hamm, Urt. v. 7.11.1984 – 8 U 8/84, GmbHR 1985, 157; OLG Oldenburg, Urt. v. 17.2.2000 – 1 U 155/99, NZG 2000, 1038; Arens/Beckmann, Anwaltliche Beratung des GmbH-GF, § 1 Rn. 55; Diller, ZIP 2007, 201 f.; Fleischer, WM 2003, 1045, 1058; Jäger, DStR 1995, 724; Hachenburg/Mertens, GmbHG, § 43 Rn. 36; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 248; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 173, Thüsing, NZG 2004, 9, 15; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 20; 198. 165 Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 7.11.1984 – 8 U 8/84, GmbHR 1985, 157; Thüsing, NZG 2004, 9, 15; zur Trennung von nachvertraglicher Verschwiegenheitsverpflichtung und Wettbewerbsverbot vgl. BGH, Urt. v. 3.5.2001 – I ZR 153/99, WM 2001, 1824, 1827. 166 Vgl. BGH, Urt. v. 11.10.1976 – II ZR 104/75, GmbHR 1977, 43 f.; BGH, Urt. v. 23.9.1985 – II ZR 246/84, NJW 1986, 585; KG Berlin, Urt. v. 16.3.2010 – 14 U 45/09, GmbHR 2010, 869 (zu Geschäftschancen). 167 Vgl. BGH, Urt. v. 11.10.1976 – II ZR 104/75, GmbHR 1977, 43 f.; BGH, Urt. v. 23.9.1985 – II ZR 246/84, NJW 1986, 585; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 13.5.1997 – 11 U 68/96, GmbHR 1998, 376; OLG Oldenburg, Urt. v. 17.2.2000 – 1 U 155/99, NZG 2000, 1038; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 30; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 198.
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1. Teil: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer
enthalten. Die nachwirkende Treuepflicht begründet nach herrschender Ansicht kein allgemeines Wettbewerbsverbot, da der ausgeschiedene Geschäftsführer nicht mehr verpflichtet ist, die zukünftige Geschäftstätigkeit der GmbH zu fördern bzw. durch geschäftliche Zurückhaltung wirtschaftliche Nachteile für sie zu vermeiden.168 Hiervon abweichend wird in Rechtsprechung und Literatur vereinzelt – ohne Begründung – ein umfassendes Wettbewerbsverbot trotz Erlöschen der Organstellung aber dann und solange angenommen, wie das von der Abberufung grundsätzlich unabhängige Anstellungsverhältnis, ggf. auch gekündigt, fortbesteht169 bzw. die Gesellschaft aufgrund des Anstellungsverhältnisses das Gehalt des Geschäftsführers fortbezahlt170.171 Die Annahme, die aus der Organstellung folgende Treuepflicht entfiele trotz Erlöschens der Organstellung dann nicht, wenn der Anstellungsvertrag noch fortbesteht, liefe aber dem in Rechtsprechung und Literatur anerkannten Prinzip der Trennung von Organ- und Anstellungsverhältnis zuwider und führte überdies zu Rechtsunsicherheit. Sie ist daher abzulehnen. Unterlassungspflichten können sich in diesem Fall allenfalls aus dem fortbestehenden Anstellungsvertrag ergeben.172
C. Wettbewerbsverbot aus Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung In der Literatur wird vereinzelt diskutiert, inwieweit – insbesondere nachvertragliche – Wettbewerbsverbote für Arbeitnehmer in Tarifverträgen geregelt wer168 Vgl. BGH, Urt. v. 11.10.1976 – II ZR 104/75, GmbHR 1977, 43 f.; BGH, Urt. v. 23.9.1985 – II ZR 246/84, NJW 1986, 585; BGH, Urt. v. 16.10.1989 – II ZR 2/89, GmbHR 1990, 77; OLG Hamm, Urt. v. 9.11.1988 – 8 U 295/87, GmbHR 1989, 259; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 13.5.1997 – 11 U 68/96, GmbHR 1998, 376; OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.12.1998 – 6 U 151/98, NZG 1999, 405; Arens/Beckmann, Anwaltliche Beratung des GmbH-GF, § 1 Rn. 55; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1031; Bartl/Bartl/Fichtelmann/Koch/Schlarb, HK-GmbH-Recht, § 35 Rn. 124; Jula, Der GmbH-GF, S. 108; Hachenburg/Mertens, GmbHG, § 43 Rn. 36; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 40; Thüsing, NZG 2004, 9, 15; Tillmann/Mohr, GmbH-GF, Rn. 444; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 20. 169 Vgl. Oppenländer/Trölitzsch/Baumann, GmbH-Geschäftsführung, § 14 Rn. 13; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 158, 172 f., 219. 170 Vgl. OLG Oldenburg, Urt. v. 17.2.2000 – 1 U 155/99, NZG 2000, 1038; OLG Celle, Urt. v. 9.2.2005 – 9 U 178/04, GmbHR 2005, 541, 542; zur Fortgeltung von § 88 Abs. 1 AktG nach Erlöschen der Organstellung von AG-Vorstandsmitgliedern: OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 5.11.1999 – 10 U 257/98, AG 2000, 518, 519; Bauer, DB 1992, 1413, 1417; HK-AktG/Bürgers/Israel, § 88 Rn. 3; Jäger, AG § 21 Rn. 57; Münch. Hdb.GesR IV/Wiesner, § 21 Rn. 68. 171 Umfassend zur entsprechenden Rechtslage im Aktienrecht, wenn Vorstandsmitglied trotz ungekündigtem Anstellungsvertrag von Amt abberufen wird: Fleischer, AG 2005, 336, 340; zur Rechtslage bei Konkurrenztätigkeit des Geschäftsführers während des Kündigungsprozesses: Diller, ZIP 2007, 201 ff. 172 Ebenso: Bergwitz, GmbHR 2006, 1129 f.; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 40.
§ 2 Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer – Grundlagen und „Arten‘‘ 65
den können.173 Die Literaten messen der Problematik aber nur geringe Relevanz zu, da in der Praxis Tarifverträge nur selten nachvertragliche Wettbewerbsregelungen enthielten.174 Zudem sei kaum denkbar, dass für alle unter einen Tarifvertrag fallenden Arbeitnehmer sinnvollerweise ein einheitliches Wettbewerbsverbot geschaffen werden könne.175 Für Geschäftsführer werden tarifliche Regelungen in der Regel ohne Bedeutung sein. Unmittelbar können sie keine Anwendung finden, da Geschäftsführer nach der hiesigen Auffassung auf der Grundlage von Dienstverträgen tätig werden, also kein Arbeitsverhältnis i. S. v. § 1 Abs. 1 TVG176 gegeben ist. Denkbar ist allein, dass der Anstellungsvertrag ergänzend auf tarifvertragliche Bestimmungen verweist.177 Der BGH hat einen allgemeinen Verweis auf den Bundes-Angestellten-Tarifvertrag für zulässig erachtet.178 Drängt sich aber bereits bei Arbeitnehmern die Frage auf, ob ein sinnvolles einheitliches Wettbewerbsverbot in einem Tarifvertrag geschaffen werden kann, stellt sich diese Frage bei höheren Angestellten umso mehr. Vor diesem Hintergrund erscheint es unwahrscheinlich, dass in einem Geschäftsführeranstellungsvertrag auf ein derartiges, notwendigerweise relativ pauschales, Wettbewerbsverbot verwiesen wird. Nach allgemeiner Ansicht ist es zulässig, durch Betriebsvereinbarungen Wettbewerbsverbote einzuführen und auszugestalten.179 Mangels Anwendbarkeit des Betriebsverfassungsgesetzes (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG) sind die Wettbewerbsverbote für Geschäftsführer aber irrelevant.180
173 Allgemein für zulässig erachtend: HWK/Diller, § 74 HGB Rn. 4; Ensthaler/Etzel, GK-HGB, §§ 74–75d Rn. 22; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 74 Rn. 3, § 60 Rn. 5; Staub, GroßKomm. HGB/Weber, Vor § 74 Rn. 5; HK-HGB/Ruß, § 74 Rn. 4 (Zulässigkeit wohl unterstellend); aA: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken, HGB, § 74 Rn. 15. 174 Vgl. HWK/Diller, § 74 HGB Rn. 4; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 16; hierzu und zu den einzelnen Regelungsinhalten: Wertheimer, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Arbeitsverhältnissen, S. 42 ff.; Staub, Großkomm HGB/Weber, Vor § 74 Rn. 4. 175 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 16 m.w. N. 176 Vgl. ebenso für Geschäftsführer nicht konzerngebundener GmbHs: Däubler/ Reim/Nebe, TVG, § 1 Rn. 241. 177 Vgl. Grüll/Janert, Arbeitsrechtliches Taschenbuch für Vorgesetzte, S. 41 ff. 178 Vgl. BGH, Urt. v. 26.1.1998 – II ZR 243/96, GmbHR 1998, 375, 376. 179 Vgl. MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 74 Rn. 19; Wertheimer, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Arbeitsverhältnissen, S. 46; HSWG/Worzalla, BetrVG, § 77 Rn. 67 zu nachvertraglichen Wettbewerbsverboten; Staub, Großkomm. HGB/Weber, Vor § 74 Rn. 5; zweifelnd: HWK/Diller, § 74 HGB Rn. 4; aA: Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn/Boecken, HGB, § 74 Rn. 15. 180 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 22 m.w. N.
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1. Teil: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer
D. Wettbewerbsverbot aus Anstellungsvertrag I. Wettbewerbsverbot während der Laufzeit des Anstellungsvertrages Häufig wird im Anstellungsvertrag lediglich das aus der organschaftlichen Treuepflicht folgende Wettbewerbsverbot konkretisiert oder ergänzt.181 Die Dienstvertragsparteien können aber auch ein – insoweit dann zusätzliches – vertragliches Wettbewerbsverbot für die Laufzeit des Anstellungsvertrages vereinbaren.182 Diesem käme wegen der rechtlichen Unabhängigkeit von Organstellung und Anstellung insbesondere dann eigenständige Bedeutung zu, wenn der Geschäftsführer seine Organstellung noch nicht erlangt oder aber bereits wieder verloren hat, während das Anstellungsverhältnis bereits bzw. noch fortbesteht. Vereinbaren die Dienstvertragsparteien kein Wettbewerbsverbot für die Laufzeit des Vertrages, folgt ein solches mangels Anwendbarkeit der Norm auf Geschäftsführer nicht aus § 60 HGB. Fraglich ist, ob den Geschäftsführer ein Wettbewerbsverbot aufgrund seiner vertraglichen Nebenpflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der Gesellschaft, §§ 611, 241 Abs. 2 BGB, trifft. Nach der allgemein-zivilrechtlichen Kommentarliteratur ist die Nebenpflicht zur Rücksichtnahme, die vor der Normierung in § 241 Abs. 2 BGB im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung als sog. Treuepflicht des Arbeitnehmers oder Dienstverpflichteten aus § 242 BGB hergeleitet wurde183, in Arbeitsverträgen und Dienstverträgen, die Anstellungsverhältnisse, insbesondere mit Vorstandsmitgliedern oder Geschäftsführern, betreffen, wegen der regelmäßigen Nähe zu den Rechtsgütern und Interessen des Dienstberechtigten besonders ausgeprägt.184 Aufgrund ihrer in besonderem Maße von Treu und Glauben geprägten Pflichtenstellung seien Geschäftsführer daher zur Interessenwahrung, Verschwiegenheit und zum Unterlassen von Wettbewerb verpflichtet.185 Sowohl in der Rechtsprechung als auch der Literatur zum GmbH-Recht werden diese Ansätze 181 Vgl. Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 85; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 39. 182 Vgl. Diller, ZIP 2007, 201 f.; Hachenburg/Stein, GmbHG, § 35 Rn. 311; Strelau, Wettbewerbsverbote für GF und Befreiungsmöglichkeiten, S. 53 f.; Baumbach/Hueck/ Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 195. 183 Vgl. hierzu: Staudinger/Looschelders/Olzen, BGB, § 242 Rn. 781 ff.; Palandt/ Weidenkaff, BGB, § 611 Rn. 39. 184 Vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, § 611 Rn. 39. 185 Vgl. Bergwitz, GmbHR 2006, 1129 f.; ders., GmbHR 2007, 523; Dahlbender, GmbH-StB 2006, 273; Kunz, DB 1993, 2482, 2484; Moll in Anm. zu OLG Celle, Urt. v. 9.2.2005 – 9 U 178/04, GmbHR 2005, 541, 543; Staudinger/Olzen, BGB, § 241 Rn. 509 ff.; Strelau, Wettbewerbsverbote für GF und Befreiungsmöglichkeiten, S. 68 m.w. N.; Palandt/Weidenkaff, BGB, § 611 Rn. 39 ff.; zur Abgrenzung von Wettbewerbsverbotsverstößen und grundsätzlich zulässigen Vorbereitungshandlungen: OLG Odenburg, Urt. v. 17.2.2000 – 1 U 155/99, NZG 2000, 1038, 1040; OLG Celle, Urt. v. 9.2.2005 – 9 U 178/04, GmbHR 2005, 541, 542 m. abl. Anm. Moll, GmbHR 2005, 541, 543.
§ 2 Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer – Grundlagen und „Arten‘‘ 67
nicht aufgegriffen. Die Literatur zum GmbH-Recht beschäftigt sich nahezu ausschließlich mit dem Wettbewerbsverbot aus der organschaftlichen Treuepflicht und erörtert nicht, ob für die Dauer des Anstellungsverhältnisses ein Wettbewerbsverbot aufgrund der vertraglichen Nebenpflichten besteht. Der BGH hat in einer Entscheidung ausgeführt, der Dienstverpflichtete (Geschäftsführer) müsse bis zur rechtswirksamen Beendigung des Dienstverhältnisses grundsätzlich jeden Wettbewerb unterlassen, wenn er eine vom Geschäftsherrn ausgesprochene Kündigung für ungerechtfertigt halte und deshalb auch weiterhin die sich aus dem Vertrag für ihn ergebenden Rechte in Anspruch nehme.186 Verwiesen wurde sodann auf zu § 60 Abs. 1 HGB und § 89a Nr. 1 HGB (a. F.) ergangene Entscheidungen187, nach welchen die an das jeweilige Vertragsverhältnis anknüpfenden gesetzlichen Wettbewerbsverbote bis zur Beendigung der Vertragsverhältnisse fortwirkten. In dieser Entscheidung ist der BGH somit von einem vertraglichen Wettbewerbsverbot für die Zeit bis zur Beendigung des Anstellungsvertrages ausgegangen. Aus anderen Entscheidungen wird aber nicht deutlich erkennbar, ob der Geschäftsführer etwaigen Wettbewerb aufgrund des organschaftlichen oder aber eines vertraglichen Wettbewerbsverbots zu unterlassen hat.188 Es erscheint daher fraglich, ob allein aus der vertraglichen Rücksichtnahmepflicht des § 241 BGB ein umfassendes Wettbewerbsverbot gefolgert werden kann. Dem könnte entgegenstehen, dass gerade kein gesetzliches Wettbewerbsverbot für Geschäftsführer besteht bzw. andere Normen (§ 60 HGB) entsprechende Anwendung finden können. Zudem wird in der Literatur zum Aktienrecht überwiegend angenommen, die aus der Organstellung resultierenden Verhaltensanforderungen seien strenger als die aus Treu und Glauben abgeleiteten Nebenpflichten im rechtsgeschäftlichen Verkehr.189 Dies implizierte, dass das aus § 241 BGB folgende Wettbewerbsverbot jedenfalls nicht mit dem organschaftlichen Wettbewerbsverbot übereinstimmen könnte. Die nunmehr in § 60 HGB konkretisierte und ursprünglich aus § 242 BGB hergeleitete Loyalitäts- und Treuepflicht des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber, unter welche 186
BGH, Urt. v. 19.10.1987 – II ZR 97/87, NJW-RR 1988, 352. BGH, Urt. v. 30.6.1954 – II ZR 26/53, DB 1954, 647; BAG, Urt. v. 30.5.1978 – 2 AZR 598/76, NJW 1979, 335. 188 BGH, Urt. v. 23.9.1985 – II ZR 246/87, NJW 1986, 585, 586 („Solange der Geschäftsführer bestellt ist, ist seine Sorgfalts- und Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft unteilbar. Die Pflichtwidrigkeit des Beklagten, die Geschäftschance nicht für den Kläger genutzt und die Konkurrenz nicht verhindert zu haben, ist auch nicht deshalb gerechtfertigt oder von vorneherein nicht als solche zu werten, weil der Bekl. die Erfindung des K. nicht schon während der Dauer seines aus dem Anstellungsverhältnis zur Kl. folgenden Wettbewerbsverbots, sondern erst nach dessen Ablauf für sich ausnutzen wollte“); BGH, Urt. v. 11.10.1976 – II ZR 104/75, GmbHR 1977, 43 („Insoweit wirkt seine der Gesellschaft geschuldete Treuepflicht als Unterlassungspflicht über die Vertragsbeendigung hinaus fort.“). 189 Vgl. Fleischer, WM 2003, 1045 m.w. N., 1049; Hüffer, AktG, § 93 Rn. 5; KölnerKommAktG/Mertens, § 93 Rn. 57. 187
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1. Teil: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer
auch die Pflicht zur Unterlassung von Wettbewerb fällt, stellt aber einen allgemeinen Rechtsgrundsatz dar, der sachgerechterweise auch bei Anstellungsverträgen zwischen Geschäftsführern und Gesellschaften greift. Insoweit ist während der Dauer des Anstellungsvertrages ein Wettbewerbsverbot für den Geschäftsführer aus §§ 611, 241 BGB anzunehmen.190 II. Wettbewerbsverbot nach Beendigung des Anstellungsvertrages – „Nachvertragliches Wettbewerbsverbot“ Häufig finden sich in Anstellungsverträgen ggf. im Wege ergänzender Vertragsauslegung festzustellende191 Vereinbarungen, die dem Geschäftsführer für eine gewisse Zeit nach Beendigung des Anstellungsvertrages untersagen, in Wettbewerb zur GmbH zu treten.192 Bei diesen handelt es sich um sog. nachvertragliche Wettbewerbsverbote. Ohne sie wäre es den Geschäftsführern nach Beendigung ihrer Anstellungsverträge – unter Beachtung der wenn auch verhältnismäßig geringen Einschränkungen durch die nachwirkenden organschaftlichen Treuepflichten – uneingeschränkt möglich, in Wettbewerb zu ihren Gesellschaften zu treten.193 Die Pflicht zur Rücksichtnahme nach §§ 241 Abs. 2, 242 BGB begründet kein generelles nachvertragliches Wettbewerbsverbot.194
E. Zusammenfassung Wettbewerbsverbote können nach ihrer rechtlichen Grundlage sowie ihrem zeitlichen Geltungsbereich differenziert werden. Geschäftsführer unterliegen keinem gesetzlichen Wettbewerbsverbot. Ein solches ist weder für die Dauer der Amtsausübung und die Zeit nach der Beendigung der Organstellung noch für die 190
Ebenso: Bergwitz, GmbHR 2006, 1129 f. Vgl. BAG, Urt. v. 19.5.1983 – 2 AZR 171/81, WM 1984, 352, 353 (hinsichtlich nachvertraglichem Wettbewerbsverbot für Arbeitnehmer); BGH, Urt. v. 16.10.1989 – II ZR 2/89, GmbHR 1990, 77. 192 Zu regelmäßigen Gegenständen von Wettbewerbsverboten und Abredemustern siehe sogleich. 193 BGH, Urt. v. 16.10.1989 – II ZR 2/89, GmbHR 1990, 77; OLG Hamm, Urt. v. 9.11.1988 – 8 U 295/87, GmbHR 1989, 259; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.1.1993 – 16 U 73/92, GmbHR 1993, 581; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 13.5.1997 – 11 U 68/96, GmbHR 1998, 376; OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.12.1998 – 6 U 151/98, GmbHR 1999, 120 f.; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 86 m.w. N.; Arens/Beckmann, Anwaltliche Beratung des GmbH-GF, § 1 Rn. 55; Oppenländer/Trölitzsch/Baumann, GmbH-Geschäftsführung, § 14 Rn. 14 bzw. Leinekugel, bzw. § 18 Rn. 72; Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 145; Jäger, DStR 1995, 724; MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 367; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG, § 35 Rn. 106; Kunz, DB 1993, 2482, 2485; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 248; Hachenburg/ Stein, GmbHG, § 35 Rn. 312; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 46, 195. 194 Umfassend für Arbeitnehmer: Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 38. 191
§ 3 Vereinbarung mit GmbH-Geschäftsführern
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Laufzeit des Anstellungsvertrages und die Zeit nach seiner Beendigung anzuerkennen. Eine spezialgesetzliche Regelung findet sich nicht; für andere Personengruppen geschaffene Wettbewerbsregelungen, wie § 88 AktG, §§ 112, 60 HGB, sind nicht entsprechend heranzuziehen. Ebensowenig begründen sonstige Normen, wie § 85 GmbHG, §§ 17, 18, 3 UWG, § 826 BGB, umfassende gesetzliche Wettbewerbsverbote. Der Geschäftsführer unterliegt aber während seiner Organbestellung einem aus seiner Treue- und Loyalitätspflicht gegenüber der Gesellschaft folgenden Wettbewerbsverbot. Dieses endet jedoch mit der Beendigung der Organstellung; danach ist der Geschäftsführer nur noch zur Rücksichtnahme und Verschwiegenheit verpflichtet. Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen eröffnen für Geschäftsführer in der Regel keine wettbewerbsrelevanten Regelungen. Während der Laufzeit des Anstellungsvertrages ist der Geschäftsführer aufgrund seiner vertraglichen Nebenpflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der Gesellschaft (§ 241 BGB) zur Wettbewerbsenthaltung verpflichtet. Diese Nebenpflicht endet aber mit der Beendigung des Anstellungsvertrages. Dann ist der Geschäftsführer nur noch zur Unterlassung von Wettbewerb verpflichtet, wenn ein entsprechendes nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart ist.
§ 3 Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote mit GmbH-Geschäftsführern In der Praxis finden sich in vielen Anstellungsverträgen von Geschäftsführern nachvertragliche Wettbewerbsverbote.195 Im Folgenden werden, nach einem Blick auf Sinn und Zweck dieser Abreden, Vereinbarungsmöglichkeiten und übliche Klauseln aufgezeigt.196
A. Praktische Relevanz Geschäftsführer unterliegen weder nach der Beendigung ihrer Organfunktion noch nach dem Ende ihres Anstellungsverhältnisses einem gesetzlichen Wettbewerbsverbot. Das organschaftliche Wettbewerbsverbot gilt nur für die Dauer der Organbestellung, nicht aber nach Aufgabe der Organstellung. Ein für die Dauer des Anstellungsvertrages vereinbartes bzw. das aus der Rücksichtnahmepflicht nach § 241 BGB folgende Wettbewerbsverbot entfällt mit dem Ende des Anstel195 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 5 unter Verweis auf eine Untersuchung der Kienbaum Vergütungsberatung aus dem Jahre 1995. 196 Klauselvorschläge von: Sudhoff/Breitfeld, GmbH & Co. KG, § 77, § 8 Nr. 1; Formular- und Verfahrensbuch ArbR/Schrader, § 3 I § 14 Abs. 1, § 3 II, § 10 Abs. 1; Beck’sches Formularbuch für Bürgerliches, Handels- und Wirtschaftsrecht/Stephan, Nr. 49 § 7 Abs. 1.
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1. Teil: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer
lungsvertrages. Vereinbaren GmbH und Geschäftsführer im Anstellungsvertrag kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, ist der Geschäftsführer nach dem in der Regel der Beendigung der Organfunktion nachfolgenden Vertragsende also ungehindert, in Wettbewerb zur Gesellschaft zu treten. Die während der Vertragszeit gewonnenen Kenntnisse, Erfahrungen und auch Kundenbeziehungen darf er uneingeschränkt für sich nutzen und verwerten. Es steht ihm offen, zuvor durch ihn für die Gesellschaft betreute Kunden oder Mandanten zu werben und nunmehr eigenständig zu betreuen.197 Ebenso wie einem Arbeitnehmer ist dem Geschäftsführer jede Form der Konkurrenz gestattet, auch wenn sie die unternehmerischen Interessen der Gesellschaft hart trifft und mit wirtschaftlichen Nachteilen für den Bestand des Unternehmens verbunden ist bzw. sein kann.198 Hiergegen kann sich die Gesellschaft nur durch Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes schützen.199 Dieses ermöglicht im Ergebnis auch erst die reibungslose Durchführung des Anstellungsverhältnisses, da sich schwerlich vermeiden ließe, dass der Geschäftsführer mit Geschäftsgeheimnissen und Kunden der Gesellschaft in Kontakt kommt.200 Verstieße der Geschäftsführer gegen das Wettbewerbsverbot, könnte er von der Gesellschaft auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen werden.201
B. Vereinbarungsmöglichkeiten Gesellschafter-Geschäftsführern kann ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot durch satzungs- oder aber anstellungsvertragliche Regelung auferlegt werden.202 Mit Geschäftsführern ohne Beteiligung an der Gesellschaft muss das Wettbewerbsverbot im Rahmen des Anstellungsvertrages oder aber als gesonderte Wettbewerbsabrede vereinbart werden.203 Nachvertragliche Wettbewerbs197 Vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/Boecken, HGB, § 74 Rn. 1 (für Arbeitnehmer); Baumbach/Hopt, HGB, § 90a Rn. 2 (bzgl. Wettbewerbsabrede mit Handelsvertreter); MünchKommHGB/Langbein, § 112 Rn. 20 (bzgl. nachvertraglichem Wettbewerbsverbot mit Gesellschafter); Staub, GroßKomm.HGB/Weber, § 74 Rn. 1 (für Arbeitnehmer). 198 Vgl. für Arbeitnehmer: BGH, Urt. v. 3.5.2001 – I ZR 153/99, BAG, Urt. v. 15.6.1993 – 9 AZR 558/91, NZA 1994, 502, 503; BAG; Urt. v. 19.5.1998 – 9 AZR 394/97, NZA 1999, 200; LAG Hamm Urt. v. 21.6.2004 – 7 Sa 590/03, BB 2005, 164; Ebenroth/Boujong/Joost/Boecken, HGB, § 74 Rn. 1. 199 Vgl. MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 90a Rn. 2; van Kann/Keiluweit, BB 2010, 2050, 2051; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anhang zu § 6 Rn. 25; Küttner/Reinecke, Personalbuch, „Wettbewerbsverbot“ Rn. 1; MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rn. 45 (für AG). 200 Vgl. Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 248. 201 Vgl. Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anhang § 6 Rn. 27. 202 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1032; Dahlbender, GmbH-StB 2006, 273. 203 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1032; Bellstedt, GmbHR 1976, 236; Dahlbender, GmbH-StB 2006, 273.
§ 3 Vereinbarung mit GmbH-Geschäftsführern
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verbote können vorformuliert sein oder zwischen den Parteien individuell ausgehandelt werden. Es steht den Vertragsparteien offen, die vollständige Geltung der §§ 74 ff. HGB zu vereinbaren, um etwaige Streitigkeiten über die Wirksamkeit der Abrede vorzubeugen.204 Alternativ können sie Dauer und Reichweite des Wettbewerbsverbots festlegen und im Übrigen auf die §§ 74 ff. HGB verweisen oder ergänzend einzelne Normen der §§ 74 ff. HGB in Bezug nehmen.205 In der Praxis üblich und problematisch sind aber die von den §§ 74 ff. HGB losgelöst vereinbarten Abreden.
C. Gängige Klauselkonstellationen – Abgrenzung von Kundenschutzabreden und Konkurrenz-/Tätigkeitsverboten Eine GmbH trifft mit ihrem Geschäftsführer regelmäßig eine Abrede, um zu verhindern, dass der Geschäftsführer nach seinem Ausscheiden aus dem Anstellungsverhältnis zu ihr in Konkurrenz um ihren aktuellen Kunden-/Mandantenoder Auftraggeberbestand tritt.206 Sie will also mit Hilfe einer solchen Abrede ihren aktuellen Kunden-/Mandanten- oder Auftraggeberbestand sichern. Diese Abreden werden von Rechtsprechung und Literatur daher als Kunden-/Mandanten- oder Auftraggeberschutzklauseln bezeichnet.207 Will eine GmbH ihrem Geschäftsführer nicht nur die Konkurrenz um ihre Kunden untersagen, trifft sie mit ihm – alternativ oder auch kumulativ zur Kundenschutzklausel – eine Abrede, nach der dem Geschäftsführer untersagt ist, für 204 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1039; dies., BB 1995, 1134, 1135; Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 146; Jula, Der GmbH-GF, S. 109; Ulmer/ Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 260; Hachenburg/Stein, GmbHG, § 35 Rn. 319; Tillmann/ Mohr, GmbH-GF, Rn. 446; für AG-Vorstand: Großkomm.AktienG/Kort, § 88 Rn. 124; Großkomm.AktienG/Kort, § 88 Rn. 143; KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 88 Rn. 37; Spindler/Stilz, AktG, § 88 Rn. 42 und MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rn. 45; Fleischer/Thüsing, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rn. 109. 205 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1040; dies., BB 1995, 1134, 1135; Bauer/von Medem, GWR 2011, 435, 437; Bellstedt, GmbHR 1976, 236, 239 (ausführlich); Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 146; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 260; Hachenburg/Stein, GmbHG, § 35 Rn. 319; für AG-Vorstand: KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 88 Rn. 37. 206 Bsp. (vereinheitlicht aus: BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366; BGH, Urt. v. 16.1.1989 – II ZR 2/89, NJW-RR 1990, 226; BGH, Urt. v. 28.4.2008 – II ZR 11/07, GmbHR 2008, 930): „Frau/Herr X verpflichtet sich, der Gesellschaft weder direkt noch indirekt Mandate abzuwerben, die während der letzten drei Jahre vor dem Ausscheiden zur Klientel der Gesellschaft gehörten oder anderen dabei behilflich zu sein, und zwar für zwei Jahre nach Ablauf des Dienstverhältnisses.“ Teilweise ergänzt um eine Karenzentschädigungsregelung (vgl. BGH, Urt. v. 28.4.2008 – II ZR 11/07, GmbHR 2008, 930): „Die Gesellschaft gewährt Frau/Herr X dafür eine Karenzentschädigung i. H. v. 50 % des zuletzt gezahlten Grund-Jahresgehaltes.“ 207 Vgl. BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366; BGH, Urt. v. 28.4.2008 – II ZR 11/07, GmbHR 2008, 930; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1050; Jaeger, Anstellungsvertrag des GmbH-GF, S. 168 jew.m.w. N.
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1. Teil: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer
ein Konkurrenzunternehmen der Gesellschaft tätig zu werden oder ein solches zu betreiben.208 Von der Rechtsprechung werden entsprechende Abreden weitgehend als „Wettbewerbsverbote“ 209, oder „Konkurrenzverbote“ 210 bezeichnet. Das OLG Hamm spricht hinsichtlich eines Verbotes, der Gesellschaft Konkurrenz zu machen oder sich an einer Konkurrenzfirma zu beteiligen sowohl von einem „allgemeinen Wettbewerbsverbot“, als auch einem „allgemeinen Tätigkeitsverbot“ und einem „umfassenden Tätigkeitsverbot“.211 Die Literatur versteht entsprechende Abreden teilweise als „vollständige Tätigkeitsverbote“.212 Damit trägt sie der Tatsache Rechnung, dass diese für die betroffenen Geschäftsführer praktisch zu vollständigen Tätigkeitsverboten führen.213 Im Übrigen grenzt sie 208 Bsp. (vereinheitlicht aus: BGH, Urt. v. 7.1.1965 – II ZR 187/63, WM 1965, 310; BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, GmbHR 1984, 234; BGH, Urt. v. 4.3.2002 – II ZR 77/00, GmbHR 2002, 1875): „Frau/Herr X verpflichtet sich, für die Dauer von einem (zwei) Jahr(-en) nach der Beendigung des Dienstverhältnisses/nach Ablauf des Dienstverhältnisses weder bei einem Konkurrenzunternehmen der Gesellschaft tätig zu werden noch ein solches zu betreiben.“ Teilweise ergänzt um eine Karenzentschädigungsregelung (vgl. BGH, Urt. v. 17.2.1992 – II ZR 140/91, GmbHR 1992, 263 [50 % Karenzentschädigung]; BGH, Urt. v. 4.3.2002 – II ZR 7/00, GmbHR 2002, 431 [80 % Karenzentschädigung, wenn keine andere Beschäftigung]): „Für die Dauer des Wettbewerbsverbots erhält Frau/Herr X eine Entschädigung in Höhe von 50 % (80 %) der zuletzt gewährten Jahresbezüge. (, wenn sie/er keine andere Beschäftigung findet.)“ 209 Vgl. BGH, Urt. v. 19.11.1973 – II ZR 52/72, WM 1974, 74 (Verbot von Tätigkeit in Branche); BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366 (Verbot von selbständiger oder unselbständiger Tätigkeit auf Gebieten, die zum Aufgabengebiet der Gesellschaft gehören); BGH, Urt. v. 14.7.1986 – II ZR 296/85, WM 1986, 1282 (Verbot von Geschäften im Geschäftszweig der Gesellschaft und ein Konkurrenunternehmen zu gründen, zu erwerben oder an einem solchen zu beteiligen und auf irgendeine Weise für ein solches Unternehmen tätig zu werden); BGH, Urt. v. 15.4.1991 – II ZR 214/89, NJW-RR 1991, 993 (Verbot von Makler- oder branchenverwandter Tätigkeit); BGH, Urt. v. 14.7.1997 – II ZR 238/96, NJW 1997, 3089 (Verbot tierärztlicher Tätigkeit); BGH, Urt. v. 4.3.2002 – II ZR 77/00, NJW 2002, 1875 (Verbot, für ein Konkurrenzunternehmen tätig werden oder ein solches betreiben); BGH, Urt. v. 18.7.2005 – II ZR 159/03, NJW 2005, 3061 (Verbot jeglicher Konkurrenztätigkeit); OLG Zweibrücken, Urt. v. 21.9.1989 – 7 U 230/89, NJW-RR 1990, 482, 483 (Verbot sämlicher Aktivitäten auf Gebiet der Entsorgung); OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.5.1989 – 8 U 143/88, DB 1990, 1960 (Verbot, selbständig oder auf andere Weise im Handelszweig der Gesellschaft tätig zu werden); OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.1.1993 – 16 U 73/92, NJW-RR 1994, 35 (Verbot, in einem gleichartigen Betrieb tätig zu werden oder einen solchen zu beraten); OLG Hamm, Urt. v. 15.2.1993 – 8 U 154/92, NJW-RR 1993, 1314 (Verbot, bei Unternehmen tätig zu sein, das Konkurrenzbetrieb zu Gesellschaft ist); OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.3.2000 – 17 U 133/99, NZG 2000, 737 (Verbot jeglicher Tätigkeit, die direkt oder indirekt in Wettbewerb steht). 210 Vgl. BGH, Urt. v. 7.1.1965 – II ZR 187/63, WM 1965, 310 (Verbot betreffend aller Artikel der GmbH); OLG Frankfurt, Urt. v. 6.12.1972 – 6 U 152/71, GmbHR 1973, 58 (Verbot von Tätigkeit bei Konkurrenzfirma). 211 Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 11.1.1988 – 8 U 142/87, GmbHR 1988, 344. 212 Vgl. zu entsprechenden Klauseln: Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885, 889; Dahlbender, GmbH-StB 2006, 273. 213 Vgl. ebenso: Jaeger, Anstellungsvertrag des GmbH-GF, S. 169, der insoweit noch zwischen tätigkeits- und produktbezogenen Wettbewerbsverboten differenziert.
§ 3 Vereinbarung mit GmbH-Geschäftsführern
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Kundenschutzklauseln und „vollständige Wettbewerbsverbote“ 214 /„umfassende Wettbewerbsverbote“ 215 /„vollständige Tätigkeitsverbote“ 216 /„gegenständlich unbeschränkte Tätigkeitsverbote“ 217 /„umfassende Konkurrenzverbote“ 218 /„Konkurrenzschutzklauseln“ 219 bzw. „Wettbewerbsklauseln“ 220 und „beschränkte Mandantenschutzklauseln“ 221 voneinander ab. Die Unterscheidung der angeführten, in gegenständlicher Hinsicht voneinander abweichenden Abreden ist von zentraler Bedeutung, weil diese Abreden, wie im Verlauf der Arbeit aufzuzeigen sein wird, nur unter abweichenden Voraussetzungen zulässigerweise mit Geschäftsführern getroffen werden können. Vor diesem Hintergrund erscheint es im Hinblick auf das Ziel dieser Arbeit, mehr Rechtssicherheit im Umgang mit nachvertraglichen Wettbewerbsverboten für Geschäftsführer zu schaffen, sachgerecht, Bezeichnungen festzulegen, unter welchen die genannten Abreden im Folgenden zu verstehen sind. Abreden, durch die die Gesellschaft ihren Kundenbestand schützen will, sind mit Rechtsprechung und Literatur als Kunden-/Mandanten- oder Auftraggeberschutzabreden (im Folgenden: Kundenschutzabreden) zu bezeichnen. Vereinbarungen, durch die die Gesellschaft Konkurrenztätigkeiten verhindern will, sollten entgegen der Rechtsprechung jedenfalls dann nicht als „Wettbewerbsverbote“/„allgemeine Wettbewerbsverbote“ benannt werden, wenn zugleich Kundenschutzabreden vereinbart worden sind. Nach hiesiger Auffassung werden nämlich auch Kundenschutzabreden als Wettbewerbsverbotsformen verstanden, weswegen im Folgenden die Bezeichnung „nachvertragliches Wettbewerbsverbot“ oder „Wettbewerbsverbot“ nur verwendet wird, wenn die Ausführungen im Falle sowohl der einen als auch der anderen Abrede gelten. Geeigneter erscheint die Bezeichnung als Konkurrenzschutzabreden. Diese knüpfte an das Ziel der GmbH an, sich durch die Abreden umfassend gegen Konkurrenz durch den Geschäftsführer zu schützen und stellte aufgrund dieses Ansatzes das begriffliche Pendant zu Kundenschutzabreden dar. Die praktische Wirkung und damit den tatsächlichen Umfang solcher Verbote bringen aber die Bezeichnungen „Konkurrenzverbot“ und „Tätigkeitsverbot“ am deutlichsten zum Ausdruck. Daher werden im Verlauf dieser Arbeit die entsprechenden Abreden als „Kundenschutzabreden“ einerseits und „Konkurrenzverbote“ bzw. „Tätigkeitsverbote“ andererseits 214
Vgl. Bauer, in FS Schwerdtner, S. 441, 446; Kukat, BB 2001, 951, 952. Vgl. Menke, NJW 2009, 636, 637. 216 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1054; dies., BB 1995, 1134, 1135 f. 217 Vgl. Heller, GmbHR 2000, 371. 218 Vgl. Reufels/Schewiola, ArbRB 2008, 57, 58. 219 Vgl. Kamanabrou, ZGR 2002, 898, 899; Manger, GmbHR 2001, 89, 91; Thüsing, NZG 2004, 9, 10. 220 Vgl. Campos Nave, NJW 2003, 3322. 221 Vgl. Kunz, DB 1993, 2482, 2483. 215
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1. Teil: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer
bezeichnet. Werden Ausführungen von Gerichten und Literaturvertretern konkret zu Konkurrenzverboten wiedergegeben und werden in diesen für Konkurrenzverbote abweichende Begriffe verwendet, werden diese Begriffe zwar genannt, um etwaigen Unklarheiten bei der eventuellen Lektüre der Ausführungen im Original vorzeubeugen. Die hier präferierte Bezeichnung wird aber in Klammern ergänzt.
§ 4 Beurteilung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer durch Rechtsprechung und Literatur A. Problematik Die Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote mit Geschäftsführern ist nach einhelliger Auffassung von Rechtsprechung und Literatur zulässig. Während aber durch § 90a HGB für Handelsvertreter bzw. durch die §§ 74 ff. HGB für Handlungsgehilfen und über den Verweis auf diese Normen in § 110 GewO für Arbeitnehmer gesetzlich geregelt ist, unter welchen Voraussetzungen nachvertragliche Wettverbotsverbote zulässigerweise vereinbart werden können und weitere Regelungen für den Umgang mit entsprechenden Abreden getroffen sind, fehlt hinsichtlich nachvertraglichen Wettbewerbsverboten mit Geschäftsführern eine entsprechende gesetzliche Regelung. Das in § 71 des im Ergebnis nicht in Kraft getretenen Regierungsentwurfes zur Reform des GmbH-Gesetzes von 1971 vorgesehene Wettbewerbsverbot war § 88 AktG nachgebildet, hätte also eine Regelung nur für die Dauer der Bestellung, nicht aber für nachvertragliche Wettbewerbsabreden begründet. Auch im Zuge der GmbH-Gesetz-Novelle von 1980 bzw. des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechtes und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) von 2008 wurden keine gesetzlichen Maßstäbe zur Beurteilung nachvertraglicher Wettbewerbsklauseln in das GmbHG aufgenommen. Mangels einer Geschäftsführer-spezifischen gesetzlichen Regelung obliegt es daher der Rechtsprechung, herauszuarbeiten, anhand welcher gesetzlichen Regelungen und nach welchen Maßstäben nachvertragliche Wettbewerbsabreden mit Geschäftsführern zu beurteilen sind und festzustellen, welchen Anforderungen die Abreden grundsätzlich und im Einzelfall genügen müssen. Die Literatur kann durch Stellungnahmen Hilfe leisten bzw. Einfluss nehmen. Im Folgenden sollen unter B. zunächst Entwicklung und aktueller Stand der Rechtsprechung im Umgang mit nachvertraglichen Wettbewerbsverboten wiedergegeben werden, bevor in Abschnitt C. auf den Meinungsstand in der Literatur eingegangen wird.
§ 4 Beurteilung durch Rechtsprechung und Literatur
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B. Stand der Rechtsprechung Der BGH zieht für die Beurteilung nachvertraglicher Wettbewerbsabreden mit Geschäftsführern grundsätzlich die Sittenwidrigkeits-Generalklausel des § 138 Abs. 1 BGB heran und berücksichtigt in deren Rahmen die allgemeinen Rechtsgrundsätze der §§ 74 ff. HGB. Im Sinne einer teilanalogen Anwendung wendet er die der GmbH günstigen Normen der §§ 74 ff. HGB vertragsergänzend an. Die (gesamt-)analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB lehnt er dagegen in ständiger Rechtsprechung ab. Die Entwicklung des BGH hin zu diesen Grundsätzen wird im Folgenden anhand seiner wesentlichen Entscheidungen in den letzten Jahrzehnten nachgezeichnet. Dabei wird geprüft, ob es dem BGH aufgrund seines prüfungstechnischen Vorgehens gelungen ist, ein klares, weil herangewachsenes Beurteilungsmodell zu schaffen, das insbesondere auch deutlich macht, inwieweit die § 74 ff. HGB (vertragsergänzende) Anwendung finden. Die Ausführungen zur BGHRechtsprechung werden ergänzt um ausgewählte instanzgerichtliche Entscheidungen, deren Argumentationen und/oder Ergebnisse deutlich machen, dass trotz der vorangegangenen BGH-Entscheidungen für die rechtsanwendende Praxis nicht erkennbar ist, inwieweit die §§ 74 ff. HGB analoge Anwendung finden und unter welchen Voraussetzungen nachvertragliche Wettbewerbsvereinbarungen zulässig sind. Ob das Beurteilungsmodell des BGH sachgerecht ist, wird dagegen erst im jeweiligen Kontext in den Teilen 2 und 3 untersucht. I. Rechtsprechungsentwicklung 1. Urteil des BGH vom 7.1.1965 – II ZR 187/63
a) Wesentliche Urteilsinhalte Im Jahre 1965 führt der BGH in einer Entscheidung aus222: „Die von einer GmbH mit dem Geschäftsführer vereinbarte Wettbewerbsklausel unterliegt grundsätzlich nicht den für Handlungsgehilfen geltenden Beschränkungen der §§ 74 ff. HGB, da der Geschäftsführer nicht Handlungsgehilfe, sondern Organmitglied ist.“
Sodann wird das Berufungsurteil in rechtlicher Hinsicht nicht beanstandet. Das Berufungsgericht hatte ausweislich der Wiedergabe des BGH dargelegt: „Wenn auch die Kläger materiell bloß Angestellte gewesen seien, fänden doch im Hinblick auf ihre Organstellung die Bestimmungen der §§ 74 ff. HGB und des § 133 f. GewO keine Anwendung. Die zwischen einer GmbH und ihrem Geschäftsführer vereinbarte Wettbewerbsklausel sei aber wegen Sittenverstoßes nichtig, wenn sich wegen der Art und des Umfangs sowie der zeitlichen und räumlichen Geltung der Abrede eine untragbare oder unbillige Beschränkung ergäbe. So liege es hier. Die 222
Vgl. BGH, Urt. v. 7.1.1965 – II ZR 187/63, WM 1965, 310 f.
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1. Teil: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer getroffene Vereinbarung verbiete den Klägern jeden Wettbewerb. Das Verbot wahre völlig einseitig die Interessen der Beklagten und trage in keiner Weise den Belangen der Kläger Rechnung. [. . .]“
Das Wettbewerbsverbot hatte den Klägern zeitlich für die Dauer von zwei Jahren, räumlich im gesamten Bundesgebiet und sachlich wettbewerbliche Tätigkeiten hinsichtlich Waren, mit deren Vertrieb die Kläger bis zu ihrer Entlassung befasst gewesen waren, untersagt. Hierzu hatte das Berufungsgericht geurteilt: „Auch bei Berücksichtigung des Interesses der Beklagten, sich ihren Kundenkreis und ihren Absatz zu wahren, seien die weitgehenden Beschränkungen der Tätigkeit der Kläger unangemessen und unbillig. Bei Würdigung aller Umstände des Falles sei die von den Parteien vereinbarte Wettbewerbsklausel mit den guten Sitten unvereinbar.“
Der BGH reagiert auf die Ausführungen der Revision mit dem Zusatz: „Hinzu kommt, dass das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 GG) nicht beeinträchtigt werden darf. Daher sind an die Zulässigkeit einer Vereinbarung, die den Geschäftsführer einer GmbH für die Zeit nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt, strenge Anforderungen zu stellen.“
b) Stellungnahme aa) § 138 BGB als Prüfungsmaßstab Der BGH macht in dieser Entscheidung zunächst deutlich, die Prüfung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote für Geschäftsführer anhand von § 138 Abs. 1 BGB zu vollziehen. Die Anwendung der §§ 74 ff. HGB lehnt er dagegen, unabhängig von der materiellen Rechtsstellung der Geschäftsführer, unter Hinweis auf die Organstellung ab. bb) Konkretisierung der Prüfung anhand von § 138 Abs. 1 BGB Sodann folgen Ausführungen, unter welchen Voraussetzungen eine Wettbewerbsklausel wegen Sittenverstoßes nach § 138 BGB nichtig ist. Maßgeblich sind hiernach die Umstände des Einzelfalles. Festzustellen ist, inwieweit die Wettbewerbsklausel wegen der gegenständlichen, räumlichen und zeitlichen Beschränkungen eine untragbare und unbillige Einschränkung darstellt und die getroffene Regelung daher nicht (mehr) die Interessen beider Parteien wahrt. Die Zusage einer Entschädigung oder aber die Auferlegung einer Vertragsstrafe für den Fall der Zuwiderhandlung sind ebenfalls zu berücksichtigen. cc) Prüfungsintensität Der BGH ergänzt, die Grundrechtsbetroffenheit bedinge einen strengen Maßstab.
§ 4 Beurteilung durch Rechtsprechung und Literatur
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2. Urteil des BGH vom 9.5.1968 – II ZR 158/66
a) Wesentliche Urteilsinhalte Mit seinem Urteil vom 9.5.1968223 entscheidet der BGH über die Wirksamkeit einer nachvertraglichen Wettbewerbsverbotsklausel für einen Geschäftsführer einer Wirtschaftprüfungsgesellschaft. Diese verpflichtet den Geschäftsführer für die Dauer von fünf Jahren nach seinem Ausscheiden 30 % der Honorare an die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft abzuführen, welche aus bisher noch nicht von der Gesellschaft betreuten Aufträgen mit Bezug zum Aufgabenbereich der Gesellschaft bzw. aus Aufträgen, die zur Gesellschaft gehörten bzw. für ihre Rechnung abgewickelt wurden, stammen. Er führt aus: „Der Wirtschaftsprüferberuf erhält sein besonderes Gepräge dadurch, dass seine Angehörigen im öffentlichen Interesse auf Grund wissenschaftlicher Vorbildung unter besonderer Verantwortung grundlegende Aufgaben im Bereich der Volkswirtschaft zu erfüllen haben (vgl. §§ 1 Abs. 2, 2, 43 ff. Wirtschaftsprüferordnung). Mit diesem Berufszweck verträgt es sich nur in begrenztem Umfang, örtliche, zeitliche und gegenständliche Beschränkungen der Berufsausübung zuzulassen. Wie diese Grenzen im Einzelnen zu ziehen sind, kann dahingestellt bleiben. Im wesentlichen darf der Grundsatz der freien Berufsausübung durch Vereinbarung unter Wirtschaftsprüfern in vertretbarer Weise nur eingeengt werden, soweit besondere Umstände zu dem anerkennenswerten Bedürfnis führen, den einen Teil davor zu schützen, dass der andere die Erfolge seiner Arbeit illoyal verwertet oder sich in sonstiger Weise zu seinen Lasten die Freiheit der Berufsausübung missbräuchlich zunutze macht.“
Hinsichtlich der einzelnen Klauselbestandteile legt er sodann dar: „In diesen Rahmen fallen Mandatsschutzklauseln, mit denen unter angemessenen Bedingungen verhindert werden soll, dass ein vorübergehend in die Praxis aufgenommener Wirtschaftsprüferanwärter nach seinem Ausscheiden Mandaten abzieht, zu denen er nur infolge seiner Tätigkeit in der Praxis Verbindung gewinnen konnte.“ „Anders verhält es sich mit der [. . .] Verpflichtung, der Gesellschaft Anteile von seinen künftigen Honoraren auch aus solchen Mandaten abzuführen, deren Auftraggeber weder zum Mandantenkreis der Gesellschaft noch zu dem seiner Mitgesellschafter gehört habe. [. . .] Es handelt sich um eine reine Wettbewerbsbeschränkung; der Beklagte sollte für die Dauer von drei Jahren schlechthin als Konkurrent der Gesellschaft und ihrer Mitglieder auf dem Gebiet der Verkehrswirtschaft ausgeschlossen werden. Eine solche Regelung ist mit dem öffentlichen Interesse an der Freiheit der Berufsausübung im Berufsstand der Wirtschaftsprüfer unvereinbar und aus dem Gesichtspunkt des § 138 BGB nichtig.“
b) Stellungnahme Ohne die §§ 74 ff. HGB zu erwähnen, überprüft der BGH die nachvertragliche Wettbewerbsabrede auch in dieser Entscheidung anhand von § 138 BGB. Auch 223
Vgl. BGH, Urt. v. 9.5.1968 – II ZR 158/66, WM 1968, 893 f.
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1. Teil: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer
hier wird auf die Umstände des Einzelfalles abgestellt, wobei dem Berufszweck des Wirtschaftsprüferberufes besondere Bedeutung zugemessen wird. Mit diesem werden sodann Kundenschutzabreden nicht aber Konkurrenzverbote für vereinbar erklärt. Insoweit findet sich die Differenzierung zwischen den beiden Klauselformen.224 3. Urteil des BGH vom 26.3.1984 – II ZR 229/83
a) Wesentliche Urteilsinhalte In dieser für die Rechtsprechungsentwicklung zentralen Entscheidung225 begründet der BGH zunächst umfassend, warum die §§ 74 ff. HGB bei Geschäftsführern keine Anwendung finden können (aa)). Sodann setzt er sich eingehend mit dem geltenden Prüfungsmaßstab auseinander (bb)), bevor er diesen auf die zu prüfende Mandantenschutzklausel ohne Karenzentschädigung und die Konkurrenzklausel (Konkurrenzverbot) anwendet (cc)). aa) Ablehnung der Analogie der §§ 74 ff. HGB Zunächst wiederholt der BGH unter Verweis auf die hier bereits erörterten Entscheidungen den „Grundsatz“, die §§ 74 ff. HGB auf Geschäftsführer als Organmitglieder nicht anzuwenden.226 Sodann führt er ergänzend aus, dass sich auch aus der Änderung bzw. Entwicklung der Rechtsprechung des BAG nichts anderes ergebe: „Das BAG hat zwar ausgesprochen, dass die zwingenden Vorschriften der §§ 74 ff. HGB nicht nur für die dort erwähnten Handlungsgehilfen gelten, sondern – mit Rücksicht auf die gleiche Schutzbedürftigkeit – auf Arbeitnehmer jeder Art, insbesondere auch auf die Angestellten freiberuflich Tätiger (und damit auf Angestellte der hier in Frage stehenden Wirtschaftsprüfer und Steuerberater) zu erstrecken sind. Damit kann jedoch nicht gerechtfertigt werden, dass § 74 HGB auch auf Organmitglieder von Kapitalgesellschaften zu beziehen ist.“
Fortan legt er ausgehend von § 74 Abs. 2 HGB dar, warum die Schutzvorschriften der §§ 74 ff. HGB bei Geschäftsführern entgegen der allgemeinen Tendenz in Rechtsprechung und Rechtswissenschaft, die Rechte aus sozialen Arbeit224
Vgl. Teil 1 § 3 C. Vgl. BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366. 226 Vgl. auch: OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 6.12.1972 – 6 U 152/71, GmbHR 1973, 58 f. (einschränkend bzgl. Notwendigkeit einer Karenzentschädigung); OLG Koblenz, Urt. v. 1.8.1985 – 6 U 618/85, WM 1985, 1484 f.; OLG Hamm, Urt. v. 11.1.1988 – 8 U 142/87, GmbHR 1988, 344 (jedenfalls für Gesellschafter-Geschäftsführer). Anders zwischenzeitlich: LG Köln, Urt. v. 1.10.1975 – 49 O 169/75, AP Nr. 2 zu § 37 GmbHG (Geschäftsführer bei individueller Betrachtungsweise faktisch in Rolle und Funktion eines Angestellten); OLG Stuttgart, Urt. v. 18.5.1979 – 6 U 158/78, BB 1980, 527 (Stellung mit der eines kaufmännischen Angestellten deutlich vergleichbar). 225
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nehmerschutzvorschriften unter Umständen auch Organmitgliedern zuzuerkennen, keine Anwendung finden: „Die Norm des § 74 Abs. 2 HGB ist das Ergebnis einer Abwägung zwischen den berechtigten geschäftlichen Interessen des Arbeitgebers, dass die in seinem Betrieb erlangten Kenntnisse und geschäftlichen Beziehungen nicht zu seinem Schaden ausgenutzt werden, und dem berechtigten Interesse des Arbeitnehmers, nach Beendigung des Dienstverhältnisses seine Arbeitskraft frei nutzen zu können und in der Freiheit seiner Betätigung nicht beschränkt zu werden. Eine allgemeine Übertragung dieser Grundsätze auf Organmitglieder scheitert schon daran, dass diese im Geschäftsverkehr in weit stärkerem Maße – auch im Verhältnis zum leitenden Angestellten – mit dem von ihnen geleiteten Unternehmen gleichgesetzt werden und die Tätigkeiten und Leistungen des Unternehmens im Wesentlichen ihnen zuzuschreiben sind. Der Geschäftsführer steht zwar im Verhältnis zur Gesellschaft in einem Anstellungsverhältnis, das ihn wie den Arbeitnehmer verpflichtet, seine Arbeitskraft hauptberuflich zur Verfügung zu stellen. Er repräsentiert aber weit mehr als der Angestellte das Gesellschaftsunternehmen, und die geschäftlichen Beziehungen konzentrieren sich auf seine Person. Eine Konkurrenztätigkeit, die er nach seinem Ausscheiden aufnimmt, begründet dementsprechend auch in viel stärkerem Maße als bei einem Arbeitnehmer die Gefahr, dass das Unternehmen Schaden erleidet. Er ist im Allgemeinen leichter in der Lage, sowohl in den Kundenkreis des Unternehmens einzubrechen und dessen Geschäftspartner an sich zu binden als auch Bezugsquellen des Unternehmens auszunutzen. Demgemäß gehen auch seine nachwirkenden Treuepflichten weiter. Hiernach verbietet es sich, auf Vereinbarungen über nachvertragliche Wettbewerbsverbote zwischen einer GmbH und ihrem Geschäftsführer allgemein die Vorschrift des § 74 Abs. 2 HGB anzuwenden, wonach jede Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit als unzulässig anzusehen ist, sofern dem keine Verpflichtung zur Zahlung einer Entschädigung gegenübersteht. Es ist zwar nicht zu verkennen, dass Organmitglieder in gleicher Weise wie beispielsweise leitende Angestellte wirtschaftlich abhängig sein können; das gilt insbesondere für den Fremdgeschäftsführer, um den es im vorliegenden Falle geht. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass auch ihm gegenüber die Interessen des Arbeitgebers grundsätzlich zurückzutreten haben und den mit der Stellung eines Organmitglieds verbundenen Besonderheiten jede Bedeutung abzusprechen ist; denn bei der Anwendung des § 74 HGB kommt es nicht allein auf die wirtschaftliche Abhängigkeit an, von wesentlicher Bedeutung sind, wie dargelegt, die Stellung und die Wirkungsmöglichkeiten in der Gesellschaft selbst. Die gebotene Interessenabwägung führt dementsprechend zur Ablehnung der Auffassung, dass in den Fällen der wirtschaftlichen Abhängigkeit die Grundsätze der §§ 74 ff. HGB auch auf Organmitglieder anzuwenden sind. Angesichts des Umstandes, dass nicht nur die Interessen des Organmitglieds, sondern auch die des Unternehmens zu berücksichtigen sind, erscheint eine generalisierende Betrachtung und Einordnung im Rahmen der §§ 74 ff. HGB nicht möglich.“
bb) Geltender Prüfungsmaßstab Im Folgenden nimmt der BGH zum geltenden Prüfungsmaßstab Stellung und setzt fort:
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1. Teil: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer „Das ist auch nicht notwendig; denn die Grenzen können in angemessener Weise aus § 138 BGB – i.V. m. Art. 2 und 12 GG – und der hierzu ergangenen Rechtsprechung ermittelt werden. Der erkennende Senat hat an die Zulässigkeit von Vereinbarungen, die den Geschäftsführer einer GmbH für die Zeit nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses in seiner gewerblichen Betätigung beschränken, strenge Anforderungen gestellt. Unter Heranziehung der in den §§ 74 ff. HGB zum Ausdruck kommenden Rechtsgrundsätze hat er Wettbewerbsverbote nur als zulässig erachtet, wenn sie dem Schutze eines berechtigten Interesses des Gesellschaftsunternehmens dienen und nach Ort, Zeit und Gegenstand die Berufsausübung und wirtschaftliche Betätigung des Geschäftsführers nicht unbillig erschweren.“ 227
An diesem Prüfungsmaßstab könne festgehalten werden, da der Gesetzgeber durch die Einführung des § 85 GmbHG für Geschäftsführer, Mitglieder von Aufsichtsräten oder Liquidatoren im Rahmen der GmbH-Novelle 1980 deutlich gemacht habe, dass zwischen „normalen“ Angestellten und Organmitgliedern ein wesentlicher Unterschied bestehe. cc) Mandantenschutzklausel ohne Karenzentschädigung und Konkurrenzklausel Nach diesen Grundsätzen sei die Mandantenschutzklausel nicht wegen Fehlens einer Karenzentschädigung nach § 74 Abs. 2 HGB unwirksam. Sie verstoße auch insoweit nicht gegen § 138 BGB, als sie dem Beklagten (Geschäftsführer) verbiete, für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung des Dienstverhältnisses Mandate von solchen Auftraggebern zu übernehmen, die während der letzten drei Jahre vor seinem Ausscheiden zur Klientel der Klägerin (GmbH) gehörten. Dies entspreche auch den strengen Anforderungen, die nach dem Urteil vom 9.5.1968 wegen des Grundsatzes der freien Berufsausübung beim Wirtschaftsprüferberuf gälten. Auch der gegenständliche Bereich des Wettbewerbsverbotes sei hinreichend begrenzt. Im Ergebnis sei die Mandantenschutzklausel wirksam. Wegen Verstoßes gegen § 138 Abs. 1 BGB nichtig sei dagegen die Konkurrenzklausel, durch welche der Beklagte (Geschäftsführer) für die Dauer von zwei Jahren als Wettbewerber ausgeschaltet werden solle. Für eine solche Regelung bestehe kein berechtigtes Interesse der Klägerin (GmbH); sie sei auch mit dem öffentlichen Interesse an der Freiheit der Berufsausübung im Berufsstand der Wirtschaftsprüfer unvereinbar.228
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Vgl. auch: OLG Hamm, Urt. v. 9.11.1988 – 8 U 295/87, GmbHR 1989, 259 f. Vgl. ebenso: OLG Hamm, Urt. v. 11.1.1988 – 8 U 142/87, GmbHR 1988, 344 f. und Urt. v. 9.11.1988 – 8 U 295/87, GmbHR 1989, 259 f. 228
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b) Stellungnahme aa) Prüfungsmaßstab (1) Ablehnung der Gesamtanalogie der §§ 74 ff. HGB In dieser Entscheidung lehnt der BGH nicht nur die Anwendung des § 74 Abs. 2 HGB, sondern die gesamt-analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB mehrfach ausdrücklich ab.229 So führt er eingangs unter Verweis auf die obigen Entscheidungen aus, die von einer GmbH mit ihren Geschäftsführern vereinbarten Wettbewerbsklauseln im Sinne des § 74 Abs. 1 HGB unterlägen nicht den Beschränkungen der §§ 74 ff. HGB. Später weist er darauf hin, „diese Grundsätze“ – nach welchen Arbeitnehmerschutzvorschriften auch auf Organmitglieder Anwendung finden sollen – könnten nicht auf die Schutzvorschriften der §§ 74 ff. HGB übertragen werden. Schließlich legt er ausdrücklich nieder, aufgrund des Umstandes, dass nicht nur die Interessen des Organmitglieds sondern auch die des Unternehmens zu berücksichtigen seien, erscheine eine generalisierende Betrachtung und Einordnung im Rahmen der §§ 74 ff. HGB nicht möglich. (2) Ablehnung der analogen Anwendung des § 74 Abs. 2 HGB Darüber hinaus begründet der BGH eingehend, dass die § 74 Abs. 2 HGB zugrundeliegende Interessenlage nicht mit der zwischen Geschäftsführer und GmbH bestehenden übereinstimme, so dass „es sich verbietet, [. . .] allgemein die Vorschrift des § 74 Abs. 2 HGB anzuwenden.“ (3) Keine andere Bewertung bei Fremdgeschäftsführern Etwas anderes gelte nach den sich unmittelbar anschließenden Ausführungen auch nicht bei wirtschaftlich abhängigen Geschäftsführern, da es bei der Anwendung des § 74 HGB nicht alleine auf die wirtschaftliche Abhängigkeit ankomme, sondern auch die Stellung und die Wirkungsmöglichkeiten in der Gesellschaft von wesentlicher Bedeutung seien. Im Ergebnis schreibt der BGH mithin fest, dass § 74 Abs. 2 HGB auf Geschäftsführer, unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit von der GmbH, keine Anwendung findet. Im Folgenden findet sich dann aber die Aussage, die gebotene Interessenabwägung führe dementsprechend zur Ablehnung der Auffassung, dass in den Fällen der wirtschaftlichen Abhängigkeit die Grundsätze der §§ 74 ff. HGB auch auf Organmitglieder anzuwenden seien. Diese allgemeine Aussage impliziert, dass eine Differenzierung zwischen wirtschaftlich abhängigen und nicht-abhängigen Geschäftsführern auch außerhalb von § 74 Abs. 2 HGB nicht zu erfolgen hat. 229 Vgl. zu diesem Verständnis der Entscheidung ebenso: Kamanabrou, ZGR 2002, 898, 901.
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1. Teil: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer
(4) Anwendung von § 138 BGB Als geltender Prüfungsmaßstab wird sodann § 138 BGB i.V. m. Art. 2, Art. 12 GG und der hierzu ergangenen Rechtsprechung benannt, wobei strenge Anforderungen zu stellen seien. bb) Konkretisierung der Prüfung anhand von § 138 BGB Während in den vorangegangenen Entscheidungen Art. 2 GG nur in Zusammenhang mit der Geltung strenger Anforderungen Erwähnung fand und Art. 12 GG gar nicht ausdrücklich benannt, sondern nur in Form der besonderen Freiheit der Ausübung des Berufes des Wirtschaftsprüfers angesprochen wurde, werden in der hiesigen Entscheidung beide Grundsrechtsnormen als prüfungskonkretisierend angeführt. Sodann führt der BGH aus, Wettbewerbsverbote seien unter Heranziehung der in den §§ 74 ff. HGB zum Ausdruck kommenden Rechtsgrundsätze nur als zulässig zu erachten, wenn sie dem Schutze eines berechtigten Interesses des Gesellschaftsunternehmens dienten und nach Ort, Zeit und Gegenstand die Berufsausübung und wirtschaftliche Betätigung des Geschäftsführers nicht unbillig erschwerten. Zum Beleg wird auf die oben genannte Entscheidung vom 9.5.1968 sowie eine weitere vom 19.11.1973230 verwiesen. Weder in der Entscheidung im Jahre 1968 noch in der ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot für einen OHGGesellschafter betreffenden Entscheidung aus 1973 hatte der BGH aber allgemeine Rechtsgrundsätze aus den §§ 74 ff. HGB herausgebildet und zur Anwendung gebracht. Schließlich macht der BGH deutlich, dass entschädigungslose Mandantenschutzklauseln dann wirksam seien, wenn sie auf die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung des Dienstverhältnisses befristet und gegenständlich auf Auftraggeber, die während der letzten Jahre zum Kundenkreis der GmbH gehörten, beschränkt seien. Konkurrenzklauseln, die den Geschäftsführer als Wettbewerber ausschalten sollen, seien dagegen unzulässig. 4. Urteil des BGH vom 15.4.1991 – II ZR 214/891
a) Wesentliche Urteilsinhalte In diesem Fall entscheidet der BGH231 darüber, ob sich der durch ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot gebundene und während der Karenzzeit arbeitslose Geschäftsführer einer GmbH erhaltenes Arbeitslosengeld auf die Karenzentschä230 231
Vgl. BGH, Urt. v. 19.11.1973 – II ZR 52/72, WM 1974, 74. Vgl. BGH, Urt. v. 15.4.1991 – II ZR 214/891, GmbHR 1991, 310.
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digung anrechnen lassen muss, sofern die GmbH nach § 128a AFG verpflichtet ist, der Bundesanstalt für Arbeit das Arbeitslosengeld zu erstatten. Zunächst stellt der BGH fest, dass die Vorinstanzen das Wettbewerbsverbot richtigerweise für wirksam erachtet hätten. Zwar könne die Revision Recht haben, dass das schutzwerte Interesse der Beklagten (GmbH) kein totales Wettbewerbsverbot für die Dauer von zwei Jahren fordere, sondern auch eine Mandanten- und Objektschutzklausel ausreichte. Das Wettbewerbsverbot sei aber gleichwohl wirksam, weil die wirtschaftliche Betätigung des ausgeschiedenen Geschäftsführers nicht unbillig erschwert werde, da ihm lediglich Makler- und branchenverwandte Tätigkeiten verboten seien, welche der Kläger (Geschäftsführer) aber weder in Diensten der Beklagten (GmbH) noch vorher jemals ausgeübt habe, so dass er seinen bisher nachgegangenen Beschäftigungen auch in Zukunft jederzeit nachgehen könne. Im Übrigen könne sich bei einseitigen Verstößen gegen die guten Sitten der anstößig Handelnde nicht später auf sein eigenes sittenwidriges Verhalten zum Nachteil des Ausgebeuteten berufen. Hinsichtlich der Frage der Anrechnung des bezogenen Arbeitslosengeldes auf die Karenzentschädigung führt der BGH so dann aus: „Das Arbeitslosengeld, das der Kläger erhalten hat, muss er sich auf seine Karenzentschädigung nicht nach § 74c HGB anrechnen lassen. Nach dieser Bestimmung mindert anderweitiger Erwerb die Karenzentschädigung, auf die ein Handlungsgehilfe Anspruch hat. Das BAG wendet diese Bestimmung entsprechend an, wenn ein Arbeitnehmer, der durch ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot gebunden und während der Karenzzeit arbeitslos ist, Arbeitslosengeld erhält. Diese Regelung lässt sich jedoch nicht auf die Karenzentschädigung eines ausgeschiedenen Geschäftsführers übertragen. Dessen Wettbewerbsverbot unterliegt nicht den für Handlungsgehilfen geltenden Beschränkungen; er muss sich auf seine Karenzentschädigung anderweitigen Erwerb nur anrechnen lassen, wenn dies ausdrücklich vereinbart oder anderweitig gesetzlich geregelt ist. Eine solche gesetzliche Regelung enthält § 128a AFG.“
Es folgen Erläuterungen zur Anwendbarkeit des § 128a AFG232 auch auf Dienstverhältnisse von Geschäftsführern sowie Sinn und Zweck der Norm. Danach trifft den Arbeitgeber i.H. des Arbeitslosengeldes keine Doppelversicherung. Die Norm solle eine Doppelbegünstigung des Arbeitnehmers zu Lasten des Arbeitgebers verhindern. Habe der Arbeitnehmer also wegen eines Wettbewerbsverbotes einen Anspruch auf Karenzentschädigung, müsse er sich auf diese nach § 128a S. 3 AFG das Arbeitslosengeld, das der Arbeitgeber erstatte, wie Arbeitsentgelt anrechnen lassen. 232 Durch BVerfG, Beschluss v. 10.11.1998 – 1 BvR 2292/96 und 1 BvR 1081/97, NZA 1999, 935 für verfassungswidrig erklärt worden. Die Nachfolgenorm des § 148 SGB III ist durch das Gesetz zur Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und damit zusammenhänger Steuerhinterziehung vom 23.7.2004 (BGBl. I, S. 1843) ersatzlos gestrichen worden. Weiterhin aktuell ist die Erstattungspflicht des Arbeitgebers gegenüber der Bundesagentur für Arbeit nach § 147a SGB III.
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1. Teil: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer
b) Stellungnahme aa) Wirksamkeit des Wettbewerbsverbotes Der BGH legt dar, die Revision könne zu Recht anführen, den schutzwerten Interessen der Gesellschaft hätte möglicherweise durch eine Mandanten- oder Objektklausel genügt werden können, so dass es des totalen Wettbewerbsverbotes (Konkurrenzverbotes) für zwei Jahre nicht bedurft hätte; die Wettbewerbsklausel sei aber dennoch wirksam, weil sie die wirtschaftliche Betätigung des ausgeschiedenen Geschäftsführers nicht unbillig erschwere. Diese Ausführungen mögen zwar im Ergebnis richtig und wegen des Urteilsstils in dieser Kürze auch gerechtfertig sein. In Anbetracht der Entscheidung vom 26.3.1984 erscheinen sie aber im Detail fraglich. Denn bei der Frage nach der unbilligen Beschränkung handelt es sich sowohl nach der Entscheidung aus dem Jahre 1984 als auch der Systematik des § 74a Abs. 1 HGB um eine selbständige und gesondert zu prüfende Voraussetzung, deren Vorliegen keinerlei Rückschluss auf das berechtigte Interesse der Gesellschaft eröffnet. Der BGH darf die Frage, ob das Konkurrenzverbot noch von berechtigten Interessen der GmbH getragen ist, daher nicht unter Verweis auf die Billigkeit der Klausel dahinstehen lassen. Er kann sie nur mit der Begründung offen lassen, dass die Klausel unabhängig davon wirksam ist oder bleibt bzw. sich die GmbH auf die Unwirksamkeit nach Treu und Glauben jedenfalls nicht berufen darf. In diesem Zusammenhang könnte er also auf die möglichen Rechtsfolgen bei Fehlen einer der in der Entscheidung oder § 74a Abs. 1 HGB genannten Voraussetzungen eingehen. bb) Anrechnung anderweitigen Erwerbes Im Folgenden lehnt der BGH die Übertragung des § 74c HGB und damit die Anrechnung anderweitigen Erwerbes auf die einem Geschäftsführer für ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot gezahlte Karenzentschädigung ab. Ob § 74c HGB einen allgemeinen Rechtsgrundsatz darstellt, der insoweit auch bei Geschäftsführern gilt, spricht er nicht an. 5. Urteil des BGH vom 17.2.1992 – II ZR 140/91
In dieser Entscheidung233 setzt sich der BGH mit der Frage auseinander, ob eine GmbH ihren Geschäftsführer in entsprechender Anwendung von § 75a HGB aus der nachvertraglichen Wettbewerbsabrede mit der Folge der Befreiung von der Karenzentschädigungspflicht entlassen kann. Der Anstellungsvertrag des betroffenen Geschäftsführers sieht ein Wettbewerbsverbot für zwei Jahre nach 233 Vgl. BGH, Urt. v. 17.2.1992 – II ZR 140/91, NJW 1992, 1892 m. Anm. Vollhard, EWiR 1992, 569 f.
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Beendigung der Geschäftsführertätigkeit gegen Zahlung einer Karenzentschädigung in Höhe von 50 % des letzten Gehaltes vor. Der Geschäftsführer kündigt seinen Anstellungsvertrag zum 31.12.1990 und wird daraufhin am 19.10.1989 von seinem Geschäftsführeramt abberufen. Am 14.12.1989 teilt die GmbH mit, auf das vereinbarte Wettbewerbsverbot zu verzichten, was der Geschäftsführer ablehnt und Klage auf Feststellung der Karenzentschädigungspflicht erhebt. a) Wesentliche Urteilsinhalte Der BGH verwirft die Revision gegen das die Verzichtsmöglichkeit ebenfalls bejahende Urteil des OLG Hamm234 und erachtet den Verzicht analog § 75a HGB für wirksam. Zunächst hält er fest, dass der Annahme der Verzichtsmöglichkeit nicht bereits entgegensteht, dass der Vertragstext eine dahingehende Vereinbarung nicht enthält235: „Das in Abwägung aller Umstände gefundene Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts, dass die individuell ausgehandelte Vereinbarung dem § 74 HGB nachgebildet ist, ist zumindest möglich und vom Kläger hinzunehmen. Die daran anknüpfende Folgerung, dass auch § 75a HGB im Verhältnis der Vertragspartner gelte, entspricht dem Grundsatz, dass die Vertragspartner, wenn sie zu einem bestimmten Punkt keine Regelung treffen, insoweit meist die Ausgestaltung ihrer Beziehungen den Gesetzesvorschriften überlassen. Die Anwendung des § 75a HGB wird nicht dadurch in Frage gestellt, wie die Revision meint, dass beiden Vertragsparteien die gesetzliche Regelung genau bekannt gewesen ist. Denn hieraus allein lässt sich mangels hinreichender Anhaltspunkte nicht herleiten, dass die in Anlehnung an § 74 HGB getroffenen Abreden abschließend gedacht waren und die gesetzlichen Regelungen im Übrigen nicht sollten ergänzend herangezogen werden können.“
Im Folgenden führt der BGH aus, dass der Analogie zu § 75a HGB nicht die Geschäftsführerstellung des Klägers entgegensteht: „Die entsprechende Anwendung des § 75a HGB scheidet auch nicht wegen des besonderen Verhältnisses aus, das zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsführer als ihrem Organmitglied besteht. Der Senat hat zwar wiederholt ausgesprochen [. . .], die §§ 74 ff. HGB seien auf Wettbewerbsabreden zwischen einer GmbH und ihrem Geschäftsführer nicht schlechthin anwendbar. Hieraus kann die Revision jedoch nichts herleiten. Denn anders, als dies als Auffassung des Senats teilweise im Schrifttum wiedergegeben wird (vgl. Sudhoff, Der Gesellschaftsvertrag der GmbH, 7. Auflage S. 342; Scholz/U. H. Schneider, GmbHG, 7. Aufl., § 43 Rn. 135; Rowedder/ Koppensteiner, GmbHG, 2. Aufl. § 35 Rn. 91; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 13. Auflage Anh. § 6 Rn. 25; Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, 15. Aufl., § 35 Rn. 107),
234
Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 18.3.1991 – 8 U 277/90, GmbHR 1991, 367. Vgl. auch: LG Frankfurt a. M., Urt. v. 20.4.1994 – 3/8 O 150/93, GmbHR 1994, 803, 804. 235
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1. Teil: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer sind die §§ 74 ff. HGB nicht generell unanwendbar auf zwischen der Gesellschaft und ihrem Geschäftsführer vereinbarte Wettbewerbsverbote. Entscheidend ist nach der Rechtsprechung des Senats vielmehr, dass die Gesellschaft sich durch Vereinbarungen mit ihrem Geschäftsführer soll davor bewahren können, dass dieser die in dem Unternehmen erlangten Kenntnisse und Verbindungen zu ihrem Schaden ausnutzt, ohne dass sie dabei den Beschränkungen der starren, auf ganz anders gelagerte Rechtsverhältnisse zugeschnittenen sozialen Schutzrechte der §§ 74 ff. HGB unterworfen wird. Um derartige Beschränkungen handelte es sich auch in der von der Revision angeführten Entscheidung des Senats vom 26.3.1994, in der eine Wettbewerbsabrede [. . .] nicht deswegen für unwirksam erachtet wurde, weil letzterem keine Karenzentschädigung versprochen worden war, wie dies § 74 Abs. 2 HGB für eine mit einem Handlungsgehilfen getroffene Wettbewerbsabrede zwingend vorschreibt.“
Sodann legt der BGH dar, unter welchen Voraussetzungen die Regelungen der §§ 74 ff. HGB bei Vereinbarungen mit Geschäftsführern Anwendung finden: „Soweit die gesetzlichen Bestimmungen dagegen gerade zum Ziel haben, die besonderen Interessen des Unternehmens zu wahren, besteht kein Anlass, ihre entsprechende Anwendung auf das Verhältnis der Gesellschaft zu ihrem Geschäftsführer abzulehnen.“
Es folgen Ausführungen zum Zweck des § 75a HGB: „Das in § 75a HGB unter anderem dem von dem Wettbewerbsverbot Begünstigten gegebene Recht, einseitig den anderen Teil von der Einhaltung der getroffenen Abrede zu entbinden, stellt eine solche Beschränkung der Wahrung seiner geschäftlichen Belange nicht dar, sondern will im Gegenteil die Interessenwahrnehmung des Unternehmens fördern. Da die nachvertraglich wirkende Wettbewerbsvereinbarung allein im Interesse des Unternehmens getroffen worden ist, ist es allein Sache der Gesellschaft darüber zu entscheiden, ob sie von einer etwaigen konkurrierenden Tätigkeit ihres Geschäftsführers nach seinem Ausscheiden Nachteile zu gewärtigen hat oder ob sich die Lage seit Vereinbarung des Wettbewerbsverbots so verändert hat, dass der Geschäftsführer aus der Verpflichtung ohne weiteres entlassen werden kann. Der der genannten Rechtsprechung des Senats zugrunde liegende Gedanke, die GmbH davor zu schützen, sich bei der Wahrung ihrer Interessen unangebrachte Beschränkungen auferlegen zu lassen, kann deshalb keine Rolle für die Frage spielen, ob eine Entlassung des Geschäftsführers aus dem Wettbewerbsverbot auch ohne ausdrückliche Vereinbarung möglich ist.“
Allerdings schränkt der BGH im Folgenden ein, die Regelung des § 75a HGB nicht in Gänze, also auch hinsichtlich Voraussetzungen und Rechtsfolgen, uneingeschränkt anzuwenden: „Der Konflikt zwischen den Belangen des Unternehmens und denen seines früheren Organmitglieds, bei dem es darum geht, ob bei Anwendung der für andere Fallgestaltungen geschaffenen gesetzlichen Regelungen die Interessen der Gesellschaft sachgerecht gewahrt werden, stellt sich erst, wenn es darum geht, zu entscheiden, unter welchen näheren Bedingungen sich die Gesellschaft von der Wettbewerbsabrede lösen kann, ob etwa auch hier die Jahresfrist des § 75a HGB eingehalten werden muss und wann die Gesellschaft von einer etwa eingegangenen Verpflichtung zur Zahlung einer Karenzentschädigung frei wird.“
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Im vorliegenden Fall könne er aber davon absehen, zu dieser im Schrifttum erörterten Problematik Stellung zu nehmen, da die Mindestschutzrechte, also die Voraussetzungen des § 75a HGB, gewahrt seien und eine weitergehende Rücksichtnahme, als sie der Gesetzgeber für den i. d. R. schutzbedürftigeren Handlungsgehilfen für ausreichend erachte, nicht geboten sei. b) Stellungnahme In dieser sehr zentralen Entscheidung finden sich maßgebliche Grundsätze zum Umgang mit nachvertraglichen Wettbewerbsabreden mit Geschäftsführern. aa) Gesetzliche Verzichtsmöglichkeit des § 75a HGB trotz fehlender Vereinbarung Den Zugriff auf § 75a HGB eröffnet sich der BGH, indem er die mit der Revision angegriffene Entscheidung des Berufungsgerichts stützt, § 75a HGB gelte bei einer individuell ausgehandelten, § 74 HGB nachgebildeten Vereinbarung auch dann, wenn das Verzichtsrecht nicht durch die Parteien vereinbart worden ist. Zur argumentativen Untermauerung ergänzt er, dies entspreche dem Grundsatz, dass Vertragspartner, wenn sie zu einem bestimmten Punkt keine Regelung treffen, insoweit meist die Ausgestaltung ihrer Beziehungen den Gesetzesvorschriften überlassen. Es schade nicht, wenn den Vertragspartnern die gesetzliche Regelung bekannt sei, da nicht davon ausgegangen werden könne, dass sie ihre in Anlehnung an § 74 HGB getroffenen Abreden abschließend ausgestalten wollten. Dieser Entscheidung zufolge finden die §§ 74 ff. HGB hinsichtlich nicht geregelter Fragen also auf individuell ausgehandelten Wettbewerbsregelungen Anwendung, die in Anlehnung an § 74 HGB ausgestaltet sind. Bei einem weiten Verständnis davon, wann eine individuelle Regelung der des § 74 HGB entspricht, führte dies mithin zur regelmäßigen Anwendung der §§ 74 ff. HGB zur Ergänzung getroffener vertraglicher Vereinbarungen. Dies erscheint vor dem Hintergrund der Vertragsautonomie sehr fraglich.236 bb) Beurteilungsmaßstab: Analoge Anwendung die GmbH-Interessen schützender Normen Im zweiten Urteilsabschnitt macht der BGH zur Begründung der grundsätzlich analogen Anwendbarkeit des § 75a HGB allgemeine Ausführungen zum geltenden Beurteilungsmaßstab. Er führt aus, er habe in den oben bereits dargestellten Entscheidungen zwar wiederholt ausgesprochen, die §§ 74 ff. HGB seien „nicht 236
Vgl. zur Kritik hieran Teil 3 § 2 A. VIII. 1. a).
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1. Teil: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer
schlechthin anwendbar“; die als seine Auffassung in den zitierten StandardGmbHG-Kommentaren wiedergegebene generelle Unanwendbarkeit vertrete er aber nicht. Vielmehr bestehe kein Anlass, die gesetzlichen Bestimmungen, die gerade zum Ziel hätten, die besonderen Interessen des Unternehmens zu wahren, nicht entsprechend anzuwenden. Im Ergebnis versucht der BGH mit seinen Ausführungen zu suggerieren, die Annahme der analogen Anwendbarkeit des § 75a HGB entspreche den in den vorangegangenen Entscheidungen kontinuierlich herausgestellten Beurteilungsgrundsätzen. Die Ausführungen stellen tatsächlich aber jedenfalls eine Relativierung von der bisher vertretenen Rechtsprechung dar.237 Denn die Formulierung, die §§ 74 ff. HGB seien „nicht schlechthin anwendbar“, ist in keiner der zitierten Entscheidungen verwendet worden. Vielmehr ist in der im Folgenden genannten Entscheidung vom 26.3.1984 über die Regelung des § 74 Abs. 2 HGB hinaus geäußert worden, die §§ 74 ff. HGB fänden auf Geschäftsführer keine Anwendung.238 Es ist in dieser Entscheidung nicht dargelegt worden, die § 74 ff. HGB fänden Anwendung, soweit es sich nicht um starre, nicht auf das Verhältnis GmbH-Geschäftsführer passende, Beschränkungen handelte und daran anknüpfend nicht begründet worden, dass § 74 Abs. 2 HGB als eine „derartige Beschränkung“ keine Anwendung finden könne. Zwar finden sich auf § 74 Abs. 2 HGB bezogene Erläuterungen in dem Urteil. Diese haben aber die besondere Rechtsbeziehung und damit Interessenlage von GmbH und Geschäftsführer, nicht aber die Frage der beschränkenden Wirkung des § 74 Abs. 2 HGB zum Gegenstand. Auch die folgenden Ausführungen, „anders, als dies als Auffassung des Senats teilweise im Schrifttum wiedergegeben wird, sind die §§ 74 ff. HGB nicht generell unanwendbar [. . .]. Entscheidend ist nach der Rechtsprechung des Senats vielmehr [. . .]“ sollen Kontinuität hinsichtlich Prüfungsgrundsätzen vermitteln, die in dieser Form in den Entscheidungen bisher noch nicht herausgearbeitet worden sind. Die Kommentarliteratur konnte bis dahin als Auffassung des Senates nicht anführen, die §§ 74 ff. HGB seien „nicht generell unanwendbar“, da der Senat diese Relativierung bisher noch nicht vollzogen hatte. Neu ist die Erwägung, diejenigen Normen der §§ 74 ff. HGB entsprechend anzuwenden, die die Interessen des Unternehmens wahren, da es der Gesellschaft – losgelöst von den starren Beschränkungen der §§ 74 ff. HGB – möglich sein müsse, sich vor Schädigung durch den Geschäftsführer zu bewahren.
237 Vgl. ebenso: Bauer/Diller, BB 1995, 1134, 1135 („Modifikation“); Heidenhain, NZG 2002, 605 („lautlose Aufgabe der Entscheidung aus 1984“); Kamanabrou, ZGR 2002, 898, 902; Wertheimer, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Arbeitsverhältnissen, S. 128 (Mutation der Prüfungsformel). 238 Vgl. Teil 1 § 4 B. 3. b).
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cc) Teilanaloge Anwendung von § 75a HGB Diese allgemeinen Erwägungen wendet der BGH sodann im dritten Urteilsabschnitt hinsichtlich § 75a HGB an und nimmt eine Verzichtsmöglichkeit des Unternehmens auch ohne ausdrückliche Vereinbarung an, da die Norm dem Unternehmen einseitig das Recht einräume, sich von der Einhaltung der getroffenen Abrede zu entbinden und somit seine Interessen fördere. Hiernach findet § 75a HGB bei Wettbewerbsvereinbarungen von Geschäftsführern also grundsätzlich analoge Anwendung. Allerdings bleibt offen, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Rechtsfolgen die Gesellschaft verzichten kann. Der BGH schränkt im Folgenden die Analogieannahme wieder ein, so dass aus der grundsätzlichen Geltung des § 75a HGB nicht gefolgert werden kann, dass auch die dort zu findenden Ausübungsmodalitäten gelten. Für die Frage, unter welchen Bedingungen sich die Gesellschaft von der Wettbewerbsabrede lösen könne, ob etwa auch die Jahresfrist des § 75a HGB eingehalten werden müsse und wann die Gesellschaft von einer Karenzentschädigungspflicht frei werde, komme es wiederum darauf an, ob die Interessen der GmbH hinreichend gewahrt würden. dd) Zusammenfassung Durch diese Entscheidung erhalten die §§ 74 ff. HGB bei Wettbewerbsverboten mit Geschäftsführern eine wesentlich weiterreichende Relevanz als ihnen nach der bisherigen Rechtsprechung zukam. Zum einen finden sie bereits dann und auch ohne ausdrückliche Regelung Anwendung, wenn die Wettbewerbsvereinbarung an § 74 HGB angelehnt formuliert ist. Zum anderen sind nicht nur die in den §§ 74 ff. HGB zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgrundsätze zu berücksichtigen, während die entsprechende Anwendung der Normen ausdrücklich abgelehnt wird. Die Normen finden vielmehr insoweit entsprechende Anwendung, als sie „zum Ziel haben, die besonderen Interessen des Unternehmens zu wahren“. Dementsprechend ist der GmbH ein Verzichtsrecht analog § 75a HGB auch ohne diesbezügliche Vereinbarung der Parteien zuzuerkennen. Nach der Entscheidung bleibt allerdings offen, warum eine Norm des Gesamtregelungskonzeptes der §§ 74 ff. HGB dann angewendet werden darf, wenn sie die Interessen der Gesellschaft schützt, wann eine Norm gerade zum Ziel hat, die besonderen Interessen des Unternehmens zu wahren und in welchem Umfang eine grundsätzlich günstige Norm sodann Anwendung findet.239 Hinsichtlich
239 Zur Kritik hieran vgl. Teil 2 § 3 G., II.; ebenso: Kamanabrou, ZGR 2002, 898, 909, die Schieflage des Interessenschutzes im ungeregelten Fall fürchtet, wenn isolierte Regelung aus Regelungskomplex herausgegriffen und analog angewendet werde; Wertheimer, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Arbeitsverhältnissen, S. 139 kritisiert
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§ 75a HGB wird die entsprechende Anwendung im Ergebnis auf das grundsätzliche Verzichtsrecht beschränkt; die Ausübungsmodalitäten sollen sich dagegen ggf. nicht nach § 75a HGB richten. Diese Vorgehensweise entspricht eher der zuvor angedachten Heranziehung allgemeiner Rechtsgrundsätze. Wettbewerbsvereinbarungen unterliegen nach dieser Entscheidung mithin grundsätzlich den §§ 74 ff. HGB. Diese sind aber nur dann und auch nur insoweit analog heranzuziehen, wie sie nach ihrem Ziel eine Regelung zugunsten der Gesellschaft enthalten. Mit der grundsätzlichen Anerkennung, dass eine Norm der Gesellschaft günstig ist, geht mithin nicht zugleich die Entscheidung einher, dass auch die in der Norm enthaltenen – ggf. nicht lediglich der Gesellschaft günstigen – Ausübungsmodalitäten greifen. 6. Urteil des OLG Düsseldorf vom 22.8.1996 – 6 U 150/95
Während der BGH 1992 zu entscheiden hat, ob der Gesellschaft bei Fehlen einer vertraglichen Verzichtsregelung ein Verzichtsrecht analog § 75a HGB zuerkannt werden soll, muss sich das OLG Düsseldorf 240 vier Jahre später der Frage stellen, ob eine anstellungsvertragliche Verzichtsregelung den Vorschriften der §§ 75a und 90a HGB genügen muss. Der Anstellungsvertrag sieht das Recht der Gesellschaft vor, jederzeit mit einer Ankündigungsfrist von drei Monaten auf das Wettbewerbsverbot zu verzichten. Das OLG lehnt nach eingehender Auseinandersetzung mit dem diesbezüglichen Streitstand und sich der BGH-Rechtsprechung anschließend die analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB insgesamt ab, geht aber nicht darauf ein, dass der BGH gerade hinsichtlich § 75a HGB die Analogie anerkannt hat. Daher stellt es sich auch nicht die Frage, ob eine Vereinbarung dann noch zulässig sein kann, wenn sie – abweichend von § 75a HGB – einen Verzicht auch noch nach Beendigung des Dienstverhältnisses und mit einer Frist von drei Monaten gestattet. 7. Urteil des BGH vom 4.3.2002 – II ZR 77/00
In dieser Entscheidung hat sich der BGH 241 zum einen damit auseinanderzusetzen, ob ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot schon dadurch verkürzt oder hinfällig wird, dass der Geschäftsführer während der Kündigungsfrist freigestellt wird. Zum anderen geht es ein weiteres Mal um die Möglichkeit der GmbH, auf ein mit der Zahlung einer Karenzentschädigung verbundenes nachvertragliches Wettbewerbsverbot zu verzichten.
einseitige Aufspaltung des Systems der §§ 74 ff. HGB und sieht Gefahr, dass Gefüge unvertretbar auseinandergerissen werde. 240 Vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.8.1996 – 6 U 150/95, GmbHR 1996, 913. 241 Vgl. BGH, Urt. v. 4.3.2002 – II ZR 77/00, NJW 2002, 1875.
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Laut dem Anstellungsvertrag verpflichtet sich der Geschäftsführer, nach seinem Ausscheiden als Geschäftsführer für die Dauer eines Jahres weder bei einem Konkurrenzunternehmen der Gesellschaft tätig zu werden noch ein solches zu betreiben. Hierfür soll ihm für die Dauer des Wettbewerbsverbotes eine Entschädigung in Höhe von 80 % der zuletzt gewährten Jahresbezüge [. . .] gezahlt werden. Die Beklagte (GmbH) beruft den Kläger am 15.12.1995 als Geschäftsführer ab, kündigt seinen Anstellungsvertrag unter Einhaltung der Kündigungsfrist zum 31.12.1996 und stellt ihn unter Weiterzahlung seiner Bezüge frei. Am 16.12.1996 teilt sie dem Kläger mit, mit Wirkung zum 1.1.1997 auf das Wettbewerbsverbot zu verzichten. Der Kläger klagt daraufhin die Karenzentschädigung für das Jahr 1997 ein. a) Instanzgerichtliches Urteil des OLG Köln vom 4.2.2000 – 4 U 37/99 aa) Wesentliche Urteilsinhalte Das OLG Köln242 als Berufungsgericht lehnt die Karenzentschädigungspflicht ab: „Bei Kündigung eines Geschäftsführers mit einjähriger Kündigungsfrist und gleichzeitiger sofortiger Freistellung von seinen Tätigkeiten besteht kein Bedarf mehr an einem zusätzlichen vertraglichen Wettbewerbsverbot nach dem Ausscheiden (Leitsatz 1).“
Halte es die Gesellschaft ausweislich der vertraglich vereinbarten Wettbewerbsverbotsdauer zur Wahrung ihrer berechtigten geschäftlichen Interessen für ausreichend, den Geschäftsführer für die Dauer eines Jahres von ihren Geschäftsgeheimnissen und sonstigen Interna fernzuhalten, greife das vereinbarte Wettbewerbsverbot nach seinem Sinn und Zweck nicht mehr, wenn der Geschäftsführer wegen der vertraglich vereinbarten einjährigen Kündigungsfrist und der sofortigen Freistellung von jeglicher Tätigkeit bereits für die Dauer eines Jahres von den Geschäftsgeheimnissen der Gesellschaft abgeschnitten war. Unter diesen Umständen bestehe kein Bedarf mehr an einem Wettbewerbsverbot. Dieses beziehe sich sinnvollerweise nur auf die Fälle, in denen beim Ausscheiden des Geschäftsführers aus seiner Tätigkeit ansonsten kein Wettbewerbsverbot bestehe. Ergänzend führt das OLG an, bei anderer Ansicht, also der Annahme, das Wettbewerbsverbot gelte in jedem Fall des Ausscheidens, sei die Beklagte jedenfalls berechtigt gewesen, einseitig auf das Wettbewerbsverbot analog § 75a HGB zu verzichten. Hinsichtlich der analogen Anwendbarkeit des § 75a HGB zitiert es sodann wörtlich aus der Entscheidung des BGH von 2002 und führt unter Bezugnahme auf die dortigen Ausführungen zur Geltung auch der Ausübungsmodalitäten des § 75a HGB aus, die Interessenabwägung führe im vorliegenden Fall 242
Vgl. OLG Köln, Urt. v. 4.2.2000 – 4 U 37/99, NZG 2000, 740.
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dazu, dass die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der Karenzentschädigung mit ihrem Verzicht auf das Wettbewerbsverbot entfallen sei: „Der Geschäftsführer bedarf des Schutzes des § 75 HGB analog nicht, wenn er aufgrund seiner Freistellung die Möglichkeit hatte, sich vor dem Ablauf der Kündigungsfrist nach alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten umzusehen (Leitsatz 2).“
Der Kläger habe sich während der einjährigen Kündigungsfrist – finanziell abgesichert durch die volle Gehaltszahlung und zeitlich flexibel durch die Freistellung – nach einer vollschichtigen Tätigkeit außerhalb des Konkurrenzverbotes umsehen können. Einer weiteren Dispositionszeit, wie sie die Jahresfrist des § 75a HGB dem Angestellten einräume, habe er nicht mehr benötigt. Dadurch, dass er erst gegen Ende der Kündigungsfrist vom Fortfall des Wettbewerbsverbotes erfahren habe, habe er nur den Nachteil erlitten, sich nicht um eine Tätigkeit innerhalb des Konkurrenzverbotes bemüht zu haben. Das Konkurrenzverbot sei aber verhältnismäßig eng umgrenzt gewesen. Zudem habe der Kläger ein ausreichend hohes Gehalt bezogen, um bis zum Beginn seiner neuen Tätigkeit vorzusorgen, so dass er auch aus finanziellen Gründen nicht auf die Karenzentschädigung angewiesen gewesen sei. bb) Stellungnahme Das OLG erachtet den Verzicht analog § 75a HGB für wirksam, da der Geschäftsführer bereits für die Dauer der einjährigen Kündigungsfrist freigestellt und wirtschaftlich nicht auf die Karenzentschädigung für das relativ beschränkte Wettbewerbsverbot angewiesen war. Seine Argumentation ist mithin auf den zu entscheidenden Fall bezogen, so dass aus dem Urteil nicht erkennbar wird, inwieweit § 75a HGB hinsichtlich seiner Ausübungsmodalitäten generell Anwendung findet. Es bleibt vielmehr offen, was gölte, wenn es sich um ein sehr weites Wettbewerbsverbot handelte und/oder der Geschäftsführer wesentliche Nachteile dadurch erlitte, dass er erst kurz vor Ende der Kündigungsfrist von der Wettbewerbsbeschränkung befreit würde und/oder auf die Karenzentschädigung wegen der wesentlich schlechter entlohnten anderweitigen Tätigkeit angewiesen wäre. b) Urteil des BGH vom 4.3.2002 – II ZR 77/00 Der BGH hebt die Entscheidung des OLG auf und verweist zurück. aa) Kein Entfallen des Wettbewerbsverbotes wegen Freistellung Zunächst führt er zum Entfallen des Wettbewerbsverbots wegen der Freistellung aus: „Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist das zwischen den Parteien vereinbarte Wettbewerbsverbot mit Karenzentschädigungspflicht nicht seinem Sinn und
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Zweck nach schon dadurch hinfällig geworden, dass der Kläger nach Ausspruch der Kündigung der Beklagten [. . .] bis zum Ablauf der Kündigungsfrist [. . .] freigestellt und damit von den Geschäftsgeheimnissen sowie Interna der Beklagten ferngehalten war.“ [. . .] „Das Berufungsgericht geht allerdings insoweit zutreffend davon aus, dass das Wettbewerbsverbot und die Karenzentschädigungspflicht nicht an die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer, sondern an die Beendigung des [. . .] Anstellungsvertrages anknüpfen.“ [. . .] „Dem Wortlaut der vertraglichen Regelung ist [. . .] nicht zu entnehmen, dass es für die Geltung des Wettbewerbsverbots, seinen Beginn und seine Dauer, darauf ankommen sollte, ob und wie lange der Kläger nach Kündigung seines Anstellungsvertrages von seinen Dienstpflichten freigestellt wird.“ [. . .] „Zwar steht bei einem Wettbewerbsverbot das Interesse der Gesellschaft im Vordergrund, sich davor zu bewahren, dass der Geschäftsführer die in dem Unternehmen erlangten Kenntnisse und Verbindungen zu ihren Schaden ausnutzt (Sen.Urt. v. 17.2.1992 – II ZR 140/91). Soweit es zum Schutz eines derartigen Interesses der Gesellschaft erforderlich ist und die Berufsausübung oder sonstige wirtschaftliche Betätigung des Geschäftsführers zeitlich, örtlich und gegenständlich nicht unbillig erschwert wird, also ein Verstoß gegen § 138 BGB nicht vorliegt (vgl. dazu z. B. Sen.Urt. v. 14.7.1997 – II ZR 238/96) kann ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot mit einem Geschäftsführer auch ohne Karenzentschädigung vereinbart werden, weil ihm gegenüber die gesetzliche Regelung für Handlungsgehilfen des § 74 Abs. 2 HGB nicht gilt (Sen., BGHZ 91, 1, 5; Urt. v. 17.2.1992 aaO). Daraus lässt sich aber nicht schließen, dass auch bei einer vereinbarten Karenzentschädigung und bei der Auslegung dieser Vereinbarung allein die Interessen der Gesellschaft zu berücksichtigen wären. Vielmehr kommt auch hier der Dispositionsschutz der Geschäftsführer zum Tragen. Wollte die Beklagte, dass die bezahlte Karenz im Falle der Freistellung des Klägers von seinen Dienstpflichten verkürzt oder hinfällig wird, so wäre es ihre Sache gewesen, dies in dem Vertrag klarzustellen.“
bb) Verzichtsmöglichkeit Sodann wendet sich der BGH der Verzichtserklärung der GmbH zu und legt dar: „Was den Verzicht der Beklagten auf das Wettbewerbsverbot angeht, so verkennt das Berufungsgericht, dass das dem Kläger bis zur Beendigung des Anstellungsvertrages gezahlte, reguläre Gehalt wie bisher zur Deckung des laufenden Lebensunterhaltes und nicht zur Vorsorge für die Zeit danach bzw. als Ersatz für die Karenzentschädigung bestimmt war. Die Beklagte hat den Kläger bis zum Zugang ihres Schreibens vom 16.12.1996 in dem Glauben gelassen, er müsse seinen künftigen Lebensunterhalt auf einem anderen, ihm weniger geläufigen Geschäftssektor als demjenigen der Beklagten suchen und könne dafür auf die Karenzentschädigung zurückgreifen. Auch wenn die Beklagte ihrerseits von der Hinfälligkeit des Wettbewerbsverbots nach der Kündigung ausgegangen sein sollte, ist ihr vorzuwerfen, dass sie diese im Rechtsstreit nachdrücklich verfochtene Ansicht nicht bei Ausspruch der Kündigung zum Ausdruck gebracht und damit eine der Kündigungsfrist entsprechende Disposi-
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1. Teil: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer tionsfrist gewahrt, sondern den Verzicht erst kurz vor Beendigung des Anstellungsvertrages zu einem Zeitpunkt erklärt hat, in dem sie davon ausgehen musste, dass der Kläger sich auf die Geltung des Wettbewerbsverbots und die damit verbundenen Einschränkungen beim Aufbau einer neuen beruflichen Existenz eingerichtet hatte. Infolgedessen muss sie hinnehmen, an die mit dem Kläger getroffene Vereinbarung gebunden zu bleiben.“
cc) Stellungnahme Der BGH legt zunächst fest, dass ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot an die Beendigung des Anstellungsvertrages, nicht dagegen die Abberufung aus dem Amt anknüpft und eine zugesagte Karenzentschädigung nicht dadurch verkürzt oder hinfällig wird, dass der Geschäftsführer während der Kündigungsfrist freigestellt wird. Eine Gesellschaft kann sich also, wenn sie – wegen der Nichtgeltung von § 74 Abs. 2 HGB – freiwillig die Entschädigung zusagt, durch Freistellung nicht mehr von dieser Verpflichtung lossagen. Sodann geht der BGH auf die Verzichtsmöglichkeit der GmbH ein. Hierbei setzt er sich allerdings alleine mit der Frage auseinander, ob die GmbH den Verzicht erst kurz vor Ablauf der Kündigungsfrist aussprechen durfte. Dagegen erörtert er nicht, ob die GmbH überhaupt berechtigt war, auf das Wettbewerbsverbot zu verzichten. Er führt weder aus, ob der in der Entscheidung aus dem Jahre 1992 aufgestellte Grundsatz, § 75a HGB finde bei individuell ausgehandelten, § 74 HGB nachgebildeten Vereinbarungen grundsätzlich auch bei Fehlen einer entsprechenden Vereinbarung ergänzende Anwendung, auch im hiesigen Fall in Anbetracht der gesamtvertraglichen Regelung gilt, so dass ein Verzichtsrecht grundsätzlich anzuerkennen ist. Noch nennt er die wohl heranzuziehende Norm des § 75a HGB und nimmt auf seine Ausführungen zur analogen Anwendbarkeit auf Geschäftsführer im Jahre 1992 Bezug. Er unterstellt vielmehr schweigend, dass vorliegend grundsätzlich ein Verzichtsrecht gegeben ist.243 Auch die Auseinandersetzung mit der Frage, ob die GmbH durch die Verzichtserklärung kurz vor Ablauf der einjährigen Kündigungsfrist das – unterstellte – Verzichtsrecht wirksam ausüben konnte, behandelt er losgelöst von § 75a HGB und seinen hierzu 1992 gemachten Ausführungen. Im Ergebnis lehnt der BGH den Verzicht ab, da die GmbH diesen nicht bei Ausspruch der Kündigung zum Ausdruck gebracht und damit eine der Kündigungsfrist entsprechende Dispositionsfrist gewahrt hat, sondern erst kurz vor Beendigung des Anstellungsvertrages und damit zu einem Zeitpunkt erklärt hat, in dem sie davon ausgehen musste, dass der Kläger sich auf die Geltung des Wettbewerbsverbots und die damit verbundenen Einschränkungen eingerichtet hat. Er verlangt nach diesen Erörterungen für eine wirksame Ausübung des Verzichts243
Vgl. zur Kritik: Bergwitz, GmbHR 2007, 523 f.
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rechts somit, dass der Verzicht mit der Kündigung erklärt und hierdurch eine der Kündigungsfrist entsprechende Dispositionsfrist gewahrt wird.244 Jedenfalls aber muss die Gesellschaft im Zeitpunkt der Verzichtserklärung noch davon ausgehen dürfen, dass sich der Geschäftsführer noch nicht auf die Geltung des Wettbewerbsverbots und die damit verbundenen Einschränkungen eingerichtet hat.245 Diese Voraussetzungen stimmen aber weder mit denen des § 75a HGB überein noch entsprechen sie den im Urteil von 1992 aufgestellten Vorgaben.246 Nach § 75a HGB kann der Prinzipal vor Beendigung des Dienstverhältnisses durch schriftliche Erklärung auf das Wettbewerbsverbot mit der Wirkung verzichten, dass er mit dem Ablauf eines Jahres seit der Erklärung von der Verpflichtung zur Zahlung der Entschädigung frei wird. Maßgeblich ist mithin, dass mindestens eine Frist von einem Jahr gewahrt wird. Dagegen kommt es nicht darauf an, dass die Verzichtserklärung zugleich mit der Kündigung erklärt und damit eine Dispositionsfrist jedenfalls in der Länge der Kündigungsfrist gewahrt wird. In seiner Entscheidung im Jahre 1992 hat der BGH dargelegt, § 75a HGB finde auf Wettbewerbsverbote für Geschäftsführer zwar analoge Anwendung. Gehe es aber darum, unter welchen näheren Bedingungen sich die Gesellschaft von der Wettbewerbsabrede lösen könne, sei zu hinterfragen, ob die Interessen der Gesellschaft sachgerecht gewahrt würden, wenn die für andere Fallgestaltungen geschaffenen gesetzlichen Regelungen Anwendung fänden. Ohne entsprechende Vereinbarung könne der Geschäftsführer aber jedenfalls nicht weitreichender geschützt werden als Arbeitnehmer durch § 75a HGB. Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen überzeugt die Begründung des BGH bereits in formaler Hinsicht nicht. Den in der Entscheidung genannten Prüfungsgedanken aufgreifend, hätte er die Frage aufwerfen sollen, ob § 75a HGB hinsichtlich seiner Ausübungsmodalitäten, jedenfalls der Jahresfrist, Anwendung findet oder aber Abweichungen, insbesondere eine kürzere Frist, wegen der besonderen Interessenlage und zum Schutze der Gesellschaft anzuerkennen sind. Aber auch inhaltlich entspricht der seitens des BGH gewählte Lösungsansatz nicht den oben genannten Erwägungen zur Anwendbarkeit der Ausübungsmodalitäten des § 75a HGB, also auch der Jahresfrist. Gefordert wird, dass der Verzicht bereits bei Ausspruch der Kündigung zum Ausdruck gebracht und damit eine der Kündigungsfrist entsprechende Dispositionsfrist gewahrt wird. Die Kündigungsfrist beträgt hier ein Jahr. Der BGH verlangt also die Wahrung einer ebenso langen Dispositionsfrist wie sie § 75a HGB enthält. Ob dies den Interessen der Gesellschaft entspricht, prüft er nicht. Letztlich hätte die Gesellschaft nach diesem Grundsatz 244
Vgl. ebenso: Heidenhain, NZG 2002, 605; Menke, NJW 2009, 636, 638. Vgl. im Anschluss an diese Entscheidung auch: OLG München, Urt. v. 28.7.2010 – 7 U 2417/10, GmbHR 2010, 1031, 1032. 246 Vgl. ebenso: Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1091; Heidenhain, NZG 2002, 605 („rechtsgestaltende Phantasie des BGH“). 245
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aber in einem Fall, in welchem die Kündigungsfrist mehr als ein Jahr beträgt, sogar eine Dispositionsfrist zu wahren, die die des § 75a HGB überschritte. In der Entscheidung aus 1992 hat der BGH indes dargelegt, dass ohne eine entsprechende Vereinbarung ein weitergehender Schutz als § 75a HGB Arbeitnehmern gewähre, nicht möglich sei. Zusammenfassend überzeugt die Entscheidung – vom Ergebnis abgesehen – somit nicht. Der BGH versäumt es, bei der Prüfung und Begründung der Verzichtsmöglichkeit auf die in seinen vorangegangenen Entscheidungen herausgearbeiteten Voraussetzungen und Vorgaben zurückzugreifen und stellt in Anbetracht dessen neue, nicht kongruente Voraussetzungen auf. Hierdurch bleibt weiterhin offen bzw. unklar, inwieweit § 75a HGB bei Geschäftsführern Anwendung findet, unter welchen Voraussetzungen eine GmbH also auf ein Wettbewerbsverbot verzichten kann.247 8. Urteil des BGH vom 28.4.2008 – II ZR 11/07
In diesem Urteil geht es im Wesentlichen darum, ob der Geschäftsführer sich auf seine Karenzentschädigung anderweitigen Verdienst analog § 74c HGB anrechnen lassen muss. a) Wesentliche Urteilsinhalte aa) Keine Anrechnung anderweitigen Erwerbes nach § 74c HGB Der BGH248 lehnt die Anrechnung anderweitigen Erwerbes auf die Karenzentschädigung gemäß § 74c HGB ab. Die Norm finde bei Geschäftsführen keine analoge Anwendung:249 „Der Anrechnung des Erwerbs aus einer anderweitigen Verwertung der Arbeitskraft nach § 74c Abs. 1 HGB liegt der Gedanke zugrunde, dem Arbeitnehmer keinen Anreiz für einen steten Arbeitsplatzwechsel oder gar für ein Leben ohne Arbeit zu bieten. Der Arbeitnehmer soll nicht zur Kündigung verleitet werden, allein um eine Karenzentschädigung beziehen zu können. Außerdem soll vermieden werden, dass der Arbeitnehmer übersichert wird und eine Karenzentschädigung erhält, obwohl er durch das Wettbewerbsverbot gar keine beruflichen Nachteile erleidet [. . .]. Die Entlastung des Arbeitgebers von der Zahlung der Karenzentschädigung ist nicht der Zweck der Regelung, sondern nur deren Reflex. Von diesem Schutzzweck ist der GmbH-Geschäftsführer als Organ der Gesellschaft nicht betroffen.
247
Vgl. ebenso: Heidenhain, NZG 2002, 605. Vgl. BGH, Urt. v. 28.4.2008 – II ZR 11/07, GmbHR 2008, 930. 249 Vgl. zustimmend: Bomsdorf, Anm. zu BGH, Urt. v. 28.4.2008 – II ZR 11/07, BeckRS 2008, 11735, Schulze, Anm. zu BGH, Urt. v. 28.4.2008 – II ZR 11/07, JurisPR-HaGesR3/2008 Anm. 1. 248
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Gegen eine entsprechende Anwendung des § 74c Abs. 1 HGB auf den Geschäftsführer spricht ferner, dass es sich bei ihm um eine speziell auf den zwingenden Charakter der Karenzentschädigung zugeschnittene Norm handelt. Ohne § 74c Abs. 1 HGB könnte der Prinzipal die Anrechnung eines anderweitigen Verdienstes auf die Entschädigung unter ihre Mindesthöhe nicht vereinbaren, ohne gegen die zwingende Vorschrift des § 74 Abs. 2 HGB zur Höhe der Karenzentschädigung zu verstoßen. Dem Geschäftsführer einer GmbH muss dagegen überhaupt keine Karenzentschädigung versprochen und später gezahlt werden (BGH v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, BGHZ 91, 1, 3; v. 4.3.2002 – II ZR 77/00, ZIP 2002, 709). Wird dennoch eine Entschädigung versprochen, können die Vertragsparteien die Höhe frei vereinbaren. Entsprechend unterliegen auch die Anrechnung und das Ausmaß der Anrechnung eines anderweitigen Verdienstes der freien Vereinbarung, von der sich im Übrigen die Gesellschaft durch die Entlassung des Geschäftsführers aus dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot einseitig lösen darf (BGH v. 17.2.1992 – II ZR 140/91, GmbHR 1992, 263). Der Zweck der Karenzentschädigung gebietet nicht, anderweitigen Erwerb stets anzurechnen. Wie bei einem Arbeitnehmer kann mit der Zahlung einer Entschädigung an den Geschäftsführer beabsichtigt sein, die Nachteile des Wettbewerbsverbots für das berufliche Fortkommen des Betroffenen auszugleichen. Dann kann es auch eine zweckgerechte Entscheidung der Gesellschaft sein, dem Geschäftsführer die Früchte zusätzlicher Anstrengungen zu belassen, die er unternehmen muss, um in seinem bisherigen Tätigkeitsgebiet bei Einhaltung des Wettbewerbsverbots weiter erwerbstätig zu sein oder sich ein neues Tätigkeitsfeld zu erschließen. Er steht in seiner Funktion eher einem Selbständigen gleich und muss – gerade bei einer Kunden- oder Mandantenschutzklausel – nach der Beendigung des Dienstverhältnisses häufig neue Kunden oder Mandanten gewinnen, um nicht gegen das Wettbewerbsverbot zu verstoßen. [. . .]. Die GmbH wird außerdem regelmäßig mit der Zahlung einer Karenzentschädigung einen Anreiz bieten wollen, erworbene Kenntnisse nicht anderweitig einzusetzen und keinen Gewinn aus Geschäftsgeheimnissen zu beziehen. Andere Einnahmen sind kein Grund, eine solche Prämie zu kürzen. Die Anrechnung des anderweitigen Verdienstes auf die Karenzentschädigung entspricht auch nicht einem allgemeinen Rechtsgedanken, der auf den Geschäftsführer einer GmbH ebenso wie auf einen Handlungsgehilfen zutrifft. Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz, dass ein anderweitiger Erwerb auf eine vertraglich geschuldete Entschädigung anzurechnen ist. Leistungen Dritter lassen vertragliche Verpflichtungen grundsätzlich unberührt.“
bb) Keine Anrechnung anderweitigen Erwerbes nach ergänzender Vertragsauslegung Sodann ergänzt der BGH, dass die Anstellungsvertragsparteien nach ergänzender Auslegung des Vertrages über die Anrechnung keine Vereinbarung getroffen haben: „Auch die ergänzende Auslegung des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags ergibt nicht, dass anderweitiger Verdienst der Klägerin auf die Karenzentschädigung anzurechnen ist. Die Parteien haben über eine solche Anrechnung keine Vereinba-
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b) Stellungnahme Die hiesige Entscheidung steht in Kontinuität zu dem bereits erläuterten Urteil aus dem Jahre 1991. Während sich der BGH 1991 zur Begründung des Nichteingreifens des § 74c HGB aber auf den Verweis auf die generelle Nichtgeltung der §§ 74 ff. HGB beschränkte, legt er vorliegend – insoweit ergänzend – dar, dass § 74c HGB nach seinem Sinn und Zweck auch nicht ausnahmsweise bei Geschäftsführern heranzuziehen ist. Damit knüpft er an seine Entscheidung vom 17.2.1992 an, nach der die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 74 ff. HGB auf das Verhältnis der Gesellschaft zu ihrem Geschäftsführer entsprechend anzuwenden sind, soweit sie „gerade zum Ziel haben, die besonderen Interessen des Unternehmens zu wahren“. In Anbetracht des Urteils aus dem Jahre 1992 überzeugen die Ausführungen des BGH aber – bei Betrachtung der prüfungstechnischen Vorgehensweise250 – nicht. Der BGH macht nicht hinreichend deutlich, welchen Prüfungsansatz er für die Feststellung zugrundelegt, ob § 74c HGB auf Geschäftsführer Anwendung findet. Denn im Hinblick auf die Entscheidung aus dem Jahre 1992 lassen die Ausführungen zu § 74c HGB eine Auseinandersetzung mit der nach dieser Entscheidung zentralen Frage vermissen, ob es die Norm des § 74c HGB gerade zum Ziel hat, die besonderen Interessen der Gesellschaft zu schützen bzw. ob ihrer Anwendung die besondere Interessenlage bei GmbH und Geschäftsführer entgegensteht. Der BGH erörtert zunächst den Schutzzweck des § 74c Abs. 1 HGB und legt dar, die Norm wolle verhindern, dass dem Arbeitnehmer durch die Karenzentschädigung ein Anreiz für einen Arbeitsplatzwechsel bzw. die Aufgabe der Arbeit geboten oder aber er übersichert werde und eine Karenzentschädigung beziehe, obwohl das Wettbewerbsverbot ihn beruflich nicht beeinträchtige. Die Entlastung des Arbeitgebers von der Zahlung der Karenzentschädigung sei dagegen nicht Zweck der Regelung, sondern nur Reflex. Sodann hält der BGH im folgenden Satz fest: „Von diesem Schutzzweck ist der Geschäftsführer als Organ der Gesellschaft nicht betroffen“. Ob der Geschäftsführer von einer Norm geschützt wird, ist nach dem Urteil aus dem Jahre 1992 aber nicht entscheidend dafür, dass sie analoge Anwendung findet. Maßgeblich ist vielmehr, ob die besonderen Interessen der Gesellschaft geschützt werden. Der BGH hätte sich daher mit der Frage auseinandersetzen sollen, ob es nicht ein besonderes Interesse auch der GmbH ist, durch die Anrechnung anderweitigen Erwerbs den Anreiz für ihren Geschäftsführer zu reduzieren, zu kündigen und die Karenzentschädigung zu be250 Zur inhaltlichen Auseinandersetzung, ob analoge Anwendung des § 74c HGB geboten, als allgemeiner Rechtsgrundsatz oder über Ansatz der Teilanalogie von Normen zugunsten der Gesellschaft, Teil 3 § 2 B. VII.
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ziehen bzw. die Übersicherung des Geschäftsführers auszuschließen. Zudem hätte er die Überlegung anstellen sollen, ob die Reduktion der zu zahlenden Karenzentschädigung, unabhängig davon, ob es sich hierbei tatsächlich nur um einen Rechtsreflex handelt, nicht im besonderen Interesse der Gesellschaft liegt. In diesem Zusammenhang hätte er Ausführungen machen sollen, unter welchen Voraussetzungen eine Norm die besonderen Interessen der Gesellschaft wahrt. Auch die folgenden Erwägungen des BGH vermögen nicht zu überzeugen. Der Einwand gegen die analoge Anwendung des § 74c HGB, es handele sich um eine speziell auf den zwingenden Charakter der Karenzentschädigung für einen Handlungsgehilfen zugeschnittene Norm, greift nicht. Nach der Entscheidung des BGH vom 17.2.1992 sind die §§ 74 ff. HGB zwar nicht „schlechthin anwendbar“, aber auch nicht „generell unanwendbar“. Vielmehr ist im Einzelfall zu prüfen, ob eine gesetzliche Bestimmung gerade die besonderen Interessen der Gesellschaft schützt. Der spezielle Charakter der Normen kann daher als Argument nicht herangezogen werden, da es bei der Prüfung gerade um die Frage der Übertragbarkeit der speziellen Norm auf Wettbewerbsverbote mit Geschäftsführern geht. Die sich anschließende Erwägung, die Anrechnung nach § 74c Abs. 1 HGB scheide von vorneherein aus, weil zwischen GmbH und Geschäftsführer bereits die Vereinbarung der Karenzentschädigung dispositiv sei, so dass auch die Anrechnung nur bei entsprechender Vereinbarung erfolgen dürfe, entspricht nicht der Argumentation hinsichtlich des Verzichtsrechtes in der Entscheidung vom 17.2.1992. Hier hat sich der BGH auf den Standpunkt gestellt, dass, wenn die Parteien die Zahlung einer Karenzentschädigung, nicht aber die Verzichtsmöglichkeit der Gesellschaft vereinbarten – entsprechend dem Grundsatz, fehle eine Regelung zu einem Punkt, sei zumeist die Ausgestaltung im Sinne der Gesetzeslage gewollt – das Verzichtsrecht entsprechend § 75a HGB anzunehmen sei. Dagegen hat er das Verzichtsrecht nicht mit der hiesigen Argumentation abgelehnt, die grundsätzlich dispositive Karenzentschädigung könne nur durch Verzicht entfallen, wenn die Parteien die Verzichtsmöglichkeit ausdrücklich vereinbart hätten. Im folgenden Absatz stellt der BGH fest, der Zweck der Karenzentschädigung gebiete nicht, anderweitigen Erwerb stets anzurechnen. Zur Begründung führt er an, mit der Zahlung einer Entschädigung an den Geschäftsführer könne wie bei einem Arbeitnehmer beabsichtigt sein, die Nachteile des Wettbewerbsverbotes für das berufliche Fortkommen auszugleichen. Vor diesem Hintergrund könne es sich um eine zweckgerechte Entscheidung der Gesellschaft handeln, dem Geschäftsführer die Früchte zusätzlicher Anstrengungen zu belassen, die er unternehmen müsse, um trotz Einhaltung des Wettbewerbsverbotes im bisherigen Tätigkeitsgebiet zu arbeiten. Zudem wolle die GmbH durch die Zahlung der Karenzentschädigung regelmäßig den Anreiz bieten, erworbene Kenntnisse nicht anderweitig einzusetzen und damit Gewinn aus Geschäftsgeheimnissen zu bezie-
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1. Teil: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer
hen. Diese durch den BGH aufgezeigten Motive bestehen aber nicht zwingend alleine im Verhältnis GmbH und Geschäftsführer, sondern können insbesondere auch bei leitenden Angestellten mit weitreichenden Befugnissen, Kenntnissen und Einflussmöglichkeiten gegeben sein. Die Analyse des Urteils zeigt, dass der BGH bei seiner Prüfung von folgendem Ansatz ausgegangen ist: Die Anrechnung anderweitigen Erwerbes gemäß § 74c HGB erfolgt grundsätzlich nur dann, wenn dies zwischen den Parteien ausdrücklich vereinbart worden ist. Dies folgt aus der Disponibilität der Karenzentschädigungszahlung. Ein anderes Ergebnis sei auch nach dem Zweck der Karenzentschädigung nicht geboten, da die Gesellschaft Gründe dafür haben könne, an der vollen Zahlung der Karenzentschädigung trotz anderweitigen Erwerbes festhalten zu wollen. Dieser Prüfungsansatz – unabhängig von seiner Sachgerechtigkeit251 – entspricht nicht der nach dem Urteil vom 17.2.1992 zur Feststellung der entsprechenden Anwendung der §§ 74 ff. HGB zugrunde zu legenden Prüfungsfolge. Nach dieser führt der Grundsatz, dass die Vertragsparteien, wenn sie zu einem bestimmten Punkt keine Regelung treffen, insoweit meist die Ausgestaltung ihrer Beziehungen den Gesetzesvorschriften überlassen, zunächst zur grundsätzlichen Anwendung der Norm der §§ 74 ff. HGB. Sodann ist allerdings zu prüfen, ob die entsprechende Anwendung nicht wegen des besonderen Verhältnisses von Gesellschaft und Geschäftsführer ausscheidet. Hierfür ist entscheidend, ob die jeweilige Norm gerade zum Ziel hat, die besonderen Interessen der Gesellschaft zu wahren. Diesen Ansatz zugrunde legend, wäre mithin zunächst von der grundsätzlichen Anwendung auch des § 74c HGB auszugehen gewesen, da die Parteien zwar die Karenzentschädigungszahlung, nicht aber die Möglichkeit der Anrechnung anderweitigen Erwerbes geregelt hatten. Im Anschluss wäre zu prüfen gewesen, ob die Anwendung nicht den Interessen der Gesellschaft und damit den Besonderheiten des Rechtsverhältnisses von Gesellschaft und Geschäftsführer widerspricht. Hierfür wäre festzustellen gewesen, ob die Anerkennung des Verzichtsrechtes weitergehend den Interessen der Gesellschaft entspricht als dies bei der Anerkennung der Anrechnung anderweitigen Erwerbes der Fall wäre. Durch die grundsätzlich entsprechende Anwendung des § 75a HGB wird die Rechtsposition der GmbH lediglich erweitert. Es liegt bei der GmbH, ob sie weiterhin am Wettbewerbsverbot gegen die Zahlung der vereinbarten Karenzentschädigung festhalten oder aber auf dieses mit der Folge des Entfallens der Karenzentschädigungspflicht verzichten möchte. Die entsprechende Anwendung des § 74c HGB führte dagegen dazu, dass die Karenzentschädigung zunächst, ohne dass es einer weiteren Ausübungsentscheidung der Gesellschaft bedürfte, um den anderweitigen Erwerb reduziert würde. Dies könnte aber den Interessen der Gesellschaft zuwiderlaufen, wenn diese – z. B. aus den in der Entscheidung genannten Grün251
Vgl. hierzu Teil 3 § 2 B. VII.
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den – an der Zahlung der vollständigen Karenzentschädigung festhalten wollte. Allerdings stände es der Gesellschaft jederzeit offen, bereits im Anstellungsvertrag oder aber im Nachhinein auch konkludent auf die Anrechnung zu verzichten, wenn diese nicht ihren Interessen entspricht. Dementsprechend wäre die Rechtsposition der GmbH durch die analoge Anwendung des § 74c HGB und die damit verbundene Anrechnung anderweitigen Erwerbes – ebenso wie durch die Zuerkennung des Verzichtsrechtes entsprechend § 75a HGB – lediglich erweitert. Der entsprechenden Anwendung des § 74c HGB kann mithin nicht entgegengehalten werden, die Gesellschaft werde in ihrer Interessenwahrnehmung durch die Anwendung dieser starren, nicht passenden Regelung beschränkt.252 Bei Heranziehung seines Prüfungsansatzes aus der Entscheidung vom 17.2. 1992 wäre der BGH im Ergebnis somit zur analogen Anwendung des § 74c HGB gekommen. Vor diesem Hintergrund hätte er in der hiesigen Entscheidung jedenfalls klarstellen sollen, ob er an seinem Prüfungsansatz aus dem Urteil vom 17.2.1992 festhalten oder abweichend davon nunmehr grundsätzlich die Vertragsfreiheit betonen und Normen nur dann analog heranziehen will, wenn dies Sinn und Zweck und der zugrundeliegenden Interessenlage entspricht. Der BGH hätte – möglicherweise unter Verweis auf den Umgang des Gesetzgebers mit den §§ 74 ff. HGB253, die Einführung des § 110 GewO254 sowie die Regelungsgehalte der Normen255 – erklären können, der grundsätzlichen (vertragsergänzenden-) Anwendung der §§ 74 ff. HGB auf Geschäftsführer im Hinblick auf die Vertragsfreiheit von Geschäftsführer und Gesellschaft bei Abschluss des Wettbewerbsverbots restriktiv(-er) gegenüberzustehen.256 Durch die gewählte Vorgehensweise und dies bleibt dem BGH daher vorzuwerfen, bleibt dagegen unklar, welche Bedeutung den §§ 74 ff. HGB zukommt und wie vor diesem Hintergrund zu prüfen ist, ob eine Norm der §§ 74 ff. HGB bei Wettbewerbsverboten von Geschäftsführern Anwendung findet. Die sich ihm gebotene Möglichkeit, seinen Prüfungsmaßstab zu verdeutlichen oder auch klarstellend neu zu justieren, hat der BGH somit nicht genutzt. Die noch folgende Ergänzung, die Anrechnung anderweitigen Verdienstes auf die Karenzentschädigung entspreche auch nicht einem allgemeinen Rechtsgedanken, da es keinen allgemeinen Grundsatz gebe, dass anderweitiger Erwerb auf eine vertraglich geschuldete Entschädigung anzurechnen sei, ist vor dem Hinter252 Vgl. i. E. ebenso: Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885, 892; dies., BB 1995, 1134, 1137 f.; dies., Wettbewerbsverbote, Rn. 1086; Reufels/Schewiola, ArbRB 2008, 57, 60; Thüsing, NZG 2004, 9, 12; Diller, Anm. zu BGH, Urt. v. 28.4.2008 – II ZR 11/07, BeckRS 2008, 1175. 253 Vgl. hierzu: Teil 2 § 3 C. II. 3. c) dd) (2) (b). 254 Vgl. hierzu: Teil 2 § 3 C. II. 3. c) dd) (2) (b) (bb) (a). 255 Vgl. hierzu Teil 3 insgesamt. 256 Vgl. zur Richtigkeit der Rechtsprechungsentwicklung hin zur Betonung der Vertragsfreiheit: Teil 3 § 2 A. II. sowie VIII.
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1. Teil: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer
grund des Urteiles vom 26.3.1984 zu sehen, nach welchem die in den §§ 74 ff. HGB zum Ausdruck kommenden Rechtsgrundsätze heranzuziehen sind. Insoweit ist der Entscheidung zuzustimmen.257 Im letzten Abschnitt des Urteils hält der BGH schließlich fest, die Anrechnung anderweitigen Verdienstes habe auch nicht nach ergänzender Auslegung des Anstellungsvertrages zu erfolgen. Systematische Stellung und Inhalt dieses Abschnitts entsprechen wiederum nicht den Ausführungen in den vorangegangenen Urteilen. Nach der Entscheidung vom 17.2.1992 wäre eingangs der Entscheidung festzustellen gewesen, dass der Vereinbarung weder im Wege ergänzender Vertragsauslegung eine Anrechnungsabrede zu entnehmen ist noch eine Abrede der Heranziehung von § 74c HGB entsprechend dem schon zitierten Grundsatz entgegensteht. Im Ergebnis legt der BGH also in dieser Entscheidung ein von den Prüfungsgrundsätzen in den vorangegangenen Entscheidungen in wesentlichen Punkten abweichendes Beurteilungskonzept zugrunde und stellt dadurch sein zuvor entwickeltes Konzept zur Geltung der §§ 74 ff. HGB jedenfalls wieder in Frage. Es bleibt daher auch nach dieser Entscheidung weiterhin unklar, ob und unter welchen Voraussetzungen Normen der §§ 74 ff. HGB bei Wettbewerbsverboten mit Geschäftsführern (vertragsergänzende) analoge Anwendung finden. 9. Beschluss des BGH vom 7.7.2008 – II ZR 81/07
In diesem Fall befasst sich der BGH258 damit, ob aus einem ohne Karenzentschädigung getroffenen nachvertraglichen Wettbewerbsverbot ein Anspruch auf Karenzentschädigung jedenfalls dann erwächst, wenn das Wettbewerbsverbot unwirksam ist. Der klagende Geschäftsführer begehrt zum einen die Feststellung der Unwirksamkeit des anstellungsvertraglich vorgesehenen Wettbewerbsverbotes und zum anderen die Zahlung einer Karenzentschädigung für das unwirksame Wettbewerbsverbot. a) Wesentliche Urteilsinhalte Von Relevanz für diese Arbeit ist nur die eingangs des Urteils zu findende Zusammenfassung der in den vorangegangenen Urteilen ausgesprochenen Beurteilungsgrundsätze: „Nach ständiger Rechtsprechung des Senats gelten die an dem arbeitsrechtlichen Schutz von Handlungsgehilfen orientierten Vorschriften der §§ 74 ff. HGB grund257
Vgl. Teil 3 § 2 B. VII. Vgl. BGH, Beschluss v. 7.7.2008 – II ZR 81/07, DB 2008, 1842 m. zust. Anm. Schäfer, BeckRS 2008, 18206; zur Entscheidung des OLG Köln als Berufungsgericht, Urt. v. 29.3.2007 – 18 U 71/06, DB 2008, 1791 Heise, GmbH-StB 2008, 234. 258
§ 4 Beurteilung durch Rechtsprechung und Literatur
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sätzlich nicht für den Geschäftsführer einer GmbH. Nicht anwendbar ist insbesondere der Grundsatz der bezahlten Karenz gemäß § 74 Abs. 2 HGB. Das schließt zwar nicht aus, dass die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots gemäß § 138 BGB i. V. m. Art. 2, 12 GG nichtig sein kann, wenn das Verbot nicht dem berechtigten Interesse der Gesellschaft dient oder es nach Ort, Zeit und Gegenstand die Berufsausübung und die wirtschaftliche Tätigkeit des Geschäftsführers unbillig erschwert.“
Zur Anwendung des Prüfungsmaßstabes kommt es im Folgenden nicht, da der klageweise geltend gemachte Karenzentschädigungsanspruch nicht besteht. Ein solcher könne nur dann bestehen, wenn er vertraglich zugesichert sei. Auch im Falle der Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbotes entstehe er nicht. Zudem sei mit der Revision die Wirksamkeit des Wettbewerbsverbots nicht weiter in Abrede gestellt worden und stehe daher ebenso wie der enthaltende Grund für das Entfallen der Karenzentschädigung fest. b) Stellungnahme Dieses Urteil setzt weder hinsichtlich des anzuwendenden Prüfungsmaßstabes noch zur Frage der Karenzentschädigungspflichtigkeit neue Akzente. Der geltend gemachte Karenzentschädigungsanspruch scheidet nach dem BGH unabhängig davon aus, ob das Wettbewerbsverbot trotz fehlender Karenzentschädigungszusage nach § 74 Abs. 2 HGB für wirksam oder unwirksam erachtet wird. Finde § 74 Abs. 2 HGB entsprechend der BGH-Rechtsprechung keine Anwendung, bestehe ein Anspruch von vorneherein nicht. Werde dagegen angenommen, § 74 Abs. 2 HGB gelte auch bei Geschäftsführern, folge aus dem Verstoß gegen § 74 Abs. 2 HGB nicht zugleich der Karenzentschädigungsanspruch, da § 75d HGB bei Geschäftsführern nicht in Betracht komme.259 Der BGH macht also nochmals deutlich, dass er bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten mit Geschäftsführern eine Karenzentschädigung i. S. v. § 74 Abs. 2 HGB nicht verlangt. II. Zusammenfassende Stellungnahme Der BGH-Rechtsprechung ist es bislang nicht gelungen, deutlich zu machen, welche rechtlichen Maßstäbe bei der Beurteilung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote für Geschäftsführer heranzuziehen sind. Wie die Entscheidungen aus dem Jahre 2008 belegen, ist nach wie vor fraglich, inwieweit das Gesamtregelungssystem der §§ 74 ff. HGB auch bei Geschäftsführern Anwendung findet.
259 Vgl. ablehnend: Diller, Anm. zu BGH, Beschluss vom 7.7.2008 – II ZR 81/07, BeckRS 2008, 18206.
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1. Teil: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer
Ursprünglich hat der BGH zur Beurteilung entsprechender Abreden allein § 138 BGB i.V. m. Art. 2 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG herangezogen und unter Hinweis auf die besondere Rechtsstellung des Geschäftsführers die analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB uneingeschränkt abgelehnt. Später hat er aber herausgestellt, Wettbewerbsverbote seien unzulässig, wenn sie nicht von berechtigten Interessen der Gesellschaft getragen seien oder eine unbillige Beschränkung des Geschäftsführers darstellten; im Rahmen des § 138 BGB fänden die in den §§ 74 ff. HGB zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgedanken Beachtung. In folgenden Entscheidungen hat der BGH die allgemeine Rechtsgrundsatzqualität anderer Normen der §§ 74 ff. HGB, deren Anwendung in den zu entscheidenden Fällen zu abweichenden Ergebnissen geführt hätte, aber nicht diskutiert. Den Tatbestand des § 74a Abs. 1 HGB, anhand welchem er seinen Prüfungsaspekt der Heranziehung der allgemeinen Rechtsgrundsätze der §§ 74 ff. HGB herausgebildet und den er infolgedessen mit seinen Voraussetzungen der Notwendigkeit eines berechtigten Interesses und des Fehlens einer unbilligen Beschränkung als allgemeinen Rechtsgrundsatz im Rahmen des § 138 BGB herangezogen hat, hat er in Folgeentscheidungen nicht mehr in diesem Sinne geprüft. Mit der Behauptung, ihre Heranziehung zuvor nicht generell abgelehnt zu haben, hat der BGH sodann zur Ergänzung der vertraglichen Abreden die analoge Anwendung der Regelungen der §§ 74 ff. HGB gestattet, die den besonderen Interessen der Gesellschaft dienen. Wieso er es für zulässig erachtet, nur einen Teil der Normen eines Gesamtregelungskomplexes anzuwenden und wann eine Norm konkret, weil die Gesellschaft schützend, zur Anwendung kommen darf, hat er aber nicht erläutert.260 Zudem hat er jedenfalls hinsichtlich des relevanten § 75a HGB sogleich wieder eingeschränkt, dass die grundsätzliche Akzeptanz des Verzichtsrechtes analog § 75a HGB nicht zugleich auch die Übernahme der hierfür in § 75a HGB festgelegten Ausübungsmodalitäten bedeute. Ob die normierten Voraussetzungen und Rechtsfolgen gölten, sei vielmehr unter erneuter Betrachtung der besonderen Interessensituation bei Wettbewerbsverboten zwischen Geschäftsführern und ihren GmbHs festzustellen. In einer späteren Entscheidung auch zum Verzichtsrecht hat der BGH diese Prüfungsgedanken dann aber nicht wieder aufgegriffen, sondern losgelöst von § 75a HGB und der aufgeworfenen 260 Vgl. ablehnend: LG Erfurt, Urt. v. 8.12.2009 – 1 HK O 209/08, veröff. in Juris: analoge Anwendung nur bei vollständiger Übernahme der gesetzlichen Regelung, isolierte Anwendung einzelner Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen sei Gesetzgeber vorbehalten; Heidenhain, NZG 2002, 605 mit kritischen methodischen Bemerkungen; Kamanabrou, ZGR 2002, 898, 899 mit Frage, ob Schutz beider Seiten dienende Norm analog anwendbar ist; KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 88 Rn. 37 (für AG-Vorstand) sehen in isolierter Anwendung von Bestimmungen zu Gunsten der GmbH Störung des vom Gesetz angestrebten Gleichgewichts von Rechten und Pflichten und damit Widerspruch zu Gesetzeszweck; Wagner, in: Röhricht/Graf v. Westphalen (Hrsg.), HGB, § 74 Rn. 19 erachtet Rechtsprechung als „jedenfalls missverständlich“; Wertheimer, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Arbeitsverhältnissen, S. 139 kritisiert einseitige Aufspaltung des Systems der §§ 74 ff. HGB.
§ 4 Beurteilung durch Rechtsprechung und Literatur
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Frage, ob die Voraussetzungen der Norm in Anbetracht des Schutzbedürfnisses der Gesellschaft nicht zu streng sind, Voraussetzungen für das Verzichtsrecht der GmbH aufgestellt, die in abweichenden Konstellationen im Ergebnis sogar strenger sein könnten als die der gesetzlichen Regelung des § 75a HGB.261 In seiner Entscheidung im April 2008 hat der BGH sodann die Anrechnung anderweitigen Erwerbes analog § 74c HGB unter Betonung der Vertragsfreiheit abgelehnt und seinen zuvor zu § 75a HGB aufgestellten Grundsatz, die der GmbH günstigen Regelungen analog anzuwenden, nicht aufgegriffen. Er hat infolgedessen nicht geprüft und festgestellt, ob die Anrechnung anderweitigen Erwerbes des Geschäftsführers auf die diesem gezahlte Karenzentschädigung nicht der GmbH günstig wäre.262 Dem BGH ist es also bislang noch nicht gelungen, ein verbindliches Beurteilungsmodell herauszubilden und hierfür insbesondere aufzuzeigen, inwieweit die §§ 74 ff. HGB auf das Anstellungsverhältnis zwischen Geschäftsführer und GmbH analoge Anwedung finden. Er argumentiert einzelfallbezogen; seine aufgestellten Grundsätze, die er nicht im Einzelnen begründet oder konkretisiert hat, wendet er nicht oder jedenfalls nicht kontinuierlich und einheitlich an. Die Rechtslage erscheint daher für die rechtsgestaltende und rechtsanwendende Praxis nach wie vor unsicher.263
C. Meinungsstand in der Literatur Vertreter der Literatur, die der Auffassung sind, – jedenfalls Fremd- bzw. abhängige – Geschäftsführer seien Arbeitnehmer bzw. leitende Angestellte, wenden in der Regel auch die Arbeitnehmerschutzvorschriften der §§ 74 ff. HGB ent261 Vgl. zur Kritik: Heidenhain, NZG 2002, 605; KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 88 Rn. 37. 262 Vgl. zur Kritik: Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885, 887; Diller, Anm. zu BGH, Urt. v. 28.4.2008 – II ZR 11/07, BeckRS 2008, 1175; Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 146; Thüsing, NZG 2004, 9, 13. 263 Vgl. zur Kritik: Baeck/Winzer, Anm. zu BGH, Urt. v. 28.4.2008 – II ZR 11/07, NZG 2008, 775; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1037 („unübersichtliche und inkonsistente BGH-Rechtsprechung; nicht mehr prognostizierbare Rechtsprechung der Instanzgerichte mit bzgl. Ergebnis und dogmatischer Herleitung divergierenden Entscheidungen); dies., GmbHR 1999, 885, 887 („einschlägige BGH-Entscheidungen sind an den Fingern einer Hand abzuzählen und obendrein widersprüchlich und unklar“); Diller, Anm. zu BGH, Beschluss vom 7.7.2008 – II ZR 81/07, BeckRS 2008, 18206 („Rechtsprechung [. . .] krankt seit Jahren daran, dass handhabbare Leitlinien fehlen; BGH hangelt sich von Einzelfall zu Einzelfall weiter, nicht wenige seiner Entscheidungen sind unklar, widersprüchlich und dogmatisch kaum nachvollziehbar.“); ders., Anm. zu BGH, Urt. v. 28.4.2008 – II ZR 11/07, BeckRS 2008, 1175; Reufels/Schewiola, ArbRB 2008, 57; Thüsing, NZG 2004, 9 („von Rechtsprechung entwickelte Grenzen in vielen Punkten noch nicht präzise gezogen“); Wertheimer, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Arbeitsverhältnissen, S. 140 (fehlende Rechtssicherheit); Baumbach/ Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 198.
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1. Teil: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer
sprechend an.264 Innerhalb der grundsätzlich von einem Dienstvertrag ausgehenden Literatur herrscht dagegen Uneinigkeit hinsichtlich des geltenden Beurteilungsmaßstabes. I. § 138 Abs. 1 BGB, allgemeine Rechtsgedanken und teilanaloge Anwendung der §§ 74 ff. HGB 1. Rechtmäßigkeitsprüfung anhand von § 138 Abs. 1 BGB
Die überwiegende Zahl der Literaturvertreter befürwortet grundsätzlich die von der Rechtsprechung vorgenommene Zulässigkeitsprüfung entsprechender Abreden anhand von § 138 Abs. 1 BGB und lehnt die entsprechende Anwendung der §§ 74 ff. HGB ab.265
264 Vgl. Groß, Anstellungsverhältnis des GmbH-GF, S. 363; Kamanabrou, ZGR 2002, 898, 907; Schrader/Schubert, DB 2005, 1457, 1459; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 182 (anders, ohne Begründung dagegen Scholz/Schneider/Sethe, GmbHG, § 35 Rn. 182, die nach Annahme der Arbeitnehmereigenschaft von abhängigen Geschäftsführern analoge Anwendung von §§ 74 ff. HGB ablehnen); zur Trennung der Fragen nach Arbeitnehmerstatus und analoger Anwendung arbeitsrechtlicher Normen dagegen: Gissel, Arbeitnehmerschutz für den GmbH-GF, S. 13; Goette, in: FS Wiedemann, S. 873, 875; Henssler, RdA 1992, 289, 290; Nebendahl, NZA 1992, 289, 290; Scholz/Schneider/Sethe, GmbHG, § 35 Rn. 180 ff.; Wank, in: FS Wiedemann, S. 587, 605; Wertheimer, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Arbeitsverhältnissen, S. 124. 265 Vgl. Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 87; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Boecken, HGB, § 74 Rn. 8; Campos Nave NJW 2003, 3322, 3323; Bartl/Bartl/Fichtelmann/Koch/Schlarb, HK-GmbH-Recht, § 35 Rn. 124; Goette, in: FS Wiedemann, S. 873, 887; Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 146a; Heidenhain, NZG 2002, 605, 606; Heyll, Anwendung von Arbeitsrecht auf Organmitglieder, S. 249, 257; Hoffmann-Becking, in: FS Quack, S. 273 f.; Baumbach/Hopt, HGB, § 74 Rn. 3; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 74 Rn. 9; Jaeger, Anstellungsvertrag des GmbH-GF, S. 167; Jäger, AG § 21 Rn. 64; Jula, Der GmbH-GF, S. 109; van Kann/Keiluweit, BB 2010, 2050, 2051; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anhang § 6 Rn. 25; Oetker/Kotzian-Marggraf, HGB § 74 Rn. 10; Kukat, BB 2001, 541; Kunz, DB 1993, 2482, 2486; ErfK/Oetker, § 74 HGB Rn. 5; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 248 ff.; Erman/Palm/Arnold, BGB, § 138 Rn. 196; Semler/Peltzer, Arbeitshdb.Vorstandsmitglieder, § 2 Rn. 163; Reiserer/Heß-Emmerich/Peters, GmbH-GF, S. 49; Ruß, in: HK-HGB, § 74 Rn. 1; Staudinger/Sack, BGB, § 138 Rn. 302; Schäfer, Anm. zu BGH, Beschluss v. 7.7.2008 – II ZR 81/07, BeckRS 2008, 18206; Schulze, Anm. zu BGH, Urt. v. 28.4.2008 – II ZR 11/07, JurisPR-HaGesR3/2008 Anm. 1; Hachenburg/ Stein, GmbHG, § 35 Rn. 314; Thüsing, NZG 2004, 9; Tillmann/Mohr, GmbH-GF, Rn. 446; Wagner, in: Röhricht/Graf v. Westphalen (Hrsg.), HGB, § 74 Rn. 19; BeckOK GmbHG/Wisskirchen/Kuhn, § 6 Rn. 97; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 197; vgl. für AG-Vorstand: Bauer, DB 1992, 1413, 1417; HK-AktG/Bürgers/ Israel, § 88 Rn. 15; Hüffer, AktG, § 88 Rn. 10; Großkomm.AktienG/Kort, § 88 Rn. 138; KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 88 Rn. 33; K. Schmidt/Lutter/Seibt, AktG, § 88 Rn. 16; MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rn. 46; Spindler/Stilz, AktG, § 88 Rn. 43; Fleischer/Thüsing, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rn. 109; Münch.Hdb.GesR IV/ Wiesner, § 21 Rn. 70.
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Sie sind zumeist mit dem BGH der Auffassung, die herausgehobene und unternehmergleiche Stellung von Organmitgliedern schlösse wegen der damit verbundenen Verletzbarkeit und erhöhten Schädigungsgefahr des Arbeitgebers durch nachvertragliche Konkurrenztätigkeit einen Schutz nach den §§ 74 ff. HGB aus.266 Zwar stehe auch der Geschäftsführer im Verhältnis zur Gesellschaft in einem Anstellungsverhältnis, das ihn wie einen Arbeitnehmer verpflichte, seine Arbeitskraft hauptberuflich zur Verfügung zu stellen. Die Schutzbedürftigkeit des Geschäftsführers sei aber im Vergleich zu den Anstellten erheblich geringer, da Stellung und Wirkungsmöglichkeiten des Geschäftsführers von wesentlicher Bedeutung seien.267 Die für abhängige Angestellte geltenden §§ 74 ff. HGB gölten daher wegen ihres Sozialschutzcharakters nicht ohne weiteres entsprechend bei Geschäftsführern.268 Vielmehr gelte der flexible § 138 BGB.269 Dessen Anwendung könne auch nicht unter Verweis auf eine möglicherweise größere Rechtssicherheit als bei pauschaler Geltung der §§ 74 ff. HGB abgelehnt werden. Die Rechtsordnung nehme auch in anderen Bereichen hin, dass der Prüfungsmaßstab der Sittenwidrigkeit mit gewisser Rechtsunsicherheit verbunden sei.270 Andere Vertreter begründen ihre Ansicht dagegen damit, die analoge Anwendung stelle einen störenden Eingriff in die Funktion des Organverhältnisses dar271 bzw. führe zu einer unzulässigen Veränderung der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzstruktur272. 2. Geltung der allgemeinen Rechtsgrundsätze der §§ 74 ff. HGB
Zur Bestimmung der Zulässigkeitsgrenzen im Rahmen des § 138 BGB verweisen einige Vertreter dann ebenso wie der BGH auf die Grundgedanken/Wertungsmaßstäbe der §§ 74 ff. HGB273 bzw. den Normen nachgebildete Grund266 Vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken, HGB, § 74 Rn. 8; Campos Nave NJW 2003, 3322, 3323; van Kann/Keiluweit, BB 2010, 2050, 2053; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 254 (bzgl. § 74 Abs. 2 HGB analog); für AG-Vorstand: Großkomm.AktienG/Kort, § 88 Rn. 140. 267 Vgl. MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 74 Rn. 9. 268 Vgl. Baumbach/Hopt, HGB, § 74 Rn. 3; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 248. 269 Vgl. Staudinger/Sack, BGB, § 138 Rn. 302. 270 Vgl. Heyll, Die Anwendung von Arbeitsrecht auf Organmitglieder, S. 249, 258. 271 Vgl. Goette, in: FS Wiedemann, S. 873, 887. 272 Vgl. Heyll, Die Anwendung von Arbeitsrecht auf Organmitglieder, S. 249, 257. 273 Vgl. Bauer, DB 1979, 2178, 2179; Heyll, Die Anwendung von Arbeitsrecht auf Organmitglieder, S. 249, 257; Hoffmann-Becking, in: FS Quack, S. 273 f.; Jäger, AG § 21 Rn. 66; Reiserer/Heß-Emmerich/Peters, GmbH-GF, S. 49 (mittelbare Geltung der Wertungsmaßstäbe jedenfalls bei Fremdgeschäftsführern); Hachenburg/Stein, GmbHG, § 35 Rn. 314; für AG-Vorstand: Bauer, DB 1992, 1413, 1417; Großkomm.AktienG/ Kort, § 88 Rn. 141; KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 88 Rn. 37; Semler/Peltzer, Arbeitshdb.Vorstandsmitglieder, § 2 Rn. 163; MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rn. 46; Münch.Hdb.GesR IV/Wiesner, § 21 Rn. 70.
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1. Teil: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer
sätze274, da die normative Prägekraft der Bestimmungen eine Durchdringung selbst im Bereich der Organanstellungsverhältnisse begründe275. In Einzelfragen werden allerdings teilweise abweichende Ergebnisse vertreten. So verlangen einige Vertreter zwingend die Zahlung einer Karenzentschädigung.276 Teilweise ziehen sie hierfür ausdrücklich § 74 Abs. 2 HGB heran und verlangen jedenfalls bei Fremdgeschäftsführern grundsätzlich eine Entschädigung entsprechend dieser Regelung.277 Bei Gesellschafter-Geschäftsführern sei die Zahlung einer Karenzentschädigung dagegen jedenfalls dann überflüssig, wenn die aus Beteiligung und Gewinnanteilen verbleibenden Beträge höher als die Vergütung sind. Verzichtbar könnte die Karenzentschädigung ferner bei Kunden- bzw. Mandantenschutzklauseln sein.278 Andere Vertreter erachten die generalisierende Ablehnung des § 74 Abs. 2 HGB und damit der Karenzentschädigungspflicht durch die Rechtsprechung zwar für bedenklich, fordern aber nicht die Heranziehung der Norm, sondern lediglich die Beachtung ihres Rechtsgedankens bei der auch nach der Rechtsprechung vorzunehmenden Billigkeitskontrolle.279 Auch sie sind der Auffassung, dass entschädigungslose Wettbewerbsverbote nur in Ausnahmefällen zulässig sind280, sofern es sich nicht lediglich um Kundenschutzklauseln handelt.281 Die zeitliche Beschränkung auf zwei Jahre in Anlehnung an § 74a Abs. 1 S. 3 HGB wird vereinzelt als zu eng erachtet. Ein Wettbewerbsverbot könne je nach 274
Vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 197. Vgl. Oetker/Kotzian-Marggraf, HGB § 74 Rn. 10. 276 Vgl. Campos Nave, NJW 2003, 3322, 3323; Groß, Anstellungsverhältnis des GmbH-GF, S. 363 bzgl. Nicht-Arbeitnehmer-Geschäftsführern; Lutter/Hommelhoff/ Kleindiek, GmbHG, Anh. zu § 6 Rn. 25; Kunz, DB 1993, 2482, 2486; Reiserer/HeßEmmerich/Peters, GmbH-GF, S. 49; Münch.Hdb.GesR IV/Wiesner, § 21 Rn. 71; Baumbach/Hopt/Zöllner/Noack, GmbHG § 35 Rn. 202; aA: Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 254. 277 Vgl. Groß, Anstellungsverhältnis des GmbH-GF, S. 363; Baumbach/Hopt/Zöllner/Noack, GmbHG § 35 Rn. 202. 278 Vgl. Baumbach/Hopt/Zöllner/Noack, GmbHG § 35 Rn. 202. 279 Vgl. Bauer, DB 1992, 1413, 1417; ders., DB 1979, 2178, 2179; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1071 ff.; Campos Nave, NJW 2003, 3322, 3323; Wagner, in: Röhricht/Graf v. Westphalen (Hrsg.), HGB, § 74 Rn. 19. 280 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1071 ff.; Heyll, Die Anwendung von Arbeitsrecht auf Organmitglieder, S. 249, 257 (Berücksichtigung von Entschädigung bei Gesamtinteressenabwägung); Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anh. zu § 6 Rn. 25; Kunz, DB 1993, 2482, 2486; ErfK/Oetker, § 74 HGB Rn. 5 (für Fremdgeschäftsführer andeutend); Reiserer/Heß-Emmerich/Peters, GmbH-GF, S. 50; Schulze, Anm. zu BGH, Urt. v. 28.4.2008 – II ZR 11/07, JurisPR-HaGesR3/2008 Anm. 1; Thüsing, NZG 2004, 9, 11 f.; für AG-Vorstand: MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rn. 53; Münch.Hdb.GesR IV/Wiesner, § 21 Rn. 71 (ohne Bezug zu § 74 HGB). 281 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1071 ff.; Campos Nave, NJW 2003, 3322, 3323; Schulze, Anm. zu BGH, Urt. v. 28.4.2008 – II ZR 11/07, JurisPR-HaGesR3/2008 Anm. 1; für AG-Vorstand: MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rn. 53; Münch.Hdb.GesR IV/Wiesner, § 21 Rn. 71. 275
§ 4 Beurteilung durch Rechtsprechung und Literatur
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den Umständen insbesondere wegen seiner konkreten Bedeutung für die GmbH einerseits und anderweitiger Fortkommensmöglichkeiten des Geschäftsführers andererseits auch bis zu vier Jahren zulässigerweise vereinbart werden.282 Eine abweichende Auffassung wird auch hinsichtlich der Rechtsfolgen vertreten und sowohl bei Fehlen eines berechtigten geschäftlichen Interesses als auch bei unbilliger Beschränkung des Geschäftsführers in gegenständlicher oder örtlicher Hinsicht nicht mit dem BGH die Gesamtnichtigkeit des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes, sondern seine geltungserhaltende Reduktion angenommen. Bei Unbilligkeit wegen der Dauer des Wettbewerbsverbotes folge dies richtigerweise aus § 139 BGB, im Übrigen aus § 74a Abs. 1 HGB bzw. dem diesem zugrundeliegenden, in Anlehnung an Art. 12 GG entwickelten und auch für Verträge geltenden Prinzip regelentsprechender Reduzierung.283 3. Problematik der teilanalogen Anwendung der §§ 74 ff. HGB
Inwieweit dem BGH zu folgen ist, die §§ 74 ff. HGB zur Ergänzung der Wettbewerbsabreden heranzuziehen, soweit sie der GmbH günstige Regelungen enthalten, wird in der Literatur unterschiedlich bewertet. Teilweise besteht für diesen Ansatz zwar im Grundsatz Zustimmung; abweichend von der Ansicht des BGH wird aber auch die analoge Anwendung des die Anrechnung anderweitigen Erwerbes eröffnenden § 74c HGB befürwortet, da es sich auch bei dieser Norm um eine solche zum Schutz der Gesellschaft handele.284 Die Gegenansicht lehnt die vertragsergänzende Heranziehung der §§ 74 ff. HGB (konkret des § 75a HGB) dagegen ab. Es seien die Vereinbarungen zwischen der Kapitalgesellschaft und ihrem Geschäftsleiter zu respektieren. Sei kein Rücktrittsrecht vom nachvertraglichen Wettbewerbsverbot und insbesondere auch nicht die entsprechende Geltung der §§ 74 ff. HGB vereinbart, seien die Parteien hieran festzuhalten.285 Darüber hinaus wird für den Fall der ergänzenden Beachtung der §§ 74 ff. HGB die vollständige Übernahme der Tatbestands- und Rechtsfolgenregelungen (konkret des § 75a HGB) gefordert.286
282
Vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 200. Vgl. Jaeger, Anstellungsvertrag des GmbH-GF, S. 175; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 201. 284 Vgl. bei Prüfung i. S. d. BGH: Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1037, 1038; dies., BB 1995, 1134, 1137; Jaeger, Anstellungsvertrag des GmbH-GF, S. 176; Jäger, AG § 21 Rn. 65; Kukat, BB 2001, 541 f. (ohne Begründung); Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 255; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 183; für AG-Vorstand: MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rn. 54. 285 Vgl. Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 88; Heidenhain, NZG 2002, 605 f.; für AG-Vorstand: KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 88 Rn. 37. 286 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1092. 283
110
1. Teil: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer
II. Analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB auf besonders schutzbedürftige Geschäftsführer Etliche Literaturvertreter fordern dagegen anhaltend die analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB jedenfalls bei besonders schutzbedürftigen Geschäftsführern, sind sich aber nicht darüber einig, wie diese besondere Schutzbedürftigkeit festzustellen ist. 1. Analogie bei konkret individuell-persönlich begründeter Schutzbedürftigkeit
Nach einem Teil der Literaten kommt es darauf an, dass der Geschäftsführer aufgrund seiner individuell-persönlichen Rechtsstellung besonders schutzbedürftig ist. Wie diese individuell-persönliche Schutzbedürftigkeit im Einzelfall zu bestimmen ist, beurteilen auch diese Literaten allerdings wiederum uneinheitlich. Einige Vertreter erachten es als entscheidend, dass der Geschäftsführer „wirtschaftlich abhängig und sozial schutzbedürftig“ 287 bzw. „sozial schutzbedürftig“ 288 ist. Arbeitsrechtliche Vorschriften fänden nach der allgemeinen Rechtsprechung des BGH auf Organmitglieder Anwendung, soweit dies das Anstellungsverhältnis erfordere und die Organstellung nicht verbiete. Hiernach gölten die arbeitsrechtlichen Vorschriften der §§ 74 ff. HGB uneingeschränkt, da der Geschäftsführer nach seinem Ausscheiden keine Organstellung mehr inne habe, die der Anwendung der Normen entgegengehalten werden könne.289 Auch sei die Argumentation des BGH fragwürdig, die §§ 74 ff. HGB entsprächen nicht dem erhöhten Schutzbedürfnis der GmbH vor Konkurrenz, da über § 138 Abs. 1 BGB im Ergebnis dieselben inhaltlichen Grenzen gezogen würden, die bei Arbeitnehmern nach § 74a Abs. 1 HGB beständen. Die analoge Anwendung der Normen tangiere die GmbH mithin nicht in der Durchsetzbarkeit ihrer Geheimhaltungsinteressen, sondern beträfe alleine den – hiervon zu trennenden, erweiterten – Sozialschutz des Organmitglieds.290 Ferner sei dem Organmitglied das 287 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1038; dies., GmbHR 1999, 885, 886; dies., BB 1995, 1134, 1135; Bauer, in: FS Schwerdtner S. 441, 442; für Anwendung jedenfalls bei Fremdgeschäftsführern: Storf, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei den freien Berufen, S. 36 f. 288 Vgl. Bellstedt, GmbHR 1976, 236, 239, der bei der vorzunehmenden Prüfung, ob das Anstellungsverhältnis die Anwendung der §§ 74 ff. HGB erfordert, auf die Umstände des Einzelfalles unter Heranziehung der von der Rechtsprechung für relevant gehaltenen Kriterien (Dauer des Anstellungsverhältnisses, Höhe der Vergütung, Grad der Freiheit bzw. Abhängigkeit von Weisungen, Gewährung einer Pension und Möglichkeit in anderer Branche tätig zu werden) abstellt. 289 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1038; dies., GmbHR 1999, 885, 886; dies., BB 1995, 1134, 1135; Bauer, in: FS Schwerdtner S. 441, 442; Bellstedt, GmbHR 1976, 236, 239. 290 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1038; dies., GmbHR 1999, 885, 886; dies., BB 1995, 1134, 1135; Bauer, in: FS Schwerdtner S. 441, 442.
§ 4 Beurteilung durch Rechtsprechung und Literatur
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Wettbewerbsverbot nicht wegen seiner Organstellung, sondern wegen seiner spezifischen Vertrautheit mit den Geschäften der Gesellschaft auferlegt. Insofern unterschiede es sich aber nicht von „leitenden Angestellten“.291 Andere Vertreter erachten die besondere Schutzbedürftigkeit i. S. d. §§ 74 ff. HGB nur bei arbeitnehmerähnlichen Geschäftsführern für gegeben.292 Die §§ 74 ff. HGB dienten dem Ausgleich wirtschaftlicher Abhängigkeit. Sie könnten daher nur auf solche Geschäftsführer Anwendung finden, die wegen ihrer Abhängigkeit von der anstellungsvertraglich zugesicherten Vergütung zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes, ihrer auf einen langen Zeitraum angelegten Einbindung in den Betrieb sowie einer allenfalls geringen gewinnabhängigen Vergütung als wirtschaftlich abhängig und daher arbeitnehmerähnlich zu qualifizieren seien. Dies sei bei Fremd-, nicht aber bei Mehrheits-Gesellschafter-Geschäftsführern möglich. Bei Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführern komme es darauf an, ob durch die Gesellschafterstellung kein ausreichender Schutz gegeben sei.293 Trotz divergierender Kriterien zur Bestimmung der individuell-persönlichen Schutzbedürftigkeit nehmen die Vertreter dieser Ansicht aber übereinstimmend an, dass jedenfalls Fremdgeschäftsführer regelmäßig besonders schutzbedürftig sind, so dass auf diese die Normen der §§ 74 ff. HGB entsprechende Anwendung finden könnten.294 2. Analogie bei abstrakt-gesellschaftsrechtlich indizierter Schutzbedürftigkeit
Ein anderer Teil der Literatur beurteilt die besondere Schutzbedürftigkeit nach der gesellschaftsrechtlichen Stellung des Geschäftsführers. Auf die Untersuchung des Anstellungsverhältnisses komme es dagegen nicht an, da die §§ 74 ff. HGB der Sicherung der persönlichen und wirtschaftlichen Existenz dienten und daher nur dann keine Anwendung fänden, wenn der Geschäftsführer sowohl vermögens- als auch einflussmäßig mit dem Unternehmen, für das er arbeite, so stark verbunden sei, dass es als sein eigenes zu betrachten sei.295 Als besonders schutzbedürftig werden Fremdgeschäftsführer und Gesellschafter-Geschäftsfüh-
291
Vgl. Bellstedt, GmbHR 1976, 236, 239. Vgl. Boemke, ZfA 1998, 209, 234; Henssler, RdA 1992, 289, 294–296; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG, § 35 Rn. 106. 293 Vgl. Henssler, RdA 1992, 289, 294–296. 294 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1038; Henssler, RdA 1992, 289, 292 f. 295 Vgl. Wertheimer, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Arbeitsverhältnissen, S. 140 f., der Analogie aber auf sog. Drei-Säulen-Modell – § 74a Abs. 1: berechtigtes Interesse der Gesellschaft und keine unbillige Beschränkung des Geschäftsführers und § 74 Abs. 2: Notwendigkeit einer Karenzentschädigung – beschränkt. 292
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1. Teil: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer
rer mit weniger als 50 % der Gesellschaftsanteile erachtet, da sie keinen entscheidenden Einfluss auf die Gesellschaft hätten.296 Die Vertreter dieser Ansicht gehen davon aus, dass diese Geschäftsführer in gleicher Weise wie leitende Angestellte wirtschaftlich abhängig sind, so dass nicht nur die Normen der §§ 74 ff. HGB, die der Sicherung der besonderen Interessen des Unternehmens dienten, sondern auch die Normen mit sozialem Schutzcharakter analog gölten.297 Überwiegende Interessen der Gesellschaft, die über das bei leitenden Angestellten übliche Maß hinausgingen, beständen nicht. Daher könne die Anwendung der Normen mit sozialem Schutzcharakter auch nicht mit der Begründung abgelehnt werden, für ein früheres Organmitglied sei es viel leichter, in den Kundenkreis des Unternehmens einzubrechen und dessen Geschäftspartner an sich zu ziehen. Vielmehr bestehe diese Möglichkeit ebenso bei ehemaligen leitenden Angestellten, denen eine zentrale Funktion im Unternehmen zugekommen sei.298 Liege die entscheidende Motivation der Gesellschaft beim Abschluss des Wettbewerbsverbotes darin, die zukünftige Konkurrenztätigkeit des ehemaligen bei ihm abhängig Beschäftigten zu verhindern, gebiete es ferner die Fürsorgepflicht, für die wirtschaftliche Sicherheit des aus dem Unternehmen Ausgeschiedenen zu sorgen, unabhängig davon, ob dieser Mitglied des Vertretungsorgans war oder nicht.299 Schließlich erschiene es auch verfassungsrechtlich bedenklich, wenn der BGH für einen Personenkreis, den er selbst für schutzbedürftig erachte, selbstherrlich ein neben dem Wertungsmodell des Gesetzgebers stehendes Normensystem schaffe.300 3. Analogie bei abstrakt-gesellschaftsrechtlich indizierter und individuell-persönlich begründeter Schutzbedürftigkeit
Ein weiterer Teil der Literatur erkennt die besondere Schutzwürdigkeit nur Geschäftsführern zu, die zum einen nicht an der Gesellschaft beteiligt (Fremdgeschäftsführer) und zum anderen nach dem Gesamtbild ihrer Tätigkeit individuellpersönlich schutzwürdig, weil arbeitnehmerähnlich sind.301 Für die entspre296 Vgl. Brachert, Organmitgliedschaft und Arbeitnehmerstatuts, S. 192, 218; Ensthaler/Etzel, GK-HGB, §§ 74–75d Rz. 2; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 182 (Fremdgeschäftsführer und abhängige Gesellschafter-Geschäftsführer); Wertheimer, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Arbeitsverhältnissen, S. 141. 297 Vgl. Gissel, Arbeitnehmerschutz für den GmbH-GF, S. 126, 137; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 182. 298 Vgl. Brachert, Organmitgliedschaft und Arbeitnehmerstatuts, S. 218; Gissel, Arbeitnehmerschutz für den GmbH-GF, S. 137. 299 Vgl. Gissel, Arbeitnehmerschutz für den GmbH-GF, S. 137. 300 Vgl. Brachert, Organmitgliedschaft und Arbeitnehmerstatuts, S. 219; Wertheimer, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Arbeitsverhältnissen, S. 139 kritisiert einseitige Aufspaltung. 301 Vgl. Lepke in Anm. zu LG Köln, Urt. v. 1.10.1975 – 49 O 169/75, AP Nr. 2 zu § 37 GmbHG; Staub, Großkomm.HGB/Weber, Vor § 74 Rn. 21.
§ 4 Beurteilung durch Rechtsprechung und Literatur
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chende Anwendung der §§ 74 ff. HGB auf Fremdgeschäftsführer sei das Moment der sozialen Schutzbedürftigkeit entscheidend. Die Leitungsfunktion des Geschäftsführers stehe der entsprechenden Geltung der §§ 74 ff. HGB nicht entgegen, da auch leitende Angestellte die Geschäftspolitik entscheidend beeinflussten, ohne dass hieran die Anwendbarkeit der §§ 74 ff. HGB scheitere. Dagegen sei dem BGH zuzugeben, dass das Leitbild der §§ 74 ff. HGB im Falle des Gesellschafter-Geschäftsführers nicht passe. Die Schutzfunktion der Normen greife nicht, da der Gesellschafter-Geschäftsführer nicht fremdnützig, sondern selbst unternehmerisch tätig sei. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot beeinträchtige zwar auch ihn in seiner beruflichen Tätigkeit. Dies gehöre indes zu den unternehmerischen Risiken, die er als Selbständiger zu tragen und gegen die er durch vertragliche Abmachungen eigenverantwortlich Vorsorge zu treffen habe. Hierfür stelle § 138 BGB eine hinreichende Grenze dar und bewahre die erforderliche Flexibilität zur Berücksichtigung der Interessenlage des Einzelfalls.302 III. Analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB auf alle Geschäftsführer In der Literatur wird schließlich die analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB auf alle Geschäftsführer gefordert.303 Die Untersuchung der Analogievoraussetzungen zeige, dass die Interessenlage im Hinblick auf nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Geschäftsführern die gleiche sei wie bei Arbeitnehmern. Dem erhöhten Interesse des Unternehmens an der Unterlassung von nachvertraglichem Wettbewerb durch ihren ehemaligen Geschäftsführer stehe nämlich das ebenfalls erhöhte Interesse des Geschäftsführers, in seinem beruflichen Fortkommen nicht gehindert zu werden, gegenüber.304 Es sei im Hinblick auf den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und das Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geboten, nachvertragliche Wettbewerbsverbote von Geschäftsführern nicht lediglich anhand von § 138 BGB zu beurteilen, sondern die §§ 74 ff. HGB insgesamt analog anzuwenden.305 Der gesamte Komplex der in §§ 74 ff. HGB enthaltenen gesetzlichen Regelungen über das nachvertragliche Wettbewerbsverbot sei heute als Ausdruck eines übergeordneten Rechtsgedankens vor dem Hintergrund des Art. 12 GG zu sehen und zu bewerten, so dass neben § 74 Abs. 2 HGB auch die Formvorschriften und Anrechnungsregelungen der §§ 74 ff. HGB auf das Vertragsverhältnis mit dem Geschäftsführer einer 302
Vgl. Staub, Großkomm.HGB/Weber, Vor § 74 Rn. 21. Vgl. Gaul, GmbHR 1991, 144, 147 f.; Gravenhorst, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit GmbH-GF, S. 128. 304 Vgl. Gravenhorst, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit GmbH-GF, S. 115– 119, 128. 305 Vgl. Gaul, GmbHR 1991, 147 ff., 151; Gravenhorst, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit GmbH-GF, S. 74, 78, 128. 303
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1. Teil: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer
GmbH anwendbar seien.306 Zudem vermöge der auf der Grundlage von § 138 BGB i.V. m. Art. 2 und 12 GG unter umfassender Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Interessenausgleich zwar Einzelfallgerechtigkeit, nicht aber klare Grundsätze, an welchen sich die Praxis ausrichten könnte, zu verschaffen und diene daher nicht der Rechtssicherheit. Schließlich stehe die Rechtsprechung in der Gefahr, nicht mehr nur die äußerste Grenze zur Sittenwidrigkeit zu bewachen, sondern in jedem Einzelfall selbst die vermeintlich sachgerechteste Lösung zu suchen, was mit dem Prüfungsmaßstab des § 138 BGB nicht mehr zu vereinbaren sei.307 IV. Zwischenergebnis In der Literatur herrscht Uneinigkeit hinsichtlich des geltenden Prüfungsmaßstabes. Ein Teil der Vertreter ist mit der Rechtsprechung der Ansicht, vereinbarte Verbote seien anhand von § 138 Abs. 1 BGB zu überprüfen. Der Maßstab des § 138 BGB werde der herausgehobenen, unternehmergleichen Stellung und Funktion des Geschäftsführers gerecht und sei flexibler als die §§ 74 ff. HGB. Die Ansicht stimmt auch dahingehend mit der Rechtsprechung überein, die §§ 74 ff. HGB in ihren Wertgedanken zur Konkretisierung des § 138 BGB heranzuziehen. In Einzelfragen werden aber zur Rechtsprechung abweichende Ergebnisse erzielt. So erachtet ein Großteil der Vertreter die Zahlung einer Karenzentschädigung jedenfalls bei Fremdgeschäftsführern für geboten. Unterschiedlich wird innerhalb dieser Ansicht schließlich beurteilt, ob dem BGH auch darin zu folgen ist, die §§ 74 ff. HGB dann und insoweit zur Ergänzung der vertraglichen Abreden heranzuziehen, wie sie der GmbH günstig sind. Während dieser Ansatz teilweise bereits als Widerspruch zur Vertragsfreiheit abgelehnt wird, kommen andere Vertreter bei grundsätzlicher Anerkennung dieses Ansatzes zu abweichenden Ergebnissen hinsichtlich des in Rede stehenden § 74c HGB. Ein anderer Teil der Literatur fordert dagegen die analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB bei besonders schutzbedürftigen Geschäftsführern. Es sei nicht sachgerecht, die gesamt-analoge Anwendung der HGB-Normen auf das Anstellungsverhältnis unter Verweis auf die Organstellung des Geschäftsführers und das besondere Interesse der Gesellschaft am Geheimnisschutz abzulehnen. Die Organstellung sei vom Anstellungsverhältnis zu trennen und bei Eingreifen des Wettbewerbsverbotes in der Regel bereits beendet; sie könne daher nicht mehr entgegengehalten werden. Der Geheimnisschutz werde der Gesellschaft im Rahmen der Grenzen des § 74a HGB zuerkannt, so dass die Frage der Analogie lediglich die Geltung auch der sozialen Schutzvorschriften beträfe. Geschäftsführer 306
Vgl. Gaul, GmbHR 1991, 148. Vgl. Sina, DB 1985, 902 f. (aber ohne Konsequenz dahingehend, §§ 74 ff. HGB anzuwenden). 307
§ 4 Beurteilung durch Rechtsprechung und Literatur
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seien aber – ebenso wie die von den Normen uneingeschränkt erfassten leitenden Angestellten – wirtschaftlich abhängig, so dass die Anwendung der sozialen Schutznormen auch bei ihnen geboten sei. Uneinigkeit besteht innerhalb dieser Ansicht, wie die besondere Schutzbedürftigkeit zu bestimmen ist. Während zum einen konkret-individuelle Schutzbedürftigkeit des Geschäftsführers gefordert und diese angenommen wird, wenn der Geschäftsführer wirtschaftlich abhängig und sozial schutzbedürftig bzw. arbeitnehmerähnlich ist, bestimmen andere Literaten die besondere Schutzbedürftigkeit alleine nach der gesellschaftsrechtlichen Stellung. Als besonders schutzbedürftig gelten hiernach Fremdgeschäftsführer bzw. Fremdgeschäftsführer und Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer. Abweichend hiervon nehmen andere Vertreter die besondere Schutzbedürftigkeit wiederum nur an, wenn der Geschäftsführer sowohl wegen seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung als auch wegen seiner individuell-persönlichen Schutzbedürftigkeit, weil Arbeitnehmerähnlichkeit, in gleicher Weise wie ein leitender Angestellter wirtschaftlich abhängig ist. Trotz ihrer abweichenden Ansätze zur besonderen Schutzbedürftigkeit kommen alle Vertreter aber übereinstimmend zum Ergebnis der analogen Anwendung jedenfalls bei Fremdgeschäftsführern. Schließlich gibt es auch Stimmen in der Literatur, die die analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB bei allen Geschäftsführern für sachgerecht erachten, da sich die Interessenlage bei Geschäftsführern nicht anders darstelle als bei Arbeitnehmern, so dass die Grundsätze der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) und der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) die Erstreckung der rechtssichereren und als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens zu verstehenden HGB-Normen auf Geschäftsführer geböten.
D. Zusammenfassung Die Rechtslage bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten mit Geschäftsführern ist im Grundsatz und in Einzelfragen nach wie vor unklar. Dem BGH ist es in den vergangenen Jahren nicht gelungen, ein klares Beurteilungsmodell herauszuarbeiten bzw. zu verfestigen. Zwar zieht er konstant zur Prüfung der Zulässigkeit entsprechender Abreden § 138 Abs. 1 BGB heran und lehnt die analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB ab. Seinen zwischenzeitlichen Ansatz, die allgemeinen Wertungen der §§ 74 ff. HGB heranzuziehen, hat er aber nicht weiter verfestigt. Inwieweit er an seinem Ansatz festhalten will, zur Ergänzung der vertraglichen Wettbewerbsabreden die §§ 74 ff. HGB anzuwenden, wenn und soweit sie der GmbH günstig sind, ist nach jüngeren Entscheidungen offen. Infolgedessen sind für die rechtsgestaltende Praxis relevante Fragen noch nicht geklärt und werden durch die Instanzgerichte – trotz Heranziehung der Beurteilungsgrundsätze des BGH – abweichend beurteilt.
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1. Teil: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer
Innerhalb der Literatur weichen die Meinungen in Grundsatz- und Einzelfragen ebenfalls voneinander ab. Während teilweise die Ablehnung der Analogie zu den §§ 74 ff. HGB und die Rechtmäßigkeitsprüfung durch den BGH anhand des § 138 Abs. 1 BGB i.V. m. den Wertungen der §§ 74 ff. HGB befürwortet, in Einzelfragen aber Abweichendes vertreten wird, fordert ein Großteil der Literatur die gesamtanaloge Anwendung der §§ 74 ff. HGB jedenfalls bei besonders schutzbedürftigen Geschäftsführern, bestimmt diese Schutzbedürftigkeit aber wiederum uneinheitlich.
2. Teil
Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe Welche rechtlichen Regelungen zur Beurteilung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote mit Geschäftsführern heranzuziehen sind, wird im folgenden Teil erörtert. Schwerpunktmäßig wird geprüft, ob es sachgerecht ist, dass der BGH die Zulässigkeit der Wettbewerbsverbote anhand von § 138 BGB beurteilt und im Übrigen die §§ 74 ff. HGB vertragsergänzend anwendet, wenn und soweit sie allgemeine Rechtsgrundsätze bzw. der GmbH günstige Regelungen enthalten oder aber ob entsprechend der Auffassung eines Großteiles der Literatur der Gesamtregelungskomplex der §§ 74 ff. HGB heranzuziehen ist. Daneben wird behandelt, welche Schranken sonstige gesetzliche Regelungen ziehen. Dabei wird der Blick stets auch darauf gerichtet, ob den Normen einheitliche allgemeine Wertungen zum Umgang mit Wettbewerbsverboten entnommen werden können. Im ersten Abschnitt wird geprüft, wann ein Verbot wegen Europarechtswidrigkeit nichtig ist.1 Nach Ausführungen in Abschnitt zwei, welche verfassungsrechtlichen Aspekte bei der Beurteilung von Wettbewerbsverboten zu berücksichtigen sind, wird in Abschnitt drei zunächst das nationale Wettbewerbsrecht (GWB und UWG) erörtert, bevor auf die Problematik der analogen Anwendung der §§ 74 ff. HGB sowie der Heranziehung und Konkretisierung des § 138 BGB eingegangen wird.
§ 1 Europarecht Die nachvertragliche Wettbewerbsabrede muss mit dem Europarecht vereinbar sein. Das ist dann nicht der Fall, wenn sie gegen unmittelbar anwendbare Vorschriften des EU-Vertrages (EUV) oder des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verstößt oder die europäischen Grundrechte des Geschäftsführers verletzt.
1 Zu den rechtlichen Maßstäben für nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit Arbeitnehmern in anderen europäischen und sonstigen Staaten: Edenfeld, ZfA 2004, 463, 473 ff. und Brendel, Nachvertragliche grenzüberschreitende Wettbewerbsverbote, S. 159 ff. mit Vorschlag zur europarechtlichen Kodifizierung von Mindestvoraussetzungen.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
A. Verstoß gegen AEUV Durch den am 13.12.2007 unterzeichneten und zum 1.12.2009 in Kraft getretenen Reformvertrag von Lissabon ist der EG-Vertrag – mit zahlreichen Änderungen und Ergänzungen – in den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) umbenannt worden.2 Der EG-Vertrag ist als gegenüber dem nationalen Recht vorrangige, eigenständige supranationale Rechtsordnung in die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten aufgenommen worden3; zahlreiche Normen haben unmittelbare rechtliche Wirkung für und gegen die Unternehmen und Bürger bzw. zwischen den Unternehmen oder Bürgern und ihren nationalen Behörden in den Mitgliedstaaten entfaltet, ohne dass es ihrer Umsetzung in staatliches Recht bedurfte.4 Nichts anderes gilt für den nachfolgenden AEUV.5 I. Verstoß gegen Art. 101 AEUV (vormals Art. 81 EG) Nach Art. 101 Abs. 1 AEUV sind „alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarktes bezwecken oder bewirken, [. . .]“ mit dem Binnenmarkt unvereinbar und nach Art. 101 Abs. 2 AEUV nichtig. Die Norm entspricht – abgesehen davon, dass Art. 81 EG auf den Schutz des „Gemeinsamen Marktes“ bezogen war – inhaltlich Art. 81 EG6, so dass den folgenden Ausführungen Rechtsprechung und Literatur insbesondere auch zu Art. 81 EG zugrundegelegt werden können.7 Art. 101 Abs. 1 AEUV entfaltet unmittelbare rechtliche Wirkungen für und gegen jedes Unternehmen in den Mitgliedstaaten.8 Ein nachvertragliches Wettbe2 Vgl. Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, Präambel EUV Rn. 15 und Art. 1 AEUV Rn. 1. 3 Vgl. EuGH, Urt. v. 15.7.1964 – C-6/64, Slg. 1964, S.1251 – Costa ENEL; EuGH, Urt. v. 13.2.1969 – C-14/68, Slg. 1969, 1 – Walt Wilhelm; MünchKommEuWettbR/ Kirchhoff, Einl. Rn. 441. 4 Vgl. MünchKommEuWettbR/Kirchhoff, Einl. Rn. 441. 5 Vgl. Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, Art. 1 AEUV Rn. 4. 6 Vgl. Fischer, Der Vertrag von Lissabon, S. 278 f. mit Kommentar (1), nach dem Kapitel bzgl. Wettbewerbsregeln lediglich neu durchnummeriert wurde; Streinz/Ohler/ Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, S. 252; ebenso: die Übereinstimmungstabellen nach Art. 5 des Vertrages von Lissabon, in: Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, XXIX. 7 Entscheidungen aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des Reformvertrages von Lissabon sind daher solche zu Art. 81 EG. 8 Vgl. EuGH, Urt. v. 30.1.1974 – C-127/73, Slg. 1974, 51 – BRT/SABAM; Grabitz/ Hilf/Aicher/Schumacher/Stockenhuber/Schroeder, EUV/AEUV, Band II, Art. 81 EGV (40 EL 2009) Rn. 4; MünchKommEuWettbR/Kirchhoff, Einl. Rn. 442.
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werbsverbot ist daher nach Art. 101 Abs. 2 AEUV nichtig, wenn es die Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 1 AEUV erfüllt. 1. Vereinbarung
Eine Vereinbarung setzt eine rechtsgeschäftliche Einigung zwischen den Beteiligten voraus, sich auf dem Markt in bestimmter Weise zu verhalten.9 Sie liegt grundsätzlich bei allen Arten von Verträgen vor; eine gemeinsame Zweckverfolgung ist nicht notwendig.10 Die Vereinbarung muss zwischen selbständigen Partnern, also rechtlich selbständigen natürlichen oder juristischen Personen bzw. Personenvereinigungen, getroffen werden.11 Es schadet nicht, wenn der Vertragsinhalt von einem Vertragspartner einseitig vorgegeben wird, ohne dass dem anderen die Möglichkeit der Einflussnahme zukommt12 oder es sich um Austauschverträge handelt, die sich grundsätzlich durch gegenläufige Interessen kennzeichnen.13 2. Unternehmer
Der Unternehmensbegriff wird umfassend verstanden, um den Kreis der Normadressaten der Wettbewerbsregeln möglichst groß und damit den Wirkungsbereich der Normen im Interesse des Binnenmarktes (Art. 81 EG: Gemeinsamen Marktes) weit zu ziehen. Es gilt ein funktionaler Unternehmensbegriff, nach dem es entscheidend auf die Ausübung wirtschaftlicher Tätigkeit, unabhängig von Rechtsform und Art der Finanzierung ankommt.14 Auch natürliche Personen kön9 Vgl. EuGH, Urt. v. 8.7.1999 – C-49/92 P, Slg. 1999 I-4125 Kommission/Anic Partecipazioni; EuGH, Urt. v. 6.1.2004 – C-2/01 P und C-3/01 P, EuZW 2004, 309 – Bundesverband der Arzneimittel-Importeure e.V. und Kommission/Bayer AG; EuG, Urt. v. 11.12.2003 – T 56/99, Slg. 2003 II-5225, 5255 – Marlines/Kommission; Immenga/ Mestmäcker/Emmerich, Art. 81 Rn. 65 ff.; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Gippini-Fournier/Mojzesowicz, KartellR Art. 81 Rn. 78; Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, Art. 101 AEUV Rn. 14 ff.; MünchKommEUWettbR/Säcker/Molle/Kirchhoff, Art. 81 Rn. 7, 11; Calliess/Ruffert/Weiß, EUV/AEUV, Art. 101 AEUV Rn. 47. 10 Vgl. MünchKommEUWettbR/Säcker/Molle/Kirchhoff, Art. 81 Rn. 20. 11 Vgl. v. d. Groeben/Schwarze/Schröter, Artikel 81 EG Rn. 61. 12 Vgl. zu Musterverträgen: EuGH, Urt. v. 6.2.1973 – C-48/72, Slg. 1973, 77 – Haecht II; Schwarze/Brinker, EU, Art. 81 Rn. 32; MünchKommEUWettbR/Säcker/ Molle/Kirchhoff, Art. 81 Rn. 26; v. d. Groeben/Schwarze/Schröter, Artikel 81 EG Rn. 62. 13 Vgl. Immenga/Mestmäcker/Emmerich, Art. 81 Rn. 73; MünchKommEUWettbR/ Säcker/Molle/Kirchhoff, Art. 81 Rn. 26. 14 Vgl. EuGH, Urt. v. 25.10.2001 – C-475/99, Slg. 2001, I-8089 – Ambulanz Glöckner; EuGH, Urt. v. 28.6.2005 – C-189/02 P, C-202/02 P und weitere, Slg. 2005, I-5425– 5636 – HFB/Isoplus; EuGH, Urt. v. 10.1.2006 – C-222/04, EuZW 2006, 306, 310 – Sparkasse Florenz, EuG, Urt. v. 4.3.2003 – T-319/99, Slg. 2003 II-360, 372 – FENIN/ Kommission; EuG, Urt. v. 26.1.2005 – T-193/02, Slg. 2005, II-209 – Piau/Kommission; Langen/Bunte, KartellR Bd. II, Art. 81 EG Rn. 5; Schwarze/Brinker, EU, Art. 81 Rn. 26 f.; Immenga/Mestmäcker/Emmerich, Art. 81 Rn. 11 ff., 21 m. z.w. N.; Loewen-
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
nen danach Unternehmer sein, soweit sie eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben.15 Das ist insbesondere bei selbständigen Tätigkeiten, jedenfalls aber beim Angebot von Waren oder Dienstleistungen gegen Entgelt, der Fall.16 Beschäftigte eines Unternehmens, die innerhalb des Bereiches ihrer Beschäftigung und damit zur Förderung der wirtschaftlichen Betätigung des Unternehmens tätig werden, sind dagegen unselbständig und keine Unternehmer. Nach Ende des Beschäftigungsverhältnisses können sie aber wirtschaftlich-selbständig tätig werden, so dass Wettbewerbsvereinbarungen sie als zukünftige potenzielle Unternehmer betreffen. Auch potenzielle Unternehmer werden durch Art. 101 Abs. 1 AEUV vor wettbewerbsbeschränkenden Absprachen im Vorfeld wirtschaftlicher Tätigkeiten geschützt.17 3. Zwischenstaatlichkeit
Art. 101 bis 106 AEUV (vormals Art. 81 bis 86 EG) dienen als europäisches Kartellrecht nur dem Schutz des innergemeinschaftlichen Handels vor wettbewerbsverfälschenden Beeinträchtigungen.18 Art. 101 Abs. 1 AEUV greift daher nur ein, wenn die wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung geeignet ist, den Hanheim/Meessen/Riesenkampff/Gippini-Fournier/Mojzesowicz, KartellR, Art. 81 Rn. 40; Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, Art. 101 AEUV Rn. 9; Frankfurter Kommentar/ Roth/Ackermann, KartellR, Lfg. 01/09, Art. 81 EG Rn. 31 f.; MünchKommEUWettbR/ Säcker/Herrmann, Einl. Rn. 1591, 1597; Schröter/Jakob/Mederer, EUWettbR, Vorb. zu den Art. 81–85 Rn. 17, 21; Calliess/Ruffert/Weiß, EUV/AEUV, Art. 101 AEUV Rn. 25; Wiedemann, Hdb. KartellR, § 4 Rn. 1. 15 Vgl. EuGH, Urt. v. 19.2.2002 – C-309/99, Slg. 2002, I-1577 – Wouters (bzgl. Rechtsanwälten); Langen/Bunte, KartellR Bd. II, Art. 81 EG Rn. 9; Geiger/Khan/ Kotzur, EUV/AEUV, Art. 101 AEUV Rn. 9; Frankfurter Kommentar/Roth/Ackermann, KartellR, Lfg. 01/09, Art. 81 EG Rn. 115; MünchKommEUWettbR/Säcker/Herrmann, Einl. Rn. 1643 mit zahlreichen Einzelfällen. 16 Vgl. EuGH, Urt. v. 25.10.2001 – C-475/99, Slg. 2001, I-8089 – Ambulanz Glöckner; EuGH, Urt. v. 19.2.2002 – C-309/99, Slg. 2002, I-1577 – Wouters; EuGH, Urt. v. 10.1.2006 – C-222/04, EuZW 2006, 306, 310 – Sparkasse Florenz; EuG, Urt. v. 4.3. 2003 – T-319/99, Slg. 2003 II-360, 372 – FENIN/Kommission; Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, Art. 101 AEUV Rn. 9; Frankfurter Kommentar/Roth/Ackermann, KartellR, Lfg. 01/09, Art. 81 EG Rn. 41; MünchKommEuWettbR/Säcker/Herrmann, Einl. Rn. 1601 ff.; v. d. Groeben/Schwarze/Schröter, Vorbem. zu den Artikeln 81 bis 8 EG Rn. 22 f. 17 Vgl. EU Kommission, Entsch. v. 26.6.1975 betreffend Verfahren Reuter/BASF – 76/743/EWG für Ausscheiden des Arbeitnehmers; hierzu auch: Loewenheim/Meessen/ Riesenkampff/Gippini-Fournier/Mojzesowicz, KartellR, Art. 81 Rn. 105; Frankfurter Kommentar/Roth/Ackermann, KartellR, Lfg. 01/09, Art. 81 EG Rn. 52 Schröter/Jakob/ Mederer, EUWettbR, Vorb. zu den Art. 81–89 Rn. 24, 30; v. d. Groeben/Schwarze/ Schröter, Vorbem. zu den Artikeln 81 bis 85 EG Rn. 24, 30; für AG-Vorstand: HKAktG/Bürgers/Israel, § 88 Rn. 16, MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rn. 51. 18 Vgl. Schwarze/Brinker, EU, Art. 81 Rn. 68; Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, Art. 101 AEUV Rn. 22; MünchKommEUWettbR/Säcker/Molle/Kirchhoff, Art. 81 Rn. 565 ff.; v. d. Groeben/Schwarze/Schröter, Artikel 81 EG Rn. 14; Schröter/Jakob/ Mederer, EUWettbR, Vorb. zu den Art. 81–89 Rn. 192 ff.
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del zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.19 Ob dies der Fall ist, prüft der EuGH im Wege der Gesamtbetrachtung der objektiven rechtlichen und tatsächlichen Umstände des Einzelfalles. Entscheidend ist, ob sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit voraussehen lässt, dass der Handel zwischen den Mitgliedstaaten unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell in einer Weise beeinflusst wird, die die Verwirklichung eines einheitlichen Marktes der Mitgliedstaaten hemmen könnte.20 Ausreichend ist, wenn Auswirkungen auf grenzüberschreitende wirtschaftliche Tätigkeiten in mindestens zwei Mitgliedstaaten möglich sind (Auswirkungsprinzip).21 Hierbei darf es sich nicht nur um geringfügige Handelsbeeinträchtigungen handeln.22 Ein Wettbewerbsverbot, das einen Wettbewerber verdrängen soll, ist dann geeignet, den gemeinschaftlichen Handel zu beeinträchtigen, wenn durch die Ausschaltung des Wettbewerbers spürbare Auswirkungen auf den gemeinsamen Markt begründet werden können.23 4. Wettbewerbsbeschränkung
Grundsätzlich erfasst Art. 101 Abs. 1 AEUV zwar jegliche Einschränkungen der wettbewerblichen Handlungsfreiheit der beteiligten Unternehmen, die sich spürbar nachteilig auf die gesamtwirtschaftlichen Verhältnisse auswirken können.24 Ausgenommen werden nach dem Sinn und Zweck der Norm – in Rechtsprechung und Literatur in Anlehnung an das US-amerikanische Antitrustrecht unter dem Begriff rule-of-reason diskutiert – aber solche Verhaltensweisen, die 19
Vgl. Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, Art. 101 AEUV Rn. 22. Vgl. EuGH, Urt. v. 11.7.1985, C-42/84, Slg. 1985, 2545 – Remia; EuGH, Urt. v. 25.10.2001 – C-475/99, Slg. 2001, I-8089 – Ambulanz Glöckner; EuGH, Urt. v. 13.7. 2006 – C-295/04, C-298/04 und weitere, EuZW 2006, 529 Rn. 42 – Manfredi/Lloyd Adriatico; Schwarze/Brinker, EU, Art. 81 Rn. 68; Immenga/Mestmäcker/Emmerich, Art. 81 Rn. 272; Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, Art. 101 AEUV Rn. 22 f.; MünchKommEUWettbR/Säcker/Molle/Kirchhoff, Art. 81 Rn. 581, 584, 605; v. d. Groeben/ Schwarze/Schröter, Artikel 81 EG Rn. 193 ff.; Wiedemann, Hdb. KartellR, § 2 Rn. 4 und Wiedemann/Lübbig, § 7 Rn. 30. 21 Vgl. Grabitz/Hilf/Aicher/Schumacher/Stockenhuber/Schroeder, EUV/AEUV, Band II, Art. 81 EGV (40. EL 2009) Rn. 33; MünchKommEUWettbR/Säcker/Molle/Kirchhoff, Art. 81 Rn. 575; Calliess/Ruffert/Weiß, EUV/AEUV, Art. 101 AEUV Rn. 8. 22 Vgl. EuGH, Urt. v. 25.10.2001 – C-475/99, Slg. 2001, I-8089 – Ambulanz Glöckner; Schwarze/Brinker, EU, Art. 81 Rn. 69 ff.; Immenga/Mestmäcker/Emmerich, Art. 81 Rn. 272 und Gippini-Fournier, Art. 81 Rn. 179 f.; Geiger/Khan/Kotzur, EUV/ AEUV, Art. 101 AEUV Rn. 23; Wiedemann/Lübbig, Hdb. KartellR, § 7 Rn. 41; MünchKommEUWettbR/Säcker/Molle/Kirchhoff, Art. 81 Rn. 581, 584, 605; v. d. Groeben/Schwarze/Schröter, Artikel 81 EG Rn. 193 ff. 23 Vgl. EuGH, Urt. v. 6.3.1974 – C-6/73, Slg. 1974, 223 Rn. 33 – Commercial Solvents; Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, Art. 101 AEUV Rn. 24; MünchKommEUWettbR/Säcker/Molle/Kirchhoff, Art. 81 Rn. 579; Calliess/Ruffert/Weiß, EUV/AEUV, Art. 101 AEUV Rn. 131 ff. 24 Vgl. Immenga/Mestmäcker/Emmerich, Art. 81 Rn. 129 ff.; Loewenheim/Meessen/ Riesenkampff/Gonzalez Diaz, KartellR, Art. 81 Rn. 104; Calliess/Ruffert/Weiß, EUV/ AEUV, Art. 101 AEUV Rn. 83 ff. 20
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
zwar zunächst wettbewerbsbeschränkend wirken, im Ergebnis indes wettbewerbsfördernd sind.25 So sind Nebenabreden, die an sich wettbewerbsbeschränkend wirken, nicht nach Art. 101 Abs. 1, 2 AEUV nichtig, wenn der Hauptgegenstand der Gesamtvereinbarung nicht gegen Art. 101 AEUV verstößt und die Nebenabrede für die Durchführung des kartellrechtlich nicht zu beanstandenden Hauptgegenstandes notwendig ist.26 Dies hat der EuGH in der Remia-Entscheidung für den Unternehmenskaufvertrag deutlich gemacht. Er erklärte das Wettbewerbsverbot in dem Unternehmenskaufvertrag nicht wegen Kartellrechtsverstoßes für nichtig, weil es für die wirksame Übertragung des Unternehmens unabdingbar und räumlich, zeitlich und gegenständlich auf das zur Durchführung des Vertrages erforderliche Ausmaß beschränkt sei. Die Unabdingbarkeit folge aus der Tatsache, dass der Veräußerer mit seinem detaillierten Wissen über das übertragene Unternehmen immer noch in der Lage sei, die früheren Kunden sofort nach der Übertragung zurückzugewinnen und hierdurch das veräußerte Unternehmen aus dem Markt zu drängen.27 Nebenabreden sind wettbewerbsbeschränkende Rege25
Vgl. EuGH, Urt. v. 11.7.1985, C-42/84, Slg. 1985, 2545 – Remia; EuG, Urt. v. 18.9.2001 T-112/99, Slg. 2001, II-2459, 2498–2499 Rn. 109, 112 – Metropole Télévision und andere/Kommission; Grabitz/Hilf/Aicher/Schumacher/Stockenhuber/Schroeder, EUV/AEUV, Band II, Art. 81 EGV (40. EL 2009) Rn. 20; Bechtold/Bosch/Brinker/Hirsbrunner, EG-KartellR, Art. 81 Rn. 113 ff.; Schwarze/Brinker, EU, Art. 81 Rn. 48; Immenga/Mestmäcker/Emmerich, Art. 81 Rn. 246 ff.; Loewenheim/Meessen/ Riesenkampff/Gippini-Fournier/Mojzesowicz, KartellR, Art. 81 Rn. 24 und Gonzalez Diaz, Art. 81 Rn. 135 ff., insbes. Rn. 146 ff., Wiedemann/Lübbig, Hdb. KartellR, § 7 Rn. 28; MünchKommEUWettbR/Säcker/Molle, Art. 81 Rn. 480, 498; v. d. Groeben/ Schwarze/Schröter, Artikel 81 EG Rn. 92; Schröter/Jakob/Mederer, EUWettbR, Vorb. zu den Art. 81–89 Rn. 107 ff.; Calliess/Ruffert/Weiß, EUV/AEUV, Art. 101 AEUV Rn. 108. 26 Vgl. EuG, Urt. v. 18.9.2001 – T-112/99, Slg. 2001, II-2459, 2498–2499 Rn. 109, 112 – Metropole Télévision und andere/Kommission; ausführlich: Molle, Begleitende Wettbewerbsverbote, S. 21 f.; Bechtold/Bosch/Brinker/Hirsbrunner, EG-KartellR, Art. 81 Rn. 119; Schwarze/Brinker, EU, Art. 81 Rn. 55 ff.; Immenga/Mestmäcker/Emmerich, Art. 81 Rn. 181, 247; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Gonzalez Diaz, KartellR, Art. 81 Rn. 140 ff.; Wiedemann/Lübbig, Hdb. KartellR, § 7 Rn. 29; Frankfurter Kommentar/Roth/Ackermann, KartellR, Lfg. 01/09, Art. 81 EG Rn. 22; MünchKommEuWettbR/Säcker/Molle, Art. 81 Rn. 494, 507; Schröter/Jakob/Mederer, EUWettbR, Vorb. zu den Art. 81–89 Rn. 107; v. d. Groeben/Schwarze/Schröter, Artikel 81 EG Rn. 91; Calliess/Ruffert/Weiß, EUV/AEUV, Art. 101 AEUV Rn. 116 f. 27 Vgl. EuGH, Urt. v. 11.7.1985, C-42/84, Slg. 1985, 2545 – Remia (wenn auch hinsichtlich Anwendbarkeit des Art. 81 EG diskutiert); so bereits EU Kommission, Entsch. v. 26.6.1975 betreffend Verfahren Reuter/BASF – 76/743/EWG, WuW/E EV 678 (beide zu Art. 81 EG); umfassend hierzu: Molle, Begleitende Wettbewerbsverbote, S. 14, S. 132 ff.; vgl. auch die Bekanntmachung der Kommission über Einschränkungen des Wettbewerbs, die mit der Durchführung von Unternehmenszusammenschlüssen unmittelbar verbunden und für diese notwendig sind, ABl. 2004 C 101, 97, nach der Wettbewerbsverbots-, Abwerbeverbots- und Vertraulichkeitsklauseln Nebenabreden zu einem Zusammenschluss sind, wenn sie einen Zeitraum von drei Jahren (bei einer Unternehmensübertragung mit Übertragung von Kundenbindung in Form von Goodwill und Know-how) oder zwei Jahren (bei Übertragung nur von Goodwill) nicht überschreiten, sie auf das Gebiet beschränkt sind, in dem der Veräußerer seine Waren und Dienstleis-
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lungen, die untrennbar mit dem Hauptgegenstand der Gesamtvereinbarung verbunden sind, diesem gegenüber aber eine untergeordnete Bedeutung haben;28 so dass angenommen werden kann, dass sie das Schicksal der Hauptabrede teilen.29 Eine Nebenabrede ist für die Durchführung der Hauptvereinbarung notwendig, wenn sie objektiv erforderlich ist und in angemessenem Verhältnis zur Hauptvereinbarung steht.30 Die objektive Erforderlichkeit ist dabei im besonderen Rahmen der Hauptvereinbarung und losgelöst von der konkreten Situation am Markt zu ermitteln.31 Für die Frage der Angemessenheit ist entscheidend, dass sich die Nebenabrede nach ihrem räumlichen, zeitlichen und sachlichen Umfang im Rahmen des objektiv Erforderlichen für die Durchführung der Hauptvereinbarung hält.32 Im Standesrecht der freien Berufe werden Wettbewerbsverbote von Rechtsprechung und Literatur als zulässig erachtet; sie seien erforderlich, da durch sie die Rahmenbedingungen für die Entfaltung von Wettbewerb überhaupt erst geschaffen würden und notwendig, um die ordnungsgemäße Ausführung des Berufes sicherzustellen.33 Hinsichtlich Rechtsanwälten sind insbesondere Wettbewerbsregelungen zur Sicherung der Einhaltung des Berufsgeheimnisses als zulässig anerkannt.34 Ebenso akzeptiert die Rechtsprechung Bestimmungen in tungen vor der Übertragung angeboten hat oder konkret vorhatte, sie anzubieten, und sie auf die Waren und Dienstleistungen aus dem Geschäftsbereich des übertragenen Unternehmens beschränkt sind. 28 Vgl. EuG, Urt. v. 18.9.2001 – T-112/99, Slg. 2001, II-2459, 2498–2499 Rn. 109, 112 – Metropole Télévision und andere/Kommission; EuG, Urt. v. 20.11.2002 – T-251/ 00, Slg. 2002, II-4825 ff. Rn. 100 – Lagardère/Canale+/Kommission; Loewenheim/ Meessen/Riesenkampff/Gonzalez Diaz, KartellR, Bd. 1 Art. 81 Rn. 140; MünchKommEuWettbR/Säcker/Molle, Art. 81 Rn. 508. 29 Vgl. EuG, Urt. v. 20.11.2002 – T 251/00, Slg. 2002, II-4825 ff. Rn. 100 – Lagardère/Canale+/Kommission. 30 Vgl. EuG, Urt. v. 18.9.2001 – T-112/99, Slg. 2001, II-2459, 2498–2499 Rn. 109, 112 – Metropole Télévision und andere/Kommission; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Gonzalez Diaz, KartellR, Art. 81 Rn. 142; Wiedemann/Lübbig, Hdb. KartellR, § 7 Rn. 29; MünchKommEuWettbR/Säcker/Molle, Art. 81 Rn. 511. 31 Vgl. EuG, Urt. v. 18.9.2001 – T-112/99, Slg. 2001, II-2459, 2498–2499 Rn. 109, 112 – Metropole Télévision und andere/Kommission; Wiedemann/Lübbig, Hdb. KartellR, § 7 Rn. 29; MünchKommEuWettbR/Säcker/Molle, Art. 81 Rn. 511. 32 Vgl. EU Kommission, Entsch. v. 26.6.1975 betreffend Verfahren Reuter/BASF – 76/743/EWG, WuW/E EV 678 (zu Dauer eines Wettbewerbsverbotes in Unternehmenskaufvertrag zwecks Kundenschutzes); EuG, Urt. v. 18.9.2001 – T-112/99, Slg. 2001, II2459, 2498–2499 Rn. 109, 112 – Metropole Télévision und andere/Kommission; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Gonzalez Diaz, KartellR, Art. 81 Rn. 143; Molle, Begleitende Wettbewerbsverbote, S. 150 ff. (bzgl. Unternehmenskauf); MünchKommEuWettbR/Säcker/Molle, Art. 81 Rn. 512. 33 Vgl. EuGH, Urt. v. 19.2.2002 – C-309/99, Slg. 2002, I-1577 – Wouters; MünchKommEuWettbR/Säcker/Molle, Art. 81 Rn. 563 f. 34 Vgl. EuGH, Urt. v. 19.2.2002 – C-309/99, Slg. 2002, I-1577 – Wouters; umfassend: Molle, Begleitende Wettbewerbsverbote, S. 248 ff.; MünchKommEuWettbR/ Säcker/Molle, Art. 81 Rn. 564; bzgl. Handelsvertretern vgl. Immenga/Mestmäcker/Emmerich, Art. 81 Rn. 251 ff.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
Franchise-Vereinbarungen, welche der Schaffung der Voraussetzungen für ein funktionierendes Franchise-System dienen. Keine Wettbewerbsbeschränkungen seien danach Regelungen, mit Hilfe derer der Franchisegeber verhindern wolle, dass der Franchisenehmer Know-how und Unterstützung hinsichtlich der anzuwendenden Methoden Konkurrenten zugute kommen lasse. Weiterhin könne dem Franchisenehmer ein Verbot auferlegt werden, während der Vertragsdauer oder während eines angemessenen Zeitraumes nach Vertragsbeendigung ein Geschäft mit gleichem oder ähnlichem Zweck in einem Gebiet zu eröffnen, in dem er zu einem der Mitglieder der verlassenen Vertriebsorganisation in Wettbewerb treten könne. Unzulässig seien dagegen Bestimmungen, die zum Schutz des vermittelten Know-hows oder zur Wahrung der Identität und des Ansehens der Vertriebsorganisation keineswegs notwendig seien, sondern den Wettbewerb zwischen den Mitgliedern dieser Organisation beschränkten.35 5. Verstoß von nachvertraglichem Wettbewerbsverbot gegen Art. 101 AEUV
Nachvertragliche Wettbewerbsverbote zwischen GmbHs und ihren Geschäftsführern verstoßen nach alledem regelmäßig nicht gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV. Zwar handelt es sich um Vereinbarungen i. S. v. Art. 101 Abs. 1 AEUV, da sich die Parteien, die GmbH vertreten durch ihre Gesellschafter, bei Abschluss des Anstellungsvertrages samt nachvertraglichem Wettbewerbsverbot als selbständige Partner gegenüberstehen. Der zweifelsohne als Unternehmen zu qualifizierenden GmbH steht aber mit dem Geschäftsführer nur dann ein (potenzielles) Unternehmen gegenüber, wenn diesem nach Ausscheiden aus dem Anstellungsverhältnis durch das Wettbewerbsverbot auch selbständiges unternehmerisches Tätigwerden untersagt ist. Zudem wird die wettbewerbsverbotsbedingte Wettbewerbsbeschränkung – des Geschäftsführers – in der Regel keine spürbaren Auswirkungen auf den gemeinsamen Handel entfalten, da es dem Geschäftsführer als Person an einer Marktstellung fehlen wird, aufgrund derer seine nichtwettbewerbliche Tätigkeit eine spürbare Handelsbeeinträchtigung begründen könnte.36 Ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV scheidet daher jedenfalls mangels Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels regelmäßig aus. Ferner greift auch bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten mit Geschäftsführern der ruleof-reason-Ansatz, so dass sie trotz ihrer wettbewerbsbeschränkenden Wirkung zulasten der Geschäftsführer bei im Übrigen wettbewerbsneutralen Anstellungsverträgen in der Regel nicht nach Art. 101 Abs. 2 i.V. m. Abs. 1 AEUV nichtig
35 Vgl. EuGH, Urt. v. 28.1.1986 – C-161/84, Slg. 1986, 353 – Pronuptia de Paris; Immenga/Mestmäcker/Amato/Gonzalez Diaz, Art. 81 Rn. 158 und Zimmer, Art. 81 Rn. 368 ff.; Wiedemann/Seeliger, Hdb. KartellR, § 10 Rn. 191. 36 Vgl. Bauer/Diller, GmbHR 1999, 883, 890.
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sind. Die nachvertragliche Wettbewerbsabrede stellt grundsätzlich eine Nebenabrede dar, da sie der Durchführung des – auch ohne sie wirksamen – Anstellungsvertrages dient und diesem gegenüber nur untergeordnete Bedeutung hat. Sie ist für die Durchführung des Anstellungsvertrages als Hauptvereinbarung regelmäßig auch notwendig, weil erforderlich und angemessen. Denn die Geschäftsführer erhalten aufgrund ihrer Rechtsstellung Kenntnis von den wesentlichen Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der GmbH. Könnten die Gesellschaften mit ihnen nicht nachvertragliche Wettbewerbsverbote vereinbaren, würden sie mit der Eröffnung insbesondere der existenziell-bedeutsamen Betriebsgeheimnisse sicherlich vorsichtiger agieren oder durch gesellschaftsrechtliche Regelungen die Rechtspositionen der Geschäftsführer von vorneherein beschränken. Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot dient also der uneingeschränkten Durchführung des Anstellungs- sowie damit zugleich auch des Organverhältnisses und stellt folglich eine erforderliche Nebenabrede dar.37 Bei hinreichender räumlicher, zeitlicher und gegenständlicher Beschränkung ist die Nebenabrede schließlich auch angemessen. Hierfür kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an.38 6. Zwischenergebnis
Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot zwischen einer GmbH und ihrem Geschäftsführer verstößt regelmäßig nicht gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV. Es fehlt in der Regel bereits an einer Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels. Zudem stellt das Wettbewerbsverbot üblicherweise eine für die uneingeschränkte Durchführung des Anstellungsvertrages erforderliche und nach ihren zeitlichen, räumlichen und sachlichen Rahmen angemessene Nebenabrede dar und ist deshalb nach übereinstimmender Auffassung von Rechtsprechung und Literatur aus dem Tatbestand des Art. 101 Abs. AEUV ausgenommen. II. Verstoß gegen Grundfreiheiten Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot kann den Geschäftsführer bei der Auswahl und Aufnahme einer neuen Tätigkeit innerhalb der Europäischen Union behindern und ist daher auf seine Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten des AEUV zu prüfen. Die Grundfreiheiten des AEUV entsprechen inhaltlich denen 37 Vgl. bzgl. AG-Vorstand: HK-AktG/Bürgers/Israel, § 88 Rn. 16 und MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rn. 51; bzgl. Handelsvertretern: Wiedemann/Kirchhoff, Hdb. KartellR, § 10 Rn. 10; bzgl. Franchisenehmern: Wiedemann/Seeliger, Hdb. KartellR, § 10 Rn. 213. 38 Von der Herausbildung etwaiger Leitlinien der Rechtsprechung wird – mit Blick auf das Ziel dieser Arbeit, die anzuwendenden Beurteilungsmaßstäbe zu ermitteln und zu erörtern – wegen des regelmäßigen Ausscheidens des Art. 101 Abs. 1 AEUV mangels Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels abgesehen.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
des EG39, so dass auf Rechtsprechung und Literatur zu den Grundfreiheiten des EG zurückgegriffen werden kann.40 1. Arbeitnehmerfreizügigkeit, Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit
Art. 45 AEUV (vormals Art. 39 EG) gewährleistet die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union41; Art. 49 (vormals Art. 43 EG) und Art. 56 AEUV (vormals Art. 49 EG) verbieten Beschränkungen der freien Niederlassung bzw. des freien Dienstleistungsverkehrs. Während Art. 45 AEUV zugunsten von Arbeitnehmern im unionsrechtlichen Sinne wirkt42, schützen die Art. 49 und 56 AEUV die selbständigen Erwerbstätigen43. Durch Art. 49 AEUV soll diesen die tatsächliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung in einem anderen Mitgliedstaat auf unbestimmte Zeit ermöglicht werden44; Art. 56 AEUV sichert dagegen die Freiheit, vorübergehend entgeltliche Dienste in einem anderen Mitgliedstaat zu erbringen45. Art. 49 und Art. 56 AEUV unterscheiden sich somit durch das Element der Dauerhaftigkeit der grenzüberschreitenden Leistungserbringung.46 2. Diskriminierungs- und Beschränkungsverbote
Der EuGH hat die ursprünglich als Diskriminierungsverbote konzipierten Grundfreiheiten zu umfassenden Beschränkungsverboten fortentwickelt. Art. 45, 39 Vgl. Fischer, Der Vertrag von Lissabon, S. 241 Kommentar (1), nach dem lediglich redaktionelle Änderung des Gebietes in „Union“ in Art. 45 AEUV, S. 244 Kommentar (1), nach dem lediglich Neunummerierung des Art. 49 AEUV, S. 248 Kommentar (1), nach dem lediglich redaktionelle Änderungen in „Union“ und „Mitgliedstaat“; Streinz/Ohler/Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, S. 228, 230, 232. 40 Entscheidungen aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des Reformvertrages von Lissabon sind daher solche zu den Grundfreiheiten des EG. 41 Vgl. EuGH, Urt. v. 28.1.1992 – C-332/90, Slg. 1992, I-341 Rn. 9 – Steen; EuGH, Urt. v. 15.12.1995 – C-415/93, Slg. 1995, I-4921 Rn. 96 – Bosman (Arbeitnehmerfreizügigkeit). 42 Vgl. EuGH, Urt. v. 19.3.1964 – C-75/63, Slg. 1964, 381 – Unger/Bedrujfsvereniging; Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, Art. 45 AEUV Rn. 8; v. d. Groeben/ Schwarze/Wölker/Grill, Vorbem. zu den Art. 39–41 EG Rn. 26. 43 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.2005 – C-411/03, Slg. 2005, I-10805 – Servic System AG; Calliess/Ruffert/Bröhmer, EUV/AEUV, Art. 49 AEUV Rn. 10 bzw. Kluth, Art. 57 Rn. 1; Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, Art. 49 AEUV Rn. 1; Schwarze/Schlag, EU, Art. 43 EG Rn. 10, 21 ff.; v. d. Groeben/Schwarze/Tiedje/Troberg, Art. 43 EG Rn. 51. 44 Vgl. EuGH, Urt. v. 25.7.1991 – Rs. C-221/89, Slg. 1991, I-3905 Rn. 20 – Factortame; Calliess/Ruffert/Bröhmer, EUV/AEUV, Art. 49 AEUV Rn. 12; Geiger/Khan/ Kotzur, EUV/AEUV, Art. 49 AEUV Rn. 1; Schwarze/Schlag, EU, Art. 43 EG Rn. 15. 45 Vgl. EuGH, Urt. v. 30.11.1995 – C-55/94, Slg. 1995, I-4165 – Gebhard (Niederlassungsfreiheit); Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, Art. 56 AEUV Rn. 1. 46 Vgl. EuGH, Urt. v. 30.11.1995 – C-55/94, Slg. 1995, I-4165 – Gebhard (Niederlassungsfreiheit); Calliess/Ruffert/Bröhmer, EUV/AEUV, Art. 49 AEUV Rn. 3, 13; Schwarze/Schlag, EU, Art. 43 EG Rn. 2, 10.
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49 AEUV verbieten somit nicht lediglich Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern stellen darüber hinaus Behinderungsverbote dar, die unterschiedslos anwendbare nationale Maßnahmen erfassen, wenn sie geeignet sind, die Ausübung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen.47 3. Gemeinschaftsbezug
Die Grundfreiheiten des AEUV sind aber nur betroffen, wenn es sich nicht um „interne Sachverhalte“ innerhalb eines einzelnen Mitgliedstaates ohne grenzüberschreitenden Bezug handelt.48 Allerdings nimmt der EuGH bereits bei einem losen Zusammenhang zwischen Grenzüberschreitung und Grundfreiheitsausübung einen grenzüberschreitenden Bezug an.49 4. Drittwirkung der Grundfreiheiten
Die Grundfreiheiten sind vor allem an die Mitgliedstaaten adressiert. Sie verpflichten diese, Maßnahmen zu unterlassen, die den Freiverkehr behindern (Abwehrfunktion) und zugleich schützend einzugreifen, insbesondere gegenüber Privaten (Schutzfunktion).50 Die Frage, ob und inwieweit auch Privatpersonen im Wege der sog. Drittwirkung/horizontalen Wirkung oder Privatwirkung an die Grundfreiheiten gebunden sind, ist dagegen noch nicht abschließend beantwortet. Der EuGH nimmt für die Arbeitnehmerfreizügigkeit, die Dienstleistungs- sowie die Niederlassungsfreiheit
47 Vgl. EuGH, Urt. v. 20.2.1979 – C-120/78, Slg. 1979, 649 Rn. 8 – Cassis de Dijon (Warenverkehrsfreiheit); EuGH, Urt. v. 13.12.1984 – C-251/83, Slg. 1984, S. 4277 – Haug-Adrion/Frankfurter Versicherungs-AG; EuGH, Urt. v. 30.11.1995 – C-55/94, Slg. 1995, I-4165 Rn. 37 – Gebhard (Niederlassungsfreiheit); EuGH, Urt. v. 15.12.1995 – C415/93, Slg. 1995, I-4921 Rn. 96 – Bosman (Arbeitnehmerfreizügigkeit); EuGH, Urt. v. 27.1.2000 – C-190/98, Slg. 2000, I-493 Rn. 18 – Graf (Arbeitnehmerfreizügigkeit); Calliess/Ruffert/Bröhmer, EUV/AEUV, Art. 49 AEUV Rn. 20 ff.; Grabitz/Hilf/Forsthoff, EUV/AEUV, Band I, Art. 45 AEUV Rn. 187; Immenga/Mestmäcker, Einl. Rn. 33; Schwarze/Schneider/Wunderlich, EU, Art. 39 EG Rn. 42 ff.; MünchKommEuWettbR/ Skouris/Kraus, Einl. Rn. 284; v. d. Groeben/Schwarze/Wölker/Grill, Art. 39 EG Rn. 19. 48 Vgl. EuGH, Urt. v. 28.1.1992 – C-332/90, Slg. 1992, I-341 Rn. 9 – Steen; EuGH, Urt. v. 15.12.1995 – C-415/93, Slg. 1995, S. I-4921 Rn. 89 – Bosman; EuGH, Urt. v. 5.6.1997 – C-64/96 und C-65/96, Slg. 1997, I-3171 Rn. 16 – Uecker und Jacquet; Calliess/Ruffert/Bröhmer, EUV/AEUV, Art. 49 AEUV Rn. 6; Schwarze/Holoubek, EU, Art. 49 EG Rn. 23; Schwarze/Schneider/Wunderlich, EU, Art. 39 EG Rn. 30; v. d. Groeben/Schwarze/Tiedje/Troberg, Art. 43 EG Rn. 98, Art. 49 EG Rn. 12 ff. 49 Vgl. EuGH, Urt. v. 6.6.2000 – C-281/98, Slg. 2000, I-4139 – Angonese; MünchKommEuWettbR/Skouris/Kraus, Einl. Rn. 285. 50 Vgl. Grabitz/Hilf/Forsthoff, EUV/AEUV, Band I, Art. 45 AEUV Rn. 131 ff.; v. d. Groeben/Schwarze/Tiedje/Troberg, Art. 43 EG Rn. 121.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
eine jedenfalls partielle Drittwirkung an.51 Insbesondere privatrechtliche Vereinigungen oder Einrichtungen, die kraft ihrer rechtlichen Autonomie Hindernisse für die Freizügigkeit schaffen können, sind den Grundfreiheiten unterworfen. Auf diese Weise soll – entsprechend dem Gebot der einheitlichen Geltung des Unionsrechts – verhindert werden, dass über privatrechtliche Vereinigungen Regelungen geschaffen werden, die dem Staat verboten wären.52 Ebenso sind privatrechtliche Vereinigungen gebunden, wenn sie durch kollektive Maßnahmen (kollektive) Regelungen erzwingen wollen, die die Grundfreiheiten einschränken könnten.53 Darüber hinaus soll aber jedenfalls die Arbeitnehmerfreizügigkeit auch auf sonstige privatrechtliche Vereinbarungen Anwendung finden.54 Die Literatur ist sehr uneinheitlich. Einerseits wird eine unmittelbare und uneingeschränkte Drittwirkung für alle oder auch nur einzelne Grundfreiheiten vertreten. Anderseits wird die Drittwirkung allenfalls für Privatverbände, nicht aber sonstige private Arbeitgeber anerkannt. Schließlich wird gefordert, die Drittwirkung auf das Diskriminierungsverbot zu beschränken.55 Im Ergebnis ist nicht von einer umfassenden und uneingeschränkten Bindung Privater an die europäischen Grundfreiheiten auszugehen.56 In den entschiedenen Konstellationen ging es um kollektivvertragliche Regelungen in der Satzung einer Vereinigung bzw. durch 51 Vgl. umfassend zur Entwicklung: Schindler, Die Kollision von Grundfreiheiten und Gemeinschaftsgrundrechten, S. 63–75; Calliess/Ruffert/Brechmann, EUV/AEUV, Art. 45 AEUV Rn. 52 ff.; Grabitz/Hilf/Forsthoff, EUV/AEUV, Band I, Art. 45 AEUV Rn. 152 ff.; Calliess/Ruffert/Kingreen, EUV/AEUV, Art. 34 – 36 AEUV Rn. 221 ff.; Schwarze/Schneider/Wunderlich, EU, Art. 39 EG Rn. 39; v. d. Groeben/Schwarze/Wölker/Grill, Art. 39 EG Rn. 17, 24. 52 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.12.1974 – C-36/74, Slg. 1974, 1405 – Walrave; EuGH, Urt. v. 14.7.1976 – C-13/76, Slg., 1976, 1333 – Donà; EuGH, Urt. v. 13.12.1984 – C-251/ 83, Slg. 1984, S. 4277 – Haug-Adrion/Frankfurter Versicherungs-AG; EuGH, Urt. v. 15.12.1995 – C-415/93, Slg. 1995, S. I-4921 Rn. 82 f. – Bosman; EuGH, Urt. v. 19.2. 2002 – C-309/99, Slg. 20002, I-1577 Rn. 120 – Wouters; EuGH, Urt. v. 16.3.2010 – C325/08, Slg. 2010 I-0000 Rn. 30. 53 Vgl. EuGH, Urt. v. 11.12.2007 – C-438/05, Slg. 2007, I-10779-10840 – Viking Line; EuGH, Urt. v. 18.12.2007 – C-341/05, Slg. 2007, I-11767 – Laval; zustimmend: Schubert, RdA 2008, 289, 291; umfassend hierzu: Grabitz/Hilf/Forsthoff, EUV/AEUV, Band I, Art. 45 AEUV Rn. 159 ff. 54 Vgl. EuGH, Urt. v. 6.6.2000 – C-281/98, Slg. 2000, I-4139 – Angonese (Arbeitnehmerfreizügigkeit); EuGH, Urt. v. 17.7.2008 – C-94/07, Slg. 2008, I-5939 – Raccanelli (Arbeitnehmerfreizügigkeit). 55 Umfassend mit Nachweisen: Calliess/Ruffert/Kingreen EUV/AEUV, Art. 34–36 AEUV Rn. 221 ff. und Kluth, Art. 57 Rn. 46 ff.; Brendel, Nachvertragliche grenzüberschreitende Wettbewerbsverbote, S. 126; Schwarze/Schneider/Wunderlich, EU, Art. 39 EG Rn. 39 und Schlag, Art. 43 EG Rn. 41 und Holoubek, Art. 49 EG Rn. 64; v. d. Groeben/Schwarze/Wölker/Grill, Art. 39 Rn. 16 ff. und Tiedje/Troberg, Art. 43 EG Rn. 132 ff. 56 Vgl. ebenso: Schindler, Die Kollision von Grundfreiheiten und Gemeinschaftsgrundrechten, S. 76; Grabitz/Hilf/Forsthoff, EUV/AEUV, Band I, Art. 45 AEUV Rn. 165 ff. (Bindung wohl an Diskriminierungsverbote); Schwarze/Holoubek, EU, Art. 49 EG Rn. 64; Calliess/Ruffert/Kluth, EUV/AEUV, Art. 56 AEUV Rn. 49 f.; Dauses/Roth, EU-Wirtschaftsrecht, E. I. Rn. 28; v. d. Groeben/Schwarze/Tiedje/Troberg,
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eine private Organisation mit wirtschaftlicher Verbandsmacht und um kollektive Maßnahmen einer privatrechtlichen Vereinigung (Gewerkschaft).57 Eine allgemeingültige Aussage blieb der EuGH aber ebenso schuldig wie eine dogmatische Begründung. Auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass er hinsichtlich der Warenverkehrsfreiheit die Drittwirkung ausdrücklich abgelehnt hat58, kann den an den Besonderheiten der Sachverhalte ausgerichteten Ausführungen somit ein generelles Votum für die Drittwirkung der übrigen Grundfreiheiten nicht entnommen werden.59 5. Rechtfertigung von Beschränkung und Verhältnis zu Art. 101 AEUV
Beschränkungen der Grundfreiheiten durch staatliche Maßnahmen sind nur zulässig, wenn sie in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden, aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren, insbesondere nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des Zweckes erforderlich ist.60 Bei der Prüfung der Rechtfertigung von Grundfreiheitsbeschränkungen ist zu beachten, dass zugleich auch Grundrechte und Wettbewerbsregelungen tatbestandlich einschlägig sein können. In diesem Fall gelangen Grundfreiheiten, Grundrechte und Wettbewerbsregelungen nebeneinander zur Anwendung. Der EuGH hat einige Fälle der parallelen Anwendbarkeit allein auf der Grundlage der einschlägigen Grundfreiheit oder aber nur nach den Wettbewerbsregelungen behandelt und die weitere Frage dann offen gelassen.61 In anderen Entscheidungen hat er sowohl die Vereinbarkeit der Regelung mit Art. 81 EG (jetzt: Art. 101 AEUV) als auch mit den Grundfreiheiten geprüft. Zu Art. 81 Abs. 1 EG führte er aus, dass nicht jeder beschränkende Beschluss automatisch dem Verbot unterArt. 43 EG Rn. 135; Ehlers/Walter, EuGR, § 1 Rn. 50 und Ehlers, § 7 Rn. 53; aA: Ganten: Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 54 bzgl. Art. 39 EG. 57 Vgl. Schwarze/Holoubek, EU, Art. 49 EG Rn. 64 ff.; Dauses/Roth, EU-Wirtschaftsrecht, E. I. Rn. 29. 58 Vgl. EuGH, Urt. v. 1.10.1987 – C-311/85, Slg. 1987, S. 3801/3830 f. Rn. 30 – Vlaamse Reisebüros, ausführlich: Schindler, Die Kollision von Grundfreiheiten und Gemeinschaftsgrundrechten, S. 77 ff. 59 Vgl. Brendel, Nachvertragliche grenzüberschreitende Wettbewerbsverbote, S. 126; Edenfeld, ZfA 2004, 463, 493; Grabitz/Hilf/Forsthoff, EUV/AEUV, Band I, Art. 45 AEUV Rn. 165 ff.; Dauses/Roth, EU-Wirtschaftsrecht, E. I. Grundregeln, Rn. 29; Schultz, Verhältnis von Gemeinschaftsgrundrechten und Grundfreiheiten des EG, S. 93; Ehlers/Walter, EuGR, § 1 Rn. 50 und Ehlers, § 7 Rn. 53. 60 Vgl. EuGH, Urt. v. 30.11.1995 – C-55/94, Slg. 1995, I-4165 Rn. 37 – Gebhard (Niederlassungsfreiheit); Schwarze/Schlag, EU, Art. 43 EG Rn. 53 ff. und Holoubek, Art. 49 EG Rn. 105 ff.; v. d. Groeben/Schwarze/Wölker/Grill, Art. 39 EG Rn. 20 und Tiedje/Troberg, Art. 43 EG Rn. 104 f., Art. 49 EG Rn. 69, 98. 61 Vgl. EuGH, Urt. v. 15.12.1995 – C-415/93, Slg. 1995, S. I-4921 Rn. 82 f. – Bosman; MünchKommEuWettbR/Skouris/Kraus, Einl. Rn. 311.
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fiele. Vielmehr seien bei der Anwendung der Vorschrift im Einzelfall der Gesamtzusammenhang, in welchem der Beschluss zustande gekommen sei oder seine Wirkungen entfalte, sowie seine Zielsetzungen zu würdigen. Es müsse festgestellt werden, ob die mit dem Beschluss verbundenen wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen notwendig mit der Verfolgung der Beschlussziele zusammenhingen. Zur Vereinbarkeit mit der Niederlassungs- bzw. Dienstleistungsfreiheit beschränkte er sich dann auf den Hinweis, dass, soweit Beschränkungen der Grundfreiheiten beständen, diese jedenfalls aus den angeführten Gründen, also den zu Art. 81 EG erörterten, gerechtfertigt seien.62 Dies macht deutlich, dass die Auslegung der Vorschriften aufeinander abgestimmt zu erfolgen hat, so dass abweichende Ergebnisse und damit Wertungswidersprüche vermieden werden. Einheitlicher Ansatzpunkt hierfür ist die Abwägung der beteiligten öffentlichen und privaten Interessen.63 Bei der Prüfung der Grundfreiheiten findet diese bei der Frage statt, ob die Beschränkung durch überwiegende öffentliche Interessen gerechtfertigt und verhältnismäßig ist. Im Rahmen von Art. 101 AEUV (zuvor: Art. 81 EG) erfolgt die Abwägung bei der Feststellung, ob es der Regelung bedarf, um Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind, wirtschaftlich akzeptable Bedingungen zu schaffen. Hinsichtlich der Grundrechtsbetroffenheit ist die Abwägung Bestandteil der vorzunehmenden Verhältnismäßigkeitsprüfung.64 6. Verstoß von nachvertraglichem Wettbewerbsverbot gegen Grundfreiheiten
Ein Verstoß einer nachvertraglichen Wettbewerbsabrede zwischen GmbH und Geschäftsführer gegen eine Grundfreiheit scheidet nach alledem in der Regel aus.65 Zunächst ist fraglich, ob Art. 45 AEUV greift oder aber die Art. 49/56 AEUV einschlägig sind. Entscheidend dafür ist, ob der Geschäftsführer Arbeitnehmer i. S. v. Art. 45 AEUV ist. Nach unionsrechtlicher Auslegung des Arbeitnehmerbegriffes werden von Art. 45 AEUV alle Personen aus den Mitgliedstaaten geschützt, die eine tatsächliche und echte Tätigkeit im Lohn- und Gehaltsverhältnis ausüben. Maßgeblich ist, dass während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbracht werden, für die als Gegenleistung eine 62 Vgl. EuGH, Urt. v. 19.2.2002 – C-309/99, Slg. 20002, I-1577 Rn. 97–122 – Wouters; EuGH, Beschl. v. 17.2.2005 – C-250/03, Slg. 2005, I-1267 Rn. 45 – Mauri; MünchKommEuWettbR/Skouris/Kraus, Einl. Rn. 317. 63 Vgl. MünchKommEuWettbR/Skouris/Kraus, Einl. Rn. 278 f. 64 Vgl. MünchKommEuWettbR/Skouris/Kraus, Einl. Rn. 279. 65 Ebenso für Arbeitnehmer: Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 368; Brendel, Nachvertragliche grenzüberschreitende Wettbewerbsverbote, S. 128; Edenfeld, ZfA 2004, 463, 494; Koenig/Steiner, NJW 2002, 3583 ff.
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Vergütung gezahlt wird.66 Die Abgrenzung von Arbeitnehmer-Freizügigkeit und Niederlassungs- bzw. Dienstleistungsfreiheit erfolgt mithin anhand des Merkmales der Weisungsbindung.67 Der EuGH stellt auf die Umstände des Einzelfalles, insbesondere die Beteiligung an den wirtschaftlichen Risiken des Unternehmens, die Möglichkeit zur freien Einteilung der Arbeitszeit und die Befugnis zur Auswahl der eigenen Mitarbeiter, ab.68 Kein Arbeitnehmer ist jedenfalls der Gesellschafter-Geschäftsführer einer Ein-Mann-Gesellschaft.69 Die Grenzziehung kann im Einzelfall schwierig sein, aber wegen einheitlicher Grundsätze bei den Art. 45 und 49/56 AEUV in der Regel offen bleiben.70 Vor diesem Hintergrund soll von einer intensiven Abgrenzung abgesehen werden.71 Es sei aber darauf hingewiesen, dass, wie bereits zum Streit um die Qualifizierung des Geschäftsführers als Arbeitnehmer anhand des national geltenden Arbeitnehmerbegriffes ausgeführt, bei Geschäftsführern aufgrund der Organ- und damit Arbeitgeberstellung in der Regel keine Weisungsunterworfenheit gegeben ist, so dass die Art. 49, 56 AEUV eingreifen.72 Ein Verstoß gegen Art. 49, 56 AEUV scheidet aber mangels Bindung der privaten GmbHs an die Grundfreiheiten von vorneherein aus.73 Im Übrigen ist die Beschränkung gerechtfertigt. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot begründet zwar weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit. Durch das zu Unterlassung, bei Zuwiderhandeln auch Schadensersatz und/oder Zahlung einer Vertragsstrafe ver66 Vgl. EuGH, Urt. v. 21.6.1988 – C-197/86, Slg. 1988, 3205; EuGH, Urt. v. 14.12.1989 – C-3/87 – Slg. 1989, 4459 Rn. 36 – Agegate EuGH, Urt. v. 27.6.1996 – C-107/94, Slg. 1996, I-3089 – Asscher; EuGH, Urt. v. 8.6.1999 – C-337/97, Slg. 1999, I-3289 – Meeusen; Calliess/Ruffert/Brechmann, EUV/AEUV, Art. 45 AEUV Rn. 10 ff.; Schwarze/Schneider/Wunderlich, EU, Art. 39 EG Rn. 9 ff., 21; v. d. Groeben/Schwarze/Wölker/Grill, Vorbem. zu den Art. 39–41 EG Rn. 31. 67 Vgl. EuGH, Urt. v. 27.6.1996 – C-107/94, Slg. 1996, I-3089 – Asscher; Calliess/ Ruffert/Brechmann, EUV/AEUV, Art. 45 AEUV Rn. 11 f.; v. d. Groeben/Schwarze/ Wölker/Grill, Vorbem. zu den Art. 39–41 EG Rn. 27, 30. 68 Vgl. EuGH, Urt. v. 14.12.1989 – C-3/87 – Slg. 1989, 4459 Rn. 36 – Agegate; Schwarze/Schneider/Wunderlich, EU, Art. 39 EG Rn. 14; v. d. Groeben/Schwarze/Wölker/Grill, Vorbem. zu den Art. 39–41 EG Rn. 30. 69 Vgl. EuGH, Urt. v. 27.6.1996 – C-107/94, Slg. 1996, I-3089 – Asscher; EuGH, Urt. v. 8.6.1999 – C-337/97, Slg. 1999, I-3289 – Meeusen; Schwarze/Schneider/Wunderlich, EU, Art. 39 EG Rn. 14. 70 Vgl. EuGH, Urt. v. 22.1.2002 – C-390/99, Slg. 2002, I-607 Rn. 33 – Canal Satélite Digital (Freiheit des Warenverkehrs und Dienstleistungsfreiheit); sog. Einheitliche Dogmatik der Grundfreiheiten: Schwarze/Schneider/Wunderlich, EU, Art. 39 EG Rn. 14; MünchKommEuWettbR/Skouris/Kraus, Einl. Rn. 292; v. d. Groeben/Schwarze/ Wölker/Grill, Vorbem. zu den Art. 39–41 EG Rn. 30. 71 Vgl. hierzu: Kuhn, Abgestuftes Arbeitsrecht am Beispiel des abhängigen GmbHGeschäftsführers, S. 37. 72 Vgl. v. d. Groeben/Schwarze/Tiedje/Troberg, Art. 43 EG Rn. 51. 73 Vgl. für Arbeitnehmer: Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 368.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
pflichtende, nachvertragliche Wettbewerbsverbot wird der Geschäftsführer aber in seiner Wahl der zukünftigen Tätigkeitsstelle innerhalb der Union beschränkt. Das Wettbewerbsverbot erschwert ihm den Zugang zu den Arbeitsmärkten anderer Mitgliedstaaten.74 Diese Beschränkung weist den notwendigen grenzüberschreitenden Bezug auf, wenn dem Geschäftsführer eine Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat verschlossen wird. Das ist der Fall, wenn die Verbotsklausel explizit oder aufgrund ihrer gegenständlichen und/oder räumlichen Weite auch Tätigkeiten bei ausländischen Konkurrenzunternehmen ausschließt.75 Die Beschränkung ist aber wegen zwingender Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt.76 Die GmbH will mit Hilfe des Verbotes verhindern, dass der Geschäftsführer unter Ausnutzung seiner Kenntnisse der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse bzw. erlangter Kontakte in Konkurrenz zu ihr tritt. Dieses in erster Linie private Interesse der GmbH liegt auch im Allgemeininteresse, da eine Volkswirtschaft ohne hinreichenden Schutz geschäftlicher Geheimnisse nicht funktionieren kann. Nach Art. 36 AEUV77 (vorher Art. 30 EG) stehen Art. 34, 35 AEUV78 (vorher Art. 28, 29 EG) Beschränkungen nicht entgegen, die zum Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind. Hieraus folgt, dass private Geheimhaltungsinteressen im Allgemeininteresse stehen.79 Dieser Ansatz 74 Auf die von der Rechtsprechung noch nicht geklärte (vgl. Epiney, NVwZ 2010, 1065, 1070) und in der Literatur umstrittene Frage, ob auch bei der Niederlassungsfreiheit das Beschränkungsverbot – wie bei Art. 34 AEUV durch die Rechtsprechung des EuGH in den Entscheidungen „Dassonville“ (EuGH, Urt. v. 11.7.1974 – RS 8/74, Slg. 1974, 837), „Cassis de Dijon“ (EuGH, Urt. v. 20.2.1979 – RS 120/78, Slg. 1979, 649) und schließlich „Keck und Mithouard“ (EuGH, Urt. v. 24.11.1993 – C-267 und C-268/ 91, Slg. 1993, I-6097) vollzogen – tatbestandlich zu reduzieren ist, so dass nur solche Maßnahmen erfasst werden, die den Marktzugang erschweren, nicht aber schon solche, die die Freiheitsausübung „weniger attraktiv“ machen (vgl. für Tatbestandsbeschränkung: Grabitz/Hilf/Forsthoff, EUV/AEUV, Band I, Art. 45 AEUV Rn. 188 ff.; Grabitz/ Hilf/Randelzhofer/Forsthoff, Band II, Art. 56 AEUV Rn. 102 ff.; Dauses/Roth, EUWirtschaftsrecht, E. I. Rn. 88; v. d. Groeben/Schwarze/Wölker/Grill, Art. 39 EG Rn. 21 ff.), kommt es daher nicht an (für die Tatbestandsbeschränkung bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten mit Arbeitnehmern unter Auseinandersetzung mit Bosmann-, Keck- und Graf-Rechtsprechung des EuGH: Brendel, Nachvertragliche grenzüberschreitende Wettbewerbsverbote, S. 135 ff.; Edenfeld, ZfA 2004, 463, 493; Koenig/ Steiner, NJW 2002, 3583, 3584). 75 Vgl. für Arbeitnehmer: Edenfeld, ZfA 2004, 463, 490; Koenig/Steiner, NJW 2002, 3583. 76 Vgl. für Arbeitnehmer: Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 368; Brendel, Nachvertragliche grenzüberschreitende Wettbewerbsverbote, S. 150; Edenfeld, ZfA 2004, 463, 494. 77 Dieser entspricht inhaltlich Art. 30 EG und wurde lediglich neu durchnummeriert, vgl. Fischer, Der Vertrag von Lissabon, S. 234. 78 Diese entsprechen inhaltlich Art. 28, 29 EG und wurden lediglich neu durchnummeriert, vgl. Fischer, Der Vertrag von Lissabon, S. 232. 79 Vgl. für Arbeitnehmer: Edenfeld, ZfA 2004, 463, 494; Koenig/Steiner, NJW 2002, 3583, 3586; i. E. ebenso, aber mit anderer Begründung: Brendel, Nachvertragliche grenzüberschreitende Wettbewerbsverbote, S. 150.
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wahrt schließlich auch die vom EuGH angenommene Parallelität der Argumentationen zu den Grundfreiheiten und Art. 81 EG (jetzt: Art. 101 AEUV). Das Wettbewerbsverbot ist schließlich verhältnismäßig, wenn es geeignet ist, das Allgemeininteresse zu fördern und nicht über das hierfür erforderliche Maß hinausgeht.80 Wie auch bei Art. 101 Abs. 1 AEUV ist hierfür entscheidend, dass das Wettbewerbsverbot sachlich, räumlich und zeitlich nicht das erforderliche Maß überschreitet. 7. Zwischenergebnis
Nachvertragliche Wettbewerbsverbote verstoßen nicht gegen Grundfreiheiten. Diese finden im Verhältnis zwischen GmbH und Geschäftsführer keine Anwendung. Im Übrigen sind die Wettbewerbsverbote bei hinreichender sachlicher, örtlicher und zeitlicher Beschränkung gerechtfertigt, weil sie dem Allgemeininteresse an Geheimnisschutz dienen.
B. Verstoß gegen europäische Grundrechte Nachvertragliche Wettbewerbsverbote müssen die europäischen Grundrechte wahren. I. Herleitung, Adressaten, Schutzumfang Ein verbindlicher Grundrechtskatalog existierte lange Zeit nicht. Die am 7.12. 2000 proklamierte Charta der Grundrechte der Europäischen Union wurde nicht in den EG-Vertrag integriert81; die EU-Verfassung, die die Grundrechtscharta als Teil zwei aufgenommen hatte, ist kein geltendes Recht geworden. Nach Art. 6 Abs. 1 EUV in der Fassung des Reformvertrages von Lissabon erkennt die Union nun aber die Rechte, Freiheiten und Grundsätze an, die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 7.12.2000 in der am 12.12.2007 angepassten Fassung niedergelegt sind; die Charta der Grundrechte und die Verträge sind rechtlich gleichrangig. Gemäß Art. 6 Abs. 2 EUV tritt die Union der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten bei. Nach Art. 6 Abs. 3 EUV sind die Grundrechte, wie sie in der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben, als allgemeine Grundsätze Teil des Unionsrechtes. Durch diese 80 Vgl. zur Verhältnismäßigkeitsprüfung: Brendel, Nachvertragliche grenzüberschreitende Wettbewerbsverbote, S. 152 ff. 81 Vgl. v. d. Groeben/Schwarze/Beutler, Art. 6 EUV Rn. 97 ff.; Jarass, GRC der EU, Einl. Rn. 9; Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, Art. 6 EUV Rn. 9 ff.; Schwarze/Stumpf, EU, Art. 6 EUV Rn. 12.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
Regelung, insbesondere die Anordnung des Absatzes 1, dass die Union die in der Charta enthaltenen Grundrechte anerkenne, erhält die Grundrechtscharta rechtliche Bindung. Sie rangiert aufgrund ihrer Gleichstellung zu den Verträgen als primäres Unionsrecht.82 Hier relevante Grundrechte sind u. a. die Berufsfreiheit (Art. 15 Abs. 1 Grundrechtscharta, GRC), die unternehmerische Freiheit (Art. 16 GRC), die Eigentumsfreiheit (Art. 17 Abs. 1 GRC) und der allgemeine Gleichheitssatz bzw. das Verbot unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierungen (Art. 20, 21 GRC).83 Ein eigenständiges Grundrecht der Wettbewerbsfreiheit ist dagegen weder in der GRC zu finden, noch in der Rechtsprechung des EuGH anerkannt.84 Nach Art. 6 Abs. 1 EUV erkennt „die Union“ die in der GR-Charta niedergelegten Rechte, Freiheiten und Grundsätze an; die GR-Charta gilt nach ihrem Art. 51 Abs. 1 „für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union“. Zum Grundrechtsschutz verpflichtet sind mithin die Union85 und die Mitgliedstaaten, wenn sie Unionsrechts durchführen.86 Zur unmittelbaren Drittwirkung gegenüber Privatpersonen hat die Rechtsprechung noch nicht abschließend Stellung genommen. Zwar hat der 82 Vgl. Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, Art. 6 EUV Rn. 6, 8; eingehend: Fischer, Der Vertrag von Lissabon, S. 137 ff.; Grabitz/Hilf/Schorkopf, EUV/AUEV, Band I, Art. 6 EUV Rn. 28; Streinz/Ohler/Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, S. 175 ff. 83 Vgl. v. d. Groeben/Schwarze/Beutler, Art. 6 EUV Rn. 79 ff.; Schwarze/Stumpf, EU, Art. 6 EUV Rn. 22 ff. 84 Vgl. MünchKommEuWettbR/Skouris/Kraus, Einl. Rn. 366; Schwarze/Stumpf, EU, Art. 6 EUV Rn. 23 („evtl. Anerkennung“). 85 Vgl. Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, Einf. GR-Charta Anh. 1 Rn. 10. 86 Vgl. BAG, Beschl. v. 8.12.2011 – 6 AZN 1371/11, NZA 2012, 286, nach welchem nach dem gegenwärtigen Stand des Unionsrechts die §§ 138, 242 BGB keine Durchführung einer europäischen Richtlinie darstellen; zum unklaren Begriff der „Durchführung“ von Unionsrecht und der streitigen Frage, ob hierunter auch nationale Maßnahmen zur Beschränkung von Grundrechten fallen: Meyer/Borowsky, Charta der GR der EU, Art. 51 GRC Rn. 24 ff.; Frenz, Handbuch EuropaR, Band 4, § 1 Rn. 243 ff.; Schwarze/Hatje, EU, Art. 51 GRC Rn. 15 ff.; Jarass, GRC der EU, Art. 51 Rn. 16 ff.; Calliess/Ruffert/Kingreen, EUV/AEUV, Art. 51 GRC Rn. 8 ff.; Ehlers, EuGH, § 14 Rn. 48 ff.; im Arbeitsrecht soll den europäischen Grundrechten regelmäßig nur insoweit praktische Bedeutung zukommen, als die mitgliedstaatlichen Gerichte den Grundrechten der Charta bei der Auslegung der arbeitsrechtlichen Richtlinien Rechnung zu tragen haben (Willemsen/Sagan, NZA 2011, 258, 260; Herresthal, EuZA 2011, 1, 19). Danach fänden die europäischen Grundrechte bei gerichtlichen Auseinandersetzungen um nachvertragliche Wettbewerbsverbote nur dann Berücksichtigung, wenn die Vereinbarkeit des Wettbewerbsverbots mit einer richtlinienkonform und hierbei auch grundrechtskonform auszulegenden nationalen Norm in Rede stände. Auf die Vereinbarkeit mit auf europäischen Richtlinien beruhenden Gesetzesregelungen kommt es für die Wirksamkeit von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten mit Geschäftsführern aber regelmäßig nicht an (vgl. zu den üblicherweise einschlägigen Prüfungsgrundlagen im weiteren Verlauf dieses Teiles).
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EuGH hinsichtlich des Gebotes der Gleichbehandlung des Art. 157 AEUV87 (vormals Art. 141 EG) angenommen, dass sich die Betroffenen auf diesen vor den innerstaatlichen Gerichten berufen können88, so dass hinsichtlich des grundrechtlichen Gleichheitssatzes von einer unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte ausgegangen werden kann.89 Zu sonstigen Grundrechten sind Entscheidungen aber – soweit ersichtlich – noch nicht ergangen.90 Vor diesem Hintergrund sowie insbesondere in Anbetracht des eindeutigen Wortlauts einerseits des Art. 6 EUV und andererseits des Art. 51 GRC ist die unmittelbare Drittwirkung daher – wie auch hinsichtlich der Grundfreiheiten – abzulehnen.91 Eine gleichheitswidrige Maßnahme ist gerechtfertigt, wenn objektive Gründe für die Ungleichbehandlung gegeben sind. Freiheitsgrundrechte können im Interesse des Gemeinwohles durch eine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage eingeschränkt werden, wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt wird und der Wesensgehalt der Grundrechtsgewährleistung unangetastet bleibt.92 Die Grundfreiheiten haben grundrechtsähnlichen Charakter, weisen weitgehend dieselbe Struktur wie Grundrechte auf, werden wie diese ausgelegt und wirken wie diese. Ist der Gewährleistungsgehalt einer Grundfreiheit betroffen, sind regelmäßig auch Grundrechte betroffen, welche die wirtschaftliche Betätigung schützen. In diesem Fall besteht aber kein Konfliktverhältnis. Vielmehr finden sowohl die Grundfreiheit als auch die Grundrechte Anwendung. Allerdings werden die Grundfreiheiten in der Praxis vor den Grundrechten geprüft, weil bei ihrer Einschlägigkeit Unionsrecht zur Anwendung kommt und die Befassungskompetenz auf den EuGH übergeht. Die Grundrechte verlieren hierdurch aber nicht ihre Wirkung.93 Die Abwägung der beteiligten öffentlichen und privaten Interessen hinsichtlich einer wettbewerblichen Regelung erfolgt im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung.94 87
Dieser entspricht hinsichtlich des entscheidenden Absatzes 1 inhaltlich dem Art. 141 EG, vgl. Fischer, Der Vertrag von Lissabon, S. 324. 88 Vgl. EuGH, Urt. v. 8.4.1976 – C-43/75, Slg. 1976, 455. 89 Vgl. v. d. Groeben/Schwarze/Beutler, Art. 6 EUV Rn. 66. 90 Vgl. v. d. Groeben/Schwarze/Beutler, Art. 6 EUV Rn. 66; m.w. N.: Schwarze/ Stumpf, EU, Art. 6 EUV Rn. 13. 91 Vgl. i. E.: Meyer/Borowsky, Charta der GR der EU, Art. 51 Rn. 33; Calliess/Ruffert/Calliess, EUV/AEUV Art. 1 GRC Rn. 6; Ehlers, EuGR, § 14 Rn. 54; Frenz, Handbuch EuropaR, Band 4, § 1 Rn. 280; Jarass, GRC der EU, Art. 51 Rn. 24 ff.; Geiger/ Khan/Kotzur, EUV/AEUV, Einf. GR-Charta Anh. 1 Rn. 12; MünchKommEuWettbR/ Skouris/Kraus, Einl. Rn. 356. 92 Vgl. EuGH, Urt. v. 5.10.1994 – C-280/93, Slg. 1994, I-4973 – Bananenmarktordnung; v. d. Groeben/Schwarze/Beutler, Art. 6 EUV Rn. 74; Schwarze/Stumpf, EU, Art. 6 EUV Rn. 34 f. 93 Vgl. Calliess/Ruffert/Kingreen, EUV/AEUV Art. 34 AEUV Rn. 27; MünchKommEuWettbR/Skouris/Kraus, Einl. Rn. 422 ff. 94 Vgl. MünchKommEuWettbR/Skouris/Kraus, Einl. Rn. 278 f.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
II. Verstoß von nachvertraglichem Wettbewerbsverbot gegen europäische Grundrechte Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot zulasten eines Geschäftsführers verstößt regelmäßig nicht gegen europäische Grundrechte. Zwar beeinträchtigen Wettbewerbsverbote die grundrechtlich gewährleistete Berufsfreiheit. Auch ist ein unionsrechtlicher Bezug der Regelung nicht ausgeschlossen. Die GmbH ist aber nicht an die Grundrechte gebunden, da die Grundrechts-Drittwirkung in Privatrechtsverhältnissen abzulehnen ist. Selbst wenn diese aber mit der Gegenmeinung anerkannt werden sollte, wäre das Wettbewerbsverbot gerechtfertigt. Bei gleichzeitiger Einschlägigkeit von Art. 101 AEUV, Grundfreiheiten sowie Grundrechten ist eine parallele Argumentation geboten, um widersprüchliche Ergebnisse zu vermeiden.95 Dieselben Erwägungen, die eine Wettbewerbsbeschränkung i. S. v. Art. 101 Abs. 1 AEUV ausschließen bzw. die Beeinträchtigung einer Grundfreiheit rechtfertigen, rechtfertigen also auch einen Grundrechtseingriff. Das von der GmbH zu ihrem Schutz vor nachvertraglicher Konkurrenz durch den Geschäftsführer aufgenommene Wettbewerbsverbot verwirklicht das Interesse des Gemeinwohls an einer funktionierenden Volkswirtschaft. Es ist zur Förderung dieses Zieles geeignet und erforderlich. Angemessen ist es dann, wenn es aufgrund seiner sachlichen, räumlichen und zeitlichen Beschränkung nicht über das erforderliche Maß hinausgeht. III. Zwischenergebnis Nachvertragliche Wettbewerbsverbote zwischen GmbH und Geschäftsführer verstoßen nicht gegen europäische Grundrechte. Diese gelten nach dem bisherigen Stand der Rechtsprechung nicht in Privatrechtsverhältnissen. Jedenfalls wäre der Eingriff in die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit des Geschäftsführers aber wegen des im Interesse des Gemeinwohles liegenden Schutzinteresses der GmbH gerechtfertigt, sofern das Wettbewerbsverbot in räumlicher, sachlicher und zeitlicher Hinsicht erforderlich wäre.
C. Ergebnis Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für Geschäftsführer verstoßen in der Regel nicht gegen das europäische Kartellrecht, insbesondere Art. 101 Abs. 1 AEUV, die europäischen Grundfreiheiten oder Grundrechte. Es fehlt in den überwiegenden Fällen bereits an der notwendigen Zwischenstaatlichkeit bzw. dem unionsrechtlichen Bezug. Jedenfalls aber liegt – nach der in allen Fällen anhand derselben Wertgedanken vorzunehmenden Abwägung der öffentlichen und priva95
Siehe hierzu bereits: Teil 2 § 1 A. II. 5.
§ 2 Nationales Verfassungsrecht
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ten Interessen – keine Wettbewerbsbeschränkung i. S. v. Art. 101 AEUV vor bzw. sind etwaige Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten oder Grundrechte gerechtfertigt. Eine Wettbewerbsbeschränkung i. S. v. Art. 101 Abs. 1 AEUV scheidet aus, da die nachvertragliche Wettbewerbsabrede eine zur Durchführung des Anstellungsvertrages notwendige Nebenabrede ist und daher nicht anders bewertet werden darf als der kartellrechtsneutrale Anstellungsvertrag. Etwaige Beschränkungen der Grundfreiheiten bzw. Grundrechte sind gerechtfertigt, da das zunächst privatrechtliche Interesse von GmbHs an Geheimnis- und Konkurrenzschutz im öffentlichen Interesse einer funktionierenden Volkswirtschaft und damit im Sinne des vorrangigen Gemeinwohles liegt. Eine Wettbewerbsbeschränkung liegt nur vor, ebenso wie dann keine Rechtfertigung der Grundfreiheits- bzw. Grundrechtsbeschränkungen möglich ist, wenn sich das nachvertragliche Wettbewerbsverbot in sachlicher, räumlicher oder zeitlicher Hinsicht nicht im Rahmen des für den Konkurrenzschutz der GmbH Erforderlichen hält.
§ 2 Nationales Verfassungsrecht Für die Rechtmäßigkeit nachvertraglicher Wettbewerbsverbote sind auch verfassungsrechtliche Aspekte von Bedeutung.
A. Beachtung von Grundrechten in Privatrechtsverhältnissen In Privatrechtsverhältnissen finden die Grundrechte des Grundgesetzes zwar keine direkte Anwendung, da sie Privatpersonen nach umstrittener, aber überwiegender Ansicht nicht adressieren und daher unmittelbar binden.96 Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG wirken sie aber auch in Privatrechtsverhältnissen, da sie eine objektive Wertordnung verkörpern, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechtes gilt.97 Aufgrund dieser objektiven Wertordnung und des Sozialstaatsprinzipes kann der Gesetzgeber verpflichtet sein, staatliche Regelungen zum Schutz der Grundrechte zu schaffen.98 So muss er nach der Rechtsprechung des BVerfG zum Schutz der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) zivilrechtliche Vorkehrungen ge96 Vgl. ErfK/Dieterich, GG Einl. Rn. 15 ff.; Sachs/Höfling, GG, Art. 1 Rn. 111; Sachs/Murswiek, GG, Art. 2 Rn. 37, 37a, 55a ff.; Mangoldt/Klein/Starck, GG, I Art. 1 Rn. 303 ff. 97 Vgl. BVerfG, Urt. v. 15.1.1958 – 1 BvR 400/57, BVerfGE 7, 198, 204 ff. (Lüth); BVerfG, Beschluss v. 11.5.1976 – 1 BvR 71/70, NJW 1976, 1677; BVerfG, Beschluss v. 30.7.2003 – BvR 792/03, NZA 2003, 959; ErfK/Dieterich, GG Einl. Rn. 33 ff.; Mangoldt/Klein/Starck, GG, I Art. 1 Rn. 303 ff. 98 Vgl. ErfK/Dieterich, GG Einl. Rn. 37 ff., 42 f.; Mangoldt/Klein/Starck/Manssen, GG, I Art. 12 Rn. 25 f.; Sachs, GG, Vor Art. 1 Rn. 35; Staudinger/Sack, BGB, § 138 Rn. 40.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
gen vertragliche Beschränkungen schaffen. Zwar liege es aufgrund der Privatautonomie grundsätzlich bei den Vertragspartnern, ihre Rechtsbeziehungen zu gestalten und dadurch zugleich über ihre grundrechtlich geschützten Positionen ohne staatlichen Zwang zu entscheiden. Das Prinzip der freien Selbstbestimmung sei aber nur gegeben, wenn auch die Bedingungen freier Selbstbestimmung tatsächlich vorlägen. Einschränkungen der Privatautonomie seien daher insbesondere dann unentbehrlich, wenn ein Vertragsteil aufgrund seines starken Übergewichtes die vertragliche Regelung faktisch einseitig setzen könne, so dass ein sachgerechter Interessenausgleich ausgeschlossen sei. Wann aber eine Ungleichgewichtslage so schwer wiege, dass die Vertragsfreiheit durch zwingendes Gesetzesrecht begrenzt oder ergänzt werden müsse, entscheide grundsätzlich der Gesetzgeber. Hierbei komme ihm ein besonders weiter Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum zu. Er müsse die konkurrierenden Grundrechtspositionen der Vertragsteile berücksichtigen und jedenfalls offensichtlichen Fehlentwicklungen entgegenwirken.99 Ferner verpflichten die objektiven Grundentscheidungen des Grundrechtsabschnittes die Gerichte. Diese müssen bei der Auslegung und Anwendung privatrechtlicher Normen die Grundrechtswertungen beachten. Liegen zwingende privatrechtliche Normen für den betroffenen Lebensbereich bzw. die Vertragsform nicht vor, und ist die Entscheidung des Gesetzgebers, von der Schaffung von Normen abzusehen, nicht zu beanstanden, müssen sie die objektive Wertordnung der Grundrechte bei der Konkretisierung und Anwendung der zivilrechtlichen Generalklauseln, vor allem §§ 138, 242, 315 BGB, beachten. Die Generalklauseln dienen mithin als Einbruchstellen der Grundrechtsordnung in das bürgerliche Recht. Dies gilt insbesondere in den Fällen gestörter Vertragsparität.100
B. Beachtung von Grundrechten bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten für Geschäftsführer Nachvertragliche Wettbewerbsverbote verbieten Geschäftsführern, unter Verwertung ihrer beruflichen Erfahrungen und Kenntnisse in Wettbewerb zur GmbH zu treten und beschränken sie insofern in ihrer Berufs- (Art. 12 Abs. 1 GG) sowie der insoweit subsidiären allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG). Sie dienen der GmbH zum Schutz ihrer regelmäßig Art. 14 Abs. 1 GG unterfallenden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie vor Konkurrenztätigkeit des ehemaligen Geschäftsführers und den damit verbundenen wirtschaftlichen Risiken und 99
Vgl. BVerfG, Beschluss v. 7.2.1990 – 1 BvR 26/84, BVerfGE 81, 242 ff. Vgl. BVerfG, Urt. v. 15.1.1958 – 1 BvR 400/57, BVerfGE 7, 198, 204 ff. (Lüth); BVerfG, Beschluss v. 11.5.1976 – 1 BvR 71/70, NJW 1976, 1677; BVerfG, BVerfG, Beschluss v. 7.2.1990 – 1 BvR 26/84, BVerfGE 81, 242 ff.; Beschluss v. 30.7.2003 – BvR 792/03, NZA 2003, 959; ErfK/Schmidt, Art. 2 GG Rn. 30 ff.; Mangoldt/Klein/ Starck, GG, I Art. 1 Rn. 303 ff. 100
§ 3 Einfaches nationales Recht
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Nachteilen als Aspekte der Berufs- (Art. 12 Abs. 1 GG) und Eigentums- (Art. 14 Abs. 1 GG), jedenfalls aber allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG).101 Sie werden nach ganz einhelliger Auffassung in der Literatur für grundsätzlich verfassungsgemäß erachtet.102 Die Rechtsprechung beurteilt sie anhand der Sittenwidrigkeitsklausel des § 138 Abs. 1 BGB und fordert wegen der betroffenen Grundrechte der Geschäftsführer, Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG, einen strengen Maßstab. Die umfassende Anwendung der §§ 74 ff. HGB lehnt sie dagegen unter Verweis auf die Rechtsstellung des Geschäftsführers ab. Hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit eines solchen nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes stellen sich folgende Fragen, die an dieser Stelle allerdings nur aufgezeigt, einer Beantwortung dagegen erst im jeweiligen Gesamtzusammenhang zugeführt werden sollen. Zunächst ist fraglich, ob die Prüfung anhand der Generalklausel des § 138 BGB der grundrechtlichen Werteordnung hinreichend Rechnung trägt. Das wäre dann nicht der Fall, wenn es zum Schutze der Grundrechte des Geschäftsführers einer konkreteren, also noch zu schaffenden spezialgesetzlichen Grundlage bedürfte oder Art. 3 Abs. 1 GG die Anwendung der §§ 74 ff. HGB auch auf Geschäftsführer geböte. In diesem Zusammenhang ist auch anzudenken, ob aus Gründen der Rechtssicherheit und damit des Rechtsstaatsprinzipes (Art. 20 GG) eine dauerhafte Lösung auf der Grundlage der Generalklausel des § 138 BGB abzulehnen ist. Schließlich ist die objektive Wertordnung des Grundgesetzes, insbesondere Art. 12 Abs. 1 GG, bei Auslegung und Anwendung des § 138 BGB zu berücksichtigen. Es ist zu erörtern, wann ein Wettbewerbsverbot keinen angemessenen Ausgleich der widerstreitenden Interessen mehr darstellt und ob bzw. ggf. wann es wegen Fehlens einer Karenzentschädigungspflicht mit Art. 12 GG unvereinbar ist.
§ 3 Einfaches nationales Recht Nachvertragliche Wettbewerbsverbote müssen das einfache nationale Recht wahren. 101 Vgl. zur Interessenlage bei Wettbewerbsverboten zwischen GmbHs und Geschäftsführern: BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366; BGH, Urt. v. 28.4.1986 – II ZR 254/85, NJW 1986, 2944; BGH, Urt. v. 29.10.1990 – II ZR 241/89, NJW 1991, 699; OLG Nürnberg, Urt. v. 25.11.2009 – 12 U 681/09, GmbHR 2010, 141, 142; Campos Nave, NJW 2003, 3222, 3224 f.; Schwabe, JZ 1976, 439; Hachenburg/ Stein, GmbHG, § 35 Rn. 315; zur – insoweit vergleichbaren Interessenlage – bei Wettbewerbsverboten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern/Angestellten: BAG, Urt. v. 15.6.1993 – 9 AZR 558/91, NZA 1994, 502, 504; BGH, Urt. v. 27.9.1983 – VI ZR 294/ 81, NJW 1984, 116, 117; Achterberg, JZ 1975, 713, ders. JZ 1976, 440; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken, HGB, § 74 Rn. 1 m.w. N.; Edenfeld, ZfA 2004, 463, 466; Staub, Großkomm. HGB/Weber, Vor § 74 Rn. 3. 102 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 366 m.w. N.; Brendel, Nachvertragliche grenzüberschreitende Wettbewerbsverbote, S. 111 ff. m.w. N.; Schwabe, JZ 1976, 439; aA: Achterberg, JZ 1975, 713 und JZ 1976, 440.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
A. Verstoß gegen § 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) Zu beachten ist das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Nach dessen § 1103 sind Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbes bezwecken oder bewirken, verboten und i.V. m. § 134 BGB nichtig. I. Anwendbarkeit 1. Einschlägige GWB-Fassung
§ 1 erhielt seine jetzige Fassung erst im Rahmen der 7. GWB Novelle im Juli 2005. Das im Rahmen der 6. GWB-Novelle zum 1.1.1999 in § 1 aufgenommene Tatbestandsmerkmal „miteinander in Wettbewerb stehende Unternehmen“, das seinerseits die in den vorherigen GWB-Novellen enthaltene Voraussetzung „zu einem gemeinsamen Zweck“ ersetzt hatte, wurde gestrichen.104 2. Verhältnis zu Art. 101 AEUV (vormals Art. 81 EG)
Nach § 22 Abs. 1 S. 1 GWB finden auf Verhaltensweisen i. S. v. Art. 81 Abs. 1 EG, die geeignet sind, den zwischenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen (sog. Zwischenstaatlichkeitsklausel), die Vorschriften des GWB Anwendung. Die mitgliedstaatlichen Behörden und Gerichte sind nach § 22 Abs. 1 S. 2 GWB i.V. m. Art. 3 Abs. 1 S. 1 der EGVO aber verpflichtet, zumindest auch Art. 81 EG heranzuziehen. Ferner darf die Anwendung des GWB nach § 22 Abs. 1 S. 1 GWB i.V. m. Art. 3 Abs. 1 S. 2 der EGVO nicht zum Verbot von Verhaltensweisen i. S. v. Art. 81 EG führen, die zwar geeignet sind, den Handel zu beeinträchtigen, diesen aber im Ergebnis nicht beschränken oder unter Art. 81 Abs. 3 EG fallen. § 22 Abs. 2 S. 3 GWB hält durch die Wiederholung des Vorranges des Gemeinschaftsrechtes darüber hinaus fest, dass eine nach Art. 81 EG verbotene Verhaltensweise nicht wegen Vereinbarkeit mit dem GWB erlaubt ist. Ist also eine Verhaltensweise i. S. v. Art. 101 AEUV (zuvor: Art. 81 EG) gegeben, die geeignet ist, den zwischenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen, ist für sie ausschließlich Art. 101 AEUV beachtlich.105 Den Regelungen des GWB 103 In der Fassung der 7. GWB-Novelle von 2005; durch die nicht förmlich als 8. Novelle bezeichnete Änderung des GWB zum 1.1.2008 wurde § 1 GWB nicht modifiziert. 104 Vgl. zur Entwicklung des GWB: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Nordemann, § 1 GWB Rn. 1 ff.; MünchKommKartellR/Säcker, Einl. Rn. 14 ff. 105 Vgl. Immenga/Mestmäcker, WettbR Teil 2, Einl. Rn. 21 ff.; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Einf. Rn. 85; Molle, Begleitende Wettbewerbsverbote, S. 11; Wiedemann, Hdb.-KartellR, § 6 Rn. 3, § 7 Rn. 79 ff.
§ 3 Einfaches nationales Recht
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kommt mithin nur dann eigenständige Bedeutung zu, wenn die Verhaltensweise nicht zur Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels geeignet ist.106 3. Verhältnis zu den §§ 74 ff. HGB
Fraglich ist, ob § 1 GWB durch die §§ 74 ff. HGB ausgeschlossen wäre, wenn diese analoge Anwendung fänden. Hinsichtlich Wettbewerbsverboten für Arbeitnehmer wird teilweise angenommen, die §§ 60, 74 ff. HGB stellten gesetzliche Spezialregelungen dar, die den besonderen Gegebenheiten von Arbeitsverhältnissen Rechnung trügen und daher in ihrem sachlichen und zeitlichen Rahmen die allgemeinen Regelungen des Kartellrechtes verdrängten. Dem Gesetzgeber sei, wie § 90a HGB zeige, auch die Möglichkeit einer selbständigen nachvertraglichen Tätigkeit bekannt gewesen. Eine Wettbewerbsabrede, die die §§ 74 ff. HGB beachte, könne daher nicht nach § 1 GWB nichtig sein.107 Entscheidend für das Verhältnis der §§ 74 ff. HGB zu § 1 GWB ist aber letztlich die Frage, ob die Normen denselben Schutzzweck haben, so dass abweichende Ergebnisse hinsichtlich der Wirksamkeit eines Wettbewerbsverbotes einen Wertungswiderspruch begründeten. Diese Frage entspricht derjenigen nach der Einheitlichkeit der Maßstäbe von § 138 BGB, konkretisiert durch die §§ 74 ff. HGB und § 1 GWB. Diese wird zu einem späteren Zeitpunkt behandelt, so dass vorliegend von einer Erörterung abgesehen werden kann. II. Ausschließliche Zuständigkeit der Landgerichte und Kartellsenate Die Vereinbarkeit einer Abrede mit § 1 GWB prüfen nach § 87 S. 1 GWB ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes ausschließlich die Landgerichte. Für Berufungen sind die Kartellsenate der jeweiligen OLGs (§ 91 GWB), für Revisionen der Kartellsenat des BGH (§ 94 GWB) ausschließlich zuständig. Die ausschließliche Zuständigkeit der Kartellgerichte besteht auch, wenn eine Anspruchsnorm des GWB mit anderen Rechtssätzen zusammentrifft und selbst dann, wenn es auf die kartellrechtliche Anspruchsgrundlage nicht ankommt oder das Schwergewicht des Rechtsstreites beim nichtkartellrechtlichen Anspruch liegt.108 III. Voraussetzungen des § 1 GWB § 1 GWB verbietet Vereinbarungen zwischen Unternehmen [. . .], die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbes bezwecken oder 106 Vgl. Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Einf. Rn. 85; Immenga/Mestmäcker/ Zimmer, WettbR Teil 2, § 1 GWB Rn. 6. 107 Gaul, DB 1995, 874, 877. 108 Vgl. Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Dicks, § 87 GWB Rn. 23.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
bewirken. Der Norm kommt eigenständige Bedeutung im Verhältnis zu Art. 101 AEUV (zuvor: Art. 81 EG) nur zu, wenn die angegriffene Verhaltensweise nicht geeignet ist, den zwischenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen.109 Aber auch dann ist wegen des gesetzgeberischen Zieles der 7. GWB-Novelle, die Vorschriften des GWB mit Art. 81 EG (jetzt: Art. 101 AEUV) zu harmonisieren bei der Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen die Auslegungspraxis zu Art. 101 AEUV zu beachten.110 1. Unternehmen
§ 1 GWB richtet sich an Unternehmen und Unternehmensvereinigungen. Der Unternehmensbegriff ist nicht legaldefiniert. Er wird – wie auch in Art. 101 Abs. 1 AEUV – funktional verstanden und daher wegen Ziel und Zweck des GWB, die Freiheit des Wettbewerbes auf allen Wirtschaftsstufen und in sämtlichen Wirtschaftsbereichen sicherzustellen, sehr weit ausgelegt.111 Die Unternehmereigenschaft i. S. v. § 1 GWB liegt vor bei einer selbständigen Tätigkeit im geschäftlichen Verkehr, die auf den Austausch von Waren oder gewerblichen Leistungen gerichtet ist und sich nicht auf die Deckung des privaten Lebensbedarfes beschränkt.112 Entscheidend ist die Teilnahme am geschäftlichen Verkehr, was der Forderung des Art. 101 AEUV nach wirtschaftlicher Betätigung entspricht; § 1 GWB und Art. 101 AEUV laufen also insoweit weitgehend parallel.113 Erfasst werden auch Fälle, in denen die Wettbewerbsbeschränkung gerade für die künftige Marktteilnahme vereinbart wird, sog. potenzielle Unternehmen.114 Angestellte, die für die Zeit nach Ablauf ihres Arbeitsverhältnisses auf die Ausübung selbständiger unternehmerischer Tätigkeit verzichten, sind hin-
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Siehe Teil 2 § 3 A. I. 1. Vgl. Lettl, KartellR, § 8 Rn. 4; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Nordemann, § 1 GWB Rn. 6; eingehend und weitergehend Abweichungen zulassend: Langen/Bunte, KartellR Bd. I, Einf. zum GWB Rn. 75. 111 Vgl. BGH, Beschl. v. 11.12.1997 – KVR 7/96, NJW 1998, 756, 757 – Europapokalheimspiele; BGH, Beschl. v. 9.3.1999 – KVR 20/97, GRUR 1999, 771 – Lottospielgemeinschaft. 112 Vgl. BGH, Urt. v. 26.10.1961 – KZR 1/61, NJW 1962, 196 – Gummistrümpfe; BGH, GrZS, Beschl. v. 22.3.1976 – GSZ 2/75, BGHZ 67, 81 – Autoanalyzer; BGH, Beschl. v. 11.12.1997 – KVR 7/96, NJW 1998, 756, 757 – Europapokalheimspiele; BGH, Beschl. v. 9.3.1999 – KVR 20/97, GRUR 1999, 771 – Lottospielgemeinschaft; Bechtold/Otting/Bosch, GWB, § 1 Rn. 6; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Nordemann, § 1 GWB Rn. 19; Immenga/Mestmäcker/Zimmer, WettbR-Bd. 2, § 1 Rn. 32, 38. 113 Vgl. Bechtold/Otting/Bosch, GWB, § 1 Rn. 6; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Nordemann, § 1 GWB Rn. 18 f.; für nur eingeschränkte Parallelität: Langen/ Bunte, KartellR Bd. I, § 1 GWB Rn. 35. 114 Vgl. Langen/Bunte, KartellR Bd. I, § 1 GWB Rn. 36; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Nordemann, § 1 GWB Rn. 20; Immenga/Mestmäcker/Zimmer, WettbR-Bd. 2, § 1 Rn. 45. 110
§ 3 Einfaches nationales Recht
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sichtlich des Wettbewerbsverbotes daher Unternehmer115, gleiches gilt für Geschäftsführer116. 2. Vereinbarung
Ebenso wie Art. 101 AEUV verbietet auch § 1 GWB den Unternehmen wettbewerbsbeschränkende „Vereinbarungen“. Solche liegen vor, wenn sich die Parteien rechtlich verbindlich geeinigt haben oder aber jedenfalls tatsächlich an ihre Willensübereinkunft gebunden fühlen.117 3. Wettbewerbsbeschränkung
Die Vereinbarung zwischen den Unternehmen muss eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbes bezwecken oder bewirken. Auch dies entspricht Art. 101 AEUV. a) Bezwecken oder Bewirken einer Beschränkung Vom Schutzbereich der Norm erfasst sind sowohl der Waren- und Dienstleistungs-118, als auch der aktuelle und der potenzielle Wettbewerb119. Letzterer liegt vor, wenn die Parteien sich zwar aktuell noch nicht als Wettbewerber gegenüberstehen, ein Marktzutritt aber zu erwarten ist.120 Eine Wettbewerbsbeschränkung – unter diesem Begriff fasst die überwiegende Auffassung Verhinderungen, Einschränkungen oder Verfälschungen zusammen121 – liegt in jeder Beschränkung der Handlungsfreiheit der an der Vereinbarung beteiligten Unter115 Vgl. Langen/Bunte, KartellR Bd. I, § 1 GWB Rn. 34; Immenga/Mestmäcker/ Zimmer, WettbR-Bd. 2, § 1 Rn. 46; für AG-Vorstände: HK-AktG/Bürgers/Israel, § 88 Rn. 16; MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rn. 50. 116 Vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.12.2000 – U (Kart) 5/00, WuW/E-DE-R 585, 587; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Nordemann, § 1 GWB Rn. 24. 117 Vgl. Bechtold/Otting/Bosch, GWB, § 1 Rn. 14; Langen/Bunte, KartellR Bd. I, § 1 GWB Rn. 46; Immenga/Mestmäcker/Zimmer, WettbR-Bd. 2, § 1 Rn. 81, 83 f. 118 Vgl. Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Nordemann, § 1 GWB Rn. 84. 119 Vgl. BGH, Beschl. v. 24.10.1963 – KVR 3/62, BGHZ 41, 42 – Fensterglas I; BGH, Beschl. v. 27.1.1966 – KRB 2/65, NJW 1966, 842 – Klinker; Langen/Bunte, KartellR Bd. I, Einf. zum GWB Rn. 94; Immenga/Mestmäcker/Zimmer, WettbR-Bd. 2, § 1 Rn. 116. 120 Nach BGH hängt Frage des Marktzutrittes davon ab, ob er wirtschaftlich zweckmäßig und kaufmännisch vernünftig ist: BGH, Urt. v. 13.12.1983 – KRb 3/83, GRUR 1984, 379 – Bieter- und Arbeitsgemeinschaft; zur Diskussion um die Voraussetzungen für potenziellen Wettbewerb – Möglichkeit/Wahrscheinlichkeit von Marktzutritt: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Nordemann, § 1 GWB Rn. 80 f.; Immenga/Mestmäcker/Zimmer, WettbR-Bd. 2, § 1 Rn. 116. 121 Vgl. Bechtold/Otting/Bosch, GWB, § 1 Rn. 27; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Nordemann, § 1 GWB Rn. 97; Wiedemann, Hdb.-KartellR, § 3 Rn. 3.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
nehmen.122 Unterschieden werden Wettbewerbsbeschränkungen zwischen aktuellen bzw. potenziellen Wettbewerbern auf einem Markt (sog. Horizontalvereinbarungen) und zwischen Unternehmen auf verschiedenen Marktstufen (sog. Vertikalvereinbarungen).123 Die Absprache bezweckt eine Wettbewerbsbeschränkung, wenn die Parteien darauf abzielen, die Wettbewerbsfreiheit mindestens eines der beteiligten Unternehmen einzuschränken und dadurch die Marktverhältnisse zu ändern.124 b) Spürbarkeit Die Einschränkung der Wettbewerbsfreiheit der Beteiligten muss in einer praktisch ins Gewicht fallenden Weise zu einer Veränderung der Marktverhältnisse führen, also die Marktchancen der Konkurrenten oder der Marktgegenseite beeinflussen können.125 Maßgeblich hierfür sind der durch die Absprache betroffene Markt und der Marktanteil der an der Abrede Beteiligten.126 c) Immanenztheorie/Rule of Reason – Zulässigkeit von Nebenabreden Eine Wettbewerbsbeschränkung scheidet in den ungeschriebenen Ausnahmefällen der sog. „deutschen Rule of Reason“ bzw. Immanenztheorie aus.127 Der gemeinsame Ansatz dieser Ausnahmefälle besteht darin, § 1 GWB bei Wettbewerbsbeschränkungen dann nicht zur Anwendung zu bringen, wenn diese einem 122 Vgl. BGH, Beschl. v. 29.1.1975 – KRB 4/74, NJW 1975, 788 – Alumniumhalbzeug; Immenga/Mestmäcker/Zimmer, WettbR-Bd. 2, § 1 Rn. 154. 123 Vgl. Bechtold/Otting/Bosch, GWB, § 1 Rn. 42; Langen/Bunte, KartellR Bd. I, § 1 GWB Rn. 117 ff.; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Nordemann, § 1 GWB Rn. 99 f. 124 Vgl. BGH, Beschl. v. 19.6.1975 – KVR 2/74, NJW 1975, 1873 – Zementverkaufsstelle Niedersachsen; BGH, Beschl. v. 8.5.2001 – KVR 12/99, NJW 2001, 3782 – Ost-Fleisch (Feststellung der Einschränkung des Wettbewerbes anhand Gesamtbetrachtung der wirtschaftlichen Zusammenhänge und Auswirkungen; Ausgangspunkt ist allgemeine Lebenserfahrung, dass wirtschaftlich zweckmäßiges und kaufmännisch vernünftiges Verhalten vorliegt.) Bechtold/Otting/Bosch, GWB, § 1 Rn. 31; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Nordemann, § 1 GWB Rn. 125. 125 Vgl. BGH, Urt. v. 14.10.1976 – KZR 36/75, NJW 1977, 804 – Fertigbeton; BGH, Urt. v. 19.10.1993 – KZR 3/92, NJW 1994, 384 – Ausscheidender Gesellschafter; BGH, Beschl. v. 13.1.1998 – KVR 40/96, NJW 1998, 2825 – Carpartner; BGH, Beschl. v. 8.5.2001 – KVR 12/99, NJW 2001, 3782 – Ost-Fleisch Bechtold/Otting/Bosch, GWB, § 1 Rn. 38; Langen/Bunte, KartellR Bd. I, § 1 GWB Rn. 234; Wiedemann, Hdb.KartellR, § 3 Rn. 4. 126 Vgl. jeweils mit weiteren Einzelheiten: Langen/Bunte, KartellR Bd. I, § 1 GWB Rn. 234 ff.; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Nordemann, § 1 GWB Rn. 142; Immenga/Mestmäcker/Zimmer, WettbR-Bd. 2, § 1 Rn. 167 ff. 127 Für teleologische Reduktion des Tatbestandes: Langen/Bunte, KartellR Bd. I, § 1 GWB Rn. 131 ff.; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Nordemann, § 1 GWB Rn. 147 ff.; MünchKommKartellR/Säcker, § 1 GWB Rn. 15; Wiedemann, Hdb.-KartellR, § 3 Rn. 3; Immenga/Mestmäcker/Zimmer, WettbR-Bd. 2, § 1 Rn. 176.
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kartellrechtlich erlaubten Vertrag immanent, d.h. mit dem Vertragstyp notwendigerweise verbunden sind128 und daher bei wertender Betrachtung im Hinblick auf die Freiheit des Wettbewerbes einem anerkennenswerten Interesse entsprechen.129 Dies ist im Einzelfall im Wege der Abwägung der wettbewerblichen Vor- und Nachteile der Wettbewerbsbeschränkung festzustellen.130 Wettbewerbliche Vorteile liegen insbesondere dann vor, wenn durch die Wettbewerbsbeschränkung (regelmäßig in Form einer Nebenabrede) der Leistungsaustausch überhaupt erst ermöglicht oder ein für das Wirtschaftsleben bedeutsamer Austauschvertrag erst durchführbar wird, so dass die Zulassung der Wettbewerbsbeschränkung zu einer Belebung des Wettbewerbes führt.131 aa) Gleichlauf mit Nebenabredendoktrin des EuGH Der EuGH nimmt, wie schon aufgezeigt, nachvertragliche Wettbewerbsverbote von Art. 101 AEUV132 aus, wenn es sich bei ihnen um wettbewerbsbeschränkende Nebenabreden handelt, die für die Durchführung des kartellrechtsneutralen Hauptgegenstandes notwendig und räumlich, zeitlich und gegenständlich auf das für die Durchführung des Vertrages erforderliche Ausmaß beschränkt sind (sog. Nebenabredendoktrin). Ausweislich der Regierungsbegründung wird mit der 7. GWB Novelle die Angleichung des nationalen Kartellrechtes an das europäische Recht angestrebt.133 Vor diesem Hintergrund ist bei der Auslegung des § 1 GWB auch die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 101 AEUV nachzuvollziehen.134 Dies gebietet bei gleichzeitiger Einschlägigkeit von Art. 101 AEUV 128 Vgl. BGH, Urt. v. 27.5.1986 – KZR 32/84, NJW-RR 1986, 1486 – Spielkartenvertrieb; BGH, Urt. v. 13.11.1990 – KZR 2/89, NJW-RR 1991, 1002 – Nassauische Landeszeitung; Langen/Bunte, KartellR Bd. I, § 1 Rn. 134; Thomas, WuW 2010, 177, 178; Immenga/Mestmäcker/Zimmer, WettbR-Bd. 2, 3. Auflage, § 1 Rn. 269. 129 Vgl. BGH, Beschluss v. 18.2.2003 – KVR 24/01, NVwZ 2003, 1140 – Verbundnetz II; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Nordemann, § 1 GWB Rn. 148; Immenga/ Mestmäcker/Zimmer, WettbR-Bd. 2, 3. Auflage, § 1 Rn. 280. 130 Vgl. Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Nordemann, § 1 GWB Rn. 148; MünchKommKartellR/Säcker, § 1 GWB Rn. 3, 11; Immenga/Mestmäcker/Zimmer, WettbRBd. 2, § 1 Rn. 176. 131 Vgl. Langen/Bunte, KartellR Bd. I, § 1 Rn. 134 ff.; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Nordemann, § 1 GWB Rn. 148; MünchKommKartellR/Säcker, § 1 GWB Rn. 3, 11; Immenga/Mestmäcker/Zimmer, WettbR-Bd. 2, § 1 Rn. 176, 193 ff. 132 Vgl. Rechtsprechung des EuGH, aber noch zu Art. 81 EG, Fn. 376–383. 133 Vgl. Reg.-Begründung, BT-Drucks. 15/3640, S. 21; BGH, Urt. v. 10.12.2008 – KZR 54/08, NJW 2009, 1751, 1753 – Subunternehmervertrag II. 134 Vgl. BGH, Urt. v. 10.12.2008 – KZR 54/08, NJW 2009, 1751, 1753 – Subunternehmervertrag II; Bechtold, NJW 2007, 3761; Wiedemann/Lübbig, Hdb.-KartellR, § 7 Rn. 79 ff.; Immenga/Mestmäcker, WettbR-Bd. 2, Einl. Rn. 81 ff. und Zimmer, § 1 Rn. 5; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Nordemann, § 1 GWB Rn. 6; Molle, Begleitende Wettbewerbsverbote, S. 13; MünchKommKartellR/Säcker, Einl. Rn. 27, § 1 GWB Rn. 2.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
und § 1 GWB bereits § 22 Abs. 2 S. 1 GWB, nach welchem ein Verstoß gegen das GWB dann ausscheidet, wenn für die unter Art. 81 Abs. 1 EGB (jetzt: Art. 101 Abs. 1 AUEV) fallende Verhaltensweise, die geeignet ist, den zwischenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen, eine Wettbewerbsbeschränkung im Ergebnis abgelehnt oder Art. 81 Abs. 3 EG (Art. 101 Abs. 3 AUEV) angenommen wird. Aber auch in den Fällen, in welchen Art. 101 AEUV nicht eingreift, gilt nichts anderes. Der Gesetzgeber hat die §§ 1, 2 GWB vollständig an Art. 81 EG (jetzt: Art. 101 AEUV) angeglichen. Dadurch hat er – auch aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit – die Voraussetzungen und die Dogmatik für eine einheitliche Erfassung vertraglicher Wettbewerbsbeschränkungen geschaffen und einer schärferen oder milderen Wettbewerbspolitik im rein nationalen Bereich die gesetzliche Grundlage entzogen.135 Insofern ist die Nebenabredendoktrin des EuGH durch die nationalen Gerichte – auch bei Nichteingreifen des Art. 101 AEUV – bei der Auslegung und Anwendung des § 1 GWB zu berücksichtigen.136 bb) Voraussetzungen einer zulässigen Nebenabrede (1) Entwicklung in der jüngsten Rechtsprechung des BGH Unabhängig der Nebenabredenrechtsprechung des EuGH erachtet aber auch der BGH bereits bisher137 Wettbewerbsverbote jedenfalls dann als mit § 1 GWB vereinbar, wenn sie als notwendige Nebenabreden erforderlich sind, um den Hauptzweck des an sich kartellrechtsneutralen Vertrages zu verwirklichen. Entscheidend sei, dass das Wettbewerbsverbot sachlich erforderlich sowie zeitlich, räumlich und gegenständlich darauf beschränkt sei, den mit dem Vertrag verfolgten Zweck zu erreichen.138 Zwar differenzierte der BGH bis vor kurzem noch, ob die Wettbewerbsbeschränkung der Verwirklichung einer Horizontal- oder aber Vertikalvereinbarung diente und erachtete Wettbewerbsbeschränkungen zur Durchführung von Vertikalvereinbarungen weitergehend schon dann als mit § 1 135 Vgl. Wiedemann/Lübbig, Hdb.-KartellR, § 7 Rn. 79, 82; MünchKommKartellR/ Säcker, Einleitung Rn. 34 Rn. 2. 136 Vgl. BGH, Urt. v. 10.12.2008 – KZR 54/08, NJW 2009, 1751, 1753 – Subunternehmervertrag II und bereits: BGH, Urt. v. 19.10.1993 – KZR 3/92, NJW 1994, 384 – Ausscheidender Gesellschafter; MünchKommKartellR/Säcker, § 1 GWB Rn. 3, 13, 14; Immenga/Mestmäcker/Zimmer, WettbR-Bd. 2, § 1 Rn. 8; für AG-Vorstand: HK-AktG/ Bürgers/Israel, § 88 Rn. 16. 137 Vgl. zur Entwicklung in den verschiedenen GWB-Novellen: Langen/Bunte, KartellR Bd. I, § 1 Rn. 136 ff.; MünchKommKartellR/Säcker, § 1 GWB Rn. 11, 15. 138 Vgl. BGH, Urt. v. 19.10.1993 – KZR 3/92, NJW 1994, 384 – Ausscheidender Gesellschafter; BGH, Urt. v. 12.5.1998 – KZR 18/97, NJW-RR 1998, 1508 – Subunternehmervertrag; BGH, Urt. v. 10.12.2008 – KZR 54/08, NJW 2009, 1751 – Subunternehmervertrag II; OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.12.2009 – VI-U (Kart) 8/09, GRURPrax 2010, 117.
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GWB vereinbar, wenn für sie ein anzuerkennendes Interesse bestand.139 Diese Unterscheidung hat er jedoch unter Verweis auf die mit der 7. GWB-Novelle vorgenommene Gleichstellung vertikaler und horizontaler Vereinbarungen in § 1 GWB bei gleichzeitiger Einführung der Legalausnahme vom Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen in § 2 GWB ausdrücklich aufgegeben.140 Ein Wettbewerbsverbot unterfällt daher nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH dann nicht § 1 GWB, wenn es wegen des Vertragszweckes notwendig ist; ein anzuerkennendes Interesse ist dagegen nicht (mehr) ausreichend. Damit entspricht der Ansatz des BGH jedenfalls im Grundsatz dem des EuGH.141 (2) Gleichlauf mit BGH-Rechtsprechung zu § 138 BGB Zu beachten ist weiter, dass die Erforderlichkeitsvoraussetzungen des § 1 GWB im Regelfall mit den im Rahmen der Sittenwidrigkeitsprüfung des § 138 BGB zugrundegelegten Maßstäben übereinstimmen.142 So führt der BGH in einigen Entscheidungen zu Wettbewerbsverboten in Unternehmensveräußerungs-, Gesellschafts- bzw. Subunternehmerverträgen zunächst aus, unter welchen Voraussetzungen nachvertragliche Wettbewerbsverbote als zulässige Nebenabreden kartellrechtlich nicht zu beanstanden sind und stellt dann fest, dass die getroffenen Verbote räumlich und/oder gegenständlich bzw. zeitlich über das für die Vertragserreichung erforderliche Maß hinausgehen. Sodann weist er daraufhin hin, dass ein Verstoß gegen § 1 GWB ohne weitere tatsächliche Feststellungen zur Spürbarkeit der Wettbewerbsbeeinträchtigung nicht angenommen werden könne, dies aber nicht schade, da jedenfalls ein Verstoß gegen § 138 BGB gegeben sei. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH seien nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit Rücksicht auf die grundgesetzlich geschützte Berufsausübungsfreiheit nur dann gerechtfertigt und nicht nach § 138 BGB sittenwidrig, wenn und soweit sie notwendig seien, um einen Vertragsteil vor einer illoyalen Verwertung der Erfolge seiner Arbeit durch den anderen Vertragspartner zu schützen. Sie 139 Vgl. BGH, Urt. v. 14.1.1997 – KZR 35/95, WuW 1997, 617 – BedsideTestkarten; BGH, Urt. v. 14.1.1997 – KZR 41/95 – Druckgußteile, NJW 1997, 2324; BGH, Urt. v. 6.5.1997 – KZR 43/95, GRUR 1997, 937 – Solelieferung; BGH, Urt. v. 12.5.1998 – KZR 18/97, NJW-RR 1998, 1508, 1509 – Subunternehmervertrag; BGH, Urt. v. 14.3. 2000 – KZR 8/99, WuW 2000, 885. 140 Vgl. BGH, Urt. v. 10.12.2008 – KZR 54/08, NJW 2009, 1751 – Subunternehmervertrag II; OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.12.2009 – VI-U (Kart) 8/09, GRURPrax 2010, 117; Bechtold, NJW 2007, 3761; Langen/Bunte, KartellR Bd. I, § 1 Rn. 93 f., 138; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Nordemann, § 1 GWB Rn. 10; MünchKommKartellR/ Säcker, Einl. Rn. 27, § 1 GWB Rn. 3; Thomas, WuW 2010, 177, 178; Wiedemann, Hdb.-KartellR, § 1 Rn. 40. 141 Vgl. BGH, Urt. v. 10.12.2008 – KZR 54/08, NJW 2009, 1751 – Subunternehmervertrag II; Thomas, WuW 2010, 177, 178. 142 Vgl. umfassend zum Verhältnis: MünchKommKartellR/Säcker, § 1 GWB Rn. 6 ff.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
seien nur wirksam, wenn sie in räumlicher, gegenständlicher und zeitlicher Hinsicht das notwendige Maß nicht überschritten [. . .]. Weiter heißt es dann, dass die Beurteilungskriterien denjenigen des § 1 GWB entsprächen, wobei es jedoch der Spürbarkeit der Wettbewerbsbeeinträchtigung nicht bedürfe. Die fehlende gegenständliche, räumliche oder zeitliche Erforderlichkeit i. S. v. § 1 GWB wird dann zur Begründung der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB herangezogen.143 Auch in der Literatur werden die Erforderlichkeits- bzw. Sittenwidrigkeitsanforderungen teilweise zusammenhängend erörtert bzw. wird bei der Prüfung des § 1 GWB einschränkungslos auf die Ausführungen zu § 138 BGB verwiesen.144 Diese Ausführungen von BGH und Literatur implizieren auf den ersten Blick, dass die textlich übereinstimmenden Kriterien der Sittenwidrigkeitsprüfung des § 138 BGB auf der einen und der Nebenabredenprüfung des § 1 GWB auf der anderen Seite stets einheitlich auszulegen sind. Richtigerweise sind die Ausführungen des BGH aber so zu verstehen, dass ein Wettbewerbsverbot, das gegen § 1 GWB verstößt, weil es über das erforderliche Maß hinausgeht und daher nicht mehr als vertragsimmanent aus dem Tatbestand der Norm auszunehmen ist, nur im Regelfall auch sittenwidrig i. S. v. § 138 BGB ist, so dass es auf die Spürbarkeit der Wettbewerbsbeeinträchtigung mangels Entscheidungsrelevanz nicht mehr ankommt und das Urteil allein auf § 138 BGB gestützt werden kann. Es ist jedoch weder ausgeschlossen, dass ein Verbot zwar nicht die Erforderlichkeitsvoraussetzungen des § 1 GWB, wohl aber die Anforderungen des Sittenwidrigkeitsmaßstabes des § 138 BGB erfüllt, noch scheidet ein Verstoß gegen § 138 BGB von vorneherein aus, wenn die Nebenbestimmung erforderlich i. S. v. § 1 GWB ist.145 Der Annahme eines uneingeschränkten Gleichlaufes hinsichtlich Auslegung und damit auch Ergebnissen stehen die unterschiedlichen Schutzzwecke der Normen entgegen. Entsprechend hat der BGH in einer anderen Entscheidung ausgeführt, der Bewertung einer Vereinbarung nach § 138 BGB seien zwar im Ausgangspunkt ähnliche Kriterien wie bei § 1 GWB zugrunde zu legen; diese seien allerdings dem anderen Schutzzweck der Norm entsprechend zu mo143 Vgl. BGH, Urt. v. 10.12.2008 – KZR 54/08, NJW 2009, 1751, 1753 – Subunternehmervertrag II; vgl. auch BGH, Urt. v. 16.10.1989 – II ZR 2/89, NJW-RR 1990, 226. 144 Vgl. Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 87; Bauer/Diller, GmbHR 1999, 883, 890; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Nordemann, § 1 GWB Rn. 163 verweist zum Beleg in Fn. 818 auf Entscheidungen zu § 138 BGB, ebenso Rn. 272; v. Westphalen/ Thüsing, Vertragsrecht, Teil „Klauselwerke“, Geschäftsführerverträge, Rn. 207; für AGVorstand: Hüffer, AktG, § 88 Rn. 10; KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 88 Rn. 43; K. Schmidt/Lutter/Seibt, AktG, § 88 Rn. 16; MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rn. 50; Fleischer/Thüsing, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rn. 110. 145 Vgl. nach eingehender Auseinandersetzung auch: Thomas, WuW 2010, 177, 181; i. E. wohl auch: Roth/Altmeppen, HGB, § 6 Rn. 87; zur Sittenwidrigkeit eines mangels „gemeinsamen Zweckes“ nicht § 1 GWB (a. F.) unterfallenden Wettbewerbsverbotes für einen Gesellschafter: BGH, Urt. v. 13.3.1979 – KZR 23/77, NJW 1979, 1605 – Ausscheidungsvereinbarung; zu unterschiedlichen Prüfungsansätzen: BGH, Urt. v. 12.5. 1998 – KZR 18/97, NJW-RR 1998, 1508, 1509 – Subunternehmervertrag.
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difizieren. Bei § 138 BGB ständen nicht – wie bei § 1 GWB146 – die Interessen der Allgemeinheit im Vordergrund. Ausschlaggebend sei daher nicht, ob die Beschränkung des freien Wettbewerbes als solche hingenommen werden könne. In erster Linie sei vielmehr die Frage maßgebend, in welchem Umfang die berechtigten Interessen des durch eine Beschränkung Begünstigten eine Einschränkung der Freiheit gewerblicher Betätigung auf Seiten des anderen Teiles rechtfertigen könnten. Ob eine unzumutbare Beeinträchtigung der geschäftlichen Freiheit des Beklagten eingetreten sei, könne nur unter Berücksichtigung der beiderseits erbrachten Leistungen entschieden werden.147 Die Möglichkeit abweichender Ergebnisse folgt schließlich auch aus der Tatsache, dass das europäische und das nationale Kartellrecht auf dem Verbotsprinzip beruhen, wonach wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen zwischen Unternehmen grundsätzlich verboten und nur bei Vorliegen besonderer Umstände – einschließlich der sogenannten immanenten Schranken – gerechtfertigt sind, während das Verbot des § 138 BGB nur bei Vorliegen besonderer Umstände anwendbar ist.148 Dennoch darf nicht übersehen werden, dass Rechtsprechung und Literatur die Erforderlichkeit i. S. v. § 1 GWB und § 138 BGB im Regelfall nach denselben Kriterien und damit übereinstimmend beurteilen. In seiner Entscheidung vom 10.12.2008 hat der Kartellsenat des BGH ausdrücklich auf die Rechtsprechung des II. Senates des BGH zur Beurteilung von Wettbewerbsverboten anhand des § 138 BGB Bezug genommen und festgehalten, dass „die Beurteilungskriterien denjenigen des § 1 GWB entsprechen, wobei es jedoch einer Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung nicht bedarf.“ 149 (3) Wettbewerbsverbote in Unternehmensveräußerungs-, Gesellschafts- und Subunternehmerverträgen Unter welchen Voraussetzungen es sich bei einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot um eine für die Durchführung und damit Verwirklichung des Vertragszweckes notwendige Nebenabrede handelt, hat der BGH bisher u. a. zu Unternehmensveräußerungs-, Gesellschafts- und Subunternehmerverträgen entschieden150. 146 Vgl. zum Zweck des Kartellrechts: Bechtold/Otting/Bosch, GWB, Einführung Rn. 46 ff. 147 Vgl. BGH, Urt. v. 19.10.1993 – KZR 3/92, NJW 1994, 384 – Ausscheidender Gesellschafter; umfassend zu den Prüfungsgegenständen: Kanzleiter, DNotZ 1989, 195; Molle, Begleitende Wettbewerbsverbote, S. 157 f.; Erman/Palm/Arnold, BGB, § 138 Rn. 126; Staudinger/Sack, BGB, § 138 Rn. 313; Schnelle, GmbHR 2000, 599, 600. 148 Vgl. Staudinger/Sack, BGB, § 138 Rn. 313. 149 Vgl. BGH, Urt. v. 10.12.2008 – KZR 54/08, NJW 2009, 1751, 1753 – Subunternehmervertrag II. 150 Diese Fälle betonend: Langen/Bunte, KartellR Bd. I, § 1 Rn. 134 ff.; Immenga/ Mestmäcker/Zimmer, WettbR-Bd. 2, 3. Auflage, § 1 Rn. 271; zu nachvertraglichem
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Wettbewerbsverbote in – als solche kartellrechtlich neutralen – Unternehmensveräußerungsverträgen151 (Unternehmenskaufverträgen152 sowie Kaufverträgen über Gesellschaftsbeteiligungen) sind kartellrechtlich zulässig, wenn sie im konkreten Einzelfall sachlich erforderlich sind, um die wirkliche Übertragung des Unternehmens auf den Erwerber zu ermöglichen und nach Zeit, Ort und Gegenstand auf das Maß beschränkt sind, das erforderlich ist, um den Leistungsaustausch zu erreichen.153 Die sachliche Erforderlichkeit ist dann gegeben, wenn Verkäufer und Käufer zumindest potenzielle Wettbewerber bleiben, so dass es des Wettbewerbsverbotes für eine effektive Unternehmensübertragung bedarf, weil der Verkäufer aufgrund seiner Kenntnisse über das veräußerte Unternehmen diesem immaterielle Werte entziehen oder seine Kundschaft unmittelbar nach der Unternehmensveräußerung zurückgewinnen könnte.154 Welche zeitliche Dauer das Wettbewerbsverbot nicht überschreiten darf, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. In der Literatur werden teilweise nur Zweijahresregelungen für zulässig erachtet, teilweise aber auch Fünfjahresregelungen zugelassen.155 Nach der Rechtsprechung hängt die Zeitdauer von den Umständen des Einzelfalles ab. Entscheidend sei, wie viel Zeit der Käufer benötige, um das übernommene Geschäft mit seinen Kundenbeziehungen in seiner Hand zu konsolidieren.156 Hinsichtlich eines Wettbewerbsverbotes in einem Pachtvertrag für ein Grundstück samt Unternehmen wird die Dauer von bis zu zwei Jahren als hinreichend erachtet. Dieser Zeitraum schaffe hinreichend Gelegenheit, die Kunden vom Angebot zu überzeugen und an sich zu binden, so dass in der Folgezeit die Konkurrenz wieder hinzunehmen sei; ein zeitlich nicht gerechtfertiges Wettbewerbsverbot könne aber wie bei § 138 BGB geltungserhaltend reduziert werden.157 Gegenständlich und räumlich ist das Wettbewerbsverbot grundsätzlich auf die Märkte zu beschränken, auf denen das Unternehmen als aktiver Wettbewerber tätig geWettbewerbsverbot in Pachtvertrag: OLG Celle, Urt. v. 13.1.1999 – 13 U 220/98, OLGR Celle 1999, 319. 151 Vgl. umfassend: Molle, Begleitende Wettbewerbsverbote, S. 132 ff.; Rudersdorf, RNotZ 2011, 509, 519. 152 Vgl. bzgl. Wettbewerbsverboten für Gesellschafter-Geschäftsführer bei Unternehmenskäufen: Schnelle, GmbHR 2000, 599 ff. 153 Vgl. BGH, Urt. v. 6.3.1979 – KZR 4/78, GRUR 1979, 650 – Erbauseinandersetzung; BGH, Urt. v. 13.3.1979 – KZR 23/77, NJW 1979, 1605 – Ausscheidungsvereinbarung; BGH, Urt. v. 3.11.1981 – KZR 33/80, NJW 1982, 2000 – Holzpaneele; jeweils m.w. N.: Bechtold/Otting/Bosch, GWB, § 1 Rn. 50; Langen/Bunte, KartellR Bd. I, § 1 GWB Rn. 134; MünchKommKartellR/Säcker, § 1 GWB Rn. 17. 154 Vgl. BGH, Urt. v. 3.11.1981 – KZR 33/80, NJW 1982, 2000 – Holzpaneele; MünchKommKartellR/Säcker, § 1 GWB Rn. 17; Immenga/Mestmäcker/Zimmer, WettbR-Bd. 2, § 1 GWB Rn. 177 unter Verweis auf: Immenga/Mestmäcker/Zimmer, WettbRBd. 2, 3. Auflage, § 1 Rn. 291. 155 Vgl. zum Streitstand: umfassend: Molle, Begleitende Wettbewerbsverbote, S. 1161; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Nordemann, § 1 GWB Rn. 163; MünchKommKartellR/Säcker, § 1 GWB Rn. 17. 156 Vgl. BGH, Urt. v. 3.11.1981 – KZR 33/80, NJW 1982, 2000 – Holzpaneele.
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wesen ist.158 Bei lokal oder regional beschränktem Kundenstamm ist das Wettbewerbsverbot daher entsprechend zu beschränken.159 Nachvertragliche Wettbewerbsbeschränkungen in Gesellschaftsverträgen sind nach der Rechtsprechung kartellrechtlich nur zulässig, wenn und soweit sie notwendig sind, um das Gesellschaftsunternehmen in seinem Bestand und seiner Funktionsfähigkeit zu erhalten. Ein gesellschaftsvertraglich vereinbartes Konkurrenzverbot rechtfertige sich nicht bereits aus dem Bestreben, das Unternehmen vor dem freien Wettbewerb zu schützen, da es sich diesem wie jedes andere stellen müsse. Das Wettbewerbsverbot dürfe vielmehr nur Vorsorge für den Fall treffen, dass ein Gesellschafter das Unternehmen von innen her aushöhle oder gar zerstöre und damit einen leistungsfähigen Wettbewerber zugunsten seiner eigenen Konkurrenztätigkeit ausschalte.160 Hieraus folge, dass nur demjenigen Gesellschafter ein Wettbewerbsverbot auferlegt werden könne, der maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft habe, da nur bei diesem in aller Regel die Gefahr der inneren Aushöhlung des Unternehmens zugunsten der eigenen Konkurrenztätigkeit bestehe. Nur bei maßgebendem Einfluss auf die Geschäftsführung sei zu befürchten, dass der Geschäftsführer seine Pflicht vernachlässige, in allen Angelegenheiten, die das Interesse der Gesellschaft berührten, alleine deren Wohl und nicht den eigenen Nutzen im Auge zu haben.161 Gerechtfertigt seien Wettbewerbsverbote ferner nur in dem Maße, wie sie zur Durchführung des Geschäftes und zur Zweckerreichung notwendig seien. Lasse sich ein hinreichender Schutz durch eine Kundenschutzabrede erreichen, sei diese weniger intensiv in den Wettbewerb eingreifende Beschränkungsform zu ergreifen.162 157 Vgl. OLG Celle, Urt. v. 13.1.1999 – 13 U 220/98, OLGR Celle 1999, 319; zur geltungserhaltenden Reduktion eines Wettbewerbsverbotes für die Vertragslaufzeit: OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.6.1998 – U (Kart) 20/98, WuW/E DER R 187–194. 158 Vgl. MünchKommKartellR/Säcker, § 1 GWB Rn. 18. 159 Vgl. BGH, Urt. v. 20.3.1984 – KZR 11/83, WM 1985, 140 – Strohgau-Wochenjournal. 160 Vgl. BGH, Urt. v. 21.2.1978 – KZR 6/77, NJW 1978, 1001 – Gabelstaplerverleih; BGH, Urt. v. 3.5.1988 – KZR 17/87, NJW 1988, 2737 – neuform-Bereich; BGH, Urt. v. 19.10.1993 – KZR 3/92, NJW 1994, 384. Ausscheidender Gesellschafter; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 17.3.2009 – 11 U 61/08, DB 2009, 1640. 161 Vgl. BGH, Urt. v. 3.5.1988 – KZR 17/87, NJW 1988, 2737 – neuform-Bereich; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 17.3.2009 – 11 U 61/08, DB 2009, 1640; zu Wettbewerbverbot aus Treuepflicht: BGH, 5.12.1983 – II ZR 282/82, NJW 1984, 1351 – Werbeagentur; jeweils m.w. N.: Bechtold/Otting/Bosch, GWB, § 1 Rn. 48; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Nordemann, § 1 GWB Rn. 170; Oppenländer/Trölitzsch, GmbHGeschäftsführung, § 9 Rn. 73; MünchKommKartellR/Säcker, § 1 GWB Rn. 23 f.; Immenga/Mestmäcker/Zimmer, WettbR-Bd. 2, § 1 Rn. 177 unter Verweis auf: Immenga/ Mestmäcker/Zimmer, WettbR-Bd. 2, 3. Auflage, § 1 Rn. 282 ff.; umfassend: Kanzleiter, DNotZ 1989, 195, 199 f.; Klett/Klett, WRP 2011, 1536 ff.; Rudersdorf, RNotZ 2011, 509, 519; allgemein zum Verhältnis von Gesellschaftsrecht und Kartellrecht: Beuthien, ZHR 142 (1978), 259, 276 ff. 162 Vgl. BGH, Urt. v. 19.10.1993 – KZR 3/92, NJW 1994, 384 – Ausscheidender Gesellschafter.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
Zudem müsse das Wettbewerbsverbot auf den für die Konsolidierung der Kundenbeziehungen notwendigen Zeitraum beschränkt werden.163 Dieser liege sogar dann, wenn der Geschäftsgegenstand der Gesellschaft eher durch langlebige Güter geprägt werde und Kundenkontakte nur in größeren Abständen stattfänden, bei zwei Jahren, da die Gesellschaft bei den gebotenen eigenen Anstrengungen ihre Kunden in diesem Zeitraum von ihrem Angeboten überzeugen und so an sich binden könne.164 Ein in einem Rahmenvertrag zwischen Hauptunternehmer und Subunternehmer vorgesehenes nachvertragliches Wettbewerbsverbot zulasten des Subunternehmers wird in der Rechtsprechung für zulässig erachtet, wenn es gegenständlich, räumlich und zeitlich erforderlich ist, um den Hauptzweck des Vertrages zu erreichen.165 Dieser wird in der arbeitsteiligen Durchführung der jeweiligen Arbeiten gesehen. Während der Hauptunternehmer die Kunden akquirieren und für eine zur Kundenpflege ausreichende Unternehmensorganisation sorgen müsse, obliege es dem Subunternehmer, die konkreten Arbeiten durchzuführen und hierfür Personal, Maschinen und sonstiges Material vorzuhalten. Dieser Aufgabenund Risikoaufteilung entspreche die Verteilung des eingenommenen Entgeltes. Dieser ausgewogene Leistungsaustausch werde empfindlich gestört, wenn der Subunternehmer, der bei der Vertragsabwicklung zwangsläufig in Kontakt mit den Kunden des Hauptunternehmers träte, an dessen Stelle unmittelbare Vertragsbeziehungen mit den Kunden knüpfe. Vor diesem Hintergrund seien jedenfalls auf die bisherigen Kunden beschränkte Kundenschutzklauseln zugunsten des Hauptunternehmers sachlich erforderlich.166 Nicht mehr zulässig sei es dagegen, dem Subunternehmer jegliche Tätigkeit für Mitbewerber des Hauptunternehmers in dem vom Subunternehmervertrag erfassten Bereich zu verbieten. Zwar bestehe ein wirtschaftliches Interesse des Hauptunternehmers, seine Mitbewerber
163 Vgl. BGH, Urt. v. 19.10.1993 – KZR 3/92, NJW 1994, 384 – Ausscheidender Gesellschafter. 164 Vgl. BGH, Urt. v. 19.10.1993 – KZR 3/92, NJW 1994, 384 – Ausscheidender Gesellschafter, zur Bestärkung auf die Rechtsprechung des II-Senats des BGH zur Beurteilung von Wettbewerbsverboten mit Gesellschaftern nach § 138 BGB verweisend. 165 Vgl. zur Reichweite eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes in einem Franchisevertrag: OLG Hamm, Urt. v. 28.4.2009 – I-4 U 13/06, 4 U 13/09, NJW-RR 209, 717. 166 Vgl. BGH, Urt. v. 12.5.1998 – KZR 18/97, NJW-RR 1998, 1508, 1509 – Subunternehmervertrag; BGH, Urt. v. 14.3.2000 – KZR 8/99, WuW 2000, 885; BGH, Urt. v. 10.12.2008 – KZR 54/08, NJW 2009, 1751, 1753 – Subunternehmervertrag II; OLG München, Urt. v. 14.4.2005 – U (K) 5728/03, juris (Kooperationsvertrag); OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.5.2007 – VI-U (Kart) 37/06, juris (Kopperationsvertrag); OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.12.2009 – VI-U (Kart) 8/09, GRURPrax 2010, 117 (arbeitsteiliger Vertrieb eines Produkts); Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Nordemann, § 1 GWB Rn. 165; Thomas, WuW 2010, 177, 179; Immenga/Mestmäcker/Zimmer, WettbR-Bd. 2, § 1 Rn. 177 unter Verweis auf: Immenga/Mestmäcker/Zimmer, WettbR-Bd. 2, 3. Auflage, § 1 Rn. 293.
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generell von der Zusammenarbeit mit dem Subunternehmer auszuschließen. Dieses Interesse sei jedoch mit der auf die Freiheit des Wettbewerbes gerichteten Zielsetzung des Kartellrechtes nicht zu vereinbaren. Ein umfassendes Wettbewerbsverbot sei daher für die Durchführung des Subunternehmervertrages nicht erforderlich.167 Allerdings könne unter besonderen Umständen auch ein weitergehendes Wettbewerbsverbot sachlich erforderlich sein. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn zur Ausführung des Vertrages Betriebsgeheimnisse offenbart werden müssten.168 4. Verstoß von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten gegen § 1 GWB
Nachvertragliche Wettbewerbsabreden zwischen GmbHs und ihren Geschäftsführern stellen Vereinbarungen zwischen Unternehmen i. S. v. § 1 GWB dar, wenn dem Geschäftsführer für die Zeit nach Ablauf des Anstellungsverhältnisses jedenfalls auch die Ausübung selbständig-unternehmerischer Tätigkeit untersagt wird. Sie bezwecken, den Geschäftsführer in seiner Handlungsfreiheit zu beschränken.169 Es handelt sich um horizontal veranlasste Beschränkungen potenziellen Wettbewerbes.170 Insoweit schadet es nicht, dass mit dem Geschäftsführer nur ein Beteiligter in seiner Wettbewerbsfreiheit beschränkt wird.171 Zudem werden auch Mitbewerber der GmbH daran gehindert, mit dem Geschäftsführer zusammenzuarbeiten.172 Für eine Wettbewerbsbeschränkung i. S. v. § 1 GWB fehlt es jedoch regelmäßig an der erforderlichen Spürbarkeit der Einschränkung des Wettbewerbes, da dem Geschäftsführer in der Regel keine so gewichtige Marktstellung zukommt, dass sein befristeter Ausschluss den Markt spürbar beeinträchtigen kann.173 Zudem sind die nachvertraglichen Wettbewerbsabreden als zur Durchführung des Anstellungsvertrages notwendige, weil erforderliche und angemessene Nebenabreden aus dem Tatbestand des § 1 GWB auszunehmen, so dass 167 Vgl. BGH, Urt. v. 10.12.2008 – KZR 54/08, NJW 2009, 1751, 1753 – Subunternehmervertrag II. 168 Vgl. BGH, Urt. v. 10.12.2008 – KZR 54/08, NJW 2009, 1751, 1753 – Subunternehmervertrag II; umfassend: Molle, Begleitende Wettbewerbsverbote, S. 187 ff. 169 Vgl. Bauer/Diller, GmbHR 1999, 883, 890; Sina, DB 1985, 902, 904; für AGVorstände: HK-AktG/Bürgers/Israel, § 88 Rn. 16; Hüffer, AktG, § 88 Rn. 10; Großkomm.AktienG/Kort, § 88 Rn. 174; KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 88 Rn. 43; NK-AktienR/Oltmanns, Kap. 1 § 88 Rn. 12; K. Schmidt/Lutter/Seibt, AktG, § 88 Rn. 16; MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rn. 50; Fleischer/Thüsing, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rn. 110. 170 Vgl. Langen/Bunte, KartellR Bd. I, § 1 Rn. 136. 171 Vgl. Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Nordemann, § 1 GWB Rn. 99; Immenga/Mestmäcker/Zimmer, WettbR-Bd. 2, § 1 Rn. 166. 172 Vgl. für nachvertragliches Wettbewerbsverbot für Subunternehmer: BGH, Urt. v. 10.12.2008 – KZR 54/08, NJW 2009, 698. 173 Vgl. Bauer/Diller, GmbHR 1999, 883, 890; Heller, GmbHR 2000, 371, 372; Hachenburg/Stein, GmbHG, § 35 Rn. 313.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
es auch deswegen an einer Wettbewerbsbeschränkung fehlt.174 Der BGH hat zwar – soweit ersichtlich – bisher noch nicht eingehend erörtert, wann und inwieweit nachvertragliche Wettbewerbsverbote für Geschäftsführer gegenständlich, zeitlich und räumlich für die Erreichung des Hauptzweckes des Anstellungsvertrages erforderlich i. S. v. § 1 GWB sind. In einigen Entscheidungen hat er die Vereinbarkeit mit § 1 GWB ausdrücklich offen gelassen und allein auf der Grundlage von § 138 BGB entschieden. In einem Fall, in welchem sich ein Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer nach Ausscheiden als Geschäftsführer darauf berief, von dem nur für den Fall des Ausscheidens als Gesellschafter vereinbarten Wettbewerbsverbot nicht betroffen zu sein, weil seine Gesellschafterstellung fortbestehe, hat er aber darauf hingewiesen, gerade die Stellung eines alleinig mit der Kundenbetreuung betrauten Geschäftsführers begründe für die Gesellschaft in besonderem Maße die Gefahr, dass der Geschäftsführer die von ihm betreuten und deshalb nur ihm persönlich verbundenen Kunden der Gesellschaft zu sich hinüberziehen und damit die Gesellschaft wirtschaftlich aushöhlen könnte. Die daher im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung auch auf das Ausscheiden aus dem Geschäftsführeramt zu erstreckende nachvertragliche Wettbewerbsabrede hat er sodann anhand der bei § 1 GWB und § 138 BGB gezogenen Grenzen überprüft. Hierbei hat er im Wesentlichen auf seine Rechtsprechung zu § 138 BGB abgestellt.175 Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung, den bei Unternehmensveräußerungs-, Gesellschafts- und Subunternehmerverträgen geltenden Grundsätzen sowie den Ausführungen zur Erstreckung der auch im Rahmen von § 1 GWB zu beachtenden Nebenabredendoktrin des EuGH auf Klauseln für Geschäftsführer ist daher anzunehmen, dass ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot für die Durchführung des Anstellungsvertrages grundsätzlich sachlich erforderlich ist. Der Geschäftsführer erlangt im Rahmen seiner Tätigkeit Kenntnis von den für die GmbH existenziellen Informationen. Der GmbH muss es daher möglich sein, sich mit Hilfe eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes vor Gefahren durch Konkurrenz seitens des Geschäftsführers nach seinem Ausscheiden zu schützen. Die GmbH könnte den Geschäftsführer sonst wegen der zu fürchtenden nachvertraglichen Konkurrenz nicht mit den wesentlichen Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen vertraut machen.176 Welche gegenständlichen, räumlichen und zeitlichen Grenzen gelten, ist dagegen noch offen. Auf eine eingehende Aus174 Vgl. Großkomm.AktienG/Kort, § 88 Rn. 174; für Vergleich nachvertraglicher Wettbewerbsverbote mit AG-Vorständen mit Wettbewerbsverboten in Unternehmensveräußerungsverträgen: HK-AktG/Bürgers/Israel, § 88 Rn. 16, KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 88 Rn. 43 und MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rn. 50. 175 Vgl. BGH, Urt. v. 16.10.1989 – II ZR 2/89, NJW-RR 1990, 226, 227. 176 Ebenso: Bauer/Diller, GmbHR 1999, 883, 890; dies., Wettbewerbsverbote, Rn. 364; Heller, GmbHR 2000, 371, 372; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 248; Sina, DB 1985, 902, 904; Spoerr/Brinker/Diller, NJW 1997, 3056, 3059 bzgl. Wettbewerbsverboten zwischen Ärzten; Hachenburg/Stein, GmbHG, § 35 Rn. 313; Immenga/ Mestmäcker/Zimmer, WettbR-Bd. 2, § 1 Rn. 177 unter Verweis auf: Immenga/Mestmäcker/Zimmer, WettbR-Bd. 2, 3. Auflage, § 1 Rn. 286.
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einandersetzung hiermit kann jedoch wegen der regelmäßig fehlenden Spürbarkeit und insbesondere dem weitgehenden Gleichlauf zu § 138 BGB an dieser Stelle verzichtet und auf die diesbezüglichen Ausführungen zu § 138 BGB in Teil 3 dieser Arbeit verwiesen werden.177 5. Zwischenergebnis
Nachvertragliche Wettbewerbsverbote zwischen GmbHs und ihren Geschäftsführern verstoßen in der Regel nicht gegen § 1 GWB. Sie begründen keine Wettbewerbsbeschränkung, sondern sind als zur Durchführung des Anstellungsvertrages notwendige Nebenabreden aus dem Tatbestand des § 1 GWB ausgenommen, sofern sie gegenständlich, räumlich und zeitlich auf das für die Durchführung des Anstellungsvertrages erforderliche Maß beschränkt sind. Jedenfalls sind sie in den überwiegenden Fällen nicht geeignet, eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung zu begründen, da der zeitweise Ausschluss des betroffenen Geschäftsführers den Markt nicht spürbar beeinträchtigen kann.
B. Verstoß gegen das Unlauterer Wettbewerb-Gesetz (UWG) Nachvertragliche Wettbewerbsverbote zwischen GmbHs und ihren Geschäftsführern können unter verschiedenen Gesichtspunkten mit dem UWG in Berührung kommen. Die Abrede ist zwar nicht hinsichtlich ihrer Rechtsfolgen für GmbH und Geschäftsführer auf ihre Vereinbarkeit mit den Vorschriften des UWG zu überprüfen. Es kann sich aber die Frage stellen, ob die Wettbewerbsabrede wegen gezielter Behinderung eines Mitbewerbers nach § 3 i.V. m. § 4 Nr. 10 UWG unzulässig ist. Dies ist nicht deswegen von vorneherein ausgeschlossen, weil die Behinderung auf einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung i. S. v. Art. 101 Abs. 1 AEUV bzw. § 1 GWB beruht. Das gilt nicht nur, wenn sich das Kartell gezielt gegen Außenseiter als Mitbewerber richtet, sondern auch, wenn sich die Maßnahme gegen ein Kartellmitglied richtet, das der Kartellabsprache sogar zugestimmt hat178, wie dies bei nachvertraglichen Wettbewerbsabreden der Fall ist. Ein Verstoß gegen § 4 Nr. 10 UWG setzt allerdings eine gezielte Behinderung eines Mitbewerbers voraus. Mitbewerber i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG sind nur Unternehmen, die in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen.179 Eine Behinderung liegt in jeder Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfal177
Vgl. ebenso Gleichlauf annehmend: Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 364. Vgl. Harte/Henning/Brüning/Ahrens, Einl. F. Rn. 115; Köhler/Bornkamm, UWG, Einl. Rn. 6.14; MünchKommUWG/Sosnitza, Grundl Rn. 33. 179 Vgl. BGH, Urt. v. 5.3.1998 – I ZR 229/95, GRUR 1998, 1039 – Fotovergrößerungen; BGH, Urt. v. 5.10.2000 – I ZR 210/98, GRUR 2001, 258 – Immobilienpreisangaben; BGH, Urt. v. 24.6.2004 – I ZR 26/02, GRUR 2004, 877 – Werbeblocker; BGH, Urt. v. 19.2.2009 – I ZR 135/06, GRUR 2009, 685 – ahd.de; m.w. N.: MünchKommUWG/Jänisch, § 4 Nr. 10 Rn. 9. 178
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
tungsfreiheit.180 Gezielt ist diese aber nur dann, wenn sie bei objektiver Würdigung aller Umstände in erster Linie nicht auf die Förderung der eigenen wettbewerblichen Entfaltung, sondern auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers durch nicht leistungsgerechte Mittel gerichtet ist bzw. der Mitbewerber derart behindert wird, dass er seine eigene Leistung am Markt nicht mehr in angemessener Weise durch eigene Anstrengungen zur Geltung bringen kann.181 Absicht ist nach der Rechtsprechung nicht notwendig.182 Subjektive Elemente sind aber insoweit maßgeblich, als sie dem objektiv behindernden Verhalten den Stempel der Unlauterkeit aufdrücken.183 Die Feststellung der Unlauterkeit erfolgt funktional ausgerichtet am Schutzzweck des UWG, das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer zu regeln. Entscheidend sind Zweck, Mittel und Wirkung der geschäftlichen Handlung unter Berücksichtigung der Grundrechte.184 Hiernach stellt eine nachvertragliche Wettbewerbsabrede zwischen GmbH und Geschäftsführer i. d. R. keine gezielte Behinderung eines Mitbewerbers dar. Die Abrede dient der GmbH zum Schutz vor nachvertraglichem Wettbewerb durch den über zahlreiche Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse verfügenden Geschäftsführer. Aufgrund dieses Schutzes ist sie bereit, ihre existenziellen Informationen dem Geschäftsführer preiszugeben und diesem dadurch die Erfüllung seiner umfassenden Pflichten zu eröffnen. Sie wird üblicherweise ggf. billigend in Kauf nehmen, dass durch die Abrede zugleich Mitbewerber daran gehindert werden, den Geschäftsführer unmittelbar nach Ausscheiden aus der GmbH für ihre Dienste zu verpflichten; ihre primäre Motivation wird hierin aber nicht liegen. Sowohl nach den objektiven als auch den subjektiven Umständen des Einzelfalles wird es daher an einer gezielten Behinderung der Mitbewerber fehlen. Selbst wenn aber die GmbH in einem Fall bezweckte, ihre Mitbewerber durch die Abrede zu behindern, so dass unter Berücksichtigung dieser subjektiven Zielsetzung eine unlautere Handlung angenommen werden könnte, führte dies nicht zur Nichtigkeit der Wettbewerbsabrede. Eine unzulässige weil unlautere Hand180 Vgl. BGH, Urt. v. 17.5.2001 – I ZR 216/99, GRUR 2001, 1061 – Mitwohnzentrale.de; BGH, Urt. v. 21.2.2002 – I ZR 281/99, GRUR 2002, 902 – Vanity – Nummer; BGH, Urt. v. 24.6.2004 – I ZR 26/02, GRUR 2004, 877 – Werbeblocker; MünchKommUWG/Jänich, § 4 Nr. 10 Rn. 10; Köhler/Bornkamm, UWG, § 4 Rn. 10.6.; Piper/Ohly, § 4 Rn. 10/8; Harte/Henning/Omsels, § 4 Rn. 12. 181 Vgl. BGH, Urt. v. 17.5.2001 – I ZR 216/99, GRUR 2001, 1061 – Mitwohnzentrale.de; BGH, Urt. v. 21.2.2002 – I ZR 281/99, GRUR 2002, 902 – Vanity – Nummer; BGH, Urt. v. 24.6.2004 – I ZR 26/02, GRUR 2004, 877 – Werbeblocker. 182 Vgl. BGH, Urt. v. 11.1.2007 – I ZR 96/04, GRUR 2007, 800 – Außendienstmitarbeiter; BGH, Urt. v. 19.2.2009 – I ZR 135/06, GRUR 2009, 685 – ahd.de. 183 Vgl. BGH, Urt. v. 29.6.2000 – I ZR 198/98, GRUR 2001, 80 – ad-hoc-Meldung; Köhler/Bornkamm, UWG § 4 Rn. 10.9; Harte/Henning/Omsels, § 4 Rn. 14. 184 Vgl. Piper/Ohly, § 3 Rn. 30, § 4 Rn. 10/2, 10/10; Harte/Henning/Omsels, § 4 Rn. 14, 16, § 4.
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lung i. S. v. § 3 i.V. m. § 4 Nr. 10 UWG bzw. § 3 UWG begründet Ansprüche des Mitbewerbers nach §§ 8, 9 UWG.185 Nach § 8 Abs. 1 S. 1 i.V. m. Abs. 3 Nr. 1 UWG steht dem Mitbewerber bei einer nach § 3 oder § 7 unzulässigen geschäftlichen Handlung ein Anspruch auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung zu; § 8 Abs. 1 S. 2 UWG enthält einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch, während § 9 UWG einen Schadensersatzanspruch begründet. Dagegen ist die unlautere geschäftliche Handlung nicht nach § 134 bzw. § 138 BGB nichtig. § 134 BGB scheidet aus, weil das Lauterkeitsrecht nur das Marktverhalten und das Verhalten gegenüber Marktpartnern, nicht aber den Inhalt von Verträgen regelt, so dass §§ 3, 4 UWG keine gesetzlichen Verbotsgesetze i. S. v. § 134 BGB darstellen.186 Für § 138 BGB fehlt es an der Übereinstimmung der Begriffe der „Unlauterkeit“ und der „Sittenwidrigkeit“.187 Die Nichtigkeit von Verträgen nimmt die Rechtsprechung ausnahmsweise nur dann an, wenn der Vertrag zur Begehung unlauterer Handlungen verpflichtet.188 Dies ist bei einer nachvertraglichen Wettbewerbsabrede aber nicht der Fall. Im Ergebnis stellt ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot für einen Geschäftsführer also in der Regel keine unlautere Behinderung von Mitbewerbern i. S. v. § 3 i.V. m. § 4 Nr. 10 UWG dar; jedenfalls führte aber die Unzulässigkeit weil Unlauterkeit nicht zur Nichtigkeit der Abrede. Fraglich kann weiterhin sein, ob der Verstoß gegen ein wirksam vereinbartes Wettbewerbsverbot einen Wettbewerbsverstoß i. S. d. UWG darstellen kann. Dies wird von der Rechtsprechung abgelehnt. Ein Vertragsbruch eröffne, selbst wenn in diesem eine Wettbewerbshandlung liege, nur die vertragsrechtlichen Sanktionen.189
C. Verstoß gegen die §§ 74 ff. HGB analog? Seit Jahrzehnten ist zwischen und innerhalb von Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob nachvertragliche Wettbewerbsverbote für Geschäftsführer den §§ 74 ff. HGB entsprechen müssen. Der BGH, die ihm weitgehend folgenden Instanzgerichte und ein Großteil der Literatur lehnen die analoge Anwendung der 185
Vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, § 3 Rn. 154, § 4 Rn. 10.220. Vgl. BGH, Urt. v. 14.5.1998 – I ZR 10/96, GRUR 1998, 945 – Co-Verlagsvereinbarung; BGH, Urt. v. 25.1.1990 – I ZR 19/87, GRUR 1190, 522 – HBV Familien- und Wohnungsrechtsschutz; Köhler/Bornkamm, UWG, Einl. Rn. 7.8. 187 Vgl. BGH, Urt. v. 25.1.1990 – I ZR 19/87, GRUR 1190, 522 – HBV Familienund Wohnungsrechtsschutz; BGH, Urt. v. 14.5.1998 – I ZR 10/96, GRUR 1998, 945 – Co-Verlagsvereinbarung; Köhler/Bornkamm, UWG, Einl. Rn. 7.8. 188 Vgl. BGH, Urt. v. 14.5.1998 – I ZR 10/96, GRUR 1998, 945 – Co-Verlagsvereinbarung; Köhler/Bornkamm, UWG, Einl. Rn. 7.9., § 3 Rn. 158. 189 Vgl. BGH, Urt. v. 11.1.2007 – I ZR 96/04, GRUR 2007, 800 – Außendienstmitarbeiter; Harte/Henning/Ahrens/Sambuc, Einl. F Rn. 175; Köhler/Bornkamm, UWG, § 4 Rn. 11.46. 186
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
§§ 74 ff. HGB ab, während der andere Teil der Literatur mit unterschiedlichen Begründungen die Heranziehung der Normen bei Fremd- oder arbeitnehmerähnlichen oder aber bei allen Geschäftsführern fordert.190 I. Praktische Relevanz der Problematik Dieser Streit ist nicht lediglich dogmatischer Natur, sondern von enormer praktischer Relevanz. Im Falle der analogen Anwendung der §§ 74 ff. HGB kämen die Gerichte zu abweichenden Ergebnissen als derzeit auf der Grundlage des § 138 BGB, ggf. i.V. m. den allgemeinen Rechtsgrundsätzen der §§ 74 ff. HGB bzw. unter vertragsergänzender teilanaloger Anwendung der Normen der §§ 74 ff. HGB, die der GmbH günstig sind, erzielt werden.191 So müssten nachvertragliche Wettbewerbsverbote schriftlich abgeschlossen werden (§ 74 Abs. 1 HGB) und insbesondere in jedem Fall für die Dauer des Verbotes die Zahlung einer Karenzentschädigung in Höhe von mindestens der Hälfte der vom Geschäftsführer zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen vorsehen (§ 74 Abs. 2 HGB). Die Anwendung des § 74a Abs. 1 S. 1 und 2 HGB führte dagegen grundsätzlich nicht zu abweichenden Ergebnissen, da der BGH die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 74a Abs. 1 S. 1 und 2 HGB wörtlich übernommen hat und ebenfalls zwei-stufig prüft, ob die Wettbewerbsabrede von einem berechtigten Interesse der GmbH getragen wird und den Geschäftsführer nicht wegen ihres räumlichen, gegenständlichen oder zeitlichen Umfangs unbillig beschränkt.192 Mit der Anwendung des § 74a Abs. 1 S. 3 HGB würde die von der Rechtsprechung grundsätzlich ebenfalls angenommene Zwei-Jahres-Frist193 aber absolut. Die Rechtsprechung könnte dann nicht mehr, wie in Entscheidungen noch angedeutet, im Falle besonderer Umstände, die für eine wesentlich längere Frist sprechen, auch längere Fristen als zwei Jahre für zulässig erachten.194 Die analoge Anwendung führte weiter zur Geltung auch der Rechtsfolgenregelung des § 74a Abs. 1 HGB. Nicht von berechtigten Interessen der GmbH getragene oder den Geschäftsführer unbillig beschränkende und daher nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrige Wettbewerbsverbote wären daher nicht nur dann geltungserhaltend zu reduzieren, wenn sie wegen ihrer zeitlichen Ausdehnung sittenwidrig sind. Vielmehr fände die geltungserhaltende Reduktion des § 74a Abs. 1 S. 1 und 190
Vgl. Teil 1 § 4. Zu den abweichenden Rechtslagen hinsichtlich der einzelnen Aspekte, vgl. Teil 3. 192 Vgl. BGH, Urt. v. 4.3.2002 – II ZR 77/00, NJW 2002, 1875; BGH, Beschluss v. 7.7.2008 – II ZR 81/07, DB 2008, 2187. 193 Vgl. BGH, Urt. 26.3.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366; BGH, Urt. v. 28.4.1986 – II ZR 254/85, NJW 1986, 2944; BGH, Urt. v. 29.10.1990 – II ZR 241/89, NJW 1991, 699; BGH, Urt. v. 8.5.2000 – II ZR 308/98, NJW 2000, 2584 (Gesellschafter); BGH, Urt. v. 29.9.2003 – II ZR 59/02, NJW 2004, 66 (Gesellschafter). 194 Vgl. BGH, Urt. v. 28.4.1986 – II ZR 254/85, NJW 1986, 2944; BGH, Urt. v. 29.9.2003 – II ZR 59/02, NJW 2004, 66 (Gesellschafter). 191
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2 HGB auch dann statt, wenn die Abrede in gegenständlicher oder örtlicher Hinsicht nicht mehr rechtmäßig ist. Weiter erfolgte nach § 74c HGB auch bei Geschäftsführern die Anrechnung anderweitigen Erwerbes auf die dann zwingende Karenzentschädigung. Die Problematik, ob und wenn unter welchen Voraussetzungen die GmbH auf das Wettbewerbsverbot einseitig verzichten kann, erledigte sich durch die Anwendung des § 75a HGB. Weiter würde die aus Gründen der Sachgerechtigkeit bei der Sittenwidrigkeitsprüfung von Wettbewerbsverboten auf die Umstände im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Dienstverhältnis abstellende Rechtsprechung und Literatur195 vom Vorwurf der Missachtung der Dogmatik des § 138 BGB befreit. Bei § 138 BGB kommt es für die Sittenwidrigkeit nach ganz herrschender Auffassung nämlich eigentlich auf die Wertanschauungen im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäftes an; ein im Zeitpunkt seines Abschlusses unbedenklicher Vertrag wird nicht wegen einer Änderung der Wertungen oder aber der tatsächlichen Verhältnisse sittenwidrig und daher rückwirkend nichtig196. Praktische Relevanz kommt der Analogie-Frage aber auch aus dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit zu. In der Praxis ist nach wie vor insbesondere unklar, wann es grundsätzlich der Zusage einer Karenzentschädigung auch bei Geschäftsführern bedarf, um die Klausel dem Vorwurf der Unbilligkeit zu entziehen, unter welchen Voraussetzungen ein Verzichtsrecht der GmbH besteht oder auch anderweitiger Erwerb auf eine zugesagte Karenzentschädigung angerechnet werden kann. II. Analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB? Vor diesem Hintergrund gilt es daher im Folgenden festzustellen, ob die §§ 74 ff. HGB bei Wettbewerbsverboten zwischen GmbH und Geschäftsführer analog gelten. 1. Voraussetzungen einer Normanalogie
Als Analogie wird die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen ähnlichen, ungeregelten Sachverhalt bezeichnet. Der Rechtsanwender geht davon aus, dass die zu entscheidende Interessenlage der gesetzlich geregelten so ähnlich ist, dass die Gesetzgebung die getroffene Regelung auch für den ungeregelten Sachverhalt 195 Vgl. OLG Celle, Urt. v. 13.9.2000 – 9 U 110/00, NZG 2001, 131, 132; Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 147a; Hoffmann-Becking, in: FS Quack, S. 273, 275; Jaeger, DStR 1995, 724, 727; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, Anh. § 6 Rn. 25; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 252. 196 Vgl. BGH, Urt. v. 28.2.1989 – IX ZR 130/88, NJW 1989, 1276, 1277; BGH, Urt. v. 20.9.1993 – II ZR 104/92, NJW 1993, 3193; BGH, Urt. v. 13.6.1994 – II ZR 38/93, NJW 1994, 1536, 2539; BGH, Urt. v. 30.3.1995 – IX ZR 98/94; NJW 1995, 1886, 1887; PWW/Ahrens, BGB, § 138 Rn. 36 f.; MünchKommBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 133; HK-BGB/Dörner, § 138 Rn. 5; Palandt/Ellenberger, § 138 Rn. 9.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
vorsehen würde. Ausgangspunkt ist der Wertgedanke, dass gleichgelagerte Interessenkonstellationen nach denselben Rechtsgrundsätzen beurteilt und entschieden werden sollen, auch wenn eine gesetzliche Regelung fehlt. Eine Norm gilt also nur dann analog, wenn sie nach ihrem Sinn und Zweck auch auf den ungeregelten Sachverhalt so weitgehend zutrifft, dass angenommen werden kann, dass die Gesetzgebung diesen ebenso geregelt haben würde und die unterschiedliche Behandlung eine sachlich nicht begründete Verletzung der Gerechtigkeitsgleichheit darstellt.197 Die Analogie ist hiernach ein Anwendungsfall des Art. 3 Abs. 1 GG, nach dem wesentliches Gleiches auch gleich zu behandeln ist.198 Als Fälle der Analogie zu unterscheiden sind die Gesetzes- oder Einzelanalogie, bei der eine einzelne Vorschrift analog herangezogen wird, die Rechts- oder Gesamtanalogie, bei der ein aus einem Komplex von Rechtsnormen entwickelter gemeinsamer Gedanke zugrunde gelegt wird,199 der Schluss vom Kleineren auf das Größere (argumentum a minori ad maius) und der Schluss vom Größeren auf das Kleinere (argumentum a maiori ad minus).200 Abzugrenzen ist die Analogie vom Umkehrschluss (argumentum e contrario).201 Ein solcher ist geboten, wenn sich die Nichtregelung durch den Gesetzgeber aus dem Gebot der Gerechtigkeitsidee, Ungleiches ungleich zu behandeln, rechtfertigt. Dem argumentum e contrario liegt also ein Unähnlichkeitsschluss zugrunde, da die zu vergleichenden Tatbestände in den für die fragliche Rechtsfolge maßgeblichen Punkten nicht übereinstimmen und daher unterschiedlich zu behandeln sind.202 Die Analogie stellt nach der überwiegenden Auffassung ein Instrument zur Lückenfüllung dar.203 Sie greift daher nur und erst dann, wenn eine Lücke festgestellt worden ist.204 197 Vgl. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 474; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 381; Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, Rn. 889; Schwacke, Juristische Methodik, S. 130. 198 Vgl. Schwacke, Juristische Methodik, S. 130 f. 199 Vgl. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 477 ff.; Klug, Juristische Logik, S. 110; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 204 f.; Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, Rn. 891 f.; Wank, Auslegung von Gesetzen, S. 85. 200 Vgl. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 477 ff.; Staudinger/Coing/Honsell, Einl. zum BGB, Rn. 160; Klug, Juristische Logik, S. 110; Rüthers/ Fischer, Rechtstheorie, Rn. 897 f.; Wank, Auslegung von Gesetzen, S. 85. 201 Zur Abgrenzung zu Umkehrschluss, teleologischer Reduktion und Berufung auf Rechtsprinzipien als Methoden zur Lückenfüllung: Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, Rn. 899 ff.; Wank, Auslegung von Gesetzen, S. 89. 202 Vgl. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 44 f.; Staudinger/ Coing/Honsell, Einl. zum BGB, Rn. 158; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 209 f. 203 Vgl. Palandt/Sprau, Einl. zum BGB, Rn. 56; Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, Rn. 888; Schwacke, Juristische Methodik, S. 130 f.; Wank, Auslegung von Gesetzen, S. 85.
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2. Lückenbegriff, Lückenarten, Lückenfeststellung und Lückenausfüllung
Der Lückenbegriff ist bereits Gegenstand zahlreicher Abhandlungen und wird uneinheitlich bestimmt.205 Von einer Darstellung der unterschiedlichen Auffassungen soll vorliegend aber abgesehen und mit Blick auf den Gegenstand der Prüfung der von der Rechtsprechung verwendete Lückenbegriff206 zugrundegelegt werden. Nach diesem ist eine Lücke eine planwidrige Unvollständigkeit innerhalb des positiven Rechtes (d.h. des Gesetzes im Rahmen seines möglichen Wortsinnes, des Gewohnheitsrechtes und der Rechtsprinzipien) gemessen am Maßstab der gesamten geltenden Rechtsordnung.207 Bei einer (bewussten) negativen Entscheidung des Gesetzgebers, mag sie auch als rechtspolitisch fehlerhaft erscheinen, kann nicht von planwidriger Unvollständigkeit des Gesetzes ausgegangen werden. Insoweit dient der Lückenbegriff der Abgrenzung zum Bereich bloßer individueller oder kollektiver rechtspolitischer Wünsche bzw. Fehler. Diese zu beheben bzw. zu verbessern, ist alleine Aufgabe des Gesetzgebers.208 Zur Vereinfachung bzw. Systematisierung der Lückenfeststellung wird zwischen verschiedenen Arten von Lücken unterschieden.209 Wie die Einteilung der Lücken erfolgen soll, wird aber wiederum uneinheitlich beurteilt.210 Auch diesbezüglich beschränkt sich die folgende Darstellung auf den herrschenden Differenzierungsansatz, während die teilweise nur unterschiedliche Begriffe verwendenden, teilweise aber auch inhaltlich abweichend anknüpfenden Ansätze außen 204 Vgl. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 472; Palandt/ Sprau, Einl. zum BGB, Rn. 56; Schwacke, Juristische Methodik, S. 129 f.; Wank, Auslegung von Gesetzen, S. 84; aA: Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 72, der Analogie als Mittel zur Feststellung und zur Ausfüllung von teleologischen Gesetzeslücken erachtet; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 635, die alleine auf Ähnlichkeit und Gleichbehandlung abstellen. 205 Vgl. die Zusammenstellung bei: Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 19 ff. 206 Vgl. BAG, Urt. v. 13.2.2003 – 8 AZR 654/01, NZA 2003, 552; BAG; Urt. v. 8.5.2007 – 9 AZR 777/06, BB 2007, 2298; Palandt/Sprau, Einl. zum BGB, Rn. 55. 207 Vgl. BAG, Urt. v. 13.2.2003 – 8 AZR 654/01, NZA 2003, 552; BAG; Urt. v. 8.5.2007 – 9 AZR 777/06, BB 2007, 2298; Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 473; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 39; Palandt/ Sprau, Einl. zum BGB, Rn. 55; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 194; Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, Rn. 832. 208 Vgl. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 473; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 33 f.; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 370 Rn. 9, 374; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 195; Schwacke, Juristische Methodik, S. 125 f. 209 Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 198 f.; Rüthers/ Fischer, Rechtstheorie, Rn. 841; Schwacke, Juristische Methodik, S. 127 ff. 210 Vgl. Übersicht bei: Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 129 ff., der sodann noch zwischen Anordnungs-, teleologischen und Prinzip-/Wertlücken differenziert; Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, Rn. 841.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
vor bleiben.211 Nach der überwiegenden Auffassung ist zum einen zwischen offenen und verdeckten Lücken zu unterscheiden. Eine offene Lücke liegt vor, wenn das Gesetz für eine bestimmte Fallgruppe keine Regel enthält, die auf sie anwendbar wäre, obgleich es nach seiner eigenen Teleologie eine solche Regel enthalten sollte. Eine verdeckte Lücke ist dagegen gegeben, wenn das Gesetz zwar eine auf alle Fälle solcher Art anwendbare Regel enthält, diese aber ihrem Sinn und Zweck nach nicht passt, weil sie die für die Wertung gerade dieser Fälle relevanten Besonderheiten außer Acht lässt. Die Lücke ist verdeckt, weil auf den ersten Blick eine Regel nicht fehlt.212 In zeitlicher Hinsicht kann zwischen anfänglichen (bzw. primären) und nachträglichen (bzw. sekundären) Lücken differenziert werden. Anfängliche Lücken liegen bereits bei Erlass eines Gesetzes vor, während nachträgliche Lücken erst dadurch entstehen, dass infolge der technischen oder wirtschaftlichen Entwicklung neue Fragen auftauchen, die im Rahmen des Regelungszweckes, des von der Grundabsicht des Gesetzes erfassten Regelungsbereiches, nunmehr der Regelung bedürfen, die aber der Gesetzgeber noch nicht gesehen hat.213 Bei anfänglichen Lücken kann darüber hinaus noch zwischen bewussten und unbewussten Lücken getrennt werden. Eine bewusste Lücke ist anzunehmen, wenn der Gesetzgeber eine Frage offen gelassen hat, um ihre Entscheidung Rechtsprechung und Wissenschaft zu überlassen. Unbewusst ist eine Lücke dann, wenn der Gesetzgeber eine der Regelung bedürftige Frage übersehen oder irrtümlich für bereits geregelt erachtet hat.214 Nachträgliche Lücken können sowohl offen als auch verdeckt sein.215 211 Vgl. zur Unterscheidung zwischen echten (bzw. logischen) und unechten (bzw. teleologischen) Lücken: Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 473; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 372 unter Verweis auf Zitelmann; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 633; Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, Rn. 866 f.; Zitelmann, Lücken im Recht, S. 27; diese Differenzierung ablehnend: Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 131 ff. und Sauer, Juristische Methodenlehre, S. 282. Vgl. zu den nach der Vorgehensweise bei ihrer Feststellung und daraus folgend auch hinsichtlich des jeweiligen Verhältnisses von Lückenfeststellung und Lückenausfüllung abzugrenzenden Rechtsverweigerungs-, teleologischen- und Prinzip- bzw. Wertlücken: Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 140 ff. 212 Vgl. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 136 f.; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 377; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 198; Schwacke, Juristische Methodik, S. 128. 213 Vgl. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 135 f.; Palandt/Sprau, Einl. zum BGB, Rn. 55; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 379; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 199 f.; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 634; Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, Rn. 859 ff.; Schwacke, Juristische Methodik, S. 128. 214 Vgl. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 131 ff., 134 f.; Palandt/ Sprau, Einl. zum BGB, Rn. 55; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 379; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 199 f.; Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, Rn. 851 f., Wank, Auslegung von Gesetzen, S. 82.
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Ob eine planwidrige Lücke vorliegt, ist nach der ganz herrschenden Ansicht vom Standpunkt des Gesetzes, der ihm zugrunde liegenden Regelungsabsicht, des verfolgten Zweckes sowie des gesetzgeberischen Planes im Wege der historischen und teleologischen Auslegung festzustellen.216 Bewertungsmaßstab ist die Rechtsordnung als Ganzes.217 Liegt eine planwidrige Gesetzeslücke vor, kann diese im Wege der analogen Anwendung der für einen ähnlichen Tatbestand geschaffenen Regelung geschlossen werden, wenn die Tatbestände in den für die rechtliche Bewertung maßgeblichen Hinsichten übereinstimmen. Hierfür ist zunächst positiv festzustellen, dass der zu beurteilende Sachverhalt dem gesetzlich geregelten in den wesentlichen Hinsichten gleicht und anschließend negativ auszuschließen, dass die verbleibenden Unterschiede der Übertragung der gesetzlichen Wertung entgegenstehen. Welche Elemente des gesetzlichen Tatbestandes für die gesetzliche Wertung bedeutsam sind, ist anhand der Grundgedanken (Interessenlage) und Zwecke der gesetzlichen Regelung zu ermitteln; auf die äußerlichen Ähnlichkeiten des Sachverhaltes kommt es dagegen nicht an.218 Sowohl bei der Feststellung der Lückenhaftigkeit einer gesetzlichen Regelung als auch der Füllung der Gesetzeslücke kommt es mithin maßgeblich auf Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung und das Gebot der Gleichbehandlung an. Die aufgrund des Sinnes und Zweckes der Norm in Verbindung mit dem Gleichheitssatz vermisste gesetzliche Regelung ist zugleich die, die zur Ausfüllung der Lücke hinzuzufügen ist, wenn in Frage steht, ob eine gesetzlich nicht geregelte Fallgruppe wertungsgemäß einer Regelung für andere Fallgruppen unterfällt. In diesem Fall stimmen die erforderlichen Denkschritte zur Lückenfeststellung und Lückenschließung weithin überein.219 In Anbetracht dessen kann im vorliegen-
215 Vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 379; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 199 f. 216 Vgl. BAG, Urt. v. 13.2.2003 – 8 AZR 654/01, NZA 2003, 552; BAG; Urt. v. 8.5.2007 – 9 AZR 777/06, BB 2007, 2298; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 32 (unter umfassender Auseinandersetzung mit abweichenden Ansichten); Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 373; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 194; Schwacke, Juristische Methodik, S. 125; Wank, Auslegung von Gesetzen, S. 83. 217 Vgl. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 38. 218 Vgl. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 475 f.; Klug, Juristische Logik, S. 110; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 382; Larenz/ Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 202 f.; Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, Rn. 895; Sauer, Juristische Methodenlehre, S. 304 ff.; Schwacke, Juristische Methodik, S. 125; Wank, Auslegung von Gesetzen, S. 85. 219 Vgl. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 474; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 72 (der Analogie aber bereits als Methode zur Lückenfeststellung bei derartigen teleologischen Lücken annimmt); Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 400; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 635 (unter Verzicht auf Trennung zwischen Lückenfeststellung und Lückenfüllung).
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
den Fall, in welchem die analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB auf Geschäftsführer in Rede steht, auf eine klare Trennung von Lückenfeststellung und Lückenausfüllung verzichtet werden. 3. Vorliegen einer Gesetzeslücke
Auf der Grundlage dieser Ausführungen ist im Folgenden festzustellen, ob im Hinblick auf die §§ 74 ff. HGB eine Gesetzeslücke für die Behandlung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote mit Geschäftsführern besteht, welche durch die analoge Anwendung dieser Normen zu schließen ist. a) Ausführungen des BGH Der BGH lehnt die analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB in ständiger Rechtsprechung ab.220 Zur Begründung verweist er insbesondere auf seine Entscheidung vom 26.3.1984, in welcher er sich eingehend mit der entsprechenden Anwendbarkeit der §§ 74 ff. HGB auseinandergesetzt und ausgeführt hat221: „Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senates unterliegen die von einer GmbH mit ihren Geschäftsführern vereinbarten Wettbewerbsklauseln im Sinne des § 74 Abs. 1 HGB nicht den für Handlungsgehilfen geltenden Beschränkungen der §§ 74 ff. HGB, weil der Geschäftsführer nicht Handlungsgehilfe, sondern Organmitglied ist (Senat, Urt. v. 7.1.1965 – II Zr 187/63, WM 1965, 310; Senat, Urt. v. 9.5. 1968 – II ZR 158/66, NJW 1968, 1717 = LM BGB § 138 (Cf) Nr. 5). Das Bundesarbeitsgericht hat zwar ausgesprochen, dass die zwingenden Vorschriften der §§ 74 ff. HGB nicht nur für die dort erwähnten Handlungsgehilfen gelten, sondern – mit Rücksicht auf die gleiche Schutzbedürftigkeit – auf Arbeitnehmer jeder Art, insbesondere auch auf Angestellte freiberuflich Tätiger (und damit auf Angestellte der hier in Frage stehenden Wirtschaftsprüfer und Steuerberater) zu erstrecken sind (BAG, 22, 6, 125, 324; BAG, Urt. v. 26.11.1971, BB 1972, 447; BAG, Urt. v. 9.8. 1974, BB 1974, 1531). Damit kann jedoch nicht gerechtfertigt werden, dass § 74 HGB auch auf Organmitglieder von Kapitalgesellschaften zu beziehen ist. Seit Erlass der vorstehend angeführten Urteile des erkennenden Senates hat sich allerdings in Rechtsprechung und Rechtswissenschaft immer mehr die Überzeugung durchgesetzt, dass soziale Schutzvorschriften, die der Gesetzgeber für Arbeitnehmer vorgesehen hat, unter Umständen auf Organmitglieder juristischer Personen, insbesondere auf Geschäftsführer der GmbH, anzuwenden sind. Der Senat hat dementsprechend in einer Vielzahl von Rechtsbereichen Organmitgliedern Rechte zuerkannt, die ursprünglich nur für Arbeitnehmer vorgesehen waren, die keine Unternehmerfunktion hatten (vgl. im einzelnen die Nachweise bei Fleck, Das Organmitglied – Unternehmer oder Arbeitnehmer?, in der Festschr. f. Hilger und Stumpf S. 197, 209 ff.). Diese Grundsätze können jedoch nicht auf die Schutzvorschriften der §§ 74 ff. HGB übertragen werden. 220 221
Vgl. BGH, Beschluss v. 7.7.2008 – II ZR 81/07, DB 2008, 2187. Vgl. BGH, Urt. v. 26.4.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366.
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Die Norm des § 74 Abs. 2 HGB ist das Ergebnis einer Abwägung zwischen den berechtigten geschäftlichen Interessen des Arbeitgebers, dass die in seinem Betrieb erlangten Kenntnisse und geschäftlichen Beziehungen nicht zu seinem Schaden ausgenutzt werden, und dem berechtigten geschäftlichen Interesse des Arbeitnehmers, nach Beendigung des Dienstverhältnisses seine Arbeitskraft frei nutzen zu können und in der Freiheit seiner Betätigung nicht beschränkt zu werden. Eine allgemeine Übertragung dieser Grundsätze auf Organmitglieder scheitert schon daran, dass diese im Geschäftsverkehr in weit stärkerem Maße – auch im Verhältnis zum leitenden Angestellten – mit dem von ihnen geleiteten Unternehmen gleichgesetzt werden und die Tätigkeit und Leistungen des Unternehmens im wesentlichen ihnen zuzuschreiben sind. Der Geschäftsführer steht zwar im Verhältnis zur Gesellschaft in einem Anstellungsverhältnis, das ihn wie den Arbeitnehmer verpflichtet, seine Arbeitskraft hauptberuflich zur Verfügung zu stellen. Er repräsentiert aber weit mehr als der Angestellte das Gesellschaftsunternehmen und die geschäftlichen Beziehungen konzentrieren sich auf seine Person. Eine Konkurrenztätigkeit, die er nach seinem Ausscheiden aufnimmt, begründet dementsprechend auch in viel stärkerem Maße als bei einem Arbeitnehmer die Gefahr, dass das Unternehmen Schaden erleidet. Er ist im Allgemeinen leichter in der Lage, sowohl in den Kundenkreis des Unternehmens einzubrechen und dessen Geschäftspartner an sich zu binden als auch Bezugsquellen des Unternehmens auszunutzen. Demgemäß gehen auch seine nachwirkenden Treuepflichten weiter. Hiernach verbietet es sich, auf Vereinbarungen über nachvertragliche Wettbewerbsverbote zwischen einer GmbH und ihrem Geschäftsführer allgemein die Vorschrift des § 74 Abs. 2 HGB anzuwenden, wonach jede Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit als unzulässig anzusehen ist, sofern dem keine Verpflichtung zur Zahlung einer Entschädigung gegenübersteht. Es ist zwar nicht zu verkennen, dass Organmitglieder in gleicher Weise wie beispielsweise leitende Angestellte wirtschaftlich abhängig sein können; das gilt insbesondere für den Fremdgeschäftsführer, um den es im vorliegenden Falle geht. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass auch ihm gegenüber die Interessen des Arbeitgebers grundsätzlich zurückzutreten haben und den mit der Stellung eines Organmitglieds verbundenen Besonderheiten jede Bedeutung abzusprechen ist; denn bei der Anwendung des § 74 HGB kommt es nicht allein auf die wirtschaftliche Abhängigkeit an; von wesentlicher Bedeutung sind, wie dargelegt, auch die Stellung und die Wirkungsmöglichkeiten in der Gesellschaft selbst. Die gebotene Interessenabwägung führt dementsprechend zur Ablehnung der Auffassung, dass in den Fällen der wirtschaftlichen Abhängigkeit die Grundsätze der §§ 74 ff. HGB auch auf Organmitglieder anzuwenden sind. Angesichts des Umstandes, dass nicht nur die Interessen des Organmitglieds, sondern auch die des Unternehmens zu berücksichtigen sind, erscheint eine generalisierende Betrachtung und Einordnung der §§ 74 ff. HGB nicht möglich. Das ist auch nicht notwendig; denn die Grenzen können in angemessener Weise aus § 138 BGB – i.V. m. Art. 2 und 12 GG – und der hierzu ergangenen Rechtsprechung ermittelt werden. Der erkennende Senat hat an die Zulässigkeit von Vereinbarungen, die den Geschäftsführer einer GmbH für die Zeit nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses in seiner gewerblichen Betätigung beschränken, strenge Anforderungen gestellt (so ausdrücklich das o. a. Sen.Urt. v. 7.1.1965). Unter Heranziehung der in den §§ 74 ff. HGB zum Ausdruck gekommenen Rechtsgrundsätze hat er Wettbewerbsverbote nur als zulässig erachtet, wenn sie dem Schutze eines berechtigten Interesses des Gesell-
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schaftsunternehmens dienen und nach Ort, Zeit und Gegenstand die Berufsausübung und wirtschaftliche Betätigung des Geschäftsführers nicht unbillig erschweren (Sen.Urt. v. 9.5.1968 aaO; vgl. auch Sen.Urt. v. 19.11.1973 – II ZR 52/72, WM 1974, 74 zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot eines ausgeschiedenen Gesellschafters). Für die Aufrechterhaltung der bisherigen Rechtsprechung des Senats spricht auch, dass die GmbH-Novelle 1980 mit dem § 85 GmbHG eine Norm in das Gesetz eingefügt hat, die nur solche Personen mit Strafe bedroht, die ein Geheimnis der Gesellschaft, das ihnen in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer, Mitglieder des Aufsichtsrats oder Liquidator bekannt geworden ist, unbefugt offenbaren. Hiernach wird für den Geschäftsführer – nicht aber für „normale“ Angestellte – ein (durch bestimmte Merkmale eingeschränktes) Wettbewerbsverbot ohne zeitliche Einschränkung und Entschädigung begründet, das auch für die Zeit nach Ablauf des Dienstverhältnisses Geltung beansprucht (vgl. Scholz/Tiedemann, GmbHG, 6. Aufl. § 85 Anm. 1). Der Gesetzgeber hat damit erneut zum Ausdruck gebracht, dass zwischen einem Organmitglied und einem „normalen“ Angestellten ein wesentlicher Unterschied besteht, soweit es um die Verwertung der im Unternehmen erworbenen Kenntnisse und Beziehungen geht. [. . .]“
aa) Veranlassung durch BAG-Rechtsprechungswandel Der BGH hat sich zu diesen Ausführungen ausweislich seiner Begründung durch die zwischenzeitlichen Entscheidungen des BAG vom 16.5.1969, 13.9. 1969, 26.11.1971 und 9.8.1974222, in welchen dieses unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung die §§ 74 Abs. 2, 74a Abs. 1, 74c HGB auch bei Wettbewerbsverboten mit sonstigen Arbeitnehmern, die nicht kaufmännische Angestellte sind, entsprechend angewendet hat, veranlasst gesehen. Insoweit scheint es zum besseren Verständnis der Prüfungsaspekte des BGH geboten, die maßgeblichen Aspekte der zentralen BAG-Entscheidung vom 13.9.1969 wiederzugeben. Das BAG statuiert eingangs dieser Entscheidung, dass der Rückgriff auf § 138 BGB möglichst vermieden werden solle. Die „Erweiterung der individualistischen Missbilligung des § 138 BGB zum wirtschaftlichen Standard“ sei zu vermeiden, wo es konstruktiv möglich sei, und ein solcher Weg biete sich dann an, wenn man die fixierten Nichtigkeitsgründe des § 74 Abs. 2 und des § 74a Abs. 2 HGB von den unbestimmt gehaltenen Nichtigkeitsgründen des § 138 BGB und dem damit oft verbundenen moralischen Verdikt scheide. Sodann gibt das BAG seine bisherige Rechtsprechung wieder, die §§ 74 ff. HGB und § 133f GewO als Wertmaßstäbe für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit von Wettbewerbsverboten mit sonstigen Arbeitnehmern nach § 138 BGB heranzuziehen, stimmt der hieran seitens der Literatur geäußerten Kritik zu, es werde nur konstruktiv die analoge 222 Vgl. BAG, Urt. v. 16.5.1969 – 3 AZR 137/68, NJW 1970, 443; BAG, Urt. v. 13.9.1969 – 3 AZR 138/68, NJW 1970, 626; vgl. auch BAG, Urt. v. 2.5.1970 – 3 AZR 134/69, AP Nr. 26 zu § 74 HGB; BAG, Urt. v. 26.11.1971 – 3 AZR 220/71, AP Nr. 26 zu § 611 BGB; BAG, Urt. v. 9.8.1974 – 3 AZR 346/73, AP Nr. 27 zu § 611 BGB.
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Anwendung der §§ 74 ff. HGB geleugnet, und hält fest, es erachte die Voraussetzungen der analogen Anwendung des § 74 Abs. 2 HGB und des § 74a Abs. 1 HGB auf Wettbewerbsverbote mit allen Arbeitnehmern für gegeben, so dass sich die bisher gehandhabte Mediatisierung dieser Vorschriften durch § 138 BGB insoweit erübrigt habe. Zur Lückenhaftigkeit der gesetzlichen Regelung führt es aus, die Regelung des Rechtes der Wettbewerbsverbote sei von Anfang an lückenhaft gewesen. Aus der Begründung des Gesetzesentwurfes ergebe sich, dass der Gesetzgeber schon damals auch den § 133f GewO für reformbedürftig gehalten und beabsichtigt habe, nach einer gewissen Zeit der Erprobung die Vorschriften der §§ 74 ff. HB auf die gewerblichen Angestellten zu übertragen. Dann aber folgen Ausführungen zur Entwicklung des Rechtes der §§ 74 ff. HGB nach ihrer Einführung im Jahre 1914, die mit der Feststellung schließen, dass sich das Wettbewerbsverbot als Institution im Arbeitsrecht seit 1914 faktisch durchgesetzt habe, das geschriebene Recht dieser Institutionenbildung aber planwidrig nicht mit einer entsprechenden, alle Arbeitnehmergruppen erfassenden Schutzgesetzgebung gefolgt sei, so dass eine nachträglich entstandene offene Regelungslücke vorliege. Diese Regelungslücke sei nicht mit Hilfe des § 138 BGB, sondern im Wege der Analogie der §§ 74 ff. HGB zu schließen. Die im konkreten Fall vorzunehmende Analogie zu § 74 Abs. 2, § 74a Abs. 1 S. 3 HGB rechtfertige sich aus Gründen der Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer. Im Ergebnis lehnt das BAG also § 138 BGB als nicht sachgerechten Prüfungsmaßstab ab, nimmt zuerst eine anfängliche und dann eine nachträgliche Regelungslücke an und schließt diese durch die entsprechende Anwendung der §§ 74 Abs. 2, 74a Abs. 1 HGB. bb) Prüfungsaspekte des BGH Der BGH knüpft in seiner Entscheidung im Jahre 1984 in weiten Teilen an die Erkenntnisse des BAG an, lässt einige Aspekte allerdings unbeachtet. Er setzt sich ebenfalls mit der analogen Anwendung der §§ 74 ff. HGB auseinander, benennt die Voraussetzungen der Analogie aber nicht so deutlich wie das BAG zuvor. Eingangs erörtert er, ob die nunmehr vom BAG als allgemeine Arbeitnehmerschutzvorschriften anerkannten §§ 74 ff. HGB, entsprechend der Tendenz in Rechtsprechung und Literatur, den Schutz des Geschäftsführers durch die Anwendung arbeitsrechtlicher Normen auszuweiten, auch bei Geschäftsführern als Organmitgliedern gelten. Hierfür prüft er, ob die Interessenlagen bei nachvertraglichen Wettbewerbsabreden zwischen einer GmbH und ihrem Organmitglied einerseits und einem Arbeitgeber und seinem Arbeitnehmer bzw. Angestellten andererseits vergleichbar sind. Im Ergebnis lehnt er die Vergleichbarkeit wegen der besonderen, auch von der bei leitenden Angestellten abweichenden, Rechtsstellung des Geschäftsführers als Organ der Gesellschaft und den damit erhöhten Risiken durch Konkurrenz für die GmbH ab. Ob das BAG berechtigterweise eine planwidrige Gesetzeslücke bei der Behandlung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote mit nicht-kaufmännischen Arbeitnehmern angenommen, diese durch die
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
entsprechende Anwendung der §§ 74 ff. HGB geschlossen und hierdurch die Normen als allgemeine Arbeitnehmerschutzvorschriften anerkannt hat, konnte er in Anbetracht dessen offen lassen und die allgemeine Arbeitnehmerschutzqualität unterstellen. Sodann setzt der BGH fort, dass es „der generalisierenden Betrachtung und Einordnung der §§ 74 ff. HGB“ aber auch nicht bedürfe, da die Grenzen aus § 138 BGB i.V. m. Art. 2, 12 GG und der hierzu ergangenen Rechtsprechung sowie den in den §§ 74 ff. HGB zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu bestimmen seien. Zudem spreche für die Aufrechterhaltung dieser Vorgehensweise in der bisherigen Rechtsprechung der mit der GmbH-Novelle 1980 eingeführte § 85 GmbHG, der verdeutliche, dass der Gesetzgeber von einer Unterscheidung zwischen Organmitglied und leitendem Angestellten ausgehe. Mit diesen Ausführungen zum Prüfungsmaßstab des § 138 BGB sowie dem Verweis auf § 85 GmbHG lehnt der BGH – entsprechend dem Urteilstil in Kürze – auch eine planwidrige Gesetzeslücke ab. Aufgrund des § 138 BGB fehlt es nach ihm bereits an einer Gesetzeslücke. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des BAG, die Heranziehung des ansonsten zu einem allgemeinen wirtschaftlichen Standard werdenden § 138 BGB sei zu vermeiden223 bzw. stelle wegen der Heranziehung der Wertungen der §§ 74 ff. HGB konstruktiv nur eine Leugnung der Analogie dar, geht er nicht ein. Vielmehr geht er von der grundsätzlichen Eignung des § 138 BGB aus, konkretisiert durch verfassungsrechtliche und allgemeine Rechtsgrundsätze. Überdies lehnt er auch die Planwidrigkeit der eventuellen Gesetzeslücke ab, indem er betont, der Gesetzgeber habe durch § 85 GmbHG verdeutlicht, an der Differenzierung zwischen Organmitglied und leitendem Angestellten festhalten zu wollen. Ob sich aus der Gesetzgebungsgeschichte und den möglicherweise geänderten Wertvorstellungen Argumente für oder gegen die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke auch in dieser Konstellation ergeben, prüft der BGH – anders als das BAG hinsichtlich der Arbeitnehmer – dagegen nicht. Auch verzichtet er in Gänze auf die Konkretisierung der Lückenart. b) Lückenart Auch wenn der BGH in seinem Urteil vom 26.3.1984 eine planwidrige Gesetzeslücke ohne weitere Erörterung der Lückenart abgelehnt hat, soll bei der folgenden Lückenprüfung die bereits dargestellte von Rechtsprechung und Literatur zur Vereinfachung und Systematisierung der Lückenfeststellung und damit auch Lückenausfüllung herausgebildete Differenzierung zwischen offenen und verdeckten sowie anfänglichen und nachträglichen Gesetzeslücken zugrunde gelegt werden. 223 Vgl. Anm. Buchner zu BAG, Urt. v. 2.5.1970 – 3 AZR 134/69, AP Nr. 26 zu § 74 HGB.
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aa) Offene – verdeckte Lücke In Frage kommt allenfalls eine offene Lücke, da in den §§ 74 ff. HGB keine Regelung betreffend Geschäftsführer enthalten ist. bb) Anfängliche – nachträgliche Lücke Eine anfängliche Lücke läge vor, wenn Geschäftsführer bereits bei Erlass der §§ 74 ff. HGB hätten erfasst werden können, der Gesetzgeber die Entscheidung hierüber aber bewusst Rechtsprechung und Wissenschaft überlassen, sie übersehen oder irrtümlich für bereits getroffen erachtet hätte. Eine nachträgliche Lücke wäre dagegen gegeben, wenn nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit Geschäftsführern (erst) infolge der Entwicklung entsprechend dem Regelungszweck bzw. der Grundabsicht des Gesetzes ebenfalls der Regelung bedürften. (1) Anfängliche Lücke Ob die im Jahre 1914 in das HGB eingeführten, in weiten Teilen noch heute unverändert fortbestehenden, §§ 74 ff. HGB hinsichtlich einer Regelung für Geschäftsführer bereits anfänglich lückenhaft waren, ist anhand der Gesetzgebungsmaterialien festzustellen. Zum besseren Verständnis wird ergänzend ein kurzer Überblick über die Gesetzgebungsgeschichte gegeben.224 (a) Entwicklung des Rechtes der nachvertraglichen Wettbewerbsverbote von 1895 bis 1914 Eine gesetzliche Regelung für Wettbewerbsverbote225 fand sich mit § 73 Abs. 1 erstmals im Entwurf eines Handelsgesetzbuches sowie eines Einführungsgesetzes im Jahre 1895226: „Eine Vereinbarung zwischen dem Prinzipal und dem Handlungsgehilfen, durch welche dieser für die Zeit nach der Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt wird, ist für den Handlungsgehilfen nur insoweit verbindlich, als die Beschränkung nach Zeit, Ort und Gegenstand nicht die Grenzen überschreitet, durch welche eine unbillige Beschränkung des Fortkommens des Handlungsgehilfen ausgeschlossen wird.“
224 Vgl. zu den historischen Grundlagen der Wettbewerbsverbote in Deutschland: Brendel, Nachvertragliche grenzüberschreitende Wettbewerbsverbote, S. 9 ff. 225 Vgl. zur historischen Entwicklung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote in Deutschland: Edenfeld, ZfA 2004, 463, 467 ff. 226 Vgl. Entwurf eines Handelsgesetzbuches, Reichstagsprotokolle, 9. Legislaturperiode, 1895/97,14, Anlage Nr. 632.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
Der Bericht der XVIII. Kommission über den Entwurf eines HGB227 macht deutlich, dass die Regelung im Grundsatz und im Detail völlig umstritten war. Diskutiert wurde u. a., ob Wettbewerbsverbote nur bei Handlungsgehilfen ab einem bestimmten Monatsgehalt (Vorschlag: DM 3000,–) oder nur für bestimmte Branchen und in bestimmtem km-mäßig begrenztem Umkreis zuzulassen seien. Auch wurde unterschiedlich beurteilt, ob der Prinzipal für die Dauer der Beschränkung zur Weiterzahlung des Gehaltes verpflichtet werden müsse. Erörtert wurde zudem eine Beschränkung auf drei Jahre. Schließlich wurde teilweise auch das Verbot von Konkurrenzklauseln überhaupt gefordert. Das schließlich am 10.5.1897 ausgefertigte HGB trat zum 1.1.1900 gemeinsam mit dem BGB in Kraft. Lediglich der sechste Abschnitt, „Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge“ wurde entsprechend Art. 1 Abs. 2 EGHGB bereits zum 1.1.1898 in Kraft gesetzt. In diesem fanden sich die folgenden §§ 74, 75 HGB228: „Eine Vereinbarung zwischen dem Prinzipal und dem Handlungsgehilfen, durch welche dieser für die Zeit nach der Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt wird, ist für den Handlungsgehilfen nur insoweit verbindlich als die Beschränkung nach Zeit, Ort und Gegenstand nicht die Grenzen überschreitet, durch welche eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Handlungsgehilfen ausgeschlossen wird. Die Beschränkung kann nicht auf einen Zeitraum von mehr als drei Jahren von der Beendigung des Dienstverhältnisses an erstreckt werden. Die Vereinbarung ist nichtig, wenn der Handlungsgehilfe zur Zeit des Abschlusses minderjährig ist.“ (§ 74 HGB) „Gibt der Prinzipal durch vertragswidriges Verhalten dem Handlungsgehilfen Grund, das Dienstverhältnis gemäß den Vorschriften der §§ 70, 71 aufzulösen, so kann er aus einer Vereinbarung der im § 74 bezeichneten Art Ansprüche nicht geltend machen. Das Gleicht gilt, wenn der Prinzipal das Dienstverhältnis kündigt, es sei denn, dass für die Kündigung ein erheblicher Anlass vorliegt, den er nicht verschuldet hat, oder dass während der Dauer der Beschränkung dem Handlungsgehilfen das zuletzt von ihm bezogene Gehalt fortgezahlt wird. [. . .] 229“ (§ 75 HGB)
In der Gesetzesbegründung wurde nochmals die Notwendigkeit dieser Regelungen betont, um den mit Konkurrenzklauseln getriebenen Missbräuchen entgegenzuwirken. Zugleich wurde aber hervorgehoben, dass es als nicht angemessen erscheine, die Konkurrenzklausel schlechthin zu verbieten.230 227 Vgl. Bericht der XVIII. Kommission über den Entwurf eines Handelsgesetzbuches sowie den Entwurf eines Einführungsgesetzes zu demselben, Reichstagsprotokolle, 9. Legislaturperiode, 1895/97,15, Anlage Nr. 735 und Zusammenstellung des Entwurfs eines Handelsgesetzbuches sowie des Entwurfes eines Einführungsgesetzes – der Drucksachen – nach den Beschlüssen der XVIII. Kommission, ad. 735. 228 Vgl. RGBl. 1897 S. 219, 235. 229 Absatz zwei betrifft Vertragsstrafenvereinbarungen. Absatz drei erklärt abweichende Vereinbarungen für nichtig.
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Ebenfalls zum 1.1.1900 trat auch der mit Art. 9 Ziff. II EGHGB vom 10.5. 1897 in die Gewerbeordnung (GewO) eingestellte § 133f GewO in Kraft. Dieser lehnte sich – abgesehen vom Geltungsbereich – wörtlich an den Regierungsentwurf zu § 74 (73) HGB an und enthielt für technische Angestellte folgendes gesetzliches Wettbewerbsverbot231: „Eine Vereinbarung zwischen dem Gewerbeunternehmen und einem der im § 133a bezeichneten Angestellten, durch die der Angestellte für die Zeit nach der Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt wird, ist für den Angestellten nur insoweit verbindlich, als die Beschränkung nach Zeit, Ort und Gegenstand nicht die Grenzen überschreitet, durch welche eine unbillige Erschwerung seines Fortkommens ausgeschlossen wird. Die Vereinbarung ist nichtig, wenn der Angestellte zur Zeit des Abschlusses minderjährig ist.“
Sowohl die §§ 74, 75 HGB als auch § 133f GewO blieben in der Folgezeit aber umstritten. Im Jahre 1907 blieben durch Abgeordnete232 bzw. den Bundesrat233 in den Reichstag eingebrachte Gesetzesentwürfe zur Änderung der §§ 74, 75 HGB und § 133f GewO dahingehend, dass Wettbewerbsverbote für nichtig erklärt oder jedenfalls zeitlich beschränkt und von der Fortzahlung des Gehaltes abhängig gemacht würden, unerledigt. Eine durch das Kaufmannsgericht zu Frankfurt a. M. bei der Kommission des Reichstages für Petitionen eingereichte Petition234 forderte ebenfalls erfolglos das Verbot der Konkurrenzverbote, hilfsweise – insoweit unter Bezugnahme auf Petitionen des Gewerbe- und Kaufmannsgerichtes München, des Kaufmannsgerichtes zu Hannover sowie des Kaufmannsgerichtes zu Dortmund – die Zahlung einer Mindestgehaltsentschädigung und die Beschränkung auf ein Jahr. Die §§ 74, 75 und 76 Abs. 1 HGB wurden durch Gesetz vom 10.6.1914 durch die §§ 74–76 HGB ersetzt.235 Diese Normen sind in weiten Teilen auch heute noch geltendes Recht. In seiner Gesetzesbegründung236 führte der Reichstag aus, 230 Vgl. Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuches und eines Einführungsgesetzes, Reichstagsprotokolle, 9. Legislaturperiode, 1895/97, 14, Anhang zu Anl. Nr. 632. 231 Vgl. RGBl. 1897, S. 437, 439. 232 Vgl. Reichstagsprotokolle, 12. Legislaturperiode, 1907/09, 14, Anlage 240 Nr. 123 Antrag zum Beschluss des Gesetzes betreffend die Änderung der Gewerbeordnung und des Handelsgesetzbuches. 233 Vgl. Entwurf eines Gesetzes betreffend die Änderung der Gewerbeordnung, Reichstagsprotokolle, 12. Legislaturperiode, 1907/09, 18, Anlage 552. 234 Vgl. 226. Bericht der Kommission für die Petitionen, Reichstagsprotokolle, 12. Legislaturperiode, 1907/09, 30, Anlage Nr. 1474; 1907/09, 11, Bericht der 282. Sitzung am 13.7.1909. 235 Vgl. RGBl. 1914, S. 209. 236 Vgl. Reichstagsprotokolle, 13. Legislaturperiode, 1912/14, 18, Anlage Nr. 575, S. 726 ff.; zur Diskussion: Reichstagsprotokolle, 13. Legislaturperiode, 1912/14, 12, 2. Beratung, Bd. 294, 248. Sitzung, S. 8415 ff.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
die 1897 eingeführten Bestimmungen seien zwar nicht ohne günstige Wirkung geblieben, aber nicht hinreichend, um Kaufleute von der Vereinbarung drückender Konkurrenzverbote abzuhalten. Dennoch sei nicht dazu überzugehen, Konkurrenzklauseln zu verbieten. Mit der Pflicht zur Zahlung einer Karenzentschädigung könne bewirkt werden, dass Prinzipale Konkurrenzverbote nur in solchen Fällen vereinbarten, in denen sie wirtschaftlich erhebliche und schutzbedürftige Interessen hätten. Zudem erscheine es sachlich gerechtfertigt und billig, eine Gegenleistung des Prinzipals für die Tätigkeitsbeschränkung zu fordern. Hinsichtlich des persönlichen Anwendungsbereiches des Entwurfes hieß es sodann: „Der Entwurf beschränkt sich auf die Regelung der Konkurrenzklausel bei den Handlungsgehilfen und den Handlungslehrlingen. Es ist davon abgesehen worden, in der gegenwärtigen Vorlage auch die Bestimmungen zu ändern, die in der Gewerbeordnung (§ 133f) für die Betriebsbeamten, Werkmeister und Techniker gegeben sind. Bei diesen Angestellten liegen die Verhältnisse in manchen Beziehungen anders als bei dem kaufmännischen Hilfspersonal, und die Durchführung der gesetzlichen Reform würde, wenn sie auf beide Arten von Angestellten zugleich erstreckt würde, bedeutend erschwert werden. Es entspricht auch dem Gange, den die Gesetzgebung bezüglich der Dienstverhältnisse im Handel und in der Industrie bisher genommen hat, dass die neuen Grundsätze zunächst für die Handlungsgehilfen zur Einführung gelangen und die Entscheidung der Frage, inwieweit sie auf andere Angestellte übertragen werden, besonderen Gesetzen vorbehalten bleibt.“
(b) Keine anfängliche Lückenhaftigkeit hinsichtlich Geschäftsführer Mit dem Entwurf des HGB im Jahre 1897 wurden in §§ 74, 75 HGB für Handlungsgehilfen und in § 133f GewO für technische Angestellte Regelungen hinsichtlich Konkurrenzklauseln aufgenommen, die lediglich hinsichtlich ihres persönlichen Geltungsbereiches voneinander abwichen. Insbesondere die Regelungen der §§ 74, 75 HGB waren in der Folgezeit sehr umstritten. Es wurde diskutiert, ob überhaupt und wenn unter welchen Voraussetzungen Konkurrenzklauseln mit Handlungsgehilfen vereinbart werden dürfen. 1914 wurden dann – wohl in Reaktion auf die um diese Normen geführten Diskussionen – die §§ 74, 75 HGB durch ein differenzierteres Normengefüge ersetzt. Es wurde die grundsätzliche Pflicht des Prinzipals zur Zahlung einer Karenzentschädigung, ergänzt um Regelungen zur Berechnung dieser Karenzentschädigungspflicht bzw. zur Anrechnung anderweitigen Verdienstes, ein Verzichtsrecht des Prinzipals und Weiteres in die §§ 74 ff. HGB eingeführt. § 133 f GewO blieb dagegen unverändert. Dies wurde damit begründet, dass sich die Verhältnisse bei den technischen Angestellten teilweise von denen bei den Handlungsgehilfen unterschieden. Die neuen Grundsätze sollten zunächst nur bei den Handlungsgehilfen zur Anwendung kommen und die Frage der Erstreckung auf andere Angestellte erst zu einem späteren Zeitpunkt gesetzgeberisch entschieden werden. Auch nach der Gesetzesnovelle von 1914 fanden die §§ 74 ff. HGB also
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nach ihrem Wortlaut nur bei Handlungsgehilfen Anwendung, während § 133 f GewO weiterhin für die technischen Angestellten einschlägig war. Vor diesem Hintergrund ist bereits fraglich, ob von einer anfänglichen Lücke hinsichtlich der nicht-kaufmännischen Arbeitnehmer ausgegangen werden kann. Die Entscheidung über die Anwendung der Normen auch bei diesen scheint weder bewusst der Rechtsprechung und Wissenschaft überlassen, noch durch den Gesetzgeber übersehen oder irrtümlich für geregelt erachtet worden zu sein. Vielmehr liegt ausweislich der Gesetzesbegründung eine Entscheidung des Gesetzgebers dahingehend vor, zunächst nur die §§ 74 ff. HGB für die Handlungsgehilfen neu zu gestalten und erst nach Erfahrungen mit diesen Normen auch für die anderen Arbeitnehmerarten entsprechende Regelungen zu treffen. Insoweit erscheinen die Ausführungen des BAG im Urteil vom 13.9.1969, nach denen zunächst die anfängliche Lückenhaftigkeit der §§ 74 ff. HGB hinsichtlich der nicht erfassten Arbeitnehmerarten angenommen, dann aber festgestellt wird, dass sich aus dieser anfänglichen Lückenhaftigkeit im Verlaufe der Entwicklung eine echte nachträgliche Lücke entwickelt habe, nicht überzeugend. Dies kann vorliegend aber dahinstehen. Denn, unabhängig davon, ob die Regelungen hinsichtlich sonstiger Arbeitnehmer anfänglich lückenhaft waren, kann jedenfalls hinsichtlich Geschäftsführern nicht von einer anfänglichen Lücke ausgegangen werden. Ob die entsprechende Anwendung der Normen ggf. auch bei Organmitgliedern oder sonstigen Personengruppen erfolgen könnte bzw. sollte, ist den Berichten zufolge zu keiner Zeit Gegenstand der Erörterungen gewesen. Diese beschränkten sich vielmehr alleine auf die Behandlung von Konkurrenzklauseln bei Handlungsgehilfen und bzgl. § 133f GewO bei technischen Angestellten, also bei Arbeitnehmerarten. Eine bewusste Aussparung hinsichtlich der Erfassung auch von Organen oder sonstigen Personengruppen, um die Entscheidung hinsichtlich dieser der Rechtsprechung zu überlassen, liegt daher nicht vor. Auch ist nicht von einer unbewussten Lücke auszugehen. Selbst die gänzliche Nichterwähnung von sonstigen Personengruppen, also Organen, aber auch Gesellschaftern oder Freiberuflern, kann nicht als Anhaltspunkt für eine versehentliche Nichtregelung im Sinne einer unbewussten Lücke verstanden werden. Zwar kann unterstellt werden, dass dem Gesetzgeber bewusst war, dass auch mit diesen Personengruppen, insbesondere auch Geschäftsführern, nachvertragliche Wettbewerbsabreden getroffen werden und für diese keine gesetzlichen Regelungen existieren. So enthielt das am 20.5.1898 in Kraft getretene GmbHG keine entsprechende Regelung für Abreden mit Geschäftsführern.237 Auch lagen zu dieser Zeit bereits Hinweise der Literatur vor, dass die Vorschriften des HGB für Handlungsgehilfen mangels Vergleichbarkeit von Handlungsgehilfen und Geschäftsführern keine Anwendung finden könnten, so dass auch §§ 74, 75 HGB nicht 237
Vgl. Staub, GmbHG, 1. Auflage, § 35 Anm. 50.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
gölten.238 Indem der Gesetzgeber aber deutlich macht, nur für die Handlungsgehilfen, nicht aber auch für die nicht vergleichbaren technischen Angestellten neue Regelungen aufstellen zu wollen, bringt er zum Ausdruck, sich alleine mit der Schutzbedürftigkeit der einzelnen Arbeitnehmergruppen, nicht aber sonstiger Personengruppen auseinandergesetzt zu haben. Die sonstigen Personengruppen fielen daher nicht in den überhaupt erörterten Regelungszusammenhang, weswegen auch eine unbewusste Lücke nicht angenommen werden kann. (2) Nachträgliche Lücke In Frage kommt daher allenfalls eine nachträgliche Lücke. Eine solche ist gegeben, wenn infolge der technischen oder wirtschaftlichen Entwicklung neue Fragen auftauchen, die im Rahmen des Regelungszweckes des von der Grundabsicht des Gesetzes erfassten Regelungsbereiches liegen und nunmehr der Regelung bedürfen, vom Gesetzgeber aber noch nicht gesehen wurden.239 Auch wenn das GmbHG von 1898 keine Regelungen hinsichtlich Wettbewerbsverboten für Geschäftsführer enthielt, war es zur Zeit des Erlasses der §§ 74 ff. HGB im Jahre 1914 doch bereits anerkannt, dass Wettbewerbsverbote sowohl für die Zeit während als auch nach Beendigung des Dienstverhältnisses vereinbart werden können. Eine nachträgliche Lücke könnte sich aber in Anbetracht der mit der Zeit häufigeren Verwendung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote und des daher offensichtlicher werdenden Regelungsbedarfes sowie der zunehmenden Anerkennung der Schutzbedürftigkeit von Geschäftsführern und der infolgedessen begründeten Tendenz zur Ausweitung ihres Schutzes durch die Anwendung von Arbeitnehmerschutzvorschriften bzw. Zuerkennung gesetzesbezogener arbeitnehmerähnlicher Stellungen entwickelt haben. Entscheidend für die Annahme einer nachträglichen Lücke ist also, dass Geschäftsführer – davon ausgehend, dass es sich bei ihnen nicht um §§ 74 ff. HGB von vornherein unterfallende Arbeitnehmer handelt – mit den durch die §§ 74 ff. HGB geschützten Arbeitnehmern vergleichbar und daher ebenso schutzbedürftig wie schutzwürdig sind. Die Annahme des BAG, die §§ 74 ff. HGB stellten allgemeine Arbeitnehmerschutzvorschriften dar, ist hierbei als richtig zu unterstellen. Ob Geschäftsführer im Hinblick auf nachvertragliche Wettbewerbsverbote tatsächlich mit Arbeitnehmern vergleichbar sind, soll an dieser Stelle aber noch offen bleiben und das Vorliegen einer nachträglichen Lücke unterstellt werden. Im hiesigen Fall decken sich die Prüfungsgegenstände der Lückenfeststellung und der Lückenausfüllung. Bei beiden kommt es darauf an, ob sich GmbH und Geschäftsführer bei einer nachvertraglichen Wettbewerbsabrede in einer Interessenlage befinden, die mit der bei Arbeitgeber und Arbeitnehmer in dieser Situation 238 239
Vgl. Staub, GmbHG, 1. Auflage, § 35 Anm. 49 f. Vgl. die Nachweise in Fn. 213.
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bestehenden vergleichbar ist. Insofern kann und soll die Vergleichbarkeit aus Gründen der Übersichtlichkeit zusammenhängend erst nach der Prüfung der weiteren Voraussetzung der Lücke, der Planwidrigkeit, unter 4. erörtert werden. cc) Zwischenergebnis In Frage kommt allenfalls eine nachträgliche, offene Lücke. Eine solche liegt nur dann vor, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer einerseits und GmbHs und Geschäftsführer andererseits bei der Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote in vergleichbaren Interessenlagen befinden. Die Vergleichbarkeit der Interessenlagen wird aber zusammenhängend erst im Anschluss an die Fragen zur Lückenhaftigkeit der Regelung erörtert. c) Planwidrige Gesetzeslücke? aa) Fehlen einer Lücke wegen Eingreifens von Generalklausel des § 138 BGB? Fraglich ist, ob eine planwidrige Lücke bereits von vorneherein ausscheidet, weil die Sittenwidrigkeits-Generalklausel des § 138 BGB als Prüfungsmaßstab für nachvertragliche Wettbewerbsabreden herangezogen werden kann. In der älteren Literatur ist bei unbestimmten Rechtsbegriffen, wertausfüllungsbedürftigen Begriffen und Generalklauseln von Lücken im materiellen Recht ausgegangen worden.240 Danach stände § 138 BGB der analogen Anwendung der §§ 74 ff. HGB nicht entgegen. Andere Literaturvertreter differenzieren hinsichtlich Generalklauseln zwischen bewussten und unbewussten Lücken. Bewusste Lücken lägen vor, wenn der Gesetzgeber absichtlich die Beurteilung bestimmter Sachverhalte der Lösung über die Generalklauseln überlassen habe, damit die Umstände des Einzelfalles besser berücksichtigt werden könnten. Ein Zweck der Generalklausel sei gerade die Erfassung solcher Fälle, für die der Gesetzgeber absichtlich keine speziellen Regelungen geschaffen habe. Insoweit diene die Generalklausel der Lückenfüllung, so dass eine planwidrige Regelungslücke nicht gegeben sei. Unbewusste Lücken lägen dagegen dann vor, wenn der Gesetzgeber einen regelungsbedürftigen Sachverhalt nicht bedacht habe. In diesen Fällen griffe die Generalklausel entsprechend ihrer Auffangfunktion. Von einer Absicht des Gesetzgebers, den Sachverhalt der Subsumtion unter die Generalklausel zu überlassen, sei somit nicht auszugehen, so dass eine planwidrige Regelungslücke trotz Eingreifens der Generalklausel gegeben sei. Diese Grundsätze auf die vorliegende Fragestellung übertragend, kommt diese Ansicht zum Ergebnis, dass trotz der Anwendbarkeit 240 Vgl. hierzu: Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 27 mit zahlreichen Verweisen.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
von § 138 BGB nicht von vorneherein das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke zu verneinen sei. Der Gesetzgeber habe für eine bestimmte Fallkonstellation eine präzise Regelunge geschaffen, obwohl – wie bei dem nicht geregelten Sachverhalt – die Subsumtion unter § 138 BGB möglich gewesen sei. Hieraus werde erkennbar, dass er die Generalklausel gerade nicht für eine ausreichende Lösung erachtet habe. Sei aber der speziell geregelte Sachverhalt dem geregelten rechtlich so ähnlich, dass auch die gleiche rechtliche Beurteilung zu erwarten sei, liege eine Lücke vor, da der zu beurteilende Sachverhalt nicht mit der gleichen Präzision geregelt sei wie der vergleichbare spezialgesetzlich geregelte Tatbestand.241 Nach der überwiegenden Auffassung liegt bei Einschlägigkeit einer Generalklausel dagegen keine Lücke vor. Generalklauseln seien ein Teil vom Gesetzgeber „bewusst offen gelassener Gesetzgebung“ bzw. eine „Delegation seitens des Gesetzgebers“; sie stellten keine Löcher im Normgewebe dar, sondern enthielten Verweisungen auf außerrechtliche Standards und bildeten eine Aufforderung an den Rechtsanwender, selbst zu entscheiden. Zwar fehle eine präzise sachliche Regelung. Diese würden aber durch eine Kompetenznorm ersetzt, durch welche dem Richter die normsetzende Aufgabe zugewiesen werde.242 Auf diese Weise könne der Gesetzgeber für bestimmte Fallgruppen elastischere richterliche Normsetzung entsprechend der jeweiligen technisch-ökonomischen, gesellschaftlichen und politischen Entwicklung ermöglichen.243 Dem Richter komme die Aufgabe zu, den allgemeinen Maßstab im Hinblick auf die besonderen Umstände des einzelnen Falles zu konkretisieren.244 Das Gesetz enthielte also, auch wenn es allgemein und unbestimmt sei, eine Regelung, so dass von einer Unvollständigkeit der gesetzlichen Anordnungen nicht ausgegangen werden könne.245 Darüber hinaus sei auch das weitere Kriterium der Planwidrigkeit nicht gegeben. Zum einen habe der historische Gesetzgeber die Unbestimmtheit gewollt. Zum anderen dienten unbestimmte wertausfüllungsbedürftige Rechtsbegriffe und Generalklauseln dazu, die besonderen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen und der individuellen Gerechtigkeit Rechnung zu tragen. Sie schafften gleichzeitig Einbruchstellen für außerrechtliche, z. B. soziale oder ethische, Wertungen, so dass ihnen im Gesamtplan des Gesetzes eine Aufgabe zukomme, die der Annahme einer Gesetzeslücke entgegenstehe.246 Nach dieser Ansicht stände § 138 BGB der Annahme einer planwidrigen Regelungslücke mithin entgegen.247 241 Vgl. Gravenhorst, Rechtliche Grenzen für die Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote mit GmbH-Geschäftsführern, S. 106 f. 242 Vgl. hierzu: MünchKommBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 3; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 633; Staudinger/Sack, BGB, § 138 Rn. 24, 37. 243 Vgl. Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, Rn. 836. 244 Vgl. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 27. 245 Vgl. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 28. 246 Vgl. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 28 f.
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Dieser Ansicht ist zu folgen und eine planwidrige Regelungslücke wegen Eingreifens von § 138 BGB daher abzulehnen. Zwar mag es unbefriedigend erscheinen, dass Richter zur Bewertung nicht von Spezialgesetzen geregelter Problemkonstellationen auf Generalklauseln zurückgreifen müssen. Dies entspricht aber dem gesetzgeberischen Willen. Der Gesetzgeber verwendet Generalklauseln, um auch für nicht vorhergesehene oder nach seiner Vorstellung (noch) nicht zu regelnde Situationen rechtliche Bewertungen zu ermöglichen und auf diese Weise lückenlose Rechtssysteme zu schaffen, ohne zu versuchen, alle Einzelfälle vorherzusehen und einer Lösung zuzuführen. Er geht dabei davon aus, dass es den Richtern gelingen wird, anhand der einschlägigen Generalklauseln gerechte Einzelfalllösungen zu finden. Eine Auseinandersetzung mit der Ansicht, die eine Lücke im Falle des Eingreifens einer Generalklausel dann annimmt, wenn der Gesetzgeber einen Sachverhalt nicht bedacht hat und dieser deswegen der Generalklausel nur aufgrund ihrer Auffangfunktion unterfällt, kann vorliegend unterbleiben. Es kann nicht davon ausgegangen werden, der Gesetzgeber erachte § 138 BGB für grundsätzlich ungeeignet zur Bewertung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote. Ansonsten hätte er bereits seit Jahrzehnten Regelungen jedenfalls auch zur Beurteilung von Wettbewerbsverboten mit Gesellschaftern oder Freiberuflern schaffen müssen, die nach ständiger Rechtsprechung anhand von § 138 BGB überprüft werden. Zudem kann jedenfalls mittlerweile nicht mehr davon ausgegangen werden, dass dem Gesetzgeber unbewusst geblieben ist, dass Abreden mit Geschäftsführern mangels Einschlägigkeit spezialgesetzlicher Regelungen der Prüfung nach § 138 BGB unterfallen. Im Ergebnis fehlt es daher wegen des Eingreifens von § 138 BGB an einer Gesetzeslücke. bb) Fehlen einer Lücke wegen Gewohnheitsrecht? An einer Lücke könnte es weiterhin bereits dann fehlen, wenn das Prüfungssystem des BGH auf der Grundlage von § 138 BGB als Gewohnheitsrecht zu qualifizieren wäre und eine gewohnheitsrechtliche Regelung der Annahme einer Lücke entgegenstände. Die überwiegende Ansicht in der Literatur nimmt an, dass auch bei Eingreifen von Gewohnheitsrecht die gewünschte gesetzliche Regelung fehle. Dennoch sei keine Lücke gegeben, da der Richter seine Entscheidung auf die Autorität des durch das Gewohnheitsrecht ergänzten positiven Rechtes stützen könne. Es sei 247 Vgl. ebenso: Heyll, Die Anwendung von Arbeitsrecht auf Organmitglieder, S. 253 f.; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 380 f., der Annahme der Lückenhaftigkeit der §§ 74, 74a HGB durch BAG kritisiert und Wertungswiderspruch annimmt.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
daher auch möglich, dass eine ursprüngliche Gesetzeslücke später wegfalle, weil die zu ihrer Ausfüllung entwickelte Lösung den Rang von Gewohnheitsrecht erlange.248 Von der Frage, ob Gewohnheitsrecht einer Lücke entgegenstehen könne, sei aber die Frage zu trennen, ob die gewohnheitsrechtliche Regelung selber lückenhaft sei, weil sich hinsichtlich einer notwendigerweise zu beantwortenden Rechtsfrage noch keine einheitliche Rechtsüberzeugung gebildet habe oder eine andere Voraussetzung des Gewohnheitsrechtes fehle.249 Gewohnheitsrecht entsteht durch eine lang dauernde tatsächliche Übung, getragen von der Rechtsüberzeugung der beteiligten Verkehrskreise, durch die Einhaltung der Übung bestehendes Recht zu befolgen. Kein Gewohnheitsrecht ist der sog. Gerichtsgebrauch. Er leitet seine Verbindlichkeit aus dem gesetzten Recht ab, hat also keine eigenständige normative Geltung. Eine ständige Rechtsprechung kann auch nach langer Zeit noch geändert werden; i. d. R. sprechen aber der Gedanke der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes für ein Festhalten an der bisherigen Rechtsentwicklung. Ausnahmsweise kann aber eine ständige Rechtsprechung auch zu Gewohnheitsrecht erstarken, wenn sie Ausdruck einer allgemeinen Rechtsüberzeugung wird. Dazu genügt aber nicht die Billigung durch die beruflichen Rechtsanwender; erforderlich ist die Anerkennung als bestehendes Recht durch die beteiligten Verkehrskreise, eine Voraussetzung, die nur selten vorliegt.250 Die Zivilgerichte lehnen in ständiger Rechtsprechung die entsprechende Anwendung der §§ 74 ff. HGB bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten für Geschäftsführer ab und ziehen zur Rechtmäßigkeitsprüfung § 138 BGB heran. Zu dessen Konkretisierung bedienen sie sich aber wiederum der §§ 74 ff. HGB, soweit die Normen Regelungen zugunsten der Gesellschaft treffen oder aber allgemeine Rechtsgrundsätze beinhalten. Bei welchen Normen es sich um allgemeine Rechtsgrundsätze bzw. zugunsten der Gesellschaft wirkende Normen handelt und worauf es insbesondere bei der Feststellung der Wirkungsrichtung der Normen ankommt, hat die Rechtsprechung bisher aber noch nicht ausführlicher dargestellt. Unter anderem vor diesem Hintergrund ist dieser Prüfungsansatz im Grundsatz und im Detail in der Literatur in der Kritik. Die Prüfungstechnik insbesondere des BGH entspricht somit nicht der allgemeinen Rechtsüberzeugung des beteiligten Rechtskreises und kann daher nicht als allseits anerkanntes bestehendes Recht qualifiziert werden. Die Rechtsprechungspraxis des BGH stellt somit kein Gewohnheitsrecht dar, welches eine Gesetzeslücke ausschlösse.
248 249 250
Vgl. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 30 Fn. 61 m.w. N. Vgl. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 29 f. Vgl. Palandt/Sprau, Einl. zum BGB, Rn. 22.
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cc) Fehlen einer Lücke wegen Ausgestaltung durch allgemeine Rechtsgrundsätze? Nach einem Teil der Literatur stehen auch allgemeine Rechtsprinzipien und Rechtsgrundsätze als Bestandteile der Gesamtrechtsordnung der Annahme der Lückenhaftigkeit einer gesetzlichen Regelung entgegen.251 Dies sei zum einen der Fall, wenn die allgemeinen Rechtsgrundsätze derart präzise herausgearbeitet seien, dass sie unmittelbar subsumiert und hierdurch angewendet werden könnten. An einer Lücke fehle es zum anderen aber auch dann, wenn durch die Wertungen des positiven Rechtes verdeutlicht werde, inwieweit ein allgemeiner Rechtsgrundsatz anerkannt werden solle. Mangels planwidriger Unvollständigkeit scheide dann die Anwendung einer dem Grundsatz entsprechenden allgemeinen Regel von vorneherein aus.252 Unter diesem Aspekt wurde auch die Analogie des BAG zu den §§ 74 ff. HGB für alle nicht-kaufmännischen Arbeitnehmer kritisiert. Es sei nicht eine Einzelanalogie, sondern eine Rechtsanalogie, also die Gewinnung eines allgemeinen Rechtsgedankens methodisch gesehen das richtige Mittel. Es komme darauf an, die Grundwertungen der §§ 74 ff. HGB und des § 90a HGB zu verallgemeinern und zu übertragen, ohne jedoch die Normen in ihren Einzelausformungen heranzuziehen.253 Hiernach schiede die Analogie zu den § 74 ff. HGB bei Geschäftsführern aus, wenn entweder die Rechtsprechung aus ihnen bereits subsumtionsfähige allgemeine Rechtsgrundsätze herausgearbeitet hätte oder aber sie allgemeine Grundwertungen beinhalteten, die verallgemeinert und übertragen werden könnten. So wie das BAG vor der Änderung seiner Rechtsprechung hin zur analogen Anwendung die Inhalte der §§ 74 ff. HGB teilweise als allgemeine Rechtsgrundsätze zur Konkretisierung des § 138 BGB herangezogen hat, betont auch der BGH, nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit Geschäftsführern anhand von § 138 BGB i.V. m. den allgemeinen Rechtsgrundsätzen der §§ 74 ff. HGB zu prüfen. Ausführungen, in welchem Umfang den Normen allgemeine Rechtsgrundsatzqualität zukommt, bleibt er dann aber schuldig. Subsumtionsfähige allgemeine Rechtsgrundsätze liegen daher nicht vor. Die Lückenhaftigkeit schiede nach dieser Ansicht aber auch dann aus, wenn den §§ 74 ff. HGB verallgemeinerungsfähige allgemeine Wertungen entnommen werden könnten. Ob und in welchem Umfang dies möglich ist, soll an dieser Stelle indes im Hinblick auf die zuvor getroffenen Feststellungen bzw. die weiteren Ausführungen offen bleiben. Wegen des Eingreifens von § 138 BGB fehlt es bereits an einer Gesetzeslücke, so dass es für die Lückenhaftigkeit nicht mehr 251
Vgl. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 93 f. Vgl. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 94 ff. 253 So Canaris, in Anm. zu BAG, Urt. v. 13.9.1969 – 3 AZR 138/68, SAE 1971, 106, 112 bzgl. analoger Anwendung der §§ 74 ff. HGB auf sonstige Arbeitnehmer. 252
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
entscheidend ist, ob die §§ 74 ff. HGB allgemeine Rechtsgrundsätze enthalten. Relevanz kommt der allgemeinen Rechtsgrundsatzqualität der Normen aber hinsichtlich der Frage zu, inwieweit die §§ 74 ff. HGB der Konkretisierung des § 138 BGB dienen können. Insoweit sei aus Gründen der Übersichtlichkeit an dieser Stelle auf weitergehende Erörterungen verzichtet und auf die betreffenden Ausführungen unter H. in diesem Teil sowie in Teil 3 dieser Arbeit verwiesen. dd) Fehlen einer Lücke wegen bewusster gesetzgeberischer Entscheidung? Selbst wenn aber entgegen der hiesigen Ansicht die Lückenhaftigkeit nicht bereits wegen des Eingreifens des § 138 BGB abgelehnt würde, schiede eine Gesetzeslücke dennoch aus, wenn nachgewiesen werden könnte, dass § 138 BGB bewusst als Maßstab geduldet würde. Das wäre dann der Fall, wenn der Gesetzgeber zum einen § 138 BGB grundsätzlich als Maßstab zur Beurteilung von Wettbewerbsverboten für sachgerecht erachtete und zum anderen aufgrund des Zeitablaufes und/oder gesetzgeberischer Initiativen bzgl. Wettbewerbsverboten mit anderen Personengruppen und/oder Gesetzesregelungen bzgl. Geschäftsführern im Sinne beredten Schweigens deutlich gemacht hätte, für nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit Geschäftsführern bewusst keine Regelung getroffen, sondern ihre Beurteilung der Rechtsprechung anhand von § 138 BGB überlassen zu haben. (1) § 138 BGB als grundsätzlich tauglicher Maßstab bei Wettbewerbsverboten Zunächst ist festzuhalten, dass der Gesetzgeber es grundsätzlich für sachgerecht erachtet, § 138 BGB als Kontrollmaßstab für nachvertragliche Wettbewerbsverbote heranzuziehen. So findet die Norm derzeit nach ständiger und weitestgehend auch unbestrittener Rechtsprechung jedenfalls bei Freiberuflern, Gesellschaftern und AG-Vorständen Anwendung.254 Es ist vor diesem Hintergrund daher nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber § 138 BGB wegen seiner Entwicklungsoffenheit und der Ermöglichung von Entscheidungen je nach Einzelfall auch bei Geschäftsführern für zulässig erachtet.
254 Vgl. Freiberufler: BGH, Urt. v. 8.5.2000 – II ZR 308/98, NZG 2000, 831; MünchKommBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 79; Erman/Palm/Arnold, BGB, § 138 Rn. 196; Römermann, BB 1998, 1489; Staudinger/Sack, BGB, § 138 Rn. 297; Münch.Hdb.GesR I/Schmid, § 24 Rn. 83 ff.; MünchKommBGB-Ulmer/Schäfer, § 738 Rn. 66 ff.; Gesellschafter: BGH, Urt. v. 3.5.1988 – KZR 17/87, NJW 1988, 2787; BGH, Urt. v. 19.10.1993 – KZR 3/92, NJW 1994, 384; BGH, Urt. v. 8.5.2000 – II ZR 308/98, NZG 2000, 831; Erman/Palm/Arnold, BGB, § 138 Rn. 196; Staudinger/Sack, BGB, § 138 Rn. 297; Münch.Hdb.GesR I/Schmid, § 24 Rn. 83 ff.; AG-Vorstand: Hüffer, AktG, § 88 Rn. 10; Fleischer/Thüsing, Hdb. des VorstandsR, § 4 Rn. 101 ff.
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(2) Beredtes Schweigen des Gesetzgebers Der Gesetzgeber könnte sich durch beredtes Schweigen für die Geltung des § 138 BGB bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten mit Geschäftsführern entschieden haben. In diesem Falle beginge ein Gericht einen Gesetzesverstoß, nähme es eine Gesetzeslücke an und eine Analogie vor.255 (a) Zeitablauf Ein beredtes Schweigen des Gesetzgebers ist nicht bereits deswegen anzunehmen, weil er es trotz der Heranziehung des § 138 BGB durch den BGH in ständiger Rechtsprechung unterlassen hat, eine abweichende klarstellende Gesetzesnorm zu erlassen. Zwar kann der Zeitablauf als Indikator für eine stillschweigende Anerkennung der Vorgehensweise der Rechtsprechung dienen. Er alleine erscheint jedoch nicht geeignet, ein beredtes Schweigen des Gesetzgebers zu begründen. So sind insbesondere im nicht einheitlich und auch nur teilweise kodifizierten Arbeitsrecht zahlreiche Rechtsinstitute zu finden, die von der Rechtsprechung herausgebildet und über Jahrzehnte – auch unter Berücksichtigung abweichender Auffassungen in der Literatur – entwickelt worden sind, zu denen es aber noch keine gesetzgeberische Initiative oder Stellungnahme gegeben hat. Bei diesen Rechtsinstituten nach Ablauf einer gewissen Zeit, wobei sich hierbei sogleich die Frage nach der Zeitdauer aufdrängt, anzunehmen, der Gesetzgeber habe sie mit den zu der Zeit durch die Rechtsprechung herausgearbeiteten Grundsätzen und Voraussetzungen anerkannt, erscheint nicht sachgerecht. (b) Gesetzgeberische Initiativen bezüglich Wettbewerbsverboten Das Schweigen des Gesetzgebers hinsichtlich nachvertraglicher Wettbewerbsverbote mit Geschäftsführern könnte sich aber vor dem Hintergrund der sonstigen gesetzgeberischen Initiativen bezüglich Wettbewerbsverboten als bewusste Anerkennung der Prüfung der Rechtsprechung anhand von § 138 Abs. 1 BGB erweisen. Dies wäre insbesondere dann der Fall, wenn der Gesetzgeber in Reaktion auf zwischenzeitliche Entwicklungen und Forderungen in der Literatur den persönlichen Anwendungsbereich der §§ 74 ff. HGB geändert oder die §§ 74 ff. HGB im Übrigen weitgehend überarbeitet hätte. Weiterhin wäre eine bewusste Anerkennung des § 138 BGB für Geschäftsführer anzunehmen, wenn für andere Personengruppen Wettbewerbsregelungen geschaffen und diese hierdurch aus dem Anwendungsbereich des § 138 BGB herausgenommen worden wären, so 255 Vgl. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 475; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 370; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 633; Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, Rn. 838; Schwacke, Juristische Methodik, S. 126.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
dass erkennbar würde, dass sich der Gesetzgeber mit der Regelung des Rechtes der Wettbewerbsverbote befasst hat und das Fehlen von Regelungen für einzelne Personengruppen nicht auf einem Versehen oder allgemeiner Untätigkeit in diesem Bereich beruht. Ferner läge dies nahe, wenn der Gesetzgeber zwischenzeitlich, wenn auch vergeblich, auch für den Geschäftsführer Regelungen betreffend Wettbewerbsverbote schaffen wollte. Dann wäre ebenfalls erkennbar, dass sich der Gesetzgeber der bei Geschäftsführern nach der Rechtsprechung geltenden Rechtslage bewusst ist, so dass nicht angenommen werden könnte, dass es zu einer Regelung aus Versehen oder aus allgemeiner Untätigkeit nicht gekommen ist. (aa) Änderung der §§ 74 ff. HGB seit 1914 Auf eine bewusste Anerkennung des § 138 BGB ist nicht bereits aufgrund der Entwicklung der §§ 74 ff. HGB durch den Gesetzgeber zu schließen. Das BAG hat im Jahre 2003 die analoge Anwendung des § 613a BGB auf Geschäftsführer mangels planwidriger Regelungslücke der Norm mit der Begründung abgelehnt, die Norm sei bereits durch das Gesetz vom 15.1.1972256 eingefügt und sodann durch die Gesetze vom 13.8.1980 und vom 28.10.1994257 geändert worden, ohne dass hinsichtlich des persönlichen Geltungsbereiches Veränderungen vorgenommen worden seien.258 Die §§ 74 ff. HGB haben über die vielen Jahre seit ihrer Einführung im Jahre 1914 aber nur sehr geringe Änderungen erfahren. Anpassungen erfolgten lediglich mit der Einführung des Euro. So wurden mit Art. 24 des 4. Euro-Einführungsgesetzes vom 21.12.2000259 § 74a Abs. 2 HGB (Nichtigkeit bei Verdienst unter 1500 DM) und § 75b HGB (Ausnahmen von der Entschädigung außerhalb Europas und bei Jahresverdienst über 8000 DM) aufgehoben und gelten seit dem 1.1.2001 nicht mehr. Zudem hat der Gesetzgeber bislang noch immer nicht die Entscheidung des BAG vom 23.02.1977260 nachvollzogen, mit welcher § 75 Abs. 3 HGB für verfassungswidrig erklärt worden ist, so dass sich Absatz 3 des § 75 HGB nach wie vor im Gesetz findet. Der Zeitablauf seit der Schaffung der Normen sowie ihre nur geringfügigen Änderungen eröffnen daher nicht die Annahme, es liege eine planmäßige Lücke hinsichtlich des persönlichen Anwendungsbereichs der §§ 74 ff. HGB und im Umkehrschluss damit die Akzeptanz der geltenden Rechtsprechung anhand des § 138 BGB vor.
256 257 258 259 260
Vgl. BGBl. I, S. 13. Vgl. BGBl. I, S. 1308; BGBl. I, S. 3210. Vgl. BAG, Urt. v. 13.2.2003 – 8 AZR 654/01, NZA 2003, 552. Vgl. BGBl. I, S. 1983. Vgl. BAG, Urt. v. 23.2.1977 – 3 AZR 620/75, AP Nr. 6 zu § 75 HGB.
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(bb) Andere Personengruppen Von der stillschweigenden Akzeptanz der Geltung des § 138 BGB wäre aber dann auszugehen, wenn der Gesetzgeber seit 1914 für andere Personengruppen gesetzliche Regelungen hinsichtlich Wettbewerbsverboten getroffen hätte, die erkennbar machten, dass er mit der Rechtslage bei Wettbewerbsverboten befasst ist und die notwendigen Gesetze erlässt. (a) Arbeitnehmer Durch Gesetz vom 24.8.2002261 ist mit Wirkung zum 1.1.2003 § 110 in die GewO aufgenommen worden. Nach dessen Satz 1 können Arbeitgeber und Arbeitnehmer die berufliche Tätigkeit des Arbeitnehmers für die Zeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Vereinbarung beschränken (Wettbewerbsverbot). Die §§ 74 bis 75f des Handelsgesetzbuches sind nach Satz 2 entsprechend anzuwenden. Das Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung und sonstiger gewerblicher Vorschriften dient ausweislich seiner Begründung der Rechtsbereinigung und Deregulierung. Im Zuge der Novellierung sollen die grundlegenden arbeitsrechtlichen Normen des Titels VII, die von allgemeiner Bedeutung für alle Beschäftigten sind, in moderner Sprache und unter Berücksichtigung einer veränderten Arbeitswelt neu gefasst werden. Als Grundprinzip des Arbeitsvertragsrechtes wird auch die Regelung des § 110 GewO zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot genannt. Mit § 110 GewO, heißt es, werde die bisherige Regelung über das nachvertragliche Wettbewerbsverbot für technische Angestellte nach § 133f GewO ersetzt. Das BAG wende die §§ 74 ff. HGB seit 1969 in ständiger Rechtsprechung auf alle Arbeitnehmer an. § 133f GewO sei praktisch gegenstandslos geworden; die Neuregelung diene der Klarstellung. Sie vollziehe die höchstrichterliche Rechtsprechung nach und verweise für die Vereinbarung von Wettbewerbsverboten aller Arbeitnehmer auf die Vorschriften des HGB.262 Der Gesetzgeber hat sich also im Jahre 2002 mit dem persönlichen Anwendungsbereich der §§ 74 ff. HGB auseinandergesetzt. Da § 110 GewO aber nur zwecks Klarstellung und Nachvollziehung der Rechtsprechung des BAG eingeführt wird, kann alleine deswegen noch nicht von stillschweigender Zustimmung zur Vorgehensweise der Rechtsprechung bei Geschäftsführern ausgegangen werden. Zwar ist anzunehmen, dass der Gesetzgeber sich über die nachzuvollziehenden Entscheidungen des BAG hinaus mit der Frage der Erstreckung der §§ 74 ff. HGB auf nicht unmittelbar erfasste Personengruppen auseinandergesetzt und hierbei auch die Rechtslage bei Geschäftsführern zur Kenntnis genommen hat.
261 262
Vgl. BGBl. I, S. 3412. Vgl. BT-Drs. 14/8796, S. 26; hierzu: Tettinger/Wank, GewO, § 110 Rn. 2 ff.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
Dies alleine genügt wegen des beschränkten Regelungsgedankens des § 110 GewO aber nicht, um von beredtem Schweigen hinsichtlich des Vorgehens der Rechtsprechung bei Geschäftsführern auszugehen.263 (b) AG-Vorstandsmitglieder Für AG-Vorstandsmitglieder ist bereits frühzeitig ein Wettbewerbsverbot für die Dauer der Amtsausübung geschaffen worden. § 79 AktG 1937, der auf Art. 232, 196a ADHGB beruhte, verbot Vorstandsmitgliedern das Betreiben eines Handelsgewerbes und das Geschäftemachen im Geschäftszweig der Gesellschaft. Er wurde bei der Ersetzung des AktG 1937 durch das AktG vom 6.9.1965 in § 88 (85) AktG übernommen, welcher durch Gesetz vom 9.12.2004 geändert worden ist. Weder das Gesetz vom 6.9.1965 noch das Gesetz vom 9.12.2004 haben aber zu wesentlichen Änderungen des bestehenden Regelungsgehaltes geführt, so dass § 88 AktG in seiner heutigen Fassung sachlich weitgehend § 79 AktG entspricht.264 Eine gesetzliche Regelung für nachvertragliche Wettbewerbsverbote hat dagegen zu keiner Zeit bestanden. In der Begründung des durch das Bundesjustizministerium in den 50-er Jahren ausgearbeiteten, von der Regierung beschlossenen und dem dritten Bundestag zur Beschlussfassung übersandten Entwurfes zur Änderung des Aktiengesetzes und des Einführungsgesetzes zum Aktiengesetz vom 13.6.1960 wird mit keinem Wort auf nachvertragliche Wettbewerbsverbote eingegangen. Vielmehr wird im allgemeinen lediglich darauf hingewiesen, dass die Vorschrift dem geltenden Recht (§ 79 AktG) entspreche, §§ 60, 61 HGB nachgebildet sei und einige Änderungen vorsehe, um Missbräuche zu verhindern und Unklarheiten zu beseitigen.265 Der dritte Bundestag hatte nicht mehr die erforderliche Zeit, das Gesetz zu beraten, weswegen es durch die Regierung dem vierten Bundestag vorgelegt worden ist, welcher es sodann verabschiedete. Der Regierungsentwurf enthält keine Änderungen, so dass auch in diesem keine Ausführungen zu nachvertraglichen Wettbewerbsverboten zu finden sind.266 Der Entwurf des Gesetzes zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechtes hat in Art. 12 Änderungen des Aktiengesetzes und hier unter Nr. 4 auch die Änderung des § 88 Abs. 3 AktG vorgesehen. Auch
263
Vgl. auch Gaul/Mirza Khanian, MDR 2006, 181, 184. Vgl. zur Entwicklung des AktienG: MünchKommAktG/Habersack, Einl. Rn. 12 ff.; Baumbach/A. Hueck/G. Hueck, AktG, 1970, Einl. Rn. 8 ff. (bis 1970); GroßKommAktG, 1961 Einleitung (bis 1961); zur Normentwicklung: GroßKommAktG, 1961, § 79 Einl.; Baumbach/A. Hueck/G. Hueck, AktG, 1970, § 88 Rn. 1; Wilhelmi, AktG, 1967, § 88 Anm. 1. 265 Vgl. Entwurf eines Aktiengesetzes, BT-Drs. III/1915. 266 Vgl. Entwurf eines Aktiengesetzes, BT-Drs. IV/3296. 264
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in diesem Zusammenhang ist nicht auf die mögliche Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes eingegangen worden.267 Der Gesetzgeber hat sich also mit der Behandlung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote für AG-Vorstandsmitglieder ausweislich der Gesetzesbegründungen nicht befasst. Dass er bereits in den 30-er Jahren ein Wettbewerbsverbot für die Dauer der Amtszeit getroffen hat, verdeutlicht aber, dass er sich der Problematik wettbewerblichen Verhaltens von AG-Vorstandsmitgliedern schon frühzeitig bewusst gewesen ist. Er hat das Bewusstsein hierfür auch nicht wieder verloren, wie die Anpassungen des § 79 bzw. dann § 85, § 88 AktG an die Entwicklung verdeutlichen. Im Zeitpunkt dieser Anpassungen waren aber auch nachvertragliche Wettbewerbsverbote schon üblich. So weisen Kommentare zum AktG aus den Jahren 1937 ff. bereits auf die vom Wettbewerbsverbot nach § 79/88 AktG zu unterscheidenden nachvertraglichen Wettbewerbsabreden und deren Nichterfassung durch die §§ 74 ff. HGB hin.268 Bereits im Zeitpunkt der Schaffung des AktG 1965, spätestens aber im Jahre 2004 wäre es dem Gesetzgeber somit möglich gewesen, § 88 AktG um eine Regelung hinsichtlich nachvertraglicher Wettbewerbsverbote zu ergänzen. Die dennoch nicht erfolgte Regelung spricht für eine bewusste Entscheidung i. S. v. beredtem Schweigen. Diese bewusste Nichtschaffung einer Regelung betreffend nachvertragliche Wettbewerbsverbote für AG-Vorstandsmitglieder eröffnet es aber zugleich, auch die Nichtregelung bei Geschäftsführern als beredtes Schweigen zu werten. Erachtet der Gesetzgeber bei Vorstandsmitgliedern eine gesetzliche Regelung nicht für notwendig, kann das Schweigen bei Geschäftsführern ebenso verstanden werden. Hierfür spricht die Vergleichbarkeit der beiden Personengruppen bzw. ihre einheitliche Qualifikation als Organe von Kapitalgesellschaften. Eine unterschiedliche Behandlung ist auch nicht aufgrund der Tatsache geboten, dass für Vorstandsmitglieder mit § 88 AktG jedenfalls ein gesetzliches Wettbewerbsverbot für die Dauer der Amtszeit geschaffen worden ist, während für Geschäftsführer ein solches nicht besteht. Denn es ist in Rechtsprechung und Literatur allgemein anerkannt, dass auch der Geschäftsführer aufgrund seiner organschaftlichen Treuepflicht einem Wettbewerbsverbot während seiner Amtszeit unterworfen ist.269 Im Ergebnis ist daher anzunehmen, dass der Gesetzgeber sowohl für AG-Vorstände als auch Geschäftsführer bewusst keine Regelung zur Behandlung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote getroffen hat, um der Rechtsprechung ihre Beurteilung zu überlassen. 267 Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechtes, BT-Drs. XV/3653. 268 Vgl. GroßKommAktG, 1961, § 79 Anm. 10; Baumbach/G. Hueck/A. Hueck, AktG, 1965, § 79 Anm. 1; Baumbach/A. Hueck/G. Hueck, AktG, 1970, § 88 Rn. 1; Teichmann/Köhler, AktG, § 79; Wilhelmi, AktG, 1967, § 88 Anm. 1. 269 Vgl. Teil 1 § 2 A. I.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
(g) Handelsvertreter Mit Gesetz vom 6.8.1953270 hat das Handelsvertreterrecht im HGB eine eingehende Regelung gefunden. Durch diese sollte ausweislich der Begründung des Entwurfes zur Änderung des HGB (Recht der Handelsvertreter) u. a. die Rechtsstellung der Handelsvertreter verbessert werden. Anstelle des Grundsatzes der Vertragsfreiheit, der das Handelsagentenrecht des HGB beherrsche, werde eine gesetzliche Regelung angestrebt, die der in der Regel schwächeren Stellung der Handelsvertreter Rechnung trage. Zwingende gesetzliche Vorschriften sollten sie in wesentlichen Punkten der Vertragsverhältnisse vor nachteiligen Abreden schützen.271 Mit § 86 HGB sind die Pflichten des Handelsvertreters festgelegt worden. Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfes obliegt es ihm i. S. e. Hauptpflicht, sich um Vermittlung und Abschluss von Geschäften zu bemühen und i. S. e. Nebenpflicht die Interessen des Unternehmers wahrzunehmen.272 Welche Pflichten dieser Interessenwahrnehmungspflicht im Einzelnen unterfallen, insbesondere, ob den Handelsvertreter ein Wettbewerbsverbot während der Dauer des Dienstverhältnisses trifft, legt die Begründung nicht fest. Die Rechtsprechung hat aber aus der Interessenwahrungspflicht des § 86 Abs. 1 S. 2 HGB frühzeitig weitere, teils ungeschriebene, konkrete Pflichten der Handelsvertreter und insbesondere auch ein Wettbewerbsverbot hergeleitet.273 § 90a hat Vorgaben für nachvertragliche Wettbewerbsverbote zulasten der Handelsvertreter eingeführt. In der Begründung des Gesetzentwurfes heißt es, Abreden, die Handelsvertreter nach Beendigung ihres Vertragsverhältnisses in ihrer gewerblichen Tätigkeit beschränkten, seien bisher zulässig, sofern sie nicht im Einzelfall gegen § 138 BGB verstießen. Aufgrund der wirtschaftlichen Überlegenheit der Unternehmer bedürften Handelsvertreter aber des Schutzes davor, dass ihnen bei Vertragsschluss Wettbewerbsabreden aufgezwungen würden. Sowohl § 86 als auch § 90a HGB sind mit Gesetz vom 23.10.1989274 zur Umsetzung der EG-Richtlinie zur Koordinierung des Rechtes der Handelsvertreter 270
Vgl. BGBl. I, S. 771. Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des HGB (Recht der Handelsvertreter), BT-Drs. I/3856, S. 10 f. 272 Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des HGB (Recht der Handelsvertreter), BT-Drs. I/3856, S. 19. 273 Vgl. BGH, Urt. v. 30.1.1963 – VIII ZR 256/61, BB 1963, 448; BGH, Urt. v. 18.6.1964 – VII ZR 254/62, BGHZ 42, 59; BGH, Urt. v. 7.7.1983 – I ZR 115/81, NJW 1984, 2101; BGH, Beschluss v. 25.9.1990 – KVR 2/89, NJW 1991, 490; BGH, Urt. v. 12.3.2003 – VIII ZR 197/02, NJW-RR 2003, 308; Staub, Großkomm.HGB/Emde, § 86 Rn. 78 ff. (umfassend); Ensthaler/Genzow, GK-HGB, § 86 Rn. 5 f.; Baumbach/Hopt, HGB, § 86 Rn. 22, 26; MünchKommHGB-von Hoyningen-Huene, § 86 Rn. 33 f.; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Löwisch, HGB, § 86 Rn. 19. 274 Vgl. BGBl. I, S. 1910. 271
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vom 18.12.1986 geändert worden.275 In § 90a Abs. 1 HGB ist dabei eingefügt worden, die Wettbewerbsabrede dürfe sich nur auf den dem Handelsvertreter zugewiesenen Bezirk oder Kundenkreis und nur auf Gegenstände erstrecken, hinsichtlich der sich der Handelsvertreter um die Vermittlung oder den Abschluss von Geschäften für den Unternehmer zu bemühen habe.276 § 90a HGB hat eine weitere Änderung durch das Gesetz vom 22.6.1998 zur Neuregelung des Kaufmanns- und Firmenrechtes und zur Änderung anderer handels- und gesellschaftsrechtlicher Vorschriften (Handelsrechtsreformgesetz – HRefG) erfahren. Unter Aufhebung des § 90a Abs. 2 S. 2 HGB a. F. ist in Abs. 3 aufgenommen worden, dass sich jeder Teil des Vertragsverhältnisses durch schriftliche Erklärung binnen eines Monats nach seiner Kündigung aus wichtigem Grund wegen schuldhaften Verhaltens des anderen Teiles von der Wettbewerbabrede lossagen kann. Durch diese Änderung ist die Vorschrift an die Rechtsprechung des BVerfG angepasst worden, das § 90a Abs. 2 S. 2 HGB mit Beschluss vom 7.2.1990277 für mit Art. 12 GG unvereinbar erklärt hatte.278 Der Gesetzgeber hat mit § 90a HGB bereits im Jahre 1953 eine Regelung eingeführt, um Handelsvertreter beim Abschluss nachvertraglicher Wettbewerbsverbote zu schützen. Für wettbewerbliches Handeln während der Laufzeit des Vertrages hat er dagegen keine Reglementierung geschaffen. Eine solche ist von der Rechtsprechung aber im Folgenden aus dem ebenfalls eingeführten § 86 HGB und der hieraus hergeleiteten Nebenpflicht, die Interessen des Unternehmers wahrzunehmen, entwickelt worden. § 86 HGB und § 90a HGB sind in der Folgezeit geändert worden; die Grundgedanken der Regelungen blieben aber unangetastet. Hieraus wird deutlich, dass sich der Gesetzgeber bereits frühzeitig mit der Problematik wettbewerblichen Handelns von Handelsvertretern während der Vertragslaufzeit und nach ihrer Beendigung auseinandergesetzt und infolgedessen für eine Beschränkung hinsichtlich nachvertraglicher Wettbewerbsverbote entschieden hat. Fraglich ist jedoch, ob diese frühzeitige, umsichtige gesetzgeberische Initiative bei Handelsvertretern und die Modifikation der gesetzlichen Regelungen in den Folgejahren indiziert, dass sich der Gesetzgeber auch mit der Einführung von Schutzvorschriften zugunsten der Geschäftsführer befasst hätte, 275 Vgl. zur Rechtsentwicklung des § 90a HGB: Staub, Großkomm.HGB/Emde, § 90a Rn. 4; MünchKommHGB-von Hoyningen-Huene, § 90a Rn. 1 ff.; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Löwisch, HGB, § 90a Rn. 3 ff.; zur Rechtsentwicklung des § 86 HGB: Staub, Großkomm.HGB/Emde, § 86 Rn. 8. 276 Diese Beschränkung entspricht nach der Begründung ihres Gesetzentwurfes durch die Bundesregierung der Vorgabe des Art. 20 Abs. 2 b) der Richtlinie, vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der EG-Richtlinie zur Koordinierung des Rechts der Handelsvertreter, BT-Drs. XI/3077, S. 10. 277 Vgl. BVerfG, Beschluss v. 7.2.1990 – 1 BvR 26/84, BVerGE 81, 242. 278 Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Kaufmann- und Firmenrechtes und zur Änderung anderer handels- und gesellschaftsrechtlicher Vorschriften (Handelsrechtsreformgesetz – HRefG), BR-Drs. 340/97, S. 43.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
wenn ihm der Schutz durch die Rechtsprechung auch hier nicht ausgereicht hätte. Dafür könnte sprechen, dass sich der Gesetzgeber jedenfalls bei der Einführung der gesetzlichen Regelungen mit der wettbewerblichen Situation auch bei anderen Personengruppen auseinandergesetzt haben wird. Dass er dennoch nur Regelungen für Handelsvertreter geschaffen hat, reicht für ein beredtes Schweigen aber noch nicht aus. Ein beredtes Schweigen kann auch nicht seit den Zeitpunkten angenommen werden, in welchen die gesetzlichen Regelungen geändert worden sind. Es kann nicht unterstellt werden, dass sich der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang auch umfassend mit wettbewerblichem Handeln von anderen Personengruppen und den für diese bereits bestehenden gesetzlichen Regelungen bzw. dem Nichtbestehen dieser gesetzlichen Regelungen auseinandergesetzt hat. Denn er hat zwar die Gesetzesregelungen zu Handelsvertretern geändert und Entwicklungen der Rechtsprechung – Verfassungswidrigerklärung des § 90a Abs. 2 S. 2 – angepasst, die ebenfalls erforderliche Änderung der §§ 74 ff. HGB aufgrund des durch das BAG bereits im Jahre 1977 für verfassungswidrig erklärten § 75 Abs. 3 HGB aber nicht vorgenommen. Der Umgang mit Wettbewerb von Handelsvertretern zulasten ihrer Unternehmer indiziert mithin nicht eine bewusste Billigung des Umganges der Rechtsprechung mit nachvertraglichen Wettbewerbsverboten für Geschäftsführer. (d) Zwischenergebnis Der Gesetzgeber hat sich mit der Problematik wettbewerblichen Verhaltens von Arbeitnehmern bzw. Handelsvertretern während und nach Beendigung des Vertragsverhältnisses sowie AG-Vorständen während und nach Auslauf der Organtätigkeit auseinandergesetzt und hinsichtlich aller Personengruppen entweder ausdrücklich (Arbeitnehmer, Handelsvertreter) oder durch beredt schweigende Anerkennung der Vorgehensweise der Rechtsprechung (AG-Vorstände) zum Ausdruck gebracht hat, dass bzw. inwieweit er nachvertragliche Wettbewerbsverbote für angemessen erachtet. Während aus der Schaffung der gesetzlichen Regelungen für Arbeitnehmer (§ 110 GewO) als auch Handelsvertreter (§ 90a HGB) aber noch nicht darauf geschlossen werden kann, der Gesetzgeber habe sich auch die Situation bei Geschäftsführern bewusst gemacht, spricht die Befassung des Gesetzgebers mit der wettbewerblichen Situation von AG-Vorständen dafür, dass bei Geschäftsführern wie auch bei AG-Vorständen bislang bewusst auf eine gesetzliche Regelung zu nachvertraglichem Wettbewerbs verzichtet worden ist. (cc) Geschäftsführer Das Fehlen einer Regelung für nachvertragliche Wettbewerbsabreden mit Geschäftsführern stellte ferner dann eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers dar, die Beurteilung entsprechender Abreden der Rechtsprechung anhand von § 138 BGB zu überlassen, wenn aus den gesetzgeberischen Initiativen erkennbar
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würde, dass sich der Gesetzgeber mit der Problematik wettbewerblichen Verhaltens von Geschäftsführern zulasten ihrer GmbHs auseinandergesetzt und mit der Einführung gesetzlicher Vorgaben befasst hat. Der Regierungsentwurf für eine Gesamtreform des GmbH-Gesetzes, der zunächst in der 6. Legislaturperiode und dann mangels Behandlung unverändert auch in der 7. Legislaturperiode in den Bundestag eingebracht worden ist, enthielt in § 71 ein Wettbewerbsverbot für die Dauer der Geschäftsführertätigkeit.279 Nach diesem durften Geschäftsführer ohne Einwilligung der Gesellschafter weder ein Handelsgewerbe betreiben noch im Geschäftszweig der Gesellschaft für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen noch Vorstand, Geschäftsführer oder persönlich haftender Gesellschafter einer anderen Handelsgesellschaft sein. Ausweislich der Begründung enthalte die Norm eine Anlehnung an die §§ 112, 113 HGB und § 88 AktG. Abs. 1 umschreibe Inhalt und Umfang des Wettbewerbsverbotes in gleicher Weise wie § 88 Abs. 1 S. 1 und 2 AktG und kläre damit gegenüber dem geltenden Recht, inwieweit Geschäftsführer einem Wettbewerbsverbot unterlägen.280 Das Reformvorhaben ist jedoch nicht verwirklicht worden, § 71 RefE daher nie in Kraft getreten.281 Der RegE 1977282, auf dessen Grundlage die GmbH-Novelle von 1980283 erfolgte, griff § 71 RegE 1971 bzw. 1973 nicht wieder auf. Weder ein gesetzliches Wettbewerbsverbot für die Dauer der Amtszeit noch eine Regelung hinsichtlich nachvertraglicher Wettbewerbsverbote standen bei dieser Gesetzesnovelle zur Diskussion. Eingeführt wurde aber § 85 GmbHG (bis Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses § 86284), der u. a. festlegte, dass mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft wird, wer ein Geheimnis der 279 Vgl. Entwurf eines Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG), eines Einführungsgesetzes zum Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, BT-Drs. VI/3088, S. 20; VII 7/253, S. 20; ebenso: BR-Drs. 595/71; zur Gesetzgebungsgeschichte: Deutler, Die GmbH-Novelle im Überblick, in: Das neue GmbHRecht in der Diskussion, S. 4; Mosthaf, Die Reformen des Rechts der GmbH, S. 24 ff., insbesondere 33 ff. 280 Vgl. Entwurf eines Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG), eines Einführungsgesetzes zum Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, BT-Drs. VI/3088, S. 124; VII 7/253, S. 124. 281 Vgl. Hachenburg/Mertens, GmbHG, § 43 Rn. 39; Mosthaf, Die Reformen des Rechts der GmbH, S. 36 f. 282 Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften, BT-Drs. VIII/1347, S. 78. 283 Vgl. zur Entwicklung: Deutler, Die GmbH-Novelle im Überblick, in: Das neue GmbH-Recht in der Diskussion, S. 6; Mosthaf, Die Reformen des Rechts der GmbH, S. 40 ff. 284 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften, BT-Drs. VIII/8909.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
Gesellschaft, namentlich ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, das ihm in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer [. . .] bekannt geworden ist, unbefugt offenbart.285 In der Begründung hierzu heißt es, die Vorschrift stelle die Verletzung von Geheimhaltungspflichten unter Strafdrohung. Inhaltlich entspreche sie § 404 AktG. Lediglich in Abs. 3 sei berücksichtigt worden, dass eine GmbH nicht immer einen Aufsichtsrat habe, der für die Stellung des Strafantrages und seine Rücknahme zuständig sei.286 Diese nur teilweise erfolgreichen gesetzgeberischen Initiativen erlauben die Annahme, dass das Fehlen von Vorgaben für nachvertragliche Wettbewerbsabreden nicht auf einem Versehen oder allgemeiner Untätigkeit, sondern auf einer bewussten gesetzgeberischen Entscheidung beruht. Der Versuch der Einführung eines gesetzlichen Wettbewerbsverbotes für die Dauer der Geschäftsführertätigkeit in § 71 RegE 1971/1973 macht erkennbar, dass sich der Gesetzgeber bereits frühzeitig mit der Problematik wettbewerblichen Handelns von Geschäftsführern auseinandergesetzt und die Schaffung entsprechender Regelungen erwogen hat. Die Einführung des § 85 GmbHG belegt, dass er sich auch anlässlich der vorzunehmenden Gesetzesnovelle 1980 gefragt hat, ob und wenn in welcher Form gesetzliche Regelungen für den Geschäftsführer aufzustellen seien. Die Entscheidung, mit § 85 GmbHG nur ein strafrechtlich sanktioniertes Verbot der Verletzung der Geheimhaltungspflicht einzufügen, macht deutlich, dass er mit der Beurteilung wettbewerblichen Handelns des Geschäftsführers durch die Rechtsprechung sowohl für die Zeit während der Bestellung zum Geschäftsführer als auch nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses einverstanden war. Es ist nicht anzunehmen, er hätte sich auf die Schaffung des § 85 GmbHG beschränkt, wenn er die seitens der Rechtsprechung herausgearbeiteten und herangezogenen Grundsätze zur Prüfung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote nicht als den Interessen von GmbH und Geschäftsführer gerecht erachtet hätte. Vielmehr hätte er in diesem Fall nicht lediglich eine ausdrückliche Regelung der nachvertraglichen Geheimhaltungspflicht aufgenommen, sondern auch Vorgaben für nachvertragliche Wettbewerbsabreden geschaffen.287 Die Nichteinführung weder eines gesetzliches Wettbewerbsverbotes für die Dauer der Amtszeit – entsprechend § 71 RegE 1971/1973 – noch gesetzlicher Vorgaben für nachvertragliche Wettbewerbsverbote im Jahre 1980 lässt also darauf schließen, dass sich der Gesetzgeber mit Vorgaben für den Umgang mit wettbewerblichem Verhalten des Ge-
285 Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften, BT-Drs. 8/1347, S. 21. 286 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften, BT-Drs. 8/1347, S. 56; zum nur relativen Gewicht der historischen Auslegung von Gesetzen vgl. BAG, Urt. v. 6.4.2011 – 7 AZR 716/09, NZA 2011, 905, 907. 287 AA: Gravenhorst, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit GmbH-GF, S. 113 f.
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schäftsführers zurückhalten und die Beurteilung der Rechtsprechung im Einzelfall überlassen wollte. (c) Gesetzgeberische Initiativen bezüglich Geschäftsführer Schließlich wäre auch dann anzunehmen, dass der Gesetzgeber der Beurteilung der Rechtsprechung anhand von § 138 BGB beredt schweigend zustimmt, wenn er die Rechtsstellung des Geschäftsführers im Übrigen weitgehend geregelt bzw. klargestellt hätte, inwieweit Arbeitnehmer-Schutzvorschriften Anwendung finden. Dieser Ansatz entspricht dem des BAG in seiner Entscheidung zur direkten oder analogen Anwendbarkeit der Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 BGB auf die Rechtsverhältnisse arbeitnehmerähnlicher Personen.288 Das BAG hat die Anwendung des § 622 BGB im Ergebnis unter Verweis auf die sonstigen gesetzgeberischen Maßnahmen zur Klärung der Rechtsstellung arbeitnehmerähnlicher Personen abgelehnt. Der Gesetzgeber habe in einer Reihe von Vorschriften arbeitnehmerähnliche Personen den Arbeitnehmern gleichgestellt. Die Ausweitung der längeren Kündigungsfristen sei aber ausweislich des § 621 BGB für den Bereich der „freien“ Dienstverhältnisse unterblieben. Es fehle daher an einer planwidrigen Unvollständigkeit und damit an einer Lücke im Gesetz. Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend nicht von einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers zugunsten der Anwendung des § 138 BGB auszugehen. Das GmbHG enthält im Wesentlichen nur Vorschriften hinsichtlich der Organstellung des Geschäftsführers. Im Übrigen wird die Rechtsposition des Geschäftsführers durch den Anstellungsvertrag ausgestaltet. Dies hat auch durch das MoMiG keine Änderung erfahren.289 Inwieweit Arbeitnehmerschutzvorschriften Anwendung finden, wenn im Anstellungsvertrag eine Rechtsfrage nicht geregelt ist, entscheidet die Rechtsprechung im jeweiligen Einzelfall. Nur vereinzelt ist in den Gesetzen selbst bereits festgelegt, ob und inwieweit sie auf Geschäftsführer Anwendung finden. So legt § 5 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG fest, dass Geschäftsführer keine Arbeitnehmer i. S. d. BetrVG sind; § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG ordnet an, dass das KSchG nicht für Organe juristischer Personen gilt.290 Der Gesetzgeber überlässt es also weitgehend der Rechtsprechung, die Rechtsstellung des Geschäftsführers auszugestalten, insbesondere darüber zu entscheiden, ob auch Geschäftsführern der Schutz durch Arbeitnehmerschutzgesetze zugutekommen soll. Das Fehlen einer Regelung hinsichtlich nachvertraglicher Wettbewerbsverbote bedeutet damit nur, dass auch hier die Findung eines angemessenen Maßstabes der Rechtsprechung überlassen wird. 288
Vgl. BAG, Urt. v. 8.5.2007 – 9 AZR 777/06, BB 2007, 2298. Vgl. zu den wesentlichen Gegenständen des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechtes und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG): Baumbach/Hueck/ Fastrich, GmbHG, 19. Auflage 2001, Einl. Rn. 41 ff. 290 Vgl. auch § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG, § 5 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG, § 1 Abs. 3 Nr. 1 VermBG. 289
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
ee) Zwischenergebnis Es fehlt unter verschiedenen Gesichtspunkten an einer planwidrigen Gesetzeslücke. Zum einen scheidet eine solche wegen des Eingreifens der Sittenwidrigkeitsgeneralklausel des § 138 Abs. 1 BGB aus. Es wird mit der überwiegenden Ansicht angenommen, dass es sich bei unbestimmten Rechtsbegriffen und Generalklauseln um gesetzgeberisch geplante Lücken handelt. Diesen bedient sich der Gesetzgeber, um auch für nicht vorhergesehene bzw. nicht für regelungsbedürftig erachtete Situationen rechtliche Bewertung zu eröffnen und hierdurch ein lückenloses Rechtssystem zu schaffen. Sie fordern den Rechtsanwender auf, bei seiner Entscheidung den Umständen des Einzelfalles Rechnung zu tragen. Zum anderen steht der planwidrigen Gesetzeslücke die bewusste gesetzgeberische Entscheidung entgegen, die Beurteilung nachvertraglicher Wettbewerbsabreden mit Geschäftsführern der Rechtsprechung auf der Grundlage von § 138 BGB zu überlassen. Die Sittenwidrigkeitsgeneralklausel stellt eine taugliche Prüfungsgrundlage für Wettbewerbsverbote dar. Ihr bedient sich die Rechtsprechung auch bei Abreden mit Freiberuflern, Gesellschaftern und AG-Vorstandsmitgliedern. Das Fehlen einer Regelung hinsichtlich nachvertraglicher Wettbewerbsabreden mit Geschäftsführern beruht nicht auf einem Versehen oder allgemeiner Untätigkeit des Gesetzgebers, sondern auf seiner Entscheidung, entsprechende Klauseln „nur“ der Prüfung anhand des § 138 BGB zu unterziehen. Eine gesetzgeberische Entscheidung zugunsten von § 138 BGB folgt zwar nicht bereits daraus, dass der Gesetzgeber seit Jahren von der Schaffung einer gesetzlichen Regelung absieht. Der Zeitablauf stellt nur ein Indiz, nicht aber ein hinreichendes Kriterium dafür dar, dass ein Rechtsinstitut bzw. eine sich ggf. noch im Fluss befindliche Rechtsprechung dem gesetzgeberischen Willen entspricht. Eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung für § 138 BGB folgt aber im Umkehrschluss aus den gesetzgeberischen Initiativen hinsichtlich Wettbewerbsverboten für andere Personengruppen und Geschäftsführer selbst. Die an den §§ 74 ff. HGB seit ihrer Gestaltung im Jahre 1914 vorgenommenen Änderungen sind nur unwesentlich, insbesondere ist der persönliche Anwendungsbereich unverändert geblieben, zudem ist der vom BAG für verfassungswidrig erklärte § 75 Abs. 3 HGB noch nicht aus dem Gesetz gestrichen worden, so dass sich hieraus noch keine bewusste Entscheidung gegen die Geltung der Normen auch bei Geschäftsführern und damit für die Heranziehung des § 138 BGB entnehmen lässt. Auch aus der Einführung des § 110 GewO im Jahre 2003 lässt sich nicht auf eine bewusste Entscheidung zugunsten der Anwendung von § 138 BGB bei Geschäftsführern schließen. Die Norm ist ausweislich ihrer Begründung zur Nachvollziehung der BAG-Rechtsprechung, nach welcher die
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§§ 74 ff. HGB auf alle Arbeitnehmer Anwendung finden, eingeführt worden und in ihrem Regelungsgehalt beschränkt. Eine bewusste Nichtregelung und damit zugleich Entscheidung, die Rechtsprechung weiterhin anhand des § 138 BGB prüfen zu lassen, ergibt sich aber im Rückschluss aus der zur Behandlung wettbewerblichen Handelns von AG-Vorständen geschaffenen Gesetzeslage. Für AG-Vorstände ist bereits frühzeitig mit dem AktG 1937 ein Wettbewerbsverbot für die Dauer der Amtszeit geschaffen und in späteren Gesetzesreformen geändert worden. Eine Regelung für nachvertragliche Wettbewerbsabreden ist dagegen trotz praktischer Relevanz nicht getroffen und von der Rechtsprechung daher § 138 BGB genutzt worden. Der Gesetzgeber hat sich mithin bereits sehr früh mit der Problematik wettbewerblichen Verhaltens von AG-Vorständen auseinandergesetzt, so dass anzunehmen ist, dass eine Regelung hinsichtlich nachvertraglicher Wettbewerbsabreden bewusst nicht erfolgt und die Rechtsprechung anhand des § 138 BGB akzeptiert worden ist. Diese bewusste Nichtregelung hinsichtlich AG-Vorstandsmitgliedern lässt vermuten, dass auch die Nichtschaffung einer entsprechenden Regelung bei den ebenfalls als Organen tätigen und daher vergleichbaren Geschäftsführern auf einer bewussten Entscheidung zugunsten von § 138 BGB beruht. Aus der für Handelsvertreter geschaffenen Rechtslage ist eine bewusste Entscheidung bei Geschäftsführern für § 138 BGB dagegen nicht herzuleiten. Zwar ist für Handelsvertreter bereits im Jahre 1953 aus Schutzgesichtspunkten mit § 90a HGB eine Regelung für nachvertragliche Wettbewerbsabreden geschaffen worden, die inhaltlich nicht mit den §§ 74 ff. HGB übereinstimmt. Auch ist diese Gesetzesregelung im Folgenden mehrfach geändert worden, was ein Bewusstsein des Gesetzgebers für die Gesetze zu wettbewerblichem Handeln indiziert. In Anbetracht dessen, dass zugleich mit den Änderungen an § 90a HGB aber die §§ 74 ff. HGB nicht den erforderlichen Anpassungen (§ 75 Abs. 3 HGB ist verfassungswidrig) unterworfen worden sind, ist aus der Befassung des Gesetzgebers mit dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot für Handelsvertreter noch nicht auf eine Auseinandersetzung mit Wettbewerbsverboten auch für andere Personengruppen und hierbei auch Geschäftsführer zu schließen. Allerdings sah die nicht erfolgte GmbH-Reform von 1971 ein Wettbewerbsverbot für die Dauer des Geschäftsführeramtes vor und ist mit der GmbH-Novelle 1980 eine nachvertragliche Verschwiegenheitsverpflichtung des Geschäftsführers in § 85 GmbHG aufgenommen worden. Dies macht deutlich, dass sich der Gesetzgeber auch betreffend Geschäftsführer frühzeitig mit der Zulässigkeit wettbewerblichen Handelns auseinandergesetzt hat. Einer planwidrigen Gesetzeslücke steht dagegen nicht das Vorliegen von Gewohnheitsrecht entgegen. Zwar wird nach der überwiegenden Ansicht eine Gesetzeslücke abgelehnt, wenn ein gewohnheitsrechtlicher Satz eingreift. Der Prüfungsansatz des BGH stellt aber kein Gewohnheitsrecht dar. Eine ständige Recht-
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
sprechung kann nur dann ausnahmsweise Gewohnheitsrecht darstellen, wenn sie Ausdruck einer allgemeinen Rechtsüberzeugung ist und von den Beteiligten des Verkehrskreises als bestehendes Recht anerkannt wird. Die Prüfungstechnik des BGH entspricht aber nicht einer derartigen Rechtsüberzeugung, da sie von der Literatur im Grundsatz und im Detail angegriffen wird und daher nicht uneingeschränkt anerkannt ist. Ob eine planwidrige Gesetzeslücke wegen in den §§ 74 ff. HGB enthaltener und insoweit der Konkretisierung des § 138 BGB dienender allgemeiner Rechtsgrundsätze ausscheidet, konnte offen bleiben. Allgemeine Rechtsgrundsätze stehen nach allgemeiner Meinung Gesetzeslücken dann entgegen, wenn sie subsumtionsfähig herausgearbeitet oder aber in Wertungen des positiven Rechtes verdeutlicht sind, so dass erkennbar ist, inwieweit sie anerkannt sind. Mangels subsumtionsfähiger Rechtsgrundsätze schiede eine Lücke nur aus, wenn den §§ 74 ff. HGB allgemeine Wertungen entnommen werden könnten. Ob und inwieweit dies möglich ist, wird unter H. und in Teil 3 dieser Arbeit geprüft. 4. Interessengleichheit mit den §§ 74 ff. HGB?
Überdies schiede die analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB aus, wenn die Interessenlage bei der Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes zwischen GmbH und Geschäftsführer nicht der den Normen zugrundeliegenden Interessenlage entspräche. a) Meinungsstand Nach der im Wesentlichen auf die Ausführungen in der Entscheidung vom 26.3.1984291 verweisenden ständigen Rechtsprechung des BGH sowie eines Teiles der Literatur scheidet die gesamt-analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB aus. Wegen der unternehmergleichen Stellung eines Organmitgliedes und der daher erhöhten Schädigungsgefahr der GmbH seien die Interessenlagen nicht vergleichbar.292 Ein großer Teil der Literatur zieht die §§ 74 ff. HGB dagegen bei besonders schutzbedürftigen Geschäftsführern entsprechend heran. Als besonders schutzbedürftig werden individuell-persönlich, weil wirtschaftlich abhängige und sozialschutzbedürftige Geschäftsführer oder gesellschaftsrechtlich als Fremdbzw. abhängige Gesellschafter-Geschäftsführer zu qualifizierende oder gar alle Geschäftsführer verstanden.293
291 292 293
Vgl. BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, GmbHR 1984, 234 vgl. Teil 1 B. I. 3. Vgl. Teil 1 § 4 B. 3. (Rechtsprechung) sowie Teil 1, § 4 C. (Literatur). Vgl. Teil 1 § 4 C. II.
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b) Kriterien zur Bestimmung der Interessengleichheit Der BGH und der eine Teil der Literatur lehnen die Vergleichbarkeit der Interessenlage also abstrakt-generell mit Besonderheiten des Organverhältnisses bzw. der Rechtsstellung des Geschäftsführers ab. Die im Einzelfall möglicherweise vorliegende wirtschaftliche Abhängigkeit des Geschäftsführers ist nach ihnen nicht relevant. Der andere Teil der Literatur nimmt dagegen eine vergleichbare Interessenlage an, wenn der Geschäftsführer ebenso wie ein Handlungsgehilfe des Schutzes gegenüber der GmbH bedarf. Er legt den Focus also auf die individuelle Schutzbedürftigkeit des Geschäftsführers gegenüber der GmbH im Einzelfall. Das abstrakte Organverhältnis und die hieraus folgenden Besonderheiten der Rechtsstellung des Geschäftsführers stehen nach ihm der Vergleichbarkeit der Interessenlagen nicht entgegenstehen. Entscheidend dafür, ob die Interessenlage zwischen GmbH und Geschäftsführer betreffend die Vereinbarung einer nachvertraglichen Wettbewerbsabrede mit der den §§ 74 ff. HGB zugrunde liegenden Interessenlage vergleichbar ist, ist also, welche Kriterien für die Vergleichbarkeit der Interessenlagen maßgeblich sind. Käme es entscheidend darauf an, dass der betroffene Geschäftsführer eine dem Handlungsgehilfen vergleichbare individuelle Schutzbedürftigkeit, weil wirtschaftliche Abhängigkeit, aufwiese, ginge der BGH in seiner Annahme fehl, die Analogie sei mit den abstrakten Besonderheiten der Rechtsstellung der Geschäftsführer nicht vereinbar. Umgekehrt liefen die Forderungen der Literatur, die §§ 74 ff. HGB auf – jedenfalls besonders schutzbedürftige – Geschäftsführer anzuwenden, ins Leere, wenn die analoge Anwendung arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften zum einen grundsätzlich nicht erfolgen könnte, wenn hierdurch das Organverhältnis oder die Rechtsstellung des Geschäftsführers tangiert würden und zum anderen tatsächlich Besonderheiten der Rechtsstellung beständen, die der Anwendung der §§ 74 ff. HGB entgegenständen. Es gilt im Folgenden also festzustellen, anhand welcher Kriterien die Vergleichbarkeit zu bestimmen ist. Anhaltspunkt hierfür könnten die Kriterien sein, nach denen Rechtsprechung und Literatur die Anwendbarkeit sonstiger Arbeitnehmerschutzvorschriften auf Geschäftsführer beurteilen. aa) Kriterien der Rechtsprechung bzgl. sonstiger Arbeitnehmerschutzvorschriften Der BGH – insbesondere auch der für die hiesige Problematik zuständige zweite Senat – hat mittlerweile für eine Vielzahl von Arbeitnehmerschutzvorschriften entschieden, ob und wenn inwieweit sie auch Geschäftsführern zugutekommen.294 294 Vgl. hierzu umfassend: Gissel, Arbeitnehmerschutz für den GmbH-GF, S. 13 ff.; Heyll, Die Anwendung von Arbeitsrecht auf Organmitglieder, S. 146 ff.; Kuhn, Abge-
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
In Teil 1 ist ein knapper Überblick gegeben worden, welche Normen zur Ergänzung vertraglicher Regelungen Anwendung finden.295 In diesem Zusammenhang ist bereits darauf hingewiesen worden, dass die Urteilsbegründungen deutlich machen, dass die BGH-Senate, insbesondere auch der zweite Senat, bei der Feststellung der (Nicht-)Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften auf Geschäftsführer im Laufe der Zeit unterschiedliche Ansatzpunkte zugrundegelegt haben.296 Zum einen hat der zweite Senat auf die Arbeitnehmerähnlichkeit der Geschäftsführer abgestellt. Diese hat er teilweise anhand der anstellungsvertraglichen Situation des Geschäftsführers im konkreten Einzelfall bestimmt. So hat er in einem Urteil im Jahre 1953 ausgeführt, unter besonderen Umständen könne sich das Dienstverhältnis an das Arbeitsverhältnis annähern. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn das Vertragsverhältnis längere Zeit andauere, wiederkehrende Leistungen zum Gegenstand habe und weitere Merkmale eines echten Arbeitsverhältnisses aufweise. Sodann ist der BGH auf die Ausgestaltung des Anstellungsvertrages im vorliegenden Fall eingegangen und hat geprüft, ob der Geschäftsführer von der Gesellschaft persönlich abhängig war.297 In einer anderen Entscheidung hat er für die Arbeitnehmerähnlichkeit die Gesellschaftsbeteiligung des betroffenen Geschäftsführers für maßgeblich erachtet. Im Jahre 1990 hat er den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz für anwendbar erklärt, wenn der betroffene Geschäftsführer nicht oder nicht wesentlich an der Gesellschaft beteiligt und daher insoweit einem leitenden Angestellten vergleichbar und arbeitnehmerähnlich sei.298 In anderen Fällen hat sich der zweite Senat zur Begründung der Arbeitnehmerähnlichkeit auf vom Einzelfall losgelöste, abstrakte Ausführungen zur anstellungsvertraglichen Rechtsstellung des Geschäftsführers beschränkt. In Entscheidungen in den Jahren 1967 und 1981 hat er dargelegt, der Geschäftsführer einer GmbH stelle ebenso wie der Arbeitnehmer der Gesellschaft seine Arbeitskraft hauptberuflich zur Verfügung. Er stehe in einem Anstellungsverhältnis, das ihn zu Diensten verpflichte, das gekündigt werden könne und durch das er je nach Höhe seines Gehaltes von der Gesellschaft mehr oder wenistuftes Arbeitsrecht am Beispiel des abhängigen GmbH-Geschäftsführers, S. 101 ff.; Wertheimer, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Arbeitsverhältnissen, S. 131 ff. 295 Vgl. auch Gissel, Arbeitnehmerschutz für den GmbH-GF, S. 29. 296 Vgl. zur Kritik hieran: Groß, Das Anstellungsverhältnis der GmbH-Geschäftsführer im Zivil-, Arbeits-, Sozialversicherungs- und Steuerrecht, 135 ff., 149; hieraus ein Schema entwickelnd Kuhn, Abgestuftes Arbeitsrecht am Beispiel des abhängigen GmbH-Geschäftsführers, S. 113 ff.; überblicksmäßig: Wertheimer, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Arbeitsverhältnissen, S. 131 ff. 297 Vgl. BGH, Urt. v. 11.7.1953 – II ZR 126/52, NJW 1953, 1465. 298 Vgl. BGH, Urt. v. 14.5.1990 – II ZR 122/89, GmbHR 1990, 389; wenige Jahre später wird die Heranziehung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes als Anspruchsgrundlage aber mit der Begründung abgelehnt, bei dem Betroffenen handele es sich um einen Geschäftsführer: BGH, Urt. v. 20.12.1993 – II ZR 217/92, NZA 1994, 367.
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ger wirtschaftlich abhängig sei. Vor diesem Hintergrund sei es gerechtfertigt, die betroffenen Normen, § 630 BGB299 und § 622 BGB300, bei Geschäftsführern analog anzuwenden. Ergänzend hat er in der Entscheidung zu § 630 BGB darauf hingewiesen, dass es nicht darauf ankomme, dass der Geschäftsführer auch in einem Organverhältnis stehe, da die für die Zeugniserteilungspflicht maßgebliche Fürsorgepflicht alleine aus dem Anstellungsverhältnis resultiere und daher durch die Organfunktion nicht beeinträchtigt werde. In der Entscheidung zu § 622 BGB hat es ferner geheißen, die Arbeitgeberstellung schade nicht, weil sie für das Verhältnis zur Gesellschaft nicht entscheidend sei. Zum anderen hat der zweite Senat auf die (abstrakte) soziale Schutzbedürftigkeit der Geschäftsführer abgestellt. So hat er § 17 Abs. 3 GKG bei Gehalts- und Versorgungsbezügen von Geschäftsführern herangezogen, weil die Norm nach ihrem Schutzzweck auf die Schutzbedürftigkeit der Person abstellte, so dass die Funktion des Geschäftsführers als Arbeitgeber und seine Eigenschaft als gesetzliches Vertretungsorgan der Anwendung nicht entgegenständen.301 Im Jahre 2000 hat er die Notwendigkeit der Abmahnung des Geschäftsführers vor seiner Kündigung mit der Begründung abgelehnt, das Institut der Abmahnung sei im Hinblick auf die soziale Schutzbedürftigkeit abhängig Beschäftigter entwickelt worden. Dieser Schutzgesichtspunkt könne aber bei Organmitgliedern nicht ausschlaggebend sein, da sie regelmäßig die ihnen obliegenden Pflichten kennten und sich über die Tragweite etwaiger Pflichtverletzungen auch ohne besondere Hinweise und Ermahnungen bewusst seien.302 Ein Jahr später hat er seine Entscheidung bestätigt und auf die allgemeinen Pflichten der Geschäftsführer hingewiesen. Es gehöre zu ihren Aufgaben, für die Ordnungs- und Rechtsmäßigkeit des Verhaltens der Gesellschaft Verantwortung zu tragen und die Arbeitgeberfunktion zu erfüllen. Dementsprechend bedürften sie keiner Hinweise, dass sie sich an die in ihren Dienstverträgen niedergelegten Pflichten halten müssten.303 Im Jahre 2007 hat der BGH diese Entscheidungen nochmals mit der kurzen Begründung bestätigt, es entspreche gefestigter Rechtsprechung des Senates, dass der organschaftliche Vertreter Arbeitgeberfunktionen wahrnehme.304 Der erste Senat hat die analoge Anwendung des ANErfG im Jahre 1964 wegen der aufgrund der Vertretungsbefugnis für die Gesellschaft fehlenden sozialen Abhängigkeit des Geschäftsführers im Sinne der Norm abgelehnt.305 Der zehnte Se299
Vgl. BGH, Urt. v. 9.11.1967 – II ZR 64/67, NJW 1968, 396. Vgl. BGH, Urt. v. 29.1.1981 – II ZR 92/90, NJW 1981, 1270. 301 Vgl. BGH, Urt. v. 24.11.1980 – II ZR 183/80, WM 1981, 567. 302 Vgl. BGH, Urt. v. 14.2.2000 – II ZR 218/98, NJW 2000, 1638. 303 Vgl. BGH, Urt. v. 10.9.2001 – II ZR 14/00, NJW-RR 2002, 173; vgl. ebenso: OLG Celle, Urt. v. 4.2.2004 – 9 U 203/03, NZG 2004, 475. 304 Vgl. BGH, Urt. v. 2.7.2007 – II ZR 71/06, NJW-RR 2007, 1520. 305 Vgl. BGH, Urt. v. 22.10.1964 – Ia ZR 8/64, GRUR 1965, 302, vgl. auch: BGH, Urt. v. 24.10.1989 – X ZR 58/88, NJW-RR 1990, 349; in seinem Urt. v. 3.12.1962 – II 300
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nat hat die entsprechende Anwendung des § 613a BGB im Jahre 2000, bestätigt durch das BAG im Jahre 2003, wegen der Stellung von Geschäftsführern gegenüber den Gesellschaftern zurückgewiesen. Geschäftsführer seien weit mehr vom Vertrauen der Gesellschaft abhängig als Arbeitnehmer, so dass es an vergleichbaren Sachverhalten fehle.306 Mögliche Positiv-Kriterien zur Feststellung, ob arbeitsrechtliche Schutzvorschriften zugunsten von Geschäftsführern entsprechende Anwendung finden, sind nach der Rechtsprechung mithin die Arbeitnehmerähnlichkeit des Geschäftsführers, wobei hierfür die anstellungs- oder aber die gesellschaftsvertraglichen Regelungen maßgeblich sein können, sowie die soziale Abhängigkeit bzw. soziale Schutzbedürftigkeit. Teilweise wird auf die Umstände des Einzelfalles abgestellt, während in anderen Fällen die abstrakte Arbeitnehmerähnlichkeit, soziale Abhängig- oder Schutzbedürftigkeit geprüft wird. Im Sinne von Negativkriterien ist anzunehmen, dass die Anwendung von arbeitsrechtlichen Vorschriften ausscheidet, wenn hierdurch die Organstellung i. S. e. besonderen Vertrauensbeziehung zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer oder das Bestehen der Arbeitgeberfunktion tangiert würde.307 bb) Vereinheitlichungsversuche der Literatur In der Literatur herrscht, auch bedingt durch diese uneinheitliche Rechtsprechung, ebenfalls Uneinigkeit, unter welchen Voraussetzungen die entsprechende Anwendung arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften bei Geschäftsführern in Frage kommt.308 So wird, wie in einigen Entscheidungen, bereits unterschiedlich bewertet, ob die Anwendbarkeit einer Norm generell oder aber nur für den konkret betroffenen Geschäftsführer festzustellen ist. Eine Ansicht zieht arbeitsrechtliche Schutzvorschriften auf sozial-schutzbedürftige Geschäftsführer heran und entnimmt der dem Organverhältnis immanenten Treuebindung zahlreiche Schutzpflichten der GmbH.309 Als sozial schutzbeZR 201/61, DB 1963, 138 hatte er dagegen ohne weitere Begründung ausgeführt, dass die für den sozial abhängigen Arbeitnehmer geltenden Grundsätze zur Übertragung des Urlaubsanspruches auf das Folgejahr und zur Urlaubsabgeltung auch auf den Urlaubsanspruch der Organmitglieder einer juristischen Person angewandt werden können. 306 Vgl. BGH, Urt. v. 11.4.2000 – X ZR 185/97, NJW-RR 2001, 472; BAG, Urt. v. 13.2.2003 – 8 AZR 654/01, NZA 2003, 552. 307 Vgl. hierzu auch: Goette, in: FS Wiedemann, 873, 879. 308 Vgl. Boemke, ZfA 1998, 209 ff.; Gissel, Arbeitnehmerschutz für den GmbH-GF, S. 45; Heyll, Die Anwendung von Arbeitsrecht auf Organmitglieder, S. 146 ff.; Kuhn, Abgestuftes Arbeitsrecht am Beispiel des abhängigen GmbH-Geschäftsführers, S. 117 ff. 309 Vgl. Hueck, G., ZfA 1985, 25, 31 ff.; Hachenburg/Stein, GmbHG, § 35 Rn. 169 f.; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 174, 177; ähnlich: Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG Anhang zu § 6 Rn. 3.
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dürftig werden sodann Fremdgeschäftsführer310 bzw. typischerweise aber nicht zwingend Fremdgeschäftsführer und solche mit geringer Gesellschaftsbeteiligung erachtet311. Nach einer anderen Ansicht kommt Geschäftsführern der arbeitsrechtliche Schutz jedenfalls dann zugute, wenn er als Konkretisierung der Treue- und Fürsorgepflicht der Gesellschaft verstanden werden kann. Ferner könnten arbeitsrechtliche Schutzvorschriften im Einzelfall Anwendung finden, wenn das Anstellungsverhältnis des betroffenen Geschäftsführers aufgrund der Umstände einem Arbeitsverhältnis vergleichbar sei. Auf die soziale Schutzbedürftigkeit von Geschäftsführern komme es dagegen nicht an.312 Ein weiterer Literaturvertreter erachtet arbeitsrechtliche Schutzvorschriften dann für anwendbar, wenn der Geschäftsführer von der Gesellschaft wirtschaftlich und im Sinne einer rechtlich verbindlichen Weisungsbindung abhängig ist. Wirtschaftliche Abhängigkeit liege hierbei vor, wenn der Geschäftsführer auf die Einkünfte aus dem Anstellungsvertrag angewiesen sei; Weisungsbindung sei gegeben, wenn der Geschäftsführer gegenüber den Gesellschaftern keinen eigenen rechtlich abgesicherten Entscheidungsspielraum habe.313 Eine weitere Ansicht wendet arbeitsrechtliche Schutzvorschriften auf Geschäftsführer an, wenn ihnen aufgrund ihrer wirtschaftlichen und sozialen Abhängigkeit von der Gesellschaft eine arbeitnehmerähnliche Rechtsstellung zukommt, so dass das Anstellungsverhältnis jedenfalls partiell in den Anwendungsbereich des Arbeitsrechtes einbezogen werde. Für diese Vorgehensweise spreche u. a. ein Mehr an Rechtssicherheit und Methodengerechtigkeit, weil kein Sonderrecht für Geschäftsführer geschaffen, sondern auf ein bisher entwickeltes Instrumentarium zurückgegriffen werde.314 Teilweise wird sodann zwischen Fremd-, beherrschenden Gesellschafter- und Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführern differenziert.315 Ein anderer Vertreter der Literatur hält es jedenfalls bei Fremdgeschäftsführern für möglich, Vorschriften des Rechtes der sozial abhängigen Arbeitnehmer anzuwenden. Der Fremdgeschäftsführer stelle der GmbH im Normalfall wie ein leitender Angestellter seine Arbeitskraft zur Verfügung und stehe zu ihr in einem 310
Vgl. Hueck, G., ZfA 1985, 25, 31 ff. Vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 174, 177. 312 Vgl. Hueck, A., DB 1954, 274, 275. 313 Vgl. Gissel, Arbeitnehmerschutz für den GmbH-GF, S. 65. 314 Vgl. Boemke, ZfA 1998, 209, 218; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG, § 35 Rn. 106; Martens, in: FS Hilger/Stumpf, 437, 443 f.; für Arbeitnehmerähnlichkeit wirtschaftliche und persönliche Abhängigkeit fordernd und daher nur Fremdgeschäftsführer und nicht wesentlich an der Gesellschaft beteiligte Gesellschaftergeschäftsführer erfassend: Heyll, Die Anwendung von Arbeitsrecht auf Organmitglieder, S. 187. 315 Vgl. Boemke, ZfA 1998, 209, 218. 311
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Anstellungsverhältnis, das ihn zu Diensten verpflichte und gekündigt werden könne, sowie je nach der Höhe des Gehaltes wirtschaftliche Abhängigkeit begründe. Wegen dieser Abhängigkeit und der von der GmbH geschuldeten Treue und Fürsorge sei daher die Anwendung des Rechtes der sozial abhängigen Arbeitnehmer auf den Fremdgeschäftsführer möglich.316 Nach einer weiteren Auffassung sind arbeitsrechtliche Schutzvorschriften anwendbar, wenn der Geschäftsführer die nach der ratio der Norm (partiell) notwendige Schutzbedürftigkeit aufweist. Herangezogen werden könnten daher bei Fremd-, möglicherweise aber auch Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführern, insbesondere die Normen, die an die wirtschaftliche Abhängigkeit des Geschäftsführers oder seine längerfristige Einbindung in das Unternehmen der GmbH anknüpfen.317 Einige der genannten Kriterien verbindend, kommt eine andere Ansicht zur analogen Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften, wenn der Gesellschaft wegen der wirtschaftlichen und persönlichen Abhängigkeit und damit arbeitnehmerähnlichen Stellung des Geschäftsführers eine Treue- und Fürsorgepflicht obliegt.318 Ein differenzierender Ansatz nimmt formelhaft an, dass Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer, wenn ihre organschaftliche Vertretungsmacht, ihre Geschäftsführungsbefugnis oder die Funktionen eines Arbeitgebers im Vordergrund ständen, als Unternehmer zu behandeln seien, wohingegen wegen der Bindung der Arbeitskraft die Anwendung von Arbeitsrecht in Betrachte zu ziehen sei, wenn vorrangig die Sicherung der persönlichen und wirtschaftlichen Existenz als Ergebnis von Dienstleistungen und ein darauf beruhendes Schutzbedürfnis in Rede stehe.319 Diese Differenzierung greift ein weiterer Ansatz auf und unterscheidet zwischen analogiefeindlichen- und analogiebegründenden Kriterien. Eine Analogie verbiete sich, wenn der Geschäftsführer in seiner Funktion als Unternehmer betroffen sei. Auch die Normen mit kollektivrechtlichem Bezug eigneten sich nicht für die analoge Anwendung auf Geschäftsführer. Dagegen sei die Analogie eröffnet, wenn sich der Geschäftsführer durch den Anstellungsvertrag in eine gewisse soziale und wirtschaftliche Abhängigkeit begebe, es also um die Sicherung seiner persönlichen oder wirtschaftlichen Existenz gehe.320
316
Vgl. Bauer, DB 1979, 2178. Vgl. Henssler, RdA 1992, 289, 294 f. 318 Vgl. Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 145. 319 Vgl. Fleck, in: FS Hilger/Stumpf, S. 197, 210; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anhang § 6 Rn. 3. 320 Vgl. Wertheimer, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Arbeitsverhältnissen, S. 135 ff. 317
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Zahlreiche der wiedergegebenen Ansichten schränken aber unter Verweis auf die Rechtsprechung des BGH ein, dass die Anwendung arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften trotz Vorliegens der von ihnen für maßgeblich erachteten Kriterien dann nicht erfolgen könne, wenn ansonsten Funktionsstörungen der Organstellung zu befürchten seien.321 Andere Vertreter erinnern einschränkend, dass die Organstellung in ihrem typischen Erscheinungsbild trotz der von Fall zu Fall stärker oder schwächer ausgeprägten vertraglichen und wirtschaftlichen Gebundenheit ein Stück unternehmerischer Freiheit und selbstverantwortlicher Lebensgestaltung ausdrücke, die notwendig eine entsprechend höheres Existenzrisiko bedinge.322 Diese Einschränkungsmaxime haben weitere Vertreter in ihren Kriterienansatz aufgenommen. Nach ihnen ist die Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften nach einem Zwei-Stufen-Schema zu prüfen. Zuerst sei festzustellen, ob sich der Geschäftsführer bezogen auf die in Rede stehende arbeitsrechtliche Norm und die auf ihrer Grundlage erstellten Prinzipien in einer vergleichbaren, also dem Sinn der Norm entsprechenden schützenswerten Lage befinde. Im zweiten Schritt sei dann – wegen der maßgeblichen Prägung des Dienstverhältnisses eines Organmitgliedes von der zu erfüllenden organschaftlichen Aufgabe – zu fragen, ob die ungestörte Funktion des Organverhältnisses trotz der Anwendung des arbeitsrechtlichen Prinzipes auf das Anstellungsverhältnis gewährleistet bleibe. Dies entspreche dem Ansatz des BGH, Vorschriften des Rechtes der sozial abhängigen Arbeitnehmer auf den Geschäftsführer anzuwenden, soweit dies das Anstellungsverhältnis erfordere und die Organstellung nicht verbiete.323 cc) Stellungnahme Es stellt sich also die Frage, nach welchem Kriterium die Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften auf Geschäftsführer zu beurteilen ist. Alle durch Rechtsprechung und Literatur vertretenen Kriterien, Arbeitnehmerähnlich321 Vgl. Boemke, ZfA 1998, 209, 212; Gissel, Arbeitnehmerschutz für den GmbHGF, S. 65; Heyll, Die Anwendung von Arbeitsrecht auf Organmitglieder, S. 157 ff. (Organstellung als Negativkriterium hinsichtlich Anwendbarkeit von Arbeitsrecht); Lutter/ Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anhang zu § 6 Rn. 3; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 144; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 177; umfassend zur Problematik der Kollision von Arbeits- und Gesellschaftsrecht und zum Umfang des Vorranges des Gesellschaftsrechtes: Henssler, RdA 1992, 289 ff. sowie Martens, in: FS Hilger/Stumpf, S. 442 ff. 322 Vgl. Fleck, in: FS Hilger/Stumpf, S. 197, 226; Hueck, G., ZfA 1985, 25, 33; Wertheimer, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Arbeitsverhältnissen, S. 136. 323 Vgl. Goette, in: FS Wiedemann, 873, 886; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anhang zu § 6 Rn. 3; Kuhn, Abgestuftes Arbeitsrecht am Beispiel des abhängigen GmbH-Geschäftsführers, S. 153 ff., auch der Rechtsprechung wird eine Entwicklung hin zu zwei diesem Prüfungsansatz entsprechenden Leitlinien entnommen, S. 115 f.
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keit, soziale Schutzbedürftigkeit, Nähe zum Arbeitsverhältnis wegen Bindung der Arbeitskraft, Notwendigkeit zur Sicherung der persönlichen und wirtschaftlichen Existenz, Treue- bzw. Schutz- und Fürsorgepflicht der Gesellschaft etc. haben ihre Grundlage in gerichtlichen Entscheidungen und sind mit Blick auf den Sinn und Zweck arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften im Allgemeinen nachvollziehbar. Sie erscheinen aber nicht sachgerecht, die Erstreckung der vielen unterschiedlichen arbeitsrechtlichen Schutznormen auf Geschäftsführer zu begründen.324 Vielmehr ist bereits fraglich, ob die Anwendung arbeitsrechtlicher Schutznormen auf Geschäftsführer überhaupt vom Vorliegen eines einzigen, einheitlichen und damit pauschal geltenden Kriteriums abhängig gemacht werden sollte. Die uneinheitlichen Begründungen der Rechtsprechung beweisen schließlich die Schwierigkeit, ein einheitliches Kriterium zu bestimmen. Vor diesem Hintergrund kann daher nur ein Ansatz überzeugen, der unterschiedliche Kriterien zulässt bzw. kombiniert oder aber zugunsten der Möglichkeit, bezogen auf die jeweils betroffene Norm maßgebliche Kriterien zu entwickeln, davon absieht, allgemeingültige Kriterien festzulegen. Insofern erscheint zunächst der in der Literatur vertretene differenzierende Ansatz als geeignet, der danach abgrenzt, ob die Organfunktion oder aber die persönliche und wirtschaftliche Existenz des Organmitgliedes im Vordergrund steht.325 Er trägt der Doppelfunktion des Organmitgliedes Rechnung. Allerdings vermag diese Abgrenzung noch keinen handhabbaren Prüfungsansatz zu begründen. Zugrunde gelegt werden kann aber der weitere differenzierende Ansatz der Literatur. Nach diesem ist „bezogen auf die jeweilige arbeitsrechtliche Norm und die auf ihrer Grundlage erstellten Prinzipien festzustellen, dass sich der Geschäftsführer in einer vergleichbaren, dem Sinn jener Regeln entsprechenden schützenswerten Lage befindet“ 326. Es sind also Sinn und Zweck der Norm sowie die aufgrund dessen als schützenswert bestimmte Interessenlage zu ermitteln. Häufig wird sich hierbei ergeben, dass die schutzwürdige Interessenlage durch ein Element begründet wird, das auch bei der Prüfung der Arbeitnehmerqualität herangezogen wird.327 Es ist also möglich, dass es im Hinblick auf die Anwendbarkeit der in Rede stehenden Norm bei Geschäftsführern darauf ankommt, ob Geschäftsführer sich z. B. wegen ihrer dauerhaften Arbeitsleistungspflicht und/oder ihrer Einbindung in das Unternehmen der GmbH in einer vergleichbar schutzwürdigen Interessenlage befinden, es also beim Vergleich der In324 Umfassende Auseinandersetzung mit den einzelnen Kriterien bei: Gissel, Arbeitnehmerschutz für den GmbH-GF, S. 49 ff. 325 Vgl. Fleck, in: FS Hilger/Stumpf, S. 197, 210; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anhang § 6 Rn. 3. 326 Vgl. Goette, in: FS Wiedemann, 873, 886; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anhang zu § 6 Rn. 3; Kuhn, Abgestuftes Arbeitsrecht am Beispiel des abhängigen GmbH-Geschäftsführers, S. 153 ff. 327 Vgl. ebenso: Henssler, RdA 1992, 289.
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teressenlagen auf die von den anderen Literaten bevorzugten Einzelkriterien ankommt. Dieser Ansatz, die Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften nicht pauschal nach einem einheitlichen Kriterium zu beurteilen, sondern davon abhängig zu machen, ob die jeweils in Rede stehende Norm nach ihrem Schutzzweck und der gesetzgeberisch geregelten Interessenlage auch bei Geschäftsführern Anwendung finden kann, ist überzeugend. Der Geschäftsführer ist nach der auch hier zugrundegelegten herrschenden Ansicht in Rechtsprechung und Literatur kein Arbeitnehmer, sein Anstellungsvertrag daher als Dienstvertrag i. S. d. §§ 611 ff. BGB zu qualifizieren. Die arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften finden infolgedessen auf ihn grundsätzlich keine direkte Anwendung. In Frage kommt nur ihre analoge Geltung. Bei der Prüfung der analogen Anwendung entspricht es der üblichen Vorgehensweise, nach der Feststellung der Regelungslücke zu prüfen, ob die im ungeregelten Fall vorliegende Interessenlage der in der Norm geregelten entspricht. Dies erfolgt in Bezug auf eine konkrete Norm, nicht aber für eine Vielzahl von Normen. Allein die Tatsache, dass es sich um Arbeitnehmerschutzvorschriften handelt, erlaubt noch nicht, die analoge Anwendbarkeit für alle Vorschriften in einem Schritt und damit losgelöst von den in den Normen zu findenden, an unterschiedliche Schutzzweckgedanken anknüpfenden, Interessenlagen zu beurteilen. Vielmehr ist bezogen auf jede einzelne Schutznorm und jeden Schutzregelungskomplex bzw. jedes Schutzinstitut zu fragen, ob die Vergleichbarkeit der Interessenlagen gegeben ist. Hierbei kann auf die Erwägungen des Gesetzgebers bei der Schaffung der Schutznorm ebenso zurückgegriffen werden wie auf Ausführungen in Entscheidungen zur analogen Anwendbarkeit der betroffenen Norm auf Mitglieder anderer Personengruppen.328 Für diesen Prüfungsansatz spricht vor allem aber auch – sowohl aus inhaltlichen als auch aus formalen Gründen der Übersichtlichkeit – seine Zwei-Stufigkeit. So heißt es weiter: „Im zweiten Schritt gilt es, sich in Erinnerung zu rufen, dass das Dienstverhältnis eines solchen Organmitgliedes nicht um seiner selbst willen, also isoliert, besteht, sondern dass es maßgeblich von der zu erfüllenden organschaftlichen Aufgabe geprägt ist. Nur wenn die ungestörte Funktion des Organverhältnisses gewährleistet bleibt, ist Raum für die Übertragung arbeitsrechtlicher Prinzipien auf das Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers“.329 Dies entspricht sowohl der Rechtsprechung, die arbeitsrechtliche Normen nur dann und insoweit anwenden will, wie es das Anstellungsverhältnis gebietet und 328 Für die analoge Anwendung nach der ratio der einschlägigen Bestimmung notwendige partielle Schutzbedürftigkeiten als Teilaspekte der Arbeitnehmerstellung ausreichen lassend: Henssler, RdA 1992, 289, 294; Kuhn, Abgestuftes Arbeitsrecht am Beispiel des abhängigen GmbH-Geschäftsführers, S. 154. 329 Vgl. Goette, in: FS Wiedemann, 873, 886; ähnlich: Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anhang zu § 6 Rn. 3; Kuhn, Abgestuftes Arbeitsrecht am Beispiel des abhängigen GmbH-Geschäftsführers, S. 154.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
das Organverhältnis nicht entgegensteht, als auch den Einschränkungsansätzen der übrigen Literatur und trägt den Besonderheiten der Rechtsstellung des Geschäftsführers Rechnung.330 Der Geschäftsführer hat als Organ und zugleich Angestellter der GmbH eine Doppelstellung inne. Die Organstellung wird durch das Gesellschaftsrecht geprägt, während das hier mit der ganz herrschenden Meinung als Dienstvertrag qualifizierte Anstellungsverhältnis grundsätzlich den §§ 611 ff. BGB und ggf. arbeitsrechtlichen Schutznormen unterliegt. Organ- und Anstellungsverhältnis sind zwar nach der ganz herrschenden Trennungstheorie voneinander unabhängige, selbständige Rechtsverhältnisse; sie sind aber dennoch faktisch insofern miteinander verbunden und ergänzen sich, als dass ein Geschäftsführer auf der einen Seite nur bereit sein wird, die Organstellung zu übernehmen, wenn zugleich seine Anstellung erfolgt, während die GmbH auf der anderen Seite den Geschäftsführer nur dann anstellungsvertraglich an sich binden wird, wenn er auch zum Organ bestellt worden ist bzw. wird.331 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage des Verhältnisses des gesellschaftsrechtlich geprägten Organ- und des dienstvertraglich geprägten Anstellungsverhältnisses.332 Die Vertreter dieses Zwei-Stufen-Modells gehen mit der ganz herrschenden Meinung333 wegen der Funktion des Geschäftsführers als für die Handlungsfähigkeit der GmbH notwendiges Organ und damit im Interesse
330 Siehe oben, vgl. auch Kuhn, Abgestuftes Arbeitsrecht am Beispiel des abhängigen GmbH-Geschäftsführers, S. 115 f., der Rechtsprechung Entwicklung zu Leitlinien im Sinne der hiesigen Zwei-Stufigkeit entnimmt. 331 Vgl. auch Teil 1 § 1. 332 Der Streit um den Vorrang des Organ- oder aber des Anstellungsverhältnisses und damit die Problematik der Kollision von Gesellschafts- und Arbeitsrecht spiegelt sich insbesondere in der Diskussion um die Arbeitnehmereigenschaft von Fremdgeschäftsführern wider. Wenn hier teilweise die Arbeitnehmerstellung allein unter Verweis auf die Repräsentationsfunktion des Geschäftsführers abgelehnt wird, entspricht dies dem Verständnis uneingeschränkten Vorranges des Gesellschaftsrechtes. Werden Geschäftsführer dagegen wegen ihrer sozialen Schutzbedürftigkeit ausnahmslos als Arbeitnehmer angesehen, folgt dies aus der Annahme des uneingeschränkten Vorranges des Arbeitsrechtes als Schutzrecht zugunsten der sozial Schutzbedürftigen. Die ganz überwiegende Ansicht, insbesondere auch der BGH und zahlreiche Literaturvertreter, geht dagegen von einem grundsätzlichen Nebeneinander von Arbeits- und Gesellschaftsrecht aus, spricht dem Gesellschaftsrecht aber wegen der Funktion des Geschäftsführers als Organ der GmbH im Zweifel einen Vorrang zu. Sie lehnt daher die Arbeitnehmerstellung des Geschäftsführers ab und prüft „nur“ die entsprechende Anwendbarkeit der arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften. Vgl. umfassend hierzu: Henssler, RdA 1992, 289, 294; Kuhn, Abgestuftes Arbeitsrecht am Beispiel des Fremdgeschäftsführers, S. 30. 333 Vgl. Boemke, ZfA 1998, 209, 215; Fleck, in: FS Hilger/Stumpf, 197, 202 ff.; G. Hueck, ZfA 1985, 25, 33 ff.; 226; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anhang § 6 Rn. 3; Martens, in: FS Hilger/Stumpf, 437, 442 ff.; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 144; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 177; aA: Brachert, Organmitgliedschaft und Arbeitnehmerstatus, S. 122 f. (Gleichrangigkeit).
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der Funktionsfähigkeit der GmbH vom grundsätzlichen Vorrang des Organverhältnisses aus.334 Dies ist überzeugend. Bereits die gesetzlichen Regelungen verdeutlichen den Vorrang des Organverhältnisses. Das GmbHG enthält zahlreiche Normen bzgl. der Organstellung des Geschäftsführers; so sind die Bestellung zum GmbH-Organ und die dadurch begründeten Rechte und Pflichten, insbesondere Geschäftsführung und Vertretung, gesetzlich normiert. Regelungen hinsichtlich der persönlichen Beziehung von GmbH und Geschäftsführer enthält das GmbHG dagegen nicht. Die Ausgestaltung der Rechtsposition des Geschäftsführers außerhalb seiner Organfunktion wird also GmbH und Geschäftsführer überlassen; Einschränkungen ihrer Vertragsfreiheit existieren nicht. Von Gesetzes wegen ist mithin alleine die Organstellung des Geschäftsführers entscheidend, da diese die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft gewährleistet. Demzufolge wäre es bereits gesetzeswidrig, dem Organverhältnis nicht den Vorrang einzuräumen und die Ausgestaltung der Rechtsstellung des Geschäftsführers nicht unter den Vorbehalt der Gewährleistung der Handlungsfähigkeit der Gesellschaft zu stellen. Für die Vorrangigkeit des Organverhältnisses sprechen ferner die Inhalte der gesetzlichen Regelungen. Der Geschäftsführer ist nach § 35 GmbH alleiniger organschaftlicher Vertreter der Gesellschaft. Erst durch seine Bestellung wird die GmbH als juristische Person handlungsfähig. Die Vertretungsmacht kann weder durch Satzung noch durch sonstige Regelungen beseitigt werden.335 Weiter ist der Geschäftsführer zur Geschäftsführung verpflichtet. Unabhängig davon, inwieweit er auch zur Festlegung der Grundsätze der Unternehmenspolitik und zur Leitung des Unternehmens berechtigt ist bzw. die Geschäftsführungsbefugnis durch Satzung oder Gesellschafterbeschluss beschränkt oder entzogen werden darf, können ihm jedenfalls diejenigen Kompetenzen nicht aberkannt werden, die er zur Wahrnehmung seiner gesetzlichen – und weil gegenüber dem Staat unabdingbaren – Pflichten benötigt.336 Unabhängig etwaiger abweichender anstellungsvertraglicher Regelungen ist er daher berechtigt, die Maßnahmen zu ergreifen, der er zur Erfüllung seiner gesetzlichen Pflichten, insbesondere Rechnungslegungs-, Auskunfts- und Handelsregister- sowie sonstige öffentlich-rechtliche Pflichten und die Pflicht zur Erhaltung des Stammkapitales bedarf. Die Ausgestaltung der Organstellung obliegt nach alledem also im Wesentlichen nicht der Gesellschaft. Vielmehr rückt der Geschäftsführer durch seine Bestellung in die durch das Gesetz vorgezeichnete und insoweit auch durch die Gesellschaft nur teilweise abänderliche Organstellung ein. Dies betont die besondere und vorrangige Bedeutung der Organfunktion des Geschäftsführers.337 Anders als z. B. bei 334 335 336 337
Vgl. Goette, in: FS Wiedemann, S. 873 ff. Vgl. Teil 1 § 1 B. II. 1. a). Vgl. Teil 1 § 1 B. II. 1. b) ff). Vgl. Fleck, in: FS Hilger/Stumpf, 197, 203.
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leitenden Angestellten, deren Rechtsstellungen und damit auch Aufgaben und Entscheidungskompetenzen alleine durch die jeweiligen Arbeitgeber festgelegt bzw. zwischen den Parteien ausgehandelt werden, ist die Rechtsstellung des Geschäftsführers im Hinblick auf die Organstellung also kraft Gesetzes und nicht lediglich kraft Vertrages ausgestaltet.338 Der Gesetzgeber wollte sicherstellen, dass ein bestellter Geschäftsführer auch über die Kompetenzen verfügt, die nötig sind, um die GmbH im Rechtsverkehr als handlungsfähig anzuerkennen. Dem liefe es zuwider, andere gesetzliche oder vertragliche Regelungen anzuwenden, wenn hierdurch die Organfunktion tangiert würde. Auch die Rechtsprechung räumt – teilweise unter breiter Zustimmung der Literatur – dem Gesellschaftsrecht in zahlreichen Konstellationen uneingeschränkt den Vorrang ein. So ist z. B. nach ganz herrschender Auffassung für den Abschluss und die Kündigung des Anstellungsvertrages die Gesellschafterversammlung zuständig. Ihr wird – über den allgemein die Bestellung, Abberufung und Entlastung des Geschäftsführers nennenden Wortlaut des § 46 Nr. 5 GmbHG hinaus – im Sinne einer Annexkompetenz die Zuständigkeit für alle Fragen des Anstellungsverhältnisses zuerkannt, so dass sie sowohl für die Willensbildung als auch den rechtsgeschäftlichen Vertragsschluss zuständig ist.339 Schließlich ist die Vorrangigkeit des Organverhältnisses auch im Hinblick auf die Haftung des Geschäftsführers für Pflichtverletzungen anerkannt.340 Wie bereits ausgeführt, ist § 43 GmbHG gegenüber etwaigen vertraglichen Ansprüchen lex specialis, da die Norm als Spezialregelung Organstellung und Anstellungsvertrag in sich aufnimmt und damit Haftungsansprüche aus dem Dienstverhältnis konsumiert.341 dd) Ergebnis und Prüfungsablauf: Zwei-stufiges Prüfungsschema Im Ergebnis ist daher davon abzusehen, einzelne Kriterien herauszuarbeiten, anhand welcher sodann die Anwendbarkeit jeglicher arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften zu prüfen ist, und auf ein zwei-stufiges Prüfprogramm zurückzugreifen. Zunächst ist nach den allgemeinen Grundsätzen der analogen Anwendung einer Norm festzustellen, ob die arbeitsrechtliche Schutzvorschrift nach ihrem Sinn und Zweck und der in ihr geregelten Interessenlage auch auf Geschäftsführer Anwendung finden soll. Ist der Geschäftsführer hiernach als ebenso schutzbedürftig wie die geschützten Arbeitnehmer zu bewerten, folgt hieraus aber noch nicht automatisch die analoge Anwendbarkeit der Norm zugunsten von Geschäftsführern. Vielmehr ist als zweiter Punkt zu prüfen, ob die – generelle – 338 339 340 341
Vgl. zu diesem Unterschied: G. Hueck, ZfA 1985, 25, 31. Vgl. Teil 1 § 1 C. II. Vgl. Goette, in: FS Wiedemann, S. 873, 874. Vgl. Teil 1 § 1 B. II. 3. a).
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Geltung der Norm auch bei Geschäftsführern mit der Organfunktion in Einklang zu bringen ist. Durch diese Relativierung wird der besonderen Rechtsstellung des Geschäftsführers Rechnung getragen. Dieser ist nicht lediglich Angestellter, sondern insbesondere auch Organ der GmbH und als solches mit umfassenden Pflichten aber auch Rechten und daher auch mit einer anderen Verhandlungsposition als Arbeitnehmer oder auch leitende Angestellte versehen. Seine Gesamtrechtsstellung darf bei der Erwägung der Anwendung von arbeitsrechtlichen Schutzinstituten daher nicht außen vor gelassen werden. Der Blick ist deswegen an dieser Stelle von der konkreten und insoweit abgrenzbaren Interessenlage hinsichtlich der in Rede stehenden Norm zu lösen und auf die Gesamtrechtsstellung des Geschäftsführers bzw. die Gesamtinteressenlage zu richten. Es gilt, festzustellen, ob aufgrund der Stellung des Geschäftsführers als Organ der GmbH und auch seiner gesamtanstellungsvertraglichen Situation die Anwendung der konkreten einzelnen Norm bzw. des konkreten Normenkomplexes ausscheidet.
c) Vergleichbare Schutzbedürftigkeit des Geschäftsführers und Vereinbarkeit der Anwendung der §§ 74 ff. HGB mit Organverhältnis zwischen GmbH und Geschäftsführer Auf der Grundlage dieses Prüfungsmodells ist im Folgenden herauszuarbeiten, ob die analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB auf Geschäftsführer interessengerecht ist. aa) Vergleichbare Schutzbedürftigkeit des Geschäftsführers Hierfür ist zunächst festzustellen, ob sich Geschäftsführer und Arbeitnehmer in vergleichbar schützenswerten Lagen befinden, wenn sie mit nachvertraglichen Wettbewerbsverboten konfrontiert werden. Sinn und Zweck der §§ 74 ff. HGB müssen die Heranziehung der Normen auch bei Geschäftsführern erlauben. Nach der Rechtsprechung des BAG kann der Arbeitgeber den ehemaligen Arbeitnehmer grundsätzlich nicht daran hindern, seine rechtmäßig erlangten beruflichen Kenntnisse und Erfahrungen zu verwerten und zu ihm in Wettbewerb zu treten. Nur eine den Anforderungen der §§ 74 ff. HGB entsprechende Wettbewerbsabrede ermögliche es ihm, dem früheren Mitarbeiter Wettbewerb zu untersagen. Durch die §§ 74 ff. HGB werde zwar ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers anerkannt, sich durch ein Wettbewerbsverbot vor Konkurrenztätigkeit des ehemaligen Arbeitnehmers und den damit für den Bestand seines Unternehmens verbundenen wirtschaftlichen Nachteilen zu schützen. Das Gesetz sähe aber die Freiheit des Arbeitnehmers, über sein berufliches Fortkommen nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses selbst zu bestimmen, vor allem seinen Arbeitsplatz frei zu wählen, diesem Interesse als grundsätzlich übergeordnet an. Dies trage der durch Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleisteten
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
Selbstbestimmung des Arbeitnehmers Rechnung.342 Leitgedanke der §§ 74 ff. HGB ist insofern der Schutz der typischerweise schwächeren Handlungsgehilfen gegen die übermäßige Einschränkung ihrer Freiheit.343 Die §§ 74 ff. HGB dienen folglich vorrangig dem Schutz der Interessen der als schwächer erachteten Handlungsgehilfen. Dies kommt insbesondere in den §§ 74, 74a, 75d HGB zum Ausdruck. § 74 Abs. 1 HGB enthält den Begriff des Wettbewerbsverbotes und legt Schriftform- und Aushändigungsgebot fest, während § 74 Abs. 2 HGB zum Schutz des Handlungsgehilfen den Grundsatz der bezahlten Karenz statuiert. Durch die Zahlung der Karenzentschädigung soll dem Arbeitnehmer der Lebensstandard gesichert werden, den er sich aufgrund vorausgegangener Tätigkeit erarbeitet hat. Es soll der Nachteil ausgeglichen werden, den der Arbeitnehmer durch die Beschränkung in der Verwendung seiner Arbeitskraft erleidet.344 § 74a HGB ordnet an, wann eine Wettbewerbsabrede unverbindlich oder nichtig ist. § 75d HGB bestimmt, dass es sich bei den §§ 74 ff. HGB um zwingende Arbeitnehmerschutzvorschriften handelt. Die Vertragsfreiheit der Arbeitsvertragsparteien wird also hinsichtlich der Ausgestaltung von Wettbewerbsabreden eingeschränkt.345 Durch die Normen sollen die geschäftlichen Interessen des Arbeitgebers und das Interesse des Arbeitnehmers an einem ungehinderten beruflichen Fortkommen zum Ausgleich gebracht werden. Leitgedanke ist dabei, dass sich der Arbeitgeber zwar in gewissen Grenzen schützen darf, dem Arbeitnehmer für die auferlegte Behinderung aber eine Karenzentschädigung zahlen muss. Formale und inhaltliche Auflagen sollen Arbeitnehmer als die typischerweise schwächeren Vertragspartner zusätzlich schützen.346 Die für die analoge Anwendbarkeit der §§ 74 ff. HGB auf Geschäftsführer notwendige Vergleichbarkeit der Interessenlagen wäre danach dann gegeben, wenn auch Geschäftsführer im Hinblick auf die mit ihnen vereinbarten nachvertraglichen Wettbewerbsverbote typischerweise schwächer und damit ebenso schutzbedürftig wie Arbeitnehmer wären.
342 Vgl. BAG, Urt. v. 27.9.1983 – VI ZR 294/81, NJW 1984, 116, 117; BAG, Urt. v. 15.6.1993 – 9 AZR 558/91, NZA 1994, 502, 504; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Boecken, HGB, § 74 Rn. 1; HWK/Diller, § 74 HGB Rn. 5; MünchKommHGB/ von Hoyningen-Huene, § 74 Rn. 1 f.; Wagner, in: Röhricht/Graf v. Westphalen (Hrsg.), HGB, § 74 Rn. 2; Staub, Großkomm.HGB/Weber, Vor § 74 Rn. 1. 343 Vgl. Baumbach/Hopt, HGB, § 74 Rn. 3; Wagner, in: Röhricht/Graf v. Westphalen (Hrsg.), HGB, § 74 Rn. 1. 344 Vgl. BAG, Urt. v. 9.1.1990 – 3 AZR 110/88, NJW 1990, 1870; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken, HGB, § 74 Rn. 41; MünchKommHGB/von HoyningenHuene, § 74 Rn. 41. 345 Vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken, HGB, § 75d Rn. 1 f.; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 74 Rn. 2, § 75d Rn. 1; Wagner, in: Röhricht/ Graf v. Westphalen (Hrsg.), HGB, § 75d Rn. 1 f.; Staub, Großkomm.HGB/Weber, § 74 Rn. 33. 346 Vgl. Staub, Großkomm.HGB/Weber, Vor § 74 Rn. 2.
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Dies erscheint jedenfalls bei Fremdgeschäftsführern als möglich. Auch sie werden durch nachvertragliche Wettbewerbsverbote in der Verfügbarkeit über ihre Arbeitskraft nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses beschränkt, wobei sie i. d. R. ebenso wie Arbeitnehmer auf ihre Vergütung angewiesen sind, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Die GmbH verfolgt mit der Wettbewerbsabrede den Zweck, den Geschäftsführer zu hindern, bei ihr erlangte Kenntnisse und Erfahrungen oder gar Geheimnisse der Konkurrenz zuzutragen und mit dieser gegen sie zu nutzen. Sie will ihre Schädigung durch nachvertraglichen Wettbewerb vermeiden. Damit weist die zwischen GmbH und Fremdgeschäftsführer bestehende Interessenlage zunächst einmal weitgehende Ähnlichkeit mit der den §§ 74 ff. HGB zugrundeliegenden auf, so dass die Anwendung der Normen und damit auch die nach § 75d HGB zwingende Karenzentschädigungspflicht nach § 74 Abs. 2 HGB in Frage kämen. Ob sich allerdings ausnahmslos alle Fremdgeschäftsführer in einer vergleichbaren Interessenlage befinden oder aber es zur Bestimmung ihrer Schutzbedürftigkeit noch (zusätzlich) auf die individuell-persönliche Rechtsstellung i. S. wirtschaftlicher und sozialer Abhängigkeit oder sozialer Schutzbedürftigkeit oder Arbeitnehmerähnlichkeit ankommt und ob und unter welchen Voraussetzungen auch Gesellschafter-Geschäftsführer als typischerweise schwächer zu erachten sind, ist fraglich und in der Literatur umstritten.347 Es ist davon auszugehen, dass jedenfalls von der Gesellschaft weitgehend unabhängige Geschäftsführer keine vergleichbare Schutzbedürftigkeit aufweisen. Geschäftsführer, die aufgrund ihrer Beteiligung an der Gesellschaft oder einer ihnen sonst eingeräumten Rechtsmacht zum einen von der Gesellschaft wirtschaftlich unabhängig sind und zum anderen auf die Ausgestaltung ihres Anstellungsverhältnisses insoweit Einfluss nehmen können, dass sie die Wettbewerbsverbotsbedingungen frei aushandeln können, dürfen nicht als typischerweise schwächer und schutzbedürftig erachtet werden.348 Zur Feststellung, ob der Geschäftsführer als unabhängig anzusehen ist, erscheinen insoweit die von der Rechtsprechung zur Prüfung der Anwendbarkeit des BetrAVG entwickelten Grundsätze als sachgerecht. Nach diesen kommt solchen Geschäftsführern der Schutz durch das BetrAVG zugute, die wegen ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit eine dem Arbeitnehmer vergleichbare soziale Schutzbedürftigkeit im Hinblick auf die betriebliche Altersversorgung aufweisen. Entscheidend sei, ob der Geschäftsführer arbeitnehmerähnlich oder aber für sein eigenes Unternehmen tätig werde. Während Fremdgeschäftsführer in der Regel wirtschaftlich abhängig 347
Vgl. Teil 1 § 4 C. Die Maßgeblichkeit jedenfalls auch der wirtschaftlichen Abhängigkeit entspricht der analogen Anwendung der §§ 74 ff. HGB auf wirtschaftlich abhängige freie Mitarbeiter (BAG, Urt. v. 21.1.1997 – 9 AZR 778/96, NZA 1997, 1284; BGH, Urt. v. 10.4. 2003 – III ZR 196/02, NJW 2003, 1864; LAG Köln, Urt. v. 23.1.2004 – 4 Sa 988/03; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 74 Rn. 1). 348
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und daher arbeitnehmerähnlich seien, könnten Allein- oder Mehrheits-Gesellschafter-Geschäftsführer oder solche Minderheits-Gesellschaftergeschäftsführer, die aufgrund der gesellschaftsvertraglichen Gestaltung in der Lage sind, Entscheidungen unter Ausschluss der Gesellschafter zu treffen, als wirtschaftlich unabhängige Nichtunternehmer qualifiziert werden.349 Inwieweit bzw. ggf. unter welchen weiteren Voraussetzungen aber nicht an der Gesellschaft beteiligte bzw. nicht über eine sonstige Einflussmöglichkeit auf die Gesellschaft verfügende Geschäftsführer als vergleichbar schutzbedürftig angesehen werden können, ist dagegen fraglich, soll an dieser Stelle indes nicht weiter erörtert werden. Bei der Feststellung der grundsätzlichen Ähnlichkeit der zwischen GmbH und Geschäftsführer hinsichtlich der Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes bestehenden Interessenlage mit der in den §§ 74 ff. HGB geregelten wurde nämlich die Organstellung des Geschäftsführers noch außen vor gelassen. Wie dargestellt, kann sich bei der Prüfung der Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften auf den Geschäftsführer aber nicht darauf beschränkt werden, festzustellen, ob sich der Geschäftsführer im Hinblick auf die in der Norm geregelte Rechtslage in einer vergleichbar schutzbedürftigen Situation befindet. Vielmehr ist in einem zweiten Punkt immer auch noch zu prüfen, ob infolge der Prägung des Anstellungsverhältnisses durch das Organverhältnis eine Verschiebung der Schutzbedürftigkeit hin zur GmbH erfolgt, so dass die Gesamtinteressenlage zwischen GmbH und Geschäftsführer der entsprechenden Anwendung der in Rede stehenden arbeitsrechtlichen Schutznorm entgegensteht. bb) Vereinbarkeit der Anwendung der §§ 74 ff. HGB mit Organverhältnis zwischen GmbH und Geschäftsführer Die analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB schiede – unabhängig der entsprechenden Schutzbedürftigkeit der Geschäftsführer – also aus, wenn sie zu einer Beeinträchtigung des vorrangigen Organverhältnisses führte und damit den Interessen der GmbH im Hinblick auf die Wahrung ihrer Handlungsfähigkeit (i.F. organschaftliche Interessen) zuwiderliefe. Zu prüfen ist also, ob dem Schutz der Geschäftsführer durch die §§ 74 ff. HGB vorrangig zu berücksichtigende organschaftliche Interessen der GmbH entgegenstehen. (1) Reichweite des Vorranges des Organverhältnisses Ob vorrangige organschaftliche Interessen der Gesellschaft bestehen, kann aber erst erörtert werden, wenn feststeht, in welchem Umfang bzw. unter welchen Voraussetzungen organschaftlichen Interessen der GmbH der Vorrang einzuräumen ist. 349
Vgl. Teil 1 § 1 B. I.
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In der Literatur finden sich im Zusammenhang mit der Problematik der analogen Anwendung arbeitsrechtlicher Schutznormen im Allgemeinen und konkret zur Heranziehung der §§ 74 ff. HGB Ausführungen, die ein enges Vorrangverständnis indizieren. So heißt es zum einen, das Gesellschaftsrecht sei Bestandteil der Rechtsordnung, die den rechtlichen Rahmen für bürgerlich-rechtliche Dienstverhältnisse normiere und damit auch die Schranken der privatautonomen Regelungen setze. Es präge letztlich Inhalt und Struktur des rechtlich unabhängigen Anstellungsverhältnisses mit. Bestimmungen im Anstellungsvertrag, die gegen zwingende gesellschaftsrechtliche Vorschriften verstießen, seien nach § 134 BGB nichtig; daher könne der Geschäftsführer im Anstellungsvertrag z. B. nicht wirksam von seiner Buchführungs- und Bilanzierungspflicht nach den §§ 41 ff. GmbHG befreit werden. [. . .] Soweit es sich nicht um zwingendes, sondern lediglich um dispositives Gesellschaftsrecht handele, könnten die Bestimmungen ergänzend zur Bestimmung des Inhaltes des Anstellungsverhältnisses herangezogen werden.350 Zum anderen wird der Rechtsprechung entgegengehalten, die Anwendbarkeit der §§ 74 ff. HGB bei Geschäftsführern zu Unrecht mit Besonderheiten aufgrund des Organverhältnisses abzulehnen, weil dieses nach der Amtsbeendigung keine Wirkungen mehr entfalten könne.351 Diese Ausführungen implizieren ein Vorrangverständnis, nach dem nur in solchen Konstellationen anstellungsvertragliche Regelungen unzulässig sind bzw. die analoge Heranziehung arbeitsrechtlicher Schutznormen ausgeschlossen ist, in denen zugleich auch das Handeln des Geschäftsführers als Organ unmittelbar betroffen ist. Anzuknüpfen wäre also an das Bestehen der Organstellung und Regelungen zu dieser im GmbHG. Nach meiner Auffassung ist aber ein weites Vorrangverständnis zugrundezulegen. Die Organstellung ist nicht nur dann besonders zu beachten, wenn anstellungsvertragliche Regelungen getroffen oder herangezogen werden, die die Organrechte bzw. -Pflichten des GmbHG unmittelbar betreffen, sondern auch dann, wenn vertragliche Regelungen in Rede stehen, die die Organstellung nur mittelbar beeinflussen. Dem Organverhältnis kommt also im Hinblick auf alle Aspekte der Gesamtrechtsstellung des Geschäftsführers bzw. der Gesamtinteressenlage von GmbH und Geschäftsführer der Vorrang zu. Es kommt mithin nicht darauf an, ob die vertraglichen Regelungen einer Norm des GmbHG zum Organverhältnis bzw. zur Organstellung zuwiderlaufen oder erst in einem Zeitpunkt Wirkung entfalten, in dem die Organstellung bereits beendet ist. In diesem Sinne sind auch die Ausführungen des BGH in einer Entscheidung zu verstehen, mit welcher er eine Vereinbarung im Anstellungsvertrag für zuläs350
Vgl. Boemke, ZfA 1998, 209, 215 f. Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1038; dies., GmbHR 1999, 885, 886; dies., BB 1995, 1134, 1135; Bauer, in: FS Schwerdtner S. 441, 442; Bellstedt, GmbHR 1976, 236, 239. 351
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
sig erklärt, nach der die Bestimmungen des KSchG für das Anstellungsverhältnis entsprechend gelten sollen.352 Der BGH hält fest, dass die Parteien in Ausübung ihrer privatautonomen Gestaltungsfreiheit die entsprechende Geltungs arbeitsrechtlicher Normen vereinbaren könnten. Wegen der Nachrangigkeit des Anstellungsverhältnisses gegenüber der Organstellung dürften solche dienstvertraglichen Abreden allerdings nicht in die gesetzliche oder statutorische Ausgestaltung des Organverhältnisses eingreifen. Der vertragliche Gestaltungsspielraum der Parteien werde daher durch die zwingenden Anforderungen begrenzt, welche sich im Interesse einer Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Gesellschaft aus dem Organverhältnis ergäben.353 Der BGH prüft im Folgenden, ob die wirtschaftliche Belastung der Gesellschaft aufgrund der Kündbarkeit des Anstellungsverhältnisses nur nach Maßgabe des § 1 KSchG die Bestellungs- und Abberufungsfreiheit der Gesellschafterversammlung berühre, und verneint dies im Ergebnis unter Verweis u. a. auf § 38 Abs. 2 GmbHG.354 Dagegen erachtet er die Vereinbarung der Geltung des KSchG für die Kündigung des Anstellungsverhältnisses nicht – im Sinne eines beschränkten Vorrangverständnisses – bereits deswegen für zulässig, weil sie einen Zeitraum nach der Amtsbeendigung betrifft und daher von Besonderheiten des Organverhältnisses nicht mehr berührt werden kann. In die Richtung eines weiten Vorrangsverständnisses gehen auch die Ausführungen eines Literaturvertreters in seinem Beitrag zum Arbeitnehmerstatus der Organmitglieder. Nach diesen sei generell von der Ankoppelung des Anstellungsvertrages an das Organschaftsverhältnis und somit vom Vorrang der darauf beruhenden Regelungen auszugehen. [. . .] Soweit zwischen Organschafts- und Anstellungsverhältnis ein Regelungskonflikt bestehe, komme der Organregelung der Vorrang zu. Der gesellschaftsrechtlich vermittelte Freiraum zur autonomen Regelung der Geschäftsführung habe zur Folge, dass das Arbeitsrecht nicht mit dem ihm grundsätzlich immanenten Regelungsmonopol zur Anwendung kommen könne; [. . .] der arbeitsrechtliche Rechtsformzwang sei daher zugunsten der organschaftlichen und anstellungsrechtlichen Regelungsautonomie einzuschränken.355 Ebenso ist der knappe Hinweis eines weiteren Literaten zu verstehen, nach dem arbeitsrechtliche Vorschriften auf Geschäftsführer nur insoweit Anwendung finden könnten, als der ihnen zugrunde liegende Schutzgedanke mit der organschaftlichen Stellung nicht in Konflikt gerate.356 Für ein weites Vorrangverständnis sprechen ferner die auch für die Annahme des Vorranges des Organverhältnisses an sich vorgebrachten Argumente. Das 352 353 354 355 356
Vgl. BGH, Urt. v. 10.5.2010 – II ZR 70/09, NZA 2010, 889. Vgl. BGH, Urt. v. 10.5.2010 – II ZR 70/09, NZA 2010, 889, 890. Vgl. BGH, Urt. v. 10.5.2010 – II ZR 70/09, NZA 2010, 889, 890. Vgl. Martens, in: FS Hilger/Stumpf, S. 437, 442. Vgl. Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 144 m.w. N.
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GmbHG enthält lediglich Normen zur organschaftlichen Beziehung von GmbH und Geschäftsführer. Ob und in welchem Umfang anstellungsvertragliche Vereinbarungen getroffen werden, überlässt der Gesetzgeber dagegen GmbH und Geschäftsführer. Der Gesetzgeber hat sich also lediglich mit der Organstellung des Geschäftsführers befasst, um die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft sicherzustellen. Dieser gesetzgeberischen Wertung liefe es zuwider, den Vorrang des Organverhältnisses auf die Fälle zu beschränken, in welchen die Anstellungsvertragsbedingungen mit Normen des GmbHG kollidierten bzw. die Organstellung andauere. Vielmehr ist ein weites Vorrangverständnis zugrundezulegen, nach dem anstellungsvertragliche Regelungen bzw. die Ergänzung dieser durch arbeitsrechtliche Normen nur zulässig sind, wenn nicht Interessen der GmbH entgegenstehen, welche diese zur Erhaltung ihrer Funktionsfähigkeit verfolgt. (2) Vereinbarkeit der Anwendung der §§ 74 ff. HGB mit Organverhältnis im weiten Sinne? Im Folgenden ist also im Sinne eines weiten Verständnisses des Vorranges des Organverhältnisses vor dem Anstellungsverhältnis zu prüfen, ob der Heranziehung der §§ 74 ff. HGB Interessen der GmbH entgegenstehen, die diese zur Wahrung ihrer Funktionsfähigkeit verfolgen muss. (a) Keine Vereinbarkeit nach BGH Der BGH lehnt die entsprechende Anwendung der §§ 74 ff. HGB in ständiger Rechtsprechung ab. Hierbei verweist er auf seine Kernentscheidung aus dem Jahre 1984, in der er insbesondere auch die Anwendung des § 74 Abs. 2 HGB und damit den Grundsatz der Karenzentschädigungspflicht zurückgewiesen hat. In dieser Entscheidung wird gegen die Übertragung der §§ 74 ff. HGB eingewandt, dass Geschäftsführer ihre Unternehmen – auch in weit stärkerem Maße als leitende Angestellte – repräsentierten. Die geschäftlichen Beziehungen konzentrierten sich auf sie, so dass ihre Konkurrenztätigkeiten größere Gefahren begründeten als die von Arbeitnehmern. Zwar könnten auch Geschäftsführer wirtschaftlich abhängig sein. Daraus folge aber nicht, dass die Interessen der Arbeitgeber grundsätzlich zurückzutreten hätten und die „mit der Stellung eines Organmitgliedes verbundenen Besonderheiten“ unberücksichtigt blieben. Denn bei der Anwendung des § 74 HGB seien „von wesentlicher Bedeutung die Stellung und die Wirkungsmöglichkeiten in der Gesellschaft selbst“. Ferner habe der Gesetzgeber durch die Einführung des § 85 GmbHG verdeutlicht, dass hinsichtlich der Verwertung im Unternehmen erworbener Kenntnisse und Beziehungen ein wesentlicher Unterschied zwischen Organmitgliedern und normalen Angestellten bestehe.357 357 Vgl. BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/84, NJW 1984, 2366; eingehend auch: OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.8.1996 – 6 U 150/95, NJW-RR 1997, 164.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
(b) Vereinbarkeit nach Teil der Literatur Ein Teil der Literatur erachtet diese Ausführungen des BGH und insbesondere die Ablehnung der Karenzentschädigungspflicht der Gesellschaft für verfehlt. Zum einen könne das Organverhältnis nicht zu einer anderen Beurteilung zwingen, da es bereits beendet sei und daher keine Rechtswirkungen mehr entfalte.358 Zum anderen sei es nicht sachgerecht, dem erhöhten Konkurrenzschutzbedürfnis der Gesellschaft durch die Versagung der Karenzentschädigungspflicht zu begegnen. Es sei bei den Kriterien anzusetzen, die tatsächlich auch das erhöhte Konkurrenzschutzbedürfnis beträfen, also insbesondere bei dem berechtigten geschäftlichen Interesse i. S. v. § 74a Abs. 1 S. 1 HGB. Der BGH kompensiere dagegen den erhöhten Wettbewerbsschutz durch den Abbau des Sozialschutzes für den Geschäftsführer, indem er eine Karenzentschädigung nicht für allgemein erforderlich halte. Die Karenzentschädigung habe aber mit den Auswirkungen der Organstellung nichts zu tun und beträfe ausschließlich die soziale und wirtschaftliche Stellung des Geschäftsführers, die in der Rechtsprechung sonst als analogiebegründendes Kriterium verstanden werde.359 Der BGH berücksichtige einseitig die Interessen der GmbH; überwiegende Interessen der Gesellschaft, die über das bei leitenden Angestellten übliche Maß hinausgingen und eine teleologische Reduktion des Arbeitnehmertatbestandes rechtfertigten, beständen aber nicht. Zwar sei richtig, dass der Gesellschaft durch die einflussreiche Stellung des Organmitgliedes besondere Gefahren aus der nachvertraglichen Konkurrenztätigkeit erwüchsen. Dieses Schutzinteresse unterscheide sich aber qualitativ nicht von demjenigen gegenüber Mitarbeitern der zweiten Führungsebene und bewirke ferner die Verbindlichkeit der Vereinbarung nach § 74a HGB; es könne aber nicht zu einem Verlust der Karenzentschädigung führen.360 Auch leitende Angestellte könnten dem Unternehmen wegen ihrer Vertrautheit mit den Geschäftsabläufen besonderen Schaden zufügen, so dass es sich hierbei nicht um eine aus der Organstellung resultierende Besonderheit handele.361 Entscheidend für eine Gesellschaft, mit ihrem Mitarbeiter, sei er nun Organmitglied oder „einfacher“ Arbeitnehmer, ein vertragliches Wettbewerbsverbot zu vereinbaren, sei die spezifische Vertrautheit mit den Geschäften des Unternehmens. Solange aber die maßgebliche Motivation des Arbeitgebers darin liege, die zukünftige Konkurrenztätigkeit ehemaliger bei ihm abhängig Beschäftigter zu verhindern, gebiete es seine Für358 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1038; dies., GmbHR 1999, 885, 886; dies., BB 1995, 1134, 1135; Bauer, in: FS Schwerdtner S. 441, 442; Bellstedt, GmbHR 1976, 236, 239; Wertheimer, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Arbeitsverhältnissen, S. 139. 359 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1038; Wertheimer, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Arbeitsverhältnissen, S. 138 ff. 360 Vgl. Brachert, Organmitgliedschaft und Arbeitnehmerstatut, S. 218. 361 Vgl. Bellstedt, GmbHR 1976, 236, 239; Gissel, Arbeitnehmerschutz für den GmbH-GF, S. 137.
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sorgepflicht, zugleich für die wirtschaftliche Sicherheit der aus seinem Unternehmen Ausgeschiedenen zu sorgen, unabhängig davon, ob sie Organmitglied gewesen seien oder nicht.362 Soweit der BGH die Wirkungsmöglichkeiten des Geschäftsführers in der Gesellschaft als Besonderheiten der Organstellung bezeichne, ginge er ebenfalls fehl. Der faktische Umfang der Geschäftsführungstätigkeit und die Teilhabe des Geschäftsführers an der Außendarstellung der Gesellschaft hingen nur davon ab, wie die Gesellschafter das Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers ausgestalteten und handhabten. Übe der Geschäftsführer z. B. nur die gesetzlich unentziehbaren Mindestkompetenzen aus, während rechtsgeschäftlich bestellte Vertreter die übrigen Aufgaben erledigten, so könne nicht mehr davon gesprochen werden, dass sich die geschäftlichen Beziehungen auf seine Person konzentrierten. Aber selbst in den Fällen, in denen die geschäftlichen Beziehungen im Wesentlichen vom Geschäftsführer abhingen, also auf seiner persönlichen Leistung beruhten, dürften die Vorteile nicht der Gesellschaft ohne ihre gleichzeitige Verpflichtung zur Zahlung einer Karenzentschädigung verbleiben.363 Das Verbot, sich im angestammten Umfeld zu betätigen, treffe gerade den Geschäftsführer hart, dessen Selbsteinschätzung und berufliche Stellung (Marktwert) durch den zielstrebigen Aufbau und die intensive Pflege der geschäftlichen (Außen-)Beziehungen der Gesellschaft geprägt worden seien. Der Verzicht auf die weitere Nutzung dieser Kontakte bedeute eine Behinderung seines beruflichen Fortkommens, die, genau wie bei leitenden Angestellten, mit der laufenden Vergütung nicht abgegolten sei.364 Ferner sei die Zahlung einer Karenzentschädigung auch im Hinblick auf die typische Einkommenssituation der Organe gerechtfertigt. Arbeitnehmeruntypische Einkommen insbesondere aufgrund hoher Tantiemen seien nicht in die Bemessungsgrundlage der Karenzentschädigung einzubeziehen. 365 Schließlich sei auch der Hinweis des BGH auf § 85 GmbHG verfehlt. Es existierten entsprechende Vorschriften auch für andere Berufsgruppen, so dass es sich nicht um eine organspezifische Besonderheit handele.366 Zudem sei die tatbestandliche Handlung, der Verrat eines Geheimnisses der Gesellschaft, wesentlich enger als der Begriff der gewerblichen Konkurrenztätigkeit; der sachliche Anwendungsbereich von §§ 74 ff. HGB beginne erst dort, wo der sachliche Schutzbereich von § 85 GmbHG ende, denn nur jenseits der gesetzlichen Handlungsschranken stelle eine Wettbewerbsvereinbarung eine Beschränkung der gewerblichen Tätigkeit des Geschäftsführers dar.367 362
Vgl. Gissel, Arbeitnehmerschutz für den GmbH-GF, S. 137. Vgl. Brachert, Organmitgliedschaft und Arbeitnehmerstatut, S. 218; Groß, Anstellungsverhältnis des GmbH-GF, S. 363. 364 Vgl. Groß, Anstellungsverhältnis des GmbH-GF, S. 362 f. 365 Vgl. Brachert, Organmitgliedschaft und Arbeitnehmerstatut, S. 218. 366 Vgl. Brachert, Organmitgliedschaft und Arbeitnehmerstatut, S. 218 f. 367 Vgl. Gissel, Arbeitnehmerschutz für den GmbH-GF, S. 138; Groß, Anstellungsverhältnis des GmbH-GF, S. 363 f. 363
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
(c) Unvereinbarkeit nach anderem Teil der Literatur Ein anderer Teil der Literatur lehnt die Anwendung der §§ 74 ff. HGB mit dem BGH als mit dem Organverhältnis unvereinbar ab. Die herausgehobene und unternehmergleiche Stellung von Organmitgliedern schlösse wegen der damit verbundenen Verletzbarkeit und hohen Schädigungsgefahr des Arbeitgebers durch nachvertragliche Konkurrenztätigkeit den Schutz durch die §§ 74 ff. HGB aus.368 Trotz ihrer anstellungsvertraglichen Verpflichtung, ihre Arbeitskraft hauptberuflich zur Verfügung zu stellen, seien Geschäftsführer wegen ihrer Stellung und Wirkungsmöglichkeiten im Vergleich zu leitenden Angestellten erheblich geringer schutzbedürftig.369 Die entsprechende Anwendung der §§ 74 ff. HGB führe zu einer Störung des Organverhältnisses.370 Schließlich wird vereinzelt zwar die Argumentation des BGH als nicht stichhaltig bewertet, im Ergebnis die entsprechende Anwendung der §§ 74 ff. HGB aber ebenfalls abgelehnt. Sie führe zu einer Veränderung der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzstruktur. Für die Gesellschaft sei die Vereinbarung eines längerfristigen nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes aus wirtschaftlichen Gründen oft unumgänglich. Die Geltung der §§ 74 ff. HGB und damit auch der Karenzentschädigungspflicht würde die Position des weisungsgebundenen Vertretungsorganes gegenüber dem eigentlichen Geschäftsleitungsorgan jedoch erheblich stärken. Die gemäß § 38 Abs. 1 GmbHG bestehende, jederzeitige Widerrufsmöglichkeit der Gesellschafterversammlung werde nämlich obsolet, da der Widerruf i. d. R. die Kündigung des Anstellungsverhältnisses notwendig mache und damit die Karenzentschädigungspflicht auslöse. Die Karenzentschädigungspflicht stelle aber mit Rücksicht auf die gewöhnliche Höhe der Geschäftsführergehälter eine nicht unerhebliche finanzielle Belastung dar. Diese faktische Einschränkung der jederzeitigen Widerrufsmöglichkeit, insbesondere bei wirtschaftlich schwachen GmbHs, werde durch die Regelung des § 75 Abs. 2 HGB noch verstärkt. Danach entfalle das Wettbewerbsverbot bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber, falls nicht ein erheblicher Anlass in der Person des Beschäftigten vorläge oder als Karenzentschädigung die Weiterzahlung der vollen Bezüge angeboten werde. Die Anwendung der §§ 74 ff. HGB begründe daher einen starken Druck auf die Gesellschafter, die Geschäftsführer nicht ohne erheblichen Anlass im Sinne des § 75 Abs. 2 HGB ihrer Organstellung zu entheben. Über den Umweg der §§ 74 ff. HGB erhielten Organmitglieder praktisch also einen Kündigungsschutz, der gesetzlich für sie nicht vorgesehen sei. Die Organstellung führe daher hinsichtlich 368 Vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken, HGB, § 74 Rn. 8; Campos Nave NJW 2003, 3322, 3323; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 254 (bzgl. § 74 Abs. 2 HGB analog). 369 Vgl. Baumbach/Hopt, HGB, § 74 Rn. 3; MünchKommHGB/von HoyningenHuene, § 74 Rn. 9; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 248. 370 Vgl. Goette, in: FS Wiedemann, S. 873, 887.
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der Beschränkung von nachvertraglichen Wettbewerbsabreden zu einem erheblichen Unterschied zwischen den Beschäftigungsverhältnissen von Organmitgliedern und leitenden Angestellten, die eine entsprechende Anwendung der §§ 74 ff. HGB ausschließe.371 (d) Stellungnahme Der BGH argumentiert mit der besonderen Rechtsstellung des Geschäftsführers als Organ und damit alleinigem gesetzlichen Vertreter der GmbH, aufgrund welcher sich die geschäftlichen Beziehungen auf ihn konzentrierten, er über weitreichende Befugnisse und Wirkungsmöglichkeiten verfüge und daher die GmbH ein weitergehendes Schutzinteresse hinsichtlich Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen als ein Arbeitgeber bei leitenden Angestellten habe. Hiermit macht er richtigerweise vorrangige organschaftliche Interessen der GmbH geltend, die der Heranziehung der §§ 74 ff. HGB entgegenstehen. (aa) Besonderer Kenntnisschutz als vorrangiges organschaftliches Interesse der GmbH (a) Zugriffsmöglichkeit des Geschäftsführers auf Unternehmensinterna Der Geschäftsführer verfügt nach § 35 GmbHG über eine umfassende und sachlich nicht zu beschränkende Vertretungsmacht in allen gerichtlichen und außergerichtlichen Angelegenheiten. Er ist nach § 41 GmbHG zwingend verpflichtet, für die ordnungsgemäße Buchführung der Gesellschaft zu sorgen; § 264 Abs. 1 HGB verpflichtet ihn, den Jahresabschluss aufzustellen. Ferner obliegen ihm zahlreiche Auskunfts- und Handelsregisterpflichten. Er muss z. B. die Umstände i. S. d. §§ 39, 65 und 67 GmbHG zur Eintragung in das Handelsregister anmelden. Daneben bestehen verschiedene Einreichungspflichten. So muss der Geschäftsführer als gesetzlicher Vertreter einer Kapitalgesellschaft bei dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers den Jahresabschluss und mit diesem zusammen den Lagebericht des Aufsichtsrates und den Ergebnisverwendungsvorschlag und -beschluss elektronisch einreichen (§ 325 Abs. 1 S. 1 und 3 HGB). Schließlich liegt es beim Geschäftsführer, zahlreiche öffentlich-rechtliche Pflichten der Gesellschaft zu erfüllen. Neben umwelt-, gewerbe-, wettbewerbs- und datenschutzrechtlichen Pflichten muss er nach § 34 Abs. 1 AO die steuerrechtlichen Pflichten der GmbH erfüllen. Hierfür sind u. a. Bücher und Aufzeichnungen zu führen, §§ 140–148 AO, die Steuererklärung abzugeben und zu berichtigen, §§ 149–153 AO, und die Steuer aus dem verwalteten Vermögen zu entrichten, § 34 Abs. 1 S. 2 AO. Satzungsregelungen oder Weisungen der Gesellschafter, die 371
Vgl. Heyll, Die Anwendung von Arbeitsrecht auf Organmitglieder, S. 255 f.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
dem Geschäftsführer diejenigen Kompetenzen aberkennen, auf die er zur Wahrnehmung dieser gesetzlichen Pflichten angewiesen ist, sind unzulässig.372 Mit diesen organschaftlichen Pflichten des Geschäftsführers korrespondieren organschaftliche Rechte. So sind Geschäftsführer nach allgemeiner Ansicht zur Rechnungslegung nicht nur verpflichtet, sondern zugleich auch berechtigt. Ihnen steht ein umfassendes Informationsrecht zu, da sie ihre Pflichten nur erfüllen können, wenn sie über die Angelegenheiten der Gesellschaft in Kenntnis sind. Dieses Informationsrecht erstreckt sich auch auf die wesentlichen Vorgänge der Ressorts, für die andere Geschäftsführer entsprechend der Geschäftsordnung alleinverantwortlich zuständig sind, da der Geschäftsführer ohne hinreichende Information seiner Pflicht zur Überwachung der Mitgeschäftsführer nicht nachkommen könnte.373 (b) Bedürfnis besonderen Kenntnisschutzes und erhöhte Schädigungsgefahr der GmbH Infolgedessen ist die Gesamtinteressenlage zwischen GmbH und Geschäftsführer nicht mit der zwischen Arbeitgeber und leitendem Angestellten bestehenden zu vergleichen.374 Aufgrund der umfassenden Vertretungs- und Geschäftsführungsfunktion, den gesetzlichen Rechnungslegungs-, Auskunfts-, Handelsregister und sonstigen öffentlich-rechtlichen Pflichten sowie den mit diesen Pflichten korrespondierenden organschaftlichen Rechten hat der Geschäftsführer Zugang zu den Informationen über alle gesamtunternehmerischen Vorgänge. Von sämtlichen Interna, wie Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, Mandanten- oder Kundennamen, erlangt er also spätestens bei den Maßnahmen zur Erfüllung seiner gesetzlichen Pflichten, wie Rechnungslegung oder Steuererklärung, Kenntnis. Sogar in Bereichen, für die er kraft Anordnung in der Geschäftsordnung nicht zuständig ist, darf er sich über die wesentlichen Angelegenheiten informieren. Leitenden Angestellten werden von ihren Arbeitgebern (bei einer GmbH durch den die GmbH vertretenden Geschäftsführer) in der Regel Tätigkeitsfelder zugewiesen. Um erfolgreich tätig werden zu können, werden sie üblicherweise über die wesentlichen Interna ihres Tätigkeitsfeldes informiert. Ist in ihren Arbeitsverträgen nichts Entsprechendes geregelt, haben sie aber keinen Anspruch, Einsicht in die für die Unternehmensführung wesentlichen Geschäftsunterlagen, wie z. B. die Gesamtbilanz, zu nehmen oder aber über die wesentlichen Angelegenheiten 372
Vgl. zu den organschaftlichen Pflichten der Geschäftsführer, S. 10 ff. Vgl. Teil 1 § 1 C. II. 2. 374 AA: Brachert, Organmitgliedschaft und Arbeitnehmerstatut, S. 218; Bellstedt, GmbHR 1976, 239, 239; Gissel, Arbeitnehmerschutz für den GmbH-GF, S. 138; Groß, Anstellungsverhältnis des GmbH-GF, S. 363. 373
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der weiteren Tätigkeitsfelder informiert zu werden. Handelt es sich bei ihrem Arbeitgeber um eine GmbH, liegt es an dieser bzw. ihrem Geschäftsführer, inwieweit sie mit Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen in Berührung kommen bzw. Tätigkeiten übernehmen, die für das Unternehmen von besonderer Bedeutung sind. Die leitenden Angestellten unterliegen der gesetzlich uneingeschränkten Weisungsbefugnis ihrer Arbeitgeber; ihnen stehen keine (gesetzlichen) Befugnisse zu, durch die sie Informationen hinsichtlich ihres Arbeitgeberunternehmens erlangen könnten. Hinsichtlich des Zuganges zu den für das Unternehmen bedeutsamen Informationen besteht also ein wesentlicher Unterscheid zwischen leitenden Angestellten und Organmitgliedern. Letzteren kann der Zugang zu den für die GmbH wesentlichen Betriebs- und Geschäftsinformationen nicht verwehrt werden, ohne ihnen die Erfüllung der wesentlichsten Organpflichten in Form von Vertretung der Gesellschaft und Führung ihrer Geschäfte sowie der zwingenden gesetzlichen Pflichten gegenüber dem Staat unmöglich zu machen. Der Unterscheid zeigt sich besonders bei leitenden Angestellten einer GmbH. Dem Geschäftsführer kommt als gesetzlichem Vertreter der GmbH die Arbeitgeberfunktion zu. Sowohl Einstellung als auch Weisung leitender Angestellter obliegen daher ihm. Die Informationen und Kenntnisse der leitenden Angestellten laufen bei ihm zusammen, während der einzelne leitende Angestellte grundsätzlich nur von den Interna seines Zuständigkeitsbereiches, nicht aber der anderen Zuständigkeitsbereiche Kenntnis erlangt. Dieser weiterreichende Zugang des Geschäftsführers zu den für die GmbH wesentlichen Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und damit existenziellen Informationen begründet eine höhere Gefahr für die GmbH, durch nachvertraglichen Wettbewerb des Geschäftsführers Schaden zu erleiden, als beim Ausscheiden eines leitenden Angestellten für den Arbeitgeber besteht. Die GmbH hat daher auch ein stärkeres Interesse, sich umfassend gegen nachvertraglichen Wettbewerb ihres Geschäftsführers zu schützen als ein Arbeitgeber hinsichtlich seines leitenden Angestellten.375 (g) Organschaftlichkeit und Vorrangigkeit des Kenntnisschutzinteresses der GmbH Dieses besondere Interesse der GmbH an umfassendem Schutz vor nachvertraglichem Wettbewerb ist auch als organschaftlich zu qualifizieren und unterfällt damit dem im weiten Sinne zu verstehenden Grundsatz der Vorrangigkeit des Organverhältnisses vor dem Anstellungsverhältnis. Erst durch die Bestellung eines Geschäftsführers erlangt die GmbH ihre Handlungsfähigkeit. Um die Hand375 Vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken, HGB, § 74 Rn. 8; Campos Nave NJW 2003, 3322, 3323; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 254 (bzgl. § 74 Abs. 2 HGB analog).
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lungsfähigkeit der GmbH zu gewährleisten, erwächst dem Geschäftsführer nach der gesetzlichen Konzeption eine weitreichende Rechtsstellung zu. Ihm sind u. a. die o. g. organschaftlichen Pflichten auferlegt, mit denen nach allgemeiner Ansicht organschaftliche Rechte korrespondieren. Dieser gesetzlichen Konzeption liefe es zuwider, kein weitreichendes Schutzbedürfnis der GmbH hinsichtlich existenzieller Unternehmensinformationen anzuerkennen. Ist dem Geschäftsführer – um ihm die Ausübung seines Amtes zu eröffnen und damit die jederzeitige Handlungsfähigkeit der Gesellschaft zu gewährleisten – qua Gesetz eine umfassende Rechtsstellung eingeräumt, und ist es ihm aufgrund dieser möglich, von allen wesentlichen Vorgängen Kenntnis zu erlangen und auf Verfahren Einfluss zu nehmen, muss der Gesellschaft zugleich eine weiterreichende Möglichkeit zugestanden werden, sich vor der Kenntnis und Verwertung ihrer existenziellen Interna durch die Konkurrenz zu schützen, als es bei Arbeitgebern von Personen mit geringerer und vor allem auch zu reglementierender Zugriffsmöglichkeit auf existenzielle Interna anerkannt wird. Die GmbH wäre ansonsten weniger geschützt als Arbeitgeber leitender Angestellter oder sonstiger Arbeitnehmer, da sie dem Geschäftsführer den Zugriff auf existenzielle Informationen des Unternehmens nicht vollständig verweigern oder verschließen kann. Der mit der Einräumung einer umfassenden und weitgehend unabdingbaren Rechtsstellung des Geschäftsführers verfolgte Zweck, die jederzeitige Handlungsfähigkeit und damit Existenz der GmbH zu gewährleisten, würde konterkariert. Aus diesen Gründen vermag auch der Einwand der Literatur nicht zu überzeugen, das Organverhältnis könne keine abweichende Beurteilung mehr erzwingen, da es bereits beendet sei und daher keine Rechtswirkungen mehr entfalte.376 Die Gesamtrechtstellung des Geschäftsführers wird vornehmlich und nach der gesetzlichen Wertung vorrangig durch die Organstellung geprägt. Es wäre daher widersinnig, aus dem Organverhältnis folgende Besonderheiten als irrelevant zurückzuweisen, weil das Organverhältnis bereits beendet ist und alleine der zwecks Durchführung des Organverhältnisses abgeschlossene Anstellungsvertrag in Rede steht. (d) Kein erhöhtes Schutzinteresse des Geschäftsführers Das erhöhte Schutzinteresse der GmbH wird nicht durch ein erweitertes Schutzinteresse des Geschäftsführers kompensiert, da ein solches zum einen bereits nicht anzuerkennen ist und zum anderen wegen der Vorrangigkeit der Interessen der GmbH im Hinblick auf die Wahrung ihrer Handlungsfähigkeit nicht durchgreifen könnte. Teilweise nimmt die Literatur eine besondere Schutzbedürftigkeit des Geschäftsführers an, da es im Wesentlichen er gewesen sei, der die Kunden- und 376 Vgl. Bellstedt, GmbHR 1976, 236, 239; Wertheimer, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Arbeitsverhältnissen, S. 139.
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Geschäftsbeziehungen gepflegt habe, die der GmbH nunmehr zugutekämen.377 Eine besondere – verglichen mit leitenden Angestellten erhöhte – Schutzbedürftigkeit der Geschäftsführer ist aber nicht anzunehmen.378 Zunächst ist zu betonen, dass es auf die Situation einzelner Geschäftsführer nicht ankommt, sondern von der Grundkonzeption des Geschäftsführers nach dem GmbHG auszugehen ist. Hiernach ist eine besondere Schutzbedürftigkeit des Geschäftsführers aber nicht gegeben. Das GmbHG enthält keine Vorgaben zur anstellungsvertraglichen Rechtsposition des Geschäftsführers; Mindestvorgaben zu seinem Schutz bestehen nicht. Auch in anderen Gesetzen sind keine umfassenden Schutzrechte normiert. Das GmbHG befasst sich mit der Stellung des Geschäftsführers als Organ der GmbH und enthält die für die Durchführung dieser Funktion notwendigen Regelungen. Hieraus geht hervor, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung der Normen zu Geschäftsführern im GmbHG davon ausging, dass Personen, die willig und fähig sind, diese Rechtsposition zu bekleiden, in der Lage sind, mit der GmbH die Bedingungen ihrer persönlichen Rechtsstellung auszuhandeln. Zudem spricht für ein geringeres Schutzbedürfnis von Geschäftsführern hinsichtlich nachvertraglicher Wettbewerbsabreden § 90a HGB. Nach dessen Abs. 1 S. 3 ist der Unternehmer verpflichtet, seinem mit einer nachvertraglichen Wettbewerbsabrede belasteten Handelsvertreter für die Dauer der Wettbewerbsbeschränkung eine angemessene Entschädigung zu zahlen. Für Handelsvertreter ist also eine, wenn auch verglichen mit den §§ 74 ff. HGB beschränktere, Schutznorm geschaffen worden. Aus dem Fehlen einer Regelung für Geschäftsführer wird somit erkennbar, dass der Gesetzgeber eine solche nicht für notwendig und damit den Geschäftsführer nicht für vergleichbar oder gar besonders schutzbedürftig erachtet hat. Selbst wenn aber ein besonderes Schutzbedürfnis des Geschäftsführers anzuerkennen sei, könnte dieses wegen des Vorranges des Organverhältnisses die für die analoge Geltung der §§ 74 ff. HGB notwendige vergleichbare Interessenlage nicht begründen. (e) Keine Gefahr der Veränderung der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzstruktur Ob die Anwendung der §§ 74 ff. HGB und damit auch der Karenzentschädigungspflicht des § 74 Abs. 2 HGB zu einer unzulässigen Veränderung der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzstruktur führte und auch daher abzulehnen ist, erscheint dagegen fraglich. Zwar ist nach § 38 Abs. 1 1. HS GmbHG die Bestel-
377 Vgl. Brachert, Organmitgliedschaft und Arbeitnehmerstatut, S. 218; Groß, Anstellungsverhältnis des GmbH-GF, S. 363. 378 Vgl. Baumbach/Hopt, HGB, § 74 Rn. 3; MünchKommHGB/von HoyningenHuene, § 74 Rn. 9; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 248.
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lung der Geschäftsführer zu jeder Zeit widerruflich, eine Regelung, durch welche dieses Widerrufsrecht eingeschränkt wird, unwirksam. Inwiefern diese Vorschrift durch die Heranziehung der §§ 74 ff. HGB tangiert wird, erscheint aber fragwürdig, da Geschäftsführer auch im Falle eines vereinbarten nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes gegen Zahlung einer Karenzentschädigung grundsätzlich jederzeit abberufen werden können. Auch die mit der Abberufung üblicherweise einhergehende Kündigung des Anstellungsvertrages wird durch die §§ 74 ff. HGB nicht eingeschränkt. § 38 GmbHG begründet daher keine Interessenlage, die von der bei einem Arbeitgeber und seinem leitenden Angestellten vorzufindenden wesentlich abweicht. Auch ein Arbeitgeber wird bei seiner Überlegung, ob er den leitenden Angestellten kündigt, berücksichtigen, dass er zum Ausgleich des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes eine Karenzentschädigung entrichten muss und hierdurch finanziell belastet wird. In der – wegen der Karenzentschädigungspflicht in wirtschaftlichen Aspekten liegenden – Einschränkung der Gesellschafter in ihrer Entscheidungsfindung hinsichtlich des Widerrufes der Bestellung, liegt mithin noch keine organverhältnisspezifische Besonderheit.379 Zudem führte diese Ansicht zu dem fragwürdigen Ergebnis, dass eine Karenzentschädigung grundsätzlich nicht wirksam zugunsten des Geschäftsführers vereinbart werden könnte. Vor dem Hintergrund dieser Aspekte überzeugt die Annahme nicht, die Anwendung der §§ 74 ff. HGB bei Wettbewerbsabreden zwischen GmbHs und Geschäftsführern stellte einen Eingriff in die gesellschaftsrechtliche Kompetenzstruktur dar.380 Ebenso wenig kann der Hinweis des BGH auf § 85 GmbHG überzeugen. Dieser begründet kein Wettbewerbsverbot für den Geschäftsführer und ist daher von vorneherein als Argument im Zusammenhang mit der Frage der Anwendung der §§ 74 ff. HGB auch bei Geschäftsführern ungeeignet.381 (z) Zwischenergebnis Im Ergebnis liegt also ein vorrangiges organschaftliches Interesse der GmbH in dem – gegenüber dem bei Arbeitgebern und leitenden Angestellten erhöhten – Bedürfnis, sich gegen die Verwertung existenzieller Betriebsinterna durch einen (ehemaligen) Geschäftsführer für die Konkurrenz zu schützen.382 Ein besonderes 379 Vgl. in diesem Sinne auch die Entscheidung des BGH, Urt. v. 10.5.2010 – II ZR 70/09, NZA 2010, 889, 890, mit welcher der BGH eine Vereinbarung im Anstellungsvertrag, die ordentliche Kündigung richte sich nach dem KSchG, nicht als wegen unzulässiger Einschränkung der Bestellungs- und Abberufungsfreiheit der Gesellschafterversammmlung, § 38 GmbHG, für unwirksamg erachtet hat. 380 AA: Heyll, Die Anwendung von Arbeitsrecht auf Organmitglieder, S. 255 f. 381 Vgl. Brachert, Organmitgliedschaft und Arbeitnehmerstatut, S. 218 f.; Groß, Anstellungsverhältnis des GmbH-GF, S. 363 f. 382 Vgl. ebenso Mirza Khanian, Inhaltskontrolle von Anstellungsverträgen am Beispiel des GmbH-GF-Vertrages, S. 214 f.
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Schutzbedürfnis des Geschäftsführers besteht dagegen nicht und führte auch nicht zu einem anderen Ergebnis. (bb) Unanwendbarkeit des Gesamtregelungssystems der §§ 74 ff. HGB Fraglich ist jedoch, ob diese vorrangigen organschaftlichen Interessen der GmbH bzw. die infolgedessen von der bei Arbeitnehmern/leitenden Angestellten und Arbeitgebern abweichende Gesamtinteressenlage zur Unanwendbarkeit der §§ 74 ff. HGB insgesamt und damit auch des § 74 Abs. 2 HGB führen oder aber bei im Übrigen vollständiger Geltung der §§ 74 ff. HGB lediglich ein umfassendes Verständnis des berechtigten Interesses der GmbH und/oder die restriktive Annahme unbilliger Beschränkung des Geschäftsführers i. S. v. § 74a HGB bedingen. Die Literatur lehnt es teilweise ab, dem erhöhten Konkurrenzschutzbedürfnis der GmbH durch die Nichtanwendung der §§ 74 ff. HGB Rechnung zu tragen. Allerdings kommt auch diese Ansicht nicht zur entsprechenden Anwendung der §§ 74 ff. HGB insgesamt, sondern beschränkt sie auf ein Drei-Säulen-Prinzip. Nach diesem sei ein Wettbewerbsverbot nur wirksam, wenn es einem berechtigten Interesse der Gesellschaft entspreche, das berufliche Fortkommen des Geschäftsführers nicht unbillig erschwere und ihm für die Zeit der Wettbewerbsenthaltung eine Karenzentschädigung i. S. v. § 74 Abs. 2 HGB zugesagt werde.383 Dieses Verständnis der Literatur ist abzulehnen. Der BGH hat in seiner Kernentscheidung vom 26.3.1984384 zwar nicht ausdrücklich erklärt, wegen des besonderen Kenntnisschutzinteresses und der größeren Schädigungsgefahr der GmbH nicht nur die Anwendung des in Rede stehenden § 74 Abs. 2 HGB, sondern der gesamten §§ 74 ff. HGB abzulehnen.385 Richtigerweise steht der Anwendung des strikten Gesamtregelungssystems der §§ 74 ff. HGB aber die Gesamtinteressenlage zwischen GmbH und Geschäftsführer entgegen. Hierfür spricht zunächst die gesetzliche Konzeption der Gesamtrechtsstellung des Geschäftsführers. Der Anstellungsvertrag unterliegt vollständiger Vertragsfreiheit; es bestehen keine gesetzlichen Mindestvorgaben. Der Gesetzgeber geht also davon aus, dass GmbH und Geschäftsführer interessengerechte Regelungen aushandeln können. Zudem passen die strengen – auf den Schutz der Handlungsgehilfen ausgerichteten – Voraussetzungen der §§ 74 ff. HGB wegen des erörterten Vorranges der Schutzinteressen der Gesellschaft nicht. Die vorrangigen organschaftlichen Schutzinteressen der Gesellschaft erfordern es, von den §§ 74 ff. HGB zu Gunsten der GmbH abweichende Regelungen in den Anstellungsvertrag aufnehmen zu können. Auch die Literatur, die schließlich auf ein Drei-Säulen-Modell zurückgreift, erkennt an, dass das strikte System der §§ 74 ff. HGB nicht sachgerecht ist und 383 Vgl. Wertheimer, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Arbeitsverhältnissen, S. 138 ff. 384 Vgl. BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366. 385 Vgl. Teil 1 § 4 B. I.
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durch ein die Bezugnahme auf die Ausprägung der organschaftlichen Interessen der GmbH, aber auch das Schutzbedürfnis des Geschäftsführers im Einzelfall zulassendes Prüfungsmodell zu ersetzen ist. Die vorrangige organschaftliche Interessen der GmbH ablehnenden Literaturvertreter, deren Argumentationen für die Anwendung der §§ 74 ff. HGB vom Willen zur Begründung der Karenzentschädigungspflicht geprägt sind, vermögen schließlich mit Blick auf § 90a HGB ebenso wenig zu überzeugen. Ist nämlich Handelsvertretern nur eine angemessene Entschädigung zu leisten, die sich nicht zwingend auf die Hälfte der zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Vergütung (§ 74 Abs. 2 HGB) belaufen muss, kann die analoge Anwendung des Gesamtregelungssystems der §§ 74 ff. HGB bei Geschäftsführern nicht mit einem Verweis auf die Regelung des § 74 Abs. 2 HGB begründet werden. Im Ergebnis ist aufgrund der Gesamtinteressenlage zwischen GmbH und Geschäftsführer daher ein weniger strenger bzw. freierer und damit im Einzelfall Abweichungen zulassender Maßstab vorzuziehen. d) Zwischenergebnis Die Interessenlage von GmbH und Geschäftsführer bei der Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes entspricht nicht der in den §§ 74 ff. HGB geregelten. Rechtsprechung und Literatur beurteilen uneinheitlich, ob und wenn unter welchen Voraussetzungen sich (Fremd-)Geschäftsführer in einer den Handlungsgehilfen vergleichbaren Interessenlage befinden. Während die Rechtsprechung die Anwendung der §§ 74 ff. HGB unter Verweis auf Besonderheiten der Rechtsstellung des Geschäftsführers bzw. des Organverhältnisses ablehnt, erachtet die Literatur sie wegen der vergleichbaren individuellen Schutzbedürftigkeit vornehmlich von Fremdgeschäftsführern für zulässig. Die Rechtsprechung hat sich zur Begründung der (nicht-)analogen Anwendung sonstiger Arbeitnehmerschutzvorschriften auf Geschäftsführer bisher unterschiedlicher Kriterien bedient. Zur Begründung der Anwendbarkeit ist in der Regel auf die vergleichbare wirtschaftliche Abhängigkeit, soziale Schutzbedürftigkeit oder Arbeitnehmerähnlichkeit abgestellt worden, während zur Ablehnung der analogen Geltung regelmäßig auf aus der Organfunktion folgende Besonderheiten verwiesen worden ist. In den meisten Entscheidungen findet sich der Grundsatz, nach dem Vorschriften des Rechtes der sozial abhängigen Arbeitnehmer nur dann auf den Geschäftsführer Anwendung finden können, soweit dies das Anstellungsverhältnis erfordere und die Organstellung nicht verbiete. Auch in der Literatur herrscht Uneinigkeit, welches Kriterium für die Heranziehung arbeitsrechtlicher Schutznormen bei Geschäftsführern entscheidend sein soll. Sowohl die soziale Schutzbedürftigkeit, die wirtschaftliche und im Sinne
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rechtlich verbindlicher Weisungen rechtliche Abhängigkeit, die arbeitnehmerähnliche Stellung als auch die Schutz-, Treue- und Fürsorgepflicht der Gesellschaft werden als sachgerechte Ansatzpunkte vorgeschlagen. Auch die Literatur schränkt aber ein, dass die Anwendung der Schutznormen ausscheide, wenn ansonsten Funktionsstörungen der Organstellung zu befürchten seien. Nach hiesiger Auffassung ist die entsprechende Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften nach einem auch in der Literatur vertretenen Zwei-stufigen Ansatz zu bestimmen. Auf der ersten Stufe ist zu prüfen, ob der Schutzzweck der betroffenen Norm ihre Anwendung auch bei Geschäftsführern gebietet. Maßgeblich hierfür können die unterschiedlichen, als alleinige Ansatzpunkte nicht geeignet erscheinenden Kriterien der anderen Literaturvertreter sein, da es sich bei diesen um Ausschnitte zur Bestimmung der Arbeitnehmereigenschaft und Kennzeichnung der Schutzbedürftigkeit von Arbeitnehmern handelt. Auf der zweiten Stufe ist entsprechend des auch von der Literatur im Übrigen aufgegriffenen Grundsatzes des BGH zu prüfen, ob die Anwendung der Schutznorm mit den Besonderheiten des Organverhältnisses zu vereinbaren ist. Dieses Prüfungsmodell trägt der besonderen Rechtsstellung des Geschäftsführers als Organ und zugleich Angestelltem der GmbH und dem hierbei geltenden Grundsatz des Vorranges des Organverhältnisses vor dem Anstellungsverhältnis Rechnung. Bei Zugrundelegung dieses Zwei-stufigen-Ansatzes scheidet die analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB aus. Sinn und Zweck sowie die den Normen zugrundeliegende Interessenlage scheinen die Anwendung der §§ 74 ff. HGB zwar grundsätzlich bei Fremdgeschäftsführern zu gebieten. Auch diese werden durch nachvertragliche Wettbewerbsverbote in der Verfügbarkeit über ihre Arbeitskraft nach der Beendigung des Anstellungsverhältnisses beschränkt und sind ebenso wie Arbeitnehmer auf die Vergütung zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes angewiesen. Insoweit sind sie ebenso wie Arbeitnehmer typischerweise in einer schwächeren Lage. Bei von der Gesellschaft aufgrund ihrer Gesellschaftsbeteiligung oder sonstiger Einflussmöglichkeiten auf die Geschicke der Gesellschaft als unabhängig zu qualifizierenden Geschäftsführern ist diese schwächere Lage dagegen grundsätzlich nicht anzunehmen. Zur Ausgrenzung jedenfalls nicht schutzbedürftiger Geschäftsführer scheinen insofern die Grundsätze zur Anwendbarkeit des BetrAVG auf Geschäftsführer als geeignet. Ob aber nach diesen Kriterien grundsätzlich schutzbedürftige Geschäftsführer tatsächlich dem Schutz der §§ 74 ff. HGB zu unterstellen sind oder aber weitere Voraussetzungen gegeben sein müssen, um die hinreichende Vergleichbarkeit der Interessenlagen der betroffenen Geschäftsführer mit Arbeitnehmern zu begründen, erscheint fraglich, muss im Ergebnis aber nicht entschieden werden. Der Heranziehung der §§ 74 ff. HGB steht nämlich auch bei Fremd- oder abhängigen Geschäftsführern jedenfalls das Organverhältnis entgegen. Dem Organverhältnis kommt nach hiesiger Auffassung gegenüber dem Anstellungsverhältnis insofern der Vorrang zu, als dass Vereinbarungen im Anstellungsvertrag unzu-
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
lässig sind, wenn sie mit Regelungen des GmbHG zur Organstellung kollidieren oder aber die Durchführbarkeit des Organverhältnisses und damit die Sicherung der Handlungsfähigkeit der Gesellschaft tangieren. Ob die Anwendung der §§ 74 ff. HGB bei diesem weiten Vorrangverständnis möglich ist, wird von Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt. Richtigerweise führt die besondere Rechtsstellung des Geschäftsführers zu einem größeren Schutzbedürfnis der GmbH hinsichtlich ihrer Unternehmensinterna als Arbeitgeber leitender Angestellter aufweisen können, so dass sich die Gesamtinteressenlage zugunsten der GmbH verschiebt. Der Geschäftsführer ist nämlich aufgrund seiner gesetzlich eingeräumten organschaftlichen Pflichten zugleich auch berechtigt, sich von den wesentlichen Unternehmensinterna Kenntnis zu verschaffen. Die GmbH ist weniger als der Arbeitgeber eines leitenden Angestellten in der Lage, sich durch Informationsfilterung oder Aufteilung der Zuständigkeiten dagegen zu schützen, dass der Geschäftsführer Kenntnis von allen existenziellen Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen erlangt. Diesem erweiterten Schutzbedürfnis der GmbH und der damit einhergehenden größeren Schädigungsgefahr kann nicht alleine durch eine entsprechend weite Auslegung des berechtigten geschäftlichen Interesses i.Sv. § 74a HGB unter im Übrigen unveränderter Übernahme der Regelungen der §§ 74 ff. HGB entsprochen werden. Die uneingeschränkte Anwendung des Gesamtregelungssystemes der §§ 74 ff. HGB verkennte, dass der Gesetzgeber zum einen die Vertragsfreiheit hinsichtlich des Anstellungsvertrages betont, indem er von Regelungen in Form von Mindestschutzvorschriften absieht und zum anderen mit der Regelung des § 90a HGB deutlich gemacht hat, nicht für alle Personengruppen eine Karenzentschädigung im Umfang des § 74 Abs. 2 HGB für notwendig zu erachten. Die zwingende Verpflichtung der GmbH zur Zahlung einer Karenzentschädigung und dann sogar in der Höhe des § 74 Abs. 2 HGB entspricht nicht der zwischen GmbHs und ihren Geschäftsführern vorzufindenden Gesamtinteressenlage, so dass auch aus diesem Grund die entsprechende Anwendung der §§ 74 ff. HGB mangels vergleichbarer Interessenlage abzulehnen ist. 5. Ergebnis zur analogen Anwendung der §§ 74 ff. HGB
Die §§ 74 ff. HGB finden auf Geschäftsführer keine entsprechende Anwendung. Es fehlt sowohl an einer Gesetzeslücke als auch einer vergleichbaren Interessenlage.
D. Verstoß gegen § 90a HGB analog? Ebenso wie die analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB scheidet auch die entsprechende Anwendung der für nachvertragliche Wettbewerbsabreden mit Handelsvertretern geschaffenen Regelung des § 90a HGB aus. Nach dem zuvor Ausgeführten fehlt es auch hier wegen der Generalklausel des § 138 BGB und der bewussten gesetzgeberischen Entscheidung für diese Norm als Prüfungsgrund-
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lage bereits an der für eine Analogie notwendigen Regelungslücke. Auf die Frage der vergleichbaren Interessenlage kommt es daher nicht mehr an; auf eine Erörterung wird vorliegend, in Anbetracht der Tatsache, dass die Literatur die entsprechende Anwendung der §§ 74 ff. HGB nicht aber des § 90a HGB vertritt, verzichtet.
E. Verstoß gegen § 138 Abs. 1 BGB i.V. m. Art. 12 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG und §§ 74 ff. HGB als allgemeine Rechtsgrundsätze Der BGH zieht zur Überprüfung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote für Geschäftsführer die Sittenwidrigkeitsgeneralklausel des § 138 Abs. 1 BGB heran und postuliert wegen der Grundrechtsrelevanz, Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG, strenge Anforderungen. Die §§ 74 ff. HGB sollen insoweit Anwendung finden, wie sie allgemeine Rechtsgedanken enthalten.386 Ob dieser Prüfungsmaßstab sachgerecht ist, es sich also zum einen bei § 138 Abs. 1 BGB um eine zulässige und geeignete Rechtsgrundlage für die Prüfung der Rechtmäßigkeit nachvertraglicher Wettbewerbsverbote für Geschäftsführer handelt und zum anderen die durch die Rechtsprechung vorgenommene Konkretisierung des § 138 Abs. 1 BGB anhand von Art. 12 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG und vor allem den allgemeinen Wertungen der §§ 74 ff. HGB zulässig ist, ist Gegenstand der folgenden Untersuchung. I. § 138 Abs. 1 BGB als Prüfungsmaßstab Zunächst ist zu klären, ob § 138 Abs. 1 BGB als Prüfungsmaßstab sachgerecht ist. Das wäre dann nicht der Fall, wenn die Norm als Generalklausel aus verfassungsrechtlichen Gründen keine hinreichende Rechtsgrundlage darstellte oder die notwendigen Bezüge zum Einzelfall nicht hergestellt werden könnten. 1. Generalklausel – verfassungsrechtlich hinreichende Rechtsgrundlage?
§ 138 Abs. 1 BGB ist eine Generalklausel zur Einschränkung der Privatautonomie.387 Der Gesetzgeber hat die Gerichte durch die Norm legitimiert, die seinerseits bewusst offen gelassenen Lücken im durch Sonderregelungen und sonstige Gesetzeswidrigkeitsblankette, wie etwa § 134 BGB und § 823 Abs. 2 BGB, gestalteten Rechtsschutz zu schließen.388 386
Vgl. Teil 1 B. Vgl. Palandt/Ellenberger, § 138 Rn. 1; Erman/Palm/Arnold, BGB, § 138 Rn. 1; Staudinger/Sack, BGB, § 138 Rn. 24. 388 Vgl. MünchKommBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 3; Staudinger/Sack, BGB, § 138 Rn. 24. 387
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
Aufgrund dieser Generalklauselqualität wäre § 138 Abs. 1 BGB dann keine zulässige Rechtsgrundlage, wenn wegen der Bedeutung der betroffenen Grundrechte und der Schwere ihrer Beeinträchtigung oder aus Gründen der Rechtssicherheit eine spezialgesetzliche Regelung verfassungsrechtlich geboten wäre. Nachvertragliche Wettbewerbsabreden verbieten Geschäftsführern, nach Beendigung ihrer Tätigkeit für eine GmbH unter Verwertung ihrer dort erlangten beruflichen Erfahrungen und Kenntnisse in Wettbewerb zu dieser zu treten und beschränken sie insoweit in ihrer Berufs- (Art. 12 Abs. 1) sowie der subsidiären allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG). Sie dienen der GmbH zum Schutz ihrer regelmäßig Art. 14 Abs. 1 GG unterfallenden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie vor Konkurrenztätigkeit des ehemaligen Geschäftsführers und den damit verbundenen wirtschaftlichen Risiken und Nachteilen als Aspekte der Berufs- (Art. 12 Abs. 1 GG) und Eigentums- (Art. 14 Abs. 1 GG), jedenfalls aber allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG). Insoweit stellt sich die Frage, ob die betroffenen Grundrechte der Berufs- und allgemeinen Handlungsfreiheit eine Gesetzesregelung hinsichtlich nachvertraglicher Wettbewerbsabreden mit Geschäftsführern gebieten. In seiner Entscheidung zu § 90a Abs. 2 a. F. HGB führte das BVerfG im Jahre 1990 aus: „Wo es an einem annähernden Kräftegleichgewicht der Beteiligten fehlt, ist mit den Mitteln des Vertragsrechts allein kein sachgerechter Ausgleich der Interessen zu gewährleisten. Wenn bei einer solchen Sachlage über grundrechtlich verbürgte Positionen verfügt wird, müssen staatlichen Regelungen ausgleichend eingreifen, um den Grundrechtsschutz zu sichern [. . .]. Gesetzliche Vorschriften, die sozialem und wirtschaftlichem Ungleichgewicht entgegenwirken, verwirklichen hier die objektiven Grundentscheidungen des Grundrechtsabschnitts und damit zugleich das grundgesetzliche Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG). Der Verfassung lässt sich nicht unmittelbar entnehmen, wann Ungleichgewichtslagen so schwer wiegen, dass die Vertragsfreiheit durch zwingendes Gesetzesrecht begrenzt oder ergänzt werden muss. Auch lassen sich die Merkmale, an denen etwa erforderliche Schutzvorschriften ansetzen können, nur typisierend erfassen. Dem Gesetzgeber steht dabei ein besonders weiter Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum zur Verfügung. Allerdings darf er offensichtlichen Fehlentwicklungen nicht tatenlos zusehen. [. . .] Selbst wenn der Gesetzgeber davon absieht, zwingendes Vertragsrecht für bestimmte Lebensbereiche oder für spezielle Vertragsformen zu schaffen, bedeutet das keineswegs, dass die Vertragspraxis dem freien Spiel der Kräfte unbegrenzt ausgesetzt wäre. Vielmehr greifen dann ergänzend solche zivilrechtlichen Generalklauseln ein, die als Übermaßverbote wirken, vor allem die §§ 138, 242, 315 BGB. Gerade bei der Konkretisierung und Anwendung dieser Generalklauseln sind die Grundrechte zu beachten. Der entsprechende Schutzauftrag der Verfassung richtet sich hier an den Richter, der den objektiven Grundentscheidungen der Grundrechte in Fällen gestörter Vertragsparität mit den Mitteln des Zivilrechts Geltung zu verschaffen hat und diese
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Aufgabe auch auf vielfältige Weise wahrnimmt (zu Wettbewerbsklauseln in Lebensbereichen, für die spezielle Schutzvorschriften fehlen, vgl. BGHZ 91, 1 = NJW 1984, S. 2366, 2367; NJW 1986, 2944).“ 389
Hiernach kommt es hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Gebotenheit einer spezialgesetzlichen Regelung darauf an, ob es bei GmbHs und ihren Geschäftsführern an einem annähernden Kräftegleichgewicht fehlt, so dass es schützender staatlicher Regelungen bedarf und die Nichtschaffung entsprechender Vorschriften durch den Gesetzgeber als Überschreitung seines Beurteilungsspielraumes zu bewerten ist. Unabhängig von der Prüfung des annähernden Kräftegleichgewichtes spricht gegen die verfassungsrechtliche Gebotenheit einer spezialgesetzlichen Regelung aber zum einen aus praktischer Sicht bereits, dass der Gesetzgeber der Rechtsprechung nicht nur die Prüfung nachvertraglicher Wettbewerbsabreden mit Geschäftsführern überlässt. Auch hinsichtlich Gesellschaftern, bei denen sich die Rechtsprechung ebenfalls der Generalklausel des § 138 Abs. 1 BGB bedient, hat er beispielsweise auf spezialgesetzliche Regelungen verzichtet. Der Gesetzgeber geht hiernach also davon aus, dass es sowohl zwischen GmbHs und Geschäftsführern als auch Gesellschaftern nicht an einem annähernden Kräftegleichgewicht fehlt. Die Überschreitung seines Beurteilungsspielraums ist vor diesem Hintergrund nicht anzunehmen. Zum anderen folgt bereits aus der zitierten Entscheidung, dass das BVerfG selbst nicht von einem Regelungsbedarf ausgeht. So führt es, nachdem es festgehalten hat, dass bei Fehlen zwingender gesetzlicher Regelungen die Grundrechte im Rahmen der dann greifenden Generalklauseln, insbesondere auch § 138 BGB, durch die Gerichte Beachtung finden, in Klammern mit dem Zusatz „zu Wettbewerbsklauseln in Lebensbereichen, für die spezielle Schutzvorschriften fehlen“ zum einen die Kernentscheidung des BGH zur Prüfung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote mit Geschäftsführern anhand des § 138 BGB aus dem Jahre 1984 und eine vergleichbare Entscheidung zu einem Wettbewerbsverbot bei Übernahme einer Rechtsanwaltspraxis an. Das BVerfG geht hiernach also davon aus, dass den Grundrechten bei Wettbewerbsklauseln mit Geschäftsführern durch die Generalklauseln hinreichend Rechnung getragen werden und die Privatautonomie auf diese Weise beschränkt werden kann; einer speziellen Schutzvorschrift bedarf es nach seiner Ansicht somit nicht. Infolgedessen kann davon ausgegangen werden, dass der Heranziehung der Generalklausel des § 138 Abs. 1 BGB keine verfassungsrechtlichen Bedenken entgegenstehen.
389
Vgl. BVerfG, Beschluss v. 7.2.1990 – 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe 2. Einzelfallbezug und Entwicklungsoffenheit
Nach § 138 Abs. 1 BGB sind Rechtsgeschäfte, die gegen die guten Sitten verstoßen, nichtig. Entscheidend ist, ob im jeweiligen Einzelfall der Wertmaßstab der guten Sitten gewahrt wird.390 Die Norm eröffnet die Berücksichtigung des Wandels der Wertvorstellungen.391 § 138 BGB enthält mithin eine Rechtsgrundlage zur einzelfallbezogenen und an die gesellschaftlichen Entwicklungen angepassten Überprüfung von Rechtsgeschäften und erscheint insofern als für die Rechtmäßigkeitsprüfung nachvertraglicher Wettbewerbsabreden mit Geschäftsführern sachgerecht. Die Norm eröffnet es, auf die Gesamtrechtsstellung des betroffenen Geschäftsführers Rücksicht zu nehmen und zwischen Geschäftsführern nach ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit von der GmbH, ihrer Beteiligung bzw. ihres Einflusses auf die GmbH etc. zu differenzieren. II. Prüfungsmodell des BGH Steht nun fest, dass § 138 zur Beurteilung nachvertraglicher Wettbewerbsabreden verfassungsrechtlich hinreichend und wegen seiner Offenheit für die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles auch geeignet ist, ist nunmehr der Frage nachzugehen, ob auch die zur Konkretisierung des § 138 Abs. 1 BGB durch den BGH herausgestellten Aspekte und damit im Ergebnis das Prüfungsmodell des BGH mit § 138 Abs. 1 BGB vereinbar sind. 1. Allgemeine Grundsätze zur Konkretisierung des § 138 Abs. 1 BGB
Die Gerichte haben durch eine umfassende Interessenabwägung zu ermitteln, ob ein Rechtsgeschäft als sittenwidrig zu missbilligen ist. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände sollen sie alle Interessen der Beteiligten berücksichtigen, die unmittelbar oder mittelbar, aktuell oder potenziell durch das Rechtsgeschäft berührt werden; ferner sind die rechtlichen und tatsächlichen Folgen der Entscheidung in die Interessenabwägung einzubeziehen.392 Für die Interessenabwägung sind insbesondere die gesetzlichen Wertungen prägend.393 Rechtsgeschäfte, die gegen die der Rechtsordnung immanenten rechtsethischen Werte und Prinzipien verstoßen, sind nichtig.394 Vorrangig zu be390
Vgl. Erman/Palm/Arnold, BGB, § 138 Rn. 1, 30. Vgl. MünchKommBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 3; Erman/Palm/Arnold, BGB, § 138 Rn. 34. 392 Vgl. MünchKommBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 20, 30; Staudinger/Sack, BGB, § 138 Rn. 37 ff. 393 Vgl. PWW/Ahrens, BGB, § 138 Rn. 16 ff.; MünchKommBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 12; Palandt/Ellenberger, § 138 Rn. 3 f.; Erman/Palm/Arnold, BGB, § 138 Rn. 33, 35; Staudinger/Sack, BGB, § 138 Rn. 39. 394 Vgl. MünchKommBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 12; Palandt/Ellenberger, § 138 Rn. 3; Erman/Palm/Anrold, BGB, § 138 Rn. 32. 391
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rücksichtigen sind die verfassungsrechtlichen Wertungen.395 Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG begründet die Verfassung eine objektive Wertordnung; insbesondere die Grundrechte wirken, im Wege der sog. mittelbaren Drittwirkung auch zwischen Privatrechtssubjekten.396 Daneben sind auch Grundsätze und Normen des Europarechtes zu berücksichtigen.397 Weiterhin sind allgemeine Grundsätze zu beachten, die auf verschiedenen Rechtsvorschriften beruhen bzw. sich aus tragenden Gedanken von Gesetzen und aus dem Gesamtzusammenhang der Rechtsordnung ergeben.398 2. Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Wertungen aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG
Der BGH betont, dass wegen der besonderen Grundrechtsrelevanz strenge Anforderungen an die Rechtmäßigkeit nachvertraglicher Wettbewerbsabreden zu stellen seien. Dies entspricht den allgemeinen Grundsätzen zur Konkretisierung des § 138 Abs. 1 BGB, nach welchen den betroffenen Grundrechten im Sinne einer objektiven Wertordnung bei der zur Feststellung der Sittenwidrigkeit notwendigen Abwägung der widerstreitenden Interessen399 Rechnung zu tragen ist, Auslegung und Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB also im Lichte der Grundrechte zu erfolgen hat. Wettbewerbsverbote, die in nicht zu rechtfertigender Weise Geschäftsführer in ihren Grundrechten auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und subsidiär allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) beschränken, sind folglich sittenwidrig und nichtig. 3. Berücksichtigung der Rechtsgrundsätze der §§ 74 ff. HGB?
Grundsätzlich ist es zulässig, im Rahmen der zur Feststellung der Sittenwidrigkeit vorzunehmenden Interessenabwägung auch die Wertungen einfacher Gesetze oder aus diesen folgende allgemeine Rechtsgrundsätze zu berücksichtigen.400 Nach der Rechtsprechung des BGH sind nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit Geschäftsführern anhand der Generalklausel des § 138 Abs. 1 BGB auf ihre 395 Vgl. PWW/Ahrens, BGB, § 138 Rn. 17; MünchKommBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 20; Palandt/Ellenberger, § 138 Rn. 4; Erman/Palm/Arnold, BGB, § 138 Rn. 33; Staudinger/Sack, BGB, § 138 Rn. 40. 396 Vgl. Teil 2 § 2; MünchKommBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 20. 397 Vgl. PWW/Ahrens, BGB, § 138 Rn. 18; MünchKommBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 16; Palandt/Ellenberger, § 138 Rn. 5; Erman/Palm/Arnold, BGB, § 138 Rn. 33; Staudinger/Sack, BGB, § 138 Rn. 44. 398 Vgl. PWW/Ahrens, BGB, § 138 Rn. 19; MünchKommBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 12; wegen Verständnis umfassender Lückenfüllungsfunktion noch weitergehend: Staudinger/Sack, BGB, § 138 Rn. 41. 399 Vgl. Erman/Palm/Arnold, BGB, § 138 Rn. 33; Staudinger/Sack, BGB, § 138 Rn. 40. 400 Vgl. Staudinger/Sack, BGB, § 138 Rn. 45 f.
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Zulässigkeit zu prüfen. Zur Konkretisierung des § 138 Abs. 1 BGB sei auf die „in den §§ 74 ff. HGB zum Ausdruck kommenden Rechtsgrundsätze“ zurückzugreifen.401 Als einen solchen hat der BGH in seiner Kernentscheidung im Jahre 1984 sodann wohl – jedenfalls in weiten Teilen – § 74a HGB erachtet. Er hat nämlich fast wörtlich dessen Voraussetzungen zitiert und ausgeführt: „Unter Heranziehung der in den §§ 74 ff. HGB zum Ausdruck kommenden Rechtsgrundsätze hat er (der Senat) Wettbewerbsverbote nur als zulässig erachtet, wenn sie dem Schutz eines berechtigten Interesses des Gesellschaftsunternehmens dienen und nach Ort, Zeit und Gegenstand die Berufsausübung und wirtschaftliche Betätigung des Geschäftsführers nicht unbillig erschweren.“ 402
Ob diese weitgehend wörtliche Übernahme der Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen des § 74a Abs. 1 HGB eine zulässige Konkretisierung des Sittenwidrigkeitsmaßstabes des § 138 Abs. 1 BGB darstellt, ist Gegenstand der folgenden Prüfung. a) Problem: Vereinbarkeit von Inhaltskontrolle entsprechend Voraussetzungen des § 74a Abs. 1 HGB mit Sittenwidrigkeitsmaßstab Es stellt sich die Frage, ob die durch die Heranziehung der Elemente des § 74a HGB nach Art und Umfang intensive Inhaltskontrolle dem anerkannten und üblicherweise praktizierten Sittenwidrigkeitsmaßstab des § 138 BGB entspricht bzw. mit diesem vereinbar ist. b) Rechts- und Meinungsstand aa) Rechtsprechung zu nachvertraglichen Wettbewerbsverboten Der BGH erachtet nachvertragliche Wettbewerbsverbote sowohl in Gesellschafts- als auch Dienst-, Kauf- und Pachtverträgen nur dann als mit § 138 Abs. 1 BGB vereinbar, wenn sie durch ein schutzwürdiges Interesse des Berechtigten gefordert werden und sich nach ihrem örtlichen, zeitlichen und gegenständlichen Umfang im Rahmen des Angemessenen halten.403 Sein Prüfungsansatz ist mithin identisch, unabhängig davon, ob das Wettbewerbsverbot mit einem Gesellschafter (in vielen Fällen Freiberufler)404, einem Unternehmenveräußerer405 oder einem 401
Vgl. BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366. Vgl. BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366. 403 Vgl. Palandt/Ellenberger, § 138 Rn. 104. 404 Vgl. BGH, Urt. v. 19.11.1973 – II ZR 52/72, WM 1974, 74; BGH, Urt. v. 13.3.1979 – KZR 23/77, NJW 1979, 1605; BGH, Urt. v. 28.4.1986 – II ZR 254/85, WM 1986, 1251; BGH, Urt. v. 14.7.1986 – II ZR 296/85, WM 1986, 1282; BGH, Urt. v. 29.10.1990 – II ZR 241/89, NJW 1991, 699; BGH, Urt. v. 19.10.1993 – KZR 3/92, GmbHR 1994, 44; BGH, Urt. v. 29.1.1996 – II ZR 286/94, NJW-RR 1996, 741; BGH, Urt. v. 14.7.1997 – II ZR 238/96, NJW 1997, 3089; BGH, Urt. v. 8.5.2000 – II ZR 308/ 98, NJW 2000, 2584; BGH, Urt. v. 29.9.2003 – II ZR 59/02, NJW 2004, 66; BGH, Urt. v. 18.7.2005 – II ZR 159/03, NJW 2005, 3061. 402
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Geschäftsführer406 bzw. AG-Vorstandsmitglied getroffen wird. Die dogmatische Vereinbarkeit seines Prüfungsansatzes mit § 138 Abs. 1 BGB hat er – soweit erkennbar – noch nicht problematisiert. Auch das BAG hat, bevor es dazu übergegangen ist, die §§ 74 ff. HGB bei allen Arbeitnehmern analog anzuwenden, im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB geprüft, ob das Wettbewerbsverbot von berechtigten geschäftlichen Interessen des Arbeitgebers getragen war und die in dem Wettbewerbsverbot liegende Beschränkung den Arbeitnehmern nicht nach Zeit, Ort oder Gegenstand in seinem Fortkommen unbillig oder unangemessen beschränkt.407 Erörterungen zu § 138 Abs. 1 BGB finden sich auch hier nicht. bb) Meinungsstand in der Literatur In der Literatur finden sich aus dogmatischer Sicht nur vereinzelt Auseinandersetzungen mit der Vorgehensweise der Rechtsprechung, zur Konkretisierung des § 138 Abs. 1 BGB die Voraussetzungen des § 74a Abs. 1 HGB heranzuziehen. In den Kommentaren zum BGB, also zu § 138 BGB, wird sich darauf beschränkt, die geltende Rechtslage bei Wettbewerbsverboten wiederzugeben. Z. T. wird dabei die Problematik von Wettbewerbsverboten als Einzelfall bewertet408; andere ordnen sie einer ihrer gebildeten Fallgruppen zu409. So werden Wettbewerbsverbote zum einen als Fälle der Sittenwidrigkeit gegenüber dem Geschäftspartner qualifiziert und insoweit u. a. den Fallkonstellationen der Ausnutzung einer Vertrauensstellung, sittenwidriger Knebelungsverträge (erfasst auch langfristige Bezugsbindungen in Bierlieferungsverträgen) und der Mithaftung von Familienangehörigen und sonstigen Nahbereichspersonen für Kredite gleichgestellt.410 Zum anderen werden sie der Fallgruppe der Abwehr von Freiheitsbeschränkungen und hier der weiteren Unterkategorisierung der Wahrung der wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit zugeordnet, in welcher u. a. auch die Konstel405 Vgl. BGH, Urt. v. 9.11.1973 – I ZR 83/72, WM 1974, 253; BGH, Urt. v. 15.3. 1989 – VIII ZR 62/68, NJW-RR 1989, 800. 406 Vgl. BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366. 407 Vgl. BAG, Urt. v. 21.2.1957 – 2 AZR 301/56, AP Nr. 3 zu § 133f GewO; BAG, Urt. v. 4.10.1958 – 2 AZR 200/55, AP Nr. 7 zu Art. 12 GG; BAG, Urt. v. 11.2.1960 – 5 AZR 79/58, AP Nr. 20 zu Art. 12 GG; BAG, Urt. v. 22.11.1965 – 3 AZR 190/65, AP Nr. 1 zu § 611 BGB Abwerbung; BAG, Urt. v. 2.12.1966 – 3 AZR 235/66, AP Nr. 18 zu § 133f GewO; BAG, Urt. v. 18.2.1967 – 3 AZR 290/66, AP Nr. 19 zu § 133f GewO; BAG, Urt. v. 9.9.1968 – 3 AZR 188/67, AP Nr. 22 zu § 611 BGB. 408 Vgl. Palandt/Ellenberger, § 138 Rn. 104; Erman/Palm/Arnold, BGB, § 138 Rn. 196. 409 Vgl. MünchKommBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 79 ff.; Staudinger/Sack, BGB, § 138 Rn. 297 ff. 410 Vgl. Staudinger/Sack, BGB, § 138 BGB Rn. 227 ff.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
lationen der „Knebelung“, der Bierlieferungsverträge, der Automaten-Aufstellverträge zu finden sind.411 Kritik am grundsätzlichen Umgang der Rechtsprechung mit Wettbewerbsabreden, also der an § 74a Abs. 1 HGB angelehnten und insoweit dann auch intensiven Inhaltskontrolle, findet sich in den Kommentaren nicht. Auch werden keine Zusammenhänge zu den anderen Konstellationen der Fallgruppen gebildet, denen die Problematik der Wettbewerbsverbote zugeordnet wird. Insbesondere finden sich keine Vergleiche oder gar Übertragungen der gestellten Prüfungsmaßstäbe. Auch die Kommentare zum GmbHG bzw. HGB beschränken sich – wenn sie sich nicht mit der analogen Anwendung der §§ 74 ff. HGB, ggf. jedenfalls bei besonders schutzbedürftigen, Geschäftsführern auseinandersetzen – auf die Wiedergabe der Prüfung des BGH anhand des § 138 BGB und kritisieren, wenn überhaupt, einzelne Wertungen. Grundsätzliche Auseinandersetzungen mit dem Prüfungsansatz des BGH enthalten sie dagegen nicht.412 Ein Literaturvertreter hat sich umfassender und insoweit Aspekte anderer Literaturvertreter aufgreifend mit der Sachgerechtigkeit der Kontrolle nachvertraglicher Wettbewerbsverbote für Freiberufler anhand von § 138 Abs. 1 BGB auseinandergesetzt und sie im Ergebnis abgelehnt. Anknüpfend an die (oben auszugsweise wiedergegebene) Kategorisierung der BGB-Standardkommentare nimmt er zunächst an, der Fall nachvertraglicher Wettbewerbsverbote sei allenfalls in die Kategorien Machtmissbrauch, Abwehr von Freiheitsbeschränkungen oder Knebelungsverträge einzuordnen. Im Folgenden legt er dar, dass die für die Fälle dieser Kategorien aufgestellten Sittenwidrigkeitsanforderungen im Fall von Wettbewerbsverboten nicht gegeben seien. Die Fallgruppen der Sittenwidrigkeit wegen Ausnutzung einer monopolartigen Stellung bzw. des Machtmissbrauches oder aufgrund von gestörter Vertragsparität seien wenig ergiebig, da sich die Parteien grundsätzlich gleichberechtigt gegenüberständen und daher von einer strukturell ungleichen Verhandlungsstärke nicht gesprochen werden könne. Eine Zuordnung zur Fallgruppe der Knebelung sei abzulehnen. Die Rechtsprechung prüfe Wettbewerbsklauseln unabhängig des Vorliegens einer gestörten Vertragsparität auf ihre Angemessenheit. In Rechtsprechung und Schrifttum bestehe aber Einigkeit, dass die Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB wegen Knebelung über die bloße Unangemessenheit einer vertraglichen Regelung hinaus weitere Umstände erfordere, wie z. B. die Ausnutzung einer Macht- oder Monopolstellung oder eine verwerfliche Gesinnung der begünstigten Partei. Auch der von der Rechtsprechung aufgezeigte grundrechtliche Bezug sei nicht ausreichend, um die vorgenommene Inhaltskontrolle zu rechtfertigen. Vielmehr werde in anderen grundrechtsnahen Konstellationen (Bürgschaftsrechtsprechung, 411
Vgl. MünchKommBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 68 ff. Vgl. Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 87 ff.; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anh. zu § 6 Rn. 25; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 250. 412
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Bierlieferungsverträge) ein weitergehender Maßstab angelegt. Bei der Fallgruppe der Knebelung bzw. der übermäßigen Grundrechtsbeschränkung werde Sittenwidrigkeit erst bejaht, wenn die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit derart eingeschränkt sei, dass von dem Grundrecht der Wettbewerbsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) kaum noch etwas übrig bleibe. Die Erforderlichkeit zur staatlichen Inhaltskontrolle bzw. Korrektur privatrechtlicher Verträge aufgrund übermäßiger Belastung bzw. Freiheitsbeschränkung sei nach Auffassung des BVerfGs erst dann gegeben, wenn eine strukturell ungleiche Verhandlungsstärke der vertragsschließenden Parteien vorliege, damit die Vertragsparität gestört sei und hieraus eine ungewöhnlich starke Belastung des einen Vertragspartners resultiere. Zudem komme die seitens des BGH über die Heranziehung des strengen Maßstabes der §§ 74 ff. HGB aufgestellte Erforderlichkeits- und Angemessenheitsprüfung von Wettbewerbsverboten einer unmittelbaren Grundrechtswirkung im Zivilrecht nahe, die nach ganz herrschender Auffassung zugunsten der mittelbaren Drittwirkung abzulehnen sei. Die mittelbare Grundrechtsdrittwirkung gehe grundsätzlich von einer funktionierenden Vertragsordnung aus und versage nur im Ausnahmefall dem privatautonom erzielten Recht die Wirksamkeit. Maßgeblich sei hierbei das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung; auf ein berechtigtes Interesse des Geschützten komme es nicht an.413 Aufgegriffen werden mit diesen Ausführungen im Wesentlichen die Kritikpunkte eines anderen Literaturvertreters, der sich am Rande seiner Analyse der Wirkung von Grundrechten im Privatrecht mit dem Prüfungsansatz des BGH beschäftigt hat. Auch dieser führt aus, eine so strenge Erforderlichkeits- und Angemessenheitskontrolle sei von dem nur auf Extremfälle zugeschnittenen § 138 BGB nicht gedeckt und gehe auch über den sonst praktizierten Anwendungsbereich hinaus. Ebenso wird auf die Nähe des Prüfungsansatzes über § 74a HGB zur Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte hingewiesen. Anders als die vorherige Ansicht, die schließlich eine strengere Prüfung von Wettbewerbsverboten allein an § 1 GWB befürwortet, wird sodann aber eine Analogie zu § 74a HGB für sachgerecht erachtet. Dieser enthalte einen verallgemeinerungsfähigen Rechtsgedanken und sei wegen der besonderen Ranghöhe der Berufsfreiheit und ihrer Nähe zum Kernbereich der menschlichen Persönlichkeit angemessen.414 Kritisiert wird durch die Literatur ferner konkret das zwei-stufige an § 74a Abs. 1 HGB angelehnte Prüfungsmodell des BGH im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB. Anlässlich einer Entscheidung des BGH hinsichtlich eines Wettbewerbsverbotes in einem Unternehmensveräußerungsvertrag befand es ein Vertreter zwar für richtig, das Eingreifen von § 138 Abs. 1 BGB mit enthaltenem Knebe-
413 414
Vgl. Storf, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei den freien Berufen, S. 69 ff. Vgl. Canaris, AcP 184 (1984), 201, 241 f.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
lungsverbot von der übermäßigen Beschränkung des gebundenen Vertragspartners abhängig zu machen. Abzulehnen sei aber die vom BGH in den Mittelpunkt gestellte und insoweit auch entscheidungserhebliche Forderung nach einem schützenswerten Interesse des Bindenden. Sachlich liefe das letztlich darauf hinaus, dass sich die Beurteilung einer übermäßigen Beschränkung des Gebundenen nicht nach dessen eigener Lage, sondern nach derjenigen des Bindenden richte. Soweit bei diesem ein schützenswertes Interesse an der Bindung fehle, sei selbst eine zeitlich oder örtlich geringfügige Beschränkung der Berufstätigkeit sittenwidrig. Die außerhalb von Sonderregelungen wie dem GWB grundsätzlich bestehende Vertragsfreiheit wäre danach zumindest für den Bereich vertraglicher Wettbewerbsverbote entscheidend eingeschränkt; insoweit sei es künftig Sache nicht des Gebundenen, sondern des Bindenden, die zivilrechtliche Wirksamkeit der Abrede abweichend von § 138 Abs. 1 BGB unter Berufung auf eigene schützenswerte Interessen darzutun.415 Schließlich wird auf die Gefahr hingewiesen, die Rechtsprechung bewache nicht mehr nur die äußerste Grenze zur Sittenwidrigkeit, sondern suche in jedem Einzelfall unter Abwägung aller Umstände die vermeintlich sachgerechteste Lösung.416 c) Stellungnahme Im Folgenden ist also festzustellen, ob die Prüfung von Wettbewerbsverboten durch den BGH anhand von § 138 Abs. 1 BGB i.V. m. den Voraussetzungen des § 74a HGB in Form eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Begünstigten und des Fehlens einer unbilligen Beschränkung des Betroffenen in zeitlicher, gegenständlicher und örtlicher Hinsicht zulässig ist. aa) „Wettbewerbsverbote“ – Sonderfall im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB Das wäre dann nicht der Fall, wenn, wie vertreten, die Wettbewerbsproblematik einer der durch die Literatur zur Systematisierung der Rechtsprechung zu § 138 BGB gebildeten Fallgruppen – z. B. der Abwehr von Freiheitsbeschränkungen oder den sittenwidrigen Knebelungsverträgen – zuzuordnen wäre und dieser Zuordnung insofern Verbindlichkeit zukäme, als dass die – über die Forderung eines berechtigten Interesses des Begünstigten und der fehlenden Unbilligkeit für den Betroffenen hinausgehenden – Voraussetzungen dieser Fallgruppe auch bei Wettbewerbsverboten anzuwenden wären. Nach hiesiger Auffassung ist aus der möglichen Zuordnung zu von der Literatur geschaffenen Fallgruppen aber nicht bereits zu folgern, dass die ein Stück weit verallgemeinerten Prüfungsmaßstäbe der Rechtsprechung in den gebildeten 415 416
Vgl. Ulmer, NJW 1979, 1585, 1586. Vgl. Sina, DB 1985, 902, 903.
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Fallgruppen auch bei Wettbewerbsverboten heranzuziehen sind und die mangelnde Übereinstimmung des Prüfungsansatzes bei Wettbewerbsverboten mit den Prüfungsaspekten bei den derselben Fallgruppe zugeordneten Problemkonstellationen zur Unzulässigkeit des Prüfungsansatzes bei Wettbewerbsverboten führt. Hiergegen spricht bereits, dass die Fallgruppenbildung alleine durch die Literatur zwecks Systematisierung der ansonsten unübersichtlichen Einzelfall- bzw. Einzelfallkonstellationen-Rechtsprechung und auch nach unterschiedlichen Gesichtspunkten vorgenommen wird. Zudem erfolgt die Zuordnung der Wettbewerbsverbotsproblematik durch die Literatur nicht einheitlich. Einige Kommentare sehen von der Zuordnung der Wettbewerbsproblematik zu einer Fallgruppe sogar von vorneherein ab und behandeln sie als Sonder- bzw. Einzelproblem. Den Entscheidungen zu nachvertraglichen Wettbewerbsverboten mit Geschäftsführern sind schließlich ebenso wenig wie denen zu Wettbewerbsverboten in Unternehmensveräußerungs-, Gesellschafts- oder sonstigen Dienstverträgen Zuordnungen zu Sittenwidrigkeitskonstellationen zu entnehmen. Die Sachgerechtigkeit des Prüfungsmodells und damit auch Prüfungsmaßstabes des BGH bei Wettbewerbsverboten hängt mithin nicht bereits davon ab, ob der Prüfungsmaßstab mit den bei vermeintlich einschlägigen Fallgruppen gestellten Anforderungen übereinstimmt. Es kann also von der Erörterung, welcher Fallgruppe die Wettbewerbsproblematik zugeordnet werden könnte, abgesehen und allein geprüft werden, ob das für die Einzelfallkonstellation „Wettbewerbsverbote“ aufgestellte Prüfungsmodell mit dem Sittenwidrigkeitsmaßstab des § 138 Abs. 1 BGB vereinbar ist. bb) Prüfung anhand von § 138 Abs. 1 BGB i.V. m. Wertungen des § 74a Abs. 1 HGB sachgerecht? Die Prüfung von Wettbewerbsverboten anhand von § 138 BGB i.V. m. den Wertungen des § 74a Abs. 1 HGB darauf, ob sie von berechtigten Interessen des Begünstigten getragen sind (Erforderlichkeit) und in zeitlicher, örtlicher und gegenständlicher Hinsicht keine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Betroffenen darstellen (Angemessenheit), wäre aber dann unzulässig, wenn (1) ohne eine gesetzliche Regelung eine derart intensive – generelle – Inhaltskontrolle bei als Verträge zwischen Privatpersonen einzuordnenden Wettbewerbsverboten grundsätzlich unzulässig ist und/oder (2) jedenfalls § 138 BGB nicht die (dogmatische) Grundlage für eine solch intensive Inhaltskontrolle darstellt und/oder (3) die aus § 74a HGB folgenden Prüfungskriterien nicht dem Normverständnis des § 138 BGB entsprechen. (1) Inhaltskontrolle von Verträgen zwischen Privatpersonen Aufgrund der oben wiedergegebenen Ansicht drängt sich die Frage auf, ob die Gerichte dazu berechtigt sind, Wettbewerbsabreden generell anhand des § 138
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
BGB auf das Bestehen eines berechtigten Interesses des Begünstigten und das Fehlen einer unbilligen Beschränkung des Betroffenen zu untersuchen. So heißt es, die Erforderlichkeit zur staatlichen Inhaltskontrolle und/oder -korrektur privatrechtlicher Verträge aufgrund übermäßiger Belastung bzw. Freiheitsbeschränkung sei nach der Auffassung des BVerfGs erst dann gegeben, wenn eine strukturell ungleiche Verhandlungsstärke der vertragsschließenden Parteien vorliege und damit die Vertragsparität gestört und hieraus eine ungewöhnlich starke Belastung des einen Vertragspartners resultiere. Eine Unterlegenheit des einen oder anderen Vertragspartners sei bei den dargestellten (Wettbewerbsverbots-)Konstellationen aber allenfalls in Einzelfällen, nicht jedoch strukturell denkbar und deshalb hinzunehmen.417 Tatsächlich hat das BVerfG im Hinblick auf die im Zivilrechtsverkehr herrschende Privatautonomie als Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG gewisse Restriktionen für die Kontrolle von Verträgen zwischen Privatpersonen aufgestellt. So hat es in seiner sog. Bürgschaftsentscheidung ausgeführt: „Da alle Beteiligten des Zivilrechtsverkehrs – im Vertragsrecht alle Vertragspartner – ihre individuelle, den Schutz des Art. 2 Abs. 1 GG genießende Handlungsfreiheit wahrnehmen und sich gleichermaßen auf die grundrechtliche Gewährleistung ihrer Privatautonomie berufen können, darf nicht das Recht des Stärkeren gelten. Vielmehr sind die kollidierenden Grundrechtspositionen in ihrer Wechselwirkung zu sehen und so zu begrenzen, dass sie für alle Beteiligten möglichst wirksam werden. Hat im Vertragsrecht einer der Vertragsteile ein so starkes Übergewicht, dass er den Vertragsinhalt faktisch einseitig bestimmen kann, bewirkt dies für den anderen Vertragsteil Fremdbestimmung. Allerdings darf ein Vertrag nicht bei jeder Störung des Verhandlungsgleichgewichts nachträglich in Frage gestellt oder korrigiert werden. Handelt es sich jedoch um eine typisierbare Fallgestaltung, die eine strukturelle Unterlegenheit des einen Vertragsteils erkennen lässt, und sind die Folgen des Vertrags für den unterlegenen Vertragsteil ungewöhnlich belastend, so muss die Zivilrechtsordnung darauf reagieren und Korrekturen ermöglichen. Das folgt aus der grundrechtlichen Gewährleistung der Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 GG) und dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG). Für die Zivilgerichte folgt daraus die Pflicht, bei der Auslegung und Anwendung der Generalklauseln darauf zu achten, dass Verträge nicht als Mittel der Fremdbestimmung dienen. Ist der Inhalt eines Vertrags für eine Seite ungewöhnlich belastend und als Interessenausgleich offensichtlich unangemessen, haben die Gerichte zu klären, ob die vereinbarte Regelung eine Folge strukturell ungleicher Verhandlungsstärke ist, und ggf. im Rahmen der Generalklauseln des geltenden Zivilrechts – namentlich der §§ 138, 242 BGB – korrigierend einzugreifen. Wie sie dabei zu verfahren haben und zu welchem Ergebnis sie gelangen müssen, ist in erster Linie eine Frage des einfachen Rechts, dem die Verfassung einen weiten Spielraum lässt. Ein Verstoß gegen die grundrechtliche Gewährleistung der Privatautonomie kommt aber dann in Betracht, wenn das Problem gestörter Vertragsparität gar nicht gesehen oder seine Lösung mit untauglichen Mitteln versucht wird.“ 418 417
Vgl. Storf, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei den freien Berufen, S. 92.
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Entgegen der oben zitierten Ansicht stehen diese Ausführungen des BVerfG einer Überprüfung von Wettbewerbsverboten auf ihre Erforderlichkeit und Angemessenheit aber nicht von vorneherein entgegen. Zwar finden sich in den Entscheidungen des BGH keine Hinweise darauf, dass die entscheidenden Senate bei nicht mehr den gestellten Anforderungen genügenden Wettbewerbsverboten eine gestörte Vertragsparität annehmen und sich daher bei Wettbewerbsabreden, die möglicherweise den Betroffenen unangemessen beschränken und daher ungewöhnlich belasten, verpflichtet sehen, zu prüfen, ob die Reichweite des Wettbewerbsverbotes und damit die Belastung des Betroffenen Folge seiner strukturellen Unterlegenheit bei der Aufstellung der Vertragsabrede ist. Dies schadet aber nicht. Auch in anderen, der Problematik der Wettbewerbsverbote insoweit vergleichbaren, Fallkonstellationen, in denen es auch um die Beeinträchtigung der Berufsfreiheit geht, hat der BGH nicht stets dargestellt, dass eine seine Prüfung rechtfertigende gestörte Vertragsparität gegeben ist. So konzentriert er sich z. B. in den Entscheidungen zur Sittenwidrigkeit von Bierbezugsfällen auch „nur“ auf die Prüfung, welcher Zeitraum einer vertraglichen Bindung des Gastwirtes noch mit den guten Sitten vereinbar ist, was vor allem auch von dem wirtschaftlichen Wert der Leistungen abhinge, die die Brauerei dem Gastwirt im Zusammenhang mit dem Abschluss des Bierlieferungsvertrages gewähre.419 Zudem geht bereits das BVerfG selber davon aus, dass bei unangemessenen Wettbewerbsklauseln eine gestörte Vertragsparität gegeben ist. So hat es in seiner Handelsvertreterentscheidung ausgeführt, dass die verfassungsrechtlich verbürgte Vertragsfreiheit durch hinreichende Gesetze zur Vorbeugung von Ungleichgewichtslagen sowie durch eine entsprechende Rechtsprechung auf der Grundlage der zivilrechtlichen Generalklauseln, vor allem den §§ 138, 242 und 315 BGB, die als Übermaßverbote wirkten, zu schützen sei. Weiter heißt es sodann: „Der entsprechende Schutzauftrag der Verfassung richtet sich hier an den Richter, der den objektiven Grundentscheidungen der Grundrechte in Fällen gestörter Vertragsparität mit den Mitteln des Zivilrechts Geltung zu verschaffen hat und diese Aufgabe auch auf vielfältige Weise wahrnimmt (zu Wettbewerbsklauseln in Lebensbereichen, für die spezielle Schutzvorschriften fehlen, vgl. BGHZ 91, 1 = NJW 1984, 2366; NJW 1986, 2944).“ 420
Bei der ersten zitierten Entscheidung handelt es um die bereits vielfach genannte Kernentscheidung des BGH aus dem Jahre 1984, in welcher die entsprechende Anwendung der §§ 74 ff. HGB auf mit dem Geschäftsführer getroffene nachvertragliche Wettbewerbsabreden abgelehnt und stattdessen die Prüfung an418 Vgl. BVerfG, Beschluss v. 19.10.1993 – 1 BvR 567/89, NJW 1994, 36; BVerfG, Beschluss v. 2.5.1996 – a BvR 696/96, NJW 1996, 2021. 419 Vgl. BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459. 420 Vgl. BVerfG, Beschluss v. 7.2.1990 – 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
hand von § 138 Abs. 1 BGB unter Berücksichtigung der Rechtsgrundsätze der §§ 74 ff. HGB vorgenommen worden ist. Indem das BVerfG als Beleg dafür, dass die Gerichte ihrer Pflicht nachkommen, den objektiven Grundentscheidungen der Grundrechte in Fällen gestörter Vertragsparität mit den Mitteln des Zivilrechtes Geltung zu verschaffen, auf dieses Urteil des BGH verweist, macht es deutlich, dass im Fall nicht mehr angemessener Wettbewerbsklauseln ein Fall gestörter Vertragsparität gegeben ist. Aus der Zitierung dieses Urteiles, in welchem der BGH die Heranziehung der Grundsätze der §§ 74 ff. HGB zur Konkretisierung des § 138 Abs. 1 BGB und damit zur Fixierung von Zulässigkeitsgrenzen angenommen und im Folgenden entsprechend § 74a Abs. 1 HGB ein berechtigtes Interesse der GmbH und keine unbillige Beschränkung des Geschäftsführers in gegenständlicher, zeitlicher und örtlicher Hinsicht geprüft hat, könnte darüber hinaus sogar der Schluss gezogen werden, das BVerfG billige den Ansatz des BGH, von gestörter Vertragsparität auszugehen, wenn das Wettbewerbsverbot nicht berechtigten Interessen des Begünstigten entspricht oder den Betroffenen unbillig beschränkt. Ob dieser Urteilszitierung eine derart weitgehende Aussagekraft zuzusprechen ist, erscheint jedoch fraglich. Unabhängig davon ist aber mit dem BVerfG anzunehmen, dass im Falle eines weitgefassten Wettbewerbsverbotes und damit einer schwerwiegenden Einschränkung des Betroffenen eine gestörte Vertragsparität indiziert und dem Gericht daher die eingehende Prüfung eröffnet ist, ob unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles und Abwägung der widerstreitenden Interessen im Ergebnis tatsächlich von einer Störung der Vertragsparität zu Ungunsten des Betroffenen auszugehen ist.421 (2) Zulässigkeit intensiver Inhaltskontrolle bei § 138 BGB Die durch die Rechtsprechung nach § 138 BGB i.V. m. § 74a Abs. 1 HGB vorgenommene Prüfung wäre aber dann mit § 138 BGB unvereinbar, wenn die Sittenwidrigkeitsgeneralklausel nicht Grundlage einer intensiven Inhaltskontrolle sein könnte.
421 Vgl. i. E. ebenso: BGH, Urt. v. 29.10.1990 – II ZR 241/89, NJW 1991, 699, der Auffassung des Berufungsgerichtes zurückweist, dass Vertragspartner, die sich gleichberechtigt gegenüberstehen, ein möglichst weiter Raum für Wettbewerbsbeschränkungen zuzubilligen sei und die Grenze der Sittenwidrigkeit erst überschritten werde, wenn die Vereinbarung die Bewegungsfreiheit des Verpflichteten übermäßig beschränke, vor allem dessen wirtschaftliche Existenz vernichte. Zum Urteil im Weiteren auch unter (b).
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(a) Generelle Zulässigkeit intensiver Inhaltskontrolle wegen Lückenfüllungsfunktion des § 138 BGB? In der allgemein-zivilrechtlichen Literatur besteht Uneinigkeit hinsichtlich des Normzweckes und in Folge dessen des Umfanges der Lückenfüllung durch die Sittenwidrigkeitsgeneralklausel. Während ein Teil der Literatur, dem auch die zuvor wiedergegebenen Vertreter zugehören, den Zweck der Norm alleine darin sieht, eine Grundlage für schwerwiegende konkrete Einzel- bzw. Sonderfälle und daher nur einen auf Extremfälle beschränkten Minimalschutz zu schaffen422, enthält § 138 Abs. 1 BGB nach der Gegenansicht im Sinne einer umfassenden lückenfüllenden Funktion eine Regelung aller rechtlich zu missbilligenden Handlungen und Rechtsgeschäfte, für die es keine Spezialregelungen oder Gesetzeswidrigkeitsblankette gibt. Nach dieser Ansicht ist ein differenziertes Regelungssystem zwecks intensiver Inhaltskontrolle mit § 138 BGB vereinbar.423 Für diese umfassende lückenfüllende Funktion wird auf den Wortlaut und die systematische Stellung der Sittenwidrigkeitsklausel im Gesetz verwiesen. Gute Sitten seien rechtlich gewollte Sitten, so dass alle rechtlich zu missbilligenden Handlungen und Rechtsgeschäfte gegen das rechtlich Gewollte und daher begrifflich gegen die guten Sitten verstießen. Die systematische Stellung der Sittenwidrigkeitsgeneralklausel im Gesetz bestätige diese weite Interpretation des Wortlautes. Neben der Spezialregelung des § 138 Abs. 2 BGB finde sich das Gesetzeswidrigkeitsblankett des § 134 BGB und die Sittenwidrigkeitsklausel des § 138 Abs. 1 BGB. Spezialregelungen und Blankettvorschriften strebten also ein vollständiges System an. Neben der Sittenwidrigkeitsklausel existiere keine weitere Hilfsgeneralklausel, der Auffangfunktion zukomme. Ein restriktives Verständnis der Sittenwidrigkeitsklausel führe zu vom Gesetzgeber nicht gewollten Lücken.424 Die einen weiten Normzweck annehmende Literatur erscheint überzeugend und vor dem Hintergrund der für eine umfassende Lückenfüllungsfunktion der Generalklauseln vorgebrachten Argumente425 auch als konsequent. Wird davon ausgegangen, dass der Gesetzgeber mit den Generalklauseln bewusst Regelungen geschaffen hat, um den Gerichten zu ermöglichen bzw. sie anzuweisen, die durch die Sonderregelungen belassenen Lücken im Rechtssystem zu schließen, ist zugleich anzunehmen, dass den Gerichten der Zugriff auf die Generalklauseln nicht nur in Extremsituation erlaubt werden sollte.
422 Vgl. Canaris, AcP 184 (1984) 201, 236, 241, 244; Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1, 15, 31; Dauner-Lieb, AcP 201 (2001) 295, 325; Storf, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei den freien Berufen, S. 94. 423 Vgl. Damm, JZ 1986, 913, 91; Erman/Palm/Arnold, BGB, § 138 Rn. 1; Staudinger/Sack, BGB, § 138 BGB Rn. 26; ders., RdA 1975, 171, 176 f. 424 Vgl. Staudinger/Sack, BGB, § 138 BGB Rn. 26. 425 Vgl. Teil 2 C. II. 3. b) aa).
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
Im Ergebnis könnte aber dahingestellt bleiben, ob § 138 Abs. 1 BGB generell Grundlage einer intensiven Inhaltskontrolle von Rechtsgeschäften sein soll, wenn eine solche Inhaltskontrolle jedenfalls bei Wettbewerbsverboten geboten wäre. (b) Zulässigkeit intensiver Inhaltskontrolle bei Wettbewerbsverboten? (aa) Einheitlichkeit von gesetzlichen Regelungen und Rechtsprechung hinsichtlich Zulässigkeitskriterien Nachvertragliche Wettbewerbsverbote finden sich in Arbeits-, Dienst-, Gesellschafts-, Unternehmensveräußerungs- und Pachtverträgen. Sie sind Ausfluss des Interesses des Begünstigten, sich für die Zeit nach der Beendigung des Rechtsverhältnisses bzw. beim Unternehmensveräußerungsvertrag die Zeit nach Abwicklung des Kaufes gegen Schäden oder Verluste durch Wettbewerb des Betroffenen zu schützen. Ihre Vereinbarung wird von Rechtsprechung und Literatur seit jeher für zulässig erachtet. Schon frühzeitig sind die konkreten Absprachen aber durch die Rechtsprechung einer Prüfung anhand von § 138 Abs. 1 BGB unterzogen und Grenzen aufgestellt worden, um die Interessen der Betroffenen zu schützen. Besonders hinzuweisen ist hierbei auf eine Entscheidung des Reichsgerichtes aus dem Jahre 1893. Das Reichsgericht hat sich in seiner Entscheidung mit einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot für einen im Dienste einer Firma Reisenden auseinandergesetzt. Es führt zunächst an, dass bestimmte allgemeingültige Grenzen nicht beständen: „Der Grundsatz, daß die persönliche Freiheit und Erwerbsfähigkeit des Einzelnen nicht übermäßig beschränkt und nur ein begründetes Interesse geschützt werden darf, enthält nur das dehnbare Prinzip, nach welchem im Einzelfalle zu beurteilen ist, ob die Vereinbarungen der Parteien sich nach der konkreten Sachlage innerhalb gesetzlicher Grenzen gehalten haben. Eine absolute Grenze ergibt sich jedoch daraus, daß durch solche Verträge die Erwerbsfreiheit des einen nur beschränkt, nicht für immer im Ganzen oder in einzelnen Richtungen vernichtet werden darf; denn es folgt hieraus die Unzulässigkeit vertragsmäßiger Konkurrenzverbote ohne jede Einschränkung und Begrenzung nach Zeit und Ort.“ 426
Sodann prüft das Reichsgericht die getroffene Abrede und stellt fest, dass das zeitlebens und für den ganzen Erdball geltende Wettbewerbsverbot „weder durch das berechtigte Interesse der Klägerin motiviert, noch mit der unveräußerlichen Freiheit des Beklagten vereinbar“ sei. Im Folgenden zeigt das Reichsgericht auf, dass ein berechtigtes Interesse der Klägerin am Konkurrenzverbot nur für die Länder bestehe, in welchen tatsächlich Handel betrieben werde. Auch weist es darauf hin, dass die abstrakte Möglichkeit, einen anderen Erwerb zu finden, allenfalls bei engen Grenzen, insbesondere kurzer Zeitdauer des Wettbewerbsverbotes der Übermäßigkeit der Beschränkung entgegengehalten werden könnte. Denn dem Beklagten stehe ein „unentziehbares Recht darauf zu, seinen Lebens426
Vgl. RG, Urt. v. 19.5.1893 – Rep. III 48/93, RGZ 31, 97.
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beruf nach Art und Branche selbst zu bestimmen, und dass ihm kein Gewerbebetrieb überall und dauernd verschlossen werden durfte“.427 Diese Entscheidung ist besonders beachtlich. Aus ihr wird nicht nur erkennbar, dass bereits das Reichsgericht strenge Anforderungen an die Zulässigkeit nachvertraglicher Wettbewerbsabreden gestellt hat. Deutlich wird auch, dass bereits das Reichsgericht für die Zulässigkeit nachvertraglicher Wettbewerbsabreden verlangt hat, dass sie von einem anerkennenswerten Interesse des Begünstigten getragen sind und keine unbillige Beschränkung des Betroffenen darstellen.428 Die Forderung, dass die Vereinbarung durch ein „berechtigtes Interesse“ motiviert ist, sticht dabei insbesondere auch vor dem Hintergrund hervor, dass nach dem Entwurf eines Handelsgesetzbuches aus dem Jahre 1895 nachvertragliche Wettbewerbsverbote zwischen einem Prinzipal und einem Handlungsgehilfen „nur insoweit verbindlich sind, als die Beschränkung nach Zeit, Ort und Gegenstand nicht die Grenzen überschreitet, durch welche eine unbillige Beschränkung des Fortkommens des Handlungsgehilfen ausgeschlossen wird“ 429. Der Gesetzesentwurf forderte also anders als das Reichsgericht nicht ein berechtigtes Interesse des Begünstigten.430 Die Forderung nach einem berechtigten Interesse ist erst 1914 in § 73 bzw. dann § 74 HGB aufgenommen worden. In weiteren Entscheidungen hat das Reichsgericht seinen Prüfungsansatz sodann noch verdeutlicht.431 Im Jahre 1902 weist es darauf hin: „Jedes Konkurrenzverbot enthält eine Beschränkung der persönlichen Freiheit, speziell der Gewerbefreiheit, des durch dasselbe Verpflichteten. Eine solche Beschränkung ist aber als durchaus zulässig zu erachten, sofern sie einerseits einem berechtigten Interesse desjenigen entspricht, zu dessen Gunsten sie übernommen wurde, und andererseits derart – örtlich, zeitlich, gegenständlich – begrenzt ist, dass sie nicht zu einer unangemessenen Beschränkung der Bewegungsfreiheit, insbesondere zur wirtschaftlichen Vernichtung des Verpflichteten führt.“ 432 427
Vgl. RG, Urt. v. 19.5.1893 – Rep. III 48/93, RGZ 31, 97. Auf Inhalt, örtliche bzw. zeitliche Begrenzung abstellend: RG, Urt. v. 5.12.1879 – Rep. II 307/79, RGZ 1, 22; RG, Urt. v. 20.10.1880 – Rep. I 398/80, RGZ 2, 119. 429 Vgl. Entwurf eines Handelsgesetzbuches, Reichstagsprotokolle, 9. Legislaturperiode, 1895/97, 14 Anlage Nr. 632. 430 In der Denkschrift zum Entwurf eines HGB hieß es hierzu nur: „Dass bei der Beurteilung der Frage, ob eine Konkurrenzbeschränkung die Grenzen der Billigkeit überschreitet, auch die Verhältnisse und Bedürfnisse des vom Prinzipal betriebenen Geschäftes zu berücksichtigen sind, versteht sich von selbst und braucht nicht besonders im Gesetz ausgesprochen zu werden.“, Reichstagsprotokolle, 9. Legislaturperiode 1895/ 97, 14 Anhang zu Anlage Nr. 632. 431 Vgl. RG, Urt. v. 7.4.1908 – Rep. III 315/07, RGZ 68, 229 auf Beschränkung nach Zeit, Ort und Gegenstand abstellend; RG, Urt. v. 23.1.1926 – Rep. I 152/25, RGZ 112, 361 bzgl. Wettbewerbsverbot in Patentveräußerungsvertrag Feststellung, dass es auf sittlich einwandfreien und des Rechtsschutzes würdigen Beweggründen der Käufer beruht sowie nach ihrem Inhalt und nach ihrer Dauer nicht zu weitgehend oder erdrückend ist und daher keine mit den guten Sitten unvereinbare Knebelung darstellt. 432 Vgl. RG, Urt. v. 6.12.1902 – Ref. I 229/02, RGZ 53, 154. 428
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
Diese „Auffassung“ – also dieser Prüfungsansatz – führt das Gericht sodann weiter aus, entspreche auch dem Standpunkt des Reichsgesetzgebers, wie bei der Beratung des § 130 BGB des III. Entwurfes (jetzt § 134 BGB) in der Reichstagskommission zum Ausdruck gebracht worden sei. Der Vertreter der verbündeten Regierungen habe unter Zustimmung der überwiegenden Mehrheit der Kommission erklärt, auch die Konkurrenzklausel sei, wenn sie das berechtigte wirtschaftliche Interesse überschreite, nicht mit den guten Sitten in Einklang; wenn sie sich aber in den angemessenen Grenzen halte, könne sie keineswegs deshalb, weil sie die Gewerbefreiheit des Betreffenden nach gewisser Richtung hin beschränke, allgemein als verwerflich bezeichnet werden.433 Zu finden sind diese vom Reichsgericht zitierten Ausführungen im Rahmen der Diskussion, ob § 130 BGB (des Entwurfes) die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäftes nicht nur bei einem Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten, sondern auch bei einem Verstoß gegen die öffentliche Ordnung anordnen solle. Es heißt dort weiter, es solle verdeutlicht werden, dass es des Tatbestandes der öffentlichen Ordnung zur Behandlung von Konkurrenzverboten wegen des Sittenwidrigkeitsmaßstabes nicht bedürfe. Der BGH prüft im Rahmen des § 138 BGB teilweise die Billigkeit der Beschränkung des Betroffenen in gegenständlicher, zeitlicher und örtlicher Hinsicht. Eine Wettbewerbsklausel sei wegen Sittenverstoßes nichtig, wenn sich wegen der Art und des Umfanges sowie der zeitlichen und räumlichen Geltung der Abrede eine untragbare oder unbillige Beschränkung (des Betroffenen) ergäbe.434 Überwiegend stellt der BGH aber heraus, ein Konkurrenzverbot dürfe die Berufsausübung nicht übermäßig beschränken und damit nach Ort, Zeit und Gegenstand nicht über die schützenswerten Interessen des Begünstigten hinausgehen.435 Vereinzelt betont er deutlicher, dass es auch nach ihm im Sinne von zwei Kriterien maßgeblich auf die schutzwerten Interessen des Berechtigten sowie die Beschränkung des Verbotes nach Gegenstand, Zeit und Ort ankomme.436 Exempla-
433 Vgl. Bericht über den Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches, IX. Legislaturperiode, 1895/97, 11 Anlage Nr. 440, S. 1956. 434 Vgl. BGH, Urt. v. 7.1.1965 – II ZR 187/63, WM 1965, 310; BGH, Urt. v. 9.11. 1973 – I ZR 83/72, WM 1974, 253. 435 Vgl. BGH, Urt. v. 10.6.1964 – VIII ZR 262/63, NJW 1964, 2203; BGH, Urt. v. 19.11.1973 – II ZR 52/72, WM 1974, 74; BGH, Urt. v. 13.3.1979 – KZR 23/77, NJW 1979, 1605; BGH, Urt. v. 14.7.1986 – II ZR 296/85, WM 1986, 1282; BGH, Urt. v. 16.10.1989 – II ZR 2/89, NJW-RR 1990, 226; BGH, Urt. v. 26.1.1996 – II ZR 286/94, NJW-RR 1996, 741; ebenso: Becker, Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, S. 129. 436 Vgl. BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366 (unter Betonung der Heranziehung der Rechtsgrundsätze der §§ 74 ff. HGB und sodann Wiederholung von § 74a HGB); BGH, Urt. v. 13.2.1952 – II ZR 88/51, BGHZ 5, 126 (auf schutzwürdiges Interesse des Erwerbers eines Handelsgeschäftes und unzulässigen Eingriff in gewerbliche Betätigungsfreiheit des Veräußerers abstellend); BGH, Urt. v. 19.10.1993 –
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risch kann hierfür auf eine Entscheidung hinsichtlich eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes im Gesellschaftsvertrag einer tierärztlichen Praxis verwiesen werden, in welcher der BGH herausgestellt hat, Wettbewerbsbeschränkungen seien durch Art. 12 Abs. 1 GG nur zugelassen, wenn sie örtlich, zeitlich und gegenständlich das notwendige Maß nicht überschritten. Ihre Rechtfertigung finde die wettbewerbsbeschränkende Abrede allein in dem anerkennenswerten Bestreben des von ihr begünstigten Teiles, sich davor zu schützen, dass der andere Teil die Erfolge seiner Arbeit illoyal verwertet [. . .]; soweit dieses Interesse nicht betroffen sei, beschränkten derartige Abreden die Freiheit der Berufsausübung unangemessen und seien sittenwidrig437.438 Die im Ergebnis der Formulierung des § 74a HGB entsprechende Forderung, dass das Wettbewerbsverbot „zum Schutz eines berechtigten Interesses erforderlich ist und die Berufsausübung oder sonstige wirtschaftliche Betätigung zeitlich, örtlich und gegenständlich nicht unbillig erschwert“, findet sich dagegen in dieser Deutlichkeit nur in den Entscheidungen des BGH zu Geschäftsführern.439 Das BAG hat, bevor es zur analogen Anwendung der §§ 74 ff. HGB bei allen Arbeitnehmern übergegangen ist, Wettbewerbsverbote mit technischen Angestellten auf der Grundlage der §§ 133f GewO, 138 BGB und solche mit nicht kaufmännischen oder gewerblichen Angestellten auf der Grundlage nur des § 138 Abs. 1 BGB unter Heranziehung der Wertungen des § 74a Abs. 1 HGB für unverbindlich erachtet, wenn sie keinem berechtigten geschäftlichen Interesse des Arbeitgebers dienten440 oder den Arbeitnehmer nach Zeit, Ort oder Gegenstand unbillig oder unangemessen in seinem Fortkommen beschränkten.441 Es beständen keine Bedenken, den Willen des Gesetzgebers in § 74a Abs. 1 S. 1 HGB dahin zu verstehen, dass er damit generell eine bestimmte Fallgruppe einer unbilligen Fortkommensbeschwer beschrieben oder gekennzeichnet habe.442 § 74a Abs. 1 S. 1 HGB enthalte einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der auch für andere Wettbewerbsverbote außerhalb des Rechtes der kaufmännischen Angestellten gelte.443
KZR 3/92, GmbHR 1994, 34 die Maßgeblichkeit eines berechtigten Interesses des Begünstigten betonend. 437 Vgl. BGH, Urt. v. 14.7.1997 – II ZR 238/96, NJW 1997, 3089. 438 Überblick über Rechtsprechungsentwicklung bei: Bruckner, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote zwischen Rechtsanwälten, S. 63 ff. 439 Vgl. BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366; BGH, Urt. v. 4.3.2002 – II ZR 77/00, NJW 2002, 1875; BGH, Beschluss v. 7.7.2008 – II ZR 81/07, DB 2008, 2187. 440 Vgl. BAG, Urt. v. 2.12.1966 – 3 AZR 235/66, AP Nr. 18 zu § 133f GewO, BAG, Urt. v. 18.2.1967 – 3 AZR 290/66, AP Nr. 19 zu § 133f GewO. 441 Vgl. BAG, Urt. v. 9.9.1968 – 3 AZR 188/67, AP Nr. 22 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel. 442 Vgl. BAG, Urt. v. 2.12.1966 – 3 AZR 235/66, AP Nr. 18 zu § 133f GewO. 443 Vgl. BAG, Urt. v. 9.9.1968 – 3 AZR 188/67, AP Nr. 22 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
Auch § 74a Abs. 1 S. 2 HGB bringe zum Ausdruck, welche Wertmaßstäbe an das Gebot der guten Sitten bei Wettbewerbsklauseln anzulegen seien.444 Ebenso könne § 74a Abs. 1 S. 3 HGB der Wille des Gesetzgebers entnommen werden, näher zu beschreiben, wann in zeitlicher Beziehung eine unbillige Fortkommensbeschwer regelmäßig anzunehmen sei.445 In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung wird – der Rechtsprechung des BGH folgend – für die Wirksamkeit von Wettbewerbsverboten vor dem Hintergrund des § 138 Abs. 1 BGB grundsätzlich verlangt, dass sie örtlich, zeitlich und gegenständlich auf das notwendige Maß beschränkt bleiben, da sie nur zum Ziel haben dürfen, den einen Teil davor zu schützen, dass der andere Teil die Erfolge seiner Arbeit illoyal verwertet oder sich in sonstiger Weise zu seinen Lasten die Freiheit der Berufsausübung zunutze macht. Die vertragliche Beschränkung der Berufsausübung sei nur dann gerechtfertigt, wenn ein anerkennenswertes Bedürfnis/schutzwürdiges Interesse bestehe, einen Vertragspartner vor illoyaler Verwertung der Erfolge seiner Arbeit zu schützen.446 Hinsichtlich Wettbewerbsverboten mit Geschäftsführern wird unter Verweis auf die diesbezüglichen Entscheidungen des BGH betont, dass im Interesse der verfassungsrechtlichen Freiheiten aus Art. 2, Art. 12 GG enge Grenzen zu ziehen seien. Danach seien Wettbewerbsverbote nur dann zulässig, wenn sie einerseits dem Schutz eines berechtigten Interesses der Gesellschaft dienten und andererseits nach Ort, Zeit und Gegenstand die Berufsausübung und wirtschaftliche Betätigung des Geschäftsführers nicht unbillig erschwerten.447 Dieser Überblick über die Rechtsprechungen von Reichsgericht, BGH, BAG und OLGs macht deutlich, dass die Rechtsprechung einheitlich Wettbewerbsverbote nur bei Vorliegen von zwei Voraussetzungen zulässt, wenn sie nämlich erstens von „von einem anerkennenswerten Bestreben des von ihr begünstigten Teiles, sich gegen illoyale Verwertung seiner Arbeitserfolge zu schützen“/„von einem berechtigten Interesse“ getragen sind und zweitens „örtlich, zeitlich und gegenständlich das notwendige Maß nicht überschreiten“/„nach Ort, Zeit und
444 Vgl. BAG, Urt. v. 9.9.1968 – 3 AZR 188/67, AP Nr. 22 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel. 445 Vgl. BAG, Urt. v. 2.12.1966 – 3 AZR 235/66, AP Nr. 18 zu § 133f GewO, BAG, Urt. v. 18.2.1967 – 3 AZR 290/66, AP Nr. 19 zu § 133f GewO. 446 Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 15.2.1993 – 8 U 154/92, NJW-RR 1993, 1314, 1315; OLG Stuttgart, Urt. v. 20.11.1998 – 2 U 204/96, NZG 1999, 252; OLG Köln, Urt. v. 5.10.2000 – 12 U 62/00, NZG 2001, 165. 447 Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 11.1.1988 – 8 U 142/87, GmbHR 1988, 344; OLG Hamm, Urt. v. 9.11.1988 – 8 U 295/87, GmbHR 1989, 259; OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.5.1990 – 8 U 143/88, DB 1990, 1960; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.1.1993 – 16 U 73/ 92, NJW-RR 1994, 35; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.8. 1996 – 6 U 150/95, NJW-RR 1997, 164; OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.12.1998 – 6 U 151/98, NZG 1999, 405; OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.3.2000 – 17 U 133/99, NZG 2000, 737.
§ 3 Einfaches nationales Recht
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Gegenstand die Berufsausübung und wirtschaftliche Betätigung des Geschäftsführers nicht unbillig erschweren“.448 Während § 74a Abs. 1 HGB relativ abstrakt festlegt, dass ein Wettbewerbsverbot unverbindlich ist, wenn es nicht von einem berechtigten Interesse des Begünstigten getragen ist oder aber den Betroffenen in gegenständlicher, örtlicher oder zeitlicher Hinsicht unbillig beschränkt, erlaubt § 90a Abs. 1 HGB wesentlich konkreter Wettbewerbsverbote nur längstens für die Dauer von zwei Jahren, für den dem Handelsvertreter zugewiesenen Bezirk oder Kundenkreis und nur hinsichtlich der Gegenstände, hinsichtlich derer sich der Handelsvertreter um Abschluss oder Vermittlung von Geschäften bemüht hat. Zu § 1 GWB hat die Rechtsprechung, in Übereinstimmung mit der Nebenabredendoktrin des EuGH zu Art. 81 Abs. 1 EG (jetzt: Art. 101 AUEV), herausgearbeitet, dass Wettbewerbsverbote dann zulässig sind, wenn sie zur Durchführung des Hauptvertrages (Anstellungsvertrag) erforderlich und nach ihrem gegenständlichen, örtlichen und zeitlichen Umfang angemessen sind.449 Aus den gesetzlichen Regelungen der § 74a Abs. 1 HGB, § 90a Abs. 1 HGB, der Rechtsprechung zu § 1 GWB sowie der stetigen Rechtsprechung zu § 138 BGB von zunächst Reichsgericht, dann BGH und OLGs sowie auch des BAG wird also erkennbar, dass bei Wettbewerbsverboten – unabhängig vom zugrundeliegenden Vertrag – grundsätzlich einheitliche Zulässigkeitskriterien gelten.450 Diese Einheitlichkeit trotz unterschiedlicher Fallkonstellationen einerseits innerhalb von Gesetzgebung bzw. Rechtsprechung und andererseits in der Gesamtschau von Gesetzgebung und Rechtsprechung erlaubt die Prüfung, ob dieser einheitliche – intensive – Prüfungsansatz nicht wegen der „Besonderheiten“ von Wettbewerbsverboten generell gerechtfertigt bzw. gar geboten und daher auch im Rahmen von § 138 Abs. 1 BGB heranzuziehen ist. (bb) Einheitliche – intensive – Inhaltskontrolle wegen besonderer Grundrechtsrelevanz von Wettbewerbsverboten (a) Argumentationsansatz des BGH Die Rechtsprechung weist darauf hin, dass an die Zulässigkeit einer Vereinbarung, die den Geschäftsführer für die Zeit nach der Beendigung des Anstellungsverhältnisses in seiner gewerblichen Betätigung beschränkt, strenge Anforderun448 Vgl. exemplarisch: BGH, Urt. v. 14.7.1997 – II ZR 238/96, NJW 1997, 3089/ BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366. 449 Vgl. Teil 2 § 3 A. III. 3. c). 450 Vgl. zu den übereinstimmenden Voraussetzungen – insbesondere Schriftform, Volljährigkeit, berechtigtes Interesse in sachlicher, örtlicher und zeitlicher Hinsicht – für nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit Arbeitnehmern in verschiedenen europäischen Staaten: Brendel, Nachvertragliche grenzüberschreitende Wettbewerbsverbote, S. 159 ff.; Edenfeld, ZfA 2004, 463, 473–488, Ergebnis S. 495.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
gen zu stellen sind.451 Die in dem Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) zum Ausdruck kommende Wertentscheidung des Grundgesetzes für die Freiheit des Berufes müsse bei der Prüfung, ob Verträge gegen die guten Sitten verstoßen, durch die sich ein Vertragspartner verpflichtet, seinen Beruf auf Zeit oder sogar auf Dauer aufzugeben, hinreichend beachtet werden. Ein auf gesetzlicher Grundlage ergangenes und lebenslang wirkendes Berufsverbot greife tief in das Grundrecht der freien Berufswahl ein. Eine solche gesetzliche Einschränkung der Berufsfreiheit sei nur statthaft, wenn und solange sie zum Schutz überragender Gemeinschaftsgüter unerlässlich sei und der Betroffene jedenfalls die Chance erhalte, sich später wieder in seinem Beruf zu betätigen. Diese den Gesetzgeber und die Verwaltung bindende verfassungsrechtliche Grundentscheidung für die Freiheit des Berufes müsse auch im Privatrecht hinreichend beachtet werden. Zwar umfasse die in Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Handlungsfreiheit auch die Vertragsfreiheit, doch sei die Freiheit des rechtsgeschäftlichen Handelns durch die „verfassungsmäßige Ordnung“ begrenzt, so dass Einschränkungen des Freiheitsrechtes keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterlägen, soweit sie den Grundentscheidungen des Grundgesetzes entsprächen.452 Konkret führt der BGH in einer Entscheidung aus: „Das Berufungsgericht ist nur zu Unrecht der Meinung, dass Vertragspartnern, die sich gleichberechtigt gegenüberstehen, ein möglichst weiter Raum für Wettbewerbsbeschränkungen zuzubilligen sei; die Grenze zur Sittenwidrigkeit soll erst dann überschritten sein, wenn die Vereinbarung die Bewegungsfreiheit des Verpflichteten übermäßig beschränkt, vor allem dessen wirtschaftliche Existenz vernichtet. Das Berufungsgericht verkennt, dass die Wertordnung des Grundgesetzes bei der Auslegung einfach-rechtlicher Normen, insbesondere der Generalklauseln wesentliche Bedeutung zukommt und dass im vorliegenden Falle namentlich die im Art. 12 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommende Wertentscheidung des Grundgesetzes für die Freiheit des Berufes bei der Prüfung der Frage beachtet werden muss, ob Verträge sittenwidrig sind, durch die sich ein Vertragspartner verpflichtet, seinen Beruf nicht oder nur unter Beobachtung bestimmter Beschränkungen auszuüben. Diese auch im Privatrecht zu beachtende verfassungsmäßige Grundentscheidung für die Freiheit des Berufes begrenzt die nur in den Schranken des 2. Halbsatzes des Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Handlungsfreiheit und damit auch die von ihr umfasste Vertragsfreiheit, auf die das Berufungsgericht entscheidend abstellt. Nach der Rechtsprechung des Senats ist die vertragliche Beschränkung der Berufsausübung gerechtfertigt, wenn ein anerkennenswertes Bedürfnis besteht, den Vertragspartner vor illoyaler 451 Vgl. stRspr: BGH, Urt. v. 7.1.1965 – II ZR 187/63, WM 1965, 310; BGH, Urt. v. 18.7.2005 – II ZR 159/06, NJW 2005, 3061; OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.7.2008 – I-17 U 140/07; OLG Nürnberg, Urt. v. 25.11.2009 – 12 U 681/09, GmbHR 2010, 141. 452 Vgl. BGH, Urt. v. 28.4.1986 – II ZR 254/85, WM 1986, 1251 (sodann Argumentation mit der öffentlichen Bedeutung des Berufes des Rechtsanwaltes); BGH, Urt. v. 15.3.1989 – VIII ZR 62/88, NJW-RR 1989, 800 (unter Loslösung der Argumentation von der Bedeutung des Berufes des Wirtschaftsprüfers bzw. Rechtsanwaltes für das öffentliche Wohl); eingehend: OLG Nürnberg, Urt. v. 25.11.2009 – 12 U 681/09, GmbHR 2010, 141.
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Verwertung des Erfolges seiner Arbeit zu schützen. Über das sich hieraus ergebende schutzwerte Interesse des begünstigten Unternehmens darf das Wettbewerbsverbot nicht hinausgehen. In dem Maße, wie das gleichwohl der Fall ist, ist regelmäßig die Bewegungsfreiheit des Verpflichteten – weil in diesem Umfange nicht geboten – übermäßig eingeschränkt mit der Folge, dass das Wettbewerbsverbot aus diesem Grunde sittenwidrig und damit nichtig ist (vgl. BGHZ 91, 1, 6; Sen. Urt. v. 28.4.1986 – II ZR 254/85).“453
Hieraus wird deutlich, dass nach der Auffassung des BGH die Vertragsfreiheit der Parteien wegen der sie beschränkenden Berufsfreiheit von vorneherein nur im Rahmen des schützenswerten Interesses der begünstigten Vertragspartei besteht. Der BGH gebietet nach dieser Entscheidung wegen der Bedeutung der Berufsfreiheit mithin – jedenfalls – die Prüfung, ob das Wettbewerbsverbot von einem berechtigten Interesse des Begünstigten getragen ist und nimmt im Falle des Fehlens eines solchen Interesses die Nichtigkeit der Abrede an. Wegen der Betroffenheit des Art. 12 Abs. 1 GG ist die Vertragsfreiheit der Parteien bei der Vereinbarung eines Wettbewerbsverbotes also sehr beschränkt. Auch aus weiteren Entscheidungen wird deutlich, dass der BGH den – dem § 74a Abs. 1 HGB entsprechenden – Prüfungsmaßstab im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG für geboten erachtet.454 So betont er in einer Entscheidung, deren Ausführungen auch in Folgeentscheidungen wiederholt werden: „Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, das in § 16 Abs. 6 des Gesellschaftsvertrages niedergelegte Wettbewerbsverbot sei nach § 138 BGB sittenwidrig. Damit befindet es sich in Übereinstimmung mit der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Diese lässt mit Rücksicht auf die vor allem bei der Auslegung der zivilrechtlichen Generalklauseln zu beachtenden Wertentscheidungen der Verfassung, hier des Art. 12 Abs. 1 GG, Wettbewerbsbeschränkungen nur zu, wenn sie örtlich, zeitlich und gegenständlich das notwendige Maß nicht überschreiten. Ihre Rechtfertigung findet die wettbewerbsbeschränkende Abrede allein in dem anerkennenswerten Bestreben des von ihr begünstigten Teils, sich davor zu schützen, dass der andere Teil die Erfolge seiner Arbeit illoyal verwertet oder sich in sonstiger Weise zu seinen Lasten die Freiheit der Berufsausübung missbräuchlich zunutze macht; soweit dieses Interesse nicht betroffen ist, beschränken derartige Abreden die Freiheit der Berufsausübung unangemessen und sind sittenwidrig (vgl. [. . .]).“ 455
Nach der Rechtsprechung des BGH gebietet die verfassungsrechtliche Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG also strenge Anforderungen an die Zulässigkeit von Wettbewerbsverboten. Sie sind nur dann und insoweit zulässig, wie sie von
453
Vgl. BGH, Urt. v. 29.10.1990 – II ZR 241/89, NJW 1991, 699. Vgl. BGH, Urt. v. 14.7.1986 – II ZR 296/85, WM 1986, 1282; BGH, Urt. v. 15.3.1989 – VIII ZR 62/88, NJW-RR 1989, 800; BGH, Urt. v. 29.1.1996 – II ZR 286/ 94, NJW-RR 1996, 741. 455 Vgl. BGH, Urt. v. 14.7.1997 – II ZR 238/96, NJW 1997, 3089; BGH, Urt. v. 8.5.2000 – II ZR 308/98, NJW 2000, 2584; BGH, Urt. v. 29.9.2003 – II ZR 59/02, NJW 2004, 66; BGH Urt. v. 18.7.2005 – II ZR 159/03, NJW 2005, 3061. 454
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dem zulässigen Streben nach Schutz vor nachvertraglicher Konkurrenz getragen und nach ihrem örtlichen, zeitlichen und gegenständlichen Umfang angemessen sind. (b) Stellungnahme Dieser Argumentation der Rechtsprechung mit der besonderen Grundrechtsrelevanz der Wettbewerbsverbotsproblematik, konkret mit der Beeinträchtigung des Betroffenen in seiner durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit, wird in der Literatur entgegengehalten, in anderen Fällen mit grundrechtlichen Bezügen (konkret Bürgschaften und Bierlieferungsverträge) werde keine derartige Erforderlichkeits- und Angemessenheitskontrolle vorgenommen. Ferner entspräche das zugrunde gelegte Verständnis dem der Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte im Privatrechtsverkehr; entsprechend dem Verständnis der nur mittelbaren Drittwirkung sei dagegen im Ansatz grundsätzlich von der Wahrung der Vertragsfreiheit auszugehen.456 Diese Ansicht überzeugt nicht. Ihr ist bereits die mangelnde Vergleichbarkeit der Bürgschafts- bzw. Bierlieferungsfälle mit Wettbewerbsverbotsfällen entgegenzuhalten. Bei den Bürgschaftsfällen kollidieren bereits andere Grundrechte. In den Fällen überlanger Bierlieferungsverträge ist auf Seiten des Gastwirtes zwar ebenfalls Art. 12 Abs. 1 GG betroffen. Allerdings wird der Gastwirt durch den Bierbezugsvertrag in seiner Berufsfreiheit nicht vergleichbar mit einem von einem Wettbewerbsverbot Betroffenen beschränkt. Im Gegenzug zur Bierbezugsbindung wird ihm in der Regel ein günstiges Darlehen gewährt, das ihm die mit der Gastwirtschaft gewählte Berufsausübung eröffnet bzw. erleichtert. Seine Berufsfreiheit ist erst dann betroffen, wenn er über einen so langen Zeitraum an die Bierbrauerei gebunden ist, dass er trotz anfänglicher, erheblicher Vorteile bei Vertragsschluss auf die Dauer entscheidend in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit eingeengt wird, da er sich nicht dem wandelnden Publikumsgeschmack durch Wechsel im Getränkeangebot bzw. der Änderung in der Struktur seiner Kundschaft durch Umgestaltung des Charakters der Gaststätte anpassen kann.457 Der Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG, kommt nach der Rechtsprechung des BVerfG und – ihm folgend – der einhelligen Literatur eine sehr große Bedeutung zu: „Art. 12 Abs. 1 GG schützt die Freiheit des Bürgers in einem für die moderne arbeitsteilige Gesellschaft besonders wichtigen Bereich: er gewährleistet dem Einzelnen das Recht, jede Tätigkeit, für die er sich geeignet glaubt, als ,Beruf‘ zu ergreifen, d.h. zur Grundlage seiner Lebensführung zu machen.[. . .] Verbürgt ist dem Einzelnen 456 Vgl. Storf, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei den freien Berufen, S. 69 ff.; Teil 2, § 3 F. II. 3. b) bb). 457 Vgl. BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459.
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mehr als die Freiheit selbständiger Ausübung eines Gewerbes. Wohl zielt das Grundrecht auf den Schutz der – wirtschaftlich sinnvollen – Arbeit, aber es sieht sie als ,Beruf‘, d.h. in ihrer Beziehung zur Persönlichkeit des Menschen im ganzen, die sich erst darin voll ausformt und vollendet, dass der Einzelne sich einer Tätigkeit widmet, die für ihn Lebensaufgabe und Lebensgrundlage ist und durch die er zugleich seinen Beitrag zur gesellschaftlichen Gesamtleistung erbringt. Das Grundrecht gewinnt so Bedeutung für alle sozialen Schichten; die Arbeit als ,Beruf‘ hat für alle gleichen Wert und gleiche Würde.“ 458
Die Berufsfreiheit diene allgemein der freien Entfaltung der Persönlichkeit i. S. v. Art. 2 GG. Sie sei von größter praktischer Bedeutung für die gesamte Lebensgestaltung jedes Einzelnen.459 Die Literatur ergänzt, die Berufsfreiheit habe ihre tiefere Grundlage im Gebot der Wahrung der Menschenwürde nach Art. 1 GG und stehe in engem Zusammenhang mit der vom Sozialstaatsprinzip (Art. 20 GG) geforderten sozialen Gerechtigkeit.460 Es handelt sich nach ständiger Rechtsprechung um ein einheitliches Grundrecht der „Berufsfreiheit“. Berufswahl und Berufsausübung ließen sich nicht so streng trennen, dass jede von ihnen nur eine bestimmte zeitliche Phase des Berufslebens bezeichne, die sich mit der anderen nicht überschnitte; die Aufnahme der Berufstätigkeit stelle sowohl den Anfang der Berufsausübung als auch die Betätigung der Berufswahl dar; ebenso seien der in der laufenden Berufsausübung sich ausdrückende Wille zur Beibehaltung des Berufes und schließlich die freiwillige Beendigung der Berufsausübung im Grunde zugleich Akte der Berufswahl. Die beiden Begriffe erfassten den einheitlichen Komplex „berufliche Betätigung“ somit von verschiedenen Punkten aus.461 Infolgedessen wird der sich nach seinem Wortlaut nur auf die Berufsausübung beziehende Regelungsvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG auch auf die Berufswahl erstreckt. Hinsichtlich der Regelungsbefugnis des Gesetzgebers wird sodann aber zwischen Berufsausübung und Berufswahl differenziert und dem Gesetzgeber hinsichtlich Berufsausübungsregelungen eine weitergehende Regelungsbefugnis zugesprochen als bei Berufswahlregelungen. Der Gesetzgeber sei umso weiter beschränkt, desto mehr er in die Freiheit der Berufswahl eingreife. Diese Auslegung entspreche den Grundauffassungen der Verfassung und dem von ihr vorausgesetzten Menschenbild. Die Berufswahl sei ein Akt der Selbstbestimmung, sie müsse von Eingriffen der öffentlichen Gewalt möglichst unberührt bleiben. Durch die Berufsausübung greife der Einzelne dagegen unmittelbar in das soziale Leben ein. Hier könnten ihm im Interesse anderer und der Gesamtheit da458
Vgl. BVerfG, Urt. v. 11.6.1958 – 1 BvE 596/56, BVerfGE 7, 377, 397. Vgl. BVerfG, Urt. v. 11.6.1958 – 1 BvE 596/56, BVerfGE 7, 377, 397. 460 Vgl. von Münch/Kunig/Kämmerer, GG, Art. 12 Rn. 1 ff.; Schmidt-Bleibtreu/ Klein/Hofmann, GG, Art. 12 Rn. 9 (soziales Grundrecht). 461 Vgl. BVerfG, Urt. v. 11.6.1958 – 1 BvE 596/56, BVerfGE 7, 377, 401; von Münch/Kunig/Kämmerer, GG, Art. 12 Rn. 25 ff. 459
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her weitergehend Beschränkungen auferlegt werden. Nach der Gesamtauffassung des GG stelle die freie menschliche Persönlichkeit den obersten Wert dar, weswegen ihr auch bei der Berufswahl die größtmögliche Freiheit gewahrt bleiben müsse und sie nur soweit eingeschränkt werden dürfe, als es zum gemeinen Wohl unerlässlich ist.462 Auf dieser Grundlage hat die Rechtsprechung sodann die sog. Drei-StufenTheorie entwickelt. Die Freiheit der Berufsausübung könne beschränkt werden, soweit vernünftige Erwägungen des Gemeinwohles es zweckmäßig erscheinen ließen. Die Freiheit der Berufswahl dürfe dagegen nur eingeschränkt werden, soweit der Schutz besonders wichtiger („überragender“) Gemeinschaftsgüter es zwingend erfordere, d.h. soweit der Schutz von Gütern in Frage stehe, denen bei sorgfältiger Abwägung der Vorrang vor dem Freiheitsanspruch des Einzelnen eingeräumt werden müsse und soweit dieser Schutz nicht mit die Berufsfreiheit weniger beeinträchtigenden Maßnahmen gewährleistet werden könne. Bei der Schaffung reiner Berufsausübungsregelungen sei der Gesetzgeber also am freiesten. Er könne im weiten Maße Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte heranziehen. Der Grundrechtsschutz beschränke sich auf die Abwehr übermäßig belastender und nicht zumutbarer gesetzlicher Auflagen. Im Übrigen werde der Grundrechtsträger nicht zu empfindlich getroffen, da er bereits im Beruf stehe und die Befugnis ihn auszuüben nicht berührt werde. Regelungen, die die Aufnahme der Berufstätigkeit von subjektiven- oder gar objektiven Voraussetzungen abhängig machten, träfen den Grundrechtsträger dagegen wesentlich härter. Während subjektive Voraussetzungen aber noch zulässig seien, wenn sie zu dem angestrebten Zweck der ordnungsgemäßen Erfüllung der Berufstätigkeit nicht außer Verhältnis ständen, seien objektive Voraussetzungen, also solche, deren Erfüllung der Einzelne nicht beeinflussen könne, nur ausnahmsweise als zulässig zu erachten. An den Nachweis der Notwendigkeit einer solchen Freiheitsbeschränkung seien daher besonders strenge Anforderungen zu stellen; im Allgemeinen werde nur die Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlich schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut diesen Eingriff in die freie Berufswahl legitimieren können. Der Gesetzgeber müsse Regelungen jeweils auf der Stufe vornehmen, die den geringsten Eingriff in die Freiheit der Berufswahl mit sich bringe und dürfe die nächste Stufe erst betreten, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit die Gefahr mit einer Regelung auf der milderen Stufe nicht ausreichend gebannt sei.463
462 Vgl. BVerfG, Urt. v. 11.6.1958 – 1 BvE 596/56, BVerfGE 7, 377, 401; von Münch/Kunig/Kämmerer, GG, Art. 12 Rn. 59 ff.; Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann, GG, Art. 12 Rn. 48 ff.; Mangoldt/Klein/Starck/Manssen, GG I, Art. 12 Abs. 1 Rn. 125. 463 Vgl. BVerfG, Urt. v. 11.6.1958 – 1 BvE 596/56, BVerfGE 7, 377, 401; von Münch/Kunig/Kämmerer, GG, Art. 12 Rn. 60; Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann, GG, Art. 12 Rn. 50 ff.; Mangoldt/Klein/Starck/Manssen, GG I, Art. 12 Abs. 1 Rn. 139 ff.
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In Einzelfällen hat die Rechtsprechung ihre Stufenteilung aber verlassen und bei Ausübungsregelungen, die gravierende Auswirkungen auf die Freiheit der Berufswahl haben, vernünftige Erwägungen des Gemeinwohles nicht mehr ausreichen lassen, sondern die Rechtfertigungsanforderungen einer Berufswahlregelung herangezogen.464 Den Konkurrenzschutz der bereits im Beruf Tätigen, erachtet die Rechtsprechung als „Motiv, das nach allgemeiner Meinung niemals einen Eingriff in das Recht der freien Berufswahl rechtfertigen könnte“ 465. Subjektive Zulassungsvoraussetzungen oder Berufsausübungsregelungen können aber mit dem Ziel des Wettbewerbs- oder Konkurrenzschutzes gerechtfertigt werden.466 Die Grundrechte dienen nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG nicht nur als subjektive Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat, sondern schaffen zudem eine objektive Wertordnung.467 Auch Art. 12 GG stellt eine wertentscheidende Grundsatznorm dar, die vom Gesetzgeber, von der Verwaltung und auch von der Rechtsprechung zu beachten ist.468 In Privatrechtsverhältnissen hat die Rechtsprechung der als mittelbare Drittwirkung der Grundrechte anerkannten Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf das bürgerliche Recht insbesondere über die Generalklauseln Rechnung zu tragen.469 Kollidieren Grundrechte von mehreren Grundrechtsträgern miteinander (sog. Grundrechtskollision), sind sie nach dem BVerfG durch eine Güterabwägung im konkreten Fall (Abwägung aller Umstände des Einzelfalles) in Ausgleich zu bringen.470 Können beide Verfassungswerte nicht ausgeglichen werden, ist unter Beachtung der falltypischen Gestaltung und der besonderen Umstände des Einzelfalles zu entscheiden, welches Interesse zurückzutreten hat.471 Nach alledem lässt sich also festhalten, dass dem Grundrecht der Berufsfreiheit durch Rechtsprechung und Literatur besondere Bedeutung zuerkannt wird. Die Wahl und Ausübung eines Berufes eröffnet es dem Menschen, sich eine Le464 Vgl. BVerfG, Urt. v. 3.11.1982 – 1 BvL 4/78, BVerfGE 61, 291, 311; Mangoldt/ Klein/Starck/Manssen, GG I, Art. 12 Abs. 1 Rn. 143. 465 Vgl. BVerfG, Urt. v. 11.6.1958 – 1 BvE 596/56, BVerfGE 7, 377, 401; BVerfG, Beschluss v. 5.12.1995 – 1 BvR 2011/94, BVerfGE 93, 362 (Konkurrenzschutz kein Allgemeinwohlbelang). 466 Vgl. Mangoldt/Klein/Starck/Manssen, GG I, Art. 12 Abs. 1 Rn. 128. 467 Vgl. BVerfG, Urt. v. 15.1.1958 – 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198; Schmidt-Bleibtreu/Klein/Müller-Franken, GG, Vorb. Rn. 15; von Münch/Kunig, GG, Vorb. Art. 1–19 Rn. 17; Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1 Abs. 3 Rn. 303 ff.; siehe Teil 2, § 2. 468 Vgl. von Münch/Kunig/ Kämmerer, GG, Art. 12 Rn. 2. 469 Vgl. Schmidt-Bleibtreu/Klein/Müller-Franken, GG, Vorb. Rn. 16; von Münch/Kunig, GG, Vorb. Art. 1–19 Rn. 49 ff. 470 Vgl. BVerfG, Beschluss v. 24.2.1971 – 1 BvR 435/68, BVerfGE 30, 173, 195; BVerfG, Urt. v. 5.6.1973 – 1 BvR 536/72, BVerfGE 35, 202, 225. 471 Vgl. BVerfG, Urt. v. 5.6.1973 – 1 BvR 536/72, BVerfGE 35, 202, 225; vgl. von Münch/Kunig, GG, Vorb. Art. 1–19 Rn. 50.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
bensgrundlage zu schaffen und zu erhalten, was wesentlicher Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes ist; zugleich kommt der Ausübung eines Berufes auch Bedeutung für die Gesamtgesellschaft zu. Dieser besonderen Bedeutung der Berufsfreiheit trägt das BVerfG in ständiger Rechtsprechung durch seinen Prüfungsmaßstab Rechnung. Gesetzgeberische Eingriffe in die Berufsfreiheit sind nur unter strengen Voraussetzungen gerechtfertigt; der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist durch die sog. Drei-Stufen-Theorie modifiziert bzw. verschärft. Die Abstufung zwischen Berufsausübung und Berufswahl und innerhalb der Berufswahl sodann nochmals zwischen subjektiven- und objektiven Berufswahlvoraussetzungen entspricht der allgemeinen Wertung, dass Beeinträchtigungen der Berufswahl wesentlich schwerer wiegen als Beeinträchtigungen der Berufsausübung und objektive Berufswahlvoraussetzungen wiederum wesentlich einschneidender sind als subjektive Berufswahlvoraussetzungen. Diese Grundsätze der Eingriffsprüfung des BVerfG finden bei vertraglichen Vereinbarungen zwar keine direkte Anwendung. Allerdings enthält Art. 12 Abs. 1 GG als Bestandteil der objektiven Wertordnung der Grundrechte eine Wertentscheidung. Diese wirkt sich – entsprechend dem Verständnis der herrschenden Lehre von der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte – auch auf das Verhältnis von Privatrechtspersonen aus und ist daher von den Gerichten, insbesondere bei der Auslegung und Anwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen und Generalklauseln sowie bei der Abwägung von kollidierenden Interessen, zu beachten.472 Infolgedessen haben die Gerichte bei der Prüfung von Wettbewerbsverboten anhand von § 138 Abs. 1 BGB nicht nur der grundsätzlich bestehenden Privatautonomie bzw. Vertragsfreiheit der Parteien (in Ausfluss ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG), sondern insbesondere auch der Wertung des Art. 12 Abs. 1 GG Rechnung zu tragen.473 Diese Wertung würden sie bereits von vorneherein verkennen, wenn sie sich einer Prüfung der Wettbewerbsvereinbarung unter Verweis auf die bestehende Privatautonomie verschlössen. Ist es dem Gesetzgeber nur unter strengen Voraussetzungen erlaubt, gesetzliche Beschränkungen der Berufsfreiheit der Bürger vorzusehen, kann es nicht den Vertragsparteien uneingeschränkt möglich sein, die Berufsfreiheit beeinträchtigende Abreden zu treffen. Auch im Verhältnis zwischen Privatpersonen ist vielmehr von der allgemeinen Wertung auszugehen, nach der Eingriffe in die Berufsfreiheit nur bei Vorliegen strenger, je nach der Betroffenheit abgestufter Gründe gerechtfertigt sind. Der Ansatz der Rechtsprechung, an die Zulässigkeit nachvertraglicher Wettbewerbsverbote mit Geschäftsführern strenge Anforderungen zu stellen, erweist sich folglich in Anbetracht des besonderen, auch im Rahmen von Privatrechtsverhältnissen und bei der Beurteilung vertraglicher Abreden wirken472 Vgl. Brendel, Nachvertragliche grenzüberschreitende Wettbewerbsverbote, S. 118 f.; Mangoldt/Klein/Starck/Manssen, GG I, Art. 12 Rn. 26. 473 Vgl. Brendel, Nachvertragliche grenzüberschreitende Wettbewerbsverbote, S. 112; Bruckner, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote zwischen Rechtsanwälten, S. 62.
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den, Wertgehaltes des Grundrechtes der Berufsfreiheit als verfassungsrechtlich geboten.474 Aber auch die durch die Rechtsprechung herausgebildeten Kriterien des schützenswerten/berechtigten Interesses des Begünstigten und der Angemessenheit/ Billigkeit der Beschränkung des Betroffenen erscheinen als geeignet, die allgemeine Wertung der Berufsfreiheit bei der Prüfung der Wettbewerbsabrede anhand des § 138 Abs. 1 BGB einfließen zu lassen.475 Dies zeigt folgende Überlegung: Angenommen, der Gesetzgeber erlegte per Gesetz einem Geschäftsführer ein Wettbewerbsverbot auf, das ihm die Ausübung von Wettbewerb nach Beendigung seines Anstellungsverhältnisses für eine bestimmte Zeit, in einem bestimmten örtlichen Bereich und ggf. beschränkt auf bestimmte Tätigkeitsbereiche untersagte. Ein solches gesetzliches Wettbewerbsverbot stellte einen tiefgehenden Eingriff in die Berufsfreiheit des Geschäftsführers dar. Abhängig von der Weite des Verbotes in gegenständlicher, örtlicher und zeitlicher Hinsicht könnte dem Geschäftsführer die Fortsetzung seines Berufes, entsprechend seiner derzeitigen Ausübung, unmöglich werden. Das wäre insbesondere dann anzunehmen, wenn sich der Geschäftsführer einer völlig anderen Spezialbranche zuwenden müsste. Darauf, ob auch dort die Funktion eines Geschäftsführers übernommen werden könnte, käme es dagegen nicht an. In diesem Fall stellte das Wettbewerbsverbot eine Beschränkung der Berufswahl dar. Dadurch, dass es dem Geschäftsführer nicht möglich wäre, auf die Zeitdauer etc. Einfluss zu nehmen, wäre wohl eine Einordnung als objektive Berufswahlvoraussetzung vorzunehmen. Objektive Berufswahlvoraussetzungen sind aber nach der Rechtsprechung des BVerfG nur zulässig, um schwere Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut abzuwenden. Ein solches Gesetz würde daher wohl nur in sehr wenigen Ausnahmefällen mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar sein.476 Führte das Wettbewerbsverbot aufgrund seiner Weite dagegen „nur“ dazu, dass der Geschäftsführer künftig in der Ausübung seines beizubehaltenden Berufes beschränkt wäre, was z. B. dann anzunehmen wäre, wenn er nur mit bestimmten Kunden nicht mehr zusammenarbeiten dürfte und dies nicht wegen der Besonderheiten der Branche schon die Unmöglichkeit der Tätigkeitsfortsetzung bedeutete, wäre es als Berufsausübungsregelung bereits bei vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohles gerechtfertigt.
474 Vgl. i. E. ebenso: Becker, Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, S. 129; Brendel, Nachvertragliche grenzüberschreitende Wettbewerbsverbote, S. 118; Bruckner, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote zwischen Rechtsanwälten, S. 63. 475 Zur vor dem Hintergrund der Berufsfreiheit einheitlichen Forderung nach einem berechtigten Interesse und keiner unbilligen Beschränkung bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten mit Arbeitnehmern in zahlreichen anderen europäischen Staaten: Brendel, Nachvertragliche grenzüberschreitende Wettbewerbsverbote, S. 194. 476 Die Verfassungswidrigkeit wegen Verstoßes gegen Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG, Verbot eines Einzelfallgesetzes, bleibt außen vor.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
Wird dem Geschäftsführer ein solches nachvertragliches Wettbewerbsverbot nun nicht gesetzlich auferlegt, sondern ist es Gegenstand einer vertraglichen Vereinbarung, ist es sicherlich aufgrund der Privatautonomie und auch der nur mittelbaren Grundrechtswirkung nicht gerechtfertigt, diese Prüfungsaspekte vollständig zu übernehmen. Den Vertragsparteien muss vielmehr wegen der Vertragsfreiheit grundsätzlich zuerkannt werden, sich auf ein Wettbewerbsverbot zu einigen; insbesondere dürfen wegen der freiwilligen Wettbewerbszusage des Geschäftsführers nicht zwingend überragende Interessen der Gesellschaft verlangt werden. Dennoch darf die Wertung der Berufsfreiheit nicht missachtet werden. Daher ist es gerechtfertigt, zu prüfen, ob für eine solche Berufsfreiheitsbeeinträchtigung überhaupt ein schützenswertes Interesse besteht und der Geschäftsführer nicht unbillig bzw. unangemessen und daher sittenwidrig in seiner Berufsfreiheit beeinträchtigt wird. Werden gesetzliche objektive Berufswahlvoraussetzungen nur bei Vorliegen überragend wichtiger Gründe gerechtfertigt, erscheint es sachgerecht, auch bei vertraglichen Wettbewerbsverboten jedenfalls ein gewisses schützenswertes Interesse des Verbotsbegünstigten zu verlangen und hierbei danach abzustufen, ob dem Geschäftsführer seine weitere Berufsausübung durch Kundenschutzklauseln nur erschwert oder aber durch umfassende Tätigkeitsverbote unmöglich gemacht wird. Die Bedeutung der Berufsausübung für den vom Wettbewerbsverbot betroffenen Geschäftsführer als wesentlicher Bestandteil seiner persönlichen Lebensführung würde verkannt, wenn den Vertragsparteien auch dann uneingeschränkt das Recht zugestanden würde, ein Wettbewerbsverbot zu vereinbaren, wenn die Gesellschaft überhaupt kein schutzwürdiges Interesse aufweisen könnte. Hierfür spricht auch die Grundentscheidung des BVerfG zu Art. 12 Abs. 1 GG, nach der die Vermeidung von Konkurrenz keinen rechtfertigenden Gemeinwohlbelang darstellt. Auch wenn den Vertragsparteien also weitergehend als dem Gesetzgeber zuzugestehen ist, Wettbewerbsverbote zu schaffen, die möglicherweise sogar als objektive Berufswahlregelungen qualifiziert werden könnten, darf auch ihnen wegen der allgemeinen Wertung der Berufsfreiheit die Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote nur dann und insoweit erlaubt werden, wie ein schützenswertes Interesse der Gesellschaft anzunehmen ist. Ebenso sind vertragliche Wettbewerbsverbote dann nicht mehr als zulässig anzuerkennen, wenn die Geschäftsführer derart weitgehend und daher unbillig in ihrer Berufsfreiheit beschränkt werden, dass sich dies als Missachtung ihres zur Erhaltung ihrer Lebensgrundlage dienenden Grundrechtes der Berufsfreiheit darstellt.477 Dem aufgrund der Kriterien der Erforderlichkeit in Form des schutzwürdigen Interesses des Begünstigten und der Angemessenheit in Form der Billigkeit der Beschränkung des Betroffenen im Ergebnis strikten Prüfungsansatz ist vor diesem Hintergrund auch nicht entgegenzuhalten, der abzulehnenden Lehre von der 477
Vgl. i. E. ebenso: Becker, Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, S. 129.
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unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte in Privatrechtsverhältnissen zu entsprechen und insofern nicht zur Konkretisierung des § 138 BGB herangezogen werden zu dürfen. Zwar ist zuzugeben, dass die Kriterien des schutzwürdigen Interesses zum einen und der örtlich, zeitlich und gegenständlich nur billigen Beschränkung zum anderen den Kriterien der bei der unmittelbaren Drittwirkung zwingend erforderlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung i. w. S. (sachgerechter Zweck sowie Verhältnismäßigkeit i. e. S., also Angemessenheit) ähnlich klingen. Den Entscheidungen, in denen sich der BGH erstmalig mit der Bedeutung der Grundrechte für die Wettbewerbsproblematik auseinandergesetzt hat, sind aber Ausführungen zur Wirkung der Grundrechte in Privatrechtsverhältnissen zu entnehmen, so dass anzunehmen ist, dass sich der BGH mit dem unterschiedlichen Verständnis der beiden Lehren hinsichtlich der Drittwirkung von Grundrechten in Privatrechtsverhältnissen auseinandergesetzt hat.478 Zudem hat die Rechtsprechung, wie umfassend dargestellt, nach und nach diese Kriterien als für die Beurteilung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote sachgerecht herausgearbeitet und in ständiger Rechtsprechung angewendet. Sie entsprechen also einem Grundverständnis der Rechtsprechung zum sachgerechten Umgang mit Wettbewerbsverboten. Entscheidend ist aber, dass durch diese Kriterien der besonderen Bedeutung der Berufsfreiheit hinreichend Rechnung getragen und die Wertung des Art. 12 Abs. 1 GG auf die Problematik der Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote durch zwei Privatpersonen übertragen werden kann. (3) Zulässigkeit der Heranziehung der Wertungen des § 74a Abs. 1 HGB Schließlich ist der Prüfung der Rechtsprechung im Rahmen von § 138 Abs. 1 BGB, ob das Wettbewerbsverbot von einem berechtigten geschäftlichen Interesse des Begünstigten getragen ist und keine unbillige Beschränkung der wirtschaftlichen Freiheit des Betroffenen darstellt, aus eben diesen Gründen auch nicht entgegenzuhalten, mit der Systematik des § 138 Abs. 1 BGB nicht konform zu sein, weil es bei diesem allein auf die Unbilligkeit einer Beeinträchtigung, nicht aber darauf ankomme, ob eine vertragliche Vereinbarung einem berechtigten Interesse des Begünstigten entspräche. Zwar ist richtig, dass Gegenstand der Sittenwidrigkeitsprüfung grundsätzlich allein die nicht hinzunehmende Beeinträchtigung des durch das Rechtsgeschäft negativ Betroffenen ist. Eine solche ist bei Wettbewerbsverboten wegen der besonderen Bedeutung der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG aber bereits dann anzunehmen, wenn für das Wettbewerbsverbot kein hinreichendes schutzwürdiges Interesse des Begünstigten besteht. In Anbetracht dessen steht der Übertragung der Wertungen des § 74a Abs. 1 HGB mit seiner zwei-stufigen Prüfung des berechtigten geschäftlichen Interesses des Begünstig-
478 Vgl. BGH, Urt. v. 28.4.1986 – II ZR 254/85, NJW 1986, 2944; BGH, Urt. v. 15.3.1989 – VIII ZR 62/88, NJW-RR 1989, 954.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
ten und des Fehlens einer unbilligen Beschränkung des Betroffenen nicht die Systematik des § 138 BGB entgegen. d) Zwischenergebnis Die Berücksichtigung der Rechtsgrundsätze der §§ 74 ff. HGB im Rahmen der Prüfung von Wettbewerbsverboten anhand von § 138 Abs. 1 BGB ist zulässig. Die entsprechend den Voraussetzungen des § 74a Abs. 1 HGB vorgenommene Inhaltskontrolle ist mit dem Sittenwidrigkeitsmaßstab vereinbar. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist im Falle eines nicht mehr anzuerkennenden Wettbewerbsverbotes von einer Störung der Vertragsparität auszugehen. Insofern sind die Zivilgerichte aufgerufen, Wettbewerbsverbote auf ihre Angemessenheit zu überprüfen. Unabhängig von der Frage, ob § 138 BGB zwecks umfassender Lückenfüllung durch die Generalklausel generell Grundlage einer intensiven Inhaltskontrolle vertraglicher Abreden sein darf oder aber grundsätzlich im Sinne einer Extremfallkontrolle auf die Prüfung nur gravierender Einzelfälle beschränkt ist, ist bei Wettbewerbsverboten eine intensive Inhaltskontrolle zulässig. Wettbewerbsverbote sind nach der ständigen Rechtsprechung des BGH – unabhängig, ob sie in Dienst- oder aber in Gesellschafts- oder Unternehmensveräußerungsverträgen vereinbart sind – nur dann mit § 138 Abs. 1 BGB vereinbar, wenn sie durch ein schutzwürdiges Interesse des Begünstigten gerechtfertigt sind und den Betroffenen nicht unbillig in seiner wirtschaftlichen Freiheit beeinträchtigen. Bereits das Reichsgericht hat Wettbewerbsverbote nur unter diesen Voraussetzungen als nicht sittenwidrig anerkannt und hierfür auf die diesbezüglichen Ausführungen des Reichsgesetzgebers zu § 130 BGB (jetzt § 138 BGB) Bezug genommen. Auch das BAG hat vor der entsprechenden Anwendung der §§ 74 ff. HGB bei technischen Angestellten diesen Prüfungsansatz im Rahmen des § 138 BGB zugrundegelegt; die Oberlandesgerichte folgen dem BGH. Die durch den BGH bei Geschäftsführern unter Heranziehung der Wertungen des § 74a Abs. 1 HGB vorgenommene Prüfung entspricht mithin einer langen und einheitlichen Rechtsprechungstradition im Umgang mit Wettbewerbsverboten. Sie erklärt und rechtfertigt sich mit der von der Rechtsprechung regelmäßig betonten besonderen Grundrechtsrelevanz von Wettbewerbsverboten. Denn auch im Rahmen von Privatrechtsverhältnissen ist der Wertung der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG Rechnung zu tragen. Die Rechtsprechung des BVerfG sowie die entsprechende verfassungsrechtliche Literatur machen deutlich, dass die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG ein Grundrecht von besonderem Rang bzw. besonderer Bedeutung ist. Der Beruf dient insbesondere der Schaffung und Sicherung des Lebensunterhaltes und ist insofern Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes. Gesetzgeberische Eingriffe in die Berufsfreiheit werden daher nur unter strengen Voraussetzungen zugelassen. Dies macht auch die DreiStufen-Theorie des BVerfG deutlich. Dementsprechend kann es auch den Ver-
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tragsparteien trotz ihrer grundsätzlichen Privatautonomie nicht uneingeschränkt möglich sein, Wettbewerbsverbote zu vereinbaren. Sind gesetzliche Beschränkungen der Freiheit der Berufswahl, insbesondere wenn sie objektive Berufswahlvoraussetzungen darstellen, nur wegen überragend wichtiger Gründe des Gemeinwohles gerechtfertigt, ist es auch den Vertragsparteien nicht zuzuerkennen, Regelungen – insbesondere solche mit der Qualität von objektiven Berufswahlvoraussetzungen – zu vereinbaren, wenn nicht jedenfalls ein sachliches Interesse des Wettbewerbsverbotsbegünstigten nachweisbar ist. Auch liefe es der Wertung des Art. 12 Abs. 1 GG zuwider, eine Wettbewerbsabrede anzuerkennen, die den Geschäftsführer aufgrund von Dauer, sachlicher und räumlicher Reichweite des Verbotes in einer seine Berufsfreiheit aushöhlenden und daher missachtenden Weise beschränkte. Die Tatbestandskriterien des § 74a Abs. 1 HGB entsprechen mithin nicht nur den durch die Gerichte in ständiger Rechtsprechung zur Beurteilung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote zugrundegelegten Kriterien, sondern erweisen sich auch als geboten, um die Wertung der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG im Verhältnis von GmbH und Geschäftsführer zu berücksichtigen. III. Ergebnis Die Prüfung von Wettbewerbsverboten durch den BGH anhand von § 138 Abs. 1 BGB unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Wertungen der Art. 12 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG sowie der Rechtsgrundsätze der §§ 74 ff. HGB, konkret der Wertungen des § 74a Abs. 1 HGB, ist zulässig. § 138 Abs. 1 BGB ist ein tauglicher Maßstab zur Prüfung der Zulässigkeit nachvertraglicher Wettbewerbsabreden mit Geschäftsführern. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Heranziehung der Sittenwidrigkeits-Generalklausel insofern, als dass eine spezialgesetzliche Regelung wegen der Bedeutung der betroffenen Grundrechte bzw. der Schwere ihrer Beeinträchtigung geboten wäre, bestehen nicht. Die Norm eröffnet aufgrund ihrer Generalklauselqualität Entscheidungen mit Blick auf die Umstände des betroffenen Einzelfalles, was in Anbetracht der unterschiedlich ausgestalteten Rechtspositionen und daher auch Schutzbedürftigkeiten von Geschäftsführern sachgerecht erscheint. Die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäftes ist anhand einer Interessenabwägung festzustellen. Für diese sind insbesondere verfassungsrechtliche Wertentscheidungen relevant. Bei der Prüfung der Zulässigkeit nachvertraglicher Wettbewerbsverbote sind daher richtigerweise insbesondere die betroffenen Grundrechte der Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG, und der allgemeinen Handlungsfreiheit (Vertragsfreiheit), Art. 2 Abs. 1 GG, gegeneinander abzuwägen. Die Konkretisierung von Generalklauseln anhand allgemeiner Rechtsgrundsätze oder einfach-gesetzlicher Wertungen ist zulässig. Die Heranziehung der allgemeinen Wertung des § 74a Abs. 1 HGB und die daraus folgende intensive Prüfung von Wettbewerbsverboten auf ein berechtigtes geschäftliches Interesse der
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
GmbH und keine unbillige Beschränkung des Geschäftsführers ist mit § 138 Abs. 1 BGB vereinbar. Entsprechende Kriterien legte bereits das Reichsgericht zur Beurteilung von Wettbewerbsverboten mit anderen Personengruppen (z. B. Gesellschafter, Freiberufler) zugrunde, sie wurden durch den BGH und diesem folgend durch die OLGs übernommen, so dass von einer langen einheitlichen Rechtsprechungstradition im Umgang mit Wettbewerbsverboten gesprochen werden kann. Dieser Umgang mit Wettbewerbsverboten, also die Frage im Rahmen von § 138 Abs. 1 BGB nach einem schutzwürdigen Interesse des Wettbewerbsverbotsbegünstigten und der nur billigen Beschränkung des Betroffenen, folgt aus bzw. entspricht der Wertung des Art. 12 Abs. 1 GG. Nach dieser sind Eingriffe in das hochrangige Grundrecht der Berufsfreiheit nämlich nur unter strengen Voraussetzungen möglich. Diese Wertung ist trotz der nur mittelbaren Wirkung der Grundrechte in Privatrechtsverhältnissen auch bei Wettbewerbsabreden zu berücksichtigen, auch vertragliche Wettbewerbsabreden sind daher nicht uneingeschränkt zulässig. Die Kriterien des schutzwürdigen Interesses und der Billigkeit erweisen sich als geeignet, den Wertungen des Art. 12 Abs. 1 GG Rechnung zu tragen. Die durch sie begründete intensive Inhaltskontrolle ist wegen der besonderen Bedeutung der Berufsfreiheit gerechtfertigt und geboten und insofern mit § 138 BGB vereinbar.
F. Verstoß gegen die §§ 305 ff. BGB Nachvertragliche Wettbewerbsabreden können vorformulierte Vertragsbedingungen i. S. v. § 305 Abs. 1 BGB darstellen und daher dem Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen nach den §§ 305 ff. BGB unterfallen.479 Sind sie mit einem Geschäftsführer vereinbart, der nicht zugleich als Gesellschafter über zumindest eine Sperrminorität verfügt und Leitungsmacht über die Gesellschaft ausüben kann, stellen sie einen Verbrauchervertrag i. S. v. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB dar.480 Die gesellschaftsrechtliche Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 BGB findet keine Anwendung.481 I. Prüfungsmaßstab Vorformulierte Wettbewerbsabreden mit Geschäftsführern dürfen weder gegen das Verbot überraschender Klauseln nach § 305c Abs. 1 BGB verstoßen noch das 479 Vgl. zum umstrittenen Verhältnis der §§ 305 ff. BGB zu § 138 BGB im Falle des Vorliegens einer Allgemeinen Geschäftsbedingung vgl.: MünchKommBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 5; Palandt/Ellenberger, § 138 Rn. 16; Erman/Palm/Arnold, BGB, § 138 Rn. 8; Staudinger/Sack, § 138 Rn. 161 f. 480 Vgl. BAG, Urt. v. 19.05.2010 – 5 AZR 253/09, NZA 2010, 939; BGH, Urt. v. 24.7.2007 – XI ZR 208/06, NJW-RR 2007, 1673, 1675. 481 Vgl. MünchKommBGB/Basedow, § 310 Rn. 89; Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Schäfer, AGB, § 310 Rn. 122 m.w. N.
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Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB missachten.482 Höchstrichterlich noch nicht entschieden und in der Literatur bislang nur wenig behandelt ist aber, ob sie neben dieser formellen Kontrolle auch einer materiellen Angemessenheitskontrolle unterzogen werden dürfen.483 II. Angemessenheitskontrolle von Wettbewerbsverboten mit Arbeitnehmern Bei Wettbewerbsverboten mit Arbeitnehmern lehnen Rechtsprechung und Literatur eine Angemessenheitskontrolle nach § 307 BGB mit unterschiedlichen Begründungen ab. Die überwiegende Ansicht sieht in § 74a Abs. 1 HGB gegenüber den §§ 307–309 BGB eine lex specialis.484 § 74a Abs. 1 HGB enthalte eine geltungserhaltende Reduktion, aus welcher die Spezialität gegenüber den §§ 307 ff. BGB mit der Rechtsfolge des § 306 BGB folge.485 Eine andere Ansicht lehnt die Angemessenheitskontrolle unter Verweis auf § 307 Abs. 3 BGB ab.486 Die Festlegung der Reichweite des Wettbewerbsverbotes stelle die Bestimmung einer ver482 Vgl. LAG Niedersachsen, Urt. v. 8.12.2005 – 7 Sa 1871/05, NZA-RR 2006, 426 (§ 307 Abs. 1 S. 2 HGB); LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 30.1.2008 – 10 Sa 60/07, NZA-RR 2008, 508 (§ 307 Abs. 1 S. 2 HGB); Bauer/Diller, NJW 2002, 1609, 1613 f. 483 Vgl. zur Inhaltskontrolle von Anstellungsverträgen allgemein: Mirza Khanian, Inhaltskontrolle von Anstellungsverträgen am Beispiel des GmbH-GF-Vertrages, S. 195 ff. m.w. N.; Kempermann, NJW-Spezial 2012, 15; Mirza Khanian, GmbHR 2011, 116. 484 Vgl. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, AGB, § 310 BGB Rn. 224; Gaul/Mirza Khanian, MDR 2006, 181, 183; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rn. 3; Preis/Stoffels, Arbeitsvertrag, II W 10 Rn. 32; Thüsing/Leder, BB 2004, 42, 46; zur Vorrangigkeit von § 90a HGB bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten mit Handelsvertretern wegen § 90a Abs. 3 HGB vgl. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB, Anh. zu § 310 BGB H 131. 485 Vgl. Thüsing/Leder, BB 2004, 42, 47. 486 Vgl. LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 30.1.2008 – 10 Sa 60/07, NZA-RR 2008, 508; das LAG Hamm, Urt. v. 14.4.2003 – 7 Sa 1881/02, NZA-RR 2003, 513 hat festgestellt, dass die Rechtsfolge der §§ 307–309 BGB nicht eintrete, sobald im gewissen Umfang eine Unverbindlichkeit der Wettbewerbsvereinbarung festgestellt werden sollte. Es greife sinngemäß die Ausnahmeregelung des § 307 Abs. 3 BGB. Denn die Wettbewerbsvereinbarung setze die gesetzlichen Bestimmungen zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot der §§ 74 ff. HGB um; das LAG Niedersachsen, Urt. v. 8.12.2005 – 7 Sa 1871/05, NZA-RR 2006, 426 hat zwar eine allgemeine Geschäftsbedingung angenommen und § 307 Abs. 1 S. 2 BGB geprüft, ist sodann aber nur auf § 74a HGB, nicht aber auf § 307 Abs. 1 S. 1 BGB eingegangen; das LAG Hamm, Urt. v. 23.3.2010 – 14 SaGa 68/09, NZG 2010, 920 ließ die Frage offen; das ArbG Düsseldorf hat in seinem Urt. v. 13.6.2008 – 13 GA 47/08, n. v. ausgeführt, Wettbewerbsabreden müssten ständig aktualisiert werden, wenn zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine konkrete Bezeichnung aller unter die Abrede fallenden Produkte enthalten sein sollte, die Frage im Ergebnis aber offen gelassen; Brendel, Nachvertragliche grenzüberschreitende Wettbewerbsverbote, S. 88 f.; Diller, NZA 2005, 250, 251; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 354; Koch, RdA 2006, 28 ff., der § 307 Abs. 1 BGB aber dann annimmt, wenn sich das vereinbarte Wettbewerbsverbot bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses als Verstoß gegen Treu und Glauben darstellt.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
traglichen Hauptleistungspflicht dar, die nach § 307 Abs. 3 BGB einer Angemessenheitskontrolle entzogen sei. Auch in dem Fall, dass das Wettbewerbsverbot nicht eigenständig getroffen werde, sondern Gegenstand des Anstellungsvertrages sei, werde durch die Festlegung der Reichweite des Wettbewerbsverbotes dessen typusprägende Hauptleistungspflicht geregelt.487 Das LAG Baden-Württemberg hat in Anlehnung hieran in einer Entscheidung im Jahre 2008 ausgeführt, dass die begehrte Unterlassungsverpflichtung einer AGB-Inhaltskontrolle nicht unterliege, da es sich um eine typusprägende Hauptleistungspflicht handele; von § 307 Abs. 3 BGB seien Abreden von der Inhaltskontrolle ausgenommen, die den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistungen und des dafür zu zahlenden Entgeltes festlegten. Zumindest wenn das Wettbewerbsverbot Gegenstand einer eigenständigen Abrede sei, definiere die Festlegung des sachlichen, geografischen und zeitlichen Umstandes des Wettbewerbsverbotes die Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers und unterliege keiner Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB. Ob dies weitergehend auch dann gelte, wenn das vereinbarte Wettbewerbsverbot Teil eines umfassenden Arbeitsvertrages sei, könne dahingestellt bleiben. Hierfür spreche aber, dass auch in diesem Fall erst durch die Wettbewerbsvereinbarung für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Vereinbarung im Sinne eines gegenseitigen Vertrages getroffen werde, d.h. durch die Vereinbarung erst für die Zeit nach Ende des Arbeitsverhältnisses Verpflichtungen beider Vertragsparteien begründet würden.488 Ergänzend wird in der Literatur noch darauf hingewiesen, dass eine Angemessenheitskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB auch nicht zu abweichenden Ergebnissen verglichen mit den Ergebnissen bei Anwendung des § 74a HGB führe. Denn bereits mit der allgemeinen Dogmatik des § 306 Abs. 2 BGB ließe sich ausnahmsweise eine Teilaufrechterhaltung der zu weit reichenden Wettbewerbsklausel begründen. Es komme eine ergänzende Vertragsauslegung mit einer Teilaufrechterhaltung einer Klausel anstatt ihres ersatzlosen Wegfalls in Betracht.489 Zudem bestehe bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten die Besonderheit, dass typischerweise zwischen dem Abschluss des Wettbewerbsverbotes und seinem Inkrafttreten ein erheblicher Zeitraum liege, worin eine Besonderheit des Arbeitsrechtes im Sinne von § 310 Abs. 4 S. 2 BGB zu sehen sei.490
487 488
Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 354. Vgl. LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 30.1.2008 – 10 Sa 60/07, NZA-RR 2008,
508. 489 Vgl. Gaul/Mirza Khanian, MDR 2006, 181, 183; Mirza Khanian, Inhaltskontrolle von Anstellungsverträgen am Beispiel des GmbH-GF-Vertrages, S. 204 f. 490 Vgl. Diller, NZA 2005, 250, 251.
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III. Angemessenheitskontrolle von Wettbewerbsverboten mit Geschäftsführern Fraglich ist, ob bei Wettbewerbsverboten mit Geschäftsführern, wie auch bei Wettbewerbsverboten mit Arbeitnehmern, eine Angemessenheitskontrolle nach den §§ 307–309 BGB ausscheidet. Dies kann noch nicht mit der lex-specialisQualität des § 74a HGB begründet werden. Denn § 74a Abs. 1 HGB enthält zwar, wie ausgeführt491, tatbestandlich eine allgemeine Wertung; die Rechtsfolge der geltungserhaltenden Reduktion stellt jedoch keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz für Wettbewerbsverbotsvereinbarungen dar, wie in Teil 3 dieser Arbeit noch herausgearbeitet werden wird.492 Möglicherweise sind aber die in diesem Zusammenhang in Teil 3 dieser Arbeit zur Zulässigkeit der geltungserhaltenden Reduktion von Wettbewerbsverboten mit Geschäftsführern über die Grundsätze der quantitativen Teilnichtigkeit herausgearbeiteten Ansätze auf § 306 Abs. 2 BGB und die dort von Rechtsprechung und Literatur teilweise zugelassene ergänzende Vertragsauslegung übertragbar.493 Diese Frage soll jedoch im Hinblick auf die Schwerpunkte dieser Arbeit ebenso offen gelassen werden wie die in der Literatur zunehmend diskutierte und auch bejahte494, von Rechtsprechung495 und herrschender Literatur496 bislang aber abgelehnte Anwendung des § 310 Abs. 4 S. 2 BGB, nach dem bei der Anwendung der §§ 307 ff. BGB auf Arbeitsverträge die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen sind, auf Dienstverträge. Eine Angemessenheitskontrolle scheidet nach § 307 Abs. 3 BGB aus. In der Verständigung zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer auf ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot und der Festlegung von dessen sachlicher, zeitlicher und örtlicher Reichweite liegt eine Abrede über Hauptleistungspflichten, die nach § 307 Abs. 3 BGB der AGB-Kontrolle nach den §§ 307 ff. BGB entzogen ist.497 491
Vgl. Teil 2 E. II. 3. c). Vgl. Teil 3 D. VIII. 5. 493 Vgl. zur Problematik der geltungserhaltenden Reduktion und ergänzenden Vertragsauslegung z. B.: MünchKommBGB/Basedow, § 306 Rn. 12. 494 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1044; Gaul/Ludwig, GmbHR 2010, 321; Mirza Khanian, GmbHR 2011, 116 unter Verweis auf die ansonsten eintretende AGB-rechtliche Privilegierung von Organmitgliedern gegenüber Arbeitnehmern; Mirza Khanian, Inhaltskontrolle von Anstellungsverträgen am Beispiel des GmbH-GF-Vertrages, S. 213 ff. zu § 309 Nr. 6 BGB. 495 Vgl. BGH, Urt. v. 29.5.1989 – II ZR 220/88, GmbHR 1989, 415, 418, der damalige Bereichsausnahme des Arbeitsrechts für Dienstvertrag mit Geschäftsführer nicht andachte; BAG, 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, NZA 2010, 939 denkt § 310 Abs. 4 S. 2 BGB für als Verbraucher i. S. v. § 310 Abs. 3 BGB erachteten Geschäftsführer nicht an. 496 Vgl. MünchKommBGB/Basedow, § 310 Rn. 104; Ulmer/Brandner/Hensen/ Fuchs, AGB, § 310 Rn. 146; Staudinger/Schlosser, BGB, § 310 Rn. 90. 497 Vgl. LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 30.1.2008 – 10 Sa 60/07, NZA-RR 2008, 508, 509 (zu Wettbewerbsverbot mit Arbeitnehmer); Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 354 (zu Arbeitnehmern). 492
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
Mit der Vereinbarung eines Wettbewerbsverbotes für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Anstellungsverhältnis wird nicht lediglich eine Nebenpflicht zum Anstellungsvertrag geregelt. Denn das Wettbewerbsverbot entfaltet in dem Zeitpunkt erst Wirkung, in welchem das Anstellungsverhältnis beendet ist, und begründet eine von den ihm Anstellungsvertrag vorgesehenen Pflichten losgelöste Unterlassungspflicht des Geschäftsführers.498 Das gilt unabhängig davon, ob das Wettbewerbsverbot im Anstellungsvertrag oder in einer gesonderten Abrede vereinbart wird.499 Es kommt m. E. auch nicht darauf an, ob dem Geschäftsführer eine Entschädigung für die Wettbewerbsenthaltung zugesagt wird. Denn die Zahlung oder Nichtzahlung einer Entschädigung ändert nichts daran, dass eine Pflicht für einen sich an das Ende des Anstellungsvertrages anknüpfenden Zeitraum begründet wird. Das Wettbewerbsverbot mit seinen Regelungen zu seiner Reichweite und ggf. zu ausgleichenden Leistungen unterliegt mithin keiner Angemessenheitskontrolle. Nicht als Hauptabreden i. S. v. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB sind dagegen ergänzende Vereinbarungen, wie z. B. zum Recht der GmbH, auf das Wettbewerbsverbot zu verzichten oder anderweitigen Erwerb auf eine gezahlte Karenzentschädigung anzurechnen, zu verstehen.500 Allerdings fehlt es für eine AGB-Kontrolle dieser Abreden an gesetzlichen Regelungen, von denen abgewichen wird bzw. die ergänzt werden (§ 307 Abs. 3 S. 1 BGB), da für nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit Geschäftsführern weder gesetzliche Regelungen getroffen noch analog heranzuziehen sind.501 Die §§ 74c, 75a HGB enthalten keine allgemeinen Rechtsgrundsätze.502 IV. Ergebnis Von GmbH und Geschäftsführer in einer gesonderten Vereinbarung oder aber im Anstellungsvertrag vereinbarte nachvertragliche Wettbewerbsverbote dürfen weder gegen das Verbot überraschender Klauseln des § 305c BGB verstoßen noch das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB verletzen. Einer Angemessenheitskontrolle nach den §§ 307–309 BGB unterliegen sie aber nicht. Die Verständigung auf das Wettbewerbsverbot und seine entsprechende Reichweite, in der Regel auch auf eine ausgleichende Leistung, stellt eine Abrede über Hauptleistungspflichten dar, die nach § 307 Abs. 3 BGB der Angemessenheitskontrolle entzogen ist.
498 Vgl. Mirza/Khanian, Inhaltskontrolle von Anstellungsverträgen am Beispiel des GmbH-GF-Vertrages, S. 213. 499 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 354 (zu Arbeitnehmern). 500 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1045. 501 Vgl. ebenso: Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1045. 502 Vgl. Teil 3 § 2 A. VIII. 1. b) und B. VII. 1. b).
§ 3 Einfaches nationales Recht
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G. Ergänzung des Vertrages durch teilanaloge Anwendung der §§ 74 ff. HGB, sofern und insoweit sie der GmbH günstig? I. Teilanaloge Anwendung der §§ 74 ff. HGB nach Rechtsprechung des BGH In seiner Entscheidung vom 17.2.1992 hat der BGH einer auf Zahlung der zugesagten Karenzentschädigung beklagten GmbH ein Recht zum Verzicht auf das mit dem Geschäftsführer vereinbarte Wettbewerbsverbot analog § 75a HGB zugestanden, obwohl die geschlossene Vereinbarung weder eine Verzichtsregelung enthielt noch die Geltung der §§ 74 ff. HGB anordnete. Den Zugriff auf die §§ 74 ff. HGB hat er sich unter Hinweis auf den Grundsatz eröffnet, die Vertragspartner überließen die Ausgestaltung ihrer Beziehungen meist den Gesetzesvorschriften, wenn sie zu einem bestimmten Punkt keine Regelung träfen. Dieser Grundsatz finde vorliegend Anwendung, da die individuell ausgehandelte Vereinbarung eine Nachbildung des § 74 HGB darstelle. Die entsprechende Anwendung des § 75a HGB scheide auch nicht wegen des besonderen Verhältnisses, das zwischen einer Gesellschaft und ihrem Geschäftsführer als ihr Organ bestehe, aus. Die §§ 74 ff. HGB seien nämlich nicht generell unanwendbar auf mit einem Geschäftsführer vereinbarte Wettbewerbsverbote; vielmehr gelte: „Soweit die gesetzlichen Bestimmungen gerade zum Ziel haben, die besonderen Interessen des Unternehmens zu wahren, besteht kein Anlass, ihre entsprechende Anwendung auf das Verhältnis der Gesellschaft zu ihrem Geschäftsführer abzulehnen.“ 503
Einerseits an seiner ablehnenden Haltung hinsichtlich der gesamtanalogen Anwendung der §§ 74 ff. HGB auf Wettbewerbsabreden zwischen GmbH und Geschäftsführer festhaltend, hat der BGH somit andererseits entschieden, die §§ 74 ff. HGB dann und insoweit heranzuziehen, wie sie der GmbH günstig sind. Auf diese Weise hat er sich die Anwendung von Normen der §§ 74 ff. HGB eröffnet und Rechtslagen geschaffen, die er auf der Grundlage der geschlossenen Vereinbarungen nicht hätte annehmen können.504 In seiner Entscheidung vom 4.3.2002 hat der BGH der auf Zahlung der vertraglich zugesagten Karenzentschädigung in Höhe von 80 % der zuletzt gewährten Jahresbezüge beklagten GmbH zwar ein Verzichtsrecht zuerkannt, jedoch nicht dargelegt, woraus dieses folge, insbesondere also, ob § 75a HGB analoge Anwendung finde. Dementsprechend ist er auch nicht darauf eingegangen, inwieweit vor dem Hintergrund der getroffenen Abrede auf die §§ 74 ff. HGB zurückgegriffen werden könne.505
503 504 505
Vgl. BGH, Urt. v. 17.2.1992 – II ZR 140/91, NJW 1992, 1892. Vgl. Teil 1 § 4 B. 5. Vgl. BGH, Urt. v. 4.3.2002 – II ZR 77/00, NJW 2002, 1875.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
Mit Urteil vom 28.4.2008 hat der BGH die entsprechende Anwendung des § 74c HGB und damit die Anrechnung anderweitigen Erwerbes auf eine zugesagte Karenzentschädigung in Höhe von 50 % des zuletzt gezahlten Jahresgrundgehaltes abgelehnt. Warum die §§ 74 ff. HGB trotz der § 74 HGB nachgebildeten Wettbewerbsabrede keine Anwendung finden sollen, hat er nicht diskutiert. Auch hat er die analoge Anwendung des § 74c HGB nicht mit der zuvor als maßgeblich erachteten Erwägung der Günstigkeit für die GmbH, sondern unter Verweis auf den im Fall nicht eingreifenden Schutzzweck der Norm zurückgewiesen.506 II. Stellungnahme – Schutz durch das Gesamtregelungssystem der §§ 74 ff. HGB nur für die GmbH? Ob der BGH zulässigerweise annimmt, die §§ 74 ff. HGB zur Ergänzung der Individualabreden heranziehen zu dürfen, wird zusammenhängend in Teil 3 dieser Arbeit behandelt.507 An dieser Stelle wird dagegen geprüft, ob es dogmatisch sachgerecht ist, die anstellungsvertraglichen Regelungen durch die teilanaloge Anwendung der §§ 74 ff. HGB zu ergänzen. Es gilt festzustellen, ob die §§ 74 ff. HGB als Beurteilungsgrundlagen tatsächlich dann und soweit beachtlich sind, wie sie der GmbH günstige Normen enthalten. Hierfür ist entscheidend, ob – wie vom BGH im Ergebnis praktiziert – Normen aus einem insgesamt nicht für analog anwendbar erachteten Gesamtregelungsgefüge herangezogen werden können, wenn und auch nur insoweit sie nur einer der Vertragsparteien günstig sind. Dies ist im Ergebnis aus mehreren Gründen abzulehnen. Die BGH-Entscheidungen überzeugen, wie bereits ausgeführt, schon aus formalen Gründen nicht. So hat der BGH bisher nicht begründet, warum es zulässig sein soll, einzelne Normen des nach seiner Auffassung an sich nicht entsprechend geltenden Gesamtregelungssystems der §§ 74 ff. HGB heranzuziehen, wenn und soweit sie den berechtigten Interessen der GmbH entsprechen. Auch hat er nicht verständlich gemacht, warum hinsichtlich Normen, denen die besondere Schutzwirkung zugesprochen worden ist, in einem weiteren Schritt geprüft werden muss, ob auch die Voraussetzungen und Rechtsfolgen im Einzelnen der GmbH günstig sind. Ferner hat der BGH diesen Prüfungsgrundsatz nicht konsequent vollzogen. So fehlen bisher Auseinandersetzungen, ob § 74a Abs. 1 HGB auch hinsichtlich seiner Rechtsfolge eine der GmbH günstige Regelung darstellt. Zudem kann die Begründung der Nichtanwendung des § 74c HGB (Anrechnung anderweitigen Erwerbes) nicht überzeugen.508
506 507 508
Vgl. BGH, Urt. v. 28.4.2008 – II ZR 11/07, GmbHR 2008, 930. Vgl. Teil 3 § 2 A. VIII. Vgl. Teil 1 § 4 B. I. 8. b).
§ 3 Einfaches nationales Recht
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Unabhängig dieser formalen Kritik ist diese BGH-Rechtsprechung im Übrigen aber auch nicht sachgerecht. Zwar erscheint die teilanaloge Anwendung der Normen der §§ 74 ff. HGB, die der GmbH günstig sind, vor dem Hintergrund, dass die Gesamtanalogie zu den §§ 74 ff. HGB wegen vorrangiger Kenntnisschutzinteressen der GmbH ausscheidet, mithin wegen eines erhöhten Schutzbedürfnisses der GmbH eine Verschiebung der Interessenlage zwischen GmbH und Geschäftsführer zugunsten der GmbH erfolgt, zunächst wie eine logische Konsequenz. Im Ergebnis kann diese Teilanalogie aber nicht zugelassen werden. Die §§ 74 ff. HGB dienen dem Schutz des typischerweise schwächeren Handlungsgehilfen vor ihn in seiner Berufsausübungsfreiheit zu weitgehend beschränkenden nachvertraglichen Wettbewerbsabreden. Sie stellen als Gesamtnormengefüge einen abschließenden und deswegen nach § 75d HGB auch zwingenden Ausgleich der widerstreitenden Interessen von Handlungsgehilfen und Prinzipal dar. Fehlen die Voraussetzungen dafür, diese die Interessen gegeneinander abwägenden Normen insgesamt auch im Verhältnis zwischen GmbH und Geschäftsführer heranzuziehen, kann nicht dazu übergegangen werden, nur den Teil der Normen anzuwenden, die einer der Vertragsparteien, nämlich der GmbH, günstig sind.509 Zudem müssten im Fall der analogen Anwendung einer der GmbH günstigen Norm auch deren Voraussetzungen und Rechtsfolgen zur Anwendung gelangen. Die Übernahme von Voraussetzungen und Rechtsfolgen wiederum unter die Prämisse der Günstigkeit für die GmbH zu stellen, widerspricht nicht nur den allgemeinen Grundsätzen der analogen Anwendung von Rechtsnormen, sondern ist als Aufweichung des Gesamtregelungssystems der §§ 74 ff. HGB und der einzelnen Regelungen in sich zu kritisieren.510 Im Ergebnis kann der Ansatz des BGH, die Normen der §§ 74 ff. HGB dann und insoweit heranzuziehen, wenn sie der GmbH günstige Regelungen enthalten, daher nicht überzeugen, so dass ihre Heranziehung als Beurteilungsgrundlagen ausscheidet.
H. Anwendung der allgemeinen Rechtsgrundsätze der §§ 74 ff. HGB und des § 90a HGB? Zur Ausgestaltung der Rechtslage im Übrigen und insofern als Bewertungsmaßstäbe könnten die §§ 74 ff. und § 90a HGB aber dann und insoweit dienen,
509 Vgl. ebenso: LG Erfurt, Urt. v. 8.12.2009 – 1 HK O 209/08, veröff. in: Juris; Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 146a; Kamanabrou, ZGR 2002, 898, 909; Storf, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei den freien Berufen, S. 36; Wertheimer, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Arbeitsverhältnissen, S. 139; für AG-Vorstand: KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 88 Rn. 37. 510 Vgl. LG Erfurt, Urt. v. 8.12.2009 – 1 HK O 209/08, veröff. in: Juris; Heidenhain, NZG 2002. 605.
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
als ihnen allgemeine Rechtsgrundsatz- bzw. allgemeine Rechtsprinzipqualität 511 zugesprochen werden kann.512 I. Vorliegen und Feststellung eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes Was unter einem allgemeinen Rechtsgrundsatz zu verstehen ist, wird in der Literatur unterschiedlich beschrieben; die Ansichten stimmen aber hinsichtlich der methodischen Feststellung allgemeiner Rechtsprinzipien überein.513 Ein allgemeines Rechtsprinzip ist danach anzunehmen, wenn es aus einem besonderen Geltungsgrund Wirksamkeit beanspruchen darf und nicht dem geltenden Recht widerspricht, insbesondere nicht durch die Wertungen des positiven Rechtes ausgeschlossen ist.514 Wirksamkeit beansprucht ein allgemeines Rechtsprinzip, wenn es dem positiven Recht immanent ist und in diesem nur unvollkommen Verwirklichung gefunden hat, auf eine Rechtsidee zurückgeführt werden kann oder sich aus der Natur der Sache ergibt, wobei sich die Begründungstatbestände nicht ausschließen, sondern ergänzen.515 Aus dem positiven Recht folgt ein allgemeines Rechtsprinzip dann, wenn mehreren gesetzlichen Vorschriften ein gemeinsamer Grundgedanke entnommen und diesem dann der Charakter eines allgemeinen Rechtsprinzipes zugesprochen werden kann.516 Das ist dann nicht möglich, wenn der Gesetzgeber erkennbar eine Reihe von Sondertatbeständen schaffen, nicht aber eine allgemeine Wertung konkretisieren wollte.517 Zur Auffindung eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes bedarf es nicht zwingend einer Mehrzahl von Vorschriften. Vielmehr kann auch bei einer nur einzelnen Norm aufgrund ihrer ratio legis angenommen werden, sie treffe ebenfalls auf einen weiteren Kreis von Fällen zu.518 Lässt sich ein Prinzip aus Gesetzesnormen entwickeln, zugleich aber auch aus der Natur der Sache ableiten oder auf die Rechtsidee zurückführen, indiziert dies in der Regel die unvollkommene Verwirklichung des allgemeinen Rechtsgedankens in den einzelnen Normen.519 Bei der Rückführung eines allge511 Vgl. zur Anerkennung allgemeiner Rechtsgrundsätze als Rechtsquelle: Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 482. 512 In diesem Fall schiede die analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB auch aus diesem Grund mangels Gesetzeslücke aus. Vgl. hierzu Teil 2 § 3 C. II. 3. b) cc). 513 Vgl. den Überblick bei: Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 483 ff. 514 Vgl. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 95 f.; im Ergebnis auch: Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 488. 515 Vgl. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 96. 516 Vgl. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 98 f.; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 205 und Schwacke, Juristische Methodik, S. 138 (Bezeichnung als Gesamtanalogie). 517 Vgl. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 96; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 205. 518 Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 207. 519 Vgl. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 100.
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meinen Rechtsprinzipes auf die Rechtsidee wird eine Problemlösung an einem bestimmten Fall entdeckt, als Rechtsgedanke formuliert, an einer Reihe von Beispielen in ihrer Typizität erkannt und hierdurch zum Prinzip verfestigt. Die Konkretisierung des Prinzipes erfolgt sodann vor dem Hintergrund des positiven Rechtes.520 Werden allgemeine Rechtsprinzipien aus der Natur der Sache als der den Lebensverhältnissen innewohnenden Ordnung hergeleitet, werden sie ebenfalls regelmäßig am Problem entdeckt, zunächst als allgemeine Rechtsgedanken formuliert und dann in den Rang von Prinzipien erhoben. Sie erlangen für das geltende Recht Verbindlichkeit durch den Nachweis, dass keine eindeutig entgegenstehende Anordnung oder Wertung getroffen ist.521 II. Allgemeine Rechtsgrundsatzqualität der §§ 74 ff. HGB nach der Rechtsprechung des BGH Wie soeben dargestellt, ist der Ansatz des BGH zulässig, die Rechtmäßigkeit nachvertraglicher Wettbewerbsverbote für Geschäftsführer anhand von § 138 Abs. 1 BGB zu überprüfen und zur Konkretisierung die Voraussetzungen des § 74a Abs. 1 HGB heranzuziehen. Die Rechtsprechung beurteilt auch Wettbewerbsverbote mit anderen Personengruppen seit jeher anhand des § 138 BGB, konkretisiert durch Kriterien, die denen des § 74a Abs. 1 HGB entsprechen. Auch im Rahmen des § 1 GWB scheidet eine Wettbewerbsbeschränkung wegen zulässiger Nebenabrede zum kartellrechtsneutralen Hauptvertrag bei vergleichbaren Kriterien aus. Diese im Ergebnis eine intensive Inhaltskontrolle von Wettbewerbsverboten begründenden Kriterien folgen aus den Wertungen des für den Betroffenen aber auch die Allgemeinheit besonders bedeutsamen Grundrechtes der Berufsfreiheit (Art. 12 GG). Hinsichtlich des Tatbestandes § 74a Abs. 1 HGB hat der BGH die allgemeine Rechtsgrundsatzqualität also anerkannt.522 Dagegen hat er noch nicht erörtert, ob § 74a Abs. 1 HGB auch hinsichtlich seiner Rechtsfolge, der Reduktion auf das noch zulässige Maß, einen allgemeinen Rechtssatz darstellt. Auch hinsichtlich anderer – in Entscheidungen sogar in Rede stehender – Normen der §§ 74 ff. HGB hat er sich bisher noch nicht damit auseinandergesetzt, ob sie allgemeine Rechtsgrundsätze enthalten, die insoweit dann nicht nur als Wertmaßstäbe für die Beurteilung getroffener Abreden, sondern auch zur Ergänzung der Anstellungsvertragsbedingungen dienen können. So finden sich in den
520 Vgl. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 486; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 106 ff. 521 Vgl. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 489; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 120; zur Kritik an diesen Kriterien als Scheinargumente vgl. m.w. N.: Rüthers, Rechtstheorie Rn. 913 ff. 522 Vgl. Teil 2 § 3 F. II. 3. bb) (1) (b).
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
betreffenden Entscheidungen keine Ausführungen dazu, ob es sich bei § 74 Abs. 2 HGB (Grundsatz der bezahlten Karenz), § 74c HGB (Anrechnung anderweitigen Erwerbes) oder § 75a HGB (Verzichtsrecht – unabhängig etwaiger Voraussetzungen und Rechtsfolgen) um allgemeine Rechtsgrundsätze handelt.523 Insofern fehlen auch Auseinandersetzungen damit, dass das BAG vor der Anerkennung der analogen Anwendbarkeit der §§ 74 ff. HGB auf alle Arbeitnehmer den §§ 74 ff. HGB teilweise allgemeine Rechtsgrundsatzqualität zuerkannt hat. Inwieweit § 90a HGB der Annahme allgemeiner Rechtsgrundsätze entgegenstehen könnte, wird ebenfalls nicht erwähnt. III. Stellungnahme Es stellt sich also die Frage, ob die Regelungen der §§ 74 ff. HGB und ggf. auch des § 90a HGB – über den Tatbestand des § 74a Abs. 1 HGB hinaus – allgemeine Rechtsprinzipien bzw. allgemeine Wertungen enthalten, die auch bei Wettbewerbsabreden mit Geschäftsführern beachtlich sind. Bedeutsam ist insbesondere, ob § 74 Abs. 2 HGB und § 90a Abs. 1 HGB einen allgemeinen Grundsatz bezahlter Karenz enthalten, Wettbewerbsverbote nicht gemäß § 138 Abs. 1 BGB als sittenwidrig zu erklären, sondern vielmehr entsprechend der Wertung des § 74a Abs. 1 HGB geltungserhaltend zu reduzieren sind, der Gesellschaft ein allgemeines einseitiges Verzichtsrecht zuzuerkennen sowie stets anderweitiger Erwerb anzurechnen ist. Diesen Punkten wird im Rahmen von Teil 3 dieser Arbeit nachgegangen.
I. Zusammenfassung Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot für einen Geschäftsführer ist aus europarechtlicher Sicht anhand des Verbotes wettbewerbshindernder Vereinbarungen oder Verhaltensweisen, Art. 101 Abs. 1 AEUV, der Niederlassungs- bzw. Dienstleistungsfreiheit, Art. 49, 56 AEUV und den europäischen Grundrechten zu beurteilen. Ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV scheidet in der Regel aus. Zum einen ist eine nachvertragliche Wettbewerbsabrede üblicherweise nicht geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, da die Ausschaltung eines Geschäftsführers als Wettbewerber regelmäßig nicht zu spürbaren Auswirkungen auf dem Binnenmarkt führt. Zum anderen begründet eine nachvertragliche Wettbewerbsabrede grundsätzlich keine Wettbewerbsbeschränkung. Denn erst durch sie wird der Geheimnisschutz gewährleistet, den die GmbH benötigt, um bereit zu sein, dem Geschäftsführer ihre existenziellen Unternehmensinterna anzuvertrauen. Ohne die Kenntnis dieser Interna wäre die zweckgerechte 523
Vgl. zur Kritik an den Entscheidungen des BGH, Teil 1 § 4 B.
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Durchführung des Anstellungsvertrages zwischen GmbH und Geschäftsführer ausgeschlossen. Die kartellrechtlich relevante nachvertragliche Wettbewerbsabrede stellt mithin eine für die zweckgerechte Durchführung des kartellrechtlich neutralen Hauptvertrages (Anstellungsvertrages) erforderliche Nebenabrede dar. Solche Nebenabreden sind aber nach einhelliger Rechtsprechung und Literatur aus dem Tatbestand des Art. 101 AEUV jedenfalls dann ausgenommen, wenn sie nach ihrem zeitlichen, räumlichen und sachlichen Rahmen auf das Ausmaß beschränkt sind, das für die Gewährleistung der Durchführbarkeit des Hauptvertrages notwendig ist. Ein Verstoß gegen europäische Grundfreiheiten, die nur bei Sachverhalten mit Unionsbezug betroffen sind, woran der EuGH aber keine besonders strengen Voraussetzungen stellt, scheidet mangels Bindung privater GmbHs an die Grundfreiheiten aus. Zudem wäre die Grundfreiheitsbeeinträchtigung in der Regel wegen des Allgemeininteresses an einer funktionierenden Volkswirtschaft und hierfür auch am hinreichenden Schutz privater Geschäftsgeheimnisse gerechtfertigt, solange sie sachlich, räumlich und zeitlich nicht über das hierzu erforderliche Maß hinausginge. Ein Verstoß gegen europäische Grundrechte entfällt ebenfalls mangels Drittwirkung der Grundrechte in Privatrechtsverhältnissen und damit Bindung der GmbH; im Übrigen wäre auch der Grundrechtseingriff bei hinreichender Beschränkung des Wettbewerbsverbotes regelmäßig wegen des Interesses des Gemeinwohls an einer funktionierenden Volkswirtschaft und deswegen auch am hinreichenden Schutz privater Unternehmen vor nachvertraglicher Konkurrenz gerechtfertigt. Europäische Wettbewerbsregelungen, Grundfreiheiten und Grundrechte können zugleich tatbestandlich einschlägig sein. Sie finden dann nebeneinander, hinsichtlich ihrer Auslegung und Anwendung aber nur abgestimmt aufeinander Anwendung, so dass abweichende Ergebnisse und Wertungswidersprüche vermieden werden. Die bei allen Tatbeständen vorzunehmende Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen ist also einheitlich vorzunehmen. Die gegen eine Wettbewerbsbeschränkung i. S. v. Art. 101 Abs. 1 AEUV sprechenden Gründe rechtfertigen mithin auch eine Beeinträchtigung der Grundfreiheiten bzw. Grundrechte. Dies erlaubt es, eine einheitliche europarechtliche Linie festzuhalten. Nach dieser sind nachvertragliche Wettbewerbsabreden zwischen GmbHs und Geschäftsführern nur dann mit Europarecht vereinbar, wenn sie dem Schutz der auch im Allgemeininteresse liegenden Geheimhaltungsinteressen der GmbHs dienen und nach ihren gegenständlichen, räumlichen und zeitlichen Reichweiten nicht über das hierfür erforderliche Maß hinausgehen. Auch das nationale Verfassungsrecht, insbesondere die objektive Wertordnung der Grundrechte, hat auf die Zulässigkeit nachvertraglicher Wettbewerbsabreden Einfluss. Zwar ist nicht von einer Pflicht des Gesetzgebers zur Schaffung einer
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
Spezialvorschrift für die interessengerechte Vereinbarung entsprechender Abreden zwischen Gesellschaften und ihren Geschäftsführern auszugehen. Vielmehr ist anzunehmen, dass die bestehende Rechtsordnung, insbesondere aufgrund der Generalklausel des § 138 Abs. 1 BGB, hinreichend ist, um den Gerichten die Prüfung der Abreden zu eröffnen. Bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Normen, vorrangig also § 138 BGB, haben die Gerichte aber die objektive Wertordnung der Grundrechte zu beachten. Eine Wettbewerbsabrede mit einem Geschäftsführer verstößt in der Regel nicht gegen § 1 GWB. Zwar handelt es sich um eine Vereinbarung zwischen Unternehmen in diesem Sinne, wenn dem Geschäftsführer auch die Ausübung selbständiger Tätigkeit untersagt wird. Die Beschränkung des Geschäftsführers ist wegen dessen geringen Marktanteiles üblicherweise aber nicht geeignet, die notwendige, spürbare Veränderung der Marktverhältnisse zu begründen. Zudem handelt es sich bei solchen nachvertraglichen Wettbewerbsverboten regelmäßig um Nebenabreden zum Anstellungsvertrag, die für dessen Durchführung erforderlich und daher aus dem Tatbestand des § 1 GWB ausgenommen sind. Ohne ein entsprechendes Wettbewerbsverbot wird die GmbH nicht bereit sein, den Geschäftsführer mit ihren existenziellen Betriebsgeheimnissen vertraut zu machen, was aber für die uneingeschränkte Durchführung des Anstellungsvertrages notwendig ist. Hält ein Wettbewerbsverbot sich räumlich, zeitlich oder gegenständlich nicht im Rahmen dessen, was für die Gewährleistung der Durchführbarkeit des Anstellungsvertrages erforderlich ist, ist es nicht aus dem Tatbestand des § 1 GWB ausgenommen. Die Auslegung dieser Kriterien erfolgt dabei nach Rechtsprechung und Literatur – trotz der unterschiedlichen Schutzzwecke der Normen – in weitgehendem Gleichlauf zu § 138 BGB. Im Übrigen ist wegen der Angleichung der §§ 1, 2 GWB an Art. 81 EG (jetzt: Art. 101 AEUV) bei der Feststellung der Nebenabredenfunktion einer Regelung auch die diesbezügliche Rechtsprechung des EuGH zu beachten. Eine nachvertragliche Wettbewerbsabrede verstößt nicht gegen eine Regelung des UWG. In Frage käme allenfalls die Unzulässigkeit der Wettbewerbsabrede wegen gezielter Behinderung eines Mitbewerbers nach § 3 i.V. m. § 4 Nr. 10 UWG. Es fehlt hierfür aber bereits an der gezielten Behinderung durch die GmbH, die sich mit Hilfe der Abrede regelmäßig nur vor dem Verlust wesentlicher Betriebsinterna schützen will. Zudem begründete ein Verstoß lediglich Ansprüche der Mitbewerber nach §§ 8, 9 UWG, nicht aber die Nichtigkeit der Wettbewerbsabrede. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot mit einem Geschäftsführer muss nicht den Anforderungen der §§ 74 ff. HGB genügen. Die Normen können nicht analog herangezogen werden. Es fehlt bereits an einer planwidrigen Gesetzeslücke. Zum einen ist aufgrund des Eingreifens der Sittenwidrigkeitsgeneralklausel des § 138 Ab. 1 BGB von einer gesetzgeberisch geplanten Lücke auszugehen.
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Zum anderen liegt eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers vor, den Gerichten die Beurteilung entsprechender Abreden anhand des § 138 BGB zu überlassen. Der Gesetzgeber ist sich der Rechtslage bei wettbewerblichem Handeln von Geschäftsführern bewusst. Dies folgt insbesondere auch daraus, dass er für Geschäftsführer zwar keine wettbewerbliche Regelung, mit § 85 GmbHG aber eine strafrechtlich sanktionierte Verschwiegenheitsverpflichtung geschaffen hat. Überdies fehlt es für die analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB an der Vergleichbarkeit der Interessenlage bei GmbH und Geschäftsführer mit der den §§ 74 ff. HGB zugrundeliegenden. Arbeitsrechtliche Schutzvorschriften können nach hiesiger Auffassung nur dann Anwendung finden, wenn dies zum einen durch den Schutzzweck der betroffenen Norm geboten und zum anderen nicht durch Besonderheiten des Organverhältnisses ausgeschlossen ist. Es erscheint zwar möglich, dass die §§ 74 ff. HGB nach ihrem Schutzzweck jedenfalls bei Fremd- und nicht über Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft verfügenden Gesellschafter-Geschäftsführern eingreifen könnten. Der Heranziehung der §§ 74 ff. HGB steht aber ein besonderes Schutzinteresse der Gesellschaft entgegen. Der Geschäftsführer kann sich aufgrund seiner Organstellung und den hieraus folgenden Rechten und Pflichten von den existenziellen Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Gesellschaft Kenntnis verschaffen. Mit der Bestellung eines Geschäftsführers ist die Gesellschaft also einer größeren Schädigungsgefahr ausgesetzt als Arbeitgeber bei der Einstellung von leitenden Angestellten oder Arbeitnehmern. Sie kann aber dennoch auf die Bestellung eines Geschäftsführers nicht verzichten; vielmehr ist sie auf einen solchen zur Gewährleistung ihrer rechtlichen Handlungsfähigkeit angewiesen. Auch kann sie den Zugriff des Geschäftsführers auf Unternehmensinterna wegen der gesetzlichen Pflichten eines Geschäftsführers nicht völlig ausschließen. Aufgrund dieser Besonderheiten im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer ist also ein – insoweit weitergehendes – Schutzinteresse der Gesellschaft anzuerkennen, das der Anwendung der Anwendung der §§ 74 ff. HGB entgegensteht. Auch den Anforderungen des § 90a HGB muss ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot mit einem Geschäftsführer nicht genügen. Für die entsprechende Anwendung dieser Norm fehlt es wiederum an einer planwidrigen Gesetzeslücke. Handelt es sich bei der nachvertraglichen Wettbewerbsabrede um eine allgemeine Geschäftsbedingung i. S. v. § 305 Abs. 1 BGB, darf sie weder gegen das Verbot überraschender Klauseln nach § 305c Abs. 1 BGB verstoßen noch das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB missachten. Dagegen ist sie nicht nach § 307 Abs. 1 BGB auf ihre Angemessenheit zu prüfen, da sie als Leistungsbeschreibung durch § 307 Abs. 3 BGB der gerichtlichen Kontrolle entzogen ist. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für Geschäftsführer dürfen nicht gegen § 138 Abs. 1 BGB verstoßen. § 138 BGB eröffnet die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles und weist eine gewisse Entwicklungsoffenheit auf, wes-
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2. Teil: Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe
wegen es sich um einen geeigneten Prüfungsmaßstab handelt. Zu seiner Konkretisierung sind europarechtliche, verfassungsrechtliche aber auch einfach-gesetzliche Wertungen oder allgemeine Rechtsgrundsätze heranzuziehen. Die Konkretisierung des § 138 Abs. 1 BGB anhand der Wertungen der Art. 12 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG sowie der §§ 74 ff. HGB, konkret des § 74a Abs. 1 HGB, durch den BGH ist zulässig. § 74a Abs. 1 HGB entspricht jedenfalls hinsichtlich seiner Voraussetzungen, berechtigtes geschäftliches Interesse des Begünstigten und keine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Betroffenen nach Ort, Zeit und Gegenstand, einer allgemeinen Wertung hinsichtlich der Zulässigkeitsanforderungen für Wettbewerbsverbote. Die einheitlichen, strengen Zulässigkeitskriterien bei Wettbewerbsverboten sind aufgrund der Wertung des Art. 12 Abs. 1 GG zulässig und geboten. Die Grundrechte des GG stellen objektive Wertentscheidungen dar, die auch in Privatrechtsverhältnissen zu beachten sind. Auch vertragliche Wettbewerbsverbote sind daher nicht uneingeschränkt, sondern nur dann zulässig, wenn es für die Beeinträchtigung der Berufsfreiheit ein anerkennenswertes Interesse gibt und die Abrede die Berufsfreiheit des Betroffenen nicht durch ihre Weite aushöhlt. Infolgedessen ist – unabhängig von der Frage, ob § 138 Abs. 1 BGB generell als Grundlage einer intensiver Inhaltskontrolle von Rechtsgeschäften anzuerkennen oder aber allein auf die Feststellung von Evidenzfällen zu beschränken ist – bei Wettbewerbsverboten eine intensive Überprüfung der getroffenen Abrede zulässig bzw. verfassungsrechtlich geboten. Ein nicht den Wertungen des § 74a HGB entsprechendes Wettbewerbsverbot stellt eine Störung der Vertragsparität dar. Der Ansatz der Rechtsprechung, die §§ 74 ff. HGB im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung heranzuziehen, wenn sie der GmbH günstige Regelungen enthalten und soweit sie der GmbH günstige Regelungen enthalten, ist abzulehnen. Es können nicht nur die Normen aus dem Gesamtregelungssystem der §§ 74 ff. HGB herangezogen werden, die nur einer Vertragspartei, hier der GmbH, günstig sind und sodann dieser Maßstab der einseitigen Günstigkeit auch nochmals hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen zugrunde gelegt werden. Die §§ 74 ff. HGB können aber insoweit der Ergänzung der vertraglichen Regelungen dienen, wie es sich bei ihnen um allgemeine Rechtsgrundsätze handelt. Als allgemeiner Rechtsgrundsatz ist seitens des BGH nur § 74a Abs. 1 HGB und dieser auch nur in tatbestandlicher Hinsicht anerkannt. Dem ist zuzustimmen. Es stellt sich aber die Frage, ob nicht weiteren Regelungen der §§ 74 ff. HGB allgemeine Rechtsgrundsätze entnommen werden können. Diesbezüglich ist auf den folgenden Teil zu verweisen.
3. Teil
Die zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote mit GmbH-Geschäftsführern In Teil 2 dieser Arbeit wird eingehend erörtert, welche Beurteilungsgrundlagen unter welchen Voraussetzungen bei der Bewertung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote mit Geschäftsführern einschlägig sind. Aus den Ergebnissen ergibt sich zugleich, welchen Voraussetzungen Wettbewerbsabreden genügen müssen, um zulässig zu sein. Insofern kann an dieser Stelle zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf Teil 2 verwiesen werden. Einführend ist an dieser Stelle aber festzuhalten, dass die Beurteilung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote für Geschäftsführer im Wesentlichen anhand von § 138 Abs. 1 BGB erfolgt. Bei seiner Konkretisierung ist die aus der Behandlung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote im Rahmen von Art. 101 Abs. 1 AEUV, den Grundfreiheiten bzw. den Europäischen Grundrechten erkennbare einheitliche europarechtliche Wertung ebenso zu berücksichtigen wie die objektive Wertordnung des Grundgesetzes mit dem bedeutsamen Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG. Ferner kann auf die §§ 74 ff. HGB und § 90a HGB zurückgegriffen werden, soweit die Normen allgemeine Wertungen bzw. Rechtsgrundsätze zur Behandlung von Wettbewerbsverboten enthalten. Wegen der weitgehenden Parallelität der Rechtsprechung zu § 138 BGB und § 1 GWB ist auch die von der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 81 EG (jetzt: Art. 101 AEUV) geprägte Nebenabreden-Rechtsprechung des BGH zu § 1 GWB heranzuziehen. Zur Ergänzung der vertraglichen Abreden können die §§ 74 ff. HGB und § 90a HGB nur dann und insoweit herangezogen werden, wie sie allgemeine Rechtsgrundsätze enthalten und daher auch unabhängig einer entsprechenden Regelung gelten.
§ 1 Zulässigkeit einer Wettbewerbsabrede Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze soll im Folgenden geprüft werden, unter welchen Voraussetzungen eine nachvertragliche Wettbewerbsabrede mit einem Geschäftsführer zulässig ist. Der Focus soll hierbei nicht darauf gerichtet werden, einzelne derzeit übliche Abreden zu untersuchen. Vielmehr sollen die Grundlinien der Zulässigkeitsprüfung aufgezeigt werden, auf deren Grundlage Rechtsprechung und Literatur im Folgenden Differenzierungen für die Einzelfälle finden können.
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
A. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote als zulässig anerkannt Die gesetzlichen Regelungen für Arbeitnehmer in § 110 GewO, §§ 74 ff. HGB und Handelsvertreter in § 90a HGB, die ständige instanzgerichtliche und höchstrichterliche Rechtsprechung der Arbeits- und Zivilgerichte zu Arbeitnehmern, Handelsvertretern aber auch Gesellschaftern, Freiberuflern, AG-Vorständen und Geschäftsführern sowie die Ausführungen der Literatur lassen keinen Zweifel, dass die Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote grundsätzlich zulässig und daher auch entsprechende Abreden mit Geschäftsführern nicht von vorneherein zu beanstanden sind.
B. Notwendigkeit einer schriftlichen Abrede Fraglich ist, ob nachvertragliche Wettbewerbsverbote schriftlich vereinbart werden müssen. Nach § 74 Abs. 1 HGB bedarf das Wettbewerbsverbot „der Schriftform und der Aushändigung einer vom Prinzipal unterzeichneten, die vereinbarten Bestimmungen enthaltenden Urkunde an den Gehilfen“. In § 90a Abs. 1 S. 1 HGB findet sich mit der Maßgabe der Aushändigung an den Handelsvertreter die gleiche Formulierung. Das OLG Koblenz hat bereits 1985 festgehalten, es hätte zur wirksamen Vereinbarung eines Wettbewerbsverbotes i. S. v. § 74 HGB mit dem Geschäftsführer nach dessen Bestellung „nicht einmal mehr der Schriftform bedurft“.1 Auch die Literatur lehnt das Schriftformerfordernis ab. Wettbewerbsverbote mit Geschäftsführern unterlägen nicht den strengen Formvorschriften des § 74 Abs. 1 HGB. Vertragsabschlüsse könnten auch per Fax oder durch Zusendung eines Bestätigungsschreibens erfolgen; eine unterzeichnete Urkunde sei nicht zu übergeben.2 Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot mit einem Geschäftsführer müsste nach den oben dargelegten Grundsätzen schriftlich vereinbart werden, wenn aufgrund der wegen Art. 12 Abs. 1 GG strengen Anforderungen Schriftform geboten oder aber den §§ 74 Abs. 1, § 90a Abs. 1 HGB die allgemeine Wertung zu entnehmen wäre, dass nachvertragliche Wettbewerbsabreden stets schriftlich abgeschlossen werden müssen. In der Begründung des Gesetzesentwurfes zur Änderung der §§ 74, 75, 76 HGB im Jahre 1912 wurde zur Einführung des Schriftformerfordernisses ledig1
Vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 1.8.1985 – 6 U 618/85, WM 1985, 1484, 1485. Vgl. Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 87; Bauer/Diller, GmbHR 1999, 883, 887; dies., Wettbewerbsverbote, Rn. 1043; Dahlbender, GmbH-StB 2006, 273; van Kann/ Keiluweit, BB 2010, 2050, 2052; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 249; Baumbach/ Hueck, GmbHG/Zöllner/Noack, § 35 Rn. 204. 2
§ 1 Zulässigkeit einer Wettbewerbsabrede
277
lich ausgeführt, für den Handlungsgehilfen sei es von Wichtigkeit, über den Inhalt einer ihn bindenden Konkurrenzvereinbarung genau unterrichtet zu sein, weswegen abweichend von der vorherigen Gesetzeslage das Schriftformgebot aufgenommen werde.3 Das Schriftformgebot in § 90a Abs. 1 S. 1 HGB wurde nicht begründet.4 Im BGB herrscht der Grundsatz der Formfreiheit von Rechtsgeschäften. Nur für einzelne Rechtsgeschäfte sind gesetzliche Formerfordernisse aufgestellt.5 Die Rechtsprechung hat die Formerfordernisse auch auf solche Rechtsgeschäfte erstreckt, die einen mittelbaren Zwang zum Abschluss formbedürftiger Rechtsgeschäfte begründen.6 Hieraus folgt, dass den §§ 74 Abs. 1 und § 90a Abs. 1 S. 1 HGB nicht ohne weiteres die allgemeine Wertung unterlegt werden kann, nachvertragliche Wettbewerbsverbote müssten stets schriftlich abgeschlossen werden. Dies liefe vielmehr dem Charakter gesetzlicher Formvorschriften als Ausnahmebestimmungen entgegen.7 Die Schriftform ist ferner auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Die Berufsfreiheit verbietet zwar übermäßig den Geschäftsführer belastende Wettbewerbsabreden. Hiervon kann bei einer nur mündlichen Abrede aber keineswegs ausgegangen werden. In der Praxis werden entsprechende Vereinbarungen schließlich im schriftlichen Anstellungsvertrag oder aber in einer gesonderten schriftlichen Abrede getroffen, so dass der Frage der Übertragung der §§ 74 Abs. 1 und § 90a Abs. 1 S. 1 HGB nur geringe Relevanz zukommt.8
C. Notwendigkeit einer Karenzentschädigung? Ob Wettbewerbsverbote mit Geschäftsführern ohne Zusage einer Karenzentschädigung wirksam vereinbart werden können, ist die wohl umstrittenste Frage der hiesigen Gesamtproblematik. Sie ist Aufhänger der Diskussion um die analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB – jedenfalls bei besonders schutzbedürftigen Geschäftsführern – und Ansatz unterschiedlicher, von der Rechtsprechung abweichender Auffassungen in der Literatur hinsichtlich der Konkretisierung des § 138 Abs. 1 BGB anhand der §§ 74 ff. HGB.9
3 Vgl. Reichstagsprotokolle, 13. Legislaturperiode, 1912/14,18, Anlage Nr. 575, S. 728. 4 Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des HGB (Recht der Handelsvertreter), BT-Drs. I/3856, S. 37 f. 5 Vgl. MünchKommBGB/Eisele, § 125 Rn. 1, 12; Jauernig, BGB, § 125 Rn. 1. 6 Vgl. MünchKommBGB/Eisele, § 125 Rn. 12 ff.; Jauernig, BGB, § 125 Rn. 7 ff. 7 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1043. 8 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1043; van Kann/Keiluweit, BB 2010, 2050, 2052. 9 Vgl. Teil 1 § 4 C.
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
I. Karenzentschädigungen nach § 74 Abs. 2 und § 90a Abs. 1 S. 3 HGB Nach § 74 Abs. 2 HGB ist das Wettbewerbsverbot nur verbindlich, wenn sich der Prinzipal verpflichtet, für die Dauer des Verbotes eine Entschädigung zu zahlen, die für jedes Jahr des Verbotes mindestens die Hälfte der von dem Handlungsgehilfen zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht. § 90a Abs. 1 S. 3 HGB verpflichtet den Unternehmer, dem Handelsvertreter für die Dauer der Wettbewerbsbeschränkung eine angemessene Entschädigung zu zahlen. II. Rechtsprechung des BGH zu Geschäftsführern Der BGH hat in seinen jüngsten Entscheidungen im Jahre 2008 – seiner Grundsatzentscheidung aus dem Jahre 198410 entsprechend – daran festgehalten, dass „insbesondere der Grundsatz der bezahlten Karenz gemäß § 74 Abs. 2 HGB nicht anwendbar ist“ 11 und „dem Geschäftsführer einer GmbH überhaupt keine Karenzentschädigung versprochen und später gezahlt werden muss“ 12. Ein Wettbewerbsverbot sei zulässig, wenn es unter Berücksichtigung von Ort, Zeit und Gegenstand die Berufsausübung und wirtschaftliche Betätigung des Geschäftsführers nicht unbillig erschwere.13 III. Rechtsprechung der zivilrechtlichen Instanzgerichte zu Geschäftsführern Die zivilrechtlichen Instanzgerichte folgen dem BGH und machen die Wirksamkeit eines Wettbewerbsverbotes nicht von der Zahlung einer Karenzentschädigung abhängig14; auch nach ihnen dürfen Wettbewerbsverbote die Berufsausübung des Geschäftsführers hinsichtlich Ort, Zeit und Gegenstand nicht unbillig erschweren.15 10 Vgl. BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, GmbHR 1984, 234, siehe aber auch: BGH, Urt. v. 17.2.1992 – II ZR 140/91, NJW 1992, 1892; BGH, Urt. v. 4.3.2002 – II ZR 77/00, NJW 2002, 1875. 11 Vgl. BGH, Beschluss v. 7.7.2008 – II ZR 81/07, DB 2008, 2187. 12 Vgl. BGH, Urt. v. 28.4.2008 – II ZR 11/07, GmbHR 2008, 930. 13 Vgl. BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, GmbHR 1984, 234; BGH, Urt. v. 4.3.2002 – II ZR 77/00, NJW 2002, 1875; BGH, Beschluss v. 7.7.2008 – II ZR 81/07, DB 2008, 2187. 14 Vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 1.8.1985 – 6 U 618/85, WM 1985, 1484; OLG Hamm, Urt. v. 11.1.1988 – 8 U 142/87, GmbHR 1988, 344; OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.3.2000 – 17 U 133/99, NZG 2000, 737; OLG Köln, Urt. v. 29.3.2007 – 18 U 71/06, DB 2008, 1719; OLG Nürnberg, Urt. v. 25.11.2009 – 12 U 681/09, GmbHR 2010, 141, 142; aA: (Arbeitnehmereigenschaft des Geschäftsführers annehmend) LG Wuppertal, Urt. v. 6.6. 2006 – 19 O 405/05, AE 2007, 302 sowie OLG Stuttgart, Urt. v. 18.5.1979 – 6 U 158/ 78, BB 1980, 527 und LG Köln, Urt. v. 1.10.1975 – 49 O 169/75, AP Nr. 2 zu § 37 GmbHG (§§ 74 ff. HGB entsprechend heranziehend). 15 Vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.1.1993 – 16 U 73/92, NJW-RR 1994, 35, 36; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.8.1996 – 6 U 150/95, NJW-RR 1997, 164; OLG Düsseldorf, Urt.
§ 1 Zulässigkeit einer Wettbewerbsabrede
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IV. Rechtslage bei Arbeitnehmern 1. Gesetzgebung
In § 73 des zum 1.1.1900 in Kraft getretenen HGB16 war eine Karenzentschädigungspflicht noch nicht enthalten. Sie war aber ausweislich des Berichtes der XVIII. Kommission über den Entwurf eines HGB mehrfach beantragt worden.17 Auch der zeitgleich in die GewO eingestellte § 133f GewO, der – abgesehen von seinem auf gewerbliche Angestellte ausgelegten persönlichen Geltungsbereich – vollständig an § 73 HGB angelehnt war, enthielt keine Karenzentschädigungspflicht.18 In das HGB wurde die Karenzentschädigungspflicht im Rahmen der Ersetzung der §§ 73, 74 HGB durch die §§ 74–76 HGB im Jahre 1914 nach Jahren erfolgloser Petitionen, mit welchen vornehmlich die Nichtigkeit nachvertraglicher Wettbewerbsverbote an sich und nur für den Fall abweichender Auffassung die Zahlung einer Mindestentschädigung gefordert worden war, eingeführt.19 § 133f GewO blieb dagegen unverändert, eine Karenzentschädigung wurde also nicht vorgesehen.20 2. Rechtsprechung des BAG bis zur analogen Anwendung der §§ 74 ff. HGB bei allen Arbeitnehmern
Das BAG hat nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit sonstigen, nicht-kaufmännischen Angestellten ursprünglich – bevor es dazu übergegangen ist, die §§ 74 ff. HGB auch bei diesen Arbeitnehmern analog heranzuziehen – anhand von § 138 BGB auf ihre Wirksamkeit geprüft und dabei grundsätzlich nicht von der Zahlung einer Entschädigung abhängig gemacht oder § 74 Abs. 2 HGB als allgemeine Wertung bzw. allgemeinen Rechtsgrundsatz herangezogen. Vielmehr hat es, wie derzeit der BGH, das Fehlen einer Entschädigung bei der Prüfung der v. 3.12.1998 – 6 U 151/98, NZG 1999, 405; OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.3.2000 – 17 U 133/99, NZG 2000, 737; OLG Oldenburg, Urt. v. 17.2.2000 – 1 U 166/99, NZG 2000, 1038 (auch zur Berücksichtigung der fortdauernden Gehaltszahlung bei Prüfung der Zumutbarkeit der Einschränkung); OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.7.2008 – I-17 U 140/07, n. v.; OLG Nürnberg, Urt. v. 25.11.2009 – 12 U 681/09, GmbHR 2010, 141, 142. 16 Vgl. RGBl. 1897, S. 219. 17 Vgl. Bericht der XVIII. Kommission über den Entwurf eines Handelsgesetzbuches sowie den Entwurf eines Einführungsgesetzes zu demselben, Reichstagsprotokolle, 9. Legislaturperiode, 1895/97,15, Anlage Nr. 735 und Zusammenstellung des Entwurfs eines Handelsgesetzbuchs sowie des Entwurfs eines Einführungsgesetzes – der Drucksachen – nach den Beschlüssen der XVIII. Kommission, ad. 735, Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuches und eines Einführungsgesetzes, Reichstagsprotokolle, 9. Legislaturperiode, 1895/97, 14, Anhang zu Anl. Nr. 632; vgl. auch S. 128 ff. 18 Vgl. RGBl. 1897, S. 437, 439; vgl. Teil 2 § 3 C. II. 3. b) bb) (1). 19 Vgl. RGBl. 1914, S. 209 ff.; vgl. Teil 2 § 3 C. II. 3. b) bb) (2). 20 Die Karenzentschädigung für Handelsvertreter wurde im Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des HGB (Recht der Handelsvertreter), BT-Drs. 1/3856, S. 38 nicht begründet.
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
Sittenwidrigkeit wegen Erschwerung des Fortkommens berücksichtigt.21 Ob der Angestellte für die Dauer der Wettbewerbsbeschränkung eine Entschädigung erhalte, sei unter dem Gesichtspunkt erheblich, ob die Wettbewerbsabrede im Hinblick auf Art, Dauer und räumliche Begrenzung gegen die guten Sitten verstoße.22 Da im Rahmen der Prüfung, ob das Wettbewerbsverbot das Fortkommen des Angestellten unbillig erschwere, alle Gesichtspunkte des konkreten Falles zu beachten seien, könne auch die (Nicht-)Zahlung einer Entschädigung nicht außer Acht gelassen werden.23 Vielmehr sei im Rahmen der Gesamtwürdigung die Beschränkung in zeitlicher, örtlicher und gegenständlicher Beziehung mit der Karenzentschädigung zueinander in Beziehung zu setzen und danach zu beurteilen, ob das Fortkommen unbillig erschwert sei oder das auferlegte Verbot durch die vereinbarte Entschädigung ausgeglichen werde.24 Zunehmend hat das BAG aber eingeschränkt, dass eine entschädigungslose Karenz in der gegebenen Zeit der möglichst freien gewerblichen Betätigung des Einzelnen (Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG) als eine schwerwiegende Belastung und Behinderung desjenigen empfunden werde, der sich ihr unterwerfen solle. Die Auferlegung einer Karenz ohne Gegenleistung des Arbeitgebers könne daher vor der Rechtsordnung keinen Bestand haben, wenn sie nicht durch andere Leistungen des Arbeitgebers oder die besonderen Umstände des Falles in ihrem Gewicht verlöre.25 V. Rechtsprechung bei anderen Personengruppen Auch mit AG-Vorstandsmitgliedern werden regelmäßig nachvertragliche Wettbewerbsverbote vereinbart. Diese müssen nach einhelliger Auffassung ebenso wenig wie Abreden mit Geschäftsführern den §§ 74 ff. HGB entsprechen, sondern werden anhand von § 138 Abs. 1 BGB auf ihre Zulässigkeit beurteilt. Der Zahlung einer Karenzentschädigung i. S. v. § 74 Abs. 2 HGB analog bedarf es folglich nicht. Bei der Beurteilung, ob die Belastung den Ausgeschiedenen unbillig in seinem Fortkommen beschränkt, fällt aber insbesondere auch ins Gewicht, ob von der Gesellschaft eine Gegenleistung erbracht, vornehmlich ein Entgelt gezahlt wird. Die finanzielle Kompensation ist also ein wichtiges Element der 21 Vgl. BAG, Urt. v. 21.2.1957 – 2 AZR 301/56, AP Nr. 3 zu § 133f GewO; BAG, Urt. v. 4.10.1958 – 2 AZR 200/500, AP Nr. 7 zu Art. 12 GG; BAG, Beschluss v. 3.3.1959 – 1 AZR 196/57, AP Nr. 4 zu § 133f GewO; BAG, Urt. v. 11.2.1960 – 5 AZR 79/58, AP Nr. 20 zu Art. 12 GG; BAG, Urt. v. 22.11.1965 – 3 AZR 130/65, AP Nr. 1 zu § 611 BGB (Abwerbung); BAG, Urt. v. 2.12.1966 – 3 AZR 235/66, AP Nr. 18 zu § 133f GewO. 22 Vgl. BAG, Urt. v. 4.10.1958 – 2 AZR 200/500, AP Nr. 7 zu Art. 12 GG. 23 Vgl. BAG, Urt. v. 21.2.1957 – 2 AZR 301/56, AP Nr. 3 zu § 133f GewO. 24 Vgl. BAG, Urt. v. 18.2.1967 – 3 AZR 290/66, AP Nr. 19 zu § 133f GewO. 25 Vgl. BAG, Beschluss v. 3.3.1959 – 1 AZR 196/57, AP Nr. 4 zu § 133f GewO; BAG, Urt.v. 22.11.1965 – 3 AZR 130/65, AP Nr. 1 zu § 611 BGB (Abwerbung); BAG, Urt. v. 2.12.1966 – 3 AZR 235/66, AP Nr. 18 zu § 133f GewO.
§ 1 Zulässigkeit einer Wettbewerbsabrede
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Zulässigkeit, konkret der Billigkeit der Abrede; ihr Fehlen führt aber nicht per se zur Unzulässigkeit der Wettbewerbsverbotsvereinbarung.26 Nachvertragliche Wettbewerbsverbote in Form von Kundenschutzklauseln oder Tätigkeitsverboten finden sich weiterhin in Abreden zwischen Gesellschaften und ihren Gesellschaftern und Mitgliedern freiberuflicher Sozietäten (Ärzte, Rechtsanwälte) und ihren Sozietäten. Bei diesen Personengruppen findet nach ständiger Rechtsprechung und Literatur ebenfalls § 138 BGB Anwendung, während es auf die §§ 74 ff. HGB und damit auch § 74 Abs. 2 HGB nicht ankommt.27 Einer zwingenden Karenzentschädigung bedarf es folglich nicht. Allerdings bedarf es je nach Maß der auferlegten Freiheitsbeschränkung auch bei Abreden mit diesen Personen eines angemessenen Äquivalentes.28 VI. Schutzzwecke der Karenzentschädigung nach §§ 74 Abs. 2, 90a HGB Die Karenzentschädigungspflicht soll nach der Begründung der §§ 74 ff. HGB durch den Gesetzgeber aus dem Jahre 1914 dazu führen, dass die Prinzipale Konkurrenzverbote nur in solchen Fällen vereinbaren, in denen wirtschaftlich erhebliche und schutzbedürftige Interessen für sie bestehen. Der Maßstab, an dem sie diese Interessen zu messen hätten, liege in einem Opfer, das sie ihrerseits für die dem Gehilfen auferlegte Beschränkung zu erbringen hätten. Nach dem Grundsatz der sogenannten bezahlten Karenz müsse der Prinzipal dem Gehilfen für die Beschränkungen, die er ihm durch die Konkurrenzklausel auferlege, eine besondere Entschädigung während der Dauer jener Beschränkung gewähren. Dieser Grundsatz scheine nicht nur geeignet, den erwähnten Zweck zu erreichen; es sei auch sachlich gerechtfertigt und billig, eine Gegenleistung des Prinzipals für die Tätig26 Vgl. HK-AktG/Bürgers/Israel, § 88 Rn. 15; Hüffer, AktG, § 88 Rn. 10; K. Schmidt/Lutter/Seibt (Hrsg.), AktG, § 88 Rn. 16; MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rn. 47; Münch.Hdb.GesR IV/Wiesner, § 21 Rn. 71 (ohne Entgelt aber nur Wirksamkeit von Kundenschutzklauseln anerkennend). 27 Vgl. BGH, Urt. v. 19.11.1973 – II ZR 52/72, WM 1974, 74, 75; BGH, Urt. v. 13.3.1979 – KZR 23/77, NJW 1979, 1605; BGH, Urt. v. 28.4.1986 – II ZR 254/85, NJW 1986, 2944; BGH, Urt. v. 14.7.1986 – II ZR 296/85, WM 1986, 1282; BGH, Urt. v. 29.10.1990 – II ZR 241/89, NJW 1991, 699; BGH, Urt. v. 19.10.1993 – KZR 3/92, BGH, Urt. v. 29.1.1996 – II ZR 286/94, NJW-RR 1996, 741; GmbHR 1994, 44; BGH, Urt. v. 14.7.1997 – II ZR 238/96, NJW 1997, 3089; BGH, Urt. v. 8.5.2000 – II ZR 308/ 98, NJW 2000, 2584; BGH, Urt. v. 29.9.2003 – II ZR 59/02, NJW 2004, 66; BGH, Urt. v. 18.7.2005 – II ZR 159/03, NJW 2005, 3061; MünchKommBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 79; Palandt/Ellenberger, § 138 Rn. 104 ff.; Erman/Palm/Arnold, BGB, § 138 Rn. 196; Staudinger/Sack, BGB § 138 Rn. 302 ff.; vgl. zu Wettbewerbsverboten zwischen Ärzten: Spoerr/Brinker, NJW 1997, 3056 und in Gesellschaftsverträgen: Kanzleiter, DNotZ 1989, 195. 28 Vgl. BGH, Urt. v. 19.10.1993 – KZR 2/92, GmbHR 1994, 44; MünchKommBGB/ Armbrüster, § 138 Rn. 79 (ohne angemessenen Äquivalent aber grundsätzlich von Sittenwidrigkeit ausgehend); Staudinger/Sack, BGB § 138 Rn. 303, 308.
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
keitsbeschränkung zu fordern. Die Entschädigung habe den Zweck, ein angemessenes Entgelt für die Nachteile zu gewähren, welche die Beschränkung der Freiheit in Bezug auf die Ausnutzung der Arbeitskraft auch dann mit sich bringe, wenn sich die Beschränkung innerhalb der gesetzlich zulässigen Grenzen halte.29 Nach der Literatur zu §§ 74 Abs. 2 und § 90a Abs. 1 HGB soll die Karenzentschädigung Entgelt und Gegenleistung für die Wettbewerbsenthaltungszusage sein30 bzw. der Erhaltung des Lebensstandards dienen, den sich der Arbeitnehmer/Handelsvertreter durch die vorausgegangene Tätigkeit erarbeitet hat. Sie soll den Nachteil ausgleichen, den die Beschränkung in der Verwendung der Arbeitskraft verursacht.31 Zudem diene das Gebot der bezahlten Karenz der Abschreckung. Unternehmer würden sonst, um eine Kündigung und Verwertung der Kenntnisse zu verhindern, stets nachvertragliche Wettbewerbsverbote vorschreiben.32 VII. Auffassungen der Literatur Diejenigen Vertreter, die jedenfalls abhängige bzw. Fremdgeschäftsführer als Arbeitnehmer qualifizieren, kommen ganz überwiegend zur Heranziehung der §§ 74 ff. HGB und damit zur uneingeschränkten Geltung des § 74 Abs. 2 HGB. Auch die Literaturvertreter, die die analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB bei allen oder aber bei besonders schutzbedürftigen Geschäftsführern befürworten und hierfür insbesondere mit dem Grundsatz bezahlter Karenz des § 74 Abs. 2 HGB argumentieren, wenden § 74 Abs. 2 HGB an.33 Der Teil der Literatur, der ebenso wie die Rechtsprechung § 138 BGB als Prüfungsmaßstab heranzieht und zu dessen Konkretisierung auf die Grundgedanken bzw. Wertungen der §§ 74 ff. HGB verweist, beurteilt dagegen unterschiedlich, ob und inwieweit die Karenzentschädigungspflicht des § 74 Abs. 2 HGB Anwendung findet.34 Teilweise wird eine Karenzentschädigung entsprechend § 74 Abs. 2 HGB und damit in Höhe von mindestens der Hälfte der zuletzt bezogenen Vergütung jeden29 Vgl. Reichstagsprotokolle, 13. Legislaturperiode, 1912/14, 18, Anlage Nr. 575, S. 726 ff.; zur Diskussion: Reichstagsprotokolle, 13. Legislaturperiode, 1912/14, 12, 2. Beratung, Bd. 294, 248. Sitzung, S. 8415 ff. 30 Vgl. Staub, Großkomm.HGB/Emde, § 90a Rn. 34; Ensthaler/Genzow, GK-HGB, § 90a Rn. 13; Baumbach/Hopt, HGB, § 90a Rn. 18; HK-HGB/Ruß, § 74 Rn. 5; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 90a Rn. 40; ErfK/Oetker, § 74 HGB Rn. 15; Staub, Großkomm.HGB/Weber, § 74 Rn. 33. 31 Vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken, § 74 Rn. 41; Ensthaler/Genzow, GK-HGB, § 90a Rn. 13; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 74 Rn. 41; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 90a Rn. 40. 32 Vgl. Staub, Großkomm.HGB/Emde, § 90a Rn. 2. 33 Vgl. Teil 1 C. II. 34 Vgl. Michalski/Haas, GmbHG, § 43 Rn. 151.
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falls bei Fremdgeschäftsführern verlangt. Ohne die Zusage einer angemessenen Entschädigung sei ein Wettbewerbsverbot entsprechend § 74 Abs. 2 HGB grundsätzlich unverbindlich.35 Bei Gesellschafter-Geschäftsführern bedürfe es dagegen keiner Entschädigungsvereinbarung, wenn diesen aus Beteiligung und Gewinnanteilen Beträge zuflössen, die höher als die Vergütung seien. Verzichtbar sei eine Karenzentschädigung ferner bei Kunden- und Mandantenschutzklauseln.36 Eine andere Ansicht erachtet – unabhängig dessen, dass sie im Ergebnis die gesamtanaloge Anwendung der §§ 74 ff. HGB bei allen Geschäftsführern befürwortet – die Anwendung des § 74 Abs. 2 HGB aus verfassungsrechtlichen Gründen bei allen Geschäftsführern für geboten. Die Abwägung der Interessen der Unternehmen und der Interessen der Geschäftsführer ergäbe, dass zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit gemäß Art. 3 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 12 Abs. 1 GG eine Karenzentschädigung in der gleichen Höhe wie bei Arbeitnehmern erforderlich sei. Die Angemessenheit der Entschädigung richte sich dementsprechend nach der in den §§ 74 ff. HGB vorgesehenen Höhe.37 Ein anderer Vertreter nimmt an, der Gleichheitssatz des Art. 3 GG gebiete die Anwendung des § 74 Abs. 2 HGB auch bei Geschäftsführern. Die Norm enthalte einen allgemeinen Rechtsgedanken. Zudem unterschieden sich die Interessenlagen von Geschäftsführern und ausscheidenden Angestellten nicht. Das gelte jedenfalls für Fremdgeschäftsführer.38 Auch andere Vertreter kritisieren die generell ablehnende Haltung der Rechtsprechung hinsichtlich der Anwendung des § 74 Abs. 2 HGB. Sie treten aber nicht für die Geltung des § 74 Abs. 2 HGB ein, sondern verlangen, seinen Rechtsgedanken bei der Billigkeitskontrolle zu berücksichtigen.39 Gerade der abhängige Geschäftsführer sei zur Sicherung seiner wirtschaftlichen Existenzgrund35 Vgl. Kallmeyer/Fuhrmann, GmbH-Handbuch, 10. Abschnitt (136. EL 01/2011) Rn. 2186; Groß, Anstellungsverhältnis des GmbH-GF, S. 363; Jaeger, Anstellungsvertrag des GmbH-GF, S. 171 f.; Baumbach/Hopt/Zöllner/Noack, GmbHG § 35 Rn. 202. 36 Vgl. Kallmeyer/Fuhrmann, GmbH-Handbuch, 10. Abschnitt (136. EL 01/2011) Rn. 2186; Jaeger, Anstellungsvertrag des GmbH-GF, S. 171; Baumbach/Hopt/Zöllner/ Noack, GmbHG § 35 Rn. 202. 37 Vgl. Gravenhorst, Rechtliche Grenzen für die Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote mit GmbH-Geschäftsführern, S. 98 ff. 38 Vgl. Gaul, GmbHR 1991, 144, 147 f. 39 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1071 ff. (bei Zugrundelegung der BGH-Rechtsprechung); Bauer, in: FS Schwerdtner, S. 441, 443; Campos Nave, NJW 2003, 3322, 3323; Heyll, Die Anwendung von Arbeitsrecht auf Organmitglieder, S. 249, 257 (Berücksichtigung von Entschädigung bei Gesamtinteressenabwägung); Lutter/ Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anh. zu § 6 Rn. 25; ErfK/Oetker, § 74 HGB Rn. 5 (für Fremdgeschäftsführer andeutend); Reiserer/Heß-Emmerich/Peters, GmbH-GF, S. 50; Thüsing, NZG 2004, 9, 11 f.; Wagner, in: Röhricht/Graf v. Westphalen (Hrsg.), HGB, § 74 Rn. 19; für AG-Vorstand: Bauer, DB 1992, 1413, 1417; Hüffer, AktG, § 88 Rn. 10; Großkomm.AktienG/Kort, § 88 Rn. 153; MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rn. 53; Münch.Hdb.GesR IV/Wiesner, § 21 Rn. 71 (ohne Bezug zu § 74 HGB).
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
lage darauf angewiesen, bei weitgehenden beruflichen Beschränkungen wenigstens einen finanziellen Ausgleich zu erhalten. Diese finanzielle Kompensation könne ausnahmsweise auch in einer einmaligen Abfindung bestehen.40 Auch nach diesen Vertretern sind Wettbewerbsverbote ohne Zusage einer Karenzentschädigung nur in Ausnahmefällen verbindlich, sofern es sich nicht lediglich um begrenzte Kundenschutzklauseln handelt.41 Es gilt aber hinsichtlich der Höhe der Entschädigung nicht zwingend der Maßstab des § 74 HGB.42 Ein anderer Vertreter lehnt es darüber hinausgehend ausdrücklich ab, die Zusage einer Karenzentschädigung entsprechend § 74 Abs. 2 HGB auch bei Geschäftsführern als Wirksamkeitsvoraussetzung anzusehen. Die Freiheit der Vertragsparteien, ob sie eine Karenzentschädigung vereinbaren, gelte dabei unabhängig davon, ob es sich um einen arbeitnehmerähnlichen (Fremd-)Geschäftsführer oder einen Gesellschafter-Geschäftsführer mit Unternehmerstatus handele. Jedenfalls könne § 74 Abs. 2 HGB nicht für die Mindesthöhe maßgeblich sein.43 VIII. Stellungnahme Vor dem Hintergrund dieser Aspekte ist im Folgenden zu klären, ob es in jedem Fall zwingend einer Karenzentschädigungszusage bedarf. Ggf. wäre festzustellen, ob diese hinsichtlich der Höhe § 74 Abs. 2 HGB entsprechen müsste. 1. Verfassungsrechtliche Gebotenheit einer Karenzentschädigung und allgemeine Rechtsgrundsatzqualität des § 74 Abs. 2 HGB
Bei der Auslegung und Anwendung der Sittenwidrigkeitsgeneralklausel haben die Gerichte die objektive Wertentscheidung der Grundrechte zu beachten. Bei Wettbewerbsverboten sind die Wertungen der kollidierenden Grundrechte der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung der Vertragsfreiheit auf der einen und der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG auf der anderen Seite gegeneinander abzuwägen. Hierbei muss der besonderen Bedeutung des Berufes für die Persönlichkeit des Betroffenen hinreichend Rechnung getragen werden. Wegen dieser besonderen Bedeutung des Art. 12 Abs. 1 GG stellt sich die Frage, ob ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nicht von vorneherein unzulässig ist, wenn es ohne eine ausdrückliche Karenzentschädigungszusage vereinbart wird. Das wäre dann der Fall, wenn eine Wettbewerbsabrede ohne Karenzentschädigung als unverhältnismäßige und daher sittenwidrige Be40
Vgl. Reiserer/Heß-Emmerich/Peters, GmbH-GF, S. 50. Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1071 ff.; Campos Nave, NJW 2003, 3322, 3323; für AG-Vorstand: MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rn. 53; Münch.Hdb. GesR IV/Wiesner, § 21 Rn. 71. 42 Vgl. Bauer, in: FS Schwerdtner, S. 441, 444. 43 Vgl. Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 135 Rn. 254. 41
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einträchtigung der Berufsfreiheit des vom Wettbewerbsverbot Betroffenen zu qualifizieren, eine Karenzentschädigung also verfassungsrechtlich geboten wäre. Ebenso sind bei der Konkretisierung der Sittenwidrigkeit des § 138 Abs. 1 BGB allgemeine normübergreifende Rechtsgrundsätze zu berücksichtigen. Ein Wettbewerbsverbot wäre daher auch dann sittenwidrig, wenn § 74 Abs. 2 HGB – jedenfalls im Hinblick auf die Entschädigungspflicht, also unabhängig der festgelegten Entschädigungshöhe – den allgemeinen Rechtsgrundsatz bezahlter Karenz als eine bei allen Wettbewerbsverboten zwingend zu beachtende Wertung enthielte. Beide Ansätze werden in der Literatur vertreten.44 Zur Begründung wird auf Entscheidungen von BAG und BVerfG zu Ausnahmen von der Karenzentschädigungspflicht in den §§ 74 ff. und § 90a HGB sowie insbesondere auf die vom Gesetzgeber mit der Karenzentschädigungspflicht nach § 74 Abs. 2 HGB verfolgten Schutzzwecke verwiesen.45 Ob aber den Ausführungen von BAG und BVerfG in diesen Entscheidungen entnommen werden kann, dass auch bei nicht den §§ 74 ff. bzw. § 90a HGB unterfallenden Rechtsverhältnissen Karenzentschädigungen verfassungsrechtlich geboten bzw. qua des allgemeinen Rechtsgedankens der bezahlten Karenz nach § 74 Abs. 2 HGB erforderlich sind, erscheint fraglich. Ebenso bedarf es kritischer Prüfung, ob die für § 74 Abs. 2 HGB angeführten Schutzzwecke geeignet sind, die Geltung des § 74 Abs. 2 HGB im Sinne eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes auch bei anderen Personengruppen zu begründen. a) Entscheidungen des BAG zu §§ 75b S. 2 und 75 Abs. 3 HGB a. F. sowie des BVerfG zu § 90a Abs. 2 S. 2 HGB a. F. Im Jahre 1969 hat das BAG entschieden,46 § 75b S. 2 HGB a. F., der bei Wettbewerbsverboten mit Angestellten oberhalb einer bestimmten Verdienstgrenze Karenzentschädigungen i. S. v. § 74 Abs. 2 HGB für entbehrlich erklärte, sei – jedenfalls mit der bis dahin als maßgeblich erachteten Verdienstgrenze – verfassungswidrig. Die Regelung genüge nicht den Anforderungen der Rechtsstaatlichkeit, da Arbeitgeber und Angestellter die für sie maßgebliche Entgeltgrenze nicht aus dem Gesetz entnehmen könnten. Der Senat hat aber ausdrücklich offen gelassen, ob die Regelung im Ganzen verfassungswidrig oder durch verfassungskonforme Auslegung mit einer anders zu bestimmenden Verdienstgrenze aufrechtzuerhalten sei. Er hat aber darauf hingewiesen, dass sich für die Unwirksamkeit der 44 Vgl. Gaul, GmbHR 1991, 144; Gravenhorst, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit GmbH-GF, S. 105. 45 Vgl. Gravenhorst, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit GmbH-GF, S. 97 ff. 46 Das BAG war wegen des vorkonstitutionellen Charakters der Norm nicht zur Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 GG verpflichtet.
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
Regelung anführen ließe, dass ein entschädigungsloses Wettbewerbsverbot nach heutiger Auffassung weithin als unbillig empfunden werde, für die verfassungskonforme Auslegung aber das Gebot, Gesetze nach Möglichkeit aufrechtzuerhalten, spreche.47 Sechs Jahre später hat das BAG seine Entscheidung dahingehend ergänzt, dass sich die Verdienstgrenze für sog. Hochbesoldete i. S. d. § 75b S. 2 HGB nicht im Wege verfassungskonformer Auslegung neu bestimmen ließe. § 75b S. 2 HGB erweise sich damit schon wegen seiner Unbestimmtheit insgesamt als verfassungswidrig, so dass sich erübrige, auf die Frage einzugehen, ob auch Art. 3 GG oder Art. 12 GG eine Schlechterstellung der sogenannten Hochbesoldeten hinsichtlich der Karenzentschädigung verböten.48 Zwischenzeitlich hatte das BAG zudem dem Schrifttum zur Erwägung und Überprüfung gestellt, ob § 75 Abs. 3 HGB verfassungswidrig sei. Die Verfassungswidrigkeit könne sich zum einen aus einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ergeben, da die Norm bei einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses die Folgen für ein bestehendes Wettbewerbsverbot ohne einsichtigen Grund und damit willkürlich für den Arbeitnehmer ungünstiger und für den Arbeitgeber (§ 75 Abs. 1 HGB) günstiger regele, je nachdem, ob der wichtige Grund für die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber oder vom Arbeitnehmer gesetzt worden sei. Zum anderen könne die Norm gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstoßen, weil der Arbeitnehmer nach § 75 Abs. 3 HGB bei einer von ihm veranlassten Kündigung aus wichtigem Grund an das Wettbewerbsverbot gebunden sei, dennoch aber keine Karenzentschädigung erhalte. Zu letzterem hat das BAG ausgeführt: „Verfassungsrechtlich bedenklich erscheint § 75 Abs. 3 HGB für sich betrachtet ferner nach dem in Art. 12 Abs. 1 GG verankerten Gebot der Berufsfreiheit. Es ist zwar vom BAG wiederholt ausgesprochen worden, dass arbeitsrechtlich fundierte Wettbewerbsverbote nicht nach Art. 12 Abs. 1 GG grundgesetzwidrig seien [. . .]. Seit dem Erlass dieser Entscheidungen hat jedoch die Rechtsprechung zur Frage, inwieweit durch Wettbewerbsverbote die ungehinderte Berufsausübung eingeschränkt werden darf, einen Wandel erfahren: Wegen der in Art. 12 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommenden Wertvorstellung von der ungehinderten Ausnutzung beruflichen Könnens und Wissens, die nur aus besonderen Gründen erschwert werden darf, hat die Rechtsprechung den Grundsatz herausgestellt, dass eine entschädigungslose Beschränkung in der Verwertung beruflichen Könnens und Wissens und beruflicher Erfahrung nicht mehr vertretbar ist. Für alle Arbeitnehmer sind daher Wettbewerbsverbote (und auch Mandantenschutzklauseln) nur noch dann als verbindlich angesehen worden, wenn ihnen eine Entschädigung dafür zugebilligt ist, dass sie ihre beruflichen Fähigkeiten nicht nach ihrer freien Entscheidung ausnutzen können [. . .]. Der dem Gebot des Art. 12 Abs. 1 GG Rechnung tragende Grundsatz der bezahlten Karenz wird durch
47 48
Vgl. BAG, Urt. v. 5.12.1969 – 3 AZR 514/68, NJW 1970, 723. Vgl. BAG, Urt. v. 2.10.1975 – 3 AZR 28/75, NJW 1976, 342.
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§ 75 Abs. 3 HGB durchbrochen, ohne dass erkennbar ist, dass dafür übergeordnete oder gleichgewichtige Belange vorlägen. [. . .]“ 49
Zwei Jahre später hat das BAG unter Anknüpfung an seine Erwägungen § 75 Abs. 3 HGB sodann wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG für nichtig erklärt. Die ungleiche Regelung der Situation von Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Falle außerordentlicher Kündigungen wegen Vertragsverletzungen des Vertragspartners in § 75 Abs. 1 und 3 HGB sei willkürlich und verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die infolge der Nichtigkeit des § 75 Abs. 3 HGB entstehende Regelungslücke sei durch analoge Anwendung des § 75 Abs. 1 HGB zu schließen. Auf den erwogenen Verstoß der Regelung auch gegen Art. 12 Abs. 1 GG ist das BAG in seiner Entscheidung nicht eingegangen.50 Wenige Jahre darauf hat das BAG sodann § 75b S. 1 HGB wegen Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 GG für verfassungswidrig erachtet. Nach dieser Norm hing die Verbindlichkeit eines Wettbewerbsverbotes dann nicht von einer Entschädigung ab, wenn der Angestellte für eine Tätigkeit außerhalb Europas angenommen worden war. Das BAG hat ausgeführt, die Ausnahme des § 75b S. 1 HGB vom Grundsatz der bezahlten Karenz halte einer Überprüfung nach Art. 12 Abs. 1 GG nicht mehr stand. Wegen Art. 12 Abs. 1 GG und bedingt durch die geänderten sozialen Wertvorstellungen seien nur solche Wettbewerbsverbote zulässig, in denen sich der Begünstigte zur Zahlung einer Karenzentschädigung in einem Umfang verpflichte, durch den der mit der Wettbewerbsabrede verlangte Verzicht der ungehinderten Ausnutzung beruflichen Könnens und Wissens ausgeglichen werde.51 Das BVerfG hat im Jahre 1990 den generellen Ausschluss des Anspruches der Handelsvertreter auf Karenzentschädigung im Falle einer außerordentlichen Kündigung des Unternehmers nach § 90a Abs. 2 S. 2 HGB a. F. als mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar erklärt. In seiner Begründung hat es u. a. darauf hingewiesen, die Ausnahmeregelung des § 90a Abs. 2 S. 2 HGB a. F. werde den Anforderungen der Berufsfreiheit angesichts der Unterschiedlichkeit der in Betracht kommenden Fälle nicht gerecht. Der Gesetzgeber könne aber entweder durch eine Generalklausel Differenzierungen ermöglichen oder selbst eine differenzierte Regelung schaffen, für bestimmte Fallgestaltungen oder für bestimmte Gruppen besonders schutzbedürftiger Handelsvertreter.52 Aus diesen Entscheidungen wird erkennbar, dass das BAG die Karenzentschädigungspflicht nach und nach als den die Regelungen der § 74 ff. HGB prägenden, dem Gebot des Art. 12 Abs. 1 GG Rechnung tragenden Grundsatz anerkannt 49 50 51 52
Vgl. BAG, Urt. v. 26.10.1973 – 3 AZR 118/73, NJW 1974, 1013. Vgl. BAG, Urt. v. 23.2.1977 – 3 AZR 620/75, NJW 1977, 1357. Vgl. BAG, Urt. v. 16.10.1980 – 3 AZR 202/79, NJW 1981, 1174. Vgl. BVerfG, Beschluss v. 7.2.1990 – 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469.
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
hat. Während es § 75b S. 2 HGB noch allein wegen seiner rechtsstaatswidrigen Unbestimmtheit für verfassungswidrig erachtete, hat es § 75 Abs. 3 HGB zwar nur wegen Art. 3 Abs. 1 GG als verfassungswidrig beurteilt, einen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG wegen ungerechtfertigter Durchbrechung des Grundsatzes bezahlter Karenz aber erwogen und § 75b S. 1 HGB schließlich wegen eines solchen Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 GG für verfassungswidrig erklärt. Insbesondere in seinen Ausführungen zu § 75 Abs. 3 HGB hat es deutlich gemacht, Wettbewerbsverbote mit Arbeitnehmern nur dann als verbindlich anzusehen, wenn eine Entschädigung zugebilligt wird. Das BVerfG nimmt bei genauer Betrachtung seiner Ausführungen dagegen keinen allgemeinen Grundsatz der bezahlten Karenz an. Vielmehr räumt es dem Gesetzgeber ein, durch Generalklauseln oder differenzierte Regelungen weitgehende Einschränkungen der Karenzentschädigungspflicht vorzusehen. Ob BAG und BVerfG eine Karenzentschädigung gegenüber Arbeitnehmern bzw. Handelsvertretern aus Gründen des Art. 12 Abs. 1 GG für geboten bzw. § 74 Abs. 2 und § 90a Abs. 1 HGB als tragendes Prinzip der Normen erachten, kann hier aber dahinstehen. Auch wenn die Formulierungen des BAG zu Art. 12 Abs. 1 GG – so wenn es ausführt: „wegen der in Art. 12 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommenden Wertvorstellungen von der ungehinderten Ausnutzung beruflichen Könnens und Wissens, die nur aus besonderen Gründen erschwert werden dürfen, hat die Rechtsprechung den Grundsatz herausgestellt, dass eine entschädigungslose Beschränkung in der Verwertung beruflichen Könnens nicht mehr vertretbar ist“ 53 –
teilweise den Eindruck erwecken, dass auch bei nicht unter die §§ 74 ff. HGB fallenden Wettbewerbsverboten eine Karenzentschädigung verfassungsrechtlich geboten ist, wird aus der BVerfG-Entscheidung sowie einer weiteren BAG-Entscheidung deutlich, dass weder Art. 12 Abs. 1 GG zwingend eine Karenzentschädigung auch außerhalb der §§ 74 ff./90a HGB gebietet noch §§ 74 Abs. 2/90a Abs. 1 HGB einen allgemeinen, auch bei anderen Personengruppen geltenden Rechtsgrundsatz bezahlter Karenz enthält. Das BVerfG hat dargelegt: „Dem Gesetzgeber stellte sich danach die Aufgabe, das Recht der nachvertraglichen Wettbewerbsverbote für Handelsvertreter so zu regeln, dass einerseits für die Interessenwahrung auf Seiten der Unternehmer ausreichender Spielraum bleibt, andererseits aber die Verhandlungsschwäche auf Seiten der Handelsvertreter ausgeglichen wird. Die weitreichende Gestaltungsfreiheit, die dem Gesetzgeber bei der Lösung dieser Aufgabe zusteht, ist nach beiden Seiten begrenzt, weil es sowohl für die Unternehmer als auch für die Handelsvertreter um grundrechtlich geschützte Positionen geht. [. . .] Im Regelungskonzept des § 90a HGB hatte die Schaffung eines gesetzlichen Anspruchs auf Karenzentschädigung jedenfalls bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vom 23.10.1989 entscheidende Bedeutung. Ein solcher Vergütungsanspruch ist be-
53
Vgl. BAG, Urt. v. 26.10.1973 – 3 AZR 118/73, NJW 1974, 1013.
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sonders geeignet, die gegenläufigen Interessen auszugleichen, ohne übermäßig in die Vertragsfreiheit einzugreifen. [. . .]“ 54
Ebenso hat das BAG im Jahre 1960 (noch) ausgeführt: „Vom Gesetz ist die Karenzentschädigung nur bei einem Wettbewerbsverbot für Handlungsgehilfen und für Handelsvertreter (§ 90a HGB) zur Wirksamkeitsvoraussetzung erhoben. Für die übrigen Arbeitnehmergruppen sind die Interessenlagen und die im einzelnen zu berücksichtigenden Umstände zu vielschichtig und untypisch, um die Regelung der §§ 74 Abs. 2, § 90a HGB auf sie ohne weiteres zu übertragen. Ob in dieser Beziehung die derzeitige gesetzliche Regelung rechtspolitisch wünschenswert und zweckmäßig ist, ist eine ganz andere Frage, die zu entscheiden nicht Sache der Gerichte ist. Das ist vielmehr allein Sache des Gesetzgebers. Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit, bei Wettbewerbsbeschränkungen die Verabredung einer Entschädigung zur Wirksamkeitsvoraussetzung zu erheben, bisher keinen weitergehenden Gebrauch, als in §§ 74 Abs. 2, 90a HGB enthalten, gemacht. Unter diesen Umständen kann es nicht Aufgabe der Gerichte sein, an seiner Stelle das Recht der Wettbewerbsverbote neu zu gestalten. Ein solches Verfahren würde nicht mehr in den Rahmen einer zulässigen Fortbildung des Rechts fallen, sondern eine Neugestaltung des Rechts darstellen und damit die der rechtsprechenden Gewalt gesetzten Grenzen überschreiten.“ 55
Hieraus folgt, dass ein Wettbewerbsverbot mit einer nicht unter die §§ 74 ff./ 90a HGB fallenden Person nicht von vorneherein wegen unverhältnismäßigen Eingriffes in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) bzw. wegen Verstoßes gegen den aus den §§ 74 Abs. 2 und 90a HGB folgenden allgemeinen Rechtsgrundsatz bezahlter Karenz nichtig sind, wenn keine Karenzentschädigung gewährt wird. § 74 Abs. 2 und § 90a Abs. 1 HGB sind als Bestandteile der für einzelne Personengruppen und deren besondere Interessenlagen geschaffene Gesamtregelungssysteme weder Ausdruck eines zwingenden verfassungsrechtlichen Gebotes noch enthalten sie einen allgemeinen Rechtsgrundsatz. Die Karenzentschädigungspflichten in § 74 Abs. 2 HGB und § 90a Abs. 1 HGB sind vielmehr Ausfluss gesetzgeberischer Entscheidungen, wie die widerstreitenden Interessen der durch die Normen Betroffenen in Ausgleich zu bringen sind. Für sie hat sich der Gesetzgeber zwecks umfassenden Schutzes der Berufsfreiheit von Handlungsgehilfen bzw. Handelsvertretern entschieden. Hieraus folgt aber nicht zugleich, dass auch bei anderen Personengruppen der Interessenausgleich zwingend eine Karenzentschädigungspflicht vorsehen müsste. Auf Personengruppen, für die gesetzliche Regelungen bisher noch nicht geschaffen worden sind, für die der Gesetzgeber also noch nicht grundlegend entschieden hat, dass die Interessen u. a. durch eine Karenzentschädigungspflicht ausgeglichen werden müssen, können die Gerichte die Normen daher nicht ohne Weiteres übertragen. Ob und in welcher Höhe eine Entschädigung gezahlt wird, ist außerhalb der §§ 74 ff. HGB und des § 90a HGB daher „nur“ ein Aspekt der in Ausfluss der Verhältnismäßig54 55
Vgl. BVerfG, Beschluss v. 7.2.1990 – 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469. Vgl. BAG, Urt. v. 11.2.1960 – 5 AZR 79/58, AP Nr. 20 zu Art. 12 GG.
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
keitsprüfung des Art. 12 Abs. 1 GG vorzunehmenden Prüfung der Billigkeit der Beschränkung durch das Wettbewerbsverbot. Diese Einordnung der §§ 74 Abs. 2, 90a Abs. 1 HGB entspricht auch der Rechtsprechung des BAG zu nachvertraglichen Wettbewerbsverboten mit nichtkaufmännischen Angestellten bis zur analogen Anwendung der §§ 74 ff. HGB auch bei diesen. Wie dargestellt, hat das BAG – wie derzeit auch der BGH bei Abreden mit Geschäftsführern, AG-Vorstandsmitgliedern, Gesellschaftern oder Freiberuflern – die Zahlung einer Entschädigung im Rahmen der Prüfung der Billigkeit der Beschränkung des Arbeitnehmers berücksichtigt. Es hat dagegen zu keiner Zeit auch nur angedeutet, eine Karenzentschädigungszusage sei aus verfassungsrechtlichen Gründen oder wegen der allgemeinen Rechtsgrundsatzqualität des § 74 Abs. 2 HGB erforderlich.56 b) Gebotenheit einer Karenzentschädigung aus Schutzzweckgesichtspunkten? Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz bezahlter Karenz ist auch nicht wegen der Ausführungen des Gesetzgebers im Jahre 1914 zu den Schutzzwecken der eingeführten Karenzentschädigungspflicht nach § 74 Abs. 2 HGB anzunehmen.57 Nach der Vorstellung des Gesetzgebers dient die Karenzentschädigungspflicht der Abschreckung vor leichtfertiger Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote und sichert den Handlungsgehilfen für ihre Wettbewerbsenthaltung eine Entschädigung als Gegenleistung zu.58 Möglicherweise erhöhte die Pflicht zur Zusage einer Karenzentschädigung auch für GmbHs die Hemmschwelle, ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot in den Anstellungsvertrag aufzunehmen. Ebenso erscheint es grundsätzlich sachgerecht, auch Geschäftsführer für ihre Wettbewerbsenthaltung zu entschädigen. Aus der möglichen Übertragbarkeit der für die Karenzentschädigungspflicht nach § 74 Abs. 2 HGB durch den Gesetzgeber angedachten Schutzzwecke kann aber noch keine zwingende Karenzentschädigungspflicht zugunsten von Geschäftsführern gefolgert werden. Denn durch eine zwingende Karenzentschädigungspflicht würde im Ergebnis die gesetzgeberische Grundentscheidung bei Geschäftsführern zugunsten der Vertragsfreiheit und einer gerichtlichen Prüfung entsprechender Vereinbarungen anhand der Generalklauseln des BGB, insbesondere des § 138 Abs. 1 BGB, ausgehöhlt.59 Der Gesetzgeber hat bisher von der Schaffung gesetzlicher Maßstäbe für nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit Geschäftsführern abgesehen, also auch keine zwingende Karenzentschädigungspflicht eingeführt. Hielte er eine solche zwecks Schaffung einer Hemmschwelle auch für GmbHs für notwendig, stände es ihm 56 57 58 59
Vgl. Teil 3 § 1 C. IV. 2. AA: Gravenhorst, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit GmbH-GF, S. 99. Vgl. Teil 3 § 1 C. VI. Vgl. hierzu sogleich.
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jederzeit offen, eine solche Regelung zu schaffen. Ohne eine entsprechende Regelung ist aber davon auszugehen, dass es weiterhin der Rechtsprechung überlassen bleiben soll, Abreden auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen und ggf. – auch mangels hinreichender Entschädigung – für unzulässig zu bewerten. Der Schutzzweck der Sicherung einer Entschädigung als Gegenleistung vermag aus denselben Gründen keine Karenzentschädigungspflicht zu begründen. Die Gerichte stellen auf der Grundlage des § 138 Abs. 1 BGB fest, ob der betroffene Geschäftsführer in sittenwidriger Weise zur Wettbewerbsenthaltung verpflichtet ist. Hierfür nehmen sie eine Gesamtinteressenabwägung vor, in welcher sie auch sonstige Leistungen des Anstellungsvertrages berücksichtigen, die im Einzelfall eine entschädigende Gegenleistung entbehrlich machen können. Vor diesem Hintergrund wäre es daher verfehlt, eine Pflicht zur Zahlung einer gesondert zu vereinbarenden Entschädigung als Gegenleistung anzunehmen. c) Kein allgemeiner Grundsatz bezahlter Karenz wegen Vertragsfreiheit und Maßstab des § 138 BGB Die Ablehnung einer allgemeinen Karenzentschädigungspflicht der GmbH steht schließlich, wie bereits angedeutet, in Einklang mit der hinsichtlich der Gesamtrechtsstellung des Geschäftsführers und damit zugleich auch des Rechtsverhältnisses von GmbH und Geschäftsführer vorzufindenden weitgehenden Vertragsfreiheit von GmbH und Geschäftsführer. Der Gesetzgeber hat bisher darauf verzichtet, Normen hinsichtlich der persönlichen Rechtsstellung des Geschäftsführers, also des Gegenstandes des Anstellungsvertrages, zu schaffen. Mindest(schutz-)vorgaben finden sich ebenso wenig wie Regelungen hinsichtlich der Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften. Er geht also bei Geschäftsführern aufgrund ihrer Gesamtrechtsstellung davon aus, dass sie über hinreichendes Verhandlungsgewicht verfügen, um auf die sie belastenden Vertragsbestandteile, wie Wettbewerbsverbote, Einfluss zu nehmen und ggf. Ausgleichsleistungen auszuhandeln. Die Prüfung der Zulässigkeit entsprechender Wettbewerbsabreden überlässt er ferner bewusst den Gerichten. Diese können auf der Grundlage der zivilrechtlichen Generalklauseln unter Berücksichtigung der Umstände der Einzelfälle über die Vereinbarungen befinden. Die Zahlung einer Karenzentschädigung können sie bei ihrer Gesamtwürdigung berücksichtigen. Im Ergebnis ist daher – insbesondere auch vor dem Hintergrund der Parallelitäten zur Behandlung von Wettbewerbsabreden mit AG-Vorstandsmitgliedern, Gesellschaftern und Freiberuflern – von einer gesetzgeberischen Grundentscheidung gegen die Einführung einer Karenzentschädigungspflicht und zugunsten der Betonung der Vertragsfreiheit sowie Beibehaltung der Beurteilungskompetenz der Gerichte auszugehen.60 60 Vgl. zur in anderen europäischen Staaten nicht bestehenden Karenzentschädigungspflicht bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten mit Arbeitnehmern: Brendel,
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
d) Zwischenergebnis Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot für einen Geschäftsführer nicht bereits dann unzulässig ist, wenn dem Geschäftsführer keine Karenzentschädigung zugesichert wird. Eine Karenzentschädigung ist weder aus verfassungsrechtlichen Gründen, konkret zum Schutz der Berufsfreiheit des Geschäftsführers nach Art. 12 Abs. 1 GG, noch wegen eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes bezahlter Karenz geboten. Die §§ 74 Abs. 2, 90a Abs. 1 HGB sind weder unmittelbar Ausfluss des Art. 12 Abs. 1 GG noch schaffen sie einen Rechtsgrundsatz, der auch bei nicht den Normen unterfallenden Personengruppen zu beachten wäre. Vielmehr sind sie lediglich Bestandteile der für die entsprechenden Personengruppen durch den Gesetzgeber vorgenommenen Abwägungen der widerstreitenden Interessen. 2. Karenzentschädigung als Billigkeitsaspekt
Die (Nicht-)Zahlung einer Karenzentschädigung ist aber nicht bedeutungslos. Vielmehr findet sie Berücksichtigung bei der nach § 138 Abs. 1 BGB i.V. m. der Wertung des § 74a Abs. 1 S. 2 HGB vorzunehmenden Prüfung, ob der Geschäftsführer durch das Wettbewerbsverbot unbillig in seinem Fortkommen beschwert ist. Die Kriterien des § 74a Abs. 1 HGB in Form des berechtigten Interesses des Begünstigten und der nicht unbilligen Beschränkung des Betroffenen sind, wie ausgeführt, geeignet, die verfassungsrechtlichen Anforderungen (Art. 12 Abs. 1 GG) an die Zulässigkeit von Wettbewerbsverboten zu konkretisieren.61 Ob ein Wettbewerbsverbot den Betroffenen unverhältnismäßig und daher sittenwidrig in seiner Berufsfreiheit beschränkt, hängt aber auch davon ab, ob die Belastung durch eine Entschädigungsleistung abgemildert oder aufgefangen wird. Die Ausübung des Berufes ist nämlich nicht nur Ausdruck der allgemeinen Persönlichkeit, vielmehr dient sie auch der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage.62 Entschädigende Leistungen dienen der Erhaltung der Lebensgrundlage. Insofern können sie die Berufsbeeinträchtigung verringern und sind daher zu beachten. Eine Entschädigungsleistung ist bei der Prüfung der nur billigen Beschränkung des Geschäftsführers, nicht aber bei der Frage nach dem berechtigten geschäftlichen Interesse der Gesellschaft zu berücksichtigen. Fehlt der Gesellschaft ein
Nachvertragliche grenzüberschreitende Wettbewerbsverbote, S. 175 ff.; Edenfeld, ZfA 2004, 463, 496. 61 Vgl. Teil 2 § 3 F. II. 3. c) bb) (1) (a) (bb) (b). 62 Vgl. zu Art. 12 GG: Teil 2 § 3 F. II. 3. c) bb) (1) (a) (bb) (b).
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berechtigtes Interesse hinsichtlich des vereinbarten Wettbewerbsverbotes, besteht für das Wettbewerbsverbot und damit auch die Beschränkung des Geschäftsführers in diesem Umfang kein sachliches Interesse.63 Hieran kann auch eine Entschädigungsleistung nichts änden. Vor diesem Hintergrund erscheint es widersinnig, der Gesellschaft im Falle der Zahlung einer Entschädigung die Vereinbarung eines noch weitergehenden und daher noch weniger sachlich gerechtfertigten Wettbewerbsverbotes zu gestatten. Ist ein Wettbewerbsverbot aber von berechtigten Interessen der Gesellschaft getragen und somit sachlich gerechtfertigt, stellt es wegen seiner gegenständlichen, örtlichen oder zeitlichen Reichweite aber eine unbillige Belastung des Geschäftsführers dar, ist es mit Blick auf die Wertung des Art. 12 GG gerechtfertigt, zu prüfen, ob Entschädigungsleistungen der Gesellschaft geeignet sind, die unbillige Belastung aufzuheben. Die Berücksichtigung einer Entschädigungszahlung im Rahmen der Billigkeitsprüfung entspricht auch dem Ansatz des BGH. Zwar ist nach diesem ein Wettbewerbsverbot dann zulässig, wenn es unter Berücksichtigung von Ort, Zeit und Gegenstand die Berufsausübung und wirtschaftliche Betätigung des Geschäftsführers nicht unbillig erschwert.64 Diese Formulierung entspricht weitgehend § 74a Abs. 1 S. 2 HGB. Allerdings heißt es in diesem, dass das Verbot unverbindlich ist, soweit es unter Berücksichtigung der gewährten Entschädigung nach Ort, Zeit oder Gegenstand eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Gehilfen enthält. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass sich der BGH bewusst gegen die Übernahme des Kriteriums der Gewährung einer Karenzentschädigung als Billigkeitsaspekt und damit bewusst für eine nur begrenztere Möglichkeit der GmbH, Wettbewerbsverbote mit ihrem Geschäftsführer zu vereinbaren, entschieden hat. Vielmehr ist anzunehmen, dass auch der BGH die Zahlung einer – wenn auch freiwilligen – Entschädigung bei der Prüfung der Billigkeit des Wettbewerbsverbotes berücksichtigt.65 Dies folgt u. a. auch aus dem Urteil vom 28.4.2008. In diesem hat der BGH ausgeführt: „Wie bei einem Arbeitnehmer kann mit der Zahlung einer Karenzentschädigung an den Geschäftsführer der GmbH beabsichtigt sein, die Nachteile des Wettbewerbsverbots für das berufliche Fortkommen des Betroffenen auszugleichen.“ 66
63 Vgl. zu Sachgerechtigkeit der Kriterien des berechtigten Interesses und der billigen Beschränkung: Teil 2 § 3 F. II. 3. c) bb) (1) (a) (bb) (b). 64 Vgl. BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, GmbHR 1984, 234; BGH, Urt. v. 4.3.2002 – II ZR 77/00, NJW 2002, 1875; BGH, Beschluss v. 7.7.2008 – II ZR 81/07, DB 2008, 2187. 65 Vgl. ebenso: Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1071; dies., GmbHR 1999, 885, 890; dies., BB 1995, 1134, 1136; Bauer, in: FS Schwerdtner, S. 441, 443; Heller, GmbHR 2000, 371, 373; Hoffmann-Becking, in: FS Quack, S. 273, 278; Reufels/Schewiola, ArbRB 2008, 57, 59. 66 Vgl. BGH, Urt. v. 28.4.2008 – II ZR 11/07, GmbHR 2008, 930.
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote 3. Erforderlichkeit von Karenzentschädigung – Leitlinien
Ob und in welcher Höhe eine Karenzentschädigung gewährt wird, findet also im Rahmen der Feststellung Berücksichtigung, ob das Wettbewerbsverbot den Geschäftsführer unbillig in seiner Berufsfreiheit beschränkt und daher nach § 138 Abs. 1 BGB i.V. m. Art. 12 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG i.V. m. dem allgemeinen Rechtsgrundsatz des § 74a Abs. 1 S. 2 HGB nichtig ist. Die Frage, ob die Wettbewerbsabrede den Geschäftsführer wegen ihrer sachlichen und örtlichen Reichweite sowie ihrer Dauer unbillig in seiner Berufsfreiheit beschwert und daher sittenwidrig ist, ist aber eine solche des jeweiligen Einzelfalles. Insofern ist auch die Frage, in welchen Fällen eine Karenzentschädigung geboten ist, um die den Geschäftsführer nach diesen Kriterien schwer beschränkende Wettbewerbsabrede dem Sittenwidrigkeitsurteil wegen untragbarer Einschränkung der Berufsfreiheit des Geschäftsführers zu entziehen, nur im Einzelfall zu entscheiden. Dennoch soll im Hinblick auf das Ziel dieser Arbeit, Leitlinien für die zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote für Geschäftsführer herauszuarbeiten, im Folgenden geprüft werden, in welchen Fallkonstellationen grundsätzlich eine gesonderte Entschädigung gewährt werden sollte, um dem Billigkeitsvorwurf vorzubeugen. a) Differenzierungen der Rechtsprechung aa) Rechtsprechung des BGH Der BGH hat noch in seinem Urteil vom 28.4.200867, in welchem er sich gegen die entsprechende Anwendung des § 74c HGB auf den Anspruch des Geschäftsführers auf Zahlung einer vertraglich eingeräumten Karenzentschädigung ausgesprochen hat, ohne weitere Differenzierungen oder Erläuterungen festgehalten: „Dem Geschäftsführer einer GmbH muss dagegen überhaupt keine Karenzentschädigung versprochen und später gezahlt werden (BGH v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, BGHZ 91, 1 [3]; v. 4.3.2002 – II ZR 77/00, ZIP 2002, 709).“
Streitgegenständlich ist eine Abrede im Anstellungsvertrag gewesen, nach der die klagende Geschäftsführerin sich gegenüber der Gesellschaft verpflichtet hatte, der Gesellschaft weder direkt noch indirekt Mandate abzuwerben oder anderen dabei behilflich zu sein [. . .]. In der in der Begründung zitierten Entscheidung vom 26.3.1984 hat der BGH über ein Wettbewerbsverbot entschieden, das sowohl eine Mandantenschutzklausel als auch ein Tätigkeitsverbot enthielt. Er hat sich zuerst mit der entsprechenden Anwendung der §§ 74 ff. HGB auch auf 67 Vgl. BGH, Urt. v. 28.4.2008 – II ZR 11/07, GmbHR 2008, 930; der Beschluss v. 7.7.2008 – II ZR 81/07, DB 2008, 2187, in welchem der BGH nur wiederholt, die §§ 74 ff. HGB gelten nach ständiger Rechtsprechung des Senates grundsätzlich nicht für den Geschäftsführer einer GmbH, nicht anwendbar sei insbesondere der Grundsatz der bezahlten Karenz gemäß § 74 Abs. 2 HGB, sagt über die Notwendigkeit einer Karenzentschädigung unabhängig des § 74 Abs. 2 HGB dagegen nichts aus.
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Geschäftsführer auseinandergesetzt und hierbei insbesondere mit § 74 Abs. 2 HGB argumentiert, bevor er die Wirksamkeit der beiden Abreden geprüft hat. Im Ergebnis hat er die Mandantenschutzklausel für wirksam erachtet. Er hat festgehalten, dass das Fehlen einer Karenzentschädigung nicht schade und die Klausel von berechtigen geschäftlichen Interessen getragen und auch im Übrigen nicht unbillig sei. Das allgemeine Wettbewerbsverbot (Tätigkeitsverbot) hat er dagegen wegen fehlenden berechtigten geschäftlichen Interesses der GmbH für nichtig erklärt. Auf die Bedeutung des Fehlens einer Karenzentschädigung für diesen Teil der Wettbewerbsabrede ist er dagegen nicht eingegangen. Gegenstand der ebenfalls zitierten Entscheidung vom 4.3.2002 ist ein allgemeines Wettbewerbsverbot (Tätigkeitsverbot) gewesen. Zu entscheiden war aber nicht über die Wirksamkeit des Wettbewerbsverbotes, sondern über die Möglichkeit der GmbH, wirksam auf dieses zu verzichten und sich dadurch von der zugesicherten Karenzentschädigung zu lösen. Zur Wirksamkeit des Wettbewerbsverbotes hat der BGH im Rahmen seiner Ausführungen lediglich unter Verweis auf seine Entscheidung aus dem Jahre 1984 wiederholt, dass ein Wettbewerbsverbot mit einem Geschäftsführer auch ohne Karenzentschädigung vereinbart werden könne, weil ihm gegenüber die gesetzliche Regelung für Handlungsgehilfen des § 74 Abs. 2 HGB nicht gelte. In Anbetracht dieser Formulierung im Urteil aus dem Jahre 2008, der Inhalte der im Urteil zitierten Entscheidungen sowie auch der übrigen Rechtsprechung, in der, soweit ersichtlich, noch keine Entscheidung über ein entschädigungsloses Tätigkeitsverbot getroffen werden musste, ist weiterhin fraglich, ob der BGH – seiner pauschalen Formulierung entsprechend – tatsächlich Karenzentschädigungen bei allen Wettbewerbsverboten unabhängig ihrer Gegenstände oder aber nur bei den in den Entscheidungen betroffenen Mandantenschutzklauseln für entbehrlich erachtet. Genährt durch die unklaren Formulierungen ist insbesondere in der nach der genannten BGH-Entscheidung im Jahre 1984 veröffentlichten Literatur angenommen worden, der BGH fordere generell, also nicht nur bei Mandanten-/Kundenschutzklauseln, sondern auch bei Tätigkeitsverboten, keine Karenzentschädigung. Auch heute wird dies noch vereinzelt erwogen. Der Großteil der aktuellen Literatur geht aber davon aus, der BGH habe bisher lediglich für die streitgegenständlichen Kunden-/Mandantenschutzklauseln die mögliche Entschädigungslosigkeit angenommen, eine Aussage über die Entschädigungslosigkeit auch von Tätigkeitsverboten aber noch nicht getroffen und treffen müssen.68 68 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1074; dies., BB 1995, 1134, 1136; Bauer, in: FS Schwerdtner, S. 441, 43; Oppenländer/Trölitzsch/Baumann, GmbH-Geschäftsführung, § 14 Rn. 23; Jaeger, Anstellungsvertrag des GmbH-GF, S. 170; Hoffmann-Becking, in: FS Quack, S. 273, 278; Menke, NJW 2009, 636, 637; Reufels/Schewiola, ArbRB 2008, 57, 59; aA. Brandmüller, Der GmbH-Geschäftsführer im Gesellschafts-, Steuer- und Sozialversicherungsrecht S. 65, der unter Verweis auf die
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bb) Rechtsprechung der zivilrechtlichen Instanzgerichte Auch die instanzgerichtliche Rechtsprechung betont im Anschluss an die Rechtsprechung des BGH allgemein, dass dem Geschäftsführer nicht zwingend eine Karenzentschädigung zu gewähren sei, sondern hierauf auch verzichtet werden könne.69 Gegenstand dieser Entscheidungen sind aber regelmäßig „nur“ Kunden- bzw. Mandantenschutzklauseln oder andere Fragen. Zu Tätigkeitsverboten finden sich dagegen nur vereinzelte Entscheidungen. Das OLG Frankfurt hat im Jahre 1972 die Entscheidung über die Nichtigkeit eines Tätigkeitsverbotes zwar offen lassen können, aber darauf hingewiesen, dass nach seiner Auffassung das Fehlen einer Karenzentschädigung und einer zeitlichen Begrenzung auch bei Nicht-Arbeitnehmern (d.h. Gesellschaftsorganen) Umstände seien, die für die Sittenwidrigkeit sprächen.70 Das OLG Hamm ist im Jahre 1988 zwar bereits von der Unzulässigkeit von allgemeinen Wettbewerbsverboten (Tätigkeitsverboten) per sé ausgegangen, da an der Ausschaltung des Geschäftsführers als Wettbewerber kein berechtigtes Interesse der GmbH bestehe, hat für den Fall abweichender Ansicht aber sodann weiter ausgeführt, ein auf zwei Jahre angelegtes Tätigkeitsverbot ohne jede Kompensation sei jedenfalls ungerechtfertigt. Es nehme dem Geschäftsführer für diesen Zeitraum jegliche Möglichkeit, unter Ausnutzung seiner persönlichen Kenntnisse und Fertigkeiten in der angestammten Branche zu arbeiten und sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Mit der Rechtsprechung vereinbar erscheine allenfalls ein auf wenige Monate bemessenes Tätigkeitsverbot, das der Gesellschaft die Gelegenheit gäbe, ihre Kunden mit dem Ausscheiden des Geschäftsführers vertraut zu machen und ihre Beziehungen durch gezielte Maßnahmen der Kundenpflege zu festigen. Hinzukommen müsse dann aber eine gewisse Kompensation an den ehemaligen Geschäftsführer dafür, dass dieser eine zeitlang untätig bleiben müsse und nicht seinen Lebensunterhalt verdienen könne.71 b) Differenzierungen der Literatur In der Literatur wird hinsichtlich der Erforderlichkeit einer Karenzentschädigung nahezu einhellig zwischen Kunden- bzw. Mandantenschutzabreden und Tätigkeitsverboten differenziert.72 Die Karenzentschädigung sei umso höher anzuEntscheidung aus 1984 generelle Entbehrlichkeit von Entschädigung annimmt, folgende Ausführungen dann aber widersprüchlich, S. 66. 69 Vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 1.8.1985 – 6 U 618/85, WM 1985, 1484 f.; OLG Hamm, Urt. v. 9.11.1988 – 8 U 295/87, GmbHR 1989, 259 f.; OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.3.2000 – 17 U 133/99, NZG 2000, 737; OLG Köln, Urt. v. 29.3.2007 – 18 U 71/06, DB 2008, 1719. 70 Vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 6.12.1972 – 6 U 152/71, GmbHR 1973, 58 f. 71 Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 11.1.1988 – 8 U 142/87, GmbHR 1988, 344 f. 72 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1074; dies., GmbHR 1999, 885, 890; dies., BB 1995, 1134, 1136; Bauer, in: FS Schwerdtner, S. 441, 443; Oppenländer/Trölitzsch/Baumann, GmbH-Geschäftsführung, § 14 Rn. 23; Dahlbender, GmbH-StB 2006,
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setzen desto weiter der zeitliche und inhaltliche Umfang des Wettbewerbsverbotes reiche.73 Kundenschutzklauseln beließen dem Geschäftsführer grundsätzlich die Möglichkeit, in seinem Beruf weiterzuarbeiten und seine beruflichen Kenntnisse und Erfahrungen im örtlichen Einzugsbereich der Gesellschaft zu verwerten. Das sei jedenfalls dann anzunehmen, wenn sie so begrenzt seien, dass sie dem ausscheidenden Geschäftsführer noch genügend berufliche Bewegungsfreiheit ließen.74 Anders sei die Sachlage dagegen bei umfassenden Wettbewerbsverboten (Tätigkeitsverboten), die jegliche Form der Berufsausübung in einer bestimmten Branche untersagten. Diese stellten im Zweifel eine nicht den Anforderungen des Maßstabes nach § 138 BGB i.V. m. Art. 12 GG genügende und daher unbillige Erschwerung der Berufsausübung dar, wenn keine Entschädigung gezahlt werde.75 Ausnahmen kämen – entsprechend der oben wiedergegebenen Entscheidung des OLG Hamm – allenfalls bei Tätigkeitsverboten mit ganz kurzer Laufzeit in Betracht. Bei der üblichen Laufzeit von zwei oder sogar drei Jahren seien umfassende Tätigkeitsverbote jedoch regelmäßig unbillig und damit sittenwidrig, wenn überhaupt keine Karenzentschädigung gezahlt werde.76 Einige 273; Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 151; Heller, GmbHR 2000, 371, 373; Hoffmann-Becking, in: FS Quack, S. 273, 278; MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 379; Jaeger, Anstellungsvertrag des GmbH-GF, S. 171; Jäger, DStR 1995, 724, 728; Kunz, DB 1993, 2482, 2486 f.; Manger, GmbHR 2001, 89; Menke, NJW 2009, 636, 637; van Kann/Keiluweit, BB 2010, 2050, 2052; Reiserer/Heß-Emmerich/Peters, GmbH-GF, S. 49; Reufels/Schewiola, ArbRB 2008, 57, 59; Thüsing, NZG 2004, 9, 12; BeckOK GmbHG/Wisskirchen/Kuhn, § 6 Rn. 104; für AG-Vorstand: Großkomm. AktienG/Kort, § 88 Rn. 155; KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 88 Rn. 38; AnwKAktienR/Oltmanns, Kap. 1 § 88 Rn. 13; Spindler/Stilz, AktG, § 88 Rn. 47; MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rn. 53; Fleischer/Thüsing, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rn. 117; Münch.Hdb.GesR IV/Wiesner, § 21 Rn. 71; zur Klassifizierung der Schutzklauseln: Campos Nave, NJW 2003, 3322. 73 Vgl. Jaeger, Anstellungsvertrag des GmbH-GF, S. 171; Jäger, DStR 1995, 724, 728; für AG-Vorstand: Jäger, AG § 21 Rn. 67; Großkomm.AktienG/Kort, § 88 Rn. 158. 74 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1072; dies., GmbHR 1999, 885, 890; dies., BB 1995, 1134, 1136; Oppenländer/Trölitzsch/Baumann, GmbH-Geschäftsführung, § 14 Rn. 23; Campos Nave, NJW 2003, 3322 f.; Dahlbender, GmbH-StB 2006, 273; Heller, GmbHR 2000, 371, 373; Jaeger, Anstellungsvertrag des GmbH-GF, S. 171; Jäger, DStR 1995, 724, 728; Kunz, DB 1993, 2482, 2486 f.; Menke, NJW 2009, 636, 637; Reufels/Schewiola, ArbRB 2008, 57, 59; Thüsing, NZG 2004, 9, 12. 75 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1074; dies., GmbHR 1999, 885, 891; dies., BB 1995, 1134, 1136; Oppenländer/Trölitzsch/Baumann, GmbH-Geschäftsführung, § 14 Rn. 23; Dahlbender, GmbH-StB 2006, 273; Heller, GmbHR 2000, 371, 373; Jaeger, Anstellungsvertrag des GmbH-GF, S. 172; Jäger, DStR 1995, 724, 728; van Kann/Keiluweit, BB 2010, 2050, 2052; Menke, NJW 2009, 636, 637; Reufels/Schewiola, ArbRB 2008, 57, 59; für AG-Vorstand: Großkomm.AktienG/Kort, § 88 Rn. 156; KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 88 Rn. 35, 38; NK-AktienR/Oltmanns, Kap. 1 § 88 Rn. 13; MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rn. 52; Spindler/Stilz, AktG, § 88 Rn. 47; Fleischer/Thüsing, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rn. 117; Münch.Hdb. GesR IV/Wiesner, § 21 Rn. 71. 76 Vgl. Oppenländer/Trölitzsch/Baumann, GmbH-Geschäftsführung, § 14 Rn. 23; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote Rn. 1074; dies., GmbHR 1999, 885, 891; dies., BB
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Vertreter betonen, dass dies insbesondere für den Personenkreis der Fremd-Geschäftsführer gelte, die häufig über ein geschäftsspezifisches Know-How verfügten, dessen berufliche Verwertung für die Zeit nach ihrem Ausscheiden aus der Gesellschaft nicht untersagt werden könne, ohne dass hierfür ein angemessener Ausgleich in Form einer Karenzentschädigung gewährt werde.77 Andere Literaturvertreter gehen dagegen – insoweit darüber hinausgehend – davon aus, dass Fremdgeschäftsführern bzw. Fremdgeschäftsführern und abhängigen Gesellschafter-Geschäftsführern grundsätzlich eine Karenzentschädigung entsprechend § 74 Abs. 2 HGB zu zahlen sei78; teilweise erachten sie aber eine solche bei Kunden- bzw. Mandantenschutzklauseln ausnahmsweise als verzichtbar.79 Ob die Entschädigung auch hinsichtlich ihrer Höhe § 74 Abs. 2 HGB entsprechen muss, wird unterschiedlich beurteilt.80 Weiter wird in der Literatur darauf hingewiesen, dass die Abrede trotz fehlender Entschädigungszusage dann nicht unbillig sei, wenn dem Organmitglied in anderer Weise ein finanzieller Ausgleich für die Beschränkung seiner beruflichen Tätigkeit gewährt werde.81 Beim Ausscheiden zu beziehende Übergangsgelder könnten daher dem Unbilligkeitsurteil entgegenstehen.82 Ebenso könne die Unbilligkeit ausscheiden, wenn das Wettbewerbsverbot erst beim Ausscheiden vereinbart und eine erhebliche Abfindung zugesagt werde. Das sei insbesondere dann anzunehmen, wenn das Dienstverhältnis vorzeitig beendet werde und mit der Abfindung die Vergütungsansprüche für die Restlaufzeit des Vertrages abgegolten würden.83 Ob auch Betriebsrenten bzw. Ruhegeldbezüge als finanzielle
1995, 1134, 1136; van Kann/Keiluweit, BB 2010, 2050, 2052; Reufels/Schewiola, ArbRB 2008, 57, 59; für AG-Vorstand: Großkomm.AktienG/Kort, § 88 Rn. 156; KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 88 Rn. 35. 77 Vgl. Bauer, DB 1979, 2178, 2180 (in der Regel); Jaeger, Anstellungsvertrag des GmbH-GF, S. 171 (insbesondere). 78 Vgl. Brandmüller, Der GmbH-Geschäftsführer im Gesellschafts-, Steuer- und Sozialversicherungsrecht S. 66; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anhang zu § 6 Rn. 25; Scholz/Schneider/Sethe, GmbHG, § 35 Rn. 183; Baumbach/Hueck/Zöllner/ Noack, GmbHG, § 35 Rn. 202; Differenzierung nach sozialer Schutzbedürftigkeit dagegen ausdrücklich ablehend: Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 254; Hachenburg/Stein, GmbHG, § 35 Rn. 317. 79 Vgl. Brandmüller, Der GmbH-Geschäftsführer im Gesellschafts-, Steuer- und Sozialversicherungsrecht S. 66; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 202. 80 Für Höhe entsprechend § 74 Abs. 2 HGB: Scholz/Schneider/Sethe, GmbHG, § 35 Rn. 183; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 202. 81 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1078; dies., GmbHR 1999, 885, 891; dies., BB 1995, 1134, 1137; van Kann/Keiluweit, BB 2010, 2050, 2052. 82 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1078 f.; dies., GmbHR 1999, 885, 891; dies., BB 1995, 1134, 1137; Oppenländer/Trölitzsch/Baumann, GmbH-Geschäftsführung, § 14 Rn. 24; van Kann/Keiluweit, BB 2010, 2050, 2052; Sina, DB 1985, 902, 903 (bzgl. Versorgungsanwartschaft oder Ruhegeldbezug); für AG-Vorstand: Fleischer/ Thüsing, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rn. 118.
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Ausgleiche zu verstehen sind, wird unterschiedlich beurteilt. Überwiegend werden diese in Abweichung zu Abfindungen nicht als berücksichtigungsfähig erachtet, da Ruhegelder bereits geleistete Arbeit kompensierten, nicht aber zukünftige Wettbewerbsbeschränkungen84; die Gegenansicht stört der Kompensationscharakter dagegen nicht.85 Die Literatur will ferner berücksichtigen, ob und in welchem Umfang anderweitiger Erwerb nach der vertraglichen Abrede anzurechnen sei.86 Schließlich wird auch die Höhe der Gesamtbezüge während der Vertragslaufzeit als bedeutsam dafür erachtet, was dem Ausscheidenden an Enthaltsamkeit zugemutet werden könne. Auch das Alter des Ausscheidenden sei dafür relevant, ob eine Karenzentschädigung vorzusehen sei.87 c) Stellungnahme aa) Differenzierung zwischen Kundenschutzklauseln und Tätigkeitsverboten Trotz des strikten Vorbehaltes, die Billigkeit des Wettbewerbsverbotes und damit auch die Notwendigkeit einer ausgleichenden Entschädigung allein nach den Umständen des Einzelfalles zu bemessen, erscheint die von Rechtsprechung und Literatur vorgenommene grundsätzliche Differenzierung nach der gegenständlichen Reichweite des Wettbewerbsverbotes als durchaus sachgerechter Ansatz. Kunden- bzw. Mandantenschutzklauseln auf der einen und Tätigkeitsverbote auf der anderen Seite unterscheiden sich offensichtlich hinsichtlich ihrer berufsbeeinträchtigenden Wirkung. Während eine Kundenschutzklausel dem Geschäftsführer nur verbietet, Kontakt zu den bisher für die Gesellschaft betreuten Kunden aufzunehmen, ihm im Übrigen aber gestattet, in der Branche der Gesellschaft zu verbleiben, untersagt ein Tätigkeitsverbot dem Geschäftsführer ausdrücklich, im bisherigen Tätigkeitsfeld zu arbeiten. Liegt die Beschränkung des Geschäftsführers nun alleine darin, seine neue Tätigkeit nicht unter Aufrechterhaltung der für die Gesellschaft aufgebauten Kundenbeziehungen aufzunehmen, mag dies zwar vor83 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1079 f.; dies., GmbHR 1999, 885, 891; dies., BB 1995, 1134, 1137; Oppenländer/Trölitzsch/Baumann, GmbH-Geschäftsführung, § 14 Rn. 24 (beschränkt auf den Fall der Vergütungsabgeltung); van Kann/Keiluweit, BB 2010, 2050, 2052; für AG-Vorstand: Fleischer/Thüsing, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rn. 118. 84 Vgl. Thüsing, NZG 2004, 9, 12; für AG-Vorstand: Großkomm.AktienG/Kort, § 88 Rn. 164; KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 88 Rn. 35; NK-AktienR/Oltmanns, Kap. 1 § 88 Rn. 13; Spindler/Stilz, AktG, § 88 Rn. 47; MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rn. 47; Fleischer/Thüsing, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rn. 118. 85 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1078 f.; dies., GmbHR 1999, 885, 891; dies., BB 1995, 1134, 1137; Oppenländer/Trölitzsch/Baumann, GmbH-Geschäftsführung, § 14 Rn. 24; van Kann/Keiluweit, BB 2010, 2050, 2052; Sina, DB 1985, 902, 903. 86 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1077. 87 Vgl. Sina, DB 1985, 902, 903.
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übergehend seine finanzielle Situation erschweren. Die Beeinträchtigung ist aber nicht besonders schwerwiegend, weil ihm gerade nicht untersagt wird, in seinem bisherigen Tätigkeitsfeld zu verbleiben. Insofern liegt nur eine Erschwerung der künftigen Berufsausübung vor und erscheint es gerechtfertigt, dass das Wettbewerbsverbot ohne Zusage einer Karenzentschädigung vereinbart werden kann. Führt das Wettbewerbsverbot dagegen dazu, dass dem Geschäftsführer die Ausübung einer vergleichbaren Tätigkeit unmöglich gemacht wird, ist eine Karenzentschädigung wegen der schweren Beeinträchtigung der Berufsfreiheit i. S. einer Berufswahlbeschränkung geboten. Dasselbe ist bei einer Kundenschutzklausel ausnahmsweise dann anzunehmen, wenn es sich um ein hochspezialisiertes Fachgebiet bzw. einen sehr kleinen Markt handelt, so dass nur schwierig neue Kunden geworben werden können. In diesem Fall führte die Kundenschutzklausel praktisch ebenfalls zu einer Berufswahlbeschränkung. Die Abstufung zwischen Kundenschutzklauseln einerseits und Tätigkeitsverboten andererseits entspricht der auch in Privatrechtsverhältnissen zu berücksichtigenden Wertung des Art. 12 Abs. 1 GG, nach der Berufswahlregelungen wegen der schwerwiegenden Beeinträchtigung des Grundrechtes nur unter strenge(re)n Anforderungen zuzulassen sind.88 bb) Differenzierung nach gesellschaftsrechtlicher Stellung des Geschäftsführers Weniger sachgerecht erscheint es dagegen, hinsichtlich der Gebotenheit einer Karenzentschädigung an die gesellschaftsrechtliche Stellung des Geschäftsführers anzuknüpfen. Zwar mag es richtig sein, dass bei Fremd- und ggf. auch Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführern in der Regel eher angenommen werden kann, dass sie auf die Zahlung einer Karenzentschädigung besonders angewiesen sind, da sie vornehmlich mit ihrer Berufstätigkeit ihren Lebensstand erhalten und gesichert haben und daher durch das Wettbewerbsverbot besonders schwerwiegend betroffen sind. Ein Grundsatz oder eine generelle Leitlinie – auf deren Feststellung die vorliegende Erörterung ausgerichtet ist –, Wettbewerbsverbote ohne Karenzentschädigungszusagen mit Fremd- oder Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer seien unzulässig, weil unbillige Beschränkungen der Berufsfreiheit, kann jedoch nicht angenommen werden. Es ist nämlich nicht ausgeschlossen, dass einem Fremd- oder Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer aufgrund seiner sonstigen Rechte aus dem Anstellungsvertrag nicht noch zusätzlich eine Karenzentschädigung zu gewähren ist, um die Berufsbeeinträchtigung durch das Wettbewerbsverbot abzumildern. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Anstellungsvertrag finanzielle Zuwendungen enthält, die es dem Geschäftsführer, ggf. auch mit Abstrichen, ermöglichen, weiterhin seinen Lebensunterhalt 88
Vgl. zu Art. 12 GG, Teil 2 § 3 F. II. 3. c) bb) (1) (a) (bb) (b).
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zu bestreiten. Diese sonstigen zugesagten Leistungen sind bei Geschäftsführern im Rahmen der Billigkeitsprüfung zu berücksichtigen, wie im Folgenden dargelegt wird. Allein die gesellschaftsrechtliche Stellung erscheint daher nicht als hinreichender Indikator, um auf die (Un-)Billigkeit des Wettbewerbsverbotes bei Fehlen einer Karenzentschädigung zu schließen. cc) Berücksichtigung sonstiger vertraglicher Leistungen Ob ein wegen seiner sachlichen und örtlichen Reichweite sowie Dauer den Geschäftsführer schwerwiegend beeinträchtigendes Wettbewerbsverbot mangels einer entschädigenden Ausgleichszahlung unbillig ist, ist im jeweiligen Einzelfall unter Berücksichtigung der Gesamtumstände festzustellen. Im Rahmen der Billigkeitsprüfung sind daher auch sonstige dem Geschäftsführer vertraglich zugesicherte Leistungen zu berücksichtigen. Eine Karenzentschädigung ist folglich dann nicht geboten und ihr Fehlen führt nicht zur Unbilligkeit des Wettbewerbsverbotes, wenn der Geschäftsführer durch die sonstigen vertraglichen Leistungen hinreichend entschädigt wird. (1) Sonstige vertragliche Leistungen als Gegenleistung für Wettbewerbsverbot Das ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Vertragsparteien ausdrücklich oder durch Auslegung feststellbar vertraglich geregelt haben, dass durch (eine) seitens der GmbH erbrachte Leistung(en) (auch) das Wettbewerbsverbot abgegolten werden soll. In diesem Fall obliegt dem Gericht lediglich die Prüfung, ob die durch die Vertragsparteien zur Entschädigung vorgesehene(n) Leistung(en) hinreichend ist (sind), um die ansonsten unbillige Belastung der Berufsfreiheit des Geschäftsführers abzumildern. Legen die Vertragsparteien also z. B. fest, dass dem Geschäftsführer eine Abfindung in bestimmter Höhe gezahlt wird, die (auch) das Wettbewerbsverbot entschädigen soll, hat das Gericht nur zu prüfen, ob die Abfindung unter Berücksichtigung der sonst abzugeltenden Ansprüche zur Entschädigung des Geschäftsführers hinreichend ist. (2) Sonstige vertragliche Leistungen ohne Bezug zum Wettbewerbsverbot Problematischer ist dagegen, bei welchen anstellungsvertraglichen Leistungen der GmbH angenommen werden kann, dass sie der Abmilderung der ansonsten unbilligen Berufsbeschränkung des Geschäftsführers dienen und damit eine gesonderte Entschädigung entbehrlich machen, wenn die Vertragsparteien sich nicht darauf verständigt haben, dass die zugesagten Begünstigungen alleine oder additiv das Wettbewerbsverbot ausgleichen sollen. Fraglich ist insbesondere, ob sämtliche Leistungen, also nicht nur solche für die Zeit nach der Beendigung des
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Anstellungsverhältnisses und damit des Laufes des Wettbewerbsverbotes, sondern auch solche für die Dauer des Anstellungsverhältnisses zu berücksichtigen sind, also z. B. die Kompensation durch ein höheres Gehalt möglich ist. (a) Entscheidend: Abmilderung der Berufsbeeinträchtigung Festzuhalten ist eingehend zunächst, dass die zu § 74 Abs. 2 HGB herausgebildete Rechtsprechung nicht herangezogen werden kann. § 74 Abs. 2 HGB verlangt eine Karenzentschädigung. Diese stellt die synallagmatische Leistungspflicht bzw. das vertraglich geschuldete Entgelt des Arbeitgebers für das Wettbewerbsverbot dar.89 Infolgedessen werden bei Arbeitnehmern Abfindungen90 ebenso wenig als hinreichend erachtet wie Betriebsrentenleistungen91 bzw. unverfallbare Ruhegeldanwaltschaftsverpflichtungen92 oder Übergangsgelder93. § 74 Abs. 2 HGB findet bei Geschäftsführern aber keine Anwendung. Hieraus folgt nicht nur, dass Geschäftsführern nicht zwingend Karenzentschädigungen zu gewähren sind. Es bedeutet auch, dass bei Wettbewerbsverboten mit Geschäftsführern sonstige vertragliche Leistungen nicht nur dann als Karenzentschädigung beachtet werden dürfen, wenn sie als synallagmatische Gegenleistung des Arbeitgebers für das Wettbewerbsverbot zu verstehen sind. Es dürfen also – insoweit über die Rechtslage bei Arbeitnehmern hinausgehend94 – auch solche vertraglichen Leistungen im Rahmen der Billigkeit berücksichtigt werden, die ohne Bezug zum vereinbarten Wettbewerbsverbot stehen. Entscheidend ist vor dem Hintergrund des Art. 12 Abs. 1 GG alleine, ob die vertraglichen Leistungen die Betroffenheit des Geschäftsführers durch das Wettbewerbsverbot reduzieren und insoweit dem Unbilligkeitsurteil entgegenstehen. Ob die Leistungen nach ihrem Sinn und Zweck darauf gerichtet sind, die Lebenslage nach Ausscheiden aus dem
89 Vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken, HGB, § 74 Rn. 41; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 74 Rn. 43; HK-HGB/Ruß, § 74 Rn. 5; Wagner, in: Röhricht/Graf v. Westphalen (Hrsg.), HGB, § 74 Rn. 63; Staub, Großkomm.HGB/Weber, HGB, § 74 Rn. 33. 90 Vgl. BAG, 13.11.1967 – 3 AZR 471/66, AP Nr. 21 zu § 74 HGB; BAG, Urt. v. 3.5.1994 – 9 AZR 606/02, NJW 1995, 151; LAG Bremen, Urt. v. 25.2.1994 – 4 Sa 309/ 93, NZA 1994, 889; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken, HGB, § 74 Rn. 42; HWK/Diller, § 74 HGB Rn. 88; Ensthaler/Etzel, HGB, §§ 74–75d Rn. 32; Baumbach/ Hopt, HGB, § 74 Rn. 20; MünchKomm-HGB/von Hoyningen-Huene, § 74 Rn. 43; HKHGB/Ruß, § 74 Rn. 5; Staub, Großkomm.HGB/Weber, HGB, § 74 Rn. 33. 91 Vgl. BAG, Urt. v. 26.2.1985 – 3 AZR 162/84, NZA 1985, 809; BAG, Urt. v. 15.6.1993 – 9 AZR 558/91, NZA 1994, 502; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken, HGB, § 74 Rn. 42; HWK/Diller, § 74 HGB Rn. 88. 92 Vgl. BAG, Urt. v. 26.2.1976 – 3 AZR 166/75, BB 1976, 793; Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Boecken, HGB, § 74 Rn. 42; Ensthaler/Etzel, HGB, §§ 74–75d Rn. 32; Baumbach/Hopt, HGB, § 74 Rn. 21. 93 Vgl. HWK/Diller, § 74 HGB Rn. 88. 94 Vgl. hierzu: Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 427 f.
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Anstellungsverhältnis und während des Laufes des Wettbewerbsverbotes abzumildern, ist dagegen nicht maßgeblich. Zu prüfen ist im Ergebnis also, ob die Leistungen faktisch dazu führen, die Betroffenheit des Geschäftsführers durch das aufgrund seiner sachlichen, örtlichen und zeitlichen Reichweite schwerwiegende Wettbewerbsverbot abzumildern, indem sie es ihm insbesondere ermöglichen, seinen Lebensunterhalt während des Wettbewerbsverbotse weiter zu bestreiten. (b) Vertragliche Leistungen für die Dauer der Anstellung Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass Leistungen für die Dauer des Anstellungsverhältnisses nur dann im Rahmen der Billigkeit Berücksichtigung finden können, wenn die Parteien sich ausdrücklich darauf verständigt haben, dass die Leistungen der Entschädigung des Wettbewerbsverbotes dienen, also z. B. übereingekommen sind, dass eine Mehrvergütung in Höhe eines bestimmten Betrages zwecks Rücklagenbildung für das nachvertragliche Wettbewerbsverbot gezahlt wird.95 Ohne eine entsprechende Parteivereinbarung erscheint es dagegen verfehlt, anzunehmen, für die Dauer des Anstellungsverhältnisses zugesicherte Leistungen dienten dem Ausgleich der nachvertraglichen Berufsbeeinträchtigung. Wie dargestellt, kommt es vor dem Hintergrund des Art. 12 Abs. 1 GG für die Frage, ob wegen der sonstigen vertraglich zugesicherten Leistungen der GmbH eine Karenzentschädigung entbehrlich ist, darauf an, ob die zugesicherten Leistungen die Berufsbeeinträchtigung des Geschäftsführers insoweit abzumildern vermögen, dass nicht mehr von einer unbilligen Betroffenheit auszugehen ist. Jede dem Geschäftsführer gewährte Leistung als möglichen Ausgleich der nach der Beendigung des Anstellungsverhältnisses eintretenden Wettbewerbsenthaltungspflicht und damit Beschränkung der Berufsfreiheit zu verstehen, liefe diesem Ansatz und damit der Bedeutung der Berufsfreiheit zuwider. Wettbewerbsverbote sind nur unter strengen Voraussetzungen zulässig. Sie müssen von einem berechtigten Interesse der Gesellschaft getragen sein und dürfen den Geschäftsführer nicht unbillig in seiner Berufsfreiheit beschränken. Das wegen seiner sachlichen und örtlichen Reichweite bzw. Dauer die Berufsfreiheit des Geschäftsführers schwerwiegend betreffende Wettbewerbsverbot ist nur dann nicht unbillig und im Hinblick auf die Wertung des Art. 12 Abs. 1 GG nichtig, wenn es den Geschäftsführer wegen der sonstigen Leistungen der GmbH nicht entsprechend „fühlbar“ in seiner Berufsfreiheit beeinträchtigt. In Anbetracht dessen können zum Ausgleich der berufsbeeinträchtigenden Wirkung des Wettbewerbsverbotes – ohne Regelung der Parteien – daher nur solche Leistungen zugelassen werden, die tatsächlich auch darauf ausgerichtet sind, dem Geschäftsführer die Zeit nach Ausscheiden aus dem Anstellungsverhältnis und damit während des 95 Vgl. zur Kompensation einer Verzichtsoption durch die Vereinbarung eines höheren (Fix-)Gehalts: Menke, NJW 2009, 636, 641.
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Laufes des Wettbewerbsverbotes zu erleichtern, indem sie ihm insbesondere die Erhaltung seiner Lebensgrundlage auch ohne neue Berufstätigkeit ermöglichen. Diese Wertung erscheint auch in den Fällen für richtig, in welchen wegen der Vielzahl und insbesondere des Wertes der während der Dauer des Anstellungsverhältnisses gewährten Leistungen nicht angenommen werden kann, der Geschäftsführer sei aus wirtschaftlichen Gründen auf eine Entschädigung angewiesen. Hierauf kommt es nämlich nach hiesiger Ansicht nicht entscheidend an.96 Maßgeblich ist, ob das Wettbewerbsverbot eine unbillige Beschränkung des Geschäftsführers in seiner Berufsfreiheit darstellt. Das ist bei einem den Geschäftsführer schwerwiegend belastenden Wettbewerbsverbot nur dann nicht anzunehmen, wenn der Geschäftsführer eine Entschädigung enthält, die die Beschränkung der Berufsfreiheit noch hinnehmbar erscheinen lässt. Zwar ist mangels Anwendbarkeit des § 74 Abs. 2 HGB eine Gegenleistung der GmbH für das Wettbewerbsverbot nicht geboten. Der Ansatz des Art. 12 Abs. 1 GG und damit die Prüfung, ob dem Geschäftsführer eine Entschädigung für das Wettbewerbsverbot zukommen muss, um es nicht als unzulässig, weil mit der Berufsfreiheit unvereinbar erscheinen zu lassen, gebieten aber, dass auch dem Geschäftsführer die entschädigende Leistung tatsächlich für die Zeit nach der Beendigung des Anstellungsverhältnisses versprochen wird. Andere Leistungen tragen dagegen nicht die Gewähr in sich, die Lebenssituation des Geschäftsführers – unabhängig davon, ob er darauf aufgrund der Leistungen während der Vertragslaufzeit noch angewiesen ist – zu erleichtern und damit aus objektiver Sicht die Beeinträchtigung seiner Berufsfreiheit abzumildern. (c) Vertragliche Leistungen für die Zeit nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses Nach alledem steht also fest, dass vertragliche Leistungen für die Zeit nach der Beendigung des Anstellungsverhältnisses das entschädigungslose aber entschädigungsbedürftige Wettbewerbsverbot dem Unbilligkeitsurteil entziehen, wenn sie geeignet sind, die Beeinträchtigung der Berufsfreiheit des Geschäftsführers durch das Wettbewerbsverbot auszugleichen und damit seine Betroffenheit abzumildern. Anders als bei Arbeitnehmern müssen die vertraglichen Leistungen aber nicht als Gegenleistung für das Wettbewerbsverbot zugesagt werden oder nach ihrem Sinn und Zweck auf die Sicherung der Lebenshaltung nach der Beendigung des Anstellungsverhältnisses gerichtet sein. Fraglich ist nun aber, bei der Zusage welcher anstellungsvertraglichen Leistungen für die Zeit nach der Beendigung des Anstellungsverhältnisses insbesondere davon auszugehen ist, dass eine weitere Entschädigungsleistung entbehrlich ist. 96 Vgl. ebenso: Thüsing, NZG 2004, 9, 12; für AG-Vorstand: Fleischer/Thüsing, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rn. 118.
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(aa) Sachleistungen Es ist nicht notwendig, dass die ausgleichende Entschädigung in einer Geldzahlung liegt. Die Betroffenheit des Geschäftsführers durch das Wettbewerbsverbot wird daher auch durch die (Weiter-)Erbringung von Sachleistungen reduziert. So können dem Geschäftsführer ein Dienstwagen, Büroräumlichkeiten, die private Unterkunft etc. zur Verfügung gestellt werden. (bb) Übergangsgelder Übergangsgelder bzw. -hilfen werden von Arbeitgebern zeitweilig an ausscheidende Arbeitnehmer für die Dauer bis zum Erreichen der Altersgrenze oder bis zur Übernahme einer zumutbaren anderweitigen Tätigkeit gezahlt. Sie dienen also nicht der Versorgung im Ruhestand, sondern sollen die Umstellung des Arbeitnehmers auf die neue Situation, also den Übergang in den Ruhestand oder einen anderen Beruf erleichtern.97 Verpflichtet sich die GmbH im Anstellungsvertrag zu Zahlungen an den Geschäftsführer bis zu dessen Eintritt in ein neues Anstellungsverhältnis bzw. in den Ruhestand, wird die Betroffenheit des Geschäftsführers durch das Wettbewerbsverbot ähnlich der Situation bei Zahlung einer Karenzentschädigung reduziert. Auch im Falle der Zahlung von Übergangsgeldern ist ohne eine – insoweit also ausdrückliche – Entschädigungszusage also nicht von der Unbilligkeit des Wettbewerbsverbotes auszugehen, wenn es einer die Berufsbeeinträchtigung ausgleichenden Entschädigung bedarf.98 (cc) Abfindungen Fraglich ist, inwieweit Abfindungszahlungen der GmbH eine Karenzentschädigung entbehrlich machen können. Abfindungen enthalten eine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes.99 Sie werden von solchen Leistungen abgegrenzt, die sich der Arbeitnehmer bereits verdient hat, also rückständige Löhne und Gehälter, anteilig auf die Zeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses anfallende Tantiemen und Urlaubsgelder sowie Sonderzahlungen und Abgeltungs-
97 Vgl. BAG, Urt. v. 28.1.1986 – 3 AZR 312/84, AP Nr. 18 zu § 59 KO; BAG, Urt. v. 24.6.1986 – 3 AZR 645/84, AP Nr. 33 zu § 7 BetrAVG; BAG, Urt. v. 3.11.1998 – 3 AZR 454/97, NZA 1999, 594 m. z.w. N.; BAG, Urt. v. 18.3.2003 – 3 AZR 315/02, DB 2004, 1624; Blomeyer/Rolfs/Otto, BetrAVG, § 1 Rn. 68; für AG-Vorstand: Fleischer/ Thüsing, Handbuch des Vorstandsrechts, § 6 Rn. 82. 98 Vgl. ebenso: Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1078 f.; dies., GmbHR 1999, 885, 891; dies., BB 1995, 1134, 1137; Oppenländer/Trölitzsch/Baumann, GmbH-Geschäftsführung, § 14 Rn. 24; MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 382; Sina, DB 1985, 902, 903 (bzgl. Versorgungsanwartschaft oder Ruhegeldbezug). 99 Vgl. Küttner/Eisemann, Personalbuch, Abfindung Rn. 1; APS/Rolfs, Aufhebungsvertrag Rn. 40.
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beträge für entgangene Leistungen, die auf die Zeit bis zum Ausscheiden entfielen.100 Bei Wettbewerbsverboten mit Arbeitnehmern genügen Abfindungen nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur der Karenzentschädigungspflicht des § 74 Abs. 2 HGB nicht.101 Eine für den Verlust des Arbeitsplatzes zugesagte Abfindung sei keine Karenzentschädigung i. S. des § 74 Abs. 2 HGB.102 Bei Wettbewerbsverboten, die im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen unter Gesellschaftern stehen, nimmt die Rechtsprechung dagegen an, dass für die Abwägung der Interessen auch von besonderer Bedeutung sei, dass in Kaufpreis oder Auseinandersetzungsabfindung der wirtschaftliche Wert des Wettbewerbsverbotes regelmäßig mit einkalkuliert werde.103 Hieran anknüpfend wird von einigen wenigen Literaturvertretern angenommen, dass ein mit dem Geschäftsführer erst bei Ausscheiden vereinbartes Wettbewerbsverbot ohne Karenzentschädigung nicht unbillig sei, wenn eine erhebliche Abfindung gezahlt werde.104 Bei Geschäftsführern muss eine Leistung der GmbH zum Ausgleich des ansonsten unbilligen Wettbewerbsverbotes mangels Eingreifens des § 74 Abs. 2 HGB keine Gegenleistung für das Wettbewerbsverbot darstellen, also nicht mit Bezug zum Wettbewerbsverbot gewährt werden. Ausreichend und maßgeblich ist alleine, ob die Leistung geeignet ist, die Belastung des Geschäftsführers durch das Wettbewerbsverbot faktisch zu mildern. Es schadet daher nicht, wenn die Leistung ihrem Sinn und Zweck nach eigentlich im Hinblick auf das beendete Dienstverhältnis gewährt wird. Im Rahmen der Billigkeitsprüfung von Wettbewerbsverboten mit Geschäftsführern können also auch Abfindungen berücksichtigt werden. Sie werden nach der Beendigung des Anstellungsverhältnisses gezahlt, sind somit also in der Zeit des Laufes des Wettbewerbsverbotes verfügbar. Insofern sind sie geeignet, die Berufsbeeinträchtigung des Geschäftsführers jedenfalls dadurch abzumildern, dass sie ihm Kapital zum Erhalt seiner Lebensgrundlage zuführen. Es kommt daher auch nicht darauf an, ob Wettbewerbsverbot und Abfindung erst beim Ausscheiden des Geschäftsführers vereinbart wer-
100 Vgl. APS/Seidel, Steuerrechtliche Aspekte der Beendigung von Arbeitsverhältnissen Rn. 63. 101 Vgl. BAG, 13.11.1967 – 3 AZR 471/66, AP Nr. 21 zu § 74 HGB; BAG, Urt. v. 3.5.1994 – 9 AZR 606/02, NJW 1995, 151; LAG Bremen, Urt. v. 25.2.1994 – 4 Sa 309/ 93, NZA 1994, 889; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken, HGB, § 74 Rn. 42; HWK/Diller, § 74 HGB Rn. 88; Ensthaler/Etzel, HGB, §§ 74–75d Rn. 32; Baumbach/ Hopt, HGB, § 74 Rn. 20; MünchKomm-HGB/von Hoyningen-Huene, § 74 Rn. 43; HKHGB/Ruß, § 74 Rn. 5; Staub, Großkomm.HGB/Weber, § 74 Rn. 33. 102 Vgl. BAG, Urt. v. 3.5.1994 – 9 AZR 606/02, NJW 1995, 151. 103 Vgl. BGH, Urt. v. 9.11.1973 – I ZR 83/72, WM 1974, 253; BGH, Urt. v. 14.7. 1986 – II ZR 296/85, WM 1986, 1282. 104 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1079 f.; dies., GmbHR 1999, 885, 891; dies., BB 1995, 1134, 1137; Oppenländer/Trölitzsch/Baumann, GmbH-Geschäftsführung, § 14 Rn. 24.
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den und von daher angenommen werden kann, die Abfindung werde auch als Ausgleich für die Wettbewerbsbeschränkung verstanden. Werden Wettbewerbsverbot und Abfindung bereits von Beginn an im Anstellungsvertrag vereinbart, stellt sich allenfalls die Frage, ob die Abfindung zur Abmilderung der Wettbewerbsbeschränkung hinreichend ist, wenn sie erkennbar auch noch zur Abgeltung anderer Nachteile aufgrund der Beendigung des Dienstverhältnisses dient. Grundsätzlich ist aber auch diese Abfindung wegen ihrer Leistung nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses und ihrer faktischen Milderungswirkung in der Billigkeitsprüfung zu berücksichtigen. (dd) Betriebsrenten Geschäftsführern kann ebenso wie Arbeitnehmern die Versorgung durch ein betriebliches Rentensystem zugesagt werden. Häufig übernehmen die GmbHs auch die Prämien für eine Direktversicherung, schließen für den Geschäftsführer und zu dessen Gunsten also z. B. eine Lebensversicherung ab und finanzieren diese.105 Stehen dem Geschäftsführer bei Ausscheiden aus dem Anstellungsverhältnis Betriebsrentenansprüche zu oder wird die Lebensversicherung an ihn ausgezahlt, mildert dies seine Beeinträchtigung durch das Wettbewerbsverbot stark ab. Auch Versorgungszusagen oder Leistungen, die der Geschäftsführer nach seinem Ausscheiden als Geschäftsführer der GmbH in Anspruch nehmen kann, sind daher nach dem hiesigen Ansatz im Rahmen der Billigkeitsprüfung zu berücksichtigen und können ein entschädigungsbedürftiges aber ohne ausdrückliche Entschädigungszusage ausgestattetes Wettbewerbsverbot dem Vorwurf der Unbilligkeit entziehen.106 Die Tatsache, dass betriebliche Altersversorgungen nicht zur Kompensation etwaiger Nachteile wegen der Beendigung des Dienstverhältnisses oder zu dessen Abgeltung, sondern als besonderes Entgelt für die bis zum Eintritt in den Ruhestand erbrachten Dienste gezahlt werden107, steht dem nicht entgegen, da es bei Geschäftsführern alleine darauf ankommt, ob die Leistung nach dem Ausscheiden aus dem Anstellungsverhältnis erbracht wird und faktisch zu einer Milderung der Berufsbeeinträchtigung führt.
105 Vgl. Breitfeld, in: Sudhoff, GmbH & Co. KG, § 77, § 4 Nr. 1 des Vertrages; Schrader, in: Formular- und Verfahrensbuch ArbR, § 3 II, § 9; Stephan, in: Beck’sches Formularbuch für Bürgerliches, Handels- und Wirtschaftsrecht, Nr. 49 § 6, Anm. 14. 106 Vgl. ebenso: Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1078; dies., GmbHR 1999, 885, 891; dies., BB 1995, 1134, 1137; Oppenländer/Trölitzsch/Baumann, GmbH-Geschäftsführung, § 14 Rn. 24; MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 382; Sina, DB 1985, 902, 903; aA: KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 88 Rn. 35; Thüsing, NZG 2004, 9, 12. 107 Vgl. zum Entgeltcharakter: BAG, Urt. v. 26.2.1985 – 3 AZR 162/84, NZA 1985, 809.
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote 4. Höhe ausgleichender Leistungen
Nach dem zuvor Ausgeführten ist jedenfalls bei Wettbewerbsverboten, die den Geschäftsführern umfassend die Fortsetzung ihrer Berufstätigkeit verbieten, grundsätzlich eine entschädigende Leistung der GmbH erforderlich. Diese muss nicht zwingend in einer Karenzentschädigung für das Wettbewerbsverbot liegen, sondern kann auch in sonstigen die Berufsbeeinträchtigung abmildernden Leistungen für die Zeit nach der Beendigung des Anstellungsverhältnisses und damit des Laufes des Wettbewerbsverbotes bestehen. Fraglich ist, welchen Umfang die entschädigende Leistung – unabhängig von der Art und Weise, wie sie dem Geschäftsführer zugutekommt – haben muss. Dies wird in Rechtsprechung und Literatur sehr unterschiedlich beurteilt. Ebenso bestehen abweichende Auffassungen, was unter die bisherigen Bezüge zu fassen ist, ob hierunter nur Fest- oder aber auch sonstige Bezüge wie Tantiemen zu verstehen sind.108 Teilweise wird die Wertung des § 74 Abs. 2 HGB und damit eine Mindestentschädigung in Höhe der Hälfte der früher bezogenen vertragsmäßigen Leistungen im Fall eines sachlich gerechtfertigten Wettbewerbsverbotes für angemessen erachtet.109 Die Gegenansicht zieht hinsichtlich der Höhe der Karenzentschädigung dagegen nicht die strengen Regeln der §§ 74 Abs. 2, 74b HGB heran. Auch ein Tätigkeitsverbot beeinträchtige nicht automatisch die Berufsausübung unbillig, nur weil die Grenzen der §§ 74 Abs. 2, 74b HGB knapp unterschritten seien. Wie hoch die Karenzentschädigung sein müsse, damit die Beschränkung der beruflichen Tätigkeit des Organmitgliedes nicht unbillig sei, hinge von den Umständen des Einzelfalles und damit wesentlich von Ort, Reichweite und Dauer des Wettbewerbsverbotes ab. Es bestehe daher kein allgemeingültiger Maßstab, und er könne auch nicht erwartet werden.110 Die 50 %-Regel des § 74 Abs. 2 108 Vgl. zur Berücksichtigung nur der Festbezüge: Bauer, in: FS Schwerdtner, S. 441, 445; Oppenländer/Trölitzsch/Baumann, GmbH-Geschäftsführung, § 14 Rn. 24; Brandmüller, Der GmbH-GF im Gesellschafts-, Steuer- und Sozialversicherungsrecht, Teil A Rn. 122; Dahlbender, GmbH-StB 2006, 273; Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 151; Hoffmann-Becking, in: FS Quack, S. 273, 278; Reufels/Schewiola, ArbRB 2008, 57, 60; abweichend dagegen: Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1077; dies., GmbHR 1999, 885, 891, Jaeger, Der Anstellungsvertrag des GmbH-GFs, S. 172; van Kann/Keiluweit, BB 2010, 2050, 2052; Thüsing, NZG 2004, 9, 12; für AG-Vorstand: Großkomm.AktienG/Kort, § 88 Rn. 160; MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rn. 53; Fleischer/Thüsing, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rn. 118. 109 Vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.5.1989 – 8 U 143/88, DB 1990, 1960; wohl auch: Kunz, DB 1993, 2482, 2487; Reiserer/Heß-Emmerich/Peters, GmbH-GF, S. 50; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 183 und Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 202 ausdrücklich aber nur für Fremdgeschäftsführer; für AG-Vorstand: KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 88 Rn. 38. 110 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1075 ff.; dies., BB 1995, 1134, 1136, dies., GmbHR 1999, 885, 891; Bauer, in: FS Schwerdtner, S. 441, 445; Dahlbender, GmbH-StB 2006, 273; Heller, GmbHR 2000, 371; MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35
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HGB wird vereinzelt aber als Obergrenze verstanden, von der umso eher abgewichen werden könne, desto enger das Wettbewerbsverbot gefasst sei.111 Vor dem Hintergrund, dass die Entschädigung bei Wettbewerbsabreden mit Geschäftsführern der Abmilderung der ansonsten unbilligen Belastung des Geschäftsführers in seiner Berufsfreiheit dient, nicht aber im Sinne einer abschreckenden Gegenleistungspflicht einen darüber hinausgehenden bzw. jedenfalls zusätzlichen, abstrahierbaren Zweck verfolgt, erscheint es nicht sachgerecht, einen fixen Wert oder auch nur einen festen Mindestwert der Entschädigungsleistung festzulegen. Sicherlich ist § 74 Abs. 2 HGB insofern eine gewisse Leitlinienfunktion einzuräumen, als dass bei weniger als 50 % der bisherigen Bezüge in der Regel nicht angenommen werden kann, der Betroffene könne mit Hilfe der Entschädigung seine bisherige Lebensführung aufrechterhalten. Ist der Geschäftsführer von einem Tätigkeitsverbot betroffen und daher an der Ausübung seines Berufes im bisher ausgeübten Bereich gehindert, wird daher üblicherweise zur hinreichenden Abgeltung dieser Berufsfreiheitsbeschränkung eine Entschädigung von ca. 50 % der bisherigen Bezüge geboten sein. Als bisherige Bezüge müssen dabei sowohl die Festvergütung als auch die variablen Gehaltsbestandteile verstanden werden. Hängt die Billigkeit des Wettbewerbsverbotes nämlich davon ab, dass die Berufsbeeinträchtigung des Geschäftsführers abgemildert und ihm insbesondere die Aufrechterhaltung seines Lebensstandards weitestgehend ermöglicht wird, ist bei der Bestimmung des notwendigen Entschädigungsumfanges auf die dem Geschäftsführer insgesamt zukommenden Leistungen abzustellen. Es ist jedoch nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass ein Wettbewerbsverbot, wenn es dem Geschäftsführer z. B. nur für eine kurze Zeit ein Tätigkeitsverbot auferlegt, zwar eine entschädigungsbedürftige Belastung darstellt, bereits dann aber nicht mehr als unbillig erscheint, wenn eine Entschädigung von weniger als 50 % der bisherigen Bezüge gewährt wird. § 74 Abs. 2 HGB kann daher nur als Richtlinie dienen. Dagegen kann bei Geschäftsführern nicht angenommen werden, eine entschädigende Leistung müsste – wenn sie aus Billigkeitsgesichtspunkten erforderlich ist – stets mindestens 50 % der bisherigen Bezüge betragen. Maßgeblich sowohl für die Notwendigkeit einer entschädigenden Leistung als auch ihre Höhe sind sachliche und örtliche Reichweite sowie Dauer des Wettbewerbsverbotes. Nach ihnen bemisst sich, ob und in welcher Höhe dem Geschäftsführer ein Ausgleich zu leisten ist, damit das Wettbewerbsverbot nicht wegen unbilliger Beeinträchtigung der Berufsfreiheit des Geschäftsführers unzulässig ist. Rn. 380; Jaeger, Der Anstellungsvertrag des GmbH-GFs, S. 172; Jäger, DStR 1995, 724; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 54; Reufels/Schewiola, ArbRB 2008, 57, 59; Hachenburg/Stein, GmbHG, § 35 Rn. 317; Thüsing, NZG 2004, 9, 12; BeckOK GmbHG/Wisskirchen/Kuhn, § 6 Rn. 104; für AG-Vorstand: Großkomm.AktienG/Kort, § 88 Rn. 159. 111 Vgl. Thüsing, NZG 2004, 9, 12; für AG-Vorstand: MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rn. 53; Fleischer/Thüsing, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rn. 118.
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Wegen dieser Einzelfallbezogenheit können präzisere Leitgrundsätze hinsichtlich der erforderlichen Höhe einer entschädigenden Leistung daher nicht formuliert werden. 5. Ergebnis
Wettbewerbsverbote mit Geschäftsführern ohne Karenzentschädigungszusage sind nicht bereits von vorneherein wegen Unvereinbarkeit mit der Wertung des Art. 12 Abs. 1 GG oder wegen Verstoßes gegen einen allgemeinen normübergreifenden Rechtsgrundsatz bezahlter Karenz nach § 138 BGB sittenwidrig und nichtig. Bei eingehender Betrachtung der Entscheidungen von BAG und BVerfG zu den die Regelung des § 74 Abs. 2 HGB ergänzenden Normen der §§ 74 ff. HGB sowie zu § 90a HGB wird erkennbar, dass die §§ 74 Abs. 2 und 90a HGB Ausdruck gesetzgeberischer Entscheidungen allein für die in den Normen behandelten Personengruppen sind, außerhalb des Anwendungsbereiches dieser Normen Wettbewerbsverbote also nicht von vorneherein unzulässig sind, wenn sie keine Karenzentschädigung vorsehen. Dieses Ergebnis findet Bestätigung in der Rechtsprechung des BAG zu Wettbewerbsverboten mit technischen Angestellten, bevor es auch bei diesen statt des § 138 BGB die §§ 74 ff.HGB analog herangezogen hat. Denn auch das BAG hat nicht in Folge des Art. 12 Abs. 1 GG einen verfassungsrechtlich zwingenden Grundsatz bezahlter Karenz angenommen oder § 74 Abs. 2 HGB als allgemeinen Rechtsgrundsatz erachtet. Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz bezahlter Karenz ist schließlich auch nicht mit Sinn und Zweck der Karenzentschädigungen in §§ 74 Abs. 2 und 90a HGB zu begründen. Zwar wäre die Karenzentschädigungspflicht auch bei Geschäftsführern geeignet, die GmbHs von der Vereinbarung von Wettbewerbsverboten abzuschrecken und die Geschäftsführer hinreichend abzusichern. Die Annahme eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes auf der Grundlage übertragbarer Schutzzweckgedanken liefe jedoch dem bereits erwähnten gesetzgeberischen Ermessen hinsichtlich der Einführung von Karenzentschädigungspflichten für einzelne Personengruppen zuwider. Für die Zulässigkeit eines Wettbewerbsverbotes ist es aber dennoch von wesentlicher Bedeutung, ob und in welchem Umfang dem Geschäftsführer eine Entschädigung geleistet wird. Entschädigungen finden im Rahmen der Prüfung Berücksichtigung, ob der Geschäftsführer durch das Wettbewerbsverbot unbillig in seiner Berufsfreiheit beschränkt wird. Es ist also durch Betrachtung der Reichweite des Wettbewerbsverbotes und der sonstigen vertraglichen Regelungen festzustellen, ob der Geschäftsführer durch das Wettbewerbsverbot unbillig in seiner Berufsfreiheit belastet wird, wenn ihm nicht eine ausgleichende bzw. abmildernde Entschädigung gewährt wird. Die Notwendigkeit einer ausgleichenden Entschädigungsleistung kann also abschließend nur im jeweiligen Einzelfall beurteilt werden. Dennoch kann der grundsätzlichen Differenzierung von Rechtsprechung und Literatur zwischen Kundenschutzklauseln und Tätigkeitsverboten zugestimmt werden. Während
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Kundenschutzklauseln dem Geschäftsführer nur untersagen, die Kundenkontakte der GmbH zukünftig zu nutzen, es ihm aber belassen, in seinem Berufsfeld tätig zu bleiben, verbieten Tätigkeitsverbote ihm gerade, in seinem bisherigen Betätigungsbereich weiter zu arbeiten. Diese unterschiedliche Belastungsdimension rechtfertigt es, zwischen diesen Wettbewerbsverbotsumfängen zu differenzieren und bei Kundenschutzklauseln eine Entschädigung grundsätzlich für entbehrlich, bei umfassenden Tätigkeitsverboten dagegen für zwingend notwendig zu erachten. Als nicht sachgerecht erscheint dagegen der in der Literatur vertretene Ansatz, die Notwendigkeit der Karenzentschädigung nach der gesellschaftsrechtlichen Stellung des Geschäftsführers zu beurteilen. Zwar kann davon ausgegangen werden, dass Fremd- und Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer insofern schwerwiegender durch Wettbewerbsverbote belastet sind, als dass sie anders als Mehrheits-Gesellschafter-Geschäftsführer auf die Ausübung ihres Berufes zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes angewiesen sind. Die Erforderlichkeit einer ausgleichenden Entschädigungszahlung hängt aber entscheidend vom Umfang des Wettbewerbsverbotes und den sonstigen Umständen des jeweiligen Einzelfalles, konkret den sonstigen vertraglich zugesicherten Leistungen, ab. Die gesellschaftsrechtliche Stellung als Fremd- oder Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer kann daher nur als Anhaltspunkt dafür verstanden werden, eingehend zu prüfen, ob der Geschäftsführer mangels anderweitiger, die Belastung wesentlich abmildernder Leistungen tatsächlich unbillig in seiner Berufsfreiheit beschränkt ist. Bei Geschäftsführern, denen anstellungsvertraglich regelmäßig Sachleistungen, Altersversorgungen oder sonstige Leistungen für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Anstellungsverhältnis zugesichert werden, können sonstige vertraglich zugesicherte Leistungen im Rahmen der Billigkeitsprüfung weitgehend Berücksichtigung finden. Mangels Anwendbarkeit des § 74 Abs. 2 HGB kommt es nicht darauf an, dass die Leistung als Gegenleistung für das Wettbewerbsverbot erkennbar ist. Auch ist nach hiesiger Ansicht nicht vorauszusetzen, dass die Leistung nach ihrem Sinn und Zweck darauf gerichtet ist, die (Übergangs-)Zeit nach der Beendigung des Anstellungsverhältnisses abzusichern. Entscheidend ist vielmehr, ob die individuelle, persönliche und damit auch wirtschaftliche Betroffenheit des Geschäftsführers durch die ihn aufgrund ihrer sachlichen, örtlichen und zeitlichen Reichweite schwerwiegend belastende Wettbewerbsabrede durch die Leistung derart ausgeglichen wird, dass sie nicht mehr als unbillige Beschränkung der Berufsfreiheit erscheint. Das ist aber nur bei Leistungen anzunehmen, die nach Beendigung des Anstellungsvertrages gewährt werden. Nur sie stehen dem Geschäftsführer während des Laufes des Wettbewerbsverbotes zur Verfügung, können also seine persönliche und wirtschaftliche Belastung tatsächlich abmildern. Ob dem Geschäftsführer während des Laufes des Anstellungsvertrages Leistungen gewährt worden sind, die annehmen lassen, dass
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er auf eine weitere Entschädigung zur Sicherung seines Lebensunterhaltes während des Wettbewerbsverbotes nicht angewiesen ist, ist daher nicht von Bedeutung. Nach diesen Grundsätzen sind entschädigungsbedürftige, aber entschädigungslose Wettbewerbsverbote dann nicht unbillig, wenn dem Geschäftsführer nach Ausscheiden aus dem Anstellungsverhältnis Sachleistungen, eine Abfindung oder Übergangsgeld gewährt werden oder er in unmittelbarem oder nur wenig versetztem zeitlichen Anschluss zum Bezug einer Betriebsrente oder sonstiger Versorgungsleistungen berechtigt ist. Im Ergebnis ist eine Karenzentschädigung also grundsätzlich bei Kundenschutzklauseln und im Falle sonstiger vertraglicher, die Betroffenheit abgeltender Leistungen für die Zeit nach der Beendigung des Wettbewerbsverbotes entbehrlich. Die sich anschließende Frage, auf welchen Umfang sich die jedenfalls bei Tätigkeitsverboten grundsätzlich notwendige Entschädigung belaufen muss bzw. ab welchem Umfang sonstiger vertraglicher Leistungen angenommen werden kann, dass eine hinreichende Entschädigung gegeben ist, kann in Anbetracht der Einzelfallbezogenheit der Entscheidung nicht durch die Nennung eines fixen Wertes oder jedenfalls eines Mindestumfanges beantwortet werden. Entgegen teilweise in der Literatur vertretener Auffassungen kann § 74 Abs. 2 HGB allenfalls ein gewisser Wertungsansatz entnommen werden, dass im Falle eines den Geschäftsführer weitgehend in seiner Berufsfreiheit beschränkenden Tätigkeitsverbotes und insofern der möglichen Angewiesenheit des Geschäftsführers auf die Ausgleichsleistung zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes die Entschädigung jedenfalls 50 % der bisherigen Bezüge betragen müsste. Als bisherige Bezüge sind dabei alle dem Geschäftsführer erbrachten Leistungen, also sowohl Festbezüge als auch variable Entgelte zu verstehen. Ein Leitgrundsatz, dass die Entschädigung grundsätzlich jedenfalls 50 % der bisherigen Bezüge betragen muss, ist dagegen nicht anzunehmen. Die Umstände des Einzelfalles, insbesondere die Reichweite des Wettbewerbsverbotes können eine Karenzentschädigung von weit über 50 % gebieten, um eine unbillige Beschränkung des Geschäftsführers auszuschließen. Ebenso kann eine wesentlich geringere Entschädigung als 50 % ausreichen, um die Belastung des Geschäftsführers hinreichend abzugelten.
D. Vorliegen eines berechtigten Interesses und Billigkeit der Beschränkung Ob eine entschädigende Leistung erbracht wird, ist aber dann nicht mehr entscheidend, wenn das Wettbewerbsverbot im Übrigen bereits unzulässig ist. Welchen Anforderungen ein Wettbewerbsverbot genügen muss, wird im Folgenden erörtert.
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I. Gesetzliche Regelungen in § 74a Abs. 1 S. 1–3 und § 90a Abs. 1 S. 1 HGB Nach § 74a Abs. 1 S. 1, 2 HGB ist das Wettbewerbsverbot insoweit unverbindlich, als es nicht zum Schutze eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Prinzipals dient. Es ist ferner unverbindlich, soweit es unter Berücksichtigung der gewährten Entschädigung nach Ort, Zeit oder Gegenstand eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Gehilfen enthält. Gemäß § 74a Abs. 1 S. 3 HGB kann das Verbot nicht auf einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren von der Beendigung des Dienstverhältnisses an erstreckt werden. Eine Wettbewerbsabrede mit einem Handelsvertreter kann nach § 90a Abs. 1 S. 2 HGB für längstens zwei Jahre von der Beendigung des Vertragsverhältnisses an getroffen werden; sie darf sich nur auf den zugewiesenen Bezirk oder Kundenkreis und nur auf die Gegenstände erstrecken, hinsichtlich deren sich der Handelsvertreter um die Vermittlung oder den Abschluss von Geschäften für den Unternehmer zu bemühen hat. II. Rechtsprechung des BGH zu Geschäftsführern Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot mit einem Geschäftsführer nach § 138 BGB i.V. m. Art. 12 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG nichtig, wenn es nicht dem berechtigten geschäftlichen Interesse der Gesellschaft dient oder nach Ort, Zeit und Gegenstand die Berufsausübung und die wirtschaftliche Tätigkeit des Geschäftsführers unbillig erschwert.112 Ob das Wettbewerbsverbot von einem berechtigten geschäftlichen Interesse der Gesellschaft getragen ist, beurteilt der BGH ebenfalls anhand der Kriterien der örtlichen, zeitlichen und gegenständlichen Reichweite des Wettbewerbsverbotes; das Wettbewerbsverbot dürfe hinsichtlich dieser nicht über die schutzwerten Interessen des begünstigten Unternehmens hinausgehen.113 In sachlicher und örtlicher Hinsicht erachtet er Bestimmungen für unbedenklich, die ein Wettbewerbsverbot nur für diejenigen Mandanten vorsehen, die im Zeitpunkt des Ausscheidens Mandanten der Gesellschaft sind. Durch solche Mandantenschutzklauseln werde die berufliche Betätigungsfreiheit des Ausscheidenden nicht über das Maß hinaus beschränkt, das unter den gegebenen Umständen zur Vermeidung einer Existenzgefährdung der Gesellschaft erforderlich sei.114 Der gegenständliche Bereich des Wettbewerbsverbotes wird jedenfalls dann als hinreichend begrenzt er112 Vgl. BGH, Urt. v. 4.3.2000 – II ZR 77/00, NJW 2002, 1875; BGH, Beschluss v. 7.7.2008 – II ZR 91/07, DB 2008, 2187. 113 Vgl. BGH, Urt. v. 16.10.1989 – II ZR 2/89, NJW-RR 1990, 226. 114 Vgl. BGH, Urt. v. 9.5.1968 – II ZR 158/66, WM 1968, 893, 894; BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366; BGH, Urt. v. 16.10.1989 – II ZR 2/89, NJW-RR 1990, 226; BGH, Urt. v. 15.34.1991 – III ZR 241/89, NJW-RR 1991, 993.
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achtet, wenn sich die Mandantenschutzklausel auf solche Auftraggeber bezieht, die während der letzten drei Jahre zum Kundenkreis der GmbH gehörten.115 In zeitlicher Hinsicht nimmt der BGH bei solchen Kundenschutzklauseln an, dass für einen Zeitraum von über zwei Jahren ein schutzwürdiges Interesse des Berechtigten an der Fernhaltung des Verpflichteten vom Kunden-/Mandantenkreis rechtlich nicht mehr anzuerkennen sei. Es entspreche der Erfahrung, dass sich die Beziehungen des Verpflichteten zum Kundenkreis des Geschützten nach einer gewissen Zeit so stark verflüchtigten, dass dieser durch die Aufnahme der konkurrierenden Tätigkeit des Verpflichteten keine wesentliche Einbuße mehr erfahre. Die danach zu ziehende Grenze liege im Allgemeinen bei einer Zeitspanne von etwa zwei Jahren.116 Dementsprechend hat der BGH in einer seiner jüngsten Entscheidungen im Jahre 2008 hinsichtlich einer anstellungsvertraglichen Regelung, mit der sich eine Geschäftsführerin für zwei Jahre nach Ablauf des Dienstverhältnisses verpflichtete, der Gesellschaft weder direkt noch indirekt Mandate abzuwerben oder anderen dabei behilflich zu sein, keine Ausführungen zur Zulässigkeit der Abrede gemacht, sondern sich sogleich mit der streitigen Anrechnung anderweitigen Erwerbes auseinandergesetzt.117 Als nicht mehr vom berechtigten Interesse der Gesellschaft getragen, bewertet der BGH dagegen Klauseln, die darauf abzielen, den Geschäftsführer vollständig als Wettbewerber auszuschalten.118 Wettbewerbsverbote, die dem Geschäftsführer untersagen, bei einem Konkurrenzunternehmen tätig zu werden oder ein solches zu betreiben, werden aber nicht grundsätzlich für unzulässig erachtet.119 Auf welchen Zeitpunkt bei der Prüfung der Zulässigkeit des Wettbewerbsverbotes abzustellen ist, auf den des Abschlusses des Wettbewerbsverbotes oder aber den des Ausscheidens aus dem Anstellungsverhältnis, erörtert der BGH – soweit ersichtlich – in keiner Entscheidung. Aus seinen Ausführungen wird aber erkennbar, dass er die Situation bei Beendigung des Anstellungsverhältnisses für maßgeblich erachtet.120 Fehlt das berechtigte Interesse der GmbH am vereinbarten Wettbewerbsverbot oder stellt es eine unbillige Beschränkung des Geschäftsführers in seiner Berufs-
115
Vgl. BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366. Vgl. BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366; BGH, Urt. v. 16.10.1989 – II ZR 2/89, NJW-RR 1990, 226. 117 Vgl. BGH, Urt. v. 28.4.2008 – II ZR 11/07, GmbHR 2008, 930. 118 Vgl. BGH, Urt. v. 9.5.1968 – II ZR 158/66, WM 1968, 893, 894; BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366; BGH, Urt. v. 15.4.1991 – II ZR 214/89, NJW-RR 1991, 993. 119 Vgl. BGH, Urt. v. 4.3.2000 – II ZR 77/00, NJW 2002, 1875. 120 Vgl. BGH, Urt. v. 7.1.1965 – II ZR 187/63, WM 1965, 310; BGH, Urt. v. 9.5.1968 – II ZR 158/66, WM 1968, 893; BGH, Urt. v. 16.10.1989 – II ZR 2/89, NJWRR 1990, 226. 116
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ausübungsfreiheit dar, ist es nach § 138 BGB nichtig.121 Inwieweit eine geltungserhaltende Reduktion auf das noch zulässige Maß in Betracht kommt, hat der BGH zu Wettbewerbsverboten mit Geschäftsführern bisher noch nicht entschieden. In einer Entscheidung im Jahre 1965 hat er die Frage offen gelassen, aber darauf hingewiesen, eine Reduktion schaffe für das Unternehmen den Anreiz, dem Betroffenen besonders harte Bedingungen aufzuerlegen.122 III. Rechtsprechung der zivilrechtlichen Instanzgerichte zu Geschäftsführern Auch nach der instanzgerichtlichen Rechtsprechung123 müssen – der Rechtsprechung des BGH in obigen Entscheidungen entsprechend – nachvertragliche Wettbewerbsverbote für Geschäftsführer dem Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses der Gesellschaft dienen.124 Ein solches berechtigtes Interesse sei nicht anzunehmen, wenn die Abrede allein auf die vollständige Ausschaltung des ehemaligen Geschäftsführers abziele. Zulässig seien Abreden, um zu verhindern, dass Geschäftsführer nach ihrem Ausscheiden Kunden abzögen, die sie erst durch die vorangegangene Tätigkeit gewinnen konnten oder, dass sie sich interne Informationen zunutze machten, zu denen sie sich nur durch ihre zeitweilige Geschäftsführertätigkeit Zugang haben verschaffen können.125 Ein Wettbewerbsverbot sei also nur dann gerechtfertigt, wenn es dem Schutz von Informationen und Kenntnissen, die zuvor erworben worden seien, oder dem Schutz von Stammkun-
121 Vgl. BGH, Urt. v. 9.5.1968 – II ZR 158/66, WM 1968, 893; BGH, Urt. v. 26.3. 1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366; BGH, Urt. v. 4.3.2002 – II ZR 77/00, NJW 2002, 1875; BGH, Beschluss v. 7.7.2008 – II ZR 81/07, DB 2008, 2187. 122 Vgl. BGH, Urt. v. 7.1.1965 – II ZR 187/63, WM 1965, 310; BGH, Urt. v. 9.5. 1968 – II ZR 158/66, WM 1968, 893 betrifft den Fall der Vereinbarung von Kundenschutzklausel einerseits und Konkurrenzverbot andererseits, so dass Aufrechterhaltung nur der Kundenschutzklausel kein Fall der quantitativen Teilnichtigkeit sondern des regulären § 139 BGB ist. 123 Zusammenfassung der Rechtslage: OLG Nürnberg, Urt. v. 25.11.2009 – 12 U 681/09, GmbHR 2010, 141. 124 Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 11.1.1988 – 8 U 142/87, GmbHR 1988, 344; OLG Hamm, Urt. v. 9.11.1988 – 8 U 295/87, GmbHR 1989, 259, 260; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.1.1993 – 16 U 73/92, NJW-RR 1994, 35; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.8.1996 – 6 U 150/95, NJW-RR 1997, 164; OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.12.1998 – 6 U 151/98, NZG 1999, 405; OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.3.2000 – 17 U 133/99, NZG 2000, 737; OLG Celle, Urt. v. 13.9.2000 – 9 U 110/00, NZG 2001, 131, 132; LG Wuppertal, Urt. v. 6.6.2006 – 19 O 405/05, AE 2007, 302; OLG Nürnberg, Urt. v. 25.11.2009 – 12 U 681/ 09, GmbHR 2010, 141. 125 Vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.1.1993 – 16 U 73/92, NJW-RR 1994, 35; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.8.1996 – 6 U 150/95, NJW-RR 1997, 164; OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.12.1998 – 6 U 151/98, NZG 1999, 405; OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.3.2000 – 17 U 133/99, NZG 2000, 737; LG Wuppertal, Urt. v. 6.6.2006 – 19 O 405/05, AE 2007, 302; OLG Nürnberg, Urt. v. 25.11.2009 – 12 U 681/09, GmbHR 2010, 141.
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den oder Dauermandanten, die der Gesellschaft zuzuordnen seien, diene.126 Anerkannt werden daher insbesondere Schutzklauseln hinsichtlich Kunden, zu denen der Geschäftsführer nur aufgrund seiner Tätigkeit für die GmbH (in den letzten drei Jahren vor seinem Ausscheiden) Verbindung gewinnen konnte. Diese begrenzten nur die wettbewerbliche Beratung oder Tätigkeit im Bereich des Kundenkreises, so dass der Geschäftsführer alle anderen denkbaren Kunden bzw. Mandanten am Ort der Gesellschaft wie auch anderenorts betreuen dürfte. Insofern seien derartige Regelungen gegenüber allgemeinen nachvertraglichen Wettbewerbsverboten (Tätigkeitsverboten) bereits eingeschränkt.127 Kundenschutzklauseln seien aber dann gegenständlich zu weit gefasst, wenn sie sich auf Kunden weiterer Unternehmen bezögen, zu denen der ausscheidende Geschäftsführer keinen Kontakt gehabt habe.128 In diesem Fall könne der Geschäftsführer – würden ihm keine Kundenlisten übergeben – in der Regel den Kundenstamm auch nicht hinreichend erkennen. Sich stets bei der GmbH zu erkundigen, ob ein Kundschaftsverhältnis bestehe, könne dem Geschäftsführer nicht aufgebürdet werden.129 Kunde sei ferner nur der entgeltliche Abnehmer der Produkte oder Dienstleistungen der Gesellschaft. Es sei dem Begriff des Kunden immanent, dass er sich auf die von der Gesellschaft erbrachten Dienste und eine hierdurch definierte Kundenbeziehung beziehe.130 Wettbewerbsverbote werden grundsätzlich für einen Zeitraum von zwei Jahren als zulässig erachtet.131 Jedenfalls für einen Zeitraum von fünf Jahren wirkten sich die in der Vertragszeit geschaffenen geschäftlichen Beziehungen nicht fort. Die Erfahrung zeige, dass diese Beziehungen sich nach einer gewissen Zeit so verflüchtigten, dass das geschützte Unternehmen durch Konkurrenz keine wesentlichen Einbußen mehr erfahre.132 Ob allgemeine Tätigkeitsverbote in jedem Fall unzulässig sind, bleibt in manchen Entscheidungen unklar.133 Teilweise wird ein berechtigtes Interesse der GmbH hinsichtlich Regelungen, die darin bestehen, den ehemaligen Geschäftsführer für einen bestimmten Zeitraum als Konkurrenten völlig auszuschalten, 126
Vgl. OLG Nürnberg, Urt. v. 25.11.2009 – 12 U 681/09, GmbHR 2010, 141. Vgl. OLG Bremen, Urt. v. 22.12.2006 – 4 U 22/06, Beck-Online; OLG Nürnberg, Urt. v. 25.11.2009 – 12 U 681/09, GmbHR 2010, 141. 128 Vgl. OLG Nürnberg, Urt. v. 25.11.2009 – 12 U 681/09, GmbHR 2010, 141. 129 Vgl. OLG Nürnberg, Urt. v. 25.11.2009 – 12 U 681/09, GmbHR 2010, 141. 130 Vgl. OLG Nürnberg, Urt. v. 25.11.2009 – 12 U 681/09, GmbHR 2010, 141. 131 Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 11.1.1988 – 8 U 142/87, GmbHR 1988, 344; OLG Hamm, Urt. v. 9.11.1988 – 8 U 295/87, GmbHR 1989, 259, 260; OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.3.2000 – 17 U 133/99, NZG 2000, 737; OLG Nürnberg, Urt. v. 25.11.2009 – 12 U 681/09, GmbHR 2010, 141. 132 Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 9.11.1988 – 8 U 295/87, GmbHR 1989, 259, 260. 133 Vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.5.1989 – 8 U 143/88, DB 1990, 1960; OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.3.2000 – 17 U 133/99, NZG 2000, 737; LG Wuppertal, Urt. v. 6.6.2006 – 19 O 405/05, AE 2007, 302. 127
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ausdrücklich „generell verneint“.134 So hat das OLG Düsseldorf ein Wettbewerbsverbot, das dem Geschäftsführer verbot, „in einem dem Betrieb der Gesellschaft gleichartigen Betrieb tätig zu sein, und zwar selbständig oder unselbständig, einen solchen Betrieb zu beraten oder in irgendeiner Form zu unterstützen, ein gleichartiges Unternehmen zu errichten oder sich an einem solchen Unternehmen zu beteiligen, und zwar weder unmittelbar noch mittelbar, weder gelegentlich noch gewerbsmäßig“ als generelles Wettbewerbsverbot für unzulässig erachtet. Es könne selbstverständlich kein schutzwürdiges Interesse der GmbH daran geben, dass der ehemalige Geschäftsführer für eine gewisse Zeit nach Vertragsbeendigung als Wettbewerber vollständig ausgeschaltet werde. Berechtigt könnten immer nur Schutzklauseln sein, mit denen unter angemessenen Bedingungen verhindert werden solle, dass ein vorübergehend tätig gewesener Geschäftsführer nach seinem Ausscheiden Kunden abziehe, zu denen er nur aufgrund seiner Tätigkeit für die GmbH Verbindung gewinnen konnte, oder, dass er sonstige interne Informationen ausnutzt, zu denen er sich nur durch seine zeitweilige Geschäftsführertätigkeit Zugang hat verschaffen können.135 Grundsätzlich erlaubt werden bloße Vorbereitungshandlungen. Wettbewerbsklauseln seien gemessen an den Wertungen der Art. 2, 12 GG restriktiv dahin zu interpretieren, dass nur im Falle eines tatsächlichen Vollzuges wettbewerblicher Tätigkeit das Wettbewerbsverbot durch ein berechtigtes Interesse des Dienstherrn gerechtfertigt sei. Hierbei könne davon ausgegangen werden, dass es keinen Unterschied mache, ob die Vorbereitungshandlungen dem Aufbau eines eigenen Unternehmens dienten oder der Mithilfe am Aufbau eines fremden und zum Zeitpunkt der Vorbereitung noch nicht im Wettbewerb zum Dienstherrn stehenden Konkurrenzbetriebes. Die Grenze sei dort zu ziehen, wo die bloße Vorbereitung in den Beginn der aktiven Geschäftstätigkeit übergehe.136 Neben der Forderung nach einem berechtigten Interesse der Gesellschaft setzen auch die Instanzgerichte voraus, dass das Wettbewerbsverbot die Berufsausübung und wirtschaftliche Betätigung des Geschäftsführers nicht über das örtlich, zeitlich und gegenständlich notwendige Maß hinaus unbillig erschwert.137 Im In134 Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 11.1.1988 – 8 U 142/87, GmbHR 1988, 344 umfassend hierzu; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.1.1993 – 16 U 73/92, NJW-RR 1994, 35; OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.12.1998 – 6 U 151/98, NZG 1999, 405. 135 Vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.1.1993 – 16 U 73/92, NJW-RR 1994, 35; vgl. bereits: OLG Hamm, Urt. v. 11.1.1988 – 8 U 142/87, GmbHR 1988, 344. 136 Vgl. OLG Oldenburg, Urt. v. 17.2.2000 – 1 U 155/99, NZG 2000, 1038. 137 Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 11.1.1988 – 8 U 142/87, GmbHR 1988, 344; OLG Hamm, Urt. v. 9.11.1988 – 8 U 295/87, GmbHR 1989, 259, 260; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.1.1993 – 16 U 73/92, NJW-RR 1994, 35; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.8.1996 – 6 U 150/95, NJW-RR 1997, 164; OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.12.1998 – 6 U 151/98, NZG 1999, 405; OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.3.2000 – 17 U 133/99, NZG 2000, 737; OLG Celle, Urt. v. 13.9.2000 – 9 U 110/00, NZG 2001, 131, 132; LG Wuppertal, Urt. v. 6.6.2006 – 19 O 405/05, AE 2007, 302.
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teresse der verfassungsrechtlichen Freiheiten aus Art. 2 und Art. 12 GG seien enge Grenzen zu ziehen.138 Bei der Abwägung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles komme insbesondere auch der Tatsache Bedeutung zu, ob dem Geschäftsführer der wirtschaftliche Wert des Wettbewerbsverbotes durch eine Karenzentschädigung zufließe.139 Teilweise wird deutlich herausgestellt, dass es für die Beurteilung der Wirksamkeit des Wettbewerbsverbotes nicht auf die bei Abschluss des Vertrages, sondern die im Zeitpunkt des Ausscheidens gegebenen Verhältnisse ankomme. Nur so könne gewährleistet werden, dass zu Gunsten beider Parteien bei der vorzunehmenden Interessenabwägung etwaige Veränderungen im gegenständlichen oder örtlichen Tätigkeitsbereich berücksichtigt werden könnten. Im Übrigen sei das Schutzbedürfnis der Gesellschaft umso größer, je stärker ihr wirtschaftlicher Erfolg von den Kenntnissen, Erfahrungen und Fähigkeiten des Geschäftsführers abhinge.140 In anderen Entscheidungen wird ohne weitere Erläuterungen auf die Umstände bei Ausscheiden des Geschäftsführers abgestellt.141 Ist das Wettbewerbsverbot nicht von einem berechtigten geschäftlichen Interesse der GmbH getragen oder stellt es eine unbillige Belastung des Geschäftsführers in seiner Berufsausübungsfreiheit dar, wird es als nichtig erkannt.142 Fehle es bereits am berechtigten Gesellschaftsinteresse, sei das Wettbewerbsverbot ohne Rücksicht darauf nichtig, ob eine Karenzentschädigung versprochen werde oder nicht.143 Ob eine geltungserhaltende Reduktion des nichtigen Wettbewerbsverbotes auf das noch angemessene Maß möglich ist, wird unterschiedlich beurteilt. Überwiegend wird eine solche abgelehnt. Das Wettbewerbsverbot stelle hinsichtlich seines Gegenstandes (Verbot der Konkurrenztätigkeit) eine einheitliche Regelung dar, die nicht in mehrere Teile zerlegt werden könne. Sofern die Rechtsprechung hiervon Ausnahmen machte, beträfen diese lediglich die zeitliche Ausdehnung des Wettbewerbsverbotes, nicht aber seine sonstige Reichweite.144 138 Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 9.11.1988 – 8 U 295/87, GmbHR 1989, 259, 260; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.1.1993 – 16 U 73/92, NJW-RR 1994, 35; OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.12.1998 – 6 U 151/98, NZG 1999, 405; OLG Celle, Urt. v. 13.9.2000 – 9 U 110/00, NZG 2001, 131, 132. 139 Vgl. OLG Nürnberg, Urt. v. 25.11.2009 – 12 U 681/09, GmbHR 2010, 141. 140 Vgl. OLG Celle, Urt. v. 13.9.2000 – 9 U 110/00, NZG 2001, 131, 132. 141 Vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.3.2000 – 17 U 133/99, NZG 2000, 737. 142 Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 11.1.1988 – 8 U 142/87, GmbHR 1988, 344; OLG Hamm, Urt. v. 9.11.1988 – 8 U 295/87, GmbHR 1989, 259, 260; OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.5.1989 – 8 U 143/88, DB 1990, 1960; OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.12.1998 – 6 U 151/98, NZG 1999, 405; OLG Nürnberg, Urt. v. 25.11.2009 – 12 U 681/09, GmbHR 2010, 141. 143 Vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.5.1989 – 8 U 143/88, DB 1990, 1960; OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.12.1998 – 6 U 151/98, NZG 1999, 405; OLG Nürnberg, Urt. v. 25.11.2009 – 12 U 681/09, GmbHR 2010, 141. 144 Vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.12.1998 – 6 U 151/98, NZG 1999, 405; OLG Nürnberg, Urt. v. 25.11.2009 – 12 U 681/09, GmbHR 2010, 141, 143 – vgl. dann aber
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Eine Umdeutung und Beschränkung des Wettbewerbsverbotes auf das noch zulässige Maß komme nicht in Betracht, da andernfalls der Senat unzulässige Vertragshilfe leiste. Gerade das stünde aber im Widerspruch zu Sinn und Zweck des § 138 BGB. Könnte derjenige, der seinen Vertragspartner in sittenwidriger Weise benachteiligt, damit rechnen, schlimmstenfalls durch gerichtliche Feststellung das zu bekommen, was gerade noch vertretbar und damit sittengemäß sei, verlöre das sittenwidrige Geschäft für ihn das Risiko, mit dem es durch die vom Gesetz angeordnete Nichtigkeitsfolge behaftet sein soll.145 Zudem würde ein Wettbewerbsverbot festgelegt, auf das sich die Beteiligten unter Umständen ganz anders geeinigt hätten.146 In einer anderen Entscheidung wird im Ergebnis offen gelassen, aber erwogen, ob die räumliche Erstreckung des Verbotes nicht in Teilabschnitte zerlegt werden könne und daher bei einer wegen Missachtung der räumlichen Grenzen unzulässigen Wettbewerbsbeschränkung eine Verkürzung auf das angemessene Maß möglich sei.147 Inwieweit eine geltungserhaltende Reduktion vorzunehmen ist, wenn sich im Anstellungsvertrag oder der Wettbewerbsabrede eine salvatorische Klausel findet, nach der die unwirksame Bestimmung durch eine solche zu ersetzen ist, welche dem wirtschaftlich gewollten Ergebnis am nächsten kommt, wird in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung zu Wettbewerbsverboten mit Geschäftsführern bisher unterschiedlich beurteilt. Einerseits wird bei Vorliegen salvatorischer Klauseln die Anpassung der ansonsten unzulässigen Wettbewerbsverbote – auch in gegenständlicher und örtlicher Hinsicht – angenommen. Die Parteien gäben mit entsprechenden Klausen ausdrücklich zu erkennen, dass die Nichtigkeit einer Bestimmung nicht zur Gesamtnichtigkeit des Vertrages führen solle, sondern die angegriffene Bestimmung auf ein zulässiges Maß zu reduzieren und damit die Rechtsfolge des § 139 abbedungen sei.148 Die Gegenansicht nimmt dagegen unter Verweis auf eine Entscheidung und Ausführungen des BGH zu § 139 BGB an, salvatorische Erhaltungs- und Ersetzungsklauseln könnten die sich aus dem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen (§ 138 BGB) nicht verändern; sie führten nicht zu einer weitergehenden, eigenständigen geltungserhaltenden Reduktion, sondern änderten lediglich in Bezug auf die gesetzliche Vermutung des § 139 BGB die
S. 146, wo die geltungserhaltende Reduktion der sich auf alle Kunden des Unternehmens erstreckenden Kundenschutzklausel in eine alle Kunden des Tätigkeitsunternehmens des Geschäftsführers betreffende Klausel erwogen, aber sodann offen gelassen wird; aA: OLG Hamm, Urt. v. 9.11.1988 – 8 U 295/87, GmbHR 1989, 259 – keine Reduktion eines nur zeitlich unzulässigen Wettbewerbsverbots. 145 Vgl. OLG Nürnberg, Urt. v. 25.11.2009 – 12 U 681/09, GmbHR 2010, 141, 144. 146 Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 11.1.1988 – 8 U 142/87, GmbHR 1988, 344; OLG Hamm, Urt. v. 9.11.1988 – 8 U 295/87, GmbHR 1989, 259, 260; OLG Nürnberg, Urt. v. 25.11.2009 – 12 U 681/09, GmbHR 2010, 141, 144. 147 Vgl. OLG Celle, Urt. v. 13.9.2000 – 9 U 110/00, NZG 2001, 131, 132. 148 Vgl. OLG Köln, Urt. v. 5.10.2000 – 12 U 62/00, NZG 2001, 165.
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Beweislast.149 Der BGH hat in der genannten Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, § 139 BGB enthalte nur eine Bestimmung über die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Rahmen der stets vorzunehmenden Prüfung, ob die Parteien das teilnichtige Geschäft als Ganzes verworfen hätten oder aber den Rest hätten gelten lassen. Während bei Fehlen einer salvatorischen Erhaltensklausel die Vertragspartei, welche das teilnichtige Geschäft aufrechterhalten wolle, darlegungs- und beweispflichtig sei, treffe die entsprechende Pflicht, wenn – wie im zu entscheidenden Fall – eine solche Klausel vereinbart sei, denjenigen, der den ganzen Vertrag verwerfen wolle. Nur bei diesem Verständnis salvatorischer Vertragsklauseln erhielte der Gesichtspunkt die ihm zukommende Beachtung, dass es auf die Bedeutung der nichtigen Bestimmung für den ganzen Vertrag ankomme, ob dieser auch ohne dieselbe noch eine sinnvolle und ausgewogene Regelung der beiderseitigen Interessen enthalte und deswegen anzunehmen sei, er solle nach dem übereinstimmenden Willen beider Beteiligten auch ohne die nichtige Bestimmung wirksam sein.150 IV. Rechtsprechung des BAG vor analoger Anwendung der §§ 74 ff. HGB bei allen Arbeitnehmern Das BAG hat, bevor es die §§ 74 ff. HGB bei allen Arbeitnehmern (analog) herangezogen hat, Wettbewerbsverbote mit gewerblichen Angestellten anhand von § 133f GewO, § 138 Abs. 1 BGB sowie solche mit Angestellten, die nicht kaufmännisch oder gewerblich sind, anhand des § 138 Abs. 1 BGB überprüft151 und unter Berücksichtigung der Wertungen des § 74a Abs. 1 HGB für unverbindlich erachtet, wenn sie keinem berechtigten geschäftlichen Interesse des Arbeitgebers dienten oder den Arbeitnehmer nach Zeit, Ort oder Gegenstand unbillig oder unangemessen in seinem Fortkommen beschränkten.152 § 74a Abs. 1 S. 1 HGB enthielte einen allgemeinen Rechtsgrundsatz zur Kennzeichnung einer unbilligen Fortkommensbeschwer153, ebenso wie § 74a Abs. 1. S. 2 HGB zum Ausdruck bringe, welche Wertmaßstäbe an das Gebot der guten Sitten bei Wettbe149
Vgl. OLG Nürnberg, Urt. v. 25.11.2009 – 12 U 681/09, GmbHR 2010, 141, 144. Vgl. BGH, Urt. v. 24.9.2002 – KZR 10/01, NJW 2003, 347. 151 Vgl. BAG, Urt. v. 4.10.1958 – 2 AZR 200/55, AP Nr. 7 zu Art. 12 GG; BAG, Urt. v. 3.3.1959 – 1 AZR 196/57, AP Nr. 4 zu § 133f GewO; BAG, Urt. v. 11.2.1960 – 5 AZR 79/58, AP Nr. 20 zu Art. 12 GG; BAG, Urt. v. 22.11.1965 – 3 AZR 130/65, AP Nr. 1 zu § 611 BGB; BAG, Urt. v. 2.12.1966 – 3 AZR 235/66, AP Nr. 18 zu § 133f GewO; BAG, Urt. v. 9.9.1968 – 3 AZR 188/67, AP Nr. 22 zu § 61 BGB Konkurrenzklausel. 152 Vgl. BAG, Urt. v. 4.10.1958 – 2 AZR 200/55, AP Nr. 7 zu Art. 12 GG; BAG, Urt. v. 11.2.1960 – 5 AZR 79/58, AP Nr. 20 zu Art. 12 GG; BAG, Urt. v. 22.11.1965 – 3 AZR 130/65. AP Nr. 1 zu § 611 BGB Abwerbung; BAG, Urt. v. 2.12.1966 – 3 AZR 235/66, AP Nr. 18 zu § 133f GewO, BAG, Urt. v. 18.2.1967 – 3 AZR 290/66, AP Nr. 19 zu § 133f GewO; BAG, Urt. v. 9.9.1968 – 3 AZR 188/67, AP Nr. 22 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel. 150
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werbsklauseln anzulegen seien.154 Ferner hat das BAG § 74a Abs. 1 S. 3 HGB allgemeine Rechtsgrundsatzqualität zuerkannt.155 Das notwendige berechtigte Interesse i. S. v. (§ 133f GewO i.V. m.) § 74a Abs. 1 HGB hat das BAG in sachlicher, örtlicher und zeitlicher Hinsicht geprüft. Es hat ein berechtigtes Interesse in sachlicher Hinsicht verneint, soweit das Wettbewerbsverbot die Tätigkeit auf (Fach-)Gebieten untersage, in denen der Betroffene bisher nicht tätig gewesen sei.156 Für das berechtigte Interesse in zeitlicher Hinsicht hat es auf § 74a Abs. 1 S. 3 HGB verwiesen. Mit dieser Regelung habe der Gesetzgeber näher beschreiben wollen, wann in zeitlicher Beziehung in einem Wettbewerbsverbot eine unbillige Fortkommensbeschwer regelmäßig anzunehmen sei.157 Aus seinen Ausführungen wird erkennbar, dass das BAG bei seinen Prüfungen auf den Grundlagen der § 133f GewO und § 138 Abs. 1 BGB auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Ausscheidens des technischen Angestellten bzw. gewerblichen Arbeiters abgestellt hat. So hat es in seinen Gesamtabwägungen maßgeblich auf die dann beim Betroffenen vorzufindende Lebenssituation verwiesen.158 Das Wettbewerbsverbot ist vom BAG gemäß § 138 Abs. 1 BGB für nichtig erkannt worden, wenn es nicht von einem berechtigten geschäftlichen Interesse getragen war oder aber den Betroffenen übermäßig belastete.159 Im Fall, dass das Wettbewerbsverbot den Betroffenen wegen seiner Zeitdauer übermäßig beschränkte, hat das BAG nicht die Gesamtnichtigkeit der gesamten Wettbewerbsabrede, sondern deren Verkürzung auf die Zeit, die als tragbar und angemessen angesehen werden könne, angenommen.160 Darüber hinaus hat es aber keine geltungserhaltende Reduktion unzulässiger Abreden anerkannt. V. Rechtsprechung bei anderen Personengruppen Nachvertragliche Wettbewerbsverbote finden sich nicht nur in Arbeits- und Dienstverträgen, sondern auch in Gesellschafts-, Unternehmensveräußerungs-, 153 Vgl. BAG, Urt. v. 2.12.1966 – 3 AZR 235/66, AP Nr. 18 zu § 133f GewO; BAG, Urt. v. 18.2.1967 – 3 AZR 290/66, AP Nr. 19 zu § 133f GewO; BAG, Urt. v. 9.9.1968 – 3 AZR 188/76, AP Nr. 22 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel. 154 Vgl. BAG, Urt. v. 9.9.1968 – 3 AZR 188/67, AP Nr. 22 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel. 155 Vgl. BAG, Urt. v. 2.12.1966 – 3 AZR 235/66, AP Nr. 18 zu § 133f GewO, BAG, Urt. v. 18.2.1967 – 3 AZR 290/66, AP Nr. 19 zu § 133f GewO. 156 Vgl. BAG, Urt. v. 2.12.1966 – 3 AZR 235/66, AP Nr. 18 zu § 133f GewO. 157 Vgl. BAG, Urt. v. 2.12.1966 – 3 AZR 235/66, AP Nr. 18 zu § 133f GewO; BAG, Urt. v. 18.2.1967 – 3 AZR 290/66, AP Nr. 19 zu § 133f GewO. 158 Vgl. BAG, Urt. v. 2.12.1966 – 3 AZR 235/66, AP Nr. 18 zu § 133f GewO. 159 Vgl. BAG, Urt. v. 9.9.1968 – 3 AZR 188/67. 160 Vgl. BAG, Urt. v. 4.10.1958 – 2 AZR 200/55, AP Nr. 7 zu Art. 12 GG.
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Pacht- oder Subunternehmerverträgen. Sie sind nach der ständigen Rechtsprechung des BGH und ihm folgend auch der Instanzgerichte mit Rücksicht auf die grundgesetzlich geschützte Berufsausübungsfreiheit nur dann gerechtfertigt und nicht nach § 138 BGB sittenwidrig, wenn und soweit sie notwendig sind, um einen Vertragspartner vor einer illoyalen Verwertung der Erfolge seiner Arbeit (der gemeinsamen Arbeit) durch den anderen Vertragspartner zu schützen. Sie dürfen insbesondere nicht dazu eingesetzt werden, den Betroffenen als Mitbewerber auszuschalten. Ihre Wirksamkeit hängt davon ab, dass sie in räumlicher, gegenständlicher und zeitlicher Hinsicht das notwendige Maß nicht überschreiten.161 Der örtliche und gegenständliche Bereich der Verpflichtung zur Unterlassung wettbewerblicher Handlungen gegenüber einem Unternehmen ist hierfür dessen örtlichem und sachlichem Tätigkeitsbereich anzupassen.162 Regelmäßig für zulässig werden Mandanten-/Kunden-/Auftraggeberschutzklauseln erachtet. Sie seien gegenüber einem allgemeinen nachvertraglichen Wettbewerbsverbot (Tätigkeitsverbot) bereits insofern eingeschränkt, als sich die Vereinbarung nur auf die bisherigen Mandanten der Sozietät beschränke, die der ausscheidende Partner nicht mitnehmen dürfe. Hierin liege die gebotene gegenständliche und räumliche Begrenzung.163 Vor der Konkurrenz um Mandanten, die das Unternehmen und der vom Wettbewerbsverbot Betroffene bereits vor dem Ausscheiden des Betroffenen verloren habe, könne sich das Unternehmen 161 Vgl. BGH, Urt. v. 19.11.1973 – I ZR 83/72, WM 1974, 253 (Unternehmensveräußerungsvertrag); BGH, Urt. v. 19.11.1973 – II ZR 52/72, W; 1974, 74 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 13.3.1979 – KZR 23/77, NJW 1979, 1605 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 28.4.1986 – II ZR 254/85, NJW 1986, 2944 (Unternehmensveräußerungsvertrag); BGH, Urt. v. 14.7.1986 – II ZR 296/85, WM 1986, 1282 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 29.10.1990 – II ZR 241/89, NJW 1991, 699 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 19.10.1993 – KZR 3/92, GmbHR 1994, 44 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 29.1.1996 – II ZR 286/94, NJW-RR 1996, 741 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 14.7.1997 – II ZR 23(/96, NJW 1997, 3089 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 8.5.2000 – II ZR 308/98, NJW 2000, 2584 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 29.9.2003 – II ZR 59/02, NJW 2004, 66 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 18.7.2005 – II ZR 159/03, NJW 2005, 3061 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 10.12.2008 – KZR 54/08, NJW 2009, 1715 (Subunternehmervertrag); BGH, Urt. v. 30.11.2009 – II ZR 208/08, DB 2010, 323 (Gesellschaftsvertrag); OLG Hamm, Urt. v. 15.2.1993 – 8 U 154/92, NJW-RR 1993, 1314 (Gesellschaftsvertrag); OLG Stuttgart, Urt. v. 20.11.1998 – 2 U 204/96, NZG 1999, 252 (Gesellschaftsvertrag); OLG Köln, Urt. v. 5.10.2000 – 12 U 62/00, NZG 2001, 165 (Gesellschaftsvertrag). 162 Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 15.2.1993 – 8 U 154/92, NJW-RR 1993, 1314 (Gesellschaftsvertrag). 163 Vgl. BGH, Urt. v. 28.4.1986 – II ZR 254/85, NJW 1986, 2944 (Unternehmensveräußerungsvertrag); BGH, Urt. v. 12.5.1998 – KZR 18/97, NJW-RR 1998, 1508 (Subunternehmervertrag); BGH, Urt. v. 8.5.2000 – II ZR 308/98, NJW 2000, 2584 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 29.9.2003 – II ZR 59/02, NJW 2004, 66 (Gesellschaftsvertrag) – betreffend Mandanten, die sich in den letzten zwei Jahren vor dem Ausscheiden haben vertreten lassen; BGH, Urt. v. 18.7.2005 – II ZR 159/03, NJW 2005, 3061 (Gesellschaftsvertrag).
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nach dem BGH daher ebenso wenig schützen wie hinsichtlich Mandanten, die sich mehr als zwei oder drei Jahre nicht mehr an das Unternehmen oder den Betroffenen gewandt hätten.164 Das OLG Köln erkennt ferner ein berechtigtes Interesse nicht für solche Klauseln an, die das Verbot auf solche Kunden erstrecken, mit denen im Zeitpunkt des Ausscheidens noch Akquisitionsgespräche geführt wurden. Die Ausweitung von Geschäftsbeziehungen werde i. d. R. von jedem Unternehmen angestrebt und könne für sich allein noch nicht die Zulässigkeit einer Einschränkung des Wettbewerbes begründen. Soweit Geschäftsbeziehungen noch nicht beständen, sei vielmehr dem freien Wettbewerb Vorrang vor den Interessen des Unternehmens einzuräumen, potenzielle Kunden für sich zu vereinnahmen und ihren Kundenstamm auszudehnen.165 Ebensowenig dürften sich Kundenschutzklauseln auf Kunden solcher Gesellschaften beziehen, an denen der Gesellschafter nicht beteiligt oder für die er nicht tätig geworden sei.166 Ein schutzwertes Interesse wird ferner nur für einen Zeitraum anerkannt, in dem sich die in der Vertragszeit geschaffenen geschäftlichen Beziehungen fortwirkten. Erfahrungsgemäß verflüchtigten sich die Beziehungen nach einer gewissen Zeit nämlich so stark, dass das geschützte Unternehmen durch die Konkurrenz keine wesentlichen Einbußen mehr erfahren könne.167 Entscheidend sei, dass die geschäftlichen Verbindungen so weit konsolidiert werden könnten, dass der Wettbewerb des Ausscheidenden keine größere Gefahr mehr darstellte als sonstige Konkurrenz.168 Dies sei regelmäßig nach dem Ablauf von zwei Jahren anzunehmen.169 Für unzulässig werden Regelungen erachtet, die dazu eingesetzt werden, den Betroffenen für immer als Wettbewerber auszuschalten. Diese Zielsetzung sei von dem berechtigten Anliegen, sich auf Zeit vor illoyaler Ausnutzung erworbe164
Vgl. BGH, Urt. v. 29.10.1990 – II ZR 241/89, NJW 1991, 699 (Gesellschaftsver-
trag). 165 Vgl. OLG Köln, Urt. v. 5.10.2000 – 12 U 62/00, NZG 2001, 165 (Gesellschaftsvertrag). 166 Vgl. OLG Köln, Urt. v. 5.10.2000 – 12 U 62/00, NZG 2001, 165 (Gesellschaftsvertrag). 167 Vgl. BGH, Urt. v. 19.11.1973 – I ZR 83/72, WM 1974, 253 (Unternehmensveräußerungsvertrag); BGH, Urt. v. 13.3.1979 – KZR 23/77, NJW 1979, 1605 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 29.10.1990 – II ZR 241/89, NJW 1991, 699 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 8.5.2000 – II ZR 308/98, NJW 2000, 2584 (Gesellschaftsvertrag); OLG Hamm, Urt. v. 15.2.1993 – 8 U 154/92, NJW-RR 1993, 1314 (Gesellschaftsvertrag). 168 Vgl. BGH, Urt. v. 13.3.1979 – KZR 23/77, NJW 1979, 1605 (Gesellschaftsvertrag). 169 Vgl. BGH, Urt. v. 19.11.1973 – I ZR 83/72, WM 1974, 253 (Unternehmensveräußerungsvertrag); BGH, Urt. v. 13.3.1979 – KZR 23/77, NJW 1979, 1605 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 29.1.1996 – II ZR 286/94, NJW-RR 1996, 741 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 8.5.2000 – II ZR 308/98, NJW 2000, 2584 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 29.9.2003 – II ZR 59/02, NJW 2004, 66 (Gesellschaftsvertrag); OLG Hamm, Urt. v. 15.2.1993 – 8 U 154/92, NJW-RR 1993, 1314 (Gesellschaftsvertrag).
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
ner Kenntnisse und Verbindungen zu schützen, nicht gedeckt.170 Umfassende Wettbewerbsverbote, die jegliches Dienstverhältnis mit einem Konkurrenzunternehmen verbieten, werden teilweise ebenfalls für unzulässig erachtet, da den Betroffenen jegliche berufliche Betätigung auf dem Unternehmensgebiet des Unternehmens untersagt werde.171 Wenn eine Wettbewerbsklausel ausschließlich die zeitlichen Grenzen überschreitet, im Übrigen aber unbedenklich ist, kommt nach der Rechtsprechung von BGH und Instanzen eine geltungserhaltende Reduktion in Betracht.172 Dauerschuldverhältnisse ließen sich derart in Zeitabschnitte zerlegen, dass diese sich als Teile innerhalb eines ganzen Vertrages im Sinne des § 139 BGB darstellten, so dass sie bei einem entsprechend bestehenden oder zu vermutenden Parteiwillen mit einer kürzeren, nicht zu beanstandenden Laufzeit aufrechterhalten bleiben könnten.173 Ein solcher Parteiwille könne allerdings dann nicht angenommen werden, wenn der Wettbewerbsverbotsbegünstigte als der wirtschaftlich Stärkere die wirtschaftliche Notlage des zur Wettbewerbsunterlassung Verpflichteten zur einseitigen Durchsetzung seiner Ziele ausgenutzt habe. In diesem Fall sei für einen rechtsgestaltenden richterlichen Eingriff in das Vertragsverhältnis und dessen inhaltliche Rückführung auf ein vertretbares Maß kein Raum. Vielmehr müsse der Wettbewerbsverbotsbegünstigte das Risiko der Nichtigkeit des gesamten Wettbewerbsverbotes tragen.174 Bei Missachtung der gegenständlichen und räumlichen Grenzen nimmt die Rechtsprechung dagegen grundsätzlich die Nichtigkeit
170 Vgl. BGH, Urt. v. 14.7.1997 – II ZR 23/96, NJW 1997, 3089 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 8.5.2000 – II ZR 308/98, NJW 2000, 2584 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 29.9.2003 – II ZR 59/02, NJW 2004, 66 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 18.7.2005 – II ZR 159/03, NJW 2005, 3061 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 10.12.2008 – KZR 54/08, NJW 2009, 1715 (Subunternehmervertrag). 171 Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 15.2.1993 – 8 U 154/92, NJW-RR 1993, 1314 (Gesellschaftsvertrag). 172 Vgl. BGH, Urt. v. 19.11.1973 – II ZR 52/72, W; 1974, 74 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 13.3.1979 – KZR 23/77, NJW 1979, 1605 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 28.4.1986 – II ZR 254/85, NJW 1986, 2944 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 15.3.1989 – VIII ZR 62/88, NJW-RR 1989, 800 (Unternehmensveräußerungsvertrag); BGH, Urt. v. 29.10.1990 – II ZR 241/89, NJW 1991, 699 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 29.1.1996 – II ZR 286/94, NJW-RR 1996, 741 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 14.7.1997 – II ZR 238/96, NJW 1997, 3089 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 8.5. 2000 – II ZR 308/98, NJW 2000, 2584 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 29.9.2003 – II ZR 59/02, NJW 2004, 66 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 18.7.2005 – II ZR 159/03, NJW 2005, 3061 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 10.12.2008 – KZR 54/ 08, NJW 2009, 1751 (Subunternehmervertrag); OLG Stuttgart, Urt. v. 20.11.1998 – 2 U 204/96, NZG 1999, 252 (Gesellschaftsvertrag); OLG Köln, Urt. v. 5.10.2000 – 12 U 62/00, NZG 2001, 165 (Gesellschaftsvertrag). 173 Vgl. BGH, Urt. v. 29.10.1990 – II ZR 241/89, NJW 1991, 699 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 14.7.1997 – II ZR 23/96, NJW 1997, 3089 (Gesellschaftsvertrag). 174 Vgl. BGH, Urt. v. 13.3.1979 – KZR 23/77, NJW 1979, 1605 (Gesellschaftsvertrag).
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des Wettbewerbsverbotes an.175 Bei einer nicht bloß aus der quantitativen Überschreitung der zulässigen Grenzen hergeleiteten Sittenwidrigkeit müsste das Gericht auf den übrigen Inhalt des sittenwidrigen Geschäftes rechtsgestaltend einwirken, um den Einklang mit der Rechtsordnung herzustellen. Das überschreite nicht nur den den Gerichten eingeräumten Gestaltungsspielraum, es widerspreche auch dem mit § 138 BGB verfolgten Zweck, den Betroffenen das Risiko zuzuweisen, dass eine zwischen ihnen getroffene Vereinbarung sittenwidrig und nichtig ist.176 Die instanzgerichtliche Rechtsprechung erachtet die Rechtsprechung des BGH teilweise für uneinheitlich, lässt die geltungserhaltende Reduktion aber jedenfalls dann zu, wenn die Parteien eine salvatorische Klausel aufgenommen haben.177 VI. Rechtsprechung zu § 1 GWB In Teil 2 dieser Arbeit wurde dargestellt, unter welchen Voraussetzungen der EuGH i. R.v. Art. 81 EG (jetzt: Art. 101 AEUV) allgemein und der BGH i. R.v. § 1 GWB – insbesondere bei Unternehmensveräußerungs-, Gesellschafts- und Subunternehmerverträgen – nachvertragliche Wettbewerbsverbote als für die Durchführung der Hauptverträge und damit Verwirklichung der Vertragszwecke notwendige Nebenabreden und somit kartellrechtlich zulässig erachtet. Im Zusammenhang mit den Erörterungen zu § 1 GWB wurde dabei darauf hingewiesen, dass insbesondere aufgrund der aktuellen Entscheidungen des für die Beurteilung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote anhand des § 1 GWB zuständigen Kartellsenates des BGH anzunehmen ist, dass ein weitgehender Gleichlauf der Kriterien einer zulässigen Nebenabrede nach § 1 GWB, dieser wiederum geprägt durch Art. 101 AEUV (vormals Art. 81 EG), mit den Prüfungspunkten der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB erfolgt. Vor diesem Hintergrund sei an dieser Stelle auch auf die Erörterungen zur kartellrechtlichen Zulässigkeit nachvertraglicher Wettbewerbsverbote als Nebenabreden in Teil 2 verwiesen.
175 Vgl. BGH, Urt. v. 13.3.1979 – KZR 23/77, NJW 1979, 1605 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 28.4.1986 – II ZR 254/85, NJW 1986, 2944 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 14.7.1997 – II ZR 238/96, NJW 1997, 3089 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 18.7.2005 – II ZR 159/03, NJW 2005, 3061 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 10.12.2008 – KZR 54/08, NJW 2009, 1751 (Subunternehmervertrag); OLG Hamm, Urt. v. 15.2.1993 – 8 U 154/92, NJW-RR 1993, 1314 (Gesellschaftsvertrag); OLG Köln, Urt. v. 5.10.2000 – 12 U 62/00, NZG 2001, 165 (Gesellschaftsvertrag). 176 Vgl. BGH, Urt. v. 13.3.1979 – KZR 23/77, NJW 1979, 1605 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 14.7.1997 – II ZR 238/96, NJW 1997, 3089 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 29.10.1990 – II ZR 241/89, NJW 1991, 699 (Gesellschaftsvertrag); OLG Hamm, Urt. v. 15.2.1993 – 8 U 154/92, NJW-RR 1993, 1314 (Gesellschaftsvertrag). 177 Vgl. OLG Zweibrücken, Urt. v. 21.9.1989 – 7 U 230/89, NJW-RR 1990, 482.
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
VII. Auffassungen der Literatur Auch in der Literatur ist es einhellige Auffassung, dass nachvertragliche Wettbewerbsverbote nur zulässig sind, wenn sie – entsprechend einer zwei-stufigen Prüfung – berechtigten geschäftlichen Interessen der Gesellschaft dienen und dem Geschäftsführer nicht nach Ort, Zeit und Gegenstand unbillig die Berufsausübung und die wirtschaftliche Tätigkeit erschweren.178 Ein berechtigtes geschäftliches Interesse der Gesellschaft liege darin, die Verwertung ihr zustehender Arbeitserfolge, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu verhindern bzw. ihren vorhandenen Kunden- bzw. Lieferantenkreis zu schützen. Dagegen sei das Bestreben, eine fachlich qualifizierte Kraft für die Konkurrenz zu sperren, nicht schutzwürdig.179 Nicht als gerechtfertigt werden grundsätzlich örtlich und zeitlich unbeschränkte Wettbewerbsverbote erachtet. Eine Konkurrenzsituation entstehe nicht, wenn der Geschäftsführer weit entfernt oder in einer anderen Branche tätig werde.180 Sachlich und räumlich hinge die Grenze vom Tätigkeitsbereich der Gesellschaft und dem Geschäftsfeld/Ressort, in welchem der Geschäftsführer tätig sei, ab.181 In zeitlicher Hinsicht wird mit der Rechtsprechung angenommen, 178 Vgl. Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 87; Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885, 887; dies., BB 1995, 1134, 1135; dies., Wettbewerbsverbote, Rn. 1046 ff.; Bauer, in: FS Schwerdtner, S. 441, 444; ders., DB 1992, 1413, 1417; Oppenländer/Trölitzsch/ Baumann, GmbH-Geschäftsführung, § 14 Rn. 17; Campos Nave, NJW 2003, 3322, 3323; Gehle, DB 2010, 1981; Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 146b; Heller, GmbHR 2000, 371 f.; Tschöpe/Hiekel, Anw.Hdb.ArbR, Teil 2 F Rn. 6; HoffmannBecking, in: FS Quack, S. 273, 275; Jaeger, Anstellungsvertrag des GmbH-GF, S. 168; Jäger, DStR 1995, 724, 726; Jula, Der GmbH-GF, S. 110; van Kann/Keiluweit, BB 2010, 2050, 2051; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anhang zu § 6 Rn. 25; Manger, GmbHR 2001, 89, 90; Menke, NJW 2009, 636, 637; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 250; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 175; Hachenburg/Stein, GmbHG, § 35 Rn. 315; Thüsing, NZG 2004, 9, 10; Wilsing/Ogorek, NZG 2010, 379; BeckOK GmbHG/Wisskirchen/Kuhn, § 6 Rn. 99; für AG-Vorstand: HK-AktG/Bürgers/Israel, § 88 Rn. 15; Hüffer, AktG, § 88 Rn. 10; Jäger, AG § 21 Rn. 66; Großkomm.AktienG/ Kort, § 88 Rn. 142; KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 88 Rn. 34; Semler/Peltzer, Arbeitshdb.Vorstandsmitglieder, § 2 Rn. 164; K. Schmidt/Lutter/Seibt, AktG, § 88 Rn. 16; MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rn. 46; Spindler/Stilz, AktG, § 88 Rn. 43; Fleischer/Thüsing, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rn. 110; Münch.Hdb.GesR IV/Wiesner, § 21 Rn. 70; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 198. 179 Vgl. Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 87; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1054; dies., GmbHR 1999, 885, 888; Dahlbender, GmbH-StB 2006, 273; Gehle, DB 2010, 1981; Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 148; Jäger, DStR 1995, 724, 726; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 250; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 177; Hachenburg/Stein, GmbHG, § 35 Rn. 315; für AG-Vorstand: Großkomm. AktienG/Kort, § 88 Rn. 155; KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 88 Rn. 34; Fleischer/Thüsing, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rn. 1112; Münch.Hdb.GesR IV/ Wiesner, § 21 Rn. 70. 180 Vgl. zu örtlich grenzüberschreitenden nachvertraglichen Wettbewerbsverboten: Brendel, Nachvertragliche grenzüberschreitende Wettbewerbsverbote, S. 40 ff., S. 50 f. 181 Vgl. Oppenländer/Trölitzsch/Baumann, GmbH-Geschäftsführung, § 14 Rn. 19; Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 149; Heller, GmbHR 2000, 371, 372; Jula, Der GmbH-GF, S. 110; van Kann/Keiluweit, BB 2010, 2050, 2051; Ulmer/Paefgen,
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dass sich die Geschäftsbeziehungen und Kenntnisse nach einigen Jahren in der Regel verflüchtigt hätten. Insoweit wird der Zwei-Jahresgrenze des § 74a Abs. 1 S. 3 HGB Leitbildfunktion zugesprochen.182 Vereinzelt wird die Zwei-Jahresgrenze aber auch als zu eng erachtet und die Grenze erst bei vier Jahren gezogen.183 In sachlicher Hinsicht werden ganz überwiegend Tätigkeitsverbote für einen bestimmten Zeitraum nicht von vorneherein für unzulässig erachtet. Gehe es um den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen bzw. technischem Knowhow seien Verbote jeglicher Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen zulässig. Tätigkeitsverbote seien nur dann unzulässig, wenn das Interesse der Gesellschaft durch eine Kundenschutzklausel hinreichend zu schützen sei. Allerdings müsse beachtet werden, dass selbst dann, wenn es nur um den Schutz von Kundenbeziehungen gehe, Tätigkeitsverbote vereinbart werden dürften, wenn der Schutz des weitreichenden und vor allem schwer zu beobachtenden Kundenkreises ansonsten nicht realisiert werden könne.184 GmbHG, § 35 Rn. 251; Reufels/Schewiola, ArbRB 2008, 57; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 179; Hachenburg/Stein, GmbHG, § 35 Rn. 316; BeckOK GmbHG/ Wisskirchen/Kuhn, § 6 Rn. 100; für AG-Vorstand: HK-AktG/Bürgers/Israel, § 88 Rn. 15; Hüffer, AktG, § 88 Rn. 10; Jäger, AG § 21 Rn. 70; Großkomm.AktienG/Kort, § 88 Rn. 147; KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 88 Rn. 35; NK-AktienR/Oltmanns, Kap. 1 § 88 Rn. 12; K. Schmidt/Lutter/Seibt, AktG, § 88 Rn. 16; Spindler/Stilz, AktG, § 88 Rn. 44 f.; Fleischer/Thüsing, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rn. 112. 182 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1058; Bauer/von Medem, GWR 2011, 435, 437; HK-AktG/Bürgers/Israel, § 88 Rn. 15; Dahlbender, GmbH-StB 2006, 273; Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 150; Heller, GmbHR 2000, 371, 372; Hoffmann-Becking, in: FS Quack, S. 273, 277; Jäger, DStR 1995, 724, 726; Jula, Der GmbH-GF, S. 110; MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 374; van Kann/Keiluweit, BB 2010, 2050, 2051; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 251; Reiserer/Heß-Emmerich/Peters, GmbH-GF, S. 49; Reufels/Schewiola, ArbRB 2008, 57, 58; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 178; Hachenburg/Stein, GmbHG, § 35 Rn. 316; Thüsing, NZG 2004, 9, 10 – besondere Betonung, dass längere Frist nicht ausgeschlossen; Tillmann/ Mohr, GmbH-GF, Rn. 446; für AG-Vorstand: Hüffer, AktG, § 88 Rn. 10; Jäger, AG § 21 Rn. 70; Großkomm.AktienG/Kort, § 88 Rn. 145; KölnerKommAktG/Mertens/ Cahn, § 88 Rn. 35; NK-AktienR/Oltmanns, Kap. 1 § 88 Rn. 12; Semler/Peltzer, Arbeitshdb.Vorstandsmitglieder, § 2 Rn. 165; K. Schmidt/Lutter/Seibt, AktG, § 88 Rn. 16; Spindler/Stilz, AktG, § 88 Rn. 46; MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rn. 48; Fleischer/Thüsing, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rn. 115 – besondere Betonung, dass längere Frist nicht ausgeschlossen; Münch.Hdb.GesR IV/Wiesner, § 21 Rn. 71. 183 Vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 200; auch zulassend: Großkomm.AktienG/Kort, § 88 Rn. 145. 184 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1054; dies., GmbHR 1999, 885, 889; Bauer, in: FS Schwerdtner, S. 441, 443, 446; Oppenländer/Trölitzsch/Baumann, GmbHGeschäftsführung, § 14 Rn. 21; Dahlbender, GmbH-StB 2006, 273; Heller, GmbHR 2000, 371, 372; Jaeger, Anstellungsvertrag des GmbH-GF, S. 169 – spricht von unternehmensbezogenen-, tätigkeits- oder produktbezogenen Wettbewerbsverboten; MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 372; Kamanabrou, ZGR 2002, 898, 899; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 251; Reufels/Schewiola, ArbRB 2008, 57, 58; Thüsing, NZG 2004, 9, 10; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 198 (weites Verständ-
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Kundenschutzklauseln werden allgemein als zulässig erkannt.185 Hinsichtlich des zulässigen Gegenstandes von Kunden-/Mandantenschutzklauseln schränken einige Literaturvertreter aber ein, diese müssten auf solche Mandanten beschränkt werden, mit denen in den letzten zwei oder drei Jahren Mandatsbeziehungen bestanden hätten und die der Gesellschaft noch nicht verloren gegangen seien.186 Ein Vertreter befindet es als zu eng, Schutzklauseln nur dann zuzulassen, wenn sie auf Kunden beschränkt sind, zu denen der Geschäftsführer aufgrund seiner Tätigkeit bei der GmbH Verbindung gewinnen konnte oder dass er sich sonstige Informationen zu nutze macht, zu denen er sich nur durch seine Geschäftsführertätigkeit Zugang hatte verschaffen können. Vielmehr sei es den Parteien zu überlassen, die Schranken privatautonom zu regeln.187 Unterschiedliche Auffassungen bestehen hinsichtlich des zulässigen Gegenstandes von konzernweiten Wettbewerbsverboten.188 Die Billigkeit des Wettbewerbsverbotes ist auch nach der Literatur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles im Wege einer umfassenden Interessenabwägung zu prüfen.189 Die Grenze zur unbilligen Beschränkung des Geschäftsführers sei bei Kundenschutzklauseln in der Regel parallel zum berechtigten Interesse der Gesellschaft an solchen Abreden zu ziehen. Danach seien Kundenschutzklauseln für die Dauer von zwei Jahren grundsätzlich keine unbillige Belastung der Geschäftsführer.190 Für die Zulässigkeit umfassender Tätigkeitsverbote komme es insbesondere auf die ausgleichende Entschädigung der Gesellschaft an, wie an obiger Stelle bereits herausgearbeitet wurde.191 nis); für AG-Vorstand: Großkomm.AktienG/Kort, § 88 Rn. 144; KölnerKommAktG/ Mertens/Cahn, § 88 Rn. 34; Spindler/Stilz, AktG, § 88 Rn. 44; Fleischer/Thüsing, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rn. 112; aA: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 87; Kukat, BB 2001, 951, 952; Manger, GmbHR 2001, 89, 91. 185 Vgl. Michalski/Haas, GmbHG, § 43 Rn. 150 (restriktiv); Jaeger, Anstellungsvertrag des GmbH-GF, S. 168; van Kann/Keiluweit, BB 2010, 2050, 2052; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 251; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 177; Hachenburg/Stein, GmbHG, § 35 Rn. 316; für AG-Vorstand: Spindler/Stilz, AktG, § 88 Rn. 44. 186 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1050; dies., GmbHR 1999, 885, 888; Bauer, in: FS Schwerdtner, S. 441, 446; Campos Nave, NJW 2003, 3322, 3325; Dahlbender, GmbH-StB 2006, 273; Jaeger, Anstellungsvertrag des GmbH-GF, S. 168 f.; Jäger, DStR 1995, 724, 726; van Kann/Keiluweit, BB 2010, 2050, 2052; Reufels/Schewiola, ArbRB 2008, 57, 58; für AG-Vorstand: Großkomm.AktienG/Kort, § 88 Rn. 155. 187 Vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 198. 188 Vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 199. 189 Vgl. Campos Nave, NJW 2003, 3322, 3323; Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 149; van Kann/Keiluweit, BB 2010, 2050, 2051; Hachenburg/Stein, GmbHG, § 35 Rn. 315; Thüsing, NZG 2004, 9, 10; BeckOK GmbHG/Wisskirchen/Kuhnr, § 6 Rn. 99; für AG-Vorstand: Großkomm.AktienG/Kort, § 88 Rn. 142; KölnerKommAktG/ Mertens/Cahn, § 88 Rn. 35; Fleischer/Thüsing, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rn. 111; Münch.Hdb.GesR IV/Wiesner, § 21 Rn. 71. 190 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1072; dies., GmbHR 1999, 885, 887. 191 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1074 f.; dies., GmbHR 1999, 885, 887; dies., BB 1995, 1134, 1136; Bauer, in: FS Schwerdtner, S. 441, 446; Campos
§ 1 Zulässigkeit einer Wettbewerbsabrede
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Unterschiedliche Auffassungen bestehen in der Literatur hinsichtlich des für die Beurteilung von Wettbewerbsverboten maßgeblichen Zeitpunktes. Überwiegend wird angenommen, es komme auf die Zulässigkeit des Verbotes im Zeitpunkt des Ausscheidens des Geschäftsführers aus dem Anstellungsverhältnis an.192 Eine zunehmend Anhänger findende Ansicht erachtet hingegen, entsprechend dem Vorbild der neueren Rechtsprechung des BGH zu den gesellschaftsvertraglichen Abfindungsklauseln, eine zweistufige Inhaltskontrolle für sachgerecht. Damit ließe sich auch die vom BGH vertretene geltungserhaltende Reduktion überlanger Wettbewerbsverbote auf ein tolerables Maß dogmatisch einordnen. In einem ersten Schritt sei zu prüfen, ob das Verbot so weit gefasst sei, dass schon bei Vertragsschluss ein geschäftliches Interesse offensichtlich fehle oder dem Organmitglied eine unbillige Belastung auferlegt werde. In diesem Fall sei das Verbot nach § 138 Abs. 1 BGB unwirksam. Der Gesellschaft müsse aber ein vernünftiger Raum für vorhersehbare oder auch zu erwartende Änderungen des Marktes, der Produktpalette sowie der Aufgaben des Geschäftsführers belassen werden. Auf der zweiten Stufe sei im Moment des Ausscheidens zu prüfen, ob durch zwischenzeitliche Veränderungen das geschäftliche Interesse nur noch eingeschränkt bestehe oder eine unbillige Belastung vorliege. Dann wäre durch ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 157, 242 BGB der Verbotsinhalt anzupassen, also geltungserhaltend zu reduzieren.193 Wettbewerbsverbote, die nicht einem berechtigten geschäftlichen Interesse der Gesellschaft entsprechen oder wegen ihres gegenständlichen, räumlichen und zeitlichen Umfanges unbillig sind, werden von der Literatur grundsätzlich als nichtig erachtet.194 Inwieweit eine geltungserhaltende Reduktion in Frage kommt, wird unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird eine solche nicht nur bei unbilliger Laufzeit, sondern auch bei inhaltlich zu weit gefassten Wettbewerbsverboten, soweit es allein um die Korrektur quantitativen Übermaßes und nicht um rechtsgestaltende Gewichtung verschiedener Kriterien gehe, befürwortet.195 Nave, NJW 2003, 3322, 3323; Dahlbender, GmbH-StB 2006, 273; Heller, GmbHR 2000, 371, 373. 192 Vgl. Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 147a; Hoffmann-Becking, in: FS Quack, S. 273, 275; Jäger, DStR 1995, 724, 727; van Kann/Keiluweit, BB 2010, 2050; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anhang zu § 6 Rn. 25; Reufels/Schewiola, ArbRB 2008, 57, 58; für AG-Vorstand: Jäger, AG § 21 Rn. 70; Großkomm. AktienG/Kort, § 88 Rn. 139; KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 88 Rn. 35; Spindler/ Stilz, AktG, § 88 Rn. 43. 193 Vgl. Gehle, DB 2010, 1981; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 252 und ihm folgend: Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1049. 194 Vgl. Bauer, in: FS Schwerdtner, S. 441, 444; Kukat, BB 2001, 951, 952; Ulmer/ Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 250, Hachenburg/Stein, GmbHG, § 35 Rn. 316. 195 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1067; dies., GmbHR 1999, 885, 890; Bauer, in: FS Schwerdtner, S. 441, 448; Oppenländer/Trölitzsch/Baumann, GmbH-Geschäftsführung, § 14 Rn. 22; MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 385; Jaeger, Anstellungsvertrag des GmbH-GF, S. 173 ff.; van Kann/Keiluweit, BB 2010, 2050, 2053;
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
Dies folge schon aus der Formulierung des § 74a Abs. 1 HGB („insoweit unverbindlich“, „kann nicht erstreckt werden“), aber auch daraus, dass die beschränkenden Grundsätze letztlich in Anlehnung an Art. 12 Abs. 1 GG entwickelt worden seien. Insoweit habe das Prinzip verfassungskonformer Auslegung Vorrang vor der Nichtigkeit.196 Zudem betone der BGH stets, Wettbewerbsabreden mit Organmitgliedern müssten in weiterem Umfang zulässig sein als solche mit Arbeitnehmern. Mit dieser Rechtsprechung sei es aber nicht zu vereinbaren, wenn eine auch nur geringfügige Überschreitung des zulässigen Inhaltes ein Wettbewerbsverbot mit einem Organmitglied in vollem Umfang nichtig mache, während es bei einem Arbeitnehmer im zulässigen Umfang bestehen bliebe.197 Ferner würden Wettbewerbsverbote oft viele Jahren vor dem Ausscheiden vereinbart. Die Vertragsparteien könnten aber nicht vorhersehen, für welche Verbote Jahre später ein berechtigtes geschäftliches Interesse bestehen würde. Demgegenüber müsse der Aspekt zurücktreten, die Reduktionsmöglichkeit eröffne es dem Unternehmen, risikolos ein (zu) weitreichendes Wettbewerbsverbot aufzuerlegen. Bei weit in die Zukunft reichenden Vereinbarungen wie Wettbewerbsverboten sei eine geltungserhaltende Reduktion schon aus Praktikabilitätsgründen unumgänglich.198 Schließlich setze sich der BGH in Widerspruch zu seiner Rechtsprechung, nach der die Anwendung arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften auf Organe gerade deshalb nur eingeschränkt möglich sei, weil diese ihre Anstellungsbedingungen mehr als sonstige Angestellte mitbestimmen könnten.199 Die Gegenansicht erlaubt mit der Rechtsprechung die geltungserhaltende Reduktion dagegen nur in zeitlicher Hinsicht.200 Vereinzelt wird die geltungserhaltende Reduktion aber auch vollständig abgelehnt. § 74a Abs. 1 S. 1, 2 HGB ent-
Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anhang zu § 6 Rn. 25; Römermann, BB 1998, 1487; Thomas, WuW 2010, 177, 183; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 201; für AG-Vorstand: Fleischer/Thüsing, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rn. 123. 196 Vgl. Jaeger, Anstellungsvertrag des GmbH-GF, S. 173 ff.; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 201. 197 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1067; dies., GmbHR 1999, 885, 890; Bauer, in: FS Schwerdtner, S. 441, 448; Jaeger, Anstellungsvertrag des GmbH-GF, S. 173 ff. 198 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1067. 199 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1067. 200 Vgl. Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 152; Heller, GmbHR 2000, 371, 373; Hoffmann-Becking, in: FS Quack, S. 273, 276; Jula, Der GmbH-GF, S. 110; Kukat, BB 2001, 951, 952; Manger, GmbHR 2001, 89, 91; Hachenburg/Stein, GmbHG, § 35 Rn. 316; Thüsing, NZG 2004, 9, 13; Tillmann/Mohr, GmbH-GF, Rn. 446; Wernicke, BB 1990, 2209, 2210; BeckOK GmbHG/Wisskirchen/Kuhn, § 6 Rn. 103; für AG-Vorstand: Jäger, AG § 21 Rn. 71; Großkomm.AktienG/Kort, § 88 Rn. 165; KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 88 Rn. 36; NK-AktienR/Oltmanns, Kap. 1 § 88 Rn. 13; Schmidt/Lutter/Seibt, AktG, § 88 Rn. 16; Spindler/Stilz, AktG, § 88 Rn. 50; MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rn. 47.
§ 1 Zulässigkeit einer Wettbewerbsabrede
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halte keinen allgemeinen Rechtsgedanken, da ein Rechtsgrundsatz der Art, dass überschießende Wettbewerbsverbote im erlaubten Umfang aufrechtzuerhalten seien, nicht bestehe. Erst recht gäbe es keinen allgemeinen Rechtsgedanken, dass zu weitgehende Rechtsgeschäfte generell teilweise aufrechtzuerhalten sind. Die geltungserhaltende Reduktion sei auch nicht im Wege der teleologischen Reduktion des § 138 BGB zu begründen. Es liege keine verdeckte Lücke vor, da die Nichtigkeitsfolge nicht aus Gerechtigkeitsgründen nicht eintreten dürfe, sondern allenfalls als weniger gerecht erscheine. In Frage käme allenfalls, das Wettbewerbsverbot im Wege ergänzender Vertragsauslegung aufrechtzuerhalten. Dies scheide aber dann aus, wenn für die Parteien verschiedene Regelungsmöglichkeiten bestanden hätten. Wettbewerbsverbote, die in zeitlicher Hinsicht zu weit geraten seien, könnten grundsätzlich durch entsprechend kürzere Wettbewerbsverbote ersetzt werden, während der Ersatz eines örtlich überschießenden Wettbewerbsverbotes im jeweiligen Einzelfall fraglich, der Ersatz gegenständlich unzulässiger Wettbewerbsverbote regelmäßig kritisch sei. Ebenso käme die Umdeutung des nichtigen in ein zulässiges Wettbewerbsverbot nach § 140 BGB nicht in Betracht, wenn verschiedene Gestaltungsmodelle für das moderate Wettbewerbsverbot beständen.201 Haben die Parteien in den Anstellungsvertrag bzw. die Wettbewerbsabrede eine salvatorische Klausel aufgenommen, ist nach der überwiegenden Auffassung in der Literatur die geltungserhaltende Reduktion sowohl bei zeitlicher als auch gegenständlicher und örtlicher Unzulässigkeit des Wettbewerbsverbotes zulässig.202 Schon die Existenz des § 74a Abs. 1 HGB zeige, dass es möglich sein müsse, vertraglich eine geltungserhaltende Reduktion vorzusehen. Es sei widersinnig, wenn mit Organmitgliedern nicht eine Regelung getroffen werden könne, die bei den anerkanntermaßen schutzwürdigeren Arbeitnehmern gesetzlich vorgeschrieben sei.203 Die Gegenansicht geht dagegen davon aus, dass eine salvatorische Klausel nicht geeignet ist, die Abrede auf das zulässige Maß zurückzuführen und dies auch mangels allgemeinem Wertungsgedanken des § 74a Abs. 1 HGB nicht auf diesem Wege erfolge.204 Die Klauseln könnten die sich aus dem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen nicht ändern, sondern bewirkten alleine eine 201
Vgl. Gehle, DB 2010, 1981; Kamanabrou, ZGR 2002, 898, 909. Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1070; dies., GmbHR 1999, 885, 890; Bauer, in: FS Schwerdtner, S. 441, 448; Oppenländer/Trölitzsch/Baumann, GmbH-Geschäftsführung, § 14 Rn. 22; Dahlbender, GmbH-StB 2006, 273; Heller, GmbHGR 2000, 371; eingehend: Kamanabrou, ZGR 2002, 898, 926 ff.; Reufels/Schewiola, ArbRB 2008, 57, 60. 203 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1070. 204 Vgl. Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 152; Hoffmann-Becking, in: FS Quack, S. 273, 276; van Kann/Keiluweit, BB 2010, 2050, 2053; für AG-Vorstand: Großkomm.AktienG/Kort, § 88 Rn. 166; KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 88 Rn. 36; MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rn. 47; Fleischer/Thüsing, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rn. 126. 202
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
Beweislaständerung.205 Eine weitere Ansicht erachtet allgemein gehaltene salvatorische Klauseln ebenso wie globale Bezugnahmen auf § 74a HGB von vorneherein für unwirksam. Eine solch allgemeine Klausel sei nicht von berechtigten Interessen der GmbH gedeckt und stelle eine unbillige Beeinträchtigung des Geschäftsführers dar. Es könne dem Geschäftsführer vor Erhebung seiner Feststellungsklage auf Unwirksamkeit der Vereinbarung nicht abverlangt werden, nicht nur die Unwirksamkeit der Abrede an sich festzustellen, sondern zugleich noch ihren wirksamen Kernbereich zu erfassen. Dem Interesse der Gesellschaft an einer salvatorischen Klausel könne nur durch die Aufnahme detaillierter Einzelregelungen bzw. Auffangklauseln in die Wettbewerbsvereinbarung Rechnung getragen werden.206 VIII. Stellungnahme Ob die Gesellschaft ein hinreichendes berechtigtes Interesse am vereinbarten Wettbewerbsverbot aufweisen kann oder das Wettbewerbsverbot den Geschäftsführer unbillig in seiner Berufsfreiheit beschränkt, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalles und daher nicht im Allgemeinen abschließend festzustellen. Im Folgenden soll aber dennoch zu den wesentlichen Differenzierungsansätzen von Rechtsprechung und Literatur Stellung genommen und insoweit herausgearbeitet werden, inwieweit nachvertragliche Wettbewerbsverbote für Geschäftsführer mit § 138 BGB i.V. m. § 74a Abs. 1 HGB vereinbar sind. Hierfür wird vorab festgestellt, ob grundsätzlich von einer strengen bzw. intensiven oder aber einer weniger strengen, nur auf Evidenzfälle beschränkten Prüfung auszugehen ist. Ferner wird erörtert, welcher Zeitpunkt für die Feststellung des berechtigten Interesses bzw. der Billigkeit maßgeblich ist. Schließlich wird geprüft, inwieweit eine geltungserhaltende Reduktion in Betracht kommt, wenn ein berechtigtes Interesse der GmbH fehlt bzw. die Abrede den Geschäftsführer unbillig beschränkt. 1. Heranziehung des § 74a HGB zur Konkretisierung des § 138 Abs. 1 BGB und daraus folgender Prüfungsmaßstab
Wie im Rahmen von Teil 2 dieser Arbeit anhand der gesetzlichen Regelungen der §§ 74a Abs. 1 HGB, § 90a Abs. 1 HGB, der Rechtsprechung zu § 1 GWB sowie der stetigen Rechtsprechung zu § 138 BGB von Reichsgericht, BGH, 205 Vgl. Thüsing, NZG 2004, 9, 14 ebenfalls unter Verweis auf die durch das OLG Nürnberg zitierte BGH-Entscheidung vom 24.9.2002 – KZR 10/01, NJW 2003, 347; ebenso nunmehr auch. BGH, Beschluss v. 15.3.2010 – II ZR 84/09, NJW 2010, 1660; für AG-Vorstand: Großkomm.AktienG/Kort, § 88 Rn. 166; KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 88 Rn. 36; MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rn. 47; Fleischer/Thüsing, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rn. 126. 206 Vgl. Gehle, DB 2010, 1981, 1983.
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OLGs und auch BAG aufgezeigt, sind Wettbewerbsverbote grundsätzlich nur dann zuzulassen, wenn sie zum einen schutzwürdigen/berechtigten Interessen des Begünstigten entsprechen und zum anderen keine unbillige Belastung des Betroffenen darstellen. Diese einheitlichen Voraussetzungen erklären sich mit Art. 12 Abs. 1 GG, der auch im Verhältnis von Privatleuten nicht erforderlichen und unangemessenen Beschränkungen der Berufsfreiheit entgegensteht. § 74a Abs. 1 HGB entspricht somit jedenfalls hinsichtlich seiner Tatbestandsvoraussetzungen einer allgemeinen Wertung, betreffend die Zulässigkeit nachvertraglicher Wettbewerbsverbote zwischen Privatleuten. Insoweit kann er – unabhängig von der Frage, ob § 138 BGB nach seinem Normverständnis grundsätzlich nur in Evidenzfällen eingreifen soll – als allgemeiner Rechtsgrundsatz zur Konkretisierung des § 138 BGB herangezogen werden und ein Prüfungsmodell für eine intensive Inhaltskontrolle begründen. Ist aber anzuerkennen, dass Wettbewerbsverbote wegen ihrer besonderen grundrechtlichen Relevanz nur unter strengen, im Ergebnis denen des § 74a Abs. 1 HGB entsprechenden, Voraussetzungen zuzulassen und daher auf der Grundlage des § 138 BGB einer strengen Inhalts-Zulässigkeitskontrolle zu unterziehen sind, steht damit zugleich fest, dass auch bei Auslegung und Anwendung der Voraussetzungen ein strenger Maßstab geboten ist. Es geht also nicht an, bei der Anwendung des zwei-stufigen Zulässigkeitsmaßstabes im Rahmen des § 138 BGB einen weniger strikten oder gar einen Evidenzmaßstab zugrundezulegen. Dies erlaubt es, einheitliche Wertungen mit der Rechtsprechung zu § 1 GWB anzustreben oder sich an die vom BAG zu § 74a HGB entwickelten grundlegenden Auslegungen und Wertungen anzulehnen. So dürfen im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB i.V. m. § 74a Abs. 1 HGB nicht Abreden für zulässig erachtet werden, die nach der Rechtsprechung zu § 74a HGB unter Verweis auf Art. 12 Abs. 1 GG partout unzulässig sind. 2. Berechtigtes Interesse
a) Prüfungskriterien Hinsichtlich des berechtigten Interesses ist – insoweit über den Wortlaut des § 74a Abs. 1 HGB, der nur die Billigkeit nach Ort, Zeit und Gegenstand bestimmen will, hinausgehend – auf die gegenständliche, örtliche und zeitliche Reichweite der Regelung abzustellen.207
207 Vgl. ebenso: BGH, Urt. v. 16.10.1989 – II ZR 2/89, NJW-RR 1990, 226; Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 148 ff.; Heller, GmbHR 2000, 371, 372; Jula, Der GmbH-GF, S. 110.
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
b) Sachlich/gegenständlich aa) Tätigkeitsgebiet entscheidend Eine Gesellschaft weist – wie von Rechtsprechung und Literatur zu § 138 BGB208 bzw. § 1 GWB209 übereinstimmend angenommen – ein berechtigtes Interesse an einem Wettbewerbsverbot nur bezogen auf ihr Tätigkeitsgebiet auf.210 Ein Wettbewerbsverbot, das über den Tätigkeitsbereich der Gesellschaft hinausgeht, ist daher zum Schutz der Gesellschaft nicht erforderlich und stellt insofern eine unzulässige Beeinträchtigung der Berufsfreiheit des Betroffenen dar. bb) Kundenschutzabrede Kundenschutzabreden stellen zwar verglichen mit Konkurrenz/-Tätigkeitsverboten in der Regel eine wesentlich geringere Beeinträchtigung der Berufsfreiheit dar, weil sie lediglich untersagen, bei der neuen Tätigkeit auf Kundenbeziehungen der Gesellschaft zurückzugreifen, im Übrigen die Berufsausübung im bisherigen Tätigkeitsgebiet aber zulassen. Diese begrenzte Einschränkung erlaubt es, eine Entschädigung grundsätzlich für entbehrlich zu erachten. Dennoch sind auch Kundenschutzabreden nur unter strengen Voraussetzungen zulässig, da der Geschäftsführer durch sie nicht weitergehender in seiner Berufsfreiheit eingeschränkt werden darf, als es zum Schutz der Gesellschaft, konkret ihrer Kundenbeziehungen, erforderlich ist.211 Daher darf sich eine Kundenschutzklausel nur auf solche Kunden beziehen, die im Zeitpunkt des Ausscheidens des Geschäftsführers Kunden der Gesellschaft sind.212 Das ist dann unproblematisch anzunehmen, wenn sich ein Vertrag 208 Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 15.2.1993 – 8 U 154/92, NJW-RR 1993, 1314 (Gesellschaftsvertrag). 209 Vgl. BGH, Urt. v. 20.3.1984 – KZR 11/83, WM 1985, 140 – Strohgau-Wochenjournal; MünchKommKartellR/Säcker, § 1 GWB Rn. 18. 210 Vgl. Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 150a; Heller, GmbHR 2000, 371, 372; Jula, Der GmbH-GF, S. 110; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 251; Reufels/ Schewiola, ArbRB 2008, 57; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 179; Hachenburg/ Stein, GmbHG, § 35 Rn. 316. 211 Vgl. ebenso: zu Geschäftsführern: BGH, Urt. v. 9.5.1968 – II ZR 158/66, WM 1968, 893, 894; BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366; BGH, Urt. v. 16.10.1989 – II ZR 2/89, NJW-RR 1990, 226; BGH, Urt. v. 15.3.1991 – II ZR 241/89, NJW-RR 1991, 993; zu anderen Personengruppen: BGH, Urt. v. 28.4.1986 – II ZR 254/ 85, NJW 1986, 2944 (Unternehmensveräußerungsvertrag); BGH, Urt. v. 12.5.1998 – KZR 18/97, NJW-RR 1998, 1508 (Subunternehmervertrag); BGH, Urt. v. 8.5.2000 – II ZR 308/98, NJW 2000, 2584 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 29.9.2003 – II ZR 59/02, NJW 2004, 66 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 18.7.2005 – II ZR 159/03, NJW 2005, 3061 (Gesellschaftsvertrag). 212 Vgl. ebenso: zu Geschäftsführern: BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366; OLG Bremen, Urt. v. 22.12.2006 – 4 U 22/06, n. v.; OLG Nürnberg, Urt. v.
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gerade in der Abwicklung befindet. Problematischer sind dagegen die Fälle, in denen das aktive Vertragsverhältnis bereits beendet ist oder aber sich erst noch in der Anbahnung befindet. Hinsichtlich beendeter Vertragsverhältnisse nehmen Rechtsprechung und Literatur überwiegend an, dass sich eine Kundenschutzklausel nur auf solche Kunden beziehen darf, die in den letzten zwei bis drei Jahren noch Kunden der Gesellschaft waren.213 Ansatz ist die Annahme, dass sich nach Ablauf dieser Zeit die Verbindungen verflüchtigt haben. § 74a Abs. 1 S. 3 HGB legt fest, dass ein Verbot nicht auf einen längeren Zeitraum als zwei Jahre nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erstreckt werden darf. Wie noch aufzuzeigen sein wird, übertragen Rechtsprechung und Literatur die Wertung dieser Norm auch auf sonstige Wettbewerbsverbote. Sie gehen grundsätzlich davon aus, dass sich Verbindungen nach Ablauf dieser Zeit gelöst, Kenntnisse entscheidend reduziert haben. Ist aber § 74a Abs. 1 S. 3 HGB eine solche allgemeine Wertung zuzuerkennen, erscheint es nur konsequent, diese auch für die hiesige Frage heranzuziehen. Danach darf sich eine Kundenschutzklausel zulässigerweise nur auf solche Kunden erstrecken, die in den letzten zwei Jahren durch die Gesellschaft betreut worden sind. Von Rechtsprechung und Literatur bisher kaum behandelt und daher fraglich ist, wann anzunehmen ist, dass eine Kundenbeziehung zustande gekommen oder jedenfalls so hinreichend angebahnt ist, dass die Gesellschaft ein berechtigtes Interesse daran hat, die Kundenschutzklausel auf sie zu erstrecken. Das OLG Köln hat kein berechtigtes Interesse hinsichtlich einer Klausel anerkannt, die das Verbot auf solche Kunden erstreckte, mit denen im Zeitpunkt des Ausscheidens Akquisitionsgespräche geführt werden.214 Dies ist abzulehnen. 25.11.2009 – 12 U 681/09, GmbHR 2010, 141; zu anderen Personengruppen: BGH, Urt. v. 29.10.1990 – II ZR 241/89, NJW 1991, 699 (Gesellschaftsvertrag); zu Geschäftsführern: Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1051; dies., GmbHR 1999, 885, 888; Bauer, in: FS Schwerdtner, S. 441, 446; Campos Nave, NJW 2003, 3322, 3325; Dahlbender, GmbH-StB 2006, 273; Jaeger, Anstellungsvertrag des GmbH-GF, S. 168 f.; Jäger, DStR 1995, 724, 726; Reufels/Schewiola, ArbRB 2008, 57, 58. 213 Vgl. für Geschäftsführer: BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366; BGH, Urt. v. 16.10.1989 – II ZR 2/89, NJW-RR 1990, 226; für andere Personengruppen: BGH, Urt. v. 19.11.1973 – I ZR 83/72, WM 1974, 253 (Unternehmensveräußerungsvertrag); BGH, Urt. v. 13.3.1979 – KZR 23/77, NJW 1979, 1605 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 29.1.1996 – II ZR 286/94, NJW-RR 1996, 741 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 8.5.2000 – II ZR 308/98, NJW 2000, 2584 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 29.9.2003 – II ZR 59/02, NJW 2004, 66 (Gesellschaftsvertrag); OLG Hamm, Urt. v. 15.2.1993 – 8 U 154/92, NJW-RR 1993, 1314 (Gesellschaftsvertrag); für Geschäftsführer: Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1051; dies., GmbHR 1999, 885, 888; Bauer, in: FS Schwerdtner, S. 441, 446; Campos Nave, NJW 2003, 3322, 3325; Dahlbender, GmbH-StB 2006, 273; Jaeger, Anstellungsvertrag des GmbH-GF, S. 168 f.; Jäger, DStR 1995, 724, 726; Reufels/Schewiola, ArbRB 2008, 57, 58. 214 Vgl. OLG Köln, Urt. v. 5.10.2000 – 12 U 62/00, NZG 2001, 165 (Gesellschaftsvertrag).
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Selbst wenn zu dieser Zeit vielleicht noch keine Kenntnisse über den Kunden erlangt werden, ist doch nicht ausgeschlossen, dass bereits Überlegungen hinsichtlich eines adäquaten Angebotes für den zu akquirierenden Kunden aufgestellt werden, die zu kennen dem Geschäftsführer bei späterer Konkurrenz zur Gesellschaft zum Vorteil gereichen könnten.215 Eine gewisse Orientierung, wann von einem derart hinreichenden Kundenkontakt ausgegangen werden kann, dass sich auch die Kundenschutzklausel auf ihn beziehen darf, könnte grundsätzlich die Regelung des § 311 Abs. 2 BGB zum vorvertraglichen Schuldverhältnis bieten. Jedenfalls dann, wenn ein solches Schuldverhältnis zwischen GmbH und zu akquirierendem Kunden zustande gekommen ist, kann zugleich angenommen werden, dass der Geschäftsführer Kenntnisse über die Kundenbeziehung erlangen könnte und daher berechtigterweise durch ein Wettbewerbsverbot gesperrt werden darf. Die Kundenschutzklausel darf sich grundsätzlich auf alle Kunden der Gesellschaft erstrecken. Der BGH hat zwar eine Kundenschutzklausel in einem Subunternehmervertrag als nicht mehr zulässige, weil gegenständlich nicht mehr erforderliche Nebenabrede qualifiziert und daher eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung i. S. v. § 1 GWB und zugleich Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB angenommen, weil die Kundenschutzklausel sich auch auf solche Kunden erstreckte, zu denen der Subunternehmer nicht im Rahmen des Subunternehmervertrages in Kontakt kam.216 Wegen der besonderen Rechtsstellung, insbesondere der umfassenden Vertretungsmacht, des Informationsrechtes über die wesentlichen Angelegenheiten der Gesellschaft und des Weisungsrechtes gegenüber den Arbeitnehmern und leitenden Angestellten, kann es bei einem Geschäftsführer aber nicht allein darauf ankommen, ob er selber mit dem Kunden in Kontakt getreten ist oder für dieses Kundensegment etc. zuständig war. Denn der Geschäftsführer kann grundsätzlich mit allen Kunden der Gesellschaft in Berührung kommen bzw. jedenfalls Kenntnis über die Kundenbeziehung erlangen.217 Daher erscheint es zulässig, eine Kundenschutzklausel grundsätzlich auf sämtliche Kunden der Gesellschaft zu erstrecken. Etwas anderes kann aber zum einen dann gelten, wenn es nach den Gesamtumständen, insbesondere der Größe der Gesellschaft und der Organisationsstruktur ausgeschlossen ist, dass der Geschäftsführer sich über die Kundenbeziehung informiert hat. Zum anderen kann etwas anderes bei konzernmäßig verbundenen Unternehmen gelten. War der Ausscheidende Geschäftsführer des beherrschenden Unternehmens, darf sich die Kundenschutzklausel auf die Kunden des gesamten Unternehmens erstrecken. War er dagegen 215 AA: van Kann/Keiluweit, BB 2010, 2050, 2052 (Differenzierung, ob Geschäftsführer an Akquise beteiligt ist). 216 Vgl. BGH, Urt. v. 10.12.2008 – KZR 54/08, NJW 2009, 1751 (Argumentation dann auch bei § 138 BGB heranziehend); Thomas, WuW 2010, 177, 179. 217 Vgl. ebenso: Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote Rn. 1051, die in Vorauflage aber noch Beschränkung auf eigene Mandanten verlangten (Rn. 723).
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nur Geschäftsführer in einer Tochtergesellschaft, darf sich die Kundenschutzklausel nur dann auf die Kunden des gesamten Unternehmens beziehen, wenn er sich aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen Kenntnis der Kundenbeziehungen auch der anderen Tochtergesellschaften oder des beherrschenden Unternehmens verschaffen konnte.218 cc) Konkurrenz- bzw. Tätigkeitsverbot Von den Kundenschutzabreden sind die Konkurrenz-/Tätigkeitsverbote219 abzugrenzen. In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und ihr folgend von wenigen Vertretern der Literatur werden Tätigkeitsverbote teilweise für unzulässig erachtet.220 Dies ist jedoch abzulehnen. Der Gesellschaft muss es möglich sein, sich gegen den Verlust von Betriebsgeheimnissen und Unternehmensinterna auch dadurch zu schützen, dass dem Geschäftsführer die Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen insgesamt untersagt wird, so dass keine Konkurrenzsituation unter Verwertung der bei der GmbH erlangten Kenntnisse und Fähigkeiten entstehen kann. Die in der Rechtsprechung häufig zu findende Formulierung, es sei kein berechtigtes Interesse an einem Ausschluss des Wettbewerbers anzuerkennen221, ist dahingehend zu verstehen, dass ein weitgehendes Wettbewerbsverbot nicht allein mit dem Wunsch gerechtfertigt werden kann, den Wettbewerber ausschalten zu wollen. Hierin liegt kein anerkennenswertes Interesse. Besteht aber ein anzuerkennendes Interesse der Gesellschaft hinsichtlich ihrer Betriebsgeheimnisse etc. und kann dieses nur durch ein sehr weitgehendes, den Geschäftsführer im Ergebnis als Wettbewerber ausschaltendes Wettbewerbsverbot verfolgt werden, ist ein solches Wettbewerbs-Tätigkeits-Verbot zulässig.222 Es ist gerade nicht nur 218 Vgl. auch: OLG Nürnberg, Urt. v. 25.11.2009 – 12 U 681/09, n. v., das bei beherrschtem Konzernunternehmen darauf abstellt, ob tatsächlicher Kontakt bestand; für AG-Vorstand: KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 88 Rn. 35. 219 Vgl. Teil 1 § 3 C. 220 Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 11.1.1988 – 8 U 142/87, GmbHR 1988, 344; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.1.1993 – 16 U 73/92, NJW-RR 1994, 35, OLG Hamm, Urt. v. 15.2. 1993 – 8 U 154/92, NJW-RR 1993, 1314 (Gesellschaftsvertrag); OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.12.1998 – 6 U 151/98, NZG 1999, 405; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 87, Kukat, BB 2001, 951, 952; Manger, GmbHR 2001, 89, 91. 221 Vgl. für Geschäftsführer: BGH, Urt. v. 9.5.1968 – II ZR 158/66, WM 1968, 893, 894; BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366; BGH, Urt. v. 15.4.1991 – II ZR 214/89, NJW-RR 1991, 993; für andere Personengruppen: BGH, Urt. v. 14.7. 1997 – II ZR 23/96, NJW 1997, 3089 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 8.5.2000 – II ZR 308/98, NJW 2000, 2584 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 29.9.2003 – II ZR 59/02, NJW 2004, 66 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 18.7.2005 – II ZR 159/03, NJW 2005, 3061 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 10.12.2008 – KZR 54/08, NJW 2009, 1715 (Subunternehmervertrag). 222 Vgl. ebenso: Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1054; dies., GmbHR 1999, 885, 889; Bauer, in: FS Schwerdtner, S. 441, 443, 446; Oppenländer/Trölitzsch/ Baumann, GmbH-Geschäftsführung, § 14 Rn. 21; Dahlbender, GmbH-StB 2006, 273; Heller, GmbHR 2000, 371, 372; Jaeger, Anstellungsvertrag des GmbH-GF, S. 169;
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vom Willen der Gesellschaft getragen, dem Geschäftsführer jegliche Tätigkeit zu verbieten. Diese Differenzierung wird auch bei § 1 GWB und § 74a Abs. 1 HGB vorgenommen. Tätigkeitsverbote können daher auch nicht unter Verweis auf ihre schwerwiegende Beeinträchtigung des Geschäftsführers in seiner Berufsfreiheit für unzulässig erklärt werden, während sie bei Arbeitnehmern als mit § 74a Abs. 1 HGB vereinbar gelten.223 Der zulässige Gegenstand eines Konkurrenz-/Tätigkeitsverbotes hängt vom Tätigkeitsgebiet der Gesellschaft und damit von den Umständen des Einzelfalles ab. Festzuhalten ist aber, dass eine solche Abrede unzulässig ist, wenn der begehrte Schutz auch durch eine Kundenschutzabrede verwirklicht werden könnte. Das ist aber nicht immer dann gegeben, wenn der Geschäftsführer aufgrund des Tätigkeitsfeldes der Gesellschaft im Wesentlichen mit der Betreuung von Kunden befasst war. Eine Konkurrenzschutzabrede ist in diesen Fällen auch dann zuzulassen, wenn der Kundenkreis sehr weit und daher die Überwachung sehr schwierig ist. In diesem Fall kann ein örtlich begrenztes Tätigkeitsverbot ebenso zulässig sein wie es eine Kundenschutzklausel wäre.224 Ein Konkurrenzverbot, orientiert am Tätigkeitsgebiet der Gesellschaft, ist indes dann unzulässig, wenn die Gesellschaft in unterschiedlichen Fachgebieten tätig wird, der Geschäftsführer aber nur mit einem Fachgebiet befasst war und auch nicht aufgrund seiner mit der Rechtsstellung des Geschäftsführers verbundenen Rechte und Pflichten Zugang zu den Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der anderen Fachgebiete erlangt hat. Das ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Gesellschafterversammlung per Geschäftsordnung für die Geschäftsführung die Aufgabengebiete und Verantwortlichkeiten auf verschiedene Geschäftsführer aufgeteilt hat. Ebenso ist bei konzernmäßig verbundenen Unternehmen zu differenzieren, wie zu den Kundenschutzklauseln aufgezeigt wurde. c) Räumlich/örtlich Ob das Wettbewerbsverbot im Hinblick auf seine räumliche/örtliche Reichweite von einem berechtigten Interesse der GmbH getragen ist, beurteilt sich Kamanabrou, ZGR 2002, 898, 899; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 251; Reufels/ Schewiola, ArbRB 2008, 57, 58; Thüsing, NZG 2004, 9, 10; Baumbach/Hueck/Zöllner/ Noack, GmbHG, § 35 Rn. 198. 223 Vgl. zur zulässigen sachlichen Reichweite von Wettbewerbsverboten bei Arbeitnehmern: Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 299 ff.; zu § 1 GWB und § 138 BGB: BGH, Urt. v. 10.12.2008 – KZR 54/08, NJW 2009, 1751; Thomas, WuW 2010, 177, 179. 224 Vgl. ebenso: Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1054; dies., GmbHR 1999, 885, 889; Bauer, in: FS Schwerdtner, S. 441, 443, 446; Heller, GmbHR 2000, 371, 372; Jaeger, Anstellungsvertrag des GmbH-GF, S. 169; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 251; Reufels/Schewiola, ArbRB 2008, 57, 58; Thüsing, NZG 2004, 9, 10; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 198.
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nach dem räumlichen Tätigkeitsgebiet der Gesellschaft. Dieses kann in vielen Fällen aber nur unter Berücksichtigung des gegenständlichen Tätigkeitsgebietes der Gesellschaft festgestellt werden.225 Eine Gesellschaft mit einem wenig spezialisierten Produktangebot weist danach grundsätzlich nur ein berechtigtes Interesse an einem Wettbewerbsverbot für die Stadt bzw. den Landkreis oder das Bundesland auf, auf die sich ihr Tätigkeitsgebiet erstreckt. Ist der Tätigkeitsbereich der Gesellschaft dagegen spezialisierter und sind daher Kunden oder auch Konkurrenzunternehmen seltener und infolgedessen in größerer Entfernung zum Ort der Produkterstellung oder Dienstleistungserbringung der GmbH angesiedelt, besteht ein berechtigtes Interesse an einem räumlich wesentlich weiterreichenden, bundes- oder in seltenen Fällen sogar weltweiten Wettbewerbsverbot. Entscheidend sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalles.226 d) Zeitlich Rechtsprechung und Literatur gehen seit jeher nahezu einhellig davon aus, dass Wettbewerbsverbote in der Regel nur für einen Zeitraum von zwei Jahren nach dem Ausscheiden aus dem Anstellungsverhältnis zuzulassen sind. Nach dieser Zeit hätten sich bestehende Kontakte verflüchtigt und Kenntnisse derart reduziert, dass eine Konkurrenz keine Gefahr mehr darstellte, vor der die Gesellschaft weiterhin zu schützen sei.227 Insoweit wird in § 74a Abs. 1 S. 3 HGB eine allgemeine Wertung erkannt. Auch das BAG hat der Norm bei seinen Prüfungen von Wettbewerbsverboten mit Arbeitnehmern anhand von § 138 BGB, bevor es die § 74 ff. HGB analog herangezogen hat, allgemeine Rechtsgrundsatzqualität zugesprochen. Insofern ist davon auszugehen, dass Wettbewerbsverbote nicht für einen längeren Zeitraum als zwei Jahre zulässigerweise vereinbart werden können. 3. Keine unbillige Beschränkung
Ein Wettbewerbsverbot verstößt nach Rechtsprechung und Literatur ferner dann gegen § 138 BGB i.V. m. der Wertung des § 74a Abs. 1 HGB, wenn es den 225 Vgl. ebenso: OLG Hamm, Urt. v. 15.2.1993 – 8 U 154/92, NJW-RR 1993, 1314 (Gesellschaftsvertrag); zur insoweit identischen Anforderung bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten mit Arbeitnehmern in anderen europäischen Staaten vgl.: Brendel, Nachvertragliche grenzüberschreitende Wettbewerbsverbote, S. 184 f.; Edenfeld, ZfA 2004, 463, 495. 226 Vgl. ebenso: BeckOK GmbHG/Wisskirchen/Kuhn, § 6 Rn. 100. 227 Vgl. BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366; BGH, Urt. v. 8.5.2000 – II ZR 308/98, NJW 2000, 2584 (Gesellschaftsvertrag); BGH, Urt. v. 29.9.2003 – II ZR 59/02, NJW 2004, 66 (Gesellschaftsvertrag); OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.3.2000 – 17 U 133/99, NZG 2000, 737; OLG Nürnberg, Urt. v. 25.11.2009 – 12 U 681/09, n. v.; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1057; Jäger, DStR 1995, 724, 726; Tillmann/Mohr, GmbH-GF, Rn. 446.
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
Geschäftsführer nach Ort, Zeit und Gegenstand in seiner Berufsausübung und wirtschaftlichen Tätigkeit unbillig beschwert. a) Relevanz von Karenzentschädigung Auch wenn bei strenger Betrachtung der hinsichtlich der Prüfungskriterien getroffenen Formulierungen des BGH und der die Aussagen des BGH wiederholenden Literatur angenommen werden könnte, es komme – insoweit abweichend von § 74a Abs. 1 S. 2 HGB – im Rahmen der Billigkeitsprüfung nicht darauf an, ob dem Geschäftsführer eine Entschädigung gezahlt wird, ist, wie schon festgestellt, davon auszugehen, dass Rechtsprechung und Literatur auch bei Geschäftsführern einer Entschädigungszahlung im Rahmen der Billigkeitsprüfung Rechnung tragen. Dies entspricht der Rechtsprechung des BAG noch zu § 138 BGB. Das BAG hat betont, das Fehlen einer Entschädigung sei für die Frage der Sittenwidrigkeit und der Erschwerung des Fortkommens von Bedeutung.228 b) Sachliche/gegenständliche – örtliche/räumliche – zeitliche Unbilligkeit Ob eine unbillige Beschränkung des Geschäftsführers vorliegt, beurteilt sich ebenso wie die Frage des berechtigten geschäftlichen Interesses der Gesellschaft anhand der Umstände des Einzelfalles. Entscheidend ist, ob das Wettbewerbsverbot den Geschäftsführer unter Berücksichtigung der gewährten Entschädigung aufgrund seiner gegenständlichen oder räumlichen oder zeitlichen Reichweite oder aber bei Gesamtbetrachtung dieser Umstände unbillig in seiner Berufsausübung beschränkt. Trotz des bedingt durch die Berücksichtigung von Entschädigungen noch weitergehenden Einzelfallbezuges von Billigkeitsprüfungen kann dabei hinsichtlich der zumutbaren gegenständlichen, räumlichen und zeitlichen Reichweiten grundsätzlich von einem gewissen Gleichlauf mit den zum berechtigten Interesse der GmbH ausgeführten Ansätzen ausgegangen werden. Insbesondere ist die Billigkeitsgrenze in zeitlicher Hinsicht ebenfalls mit Hilfe des § 74a Abs. 1 S. 3 HGB zu ziehen. Die Norm enthält, wie dargelegt, einen allgemeinen Rechtsgedanken, nach dem nach Ablauf von zwei Jahren nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses grundsätzlich keine relevante Konkurrenzgefahr mehr besteht. Ein darüber hinausgehendes Wettbewerbsverbot wäre daher nicht nur nicht mehr von geschäftlichen Interessen getragen, sondern stellte zugleich grundsätzlich auch eine unbillige Beschränkung der Berufsfreiheit dar. In sachlicher Hinsicht ist, wie schon im Zusammenhang mit der Erforderlichkeit einer Karenzentschädigung erörtert, ebenfalls die Differenzierung zwischen Kunden- und Konkurrenzschutzklauseln zugrundezulegen. So begründen – insoweit 228 Vgl. BAG, Urt. v. 21.2.1957 – 2 AZR 301/56, AP Nr. 3 zu § 133f GewO; BAG, Urt. v. 4.10.1958 – 2 AZR 200/55, AP Nr. 7 zu Art. 12 GG.
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auch von berechtigten geschäftlichen Interessen getragene – Kundenschutzklauseln im Regelfall keine unbillige Beschränkung des Geschäftsführers in seiner Berufsfreiheit, wenn sie sich auf Kunden der Gesellschaft beschränken.229 Tätigkeitsverbote sind dagegen wegen ihrer wesentlich weiterreichenden Beeinträchtigung der Berufsfreiheit, wie bereits herausgestellt, nur dann als billig zu erachten, wenn dem Geschäftsführer ein Ausgleich geleistet wird, der geeignet ist, die Berufsbeeinträchtigung abzumildern. Auf anderweitige Umstände, insbesondere Zahlungen während der Dauer des Anstellungsverhältnisses, die nicht ausdrücklich als Entschädigung bezeichnet werden, kommt es dagegen nicht an. In örtlicher Hinsicht ist davon auszugehen, dass ein Wettbewerbsverbot, das sich nicht auf das räumliche Tätigkeitsgebiet der Gesellschaft beschränkt, regelmäßig eine unbillige Beschränkung des Geschäftsführers bewirkt. 4. Beurteilungszeitpunkt
Fraglich ist, auf welchen Zeitpunkt es bei der Prüfung ankommt, ob das Wettbewerbsverbot von einem berechtigten Interesse der GmbH getragen ist und den Geschäftsführer nicht unbillig in seiner Berufsausübungsfreiheit beschränkt. a) Zeitpunkt bei § 74a Abs. 1 HGB Für die Beurteilung von Wettbewerbsverboten mit Arbeitnehmern nach § 74a Abs. 1 HGB ist nach der Rechtsprechung der Zeitpunkt der Geltendmachung des Wettbewerbsverbotes, also der des Ausscheidens des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis und damit des Inkrafttretens des Wettbewerbsverbotes maßgeblich.230 Zwar hat das BAG in einer Entscheidung im Jahre 1960 noch auf den Zeitpunkt der Wettbewerbsvereinbarung abgestellt.231 Diese Entscheidung betraf jedoch den besonderen Fall, dass das Wettbewerbsverbot ohne eine Karenzentschädigung vereinbart worden war, im Ausscheidenszeitpunkt wegen der zu der Zeit noch bestehenden Ausnahmeregelungen von der Karenzentschädigungspflicht eine Entschädigung aber nicht mehr zu zahlen gewesen wäre.232 Wenige Jahre später hat es dann aber deutlich gemacht, die gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 74 ff. HGB müssten nicht nur bei der Vereinbarung des Wettbewerbsverbotes erfüllt sein. Vielmehr komme es auch darauf an, dass die Voraussetzungen insbesondere in dem Zeitpunkt beständen oder inzwischen wirksam vereinbart worden seien, in dem die Rechtsfolgen des Verbotes eintreten sollen und der Ar229 Ebenfalls Gleichlauf annehmend: Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1072 f.; dies., GmbHR 1999, 885, 887. 230 Vgl. LAG Erfurt, Beschluss v. 11.6.2001 – 8 Sa 418/00, ZIP 2002, 587. 231 Vgl. BAG, Urt. v. 13.10.1960 – 5 AZR 104/59, AP Nr. 17 zu § 74 HGB. 232 Vgl. Anm. Hefermehl zu BAG, Urt. v. 13.10.1960 – 5 AZR 104/59, AP Nr. 17 zu § 74 HGB.
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
beitgeber diese in Anspruch nimmt.233 Eine Wettbewerbsabrede, die zunächst nicht in den handelsrechtlichen Bereich falle und deshalb ohne die strengen Erfordernisse der §§ 74 ff. HGB vereinbart werden könne, müsse daher dennoch den Regeln des HGB entsprechen, wenn das Arbeitsverhältnis nachträglich in den Geltungsbereich des HGB geräte.234 In der arbeits- und handelsrechtlichen Literatur bestehen unterschiedliche Auffassungen, welcher Zeitpunkt entscheidend ist. Teilweise wird auf die Verhältnisse zwischen Dienstende und Ablauf der Höchstgeltungsdauer des Verbotes abgestellt.235 Nach anderen Vertretern muss das Wettbewerbsverbot im Zeitpunkt seines Abschlusses und seines Inkrafttretens den Anforderungen des § 74a HGB genügen.236 Die überwiegende Ansicht erachtet aber grundsätzlich den Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis für maßgeblich.237 Ein zunächst verbindliches Verbot könne also auf Grund späterer Umstände unverbindlich werden, wenn das berechtigte Interesse entfalle bzw. die Belastung unbillig würde und umgekehrt.238 b) Zeitpunkt bei § 138 BGB Bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäftes legen die ständige Rechtsprechung sowie die ganz herrschende Auffassung in der Literatur die Verhältnisse bei Vornahme des Rechtsgeschäftes, nicht aber die Verhältnisse bei Eintritt der Rechtswirkungen zugrunde.239 Ein Vertrag werde auch dann nicht sittenwidrig, wenn nachträglich ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung entstehe.240 233 Vgl. BAG, Urt. v. 28.1.1966 – 3 AZR 374/65, AP Nr. 18 zu § 74 HGB; BAG, Urt. v. 18.2.1967 – 3 AZR 290/66, AP Nr. 19 zu § 133f GewO. 234 Vgl. BAG, Urt. v. 28.1.1966 – 3 AZR 374/65, AP Nr. 18 zu § 74 HGB. 235 Vgl. Baumbach/Hopt, HGB, § 74a Rn. 1. 236 Vgl. Ensthaler/Etzel, GK-HGB, § 74a Rn. 48; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 74a Rn. 4. 237 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 328; Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Boecken, HGB, § 74a Rn. 4; HWK/Diller, HGB, § 74a Rn. 11, 16; ErfK/Oetker, HGB, § 74a Rn. 2; Wagner, in: Röhricht/Graf v. Westphalen (Hrsg.), HGB, § 74a Rn. 4; Staub, Großkomm.HGB/Weber, § 74a Rn. 6. 238 Vgl. HWK/Diller, § 74a HGB Rn. 11, 16; Wagner, in: Röhricht/Graf v. Westphalen (Hrsg.), HGB, § 74a Rn. 4. 239 Vgl. BGH, Urt. v. 14.7.1952 – IV ZR 1/52, BGHZ 7, 111; BGH, Urt. v. 30.6. 1983 – III ZR 114/82, NJW 1983, 2692; BGH, Urt. v. 15.4.1987 – VIII ZR 97/86, NJW 1987, 1878; BGH, Urt. v. 28.2.1989 – IX ZR 133/88, NJW 1989, 1276; BGH, Urt. v. 5.10.2001 – V ZR 237/00, NJW 2002, 429, 431; PWW/Ahrens, BGB, § 138 Rn. 36; MünchKommBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 133; Palandt/Ellenberger, § 138 Rn. 9; Erman/Palm/Arnold, BGB, § 138 Rn. 17; Staudinger/Sack, BGB, § 138 Rn. 82; mit Nachweisen auch abweichender Auffassungen: NK-BGB/Looschelders, § 138 Rn. 122 ff. 240 Vgl. BGH, Urt. v. 20.9.1993 – II ZR 104/92, BGHZ 123, 281; BGH, Urt. v. 13.6.1994 – II ZR 38/93, BGHZ 126, 226.
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c) Zeitpunkt bei § 138 Abs. 1 BGB i.V. m. § 74a Abs. 1 HGB Dennoch stellen Rechtsprechung und überwiegende Literatur im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote von Geschäftsführern und auch sonstigen nicht spezialgesetzlich erfassten Personengruppen anhand des § 138 BGB auf den Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Rechtsverhältnis und damit des Eintrittes des Wettbewerbsverbotes ab. Daneben wird von der Literatur eine Prüfung sowohl im Zeitpunkt der Vereinbarung als auch bei Ausscheiden aus dem Rechtsverhältnis gefordert.241 Ob diese Abweichung vom grundsätzlichen Ansatz der Sittenwidrigkeitsprüfung nach § 138 Abs. 1 BGB zulässig und geboten ist, ist im Folgenden zu klären. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote sind – unabhängig davon, wen sie beschränken – nur dann wirksam, wenn sie von berechtigten geschäftlichen Interessen des Begünstigten getragen sind und keine unbillige Beschränkung des Betroffenen begründen. § 74a Abs. 1 HGB enthält also jedenfalls hinsichtlich seiner Tatbestandsvoraussetzungen einen allgemeinen Rechtsgrundsatz.242 Das BAG und die ganz überwiegende arbeits- und handelsrechtliche Literatur erachten für die Prüfung der Voraussetzungen des § 74a Abs. 1 HGB bei Arbeitnehmern zumindest auch und insbesondere den Zeitpunkt des Ausscheidens des Arbeitnehmers für entscheidend. Es stellt sich daher die Frage, ob mit der Anerkennung und Übernahme der Tatbestandsvoraussetzungen des § 74a Abs. 1 HGB als allgemeinem Wertmaßstab zum sachgerechten Umgang mit nachvertraglichen Wettbewerbsverboten, nicht zugleich einhergeht, dass es für das Vorliegen eines berechtigten Interesses bzw. einer nur billigen Beschränkung auf die Umstände bei Eingreifen des Wettbewerbsverbotes ankommt. Dies kann in Anbetracht der ansonsten konsequenten Rechtsprechung des BGH zum Beurteilungszeitpunkt bei § 138 BGB nicht bereits aus Gründen der Sachgerechtigkeit, insbesondere dem Interesse am einheitlichen Umgang mit Wettbewerbsabreden, angenommen werden. Wie in Teil 2 dieser Arbeit erörtert, sind Wettbewerbsverbote aber nach der Rechtsprechung – unabhängig davon, ob gesetzliche Regelungen für sie geschaffen sind – wegen der besonderen Bedeutung der beschränkten Berufsfreiheit für die Betroffenen und auch die Allgemeinheit nur unter strengen Voraussetzungen zulässig.243 Vor diesem Hintergrund kann es für die Zulässigkeit eines Wettbewerbsverbotes nicht darauf ankommen, ob das Unternehmen im Zeitpunkt der Vereinbarung des Wettbewerbsverbotes ein berechtigtes Interesse an diesem hatte oder der zur Wettbewerbsenthaltung Verpflichtete in diesem Moment durch das Wettbewerbsverbot nicht unangemessen in seiner Berufsfreiheit beeinträchtigt war. Vielmehr kann nur relevant sein, ob im Zeitpunkt des Eingreifens des Wett241 242 243
Vgl. Teil 3 § 1 D. VII. Vgl. Teil 2 § 3 F. II. 3. c) bb) (1) (b). Vgl. Teil 2 § 3 F. II. 3. c) bb) (1) (b) (bb).
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
bewerbsverbotes ein berechtigtes Interesse besteht oder eine unbillige Beschränkung vorliegt. Ob eine unzulässige Beschränkung der Berufsfreiheit gegeben ist, kann nämlich allein in dem Zeitpunkt festgestellt werden, in dem die Beeinträchtigung eintritt. Ebenso wenig wie etwaige Zahlungen der GmbH an ihren Geschäftsführer während der Dauer des Anstellungsverhältnisses geeignet sind, die unangemessene Beeinträchtigung des Geschäftsführers durch das nachvertragliche Wettbewerbsverbot auszugleichen, ist es daher für die Zulässigkeit des Wettbewerbsverbotes von Bedeutung, ob es aufgrund seiner inhaltlichen und örtlichen Reichweite sowie Dauer die Berufsfreiheit des Geschäftsführers schon im Zeitpunkt seiner Vereinbarung unangemessen beschränkt. § 74a Abs. 1 HGB ist somit nicht nur hinsichtlich seiner einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen, sondern auch hinsichtlich des für diese geltenden Prüfungszeitpunktes als allgemeiner Rechtsgrundsatz in Ausprägung des Art. 12 Abs. 1 GG zu sehen. Vor diesem Hintergrund erscheint es daher zulässig und geboten, abweichend vom grundsätzlichen Verständnis der Sittenwidrigkeitsprüfung von Rechtsgeschäften nach § 138 Abs. 1 BGB bei der Zulässigkeitsprüfung von Wettbewerbsverboten nicht auf den Zeitpunkt ihrer Vereinbarung, sondern den Zeitpunkt ihres Eingreifens und damit Wirkens abzustellen. d) Ergebnis Ob ein dem Geschäftsführer auferlegtes Wettbewerbsverbot mit § 138 Abs. 1 BGB vereinbar, also von einem berechtigten Interesse der GmbH getragen ist und den Geschäftsführer nicht unangemessen in seiner wirtschaftlichen Freiheit beschränkt, ist im Zeitpunkt des Ausscheidens des Geschäftsführers aus dem Anstellungsvertrag zu beurteilen. In Anbetracht des Art. 12 Abs. 1 GG ist es geboten, die Sittenwidrigkeit des Wettbewerbsverbotes nicht bereits im ansonsten bei § 138 Abs. 1 BGB maßgeblichen Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäftes zu prüfen. 5. Rechtsfolge
Fehlt der GmbH ein berechtigtes Interesse an der Wettbewerbsenthaltung des Geschäftsführers und/oder ist dieser durch das Wettbewerbsverbot in unbilliger Weise in seiner Berufsfreiheit beschränkt, stellt sich die Frage nach der Rechtsfolge dieser Verstöße. a) Rechtsfolge des § 74a Abs. 1 HGB Nach § 74a Abs. 1 S. 1 HGB ist das Wettbewerbsverbot „insoweit“ unverbindlich, als es nicht zum Schutze eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Prinzipals dient. § 74a Abs. 1 S. 2 HGB setzt fort, dass es ferner unverbindlich ist, „soweit“ es unter Berücksichtigung der gewährten Entschädigung nach Ort,
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Zeit oder Gegenstand eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Gehilfen enthält. § 74a Abs. 1 S. 3 HGB legt sodann fest, dass das Verbot nicht auf einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren von der Beendigung des Dienstverhältnisses an erstreckt werden kann. Das Wettbewerbsverbot ist bei Verstößen gegen § 74a Abs. 1 S. 1, 2 HGB somit nur partiell unverbindlich.244 Methodisch handelt es sich um einen Fall gesetzlich angeordneter teleologischer Reduktion.245 b) Rechtsfolge des § 1 GWB Nach § 1 GWB sind Vereinbarungen zwischen Unternehmen [. . .], die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, verboten. Der BGH lässt in entsprechender Anwendung von § 139 BGB eine geltungserhaltende Reduktion aber zu, wenn das zeitlich zulässige Maß überschritten wird.246 Wettbewerbsverbote, die räumlich oder sachlich zu weit gingen, könnten dagegen nicht auf ihren kartellrechtlich zulässigen Kern reduziert werden. Verwiesen wird insoweit auf die Rechtsprechung zu § 138 BGB.247 c) Rechtsfolge des § 138 BGB aa) Rechtsprechung: Nichtigkeit – geltungserhaltende Reduktion in Ausnahmefällen Ein Verstoß gegen die guten Sitten führt nach der ständigen Rechtsprechung des BGH grundsätzlich zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes ex tunc.248 In einigen Fällen erkennt der BGH allerdings Abweichungen von dieser ex-tunc-Nichtigkeit an.249 So werden in Vollzug gesetzte Arbeits- und Gesellschaftsverträge 244 Vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken, HGB, § 74a Rn. 15; HWK/Diller, § 74a HGB Rn. 2; Ensthaler/Etzel, GK-HGB, § 74a Rn. 50, 52; Baumbach/Hopt, HGB, § 74a Rn. 3; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 74a Rn. 18 ff. 245 Vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken, HGB, § 74a Rn. 15; Staub, Großkomm.HGB/Weber, § 74a Rn. 23 ff. 246 Vgl. BGH, Urt. v. 3.11.1981 – KZR 33/80, WuW/E 1898, 1900 – Holzpanele; BGH, Urt. v. 29.5.1984 – KZR 28/83, WuW/E 2090, 2095 – Stadler Kessel; BGH, Urt. v. 14.1.1997 – KZR 41/95 – Druckgußteile, NJW 1997, 2324; BGH, Urt. v. 10.2.2004 – KZR 39/02, WuW/E – DE-R 1305 – Restkaufpreis. 247 Vgl. BGH, Urt. v. 10.2.2004 – KZR 39/02, WuW/E – DE-R 1305 – Restkaufpreis. 248 Vgl. BGH, Urt. v. 12.7.1965 – II ZR 118/63, NJW 1965, 2147; BGH, Urt. v. 21.7.1977 – II ZR 96/75, NJW 1977, 1233; BGH, Urt. v. 13.3.1979 – KZR 23/77, NJW 1979, 1605; BGH, Urt. v. 2.12.1982 – III ZR 90/81, NJW 1983, 1420; BGH, Urt. v. 17.5.1988 – VI ZR 233/87, NJW 1989, 26; BGH, Urt. v. 17.1.1995 – XI ZR 225/93, NJW 1995, 1152; PWW/Ahrens, BGB, § 138 Rn. 40 ff.; MünchKommBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 157 ff.; Palandt/Ellenberger, § 138 Rn. 19 ff.; NK-BGB/Looschelders, § 138 Rn. 129 ff.; Erman/Palm/Arnold, BGB, § 138 Rn. 51 ff.; Staudinger/Sack, BGB, § 138 Rn. 89 f. 249 Vgl. die Konstellationen bei: Staudinger/Sack, BGB, § 138 Rn. 106 ff.
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grundsätzlich nur mit ex-nunc Wirkung für nichtig erklärt.250 Verträge mit übermäßig langen Bindungen werden teilaufrechterhalten, also unzulässige zeitliche Bindungen in Bierbezugs-251, Automatenaufstellungs-252, Miet- und Pacht-253 sowie Tankstellenverträgen254, gesellschaftsvertraglichen Regelungen255 und auch Wettbewerbsverboten256 in analoger Anwendung des § 139 BGB auf das noch zulässige zeitliche Maß geltungserhaltend reduziert. Es sei möglich, die Verträge in Teilabschnitte zu zerlegen und bei einem entsprechenden Parteiwillen mit einer reduzierten Zeitdauer aufrechtzuerhalten. Weiter hat der BGH ein sittenwidriges gesellschaftsvertragliches Recht zur Ausschließung eines Gesellschafters als zeitlich begrenztes und vom Vorliegen eines wichtigen Grundes abhängiges Ausschließungsrecht fortbestehen lassen.257 Auch hat er Testamente zugunsten von Geliebten, die die Verwandten sittenwidrig benachteiligten, in dem Umfang aufrechterhalten, in welchem die Erblasser ihre Geliebten unter Wahrung des erbrechtlichen Rahmens hätten vorsehen dürfen.258 Ebenso hat er angenommen, ein in seiner Gesamthöhe gegen § 138 Abs. 1 BGB verstoßendes einheitliches Schuldanerkenntnis könne in seiner Nichtigkeit betragsmäßig begrenzt werden, soweit trennbare Einzelverträge als Kausalgeschäfte zugrunde lägen und von den Parteien auch Teilschuldanerkenntnisse vereinbart worden wären, die nicht gegen § 138 Abs. 1 BGB verstoßen hätten.259 Hinsichtlich einer gegen die guten Sitten verstoßenden Mithaftungsabrede eines Ehegatten hat der BGH entschieden, diese sei nach § 139 BGB teilweise aufrechtzuerhalten, wenn die Vertragsschließenden bei Kenntnis des Nichtigkeitsgrundes an Stelle der unwirksamen Regelung eine andere, auf das zulässige Maß beschränkte vereinbart hätten und sich der Vertragsinhalt in eindeutig abgrenzbarer Weise in den nichtigen Teil und den von der 250 Vgl. BAG, Urt. v. 19.6.1959 – 1 AZR 565/57, NJW 1959, 2036; BAG, Urt. v. 10.3.1960 – 5 AZR 426/58, MDR 1960, 612; BGH, Urt. v. 25.6.1973 – II ZR 133/70, WM 1973, 896. 251 Vgl. BGH, 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459; BGH, Urt. v. 16.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089; BGH, Urt. v. 17.1.1979 – VIII ZR 262/77, NJW 1979, 865. 252 Vgl. BGH, Urt. v. 3.3.1971 – VIII ZR 55/70, NJW 1991, 1034; BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/80, NJW 1983, 159. 253 Vgl. BGH, Urt. 7.2.1962 – VIII ZR 161/61, NJW 1962, 566; BGH, Urt. v. 30.6.2004 – VIII ZR 243/03, NJW 2004, 3045; BGH, Urt. v. 14.6.2006 – VIII ZR 257/ 04, NJW 2006, 2696; LG Berlin, Urt. v. 22.9.2009 – 6 S 52/09, Grundeigentum 2009, 1437. 254 Vgl. BGH, Urt. v. 13.3.1997 – I ZR 215/94, NJW 1998, 156. 255 Vgl. OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 20.10.2005 – 16 U 3/08, NJW-RR 2006, 405. 256 Vgl. Teil 3 § 1 D. III. 257 Vgl. BGH, Urt. v. 19.9.1988 – II ZR 329/87, MDR 1989, 330; BGH, Urt. v. 5.6. 1989 – II ZR 227/88, MDR 1989, 886; zu geltungserhaltender Reduktion einer unangemessenen Ausschließungsregelung bei der GbR-Prüfungsfrist: OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 20.10.2005 – 16 U 3/05, NJW-RR 2006, 405. 258 Vgl. BGH, Urt. v. 31.3.1970 – II ZB 23/68, BGHZ 53, 369. 259 Vgl. BGH, Urt. v. 15.1.1987 – III ZR 153/85, NJW 1987, 2014.
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Nichtigkeit nicht berührten Rest aufteilen ließe.260 In Fällen sittenwidrigen Lohnwuchers nimmt die Rechtsprechung zwar die Nichtigkeit des Arbeitsverhältnisses an, gesteht dem Bewucherten aber einen Anspruch auf die übliche Vergütung zu.261 Bei einem wucherischen Kreditvertrag kommt die Rechtsprechung dagegen zur ex-tunc-Nichtigkeit des Kreditvertrages und lehnt eine Aufrechterhaltung des Darlehensvertrages mit der Verpflichtung zur Zahlung des üblichen Zinssatzes ab.262 Auch im Übrigen erhält sie Rechtsgeschäfte mit sittenwidrig erhöhtem Entgelt nicht unter Festsetzung der angemessenen Gegenleistung aufrecht.263 bb) Literatur In der allgemeinen zivilrechtlichen Literatur ist umstritten, ob und inwieweit gegen § 138 BGB verstoßende und daher nach dem Gesetz grundsätzlich nichtige Rechtsgeschäfte auf einen zulässigen Gegenstand und Umfang geltungserhaltend reduziert werden können. (1) Nichtigkeit – Normzweckvorbehalt Einige Vertreter fordern, die Sanktion des § 138 BGB unter einen Normzweckvorbehalt zu stellen. Zwar enthielte § 138 BGB im Gegensatz zu § 134 BGB keinen ausdrücklichen Normzweckvorbehalt. § 138 BGB sei aber in Anlehnung an die Regelung des § 134 BGB dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass ein sittenwidriges Rechtsgeschäft nur dann nichtig sei, wenn sich aus der verletzten Sittennorm nicht ein anderes ergebe.264 Der Unterschied zwischen gesetzeswidrigen und sittenwidrigen Verträgen liege nicht in der Schwere des Verstoßes, sondern im Unterschied zwischen geschriebenen und ungeschriebenen rechtlichen Verhaltensnormen.265 Die Ausnahmefälle schaffende Rechtsprechung mache deutlich, dass die Notwendigkeit einer Beschränkung der Rechtsfolgen des § 138 BGB allgemein anerkannt sei. Daher könne auch der Gedanke, dass es im Widerspruch zu Sinn und Zweck des § 138 BGB stände, wenn das Gericht eine andere Sanktion als volle Nichtigkeit ex tunc festsetzen könnte, weil sonst das sittenwidrige Rechtsgeschäft das von der Nichtigkeitssanktion ausgehende Risiko verlöre, nicht durchgreifen.266 Zudem seien keine überzeugenden Argumente erkennbar, 260 Vgl. BGH, Urt. v. 5.6.1989 – II ZR 227/88, BGHZ 107, 351; BGH, Urt. v. 14.11.2000 – XI ZR 248/99, NJW 2001, 815. 261 Vgl. BGH, Urt. v. 10.3.1960 – 5 AZR 426/58, MDR 1960, 612. 262 Vgl. BGH, Urt. v. 30.6.1983 – III ZR 114/82, NJW 1983, 2692. 263 Vgl. BGH, Urt. v. 21.3.1977 – II ZR 96/75, NJW 1977, 1233. 264 Vgl. Staudinger/Sack, BGB, § 138 Rn. 95; aA: PWW/Ahrens, BGB, § 138 Rn. 40; NK-BGB/Looschelders, § 138 Rz. 131. 265 Vgl. Staudinger/Sack, BGB, § 138 Rn. 103. 266 Vgl. Staudinger/Sack, BGB, § 138 Rn. 104.
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die die unterschiedliche Behandlung der verschiedenen Fallgruppen und damit eine geltungserhaltende Reduktion nur in den Ausnahmefällen der Rechtsprechung rechtfertigten.267 (2) Generelle Zulässigkeit geltungserhaltender Reduktion In der Literatur wird darüber hinausgehend vertreten, die geltungserhaltende Reduktion sei zumindest außerhalb des AGB-Rechtes prinzipiell zuzulassen. Die Nichtigkeitsnorm stehe dem nicht entgegen, da der Vertrag in einer Form aufrechterhalten werde, die von dieser Norm nicht erfasst sei. Insbesondere § 138 BGB stelle nur ein Übermaßverbot dar. Eine geltungserhaltende Reduktion verfolge das Ziel, eine nichtige Vereinbarung mit reduziertem Inhalt aufrechtzuerhalten. Das könne von vorneherein nur in Betracht kommen, wenn diese Aufrechterhaltung dem tatsächlichen oder hypothetischen Parteiwillen entspreche. Die geltungserhaltende Reduktion diene also dem Parteiwillen und sei daher zuzulassen. Hiergegen könne nicht eingewendet werden, der Richter werde zur Vertragsgestaltung gezwungen, da das Gesetz selbst in bestimmten Fällen eine geltungserhaltende Reduktion anordne und dem Richter eine Vertragsgestaltung auferlege. Müsse allerdings der Vertrag hinsichtlich mehrerer Komponenten neu bestimmt werden, scheide eine geltungserhaltende Reduktion aus. Schließlich stehe auch der Präventionsgedanke der geltungserhaltenden Reduktion nicht entgegen. Vielmehr müsse sie umso eher zugelassen werden, zum einen desto unsicherer die betroffene Rechtslage und damit größer die Rechtsunsicherheit der Parteien und zum anderen desto geringer das Verhandlungsungleichgewicht zwischen den Parteien sei.268 (3) Nichtigkeit – geltungserhaltende Reduktion in Ausnahmefällen Die überwiegende Auffassung betont dagegen in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des BGH die Nichtigkeitsfolge des § 138 BGB. Ein ungeschriebener Normzweckvorbehalt sei nicht anzunehmen. Ein solcher führte ggf. zu umfassender Gültigkeit eines an sich sittenwidrigen Rechtsgeschäftes, was mit § 138 BGB unvereinbar wäre.269 In Betracht komme aber eine Beschränkung der Nichtigkeitsfolge in Anwendung der Regeln der geltungserhaltenden Reduktion als methodisches Instrumentarium der Gesetzesauslegung.270 Allerdings sei nur zurückhaltend von der Möglichkeit der geltungserhaltenden Reduk267
Vgl. Staudinger/Sack, BGB, § 138 Rn. 135. Vgl. NK-BGB/Faust, § 139 Rn. 31; aA: PWW/Ahrens, BGB, § 138 Rn. 44. 269 Vgl. PWW/Ahrens, BGB, § 138 Rn. 44 ff.; MünchKommBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 157 ff. 270 Vgl. MünchKommBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 161. 268
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tion Gebrauch zu machen, da andernfalls ein Übermaß richterlicher Vertragskorrekturen drohe und der Präventionsgedanke des § 138 BGB geschwächt werde. Verwiesen wird sodann auf die oben geschilderten Ausnahmefälle der Rechtsprechung, insbesondere auf die der überlangen Bindung.271 d) § 138 BGB i.V. m. § 74a Abs. 1 HGB – Geltungserhaltende Reduktion statt Nichtigkeit? Die Rechtsprechung erachtet nachvertragliche Wettbewerbsverbote für Geschäftsführer – ebenso wie Wettbewerbsverbote für Vertreter anderer Personengruppen – für nichtig, wenn sie nicht von berechtigten Interessen des Begünstigten getragen sind oder eine unbillige Belastung der wirtschaftlichen Freiheit des Betroffenen darstellen. Eine geltungserhaltende Reduktion nimmt sie in Ausnahme von der Nichtigkeitsfolge des § 138 BGB nur dann vor, wenn das Wettbewerbsverbot allein wegen seines zeitlichen Umfangs unzulässig ist. Etliche Vertreter der Literatur zu Wettbewerbsverboten befürworten dagegen die geltungserhaltende Reduktion auch bei gegenständlich oder örtlich zu weitgehenden Wettbewerbsverboten. Ihr Rechtsfolgenverständnis entspricht also dem der Regelung des § 74a Abs. 1 HGB.272 Im Folgenden ist daher zu klären, ob überhaupt und wenn in welchem Umfang eine geltungserhaltende Reduktion nicht mehr zulässiger Wettbewerbsverbote erfolgen sollte. Die dargestellte Rechtsprechung und insbesondere auch Literatur zur Rechtsfolge bei § 138 BGB im Allgemeinen bilden dabei den Ausgangspunkt der Erörterungen. aa) Grundsätzliche Zulässigkeit geltungserhaltender Reduktion bei § 138 BGB? Zunächst ist festzuhalten, dass entgegen der in der Literatur zu § 138 BGB vertretenen Auffassung eine geltungserhaltende Reduktion des § 138 BGB nicht grundsätzlich möglich ist.273 § 138 BGB ordnet ausdrücklich die Nichtigkeit der sittenwidrigen Rechtsgeschäfte an. Es handelt sich bei § 138 BGB nicht nur um ein Übermaßverbot, vielmehr ist nach der gesetzgeberischen Intention dem sittenwidrigen Rechtsgeschäft von Anfang an die Wirksamkeit verwehrt. Die Nichtigkeitsfolge kann somit nicht grundsätzlich von der Rechtsfolge der geltungserhaltenden Reduktion eines Rechtsgeschäftes verdrängt werden.
271 Vgl. PWW/Ahrens, BGB, § 138 Rn. 41; MünchKommBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 161; NK-BGB/Looschelders, § 138 Rn. 134 ff. 272 Vgl. Teil 3 § 1 D. VIII. 5. a). 273 Vgl. ebenso: PWW/Ahrens, BGB, § 138 Rn. 44.
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
bb) Allgemeiner Rechtsgrundsatz geltungserhaltender Reduktion unwirksamer Wettbewerbsverbote als Normzweckvorbehalt i. S. v. § 138 BGB? Fraglich ist aber, ob die geltungserhaltende Reduktion unzulässiger Wettbewerbsverbote entsprechend der die Nichtigkeitsfolge des § 138 BGB einem Normzweckvorbehalt unterstellenden Literaturmeinung vorzunehmen ist. Nach dieser Ansicht ist ein sittenwidriges Rechtsgeschäft nur dann nichtig, wenn sich aus der verletzten Sittennorm nicht ein anderes ergibt. Übertragen auf die vorliegende Situation wäre das Wettbewerbsverbot für einen Geschäftsführer also dann nicht nichtig, wenn § 138 Abs. 1 BGB i.V. m. der allgemeinen Wertung des § 74a Abs. 1 HGB als die verletzten Sittennormen die geltungserhaltende Reduktion geböten. Diesem Ansatz entspricht im Ergebnis die zu Wettbewerbsverboten verstärkt vertretene Literaturansicht, nach der eine geltungserhaltende Reduktion auch bei Überschreiten der örtlich- oder gegenständlich-zulässigen Reichweiten sachgerecht sei. § 138 BGB i.V. m. § 74a Abs. 1 HGB geböten dann die geltungserhaltende Reduktion, wenn nicht nur der Tatbestand des § 74a Abs. 1 HGB (berechtigtes Interesse und billige Beschränkung), sondern auch seine Rechtsfolge der geltungserhaltenden Reduktion einen allgemeinen Rechtsgrundsatz darstellte. Es kommt also darauf an, ob ein allgemeiner Rechtsgrundsatz anzuerkennen ist, dass unzulässige Wettbewerbsverbote stets auf ihren zulässigen Umfang zu reduzieren und mit diesem Umfang dann aufrechtzuerhalten sind. Gegen einen solchen allgemeinen Rechtsgrundsatz kann nicht bereits eingewendet werden, den Parteien werde ansonsten das Risiko genommen und das Sittenwidrigkeitsurteil büße infolgedessen seine präventive Wirkung ein. Denn auch die sonstigen von der Rechtsprechung nach und nach anerkannten Reduktionen des § 138 BGB sind geeignet, die abschreckende Wirkung für Vereinbarungen in diesen Bereichen aufzuweichen. Allerdings lässt sich ein allgemeiner Grundsatz, nachvertragliche Wettbewerbsverbote müssten nach ihrem Sinn und Zweck stets auf ihren zulässigen Umfang reduziert werden, auch noch nicht damit begründen, Geschäftsführer und sonstige nicht unter die §§ 74 ff. HGB fallende Personen ständen im Falle uneingeschränkter Nichtigkeit ansonsten besser als Arbeitnehmer, die nach § 74a HGB an das reduzierte Wettbewerbsverbot gebunden blieben. Zwar mag dies tatsächlich als ungerecht erscheinen. Es darf aber nicht verkannt werden, dass die Anordnung der geltungserhaltenden Reduktion Bestandteil des Gesamtregelungssystems der §§ 74 ff. HGB zum Ausgleich der widerstreitenden Interessen bei Wettbewerbsverboten mit Handlungsgehilfen ist. In diesem Gesamtregelungssystem ist zugunsten der Handlungsgehilfen auch eine zwingende Karenzentschädigungspflicht für die Zeit des Wettbewerbsverbotes vorgesehen, die bei den sonstigen Personen nicht besteht. Vor diesem Hintergrund kann in der Rechtsfolgen-
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regelung des § 74a Abs. 1 HGB daher keine loszulösende, allgemeingültige Wertung erachtet werden. Für die geltungserhaltende Reduktion jedenfalls bei Geschäftsführern kann entgegen einem Teil der Literatur ferner auch nicht geltend gemacht werden, die Rechtsfolgenregelung wirke zugunsten der GmbH und sei daher vom BGH entsprechend seines Beurteilungsmodelles heranzuziehen. Die Differenzierung der Rechtsprechung zwischen der GmbH günstigen und deswegen analog anzuwendenden und nur dem Arbeitnehmerschutz dienenden und daher nicht heranzuziehenden Regelungen der §§ 74 ff. HGB ist nämlich, wie dargestellt, nicht zuzulassen.274 Im Ergebnis ist ein allgemeiner Rechtsgrundsatz geltungserhaltender Reduktion unzulässiger Wettbewerbsverbote auf das noch zulässige Maß abzulehnen. Die Voraussetzungen der § 74a Abs. 1 S. 1 und 2 HGB sind im Kontext des Art. 12 Abs. 1 GG zu sehen und insofern verallgemeinert auch bei Wettbewerbsverboten mit nicht unter die §§ 74 ff. HGB fallenden Personen zu beachten. Dagegen gebietet Art. 12 Abs. 1 HGB nicht, Wettbewerbsverbote stets im zulässigen Umfang aufrechtzuerhalten, so dass auch die Rechtsfolge des § 74a Abs. 1 HGB verallgemeinerungsfähig wäre. Vielmehr entspricht die Nichtigkeit eines Wettbewerbsverbotes und die daraus folgende Möglichkeit für den durch das Verbot in seiner Berufsfreiheit Beschränkten, sich sofort einschränkungslos seiner beruflichen Tätigkeit wie bisher zu widmen, sogar eher dem Schutzzweck des Art. 12 Abs. 1 GG. Zudem verpflichtete die Anerkennung eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes geltungserhaltender Reduktion unzulässiger Wettbewerbsverbote die Gerichte dazu, die getroffenen Regelungen – ggf. sowohl in gegenständlicher, örtlicher und zeitlicher Hinsicht – anzupassen. Zwar bringt § 74a Abs. 1 HGB – ebenso wie § 343 und § 655 BGB hinsichtlich der Herabsetzung auf einen angemessenen Betrag – zum Ausdruck, dass es den Gerichten zuzutrauen ist, Vertragshilfe zu leisten. Dort, wo der Gesetzgeber die richterliche Vertragshilfe nicht ausdrücklich angeordnet hat, kann wegen der Vertragsfreiheit den Gerichten aber nicht uneingeschränkt erlaubt oder aufgegeben werden, die Verträge anzupassen und auf diesem Wege zu gestalten. Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz geltungserhaltender Reduktion unzulässiger nachvertraglicher Wettbewerbsverbote auf das noch zulässige Maß kann daher nicht angenommen werden, so dass selbst bei Anerkennung eines Normzweckvorbehaltes auch bei § 138 BGB keine Abweichung von der Nichtigkeitsfolge erfolgen kann. cc) Sachgerechtigkeit einer geltungserhaltenden Reduktion entsprechend § 74a Abs. 1 HGB Nichtsdestotrotz ist auch nach hiesiger Auffassung die geltungserhaltende Reduktion unzulässiger Wettbewerbsverbote auf das noch zulässige Maß interessen274
Vgl. Teil 2 § 3 G. II.
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gerecht. Hierfür spricht insbesondere der auch für die generelle Zulässigkeit geltungserhaltender Reduktionen im Rahmen von § 138 BGB vorgebrachte Aspekt der Rechtssicherheit. Die Rechtslage bei Wettbewerbsverboten mit Geschäftsführern oder auch mit anderen Personen, für die gesetzliche Regelungen fehlen, ist noch nicht ausjudiziert. Mit einer nachvertraglichen Wettbewerbsabrede ist daher für beide Parteien Rechtsunsicherheit verbunden. Sie tragen das Risiko, dass ihre Abrede auch bei nur geringfügiger Überschreitung des durch das Gericht für zulässig befundenen Rahmens nichtig ist. Da sich aber in der Regel sowohl GmbH als auch Geschäftsführer auf das vereinbarte Wettbewerbsverbot einrichten, der Geschäftsführer üblicherweise indem er sich eine das Wettbewerbsverbot wahrende berufliche Tätigkeit sucht und mit der häufig gezahlten Entschädigung plant, liegt es grundsätzlich nicht in ihrem Interesse, dass das Wettbewerbsverbot ersatzlos entfällt. dd) Geltungserhaltende Reduktion analog § 139 BGB Insofern scheint die Prüfung geboten, ob die bei § 138 und § 1 GWB vorgenommene Reduktion von Wettbewerbsverboten auf das noch zulässige Maß analog § 139 BGB nicht nur, wie von BGH, den Instanzgerichten, dem BAG zu § 138 BGB vor analoger Anwendung der §§ 74 ff. HGB bei allen Arbeitnehmern sowie der überwiegenden Literatur angenommen, bei zeitlicher-, sondern auch bei gegenständlicher- und örtlicher Unangemessenheit erfolgen könnte. (1) Voraussetzungen des § 139 BGB Nach § 139 BGB ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn ein Teil des Rechtsgeschäftes nichtig ist und nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde. Die Norm findet Anwendung, wenn ein einheitliches und teilbares Rechtsgeschäft vorliegt.275 Die Frage der Einheitlichkeit des Rechtsgeschäftes stellt sich dann, wenn der nichtige und der wirksame Teil jeweils auch für sich Bestand haben können.276 Maßgeblich dafür, ob ein einheitliches Rechtsgeschäft vorliegt, ist der Einheitlichkeitswille der Parteien.277 Dieser ist in der Regel nicht vom (ggf. hypothetischen) Parteiwillen, der über die Gesamtnichtigkeit oder Restgültigkeit entscheidet, abzugrenzen.278 Von Teilbarkeit des Rechtsgeschäftes ist auszugehen, wenn der nicht von der Nichtigkeit er275 Vgl. PWW/Ahrens, BGB, § 138 Rn. 45; Palandt/Ellenberger, § 139 Rn. 5; NKBGB/Faust, § 139 Rn. 9. 276 Vgl. BGH, Urt. v. 9.2.1990 – V ZR 274/88, NJW 1990, 1473; NK-BGB/Faust, § 139 Rn. 10. 277 Vgl. BGH, Urt. v. 9.2.1990 – V ZR 274/88, NJW 1990, 1473; BGH, Urt. v. 24.10.2006 – XI ZR 216/05, NJW-RR 2007, 396; Palandt/Ellenberger, § 139 Rn. 5. 278 Vgl. NK-BGB/Faust, § 139 Rn. 11.
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fasste Teil des Rechtsgeschäftes einer selbständigen Geltung fähig ist, also nach Abtrennung des nichtigen Teiles als selbständiges Rechtsgeschäft Bestand haben kann.279 Hinsichtlich eines Verstoßes gegen § 138 BGB weist die Kommentarliteratur in diesem Zusammenhang darauf hin, die teilweise Aufrechterhaltung des Rechtsgeschäfts sei nur möglich, wenn der sittenwidrige Teil eindeutig abgegrenzt werden könne und im Übrigen gegen Inhalt und Zustandekommen des Rechtsgeschäftes keine Bedenken beständen.280 Liegt ein einheitliches, teilbares Rechtsgeschäft vor und ist ein Teil des Rechtsgeschäftes nichtig, kommt es für die Frage, ob das Rechtsgeschäft gesamtnichtig ist oder teilweise aufrechterhalten werden kann, zunächst auf den tatsächlichen Willen der Vertragsparteien bei Vertragsschluss an. Ist ein solcher nicht feststellbar, ist auf den hypothetischen Parteiwillen abzustellen. Es ist also zu ermitteln, was die Parteien bei Kenntnis der Teilnichtigkeit nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte vereinbart hätten.281 Liegen keine Indizien für den hypothetischen Parteiwillen der Parteien vor, ist anzunehmen, dass die Parteien eine objektiv vernünftige Regelung getroffen hätten, wenn sie sich der Teilnichtigkeit bewusst gewesen wären.282 (2) Fallkonstellationen quantitativer Teilnichtigkeit Die Rechtsprechung hat in verschiedenen, im wesentlichen oben als Ausnahmen zu § 138 BGB angerissenen und im Folgenden eingehender darzustellenden, Fallkonstellationen in denen es nicht um die Wirksamkeit einer anderen als der nichtigen Klausel, sondern um die Wirksamkeit der Klausel mit reduziertem Inhalt ging, zur Durchbrechung der Nichtigkeitsfolge des § 138 BGB die Regelung des § 139 BGB analog angewendet. Im Jahre 1970 hat der BGH hinsichtlich eines Testamentes, welches alleine die Geliebte bedachte und daher wegen sittenwidriger Benachteiligung der Ehefrau grundsätzlich unwirksam war, nur eine Teilunwirksamkeit angenommen und das Testament im Übrigen in Höhe dessen, was der Erblasser der Geliebten zulässi279 Vgl. BGH, Urt. v. 25.6.1987 – IX ZR 199/86, NJW-RR 1987, 1260; Palandt/Ellenberger, § 139 Rn. 10; NK-BGB/Faust, § 139 Rn. 18. 280 Vgl. Palandt/Ellenberger, § 139 Rn. 10. 281 Vgl. BGH, Urt. v. 5.6.1989 – II ZR 227/88, NJW 1989, 2681; BGH, Urt. v. 14.11.2000 – XI ZR 248/99, NJW 2001, 815; BGH, Urt. v. 17.3.2004 – VIII ZR 166/ 03, WuM 2004, 269; BGH, Urt. v. 30.6.2004 – VIII ZR 243/03, NJW 2004, 3045; BGH, Urt. v. 14.6.2006 – VIII ZR 257/04, NJW 2006, 2696, 2697; BGH, Urt. v. 17.10.2008 – V ZR 14/08, NJW 2009, 1135; Palandt/Ellenberger, § 139 Rn. 14; NKBGB/Faust, § 139 Rn. 44 ff. 282 Vgl. BGH, Urt. v. 17.3.2004 – VIII ZR 166/03, WuM 2004, 269; BGH, Urt. v. 30.6.2004 – VIII ZR 243/03, NJW 2004, 3045; BGH, Urt. v. 14.6.2006 – VIII ZR 257/ 04, NJW 2006, 2696, 2697; BGH, Urt. v. 17.10.2008 – V ZR 14/08, NJW 2009, 1135; Palandt/Ellenberger, § 139 Rn. 14; NK-BGB/Faust, § 139 Rn. 45.
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gerweise hätte zuwenden können, aufrechterhalten. Nach der Lebenserfahrung spreche eine tatsächliche Vermutung dafür, der Erblasser würde der Geliebten auch bei Kenntnis der wahren Rechtslage soviel als möglich zugewendet haben.283 In einer Entscheidung im Jahre 1987 hat der BGH angenommen, dem einheitlichen – nichtigen – abstrakten Schuldanerkenntnis über eine Gesamtforderung von DM 79.749 lägen als Kausalgeschäfte trennbare Einzelverträge zugrunde. Soweit von den Parteien auch Teilschuldanerkenntnisse vereinbart worden wären, die nicht gegen § 138 BGB verstoßen hätten, könne die Nichtigkeit betragsmäßig begrenzt werden. Der Sachverhalt einer derartigen Teilbarkeit des Geschäftes sei nicht mit den Fällen zu vergleichen, in denen es mit Recht abgelehnt werde, eine einheitliche wegen ihrer Höhe sittenwidrige Leistung gerichtlich auf das gerade noch tragbare Maß zurückzuführen.284 Wenige Jahre später hat der BGH sodann eine gesellschaftsvertragliche Regelung, die einem Gesellschafter das Recht einräumte, einen oder mehrere Mitgesellschafter nach freiem Ermessen auszuschließen und wegen dieser inhaltlichen Weite nach § 138 BGB nichtig war, in entsprechender Anwendung des § 139 BGB aufrechterhalten. In seiner Begründung hat er unter anderem ausgeführt, gegen die geltungserhaltende Reduktion sei nichts einzuwenden. Sie übervorteile zwar tatsächlich einen Vertragspartner, indem sie ihm das Risiko der Nichtigkeit nähme. Dies schade bei individuell ausgehandelten Gesellschaftsverträgen aber nicht. Die auf Sanktionserwägungen beruhenden Einwände seien zweifelhaft, da diese dem Zivilrecht fremd seien. Entscheidend sei, dass es nicht die Aufgabe des Richters darstelle, für die Parteien anstelle des sittenwidrigen Rechtsgeschäftes eine Vertragsgestaltung zu finden, die den beiderseitigen Interessen gerecht würde und die Folgen der Sittenwidrigkeit vermiede. Bei dem i. S. v. § 139 BGB teilbaren Rechtsgeschäft liege es aber anders, da hier für eine richterliche Vertragsgestaltung gerade kein Raum sei, weil der sittenwidrige Teil des Vereinbarten genau bestimmt und ausgesondert werden könne.285 Einige Jahre darauf hat der BGH sodann in analoger Anwendung des § 139 BGB eine gegen § 138 BGB verstoßende Mithaftungsabrede der Ehefrau teilweise aufrechterhalten. Nach § 139 BGB bliebe bei Teilnichtigkeit eines Rechtsgeschäftes der von der Nichtigkeit nicht erfasste Teil bestehen, wenn dies dem hypothetischen Parteiwillen entspreche. Nach der Zielsetzung der Norm sei § 139 BGB auch dann anwendbar, wenn die Vertragsschließenden an Stelle der unwirksamen Regelung – hätten sie die Nichtigkeit von Anfang an gekannt – eine andere, auf das zulässige Maß beschränkte vereinbart hätten und sich der Vertragsinhalt in eindeutig abgrenzbarer 283
Vgl. BGH, Urt. v. 31.3.1970 – III ZB23/68, BGHZ 53, 369. Vgl. BGH, Urt. v. 15.1.1987 – III ZR 153/85, NJW 1987, 2014. 285 Vgl. BGH, Urt. v. 5.6.1989 – II ZR 227/88, MDR 1989, 886; zur einschränkenden Auslegung eines an einen Gesellschafter gerichteten umfassenden Wettbewerbsverbotes im Gesellschaftsvertrag im Lichte von Art. 12 GG vgl. BGH, Urt. v. 30.11.2009 – II ZR 208/09, DB 2010. 323. 284
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Weise in den nichtigen und den von der Nichtigkeit nicht berührten Rest aufteilen ließe. Dies sei im vorliegenden Fall zu bejahen, da es für den Mithaftenden sinnvoll sei, wenn die eigentlich vorgesehene Haftung erlösche und durch eine grundsätzlich auf den Sicherungsfall beschränkte Subsidiärhaftung ersetzt werde. Es sei kein Grund für die Annahme ersichtlich, die Mithaftende habe als rational handelnde Vertragspartei keinen Schuldbeitritt in Höhe der abgelösten Schulden erklärt und auch keine vergleichbare Sicherungsabrede getroffen. Die Reduktion stehe auch nicht in Widerspruch zum Schutzgedanken des § 138 BGB, da es nicht darum gehe, dass der Richter für die Parteien an Stelle der sittenwidrigen Vereinbarungen eine Vertragsgestaltung finde. Vielmehr sei der sittenwidrige Teil der unbeschränkten Mithaftungsvereinbarung auf Grund objektiver Umstände und Verhältnisse genau bestimmt und könne infolgedessen ohne weiteres ausgesondert werden.286 In einer jüngeren Entscheidung hat sich der BGH schließlich eingehend mit der Aufrechterhaltung einer als Gegenleistung für einen Kaufgegenstand vereinbarten Rentenzahlungspflicht trotz sittenwidriger Übersicherung des begünstigten Verkäufers nach § 139 BGB auseinandergesetzt. Er hat zunächst betont, wenn es dem tatsächlichen oder hypothetischen Parteiwillen entspreche, sei grundsätzlich auch eine sog. quantitative Teilbarkeit möglich. Sie komme vor allem dann in Betracht, wenn eine Vertragsklausel wegen des Übermaßes der in ihr enthaltenen Rechte oder Pflichten nichtig sei und angenommen werden könne, dass die Parteien bei Kenntnis dieses Umstandes an ihrer Stelle eine auf das zulässige Maß beschränkte Regelung getroffen hätten. Eine solche quantitative Teilbarkeit von Vertragsklauseln sei jedoch nur möglich, wenn sich feststellen ließe, was die Parteien bei Kenntnis der Nichtigkeit der Regelung an deren Stelle gesetzt hätten. Wo dieser Wille nicht zu ermitteln sei, weil mehrere Möglichkeiten zur Ersetzung der nichtigen Bestimmung gegeben seien und keine Anhaltspunkte dafür beständen, welche von ihnen die Parteien gewählt hätten, sei der Regelungsbereich der Vorschrift überschritten. Der Grenze zwischen der Verwirklichung des hypothetischen Parteiwillens und einer unzulässigen richterlichen Vertragsgestaltung komme bei sittenwidrigen Regelungen besondere Bedeutung zu. Könnte ein Gericht bereits daraus, dass eine von ihm erwogene Aufspaltung in einen wirksamen und einen nichtigen Teil zu einem vernünftigen Interessenausgleich führt, folgern, diese entspräche dem hypothetischen Parteiwillen, verlören sittenwidrige Rechtsgeschäfte das Risiko, mit dem sie in Folge der gesetzlich angeordneten Nichtigkeitssanktion behaftet seien. Im Grundsatz sei deshalb von der Nichtigkeit einer sittenwidrigen Klausel auszugehen. Nur ausnahmsweise komme eine Aufspaltung in einen wirksamen und einen unwirksamen Teil entsprechend § 139 BGB in Betracht, wenn konkrete über allgemeine Billigkeitserwägungen hinausgehende Anhaltspunkte den Schluss recht286 Vgl. BGH, Urt. v. 14.11.2000 – XI ZR 248/99, NJW 2001, 815; vgl. zu Aufrechterhaltung von Ehegattenbürgschaft in Höhe tatsächlich bestehender Leistungsfähigkeit: BGH, Urt. v. 25.4.1996 – IX ZR 177/95, NJW 1996, 2088.
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
fertigten, dass die Aufspaltung dem entspricht, was die Parteien bei Kenntnis der Nichtigkeit ihrer Vereinbarung geregelt hätten.287 Die Literatur erkennt die Erfassung dieser sog. quantitativen Teilbarkeit durch § 139 BGB überwiegend an.288 (3) Quantitative Teilnichtigkeit von Wettbewerbsverboten (a) Derzeitige Rechtslage und Problematik Auch bei Wettbewerbsverboten nimmt der BGH, an diese Rechtsprechungsentwicklung anknüpfend, eine Reduktion analog § 139 BGB dann vor, wenn die Wettbewerbsklausel ausschließlich die zeitlichen Grenzen überschreitet.289 Er versteht das Wettbewerbsverbot als Dauerschuldverhältnis, das sich derart in Zeitabschnitte zerlegen lässt, dass sich diese als Teile innerhalb eines ganzen Vertrages im Sinne des § 139 BGB darstellen, so dass sie bei einem entsprechend bestehenden oder zu vermutenden Parteiwillen mit einer kürzeren, nicht zu beanstandenden Laufzeit aufrechterhalten bleiben können. Bei Missachtung der gegenständlichen und räumlichen Grenzen lehnt er die geltungserhaltende Reduktion aber ab, da das Gericht bei einer nicht bloß aus der quantitativen Überschreitung der zulässigen Grenzen folgenden Sittenwidrigkeit ansonsten auf den übrigen Inhalt des sittenwidrigen Geschäftes rechtsgestaltend einwirken müsste, was den ihm eingeräumten Gestaltungsspielraum überschritte und dem mit § 138 BGB verfolgten Zweck zuwiderliefe, den Betroffenen das Risiko zuzuweisen, dass eine zwischen ihnen getroffene Vereinbarung sittenwidrig und nichtig ist. Fraglich und im folgenden zu klären ist aber, ob diese Beschränkung der analogen Anwendung des § 139 BGB nur auf die Fälle zeitlich unzulässiger Wettbewerbsverbote vor dem Hintergrund der anderen Fallkonstellationen der quantitativen Teilnichtigkeit nicht widersprüchlich ist, der BGH also die geltungserhaltende Reduktion bei gegenständlicher oder örtlicher Unzulässigkeit nicht von vorneherein unter Verweis auf die richterliche Vertragsgestaltung und den Sanktionszweck des § 138 BGB ablehnen dürfte. (b) Allgemeine Grundsätze quantitativer Teilnichtigkeit Die dargestellten Entscheidungen zur quantitativen Teilnichtigkeit weichen in ihren Argumentationen teilweise voneinander ab. So wird in einigen betont, es 287
Vgl. BGH, Urt. v. 17.10.2008 – V ZR 14/08, NJW 2009, 1135. Vgl. MünchKomm-BGB/Armbrüster, § 138 Rn. 157 ff.; Palandt/Ellenberger, § 138 Rn. 19; Erman/Palm/Arnold, BGB, § 138 Rn. 55 (unter Hinweis auf uneinheitliche Behandlung von Einzelfällen hinsichtlich Rechtsfolgen). 289 Vgl. Teil 3 § 1 D. VIII. 5. c). 288
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widerspräche dem Schutzzweck des § 138 BGB, eine Partei zu übervorteilen, indem sie vom Nichtigkeitsrisiko befreit werde, während dieser Risikoaspekt in anderen Entscheidungen unter Verweis auf die Aushandelung der (gesellschaftsvertraglichen) Abrede und der Freiheit des BGB von Sanktionsgedanken zurückgewiesen wird. Unabhängig dessen sind den Entscheidungen aber folgende Wertungen zu entnehmen: Entscheidend dafür, ob eine geltungserhaltende Reduktion der unzulässigen Abrede erfolgen kann, ist der tatsächliche oder hypothetische Wille der Vertragsparteien. Ist dieser erkennbar oder aus den Umständen zu erschließen, ist der geltungserhaltenden Reduktion nicht entgegenzuhalten, sie eröffne dem Richter einen Eingriff in die vertraglichen Regelungen und führe zu unzulässiger Vertragsgestaltung. Dagegen scheidet die geltungserhaltende Reduktion aus, wenn mehrere Regelungsmöglichkeiten bestehen und nicht bestimmbar ist, welche dem Willen der Parteien entsprochen hätte. Die Entscheidungen zu Geliebtentestamenten, Schuldanerkenntnissen, Gesellschafterausschließungsrechten und Mithaftungsabreden machen schließlich deutlich, dass bei fehlenden sonstigen Abreden angenommen werden kann, die Vertragsparteien hätten sich bei Kenntnis der Nichtigkeit auf die (gerade noch) zulässige Regelung verständigt. In der Mithaftungsabredeentscheidung stellt der BGH ausdrücklich heraus, dass nicht angenommen werden kann, die Mithaftende hätte nicht die ihr mögliche Haftungszusage abgegeben. Die jüngste Entscheidung des BGH indiziert zwar eine restriktivere Haltung hinsichtlich der Durchbrechung der Nichtigkeit nach § 138 BGB, da sie konkrete Anhaltspunkte für den hypothetischen Parteiwillen fordert und keine Billigkeitserwägungen mehr ausreichen lässt. Nach dieser erscheint fraglich, ob diese Reduktion auf den noch zulässigen Gegenstand angenommen werden kann, ist ihr doch ein gewisser Billigkeitsgedanke nicht abzusprechen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist aber davon auszugehen, dass der BGH daran festhalten wird, dass grundsätzlich ein Parteiwille vorliegt, sich jedenfalls auf das noch Zulässige zu einigen. (c) Grundsätze quantitativer Teilnichtigkeit von Wettbewerbsverboten Diese Wertungen auf die hiesige Wettbewerbsverbotsproblematik übertragend, ist die geltungserhaltende Reduktion des unzulässigen Wettbewerbsverbotes also dann zulässig, wenn sie dem hypothetischen Willen der Abredebeteiligten entspricht und daher keine unzulässige richterliche Vertragsgestaltung darstellt. Eine unzulässige richterliche Vertragsgestaltung läge aber vor, wenn unterschiedliche Möglichkeiten beständen, die unzulässige Abrede in eine zulässige Form zu ändern und nicht erkennbar wäre, welche Regelung die Parteien gewünscht hätten. Unzulässig wäre es auch, die Zulässigkeit durch Auferlegung einer nicht vorgesehenen Gegenleistung, hier also Zusage einer nicht angedachten Karenzentschädigung, zu erwirken; auch hierin läge ein unzulässiger Eingriff in die Vertragsfreiheit der Parteien.
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
Vor dem Hintergrund dieser Wertungen ist die Rechtsprechung, Wettbewerbsverbote mit unzulässiger Dauer auf den noch zulässigen zeitlichen Rahmen zu reduzieren, die geltungserhaltende Reduktion bei Überschreiten der gegenständlichen oder örtlichen Zulässigkeitsgrenzen aber von vorneherein abzulehnen, nicht überzeugend. Vielmehr ist auch bei Unzulässigkeit eines Wettbewerbsverbotes wegen seiner gegenständlichen oder örtlichen Reichweite die geltungserhaltende Reduktion zuzulassen, wenn ein entsprechender Parteiwille angenommen werden kann. (d) Geltungserhaltende Reduktion von Wettbewerbsverboten in der Praxis Ist also anzunehmen, dass Wettbewerbsverbote nach den Grundsätzen der quantitativen Teilnichtigkeit bei Vorliegen eines entsprechenden hypothetischen Parteiwillens sowohl bei Überschreiten der zeitlichen als auch der gegenständlichen und örtlichen Zulässigkeitsgrenzen geltungserhaltend reduziert werden können, stellt sich – dem hiesigen Versuch der Herausbildung von Leitlinien entsprechend – die Frage, wann in der Praxis regelmäßig geltungserhaltende Reduktionen stattfinden können. (aa) Fehlen eines berechtigten geschäftlichen Interesses Fehlt dem Unternehmen ein berechtigtes Interesse hinsichtlich der Zeitdauer des Wettbewerbsverbotes, ist das Wettbewerbsverbot unzulässig. Es wird aber nach der Rechtsprechung und der überwiegenden Literatur auf die noch zulässige Dauer reduziert. Üblicherweise werden auf diesem Wege längerfristige Bindungen als zwei Jahre auf die wertungsmäßig herangezogene Grenze des § 74a Abs. 1 S. 3 HGB von zwei Jahren heruntergekürzt. Dabei wird davon ausgegangen, dass es dem Willen der Parteien entspricht, sich jedenfalls auf die zulässige Dauer zu einigen. Dieser Kürzung auf den Zeitrahmen, für den noch ein berechtigtes Interesse des Unternehmens besteht, ist zuzustimmen. Es ist von einem entsprechenden Willen der Parteien auszugehen, so dass keine unzulässige Vertragsgestaltung vorliegt. Ist das Wettbewerbsverbot hinsichtlich seiner gegenständlichen Reichweite nicht mehr von einem berechtigten Interesse des Unternehmens gedeckt, ist nach hiesiger Auffassung eine geltungserhaltende Reduktion ebenfalls möglich. Voraussetzung ist, dass zum einen das Wettbewerbsverbot in verschiedene Abschnitte geteilt werden kann und zum anderen die Aufrechterhaltung des zulässigen Teiles dem hypothetischen Willen der Parteien entspricht. Eine Trennung dieser Voraussetzungen ist nicht möglich, da es auch bereits für die Teilbarkeit auf die Vorstellungen der Vertragsparteien ankommt. Der Richter darf die Teilung daher nicht nach eigenen Kriterien vornehmen. Er muss vielmehr prüfen, ob sie dem ausdrücklichen bzw. sonst wie erkennbaren Willen der Parteien ent-
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spricht oder jedenfalls allgemein üblich ist, so dass ein entsprechender Parteiwille angenommen werden kann oder aber von den Parteien durch die sonstigen Regelungen indiziert ist. Der allgemeinen Üblichkeit entspricht sicherlich die Abstufung von Tätigkeitsverboten und Kundenschutzklauseln. Haben die Vertragsparteien zum Schutze von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sowie Kundeninformationen ein Tätigkeitsverbot vereinbart, besteht für ein solches aber kein berechtigtes Interesse, kann daher angenommen werden, dass die Parteien jedenfalls eine Kundenschutzklausel vereinbart hätten. Die Reduktion auf diese ist dem Gericht daher zu gestatten, während die Schaffung eines Wettbewerbsverbotes, das zwar weniger weit ginge als das unzulässige Tätigkeitsverbot, aber weiter reichte als die Kundenschutzklausel eine unzulässige Vertragsgestaltung darstellte. Dass die Teilung durch die sonstigen Abreden der Vertragsparteien indiziert ist, kann z. B. dann angenommen werden, wenn im Anstellungsvertrag festgelegt ist, dass der betroffene Geschäftsführer nur für einen mit bestimmten Produktionen oder Dienstleistungen befassten Unternehmensteil oder ein eigenständiges Tochterunternehmen zuständig ist, sich das Wettbewerbsverbot – häufig wegen seiner pauschalen Formulierungen – aber auch auf weitere Dienstleistungsbranchen, Produktionsbereiche oder Aufgabengebiete des Unternehmens oder anderer Tochterunternehmen erstreckt und insoweit nicht mehr von berechtigten Interessen getragen ist. Auch in diesem Fall ist es dem Gericht erlaubt, das Wettbewerbsverbot auf den Umfang des bestehenden berechtigten Interesses, im Beispiel also auf den Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen aus dem ehemaligen Zuständigkeitsbereich oder aber den Schutz des Tochterunternehmens vor Konkurrenz, zu reduzieren. Diese Teilung und Reduktion trägt dem hypothetischen Willen der Parteien Rechnung. Nach denselben Erwägungen ist die geltungserhaltende Reduktion auch bei Unzulässigkeit eines Wettbewerbsverbotes wegen fehlenden Interesses an einem örtlich so weitreichenden Verbot zuzulassen. Liegt also z. B. ein örtlich nicht beschränktes, daher weltweit geltendes, in dieser Reichweite aber nicht von Interessen des Unternehmens gedecktes und deswegen unzulässiges Wettbewerbsverbot vor, ist bei Auslegung des Anstellungsvertrages aber erkennbar, dass TätigkeitsEinfluss- oder Kundengebiet allein Deutschland sein sollte, indiziert dies den Willen der Vertragsparteien, das Wettbewerbsverbot jedenfalls in dieser Reichweite aufrechtzuerhalten. Ist ein Wettbewerbsverbot in mehrfacher Hinsicht nicht von berechtigten Interessen getragen (z. B. hinsichtlich gegenständlicher und örtlicher Reichweite) bzw. ergibt sich das fehlende berechtigte Interesse aus der Zusammenschau mehrerer Aspekte (z. B. kein berechtigtes Interesse für örtlich derart weitgehendes Verbot für vorgesehene Dauer), muss das Gericht besonders sorgfältig prüfen, ob und welche Teilungen und Reduktionen auf den noch zulässigen Umfang von
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
einem hypothetischen Parteiwillen getragen sind. Es darf – insbesondere in den Fällen der Unzulässigkeit in der Gesamtschau – nicht dabei stehen bleiben, festzustellen, ob das Wettbewerbsverbot im Hinblick auf die einzelnen Kriterien teilund reduzierbar ist und dementsprechend die Reduktionen vornehmen. Es hat vielmehr insbesondere zu erwägen, welche Regelung dem hypothetischen Willen der Parteien bei Kenntnis der mehrfachen Unzulässigkeit bzw. der Unzulässigkeit aus der Zusammenschau entsprochen hätte. Nur wenn sich aufgrund der Gesamtumstände eindeutig ergibt, welche Regelung die Parteien in dieser Situation getroffen hätten, kann eine geltungserhaltende Reduktion erfolgen, ohne als Eingriff in die Vertragsfreiheit der Parteien qualifiziert zu werden. Fehlt nämlich einem Unternehmen nur hinsichtlich eines Aspektes das berechtigte Interesse, kann grundsätzlich angenommen werden, dass die Vertragsparteien an ihrer Regelung an sich hätten festhalten und nur diesen einen Punkt auf den zulässigen Rahmen reduzieren wollen. Fehlt dagegen das berechtigte Interesse hinsichtlich mehrerer Aspekte bzw. aus der Gesamtschau, ist nicht ausgeschlossen, dass die Parteien eine ganz andere Regelung aufgenommen und daher auch die sonstigen Kriterien anders gefasst hätten. (bb) Unbillige Erschwerung des Fortkommens Ist ein Wettbewerbsverbot zwar von berechtigten Interessen der Gesellschaft getragen, enthält es aber eine unbillige Beschränkung des Geschäftsführers in seinem Fortkommen, und ist deswegen unzulässig, stellt sich ebenfalls die Frage der Reduktion auf das noch zulässige – billige – Maß. Im Ergebnis wird eine Reduktion nur wesentlich seltener möglich sein als bei der Unzulässigkeit wegen fehlenden berechtigten Interesses der Gesellschaft. Hintergrund dafür ist, dass im Rahmen der Billigkeitsprüfung Entschädigungsleistungen Berücksichtigung finden. Ist das Wettbewerbsverbot (nur) in gegenständlicher oder örtlicher oder zeitlicher Hinsicht unbillig, kann daher nicht grundsätzlich vom hypothetischen Willen der Parteien ausgegangen werden, die unzulässige Abrede geltungserhaltend auf den noch billigen Umfang zu reduzieren, da nicht ausgeschlossen ist, dass die Parteien die Unbilligkeit durch die erstmalige Gewährung einer oder die Erhöhung der zugesagten Entschädigungsleistung ausgeglichen hätten. Insofern kommt bei Unbilligkeit wegen nur eines Kriteriums eine geltungserhaltende Reduktion nur in Betracht, wenn sich aus den Vertragsabreden und Umständen erkennen lässt, dass die Parteien im Falle der Unzulässigkeit die Anpassung auf das noch zulässige Maß gewollt hätten. Fehlt es aus mehreren Aspekten bzw. aus der Gesamtschau der Regelungen an einer billigen Abrede, ist eine geltungserhaltende Reduktion – wie auch bei Unzulässigkeit mangels berechtigten Interesses aus mehreren Gründen – noch schwerer, nämlich nur möglich, wenn sich aus den Gesamtumständen deutlich ergibt, welche Regelung die Parteien gewünscht hätten.
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Danach scheidet im praktisch relevanten Fall eines von berechtigten geschäftlichen Interessen der Gesellschaft getragenen, aber mangels Entschädigungszusage unbilligen Tätigkeitsverbotes eine geltungserhaltende Reduktion aus, wenn sich aus den Vertragsumständen nicht der hypothetische Parteiwille ermitteln lässt, das Tätigkeitsverbot im Falle seiner Unzulässigkeit auf eine Kundenschutzabrede zu reduzieren. Dagegen kann das Wettbewerbsverbot nicht unter Verpflichtung der GmbH zur Zahlung einer Karenzentschädigung aufrechterhalten werden.290 ee) Geltungserhaltende Reduktion bei salvatorischer Klausel Selbst wenn die Rechtsprechung der auch diesseits geteilten Auffassung der Literatur folgte und die geltungserhaltende Reduktion auch bei gegenständlich oder örtlich zu weit gefassten Wettbewerbsverboten grundsätzlich zuließe, führte dies somit nicht dazu, dass die unwirksame Klausel in jedem Fall mit zulässigem Inhalt aufrechterhalten werden könnte. Vor diesem Hintergrund ist daher besonders bedeutsam, ob die Vertragsparteien sich der Rechtsunsicherheit entziehen können, indem sie eine salvatorische Klausel in den Anstellungsvertrag oder die eigenständige Wettbewerbsabrede aufnehmen, nach der eine Anpassung der ungültigen Regelung vorgenommen werden soll. Während die ganz überwiegende Literatur annimmt, salvatorische Klauseln eröffneten die Reduktion unzulässiger Wettbewerbsverbote auf ihr zulässiges Maß291, ist die wenige Rechtsprechung uneinheitlich. Entscheidungen des BGH zu dieser Problematik sind – soweit ersichtlich – weder zu Wettbewerbsverboten mit Geschäftsführern noch zu solchen mit anderen Personengruppen ergangen. Die Entscheidung des OLG Zweibrücken aus dem Jahre 1989 ist wenig aussagekräftig, da der salvatorischen Klausel nur hinsichtlich der Aufrechterhaltung eines zeitlich unbeschränkten Wettbewerbsverbotes Wirkung zugesprochen wird.292 Das OLG Köln hat sich zwar für die Reduktion bei vereinbarter salvatorischer Klausel ausgesprochen.293 Die neueste Entscheidung des OLG Nürnberg lehnt eine reduzierende Wirkung von Erhaltungs- und Ersetzungsklauseln aber unter Verweis auf das Verständnis des BGH von diesen Klauseln als Regelungen allein zur Änderung der Beweislast294 ab.295 Vor diesem Hintergrund ist, auch wenn es nicht als sachgerecht empfunden werden kann, dass es GmbH und Geschäftsführer verwehrt sein soll, festzulegen, dass ihr Wettbewerbsverbot im Falle seiner Unwirksamkeit auf den 290
Vgl. insoweit: Jaeger, Der Anstellungsvertrag des GmbH-Geschäftsführer, S. 175. Vgl. Teil 3 § 1 D. VII. 292 Vgl. OLG Zweibrücken, Urt. v. 21.9.1989 – 7 U 230/89, NJW-RR 1990, 482. 293 Vgl. OLG Köln, Urt. v. 5.10.2000 – 12 U 62/00, NZG 2001, 465. 294 Vgl. BGH, Urt. v. 24.9.2002 – KZR 10/01, NJW 2003, 347; BGH, Beschluss v. 15.3.2010 – II ZR 84/09, NJW 2010, 1660. 295 Vgl. OLG Nürnberg, Urt. v. 25.11.2009 – 12 U 981/09, GmbHR 2010, 141, 144. 291
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
zulässigen Umfang reduziert und hierdurch aufrechterhalten wird, nicht davon auszugehen, dass die Rechtsprechung bei Vorliegen salvatorischer Klauseln in Zukunft geltungserhaltende Reduktionen vornehmen wird.296 e) Ergebnis Während Wettbewerbsverbote mit Handlungsgehilfen nach § 74a Abs. 1 S. 1 und 2 HGB nur insoweit unverbindlich sind, wie sie nicht von berechtigten Interessen des Prinzipals getragen werden oder den Handlungsgehilfen unbillig in seinem Fortkommen erschweren, per Gesetz also die geltungserhaltende Reduktion angeordnet ist, sind anhand von § 138 Abs. 1 BGB zu beurteilende Wettbewerbsverbote entsprechend der Nichtigkeitsfolge des § 138 BGB grundsätzlich nichtig und werden nach der Rechtsprechung nur bei Überschreiten der zeitlich zulässigen Grenzen auf die noch zulässige Dauer reduziert. In der allgemein-zivilrechtlichen Literatur ist die Nichtigkeitsfolge des § 138 BGB umstritten und wird teilweise durch eine ausnahmslos anzuwendende geltungserhaltende Reduktion, teilweise durch einen Normzweckvorbehalt modifiziert. Die Annahme einer ständigen geltungserhaltenden Reduktion widerspricht aber dem Wortlaut des § 138 Abs. 1 BGB und ist daher abzulehnen. Ob die Nichtigkeitsfolge des § 138 BGB grundsätzlich einem Normzweckvorbehalt zu unterstellen ist, konnte offen bleiben, da jedenfalls bei Wettbewerbsverboten die Voraussetzungen eines solchen Normzweckvorbehaltes nicht gegeben sind. Ein i. S. e. Normzweckvorbehaltes wirkender allgemeiner Rechtsgrundsatz geltungserhaltender Reduktion unwirksamer Wettbewerbsverbote auf das noch zulässige Maß ist nicht anzuerkennen. § 74a Abs. 1 S. 1 und 2 HGB stellt eine spezielle gesetzliche Regelung für Handlungsgehilfen dar, die nicht verallgemeinert und auf alle Personengruppen erstreckt werden kann. Die Annahme eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes zwänge die Gerichte zu Vertragsgestaltungen, zu denen sie mangels gesetzlicher Anordnung nach den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen nicht berechtigt wären. Diese Kritik darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die geltungserhaltende Reduktion von unzulässigen Wettbewerbsverboten schon aus Gründen der Rechtssicherheit durchaus sachgerecht wäre und ein gesetzlicher Vorschlag einer Regelung für Wettbewerbsverbote diese sicherlich enthalten sollte. Allerdings ist auch ohne eine gesetzliche Regelung die geltungserhaltende Reduktion von Wettbewerbsverboten auf das noch zulässige Maß nach § 139 BGB analog nicht nur – wie von der Rechtsprechung und einem Großteil der Literatur angenommen – bei Überschreitung der zeitlichen, sondern auch der örtlichen und gegenständlichen Zulässigkeitsgrenzen geboten. § 139 BGB setzt ein teilbares
296
Vgl. ebenso: Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 152.
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Rechtsgeschäft voraus und eröffnet die Anpassung der ansonsten nichtigen rechtsgeschäftlichen Einigung nach dem hypothetischen Willen der Parteien. Die Norm findet nach der Rechtsprechung unter Zustimmung der überwiegenden Literatur auch dann Anwendung, wenn ein Teil der rechtsgeschäftlichen Regelung unwirksam ist und die Regelung an sich daher hin zu einem zulässigen Inhalt abgeändert werden muss. Entsprechend den Wertungen der Rechtsprechung in den Fallkonstellationen dieser sog. quantitativen Teilnichtigkeit sind Wettbewerbsverbote nicht nur dann geltungserhaltend zu reduzieren, wenn sie in zeitlicher Hinsicht unzulässig sind; vielmehr ist die geltungserhaltende Reduktion immer dann, also auch bei unzulässigen Gegenständen oder örtlichen Reichweiten, zuzulassen, wenn ein tatsächlicher oder hypothetischer Parteiwille festgestellt werden kann, welche Regelung die Parteien bei Kenntnis der Nichtigkeit getroffen hätten. Anhaltspunkte für den hypothetischen Parteiwillen können sich dabei aus den anstellungsvertraglichen Regelungen (Tätigkeitsfeld und Arbeitsgebiet) oder auch der Üblichkeit (Abstufung von Tätigkeitsverboten und Kundenschutzklauseln) ergeben. In der Praxis könnte die geltungserhaltende Reduktion von Wettbewerbsverboten daher, wenn sie von der Rechtsprechung umfassend zugelassen würde, insbesondere in den Fällen Relevanz haben, in denen es am berechtigten Interesse des Unternehmens fehlt. Besteht kein berechtigtes Interesse an einem Wettbewerbsverbot mit diesem weitreichenden Gegenstand, dieser örtlichen Reichweite oder aber zeitlichen Dauer, kann – entsprechend den Wertungen der Rechtsprechung in den anderen Fallkonstellationen der quantitativen Teilnichtigkeit – grundsätzlich angenommen werden, die Parteien hätten sich auf ein Wettbewerbsverbot mit noch zulässigem Gegenstand oder Reichweite geeinigt. Dagegen scheidet die geltungserhaltende Reduktion regelmäßig dann aus, wenn der hypothetische Parteiwille nicht eindeutig ermittelt und daher nicht festgestellt werden kann, welche Regelung die Parteien bei Kenntnis der Nichtigkeit ihrer Abrede getroffen hätten. Das ist zum einen anzunehmen, wenn das berechtigte Interesse nicht nur in einer Hinsicht fehlt. Zum anderen ist das insbesondere dann der Fall, wenn das Wettbewerbsverbot zwar von berechtigten Interessen der Gesellschaft getragen, aber wegen seiner gegenständlichen oder räumlichen oder zeitlichen Reichweite bzw. in seiner Gesamtschau unbillig ist, die Unbilligkeit aber auch durch die Gewährung bzw. Erhöhung einer Entschädigung ausgeglichen werden könnte. Im Ergebnis ist die Nichtigkeitsfolge des § 138 BGB also dann in analoger Anwendung des § 139 BGB zu durchbrechen, wenn ein entsprechender tatsächlicher oder hypothetischer Parteiwille erkennbar ist, wie die Parteien sich geeinigt hätten, wenn sie sich der Unzulässigkeit ihrer Regelung bewusst gewesen wären. Ist ein solcher Wille nicht erkennbar oder aber nicht bestimmbar, weil verschiedene Möglichkeiten der Regelungsanpassung bestehen – insbesondere wenn das berechtigte Interesse aus mehreren Gründen fehlt oder aber das Wettbewerbsverbot aufgrund seiner Gesamtumstände unzulässig ist oder die Billigkeit sowohl
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durch Reduktion der Vereinbarung als auch Zusage einer Entschädigung ausgeräumt werden kann – stellte eine Vertragsanpassung dagegen eine unzulässige richterliche Vertragsgestaltung dar und muss daher ausscheiden. Eine salvatorische Klausel im Anstellungsvertrag oder in der Wettbewerbsabrede, nach der das Wettbewerbsverbot im Falle seiner Unzulässigkeit auf das zulässige Maß reduziert und insoweit dann aufrechterhalten werden soll, hilft den Vertragsparteien nach der jüngsten Rechtsprechung nicht weiter, weil solche Klauseln lediglich zu Beweislaständerungen führen, nicht aber die Reduzierbarkeit von Abreden über die Grenzen des § 139 BGB hinaus eröffnen.
6. Ergebnis
Die Voraussetzungen des § 74a Abs. 1 HGB entsprechen den Prüfungskriterien, die Reichsgericht, BGH, OLGs und auch das BAG bereits seit jeher zur Beurteilung von Wettbewerbsverboten anhand von § 138 BGB herangezogen haben und heranziehen. Dies begründet sich mit Art. 12 Abs. 1 GG, der Beschränkungen der Berufsfreiheit nur unter strengen Voraussetzungen erlaubt. § 74a Abs. 1 HGB enthält mithin eine allgemeine Wertung, so dass es zulässig ist, Wettbewerbsverbote nach § 138 Abs. 1 BGB i.V. m. dem Wertgedanken des § 74a Abs. 1 HGB für sittenwidrig zu erachten, wenn sie nicht von berechtigten geschäftlichen Interessen des Begünstigten getragen sind oder eine unbillige Beschränkung des Fortkommens des Betroffenen darstellen. Bei der Auslegung und Anwendung der Kriterien des § 74a Abs. 1 HGB ist dabei – wiederum vor dem Hintergrund des Art. 12 Abs. 1 GG – auch im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB ein strenger Maßstab anzulegen und nicht etwa nur eine Evidenzkontrolle vorzunehmen. Ob ein berechtigtes Interesse gegeben ist, beurteilt sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles. Maßgeblich für die gegenständlich zulässige Reichweite des Verbotes ist dabei der Tätigkeitsbereich der Gesellschaft. Dieser kann eine Kundenschutzklausel oder aber ein Tätigkeitsverbot rechtfertigen. Auch das berechtigte Interesse in örtlicher Hinsicht beurteilt sich anhand des Tätigkeitsgebietes der Gesellschaft, während für den zeitlichen Rahmen § 74a Abs. 1 S. 3 HGB einen Grundsatz bietet. Nach Rechtsprechung und Literatur verflüchtigen sich Verbindungen und Kenntnisse nämlich regelmäßig innerhalb von zwei Jahren, so dass ein Wettbewerbsverbot grundsätzlich nur für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses zuzulassen ist. Ob ein Wettbewerbsverbot eine unbillige Beschränkung des Fortkommens darstellt, bemisst sich ebenfalls anhand der Gesamtumstände des Einzelfalles. Hinsichtlich der Bestimmung der grundsätzlich billigen gegenständlichen, örtlichen und zeitlichen Reichweite eines Wettbewerbsverbotes kann dabei von einem gewissen Gleichlauf zu den Grundsätzen des berechtigten Interesses ausgegangen werden. Trotz der unklaren Rechtsprechung findet bei Geschäftsführern aber
§ 2 Verzicht und Anrechnung anderweitigen Erwerbes
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auch die Zahlung einer Entschädigung im Rahmen der Billigkeitsprüfung Berücksichtigung. Die Zulässigkeit eines Wettbewerbsverbotes mit einem Geschäftsführer ist im Zeitpunkt des Ausscheidens des Geschäftsführers festzustellen. Dies entspricht zwar nicht dem Prüfungszeitpunkt des § 138 BGB, da die Sittenwidrigkeit nach diesem bei Abschluss des Rechtsgeschäftes gegeben sein muss. Es ist aber in Anbetracht der Wertung des Art. 12 Abs. 1 GG geboten. Nach dieser ist ein Wettbewerbsverbot nur dann zulässig, wenn es keine unzumutbare Beschränkung der Berufsfreiheit darstellt. Ob dies der Fall ist, kann aber nur im Zeitpunkt des Ausscheidens festgestellt werden. Verstößt ein Wettbewerbsverbot gegen § 138 Abs. 1 BGB i.V. m. § 74a Abs. 1 HGB, ist es also nicht von berechtigten Interessen der Gesellschaft getragen oder stellt es eine unbillige Beschränkung des Geschäftsführers dar, ist es entsprechend der Rechtsfolge des § 138 Abs. 1 BGB grundsätzlich nichtig. Eine geltungserhaltende Reduktion ist nur in den Grenzen des § 139 BGB und der hierzu nach und nach entwickelten Rechtsprechung zur sog. quantitativen Teilnichtigkeit von Rechtsgeschäften anzuerkennen. Bei Übertragung dieser Rechtsprechung ist – entgegen der herrschenden Rechtsprechung und Literatur – die geltungserhaltende Reduktion nicht nur bei zeitlicher Überschreitung der Zulässigkeitsgrenze, sondern auch bei gegenständlicher oder örtlicher Unzulässigkeit von Wettbewerbsverboten möglich. Entscheidend ist, dass im Vertrag Anhaltspunkte für eine Teilung erkennbar sind oder eine solche der allgemeinen Üblichkeit entspricht, so dass von einem hypothetischen Parteiwillen ausgegangen werden kann, das Wettbewerbsverbot in der reduzierten Form aufrechtzuerhalten. Ist nicht erkennbar, welche Lösung die Parteien bevorzugt hätten, scheidet die geltungserhaltende Reduktion wegen ansonsten unzulässiger richterlicher Vertragsgestaltung aus. Salvatorische Klauseln helfen nach jüngster Rechtsprechungsentwicklung nicht, da der BGH ihnen nur die Wirkung von Beweislastregelungen nach § 139 BGB zuerkennt. Eine geltungserhaltende Reduktion entsprechend § 74a HGB erscheint aber insbesondere vor dem Hintergrund der Rechtsunsicherheit auch bei Wettbewerbsverboten mit Geschäftsführern als sachgerecht.
§ 2 Verzicht und Anrechnung anderweitigen Erwerbes Neben der Frage, inwieweit die Regelungen und Wertungen der §§ 74 ff. HGB im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit nachvertraglicher Wettbewerbsvereinbarungen im engeren Sinne – also hinsichtlich des Vorliegens eines berechtigten Interesses, der Billigkeit der Wettbewerbsbeschränkung und der Notwendigkeit einer Karenzentschädigung – zur Konkretisierung des Sittenwidrigkeitsmaßstabes des § 138 Abs. 1 BGB Beachtung finden dürfen/müssen, ist insbesondere problematisch, ob und wenn unter welchen Voraussetzungen die weiteren Rege-
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lungen der §§ 74 ff. HGB, vor allem zum Verzichtsrecht und zur Anrechnung anderweitigen Erwerbes, zur Ergänzung der getroffenen Vereinbarungen Anwendung finden können bzw. wiederum bei der Beurteilung der Zulässigkeit entsprechender Abreden Einfluss ausüben. Zu Beginn dieser Arbeit wurde aufgezeigt, dass die Rechtsunsicherheit im Umgang mit nachvertraglichen Wettbewerbsverboten für Geschäftsführer insbesondere auf der unklaren Rechtsprechung dazu fußt, inwieweit die §§ 74 ff. HGB vertragsergänzend heranzuziehen sind. Hierfür wurde insbesondere auf die Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2008 hingewiesen, in welcher die analoge Heranziehung des § 74c HGB zur Eröffnung der in der Vereinbarung nicht geregelten Anrechnung anderweitigen Erwerbes abgelehnt und damit die Vertragsfreiheit gestärkt worden ist. Vor diesem Hintergrund soll im Folgenden untersucht werden, ob und unter welchen Voraussetzungen eine GmbH auf das vereinbarte Wettbewerbsverbot, das die Zahlung einer ausgleichenden Leistung vorsieht, verzichten bzw. auf eine zugesagte Entschädigung anderweitigen Erwerb des Geschäftsführers anrechnen kann. Hierbei wird danach differenziert, ob eine Regelung zur Verzichts- bzw. Anrechnungsmöglichkeit getroffen wurde oder nicht. Ziel der Prüfung soll dabei nicht die abschließende Feststellung sein, unter welchen Voraussetzungen eine GmbH verzichten bzw. anrechnen kann. Vielmehr soll der Prüfungsschwerpunkt darin liegen, grundlegend herauszuarbeiten, inwieweit die §§ 74 ff. HGB zur Vertragsergänzung bzw. als Wertmaßstäbe herangezogen werden können.
A. Verzichtsmöglichkeit der GmbH I. Verzichtsrechte nach § 75a und § 90a Abs. 2 HGB Sowohl in den §§ 74 ff. HGB als auch in § 90a HGB werden von Gesetzes wegen einseitige Verzichtsrechte eingeräumt. Nach § 75a HGB kann der Prinzipal vor Beendigung des Dienstverhältnisses durch schriftliche Erklärung auf das Wettbewerbsverbot mit der Wirkung verzichten, dass er mit dem Ablauf eines Jahres seit der Erklärung von der Verpflichtung zur Zahlung der Karenzentschädigung frei wird. Gemäß § 90a Abs. 2 HGB kann der Unternehmer bis zum Ende des Vertragsverhältnisses schriftlich auf die Wettbewerbsbeschränkung mit der Folge verzichten, dass er mit dem Ablauf von sechs Monaten seit der Erklärung von der Verpflichtung zur Zahlung der Entschädigung frei wird. II. Rechtsprechung des BGH zu Geschäftsführern Die Rechtslage hinsichtlich der Verzichtsmöglichkeit der GmbH ist dagegen unklar.
§ 2 Verzicht und Anrechnung anderweitigen Erwerbes
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1. Keine Verzichtsmöglichkeit vereinbart
Zunächst zur Rechtslage, wenn eine Verzichtsmöglichkeit vertraglich nicht geregelt ist: Im Jahre 1992 hat der BGH der auf Zahlung der in Höhe von 50 % des letzten Gehaltes zugesicherten Karenzentschädigung beklagten GmbH ein Verzichtsrecht analog § 75a HGB zugebilligt, obwohl ein solches nicht vereinbart gewesen ist. Die individuell ausgehandelte Vereinbarung sei § 74 HGB nachgebildet, so dass entsprechend dem Grundsatz, dass die Vertragspartner, wenn sie zu einem bestimmten Punkt keine Regelung träfen, insoweit meist die Ausgestaltung ihrer Beziehung den Gesetzesvorschriften überließen, auch § 75a HGB im Verhältnis zwischen GmbH und Geschäftsführer gelte. Aus der Tatsache, dass beiden Vertragspartnern die gesetzliche Regelung genau bekannt gewesen sei, ließe sich mangels hinreichender Anhaltspunkte nicht herleiten, dass die in Anlehnung an § 74 HGB getroffenen Abreden abschließend gedacht gewesen seien und die gesetzlichen Regelungen im Übrigen nicht ergänzend herangezogen werden könnten. Die entsprechende Anwendung des § 75a HGB scheide auch nicht wegen des besonderen Verhältnisses zwischen GmbH und Geschäftsführer aus. Die §§ 74 ff. HGB seien nämlich nicht generell unanwendbar: „Soweit die gesetzlichen Bestimmungen dagegen gerade zum Ziel haben, die besonderen Interessen des Unternehmens zu wahren, besteht kein Anlass, ihre entsprechende Anwendung auf das Verhältnis der Gesellschaft zu ihrem Geschäftsführer abzulehnen. Das in § 75a HGB [. . .] gegebene Recht, einseitig den anderen Teil von der Einhaltung der getroffenen Abrede zu entbinden, stellt eine solche Beschränkung der Wahrung seiner geschäftlichen Belange nicht dar, sondern will im Gegenteil die Interessenwahrnehmung des Unternehmens fördern. Da die nachvertraglich wirkende Wettbewerbsvereinbarung allein im Interesse des Unternehmens getroffen worden ist, ist es allein Sache der Gesellschaft, darüber zu entscheiden, ob sie von einer etwaigen konkurrierenden Tätigkeit ihres Geschäftsführers nach seinem Ausscheiden Nachteile zu gewärtigen hätte oder ob sich die Lage seit Vereinbarung des Wettbewerbsverbots so verändert habe, dass der Geschäftsführer aus der Verpflichtung entlassen werden kann. Der der genannten Rechtsprechung des Senats zugrundeliegende Gedanke, die GmbH davor zu schützen, sich bei der Wahrnehmung ihrer Interessen unangebrachte Beschränkungen auferlegen zu lassen, kann deshalb keine Rolle für die Frage spielen, ob eine Entlassung des Geschäftsführers aus dem Wettbewerbsverbot auch ohne ausdrückliche Vereinbarung möglich ist. Der Konflikt zwischen den Belangen des Unternehmens und denen seines früheren Organmitglieds, bei dem es darum geht, ob bei Anwendung der für andere Fallgestaltungen geschaffenen gesetzlichen Regelungen die Interessen der Gesellschaft sachgerecht gewahrt werden, stellt sich erst, wenn es darum geht, zu entscheiden, unter welchen näheren Bedingungen sich die Gesellschaft von der Wettbewerbsabrede lösen kann, ob etwa auch hier die Jahresfrist des § 75a HGB eingehalten werden muss und wann die Gesellschaft von einer etwa eingegangen Verpflichtung zur Zahlung einer Karenzentschädigung frei wird. [. . .] Ohne entsprechende Vereinbarung mit der Beklagten zu 1) kann der Kläger keine weitergehende Rücksichtnahme auf seine Belange erwarten, als sie der Ge-
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
setzgeber in § 75a HGB selbst für den regelmäßig schutzbedürftigeren Handlungsgehilfen für ausreichend sachgerecht erachtet hat.“ 297
Im Jahre 2002 hat der BGH sodann entscheiden müssen, ob eine GmbH, die sich für die Dauer eines einjährigen nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes zur Zahlung einer Karenzentschädigung in Höhe von 80 % der zuletzt gewährten Jahresbezüge vertraglich verpflichtet hatte, auf das Wettbewerbsverbot einseitig verzichten konnte, indem sie wenige Tage vor Ablauf der Kündigungsfrist und damit Beginn des Wettbewerbsverbotes den Verzicht erklärte. Der BGH hat hierzu lediglich ausgeführt: „Die Beklagte hat den Kläger bis zum Zugang ihres Schreibens [. . .] in dem Glauben gelassen, er müsse seinen künftigen Lebensunterhalt auf einem anderen, ihm weniger geläufigen Geschäftssektor als demjenigen der Beklagten suchen und könne dafür auf die Karenzentschädigung zurückgreifen. Auch wenn die Beklagten ihrerseits von der Hinfälligkeit des Wettbewerbsverbots nach der Kündigung ausgegangen sein sollte, ist ihr vorzuwerfen, dass sie diese im Rechtsstreit nachdrücklich verfochtene Ansicht nicht bei Ausspruch der Kündigung zum Ausdruck gebracht und damit eine der Kündigungsfrist entsprechende Dispositionsfrist gewahrt, sondern den Verzicht erst kurz vor Beendigung des Anstellungsvertrages und zu einem Zeitpunkt erklärt hat, in dem sie davon ausgehen musste, dass der Kläger sich auf die Geltung des Wettbewerbsverbots und die damit verbundenen Einschränkungen bei Aufbau einer neuen beruflichen Existenz eingerichtet hatte. Infolgedessen muss sie es hinnehmen, an die mit dem Kläger getroffene Vereinbarung gebunden zu bleiben.“ 298
Woraus sich das Verzichtsrecht ergeben, insbesondere ob – entsprechend der Entscheidung aus dem Jahre 1992 – § 75a HGB Anwendung finden sollte, hat der BGH nicht ausgeführt. Ebenso wenig hat er erläutert, woraus sich die Voraussetzung der zu wahrenden Dispositionsfrist ergeben solle.299 Auch wenn der BGH im Jahre 2008 nicht über ein Verzichtsrecht der GmbH, sondern darüber entscheiden musste, inwieweit eine GmbH ohne entsprechende Vereinbarung anderweitigen Erwerb des Geschäftsführers auf die zu zahlende Karenzentschädigung anrechnen durfte, ist diese Entscheidung auch für die hiesige Frage der Verzichtsmöglichkeit von Bedeutung. Im zu entscheidenden Fall hatte sich die klagende Geschäftsführerin für die Dauer von zwei Jahren gegen Zahlung einer Karenzentschädigung in Höhe von 50 % des zuletzt gezahlten Grund-Jahresgehaltes verpflichtet, keine Mandanten der GmbH abzuwerben. Der BGH hat die entsprechende Anwendung des § 74c Abs. 1 HGB abgelehnt. In seiner Begründung hat er zum einen mit dem Schutzzweck der Norm argumentiert. § 74c Abs. 1 HGB liege der Gedanke zugrunde, dem Arbeitnehmer keinen Anreiz für einen steten Arbeitsplatzwechsel oder gar ein Leben ohne Arbeit zu
297 298 299
Vgl. BGH, Urt. v. 17.2.1992 – II ZR 140/91, NJW 1992, 1892. Vgl. BGH, Urt. v. 4.3.2002 – II ZR 77/00, NJW 2002, 1875. Vgl. zur Kritik an dieser Rechtsprechung des BGH, Teil 1 § 4 B. I. 7. b) cc).
§ 2 Verzicht und Anrechnung anderweitigen Erwerbes
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bieten. Die Entlastung des Arbeitgebers von der Zahlung der Karenzentschädigung sei nicht der Zweck der Regelung, sondern nur der Reflex. Von diesem Schutzzweck sei der Geschäftsführer als Organ der Gesellschaft nicht betroffen. An dieser Stelle von wesentlich größerer Relevanz sind aber die weiteren Ausführungen des BGH: „Gegen eine entsprechende Anwendung des § 74c Abs. 1 HGB auf den Geschäftsführer spricht ferner, dass es sich bei ihm um eine speziell auf den zwingenden Charakter der Karenzentschädigung für den Handlungsgehilfen zugeschnittene Norm handelt. Ohne § 74c Abs. 1 HGB könnte der Prinzipal die Anrechnung anderweitigen Verdienstes auf die Entschädigung unter ihre Mindesthöhe nicht vereinbaren, ohne gegen die zwingende Vorschrift des § 74 Abs. 2 HGB zur Höhe der Karenzentschädigung zu verstoßen. Dem Geschäftsführer einer GmbH muss dagegen überhaupt keine Karenzentschädigung versprochen und später gezahlt werden (BGH v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, BGHZ 91, 1, 3; v. 4.3.2002 – II ZR 77/00, ZIP 2002, 709). Wird dennoch eine Entschädigung versprochen, können die Vertragsparteien ihre Höhe frei vereinbaren. Entsprechend unterliegen auch die Anrechnung und das Ausmaß der Anrechnung anderweitigen Verdienstes der freien Vereinbarung, von der sich im Übrigen die Gesellschaft durch die Entlassung des Geschäftsführers aus dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot auch einseitig lösen darf (BGH v. 17.2.1992 – II ZR 140/91, ZIP 1992, 543).“ 300
Sodann hat der BGH ergänzt, auch der Zweck der Karenzentschädigung gebiete nicht, anderweitigen Erwerb stets anzurechnen. Es könne auch eine zweckgerechte Entscheidung der GmbH sein, dem Geschäftsführer die Früchte zusätzlicher Anstrengungen zu belassen, die er unternehmen müsse, um in seinem bisherigen Tätigkeitsgebiet bei Einhaltung des Wettbewerbsverbotes weiter erwerbstätig zu sein oder sich ein neues Tätigkeitsfeld zu erschließen.301 Schließlich hat der BGH betont, es gebe keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, anderweitigen Erwerb auf eine vertraglich geschuldete Entschädigung anzurechnen. Als letzten Punkt hat der BGH festgehalten, die vertraglichen Vereinbarungen böten keine Anhaltspunkte, die Anrechnungsmöglichkeit im Wege ergänzender Vertragsauslegung anzunehmen.302 Der BGH hat die entsprechende Heranziehung des § 74c HGB also im Wesentlichen unter Verweis auf die Vertragsfreiheit der Parteien abgelehnt. Unmittelbar in diesem Zusammenhang hat er aber auf das nach der Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1992 anerkannte Recht der GmbH analog § 75a HGB einseitig auf das Wettbewerbsverbot zu verzichten hingewiesen.
300
Vgl. BGH, Urt. v. 28.4.2008 – II ZR 11/07, GmbHR 2008, 930 ff. Vgl. ebenso in Ergebnis und Begründung bereits: OLG Bremen, Urt. v. 22.12. 2006 – 4 U 22/06, n. v. 302 Vgl. zur Kritik an dieser Entscheidung, Teil 1 § 4 B. I. 8. b). 301
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote 2. Verzichtsmöglichkeit geregelt
Eine Entscheidung, in welcher sich der BGH mit einer durch GmbH und Geschäftsführer vereinbarten Verzichtsmöglichkeit auseinandersetzen und zu den einzuhaltenden Voraussetzungen Stellung nehmen musste, ist – soweit erkennbar – noch nicht ergangen.303 III. Rechtsprechung der zivilrechtlichen Instanzgerichte zu Geschäftsführern 1. Keine Verzichtsmöglichkeit vereinbart
Ob der GmbH ein einseitiges Verzichtsrecht, analog § 75a HGB oder aber im Sinne eines allgemeinen Rechtsgedankens, zusteht, wenn ein solches im Anstellungsvertrag nicht vereinbart worden ist, wird innerhalb der instanzgerichtlichen Rechtsprechung der Zivilgerichtsbarkeit unterschiedlich beurteilt. Das OLG Hamm, dem sich der BGH im Folgejahr angeschlossen hat304, hat bereits im Jahre 1991 § 75a HGB analog herangezogen und damit der GmbH ein einseitiges Verzichtsrecht eröffnet. In seiner Begründung hat es darauf hingewiesen, der BGH habe die analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB nicht generell, sondern nur hinsichtlich des § 74 HGB abgelehnt. Die schützenswerten Interessen des Klägers als Organmitglied und Vertragspartner der Beklagten [GmbH] ständen der analogen Anwendung des § 75a HGB nicht entgegen. Die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbotes erfolge generell im Interesse des Unternehmens und nicht im Interesse des Geschäftsführers. Sehe das Unternehmen aber keinen Anlass mehr, das vereinbarte Wettbewerbsverbot wahrzunehmen, entfalle die Rechtfertigung, das Unternehmen an dem vereinbarten Wettbewerbsverbot festzuhalten. Dem Geschäftsführer könne nicht daran gelegen sein, sich gegen den Willen des Unternehmens der Konkurrenz zu enthalten. Gebe das Unternehmen dem abhängig beschäftigten Geschäftsführer die Möglichkeit, seine Arbeitskraft und Fähigkeit anderweitig einzusetzen, entfalle das Interesse des Geschäftsführers an einer Entschädigung, und zwar jedenfalls nach Ablauf einer bestimmten Anpassungsfrist. Die Karenzentschädigung sei nicht primäres Interesse des ausscheidenden Geschäftsführers, sondern habe lediglich Entschädigungscharakter zum Ausgleich für die Einschränkung der Betätigungsfreiheit. Gerade diese Überlegung sei Inhalt des § 75a HGB, so dass es gerechtfertigt sei, diese Vorschrift entsprechend auch für Geschäftsführer anzuwenden, erst recht, wenn es sich um einen Fremdgeschäftsführer handele. Es sei nicht zu übersehen, dass die Parteien das Wettbewerbsverbot konkret entsprechend dem Regelfall des § 74 HGB ausgestaltet hätten, so dass sich die Frage stelle, warum der Kläger [Ge303 304
Vgl. Menke, NJW 2009, 636, 638. Vgl. zum Sachverhalt daher oben.
§ 2 Verzicht und Anrechnung anderweitigen Erwerbes
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schäftsführer] besser stehen solle als ein Handlungsgehilfe, für den die gesetzliche Regelung gelte.305 Wenige Jahre später hat das LG Frankfurt a. M. über einen nach Beendigung des Dienstverhältnisses ausgesprochenen Verzicht einer GmbH befunden. Der Anstellungsvertrag enthielt eine Wettbewerbsklausel, die dem Geschäftsführer für die zweijährige Dauer des Wettbewerbsverbotes eine Entschädigung in Höhe von 50 % der zuletzt bezogenen gesamten Jahresvergütung zusprach, auf welche er sich anderweitigen Verdienst anrechnen lassen müsse. Schließlich ordnete der Vertrag an, dass im Übrigen die gesetzlichen Vorschriften über Handlungsgehilfen entsprechend gelten. Das LG hat die angestrebte Befreiung der GmbH von der vertraglichen Entschädigungspflicht durch Verzicht unter Verweis auf § 75a HGB, nach dem auf das Wettbewerbsverbot nur vor der Beendigung des Dienstverhältnisses mit befreiender Wirkung für die Zahlungspflicht verzichtet werden könne, abgelehnt. § 75a HGB sei nach dem Urteil des BGH aus dem Jahre 1992 auch im Verhältnis zwischen GmbH zu ihrem Geschäftsführer entsprechend anwendbar, wenn keine gegenteilige Vereinbarung getroffen worden sei.306 Das OLG Koblenz hat einer GmbH im Jahre 1999 versagt, sich nach Beendigung des Anstellungsvertrages durch einseitigen Verzicht auf das Wettbewerbsverbot von ihrer Karenzentschädigungspflicht zu lösen. Sie hätte mit dem Kläger vereinbaren können, auch nach dem Ende des Geschäftsführervertrages unter Wegfall der Entschädigung auf das Wettbewerbsverbot verzichten zu können. Eine derartige Vereinbarung enthielt der Vertrag aber nicht. Er sah lediglich ein zweijähriges Wettbewerbsverbot für den Geschäftsführer und die Verpflichtung der GmbH, für die Dauer des Wettbewerbsverbotes an den Kläger eine einmalige Entschädigung in Höhe von DM 150.000,– zu zahlen vor.307 Das OLG Köln hat im Jahre 2000, der Entscheidung des BGH vom 4.3.2002 vorausgehend308 und die Grundsätze des BGH aus dem Jahre 1992 zugrunde legend, ein einseitiges Verzichtsrecht der GmbH analog § 75a HGB anerkannt.309 Des Schutzes durch die Jahresfrist des § 75a HGB, während der die GmbH zur Zahlung der Karenzentschädigung verpflichtet sei, bedürfe der Geschäftsführer im zu entscheidenden Fall nicht, da er bereits während der einjährigen Kündigungsfrist freigestellt worden sei. Das LG Erfurt hat in einer Entscheidung im Jahre 2008310 ein allgemeines Verzichtsrecht der GmbH ebenso wie die analoge Anwendung des § 75a HGB 305 306 307 308 309 310
Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 18.3.1991 – 8 U 277/90, NJW-RR 1991, 1000. Vgl. LG Frankfurt a. M., Urt. v. 20.4.1994 – 3/8 O 150/93, GmbHR 1994, 803. Vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 16.12.1999 – 6 U 982/97, NZG 2000, 653. Vgl. daher zum Sachverhalt oben. Vgl. OLG Köln, Urt. v. 4.2.2000 – 4 U 37/99, NZG 2000, 740. Vgl. LG Erfurt, Urt. v. 8.12.2008 – 1 HK O 209/08, veröff. in Juris.
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
zur Ergänzung der ohne Verzichtsrecht getroffenen Abrede abgelehnt. Streitgegenständlich war eine nachvertragliche Wettbewerbsabrede, die dem Geschäftsführer bei Fortzahlung seiner monatlichen Brutto-Grundvergütung in Höhe von A 15.000,– für die Dauer eines Jahres untersagte, in Wettbewerb zur GmbH zu treten. Das LG hat u. a. ausgeführt: „Der Anspruch des Klägers ist auch nicht durch die von der Beklagten [GmbH] abgegebene Verzichtserklärung in Fortfall geraten. Eine solche Möglichkeit sieht die Vereinbarung der Parteien über das Wettbewerbsverbot nicht vor. Es ist zudem nicht ersichtlich, dass die Vereinbarung der Parteien zum Wettbewerbsverbot nicht als abschließende Regelung gewollt war, sondern vielmehr einer Partei vorbehalten bleiben sollte, ihr nach Belieben die Wirksamkeit zu nehmen. Dies jedenfalls deshalb, weil im vorliegenden Fall nicht feststellbar ist, dass die Vereinbarung lediglich die Interessen der Beklagten wahren sollte. Vielmehr lässt sich aus der Höhe der Karenzentschädigung, nämlich der Fortzahlung der vollständigen Bezüge für die Dauer eines Jahres, ein Interesse des Klägers [Geschäftsführers] an ihrem Bestand nicht negieren.“
Zur entsprechenden Anwendung des § 75a HGB hat es sodann fortgesetzt: „Eine Möglichkeit, die Karenzentschädigung durch Verzicht auf das Wettbewerbsverbot zu vermeiden, kann auch nicht durch ergänzende Anwendung des § 75a HGB implementiert werden. Dies hält die Kammer schon rechtstechnisch für verfehlt. Ausgangspunkt ist, dass die §§ 74 ff. HGB auf das Vertragsverhältnis des Organs der Gesellschaft mit dieser nicht anwendbar sind. Der Geschäftsführer einer GmbH ist nicht deren kaufmännischer Handlungsgehilfe, weil seine Tätigkeit nicht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erbracht wird. Sein Rechtsverhältnis richtet sich vielmehr allein nach §§ 611 ff. BGB. Diese aber sehen eine § 75a HGB entsprechende Regelung nicht vor. Eine analoge Anwendung des § 75a HGB im Rahmen des Anstellungsverhältnisses eines Geschäftsführers kommt mangels planwidriger Regelungslücke nicht in Betracht. Dass §§ 611 ff. BGB eine solche Regelung nicht enthalten, ist nämlich nicht planwidrig. Insofern ist zu berücksichtigen, dass § 75a HGB nicht isoliert steht, sondern Teil eines Regelungsgefüges ist, welches den Schutz der wirtschaftlich unterlegenen Handlungsgehilfen bezweckt und im Rahmen eines die beiderseitigen Interessen berücksichtigenden und zum Ausgleich bringenden Regelungsprogramms sicherstellt. Dieser Anlass für das gesetzgeberische Eingreifen besteht im Rahmen der §§ 611 ff. BGB nicht grundsätzlich und hinsichtlich des Anstellungsverhältnisses eines Geschäftsführers grundsätzlich nicht.“
Diese Entscheidung scheint überraschend und zugleich die Rechtsunsicherheit umso deutlicher machend, da das LG abweichend von der nahezu einheitlichen oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung ein Verzichtsrecht der GmbH bzw. die analoge Anwendung des § 75a HGB abgelehnt hat. Das OLG München311 hat einer GmbH in einer Entscheidung im Jahre 2010 ein Verzichtsrecht zugesprochen, die analoge Anwendung des § 75a HGB aber ausdrücklich abgelehnt. Es hat sich mit einer Erklärung einer GmbH auseinander311 Vgl. OLG München, Urt. v. 28.7.2010 – 7 U 2417/10, GmbHR 2010, 1031, 1032 m. Anm. Diller, ArbR.Aktuell 2010, 458; Menke/Reissinger, EWiR 2011, 189.
§ 2 Verzicht und Anrechnung anderweitigen Erwerbes
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gesetzt, auf das für die Dauer von zwei Jahren vereinbarte nachvertragliche Wettbewerbsverbot zu verzichten, die drei Monate (18.12.2008) nach dem Ausspruch der außerordentlichen Kündigung des Geschäftsführerdienstverhältnisses durch den Geschäftsführer (3.9.2008) erfolgt ist. Im Ergebnis hat das OLG den – nach Beendigung des Anstellungsvertrages erklärten – Verzicht für wirksam erachtet und die Pflicht der GmbH zur Zahlung der Karenzentschädigung bis zu dem Zeitpunkt (31.12.2009) begrenzt, zu welchem dem Geschäftsführer nach seinem Ausspruch der außerordentlichen Kündigung (3.9.2008) mit der vertraglich vorgesehenen Kündigungsfrist hätte gekündigt werden können. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: „Die Bekl. war berechtigt, nach Beendigung des Anstellungsvertrags auf das Wettbewerbsverbot zu verzichten [. . .]. Dieser Verzicht wirkt sich auf die Zahlung der Karenzentschädigung aus, weil das Wettbewerbsverbot zum Schutz der Gesellschaftsinteressen dient (so ausdrücklich BGH v. 17.2.1992 – II ZR 140/91, NJW 1992, 1892 [1893] [. . .]). Allerdings ist auch das Dispositionsbedürfnis des Geschäftsführers zu berücksichtigen, der bis zur Ausübung des Verzichts auf das Wettbewerbsverbot davon ausgeht, er müsse seinen künftigen Lebensunterhalt auf einem anderen, ihm weniger geläufigen Geschäftssektor als demjenigen der Gesellschaft suchen und könne dafür auf die Karenzentschädigung zurückgreifen (so BGH v. 4.3.2002 – II ZR 77/ 00, NJW 2002, 1875 [1876] [. . .]. Die Verpflichtung zur Zahlung der Karenzentschädigung ist daher zeitlich begrenzt, bis der Geschäftsführer sich an die neue Lage anpassen und eine neue berufliche Tätigkeit finden kann [. . .]. Da die Parteien im Geschäftsführerdienstvertrag v. 27.5.2004 (. . .) keine Regelung für den Fall getroffen haben, dass die Bekl. nach Beendigung des Anstellungsvertrags auf das Wettbewerbsverbot verzichtet, ist die Frist für die Zahlung der Karenzentschädigung nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Interessen der beklagten Gesellschaft des Kl. zu bemessen [. . .]. § 75a HGB, der jedoch weder unmittelbar noch analog auf den GmbH-Geschäftsführer anwendbar ist, enthält eine Frist von einem Jahr ab dem Verzicht auf das Wettbewerbsverbot [. . .]. Der BGH hat in seiner Entscheidung v. 4.3.2002 – II ZR 77/00, NJW 2002, 1875 (1876) = GmbHR 2002, 431 auf eine der Kündigungsfrist entsprechende Dispositionsfrist abgestellt und die Pflicht zur – im konkreten Fall auf ein Jahr begrenzten – Karenzentschädigung auch deshalb nicht entfallen lassen, weil der Verzicht nicht mit dem Ausspruch der Kündigung zum Ausdruck gebracht worden ist. Legt man diese Rspr. zugrunde, ist danach zu fragen, mit welcher Frist und zu welchem Zeitraum die Bekl. dem Kl. nach dem 3.9.2008 hätte ordentlich kündigen können. Dies wäre nach § 7 Nr. 2 des Geschäftsführerdienstvertrags (. . .) mit Jahresfrist der 31.12.2009 gewesen. Bis zu diesem Zeitpunkt ist sie daher zur Zahlung der Karenzentschädigung verpflichtet, was vom Erstgericht verkannt wird.“ 2. Verzichtsmöglichkeit geregelt
Zur Frage, inwieweit die Vertragsparteien im Anstellungsvertrag ein Verzichtsrecht der GmbH vereinbaren können, das über die Grenzen des § 75a HGB hinausgeht, insbesondere weil es den Verzicht auch erst nach Beendigung des Dienstverhältnisses erlaubt oder aber die GmbH nach der Verzichtsausübung nur
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
für wenige Monate zur Fortzahlung der Karenzentschädigung verpflichtet, liegen bisher nur wenige Entscheidungen vor. Das OLG Düsseldorf hat im Jahre 1996 eine vertragliche Regelung für wirksam erachtet, nach der die Gesellschaft jederzeit mit einer Ankündigungsfrist von drei Monaten auf das Wettbewerbsverbot verzichten könne, und den nach der Beendigung des Dienstverhältnisses erklärten Verzicht der GmbH auf das Wettbewerbsverbot mit der Folge zugelassen, dass auch die Verpflichtung der GmbH zur Zahlung der Karenzentschädigung entfiel. Einem derartigen nachträglichen Verzicht stehe § 75a HGB nicht entgegen, da diese Vorschrift auf das Verhältnis einer GmbH zu ihrem Geschäftsführer ohne besondere vertragliche Vereinbarung nicht analog anwendbar sei. Es sei der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu folgen, die eine entsprechende Anwendung der in den §§ 74 ff. HGB verankerten sozialen Schutzrechte auf den zu einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot verpflichteten Geschäftsführer ablehne.312 Damit hat das OLG Düsseldorf der Rechtsprechung des OLG Celle entsprochen, das etliche Jahre zuvor zwar festgestellt hatte, die, wenn auch nur mit einer Frist bis zum Ablauf des folgenden Kalenderjahres, noch nach Beendigung des Dienstverhältnisses bestehende einseitige Verzichtsmöglichkeit der GmbH sei zwar mit § 75a HGB nicht ganz zu vereinbaren, begründe aber, insbesondere angesichts dessen, dass die Zusicherung von 2/3 der zuletzt bezogenen Vergütung eine nicht unerhebliche Besserstellung gegenüber dem Gesetz enthalte, nicht die Nichtigkeit des Wettbewerbsverbotes nach § 138 BGB.313 IV. Rechtsprechung des BAG bei Arbeitnehmern vor analoger Anwendung der §§ 74 ff. HGB Das BAG hat sich, soweit ersichtlich, bis zu seinem Rechtsprechungswechsel hin zur analogen Anwendung der §§ 74 ff. HGB auf alle Arbeitnehmer nicht damit auseinandergesetzt, ob § 75a HGB – wie auch § 74a Abs. 1 S. 1–3 und § 75 Abs. 1 HGB – einen allgemeinen Rechtsgrundsatz enthält bzw. auch ohne entsprechende Vertragsregelung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern Anwendung findet. V. Rechtsprechung bei anderen Personengruppen Auch findet sich keine Rechtsprechung zu nachvertraglichen Wettbewerbsabreden zwischen Gesellschaften und ihren Gesellschaftern, zwischen Mitgliedern 312
Vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.8.1996 – 6 U 150/95, NJW-RR 1997, 64. Vgl. OLG Celle, Urt. v. 21.9.1979 – 3 U 197/79, AP Nr. 4 zu § 161 HGB; bei einem AG-Vorstand erachtete das OLG München, Beschluss v. 14.11.2011 – 7 U 2882/ 11 einen auf der Grundlage einer entsprechenden individualvertraglichen Abrede ausgesprochenen Verzicht, nach dessen Ausspruch lediglich für einen Zeitraum von sechs Monaten eine Karenzentschädigung zu zahlen war, für wirksam. 313
§ 2 Verzicht und Anrechnung anderweitigen Erwerbes
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freiberuflicher Sozietäten oder Aktiengesellschaften und ihren Vorstandsmitgliedern, nach welcher ein einseitiges Verzichtsrecht ohne eine entsprechende vertragliche Vereinbarung analog § 75a HGB bzw. im Wege eines allgemeinen Grundsatzes anerkannt ist.314 In den Kommentaren zum Aktienrecht, in welchen nachvertragliche Wettbewerbsverbote für AG-Vorstände üblicherweise im Anschluss an die Kommentierung des gesetzlichen Wettbewerbsverbotes für die Dauer der Amtszeit nach § 88 AktG erörtert werden, wird teilweise der AG zwar ein einseitiges Verzichtsrecht entsprechend § 75a HGB zugebilligt, zum Beleg aber lediglich auf die oben genannten Entscheidungen des BGH hinsichtlich Geschäftsführern verwiesen.315 VI. Schutzzweck einer Verzichtsmöglichkeit Nach den knappen Hinweisen in den Kommentaren zu §§ 75a und § 90a HGB und den grundlegenden Ausführungen des BGH in seinem Urteil im Jahre 1992 werden nachvertragliche Wettbewerbsverbote allein im Interesse des Unternehmens getroffen.316 Die Vorschriften der § 75a und § 90a HGB erkennen daher das Recht des Arbeitgebers/Unternehmers zur einseitigen Lösung von der Wettbewerbsabrede an, wenn sein Interesse an der Einhaltung des Verbotes nachträglich, aber vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses/Handelsvertreterverhältnisses weggefallen ist.317 VII. Auffassungen der Literatur Ob und unter welchen Voraussetzungen eine GmbH einseitig auf ihr Wettbewerbsverbot verzichten kann, wird innerhalb der Literatur unterschiedlich beurteilt. Der Meinungsstand ist unübersichtlich. Dies resultiert zum einen insbesondere daraus, dass die Ausführungen in der Regel nicht ausdrücklich differenzieren, ob eine vertragliche Verzichtsregelung vorliegt oder nicht, zum zweiten zur Begründung des Verzichtsrechtes und seiner Voraussetzungen auf die Entscheidungen des BGH aus den Jahren 1992 und 2002 verwiesen wird, ohne kritische Auseinandersetzung damit, dass die Entscheidungen im Ergebnis unterschiedliche Voraussetzungen statuieren318 sowie drittens bei den Ausführungen zu bei314 Vgl. allgemein zur Anwendbarkeit der §§ 74 ff. HGB bei Freiberufler, Storf, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei den freien Berufen, S. 19 ff. 315 Vgl. die Nachweise unter VII. 316 Vgl. BGH, Urt. v. 17.2.1992 – II ZR 140/91, NJW 1992, 1892; Baumbach/Hopt, HGB § 75a Rn. 1. 317 Vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken, HGB, § 75a Rn. 1; HWK/Diller, § 75a HGB Rn. 1; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 75a Rn. 1; § 90 Rn. 52; Wagner, in: Röhricht/Graf von Westphalen (Hrsg.), HGB, § 75a Rn. 2; Staub, Großkomm.HGB/Weber, § 75a Rn. 2. 318 Vgl. Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 182 f.
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
den Fallvarianten die genannte BGH-Rechtsprechung aus den Jahren 1992 und 2002 zugrunde gelegt wird, obwohl es in den Entscheidungen nur um den Fall der fehlenden Verzichtsregelung ging. 1. Keine Verzichtsmöglichkeit vereinbart
a) Verzichtsrecht analog § 75a HGB aa) Herrschende Meinung: Analoge Anwendung des § 75a HGB Im Fall, dass die Vertragsparteien eine Verzichtsmöglichkeit der GmbH nicht geregelt haben, gesteht die überwiegende Meinung in der Literatur der GmbH mit der Rechtsprechung des BGH aus dem Jahre 1992 ein Verzichtsrecht analog § 75a HGB zu.319 Es gebe keinen Grund, Organmitglieder besser als Arbeitnehmer zu stellen, bei denen § 75a HGB auch ohne ausdrückliche Vereinbarung gelte.320 (1) Problem: Geltung des § 75a HGB auch hinsichtlich Tatbestand und Rechtsfolge? Unterschiedlich wird dann aber beurteilt, ob ein Verzichtsrecht auch über die Grenzen des § 75a HGB hinaus gegeben sein soll, insbesondere, ob ein Verzicht auch noch nach der Beendigung des Anstellungsvertrages möglich ist und dem Geschäftsführer die Karenzentschädigung nur für eine kürzere Zeit als nach § 75a HGB geschuldet wird. (2) Verzichtsrecht auch über § 75a HGB hinaus Eine Ansicht erachtet, weil keine entsprechende Abrede entgegenstehe, einen Verzicht der GmbH vor und nach Beendigung des Anstellungsvertrages für zuläs319 Vgl. Arens/Beckmann, Anwaltliche Beratung des GmbH-GF, § 2 Rn. 110; Bauer/ Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1090; dies., GmbHR 1999, 885, 893; dies., BB 1995, 1134, 1139; Bauer, DB 1992, 1413, 1417; ders., in: FS Schwerdtner, S. 441, 450; Oppenländer/Trölitzsch/Baumann, GmbH-Geschäftsführung, § 14 Rn. 27; Bergwitz, GmbHR 2007, 523, 526; Brandmüller, Der GmbH-Geschäftsführer im Gesellschafts-, Steuer- und Sozialversicherungsrecht, S. 67, 97; Dahlbender, GmbH-StB 2006, 273; Goette, in: FS Wiedemann, S. 873, 884; Heller, GmbHR 2000, 371, 374; Tschöpe/Hiekel, Anw.Hdb.ArbR, Teil 2 F, Rn. 6; Jäger, DStR 1995, 724, 729; Jula, Der GmbH-GF, S. 113; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anhang zu § 6 Rn. 25a; Kukat, BB 2001, 951, 954; Kunz, DB 1993, 2482, 2486; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 257; Reiserer/Heß-Emmerich/Peters, GmbH-GF, S. 50; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 182 (ohne Begründung); Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 203; offen lassend: Menke, NJW 2009, 636, 637; für AG-Vorstand: Jäger, AG § 21 Rn. 68; Großkomm.AktienG/Kort, § 88 Rn. 169; Spindler/Stilz, AktG, § 88 Rn. 48; MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rn. 52; Fleischer/Thüsing, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rn. 116; Münch.Hdb.GesR IV/Wiesner, § 21 Rn. 71; BeckOK GmbHG/Wisskirchen/Kuhn, § 6 Rn. 105. 320 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1090.
§ 2 Verzicht und Anrechnung anderweitigen Erwerbes
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sig.321 Im Hinblick auf die Arbeitgeberrolle des Geschäftsführers sowie seine im Verhältnis zum Arbeitnehmer üblicherweise bessere allgemeine wirtschaftliche Absicherung und die daraus folgende geringere soziale Schutzbedürftigkeit sei ein Verzicht nach Vertragsbeendigung nicht analog § 75a, § 90a HGB unzulässig. Auch eine zwingende gesetzliche Verpflichtung, im Verzichtsfall eine Karenzentschädigung für mindestens ein Jahr zu zahlen, lasse sich nicht mit der analogen Anwendung dieser Normen begründen.322 Vielmehr erscheine abweichend von § 75a HGB eine Übergangsfrist für den Geschäftsführer von einem halben Jahr für angemessen.323 Z. T. wird sogar eine Karenzentschädigungspflicht der GmbH von nur drei Monaten für ausreichend erachtet.324 Andererseits wird die Frist je nach den Umständen des Einzelfalles bemessen und davon ausgegangen, dass der entschädigungspflichtige Zeitraum desto länger zu bemessen ist, je später der Verzicht durch die Gesellschaft erklärt werde. § 75a HGB lasse sich aber die Wertung entnehmen, dass die Gesellschaft spätestens mit Ablauf eines Jahres seit der Verzichtsklärung von der Karenzentschädigungspflicht frei werde.325 Erklärungen, woraus sich dieses, die Regelung des § 75a HGB im Hinblick auf Tatbestand und Rechtsfolge übersteigende Verzichtsrecht der GmbH ergeben soll, bleiben die Ausführungen aber schuldig. Ein von den Grenzen des § 75a HGB abweichendes Verzichtsrecht wird teilweise unter Verweis auf die Rechtsprechung des BGH aus dem Jahre 2002 angenommen, ohne dass eine Auseinandersetzung damit erfolgt, dass zuvor mit Blick auf die Rechtsprechung des BGH aus dem Jahre 1992 ohne Einschränkung die analoge Anwendbarkeit des § 75a HGB festgestellt worden ist. Die GmbH könne sich ohne ausdrückliches Rücktrittsrecht durch Verzicht auf das Wettbewerbsverbot vor oder bei Kündigung des Anstellungsvertrages von der Karenzentschädigung unmittelbar lösen.326 Verzichte sie erst später, also nach der Kündigungserklärung, bleibe sie zwar an die Karenzentschädigungspflicht gebunden, schulde diese aber nur für eine begrenzte Zeit.327
321 Vgl. Jäger, DStR 1995, 724, 729; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 257; Hachenburg/Stein, GmbHG, § 35 Rn. 318; für AG-Vorstand: Spindler/Stilz, AktG, § 88 Rn. 48. 322 Vgl. Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 257 f. 323 Vgl. Hachenburg/Stein, GmbHG, § 35 Rn. 318; ebenso: Jäger, DStR 1995, 724, 729; für AG-Vorstand: Münch.Hdb.GesR IV/Wiesner, § 21 Rn. 71. 324 Vgl. Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 88 – zugunsten GmbH Verzichtsrecht analog § 75a HGB unterstellend. 325 Vgl. Goette, in: FS Wiedemann, S. 873, 885; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 258. 326 Vgl. Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 183; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 203; für AG-Vorstand: Fleischer/Thüsing, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rn. 116. 327 Vgl. Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 183.
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
(3) Verzichtsrecht nur entsprechend § 75a HGB Die Gegenansicht erkennt dagegen eine Verzichtsmöglichkeit der GmbH nur entsprechend der Regelung des § 75a HGB an.328 Der Lösungsansatz des BGH, dem sich auch die vorangehend geschilderte Literatur angeschlossen habe, sei weder interessengerecht noch überzeugend. Es könne nur ein Entweder/Oder geben. Sofern keine Verzichtsklausel vereinbart sei, müsse entweder § 75a HGB analog herangezogen oder aber dem Unternehmen dürfe kein Verzichtsrecht zugestanden werden.329 bb) Mindermeinung: Kein Verzichtsrecht analog § 75a HGB – Vorrang der Vertragsfreiheit Einige Vertreter lehnen ein Verzichtsrecht der GmbH generell ab. Die Vereinbarungen zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem Geschäftsleiter seien zu respektieren. Hätten die Parteien kein Rücktrittsrecht vom nachvertraglichen Wettbewerbsverbot vorgesehen, insbesondere auch nicht die entsprechende Anwendung der §§ 74 ff. HGB, seien sie an ihre Abrede gebunden. Richterliche Hilfe hin zu einem Rücktrittsrecht der GmbH verschöbe unzulässigerweise das Gefüge zulasten des Geschäftsführers. Die Gerichte könnten selbstverständlich bei Verstößen gegen § 138 Abs. 1 BGB eingreifen. § 138 BGB rechtfertige aber nicht die Korrektur vermeintlich unvollständiger, unausgewogener und lückenhafter Vereinbarungen. Es sei der GmbH zwar ungenommen, auf das Wettbewerbsverbot zu verzichten; von der Karenzentschädigungspflicht könne sie sich hierdurch aber nicht lösen.330 b) Verzichtsrecht als allgemeiner Rechtsgrundsatz? Nur sehr vereinzelt setzt sich die Literatur mit der Frage auseinander, ob der GmbH ein ungeschriebenes einseitiges Verzichtsrecht zusteht. Die Erörterung dieser Frage ist jedoch vor dem Hintergrund der BGH-Entscheidung aus dem Jahre 2002 geboten. In dieser ist der Verzicht nicht abgelehnt worden, weil die Tatbestandsvoraussetzungen des § 75a HGB nicht vorlagen. Vielmehr ist er als treuwidrig zurückgewiesen worden, weil die GmbH den Verzicht erst zwei Wochen vor Ablauf der Kündigungsfrist erklärt hatte. Die Literatur lehnt ein ungeschriebenes einseitiges Lösungsrecht des Unternehmens, bei welchem nicht die 328 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1090, dies., BB 1995, 1134, 1139; Heller, GmbHR 2000, 371, 372; Jula, Der GmbH-GF, S. 110, 114; Reufels/Schewiola, ArbRB 2008, 57; Thüsing, NZG 2004, 9, 11. 329 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote Rn. 1090. 330 Vgl. Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 88; Heidenhain, NZG 2002, 605 f.; für AG-Vorstand: KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 88 Rn. 37, 41.
§ 2 Verzicht und Anrechnung anderweitigen Erwerbes
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starre Jahresfrist des § 75a HGB gelte, sondern sich die Auswirkungen des Verzichtes auf die Zusage der Karenzentschädigung nach der wechselseitigen Interessenlage und der Billigkeit im jeweiligen Einzelfall richte, ab. Der BGH verstehe anders als das BAG ein Wettbewerbsverbot wohl nicht als gegenseitigen Vertrag i. S. d. §§ 320 ff. BGB, sondern als einseitig das Organmitglied belastende Nebenabrede des Anstellungsvertrages und die Karenzentschädigung daher nicht als synallagmatische Hauptleistungspflicht, sondern nur als akzessorische Kompensation des auferlegten Verbotes, solange es gelte. Diese Sichtweise könne aber nur dann überzeugen, wenn das Wettbewerbsverbot keine Entschädigung vorsehe, so dass seine Fortgeltung für das Organmitglied unter keinem Gesichtspunkt vorteilhaft sein könne. In dieser Konstellation beständen gegen ein ungeschriebenes, einseitiges Lösungsrecht keine Bedenken. Werde aber (freiwillig) eine Karenzentschädigung zugesagt, könne ein Verzicht der Gesellschaft mit den monetären Interessen des Geschäftsführers kollidieren.331 2. Verzichtsmöglichkeit geregelt
In Anbetracht dieser unsicheren Rechtslage hinsichtlich der Verzichtsmöglichkeit der GmbH bei Fehlen einer entsprechenden Vertragsabrede konzentriert sich die Literatur im Wesentlichen auf die Prüfung, inwieweit sich die GmbH zulässigerweise vertraglich ein Verzichtsrecht ausbedingen kann. Unter Berücksichtigung der Regelung des § 75a HGB wird insbesondere diskutiert, ob sich die GmbH vorbehalten kann, erst nach der Beendigung des Anstellungsverhältnisses zu verzichten und welche Dispositionsfrist für den Geschäftsführer zu wahren ist, um die Abrede nicht dem Verdikt der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB auszusetzen. a) Verzicht auch nach Beendigung des Vertrages Nach der einhelligen Auffassung ist es nicht unzulässig weil sittenwidrig, wenn sich GmbH und Geschäftsführer auf ein Verzichtsrecht der GmbH einigen, das sowohl vor als auch noch nach der Beendigung des Anstellungsverhältnisses ausgeübt werden kann.332 Für den Fall des Verzichtes nach Beendigung des Dienstverhältnisses müsse aber mehr noch als für einen Verzicht während des Dienstverhältnisses vorgesehen werden, dass die Karenzentschädigung für eine 331
Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote Rn. 1091. Vgl. Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885, 893; dies., Wettbewerbsverbote, Rn. 1093; Bauer, in: FS Schwerdtner, S. 441, 450; Bergwitz, GmbHR 2007, 523, 525; Brandmüller, Der GmbH-Geschäftsführer im Gesellschafts-, Steuer- und Sozialversicherungsrecht, S. 67 f.; Hoffmann-Becking, in: FS Quack, S. 282; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anhang zu § 6 Rn. 25a; Menke, NJW 2009, 636, 639; Reufels/Schewiola, ArbR 2008, 57, 61; Thüsing, NZG 2004, 9, 11; offen lassend: Heller, GmbHR 2000, 371, 374; für AG-Vorstand: MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rn. 52. 332
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
geraume Zeit nach Ausspruch des Verzichtes fortgezahlt wird.333 Es sei an bis zu sechs Monate oder die Dauer der Kündigungsfrist zu denken.334 b) Dispositionsfrist zugunsten des Geschäftsführers Dem Geschäftsführer ist nach der überwiegenden Ansicht zwar eine gewisse Dispositionsfrist zu gewähren; im Hinblick auf die geringere soziale Schutzbedürftigkeit könne diese aber kürzer als die Jahresfrist des § 75a HGB sein.335 Unzulässig sei es aber, wenn sich die Gesellschaft die vertragliche Möglichkeit einräumen ließe, auf das Wettbewerbsverbot mit der Wirkung eines sofortigen Entfallens der Karenzentschädigung zu verzichten.336 Hinsichtlich der Mindestdauer der den Geschäftsführer schützenden Dispositionsfrist bestehen dann aber unterschiedliche Vorstellungen. Betont wird, dass es auf die Umstände des Einzelfalles ankomme337 und der Grundsatz zu beachten sei, nach welchem der Zeitraum, für den die Karenzentschädigung noch zu zahlen sei, umso länger sei, desto später der Verzicht seitens der Gesellschaft erklärt werde.338 Teilweise wird eine Mindestfrist von sechs Monaten gefordert.339 Anderseits wird jedenfalls die Verkürzung auf die Dauer für zulässig erachtet, die der für den Anstellungsvertrag geltenden Kündigungsfrist entspricht. Durch die Bemessung der Kündigungsfrist hätten die Parteien zum Ausdruck gebracht, welchen Zeitraum sie als 333 Vgl. Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885, 893; dies., BB 1995, 1134, 1140; dies., Wettbewerbsverbote Rn. 1093; Bauer, in: FS Schwerdtner, S. 441, 450; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anhang zu § 6 Rn. 25a; offen lassend: Bergwitz, GmbHR 2007, 523, 525; aA: Hoffmann-Becking, in: FS Quack, S. 282; Menke, NJW 2009, 636, 639 unter Betonung der nach der aktuellen Rechtsprechung bestehenden weiten vertragsgestalterischen Spielräume. 334 Vgl. Bauer/Diller, BB 1995, 1134, 1140. 335 Vgl. Bauer, in: FS Schwerdtner, S. 441, 450; Bauer, DB 1992, 1413, 1417; Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885, 893; dies., BB 1995, 1134, 1139; dies., Wettbewerbsverbote, Rn. 1093; Bauer/von Medem, GWR 2011, 435, 437; Bergwitz, GmbHR 2007, 523, 526; Dahlbender, GmbH-StB 2006, 273; Goette, in: FS Wiedemann, S. 873, 885; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anhang zu § 6 Rn. 25a; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 258; für AG-Vorstand: MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rn. 52. 336 Vgl. Bauer, DB 1992, 1413, 1417; Bauer, in: FS Schwerdtner, S. 441, 450; Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885, 893; dies., BB 1995, 1134, 1139; dies., Wettbewerbsverbote, Rn. 1093; Dahlbender, GmbH-StB 2006, 273; Jaeger, Anstellungsvertrag des GmbH-GF, S. 180; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anhang zu § 6 Rn. 25a; aA: Bergwitz, GmbHR 2007, 523, 525 unter Verweis auf Privatautonomie; Menke, NJW 2009, 636, 639; Hoffmann-Becking, in: FS Quack, S. 282. 337 Vgl. Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885, 893; Bergwitz, GmbHR 2007, 523, 526; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anhang zu § 6 Rn. 25a; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 258. 338 Vgl. Bergwitz, GmbHR 2007, 523, 526; Goette, in: FS Wiedemann, S. 873, 885. 339 Vgl. Bauer/Diller, BB 1995, 1134, 1140; Dahlbender, GmbH-StB 2006, 273; Jäger, DStR 1995, 724, 729 (von sechsmonatiger Kündigungsfrist ausgehend); Reufels/ Schewiola, ArbR 2008, 57, 61.
§ 2 Verzicht und Anrechnung anderweitigen Erwerbes
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ausreichend für die Suche einer adäquaten neuen Position erachteten. Sei keine ordentliche Kündigungsfrist vereinbart, könne aber wiederum die übliche Kündigungsfrist von sechs Monaten zugrunde gelegt werden.340 Eine Dauer von nur drei Monaten wird als kritisch bewertet341; vier Wochen werden als unangemessen kurz abgelehnt.342 VIII. Stellungnahme Sowohl Rechtsprechung als auch Literatur sind hinsichtlich der Verzichtsmöglichkeit der GmbH unübersichtlich. Die zitierte BGH-Rechtsprechung betreffend den Fall, dass eine vertragliche Verzichtsregelung nicht gegeben ist, ist uneinheitlich. Zunächst die analoge Anwendung des § 75a HGB befürwortend, hat der BGH in der folgenden Entscheidung § 75a HGB nicht mehr erwähnt, sondern der GmbH ohne Preisgabe der dogmatischen Herkunft ein Verzichtsrecht zugesprochen und Voraussetzungen für dieses aufgestellt, die mit denen des § 75a HGB nicht übereinstimmen. In seiner jüngsten Rechtsprechung zur analogen Anwendbarkeit des § 74c HGB hat er zwar im Nebensatz – wiederum ohne Nennung einer gesetzlichen Grundlage – das einseitige Lösungsrecht der GmbH erwähnt, im Übrigen aber die Vertragsfreiheit von GmbH und Geschäftsführer betont und im Wesentlichen unter Verweis auf diese auch die Anwendung des § 74c HGB abgelehnt. Ob in Anbetracht dieser Entscheidung noch davon ausgegangen werden kann, dass der BGH der GmbH auch zukünftig analog § 75a HGB ein Verzichtsrecht zuspricht, erscheint daher fraglich. Die Literatur lässt eine kritische Auseinandersetzung mit dieser Rechtsprechung überwiegend vermissen und versucht – hierbei aber nicht deutlich zwischen den Fällen der fehlenden Verzichtsregelung und denen des Vorliegens einer Verzichtsregelung differenzierend – unter Berücksichtigung dieser Entscheidungen (lediglich) festzustellen, unter welchen Voraussetzungen ein Verzicht zulässigerweise erfolgen kann. Vor diesem Hintergrund soll im Folgenden – an der eingeführten Differenzierung danach, ob eine Verzichtsregelung besteht oder nicht, festhaltend – geprüft werden, ob und unter welchen Voraussetzungen der GmbH ein Verzichtsrecht zuzuerkennen ist. Hierfür soll sich insbesondere im ersten Fall des Fehlens einer Verzichtregelung eingehend mit der Rechtsprechung des BGH auseinandergesetzt werden. 340 Vgl. Bergwitz, GmbHR 2007, 523, 527; Jäger, DStR 1995, 724, 729 (von sechsmonatiger Kündigungsfrist ausgehend); Jaeger, Anstellungsvertrag des GmbH-GF, S. 180; Thüsing, NZG 2004, 9, 11. 341 AA: für AG-Vorstand: KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 88 Rn. 41. 342 Vgl. Bauer/Diller, BB 1995, 1134, 1140; Bergwitz, GmbHR 2007, 523, 527; offen lassend: Heller, GmbHR 2000, 371, 374; aA: Brandmüller, Der GmbH-Geschäftsführer im Gesellschafts-, Steuer- und Sozialversicherungsrecht, S. 66.
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote 1. Keine Verzichtsmöglichkeit vereinbart
a) Ergänzende Vertragsauslegung hin zu Verzichtsrecht analog § 75a HGB? Der BGH hat im Jahre 1992 in einem Fall, in welchem der Geschäftsführer sich gegen die Zahlung einer Karenzentschädigung in Höhe von 50 % seines letzten Gehaltes zur Wettbewerbsunterlassung für die Dauer von zwei Jahren verpflichtet hatte und im Anstellungsvertrag eine Verzichtsmöglichkeit nicht vorgesehen war, der GmbH „mangels entgegenstehender Vereinbarung“ das Recht zugesprochen, den Geschäftsführer in entsprechender Anwendung von § 75a HGB mit der Folge der Befreiung von der Karenzentschädigungspflicht zu entlassen.343 Den Zugriff auf § 75a HGB hat er sich im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eröffnet. Sei anzunehmen, die individuell ausgehandelte Vereinbarung sei dem § 74 HGB nachgebildet, entspreche die Heranziehung des § 75a HGB dem Grundsatz, dass die Vertragspartner, wenn sie zu einem bestimmen Punkt keine Regelung treffen, insoweit meist die Ausgestaltung ihrer Beziehungen den Gesetzesvorschriften überlassen. Aus der Tatsache, dass den beiden Vertragsparteien die gesetzliche Regelung genau bekannt gewesen sei, lasse sich mangels hinreichender Anhaltspunkte nicht herleiten, dass die in Anlehnung an § 74 HGB getroffenen Abreden abschließend gedacht gewesen seien und die gesetzlichen Regelungen im Übrigen nicht ergänzend herangezogen werden sollten. Die Literatur geht seit dieser Entscheidung fortan von der analogen Anwendung des § 75a HGB zugunsten der GmbH aus. Ob aber die vom BGH im geschilderten Fall vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung anhand des § 75a HGB überzeugen und der Entscheidung darüber hinaus ein über diesen Einzelfall hinausgehender Aussagegehalt zugemessen werden kann, erscheint fragwürdig. aa) Allgemeine Grundsätze ergänzender Vertragsauslegung Die ergänzende Vertragsauslegung dient dem Zweck, Lücken der rechtsgeschäftlichen Regelungen zu schließen.344 Sie kommt daher nur dann zum Zuge, wenn der Vertrag eine Regelungslücke, eine „planwidrige Unvollständigkeit“ aufweist. Eine solche ist dann gegeben, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zugrunde liegenden Regelungsplan zu verwirklichen; ohne die Vervollständigung des Vertrages muss eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen sein.345 Die Regelungslücke ist i. d. R. darauf zurückzuführen, dass die Parteien an einen bestimmten regelungs343
Vgl. BGH, Urt. v. 17.2.1992 – II ZR 140/91, NJW 1992, 1892, hierzu S. 52 ff. Vgl. Erman/Armbrüster, BGB, § 157 Rn. 15; Palandt/Ellenberger, § 157 Rn. 2. 345 Vgl. Erman/Armbrüster, BGB, § 157 Rn. 16; Palandt/Ellenberger, § 157 Rn. 2, 3, jeweils m.w. N. aus Rechtsprechung und Literatur. 344
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bedürftigen Punkt nicht gedacht haben, sie eine Regelung für nicht erforderlich hielten oder dass sich die bei Vertragsschluss bestehenden wirtschaftlichen oder rechtlichen Verhältnisse nachträglich geändert haben. Keine Lücke liegt dagegen vor, wenn die getroffene Regelung nach dem Willen der Parteien bewusst abschließend sein sollte. Eine Lücke kann nicht daraus hergeleitet werden, dass sich eine eindeutige Regelung als unbillig erweist.346 Für die Beurteilung, ob eine Lücke vorliegt, sind u. a. Wortlaut und Entstehungsgeschichte des Vertrages relevant. Dabei kommt auch die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit von Urkunden zum Tragen.347 Haben die Parteien keine vom Gesetz abweichende Regelung getroffen, so gehen sie i. d. R. davon aus, dass die gesetzliche Regelung gelten soll.348 Die ergänzende Vertragsauslegung scheidet aus, wenn die Vertragslücke durch die Heranziehung des dispositiven Gesetzesrechtes sachgerecht geschlossen werden kann. Sie findet mithin nur dann Anwendung, wenn eine Lücke besteht, für die das dispositive Recht keine oder keine interessengerechte Regelung enthält.349 Es kann aber auch in diesem Fall die am Parteiwillen orientierte Auslegung dazu führen, dass das dispositive Gesetzesrecht abbedungen sein soll.350 bb) Ergänzende Vertragsauslegung – § 75a HGB Nach diesen Grundsätzen dürften Rechtsprechung und Literatur nur dann § 75a HGB zur Begründung eines vertraglich nicht vorgesehenen Verzichtsrechtes der GmbH heranziehen, wenn das Fehlen einer Verzichtsregelung im zwischen GmbH und Geschäftsführer geschlossenen Anstellungsvertrag bzw. in der gesonderten Wettbewerbsabrede als planwidrige Unvollständigkeit zu qualifizieren und die Vorschrift des § 75a HGB im Sinne dispositiven Gesetzesrechtes zur Ergänzung der Vertragsabrede heranzuziehen wäre. (1) Planwidrige Unvollständigkeit der Wettbewerbsabrede Ob die Nichtregelung eines Verzichtsrechtes der GmbH eine planwidrige Unvollständigkeit der Vertragsabrede oder aber eine bewusste Entscheidung der Vertragsparteien darstellt, ist im jeweiligen Einzelfall im Wege der Auslegung der vertraglichen Regelungen und unter Berücksichtigung der Gesamtumstände festzustellen. Vor diesem Hintergrund erscheint es bereits fragwürdig, dass die 346
Vgl. MünchKommBGB/Busche, § 157 Rn. 54; Palandt/Ellenberger, § 157 Rn. 3. Vgl. Erman/Armbrüster, BGB, § 157 Rn. 16. 348 Vgl. Erman/Armbrüster, BGB, § 157 Rn. 16. 349 Vgl. Erman/Armbrüster, § 157 Rn. 19; Palandt/Ellenberger, § 157 Rn. 4; zum Verhältnis von ergänzender Auslegung und dispositivem Gesetzesrecht vgl. MünchKommBGB/Busche, § 157 Rn. 44 ff. 350 Vgl. Erman/Armbrüster, BGB, § 157 Rn. 19. 347
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
Literatur – ohne weitere Hinweise auf die Maßgeblichkeit der Einzelfallumstände, sondern alleine unter Verweis auf die zitierte Rechtsprechung des BGH – generell die analoge Anwendung des § 75a HGB zugunsten der GmbH festschreibt. Fraglich ist aber auch, ob dem BGH dahingehend gefolgt werden kann, im Falle einer in Anlehnung an § 74 HGB formulierten Wettbewerbsabrede vom Willen der Vertragsparteien auszugehen, dass ihre Regelung anhand der §§ 74 ff. HGB ergänzt und § 75a HGB daher nur bei entgegenstehender Vereinbarung nicht angewendet wird. Zwar ist es grundsätzlich richtig, die Übernahme einer gesetzlichen Formulierung als Indiz dahin zu werten, dass die Parteien auch im Übrigen das gesetzliche Regelungsmodell für sachgerecht erachten. Im Falle der Übernahme nur der Formulierung des § 74 HGB sollte bei Vereinbarungen zwischen GmbHs und ihren Geschäftsführern m. E. aber nicht grundsätzlich die Heranziehung der §§ 74 ff. HGB als eröffnet gesehen und nur bei entgegenstehender Vereinbarung von ihr Abstand genommen werden. Vielmehr sollte umgekehrt davon ausgegangen werden, dass ohne eine entsprechende Anordnung der Geltung der §§ 74 ff. HGB oder des Verweises auf § 75a HGB gerade nicht die Geltung der §§ 74 ff. HGB gewünscht wird. Für diese Sichtweise sprechen folgende Erwägungen: Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH und der zivilrechtlichen Instanzgerichte finden die §§ 74 ff. HGB auf nachvertragliche Wettbewerbsabreden zwischen GmbHs und Geschäftsführern keine entsprechende Anwendung. Die entsprechende Anwendung des § 74 Abs. 2 HGB bzw. des Grundsatzes der bezahlten Karenz lehnt der BGH ab. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass den Vertragsparteien bei Abschluss des Anstellungsvertrages bzw. der gesonderten Wettbewerbsabrede diese Rechtslage bekannt ist. Insbesondere, wenn die Parteien anwaltlich vertreten sind, der Vertrag durch einen Anwalt vorbereitet und den Parteien erläutert oder aber erkennbar unter Zuhilfenahme etwaiger Muster in einschlägiger Fachliteratur durch die Parteien erstellt und hierbei ein umfassendes Regelwerk geschaffen worden ist, kann nicht angenommen werden, den Parteien sei die Behandlung nachvertraglicher Wettbewerbsabreden unbekannt. Nur, wenn der Vertrag insgesamt sehr laienhaft und erkennbar an für Arbeitnehmer geltende gesetzliche Bestimmungen (z. B. entsprechende Kündigungsfrist) angelehnt ausgearbeitet worden ist, könnte daher die Annahme berechtigt sein, die Parteien hätten ihr Rechtsverhältnis hinsichtlich des Wettbewerbsverbotes auch in Anlehnung an die §§ 74 ff. HGB regeln wollen. In den übrigen Fällen kann dagegen wegen der Zusage einer Karenzentschädigung von mindestens 50 % und der Anlehnung der Formulierung an § 74 HGB noch nicht vom Willen der Parteien ausgegangen werden, ihre Wettbewerbsabrede entsprechend den §§ 74 ff. HGB zu regeln. Ein derartiger Automatismus zugunsten der Geltung der §§ 74 ff. HGB missachtete vielmehr die Vertragsfreiheit der Parteien. Ihnen hätte es freigestanden,
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auf die §§ 74 ff. HGB insgesamt oder einzelne Normen, insbesondere § 75a HGB, zu verweisen oder entsprechende Regelungen in ihre Abrede aufzunehmen. Haben sie hiervon Abstand genommen oder dies auch schlichtweg vergessen, gilt das zwischen ihnen Vereinbarte, sofern und solange sie sich nicht auf eine abweichende (Aufhebungs-)Vereinbarung verständigen.351 Wird GmbH und Geschäftsführer durch Gesetzgeber und Rechtsprechung weitgehende Vertragsfreiheit bei der Ausgestaltung ihres Rechtsverhältnisses und auch ihrer wettbewerblichen Regelungen zugesprochen, kann den Parteien nicht andererseits bei Übernahme der Formulierung einer gesetzlichen Vorschrift ohne weitere Bezugnahme auf die sonstigen Regelungen sogleich unterstellt werden, sich ihrer Vertragsfreiheit zu begeben und die entsprechende Geltung auch der sonstigen gesetzlichen Regelungen zu wollen. Hierfür spricht auch, dass es kein Sonderfall ist, dass sich GmbH und Geschäftsführer in uneingeschränkter Vertragsfreiheit hinsichtlich des Wettbewerbsverbotes an sich, der Zahlung einer Karenzentschädigung und auch der sonstigen Modalitäten zum Umgang mit dem Wettbewerbsverbot, wie Verzichtsmöglichkeit aber auch Anrechenbarkeit anderweitigen Erwerbes, gegenüberstehen. Auch Wettbewerbsverbotsvereinbarungen zwischen Gesellschaften und ihren Gesellschaftern genießen die nicht durch spezielle gesetzliche Vorschriften eingeschränkte Vertragsfreiheit. Der Ansatz des BGH, § 75a HGB finde Anwendung, wenn die Parteien eine § 74 HGB entsprechende Abrede aufgenommen hätten, stößt ferner dann an die Grenzen seiner Praktikabilität aber auch Plausibilität, wenn zwar Aufbau und Formulierungen grundsätzlich § 74 HGB entsprechen, abweichend von diesem aber eine Karenzentschädigung von weniger als der geforderten „mindestens die Hälfte der zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Vergütungen“ gewährt wird. Aber auch, wenn eine Karenzentschädigung von wesentlich mehr als den geforderten mindestens 50 % zugesagt wird, kann richtigerweise nicht mehr vom Willen der Vertragsparteien ausgegangen werden, die Regelung ihres Rechtsverhältnisses in diesem Punkt den gesetzlichen Vorschriften der §§ 74 ff. HGB zu überlassen. Der BGH hätte sich also, wenn er sich in seiner Entscheidung im Jahre 2002 auf seine Ausführungen aus dem Jahre 1992 bezogen und konsequenterweise die Frage der ergänzenden Vertragsauslegung durch analoge Anwendung des § 75a HGB aufgeworfen hätte, damit auseinandersetzen müssen, ob tatsächlich der Wille der Parteien angenommen werden könne, die §§ 74 ff. HGB anzuwenden. Sie hatten nämlich eine Karenzentschädigung in Höhe von 80 % vereinbart. Insofern hätte es eingehender Ausführungen bedurft, um nachzuweisen, dass es nicht die bewusste Entscheidung der Parteien zugunsten eines Wettbewerbsverbotes gegen Zahlung der sehr hohen Entschädigung in Höhe von 80 % und unter Verzicht weiterer Regelungen wie Verzichtsmöglichkeit oder Anrechenbarkeit ander-
351
Vgl. ebenso: LG Erfurt, Urt. v. 8.12.2009 – 1 HK O 209/08, juris.
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
weitigen Erwerbes gewesen ist, so dass die Annahme eines Verzichtsrechts entsprechend § 75a HGB ausscheide. Seine Argumentation, entspreche die Abrede grundsätzlich § 74 HGB, sei vom Willen der Vertragsparteien zugunsten der Anwendung auch der übrigen Regelungen der §§ 74 ff. HGB auszugehen, hat der BGH schließlich in seiner Entscheidung aus dem Jahre 2008 hinsichtlich der entsprechenden Anwendung des § 74c HGB (Anrechenbarkeit anderweitigen Erwerbes) selbst nicht mehr vertreten.352 Streitgegenständlich war eine Wettbewerbsklausel, nach welcher die Geschäftsführerin für die Dauer von zwei Jahren gegen Zahlung einer Karenzentschädigung in Höhe von 50 % des zuletzt gezahlten Jahresgrundgehaltes verpflichtet war, keine Mandanten der GmbH abzuwerben. Der BGH hat die entsprechende Anwendung des § 74c HGB unter Verweis auf den nicht einschlägigen Schutzzweck, vor allem aber den speziell auf den zwingenden Charakter der Karenzentschädigung nach § 74 Abs. 2 HGB gegebenen Zuschnitt der Norm abgelehnt. Dem Geschäftsführer müsse keine Karenzentschädigung versprochen werden, weswegen auch die Höhe einer insoweit dann freiwilligen Entschädigung aber auch die Anrechnung und auch das Ausmaß der Anrechnung anderweitigen Erwerbes der freien Vereinbarung unterlägen. Der BGH betont mit dieser Entscheidung mithin die Vertragsfreiheit der Vertragsparteien. Es sei ihnen überlassen, ob sie, wenn sie eine freiwillige Karenzentschädigung gewährten, die Anrechnung anderweitigen Erwerbes vorsähen oder aber sich – aus welchen Motivationsgesichtspunkten auch immer – gegen eine solche Anrechnungsregelung entschieden. Der hinsichtlich der analogen Geltung des § 75a HGB in der Entscheidung aus dem Jahre 1992 statuierte Automatismus, nach dem die §§ 74 ff. HGB „mangels entgegenstehender Vereinbarung“ anzuwenden sind, wenn die Wettbewerbsabrede an sich § 74 HGB entspricht, wird in der Entscheidung also nicht erneut angenommen. Im Gegenteil geht der BGH mit der hier vertretenen Auffassung davon aus, dass sich die Parteien grundsätzlich bewusst sind, dass die §§ 74 ff. HGB keine entsprechende Anwendung finden, die GmbH also grundsätzlich nicht verpflichtet ist, eine Karenzentschädigung zu gewähren und die Regelungen der §§ 74 ff. HGB nicht zur Anwendung gelangen, wenn sie nicht einzeln oder insgesamt in Bezug genommen werden, so dass die Nichtregelung der Anrechenbarkeit anderweitigen Erwerbes als bewusste Entscheidung der Parteien zu verstehen ist. Geht der BGH aber bei einer Wettbewerbsabrede mit einer Karenzentschädigungszusage der GmbH in Höhe von 50 % der zuletzt gewährten Vergütung davon aus, dass die Nichtregelung der Anrechenbarkeit anderweitigen Erwerbes eine bewusste Entscheidung der Vertragsparteien darstellt, die insoweit zu respektieren ist, kann er andererseits der GmbH fortan kein Verzichtsrecht mehr analog § 75a HGB zugestehen und eine bewusste Entscheidung der Ver352 Vgl. BGH, Urt. v. 28.4.2008 – II ZR 11/07, GmbHR 2008, 930 ff.; hierzu S. 63 ff.
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tragsparteien zugunsten der Nichtregelung einer Verzichtsmöglichkeit in Abrede stellen. Es sind keine Gründe erkennbar, aufgrund welcher der BGH trotz gleicher Sachverhaltslage der GmbH weiterhin ein Verzichtsrecht analog § 75a HGB zusprechen, die analoge Anwendung des § 74c HGB aber ablehnen könnte. (2) § 75a HGB als lückenfüllendes Gesetzesrecht Das LG Erfurt hat eine planwidrige Regelungslücke abgelehnt, weil die einschlägigen §§ 611 ff. BGB eine Verzichtsregelung nicht enthielten und die Implementierung eines Verzichtsrechtes durch ergänzende Anwendung des § 75a HGB rechtstechnisch verfehlt sei.353 Diese Aussage impliziert die überdies aufzuwerfende Frage, ob die Heranziehung des § 75a HGB nicht bereits deswegen ausscheiden könne, weil es sich bei dieser Norm nicht um zur Ergänzung dieses Anstellungsvertragsverhältnisses geeignetes lückenfüllendes Gesetzesrecht handelt. In Teil 2 dieser Arbeit wurde eingehend dargestellt, dass die §§ 74 ff. HGB auf das Verhältnis zwischen GmbH und Geschäftsführer keine entsprechende Anwendung finden. Das Anstellungsverhältnis einer GmbH zu ihrem Geschäftsführer richtet sich nach den getroffenen Vereinbarungen und den §§ 611 ff. HGB. § 75a HGB stellt somit kein geeignetes lückenfüllendes Gesetzesrecht dar. Auch vor diesem Hintergrund ist der Rückgriff auf § 75a HGB abzulehnen. (3) Zwischenergebnis Die Ergänzung des Anstellungsvertrages bzw. der Wettbewerbsabrede um eine Verzichtsmöglichkeit der GmbH analog § 75a HGB widerspräche dem Willen der Vertragsparteien und missachtete insoweit ihre Vertragsfreiheit. Sie ist daher abzulehnen. Der Heranziehung der Norm stände zudem entgegen, dass sie mangels entsprechender Geltung der §§ 74 ff. HGB im Verhältnis von GmbH und Geschäftsführer nicht zur Füllung einer Vertragslücke dienen kann. Im Ergebnis steht der GmbH also im Fall, dass sie sich im Anstellungsvertrag bzw. der Wettbewerbsabrede ein einseitiges Verzichtsrecht nicht ausbedungen hat, kein Recht zu, analog § 75a HGB auf das Wettbewerbsverbot mit der Folge der Lösung von der Karenzentschädigungspflicht zu verzichten. Es steht den Parteien aber frei, sich hinsichtlich der Aufhebung des Wettbewerbsverbots zu verständigen. Ebenso kann die GmbH auf das Wettbewerbsverbot ohne Befreiung von der Karenzentschädigungspflicht verzichten. b) Anerkennung eines Verzichtsrechtes als allgemeiner Rechtsgrundsatz? Im Jahre 2002 hat es der BGH einer GmbH versagt, sich durch wenige Tage vor Ablauf der einjährigen Kündigungsfrist erklärten, vertraglich nicht vorge353
Vgl. LG Erfurt, Urt. v. 8.12.2009 – 1 HK O 209/08, veröff. in Juris.
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
sehenen Verzicht von einem mit dem Geschäftsführer gegen Zahlung einer Karenzentschädigung in Höhe von 80 % der zuletzt gewährten Jahresbezüge vereinbarten einjährigen Wettbewerbsverbot und der Karenzentschädigungspflicht zu befreien. Ohne darzulegen, woraus sich das Verzichtsrecht der GmbH trotz fehlender entsprechender vertraglicher Regelung überhaupt ergeben solle, hat der BGH dieses mit der Begründung abgelehnt, die Beklagte hätte bereits bei Ausspruch der Kündigung zum Ausdruck bringen müssen, dass sie ihrerseits von der Hinfälligkeit des Wettbewerbsverbots nach Ablauf der Kündigungsfrist ausgehe und damit dem Geschäftsführer eine der Kündigungsfrist entsprechende Dispositionsfrist einräumen müssen. Durch Erklärung des Verzichtes erst kurz vor der Beendigung des Anstellungsvertrages habe sie sich nicht mehr von der Vereinbarung mit dem Geschäftsführer lösen können. In diesem Zeitpunkt habe sie vielmehr davon ausgehen müssen, dass der Kläger sich auf die Geltung des Wettbewerbsverbotes und die damit verbundenen Einschränkungen beim Aufbau einer neuen beruflichen Existenz eingerichtet hat. Das Verzichtsrecht der GmbH scheiterte im Fall mithin allein daran, dass dem Geschäftsführer keine hinreichende Dispositionsfrist, für welche wohl jedenfalls die Kündigungsfrist ausreichend gewesen wäre, gewährt worden ist. Vom grundsätzlichen Bestehen eines einseitigen Verzichtsrechtes der GmbH scheint der BGH dagegen – ohne Eröffnung seiner dogmatischen Grundlage – ausgegangen zu sein. Im Jahre 2008 hat der BGH die Anrechnung anderweitigen Erwerbes analog § 74c HGB mit der Begründung abgelehnt, dass die Anrechnung und das Ausmaß der Anrechnung anderweitiger Verdienste der freien Vereinbarung unterlägen, und dabei unter Verweis auf seine Entscheidung aus dem Jahre 1992 ergänzt, dass sich die Gesellschaft von dieser freien Vereinbarung im Übrigen durch die Entlassung des Geschäftsführers aus dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot auch einseitig lösen dürfe.354 In der zitierten Entscheidung aus dem Jahre 1992355 hatte der BGH aber ein Verzichtsrecht analog § 75a HGB angenommen und kein einseitiges Verzichtsrecht der GmbH begründet. Im Anschluss an bzw. im Gleichlauf mit diesen Entscheidungen des BGH ist die Entscheidung des OLG München356 aus dem Jahre 2010 zu sehen. Das OLG hat der GmbH ein Recht zum Verzicht zugesprochen, ohne dies zu begründen. Es hat festgehalten, dass sich der Verzicht auf die Zahlung der Karenzentschädigung auswirke, weil das Wettbewerbsverbot zum Schutz der Gesellschaftsinteressen bestehe und zur Begründung auf die Entscheidungen des BGH aus dem Jahre 1992 sowie 2002 verwiesen. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2002 hat es sich dann mit der erforderlichen Dispositionsfrist zu354
Vgl. BGH, Urt. v. 28.4.2008 – II ZR 11/07, GmbHR 2008, 930 ff. Vgl. BGH, Urt. v. 17.2.1992 – II ZR 140/91, NJW 1992, 1892. 356 Vgl. OLG München, Urt. v. 28.7.2010 – 7 U 2417/10, GmbHR 2010, 1031, 1032 m. Anm. Diller, ArbR-Aktuell 2010, 458. 355
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gunsten des Geschäftsführers auseinandergesetzt und diese in Anlehnung an die genannte BGH-Entscheidung bis zum nächstmöglichen Termin festgelegt, zu welchem die GmbH nach der außerordentlichen Kündigung des Geschäftsführers das Anstellungsverhältnis hätte ordentlich kündigen können. § 75a HGB, so hat das OLG mit Blick auf die in der Norm enthaltene Jahresfrist festgehalten, finde weder unmittelbar noch analog Anwendung. Ob aber dem BGH und im Anschluss an diesen dem OLG München dahingehend gefolgt werden kann, dass der GmbH unabhängig der getroffenen Vereinbarungen und auch der Höhe der Karenzentschädigung (in der Entscheidung des BGH im Jahre 2002 immerhin 80 % der Bezüge) ein einseitiges Verzichtsrecht auf das Wettbewerbsverbot mit der Folge des Entfallens auch der Karenzentschädigungspflicht zusteht, erscheint sehr fraglich. Dogmatische Grundlage eines solchen einseitigen Verzichtsrechtes könnte nur ein allgemeiner Rechtsgrundsatz sein, nach welchem sich die GmbH auch ohne vertragliche Regelung vom vereinbarten Wettbewerbsverbot mit der Folge des Entfallens der Karenzentschädigung lösen kann, wenn ihr Interesse am Wettbewerbsverbot entfallen ist. § 90a Abs. 2 HGB eröffnet dem Unternehmer wie § 75a HGB dem Prinzipal den Verzicht auf die Wettbewerbsabrede. Aus dem Bestehen der gesetzlichen Regelungen der §§ 75a, 90a HGB wird erkennbar, dass das Interesse des durch das Wettbewerbsverbot Geschützten, sich von dem vereinbarten Wettbewerbsverbot und vor allem der Karenzentschädigungspflicht befreien zu wollen, anerkannt ist. Sowohl § 75a HGB als auch § 90a HGB lassen einen von der Entschädigung befreienden Verzicht aber nur unter bestimmten Voraussetzungen zu. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist die Karenzentschädigung weiter zu gewähren. Aus den Normen wird daher deutlich, dass der Gesetzgeber für die Verhältnisse zwischen Handlungsgehilfen und Prinzipalen bzw. Handelsvertretern und Unternehmern beide Vertragsparteien schützende Verzichtregelungen, nicht aber ein darüber hinausgehendes, generelles einseitiges Verzichtsrecht von Prinzipalen bzw. Unternehmern für sachgerecht erachtet hat. Ein als allgemeiner Rechtsgrundsatz anzuerkennendes einseitiges Recht der GmbH357, bei Entfallen ihres Interesses auf das eine ausgleichende Leistung vorsehende Wettbewerbsverbot zu verzichten, wäre letztlich nur dann anzuerkennen, wenn eine Wettbewerbsvereinbarung zwischen GmbH und Geschäftsführer allein im Interesse der GmbH getroffen würde und entgegenstehende Interessen des Geschäftsführers nicht beständen bzw. nicht anzuerkennen wären. Die Literatur begründet teilweise die analoge Anwendbarkeit des § 75a HGB bei Fehlen einer Verzichtsregelungsvereinbarung mit dem allgemeinen Hinweis, Wettbewerbsverbote würden nur im Interesse der GmbH vereinbart. Dem ist in357 Im Folgenden verstanden als ein solches, das von der Karenzentschädigungspflicht befreit.
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
sofern zu folgen, als dass treibende Kraft für die Aufnahme einer nachvertraglichen Wettbewerbsabrede in den Anstellungsvertrag sicherlich grundsätzlich allein die GmbH ist. Es ist zunächst ihr Interesse, zum Schutz ihrer Kunden/Mandanten und/oder der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot zu vereinbaren. Ebenso wenig ist zu leugnen, dass Geschäftsführer in Anbetracht der Beschränkung ihrer verfassungsrechtlich garantierten und geschützten Berufsfreiheit (Art. 12 GG) grundsätzlich kein Interesse an einem Wettbewerbsverbot haben und daher seine vorzeitige Aufhebung auch in ihrem Sinne ist. Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass auch der Geschäftsführer ein Interesse an seinem Wettbewerbsverbot und damit auch an dessen Aufrechterhaltung und der daraus folgenden Beschränkung seiner Berufsfreiheit hat. Das ist z. B. dann anzunehmen, wenn ihm eine sehr hohe Karenzentschädigung zugesichert worden ist (vgl. auch im Fall aus dem Jahre 2002: 80 % der vorherigen Bezüge) und/oder er ggf. unter großem persönlichen Einsatz und Opfer bereits eine Existenz außerhalb des verbotenen Tätigkeitsfeldes geplant und die Fortzahlung der Karenzentschädigung hierbei einkalkuliert hat oder aber wegen der aufgebrachten Mühen jedenfalls als billig empfindet. Zwar entspräche es auch in diesen Fällen dem verfassungsrechtlichen Interesse an möglichst geringen Beschränkungen der Berufsfreiheit und auch dem Ziel des nationalen und auch europäischen Wettbewerbsrechtes an weitestgehend freiem Wettbewerb, wenn der GmbH die Möglichkeit gegeben würde, sich vom vereinbarten Wettbewerbsverbot zu lösen, sobald ihr Interesse hieran entfallen ist. Wird sie im Falle ihres Verzichtes aber nicht zugleich von ihrer Karenzentschädigungspflicht befreit, wird ihr Interesse am einseitigen Verzicht ohne weitere Folgen indes nur sehr gering sein, so dass sie den Verzicht i. d. R. nicht erklären wird. Den monetären oder sonstigen Interessen des Geschäftsführers kann aber unter Verweis auf diese Erwägungen die Berücksichtigungsfähigkeit nicht versagt und ein einseitiges Verzichtsrecht der GmbH für den Fall, dass dem Geschäftsführer eine ausgleichende Leistung zugesagt worden ist, anerkannt werden. Dies liefe der Vertragsfreiheit zuwider. Steht es GmbH und Geschäftsführer in Ausübung ihrer Vertragsfreiheit offen, ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot gegen Zahlung einer Karenzentschädigung zu vereinbaren, kann nicht später den bei Abschluss der Vereinbarung durch den Geschäftsführer durchgesetzten Interessen die Berechtigung versagt werden, indem die Bindung der Parteien an ihre in Ausfluss ihrer gegenläufigen Interessen getroffene Vereinbarung zugunsten des Verzichtsrechtes einer Partei aufgehoben wird. Aus diesem Grund kann dem Geschäftsführer die Berufung auf sein Interesse an der Aufrechterhaltung des Wettbewerbsverbotes und damit auch der Fortzahlung der Karenzentschädigungspflicht auch nicht unter Verweis auf die mit der Karenzentschädigung in § 74 Abs. 2 HGB verbundenen, nach der Verzichtsausübung aber – jedenfalls nach einer angemessenen Dispositionsfrist – nicht mehr greifenden, gesetzgeberischen Schutzzwecke verweigert werden. Die Karenzent-
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schädigungspflicht nach § 74 Abs. 2 HGB dient zum einen der Abschreckung der Prinzipale, Wettbewerbsverbote zu vereinbaren. Sie gewährleistet zum anderen eine Gegenleistung bzw. ein Entgelt für das Wettbewerbsverbot und soll den Lebensunterhalt sichern. Im Falle eines Verzichtes auf das Wettbewerbsverbot steht es dem Betroffenen aber wieder uneingeschränkt offen, seinen Beruf auszuüben. Jedenfalls nach einer hinreichenden Übergangsfrist liegt daher eigentlich kein Grund mehr vor, die Verpflichtung zur Zahlung der Karenzentschädigung als Gegenleistung bzw. als Entgelt zur Sicherung des Lebensunterhaltes aufrechtzuerhalten. Diesem Gedanken trägt § 75a HGB für die Handlungsgehilfen Rechnung. Er kann aber auf das Rechtsverhältnis von GmbH und Geschäftsführer nicht uneingeschränkt übertragen werden. Wie ausgeführt, ist die GmbH nicht in jedem Fall zwingend verpflichtet, eine Karenzentschädigung zu zahlen. Vielmehr liegt es bei ihr, ob sie eine Karenzentschädigung oder auch andere vertragliche Ausgleichsleistungen im Hinblick auf den Umfang und die ansonsten drohende Unbilligkeit des Wettbewerbsverbotes zusagt. Ebenso steht es ihr frei, sich mit dem Geschäftsführer auf eine Verzichtsmöglichkeit zu einigen. Es herrscht mithin weitgehende Vertragsfreiheit. Haben die Vertragsparteien in Ausübung dieser Vertragsfreiheit aber keine einseitige Verzichtsmöglichkeit geregelt, kann der GmbH bei Entfallen ihres Interesses am Wettbewerbsverbot kein allgemeines Verzichtsrecht mit der Folge des Entfallens der Karenzentschädigungspflicht eingeräumt werden, indem die entgegenstehenden Interessen des Geschäftsführers auf Fortzahlung der freiwilligen Karenzentschädigung unter Verweis auf die Schutzgedanken der Karenzentschädigung nach § 74 Abs. 2 HGB negiert werden. Es steht den Parteien jederzeit offen, das Wettbewerbsverbot aufzuheben oder abzuändern, wenn beide Parteien, also auch der Geschäftsführer, an der Aufrechterhaltung der Vereinbarung kein Interesse (mehr) haben. Ein einseitiges Recht der GmbH, auf das Wettbewerbsverbot zu verzichten, wenn sie das Interesse an ihm verloren hat, besteht aber nur dann, wenn keine Interessen des Geschäftsführers an der Aufrechterhaltung der Abrede entgegenstehen können, weil dem Geschäftsführer insbesondere keinerlei ausgleichende Leistungen zugesagt worden sind. Bestehen dagegen Interessen des Geschäftsführers an der Aufrechterhaltung der Abrede, ist ein einseitiges Recht der GmbH, auf das Wettbewerbsverbot mit der Folge des Entfallens der ausgleichenden Leistungen, insbesondere einer Karenzentschädigungspflicht zu verzichten, nicht anzuerkennen. c) Ergebnis Entgegen der Rechtsprechung und der ganz überwiegenden Literatur steht der GmbH nach hiesiger Auffassung kein einseitiges Verzichtsrecht zu, wenn ein solches nicht vertraglich vereinbart worden ist.358 Ein Verzichtsrecht lässt sich we358 Vgl. ebenso: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 88; Heidenhain, NZG 2002, 605 f.; für AG-Vorstand: KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 88 Rn. 41.
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
der im Wege der Ergänzung des Anstellungsvertrages anhand § 75a HGB noch durch Anerkennung eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes, nach welchem die GmbH sich einseitig von der Wettbewerbsabrede und der daraus folgenden Karenzentschädigungspflicht lösen kann, wenn sie ihr Interesse verloren hat, begründen. Die Ergänzung des Vertrages um ein Verzichtsrecht der GmbH scheidet bereits mangels planwidriger Unvollständigkeit des Anstellungsvertrages aus. Allein die Übernahme der Formulierung des § 74 HGB genügt nicht, um den Parteien zu unterstellen, die Heranziehung des Regelungssystems der §§ 74 ff. HGB insgesamt zu wünschen. Vielmehr ist im Gegenteil davon auszugehen, dass die Parteien die Rechtslage hinsichtlich nachvertraglicher Wettbewerbsvereinbarungen kennen und sich ihrer Gestaltungsmöglichkeit bewusst sind. Vereinbaren sie dennoch kein Verzichtsrecht der GmbH bzw. verweisen sie nicht auf § 75a HGB oder aber die §§ 74 ff. HGB insgesamt, stellt dies daher eine bewusste Entscheidung dar, der die analoge Anwendung des § 75a HGB zuwiderliefe. § 75a HGB könnte ferner, selbst wenn eine planwidrige Unvollständigkeit des Vertrages gegeben wäre, wohl nicht zur Ergänzung herangezogen werden, da die §§ 74 ff. HGB nach richtiger Auffassung auf Geschäftsführer keine entsprechende Anwendung finden und daher nicht zur Lückenfüllung dienen können. Der GmbH steht ein einseitiges Verzichtsrecht auch nicht im Wege eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes zu. Vereinbaren GmbH und Geschäftsführer ein Wettbewerbsverbot gegen Zahlung einer Karenzentschädigung kann der Geschäftsführer unabhängig davon, dass ihm durch die Verzichtsausübung durch die GmbH die Beschränkung seiner Berufsfreiheit genommen würde, berechtigte Interessen haben, die bei einer einseitigen Verzichtsmöglichkeit der GmbH unberücksichtigt blieben. 2. Verzichtsmöglichkeit geregelt
Vor dem Hintergrund der unübersichtlichen Rechtsprechung empfiehlt die Literatur den GmbHs einhellig, sich Verzichtsmöglichkeiten auszubedingen. a) Prüfungsmaßstab Verzichtsregelungen im Anstellungsvertrag bzw. der Wettbewerbsabrede sind an § 138 Abs. 1 BGB zu messen; die §§ 75a, 90a HGB dienen hierbei als Wertmaßstäbe. In der Literatur umstritten ist, wie dargestellt, ob – insoweit dann in Abweichung von den §§ 75a, 90a HGB – auch ein Verzicht nach Beendigung des Vertrages zulässigerweise vorgesehen werden kann und ob und wie lange dem Geschäftsführer eine Dispositionsfrist einzuräumen und ihm die Karenzentschädigung fortzugewähren ist.
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b) Verzichtsmöglichkeit auch nach Beendigung des Vertrages Der Prinzipal kann nach § 75a HGB „vor der Beendigung des Dienstverhältnisses“, der Unternehmer nach § 90a Abs. 2 HGB „bis zum Ende des Vertragsverhältnisses“ auf das Wettbewerbsverbot mit der Folge der Lösung von der Karenzentschädigungspflicht verzichten. Fraglich ist, ob den Normen die allgemeine Wertung entnommen werden kann, dass eine Verzichtsmöglichkeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses grundsätzlich unbillig ist, so dass eine entsprechende Regelung in einem Anstellungsvertrag nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig wäre. Dies ist im Ergebnis abzulehnen. Die §§ 75a, 90a HGB regeln gesetzliche Verzichtsmöglichkeiten für Prinzipale und Unternehmer. Sie sind Bestandteile der gesetzgeberischen Gesamtkonzeptionen zur Regelung der Rechtsverhältnisse von Handlungsgehilfen und Prinzipalen bzw. Handelsvertretern und Unternehmern hinsichtlich nachvertraglicher Wettbewerbsvereinbarungen. Daher ist den Normen keine gesetzgeberische Grundentscheidung gegen die Zulässigkeit von Verzichtregelungen für die Zeit nach der Beendigung des Dienstverhältnisses zu entnehmen. Eine Regelung, nach der eine GmbH den Verzicht auch erst nach der Beendigung des Anstellungsvertrages ausüben kann, erscheint auch im Übrigen nicht als mit dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht denkenden unvereinbar. Entscheidend ist vielmehr, ob die Rechtsposition des Geschäftsführers in der vertraglichen Regelung hinreichend Beachtung gefunden hat. Dies hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, ist aber insbesondere dann anzunehmen, wenn zu seinen Gunsten vorgesehen ist, dass die GmbH erst nach Ablauf einer bestimmten Frist von der Karenzentschädigungspflicht frei wird.359 c) Wahrung von Dispositionsfrist mit Dauer der vereinbarten Kündigungsfrist Nach § 75a HGB wird der Prinzipal „mit dem Ablauf eines Jahres seit der [Verzichts-]Erklärung von der Verpflichtung zur Zahlung der Entschädigung frei“, der Unternehmer wird nach § 90a Abs. 2 HGB „mit dem Ablauf von sechs Monaten seit der [Verzichts-]Erklärung von der Verpflichtung zur Zahlung der Entschädigung frei“. Die Literatur ist zwar der Auffassung, dass GmbH und Geschäftsführer auch eine kürzere Frist als die Jahresfrist des § 75a HGB vereinbaren können, erachten sodann aber unterschiedliche Zeiträume für hinreichend.360 359 Vgl. zur Zulässigkeit eines – allerdings vertraglich nicht vorgesehenen Verzichts – nach der Beendigung des Anstellungsverhältnisses: OLG München, Urt. v. 28.7.2010 – 7 U 2417/10, GmbHR 2010, 1031, 1032 m. Anm. Menke/Reissinger, EWiR 2011, 189, 190. 360 Vgl. Teil 3 § 2 A. VII. 1. a) aa) (2).
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
Eine einheitliche Dispositionsfrist in Form einer Monatsfrist zu bestimmen, erscheint vor dem Hintergrund des Prüfungsmaßstabes des § 138 Abs. 1 BGB als schwierig. Welche Dispositionsfrist zu gewähren ist, um die Vereinbarung dem Verdikt der Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB zu entziehen, ist stets eine Frage des Einzelfalles. Maßgeblich hierfür sind m. E. insbesondere die Branche, in der der Geschäftsführer bei der GmbH bisher tätig (gewesen) ist, und die Reichweite des Wettbewerbsverbotes in sachlicher, räumlicher und auch zeitlicher Hinsicht. Von diesen Kriterien hängt ab, wie schnell es dem Geschäftsführer objektiv möglich ist, sich auf die geänderte Situation einzustellen und eine entsprechende Beschäftigung zu finden, so dass es nicht unbillig ist, die Karenzentschädigungszahlung entfallen zu lassen. Kann der Geschäftsführer nach dem Verzicht (bei Verzicht vor Beendigung des Anstellungsvertrages) weiter bzw. (bei Verzicht erst nach Beendigung des Anstellungsvertrages) wieder in einem hochspezialisierten Bereich, in welchem es nur wenige Stellen gibt, tätig werden, wird eine längere Dispositionsfrist geboten sein, da die Suche nach einer geeigneten Stelle längere Zeit in Anspruch nehmen wird. Ebenso wenn das Wettbewerbsverbot in sachlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht sehr weit war, so dass sich der Geschäftsführer bis zur Verzichtsausübung auf einem ihm fachlich fernen oder räumlich weit entfernten Stellenmarkt bemühen musste und sich nicht mehr mit dem für ihn nunmehr wieder offenstehenden Stellenmarkt befasst hat. Vor dem Hintergrund dieser Kriterien bietet sich als geeigneter Anhaltspunkt für die sachgerechte Dauer der zu wahrenden Dispositionsfrist die zwischen den Parteien vereinbarte Kündigungsfrist.361 Auf sie haben sich die Parteien bei Abschluss des Anstellungsvertrages geeinigt, so dass anzunehmen ist, dass nicht nur die GmbH die Frist als hinreichend erachtete, um sich einen neuen Geschäftsführer zu suchen, sondern auch der Geschäftsführer davon ausgegangen ist, in dieser Zeit eine neue Stelle finden zu können.362 Dabei musste er zu diesem Zeitpunkt sogar noch erschwerend davon ausgehen, dass er sich eine Stelle außerhalb des durch das Wettbewerbsverbot festgelegten Konkurrenzgebietes suchen müsste, was mit Mehraufwand verbunden gewesen wäre. Es müsste ihm daher möglich sein, in der Dispositionsfrist von der Dauer der Kündigungsfrist eine geeignete Stelle in seiner Branche zu finden. Dieser Ansatz, die mindestens einzuräumende Dispositionsfrist an die vereinbarte Kündigungsfrist anzulehnen, hat den Vorteil, dass stets die jeweiligen Um-
361 Vgl. ebenso: Bergwitz, GmbHR 2007, 523, 527; Jäger, DStR 1995, 724, 729; MünchKommGmbHG/Jaeger, § 35 Rn. 388; Jaeger, Anstellungsvertrag des GmbH-GF, § 15 S. 180; Thüsing, NZG 2004, 9, 11; in diesem Sinne auch der BGH, Urt. v. 4.3.2002 – II ZR 770/00, NJW 2002, 1876, 1876 sowie das OLG München, Urt. v. 28.7.2010 – 7 U 2417/10, GmbHR 2010, 1031, 1032 m. Anm. Menke/Reissinger, EWiR 2011, 189, 190 bei einem vertraglich nicht vorgesehenen Verzichtsrecht. 362 Vgl. Jaeger, Anstellungsvertrag des GmbH-GF, § 15 S. 181.
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stände des betroffenen Falles Beachtung finden. Trotzdem kann der Praxis eine einheitliche Frist bzw. ein einheitliches Kriterium an die Hand gegeben werden. Unter Zugrundelegung dieses Ansatzes könnte sich eine GmbH dann von der Wettbewerbsvereinbarung mit der Folge lösen, nicht mehr zur Zahlung der Karenzentschädigung verpflichtet zu sein, wenn sie den Verzicht zugleich mit ihrer Kündigung ausspricht. Dies hat auch der BGH in seiner Entscheidung im Jahre 2002 angenommen. In Anbetracht der Tatsache, dass im zugrundeliegenden Fall ein Verzichtsrecht nicht vereinbart war, ist dies für die hiesigen Ausführungen aber ohne Bedeutung. Ebenso kann sich die GmbH im Falle der Kündigung des Anstellungsverhältnisses durch den Geschäftsführer von dem Wettbewerbsverbot samt der Karenzentschädigung durch unverzügliche Verzichtserklärung nach Erhalt der Kündigung entsagen. Dagegen bleibt die GmbH zur Zahlung der Karenzentschädigung noch über die Dauer der vereinbarten Kündigungsfrist hinaus verpflichtet, wenn sie den Verzicht erst nach der Kündigungserklärung bzw. nicht unverzüglich nach Erhalt des Kündigungsschreibens des Geschäftsführers erklärt. Dies gilt unabhängig davon, ob der Verzicht vor oder nach Beendigung des Anstellungsvertrages erklärt wird. Fraglich ist, ob abweichend hiervon ausnahmsweise Entschädigungslosigkeit aufgrund kompensierender sonstiger vertraglicher Leistungen anzuerkennen ist. Dies wird in der jüngeren Literatur teilweise angenommen. Es fehle am Unbill der Erschwerung der Berufsausübung, wenn der Geschäftsführer für die Gewährung einer weitgehenden Verzichtsoption entsprechend entschädigt werde. So könne ein höheres (Fix-)Gehalt dafür versprochen werden, dass der Geschäftsführer sich auf die Verzichtsmöglichkeit der GmbH unter sofortigem Wegfall der Entschädigung einstelle.363 Der GmbH steht es m. E. offen, sich mit dem Geschäftsführer auf ein jederzeitiges entschädigungsloses Verzichtsrecht zu einigen, wenn sie für die Möglichkeit der Ausübung des Verzichtes erst nach Erklärung oder Erhalt der Kündigung des Dienstverhältnisses umfassende Leistungen erbringt, die die Entschädigungslosigkeit zu kompensieren geeignet sind. Allerdings müssten dann ausdrückliche Regelungen hierzu getroffen werden. Allein die Zahlung eines höheren Fixgehaltes oder sonstiger Leistungen werden dagegen nach lebensnaher Auslegung wohl nicht dahingehend zu verstehen sein, dass sich der GmbH durch diese die – ggf. gar nicht zu ergreifende – Möglichkeit eines entschädigungslosen Verzichts eröffnen will. d) Ergebnis GmbH und Geschäftsführer können im Anstellungsvertrag oder in der Wettbewerbsabrede festlegen, unter welchen Voraussetzungen die GmbH berechtigt sein 363
Vgl. Menke, NJW 2009, 636, 640.
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
soll, auf das Wettbewerbsverbot mit der Folge des Entfallens der Karenzentschädigungspflicht zu verzichten. Es ist nicht unzulässig, ein Verzichtsrecht der GmbH sowohl für die Zeit vor als auch die Zeit nach Beendigung des Anstellungsvertrages zu vereinbaren. Zugunsten des Geschäftsführers ist aber in jedem Fall eine hinreichende Dispositionsfrist zu wahren. Hinsichtlich dieser kann sich an der zwischen den Vertragsparteien vereinbarten Kündigungsfrist orientiert werden. Die GmbH wird also jedenfalls erst nach Ablauf einer Zeitspanne von der Dauer der Kündigungsfrist von der Karenzentschädigungspflicht frei. 3. Ergebnis
Haben die Vertragsparteien kein Verzichtsrecht der GmbH vereinbart, kann sich die GmbH nicht durch einseitigen Verzicht von der Wettbewerbsabrede mit der Folge des Entfallens der Karenzentschädigungspflicht lösen. Vielmehr bleiben die Parteien an das Wettbewerbsverbot gebunden. Selbstverständlich steht es ihnen aber frei, ihre Abrede einvernehmlich aufzuheben oder abzuändern. Auch kann die GmbH auf das Wettbewerbsverbot verzichten, ohne sich von ihrer Karenzentschädigungspflicht zu befreien. Ein einseitiges Verzichtsrecht analog § 75a HGB steht ihr dagegen nicht zu. Haben die Parteien nicht auf diese Normen verwiesen oder die §§ 74 ff. HGB für anwendbar erklärt, ist davon auszugehen, dass sie sich bewusst gegen die Regelung eines Verzichtsrechtes der GmbH entschieden haben oder aber sich nicht einigen konnten. Ebenso wenig kommt der GmbH ein einseitiges Verzichtsrecht i. S. e. allgemeinen Rechtsgrundsatzes zugute, sich vom Wettbewerbsverbot mit der Folge des Entfallens auch der Karenzentschädigungspflicht lösen zu können, wenn ihr Interesse am Wettbewerbsverbot entfallen ist. Ein solcher Rechtsgrundsatz ist wegen der möglicherweise entgegenstehenden und ebenfalls zu berücksichtigenden Interessen des vom Wettbewerbsverbot Betroffenen, hier des Geschäftsführers, an der Aufrechterhaltung des Wettbewerbsverbotes und damit auch der Karenzentschädigungspflicht nicht anzuerkennen. Die Parteien können sich zulässigerweise auf ein Verzichtsrecht der GmbH mit der Folge des Entfallens der Karenzentschädigungspflicht sowohl für die Zeit vor als auch nach der Beendigung des Anstellungsvertrages einigen. Erforderlich ist aber, dass dem Geschäftsführer eine hinreichende Dispositionsfrist gewährt wird, deren Dauer an der vereinbarten Kündigungsfrist zu bemessen ist. Erst nach Ablauf dieser Frist wird die GmbH von der Karenzentschädigungspflicht frei, unabhängig davon, ob sie den Verzicht vor oder nach Beendigung des Anstellungsvertrages erklärt hat.
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B. Anrechnung anderweitigen Erwerbes I. Gesetzliche Regelung nur in § 74c HGB Nach § 74c Abs. 1 HGB muss sich der Handlungsgehilfe „auf die fällige Karenzentschädigung anrechnen lassen, was er während des Zeitraumes, für den die Entschädigung gezahlt wird, durch anderweitige Verwertung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt“ [. . .]. § 90a HGB enthält dagegen keine gesetzliche Regelung der Anrechnung anderweitigen Erwerbes des Handelsvertreters. II. Rechtsprechung des BGH 1. Keine Vereinbarung der Anrechnung
Der BGH hat im Jahre 2008, wie bereits im Rahmen der Verzichtsproblematik umfassend geschildert, ebenso wie schon im Jahre 1991364, entschieden, dass die Regelung des § 74c HGB auf die zwischen einer GmbH und ihrem Geschäftsführer vereinbarte Wettbewerbsabrede, in welcher keine Regelung zur Anrechenbarkeit anderweitigen Erwerbes auf die zugesicherte Karenzentschädigung365 getroffen worden ist, keine entsprechende Anwendung findet.366 Im Wesentlichen hat er dies mit der Vertragsfreiheit von GmbH und Geschäftsführer begründet. Dem Geschäftsführer einer GmbH müsse überhaupt keine Karenzentschädigung versprochen und später gezahlt werden. Werde dennoch eine Entschädigung zugesagt, könnten die Vertragsparteien ihre Höhe frei vereinbaren. Entsprechend unterlägen auch die Anrechnung und das Ausmaß der Anrechnung anderweitigen Verdienstes der freien Vereinbarung, von der sich im Übrigen die Gesellschaft durch die Entlassung aus dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot auch einseitig lösen dürfe. Auch geböte weder der Zweck der Karenzentschädigung die Anrechnung anderweitigen Erwerbes, noch handele es sich bei der Anrechenbarkeit anderweitigen Verdienstes um einen allgemeinen Rechtsgedanken.367 2. Anrechenbarkeit anderweitigen Erwerbes geregelt
Eine Entscheidung hinsichtlich einer zwischen GmbH und Geschäftsführer getroffenen Anrechnungsregelung hat der BGH dagegen soweit ersichtlich noch nicht treffen müssen.
364
Vgl. BGH, Urt. v. 15.4.1991 – II ZR 214/89, NJW-RR 1991, 993. Im zu entscheidenden Fall in Höhe von 50 % des zuletzt gezahlten Grundjahresgehaltes. 366 Vgl. BGH, Urt. v. 28.4.2008 – II ZR 11/07, GmbHR 2008, 930, ablehnende Anm. Diller, BeckRS 2008, 11735. 367 Vgl. BGH, Urt. v. 28.4.2008 – II ZR 11/07, GmbHR 2008, 930. 365
398
3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
III. Rechtsprechung der zivilrechtlichen Instanzgerichte 1. Keine Vereinbarung der Anrechnung
Mit seiner Entscheidung aus 2008 hat der BGH hinsichtlich Ergebnis als auch Begründung das vorangegangene Berufungsurteil des OLG Bremen bestätigt. Das OLG hatte sich eingehend mit der Frage der analogen Anwendbarkeit des § 74c HGB und in diesem Zusammenhang mit der Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1991 zur Anrechenbarkeit von Arbeitslosengeld, der Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1992 zur analogen Anwendung des § 75a HGB sowie dem Meinungsstand in der Literatur zur entsprechenden Geltung des § 74c HGB auseinandergesetzt. Im Hinblick auf die dargestellten Auszüge aus dem BGH-Urteil sowie die folgenden Ausführungen soll sich an dieser Stelle aber auf die Wiedergabe der Kernaussage beschränkt werden. Danach hat das OLG betont, die Norm des § 74c HGB sei allein ein Reflex auf die Regelung des § 74 Abs. 2 HGB. Werde aber die GmbH in ihrer Vertragsfreiheit nicht eingeschränkt, weil § 74 Abs. 2 HGB nicht gelte, bedürfe es auch keiner entsprechenden Kompensation zu ihren Gunsten. Vielmehr gelte der Grundsatz der Vertragsfreiheit. 2. Anrechenbarkeit geregelt
Instanzgerichtliche Rechtsprechung, die sich mit Anrechnungsvereinbarungen auseinandersetzt, konnte kaum aufgefunden werden. Das OLG Celle hat im Jahre 1979 eine Anrechnungsregelung, nach der die Anrechnung unabhängig von der Höhe der Summe aus Entschädigung und anderweitigem Verdienst erfolgen könne, für mit § 138 BGB vereinbar bewertet.368 IV. Rechtsprechung des BAG vor analoger Anwendung der §§ 74 ff. HGB auf Arbeitnehmer Das BAG hat § 74a Abs. 1 S. 1 und 3 sowie § 75 Abs. 1 HGB allgemeine Rechtsgrundsatzqualität zuerkannt, bevor es dazu übergegangen ist, die § 74 ff. HGB insgesamt auf alle Arbeitnehmer analog anzuwenden. Eine Entscheidung hinsichtlich eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes der Anrechnung anderweitigen Erwerbes hat es aber, soweit ersichtlich, nicht getroffen. Es hat aber in einer Entscheidung vor dem Rechtsprechungswechsel im Rahmen seiner Ausführungen zur Bedeutung der gezahlten Karenzentschädigung für die Prüfung der Billigkeit des Wettbewerbsverbotes erwähnt, dass auch zu berücksichtigen sei, „dass mangels einer dahingehenden Vereinbarung der Beklagte sich anderweitiges Einkommen auf die Entschädigung nicht anrechnen lassen muss, er also hinsichtlich der Entschädigung unter Umständen besser gestellt ist, als wenn die Anrechnungs368
Vgl. OLG Celle, Urt. v. 21.9.1979 – 3 U 197/79, AP Nr. 4 zu § 161 HGB.
§ 2 Verzicht und Anrechnung anderweitigen Erwerbes
399
regelung des § 74c HGB anwendbar wäre.“ 369 In seiner ersten Entscheidung nach seinem Rechtsprechungswechsel hin zur analogen Anwendung der §§ 74 ff. HGB370 und insbesondere des § 74 Abs. 2 HGB bei allen Arbeitnehmern hat das BAG dann aber betont, dass in Folge der Anwendung des § 74 Abs. 2 HGB auch § 74c HGB analoge Anwendung finden müsse: „Im Rahmen der §§ 74 ff. HGB wird nämlich die Höhe der Entschädigung nicht nur durch § 74 Abs. 2 HGB, sondern auch durch die Anrechnungsvorschrift des § 74c HGB bestimmt. [. . .] § 74 Abs. 2 HGB und § 74c HGB stehen in engstem Zusammenhang.“ 371
V. Schutzzweck der Anrechenbarkeit anderweitigen Erwerbes Die Anrechnung (fiktiven) anderweitigen Erwerbes nach § 74c HGB soll verhindern, dass Arbeitnehmer durch die Zahlung einer Karenzentschädigung auf Kosten des Arbeitgebers bereichert werden. Zweck der Entschädigung sei allein, dem Arbeitnehmer einen Ausgleich für die im Interesse des Arbeitgebers vereinbarte Wettbewerbsunterlassung zu geben. Der Arbeitnehmer soll über die für die Beibehaltung seines Lebensstandards notwendigen Mittel verfügen, nicht aber einen Gewinn erzielen.372 Insoweit entspreche die Anrechnungsvorschrift einem allgemein anerkannten Billigkeitsgebot und sei im Übrigen Ausdruck des allgemeinen Bereicherungsverbotes.373 Zudem soll durch § 74c HGB der Anreiz für einen Stellenwechsel genommen werden.374 VI. Auffassungen der Literatur 1. Keine Vereinbarung der Anrechnung
Innerhalb der nicht die analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB fordernden Literatur wurde nach der BGH-Entscheidung im Jahre 1992 für den Fall, dass die Vertragsparteien keine Regelung hinsichtlich der Anrechenbarkeit anderweitigen Erwerbes getroffen hatten, überwiegend von der analogen Anwendung des § 74c
369
Vgl. BAG, Urt. v. 18.2.1967 – 3 AZR 290/66, AP Nr. 19 zu § 133f GewO. Vgl. BAG, Urt. v. 13.9.1969 – 3 AZR 138/68, NJW 1970, 626. 371 Vgl. BAG, Urt. v. 16.5.1969 – 3 AZR 137/68, NJW 1970, 443 (erlassen auf der Grundlage des Ergebnisses des erst später verkündeten, aber bereits zuvor, am 7.2.1969 beratenen, Urteils vom 13.9.1969). 372 Vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken, HGB, § 74c Rn. 2; HWK/Diller, HGB, § 74c Rn. 1; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 74c Rn. 2; Wagner, in: Röhricht/Graf v. Westphalen (Hrsg.), HGB, § 74c Rn. 1; Staub, Großkomm.HGB/Weber, § 74c Rn. 1. 373 Vgl. HWK/Diller, HGB, § 74c Rn. 1. 374 Vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken, HGB, § 74c Rn. 2; Baumbach/ Hopt, HGB § 74c Rn. 1. 370
400
3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
HGB ausgegangen.375 Die Entschädigung verlöre ansonsten ihren Charakter, da sie allein Nachteile ausgleichen, nicht aber Vorteile herbeiführen solle. Die entsprechende Anwendung entspreche dem im Urteil aus 1992 aufgestellten Grundsatz, die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 74 ff. HGB auf Organmitglieder anzuwenden, soweit sie die Wahrung der besonderen Interessen des Unternehmens zum Ziel hätten, also für das Unternehmen günstig seien.376 Auch nach der Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2008 wird teilweise weiterhin angenommen, § 74c HGB gelte auch gegenüber Organmitgliedern377; die überwiegende Ansicht lehnt seine Anwendung aber ab.378 Unter Wiederholung ihrer Argumente tritt insbesondere die zuvor die Anrechnung analog § 74c HGB fordernde Literatur dem BGH entgegen.379 2. Anrechenbarkeit anderweitigen Erwerbes geregelt
Anders als die Frage der zulässigen Vereinbarung eines einseitigen Verzichtsrechtes der GmbH wird in der Literatur kaum besprochen, inwieweit die Parteien die Anrechnung anderweitigen Erwerbes auf die zugesagte Karenzentschädigung vereinbaren dürfen. Es wird aber darauf hingewiesen, dass – insoweit dann abweichend von § 74c HGB – vereinbart werden könne, dass die Anrechnung schon beginnt, wenn die Karenzentschädigung und die neuen Bezüge 100 % des letzten Festgehaltes übersteigen oder, dass pauschal 50 % aller anderweitigen Einkünfte anzurechnen seien.380 Auch die volle Anrechnung sei zulässig.381 375 Vgl. Bauer/Diller, BB 1995, 1134, 1137; dies., GmbHR 1999, 885, 892; Jäger, DStR 1995, 724, 729 (aber mit Hinweis auf Entscheidung aus des BGH aus 1991); Kukat, BB 2001, 951, 952; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 255; Reufels/Schewiola, ArbRB 2008, 57, 60; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 751; Thüsing, NZG 2004, 9, 12; Tillmann/Mohr, GmbH-GF, Rn. 446; v. Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht, Teil „Klauselwerke“, Geschäftsführerverträge, Rn. 216; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, 18. Auflage, § 35 Rn. 202; für AG-Vorstand: MünchKommAktG/Spindler, § 88 Rn. 54; Spindler/Stilz, AktG, § 88 Rn. 47; Fleischer/Thüsing, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rn. 119; aA: Hachenburg/Stein, GmbHG, § 35 Rn. 317; für AG-Vorstand: Großkomm.AktienG/Kort, § 88 Rn. 161. 376 Vgl. Bauer/Diller, BB 1995, 1134, 1137; Reufels/Schewiola, ArbRB 2008, 57, 60; Thüsing, NZG 2004, 9, 12; für AG-Vorstand: Fleischer/Thüsing, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rn. 119. 377 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1086; Jaeger, Anstellungsvertrag des GmbH-GF, § 15, S. 176; offen lassend: Oppenländer/Trölitzsch/Baumann, GmbH-Geschäftsführung, § 14 Rn. 26. 378 Vgl. Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 151; van Kann/Keiluweit, BB 2010, 2050, 2052; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anhang zu § 6 Rn. 25; Reiserer/Heß-Emmerich/Peters, GmbH-GF, S. 50; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, (19. Auflage) § 35 Rn. 202; für AG-Vorstand: KölnerKommAktG/Mertens/ Cahn, § 88 Rn. 39. 379 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1086; Jaeger, Anstellungsvertrag des GmbH-GF, § 15 S. 176. 380 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1087; dies., BB 1995, 1134, 1137; dies., GmbHR 1999, 885, 892; Oppenländer/Trölitzsch/Baumann, GmbH-Geschäftsfüh-
§ 2 Verzicht und Anrechnung anderweitigen Erwerbes
401
VII. Stellungnahme 1. Keine Vereinbarung der Anrechnung
Findet sich im Anstellungsvertrag bzw. der Wettbewerbsabrede keine Regelung, ob und inwieweit anderweitiger Erwerb des Geschäftsführers auf die zugesagte Karenzentschädigung anzurechnen ist und wird weder auf § 74c HGB noch die §§ 74 ff. HGB verwiesen, stellt sich die Frage, ob § 74c HGB zur Ergänzung der Vertrages heranzuziehen ist. a) Ergänzende Vertragsauslegung hin zur Anrechenbarkeit anderweitigen Erwerbes nach § 74c HGB? Der BGH hat einer GmbH im Jahre 1992 analog § 75a HGB das Recht zugestanden, auf das Wettbewerbsverbot mit der Folge des Entfallens der Karenzentschädigungspflicht in Höhe von 50 % des letzten Gehaltes zu verzichten. Er hat sich § 75a HGB zur Ergänzung der vertraglichen Regelungen bedient. Hierzu sah er sich berechtigt, da anzunehmen sei, dass Vertragspartner, träfen sie zu einem bestimmten Punkt keine Regelung, insoweit meist die Ausgestaltung ihrer Rechtsbeziehungen den Gesetzesvorschriften überließen.382 Auch im Fall seines Urteiles aus dem Jahre 2008 ist ein Wettbewerbsverbot (in Form einer Kundenschutzklausel) für die Dauer von zwei Jahren und die Zahlung einer Karenzentschädigung in Höhe von 50 % vereinbart worden. Dennoch ist der BGH nicht entsprechend dem obigen Grundsatz davon ausgegangen, es entspreche dem Willen der Vertragsparteien die §§ 74 ff. HGB und damit auch den § 74c HGB heranzuziehen. Vielmehr hat er im Gegenteil dazu angenommen, es obliege den Vertragsparteien, die Anrechnung und das Ausmaß der Anrechnung anderweitigen Verdienstes zu vereinbaren. Er hat mithin hinsichtlich § 74c HGB nicht mehr an seinem Ansatz festgehalten, bei Fehlen einer entgegenstehenden Vereinbarung vom Willen der Vertragsparteien auszugehen, die Lücken in ihren Vertragsregelungen anhand der §§ 74 ff. HGB zu ergänzen. Die Ergänzung der vertraglichen Wettbewerbsabrede zwischen GmbH und Geschäftsführer anhand der §§ 74 ff. HGB ist, wie zur Verzichtsmöglichkeit ausgeführt, abzulehnen. Wie auch das Fehlen einer Regelung zur Verzichtsmöglichkeit kann auch das Fehlen einer Regelung zur Anrechenbarkeit anderweitigen Erwerrung, § 14 Rn. 26; Dahlbender, GmbH-StB 2006, 273, Hoffmann-Becking, in: FS Quack, S. 273, 279; Reufels/Schewiola, ArbRB 2008, 57, 60; Thüsing, NZG 2004, 9, 12; für AG-Vorstand: KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 88 Rn. 39; Fleischer/Thüsing, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rn. 119. 381 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 1087; dies., GmbHR 1999, 885, 892; noch zweifelnd: dies., BB 1995, 1134, 1137. 382 Vgl. BGH, Urt. v. 17.2.1992 – II ZR 140/91, NJW 1992, 1892; vgl. hierzu Teil 3 § 2 A. II.
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
bes nicht als planwidrige Vertragslücke verstanden werden. Vielmehr ist im Zweifel von einer bewussten Entscheidung der Vertragsparteien zur Nichtregelung auszugehen. Zudem wären Vertragslücken nicht anhand der §§ 74 ff. HGB zu füllen, da diese bei Regelungen bei Wettbewerbsverboten mit Geschäftsführern keine Anwendung finden. b) Allgemeiner Rechtsgrundsatz der Anrechnung anderweitigen Erwerbes? Die Anrechnung anderweitigen Erwerbes könnte aber dann erfolgen, wenn es sich bei ihr um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz handelte, so dass § 74c HGB Ausdruck dieses allgemeinen Wertgedankens wäre und daher insoweit Anwendung finden könnte. Der BGH hat in seinem Urteil aus dem Jahre 2008 zu § 74c HGB ausgeführt: „die Anrechnung des anderweitigen Verdienstes auf die Karenzentschädigung entspricht auch nicht einem allgemeinen Rechtsgedanken, der auf den Geschäftsführer einer GmbH ebenso wie auf einen Handlungsgehilfen zutrifft. Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz, dass ein anderweitiger Erwerb auf eine vertraglich geschuldete Entschädigung anzurechnen ist. Leistungen Dritter lassen vertragliche Verpflichtungen grundsätzlich unberührt“.
In § 90a HGB ist keine Regelung hinsichtlich der Anrechnung anderweitigen Verdienstes des Handelsvertreters getroffen. Hieraus wird teilweise gefolgert, dass im Recht der Handelsvertreter anderweitigem Erwerb keine Bedeutung zukomme. § 90a HGB stelle eine abschließende Regelung für Wettbewerbsverbote gegenüber Handelsvertretern dar; § 74c HGB enthalte einen gesetzlich geregelten Fall der Vorteilsausgleichung.383 Die überwiegende Gegenansicht berücksichtigt anderweitig erzielten Erwerb dagegen im Rahmen der Bemessung der Angemessenheit der Entschädigung. Es habe nach dem Gesetzeswortlaut des § 90a Abs. 1 S. 3 HGB keiner gesonderten Anrechnungsvorschrift bedurft, da der Anspruch des Handelsvertreters von vorneherein nur auf eine angemessene Entschädigung gerichtet sei.384 Ob anderweitiger Erwerb im Rahmen des § 90a HGB Berücksichtigung findet, kann vorliegend aber dahinstehen. Auch die zweite Ansicht erachtet nämlich die Anrechnung anderweitigen Erwerbs nur wegen des Beurteilungskriteriums der „angemessenen Entschädigung“ als zulässig. Sie nimmt also – wie bei § 74c HGB – eine gesetzliche Anrechnungsanordnung, nicht aber einen von den Kriterien des § 90a HGB losgelösten allgemeinen Wertgrundsatz der Anrechnung anderweitigen Erwerbes an. 383 Vgl. zum Streitstand umfassend m.w. N.: MünchKommHGB/von HoyningenHuene, § 90a Rn. 44 f. 384 Vgl. Ensthaler/Genzow, GK-HGB, § 90a Rn. 14; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 90a Rn. 45; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Löwisch, HGB, § 90a Rn. 23.
§ 2 Verzicht und Anrechnung anderweitigen Erwerbes
403
Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz der Anrechnung anderweitigen Erwerbes ist daher im Ergebnis nicht anzunehmen. Die Anrechnung anderweitigen Erwerbes kann somit nur dann erfolgen, wenn sie gesetzlich angeordnet ist.385 c) Ergebnis Liegt keine Vereinbarung zwischen GmbH und Geschäftsführer zur Anrechnung anderweitigen Erwerbes vor, muss sich der Geschäftsführer auf die zu zahlende Karenzentschädigung etwaigen anderweitigen Erwerb nicht anrechnen lassen.386 § 74c HGB findet auf Wettbewerbsabreden zwischen GmbHs und ihren Geschäftsführern keine entsprechende Anwendung. Vielmehr unterliegt es der Vertragsfreiheit der Parteien, ob sie die Anrechnung vorsehen oder von ihr absehen. Es existiert auch kein allgemeiner Rechtsgrundsatz, auf eine zugesicherte Zahlung für einen gewissen Zeitraum stets anderweitigen Erwerb im Sinne eines allgemeinen Bereicherungsverbotes anzurechnen. 2. Anrechenbarkeit anderweitigen Erwerbs geregelt
Die Parteien können vereinbaren, anderweitigen Erwerb auf die zugesagte Karenzentschädigung anzurechnen. Ihre Regelungen unterliegen der Sittenwidrigkeitsprüfung nach § 138 BGB. Die Regelung des § 74c HGB, nach der die Anrechnung anderweitigen Erwerbes erst erfolgt, wenn die Entschädigung unter Hinzurechnung des anderweitigen Verdienstes 110 % des Betrages der zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen übersteigt, stellt eine gesetzgeberische Entscheidung für das Rechtsverhältnis von Handlungsgehilfen und Prinzipalen dar. Einen allgemeinen, auch im Rahmen des § 138 BGB zu berücksichtigenden Wertgedanken enthält die Regelung nicht. Daher kann im Vertrag vorgesehen werden, dass die Anrechnung in jedem Fall, also immer dann, wenn anderweitiger Erwerb erzielt wird, erfolgt.387 3. Ergebnis
Die Anrechnung anderweitigen Erwerbes auf die zugesicherte Karenzentschädigung erfolgt bei einer Wettbewerbsabrede zwischen einer GmbH und ihrem Geschäftsführer nur, wenn sich die Vertragsparteien auf sie verständigt haben. Weder findet § 74c HGB analoge Anwendung, noch besteht ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, nach dem auf eine zugesicherte Zahlung stets anderweitiger Erwerb im Sinne eines generellen Bereicherungsverbotes anzurechnen ist. GmbH 385
Vgl. ebenso für AG-Vorstand: KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 88 Rn. 39. Vgl. ebenso: Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rn. 151; für AG-Vorstand: KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 88 Rn. 39. 387 Vgl. ebenso für AG-Vorstand: KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 88 Rn. 39. 386
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
und Geschäftsführer können sich darauf verständigen, jeden anderweitigen Erwerb anzurechnen. Die Maßstäbe des § 74c HGB sind nicht zu wahren.
§ 3 Zusammenfassung und Gesetzesvorschlag Die Untersuchung hat ergeben, dass nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit Geschäftsführern nicht i. S. v. § 74 Abs. 1 HGB i.V. m. § 126 BGB in schriftlicher Form vereinbart werden müssen. Sie sind insbesondere auch nicht dann von vornherein unwirksam, wenn sie keine Entschädigungsleistung vorsehen, da eine zwingende Karenzentschädigungspflicht nicht besteht. § 74 Abs. 2 HGB ist weder unmittelbarer Ausfluss von Art. 12 Abs. 1 GG noch als allgemeiner Rechtsgrundsatz zu qualifizieren. Er ist, ebenso wie § 90a HGB, vielmehr Bestandteil der gesetzgeberischen Entscheidung alleine für Handlungsgehilfen bzw. Handelsvertreter. Ob eine Entschädigung geleistet wird, ist im Rahmen der Prüfung der Billigkeit der Beschränkung des Geschäftsführers zu berücksichtigen. Entscheidend ist, ob es einer Entschädigung bedarf, um das Wettbewerbsverbot dem Verdikt der Sittenwidrigkeit wegen unzumutbarer Beeinträchtigung der Berufsfreiheit zu entziehen. Insoweit ist die seitens der Literatur als Leitlinie vertretene Differenzierung zwischen grundsätzlich entschädigungslos möglichen Kundenschutzklauseln und entschädigungsbedürftigen Konkurrenz-/Tätigkeitsverboten sachgerecht. Dagegen ist es nach hiesiger Ansicht weniger überzeugend, sich hinsichtlich der Entschädigungspflichtigkeit an der gesellschaftsrechtlichen Stellung zu orientieren. Sonstige vertragliche Leistungen können die Entschädigungsbedürftigkeit aufheben, wenn sie tatsächlich geeignet sind, die Phase des Wettbewerbsverbotes abzumildern. Dies können nur Leistungen, die auch für die Zeit nach der Beendigung des Anstellungsverhältnisses gewährt werden. Auf ihre Bezeichnung und ihren eigentlichen Sinn und Zweck kommt es dabei nicht an. Im Hinblick auf die notwendige Höhe der Entschädigung bietet § 74 Abs. 2 HGB allenfalls einen Anhaltspunkt. Entscheidend ist, ob die gewährten Bezüge im Einzelfall geeignet sind, die Beeinträchtigung abzumildern. Wettbewerbsverbote sind unzulässig, wenn sie nicht von berechtigten Interessen der Gesellschaft getragen sind oder eine unbillige Beschränkung des Geschäftsführers darstellen. § 74a Abs. 1 HGB enthält insoweit eine allgemeine Wertung i. S. v. Art. 12 GG. Ob berechtigte Interessen vorliegen oder eine unbillige Beschränkung gegeben ist, beurteilt sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG der des Ausscheidens aus dem Anstellungsverhältnis. Fehlt es an einem berechtigten Interesse oder begründet das Wettbewerbsverbot eine unbillige Fortkommensbeschwer, ist es grundsätzlich nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig und nur unter den Voraussetzungen des § 139 BGB sowie unter Berücksichtigung der Grundsätze der Rechtsprechung zur quantitativen Teilnichtigkeit von Rechtsgeschäften geltungserhaltend zu reduzieren. Danach ist nach hiesiger Ansicht eine
§ 3 Zusammenfassung und Gesetzesvorschlag
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geltungserhaltende Reduktion nicht nur bei zeitlicher, sondern auch bei gegenständlicher oder örtlicher Unzulässigkeit möglich, sofern ein hypothetischer Parteiwille erkennbar ist, welche Regelung bei Kenntnis der Nichtigkeit getroffen worden wäre. Hierin liegt aber regelmäßig das Problem und damit zugleich die Grenze der Reduktion, da insbesondere in den Fällen der Unbilligkeit häufig mehrere Regelungsmöglichkeiten bestehen, so dass der hypothetische Parteiwille nicht sicher ermittelbar ist. Sachgerecht erschiene es vor dem Hintergrund der anhaltenden Rechtsunsicherheit aber in jedem Fall eine geltungserhaltende Reduktion vorzunehmen. Ein Verzichtsrecht der GmbH ist anzuerkennen, wenn es vertraglich vereinbart worden ist. Fehlt eine entsprechende Abrede im Anstellungsvertrag oder der Wettbewerbsabrede kann ein Verzichtsrecht dagegen weder durch ergänzende Auslegung des Vertrages anhand von § 75a HGB analog noch durch Annahme eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes, nach dem ein einseitiges Verzichtsrecht bei Wahrung einer Dispositionsfrist für den Geschäftsführer besteht, begründet werden. Die Parteien können ein Verzichtsrecht sowohl für die Zeit vor als auch nach Beendigung des Anstellungsvertrages vereinbaren. Voraussetzung ist, dass dem Geschäftsführer eine hinreichende Dispositionsfrist gewährt wird, hinsichtlich deren Mindestdauer sich an der Kündigungsfrist orientiert werden sollte. Ebenso wie ein Verzichtsrecht ist auch ein Recht der Gesellschaft zur Anrechnung anderweitigen Erwerbes des Geschäftsführers nur bei vertraglicher Vereinbarung anzuerkennen. § 74c HGB gilt weder entsprechend noch enthält er einen allgemeingültigen Wertgedanken. Die Ergebnisse lassen eine gesetzliche Regelung für sinnvoll erscheinen. Durch die Einführung einer gesetzlichen Regelung würde hinsichtlich Geschäftsführern die Diskussion um die analoge Anwendbarkeit der §§ 74 ff. HGB obsolet, da jegliche Grundlage für die Annahme einer Regelungslücke entfiele. Zugleich würde die abzulehnende Konstruktion der teilanalogen Anwendung der §§ 74 ff. HGB, wenn und insoweit sie der GmbH günstig sind, unhaltbar. Ein Verzichtsrecht wäre entsprechend der hiesigen Auffassung nur noch anzuerkennen, wenn es durch die Parteien vereinbart wäre. Gleiches gälte für die Anrechenbarkeit anderweitigen Erwerbes. Durch eine gesetzliche Regelung würde der Streit irrelevant und die damit bestehende Rechtsunsicherheit behoben, ob die Übertragung der Wertung des § 74a Abs. 1 HGB auf § 138 Abs. 1 BGB mit dem Normverständnis der Sittenwidrigkeitsklausel vereinbar und die durch die Heranziehung der Kriterien des berechtigten Interesses des Begünstigten und der unbilligen Beschränkung des Betroffenen begründete, strenge Inhalts- und Rechtmäßigkeitskontrolle auf der Grundlage des § 138 BGB zulässig ist.388 388
Vgl. Teil 2 § 3 F. II. 3. c) bb).
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3. Teil: Zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote
In einer Gesetzesnorm könnte die – zwecks Vermeidung weiterer Rechtsunsicherheit – sachgerechte geltungserhaltende Reduktion angeordnet werden. Auch könnte die zeitliche Höchstdauer von zwei Jahren festgeschrieben und eine Regelung zur Berücksichtigung von die Belastung durch das Wettbewerbsverbot abmildernden Leistungen der Gesellschaft während des Laufes des Wettbewerbsverbotes aufgenommen werden. Ferner könnte mit einer Gesetzesregelung der Streit um den maßgeblichen Beurteilungspunkt beendet und der Zeitpunkt des Ausscheidens als entscheidend festgelegt werden. Im Sinne der Schaffung von Klarheit zwischen und für die Parteien und um den zur Wettbewerbsenthaltung verpflichteten Geschäftsführer weitergehend zu schützen, könnte ein zwingendes Schriftformerfordernis festgeschrieben werden. Darüber hinausgehend könnte auch die Aushändigung einer die Abrede enthaltenden Ausfertigung (vgl. § 74 Abs. 1 HGB, § 90a Abs. 1 HGB) aufgenommen werden. Fraglich ist, in welchem Gesetz und an welcher Stelle eines Gesetzes eine entsprechende gesetzliche Regelung platziert werden könnte. In Frage käme nach der Thematik das GmbHG. Allerdings ist dieses, wie ausgeführt, auf die Regelung der Organstellung, nicht aber des Anstellungsverhältnisses gerichtet und enthält daher keinen gesonderten Abschnitt zum Anstellungsverhältnis, in welchen das Wettbewerbsverbot eingegliedert werden könnte. Die Regelung begründete daher im Ergebnis einen eigenen Abschnitt. Möglich erschiene eine Platzierung im 2. Buch des BGB, z. B. im Titel zum Dienstvertrag – § 611 bis § 630 BGB, wenn zugleich eine gesetzliche Regelung betreffend nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit Angehörigen anderer Personengruppen, die auf der Grundlage eines Dienstvertrages tätig werden, gesetzgeberisch gewollt wäre. Einer Regelung, z. B. in einem neu einzuführenden § 630a BGB, weil sich das nachvertragliche Wettbewerbsverbot hinsichtlich seiner zeitlichen Relevanz den in den §§ 611–630 BGB geregelten Phasen des bestehenden, des gekündigten und des endenden Dienst- bzw. Arbeitsverhältnisses anschlösse, käme dann zugleich ein Aussagegehalt in der Diskussion um die Rechtsnatur des Anstellungsvertrages zugunsten der ein Dienstverhältnis annehmenden Rechtsprechung des BGH und herrschenden Literatur zu. Die §§ 74 ff. und § 90a HGB sowie § 110 GewO stellten gegenüber einer dortigen Regelung spezielle Regelungen dar. Eine gesetzliche Regelung sollte – ungeachtet ihres Standorts – aus Gründen gesetzessystematischer Einheitlichkeit, soweit möglich, in Anlehnung an § 110 GewO, §§ 74 ff. HGB und § 90a HGB formuliert werden. Als Überschrift käme danach „Wettbewerbsverbot“ in Betracht, wie auch die gesetzgeberisch jüngste Norm des § 110 GewO überschrieben ist. § 90a HGB spricht von einer „Wettbewerbsabrede“, während § 74 Abs. 1 HGB in Abgrenzung zum „Gesetzliches Wettbewerbsverbot“ des § 60 HGB mit „Vertragliches Wettbewerbsverbot“ überschrieben ist.
§ 3 Zusammenfassung und Gesetzesvorschlag
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Eine Regelung, z. B. in § 630a BGB, könnte danach lauten: § 630a. Wettbewerbsverbot (1) Eine Vereinbarung zwischen dem Dienstberechtigten und dem Verpflichteten, die den Verpflichteten für die Zeit nach der Beendigung des Dienstverhältnisses389 in seiner beruflichen Tätigkeit390 beschränkt (Wettbewerbsverbot), bedarf der Schriftform.391 (2) 1 Wettbewerbsverbote sind insoweit unverbindlich, als sie nicht nach Ort, Zeit oder Gegenstand zum Schutz von berechtigten geschäftlichen Interessen des Dienstberechtigten dienen. 2 Sie sind ferner unverbindlich, soweit sie nach Ort, Zeit oder Gegenstand eine unbillige Erschwerung des beruflichen Fortkommens des Verpflichteten enthalten392. 3 Ein Wettbewerbsverbot kann nur für längestens zwei Jahre von der Beendigung des Dienstsverhältnisses an getroffen werden.393 (3) Eine unbilllige Erschwerung des beruflichen Fortkommens des Verpflichteten ist unter Berücksichtigung von Leistungen zu bestimmen, die dem Verpflichteten in der Zeit des Wettbewerbsverbotes durch den Dienstberechtigten oder aufgrund dessen Veranlassung durch einen Dritten gewährt werden. Die Leistungen müssen nicht auf die Entschädigung für das Verbot gerichtet sein.
389 Durch die Bezeichnung als Dienstverhältnis wird das Anstellungsverhältnis im Sinne der Rechtsprechung des BGH sowie der herrschenden Literatur, aber entgegen der unter Umständen auch ein Arbeitsverhältnis anerkennenden Rechtsprechung des BAG qualifiziert. Alternativ könnte die neutralere Formulierung des § 90a HGB verwendet und vom „Vertragsverhältnis“ gesprochen werden. 390 Vgl. § 110 GewO. 391 Ergänzbar um: „und der Aushändigung einer von dem Dienstberechtigten unterzeichneten, die vereinbarten Bestimmungen enthaltenden Urkunde an den Verpflichteten“ i. S. v. § 90a HGB. 392 Vgl. § 74a Abs. 1 S. 1 und 2 HGB. 393 Vgl. § 90a Abs. 1 S. 2 HGB.
4. Teil
Zusammenfassung der Ergebnisse § 1 Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für Geschäftsführer und ihre Beurteilung durch Rechtsprechung und Literatur 1. Wettbewerbsverbote können nach ihren rechtlichen Grundlagen sowie ihren zeitlichen Geltungsbereichen unterschieden werden. Insofern sind nachvertragliche Wettbewerbsverbote zum einen von Wettbewerbsverboten abzugrenzen, die auf Gesetz, Tarifvertrag bzw. Betriebsvereinbarung beruhen oder – bei Organmitgliedern – an das Organverhältnis anknüpfen. Zum anderen sind sie von Wettbewerbsverboten zu unterscheiden, die für die Dauer des Anstellungsverhältnisses gelten. Ausgehend von dieser Differenzierung wird die praktische Relevanz nachvertraglicher Wettbewerbsabreden mit Geschäftsführern deutlich: Geschäftsführer unterliegen keinem gesetzlichen Wettbewerbsverbot. Ein solches ist weder für die Dauer der Amtsausübung und die Zeit nach Ausscheiden aus dem Amt noch für die Laufzeit des Anstellungsvertrages und die Zeit nach dessen Beendigung ersichtlich. Eine spezialgesetzliche Regelung besteht nicht; für andere Personengruppen geschaffene Wettbewerbsregelungen, wie § 88 AktG, §§ 112, 60 HGB, sind nicht entsprechend anwendbar. Sonstige für Wettbewerbsfragen relevante Normen, wie § 85 GmbHG, §§ 17, 18, 3 UWG, § 826 BGB, enthalten kein umfassendes gesetzliches Wettbewerbsverbot. Auch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen begründen üblicherweise kein Wettbewerbsverbot für Geschäftsführer. Ein Wettbewerbsverbot folgt für die Zeit der Ausübung der Organfunktion zwar aus der organschaftlichen Treue- und Loyalitätspflicht des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft. Ebenso verpflichtet die vertragliche Nebenpflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen und Rechtsgüter der Gesellschaft (§ 241 Abs. 2 BGB) die Geschäftsführer während der Dauer des Anstellungsvertrages zur Wettbewerbsenthaltung. Diese Wettbewerbsverbote entfallen jedoch mit der Beendigung der Organstellung bzw. des Anstellungsvertrages. Ohne eine entsprechende vertragliche Abrede besteht für die Gesellschaft also kein Schutz vor nachvertraglichem Wettbewerb des Geschäftsführers. 2. Im Umgang mit nachvertraglichen Wettbewerbsverboten für Geschäftsführer besteht nach wie vor Rechtsunsicherheit. Ursache hierfür ist, dass es der Recht-
§ 1 Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für Geschäftsführer
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sprechung bisher nicht gelungen ist, deutlich zu machen, welche gesetzlichen Regelungen zur Behandlung entsprechender Abreden heranzuziehen sind. So ist insbesondere nicht erkennbar, inwieweit das Regelungssystem der §§ 74 ff. HGB zur Beurteilung und Ergänzung entsprechender Abreden analog angewendet werden kann. 3. Der BGH hat ursprünglich die Zulässigkeit entsprechender Abreden allein anhand von § 138 BGB i.V. m. Art. 12 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG beurteilt und betont, die §§ 74 ff. HGB fänden wegen der besonderen Rechtsstellung des Geschäftsführers keine Anwendung. In einer späteren Entscheidung hat er aber ausdrücklich herausgestellt, im Rahmen des § 138 BGB seien die in den §§ 74 ff. HGB zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgedanken zu berücksichtigen. Sodann hat er es in einer weiteren Entscheidung darüber hinaus gestattet, die §§ 74 ff. HGB zur Ergänzung der vertraglichen Abreden analog anzuwenden, wenn und soweit sie den Interessen der GmbH dienen. Weder seinen Ansatz, die §§ 74 ff. HGB zu berücksichtigen, soweit sie allgemeine Rechtsgrundsätze begründen, noch seinen Ansatz, die Normen entsprechend heranzuziehen, sofern sie der GmbH günstige Regelungen enthalten, hat er allerdings begründet und in folgenden Entscheidungen konsequent aufgegriffen und berücksichtigt. Spätestens seit einer Entscheidung aus dem Jahre 2008 ist offen, ob der BGH an seinem Ansatz der teilanalogen Anwendung der §§ 74 ff. HGB, soweit sie der GmbH günstig sind, auch künftig noch festhalten wird oder aber von der vertragsergänzenden Heranziehung der §§ 74 ff. HGB wieder Abstand nehmen und damit die Bedeutung der §§ 74 ff. HGB für Geschäftsführer wieder reduzieren wird. Denn der BGH hat die analoge Anwendung des § 74c HGB zur Ergänzung der Wettbewerbsabrede unter Betonung der Vertragsfreiheit von GmbH und Geschäftsführer abgelehnt. 4. Auch die Literatur ist hinsichtlich des anzuwendenden Prüfungsmaßstabes uneinheitlich. Ein Teil der Literatur zieht mit der Rechtsprechung § 138 BGB, konkretisiert durch die Wertgedanken der §§ 74 ff. HGB, heran, stimmt der vertragsergänzenden, teilanalogen Anwendung der §§ 74 ff. HGB aber nur eingeschränkt zu und kommt jedenfalls in Einzelfragen zu abweichenden Ergebnissen. Die starke Gegenansicht befürwortet die analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB bei besonders schutzbedürftigen Geschäftsführern. Für die besondere Schutzbedürftigkeit stellt sie dabei einerseits auf die individuelle Schutzbedürftigkeit, also wirtschaftliche Abhängigkeit und soziale Schutzbedürftigkeit bzw. Arbeitnehmerähnlichkeit, ab. Andererseits knüpft sie an die gesellschaftsrechtliche Stellung an und differenziert hinsichtlich der Schutzbedürftigkeit zwischen Fremdund Gesellschaftergeschäftsführern. Im Ergebnis werden nach der Gegenansicht aber, unabhängig davon, wie die besondere Schutzbedürftigkeit bestimmt wird, übereinstimmend jedenfalls Fremdgeschäftsführer als besonders schutzbedürftig erachtet und den §§ 74 ff. HGB analog unterstellt.
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4. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse
§ 2 Beurteilungsgrundlagen und Maßstäbe A. Art. 101 AEUV, Europäische Grundfreiheiten und Grundrechte 5. Eine nachvertragliche Wettbewerbsabrede zwischen einer GmbH und ihrem Geschäftsführer verstößt in der Regel nicht gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV. Die wettbewerbliche Beeinträchtigung des Geschäftsführers begründet wegen dessen geringer Marktstellung üblicherweise nicht die notwendige Beschränkung des Binnenmarktes. Zudem scheidet eine Wettbewerbsbeschränkung aus, weil das Wettbewerbsverbot – sofern es nach seinem zeitlichen, räumlichen und gegenständlichen Rahmen angemessen ist – eine für die Durchführung des kartellrechtsneutralen Anstellungsvertrages erforderliche Nebenabrede darstellt. Erst aufgrund ihrer kann die GmbH den Geschäftsführer mit den für die uneingeschränkte Durchführung des Anstellungsvertrages notwendigen Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen vertraut machen. 6. Die nachvertragliche Wettbewerbsabrede verstößt ferner nicht gegen die Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 AEUV (vorher: Art. 43 EG). Die Bindung von Privatpersonen an die Grundfreiheiten ist abzulehnen. Im Übrigen wäre eine den notwendigen, grenzüberschreitenden Bezug aufweisende Beschränkung der Grundfreiheit wegen zwingender Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt. Das zunächst private Interesse einer GmbH am Schutz ihrer Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse bzw. Kundenbeziehungen liegt nämlich auch im Interesse der Allgemeinheit an einer funktionierenden Volkswirtschaft. Ob das Wettbewerbsverbot verhältnismäßig ist, beurteilt sich im Einzelfall nach seiner gegenständlichen, räumlichen und zeitlichen Reichweite. 7. Ein Verstoß gegen europäische Grundrechte ist ebenfalls nicht anzunehmen. Ebenso wie die Grundfreiheiten entfalten auch die Grundrechte keine Drittwirkung in Privatrechtsverhältnissen. Überdies wäre die Grundrechtsbeeinträchtigung gerechtfertigt. Das Wettbewerbsverbot ist geeignet und erforderlich, den im Interesse des Gemeinwohles an einer funktionierenden Volkswirtschaft liegenden Geheimnisschutz zu verwirklichen. Es ist angemessen, wenn es räumlich, sachlich und zeitlich nicht über das hierfür erforderliche Maß hinausgeht. 8. Bei einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot können sowohl die Europäischen Wettbewerbsregelungen als auch die Grundfreiheiten und Grundrechte tatbestandlich einschlägig sein. Die Regelungen finden dann nebeneinander Anwendung. Ihre Auslegung und Anwendung hat aber aufeinander abgestimmt zu erfolgen, so dass abweichende Ergebnisse und Wertungswidersprüche vermieden werden. Einheitlicher Ansatzpunkt hierfür ist die anhand derselben Wertgedanken vorzunehmende Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen. Insofern kann als allgemeine europarechtliche Linie festgehalten werden, dass Wettbewerbsverbote zulässig sind, wenn sie dem Schutz der auch im Allgemeininteresse
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liegenden Geheimhaltungsinteressen der GmbH dienen und nach ihrer gegenständlichen, räumlichen und zeitlichen Reichweite nicht über das hierfür erforderliche Maß hinausgehen.
B. § 1 GWB und §§ 3, 4 UWG 9. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für Geschäftsführer sind regelmäßig nicht nach § 1 GWB verboten. Zumeist fehlt es an einer spürbaren Einschränkung des Wettbewerbes, da dem Geschäftsführer in der Regel keine so gewichtige Marktstellung zukommt, dass sein befristeter Ausschluss die Marktverhältnisse spürbar beeinträchtigte. Zudem handelt es sich bei solchen Verboten um Nebenabreden zum Anstellungsvertrag, die für dessen Durchführung erforderlich und daher aus dem Tatbestand des § 1 GWB auszunehmen sind, so dass es auch aus diesem Grund an einer Wettbewerbsbeschränkung fehlt. Die GmbH wird dem Geschäftsführer nur dann ihre existenziellen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse preisgeben wollen, wenn sie sich durch ein Wettbewerbsverbot gegen nachvertragliche Konkurrenz des Geschäftsführers abgesichert sieht. Insofern ist das Wettbewerbsverbot für die uneingeschränkte Durchführung des Anstellungsvertrages grundsätzlich erforderlich. Ob es sich nach seinen gegenständlichen, räumlichen und zeitlichen Grenzen noch im Rahmen des hierfür Erforderlichen hält, ist eine Frage des Einzelfalles. 10. Orientierung dafür, wann ein Wettbewerbsverbot im Rahmen des § 1 GWB als für die Durchführung des Hauptvertrages erforderliche und räumlich, zeitlich und gegenständlich angemessene Nebenabrede qualifiziert werden kann, bietet zum einen die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 101 AEUV (vorher: Art. 81 EG). Es ist gesetzgeberisches Ziel, das nationale Kartellrecht an das europäische Wettbewerbsrecht anzugleichen. Insofern ist die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 101 AEUV (Art. 81 Abs. 1 EG), also auch die sog. NebenabredendoktrinRechtsprechung, nicht nur dann zu berücksichtigen, wenn Art. 101 AEUV einschlägig ist (vgl. insoweit § 22 GWB) sondern auch dann, wenn Art. 101 AEUV mangels Beeinträchtigung des Binnenmarktes ausscheidet. Daneben kann zur Orientierung auch die Rechtsprechung des BGH zu § 138 BGB dienen. Der BGH und die einhellige Literatur gehen – trotz der unterschiedlichen Schutzzwecke von § 1 GWB und § 138 BGB – davon aus, dass die Erforderlichkeitsvoraussetzungen einer zulässigen Nebenabrede i. S. v. § 1 GWB mit den im Rahmen der Sittenwidrigkeitsprüfung von Wettbewerbsverboten, § 138 BGB, zugrunde zu legenden Maßstäben übereinstimmen. Insofern können die zu § 1 GWB entwickelten Wertungen bei § 138 BGB Beachtung finden und umgekehrt. 11. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für Geschäftsführer verstoßen nicht gegen Regelungen des UWG. Sie begründen in der Regel keine gezielte Behinderung eines Mitbewerbers durch die GmbH nach § 3 i.V. m. § 4 Nr. 10 UWG.
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4. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse
Zudem führte ein Verstoß gegen die §§ 3, 4 UWG nicht zur Nichtigkeit des Wettbewerbsverbotes, sondern begründete nur die Ansprüche der Mitbewerber nach §§ 8, 9 UWG.
C. §§ 74 ff. bzw. § 90a HGB analog 12. Nachvertragliche Wettbewerbsabreden zwischen GmbH und Geschäftsführer müssen nicht mit den §§ 74 ff. HGB vereinbar sein. Die für Handlungsgehilfen geschaffenen und durch das BAG in ständiger Rechtsprechung bei allen Arbeitnehmern entsprechend herangezogenen Regelungen finden bei Geschäftsführern keine analoge Anwendung. Für die Analogie fehlt es sowohl an einer Gesetzeslücke als auch an einer vergleichbaren Interessenlage. 13. Eine planwidrige Gesetzeslücke scheidet aus verschiedenen Gesichtspunkten aus. Zum einen steht der Lückenhaftigkeit bereits die Sittenwidrigkeitsgeneralklausel des § 138 BGB entgegen. Unbestimmte Rechtsbegriffe und Generalklauseln stellen gesetzgeberisch geplante Lücken dar, deren sich der Gesetzgeber bedient, um auch für nicht vorhergesehene bzw. für nicht regelungsbedürftig erachtete Situationen rechtliche Bewertung zu eröffnen und auf diese Weise ein geschlossenes Rechtssystem zu schaffen. Zum anderen wäre die Gesetzeslücke jedenfalls nicht planwidrig. Es liegt eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers vor, die Beurteilung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote mit Geschäftsführern der Rechtsprechung auf der Grundlage des § 138 Abs. 1 BGB zu überlassen. Diese ergibt sich im Wege des Umkehrschlusses aus den gesetzgeberischen Initiativen hinsichtlich Wettbewerbsverboten für AG-Vorstände als auch Geschäftsführer selber. Der Gesetzgeber hat im Rahmen der GmbH-Reformen zeitweise die Einführung eines Wettbewerbsverbotes für die Dauer der Geschäftsführerfunktion angedacht und schließlich mit § 85 GmbHG eine strafrechtlich sanktionierte nachvertragliche Verschwiegenheitsregelung geschaffen. In Anbetracht dessen ist anzunehmen, dass er sich der Rechtslage bei Geschäftsführern bewusst ist und die Nichteinführung einer Gesetzesregelung eine bewusste Entscheidung darstellt. 14. Überdies entspricht die Interessenlage von GmbH und Geschäftsführer hinsichtlich der Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes nicht der in den §§ 74 ff. HGB geregelten. 15. Rechtsprechung und Literatur ziehen zur Begründung der (nicht-)analogen Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften auf Geschäftsführer bisher unterschiedliche Kriterien heran. Für die entsprechende Anwendbarkeit führen sie in der Regel die vergleichbare wirtschaftliche Abhängigkeit, soziale Schutzbedürftigkeit oder Arbeitnehmerähnlichkeit des konkret Betroffenen bzw. der Geschäftsführer generell an, während sie zur Ablehnung der analogen Geltung regelmäßig auf aus der Organfunktion folgende Besonderheiten verweisen. Nahezu
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einhellig betonen sie aber, dass arbeitsrechtliche Schutzvorschriften dann keine Anwendung bei Geschäftsführern finden, wenn die Organstellung dies verbietet. 16. Die analoge Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften auf Geschäftsführer sollte anhand eines Zwei-Stufigen-Prüfungsansatzes bestimmt werden. Auf der ersten Stufe ist zu prüfen, ob der Schutzzweck der in Rede stehenden Norm ihre Anwendung auch bei Geschäftsführern gebietet. Maßgeblich hierfür können die unterschiedlichen, als alleinige Ansatzpunkte aber nicht sachgerecht erscheinenden Kriterien der wirtschaftlichen und sozialen bzw. rechtlichen Abhängigkeit oder Arbeitnehmerähnlichkeit sein, da es sich bei diesen um anerkannte Kriterien zur Bestimmung der Arbeitnehmereigenschaft bzw. zur Kennzeichnung arbeitnehmerähnlicher Schutzbedürftigkeit handelt. Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob die Anwendung der Schutznorm mit den Besonderheiten des Organverhältnisses vereinbar ist. Dieser Ansatz erlaubt es, von der Bestimmung eines generellen Kriteriums für die Entscheidung über die entsprechende Anwendbarkeit abzusehen und stattdessen – den allgemeinen Grundsätzen der analogen Normanwendung entsprechend – für die in Rede stehende Norm nach ihrem Sinn und Zweck das jeweils entscheidende Kriterium zu ermitteln. Zudem trägt die Zwei-Stufigkeit der besonderen Rechtsstellung des Geschäftsführers als Organ und zugleich Angestellten der GmbH und dem zu beachtenden Grundsatz des Vorranges des Organverhältnisses vor dem Anstellungsverhältnis Rechnung. 17. Bei Zugrundelegung dieses Zwei-Stufigen Prüfungsansatzes scheidet die analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB aus. Sinn und Zweck sowie die den Normen zugrundeliegende Interessenlage mögen die Anwendung zwar grundsätzlich bei solchen Fremd- und solchen Gesellschaftergeschäftsführern gebieten, die nicht aufgrund ihrer Gesellschaftsbeteiligung oder sonstigen Einflussmöglichkeiten auf die Geschicke der Gesellschaft als unabhängig zu qualifizieren sind. Zur Ausgrenzung nicht schutzbedürftiger Geschäftsführer scheinen insoweit die Grundsätze zur Anwendbarkeit des BetrAVG auf Geschäftsführer als geeignet. Unabhängig davon steht der Anwendung der §§ 74 ff. HGB aber jedenfalls das Organverhältnis entgegen. Dieses geht dem Anstellungsverhältnis im Sinne eines weiten Vorrangverständnisses insofern vor, als dass anstellungsvertragliche Regelungen unzulässig sind oder wären, wenn sie mit Regelungen des GmbHG zur Organstellung kollidierten oder aber die Durchführbarkeit des Organverhältnisses und damit die Sicherung der Handlungsfähigkeit der Gesellschaft gefährdeten. Die Anwendung der §§ 74 ff. HGB liefe dem mit der Einräumung einer umfassenden und weitgehend unabdingbaren Rechtsstellung des Geschäftsführers verfolgten Zweck, die jederzeitige Handlungsfähigkeit und damit Existenz der GmbH zu gewährleisten, zuwider. Der Geschäftsführer kann sich von den für die GmbH existenziellen Betriebs- und Geschäftsinformationen Kenntnis verschaffen. Ihm kann – anders als leitenden Angestellten – wegen seiner gesetzlich-or-
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ganschaftlichen Pflichten der Zugang zu diesen nicht verwehrt werden. Hieraus folgen eine größere Schädigungsgefahr und daher ein erweitertes Schutzbedürfnis der GmbH. Dieses erweiterte Schutzinteresse der GmbH führt zu einer Verschiebung der Gesamtinteressenlage zwischen GmbH und Geschäftsführer zugunsten der GmbH, was der Heranziehung der §§ 74 ff. HGB entgegensteht. Ist dem Geschäftsführer – um ihm die Ausübung seines Amtes zu eröffnen und damit die jederzeitige Handlungsfähigkeit der Gesellschaft zu gewährleisten – qua Gesetz eine umfassende Rechtsstellung eingeräumt, und ist es ihm aufgrund dieser möglich, von allen wesentlichen Vorgängen Kenntnis zu erlangen und auf Verfahren Einfluss zu nehmen, muss der Gesellschaft zugleich eine weiterreichende Möglichkeit zugestanden werden, sich vor der Kenntnis und Verwertung ihrer existenziellen Interna durch die Konkurrenz zu schützen, als es bei Arbeitgebern von Personen mit geringerer und vor allem auch zu reglementierender Zugriffsmöglichkeit auf wesentliche Betriebsgeheimnisse anerkannt wird. Dem erweiterten Schutzbedürfnis der GmbH kann nicht durch eine weite Auslegung des berechtigten geschäftlichen Interesses i. S. v. § 74a Abs. 1 HGB unter im Übrigen unveränderter Übernahme der Regelungen der §§ 74 ff. HGB entsprochen werden. Der Gesetzgeber hat keine Mindestschutzvorschriften für Geschäftsführer geschaffen und insofern die Vertragsfreiheit der Parteien hinsichtlich der anstellungsvertraglichen Regelungen betont. Zudem verlangt er in Abweichung von § 74 Abs. 2 HGB für Handelsvertreter nach § 90a HGB „nur“ eine angemessene Entschädigung. Die uneingeschränkte Anwendung des Gesamtregelungssystemes der §§ 74 ff. HGB und damit auch der Karenzentschädigungspflicht – sogar in Höhe des § 74 Abs. 2 HGB – liefe diesen gesetzgeberischen Wertungen zuwider. 18. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote müssen ebenso nicht die Voraussetzungen des § 90a HGB analog wahren. Es fehlt auch hier wegen der Generalklausel des § 138 BGB und der bewussten gesetzgeberischen Entscheidung für diese Norm bereits an der für eine Analogie notwendigen planwidrigen Regelungslücke.
D. §§ 305 ff. BGB 19. Vorformulierte nachvertragliche Wettbewerbsverbote unterliegen dem Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen nach den §§ 305 ff. BGB. Sie dürfen daher weder eine überraschende Klausel i. S. v. § 305c Abs. 1 BGB darstellen, noch das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB missachten. Einer Inhalts- und Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB sind sie dagegen nicht zu unterziehen, da die Festlegung der Reichweite eines Verbotes die Bestimmung einer vertraglichen Hauptleistungspflicht darstellt und insofern nach § 307 Abs. 3 BGB der Kontrolle entzogen ist.
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E. § 138 Abs. 1 BGB i.V. m. Art. 12 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG sowie den allgemeinen Rechtsgrundsätzen der §§ 74 ff. HGB 20. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote sind anhand des § 138 Abs. 1 BGB auf ihre Zulässigkeit zu prüfen. Bei der Auslegung und Anwendung des § 138 BGB sind die Wertungen der Art. 12 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG sowie die allgemeinen Rechtsgedanken der §§ 74 ff. HGB zu berücksichtigen. Insofern ist dem Beurteilungsmodell des BGH zuzustimmen. 21. § 138 Abs. 1 BGB stellt eine verfassungsrechtlich hinreichende und sachgerechte Rechtsgrundlage zur Beurteilung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote dar. Trotz der Bedeutung der betroffenen Grundrechte, der Schwere ihrer Beeinträchtigung und der mit der Anwendung des § 138 BGB einhergehenden Rechtsunsicherheit ist eine spezial-gesetzliche Regelung verfassungsrechtlich nicht geboten. § 138 BGB ist sachgerecht, da er die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles gebietet und auf diese Weise Differenzierungen zwischen Geschäftsführern im Hinblick auf ihre Rechtsstellung eröffnet. 22. Wettbewerbsverbote, die in nicht zu rechtfertigender Weise die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) bzw. die subsidiäre allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) beschränken, sind sittenwidrig. Die Gerichte müssen durch eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles ermitteln, ob ein Rechtsgeschäft sittenwidrig ist. Hierbei haben sie insbesondere verfassungsrechtliche Wertungen zu berücksichtigen. Die Grundrechte des Grundgesetzes finden in Privatrechtsverhältnissen zwar keine direkte Anwendung, da sie Privatpersonen nicht binden. Sie verkörpern nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG aber eine objektive Wertordnung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung in allen Bereichen des Rechtes gilt. Diese objektive Wertordnung müssen die Gerichte insbesondere bei der Auslegung und Anwendung der zivilrechtlichen Generalklauseln beachten. 23. Für die Interessenabwägung im Rahmen des § 138 BGB sind ferner die Wertungen einfacher Gesetze und die aus diesen folgenden allgemeinen Rechtsgrundsätze maßgeblich. Insofern können die §§ 74 ff. HGB Berücksichtigung finden, soweit es sich bei ihnen um allgemeine Rechtsgrundsätze handelt. 24. § 74a Abs. 1 HGB setzt voraus, dass ein Wettbewerbsverbot von einem berechtigten geschäftlichen Interesse getragen ist und den Betroffenen in gegenständlicher, örtlicher und zeitlicher Hinsicht nicht unbillig beschränkt. Die Norm stellt hinsichtlich ihres Tatbestandes einen allgemeinen Rechtsgrundsatz dar. Schon das Reichsgericht als auch das BAG, bevor es dazu übergegangen ist, die §§ 74 ff. HGB bei allen Arbeitnehmern analog anzuwenden, haben die Vereinbarkeit von Wettbewerbsverboten mit § 138 BGB von dementsprechenden Voraussetzungen abhängig gemacht. Ebenso prüfen BGH und OLGs Wettbe-
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werbsverbote z. B. mit Freiberuflern, Gesellschaftern oder Unternehmensveräußerern auf der Grundlage des § 138 BGB darauf, ob sie von schutzwürdigen Interessen des Begünstigten getragen sind und keine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Betroffenen begründen. Auch nach der Rechtsprechung zu § 1 GWB sind Wettbewerbsverbote – in Übereinstimmung mit der Nebenabredendoktrin des EuGH zu Art. 101 AEUV (zuvor: Art. 81 Abs. 1 EG) – dann aus dem Tatbestand ausgenommen, wenn sie zur Durchführung des Hauptvertrages erforderlich und nach ihrem gegenständlichen, zeitlichen und örtlichen Umfang angemessen sind. 25. Der allgemeine Rechtsgrundsatz des § 74a Abs. 1 HGB ist bei der Auslegung des § 138 BGB zu berücksichtigen. Wettbewerbsverbote sind danach sittenwidrig, wenn sie nicht von berechtigten Interessen getragen (erforderlich) oder nicht in gegenständlicher, örtlicher oder zeitlicher Hinsicht billig (angemessen) sind. Die durch die Heranziehung der Kriterien des § 74a Abs. 1 HGB begründete generelle und intensive Inhaltskontrolle führt weder zu einer unzulässigen Kontrolle von Verträgen zwischen Privatpersonen noch ist sie mit der Grundlage des § 138 BGB unvereinbar. Ebenso wenig widersprechen die Prüfungskriterien der Erforderlichkeit und Angemessenheit dem Normverständnis des § 138 BGB. 26. Das BVerfG hat zwar im Hinblick auf die im Zivilrechtsverkehr herrschende Privatautonomie als Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG gewisse Restriktionen für die Kontrolle von Verträgen zwischen Privatpersonen aufgestellt. Ein Vertrag dürfe nicht bei jeder Störung des Verhandlungsungleichgewichtes, sondern erst dann in Frage gestellt werden, wenn es sich um eine typisierbare Fallgestaltung handele, die eine strukturelle Unterlegenheit des einen Vertragsteiles erkennen ließe. Allerdings geht es nach eigenen Ausführungen davon aus, dass im Falle eines zu weitgefassten Wettbewerbsverbotes und damit einer schwerwiegenden Einschränkung des Betroffenen eine gestörte Vertragsparität indiziert und dem Gericht daher die eingehende Prüfung eröffnet ist, ob im Ergebnis tatsächlich von einer strukturellen Unterlegenheit des Betroffenen und damit einer Störung der Vertragsparität auszugehen ist. 27. Die intensive Inhaltskontrolle ist mit der Sittenwidrigkeitsgeneralklausel des § 138 BGB vereinbar. Die von Reichsgericht, BAG, BGH und OLGs – unabhängig vom zugrundeliegenden Vertrag – nach einheitlichen Zulässigkeitskriterien vorgenommene intensive Inhaltskontrolle von Wettbewerbsverboten ist wegen der Betroffenheit der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) geboten. Die Berufsfreiheit ist in der ständigen Rechtsprechung des BVerfG und der einhelligen Literatur wegen ihrer Bedeutung für die freie Entfaltung der Persönlichkeit des Einzelnen i. S. v. Art. 2 GG sowie für das Allgemeinwesen als besonders bedeutsames Grundrecht anerkannt. Staatliche Eingriffe werden nur unter strengen, auf der Grundlage der Drei-Stufen-Theorie abgestuften Gründen zugelassen. Diese
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Grundsätze der Eingriffsprüfung finden bei vertraglichen Vereinbarungen zwischen Privatpersonen zwar keine direkte Anwendung. Allerdings ist die Wertung des Art. 12 Abs. 1 GG als Bestandteil der objektiven Wertordnung der Grundrechte bei der Auslegung des § 138 BGB im Sinne des Verständnisses der Lehre von der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte in Privatrechtsverhältnissen zu beachten. Infolgedessen sind auch berufsbeschränkende Abreden zwischen Privatpersonen nur eingeschränkt und bei Vorliegen strenger, je nach der Betroffenheit abgestufter, Gründe zulässig. Die Kriterien des schützenswerten/berechtigten Interesses und der Angemessenheit/Billigkeit sind hierbei geeignet, die Wertung des Art. 12 GG bei der Wettbewerbsprüfung einfließen zu lassen. Sind nach der Drei-Stufen-Theorie staatliche Eingriffe in die Berufswahl nur bei überragend oder besonders wichtigen Gründen sowie Eingriffe in die Berufsausübung nur bei vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohles gerechtfertigt, ist es sachgerecht, auch bei vertraglichen Wettbewerbsverboten grundsätzlich jedenfalls ein gewisses schützenswertes Interesse des Verbotsbegünstigten zu verlangen und dabei danach abzustufen, ob dem Geschäftsführer die weitere Berufsausübung nur erschwert oder im Sinne einer Berufswahlregelung unmöglich gemacht wird. Ebenso ist es gerechtfertigt, nachvertragliche Wettbewerbsverbote dann nicht mehr als zulässig anzuerkennen, wenn die Geschäftsführer derart weitgehend und daher unbillig in ihrer Berufsfreiheit beschränkt werden, dass dies eine Missachtung ihrer zur Erhaltung der Lebensgrundlage dienenden Berufsfreiheit darstellt. 28. Die Zwei-Stufige Prüfung mit den Kriterien der Erforderlichkeit und Angemessenheit widerspricht nicht dem Normverständnis des § 138 BGB. Unter Berücksichtigung der Wertung des Art. 12 GG ist es sachgerecht, eine sittenwidrige, weil unzumutbare Beeinträchtigung durch ein Wettbewerbsverbot nicht nur bei einer unbilligen Beschränkung, sondern auch dann anzunehmen, wenn für das Wettbewerbsverbot kein schutzwürdiges Interesse besteht.
F. Ergänzung des Anstellungsvertrages anhand §§ 74 ff. HGB, soweit der GmbH günstig bzw. allgemeine Rechtsgrundsätze enthaltend 29. Der Ansatz des BGH, die §§ 74 ff. HGB zur Ergänzung der anstellungsvertraglichen Regelungen analog heranzuziehen, soweit sie der GmbH günstige Regelungen enthalten, ist abzulehnen. Die §§ 74 ff. HGB enthalten als Gesamtnormengefüge einen abschließenden und deswegen nach § 75d HGB auch zwingenden Ausgleich der widerstreitenden Interessen von Handlungsgehilfe und Prinzipal. Können die Normen im Verhältnis zwischen GmbH und Geschäftsführer nicht insgesamt herangezogen werden, kann nicht dazu übergegangen werden, nur den Teil der Normen anzuwenden, die nur einer der Vertragsparteien, nämlich der GmbH, günstig sind. Zudem müssten im Fall der analogen Geltung einer
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4. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse
der GmbH günstigen Norm jedenfalls auch deren Voraussetzungen und Rechtsfolgen zur Anwendung gelangen. 30. Zur Ergänzung der anstellungsvertraglichen Abreden und damit als Beurteilungsgrundlagen können die §§ 74 ff. HGB aber insoweit dienen, als sie allgemeine Rechtsgrundsätze enthalten.
§ 3 Die zulässige Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote 31. Die Beurteilung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote mit Geschäftsführern erfolgt also im Wesentlichen auf der Grundlage des § 138 Abs. 1 BGB. Zu berücksichtigen sind hierbei die einheitliche europarechtliche Wertung im Umgang mit nachvertraglichen Wettbewerbsverboten sowie die objektive Wertordnung des Grundgesetzes, insbesondere die Berufsfreiheit des Art. 12 GG. Die §§ 74 ff., 90a HGB sind zu beachten, soweit sie allgemeine Rechtsgrundsätze enthalten. Die Parallelität der Rechtsprechung zu § 138 BGB und § 1 GWB erlaubt es, die durch die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 101 AEUV (vorher: Art. 81 Abs. 1 EG) geprägte Nebenabredenrechtsprechung des BGH zu § 1 GWB vergleichend heranzuziehen. Zur Ergänzung der Wettbewerbsabrede können die §§ 74 ff., 90a HGB nur dienen, wie sie allgemeine Rechtsgrundsätze enthalten. Danach ergeben sich für die Zulässigkeit nachvertraglicher Wettbewerbsverbote folgende Grundsätze:
A. Schriftform 32. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot muss nicht schriftlich abgeschlossen werden. Die Schriftform ist weder aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten, noch ist den §§ 74 Abs. 1, 90a HGB die allgemeine Wertung zu entnehmen, dass Wettbewerbsverbote in Ausnahme zum Grundsatz der Formfreiheit von Rechtsgeschäften zwingend schriftlich vereinbart werden müssen.
B. Notwendigkeit einer Karenzentschädigung 33. Ein Wettbewerbsverbot muss nicht zwingend eine Karenzentschädigung zusagen. Eine solche ist weder aus verfassungsrechtlichen Gründen, konkret zum Schutze der Berufsfreiheit des Geschäftsführers (Art. 12 Abs. 1 GG), noch wegen eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes bezahlter Karenz zwingend geboten. Die Karenzentschädigungsregelungen der §§ 74, 90a HGB sind Ausfluss der gesetzgeberischen Entscheidungen, wie die widerstreitenden Interessen der durch die Normen Betroffenen zum Ausgleich zu bringen sind. Die Entscheidungen des Gesetzgebers zugunsten der Karenzentschädigungen waren nicht durch Art. 12
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Abs. 1 GG vorgezeichnet. Ebenso wenig kann ihnen unterlegt werden, eine grundsätzliche Entscheidung für eine Karenzentschädigungspflicht i. S. eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes zu enthalten. 34. Eine Karenzentschädigungspflicht folgt auch nicht daraus, dass die vom Gesetzgeber für die Einführung der Karenzentschädigung in § 74 Abs. 2 HGB vorgebrachten Schutzzweckerwägungen grundsätzlich auch auf das Rechtsverhältnis zwischen GmbH und Geschäftsführer übertragen werden können. Mit diesem Ansatz würde die gesetzgeberische Grundentscheidung, auf eine gesetzliche Regelung zugunsten der Vertragsfreiheit und einer gerichtlichen Prüfung entsprechender Vereinbarungen anhand des § 138 BGB zu verzichten, ausgehöhlt. Hielte der Gesetzgeber eine Karenzentschädigung als Hemmschwelle für die GmbHs bzw. als Gegenleistung für notwendig, stände es ihm jederzeit offen, eine Regelung zu schaffen. 35. Die (Nicht-)Zahlung einer Karenzentschädigung findet bei der Prüfung Berücksichtigung, ob der Geschäftsführer durch das Wettbewerbsverbot unbillig und deswegen sittenwidrig in seinem Fortkommen beschwert ist (§ 138 Abs. 1 BGB i.V. m. der Wertung des § 74a Abs. 1 S. 2 HGB). Ob ein Geschäftsführer wegen der Reichweite des Wettbewerbsverbotes unbillig belastet ist, ist eine Frage des Einzelfalles, so dass es auch nur für den jeweiligen Einzelfall festgestellt werden kann, ob es einer ausgleichenden Leistung der Gesellschaft bedarf. 36. Trotz dieses strikten Einzelfallvorbehaltes kann aber vor dem Hintergrund der Wertung des Art. 12 Abs. 1 GG bei Kundenschutzabreden eine Karenzentschädigung grundsätzlich für entbehrlich, bei Tätigkeitsverboten dagegen für notwendig erachtet werden (zu den Begriffen vgl. unter 42). Kundenschutzklauseln erschweren dem Geschäftsführer im Sinne von Berufsausübungsregelungen zwar ebenfalls die Fortsetzung seiner Berufstätigkeit, weil sie es ihm verbieten, seinen Beruf fortan mit den bisherigen Kunden oder Mandanten auszuüben. Sie belassen ihm aber die Möglichkeit, im bisherigen Tätigkeitsgebiet weiterzuarbeiten. Insofern stellen sie bei hinreichender sachlicher, zeitlicher und örtlicher Begrenzung auch ohne Karenzentschädigung noch keine unbillige, weil unverhältnismäßige Erschwerung des beruflichen Fortkommens dar. Anders verhält es sich dagegen bei Tätigkeitsverboten, die dem Geschäftsführer im Sinne von Berufswahlregelungen die Fortsetzung seiner bisherigen Berufstätigkeit verschließen. Bei diesen kann auch bei hinreichender sachlicher, örtlicher und zeitlicher Begrenzung ohne eine entsprechende Entschädigung grundsätzlich nicht mehr von einer verhältnismäßigen Beschränkung der nach der Rechtsprechung des BVerfG besonders bedeutsamen und daher insbesondere vor Berufswahlregelungen zu schützenden Berufsfreiheit ausgegangen werden. 37. Ob eine Entschädigung zugesichert werden muss, ist nicht von der gesellschaftsrechtlichen Stellung des Geschäftsführers abhängig zu machen. Auch wenn Fremd- und Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer verglichen mit
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Mehrheits-Gesellschafter-Geschäftsführern auf die Zahlung einer Karenzentschädigung in der Regel eher angewiesen sein werden, kann nicht angenommen werden, dass Wettbewerbsverbote ohne Karenzentschädigungszusagen mit ihnen grundsätzlich unzulässig, weil unbillig sind. Es ist nämlich nicht ausgeschlossen, dass ihnen anstellungsvertraglich anderweitige Zuwendungen zugesichert sind, die hinreichend sind, um die Aufrechterhaltung der Lebensführung zu gewährleisten und damit die Folgen der Berufsfreiheitsbeschränkung abzumildern. 38. Sieht ein wegen seiner Reichweite entschädigungsbedürftiges Wettbewerbsverbot eine Karenzentschädigung nicht vor, ist im Rahmen der Billigkeitsprüfung festzustellen, ob und inwieweit sonstige durch die GmbH vertraglich zugesicherte Leistungen als Entschädigung dienen können. Mangels Anwendbarkeit des § 74 Abs. 2 HGB kommt es nicht darauf an, ob die Leistung als Gegenleistung für das Wettbewerbsverbot gewährt wird. Auch ist nicht maßgeblich, ob die Leistung nach ihrem Sinn und Zweck darauf gerichtet ist, die (Übergangs-)Zeit nach der Beendigung des Anstellungsverhältnisses abzusichern. Entscheidend ist allein, ob die Leistung geeignet ist, die Beschränkung des Geschäftsführers in seiner Berufsfreiheit abzumildern, so dass das Wettbewerbsverbot doch noch als billig anerkannt werden kann. Das kann aber nur bei Leistungen angenommen werden, die dem Geschäftsführer tatsächlich in der Zeit nach der Beendigung des Anstellungsverhältnisses gewährt werden und die daher geeignet sind, die Beeinträchtigung seiner Berufsfreiheit und bedingt dadurch auch seiner Lebensführung zu reduzieren. Demzufolge können im Rahmen der Billigkeitsprüfung insbesondere dem Geschäftsführer in der Zeit während des Wettbewerbsverbotes erbrachte Sachleistungen, Übergangsgelder, Abfindungen, Betriebsrenten und sonstige Versorgungsleistungen berücksichtigt werden. 39. Auf welchen Umfang sich die bei Tätigkeitsverboten regelmäßig notwendige Entschädigung belaufen muss bzw. ab welchem Umfang sonstiger vertraglicher Leistungen angenommen werden kann, dass eine hinreichende Entschädigung gegeben ist, kann wegen der Einzelfallbezogenheit der Entscheidung nicht durch einen Fixwert oder einen Mindestumfang festgelegt werden. § 74 Abs. 2 HGB kann lediglich die Wertung entnommen werden, dass die Entschädigung in Fällen, in denen Geschäftsführer weitgehend in ihrer Berufsfreiheit beschränkt werden und daher von einer Ausgleichsleistung abhängig sind, jedenfalls 50 % der bisherigen Bezüge betragen sollte. Als bisherige Bezüge sind dabei alle dem Geschäftsführer erbrachten Leistungen, also sowohl Festbezüge als auch variable Entgelte, zu verstehen.
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C. Vorliegen eines berechtigten Interesses und Billigkeit der Beschränkung 40. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot für einen Geschäftsführer ist mit § 138 Abs. 1 BGB i.V. m. § 74a Abs. 1 HGB unvereinbar, wenn es nicht von berechtigten Interessen der Gesellschaft getragen ist oder den Geschäftsführer unbillig in seinem Fortkommen beschränkt. Die Kriterien des berechtigten Interesses und der nur billigen Beschränkung entsprechen der Wertung des Art. 12 Abs. 1 GG, der Beschränkungen der Berufsfreiheit nur unter strengen Voraussetzungen zulässt. Insofern enthält § 74a Abs. 1 HGB eine allgemeine Wertung für Wettbewerbsverbote. Im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG ist bei der Auslegung und Anwendung der Kriterien ein strenger Maßstab anzulegen. Dies eröffnet einheitliche Wertungen bei § 138 BGB, § 1 GWB und § 74a HGB. 41. Die Gesellschaft muss in sachlich/gegenständlicher, örtlich/räumlicher sowie zeitlicher Hinsicht ein berechtigtes Interesse am vereinbarten Wettbewerbsverbot aufweisen. Hierfür sind die Umstände des Einzelfalles entscheidend. 42. Für die sachlich zulässige Reichweite des Wettbewerbsverbotes ist der Tätigkeitsbereich der Gesellschaft entscheidend. Zu unterscheiden sind Kundenschutzabreden und Konkurrenz- bzw. Tätigkeitsverbote. Kundenschutzabreden untersagen dem Geschäftsführer, der GmbH Kunden abzuwerben. Konkurrenzbzw. Tätigkeitsverbote verpflichten ihn, weder für ein Konkurrenzunternehmen tätig zu werden, noch ein solches zu errichten oder zu betreiben. Alternativ verbieten sie ihm, im Tätigkeitsbereich/in der Branche der GmbH zu agieren. Konkurrenz- bzw. Tätigkeitsverbote führen im Ergebnis dazu, dass dem Geschäftsführer die Fortsetzung seiner bisherigen Tätigkeit versagt ist. 43. Kundenschutzklauseln dürfen sich nur auf solche Kunden beziehen, die in den letzten zwei Jahren vor Ausscheiden des Geschäftsführers Kunden der Gesellschaft waren. Die Zwei-Jahres-Frist des § 74a Abs. 1 S. 3 HGB enthält eine auch hier heranzuziehende Wertung, dass sich Kenntnisse und Kontakte nach zwei Jahren in der Regel so entscheidend reduziert bzw. gelöst haben, dass sie eines Schutzes nicht mehr bedürfen. Kunden der Gesellschaft sind solche, mit denen in den letzten zwei Jahren Geschäftsbeziehungen bestanden haben, aktuell bestehen oder im Zeitpunkt des Ausscheidens des Geschäftsführers gerade akquiriert werden. Zur Orientierung, wann ein sich in der Anbahnung befindlicher Kundenkontakt derart hinreichend ist, dass er der Kundenschutzklausel unterfällt, bietet sich die Regelung des § 311 Abs. 2 BGB zum vorvertraglichen Schuldverhältnis an. Die Kundenschutzklausel darf sich auch auf Kunden erstrecken, zu denen der Geschäftsführer keinen Kontakt hatte, weil es ihm aufgrund seiner umfassenden Rechtsstellung jederzeit möglich ist, sich über Kundenbeziehungen zu informieren.
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44. Die GmbH weist ein berechtigtes Interesse an einem Konkurrenz- bzw. Tätigkeitsverbot auf, wenn sie ihre Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse aber auch Kundeninformationen nur dadurch hinreichend schützen kann, dass sie es dem Geschäftsführer umfassend untersagt, in Konkurrenz zu ihr zu treten. 45. Die räumlich/örtlich zulässige Reichweite des Wettbewerbsverbotes beurteilt sich nach dem räumlichen Tätigkeitsgebiet der Gesellschaft. Dieses kann regelmäßig aber nur in Zusammenschau mit dem gegenständlichen Tätigkeitsbereich der Gesellschaft festgestellt werden. 46. Wettbewerbsverbote sind nur für einen Zeitraum von zwei Jahren nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses zuzulassen. § 74a Abs. 1 HGB enthält insofern einen allgemeinen Rechtsgrundsatz. 47. Der Geschäftsführer darf in sachlich/gegenständlicher, räumlich/örtlicher und zeitlicher Hinsicht nicht unbillig in seiner Berufsausübung beschränkt werden. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalles in ihrer Gesamtbetrachtung; etwaige Entschädigungsleistungen sind ebenfalls zu berücksichtigen. Obwohl bei der Prüfung berechtigter geschäftlicher Interessen der GmbH solche Entschädigungsleistungen nicht beachtlich sind, es also bei der Billigkeitsprüfung für den Geschäftsführer noch weitergehender auf die Umstände des Einzelfalles ankommt als bei der Feststellung des berechtigten Interesses der Gesellschaft der Fall, kann grundsätzlich von einem gewissen Gleichlauf der Ansätze zur Bestimmung des berechtigten Interesses bzw. der Billigkeit in zeitlicher, sachlicher und örtlicher Hinsicht ausgegangen werden. So ist z. B. bei der Überschreitung von zwei Jahren regelmäßig nicht nur ein fehlendes berechtigtes Interesse der Gesellschaft sondern auch eine unbilllige Beschränkung des Geschäftsführers anzunehmen. Der allgemeine Rechtsgedanke des § 74a Abs. 1 S. 3 HGB ist insoweit anwendbar. Auch ist bei einer örtlichen Beschränkung des Wettbewerbsverbotes auf das Tätigkeitsgebiet der Gesellschaft grundsätzlich nicht von einer unbilligen Beschränkung auszugehen. Ebenso ist an der Differenzierung zwischen Kundenschutzabreden und Tätigkeitsverboten festzuhalten. Kundenschutzklauseln sind, wenn sie entsprechend den Kriterien für das berechtigte Interesse beschränkt sind, also nur Kunden der Gesellschaft betreffen, grundsätzlich für billig zu erachten. Bei Tätigkeitsverboten kommt es für die Billigkeit dagegen darüber hinaus darauf an, ob eine Entschädigung geleistet wird, die die Berufsbeeinträchtigung abmildern und ausgleichen kann. 48. Die Zulässigkeit eines Wettbewerbsverbotes ist im Zeitpunkt des Ausscheidens des Geschäftsführers festzustellen. Dies entspricht zwar nicht dem Prüfungszeitpunkt des § 138 BGB, da die Sittenwidrigkeit nach diesem bei Abschluss des Rechtsgeschäftes gegeben sein muss. Es ist aber in Anbetracht der Wertung des Art. 12 Abs. 1 GG geboten. Nach dieser ist ein Wettbewerbsverbot nur dann zulässig, wenn es keine unzumutbare Beschränkung der Berufsfreiheit darstellt. Ob dies der Fall ist, kann aber nur im Zeitpunkt des Ausscheidens fest-
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gestellt werden. § 74a Abs. 1 HGB ist somit nicht nur hinsichtlich seiner Tatbestandsvoraussetzungen, sondern auch hinsichtlich des für diese geltenden Prüfungszeitpunktes als allgemeiner Rechtsgrundsatz in Ausprägung des Art. 12 Abs. 1 GG zu sehen. 49. Ist ein Wettbewerbsverbot mit § 138 BGB i.V. m. § 74a Abs. 1 HGB unvereinbar, also nicht von berechtigten Interessen der Gesellschaft getragen bzw. eine unbillige Beschränkung des Geschäftsführers darstellend, ist es entsprechend der Rechtsfolge des § 138 Abs. 1 BGB grundsätzlich nichtig. 50. Die Rechtsfolge des § 138 BGB kann nicht in jedem Fall durch eine geltungserhaltende Reduktion ersetzt werden. Ob § 138 BGB ebenso wie § 134 BGB einem Normzweckvorbehalt untersteht, so dass ein Rechtsgeschäft nur nichtig ist, wenn dies sein Sinn und Zweck gebietet, kann dahinstehen. Ein dem Normzweckvorbehalt entsprechender allgemeiner Rechtsgrundsatz, unzulässige Wettbewerbsverbote auf ihren zulässigen Rahmen geltungserhaltend zu reduzieren, ist nicht anzuerkennen. 51. Eine geltungserhaltende Reduktion kann nur in den Grenzen des § 139 BGB und der hierzu durch die Gerichte entwickelten Rechtsprechung zur sog. quantitativen Teilnichtigkeit von Rechtsgeschäften erfolgen. 52. Nach der Rechtsprechung des BGH in den Fällen sog. quantitativer Teilnichtigkeit ist der tatsächliche oder hypothetische Wille der Vertragsparteien entscheidend dafür, ob eine geltungserhaltende Reduktion der unzulässigen Abrede erfolgen kann. Ist ein solcher erkennbar oder aus den Umständen zu erschließen, kann der geltungserhaltenden Reduktion nicht entgegengehalten werden, sie eröffne dem Richter einen Eingriff in die vertraglichen Regelungen und führe zu einer unzulässigen Vertragsgestaltung. Demzufolge scheidet die geltungserhaltende Reduktion aus, wenn mehrere Regelungsmöglichkeiten bestehen und nicht bestimmbar ist, welche dem Willen der Parteien entsprochen hätte. Grundsätzlich ist anzunehmen, dass die Vertragsparteien sich bei Kenntnis der Nichtigkeit auf die gerade noch zulässige Regelung verständigt hätten. 53. Diese Wertungen auf die Wettbewerbsproblematik übertragend, ist die geltungserhaltende Reduktion nicht nur – so wie von der Rechtsprechung angenommen – bei zeitlicher Überschreitung der Zulässigkeitsgrenze, sondern auch bei gegenständlicher oder örtlicher Unzulässigkeit des Wettbewerbsverbotes möglich. Entscheidend ist, dass der Anstellungsvertrag Anhaltspunkte für eine Teilung bietet oder eine solche der Üblichkeit entspricht, so dass von einem hypothetischen Parteiwillen ausgegangen werden kann, das Wettbewerbsverbot in der reduzierten Form aufrechtzuerhalten. 54. Praktisch wird eine geltungserhaltende Reduktion bei fehlendem berechtigten Interesse der Gesellschaft an einem Wettbewerbsverbot weitergehend möglich sein als bei Unbilligkeit zulasten des Geschäftsführers. Fehlt es an einem berech-
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tigten Interesse in sachlicher oder örtlicher oder zeitlicher Hinsicht, kann aufgrund der Abreden der Parteien bzw. der Üblichkeit regelmäßig vermutet werden, dass die entsprechende Anpassung dem Willen der Vertragsparteien entspricht. Ist das von berechtigten Interessen der Gesellschaft getragene Wettbewerbsverbot dagegen für den Geschäftsführer unbillig, kann ein hypothetischer Parteiwille in der Regel nicht sicher ermittelt werden. Denn im Rahmen der Billigkeitsprüfung sind auch Ausgleichsleistungen zu berücksichtigen. Es hätte den Parteien bei Kenntnis der Unbilligkeit ihrer Abrede also nicht nur offen gestanden, die Regelung auf den zulässigen Umfang zu reduzieren, vielmehr hätten sie stattdessen auch (weitere) Ausgleichsleistungen vorsehen können. Bestehen aber verschiedene Regelungsmöglichkeiten, scheidet eine Anpassung aus, wenn sie nicht durch entsprechende Abreden der Parteien angezeigt ist. Aus diesem Grund ist eine Anpassung daher auch nicht möglich, wenn ein berechtigtes Interesse der Gesellschaft in mehrfacher Hinsicht fehlt. 55. Salvatorische Erhaltungs- bzw. Ersetzungsklauseln eröffnen keine geltungserhaltende Reduktion auf das noch zulässige Maß. Sie begründen lediglich Änderungen der Beweislast.
D. Verzichtsmöglichkeit der GmbH 56. Haben GmbH und Geschäftsführer ein Verzichtsrecht der GmbH nicht vereinbart, steht ihr kein Recht zu, auf das Wettbewerbsverbot mit der Folge des Entfallens der Karenzentschädigungspflicht zu verzichten. 57. Ein Verzichtsrecht der GmbH kann nicht im Wege der Ergänzung des Anstellungsvertrages bzw. der Wettbewerbsabrede anhand des § 75a HGB analog begründet werden. Regelmäßig fehlt es bereits an einer planwidrigen Unvollständigkeit der Vertragsabrede. Die Vertragsparteien sind sich bei der Vereinbarung des Wettbewerbsverbotes der Rechtslage und damit ihrer Vertragsfreiheit hinsichtlich der Zusage einer Karenzentschädigung sowie der mit dieser in Zusammenhang stehenden Regelungen bewusst. Vereinbaren sie dennoch eine Karenzentschädigung ohne weitere Absprachen, insbesondere ohne eine Verweisung auf die §§ 74 ff. HGB oder auf § 75a HGB, ist daher von einer bewussten Entscheidung der Vertragsparteien gegen ein Verzichtsrecht auszugehen, der die analoge Anwendung des § 75a HGB zuwiderliefe. Darüber hinaus könnte § 75a HGB, selbst wenn eine planwidrige Unvollständigkeit des Vertrages anzunehmen wäre, nicht zur Ergänzung herangezogen werden, da die §§ 74 ff. HGB bei Geschäftsführern nicht analog anwendbar sind und daher nicht zur Lückenfüllung dienen können. 58. Ein einseitiges Verzichtsrecht der GmbH folgt auch nicht aus dem allgemeinen Wertgedanken, dass es der GmbH möglich sein muss, sich vom Wettbewerbsverbot zu lösen, wenn ihr Interesse hieran entfallen ist. Auch wenn eine
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Wettbewerbsabrede zunächst vornehmlich im Interesse des Unternehmens liegt, können im Einzelfall und insbesondere bei Zusage einer Karenzentschädigung auch Interessen des Betroffenen an der Abrede bestehen, die einem einseitigen Verzichtsrecht des Unternehmens entgegenstehen. 59. Die Parteien können festlegen, unter welchen Voraussetzungen die GmbH berechtigt sein soll, auf das Wettbewerbsverbot mit der Folge des Entfallens der Karenzentschädigungspflicht zu verzichten. Ihre Regelungen dürfen nicht gegen § 138 BGB verstoßen; die §§ 75a, 90a HGB dienen dabei als Wertmaßstäbe. Abweichend von §§ 75a, 90a HGB können sie eine Verzichtsmöglichkeit auch für die Zeit nach der Beendigung des Anstellungsvertrages vereinbaren. Die §§ 75a, 90a HGB enthalten insoweit keine gesetzgeberische Grundentscheidung. Sowohl bei einer Verzichtsmöglichkeit vor der Beendigung als auch bei einer Verzichtsmöglichkeit nach der Beendigung des Vertrages muss die Rechtsposition des Geschäftsführers aber durch eine hinreichende Dispositionsfrist, während welcher die GmbH zur Fortzahlung der Karenzentschädigung verpflichtet bleibt, gewahrt werden. Geeigneter Anhaltspunkt für die sachgerechte Dauer der zu wahrenden Dispositionsfrist ist die vereinbarte Kündigungsfrist. Auf sie haben sich die Parteien bei Abschluss des Anstellungsvertrages geeinigt, so dass anzunehmen ist, dass sie sowohl für die GmbH als auch für den Geschäftsführer angemessen ist.
E. Anrechenbarkeit anderweitigen Erwerbes durch GmbH 60. Der Geschäftsführer muss sich anderweitigen Erwerb auf seine Karenzentschädigung nur bei entsprechender Vereinbarung mit der GmbH anrechnen lassen; § 74c HGB findet keine analoge Anwendung. Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, nach dem im Sinne eines allgemeinen Bereicherungsverbotes auf eine entschädigende Leistung stets anderweitiger Erwerb anzurechnen ist, besteht nicht. 61. GmbH und Geschäftsführer können vereinbaren, anderweitigen Erwerb des Geschäftsführers auf die Karenzentschädigung anzurechnen. Die Maßstäbe des § 74c HGB gelten für diese Abrede nicht. Insofern kann auch vorgesehen werden, dass die Anrechnung immer dann erfolgt, wenn anderweitiger Erwerb erzielt wird.
§ 4 Gesetzesvorschlag 62. Eine gesetzliche Regelung hinsichtlich nachvertraglicher Wettbewerbsverbote für Geschäftsführer erscheint sinnvoll. Eine solche würde die Diskussion um die gesamt-analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB bzw. die Ergänzung des Vertrages durch die analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB, wenn und soweit sie der GmbH günstig sind, obsolet machen. Auch könnte durch eine gesetzliche Regelung die in Anlehnung an § 74a Abs. 1 HGB entwickelte, auf der Grundlage des
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§ 138 BGB nicht unumstrittene strenge Inhalts- und Rechtmäßigkeitskontrolle festgehalten werden. Zudem könnte der Streit um den maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt beigelegt und der Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Anstellungsverhältnis als entscheidend festgelegt werden. Ferner könnte die bestehende Rechtsunsicherheit durch die Anordnung der geltungserhaltenden Reduktion gemindert werden. Es könnte die zulässige Höchstdauer von zwei Jahren festgeschrieben sowie eine Regelung zur Berücksichtigungsfähigkeit von Leistungen der Gesellschaft nach dem Ausscheiden des Geschäftsführers getroffen werden.
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Sachwortverzeichnis Abfindung 284, 298, 301, 305 Abmahnung 55, 197 AGB-Kontrolle 260 ff. – Angemessenheitskontrolle 261 ff. – Hauptleistungspflicht 263 ff. – Individualabrede 260 – Transparenzgebot 260 – Verbot überraschender Klauseln 260 – Verbraucher 260 AG-Vorstand – § 74 ff. HGB 187 – § 93 AktG 58 – Nachvertragliches Wettbewerbsverbot 280 ff. Allgemeine Handlungsfreiheit siehe Grundrechte (national) Analogie – Allgemeine Rechtsgrundsätze 179 – Anwendung arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften auf Geschäftsführer siehe dort – Gleichbehandlung 160 – Interessengleichheit 160 – Lücke siehe dort – Sinn und Zweck 160 – Vertragsergänzende Analogie 265 ff. – Voraussetzungen 159 ff. – Wertungsansatz 160 Anderweitiger Erwerb siehe Anrechnung anderweitigen Erwerbes Angemessenheit – AGB-Kontrolle 263 – Nebenabrede 123, 144 Annexkompetenz siehe Anstellungsverhältnis, Zustandekommen Anrechnung anderweitigen Erwerbes 365 ff.
– AGB-Kontrolle 264 – Ergänzende Vertragsauslegung 84, 96, 109, 401 – Handlungsgehilfe 374 – Nebenabrede siehe AGB-Kontrolle – Rechtsgrundsatz 402 – Schutzzweck 399 – Vertragliche Vereinbarung 401 ff. Anrechnung von Arbeitslosengeld 82, 398 Anstellungsverhältnis 44 ff. – Annexkompetenz der Gesellschafterversammlung 46 – Arbeitsverhältnis 46 – Auftrag 46 – Dienstverhältnis 46 ff. – Grundsätze des fehlerhaften Arbeitsverhältnisses 46 – Rechtsnatur 46 – Trennungstheorie 45 – Vergütung 46 – Zustandekommen 45 Anwendung arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften 52 ff. – Arbeitnehmerähnlichkeit 196 ff. – Funktionsfähigkeit der GmbH 151, 204, 212 – Funktionsstörung der Organstellung 201, 225 – Gesellschaftsrechtliche Kompetenzstruktur 107, 216, 221 – Repräsentation der GmbH 47, 204 – Schutzpflicht der GmbH 198 – Soziale Abhängigkeit 54, 198 – Treuepflicht der GmbH 199 – Verhältnis von Organ- und Anstellungsverhältnis 204 ff., 210 ff.
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Sachwortverzeichnis
– Vorrang des Organverhältnisses 204 ff. – Wirtschaftliche Abhängigkeit 195 ff. – Zwei-stufige Prüfung 200 ff. Arbeitnehmer – § 110 GewO 25, 101, 183, 192, 276, 406 – Arbeitnehmerfreizügigkeit siehe Grundfreiheiten – Berufsfreiheit 134, 137, 231 ff., 247 ff., 285 ff. – Unionsrechtlicher Begriff 126 Arbeitnehmerähnlichkeit 53, 115, 196 ff., 409 Arbeitnehmerfreizügigkeit siehe Grundfreiheiten Arbeitsverhältnis siehe Anstellungsverhältnis ArbGG 52 Behinderung eines Mitbewerbers 155 Berechtigtes Interesse – Beurteilungszeitpunkt 341 fff. – Geltungserhaltende Reduktion siehe dort, Salvatorische Klausel – in örtlicher Hinsicht 320, 322, 326, 338 – in sachlicher Hinsicht 315, 321, 326, 334 – in zeitlicher Hinsicht 314, 316, 321, 323, 326, 339 – Konzernmäßig verbundene Unternehmen 328, 336, 338 – Kunde 314, 316, 323, 328, 334 – Kundenschutzabrede 314, 316, 323, 328, 334 – Prüfungskriterien 333 – Rechtsgrundsatz 255 ff. – Tätigkeitsgebiet 334, 338 – Tätigkeitsverbot 316, 322, 327, 334, 337 – Vertragsabwicklung 335 – Vertragsanbahnung 323, 335 – Vorbereitungshandlungen 317
– Zwei-Jahres-Frist 314, 316, 323, 327, 335, 340 Beredtes Schweigen 181 ff. Berufsfreiheit 134, 137, 231 ff., 247 ff., 285 ff. – Drei-Stufen-Theorie 252 ff., 417 – Einheitliches Grundrecht 251 – Objektive Wertordnung 137, 231, 253 ff., 271 ff. – Wirkung in Privatrechtsverhältnissen 137, 253 ff., 300 Bestellung 33, 34, 44 BetrAVG 34 ff., 52 ff., 209 Betriebsrenten 298, 302, 307 Betriebsübergang 54, 182 BetrVG 52, 65, 194 Beurteilungszeitpunkt 313 ff., 329, 332 – Eintritt der Rechtswirkungen 318, 321, 329, 341 ff. – Rechtsprechung zu gesellschaftsvertraglichen Abfindungsklauseln 329 – Vornahme des Rechtsgeschäfts 329, 342 ff. Bezugnahme auf §§ 74 ff. HGB 71 Billigkeit einer Beschränkung – Beurteilungszeitpunkt 341 ff. – Geltungserhaltende Reduktion siehe dort, Interessenabwägung – in örtlicher Hinsicht 340 – in sachlicher Hinsicht 340 – in zeitlicher Hinsicht 340 – Karenzentschädigung 339 – Kundenschutzabrede 340 – Tätigkeitsverbot 341 – Verhältnis zu berechtigtes Interesse 340 – Zwei-Jahres-Frist 340 BUrlG 54 Dauerschuldverhältnis siehe geltungserhaltende Reduktion Dienstleistungsfreiheit siehe Grundfreiheiten Dienstverhältnis siehe Anstellungsverhältnis
Sachwortverzeichnis Dispositionsfrist siehe Verzicht Doppelstellung 33, 204 Drei-Stufen-Theorie siehe Berufsfreiheit Drittwirkung – Europäische Grundrechte 134 – Grundfreiheiten 127 – nationale Grundrechte 231, 235 EGFZG 54 Ergänzende Vertragsauslegung, Grundsätze 382 Franchise-System, Nebenabreden 124 Freistellung 92 Funktionsfähigkeit der GmbH siehe Anwendung arbeitsrechtlicher Vorschriften Geheimhaltungspflicht 58, 32, 190 Geltungserhaltende Reduktion – Rechtsgrundsatz 350 ff. – Sachliche/örtliche Überschreitung 318, 321, 324, 329, 358 – Salvatorische Klausel siehe dort – Verhältnis zur Nichtigkeitsfolge des § 138 BGB siehe Sittenwidrigkeitsgeneralklausel – Zeitliche Überschreitung 318, 321, 324, 329, 358 Geschäftsführer – Abmahnung 55, 197 – Anstellungsverhältnis siehe dort – Anwendung von Arbeitsrecht 52, 195 ff. – Anwendung von Sozialversicherungsrecht 56 – Anwendung von Steuerrecht 56 – Arbeitgeberfunktion 47 – Arbeitnehmer siehe Anstellungsverhältnis – ArbGG 52 – ArbNEG 53 – ArbzG 53 – außerordentliche Kündigung 55, 286
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BetrAVG 34 ff., 209 Betriebsübergang 54, 182 BetrVG 52, 65, 191 BurlG 54 Dienstverpflichteter siehe Anstellungsverhältnis – EGFZG 54 – Gleichbehandlungsgrundsatz 53, 56, 115, 196 – Handlungsorgan 33 – KSchG 52, 191, 211 f. – Kündigungsfrist 54, 393 – Mehrheits-Gesellschafter-Geschäftsführer 35, 111, 209, 310 – Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer 35, 111, 311 – NachwG 53 – Organverhältnis siehe dort – persönliche Abhängigkeit 48, 200 – Repräsentationsorgan 47, 204 – Schutzbedürftigkeit 110 ff., 195 ff., 207 ff. – Typen 34 f. – TzBfG 53 – VermBG 52 – Weisungsbindung 40, 195 ff. – Wirtschaftliche Abhängigkeit 81, 111, 195 ff., 209 Geschäftsführung – Änderung des Gesellschaftsvertrages 39 – Außergewöhnliche Angelegenheiten 38 – Entscheidungsspielraum 40 – Gesellschafterrechte 39 – Kooperation zwischen Geschäftsführern 40 – Laufende Angelegenheiten 38 – Organisation 39 – Überwachung zwischen Geschäftsführern 40 – Unternehmenspolitik 39 Gesellschafter, Gesellschafterversammlung 38, 46
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Sachwortverzeichnis
Gesellschaftszweck siehe Geschäftsführung Gestörte Vertragsparität siehe Sittenwidrigkeitsgeneralklausel Gewohnheitsrecht 177, 161 Grundfreiheiten – Abgrenzung 126 – Abwägung öffentlicher und privater Interessen 129 – Allgemeininteresse 125 – Arbeitnehmerfreizügigkeit 126 – Beschränkungsverbote 126 – Dienstleistungsfreiheit 126 – Diskriminierungsverbote 126 – Drittwirkung 127 – Gemeinschaftsbezug 127 – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 129 – Niederlassungsfreiheit 126 – Rechtfertigung 129 – Verhältnis zu Grundrechten 129 – Verhältnis zu Wettbewerbsregelungen 129 Grundrechte (europäische) – Abwägung öffentlicher und privater Interessen 136 – Adressaten 133 – Drittwirkung 134 – Durchführung von Unionsrecht 134 – Grundrechtscharta 133 – Primäres Unionsrecht 133 – Schutzumfang 134 – Struktur 135 – Verhältnis zu Grundfreiheiten 135 Grundrechte (national-verfassungsrechtliche) – Allgemeine Handlungsfreiheit 138, 227, 231, 248 – Berufsfreiheit 250 ff. – Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse 138, 228 – Drittwirkung 231, 235, 250 ff. – Generalklauseln 138, 227, 253, 284
– Objektive Wertordnung 137, 231, 253, 275 – Privatautonomie 138, 238, 254 ff. – Privatrechtsverhältnis 25, 137, 253 ff., 274 – Schutzpflicht des Gesetzgebers 137 f. Haftung des Geschäftsführers 42 ff. – Haftungsmilderung 43 – Schadensersatz 43 – Sorgfaltsmaßstab 42 Handelsregisterpflichten 39 ff., 205, 217 Immanenztheorie 144 ff. Individualabrede siehe AGB-Kontrolle Inhaltskontrolle – AGB-Kontrolle siehe dort – Verträge zwischen Privatpersonen 237 ff. Insolvenzantrag 39 Interessengleichheit, Schutzbedürftigkeit von Geschäftsführern siehe dort Juristische Person, Vertretung siehe Geschäftsführer Karenzentschädigung – Abfindungen 284, 298, 302, 305 – Abmilderung der Berufsbeeinträchtigung 302 – Betriebsrenten 298, 302, 307 – Billigkeitsaspekt 283, 290, 292 ff. – Festbezüge 308 – Fremd-Geschäftsführer 298 ff. – Gegenleistung 281, 290 ff., 347 – Gesellschafter-Geschäftsführer 283, 300 – Höhe 308 – Kundenschutzklauseln 282, 294 ff., 299, 323 – Rechtsgrundsatz 284 ff. – Ruhegeldbezüge 298, 302 – Sachleistungen 305, 311
Sachwortverzeichnis – – – – –
Schutzzweck 281, 290 Tätigkeitsverbote 299 ff., 316 Übergangsgelder 298, 302, 305 variables Entgelt 309, 309, 312 verfassungsrechtliche Gebotenheit 284 ff. – vertragliche Leistungen 284, 301 ff. KG-Komplementäre 58 Klauseln, Formen 69 ff. Konkurrenzverbote 31, 72, 78, 84, 338 KSchG 52, 191, 212 Kundenschutzabreden 71 ff., 151, 256, 281, 295, 297, 299 ff., 311, 316 ff., 327, 334 ff., 359, 363 Kündigungsfrist 54, 191 – Dispositionsfrist 379 ff. – Freistellung 93 ff. Leitender Angestellter 115, 199, 219, 226 Loyalitätspflicht 59, 62, 69 Lücke – Analogie bei Gesetzeslücke 159 ff. – Anfängliche Lücke 162 – Beredtes Schweigen 181 ff. – Bewusste Lücke 162 – Einzelanalogie 169, 179 – Generalklauseln als bewusste Gesetzgebung 175 ff. – Gesetzesanalogie 161 ff. – Gewohnheitsrecht 161, 177 ff. – Nachträgliche Lücke 162 – Offene Lücke 162 – Planwidrige Lücke 163, 175 – Rechtsanalogie 179 – Umkehrschluss 160, 182, 192 – Unbewusste Lücke 162 – Verdeckte Lücke 162 Lückenarten 161 ff. Lückenausfüllung 161 Lückenbegriff 161 Lückenfeststellung 161
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Mandantsschutzklausel 71, 78, 80, 283, 294 ff., 293, 313 ff. Mitbewerber 152, 155 ff. NachwG 53 Nebenabreden 122, 144 ff. – Gesellschaftsverträge 151 – Subunternehmerverträge 152 – Unternehmensveräußerungsverträge 149 Nebenpflicht – Handelsvertreter 263 – Rücksichtnahme 66 Nichtigkeit siehe Sittenwidrigkeitsgeneralklausel und geltungserhaltende Reduktion Niederlassungsfreiheit siehe Grundfreiheiten Objektive Wertordnung der Grundrechte 137, 231, 253 ff., 272 ff. Öffentlich-rechtliche Pflichten 40, 205, 217 OHG-Gesellschafter 58, 82 Organverhältnis – Auskunftspflicht 40, 205, 217 – Geschäftsführung siehe dort, Rechnungslegungspflicht – Haftung 43, 206 – Handelsregisterpflicht 39, 40, 218 – Informationsrecht 42, 218, 336 – Insolvenzantragspflicht 39 – öffentlich-rechtliche Pflichten 40, 217 – Rechnungslegung 40, 42, 218 – Recht zur Amtsniederlegung 42 – Sorgfaltsmaßstab 42 – Steuerrechtliche Pflichten 41 – Überwachung 42, 218 – Vertretung (aktive, passive) 33, 37 ff., 218 – Vorrang vor Anstellungsverhältnis 52, 204 ff., 210 ff. Privatautonomie 138, 227, 238, 254
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Sachwortverzeichnis
Quantitative Teilnichtigkeit – Eingriff in Vertragsgestaltung 353 ff. – Fallgruppen 353 ff. – Geltungserhaltende Reduktion 353 ff. – Hypothetischer Parteiwille 353 ff. – Tatsächlicher Parteiwille 353 ff. – Voraussetzungen 353 ff. Rechnungslegung 40, 42, 218 Rechtsanwälte, Nebenabreden 123 Rechtsgrundsatz – Anrechnung anderweitigen Erwerbes 402 – Begriff 268 – Berechtigtes Interesse und Unbilligkeit 242 ff., 332 – Beurteilungszeitpunkt 343 – Feststellung 268 – Geltungserhaltende Reduktion 350 – Karenzentschädigung 291 – Verzichtsrecht 388 – Zwei-Jahres-Frist 339 Rücksichtnahmepflicht 66 Ruhegeldbezüge 298, 302 Rule-of-reason 121 Sachleistungen 305, 311 Salvatorische Klausel – Beweislast 319, 331, 361 – geltungserhaltende Reduktion 319, 331, 361 Schriftformgebot 277 Schutzbedürftigkeit siehe Organverhältnis und Anwendung arbeitsrechtlicher Vorschriften Sittenwidrigkeitsgeneralklausel – Ausschluss von Gesellschaftern 354 – Bierbezugsvertrag 239, 346 – Einzelfallbezug 230 – Entwicklungsoffenheit 230 – ex tunc 345 – Geliebtentestament 346, 354, 357 – Geltungserhaltende Reduktion 349 ff.
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Gesetzesvorbehalt 137 Gestörte Vertragsparität 232 ff., 237 Interessenabwägung 227 Lohnwucher 347 Mithaftungsabrede von Ehegatten 346, 354 ff., 357 – Nichtigkeit 345 ff. – Normzweck (Lückenfüllungsfunktion Extremfälle) 241, 235 – Normzweckvorbehalt 347 – Privatautonomie 227 – Quantitative Teilnichtigkeit 253 ff. – Rentenzahlungspflicht 253 – Salvatorische Klausel 361 – Schuldanerkenntnis 346, 354, 357 – Sittenwidrigkeits-Fallgruppen 233 ff. – Verhältnis zu § 1 GWB 147 – Verhältnis zu Grundrechten 137 – Verträge zwischen Privatpersonen 237 Sorgfalt – ordentlicher Geschäftsmann 42 – ordentlicher Kaufmann 42 Sorgfaltsmaßstab 42 Sozialversicherungsrecht 56 Steuerrecht 56 Subunternehmervertrag 147, 149, 151, 322, 325, 336 Tätigkeitsverbot – Begriff 71 – Gegenstand siehe berechtigtes Interesse, Billigkeit – Zulässigkeit 337 Teilanalogie 98, 267 Trennungstheorie 45, 48, 204 Treue- und Loyalitätspflicht 59, 62, 69 Treuepflicht 58, 62, 64, 66, 165 TzBfG 53 Übergangsgelder 298, 302, 305 Unlauterer Wettbewerb – Anstößiges Vorgehen 156
Sachwortverzeichnis – Behinderung eines Mitbewerbers 61, 155 – Generalklausel 60, 155 – Rechtsfolge 157 – Unlauterkeit 60, 157 – Verbotsumfang 155 ff. – Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen 60, 157 Unlauterkeit, Begriff – in Abgrenzung zu Sittenwidrigkeit 157 – Rechtsfolge 157 Unlauterkeitsfolge 157 Unternehmenskaufvertrag 122, 150 Verbraucher siehe AGB-Kontrolle Verhältnis – § 1 GWB/Art. 101 AEUV und UWG 155 – § 1 GWB und §§ 74 ff. HGB 141 – § 1 GWB und § 138 BGB 147 – § 1 GWB und Art. 101 AEUV 140 – §§ 74 ff. HGB und § 826 BGB 61 – Gesellschaft und Geschäftsführer siehe Organ- und Anstellungsverhältnis – Grundfreiheiten und europäische Grundrechte 129 – Grundfreiheiten und europäisches Wettbewerbsrecht 129 – Organ- und Anstellungsverhältnis 44 Vertrag über die Arbeitsweise der europäischen Union, Supranationale Rechtsordnung 118 Vertretung siehe Geschäftsführer Verzicht – Dispositionsfrist 336, 368, 373, 379, 380, 383 ff., 393 ff. – Ergänzende Vertragsauslegung 365 ff. – Handelsvertreter 366 – Handlungsgehilfe 366 – Rechtsgrundsatz 378, 388 – Vertraglich nicht vereinbart 367, 370, 376, 382 – Vertraglich vereinbart 370, 373, 379, 392
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Vorrang des Gemeinschaftsrechts 118, 140 Vorrang von Organverhältnis siehe Organverhältnis Wettbewerbsbeschränkung (Art. 101 AIOV) – Auswirkungsprinzip 121, 124 – Funktionaler Unternehmensbegriff 119 – Nebenabrede (Erforderlichkeit, Angemessenheit, Freie Berufe, FranchiseVereinbarungen, Rechtsanwälte) 121 – Potenzielle Unternehmen 119 – Rechtsgeschäftliche Vereinbarung 119 – Rule-of-reason 121 – Unternehmen 119 – Unternehmenskaufvertrag 121 – Wirkung 118 – Zwischenstaatlichkeit 120 Wettbewerbsbeschränkung (GWB) – Anwendbarkeit 140 – Funktionaler Unternehmensbegriff 142 – Gesellschaftsverträge 149 – Horizontalvereinbarung 144 – Immanenztheorie/Rule-of-reason 144 – Nebenabreden (Erforderlichkeit, Angemessenheit) 146 – Potenzielle Unternehmen 142 – Schutzzweck 148 – Spürbarkeit 144 – Subunternehmerverträge 149 – Unternehmen 142 – Unternehmensveräußerungsverträge 149 – Verbotsprinzip 148 – Vereinbarung 143 – Verhältnis zu §§ 74 ff. HGB 141 – Verhältnis zu § 138 BGB 147 – Verhältnis zu Art. 101 AEUV 140 – Vertikalvereinbarung 144 – Voraussetzungen 141 – Vorrang des Gemeinschaftsrechts 140 – Wettbewerbsbeschränkung 143 ff.
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Sachwortverzeichnis
Wettbewerbsverbot – AGB-Kontrolle 260 ff. – AG-Vorstandsmitglieder 58, 184 – Allgemeines Tätigkeitsverbot 71 – Allgemeines Wettbewerbsverbot 71 – Arbeitnehmer 166, 183 – Arbeitnehmerfreizügigkeit 126 – Besondere Grundrechtsrelevanz 247 – Betriebsverfassungsrechtlich 64 – Bezugnahme auf §§ 74 ff. HGB 70 – Dienstleistungsfreiheit 126 – Einheitliche Bewertung 247 ff. – Einheitliche Zulässigkeitskriterien 242 ff. – Gesetzlich 57 ff. – Handelsvertreter 186 – Individualabreden 260 – Intensive Inhaltskontrolle 247 ff. – KG-Komplementäre 58 – Klauseln 71 – Konkurrenzverbote 71 – Kundenschutzabreden 71 – Nachvertraglich 68
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Niederlassungsfreiheit 126 OHG-Gesellschafter 58 Organschaftlich 62 Störung der Vertragsparität siehe Sittenwidrigkeitsgeneralklausel Tarifvertraglich 64 Tätigkeitsverbote 71 Treue- und Loyalitätspflicht 62 Umfassendes Tätigkeitsverbot 71 Ungekündigtes Dienstverhältnis 64 Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen 59 f. Verschwiegenheitspflicht 59 f. Vertraglich 66
Zwei-Jahres-Frist – Allgemeiner Rechtsgrundsatz 339 – Berechtigtes Interesse 339 – Billigkeit 340 Zwei-stufige Prüfung siehe Anwendung arbeitsrechtlicher Vorschriften Zwischenstaatlichkeit 120