Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich: Band 4 Familienrecht [Amtliche Ausgabe. Reprint 2020 ed.] 9783112377208, 9783112377192


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Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich: Band 4 Familienrecht [Amtliche Ausgabe. Reprint 2020 ed.]
 9783112377208, 9783112377192

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Motive zu dein Entwürfe eines

Ärgerlichen Gesetzbuches für das

Deutsche Reich. Vaud IV.

Famitienrecht.

Amtliche Ausgabe.

Berlin und Leipzig.

Verlag von I. G u t t e n t a g (D. Collin).

1888.

Viertes Buch.

Farnilienvecht Erster Abschnitt. Ehe. Erster Titel. GingeHung öer GHe.

I. Verlöbuiß. §§ 1227, 1228. Abweichend vom röm. Rechte hat das bestehende Recht überwiegend das Verlöbniß, d. h. den auf die künftige Schließung einer Ehe gerichteten Vertrag,

als einen rechtsverbindlichen, einen klagbaren Anspruch der Verlobten auf Schließung der Ehe, eventuell auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung be­

gründenden Vertrag anerkannt oder zwar einen klagbaren Anspruch auf Schließung der Ehe versagt, aber im Falle eines ungerechtfertigten Verlöbnißbruches dem verletzten Theile bald in größerem, bald in geringerem Umfange einen Anspruch auf Schadensersatz gewährt. Im Anschlüsse an das kanonische Recht hat insbesondere die gemeinrechtliche Praxis dem Verlöbnisse den Karakter eines rechtsverbindlichen, einen klagbaren Anspruch auf Schließung der Ehe, eventuell auf Entschädigung begründenden Vertrages beigelegt. Auf dem Boden des gemeinen Rechtes stehen im Wesentlichen auch das preuß. A. L. R. II, 1 §§ 82, 99, 112—116 verb. mit A. G. O. I, 40 §§ 1,10, sowie verschiedene neuere, in kleineren Rechtsgebieten geltende Gesetze (vergl. goth. Eheges. v. 15. August 1834 §§ 29, 37, 41, 42, 46; mecklenb. Verordn, v. 18. Februar 1846 8 3 Nr. 1,3; lübeck. Ges. v. 26. Oktober 1863 §§ 4, 5). Durch die Bestimmungen des § 779 Abs. 2 und des § 774 Abs. 2 der C. P. O. ist jedoch jede direkte oder indirekte Erzwingung der Eheschließung im Wege der Zwangsvollstreckung ausgeschlossen (vergl. auch § 52 des R. Ges. über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung v. 6. Februar 1875). Die Mehrzahl der neueren Gesetze schließt Schließung der Ehe aus, giebt aber dem verletzten gerechtfertigten Verlöbnißbruches in größerem oder Anspruch auf Schadensersatz und zwar vorwiegend Motive j. bürgert. Gesetzbuch. IV.

überhaupt jede Klage auf Theile im Falle eines un­ geringerem Umfange einen einen Anspruch auf Ersatz 1

Anspruch auf Erfülluuti, Lchadenöersatz^

(tzelteude-Z Recht.

2

Verlöbniß. Unverbindlichkeit. Rücktritt, Schadensersatz. §§ 1227,1228.

des positiven Schadens, nicht auf Ersatz des Erfüllungsinteresses (vergl. sächs. G. B. §§ 1579, 1581; württemb. Ges. v. 8. August 1875 Art. 4; Hess. Ges. v. 18. April 1877 Art. 4; oldenb. Gesetze v. 31. Mai 1855 Art. 3 undv. 7. Juni 1858 nebst Verordn, v. 8. November 1875 Art. 16; Weimar. Ges. v. 2. November 1848 §§9,10; braunschw, Verordn, v. 18. Februar 1814; nass. Verordn, v. 23. April 1822 § 96; altenb. Ges. v. 13. Januar 1869 §§ 1, 3; revid. Erläut. zur anhalt. L. O. Tit. V, VI, VIII §§ 5,11,15,18 nebst anhalt. Gesetze v. 1. Juli 1864 und Ausf. Ges. zur C. P. O. v. 10. Mai 1879 § 8; Ausf. Ges. zur C. P. O. für Reuß ä. L. v. 3. Mai 1879 § 8). Eine dritte Kategorie von Rechten hat dem Vcrlöbnisie als solchem jede rechtliche Wirksamkeit versagt, namentlich auch jeden Anspruch auf Schadens­ ersatz wegen Verlöbnißbruches aus dem Verlöbnißvertrage ausgeschlosicn.

Standpunkt des Entwurfes.

Dahin gehören — abgesehen von einigen älteren, in kleinen Gebieten Bayerns geltenden Rechten — das bad. Ges. v. 9. Dezember 1875 § 13 und das brem. Ges. v. 31. Oktober 1875 § 2. Auch der code civil enthält keine Be­ stimmungen über das Verlöbniß und dessen Wirkungen. Daß aus einem Verlöbnisse auf Schließung der Ehe nicht geklagt werden kann, wird von der franz. Jurisprudenz allgemein anerkannt; im Uebrigcn ist es aber bestritten, ob das Verlöbniß einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Eheversprechens erzeugt oder ob geeigneten Falles nur aus dem Gesichts­ punkte des Deliktes oder Quasideliktes nach Maßgabe der Art. 1382, 1383 des code civil Ersatz des widerrechtlich zugefügtcn Schadens verlangt werden kann (vergl. dazu Art. 55 des schweiz. Bd. Ges. über das Obl. R.). Wenngleich nach der vorstehenden Uebersicht des bestehenden Rechtes in dem bei weitem größten Theile Deutschlands dem Verlöbnisie mehr oder weniger rechtliche Wirksamkeit beigelegt ist, so darf doch, um ein richtiges Bild von dem gegenwärtigen Rechtszustande in Deutschland in dieser Beziehung zu gewinnen, nicht außer Acht gelassen werden, daß nach der großen Mehrzahl derjenigen Gesetzgebungen, welche aus dem Verlöbnisie im Falle der Nicht­ erfüllung des Eheversprechens in größerem oder geringerem Umfange einen Anspruch auf Schadensersatz zulasien, dieser Anspruch dadurch bedingt ist, daß bei Eingehung des Verlöbnisies gewisie, die Gültigkeit des letzteren bedingende Formen beobachtet werden. Formen, welche, wenigstens in großen Kreisen der Bevölkerung, weil sie der Sitte wenig entsprechen, nur selten beobachtet zu werden pflegen, so daß dem praktischen Resultate nach auch in den Gebieten jener Gesetzgebungen das Verlöbniß, weil formlos eingegangen, keine rechtliche Verbindlichkeit, insbesondere auch nicht eine Verbindlichkeit zum Ersätze des positiven Schadens, erzeugt. Die Rechtsentwickelung zeigt unverkennbar das Bestreben, die rechtlichen Wirkungen des Verlöbnißvertrages einzuschränken. Durch den Ausschluß jeder direkten und indirekten Erzwingung der Eheschließung im Wege der Zwangs­ vollstreckung hat die Zulassung einer Klage auf Schließung der Ehe schon jetzt jede praktische Bedeutung verloren. Eine weitere erhebliche Abschwächung hat die rechtliche Bedeutung des Verlöbnißvertrages dadurch erfahren, daß nach § 39 des R. Ges. über die Beurkundung des Personenstandes und die Ehe­ schließung v. 6. Februar 1875 dem Verlöbnisie die Wirkung eines aufschiebenden.

Verlöbniß. Unbetbinblid'feit. Rücktritt, Schadensersatz. §§ 1227,1228.

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zum Einsprüche gegen eine anderweit beabsichtigte Eheschließung berechtigenden

Hindernisses nicht mehr zukommt. Die Bestimmung des § 1227, daß durch das Verlöbniß eine Verbindlichkeit der Verlobten zur Schließung der Ehe nicht begründet wird, und die daraus sich ergebende Konsequenz, daß im Falle eines ungerechtfertigten Verlöbnißbruches dem verletzten Theile ein Anspruch auf das Erfüllungsinteresse oder auf eine Abfindung als Ersatz für die gehofften, aber vereitelten Vortheile der Ehe nicht zusteht, stellt sich nur als eine kon­

sequente Fortentwickelung des dem § 774 Abs. 2 und dem § 779 Abs. 2 der C. P. O. zu Grunde liegenden Gedankens dar und steht mit den meisten neueren diesen Gegenstand regelnden Gesetzgebungen im Einklänge. Ein solcher Anspruch wirkt als indirektes Zwangsmittel und beeinträchtigt die Freiheit der Willensbestimmung bei der Eheschließung; er verträgt sich nicht mit dem Wesen der Ehe, welche in erster Linie ein sittliches Verhältniß ist und nicht als eine Quelle für vermögensrechtliche Vortheile behandelt werden darf. Der Ausschluß des Anspruches auf das Erfüllungsinteresse oder auf eine Abfindung gewährt außerdem den großen Vortheil, daß dadurch die Aufstellung einer voll­ ständigen Theorie des Verlöbnisses entbehrlich wird und die vielen damit ver­ bundenen Schwierigkeiten vermieden werden. Aus der Vorschrift des § 1227 verb. mit § 424 ergiebt sich ferner von^°»°-nti°»aiselbst, daß die Verabredung einer Konventionalstrafe für den Fall, daß die Ehe nicht zu Stande kommen sollte, unwirksam ist (übereinstimmend: naff. Verordn, v. 23. April 1882; oldenb. Gesetze v. 31. Mai 1855 Art. 3 und v. 7. Juni 1858; sächs. G. B. § 1580; altenb. Ges. v. 13. Januar 1869 § 2; öftere. G. B. § 45; Hess. Entw. II Art. 1; abweichend die, allerdings nicht unbestrittene, gemeinrechtliche Praxis; preuß. A. L. R. II, 1 § 113; goth. Eheges. v. 15. August 1834 § 42; mecklenb. Verordn, v. 18. Februar 1846 § 3; lübeck. Ges. v. 26. Oktober 1863 § 4). Da der § 1227 das Verlöbniß für rechtlich unverbindlich erklärt, mithin Zchad-nsjedem der Verlobten der Rücktritt freisteht, so läßt sich aus den allgemeinen Stritte" Grundsätzen auch ein Anspruch auf Ersatz des negativen Jnteresies wegen ungerechtfertigten Rücktrittes des anderen Theiles von dem Verlöbnisie nicht ableiten, es sei denn, daß der Rücktritt nach den besonderen Umständen des Falles als eine unter die Bestimmungen des § 704 Abs. 1 und des § 705 fallende unerlaubte Handlung anzusehen sein sollte. Rücksichten der Billigkeit, sowie die Rücksicht auf das im Volke lebende Rechtsbewußtsein und auf das geltende Recht, welches im Falle des ungerechtfertigten Rücktrittes vom Verlöbniffe überwiegend in größerem oder geringerem Umfange dem verletzten Theile einen Anspruch auf Schadensersatz gewährt, sind jedoch bestimmend gewesen, in dem in § 1228 Abs. 1 bezeichneten Umfange für den Fall eines ungerechtfertigten Rücktrittes vom Verlöbnisie einen Anspruch auf Schadens­ ersatz ohne Rücksicht darauf anzuerkennen, ob im konkreten Falle der Rücktritt als ein Delikt sich darstellt. Die Vorschrift des § 1228 Abs. 1 deckt — insoweit zum Theil über die umfang d-s neueren Gesetzgebungen, insbes. das sächs. G. B. § 1581 und das altenb. Ges. ®tfXT

v. 13. Januar 1869 § 3, hinausgehend — auch solche Fälle in welchen ein Verlobter in Erwartung der Ehe eine Anstellung oder einen Beruf aufgegeben 1*

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Verlöbniß. Unverbindlichkeit. Rücktritt, Schadensersatz. §§ 1227,1228.

oder eine ihm während des Brautstandes angebotene Anstellung oder sonst einen vermögensrechtlichen Erwerb ausgeschlagen hat. Andererseits schließt sie den entgangenen Gewinn in solchen Fällen aus, in welchen das Entgehen desselben nicht auf einer vermögensrechtlichen Verfügung beruht. Den Ersatz des entgangenen Gewinnes als Theil des negativen Interesses auch in Fällen der letzteren Art zu gewähren, führt zu weit, bringt Verwickelungen, schwierige Schadensberechnungen mit sich und droht eine Quelle langwieriger Prozesse zu eröffnen. Eine Beschränkung des Umfanges des Schadensersatzes in der im § 1228 Abs. 1 bezeichneten Art bietet zudem den Vortheil, daß es mit Rücksicht auf diese Beschränkung unbedenklich erscheint, von einer näheren Feststellung der Voraussetzungen des Anspruches auf Schadensersatz abzusehen und die Entscheidung der Frage, wann überhaupt ein Verlöbniß als eingegangen anzusehen und wann ein Rücktritt von dem Verlöbnisse gerechtfertigt ist, dem freien Ermessen des Richters zu überlassen. Es kann darauf vertraut werden, daß der Richter unter Würdigung der Umstände des einzelnen Falles, ins­ besondere unter Berücksichtigung der Sitte, des Anstandes und der rechtlichen Voraussetzungen einer Eheschließung, die richtige Entscheidung, ob ein Verlöbnißbruch vorliegt, finden wird (vergl. auch § 566, § 598 Abs. 3, § 625, § 638 Abs. 1, § 648 Abs. 2, 3). B-w-isl-st; Um übrigens dem Beschädigten die Geltendmachung des Schadensersatz­ anspruches nicht zu sehr zu erschweren, ist, wie die Fassung des § 1228 Abs. 1 ergiebt, im Einklänge mit der Mehrzahl der bestehenden Rechte dem­ jenigen Verlobten, welcher wegen seines einseitigen Rücktrittes auf Schadens­ ersatz in Anspruch genommen wird, der Beweis auferlegt, daß ein wichtiger, nach den Umständen des Falles den Rücktritt rechtfertigender Grund vor­ gelegen hat. Ersatzanspruch Rach bctn Vorbilde ähnlicher, jedoch weniger weitgehender Bestimmungen der eiter», sächs. G. B. § 1581 und des altenb. Ges. v. 13. Januar 1869 § 3 gewährt der § 1228 Abs. 1 unter denselben Voraussetzungen, unter welchen der Verlobte selbst Schadensersatz zu fordern berechtigt ist, auch den Eltern des letzteren einen Anspruch auf Schadensersatz in dem in § 1228 Abs. 1 bezeichneten Um­ fange. Die Vorschrift ist zweifellos positiv, empfiehlt sich aber aus Gründen der Billigkeit und Zweckmäßigkeit. In vielen Fällen sind es nicht die Verlobten selbst, sondern die Eltern derselben, welche die zum Zwecke der künftigen Ehe erforderlichen Aufwendungen durch Anschaffung der Aussteuer oder Einrichtung aus ihrem eigenen Vermögen machen. In derartigen Fällen würde die An­ erkennung eines Anspruches auf Schadensersatz wegen ungerechtfertigten Verlöbnißbruches regelmäßig ohne praktische Bedeutung sein, wenn nicht auch den Eltern des betreffenden Verlobten ein selbständiger Anspruch auf Schadensersatz gewährt würde. Ein genügender Grund, diesen Anspruch der Eltern, abweichend von dem den Verlobten selbst zustehenden Ansprüche, auf den Ersatz desjenigen Schadens zu beschränken, welcher ihnen daraus entstanden ist, daß sie in Er­ wartung des Zustandekommens der Ehe für deren Zwecke etwas aufgewendet haben (vergl. sächs. G. B. § 1581, altenb. Ges. v. 13. Januar 1869 § 13), liegt nicht vor, wenngleich für die Eltern ein anderweiter Schaden praktisch regel­ mäßig nicht in Frage kommen wird. Ebensowenig empfiehlt es sich, nach dem

Verlöbniß. Unverbindlichkeit. Rücktritt, Schndcnkerscitz. §§ 1227,1228.

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Vorgänge des sächs. G. B. und des altenb. Ges. den Anspruch auf Schadens­ ersatz nicht den Eltern als solchen, sondern denjenigen einzuräumen, deren Ein­

willigung zur Eheschließung erforderlich war; denn die hier in Rede stehenden Aufwendungen stehen mit jener Einwilligung zur Eheschließung an sich in keinem Zusammenhänge und der beabsichtigte Zweck wird nur dann vollständig erreicht, wenn den Eltern der Anspruch ohne Rücksicht darauf gegeben wird, ob es im konkreten Falle ihrer Einwilligung zur Eheschließung bedurfte, da nach dem Entwürfe (§§ 1238, 1239) — abweichend von dem sächs. G. B. §§ 1600, 1571 und der altenb. Eheordn. v. 13. Mai 1837 § 18 — neben der Einwilligung des Vaters nicht auch die der Mutter erforderlich ist und es nach

zurückgelegtem fiinfundzwanzigsten Lebensjahre des Kindes der Einwilligung des Vaters oder der Mutter zur Eheschließung überhaupt nicht mehr bedarf. Die Bestimmung des § 1228 Abs. 2 stellt dem Falle des ungerechtfertigten Schadens­ einseitigen Rücktrittes den anderen Fall gleich, in welchem ein Verlobter durch bci Shu

ein ihm zur Last fallendes Verschulden den anderen Verlobten zunt Rücktritte weg-» von dem Verlöbnisse veranlaßt hat. Der Zurücktretende bezw. dessen Eltern J/Xne»; sollen mithin in einem solchen Falle berechtigt sein, von dem anderen Theile den Ersatz des ihnen aus dem Rücktritte entstandenen Schadens in dem in § 1228 Abs. 1 bezeichneten Umfange zu verlangen. Diese, dem zweiten Satze des § 566 Abs. 1 sich anschließende, einer gemeinrechtlich vielfach vertretenen Ansicht und verschiedenen neueren Gesetzen (vergl. preuß. A. L. R. II, 1 § 120-; sächs. G. B. § 1581; goth. Ehegcs. v. 15. August 1834 §§37, 40 42; Weimar. Ges. v. 2. November 1848 § 10; altenb. Ges. v. 13. Januar 1869 § 3; — abweichend: nass. Verordn, v. 23. April 1822; oldenb. Ges. v. 31. Mai 1855 Art. 3; lübcck. Ges. v. 26. Oktober 1863 § 4; anhalt. Ges. v. 10. Mai 1379 § 8; Ges. f. Reuß ä. L. v. 3. Mai 1879 § 51) entsprechende Bestimmung rechtfertigt sich namentlich durch die praktische Erwägung, daß anderenfalls ein Verlobter, um den mit einem ungerechtfertigten Rücktritte für ihn verbundenen Nachtheilen zu entgehen, es darauf anlegcn könnte, durch sein Verhalten den anderen Theil zum Rück­ tritte zu veranlaffen. Durch die Bestimmungen des § 1228 wird der Anspruch auf Ersatz Schad-nsdcsjenigen Schadens, welcher einem Verlobten oder dessen Eltern dadurch ent- "'^etner standen ist, daß ersterer durch eine unerlaubte Handlung des anderen Theiles, z. B. durch einen Betrug des letzteren, zur Eingehung des Verlöbnisses ver­ anlaßt worden ist, nicht berührt. In solchen Füllen ist der Beschädigte nach den allgemeinen Grundsätzen über den Schadensersatz aus unerlaubten

Handlungen (§§ 704, 705) den Ersatz des negativen Interesses zu fordern berechtigt. Ein Bedürfniß, für diese Fälle noch besondere Vorschriften zu geben, liegt nicht vor. Auch insoweit, als in den Fällen, in welchen nach § 1228

eine gesetzliche Verpflichtung zum Schadensersätze begründet ist, vermöge be­ sonderer dabei konkurrirender Umstände die Voraussetzungen zutreffen, unter welchen nach den allgemeinen Grundsätzen über den Schadensersatz aus un­ erlaubten Handlungen, insbesondere nach dem § 705, ein weitergreifender Schadensersatzanspruch Platz greift, ist der letztere durch die besonderen, auf dem Gesichtspunkte einer gesetzlichen Obligation beruhenden Vorschriften des § 1228 nicht ausgeschlossen.

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Verlöbniß.

Schenkungen ic. unter Verlobten.

§ 1229.

Verschiedene Gesetzgebungen lassen den Anspruch auf Schadensersatz spruch-z"°uf wegen Verlöbnißbruches nicht auf die Erben des Berechtigten übergehen, wenn

Vererblichkeit

®ff°s

®Cflebene' Verlöbnisses gegeben hat (vergl. bayr. L. R. I, 6 § 17; prcuß. A. L. R. I, 5 § 209; sächs. G. B. §§ 1583—1587; altcnb. Ges. v. 13. Januar 1869 §§ 5—8). Die Fassung des § 1229 schließt sich dem § 742 an. Dadurch werden V-rauss. besondere Bestimmungen darüber, unter welchen Voraussetzungen in den Fällen des § 1229 ein Anspruch auf Rückforderung begründet ist rind welchen Inhalt f°rbe,ruttas= dieser Anspruch hat (vergl. sächs. G. B. §§ 1584, 1585), entbehrlich. Es sind " jenige gleich, was ein Verlobter dem anderen als Zeichen des eingcgangenen

in dieser Hinsicht die allgemeinen Bestimmungen der §§ 742—744 maßgebend. Aus dem § 743 Nr. 2 ergicbt sich namentlich der dem gemeinen Rechte und den meisten ncriercn Gcsctzgcbrmgcn (vergl. prcuß. A. L. R. II, 1 § 122; sächs. G. V. § 1585; goth. Eheges. v. 15. August 1834 §§ 42, 45; Weimar. Ges. tL 2. November 1848 § 10; altenb. Ges. v. 13. Januar 1869 §§ 5, 6) ent­ sprechende Satz von selbst, daß das Rückforderungsrecht des Gebers ansgeschlossen ist, wenn derselbe von dem Verlöbnisse zurücktritt, ohne daß ein wichtiger, nach deir Umständen des Falles den Rücktritt rechtfertigender Grund Vorgelegen hat oder wenn derselbe durch ein von ihm verschuldetes Verhalten den anderen Theil zum Rücktritte veranlaßt. Ein Bedürfniß, den Uebergang des hier sraglicheir, rein Vermögensrecht- »ererwweu liehen Anspruches auf die Erben des Berechtigten in Abweichung von den all- be6,etben'

gemeinen Grundsätzen (§§ 292, 2051) zu beschränken (vergl. sächs. G. B. § 1587; altenb. Ges. v. 13. Januar 1869 § 9), kann, namentlich im Hinblicke auf die im § 1230 bestimmte kurze Verjährung des Anspruches, nicht an­ erkannt werden. Inwieweit eine letztwillige Verfügung, durch welche ein Verlobter den Zuwendungen anderen bedacht, oder ein zwischen den Verlobten geschlossener Erbeinsetzungs- T°d°sw°g-n. vertrag, durch welchen der eine Verlobte den anderen oder einen Dritten als Vcrtragscrben eingesetzt hat, der Anfechtung unterliegt, wenn das Verlöbniß vor dem Tode des Erblassers aufgelöst ist, bestimmt sich nach den Vorschriften der §§ 1783 ff., sowie des § 1948 Abs. 2 und des § 1949 (vergl. auch § 1962).

§ 1230. Nach dem Vorgänge der meisten neueren Gesetze (vergl. preuß. A. L. R. II, 1 Verjährung §§ 128—130; sächs. G. B. § 1587; goth. Eheges. v. 15. August 1834 § 47;***^"*'

lübcck. Ges. v. 26. Oktober 1863 § 5; altenb. Ges. v. 13. Januar 1869 § 9) ist °nspruch°s -c.

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Ehehindernisse und Eheschließung. Vorbemerkung. (§§ 1231—1249.)

eine kurze Verjährung sowohl des int § 1228 bestimmten Anspruches auf Schadensersatz als des Anspruches auf Zurückgabe der im § 1229 bezeichneten

Gegenstände als unentbehrlich erachtet, theils wegen der Schwierigkeit, die hier in Betracht kommenden, im Inneren der Familie sich ereignenden Vorgänge noch nach längerer Zeit zu ermitteln, theils um Schutz gegen chikanöse An­ sprüche tmd die damit verbundene Störung der Ruhe und des Friedens der Familie zu gewähren. Im Anschlüsse an die neueren Gesetze ist die Ver­ jährungsfrist mif ein Jahr festgesetzt, beginnend mit dem Zeitpunkte, in welchem dies Verlöbniß aufgehoben ist. Eine längere Frist würde mit dem zu erreichenden Zwecke nicht vereinbar fein.

Vorbemerkung

zu den §§ 1231-1249. Stellung

Wenngleich, soviel die Stellung des

bürgerlichen Gesetzbuches zu den

Reichsgesetze bestehenden Reichsgcsetzen betrifft, im Allgemeinen von dem Grundsätze ans-

c.^bruai- zugehcn sein wird, daß der privatrcchtlichc Inhalt der letzteren aufrecht zu erhalten und nur, soweit ein Bedürfniß vorliegt, zu ändern, zu ergänzen oder zu deklariren ist, so steht doch der Einschlagung dieses Weges in Ansehung des in dem N. Ges. über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung v. 6. Februar 1875 §§ 28 ff. bereits geregelten Eheschließungs­ rechtes der Umstand entgegen, daß jenes Gesetz das Eheschließungsrecht, ent­ sprechend dem auf die Ermöglichung der Durchführung der Zivilehe be­ schränkten Zwecke dieses Theiles jenes Gesetzes, nur unvollständig geregelt hat. Erfordernisse sich gehören die Vorschriften über die materiellen Erfordernisse der Ehcschn-ßung, schließung überhaupt nicht in das Personcnstandsgesetz. Dies gilt auch von den Vorschriften über die sog. aufschiebenden Ehehindernisse, indem dieselben in erster Linie sich nicht an den Standesbeamten, sondern an die Eheschließenden wenden und die Nichtbeobachtung derselben eine Widcrrechtlichkcit der Ehe­ schließenden begründet, welche, abgesehen von etwaigen sie treffenden Straf­ bestimmungen, unter Umständen eine Verpflichtung zum Schadensersätze nach sich ziehen kann. Die Aufnahme der Vorschriften über die Erforderniffe der Eheschließung in das Personenstandsgcsctz ist auch lediglich deshalb erfolgt, weil man die Standesbeamten in der hier fraglichen Beziehung auf das vor dem Neichsgesetze in Geltung gewesene materielle Recht nicht verweisen konnte, da das letztere theils dunkel, theils in den einzelnen Bundesstaaten verschieden Form, war. Auch die Vorschriften über die Form der Eheschließung selbst, soweit dieselben die Gültigkeit der Ehe bedingen, sind, wenngleich dieselben sich auch an den Standesbeamten wenden und von diesem Gesichtspunkte aus zugleich den Karakter von Verfahrcnsvorschriftcn haben, doch vorwiegend materiell­ rechtliche Vorschriften. Als solche gehören dieselben systematisch und prinzipiell nicht minder in das bürgerliche Gesetzbuch, als die Vorschriften über die Form anderer Rechtsgeschäfte. Da cs die Aufgabe des bürgerlichen Gesetzbuches ist, das persönliche Eherecht in seinem ganzen Umfange zu regeln, so würde das Gesetzbuch in wichtigen Punkten eine wesentliche Lücke enthalten, wenn es über

Ehehindermsse und Eheschließung. Vorbemerkung. (§§ 1231—1249.)

9

die materiellen Erfordernisse der Eheschließung und über die Form der- Ehe­ schließung selbst ganz schweigen oder in dieser Hinsicht nur eine Verweisung auf das R. Ges. v. 6. Februar 1875 enthalten würde. Die Ausscheidung

der Vorschriften über die Ehchindernisse und über die Form der Eheschließung aus dem Gcsetzbuchc ist aber auch um deswillen nicht zu empfehlen, weil jene Vorschriften mit den in dem Personenstandsgesetze nicht enthaltenen und daher im bürgerlichen Gcsetzbuche jedenfalls zu treffenden Vorschriften über die an die Nichtbeobachtung jener Vorschriften sich knüpfenden Folgen, insbesondere über die Nichtigkeit und Anfechtbarkeit der Ehe, auf das Engste in Verbindung stehen, indem jene Vorschriften die Grundlage der letzteren bilden. Das Gesetz­ buch würde au Ucbersichtlichkeit und Einfachheit schwere Einbuße erleiden, wenn es genöthigt wäre, bei den Bestimmungen über die Folgen einer gesetz­ widrig cingegangcncn Ehe auf das N. Ges. v. 6. Februar 1875 bczw. auf das die nöthig werdenden Ergänzungen und Abänderungen des letzteren ent­ haltende Einführungsgcsetz zum bürgerlichen Gcsetzbuche Bezug zu nehmen. Die Aufnahme der Vorschriften über die Ehchindernisse und die Form der Eheschließung in das bürgerliche Gesetzbuch ist aber auch im Interesse der Er­ leichterung der Geschäftsführung der Standesbeamten und im Interesse der Förderung der Verbreitung der Kenntniß jener Vorschriften in den bcthciligten Kreisen des Publikums vorzuziehen, da, auch wenn man es in dieser Hinsicht im Uebrigcn bei dem R. Ges. v. 6. Februar 1875 belassen wollte, doch in verschiedenen Richtungen eine Ergänzung dieses Gesetzes, soweit dasselbe nämlich auf das Landesrecht verweist und in diesem die nöthige Vervollständigung findet, erforderlich werden und auch eine sachliche Aenderung jener Vorschriften mit Rücksicht auf neue Prinzipien des Gesetzbuches uicht zu vermeiden sein, mithin das Ehcschließungsrccht sich theils in dem R. Ges. v. 6. Februar 1875, theils in dem Einführnngsgesctze zum bürgerlichen Gcsetzbuche finden würde. Werden die wesentlichen, die Gültigkeit der Eheschließung bedingenden Formvorschriften in das Gesetzbuch ausgenommen, so empfiehlt cs sich, wenn­ gleich systematische Rücksichten dagegen sprechen mögen, doch aus überwiegenden Gründen praktischer Zweckmäßigkeit, in gleicher Weise auch in Ansehung der nicht wesentlichen Vorschriften über die Form der Eheschließung selbst zu verfahren, da die wesentlichen und die unwesentlichen Formvorschriften in einem engen Zusammenhänge stehen und durch die Trennung derselben die praktische Handhabung der gesetzlichen Bestimmungen nicht unerheblich erschwert werden würde. Anders, als in Ansehung der Vorschriften über die Ehchindernisse und über die Eheschließung selbst, liegt dagegen die Sache in Ansehung der das Aufgebot und die Beurkundung der Eheschließung betreffenden Vorschriften. Diese Vorschriften sind lediglich Verfahrcnsvorschriften und gehören deshalb systematisch und nach der von dem Gesetzbuche in ähnlichen Fällen, z. B. in Betreff der die Grundbuchordnung und das Verfahren in Vormundschafts­ sachen bezielenden Bestimmungen, befolgten Methode nicht in das bürgerliche Gesetzbuch. Ein genügender Grund, von dieser Methode hier abzuweichen, liegt um so weniger vor, als das R. Ges. v. 6. Februar 1875 die be­ zeichneten Vorschriften vollständig enthält und ein Bedürfniß, dieselben zu

Beur­ kundung; Aufgebot.

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Ehchindcriiissc. Geschäftsunfähigkeit rc. §§ 1231, 1232.

ändern nnd zu ergänzen, wenn überhaupt, doch nur in geringem Maße vor liegt. Auch der Zusammenhang dieser Vorschriften mit den Vorschriften über die Form der Eheschließung selbst ist nicht von entscheidender Bedeutung. Daß aus der Trcnitung dieser Vorschriftcu ein erheblicher Uebelstand für die praktische Handhabung, insbesondere für die Geschäftsführung der Standesbeamten, erwachsen werde, ist nicht zu besorgen, zumal diesem Ucbelstande, soweit nöthig, durch eine dem Pcrsonenstandsgcsetze anznhängcndc Instruktion für die Standes­ beamten abgeholfen werden kann (vergl. Anm. 1 zu § 1245 ff.).

II. Ehehindernisse. 8 1231. Gcschöstsunsahigkeu.

Die aus dem Wesen der Ehe mit Nothwendigkeit sich ergebende Bejjcö § 1231 schließt sich in sachlicher Hinsicht dem R. Ges. v. 6. Februar 1875 insofern an, als letzteres im § 28 die Einwilligung der Eheschlicßenden verlangt, Einwilligung aber Willensfähigkeit voraussetzt. Wenngleich die Be­ stimmung des § 1231 im Hinblicke auf § 64 Abs. 3 vielleicht als selbstverständlich betrachtet werden kann, so empfiehlt es sich doch, dieselbe im Anschlüsse an die Terminologie des Gesetzes (§ 64) ausdrücklich auszusprcchen, da es einer­ seits im Interesse der zur Handhabung des Gesetzes berufenen Standesbeamten

liegt, sämmtliche Ehehindernisse zusammcnznstcllen, andererseits durch die Auf­ nahme der Bestimmung jeder Zweifel darüber ausgeschlossen wird, daß in der Eheschließung ein rechtsgcschäftlichcr Akt, ein Vertrag zu finden ist (vergl. prcuß. A. L. R. II, 1 § 39; sächs. G. B. § 1592 vcrb. mit § 4 des sächs. Ges. v. 5. November 1875; goth. Eheges. v. 15. August 1834 § 2 Ziff. f.; altcnb.

Ehcordn. v. 13. Mai 1837 § 165; Hess. Entw. II Art. 8). Aus dem § 1231 iu Verbindung mit dem § 64 Abs. 2 folgt namentlich von selbst, daß Personen, welche wegen Geisteskrankheit entmündigt sind, so lange die Entmündigung besteht, auch in sog. lichten Zwischenräumen eine Ehe nicht schließen können (vergl. prcuß. A. L. R. II, 1 § 39,1, 4 § 25; goth. Eheges. v. 15. August 1834 § 2 Ziff. f.). Ueber den Einfluß der Geschäftsunfähigkeit eines Eheschließenden auf die Gültigkeit der Ehe vergl. § 1250 Nr. 2, §§ 1251, 1259 Nr. 4 nebst Motiven.

§ 1232. 1. Die Bestimmung des Abs. 1 ist im Hinblicke auf deu rechtsstM-u.' geschäftlichen Karakter der Eheschließung nur eine Konsequenz allgemeiner

Beschränkt-

Einwilligung Grundsätze (vergl. § 65 Abs. 3, §§ 70; 71). Zu der entgegengesetzten EntB-rtr-t-rs" scheidung würde man gelangen müssen, wenn die Ehemündigkeit die Bedeutung hätte, daß mit dem Zeitpunkte derselben in Ansehung der Eheschließung die

unbeschränkte Geschäftsfähigkeit als erlangt anzusehen wäre. Diese Bedeutung hat aber die Ehemündigkeit nach dem Entwürfe in Uebereinstimmung mit den

bestehenden Rechten nicht. Die Ehemündigkeit bezeichnet einerseits diejenige Grenze, vor deren Erreichung eine gültige Ehe überhaupt nicht eingegangen

Ehehindernisse. Beschränkte Geschäftsfähigkeit. § 1232.

11

werden kann, andererseits diejenige Grenze, mit deren Erreichung in der Regel die zur Eheschließuug erforderliche körperliche, geistige und sittliche Reife und bei Männern die erforderliche wirthschaftliche Selbständigkeit eingetreten ist und deshalb allgemeine, dem Wesen der Ehe und dem öffentlichen Jntereffe zu entnehmende Rücksichten der Eheschließuug nicht mehr entgegenstehen. Eine andere Frage ist, ob im konkreten Falle nach den besonderen Verhältniffen der Eheschließenden die Schließung einer Ehe wünschenswerth erscheint, und gerade diese Frage ist es, deren Entscheidung solchen Personen, welche zwar ehe­ mündig, aber in der Geschäftsfähigkeit beschränkt sind, zweckmäßiger Weise nicht allein überlassen werden darf, zumal die Eheschließung auch mit ein­ greifenden vermögensrechtlichen Folgen für die Eheschließenden, insbesondere kraft des gesetzlichen ehelichen Güterstandes für die Ehefrau, verbunden ist (vergl. §§ 1283 ff.). Das Erforderniß der Einwilligung des gesetzlichen Ver­ treters zur Schließung der Ehe von Seiten einer in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Person dient zum Schutze derselben gegen eine leichtsinnige und unüberlegte Eheschließung; dieser Schutz ist hier um so mehr angezeigt, als bei der Eheschließung die Gefahr, daß Besonnenheit und Neberlegung durch die Leidenschaft beeinträchtigt werden, besonders nahe liegt. Daß ein Minderjähriger, welcher das siebente Lebensjahr zurückgelegt hat (§ 65 Abs. 1), wenn Eltern desselben nicht mehr vorhanden sind, zu der

1

Eheschließung der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters bedarf, entspricht den §§ 29, 30 des R. Ges. über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung v. 6. Februar 1875 (vergl. auch preuß. A. L. R. II, 1 §§ 49, 53; sächs. G. B. §§ 1600, 1575; goth. Eheges. v. 15. August 1834 § 4 Abs. 5; altenb. Eheordu. v. 13. Mai 1837 § 36; Weimar. Ges. v. 2. No­ vember 1848 § 2). Dagegen weicht der Abs. 1 von dem § 29 des R. Ges. v. 6. Februar 1875 (vergl. auch preuß. A. L. R. II, 1 §§ 45, 46, 49) insofern ab, als neben der Einwilligung des Vaters als solchen (§§ 1238, 1239), falls derselbe aus besonderen Gründen (vergl. §§ 1546, 1554, 1559) nicht der gesetzliche Vertreter des Kindes ist, auch die Einwilligung des gesetzlichen Ver­ treters des Kindes (§§ 1555, 1633, 1738) erforderlich sein soll. Diese Ab­ weichung von dem Reichsgesetze ist mit Rücksicht auf die allgemeinen Grundsätze des Gesetzbuches (§ 65 Abs. 3) und die Prinzipien des Vormundschaftsrechtes (88 1649, 1743), sowie in der Erwägung als erforderlich erachtet, daß das den Eltern als solchen nach den 88 1238, 1239 zustehende Einwilligungsrecht nicht oder doch nicht vorwiegend als Ausfluß der Fürsorge für die Person des Kindes, sondern als ein eigenes, ans besonderen Rücksichten beruhendes Recht der Eltern gestaltet ist. Eine weitere Abweichung des Abs. 1 von dem R. Ges. v. 6. Fe- Volljährige, bruar 1875 besteht darin, daß auch Volljährige, welche in der Geschäfts­ fähigkeit beschränkt sind (vergl. 88 70, 71), zu der Eheschließung der Ein­ willigung ihres gesetzlichen Vertreters bedürfen, während nach dem R. Ges. v. 6. Februar 1875 8 29 zu der Eheschließung unter Vormundschaft stehender Volljähriger, insbesondere derjenigen, welche wegen Verschwendung entmündigt sind — im Gegensatze zu dem vor dem Reichsgesetze in einem großen Theile Deutschlands, insbesondere in den Gebieten des preuß. A. L. N. II, 1 8 55

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Ehehindernisse. Beschränkte Geschäftsfähigkeit. § 1232.

und des sächs. G. B. §§ 1600, 1575, wenigstens in Ansehung der wegen Ver­ schwendung unter Vormundschaft gestellten Volljährigen in Geltung gewesenen Rechte —, die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters nicht erforderlich ist. Auch diese Abweichung rechtfertigt sich durch die allgemeinen Grundsätze des Gesetzbuches, nach welchem Volljährige, welche wegen Verschwendung entmündigt

oder nach Maßgabe des § 1727 wegen gewisser Gebrechen des vormundschaft­ lichen Schutzes für bedürftig erklärt oder nach Maßgabe des § 1737 unter vor­ läufige Vormundschaft gestellt sind,

in Ansehung der Geschäftsfähigkeit den

Minderjährigen, welche das siebente Lebensjahr zurückgclegt haben, auch rück­ sichtlich nicht vermögcnsrechtlicher Rechtsgeschäfte gleichstehen C§§ 70, 71). Es'

fehlt an einem zwingenden Grunde, jenes Prinzip für die Eheschließung zu durchbrechen; im Gegentheil liegt es, soviel insbesondere solche Volljährige be­ trifft, welche wegen Verschwendung entmündigt sind, sowohl in dem eigenen Jntcresie der letzteren als auch im öffentlichen Interesse, durch das Erforderniß der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters zur Eheschließung einen Schutz gegen die leichtsinnige und unüberlegte Schließung einer Ehe von Seiten solcher Personen und die daraus der Familie und den Gemeinden drohende Last zu gewähren. Anlangend aber die nach Maßgabe des § 1727 des vormundschaft­ lichen Schutzes für bedürftig erklärten volljährigen Personen, so kann bezüglich dieser die Bestimmung des 8 1232 Abs. 1 um so weniger Bedenken erregen, als nach dem 8 1735 Abs. 3 das Vormundschaftsgericht die Vormundschaft über solche Personen aufhebcn soll, wenn der Mündel die Aufhebung beantragt und mit der Aufhebung der Vormundschaft nach dem 8 71 die Beschränkung der Geschäftsfähigkeit wcgfällt, mithin auch die Bestimmung des Abs. 1 in An­ sehung der hier fraglichen Personen unanwendbar wird. Vert°r-tn° Nach Abs. 1 ist die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters der in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Person erforderlich. Wer als der gesetzliche Vertreter derselben anzusehen ist, crgiebt sich aus den Bestimmungen über die elterliche Gewalt und den Bestimmungen des Vormundschaftsrechtes. Rach diesen Bestimmungen ist der gesetzliche Vertreter der in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Person, je nachdem die letztere unter elterlicher Gewalt oder Vor­ mundschaft steht, der Inhaber der elterlichen Gewalt oder der Vormund bezw., sofern aus besonderen Gründen die Vertretung in persönlichen Angelegenheiten des Kindes oder Mündels einem Pfleger übertragen sein sollte, dieser letztere, da die Einwilligung zur Eheschließung sich als Ausfluß der Sorge für die Person des Kindes bezw. des Mündels darstellt svergl. 8§ 1503, 1649, 1650, 1728, 1730, 1738 Abs. 1 Satz 1, 8 1743). Eheschließung Wie aus der Bestimmung des § 1651 Nr. 1 und des § 1728 sich ergiebt, gesetzlichen ist aber der Vornulnd zu der Eheschließung zwischen sich selbst oder einem seiner V-rtreier

k.

Verwandten in gerader Linie und dem Mündel die nach dem § 1232 Abs. 1 er­ forderliche Einwilligung zu ertheilen behindert. Durch die allgemeine Bestimmung des 8 1651 Nr. 1 wird die besondere Bestimmung des § 37 des R. Ges. über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung v. 6. Februar 1875 ersetzt. Der Standpunkt des Entwurfes weicht allerdings, abgesehen davon, daß die Ehe zwischen dem Mündel und dem behinderten Vormunde bezw. dem Abkömmlinge des letzteren nach dem § 1259 Nr. 4 in Verbindung mit dem

Ehehmderniffc. Beschränkte Geschäftsfähigkeit. § 1232.

13

§ 1232 Abs. 1 und dem § 1651 Nr. 1 anfechtbar ist, darin von dem Reichs­ gesetze ab, daß nach dem Entwürfe die Ehe zwischen den bezeichneten Personen während der Dauer der Vormundschaft nicht unbedingt verboten, sondern zu­ lässig ist, wenn an Stelle des insoweit von der Vertretung ausgeschlossenen Vormundes ein zu diesem Zwecke bestellter Pfleger (§ 1738 Abs. 1 Satz 1) seine Einwilligung zu der Eheschließung ertheilt. Diese Abweichungen von dem Reichsgesetze rechtfertigen sich aber durch den Anschluß an die allgemeinen Prinzipien des Vormundschaftsrechtes, und auch aus dem Gesichtspunkte ver­ dient der Standpunkt des Entwurfes den Vorzug, weil unter Umstünden die Fortdauer der Vormundschaft im Jntcrefle des Mündels wünschenswerth sein kann. Da zum Zwecke der Ertheilung der Einwilligung des gesetzlichen Ver­ treters zur Eheschließung in den hier in Rede stehenden Fällen die Bestellung eines besonderen Pflegers erforderlich ist, so erhält das Vormundschaftsgericht von der beabsichtigten Eheschließung immer Kenntniß und ist dasselbe in Folge besten in der Lage, den Vormund, soweit dies den Umstünden nach im Inter­ este des Mündels geboten erscheint, entlasten zu können (§ 1705 Nr. 1). Das Interesse des Mündels wird auf diese Weise in ausreichendem Maße geschützt. Der Standpunkt des Entwurfes, nach welchem die Ehe zwischen dem Mündel und dem Vormunde bezw. einem Abkömmlinge des letzteren während der Dauer der Vormundschaft nicht absolut uuzulüssig ist, nähert sich denjenigen vor dem Inkrafttreten des Reichsgesetzes in Geltung gewesenen Rechten, welche die hier fraglichen Eheschließungen auch während der Datier der Vormund­ schaft mit Genehmigung des Vormundschaftsgcrichtcs gestatteten (vergl. preuß. A. L. R. II, 1 § 14; süchs. G. B. § 1604; altenb. Eheordn. v. 13. Mai 1837 §§ 15, 16). Wie der Vormund, so ist auch ein Pfleger, welchem die Sorge für die Person des Mündels obliegt, die Einwilligung zur Eheschließung zu ertheilen behindert, wenn es sich um die Eheschließung zwischen dem Mündel und dem Pfleger oder einem Verwandten des letzteren in gerader Linie handelt (vergl. § 1743, § 1651 Nr. 1, § 1232 Abs. 1). Dasselbe gilt nach § 1503 in Verbindung mit dem § 1651 Nr. 1 und dem § 1232 Abs. 1 auch in Ansehung des Inhabers der elterlichen Gewalt, soweit bei diesem der hier fragliche Fall im Hinblicke auf die §§ 1236, 1240 Vorkommen kann. Es ist dies möglich, wenn es sich um die Ehe zwischen einem Kinde und einem Enkel des Inhabers der elterlichen Gewalt oder um die Ehe zwischen zwei Adoptivgcschwistern handelt, da der Annehmcnde nach dem Entwürfe die elterliche Gewalt über den noch minderjährigen Angenommenen erlangt (§§ 1601, 1623). Inwieweit neben der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters auch die Einwilligung der Eltern als solcher erforderlich ist, und inwieweit die Ein­ willigung, welche ein Elterntheil als solcher ertheilt, zugleich die Einwilligung des letzteren als des gesetzlichen Vertreters des Kindes enthält, ergiebt sich aus den §§ 1238, 1239 (vergl. in letzterer Hinsicht unten S. 17 unter 3). Auf die nach Äbs. 1 erforderliche Einwilligung zur Eheschließung

®aetd’‘li*eev

finden die allgemeinen Vorschriften des § 127 Abs. 1—3, insbesondere auch Einwilligung, die Vorschrift des § 127 Abs. 3 verb. mit § 119, Anwendung. Die von dem gesetzlichen Vertreter ertheilte Einwilligung zur Eheschließung kann mithin, so Widerruflich­ lange die letztere noch nicht erfolgt ist, wirksam widerrufen werden.

Es

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Ehehindernisse. Beschränkte Geschäftsfähigkeit. § 1232.

entspricht dies auch dem Gesichtspunkte, daß die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters ein Ausfluß der Fürsorge für die Person des Vertretenen ist. Treten später Umstände ein oder hervor, welche die Eheschließung als nicht im Interesse des Vertretenen erscheinen lassen, so ist der Widerruf der Einwilligung nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht, auf welche nicht verzichtet werden kann. Aus jenem Gesichtspunkte ergiebt sich ferner, daß es immer auf die Einwilligung desjenigen ankommt, welcher zur Zeit der Eheschließung der gesetzliche Vertreter ist. Sollte derjenige, welcher zur Zeit der Eheschließung der gesetzliche Vertreter ist, die Einwilligung versagen, trotzdem ein früherer gesetzlicher Vertreter dieselbe ertheilt hatte, so hat der Standesbeamte die Anordnung des Aufgebotes bezw. die Eheschließung abzulehnen, so lange nicht der jetzige gesetzliche Vertreter die Einwilligung ertheilt hat bezw. die letztere nach Maßgabe des Abs. 2, 3 und des § 1238 Abs. 4 ersetzt ist (vergl. §§ 45, 48 des R. Ges. über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung v. 6. Juli 1875). Ein Bedürfniß, von dem Grundsätze der Widerruflichkeit der Einwilligung für solche Fälle eine Ausnahme zu machen, in welchen der Widerruf auf Grund von Umstünden erfolgt, welche dem gesetzlichen Vertreter, der die Einwilligung ertheilt hatte, zur Zeit der Ertheilung der Einwilligung bekannt waren (vergl. prcuß. A. L. R. II, 1 § 111; sächs. G. B. § 1601; goth. Eheges. v. 15. August 1834 § 39), kann nicht anerkannt werden. Der Widerruf der einmal ertheilten Einwilligung kann allerdings für die Betheiligten unter Umständen eine große Härte sein; indessen darf darauf vertraut werden, daß, wenn von der in der Geschäfts­ fähigkeit beschränkten Person nach Maßgabe des Abs. 2 bezw., sofern ein Elterntheil der gesetzliche Vertreter derselben ist, nach Maßgabe des Abs. 3 und des § 1238 Abs. 3, 4 auf Ergänzung der einmal ertheilt gewesenen aber widerrufenen Einwilligung des gesetzlichen Vertreters angetragen wird, das zur Entscheidung berufene Gericht jschon von selbst auf solche besonderen Verhältnisse bei seiner Entscheidung Rücksicht nehmen wird. Eine Ausnahme von dem Grundsätze der Widerruflichkeit der Einwilligung in der bezeichneten Richtung würde zudem keine große praktische Bedeutung haben, da in den meisten Fällen, in welchen ein Widerruf erfolgt, zugleich neue Umstände mit den bekannt gewesenen konkurriren werden. Andererseits ist der Ausschluß des Widerrufes auch int Hinblicke auf solche Fälle in hohem Grade bedenklich,

in welchen bei Ertheilung der Einwilligung übereilt oder gewissenlos verfahren ist und aus diesem Grunde der Widerruf erfolgt. Einwilligung Auch die Frage, inwiefern die Einwilligung zu der Eheschließung unter BedingungHinzufügung einer Bedingung oder Zeitbestimmuitg wirksam ertheilt werden kann, ist nach den allgemeinen Grundsätzen zu beurtheilen. Die Natur der Einwilligung zu der Eheschließung als eines familienrechtlichen Rechtsgeschäftes steht, in Ermangelung einer besonderen Bestimmung, der Beifügung einer Bedingung oder Zeitbestimmung nicht entgegen. Nur kairn, so lange die Bedingung schwebt oder der Zeitpunkt noch nicht eingetreten ist, selbstverständlich die Ehe nicht geschlossen werden. Ein entscheidender Grund, in dem hier in Rede stehenden Falle eine Ausnahme von bett allgemeinen Grundsätzen zu machen, liegt nicht vor. Insbesondere ist eine solche Ansnahmebestimmung

Ehehindernisse. Beschränkte Geschäftsfähigkeit. § 1232.

15

durch praktische Rücksichten zum Zwecke der Erleichterung der Geschäftsführung der Standesbeamten oder zum Schutze der Ehen gegen Anfechtung, wenn der Eintritt der Bedingung etwa irrthümlich angenommen sein sollte, nicht geboten, da nach den Vorschriften über das Aufgebotsverfahren die Verlobten die zustimmende Erklärung derjenigen, deren Einwilligung zur Eheschließung erforderlich ist, d. h. die unbedingte und unbefristete Einwilligung derselben in beglaubigter Form beizubringen haben (§ 45 des R. Ges. über die Beurkundung

des Personenstandes und die Eheschließung v. 6. Juli 1875). 2. In einem großen Theile Deutschlands ist nach dem durch den § 29 Genehmigung Abs. 5 des R. Ges. über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung v. 6. Februar 1875 unberührt gelassenen Landesrechte (vergl. 3eric,)te3preuß. A. L. R. II, 1 § 54 und dazu Entsch. des R. G. in Strass. V, 118; sächs. G. B. § 1921; goth. Eheges. v. 15. August 1834 § 4 Abs. 5; meining. Ges. v. 27. November 1875 nebst Instruktion v. 26. Februar 1876 § 49; alteub. Verordn, v. 30. Oktober 1875 § 9; schwarzb.-rudolst. In­ struktion v. 10. Dezember 1875 § 17; code civil Art. 160; bad. Ges. v. 9. De­ zember 1875 § 2) zu der Eheschließung bevormundeter Personen neben bezw. statt der Einwilligung des Vormundes die Genehmigung des Vormundschafts­ gerichtes oder des Familienrathes erforderlich. Es kann nicht verkannt werden, daß wichtige Gründe sich dafür geltend machen lasten, bei dem für den Bevor­ mundeten besonders wichtigen Rechtsgeschäfte der Eheschließung neben der Ein­ willigung des Vormundes auch die Genehmigung des Vormundschaftsgerichteszu verlangen, zumal nach dem Gesetzbuchc in vielen Fällen, welche an sich nicht von so einschneidender Bedeutung für die Verhältnisse des Mündels sind, namentlich zu vermögensrechtlichen Rechtsgeschäften (§ 1674), die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes erfordert wird. Verlangt man die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes, so ist das letztere in der Lage, kontroliren zu können, ob der Vormund in der hier fraglichen Beziehung die Interessen des Mündels gewistenhaft wahrnimmt. Eine derartige Kontrole kann insbesondere in solchen Fällen wünschenswerth erscheinen, in welchen die Wahl der Person des Vormundes von dem Vormundschaftsgerichte nicht abhängt (vergl. §§ 1635, 1637, 1728, 1729). Zuzugeben ist ferner, daß mit der Eheschließung oft auch wichtige vcrmögensrechtliche Folgen verbunden sind. Trotz dieser für das Er­ forderniß der Genehmigung des Vormundschastsgerichtes sprechenden Gründe ist es jedoch richtiger, von diesem Erfordernisse abzusehen, weil einestheils das Gesetzbuch überhaupt von dem Prinzipe ausgeht, daß die Sorge für die Person des Mündels dem Vormunde allein obliegt (§ 1648), und anderentheils, vom praktischen Gesichtspunkte aus betrachtet, von der Aufstellung jenes Erfordernisses nach den gemachten Erfahrungen die erhofften Vortheile nicht zu erwarten sind. Nach der Natur der hier in Betracht kommendeil Verhältniste ist das Vormundschaftsgericht nur in seltenen [gälten in der Lage, sich die nöthige Kenntniß der Verhältnisse als Grundlage seiner Entscheidung zu verschaffen. In Folge dessen wirb die Genehmigung desselben oft eine reine Formsache, zumal das Vormundschaftsgericht meist vor vollendeten That­ sachen steht, denen Rechnung zn tragen es schließlich doch sich gezwungen sieht. Andererseits kann, wenn das Vormundschaftsgericht ängstlich und peinlich

Ehchindernisse. Beschränkte Geschäftsfähigkeit. § 1232.

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verfährt, eine den Umständen nicht entsprechende Entscheidung oder doch eine nachtheilige Verzögerung der letzteren erfolgen.

AnwiMgung

3. Die

Vorschriften des Abs. 2, 3 betreffen

die

Frage,

inwiefern

des gesetzlichen die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters durch die Genehmigung des VorVertret-rch Mundschaftsgerichtes ersetzt werden kann, während über die Zulässigkeit richter­

licher Ergänzung der Einwilligung der Eltern als solcher der § 1238 Abs. 3

bestimmt. Durch das N. Ges. v. 6. Februar 1875 § 29 Abs. 4 sind diejenigen landesgesetzlichen Bestimmungen, nach welchen die Einwilligung des Vormimdes durch die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes ersetzt werden kann, un­ berührt gelassen (vergl. insbes. preuß. A. L. R. II, 1 §§ 69, 70; goth. Eheges. v. 15. August 1839 § 6 Abs. 2; Weimar. Ges. v. 2. November 1848 § 3; lübeck. Ges. v. 26. Oktober 1863 8 2 g. E. verb. mit der lübeck. Verordn, v. 11. Oktober 1820 § 29; Hamb. Vormundsch. O. v. 14. Dezember 1883 Art. 58 Abs. 3; brem. Vormundsch. O. v. 14. Mai 1882 § 40). Die Vorschrift des Abs. 2 schließt sich diesen Bestimmungen an. Nach den allgemeinen Grundsätzen des Vormund­ schaftsrechtes kann allerdings das Vormundschaftsgericht, wenn der Vormund oder Pfleger seine Einwilligung versagt, nicht an Stelle des Vormundes oder Pflegers die Einwilligung ertheilen, sondern nur im Falle pflichtwidriger Ver­ sagung der Einwilligung und auch in diesem Falle nur in der Art einschreiten,

daß es entweder den Vormund oder Pfleger durch die zulässigen Zwangsmittel zur Ertheilung der Einwilligung anhält oder die Entlassung desselben verfügt und einen anderen Vormund oder Pfleger bestellt (vergl. §§ 1684, 1705 Nr. 1,

§§ 1728, 1743). Es ist jedoch unbedenklich und im Interesse der Vereinfachung, sowie zur Vermeidung von Verzögerungen angemessen, von jenem Prinzipe hier eine Ausnahme zu machen. Um dem Mißverständnisse zu begegnen, als ob das Vormundschaftsgericht die Einwilligung des Vormundes oder Pflegers nur im Falle einer Pflichtwidrigkeit ersetzen kaun, ist es als rathsam erachtet,

durch die Vorschrift des Abs. 2 Satz 2 ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß das Vormundschaftsgericht die Einwilligung zu ertheilen hat, wenn die Ertheilung

im Interesse des Mündels liegt. Die vorstehend bezeichneten Bestimmungen sollen auch dann Anwendung lh-il-s ais d"; finden, wenn ein Elterntheil der in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Person insbes.

gesetzlichen der gesetzliche Vertreter der letzteren ist, vorausgesetzt, daß nach den Vorschriften Bertieters. §§ 12Z8, 1239 die Einwilligung dieses Elterntheiles als solchen zu der

Eheschließung des Kindes nicht erforderlich ist. Diese Voraussetzung trifft namentlich in dem Falle zu, in welchem ein Kind, welches das fünfundzwanzigste Lebensjahr zurückgelegt hat, unter der Vormundschaft oder Pflegschaft eines Elterntheiles steht. Sie kann aber unter Umständen auch in Ansehung des minderjährigen, unter elterlicher Gewalt stehenden Kindes zutreffen, wenn nämlich die elterliche Gewalt des Vaters, weil derselbe thatsächlich verhindert ist, die Gewalt auszuüben, oder wegen Minderjährigkeit desselben ruht und die elterliche Gewalt in diesen Fällen der Mutter zusteht (vergl. §§ 1554, 1555). In solchen Fällen ist neben der nach dem § 1238 Abs. 1 erforderlichen Einwilligung des Vaters als solchen nach Abs. 1 auch die Einwilligung der Mutter als des gesetzlichen Vertreters des Kindes erforderlich. Ein ge-

Ehehindernisse. Ehemündigkeit. § 1233.

17

nügender Grund, die Anwendung des Abs. 2 in derartigen Fällen aus­ zuschließen, liegt nicht vor, da in diesen Fällen ein eigenes Recht des be­

treffenden Elterntheiles, welcher der gesetzliche Vertreter des Kindes ist, nicht in Frage kommt. Anders liegt dagegen die Sache- wenn ein solcher Elterntheil, ohne dessen Einwilligung das Kind nach den Vorschriften der §§ 1238, 1239 die Ehe nicht schließen darf, zugleich der gesetzliche Vertreter des Kindes ist, sei es, daß das Kind unter der elterlichen Gewalt oder unter der Vormundschaft oder Pfleg­ schaft dieses Elterntheiles steht. Verweigert ein solcher Elterntheil die Ein­ willigung, so kann die Einwilligung desselben als solchen nach § 1238 Abs. 3 verb. mit § 779 Abs. 1 C. P. O. nur durch den Prozeßrichter ersetzt werden. In Ermangelung einer besonderen Bestimmung würde aber neben der Ergänzung

durch den Prozeßrichter wegen der Eigenschaft des Elterntheiles als des gesetz­ lichen Vertreters des Kindes nach § 1232 Abs. 2 noch eine Ergänzung durch das Vormundschaftsgericht erforderlich sein. Diese letztere Ergänzung ist jedoch neben der ersteren als überflüssig erachtet (vergl. § 1238 Abs. 4). Das Kind, welches in den hier vorausgesetzten Fällen die richterliche Ergänzung der elter­ lichen Einwilligung nach Maßgabe des § 1238 Abs. 3 verlangt, muß zu diesem Zwecke die Bestellung eines Pflegers bei dem Vormundschaftsgerichte beantragen (vergl. § 1651 Nr. 1, § 1738 Abs. 1 Satz 1). Das Vormundschaftsgericht wird aber einen Pfleger nur dann zu bestellen haben, wenn es aus den Um­ ständen des Falles mindestens die Ueberzeugung gewinnt, daß die Frage, ob der Anspruch des Kindes auf Ertheilung der elterlichen Einwilligung begründet sei, einer näheren Prüfung bedürfe. Hält dasselbe hiernach die Bestellung eines Pflegers für erforderlich, so wird dieser die Frage, ob die Klage auf Ertheilung der elterlichen Einwilligung zu erheben sei, in ihrem ganzen Um­ fange zu prüfen haben, sowohl aus dem Gesichtspunkte, ob die Eingehung der Ehe überhaupt im Interesse des Kindes, als aus dem Gesichtspunkte, ob die Einwilligung des Elterntheiles ohne genügenden Grund verweigert ist. Ent­ scheidet der Pfleger sich hiernach für die Erhebung der Klage, so wird auf diesem Wege sachlich dasselbe erreicht, als wenn ein von dem Vormundschafts­ gerichte zu diesem speziellen Zwecke bestellter Pfleger die Einwilligung zu der Eheschließung des Kindes ertheilt hätte. Der Mangel der nach § 1232 erforderlichen Einwilligung des gesetzlichen Vertreters zur Eheschließung hat die Anfechtbarkeit der Ehe zur Folge (vergl. § 1259 Nr. 4 nebst Motiven).

§ 1233. Die Bestimmungen des ersten bis dritten Absatzes des § 1233 stehen ch-mündig, mit dem § 28 des R. Ges. über die Beurkundung des Personenstandes und ,eit:

die Eheschließung v. 6. Februar 1875 im Einklänge. Ein Bedürfniß, in dieser Beziehlmg das bestehende Reichsrecht zu ändern, ist, soviel bekannt, , nicht hervor­ getreten; auch ist durch neue Prinzipien des Gesetzbuches insoweit eine Aenderung nicht veranlaßt. Insbesondere fehlt es an einem genügenden Anlaffe, die Ehe­ mündigkeit der Männer erst mit der Volljährigkeit oder Volljährigkeitserklärung eintreten zu lassen. Motive z. bürgerl. Gesetzbuch. IV.

2

18 Einfluß der

eriiärung.

Ehehindermsse.

Verbot der Bigamie.

§ 1234.

Die Bestimmung des Abs. 4, daß durch Volljährigkeitserklärung EheMündigkeit nicht begründet wird, kann vielleicht, hingesehen auf den Zweck her Volljährigkeitserklärung, die mit der Minderjährigkeit verbundene Be­ schränkung der Geschäftsfähigkeit zu beseitige» (§ 26, § 65 Abs. 1), und hin­ gesehen auf den verschiedenen Karakter der Ehemündigkeit und der Beschränkung der Geschäftsfähigkeit und die verschiedenen legislativen Erwägungen, auf welchen die eine und die andere beruhen, als selbstverständlich betrachtet werden. Mit Rücksicht auf die absolut lautende Vorschrift des § 26, daß Minderjährige durch die Volljährigkeitserklärung die rechtliche Stellung der Volljährigen erlangen, und in der Erwägung, daß die Ehemündigkeit, weil dieselbe nicht schon mit der wirklichen Geschlechtsreife eintritt, sich als eine besondere Art der beschränkten Geschäftsfähigkeit auffassen läßt, ist es jedoch als rathsam erachtet, den im Abs. 4 des § 1233 enthaltenen Satz im Gesetze ausdrücklich auszusprechen, zumal auf dem Gebiete des sog. Privatfürstenrechtes sich die Streitfrage erhoben hat, ob erlauchte Personen, welche nach den Hausgesetzen mit dem zurückgelcgten achtzehnten oder neunzehnten Lebensjahre die Voll­ jährigkeit erreichen, mit diesem Lebensjahre trotz der Bestimmung des § 28 des R. Ges. v. 6. Februar 1875 die Ehemündigkeit erlangen. Der Mangel der Ehemündigkeit begründet die Anfechtbarkeit der Ehe

ivergl. § 1259 Nr. 3 nebst Motiven).

§ 1234. D-rbot der Bigamie.

Der § 1234 schließt sich sachlich dem § 34 des R. Ges. über die Beur^un^ung Personenstandes und die Eheschließung v. 6. Februar 1875

an. Die redaktionellen Aenderungen („kann" statt: „darf", „für ungültig erklärt ist" statt: „für ungültig oder nichtig erklärt ist") hängen mit dem sonstigen Sprachgebrauche des Gesetzbuches zusammen, nach welchem der Ausdruck „kann nicht" zur Bezeichnung der Ungültigkeit des Aktes gebraucht wird und der Ausdruck „Ungültigkeit" sowohl die Nichtigkeit als auch die Anfechtbarkeit umfaßt. Daß das Eheverbot sich nur auf den Fall bezieht, wenn die frühere Ehe in gehöriger Form geschlossen war (§§ 1245, 1248), braucht nicht be­ sonders hervorgehoben zu werden, da eine nicht in gehöriger Form geschlossene Ehe, ohne daß eine Nichtigkeitserklärung derselben stattfindet, kraft des Gesetzes nichtig und deshalb als überhaupt nicht geschlosien anzusehen ist (vcrgl. § 1250 Nr. 1, §§ 1252, 108). Der Verstoß gegen das Verbot des § 1234 hat die Nichtigkeit der Ehe zur Folge (vergl. § 1250 Nr. 3 nebst Motiven).

§ 1235. Der Abs. 1 spricht eine aus dem Grundsätze des § 21 Abs. 1 sich ergebende Konsequenz in Ansehung der Ehe mit Rücksicht darauf besonders Eheschließung^ daß cd sich um eine praktisch besondere wichtige Konsequenz handelt, welche um so mehr heroorgehoben zu werden verdient, als die hier fragliche Bestimmung Wirkung her

rung hin,, der

Ehehindermsse.

Wirkung der Todeserklärung Hins, der Ehe.

§ 1235.

19

in verschiedenen Gebieten, namentlich im Gebiete des franz. Rechtes, neues Recht schafft-

Die Anwendung des im § 21 Abs. 1 enthaltenen positiven Grundsatzes auf die Ehe ist durch ein dringendes Bedürfniß geboten. Durch die allgemeinen Grundsätze wird dem Bedürfnisse, dem Ehegatten eines Verschollenen die Mög­ lichkeit zu gewähren, nach erfolgter Todeserklärung des letzteren eine neue Ehe zu schließen und dadurch die schweren Nachtheile, welche ihm und seinen An­ gehörigen aus der Fortdauer des bisherigen Zustandes erwachsen, für die Zu­

kunft abzuwenden, nicht in ausreichendem Maße genügt. Nach den allgemeinen Grundsätzen müßte der Ehegatte des Verschollenen, um zur Schließung einer -neuen Ehe zugelassen zu werden, sofern er nicht etwa die Ungültigkeitserklärung oder die Scheidung der bestehenden Ehe zu erwirken in der Lage ist, dem

Standesbeamten den Tod des Verschollenen in überzeugender Weise nach­ weisen. Ein solcher Nachweis kann aber nur in den seltensten Fällen geführt werden. Es reicht auch, um den Anforderungen des Lebens zu genügen, nicht der Scheidnngsgrund der böslichen Verlasiung aus, da die Voraussetzungen dieses Schcidungsgrundcs nach Maßgabe des § 1443 in Verschollenheitsfällen nicht immer vorliegen oder erweislich sind. Wird dem Ehegatten des Ver­ schollenen nicht in anderer Art die Möglichkeit der Wiederverheirathung ge­ währt, so liegt die Gefahr nahe, daß, gedrängt durch die Bedürfnisie des Lebens, in Ansehung der Scheidung wegen böslicher Verlasiung eine schädliche, laxe Praxis sich bilden wird. Daß ein Bedürfniß vorhanden ist, dem Ehegatten eines Verschollenen durch besondere positive Bestimmungen die Wiederverheirathung zu ermöglichen oder doch zu erleichtern, zeigt auch die Rechtsentwickelung. Ob gemeinrechtlich die Wirkung der Todeserklärung auch auf die persönlichen Verhältnisie des Verschollenen, insbesondere auf die Ehe, sich erstreckt, ist bestritten, und auch auf dem Gebiete des katholischen Kirchenrechtes gehen die Ansichten darüber auseinander, ob auf Grund der Todeserklärung eines Ehegatten der andere Ehegatte zur Schließung einer neuen Ehe zugelaffen werden darf. Die

neueren Gesetzgebungen — abgesehen von dem franz. Rechte — haben aber das Bedürfniß besonderer Bestimmungen, durch welche dem Ehegatten des Ver­ schollenen bei Ungewißheit über Leben oder Tod des letzteren die Wiedernerheirathung ermöglicht wird, allgemein anerkannt, und zwar gestatten die meisten derselben die Wiederverheirathung ohne Weiteres auf Grund der Todes­ erklärung (vergl. preuß. A. L. R. II, 1 § 666; hannov. Ges. v. 23. Mai 1848 § 16; brem. Verordn, v. 28. Juni 1826 §§ 21,29; lübeck. Verordn, v. 30. Dezember 1829 § 16; Hamb. Ges. v. 14. Juli 1879 Art. 14; bayr. Ausf. Ges. zur C. P. O. v. 23. Februar 1879 Art. 118,119), während andere die Zulasiung der Wieder­ verheirathung nach erfolgter Todeserklärung des anderen Ehegatten noch von einem besonderen ehegerichtlichen Verfahren abhängig machen (vergl. sächs. G. B. § 1708; oldenb. Verordn, v. 16. Februar 1844 § 18). Einen besonderen Weg haben das bad. L. R. Satz 232 a und der Hess. Entw. II Art. 127 eingeschlagen, indem diese dem Ehegatten des Verschollenen das Recht beilegen, auf Grund der Todeserklärung bei dem Ehegerichte die Scheidung der Ehe zu verlangen. Dieser letztere Weg, die Wiederverheirathung des Ehegatten eines Ver­ schollenen zu ermöglichen, kommt vom Standpunkte des Entwurfes aus (vergl. 2*

20

Ehchindcrnifse.

Wirkung der Todeserklärung bins. der Ehe.

§ 1235.

§ 1464 nebst Motiven) hier nicht weiter in Betracht. Dagegen würde eine Bestimmung, welche — in Abweichung von der Regel des § 21 Abs. 1 — die Wiederverheirathung nicht ohne Weiteres auf Grund der Todeserklärung gestattete, sondern von einem Aussprüche des Ehegerichtcs abhängig machte, mit den Grundsätzen des § 1464 an sich nicht unvereinbar sein und namentlich von dem Gesichtspunkte aus gerechtfertigt werden können, daß nach dem § 1464 mit der Schließung der neuen Ehe die zwischen dem für todt erklärten und dem anderen Ehegatten bestehende Ehe regelmäßig aufgelöst wird. Es ist nicht zu verkennen, daß mit einem vorgängigen ehegerichtlichen Verfahren gewisse Vortheile verbunden sind. Es kann dadurch unter Umständen einer übereilten oder frivolen neuen Eheschließung vorgebeugt werden, namentlich wenn man die Zulassung zur Wiederverheirathung, wenigstens als Regel, von dem Eide des Ehegatten abhängig macht, daß er nach sorgfältiger Prüfung und Erkundigung die Ueberzeugung nicht erlangt habe, daß der andere Ehe­ gatte noch lebe (vcrgl. sächs. G. B. § 1708), und wenn man außerdem nach Analogie des § 569 der C. P. O. der Staatsanwaltschaft eine weitgehende Mitwirkung bei dem Verfahren einräumt. Gegen eine derartige Regelung ist jedoch — abgesehen davon, daß dieselbe gegenüber dem in den meisten Gebieten bestehenden Rechte eine Neuerung enthält — die Erwägung als durchschlagend erachtet, daß ein besonderes ehegerichtliches Verfahren in der weitaus größeren Zahl der Fälle als eine nutzlose, mit Weiterungen und Kosten verbundene Formalität sich herausstellen würde. Die Erfahrung lehrt, daß Personen, welche für todt erklärt sind, in den seltensten Fällen zurückkchren, das auf dem Offizialprinzipe beruhende amtsgerichtliche Todeserklärungs­ verfahren (§§ 11 ff.) mithin ausreichende Garantieen bietet. Auch ist, soviel bekannt, in denjenigen Rechtsgebieten, in welchen schon jetzt die Wieder­ verheirathung ohne Weiteres auf Grund der Todeserklärung zulässig ist, das Bedürfniß nach einer größeren Sicherung nicht hervorgctreten. Modifikation Die Regel, daß ein Ehegatte auf Grund der erfolgten Todeserklärung ' chtung" des anderen ohne Weiteres eine neue Ehe soll schließen dürfen, erleidet aber der Todes- nach dem zweiten Absätze des § 1235 für den Fall eine Allsnahme, Ivenn das -rilarung. Todeserklärung aussprechende Urtheil mit der Anfechtungsklage angefochten wird (§ 10 Abs. 2, § 20 Abs. 2 d. Entw.; § 834 der C. P. O.). In diesem Falle soll, mit Rücksicht darauf, daß nach § 22 die Todeserklärung ihre Kraft verliert, wenn das dieselbe aussprechende Urtheil in Folge der Anfechtungsklage auf­ gehoben wird, der andere Ehegatte vor Erledigung dieser Klage eine neue Ehe nicht schließen dürfen. Diese Modifikation erscheint im Interesse der Aufrecht­

erhaltung der zwischen dem für todt erklärten nnd dem anderen Ehegatten bestehenden Ehe nm so mehr angezeigt, als, wenn einmal der andere Ehegatte auf Grnnd der Todeserklärung eine neue Ehe geschloffen hat, die dadurch herbeigcführte Auflösung der früheren Ehe (§ 1464 Abs. 1) in Kraft bleibt, auch wenn die Todeserklärung nach Schließung der neuen Ehe aufgehoben wird (§ 1464 Abs. 2). Die Bestimmung des Abs. 2 hat aber, wie sich aus der Fassung („darf nicht") nnd ans einer Vergleichnug der §§ 1250, 1259 ergiebt, nur die Bedeutung eines aufschiebenden Ehehinderniffes.

Ehehindernisse. Verwandtschaft; Schwägerschaft. § 1236.

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§ 1236. Die Bestimmungen des § 1236 über das Eheverbot wegen Verwandt- Eh-hmsermß

schüft oder Schivägerschaft schließen sich, von Fassungsänderungen abgesehen, romibtfäaft im Wesentlichen dem § 33 Nr. 1 bis 3 des 9L Ges. über die Beurkundung des @d°2“tr Personenstandes und die Eheschließung v. 6. Februar 1875 an. Insbesondere sebegründet werde, noch bestehe oder nicht. Im § 1236 ist ein solcher Zusatz nicht gemacht, weil derselbe wegen der allgemeinen Bestimmung des § 33 des Entwurfes entbehrlich ist. Eine andere Frage ist, ob das Schwägerschaftsverhältniß sich auch auf diejenigen Abkömmlinge des anderen Ehegatten erstreckt, welche erst nach Alls­ lösung der das Schwägerschaftsverhältniß vermittelnden Ehe erzeugt sind, ob mithin die Ehe zwischen dem geschiedenen Ehemanne und der nach Auflösung der Ehe aus einer andcrweiten Verbindung hervorgcgangenen Tochter seiner geschiedenen Ehefrau oder zwischen dem Ehemanne und der nach dem Tode seiner Ehefrau geborenen Tochter seiner Stieftochter verboten ist. Der § 33 des R. Ges. v. 6. Februar 1875 hat in dieser Hinsicht eine verschiedene Aus­ legung erfahren. Vom Standpunkte des Entwurfes alis kann die Verneinung jener Frage in Ermailgelung einer besonderen Bestimmung nicht zweifelhaft fein. Aus den allgemeinen, den Begriff der Schwägerschaft feststellenden Bestimmungen der §§ 32, 33 des Entivurfcs crgiebt sich, daß eine auf­ gelöste Ehe die Wirkung der Schwägerschaft nicht mehr zu erzeugen vermag. Wenngleich nicht zu bestreiten ist, daß die Zulassung einer Ehe in den bezeichneten Fällen dem natürlichen Gefühle nicht entspricht, so ist doch von einer besonderen Bestimmung in der hier fraglichen Hinsicht Abstand genommen, weil die hier in Betracht kommenden Fälle sehr selten sind und der Mangel einer solchen Bestimmung in der Praxis, soviel bekannt, sich nicht fühlbar gemacht hat. Nach dem Sprachgebrauche des Gesetzbuches sind unter den Verwandten Bürgerlichund Verschwägerten im Sinne des ersten Absatzes des § 1236 zunächst nur solche Personell zu verstehen, welche nach Maßgabe der §§ 30, 32 verwandt oder verschwägert sind, d. h. deren Verwandtschaft oder Schwägcrschaft durch , daß dem in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten bei einem so wichtigen, das ganze Lebensglück bestimmenden Rechts­ geschäfte, wie der Eheschließung, der Schutz nicht entzogen werden soll, welchen das Recht ihm bei sonstigen Vertrügen grundsätzlich gewährt. Der Gedanke, auf welchem die Bestimmung des § 65 Abs. 3 (vergl. auch die §§ 70, 71) beruht, muß dahin führen, auch die ohne die erforderliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters geschlossene Ehe als unwirksam zu behandeln. Im An­ schlüsse an das System des Entwurfes und mit Rücksicht darauf, daß der nach dem § 65 Abs. 3 bei anderen Verträgen eintretende Schwebezustand mit dem Wesen der Ehe nicht im Einklänge stehen würde, ist jedoch jener Gedanke bei der Eheschließung in einer anderen Form, nämlich in der Form der Anfechtbar­ keit der Ehe, zum Ausdrucke gebracht. Ehe Zwischen Die Bestimmung des § 1259 Nr. 4 findet insbesondere auch in dem Falle Vertreter und Anwendung, wenn zwischen einer in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Person Vertretenen un^ ihrem gesetzlichen Vertreter oder einem Abkömmlinge des letzteren eine Ehe geschlossen ist, ohne daß ein zu diesem Zwecke bestellter Pfleger seine Ein­ willigung zu der Eheschließung ertheilt hatte (vergl. § 1232 Abs. 1 verb. mit 8 1651 Nr. 1, 88 1728, 1743, 1503; Motive zu 8 1232 oben S. 12 ff.). Es kann dahingestellt bleiben, ob die Bestimmung des 8 37 des R. Ges. über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung v. 6. Februar 1875, daß eine zwischen einem Pflegebefohlenen und seinem Vormunde oder deffen Kindern während der Dauer der Vormundschaft geschlossene Ehe wegen eines Verstoßes gegen das Eheverbot des 8 37 Abs. 1 jenes Gesetzes als nngültig nicht soll angefochten werden können, auch auf solche Fälle zu beziehen ist, in welchen der Vormund die nach dem 8 29 jenes Gesetzes erforderliche Einwilligung zur Eheschließung seines Mündels in den Fällen des 8 37 Abs. 1 nach dem Landesrechte zu ertheilen behindert ist und der Mangel jener Einwilligung nach Landesrecht (vergl. 8 36 des gedachten R. Ges.) die Ungültigkeit der Ehe zur Folge hat oder ob die Bestimmung des 8 37 Abs. 2 nicht vielmehr dahin verstanden werden muß, daß lediglich aus dem Grunde, weil ein Pflege­ befohlener mit seinem Vormunde oder deffen Kindern während der Dauer der Vor­ mundschaft eine Ehe geschloffen hat, die Ehe als ungültig nicht angefochten werden kann. Vom Standpunkte des Entwurfes aus, welcher davon ausgeht, daß ein gesetzlich behinderter Vertreter insoweit, als die Behinderung reicht, überhaupt nicht als gesetzlicher Vertreter zu betrachten ist, würde es eine nicht zu recht­ fertigende Anomalie sein, wenn in den hier fraglichen Fällen entgegen der Regel des 8 1259 Nr. 4 die Anfechtbarkeit der Ehe ausgeschloffen sein sollte, obwohl der in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Ehegatte des Schutzes, welchen ihm

Ungültigkeit der Ehe. Anfechtungsgründe. § 1259.

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das Gesetz durch das Erforderniß der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters

gewähren will, in der That nicht theilhaftig geworden ist. Die Gründe, auf welchen die Anfechtbarkeit der Ehe beruht, wenn einer Genehmig»»« der Eheschließenden zur Zeit der Eheschließung in der Geschäftsfähigkeit be-^A^'^

schränkt und die Einwilligung zur Eheschließung von seinem gesetzlichen Ver- >'»!«>)>»-». tretet nicht ertheilt war, treffen auch dann zu, wenn im Falle des § 1251 der Genehmigende zur Zeit der Genehmigung in der Geschäftsfähigkeit be­ schränkt und die Einwilligung zu der Genehmigung von seinem gesetzlichen Vertreter nicht ertheilt war, da im Falle des § 1251 der Konsens des zur Zeit der Eheschließung geschäftsunfähigen Ehegatten erst in der späteren Genehmigung desselben liegt (vergl. die Motive zu §§ 1250, 1251 unter Nr. 2 oben S. 50). Ein Bedürfniß, die Beachtung des im § 1232 bestimmten Ehehindernisses Sn»snoch durch die Aufstellung besonderer Strafvorschriften zu sichern (preuß. l’‘,rM,r,ften-

A. L. R. II, 1 §§ 1008—1012; sächs. G. B. §§ 1600, 1621, 1627), liegt nicht vor (vergl. auch das insoweit das sächs. G. B. ändernde sächs. Ges.

v. 5. November 1875 § 7). Welchen Einfluß cs auf das eheliche Güterrccht hat, wenn die Ehefrau zur Zeit der Eheschließung in der Geschäftsfähigkeit beschränkt mit) die Einwilligung zu der Eheschließung von ihrem gesetzlichen Vertreter nicht ertheilt war, ist im § 1281 bestimmt (vergl. die Motive zu § 1284). Das preuß. A. L. R. II, 1 §§ 977, 982, 999 enthält für den Fall, ^wwunge wenn eine in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne Einwilligung des a'er,l'!'un9engesetzlichen Vertreters eine Ehe geschloffen hat, noch besondere Vorschriften über die Wirksamkeit letztwilliger Verfügungen, welche der in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Ehegatte, insbesondere die Ehefrau zu Gunsten des Ehemannes, getroffen hat. In dieser Hinsicht reichen jedoch die allgemeinen erbrechtlichen Grundsätze über die Widerruflichkeit und über die Anfechtbarkeit letztwilliger Verfügungen aus (§ 1753 Abs. 2, §§ 1780 ff.).

Ebensowenig bedarf es für den Fall, wenn eine in der Geschäftsfähigkeit Rechts­ beschränkte Person mit ihrem gesetzlichen Vertreter oder einem Abkömmlinge a'!^nd-n^ desselben ohne Einwilligung eines zu diesem Zwecke bestellten Pflegers eine Ehe geschlossen hat, in Ansehung der Wirksamkeit der in Veranlassung der Ehe zwischen jenen Personen geschlossenen Rechtsgeschäfte unter Lebenden, z. B.

eines Ehevertrages, besonderer Vorschriften, zum Schutze der in der Geschäfts­ fähigkeit beschränkten Person, da in dieser Hinsicht die allgemeine Vorschrift des § 1651 Nr. 1 den nöthigen Schutz gewährt. Während der Entwurf den Mangel der Einwilligung des gesetzlichen M«»g-i d-r Vertreters als Anfechtungsgrund behandelt, legt er dem Mangel der nach den §§ 1238, 1239 erforderlichen Einwilligung der Eltern als solcher nur auf- n|8 schiebende Wirkung bei. Die Rücksicht auf das Jntereffe der Kinder erfordert eine darüber hinausgehende Wirkung nicht. Den Kindern, so lange dieselben in der Geschäftsfähigkeit beschränkt sind, gewährt die neben der Einwilligung der Eltern als solcher erforderliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters und die mit dem Mangel der letzteren verbundene Anfechtbarkeit der Ehe aus­ reichenden Schutz; sind dieselben in der Geschäftsfähigkeit nicht mehr be-

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Ungültigkeit der Ehe. Anfechtbarkeit. Rechtlicher Karakter. § 1260.

so fehlt es an einem Schutzbedürfnisse. Vom Standpunkte des Entwurfes aus kann der Gesichtspunkt des Interesses der Kinder um so weniger hier in Betracht kommen, als der Entwurf das Einwilligungsrecht der Eltern als solcher vorwiegend nicht als einen Ausfluß der Fürsorge für die Person der Kinder, sondern als ein den Eltern in ihrem persönlichen Interesse und im Interesse der Familie beigelegtes eigenes Recht auffaßt (vergl. die Motive zu § 1238 oben S. 25 ff.). Dieses Interesse der Eltern und der Familie muß aber hinter dem höheren Interesse an der Aufrechterhaltung der einmal voll­ zogenen Ehe zurückstehen. Jenem Interesse und der Rücksicht auf die elterliche Autorität wird durch die Behandlung des Mangels der elterlichen Einwilligung als eines aufschiebenden Ehehindcrnisses und durch die sonstigen nach dem Entwürfe mit der Uebertretung des hier fraglichen Eheverbotes verbundenen Nachtheile (vergl. §§ 1536, 2001 Nr. 7, § 1490 Abs. 2; Motive zu §§ 1536, 2001 Nr. 7) in ausreichender Weise Rechnung getragen. Auch die Androhung besonderer Strafen wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften der §§ 1238, 1239 ist cinestheils als entbehrlich, anderenthcils im Hinblicke darauf, daß cs sich hier nur um den Schutz eines Privatinteresses handelt, nicht als angemessen schränkt,

erachtet.

§ 1260. R^lUchcr barkeit.

Aus teil allgemeinen Grundsätzen des Gesetzbuches über das Wesen der Anfechtbarkeit eines Rechtgeschäftes folgt, daß eine anfechtbare Ehe, solange fcie Anfechtung nicht erfolgt ist, alle Wirkungen einer gültigen Ehe äußert,

andererseits, daß nach erfolgter Anfechtung es so anzusehen ist, als ob die Ehe nicht geschlossen wäre, daß mithin nach erfolgter Anfechtung die Ungültig­ keit der Ehe von Jedem, der ein rechtliches Interesse daran, hat, incidenter geltend gemacht werden kann (§ 112). Von diesem aus den allgemeinen Grundsätzen sich ergebenden Resultate weichen die Bestimmungen des § 1260 insofern ab, als die anfechtbare Ehe, auch wenn die Anfechtung erfolgt ist, so lange als gültig angesehen werden soll, bis sie aufgelöst oder für un­ gültig erklärt ist. Wirkung der Den Standpunkt des Entwurfes, daß die anfechtbare Ehe in Folge der Anfechtung, riickwärtshin mit dinglicher Wirkung vemichtet wird, steht sachlich mit dem kanonischen Rechte und dem gemeinen protestantischen Eherechte, sowie mit der Mehrzahl der, neueren Gesetzgebungen im Einklänge (vergl. preuß. A. L. R. II, 1 §§ 973, 974, 952—965, 967; sächs. G. B. §§ 1628, 1706; Code civil Art. 180—183, 201—202; Hess. Entw. H Art. 48, 53, 59—62; österr. G. B. §§ 94—96, 102, 160, 1265; schmelz. Bd. Ges. v. 24. Dezember 1874 Art. 50, 52, 53, 55 Abs. 3). Nur in einzelnen kleineren Rechtsgebieten wirkt die Anfechtung nicht rückwärtshin, sondern, wie die Ehescheidung, nur für die Zukunft (goth. Eheges. v. 15. August 1834 §§ 109, 117, 118, 135, 136; vergl. auch altenb. Eheordn. v. 13. Mai 1837 §§ 163—193, 267—272,283). Durch diese letztere Art der Regelung wird jedoch, ganz abgesehen davon, daß dieselbe den allgemeinen Grundsätzen des Entwurfes über den Begriff der Anfechtbarkeit nicht entspricht, das Interesse des anfechtungsberechtigten Ehe­ gatten nicht in ausreichender Weise geschützt.

Ungültigkeit der Ehe. Anfechtbarkeit.

Rechtlicher Karaktcr. § 1260.

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Auch darin stimmt der Entwurf, wenngleich in der Konstruktion abweichend, doch sachlich im Wesentlichen mit dem geltenden Rechte überein, daß w -die anfechtbare Ehe, auch wenn die Anfechtung erfolgt ist, so lange als gültig ob. Ungültig behandelt wird, bis dieselbe aufgelöst oder für ungültig erklärt ist. Die "Mmmg Erhebung der Anfechtungsklage, durch welche die Anfechtung erfolgt, so lange (UL]ef. Eye; die Ehe nicht aufgelöst ist (§ 1266 Abs. 1), hat nach dem Entwürfe eine doppelte Bedeutung: Einerseits bildet sic den Anfechtungsakt (§ 113) und hat insofern einen rechtsgeschäftlichen Karakter. Als Anfechtungsakt bewirkt sie,

daß die Ehe materiell rückwärtshin vernichtet wird. Andererseits hat die Anfechtungsklage insofern die Natur einer Feststellungsklage, als in dem durch ihre Erhebung anhängig gewordenen Rechtsstreite festgestellt werden soll, ob die Anfechtung begründet war oder nicht, ob mithin -die Ehe besteht oder nicht. Wie aber nach § 1252 die Nichtigkeit einer in gehöriger Form geschloßenen Ehe incidenter nicht geltend gemacht werden kann, bis die Ehe aufgelöst oder für ungültig erklärt ist, so soll auch die in Folge der Anfechtung eingetretene Wirkung der Ungültigkeit der Ehe, um thunlichst eine einheitliche Feststellung zu erreichen (§ 1269), so lange incidenter nicht geltend gemacht werden können, bis die angefochtene Ehe aufgelöst oder für ungültig erklärt ist. Ist dagegen die Ehe in Folge der Anfechtung für ungültig erklärt oder ist die anfechtbare nach d« AmEhe nach erfolgter Anfechtung vor Erledigung des Rechtsstreites aufgelöst, so ,c" äußert nunmehr, vorbehaltlich gewisser Ausnahmen (vergl. §§ 1270, 1567, § 1464 Abs. 2), die erfolgte Anfechtung die ihr nach den allgemeinen Grund­ sätzen (§ 112) zukommende Wirkung. Daß die in Folge der Anfechtung ein­ getretene Ungültigkeit der Ehe auch in dem zuletzt gedachten Falle incidenter geltend gemacht werden kann, hängt mit der in der Anm. 1 zu dem Unter­ abschnitte „IV. Ungültigkeit der Ehe" unter II, 9 mitgetheilten, als Ergänzung der C. P. O. zur Aufnahme in das Einführungsgesetz bestimmten Vorschrift des § 584a der C. P. O. zusammen, nach welcher, wenn einer der Ehegatten vor der Rechtskraft des Endurtheiles stirbt, der Rechtsstreit in Ansehung der Hauptsache als erledigt anzusehen ist (vergl. die Motive zu §§ 1256 und 1269). Ist die Ehe durch den Tod des nicht anfechtungsberechtigten Ehegatten bei Anfechtung aufgelöst, so erfolgt nach § 1266 Abs. 2 die Anfechtung durch eine gegenüber "a~^m

dem Nachlaßgerichte abzugebende Willenserklärung. In diesem Falle ist, wie § 1260 Abs. 2 ergiebt, die Wirkung der Anfechtung nicht davon abhängig, daß die Ungültigkeit der Ehe durch richterliches Urtheil auf Grund einer vor­ gängigen Präjudizialklage ausgesprochen wird; vielmehr wirkt in diesem Falle die Anfechtung nach Maßgabe der allgemeinen Grundsätze (§§ 112, 113) kraft des Gesetzes. Die Gründe für diese Art der Regelung sind dieselben, wie diejenigen, welche zu der Bestimmung des § 1252 Abs. 2 geführt haben, daß die Nichtigkeit einer in gehöriger Form geschloffenen Ehe nach Auflösung der letzteren nach Maßgabe der allgemeinen Grundsätze geltend gemacht werden kann (vergl. die Motive zu § 1252 oben S. 57 ff.).

Aus § 1260 Abs. 2 folgt von selbst, daß, wenn die Ehe in Folge der Anfechtung als nicht geschloffen anzusehen ist, auch von einem gegenseitigen

Erbrechte der Ehegatten nicht die Rede sein kann. Welchen Einfluß es auf die Wirksamkeit einer letztwilligen Verfügung hat, durch welche ein Ehegatte

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Ungültigkeit der Ehe.

Anfechtungsrecht.

§ 1261.

den anderen bedacht hat, oder auf die Wirksamkeit eines zwischen den Ehegatten geschlossenen Erbeinsetzungsvertrages oder Vermächtnißvertrages, wenn die Ehe anfechtbar und angefochten ist, ergiebt sich aus den §§ 1783 ff., 1948, 1949, 1962.

§ 1261. Recht zur Anfechtung.

Der § 1261 beruht auf dein Prinzipe, daß zur Anfechtung der Ehe nur

derjenige Ehegatte berechtigt ist, in dessen Person der Grund der Anfechtung liegt. Daß in den Fällen des § 1259 Nr. 1 nur demjenigen Ehegatten das Anfechtungsrecht zusteht, welcher zu der Eheschließung durch Drohung oder Betrug bestimmt worden ist, entspricht den allgemeinen Bestimmungen des Gesetzbuches (§ 103) und den Gründen, auf welchen cs beruht, in jenen Fällen die Ehe nur für anfechtbar zu erklären, und steht mit den bestehenden Rechten, soweit dieselben in den hier fraglichen Fälleir die Anfechtbarkeit der Ehe über­ haupt anerkennen, im Einklänge (vergl. preuß. A. L. R. II, 1 §§ 39, 41—44, 993; code civil Art. 180; sächs. G. B. § 1625; altenb. Eheordn. v. 13. Mai 1837 §§ 163,165, 168ff.; Hess.Entw. II, 3, 48; schweiz.Bd.Ges. v. 24. Dezember 1874, Art. 50). Ebensowenig kann es zweifelhaft sein, daß in den Fällen des § 1259 Nr. 2 nur demjenigen Ehegatten das Anfechtungsrecht einzuräumcn ist, welcher geirrt hat (vergl. auch preuß. A.L.R. 11,1 §§ 39, 41, 42, 993; code civil Art. 180; sächs. G. B. § 1625). Auch in Ansehung der Fälle des § 1259 Nr. 3,4 führen die Gründe, welche maßgebend gewesen sind, die Eheunmündigkeit und den Mangel der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters als Anfechtungsgründe anzuerkennen, dazu, nur dem betreffenden, d. h. dem eheunmündigen bezw. dem in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Ehegatten das Anfechtungsrecht beizulegen

(vergl. preuß. A. L. R. II, 1 §§ 990, 972, 973, 994, 978—984, 999; code civil Art. 182; bad. L. R. Satz 182 verb. mit dem bad. Ges. v. 9. Dezember 1875 § 2 lit. b; sächs. Ges. v. 5. November 1875 §§ 5, 6). Insbesondere würde es vom Standpunkte des Entwurfes aus, welcher die Behandlung des Mangels der Ehe­ mündigkeit als eines öffentlichen trennenden Ehehinderniffes abgelehnt hat, weil die Eheunmündigkeit als eine besondere Art beschränkter Geschäftsfähigkeit aufzufassen sei (vergl. die Motive zu § 1259 unter Nr. 4 oben S. 79), inkonsequent sein, auch dem ehemündigen Ehegatten das Anfechtungsrecht bei­ zulegen. Zwar würde dadurch dem gegen die Behandlung der Eheunmündigkeit als eines bloßen Anfechtungsgrundes sich erhebenden Bedenken entgegengetreten, daß der ehemündige Ehegatte in eine üble Lage gerathen kann, wenn er vielleicht längere Jahre hindurch in der Ungewißheit bleibt, ob der andere eheunmündige Theil von seinem Anfechtungsrechte Gebrauch machen werde;

allein andererseits würde durch eine solche Regelung die Eheunmündigkeit in gewißem Umfange doch den Karaktcr eines absoluten Ehehinderniffes erhalten. Auch aus dem Gesichtspunkte des Irrthumes läßt sich vom Standpunkte des Entwurfes aus, welcher sich prinzipiell gegen eine Erweiterung der Anfechtbarkeit wegen Irrthumes über die Fälle des § 1259 Nr. 2 hinaus entschieden hat (vergl. die Motive zu § 1259 unter Nr. 2 oben S. 76 ff.), ein Anfechtungsrecht des ehemündigen Ehegatten nicht rechtfertigen. Weiter kommt in Betracht, daß in den meisten Fällen, in welchen ein Ehegatte zur Zeit der Eheschließung

Anfechtbarkeit.

Einfluß der Auflösung der Ehe.

§ 1262.

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noch eheunmündig gewesen ist, derselbe dem Alter der Ehemündigkeit sehr nahe stehen wird, für den anderen Ehegatten daher erhebliche Uebelstände aus der

Versagung des Anfechtungsrechtes nicht zu besorgen sind. Eine andere' im § 1265 entschiedene und dort zu erörternde Frage ist, ob und inwieweit die Ausübung des Anfechtungsrechtes in den Fällen des

§ 1259 Nr. 3, 4 dem anfechtungsberechtigten Ehegatten selbst oder im Namen des letzteren seinem gesetzlichen Vertreter zustehen soll (vergl. die Motive zu § 1265).

§ 1262. Die Hauptbedeutung des § 1262 ist die, daß das Anfechtungsrecht mit 91u8f*“e8u"9 dem Tode des anfechtungsberechtigten Ehegatten erlischt. Es ist dies keine Anfechtung:

positive Bestimmung, sondern als eine Konsequenz allgemeiner Grundsätze anbeä Zu­ zusehen. Eine Vererbung des Anfechtungsrechtes kann nicht stattfinden, da f°chtungsdas letztere mit Rücksicht auf den Gegenstand der Anfechtung als ein höchst Ehegatten" persönliches Recht erscheint. Zwar ist die in Folge der Anfechtung der Ehe eintretende Vernichtung der letzteren auch von vermögensrechtlichen Folgen be­ gleitet, und hat das Anfechtungsrecht insofern für den Berechtigten auch ein vermögensrechtliches Interesse; allein dieses Jnteresie ist nur ein mittelbares. Das Anfechtungsrecht selbst ist nicht Ausfluß und Annex von Vermögens­ rechten, sondern eines rein persönlichen Verhältnisies. Ebensowenig wie dasselbe Gegenstand der Veräußerung oder der Zwangsvollstreckung sein kann, kann es auf die Erben als solche übergehen (vergl. jedoch Entsch. d. R. G. in Civilst

IX, 57). An sich ist es rechtlich zwar möglich, auch nach dem Tode des an­ fechtungsberechtigten Ehegatten dritten Personen, welche ein hervorragendes vermögensrechtliches Interesse an der Ungültigkeit der Ehe haben, das Recht, die Ehe anzufechten, beizulegen, da Gegenstand der Anfechtung, genau betrachtet, nicht die bestehende Ehe, sondern der mit dem betreffenden Mangel behaftete Eheschließungsvertrag ist und die Auflösung des persönlichen Rechtsverhältniffes der Ehe sich nur als eine aus der Beseitigung des Eheschließungsvertrages folgende Konsequenz darstellt; allein ein solches Anfechtungsrecht dritter Personen erscheint nicht als ein aus der Person des verstorbenen anfechtungs­ berechtigten Ehegatten abgeleitetes, sondern als ein kraft positiver Vorschrift in der Person des Dritten begründetes neues, selbständiges Recht, welches nicht, wie jenes, einen persönlichen, sondern einen rein vermögensrechtlichen Karakter haben würde und als Annex von Vermögensrechten in Ermangelung einer besonderen Bestimmung auch Gegenstand der Veräußerung, wie der Zwangs­ vollstreckung sein könnte. Als Subjekte dieses Anfechtungsrechtes würden, da die Ehe bis zur erfolgten Anfechtung als gültig anzusehen ist, die Beerbung des verstorbenen Ehegatten mithin zunächst so stattfindet, wie wenn die Ehe gültig wäre, auch nicht die Erben des anfechtungsberechtigten Ehegatten, sondern diejenigen Personen zu bezeichnen sein, welche Erben sein würden, wenn die Ehe nie bestanden hätte. Diese Personen können allerdings ein erhebliches Interesse daran haben, auch noch nach dem Tode des anfechtungsberechtigten Ehe­

gatten die Ehe als ungültig anzufechten, um die dem überlebenden Ehegatten auf Grund des ehelichen Güterrechtes zugekommenen Vortheile, insbesondere

88

Anfechtbarkeit.

Einfluß der Auflösung der Ehe.

§ 1262.

das Erbrecht desselben gegenüber dem verstorbenen Ehegatten, zu beseitigen, und es fragt sich, ob nicht überwiegende Gründe dafür sprechen, jenen Personen

wenigstens dann ein solches Anfechtungsrecht einzuräumen, wenn der verstorbene

Ehegatte durch Drohung, Betrug oder Irrthum zur Eheschließung bestimmt worden war, vorausgesetzt, daß dem letzteren selbst das Anfechtungsrecht zur Zeit seines Todes noch zustand. Die bestehenden Rechte enthalten in der hier fraglichen Beziehung nur zum Theil ausdrückliche Bestimmungen. Die altenb. Eheordn. v. 13. Mai 1837 §§ 193, 267—270 (vergl. auch das altenb. Erb-

folgeges. v. 6. April 1841 §§ 74, 75) schreibt in Uebereinstimmung mit den allgemeinen Grundsätzen vor, daß Erben in den Fällen, in welchen ein Ehegatte wegen Zwanges, Betruges oder Irrthumes die Nichtigkeitserklärung der Ehe zu verlangen befugt ist, die Nichtigkeit der Ehe nicht weiter rügen können, wenn

der verstorbene Ehegatte dieserhalb Klage zu erheben unterlassen hatte. Auch nach dem sächs. G. B. §§ 148, 2055 kann das Anfechtungsrecht nach dem Tode des ansechtungsbercchtigten Ehegatten nicht mehr geltend gemacht werden.

Auf demselben Boden stehen, soviel das Erbrecht des überlebenden Ehe­ gatten betrifft, das meining. Ges. v. 6. April 1833 §§ 65—68 und das Ges. für Reuß j. L. v. 10. Dezember 1853 §§ 67, 68. Von derselben Regel geht das preuß. A. L. R. II, 1 §§ 42—44 aus; doch macht letzteres eine Aus­ nahme, wenn aus einer angeblich erzwungenen Ehe kein Kind vorhanden ist. In diesem Falle haben die Erben des unschuldigen Theiles ein Recht, auf die Nichtigkeit der Ehe zu klagen. Der Gesetzrevisor, Pens. XV Motive S. 69 ff., hat die Beseitigung dieser Ausnahme vorgeschlagen. Noch weiter, als das preuß. A. L. R., geht der Hess. Entw. II Art. 50. Derselbe läßt nicht nur allgemein im Falle des Zwanges, sondern auch im Falle einer Personen­ verwechselung das Klagerecht des verletzten Ehegatten auf dessen Erben über­ gehen. Dagegen wird von der franz. Jurisprudenz auf Grund des Art. 180 des code civil, welcher in den gedachten Fällen nur den betreffenden Ehegatten für berechtigt erklärt, die Ehe anzufechten, den Erben des letzteren das An­ fechtungsrecht versagt. Für die Zulassung des Anfechtungsrechtes wegen Zwanges oder Irrthumes auch nach dem Tode des anfechtungsberechtigten Ehegatten kann man anführen, daß in Fällen dieser Art eine freie Willens­ erklärung des letzteren, mit dem anderen Theile eine Ehe schließen zu wollen, noch gar nicht vorgelegen habe, eine wirkliche Ehe daher überhaupt nicht zu Stande gekommen sei, wenn der anfechtungsberechtigte Ehegatte sterbe, bevor er nach Beendigung der Zwangslage oder nach Entdeckung des Irrthumes die Ehe genehmigt habe. Auch widerstreite es dem Rechtsgefühle, wenn der überlebende Ehegatte, trotzdem vielleicht von diesem der Zwang ausgegangen oder der Irrthum betrüglicherweise heroorgerufen sei, dennoch auf Kosten derjenigen Personen, welche ohne die Ehe die Erben des verstorbenen Ehegatten geworden sein würden, die durch die Ehe ihm erwachsenen vermögensrechtlichen Vortheile behalten und insbesondere unter Ausschluß oder Beeinträchtigung des Rechtes jener Personen den verstorbenen Ehegatten beerben, also die Früchte seiner rechts- und sittenwidrigen, vielleicht verbrecherischen Handlung genießen solle (vergl. die Motive zum Hess. Entw. II Art. 50 S. 67 ff.). Diese Gegengründc können indessen als durchschlagend nicht erachtet werden. Wenn

Anfechtbarkeit. Einfluß der Auflösung der Ehe. § 1262.

89

auch der anfechtungsberechtigte Ehegatte bis zu seinem Tode unter dem Ein­ flüsse des Zwanges gestanden bczw. im Irrthume befangen gewesen sein sollte, so bleibt cs doch immer zweifelhaft, ob nicht die Ehe dem Willen desselben in

Wirklichkeit entspricht und ob er nicht nach Beendigung der Zwangslage oder nach Entdeckung des Irrthumes die Ehe genehmigt haben würde (§ 1263). In noch höherem Maße ist dies der Fall, wenn schon vor dem Tode die Zwangslage beendigt bczw. der Irrthum entdeckt war, der anfechtungsberechtigte Ehegatte aber, ohne die Anfechtungsklage erhoben zu habe», vor Ablauf der Anfechtungsfrist (§ 1264) gestorben ist. Im Zweifel ist es aber richtiger, die Ehe aufrechtzuerhaltcn, als vielleicht gegen die Absicht des verstorbenen Ehe­ gatten und gegen das Interesse der in der Ehe erzeugten Kinder (vergl. c. 11 X. qui filii sint leg. 4, u) lediglich wegen vermögenSrcchtlicher Interessen Dritter die Anfechtung der Ehe zu gestatten, zumal nicht wirkliche Rechte, sondern nur Aussichten Dritter durch die Aufrechterhaltung der Ehe vereitelt werden. Dazu kommt die Schwierigkeit und Unzuverlässigkeit des Beweises, wenn die Anfechtung auch noch nach dem Tode des anfechtungsberechtigten Ehegatten zugelassen wird, namentlich soviel den Kausalzusammenhang und die Frage betrifft, ob die Zwangslage bezw. der Irrthum bis zum Tode fort­ gedauert hat oder nicht und ob im letzteren Falle die Ehe als stillschweigend genehmigt anzuschen ist. Anders liegt die Sache, wenn der anfechtungsberechtigte Ehegatte vor seinem Tode die Anfechtungsklage erhoben hatte, aber vor deren Erledigung

gestorben war. In diesem Falle ist zwar der Rechtsstreit über die Anfechtungs­ klage in der Hauptsache als erledigt anzuseheir (vergl. den in der Anm. 1 zu Buch IV Tit. 1 §§ 1250 ff. unter II, 9 mitgetheilten § 584 a der C. P. O.), dagegen kann nach § 1260 Abs. 2 die Ungültigkeit der Ehe auf Grund der in der Erhebung der Anfechtungsklage liegenden Anfechtung (§ 1266 Abs. 1)

nunmehr von Jedem, welcher ein rechtliches Interesse daran hat, insbesondere von dem Erben des verstorbenen Ehegatten, incidenter geltend gemacht werden (vergl. die Motive zu § 1260 oben S. 85). Ist die anfechtbare, noch nicht angefochtene Ehe durch den Tod des nicht T°d zur Anfechtung berechtigten Ehegatten aufgelöst, so führen die allgemeinen Grundsätze umgekehrt dahin, die Anfechtung der Ehe auch nach der Auflösung berechtigte» der letzteren noch zuzulassen. Die Beseitigung der Ehe, welche in erster Linie G6e3Qlte,L durch die Anfechtung bezweckt wird, ist allerdings nicht mehr möglich; allein, wie oben S. 87 bereits hervorgehoben wurde, richtet sich die Anfechtung nicht, wie der Antrag auf Scheidung, gegen die bestehende Ehe, sondern gegen den mit dem Mangel behafteten Eheschließungsvertrag. Die Anfechtung des letzteren ist aber auch nach Auflösung der Ehe noch rechtlich möglich. Dem über­ lebenden anfechtungsberechtigten Ehegatten nach dem Tode des anderen Ehe­ gatten durch eine positive Bestimmung das Anfechtungsrecht zu versagen, kann auch aus Gründen praktischer Zweckmäßigkeit als gerechtfertigt nicht anerkannt

werden. Zwar ist mit der Auflösung der Ehe durch den Tod des anderen Ehegatten für den überlebenden anfechtungsberechtigten Ehegatten das Haupt­ interesse an der Anfechtung weggefallen. Auch muß zugegeben werden, daß

es zu Verwickelungen führen kann, wenn die Anfechtung vielleicht erst lange

90 Zeit

Ungültigkeit der Ehe. Genehmigung des AnfechtungSbcrechtigten. § 1263. nach

Auflösung

der

Ehe

erfolgt,

nachdem

die vermögensrechtlichen,

namentlich die erbrechtlichen Verhältnisse, auf Grund der Gültigkeit der Ehe geordnet sind, und daß mit dem Tode des anderen Ehegatten diejenige Person hinweggefallen ist, welche am besten in der Lage sein würde, die für die Auf­ rechterhaltung der Ehe sprechenden Thatsachen vorzubringen. Auf der anderen Seite kommt aber entscheidend in Betracht, daß die Versagung des Anfechtungs­ rechtes für den überlebenden anfechtungsberechtigten Ehegatten unter Umständen zu großen Härten führen kann, namentlich in solchen Fällen, in welchen er mit dem anderen Ehegatten in Gütergemeinschaft gelebt oder mit demselben einen Erbvertrag geschlossen hat, in welchem von ihm zu Gunsten Dritter für den Fall seines Todes bindende Verfügungen von Todeswegen getroffen sind (vergl. § 1377 Abs. 2, §§ 1783, 1948, 1956, 1959, 1961). Auch vom idealen Gesichtspunkte aus kann derselbe ein beachtenswerthes Jnteresie daran haben, daß die Wirkungen der Ehe vernichtet werden und er nicht mehr als Ehegatte des anderen Theiles gilt, z. B. wenn die überlebende Ehefrau den Namen des verstorbenen Ehegatten nicht mehr zu führen wünscht. Die Versagung des Anfechtungsrechtes nach dem Tode des anderen Ehegatten ist besonders be­ denklich im Hinblicke auf die nicht seltenen Fälle, in welchen ein Ehegatte durch Betrug des anderen Ehegatten, namentlich durch Täuschung über die persönlichen Verhältnisse des letzteren, zu der Eheschließung bestimmt worden ist und der Betrug erst nach dem Tode des anderen Ehegatten entdeckt wird, d-r Ehe^dmch Scheidung'

Nach allgemeinen Grundsätzen würde auch im Falle der Auflösung der Ehe durch Scheidung oder in Folge Todeserklärung (§ 1464) die Anfechtung

obc$obe6=olgc der Ehe nicht ausgeschloffen sein, insbesondere im Falle der Scheidung das erklärung.

rechtskräftige Scheidungsurtheil einer solchen Anfechtung nicht entgegenstehen, da in jenem Urtheile über die letztere nicht entschieden ist (vergl. § 293 der C. P. O., § 191 d. Entw.). Da indeffen nach Auflösung der Ehe durch Scheidung oder in Folge Todeserklärung eine Anfechtung der Ehe nur in den seltensten Fällen in Frage kommen wird, so liegt ein Bedürfniß, in diesen Fällen das Anfechtungsrecht nach Auflösung der Ehe fortdauern zu lassen, nicht vor; vielmehr sind hier die gegen die Zulassung der Anfechtung nach Auflösung der Ehe sprechenden Zweckmäßigkeitsgründe als überwiegend anzusehen (vergl. wegen des preuß. Rechtes Urth. d. R. G. bei Gruchot XXXII S. 114 ff.).

§ 1263. ESeiten^vs Die Bestimmung des Abs. 1 Satz 1 entspricht dem Wesen der An"ansechtung»/ fechtbllrkeit und den allgemeinen Grundsätzen des Gesetzbuches (§ 113 Abs. 3). Ehegatten"

steht auch, soviel zunächst die Fälle des § 1259 Nr. 1, 2 betrifft — im Gegensatze zu dem kanonischen Rechte, welches eine wegen Zwanges oder Irrthumes nichtige .Ehe nur durch Erneuerung des Konsenses beider Ehe­ gatten zur Entstehung gelangen läßt —, mit der Mehrzahl der bestehenden Rechte, insbesondere mit dem gemeinen protestantischen Eherechte, dem preuß. A. L. R. II, 1 § 41 und dem sächs. G. B. § 1625 (vergl. auch Hess. Entw. II Art. 49 nebst Motiven S. 67), im Prinzipe im Einklänge, wenngleich dieselben

Ungültigkeit der Ehe. Genehmigung des Anfechtungsberechtigken. § 1263.

91

im Einzelnen, namentlich in Ansehung der Frage, inwieweit anch eine still­ schweigende Genehmigung genügt, auseinandergehen. Während das gemeine protestantische Eherecht und das sächs. G. B. auch die stillschweigende Ge­ nehmigung für ausreichend erklären, verlangt das prcuß. A. L. R. ausdrück­ liche Genehmigung oder eine sechs Wochen übersteigende Fortsetzung der Ehe nach' Hebung des Hindernisses. Der code civil Art. 181 beschränkt sich auf die Bestimmung, daß die Nichtigkeitsklage wegen Drohung oder Irrthumes ausgeschlossen ist, wenn von der Beendigung der Zwangslage bezw. von der Entdeckung des Irrthumes an ein sechs Monate hindurch fortgesetztes Beisammenwohncn stattgefundeu hat. Die franz. Jurisprudenz nimmt indessen an, daß auch die ausdrückliche Genehmigung der Ehe in jenen Fällen die Nichtigkeitsklage beseitige. Andere Gesetzgebungen erwähnen die Genehmigung als Aufhebungsgrund des Anfechtungsrechtes ebenfalls nicht und enthalten nur die Bestimmung, daß das Anfechtungsrecht nach Ablauf einer kurzen Frist seit Beendigung der Zwangslage oder der Entdeckung des Betruges oder Irrthumes nicht mehr geltend gemacht werden kann (vergl. goth. Ehegcs. v. 15. August 1834 §§ 117, 137; altenb. Eheordn. v. 13. Mai 1837 §§ 190, 191; schweiz. Bd. Ges. v. 24. Dezember 1874 Art. 50 Abs. 2). Auf dem Boden dieser letzteren Gesetzgebungen stehen in Ansehung der Anfechtbarkeit der Ehe wegen Ehe­ unmündigkeit auch das preuß. A. L. R. II, 1 §§ 990, 975, 976 und das sächs. Ges. v. 5. November 1875 § 5 (vergl. ferner code civil Art. 185). Ein genügender Grund, das Prinzip des § 113 Abs. 3 in einem der Fälle des § 1259 Nr. 1—3 zu durchbrechen, liegt nicht vor. Auch kann es als angemessen nicht erachtet werden, in Abweichung von der Regel des § 72 die stillschweigende Genehmigung ganz auszuschließen oder nur unter be­ stimmten, gesetzlich näher bezeichneten Voraussetzungen zu berücksichtigen. Die praktischen Bedenken, welche gegen die Zulassung einer stillschweigenden Ge­ nehmigung erhoben werden können, werden durch die Rücksicht auf das Interesse an der Aufrechterhaltung der Ehe überwogen. Die Bestimmungen des § 1263 Abs. 1 Satz 2, 3 rechtfertigen sich durch die höchst persönliche Natur der Ehe und die Erwägung, daß es sich in den Fällen des § 1259 Nr. 1, 2 um die Beseitigung eines Willensmangels, in dem Falle des § 1259 Nr. 3 um die Nachholung der zur Eheschließung er­ forderlichen persönlichen Einwilligung einer zur Zeit der Eheschließung ehe­ unmündigen Person handelt. Mit der persönlichen Natur der Ehe ist in Ansehung der Genehmigung der Ehe eine Vertretung schlechthin un­

nehmigung.

vereinbar. Auch darf aus diesem Grunde, wenn der genehmigende Ehegatte in der Geschäftsfähigkeit. beschränkt ist, die Wirksamkeit der Genehmigung (vergl. § 65 Abs. 3) nicht von der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters

abhängig sein, um so weniger, als nach § 1265 auch das Anfechtungsrecht nicht durch den gesetzlichen Vertreter ausgeübt werden kann. Die Bestimmung des § 1263 Abs. 2 (vergl. Hess. Entw. II, 55) beruht MW'.* auf der Erwägung, daß, wenn der Mangel der Ehemündigkeit durch nach- -dueTer

klägliche Dispensation geheilt ist, ein Gründ zur Anfechtung nicht mehr vor- linin?'bei:gfeit liegt, da vorausgesetzt werden darf, daß die Dispensation nur dann ertheilt werden wird, wenn dies dem Interesse des cheunmündigen Ehegatten entspricht.

92

Ungültigkeit der Ehe. Genehmigung des Anfechtungsbcrechtigtcn. § 1263.

s>-n°hn>i©ine Ausnahme von dem Prinzipe, das; das Genehmigungsrecht durch g-s«tz'ichen^ den anfechtungsberechtigten Ehegatten selbst, insbesondere nicht durch den gesetziertreter?.. lichen Vertreter desselben, anszuüben ist, macht der § 1263 Abs. 3 für den

Fall des § 1259 Nr. 4. In diesem Falle soll, so lange der anfechtungs­ berechtigte Ehegatte in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, die Ehe nur durch die Genehmigung des gesetzlichen Vertreters unanfechtbar werden. Es entspricht dies der ratio, auf welcher im Falle des § 12'59 Nr. 4 die Anfechtbarkeit der Ehe beruht, und steht mit dem allgemeinen Grundsätze des § 65 Abs. 3 im Einklänge (vcrgl. code civil Art. 183; sächs. Ges. v. 5. November 1875 § 6). Der Standpunkt des preuß. A. L. R. II, 1 §§ 999, 984, daß, wenn eine minder­ jährige Person ohne die Einwilligung des Vormundes eine Ehe geschlossen hat, die Ungültigkeit der letzteren überhaupt nicht durch die Genehmigung des Vormundes bezw. des Vormundschaftsgerichtes geheilt werden kann, sondern dem Ehegatten immer das Recht vorbehalten bleibt, die Ehe binnen sechs Monaten seit der Erreichung der Volljährigkeit als ungültig anzufechten, ist weder prinzipiell zu billigen noch auch angemessen, weil dadurch die Ent­ scheidung über die Ungültigkeit oder Gültigkeit der Ehe, ohne daß dies durch das Interesse des anfechtungsberechtigten Ehegatten, welcher seinerseits per­ sönlich in die Ehe eingewilligt hatte, geboten erscheint, zu weit hinaus­ geschoben wird. Ersetzung der Ein Bedürfniß, nach Analogie der Vorschriften des § 1232 Abs. 2, 3 ^sges-tzNch-n lind des § 1238 Abs. 4 auch hier zu bestimmen, daß die Genehmigung des Vertreter«,

gesetzlichen Vertreters nach Maßgabe jener Vorschriften ersetzt werden könne

(vergl. sächs. Ges. v. 5. November 1875 § 6), liegt nicht vor. Da nach § 1265 der gesetzliche Vertreter einer in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Person auch im Falle des § 1259 Nr. 4 das Anfechtungsrecht nicht ausüben kann, so ist eine derartige Bestimmung im Interesse des in der Geschäftsfähigkeit be­ schränkten Ehegatten zu dem Zwecke, um das Anfechtungsrecht des gesetzlichen Vertreters zu beseitigen, vom Standpunkte des Entwurfes aus nicht erforderlich. Der Gesichtspunkt aber, daß die hier in Rede stehende Bestimmung insofern auch vom Standpunkte des Entwurfes aus noch im Interesse des anfechtungs­ berechtigten Ehegatten liege, als ihm dadurch die Möglichkeit gewährt werde, dem anderen Theile möglichst bald die Sicherheit zu verschaffen, daß die An­ fechtung der Ehe überhaupt nicht erfolgen werde, kau» nicht als ausreichend angesehen werden, um das Prinzip des Eltern- und Vormundschaftsrechtes, nach welchem das Vormundschaftsgericht den Willen des gesetzlichen Vertreters nicht zu ersetzen, sondern nur bei Pflichtwidrigkeiten desselben einzuschreiten und geeignetenfalls einen anderen Vertreter zu bestellen befugt ist (vergl. §§ 1546, 1684, 1705 Nr. 1), zu durchbrechen. Genehmigung Daß auch im Falle des § 1259 Nr. 4 der anfechtungsberechtigte Eheerl°n"g°ter UN- gatte, nachdem er die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit erlangt hat, selbst das beschränkter

fWtm

Genehmigungsrecht auszuüben hat (§ 1263 Abs. 3 Satz 1), entspricht dem allgemeinen Grundsätze des § 65 Abs. 6. Hat aber der anfechtungsberechtigte Ehegatte dadurch, daß er die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit erlangt hatte, einmal das Genehmigungsrecht erworben, ist mithin die Gültigkeit oder Un­ gültigkeit der Ehe allein von seinem Willen abhängig, so muß ihm dieses

Ungültigkeit bei' Ehe. Anfcchtungssrist. § 1264.

93

Genehmigungsrecht, wie in den Fällen des § 1259 Nr. 1—3, so auch in dem Falle des § 1259 Nr. 4 bleiben, wenngleich er später wieder in der Geschäfts­ fähigkeit beschränkt werden sollte. Auf dieser Erwägung beruht die Be­ stimmung des § 1263 Abs. 3 Satz 2; die Entscheidung der Frage, ob jene

Gesichtspunkte weiter dahin führen müssen, in dem gedachten Falle auch die Vorschrift des § 1263 Abs. 1 Satz 3 entsprechend anzuwenden, ist in Er­ mangelung eines Bedürfnisses, diese Frage im Gesetze besonders zu entscheiden, der Jurisprudenz überlassen. Nach dem sächs. Ges. v. 5. November 1875 § 6 ist im Falle des § 1259 Nr. 4 die Anfechtung überhaupt nicht mehr zulässig, wenn der Ehegatte, welcher der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters bedurfte, das Lebensjahr vollendet hat, mit dessen Vollendung das Erforderniß der Einwilligung nach § 29 Abs. 1 des R. Ges. v. 6. Februar 1875 wegfällt (vergl. auch öftere. G. B. § 96; Hess. Entw. II, 53; schweiz. Bd. Ges. v. 24. Dezember 1874 Art. 53). Eine derartige Regelung kann jedoch vom Standpunkte- des Entwurfes aus einerseits im Hinblicke auf den § 65 Abs. 6, andererseits mit Rücksicht darauf, daß nach dem § 1265 das Anfechtungsrecht nicht, wie dies nach dem sächs. Gesetze der Fall ist, dem gesetzlichen Vertreter zusteht, nicht in Frage koinmen. Die Vorschriften des § 1263 beziehen sich lediglich auf den Fall, wenn Genehmig»»« die anfechtbare Ehe noch nicht angefochten ist. Aus dem Begriffe der An- Anfechtung, fechtung ergiebt sich, daß eine erst nach erfolgter Anfechtung erfolgende Ge­ nehmigung der Ehe unwirksam ist. Nur dann, wenn die Anfechtung der Ehe^

durch Erhebung der Anfechtungsklage erfolgt ist, kann ausnahmsweise die Ehe nach § 1268 Satz 2 trotz der erfolgten Anfechtung, bis die Ehe aufgelöst oder für ungültig erklärt ist, noch von dem anfechtungsberechtigten Ehegatten selbst,

nicht dagegen in den Fällen des § 1263 Abs. 3 von dem gesetzlichen Vertreter desselben, wirksam genehmigt werden (vergl. die Motive zu § 1268).

§ 1264. Die im § 1264 für die Ausübung des Anfechtungsrechtes bestimmte Ausschließung Präklusivfrist ist einerseits, namentlich im Interesse des nicht zur Anfechtung Anfechtung^berechtigten Ehegatten, aus praktischen Rücksichten dringend geboten, damit nicht die Ungewißheit über den Fortbestand der Ehe zu lange dauert, anderer­ seits auch vom Standpunkte des anfechtungsberechtigten Ehegatten aus un­ bedenklich, da in den meisten Fällen dem unbenutzten Ablaufe der Frist eine stillschweigende Genehmigung zu Grunde liegen wird. Die Frist des § 1264 ist, wie in den Fällen des § 104, eine Präklusivfrist. Die Grundsätze über die Verjährung sind nicht anwendbar, da das Anfechtungsrecht nicht die Natur

eines Anspruches (§ 154) hat und, auch abgesehen davon, die Anwendung jener Grundsätze, namentlich wegen der Bestimmung des § 182, nach welcher die Verjährung nur eine Einrede erzeugt, auf welche verzichtet werden kann,

zu einem mit dem Wesen der Ehe nicht vereinbaren Resultate führen würde. Andererseits ist die Strenge der Präklusivfrist in einer das Interesse des anfechtungsberechtigten Ehegatten angemessen schützenden Weise dadurch gemildert, daß der § 1264 Abs. 2 die Vorschriften der §§ 164, 166 für entsprechend an-

94

Ungültigkeit der Ehr.

Pcrsönl. Natur deS Anfechtungsrechtes.

§ 1265.

wendbar erklärt. Es würde in hohem Grade unbillig sein, den Verlust des Anfechtungsrechtes durch Ablauf der Frist eintreten zu lassen, obwohl der anfechtungsbcrechtigte Ehegatte durch einen Stillstand der Rechtspflege oder durch Geschäftsunfähigkeit an der Ausübung des Anfechtungsrechtes verhindert wurde (vergl. auch § 171 Abs. 5, § 1447 Abs. 3, § 1473 Abs. 2, § 1478 verb. mit § 104 Abs. 3, § 2030 Abs. 3, § 2040 Abs. 6, § 2046 Abs. 6, § 2100). Mit dem Prinzipe des § 1264 Abs. 1 stimmen die neueren Gesetz­ gebungen, wenngleich dieselben im Einzelnen abweichen, im Wesentlichen überein (vergl. preuß. A. L. R. II, 1 §§cilto-

1632). Auch dem abweisenden Urtheile Wirkung für und gegen Alle bcizulegcn, ist in dem hier fraglichen Falle um so weniger zu beanstanden, als das Anfechtungsrecht immer nur dem betreffenden Ehegatten zusteht, von einer Verletzung der Rechte Dritter mithin hier überhaupt nicht die Rede sein kann. Die Anwendung der Regel des § 192 würde außerdem zu dem unangemessenen Resultate führen, daß ein Dritter nach Auflösung der Ehe sich auf die in der Erhebung der Klage liegende Anfechtung und die dadurch herbeigeführte Un­ gültigkeit der Ehe berufen könnte (§ 1260), obwohl gegenüber dem anfechtungs­ berechtigten Ehegatten die Anfechtung als unbegründet erkannt worden ist. Stirbt einer der Ehegatten vor der Rechtskraft des Urtheiles, so ist der Rechts­ streit in Ansehung der Hauptsache als erledigt anzusehcn (vergl. dcu in der Anm. 1 zu dem Unterabschnitte „IV. Ungültigkeit der Ehe" unter II, 9 mit­ getheilten, zur Aufnahme in das Einführungsgesctz bestimmten § 584a der

C.

P. O.); in einem solchen Falle tritt daher die im § 1269 bezeichnete Wir­ kung nicht ein (vergl. die Motive zu § 1256 oben S. 63).

§ 1270. Die Bestimmungen des § 1270, welche sich als eine Modifikation des im § 1260 Abs. 2 ausgesprochenen Grundsatzes darstellen, rechtfertigen sich durch die Erwägung, daß eine anfechtbare und angefochtene Ehe einer nichtigen, aber in gehöriger Form geschlosienen Ehe fachlich gleichsteht. Anlangend insbesondere die Vorschriften des § 1257, so sprechen die Gründe, auf welchen dieselben beruhen (vergl. die Motive zu § 1257 oben S. 63 ff.), dafür, in dem dort bezeichneten Umfange dritte gutgläubige Personen auch gegen die Folgen einer durch Anfechtung ungültig gewordenen Ehe zu schützen. Doch muß, wie im Falle des § 837 Abs. 2 (vergl. ferner § 2091), so auch hier die Kenntniß der Anfechtbarkeit der Kenntniß der Nichtigkeit gleichgestellt werden (vergl. preuß. A. L. N. II, 1 §§ 974, 960, 961). Da dritte Personen die Ungültigkeit einer anfechtbaren Ehe nicht geltend machen können, so lasten sich Gründe der Billigkeit dafür anführcn. Dritte nach Maßgabe des § 1257 in Ansehung solcher unter den § 1257 fallender Rechtsgeschäfte, welche die Befriedigung bestehender Ansprüche bezwecken, sowie in Ansehung der unter den § 1257 fallenden Urtheile über derartige Ansprüche auch dann zu schützeu, wenn sie von der Anfechtbarkeit der Ehe Kenntniß hatten, sofern nicht die Ungültigkeitserklärung der Ehe schon vor dem im 8 1257 Abs. 1 bczw. Abs. 2 bezeichneten Zeitpunkte erfolgt war. Von praktischer Bedeutung würde eine derartige Modifikation der Vorschriften des § 1257 z. B. für solche Fälle fein, in welchen eine der Ehefrau gegen einen Dritten zustehende, zu dem Ehegute gehörende Forderung durch den Tritten

102

Ungültig!, d. Ehe. Anfechtbarkeit. Schutz dcS guten Glaubens. § 1'270.

auf Grund der ehelichen Nutznießung an den Ehemann (§§ 1292, 1028)

oder eine Ehegntsvcrbindlichkcit bürd) den Ehemann an den Tritten (§ 1318 Nr. 1) oder eine der Ehefrau gegenüber dem Dritten obliegende Verbindlichkeit durch den auf Grund bestehender Gütergemeinschaft persönlich verhafteten Ehe­ mann (§ 1359 Abs. 2) erfüllt werden soll. Indessen kann ein Bedürfniß, das Prinzip des § 112 hier in einem so weiten Umfange zu durchbrechen, nicht anerkannt werden, zumal die in Betracht kommenden Fälle selten sind, dem

Dritten geeignctcnfalls auch das Hinterlegungsrccht (§ 272 Nr. 2), das Recht der Kondiktioncn (§ 745) und nach Umständen das Recht der Streitvcrkündigung zur Seite steht (§ 69 der C. P. O.). Anspruch d-z Gegen die entsprechende Anwendung des § 1258 kann der Einwand Ehegatten" erhoben werden, daß cs einen Widerspruch in sich schließe, wenn der anfechtungs-

tösgtoubig’en bevcdjtigte Ehegatte, trotzdem derselbe sich dahin entschieden habe, die Ehe als "u'^' ungültig anzufcchtcn, dennoch nach Maßgabe des § 1258 die Wahl haben solle, ob gegenüber dem anderen Ehegatten in vcrmögensrcchtlichcr Beziehung es bei den aus der Ungültigkeit der Ehe sich ergebenden Folgen verbleiben oder das Verhältniß so beurtheilt werden solle, wie wenn die Ehe geschieden und der andere Ehegatte für den schuldigen Theil erklärt wäre. Indessen der Hauptzweck der Anfechtung ist doch, wenigstens dann, wenn die Anfechtung bei Lebzeiten beider Ehegatten erfolgt, der, die persönlichen Folgen der Ehe­ schließung zu beseitigen. Die Beseitigung der vermögcnsrechtlichen Wirkungen der Ehe ist nur eine Konsequenz der Beseitigung des persönlichen Rechtsverhältnisies der Ehe, eine Konsequenz, welche der anfechtungsberechtigtc Ehe­ gatte vielleicht gern vermeiden würde, wenn er die Abwendung Derselben nicht mit der Fortsetzung des persönlichen Verhältnisses ersaufen müßte. In Fällen der Art würde es unbillig sein, den anfechtungsbcrechtigtcn Ehegatten in die Lage zu versetzen, entweder die Ehe, deren Fortsetzung ihm nicht zugemuthet werden kann, fortsetzcn oder auf die bis dahin durch die Ehe für ihn be­ gründeten vermögcnsrechtlichen Wirkungen verzichten zu müssen. Mit dem Entwürfe stimmen in der hier fraglichen Beziehung das gemeine Recht und die neueren Gesetzgebungen, soweit dieselben mit einer Putativehe überhaupt Wirkungen einer gültigen Ehe verbinden, überein (vergl. code civil Art. 201, 202 verb. mit Art. 180 ff.; sächs. G. B. § 1628; Hess. Entw. II Art. 59—62 verb. mit Art. 48 ff.; schweiz. Bd. Ges. v. 24. Dezember 1874 Art. 55 verb. mit Art. 50 ff.). Daß in dem hier fraglichen Falle die Kenntniß der Anfechtbarkeit der Kenntniß der Nichtigkeit glcichstehen soll, entspricht der rechtlichen Natur der Anfechtbarkeit, ivelche, wenn die Anfechtung erfolgt, die Ehe rückwärtshrn vernichtet (vergl. auch § 837 Abs. 2). Die weitere Vorschrift des § 1270, daß im Falle der Anfechtung wegen Drohung der anfcchtungsberechtigte Ehegatte dem Ehegatten gleichsteht, welcher die Nichtigkeit der Ehe nicht gekannt und dessen Unkenntniß auch nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht hat, ist mit Rück­ sicht auf die Voraussetzungen erforderlich, von welchen der § 1258 das dort bezeichnete besondere Recht abhängig macht. Durch die entsprechende Anwendung des § 1258 wird ein nach den allgemeinen Grundsätzen über Schadensersatz aus unerlaubten Handlungen be­ gründeter Anspruch auf Schadensersatz (§§ 704, 705) nicht berührt.

Ungültigkeit der (5s;c. Feststcllungöklagc. § 1271.

103

§ 1271. Ter Entwurf beruht auf dem Prinzipe, das; eine 'Nichtigkeitsklage im Sinne der C. P. C. (§ 585 ff.) nur daun stattfindct, ivcnn eine formgültige, °, tes

aber materiell nichtige Ehe für nichtig erklärt werden soll (§ 1253). In anderen Fällen, in welchen cs streitig wird, ob eine Ehe besteht oder nicht bcd-u steht, soll es bei der Fcststellungsklage nach Maßgabe des § 231 der C. P. O. verbleiben und insbesondere die Entscheidung der Frage, in welchen einzelnen Fällen eilte Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbcstehcns einer Ehe zivischen den Parteien zulässig ist, in Ermangelung eines Bedürfnisses, diese Frage im Gesetze besonders zu entscheiden, an der Hand des § 231 der C. P. O. der Wissenschaft und Praxis überlassen iverdcn. UcbrigenS kann es einem Zweifel nicht wohl unterliegen, daß eine solche Klage jedenfalls dann zulässig ist, wenn es sich darum handelt, festzustellen, ob zwischen den Parteien nach dem inländischen oder, wenn eilte im Auslande geschlossene Ehe in Frage steht, nach dem ausländischen Rechte eine formgültigc Ehe besteht (§§ 1245, 1248, 1250 Nr. 1), oder ob eine zwischen ihnen geschlossene Ehe wieder auf­ gehoben (§§ 1440, 1464), oder für ungültig erklärt ist (§§ 1253, 1260). In Ermangelung einer entgcgcnstchcndcn Bestimmung ivird aber auch eine solche Feststellungsklage, welche die Feststellung bezweckt, daß die Ehe nicht materiell nichtig ist, nicht als ausgeschlossen anzusehcu sein, da der Ehegatte, welcher die von dem anderen Ehegatten bestrittene materielle Gültigkeit der Ehe behauptet, ein rechtliches Interesse daran haben kann, daß die materielle Gültigkeit der Ehe durch richterliche Entscheidung alsbald fcstgcstellt werde, und eine andere Klage zur Erreichung dieses Zweckes ihm nicht zu Gebote steht. Andererseits wird eilte Klage auf Feststellung, daß die Ehe materiell nichtig sei, neben der Nichtigkeitsklage nicht als zulässig erachtet werden können. Die Unzulässigkeit einer solchen, auch durch ein Bedürfniß keineswegs gebotenen Klage läßt sich daraus ableiten, daß es wegen der Möglichkeit, in diesem Falle die Nichtig­ keitsklage zn erheben, an dem im § 231 der C. P. O. vorausgesetzten Inter­ esse fehlt. Eine andere Frage ist, welche Verfahrensvorschriften auf die hier in Anwendung Rede stehenden Feststellungsklagen anzuwendcn sind. In der Sache kann es Vorschrift-» allerdings nicht zweifelhaft sein, daß auf diese Klagen die besonderen SBor« ^“C1^ schriften der C. P. O. über das Verfahren in Ehesachen zur Anwendungfachen. ’

kommen müssen, da das Rcchtsverhältniß der Ehe überhaupt der Privat­ disposition der Parteien entzogen ist und bei Anwendung der allgemeinen Vcrfahrensvorschriften der Zweck des für die Ehesachen anerkannten Offizial­ prinzipes völlig vereitelt werden könnte. Es kann sich daher nur fragen, ob es nothwendig ist, die Anwendbarkeit der besonderen für Ehesachen maß­ gebenden Vorschriften der C. P. O. auf die hier in Rede stehenden Feststcllungsklagen ausdrücklich auszusprechen, oder ob die Anwendbarkeit jener Vorschriften nicht schon aus den Vorschriften der C. P. O., insbesondere den 568, 592, abgeleitet werden kann. Letzteres ist indessen, wenigstens für diejenigen Fälle, in welchen cs sich nicht darum handelt, ob die Ehe materiell nicht nichtig sei, bestreitbar, und empfiehlt cs sich deshalb, in dieser Beziehung

die C. P. O- durch geeignete, an die Vorschriften über das Verfahren bei der Nichtigkeitsklage sich anlehnende Vorschriften im Einführungsgesetze zu ergänzen (vergl. die in der Anm. zu dem Unterabschnitte „IV. Ungültigkeit der Ehe" unter II mitgetheilten, zur Aufnahme in das Einführungsgesetz bestimmten Aenderungen und Ergänzungen der C. P. O., insbesondere § 568 Abs. 1, 8 573 a, § 577 Abs. 2, § 581 Abs. 2, §§ 584 a, 591a der E. P. O.). ProzchDie Vorschriften des § 1271 beruhen auf der Analogie zwischen der hier Wiriimg'dcs in Rede stehenden Feststellungsklage und der Nichtigkeitsklage. Urtheiles.

Zweiter Titel. Wirkungen öer GHe. I. Allgemeine Vorschriften.

8 1272.

'Ähäünch Der 8 1272 bezweckt, den rechtlichen Inhalt des durch die Ehe unter der Eh-g-ul.n den Ehegatten begründeten persönlichen Rechtsverhältnisses durch ein allgemeines ju einander. Prinzip zum Ausdrucke zu bringen. Wenngleich die aus dem Wesen der Ehe Prürup^ slch regelnden persönlichen Rechte und Pflichten der Ehegatten unter einander in erster Linie sittlicher Natur sind, so haben dieselben doch auch eine recht­ liche Seite. Sie bilden nicht allein die Grundlage des Anspruches auf Her­ stellung des ehelichen Lebens (§§ 1276, 1443), sondern ihre Verletzung kann unter Umständen auch das Recht auf Scheidung begründen (§§ 1443—1445). Den sittlichen Grundgedanken des durch die Ehe unter den Ehegatten be­ gründeten persönlichen Verhältnisses durch einen leitenden Grundsatz int Gesetze auszusprechen, empfiehlt sich aber namentlich auch um deswillen, weil dadurch die über die rechtlichen Wirkungen der Ehe int Einzelnen gegebenen Vorschriften ihre richtige Beleuchtung gewinnen tiiib zum rechtlichen Ausdrucke gebracht wird, daß, wie im Obligationenrechte Treue und Glauben (§ 359), so int Eherechte das sittliche Wesen der Ehe die Grundlage bildet, von welcher bei der Auslegung des Gesetzes und der Beurtheilung aller Rechtsverhältitisse der Ehegatten unter einander auszugehen ist. In den neueren Gesetzgebungen sind die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Ehegatten meistens ausführ­ licher und spezieller bezeichnet, als im § 1272 geschehen ist (vergl. preuß. A. L. R. II, 1 88 174—183; sächs. G. B. § 1630; code civil Art. 212; öfters. G. B. 88 44, 90). Eine solche Spezialisirnng ist indessen einerseits entbehrlich, da die in den Gesetzgebungen speziell hervorgehobenen Pflichten (zu gegenseitiger Treue, zu gegenseitigem Beistände, zum Zusammenleben und zur Leistung der ehelichen Pflicht) sich aus dem Begriffe der ehelichen Lebensgemeinschaft von selbst ergeben, andererseits auch nicht zweckmäßig, weil dadurch der sittliche Inhalt der Ehe doch nicht erschöpfend bezeichnet wird und das richtige Ver-

Wirkungen der Ehe.

Persönl. Stellung dcS Ehcinanncs.

§ 1273.

105

ständniß und die richtige Begrenzung der hcrvorgchobencn einzelnen Pflichten doch nur durch ein Zurückgchcn auf den allgemeinen Grundsatz des § 1272 gewonnen werden kann. Aus diesem Grundsätze folgt, das; die Ehegatten zn einer solchen Lebensgemeinschaft, aber auch nur zu einer solchen berechtigt und verpflichtet sind, wie sic dem Wesen der Ehe entspricht und wie sic unter Be­ rücksichtigung des Wesens der Ehe nach den obwaltenden Umständen für Ehe­ gatten sich gebührt und mit der rechten ehelichen Gesinnung vereinbar ist.

§ 1273. Der § 1273 bestimmt in Uebereinstimmung mit dem gemeinen Rechte -t-aung d-s und den neueren Gesetzgebungen (prcuß. A. L. R. II, 1 § 184; code civil' der ehelichen Art. 213; sächs. G. B. § 1631; öfters. G. B. § 1)1) die Stellung des Ehe- «oneinttwt

manncs in der ehelichen Gemeinschaft. Es entspricht der natürlichen Ordnung des Verhältnisses, daß die Entscheidung in allen das gemeinschaftliche eheliche Leben betreffenden Angelegenheiten bei Meinungsverschiedenheiten dem Ehe­ manne zusteht. Aus jener Stellung des Ehemannes crgicbt sich insbesondere das Bestimmung Recht desselben, den Wohnort, d. h. den thatsächlichen Aufenthaltsort, aiol^rlcä

sowie die Wohnung zu bestimmen. Wenngleich dieser letztere, im Abs. 1 Satz 2 ausgesprochene Satz nur eine Konsequenz des im Abs. 1 Satz 1

^»d der 5Volimin8'

ausgesprochenen Prinzipes ist, so empfiehlt cs sich doch, diese Konsequenz­ wegen ihrer großen praktischen Wichtigkeit nach dem Vorgänge der neueren Gesetzgebungen besonders hervorzuheben (vergl. prcuß. A. L. R. II, 1 § 671); code civil Art. 214; sächs. G. B. § 1633; öfters. G. B. § 29). In An­ sehung des Wohnsitzes ist im Hinblicke auf § 39 hier eine besondere Bestimmung nicht erforderlich. Gegenüber den kategorisch lautenden Bestimmungen des Abs. 1 enthält die Bestimmung des Abs. 2 das nöthige Temperament, indem sie im Einklänge mit dem Prinzipe des § 1272 das Entscheidungsrecht des Ehemannes inhaltlich näher begrenzt. Die neueren Gesetzgebungen ent­ halten zum Theil mehr oder minder ausführliche Bestimmungen darüber, in welchen Fällen die Ehefrau dem Ehemanne zu folgen nicht verpflichtet, imviefern dieselbe von dieser Verpflichtung namentlich dann befreit ist, wenn die letztere durch Vertrag ausgcschloffen ist oder wenn der Ehemann seinen Wohnsitz in das Ausland verlegt oder wegen begangener Verbrechen sich entfernt hat. Die Aufnahme derartiger spezieller Bestimmungen in das Gesetzbuch ist nach dem Vorgänge des code civil Art. 214 und des Hess. Entw. II Art. 66 als entbehrlich und nicht als angemeffen erachtet worden. Anlangend insbesondere die, in der Verträge »b-r gemeinrechtlichen Theorie und Praxis allerdings nicht unbestrittene Frage, ob g0,3epflict)t das Recht des Ehemannes, den Wohnort zu bestimmen, durch Vertrag beschränkt der Ehefrau, oder ausgcschloffen werden kann, so ist — abweichend von dem prcuß. A. L. 9i. II, 1 § 682, dem goth. Eheges. § 89 Nr. 1, der altenb. Eheordn. §§ 146, 175, dem schwarzb.-sondersh. Eheschcidungsges. § 2 Nr. 5 und, soviel den Fall der Auswanderung in das Ausland betrifft, auch von dem württemb. Ges.

v. 15. August 1817 §§ 15, 16, aber in Uebereinstimmung mit dem Stand­

punkte des sächs. G. B. § 1692 und des franz. Rechtes (code civil Art. 214,

106

Wirkungen der Ehc.

Name der Ehefrau.

§ 1274.

1388), sowie des Gesctzrcvisors (Pens. XV, Motive S. 317) — davon aus­ gegangen, daß ein derartiger Vertrag, mag derselbe vor oder nach der Ehe­ schließung geschlossen sein, als nichtig anzusehcn ist, da das Recht des Ehe­ mannes, den Wohnort nach Maßgabe des § 1273 zu bestimmen, auf dem Wesen der Ehc und der natürlichen Stellung des Ehemannes in der Ehe beruht und deshalb ein absolutes Recht ist, daß aber dieser Satz im Hinblicke auf den § 106 (vergl. anch § 344) eines besonderen Ausdruckes im Gesetze Beilegung bei nicht bedarf. bas Ausland,

Die Fragen ferner, ob und inwieweit die Ehefrau dem Ehe-

manne zu folgen nicht verpflichtet i|t, wenn der letztere feinen Wohnsitz lii das Ausland verlegt oder wegen begangener Verbrechen sich aus dem Lande entfernt hat (vergl. prcuß. A. L. R. II, 1 § 681; bayr. L. R. I, 6 § 12 Nr. 2; goth. Ehcges. v. 15. August 1834 § 89 Nr. 2; altenb. Ehcordn. v. 13. Mai 1837 146, 216; schwarzb.-sondcrsh. Ehcschciduiigsgcs. v. 30. August 1845 § 2 Nr. 5), lassen eine allgemeine gesetzliche Entscheidung nicht zu, sondern können nur an der Hand des im Abs. 2 aiisgesprochcnen Prinzipes unter Berücksichtigung der Umstände des konkreteii Falles angcmesien entschieden werden. Ein genügender Grund, in dcii hier fraglichcii Fällen aus besonderen, nicht dem Wesen der Ehe entnommene» Rücksichten, z. B. aus strafpolitischen Rücksichten, positiv einzugreifen, kann nicht anerkannt werden (vergl. auch § 39 Abs. 2). Ebensowenig liegt ein Bedürfniß vor, die im sächs. G. B. § 1636 bezeichneten Fälle, in welchen die Ehefrau dem Ehemanne zu folgen nicht verpflichtet ist, besonders hervorzuhebcn, da die richtige Entscheidung dieser wie anderer Fälle sich aus dem Prinzipe des Abs. 2 von selbst

ergicbt.

§ 1274. Familiennamen,

Es ist eine natürliche Folge der Innigkeit und der das ganze Leben umfst|iCut)Cll Bedeutung der ehelichen Gemeinschaft, daß beide Ehegatten denselben Familiennamen führen.

Die Stellung des Ehemannes bringt cs mit sich, daß

die Ehefrau den Familiennamen des Ehemannes erhält (vergl. auch preuß. A. L. R. II, 1 §§ 192, 193; sächs. G. B. § 1632; österr. G. B. § 92), und zwar ist dieselbe diesen Namen zu führen nicht nur berechtigt, sondern, wie sich

aus dem Prinzipe des § 1272 ergicbt, auch verpflichtet, so daß der Ehemann, wenn die Ehefrau diese Verpflichtung verletzen sollte, gegen die letztere gecignctcnfalls auf Herstellung des ehelichen Lebens zu klagen berechtigt ist. Tas Institut der Mißheirath oder der Ehc zur linken Hand, bei welcher die Ehefrau nicht den Namen des Ehemannes erhält (vergl. preuß. A. L. R. II, 1 § 863), ist dem Gesetzbuchc unbekannt. Tic mit Rücksicht auf die landes­ herrlichen Familien und die Familien des hohen Adels in dieser Beziehung erforderliche Ausnahme ist dem Einführungsgesctze Vorbehalten. Ueber die rechtliche Natur des Rechtes, einen bestimmten Familienamen zu führen, vergl. die Vorbemerkung zu Abschn. II Tit. 8 unter Nr. 6. Stanb bei Ehesia».

Tic in neueren Gesetzgebungen sich findende weitere Bestimmung, daß (v-(jC^rnit sln j)Cm Stande des Ehemannes Theil nehme (preuß. A. L. R. II, 1

8 193; sächs. G. B. § 1632), ist nicht ausgenommen.

Tic Bestimmungen über

Wirkungen ter Ehe. Persönliche Stellung ter Ehefrau. § 1275.

107

den Erwerb des 3tanbc§ im publizistischen Sinne, insbesondere des Adels­ standes, gehören dem öffentlichen Rechte an und sind deshalb nicht im bürger­ lichen Gesetzbuche zu treffen. Anlangend aber den Stand in sozialein Sinne, so kann zwar sachlich nicht in Zweifel gezogen werden, das; die Ehefrau an der sozialen Lebensstellung des Ehemannes Theil nimmt tiiib das; dieser Satz auch insofern eine rechtliche Bedeutung hat, als sich daran wichtige Folgen, namentlich auf dem Gebiete des Aliinentationsrechteü und des Scheidungs­ rechtes (§§ 1280, 1444), knüpfen; indessen der besondere Ausspruch dieses Satzes ist im Hinblicke auf das Prinzip des § 1272 entbehrlich, andererseits insofern auch bedenklich, als er an die nach früherem Rechte mit der Verschiedenheit der Stände verbundene verschiedene Rechtsstellung erinnert und zu dem Miß­ verständnisse Veranlassung geben könnte, das; hier unter dein Stande auch der Stand im publizistischen Sinne zu verstehen sei.

§ 1275. Tcr § 1275 behandelt die Stellung der Ehefrau in der ehelichen Gemeinschaft. Anlangend die Bestinnnung des Abs. 1, so heben die neueren

-heuch-» Gesetzgebungen regelmäßig nur die Verpflichtung der Ehefrau, dem gemeinschriftlichen Hauswesen vorzustehen, hervor (vergl. preuß. A. L. R. II, 1 § 194; sächs. G. B. § 1631; öfters. G. B. § 92). Tie der deutschen Auffassung und Sitte entsprechende Stellung der deutschen Hausfrau wird dadurch indessen nicht zutreffend bezeichnet. Die letztere ist gegenüber dem Ehemanne nicht nur verpflichtet, u”^t sondern auch berechtigt, dem gemeinschaftlichen Hauswesen vorzustehen, so daß, H-üswese» wenn der Ehemann ihr diesen Beruf durch einen Mißbrauch des ihm nach oor’uftc,,ert"

§ 1273 zustehenden Entscheidungsrechtes verkümmert und ihr die ihr als Hausfrau gebührende Stellung entzieht, sie gegen beit Ehemann auf Herstellung des ehelichen Lebens zu klagen berechtigt ist (vergl. auch § 1278 Abs. 3). Die Bestimmung des Abs. 2, daß die Ehefrau zu häuslichen Arbeiten insoweit verpflichtet ist, als die letzteren nach dem Stande des Ehe-

'^“^e 'r ”

mannes für die Ehefrau üblich sind, folgt aus dem Wesen der ehelichen Lebens­ gemeinschaft und aus dem der Ehefrau obliegenden Berufe. Aber auch das Geschäfts- und Berufsleben wird nach deutscher Auffassung von der ehelichen Hmf-l-iflung Gemeinschaft mit ergriffen. Die Bestimmung des die wirthschaftliche Grund®eef*nite läge der ehelichen Lebensgemeinschaft bildenden Geschäfts- und Berufslebens, Ehemannes, sowie die Leitung und die Hauptthätigkcit in dem gewählten Berufe liegt naturgemäß dem Ehemanne ob. Der Hauptberuf der Ehefrau bezieht sich auf das Innere des Hauses und wird in den wohlhabenden Klassen der Bevölkerung sich regelmäßig darauf beschränken. Soweit aber die Hülfclcistung der Ehefrau im Geschäfte des Ehemannes nach dem Stande des letzteren für die Ehefrau üblich ist, darf sie auch solchen Verrichtungen gegenüber dem Verlangen des Ehemannes sich nicht entziehen (vergl. sächs. G. B. 8 1631; österr. G. B. § 92).

Eine dem preuß. A. L. R. II, 1 § 195 (vergl. auch Art. 7 des H. G. B.) S--bst°»dig°r entsprechende Bestimmung des Inhaltes, daß die Ehesrau ohne Einwilligung Erwerbzdes Ehemannes ein Erwerbsgeschäft nicht selbständig betreiben darf, ist in den OT'4iii‘cS-

Entwurf nicht

aufgenommen,

weil

eine

derartige

Bestimmung

in

dieser

108

Wirkungen der Ehe.

Kluge auf Herstellung des ehelichen Lebens. § 1’276.

Allgemeinheit, namentlich für solche Fälle, in welchen die Ehegatten faktisch getrennt leben, nicht als richtig, soweit sic aber richtig ist, wegen des in den 88 1272, 1273 ausgesprochenen Grundsatzes als entbehrlich anzusehcn ist. Tic besondere Bestimmung des Art. 7 des H. G. B., welche sich allerdings auch auf den Fall bezieht, wenn die Ehegatten in getrennten Gütern leben und der Betrieb des HandclsgcwcrbeS von «Seiten der Ehefrau deshalb auf die Vermögeusrechte des Ehemannes ohne Einfluß ist, bleibt selbstverständlich unberührt. Als maßgebend für das bürgerliche Gesetzbuch kann dieselbe indessen um so weniger angesehen werden, als die Geiv. O. (§ 11) eine entsprechende Bestimmung für andere Gewerbebetriebe nicht ausgenommen hat. Welche vcrmvgenSrechtlichen Folgen sich daran knüpfen, wenn die Ehe­ frau ein Erwcrbsgcschäft, sei cs mit oder ohne Einwilligung des Ehemannes, selbständig betreibt, steht hier, wo cs sich nur um das persönliche Verhältniß unter den Ehegatten handelt, außer Frage und crgicbt sich aus den Bestim­

mungen des ehelichen Güterrechtcs (vcrgl. insbesondere 88 1289, 1307, 1311, 8 1312 Nr. 1, 88 1339, 1356, 1359, 8 1562 Nr. 1, 88 1414, 1417, 8 1423 Nr. 3, 8 1431).

§ 1276. Die Bestimmungen t)C6 § 1276 setzen die Zulässigkeit einer Klage auf f'cbSe.r Herstellung des ehelichen Lebens, d. h. auf Erfüllung der aus dem persönlichen

Rlag-ausHer-

Lebens.

Verhältniße der Ehegatten sich ergebenden Pflichten, voraus. Die Zulässigkeit einer solchen Klage, welche auch die Klage auf Leistung der nach § 1272 be­ gründeten ehelichen Pflicht im engeren Sinne umfaßt, ergiebt sich in Er­ mangelung einer entgegenstehcndcn Bestimmung aus den allgemeinen Grundsäpen von selbst und braucht deshalb nicht erst besonders bestimmt zu werden. Auf der anderen Seite fehlt es aber auch an eitlem genügendeil Grunde, in Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen und dem in großen Rechtsgebicten, namentlich in den Gebieten des gemeinen Rechtes und des süchs. G. B., sowie nach der von der Jurisprudenz vorwiegend ver­ tretenen Ansicht auch in dem Gebiete des franz. Rechtes, geltendcil Rechte, eine Klage auf Herstellung des ehelicheil Lebens in dem bezeichneten Sinne überhaupt zu vcrsageil und nach dem Vorgänge des preuß. Rechtes (vergl. prcuß. A.L. R. II, 1 §§ 679, 680, 684—686; preuß. Verordn, v. 28. Juni 1844 88 61—64; preuß. Ansf. Ges. zur C. P. O. v. 24. März 1879 8 5; Gesctzrev. Pens. XV 88 8 — 14 b nebst Motiven S. 211 ff.) die hier in Betracht kommenden Streitigkeiten in das Scheidungsverfahren zll verweisen lind dieserhalb mir interimistische, aus einseitigen Antrag zu erlassende richter­ liche Verfügungen zuzulasscn. Das ordentliche kontradiktorische Prozeßverfahren bietet, auch wenn die Erzwingung der Herstellung des ehelichen Lebens, zu welcher ein Ehegatte vcrurtheilt ist, nicht stattfindet, doch insofern im Interesse der Förderung der Aufrechterhaltung der Ehen immer noch größere Vortheile, als cs zu einer näheren Untersuchung der Streitigkeit Veranlassung giebt und schon die Vcrurthcilung als solche wegen ihres inoralischcn Einflusses von nicht zu unterschätzendem Werthe ist. Auch können die Ehegatten ein Interesse

Wirkungen der Ehe. Kluge auf Herstellung dec- ehelichen Lebens. § 1276.

109

daran haben, den unter ihnen bestehenden Streit im Wege der Feststellungsklage (§ 231 der C. P. O.) zum Austrage zu bringen. Dazu kommt, daß eine vorgängige Verurtheilung zur Herstellung des ehelichen Lebens eine festere Grundlage für das Tchcidungsvcrfahren (§§ 1443—1445) bildet. Auf den Rechtsstreit, welcher die Herstellung des ehelichen Lebens zunr Gegenstände hat, finden die besonderen Vorschriften der C. P. C. über das Verfahren in Ehesachen nebst den aus der Anm. 1 zu dem Unterabschnitte „IV. Ungültigkeit der Ehe" unter II sich ergebenden Aenderungen und Er­ gänzungen der C. P. O. (vergl. insbesondere die §§ 573 a, 534 a) Anwendung. Außerdem soll, wie aus der Anm. zu § 1276 sich crgicbt, im Einführnngsgesctie bestimmt werden, daß die Vorschrift des § 774 Abs. 1 im Falle der Verurtheilung zur Herstellung des ehelichen Lebens keine Anwendung findet, eine Erzwingung der Herstellung des ehelichen Lebens im Wege der Zwangs­

vollstreckung mithin ausgeschlossen ist. Anlangend diese letztere Bestimmung, welche gegenüber dem in den Ge­ bieten des gemeinen Rechtes, des sächs. G. B. und nach der in der Jurisprudenz vorwiegend vertretenen Ansicht auch in den Gebieten des franz. Rechtes geltenden Rechte (vergl. ferner altcnb. Eheordn. v. 13. Mai 1837 §§ 20!)—211; goth. Eheges. v. 15. August 1834 §§ 91, 92, 111; Ges. für Neuß ä. L. v. 3. Mai 1879 §§ 11, 12) eine Neuerung enthält, so ist es allerdings möglich, das; die Anweudung von Zwangsvollstreckungsmaßrcgeln in einzelnen Fällen zu einer dauernden Herstellung des ehelichen Lebens führt; auch ist nicht zu verkennen, daß, wenn der Zwang ausgeschlossen wird, dies auf die Gestaltung des Scheidungsrechtes zurückwirkt, indem bei fortdauernder hartnäckiger Verweigerung der ehelichen Pflichten nur die Scheidung als Mittel der Abhülfe übrig bleibt (§§ 1443—1445). Indessen sind die gegen die Anwendung von Zwangsmaß­ regeln sprechenden Gründe als überwiegend auzusehen. Die Anwendung von Zwangsmaßregeln zur Herstellung des ehelichen Lebens sind mit dem Wesen der Ehe als eines vorwiegend sittlichen, auf der ehelichen Gesinnung beruhenden Verhältnisses nicht vereinbar. Die Erfahrung lehrt, daß dieselben in den meisten Fällen auch ohne praktischen Erfolg sind und nur dazu beitragen, die Erbitterung unter den Ehegatten zu vermehren. Dazu kommt, daß nach § 774 Abs. 2 der C. P. O. die Anwendung von Zwangsmaßregeln zum Zwecke der Herstellung des ehelichen Lebens schon jetzt nur insoweit statthaft ist, als die Landesgesetze dies für zulässig erklären, und daß in dem großen Gebiete des preuß. A. L. 9t. solche Zwangsmaßregeln schon seit langer Zeit ausgeschlossen sind, daß ferner auch die Landesgesetzgebungen anderer Staaten bei Gelegenheit der Ausführungs­ gesetze zu dem R. Ges., betr. die Beurkundung des Personenstandes u. s. w., v. 6. Februar 1875 bezw. zur C. P. O. mehrfach, namentlich in Württemberg und in Baden (württemb. Ges. v. 8. August 1875 Art. 7; bad. Ges. v. 3. März 1879 § 145 Rr. l), die durch § 774 Abs. 2 der C. P. O. unberührt gelassenen landesgesetzlichen, die Erzwingung der Herstellung des ehelichen Lebens für zu­ lässig erklärenden Bestimmungen aufgehoben haben. In diesen, den bei weitem

größten Theil des 9teiches bildenden Gebieten das Zwangsverfahren in Ehe­ sachen, von defien Entbehrlichkeit und Unzweckmäßigkeit man sich dort überzeugt hat, wieder eiuzuführen, würde den größten Widerspruch finden und undurch-

110

P>o;eßfähig-

»ertrctiing.

Wirkungen d. Ehe. Verpflichte der Ehefrau zu persönl. Leistung. § 1277.

führbar sein. Die zu erstrebende Einheit des Rechtes führt mithin nothwendig dahin, jenes Zwangsverfahren überhaupt auszuschließcn, zumal dadurch, wie oben bereits gezeigt wurde, die Klage auf Herstellung des ehelichen Lebens keineswegs alle Bedeutung verliert. Die Vorschrift des § 1276 rechtfertigt sich theils wegen des engen Zusammenhangcs der Klage auf Herstellung des ehelichen Lebens mit dem Schcidungsverfahrcn (vergl. §§ 1443, 1451), theils im Hinblicke darauf, daß auch das Recht auf Herstellung des ehelichen Lebens, wenigstens in der großen Mehr­ zahl der Fälle, einen höchstpersönlichen Karaktcr hat und eine Unterscheidung zwischen den verschiedenen Fällen praktisch nicht durchführbar, auch wegen der sonst nöthig werdenden Kasuistik nicht angemessen ist. Um so unbedenklicher­ ist eS, auch dem gesetzlichen Vertreter eines geschäftsunfähigen Ehegatten die Erhebung der Klage auf Herstellung des ehelichen Lebens nicht zu gestatten, als einerseits nach dem neuen § 774 Abs. 2 der C. P. O. die Erzwingung der Herstellung des ehelichen Lebens im Wege der Zwangsvollstreckung ausgeschlossen sein soll, andererseits die Klage auf Gewährung des Unterhaltes selbstverständ­ lich von dem gesetzlichen Vertreter des geschäftsunfähigen Ehegatten gegen den anderen, die Herstellung des ehelichen Lebens verweigernden Ehegatten erhoben werden kann.

§ 1277. Verpflichtung Vu ebier'h“

Abgesehen von dem preuß. A. L. R., welches in H, 1 § 196 bestimmt, daß ohne des Mannes Einwilligung die Frau keine Verbindung cingehen kann,

^wirkendcn^ roo*)ur^ die Rechte auf ihre Person gekränkt werden, cnthalteir die bestehenden Leistung. Rechte keine besonderen Bestimmungen darüber, inwieweit die Ehefrau durch Rechtsgeschäfte zu einer in Person zu bewirkenden Leistung sich verpflichten kau». Es erklärt sich dies zum Theil wohl daraus, daß nach den meisten Rechten die Ehefrau als solche oder kraft des ehelichen Gütcrrcchtes in der Geschäfts­ fähigkeit beschränkt ist und daher ohne Einwilligung des Ehemannes sich über­ haupt nicht durch Rechtsgeschäfte wirksam verpflichten kann. Anders liegt die Sache nach dem Entwürfe. Da derselbe auf dem Prinzipe beruht, daß die Ehefrau weder als solche noch kraft des ehelichen Güterrechtes in der Geschäfts­ fähigkeit beschränkt ist (vergl. § 1301), so muß auf andere Weise dafür gesorgt werden, daß die Ehefrau sich nicht durch Rechtsgeschäfte der im Abs. 1 bezeichneten Art ihren aus der ehelichen Gemeinschaft sich ergebenden Pflichten entziehe. Die absolute Natur der nach den §§ 1272, 1273 dem Ehemanne gegenüber der Ehefrau zustehenden Rechte reicht zum Schutze der letztere!: gegen die hier fraglichen Rechtsgeschäfte der Ehefrau nicht aus. Einer besonderen Regelung bedarf übrigens nur der Fall, wenn die Ehefrau nach der Eheschließung sich zu Leistungen der hier fraglichen Art ver­ pflichtet. Hat dieselbe bereits vor der Eheschließung eine derartige Verpflichtung übernommen, so genügen die allgemeine!: Grundsätze, namentlich das Prinzip des § 566 und des § 598 Abs. 3. Auch für dei: Fall, wenn der Ehemani: sich durch Rechtsgeschäfte der hier fraglichen Art, z. B. durch die Uebernahme von Schiffsdienstcn, der ehelichen Gemeinschaft entzieht, braucht im Gesetzbuchs besondere Vorsorge nicht getroffen zu werden.

Wirkungen d. Ehe.

Verpflicht^. der Ehefrau zu persönl. Leistung. § 1277.

111

Im Einzelnen ist noch Folgendes zu bemerken: 1. Nach 2(bf. 1 ist zu jedem Rechtsgeschäfte, durch welches die Ehefrau zu einer in Person zu bewirkenden Leistung sich verpflichtet, die Einwilligung wimgung des des Ehemannes erforderlich. Im Hinblicke auf den Zweck des Gesetzes, dem Ehemanne Schutz gegen Entfremdung der Ehefrau durch die Eingehung solcher Rechts­ geschäfte zu gewähren, welche mit den nach § 1272 aus der ehelichen Gemeinschaft sich ergebenden persönlichen Pflichten der Ehefrau gegenüber dem Ehemanne nicht vereinbar sind, kam: cs keinen Unterschied machen, ob die Verpflichtung der

Ehefrau auf einem Dienstverträge oder auf einem anderen Vertrage, z. B. auf einem Werkverträge, einem Auftrage oder Gesellschaftsvertrage, beruht. Rur darauf kommt es an, daß durch den Vertrag eine von der Ehefrau in Person zu bewirkende Leistung übernommen wird. Auch das kann einen Unterschied nicht machen, ob die Bewirkung der Leistung eine längere Zeit in Anspruch nimmt oder nicht. An sich würde zwar darauf abzustcllen sein, ob die Er­ füllung des Vertrages nach den konkreten Umständen mit den der Ehefrau gegenüber dem Ehemanne obliegenden Verpflichtungen aus der ehelichen Ge­ meinschaft vereinbar ist oder nicht. Eine derartige Unterscheidung ist jedoch, da es an einem objektiven Maßstabe fehlt, aus praktischen Gründen nicht zu

empfehlen. 2. In Ermangelung der Einwilligung des Ehemannes sollen die hier Anfechtungs­ fraglichen Rechtsgeschäfte der Anfechtung von Seiten des Ehemannes nach Ehemannes. Maßgabe des Abs. 2, 3 unterliegen. An ben Mangel der Einwilligung die Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes zu knüpfen, würde über den Zweck des Gesetzes hinausgehen. An sich würde es der einfachste und dem in den meisten Rechtsgebieten geltenden Rechte am nächsten kommende Weg sein, die Vor­ schriften des § 65 über die Verträge Minderjähriger für entsprechend an­ wendbar zu erklären. Gegen die Einschlagung dieses Weges spricht indessen, daß derselbe vom Standpunkte des Entwurfes aus, welcher die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit der Ehefrau als solcher anerkennt, sich als Durchbrechung

eines großen Prinzipes darstellt und zudem über den Zweck des Gesetzes insofern hinausgeht, als der ohne Einwilligung des Ehemannes geschlossene Vertrag in seiner Wirksamkeit von der Genehmigung des Ehemannes abhängen lind durch die Verweigerung der Genehmigung auch für die Vergangenheit unwirksam fein würde (§ 65 Abs. 3). Dagegen wird durch die Regelung des Entwurfes den verschiedenen in Betracht kommenden Interessen und Rücksichten in einer zweckentsprechenden und angemessenen Weise Rechnung getragen.

Das dem Ehemanne beigelegte Anfechtungsrecht weicht von den all- Wirkung der gemeinen Bestimmungen über die Anfechtbarkeit der Rechtsgeschäfte (§§ 112, s,nMtun3113) namentlich insofern ab, als die Anfechtung in dem hier ftaglichcn Falle nur zur Folge hat, daß das Rechtsgeschäft für die Zukunft aufgehoben ivird und für die Vergangenheit, abgesehen davon, daß eine der letzteren angehörende, von der Ehefrau in Person zu bewirkende Leistung nicht mehr verlangt, sondern nur Schadensersatz gefordert werden kann, bestehen bleibt. Diese Abwcichnng rechtfertigt sich durch den beschränkten Zweck der Anfechtung und ist um so weniger bedenklich, als der § 112 selbst darauf hinweist, daß durch das Gesetz

112

Wirkungen d. Ehe.

Vcrpflichtg. der Ehefrau zu persönl. Leistung. § 1277.

geringere Wirkungen der Anfcchtnng bestimmt werden können. Andererseits wird dadurch, das; das Rechtsgeschäft, vorbehaltlich der aus dem Abs. 3 sich ergebenden Modifikation, für die Vergangenheit unbedingt aufrecht erhalten werden, mithin die Ungültigkeit des Rcchtsgeschäftes, soweit das letztere auf die ■ Zukunft sich bezicht, ans die Gültigkeit des die Vergangenheit betreffenden Theiles des RechtsgeschäfteS ohne Einflns; sein soll (vergl. § 114), in angemessener Weise den Streitigkeiten vorgcbcugt, welche durch die Anwendung der Vorschrift des § 114 auf diesen Fall hervorgerufcn zu werden drohen. Diese Art der Regelung erscheint auch keineswegs ungerecht gegen den Dritten, auch dann nicht, wenn demselben die Eigenschaft der Ehefrau als solcher unbekannt ge­ blieben sein sollte, da ihm, wie in Ansehung der Geschäftsfähigkeit des anderen Kontrahenten, so auch in der hier fraglichen Beziehung die Erkundigungspflicht obliegt (vergl. ferner § 1305). Sollte er in dieser Beziehung von der Ehefrau getäuscht worden sein, so bleibt ihm der Anspruch auf Schadensersatz nach Maßgabe der allgemeinen Grundsätze über Schadensersatz aus unerlaubten Handlungen selbstverständlich Vorbehalten. A»kchtmi«sDa aus den allgemeinen Bestimmungen des § 113 für den hier in Rede ^ncr. ftcsjcubcti Fall bic Person des Anfcchtungsgegners, wenigstens direkt, sich nicht crgicbt, so ist dieselbe zur Vermeidung von Zweifeln hier besonders bestimmt (Abs. 2 Satz 3). Mit Rücksicht darauf, daß die Anfechtung wesentlich gegen den Dritten sich wendet, entspricht cs der Sachlage und dem Interesse des Dritten am meisten, wenn dieser als der Anfechtungsgegner bezeichnet wird. Rwcknhcit, Z. Von der Regel des Abs. 1, daß die Ehefrau zu einem Rcchtsgcschäftc der hier fraglichen Art der Einwilligung des Ehemannes bedarf, für N'uudung des bic Falle eilte Ausnahme zu machen, in welchen die Einholung der Einwilligung Ehemannes. J0Cgcn [äußerer Abwesenheit oder Krankheit des Ehemannes nicht erfolgen kann

oder der letztere unter Vormundschaft steht, ist nicht als erforderlich und als angemessen erachtet. Zwar läßt sich für diese Ausnahme anführcn, daß die zunächst dem Ehemanne znstehcnde und obliegende Sorge für das Interesse der ehelichen Gemeinschaft auf die Ehefrau übergehen müsse, wenn der Ehe­ mann an deren Wahrnehmung thatsächlich verhindert ist, damit nicht die Ehe­ frau in die Lage versetzt werde, Rechtsgeschäfte der hier fraglichen Art, welche für ihren und ihrer Familie Unterhalt vielleicht unerläßlich sind, in unanfecht­ barer Weise überhaupt nicht abschlicßen zu können. Indessen sind diese Gesichts­ punkte nicht als durchschlagend zu erachten, um eine Durchbrechung der Regel zu rechtfertigen. Das Anfechtungsrecht des Ehemannes in den Fällen längerer Abwesenheit oder Krankheit ganz wegfallen zu lassen, ist namentlich um des­ willen bedenklich, weil alsdann die Ehefrau sich auch für die Zeit nach der Rückkehr bezw. nach der Wiederherstellung des Ehemannes durch die Erfüllung des Vertrages unbeschränkt uni) vielleicht auf lange Zeit der ehelichen Gemein­ schaft mürbe entziehen können. Anlangend aber den Fall, wenn der Ehemann unter Vormundschaft steht, so crgicbt sich ans Abs. 5, daß das Anfechtungsrecht ruht, wenn der Ehemann geschäftsunfähig ist. Ist aber der Ehemann in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so fehlt cs an einem ausreichenden Grunde, ihn seiner aus der ehelichen Gemeinschaft fließenden Rechte für verlustig zu erklären,

da er diese ansznübcn fähig ist.

Wirkungen der Ehe. Schenkungen unter Ehegatten.

(§§ 1272—1277.)

113

4. Dem Zwecke entsprechend steht das Anfechtungsrecht nur dem Ehe- Cvl°Wcn "»d manne als solchem zu; dasselbe erlischt daher mit Auflösung der Ehe. Aber Ans-chtungsauch während der Zeit, .während welcher die häusliche Gemeinschaft, gleichviel r*s-

ob aus zureichenden Gründen oder nicht, aufgehoben ist, muß die Ausübung des Anfechtungsrechtes ruhen, da während dieser Zeit das rechtliche Interesse des Ehemannes durch die Erfüllung des Vertrages nicht verletzt wird. Anders liegt dagegen selbstverständlich die Sache, wenn die Ehefrau zum Zwecke der Erfüllung des Vertrages sich entfernt hat. 5. Die Bestimmung des § 1277 Abs. 5 rechtfertigt sich durch die höchst persönliche Natur des dem Ehemanne in Ansehung der hier fraglichen Rechtsgeschäfte der Ehefrau eingeräumten Entscheidungsrechtes, welches seine Grund-

Einwimr^"c^c

läge in den Bestimmungen der §§ 1272, 1273 hat (vergl. auch § 1238 Abs. 2, § 1263 Abs. 1, §§ 1265, 1474, 1614).

Anhang zu den §§ 1272—1277. Schenkungen unter Ehegatten.

Jnterzessionen der Ehefrau.

Anderweite besondere beschränkende Bestimmungen in Ansehung der von einem Ehegatten abgeschlossenen Rechtsgeschäfte, als die des § 1277, sind, ab­ gesehen von den aus dem ehelichen Güterrcchte sich ergebenden Vorschriften

(vergl. §§ 1300—1310,1352—1359,1362,1417,1423, 1431), in den Entwurf nicht ausgenommen. Insbesondere sind besondere Bestimmungen über Schen­ kungen unter den Ehegatten und über Jnterzessionen der Ehefrau nicht für erforderlich erachtet. In dieser Beziehung ist Folgendes zu bemerken: 1. Nach röm. Rechte sind Schenkungen unter Ehegatten, vorbehaltlich Schenkungen gewisser Ausnahmen, ungültig. Die Schenkung konvaleszirt aber, wenn der ^“gatten. Schenker, ohne daß eine Scheidung stattgefunden hat, vor dem Beschenkten stirbt, wobei freilich sehr streitig ist, ob dies auch für das Schenkungsversprechen gilt. Die Bestimmungen des röm. Rechtes bilden auch heute noch das gemeine Geltendes Recht und kommen regelmäßig auch da zur Anwendung, wo das eheliche Güterrecht auf deutschrechtlicher Grundlage beruht. Auf dem Boden des gemeinen Rechtes stehen im Wesentlichen das sächs. G. B. §§ 1647—1649, ferner insofern das franz. Recht, als das letztere die Schenkungen unter Ehe­ gatten für widerruflich erklärt (code civil Art. 1096). Das preuß. A. L. R. II, 1 §§ 310—313 hat dagegen den gemeinrechtlichen Grundsatz aufgegeben und die Schenkungen unter Ehegatten unter die allgemeinen Grundsätze über Schen­ kungen gestellt (vergl. auch Gesetzrev., Pens. XV §§ 228 ff. S. 192 ff.; ferner österr. G. B. § 1246). Auf demselben Standpunkte stehen der württemb. Entw. § 60, der ehrenbreitst. Entw. § 27 und der dresd. Entw. Art. 502, letzterer jedoch vorbehaltlich anderweiter landesgesetzlicher Bestimmungen. Neuerdings haben auch die oldenb. Gesetze v. 24. April 1873 Art. 37 und

10. Januar 1879 Art. 35 das Verbot der Schenkungen unter Ehegatten auf­ gehoben, die Gültigkeit derselben aber an die öffentliche Beurkundung geknüpft. Motive }. Bürgert Gesetzbuch. IV.

8

114 Standpunkt des Entwurfes.

Wirkungen der Ebe. Schenkungen unter Ehegatten. (§§ 1*272—1277.)

Unter den Gründen, welche für eine Beschränkung unter Ehegatten angeführt werden (vergl. 1. 1, 1. 3 pr. D. et ux. 24, i), erscheint als der gewichtigste der, daß, wenn Gesinnung unter den Ehegatten herrsche. Alles, was beide

der Schenkungen de don. inter vir. die rechte eheliche Ehegatten besitzen,

als gemeinsam gelte, eine Schenkung unter Ehegatten daher ohne Bedeutung sei und, wenn sie trotzdem angenommen werde und die rechtlichen Konsequenzen daraus gezogen würden, darin ein mit der rechten ehelichen Gesinnung im Widersprüche stehender Eigennutz hervortrete. Konsequent würde diese Auf­ fassung zur allgemeinen Gütergemeinschaft führen. So wenig indessen diese durch das unter den Ehegatten bestehende sittliche Verhältniß sich begründen läßt (vergl. die Vorbemerkung zu Abschn. I Tit. 2 „II. Eheliches Güterrccht"), ebensowenig läßt das Verbot der Schenkungen unter Ehegatten sich durch das­ selbe rechtfertigen. Muß man anerkennen, daß ein Sondergut der Ehegatten mit dem Wesen der Ehe vereinbar ist, so kann auch die schenkweisc Uebertragung desselben nicht damit in Widerspruch stehen. Vielmehr sind Ver­ hältnisse der mannigfachsten Art denkbar, in welchen gerade die Innigkeit des unter den Ehegatten bestehenden Verhältnisses eine Schenkung durchaus natür­ lich, unter Umständen selbst als sittlich geboten erscheinen läßt. Auch das röm. Recht hat dies durch eine nicht geringe Zahl von Ausnahmen anerkannt. Die übrigen für das Verbot der Schenkungen unter Ehegatten angeführten Gründe, insbesondere der Gesichtspunkt, daß darin ein Schutz gegen die Schwäche des einen und gegen die Habsucht des anderen Ehegatten liege, sowie daß es gegen den Schein des Eigennutzes urtb gegen üblen Ruf schütze, ver­ dienen noch weniger Beachtung. Die Erfahrungen in denjenigen Ländern, in welchen das Schenkungsverbot schon gegenwärtig nicht mehr besteht, bestätigen, daß daraus für das Verhältniß unter den Ehegatten keinerlei nachtheilige Folgen entstanden sind und kein Bedürfniß besteht, aus jenen Rücksichten gewissermaßen eine Bevormundung der Ehegatten in der hier fraglichen Richtung eintreten zu lassen. Erkennt man die Gültigkeit der Schenkungen unter den Ehegatten an, so läßt es sich auch nicht rechtfertigen, zum Zwecke der Beförderung eines den ehelichen Pflichten entsprechenden Verhaltens des beschenkten Ehegatten den Widerruf der Schenkungen unbedingt zuzulaflen. Es hieße dies gleichsam bei Ehegatten den Undank präsumiren, während bei anderen Personen der Widerruf einer Schenkung nur wegen erwiesenen Undankes zulässig ist (§ 449). Ebenso fehlt es an einem ausreichenden Grunde, die Schenkungen unter Ehegatten an eine besondere, von der für Schenkungen überhaupt vorgeschrie­ benen Form (§§ 440, 441) abweichende Form zu binden. Für eine Beschränkung der Schenkungen unter Ehegatten wird bisweilen noch die Rücksicht auf die Gläubiger geltend gemacht. Diese kann indesien nur dahin führen, den Gläubigern ein Widerrufs- oder Anfechtungsrecht ein­ zuräumen. In dieser Beziehung ist durch den § 25 der Konk. O. und den § 3 Nr. 4 des R. Ges. v. 21. Juli 1879 Vorsorge getroffen. Man kann verschiedener Ansicht darüber sein, ob die Anfechtbarkeit von Schenkungen unter Ehegatten nicht noch weiter, als in jenen Gesetzen geschehen, etwa auf alle während der Ehe gemachten Schenkungen auszudehnen sei. Die für und gegen

Wirkungen der Ebe.

Jnterzessionen der Ehefrau.

(§§ 1272—1277.)

115

eine solche Ausdehnung sprechenden Gründe sind indessen bei Berathung der Konk. O. eingehend erwogen und liegt deshalb keine Veranlassung vor, das damals gewonnene Resultat wieder in Frage zu stellen, zumal durch die Be­ stimmungen des ehelichen Güterrechtes in der hier fraglichen Beziehung eine Aenderung der Sachlage nicht eingetreten ist. 2. Im Obligationcnrechtc ist davon ausgegangen, daß Jnterzessionen, .c!^"t‘cnr’bct. namentlich Bürgschaftsverträge, der Frauen formfrei sein sollen. Hier handelt Eh'-fmu zu

es sich nur um die spezielle Frage, ob vom Standpunkte des Familienrechtes ®“*"ulbceää aus ein Bedürfniß vorliegt, Jnterzessionen einer Ehefrau zu Gunsten ihres Ehemannes durch besondere Bestimmungen zn beschränken. Die bestehenden Rechte gehen in dieser Hinsicht auseinander. Räch röm. und gemeinem Rechte ist die Jnterzession einer Ehefrau zu leitendes Gunsten ihres Ehemannes, vorbehaltlich gewisser, zum Theil nicht unbestrittener 9k* Ausnahmen, unbedingt nichtig, während int Uebrigen den Frauen gegen die hier fraglichen Verbindlichkeiten ein Schutz nur im Wege der Einrede gewährt wird (vergl. Nov. 134 c. 8). Die neueren Gesetzgebungen haben dagegen den Standpuitkt des röm. und gemeinen Rechtes in der hier fraglichen Beziehung durchweg aufgegeben. Zum Theil stellen sie allerdings im Anschlüsse an eine gemeinrechtliche Praxis, welche die Vellejanische Einrede versagt, wenn die Frau nach vorausgegangener Belehrung ans die ihr zustehende Rechtswohl­ that speziell verzichtet hat, die Jnterzession einer Frau überhaupt (vergl. mecklenb.-schwer. Verordit. v. 16. Mai 1857; Gesetze für Reuß ä. L. v. 24. De­ zember 1833, 27. Juli 1844 und 20. Februar 1883 § 4; Ges. für Reuß j. L. v. 3. Oktober 1848; württemb. Ges. v. 21. Mai 1828 Art. 5—8) oder doch die Jnterzesston einer Ehefrau zu Gunsten ihres Ehemannes (vergl. sächs. G. B. §§ 1650—1654 nebst der sächs. Verordn, v. 9. Januar 1865 § 17; altenb. Ges. v. 15. August 1849; schwarzb.-rudolst. Ges. v. 30. März 1849; Hess. Entw. IV, 2 Art. 590 Abs. 2 nebst Motiven S. 227) bald mehr bald weniger unter Formzwang. Die Mehrzahl der neueren Gesetzgebungen hat dagegen in der hier fraglichen Richtung jede Beschränkung der Frauen, ins­ besondere auch der Ehefrauen in Ansehung der Jnterzessionen zu Gunsten ihrer Ehemänner, vorbehaltlich der aus dem ehelichen Güterrechte und der familien­ rechtlichen Stellung der Ehefrau überhaupt sich ergebenden allgemeinen Be­ schränkungen, gänzlich beseitigt. Zu dieser Gruppe gehören außer dem franz. Rechte und dem bad. L. R. folgende Gesetze: das für die ganze preußische Monarchie, unter Ausschluß des Bezirkes des ehemaligen Appellationsgerichtes zu Köln, geltende preuß. Ges. v. 1. Dezember 1869, meining. Ges. v. 14. De­ zember 1869, goth. Ges. v. 6. August 1869, coburg. Ges. v. 27. April 1870, oldenb. Ges. für das Fürstenthum Lübeck und das Herzogthum Oldenburg v. 15. März 1870, lübeck. Ges. v. 21. März 1870, braunschw. Ges. v. 5. April 1870, brem. Ges. v. 9. Mai 1870, Hamb. Ges. v. 3. Juni 1870, Ges. für Bayern rechts des Rheins v. 14. Januar 1871, weimar. Ges. v. 20. Dezember 1871, waldeck. Ges. v. 10. Juni 1872, Ges. für Schaumburg-Lippe v. 20. März 1873, Hess. Ges. [für die Provinzen Starkenburg und Oberhessen v. 5. Mai 1875,

anhalt. Ges. v. 9. April 1878, schwarzb.-sondersh. Ges. v. 16. Dezember 1887. Durch das preuß. Ges. v. 1. Dezember 1869 sind übrigens die Vorschriften des

8*

116

Wirkungen der Ehe.

Jnterzessionc» der Ehefrau.

(§§ 1272—1277.)

preuß. A. L. R. II, 1 §§ 198—201, nach welchen in allen Fällen, in denen die Ehe­ frau dem Ehemanne oder zu dessen Vortheile zu etwas, wozu die Gesetze sie nicht

verpflichten, verbindlich gemacht werden soll, der Vertrag oder die Verhandlung

Standpunkt

Entwurses.

gerichtlich vollzogen, auch ein Beistand der Ehefrau zugezogen werden soll, in­ soweit, als es sich nicht um eine Jnterzession der Ehefrau zu Gunsten ihres Ehemannes handelt, unberührt geblieben. Auch da, wo partikularrechtlich noch Beschränkungen der Ehefrauen in Ansehung der Jnterzessionen bestehen, finden dieselben kraft reichsgesetzlicher Bestimmungen keine Anwendung auf Handelsfrauen und andere Gewerbe­ frauen und solche Ehefrauen, welche in eine Erwerbs- oder Wirthschaftsgenossen­ schaft getreten sind (vergl. H. G. B. Art. 6 Abs. 2; R. Gew. D. § 11; R. Ges., bete, die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften, v. 4. Juli 1868 § 12 Abs. 4). Alls dem eheliche» Verhältnisse können ausreichende Gründe, die Jnterzession einer Ehefrau zu Gunsten des Ehemailnes besonderen Beschränkungen zu unterwerfen, nicht hergeleitet werden. Wenngleich zuzugeben ist, daß eine Ehefrau sich leichter bewegen lasten wird, eine Verbindlichkeit für ihren Ehe­ mann, als für einen Fremden zu übernehmen, so ist doch andererseits zu berücksichtigen, daß gerade die Ehe als ein auf gegenseitige Liebe und auf gegenseitiges Vertrauen gegründetes Verhältniß bei normaler Gestaltung des letzteren der Ehefrau einen Schutz dagegen gewährt, daß der Ehemann sein Ansehen und seinen Einfluß dazu mißbrallchen wird, aus eigennützigen, nicht

dem gemeinsamen Bedürfnisse und Jnteresie entsprechenden Zwecken die Ehefrau zu ihrem und ihrer Familie Nachtheile zur Uebernahme einer Verbindlichkeit für ihn zu verleiten. Um ausnahmsweise vorkommenden Mißbräuchen zu be­ gegnen, ist es nicht gerechtfertigt, allgemeine, die Jnterzession der Ehefrauen zu Gunsten ihrer Ehemänner beschränkende Vorschriften zu geben, zumal die­ selben auf der anderen Seite auch mit Belästigungen und Nachtheilen ver­ schiedener Art verbundeil sind. Wie wenig das Mißtrauen, welches in derartigen Bestimmungen zu Tage tritt, den deutschen Zuständen und dem deutschen Rechtsbewußtsein entspricht, geht insbesondere daraus hervor, daß die meisten deutschen ehelichen Güterrechtssysteme bald in größerem, bald in geringerem Umfange dem Ehemanne das Recht einräumen, über das Ver­ mögen der Ehefrau zu disponiren, ohne ihn dabei nur an die Einwilligung der letzteren zu binden oder, soweit diese Einwilligung erforderlich ist, besondere, die Ertheilung dieser Einwilligung erschwerende Bestimmungen zu treffen. Gegen die Jnterzessionsbeschränkungen spricht aber weiter der Umstand, daß dieselben, wie die Erfahrung gezeigt hat, ihren Zweck doch nicht erreichen. Eine Ehefrau, welche, ihrem Manne vertrauend, bereit ist, eine Verbindlichkeit für denselben zu übernehmen, läßt sich von diesem Entschlüsse auch dadurch nicht abbringen, daß zur Gültigkeit der Jnterzession die Vornahme vor Gericht und daneben vielleicht eine vorgängige Belehrung durch das letztere und ein ausdrücklicher Verzicht auf die ihr zustehende Rechtswohlthat vorgeschrieben wird. Dazu kommt, daß derartige Formvorschriften in Folge der Wechsel­ fähigkeit der Ehefrauen leicht umgangen werden können (vergl. Entsch. d. R. G. in Civils. XI, 1). Nach dem Vorgänge des röm. Rechtes aber im Widerspruche

Wirkungen der Ebe. Schlüsselgewalt der Ehefrau. § 1278.

117

mit allen neueren Gesetzgebungen die Jnterzession einer Ehefrau zu Gunsten ihres Ehemannes für unbedingt nichtig zu erklären, widerstreitet dem sittlichen Wesen der Ehe, welches verlangt, daß die Ehefrau den Ehemann unterstützt und auch Verbiudlichkeiten für denselben übernimmt, wenn dies den Umständen nach sittliche Pflicht und durch ein gemeinschaftliches Bedürfniß geboten ist. Der Standpunkt des Entwurfes steht auch mit einem Beschlusse des zweiten deutschen Juristcntages vom Jahre 1861 im Einklänge. Dieselben Erwägungen, welche der Beseitigung der Jnterzessions- »eKrbeschränkungcn das Wort reden, sprechen auch dagegen, nach dem Vorgänge Verpflichtung des preuß. A. L. R. II, 1 §§ 198—201 Verträge zwischen den Ehegatten, durch s°g^^°rd-m welche die Ehefrau sich dem Ehemanne zu etivas verbindlich macht, wozu die A Gesetze sie nicht verpflichten, an eine besondere Form zu binden. Die Rück­ sicht auf die beschränkte Geschäftsfähigkeit der Ehefrauen, mit welcher jene Vorschriften des preuß. Rechtes zusammenhängen, kann vom Standpunkte des Entwurfes aus, welchem eine Beschränkung der Geschäftsfähigkeit der Ehefrau als solcher oder kraft des ehelichen Güterrechtes unbekannt ist, nicht in Betracht kommen.

§ 1278. Aus dem Grundsätze des § 1275 Abs. 1 folgt, daß die Ehefrau das SchMMRecht haben muß, die zur Erfüllung ihres Berufes, dem gemcinschaftlichen ?Eh°^au^

Hauswesen vorzustehen, erforderlichen Verfügungen zu treffen und die dazu nothwendigen Rechtsgeschäfte abzuschließen, und zwar ohne Rücksicht auf die Art des ehelichen Güterstandes. Während dieser Gedanke in den älteren Rechten meistens in der Art zur Anerkennung gelangt ist, daß die Ehefrau für befugt erklärt wird, bis zu einem gewiffen Geld- oder Werthbetrage über ihr und ihres Ehemannes Vermögen zu verfügen, wird dagegen das Verhältniß von der neueren Theorie und Praxis und den neueren Gesetzen regelmäßig so aufgefaßt, daß die von der Eheftau innerhalb ihres häuslichen Wirkungskreises getroffenen Verfügungen und eingegangenen Verbindlichkeiten für den Ehemann bindend find (vergl. Seuffert V, 29, XIV, 98, XXXIX, 22; Urth. d. R. G. bei Gruchot XXVI S. 1003; preuß. A. L. R. II, 1 §§ 321—324, 328, 389; Gesetzrev., Pens. XV §§ 243 ff. nebst Mot. S. 204 ff.; sächs. G. B. §§ 1645, 1699; oldenb. Ges. v. 24. April 1873 Art. 4). Für diejenigen Rechte, welche davon ausgehen, daß die Ehefrau regelmäßig in ihrer Geschäftsfähigkeit beschränkt ist und ohne Einwilligung des Ehemannes Rechtsgeschäfte wirksam

nicht abschließen kann, begründet das hier fragliche Recht der Ehefrau (sog. Schlüffelgewalt) eine Ausnahme von jener Regel, und wird dasselbe daher bisweilen auch in diesem Zusammenhänge behandelt. Für den Entwurf kommt diese Seite der Sache nicht in Betracht. Vom Standpunkte des Entwurfes

aus liegt das Schwergewicht des Rechtes der Schlüsselgewalt in der damit verbundenen gesetzlichen Vertretungsmacht, kraft welcher die Ehefrau, weil nicht D°rtr°t>mgssie, sondern der Ehemann die ehelichen Lasten zu tragen hat, innerhalb ihres ma4t häuslichen Wirkungskreises im Namen des Ehemannes über dessen Vermögen

zu verfügen und ihn durch Rechtsgeschäfte zu verpflichten befugt ist.

Aus

118

Wirkungen der Ehe. Schlüsselgewalt der Ehesran. § 1278.

dieser Vertretungsmacht in Verbindung mit dem im Gesetzbuche anerkannten Grundsätze, daß in Ermangelung einer entgegenstehenden Bestimmung der Vertreter eines Anderen als solcher mit sich selbst kontrahiren kann (vergl.

Gebiet bet

§ 45 Satz 1, § 805 Abs. 2, § 1651 Nr. 1), folgt weiter von selbst, daß die Ehefrau als Vertreter des Ehemannes innerhalb ihres häuslichen Wirkungs­ kreises die zur Verfügung über Ehegut erforderliche Einwilligung des Ehe­ mannes (§ 1300) sich selbst zu ertheilen berechtigt ist. Die Bestimmung des Abs. 1 gewährt aber der Ehefrau nicht nur das Recht, innerhalb der bezeichneten Grenzen den Ehemann zu vertreten, sondern auch das Recht, innerhalb jener Grenzen, wie ein Beauftragter, die Geschäfte des Ehemannes für diesen zu besorgen (vergl. § 585). Sie kann mithin geeignetenfalls auch in eigenem Namen für Rechnung des Ehemannes handeln, in der Art, daß nicht der letztere, sondern sie selbst aus dem betreffenden Rechtsgeschäfte berechtigt und verpflichtet wird, sie aber von dem Ehemanne verlangen kann, daß er sie von der Verbindlichkeit befreie. Es ist denkbar, daß der Dritte ein Interesse daran hat, nicht dem Ehemanne, sondern der Ehefrau zu kreditircn, und es fehlt an einem ausreichenden Grunde, der Ehefrau die Möglichkeit abzuschneiden, in der bezeichneten Art sich persönlich zu verpflichten. Der Kreis, innerhalb dessen die Ehefrau berechtigt sein soll, die Geschäfte des Ehemannes für diesen zu besorgen und den letzteren zu ver­ treten, läßt sich nur im Allgemeinen, und zwar in Anlehnung an den Grundsatz des § 1275 Abs. 1 am zutreffendsten durch Bezugnahme auf den häuslichen Wirkungskreis der Ehefrau bestimmen. Die in den neueren Gesetzen meistens sich findende Bezugnahme auf den Haushalt kann als völlig zutreffend nicht erachtet werden. Die Ehefrau muß nach dem leitenden Gesichtspunkte, auf welchem das Recht der Schlüsselgewalt beruht, nicht nur solche Rechts­ geschäfte, welche sich auf den Haushalt beziehen, sondern auch andere zur Bestreitung der ehelichen Lasten dienende Rechtsgeschäfte, z. B. solche, welche die Anschaffung der nothwendigen Kleidung für sich und die Kinder und die Erziehung der letzteren betreffen, zu schließen befugt sein. Andererseits ist sie

aber auch nicht alle Rechtsgeschäfte dieser Art zu schließen berechtigt. Die letzteren müssen innerhalb desjenigen Kreises liegen, welcher durch die sozialen Verhältnisie der Ehegatten und durch die Sitte bestimmt wird. Gegenüber dem Dritten kann es dabei aber selbstverständlich nur darauf ankommen, ob das Rechtsgeschäft innerhalb des so begrenzten Kreises liegt, nicht auch darauf, ob dasselbe im einzelnen Falle zur Befriedigung eines Bedürfnisses nothwendig gewesen ist. Aus der Bezugnahme auf den häuslichen Wirkungskreis in Ver­ bindung mit der ratio des Gesetzes wird sich auch von selbst ergeben, inwieweit das hier fragliche Recht der Ehefrau auch dann zusteht, wenn die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten aufgehoben ist (vergl. sächs. G. B. § 1756). Ihr unter dieser Voraussetzung das Recht allgemein zu versagen, würde namentlich im Hinblicke auf solche Fälle bedenklich sein, in welchen der Ehemann sich entfernt hat. Anwendung Daß nach Abs. 1 Satz 2 die Vorschriften der §§ 591—595, 603 auf friste« "über Verhältniß der Ehegatten untereinander in der hier fraglichen Hinsicht Austrag, entsprechende Anwendung finden sollen, rechtfertigt sich durch die Analogie.

Wirkungen der Ehe. Schlüsselgewalt der Ehefrau. § 1278.

119

Anlangend insbesondere die für entsprechend anwendbar erklärte Bestimmung des § 591 Satz 2, so wird es von den Umständen des einzelnen Falles und

der Sitte abhängcn, ob und inwieweit der Ehemann von der Ehefrau die Regung, einer Rechnung im Sinne jener Bestimmung verlangen kann. Das Recht des Ehemannes auf Rechnungslegung gänzlich zu verneinen, ist nicht als angemessen erachtet. Die meisten neueren Gesetze (vergl. oben S. 117) bestimmen schlechthin, Berechtigung daß aus den von der Ehefrau auf Grund ihrer Schlüsselgewalt geschlossenen tung des EheRechtsgeschäften nicht sie, sondern nur der Ehemann verpflichtet werde. ,nanne8Indessen geht der Sinn dieser Bestimmungen wohl nur dahin, daß in Er­ mangelung eines anderweiten, sei es ausdrücklich ausgesprochenen oder aus den Umständen zu entnehmenden Willens der Kontrahenten angenommen werden soll, daß die hier fraglichen Rechtsgeschäfte von der Ehefrau nicht in eigenem Namen, sondern im Namen des Ehemannes abgeschlossen seien. Die Aufstellung einer solchen, den realen Verhältnissen in den meisten Fällen entsprechenden und die Ehefrau gegen materiell ungerechte oder doch unbillige Ansprüche schützenden Auslegungsregel (Abs. 2) ist wegen ihrer großen praktischen Wichtigkeit trotz der Vorschrift des § 116 Abs. 1 Satz 2 nicht zu entbehren, zumal es gerade in den hier fraglichen Fällen regelmäßig an besonderen Umständen fehlt, welche ergeben, daß das Rechtsgeschäft nach dem Willen der Handelnden im Namen des Ehemannes vorgenommen werden sollte. Da das im Abs. 1 bezeichnete Recht der Ehefrau in dem ihr durch Beschrank»»« den § 1275 Abs. 1 beigelegten Rechte, dem gemeinschaftlichen Hauswesen Entziehung vorzustehen, seine Grundlage hat, dieses letztere Recht aber insofern ein be-S-hwss-lschränktes ist, als dem Ehemanne bei Meinungsverschiedenheiten die Ent- 9CIMlt

scheidung nach Maßgabe des § 1273 zusteht, so muß dem Ehemanne auch die Bcfugniß eingeräumt werden, das im Abs. 1 bezeichnete Recht der Ehefrau zu beschränken, nach Umständen selbst es ihr vollständig zu entziehen. Andererseits ist es zum Schutze der Ehefrau gegen Willkür des Ehemannes geboten und entspricht es dem § 1275 Abs. 1 in Verbindung mit dem § 1273 Abs. 2, der Ehefrau die Befugniß vorzubehalten, die Herstellung des ehelichen Lebens zu verlangen, wenn die Beschränkung oder Entziehung des im Abs. 1 bezeichneten Rechtes sich als ein Mißbrauch des Rechtes des Ehemannes

darstellt. Nach dem in der Anm. zu § 1276 mitgetheilten neuen § 774 Abs. 2 der C. P. O. gewährt diese Befugniß der Ehefrau insofern allerdings nur einen • unvollkommenen Schutz gegen mißbräuchliche Entziehung oder Be­ schränkung ihres Rechtes, als die Herstellung des ehelichen Lebens nicht er­ zwungen werden kann und der Ehefrau geeignetenfalls als äußerstes Mittel nur das Recht der Scheidung (§§ 1444, 1445) bleibt. Auch versagt die Klage auf Herstellung des ehelichen Lebens in solchen Fällen, in welchen der gesetzliche Vertreter des Ehemannes das hier fragliche Recht der Ehefrau beschränkt oder entzogen hat, was in Ermangelung einer entgegenstehenden Bestimmung im Hinblicke darauf, daß es sich hier wesentlich um ein vermögensrechtliches Ver­ hältniß handelt, als zulässig zu erachten ist und auch im Interesse des Ehe­ mannes durch positive Vorschrift nicht ausgeschlossen werden darf. Indessen reichen diese Bedenken nicht aus, von dem Prinzipe des neuen § 774 Abs. 2

120

Wirkungen der Ehe.

Segens. Vertretung der Ehegatten.

(§ 1278.)

der C. P. O. in dem hier fraglichen Falle abzuweichen und der Ehefrau die Möglichkeit zu gewähren, gegenüber dem Ehemanne das im Abs. 1 des § 1278 bezeichnete Recht zu erzwingen. Im Gegentheil ist eine solche Regelung wegen der damit für den Ehemann verbundenen Gefahren in hohem Grade bedenklich und um so weniger angezeigt, als der Standpunkt des Entwurfes, wenigstens vorwiegend, dem geltenden Rechte, insbesondere dem sächs. G. B. § 1645 und nach der in der Doktrin vertretenen Auffassung auch dem preuß. A. L. R. II, 1 § 323 (vergl. ferner oldenb. Ges. v. 24. April 1873 Art. 4) entspricht. Gegen mißbräuchliche Beschränkung oder Entziehung des hier fraglichen Rechtes von Seiten des gesetzlichen Vertreters des Ehemannes wird die Ehefrau durch die Bestimmungen des Vormundschaftsrechtcs über die Befugniß des Vormund­ schaftsgerichtes, bei Pflichtwidrigkeiten des Vormundes einzuschreitcn (§§ 1684, 1705 Nr. 1), in genügender Weise geschützt. Schutz d-s Die zum Schutze des guten Glaubens Dritter dienende Bestimmung Äritt«. des Abs. 4 beruht auf ähnlichen Erwägungen, wie diejenigen, welche zu

der Bestimmung des § 1336 geführt haben (vergl. die Motive zu § 1336; ferner die §§ 120,121). Auch die neueren Gesetzgebungen (vergl. preuß. A. L. R. II, 1 § 323; sächs. G. B. § 1645; oldenb. Ges. v. 24. April 1873 Art. 4) sind bestrebt, den guten Glauben Dritter zu schützen, indem sie öffentliche Bekanntmachung einer von dem Ehemanne ausgehenden Entziehung oder Beschränkung des Rechtes der Ehefrau vorschreiben bezw. bestimmen daß eine solche Entziehung oder Beschränkung gegenüber einem Dritten nur dann rechtliche Wirkung hat, wenn sie dem letzteren zur Zeit der Vornahme des Rechtsgeschäftes bekannt gewesen ist. Anhang

zu § 1278. Gegenseitige Vertretung der Ehegatten in Behinderungsfällen. Der Entwurf enthält keine Bestimmung, daß der Ehemann die Ehe­ frau zu vertreten berechtigt und verpflichtet sei (vergl. preuß. A. L. R. II, 1 §§ 188—191; Gesetzrev., Pens. XV § 135). Daß der Ehemann gegenüber der Ehefrau berechtigt und verpflichtet ist, sie zu beschützen, zu vertheidigen und ihr in allen Angelegenheiten beizustehen, ergiebt sich aus dem Grundsätze des § 1272. Den Ehemann aber durch das Gesetz zu ermächtigen, die Ehefrau in deren Angelegenheiten allgemein zu vertreten, würde sich nur dann recht­ fertigen laßen, wenn die Ehefrau in der Geschäftsfähigkeit beschränkt wäre. Abgesehen von den aus dem ehelichen Güterrechte sich ergebenden besonderen Bestimmungen (vergl. §§ 1318, 1319, 1352, 1353, 1417, 1431), bedarf daher der Ehemann, um im Namen der Ehefrau wirksam handeln zu können, einer Vollmacht der letzteren, wie andererseits die Ehefrau einer Vollmacht des Ehe­ mannes bedarf, um diesen in seinen Angelegenheiten vertreten zu können. Eine Ausnahme von diesem Grundsätze ist in dem Entwürfe auch für solche Fälle nicht gemacht, in welchen einer der Ehegatten in Folge von Krankheit oder Abwesenheit außer Stande ist, seine Angelegenheiten selbst wahrzunehmen. Die bestehenden Rechte enthalten allerdings häufig im Anschluffe an das ihnen zu

Wirkungen der Ehe. Haftung wegen Fahrlässigkeit. § 1279.

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Grunde liegende eheliche Güterrecht Bestimmungen, durch welche bald in größerem, bald in geringerem Umfange die Befugniß der Ehefrau, bei Be­ hinderung des Ehemannes an dessen Stelle die Verwaltung des Vermögens zu übernehmen, anerkannt wird, während in Ansehung des Ehemannes die demselben auch ohne Voraussetzung einer Behinderung der Ehefrau kraft der ehelichen Vormundschaft oder des gesetzlichen Güterrcchtes zustehenden Ver­ waltungsrechte als genügend erachtet werden. Insbesondere gewährt auch das preuß. A. L. R. II, 1 §§ 202—204, 326—328 der Ehefrau in gewissem Umfange das Recht, bei Behinderung des Ehemannes den letzteren in dessen Vermögensangelcgenheitcn zu vertreten. Es läßt sich nicht verkennen, daß diesen Bestimmungen ein natürlicher, in dem durch die Ehe begriindeten per­ sönlichen Verhältnisse unter den Ehegatten wurzelnder Gedanke zu Grunde liegt, ein Gedanke, welcher, konsequent durchgeführt, vorbehaltlich der Aus­ gestaltung im Einzelnen, zu der allgemeinen Bestimmung führt, daß im Falle der Behinderung eines Ehegatten durch Krankheit oder Abwesenheit der andere Ehegatte, soweit erforderlich, für den ersteren dessen Geschäfte zu besorgen und ihn zu vertreten berechtigt und verpflichtet sei. Indessen sind die gegen die Aufnahme einer solchen Bestimmung sprechenden Gründe als überwiegend erachtet. Als gesetzliche Regel ist die Anerkennung der Vertretungsbefugniß des einen oder anderen Ehegatten, sei es in größerem oder geringerem Um­ fange, für den behinderten Ehegatten gefährlich und in vielen Fällen eher Schaden als Nutzen zu.bringen geeignet. Auch hingesehen auf Dritte, giebt eine derartige Bestimmung zu Bedenken Anlaß, da die Voraussetzungen der Vertretungsbefugniß der Natur der Sache nach unbestimmt und für Dritte schwer erkennbar sind. Weiter kommt in Betracht, daß in denjenigen Rechts­ gebieten, in welchen derartige Bestimmungen gegenwärtig fehlen, der Mangel derselben sich in der Praxis nicht fühlbar gemacht hat. Dem Bedürfnisse wird durch die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 749 ff.) und über die ungerechtfertigte Bereicherung (§§ 742—744, 748), sowie durch die Be­ stimmungen des Vormundschaftsrechtes über die Gründe, aus denen eine Vor­ mundschaft oder eine Pflegschaft eingeleitet werden kann (§§ 1633, 1726, 1727, 1737, 1738—1740), wenigstens für die große Mehrzahl der Fälle, in aus­ reichender Weise Rechnung getragen. Im ehelichen Güterrechte (§§ 1306, 1358, 1417, 1431) ist ferner Vorsorge getroffen, daß die Ehefrau über ihr Ehegut ohne Einwilligung des Ehemannes zu verfügen bezw. bei der Gütergemeinschaft in Ansehung solcher Rechtsgeschäfte und Rechtsstreitigkeiten, welche auf das Gesammtgut sich beziehen, den Ehemann zu vertreten berechtigt ist, wenn der Ehemann wegen Abwesenheit oder Krankheit die Einwilligung zu ertheilen bezw. die das Gesammtgut betreffenden Angelegenheiten selbst wahrzunehmen außer Stande und Gefahr im Verzüge ist.

§ 1279. Die Bestimmungen des § 1279 (vergl. dazu § 145) rechtfertigen sich durch die besondere Natur des ehelichen Verhältnisses und der auf dem letzteren beruhenden vermögensrechtlichen Beziehungen der Ehegatten unter einander;

Haftung

122

Wirkungen der Ehe. Unterhaltspflicht des Ehcinannes. § 1'280.

sie entsprechen, soviel insbesondere das Maß der Haftung des Ehemannes bei

Erfüllung der ihm in Folge des gesetzlichen Güterstandes der ehelichen Nutz­ nießung und Verwaltung (§ 1283) obliegenden Verpflichtungen betrifft, derjenigen Auffassung, welche im Anschlüsse an die Bestimmungen des röm. Rechtes über die Restitution der dos auch für das neuere deutsche eheliche Güterrecht die herrschende geworden ist, sowie dem sächs. G. B. § 1655 und dem oldenb. Ges. v. 24. April 1873 Art. 13 (vergl. ferner württemb. Entw. § 67). Ein genügender Grund, nach dem Vorgänge des preuß. A. L. R. II, 1 §§ 554, 555, 561, 595 verb. mit I, 21 § 132 die Haftung des Ehemannes je nach den verschiedenen

Bestaitdtheilen des Vermögens der Ehefrau verschieden zu bestimmen und nur in Betreff der Kapitalien die Persönlichkeit des Ehemannes zu berücksichtigen oder nach dem Vorgänge des lübcck. Ges. v. 10. Februar 1862 Art. 4 den Ehe­ mann nur für grobe Fahrlässigkeit haften zu laffen, liegt nicht vor. Anderer­ seits inuß der Gesichtspunkt, auf welchem die beschräicktere Haftung des Ehe­ mannes bei dem gesetzlichen ehelichen Güterrechte beruht, dahin führen, eine gleiche Beschränkung der Haftung auch zu Gunsten der Ehefrau, sowie vorbehaltlich

der bei der Gütergemeinschaft wegen der Haftung des Ehemannes geltenden be­ sonderen Bestimmungen der §§ 1364, 1417, 1431, in Ansehung der einem Ehe­ gatten in Folge des vertragsmäßigen ehelichen Güterrechtes oder auf Grund des § 1278 obliegenden Verpflichtungen eintreten zu lassen. Dagegen empfiehlt

es sich nicht, die beschränkte Haftpflicht der Ehegatten nach Maßgabe des § 145 in Anlehnung an das oldenb. Ges. v. 24. April 1873 Art. 34 auch auf andere nur in Veranlasiung der Ehe, insbesondere durch Auftrag oder Geschäftsführung ohne Auftrag, unter den Ehegatten begründete vermögensrechtliche Verhältnisse auszudehnen, da eine Ausdehnung der hier fraglichen Haftpflicht wegen der damit verbundenen Schwierigkeit, im einzelnen Falle festzustellen, ob der Ver­ pflichtete diejenige Sorgfalt angewendet hat, welche er in eigenen Angelegen­ heiten anzuwenden pflegt, an sich keine Begünstigung verdient und auch das geltende Recht — abgesehen von dem oldenb. Ges. — so weit nicht geht. Selbstverständlich findet übrigens die Vorschrift des § 1279 auch auf die aus § 1340 sich ergebenden Verpflichtungen des Ehemannes Anwendung, da es sich im § 1340 um eine Vorschrift des ehelichen Güterrechtes, und zwar des ver­ tragsmäßigen Güterstandes der Trennung der Güter, handelt. Auch nach gemeinem Rechte gelten in Ansehung des dem Ehemanne zur Verwaltung überlaffenen Paraphernalvermögens dieselben Grundsätze wegen der Haftung des Ehemannes, wie bei der dos; ebenso stellt das preuß. A. L. R. II, 1 § 547 in dieser Hinsicht das vorbehaltene Vermögen der Ehefrau dem eingebrachten Vermögen der letzteren gleich.

§ 1280. Unterhalts­ pflicht des Ehemannes gegenüber bei Ehefrau.

Der § 1280 regelt die Unterhaltspflicht des Ehemannes gegenüber der Ehefrau. Ob und inwieweit der Ehemann auf Grund der ihm gegenüber der Ehefrau obliegenden Unterhaltspflicht von Dritten unmittelbar in Anspruch genommen werden kann, richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen, namentlich den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag (vergl.

Wirkungen der Ehe. Unterhaltspflicht des Ehemannes. § 1280.

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§§ 749 ff., insbes. § 755 Satz 2) und, soweit das Recht öffentlicher Behörden und Verbände, den Ehemann unmittelbar in Anspruch zu nehmen, in Frage steht, nach den betreffenden Bestimmungen des öffentlichen Rechtes, welche in dieser Hinsicht unberührt bleiben. Daß der Ehemann gegenüber der Ehefrau verpflichtet ist, dieser den seiner Lebensstellung, seinem Vermögen und seiner Erwerbsfähigkeit entsprechenden Unterhalt in der durch die eheliche Lebensgemeinschaft gebotenen Weise zu gewähren, folgt aus dem Grundsätze, daß der Ehemann die ehelichen Lasten zu tragen hat, sowie aus dem Wesen des ehelichen Verhältnisses und steht der Sache nach mit dem gemeinen Rechte und den neueren Gesetzgebungen im Einklänge (vergl. Seuffcrt XLII, 306; preuß. A. L. R. II, 1 §§ 185, 186; code civil Art. 214; sächs. G. B. § 1634; oldenb. Ges. v. 24. April 1873 Art. 3). Von der gesetzlichen Unterhaltspflicht der Verwandten unterscheidet die Unter­ haltspflicht des Ehemannes gegenüber der Ehefrau sich zunächst dadurch, daß sie nicht durch die Bedürftigkeit der Ehefrau bedingt ist (§ 1481), weil sie nicht blos auf dem unter den Ehegatten bestehenden sittlichen Verhältnisse, sondern vorwiegend auf der Pflicht des Ehemannes, die ehelichen 'Lasten zu tragen, beruht. Ein weiterer Unterschied, welcher in dem Wesen des ehelichen Verhältniffes sich gründet, besteht darin, daß die Unterhaltspflicht der Verwandten nach § 1482, abgesehen von der aus § 1482 Abs. 2 sich ergebenden Modifi­ kation, nur dann eintritt, wenn und soweit derjenige, gegen welchen der Unter­ haltsanspruch geltend gemacht wird, bei Berücksichtigung seiner anderweiten Verpflichtungen im Stande ist, den Unterhalt ohne Beeinträchtigung seines eigenen standesmäßigen Unterhaltes zu gewähren, während der Ehemann seinen Unterhalt für sich selbst vorab zu nehmen nicht berechtigt ist. Seine Ver­ pflichtung geht zwar ebenfalls nicht weiter, als seine Leistungsfähigkeit; aber, was er hat, muß er, mag es nun für den beiderseitigen standesmäßigen oder nur für den nothdürstigen Unterhalt genügen oder selbst für den letzteren nicht völlig ausreichen, mit der Ehefrau theilen. Andererseits muß die Ehefrau, wenn der Ehemann wie ein guter Hausvater und Familienvater, welcher nicht blos den Augenblick, sondern die dauernde Sicherung der Existenz seiner Familie im Auge hat, handelt und der Ehefrau den einem solchen Verfahren entsprechenden Unterhalt gewährt, sich damit auch dann begnügen, wenn dieser Unterhalt hinter dem standesmäßigen zurückbleibt. Derselbe Gedauke scheint auch den Bestimmungen des preuß. A. L. R. II, 1 §§ 185, 186 zu Grunde zu liegen. Vollständig entsprechen indeffen diese Bestimmungen der Auffassung des Entwurfes insofern nicht, als nach der letzteren der Ehemann auch zur Gewährung des nothdürstigen Unterhaltes nur nach Maßgabe seiner Leistungs­ fähigkeit verpflichtet ist und die gleiche Berechtigung des eigenen Unterhaltes des Ehemannes mit dem Unterhalte der Ehefrau in den Bestimmungen des preuß. A. L. R. keinen genügenden Ausdruck gefunden hat. Bei der großen Verschiedenheit der einzelnen hier in Betracht kommenden Fälle empfiehlt es sich, von jeder Spezialisirung abzusehen und nur den das ganze Verhältniß be­ herrschenden Grundsatz, wie dies im Abs. 1 geschehen ist, zum Ausdrucke zu bringen. Durch den Grundsatz, daß der Unterhalt in der durch die eheliche Lebensgemeinschaft gebotenen Weise zu gewähren ist, bestimmt sich insbesondere

Gestaltung im All­ gemeinen.

Wirkungen der Ehe. Unterhaltspflicht des Ehemannes. § 1280.

124

auch die Art und die Form, in welcher der Unterhalt gewährt werden muß, so daß es in dieser Hinsicht näherer Bestimmungen nach Maßgabe des § 1488 Abs. 1, 2 und des § 1491 nicht bedarf.

Im Einzelnen ist noch Folgendes zu

bemerken: Krankheits-

unbjturtoftcn.

1. Daß der Ehemann auf Grund seiner Unterhaltspflicht die Krankheitsgegenüber der Ehefrau nach Maßgabe des Abs. 1 zu be­ streiten hat (vergl. preuß. A. L. R. II, 1 § 187; sächs. G. B. § 1634), ist als selbstverständlich zu erachten und braucht deshalb nicht besonders hervorgehoben

Unterhalt im

«efangnisse.

zu werden. 2. Das sächs. G. B. § 1680 bestimmt, daß der durch den Unterhalt im (gefänfjiü|)e und durch die Vertheidigung der Ehefrau verursachte Aufwand in Ermangelung eigenen Vermögens derselben aus dem des Ehemannes zu be­ zahlen ist. Nach der Auffassung des Entwurfes liegt ein genügender Grund,

in Ansehung der Tragung der Hosten des Unterhaltes der Ehefrau in einem Gefängnisse die Unterhaltungspflicht des Ehemannes gegenüber der Ehefrau positiv zu beschränken, nicht vor. Insbesondere vermag der Gesichtspunkt, daß es in diesem Falle auf einem Verschulden der Ehefrau beruht, wenn ihr der Unterhalt nicht innerhalb der häuslichen Gemeinschaft gewährt werden kann, und daß es unbillig gegen den Ehemann sei, wenn derselbe in diesem Falle unbedingt zur Gewährung des Unterhaltes an seine Ehefrau verpflichtet sein solle, zumal ihm die Dienstleistungen der Ehefrau in seinem Hause und in seinem Geschäfte (§ 1275 Abs. 2) entzogen seien, eine Beschränkung der Unter­ haltspflicht des Ehemannes nicht zu rechtfertigen, da die Sachlage in diesem Falle keine andere ist, wie in solchen Fällen, in welchen die Ehefrau sich durch ihr Verschulden eine Krankheit zugezogen hat, welche ihre Verpflegung außer­ halb der häuslichen Gemeinschaft nothwendig macht. Das Wesen der Ehe, durch welche die Ehegatten sich für die guten und schlechten Tage miteinander verbunden haben, und die Stellung des Ehemannes in der ehelichen Gemein­ schaft bringen es mit sich, daß auch in solchen Fällen die Unterhaltspflicht des Ehemannes gegenüber der Ehefrau keine Aenderung erleidet. 3. Andererseits fehlt es aber auch an ausreichenden Gründen, mit gungskost-n. Cod. de don. i. v. et u. 5, ig) stellt Geltendes die Vermuthung auf, daß Alles, ivas die Ehefrau während bestehender Ehe Recht. erworben hat (nach einer anderen Ansicht, was sie überhaupt besitzt), aus einer Schenkung des Ehemannes herrühre. Daraus folgt, da Schenkungen unter Ehegatten nach röm. Rechte nichtig sind, daß der Ehemann, wenn er angeblich von ihm der Ehefrau geschenkte Gegenstände zurückfordert, entweder unbedingt oder doch dann von der Beweislast befreit ist, wenn feststeht, daß die Ehefrau jene Gegenstände während der Dauer der Ehe erworben hat. In Deutschland ist indessen die gemeinrechtliche Praxis unter dem Einflüsse deutschrechtlicher ehelicher Güterrechtsverhältnisse von jeher geneigt gewesen, der hier fraglichen Vermuthung eine selbständigere und ausgedehntere Bedeutung beizulegen, einmal insofern, als man die Vermuthung häufig ganz allgemein dahin ge­ faßt hat, daß Alles, was die Ehegatten besitzen, bis zum Beweise des Gegen­ theiles als Eigenthum des Ehemannes gelte, andererseits in der Richtung, daß, auch wenn feststehe, daß die Ehefrau die betreffenden Gegenstände während der Ehe von anderen Personen als dem Ehemanne erworben habe, doch bis zum Beweise des Gegentheiles anzunehmen sei, daß die Ehefrau diesen Erwerb aus den Mitteln des Ehemannes und für den letzteren gemacht habe und des­ halb die betreffenden Gegenstände ihm gehörten. In den neueren Gesetzgebungen ist die hier fragliche Vermuthung, soweit sie überhaupt erwähnt wird, regelmäßig von der Grundlage abgelöst, auf welcher sie nach röm. Rechte beruhte. Das preuß. A. L. R. II, 1 § 544 be­ handelt sie bei den Bestimmungen über die Absonderung des Vermögens der Ehegatten nach Auflösung der Ehe durch den Tod eines der Ehegatten und schreibt dort ganz allgemein vor, daß im zweifelhaften Falle dem Ehemanne, seinen Erben und Gläubigern die Vermuthung zu statten komme, daß das Vorhandene zu seinem Vermögen gehöre. Obwohl die Vorschrift sich dem Wortlaute nach nur auf den bezeichneten Fall der Vermögensabsonderung be­ zieht, so wird dieselbe doch in der Praxis in weiterem Umfange, namentlich

128

Wirkungen der Ehe.

Praesumtio Mueiana.

§ 1282.

bei der Zwangsvollstreckung gegen den Ehemann während bestehender Ehe,

angewendet. Die Bestimmung des sächs. G. B. § 1656 ist insofern enger, als sie nur in Ansehung der in der Wohnung des Ehemannes befindlichen beweg­

lichen Sachen die Vermuthung aufstellt, daß sie dem Ehemanne eigenthümlich gehören, es sei denn, daß sie zur Bekleidung, zum Schmucke oder sonst zum Gebrauche blos für die Person der Ehefrau bestimmt sind. Für den Fall des Konkurses über das Vermögen des Ehemannes hat die Konk. O. den Gläubigern des letzteren gegenüber der Ehefrau einen über den Schutz durch die praesumtio Mueiana weit hinausgehenden Schutz gewährt, indem sie im § 37 bestimmt, daß die Ehefrau des Gemeinschuldners Gegen­ stände, welche sie während der Ehe erworben hat, nur in Anspruch nehmen kann, wenn sie beweist, daß dieselben nicht mit Mitteln des Ehemannes er­ worben sind. Diese in ihrer Tragweite nach verschiedenen Richtungen hin nicht zweifellose Bestimmung dient einerseits zur Ergänzung der Vorschriften der §§ 24, 25 der Konk. O., indem sie die Aufdeckung anfechtbarer Rechts­ geschäfte erleichtert, andererseits hat sie eine noch darüber hinausgehende selbständige Bedeutung. Diese letztere beruht theils darin, daß sie die Gläu­ biger gegen die Nachtheile schützt, welche ihnen aus der durch die eheliche Lebensgemeinschaft regelmäßig eintretenden, häufig auch von dem Ehegatten absichtlich zum Zwecke der Verkürzung der Gläubiger des Ehemannes herbei­ geführten thatsächlichen Vermischung des beiderseitigen Vermögens der Ehegatten drohen, theils darin, daß sie den Gläubigern des Ehemannes ein selbständiges Recht auf die aus den Mitteln des Gemeinschuldners von der Ehefrau er­ worbenen Gegenstände beilegt. In ersterer Beziehung kann allerdings die Fassung des § 37 zu dem Zweifel Veranlassung geben, ob nicht wenigstens für den Fall, wenn die Ehefrau im Besitze der Sachen ist und der Konkurs­ verwalter gegen sie klagt, dem letzteren der Beweis obliegt, daß die Ehefrau die Sachen während der Ehe erworben habe. Insofern ist auch für den Fall des Konkurses die hier fragliche Vermuthung neben der Bestimmung des § 37 der Konk. O. als Ergänzung derselben nicht ohne Bedeutung. Standpunkt Die durch § 1282 im Anschlüsse an das in dem größten Theile DeutschEntwnrfts. lands geltende Recht anerkannte Vermuthung hat eine doppelte Seite. Sie Karakter der dient einerseits zum Schutze der Gläubiger des Ehemannes, andererseits zum Vermuthung Schutze des letzteren selbst und seiner Erben. Ihre Hauptbedeutung hat dieselbe Allgemeinen,

auf dem Gebiete des gesetzlichen ehelichen Güterrechtes und des vertragsmäßigen Güterstandes der Trennung der Güter. Dies gilt insbesondere in Ansehung der Gläubiger des Ehemannes, da der Entwurf auf dem Prinzipe beruht, daß

— abgesehen von den verschiedenen Güterständen der vertragsmäßigen Güter­ gemeinschaft — die Ehefrau mit der Substanz ihres Vermögens für die Schulden des Ehemannes nicht haftet und auch mit ihrem Ansprüche auf Restitution ihres in die Verwaltung des Ehemannes gelangten Vermögens bezw. auf Ersatz für den nicht mehr vorhandenen oder verschlechterten Theil desselben hinter den übrigen Gläubigern des Ehemannes nicht zurücktritt (vergl. die Motive zu §§ 1298, 1299). Indessen kann die hier fragliche Vermuthung wegen des Vorbehalts- und Sondergutes (§§ 1347—1351, 1412—1416, 1431, 1432) auch bei den verschiedenen Arten der Gütergemeinschaft praktisch werden.

Wirkungen der Ehe.

Praesumtio Muciana.

§ 1282.

129

namentlich mich zu Gunsten der Gläubiger des Ehemannes, da die Ehefrau auch bei allgemeiner oder partikulärer Gütergemeinschaft den Gläubigern des Ehemannes nicht persönlich haftet, sondern die letzteren als solche der Ehefrau

gegenüber nur aus dem Gesammtgutc ihre Befriedigung zu verlangen berechtigt sind (§§' 1359—1361, 1423 Abs. 1, §§ 1424, 1431). Zwar folgt schon aus den allgemeinen Beweisgrundsätzen (§ 194 Abs. 1) bezw. aus der Bestimmung des § 1421, daß, wenn die in Gütergemeinschaft lebende Ehefrau Vermögens­ gegenstände gegenüber dem Ehemanne oder dessen Gläubigern als ihr aus­ schließlich gehörend in Anspruch nimmt, sie zunächst den Beweis zu führen hat, daß dieselben nicht Gesammtgut sind. Steht aber die Nichtzugehörigkeit

zum Gesammtgutc fest, so tritt auch hier zu Gunsten des Ehemannes und seiner Gläubiger gegenüber der Ehefrau die Vermuthung des § 1282 ein. Auf diesen Erwägungen beruht es, wenn die Bestimmungen des § 1282 unter die allgemeinen, bei jedem Güterstande anwendbaren Bestimmungen über die Wirkungen der Ehe ausgenommen sind. Wie oben S. 128 bereits hervorgehoben wurde, ist nach dem gegenwärtig Schutz d-r geltenden Rechte die Lage der Gläubiger des Ehemannes gegenüber der Ehefrau ^“manneT

dadurch, daß die Geltung des § 37 der Äons. O. sich nur auf den Fall des Konkurses über das Vermögen des Ehemannes beschränkt, in diesem Falle eine erheblich günstigere, als außerhalb des Konkurses. Es laßen sich gewichtige »^«halbd-z Gründe dafür anführcn, diese Ungleichheit in der Art zu beseitigen, daß den mmt' Gläubigern des Ehemannes auch außerhalb des Konkurses der weitergehende Schutz des § 37 der Konk. O. in geeigneter Weise gewährt und dadurch in Verbindung mit einer Verdeutlichung der Fassung des § 37 die hier fragliche

Vermuthung, so viel das Verhältniß der Gläubiger des Ehemannes gegenüber der Ehefrau betrifft, überhaupt entbehrlich gemacht wird. Für die Beseitigung der Ungleichheit kann namentlich geltend gemacht werden, daß die letztere eine Vermehrung der Konkurse herbeizuführen drohe und eine Verkürzung der Gläubiger in denjenigen Fällen zu Folge habe, in welchen wegen Gering­ fügigkeit der vorhandenen Masse die Eröffnung des Konkurses nicht verlangt werden kann. Trotz dieser gegen den gegenwärtigen Rechtszustand sich erhebenden Bedenken ist von einer Ausdehnung des § 37 der Konk. O. Abstand genommen. Der § 37 enthält nicht nur in prozessualischer, sondern auch in materiellrecht­ licher Hinsicht eine tiefgreifende Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen. Ohne ein dringendes praktisches Bedürfniß ist deshalb eine Ausdehnung des § 37 über den Fall des Konkurses hinaus nicht gerechtfertigt. Dies ergiebt sich schon daraus, daß eine solche Ausdehnung dem geltenden Rechte fremd ist. Während

die Reichsgesetzgebung bezw. die Landesgesetzgcbungen die Bestim­

mungen der Konk. O. über die Anfechtung von Rechtshandlungen des Gemein­ schuldners und über die Rangordnung der Konkursgläubiger auf die Verhältnisie

außerhalb des Konkurses ausgedehnt haben, ist eine Ausdehnung des § 37 weder von Seiten der Reichsgesetzgebung noch von Seiten der Landcsgesetzgebungen erfolgt. Besondere Beachtung verdient in dieser Hinsicht der Vor­ gang in Preußen, wo die Bestimmungen der §§ 88—90 der preuß. Konk. O. v. 8. Mai 1855, welche einen ähnlichen Zweck wie der § 37 der deutschen Konk. O. verfolgten, ebenfalls auf den Konkursfall beschränkt geblieben sind, ohne daß Motive z. bürgerl. Gesetzbuch. IV.

9

130

Wirkungen der Ehe.

Praesumtio Muciana.

§ 1282.

in der hier fraglichen Beziehung aus der Verschiedenheit des Rechtes für den Fall des Konkurses und außerhalb des Konkurses in der Praxis Mißstände sich ergeben haben. Diese gesetzgeberischen Vorgänge berechtigen zu der An­ nahme, daß außerhalb des Konkurses den Gläubigern des Ehemannes gegen die ihnen aus der ehelichen Lebensgemeinschaft und der damit verbundenen thatsächlichen Vermischung des beiderseitigen Vermögens der Ehegatten durch die vorwiegend in dem geltenden Rechte anerkannte praesumtio Muciana aus­ reichender Schutz gewährt wird. In der That liegen die Verhältnisse für den Fall des Konkurses und außerhalb des Konkurses auch nicht völlig gleich.

Für den Fall des Konkurses ist namentlich mit Rücksicht auf die vorzugsweise in Betracht kommenden kaufmännischen Konkurse, welche die Mehrzahl der Konkurse ausmachen, eine größere Strenge gegenüber der Ehefrau zum Schutze der Gläubiger des Ehemannes am Platze. Aus diesen Gründen verdient es den Vorzug, von einer Ausdehnung des § 37 der Konk. O. abzusehen und statt dessen die praesumtio Muciana zu Gunsten der Gläubiger des Ehemannes in dem Gesetzbuchs anzuerkennen. Dadurch wird auch eine Verdeutlichung des § 37 in Ansehung der Beweislast entbehrlich. Die in dieser Hinsicht zu Zweifeln Anlaß gebende Fassung des § 37 erklärt sich daraus, daß der letztere, wie die Motive der Konk. O. ergeben, voraussetzt, daß nach dem bürgerlichen Rechte die praesumtio Muciana bestehe. Um aber dem praktischen Bedürfnisse zu genügen und um zu verhindern, daß der Zweck des Gesetzes vereitelt werde, ist es erforderlich, die in Rede stehende Vermuthung nicht mit dem sächs. G. B. auf die in der Wohnung des Ehemannes befindlichen beweglichen Sachen zu beschränken, sondern im Anschluffe an die Praxis des preuß. Rechtes in dem Umfange des § 1282 Abs. 1 anzuerkennen. Außer den den Sachen gleichzustellenden Jnhaberpapieren und den an Ordre lautenden, mit einem Blankoindossamente versehenen Papieren können andere Forderungen und sonstige Rechte der Natur der Sache nach nicht in Betracht kommen, weil dieselben an eine bestimmte Person geknüpft sind und nur von dieser geltend gemacht werden können. In Ansehung der Grundstücke wird die Präsumtion von selbst insoweit gegenstandlos, als aus dem Grundbuche das Gegentheil sich ergiebt (§ 826). Daß die Bestimmung des ersten Absatzes des § 1282 auf die im § 1285 bezeichneten Sachen keine Anwendung findet, entspricht dem § 1656 des sächs. G. B. und rechtfertigt sich dadurch, daß diese Sachen vermöge ihrer Beschaffenheit und Bestimmung ohne Weiteres zunächst als Frauengut sich darstellen. Aufnahme Ein Bedürfniß, nach dem Vorbilde des franz. Rechtes (vergl. Entsch. VermögensR. G. ür Civils. XVI, 68) und verschiedener auf dem Systeme parverzeichnisfes. tikulärer Gütergeineinschaft beruhender deutscher Rechte den Gläubigern des Ehemannes einen noch weitergehenden Schutz durch eine Vorschrift des Inhaltes zu gewähren, daß die Ehefrau die im § 1282 zu Gunsten der Gläubiger des Ehemannes anerkannte Vermuthung in Ansehung solcher beweglichen Sachen, welche sie in die Ehe cingebracht oder während der Ehe durch Schenkung, Erbfolge oder Vermächtniß erworben hat, nur durch ein nach Maßgabe der §§ 993, 1042 verb. mit § 1292 aufgenommencs Vermögensverzeichniß ividerlegen könne, kann dagegen nicht anerkannt werden, und sind

Wirkungen dcr Ehr.

Praesumtio Muciana.

§ 1282.

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auch im llebrißen die gegen die Aufnahme einer solchen Vorschrift sprechenden Bedenken als überwiegend anzusehen. Es läßt sich allerdings nicht verkennen, daß mit einer solchen Vorschrift große Vortheile verbunden sind, dadurch namentlich den vielen, häufig unbegründeten und mit erheblichen Kosten für die Gläubiger verbundenen Jnterventionsklagen der Ehefrau in wirksamer Weise entgegengetreten wird. Auf der anderen Seite fällt indessen entscheidend ins Gewicht, daß eine derartige Vorschrift dem geltenden Rechte in den meisten Rechtsgebieten nicht entspricht und in dem größten Theile Deutschlands die Sitte, ein Inventar über das Vermögen der Ehefrau aufzunehmen, nicht be­ steht, auch nicht zu erwarten ist, daß durch eine gesetzliche Bestimmung der bezeichneten Art die Bildung einer solchen Sitte herbeigeführt werden wird. Eine solche Bestimmung würde daher im Widersprüche mit den Grundsätzen des gesetzlichen ehelichen Güterrechtes des Entwurfes die indirekte Folge haben, daß die Ehefrau mit ihrem in die Ehe eingebrachten oder während der Ehe durch Schenkung, Erbfolge oder Vermächtniß erworbenen beweglichen Vermögen den Gläubigern des Ehemannes haftete. Nach franz. Rechte liegt die Sache insofern völlig anders, als nach demselben die Haftung des beweglichen Ver­ mögens der Ehefrau für die Schulden des Ehemannes in Folge der das ge­ setzliche eheliche Güterrecht bildenden Mobiliargemeinschaft die gesetzliche Regel ist. Wie oben S. 128 bereits angedeutet wurde, bereitet die auf einem neuen, mehr wirthschaftlichen und im Einzelnen juristisch nicht weiter ausgestalteten

§37 bec on'

Gedanken beruhende Bestimmung des § 37 der Äons. O. nach verschiedenen Richtungen hin Schwierigkeiten. Insbesondere giebt der unbestimmte Ausdruck: „nicht mit Mitteln des Gemeinschuldners" und das Verhältniß des § 37 zu

den Bestimmungen der Äons. O. über die Anfechtung von Rechtsgeschäften, uamentlich von Schenkungen des Ehemannes an die Ehefrau, zu Zweifeln und Bedenken Anlaß. Es scheint daher nahe zu liegen, diese Schwierigkeiten und Bedenken bei Gelegenheit der Kodifikation des gesammten bürgerlichen Rechtes in diesem Zusammenhänge thunlichst zu beseitigen. Indessen ist es doch als bedenklich erachtet, den § 37 der Äons. O., nachdem derselbe unter Beirath von Sachverständigen verschiedener Lebenskreise nach reiflicher Erwägung und trotz der gegen denselben sprechenden, schon bei Gelegenheit seiner Berathung er­ kannten und geltend gemachten Bedenken beschlosien woxden ist und erst vor wenigen Jahren die Zustimmung der Faktoren der Reichsgesetzgebung gefunden hat, jetzt ohne den Veirath solcher Sachverständigen wieder zu ändern, zumal das Bedürfniß einer solchen Aenderung, soviel bekannt, bisher nicht hervor­ getreten ist. Es kann darauf vertraut werden, daß Wissenschaft und Praxis den dem § 37 zu Grunde liegenden Gedanken richtig erfassen und die Schwierig­ keiten, welche er bietet, überwinden werden. Eventuell wird bei einer Revision dcr Äons. O. die etwa erforderlich werdende Aenderung des § 37 vorzunehmen sein. Die Gründe, auf welchen die Anerkennung der praesumtio Muciana zu Vermuthung Gunsten der Gläubiger des Ehemannes beruht, nöthigen an sich nicht dazu, jene Vermuthung auch auf das Verhältniß unter den Ehegatten selbst zu er- Ehegatten,u strecken, und es kann zweifelhaft sein, ob diese Erstreckung unter den heutigen e,nonl,er' Verhältnissen noch gerechtfertigt und angemessen ist. Die Gründe, welche das röm. Recht zur Aufstellung der Vermuthung veranlaßt haben (evitandi turpis 9*

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Wirkungen der Ehe.

Praesumtio Muciana.

§ 1282.

quaestus gratia circa uxorem) sind jedenfalls nicht mehr zutreffend. Auch die­ jenigen Umstände, welche in Deutschland die Annahme und Ausdehnung, jener Vermuthung hauptsächlich befördert [jaben, verlieren vom Standpunkte des Entwurfes aus an Gewicht. Nach dem gesetzlichen ehelichen Güterrechte des Ent­ wurfes erwirbt die Ehefrau, was sie durch ihre Arbeit, sofern diese nicht unter die Vorschrift des § 1275 Abs. 2 fällt, oder durch den selbständigen Betrieb eines Erwcrbsgeschäftes erwirbt, nicht dem Ehemanne, sondern sich selbst (§ 1289). Ihr bewegliches und unbewegliches Vermögen bleibt ihr Eigenthum und der Ehemann kann darüber — von unerheblichen Ausnahmen abgesehen

(vcrgl. § 1292 vcrb. mit § 1000, § 1294, § 1318 Nr. 1, 2) — nur mit Einwilligung der Ehefrau und als ihr Vertreter verfügen, so daß also auch der Erlös aus Rechtsgeschäften ihr, nicht dem Ehemanne zufällt (§§ 1318, 1319). Weiter kommt in Betracht, daß nach einer in Deutschland ziemlich verbreiteten Sitte ein großer Theil des Haushaltsinvcntares von der Ehefrau als Aussteuer in die Ehe gebracht wird und ihr Eigenthum bleibt. Unter diesen Umständen kann cs in Zweifel gezogen werden, ob die Vermuthung, daß die in der Jnhabung des Ehemannes oder der Ehefrau oder beider Ehe­ gatten befindlichen Sachen dem Ehemanne gehören, in dieser Allgemeinheit den thatsächlichen Verhältnissen entspreche und ob es deshalb nicht den Vorzug ver­ diene, von einer solchen Vermuthung zu Gunsten des Ehemannes und seiner Erben ganz abzusehen, zumal der Ehemann für den Fall, daß die Sachen in seiner Jnhabung sich befinden, schon durch die allgemeinen Bcweisgrundsätze geschützt sei und für andere Fälle das Prinzip der freien Beweiswürdigung ausreiche. Als durchschlagend sönnen indessen diese Gründe nicht angesehen werden. Auch unter den heutigen Verhältnissen entspricht die Ausdehnung der Vermuthung auf das Verhältniß unter den Ehegatten selbst in den meisten Fällen der Sachlage. Insbesondere gilt dies von den während der Ehe er­ worbenen Gegenständen. Da der Ehemann die ehelichen Lasten zu tragen hat und daher die zu diesem Zwecke erforderlichen Anschaffungen machen muß, da ihm außer den Früchten seines eigenen Vermögens kraft der ehelichen Nutz­ nießung (§ 1292) auch die Früchte des Vermögens der Ehefrau zufallen und der Erwerb durch Arbeit hauptsächlich auf der Thätigkeit des Ehemannes be­ ruht, so spricht eine starke thatsächliche Vermuthung dafür, daß das während der Ehe Erworbene von dem Ehemanne erworben ist. Wo ausnahmsweise die Vermuthung des § 1282 der Sachlage nicht entspricht, wird die Ehefrau, da ihr der Gegenbeweis offen steht (§ 198), durch das Prinzip der freien richter­ lichen Beweiswürdigung genügend geschützt. Dagegen sind zum Schutze des Ehemannes gegen die Gefahren, welche ihm aus der mit der ehelichen Lebens­ gemeinschaft verbundenen thatsächlichen Vermischung des beiderseitigen Ver­ mögens drohen, die allgemeinen Beweisgrundsätze nicht als ausreichend zu erachten, da oft schwer zu entscheiden ist, ob der Ehemann Inhaber oder Mit­ inhaber der Sache ist, oder ob die letztere sich in der ausschließlichen Jnhabung der Ehefrau befindet. Das Bedürfniß, die Vermuthung auch auf das Ver­ hältniß unter den Ehegatten selbst auszudehnen, zeigt sich namentlich in solchen Fällen, in welchen die Ehefrau unter Mitnahme von Sachen aus der gemein­ schaftlichen Wohnung von dem Ehemanne faktisch sich getrennt hat, oder in

Eheliches Güterrecht.

Einheitliche Regelung. (§§ 1283 ff.)

133

-welchen dieselbe, z. B. in Folge des selbständigen Betriebes eines Erwerbs­

geschäftes, besondere, nicht zu der gemeinschaftlichen Wohnung gehörende Räume iunehat. Zu beachten ist ferner, das; die Ausdehnung der Vermuthung auf das Verhältniß unter den Ehegatten selbst auch den Kindern zum Schutze ge­ reicht in den im praktischen Leben nicht selten vorkommenden Fällen, in welchen die Ehefrau bald nach dem Tode des Ehemannes wieder heirathet und, durch ihren neuen Ehemann beeinflußt und das Interesse der Kinder erster Ehe außer Augen setzend, die Behauptung aufstellt, daß zum Nachlasse des ver­ storbenen ersten Ehemannes gehörende, nach dem Tode desselben in ihrer Jnhabung verbliebene oder in ihre Jnhabung gelangte Sachen ihr Eigenthum seien. Die Erbschaftsklage vermag den Kindern in solchen Fällen nicht immer ausreichenden Schutz zu gewähren, weil sic den von den Kindern oft schwer zu erbringenden Nachweis voraussctzt, daß der Erblasser die betreffenden Sachen zur Zeit seines Todes in seiner Jnhabung oder Mitinhabung gehabt hat (vergl. § 2081 Nr. 1). Ferner kommt in Betracht, daß, wenn man die Vermuthung nur zu Gunsten der Gläubiger des Ehemannes, nicht aber auch zu Gunsten des letzteren selbst anerkennt, aus einer solchen Relativität prak­ tische Schwierigkeiten und Verwickelungen sich ergeben würden. Die Art und Weise, wie die praesumtio Muciana sich entwickelt hat, und das geltende Recht find ein wichtiges Zeugniß dafür, daß durch die Anerkennung der Vermuthnng auch im Vcrhältnifle der Ehegatten unter einander in der That einem prak­ tischen Bedürfnisse Rechnung getragen wird. Selbstverständlich kommt bei der Gütergemeinschaft die Vermuthung des § 1282 auch im Vcrhältnifle unter den Ehegatten erst in Betracht, wenn feststeht, daß die betreffenden Sachen nicht Gesammtgut sind. Insbesondere geht die Vermuthung des § 1421 der des § 1282 auch zu Gunsten der Ehefrau vor. Aus allgemeine» Grundsätzen ergiebt sich, daß die Vermuthung des «-g-nbew-is. § 1282 durch den Nachweis widerlegt wird, daß die Ehefrau die betreffende Sache erworben hat, sofern sie nicht etwa ausdrücklich oder stillschweigend im Namen des Ehemannes gehandelt haben sollte (§ 116). Ueber die Fälle des § 1275 Abs. 2 und des § 1278 Abs. 2 hinaus die allgemeine Regel aufzu­ stellen, daß die Ehefrau das von ihr Erworbene im Zweifel im Namen des Ehemannes oder auch nur für dessen Rechnung erworben habe, würde durch die thatsächlichen Verhältuiflc nicht gerechtfertigt sein und auch dem geltenden Rechte gegenüber sich als eine wesentliche Neuerung darstellcn.

II. Eheliches Güterrecht. Einleitung.

1. Bei der Regelung des ehelichen Güterrechtes ist davon ausgegangen, einseitige daß das letztere für ganz Deutschland einheitlich zu regeln ist und das System der sog. Verwaltungsgemeinschaft (Gütereinheit, Güterverbindung) unter den cM|[iceun3rechnet, da sie durch einen Rechtsakt veranlaßt sind, durch welchen das Ver­ hältniß erst begründet wird, welches den Ehemann zur Tragung der ehelichen Lasten verpflichtet. Diese Kosten sind vielmehr nach § 320 von jedem Theile zur Hälfte zu tragen (vergl. auch preuß. A. L. R. II, 1 § 171).

164

Ehegut und VorbchultSgut.

Einstweilige Gütertrennung.

§ 1284.

§ 1284. Suspension Die Bestimmung des § 1284, welche sich an eine ähnliche, jedoch nochNutznießung weitergehende Vorschrift des preuß. A. L. R. (II, 1 §§ 978, 980, 981, 983,. und Der- 999) anschließt, bezweckt, in dem im § 1284 vorausgesetzten Falle die Ehefrau waitung. gegen bic ihr aus dem Eintritte des gesetzlichen Güterstandes der ehelichem

Nutznießung und Verwaltung und der mit diesem Gütcrstandc verbundenen. Rechte des Ehemannes drohenden Gefahren in angemesiener Weise zu schützen.. Von praktischer Bedeutung ist die Vorschrift des § 1284, nach welcher bis zu dem dort bezeichneten Zeitpunkte das Vermögen der Ehefrau von dem gesetz­ lichen Vertreter verwaltet wird, namentlich für solche Fälle, in welchen der Ehemann aus eigennützigen Motiven mit Rücksicht auf das Vermögen der Ehefrau die Ehe geschlosien hat, die in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Ehe­ frau aber, weil sie unter dem Einflüsse des Ehemannes steht und ihr die

nöthige Widerstandskraft und Einsicht fehlt, die Ehe zur Zeit nicht anfcchten. (§ 1259 Nr. 4, §§ 1261, 1265), andererseits der gesetzliche Vertreter der Ehe­ frau die Ehe wegen der Persönlichkeit des Ehemannes und der daraus der Ehefrau und ihrem Vermögen drohenden Gefahren nicht genehmigen will (§ 1263 Abs. 3). Die Fortdauer der elterlichen Gewalt bezw. der Vormundschaft über die Ehefrau (§§ 1509, 1536, 1655) gewährt der letzteren keinen, genügenden Schutz gegen jene Gefahren, da in Ermangelung einer besonderen Bestimmung der Ehemann kraft der ehelichen Nutznießung (§§ 1292, 984) die Herausgabe des Vermögens der Ehefrau verlangen kann, mithin in der Lage ist, thatsächlich über das Vermögen derselben zu seinem Vortheile zu verfügen. Der Schutz, welchen der § 1284 der Ehefrau zu gewähren bezweckt, ist um so mehr am Platze, als nach dem Entwürfe (§ 1265) der gesetzliche Vertreterauch in dem hier fraglichen Falle nicht berechtigt ist, die Ehe anzufechten. Aus der anderen Seite würde es über das Bedürfniß hinausgehen und, hin­ gesehen namentlich auf den Hauptfall, wenn die Ehe nachträglich durch Ge­ nehmigung unanfechtbar geworden ist (§ 1263), zu einem unangemessenen. Resultate führen, wenn man unter den Voraussetzungen des § 1284 die eheliche Nutznießung und Verwaltung überhaupt, nicht blos bis zu dem im § 1284 bezeichneten Zeitpunkte, ausschließen wollte. Daraus, daß bis zu jenem Zeitpunkte Trennung der Güter nach Maß­ gabe der Vorschriften des § 1339 stattfindcn, die eheliche Nutznießung und Verwaltung erst von jenem Zeitpunkte an, ohne Rückwirkung auf die Zeit der Eheschließung, eintreten soll, sind praktische Unzuträglichkeiten für die Regelfälle nicht zu besorgen. Auf die seltenen Fälle, in welchen der Mangel der Ein­ willigung des gesetzlichen Vertreters erst später entdeckt wird und der Ehemann inzwischen das Recht der ehelichen Nutznießung und Verwaltung in Folge seines Irrthumes thatsächlich ausgcübt hat, braucht keine Rücksicht genommen zu werden. Wollte man, nachdem der gesetzliche Vertreter die Ehe genehmigt oder die Ehefrau die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit erlangt hat, die Nutz­ nießung und Verwaltung des Ehemannes rückwärts hin von der Zeit der Ehe­ schließung an eintreten lasien, so würden, namentlich im Hinblicke auf die

Ehegut und Vorbehaltsgut.

Einstweilige Gütertrennung.

§ 1284.

165

Inzwischen von dem gesetzlichen Vertreter der Ehefrau über das Vermögen der

letzteren getroffenen Verfügungen, nur noch größere praktische Schwierigkeiten sich ergeben. Da auch bei der auf Grund des § 1284 eintretcnden Trennung der Güter die Ehefrau nach Maßgabe des § 1339 verpflichtet ist, dem Ehemanne aus den Einkünften ihres Vermögens einen angemeffenen Beitrag zur Be­ streitung der ehelichen Lasten zu leisten, so ist eine besondere Bestimmung, welche in dem hier fraglichen Falle dem Ehemanne einen Anspruch auf die Einkünfte des Vermögens der Ehefrau oder doch auf einen Theil dieser Ein­ künfte beilegt (vergl. preuß. A. L. R. II, 1 § 983), entbehrlich. Daß in dem Falle des § 1284 zum Schutze des guten Glaubens Dritter

auch die bei der vertragsmäßigen Trennung der Güter geltenden §§ 1336, 1337 entsprechende Anwendung finden sollen, rechtfertigt sich durch die Analogie der Verhältnisse. Dagegen muffen die Gründe, auf welchen die Be-

Anwendung

»ertragt

stimmung des § 1284 beruht, dahin führen, in dem Falle des § 1284 von einer entsprechenden Anwendung des § 1340 abzusehen. Die Uebertragung des § 1340 auf den Fall des § 1284 würde um so mißlicher sein, als sie den Anschein erwecken könnte, daß die in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Ehefrau dem Ehemanne die Verwaltung ihres Vermögens oder eines Theiles desselben uach Maßgabe des § 1340 ohne Einwilligung ihres gesetzlichen Vertreters solle überlassen können. Andererseits ist zu beachten, daß, wenn die Verwaltung des Vermögens der Ehefrau oder eines Theiles desselben dem Ehemanne von dem gesetzlichen Vertreter der Ehefrau oder nach erlangter unbeschränkter Geschäftsfähigkeit der Ehefrau von der letzteren selbst überlassen sein sollte, darin — von fern liegenden Fällen, insbesondere von dem Falle abgesehen, in welchem die Sorge für die Person der Ehefrau und die Sorge für das Vermögen derselben in den Händen verschiedener gesetzlicher Vertreter ruht — regelmäßig zugleich die Genehmigung der Ehe (§ 1263) liegen wird. Abgesehen von der Bestimmung des § 1284 werden die Rechte des Ehe- Einfluß b«mannes an dem Vermögen der Ehefrau durch die Minderjährigkeit oder eine auf anderen Gründen beruhende Beschränkung der Geschäftsfähigkeit der Ehe-reit d°r Ehe­ frau nicht berührt. Soweit jedoch der Ehemann bei Ausübung seiner Rechte frau;

an die Mitwirkung der Ehefrau gebunden ist, finden in Ansehung der Ver­ tretung der letzteren die allgemeinen Grundsätze der elterlichen Gewalt und des Vormundschaftsrechtcs (§§ 1509, 1655, 1728, 1743) Anwendung. Ein genügender Grund, für den Fall, wenn die Ehefrau in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, zum Schutze derselben die eheliche Nutznießung und Verwaltung, wenn auch nicht auszuschließen oder zu suspendiren, doch in der einen oder anderen Richtung zu beschränken (vergl. preuß. A. L. R. II, 18 §§ 737 ff., deren fortdauernde Geltung jedoch im Hinblicke auf den § 102 der preuß. Vorm. O. v. 5. Juli 1875 bestritten ist; ferner sächs. G. B. § 1930), liegt nicht vor. Wegen des Einflusses, welchen eine Beschränkung des Ehemannes in der d«s Geschäftsfähigkeit auf die eheliche Nutznießung und Verwaltung äußert, vergl. ^h-mannes. §§ 1326, 1328 Nr. 4.

166

Ehegut u. Vorbehaltsgut. Ausschließung der ehel. Nutznießung. § 1285.

§ 1285. Zum perföni. Daß die im § 1285 bezeichneten Sachen der Ehefrau der ehelichen Nutze^räTbe“ nießung nicht unterliegen, sondern das Nutzungsrecht an denselben der Ehefrau

stimmte eac), sind derartige, das Recht des Ehemannes auf die ausschließliche Jnhabung der hier fraglichen Papiere beschränkende Bestimmungen allerdings fremd. Gegen die Anwendung jener Vorschriften auf die eheliche Nutznießung läßt sich ferner erinnern, daß dieselben mit der Stellung des Ehemannes in der Ehe und dem zwischen den Ehegatten bestehenden Vertrauensverhältnisse, welches die natür­ liche Grundlage des ehelichen Güterrechtcs bilde, nicht vereinbar seien und, wenigstens in den weitaus meisten Fällen, auch der thatsächlichen Gestaltung im Leben nicht gerecht würden, daß jene Vorschriften außerdem die Verwaltung des Ehemannes nicht unerheblich zu erschweren und zu vertheuern drohten, zumal dieselben auch auf die Talons, Kupons und Gewinnantheilscheine sich beziehen. Diese Gesichtspunkte können jedoch gegenüber der Rücksicht auf die Sicherheit der Ehefrau aus ähnlichen Gründen, wie diejenigen, welche für die Anwendbarkeit der §§ 1033, 1034 oben S. 189 ff. geltend gemacht sind, als durchschlagend nicht erachtet werden. Gegenüber dem bestehenden Rechte ins­ besondere ist zu beachten, daß die Jnhaberpapiere als Form der Vermögens­ anlage in neuerer Zeit eine weit größere Bedeutung erlangt haben, als dies früher der Fall gewesen ist. Jedenfalls können die hervorgchobcnen Bedenken, wenn man an der Anwendbarkeit der §§ 1033, 1034 auf die eheliche Nutz­ nießung festhalten will, nicht dahin führen, die Vorschriften des § 1036 von der Anwendbarkeit auf die eheliche Nutznießung überhaupt auszuschließen; denn, da der Ehemann nach den §§ 1034, 1323 verb. mit § 1664 es in der Hand hat, die Ehegutsgelder auch in den im § 1664 bezeichneten Jnhaberpapieren anzulegen, so könnte auf diesem Wege ohne die Anwendbarkeit des § 1036 der Zweck der §§ 1033, 1034, der Ehefrau in Ansehung dcs hier fraglichen Theiles ihres Vermögens eine größere Sicherung gegenüber dem Ehemanne zu

gewähren, vollständig vereitelt werden.

'(Xiiljnüerpapiere.

192 sonstige «or« Wufbcnubl’1

Nicßbmttch.

Nutznießung des Ehegutes. Vorschriften über Nießbrauch. § 129?.

»■) Nicht mirocnbbar auf die eheliche Nutznießung sind — außer den bereits unter lit. f oben S. 183 angeführten §§ 1032, 1037 — die Vorschriften der §§ 982, 983, 986, des § 990 Satz 2 und des § 1022.

Indessen

ist es nicht nöthig, die Unanwendbarkeit dieser Bestimmungen besonders anszusprechen, da dieselbe theils aus der Bestimmung des § 1283, daß die eheliche Nutznießung kraft Gesetzes entsteht und auch das künftige Vermögen der Ehe­ frau ergreift, theils aus der Vorschrift des § 1293 sich von selbst ergiebt (vergl. die Motive zu § 1305). b) Ebensowenig brauchen die §§ 1003, 1011—1013 ausdrücklich aus­ geschlossen zu werden, da dieselben durch die Bestimmungen der §§ 1297 bis 1299 ersetzt sind (vergl. die Motive zu §§ 1297—1299). sjcciibigimg. i) Der § 1014 stimmt insoweit, als er an den Tod des Berechtigten die Beendigung des Nießbrauches knüpft, mit dem § 1327 Nr. 1 überein; im

Bericht.

Verbrauchbare Sachen,

Varschristen Nießbrauch

an einem Vermogen.

Ucbrigen ist derselbe für die eheliche Nutznießung gegenstandslos. k) Anlangend bic §§ 1015, 1016, 1025, so folgt die Unanwendbarkeit des § 1015 schon daraus, daß die eheliche Nutznießung in das Grundbuch nicht eingetragen wird (vergl. Motive zu § 1305), ein einseitiger Verzicht des Ehemannes auf die eheliche Nutznießung an einzelnen Grundstücken nach Maß­ gabe des § 1015 daher schon wegen Unanwendbarkeit der vorgeschriebenen Form nicht ausführbar ist. Ob im Uebrigen auf Grund des § 1292 »erb. mit § 1016 Abs. 2 und § 1025 ein einseitiger Verzicht des Ehemannes auf die eheliche Nutznießung an einzelnen Ehegutssachen oder an einzelnen Eheguts­ rechten im Gegensatze zu dem einseitigen Verzichte auf die eheliche Nutznießung und Verwaltung im Ganzen (vergl. die Motive zu § 1327) als zulässig oder umgekehrt im Hinblicke darauf, daß eine Aenderung des gesetzlichen Güterrechtes nach § 1333 einen Ehevertrag erfordert, als unzulässig anzusehen ist, bedarf bei der geringen praktischen Wichtigkeit der Frage keiner besonderen gesetzlichen Entscheidung. Auch in Ansehung des § 1016 Abs. 1 ist eine besondere Be­ stimmung nicht erforderlich. Der erste Satz des § 1016 Abs. 1 entspricht dem Grundsätze des § 1293, der zweite Satz ist wegen der besonderen Bestimmung des § 1298 gegenstandslos. 1) Die Unanwendbarkeit der §§ 1018—1020, des § 1029 Abs. 3 und § ^030 ist im § 1294 ausdrücklich ausgesprochen (vergl. die Motive zu § 1294). m) Auch in Ansehung der Anwendbarkeit der auf den Nießbrauch an einem ganzen Vermögen sich beziehenden Vorschriften der §§ 1038—1041, 1043 (wegen des § 1042 vergl. oben lit. b S. 185) sind spezielle Vorfür die eheliche Nutznießung nicht erforderlich. Die Anwendbarkeit des § 1038 ist nicht zu beanstanden; andererseits kann es nicht zweifelhaft sein, daß die §§ 1039, 1040, 1043 auf die eheliche Nutznießung keine Anwendung finden können, weil sie die Begründung des Nießbrauches an einem ganzen Vermögen durch Rechtsgeschäft betreffen, die eheliche Nutznießung aber nach

§ 1283 kraft des Gesetzes eintritt. Die Unanwendbarkeit des § 1040 ergiebt sich außerdem aus der besonderen Bestimmung des § 1293, nach welcher nur das jeweilige Vermögen der Ehefrau der ehelichen Nutznießung unterliegt, in Verbindung mit den besonderen Bestimmungen über die Haftung des Ehegutes

Nutznießung des EhegutcS. Gegenstand: das jeweilige Ehegut. § 1293.

193

für die Verbindlichkeiten der Ehefrau (§§ 1311 ff.) und über die eheliche Ver­ waltung (§§ 1317, 1318, 1323). Anlangend endlich den § 1041, so ist derselbe an sich nicht unanwendbar, er wird aber durch die besonderen Bestimmungen des § 1297 ersetzt bezw. ergänzt.

§ 1293. Wie in den Motiven zu § 1292 (oben S. 181 ff.) bereits hervorgehoben Gegenstand wurde, folgt aus dem § 1292, daß dem Ehemanne an den einzelnen der ehe- Nutznießung lichen Nutznießung unterliegenden Gegenständen ein dingliches Recht nachbaä i=roeiIloe Maßgabe der Bestimmungen über den Nießbrauch zusteht. Die dingliche ,eaut Natur des dem Ehemanne an den einzelnen Ehegutsgegenständen zustehenden Rechtes würde cs an sich mit sich bringen, daß, wenn das Recht einmal ent­

standen, seine Fortdauer unabhängig davon ist, ob die Gegenstände, welche es ergriffen hat, aus dem Vermögen der Ehefrau ausscheiden oder ob das Recht der letzteren in irgend welcher sonstigen Art modifizirt wird (vergl. auch § 1038). Eine solche Gestaltung des ehemännlichen Nutznießungsrechtes als eines von dem Vermögen der Ehefrau gänzlich abgelösten, selbständig ge­ wordenen Vermögensrechtes würde jedoch mit dem Grundgedanken der Ver­ waltungsgemeinschaft, daß die Ehefrau mit Allem, was sie hat, aber auch nur mit dem, was sie hat, in der Form der ehelichen Nutznießung und Verwaltung ihren Beitrag zur Bestreitung der ehelichen Lasten gewähren soll, nicht im Einklänge stehen; vielmehr ist es eine nothwendige Konsequenz jenes Gedankens und des Zweckes des ehemännlichen Nutznießungsrechtcs, daß dasselbe, als Ausfluß des unter den Ehegatten bestehenden familienrechtlichen Verhältnisics, ähnlich wie der Alimentationsanspruch der Verwandten (vergl. die allgemeinen Motive zu §§ 1480—1496 unter 2), sich jeden Augenblick erneuernd, immer nur das jeweilige Ehegut ergreift. Die mit diesem Grundsätze für den Bestand des ehemännlichen Rechtes an und für sich verbundenen Gefahren werden durch die Bestimmungen über die Beschränkung des Verfügungsrechtcs der Ehefrau (§§ 1300 ff.) wesentlich gemindert. Den bezeichneten Grundsatz besonders zum Ausdrucke zu bringen, ist der Zweck des § 1293. Aus der Fassung des § 1293 erhellt mit genügender Deutlichkeit, daß insbesondere auch eine während des Bestehens der ehelichen Nutznießung erfolgte Belastung von Eheguts­ gegenständen dem durch die eheliche Nutznießung begründeten Rechte des Ehe­ mannes vorgeht. Wenngleich die neueren Gesetzbücher eine ausdrückliche, dem § 1293 entsprechende Vorschrift nicht enthalten, so ist doch die Aufnahme einer solchen als rathsam erachtet, da in derselben ein wesentlicher Unterschied von dem gewöhnlichen Nicßbrauche hervortritt und eine Reihe wichtiger, im Gesetze nicht besonders hervorgehobener Konsequenzen daraus sich ergiebt. In letzterer Beziehung wurde namentlich in den Motiven zu § 1292 (oben S. 188) bereits hervorgehoben, daß aus dem Grundsätze des § 1293 die Unanwendbarkeit des § 1032 aus die eheliche Nutznießung sich von selbst ergebe. Mit dem Grund­ gedanken des § 1293 ist die im § 1032 für den Fall der Vereinigung von Forderung und Verbindlichkeit in der Person des Forderungsberechtigten be­ stimmte relative Fortdauer der Forderung zu Gunsten des Nießbrauchers nicht Motive z. bürgerl. Gesetzbuch. IV.

13

194

Nutznießung des EheguteS.

Verbrauchbare Sachen.

§ 1294.

vereinbar, vielmehr verbleibt es in dem bezeichneten Falle, soviel die eheliche Nutznießung betrifft, wegen der Vorschrift des § 1293 bei der Regel des § 291, daß durch die Vereinigung von Forderung und Verbindlichkeit in der Person der Ehefrau das Schuldverhältniß erlischt und deshalb auch das durch die eheliche Nutznießung begründete Recht des Ehemannes an der Ehegutsforde­ rung, vorbehaltlich eines unter Umständen nach § 1316 Abs. 3 begründeten Ausgleichungsanspruches gegenüber dem Vorbehaltsgute der Ehefrau, erlischt. Wegen anderer aus dem Grundsätze des § 1293 sich ergebender, im Gesetze nicht besonders ausgesprochener Konsequenzen vergl. die Motive zu §§ 1302, 1303.

§ 1294. Eheliche Nutz"verbrauch"

Das Prinzip des § 1294, daß auf die eheliche Nutznießung an verbrauchbaren Sachen (§ 780) die Vorschriften über den Nießbrauch an ver-

bar-n Sache», brauchbaren Sachen (§§

1018 —1020) — entgegen

dem Grundsätze

des

§ 1292 — keine Anwendung finden sollen, der Ehefrau mithin das Eigenthum der verbrauchbaren Ehegutssachen verbleibt und der Ehemann, abgesehen von der im Satz 2 bestimmten Ausnahme, auch nicht berechtigt sein soll, in eigenem Namen über jene Sachen mit der Wirkung zu verfügen, daß

er der Ehefrau nach Beendigung der ehelichen Nutznießung und Verwaltung den Werth der Sachen zu ersetzen hat, enthält gegenüber dem geltenden Rechte eine wesentliche Neuerung. Nach gemeinem deutschen Rechte wird, wenigstens da, wo das System des ehemännlichen Nießbrauches sich entwickelt hat, vor­ wiegend angenommen, daß die zum Ehegute gehörenden verbrauchbaren Sachen, insbesondere auch das baare Geld, in das Eigenthum des Ehemannes über­ gehen mit der Verbindlichkeit des letzteren, dieselben bei Beendigung seines Rechtes in gleicher Menge oder dem Werthe nach zurückzuerstatten. Auf dem­ selben Boden stehen das sächs. G. B. §§ 1655, 1674, 1675, 1677 vcrb. mit §§ 623, 625 und, wie in Ermangelung einer besonderen Bestimmung an­ zunehmen ist, das oldenb. Ges. v. 24. April 1873 (vergl. Art. 5, 7 lit. b); ob und inwieweit auch das preuß. A. L. R. denselben Standpunkt einnimmt, ist nicht zweifellos; doch steht dem Ehemanne jedenfalls das Recht freier Ver­ fügung über die hier fraglichen Sachen zu (vergl. II, 1 § 231 »erb. mit I, 21 § 173 und I, 2 §§ 120,121, ferner II, 1 §§ 238, 548, 550—552, 247). Wenn­ gleich die Rücksicht auf das bestehende Recht gegenüber dem von dem Entwürfe angenommenen Prinzipe schwer ins Gewicht fällt und wenngleich zuzugeben ist, daß das Verhältniß sich einfacher gestaltet und Schwierigkeiten vermieden werden, wenn man die Grundsätze über den Nießbrauch an verbrauchbaren Sachen auch auf die verbrauchbaren Ehegutssachen anwendet, so sind doch die gegen die Einschlagung dieses Weges sprechenden Gründe als überwiegend an­ zusehen. Mit der Tendenz der Reichsgesetzgebung, insbesondere der Konk. O., die Ehefrau wegen der ihr auf Grund des ehelichen Güterrechtes zustehenden Ansprüche vor den Gläubigern des Ehemannes nicht zu begünstigen, würde es nicht vereinbar sein, wenn man der Ehefrau wegen ihres Anspruches auf Rückgewähr des nach den Grundsätzen über den Nießbrauch an ver­ brauchbaren Sachen auf den Ehemann übergegangenen Ehegutes nach Maß-

Nutznießung des EheguteS.

Verbrauchbare Sachen.

§ 1294.

195

gäbe des § 1020 ein Recht auf Sicherheitsleistung beilegen und damit den Gläubigern des Ehemannes das Recht,, eine auf Grund des § 1020 von dem

letzteren bestellte Sicherheit nach Maßgabe des § 25 Nr. 2 der Konk. O. und des Z 3 Nr. 4 des R. Ges. v. 21. Juli 1879 anzufechten, versagen wollte (vergl. § 1295 nebst Motiven). Auf der anderen Seite gestattet es aber die auf das Interesse und die Sicheruirg der Ehefrau zu nehmende Rücksicht nicht, die Grundsätze über den Nießbrauch an verbrauchbaren Sachen unter Aus­ schluß des § 1020 auf das verbrauchbare Ehegut schlechthin zur Anwendung zu bringen. Da dem Ehemanne in Ansehung des Ehegutes neben der ehelichen Nutznießung zugleich das Verwaltungsrecht zusteht, so liegt auch ein zwingendes Bedürfniß, kraft der ehelichen Nutznießung das Eigenthum der verbrauchbaren Ehegutssachen auf den Ehemann übergehen zu lassen, um demselben eine zweckentsprechende Nutzung dieser Sachen zu ermöglichen, nicht vor, indem der Ehemann auch ohne diesen Eigenthumsübergang kraft seines Verwaltungs­ rechtes in der Lage ist, die verbrauchbaren Sachen sich nutzbar machen zu können (vergl. §§ 1317, 1319, 1323). Eine andere Frage ist, ob es sich nicht, um den Anforderungen des Lebens gerecht zu werden und sich von dem geltenden Rechte nicht zu weit zu entfernen, empfehlen würde, einen Mittelweg einzuschlagen, nämlich den, zwar die Anwendbarkeit der Grundsätze über den Nießbrauch an verbrauchbaren Sachen auf die verbrauchbaren Ehegutssachen auszuschließen, dem Ehemanne aber das Recht beizulegen, über dieselben that­ sächlich oder rechtlich für sich mit der Wirkung zu verfügen, daß er der Ehe­ frau nach Beendigung der ehelichen Nutznießung und Verwaltung den Werth zu ersetzen verpflichtet wird, welchen die Sachen zur Zeit der Verfügung hatten. In Ansehung derjenigen verbrauchbaren Sachen, welche durch Verbrauch genutzt zu werden pflegen, unterliegt diese Art der Regelung auch vom Standpunkte des Interesses der Ehefrau aus keinem Bedenken (§ 1294 Satz 2, 3 verb. mit § 1295 Satz 1). Dagegen sprechen gegen die Ausdehnung dieser Regelung auf die verbrauchbaren Sachen im weiteren Sinne, also auf diejenigen be­ weglichen Sachen, welche durch Veräußerung genutzt zu werden pflegen, ins­ besondere das zum Ehegute gehörende Geld, sowie auf diejenigen beweglichen Sachen, welche zu einem Sachinbegriffe gehören, dessen bestimmungsmäßige Nutzung in der Veräußerung der einzelnen Sachen besteht, insbesondere auf die zu einem Waarenlager gehörenden Sachen (vergl. § 780), im Wesentlichen dieselben Erwägungen, welche den Entwurf bestimmt haben, die Anwendbarkeit der Grundsätze über den Nießbrauch an verbrauchbaren Sachen auf die zum Ehegute gehörenden verbrauchbaren Sachen auszuschließen. Die Lage der Ehefrau ist bei jener Regelung zwar insofern eine günstigere, als die Ehefrau bis dahin, daß der Ehemann über die fraglichen Sachen verfügt hat, Eigenthümerin der letzteren bleibt und deshalb das Anfechtungsrecht der Gläubiger des Ehemannes ausgeschlossen ist, wenn der letztere z. B. das zum Ehegute gehörende Geld, statt über dasselbe für sich zu verfügen, für die Ehefrau belegt. Allein, sobald der Ehemann von seinem Rechte, über die Sachen für sich zu ver­ fügen, Gebrauch gemacht hat, ist die Sachlage dieselbe und ist die Ehefrau in demselben Maße, wie bei der Anwendung der Grundsätze über den Nießbrauch an verbrauchbaren Sachen, gefährdet, falls man ihr, was aus dem oben S. 194 13*

196

Nutznießung des Ehegutcs.

Verbrauchbare Sachen.

§ 1294.

dargelegten Gründen, nicht zu vermeiden ist, das Recht auf Sicherheitsleistung nach Maßgabe des § 1020 versagt. Die mit der Ausdehnung des im Satz 2 bezeichneten Verfügungsrechtes des Ehemannes auf verbrauchbare Ehe­ gutssachen im weiteren Sinne für die Ehefrau verbundenen Gefahren würden,

soviel das praktisch hauptsächlich in Betracht kommende Geld betrifft, zwar einigermaßen vermindert werden, sofern man etwa in Annäherung an die Bestimmungen des preuß. A. L. R. II, 1 §§ 233—238 die Vorschriften der §§ 1033, 1034 auf solche Forderungen, welche mit einer Hypothek verbunden sind, sowie auf Grundschulden und. Eigenthümcrhypotheken auch dann für

anwendbar erklärte, wenn dieselben nicht verzinslich sind (vergl. § 1035). In­ dessen beseitigt werden dadurch die der Ehefrau drohenden Gefahren nicht; denn einestheils würde dem Ehemanne das Verfügungsrecht über diejenigen Gelder bleiben, welche er nach Maßgabe des § 1028 auf Grund nicht ver­ zinslicher und nicht durch Hypothek gesicherter Forderungen erhoben hätte. Der Betrag solcher Forderungen kann aber unter Umständen, z. B. bei Forde­ rungen auf rückständige Kaufgelder, aus Schenkungen und Vermächtnissen, aus Wechseln und anderen Ordrepapieren, ein sehr erheblicher sein. Andererseits sind die Fälle nicht selten, in welchen überhaupt nicht durch Einziehung von Forderungen, sondern auf andere Weise, z. B. durch die der Ehefrau mit­ gegebene Aussteuer, durch Schenkung oder Erbfolge, baarcs Geld Bestandtheil des Ehegutes wird. Ein Bedürfniß, dem Ehemanne das Recht, über das zum Ehegute gehörende Geld innerhalb gewisser Grenzen für sich zu verfügen, um deswillen einzuräumen, weil man sonst den Anforderungen des Lebens nicht gerecht werde und die Stellung des Ehemannes als des Hauptes der ehelichen Gemeinschaft zu erschüttern drohe, kann um so weniger anerkannt werden, als der § 1335 Abs. 2 den Ehegatten die Möglichkeit giebt, durch formlosen Ver­ trag auch in Ansehung der Ehegutsgelder ein den Bestimmungen des § 1294 Satz 2, 3 entsprechendes Verhältniß herzustellen, und als in vielen Fällen, in welchen der Ehemann über kleinere zum Ehegute gehörende Geldbeträge für sich verfügt, nach Lage der Sache eine stillschweigende Einwilligung der Ehe­ frau angenommen werden kann, daß der Ehemann jene Beträge für sich ver­ wende und erst nach Beendigung der ehelichen Nutznießung und Verwaltung restituire. Forderungen Die Ausschließung der Vorschriften über den Nießbrauch an verbrauch"oerbrauch-^ baren Sachen von der Anwendung auf die zum Ehegute gehörenden verbrauch­

baren Sachen muß konsequent dahin führen, auch die Vorschriften des § 1029Abs. 3 und des § 1030 über den Nießbrauch an Forderungen auf Leistung verbrauchbarer Sachen von der Anwendung auf die eheliche Nutznießung an derartigen Forderungen auszuschließen. Eheliche NutzIn Uebereinstimmung mit den neueren Kodifikationen sind besondere Beincma"nE5' geltend machen, es könne, soviel den Schutz gutgläubiger Dritter betrifft, welche sich im Vertrauen auf die durch die Todeserklärung begründete Ver­

muthung auf Rechtsgeschäfte mit der Ehefrau in Ansehung des Ehegutes ein­ gelassen haben, darauf vertraut werden, daß Wissenschaft und Praxis das dem § 2090 zu Grunde liegende Prinzip im Wege der Analogie auch auf den hier fraglichen Fall anwenden werde. Auf der anderen Seite kommt jedoch in Betracht, daß den hier in Rede stehenden Fragen immerhin eine gewisse praktische Wichtigkeit nicht abzusprcchen ist, daß ferner die analoge Anwend­ barkeit des § 2090 auf den hier fraglichen Fall sich bestreiten läßt, aber auch, abgesehen davon, aus der Anwendung der allgemeinen Grundsätze über die Wirkung der Todeserklärung vielfache Verwickelungen sich ergeben, wenn der für todt erklärte Ehemann demnächst zurückkehrt oder nachgewiesen wird, daß er erst nach der Todeserklärung gestorben ist. Dieser letztere Gesichtspunkt spricht dafür, sich nicht blos auf eine Bestimmung zum Schutze des guten Glaubens Dritter zu beschränken, welche nach der Todeserklärung sich mit der Ehefrau auf Rechtsgeschäfte und Rechtsstreitigkeiten eingelassen haben, sondern mit der Erlassung des Urtheiles, durch welches der Ehemann für todt erklärt ist, die Beendigung der ehelichen Nutznießung und Verwaltung eintreten zu lassen. Diese Abweichung von der Regel des § 21 Abs. 1 läßt sich aber auch prinzipiell von dem Gesichtspunkte aus rechtfertigen, daß die eheliche Nutz­ nießung und Verwaltung ein Korrelat der dem Ehemanne obliegenden Pflichten bildet, welche er im Falle der Verschollenheit nicht erfüllt. Auf ähnlichen Er­ wägungen beruht die Bestimmung des § 1328 Nr. 3, daß die Ehefrau die Aufhebung der ehelichen Nutznießung und Verwaltung sogar schon dann zu verlangen berechtigt sein soll, wenn ein Abwesenheitspfleger für den Ehemann

294

Beendigung der ehel. Nutznießung und Verwaltung.

§ 1327.

bestellt und eine Aussicht auf baldige Aufhebung der Pflegschaft nicht vorhanden ist. Dem Interesse des Ehemannes wird in ausreichendem Maße dadurch Rechnung getragen, daß er, wenn er zurückkehrt und die Ehe nicht etwa in anderer Art, sei es durch Eingehung einer anderen Ehe von Seiten der Ehefrau (§ 1464) oder durch den Tod der letzteren, aufgelöst ist, nach Maßgabe der §§ 1331, 1332 die Wiederherstellung der ehelichen Nutznießung und Verwaltung zu verlangen berechtigt ist. Auf diesem Wege wird das hier in Rede stehende

Verhältniß in einer einfachen Art und für die meisten Fälle ohne jede Härte geregelt. Diese Art der Regelung bietet insbesondere auch den nicht zu unter­ schätzenden Vortheil, 'daß für den Grundbuchverkehr eine klare gesetzliche Vor­ schrift gewonnen wird und sonst etwa nöthig werdende künstliche Vorschriften der Grundbuchordnung entbehrlich werden, durch welche der Ehefrau grundbuch­ mäßige Verfügungen ermöglicht werden müßten. Anfechtung Eine besondere gesetzliche Entscheidung der Frage, welchen Einfluß es «»ärung^ auf die eheliche Nutznießung und Verwaltung hat, wenn die Todeserklärung in Folge einer Anfechtungsklage aufgehoben wird, ist bei der großen Seltenheit des Falles nicht als geboten zu erachten, sondern kann an der Hand der allgemeinen Grundsätze, insbesondere des § 22, füglich der Jurisprudenz über-

lasfen werden. Ebensowenig ist ein Bedürfniß vorhanden, den Fall besonders zu berückuriunbe. sichtigen, wenn der auf Grund einer falschen, d. h. materiell unrichtigen Sterbeurkunde für todt gehaltene Ehemann noch lebt oder zu einer späteren Zeit, als der angenommenen, verstorben ist, da Fälle der Art selten sind. Eine Gleichstellung dieses Falles mit dem der Todeserklärung würde auch schon ails dem Grunde nicht angängig sein, weil die Eintragung in das Stcrberegister bezw. die Ausstellung des Sterbeattestes nicht mit ähnlichen Kautelen umgeben ist, ivie die gerichtliche Todeserklärung im Interesse des Verschollenen. Beendigung VII. Die Zulässigkeit einer Beendigung der ehelichen Nutznießung und vertrag. Verwaltung durch Ehevertrag (§ 1327 Nr. 4) ergiebt sich aus dem im § 1333 anerkannten Grundsätze der Vertragsfreiheit der Ehegatten. Die Gründe, aus welchen der Entwurf von diesem Grundsätze auch während bestehender Ehe keine Ausnahme macht, sind in den Motiven zu § 1333 dargelegt. Ein solcher die Beendigung der ehelichen Nutznießung und Verwaltung bestimmender Ehevertrag unterliegt zu Gunsten der Gläubiger des Ehemannes der Anfechtung nach Maßgabe des § 25 Nr. 2 der Äons. O. und des § 3 Nr. 4 des R. Ges. v. 21. Juli 1879. Dies gilt nicht nur in Ansehung der auf Grund eines solchen Ehevertrages erfolgten Erfüllung derjenigen Verbindlichkeiten, welche der Ehemann wegen der ehelichen Nutznießung und Verwaltung erst nach deren Beendigung zu er­ füllen verpflichtet ist (vergl. §§ 1294, 1295 nebst Motiven zu § 1295 oben S. 198), sondern auch in Ansehung der auf Grund des Ehevertragcs erfolgten Naturalrestitution des Ehegutes wegen der von der Ehefrau seit der Rückgewähr aus dem Ehegute bezogenen Früchte. Einseitiger VIII. Die Beendigung der ehelichen Nutznießung und Verwaltung durch Ehemanne? einseitigen Verzicht des Ehemannes wird nach gemeinem deutschen Rechte nicht Unrichtige

für zulässig gehalten.

Auf demselben Boden steht das sächs. G. B. § 1686.

Beendigung der ehel. Nutznießung rc. auf Verlangen der Ehefrau. § 1328.

295

Die übrigen neueren Gesetzgebungen, insbesondere auch das preuß. A. L. R., enthalten in der hier fraglichen Hinsicht keine ausdrücklichen Bestimmungen (vergl. jedoch A. L. R. II, 1 §§ 208, 251). Der Entwurf schließt sich der Auffastung des sächs. G. B. an. Die Gründe, auf welchen die Zulässigkeit eines einseitigen Verzichtes auf den Nießbrauch beruht (§§ 1015, 1016), treffen bei der ehelichen Nutznießung und Verwaltung nicht zu, da die letztere nicht lediglich int einseitigen Interesse des Ehemannes, sondert: im Jntereffe der ehelichen Gemeinschaft von dem Gesetze bestimmt ist, und daher auch die Ehefrau, namentlich wegen der mit der ehelichen Nutznießung verbundenen Verwaltungspflicht des Ehemannes, ein Recht auf die Fortdauer des durch die eheliche Nutznießung und Vcrivaltung begründetet: gegenseitigen Rechtsverhältniffes hat. Für den Ehemann kann aus der Unzulässigkeit eines einseitigen Verzichtes, hingesehen auf die nach § 1297 mit der ehelichen Nutznießung und Verwaltung für ihn verbundenen Verpflichtungen, eine unbillige Härte nicht entstehen, da er nach § 1297 Abs. 2 die daselbst im Abs. 1 unter Nr. 4—6 bezeichneten Zinsen, Leistungen und Kosten nur insoweit zu tragen hat, als dieselben den Betrag der Nutzungen nicht übersteigen, welche er aus dem Ehe­ gute gezogen hat oder bei deffen ordnungsmäßiger Verwaltung hätte ziehen können. Die Konsequenz der Zulassung eines einseitigen Verzichtes des Ehe­ mannes würde zudem dahin führet: müssen, dem Ehemanne auch schon bei Eingehung der Ehe die Ausschließung der ehelichen Nutznießung und Ver­ waltung durch einseitige Willenserklärung zu gestatten, was mit dem Grund­ prinzipe des Entwurfes, daß die Ausschließung des gesetzlichen Güterstandes einen Ehevertrag erfordert (§ 1333), nicht im Einklänge stehen würde. IX. Die Bestimmung des Abs. 2 rechtfertigt sich im Hinblicke auf die Nachwirkung, dem Ehemanne nach § 1317 zugewiesene Stellung des Verwalters eines fremden Vermögens durch die Analogie der Verhältnisse.

§ 1328. 1. Wenn der Ehemann die ihm in Ansehung der ehelichen Nutznießung Verletzung dcr und Verwaltung obliegenden Verpflichtungen verletzt hat und eine erhebliche m-nn-obu-Gefährdung der Rechte der Ehefrau für die Zukunft begründet ist, so hat sich die Voraussetzung, unter welcher ihm das Vermögen der Ehefrau überlassen ist, nicht bewährt. Sein eigenes Verhalten hat bewiesen, daß das in ihn ge­ setzte Vertrauen nicht begründet war. Die Ehefrau muß daher in diejenige Lage zurückversetzt werden, in welcher sie sich befand, als sie ihm in der ge­ dachten Voraussetzung ihr Vermögen als Ehegut überlasten hat. Diese Ueberlasiung beruhte zwar nicht auf Rechtsgeschäft, sondert: die eheliche Nutznießung und Verwaltung trat mit der Eheschließung kraft des Gesetzes ein; allein die

gesetzliche Bestimmung selbst beruht auf jener Voraussetzung (vergl. oldenb. Ges. v. 24. April 1873 Art. 11). Zwar ist nach § 1292 verb. §§ 1005, 1006 die Ehefrau in Fällen der hier fraglichen Art berechtigt, dem Ehemanne Sicherheitsleistung zu verlangen oder zu beanspruchen,

auch mit von daß dem Ehemanne die Ausübung der ehelichet: Nutznießung entzogen und für Rechnung des Ehemannes einem von dem Gerichte zu bestellenden Verwalter

296

Beendigung der ehcl. Nutznießung ;c. auf Verlangen der Ehefrau. § 1328.

übertragen werde.

Allein ein solches Recht auf Sicherheitsleistung, auf welches

die Ehefrau nach preuß. A. L. R. II, 1 § 255 für Fälle der hier in Rede stehenden Art beschränkt ist, giebt keine Gewähr gegen künftige Beschädigung des Ehegutes, sondern nur für den Ersatz des dadurch veranlaßten Schadens. Der Ehefrau kann aber nicht zugemuthet werden, sich mit diesem 511 begnügen (vergl. auch Gesetzrev., Pens. XV §§ 206 ff. nebst Motiven S. 172). Ebensowenig kann ihr die Alternative zugemuthet werden, entweder dem Ehe­

manne die eheliche Nutznießung und Verwaltung ferner zu belasten, ob­ wohl das persönliche Vertrauen auf eine dem Gesetze entsprechende Ausübung der ehelichen Nutznießung von Seiten des Ehemannes durch dessen Handlungs­ weise zerstört ist, oder die gerichtliche Sequestration nach Maßgabe des § 1006 zu beantragen, welche sie nöthigt, die Ausübung der ehelichen Nutznießung durch eine ihr fremde Person dulden zu müsten. Auch der Ausweg des sächs.

Vermögens­ verfall des Ehemannes.

G. B. § 1684, welches der Ehefrau, falls der Ehemann ihr Vermögen durch unordentliche Wirthschaft in Gefahr bringt, das Recht beilegt, dem Ehemanne die Verwaltung zu entziehen, den Nießbrauch aber unverändert fortbestehen läßt, empfiehlt sich nicht, selbst wenn man — was jedenfalls nothwendig sein würde — in einem solchen Falle den Nießbrauch dahin modifizirt, daß der letztere dem Ehemanne nur einen Anspruch auf den Reinertrag des Ehegutes gewährt, da eine derartige Regelung künstliche und verwickelte Verhältnisse mit sich bringt, wenn einerseits das Recht des Ehemannes nicht illusorisch, andererseits der Ehefrau die nöthige freie Bewegung in der Verwaltung ge­ währt werden soll. Um so unbedenklicher ist es, der Ehefrau unter den Vor­ aussetzungen des § 1328 Nr. 1 das Recht einzuräumen, die Aufhebung der ehelichen Nutznießung und Verwaltung zu verlangen, als die Ehefrau nach erfolgter Aufhebung auf Grund des § 1330 dem Ehemanne nach Maßgabe des § 1339 einen Beitrag zur Bestreitung der ehelichen Lasten zu gewähren verpflichtet ist. Auch vom Standpunkte der (Staubiger des Ehemannes aus kann in der Bestimmung des § 1328 Nr. 1 keine unbillige, der Tendenz des § 25 Nr. 2 der Konk. O. und des 8 3 Nr. 4 des Reichsgesetzes vom 21. Juli 1879 widersprechende Benachtheiligung derselben gefunden werden. Anlangend die Fassung des § 1328 Nr. 1, so wird dieselbe trotz des Gebrauches des Plurales „Verpflichtungen" keinen Zweifel darüber aufkommen lasten, daß schon die Verletzung einer der in Rede stehenden Verpflichtungen unter Umständen das Recht der Ehefrau, die Aufhebung der ehelichen Nutz­ nießung und Verwaltung zu verlangen, begründen kann; andererseits weist der Plural darauf hin, daß jenes Recht der Ehefrau auch durch das Zu­ sammentreffen mehrerer Pflichtverletzungen begründet werden kann, von denen — für sich allein betrachtet — keine das Recht der Ehefrau zu begründen geeignet sein würde. Durch den Ausdruck „verletzt hat" wird ferner nach dem Sprachgebrauche des Entwurfes (vergl. §§ 56, 710—712, 734—736, 1006) zum klaren Ausdrucke gebracht, daß die Pflichtverletzung auf einem Verschulden des Ehemannes beruhen muß. 2. Der Umstand, daß der Ehemann sein eigenes Vermögen schlecht ver­ waltet oder in Vermögensverfall geräth und dadurch die Erfüllung derjenigen Verbindlichkeiten gegenüber der Ehefrau gefährdet, welche er wegen der ehelichen

Beendigung der ehel. Nutznießung ic. auf Verlangen der Ehefrau. § 1328.

297

Nutznießung und Verwaltung erst nach deren Beendigung zu erfüllen ver­ pflichtet ist (§§ 1294, 1295), soll ebensowenig, wie ein Recht der Ehefrau auf Sicherheitsleistung (§ 1295), ein Recht derselben auf Aufhebung der ehelichen Nutznießung und Verwaltung begründen. Wenngleich, hingesehen lediglich auf das Verhältniß der Ehegatten unter einander, Billigkeitsgründe dafür sprechen, der Ehefrau ein solches Recht beizulegen (vergl. oldenb. Ges. v. 24. April 1873 Art. 11; auch preuß. A. L. R. II, 1 § 255), so würde doch eine solche Bestimmung vom Standpunkte des Interesses der Gläubiger des Ehemannes aus mit der Tendenz des § 25 Nr. 2 der Konk. O. und des 8 3 Nr. 4 des N. Ges. v. 21. Juli 1879 unvereinbar sein und der Ehefrau auf indirektem Wege thatsächlich ein Vorrecht geben, welches ihr von der Konk. O. rechtlich versagt ist. Auf denselben Erwägungen beruht die Be­ stimmung des § 1295, daß in den dort bezeichneten Fällen die Ehefrau auch dann kein Recht auf Sicherheitsleistung haben soll, wenn die Voraussetzungen des 8 1020 vorliegen. 3. Die Bestimmung des 8 1328 Nr. 2 rechtfertigt sich durch den Zweck der ehelichen Nutznießung und Verwaltung, dem Ehemanne aus dem Vermögen

Ehemanne

der Ehefrau einen Beitrag zur Bestreitung der ehelichen Lasten zu gewähren. Die natürliche Auffassung dieses Verhältnisses führt dahin, den Zweck der

pim/

Ueberlassung des Ehegutes an den Ehemann mit dieser Ueberlassung in der Art in Verbindung zu setzen, daß, wenn der Zweck nicht erreicht wird, auch die Ueberlaffung des Ehegutes wegfällt. Es würde unbillig sein, die Ehefrau, wenn der Ehemann ihr und den gemeinschaftlichen Abkömmlingen den er­ forderlichen Unterhalt nicht gewährt und eine erhebliche Gefährdung des Rechtes der Ehefrau oder der Abkömmlinge auf Gewährung des Unterhaltes für die Zukunft zu besorgen ist, darauf zu verweisen, daß sie bezw. die Abkömmlinge gegen den Ehemann auf Gewährung des Unterhaltes klagen können, obwohl ihr eigenes in der Hand des Ehemannes befindliche Vermögen ihr die Mittel zu diesem Unterhalte ohne Schwierigkeiten bieten würde. Die Ehefrau würde, wenn sie einen solchen Fall vorausgesehen hätte, sich durch vertragsmäßige Ausschließung der ehelichen Nutznießung und Verwaltung dagegen gesichert haben. Auf denselben Standpunkt muß sich das Gesetz stellen und die Er­ füllung der dem Ehemanne obliegenden Verpflichtung zur Gewährung des Unterhaltes an die Ehefrau und die gemeinschaftlichen Abkömmlinge unter gewissen Einschränkungen als Voraussetzung des Fortbestandes seines Rechtes behandeln. Derselbe Gedanke liegt dem preuß. A. L. R. II, 1 88 256, 258 zu Grunde (vergl. Entsch. d. R. G. in Civils. I, 55, Urth. d. R. G. bei Gruchot XXX S. 969 ff.). Während jedoch das preuß. A. L. R. das Recht der Ehefrau, ihr Eingebrachtes zurüchufordern, von der Thatsache abhängig macht, daß der Ehemann seiner Verbindlichkeit, der Ehefrau und den mit ihr erzeugten Kindern den nach Verhältniß ihres Standes nöthigen Unterhalt zu gewähren, nicht mehr zu erfüllen vermögend ist, knüpft der Entwurf das Recht der Ehe­ frau, die Aufhebung der ehelichen Nutznießung und Verwaltung zu verlangen, an die Voraussetzung, daß der Ehemann die Verpflichtung, der Ehefrau und den gemeinschaftlichen Abkömmlingen den Unterhalt zu gewähren (88 1280, 1481, 1482), verletzt hat und eine erhebliche Gefährdung des Rechtes der Ehe-

298

Beendigung der ehel. Nutznießung re. auf Verlangen der Ehefrau. § 1328.

frau oder der Abkömmlinge auf Gewährung des Unterhaltes für die Zukunft zu besorgen ist. Da nach den §§ 1280, 1482 weder die Ehefrau noch die Ab­ kömmlinge ein unbedingtes Recht auf Gewährung des standesmäßigen Unter­ haltes gegenüber dem Ehemanne haben, so kann der Fortbestand des ehemänn­ lichen Rechtes nicht davon abhängig gemacht werden, daß der Ehemann ihnen standesmäßigen Unterhalt zu gewähren vermögend ist. Das Gegentheil würde dahin führen, daß die Ehefrau die Aufhebung der ehelichen Nutznießung und Verwaltung auch dann würde verlangen können, wenn die Mittel des Ehemannes einschließlich des Ertrages der ehelichen Nutznießung ohne sein Verschulden nicht ausreichen, der Ehefrau und den Abkömmlingen den standesmäßigen Unterhalt zu gewähren. Dies würde nicht nur eine un­ gerechtfertigte Härte gegen den Ehemann sein, sondern auch der Ehefrau nichts nützen, da sie bei dem vorausgesetzten Unvermögen nun ihrerseits ver­ pflichtet sein würde, den ganzen Ertrag der ehelichen Nutznießung zu ihrem, ihres Ehemannes rind der Abkömmlinge Unterhalt zu verwenden (§§ 1281, 1485). Andererseits darf aber der Ehefrau, auch wenn der Ehemann ihr und den Abkömmlingen standesmäßigen Unterhalt zu gewähren vermögend ist, das Recht, die Aufhebung der ehelichen Nutznießung und Verwaltung zu verlangen, aus den oben hcrvorgehobenen Gesichtspunkten nicht versagt werden, wenn die Voraussetzungen des § 1328 Nr. 2 vorliegen. Macht man mit dem Entwürfe das Recht der Ehefrau, die Aufhebung der ehelichen Nutznießung und Ver­ waltung zu verlangen, davon abhängig, daß der Ehemann die gegenüber der Ehefrau und den gemeinschaftlichen Abkömmlingen ihm obliegende Unterhalts­ pflicht in dem Umfange, wie sie ihm nach den allgemeinen Grundsätzen obliegt, nicht erfüllt, so bedarf es in einer Beziehung für den hier in Rede stehenden Fall einer Modifikation der Unterhaltspflicht. Nach den §§ 1280, 1482 liegt eine Verletzung der dem Ehemanne obliegenden Unterhaltspflicht insoweit nicht vor, als er wegen Unvermögens den Unterhalt überhaupt oder doch den standesgemäßen Unterhalt zu gewähren nicht im Stande ist, und zwar auch dann nicht, wenn der Ertrag der ehelichen Nutznießung an sich zur Gewährung jenes Unterhaltes genügen würde, der Ehemann aber, indem er den Ertrag in anderer Weise für sich verwendet, durch eigene Schuld sich außer Stand gesetzt hat, den Unterhalt zu gewähren, oder so viele Schulden gemacht hat, daß nach Abzug derselben zur Gewährung des Unterhaltes nichts übrig bleibt. Zwar giebt ihm der § 1299 das Recht, der Pfändung der auf Grund der ehe­ lichen Nutznießung von ihm erworbenen Früchte von Seiten seiner Gläubiger zu widersprechen, und damit die Möglichkeit, jene Früchte für den Unterhalt der Ehefrau und der Abkömmlinge zu verwenden. Auch der Ehefrau selbst steht nach § 1299 jenes Widerspruchsrecht zu; allein eine rechtliche Verpflichtung gegenüber der Ehefrau, die, wenn auch von der Pfändung befreiten, Früchte der ehelichen Nutznießung für jenen Unterhalt zu verwenden, besteht für den Ehemann nicht, und bei Beurtheilung der Frage, ob und in welchem Umfange er zur Gewährung des standesmäßigen Unterhaltes verpflichtet ist, kann er nach den §§ 1280, 1482 die Berücksichtigung seiner Schulden verlangen. Nach dem Zwecke der ehelichen Nutznießung muß aber dafür gesorgt werden, daß der Ehefrau die Verwendung des bei ordnnngsmäßiger Verwaltung und

Beendigung der ehel. Nutznießung 2C. auf Verlangen der Ehefrau. § 1328

299

Nutzung des Ehegutes sich ergebenden Reinertrages der ehelichen Nutznießung zu ihrem eigenen Unterhalte, sowie zum Unterhalte ihres Ehemannes und der gemeinschaftlichen Abkömmlinge gesichert wird. Dies geschieht aber in an­ gemessener Weise durch die Zusatzbestimmung im § 1328 Nr. 2, daß bei der Beurtheilung, ob und inwieweit der Ehemann zur Gewährung des Unterhaltes

im Stande ist, jener Reinertrag als ein zur Erfüllung anderweitcr Ver­ pflichtungen des Ehemannes nicht zu verwendendes Einkommen des letzteren angesehen wird. Daraus ergiebt sich, daß, soweit jener Reinertrag reicht, seine Unterhaltspflicht gegenüber der Ehefrau und den Abkömmlingen nach Maßgabe der §§ 1280, 1482, 1483 in der hier fraglichen Beziehung als begründet gilt und er diese Unterhaltspflicht im Sinne des § 1328 Nr. 2 gegenüber der Ehefrau verletzt, wenn er ihr und den Abkömmlingen aus dem Reinerträge der ehelichen Nutznießung den Unterhalt nach Maßgabe jener Be­ stimmungen schuldvoller Weise nicht gewährt. Wie im Falle des § 1328 Nr. 1, kann auch in dem hier fraglichen Falle in dem Rechte der Ehefrau, unter den Voraussetzungen des § 1328 Nr. 2 die Aufhebung der ehelichen Nutznießung und Verwaltung zu verlangen, eine unbillige, mit ber Tendenz des § 25 Nr. 2 der Konk. O. und des § 3 Nr. 4 des R. Ges. v. 21. Juli 1879 im Widersprüche stehende Benachtheiligung der Gläubiger des Ehemannes nicht gefunden werden. Im Wesentlichen auf demselben Standpunkte, wie der Entwurf, steht das oldenb. Ges. v. 24. April 1873 Art. 11, welches das hier in Rede stehende Recht der Ehefrau davon ybhängig macht, daß der Ehemann die Bestreitung der ehelichen Lasten vernachlässigt. Darin weicht jedoch der Entwurf, wie im Falle des § 1328 Nr. 1, so auch hier von dem oldenb. Gesetze ab, daß er es nicht dem Ermessen des Gerichtes überläßt, ob statt der Auf­ hebung der ehelichen Nutznießung und Verwaltung im einzelnen Falle eine weniger einschneidende Sicherheitsmaßregel ergriffen werden soll. Erfolgt auf Verlangen der Ehefrau die Aufhebung der ehelichen Nutznießung und Ver­ waltung, so ist sie nach § 1330 auch in diesem Falle dem Ehemanne einen

angemessenen Beitrag zur Tragung der ehelichen Lasten nach Maßgabe des § 1339, jedoch mit der aus § 1339 Abs. 4 sich ergebenden Modifikation, zu leisten verpflichtet. 4. Wie in den Motiven zu § 1326 bereits hervorgehoben wurde, nimmt Abw-s-nheus die gemeinrechtliche Praxis an, daß das ehemännliche Recht mit dem Zeitpunkte entmünbu aufhört, in welchem der Ehemann durch Abwesenheit oder durch Entmündigung wegen Geisteskrankheit oder Verschwendung unfähig geworden ist, seine Rechte Ehemannes/ in Ansehung des Ehegutes auszuüben. Auf demselben Boden steht auch das oldenb. Ges. v. 24. April 1873 Art. 12 für solche Fälle, in welchen über die

Person des Ehemannes eine Kuratel verhängt wird. Außerdem können nach Art. 11 jenes Gesetzes, wenn eine längere Abwesenheit des Ehemannes cs erforderlich erscheinen läßt, auf Antrag der Ehefrau gerichtliche Maßregeln zur Sicherstellung des eingebrachten Vermögens oder der Verwendung der Aus­ künfte desselben für die ehelichen Lasten angeordnet und nöthigenfalls zu diesem Behufe dem Ehemanne die Rechte am Vermögen der Ehefrau entzogen werden. Dagegen sind nach dem sächs. G. B. (vergl. §§ 1642, 1927) und dem preuß. A. L. R. jene Umstände auf den Fortbestand der ehelichen Nutznießung und

300

Beendigung der chel. Nutznießung re. auf Verlangen der Ehefrau. § 1328.

Verwaltung ohne Einfluß.

Der Entwurf schließt sich dem Gedanken des ge­

meinen Rechtes und des oldenb. Gesetzes im Prinzipe an (§ 1328 Nr. 3, 4). In der Persönlichkeit des Ehemannes und dem persönlichen Verhältniße der Ehegatten liegt der entscheidende Grund, aus welchem das Vermögen der Ehe­ frau dem Ehemanne zur Nutzung und Verwaltung überlaßen wird. Ist der Ehemann nicht mehr im Stande, die Vermögensverwaltung zu führen, so fällt die Voraussetzung weg, von welcher das Gesetz, entsprechend dem ver­

muthlichen Willen der Ehefrau und dem persönlichen Verhältniße unter den Ehegatten, bei der Regelung des ehelichen Güterrechtes ausging. Der Ehefrau kann nicht zugemuthet werden, statt des Ehemannes selbst sich bessert gesetzlichen Vertreter als Verwalter ihres Vermögens gegen ihren Willen aufnöthigen zu laßen; sie muß daher in solchen Fällen berechtigt sein, die Aufhebung der

ehelichen Nutznießung und Verwaltung zu verlangen. Die Beendigung der ehelichen Nutznießung und Verwaltung unter den Voraussetzungen des § 1328 Nr. 3, 4 kraft des Gesetzes eintreten zu lassen, empfiehlt sich nicht, da, ab­ gesehen davon, daß die Voraussetzungen im Falle des § 1328 Nr. 3 mehr oder weniger unbestimmt sind, die Verhältniße so liegen können, daß die Auf­ hebung der ehelichen Nutznießung und Verwaltung und die dadurch nothwendig

werdende vcrmögensrcchtliche Auseinandersetzung unter den Ehegatten dem Willen der Ehefrau nicht entspricht, namentlich ivenn sie selbst zum Vormunde oder Abwesenheitspfleger des Ehemannes bestellt ist (§ 1729 Abs. 4, § 1743). In einzelnen Fallen kann die Aufhebung der ehelichen Nutznießung und Ver-

ivaltung unter den Voraussetzuitgen des § 1328 Nr. 3, 4 allerdings eine Härte gegen den Ehemann enthalten. Entscheidendes Gewicht kann darauf indesien nicht gelegt werden, wenn man den Grund und Zweck der ehelichen Nutz­ nießung und Verwaltung ins Auge faßt, welche nicht lediglich dem einseitigen Interesse des Ehemannes, sondern dem Jntereße der ehelichen Gemeinschaft zu dienen bestimmt ist. Eine unbillige Benachtheiliguug des Ehemannes wird hier, wie in den anderen Fällen des § 1327 Nr. 2—4, dadurch vermieden, daß die Ehefrau einen angemeßenen Beitrag zur Bestreitung der ehelichen Lasten dem Ehemanne zu leisten verpflichtet ist (§§ 1330, 1339) und der Ehemann unter den Voraussetzungen des § 1331 die Wiederherstellung der ehelichen Nutznießung und Verwaltung verlangen kann. Auch gegenüber den Gläubigern des Ehemannes enthält das Recht der Ehefrau, in den Fällen des § 1328 Nr. 3, 4 die Aufhebung der ehelichen Nutznießung und Verwaltttng verlangen zu können, hier so wenig, wie in den Fällen des § 1328 Nr. 1, 2, eine Un­

billigkeit. Die ratio der Bestimmung des § 1328 Nr. 3 scheint dahin zu führen, der Ehefrau das Recht, die Aufhebung der ehelichen Nutznießung und Ver­ waltung zu verlangen, auch dann beizulegen, wenn der Ehemann seit längerer Zeit abwesend ist, die Voraussetzungen einer Abwesenheitspflegschast aber des­ halb nicht vorliegen, weil er zur Besorgung seiner Vermögensangelegenheiten, und insbesondere zur Ausübung der ehelichen Nutznießung und Verwaltung, einen Bevollmächtigten bestellt hat (§ 1740). Eine solche Ausdehnung des Rechtes der Ehefrau würde jedoch in vielen Fällen eine unbillige Härte gegen den Ehemann sein. Die Bestimmung des § 1328 Nr. 3 in der ihr gegebenen

Beendigung der ehcl. Nutznießung rc. auf Verlangen der Ehefrau. § 1328.

301

Begrenzung ist um deswillen weit weniger gefährlich für den Ehemann, weil die Voraussetzungen derselben, nämlich die Anordnung einer generellen, das ganze Vermögen des Ehemannes betreffenden Abwesenheitspflegschaft und die Aussichtslosigkeit einer baldigen Rückkehr des Ehemannes, regelmäßig nur dann vorliegen werden, wenn der letztere verschollen ist. Ein Bedürfniß, die Nr. 1 des § 1328 in der angegebenen Weise zu erweitern, liegt um so weniger vor, als, wenn der Ehemann in Folge längerer Abwesenheit schuldhafter Weise die in Nr. 3 des § 1328 bezeichneten, ihm obliegenden Verpflichtungen verletzt, die Ehefrau auf Grund des § 1328 Nr. 1 die Aufhebung der ehelichen Nutz­ nießung und Verwaltung verlangen, dieselbe gceignetenfalls auch Scheidung wegen böslicher Verlasiung (§ 1443) beantragen kann. Daß der Ehefrau das Recht, die Aufhebung der ehelichen Nutznießung und Verwaltung zu verlangen, nicht auch in dem Falle beigelegt ist, in welchem auf Grund des § 1737 eine vorläufige Vormundschaft über den Ehemann an­ geordnet worden, entspricht dem provisorischen Karakter dieser Vormundschaft. Ebenso kann es als angemessen nicht erachtet werden, in denjenigen Fällen der Ehefrau ein solches Recht einzuräumen, in welchen der Ehemann auf Grund des § 1739 einen Pfleger erhalten hat, da eine solche Pflegschaft häufig nur einen vorübergehenden Karakter hat und zudem von dem Vormundschafts­ gerichte wieder aufzuheben ist, wenn der Pflegebefohlene es beantragt (§ 1748 Abs. 2 Satz 3). Anlangend die Schlußbestimmung in der Nr. 4 des § 1328, so bezweckt M-chtu»g dieselbe, die Härten und Unzuträglichkeiten thunlichst zu vermeiden, welche sich im Hinblicke auf die Bestimmungen des § 1331 ergeben, wenn der Entmündigungs- bewtüfle«. beschluß, welcher nach den §§ 603, 623 der C. P. O. bereits mit der Mit­ theilung an die Vormundschaftsbehörde, bezw. mit der Zustellung an den Entmündigten in Wirksamkeit tritt, im Wege der Anfechtungsklage aufgehoben wird, nachdem auf Grund jenes Beschlusies die Aufhebung der ehelichen Nutz­ nießung und Verwaltung erfolgt ist (§§ 613, 624 der C. P. £>.). Die Vorschrift des § 139 der C. P. O. reicht, abgesehen davon, daß die Anwendbarkeit der­ selben auf den vorliegenden Fall in Zweifel gezogen werden kann, um deswillen nicht aus, weil dieselbe nur bestimmt, daß unter den Voraussetzungen des § 139 das Gericht die Aussetzung anordnen kann. An sich scheint es allerdings die einfachste Lösung der sich darbietenden Schwierigkeiten zu sein, wenn der Ehefrau das Recht, die Aufhebung der ehelichen Nutznießung und Verwaltung auf Grund der Entmündigung des Ehemannes zu verlangen, erst dann gegeben würde, wenn die Frist zur Anfechtung des Entmündigungsbesch luffes im Wege der Anfechtungsklage (§§ 605, 624 der C. P. O.) unbenutzt abgelaufen oder die erhobene Anfechtungsklage rechtskräftig abgewiesen ist. Die Einschlagung dieses Weges ist jedoch bedenklich, weil dadurch das in Rede stehende Recht der Ehefrau für den Fall der Entmündigung des Ehemannes wegen Geisteskrankheit im Hinblicke auf die Bestimmung des § 605 der C. P. O., daß in diesem Falle die Frist zur Erhebung der Anfechtungsklage für den Entmündigten erst mit dem Tage beginnt, an welchem er von der Entmündigung Kenntniß erlangt hat, auf ungewiffe Zeit hinausgeschoben wird, und weil es mit der Tendenz jener Bestimmung, den Entmündigten gegen die aus der Mittheilung des

302

Beend, der ehel. Nutznießung rc. Rückgewähr. Trennung d. Güter. §§1329,1330.

Entmündigungsbeschlusses an ihn seinem Geisteszustände drohenden Gefahren zu schützen, nicht im Einklänge stehen würde, die Ehefrau, um den Ablauf der

Frist herbeizuführen und dadurch das Recht auf Aufhebung der ehelichen Nutz­ nießung und Verwaltung zu erlangen, dahin zu drängen, den entmündigten Ehemann von der erfolgten Entmündigung in Kenntniß zu setzen. Konstitutiver 5. Nach § 1327 Nr. 2 tritt in den Fällen des § 1328, wenn nicht der Äurt“eiie8.e8 Ehemann dem berechtigten Verlangen der Ehefrau dadurch entspricht, daß er mit der Ehefrau einen die Aufhebung der ehelichen Nutznießung und Ver­ waltung bestimmenden Ehevertrag schließt, die Beendigung der ehelichen Nutz­ nießung und Verwaltung mit der Rechtskraft des Urtheiles ein, durch welches die Aufhebung bestimmt wird. Das Urtheil hat in diesen Fällen ausnahms­ weise einen konstitutiven Karakter. Diese Art der Regelung würde im Hin­ blicke auf den § 779 Abs. 1 der C. P. O. an sich nicht unbedingt nöthig sein, sofern man nur in den Fällen des § 1328 der Ehefrau einen Anspruch auf Aufhebung der ehelichen Nutznießung und Verwaltung im Wege eines Ehe­ vertrages geben würde. Jndesien ist der von dem Entwürfe cingeschlagene Weg nicht allein einfacher, sondern im Hinblicke auf die Analogie des Scheidungsurtheiles auch als angcmesiener zu erachten.

§ 1329. Die eilten positiven Karakter an sich tragende, das obligatorische Vcrg-währung hältniß unter den Ehegatten betreffende Bestimmung des § 1329 bezweckt, die bcs Ehogutes. Ehefrau gegen bösen Willen des Ehemannes und gegen die Nachtheile zu schützen, welche ihr aus der Verzögerung drohen, wenn der Ehemann sich in den Fällen des § 1328 der vertragsmäßigen Aufhebung der ehelichen Nutz-

Zeitpunkt siir

nießung und Verwaltung widersetzt und dadurch die Ehefrau nöthigt, ihren berechtigten Anspruch im Wege der Klage durchzusetzen.

§ 1330. Güt-rstaud Die Beendigung der ehelichen Nutznießung und Verwaltung in den bber'l'@üte“"!! Fällen des § 1327 Nr. 2—4 hat nothwendig zur Folge, daß für die Zukunft

unter den Ehegatten Trennung der Güter eiirtritt, sofern nicht durch Ehe­ vertrag etwas Anderes bestimmt ist. Daß für diesen Güterstand die Vor­ schriften der §§ 1339, 1340 maßgebend sein und auch die Bestimmungen der §§ 1336, 1337 entsprechende Anwendung finden sollen (vergl. in dieser Hinsicht, soviel den Fall des § 1327 Nr. 4 betrifft, die Motive zu § 1436), rechtfertigt sich durch die Analogie der Verhältnisse. Durch die Anwendbarkeit des § 1339 insbesondere werden die Härten gemildert, welche unter Umständen die Auf­ hebung der ehelichen Nutznießung und Verwaltung in den Fällen des § 1327 Nr. 2—4 mit sich bringen kann. Ein Bedürfniß, für die Fälle des § 1327 Nr. 3, 4 von der in den §§ 1336, 1337 gedachten Veröffentlichung des Ein­ trittes der Gütertrennung mit Rücksicht darauf abzusehen, daß die öffentliche Bekanntmachung der Konkurseröffnung bezw. die der Todeserklärung voraus­ gehenden öffentlichen Aufrufe einen hinreichenden Ersatz für jene Veröffent­ lichung bieten, liegt nicht vor.

Beendigung d. chel. Nutznießung 2c.

Wiederherstellung.

§§ 1331,1332. •

303

§ 1331. Das dem Ehemanne im § 1331 Abs. 1 beigelegte Recht, unter den dort W>°d-rh°rbezeichneten Voraussetzungen die Wiederherstellung der ehelichen Nutznießung ehcnch"nN>°tz-

und Verwaltung zu verlangen, rechtfertigt sich durch die Erwägung, daß unter jenen Voraussetzungen die Gründe für die Aufhebung der ehelichen Nutznießung und Verwaltung für die Zukunft vollständig weggefallen sind, die eheliche Nutznießung und Verwaltung aber vom Standpunkte des Gesetzes aus die dem ehelichen Verhältnisse am meisten entsprechende Gestaltung des ehelichen Güter­ rechtes ist. Durch die Anerkennung jenes Rechtes des Ehemannes werden außerdem die Härten, welche unter Umständen mit der Aufhebung der ehelichen Nutznießung und Verwaltung in den Fällen des § 1328 Nr. 3, 4 verbunden sein können, wesentlich gemildert (vergl. auch oldenb. Ges. v. 24. April 1873 Art. 11 § 2, Art. 12). Die Befugniß, die Wiederherstellung der ehelichen Nutznießung und Verwaltung zu verlangen, dem Ehemanne auch noch in anderen Fällen, etwa im Falle des § 1327 Nr. 3 dann einzuräumen, wenn er nach Beendigung des Konkursverfahrens wieder zu besseren Vermögensumständen gelangt ist (vergl. preuß. A. L. N. II, 1 §§ 264, 265), ist dagegen als bedenk­ lich erachtet, da sich in diesen anderen Fällen nicht mit Sicherheit feststellen läßt, ob die Gründe der Aufhebung der ehelichen Nutznießung und Verwaltung in der That vollständig weggefallen sind. Das Recht des Ehemannes auf Wiederherstellung der ehelichen Nutz- Präklusivfrist, nießung und Verwaltung an eine Präklusivfrist zu binden, um die Gestaltung des güterrechtlichen Verhältnisses nicht auf unbestimmte Zeit von der Willkür des Ehemannes abhängig zu machen, empfiehlt sich nicht. Eine solche Präklusiv­ frist verträgt sich nicht mit dem Gesichtspunkte, daß das hier fragliche Recht des Ehemannes dem Grundgedanken des gesetzlichen ehelichen Güterrechtes ent­ spricht; dieselbe ist auch durch ein praktisches Bedürfniß nicht geboten, überdies für solche Fälle bedenklich, in welchen zwar die Entmündigung oder Vormund­ schaft wieder aufgehoben, die Gesundheit des Ehemannes aber noch nicht in dem Maße wiederhergestellt ist, daß er vor Ablauf der Präklusivfrist die ordnungs­ mäßige Verwaltung des Vermögens der Ehefrau wieder übernehmen kann. Damit die Ehefrau im Falle der Wiederherstellung der ehelichen Nutznießung und Verwaltung nicht schlechter gestellt wird, als wenn die letztere"" ,rau. niemals aufgehoben worden wäre, bestimmt der § 1331 Abs. 1 Satz 2, daß im Falle der Wiederherstellung derjenige Theil des Vermögens der Ehefrau Vorbehaltsgut wird, welcher, wenn die eheliche Nutznießung und Verwaltung nicht aufgehoben worden wäre, Vorbehaltsgut geblieben oder geworden sein würde. Diese Folge der Wiederherstellung der ehelichen Nutznießung und Ver­ waltung tritt mit der Wiederherstellung kraft des Gesetzes ein. Diese Re­ gelung verdient den Vorzug vor einer solchen Gestaltung, welche der Ehefrau nur einen entsprechenden Anspruch giebt. Dieser letztere Weg würde den auf Wiederherstellung der ehelichen Nutznießung und Verwaltung gerichteten Prozeß kompliziren, da er die Ehefrau nöthigen würde, in jenem Prozesse ihren Anspruch im Wege der Einrede geltend zu machen und zu substantiiren, falls derselbe nicht ausgeschlossen werden soll. Von selbst versteht es sich übrigens.

304

Eheverträge. Begriff. Zulässigkeit. § 1333.

daß die von der Ehefrau bis zur Wiederherstellung der ehelichen Nutznießung und Verwaltung inzwischen eingegangenen Verbindlichkeiten nach den §§ 1311, 1312 unterschiedslos Ehegutsverbindlichkeiten sind, vorbehaltlich der Ausgleichung unter den Ehegatten selbst nach Maßgabe des § 1331 Abs. 1 Satz 2 in Ver­ bindung mit § 1316, sowie vorbehaltlich des aus § 1331 Abs. 2 und § 1329 etwa sich ergebenden Anspruches des Ehemannes gegen die Ehefrau. Zeitpunkt bet1 Nach Abs. 2 tritt die Wiederherstellung der ehelichen Nutznießung und Wieder­ eintritten. Verwaltung, sofern sie nicht durch Ehevertrag erfolgt, mit der Rechtskraft des die Wiederherstellung bestimmenden Urtheiles ein. Einfacher würde es allerdings sein, zu bestimmen, daß die Wiederherstellung durch eine in der Form einer gerichtlichen oder notariellen Urkunde gegenüber der Ehefrau ab­ zugebende Erklärung des Ehemannes erfolgt. Indessen ist diese Art der Regelung um deswillen bedenklich, weil die Wiederherstellung der ehelichen Nutznießung und Verwaltung nicht lediglich von der darauf gerichteten Willenserklärung des Ehemannes, sondern zugleich von anderen, von der Ehefrau vielleicht be­ strittenen Voraussetzungen abhängt. Insbesondere kann der Ehefrau dem An­ sprüche des Ehemannes gegenüber die Einrede zustehen, daß sie aus einem anderen Grunde, als demjenigen, welcher zu der Gütertrennung geführt hat, die definitive Gütertrennung verlangen könne, sei es, daß dieser Anspruch schon zur Zeit der erfolgten Gütertrennung vorhanden gewesen (vergl. z. B- § 1328 Nr. 1) oder erst später eingetreten ist (vergl. § 1327 Nr. 3). Schutz Daß im Falle der Wiederherstellung die Bestimmungen der §§ 1329, des guten 1336, 1337 entsprechende Anwendung finden sollen (§ 1331 Abs. 2 Satz 2), Glaubens u. s. w. rechtfertigt sich durch die Analogie der Verhältnisse.

§ 1332. Wiederherim Falle der

erklllruni

Die Bestimmung des § 1332 beruht auf ähnlichen Erwägungen, wie diejenigen, welche zu den Bestimmungen des § 1331 geführt haben (vergl. die Motive zu § 1331 und zu § 1327 S. 293 ff.).

Dritter Titel.

GHevevLväge. I. Allgemeine Vorschriften. § 1333. Vertrags freiheil.

In Uebereinstimmung mit dem gemeinen Rechte (vergl. Entsch. d. R. G. in Civils. XVI, 27) und den neueren Landesrechten erkennt der § 1333 aus den in der Einleitung zu dem ehelichen Güterrechte oben S. 171 ff. bereits dargelegten Gründen auch auf dem Gebiete des ehelichen Güterrechtes in An­ sehung der Ordnung der vermögensrechtlichen Verhältnisse unter den Ehegatten

Eheverträge. Begriff; Zulässigkeit. § 1333.

305

den Grundsatz' der Vcrtragsfreiheit an, und zwar dahin, daß die Ehegatten »«griff des nicht nur den gesetzlichen Gütcrstand der ehelichen Nutznießung und Ver- ®^”ertrafle8-

waltung modifiziren oder näher bestimmen, sondern auch denselben gänzlich ausschließen und die güterrechtlichen Verhältnisse durch Vertrag selbständig regeln bezw. den gesetzlichen Güterstand nach erfolgter Aenderung oder Aus­ schließung wiederherstellen und den durch Vertrag begründeten Gütcrstand wieder ändern können. Alle Verträge dieser Art, auch diejenigen, durch welche der gesetzliche oder der vertragsmäßig unter den Ehegatten bestehende Güterstand, wenn auch nur in einzelnen Beziehungen, namentlich in Beziehung auf ein­ zelne Vermögensstücke oder Vermögenstheile (vergl. §§ 1286, 1335 Abs. 2, §§ 1346, 1351 Nr. 1, §§ 1413,1416), modifizirt wird, fallen nach § 1333 unter den Begriff des Ehevertrages und unterliegen daher, vorbehaltlich der im § 1335 Abs. 2 bestimmten Ausnahme, der im § 1335 Abs. 1 vorgeschriebenen Form. Selbstverständlich können indcffen durch Ehevertrag solche Bestimmungen nicht getroffen werden, welche entweder nach den allgemeinen Grundsätzen des Gesetzbuches (vergl. insbesondere §§ 105, 106, 344) oder nach den besonderen Vorschriften über Eheverträgc (vergl. § 1334) ausgeschloffen sind (vergl. code civil Art. 1387; Seuffert XIX, 100, XXX, 38). Insbesondere versteht cs sich von selbst, daß gesetzliche Vorschriften, durch welche die Wirkungen der Ehe für das Rechtsverhältniß dritter Personen zu den Ehegatten ohne Rücksicht auf ein bestimmtes eheliches Gütervcrhältniß geregelt sind (vergl. z. B. § 1282), durch Ehevertrag nicht geändert, sowie daß die durch das Gesetz unter gewissen thatsächlichen Voraussetzungen, insbesondere unter der Voraussetzung eines bestimmten unter den Ehegatten bestehenden Güterrechtsverhältnisscs, dritten Personen eingeräumten Rechte (vergl. z. B. §§ 1311, 1359 Abs. 2) beim Vorhandensein jener Voraussetzungen durch Ehevertrag nicht beeinträchtigt werden können. In Uebereinstimmung mit dem gemeinen Rechte und den meisten Landes- Ehe°«rtrsg« rechten, insbesondere auch — von gewissen auf die Gütergemeinschaft sich be- g^oer ziehenden Spezialitäten abgesehen — in Uebereinstimmung mit dem preuß. Rechte (vergl. preuß. A. L. R. II, 1 §§ 215, 251, 252, 354, 355, 412ff.; bayr. L. R. I, 6 8 29; württemb. L. R. III, 8 §§ 2, 3; sächs. G. B. §§ 1691, 1694; oldenb. Ges. v. 24. April 1873 Art. 21), kann nach § 1333 Abs. 2 ein Ehevertrag sowohl vor als nach Eingehung der Ehe geschloffen werden. Der abweichende Standpunkt anderer Rechte, insbesondere des franz. Rechtes und des bad. L. R. (code civil Art. 1394, 1395; bad. L. R. Satz 1394, 1395; vergl. auch Hess. Entw. IV, 2 Art. 437), welche den Abschluß von Ehe­ verträgen während bestehender Ehe für unzulässig erklären, läßt sich durch die bcsoudere Natur des unter den Ehegatten selbst bestehenden Verhältniffes nicht rechtfertigen. Je inniger die durch die Ehe begründete Lebensgemeinschaft ist, um so eher ist es möglich, daß die Ehegatten erst während der Ehe zu der Ansicht gelangen, daß eine andere Ordnung der Vermögensverhältniffe, als die gesetzliche oder als die vor Eingehung der Ehe von ihnen vereinbarte, für sie zweckmäßiger sei. Auch äußere Verhältnisse können eintreten, welche eine Aenderung wünschenswerth erscheinen lassen. Diesen Erwägungen gegenüber kann auf die Möglichkeit eines Mißbrauches der ehelichen Zärtlichkeit oder des Motive

bllrgerl. Gcsetbuch. IV.

20

Eh«.

306

Eheverträge. Begriff; Zulässigkeit. § 1333.

Uebergewichtes des Ehemannes — Gesichtspunkte, auf welchen die Bestimmung des preuß. A. L. R. II, 1 §§ 354, 355 zu beruhen scheint, daß die Güter­ gemeinschaft regelmäßig nur vor Eingehung der Ehe verabredet werden kann — entscheidendes Gewicht nicht gelegt werden, zumal der Entwurf auch die be­ schränkenden Bestimmungen über die Bürgschaften der Ehefrauen und das Verbot der Schenkungen unter Ehegatten beseitigt hat (vergl. die Motive oben Schutz Dritter;

S. 113 ff.). Für die meisten Rechte, welche den Abschluß von Ehevcrträgen während bestehender Ehe nicht zulassen, ist auch weniger die Rücksicht auf die Ehegatten, als die Rücksicht auf die Jntereffen Dritter maßgebend gewesen. Diese letztere Rücksicht hat verschiedene andere Rechte, welche kein entscheidendes Gewicht darauf legen, daß das Verhältniß unter den Ehegatten mit dem Verhältnisse nach außen übereinstimmt, dahin geführt, statt den Abschluß von Eheverträgen während bestehender Ehe auszuschließen, denselben nur die rechtliche Wirksamkeit gegenüber Dritten insoweit zu entziehen, als sie auf eine die Interessen Dritter berührende Aenderung des gesetzlichen Güterrechtes gerichtet sind (vergl. ehrenbreitst. Entw. § 85). Das Hamb. Recht geht in dieser Richtung noch einen Schritt weiter und entzieht allen, auch den vor Eingehung der Ehe ge­ schlossenen Eheverträgen der fraglichen Art die rechtliche Wirksamkeit gegenüber Dritten. Eine derartige Behandlung der Sache ist auch bei den Verhandlungen des 13. deutschen Juristentages lebhaft vertheidigt worden (vergl. Bd. II jener Verh. S. 65 ff.). Die Mehrzahl der hier in Rede stehenden Rechte geht jedoch nicht so weit, sondern beschränkt sich darauf, die Wirksamkeit der Eheverträge gegenüber Dritten von einer öffentlichen Bekanntmachung abhängig zu machen. Auf diesem Standpunkte steht auch der von der 1. und 2. Abtheilung des 13. deutschen Juristentages gefaßte Beschluß (Bd. II S. 137). Für die Entscheidung, ob es zum Schutze der Interessen Dritter in den hier fraglichen Richtungen besonderer Vorschriften bedarf, ist der Inhalt des gesetzlichen ehelichen Güterrechtes von entscheidender Bedeutung. Je nach der Gestaltung des letzteren ist die Rückwirkung, welche dasselbe mittelbar auf die Rechte Dritter hat, eine größere oder geringere. Sie ist sehr erheblich bei der allgemeinen Gütergemeinschaft wegen der Bestimmungen über das Verfügungs­ recht in Ansehung des Gesammtgutes und über die Haftung des letzteren für der beiderseitigen Schulden der Ehegatten. Aehnlich liegt die Sache bei der Mobiliargemeinschaft des franz. Rechtes. Weniger erheblich ist der Einfluß des gesetzlichen Güterrechtes auf das Verhältniß zu Dritten bei der Errungenschaftsgemeinschaft, obwohl auch hier, je nach der Ausbildung, welche dieses System im Einzelnen gefunden hat, die Rückwirkung desselben auf das Verhältniß zu Dritten eine recht bedeutende sein kann. Nur noch in einzelnen Beziehungen tritt eine derartige Rückwirkung bei dem Systeme der ehelichen Nutz­ nießung und Verwaltung ein und sie füllt ganz weg, wo vollständige Güter­ trennung oder Dotalrecht besteht. Dem entsprechend finden sich Vorschriften, welche den Abschluß von Eheverträgen während bestehender Ehe auöschließen oder ihnen die rechtliche Wirksamkeit gegenüber Dritten versagen oder die letztere von einer öffentlichen Bekanntmachung abhängig machen, vorzugsweise und am kon­ sequentesten ausgebildet in den Rechtsgebieten der allgemeinen Gütergemeinschaft

Eheverträge.

Begriff; Zulässigkeit.

§ 1333.

307

und der Mobiliargemeinschaft des franz. Rechtes^). Die übrigen Rechte der partikulären Gütergemeinschaft haben zum Theil derartige Vorschriften aus­ genommen, zum Theil weggelassen. In den auf dem Boden der Verwaltungs­ gemeinschaft und der Gütertrennung stehenden Rechten fehlen sie meistens voll­ ständig, oder es kommen doch nur spezielle Bestimmungen für einzelne Verhältnisse vor. Im Anschlüsse an diese Gestaltung und Entwickelung des bestehenden Rechtes hat auch der Entwurf, da das gesetzliche Güterrecht desselben auf dem Systeme der ehelichen Nutznießung und Verwaltung beruht, besondere Bestimmungen, durch welche die Zulässigkeit von Eheverträgen während bestehender Ehe ausgeschlossen oder denselben die rechtliche Wirksamkeit gegen Dritte versagt oder die letztere ganz allgemein von einer öffentlichen Bekanntmachung abhängig gemacht wird, nicht für erforderlich erachtet, sondern sich zum Schutze der Interessen Dritter auf die Vorschriften der §§ 1336, 1337 beschränkt (vergl. die Motive zu §§ 1336, 1337). Insbesondere fehlt es vom Standpunkte des Entwurfes aus an einem Bedürfniffe, zum Schutze der Gläubiger der Ehegatten die Wirksamkeit der "

Eheverträge in der einen ober, anderen Art weiter zu beschränken. Die be­ sondere Bestimmung des oldenb. Ges. v. 24. April 1873 Art. 20, daß, wenn vorbehaltenes Vermögen in eingebrachtes verwandelt wird, dasselbe auch nachher für alle früheren Verbindlichkeiten der Ehefrau in Anspruch genommen werden kann, verdient keine Billigung. Die Analogie der §§ 1311, 1312, nach welchen die Gläubiger der Ehefrau wegen aller vor Eintritt der ehe­ lichen Nutznießung und Verwaltung entstandenen Verbindlichkeiten der Ehe­ frau die Befriedigung auch aus dem Ehegute ohne Rücksicht auf die eheliche Nutznießung und Verwaltung verlangen können, trifft bei der Umwandlung einzelner Bestandtheile des Vorbehaltsgutes in Ehegut nicht zu. Das Ver­ hältniß ist in diesem Falle kein anderes, als wenn die Ehefrau das Eigen­ thum an einzelnen Bestandtheilen des Vorbehaltsgutes auf ihren Ehemann oder einen Dritten überträgt oder einen gewöhnlichen Nießbrauch an solchen Gegenständen bestellt. Dazu kommt, daß jene Bestimmung des oldenb. Gesetzes ohne weitere besondere Bestimmungen in ihrer Durchführung zu prak­ tischen Schwierigkeiten führen muß. In einem ähnlichen Sinne, wie die gedachte Bestimmung des oldenb. Gesetzes, ist hin und wieder auch die Vor­ schrift des preuß. A. L. R. II, 1 § 252 ausgelegt worden. So verstanden, würde dieselbe über das oldenb. Gesetz hinaus dahin führen, daß andererseits auch eine vertragsmäßige Aufhebung der ehelichen Nutznießung und Ver­ waltung gegenüber den früheren Gläubigern des Ehemannes als nicht erfolgt *) Vergl. insbesondere preuß. A. L. R. II, 1 §§ 412, 413, 419, 422 ff. nebst

dem preuß. Ges.

v.

30. März

1837; brem. Ehepaktenordn.

v.

19. Dezember 1833

§§ 3—5, 7 und brem. Ges. v. 25. Juni 1879 § 22; oldenb. Ges. v. 24. April 1873 Art. 39 § 1, Art. 31 §§ 2, 3; sowie in Ansehung der Ebeverträge der Kaufleute die verschiedenen Eins. Gesetze zum H. G. B.; ferner über die bestrittene, aber in neuerer Zeit

von der Praxis vorwiegend verneinte Frage, ob nach gemeinem Rechte die öffentliche

Bekanntmachung zur Wirksamkeit der die gesetzliche allgemeine Gütergemeinschaft aus­

schließenden oder aufhebenden Verträge gegen Dritte erforderlich ist, Seuffert IX, 170, 171,

XX, 47, 61,

62, IX, 19.

XXVII, 237,

XXXI, 338;

Entsch. d. R. G. in Civils. VI,

3 '

308

Ehevcrträge. Begriff; Zulässigkeit. § 1333.

anzusehcn wäre, dieselben sich mithin an die Nutzungen des umgewandclteir Vermögens noch in dem gleichen Umfange halten könnten, als wenn dasselbe noch eingcbrachtcs Vermögen wäre. Eine derartige Bestimmung ist indessen ebensowenig gerechtfertigt, wie die gedachte Bestimmung des oldenb. Gesetzes.

Die eheliche Nutznießung und Verwaltung ist, wie sich namentlich aus den Bestimmungen der §§ 1298, 1299 ergiebt, nicht dazu bestimmt, den Gläubigern des Ehemannes als Kreditbasis zu dienen. Wie andere Bestandtheile des Vermögens des Ehemannes, wenn sie aus diesem Vermögen ausgeschieden sind, den Gläubigern des Ehemannes nicht mehr haften, so unterliegen auch

die Nutzungen des Ehegutes dieser Haftung nicht mehr, soweit die eheliche Nutznießung und Verwaltung weggefallen ist. Gegen die Gefahren, welche den Gläubigern des Ehemannes aus der Aufhebung der ehelichen Nutznießung und Verwaltung durch Ehevertrag während bestehender Ehe im Hinblicke auf die Nutzungen des Ehcgutcs, insbesondere aber im Hinblicke auf die Erfüllung, solcher Verbindlichkeiten des Ehemannes gegenüber der Ehefrau erwachsen können, welche der Ehemann wegen der ehelichen Nutznießung und Verwaltung erst nach deren Beendigung zu erfüllen verpflichtet ist, sind die Gläubiger des Ehemannes durch die Vorschriften des § 25 Nr. 2 der Konk. O. und des § 3 Nr. 4 des R. Ges. v. 21. Juli 1879 ausreichend geschützt. Aushebung Zweifelhaft kann es sein, ob es sich nicht zum Schutze der Interessen “runoeT Dritter empfehlen würde, von der Regel des § 1333 Abs. 2, daß ein Ehe-

Etergemem- vertrag auch nach Eingehung der Ehe geschlossen werden kann, für solche Ehcvertrag^ Eheverträge eine Ausnahme zu machen, welche auf die Aufhebung oder Aenderung der allgemeinen Gütergemeinschaft oder der Errungenschafts­ gemeinschaft oder der Gemeinschaft des beweglichen Vermögens und der Errungenschaft gerichtet sind. Gegen eine solche Ausnahme kann aller­ dings bei einer praktisch so wichtigen Frage, wie der vorliegenden, auf den Gesichtspunkt, daß cs sich vom Standpunkte des Entwurfes aus nicht um die Aufhebung einer auf Gesetz, sondern um die Aufhebung einer auf Vertrag beruhenden Gütergemeinschaft handelt und für diesen Fall auch bo§ bestehende Recht überwiegend die Aufhebung der Gütergemeinschaft während bestehender Ehe durch Ehcvertrag zuläßt (vergl. insbesondere preuß. A. L. R. II, 1 § 419; oldenb. Ges. v. 24. April 1873 Art. 27 § 1, Art. 31 § 3), für sich allein entscheidendes Gewicht nicht gelegt werden, zumal die Vorschriften des Gesetzbuches über die vertragsmäßige Gütergemeinschaft hervorragend dazu bestimmt sind, in denjenigen Gebieten, in welchen gegenwärtig Gütergemein­ schaft kraft des Gesetzes besteht, die letztere möglichst zu ersetzen, nach dem zur Zeit in großen Rechtsgebieien geltenden Rechte aber, insbesondere nach franz. Rechte und — wenigstens für die Regel — auch nach dem preuß. A. L. R. (vergl. code civil Art. 1394, 1395; preuß. A. L. R. II, 1 §§ 412 ff.) die gesetz­ liche Gütergemeinschaft während des Bestehens der Ehe durch Ehevertrag nicht ausgeschlossen werden kann. Entscheidend ist aber die Erwägung, daß aus den oben S. 305 ff. dargelegten Gründen das Jntcresie der Ehegatten die Zulässig­ keit der Aufhebung der Gütergemeinschaft dringend erheischt. Diesem Jntcresie der Ehegatten muß die Rücksicht auf die Verkehrssicherheit, insbesondere die Rücksicht auf die Gläubiger des Ehemannes, nachstehen. Dem Interesse Dritter

Ehevecträge. Zulässigkeit; Beschränkung. § 1334.

309

wird auch in der hier fraglichen Beziehung durch die Vorschriften der §§ 1336, 1337 in genügender Weise Rechnung getragen. Wegen der speziellen Frage, ob und inwieweit ein Bedürfniß anzuerkennen ist, wenigstens in dem Falle, wenn der vertragsmäßige Gütcrstand der Gütergemeinschaft nach Maßgabe der Vorschriften der §§ 1435—1437 veröffentlicht war, zu Gunsten der Gläubiger des einen oder anderen Ehegatten einen über die Vorschriften des § 1336 hinausgehendcn Schutz eintreten zu lassen, wird auf die Motive zu § 1336

Bezug genommen. Im Anschlüße an das preuß. A. L. R. — abweichend vom code civil Vertrag- der Art. 1388 und dem sächs. G. B. § 1692 — sind in den Entwurf besondere üb-r?hr"p«rBestimmungcn über Verträge der Ehegatten, welche deren persönliche Verhält-

nisse unter einander regeln, nicht ausgenommen. Es genügen in dieser Be­ ziehung die allgemeinen Grundsätze des Gesetzbuches, insbesondere die Vorschrift des § 106 in Verbindung mit der Erwägung, daß das Institut der Ehe ein Institut der öffentlichen Ordnung ist. Daraus ergiebt sich von selbst, daß jede Vcrtragsbestimmung, welche nach dem ganzen Sinne und Zwecke des Gesetzes gegen das familienrechtlichc Verhältniß der Ehe und damit gegen die öffentliche Ordnung verstößt, nach Maßgabe des § 106 nichtig ist. Daß in denjenigen Fällen, in welchen eine anfechtbare Ehe als nicht unwirksam­ geschlossen anzusehen ist (§ 1260 Abs. 2), auch der Ehevertrag unwirksam ist, XrtragcAm’

weil derselbe das Bestehen einer Ehe voraussetzt (sächs. G. B. § 1706), versteht A^k-u sich von selbst. Es finden in einem solchen Falle, soviel die Folgen der Un-Eh-. Wirksamkeit des Ehevcrtrages betrifft, vorbehaltlich der Bestimmungen des § 1270 Verb, mit den §§ 1257, 1258, die allgemeinen Grundsätze über die Vindikation, über die Kondiktion, über den Auftrag und die Geschäftsführung ohne Auftrag Anwendung. Dasselbe gilt, wenn die Ehe nichtig ist (§§ 1252, 1257, 1258). Auch die bestehenden Rechte enthalten in dieser Hinsicht be­ sondere Bestimmungen nicht. Wird dagegen die Ehe geschieden, so behält der Ehevertrag in Gemäßheit allgemeiner Grundsätze die Wirksamkeit, welche er bis zur Scheidung hatte, in vollem Umfange und hört die Wirksamkeit des­ selben mit der Rechtskraft des Urtheiles nur für die Zukunft auf (§§ 1452, 1371 Nr. 1, § 1429 Abs. 1, § 1431 Abs. 1). Die Gründe, welche den Entwurf bestimmt haben, es in dieser Hinsicht auch bezüglich des Gütergemeinschafts­ vertrages — abweichend von einem Theile des bestehenden Rechtes — bei den allgemeinen Grundsätzen bewenden zu lasten, sind in den Motiven zu § 1452 bargelegt.

§ 1334. Die an ähnliche Vorschriften des code civil Art. 1390 und der oldenb. B-zugnahmGesetze v. 24. April 1873 Art. 23 und v. 10. Januar 1879 Art. 22 sich an- m-hrg.n-nfchließende Bestimmung des § 1334 Abs. 1, daß der eheliche Güterstand in bcä «We­ bern Ehevertrage nicht durch Bezugnahme auf ein nicht mehr geltendes Gesetz bestimmt werden kann (vergl. auch hest. Entw. IV, 2 Art. 438, ehrenbreitst.

Entw. § 84), bezweckt, im Interesse der Rechtssicherheit den großen Uebel­ ständen entgegcnzutreten, welche ohne jene Bestimmung aus dem Grundsätze

310

Ehevcrträgc. Zulässigkeit; Beschränkung. § 1334.

der Vertragsfreiheit der Ehegatten auf dem Gebiete des ehelichen Güterrcchtes zu entstehen drohen. Ohne eine solche Bestimmung würde zu besorgen sein, daß die Anhänglichkeit an das bisherige Recht und die Macht der Gewohnheit häufig zu Eheverträgen führen würde, in welchen der eheliche Güterstand ein­ fach durch Bezugnahme auf das bisherige Recht bestimmt wird. Eine solche Bestimmung würde häufig schon deshalb sich als ungültig darstellen, weil in dem bisherigen Rechte Rechtsformen vorkommen, welche nach beit allgemeinen Grundsätzen des Gesetzbuches durch Vertrag unter den Ehegatten überhaupt nicht hergestellt werden können. Aber auch abgesehen davon würde durch die Zulässigkeit der Bezugnahme auf ein nicht mehr geltendes Gesetz die jetzt bestehende Verschiedenheit und Unsicherheit des ehelichen Güterrechtes in einer anderen Form erhalten und die Unsicherheit um so größer werden, je mehr mit dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes die praktische Handhabung und Kenntniß des bisherigen Rechtes und die das letztere häufig ergänzende Sitte und Gewohnheit schwindet. Bezugnahme Zweifelhafter kann es sein, ob auch die weitere Vorschrift des § 1334 "ländisches^ sich empfiehlt, welche die vertragsmäßige Bestimmung des ehelichen GüterBesetz.

standes durch Bezugnahme auf ein ausländisches Gesetz verbietet. Gegen diese Ausdehnung des Verbotes kann namentlich eingewendet werden, daß dadurch den berechtigten Interessen der Ausländer, welche im Jnlande ihren Wohnsitz

haben, zu nahe getreten werde. Jndcsien ist dieses Bedenken doch nur dann begründet, wenn man von der Voraussetzung ausgeht, daß nach den Grund­ sätzen des internationalen Privatrechtes Ausländer, welche im Jnlande ihren Wohnsitz haben, nicht dem ehelichen Gütcrrechte desjenigen Staates, welchem sie angehören, sondern dem ehelichen Gütcrrechte ihres Wohnsitzes unterworfen sind. Andererseits läßt sich nicht verkennen, daß diejenigen Bedenken, welche oben gegen die Zulässigkeit der Bezugnahme auf ein nicht mehr geltendes Gesetz erhoben worden sind, zum Theil auch gegen die Zulässigkeit einer Bezugnahme auf ein ausländisches Gesetz sprechen. Zudem könnte ohne die hier fragliche Bestimmung in denjenigen Theilen Deutschlands, in welchen jetzt franz. Recht gilt, das Verbot der Bezugnahme auf ein nicht mehr gellendes Gesetz umgangen werden. Selbstverständlich ist cs übrigens den Ehegatten durch den § 1334 Abs. 1 nicht verwehrt, ihren Güterstand nach Maßgabe des materiellen Inhaltes eines fremden Rechtes durch Ehevertrag zu regeln, soweit dies mit den allgemeinen Grundsätzen des Gesetzbuches vereinbar ist. Nur die allgemeine Bezugnahme auf ein ausländisches Gesetz in Eheverträgen ist durch Ausnahme zu

deutscherem

lebender^Ehe-

gatten.

den § 1334 Abs. 1 ausgeschlossen. Von der Regel des § 1334 Abs. 1 macht jedoch der zweite Absatz zu Gunsten deutscher Ehegatten für den Fall eine Ausnahme, daß der Ehemann 8ur 3(it der Schließung des Ehcvcrtrages oder, wenn der Ehevertrag vor Eingehung der Ehe geschloffen wird, zur Zeit der Eingehung der Ehe seinen Wohnsitz

im Auslande hat. Da die Ehegatten in solchen Fällen ihre Verkehrs­ beziehungen dauernd im Auslande haben, so ist es durch die Rücksicht auf das Jnteresie der Ehegatten geboten, denselben die Möglichkeit zu gewähren, einen durch das an ihrem Wohnsitze geltende ausländische Gesetz geregelten ehelichen Güterstand durch Bezugnahme auf dieses Gesetz als vertragsmäßigen ehelichen

Ehevcrträgc.

Form.

§ 1335.

311

Güterstand wirksam zu bestimmen. Um den beabsichtigten Zweck zu erreichen, genügt es indessen nicht, nur die Anwendung der Vorschrift des § 1334 Abs. 1 in den in Rede stehenden Fällen auszuschließen, vielmehr muß man — in Ab­ weichung von der weiteren Regel, daß in Ermangelung einer besonderen Vor­ schrift auch durch Ehevertrag nichts vereinbart werden kann, was nicht nach

Maßgabe der allgemeinen Grundsätze durch Vertrag bestimmt werden kann, — den Ehegatten gestatten, das an ihrem Wohnsitze geltende ausländische eheliche

Güterrecht in seinem vollen Umfange, auch in Ansehung solcher einen Bestand­ theil jenes Rechtes bildenden Vorschriften, welche mit zwingenden Vorschriften des. deutschen Rechtes in Widerspruch stehen, durch Ehevertrag als vertrags­

mäßiges Güterrecht zu vereinbaren. Wenngleich die Vorschrift des § 1334 Abs. 2 ihre Hauptbedeutung unter der Voraussetzung hat, daß das eheliche Güterrecht sich nach den Gesetzen des Staates bestimmt, welchem der Ehemann zur Zeit der Eheschließung angehört, so kann dieselbe doch auch dann, wenn man das Recht des Wohnsitzes als maßgebend ansieht, in gewissen Fällen sich als praktisch erweisen, namentlich in solchen Fällen, in welchen das ausländische, am Wohnsitze der deutschen Ehegatten geltende Recht vorschreibt, daß das eheliche Güterrecht sich nach den Gesetzen des Staates richtet, welchem der Ehemann angehört.

§ 1335. Abweichend vom gemeinen Rechte, dem württemb. Rechte, dem sächs. G. B. 8°rm d-r (vergl. jedoch §§ 1704, 1705 das.) und von den in verschiedenen kleineren Rechts- G^DCttraae' gebieten geltenden Landesrechten ist in den meisten Rechtsgebietcn für die Abschließung von Eheverträgen theils allgemein, theils für gewisse Eheverträge, namentlich für solche, durch welche die Gütergemeinschaft eingeführt oder der gesetzliche Güterstand der Gütergemeinschaft ausgeschloffen werden soll, die

Beobachtung einer bestimmten Form vorgeschrieben, wie die Zuziehung von Zeugen, schriftliche Errichtung, gerichtliche oder notarielle Form oder gerichtliche Bestätigung. Gerichtliche bezw. notarielle Form oder die eine oder andere ist namentlich erforderlich nach dem bayr. L. R. I, 6 8 29 Derb, mit dem bayr. Notariatsges. v. 10. November 1861, nach dem preuß. Rechte (vergl. preuß. A. L. R. II, 1 §§ 209, 215, 82 ff., 198 ff., 356, 419, Ges. v. 20. März 1837 §§ 1—4, Ges. v. 1. März 1869), nach franz. Rechte und dem bad. L. R. (code civil Art. 1394, 1395, bad. L. R. Satz 1394, 1395), sowie nach den oldenb. Gesetzen v. 24. April 1873 Art. 21 und v. 10. Januar 1879 Art. 20 (vergl. auch den ehrenbreitst. Entw. § 86). Die im § 1335 Abs. 1 zur Gültigkeit des Ehevertrages vorgeschricbene gerichtliche oder notarielle Form rechtfertigt sich im Jntereffe der öffentlichen Rechtssicherheit und durch die große Wichtigkeit der hier in Betracht kommenden Verträge, welche auf lange Zeit berechnet und nicht nur für das Verhältniß der Ehegatten unter einander, sondern in der Regel auch für das Verhältniß derselben zu Dritten von ticfeingreifender Bedeutung sind (vergl. auch § 350 Abs. 2). Nach dem Sprachgcbrauche des Gesetzbuches hat übrigens die gerichtliche oder notarielle Form im Gegensatze zu einer solchen Vorschrift, welche den

312

Eheverträge.

Form.

§ 1335.

Abschluß eines Vertrages „vor Gericht oder Notar" bestimmt, nicht den Sinn,

daß die Willenserklärung der Ehegatten bei gleichzeitiger Anwesenheit derselben vor Gericht oder Notar mündlich abgegeben werden muß (vcrgl. §§ 868, 1616); vielmehr kann jeder der Ehegatten seine Willenserklärung für sich vor Gericht oder Notar abgeben und ein Austausch dieser einseitig erfolgten Willens­ erklärungen ohne eine Mitwirkung des Gerichtes oder Notares zur gültigen Schließung des Vertrages nach den allgemeinen Grundsätzen über das Zustande­ kommen der Verträge ausreichen. Den Abschluß der Ehevertrügc durch die Vorschrift, daß dieselben vor Gericht oder Notar geschloffen werden müsien, zu

erschweren, ist durch ein Bedürfniß nicht geboten. Dagegen kann es zweifelhaft sein, ob es nicht mit Rücksicht auf diejenigen Theile Deutschlands, in welchen gegenwärtig einer der im Gesetzbuchs: speziell geregelten vertragsmäßigen Güterstände das gesetzliche Güterrecht bildet, und im Hinblicke auf den Zweck, welchen das Gesetzbuch durch die Regelung jener Güterstände hauptsächlich anstrebt, angemeffen sein würde, die Abschlicßung solcher Eheverträge, durch welche einer der in dem Gesetzbuchs geregelten vertragsmäßigen Güterstände vereinbart wird, in der Art zu erleichtern, daß jene Eheverträge bei der Eheschließung auch vor dem bei der letzteren mit­ wirkenden Standesbeamten geschloffen werden können. Die gegen eine solche Bestimmung sprechenden Gründe sind jedoch als überwiegend zu erachten. Es handelt sich hier gerade um die wichtigsten und die einschneidendsten Ehe­ verträge, bei welchen die Vertragschließenden am meisten der Belehrung und Berathung durch das Gericht oder den Notar bedürfen. Die Standesbeamten können gewöhnlich und in den meisten Gebieten vermöge ihrer Kenntniffe und Erfahrung solche Belehrung nicht ertheilen. Dazu kommt, daß eine Bestimmung der fraglichen Art dem geltenden Rechte gegenüber sich als eine wesentliche Neuerung darstellen und insbesondere für solche Gebiete, in welchen gegenwärtig die Vcrwaltungsgemeinschaft das gesetzliche Güterrecht bildet, hingesehen namentlich auf den Ehevertrag, durch welchen die auch mit wichtigen erbrecht­ lichen Wirkungen verbundene allgemeine Gütergemeinschaft eingeführt wird (vergl. §§ 1384 ff.), in hohem Grade bedenklich sein würde. Auch hat die Erfahrung nicht gezeigt, daß in denjenigen Gebieten, in welchen gegenwärtig gerichtliche oder notarielle Form erforderlich ist, diese Formvorschrift den Abschluß von Eheverträgen in nachhaltiger Weise hemmt oder mindert. Der § 1335 Abs. 2 bestimmt für den dort bezeichneten speziellen Vertrag vorschnst."" eine Ausnahme von der im Abs. 1 des § 1335 enthaltenen Formvorschrift. Ausnahme

Diese Ausnahme ist durch ein dringendes praktisches Bedürfniß geboten. Solche Verträge werden, namentlich im Hinblicke auf die Bestimmung des § 1294 Satz 1, auch künftig häufig vorkommen, vielleicht sogar die Regel bilden, ohne daß die Ehegatten an die Beobachtung der im § 1335 Abs. 1 vorgeschriebenen Form denken. Unterwirft man diese Verträge der Form, so liegt die Gefahr nahe, daß dieselben in vielen Fällen, weil formlos abgeschloffen, nichtig sind und deshalb die Ehefrau das Hingegebene von dem Ehemanne jederzeit sofort zu kondiziren berechtigt, mithin das Anfechtungsrecht der Gläubiger des Ehe­ mannes nach Maßgabe des § 25 Nr. 2 der Sons. O. und des § 3 Nr. 4 des R. Ges. v. 21. Juli 1879 ausgeschloffen ist. Die Bestimmung des § 1335

Eheverträge.

Form.

§ 1335.

313

Abs. 2 kann auch nicht etwa von dem Gesichtspunkte aus als entbehrlich er­ achtet werden, daß ein Vertrag der hier fraglichen Art überhaupt nicht den Karakter eines Ehevertragcs im Sinne des § 1333, sondern eines gewöhnlichen zwischen den Ehegatten geschlossenen Vertrages habe; denn durch deu im § 1335 Abs. 2 bezeichneten Vertrag wird nicht, wie durch einen gewöhnlichen Vcr-

äußernngsvcrtrag, nur der Gegenstand der ehelichen Nutznießung und Ver­ waltung nach Maßgabe des gesetzlichen ehelichen Gütcrrechtes (§ 1293) geändert, sondern es werden dadurch die mit der ehelichen Nutznießung und Verwaltung kraft des Gesetzes verbundenen Rechte des Ehemannes in einer von den dis­ positiven Vorschriften des gesetzlichen ehelichen Gütcrrechtes abweichenden Art umgestaltct, und knüpfen sich an einen solchen Vertrag besondere gütcrrcchtlichc Folgen (vcrgl. §§ 1294 — 1296). Nach dem § 1333 fallen aber unter den Begriff des Ehcvertrages auch solche Verträge, durch welche das gesetzliche ehe­ liche Güterrccht nur in einzelnen Beziehungen geändert wird. Ein Bedürfniß, die Ausnahme des § 1335 Abs. 2 auch auf solche Ver­ träge der dort bezeichneten Art auszudchncn, welche nicht verbrauchbare Eheguts­ sachen zum Gegenstände haben, liegt dagegen nicht vor. Vertrüge der Art sind selten, wenn sie aber Vorkommen, zumal wenn Grundstücke in Frage stehen, von besonderer Bedeutung. Auch entsteht in solchen Fällen häufig der Zweifel, ob wirklich ein Vertrag der hier fraglichen Art oder nur ein Werthanschlag mit Rücksicht auf eine etwaige Ersatzpflicht des Ehemannes beabsichtigt ist. Es ist ein Gewinn, wenn diese Frage bei Gelegenheit des Vertragsabschlusses unter Mitwirkung des Gerichtes oder Notares klargestellt wird. Wie aus der Fassung des Abs. 2 mit genügender Klarheit erhellt, be­ zieht sich derselbe übrigens nicht auch auf einen solchen Vertrag, durch welchen die Grundsätze über den Nießbrauch an verbrauchbaren Sachen auf die eheliche Nutznießung an den zum Ehegute gehörenden oder künftig in dasselbe fallenden verbrauchbaren Sachen generell in der Art für anwendbar erklärt werden, daß auf Grund eines solchen Vertrages das Eigenthum der verbrauchbaren Sachen auf den Ehemann ohne Uebergabc in derselben Weise übergehen soll, wie wenn die Grundsätze über den Nießbrauch an verbrauchbaren Sachen kraft des Ge­ setzes maßgebend wären. Ob und inwieweit ein derartiger Vertrag in Er­ mangelung besonderer Bestimmungen überhaupt rechtlich möglich ist, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls liegt kein Bedürfniß vor, denselben von der Formvorschrift des § 1335 Abs. 1 zu entbinden. Im Gegentheil würde die Zulassung eines solchen Vertrages ohne die schützende Form des § 1335 Abs. 1 vom Standpunkte des Jntcrcsics der Ehefrau aus, welche durch die im § 1294 bestimmte Ausschließung der Vorschriften über den Nießbrauch an verbrauch­ baren Sachen von der Anwendung auf die eheliche Nutznießung geschützt werden soll, bedenklich sein.

Auf den Abschluß von Ehevertrügcn durch Vertreter, insbesondere gesetz- Schu-ßung liche Vertreter, finden, vorbehaltlich der besonderen Bestimmungen des § 1341 “XaS*

Abs. 2 und des § 1431 Abs. 2, die allgemeinen Grundsätze Anwendung.

Durch- $k“^tec

schlagende Gründe, die letzteren, in Abweichung von dem geltenden Rechte, etwa nach der Richtung hin zu durchbrechen, daß den gesetzlichen Vertretern in Ansehung der Schließung eines Ehevertragcs die Vertrctungsmacht entzogen

314

Ehcverträge.

Wirksamkeit gegen Dritte.

§ 1336.

würde, liegen nicht vor, da es sich bei Ehevcrträgcn in erster Linie und in der Hauptsache nur um vcrmögensrechtliche Beziehungen handelt, in Ansehung

deren auch sonst dem gesetzlichen Vertreter die Vertretungsmacht zusteht (vergl. §§ 1649, 1728, 1743, 1503). Anlangend insbesondere diejenigen in die Verhältniffe der Ehegatten allerdings tief einschneidenden Eheverträge, durch welche der Güterstand der allgemeinen Gütergemeinschaft oder der Gemeinschaft des beweglichen Vermögens und der Errungenschaft vereinbart wird, so ist insoweit durch die Bestimmungen des § 1341 Abs. 2 und des § 1431 Abs. 2 für das Interesse der unter elterlicher Gewalt oder unter Vormundschaft stehenden Per­ sonen genügend gesorgt. Ebensowenig ist ein Bedürfniß anzuerkennen, ab­ weichend von der Regel des § 127 Abs. 2, die zur Wirksamkeit eines Ehevertrages erforderliche Einwilligung oder Genehmigung des gesetzlichen Vertreters (§ 65

Abs. 3) an die im § 1335 Abs. 1 vorgeschriebene Form zu binden.

§ 1336. Gttmbens

In beit Motiven zu § 1333 sind bereits die Gründe dargelegt, aus welchen der Entwurf eine allgemeine Bestimmung, welche die Wirksamkeit

bei Rechtsg-schasten,

eines Ehevertrages gegenüber Dritten überhaupt von der öffentlichen Bekanntmaj|Ung abhängig macht, nicht ausgenommen hat. Dagegen sind besondere

Schutz des

Bestimmungen, durch welche nach dem Vorbilde des § 1257 Abs. 1 gutgläubige Dritte, die ein Rechtsgeschäft mit einem der Ehegatten geschloffen oder diesem gegenüber vorgenommen haben oder denen gegenüber einer der Ehegatten ein

Rechtsgeschäft vorgenommen hat, in Ansehung der Wirksamkeit eines solchen Rechtsgeschäftes gegen die Folgen wenigstens gewisser Eheverträge geschützt werden nicht zu entbehren. >m Fall- d-r Einen derartigen Schutz verleiht der § 1336 zunächst gegen einen solchen Ehevertrag, durch welchen der gesetzliche Güterstand ausgeschloffen Güt-rstand°s, otzxx geändert wird. Dahin gehören insbesondere die Fälle, wenn an Stelle des gesetzlichen Güterstandes Trennung der Güter vereinbart (§ 1338) oder in Ansehung einzelner zum Vermögen der Ehefrau gehörender Gegenstände die eheliche Nutznießung und Verwaltung ausgeschloffen wird (§ 1286). Wer im Vertrauen auf die gesetzliche Regel, daß dem Ehemanne an dem Vermögen der Ehefrau die eheliche Nutznießung und Verwaltung zustehe, sich mit dem Ehemanne auf solche Rechtsgeschäfte über Bestandtheile dieses Vermögens einläßt, welche unter der Voraussetzung des Bestehens der ehe­ lichen Nutznießung und Verwaltung an jenen Gegenständen für die Ehefrau bindend sein würden (vergl. z. B. § 1292 verb. mit §§ 1026—1028, 1035,

1008, 1318), darf in diesem Vertrauen in Ansehung der Wirksamkeit solcher Rechtsgeschäfte nicht getäuscht werden, es sei denn, daß die Ausschließung oder Aenderung zur Zeit der Vornahme des Rechtsgeschäftes nach Maßgabe der Vor­ schriften der §§ 1435—1437 veröffentlicht war oder dem Dritten bekannt sein mußte. Zu der Kategorie derjenigen Eheverträge, durch welche der gesetzliche Güterstand ausgeschlossen wird, gehören ferner solche Eheverträge, durch welche einer der verschiedenen Gütcrstände der Gütergemeinschaft (§§ 1341 ff., 1410 ff., 1431 ff.) vereinbart worden ist, sei es, daß derselbe unmittelbar an die Stelle

Ebeverträgc.

Wirksamkeit gegen Dritte.

§ 1336.

315

des gesetzlichen Güterstandes oder an die Stelle eines anderen vertragsmäßigen,

aber nicht veröffentlichten Güterstandes tritt. Ein Schutz Dritter gegen solche Eheverträge ist zwar nicht von dem Gesichtspunkte aus erforderlich, daß die­ selben unter einer vertragsmäßigen Ausschließung oder Minderung der dem Ehemanne an dem Vermögen der Ehefrau kraft des Gesetzes zustehenden Rechte in Ansehung der Wirksamkeit der im § 1336 bezeichneten Rechtsgeschäfte nicht leiden dürfen; denn im Vergleiche zu dem gesetzlichen Güterrechte werden durch die verschiedenen Güterstände der Gütergemeinschaft die Rechte des Ehemannes an dem Vermögen der Ehefrau nicht gemindert, sondern mehr oder weniger erweitert. Dagegen bedarf cs bei solchen Eheverträgen eines Schutzes gut­ gläubiger Dritter im Hinblicke auf die nicht unerheblichen Verfügungs­ beschränkungen, welchen der Ehemann im Vergleiche zu dem gesetzlichen Güter­ rechte bei den verschiedenen Formen der Gütergemeinschaft in Ansehung solcher Gegenstände, welche nach dem gesetzlichen Güterrechte zu seinem Vermögen gehören würden, nicht nur in dinglicher, sondern auch in obligatorischer Be­ ziehung, unterliegt (vergl. §§ 1353, 1417, 1431 Abs. 1). Zum Schutze der Verkehrssicherheit reichen hier die allgemeinen Grundsätze über den Schutz des guten Glaubens nicht aus, da dieselben einerseits sich nicht auf die Abtretung hypothekarisch nicht gesicherter Forderungen erstrecken, andererseits nur das dingliche, nicht auch das obligatorische Rechtsgeschäft schützen (vergl. §§ 837, 877—879, 1083, 1114 »erb. mit § 1343). Auch die allgemeinen Grundsätze über Schadensersatz aus unerlaubten Handlungen (§§ 704, 705) machen in der hier fraglichen Beziehung die besonderen Bestimmungen des § 1336 zum Schutze gutgläubiger Dritter nicht entbehrlich. Die Besorgniß, daß eine Aus­ dehnung des § 1336 auf solche Eheverträge, durch welche an Stelle des gesetz­ lichen Güterstandes einer der Güterstände der Gütergemeinschaft vereinbart wird, in denjenigen Gebieten, in welchen die Gütergemeinschaft in der einen oder anderen Form gegenwärtig der gesetzliche Güterstand ist, zu sehr erschweren werde, weil sie die Ehegatten zu der mit Kosten und Weitläufigkeiten ver­ bundenen Veröffentlichung der Eheverträge dränge, deren Inhalt zudem für das Publikum nicht immer berechnet sei, kann als begründet nicht anerkannt werden, da die Veröffentlichung nach § 1437 nicht von Amtswegen, sondern nur auf Antrag erfolgt, die Ehegatten aber bei normalen Verhältnißen wegen des gegenseitigen Vertrauens, auf welchem die Gemeinschaft beruht, von einer Veröffentlichung der Eheverträgc überhaupt Abstand nehmen werden. Wie auf den durch die Regel des Gesetzes festgestellten ehelichen Güter- -i»°s oeröff. stand, müssen gutgläubige Dritte sich auch darauf verlassen können, daß ein "«M-n

veröffentlichter vertragsmäßiger Güterstand, so lange die Aenderung desselben Güterstandes, nicht veröffentlicht ist, noch fortbestehe. War der gesetzliche Güterstand durch Vereinbarung der Gütertrennung (§ 1338) ausgeschlossen oder durch vertrags­ mäßige Bestimmung von Vorbehaltsgut geändert und diese Ausschließung oder Aenderung veröffentlicht, so miisien gutgläubige Dritte in Ansehung der Wirk­ samkeit von Rechtsgeschäften, welche sic mit der Ehefrau schließen, nach Maß­ gabe des § 1336 so geschützt werden, als ob die Aufhebung oder Aenderung des veröffentlichten Ehevertrages nicht erfolgt wäre. Dies führt dahin, daß nicht nur die von der Ehefrau getroffenen Verfügungen über das nach Maß-

316

Eheverträge.

Wirksamkeit gegen Dritte.

§ 1336.

gäbe des veröffentlichten Ehevertragcs der ehelichen Nutznießung und Verwaltung nicht unterliegende Vermögen auch ohne Einwilligung des Ehemannes als wirksam anzusehen, sondern auch, sofern der Güterstand der Gütertrennnng ver­ einbart und veröffentlicht war, die von der Ehefrau eingegangenen Verbind­

lichkeiten als vor Eintritt des neuen vertragsmäßigen Güterstandes, sei es der ehelichen Nutznießung und Verwaltling oder der Gütergemeinschaft, entstanden, d. h. als Eheguts- bezw. als Gesammtgutsverbindlichkciten zu behandeln sind (vcrgl. §§ 1311, 1312, 1359, 1362, 1417, 1423, 1431 Abs. 1). Aber auch für den Fall der Aufhebung des veröffentlichten vertragsmäßigen Güterstandes der Gütergemeinschaft, der allgemeinen, wie der partikulären, durch Ehevertrag, ist der Schutz des guten Glaubens nach Maßgabe des § 1336 mit Rücksicht darauf geboten, daß mit der Auflösung der Gütergemeinschaft an Stelle des einseitigen Verfügungsrechtes des Ehemannes über das Gcsammtgut (§§ 1352, 1417, 1431 Abs. 1) das Prinzip der gesammten Hand tritt (§§ 1373, 1429 Abs. 1, § 1431 Abs. 1) und auch die Ehefrau das Recht verliert, in den Füllen des § 1356 vcrb. mit § 1307 und des § 1358 (vergl. ferner §§ 1417, 1431 Abs. 1) einseitig über Gcsammtgut zu verfügen (vergl. auch preuß. A. L. R. II, 1 § 419, 422 ff.; oldenb. Ges. v. 24. April 1873 Art. 31 §§ 2, 3). Die Rücksicht auf die Verkehrssicherheit verlangt jedoch nur für den Fall einen besonderen Schutz des guten Glaubens, wenn ein veröffentlichter vertrags­ mäßiger Güterstand später geändert wird. Der zufällige Umstand, daß der Dritte den Abschluß des nicht veröffentlichten Ehevertrages auf andere Weise erfahren hat, kann demselben kein Anrecht geben, daß ihm gegenüber der Ehe­ vertrag nach Maßgabe des § 1336 als noch bestehend angesehen wird. Viel­ mehr ist es feilte Sache, sich danach zu erkundigen, ob der Ehevertrag noch besteht. Auch in anderen ähnlich liegenden Fällen, insbesondere bei den Be­ stimmungen über die Vollmacht (§§ 120, 121) ist der Entwurf zum Schutze des guten Glaubens nicht so weit gegangen. Ein Bedürfniß, so weit zu gehen, kann, soviel speziell solche Eheverträge betrifft, durch welche der nicht ver­ öffentlichte vertragsmäßige Güterstand der Gütergemeinschaft aufgehoben wird, insbesondere auch mit Rücksicht auf diejenigen Gebiete nicht anerkannt werden, in welchen die Gütergemeinschaft in der einen oder anderen Form gegenwärtig der gesetzliche Güterstand ist iinb künftig vielleicht die entsprechende vertrags­ mäßige Gütergemeinschaft des Gesetzbuches die Regel bilden wird, zumal in manchen Fällen dem gutgläubigen Dritten die allgemeinen Grundsätze, ins­ besondere die Bestimmungen über den Schadensersatz aus unerlaubten Hand­ lungen (§§ 704, 705), schützend znr Seite stehen werden. Welche Wirkungen es hat, wenn die Ehegatten oder einer derselben dem Dritten den nicht ver­ öffentlichten vertragsmäßigen Güterstand angezeigt, die Anzeige der späteren Aenderung aber unterlaßen haben, ist an der Hand der allgemeinen Grund­ sätze zu beurtheilen. Die Veröffentlichung des vertragsmäßigen Güterstandes schützt übrigens den Dritten nach Maßgabe des § 1336 nur unter der Voraussetzung, daß der veröffentlichte vertragsmäßige Güterstand in Wirklichkeit durch einen gültigen Ehevertrag vereinbart ist. Der Veröffentlichung als solcher auch in Er­ mangelung jener Voraussetzung die im § 1336 bezeichneten Wirkungen bei-

Ebcoerträgc. Wirksamkeit gegen Dritte. § 1336.

317

zulegcn, mithin das eherechtliche Register in Ansehung der publica fides mit dem Grundbuche (§ 837) auf eine Linie zu stellen, würde zu weit gehen. Vielmehr kann in dieser Beziehung das chcrcchtliche Register nur als dem Handelsregister gleichstehend behandelt werden. Der Schutz, welchen der § 1336 Dritten zu gewähren bezweckt, ist aus- Voraus­ geschloffen, wenn die durch Ehevertrag erfolgte Ausschließung, Aufhebung oder ^“uTen^ Aenderung des betreffenden Güterstandcs nach Maßgabe der §§ 1435—1437 ®Ittu6cn8veröffentlicht war ober dem Dritten bekannt war oder bekannt sein mußte.

Die Fassung des § 1336 läßt keinen Zweifel darüber aufkommen, daß, um die Anwendbarkeit der darin zum Schutze des guten Glaubens getroffenen

besonderen Vorschriften auszuschließcn, erforderlich ist, daß diejenigen Bestim­ mungen des Ehcvertrages, welche gerade für die Wirksamkeit des konkreten Rechtsgeschäftes von Bedeutung sind, zur Zeit der Vornahme des letzteren nach Maßgabe der §§ 1435—1437 veröffentlicht waren oder dem Dritten bekannt waren oder bekannt sein mußten. Die Art der Regelung der Bewcislast entspricht dem § 1257 Abs. 1, B-weisia». die Gleichstellung des Kennenmüffens mit dem Kennen der Analogie der Be­

stimmungen des § 120 Abs. 2 und des § 121 Abs. 4. Der § 1336 schützt Dritte nur in Ansehung der Wirksamkeit der dort umfang d-z bezeichneten Rechtsgeschäfte. Wenn daher ein Dritter, welcher nach Aufhebung e*“6e8'

oder Aenderung des veröffentlichten Güterstandes der Gütergemeinschaft, aber vor der Veröffentlichung dieser Aufhebung oder Aenderung in dem guten Glauben, daß die Gütergemeinschaft nach Maßgabe der früheren Veröffent­ lichung noch unverändert fortbestehe, gegen einen der Ehegatten durch ein Rechts­ geschäft der im § 1336 bezeichneten Art einen Anspruch erwirbt, so ist zu Gunsten dieses Dritten das Verhältniß nicht etwa allgemein so zu beurtheilen, als wenn die Gütergemeinschaft zur Zeit der Vornahme des Rechtsgeschäftes noch nicht aufgehoben gewesen wäre, so daß der Dritte auch aus denjenigen Gegenständen, welche der eine oder andere Ehegatte in der Zeit von der Auf­ hebung der Gütergemeinschaft bis zur Vornahme des Rechtsgeschäftes erworben hat, unter der Voraussetzung, daß dieselben beim Fortbestehen der Güter­ gemeinschaft Gcsammtgut geworden wären, nach Maßgabe der Vorschriften über die betreffende Gütergemeinschaft seine Befriedigung verlangen könnte. Viel­ mehr crgiebt sich aus § 1336 für den in Rede stehenden Fall nur so viel, daß, sofern beim Fortbestehen der betreffenden Gütergemeinschaft nach den Vor­ schriften der letzteren die Verbindlichkeit Gesammtgutsvcrbindlichkcit sein würde (§§ 1359, 1362, 1423, 1431 Abs. 1), der Gläubiger den Ehemann persönlich in Anspruch nehmen und, soweit die Auseinandersetzung noch nicht erfolgt sein sollte, Befriedigung aus dem noch vorhandenen Gesammtgute verlangen kann (§§ 1359, 1373, 1374, 1423 Abs. 1, § 1429 Abs. 1, § 1431 Abs. 1). Ist das Gcsammtgut aber bereits getheilt, so kann nur in Frage kommen, ob der Gläubiger des einen Ehegatten aus der Person des letzteren gegen den anderen Ehegatten etwa einen Anspruch auf Rückgabe geltend machen kann, wenn und soweit unter Berücksichtigung der hier fraglichen, im Verhältnisse zwischen dem Gläubiger und den Ehegatten als Gesammtgutsverbindlichkeit zu behandelnden Verbindlichkeit der andere Ehegatte bei der Auseinandersetzung über das

318

Eheverträge.

Wirksamkeit gegen Dritte.

§ 1336.

Gcsammtgut zu viel erhalten hat (§§ 1377, 1380, 1429 Abs. 1, § 1431 Abs. 1). Ein Bedürfniß, über diese aus dem § 1336 sich ergebenden Konsequenzen zum Schutze der Gläubiger hinauszugehcn, ist nicht anzuerkennen. Das preuß. A. L. R. II, 1 §§ 419, 431 geht für den Fall der Aufhebung der Gütergemeinschaft zum Schutze der Gläubiger allerdings noch weiter, sofern man, entgegen der in neuerer Zeit bei dem Reichsgerichte zur Anerkennung gelangten Ansicht, derjenigen Auffassung folgt, welche die Bestimmung des § 431II, 1 A. L. R. in der preuß. Praxis, der Rechtsprechung des R. O. H. G. und auch in einem früheren Urtheile des Reichsgerichtes gefunden hat (vergl. Entsch. d. R. O. H. G. X, 98, XIX, 13; Entsch. d. R. G. in Civils. V, 74, XIV, 76). Rach jener Auffassung werden die während der Gütergemeinschaft entstandenen Forderungen gegen die Ehegatten von der Aufhebung der Güter­ gemeinschaft überall nicht berührt, sondern es wird bezüglich derselben die Gütergemeinschaft als fortbestehend betrachtet, so daß jeder Erwerb, welchen einer der Ehegatten nach Aufhebung der Gütergemeinschaft während Bestehens der Ehe macht, den Gläubigern, deren Forderungen vor der Aufhebung ent­ standen sind, ebenso haftet, wie er denselben haften würde, wenn die Güter­ gemeinschaft nicht aufgehoben wäre. Dasselbe gilt auf der Grundlage jener Auffassung zu Gunsten derjenigen Gläubiger, welche in der Zwischenzeit zwischen der Aufhebung der Gütergemeinschaft und dem Ablaufe des zur öffent­ lichen Bekanntmachung bestimmten Zeitraumes bezw. der späteren öffentlichen Bekanntmachung Ansprüche gegen einen der Ehegatten erworben haben. Gegen eine derartige positive Regelung sprechen aber — abgesehen davon, daß bei der ver­ tragsmäßigen Gütergemeinschaft der Zweck, den Gläubigern eine größere Sicher­ heit zu gewähren, überhaupt mehr in den Hintergrund tritt und von diesem Standpunkte aus den Gläubigern durch den § 1336 und die Vorschriften der Konk. O. und des R. Ges. v. 21. Juli 1879 über die Anfechtung der Rechts­ handlungen eines Schuldners ausreichender Schutz gewährt wird — die prak­ tischen Schwierigkeiten und Verwickelungen, welche sich aus der Fiktion des

Fortbestehens der Gütergemeinschaft im Verhältniffe zu den Gläubigern namentlich dann ergeben, wenn die nach Aufhebung der Gütergemeinschaft von dem einen oder anderen Ehegatten erworbenen, im Verhältniffe zu den Gläubigern zum Gesammtgute gehörenden Gegenstände von diesem Ehegatten einseitig veräußert sind oder sonst eine Surrogation stattgefunden hat. Aus diesen Gründen empfiehlt es sich auch nicht, für den Fall der Aufhebung der Gütergemeinschaft die Vorschriften des § 1336 zu Gunsten solcher Gläubiger, welche in der Zwischenzeit zwischen der Aufhebung und der Veröffentlichung der letzteren in dem guten Glauben, daß die Gütergemeinschaft noch fortbestehe, gegen den einen oder den anderen Ehegatten Ansprüche erworben haben, in der

V orschriften

Art zu erweitern, daß sie sich zum Zwecke ihrer Befriedigung auch an den­ jenigen in jener Zwischenzeit gemachten Erwerb der Ehegatten halten können, welcher ohne die Aufhebung der Gütergemeinschaft dem Gesammtgute zu­ gefallen und Objekt ihrer Befriedigung geworden wäre. Anlangend die Frage, wie die allgemeinen Vorschriften über den Schutz des guten Glaubens, insbesondere die desfallsigen Vorschriften des Grundbuch-

üb-r den

rechtes, nach welchen der gute Glaube nur dann ausgcschloffen ist, wenn der

Verhältniß

Ehcverträge. Wirksamkeit gegen Dritte. § 1336.

319

Dritte zur Zeit des sich vollziehenden Erwerbes des Rechtes die Nichtübereind-s stimmung des Grundbuches mit der wirklichen Rechtslage gekannt hat (vergl. @l3“‘bc"n§.

§§ 837, 838, 1083, 1114, 877—879), zu der Bestimmung des § 1336 sich verhalten, nach welcher der gute Glaube des Dritten schon dann als nicht vorhanden angesehen wird, wenn die Aenderung des Ehevertrages zur Zeit der Vornahme des Rechtsgeschäftes nach Maßgabe der §§ 1435—1437 ver­ öffentlicht war oder dem Dritten bekannt sein mußte, so bedarf es in dieser

Hinsicht keiner besonderen gesetzlichen Bestimmung. Es kann nicht zweifelhaft sein, daß, auch wenn der Ehcoertrag auf Grund des § 1336 dem Dritten gegenüber als unwirksam nicht anzusehen ist, die Wirksamkeit des Rechts­

geschäftes des Dritten mithin auf diese Bestimmung nicht gestützt werden kann, doch nicht ausgeschlossen ist, daß das in Folge des Ehevcrtrages an sich unwirksame Rechtsgeschäft nach Maßgabe der allgemeinen Vorschriften über den Schutz des guten Glaubens als wirksam sich darstellt.

Das preuß. A. L. R. II, 1 § 216 enthält zum Schutze der Rechte 6b\ns‘™3“"3 Dritter die besondere Bestimmung, daß, wenn Grundstücke oder Kapitalien, ,Muffes d-r welche nach gesetzlicher Bestimmung zum Eingebrachten gehören, durch Ehe- X^ung'unt

vertrag die Eigenschaft des Vorbehaltsgutes auch in Beziehung auf einen Verwaltung. Dritten erlangen sollen, dieselben als Vorbehaltsgut auf den Namen der Ehefrau geschrieben werden müssen. Vom Standpunkte des Entwurfes aus ist eine solche Eintragung der Vorbehaltsgutseigenschaft des gebuchten Rechtes der Ehefrau in der Regel für Dritte ohne Jntereffe, da der Ehemann kraft der ehelichen Nutznießung und Verwaltung ohnehin über gebuchte Rechte der Ehe­ frau ohne deren Vollmacht zu verfügen regelmäßig nicht berechtigt ist (vergl. § 1292 verb. mit § 980 Abs. 1, §§ 984, 1033—1036, ferner §§ 1318, 1319).

Eine Ausnahme findet in dieser Hinsicht nur statt bei nicht verzinslichen hypothekarisch gesicherten Forderungen, Grundschulden und Eigenthümer­ hypotheken (§ 1292 verb. mit §§ 1028, 1033, 1035), sowie bei den kraft der ehelichen Nutznießung erworbenen Ansprüchen auf die Zinsen und Nutzungen gebuchter Rechte (§§ 1026, 1027). Diese letzteren Ansprüche kommen jedoch für die vorliegende Frage nicht in Betracht, da sie rückständige Leistungen zum Gegenstände haben und deshalb überhaupt nicht unter dem Schutze des öffent­ lichen Glaubens des Grundbuches stehen (vergl. § 1090 Abs. 2, §§ 1108, 1121, 1136, 1141, 1060). Anlangend aber die übrigen gebuchten Rechte, über welche der Ehemann durch Geltendmachung der betreffenden Ansprüche zu verfügen berechtigt ist, so würde ein Bedürfniß, den Ausschluß der ehelichen Nutznießung und Verwaltung in Beziehung auf jene Rechte, abgesehen von der Vorschrift des § 1336, auch durch Eintragung in das Grundbuch bekannt zu machen, im Hinblicke auf die Grundsätze des Grundbuchrechtes nur dann anzuerkennen sein, wenn die eheliche Nutznießung und Verwaltung selbst in das Grundbuch ein­ getragen wäre. Da dies aber weder erforderlich noch zulässig ist (vergl. §§ 1283, 1305 und die Motive zu § 1305 oben S. 238 ff.), so muß auch in Beziehung auf jene gebuchten Rechte die Vorschrift des § 1336 genügen. Wird die eheliche Nutznießung und Verwaltung nicht eingetragen, so vertraut derjenige, welcher dem Ehemanne kraft der ehelichen Nutznießung auf Grund der hier fraglichen gebuchten Rechte leistet, in Wirklichkeit nicht dem Grund-

320

Ehevcrträge. Wirksamkeit gegen Dritte. § 1337.

buche (§ 838), sondern der gesetzlichen Regel, daß dem Ehemanne in Ansehung jener Rechte die eheliche Nutznießung und Verwaltung zustehe. Dieses Ver­ trauen ist aber nach § 1336 ein unberechtigtes, wenn die Ausschließung der ehelichen Nutznießung und Verwaltung in Ansehung jener Rechte nach Maß­ gabe der Vorschriften der §§ 1435—1437 veröffentlicht war. Anders liegt die Sache bei Aufhebung der Gütergemeinschaft, sofern die Gütergemeinschaft in das Grundbuch eingetragen worden ist (vergl. §§ 1343, 1417, 1431 Abs. 1 verb. mit §§ 837, 838, 1083, 1114).

§ 1337. Schu» Gi°ubens°"be>

Rechts-

Der § 1337 bezweckt, denjenigen Schutz, welchen der § 1336 Drittel: in Ansehung der dort bezeichneten Rechtsgeschäfte gewährt, aus den gleichen

Gründen und im Anschlüsse an § 1257 Abs. 2 auch in Ansehung eines rechtskräftigen Urtheiles zu gewahren, welches in einem zwischen einem Dritten und einem der Ehegatten anhängig gewordenen Rechtsstreite ergangen ist (vergl.

die Motive zu § 1257 Abs. 2 oben S. 65 ff. und zu § 1336). Von praktischer Bedeutung ist diese Ausdehnung namentlich für solche Fälle, in welchen der veröffentlichte vertragsmäßige Güterstand der Gütertrennung oder der Güter­ gemeinschaft durch Ehevertrag geändert wird, im Hinblicke auf die Vorschriften der §§ 1302, 1303 bezw. der §§ 1352, 1358, 1417, 1431 Abs. 1. Die Gründe, welche den Entwurf bestimmt haben, im § 1337 als den entscheidenden Zeitpunkt für die Veröffentlichung bezw. das Kennen oder Kenncnmüsien des Dritten die­ jenige Zeit hinzustellen, in welcher die Geltendmachung der durch Ehevertrag er­ folgten Ausschließung, Aufhebung oder Aenderung des bisherigen Güterstandes in dem Rechtsstreite hätte geltend gemacht werden können, sind dieselben, wie

diejenigen, auf welchen die entsprechende Vorschrift des § 304 Abs. 2 beruht.

Vorbemerkung zu den §§ 1338—1434.

reg-n"v-r-

Die §§ 1338—1434 regeln die vertragsmäßigen Güterstände der Gütertrennung (§§ 1338—1340), der allgemeinen Gütergemeinschaft (§§ 1341—1409),

tragsmäßige» Guterstande.

der Errungenschaftsgemeinschaft (§§ 1410—1430) und der Gemeinschaft des ^wcglichcn Vermögens und der Errungenschaft (§§ 1431—1434). Die Gründe,

Die im Gesetz-

aus welchen es für nothwendig erachtet ist, neben dem auf dem Boden der Vcrwaltungsgemeinschaft beruhenden gesetzlichen Güterrechte auch die haupt­ sächlichsten anderen bisher in Deutschland üblich gewesenen Formen des ehelichen Güterrechtes in der Art zu ordnen, daß die darüber getroffenen Bestimmungen dann zur Anwendung kommen, wenn die Ehegatten durch Ehevertrag einen jener Güterstände verabredet haben, sind bereits oben S. 141 ff. in der Ein­ leitung zum ehelichen Güterrechte dargelegt. Anlangend insbesondere den Gütcrstand der Gütertrennung, so muß derselbe schon deshalb geregelt werden, weil die Bestimmungen desselben in verschiedenen Fällen auch kraft des Gesetzes bcziv. auf einseitigen Antrag der Ehefrau eintreten (vergl. §§ 1284, 1330, 1372, 1381, 1429 Abs. 1, 3, § 1431 Abs. 1). Ein Bedürfniß, nach dem Vorgänge

Trennung der Güter. Wesen des Güterstandes. § 1338.

321

des code civil Art. 1497 ff. noch andere Bestimmungen über einzelne Vertrags­ klauseln aufzunehmen, kann dagegen nicht anerkannt werden. Bei der Regelung der einzelnen vertragsmäßigen Güterständc, ins- Allgemeine besondere des Güterstandes der allgemeinen Gütergemeinschaft und des Güter-xmin-b-i d« standes der Errungenschaftsgemeinschaft, kann aber selbstverständlich der großen ™ Verschiedenheit des geltenden Rechtes in den einzelnen Rechtsgebieten, namentlich der Verschiedenheit der auf^em Boden der allgemeinen Gütergemeinschaft bezw. der Errungenschaftsgemeinschaft stehenden deutschen Rechte, welche nicht nur in untergeordneten Punkten, sondern auch in grundlegenden Fragen von einander abweichen, nicht in der Art Rechnung getragen werden, daß verschiedene Systeme des betreffenden Güterstandes in dem Gesetzbuche neben einander geregelt werden und den Betheiligten die Wahl des einen oder anderen Systemes über­ lassen wird. Eine solche Regelung würde, abgesehen von den Schwierigkeiten, welche die Auswahl und die Abgrenzung der zu berücksichtigenden einzelnen Systeme mit sich bringt, zu den größten praktischen Unzuträglichkeiten, ins­ besondere zu einer Gefährdung der Verkehrssicherheit, führen. Es bleibt daher nur übrig, sich auf die Regelung eines Systemes des betreffenden Güterstandes zu beschränken und bei dieser Regelung darauf Bedacht zu nehmen, daß die­ selbe dem materiellen Grundgedanken jenes Güterstandes, den Rücksichten praktischer Zweckmäßigkeit und den wichtigeren Rechten thunlichst gerecht wird.

II. Trennung der Güter.

§ 1338. Das Wesen des vertragsmäßigen Güterstandes der Gütertrennung besteht M«» des darin, daß die eheliche Nutznießung und Verwaltung ohne Ersatz durch einen ®utcrf“*nbe5-

anderen vertragsmäßigen Güterstand ausgeschlossen ist. Es fallen mithin die Wirkungen, welche sonst die Ehe kraft des Gesetzes nach Maßgabe der §§ 1283 bis 1332 auf das Vermögen der Ehefrau ausübt, weg. Die Ehefrau hat in Ansehung ihres Vermögens die Stellung einer unverheiratheten Frau. Die Bestimmung des code civil Art. 217 ff., 1538 (vergl. auch Hess. Entw. Art. 534), nach welcher auch bei vollständiger Gütertrennung zur Veräußerung von Liegen­ schaften der Ehefrau die Einwilligung des Ehemannes erforderlich ist, steht ebenso wie das für den Fall der Gütertrennung vom code civil Art. 215 fest­ gehaltene Erforderniß der Einwilligung des Ehemannes zu Prozeßen der Ehe­ frau mit der vom Entwürfe grundsätzlich anerkannten unbeschränkten Geschäfts­ fähigkeit der Ehefrau in Widerspruch (vergl. die Vorbemerkung zu den §§ 1300 bis 1310 oben S. 222 ff.). Nicht berührt werden dagegen durch den Güterstand der Gütertrennung die allgemeinen Bestimmungen über die Wirkungen der Ehe (88 1272—1282), insbesondere nicht die Bestimmung des § 1280 über die Unterhaltspflicht des Ehemannes gegenüber der Ehefrau. Diese Unterhalts­ pflicht besteht selbständig neben der ehelichen Nutznießung und Verwaltung und beruht auf der Stellung, welche der Ehemann in der Ehe einnehmen soll. Als Haupt'der ehelichen Gemeinschaft hat er das gemeinschaftliche Leben in allen äußeren Beziehungen zu leiten und zu bestimmen (§ 1273). Diesem Motive j. bürgert. Gesetzbuch. IV.

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322

Trennung der Güter.

Beitragöpflicbt der Ehefrau.

§ 1339.

Rechte entspricht die Pflicht zur Bestreitung des ehelichen Aufwandes. Weder auf dieses Recht noch auf diese Pflicht kann, weil dieselben auf dem Wesen der Ehe und deshalb auf der öffentlichen Ordnung beruhen, durch Ehevertrag verzichtet werden (vergl. §§ 106, 1280 Abs. 2 verb. mit § 1495 und Motive zu § 1333 oben S. 309).

§ 1339. Beitrags-

Ehefm"zur

Die Bestimmung des § 1339, nach welcher im Falle des Güterstandes ^er Gütertrennung die Ehefrau gleichwohl dein Ehemanne einen angemessenen

Bestreitung Beitrag zur Bestreitung der ehelichen Lasten aus den Einkünften ihres VerbersaftoL,c" mögens und dem Ertrage eines von ihr selbständig betriebenen Erwerbs­

geschäftes zu leisten verpflichtet ist, beruht auf der Annahme, daß der Zweck des Ehevertrages, durch welchen ohne Bestimmung eines anderen Gütcrstandes die eheliche Nutznießung und Verwaltung ausgeschlossen wird, regelmäßig nur dahin geht, der Ehefrau die selbständige Verwaltung ihres Vermögens zu sichern, nicht aber dahin, sie von der natürlichen Pflicht, die ehelichen Lasten mitzutragen, überhaupt zu entbinden. Jene Bestimmung enthält allerdings für große Rechtsgebiete, insbesondere für die Gebiete des prcuß. A. L. R. und des sächs. G. B., eine nicht unwesentliche Neuerung. Sic entspricht aber mit Rücksicht darauf, daß die hier in Rede stehende Beitragspflicht der Ehefrau in dem natürlichen Verhältnisse der Ehegatten begründet liegt und die eheliche Nutznießung und Verwaltung nur als die regelmäßige Form erscheint, in welcher die Ehefrau kraft des Gesetzes ihren Beitrag zur Bestreitung der ehelichen Lasten dem Ehemanne leistet, dem vermuthlichen Willen der Ehegatten und steht überdies im Einklänge mit dem in anderen großen Rechtsgebieten Deutsch­ lands geltenden Rechte, insbesondere mit dem franz. Rechte und dem bad. L. R. (vergl. code civil Art. 1537; bad. L. R. Satz 1537; ferner oldenb. Ges. v. 24. April 1873 Art. 33 § 1; Hess. Entw. Art. 539). Die Gründe, welche den Entwurf bestimmt haben, eine solche Beitragspflicht der Ehefrau aus den Einkünften des Vorbehaltsgutes nicht anzuerkennen, treffen hier nicht zu (vergl. die Motive zu § 1291 oben S. 179 ff.). Aus der verschiedenen Art der Behandlung, je nachdem die eheliche Nutznießung und Verwaltung durch Ehe­ vertrag gänzlich ausgeschlossen oder nur beschränkt ist, sind praktische Schwierig­ keiten über die Grenzen der Anwendbarkeit des § 1339 nicht zu besorgen, da der Unterschied zwischen jenen Fällen nicht nur theoretisch, sondern auch im praktischen Leben leicht zu finden ist. Um so mehr einpfiehlt sich der hier fragliche Standpunkt des Entwurfes, als die Bestimmung des § 1339 auch in denjenigen Fällen entsprechende Anwendung findet, in welchen Trennung der Güter unmittelbar kraft des Gesetzes oder auf einseitigen Antrag der Ehe­ frau eintritt (vergl. §§ 1284, 1330, 1372, 1381, 1429 Abs. 1—3, § 1431 Abs. 1). Da in verschiedenen dieser Fälle die Verhältnisse so liegen können, daß den Ehemann irgend ein Verschulden nicht trifft, so würde es unter Umständen eine große Härte gegen den Ehemann sein, wenn es der Willkür der Ehefrau überlaffen bliebe, ob sie einen Beitrag zu den ehelichen Lasten leisten will, wenn der Ehemann mithin ans den subsidiären Unterhaltsanspruch nach Maß-

Trennung der Güter.

Beitragspflicht der Ehefrau.

§ 1339.

323

beschränkt würde. In Ermangelung der Vorschrift des § 1339 würde daher für jene Fälle durch selbständige Bestimmungen Vorsorge

gäbe des § 1281

getroffen werden miiffen. Die hier fragliche Beitragspflicht der Ehefrau ist übrigens nicht als eine solche mit dem ehelichen Verhältnisse verbundene Folge anzusehen, welchebl" durch das Wesen der Ehe absolut gefordert wird; vielmehr geht der Entwurf davon aus, daß auf jene Beitragspflicht wirksam verzichtet werden kann. Die letztere enthält allerdings gewiffcrmaßen eine Ergänzung der Bestimmungen über die Unterhaltspflicht der Ehefrau, indem dadurch eine dem natürlichen Verhältnisse der Ehegatten entsprechende Gestaltung der subsidiären Unterhalts­

pflicht der Ehefrau (§ 1281) insofern erreicht wird, als die Ehefrau in dem Falle des § 1339 das von ihr zu Leistende nicht direkt zu ihrem, ihres Ehe­ mannes und der gemeinschaftlichen Abkömmlinge Unterhalt verwendet, sondern es an den Ehemann als das Haupt der Ehe abliefert und dieser alsdann seinerseits für eine zweckentsprechende Verwendung zu sorgen hat. Daraus folgt aber nicht, daß die im § 1339 bestimmte Beitragspflicht der gesetzlichen Alimentationspflicht völlig gleichzustellen und eine vertragsmäßige Aus­ schließung, wie der letzteren (§ 1281 Abs. 2, § 1495), so auch der ersteren zu verbieten ist. Eine solche Regelung würde zu weit gehen und insbesondere

im Hinblicke auf diejenigen Rechtsgebiete, welchen eine dem § 1339 ent­ sprechende Vorschrift gegenwärtig fremd ist, bedenklich sein. Im Einzelnen ist noch Folgendes zu bemerken: 1. Die Beschränkung der Beitragspflicht der Ehefrau in der Art, daß «-.„.inung. sie nicht aus dem Stamme, sondern nur aus den Einkünften ihres Vermögens den Beitrag zu leisten hat, entspricht der Analogie der ehelichen Nutznießung und Verwaltung. Da der Ertrag eines selbständig betriebenen Erwerbs­ geschäftes zu den laufenden Einnahmen gehört, so ist derselbe hier den Ein­ künften des Vermögens gleichzustellen (vergl. code civil Art. 1537; oldenb. Ges. v. 24. April 1873 Art. 33 § 1). Die Feststellung der Höhe des Beitrages kann im Streitfälle unbedenklich dem Richter überlaffen werden. Der Abs. 1 be­ schränkt sich daher auf die Bestimmung, daß die Ehefrau zu dem bezeichneten Zwecke einen angemessenen Beitrag zu leisten habe (vergl. auch oldenb. Ges. v. 24. April 1873 Art. 33 § 1). Diese Art der Regelung ist einer gesetzlichen Fixirung des Beitrages nach dem Vorbilde des code civil Art. 1537 vorzuziehen, weil eine solche Fixirung in vielen Fällen zu Ungerechtigkeiten führen kann. Daraus, daß ein angemessener Beitrag zu leisten ist, ergiebt sich von selbst, daß bei Bemeffung der Höhe des Beitrages der standesmäßige Unterhalt der Ehegatten wie der Abkömmlinge in Betracht gezogen werden muß, der letzteren jedoch nur insoweit, als der Ehemann den Abkömmlingen nach Maßgabe der Vorschriften über die Unterhaltspflicht standesmäßigen, nicht blos nothdürftigen, Unterhalt zu leisten hat. Ueberläßt man die Festsetzung des Beitrages dem Richter, so werden auch weitere spezielle Vorschriften über die Art und die Zeit des zu leistenden Beitrages u. s. w. entbehrlich (§§ 1488, 1491). 2. Die Bestimmung des Abs. 2, welche dem Gedanken des auf die Entstehung Unterhaltspflicht sich beziehenden § 1492 entspricht, bezweckt, den Miß-ber ständen, insbesondere den zahlreichen Streitigkeiten unter den Ehegatten und

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324

Trennung der Güter. Verwaltung des Ehemannes. § 1340.

den Unbilligkeiten zu begegnen, welche ohne jene Bestimmung sich ergeben könnten. Ohne die letztere würde der Ehemann, wenn er jahrelang den ehe­ lichen Aufwand allein bestritten und die Ehefrau die Einkünfte ihres Ver­ mögens oder den Ertrag des von ihr selbständig betriebenen Erwerbsgeschäftes für andere Zwecke verwendet hätte, berechtigt sein, nachträglich die Leistung des Beitrages für die ganze Vergangenheit zu fordern. Dem Zwecke des

Beitrages und der natürlichen Auffassung des Verhältnisses entspricht aber ein solches Resultat nicht, zumal die Verhältnisse nicht selten so liegen werden, daß die Ehefrau ihre Einkünfte stillschweigend für den gemeinschaftlichen Haus­ halt verwendet hat, ohne daß ihr dieserhalb ein Ersatzanspruch zustände, übertragbarPsändbarkeit

Anipruches

Aufrechnung.

Z. Die Bestimmung des Abs. 3 rechtfertigt sich durch den Zweck des von der Ehefrau zu leistenden Beitrages und die Analogie der ehelichen Nutzn^e6un9 und Verwaltung, deren Aequivalent die Beitragspflicht der Ehefrau bildet (vergl. §§ 1298, 1299). Im Interesse der Ehefrau muß Vorsorge ge­ troffen werden, daß der Beitrag dem Zwecke, welchem er zu dienen bestimmt ist, nicht durch Uebertragung, Belastung, Pfändung und Aufrechnung entzogen werden kann (vergl. auch §§ 288, 724 Abs. 3). Die Unzulässigkeit der Pfändung

und der Belastung braucht jedoch "int Hinblicke auf die Vorschriften des § 296 Abs. 2 und der §§ 1022, 1207 hier nicht besonders bestimmt zu werden. Da die Höhe des Beitrages sich nach demjenigen richtet, was zum Unterhalte beider Ehegatten sowie der gemeinschaftlichen Abkömmlinge erforderlich ist, so entspricht es der im § 1299 für die Pfändung der auf Grund der ehelichen Nutznießung vom Ehemanne erworbenen Früchte bestimmten Beschränkung, wenn die Pfändung des hier fraglichen Beitrages gänzlich ausgeschloffen wird. Aus praktischen Rücksichten ist dabei kein Unterschied gemacht, ob der Beitrag rückständig war oder nicht. Zurück4. Der Vorschrift des Abs. 4 liegt derselbe Gedanke zu Gmnde, auf 6re4t“beT welchem die Bestimmung des § 1328 Nr. 2 beruht. Eine dem Schlußsätze der Eh-srau.

sRr 2 des § 1328 entsprechende Bestimmung ist an dieser Stelle nicht aus­

genommen, da die Analogie, soweit nöthig, von selbst zur Anwendung der Vorschrift des § 1328 Nr. 2 Satz 2 führen wird. Durch die Faffung des Abs. 4 wird übrigens zum klaren Ausdrucke gebracht, daß die Ehefrau in dem

Falle des Abs. 4 von der Beitragspflicht nur insoweit befreit wird, als sie den Beitrag zu dem im Abs. 1 bezeichneten Zwecke wirklich verwendet hat. 5. Die Bestimmung des Abs. 5 rechtfertigt sich durch dieselben Gründe, welche für die Bestimmungen des § 1328 Nr. 3, 4 maßgebend gewesen sind. In den betreffenden Fällen darf die Ehefrau in Ansehung der Verwendung

des Beitrages nicht an das Ermeffen des gesetzlichen Vertreters des Ehemannes gebunden werden (vergl. Motive zu § 1328 S. 299 ff.).

§ 1340. Die an ähnliche Bestimmungen des code civil Art. 1539 und des Hess, sbefrou burs ®n^ro- Art. 526 (vergl. auch 1. 11 Cod. de pact. conv. 5, u; Seuffert XVIII, b°n Eh-männ. 123, XXIX, 145, XLII, 38; öftere. G. B. §§ 1238 ff.) sich anschließende

Trennung der Güter.

Verwaltung des Ehemannes.

§ 1340.

325

Bestimmung des § 1340, welche auch in den Fällen der §§ 1291, 1330, 1381 Abs. 2, § 1417 (vergl. ferner § 1429 Abs. 1—3, § 1431 Ms. 1) entsprechende Anwendung findet, bezweckt, ein häufig vorkommendes, beim Mangel einer be­ stimmt ausgesprochenen Absicht unklares und unsicheres Verhältniß zur Ver­ meidung sonst später leicht daraus sich ergebender Streitigkeiten durch eine dispositive Bestimmung in der Art zu regeln, wie die Parteien, wenn sie daran gedacht hätten, dasselbe voraussichtlich geregelt haben würden und wie es die Erreichung jenes Zweckes mit sich bringt. Von diesem letzteren Gesichtspunkte aus genügt es namentlich nicht, dem Ehemanne in dem vorausgesetzten Falle nur die Befugniß einzuräumen, die Einkünfte des ihm zur Verwaltung überlasienen Vermögens der Ehefrau zu Ehezwecken zu verwenden (vergl. 1.11 Cod. de pact. conv. 5, u: „circa se et uxorem“), und daneben die Vermuthung aufzustellen, daß der Ehemann die Einkünfte zu jenen Zwecken verwendet habe; vielmehr muß, wenn der angestrebte Zweck, spätere Streitigkeiten abzuschneiden, erreicht werden soll, dem Ehemanne innerhalb der im § 1340 bezeichneten Grenzen das Recht beigelegt werden, die Einkünfte des ihm überlasienen Ver­ mögens nach seinem Ermessen zu verwenden. Aus diesem Rechte in Verbindung mit der Bestimmung in § 1340 Abs. 2 geht mit ausreichender Deutlichkeit hervor, daß der Ehemann — abgesehen von dem Falle- wenn er die auf dem Vermögen der Ehefrau ruhenden Lasten nicht oder nicht vollständig bestritten haben sollte — zu einer Rechnungslegung nach Maßgabe des § 591 nicht ver­ pflichtet ist, sondern seine Verpflichtung lediglich auf die Herausgabe derjenigen Einkünfte sich beschränkt, welche zu der Zeit, in welcher die Ehefrau dieselben in Anspruch nimmt, noch bei dem Ehemanne vorhanden sind. Demgemäß liegt auch der Ehefrau der Beweis ob, daß und welche Einkünfte sich zu jener Zeit noch in den Händen des Ehemannes befunden haben. Reichen die Einkünfte des dem Ehemanne zur Verwaltung überlassenen Vermögens der Ehefrau aus, um den nach § 1339 von ihr zu leistenden Bei­

trag zur Bestreitung der ehelichm Lasten zu decken, so versteht es sich von selbst, daß der Ehemann die Einkünfte des ihm zur Verwaltung überlassenen Vermögens zunächst auch zur Erfüllung dieser auf dem Vermögen der Ehefrau ruhenden Verpflichtung zu verwenden verpflichtet ist und unter jener Voraus­ setzung von einer Beitragspflicht nach Maßgabe des § 1339 nicht die Rede sein kann, indem die Ehefrau durch die Ueberlassuug ihres Vermögens an den Ehemann zum Zwecke der Verwaltung nach Maßgabe des § 1340 ihrer Bei­ tragspflicht auf die einfachste Weise genügt. Durch den Zwischensatz „soweit nicht die Ehefrau ein Anderes bestimmt hat", wird die dispositive Natur des hier fraglichen Rechtssatzes und weiter klargestellt, daß die Ehefrau nicht blos bei Ueberlassuug der Verwaltung ihres Vermögens an den Ehemann, sondern jederzeit eine andere Bestimmung über den Umfang der dem Ehemanne eingeräumten Befugnifie treffen und ins­ besondere auch die Verwendung der gerade vorhandenen Früchte zu einem be­ stimmten Zwecke verlangen kann. Daß der Ehemann auch im Falle des § 1340 nach Maßgabe des § 1279 nur zur Anwendung derjenigen Sorgfalt verpflichtet ist, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt, crgiebt sich aus § 1279 (vergl. die Motive zu § 1279 oben S. 122).

326 Perwen­ dungen der Ehefrau für das Haus­ wesen.

Allgemeine Gütergemeinschaft. Vorbemerkung. (§§ 1341—1409.)

In verschiedenen Gesetzgebungen finden sich noch Bestimmungen darüber, ob und inwieweit der Ehemann gegenüber der Ehefrau zum Ersätze verpflichtet ist, wenn die letztere, ohne dazu verpflichtet zu sein, aus dem Ertrage ihrer Arbeit oder den Einkünften ihres der ehelichen Nutznießung und Verwaltung nicht unterliegenden Vermögens Verwendungen für das gemeinschaftliche Haus­ wesen oder sonst zur Bestreitung der ehelichen Lasten gemacht oder zu einem solchen Zwecke dem Ehemanne jenen Ertrag oder jene Einkünfte überlassen hat. Die Tendenz jener Bestimmungen geht dahin, in solchen Fällen den Ersatz­ anspruch der Ehefrau überhaupt auszuschlicßen oder doch an erschwerende Voraussetzungen zu knüpfen. Im Einzelnen gehen indefien die verschiedenen Gesetze, soviel die Voraussetzungen und den Inhalt der Rechtsnorm betrifft, auseinander (vergl. sächs. G. B. § 1668; oldenb. Ges. v. 24. April 1873 Art. 33; preuß. A. L. R. II, 1 §§ 218—220).

Der Entwurf hat derartige positive Bestimmungen nicht ausgenommen, da dieselben einerseits im Hinblicke auf die allgemeinen Grundsätze, insbesondere auf die Bestimmungen über die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruches auf Grund einer Geschäftsführung ohne Auftrag oder der Bereicherung (§§ 753, 754, 758, 748) in Verbindung mit den allgemeinen Grundsätzen über die Be­ weislast und dem Prinzipe der freien Beweiswürdigung durch ein Bedürfniß nicht geboten, andererseits um deswillen im hohen Grade bedenklich sind, weil aus einer derartigen Bestimmung, wie man auch ihre Voraussetzungen faffen mag, für andere ähnlich liegende Fälle ein argumentum e contrario zu Gunsten eines Ersatzanspruches der Ehefrau gegen den Ehemann entnommen werden könnte. In der großen Mehrzahl derjenigen Fälle, welche die angeführten Gesetze vor Augen haben, werden die allgemeinen Grundsätze von selbst dahin führen, daß ein Ersatzanspruch der Ehefrau nicht begründet ist. Soweit aber im einzelnen Falle das Gegentheil sich ergeben sollte, liegt kein Grund vor, der Ehefrau den ihr nach den allgemeinen Grundsätzen zustehenden Anspruch durch eine positive Bestimmung gänzlich abzuschneiden.

III. Allgemeine Gütergemeinschaft Z. Vorbemerkung

zu den §§ 1341—1409. Zweck und Grund­ gedanken.

Die Zwecke, welche die allgemeine Gütergemeinschaft verfolgt, sind im Allgemeinen bereits in der Einleitung zu dem gesetzlichen ehelichen Güterrechte oben S. 147 ff. dargelegt. Sie sind theils sittlich idealer, theils praktisch wirthschaftlicher Natur. Die vollständige Lebensgemeinschaft, welche die Ehe unter den Ehegatten begründet, soll auch in vermögensrechtlicher Beziehung zum Ausdrucke gelangen und der Gegensatz, ja selbst die Verschiedenheit ver­ mögensrechtlicher Jntereffen unter den Ehegatten aufgehoben werden. Beide

i) Wegen des geltenden Rechtes vergl. insbesondere Neubauer, das in Deutsch­ land geltende eheliche Güterrecht unter Benutzung amtlicher Materialien, 1879.

Allgemeine Gütergemeinschaft. Vorbemerkung. (§§ 1341—1409.)

327

Ehegatten sollen nur ein Vermögen haben, welches sowohl die Funktionen des

Vermögens des einen als des anderen Ehegatten versieht. Durch diese Ver­ einigung des beiderseitigen Vermögens auf gemeinsamen Gedeih und Verderb, welche in dem Verhältnisse der Ehegatten unter einander dem sittlichen Wesen der Ehe gerecht zu werden strebt, soll aber zugleich eine Vereinfachung des Verhältnisses der Ehegatten nach außen, sowie die Erhöhung ihres Kredites

und eine größere Sicherheit ihrer Gläubiger erreicht werden. Die zur Zeit in Geltung befindlichen, auf dem Boden der allgemeinen Gütergemeinschaft stehenden Rechte sind jedoch weit entfernt, die aus dem prinzipiellen Grundgedanken der allgemeinen Gütergemeinschaft sich ergebenden Konsequenzen nach allen Seiten hin zu ziehen. Vollständig durchgeführt finden sie sich in keinem Rechte, weil eine solche vollständige Durchführung

praktisch nicht möglich ist, und viele Rechte zeigen so große Abweichungen, daß man zweifeln kann, ob sie überhaupt noch auf dem Boden der allgemeinen Gütergemeinschaft stehen. Aus der, wesentlich auf der Verschiedenheit der historischen Grundlage und Entwickelung beruhenden, bunten Mannigfaltigkeit

der Gütergemeinschaftsrechtc heben sich die folgenden Sätze hervor, welche, wenn sie auch nicht ausnahmslos von allen Rechten anerkannt und durchgeführt sind, doch so überwiegende Anerkennung gefunden haben und von so ent­ scheidender Bedeutung für den ganzen Bau des Systemes sind, daß man sic als typisch für dasselbe bezeichnen kann und als Grundlage für den Entwurf unbedingt festhalten muß.

1. Das Vermögen, welches der Ehemann, und das Vermögen, welches die Ehefrau zur Zeit des Eintrittes der allgemeinen Gütergemeinschaft hat oder während derselben erwirbt, wird zu einer ungetrennten Masse vereinigt, in welcher die den einzelnen Ehegatten zustehenden Vermögensrechte vollständig aufgehen. 2. Aus diesem gemeinschaftlichen Vermögen können alle Gläubiger des Ehemannes ihre Befriedigung verlangen. 3. Dem Ehemanne steht das Recht der Verwaltung des gemeinschaftlichen Vermögens zu; dabei ist er nur innerhalb gewisser Grenzen an die Mitwirkung der Ehefrau gebunden, während die letztere nur mit Einwilligung des Ehe­

mannes oder innerhalb eines von ihr mit Einwilligung des Ehemannes selbständig betriebenen Erwerbsgeschäftes oder innerhalb desjenigen beschränkten Kreises, innerhalb dessen sie den Ehemann zu vertreten befugt ist (häuslicher Wirkungs­ kreis, Behinderung des Ehemannes), über das gemeinschaftliche Vermögen ver­ fügen kann. 4. Eine Haftung des Ehemannes gegenüber der Ehefrau wegen der Verwaltung des gemeinschaftlichen Vermögens findet nicht statt. 5. Die Ehefrau kann ein von dem gemeinschaftlichen Vermögen ab­ gesondertes selbständiges Vermögen haben, an welchem dem Ehemanne als solchem keine oder nur beschränkte Rechte zustehen. In Folge dessen sind An­ sprüche und Verbindlichkeiten der Ehefrau möglich, welche das gemeinschaftliche Vermögen nicht berühren, und zwar selbst zwischen der Ehefrau und dem ge­

meinschaftlichen Vermögen.

328

Allgemeine Gütergemeinschaft. Vorbemerkung. (§§ 1341—1409.)

6. Bei Auflösung der allgemeinen Gütergemeinschaft fällt das gemein­ schaftliche Vermögen mit den darauf haftenden Schulden entweder dem über­ lebenden Ehegatten allein zu oder es wird unter den Ehegatten bezw. deren Erben nach Antheilen getheilt. Eine Sonderung nach den ursprünglichen An­ theilen findet nicht statt; aber nicht selten werden gewiffe Kategorieen von Schulden (z. B. die Verbindlichkeiten aus unerlaubten Handlungen) als Sonder­ verbindlichkeiten des betreffenden Ehegatten behandelt. 7. Eine Verpflichtung der Ehefrau, über den Bestand des gemeinschaft­ lichen Vermögens hinaus für solche Schulden zu haften, für welche sie nach allgemeinen Grundsätzen nicht persönlich hastet, ist entweder überhaupt oder doch dann ausgeschlossen, wenn sie von den ihr zu diesem Zwecke zu Gebote gestellten Rechtsbehelfen (Ausschlagung des Gesammtgutes; Jnventarrecht) Ge­ brauch macht. In allen anderen Beziehungen finden sich tiefgreifende Verschiedenheiten, insbesondere in Ansehung der Fragen, inwieweit der Ehemann bei Verfügungen über das gemeinschaftliche Vermögen, namentlich bei entgeltlichen Verfügungen, an die Mitwirkung der Ehefrau gebunden ist, für welche Schulden der Ehe­ frau das gemeinschaftliche Vermögen haftet, ob namentlich für die unmittelbar

kraft des Gesetzes oder aus unerlaubten Handlungen der Ehefrau entstandenen Verbindlichkeiten, ferner ob und welche Nachwirkung die allgemeine Güter­ gemeinschaft bei der Auflösung der Ehe durch den Tod eines Ehegatten, ins­ besondere bei beerbter Ehe, hat.

Vergleicht man den Zustand des gegenwärtig bestehenden Rechtes mit den aus dem prinzipiellen Grundgedanken der allgemeinen Gütergemeinschaft sich ergebenden äußersten Konsequenzen, so zeigt sich, daß diese Konsequenzen in den bestehenden Rechten überwiegend für den Ehemann festgehalten sind, d. h. daß das gemeinschaftliche Vermögen im Wesentlichen alle Funktionen des Vermögens des Ehemannes hat, während rücksichtlich der Ehefrau große Abweichungen und Schwankungen vorkommen, eine Ausgleichung für ihre geringeren Rechte aber in einer Minderung ihrer Verantwortlichkeit für die Schulden gesucht wird, daß ferner bei Auflösung der Ehe durch den Tod dem überlebenden Ehegatten, obwohl auch hier nicht selten unter Bevorzugung des Ehemannes, von fast allen wichtigeren Rechten — mit Ausnahme des preuß. A. L. R., nach welchem das gemeinschaftliche Vermögen zwischen dem über­ lebenden Ehegatten und den Kindern nach Hälften getheilt wird — ausgedehnte, über das gesetzliche Erbrecht hinausgehende Rechte an dem Gesammtgute bei­ gelegt werden und dabei die Richtung vorherrscht, dem überlebenden Ehegatten bei beerbter Ehe an dem Gesammtgute ähnliche Rechte beizulegen, wie solche während bestehender Ehe dem Ehemanne zustehen. In dem Entwürfe ist bei der Gestaltung der allgemeinen GütergemeinfitdPbe",te schäft im Einzelnen davon ausgegangen, daß der oben S. 326 bezeichnete

Leitende Ge-

Regelung des

Entwurfes.

ideale Grundgedanke und die daraus sich ergebenden Konsequenzen als leitende Gesichtspunkte titelten müssen. Eine vollständige Durchführung dieser Kon­ sequenzen ist aber nicht möglich. Ihr steht zunächst die geschichtliche Ent­ wickelung, welche die Gütergemeinschaft in Deutschland gefunden hat, und die

Allgemeine Gütergemeinschaft. Vorbemerkung. (§§ 1341—1409.)

329

darauf beruhende Gestaltung des gegenwärtigen Rechtszustandes entgegen. Soweit sich hieraus ergiebt, daß einzelne Konsequenzen des idealen Grund­ gedankens in denjenigen Nechtsgebieten, in welchen die allgemeine Güter­ gemeinschaft das gesetzliche Güterrecht bildet, von der herrschenden Auffassung zurückgewiesen sind, dürfen dieselben auch in dem Entwürfe keine Aufnahme finden; vielmehr müssen an Stelle derselben diejenigen Bestimmungen treten, welche den bestehenden Rechten und, soweit diese in ihren positiven Bestim­ mungen von einander abweichen, den sonstigen Grundsätzen des Entwurfes und den Anforderungen der Zweckmäßigkeit und Einfachheit am meisten ent­ sprechen. Sodann muß bei der Ausgestaltung im Einzelnen immer im Auge behalten werden, daß die allgemeine Gütergemeinschaft nach dem Entwürfe nicht das gesetzliche Güterrecht bildet, sondern nur auf Grund eines Ehe­ vertrages eintritt. Das Verhältniß der allgemeinen Gütergemeinschaft nach außen wird dadurch ein wesentlich anderes. Die von ihr mitverfolgten Zwecke, die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Ehegatten in einer dem öffentlichen Jnterefie möglichst entsprechenden Weise zu gestalten, den Kredit der Ehegatten zu heben und ihren Gläubigern eine größere Sicherheit zu gewähren, Zwecke, welche bei der geschichtlichen Entwickelung der allgemeinen Gütergemeinschaft eine große Rolle gespielt haben, lassen sich in vollem Umfange nur da er­ reichen, wo die allgemeine Gütergemeinschaft das gesetzliche Güterrecht bildet. Bei der vertragsmäßigen allgemeinen Gütergemeinschaft treten jene Zwecke, auch wenn dieselben, namentlich von dem Gesichtspunkte aus, daß die Bestim­ mungen des Entwurfes über die vertragsmäßige allgemeine Gütergemeinschaft hervorragend dazu bestimmt sind, in denjenigen Gebieten, in welchen die all­ gemeine Gütergemeinschaft gegenwärtig den gesetzlichen Güterstand bildet, den letzteren zu ersetzen, nicht gänzlich unberücksichtigt gelassen werden dürfen, doch gegenüber der Rücksicht auf das Interesse der Ehegatten und das Verhältniß der letzteren unter einander mehr in den Hintergrund, und es kann sich in dieser Beziehung bei der vertragsmäßigen Gütergemeinschaft im Wesentlichen nur darum handeln, dieselbe so zu regeln, daß das Verhältniß nach außen ein möglichst einfaches wird und die Rechte Dritter, insbesondere der Gläubiger, dadurch nicht in höherem Maße gefährdet werden, als wenn das gesetzliche Güterrecht Anwendung fände. Der vertragsmäßige Karakter der Güter­ gemeinschaft legt dem Entwürfe ferner insofern gewisie Schranken auf, als manche Folgen, welche unbedenklich mit ihr verbunden werden können, wenn sie das gesetzliche Güterrecht bildet, als Folge eines vertragsmäßigen Vcrhältnisies sich nicht mehr rechtfertigen lasten und als an die ganze Gestaltung des Ver­ hältnisses in weit höherem Maße, als wenn es sich um ein selbständiges System des gesetzlichen Güterrechtes handelte, der Anspruch gemacht werden muß, daß sie sich an die sonstigen Bestimmungen des Entwurfes anschließt und kein fremdartiges Element in denselben hineinträgt. Von wesentlicher Bedeutung für den ganzen Bau des Systemes ist ferner Juristische die Entscheidung der Frage, ob und welche bestimmte juristische Konstruktion der allgemeinen Gütergemeinschaft zum Grunde gelegt werden soll. Angesichts des in Doktrin und Praxis schon seit langer Zeit bestehenden und auch gegen­

wärtig noch nicht ausgetragenen Streites über die juristische Natur der all-

330

Allgemeine Güteegemeinschaft.

Vorbemerkung.

(§§ 1341—1409.)

gemeinen Gütergemeinschaft und über das Rechtsvcrhältniß der Ehegatten zu dem gemeinsamen Vermögen und im Hinblicke auf die Wichtigkeit der hier fraglichen Materie ist es als bedenklich erachtet, bei der Regelung der all­

gemeinen Gütergemeinschaft von einer bestimmten juristischen Konstruktion überhaupt gänzlich abzusehen und die einzelnen Punkte so zu regeln, daß keiner der verschiedenen Konstruktionen präjudizirt, sondern der Wissenschaft und Praxis in dieser Beziehung völlig freie Hand gelassen wird. Eine solche Art der Regelung führt zur Kasuistik, und werden trotzdem Zweifel und Streitig­ keiten in Ansehung der im Gesetze nicht besonders entschiedenen Punkte nicht ausbleiben, da kaum zu erwarten ist, daß Doktrin und Praxis künftig zu einer einheitlichen Auffassung der allgemeinen Gütergemeinschaft gelangen werden. Aus diesen Gründen empfiehlt es sich, bei der Regelung der letzteren nicht nur von einer bestimmten juristischen Konstruktion auszugehen, sondern dieselbe im Gesetze in der einen oder anderen Art auch zum deutlichen Ausdrucke zu bringen, so daß es für die im Gesetze nicht speziell entschiedenen Punkte an einer klaren Wornt nicht fehlt. Von den verschiedenen in Doktrin und Praxis vertretenen Theorieen können, namentlich wenn man die Grundsätze des Gesetzbuches über den Begriff des Eigenthumes (§ 848), über die juristischen Personen (§§ 41 ff.) und über die Sozietät (§§ 629 ff., insbes. § 645) berücksichtigt, die Theorieen des condominium plurium in solidum, der juristischen Person und der Sozietät nicht in Frage kommen. Dagegen bietet sowohl die Kategorie des deutschrechtlichen Miteigenthumes — d. h. eines Miteigenthumes, bei welchem im Gegensatze zu dem auf dem Prinzipe der Freiheit der einzelnen Theilhaber beruhenden römischen Miteigenthume die Antheile der einzelnen Theilhaber während der Dauer der Gemeinschaft durch die Zwecke der letzteren gebunden sind und des­ halb als selbständige Vermögensrechte nicht geltend gemacht werden können, sondern erst mit der Auflösung der Gemeinschaft praktisch hervortreten —, als auch die Konstruktion des Alleineigenthumes des Ehemannes, welche zwar im Verhältniffe der Ehegatten unter einander an dem Gemeinschaftsverhältniffe festhält, nach außen hin aber als den alleinigen Träger aller rechtlichen Be­ ziehungen des Gesammtgutes den Ehemann behandelt, für die Erreichung der Zwecke der allgemeinen Gütergemeinschaft und für die Gestaltung der letzteren im Einzelnen eine geeignete Grundlage. Wenngleich die zuletzt gedachte Kon­ struktion, hingesehen namentlich auf das bestehende Recht, nur wenig Anhänger gefunden hat, so ist doch nicht zu verkennen, daß die Konstruktion der all­ gemeinen Gütergemeinschaft auf dieser Grundlage vom legislativen Standpunkte aus entschiedene Vortheile gewährt. Bei dieser Konstruktion, für welche auf dem handelsrechtlichen Gebiete die stille Gesellschaft eine Analogie bietet, ist das Gesammtgut Vermögen des Ehemannes und wird er allein den Gemein­ schaftsgläubigern persönlich verhaftet. Besondere Bestimmungen, um die Einheit des Vermögens und das Recht der Gläubiger, sich an dasselbe zu halten, zum Ausdrucke zu bringen, bedarf es dabei nicht. An die Stelle des Grundsatzes, daß das Vermögen beider Ehegatten Gemeinschaftsvermögen und der von ihnen während bestehender Gemeinschaft gemachte Erwerb kraft Rechtens gemein­ schaftlich wird, tritt der Grundsatz, daß das Vermögen der Ehefrau auf den

Allgemeine Gütergemeinschaft. Vorbemerkung. (§§ 1341—1409.)

331

Ehemann übergeht und der von Ihr während bestehender Gemeinschaft gemachte Erwerb dem Ehemanne zufällt; statt der Bestimmung, daß für alle als Gemeinschaftsschulden anzuerkennende Schulden des Ehemannes, wie der Ehe­ frau beide Ehegatten gemeinschaftlich, mindestens mit dem Gesammtgute, haften, braucht nur bestimmt zu werden, daß der Ehemann für diejenigen Schulden der Ehefrau, welchen jene Eigenschaft zukommt, persönlich haftet. Das Verhältniß unter den Ehegatten selbst bleibt dagegen materiell dasselbe,

wie bei der Konstruktion auf der Grundlage deutschrechtlichen Miteigenthumes, nur daß die Rechte der Ehefrau keinen dinglichen Karakter haben, sondern ihr lediglich einen persönlichen Anspruch gegen den Ehemann gewähren. Ein auf dieser Grundlage aufgebautes System der allgemeinen Gütergemeinschaft zeichnet sich nicht allein durch Einfachheit und Klarheit, sondern insbesondere auch dadurch aus, daß es sich den allgemeinen Grundsätzen des Gesetzbuches vollständig an­ schließt, während man bei der Konstruktion auf der Grundlage des deutsch­ rechtlichen Miteigenthumes mit einem, in dem Gesetzbuche zwar auch sonst als möglich anerkannten, aber nicht speziell geregelten Miteigenthume und Gemeinschaftsverhältnisse (vergl. §§ 762, 946, 659, 827; Anm. 1 zu § 827) zu rechnen hat, dessen Verwerthbarkeit für die Konstruktion der Güter­ gemeinschaft eine Reihe besonderer Bestimmungen erforderlich macht (vergl. insbes. die §§ 1344, 1345, 1352, 1353, 1359 Abs. 1, §§ 1360, 1361, 1373 bis 1375). Trotz jener mit der Konstruktion der Gütergemeinschaft auf der Grundlage des Alleineigenthumcs des Ehemannes unverkennbar verbundenen Vorzüge ist es jedoch als bedenklich erachtet, diese Konstruktion dem Entwürfe zu Grunde zu legen. Auf das zunächst sich aufdrängende Bedenken, daß cs einen Widerspruch zu enthalten scheint, noch von Gütergemeinschaft zu reden, wenn der Ehemann Alleineigenthümer des ganzen Vermögens beider Ehegatten ist und der Ehefrau nur ein persönlicher Anspruch auf Theilung nach Auflösung der Ge­ meinschaft zusteht, und auf die Erwägung, daß eine Differenz zwischen der Ge­ staltung des Gemeinschaftsverhältniffes nach innen und nach außen hin an sich nicht wünschenswerth ist, kann zwar durchschlagendes Gewicht nicht gelegt

werden. Auch das Bedenken, daß die Konsequenz jener Konstruktion zu einem un­ beschränkten Verfügungsrechte des Ehemannes über das gemeinsame Vermögen führt, ist nicht von entscheidender Bedeutung, da, soweit im Jntereffe der

Sicherung der Ehefrau eine Einschränkung des Verfügungsrechtes des Ehe­ mannes sich als nothwendig erweist, dies auch bei jener Konstruktion ohne große Schwierigkeiten durch geeignete Vorschriften sich erreichen ließe. Wichtiger ist dagegen der gegen jene Konstruktion sich erhebende Einwand, daß die Ehe­ frau, wenn derselben nach Auflösung der Gemeinschaft nur ein persönlicher Theilungsanspruch gegen den Ehemann zusteht, für solche Fälle nicht aus­ reichend gesichert ist, in welchen der Ehemann nach Auflösung der Gemein­ schaft und vor erfolgter Theilung des gemeinschaftlichen Vermögens einseitig Schulden macht oder in welchen der Betrag der aus der Zeit der Gemein­ schaft herrührenden, im Verhältniffe der Ehegatten zu einander allein dem Ehemanne zur Last fallenden Gesammtgutsverbindlichkeiten des letzteren, ins­ besondere aus unerlaubten Handlungen, ein erheblicher ist (vergl. § 1367 Abs. 2, §§ 1373—1377). Zwar erledigt sich das Bedenken gegen den nur

332

Allgemeine Gütergemeinschaft.

Vorbemerkung.

(§§ 1341—1409.)

persönlichen Karaktcr der Rechte der Ehefrau in denjenigen Fällen, in welchen die Gemeinschaft durch den Tod des Ehemannes aufgelöst und die überlebende Ehefrau der alleinige Erbe des letzteren wird (vergl. §§ 1383, 1384 verb. mit § 1971). Indessen bleibt jenes Bedenken für alle diejenigen Fälle, in welchen die Gemeinschaft während bestehender Ehe, insbesondere durch Ehescheidung, gelöst wird oder in welchen die Ehefrau die gütergemeinschaftliche Erbfolge wegen der Ueberschuldung des Nachlasses in Folge solcher Gesammtgutsvcrbindlichkeiten des Ehemannes ausschlägt, welche im Verhältnisse der Ehe­ gatten unter einander dem Ehemanne zur Last fallen (§§ 1371, 1372, 1386). Will man aber auch dieses Bedenken als ausschlaggebend nicht anschen, weil ans der anderen Seite nicht zu übersehen ist, daß durch den dinglichen Karakter der Rechte der Ehefrau das Verhältniß gegenüber den Gläubigern ein verwickeltcres und insbesondere die Lage der oben bezeichneten Gesammtgutsgläubigcr des Ehemannes eine weniger günstigere wird, so fällt doch gegen die Konstruktion der Gütergemeinschaft auf der Grundlage des Alleineigenthumes des Ehemannes entscheidend ins Gewicht, daß dieselbe dem geltenden Rechte und der in Doktrin und Praxis vorzugsweise vertretenen Auffassung über die juristische Natur der Gütergemeinschaft nicht entspricht und aus diesem Grunde zu besorgen ist, daß sie auf Widerstand stoßen und eine auf der Grund­ lage dieser Konstruktion geregelte Gütergemeinschaft, weil sie den hergebrachten Anschauungen der Betheiligten keine Rechnung trügt, im Leben keinen Eingang finden, mithin der Zweck der Kodifikation der allgemeinen Gütergemeinschaft int Gesetzbuche nicht erreicht wird. Diese Besorgniß liegt um so näher, als cs sich nicht um die Regelung einer gesetzlichen, sondern einer vertragsmäßigen allgemeinen Gütergemeinschaft handelt. Nur dann ist zu erwarten, daß dieses Institut kein todter Buchstabe bleiben, sondern in denjenigen Gebieten, in welchen die allgemeine Gütergemeinschaft gegenwärtig das gesetzliche eheliche Gütcrrccht ist, sich einbürgern wird, wenn dieselbe nicht nur materiell den Grundgedanken der allgemeinen Gütergemeinschaft in sich aufnimmt, sondern auch formell den hergebrachten Anschauungen und dem vermuthlichen Durch­ schnittswillen in den betheiligtcn Kreisen sich anschließt. Von diesem Gesichts­ punkte aus verdient cs den Vorzug, die allgemeine Gütergemeinschaft auf der Grundlage des deutschrechtlichen Miteigenthumes in dem oben S. 330 be­ zeichneten Sinne zu regeln, da diese Art der Regelung, wenn auch die An­ sichten über die rechtliche Natur der bei diesem Güterstande unter den Ehe­ gatten bestehenden Eigenthumsgemeinschaft, namentlich darüber, ob dieselbe als ein deutschrechtlich modifizirtes röm. Miteigenthum oder als ein selbständiger deutschrechtlicher Gemeinschaftsbegrifs (Gemeinschaft zur gesammtcn Hand) aufzufassen ist, vielfach auseinandergehen, im praktischen Resultate doch dem geltenden Rechte, insbesondere dem preuß. und dem franz. Rechte, sowie der neueren Doktrin und Praxis vorwiegend entspricht (vergl. Seuffert XVIII, 146, XXI, 131; Entsch. d. R. G. in Civils. I, 140; Urth. d. R. G. bei Gruchot XXVI S. 972 ff., 1005 ff.; Entsch. d. R. G. in Strass. IV, 31, X, 66, XII, 113) und ein mit den hergebrachten Anschauungen im Einklänge stehendes Bild der all­ gemeinen Gütergemeinschaft gewährt.

Allgemeine Gütergemeinschaft.

Vereinbarung.

§ 1341.

333

1. Vereinbarung der Gütergemeinschaft.

§ 1341. Der erste Absatz des § 1341. bestimmt durch die Verweisung auf die Vorschriften der §§ 1342—1409

den gesetzlichen Inhalt des Ehevcrtrages,

GA-r.

durch welchen vereinbart ist, daß unter den Ehegatten allgemeine eheliche Gütergemeinschaft bestehen soll. Die Gründe, welche den Entwurf bestimmt haben, den Inhalt dieses Ehevertrages gesetzlich vollständig zu regeln, sind in

der Einleitung zu dem gesetzlichen ehelichen Güterrechte oben S. 141 ff. be­ reits dargelegt. Aus § 1333 Abs. 2 ergiebt sich, daß ein solcher, die allgemeine Gütergemeinschaft einführender Ehevertrag auch während des Bestehens der Ehe geschloffen werden kann (vergl. die Motive zu § 1333 oben S. 305 ff.). Nach den allgemeinen Grundsätzen des Gesetzbuches kann der auf Ein-^^^"°^ führung der allgemeinen Gütergemeinschaft gerichtete Ehevertrag, wenn einer

der Vertragschließenden in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, von dem letzteren mit Einwilligung oder Genehmigung seines gesetzlichen Vertreters oder durch diesen im Namen des Vertreters wirksam abgeschlossen worden. Letzteres gilt auch dann, wenn einer der Vertragschließenden geschäftsunfähig ist (vergl. § 65 Abs. 3, §§ 1649, 1728, 1503 Abs. 1). Die Gründe, aus welchen der Entwurf in Ansehung der Eheverträge eine Vertretung durch gesetzliche Ver­ treter nicht überhaupt ausgeschloffen hat, sind in den Motiven zu § 1335 oben S. 313 ff. dargelegt. Durchschlagende Gründe, in dieser Hinsicht für den hier in Rede stehenden Ehevertrag allgemein eine Ausnahme zu machen oder noch weiter zu gehen und die vertragsmäßige Eingehung der allgemeinen Güter­ gemeinschaft für Personen, welche in der Geschäftsfähigkeit beschränkt sind, voll­ ständig auszuschließen, sind nicht anzuerkennen. Nach dem preuß. A. L. R. II, 2 §§ 415, 780 ff. soll allerdings die gesetzliche Gütergemeinschaft, falls die Ehefrau minderjährig ist (ob auch bei Minderjährigkeit des Ehemannes, ist be­ stritten), nicht sofort, sondern erst dann eintreten, wenn sie nicht binnen bestimmter Frist nach erreichter Volljährigkeit der Ehefrau auf deren Verlangen aus­ geschloffen wird, es sei denn, daß der Vormund der Ehefrau für die letztere auf diese Wohlthat verzichtet. Die mehrfach vertheidigte, von anderen Seiten dagegen bestrittene Ansicht, daß jene Bestimmung durch den § 102 der preuß. Vormundsch. O. v. 5. Juli 1875 als beseitigt anzusehen sei, ist vom Reichs­ gerichte nicht gebilligt (vergl. Entsch. d. R. G. in Civils. V, 59). Aehnliche Bestimmungen finden sich indeffen in anderen Gebieten, in welchen die all­ gemeine Gütergemeinschaft den gesetzlichen Güterstand bildet, nicht. Für diese Gebiete würde daher die Unmöglichkeit, bei der Verheirathung einer minder­ jährigen Frau die allgemeine Gütergemeinschaft einzuführen, die Unmöglichkeit in sich schließen, den gewohnten Rechtszustand durch Ehevertrag zu erhalten.

Für eine Bestimmung der oben bezeichneten Art läßt sich zwar insbesondere geltend machen, daß nach dem Entwürfe (§ 1385) unter gewissen Voraus­ setzungen mit der vertragsmäßigen allgemeinen Gütergemeinschaft die Wirkungen eines Erbeinsetzungsvertrages verbunden sind und nach den erbrechtlichen Be­ stimmungen (§§ 1941, 1942) ein Erbeinsetzungsvertrag von Personen, welche geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt sind, auch nicht durch

334 deren

Allgemeine Gütergemeinschaft. Vereinbarung. § 1341. gesetzliche

Vertreter

oder

mit Einwilligung

der

letzteren geschlossen

werden kann. Indessen treffen die prinzipiellen Gründe, auf welchen diese Bestimmungen beruhen, bei dem Gütergemeinschaftsvertrage nicht zu, da der

Zweck des letzteren nicht in der Einräumung eines Erbrechtes besteht, sondern der Vertrag nur mittelbar unter gewisien Voraussetzungen kraft des Gesetzes ^TeTso""” b“8 gütergemeinschaftliche Erbrecht begründet. Mit Rücksicht auf die außermundschafts- gewöhnlichen und tiefgreifenden Wirkungen aber, welche die allgemeine Gütergerichteo. gemeinschaft auf die Verhältnisie der Ehegatten äußert, bestimmt der § 1341 Abs. 2, daß, wenn einer der Vertragschließenden unter elterlicher Gewalt oder Vormundschaft steht, zu dem auf Einführung dieser Gütergemeinschaft ge­ richteten Vertrage die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes erforderlich sein und diese Genehmigung nur ertheilt werden soll, wenn der unter elterlicher Gewalt oder unter Vormundschaft stehende Vertragschließende gehört ist und mit dem Ehevertrage sich einverstanden erklärt hat. Aus dieser letzteren Be­ schränkung ergiebt sich zugleich, daß für eine geschäftsunfähige Person ein Ehevertrag der hier fraglichen Art überhaupt nicht geschlossen werden soll, wenngleich derselbe, falls dies doch geschehen sein und das Vormundschaftsgericht die Genehmigung dazu ertheilt haben sollte, aus praktischen Gründen nicht als ungültig behandelt wird. Daß durch die Bestimmungen des Abs. 2 in denjenigen Gebieten, in welchen bisher die allgemeine Gütergemeinschaft als gesetzliches eheliches Gütcrrecht bestanden hat, der Abschluß eines auf Einfüh­ rung der allgemeinen Gütergemeinschaft gerichteten Ehevertrages zu sehr er­ schwert werde, ist nicht zu besorgen; in jenen Gebieten wird der Vormund­ schaftsrichter auch künftig kein Bedenken tragen, einen solchen Ehevertrag regel­ mäßig zu genehmigen, und nur in solchen Fällen, in welchen die allgemeine Gütergemeinschaft zum wirklichen Nachtheile des betreffenden Ehegatten aus­ schlagen würde, die Genehmigung versagen. Die rechtliche Wirksamkeit eines ohne die nach Abs. 2 Satz 1 erforder­ liche Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes geschloffenen Ehevertrages beurtheilt sich nach den Vorschriften der §§ 1514, 1681, 1728, 1737 Abs. 4. Die Bestimmung des Abs. 2 Satz 2 hat dagegen, wie die Faffung ergiebt, in Uebereinstimmung mit der entsprechenden Vorschrift des § 1680, nur den Karakter einer Ordnungsvorschrift. Um das Vormundschaftsgericht darauf hinzuweisen, daß es sich nicht einfach mit der Entgegennahme der Erklärung des Vertragschließenden begnügen soll, ist ausdrücklich bestimmt, daß der Vertrag­ schließende vor Ertheilung der Genehmigung auch gehört werden soll. Aus dem Prinzipe des § 1743 folgt, daß die Bestimmungen des Abs. 2 auch auf die Pflegschaft entsprechende Anwendung finden; doch ist in solchen Fällen, in welchen der Pflegebefohlene in der Geschäftsfähigkeit nicht beschränkt ist (§§ 1739, 1740), die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes selbstverständlich dann nicht erforderlich, wenn der Pflegebefohlene selbst, nicht der Pfleger, den Ehevertrag schließt (vergl. Motive zu § 1743). Weitere besondere Bestimmungen zum Schutze der Ehefrau gegen die ihr aus der vertragsmäßigen Eingehung der allgemeinen Gütergemeinschaft möglicherweise erwachsenden Nachtheile, wie sie z. B- im preuß. A. L. N. II, 1 §§ 357, 358 sich finden, sind nicht für erforderlich gehalten.

Allgemeine Giitcegemcinschcifl.

Prinzip.

Gesammtgut.

§ 1342.

335

2. Verhältniß während bestehender Gütergemeinschaft.

8 1342. Die Bestimmung des § 1342 bringt einerseits den im Wesen der all-

*vi"iiv-

gemeinen Gütergemeinschaft begründeten Gedanken zum Ausdrucke, daß durch

die allgemeine Gütergemeinschaft das Vermögen, welches der Ehemann, und das Vermögen, welches die Ehefrau zur Zeit des Eintrittes der allgemeinen Gütergemeinschaft hat oder während derselben erwirbt, zu einer neuen ungetrennten Masse vereinigt wird, in welcher die den einzelnen Ehegatten zustehenden Vermögensrechte aufgehen, andererseits, daß das so zu einem Ganzen vereinigte Vermögen gemeinschaftliches Vermögen beider Ehegatten (Gesammtgut) wird, beide Ehegatten mithin Subjekte des Gesammtgutes sind (vergl. preuß. A. L. R. II, 1 §§ 363, 370, 372; sächs. G. B. § 1695). Die nähere Karakterisirung dieses Gesammtgutes als eines deutschrechtlichen bcä Miteigenthumcs, d. h. eines Miteigenthumes, bei welchem die Antheile der ^g""es"

Ehegatten während der Dauer der Gemeinschaft als selbständige Vermögens­ rechte nicht geltend gemacht werden können, sondern erst nach Auflösung der

Gemeinschaft Sondenechte der Ehegatten an der gemeinschaftlichen Masse her­ vortreten (vergl. Entsch. d. R. G. in Civilst I, 140 S. 396), ergießt sich mit

genügender Deutlichkeit aus den späteren einzelnen Vorschriften (vergl. insbes. §§ 1344, 1345, 1373, 1376—1378, 1382 Abs. 1). Die Gründe, welche den Entwurf bestimmt haben, bei der Regelung der allgemeinen Gütergemeinschaft

das Prinzip des deutschrechtlichen Miteigenthumcs in dem bezeichneten Sinne zu Grunde zu legen, sind bereits in der Vorbemerkung zu den Bestimmungen über die allgemeine Gütergemeinschaft oben S. 326 ff. dargelegt worden. Zur technischen Bezeichnung des beiden Ehegatten gemeinschaftlich ge- Serimnotoßie. hörenden Vermögens hat der Entwurf statt des in der Wissenschaft allerdings gebräuchlichen Ausdruckes „Sammtgut" den Ausdruck „Gesammtgut" gewählt, da der letztere Ausdruck sich dem bei dem Gesammtschuldverhältnisse befolgten Sprachgebrauche (§§ 321 ff.) anschließt. Abweichend von der Fassung des § 1283, ist im § 1342 auf die Aus- 1,u6"a!’men nahmefälle, in welchen gewiße Vermögensstücke des einen oder anderen Ehe- Prinzip-, gatten nicht in die Gemeinschaft fallen (§§ 1346—1349, 1351), absichtlich nicht hingewiesen. Ein solcher Hinweis ist einerseits wegen der darauf bezüglichen, unmittelbar sich anschließenden speziellen Vorschriften für entbehrlich, anderer­ seits deshalb für nicht angemeffen erachtet, weil durch einen derartigeil Zusatz die Schärfe des im § 1342 ausgesprochenen Prinzipes, daß alles Vermögen der Ehegatten gemeinschaftlich wird, zu sehr abgeschwächt werden würde. Der § 1283 kann insoweit nicht als Vorbild dienen, da bei dem gesetzlichen ehe­ lichen Güterrechte, namentlich wegen der Bestimmung des § 1289, Ausnahmen von der Regel weit häufiger sein werden, als bei der allgemeinen Gütergemein­ schaft. Daß alles vorhandene Vermögen der Ehegatten bis zum Beweise des Gegentheiles als Gesammtgut gilt, ergiebt sich aus den allgemeinen Grund­ sätzen über die Beweislast von selbst (vergl. § 194 Abs. 1) und braucht deshalb hier ebensowenig, wie in den; analogen Falle des § 1283, besonders bestimmt

zu werden.

336

Allgemeine Gütergemeinschaft. Gesammtgut. Entstehung. § 1343. § 1343.

Gelammt" Die Vorschrift des Satz 1 ist für die Erreichung der Zwecke der allgutseig°n- gemeinen Gütergemeinschaft so wesentlich, daß sie auch bei der vertragsmäßigen sch°ft allgemeinen Gütergemeinschaft nicht entbehrt werden kann, wenn man den Ehe­

gatten die Möglichkeit gewähren will, durch Ehevertrag ein dem Rechtszustande in den bisherigen Gebieten der allgemeinen Gütergemeinschaft entsprechendes Ver­

suchte

hältniß herzustellen. Dies ist auch der Standpunkt aller Rechte, welche die Gütergemeinschaft zwar nicht als gesetzliches Güterrecht anerkennen, aber als vertragsmäßigen Güterstand zulassen und ordnen (vergl. insbesondere preuß. A. L. R. II, 1 §§ 361 ff.; sächs. G. B. § 1695; code civil Art. 1528). Wenngleich das Prinzip des § 1343 schon aus der Bestimmung des § 1342 abgeleitet werden kann, so ist es bei der Wichtigkeit der Sache doch als rathsam erachtet, dasselbe im Gesetze besonders auszusprechen. Uebereinstimmend mit dem preuß. Rechte (A. L. R. II, 1 §§ 365—367; preuß. Ges. über den Eigenthumserw. u. s. w. v. 5. Mai 1872 § 5 nebst der Grundb. O. § 50) — ab­ weichend von dem sächs. G. B. § 1695 — gilt die Regel des § 1343 Satz 1 nach Satz 2 auch in Ansehung solcher Rechte, zu deren Uebertragung durch Rechtsgeschäft Eintragung in das Grundbuch erforderlich ist. Es enthält diese Bestimmung allerdings eine Durchbrechung der Prinzipien des Grund­ buchrechtes, da es sich bei der vertragsmäßigen Gütergemeinschaft um einen durch Rechtsgeschäft vermittelten Vermögensübergang handelt und deshalb zur Uebertragung der hier fraglichen Rechte nach Maßgabe der Bestimmungen des Grundbuchrechtcs (vergl. insbes. §§ 828, 868) an sich die Eintragung in das Grundbuch erforderlich sein würde. Auch läßt sich nicht verkennen, daß durch die hier fragliche Bestimmung des Entwurfes die Zahl der Fälle, in welchen der Inhalt des Grundbuches der wirklichen Rechtslage nicht entspricht, namentlich in solchen Gebieten, in welchen Gütergemeinschaft hergebracht ist, sich erheblich vermehren wird, da die Ehegatten cs häufig unterlassen werden, für die Berichtigung des Grundbuches Sorge zu tragen, und daß eine solche Differenz zwischen dem Grundbuche und der wirklichen Rechtslage immer als ein Uebelstand sich darstellt und deshalb thunlichst zu vermeiden ist. Indessen sind die für den Standpunkt des Entwurfes sprechenden Gründe als über­ wiegend anzusehen. Der entgegengesetzte Standpunkt kann im Widersprüche mit dem Gedanken der Gütergemeinschaft, daß die einem jeden der Ehegatten wirklich zustehenden Rechte gemeinschaftlich werden sollen, dahin führen, daß ein eingetragenes Recht der hier fraglichen Art, auch wenn dasselbe dem als Berechtigten eingetragenen Ehegatten nicht zusteht, trotzdem unter Umständen nach Maßgabe der Grundsätze über den öffentlichen Glauben des Grundbuches (§§ 837, 1083, 1116) Bestandtheil des Gesammtgutes werden könnte. Dieser Umstand kann zwar für sich allein entscheidend nicht in Betracht kommen (vergl. §§ 839, 1359). Entscheidend fällt aber ins. Gewicht, daß ohne das Prinzip des Entwurfes eine gedeihliche Entwickelung der vertragsmäßigen Gütergemeinschaft in denjenigen Gebieten, in welchen dieselbe gegenwärtig den gesetzlichen ehelichen Güterstand bildet, nicht zu erwarten, sondern zu besorgen ist, daß Jahre verstreichen können, ehe in Ansehung der wichtigsten zu dem

Allgem. Gütergemeinschaft.

Gesammtgut. Karakter.

§§ 1344,1345.

337

der Ehegatten gehörenden Gegenstände eine wirkliche Güter­ gemeinschaft eintritt. Auf der anderen Seite kommt in Betracht, daß das Prinzip des Entwurfes wegen der publica fides des Grundbuches (vergl. 88 837, 838, 1083, 1116) Gefahren für die Verkehrssicherheit nicht mit

Vermögen

sich bringt. Eine besondere Bestimmung, daß jeder der Ehegatten befugt ist, zu ver- Eintragung langen, daß die Gesammtgutseigenschaft der hier fraglichen Rechte in das iammtsgÜts-

Grundbuch eingetragen werde (vergl. preuß. Grundb. O. § 50), ist entbehrlich, da in Folge der mit dem Eintritte der Gütergemeinschaft kraft Gesetzes ver-

%»».

bundenen Rechtsänderung das Grundbuch unrichtig wird und deshalb der 8 843 Anwendung findet. Um jedoch in dieser Richtung keinen Zweifel auf­ kommen zu lassen, ist die Anwendbarkeit des § 843 auf diesen Fall im § 1343 ausdrücklich ausgesprochen. Anlangend die Art und Weise, in welcher bei bestehender Gütergemeinschaft die Berichtigung des Grundbuches zu erfolgen hat, so ist in dieser Hinsicht die für die Grundbuchordnung vorbehaltene Be­ stimmung maßgebend, daß, wenn ein Recht als mehreren Personen gemein­ schaftlich zustehend eingetragen wird und Gemeinschaft nach Bruchtheilcn nicht besteht, aus dem Inhalte der Eintragung das die Abweichung von der Regel ergebende Rechtsverhältniß heroorgehen muß (vergl. Anm. zu 8 827).

88 1344, 1345. Die Bestimmungen der 88' 1344, 1345 sind Konsequenzen des Prinzipes Mh-r-Kara,des deutschrechtlichen Miteigenthumes, welches der Entwurf bei der Regelung der allgemeinen Gütergemeinschaft zum Ausgangspunkte genommen hat (vergl. die Vorbemerkung zur allg. Gütergemeinschaft oben S. 330). Sie bringen

«»**“bcn ismmiingen.

450

Foetges. Gütergemeinschaft. Ausgleichung dcL Lorempfangcnen. § 1394.

flute des verstorbenen Ehegatten, überall nicht in Betracht kommt, so ist bei der Theilung der Erbschaft zwischeit dem überlebenden Ehegatten und den ein­ seitigen Abkömmlingen alles Vorempfangene der letzteren bezm. der gemein­ schaftlichen Abkömmlinge, ohne Rücksicht darauf, ob dasselbe aus dem Gesammtfliite oder aus dem Vorbehalts- beziv. Sondergute herrührt, zu berücksichtigen. Die Frage, aus ivelcher Masse das Vorempfangene herrührt und ob dasselbe zu der einen oder anderen Masse zu konferiren ist, hat Bedeutung nur für die nach Maßgabe des § 1395 erfolgende, die Feststellung des den gemein­ schaftlichen Abkömmlingen zukommenden und sofort auszukehrenden Antheiles an dem Vorbehalts- und Sondergute bezweckende Auseinandersetzung zwischen dem überlebenden Ehegatten unb den gemeinschaftlichen Abkömmlingen, sowie für die Theilung des Vorbehalts- unb Sondergutes unter den letzteren, bezw. für die im Falle der Auflösung der fortgesetzten Gütergemeinschaft stattfindende Theilung des Gesammtgutsantheiles unter denselben (vergl. § 1395 Abs. 3, § 1408). Die Gründe, aus welchen der Entwurf auch insoweit besondere Be­ stimmungen darüber, bei welcher Masse zu konferiren, nicht ausgenommen hat, sind in den Motiven zu § 1395 dargelegt. AusIn den Motiven zu § 1365 oben S. 383 sind bereits die Gründe darskppid)t3'iä gelegt, aus welchen der Entwurf den Grundsatz des franz. Rechtes (code civil gegenübet Art. 1438, 1469) nicht aufgenommen hat, daß die von einem Ehegatten an überlebenden einseitige Abkömmlinge gegebene Ausstattung unbedingt dein betreffenden EheEhegnlten. ^atteu als eine «ns dem Gesammtgute auf das Sondergut desselben gemachte Verwendung zur Last fällt, für ivelche derselbe bei Auflösung der Güter­ gemeinschaft zri dem Gesammtgute Ersatz zu leisten hat. Zn einem ähnlichen Resultate wie das franz. Recht führt für den Fall der Auflösung der Güter­ gemeinschaft durch beii Tod eines der Ehegatten zu Gunsten des überlebenden Ehegatten die Bestimmung des westfäl. Ges. v. 16. April 1860 § 8, daß bei Aussonderung der den Stiefkindern gebührenden Erbtheile die Stiefkinder sich auf ihre Erbtheile an dem Gesammtgute auch dem überlebenden Ehegatten gegenüber Alles anrechnen laffen müssen, was sie nach den Gesetzen ihren Geschwistern gegenüber zu konferiren schuldig sind (vergl. auch § 15 jenes Ge­ setzes). Auf dem Standpunkte des westfäl. Ges. v. 16. April 1860 stehen in dieser Beziehung ferner der oSnabr. Entw. §§ 10, 17 und der ehrenbreitst. Entw. §§ 62, 68, während nach dem württemb. Entw. § 313 die Kollation nur zur Ausgleichung unter den Kindern stattfindet. Ob und inwieweit letzteres auch nach dem preuß. A. L. R. II, 2 §§ 323 —326, 374 ff. der Fall, ist bestritten; doch wird die Kollationspflicht gegenüber dem überlebenden Ehegatten in der Doktrin und Praxis des preuß. Rechtes überwiegend verneint. Der Entwurf geht davon ans, daß im Anschlüsse an die allgemeinen erbrechtlichen Grundsätze über die Ausgleichung wegen des Vorempfangenen die einseitigen Abkömmlinge nur gegenüber den gemeinschaftlichen Abkömm­ lingen, nicht auch gegenüber dem überlebenden Ehegatten zu konferiren ver­ pflichtet sind. Diese Art der Regelung entspricht dem Standpunkte des Ent­ wurfes, daß im Falle der Auflösung der Gütergemeinschaft durch den Tod eines der Ehegatten das Gesammtgut nicht als ein selbständiges Vermögen behandelt wird, in welches der überlebende Ehegatte und die Abkömmlinge des

Gütergemeinschaft!. Erbfolge. Vorbehalts- u. Sondergut d. Erblassers. § 1395. 451

verstorbenen Ehegatten gewissermaßen als Universalsnkzessoren snkzediren, sondern die eine Hälfte des Gesammtgntes znm Nachlasse des verstorbenen Ehegatten gehört, die andere Hälfte aber dem überlebenden Ehegatten als Theilhaber der ehelichen Gemeinschaft znfällt. Es läßt sich allerdings nicht verkennen, daß unter Umständen in der Kollativnspflicht der einseitigen Abkömmlinge auch gegenüber dem überlebenden Ehegatten eine billige Ausgleichung für den Vor­ theil liegen kann, welchen derjenige Ehegatte, welcher einseitige Abkömmlinge hat, wenigstens mittelbar durch deren Ausstattung aus dem Gesammtgute er­ langt. Allein dieser Gesichtspunkt müßte zu dem von dem G'iitrourfc nicht ge­ billigten Standpunkte des franz. Rechtes führen, nach welchem der betreffende Ehegatte sich die an einseitige Abkömmlinge ans dem Gesammtgute erfolgten Ausstattungen oder Schenkungen bei der Auseindersetzung wegen des Gesammtgutes immer, ohne Rücksicht darauf, ob er der Ueberlebende ist oder nicht, an­ rechnen lassen muß. In der Beschränkung auf den überlebenden Ehegatten tritt unverkennbar die Tendenz hervor, diesen zu begünstigen. Für eine der­ artige Begünstigung des überlebenden Ehegatten fehlt es aber an entscheidenden inneren Gründen. Ans dem Wesen und Zwecke der Gütergemeinschaft läßt sie sich nicht ableiten. Ebensowenig spricht dafür die vermuthliche Absicht des betreffenden Ehegatten bei der Zuwendung. § 1395.

Tritt die gütergemeinschaftliche Erbfolge nicht ein, wie dies bei unbeerbter Berufung Ehe stets und bei beerbter Ehe dann der Fall ist, wenn der überlebende Ehegatte die gütergemeinschaftliche Erbfolge ansschlägt oder ihm das gütergemeinschaftliche Erbrecht gültig entzogen oder der vorhandene einzige gemeinschaftliche GrMafin-s. Abkömmling als vor dem Erbfalle gestorben anznseheu ist (§ 1383 Abs. 1, §§ 1386, 1387, 1388, 1392 Abs. 2, § 1393), so kommt die Scheidung zwischen dem zum Nachlasse des verstorbenen Ehegatten gehörenden Gesammtgutsantheile und dem Vorbehalts- und Sondergute desselben nicht in Betracht; vielmehr bilden in jenen Fällen die bezeichneten Bestandtheile des Nachlasses eine einheitliche Erbschaftsmasse, welche nach den gewöhnlichen Grundsätzen vererbt. Dasselbe gilt im Falle des Eintrittes der gütergemeinschaftlichen Erb­ folge beim Vorhandensein einseitiger Abkömmlinge diesen gegenüber bei der Theilung der Erbschaft zwischen ihnen und dem überlebenden Ehegatten (§ 1384 Abs. 2, §§ 1394, 1395 Abs. 1; vergl. Motive zu § 1394 oben S. 449). Anders gestaltet sich dagegen beim Eintritte der gütergemeinschaftlichen Erb­ folge das Verhältniß gegenüber den gemeinschaftlichen Abkömmlingen und dritten Personell, zu bereu Gunsten der verstorbene Ehegatte Über die nach der gemöhillichen Erbfolge den gemeinschaftlichen Abkömmlingen und dem überlebenden ©begatten zukommenden Antheile an dem Vorbehaltsgute ober Sondergute des verstorbenen Ehegatten von Todeswegen verfügt hat. Da der überlebende Ehegatte beim Vorhandensein von gemeinschaftlichen Abkömmliilgen mach § 1384 als Alleiuerbe beziv. insoweit als Erbe dös verstorbenen Ehegatten berufen ist, als er und die gemeinschaftlichen Abkömmlinge bei der Voraus­ setzung, daß Gütergemeinschaft zwischen den Ehegatten nicht bestanden Hütte, 29*

452 Gütergcmeinschastl. Erbfolge. Vorbehalts- u. Sondergut d. Erblassers. § 1395. als gesetzliche Erben würden bcrnfcn werden, und da dieses gütergcmcin-

schaftliche Erbrecht des überlebenden Ehegatten als Vertragserbrecht nach § 1385 Abs. 1 behandelt wird, so würde, vom formalcir Standprmkte aus betrachtet, dem überlebenden Ehegatten auch das Vorbehalts- uud Sondergut des ver­ storbenen Ehegatten, soweit dasselbe nicht den einseitigen Abkömmlingen des­ selben nach der gesetzlichen Erbfolge zukommt (§ 1384 Abs. 2, § 1395 Abs. 1), verbleiben und ihm gegenüber eine Verfügung von Todeswegen von Seiten

des verstorbenen Ehegatten über die ihm als Vertragserbcn zustehendcn Antheile an dem Vorbehalts- und Sondergute desselben unwirksam sein. Dieser formalen Konsequenz gegenüber muß aber das materielle Prinzip zur Geltung gebracht werden, daß bei dem Eintritte der gütergemeinschaftlichen Erbfolge die Be­ rufung zu dein Vorbehalts- oder Sondcrgute des »erstorbene» Ehegatten sich nach denjenigen Vorschriften bestimmt, welche für dieselbe maßgebend sein würden, wenn zwischen den Ehegatten Gütergemeinschaft nicht bestanden hätte (§ 1395 Abs. 1). Das Wesen des Vorbehalts- und des Sondergutes besteht gerade darin, daß die Wirkung der allgemeinen Gütergemeinschaft — abgesehen davon, daß das Sondergut für Rechnung des Gesammtgutes verwaltet wird (§§ 1351, 1411 Abs. 2, § 1418) — sich auf das Vorbehalts- oder Sondergut eines Ehegatten nicht erstreckt. Dies muß, in Uebereinstimmung mit dem be­ stehenden Rechte, auch von den besonderen erbrechtlichen Wirkungen der all­ gemeinen Gütergemeinschaft gelten (vcrgl. preuß. A. L. R. II, 1 §§ 635, 636). In erster Linie ist daher für die Entscheidung der Frage, welchen Personcir das Vorbehalts- oder Sondergut zukommt, eine von dem verstorbenen Ehegatten in dieser Hinsicht getroffene Verfügung von Todeswegcn maßgebend. In Er­ mangelung einer solchen Verfügung treten die Gesctzeserbcn ein, und zwar erhalten die einseitigen Abkömmlinge wie der überlebende Ehegatte den ihnen nach der gesetzlichen Erbfolge zukommenden Antheil an dem Vorbchaltsgutc in ihrer Eigenschaft als gesetzliche Erben bczw. als gütergemeinschaftlichcr Erbe, während den gemeinschaftlichen Abkömmlingen, da dieselben nicht als Miterben berufen sind, der auf sic nach der gesetzlichen Erbfolge fallende Antheil an dem Vorbehalts- oder Sondcrgute als durch Vermächtnis; beschicdcn gilt (§ 1395 Abs. 2 Satz 1). Ein genügender Grund, in Ermangelung einer Verfügung von Todeswegen den überlebenden Ehegatten von dem ihm nach der gesetzlichen Erbfolge zukommcndcn Antheile zu einem Viertel auszuschlicßen, liegt nicht vor.. Andererseits geht der Entwurf davon aus, daß der Erblasser für den Fall des Eintrittes der gütergemeinschaftlichcn Erbfolge über jenen Antheil des über­ lebenden Ehegatten von Todeswegen frei verfügen kann, ohne daß dem letzteren der Betrag des gesetzlichen Pflichttheiles von dem Vorbehalts- oder Sondergute freigelassen zu werden braucht. Will der überlebende Ehegatte sich nicht dabei beruhigen, so steht es ihm frei, die gütergcmeinschaftliche Erbfolge auszuschlagen und seinen Pflichttheilsanspruch geltend zu machen (§§ 1386, 1975). Diese den allgemeinen Grundsätzen über das Pflichttheilsrecht entsprechende Behandlung, der Sache ist im Hinblicke auf den Ausnahmekarakter, welchen das Vor­ behalts- und das Sondergut bei der allgemeinen Gütergemeinschaft haben, un­ bedenklich und im Interesse der Vereinfachung des Gesetzes auch als an­ gemessen zu erachten.

Gütergemeinschaft!. Erbfolge. Vorbehalts- u. Sondergut d. Erblassers. §1395. 453 Anders liegt dagegen die Sache in Ansehung der gemeinschaftlichen w der Ehefrau zu rechtfertigen. Im Einzelnen ist zum § 1414 noch Folgendes zu bemerken: Erwerb aus 1. Daß diejenigen Gegenstände, welche ein Ehegatte auf Grund eines oU seinem Sondergute gehörenden Rechtes erwirbt, Sondergut sind (vergl. Motive Londergute zu § 1290 oben S. 177 ff.), wird auch auf dem Gebiete der partikulären Güter^R-cht"-s°" gemeinschaft fast allgemein anerkannt, insbesondere auch nach württemb. Rechte (vergl. ferner württemb. Entw. § 9). Modifizirt wird jedoch diese Bestimmung durch den Grundsatz, daß die Nutzungen des Sondergutcs nach Maßgabe des § 1411 Abs. 2 dem Gesammtgute zufallen (vergl. Entsch. d. R. G. V, 58; § 1411

Abs. 2 Verb, mit §§ 1292, 989, 1026, 1027). Ueber die Tragweite jener Bestimmung herrscht freilich in einzelnen Beziehungen Streit. So ist ins­ besondere bestritten, ob der dem Eigenthümer eines Grundstückes zukommende Antheil eines darauf gefundenen Schatzes zum Sondergute gehört, wenn das Grundstück Sondcrgut war. Es kann nicht zweifelhaft sein, daß die Frage nach dem Entwürfe auf Grund des § 1414 in Verbindung mit § 1411 Abs. 2

und den §§ 1292,928,990 zu bejahen ist. Der bisweilen aufgestellte Grundsatz, daß jeder durch Glücksfall gemachte Eriverb zum Gesammtgute gehöre (castell. Landesverordn. § 138b; vergl. preuß. A. L. R. II, 1 § 404; Hess. Entw. IV, 2 Art. 504 Nr. 1; ehrenbreitst. Entw. § 95), ist in dieser Allgemeinheit nicht richtig; vielmehr kommt es darauf an, ob der Erwerb lediglich in einem zu

dem Sondergute gehörenden Rechte, oder lediglich in der Person des betreffenden Ehegatten sich gründet. Demgemäß wird die dem Finder des Schatzes als solchem zukommende Hälfte des Schatzes (§ 928) allerdings Bestandtheil des Gesammtgutes. Nach ähnlichen Grundsätzen ist die bestrittene Frage (vergl. einerseits Seuffert X, 59, andererseits Seuffert XVII, 252) zu entscheiden, ob der Anspruch auf einen Lottcriegewinn zum Sondergute oder zum Gesammtgutc gehört. Die Entscheidung der Frage hängt allein davon ab, ob das Loos, auf welches der Gewinn fiel, Bestandtheil des Sondergutes oder des Gesammtgutes war (vergl. auch württemb. Entw. § 15). Ferner gehen die Ansichten darüber auseinander, ob der Erwerb auf Grund einer vor Eintritt der Gütergemeinschaft begonnenen, aber erst während des Bestehens der letzteren vollendeten Ersitzung zum Sondergute oder zum Gesammtgute gehört. Das württemb. Recht nimmt das Erstere an (vergl. auch württemb. Entw. § 9). Ein Bedürfniß, diese mit der juristischen Natur der Ersitzung bezw. mit dem Zwecke der letzteren zusammenhängenden Frage durch das Gesetz besonders zu entscheiden (vergl. §§ 881 ff.), liegt jedoch nicht vor. Zu der Kategorie derjenigen Gegenstände, welche auf Grund eines zum Sondcrgutc gehörenden Rechtes erworben werden, gehören ferner die als Erfüllung auf Grund eines vor Eintritt der Errungcnschaftsgemeinschaft bereits begründeten Anspruches geleisteten Gegenstände. Dies ist auch regelmäßig der

Errungenschaftögemcinschaft. Sondergut. § 1414.

501

Standpunkt der auf dem Boden der partikulären Gütergemeinschaft stehenden Rechte, insbesondere des württemb., nass., sowie des franz. Rechtes (vcrgl.

ferner Hess.darmst. Verordn, v. 1795 § 6b; württemb. Entw. § 9; ehrenbreitst. Entw. §§ 4, 96). Zwar bedarf cs in diesen Fällen zur Vermittelung des Erwerbes regelmäßig eines Rechtsgeschäftes des betreffendeil Ehegatten (Tradition, Auflassung, Zession u. s. ro.); da jedoch schon vor Eintritt der

Gemeinschaft ein Anspruch auf Eingehung jenes Rechtsgeschäftcs begründet war und die Erfüllung sich nur als die Verwirklichling und Entfaltung eines bereits vorher vorhandenen Rechtes darstellt, so muß der hier fragliche Erwerb zu der bezeichneten Kategorie gerechnet werden. Roch näher ail der Grenze zwischen dem Erwerbe auf Grund eines bestehenden Rechtes und dem Erwerbe durch Rechtsgeschäft liegen die Fälle, in welchen ein bestrittener Anspruch durch Urtheil, Vergleich, Anerkennungsvertrag fcstgestellt oder eine gemeinschaftliche Sache oder Erbschaft getheilt wird (vcrgl. code civil Art. 1408; württemb. Entw. § 6; ehrcnbreitst. Entw. §§ 5, 96). Für den Entwurf ist jedoch das Bedürfniß einer besonderen gesetzlichen Entscheidung um so weniger vorhanden, als nach § 1414 auch diejenigen Gegenstände Sondergut sind, welche ein Ehe­ gatte durch Rechtsgeschäfte erwirbt, die sich auf sein Sondergllt beziehen. 2. Der zweite im § 1414 ausgesprochene Grundsatz, daß diejenigen Gegenstände Sondergut eines Ehegatten sind, welche als Ersatz für die Ent- eines Sm ziehung, Zerstörung oder Beschädigung eines zu seinem Sondergutc gehörenden ®°;"St>en Gegenstandes erworben werden, stimmt mit den meisten auf dem Boden der

Rechtes, partikulären Gütergemeinschaft stehenden Rechten überein. Es gehört hierher namentlich der Anspruch wegen Enteignung eines zum Sondergute gehörenden Gegenstandes und der Anspruch auf den bei der Zwangsversteigerung eines solchen wegen Schulden übrig bleibenden Erlös. Einen auf der Grenze liegenden Zweifelsfall bildet der Anspruch auf die Versicherungsgelder wegen Zerstörung oder Beschädigung eines versicherten Gegenstandes, da der An­ spruch nicht aus der Zerstörung oder Beschädigung selbst, sondern aus dem Ver­ sicherungsverträge entsteht. Materiell kann indessen die Entscheidung der Frage zu Gunsten des Sondergutes nicht zweifelhaft sein, weil es sich wirthschaftlich hier, wie in den anderen zu dieser Kategorie gehörenden Fällen, lediglich um eine Entschädigung für einen ohne Willen des Eigenthümers eingetretenen Verlust des Sondergutcs handelt (vergl. auch die §§ 238, 1002, § 1067 Nr. 5; ehrcnbreitst. Entw. §§ 95, 8 Nr. 3). Die formelle Frage, ob der Fall unter die Kategorie derjenigen Gegenstände gehört, welche durch ein auf das Sonder­ gut sich beziehendes Rechtsgeschäft erworben werden, bedarf für den Entwurf nach dem Inhalte des § 1414 keiner besonderen Entscheidung. 3. Den Hauptgegcnstand des Streites auf dem Gebiete der partikulären Erwerb durch Gütergemeinschaft bildet die Frage, inwieweit diejenigen Gegenstände zmn Sondergute gehören, welche während bestehender Gemeinschaft durch Rechts- sich beu-hengcschäfte erworben werden, die auf Sondergut sich beziehen. Rach einigen 'gekäst? Rechten fällt der durch lästige Rechtsgeschäfte eines Ehegatten gemachte Erwerb ohne alle Rücksicht darauf, ob das Rechtsgeschäft sich auf das Sondergut bezicht oder nicht, dem Gesammtgute zu und ist ein Erwerb für das Sonder­ gut nur mit Einwilligung des anderen Ehegatten zulässig (vergl. z. B. Hess.

502

ErruttgcnschciftSgcmcmschaft.

Sondcrgut.

§ 1414.

bannst. Verordn, von 1795 § 5; frankf. Rcf. III, 6 § 2; nass. Recht; chrcnbreitst. Entiv. §§ 7, 96). Den entgegengesetzten Standpunkt vertritt der württcmb. Entw. § 10, nach welchem lediglich die Absicht desjenigen Ehe­ gatten, welcher das Rechtsgeschäft schließt, darüber entscheidet, ob der dadurch gemachte Erwerb Bestandtheil des Gcsammtgutcs oder des Sondcrgutcs werden soll. Die Mehrzahl der Rechte steht in der Mitte, indem sic zwar als Regel fcsthaltcn, daß der durch lästige Rechtsgeschäfte gemachte Erwerb dem Gesammtgntc zufällt, von dieser Regel aber außer dem Falle der Einwilligung beider Ehegatten noch für einzelne andere Fälle, z. B. für Tauschverträgc oder für gleichartige Wiederanschaffungen oder für reine Umsatzgeschäfte, sofern die Absicht der Surrogation in bestimmter Art erklärt ist, oder überhaupt für reine Umsatzgeschäfte, eine Ausnahme machen (vergl. insbes. württemb. L. R. IV §§ 6, 7; castell. Landesverordn. § 138chuldcnl>aftuiig. § 1423.

523

Low und der ehrcnbreitst. Entw. alle Schulden der Ehegatten mit Ausnahme der Vorbehaltsgutsschulden der Ehefrau den Gläubigern gegenüber als Gcmeinschaftsschulden behandeln (vergl. oben S. 520 ff.), bleibt für den Begriff der Sondcrschulden kein Raum. Andererseits kommt bei der Gemeinschaft des Zugewinnstes der Begriff der Eheschuld nur insofern in Betracht, als mit dem Begriffe derselben die oben S. 521 bezeichnete besondere Wirkung der Kollationspflicht der Ehefrau verbunden wird. Von den übrigen Rechten der Errungenschaftsgcmeinschaft wird gewöhnlich der Satz aufgestellt, daß für die Sonderschulden der Ehegatten, insbesondere für die vorehelichen Schulden derselben, nur deren Sondergut haftet (vergl. namentlich in Ansehung der meisten bayr. Rechte Neubauer a. a. O. S. 115; ferner tricr. L. R. VI §§ 26, 27; maiuz. L. R. IV § 1). Nach anderen Rechten, z. B. nach dem württemb. L. R. IV, 4 § 3 (vergl. auch württemb. Entw. §§ 31 ff.; Hess. Entw. Art. 467, 510) können dagegen die Gläubiger eines Ehegatten wegen Sonderschuldcn des letzteren sich auch an den ihrem Schuldner zustehenden ideellen Antheil an dem Gcsammtgute halten. Ferner haftet nach franz. Rechte für Sonderschulden des Ehemannes den Gläubigern gegenüber auch das Gesammtgut. Auch die Praxis mancher deutschen Partikularrechte, z. B. die Hess, darmst. Praxis (vergl. Scuffert VII, 329, XVI, 55, XXXIX, 219), neigt sich dahin, das Gcsammtgut während bestehender Ehe als im Eigenthumc des Ehemannes bestehend zu behandeln, wenigstens soweit cs sich nicht nm Immobilien handelt, welche im Grundbuchc auf den Namen beider Ehegatten eingetragen sind. Der Entwurf hat sich, soviel die Rechtsstellung der Gläubiger des einen Standpunkt oder anderen Ehegatten gegenüber dem Gesammtgute und gegenüber demjenigen entXfeä. Ehegatten, welcher nach allgemeinen Grundsätzen ihnen nicht persönlich haftet, betrifft, namentlich auch in Ansehung der persönlichen Haftung des Ehemannes für die Verbindlichkeiten der Ehefrau, den in dieser Beziehung für die all­ gemeine Gütergemeinschaft getroffenen Bestimmungen (§§ 1359, 1362) im Prinzipe angcschlossen, jedoch mit der Modifikation, daß nur gewisse Kategorieen von Verbindlichkeiten der Ehefrau als Gesammtgutsverbindlichkeitcn anerkannt werden. Insbesondere sind — abweichend von der allgemeinen Gütergemein­ schaft — die vor Eintritt der Errungenschaftsgemeinschaft bereits entstandenen Verbindlichkeiten der Ehefrau und die nach Eintritt der Errungenschafts­ gemeinschaft entstandenen Verbindlichkeiten der Ehefrau aus einer von der­ selben begangenen unerlaubten Handlung nicht Gesammtgutsvcrbindlichkeiteu, während in Ansehung der gleichen Verbindlichkeiten des Ehemannes bei der Errungenschaftsgemeinschaft, wie bei der allgemeinen Gütergemeinschaft, die­ selben Grundsätze maßgebend sein sollen. Die Bestimmung des § 1423 Abs. 1, daß alle Gläubiger des Eheinannes Berbmduchohnc Unterschied die Befriedigung aus dem Gesammtgute verlangen können,'''Xnnef.^

rechtfertigt sich, wie bei der allgemeinen Gütergemeinschaft, so auch hier einerseits durch die Auffaffung des Gesammtgutes als eines im dcutschrechtlichen Miteigenthume beider Ehegatten stehenden Vermögens, welches die Funktion des Vermögens des einen und des anderen Ehegatten hat, anderer­ seits durch das dem Ehemanne in Ansehung des Gesammtgutes zustchcnde aus­ gedehnte Verfügungsrecht

(§ 1417 verb. mit §§ 1352, 1353), und ist im

524

ErrungcuschciftSgcmeinsä'aft.

Schuldcnbaftung.

§ 1423.

Hinblicke darauf, daß das Sondergut des Ehemannes und das Gcsammtgut in der Hand des Ehemannes nngctrennt vereinigt sind, sowie im Hinblicke auf die

im § 1421 Abs. 1 ausgestellte Vermuthung, daß alles Vermögen Gcsammtgut ist, im Interesse der Gläubiger des Ehemannes dringend geboten. Damit stimmen auch das preuß. A. L. R., das franz. Recht und alle diejenigen Rechte überein, welche das Gcsammtgut als im Eigenthume des Ehemannes stehend behandeln oder dem letzteren wenigstens ein unbeschränktes Verfügungs­ recht über das Gcsammtgut cinräumen. Zu demselben praktischen Resultate führen regelmäßig, wenigstens annähernd, diejenigen Rechte, welche, wie das mürttemb. Recht, den Gläubigern eines Ehegatten gestatten, sich auch wegen Sondcrschuldcn des letzteren an dessen Antheil an dem Gesammtgute zu halten. VerbindLegt liinit den Gläubigern des Ehemannes das Recht bei, die Befriedigung twrnu’” aus dem Gesammtgute zu verlangen, so scheint allerdings die Konsequenz der

Auffassung des Gesammtgutcs als eines im dcutschrcchtlichen Miteigcnthnme beider Ehegatten stehenden Vermögens dahin führen zu müssen, nach dem Vorbilde des preuß. A. L. R., des jütischen Low und des chrenbrcitst. Entw. und im Anschlüsse an diejenigen Rechte, welche, wie das württcmb. Recht, auch den Gläubigern der Ehefrau gestatten, sich wegen der Sonderschuldcn derselben an deren Antheil am Gesammtgute zu halten, das Recht, die Befriedigung aus dem Gesammtgute zu verlangen, auch den Gläubigern der Ehefrau, soweit dieselben nach den Bestimmungen des gesetzlichen ehelichen Güterrcchtes (§§ 1311, 1312) Ehcgutsgläubigcr sind, cinzuräumen. Es muß auch zugegeben werden, daß die ungleiche Behandlung der Gläubiger des Ehemannes und der Gläu­ biger der Ehefrau dem ersten Anscheine nach etwas Auffallendes hat. Bei unbefangener Prüfung sind indessen die gegen eine gleiche Behandlung der Gläubiger des Ehemannes und der Gläubiger der Ehefrau in der hier frag­ lichen Hinsicht sich erhebenden Bedenken und andererseits die mit dem Systeme des Entwurfes verbundenen Vortheile als überwiegend zu erachten. Ein Hauptbedcnken gegen das System des preuß. A. L. R. und des ehrenbreitst. Entw. besteht darin, daß mit demselben eine persönliche Haftung des Ehe­ mannes für die Gcsammtgutsverbindlichkeiten der Ehefrau, wenigstens für die vor Eintritt der Errungenschaftsgemcinschaft entstandenen Verbindlichkeiten derselben, unvereinbar ist, die Nichtanerkennung der persönlichen Haftung des Ehemannes für die Gesammtgutsverbindlichkcitcn der Ehefrau aber zu einer Absonderung des Gesammtgutcs von dem Sondcrgute des Ehemannes schon während bestehender Gemeinschaft führen müßte. Eine solche Absonderung würde aber mit den größten praktischen Schwierigkeiten verbunden sein, namentlich dann, wenn das Gcsammtgut zur Befriedigung aller Gcsammtgntsgläubigcr nicht ausrcicht. Sie gefährdet namentlich auch die Lage des Ehe­ mannes wegen seiner Ersatzansprüche an das Gcsammtgut, welche nach § 1428 verb. mit § 1369 erst bei der Auflösung der Gemeinschaft geltend gemacht werden können. Das System des preuß. A. L. R. und des ehrenbreitst. Entw. setzt ferner den Ehemann der Gefahr aus, wegen aller Verbindlichkeiten der Ehefrau, welche nach den Bestimmungen der allgemeinen Gütergemeinschaft Gesammtgutsverbindlichkeiten sind, also insbesondere auch wegen der vor

Errungcnschastsücmcmschafi. Eintritt

der

Schuldciih^ftung. § 1423.

Errungcnschaftsgcmeinschaft entstandenen

Verbindlichkeiten

525 der

Ehefrau und derjenigen Verbindlichkeiten der letzteren, welche nach jenem

Zeitpunkte aus einer unerlaubten Handlung derselben entstanden sind, indirekt persönlich haften zu müssen, da eincstheils auch den Gläubigern der Ehefrau die Vermuthung des § 1421 Abs. 1 zu statten kommt, andererseits der Fall eintrctcn könnte, daß das von den Gläubigern der Ehefrau im Wege der Zwangsvollstreckung in Anspruch genommene Gesammtgut nach Befriedigung dieser Gläubiger zur Berichtigung der im Verhältnisse der Ehegatten zu ein­ ander dem Gesammtgute zur Last fallenden Verbindlichkeiten des Ehemannes nicht ausreicht. Es würde dies vom Standpunkte des Entwurfes aus, welcher den Ehemann allein die Einbuße tragen läßt (§ 1429 Abs. 1 verb. mit § 1380), eine unbillige Härte gegen den Ehemann sein. Auf der anderen Seite tritt das Prinzip des Entwurfes den Gläubigern der Ehefrau nicht zu nahe. Die Gefahr, daß im Laufe der Zeit das Sondergut der Ehefrau sich in Ge­ sammtgut verwandelt und dadurch in Verbindung mit der Bestimmung, nach welcher wegen Verwendungen von Sondergut in Gesammtgut regelmäßig erst bei Auflösung der Gemeinschaft Ersatz gefordert werden kann (§ 1428), den Gläubigern der letzteren das Objekt ihrer Befriedigung entzogen werden könnte, ist im Hinblicke auf das im § 1414 anerkannte Surrogationsprinzip nicht hoch anzuschlagen. Zudem kann die Ehefrau, wenn der Ehemann rechtswidrig Sonder­ gut derselben in Gesammtgut verwendet, nach § 1417 verb. mit §§ 1292, 1004, 1324 sofort Ersatz verlangen, und sind die Gläubiger der Ehefrau in der Lage, sich diese Ansprüche der letzteren im Wege der Zwangsvollstreckung überweisen zu lassen. Gegen die Gcfyhr der Umwandlung von Sondergut in Gesammtgut können die Gläubiger aus der Zeit vor Eintritt der Errungenschaftsgcmcinschaft sich ferner dadurch schützen, daß sie ihre Ansprüche alsbald nach der Ehe­ schließung geltend machen. Forderungen aber, deren Fälligkeit weit hinaus­ geschoben ist, pflegen regelmäßig durch Pfand gesichert zu sein. Im Vergleiche zum gesetzlichen ehelichen Gütcrrcchte ist die Lage der Gläubiger der Ehefrau nur insofern eine ungünstigere, als der Ertrag der Arbeit der Ehefrau, soweit derselbe nach dem gesetzlichen ehelichen Gütcrrcchte Vorbehaltsgut der Ehefrau wird (§ 1289), dem Zugriffe derjenigen Gläubiger der letzteren entzogen ist, welche nach § 1423 nicht Gesammtgutsgläubiger sind. Auf diesen Ertrag haben aber die Gläubiger der Ehefrau keinen rechtlichen Anspruch. Ins­ besondere gilt dies von den erst während bestehender Gemeinschaft entstandenen Verbindlichkeiten der.Ehefrau aus einer von derselben erst nach Eintritt der Errungenschaft begangenen unerlaubten Handlung, da bereits vor Entstehung der Verbindlichkeit das Recht des Gesammtgutcs auf den künftigen Erwerb der Ehefrau begründet ist. Dem Jntercffe der Gläubiger der Ehefrau wird in genügender Weise Rechnung getragen, wenn diejenigen Verbindlichkeiten der Ehefrau als Gesammtgutsvcrbindlichkeiten anerkannt werden, welche nach dem Zwecke der Errungenschaftsgcmeinschaft im Verhältnisie der Ehegatten zu einander dem Gesammtgute zur Last fallen. Wenn auf Seiten des Ehemannes über die Natur und den beschränkten Zweck der Errungenschaftsgemeinschast hinaus alle Verbindlichkeiten desselben, auch soweit dieselben im Verhältniffe der Ehegatten zu einander nicht dem Gesammtgute zur Last fallen (§ 1426),

526

Errungenschaftögemcinschaft. Schuldcnhaftung. § 1423.

für Gesammtgutsvcrbindlichkeitcn erklärt werden (§ 1423 Abs. 1), so beruht dies auf den oben hervorgehobenen besonderen, in der Person der Ehefrau nicht zutreffenden Gründen, insbesondere auf dem freien Verfügungsrechte des Ehemannes in Ansehung des Gesammtgutes. Mit dem Systeme des Ent­ wurfes stimmen in der hier fraglichen Hinsicht das franz. Recht, sowie die­ jenigen deutschen Rechte überein, welche das Gesammtgut als im Eigcnthume des Ehemannes stehend behandeln. P^iönl'che Daß die Ehefrau den Gläubigern wegen der Gcsammtgutsvcrbindlichder Ehefrau. feiten des Ehemannes nicht persönlich haftet, kann im Hinblicke darauf, daß diese Gcsammtgutsverbindlichkeiten mit denjenigen, welche im Verhältniffe der

Ehegatten zu einander dem Gesammtgute zur Last fallen, bei der Errungenschaftsgcmcinschaft sich noch weniger decken, als bei der allgemeinen Güter­ gemeinschaft, bei der ersteren noch weniger zweifelhaft sein, wie bei der letzteren. Aber auch in Ansehung derjenigen Gcsammtgutsverbindlichkcitcn des Ehe­ mannes, welche im Verhältnisse der Ehegatten zu einander dem Gesammtgute zur Last fallen, sprechen in gleicher Weise, wie bei der allgemeinen Güter­ gemeinschaft, so auch hier überwiegende Gründe gegen die Anerkennung einer persönlichen Haftung der Ehefrau (vcrgl. die Motive zu § 1359 oben S. 367), zumal nach dem Entwürfe (§ 1429 Abs. 1 verb. mit § 1380) auch bei der Errungenschaftsgemeinschaft der Ehemann die Einbuße allein tragen soll. Gemein. @ine Ausnahme von dem Grundsätze, daß die Ehefrau kraft der ^gega^ene"° Errungenschaftsgemeinschaft für die Gesammtgutsverbindlichkeiten persönlich

d^bindNch- nicfyt haftet, hat der Entwurf auch nicht für den Fall gemacht, wenn die Ehe­ gatten gemeinschaftlich eine Verbindlichkeit cingegangen sind. Nach allgemeinen Grundsätzen hastet in einem solchen Falle, sofern nicht von den Ehegatten eine Gesammtschuld beabsichtigt ist (§§ 321 ff.), ein jeder derselben dem Gläubiger zur Hälfte. Durch die unter den Ehegatten bestehende Errungenschaftsgcmeinschaft wird dies insofern geändert, als vermöge der in der gemeinschaftlichen Eingehung der Verbindlichkeit liegenden Einwilligung des Ehemannes zur Ein­ gehung der Verbindlichkeit von Seiten der Ehefrau die persönliche Haftung des Ehemannes auch für die die Ehefrau treffende Hälfte der Verbindlichkeit begründet wird (§ 1423 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4). Ein genügender Grund, in einem solchen Falle andererseits auch die Ehefrau, trotzdem dieselbe sich nur auf die Hälfte hat verpflichten wollen, für die den Ehemann treffende Ver­ bindlichkeit haften zu lasten, liegt nicht vor, zumal nur wenige Rechte eine solche solidarische Verpflichtung der Ehefrau anerkennen. GewerbeZweifelhafter dagegen ist die Frage, ob nicht nach dem Vorgänge einer ermanne? größeren Zahl von Rechten (vergl. oben S. 522) eine persönliche Haftung der Ehefrau für die Gewerbeschulden des Ehemannes auch dann anerkannt werden soll, wenn das Gewerbe zwar nicht von den beiden Ehegatten gemeinschaftlich auf deren Namen, sondern nur von dem Ehemanne allein und auf dessen Namen betrieben wird, die Ehefrau demselben aber dabei in äußerlich erkenn­ barer Weise Hülse leistet. Dafür läßt sich geltend machen, daß in Fälleir dieser Art häufig nach außen hin nicht erkennbar ist, ob die Ehefrau dem Ehe­ manne nur in dem von ihm betriebenen Geschäfte behülflich ist oder dasselbe als Gesellschafter selbständig mit betreibt, und daß eben wegen dieser Nicht-

Errungenschaftsgcmeinschaft.

Schuldcnhaftung.

§ 1423.

527

erkennbarkeit im Interesse der Sicherheit des Verkehres das Verhältnis; so beurtheilt werden müßte, wie wenn der zuletzt bezeichnete Fall vorliegc. Diese Erwägung müßte indessen dahin führen, in Fällen dieser Art ohne alle Rücksicht auf die Art des ehelichen Güterstandes eine persönliche Haftung der Ehe­ frau für die Gewcrbcschulden des Ehemannes anzuerkennen. Dem Interesse der Gläubiger steht aber hier ebenso, wie bei der allgemeinen Frage, ob bei dem gesetzlichen ehelichen Gütcrrechte eine Haftung der Ehefrau für die Schulden des Ehemannes anerkannt werden soll (vergl. die Motive zu §§ 1298, 1299 oben S. 207 ff.), das Interesse der Ehefrau gegenüber. Auf dieses letztere ist um so mehr das entscheidende Gewicht zu legen, als die Gläubiger im Stande sind, sich durch Erkundigung zu vergewisiern, ob die Ehefrau ihnen mithaftet, während diese völlig außer Stande sein würde, sich gegen die Haftung zu schützen, da sie nach Maßgabe des § 1275 Abs. 2 verpflichtet ist, dem Ehe­ manne in dessen Geschäfte Hülfe zu leisten. Im Einzelnen ist zu den Bestimmungen des § 1423 Abs. 2, 3 noch Folgendes zu bemerken: 1. Die Bestimmung des § 1423 Abs. 2 Nr. 1 entspricht dem § 1418 in Verbindung mit dem Prinzipe des § 1423 Abs. 2, daß diejenigen Ver­ bindlichkeiten der Ehefrau, welche im Verhältnisie der Ehegatten zu einander dem Gesammtgute zur Last fallen (§ 1426), auch nach außen hin Gesammtgutsvcrbindlichkeiten sein sollen. Um so unbedenklicher ist cs, den Gläubigern der Ehefrau das Recht beizulegen, wegen der hier in Rede stehenden Ver­ bindlichkeiten den Ehemann unmittelbar in Anspruch zu nehmen, als die Gläubiger sich die hier fraglichen Ansprüche der Ehefrau gegenüber dem Ehe­ manne (§§ 1418, 1297 Abs. 1) im Wege der Zwangsvollstreckung überweisen kaffen können. Auch nach dem geltenden Rechte haben die fraglichen Ver­ bindlichkeiten den Karaktcr von Eheschulden, für welche den Gläubigern die Errungenschaft haftet. 2. Auch die an den § 1362 Nr. 1 sich anlehnenden Bestimmungen des § 1423 Abs. 2 Nr. 2, 3 stehen ebenfalls mit dem geltenden Rechte im Einklänge, insbesondere auch insofern, als, wenn der Ehemann seine Einwilligung oder Genehmigung ertheilt hat, es gegenüber den Gläubigern nicht weiter darauf ankommt, ob die hier fraglichen Verbindlichkeiten für Gemeinschaftszwecke ein­ gegangen sind oder nicht. Wegen der Frage, ob der Ehemann in den Fällen der Nr. 2, 3 berechtigt ist, durch einen Vorbehalt bei Ertheilung seiner Ein­ willigung oder Genehmigung seine persönliche Haftung (§ 1423 Abs. 4) aus­ zuschließen, wird auf die Motive zu § 1362 oben S. 374 ff. Bezug genommen. Im § 1362 Nr. 1 sind neben dem § 1358 noch die §§ 1355—1357 allegirt. Die Allegirung des § 1357 kann für den § 1423 Abs. 2 Nr. 1 indessen nicht in Frage kommen, weil der § 1357 auf die Errungenschaftsgemeinschaft über­ haupt nicht übertragen ist (vergl. § 1417 nebst Motiven oben S. 512). Da­ gegen sind die §§ 1355, 1356 durch § 1417 auf die Errungenschaftsgemein­ schaft zwar für entsprechend anwendbar erklärt. Allein der § 1356 bedarf im § 1423 Abs. 2 Nr. 2 wegen der Vorschrift des § 1423 Abs. 2 Nr. 3 keiner besonderen Berücksichtigung. Anlangend aber den § 1355, so kommt derselbe, abgesehen von dem Falle, in welchem der Ehefrau ein Vertragsantrag wegen

Gesammtgutsverbindlichkeiten der Ehefrau.

528

Errungenschaftsgemeinschaft.

Zwangsvollstreckung.

§ 1424.

eines solchen Eriverbcs gemacht ist, welcher in das Gesammtgnt fallen würde, für die Errungenschaftsgemcinschaft nicht in Betracht, da dasjenige, was die Ehefrau durch Erbfolge oder Vermächtnis; erwirbt, nach § 1412 Sondcrgut derselben ist und deshalb auch die mit einem solchen Erwerbe verbundenen Verbindlichkeiten nicht Gesammtgutsvcrbindlichkeiten sein können. 3. Die Nr. 4 des § 1423 Abs. 2 entspricht der Schlußbcstimmung des § 1362 Nr. 3 und beruht auf deu gleichen Ermägnngen, wie diese (vergl. die Motive zu § 1362 oben S. 373 und zu § 1312 S. 253). 4. Wegen der dem Schlußsätze des § 1362 Nr. 1 sich anschließenden, im Wesentlichen auch mit dem geltenden Rechte (vergl. oben S. 520) über­ einstimmenden Vorschrift des § 1423 Abs. 3 wird auf die Motive zu § 1362 oben S. 373 und zu § 1312 S. 252 ff. verwiesen.

§ 1424. ZwangSvollstreckui g gegen da4 Gesammtgut.

1. Die dem geltenden Rechte entsprechende Bestimmung des § 1424 beruht auf denselben Gründen, wie die Bestimmung des § 1360 Abs. 1 (vergl. die Motive zu § 1360 oben S. 369). Die speziellen Vorschriften des § 1360

Abs. 2 können im Hinblicke darauf, daß das beim Eintritte der Errungenschafts­ gemeinschaft vorhandene Vermögen der Ehegatten Sondergut ist (§ 1411 Abs. 1, § 1412), bei der Errungenschaftsgemeinschaft wegen Mangels der Voraussetzungen keine Anwendung finden. Konkurs 2. Anlangcnd die Bestimmung des § 1424 Abs. 2, daß im Falle des des Konkurses über das Vermögen des Ehemannes die Vorschriften des § 1361 Ehemannes. Abs. 1 Anwendung finden, so stellt dieselbe angesichts der Bestimmung des § 1429 Abs. 2, daß mit der Rechtskraft des Beschlusses, durch welchen der Konkurs über das Vermögen des Ehemannes eröffnet wird, die Auflösung der Errungenschaftsgemeinschaft kraft des Gesetzes erfolgt, in Verbindung mit § 1429 Abs. 1 und § 1375 sich als eine positive dar und als eine Abweichung von den §§ 14, 44 der Konk. O., indem nach den letzteren der Ehefrau in Ansehung des Gesammtgutcs das Recht auf Auseinandersetzung und Ab­ sonderung zustchen würde (vergl. Entsch. d. R. G. in Civils. VIII, 26 IX, 19). Auch nach den auf dem Boden der partikulären Gütergemeinschaft stehenden Partikularrechten, insbesondere nach dem württemb. Rechte, dem naff. Rechte (vergl. Fenner und Mecke, civilrcchtl. Entsch. I, 7, 88, 89, III, 1), dem kurhess. Rechte, dem franz. Rechte (code civil Art 1443) und dem bad. Rechte (§ 40 des bad. Ausf. Ges. zu den Reichsjustizgesetzen v. 3. März 1879), tritt im Falle der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Ehe­ mannes, sei es kraft des Gesetzes, sei es auf Verlangen der Ehefrau, regelmäßig eine vollständige Liquidation des Gesammtgutes, wie der Sondergüter ein; doch fällt nach einer großen Zahl von Rechten das ganze Gesammtgut dann in die Konkursmaffe, wenn die Ehefrau von dem ihr beigelegten Rechte Ge­ brauch macht, sich von der Haftung für die Eheschulden, soweit sie nicht deu Gläubigern nach allgemeinen Grundsätzen persönlich haftet, durch Verzicht auf ihren Antheil an der Errungenschaft zu befreien. Ein solches Recht der Ehe­ frau ist namentlich anerkannt vom württemb., ansbach. und frankf. Rechte, von

Errungenschastsgcmcinschoft.

Konkurs.

529

§ 1424.

dem trier. L. Di., dem pfälz. L. R., den eobnrg. Statuten, sowie dein franz, und bad. Rechte (code civil Art. 1453, 1492 ff.). Ueberwiegende Gründe sprechen dafür, wie bei der allgemeinen Gütergemeinschaft, so auch bei der Errungenschaftsgemeinschaft der Ehefrau in An-

gut""" ’

schung des Gcsammtgutes das Recht auf Auseinandersetzung und Absonderung nach Maßgabe der §§ 14, 44 der Konk. O. gänzlich zu versagen und das

Gesammtgut als Theil der Konkursmaffc zu behandeln. Diese Art der Regelung ist bei der Errungenschaftsgemeinschaft sogar noch in höherem Maße als bei der allgemeinen Gütergemeinschaft durch die Rücksicht auf das Jntereffe der Gläubiger geboten, weil diejenigeir Gesammtgutsvcrbindlichkciten, welche im Verhältnisse der Ehegatten zu einander nicht dem Gesammtgutc, sondern dem Ehemanne zur Last fallen (§ 1426 Abs. 2) und deren Befriedigung aus dem Gesammtgutc bei der Auseinandersetzung wegen des letzteren nach § 1429 Abs. 1 in Verbindung mit den §§ 1376, 1377 Abs. 1 auf Verlangen der Ehefrau ausgeschlossen ist (vcrgl. die Motive zu § 1377 oben S. 412), bei der Errungenschaftsgemeinschaft noch weit zahlreicher sind, als bei der all­ gemeinen Gütergemeinschaft. Das Recht der Ehefrau auf Auseinandersetzung und Absonderung könnte mithin dahin führen, daß die Ehefrau in nicht seltenen Fällen einen Theil der ihr zustchendcn Hälfte des Gesammtgutcs erhalten würde, während die bezeichneten Gesammtgutsgläubiger des Ehemannes nicht zur Befriedigung gelangten. Ein solches Resultat ist aber mit der Tendenz der neueren Gesetzgebung, insbesondere auch der Konk. O., die Ehe­ frau vor den Gläubigern des Ehemannes nicht zu bevorzugen, nicht vereinbar. Für die Regelung des Entwurfes kommt ferner in Betracht, daß bei der Errungenschaftsgemeinschaft der dem Gesammtgutc zufallcnde Erwerb in der Regel von dem Ehemanne hcrrührt, namentlich in den häufigen Fällen, in welchen der letztere ein Erwcrbsgeschäft betreibt, und daß sein Sondergut in Folge seiner Verwaltung und Thätigkeit viel häusiger und umfassender in Gesammtgut verwandelt wird, als dies mit dem Sondergute der Ehefrau der Fall ist. Mit dem Rechte auf Auseinandersetzung und Absonderung in An­ sehung des Gcsammtgutes würde mithin der Ehefrau in zahlreichen Fällen zum Nachtheile der Gläubiger des Ehemannes ein diesen vergehendes Diecht auf einen Antheil an dem von dem Ehemanne herrührenden Vermögen gegeben. Allerdings muß bei der Regelung des Entwurfes die Ehefrau dulden, daß auch die vor Eintritt der Errungcnschaftsgemcinschast entstandenen Verbindlichkeiten des Ehemannes, obwohl dieselben im Verhältnisse der Ehe­ gatten zu einander regelmäßig dem Ehemanne zur Last fallen (§ 1426 Abs. 2 Nr. 2), aus dem Gesammtgutc befriedigt werden; indessen ist das Gleiche nach § 1423 Abs. 1 verb. mit § 1424 Abs. 1 und § 1360 Abs. 11 auch außer­ halb des Konkurses der Fall, wenn jene Gläubiger im Wege der Zwangs­ vollstreckung die Befriedigung aus dem Gesammtgutc suchen. Da nach § 1429 Abs. 2 mit der Rechtskraft des Beschluffes, durch g““fbebr“äut welchen der Konkurs über das Vermögen eröffnet wird, die Errungenschafts- der Ehefrau, gemeinschaft kraft des Gesetzes aufgelöst wird, so versteht es sich von selbst, daß mit jenem Zeitpunkte für die Ehefrau der Anspruch auf Herausgabe ihres Sondcrgutcs nach Maßgabe der Bestimmungen der Konk. O. über die AuSMotive z. bllrgerl Gesetzbuch. IV.

34

530

Errungenschaftsgemeinschaft. Unterhaltspflicht. § 1425.

sondcrung begründet ist. In Folge der Auflösung der Gemeinschaft werden aber auch diejenigen Ersatzansprüche der Ehefrau, welche ihr nach Maßgabe des § 1417 verb. mit den §§ 1294, 1295, sowie des § 1420 gegenüber dem Gesammtgutc bei Auflösung der Gemeinschaft zustehen, fällig, und kann sic

Konkurs der

Lheftau.

diese Ansprüche sowie sonstige ihr gegen das Gesammtgut bezw. den Ehemann zustchcndc Ersatzansprüche als Konkursgläubigerin geltend machen. Anderer­ seits ist auch die Ehefrau zur Erfüllung der ihr auf Grund des § 1420 bei Auflösung der Gemeinschaft obliegenden Ersatzverbindlichkeiten verpflichtet. Diese aus anderen Bestimmungen sich ergebenden Konsequenzen brauchen indessen int Gesetze nicht besonders ausgesprochen zu werden. Z. Die weitere Bestimmung des § 1424 Abs. 2, daß im Falle des $onfurfc§ über das Vermögen der Ehefrau die Vorschrift des § 1361 Abs. 2 entsprechende Anwendung findet, beruht auf den gleichen Gründen, wie die lctztgcdachte Vorschrift. Es wird in dieser Beziehung auf die Motive zu § 1361 oben S. 373 Bezug genommen.

§ 142a. Während der Ulttcrhalt bestehenden Rechten allgemein Verwandten" ^cv a*s eine Gemeinschaftslast erwa» en. Behandlung der gesetzlichen Unterhaus-

der gentcinschaftlichen Abkömmlinge von den

der Ehegatten

als ein Theil des ehelichen Aufwandes und behandelt wird, weichen die bestehenden Rechte in Unterhaltspflicht der Ehegatten gegenüber ein­

seitigen Verwandten der letzteren von einander ab, indem sie diese Unterhaltspflicht theils als eine Sonderschuld des betreffenden Ehegattcir (vergl. Neubauer, Zus. S. 116 Anm. 9), theils als eine Gemeinschaftslast auffassen (vergl. code civil Art. 1409 Nr. 5 und dazu die Motive zu § 1363 oben S. 376; ferner württemb. Entw. §§ 103 ff.). Die Gründe, welche bei der allgemeinen Gütergemeinschaft in der hier fraglichen Beziehung zu den Vorschriften des § 1363 geführt haben,

treffen auch bei der Errungcnschaftsgemeinschaft zu. Es wird in dieser Beziehung auf die Motive zu § 1363 oben S. 376 ff. Bezug genommen. Wie der § 1454 Abs. 2 crgiebt, finden die Vorschriften der §§ 1425, 1363 auch auf den im § 1454 Abs. 1 anerkannten Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten gegen den allein für den schuldigen Theil erklärten anderen Ehegatten entsprechende An­

wendung.

§ 1426. Die Bestimmungen des § 1426 beruhen materiell auf dem Gedanken, Gelammt- baß diejenigen Gesammtgutsverbindlichkeiten im Verhältnisse der Ehegatten zu

Gemeinschaft-

gutsverbind-

‘vriiHp"

u'w’

einander dem Gesammtgutc zur Last fallen, welche entweder von einem der Ehegatten innerhalb der Grenzen seines Verwaltungsrechtes für die bcstimmungsmäßigen Zwecke der Errungenschaftsgemeinschaft, also namentlich zum

Zwecke der Bestreitung des ehelichen Aufwandes (§ 1419), der im § 1418 be­ zeichneten Ausgaben, sowie derjenigen Ausgaben, welche zur Erhaltung, Ver­

waltung und Vermehrung des Gesammtgutcs dienen, eingegangen sind, ober welche kraft des Gesetzes dem Gesammtgutc zur Last fallen. Im Prinzipe

Errungcnschaftsgeineinschaft. Gcnieinschoftlichkcit d. Verbinde § 1426.

531

stimmen damit, wie sich aus der in den Motiven zu § 1423 oben S. 519 ff. mitgetheiltcn Uebersicht crgiebt, auch die bestehenden Rechte überein. Im Einzelnen kommen dieselben allerdings auf Grund jenes Prinzipes zum Theil zu anderen Resultaten. Es hängt dies namentlich damit zusammen, daß sie in sonstigen grundlegenden Fragen, insbesondere soviel die Grenzen des dem Ehemanne zustehenden Verwaltungsrcchtes und die rechtliche Verantwort­ lichkeit des Ehemannes bei Ausübung seines Verivaltungsrechtcs und bei der Bestimmung des ehelichen Aufwandes betrifft, von dem Entwürfe abweichcn (vergl. die sehr ins Einzelne gehenden Vorschriften des württcmb. Entw. §§ 31—114). Auf Grund des bezeichneten Prinzipes in Verbindung mit den Grundsätzen des Entwurfes über das Verwaltungsrccht des Ehemannes und die rechtliche Nichtvcrantwortlichkeit desselben für die Ausübung jenes Rechtes gegenüber der Ehefrau (§ 1417 verb. mit §§ 1352, 1353, 1364) sind vom Standpunkte des Entwurfes aus alle von dem Ehemanne während des Be­ stehens der Gemeinschaft cingegangenen Verbindlichkeiten, soweit dieselben über­ haupt wirksam sind (vergl. §§ 1417, 1353), auch im Verhältnisse der Ehe­ gatten zu einander Gcsammtgutsverbindlichkeitcn, es sei denn, daß sie nach Maßgabe des § 1426 Abs. 2 Nr. 1 auf das Vorbehalts- oder Sondergut des Ehemannes sich beziehen. Ferner fallen im Verhültnisie der Ehegatten zu einander dem Gesammtgute zur Last die Verbindlichkeiten der Ehefrau aus Rechtsgeschäften, welche die letztere während bestehender Gemeinschaft mit Ein­ willigung oder Genehmigung des Ehemannes geschlossen hat oder welche aus einem mit Einwilligung des Ehemannes von der Ehefrau selbständig be­ triebenen Erwerbsgeschäfte herrührcn, sofern jene Verbindlichkeiten der Ehefrau uicht unter die im § 1426 Abs. 2 Nr. 1 bezeichnete Ausnahme fallen, sowie die im § 1423 Abs. 3 gedachten Verbindlichkeiten der Ehefrau aus Rechts­ geschäften, welche die letztere ohne Einwilligung oder Genehmigung des Ehe­ mannes vorgenommen hat, soweit das Gcsammtgut dadurch bereichert ist. Den Verbindlichkeiten des Ehemannes und der Ehefrau aus Rechtsgeschäften stehen innerhalb der gedachten Grenzen die Verbindlichkeiten gleich, welche aus Rechts­ streitigkeiten entstanden sind. Weiter gehören zu den Gesammtgutsverbindlichkcitcn, die im Verhältnisse der Ehegatten zu einander dem Gesammtgute zur Last fallen, die Verbindlichkeiten, welche zu den nach den Vorschriften des § 1418 von dem Gesammtgute zu tragenden Lasten eines Sondergutes gehören oder in Folge eines Rechtes oder des Besitzes einer Sache entstanden sind, welche zu dem Gesammtgute oder zu einem Erwcrbsgcschäfte gehören, das von einem der Ehegatten mit seinem Sondergutc für Rechnung des Gesammtgntcs betrieben wird, sowie die nach Maßgabe der §§ 1425, 1363, 1454 Abs. 2 dem Ehemanne obliegende gesetzliche Unterhaltspflicht gegenüber den eigenen Verwandten, den Verwandten der Ehefrau und einem geschiedenen früheren Ehe­ gatten des Ehemannes oder der Ehefrau, soweit nicht diese Unterhaltspflicht in Folge des Besitzes von Vorbehalts- oder Sondergut begründet oder ver­ größert ist (vergl. in dieser Hinsicht die Motive zu § 1316 oben S. 263 und zu § 1367 oben S. 286). Anstatt die Gesammtgutsverbindlichkeitcn, welche im Verhültnisie der Ehegatten zu einander dem Gesammtgute zur Last fallen, im Gesetze einzeln aufzuzählen, hat übrigens der Entwurf den thatsächlichen 34*

532

Ausnahmen.

Errungenschaftsgemcinschaft. Ausstattung. § 1427.

Verhältnissen entsprechend und itit Anschlüsse an § 1367 Abs. 1 den Weg ein­ geschlagen, als Regel den Satz hinzustellcn, daß die Gesammtgutsverbindlichkeiten auch im Verhältnisse der Ehegatten zu einander dem Gesammtgute zur Last fallen, daneben aber die Ausnahmen von dieser Regel speziell zu be­ stimmen. Es beruht diese Art der Regelung auf ähnlichen Erwägungen, wie diejenigen, welche den Entwurf veranlaßt haben, bei der Bestimmung des Be­ griffes der Errungenschaft von der Regel auszugehcn, daß das Vermögen, welches der Ehemann, und das Vermögen, welches die Ehefrau während des Bestehens der Errungcnschaftsgcmeinschaft erwirbt, Gesammtgut wird, und daneben die Vermuthung anzuerkennen, daß das vorhandene Ver­ mögen Gesammtgut ist (vergl. § 1411 Abs. 1, §1421 Abs. 1; Motive zu § 1411 oben S. 494 ff.). Anlangend die einzelnen im § 1426 Abs. 2 bcstimmten Ausnahmen von der Regel des § 1426 Abs. 1, so entsprechen die Nr. 1, 3—5 den Nrn. 1—4 des § 1367 Abs. 2. Wegen der Begründung derselben im Einzelnen wird auf die Motive zu § 1367 oben S. 385 ff. Bezug genommen. Die im § 1426 Abs. 2 unter Nr. 2 bestimmte weitere Aus­ nahme beruht auf dem beschrankten Zwecke der Errungenschaftsgemcinschaft. Die Beschränkung der Nr. 2, 3 auf die Verbindlichkeiten des Ehemannes hat darin ihren Grund, daß die gleichen Verbindlichkeiten der Ehefrau bei der Er­ rungenschaftsgemeinschaft — abweichend von der allgemeinen Gütergemeinschaft (§ 1362) — nach § 1423 Abs. 2 überhaupt Gcsammtgutsvcrbindlichkcitcn nicht sind. In Ansehung der Folgen, welche sich daraus ergeben, daß eine Gcsammtgutsverbindlichkeit im Verhältniße der Ehegatten zu einander dem Gesammt­ gute zur Last fällt oder nicht, wird auf die Motive zu § 1367 oben S. 384 ff. verwiesen.

§ 1427. Ausstattung den Ehemann.

Wie bei der allgemeinen Gütergemeinschaft (§ 1368), behandelt der Entwurf auch bei der Errungenschaftsgemcinschaft die Zusicherung oder Ge­ währung einer den Verhältnisien des Gesammtgutes entsprechenden Ausstattung nach Maßgabe des § 1500, ohne zwischen gemeinschaftlichen und einseitigen Kindern zu unterscheiden, als eine Gesammtgutslast. Die Gründe für diese Art der Behandlung sind dieselben, welche bei der allgemeinen Gütergemein­ schaft zu der Vorschrift des § 1368 geführt haben. Bei der Errungenschafts­ gemeinschaft liegt die Sache allerdings insofern anders, als bei derselben das Gesammtgut regelmäßig nur aus den laufenden Einnahmen gebildet wird, Ausstattungen aber nicht aus den laufenden Einnahmen, sondern aus dem Stamme des Vermögens gegeben zu werden pflegen. Indessen kann auf diesen Unterschied aus den in den Motiven zu § 1417 oben S. 507 hervorgehobencn Gesichtspunkten in Ansehung der Ausstattungen ebensowenig durchschlagendes Gewicht gelegt werden, wie in Ansehung solcher aus dem Gesammtgute ge­ währter Schenkungen, welche durch eine sittliche oder auf den Anstand zu nehmende Rücksicht gerechtfertigt werden. Auch von den auf dem Boden der partikulären Gütergemeinschaft stehenden Rechten wird die Gewährung einer Ausstattung an gemeinschaftliche Kinder vielfach als Gemeinschaftslast behandelt.

EmmgcnschciftSgcmcinschaft. Gegenseitige Ansprüche. § 1428.

533

nicht dagegen die Gewährung einer Ausstattung an einseitige Kinder (vcrgl. insbes. württemb. L. R. IV, 13 § 1; code civil Art. 1438, 1439; württemb. Entw. §§ 99—102, 47, 103 ff.; Hess. Entw. Art. 512, 448, 449). Die Gründe,

aus welchen der Entwurf eine solche Unterscheidung hier wie bei der allgemeinen Gütergemeinschaft als angemessen nicht erachtet hat, sind in den Motiven zu § 1365 S. 383 dargclegt.

§ 1428. Wegen der Begründung des § 1428 wird auf die Motive zu § 1369 3°>t oben S. 390 Bezug genommen, wo in der hier fraglichen Beziehung auch Dachung die Rechte der funden haben.

partikulären Gütergemeinschaft

bereits Berücksichtigung gc-

§§ 1429, 1430. 1. Alle bestehenden Rechte stimmen darin überein, das; die Errungen- wtöiungs. schaftsgemeinschaft durch den Tod eines der Ehegatten und durch Scheidung aui"be‘

der Ehe aufgelöst wird.

Nach den meisten Rechten

mit Errungcnschafts-

gcmeinschaft kann ferner die Auflösung der Gemeinschaft durch Ehevertrag vereinbart werden. Rach dem prcuß. A. L. R. ist jedoch die vcrtragswcise Aufhebung der auf Provinzialgcsctzcn oder Statuten sich gründenden Erwerbs­

gemeinschaft — im Gegensatze zu der auf Vertrag beruhenden — regelmäßig ausgeschlossen (prcuß. A. L. R. II, 1 §§ 413, 419), und das franz. Recht (code civil Art. 1395) verbietet nach Eingehung der Ehe überhaupt die Aenderung eines vorher geschlossenen Ehcvertragcs (vcrgl. des Näheren die Motive zu § 1333 oben S. 305 ff.). Auf einseitigen Antrag eines Ehegatten findet während der Ehe eine Auflösung der Errungcnschaftsgemeinschaft regelmäßig nicht statt; doch gestatten einzelne Rechte jedem der Ehegatten, unter gewissen Voraussetzungen bei Vcrmögcnsvcrfall des anderen, insbesondere im Falle der Konkurseröffnung, die Aufhebung der Gemeinschaft zu verlangen (bainbcrg. L. R.; prcuß. A. L. R. II, 1 §§ 420, 392, 410, 421). Einzelne andere Rechte geben nur der Ehefrau das Recht, bei Vcrmögensvcrfall des Ehemannes die Aufhebung der Gemeinschaft zu verlangen. Es gehören dahin das ansbach. Recht, das württemb. Recht sowie das franz, und bad. Recht (code civil Art. 1443; § 40 des bad. Ausf. Ges. zu den R. Just. Gesetzen v. 3. März 1879). Anlangend insbesondere das württemb. Rechts so ist es bestritten, ob nicht durch die Eröffnung des Kon­ kurses über das Vermögen des Ehemannes die Errungcnschaftsgemeinschaft kraft des Gesetzes aufgehoben wird, nach Beendigung des Konkurses jedoch in Ermangelung einer andcrweiten Verabredung stillschweigend von selbst wieder eintritt. In dieser Art ist das Verhältniß von dem württemb. Entw. §§ 165, 226, 234 geregelt. Keinem Zweifel unterliegt cs übrigens, daß auch nach dem geltenden württemb. Rechte die Ehefrau — von gewissen Ausnahmen ab­ gesehen — sowohl im Falle der Eröffnung des Konkurses über das Vermöge» des Ehemannes, als auch außerhalb des Konkurses, wenn der Ehemann ein

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534

Errungenschaftsgemeinschaft. Auflösung. §§ 1429, 1430.

verschwenderisches Leben führt und dadurch bereits eine erhebliche Einbuße entstanden ist, durch Anrufung der sog. weiblichen Freiheiten die Auflösung der Errungenschaftsgcmcinschaft mit der Wirkung herbeiführen kann, daß die gesammte Errungenschaft dem Ehemanne ausschließlich zufällt, die Ehefrau aber von der Verbindlichkeit, die eheliche Einbuße und die Sozialschulden zur Hälfte zu tragen, soweit sie für die letzteren nicht nach allgemeinen Grund­ sätzen persönlich haftet, befreit wird (vergl. Entsch. d. R. G. in Civils. IX, 19); streitig ist dagegen, ob die Errungenschaftsgemeinschaft nach Beendigung des Konkursverfahrens von selbst wieder eintritt oder in Ermangelung einer ander­ weiten Vereinbarung vollständige Gütertrennung stattfindet. Daß nach verschiedenen Rechten mit Errungenschaftsgemeinschaft im Falle dauernder Verhinderung des Ehemannes, namentlich im Falle dauernder Abwesenheit des letzteren, das Verwaltungsrecht in Ansehung des Gesammtgutes auf die Ehefrau übergeht, wurde bereits in den Motiven zu § 1417 oben S. 510 hervorgehoben. Standpunkt Der Entwurf geht zunächst davon aus, daß außer im Falle der AufEntwnrscÄ. lösung der Ehe auch in denjenigen Fällen, in welchen sogar die Auflösung der allgemeinen Gütergemeinschaft erfolgt (§§ 1371, 1372), die Auflösung der Errungenschaftsgemeinschaft eintritt (§ 1429 Abs. 1). Außerdem soll aber im Anschlüße an die Bestimmungen des gesetzlichen ehelichen Güterrechtes über die Beendigung der ehelichen Nutznießung und Verwaltung (§§ 1327, 1328 bis 1330) die Auflösung der Errungenschaftsgemeinschaft und Trennung der Güter in denjenigen nicht schon durch die entsprechende Anwendung der §§ 1371, 1372 gedeckten Fällen eintreten bezw. von der Ehefrau verlangt werden können, in welchen nach jenen Bestimmungen die Beendigung der ehelichen Nutznießung und Verwaltung und Trennung der Güter kraft des Gesetzes oder auf Antrag der Ehefrau erfolgt (§§ 1429 Abs. 2—4). Diese

Gleichstellung der Errungenschaftsgemeinschaft mit dem gesetzlichen ehelichen Güterrechte in Ansehung der Auflösungsgründe rechtfertigt sich durch die Er­ wägung, daß die erstere gewissermaßen nur als eine Modifikation des letzteren sich darstellt, andererseits die Nutznießung und Verwaltung des Ehemannes in Ansehung des Sondergutes der Ehefrau für Rechnung des Gesammtgutes ein so wesentliches Element der Errungenschaftsgemeinschaft ist, daß die letztere ohne jene Nutznießung und Verwaltung nicht fortbestehen kann. Im Hinblicke auf deu durch § 1429 Abs. 1 für entsprechend anwendbar erklärten § 1372 Nr. 3 ist im § 1429 Abs. 3 die Nr. 2 des § 1328 nicht allegirt. Erfolgt die Auflösung der Errungenschaftsgemeinschaft auf Grund des § 1429 Abs. 3, so findet nach § 1429 Abs. 1 der § 1381 entsprechende Anwendung. Aus diesem Grunde kommt für die Fülle des § 1429 Abs. 3 der § 1330 nicht in Betracht. Konkurs bes Anlangend insbesondere die Bestimmungen des § 1429 Abs. 2, daß die Ey-mann^. dn Errungenschaftsgemeinschaft auch mit der Rechtskraft des Be­ schlusses erfolgt, durch welchen der Konkurs über das Vermögen des Ehemannes eröffnet wird, und mit der Erlafiung des Urtheiles, durch welches der Ehe­

mann für todt erklärt wird, so treffen die entscheidenden Gründe, aus welchen nach dem Entwürfe in jenen Fällen bei der allgemeinen Gütergemeinschaft die Auflösung der letzteren nicht eintreten soll (vergl. die Motive zu § 1371 S. 393 und

Errungenschaftsgemeinschaft. Auflösung. §§ 1429, 1430.

535

zu § 1372 oben S. 398), bei der Errungenschaftsgemeinschaft nicht zu. Das durch die allgemeine Gütergemeinschaft begründete, regelmäßig das ganze Vermögen ergreifende Verhältniß ist ein viel innigeres, als dies bei der Errungenschafts­ gemeinschaft der Fall ist. Die Auflösung der ersteren hat daher weit ein­ schneidendere Folgen, als die Auflösung der letzteren. Von besonderem Gewichte ist in dieser Beziehung, daß mit der Errungenschaftsgemeinschaft nicht, wie bei der allgemeinen Gütergemeinschaft, ein besonderes gütergemeinschaftliches Erb­ recht verbunden ist. Auch nach der Mehrzahl der bestehenden Rechte ist namentlich der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Ehemannes mehr oder weniger ein Einfluß auf die Errungenschaftsgemeinschaft bezw. auf die Rechte des Ehemannes eingeräumt. Zweifelhaft kann es allerdings sein, ob namentlich im Falle der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Ehemannes die Auflösung der Errungenschaftsgemeinschaft kraft des Gesetzes oder nur auf Verlangen der Ehefrau eintreten soll. Es läßt sich nicht verkennen, daß der letztere Weg an sich dem Wesen der Errungenschaftsgemeinschaft mehr entsprechen würde und daß der Ehefrau die kraft Gesetzes eintretende Auf­ lösung der Errungenschaftsgemeinschaft wegen des ihr dadurch entgehenden Antheiles an dem späteren Erwerbe des Ehemannes unter Umständen nach­ theilig und unerwünscht sein kann. Auf der anderen Seite kommt indeffen in Betracht, daß, wenn die Auflösung der Errungenschaftsgemeinschaft im Falle der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Ehemannes kraft des Gesetzes eintritt, das Verhältniß sich weit einfacher gestaltet und namentlich im Interesse der Ehefrau wegen der ihr nach den §§ 1417, 1294, 1295, 1420 zustehenden, aber erst bei Auflösung der Gemeinschaft fällig werdenden Ersatz­ ansprüche eine besondere Bestimmung entbehrlich wird, nach welcher auf das Sondergut der Ehefrau in dem hier fraglichen Falle dieselben Bestimmungen Anwendung finden, welche Anwendung finden würden, wenn durch die Er­ öffnung des Konkurses über das Vermögen des Ehemannes die Auflösung der Errungenschaftsgemeinschaft erfolgt wäre (vergl. die Motive zu § 1424 oben S. 529 ff.). Um jedoch materiell dem Wesen der Errungenschaftsgemeinschast Wicdcrund den Jnteresien der Ehefrau gerecht zu werden, bestimmt der § 1430 Abs. 2, n-chung"der damit die Veröffentlichung gegenüber Dritten wirkt, nur die Eintragung der Eintragung,

betreffenden Thatsache in das ehercchtliche Register, nicht auch die öffentliche Bekanntmachung der Eintragung wesentlich. Dafür, den Zeitpunkt der öffentlichen Bekanntmachung entscheiden zu lassen, also Eintragung und Publikation als wesentlich hinzustellen (vergl. oldenb. Ges. v. 24. April 1873 Art. 31 § 3), spricht allerdings die Erwägung, daß dadurch der gute Glaube Dritter in höherem Maße geschützt wird, sowie der Vorgang des H. G. B. Art. 25. Auf der anderen Seite kommt aber in Betracht, daß im bürgerlichen Verkehre nicht in gleichem Maße, wie dies im Handelsverkehre der Fall ist, die Betheiligtcn darauf zu achten pflegen, ob die erforderliche öffentliche Bekanntmachung auch wirklich erfolgt, und daß, wenn die letztere irrthümlich unterbleibt, der daraus entstehende Nachtheil die Ehegatten trifft. Dazu tritt der Uebelstand, daß, wenn der Zeitpunkt der Publikation entscheidend ist, für Dritte die Ermittelung,

ob eine Thatsache veröffentlicht ist, erschwert und überhaupt nach langen Jahren der Nachweis, daß die öffentliche Bekanntmachung und daß dieselbe namentlich nach Maßgabe der Eintragung in das eherechtliche Register erfolgt ist, oft schwer zu führen sein wird. Legt man der öffentlichen Bekanntmachung der Eintragung nur den Karakter einer Ordnungsvorschrift bei, so wird weiter der Vortheil erreicht, daß man den Inhalt der Bekanntmachung nach Maßgabe des § 1439 beschränken kann und dadurch die Kosten der öffentlichen Bekannt­ machung im Interesse der Ehegatten vermindert werden. Dem Interesse Dritter wird genügend Rechnung getragen, wenn dieselben — ähnlich wie beim Grund­ buche — in der Lage sind, sich durch Einsicht des eherechtlichen Registers die nöthige Kenntniß zu verschaffen. Daß eine nach Maßgabe des § 1435 Abs. 1 erfolgte Veröffentlichung einer Thatsache dadurch, daß eine den Inhalt der früheren Eintragung zurück­ nehmende oder mit dem Inhalte der letzteren in Widerspruch tretende Thatsache in das eherechtliche Register eingetragen wird, für die Zukunft ihre Wirkung

EherechtlicheS Register. Zuständigkeit. § 1436.

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verliert, auch wenn die neu eingetragene Thatsache in Wirklichkeit nicht besteht, versteht sich von selbst, da mit dieser neuen Eintragung die früher eingetragene

Thatsache aufhört, eine veröffentlichte zu fein, und bedarf daher keines be­ sonderen Ausdruckes. Die Bestimmungen des § 1435 Abs. 2 Satz 1, 2, welche sich den Be- O-n°»,l>chstimmungen des Art. 25 Abs. 2 Satz 1, 2 des H. G. B. anschließen, ergeben Registers,

sich mit Nothwendigkeit aus dem Zwecke des eherechtlichen Registers. Ihre Auf­ nahme in das Gesetzbuch empfiehlt sich, um dadurch die Oeffentlichkeit des eherechtlichen Registers, auf welcher das ganze Institut beruht, sicher zu stellen. Die gleiche Nothwendigkeit liegt nicht vor in Ansehung der ebenfalls dem H. G. B. Art. 25 Abs. 2 Satz 3 sich anschließenden weiteren Bestimmung des § 1435 Abs. 2, daß von den Eintragungen gegen Erlegung der Kosten eine Abschrift verlangt werden kann, welche auf Verlangen zu beglaubigen ist. Indessen reden Gründe praktischer Zweckmäßigkeit der Aufnahme jener Be­ stimmung das Wort, namentlich hingesehen auf solche Fälle, in welchen die Abschrift zum Zwecke der Vorlegung im Prozesse (§ 400 der C. P. O.) benutzt werden soll. Daß die Bestimmung mißbraucht werden könnte, ist nicht zu besorgen.

§ 1436. Die Bestimmung des § 1436 Satz 1, deren Beobachtung, wie die Fassung smtänbigteit zur Genüge erkennen läßt, für die Wirksamkeit der Veröffentlichung wesentlich Eintragung, ist, rechtfertigt sich durch den Zweck der Veröffentlichung in Verbindung mit der Erwägung, daß die Ehegatten am Wohnsitze des Ehemannes vorzugsweise ihre Verkehrsbeziehungen haben (vergl. auch oldenb. Ges. v. 24. April 1873 Art. 31 §§ 2, 3). Hat der Ehemann an mehreren Orten den Wohnsitz (§ 34), so genügt in Ermangelung einer entgegenstehenden Bestimmung die Ver­ öffentlichung bei dem Amtsgerichte des einen oder anderen Ortes. Ein Be­ dürfniß, nach Analogie der §§ 9, 1246 daneben vorzuschreiben, daß in Er­ mangelung eines nach § 1436 Satz 1 zuständigen Gerichtes das zuständige Gericht von der obersten Justizverwaltungsbehörde des Heimathstaates bestimmt werde, liegt hier nicht vor. Für deutsche Ehegatten, welche im Auslande ihren Wohnsitz haben, hat eine derartige Zusatzbestimmung, auch wenn nach dem internationalen Privatrechte das eheliche Güterrecht der Ehegatten sich nach dem Rechte des Staates bestimmt, welchem der Ehemann zur Zeit der Eheschließung angehört, nur ein geringes praktisches Jntereffe, da dieselben ihre Verkehrs­ beziehungen vorzugsweise im Auslande haben. Ebensowenig braucht in dieser Beziehung für deutsche Ehegatten, welche im Jnlandc sich aufhalten, aber keinen Wohnsitz haben, durch eine Spczialbestimmung Vorsorge getroffen zu werden. Auch im Hinblicke auf die Bestimmung des § 1330, nach welcher die Vor­ schriften der §§ 1336, 1337 außer in den übrigen dort bezeichneten Fällen auch dann enffprechende Anwendung finden sollen, wenn die eheliche Nutz­ nießung und Verwaltung in Folge des Urtheiles, durch welches der Ehemann für todt erklärt ist, beendigt wird (§ 1327 Abs. 1 Nr. 4), kann der fragliche Zusatz nicht als erforderlich erachtet werden, um der Ehefrau die Möglichkeit

556

EherechtlicheS Register. Zuständigkeit. § 1436.

zu gewähren, die Beendigung der ehelichen Nutznießung und Verwaltung zu veröffentlichen. Von seltenen und deshalb nicht besonders zu berücksichtigenden Fällen abgesehen, hat die Ehefrau eines für todt erklärten Ehemannes, um sich zu sichern, kein Jntereffe an einer solchen Veröffentlichung. Wiederholung nagung^ beim

Im Anschlüsse an ähnliche Bestimmungen anderer Gesetze, insbesondere des oldenb. Ges. v. 24. April 1873 Art. 31 §§ 2, 3, schreibt der § 1436

Wohnsitzes

2atz 2, 3 weiter vor, daß, wenn von dem Ehemanne der Wohnsitz in den Bezirk eines anderen Amtsgerichtes verlegt wird, die Eintragung der betreffenden Thatsache binnen 6 Wochen seit der Begründung des anderen Wohnsitzes auch in das eherechtliche Register jenes Amtsgerichtes erfolgen muß, widrigenfalls die frühere Eintragung ihre Wirkung verliert. Ist der Antrag rechtzeitig erfolgt, so bleibt die frühere Eintragung wirksam, auch wenn die neue Ein­ tragung in das chcrechtliche Register des anderen Amtsgerichtes nicht erfolgt

sein sollte. Wesentlich ist also nur der rechtzeitige Antrag; die Eintragung selbst in dieses' Register hat dagegen nur den Karaktcr einer Ordnungs­ vorschrift. Wenngleich nicht zu verkennen ist, daß die Bestimmungen deS § 1436 Satz 2, 3 mit praktischen Unzuträglichkeiten verbunden sind und ins­ besondere die Unsicherheit mit sich bringen, ob eine bei dem Amtsgerichte des früheren Wohnsitzes erfolgte, in dem dortigen eherechtlichen Register aber noch nicht gelöschte Eintragung noch wirksam ist oder nicht, so ist doch die Rücksicht auf den guten Glauben derjenigen, welche mit den Ehegatten an dem neuen Wohnsitze in rechtsgeschäftlichen Verkehr treten, als überwiegend zu erachten. Man kann jenen Dritten nicht zumuthen, daß sie Nachforschungen anstellen, wo die Ehegatten früher gewohnt haben und ob sich in dem eherechtlichen Register des früheren Wohnsitzes eine Eintragung befindet (vergl. auch preuß. A. L. R. II, 1 § 426). Rücksichten der Billigkeit gegen die Ehegatten er­ heischen cs aber, denselben eine kurze Frist für die Stellung des Antrages auf Eintragung in das eherechtliche Register des Amtsgerichtes ihres neuen Wohn­ sitzes in der Art zu gestatten, daß, wenn der Antrag binnen jener Frist erfolgt, die frühere Eintragung ihre Wirkung behält, auch wenn die neue Eintragung nicht erfolgt sein sollte. Für die Dritten liegt andererseits keine unbillige Zumuthung darin, daß sie sich, wenn sie mit Ehegatten, welche ihren Wohnsitz eben erst verändert haben, auf Rechtsgeschäfte einlassen und sicher gehen wollen, nach den Vcrhältniffen derselben in dem früheren Wohnsitze erkundigen (vergl. auch oldenb. Ges. v. 24. April 1873 Art. 31 §§ 2, 3; preuß. Ges. v. 20. März 1837 § 4 Abs. 2, betreffend die Errichtung und Bekanntmachung der Verträge über die Einführung oder Ausschließung der ehelichen Güter­ gemeinschaft). Daß die Gefahr der unterbleibenden Eintragung in das ehe­ rechtliche Register des Amtsgerichtes des neuen Wohnsitzes nicht die Ehegatten treffen soll, wenn dieselben die Eintragung rechtzeitig beantragt hatten, recht­ fertigt sich durch die Erwägung, daß die Ehegatten selbst das Ihrige zum Schutze des guten Glaubens Dritter gethan haben, die auf diesen Schutz abzielendcn Bestimmungen aber ohnehin als eine Ausnahme von den all­ gemeinen Grundsätzen sich darstellen. Das oldenb. Ges. v. 24. April 1873 Art. 31 §§ 2, 3 enthält noch die besondere Bestimmung, daß, wenn von dem Ehemanne der Wohnsitz in den

Eherechtlichcs Register. Eintragung. Antrag. Inhalt. §§ 1437,1438.

557

Bezirk eines anderen Amtsgerichtes verlegt ist, die Ehegatten aber getrennt leben, zu Gunsten der Ehefrau die frühere Veröffentlichung wirksam bleibt, sofern nur die Wiederholung der Eintragung binnen 6 Wochen nach der Wiedervereinigung der Ehegatten erfolgt. Eine derartige Spezialbestimmung zum Schutze der Ehefrau ist jedoch durch ein Bedürfniß nicht geboten.

§§ 1437, 1438. Da die Veröffentlichung den Ehegatten nur die Möglichkeit gewähren Antrag auf soll, sich in den betreffenden Fällen gegen die an den guten Glauben Dritter e,ntra9un8-

für die Ehegatten geknüpften Nachtheile zu sichern, so muß es ihnen über­ lassen bleiben, inwieweit sie von dem ihnen gebotenen Sicherungsmittel Gebrauch machen wollen oder nicht. Dem entspricht es, daß § 1437 Abs. 1

die Wirksamkeit der Veröffentlichung und die damit zum Nachtheile Dritter verbundene Fiktion von dem Willen des antragsberechtigten Ehegatten ab­ hängig macht, eine ohne den Antrag des Ehemannes bezw. der beiden Ehe­ gatten erfolgte Eintragung also nichtig ist. Um so mehr empfiehlt cs sich, den Antrag als wesentlich zu behandeln, als die Wirksamkeit einer ohne den An­ trag der Ehegatten erfolgten Veröffentlichung denselben keineswegs in allenFällen zum Vortheile, sondern dann zum Nachtheile gereichen würde, wenn die Aufhebung einer früher auf ihren Antrag veröffentlichten Thatsache ver­ öffentlicht ist. Auf das Bedenken, daß, wenn der Antrag als wesentlich be­ handelt wird, demjenigen, welcher sich auf die Veröffentlichung berufe, der Beweis aufgebürdet werde, daß der erforderliche Antrag erfolgt sei, tarnt ent­ scheidendes Gewicht nicht gelegt werden, da die Legalität des amtlichen Aktes bis zum Beweise des Gegentheiles vorausgesetzt werden muß. Daß in den Fällen des § 1278 Abs. 4 und des § 1307 Abs. 3 der Legitimation. Antrag des Ehemannes genügen soll, rechtfertigt sich dadurch, daß in den betreffenden Fällen der Ehemann auch die Handlung, um deren Veröffent­ lichung es sich handelt, allein,' ohne Einwilligung der Ehefrati, wirksam vor­ nehmen kann. Anders liegt dagegen die Sache in Ansehung der übrigen hier

in Frage stehenden Fälle, da in diesen dasjenige, was veröffentlicht werden soll, nicht von dem einseitigen Willen des einen oder anderen Ehegatten, son­ dern von anderen, gesetzlich näher bestimmten Voraussetzungen, insbesondere dem Vorhandensein eines Ehevertrages oder eines Urtheiles (vergl. z. B. § 1327 Abs. 1 Nr. 2—4, § 1330, Verb, mit § 1284), abhängt. In diesen Fällen

muß daher, um jeden Zweifel darüber, daß jene Voraussetzungen vorliegen und deshalb die Vcröffentlichuitg der wirklichen Rechtslage entspricht, in sicherer und einfacher Weise abzuschneidcn, der Antrag beider Ehegatten erfordert werden. An sich würde der Zweck auch dadurch erreicht werden können, daß in diesen Fällen der Antrag des einen Ehegatten uitb daneben die Einwilligung des anderen verlangt würde; allein eine solche Art des Verfahrens entspricht

nicht dem praktischen Leben und ist der Praxis unbekannt. Als wesentlich schreibt der § 1437 Abs. 1 Satz 2 außerdem vor, daß der Form der Antrag der gerichtlichen oder notariellen Form bedarf. Ist der Antrag zur an!r”9eS'

558

EherechtlicheS Register.

Bekanntmachung.

§ 1439.

Wirksamkeit der Eintragung erforderlich, so bildet derselbe gewissermaßen einen Bestandtheil der Eintragung und muß deshalb, wie die Eintragung selbst, an eine öffentliche Form gebunden werden, um dadurch im Interesse der Be­ theiligten die wesentlichen Voraussetzungen einer wirksamen Veröffentlichung außer Zweifel zu stellen. B-rpsiichtung

d-"z

Antrages,

Um in denjenigen Fällen, in welchen nach § 1437 Abs. 1 zu der Eintragung der Antrag beider Ehegatten erforderlich ist, jedem der Ehegatten zu

ermöglichen, die Veröffentlichung zur Sicherung seiner Interessen herbeizuführcn, bestimmt der § 1438, daß in jenen Fällen jeder Ehegatte gegenüber dem anderen verpflichtet ist, mit diesem die Eintragung in der zu dieser nöthigen Form zu beantragen. Weigert sich der andere Ehegatte, so kann dessen Antrag Ersetzung nach Maßgabe des § 779 der C. P. O. durch Urtheil ersetzt werden. Nach durch Urtheil. § 1437 Abs 1 Satz 3 soll jedoch in den Fällen der §§ 1330—1332, 1381,

1429, 1430, um einen zweiten Prozeß gegen den anderen Ehegatten behufs Erzwingung des zur Eintragung in das eherechtliche Register erforderlichen

Inhalt der Eintragung,

Antrages desselben zu vermeiden, durch das rechtskräftige, in der Hauptsache erlassene Urtheil der Antrag des verurtheilten Ehegatten ersetzt werden. Da die Veröffentlichung den Ehegatten nur die Möglichkeit, sich zu sichern, gewähren soll, so ist cs konsequent, den Ehegatten zu überlassen, den

Inhalt der Eintragung zu bestimmen. Der § 1437 Abs. 2 Satz 1 schreibt deshalb vor, daß für den Inhalt der Eintragung nur der Inhalt des Antrages nmßgebend ist. Von Bedeutung ist dies namentlich für die Eheverträge. Durch die Bestimmungen des § 1437 Abs. 2 soll der Auffassung entgegengetreten werden, als ob es immer der Eintragung des ganzen Ehevertragcs oder auch nur einer Vorlegung des letzteren bedürfe. Ein solches Verfahren würde auch ein unangemessenes sein, da die Ehcverträge häufig zugleich Bestimmungen enthalten, welche für den rechtsgcschäftlichen Verkehr mit Dritten ohne Interesse sind, deren Veröffentlichung oder Aufdeckung den Ehegatten aber sehr unerwünscht sein und das Interesse der letzteren empfindlich verletzen kann. Zur Erreichung des Zweckes genügt es, wenn diejenigen Bestimmungen eines Ehevertragcs veröffentlicht werden, welche für die Wirksamkeit der dadurch berührten Rechts­ handlungen von Bedeutung sind. Da die Veröffentlichung nicht von Amts­ wegen erfolgt, so ist es Sache der Ehegatten, in ihrem Anträge zu bestimmen, inwieweit der Inhalt des Ehevertrages veröffentlicht werden soll. Für den Fall, daß an Stelle des gesetzlichen Güterstandes schlechthin ein in dem bürger­ lichen Gesetzbuche geregelter Güterstand treten soll, ist es übrigens in Ansehung aller in Betracht kommenden Rechtsgeschäfte als genügend zu erachten, wenn die Eintragung dahin geht, daß allgemeine Gütergemeinschaft, Errungenschafts­ gemeinschaft ii. s. w. vereinbart sei.

§ 1439. Oesf-ntiich-

machung^d-r Eintragung.

Die Gründe, aus welchen der Entwurf die öffentliche Bekanntmachung der in das eherechtliche Register erfolgten Eintragung nicht als ein wesentliches Erforderniß der Veröffentlichung behandelt, sind bereits in den Motiven zu § 1435 oben S. 554 dargelegt, und ist dort bereits darauf hingewiesen, daß

Nachtheile der Wiederverheirathung.

(§§ 1272—1439.)

559

diese Art der Behandlung zugleich den Vortheil gewährt, den Inhalt der öffentlichen Bekanntmachung in der im § 1439 Satz 2 bestimmten Weise beschränken zu können und dadurch die Kosten der öffentlichen Bekanntmachung im Interesse der Ehegatten zu vermindern.

Anhang. Nachtheile der Wiederverheirathung.

1. Die im Einzelnen, namentlich auch in ihrer Anwendbarkeit auf tw dcutschrechtliche Verhältnisse, vielfach bestrittenen Bestimmungen des röm. »erhöirathu»z Rechtes über die mit der Wiederverheirathung verbundenen Vermögensrecht- überhaupt, lichen Nachtheile sind, soweit nicht partikularrechtlich etwas Anderes bestimmt ist, in den Gebieten des gemeinen Rechtes noch in Geltung (vergl. Entsch. d. R. G. in Civils. IV, 7), insbesondere in den gemeinrechtlichen Gebieten von Hannover (Seuffert IX, 300, XXI, 60, XXXII, 148), ferner mit einzelnen für gewisse Landestheile geltenden Modifikationen in Kurhessen, in Mecklenburg (Seuffert XI, 249), in den gemeinrechtlichen Theilen des Großherzogthumcs Hessen (Seuffert XVII, 254), sowie in denjenigen Theilen von Westfalen, in welchen die drei ersten Titel des zweiten Theiles des preuß. A. L. R. suspendirt sind (Fenner und Mecke III, 120), und in den gemeinrechtlichen Gebieten von Bayern. Aber auch in denjenigen gemeinrechtlichen Gebieten, in welchen die hier fraglichen Bestimmungen noch gelten, hat sich da, wo deutschrechtliche eheliche Güterverhältnisie bestehen, der Kreis der Anwendbarkeit jener Bestimmungen vielfach verengt. So wird angenommen, daß der Antheil an dem gütergemeinschaftlichen Vermögen der früheren Ehe, welcher dem eine neue Ehe schließenden Ehegatten zugefallen ist, nicht zu den lucra nuptialia gehört, an denen nach röm. Rechte der Ehegatte, welcher sich wieder verheirathet, zu Gunsten seiner Kinder aus früherer Ehe das Eigenthum verliert und nur den Nießbrauch behält (Seuffert VII, 204). Auch auf diejenigen Rechte, welche in meierrechtlichen Verhältniffen dem überlebenden Ehegatten kraft Meierrechtes zustehen, werden die nach röm. Rechte mit der Wieder­ verheirathung verbundenen vermögensrechtlichen Nachtheile nicht für an­ wendbar gehalten (Seuffert IV, 243, IX, 43, XX, 46; Fenner und Mecke III, 120). Bestritten ist, ob die statutarische Erbportion des überlebenden Ehegatten als Ehegewinn im Sinne des röm. Rechtes anzusehen sei (Seuffert

VII, 61, XVI, 120). Auf dem Boden des gemeinen Rechtes stehen im Wesentlichen das bayr. L. R. I, 6 8 47 Nr. 1, 2 und verschiedene andere bayr. Statuten. In einer Reihe gemeinrechtlicher Gebiete sind dagegen jene Nachtheile ge­ wohnheitsrechtlich oder durch die Partikulargesetzgebung gänzlich ausgeschlosien, so in den Gebieten des gemeinen sächs. Rechtes (Seuffert XLII, 40) und den damit zusammenhängenden Landesrechten (vergl. schwarzb.sondersh. Sukzessionsordn. v. 8. Dezember 1829 §§ 112, 113; Weimar. Ges. v. 6. April 1833 § 59; Ges. für Reuß ä. L. v. 22. Januar 1841 § 59; altenb. Ges. v. 6. April 1841 § 65; Ges. für Reuß j. L. v. 10. Dezember 1853 8 63; goth.

«eiterns

560

Standpunkt des Entwurfes.

Nachtheile der Wiederverheirathung. (§§ 1272—1439.)

Ges. v. 2. Januar 1844 § 52), in Oldenburg (oldenb. Gesetze v. 24. April 1873 Art. 47 und 10. Januar 1879 Art. 45) und in Bremen. In anderen gemeinrechtlichen Gebieten ist die Anwendbarkeit der röm. Bestimmungen wesentlich eingeschränkt, so in Nassau, in Braunschweig (Verordn, v. 30. De­ zember 1754) und in Württemberg. Insbesondere sind in diesen Gebieten die Vorschriften des röm. Rechtes über den Verlust der lucra nuptialia an die Kinder erster Ehe, sowie die Beschränkung des Erbrechtes des Ehegatten an dem Nachlasse eines dieser Kinder auf den Nießbrauch beseitigt. Von den neueren Gesetzgebungen sind dem preuß. A. L. R., dem österr. G. B. und dem sächs. G. B. vermögensrechtliche Nachtheile der hier fraglichen Art als Folgen der Wiederverheirathung gänzlich unbekannt, und das franz. Recht (code civil Art. 1098), wie das bad. L. R. Satz 1098 haben sich in der fraglichen Beziehung im Anschlüsse an 1. 0 pr. Cod. de sec. nupt. 5, s auf die Bestimmung beschränkt, daß der Ehegatte, welcher eine neue Ehe schließt, dem neuen Ehegatten nicht mehr als dem am geringsten bedachten Kinde erster Ehe und keinesfalls mehr als ein Viertel seines Vermögens zuwenden darf. Der Entwurf hat — abgesehen hier von den besonderen Bestimmungen des § 1403 Nr. 2, der §§ 1404, 1548, 1734 verb. mit § 1242, sowie der §§ 1558, 1560 — nach dem Vorgänge der meisten neueren Gesetzgebungen mit der Wieder­ verheirathung eines Ehegatten vermögensrechtliche Nachtheile nicht verbunden. Die betreffenden Vorschriften des röm. Rechtes sind vorwiegend aus dem Streben hervorgegangen, den Kindern der früheren Ehe das von dem einen Ehegatten auf den anderen sich wieder verheirathenden Ehegatten übergegangene Vermögen zu erhalten und zu verhindern, daß dasselbe durch die Kinder der neuen Ehe geschmälert, bezw. daß der neue Ehegatte auf Kosten der Kinder erster Ehe durch freigebige Zuwendungen von Seiten des anderen Ehegatten begünstigt werde; doch mag auch die Anschauung mit bestimmend gewesen sein, daß die zweite Ehe, wenn auch erlaubt, doch zu mißbilligen sei (vergl. Nov. 2 c. 3), eine Anschauung, die, gestützt auf einen Ausspruch des Apostel Paulus, schon früh in der christlichen Kirche vertreten wurde und in der katholischen Kirche heute noch festgehalten wird, wie dies darin sich zeigt, daß bei der zweiten Ehe regelmäßig die Einsegnung verweigert wird, und daß diejenigen, welche zum zweiten Male heirathen, von der Ordination ausgeschlossen sind. Die hervorgehobenen Gesichtspunkte sind jedoch nicht geeignet, jene römisch­ rechtlichen Nachtheile der Wiederverheirathung zu rechtfertigen. Schon der Umstand, daß die letzteren in dem größten Theile von Deutschland nicht mehr in Geltung sind, beweist, daß sic dem deutschen Rcchtsbewußtsein nicht ent­ sprechen. Sie enthalten namentlich in solchen Fällen, in welchen die Wieder­ verheirathung im Interesse der Kinder der früheren Ehe und aus wirthschaftlichen Gründen wünschenswerth und vielleicht geradezu ein Bedürfniß ist, eine unbillige Härte gegen den sich wieder verheirathenden Ehegatten und können leicht dahin führen, eine Mißstimmung des letzteren gegen die Kinder der früheren Ehe hervorzurufen, und so den letzteren, statt zu nützen, vielmehr zu schaden. Dazu kommt, daß die Geltendmachung jener Nachtheile eine Quelle von Streitigkeiten und kostspieligen, weitläufigen Prozessen werden kann, welche das Verhältniß zwischen dem sich wieder verheirathenden Ehegatten und den Kindern

Nachtheile der Wiederverheirathung. (§§ 1272—1439.) der früheren Ehe dauernd zu vergiften geeignet sind.

561

Auch die sittlichen Ge­

fahren sind nicht außer Acht zu lassen, welche daraus entstehen können, daß ein Ehegatte durch die mit der Wiederverheirathung für ihn verbundenen Nach­ theile von der Schließung einer neuen Ehe zurückgchalten wird. Andererseits reichen zum Schutze gegen die Gefahr, daß die Kinder früherer Ehe durch freigebige Zuwendungen von Seiten ihres Elterntheiles an den neuen Ehe­ gatten benachtheiligt werden könnten, die allgemeinen Grundsätze des Pflicht­ theilsrechtes aus. Ein dringendes Bedürfniß, in dieser Beziehung das Pflicht­ theilsrecht der Kinder zu erweitern, liegt nicht vor. 2. Nach röm. Rechte treffen die Ehefrau, welche vor Ablauf der Trauer- Nachtheile der zeit eine neue Ehe eingeht, noch verschiedene besondere Nachtheile. Ob und „c “XXna

inwieweit diese Bestimmungen, namentlich der mit einer solchen vorzeitigen »°r Maus Wiederverheirathung verbundene Verlust des Ehegewinnes, noch gemeinrechtliche bcl ^t“cu Geltung haben, ist bestritten (vergl. Entsch. des Trib. zu Celle V, 47, 50).

In

manchen Gebieten, z. B. in Württemberg, sind jene Nachtheile durch Gewohnheits­ recht längst beseitigt, in anderen, z. B. in Oldenburg (vergl. die oldenb. Gesetze

v. 24. April 1873 Art. 47 und vom 10. Januar 1879 Art. 45), durch die Gesetz­ gebung ausdrücklich aufgehoben. Auch die meisten neueren Gesetzgebungen, insbesondere das preuß. A. L. R., der code civil und das sächs. G. B., haben Bestimmungen der hier fraglichen Art nicht aufgenonnnen. Der Entwurf hat sich jenen Gesetzgebungen angeschlossen. Soweit die in Rede stehenden Nachtheile den Karakter einer Strafe an sich tragen, entsprechen sie nicht der Natur des bürgerlichen Rechtes. Zur Sicherung der Befolgung der im § 1241 getroffenen Bestimmung bedarf cs neben der dem Einführungs­ gesetze vorbehaltencn Strafbestimmung, daß die Ehefrau, welche gegen das Verbot des § 1241 eine Ehe schließt, sowie derjenige, welcher mit ihr die Ehe schließt, wenn er bei der Eheschließung von dem Hinderniffe Kenntniß hatte, mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark oder Gcfängnißstrafe bis zu einem Jahre bestraft wird (vergl. die Anm. 1 unter I zu Abschn. I Tit. 1 §§ 1250 ff.), nicht der Androhung privatrcchtlichcr vermögensrechtlicher Nachtheile. Ins­ besondere läßt sich auch eine Bestimmung, daß die Ehefrau, welche vor Ablauf der im § 1241 bestimmten Zeit eine neue Ehe schließt, dasjenige verlieren soll, was sic aus dem Vermögen des früheren Ehemannes als Ehegewinn erhalten hat (vergl. östcrr. G. B. § 121; ital. G. B. Art. 57, 128), nicht von dem Ge­ sichtspunkte aus rechtfertigen, daß die Ehefrau durch eine vorzeitige Wiederverhcirathung nach dem Tode ihres Ehemannes die Pietät gegen den letzteren verletzt und dadurch das Band zerreißt, welches die Voraussetzung jenes Erwerbes

bildete, da cincstheils die im § 1241 bestimmte Wartezeit einen ganz anderen Zweck verfolgt, als den, einer Verletzung der Pietät cntgegenzutreten, andcrentheils eine bald nach dem Tode erfolgende Wiederverheirathung auch keines­ wegs unter allen Umständen als eine Verletzung der Pietät angesehen werden kann, welche den Verlust des Ehcgewinncs zu rechtfertigen vermöchte. Die Frage, wann ohne Verletzung des Anstandes und der Pietät eine Wicderverhcirathung erfolgen kann, ist überhaupt lediglich dem Sittengcbicte zu überlassen. Motive z. bürgert Gesetzbuch. IV.

36

562

Scheidung. Trennung v. Tisch u. Bett. Einleitung. (§§ 1440—1463.)

Fünfter Titel.

Auflösung

bex

Kbe.

I. Scheidung und Trennung von Tisch und Bett. Einleitung. Scheidung.

I. Der christlichen Gesammtanschauung des deutschen Volkes entsprechend geht der Entwurf davon aus, daß im Eherechte, auch soviel die Auflösung der Ehe vor dem Tode eines der Ehegatten betrifft, nicht das Prinzip der individuellen Freiheit herrschen darf, sondern die Ehe als eine von dem Willen der Ehe­ gatten unabhängige sittliche und rechtliche Ordnung anzusehen ist. Daraus läßt sich indesien, selbst vom sittlichen Standpunkte aus, die absolute Unzulässig­ keit der Ehescheidung nicht ablciten. Jedenfalls ist anzuerkennen, daß cs Fälle giebt, in welchen der Staat mit Rücksicht auf die Bedürfnisse des Lebens, auf die realen Verhältnisse und den Karakter der Ehe als eines Rcchtsvcrhältnisies kein Jntercsic und keine Veranlassung hat, die Pflicht der Ehegatten, sich nicht zu scheiden, als eine Rcchtspflicht anzuerkenucn, in welchen er vielmehr die Auflösung der Ehe gestatten muß, weil die sittlichen Grundlagen der letzteren zerstört, die Voraussetzungen dieser innigsten Lebensgemeinschaft gänzlich ge­ schwunden sind und deshalb die Ehe als segenbringend und veredelnd nicht mehr gedacht, auch vom Standpunkte der Gerechtigkeit aus dem die Auflösung der Ehe verlangenden Ehegatten die Fortsetzung der Ehe nicht ferner zugcmuthet

werden kann. Hat doch selbst die katholische Kirche die äußerste Konsequenz der­ jenigen Auffassung, nach welcher die durch die Ehe begründete Pflicht, sich nicht zu trennen, nicht blos eine Pflicht des einen Ehegatten gegenüber dem anderen, sondern eine von dem Willen der Ehegatten unabhängige, objektiv dnrch die Institution der Ehe selbst gegebene ist, nicht gezogen, indem sie im Falle des Ehebruches oder eines diesem gleichstehenden Fleischesverbrechens dem

Beständiqc unschuldigen Theile ein unbedingtes Recht der Trennung von Tisch und Bett auf Lebenszeit gewährt; denn mit einer solchen Trennung wird die eheliche Lebensgemeinschaft materiell vollständig aufgehoben, und die Annahme, daß die Ehe dem Bande nach fortbestehe, wahrt die Unauflöslichkeit der Ehe nur der Form nach. Von der Auflösung der Ehe dem Bande nach unterscheidet sich diese Trennung von Tisch und Bett praktisch nur dadurch, daß, solange die getrennten Ehegatten leben, keiner derselben eine andere Ehe schließen kann, mithin eine Wiedervereinigung derselben bis zum Tode des einen oder anderen noch möglich ist. Die Vortheile dieser Möglichkeit werden jedoch, wenn man die realen Verhältniße des Lebens ins Auge faßt, weit überwogen durch die Nachtheile und die Gefahren, welche das Verbot der Wiederverheirathung für den Hausstand, die Nahrungsverhältnisie, die Erziehung der Kinder und für die Sittlichkeit mit sich bringt. Insbesondere ist cs für den unschuldigen Theil eine große Härte, wenn er durch die Schuld des anderen Theiles, welcher seinerseits die ehelichen Pflichten mit Füßen getreten und jenem die Fortsetzung

Scheidung. Trennung v. Tisch u. Bett. Einleitung. (§§ 1440—1463.) der Ehe unerträglich gemacht hat, den bezeichneten Nachtheilen ausgesetzt für die Lebenszeit des anderen Theiles an der Schließung einer neuen verhindert sein soll. Vom Standpunkte eines bürgerlichen Gesetzbuches verdient daher das Institut der beständigen Trennung von Tisch und

563 und Ehe ans Bett

keine Billigung. Um so weniger kann es in Frage kommen, die Ehescheidung durch jenes Institut zu ersetzen oder auch nur nach dem Vorgänge des code civil Art. 306, 310 (in Frankreich durch das Ehescheidungsges. v. 27. Juli 1884 nicht unerheblich modifizirt) rind des bad. L. R. dem Kläger die Wahl zu lasten, statt der Scheidung die beständige Trennung von Tisch und Bett zu verlangen, als der Standpunkt des Entwurfes, daß auf beständige Trennung von Tisch

und Bett nicht ersannt werden kann (§ 1440 Abs. 3), mit dem bestehenden Reichsrechte (Gesetz über die Beurkrindung des Personenstandes und die Ehe­ schließung v. 6. Februar 1875 § 77) im Einklänge steht. II. Da die Ehe ihrem Begriffe und Wesen nach unauflöslich, die Die auScheidung daher stets etwas Anomales ist, so verdient schon von diescin Gesichtspunkte ans die Scheidung, wenngleich dieselbe aus den hervorgehobencn Gründen m R-z-lung nicht zu entbehren, doch keine Begünstigung. Für eine strengere Gestaltuirg des Schcidungsrechtcs sprechen aber auch vom staatlichen Standpunkte aus die gewichtigsten Gründe. Der Staat hat ein dringendes Interesse daran, darauf hinzuwirken, daß die Ehe als die Grundlage der Gesittung und der Bildung so sei, wie sie sein soll, und deshalb das Bewußtsein des sittlichen Ernstes der Ehe und die Auffassung derselben als einer von dem Willen der Ehegatten unabhängigen sittlichen Ordnung im Volke zu fördern. Dies geschieht durch Erschwerung der Ehescheidung. Es wird dadurch einerseits der Eingehung leichtsinniger Ehen entgegengetreten, andererseits darauf hingewirkt, daß die Führung in der Ehe selbst eine dem Wesen der Ehe entsprechende ist, da, wenn die Ehegatten wissen, daß die Ehe nicht leicht wieder gelöst werden kann, die Leidenschaften, welche den Wunsch nach Scheidung erregen, eher unterdrückt, eheliche Zerwürfnisie leichter wieder beseitigt werden und an Stelle der Willkür die Selbstbeherrschung und das Bestreben der Ehegatten treten, sich ein­ ander zu fügen. Dazu kommt, daß auf der Festigkeit der Ehe im Gegensatze zum Konkubinate die höhere sittliche Stellung des weiblichen Geschlechtes beruht, eine zu große Erleichterung der Scheidung auch den öffentlichen Wohl­ stand und die Erziehung der Kinder gefährdet. Auf der anderen Seite darf indcsten die staatliche Gesetzgebung mich die Bedürfniste des Lebens und die realen Verhältnisse, sowie den Karakter der Ehe als eines Rechtsverhältnisses nicht außer Acht lassen. Der Karakter der Ehe als eines Rechtsverhältnisses legt dem Staate die Pflicht auf, den einen Ehegatten gegen den änderen zu schützen, wenn dieser die ihm obliegenden ehelichen Pflichten durch sein schuld­ volles Verhalten verletzt. Ein solcher Schutz kann aber in wirksamer Weise nur durch das Recht der Scheidung gewährt werden, da nach der "Natur der Ehe als eines vorwiegend sittlichen Verhältnisses die Erfüllung der ehelichen Pflichten und die Wiederherstellung des gestörten Rechtszustandcs durch äußeren Zwang theils überhaupt nicht, theils nur unvollkommen in einer blos äußer­ lichen Weise erreicht werden könnte. Andererseits folgt aus der Natur der Ehe als eines Rechtsverhältnisses, daß keinem Ehegatten die einseitige will36*

564

Scheidung. Trennung v. Tisch u. Bett. Einleitung. (§§ 1440—1463.)

kürliche Auflösung der Ehe gestattet werden darf und daß gatten das Recht der Scheidung zu versagen ist, welcher zur Behauptung, daß die Ehe eine zerrüttete sei, auf sein eigenes halten sich berufen wollte. Uebersicht Die bestehenden Rechte haben, je nachdem sie auf über das gel­ tende Recht. anderen der in Betracht kommenden Gesichtspunkte das

demjenigen Ehe­ Begründung der schuldvolles Ver­ den ciitctt ober größere Gewicht

legen, zu der Frage, aus welchen Gründen die Scheidung zuzulasicn sei, eine sehr verschiedene Stellung eingenommen. Während das kanonische Recht, in­

dem cs vorwiegend die durch die Ehe bewirkte Verbindung der Ehegatten zur natürlichen Einheit und die Ausschließlichkeit der ehelichen Gemeinschaft ins Auge faßt, nur wegen Ehebruches und der dem letzteren gleichstehenden Fleischesverbrcchen die an Stelle der Ehescheidung tretende beständige Trennung von Tisch und Bett gestattet, hat das gemeine protestantische Eherccht zugleich auf die ethische und rechtliche Seite der Ehe ein entscheidendes Gewicht gelegt und von jeher neben dem Ehebrüche auch die bösliche Verlasiung als Scheidungsgrund anerkannt. Auf Grund der Analogie dieser beiden Scheidungsgründe hat dann die gemeinrechtliche Praxis bald in weiterem, bald in geringerem Umfange auch noch in anderen Fällen schwerer sittlicher Verschuldung oder eigenmächtiger Verletzung ehelicher Pflichten die Scheidung zugelasscn. Insbesondere sind nahezu überall auch die Quasidesertion, die Verweigerung der ehelichen Pflicht, Jnsidien und Sävitien als Scheidungs­ gründe anerkannt (vergl. Scuffert X, 174, XII, 37, XVIII, 126, XIX, 154, XXIII, 178, XXIV, 121, XXXIII, 136, XXXIV, 148, XXXV, 35; Fenner und Mecke, civilrechtl. Entsch. VIII, 39; Entsch. d. R. G. bei Fenner und Mecke II, 147, III, 222; mürttemb. Ges. v. 8. August 1875 Art. 6—8). In vielen gemeinrechtlichen Gebieten ist außerdem theils durch die Praxis, theils im Wege der Gesetzgebung die Scheidung wegen Verurtheilung eines Ehegatten zu Freiheitsstrafe voir verschieden bestimmter Darier oder doch wegen Verurtheilung zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe für zulässig erklärt (vergl. Seuffert II, 297, VII, 190, VIII, 58, XI, 49, XIII, 37, XXIV, 40, XLII, 122; Fenner und Mecke, civilrechtl. Entsch. I, 58; württemb. Verordn, v. 14. Dezember 1812). Namentlich hat das Reichsgericht wiederholt ausgesprochen, daß nach dem gemeinen protestantischen Eherechtc auch die Verurtheilung zu zeitiger Freiheitsstrafe das Recht auf Scheidung begründeir könne, wenn durch das Verschulden des vcrurtheilten Ehegatten die Möglichkeit einer gedeihlichen Fortsetzung der ihrem Wesen nach die innigste Lebensgemeinschaft .bedingenden Ehe einseitig zerstört worden sei (vergl. Entsch. d. R. G. in Civilst I, 120, V, 115, VIII, 40, IX, 47, 48; Seuffert XXXVII, 35). Ferner hat das Reichsgericht das Vergehen der falschen Anschuldigung als Ehescheidungs­ grund anerkannt, wenn das letztere von dem einen Ehegatten gegen den anderen unter solchen Umständen begangen ist, daß dadurch für den ver­ letzten Ehegatten die sittlichen Grundlagen der Ehe als unwiederbringlich

zerstört erscheinen und ihm eine fernere Fortsetzung der ehelichen Lebens­ gemeinschaft unmöglich zugemuthet werden kann (Entsch. d. R. G. in Civils. IV, 104 S. 380). Hier und da hat die Praxis den Kreis der Scheidungs-

Scheidung. Trennung v. Tisch u. Bett. Einleitung. (§§ 1440—1463.)

565

gründe noch weiter gezogen und die Scheidung auch wegen gegenseitiger un­ überwindlicher Abneigung, wenigstens dann, wenn eine vorgängige zeitweilige Trennung von Tisch und Bett eine Aussöhnung nicht herbcigeführt hat (vergl. Seuffert III, 331, XIII, 260, 261, XX, 138, XXV, 32, XLIII, 26) oder auch selbst wegen Wahnsinnes und wegen körperlicher Gebrechen und Krankheiten zugclasscn, wenn diese der Art sind, daß sic im Falle ehelicher Beiwohnung das Leben und die Gesiindhcit des anderen Ehegatten gefährden (vergl. für Kurhessen Fenner und Mecke, civilrechtl. Entsch. VI, 62 S. 155 ff.). Einer solchen Ausdehnung der Scheidungsgründe über die Fälle einer Verschuldung hinaus ist jedoch das Reichsgericht in Uebereinstimmung mit der vorwiegend schon früher in der Praxis befolgten Auffasiung (vergl. Seuffert V, 295, VII, 58, XXII, 50, XXIII, 35, XXXII, 54) cntgegengetrctcn (vergl. Entsch. d. R. G. bei Fenner und Mecke III, 222; Entsch. d. R. G. in Civils. VII, 50, XV, 40). In einer größeren Anzahl gemeinrechtlicher Gebiete ist übrigens als Ergänzung des gesetzlichen Scheidungsrcchtes, bald mehr bald weniger­ beschränkt, das Institut der landesherrlichen Ehescheidung anerkannt (vergl.

unten unter Nr. IV). Von den neueren Gesetzgebungen ist das preuß. A. L. R. in der Zu-

lasiung der Scheidung am weitesten gegangen, indem dasselbe die Scheidung nicht nur in ausgedehntem Maße in Fällen der Verschuldung eines Theiles (vergl. preuß. A. L. R. II, 1 §§ 670—695, 699—714), sondern auch in Fällen eines dem anderen Theile widerfahrenden Unglückes, namentlich wegen gewisser unheilbarer körperlicher Gebrechen und wegen Raserei inib Wahnsinnes — nicht auch wegen Blödsinnes; vergl. Entsch. d. R. G. in Civils. XVI, 55 — (preuß. A. L. R. II, 1 §§ 696—698), ferner unter gewissen Voraussetzungen wegen Veränderung der Religion (preuß. A. L. R. II, 1 § 715), und in zwei Fällcir aus Willkür gestattet, nämlich auf Grund gegenseitiger Einwilligung bei kinderlosen Ehen, wenn weder Leichtsinn noch Ucbcrcilung, noch heimlicher Zwang von der einen oder anderen Seite zu besorgen ist, sowie auf Grund einseitiger Abneigung, wenn nach dem Inhalte der Akten der Widerwille so heftig und tief eingewurzelt ist, daß zu einer Aussöhnung oder zur Erreichung der Zwecke des Ehestandes gar keine Hoffnung mehr übrig bleibt (preuß. A. L. R. II, 1 §§ 716—718 b). Die nürnb. Ehescheidungsordn. vom 25. November 1803 ist eine Nach­ bildung des Ehescheidungörcchtes des preuß. A. L. N. Wenngleich im Einzelnen abweichend und in manchen Beziehungen die Scheidung an strengere Voraus­ setzungen knüpfend, beruht sic doch vollständig auf den Grundlagen und Anschauungen des preuß. A. L. N. und schließt sich auch den einzelnen Scheidungsgründcn des letzteren im Wesentlichen an. Ebenso steht das goth. Ehcges. v. 15. August 1834 §§ 75—139, soviel die einzelnen Scheidungsgründe betrifft, dem preuß. A. L. R. sehr nahe. Ins­ besondere gestattet jenes Gesetz die Scheidung auch wegen Raserei und Wahn­ sinnes und gewiffcr unheilbarer, während der Ehe entstandener körperlicher Gebrechen. Dagegen bildet gegenseitige Einwilligung, sowie unüberwindliche Abneigung des einen Ehegatten gegen den anderen keinen gesetzlichen Scheidungs­ grund; doch kann in diesen uiib anderen Fällen, insbesondere wegen Rcligions-

Scheidung. Trennung v. Tisch u. Bett. Einleitung. (§§ 1440—1463.)

566

Wechsels, die Scheidung kraft landesherrlicher Machtvollkommenheit ausgesprochen werden.

Auch dem schwarzb.sondersh. Ehescheidungsges. v. 30. August 1845 hat das preuß. A. L. R. zum Vorbilde gedient, wenngleich dasselbe nicht so­ weit geht, wie das letztere. Insbesondere findet keine Scheidung auf Grund gegenseitiger Einwilligung oder einseitiger Abneigung, wohl aber unter näher­ bestimmten Voraussetzungen wegen tief eingewurzelter gegenseitiger Abneigung statt. Unter gewissen Voraussetzungen ist ferner die Ehescheidung wcgeir unheilbarer körperlicher Gebrechen, sowie wegen Geisteszcrrüttung, in welcher Form sie sich auch zeigt, für zulässig erklärt. Im Vergleiche zu dem goth. und zu dein schwarzb.sondersh. Ges. nimink die altenb. Eheordn. v. 13. Mai 1837 gegenüber dem preuß. A. 2. R. eine selbständige Stellung ein, wenngleich auch sie in verschiedenen Punkten über das gemeine protestantische Ehescheidungsrecht hinausgeht. Namentlich gestattet auch sie die Scheidung wegen gänzlicher Verstandeszcrrüttung (§ 207), ferner wegen unverschuldeten Unvermögens eines Ehegatten zu Gunsten des letzteren, wenn für denselben aus der fortgesetzten Ausübung des ehelichen Beischlafes wesentliche Nachtheile für seine Gesundheit zu besorgen sind (§ 229),

sowie wegen Neligionswechsels (§ 230). Neben den im Gesetze besonders her­ vorgehobenen Scheidungsgründen enthält die altenb. Eheordn. § 194 noch eine clausula generalis, nach welcher eine Ehe auch aus anderen, die Zwecke der Ehe wesentlich hindernden, den besonders hervorgehobenen Scheidungsgründen gleich zu achtenden Umständen durch richterlichen Ausspruch geschieden werden kann. Außerdem ist im § 228 die Ehescheidung kraft landesherrlicher Macht­ vollkommenheit auf gemeinschaftlichen Antrag beider Ehegatten für dringende Fälle anerkannt. Auf einem entschieden strengeren Standpunkte, als die bisher gedachten neueren Gesetzgebungen, steht das sächs. G. B., welches sich im Wesentlichen der Praris des gemeinen protestantischen Ehercchtes angcschlossen hat (vcrgl. §§ 1711—1745, 1769, 1770 Verb, mit § 9 des sächs. Ges. v. 5. November 1875). Insbesondere ist demselben eine Auflösung der Ehe auf Grund gegenseitiger Einwilligung oder wegen einseitiger oder gegenseitiger Abneigung unbekannt. Doch läßt auch das sächs. G. B. von dem Prinzipe der Verschuldung einzelne Ausnahmen zu. Namentlich gestattet es die Scheidung wegen unheilbarer Geisteskrankheit (§ 1743), sowie wegen Neligionswechsels (§ 1742). Eine weitere Ausnahme von jenem Prinzipe besteht darin, daß die Ehefrau die Scheidung verlangen kann, wenn wegen eines unheilbaren Gebrechens, an welchem sie leidet, aus der Ausübung des Beischlafes für sie eine Lebensgefahr entsteht (§ 1742).

Auf der Grundlage des gemeinen protestantischen Rechtes beruht ferner das Ehescheidungsrecht des frankf. Ges. v. 9. November 1850 § 15; doch wird neben den auf Verschulden eines Theiles beruhenden Scheidungsgründen auch

unversöhnlicher Haß als Scheidungsgrund anerkannt. civil

Im Vergleiche mit den bisher angeführten Gesetzgebungen hat der code lvergl. Ges. für Elsaß-Lothringen v. 27. November 1873) den Kreis

Scheidung. Trennung v. Tisch u. Beit. Einleitung. (§§ 1440—1463.)

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derjenigen Scheidungsgründc, aus welchen auf einseitigen Antrag eines Ehe­ gatten die Scheidung zugclasscn wird, erheblich enger gezogen. Dieselben

beruhen sämmtlich auf dem Grundsätze, das; deinjenigcn Ehegatten, gegen welchen die Scheidung erwirkt werden soll, eine Verschuldung zur Last fallen muß (Art. 22!)—231). Wege» eines dem anderen Theile widerfahrenen Unglückes kann in keinem Falle die Auflösung der Ehe verlangt werden, namentlich auch nicht wegen Geisteskrankheit. Dagegen gestattet der code civil neben der Scheidung aus bestimmten Ursachen die Scheidung auf Grund gegenseitiger

Einwilligung der Ehegatten (Art. 233, 275—294, 297, 305). Die Bedingungen für die Zulässigkeit eines solchen Antrages beider Ehegatten, das Verfahren und die Wirkungen dieser Scheidung sind aber von der Art und mit solchen

Belästigungen und Nachtheilen für die Ehegatten verbunden, daß, wenn die letzteren sich diesen Vorschriften unterworfen und dieselben genau befolgt haben, daraus in der Regel der Schluß gezogen werden kann, daß in dem gegebenen Falle die Ehe in der That innerlich gebrochen und ein hinreichender Grund zur Scheidung vorhanden ist. Durch das neue franz. Eheschcidungsges. v. 27. Juli 1884, welches im Ucbrigcn die durch das Ges. v. 8. Mai 1816 auf­ gehobenen Vorschriften des code civil über die Ehescheidung mit einigen Modifikationen wieder hergcstcllt hat, sind jedoch die Vorschriften des code civil über die Ehescheidung auf Grund gegenseitiger Einwilligung nicht wieder cingeführt. Auf dein Boden des code civil stehen im Wesentlichen die bad. Gesetz­ gebung (bad. L. R. Satz 229—233, 275—294, 297, 299, 305 verb. mit Art. 14 des bad. Ges. v. 23. Dezember 1871, § 1 Nr. 2 des Ges. v. 9. Dezember 1875 und § 10 des Ges. v. 9. Februar 1879) und der Hess. Entw. Art. 81—83,116—126; doch geht die erstere insofern weiter, als sic auch dreijährige „Landflüchtigkeit und Wahnsinnigkeit" von gleicher Dauer als Scheidungsgründc anerkennt (L. N. Satz 232 a). In wesentlicher Uebereinstimmung mit der in der neueren Praxis vor- Standpunkt wiegend vertretenen Auffassung des gemeinen protestantischen Ehcrechtes, sowie 5ntXicä.

im Anschlüsse und in Fortentwickelung der den preuß. Entwürfcir über die sprin.ip bec Reform des landrechtlichen Ehcscheidungsrechtes aus den Jahren 1844, 1854, ««touibung. 1856, 1859, 1860 zu Grunde liegenden Prinzipien beruht der vorliegende Entwurf auf dem Grundsätze, daß ein Ehegatte nur wegen schweren Ver­ schuldens des anderen Ehegatten die Scheidung zu verlangen berechtigt sein soll. Jede Scheidung aus Willkür, insbesondere auch die Scheidung auf Grund gegenseitiger Einwilligung der Ehegatten, ferner die Scheidung wegen zufälliger Umstände, namentlich wegen körperlicher Gebrechen und wegen Geisteskrankheit, sowie die Scheidung wegen Religionswechscls ist ausgeschlossen. Für diesen Standpunkt des Entwurfes sprechen die oben S. 563 ff. hervor­ gehobenen, dem Wesen der Ehe und der Natur desselben als eines Rechts­ verhältnisses entnommenen allgemeinen Gesichtspunkte. Im Einzelnen ist in dieser Hinsicht noch Folgendes zu bemerken: 1. Es läßt sich nicht verkennen, daß für die Zulassung der Scheidung -ch°>du»g auf auf Grund gegenseitiger Einwilligung, insbesondere in der Gestalt des code civil und des bad. L. R., erhebliche Gründe angeführt werden können. Prinzipiell willigung.

568

Scheidung. Trennung v. Tisch u. Dctt. Einleitung. (§§ 1440—1463.)

soll nach den bezeichneten Rechten dieses Institut nur als Mittel dienen, eine wirk­ lich zerrüttete, beiden Ehegatten unerträglich gewordene Ehe zu lösen. Die Ab­ sicht, den Ehegatten die willkürliche Auflösung der Ehe zu ermöglichen, liegt

den Bestimmungen jener Rechte völlig fern. Das Gesetz geht vielmehr davon aus, daß, wenn die Ehegatten die für diese Art der Scheidung besonders vor­ geschriebenen erschwerenden Bedingungen erfüllt haben, der Beweis als geführt anzusehen sei, daß ein gesetzlicher Scheidungsgrund in Wirklichkeit vorlicgc oder doch aus anderen anzuerkennenden Gründen im gegebenen Falle den Ehegatten die Fortsetzung der Ehe unerträglich geworden sei. Die praktische Bedeutung dieses Systemes beruht einerseits darin, daß die Ehegatten in solchen Fällen, in welchen ein gesetzlich anerkannter Scheidungsgrund, z. B. Ehebruch, vor­ liegt, durch das Institut der Scheidung auf Grund gegenseitiger Einwilligung in die Lage gesetzt werden, die Scheidung erwirken zu können, ohne genöthigt zu fei», den eigentlichen Scheidungsgrund zur Kenntniß des Richters zu bringen, daß also auf diese Weise das mit dem Scheidungsprozesse sonst für die Ehe­ gatten selbst und deren Familie verbundene Aergerniß schonend abgcwendct und derjenige Ehegatte, welcher einseitig die Scheidting zu verlangen berechtigt ivärc, namentlich im Falle eines von dem anderen Ehegatten begangenen, von Amtsivegcn strafbareir Verbrechens oder im Falle des Ehebruches nicht zur Auf­ deckung jenes Verbrechens bezw. zu der unter besonderen Umständen möglicher­ weise bedenklichen Bezeichnung des initschuldigcn Dritten gedrängt wird. Andererseits gewährt das hier in Rede stehende Institut den Ehegatten die Möglichkeit, auf diesem Wege die Scheidung auch in solchen Fällen erwirken zu können, in ivelchen das unter ihnen bestehende Verhältniß in Wirklichkeit völlig zerrüttet ist, diese Zerrüttung aber, weil die Ehegatten bis dahin sich zu beherrschen verstanden haben, entweder äußerlich in rechtswidrigen und den sittlichen Anforderungen der Ehe widersprechenden Handlungen überall nicht zu Tage getreten oder nicht beweisbar ist. Weiter können zu Gunsten der Schcidttng auf Grund gegenseitiger Eintvilligung die Gesichtspunkte geltend gemacht werden, daß die Versagung dieses Weges die Ehegatten, welche beider­ seits die Scheidung wünschen, dazu nöthige oder doch zu verleiten drohe, in Gegenwart von Zeugen einen künstlichen Scheidungsgrund zu schaffen und so das Gesetz zu umgehen, daß ferner, wenn man die Scheidung nur aus be­ stimmten Ursachen gestatte, namentlich bei den relativen Schcidungsgründcn des § 1444, der klagende Ehegatte nie sicher sei, ob die Scheidung auch er­ folgen werde, eine Abweisung der Scheidungsklage aber immer mit mißlichen Folgen, insbesondere für die Gestaltung des ehelichen Verhältnisses, verbunden sei. Diese Erwägungen können jedoch gegenüber den prinzipiellen Bedenken, welche gegen die Zulassung der Scheidung auf Grund gegenseitiger Ein­ willigung sprechen, und gegenüber deir Gefahren, welche daraus dem Institute der Ehe zu erwachsen drohen, als durchschlagend nicht erachtet werden. Bei der Scheidung auf Grund gegenseitiger Einwilligung, auch in der Gestaltung des franz, und des bad. Rechtes, tritt nach außen hin lediglich die Willkür der Ehegatten als Grund der Scheidung hervor. Es liegt deshalb die Gefahr nahe, daß im Volke diese Willkür als der wahre Grund der Scheidung an­ gesehen und dadurch das Ansehen und die Würde der Ehe, die Auffassung der

Scheidung. Trennung ix Tisch u. Bett. Einleitung. (§§ 1440—1463.)

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letzteren als einer auch rechtlich über dem Willen der Ehegatten stehenden, höheren objektiven Zwecken dienenden Institution im Bewußtsein des Volkes gelockert wird. Dazu kommt, daß das Institut der Scheidung auf Grund gegenseitiger Einwilligung trotz aller Kautclcn dazu mißbraucht werden kann, die Auflösung der Ehe auch in solchen Fällen herbeizuführen, in welchen die Ehe keineswegs als eine völlig zerrüttete anzuschcn ist, die Ehegatten aber aus anderen subjektiven Gründen die Ehe zu lösen wünschen. Nicht ohne Grund ist von den Gegnern jenes Institutes ferner darauf hingcwiesen, daß das letztere nicht selten dahin führen werde, daß derjenige Ehegatte, welcher, viel­ leicht im Hinblicke auf eine ihm schon in Aussicht stehende andere Ehe, die be­ stehende Ehe zu lösen wünscht, auf den anderen Ehegatten fortgesetzt einen nicht sichtbar hervortretcnden moralischen Zwang ausübt und so dessen, in Wahrheit nur scheinbare, Einwilligung zur Scheidung erlangt. Um so bedenklicher ist es, das hier in Rede stehende, in dem größten Theile Deutschlands unbekannte und durch ein praktisches Bedürfniß dort nicht gebotene Institut neu cinzuführcn, als selbst das franz. Ges. v. 27. Juli 1884 Anstand genommen hat, dasselbe in Frankreich wiedcrhcrzustellen. Von besonderem Gewichte ist auch der Umstand, daß die sämmtlichen preuß. Entwürfe über die Ehescheidung die Scheidung auf Grund gegenseitiger Einwilligung, weil mit dem Wesen der Ehe unvereinbar, auch in der Beschränkung des preuß. A. L. R. auf kinderlose Ehen, nicht ausgenommen haben und in diesem Punkte bei den verschiedenen Verhandlungen im Landtage wiederholt und gleichmäßig sowohl vom Herren­ hause als vom Abgeordnctenhause gebilligt sind. 2. Ebensowenig ist es mit dem Wesen der Ehe als einer über dem Scheidung Willen der Ehegatten stehenden sittlichen und rechtlichen Ordnung vereinbar, unüb-^'»ddie einseitige oder die gegenseitige unüberwindliche Abneigung als solche, also ^A,mg auch dann als selbständigen Scheidungsgrund anzucrkennen, wenn diese Abneigung nicht durch ein nach anderen Bestimmungen zur Scheidung bcrechtigendcs Verschulden des anderen Theiles hervorgerufen ist. Die An­ erkennung dieses Scheidungsgrundes würde, da dem Richter ein objektiver, die Willkür ausschlicßender Beweis der unüberwindlichen Abneigung gar nicht er­ bracht werden kann, wenn dieser Scheidungsgrund praktische Bedeutung ge­ winnen soll, nur dahin führen, der Scheidung aus Willkür als Deckmantel zu dienen. Der Zulassung der Scheidung auf Grund einseitiger Abneigung steht zudem der Karaktcr der Ehe als eines Rechtsverhältnisses entgegen. Auch in dieser Hinsicht stimmt der Entwurf mit den preuß. Entwürfen über die Ehe­ scheidung überein. Mit dem Standpunkte der letzteren haben das Herrenhaus und das Abgeordnetenhaus insoweit sich wiederholt einverstanden erklärt. 3. Die vom preuß. A. L. 9t. und von verschiedenen auf dem Boden des Scheidung letzteren stehenden neueren Gesetzgebungen in einseitiger Berücksichtigung der ro'9n(^per= geschlechtlichen Seite der Ehe bald in größerer bald in geringerer Ausdehnung ®ct,red>cnzugelassene Scheidung wegen unheilbaren, während der Ehe ohne Verschulden entstandenen

geschlechtlichen

Unvermögens

oder

unverschuldeter unheilbarer

körperlicher Krankheiten des anderen Ehegatten wird ebenfalls dem Wesen und der sittlichen Natur der Ehe, welche cs mit sich bringen, daß die Ehegatten, wie Freude und Glück, so auch Leid und Unglück mit einander tragen müssen.

570

Scheidung. Trennung v. Tisch u. Bett. Einleitung. (§§ 1440—1463.)

nicht gerecht. Von diesem Gesichtspunkte aus haben auch die verschiedenen prcuß. Entwürfe über die Ehescheidung unter Zustimmung der beiden Häuser des Landtages die hier fraglichen Scheidungsgründe zu beseitigen vorgeschlagen. Die Nichtanerkennung dieser Scheidungsgründe schließt indessen nicht aus, daß ein Ehegatte gccignetenfalls auf Grund des § 1444 die Scheidung zu verlangen berechtigt sein kann, wenn der andere Ehegatte Gebrechen der fraglichen Art schuldvoller Weise durch unsittliches Verhalten sich zugezogen hat. Auch die Bestimmung des sächs. G. B. § 1742, daß die Ehefrau die Scheidung verlangen kann, wenn auf Grund ärztlicher Untersuchung sich crgicbt, daß wegen eines unheilbaren Gebrechens, an welchem sie leidet, aus der Fortsetzung des Beischlafes für sie eine Lebensgefahr entstehen würde (ähnlich altcnb. Eheordn. § 229), verdient keine Billigung. Die bloße Möglich­ keit, daß der Ehemann unter Verkennung seiner ehelichen Pflichten Zumuthungen an die Ehefrau stellen könnte, welche das Leben der Ehefrau zu gefährden geeignet sind, vermag vom rechtlichen Standpunkte aus der Ehefrau kein Recht zu geben, das durch die Ehe begründete Rcchtsverhältniß wider den Willen des Ehemannes einseitig zu lösen. Rnr dann, wenn der letztere unter Verletzung seiner ehelichen Pflichten etwa den Versuch machen sollte, die mit Gebrechen behaftete Ehefrau zum Bcischlafc zu nöthigen, würde aus dem Gesichtspunkte der Verschuldung des Ehemannes das Recht der Ehefrau, die Scheidung zu verlangen, hcrgeleitet werden können. Für Fälle dieser Art Scheidung Geisteskrank-

hm.

reicht aber das Prinzip des § 1444 aus. 4. Weit zweifelhafter ist die Frage, ob und inwieweit Geisteskrankheit des einen Ehegatten den anderen Ehegatten berechtigen soll, die Scheidung zu

verlangen. Wie die oben S. 564 ff. gegebene Uebersicht des bestehenden Rechtes crgiebt, ist dieser Schcidungsgrund, wenn auch die Voraussetzungen desselben zum Theil verschieden geregelt sind, in großen Rechtsgebieten, und zwar auch von solchen Rechten anerkannt, nach .welchen körperliche Gebrechen keinen Schcidungsgrund bilden. Außerdem sind in denjenigen gemeinrechtlichen Rechtsgebieten, in welchen das landesherrliche Ehescheidungsrecht anerkannt

ist, durch den Landcsherrn wiederholt Ehen auch wegen Geisteskrankheit eines Ehegatten geschieden. Der Standpunkt der preuß. Entwürfe über Ehescheidung hat in dieser Frage gewechselt. Während die Entwürfe aus den Jahren 1854 und 1856 die Beseitigung des landrechtlichen Scheidungsgrundcs wegen Raserei und Wahnsinnes vorgeschlagen und in dieser Beziehung die Billigung des Herrenhauses bezw. des Abgeordnetenhauses gefunden hatten, wurde in die

dem Landtage in den Jahren 1859 und 1860 vorgclegten Entwürfe eine die Aufhebung dieses Scheidungsgrundes beziclcnde Bestimmung nicht wieder aufgcnommen, und erklärten im Jahre 1859 das Abgeordnetenhaus und die Kommission des Herrenhauses, im Jahre 1860 beide Häuser des Landtages sich mit der Beibehaltung des in Rede stehenden Scheidungsgrundes einverstanden. Es läßt sich nicht verkennen, daß, hingcsehcn auf die realen Verhältnisse des Lebens, auf die wirthschaftlichen Nachtheile und die sittlichen Gefahren, welche dem Ehegatten und den Kindern drohen, wenn ersterer durch Versagung des Scheidungsrechtes wegen Geisteskrankheit des anderen Ehegatten gehindert wird, eine neue Ehe cinzugehcn, vom sozialpolitischen Standpunkte aus gc-

Scheidung. Trennung v. Tisch u. Bett. Einleitung. (§§ 1440—1463.)

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wichtige Gründe für die Zulasstmg der Scheidung wegen Geisteskrankheit sprechen. Indessen sind diese Gründe nicht erheblich genug, um eine Ausnahme von dem Prinzipe, daß die Scheidung nur wegen Verschuldens eines Ehegatten zulässig sein soll, zu rechtfertigen. Auch wenn mau auf die aus dem Wesen der Ehe sich ergebenden ethischen Bedenken gegen die Zulassung der Scheidung wegen Geisteskrankheit von dein Gesichtspunkte aus, daß die Fortsetzung der Ehe, wenn die Aussicht auf Beseitigung der Geisteskrankheit ausgeschlossen sei, für den geisteskranken Ehegatten, abgesehen von der Unterhaltspflicht des anderen Ehegatten, keinen Werth mehr habe, entscheidendes Geivicht nicht legen will, so muß doch die Anerkennung des in Rede stehenden Scheidungsgrundes daran scheitern, daß die Voraussetzungen dieses Scheidungsgrnndes — wenn man dem­ selben nicht eine Ausdehnung geben will, welche mit der auf den geisteskranken Ehegatten zu nehiuenden Rücksicht und mit dein öffentlichen Interesse, das Ansehen und die Würde der Ehe nicht zu erschüttern, nicht vereinbar sein würde —, sich in einer den verschiedenen Rücksichten und Interessen gleichmäßig Rechnung tragenden Art nicht feststellen lasten. Insbesondere läßt sich eine scharfe Grenzlinie zwischen den verschiedenen Formen der Geisteskrankheit nicht ziehen, rind ist es praktisch nicht ausführbar, diejenigen Fälle, in welchen durch die Geisteskrankheit jede geistige Gemeinschaft aufgehoben wird und der geisteskranke Ehegatte daher als geistig todt zu betrachten ist, von anderen Fällen zu sondern. In dieser Hinsicht gewährt auch die Bestimmung des sächs. G. B. 8 1743, nach welcher ein Ehegatte die Scheidung wegen Geisteskrankheit des anderen Ehegatten dann verlangen kann, wenn auf Grund einer in einer Landesanstalt erfolgten dreijährigen Beobachtung des erkrankten Ehegatten von den Anstaltsärzten bezeugt wird, daß die Geisteskrankheit eine unheilbare sei, keine geeignete Grundlage. Die Voraussetzungen, von welchen jene Bestim­ mung die Scheidung abhängig macht, sind zu unbestimmt und ermöglichen die Scheidung wegen Geisteskrankheit auch in solchen Fällen, in welchen die Scheidung sich als eine nicht zu rechtfertigende Härte gegen den geisteskranken Ehegatten darstellt und als solche von demselben auch empfunden werden kann. Diese Bedenken werden auch dann nicht beseitigt, wenn man die Zulässigkeit der Scheidung wegen Geisteskrankheit etwa davon abhängig macht, daß die dauernde Unterbringung des geisteskranken Ehegatten in einer für Geisteskranke bestimmten Anstalt nothwendig wird. Der einer solchen Bestimmung zu Grunde liegende Gesichtspunkt, daß unter jener Voraussetzung die häusliche Gemeinschaft dauernd ausgeschloffen sei und der geisteskranke Ehegatte dauernd die Pflichten eines Ehegatten nicht mehr erfüllen könne, würde konsequent dahin führen müssen, die Scheidung auch wegen anderer unheilbarer Krankheiten eines Ehe­ gatten zuzulaffcn, welche denselben dauernd an der Erfüllung seiner Pflichten hindern. Dazu kommt, daß die absolute Nothwendigkeit der dauernden Unter­ bringung eines Geisteskranken in einer für Geisteskranke bestimmten Anstalt in Ermangelung positiver Vorschriften zu verneinen ist, die öffentlichrechtlichen Vorschriften über die Zulässigkeit bezw. die Nothwendigkeit der Unterbringung eines Geisteskranken in einer solchen Anstalt aber verschieden sind und daraus eine Verschiedenheit des Rechtes in Ansehung der Zulässigkeit der Scheidung wegen Geisteskrankheit in den verschiedenen Bundesstaaten sich ergeben könnte.

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Scheidung

R-ugionsveränderung.

Absolut« und Schcidungsgründ«.

Scheidung. Trennung v. Tisch u. Bctt. Einleitung. (§§ 1440—1463.)

Die Anerkennung des hier fraglichen Scheidungsgrundes ist um so weniger angezcigt, als in denjenigen Rechtsgebicten, in welchen derselbe gegenwärtig nicht zugelasscn ist, also namentlich in den Gebieten des gemeinen und des franz. Rechtes, ein praktisches Bedürfniß in dieser Beziehung, soviel bekannt, nicht hcrvorgetretcn ist. 5. Von verschiedenen Rechten wird bald in weiteren, bald in engeren Grenzen die Veränderung der Religion eines Ehegatten für den anderen Ehe­ gatten als Scheidungsgrund anerkannt (vergl. preuß. A. L. R. II, 1 § 715; schmarzb. sonderst). Ehescheidungsges. § 2 Nr. 17; nürnb. Ehescheidungsordn. Nr. 39; altenb. Eheordn. § 230; goth. Eheges. §§ 132—134; sächs. G. B. § 1744). Der dem preuß. A. L. R. zu Grunde liegende Gesichtspunkt, daß die Veränderung der Religion insoweit als Scheidungsgrund anzuerkenncn sei, als die Verschiedenheit der Religion ein trennendes Ehehindcrniß begründe, kann vom Standpunkte des Entwurfes aus nicht in Betracht kommen. Aber auch die Erivägung, daß unter Umständen der Wechsel der Religion, wie der der Konfession, auf Seiten eines der Ehegatten den ehelichen Frieden zu zerstören geeignet ist (vergl. Gesetzrev. Pens. XV Motive S. 363), kann nicht dahin führen, jene Thatsache als einen, wenn auch nur relativen, Scheidungsgrund anzuerkennen, da darin einerseits eine Beeinträchtigung der Gewissensfreiheit liegen würde, andererseits der Uebertritt zu einer anderen Religion oder Kon­ fession ebensowenig wie überhaupt ein Wechsel in den bisherigen religiösen Ansichten sich als eine Handlung darstellt, welche beit Karakter einer Ver­ schuldung an sich trägt. Der preuß. Entwurf über die Ehescheidung von 1854 hatte ebenfalls vorgeschlagen, den landrcchtlichen Scheidungsgrund der Vcrändcrung der Religion ganz zu beseitigen, da ein erhebliches praktisches Be­ dürfniß sich nicht dafür anführcn laste, derselbe auch zum Zwecke der Simulation leicht mißbraucht werden könne. Die erste Kammer beschloß jedoch die Beibehaltung jenes Scheidungsgrundcs, und haben sich dann die späteren Entwürfe auf den Boden dieses Beschlusses gestellt. ui. Die sämmtlich auf dem Prinzipe der Verschuldung beruhenden Scheidungsgründe des Entwurfes sind theils absolute, d. h. solche, welche das Recht der Scheidung unbedingt begründen (§§ 1441—1443), theils, und zwar in der Mehrzahl, relative, d. h. solche, welche nur dann zur Scheidung zu führen vermögen, wenn der Richter zugleich die Ueberzeugung gewinnt, daß dadurch im konkreten Falle eine so tiefgehende Zerrüttung des ehelichen Verhältnistes herbeigeführt ist, daß dem klagenden Ehegatten die Fortsetzung der Ehe nicht zugemuthet werden kann (§§ 1444, 1445). Die relativen Scheidungs­ gründe sind jedoch nicht einzeln bezeichnet, sondern im § 1444 auf ein gemein­ sames Prinzip zurückgeführt. Diese Art der Regelung enthält allerdings gegenüber der Mehrzahl der bestehenden Rechte eine Neuerung. Wie oben S. 564 bereits hervorgchobcn wurde, hat die gemeinrechtliche Praxis zwar auf Grund der Analogie der Scheidungsgründe wegen Ehebruches und böslicher Verlassnng die Scheidtlng auch in anderen Fällen schwerer sittlicher Ver­

schuldung bezw. eigenmächtiger Verletzung der ehelichen Pflichten zugelasscn. Diese Analogie hat jedoch nur ztir Anerkennung weiterer absoluter Scheidungsgründe, nicht aber zur Aufstellung anderer relativer Scheidungsgründe in dem obigen

Scheidung. Trennung.v. Tisch u. Bett. Einleitung. (§§ 1440—1463.)

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Sinne geführt, wenngleich bei einzelnen in ihren Voraussetzungen dem richter­ lichen Ermessen einen weiteren «Spielraum lassenden Scheidungsgründen, z. B. bei Sävitien und Vcrurtheilung eines Ehegatten zu zeitiger Freiheitsstrafe, auch der Gesichtspunkt, ob die als Schcidungsgründe anerkannten Thatsachen im gegebenen Falle die Zerrüttung der Ehe herbcizuführen geeignet waren und wirklich zur Folge gehabt haben, bei der richterlichen Entscheidung in Betracht kommt (vergl. Entsch. d. R. G. in Civils. I, 120, IV, 104 S. 380, V, 115, VIII, 40, IX, 47, 48). Ebensowenig hat gemeinrechtlich der Ncchtssatz sich ausgebildet, daß der Richter in allen Fällen die Ehe zu scheiden befugt ist, in welchen seiner Auffassung nach die Analogie des Ehebruches oder der böslichen Verlassung zutrifft; jene Analogie ist vielmehr bei der gewohnheitsrechtlichen Ausbildung einzelner bestimmter Schcidungsgründe nur das leitende Prinzip gewesen. Indessen neigt die Praxis des Reichsgerichtes sich dahin, an der Hand dieses Prinzipes die Scheidung auch in anderen Fällen zuzulasien (vergl. Entsch. d. R. G. I, 120, IV, 104 S. 380, V, 115, IX, 47). In denjenigen Rechtsgebieten, in welchen das Scheidungsrecht kraft landesherrlicher Macht­ vollkommenheit in Geltung ist, vertritt aber dieses Institut gewissermaßen die Stelle einer gesetzlich anerkannten clausula generalis. Auch die meisten neueren Kodifikationen stellen aus dem Gesichtspunkte der Verschuldung nur einzelne bestimmt bezeichnete, in der Regel einen absoluten Karakter an sich tragende Scheidungsgründe auf, so das prcuß. A. L. R., das goth. Ehcgcs., das schwarzb.sondersh. Ehescheidungsges., das frankf. Ges., das sächs. G. B., der code civil und das bad. L. R. Nur einzelne Scheidungs­ gründe nehmen nach der einen oder anderen Gesetzgebung dadurch einen relativen Karakter an, daß sie dem richterlichen Ermessen einen weiteren Spielraum und damit die Würdigung der Frage gestatten, welche Wirkung das Verhalten dcs Beklagten im konkreten Falle auf das eheliche Verhältniß gehabt hat, so z. B. gewisie Sävitien und schwere Ehrcnkränkungcn (sächs. G. B. § 1736; goth. Ehegcs. §§ 102, 103; code civil Art. 231; württemb. Ges. v. 8. August 1875 Art. 8) oder die Verurtheilung zu zeitiger Freiheitsstrafe (vergl. zu preuß. A. L. R. II, 1 § 704, Urth. d. R. G. im preuß. Just. Min. Bl. v. 1881 Nr. 6 S. 22 und bei Gruchot XXX S. 985 ff.). Abweichend von diesen Gesetz­ gebungen stellt dagegen, wie oben S. 566 bereits erwähnt wurde, die altenb. Eheordn. § 194 neben den einzelnen besonders hervorgehobenen Scheidungs­ gründen eine clausula generalis auf (vergl. auch schweiz. Bd. Ges. v. 24. De­ zember 1874 Art. 45—47). Einen noch anderen Weg haben die preuß. Entwürfe über die Ehe­ scheidung cingeschlagcn. Dieselben haben zwar einzelne landrechtlichc Scheidungs­ gründe, namentlich Ehebruch und bösliche Verlassung, als absolute Scheidungs­ gründe beibehalten, den übrigen landrechtlichcn Scheidungsgründcn aber, soweit nicht deren gänzliche Beseitigung vorgeschlagcn ist, einen relativen Karakter in der Art beigelegt, daß dieselben nur dann zur Scheidung führen, wenn der Richter aus dem ganzen Inbegriffe der Verhandlungen und Beweise die Ueber­ zeugung gewonnen hat, daß durch die Schuld dcs Beklagten die Ehe in nicht minderem Grade, wie durch Ehebruch oder — wie die Entwürfe von 1844, 1854, 1856, 1859 hinzufügte», in dem Entwürfe von 1860 aber auf Grund

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Scheidung. Trennung v. Tisch u. Bett. Einleitung. (§§ 1440—1463.)

eines bei der Berathung des Entwurfes von 1860 erfolgten Beschlusses des Ab­ geordnetenhauses wcggelasscn wurde — wie durch bösliche Verlassung zerrüttet worden sei.

Eine solche Einthcilung der Schcidungsgründc in absolute und relative beruht auf der richtigen Erwägung, daß der Gesetzgeber zwar in einzelnen Fällen an der Hand der Erfahrung beim Vorhandensein gewisser thatsächlicher

Voraussetzungen ohne Weiteres und allgemein annehmen kann, daß die Fort­ setzung der Ehe dadurch dem klagenden Theile, und zwar vom Standpunkte des bürgerlichen Rechtes aus entschuldbarer Weise, unerträglich geworden und ihm deshalb als Rcchtspslicht nicht ferner zuzumuthen ist, daß dagegen in der großen Mehrzahl der Fälle mit Rücksicht auf die Verschiedenheit der Bildung, die äußere Stellung, sowie auf den Karakter und die Persönlichkeit der Ehegatten sich nicht im Voraus bestimmen läßt, ob gewiße Handlungen des einen Ehe­ gatten, welche zwar unter Umständen die eheliche Gesinnung des anderen Theiles zu zerstören und gerechtfertigter Weise ihm die Fortsetzung der Ehe unerträglich zu machen geeignet sind, auch im konkreten Falle diese Wirkung haben werden, daß dies vielmehr nur in jedem einzelnen Falle von dem Richter unter Be­ rücksichtigung aller konkreten Umstünde richtig gewürdigt werden kann. So

werden je nach der Verschiedenheit der Uinstünde Mißhandlungen, Ehren­ kränkungen, Verurtheilung zu einer Freiheitsstrafe, unordentliche Lebensart u.f. w. ganz verschieden wirken. Dieselbe Thatsache kann in dem einen Falle die völlige Zerrüttung der Ehe zur Folge haben, während sie in einem anderen Falle den

ehelichen Frieden vielleicht gar nicht oder doch nur vorübergehend stört. Man gerüth daher durch die Ausstellung blos einzelner absoluter Scheidungsgründe Prinzip in die Gefahr, entweder zu viel oder zu wenig zu thun. Diese Gesichtspunkte Scheidung?- müssen aber konsequent dahin führen, neben einzelnen zweckmäßig bcizubehaltenden gri'mbe.absoluten Scheidungsgründen nicht in kasuistischer Weise blos eine doch nie erschöpfende Anzahl bestimmter relativer Schcidungsgründe, sondern ein all­ gemeines, den Bedürfnissen Rechnung tragendes Prinzip aufzustellen und höchstens beispielsweise den einen oder anderen relativen Scheidungsgrund besonders hervorzuheben. Wenn die preuß. Entivürfe diesen weiteren Schritt nicht gethan haben, so wird dies wesentlich darin seinen Grund haben, daß es sich damals

nicht um eine völlige Neugestaltung des Ehescheidungsrechtes, sondern nur um eine Reform des A. L. R. handelte. Es ist zwar nicht zu verkennen, daß das System des Entwurfes im Hinblicke auf den weiteren Spielraum, welcher da­ durch dem richterlichen Ermessen gewährt wird, gewisse Nachtheile und Gefahren mit sich bringen kann. Indessen fallen diese Nachtheile und Gefahren gegen­ über den mit dem Systeme des Entwurfes verbundenen großen Vortheilen nicht ins Gewicht. Eine andere Frage ist, welche Ausdehnung dem allgemeinen Prinzipe gegeben werden soll. In dieser Beziehung wird auf die Motive zu

§ 1444 Bezug genommen. Von dein Prinzipe der Relativität der Scheidungsgründe macht der 'gründende? Entwurf Ausnahmen in Ansehung des Ehebruches und der dem letztereil

Die absoluten

Entwurses.

gleichzuachtenden Fleischesverbrechen, ferner in Ansehung der Nachstellung nach dem Leben und der böslichen Verlassung (§§ 1441 —1443). Zwar läßt sich auch von diesen Fällen nicht sagen, daß sie unbedingt in jedem

Scheidung. Trennung v. Tisch u. Bett. Einleitung. (§§ 1440—1463.)

575

einzelnen Falle die Zerrüttung der Ehe zur Folge haben, vielmehr ist es auch hier möglich, daß im einzelnen Falle dem verletzten Ehegatten nicht durch jene Thatsachen die Ehe unerträglich geworden ist, sondern daß derselbe den absoluten Scheidungsgrund nur benutzt, um aus anderen vom Gesetze nicht gebilligten Beweggründen die Auflösung der Ehe zu erreichen. Allein in den bezeichneten Fällen ist die Verletzung der ehelichen Pflichten objektiv eine so schwere und unmittelbare, daß in diesen Fällen die Scheidung nicht erst davon abhängig gemacht werden darf, ob der Richter die Ueberzeugung gewinnt, daß im gegebenen Falle die Fortsetzung der Ehe dem verletzten Ehegatten in der That dadurch unerträglich geworden ist. Es erkennen auch alle Gesetzgebungen und Entwürfe den Ehebruch und wenigstens die meisten auch die bösliche Verlassung und die Lebensnachstellung als absolute Scheidungsgründe an (vergl. die Motive zu §§ 1441—1443). Dagegen kann die Aufnahme weiterer absoluter Scheidungsgründc weder Ablehnung als durch ein Bedürfniß geboten, noch als zweckmäßig erachtet werden. Alle «luter anderen unter die Kategorie der Verschuldung fallenden, in den bestehenden Rechten sich findenden Scheidungsgründc sind der Art, daß cs sich empfiehlt, 3““' die Frage, ob sie im einzelnen Falle die Zerrüttung der Ehe herbeizuführen geeignet sind und wirklich herbeigeführt haben, iir jedem einzelne!: Falle der richterlichen Prüfung und Würdigung vorzubehalten. Dies gilt insbesondere von Mißhandlungcn und Beleidigungen. Das [)an^gcn Kriterium des gemeinen protestantischen Ehercchtes, daß die Mißhandlungen, um zur Scheidung zu führen, lebens- oder gesundheitsgefährliche sein müssen '-idigung-n. (vergl. Seuffcrt XXXV, 35), ein Kriterium, welches, wenngleich mit einzelnen Erweiterungen bezw. Modifikationen, in verschiedene neuere Gesetzgebungen übcrgegangcn ist (vergl. preuß. A. L. R. II, 1 §§ 699—702; nürnb. Ehescheidungsordn. Nr. 25; goth. Eheges. §§ 98, 102, 103; altenb. Eheordn. §§ 219—223; schwarzb.sonderSh. Ehescheidungsges. § 2 Nr. 12, 14; sächs. G. B. §§ 1735, 1736), ist zu eng und zu weit; zu eng, weil sich Mißhand­ lungen und auch Beleidigungen denken lasten, welche, ohne unter jenes Kriterium zu fallen, einen gänzliche:: Mangel der ehelichen Gesinnung beweisen bezw. entschuldbarer Weise bei dem Verletzten zu bewirken geeignet sind, z. B. Mißhandlung durch Peitschen oder öffentlich begai:gene Verleumdungen; zu weit, weil eine einzelne objektiv lebens- oder gesundheitsgefährliche Handlung sich denken läßt, welche, im Zustande äußersten Affektes geschehen, durchaus noch nicht einen gänzlichen Mangel an ehelicher Gesinnung bekundet und andererseits nach den koickreten Umständen auch nicht als geeignet betrachtet werden kann, die eheliche Gesinnung in dem andere:: Theile dauernd zu zer­ stören. Das von anderen Gesetzgebungen aufgestellte Kriterium, daß die Miß­ handlung eine bedeutende oder harte oder schwere bezw. die Beleidigung eine schwere oder tiefe oder grobe sein müsse (vergl. code civil Art. 231; bad. L. R. Satz 231; frankf. Ges. v. 19. November 1850 § 15 Nr. 8; Hess. Entw. Art. 82), gewährt den: Richter zwar einen weiteren Spielraum; allein das entscheidende Moment, daß die Mißhandlung oder Beleidigung der Art fein muß, daß den: Verletzten nach den konkreten Umständen die Fortsetzung der Ehe als Rechtspslicht nicht zugcmuthct werden kann (vergl. Entsch. d. R. G.

576

Scheidung. Trennung v. Tisch u. Bett. Einleitung. (§§ 1440—1463.)

in Civils. IV, 104 S. 380), wird durch jenes Kriterium für sich allein doch nicht so direkt und deutlich ausgedrückt, wie dies geschieht, wenn alle Miß­ handlungen und Beleidigungen dem Prinzipe der Relativität nach Maßgabe des § 1444 unterstellt werden. Damit stimmen auch die preuß. Entwürfe über die Ehescheidung überein. B-rurth-iDie neueren Gesetzgebungen behandeln ferner die Vcrurtheilung eines ^stiasbanr" Ehegatten zu einer entehrenden oder längeren Freiheitsstrafe als einen absoluten Handlungen. Scheidungsgrund, indem sic die Voraussetzungen näher zu bestimmen suchen, unter welchen ohne Weiteres angenommen werden könne, daß die Ehe in Folge der Vcrurtheilung des einen Ehegatten zerrüttet sei und dem anderen Ehegattcn die Fortsetzung der Ehe als Rechtspflicht nicht mehr zugcmuthet werben könne. Zum Theil machen sie das Scheidungsrecht nur von der Vcrurtheilung zu einer entehrenden Strafe oder zu einer schweren peinlichen Strafe oder zu einer Kriminalstrafe oder von der Verurtheilung zu bestimmt bezeichneten Strafarten, namentlich zu gewissen Arten von Freiheitsstrafen, sei cs ohne Rücksicht auf die Dauer derselben, sei cs unter der Voraussetzung einer be­ stimmten Dauer, abhängig; theils erkennen sie jede Verurtheilung zu einer Freiheitsstrafe, welcher Art sie auch sei, sofern die Freiheitsstrafe eine gewisse Dauer erreicht, als Scheidungsgrund an, oder die Verurtheilung wegen be­ stimmter strafbarer Handlungen; theils stellen sie als Voraussetzung hin, daß die Verurtheilung wegen vorsätzlicher Verbrechen oder wegen gemeiner, nicht politischer Verbrechen zu einer Freiheitsstrafe von gewisser Dauer oder von gewisser Art erfolgt sei. Den bezeichneten Voraussetzungen wird bann häufig noch die Beschränkung hinzugefügt, daß das Recht des anderen Ehegatten auf Scheidung ausgeschlossen sei, wenn derselbe selbst an der strafbaren Handlung Theil genommen habe (vcrgl. preuß. A. L. R. II, 1 §§ 704 ff. — dazu Urth. d. R. G. bei Gruchot XXXI S. 989 ff. — und § 295 des Anh. zur A. G. O. I, 40 § 64; nürnb. Eheschcidungsordn. Nr. 37; württcmb. Verordn, v. 14. September 1812; goth. Eheges. § 122; altenb. Eheordn. §§ 224—228; schwarzb.sondersh. Ehescheidungsges. § 2 Nr. 15; frankf. Ges. § 15 Nr. 5; code civil Art. 232 und dazu Entsch. d. N. G. in Civils. XV, 77; bad. Ges. v. 23. Dezember 1871 Art. 14; sächs. G. B. § 1740; Hess. Entw. Art. 83). Der Entwurf behandelt auch den hier fraglichen Scheidungsgrund nach dem Vorgänge der preuß. Entwürfe über die Ehescheidung und im Anschlüsse an die Praxis des Reichsgerichtes auf dem Gebiete des gemeinen protestantischen Ehcrcchtes (vcrgl. Entsch. d. N. G. in Civils. I, 120, V, 115, VIII, 40, IX, 47, 48; Seuffert XXXVII, 35, ferner für das preuß. Recht unter Berück­ sichtigung der jetzigen Strafgesetzgebung preuß. Just. Min. Bl. v. 1881 Nr. 6 S. 22 und Gruchot XXX S. 985 ff., XXXI S. 989 ff.) als einen rela­ tiven Scheidungsgrund nach Maßgabe des § 1444. Bestimmungen der oben bezeichneten Art, wie sie sich in den neueren Gesetzgebungen finden, sind immer mehr oder weniger willkürlich und führen zu dem Resultate, daß in einzelnen Fällen die Scheidung gestattet oder versagt werden muß, in welchen sie nach den obwaltenden Umständen, insbesondere mit Rücksicht auf die Persönlich­ keit des klagenden Theiles und die wirklichen Beweggründe des Scheidungs­ antrages, richtiger nicht hätte gestattet bezw. versagt werden sollen.

Scheidung. Trennung v. Tisch u. Bett.

Einleitung. (§§ 1440—1463.)

577

Im Anschlüsse an das preuß. A. L. R. II, 1 § 707 haben die preuß. (Weisung Entwürfe über die Ehescheidung aus den Jahren 1856, 1859, 1860 die @r= ctncii^nmpfe

greifung eines schimpflichen Gewerbes als absoluten Scheidungsgrund bei- ®eroerbc8behalten und darin die Zustimmung der beiden Häuser des Landtages gefunden. Ueberwiegende Gründe sprechen indesien gegen diese Art der Behandlung, cinestheils, um der Gefahr einer Kollusion unter den Ehegatten entgegen­ zutreten, anderentheils mit Rücksicht darauf, daß in nicht seltenen Fällen der Ehegatte, welcher aus diesem Grunde die Scheidung beantragt, der Genosse des schimpflichen Gewerbes des anderen Ehegatten sein wird. Auch bei diesem Scheidungsgrunde kommt es daher immer auf eine Würdigung der konkreten Umstände an. Von der Mehrzahl der neueren Gesetzgebungen wird ferner nach dem Verweigerung Vorgänge des gemeinen protestantischen Eherechtes (vergl. Urth. d. R. G. beider " ehelichen ' * Pflicht.

Fenner und Mecke III, 222) die hartnäckige Verweigerung der ehelichen Pflicht als Scheidungsgrund, und zwar als absoluter Scheidungsgrund, anerkannt

(vergl. preuß. A. L. R. II, 1 § 694; nürnb. Ehescheidungsordn. Nr. 28; goth. Eheges. §§ 107—111; altenb. Eheordn. § 217; schwarzb.sondershaus. Ehescheidungsges. § 2 Nr. 8; frankf. Ges. § 15 Nr. 3; sächs. G. B. § 1731; württemb. Ges. v. 8. Aug. 1875 Art. 7; anhalt. Ausf. Ges. zur C. P. O. v. 10. Mai 1879 § 4; Ausf. Ges. zur C. P. O. v. 3. Mai 1879 § 11 für Neuß ä. L.). Dagegen ist dieser Scheidungsgrund dem code civil, dem bad. L. R. und dem Hess. Entw. fremd. Auch die verschiedenen preuß. Ent­ würfe über Ehescheidungen haben diesen Scheidungsgrund unter Zustimmung der beiden Häuser des Landtages gänzlich beseitigt. Die für die gänzliche Ausschließung dieses Scheidungsgrundes vorgebrachten Gründe, namentlich der Hinweis darauf, daß die Geltendmachung desselben eine Verletzung des Sittlichkeitsgefühles enthalte und mit großem Aergernisse verbunden zu sein pflege, daß ferner die Voraussetzungen dieses Scheidungsgrundes schwer fest­ zustellen seien und durch denselben der Simulation Thür und Thor geöffnet werde, können indesien als durchschlagend nicht erachtet werden, um einem Ehe­ gatten, wenn der andere Ehegatte in der hier in Rede stehenden Art seine ehe­ lichen Pflichten eigenmächtig und hartnäckig verletzt, das Recht der Scheidung unbedingt zu versagen. Dagegen ist es richtiger, diesem Scheidungsgrunde keinen absoluten Karakter beizulegen, da auch bei diesem Scheidungsgrunde Alles auf die Umstände des einzelnen Falles und auf die Motive ankommt. Durch die Relativität dieses Scheidungsgrundes in Verbindung mit der freien Beweistheorie werden auch die praktischen Bedenken beseitigt, welche aus der Schwierigkeit, die Voraussetzungen dieses Scheidungsgrundes im Gesetze fest­ zustellen, und aus der Gefahr der Kollusion der Ehegatten hergeleitet werden. IV. In verschiedenen Gebieten Deutschlands hat sich neben dem Scheidungsrechte aus bestimmten, gesetzlich feststehenden Gründen das Institut des landesherrlichen Ehescheidungsrechtes gewohnheitsrechtlich entwickelt; in einigen Gebieten hat dasselbe auch im Wege der Gesetzgebung ausdrückliche Anerkennung gefunden. Vermöge dieses Institutes hat der Landesherr die, mitunter an gewisse beschränkende Voraussetzungen geknüpfte Befugniß, Ehen auch aus anderen als den gesetzlich anerkannten bestimmten Gründen nach Motive z. bürgert Gesetzbuch. IV.

37

Landes­ herrliches Eheschei­

dungsrecht.

578

Scheidung. Trennung v. Tisch u. Bett. Einleitung. (§§ 1440—1463.)

seinem Ermessen zu scheiden. Das landesherrliche Ehescheidungsrecht ist namentlich anerkannt in verschiedenen gemeinrechtlichen Gebieten Preußens (Neuvorpommern, Hannover, Kurheßen, Nassau, Frankfurt a. M., SchleswigHolstein), ferner im Großherzogthume Hessen, in beiden Mecklenburg, in Olden­ burg, Braunschweig (vergl. braunschw. Ges. v. 23. Juni 1879), Weimar, Coburg-Gotha (vergl. goth. Eheges. §§ 105, 134, 138, 139), in Altenburg (vergl. altenb. Eheordn. § 288), Meiningen, Schwarzburg - Sondershausen (vergl. schwarzb.sondersh. Ehescheidungsges. §§ 43—46), in Neuß ä. und j. L., in Anhalt-Dessau und Cöthen. Ueber die rechtliche Natur des landesherr­ lichen Ehescheidungsrcchtes gehen die Ansichten auseinander. Mit dieser Ver­ schiedenheit der Ansichten hängt die weitere Streitfrage zusammen, ob das

landesherrliche Scheidungsrecht durch den § 76 des Reichsgesetzes über die Be­ urkundung des Personenstandes und die Eheschließung v. 6. Februar 1875 als beseitigt anzusehen ist. Blag man in dieser Beziehung der einen oder der anderen Ansicht folgen, jedenfalls fehlt es an einem Bedürfnisse, jenes Institut neben dem bürgerlichen Gesetzbuche fortbcstehen zu laßen, da das letztere die Aufgabe hat, das Scheidungsrecht in einer dem Wesen der Ehe und den Bedürfnissen des Lebens entsprechenden Weise erschöpfend zu regeln. Darüber hinaus soll eine Scheidung überhaupt nicht zulässig sein. Auch von dem Gesichtspunkte aus läßt sich die Beibehaltung des Institutes nicht recht­ fertigen, daß dadurch die Möglichkeit gegeben wird, geeignetenfalls unter schonender Berücksichtigung der Interessen der Ehegatten selbst und ihrer Familie ohne Scheidungsprozeß die Scheidung herbeizuführcn. Sollte nach dieser Richtung hin in der That ein Bedürfniß vorliegen — was der Ent­ wurf jedoch verneint —, so würde es richtiger sein und dem Zuge der heutigen Gesetzgebung mehr entsprechen, diesem Bedürfnisse im Wege der ordentlichen Rechtspflege durch Zulassung der Scheidung auf Grund gegenseitiger Ein­ willigung Rechnung zu tragen. Zeitweilige V. Nach dem Vorbilde des kanonischen Rechtes läßt die gemeinrechtliche Tisch^L B-t" Praxis neben der Scheidung und als Ersatz derselben eine zeitweilige Trennung Geltendes öon und Bett auf bestimmte oder unbestimmte Zeit, regelmäßig jedoch nur Recht?' auf bestimmte Zeit, in solchen Fällen zu, in welchen zwar kein ausreichender Grund zur Scheidung, aber Ursachen vorhanden sind, welche das Zusammen­ leben des einen Ehegatten mit dem anderen zur unerträglichen Last machen (vergl. Seuffert XVII, 55, 146, XXVII, 140, XXXI, 241). Nach Ablauf der Trennungszeit tritt der Rechtsanspruch der Ehegatten auf eheliches Zu­ sammenleben wieder in Kraft, und kann eine Erneuerung der Trennung von Tisch und Bett für einen weiteren Zeitraum nur danu bewilligt werden, wenn nach richterlichem Ermeßen erhebliche neue Gründe für diese Maßregel vor­ liegen (Entsch. d. R. G. bei Fenner und Mecke II, 181, Seuffert XLIII, 27). In einzelnen Rechtsgebieten läßt jedoch die Praxis, ivenn die Trennung den Erfolg der Versöhnung nicht gehabt hat, nunmehr die Scheidung zu, sofern das Gericht sich davon überzeugt, daß die Ehe dauernd zerrüttet sei (vergl. Seuffert VIII, 144, XIII, 26, XXXV, 133, XXXVII, 36). Auf diesem Boden steht auch das württcmb. Ges. v. 8. August 1875 Art. 8. In Kurheßen nahm dagegen die Praxis an, daß nach Ablauf der Trennungszeit auf

Scheidung. Trennung v. Tisch u. Bett. Einleitung. (§§ 1440—1463.)

579

Antrag des einen oder anderen Ehegatten ohne Weiteres die Scheidung aus­ gesprochen werden müsse (vergl. auch altenb. Eheordn. §§ 231—233). Diese Praxis ist jedoch vom Reichsgerichte (Entsch. d. R. G. in Civils. VI, 112) nicht gebilligt.

Das gemeinrechtliche Institut der zeitweiligen Trennung von Tisch und Bett als eine selbständige neben der Scheidung stehende Maßregel zum Zwecke der Aussöhnung der Ehegatten und als Ersatz der Scheidung für solche Fälle, in welchen dieselbe nicht zulässig ist, hat auch in verschiedene neuere Gesetz­ gebungen Eingang gefunden (vergl. sächs. G. B. §§ 1754, 1755; schwarzb. sondersh. Ehescheidungsges. § 5 verb. mit dem Ausf. Ges. zur C. P. O. v. 17. Mai 1879 § 4; frankf. Ges. v. 19. November 1850 § 15; nürnb. Ehescheidungsordn. Nr. 23). Eine andere Gruppe von Rechten kennt zwar auch eine zeitweilige Tren­ nung der Ehegatten von Tisch und Bett, aber nicht in dem vorstehend bezeichneten Sinne als selbständige Maßregel, sondern nur als vorgängiges Versöhnungsmittel in solchen Fällen, in welchen ein wirklicher Scheidungs­ grund vorliegt, sei es in der Art, daß auf zeitweilige Trennung von Tisch und Bett erkannt werden kann (vergl. goth. Ehcges. §§ 102, 103, 109), sei es in der Art, daß wenigstens für gewisse Fälle der Richter ermächtigt bezw. verpflichtet ist, die Verkündigung des Urtheiles auf eine bestimmte Zeit auszusetzen und während dieser Zeit den Ehegatten die faktische Trennung zu gestatten (vergl. preuß. A. L. N. II, 1 §§ 727—730 verb. mit der Verordn, v. 28. Juni 1844 § 70; Ges. für Hannover v. 1. März 1869 § 26; code civil Art. 259, 260). In Preußen sind die betreffenden Vorschriften jedoch mit Rücksicht auf § 580 der deutschen C. P. O. durch § 8 des Ausf. Ges. zur C. P. O. v. 24. März 1879 aufgehoben.

Der Standpunkt der preuß. Entwürfe über Ehescheidung hat in der hier fraglichen Beziehung gewechselt. Die letzten Entwürfe aus den Jahren 1859 und 1860 haben Bestimmungen über zeitweilige Trennung von Tisch und Bett nicht ausgenommen, auch nicht in dem Sinne, daß der Richter bei den relativen Scheidungsgründen nach seinem Ermeßen auf vorgängige zeitweilige Trennung von Tisch und Bett erkennen solle oder könne. Der Entwurf (§ 1440 Abs. 3) beschränkt die Zulässigkeit der zeitweiligen Trennung von Tisch und Bett, abgesehen von dem auf einstweilige Ver­ fügungen sich beziehenden Bestimmungen des § 1462, auf die Fälle des § 1444, d. h. auf solche Fälle, in welchen ein relativer Scheidungsgrund vor­ liegt. Die zeitweilige Trennung hat hier nur den Karakter einer die Ab­ wendung der Scheidung bezweckenden vorgängigen Versöhnungsmaßregel (§ 1445). Es läßt sich allerdings nicht verkennen, daß auch in solchen Fällen, in welchen kein zur Scheidung ausreichender Grund vorliegt, aber zwischen den Ehegatten ernste Zerwürfnisse bestehen, eine zeitweilige Trennung von Tisch und Bett als Aussöhnungsmittel unter Umständen heilsam wirken kann; indessen sind die Gründe, welche gegen die Anerkennung dieses Institutes als einer selbständigen, die Scheidung ersetzenden Maßregel sprechen, als über­ wiegend zu erachten. Die Ausdehnung des in wirthschaftlicher und sittlicher Beziehung nicht selten auch von schädlichen Folgen begleiteten Institutes der

Standpunkt des Entwurfes.

580

Scheidung. Trennung v. Tisch u. Bett. Einleitung. (§§ 1440—1463.)

zeitweiligen Trennung von Tisch und Bett auf solche Fälle, in welchen ein zur Scheidung ausreichender Grund nicht vorliegt, steht mit dem Grundsätze des Entwurfes, daß eine Ehe nur aus wichtigen Gründen geschieden werden

kann, nicht im Einklänge und ist, wenigstens vom Standpunkte des Entwurfes aus, welcher in vielen Fällen, in denen nach dem protestantischen Eherechte die zeitweilige Trennung von Tisch und Bett als Ersatz der Scheidung dient,

die letztere auf Grund der clausula generalis des § 1444 zuläßt, durch ein dringendes praktisches Bedürfniß nicht geboten. Ebensowenig kann die Zulassung der zeitweiligen Trennung von Tisch und Bett als einer selb­

ständigen Maßregel für solche Fälle als ein Bedürfniß anerkannt werden, in welchen durch das Zusammenleben die Gesundheit oder das Leben des einen

oder anderen Ehegatten oder der Kinder gefährdet erscheint (vergl. sächs. G. B. § 1754), da in dieser Beziehung die allgemeinen Grundsätze, insbesondere das Recht eines Ehegatten, ohne richterliche Gestattung sich der ehelichen Gemein­ schaft zu entziehen, wenn das Verlangen des anderen Ehegatten nach Her­ stellung der ehelichen Gemeinschaft mit der rechten ehelichen Gesinnung nicht vereinbar ist (§§ 1272, 1273), und das Recht jenes Ehegatten, auch während der Dauer einer solchen Trennung von dem anderen Ehegatten nach Maßgabe der §§ 1280, 1281 die Gewährung des Unterhaltes zu verlangen, sowie die Vorschriften über das Aufsichtsrecht des Vormundschaftsgerichtes gegenüber dem Inhaber der elterlichen Gewalt (§ 1546) den durch die Bestimmung des sächs. G. B. bezweckten Schutz in ausreichender Weise gewähren. Nach dem Vorgänge des gemeinen protestantischen Eherechtes (vergl. Seuffert XVI, 53, XLII, 305) bestimmt das sächs. G. B. § 1752 weiter, daß in allen Fällen, in welchen ein Ehegatte die Scheidung zu verlangen be­ rechtigt ist, derselbe vorerst zeitweilige Trennung von Tisch und Bett, und zwar unbeschadet seines Rechtes auf Scheidung, verlangen könne, während nach dem Entwürfe — abgesehen von den auf einstweilige Verfügungen während der Dauer des Scheidungsprozesses sich beziehenden Bestimmungen des § 1462 — nur beim Vorhandensein eines relativen Scheidungsgrundes nach Maßgabe des § 1444 auf zeitweilige Trennung von Tisch und Bett er­ kannt werden kann. Es läßt sich zwar nicht bestreiten, daß auch beim Vor­ handensein eines absoluten Scheidungsgrundes in den Fällen der §§ 1441 bis 1443 eine Aussöhnung der Ehegatten nicht unbedingt ausgeschloffen ist. Jndeffen ist die Ausdehnung des mit dem Prinzipe der Relativität in engem Zusammenhänge stehenden Institutes der zeitweiligen Trennung von Tisch und Bett auf jene Fälle durch ein Bedürfniß um so weniger geboten, als der § 580 der C. P. O., wenigstens wenn die Scheidung nicht auf Grund eines Ehebruches beantragt ist, dem Richter die Befugniß giebt, geeignetenfalls die Aussetzung des Verfahrens anzuordnen. Ohne dringende Gründe aber jenes Institut auch auf die absoluten Scheidungsgründe auszudehnen, ist im Hin­ blicke auf die mit demselben zugleich verbundenen Nachtheile und Gefahren be­ denklich, zumal dasselbe in dieser Ausdehnung, abgesehen von dem sächs. G. B., in den neueren Gesetzgebungen keine Aufnahme gefunden hat. Wegen der Gründe, aus welchen der Entwurf eine zeitweilige Trennung von Tisch und Bett im Wege einstweiliger Verfügung während der Dauer

Scheidung.

Trennung von Tisch und Bett.

Zulässigkeit.

§ 1440.

581

des Scheidungsprozesses, sowie in den Fällen des § 1444 zuläßt, wird auf die Motive zu den §§ 1444, 1462 Bezug genommen.

§ 1440. Die Gründe, aus welchen der Entwurf das Institut der Scheidung ZuiMMt zuläßt, dagegen bestimmt, daß auf beständige Trennung der Ehegatten öonbcr@t6cibun8'

Tisch und Bett überhaupt nicht, auf zeitweilige Trennung aber, unbeschadet ®.^b-8‘' der Bestimmungen des § 1462, nur in den Fällen des § 1444 erkannt Trennungv°n werden kann, sind bereits in der Einleitung S. 512 ff., 579 ff. dargelegt.11 ®ett Durch die Fassung des § 1440 Abs. 3 („kann nicht") wird der der Lösung durch die Jurisprudenz zu überlasienden allgemeinen Frage, ob und inwieweit ein Urtheil, dessen Inhalt sich mit absoluten Gesetzen in Widerspruch setzt, überhaupt der Rechtskraft fähig und nicht vielmehr als ipso jure nichtig zu erachten ist, nicht präjudizirt. Inwieweit der § 1440 Abs. 3, welcher zunächst nur auf Inländer sich bezieht, auch für Ausländer Geltung hat, richtet sich nach den Grundsätzen des internationalen Privatrechtcs (vergl., soviel den § 77 Abs. 1 des Ges. v. 6 Februar 1875 über die Beurkundung des Personen­ standes und die Eheschließung betrifft, Entsch. d. R. G. in Civils. III, 14, XI, 9). Die Bestimmung des § 1440 Abs. 1, daß die Auflösung der Ehe vor Ausspruch dem Tode eines der Ehegatten nur durch gerichtliches Urtheil erfolgen fann,b1'1^

wendet sich einestheils gegen die Zulässigkeit der Privatscheidung, anderentheils gegetz die Vorschrift des franz. Rechtes, nach welcher die Scheidung durch gerichtliches Urtheil nicht ausgesprochen, sondern nur zugelassen wird, die Scheidung selbst aber auf Grund jenes Urtheiles und eines binnen einer bestimmten Präklusivfrist zu stellenden Antrages desjenigen Ehegatten, welcher die Zulaffung der Scheidung erwirkt hat, durch den Ausspruch des Standesbeamten erfolgt (vergl. code civil Art. 264—266). In Baden, ElsaßLothringen, sowie in den bayr. und hesi. Gebieten des franz. Rechtes ist schon gegenwärtig jene lediglich auf formalen Gesichtspunkten beruhende und unter Umständen im Falle der Nichtbeachtung der Präklusivfrist für denjenigen Ehe­ gatten, welcher die Zulaffung der Scheidung erwirkt, mit großen Härten ver­ bundene, zudem zu mancherlei Zweifeln Veranlaffung gebende Vorschrift des

franz. Rechtes beseitigt, und erfolgt dort jetzt in Uebereinstimmung mit dem gemeinen Rechte und der Mehrzahl der neueren Gesetzgebungen (preuß. A. L. R. II, 1 § 668, 731, 732; goth. Eheges. § 151; altenb. Eheordn. § 163; schwarzb. sondersh. Ehescheidungsges. §§ 1, 24; sächs. G. B. §§ 1712, 1714; vergl. auch Hess. Entw. Art. 78 Nr. 2) die Scheidung unmittelbar durch das gerichtliche Urtheil. Dieser Standpunkt entspricht auch der Anschauung, von welcher der § 55 des Reichsgesetzes über die Beurkundung des Personenstandes u. s. w. v. 6. Februar 1875 ausgeht, wenngleich derselbe die landesrechtlichen Vor­ schriften, nach welchen es zur Trennung der Ehe einer besonderen Erklärung und Beurkundung vor erhalten hat.

dem Standesbeamten

bedarf,

ausdrücklich aufrecht

Durch die Vorschrift des § 1440 Abs. 2 wird sodann zum Ausdrucke Umfan?ber gebracht, daß eine Scheidung überhaupt nur in Füllen eines dem verklagten derScheidung.

582

L-cheidung.

Ehebruch zc.

§ 1441.

Ehegatten zur Last fallenden schweren Verschuldens nach Maßgabe der §§ 1441 bis 1445 statthaft, jede Scheidung aus Willkür, insbesondere auf Grund gegen­ seitiger Einwilligung, sowie die Scheidung wegen körperlicher Gebrechen oder Geisteskrankheit und wegen Religionswechsels dagegen ausgeschloffen ist. Aus den Vorschriften des § 1440 Abs. 1, 2 erhellt ferner mit genügender Deutlich­ keit, daß künftig auch jede Scheidung aus landesherrlicher Machtvollkommen­ heit wegfällt. Wegen der Gründe, auf welchen diese prinzipiellen Vorschriften des Entwurfes beruhen, wird auf die Einleitung oben S. 567 ff. verwiesen.

§ 1441. Sch°idu"g 1. Mch dem Vorgänge des katholischen Kirchenrechtes und des gemeinen Eh'°bnichc4. protestantischen Eherechtes wird der Ehebruch, die unmittelbarste und schwerste Verletzung der ehelichen Pflichten, von allen neueren Gesetzgebungen als abso­ luter Grund für die beständige Trennung von Tisch und Bett, bezw. als abso­ luter Scheidungsgrund anerkannt (vergl. bayr. L. R. I, 6, § 42; preuß. A. L. R. II, 1 §§ 670 ff.; nürnb. Ehescheidungsordn. Nr. 8; goth. Eheges. §§ 75 ff.; altenb. Eheordn. §§ 195 ff.; schwarzb.sondersh. Ehescheidungsges. 8 2 Nr. 1;

frankf. Ges. § 15 Nr. 1; sächs. G. B. §§ 1713 ff.; code civil Art. 229, 230; Hess. Entw. Art. 81). Während die große Mehrzahl der Rechte in dieser Be­ ziehung keinen Unterschied macht zwischen dem Ehebrüche des Ehemannes und dem der Ehefrau, giebt der code civil Art. 230 der Ehefrau wegen Ehebruches von Seiten des Ehemannes nur dann das Recht, die Scheidung zu verlangen, „lorsqu’il aura tenu sa concubine dans la maison commune11. Auf demselben Boden steht in dieser Beziehung auch das bad. L. R. Satz 230, 230 a. Eine solche verschiedenartige Behandlung des Ehebruches des Ehemannes und der Ehefrau verdient jedoch keine Billigung *). Sie entspricht nicht dem sittlichen Gesammtbewußtsein des deutschen Volkes, nach welchem der Ehefrau in der Ehe prinzipell eine gleichberechtigte Stellung mit dem Ehemanne gebührt. Wenngleich unter Umständen der Ehebruch des Ehemannes im Hinblicke auf die verschieden geartete Natur des männlichen und des weiblichen Geschlechtes nicht als eine so schwere Verschuldung anzusehen sein mag, wie der Ehebruch der Ehefrau, und wenngleich der letztere insofern für die Familie gefährlicher ist, als dadurch fremde Kinder in die Familie kommen können, so ist doch auch der Ehebruch des Ehemannes unter allen Umständen eine so schwere Verschuldung und dem Wesen der Ehe so sehr zuwider, daß der Ehefrau unbedingt das Recht eingeräumt werden muß, wegen Ehebruches des Ehemannes die Scheidung zu verlangen. Dies ist auch der Standpunkt des franz. Ehescheidungsgesetzes v. 27. Juli 1884. Begriis des 2. Daß Ehebruches. beg § 1?2 b(;ö

r) Vergl.

im Sinne des 8 1441 Abs. 1 unter Ehebruch der Thatbestand y (üerg(. Entsch. d. R. G. in Strass. XIV, 90) zu

auch die oben S. 143

bereits erwähnte

Petition des

allgemeinen

deutschen Frauenvereins an den Reichstag (abgedruckt in „Reue Bahnen", Organ des

allgemeinen deutschen Frauenvereins, Bd. XII, 1877 Nr. 8).

Scheidung.

Ehebruch x

§ 1441.

583

verstehen ist, ergiebt sich mit genügender Deutlichkeit aus dem Zusammenhänge des § 1441 Abs. 1. Unter den Begriff des Ehebruches fallen daher namentlich solche Fälle nicht, in welchen die fleischliche Vermischung in Folge einer Noth­ zucht oder in Folge Irrthumes oder unter solchen Umständen, welche die freie Willensbestimmung ausschließen, z. B. im Zustande der Geisteskrankheit, statt­ gefunden hat (vergl. Seuffert V, 295; bayr. L- R. I, 6 § 42; altenb. Eheordn. § 200 lit. d; goth. Eheges. § 84; sächs. G. B. § 1714). 3. Nach dem Entwürfe bildet nur der vollendete Ehebruch einen absoluten Scheidungsgrund (vergl. über die Frage, wann der Ehebruch vollendet ist, Entsch. d. R. G. in Civils. IX, 47). Gemeinrechtlich ist es bestritten, ob auch der Versuch des Ehebruches das Recht der Scheidung begründet (vergl. dafür Seuffert XII, 38, XXV, 31, XXXI, 237, XXXV, 131,132; dagegen Seuffert XIII, 147, XIV, 142, XVIII, 145; Entsch. d. R. G. in Civils. IX, 47). Von den neueren Gesetzgebungen stellen das schwarzb. sonderst). Ehescheidungsges. § 2 Nr. 1 und die altenb. Eheordn. § 195 den Versuch des Ehebruches dem vollendeten Ehebrüche in der hier fraglichen Hinsicht ausdrücklich gleich, während das sächs. G. B. § 1715 das Recht auf Scheidung wegen versuchten Ehebruches ausdrücklich versagt. Auch das preuß. A. L. R. II, 1 § 670, das goth. Eheges. § 75, das frankf. Ges. § 15 Nr. 1, der code civil Art. 229, 230, der Hess. Entw. Art. 81, sowie das kanon. Recht setzen vollendeten Ehebruch voraus, der jedoch auch auf indirektem Wege durch Schlußfolgerungen bewiesen werden kann. Ob die Bestimmung des preuß. A. L. R. II, 1 § 673, welche dem Ehebrüche einen unerlaubten Umgang gleichstellt, durch welchen eine dringende Vermuthung der verletzten ehelichen Treue begründet wird (vergl. auch nürnb. Ehescheidungsordn. Nr. 10; goth. Eheges. §§ 75, 76), als ein selbständiger Scheidungsgrund oder nur als eine dem adulterium praesumtum des gemeinen Rechtes sich anschließende Erleichterung der Beweisführung durch Schlußfolgerungen aufzufassen ist, welche durch den Gegenbeweis der Nichtvollendung des Ehebruches entkräftet werden kann, ist streitig (vergl. jedoch Entsch. d. R. G. in Straff. V, 92, XIV, 90; Urth. d. R. G. bei Gruchot XXXI S. 983 ff.). Nach dem preuß. A. L. R. II, 1 §§ 674, 676 ist ferner wegen Verdachtes des Ehebruches die Scheidung dann zulässig, wenn ein Ehegatte richterlichen Verbotes ungeachtet mit einer ver­ dächtigen Person vertrauten Umgang pflegt (ebenso goth. Eheges. § 77). Da nur der vollendete Ehebruch die im Wesen der Ehe begründete Aus­ schließlichkeit der Geschlechtsgemeinschaft unwiederbringlich zerstört, so kann nur dieser als absoluter Scheidungsgrund anerkannt werden. In den Fällen des Versuches des Ehebruches und anderer die eheliche Treue verletzenden Hand­ lungen soll zwar die Scheidung nicht unbedingt ausgeschlosien sein;'allein in Fällen dieser Art kommt cs immer auf die konkreten Umstände an, ob das Verhalten des einen Ehegatten der Art war, daß dem anderen Ehegatten die Fortsetzung der Ehe nicht zugemuthet werden kann. Der Entwurf verweist

daher diese Fälle unter die relativen Scheidungsgründe des § 1444. 4. Dagegen stellt der § 1441 Abs. 1 dem Ehebrüche gleich die in den §§ 171, 175 des Str. G. B. bezeichneten strafbaren Handlungen. Die Gleich­ stellung der Bigamie als solcher (§ 171 Str. G. B.) mit dem Ehebrüche ist allerdings nur für die seltenen Fälle von selbstständiger Bedeutung, in welchen

584

Scheidung.

Ehebruch k.

§ 1441.

eine Konsummation der neuen Ehe nicht stattgefunden hat. Indessen recht­ fertigt sich diese Gleichstellung nach dem Vorgänge des sächs. G. B. § 1728 (vergl. auch schwarzb.sondersh. Ehescheidungsges. § 2 Nr. 2) prinzipiell durch die Erwägung, daß, wie durch Ehebruch, so auch durch Bigamie die im Wesen der Ehe begründete Ausschließlichkeit der ehelichen Gemeinschaft verletzt wird. Dazu kommt der praktische Vortheil, daß, wenn die Bigamie als solche einen absoluten Scheidungsgrund bildet, der verletzte Ehegatte die Konsummation der neuen Ehe nicht zu beweisen braucht. Es ist zwar zuzugeben, daß die Bigamie in manchen Fällen, namentlich wenn nur ein dolus eventualis vor­ gelegen hat (vergl. Entsch. d. R. G. in Strass. IX, 27 S. 84), eine Zerrüttung der ersten Ehe nicht nothwendig bewirkt. Allein diese Möglichkeit ist auch bei

Widernatüruch- Unzucht,

dem Ehebrüche nicht unbedingt ausgeschloffen. Trotzdem sprechen, wie in der Einleitung oben S. 574 bereits ausgeführt wurde, überwiegende Gründe dafür, den letzteren nicht als einen nur relativen Scheidungsgrund zu be­ handeln. Dieselben Gründe treffen auch im Falle der Bigamie zu. Daß dem Ehebrüche Handlungen der im § 175 des Str. G. B. be­ Art gleichzustellen sind, wird auch von der Doktrin des katholischen

und des gemeinen protestantischen Eherechtes (Seuffert XLIII, 25) und von vielen neueren Gesetzgebungen anerkannt (vergl. preuß. A. L. R. II, 1 § 672; nürnb. Ehescheidungsordn. Nr. 12; goth. Eheges. § 76; altenb. Eheordn. § 205; schwarzb.sondersh. Ehescheidungsges. § 2 Nr. 2; sächs. G. B. § 1728). SonstigDas sächs. G. B. § 1728 stellt ferner Unzucht mit Kindern unter zwölf Han'dlung-». Jahren dem Ehebrüche unbedingt gleich (vergl. § 176 Nr. 3 des Str. G. B.). Diese Gleichstellung ist jedoch bedenklich, da durch die hier fraglichen Hand­ lungen bei der weiten Ausdehnung, welche der Begriff der unzüchtigen Hand­ lungen zuläßt und in der Strafrechtspraxis gefunden hat, die Ausschließlichkeit

der ehelichen Gemeinschaft nicht immer berührt und noch weniger unwieder­ bringlich zerstört wird. Aus ähnlichen Gründen können auch die im § 176 Nr. 1 und im § 174 des Str. G. B. mit Strafe bedrohten unzüchtigen Hand­ lungen nicht als ausreichend erachtet werden, um das Recht der Scheidung unbedingt zu begründen. In Ansehung der im § 174 des Str. G. B. be­ zeichneten Fälle kommt hinzu, daß der Grund der besonderen Strafbarkeit in diesen Fällen in der Verletzung besonderer Pflichten liegt, welche mit dem ehe­ lichen Verhältniffe an sich in keinem Zusammenhänge stehen. Es verdient deshalb den Vorzug, die in den §§ 174, 176 des Str. G. B. bezeichneten un­ züchtigen Handlungen, soweit dieselben nicht zugleich den Thatbestand des Ehe­ bruches bilden, der Beurtheilung des einzelnen Falles nach Maßgabe des § 1444 zu unterstellen. Dasselbe gilt von dem im goth. Eheges. § 76 und im schwarzb.sondersh. Ehescheidungsges. Z 2 Nr. 2 als Scheidungsgrund auf­ geführten Fälle der Entführung einer Frauensperson.

Stras5. Die besonderen Bestimmungen des sächs. G. B. §§ 1716, 1717 (vergl. "wegen" au$ § 1729), nach welchen der Scheidung wegen Ehebruches regelmäßig das Ehebruches.

Strafverfahren wegen Ehebruches §§ 197, 198; schwarzb. sonderst». entgegengesetzten Grundsatz des § strafung wegen Ehebruches durch

vorausgehen muß (ähnlich altenb. Eheordn. Ehescheidungsgesetz § 8), haben durch den 172 des Str. G. B., nach welchem die Be­ die Scheidung bedingt ist (vergl. auch die

Scheidung.

Ehebruch rc.

§ 1441.

585

sächs. Ausführungsverordn. v. 15. Dezember 1870), ihre Erledigung gefunden, und fehlt cs an einem genügenden Grunde, von diesem Grundsätze abzuweichen.

6. Nach dem Vorbilde des kanonischen Rechtes, nach welchem, wenn beide Ehegatten die Ehe gebrochen haben, auf beständige Trennung von Tisch und Bett nicht erkannt werden kann (vergl. ferner bayr. L. R. I, 6 8 42), schließen auch das gemeine protestantische Eherecht und verschiedene neuere Gesetzgebungen (vergl. Seuffert II, 194, XVII, 53, XX, 41, XXI, 59, XXIII, 230, XXXI, 239,

Kompen­ sation.

Geltendes Recht.

XLI, 191; Fenner und Mecke V, 35 S. 71; sächs. G. B. §§ 1722—1727; altenb. Eheordn. § 200 lit. c) aus dem Gesichtspunkte der Kompensation das

Recht eines Ehegatten, wegen Ehebruches des anderen Theiles die Scheidung zu verlangen, aus, wenn der erstere selbst eines Ehebruches sich schuldig gemacht hat. Inwieweit dieses Kompensationsprinzip auch auf andere, namentlich un­ gleichartige, Scheidungsgründe auszudehnen, ist gemeinrechtlich nicht unbestritten l vergl. Seuffert XXX, 151, XI.II, 36; Entsch. d. R. G. in Civils. XVIII, 46 S. 228 ff.). Das sächs. G. B. § 1730 hat jenes Prinzip nur auf die im § 1728 das. bezeichneten, dem Ehebrüche gleichgestellten Flcischesverbrechen in der Art übertragen, daß der Ehebruch und jene Verbrechen gegen Ehebruch und unter einander kompensirt werden können.

Das preuß. A. L. R. II, 1 §§ 670, 671 und diesem folgend die nürnb. Ehescheidungsordn. Nr. 9 haben dagegen das Prinzip der Kompensation auch beim Ehebrüche eingeschränkt; nur der Ehemann kann der auf Ehebruch ge­ stützten Scheidungsklage der Ehefrau den Einwand entgegensetzen, daß die letztere selbst die Ehe gebrochen habe (vergl, dazu Urth. d. R. G. bei Gruchot XXXI S. 985 ff.). Das goth. Eheges. § 83 und das schwarzb. sondersh. Ehescheidungsges.

§ 3 Abs. 2 schließen die Kompensation ausdrücklich überhaupt aus, und auf diesem Standpunkte stehen auch die Vorschläge der preuß. Gesetzrevision, Pens. XV S. 296 ff. Der code civil, das bad. L. R. und der hesi. Entw. er­ wähnen die Kompensation nicht. Die franz. Jurisprudenz nimmt danach vor­ wiegend an, daß die Einrede der Kompensation unzulässig sei. Der Entwurf hat sich in dieser Frage der Mehrzahl der neueren Gesetz­ gebungen angeschloffen. Das Kompensationsprinzip läßt sich prinzipiell nicht be­

gründen. Nach allgemeinen Grundsätzen verliert derjenige, welcher durch das schuldvolle Verhalten des anderen Theiles ein Recht auf Auflösung eines gegen­ seitigen Rechtsverhältniffes erlangt hat, dieses Recht dadurch nicht, daß er später durch sein eigenes schuldvolles Verhalten auch für den anderen Theil

ein gleiches Recht begründet; ebensowenig ist derjenige, welcher durch sein schuldvolles Verhalten für den anderen Theil ein Recht auf Auflösung des Rechtsverhältniffes begründet hat, nach allgemeinen Grundsätzen verhindert, ein gleiches Recht gegen den anderen Theil auf Grund des schuldvollen Ver­ haltens des letzteren zu erwerben. Der Grundsatz der Kompensation führt dagegen zu dem mit den allgemeinen Grundsätzen nicht vereinbaren und sachlich bedenk­ lichen Resultate, daß derjenige Ehegatte, welcher durch den Ehebruch oder eine dem letzteren gleichgestellte Handlung des anderen Theiles ein Recht, die Scheidung zu verlangen, erworben hat, einen Freibrief erhält, seinerseits durch die Begehung der gleichen Handlungen fortgesetzt die ihm gegenüber dem anderen Ehegatten obliegenden ehelichen Pflichten verletzen zu können, ohne

Standpunkt des Entwurfes.

586

Scheidung.

Ehebruch zc.

.§ 1441.

daß der andere Ehegatte in der Lage wäre, auf Grund jener Pflichtverletzung

Theilnahme

Zustimmung

des anderen Ehegatten.

seinerseits die Scheidung zu verlangen. Diesen Erwägungen gegenüber kann auch der Gesichtspunkt als durchschlagend nicht erachtet werden, daß derjenige, welcher selbst eines Ehebruches sich schuldig gemacht habe, unwürdig sei, den anderen Ehegatten wegen des von diesem begangenen Ehebruches mit dem Verluste des Rechtes auf Fortsetzung der Ehe zu strafen, da das Scheidungs­ recht nicht auf dem Gesichtspunkte einer Strafe für den schuldigen Theil beruht. 7. Eine von der Frage wegen Zulassung der Kompensationseinrede ganz verschiedene, durch den § 1441 Abs. 2 bejahte Frage ist es, ob in den Fällen des § 1441 Abs. 1 das Recht auf Scheidung ausgeschlossen sein soll, wenn bcr anj)ere Ehegatte der dieses Recht begründenden Handlung zugestimmt oder der Theilnahme an derselben sich' schuldig gemacht hat. In den Fällen der Kompensation handelt es sich um die Aufhebung eines dem Kläger an sich zustehenden Scheidungsrechtes durch Aufrechnung mit einem auch dem Be­ klagten zustehenden Scheidungsrechte, in den hier in Rede stehenden Fällen dagegen um eine rechtshindernde Einrede, um solche Thatsachen, welche die Entstehung des Scheidungsrechtes in der Person des Klägers von vornherein ausschließen. Zwar fällt auch in den Fällen der Kompensation dem Kläger ein Verschulden zur Last; allein in diesen Fällen stützt die Klage sich aus­ schließlich auf das Verschulden des Beklagten, nicht zugleich auf ein eigenes Verschulden des Klägers. In den hier in Rede stehenden Fällen gründet da­ gegen der Kläger sein Recht aus solche Handlungen des Beklagten, welche dem Kläger selbst zum Verschulden gereichen. Allgemeinen Grundsätzen entspricht es aber, daß, wer an einer rechtswidrigen Handlung selbst mitschuldig ist, daraus niemals Rechte gegen den anderen Theilnehmer herleiten kann. Dazu kommt, daß der betreffende Ehegatte durch seine Theilnahme an den im

§ 1441 Abs. 1 bezeichneten Handlungen zu erkennen gegeben hat, daß die letzteren nicht geeignet sind, seine eheliche Gesinnung zu zerstören und ihm die Fortsetzung der Ehe unerträglich zu machen. Der Standpunkt des Entwurfes, daß das Recht der Scheidung ausgeschlossen sein soll, wenn der andere Ehegatte sich der Theilnahme an der dieses Recht begründenden Handlung schuldig ge­



macht hat, steht auch mit dem kanonischen Rechte und dem gemeinen pro­ testantischen Eherechte im Einklänge (vergl. Seuffert VII, 192, XX, 41). Ebenso findet sich in verschiedenen neueren Gesetzgebungen die ausdrückliche Bestimmung, daß das Recht der Scheidung wegfällt, wenn der eine Ehegatte die dieses Recht begründende Handlung des anderen Ehegatten veranlaßt hatte (vergl. preuß. A. L. R. II, 1 § 719 und dazu Gesetzrev., Pens. XV § 45 nebst Motiven S. 387 ff.; altenb. Eheordn. § 200 lit. d; sächs. G. B. § 1718). Der code civil enthält in der hier fraglichen Richtung zwar keine besondere Bestimmung; doch läßt die Jurisprudenz gegenüber der Scheidungsklage die Einrede zu, daß der Kläger selbst an der der Klage zu Grunde liegenden Handlung Schuld gewesen sei. Ob und inwieweit auch die vorgängige Zu­ stimmung des einen Ehegatten zu der das Recht der Scheidung an sich be­ gründenden Handlung des anderen Ehegatten das Recht, die Scheidung zu verlangen, ausschließt, ist gemeinrechtlich bestritten (vergl. Seuffert VIII, 268, XX, 41, XXVII, 139, XXVIII, 34, XLI, 191, XLII, 215). Auch

Scheidung. Lcbensnachstellung. § 1442.

587

die neueren Gesetzgebungen haben die Frage nicht ausdrücklich entschieden. Für das preuß. A. L. R. hat das Reichsgericht die Frage verneint (vergl. Gruchot XXIX S. 917 ff.). Auch in diesem Falle muß indeffen das Recht auf Scheidung versagt werden. Zwar kann die Versagung nicht darauf gestützt werden, daß in Folge der Zustimmung eine rechtswidrige Verletzung der ehelichen Pflichten nicht vorliege; denn auf diese Pflichte« kann bei dem sittlichen und öffentlichrechtlichen Karakter der Ehe von Seiten des anderen Ehegatten nicht verzichtet werden (§ 106). Dagegen rechtfertigt sich der Aus­ schluß der Scheidung auch i« diesem Falle durch die Erwägung, daß der zu der betreffenden Handlung seine Zustimmung ertheilende Ehegatte diese Handlung sich zu eigen macht und zu erkennen giebt, daß die Begehung der Handlung seine eheliche Gesinnung nicht affizirt und ihm die Ehe nicht unerträglich macht. Daraus ergiebt sich zugleich, daß die Zustimmung hier nicht einen rechtsgeschüftlichen Karakter hat, wie die Einwilligung im Sinne des § 706, sondern daß es genügt, wenn der Ehegatte sein Einverständniß mit der fraglichen Handlung in irgend welcher Art thatsächlich zu erkennen gegeben hat, was z. B. auch durch die Anstiftung des Dritten geschehen kann. Dagegen wird — was gemeinrechtlich (vergl. Scuffert XX, 41, XXII1, 230, XXXI, 239) und im Hinblicke auf die Faffung des preuß. A. L. R. II, 1 § 719 auch nach preuß. Rechte nicht unbestritten ist — das Recht auf Scheidung dadurch nicht ausgeschlossen, daß der Kläger, ohne zu der das Recht der Scheidung begründenden Handlung seine Zustimmung gegeben oder sich der Theilnahme an derselben schuldig gemacht zu haben, durch sein eigenes rechtswidriges oder unsittliches Verhalten, z. B. durch bösliche Verlasiung oder durch Verweigerung der ehelichen Pflicht, dem anderen Ehegatten zur Begehung des Ehebruches oder einer dem letzteren gleichgestellten Handlung den Anlaß gegeben hat (vergl. auch altenb. Eheordn. § 199). Auf ein derartiges Ver­ halten des Klägers kann jedoch der Beklagte geeignetenfalls eine Wider­ klage gründen.

§ 1442. Die Bestimmung des § 1442 entspricht dem gemeinen protestantischen Eherechte und der Mehrzahl der neueren Gesetzgebungen (vergl. preuß. A. L. R. II, 1 § 699; nürnb. Ehescheidungsordn. Nr. 25; goth. Eheges. §§ 97, 102;

altenb. Eheordn. § 218; schwarzb.sondersh. Ehescheidungsges. § 2 Nr. 12; frankf. Ges. § 15 Nr. 4; sächs. G. B. § 1735; code civil Art. 231; bad. L. R. Satz 231; Hess. Entw. Art. 82). Die Behandlung dieses Scheidungsgrundes als eines absoluten rechtfertigt sich durch die in der Lebensnachstellung liegende schwere Verletzung des ehelichen Verhältnisses (vergl. die Einleitung oben S. 574). Damit stimmen auch die preuß. Entwürfe über die Ehescheidung überein. Das goth. Eheges. § 97 erkennt auch dann ein unbedingtes Scheidungs­ recht an, wenn ein Ehegatte den Verwandten des anderen Ehegatten in aufund absteigender Linie oder den leiblichen oder Halbgeschwistern des letzteren nach dem Leben trachtet. In Fällen dieser Art kommt cs indessen immer auf

Scheidung wegen 2eben?nachstellung.

588

Scheidung.

Bösliche Verlassung.

§ 1443.

die konkreten Umstände an, um beurtheilen zu können, ob dem betreffenden Ehegatten die Fortsetzung der Ehe nicht ferner zugemuthet werden kann. Richtiger ist es daher, Fälle dieser Art nur dem Prinzipe des § 1444 zu unterstellen.

§ 1443. Scheidung

wegen böslicher Ver­ lassung.

Geltendes Recht.

Während nach katholischem Kirchenrechte wegen böslicher Verlaffung nur auf zeitweilige Trennung von Tisch und Bett erkannt werden kann, ist von dem

gemeinen protestantischen Eherechte und den meisten neueren Gesetzgebungen die bösliche Verlaffung als absoluter Scheidungsgrund anerkannt; doch weichen die einzelnen Rechte, namentlich soviel die Voraussetzungen dieses Scheidungsgrundes betrifft, vielfach von einander ab, und ist von manchen neueren Gesetzgebungen diese Materie in sehr kasuistischer Weise geregelt (vergl. preuß. A. L. R. II, 1 §§ 679 ff. nebst dem preuß. Ausf. Ges. zur C. P. O. v. 24. März 1879 § 5; goth. Eheges. §§ 85 ff.; altenb. Eheordn. §§ 208 ff.; schwarzb.sondersh. Eheschcidungsges. § 2 Nr. 5, 6, §§ 5, 9,11 verb. mit dem Ausf. Ges. zur C. P. O. v. 17. Mai 1879 § 4; frankf. Ges. § 15 Nr. 2; sächs. G. B. §§ 1731, 1732; württemb. Ges. v. 8. August 1875 Art. 7). Der code civil gedenkt der bös­ lichen Verlaffung nicht als eines selbständigen Scheidungsgrundes; doch wird dieselbe von der Jurisprudenz insoweit als Scheidungsgrund anerkannt, als sie sich im gegebenen Falle als injure grave im Sinne des code civil Art. 231 darstellt (vergl. auch Hess. Entw. Art. 82 verb. mit Art. 66 Abs. 2, 3). Das bad. L. R. Satz 232 a bezeichnet ausdrücklich dreijährige Laudflüchtigkeit als selb­ ständigen Scheidungsgrund. Die preuß. Entwürfe über Ehescheidungen haben ebenfalls den landrechtlichen Scheidungsgrund wegen böslicher Verlaffung als absoluten Scheidungsgrund beibehalten und in diesem Punkte die Zustimmung der beiden Häuser des Landtages gefunden. Das gemeine protestantische Eherecht unterscheidet bei der böslichen Ver­ lassung zwischen solchen Fällen, in welchen der Aufenthalt des abtrünnigen Ehegatten unbekannt oder dem richterlichen Arme unerreichbar, und solchen Fällen, in welchen derselbe bekannt und dem richterlichen Arme erreichbar ist. In den Fällen der letzteren Art (der sog. Quasidesertion) ist die Scheidung wegen böslicher Verlaffung nur dann zulässig, wenn die nach vorgängiger Verurtheilung des Ehegatten, welcher den anderen böslich verlaffen hat, zur Her­ stellung des ehelichen Lebens angeordneten Zwangsmittel sich als erfolglos erwiesen haben (vergl. Seuffert III, 67, XIII, 262, 36, XXXIII, 136, XXXV, 295). Auf dem Boden des gemeinen protestantischen Eherechtes stehen in dieser Hinsicht die altenb. Eheordn. §§ 208 ff., das sächs. G. B. § 1731 (vergl. dazu Seuffert III, 67), das goth. Eheges. §§ 101,109 und für das Ausf. Ges. zur C. P. O. für Reuß ä. L. v. 3. Mai 1879 § 13. Nach § 16 Nr. 6 des Eins. Ges. zur deutschen C. P. O. sind die Vorschriften des bürgerlichen Rechtes über die als Vorbedingung einer Ehescheidung anzuordnenden Zwangsmaßregeln durch die Bestimmungen der C. P. O. unberührt geblieben. Andere neuere Gesetzgebungen haben dagegen auch in solchen Fällen, in welchen der Aufenthalt des abtrünnigen Ehegatten bekannt und dem richterlichen Arme erreichbar ist, die vorgängige Anwendung von Zwangsmaßregeln aus-

Lcheidung. Bösliche Sßerlaffung.

§ 1443.

589

geschlossen und sich damit begnügt, zu bestimmen, daß gegen den abtrünnigen Ehegatten vor Erhebung der Scheidungsklage gerichtliche Rückkehrbcfehle erwirkt werden müssen. Zum Theil schreiben sie daneben ausdrücklich vor, daß die bösliche Verlassung nicht schon deshalb als feststehend angenommen werden dürfe, weil der erlaßene Befehl nicht befolgt sei (vergl. preuß. A. L. R. II, 1 §§ 679 ff. und preuß. Ges. für die Provinz Hannover v. 1. März 1869 §§ 31—35 nebst dem preuß. Ausf. Ges. zur C. P. O. v. 24. März 1879 § 5; schwarzb.sondersh. Ehescheidungsges. § 2 Nr. 5, 6, §§ 5, 9 »erb. mit dem Ges. zur C. P. O. v. 17. Mai 1879 § 4; bayr. Ausf. Ges. zur C. P. O. Februar 1879 Art. 89—92 für die Landestheile rechts des Rheins, anhalt.. Ges. zur C. P. O. v. 10. Mai 1879 § 4; vergl. auch Eins. Ges. zur O. § 16 Nr. 6, 8). Einen Mittelweg hat das württemb. Ges. v. 8. August 1875 Art. 7 ein­ geschlagen, indem dasselbe bestimmt, daß, wenn ein Ehegatte mindestens ein Jahr lang nach eingetretener Rechtskraft des Urtheiles, welches ihn zur Her­ stellung des ehelichen Lebens verurtheilt, die eheliche Gemeinschaft verweigert hat, der andere Ehegatte die Scheidung wegen Quasidesertion verlangen kann. In ähnlicher Weise hat der Hess. Entw. Art. 82, 66 Abs. 2, 3 die Scheidung wegen Quasidesertion geregelt. Die Gründe, welche den Entwurf bestimmt haben, im Einklänge mit dem geltenden Rechte die bösliche Verlaffung als absoluten Scheidungsgrund zu behandeln, sind bereits in der Einleitung oben S. 574 dargelcgt. Wie aus § 1443 Abs. 2, 3 mit genügender Deutlichkeit erhellt, soll jedoch nicht jede aus bösem Willen hervorgegangene Verletzung der durch die eheliche Ge­ meinschaft begründeten Pflichten den absoluten Scheidungsgrund der böslichen Verlaffung begründen, sondern nur das eigenmächtige und böslicher Weise er­ folgte Aufgeben der häuslichen Gemeinschaft. Eine sonstige Verletzung der aus der ehelichen Gemeinschaft sich ergebenden Pflichten, insbesondere die Verweigerung der Leistung der 'ehelichen Pflicht (vergl. die Einleitung oben S. 577), soll der Beurtheilung nach Maßgabe des § 1444 unterstellt werden. Anlangend die Voraussetzungen der Scheidung wegen Quasidesertion, so hat der Entwurf sich insofern dem gemeinen protestantischen Eherechte und den auf dem Boden des letzteren stehenden Rechten angeschloffen, als er in diesem Falle die Scheidung von der vorgängigen rechtskräftigen Verurtheilung des renitenten Ehegatten zur Herstellung der häuslichen Gemeinschaft abhängig macht. Abweichend von diesen Rechten, aber in Uebereinstimmung mit dem württemb. Ges. v. 8. August 1875 Art. 7, ist jedoch in Konsequenz der Be­ stimmung des § 774 Abs. 2 der C. P. O. (nach der in der Anmerkung zu § 1276 mitgetheilten neuen Fassung) die Anwendung von Zwangsmaßregeln zur Er­ zwingung der Herstellung der häuslichen Gemeinschaft als Vorbedingung der Scheidung ausgeschlossen. Trotzdem ist das Erforderniß der vorgängigen Ver­ urtheilung zur Herstellung der häuslichen Gemeinschaft nicht ohne praktischen Werth. Die Bedeutung des der Scheidungsklage vorausgehenden kontra­ diktorischen Verfahrens und der Vorzug des letzteren vor den auf einseitigen Antrag zu erlassenden Rückkehrbefehlen besteht darin, daß in jenem Verfahren festgestellt wird, ob die Gründe, ans welchen der andere Ehegatte sich der

Ausf. v. 23. Ausf. C. P.

Standpunkt des Entwurfes.

Quasi­ desertion.

590

Scheidung.

Bösliche Verlassung.

§ 1443.

Herstellung der häuslichen Gemeinschaft widersetzt, gerechtfertigt sind oder nicht, und daß der Beklagte im Falle seiner Verurtheilung sich der Widerrechtlichkeit

Als Ersatz der Zwangsmaßregeln, deren wesentlicher Zweck dahin geht, die Hartnäckigkeit des rechtswidrigen Willens des beklagten Theiles außer Zweifel zu setzen, dient die weitere im § 1443 Abs. 2 aufgestellte Voraussetzung, daß der andere Ehegatte dem rechts­ kräftigen Urtheile ein Jahr lang wider den Willen des die Scheidung ver­ langenden Ehegatten böslicher Weise nicht Folge geleistet hat (vergl. sächs. G. B. § 1731; württcmb. Ges. v. 8. August 1875 Art. 7). Durch diese Art der Regelung in Verbindung mit den Vorschriften der §§ 570—573, 577, 580, 581, 259, 437 der C. P. O. wird der Gefahr, daß der Scheidungsgrimd wegen Quasidesertion von den Ehegatten benutzt wird, um auf diesem Wege die Scheidung auf Grund gegenseitiger Einwilligung herbeizuführen, in wirksamer Weise entgegengetreten. Indem der § 1443 Abs. 2 betont, daß die Scheidung nur zulässig ist, wenn der verklagte Ehegatte wider den Willen des klagenden Ehegatten dem Urtheile während der ganzen Frist keine Folge geleistet hat, wird der Richter darauf hingcwiesen, daß er die Scheidung aus dem hier fraglichen Grunde nur dann aussprcchcn darf, wenn er die Ueberzeugung ge­ wonnen hat, daß das Aufgeben der häuslichen Gemeinschaft von Seiten des Beklagten nicht auf einem Einverständnisse der Ehegatten beruht. Durch das weitere Erforderniß, daß der Beklagte dem Urtheile während der ganzen Frist böslicher Weise keine Folge geleistet hat, wird im Anschlüsse an die in der Wissenschaft und Praxis, wie in den Gesetzgebungen hergebrachten Ausdrucks­ weise das Wesen des hier fraglichen Scheidungsgrundcs, nämlich die aus bösem Willen hervorgegangene Zerreißung der häuslichen Gemeinschaft, in scharfer Weise gekennzeichnet. Den Begriff der böslichen Handlungsweise im Gesetze näher zu bestimmen, ist im Hinblicke darauf, daß dieser Begriff seit langer Zeit in der Wissenschaft und Praxis, wie in der Gesetzgebung ein­ gebürgert ist, nicht erforderlich (vergl. Entsch. d. R. G. in Civils. XV, 43; Urth. d. R. G. bei Gruchot XXX S. 851 ff., Seuffert XLII, 35, 303). Insbesondere kann es einem Zweifel nicht unterliegen, daß von einer böslichen Handlungsweise des zur Herstellung des ehelichen Lebens verurtheilten Ehe­ gatten nicht die Rede sein kann, wenn nach dem Urtheile während der Frist solche neue Thatsachen entstehen, welche auch ohne richterliche Gestattung das fernere Getrenntleben rechtfertigen (vergl. §§ 1272, 1273) oder wenn der verurtheilte Ehegatte auch nur in dem guten Glauben war, daß nach dem Urtheile während der Frist ein neuer das Aufgcben der häuslichen Gemein­ schaft rechtfertigender Grund cingetrcten sei (vergl. Seuffert XVI, 54, XXI, 239, XXXIII, 137, XLII, 303; Entsch. d. R. G. in Civils. XV, 40, XVII, 50, 97, XVIII, 46 S. 227 ff.; Urth. d. R. G. bei Gruchot XXX S. 851 ff.). Die im preuß. A. L. R. II, 1 § 687 und einzelnen anderen neueren Gesetzgebungen (goth. Ehcges. § 93; schwarzb.sondersh. Ehescheidungsges. § 2 Nr. 6) sich findende, an eine ältere gemeinrechtliche Theorie (vergl. Entsch. d. N. G. in Civils. XVIII, 46 S. 231) sich anschließende Bestimmung, daß, wenn die Ehefrau sich eigenmächtig und ohne rechtmäßigen Grund von dem Eheseiner fortgesetzten Weigerung bewußt wird.

Scheidung.

Bösliche Derlassung.

§ 1443.

591

manne getrennt hat, der letztere dieselbe nicht eher wieder aufzunehmen braucht, als bis sie ihren inzwischen geführten unbescholtenen Lebenswandel durch glaub­ hafte Zeugnisse nachgewiesen hat, ist im Einklänge mit den von den beiden Häusern des preuß. Landtages in diesem Punkte gebilligten preuß. Entwürfen

nicht ausgenommen. Sic führt, wenn die Ehefrau jenen Nachweis nicht zu führen vermag, entweder zu einer Scheidung wegen bloßen Verdachtes der Untreue oder gegen den Willen der Ehefrau zu einer dauernden faktischen Auf­ hebung der häuslichen Gemeinschaft und kann für die unschuldige Ehefrau eine große Härte mit sich bringen. Auf der anderen Seite gewährt sie den Ehegatten ein bequemes Mittel der Kollusion.

Nach der in der gemeinrechtlichen Doktrin und Praxis vorwiegend ver- Herstellung tretenen Ansicht setzt die Scheidung wegen böslicher Verlassung nicht nur vor- XSrfraf"

aus, daß der verklagte Ehegatte die häusliche Gemeinschaft wider den Willen des anderen Ehegatten böslicher Weise aufgegeben hat, sondern cs ist weiter erforderlich, daß derselbe noch während des Scheidungsverfahrens bei seiner Weigerung, die häusliche Gemeinschaft herzustellen, beharrt. Die Scheidungs­ klage wegen böslicher Verlassung erledigt sich daher, wenn der verklagte Ehe­ gatte vor dem Urtheile die häusliche Gemeinschaft herstellt oder — was jedoch von Manchen nicht als ausreichend erachtet wird — die häusliche Gemeinschaft

herzustellcn ernstlich sich erbietet (vcrgl. Seuffert III, 67, XIII, 36, XXXIII, 136). Auf demselben Boden steht das sächs. G. B. § 1732. Diese Art der Regelung hängt mit der Auffassung zusammen, daß das absolute Recht der Scheidung wegen böslicher Verlassung nicht, wie dies bei den anderen Scheidungs­ gründen der Fall ist, lediglich auf ein in der Vergangenheit liegendes Ver­ schulden des anderen Ehegatten, sondern auf die gegenwärtig noch fortdauernde eigenmächtige und bösliche Zerreißung der häuslichen Gemeinschaft sich gründet

und nur als Ersatz der mangelnden Erzwingbarkeit der Herstellung der häus­ lichen Gemeinschaft anzusehen ist. Dagegen liegt dem preuß. A. L. R. die auch der franz. Jurisprudenz (vergl. oben S. 588) nahestehende Auffassung zu Grunde, daß, wenn ein Ehegatte den anderen Ehegatten böslich verlassen und dem Rückkehrbefehle keine Folge geleistet hat, durch das in der Vergangenheit liegende schuldvolle Verhalten desselben die Ehe wie durch Ehebruch als ge­ brochen anzusehen und ein wohlerworbenes Recht des anderen Ehegatten auf Scheidung begründet worden ist, welches zwar durch Verzeihung des letzteren, nicht aber dadurch beseitigt werden kann, daß der verklagte Ehegatte noch vor dem Urtheile zurückkehrt und, wenn auch in ernstlicher Absicht, zur Fortsetzung der häuslichen Gemeinschaft sich bereit erklärt (vergl. Urth. d. R. G. bei Gruchot XXIV S. 495). Der Entwurf hat sich, wie die Fassung des § 1443 Abs. 2 ergiebt, der letzteren Auffassung angeschlossen. Für die erstere Auf­ fassung läßt sich allerdings das Interesse thunlichster Aufrechterhaltung der Ehe, sowie der Gesichtspunkt geltend machen, daß nach dem Wegfalle des Zwangsverfahrens der Beweis der Hartnäckigkeit des bösen Willens des renitenten Ehegatten durch das der Scheidung vorhergehende Verfahren nicht mehr in so sicherer Weise erbracht, außerdem dem verklagten Ehegatten durch die Möglichkeit, das Recht des klagenden Ehegatten durch ernstlich gemeinte Fortsetzung der häuslichen Gemeinschaft zu beseitigen, ein Mittel gewährt werde.

001 bent

592

Scheidung.

Bösliche Verlaffung.

§ 1443.

ihn des oft schwierigen Beweises seiner Entschuldigungsgründe zu überheben. Auf

der anderen Seite kommt aber in Betracht, daß der Standpunkt des gemeinen protestantischen Eherechtes und des sächs. G. B., nach welchem der Scheidungs­ prozeß wegen böslicher Verlassung, näher betrachtet, sich nur als eine Fortsetzung des Prozesses wegen Herstellung der häuslichen Gemeinschaft darstellt und bei dem klagenden Ehegatten nur ein eventueller Scheidungswille vorausgesetzt wird, mit den gegenwärtigen Anschauungen des praktischen Lebens und der gegenwärtigen Gestaltung des in festen Formen und Abschnitten sich bewegenden Prozeß­ verfahrens nicht im Einklänge steht und insbesondere deshalb zu praktischen Schwierigkeiten und Unzuträglichkeiten, sowie zu einer Beeinträchtigung des Rechtes des klagenden Ehegatten führt, weil der Richter mit Sicherheit nie fest­ zustellen vermag, ob die erst jetzt erfolgenden Schritte des verklagten Ehegatteir zum Zwecke der Herstellung der häuslichen Gemeinschaft in der That ernstlich gemeint sind. Zudem darf, wenn die Voraussetzungen des § 1443 Abs. 2 erfüllt sind, mit Recht angenommen werden, daß das Vertrauen des klagenden Ehe­ gatten auf eine dem Wesen der Ehe entsprechende Fortsetzung der Ehe mit dem anderen Theile in so hohem Maße erschüttert ist, daß ihm die Fortsetzung der Ehe mit demselben nicht mehr zugemuthet werden kann. Sollte aber in Folge des Erbietens des verklagten Ehegatten zur Fortsetzung der häuslichen Gemein­ schaft der Richter nach Lage der Sache die Aussöhnung der Parteien für nicht unwahrscheinlich erachten, so kann er nach § 580 der C. P. O. von Amts­ wegen zunächst die Aussetzung des Verfahrens anordnen. Eigentliche Der § 1443 Abs. 3 behandelt den Fall der eigentlichen Desertion, d. h. Desertion.

den Fall, in welchem der Aufenthalt des entwichenen Ehegatten unbekannt oder unerreichbar ist und deshalb der letztere nur durch öffentliche Zustellung (§ 186 der C. P. O.) geladen werden kann. In Uebereinstimmung mit dem geltenden Rechte ist in diesem Falle eine vorgängige Verurtheilung des ent­ wichenen Ehegatten zur Herstellung der häuslichen Gemeinschaft nicht erforderlich. Durch das Erforderniß einer solchen Verurtheilung würde hier in vielen Fällen die Sache ohne Noth verzögert werden, da bei der Ungewißheit, ob dem verurtheilten Ehegatten das Urtheil wirklich bekannt geworden ist, der Zweck jenes Erfordernisses, außer Zweifel zu setzen, daß die Fortdauer der Trennung auf dem bösen Willen jenes Ehegatten beruht, nicht erreicht werden kann. In dem hier in Rede stehenden Falle muß es vielmehr genügen, wenn in dem Ehescheidungsprozesse der Nachweis geführt wird, daß der beklagte Ehegatte in der Absicht, den anderen Ehegatten böslicher Weise zu verlassen, wider dessen Willen die häusliche Gemeinschaft aufgegeben oder herzustellen unterlassen hat und von dieser Zeit an sowie seit dem Eintritte der Voraussetzungen der öffentlichen Zustellung mindestens ein Jahr verstrichen ist. Das dem geltenden Rechte entsprechende Erforderniß, daß der Zustand der Abwesenheit des ent­ wichenen Ehegatten in unbekannter oder unerreichbarer Ferne während der ganzen Frist gedauert haben muß, daß mithin die Voraussetzungen der öffent­ lichen Zustellung nicht nur zur Zeit der Erhebung der Scheidungsklage be­ gründet, sondern während der ganzen Dauer der Frist vorhanden gewesen sein müssen (vergl. preuß. A. L. R. II, 1 §§ 688 ff.; goth. Ehegcs. §§ 85—87, 192, 193; schwarzb. sonderst). Ehescheidungsges. § 2 9ir. 7, § 11) macht es

Lchcidung.

Trennung v. Tisch u. Bett. Clausula generalis. § 1444.

593

ferner entbehrlich, hier, wie in dem Falle des § 1443 Abs. 2, auch den Nach­

weis zu verlangen, daß die Absicht der böslichen Verlassung während der ganzen Frist fortgedauert habe; ein solcher Nachweis kann hier um so weniger verlangt werden, als die nach der Entweichung in der Person des entwichenen Ehegatten eingetretenen Verhältnisse sich regelmäßig überhaupt nicht er­ mitteln lassen. Die Festsetzung der Frist auf die Dauer eines Jahres steht mit der Mehrzahl der bestehenden Rechte im Einklänge (vergl. preuß. A. L. N. II, 1 §§ 690, 693; preuß. Ges. für die Provinz Hannover v. 1. März 1869 § 33; schwarzb.sondersh. Ehescheidungsges. §11; sächs. G. B. § 1731; anhalt. Ausf. Ges. v. 10. Mai 1879 § 4; vergl. auch bayr. Ges. v. 23. Februar 1879 zur Ausführung der C. P. O. für die Landestheile rechts des Rheins Art. 90). Da der Grund, aus welchem der Entwurf in dem Falle des § 1443 Abs. 3 von dem Erfordernisse der vorgängigen Verurtheilung des entwichenen Ehegatten zur Herstellung der häuslichen Gemeinschaft absieht, wesentlich in der Ungewißheit liegt, ob das Urtheil dem verurtheilten Ehegatten überhaupt bekannt werden wird, andererseits aber die vorgängige Verurtheilung zur Her­ stellung der häuslichen Gemeinschaft eine größere Garantie gewährt, daß die Scheidung wegen böslicher Verlassung nur dann erfolgt, wenn die Voraus­ setzungen der letzteren in Wirklichkeit vorhanden sind, so empfiehlt es sich, im Anschlüsse an eine ähnliche Bestimmung des preuß. Gesetzes für die Provinz Hannover v. 1. März 1869 § 33 (vergl. auch § 69 der durch das preuß. Ausf. Ges. zur C. P. O. v. 21. März 1879 § 5 aufgehobenen prenß. Verordn, v. 28. Juni 1844) die Scheidung im Falle des § 1443 Abs. 3 für unzulässig zu erklären, wenn in der ersten Instanz oder in der Berufungsinstanz zur Zeit der mündlichen Verhandlung, auf welche das Urtheil zu erlassen ist, die Vor­ aussetzungen der öffentlichen Zustellung nicht mehr vorliegen (§ 1443 Abs. 3 Satz 2). Um jedoch eine Vervielfältigung der Eheprozesie zu vermeiden, be­ stimmt der § 1443 Abs. 3 Satz 3, daß der Kläger in einem solchen Falle, ohne daß es der Erhebung einer neuen Klage bedarf, die Verurtheilung des Beklagten zur Herstellung der häuslichen Gemeinschaft beantragen kann. Jnr Hinblicke auf die Streitfragen, welche über die Tragweite des § 574 Abs. 1 der C. P. O. in der Richtung bestehen, ob und inwieweit der letztere nicht nur die Geltendmachung neuer Klaggründc, sondern auch die Aenderung des Klag­ antrages gestattet und ob derselbe auch für die Berufungsinstanz gilt (vergl. darüber Entsch. d. R. G. in Civils. VIII, 98, XI, 83, XV, 68; Seuffert XXXVII, 274, 275, XXXVIII, 364, XLI, 152), ist es als nothwendig er­ achtet, jene Bestimmung ausdrücklich aufzunehmen.

§ 1444. Die Gründe, welche den Entwurf bestimmt haben, abgesehen von den Fällen der §§ 1441—1443, nur relative Scheidungsgründe anzuerkennen und die letzteren nicht einzeln zu bezeichnen, sondern auf ein gemeinsames Prinzip zurückzuführen, sind bereits in der Einleitung oben S. 572 ff. dargelegt; da­ gegen ist dort die Rechtfertigung des im § 1444 zum Ausdrucke gelangten Prinzipes seinem näheren Inhalte nach den Motiven zu § 1444 vorbehalten. Motive z. bürgerl. Gesetzbuch. IV.

38

R-iativ-

594 Prinzip.

Scheidung.

Trennung L\ Tisch u. Bett. Clausula generalis. § 1444.

Da der Ehebruch als absoluter und wichtigster Grund der Scheidung bezw. der beständigen Trennung von Tisch lind Bett von allen Rechten und die bösliche Vcrlassung wenigstens von der großen Mehrzahl der Rechte als absoluter Scheidungsgrund anerkannt ist, so liegt cs nahe, nach dem Vorgänge

des gemeinen protestantischen Ehcrcchtcs von diesen Schcidungsgründcn den Ausgangspunkt zu nehmen, den diesen Scheidungsgründen zu Grunde liegenden Gedanken auf ein gemeinsames Prinzip zurückzuführcn und letzteres im Gesetze als Rcchtsatz hinzustellen. Auf diesem Wege ist jedoch zu einem dem praktischen Bedürfnisse genügenden Prinzipe nicht zu gelangen. Legt mail bei dem Ehe­ brüche das entscheidende Gewicht darauf, daß durch denselben die im Wesen der Ehe begründete Ausschließlichkeit der Geschlechtsgemeinschaft unwiederbringlich zerstört wird, so kann, von den in den §§ 171, 175 des Str. G. B. bezeichneten Handlungen abgesehen, von einer analogen Ausdehnung der Scheidung wegen Ehebruches überhaupt nicht die Rede sein, da das hervorgehobene Moment auf andere Verletzungen der ehelichen Pflichten, so schwer sie auch sein mögen, nicht paßt. In allen anderen Fällen kann das zerstörte eheliche Verhältniß doch immer noch durch Besserung und Reue wieder in den vorigen Stand ge­ setzt ivcrdcn; wenigstens ist kein wesentliches Element der Ehe zerstört. Eben­ sowenig führt die Analogie der böslichen Vcrlassung zu einer Erweiterung der Scheidungsgründe, wenn man das entscheidende Gewicht darauf legt, daß der eine Ehegatte dem anderen Theile durch seine Eigenmacht und seinen bösen Willen das eheliche Zusammenleben unmöglich macht. Rur etwa die hart­ näckige Verweigerung der ehelichen Pflicht könnte von diesem Gesichtspunkte aus als ein analoger Scheidungsgrund angesehen werden. Sieht man dagegen den entscheidenden Grund, auf welchem die Anerkennung des Ehebruches und der böslichen Vcrlassung als Scheidungsgründe beruht, darin, daß dieselben sich als aus bösem Willen hcrvorgegangcue, unmittelbare und schwere Ver­ letzungen ehelicher Pflichten darstellen, so läßt sich aus der Analogie jener Schcidungsgründe das umfassendere Prinzip ablcitcn, daß die Scheidung auch in allen solchen Fällen zulässig ist, in welchen ein Ehegatte durch schwere Ver­ letzung der ihm obliegenden ehelichen Pflichten eine so tiefe Zerrüttung des ehe­ lichen Verhältnisses verschuldet hat, daß dem anderen Ehegatten die Fortsetzung der Ehe nicht zugcmuthet werden kann. Es läßt sich nicht verkennen, daß durch dieses Prinzip viele der in den bestehenden Rechten anerkannten, auf einem Verschulden beruhenden Scheidungsgründe, sofern sic im konkreten Falle die bezeichneten Wir­ kungen haben, gedeckt werden, namentlich Mißhandlungen (vergl. oben S. 575), gefährliche Drohungen (schwarzb.sonderst). Ehescheidungsges. §2 Nr. 13; altenb. Eheordn. §§ 219, 220), Ehrcnkränkungcn (preuß. A. L. R. II, 1 §§ 700—702, vergl. dazu Urth. d. R. G. bei Gruchot XXXI S. 987 ff.; nürnb. Ehcscheidungsordn. Nr. 25, 27 goth. Eheges. §§ 98, 100; schwarzb. sonderst). Ehescheidungsges. § 2 Nr. 14; frankf. Ges. § 15 Nr. 8; code civil Art. 231; heff. Entw. Art. 82), falsche Anschuldigung (Entsch. d. R.G. IV, 104 S. 380; preuß. A. L. R. II, 1 § 705; nürnb. Ehescheidungsordn. Nr. 25; goth. Eheges. § 123; schwarzb. sonderst). Ehescheidungsges. § 2 Nr. 14), Unverträglichkeit und Zanksucht des einen Theiles, welche sich in vorsätzlichen, das Leben oder die Gesundheit des anderen Theiles gefährdenden Handlungen äußern (preuß.

Scheidung. Trennung V. Tisch u. Bett. Clausula generalis. § 1444.

595

A. ü. R. II, 1 § 703; niiritb. EheschciduilgSordn. Nr. 28; goth. Ehegcs. § 00), absichtliche Entziehung des Unterhaltes (preuß. A. L. N. II, 1 § 713), sowie hartnäckige Verweigerung der ehelichen Pflicht (vergl. oben S. 577). Es mag ferner zuzugcben sein, daß, wenn man lediglich die Natur der Ehe als eines Rechtsverhältnisses ins Auge faßt, die rein juristische Betrachtung nicht über jenes Prinzip hinaus führt. Allein gegen die Beschränkung auf dieses Prinzip fällt entscheidend ins Gewicht, daß dasselbe dem geltenden Rechte und dem Bedürfnisse des praktischen Lebens nicht genügend Rechnung trägt, zumal nach dem Entwürfe die Zahl der absoluten Scheidungsgründc nur eine sehr be­ schränkte ist. Insbesondere werden durch jenes Prinzip diejenigen von den meisten neueren Gesetzgebungen und überwiegend auch von der gemeinrecht­ lichen Praxis als Scheidungsgründe anerkannten Fälle nicht umfaßt, in welchen ein Ehegatte wegen Verbrechen oder Vergehen, welche er nach Schließung der Ehe begangen hat, zu längerer Freiheitsstrafe vernrthcilt ist (vergl. die ‘ Einleitung oben S. 576). Ebensowenig fallen unter jenes Prinzip solche Fälle, in welchen ein Ehegatte sich sonst eines ehrlosen oder eines unsittlichen Verhaltens schuldig macht, z. B. durch die Ergreifung eines schimpflichen Gewerbes, durch unverbesserliche Trunksucht u. s. w. (vergl. preuß. A. L. R. II, 1 §§ 707—710, 695; nürnb. Ehescheidungsordn. Nr. 29, 36, 38; goth. Eheges. §§ 105, 112, 124, 128; schwarzb. sondersh. Ehescheidungsges. § 1 Nr. 4, § 2 Nr. 8—10, 15, 16; frankf. Ges. § 15 Nr. 6; sächs. G. B. §§ 1733, 1734). Es ist aber, wenn man diese sittliche Seite der Ehe ins Auge faßt, nicht zu verkennen, daß ein Ehegatte auch durch unsittliches oder ehrloses Verhalten, insbesondere durch entehrende Verbrechen oder Vergehen, welche er nach Schließung der Ehe begangen hat, eine so tiefe Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses herbeizuführcn vermag, daß dem anderen Ehegatten die Fort­ setzung einer so innigen Gemeinschaft, wie der Ehe, nicht zugemuthet werden kann. Verletzt der Ehegatte in solchen Fällen auch direkt keine aus der Ehe fließenden Rechtspflichten, so legt er doch durch ein solches Verhalten gegen­ über dem anderen Ehegatten eine mit dem Wesen der Ehe nicht vereinbare Lieblosigkeit und Rücksichtslosigkeit an den Tag. Das Prinzip des § 1444 führt im Wesentlichen zu demselben Resultate, wie die Bestimmungen der preuß. Entwürfe über Ehescheidung. Die letzteren unterscheiden sich in der Hauptsache nur dadurch, daß sie die einzelnen auf Verschuldung beruhenden relativen Scheidungsgründe spczialisiren und bei diesen die Analogie des Ehebruches und der böslichen Verlasiung in der Weise verwerthen, daß die relativen Scheidungsgründc nur dann zur Scheidung führen sollen, wenn durch die Schuld des Beklagten die Ehe in nicht minderem Grade als durch Ehebruch oder durch bösliche Verlasiung zerrüttet worden ist. Die Herein­ ziehung dieser beiden Scheidungsgründe zum Zwecke der Vergleichung ist aber besser zu vermeiden, da, wenn man bei denselben das entscheidende Gewicht darauf legt, daß durch dieselben die Ausschließlichkeit der Geschlechtsgemein­ schaft unwiederbringlich zerstört bezw. das eheliche Zusammenleben eigenmächtig und durch bösen Willen verhindert wird, die Analogie, wie bereits oben S. 594 hervorgehobcn wurde, für die anderen Scheidungsgründe nicht paßt, soweit aber die Hercinziehung jener Scheidungsgründc zum Zwecke der Ver33 *

596

L-chcidung. Trennung v. Tisch u. Bett. Clausula generalis. § 1444.

glcichung auf dem Gedanken beruht, das; dem anderen Theile mit Rücksicht

auf die objektive Schwere des Schcidungsgrundeö und das bei demselben zu Tage tretende Maß des subjektiven Verschuldens die Fortsetzung der Ehe entschuldbarerwcisc unerträglich geworden sein muß, dieser Gedairke durch die im § 1444 erfolgte Präzisirung des. Prinzipes klarer und direkter zum Ausdrucke

gelangt. Aus dem Prinzipe der Relativität, wie dasselbe im § 1444 Abs. 1 näher präzisirt ist, ergiebt sich von selbst, daß der Richter bei der Entscheidung der Frage, ob die Ehe auch vom subjektiven Standpunkte des klagenden Ehegatten aus als eine zerrüttete anzusehen ist und dem letzteren die Fortsetzung derselben nicht zugcmuthct werden kann, namentlich auch solche Thatsachen zu berücksichtigen hat, aus welchen hervorgeht, daß der klagende Ehegatte der das Recht der Scheidung an sich begründenden Handlung zugcstimmt oder sich der Theilnahme an derselben schuldig gemacht hat. Das Prinzip der Relativität macht in Ansehung

der unter die Bestimmung des § 1444 Abs. 1 fallenden Scheidungsgründc eine besondere Bestimmung, wie sie im § 1441 Abs. 2 im Hinblicke auf die im § 1441 Abs. 1 bezeichneten absoluten ScheidungSgründe getroffen werden mußte, entbehrlich. Andererseits bedarf es aber auch nicht der besonderen Her­ vorhebung, daß das Recht eines Ehegatten, wegen eines unter § 1444 Abs. 1 fallenden Scheidungsgrundcs die Scheidung zu verlangen, dadurch nicht ausgcschloffen wird, daß dem anderen Ehegatten ein gleiches Recht zusteht; denn die Zulässigkeit der Kompensationseiurcdc setzt wegen ihres positiven Karaktcrs eine besondere Bestimmung voraus, in Ermangelung einer solchen ist daher diese Einrede unzulässig. Die Gründe, welche den Entwurf bestimmt haben, diese Einrede auch bei den absoluten Scheidungsgründen nicht zu ge­ statten, sind bereits in den Motiven zu § 1441 oben S. 585 ff. dargelegt. In­ dessen kann der Umstand, daß auch der Kläger seinerseits sich einer unter den § 1444 fallenden Handlung schuldig gemacht hat, auf die Beurtheilung der Zulässigkeit der Scheidung insofern von Einfluß sein, als das eigene schuldvolle Verhalten des Klägers unter Umständen den Schluß rechtfertigen wird, daß die der Klage zu Grunde liegenden Thatsachen, vom subjektiven Standpunkte des Klägers aus betrachtet, nicht geeignet sind, seine eheliche Ge­ Besonders hervor­ gehobene Fälle.

sinnung zu zerstören und ihm die Fortsetzung der Ehe unerträglich zu machen. Von den unter das Prinzip des § 1444 fallenden Scheidungsgründen hebt der Entwurf mit Rücksicht auf das bestehende Recht und auf die praktische Wichtigkeit als besonders bezeichnende Fälle einerseits schwere Mißhandlungen, andererseits die Begehung eines entehrenden Verbrechens oder Vergehens hervor. Selbstverständlich ist dadurch nicht ausgeschloffen, daß unter Um­

ständen die Scheidung nach Maßgabe des § 1444 auch wegen einer nicht schweren Mißhandlung oder wegen eines nicht entehrenden Verbrechens oder Vergehens zulässig sein kann. Abweichend von den neueren Gesetzgebungen legt übrigens der § 1444,

soviel die Scheidung wegen eines nach Eingehung der Ehe von einem Ehe­ gatten begangenen Verbrechens oder Vergehens betrifft, das entscheidende Gewicht nicht auf die Verurtheilung zu einer bestimmten Freiheitsstrafe oder zum Verluste der bürgerlichen Ehrenrechte, sondern, entsprechend der ratio

Scheidung. Trennung v. Tisch u. Bett. Clausula generalis. § 1444.

597

Schcidungsgrmides, auf den thatsächlich entehrenden Karakter der Handlung und die durch die letztere an den Tag tretende ehrlose Gesinnung, da vorzugsweise diese Momente cs sind, welche dem anderen Ehegatten die Fort­ setzung der Ehe unerträglich machen können (vergl. wegen des Ausdruckes „entehrende Verbrechen oder Vergehen" Ges., bctr. die Errichtung eines obersten Gerichtshofes für Handelssachen, v. 12. Juli 1869 § 23; G. V. G. § 128). Liegen die Voraussetzungen eines relativen Scheidungsgrundes nach Maß- ^Vorgängig­ gabe des § 1444 Abs. 1 vor, so soll dennoch der andere Ehegatte regelmäßig Tgch"u.B-tt" dieses

zunächst nur die Trcnnling von Tisch und Bett zu verlangen berechtigt sein. Es steht diese Bestimmung mit der Relativität der Schcidungsgründe in engem Zusammenhänge. Bei den relativen Scheidungsgründen ist die Sachlage häufig eine solche, daß dem klagenden Theile nach den Verhältnißen, wie sic gegen­ wärtig liegen, die Fortsetzung der Ehe nicht zugemuthet werden kann, die Hoffnung e 5uft (§ 155) zu ersetzen (vergl. auch sächs. G. B. §§ 1719, 1728, 1739). Da jenes Recht sich nicht als ein Anspruch darstcllt, so können die Grundsätze über die Anspruchsvcrjährung, welche allerdings gemeinrechtlich (vergl. Seuffcrt XXX, 188) und überwiegend auch nach franz. Rechte (code civil Art. 2262) für anwendbar gehalten werden, nach § 154 keine Anwendung finden.

Aber auch abgesehen davon würden jene Grundsätze im Hinblicke darauf, daß nach § 182 Abs. 1 die Verjährung nur eine Einrede begründet, auf welche verzichtet werden kann, zu einem dem Wesen der Ehe und des Schcidungsrechtcs unangemessenen Resultate führen. Indessen sprechen die Gründe, auf welchen das Institut der Anspruchsverjährung beruht, dafür, eine an die ordentliche Verjährungsfrist sich anschließende Präklusivfrist von dreißig Jahren festzusctzen, damit rücksichtlich so weit zurückliegender That­ sachen der Streit darüber abgeschnittcn wird, ob und wann der Berechtigte von dem Scheidungsgrunde Kenntniß erlangt hatte. Die zur Milderung der mit einer Präklusivfrist verbundenen scharfen Hemmung -e. Wirkungen dienende Vorschrift des § 1447 Abs. 3 entspricht dem § 1264 Abs. 2 (vergl. die Motive zu § 1264 oben S. 93 ff.). Durch die Bestimmung des § 1447 Abs. 4 Satz 1 wird, soviel die Klage Ladung auf Scheidung und auf Trennung von Tisch und Bett betrifft, die Vorschrift ^""ermin"°° des § 571 Abs. 2 der C. P. O. ersetzt. Der Zusatz im § 1447 Abs. 4 Satz 2, daß die Ladung zum Sühnetermine ihre Wirkung verliert, wenn nicht binnen

drei Monaten seit der Beendigung des Sühnetermincs die Klage erhoben ist, beruht auf der Erwägung, daß ohne diese Bestimmung der berechtigte Ehegatte, wenn er durch die Ladung zum Sühnetcrmine die im § 1447 Abs. 1, 2 be­ zeichneten Fristen gewahrt hat, es in der Hand haben würde, die Klage, sofern dieselbe nicht nach § 1446 durch Verzeihung ausgeschlossen sein sollte, noch nach beliebig langer Zeit zu erheben, ein Resultat, welches mit dem Wesen der Ehe unvereinbar ist. Für den Fall dagegen, wenn die Fristen des § 1447 Abs. 1, 2 durch Erhebung der Klage gewahrt sind, bedarf es einer weiteren Bestimmung nicht, um zu verhindern, daß der Zweck der Präklusivfrist vereitelt werde. Nimmt der Kläger die Klage zurück, so gilt dieselbe nach § 243 Abs. 3 der C. P. O. als nicht erhoben und ist deshalb die Präklusivfrist nicht durch die zurückgcnommene Klage gewahrt. Läßt der Kläger die Klage liegen, so ist der Beklagte in der Lage, den Prozeß weiter zu betreiben. Wird die Klage

wegen Mangels einer Prozcßvoraussetznng abgewiesen, so fehlte es überhaupt

606

Scheidung.

Trennung v. Tisch u. Bett.

Ausschließung.

§ 1448.

an einer zur Durchführung des Scheidungsrechtcs und zur Wahrung der Frist geeigneten Klage (vergl. § 171 Abs. 1). Erfolgte die Abweisung der Klage wegen ungenügender Substantiirung — sofern eine solche Abweisung nach den Vorschriften der C. P. O. überhaupt noch vorkommen kann (vergl. Entsch. d. R. G. in Civils. VI, 107, IX, 120 S. 418) —, so schützt gegen eine Wieder­ holung der Klage die Vorschrift des § 576 der C. P. O. Einfluß der Der den Vorschriften der §§ 574, 576 der C. P. O. zu Grunde liegende «uf^die Frise Gedanke, daß durch die Erhebung einer auf einen bestimmten Scheidungs- oder Trcnnungsgrund gestützten Klage (§ 592 der C. P. O.) gleichwohl das eheliche Verhältniß in seiner Totalität zum Gegenstände des Prozesses gemacht wird, führt konsequent zu der Bestimmung des § 1447 Abs. 5 (vergl. Entsch. d. R. G. in Civils. XV, 68). Dieselbe ist namentlich im Hinblicke auf solche

Fälle als angemessen zu erachten, in welchen ein Ehegatte ein beachtenswerthes Interesse daran hat, gewisse Scheidungsgründc in dem Prozesse vorlüustg zu verschweigen.

§ 1448. Benutzung geschü-flenen Scheidungsgrundes.

Wenngleich die Bestimmung des § 1448 als selbstverständlich betrachtet werden könnte, weil in dem vorausgesetzten Falle der ausgeschlossene Scheidungsoder Trennungsgrund nicht als selbständige rcchtserzeugende Thatsache, sondern nur jUr Karakterisirung und zum Beweise eines neuen Scheidungs- oder Trennungsgrundcs in Betracht t'omint (vergl. Scuffert VIII, 267, XII, 37), so ist es doch wegen der praktischen Wichtigkeit der Frage und zum Zwecke der Beseitigung von Zweifeln, welche aus dem Schweigen des Gesetzes sich ergeben könnten, nach dem Vorgänge anderer Gesetzgebungen (code civil Art. 273; bad. L. R. Satz 273; Hess. Entw. Art. 85) als rathsam erachtet, jene Bestimmung aufzunehmen. Durch die allgemeine Fassung des § 1448 werden sowohl die Fälle, in welchen das Recht, die Scheidung zu verlangen, durch Verzeihung oder Zeitablauf (§§ 1446, 1447), als auch der Fall, in welchem jenes Recht in Gemäßheit des § 576 der C. P. O. ausgeschlossen ist (vergl. die neue Fassung des § 576 der C. P. O. in der Anm. zu dem Unterabschnitte „IV. Ungültigkeit der Ehe" unter II, 5), gedeckt.

§ 1449. Entscheidung Schuidsrnge

Die mit bcii meisten geltenden Rechten im Einklänge stehende Bestimm ung des § 1449 Satz 1, daß der Richter in dem Urtheile, durch tvelchcö auf Scheidung erkannt wird, von Amtswegen sich darüber aussprechcn muß, wer der schuldige Theil sei (vergl. Scuffert XLI, 1; prcuß. A. L. R. II, 1 §§ 745 ff.; preuß. Ges. für die Provinz Hannover v. 1. März 1869 § 27; nürnb. Ehescheidungsordn. Nr. 56; goth. Ehcges. § 154; schwarzb. sonderst). Ehescheidungsges. § 15), ist mit Rücksicht darauf geboten, daß die zivilrecht­ lichen Wirkungen der Scheidung, je nachdem nur der eine Ehegatte oder jeder der Ehegatten der schuldige Theil ist, in mehrfacher Beziehung sich verschieden gestalten (vergl. §§ 1453, 1454, 1456). Da aber nach § 1461 in Verbindung mit § 1456 die Schuldfragc auch in dem Falle von Bedeutung ist, wenn nur

Lchcidung.

Trennung v. Tisch u. Bctt.

Schuldfrnge.

§ 1449.

607

auf Trennung von Tisch und Bctt erkannt wird, so ist cs erforderlich, daß

auch bereits in dem Trcnnungsnrthcile (§ 1444) über die Schuldfragc ent­ schieden wird. Vom Standpunkte des Entwurfes aus, welcher das Trennungsurtheil materiell als bedingtes ScheidungSurtheil behandelt (vcrgl. § 1445 nebst Motiven oben S. 599 ff.), kann dies einem Bedenken nicht unterliegen. Insbesondere ist nicht zu besorgen, daß dadurch der Zweck der Trennung von Tisch und Bett, eine Aussöhnung unter den Ehegatten hcrbeizuführen, ge­ fährdet werden kann, da es sich nur darum handelt, in dem Trennungsurthcile dasjenige formell anszusprechen, was materiell in demselben als einem bedingten Scheidungsurtheile nothwendig enthalten ist. Eine nochmalige materielle Prüfung und Entscheidung derselben Frage wird dadurch nicht ver­ anlaßt. Nur in Ansehung des Klägers kann in dem Prozesse über die auf Grund des § 1445 erhobene Scheidungsklage eine selbständige Prüfung und Entscheidung der Schuldfrage erforderlich werden, wenn in dem Trennungs­ urtheile allein der Beklagte für den schuldigen Theil erklärt worden ist, derselbe aber von dem ihm nach § 1449 Satz 2 zustehendcn Rechte Ge­ brauch macht. Da der Entwurf nur solche Scheidungs- und Trcnnungsgründe kennt, Ablehnung welche auf einem Verschulden beruhen, so crgicbt sich von selbst, daß, wenn Abwägungsauf Scheidung oder Trennung von Tisch und Bett erkannt wird, der Ehegatte, iyst°m-r. gegen welchen die Klage erhoben ist, für den schuldigen Theil, und wenn ein jeder der Ehegatten auf Scheidung oder Trennung von Tisch und Bctt ge­ klagt hat und beide Klagen für begründet erachtet werden, jeder Ehegatte für den schuldigen Theil erklärt werden muß. Das dem preuß. A. L. R. II, 1 §§ 746—750, der nürnb. Ehcscheidungöordn. Nr. 56 ff. und dem goth. Ehegcs. §§ 155—157 zu Grunde liegende Abwägungssystem, nach welchem, wenn beide Theile sich gegenseitiger Vergehungen schuldig gemacht haben, in dem Urtheile zu bestimmen ist, ob und bei welchem Theile das Uebergewicht der Schuld obwaltet und nach welchem nur derjenige Theil, welchem ein Ueber« gewicht der Schuld zur Last fällt, die den schuldigen Theil treffenden be­ sonderen Nachtheile erleidet, ist weder prinzipiell zu rechtfertigen, da, wenn die Ehe auf Grund der beiderseitigen Verschuldungen geschieden wird, die letzteren in ihrer Wirkung auf die Ehe als gleich schwer erscheinen, noch aus praktischen Gründen zu empfehlen, weil die Abwägung der verschiedenen Grade der Ver­ schuldung mit Schwierigkeiten verbunden ist und leicht zu einer Verweitläufigung der Scheidungsprozcsie führen kann. Aus diesen Gründen haben auch der preuß. Gesetzrevisor, Pens. XV §§ 69, 70, und die späteren preuß. Entwürfe über Ehescheidungen sich gegen jenes landrechtliche System erklärt. Um den Beklagten, welcher seinerseits die Scheidung oder die Trennung Schuldigvon Tisch und Bctt ebenfalls zu verlangen berechtigt ist, aber vielleicht aus Gewiffensbedenken oder überhaupt im Jntercffe der Aufrechterhaltung der Eheb®y'™ü9get"n eine Widerklage nicht zu erheben wünscht, nicht in die Zwangslage zu versetzen, entweder eine Widerklage erheben oder die Nachtheile auf sich nehmen zu müssen, welche den allein für den schuldigen Theil erklärten Ehegatten treffen, bestimmt der § 1447 Satz 2 im Anschlüsse an die gleiche auch in der gemein­ rechtlichen, der preuß. und der franz. Jurisprudenz vertretene Auffaffung (vcrgl.

608

Scheidung.

Trennung v. Tisch u. Bett.

Schuldfrngc.

§ 1449.

auch Hess. Entw. Art. SG nebst Motiven S. 96 ff.), daß die Bestimmung in dem Urtheile, daß jeder Ehegatte der schuldige Theil fei, aus Antrag des Beklagten

auch dann erfolgen muß, wenn der Beklagte die Scheidung oder die Trennung von Tisch und Bett zu verlangen berechtigt ist, eine Widerklage aber nicht erhoben hat. Dasselbe soll nach § 1447 Satz 2 dann gelten, wenn das

Recht des Beklagten auf Scheidung oder auf Trennung von Tisch und Bett durch Verzeihung (§ 1446) oder durch Zeitablauf ausgeschlossen, der Verlust des Rechtes aber erst nach Entstehung des von dem Kläger geltend gemachten Scheidungsgrundes eingetreten ist. Diese letztere Bestimmung knüpft an die in der preuß. Doktrin und Praxis vertretene Auffassung an, daß ein ver­ ziehener Scheidungsgrund (A. L. R. 11,1 §§ 720, 721) für die Entscheidung der Schuldfrage noch geltend gemacht werden könne (vergl.Prüj.d.Ob.Trib. 1776, Sammt. I, 156; Striethorst VI1 S. 113; Gesetzrev., Pens. XV S. 427, 388; andererseits Entsch. d. R. G. in Civils. XV, 68). Der Entwurf geht jedoch davon aus, daß kein ausreichender Grund vorliegt, diesen Satz auch aus den Fall aus­ zudehnen, in welchem der Beklagte, nachdem er einen ihm zustehenden Scheidungs­ grund verziehen hatte, die das Scheidungsrecht des Klägers begründende Hand­ lung begangen hat. Im Gegentheil würde es für den Kläger unter Umständen hart und unbillig sein, wenn auch er für den schuldigen Theil erklärt werden könnte, obwohl der Scheidungs- oder Trennungsgrnnd, zu welchem er Veranlassung gegeben hatte, vielleicht weit in der Vergangenheit zurückliegt und die schädlichen Folgen seiner Handlung längst verschwunden sind. Andererseits kann in der Nichtberücksichtigung des durch Verzeihung oder Zeitablauf aus­ geschlossenen Scheidungs- oder Trennungsgrundes in jenem Falle eine Un­ billigkeit gegen den Beklagten nicht gefunden werden. Anders liegt dagegen die Sache in dem im § 1447 Satz 2 am Schlüsse vorausgesetzten Falle. In diesem Falle rührt die Handlung des Beklagten, auf Grund deren die Scheidung oder die Trennung von Tisch und Bett erkannt wird, aus einer Zeit her, in welcher die Ehe eine auch durch die Schuld des Klägers zerrüttete war und auch der Beklagte die Scheidung oder die Trennung von Tisch und Bett ver­ langen konnte. In einem solchen Falle liegt die Annahme nahe, daß der Be­ klagte den Scheidungsgrund oder Trennungsgrund in der Erwartung verziehen

bezw. binnen der Präklusivfrist nicht geltend gemacht hat, daß auch der Kläger den ihm zustehenden Scheidungs- oder Trennungsgrund nicht geltend machen werde. Es würde deshalb unbillig sein, wenn der Beklagte in diesem Falle auf Grund des durch Verzeihung oder Zeitablauf ausgeschlossenen Scheidungs­ grundes oder Trennungsgrundes nicht einmal den Antrag sollte stellen köimen, daß auch der Kläger für den schuldigen Theil erklärt werde. Die hier fragliche Bestimmung bezieht sich übrigens nur auf solche Fälle, in welchen das Recht des Beklagten durch Verzeihung oder Zeitablauf ausgeschlossen ist. Dagegen kann der im § 1449 Satz 2 gedachte Antrag des Beklagten gegenüber der Klage, durch welche nach Maßgabe des § 1445 Abs. 1 auf Grund des früheren Trennungsurtheiles die Scheidung verlangt wird, auf solche Thatsachen nicht gestützt werden, welche nach § 576 der C. P. O. (vergl. die Anm. 1 zu Buch IV Abschn. 1 Tit. 1 §§ 1250 ff. unter II, 5) deshalb ausgeschlossen sind, weil die­ selben in dem früheren Rechtsstreite hätten gellend gemacht werden können.

Scheidung 2c. Urtheilsforniel. Prozeßfähigkeit ic. §§ 1450, 1451.

609

Das Urtheil, durch welches der eine oder andere Ehegatte oder beide Ehegatten für den schuldigen Theil erklärt werden, hat in Ansehung der daran sich knüpfenden rechtlichen Wirkungen einen konstitutiven Karakter.

§ 1450. Die Bestimmung des § 1450, welche lediglich den Karakter einer Ord- Salbung nungsvorschrift hat, bezweckt, die Durchführung des im § 1237 bestimmten Eheverbotes zu sichern. Wenngleich, um das Eheverbot des § 1237 zu beber gründen, die Bezeichnung desjenigen, mit welchem der Ehegatte des Ehebruches urth-us"

sich schuldig gemacht hat, in der Urtheilsformel nicht erfolgt zu sein braucht,

fonneI'

so ist es doch im Interesse der Erleichterung des Dienstes der Standesbeamten

angemessen, den Richter anzuweisen, die Person des mitschuldigen Dritten in der Urtheilsformel zu bezeichnen. Daß die Bezeichnung nur insoweit zu er­ folgen hat, als die Verhandlungen die Person des Dritten ergeben, entspricht dem die C. P. O. beherrschenden Grundsätze der Mündlichkeit. In der Re­ visionsinstanz kann hiernach die Bezeichnung, obwohl die Vorschrift, des § 1450

dem öffentlichen Rechte angehört, nicht mehr erfolgen, da hier die mündliche Verhandlung sich auf jene Thatfrage nicht erstrecken kann und die Feststellung der letzteren überhaupt nicht zur Zuständigkeit des Revisionsrichters gehört (vergl. jedoch Urth. d. R. G. bei Gruchot XXIV S. 496). In Ermangelung einer entgegenstehenden Bestimmung versteht es sich ferner von selbst, daß der Dritte vorher nicht gehört zu werden braucht; denn, wenngleich derselbe durch die Feststellung indirekt mitbetroffen wird, so ist doch die Entscheidung nicht gegen

ihn, sondern gegen den Beklagten gerichtet.

§ 1451. Die den §§ 1267, 1276 sich anschließende Bestimmung des § 1451 be- Pr°;eßs°higruht auf ähnlichen Erwägungen, wie diejenigen, welche zu den Bestimmungen sertretung. der §§ 1267, 1276 geführt haben (vergl. die Motive zu §§ 1267, 1276 oben S. 97, 110). Daß insbesondere ein Vormund nicht legitimirt ist, für seinen Mündel eine Scheidungsklage zu erheben, wird auch von der Praxis und über­ wiegend von der Doktrin angenommen (vergl. Seuffert IX, 78, XLII, 304;

Entsch. d. R. G. in Civils. VI, 41 S. 157, IX, 58 S. 221). Durch die in der Anm. 1 zu dem Unterabschnitte „IV. Ungültigkeit der Ehe" unter II mitgetheilten, zur Aufnahme in das Einführungsgesetz bestimmten Aenderungen und Ergänzungen der Vorschriften der C. P. O. über das Ver­ fahren in Ehesachen wird in verschiedenen Richtungen auch das Verfahren in dem Rechtsstreite, welcher die Scheidung oder die Trennung von Tisch und

Bett zum Gegenstände hat, berührt (vergl. insbcs. die neuen §§ 573a, 576, 577, 584 a, 592 der C. P. O.). Die Begründung dieser Aenderungen und Er­ gänzungen ist der Begründung des Einführungsgesetzes Vorbehalten (vergl. jedoch, soviel die §§ 576, 584a betrifft, die Motive zu §§ 1256, 1268 oben S. 63, 98 ff.). Motive z. bürgerl. Gesetzbuch. IV.*

Verfahren.

610

Scheidung. Zeit der Auflösung der Ehe. § 1452.

§ 1452. Zeitpunkt der Ausl^ung der

Dem Begriffe der Scheidung (§ 1440 Abs. 1) und dem konstitutiven ^^rakter des Scheidungsurtheiles entspricht es, daß die Auflösung der Ehe

mit der Rechtskraft des die Scheidung bestimmenden Urtheiles eintritt. Dies ist auch der Standpunkt des gemeinen Rechtes und der meisten neueren Gesetz­ gebungen (vergl. preuß. A. L. R. II, 1 §§ 731, 732; nürnb. Ehescheidungsordn. Nr. 81; goth. Eheges. § 151; schwarzb. sonderst). Ehescheidungsges. §§ 24, 27—29; sächs. G. B. § 1746). Durch die Fassung des § 1452 wird mit ge­ nügender Deutlichkeit zum Ausdrucke gebracht, daß durch die Scheidung — im Gegensatze zur Anfechtung (§ 1260) — das Rechtsverhältniß der Ehe nur für die Zukunft beendigt wird, daß dagegen mit der Scheidung keineswegs alle durch die Ehe einmal begründeten Wirkungen wegfallen (vergl. § 33). Erbreche

Von selbst versteht es sich, daß mit der Scheidung auch das gegenseitige Erbrecht der Ehegatten wcgfällt, da ein geschiedener Ehegatte kein Ehegatte mehr ist und daher als solcher auch nicht mehr erben kann. Andererseits ergiebt sich aus § 1452, daß das Erbrecht erst mit der Rechtskraft des Scheidungsurtheiles wegfällt. Wegen der Gründe, aus welchen der Entwurf den Verlust des Erbrechtes nicht schon an einen früheren Zeitpunkt, ins­ besondere an die Klageerhebung, geknüpft hat, wird auf die Motive des Erb­ rechtes Bezug genommen.

Aus der Bestimmung des § 1452 folgt ferner, daß auch die vermögensrechtsetzung/'' lichen Wirkungen der Ehe erst mit der Rechtskraft des Scheidungsurtheiles für

Vermögens-

die Zukunft aufhören, daß mithin dieser Zeitpunkt für die Vermögensaus­ einandersetzung unter den geschiedenen Ehegatten maßgebend ist. Ein Be­ dürfniß, den klagenden Ehegatten in der hier fraglichen Beziehung nach dem Vorbilde des preuß. A. L. R. II, 1 §§ 769—771 gegen den bösen Willen des anderen Ehegatten durch besondere Vorschriften zu schützen, kann nicht anerkannt werden. Insbesondere trifft auch die Analogie der §§ 1329, 1379 nicht zu, da die Sachlage nicht die gleiche ist.

insbesondere

^emein”dmft Geltendes R«cht.

Die Vermögensauseinandersetzung selbst erfolgt nach Maßgabe der all­ gemeinen für die Aufhebung des betreffenden Güterstandes geltenden Vor­ schriften. Dies ist, vorbehaltlich der Bestimmungen über die Ehescheidungs­ strafen, auch der Standpunkt der auf dem Boden der Verwaltungsgemeinschaft stehenden Rechte (vergl. preuß. A. L. R. II, 1 §§ 766 ff; sächs. G. B. §§ 1746, 1687, 1688; oldenb. Ges. v. 24. April 1873 Art. 12). Die einzelnen int preuß. A. L. R. II, 1 §§ 767, 768 sich findenden besonderen Bestimmungen kommen für den Entwurf nicht in Frage, da dieselben mit anderen in den letzteren nicht aufgenommenen Vorschriften üher die Auseinandersetzung im Falle der Auflösung der Ehe durch den Tod zusammenhängen (vergl. Motive zu § 1327 oben S. 298 ff.). Dagegen enthalten die auf dem Boden der Gütergemeinschaft stehenden Rechte für den Fall der Ehescheidung vielfach besondere,

äum Theil mit den Ehescheidungsstrafen im Zusammenhänge stehende Bestimmungen über die Art der Vermögensauseinandersetzung bei der Güter­ gemeinschaft. Anlangend insbesondere die allgemeine Gütergemeinschaft, so

Scheidung.

Zeit der Auflösung der Ehe.

§ 1452.

611

sind gemeinrechtlich die Ansichten darüber getheilt, ob auch im Falle der Ehe­

scheidung, wie im Falle der Auflösung der Ehe durch den Tod, Quotcntheilung stattsindet oder ob das gemeinsame Vermögen in seine ursprünglichen Bestand­ theile zerlegt wird (vcrgl. Seuffert VII, 193). In den Partikularrechten fehlt es in dieser Hinsicht zum Theil an ausdrücklichen Bestimmungen. Quoten« theilung findet namentlich statt in Schleswig-Holstein, Osnabrück (vergl. auch osnabr. Entwurf § 23), Hildesheim, Verden und Hadeln, ferner nach den

Rechten von Würzburg, Schweiufurt, Castell, Dettingen und Erbach, sowie nach dem sächs. G. B. § 1702 (vcrgl. Neubauer, Zus. S. 162). Auf dem­ selben Boden stehen das bamb. L. N. und die lippe-detm. Verordn, v. 1786 § 32 für den Fall, daß beide Ehegatten schuldig sind. Für den Fall dagegen, daß nur der eine Ehegatte der schuldige Theil ist, lasien jene Rechte dem un­ schuldigen Ehegatten die Wahl zwischen der Auseinandersetzung des Gesammtgutes nach seinen ursprünglichen Bestandtheilen und zwischen Quotentheilung. Letzteres gilt auch nach preuß. A. L. R. II, 1 §§ 761, 755, 811, 812; wenn aber kein Uebergewicht der Schuld eines Ehegatten ausgemittelt ist, so erfolgt die Auseinandersetzung in der Art, daß jeder Theil sein in die Ehe gebrachtes oder während derselben durch Erbschaften, Vermächtnisse, Geschenke oder bloße Glücksfälle erlangtes Vermögen zurücknimmt und das Uebrige unter beiden Ehegatten gleich getheilt wird. Nach dem württemb. Entw. § 285 steht dem unschuldigen Ehegatten die Wahl zwischen Theilung des Gcsammtgutes nach

Quoten oder nach den Grundsätzen der Errungenschaftsgemeinschaft zu. Einzelne Rechte schließen den schuldigen Ehegatten von allen Rechten an dem Gesammtgute vollständig aus, so die Rechte von Fulda, Bremen und bei beerbter Ehe das lindau. Stadtr. und das hohenloh. L. R. Im Falle unbeerbter Ehe lassen die beiden letzteren Rechte dagegen das Gcsammtgut in seine ursprünglichen Bestandtheile zerfallen (vergl. Neubauer a. a. O. S. 162). Nach den Rechten der Errungenschaftsgemeinschaft finden im Falle der Ehescheidung, vorbehaltlich der Bestimmungen über die Ehescheidungsstrafen, regelmäßig in Ansehung der Vermögensauseinandersetzung dieselben Grundsätze statt, wie im Falle der Auflösung der Ehe durch den Tod eines der Ehe­ gatten; doch enthalten einzelne Rechte, z. B. das bayr. L. R. I, 6 § 43, für jenen Fall singuläre Vorschriften (vergl. Neubauer a. a. O. S. 129, 130). Das franz. Recht (code civil Art. 1441, 1474) läßt auch im Falle der Ehescheidung Halbtheilung eintreten. Nach dem bad. Rechte (Ges. v. 6. März 1845 § 20) gilt dies jedoch nur mit der Modifikation, daß der unschuldige Theil bei Ungleichheit des Einbringens zur Ausgleichung einen Anspruch auf einen Voraus hat. Da durch die Scheidung das Rechtsverhältniß der Ehe nur für die Zu­ kunft aufgehoben wird, die bis dahin durch die Ehe einmal begründeten Wirkungen nicht beseitigt werden, so folgt aus allgemeinen Grundsätzen, daß das durch die Gütergemeinschaft zu einem beiden Ehegatten gemeinschaftlich gehörenden Vermögen vereinigte Vermögen des einen und des anderen Ehe­ gatten (§§ 1342, 1411, 1431 Abs. 1) in Folge der Scheidung nicht wieder in seine ursprünglichen Bestandtheile zerfallen kann, sondern als gemeinschaftliches Vermögen nach Quoten unter den Ehegatten getheilt werden muß. Dies gilt 39*

Standpunkt des Entwurfes.

612

Scheidung.

Widerruf von Schenkungen.

§ 1453.

auch von der vertragsmäßigen Gütergemeinschaft. Die Voraussetzung für die Wirksamkeit des Gütergemeinschaftsvertrages ist eine gültige Ehe. Diese Vor­ aussetzung ist in dem hier in Rede stehenden Falle eingetreten. Eine Ver­ änderung der Umstände ist auf die Wirksamkeit des Vertrages nach allgemeinen Grundsätzen ohne Einfluß. Es läßt sich allerdings nicht verkennen, daß aus der Quotcntheilung für den unschuldigen Theil unter Umständen Härten ent­ stehen können. Indessen kann diese Rücksicht der Billigkeit nicht als durch­ schlagend erachtet werden, um im Falle der Scheidung in Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen die Vermögensauseinandersetzung nicht nach Quoten, sondern nach den ursprünglichen Bestandtheilen des Gesammtgutes eintreten zu lassen, zumal einer solchen Gestaltung auch gewichtige praktische Bedenken ent­ gegenstehen. Hat die Ehe längere Zeit gedauert, so ist, namentlich in Er­ mangelung eines Jnventares, eine Ausmittelung der ursprünglichen Bestand­ theile des Gesammtgutes und ihres Werthes häufig mit großen Schwierigkeiten verbunden, und droht dieselbe, da die Ehegatten in Folge der Scheidung sich in der Regel feindlich einander gcgenüberstehen, eine Quelle von Streitigkeiten und Prozessen zu werden. Eine andere Frage ist, ob nicht zur Ausgleichung der für den un­ schuldigen Theil durch die Scheidung nicht selten entstehenden Härten mit der Scheidung überhaupt gewisse vcrmögensrechtliche Nachtheile über die Bestim­ mungen der §§ 1453, 1454 hinaus verbunden werden sollen. Wegen der Gründe, welche den Entwurf bestimmt haben, auch diese Frage zu verneinen, wird auf die Motive zu § 1454 verwiesen.

§ 1453. Wid-rrus von Ech-niung-n.

Die Bestimmungen des § 1453 schließen sich im Wesentlichen dem preuß. A.g n 1 §§ 773—775 an (vergl. auch altenb. Eheordn. § 281). Zu

einem ähnlichen, wenn auch in einzelnen Beziehungen abweichenden Resultate führen die Vorschriften des franz. Rechtes (code civil Art. 299, 300), der nürnb. Ehescheidungsordn. Nr. 60, 62, 63, 65 und des Hess. Entw. Art. 94, 95. Aus allgemeinen Grundsätzen, insbesondere aus dem Gesichtspunkte der Vor­ aussetzung (§§ 742 ff.), läßt sich die Rückforderung der hier fraglichen Schen­ kungen nicht begründen. Ebensowenig liegt in Wirklichkeit ein Fall des Un­ dankes vor (§ 449). Indessen sprechen überwiegende Rücksichten der Billigkeit gegen den unschuldigen Ehegatten dafür, dem letzteren das Recht des Wider­ rufes der hier fraglichen Schenkungen einzuräumen. Dieser Gesichtspunkt muß aber andererseits in Uebereinstimmung mit dem preuß. A. L. R. dahin führen, das Recht des Widerrufes nicht auch auf den Fall auszudehnen, wenn beide Ehegatten für schuldig erklärt sind. Nach dem franz. Rechte verliert dagegen in dem letzteren Falle jeder Theil die ihm von dem anderen gemachten Schenkungen. Für diese Art der Regelung kann geltend gemacht werden, daß ein Ehegatte sich zu Schenkungen an den anderen Ehegatten gerade im Hin­ blicke auf die Fortdauer der Ehe und auf seine Theilnahme an den Vortheilen der gemachten Schenkungen leichter verstehe und daß, wenngleich beide Ehe­ gatten für schuldig erklärt seien, doch nicht selten der eine von ihnen der über-

Scheidung.

Unterbältk-pflicht des schuldigen Theiles.

§ 1454.

613

wiegend schuldige Theil sei und es in solchen Fällen eine Unbilligkeit gegen den anderen Ehegatten sein könne, wenn die Rückforderung der Geschenke aus­

geschlossen sein solle, namentlich vom Standpunkte eines Gesetzbuches aus, welches das Verbot der Schenkungen unter Ehegatten ausgeschlossen habe.

Indessen kann auf diese Gegengründe um so weniger Gewicht gelegt werden, als der jenen Erwägungen zu Grunde liegende Gesichtspunkt der Voraus­ setzung nach § 743 Nr. 2 gerade umgekehrt dahin führt, dem schuldigen Theile die Rückforderung der Geschenke zu versagen. Ta das hier in Rede stehende Widerrufsrecht ebenso wie das Recht des Widerrufes einer Schenkung wegen Undankes (§ 450) einen höchst persönlichen Karakter hat, so empfiehlt cs sich, das Verhältniß im Einzelnen in Anlehnung an die Vorschriften über den Widerruf einer Schenkung wegen Undankes (§§ 450—452) zu gestalten. Unter dem Ausdrucke „Schenkungen" sind hier, wie überhaupt im Sinne des Gesetzbuches, nur Schenkungen unter Lebenden und solche Schenkungen auf den Todesfall zu verstehen, weche nach § 1963 als Schenkungen unter Lebenden behandelt werden. Ueber den Einfluß, welchen die Scheidung auf die Wirksamkeit einer Zuwendungen letztwilligen Verfügung äußert, durch welche ein Ehegatte den anderen bedacht T°d°sweg-n. hat, oder auf die Wirksamkeit eines zwischen den Ehegatten geschloßenen Erbeinsetzungs- oder Vermächtnißvertrages, wird auf die Vorschriften der §§ 1783 ff.,

1948, 1949, 1962 verwiesen.

§ 1454. I. Das röm. Recht verbindet im Falle der Scheidung wegen Ehebruches Eh«und gewisser anderer, dem letzteren gleichgestellter Scheidungsgründe zu Gunsten WftS.äs

des unschuldigen Theiles mit der Scheidung verschiedene, den schuldigen Theil @e[tenbe8 treffende vermögensrechtliche Nachtheile aus dem Gesichtspunkte einer billigen WEntschädigung für die dem ersteren durch die Auflösung der Ehe entzogenen Vortheile. Die Ehefrau verliert, wenn sie der schuldige Theil ist, die dos und donatio propter nuptias, in Ermangelung einer dos oder wenn die Rückforderung der letzteren einem Anderen zusteht, den vierten Theil ihres Vermögens, jedoch nicht über 100 Pfund Goldes. Ist der Ehemann der schuldige Theil, so erhält die Ehefrau die dos und die donatio propter nuptias, in Ermangelung der letzteren den vierten Theil des Vermögens des Ehemannes, jedoch ebenfalls mit der zuvor bezeichneten Einschränkung. Die Verpflichtung des schuldigen Theiles, den vierten Theil des Vermögens herauszugeben, erhöht sich in gewisien Fällen um ein Drittel. Was in dieser Weise an den un­ schuldigen Theil fällt, erhält der letztere, wenn gemeinschaftliche Kinder vor­ handen sind, nur zum Nießbrauche, während das Eigenthum auf die Kinder übergeht. In der heutigen gemeinrechtlichen Praxis und Doktrin wird die Anwendbarkeit der römischen Ehescheidungsstrafen nicht mehr in Zweifel ge­ zogen, wenngleich in einzelnen Beziehungen über den Umfang der Anwendbarkeit die Ansichten auch jetzt noch auseinandergehen (vergl. Seuffert VI, 212, XVII, 263, XVIII, 259, XIX, 158, XXIV, 44, XXV, 135, XXVII, 143, XXIX, 35, 246, XXXIII, 311; Fenner und Mecke, civilr. Entsch. III, 12, VI, 12;

Entsch. d. R. G. in Civils. VIII, 48, XI, 41, XIV, 42, XV, 44).

614

Scheidung. Unterhaltspflicht des schuldigen Theiles. § 1454.

In Ermangelung besonderer Bestimmungen der Partikularrechte (vergl. Motive zu § 1452 oben S. 610 ff.) werden die röm. Ehcscheidungsstrafen in den Gebieten des gemeinen Rechtes auch bei der Gütergemeinschaft in der Art angewendet, daß der schuldige Ehegatte den vierten Theil feines auf Grund der Vermögensauseinandersetzung sich ergebenden Vermögens an den un­ schuldigen Ehegatten verliert (vergl. Seuffert XIX, 246). Abweichend vom röm. Rechte giebt eine weit verbreitete gemeinrechtliche Praxis dem unschuldigen Ehegatten oder doch der unschuldigen Ehefrau im Bedürfnißfalle auch einen Anspruch auf Unterhalt gegen den schuldigen Theil (vergl. Seuffert XII, 40, XIV, 42, XXV, 135, XXXV, 218). Gegen diese Praxis hat sich jedoch das Reichsgericht (Entsch. in Civils. VIII, 48) erklärt (vergl. auch Seuffert XIII, 146; Urth. d. A. G. zu Celle v. 1871 in der Zeitschr. für Hann. Recht V S. 44 — gegen die frühere Praxis von Celle). Im Anschlusic an den den röm. Ehcscheidungsstrafen zu Grunde liegenden Gedanken haben auch die meisten Partikularrechte mit der Scheidung für den schuldigen Theil gewisse vermögcnsrechtliche Nachtheile verbunden, welche wesentlich eine billige Entschädigung des unschuldigen Theiles für die ihm durch die Scheidung entzogenen Vortheile bezwecken, so insbesondere das württemb. L. R. II, 32 § 1, das bayr. L. R. I, 6 8 43, das preuß. A. L. R. II, 1 §§ 783 ff., das goth. Eheges. §§ 154 ff., die altenb. Eheordn. §§ 273 ff. und das schwarzb. sondersh. Ehescheidungsges. §§ 30 ff. In der Art der Verwirklichung jenes Gedankens weichen die bezeichneten Rechte indesien, zum Theil in Konsequenz ihrer verschiedenen güterrechtlichen und erbrechtlichen Systeme, im Einzelnen vielfach von einander ab. Während das röm. Recht, welches nur ein sehr be­ schränktes gesetzliches Erbrecht der Ehefrau kennt, hauptsächlich die während der Ehe durch diese für die Ehegatten begründeten Vortheile ins Auge faßt, legen das preuß. A. L. R., das goth. Eheges. und verschiedene bayr. Statuten das Hauptgewicht auf die dem unschuldigen Theile durch die Scheidung entgehenden erbrechtlichen Vortheile. Am deutlichsten tritt dies im preuß. A. L. R. II, 1

§ 784 und in verschiedenen bayr. Statuten hervor, welche geradezu den Satz hinstellen, daß der schuldige Theil als im Augenblicke der Scheidung verstorben anzusehen sei, wenngleich sie die Konsequenzen dieses Satzes nicht immer im vollen Umfange ziehen. Die altenb. Eheordn. karaktcrisirt die Ehescheidungs­ strafen ausdrücklich als eine Entschädigung für die sämmtlichen durch die Ehe sowohl während derselben als nach Auflösung derselben durch den Tod ent­ stehenden Vortheile. Auf demselben Gedanken beruhen die Vorschriften des schwarzb. sondersh. Gesetzes. Auch in der Art der Festsetzung der Entschädigung und des Umfanges der letzteren weichen die Partikularrechte mehrfach von einander ab. Während die altenb. Eheordn. durch Festsetzung eines Minimum und Maximum dem richterlichen Ermeßen einen gewißen Spielraum läßt (vergl. auch östcrr. G. B. § 1266), haben das württemb. L. R., das bayr. L. R., das preuß. A. L. R., das goth. Eheges. und das schwarzb. sondersh. Ehescheidungsges., je nach der Verschiedenheit der Fälle, die Art und die Höhe der Entschädigung gesetzlich genau bestimmt. Bei dieser Bestimmung sind indeßen zugleich strafrecht­ liche Gesichtspunkte mehr oder weniger maßgebend gewesen. Dies zeigt sich

L-cheidung. Unterhaltspflicht des schuldigen Theiles. § 1454.

615

namentlich in denjenigen Gesetzgebungen, welche, wie das preuß. A. L. R., das goth. Eheges. und das schwarzb.sondersh. Ehescheidungsges., je nachdem die Scheidung durch schwere oder minder schwere Vergehungen veranlaßt worden ist, eine höhere oder geringere Abfindung festsetzen. Auch nach der altcnb. Ehcordn. soll bei Festsetzung der Größe der Entschädigung auf die persönliche Schuld des Verpflichteten Rücksicht genommen werden. Nach prcuß. A. L. R. und dem schwarzb.sondersh. Gesetze kann die Ehefrau statt der Abfindung den Anspruch auf Unterhalt gegen den Ehemann wählen. Das prcuß. A. L. R. gewährt unter Umständen auch dem Ehemanne ein solches Wahlrecht. Nach der altenb. Eheordn. und in gewissen Fällen auch nach dem goth. Eheges. steht dem unschuldigen Ehegatten neben der Abfindung ein Anspruch auf Unter­ halt zu. Im Gegensatze zu den bisher angeführten Rechten gewährt das franz. Recht dem unschuldigen Ehegatten gegenüber dem schuldigen Ehegatten keinen Anspruch auf Entschädigung oder auf Abfindung, sondern nur einen auf den Fall des Bedürfnisses sich beschränkenden Unterhaltsanspruch (code civil Art. 301). Daneben ist aber bestimmt, daß im Falle der Scheidung aus einer bestimmten Ursache derjenige Ehegatte, welcher die Scheidung ausgcwirkt hat, alle ihm von dem anderen Ehegatten im Ehevertragc oder während der Ehe zugewendcten Vortheile selbst dann, wenn dieselben wechselseitig bedungen sein sollten, behält, während der andere Ehegatte, gegen welchen die Scheidung zugelaffen ist, die ihm von dem anderen Ehegatten zugewendcten Vortheile ver­ liert (code civil Art. 299, 300). Auf dem Boden des code civil stehen auch das bad. L. R. und der Hess. Eiltw. II Art. 94 u. 96, III, Art. 39, IV Art. 469, 484, das erstere jedoch mit der in den Motiven zu § 1452 oben S. 611 be­

zeichneten Modifikation. Mit dem franz. Rechte stimmt ferner das sächs. G. B. 8 1750 darin überein, daß die Scheidung für den unschuldigen Theil keinen Anspruch auf Entschädigung oder Abfindung, sondern nur einen Unterhaltsanspruch begründet, welcher jedoch mit dem Aufhören des Bcdürfnisies wegfällt. Abweichend vom code civil verbleiben aber nach dem sächs. G. B. §§ 1746, 1706, 2055, 2557 dem unschuldigen Ehegatten nicht die ihm von dem anderen Ehegatten durch Ehe- oder Erbvertrag zugewendcten Vortheile. Der Entwurf hat sich, soviel die Frage betrifft, ob dem unschuldigen Theile gegenüber dem schuldigen Theile ein Anspruch auf Entschädigung oder auf Abfindung wegen der dem letzteren durch die Scheidung entgehenden Vor­ theile eingeräumt werden soll, dem Standpunkte des franz. Rechtes und des sächs. G. B. angeschloffen. Aus den allgemeinen Grundsätzen läßt sich ein solcher Anspruch nicht begründen (vergl. Entsch. d. R. G. in Civils. VIII, 48 S. 188). Zudem widerstrebt cs dem Wesen der Ehe, dieselbe einem vermögensrcchtlichen, auf die Erlangung vermögensrcchtlicher Vortheile gerichteten Rechtsgeschäfte gleichzustcllen und als eine Quelle solcher Vortheile rechtlich zu behandeln. Demgegenüber können Rücksichten der Billigkeit nicht ent­ scheidend ins Gewicht fallen, zumal, wie in den Motiven des heff. Entw. II S. 103 nicht ohne Grund hervorgchoben wird, die Ehescheidungsstrafen unter Umständen auch gegen den schuldigen Theil in große Härten ausarten können.

Standpunkt des Entwurfes.

616

Scheidung.

Unterhaltspflicht des schuldigen Theiles.

§ 1454.

weil bei Ehestreitigkeiten der pflichtvergessene Ehegatte sich gegenüber dem arg­ losen Ehegatten häufig im Vortheile befindet und seine wahre Schuld un­ ermittelt bleibt. Auch vom Standpunkte des öffentlichen Interesses aus bedarf cs der Ehescheidungsstrafen nicht, um als Abschreckungsmittel und als indirektes Zwangsmittel zur Erfüllung der ehelichen Pflichten zu dienen. Dieser Gesichts­ punkt würde konsequent dahin führen müsien, die schuldvolle Veranlaffung

Oefsentliche Strafen.

zur Scheidung mit öffentlicher Strafe zu bedrohen; dagegen vermag derselbe die Anerkennung eines privatrechtlichen Entschädigungsanspruches nicht zu rechtfertigen. Dazu kommt, daß andererseits die Aussicht auf eine Entschädi­ gung für die entgehenden Vortheile der Ehe — eine Entschädigung, deren Festsetzung immer mehr oder weniger willkürlich ist und deshalb in Wirklich­ keit sich nicht selten als eine Bereicherung des unschuldigen Theiles darstellen wird — für den letzteren ein Anreiz sein kann, aus niedrigen Beweggründen den Schcidungsgrund zum Zwecke der eigenen Bereicherung auszunutzen. II. Das preuß. A. L. R. II, 1 § 823 enthält neben den die Bestrafung des Ehebruches betreffenden, durch den § 172 des Str. G. B. ersetzten Be­ stimmungen (II, 20 §§ 1062 bis 1064) die weitere Vorschrift, daß, wenn der schuldige Ehegatte dem unschuldigen Theile weder Abfindung noch Unterhaltungs­ gelder gewähren kann, der erstere für die Vergehungen, durch welche er zu der Scheidung Anlaß gegeben hat, nach Verhältniß der Größe und Schwere der­ selben und nach Bewandtniß der übrigen obwaltenden Umstände mit Gefängniß oder Strafarbeit von 14 Tagen bis zu 3 Monaten solle belegt werden können. Der Gesetzrevisor, Pens. XV Motive S. 446 ff., hatte die Beseitigung dieser Bestimmung vorgeschlagen. Bei Gelegenheit der späteren, die Reform des Ehescheidungsrechtes in Preußen bezielenden Schritte der Gesetzgebung wurde die Frage von Neuem erwogen, ob es sich zur Verbefferung der Verhältnisse auf dem Gebiete des Ehescheidungsrechtes empfehle, den Grundsatz anzuerkennen, daß in allen Fällen, in welchen wegen Verschuldung eines Ehegatten auf Scheidung erkannt werde, der schuldige Theil von Amtswegcn mit Freiheits­ strafe zu belegen sei. Das Ergebniß war, daß eine diesem Grundsätze ent­ sprechende Bestimmung in den preuß. Entwurf von 1854 ausgenommen wurde. Dieselbe fand indeffen nicht die Zustimmung der damaligen ersten Kammer und wurde deshalb in den späteren Entwürfen weggelaffen. Auch der vorliegende Entwurf geht davon aus, daß vom privatrcchtlichen Standpunkte aus ein Bedürfniß, zum Schutze des einen Ehegatten gegen die Eigenmacht und die Verletzung der ehelichen Pflichten von Seiten des anderen Ehegatten, sowie zum Schutze gegen Kollusionen als Ersatz für den auf dem Gebiete des persön­ lichen Eherechtes nach der Natur des Verhältnisies nur unvollkommenen Rechtsschutz eine Strafbestimmung der oben bezeichneten Art zu geben, nicht anzuerkennen ist, zumal durch das dem Entwürfe zu Grunde liegende Prinzip der Relativität der meisten Scheidungsgründe (§ 1444) die Scheidung gegen­ über der Mehrzahl der bestehenden Rechte erschwert ist und das Prinzip der Relativität in Verbindung mit dem Prinzipe der freien Beweiswürdigung und dem das Verfahren in Ehesachen beherrschenden Ofsizialprinzipe dem Richter ausreichende Mittel an die Hand geben, um Mißbräuchen entgegentreten zu .sönnen. Der Hauptwerth der öffentlichen Strafe besteht nur darin, daß dadurch

Scheidung. Unterhaltspflicht des schuldigen Theiles. § 1454.

617

der öffentlichen Mißbilligung solcher Verletzungen ehelicher Pflichten, welche die Scheidung nach sich ziehen, Ausdruck gegeben und das Bewußtsein des Volkes von der Würde der Ehe gehoben wird; allein dem durch die Reichs­ gesetzgebung geschaffenen einheitlichen Nechtszustande gegenüber kann ohne ein dringendes praktisches Bedürfniß eine Erweiterung der Strafbestimmungen in der hier fraglichen Richtung über den Fall des Ehebruches hinaus (§ 172 Str. G. B.) als angemessen nicht erachtet werden. III. Wenngleich der Entwurf gegen die Anerkennung einer Entschädigungs- u»l-rhau;pflicht des schuldigen Ehegatten gegenüber dem anderen unschuldigen Theile d-sÄ-w

sich erklärt hat, so hat derselbe doch nach dem Vorbilde des sächs. G. B. § 1750 und des code civil Art. 301 und mit Rücksicht auf ähnliche Bestimmungen des preuß. A. L. R. II, 1 §§ 798 ff. und anderer neuerer Gesetz­ gebungen (vergl. altenb. Eheordn. §§ 274—279; goth. Ehcges. §§ 166—168; schwarzb. sondersh. Ehescheidungsges. §§ 31—33) dem unschuldigen Ehegatten gegenüber dem schuldigen Ehegatten einen Unterhaltsanspruch nach Maßgabe der Bestimmungen des § 1454 eingeräumt. Ein solcher Unterhaltsanspruch läßt sich allerdings aus allgemeinen Grundsätzen ebensowenig herlciten, wie ein Anspruch auf Entschädigung wegen der sonst durch die Scheidung dem un­ schuldigen Ehegatten entzogenen Vortheile der Ehe (vergl. Entsch. d. R. G. in Civilst VIII, 48 S. 188). Gegen die Anerkennung eines solchen Anspruches tarnt — abgesehen von dem positiven Karakter desselben — ferner geltend gemacht werden, daß es nicht wünschcnswerth sei, wenn die wechselseitigen Be­ ziehungen der Ehegatten durch die Scheidung nicht definitiv und nach allen Richtungen hin gelöst werden, sowie daß einer angemessenen Regelung dieses Unterhaltsanspruches wegen seines positiven Karakters besondere Schwierigkeiten sich cntgcgcnstellen. Indessen sind die Rücksicht auf das in dem größcreit Theile DeutschlaitdS geltende Recht, die Rücksichten der Billigkeit gegen den unschuldigen Ehegatten, welcher sonst in die Lage versetzt werden würde, ent­ weder die ihm unerträglich gewordene Ehe fortsetzen oder fortan die Mittel zti seinem Unterhalte entbehren zu müssen, und die Rücksicht auf das öffentliche Interesse, welche es erheischt, den Scheidungen thunlichst entgegcnzutrcten und im Falle der Scheidung eine Vermehrung der öffentlichen Armenlast thunlichst zu verhüten, als überwiegend anzusehen. Im Uebrigen ist zur Begründung der einzelnen Bestimmungen des § 1454 Folgendes zu bemerken: 1. Während der vom preuß. A. L. R., dem goth. Eheges., der altenb. fiara,lec d-r Eheordn. und dem schwarzb.sondersh. Ges. dem unschuldigen Ehegatten ge- ""“Ä"8' währte Unterhaltsanspruch den Karakter einer Entschädigung an sich trügt und wesentlich von diesem Gesichtspunkte aus geregelt ist, tritt bei den Be­ stimmungen des code civil und des sächs. G. B., welche dem unschuldigen Ehe­ gatten nur einen subsidiären Unterhaltsanspruch gewähren, der Entschädigungs­ gesichtspunkt mehr in den Hintergrund und der Gesichtspunkt einer auf Billigkeit beruhenden Nachwirkung der Ehe vorwiegend in deit Vordergrund. Auch der Entwurf hat Anstand genommen, den hier fraglichen Unterhaltsanspruch von dem Gesichtspunkte der Entschädigung atts im Einzelnen zu regeln und dadurch eine ganz neue Art von Unterhaltsanspruch zu schaffen. Im Jnteresie der

618

Bedürftigkeit

unschuldigen Ehegatte».

Scheidung. Unterhaltspflicht des schuldigen Theiles. § 1454.

Einfachheit des Gesetzbuches ist es vielmehr angemessener, den hier fraglichen Unterhaltsanspruch möglichst im Anschlüsse an die gesetzliche Unterhaltspflicht foer Verwandten (§§ 1481 ff.) im Einzelnen zu gestalten. Diese Erwägung führt dahin, nach dem Vorbilde des code civil Art. 301, des sechs. G. B. § ^759 linj) dcg Hess. Entw. Art. 96 den Untkrhaltsanspruch des unschuldigen

Ehegatten von der Bedürftigkeit des letzteren abhängig zu machen, und zwar im Anschlüsse an § 1481 Abs. 1 in der Art, daß die Unterhaltspflicht nicht schon dann eintritt, wenn der unschuldige Ehegatte erwerbsunfähig ist und die Einkünfte seines Vermögens zu seinem Unterhalte nicht ausreichen, sondern nur dann, wenn er wegen Vermögenslosigkeit und Erwerbsunfähigkeit sich selbst zu unterhalten nicht im Stande ist. Der Rücksicht auf die Billigkeit gegen den unschuldigen Ehegatten und auf das öffentliche Interesse wird in genügender Weise Rechnung getragen, wenn dem unschuldigen Ehegatten im Falle der Roth ein Untcrhaltsanspruch gewährt wird. Abweichend von den Bestimmungen der bezeichneten Gesetzgcbungswerkc macht aber der § 1454 Abs. 1 Satz 1 den Unterhaltsanspruch nicht davon abhängig, daß der unschuldige Ehegatte schon zur Zeit der Scheidung bedürftig ist; vielmehr soll die Unter­ haltspflicht des allein für den schuldigen Theil erklärten Ehegatten auch dann eintreten, wenn der andere Ehegatte erst später oder nach dem Aufhören der zur Zeit der Scheidung vorhandenen Bedürftigkeit von Neuem bedürftig wird. Der entgegengesetzte Standpunkt der angeführten Gesetzgcbungöwerke gewährt dem unschuldigen Ehegatten keinen ausreichenden Schutz gegen die Gefahr, daß er in Folge der Scheidung Noth leidet, und kann unter Umständen zu großen Härten für denselben führen. Diesen Erwägungen gegenüber kann

der Gesichtspunkt, daß es wünschenswerth sei, die wechselseitigen Beziehungen der Ehegatten mit der Scheidung definitiv zu regeln, als durchschlagend nicht' erachtet werden. Analogie der 2. Die im § 1454 Abs. 1 Satz 2 allcgirten, zunächst für die gesetzliche pslichtderVcr» Unterhaltspflicht der Verwandten gegebenen Vorschriften passen auch für die wandten, hier in Rede stehende Unterhaltspflicht. Es gilt dies namentlich von der Vorschrift des § 1482 Abs. 1, nach welcher die Unterhaltspflicht durch die Leistung;- Leistungsfähigkeit in der dort näher bezeichneten Weise bedingt ist. Die positive fahrgkelt. Forschrift des code civil Art. 301, daß die Unterhaltssumme den dritten Theil der Einkünfte des schuldigen Ehegatten nicht übersteigen dürfe (vergl. auch altcnb. Ehcordn. § 274), verdient keine Billigung, weil sie die Würdigung des einzelnen Falles durch den Richter ausschließt. Auch der Hess. Entw. ist in diesem Punkte dem code civil nicht gefolgt, und das sächs. G. B. überläßt ausdrücklich die Festsetzung des Unterhaltes dem richterlichen Ermessen. G-ldr-nt-. Abiveichend von dem § 1491 Abs. 2 soll aber der Unterhalt stets durch Entrichtung einer Geldrente gewährt werden. Es empfiehlt sich dies mit Rück­ sicht auf die in Folge der Scheidung regelmäßig unter den Ehegatten ent­ stehende Verfeindung und Entfremdung. Aenderung Während das preuß. A. L. R. II, 1 §§ 803, 806, welches in der hier Verhältnisse, fraglichen Hinsicht auf dem Entschädigungsprinzipe beruht, in Folge einer Aenderung der thatsächlichen Grundlagen des Unterhaltsanspruches eine Erhöhung und regelmäßig auch eine Minderung des zu gewährenden Unter-

Scheidung. Unterhaltspflicht des schuldigen Theiles. § 1454.

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Haltes nicht cintretcn läßt (vergl. Urth. d. R. G. bei Gruchot XXXI S. 993), wird von der franz. Jurisprudenz eine solche Erhöhung oder Minderung für zulässig erachtet (vergl. auch altenb. Eheordn. § 279 und, soviel die Zulässigkeit

einer Erhöhung betrifft, schwarzb.sondersh. Ehescheidungsges. § 33 Abs. 2). Die Vorschrift des preuß. A. L. R. gewährt allerdings den Vortheil, daß dadurch die wechselseitigen Beziehungen zwischen den geschiedenen Ehegatten definitiv geregelt werden. Auf der anderen Seite kann dieselbe aber sowohl für den unschuldigen als für den schuldigen Ehegatten große Härten mit sich bringen. Aus diesem Grunde verdient es den Vorzug, die Vorschrift des § 1493 auch auf den hier in Rede stehenden Unterhaltsanspruch für entsprechend anwendbar zu erklären. Die Bestimmung des § 1495 über die Unzulässigkeit des Verzichtes auf V-rgcht. den einem Verwandten zustehenden gesetzlichen Unterhaltsanspruch und über die Beschränkung einer wirksamen Vorausleistung ist auf den im § 1454 anerkannten Unterhaltsanspruch nicht übertragen, da der letztere keinen familienrechtlichen Karakter hat und sich nicht als die Kehrseite einer sittlichen Pflicht des anderen Theiles darstellt. Auch praktische Gründe sprechen dafür, es den geschiedenen Ehegatten zu ermöglichen, das Verhältniß unter einander durch Vertrag in definitiver Weise, insbesondere im Wege der Kapitalabfindung, zu ordnen. Da der hier, fragliche Unterhaltsanspruch die Befriedigung eines persön- n»v-rerblichlichen Bedürfnisies des unschuldigen Ehegatten bezweckt, so muß mit dem Tode et' des letzteren die Unterhallsverpflichtung für die Zukunft erlöschen (§ 1454 Abs. 1 § 1496). Zweifelhaft kann es dagegen sein, ob nicht der Unterhaltsanspruch, wenigstens in beschränktem Umfange, gegen die Erben des Verpflichteten zugelaffen werden soll. Auf diesem Standpunkte stehen das preuß. A. L. R. (vergl. II, 1 § 806) und das schwarzb. sondersh. Ges. § 31, sowie die franz. Jurisprudenz. Dafür kann man anführen, daß, wenngleich auch ohne die Scheidung mit dem Tode des verpflichteten Ehegatten der Unterhaltsanspruch des anderen Ehegatten weggefallen wäre, doch an Stelle des Unterhalts­ anspruches das Erbrecht des überlebenden Ehegatten getreten sein würde. In­ dessen kann dieser Gesichtspunkt vom Standpunkte des Entwurfes aus, welcher das Entschädigungsprinzip im Uebrigen nicht anerkannt hat, als durchschlagend nicht erachtet werden. Dazu kommt, daß einer angemessenen Regelung des Unterhaltsansprucheö gegen die Erben des schuldigen Ehegatten große praktische Schwierigkeiten sich entgegenstellen. Nach den Motiven zn dem sächs. G. B. geht auch das letztere davon aus, daß der Unterhaltsanspruch mit dem Tode des Verpflichteten erlischt. Die besondere Bestimmung des § 1454 Abs. 1 Satz 2, daß die Unter- Schließung Hallspflicht des schuldigen Ehegatten auch dann erlischt, wenn der berechtigte „eu'’"e^e. Ehegatte eine andere Ehe schließt, rechtfertigt sich durch die Erwägung, daß die Schließung der neuen Ehe, welche ohne die Scheidung nicht möglich gewesen wäre, dem berechtigten Ehegatten eine neue Quelle der Lebensversorgung er­ öffnet und unter diesen Umständen die Fortdauer der Unterhaltsverpflichtung des schuldigen Ehegatten durch Rücksichten der Billigkeit und des öffentlichen Jnteresies nicht geboten ist. Der Entwurf folgt in dieser Hinsicht der von der

franz. Jurisprudenz vertretenen Auffassung, welche auch in der Mehrzahl der

620

Scheidung. Namen der geschiedenen Ehefrau. § 1455.

neueren Gesetzgebungen zur ausdrücklichen Anerkennung gelangt ist (ocrgl. goth. Eheges. § 167; altenb. Eheordn. §§ 273, 279; schwarzb. sonderst). Ges. § 31). Die entgegengesetzte Vorschrift des preuß. A. L. R. II, 1 § 805 beruht auf der Auffassung sdes Unterhaltsanspruches als eines gewöhnlichen an die Stelle der Abfindung tretenden Anspruches auf Entschädigung für das ent­ zogene Erbrecht. Einwirkung Die Bestimmnng des § 1454 Abs. 2 beruht auf ähnlichen Erwägungen Gllterrechtes. wie die Vorschriften der §§ 1313, 1363, 1425 verb. mit § 1431 Abs. 1 (ocrgl. die Motive zu § 1313 oben S. 255 ff. und zu § 1363 oben S. 376 ff.). Das Verhältniß des im § 1454 bezeichneten Unterhaltsanspruches zu den konkurrirenden Unterhaltsansprüchcn des späteren Ehegatten und der Verwandten des für den schuldigen Theil erklärten Ehemannes ist im § 1483 Abs. 3 geordnet. Verbindung 3. Auf bic gerichtliche Geltendmachung des Unterhaltsanspruches untÄt mir stnden die allgemeinen Vorschriften der C. P. O. Anwendung. Daraus der Schei­ dungsklage.

sich insbesondere, daß für die Entscheidung über jenen Anspruch nicht das Ehegericht als solches zuständig ist und daß die Klage auf Unter­ haltsgewährung — abweichend vom gemeinen Rechte und verschiedenen neueren Gesetzgebungen (vcrgl. preuß. A. G. O. I, 40 § 51, Anh. § 293; code civil Art. 301; schwarzb. sonderst). Ehescheidungsges. § 35) — nicht mit der Scheidungsklage verbunden werden kann (vergl. § 575 Abs. 2 der C. P. O. und dazu Entsch. d. R. G. in Civils. V, 119, Urth. d. R. G. bei Gruchot XXVII S. 1117 ff., vcrgl. jedoch auch Gruchot XXVI S. 704 ff.). Die Zulassung einer solchen Verbindung ist weder durch ein Bedürfniß geboten, noch mit Rücksicht auf die dadurch unter Umständen veranlaßte Verzögerung des Scheidungsprozeßes und das für die Scheidungsklage geltende besondere Verfahren zweckmäßig. Es genügt, wenn das Scheidungsurthcil nach Maß­ gabe des § 1449 sich über die Schuldfragc ausspricht. ergiebt

§ 1455. Sieht man den Grund, aus welchem die Ehefrau den Familiennamen geschiedenst des Ehemannes erhält (§ 1274), darin, daß die Ehefrau durch die Ehe in die Namens-

Ehesrau.

Familie des Ehemannes und in ein so nahes Verhältniß zu dem letzteren

Geltendes

tritt, daß sie mit demselben eine Einheit ausmacht, so muß, da mit der Auflösung der Ehe durch Scheidung der Grund dieser Namensänderung wegfällt,

3ie4t'

die Scheidung auch das Recht der Ehefrau, den Namen des Ehemannes ferner zu führen, beseitigen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie für den schuldigen Theil erklärt worden ist oder nicht. Dies ist der Standpunkt der franz. Jurisprudenz. Eine andere Auffaffung geht dahin, daß das von der Ehefrau durch die Eheschließung einmal erworbene Recht, den Namen des Ehemannes zu führen, nach allgemeinen Grundsätzen ebensowenig beseitigt werde, wie durch die Auflösung der Ehe durch den Tod des Ehemannes. Diese Auffaffung führt umgekehrt zu der Bestimmung, daß die geschiedene Ehefrau den Namen des Ehemannes behält, ohne Unterschied, ob sie für den schuldigen Theil erklärt worden ist oder nicht. Auf dem Boden dieser Auffaffung, welche auch in der gemeinrechtlichen Doktrin Vertretung gefunden hat, steht das sächs. G. B.

Scheidung. Namen der geschiedenen Ehefrau. § 1455.

621

§ 1748, sowie die altcnb. Ehcordn. § 282, die letztere jedoch mit der Modi­ fikation, daß sie der Ehefrau freistellt, den Namen des Ehemannes aufzugeben. Eine dritte Gruppe von Rechten unterscheidet, je nachdem die Ehefrau für den schuldigen Theil erklärt worden ist oder nicht. Im letzteren Falle hat dieselbe ein Recht auf Fortführung des Nameus des Ehemannes, ohne jedoch zu der Fortführung dieses Namens verpflichtet zu sein. Im ersteren Falle darf sie den Namen des Ehemannes wider dessen Willen nicht weiterführen. Ob dies auch dann gilt, wenn beide Theile an der Scheidung Schuld sind, ist nicht immer­ ausdrücklich bestimmt. Zu dieser dritten Gruppe von Rechten gehören das preuß. A. L. R. II, 1 §§ 741, 742, die iiitrnb. Ehescheidungsordn. Nr. 82, das goth. Eheges. §§ 153—155, das schwarzb.sondcrsh. Ehescheidungsgcs. § 26 und das bad. L. R. Satz 299a. Auch in der gemeinrechtlichen Praxis (vcrgl. Seuffert III, 70, XVII, 58) findet diese Ansicht sich vertreten. Es kann hier dahingestellt bleiben, welche der verschiedenen Auffassungen vom-juristischen Standpunkte aus als die richtigere anzusehen ist. Jedenfalls verdient die im sächs. G. B. zur Anerkennung gelangte zweite Auffassung vor­ der ersteren, dem franz. Rechte zu Grunde liegenden Auffassung um deswillen den Vorzug, weil sie nicht allein der Sitte des Lebens, sondern insofern auch dem öffentlichen Jnteresie Rechnung trägt, als sie die mit einer Aenderung des Namens der geschiedenen Ehefrau für den amtlichen und außeramtllichcn Verkehr verbundenen Nachtheile und Verwirrungen verhütet. Mit diesen Gesichtspunkten ist cs aber auch nicht vereinbar, nach dem Vorbilde des preuß. A. L. N. II, 1 § 742 und anderer Gesetzgebungen dem Ehemanne für den Fall, wenn die Ehefrau für den schuldigen Theil erklärt worden ist, das Recht beizulegen, von derselben zu verlangen, daß sie seinen Namen nicht weiter­ führe, ganz abgesehen davon, daß eine solche Bestimmung zu Zweifeln darüber Veranlasiung giebt, mit welchem Zeitpunkte die Ehefrau das Recht, den Namen des Ehemannes weiterzuführen, verliert. Diesen Erwägungen gegenüber kann darauf entscheidendes Gewicht nicht gelegt werden, daß der geschiedene Ehemann und dessen Familie ein Interesse daran haben können, daß die für den schuldigen Theil erklärte Ehefrau den Namen des Ehemannes nicht behalte. Andererseits müssen jene Erwägungen aber auch dahin führen, der Ehefrau das Recht zu versagen, den Namen, welchen sie vor der Eheschließung geführt hat, wieder anzunehmen. Ein Bedürfniß, derselben ein solches Recht ein­ zuräumen, kann um so weniger anerkannt werden, als es ihr selbst­ verständlich unbenommen ist, sich als geschiedene Ehefrau zu bezeichnen, da ein solcher Zusatz zu dem von ihr fortzuführenden Namen des Ehemannes nicht eine Namensänderung, sondern nur einen Hinweis auf die Thatsache der Scheidung enthält. Zudem kann sie geeignetenfalls im Verwaltungswege die Aenderung ihres Namens erwirken. Die bestehenden Rechte enthalten zum Theile auch darüber Bestimmungen, welchen Einfluß die Scheidung auf den Stand und den Rang der Ehefrau hat (preuß. A. L. R. II, 1 §§ 738—740; goth. Eheges. § 153; altenb. Eheordn. § 282; schwarzb.sondcrsh. Eheschcidungsges. § 26; sächs. G. B. § 1748). Die­ selben Gründe, welche den Entwurf bestimmt haben, keine Vorschriften darüber aufzunehmcn, inwieweit die Ehefrau durch die Schließung der Ehe

Standpunkt des Entwurfes.

Stand der geschiedenen Ehefrau.

622

Scheidung. Rechtsverhältniß zu den Kindern. (§§ 1456—1458.)

den Stand und den Rang des Ehemannes erwirbt (vcrgl. Motive zu § 1274

oben S. 106 ff.), sprechen dafür, auch über den Einfluß der Scheidung in den bezeichneten Richtungen zu schweigen.

§§ 1456-1458. R-chtrDa durch die Scheidung nur die rechtlichen Wirkungen der Ehe als zwNchen'd-n solcher aufhören, so ergiebt sich von selbst, daß, soweit das Gesetz keine ab­ geschiedenen

un^den Kin-

benL

weichenden Bestimmungen enthält, die rechtlichen Beziehungen zwischen den Eltern und Kindern, sowie zwischen den Eltern unter einander in Ansehung

der Kinder durch die Scheidung nicht berührt werden; denn jene Beziehungen sind nicht Wirkungen der bestehenden Ehe, sondern der in der Ehe erfolgten Zeugung oder der vorher erfolgten Zeugung in Verbindung mit der nach­

folgenden Ehe. Einer besonderen Bestimmung, daß trotz der Scheidung die Kinder gegenüber ihren Eltern ihre Rechte als eheliche Kinder behalten (vergl. code civil Art. 304; Hess. Entw. Art. 104), bedarf es daher nicht, ebensowenig

der Bestimmung, daß die Scheidung auf die in der Ehe erzeugten oder ge­ borenen Kinder sowohl rücksichtlich ihrer Geburt als rücksichtlich ihres Rechtsverhältnisies zu ihren Eltern keinen Einfluß habe (sächs. G. B. § 1749). In­ wieweit den Kindern die ihnen von den Eltern in Verfügungen von Todcswegen ausgesetzten Vortheile verbleiben, trotzdem diese Verfügungcit im Verhältnisse der Ehegatten zu einander durch die Scheidung hinfällig werden (vergl. code civil Art. 304; Hess. Entw. Art. 104), richtet sich nach den Bestimmungelt des Erbrechtes (vergl. §§ 1783, 1787, 1876, 1946, 1948, 1962). Die Regel, daß die rechtlichen Beziehungen der Eltern zu den Kindern durch die Scheidung nicht berührt werden, erleidet gewisse Ausnahmen nur in Ansehung der that­ sächlichen Sorge für die Person der Kinder und der Unterhaltspflicht der Eltern. Von den ersteren handeln die §§ 1456, 1457, von den letzteren der § 1458.

§ 1456. Nach gemeinem Rechte hat die Scheidung Einfluß nur auf die ErziehuitgstiTeterii^e' gemalt, nicht auch auf die sonstigen mit der väterlichen Gewalt verbundenen Einfluß der

seroait. Geltendes

9te*t

Rechte, insbesondere nicht auf das väterliche Verwaltungs- und Nutznießungsrecht am Vermögen der Kinder (vergl. 1. un. Cod. div. fact. 5,24; Nov. 117 c. 7). Auf demselben Boden stehen im Prinzipe das preuß. A. L. R. II, 2 §§ 92—104,

die nürnb. Ehescheidungsordn. Nr. 80, das goth. Eheges. §§ 170—173, die altenb. Eheordn. § 284, das schwarzb.sondersh. Ehescheidungsges. §§ 36—40 und das sächs. G. B. § 1749. Das franz. Recht enthält neben den die Regelung der Erziehungsgewalt betreffenden Vorschriften (code civil Art. 302, 303) keine ausdrücklichen Bestimmungen darüber, ob und inwieweit die Scheidung auf das mit der väterlichen Gewalt verbundene Recht, das Vermögen der Kinder zu verwalten, von Einfluß ist. Der Art. 389 des code civil beschränkt seinem Wortlaute nach dieses Recht auf die Dauer der Ehe. Andererseits tritt nach Art. 390 die gesetzliche Vormundschaft der Eltern nur im Falle der Auflösung der Ehe durch den Tod eines der Ehegatten ein. Auf Grund der Analogie

Scheidung.

Einfluß auf die elterliche Gewalt.

§ 1456.

623

der auf die Erziehungsgcwalt sich beziehenden Bestimmungen des Art. 302 wird

in der franz. Jurisprudenz die, von anderen Seiten jedoch bestrittene, Ansicht vertreten, daß im Falle der Scheidung dem unschuldigen Ehegatten die Vor­ mundschaft über die gemeinschaftlichen Kinder zustehe, wie wenn der andere Ehegatte gestorben sei, so jedoch, daß der Richter auf Antrag der Familie oder des Staatsanwaltes, wenn der Vortheil des Kindes cs erheische, auch den anderen Ehegatten oder selbst eine dritte Person znm Vormunde ernennen

könne. Die elterliche Nutznießung hört nach ausdrücklicher Vorschrift des Art. 386 mit der Scheidung für denjenigen Ehegatten auf, gegen welchen die Scheidung erkannt ist. Der Hess. Entw. Art. 97—103 hat sich im Wesentlichen dem franz. Rechte, und zwar der oben bezeichneten Auffassung des letzteren an­ geschlossen. Ist jeder der Ehegatten für den schuldigen Theil erklärt, so soll keinem derselben, auch wenn dem einen oder anderen die elterliche Gewalt im Uebrigen überlassen sein sollte, das Verwaltungs- und Nutznießungsrecht am Vermögen der Kinder zustehen, sondern zum Zwecke der Verwaltung des letzteren stets eine Vormundschaft bczw. Pflegschaft angeordnet werden. Der § 1456 beruht nach dem Vorgänge des gemeinen Rechtes und der dem letzteren folgenden, oben angeführten neueren Gesetzgebungen auf dem Prinzipe, daß die elterliche Gewalt, abgesehen von der thatsächlichen Sorge für die Person (§§ 1504—1506), also insbesondere das mit der elterlichen Gewalt verbundene Recht der Sorge für das Vermögen der Kinder, das Recht, dieselben in ihren persönlichen Angelegenheiten zu vertreten, und das Recht der elterlichen Nutznießung (§§ 1502, 1503 Abs. 1 verb. mit § 1649) durch die Scheidung überall nicht berührt werden soll. Mit der Scheidung für den schuldigen Ehegatten in Ansehung der elterlichen Gewalt so weit gehende Folgen zu verknüpfen, wie dies nach franz. Rechte und dem Hess. Entwürfe der Fall ist, führt nicht allein zu großen Härten gegen den schuldigen Ehegatten, zumal nicht selten die Fälle so liegen, daß derjenige Ehegatte, welcher vor dem Gesetze als der schuldige Theil erscheint, doch moralisch als der weniger schuldige Theil anzusehen ist, sondern kann insbesondere auch von, Standpunkte des Interesses der Kinder aus, welches für die in Rede stehende Frage von entscheidender Bedeutung ist, als angemessen nicht erachtet werden. Dem Interesse der Kinder entspricht es regelmäßig am meisten, wenn die Sorge für die Person und das Vermögen der Kinder den Eltern anvertraut wird, und unter den Eltern ist in der großen Mehrzahl der Fälle der Vater vorzugsweise dazu geeignet, das Vermögen der Kinder zu verwalten und dieselben im rechtsgeschäftlichen Ver­ kehre zu vertreten. Mit den sonstigen Grundsätzen des Entwurfes über die Entziehung oder die Verwirkung der elterlichen Gewalt (§§ 1546,1559) würde es nicht vereinbar sein, schon an die Thatsache, daß ein Ehegatte bei der Schei­ dung für den schuldigen Theil erklärt worden ist, den Verlust der elterlichen Gewalt zu knüpfen. Aus jener Thatsache kann der Schluß nicht gezogen werden, daß der betreffende Ehegatte auch seine Pflichten gegenüber den Kindern nicht erfüllen werde und nicht mehr geeignet sei, die elterliche Gewalt aus­ zuüben. Um so bedenklicher ist es, der Scheidung einen so weitgreifenden Einfluß auf die elterliche Gewalt beizulegen, als dies, wenn man von dem, in der hier fraglichen Beziehung zudem nicht unbestrittenen, franz. Rechte absieht, gegenüber

Srandpuntt des Entwurfes.

624

Scheidung.

Einfluß auf die elterliche Gewalt.

§ 1456.

dem in Deutschland geltenden Rechte eine große Neuerung enthalten würde, und zwar auf einem Gebiete, auf welchem das Festhalten an den hergebrachten Anschauungen besonders angezeigt ist, weil jede Aenderung die persönlichen Interessen tief berührt. Diesen Erwägungen gegenüber kann auch darauf erheb­ liches Gewicht nicht gelegt werden, daß es unter Umständen zu Konflikten zwischen den geschiedenen Ehegatten führen kann, wenn man der Scheidung

nur einen Einfluß auf die thatsächliche Sorge für die Person beilegt und die letztere von den übrigen Bestandtheilen der elterlichen Gewalt trennt1). Thatsächliche In Ansehung der Erziehungsgewalt über die gemeinschaftlichen Kinder räumen alle Rechte, wenn auch in verschiedener Art, der Scheidung einen Kinder, Einfluß ein. Im Anschlüsse an das gemeine Recht (vergl. 1. un. Cod. div. fact. 5, 2«; Nov. 117 c. 7; Seuffert VI, 213, VIII, 269, XX, 42, XXIII,

36, XXVI, 246, XXX, 39, XXXIII, 312, 313; Entsch. d. R. G. in Civils. IX, 111) geht die Mehrzahl der neueren Gesetzgebungen von dem Grundsätze aus, daß die Erziehung der gemeinschaftlichen Kinder nach Auflösung der Ehe durch Scheidung, solange beide Eltern leben, wenn nur der eine Ehegatte für den schuldigen Theil erklärt ist, dem anderen Ehegatten zustehen soll, daß jedoch

von diesem Grundsätze nach dem Ermessen des Prozeßrichters bezw. des Vor­ mundschaftsgerichtes mit Rücksicht auf das Wohl und Interesse der Kinder abgewichen Und die Erziehung dem schuldigen Theile oder auch — was ein­ zelne Rechte ausdrücklich gestatten — einem Dritten übertragen werden kann (vergl. preuß. A. L. R. II, 2 §§ 92—94, 97 —100; schwarzb.sondersh. Ehescheidungsges. §§ 36 ff.; code civil Art. 302 Hess. Entw. Art. 97 ff.). Dagegen sehen andere Rechte überhaupt von Aufstellung der Regel, daß der unschuldige Theil die Kinder behalten soll, ab und überlasten die Entscheidung der Frage, welchem Elterntheile die Erziehung zu überlasten ist, ganz dem Ermesien des Prozeßgerichtes bezw. des Vormundschaftsgerichtes (vergl. altenb. Eheordn. § 284; sächs. G. B. § 1749). Das goth. Eheges. §§ 170—173 sieht zwar, abgesehen von dem Falle, wenn nur ein gemeinschaftliches Kind oder mehrere, aber desselben Geschlechtes, vorhanden sind, ebenfalls von jener Regel ab, stellt aber die andere Regel auf, daß dem Ehemanne die Söhne, der Ehefrau die Töchter zum Zwecke der Erziehung im Scheidungsurtheile zugesprochen werden sollen, sofern nicht das Interesse der Kinder eine andere Regelung erheischt. Auf diesem Standpunkte stehen auch die Vorschläge des preuß. Gesetzrevisors, Pens. XV §§ 55—64 nebst Mot. S. 48 ff. roe™ Wenngleich einer Vertheilung der Kinder nach dem Geschlechte unter C9° e' die geschiedenen Ehegatten zum Zwecke der thatsächlichen Sorge für die Person, insbesondere der Erziehung, hingesehen auf das Interesse der Kinder und das natürliche Verhältniß, erhebliche Gründe zur Seite stehen, so fällt gegen eine

*) Die oben S. 143 erwähnte Petition des allgemeinen deutschen Frauenvereines

an den Reichstag will über die Frage, welchem Elterntheile nach der Scheidung die Kinder zu überlasten seien, das richterliche Ermestcn entscheiden lassen, wünscht jedoch,

daß mehr „der natürliche Standpunkt" berücksichtigt werde, nach welchem die Kinder bei der Mutter, die sich ihnen in jeder Beziehung widmen könne, bester aufgehoben seien,

während der Vater seiner ganzen Lebensstellung nach dazu meist weniger im Stande sei.

Scheidung. Rechtsverhältniß zu den Kindern. § 1456.

625

derartige Regelung, abgesehen davon, daß dieselbe mit der Mehrzahl der be­ stehenden Rechte nicht im Einklänge steht, entscheidend ins Gewicht, daß es sich hier zunächst um das Verhältniß der Ehegatten unter einander in Ansehung der Sorge für die Person der gemeinschaftlichen Kinder handelt, jene Regelung aber das Recht des unschuldigen Ehegatten, welcher während des Bestehens der Ehe einen Antheil an der Sorge für die Person in Ansehung aller Kinder hatte (§§ 1502, 1504, 1506), zu sehr beeinträchtigen würde. Ueberdies ist es bedenklich in erster Linie für die Ausübung der Erziehungsgewalt ohne dringende Gründe eine Norm aufzustellen, welche auch zu einer Entfremdung der Kinder unter einander führen kann und den mit der Scheidung verbundenen Riß in die Familienbande zu erweitern droht. Anders liegt dagegen die Sache, wenn beide Ehegatten für den schuldigen wenn beide Theil erklärt sind. In einem solchen Falle bleibt, wenn man für die Ent- ben^uibigen scheidung einen festen Anhaltspunkt im Gesetze geben will, nichts Anderes übrig, als eine Vertheilung der Kinder nach dem Geschlechte vorzuschreiben

.ertIärt f'nb

(vergl. schwarzb. sondcrsh. Ehescheidungsges. §§ 36 ff.; auch preuß. A. L. R. II, 2 §§ 93, 95, 96). Dem Vater in einem solchen Falle die Sorge für die Person aller Kinder allein zu überlasten, würde eine unbillige Härte gegen die Mutter sein und dem Interesse der Töchter, wenigstens in den meisten Fällen, widerstreiten.

Von der Regel, daß, wenn beide Ehegatten für den schuldigen Theil erklärt sind, eine Vertheilung der Kinder nach dem Geschlechte stattfinden soll, macht der § 1456 Abs. 1 Satz 1 jedoch im Anschlüsse an ähnliche Bestim­ mungen neuerer Gesetze (vergl. preuß. A. L. R. II, 2 §§ 94, 95; goth. Eheges. §§ 170ff.; schwarzb.sondersh. Ehescheidungsges. §§ 36 ff.; sächs. G. B. § 1749) insofern eine Ausnahme, als er auch die Söhne bis zum zurückgelegten sechsten Lebensjahre der Mutter zumeist, da dieselben bis zu diesem Lebensalter vor­ zugsweise noch der Pflege und Aufsicht der Mutter im Hause bedürftig sind und regelmäßig erst mit diesem Zeitpunkte die Schulpflicht beginnt. Dagegen ist es als bedenklich erachtet, nach dem Vorgänge der angeführten Gesetze die gleiche Ausnahme auch für den Fall zu bestimmen, wenn allein die Mutter für den schuldigen Theil erklärt ist. Eine derartige Beeinträchtigung der Rechte des unschuldigen Vaters ist ohne die dringendsten Gründe nicht gerechtfertigt. Solche Gründe liegen aber nicht vor. Der Rücksicht auf das Interesse der Kinder wird durch die im § 1456 Abs. 1 Satz 2 dem Vormundschaftsgerichte beigelcgte Befugniß in ausreichendem Maße Rechnung getragen. Daß für den Fall, wenn beide Ehegatten für den schuldigen Theil erklärt ^Be^gM« sind, die Bcfugniste des Vormundschaftsgerichtes nach Maßgabe des § 1456 d°sV°>mund-

Abs. 1 Satz 2 über die allgemeinen Grundsätze des § 1546 hinaus erweitert werden, kann einem Bedenken nicht unterliegen. Zweifelhaft kann es dagegen sein, ob eine solche Erweiterung der Befugniste des Vormundschaftsgerichtcs auch gegenüber dem unschuldigen Ehegatten gerechtfertigt ist, oder ob cs sich nicht vielmehr empfiehlt, in diesem Falle das Eingreifen des Vormundschafts­ gerichtes in das elterliche Erzichungsrccht an strengere Voraussetzungen zu knüpfen (vergl. preuß. A. L. R. II, 2 §§ 97—100). Im Hinblicke darauf, daß in Folge der Scheidung die in dem Zusammenwirken beider Eltern und Motive z. bürgerl. Geletzbuch. IV.

40

in der gegenseitigen Kontrole derselben liegende Garantie wcggefalleu ist und daß die Entscheidung über die Schuldfrage im Eheschcidungsprozcsse im Ver­ hältnisse zu den Kindern nicht unbedingt maßgebend sein kann, ist es jedoch angemessener, dem Vormundschaftsgerichte in einem weiteren Umfange, als dies nach den allgemeinen Grundsätzen der Fall ist, die Möglichkeit zum Ein­ schreiten zu geben, zumal dies dem geltenden Rechte in großen Rcchtsgebieten, namentlich in den Gebieten des gemeinen Rechtes (vcrgl. oben S. 624), des franz. Rechtes (code civil Art. 302) und des sächs. G. B. (§ 1749) entspricht. Der Rücksicht auf das Recht des unschuldigen Ehegatten geschieht dadurch Genüge, daß der § 1456 Abs. 1 Satz 2 das Einschreiten des Vormundschafts­ gerichtes davon abhängig macht, daß dies durch besondere Umstände im Interesse des Kindes geboten erscheint. Die besondere, durch § 1456 Abs. 1 Satz 2 dem Vormundschaftsgerichte beigelegte Machterweiterung geht aber im Anschlüsse an das gemeine Recht und das sächs. G. B. nur dahin, eine anderweite Regelung der Sorge für die Person unter den Eltern selbst vorzunehmen; dagegen ist das Vormundschaftsgericht auf Grund der hier fraglichen besonderen Bestimmung nicht befugt, die Sorge für die Person beiden Eltern zu entziehen und einem Dritten zu übertragen (vergl. preuß. A. L. R. II, 2 § 98; code civil Art. 302; schwarzb. sonderst). Ehescheidungsges. §§ 36 ff.). Vielmehr ver­ bleibt es in dieser Hinsicht bei den allgemeinen Grundsätzen der elterlichen Gewalt und des Vormundschaftsrechtcs (vergl. §§ 1546, 1554, 1555, 1633, 1738). Nach gemeinem Rechte (vergl. Entsch. d. R. G. in Civils. IX, 111) und verschiedenen neueren Gesetzgebungen (vergl. code civil Art. 302; goth. Eheges. §§ 170 ff.; altenb. Eheordn. § 284) erfolgt die Entscheidung darüber, bei welchem der geschiedenen Ehegatten die gemeinschaftlichen Kinder zu erziehen sind, im Wege des Zivilprozesses unter den Ehegatten. Ebenso steht nach preuß. Rechte bei einem Streite unter den Eltern über die Erziehung der Kinder die Entscheidung darüber, welchem Theile mit Rücksicht aus die Schuld­ frage nach Maßgabe des preuß. A. L. R. II, 2 §§ 92 ff. die Erziehung der Kinder zu überlassen ist, dem Prozeßrichter zu; doch ist dadurch eine ander­ weite durch das Jnteresie der Kinder erforderlich werdende Anordnung des Vormundschaftsrichters nicht ausgeschlossen (vergl. preuß. A. L. R. II, 2 §§ 90, 97—100; preuß. A. G. O. I, 40 § 51; Urth. d. R. G. bei Gruchot XXV S. 465 ff.; Jahrb. d. Entsch. d. Kammergcr. III, 32 S. 65, III, 38 S. 74). Das schwarzb. sondersh. Ehescheidungsges. §§ 36 ff. und das sächs. G. B. § 1749 weisen die Entscheidung der Erziehungsfrage ganz allgemein dem Vormundschaftsgcrichte zu. Wenngleich die Zuständigkeit des Prozeßgerichtes sich von dem Gesichtspunkte aus rechtfertigen läßt, daß es sich hier zunächst um eine Vertheilung des den Eltern bisher gemeinschaftlich zustehenden Rechtes unter die Eltern und um einen privatrechtlichen Streit über die Rechte der­ selben unter einander handelt und ein Prozeßverfahren größere Garantiern für die Ermittelung und Feststellung der für die Entscheidung maßgebenden Verhältniffe gewährt, so fällt doch gegen eine derartige Regelung entscheidend ins Gewicht, daß bei der Beurtheilung der Frage, ob eine von den Regeln des § 1456 Abs. 1 Satz 2 abweichende Anordnung geboten ist, allein der Gesichts-

Scheidung. Rechtsverhältniß zu den Kindern. § 1456.

627

punkt des Interesses der Kinder den Ausschlag zu geben hat und daß die Zu­ ständigkeit des Vormundschaftsgerichtes in dem hier fraglichen Falle dem Grundsätze des Entwurfes entspricht, daß die Entscheidung über die Be­ schränkung oder die Entziehung der elterlichen Gewalt überhaupt dem Vor­ mundschaftsgerichte zustehen soll (§§ 1546—1551). Zudem würde die Zulassung einer Entscheidung über die Erziehungsfrage in Verbindung mit dem Scheidungs­ prozesse mit den Vorschriften der C. P. O. § 575 Abs. 2 in Widerspruch treten (vergl. Entsch. d. R. G. in Civils. IX, 111). Dieselben Erwägungen, welche dafür sprechen, dem Vormundschafts­ gerichte die Befugniß beizulegcn, nach Maßgabe des § 1456 Abs. 1 Satz 2 eine von den Bestimmungen des § 1456 Abs. 1 Satz 1 abweichende An­ ordnung zu treffen, müssen dahin führen, dem Vormundschaftsgerichte auch die Aufhebung oder eine Aenderung der getroffenen Anordnung zu ge­ statten (vergl. § 1551). Eine solche Aufhebung oder Aenderung muß aber nicht blos dann, wenn es im Jntereffe des Kindes nöthig wird, sondern auch schon dann zulässig sein, wenn die Umstände, welche die Anordnung veranlaßt haben, weggefallen sind. Ist eine Abweichung von der Regel des § 1456 Abs. 1 im Jntereffe der Kinder nicht mehr geboten, so erscheint die Fortdauer der das elterliche Recht beschränkenden oder das letztere aufhcbenden Maßregel nicht mehr gerechtfertigt, auch wenn die Aufhebung oder Aenderung der Maßregel

im Interesse des Kindes nicht nöthig sein sollte. Wie aus dem Eingänge des § 1456 Abs. 1 sich crgiebt, sind die bcsonderen Bestimmungen des § 1456 über die Sorge für die Person der Kinder einer d-r Ehe-

übcrhaupt nur, solange beide Eltern leben, maßgebend. Da nach dem Tode des einen Eltcrnthcilcs das Recht des letzteren dem überlebenden Elterntheilc nicht mehr cntgegcnsteht, so liegt kein Grund mehr vor, von den allgemeinen Bestimmungen über die elterliche Gewalt abzuwcichen. Dem Jntereffe der Kinder wird in diesem Falle durch die allgemeinen Bestimmungen der §§ 1546 bis 1551 in genügender Weise Rechnung getragen. Nach dem Vorgänge des österr. G. B. § 142 läßt die altenb. Eheordn. ueberemtumt § 284 zunächst die Uebereinkunft der Eltern darüber entscheiden, wem von bcr e'tcr,L ihnen die Sorge für die Person der gemeinschaftlichen Kinder zustehcn soll.

Auf demselben Boden stehen die Vorschläge des preuß. Gesetzrevisors (Pens. XV § 55 nebst Motiven S. 48 ff.). Nach franz. Rechte (code civil Art. 280) ist

im Falle der Scheidung auf Grund gegenseitiger Einwilligung die von den Eltern vor der Scheidung getroffene Bestimmung maßgebend. Der Entwurf geht davon aus, daß die Zulaffung einer solchen die Eltern bindenden Uebercinkunft, auch wenn man die Wirksamkeit der letzteren an die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes bindet und dem letzteren die Befugniß vorbehält, die von ihm ertheilte Genehmigung, sofern das Jntereffe der Kinder es erfordert, wieder zurückzunehmen, nicht zu billigen ist. Sie ist mit dem Gesichtspunkte, daß das Recht der Sorge für die Person der Kinder nur die Kehrseite einer den Eltern gegenüber den Kindern obliegenden Pflicht ist, auf welche nicht verzichtet werden kann (§ 1561), nicht vereinbar und auch durch ein Bedürfniß nicht geboten, da es dem einen Elterntheilc unbenommen bleibt, die Sorge für die Person des Kindes, wenn er dies im Jntereffe des letzteren für angemeffen 40*

628

Scheidung.

Rechtsverhältniß zu den Kindern.

§§ 1457, 1458.

erachtet, dem anderen Elterntheilc in derselben Weise zu überlassen, wie er sie einem Dritten der Ausübung nach überlasten kann. Dazu kommt, daß die Zulastung einer solchen die Eltern bindenden Uebereinkunft geeignet ist, die Scheidungen zu befördern, und mit der Mehrzahl der bestehenden Rechte nicht im Einklänge steht.

§ 1457.

MMüet derEUernmit den Lindern.

Wenngleich der Satz, daß derjenige Elternthcil, welchem nach Maßgabe des § 1456 die Sorge für die Person der gemeinschaftlichen Kinder zusteht,

t>em anderen Elterntheilc den persönlichcii Verkehr mit den Kindern nicht gänzlich versagen darf und erforderlichenfalls das Vormundschaftsgericht ein­ zuschreiten befugt ist, sich vielleicht schon aus den allgemeinen Grundsätzen (§ 1546) ableiten läßt (vergl. Seuffcrt XXXIII, 312, XXXV, 296), so ist cs doch nach dem Vorgänge verschiedener neuerer Gesetzgebungen (vergl. preuß. A. L. R. II, 2 §§ 101, 102; schwarzb.sondcrsh. Ehcschcidungsgcs. §§ 36 ff.) bei der praktischen Wichtigkeit der Frage als rathsam erachtet, in der hier fraglichen Richtung eine ausdrückliche Bestimmung aufzunehmen.

§ 1458.

Unterhalt ‘sehrafls- *3cr

Mcht der Ehesrau.

Da bic Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber den Kindern nicht auf sondern auf der Verwandtschaft beruht (§§ 1480—1482), so erleidet

dieselbe durch die Scheidung keine Aenderung. Dies gilt in Ermangelung ejner entgcgenstehendcn Bestimmung auch von der Ordnung, in welcher den

Vater und die Mutter die Unterhaltsvcrpflichtung gegenüber den Kindern trifft (§ 1485), und zwar ohne Rücksicht darauf, welchem Elterntheilc nach Maßgabe des § 1456 die Erziehung des untcrhaltsberechtigtcn Kindes zustcht. Demgemäß haftet auch nach der Scheidung den Kindern regelmäßig der Vater vor der Mutter. Dies ist auch der Standpunkt des gemeinen Rechtes (Nov. 117 c. 7; vergl. Entsch. d. R. G. in Civils. VIII, 48, Seuffcrt XI.II, 300), des sächs. G. B. § 1749 und des schwarzb. sondersh. Ehcschcidungsgcs. § 41. Dagegen sind nach anderen Rechten, welche die Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber den Kindern während bestehender Ehe als eine beiden Eltern gemein­ schaftlich obliegende Last betrachten, insbesondere nach dem württemb. und dem nast. Rechte, sowie nach dem code civil Art. 303 und der altcnb. Eheordn. § 285 (vergl. ferner hest. Entw. Art. 99, 100), die Eltern im Falle der Scheidung die Kosten des Unterhaltes der Kinder gemeinschaftlich zu tragen verpflichtet. Das preuß. A. L. R. II, 2 §§ 103—107 schließt sich zwar grundsätzlich dem gemeinen Rechte an, ordnet jedoch die Unterhaltspflicht für den Fall der Scheidung insofern abweichend von den während bestehender Ehe maßgebenden Grundsätzen, als in jenem Falle der Vater von der für den schuldigen Theil erklärten Mutter einen Beitrag nach dem Verhältnisse ihres Vermögens oder Erwerbes bis höchstens auf die Hälfte des erforderlichen baarcn Aufwandes verlangen kann, und als die für den schuldigen Theil erklärte Mutter, wenn ihr die Erzichnng der Kinder bis zum vierten Lebensjahre der letzteres: über-

Scheidung. Rechtsverhältniß zu den Kindern. § 1458.

629

lassen oder die Pflege der Kinder bis zn jenem Zeitpunkte einem Dritten an­ vertraut ist, die Kosten dieser Erziehung und Pflege allein übernehmen muß t btc Lorgc für die Person der gemcinschaftlichcn Kinder zu überlasten ist, die Schuld oder Unschuld des einen

Kinder,

oder anderen Ehegatten als solche nicht unmittelbar maßgebend. In Er­ mangelung ausdrücklicher Bestimmungen wird angenommen, daß jene Frage mit Rücksicht auf das Wohl der Kinder unter Berücksichtigung der konkreten thatsächlichen Verhältnisse nach richterlichem Ermessen zu cickschciden sei (vergl. Scuffcrt XIV, 43; Entsch. d. R. G. in Civils. XVIII, 39). Dies ist auch der Standpunkt der altcnb. Ehcordn. § 240. Nach dem sächs. G. B. §§ 1759, 1749 sind Kinder unter 6 Jahren der Mutter, Kinder über 6 Jahren dem Vater zur Erziehung zu überlasten, sofern nicht nach dem Ermessen des Vormundschaftsgerichtcs bei dem anderen Ehegatten für das Wohl der Kinder bester gesorgt ist. Da nach dem Entwürfe (§ 1445 Abs. 1) das Trcnnungsurthcil materiell die Bedeutung eines bedingten Schcidungsurtheilcs hat und deshalb voraus­ sichtlich in der Mehrzahl der Fälle.die Scheidung der zeitweiligen Trennung von Tisch und Bett folgen wird, so liegt cs am nächsten und ist es im Jntcreste der Kontinuität der Erziehung der Kinder am zweckmäßigsten, wenn in An­ sehung der Sorge für die Person der Kinder während der Trennungszeit die­ selben Vorschriften maßgebend sind, wie nach der Scheidung. Die Möglichkeit aber, in dieser Art das Verhältniß zu regeln, ist dadurch gegeben, daß nach § 1449 schon in dem Trennungsurtheile zu bestimmen ist, welcher Ehegatte bezw. daß jeder der Ehegatten der schuldige Theil fei1). In Ermangelung cntgegcnstehcnder Bestimmungen versteht cs sich von unt-rhaussclbst, daß cs in Ansehung der Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber den vflld|t Kindern bei den allgemeinen Grundsätzen (§§ 1481, 1482, 1485) verbleibt (vergl. auch altcnb. Eheordn. §§ 236, 240; sächs. G. B. §§ 1759, 1749). Die Analogie der für den Fall der Scheidung gegebenen besonderen Vorschriften

des § 1458 trifft bei der zeitweiligen Trennung von Tisch und Bett nicht zu.

T) Die

S. 143 gedachte Petition des allgemeinen deutschen FrauenveceinS an

dm Reichstag hält es für daS Natürlichste, die Kinder im Falle der Trennung über­

haupt der Mutter zu überlassen und den Vater zur Zahlung von Unterhaltsgeldern zu

verpflichten.

636

Scheidung zc. Provisorische Maßregeln. § 1462.

da mährend der Trenmingszeit die eheliche Nutznießung und Verwaltung des Ehemannes fortbauert. In der gemeinrechtlichen Praxis pflegen, wenn der Ehefrau für die

Trennungszeit die Sorge für die Person der Kinder überlassen wird, der Ehe­ mann aber die letzteren zu unterhalten verpflichtet ist, der Ehefrau nicht nur für sie selbst, sondern auch für die ihr überwiesenen Kinder Alimente zu­ gesprochen zu werden (vergl. auch altenb. Eheordn. § 240; sächs. G. B. §§ 1759, 1762). Für eine derartige Regelung lassen sich allerdings Gründe praklischer Zweckmäßigkeit geltend machen. Indessen können dieselben nicht als durchschlagend erachtet werden, um in dieser Richtung spezielle, von den all­ gemeinen Grundsätzen abweichende und in die Rechte der Kinder eingreifende Bestimmungen zu rechtfertigen. Dem praktischen Bedürfnisse wird durch die allgemeinen Bestimmungen des Vormnndschaftsrechtcs über die Anordnung einer Pflegschaft (§ 1738) in Verbindung mit den Vorschriften des § 190 Abs. 2 und den Bestimmungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 753 ff.) in ausreichender Weise Rechnung getragen.

§ 1462. Im Anschlüsse an das gemeine Recht (vergl. Seuffert XIV, 143, XVIII, w”«nbb?» 126, XXXII, 146) geht die Mehrzahl der neueren Gesetzgebungen davon aus,

Provisorische

Sch-ibungz- ^ß auch während des Scheidungsprozesses keiner der Ehegatten befugt ist, proz-ss-s. hie häusliche Gemeinschaft aufzugeben, sondern daß die Zulässigkeit Trennung' ^c8 Gctrenntlebens von einer richterlichen Verfügung rennung. t[)c.[ung dem richterlichen Ermessen bald mehr bald

abhängt, bei deren Erwelliger Raum gelassen

ist (vergl. preuß. A. L. R. II, 1 §§ 723, 724, 727, 728 verb. mit der preuß. A. G. O. I, 40 §§ 46, 53, dem § 580 der C. P. O. und deil §§ 5, 7, 8 des preuß. Ausf. Ges. zur C. P. O. v. 24. März 1879; goth. Eheges. §§ 140 bis 143; altenb. Eheordn. §§ 234 ff.; schwarzb.sonderst). Ehescheidungsges. §§ 18, 23). Auch das sächs. G. B. § 1753 verlangt eine die Trennung zulassende richterliche Verfügung; die Trennung muß aber, ohne daß dem Ermessen des Gerichtes in dieser Beziehung Raum gelassen ist, gestattet werden. Dagegen ist nach franz. Rechte (code civil Art. 268, 269) die Ehefrau, sie mag Klägerin

oder Beklagte sein, schon kraft des Gesetzes befugt, die Wohnung des Ehe­ mannes während des -Scheidungsprozesses zu verlassen; doch ist von dem Gerichte das Hans zu bestimmen, in welchem die Ehefrau verpflichtet ist sich aufzuhalten (vergl. auch hesi. Entw. Art. 89, 90, 92). Diese dem bürgerlichen Rechte angehörendcn Bestimmungen sind durch die Vorschriften der C. P. O.,

insbesondere den § 584, nicht berührt (vergl. § 16 Nr. 4 des Eins. Ges. zur C. P. O.). Der § 584 der C. P. O. regelt nur das Verfahren, wenn vor­ läufige Trennung beantragt ist, nach Maßgabe der für einstweilige Ver­ fügungen geltenden Vorschriften (vergl. Entsch. d. R. G. in Civils. VIII, 81; Urth. d. R. G. bei Gruchot XXVII S. 961). Der Entwurf hat sich dem von der Mehrzahl der bestehenden Rechte anerkannten Prinzipe angeschlosien, daß die Aufhebung der häuslichen Gemein­ schaft während der Dauer des Rechtsstreites nur auf Grund einer dieselbe

Lcheidung IC. Provisorische Maßregeln. § 1462.

637

gestattenden einstweiligen Verfügung zulässig sein soll. Den Ehegatten in An­ lehnung an das franz. Recht und den Vorschlag des Gcsetzrevisors, Pens. XV §§ 49, 50 nebst Motiven S. 395 ff., kraft des Gesetzes die Bcfugniß zu geben, während des Scheidungsprozesses die häusliche Gemeinschaft aufzugcben, weil unter diesen Umständen keinem der Ehegatten zugemuthet werden könne, das gestörte eheliche Leben fortzusetzcn, das fernere Zusammenleben der Ehegatten während des Rechtsstreites auch leicht zu neuen Streitigkeiten Veranlassung gebe und die Aussöhnung erschwere, ist voin Standpunkte des Interesses thunlichster Aufrechterhaltung der Ehe aus gefährlich und droht zu einer Ver­ mehrung der Scheidungen zu führen. Sind die Ehegatten nicht berechtigt, ohne richterliche Gestattung die häusliche Gemeinschaft aufzugeben, so wird derjenige Ehegatte, welcher eigenmächtig sich getrennt hat, eher geneigt sein, zurückzukchren, zumal ihm im Falle eigenmächtiger, nicht schon nach den allgemeinen Grundsätzen gerechtfertigter Trennung ein Anspruch auf Gewährung des Unterhaltes außerhalb der häuslichen Gemeinschaft gegen den anderen Ehe­ gatten nicht zusteht. Die Rückkehr in die häusliche Gemeinschaft hat aber, wie die Erfahrung lehrt, in vielen Fällen die Aussöhnung der Ehegatten zur Folge. Dem praktischen Bedürfnisse wird andererseits genügt, wenn im Wege einstweiliger Verfügung den Ehegatten die Aufhebung der häuslichen Gemein­ schaft, und zwar über die zu eng gezogenen Grenzen des preuß. A. L. R. II, 1 § 724 hinaus, nach freiem richterlichen Ermessen gestattet werden kann. Aus diesem Standpunkte stehen auch die preuß. Entwürfe über Ehescheidungen von 1859 und 1860. Selbstverständlich bleiben daneben die allgemeinen Grund­ sätze über das Recht eines Ehegatten, sich der häuslichen Gemeinschaft zu ent­ ziehen, wenn das Verlangen des anderen Ehegatten nach Herstellung der häus­ lichen Gemeinschaft mit der rechten ehelichen Gesinnung nicht vereinbar ist (vcrgl. §§ 1272, 1273, Motive zu § 1443 oben S. 590; Entsch. d. R. G. in Civils. XVII, 50, 97, XVIII, 39 S. 189), unberührt. Um mit dem § 1459 in Uebereinstimmung zu bleiben, ermähnt der § 1462 neben der Entbindung von der Verpflichtung der Ehegatten zur häus­ lichen Gemeinschaft auch die Entbindung von der Verpflichtung zur Leistung der ehelichen Pflicht als Gegenstand der einstweiligen Verfügung. Als weitere Gegenstände einstweiliger Verfügung bezeichnet der § 1462 unt-rhaltsAbs. 1 im Anschlüsse an das bestehende Recht die Regelung der gegenseitigen Unterhaltspflicht der Ehegatten, die Sorge für die Person der gemeinschaft-d-r-und-r-c. lichen Kinder innerhalb der im § 1456 Abs. 2 bezeichneten Grenzen, sowie die Verpflichtung der Ehegatten zur Gewährung des Unterhaltes an die Kinder im Verhältnisse der Ehegatten zu einander (vergl. Seuffcrt XXXI, 245, XXXV, 78, XLII, 172; Entsch. d. R. G. in Civils. XVIII, 39 S. 189; preuß. A. L. R. II, 1 §§ 724, 725, 727, 729 Verb, mit preuß. A. G. O. I, 40 §§ 46, 43, § 580 der C. P. O. und §§ 5, 7, 8 des preuß. Ausf. Ges. zur C. P. O. v. 24. März 1879; goth. Eheges. §§ 141, 144 ff.; schwarzb. sondersh. Ehescheidungsges. .§§ 19—22; altenb. Eheordn. §§ 234—237, 240; sächs. G. B. §§ 1753, 1758, 1759, 1749, 1763). Im Anschlüsse an das gemeine Recht, das preuß. Recht und die altenb. . Frei-» Eheordn. ist es nicht für nöthig erachtet, dem Richter in Ansehung der Regelung 'ermess

638

Scheidung ?c. Provisorische Maßregeln. § 1462.

der hier fraglichen Verhältnisse im Wege einstweiliger Verfügung nähere Direktiven zu geben. Anlangend insbesondere die Regelung der gegenseitigen Unterhaltspflicht der Ehegatten, so wird der Richter bei seiner einstweiligen Verfügung auch ohne besondere Direktive schon von selbst denselben aus der Lage der Umstände sich ergebenden Gesichtspunkten folgen, welche zu den für den Fall der zeitweiligen Trennung von Tisch und Bett gegebenen Vorschriften des § 1460 geführt haben. Anders liegt die Sache in Ansehung der auf die Sorge für die Person der gemeinschaftlichen Kinder sich beziehenden Vor­ schriften des § 1461, da dieselben auf der Voraussetzung beruhen, daß bereits feststeht, welcher von den Ehegatten oder ob beide der schuldige Theil sind. Will man, soviel die Zusprechung der Sorge für die Person der Kinder während des Scheidungsprozesses betrifft, überhaupt eine Norm im Gesetze aufstellen, so würde kaum etwas Anderes übrig bleiben, als die Vorschriften der §§ 1456, 1461 mit Unterstellung beiderseitiger Schuld maßgebend sein zu lassen (vcrgl. schwarzb.sondersh. Ehescheidungsges. §§ 21,22). Diese Unterstellung wird indessen in vielen Fällen der Wirklichkeit nicht entsprechen und deshalb zu einer unbilligen und den realen Verhältnißen nicht entsprechenden Regelung führen. Läßt man Raum für das freie Erinessen des Richters, so wird weit sicherer das Nichtige getroffen werden, da die thatsächlichen Verhältniße, welche zu dem Prozesse geführt haben, oft klar und unbestritten sind, auch bevor noch über dieselben erkannt ist. Ein Bedürfniß, während der Dauer des Scheidungs­ prozeßes in Ansehung der Sorge für die Person der Kinder die regelmäßigen Rechte des Vormundschaftsgcrichtes (§ 1546) zu erweitern, liegt nicht vor. Daß diese Rechte dem Vormundschaftsgerichte auch gegenüber demjenigen Elterntheile zustchen, welchem im Wege einstweiliger Verfügung die Sorge für die Person der Kinder überwiesen worden ist, versteht sich von selbst. Dauer Daß die Regelung der im § 1462 Abs. 1 bezeichneten Verhältnisse im Wege der Regelung. einstweiliger Verfügung nur für die Zeit bis zur Erledigung des Rechtsstreites erfolgen kann, entspricht dem Zivccke und der Natur der einstweiligen Verfügung. Antragsrecht.

Abweichend vom preuß. A. L. R. II, 1 § 724, aber in Uebereinstimmung mit dem sächs. G. B. § 1753 (vergl. auch code civil Art. 268) kann nach

§ 146.2 Abs. 1 jeder der Ehegatten, ohne Rücksicht darauf, ob er der Kläger oder der Beklagte ist, beantragen, daß das Getrenntleben im Wege einstweiliger Verfügung gestattet werde und die Regelung der übrigen im § 1462 Abs. 1 bezeichneten Verhältnisse auf diesem Wege erfolge. Wird die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft auf Antrag des klagenden Ehegatten angeordnct, so ergiebt sich damit ein Jntereße auch des anderen Theiles, daß die Regelung des Interimistikums eine vollständige sei und auf die anderen im § 1462 Abs. 1 bezeichneten Punkte sich erstrecke. Aber auch der Antrag auf Aufhebung der Verpflichtung zur häuslichen Gemeinschaft und zur Leistung der ehelichen Pflicht muß dem beklagten Theile selbständig gestattet werden. Ein Festhalten des letzteren in der häuslichen Gemeinschaft während des Prozeßes ist mit der persönlichen Spannung, welche durch den Prozeßbeginn eintritt, nicht wohl verträglich und kann unter Umständen zu großen Härten führen, z. B.. wenn die Ehefrau falsch beschuldigt ist oder aus Gewißensbedenken nicht selbst in gleicher Weise vorgehen will.

Scheidung :c.

Provisorische Maßregeln.

§ 1462.

639

Die Vorschrift des § 1462 Abs. 2, welche den Zeitpunkt bestimmt, von

>3ei.t._bev

welchem an der Erlaß einer einstweiligen Verfügung zum Zwecke der Regelung der im § 1462 Abs. 1 bezeichneten Verhältnisse beantragt werden kann, schließt sich an ähnliche in verschiedenen Ausführungsgesetzen zur C. P. O. sich sindcnde, auf Grund des § 16 Nr. 4 des Eins. Ges. zur C. P. C. erlassene Vorschriften an (vcrgl. preuß. Ausf. Ges. v. 24. Mürz 1879 § 7; anhalt. Ausf. Ges. v. 10. Mai 1879 § 10; Ausf. Ges. für Lippe-Detmold v. 26. Juni 1879 § 7, für Waldeck v. 1. Sept. 1879 Art. 4). Sie empfiehlt sich in der

Erwägung, daß mit dem Anträge auf Anberaumung des Sühnctermincs oder des Termines zur mündlichen Verhandlung auf die Klage der erste Schritt zur Einleitung des Scheidungsverfahrens geschieht und es im Interesse des klagenden Ehegatten liegt, wenn das Gericht zugleich mit der Terminsbcstimmung dem Anträge auf Erlaß der hier fraglichen einstweiligen Verfügung entsprechen kann, damit gleich von dem Beginne des Prozesses an die im § 1462 Abs. 1 bezeichneten Verhältnisse geregelt sind. Auf der anderen Seite wird die vorgängige Zustellung der Ladung zum Termine als Voraussetzung für die Zulässigkeit einer einstweiligen Verfügung durch ein Berücksichtigung ver­ dienendes Jntcresie des anderen Theiles nicht gefordert (vcrgl. auch § 584 verb. mit §§ 820, 815, 806 der C. P. O.; Entsch. d. R. G. in Civils. IV, 114 S. 405). Dagegen fehlt cs an einem Bedürfnisse -und ist cs nicht ange­ messen, schon vor dem im § 1462 Abs. 2 bezeichneten Zeitpunkte eine einstweilige Verfügung zu gestatten, zumal durch den § 1462 das Recht eines Ehegatten, aus zureichenden Gründen nach Maßgabe der allgemeinen Grundsätze sich der häuslichen Gemeinschaft auch ohne richterliche Gestattung zu entziehen (§§ 1272, 1273), nicht berührt wird. Die oben fangcführtcn Ausführungsgesetze zur C. P. C. enthalten noch Ausbi-ib-n die besondere Bestimmung, daß, wenn der Kläger in dem Sühnctcrmine oder “Xi'"'

in dem Termine zur mündlichen Verhandlung auf die Klage nicht erscheint, die beantragte einstweilige Verfügung nicht zu erlassen und auf Antrag die Aufhebung der erlasiencn Verfügung durch Endurtheil auszusprechen ist. Eine derartige Bestimmung ist in Ermangelung eines Bedürfnisses, für den hier fraglichen Fall etwas Besonderes zu bestimmen (vergl. §§ 815, 806 der C. P. O.), in den Entwurf nicht ausgenommen. Die Zuständigkeit des Gerichtes und in dringenden Fällen des Amts­ gerichtes bestimmt sich nach den Vorschriften der C. P. O. §§ 584, 816, 820, 822. Besondere, die Sicherstellung des Vermögens der Ehefrau während des ®ia m"e' Fall, daß nach dem im § 686 Abs. 2 der C. P. O. bezeichneten Zeitpunkte eine.wesentliche Aenderung der Verhältnisse cintritt, welche für die Verurtheikung zur Gewährung des Unterhaltes oder für die Bestimmung der Höhe der Alimente oder der Dauer ihrer Entrichtung maßgebend waren, eine der Ver­ änderung entsprechende Abänderung des früheren Urtheiles zu erwirken. Diese Möglichkeit ist eine Konsequenz des Prinzipes, daß der Unterhaltsanspruch fort und fort sich erneuert (vergl. die Vorbemerkung oben S. 677). Die rechtliche Natur des Untcrhaltsanspruches wird dadurch, daß derselbe feiner Existenz und seinem Inhalte nach durch Urtheil festgestellt ist, nicht berührt, da diese Feststellung eine Norm für die Zukunft nur unter der Voraussetzung bildet, daß eine wesentliche Aenderung der für. die Verurthcilung maßgebend gewesenen Verhältnisse nicht cintritt. Insbesondere kann eine Aenderung dieser .Verhältnisse auch eine andere Art der Unterhaltsgewährung, als die bisher gewährte, bedingen (§ 1491 Abs. 1, 2). Wie aus der Fasiung der Vorschriften des § 724 Abs. 6 Satz 1, 2 erhellt, ist die erfolgte Verurthcilung jedoch insofern auf die. Beweislast von Einfluß, als die letztere demjenigen obliegt, .welcher die Mänderung des Urtheiles beantragt. Diese Art der Regelung der Beweislast, welche von den Bestimmungen der §§ 1481, 1482 (vergl. oben S. 683,687) abweicht und gegenüber dem Prinzipe, daß der Unterhaltsanspruch -fort und fort sich erneuert, zum Nachtheile des Verpflichteten allerdings einen positiven Karakter an sich trägt, ist durch praktische Rücksichten unbedingt geboten. Mit der Vorschrift des § 1493 steht auch das geltende Recht im -Einklänge (vergl. Scuffert X, 262, 145, XXIX, 144; Entsch. d. R. G. in Civilst IV, 44 S. 155, V, 25 S. 98 ff.; code civil Art. 208, 209; Hess. -Entw. III Art. 46).

§ 1494. bessier Der § 1494 spricht eine Konsequenz aus, welche aus der dem Entwürfe pflichteten: zu Grunde liegenden Auffassung über die juristische Natur des UuterhaltsGeitend- anspruches als eines in jedem Augenblicke beim Zutreffen der erforderlichen machung des thatsächlichen Voraussetzungen neu entstehenden Rechtes sich ergiebt (vergl. die anspruches Vorbemerkung oben S. 677). Da nach dieser Auffassung der Bedürftige für die Zukunft bk Zukunft kein erworbenes Recht auf Gewährung des Unterhaltes, ins' besondere auch kein bedingtes Forderungsrecht, hat, so folgt aus § 2 der Äons. O., daß in dem Konkurse über das Vermögen des Verpflichteten der Unterhaltsanspruch für die Zukunft nicht geltend gemacht werden tarnt, anderer­ seits, daß der Gemeinschuldner trotz des Konkurses aus den ihm nach den §§ 118, 120 der Äons. O. zum Unterhalte angewiesenen Mitteln und aus seinem iticht in den Konkurs fallenden Vermögen und Erwerbe dem Bedürftigeit nach Maßgabe des § 1482 den Unterhalt zu gewähren verpflichtet ist und er sich der Gelteitdmachung des Unterhaltsanspruches gegenüber nicht auf die Vorschrift des § 11 der Äons. O. berufen kann, ein Resultat, welches dem uatürlicheit Gefühle und der aus dem Familienbaitde sich ergebenden sittlichen Pflicht, namentlich, roenn man die Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber Seit Kindern ins Auge faßt, durchatls entspricht (vergl. auch Seuffert XXXVIII, 86; nass. Verordn, v. 28. September 1859 § 83). Wenngleich der § 1494 nur als eine Konsequenz der dem Entwürfe zu Grunde liegenden Auffaffung über die juristische Natttr des Uitterhaltsanspruches sich darstellt, so ist es doch, da ein direkter Ausspruch über diese Natur im Gesetze tricht gegeben ist und nicht wohl gegeben werden kann, als angemessen erachtet, jene Konsequenz, welche ganz besonders geeignet ist, die priitzipielle Auffaffung des Entwurfes klar­ zustellen, ausdrücklich im Gesetze hervorzuheben. für die VerDie Bestimmung des § 1494 bezieht sich aber nur auf die Geltendg-ng-nhert. inac[)U1Ig be§ Unterhaltsanspruches für die Zukunft. Soweit derselbe schon vor der Eröffnung des Konkurses zur Entstehuitg gekommen ist und nach § 1492 für die Vergangenheit gefordert werden kaun, ist die Geltendmachung der betreffenden Forderung im Konkurse nicht ausgeschloffen (§ 2 der Äons. O.). Ein Zweifel kann sich in dieser Beziehung jedoch für bett Fall erheben, roenn die nach Maßgabe des § 1491 Abs. 3 in Verbindung mit § 661 im Voraus zu bewirkenden Leistungen bei der Eröffnung des Konkurses bereits, fällig sind. Da nach § 661 Abs. 3 der Anspruch auf das im Voraus zu Leistende mit Beginn derjeitigen Frist als erworben gilt, für welche im Voraus zu leisten ist, so könnte daratls geschloffen werden, daß, wenn die Frist bei Eröffnung des Koirkurses bereits begonnen hatte, auch die für diese Frist vorzuleistenden Alimente, soweit dieselben auf die Zeit nach der Eröffntmg des. Konkurses fallen, in dem letzteren geltend gemacht werden könnten, andererseits die Geltendmachung derselben außerhalb des Konkurses für die Dauer des letzteren nach § 11 der Konk. O. ausgeschlossen sei. Diesem unzweckmäßigen und mit der Natur der Unterhaltspflicht nicht im Einklänge stehenden Resultate tritt der Schlußsatz des § 1494 entgegen. Auf die formale Konsequenz der Be-

Unterhaltspflicht.

Befreiung durch Verzicht, Vorausleistung.

§ 1495.

709

stimmung des § 661 Abs. 3 kann um so weniger das entscheidende Gewicht gelegt werden, als durch jene Bestimmung vornehmlich eine dem Unterhalts­ zwecke entsprechende Art der Gewährung hat festgesetzt werden sollen.

§ 1495. Die Bestimmung des § 1495 Abs. 1 rechtfertigt sich durch die sittliche Grundlage der Unterhaltspflicht und die Rücksicht auf das wegen der offent- “awanipru^' lichen Armenpflege konkurrirende öffentliche Interesse (vergl. auch Seuffcrt X, 263; Entsch. d. R. G. in Civilst IV, 60; sächs. G. B. § 1852). Ob nach gemeinem Rechte über noch nicht fällige Alimente der hierV»gl-,chüb-r fraglichen Art ein Vergleich wirksam geschlossen werden kann und ob derselbe zu 9 hm,nte'

feiner Gültigkeit der richterlichen Prüfung und Bestätigung bedarf, ist streitig (vergl. 1. 8 § 2 D. de transact. 2, it>, 1. 8 Cod. de transact. 2, u; Seuffcrt V, 285, X, 263, XVIII, 244; Entsch. d. R. G. IV, 60). Das preuß. A. L. R. I, 16, §§ 412—414 verlangt zur Gültigkeit gerichtliche Bestätigung. Für Preußen ist diese Bestimmung jedoch durch Ges. v. 11. Juli 1845 aufgehoben. Die übrigen Gesetzbücher entscheiden die Frage nicht speziell. Auch der Entwurf hat in dieser Beziehung eine besondere Vorschrift nicht ausgenommen, davon ausgehend, daß die Unwirksamkeit eines derartigen Vergleiches aus der Bcstimmung des § 1495 Abs. 1 sich genügend für alle diejenigen Fälle crgicbt, in welchen der gesetzliche Unterhaltsanspruch gemindert wird. Der § 1495 Abs. 2 entscheidet die Frage, inwieweit eine Vorausleistung den zur Gewährung des Unterhaltes Verpflichteten in Ansehung der auf die^'A^g"^ Zukunft entfallenden Alimente befreit.

Die absolute Natur der Unterhalts­

pflicht, auf welcher die Bestimmung des § 1495 Abs. 1 beruht, bringt es mit sich, daß eine zum Zwecke der Gewährung des Unterhaltes für die Zukunft erfolgende Vorausleistung als solche den Verpflichteten von den später zur

Entstehung kommendeil Unterhaltsvcrbindlichkeiten nicht befreien kann. Wenn daher der Bedürftige die ihm zum Zwecke der Besinedigung künftiger Bcdürfnisie von dem Verpflichteten gemährten Mittel schon vor dem Eintritte dieser künftigen Bedürfnisse anderweit verwendet oder verliert, so muß der

Verpflichtete nochmals leisten. Anders liegt die Sache jedoch dann, wenn die Vorausleistung nur insoweit erfolgte, als der Verpflichtete gesetzlich dazu verpflichtet war. In einem solchen Falle hat der Bedürftige ein gegenwärtig schon bestehendes Forderungsrecht auf Vorausleistung der Alimente für einen gewissen zukünftigen Zeitraum und ist daher der Schuldner nach § 231 be­ rechtigt, dieses Forderungsrecht durch Bewirkung der Leistling aufzllheben. Hierdurch wird die Neuentstehung von Alimentationsansprüchcn in dem Zeit­ räume, auf welchen die geleisteten Alimente sich beziehen lind welcher von dem Gesetze als ein einheitlicher Moment angesehen wird, ausgeschlosien. Inwieweit eine gesetzliche Verpflichtung zur Vorausleistung besteht, ergiebt der § 1491 Abs. 3 (vergl. allch § 1454 Abs. 1). Auf die gegenseitige Unterhaltspflicht der Ehegatten (§§ 1280, 1281, 1460, 1462) ist allerdings die Vorschrift des § 1491 Abs. 3 nicht für entsprechend anwendbar erklärt, während der § 1495 Abs. 2 auch für jene Unterhaltspflicht gilt. Indessen

710

Uebcrtragbarkeit. Aufrechnung.

Unterhaltspflicht. Erlöschen. § 1496.

kann auch in den Fällen der Unterhaltspflicht der Ehegatten, namentlich wenn zeitweilige Trennung von Tisch und Bett verfügt ist (§§ 1460, 1462) selbst­ verständlich eine dem Zwecke des Unterhaltes entsprechende Art der Gewährung, des letzteren, mithin nach Lage des einzelnen Falles auch Vorausleistung für eine den Umständen nach angemessene Frist verlangt werden. Auch in diesen Fällen fehlt cs daher nicht an einer gesetzlichen Verpflichtung zur VorauSleistung, und bedarf es für diese Fälle keiner besonderen Vorschrift. Anders liegt dagegen die Sache in den Fällen des § 1491 Abs. 4, 5, in welchen der Verpflichtete selbst die Frist, für welche die Vorausleistung erfolgen soll, zu bestimmen hat. Damit in Fällen dieser Art der Verpflichtete das ihm zu­ stehende Bestimmungsrecht nicht dazu mißbraucht, um sich von der Unterhalts­ pflicht für die Zukunft auf einen solchen Zeitraum hinaus zu befreien, auf welchen angemessener Weise die Vorausleistung nicht ausgedehnt werden darf, bestimmt der § 1495 Abs. 2 ausdrücklich, daß in diesen Fällen die Voraus­ leistung den Verpflichteten nur insoweit befreit, als dieselbe für eine an­ gemessene Frist bewirkt ist. Anlangend die Uebertragbarkeit des Unterhaltsanspruchcs (vergl. Entsch. d. R. G. in Civils. IV, 42) und die Zulässigkeit der Aufrechnung gegenüber einem solchen, so sind in dieser Richtung besondere, den Zweck dieses Anspruches sichernde Bestimmungen nicht erforderlich. Aus § 749 Nr. 2 der C. P. O. verb. mit §§ 296, 1022, 1207, 288 des Entwurfes (vergl. auch § 295) ergiebt sich, daß insoweit, als nach § 749 Nr. 2 der C. P. O. die Pfändung der auf gesetzlicher Vorschrift beruhenden Alimentenforderungen ausgeschlossen ist, auch der hier fragliche Unterhaltsanspruch nicht übertragen, durch Rechtsgeschäft nicht einem Nießbrauche unterworfen oder verpfändet und auch nicht im Wege der Auf­ rechnung von Seiten des Verpflichteten aufgehoben werden kann.

§ 1496. Tod des Berechtigten oder Ver­ pflichteten.

Aus der Natur und beni Inhalte der Unterhaltsverpflichtung folgt, daß dieselbe für die Zukunft mit dem Tode des Berechtigten erlöschen muß. Nicht minder entspricht es der persönlichen Grundlage der Unterhaltspflicht, daß die letztere mit dem Tode des Verpflichteten wegfällt und auf die Erben als solche nicht übergeht. Dies ist auch der Standpunkt des gemeinen Rechtes (vergl. Scuffert VI, 205, XXX, 2; Entsch. d. R. G. in Civils. IV, 60 S. 211) und der meisten neueren Gesetzgebungen (altenb. Armenges, v. 9. August 1833 § 84; weimar. Heimathsges. v. 23. Februar 1850 § 43; sächs. G. B. § 1853). Das röm. Recht macht jedoch eine, in der gemeinrechtlichen Jurisprudenz im Einzelnen sehr bestrittene, Ausnahme zu Gunsten des höchst bedürftigen Vaters gegenüber den Erbe«: des Kindes (vergl. 1. 5 § 17 D. de agnosc. et alend. lib. 25, s; Entsch. des R. G. in Civils. IV, 60 S. 211). Das preuß. A. L. R. enthält zwar keine ausdrückliche Entscheidung der Frage, ob die Unterhaltsverpflichtung für die Zukunft mit dem Tode des Verpflichteten erlischt; doch wird dieselbe von der Jurisprudenz bejaht. Auf dem Gebiete des franz. Rechtes ist dagegen die Vererblichkeit der Unterhaltspflicht in Er­ mangelung einer besonderen gesetzlichen Entscheidung sehr bestritten.

711

Unterhaltspflicht. Erlöschen. § 1496. Gin Bedürfniß,

im Interesse

des Berechtigten

oder der

nach

beut “™c“crb^5

Erblasser zur Gewährung des Unterhaltes verpflichteten Verwandten oder int Interesse der Armcnverbändc durch positive Bestimmung die Unterhaltspflicht für vorerblich zu erklären, kann nicht anerkannt werden, zumal im Hinblicke auf die Vorschriften des § 1485 dem Berechtigten selbst regelmäßig ein gesetz­ liches Erbrecht bezw. Pflichttheilsrecht gegenüber dem zur Gewährung des Unterhaltes Verpflichteten zustcht und dadurch ein Ersatz für den Wegfall des Untcrhaltsanspruchcs gewährt wird. Die Regel, daß die Nnterhaltsvcrpflichtung für die Zukunft mit dem'Tode des Berechtigten oder des Verpflichteten erlischt, erleidet jedoch nach § 1496 Satz 2 insofern eine Modifikation, als jene Regel auf die im Voraus zu bewirkenden, zur Zeit des Todes des Be­ rechtigten oder Verpflichteten bereits fälligen Leistungen keine Anwendung finden soll, weil diese Leistungen nach Maßgabe der Vorschriften des § 1491 Abs. 2 und des § 661 Abs. 3 als bereits zur Zeit des Todes des Berechtigten oder Verpflichteten erworben gelten. Eine Disharmonie mit der Vorschrift des § 1494, nach welcher der Bedürftige in Ansehung der im Voraus zu be­ wirkenden, bei Eröffnung des Konkurses bereits fälligen Leistungen nicht als Konkursgläubiger behandelt werden soll, ergiebt sich aus der Bestimmung des § 1496 Satz 2 nicht, da jene Vorschrift nur die Art der Geltendmachung des Anspruches auf die erworbenen Leistungen in einer zweckmäßigen Weise zu ordnen bezweckt. Von selbst versteht es sich ferner, daß der nach § 1492 dem Berechtigten zustehende Anspruch auf Nachzahlung oder Entschädigung für die Vergangenheit aktiv und passiv vererblich ist. Ueber die Verjährung des Unterhaltsanspruches sind besondere Be- Verjährung, stimmungen nicht ausgenommen. Aus der juristischen Natur des Unterhalts­ anspruches und der Vorschrift des § 154 Abs. 2 ergiebt sich mit genügender Klarheit, daß die Vorschriften des § 160 und des § 184 Abs. 2 auf jenen Anspruch keine Anwendung finden, daß vielmehr die künftige Alimen­ tation durch Verjährung nicht ausgeschlossen werden kann. Andererseits kann es einem Zweifel nicht unterliegen, daß der dem Berechtigten auf Grund des § 1492 zustehende Anspruch auf Nachzahlung oder Entschädigung für die Vergangenheit der kurzen Verjährung nach Maßgabe des § 157 unterliegt. Nach § 168 ist jedoch die Verjährung des Anspruches unter den dort bezeichneten Voraussetzungen gehemmt. Einer Ausnahmevorschrift bedarf

cs in dieser Beziehung hier nicht.

712

Rechtsdcrhältniß zwischen Eltern und Kindern. Familienname. § 1497.

Dritter Titel.

WechLsnerHäktniß zwischen Gktern und ehelichen Kindern. I. Allgemeine Vorschriften. §§ 1497-1500. Gegenstand der allgemeinen Vorschriften.

Die §§ 1497—1500 regeln die aus dem Rechtsverhältnisse zwischen Eltern und ehelichen Kindern sich ergebenden, von der elterlichen Gewalt un­ abhängigen Beziehungen, soweit die letzteren nicht im Zusammenhänge mit anderen besonderen Materien geordnet sind (vergl. in dieser Hinsicht § 40 Abs. 1, § 168 Satz 2, §§ 1238, 1481 Abs. 3, § 1482 Abs. 2, § 1491 Abs. 5, §§ 1610, 1632). Unter ehelichen Kindern sind zunächst die im § 1466 be­ zeichneten Kinder zu verstehen. Inwieweit die hier fraglichen Bestimmungen auf Kinder aus ungültigen Ehen, auf uneheliche, legitimirte und an Kindes­ statt angenommene Kinder Anwendung finden, crgiebt sich aus den besonderen, diese Verhältnisse betreffenden Vorschriften (vergl. §§ 1562—1569, 1579, 1583, 1601, 1621, 1622).

§ 1497. Familien­ namen des Kindes.

Vornamen.

Die Bestimmung des § 1497 steht mit dem gettcnden Rechte im Ein­ klänge (vergl. preuß. A. L. R. 11, 2 § 58; öftere. G. B. § 146; sächs. G. B. § 1801). Recht und Pflicht des ehelichen Kindes, den Familiennamen des Vaters zu führen, stellt sich als Ausfluß der Zugehörigkeit des Kindes zu der väterlichen Familie dar und bildet insoweit einen Bestandtheil des Privat­ rechtes und speziell des Familienrechtes (vergl. die Vorbemerkung zu Tit. 8). Die öffentlichrechtliche Seite des Namenrechtcs, insbesondere die Bestimmungen über die Zulässigkeit einer Aenderung des Familieirnamens, gehören dem Ver­ waltungsrechte an und kommen deshalb hier nicht in Frage. Nach § 22 des R. Ges. über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung v. 6. Februar 1875 soll in das standesamtliche Geburts­ register auch der Vorname des Kindes eingetragen werden. Bestimmungen über Recht und Pflicht, dem Kinde den Vornamen beizulegen, finden sich weder in jenem Gesetze, noch auch in den neueren Gesetzbüchern (vergl. jedoch Hess. Jnstr. für die Standesbeamten v. 9. November 1875). Auch der Ent­ wurf hat in dieser Beziehung die Aufnahme einer besonderen Vorschrift als entbehrlich erachtet, davon ausgehend, daß die Beilegung des Vornamens als Ausfluß der Pflicht und des Rechtes der Sorge für die Person des Kindes erscheint (§ 1502 Nr. 1). Dagegen gehören die Fragen, welche Arten von Vornamen eingetragen werden dürfen (vergl. das in den Gebieten des franz. Rechtes geltende franz. Ges. v. IT. Germinal XI) und unter welchen Voraus-

Rechtsverhältnis; zwischen Eltern und Kindern. Gehorsam. § 1498. setzungen

eine

Aenderung

des

Vornamens

zulässig

ist,

dem

713

öffentlichen

Rechte an.. Wegen der Gründe, aus welchen der Entwurf über den Stand des

Stand.

Kindes schweigt (vergl. preuß. A. L. R. 11, 2 § 59; öftere. G. B. 8 146) wird auf die Motive zu § 1274 S. 106 ff. verwiesen.

§ 1498. Wenngleich der Satz, daß das eheliche Kind seinen Eltern, solange cs kindlicher Gehorsam. unter deren Erziehungsgewalt steht, kindlichen Gehorsam schuldig ist, sich nur als ein Ausfluß der den Eltern zustehenden Erziehungsgcwalt darstellt und deshalb als entbehrlich oder nicht als hierher gehörend betrachtet werden kann (vergl. §§ 1504, 1506), so ist cs doch im Anschlusie an die Mehrzahl der neueren Gesetzbücher (preuß. A. L. R. II, 2 § 61; bayr. L. R. I, 4 § 3 Nr. 2; öftere. G. B. § 144; sächs. G. B. § 1805) als angemessen erachtet, jenen Satz im Gesetzbuche im Zusammenhänge mit der jedenfalls hierher gehörenden, nicht als selbstverständlich anzuschendcn weiteren Bestimmung ausdrücklich aus­ zusprechen, daß das Kind, and) wenn cs nicht unter der Erziehungsgeivalt der Eltern steht, den letzteren kindlichen Gehorsam schuldig ist, solange es von denselben in deren Hausstande unterhalten wird. Die neueren Gesetzbücher beschränken zum Theil die Gehorsamspflicht allerdings nur auf die Dauer der väterlichen Gewalt bezw. der elterlichen Erziehungsgewalt. Dagegen erstreckt das sächs. G. B. § 1805 in Uebereinstimmung mit einer auch für das gemeine Recht vertretenen Auffasiung die Gehorsamspflicht auch auf die noch in der häuslichen Gemeinschaft stehenden Kinder ohne Rücksicht darauf, ob den Eltern

die Erziehungsgcwalt noch zusteht. Auf die Thatsache der häuslichen Gemein­ schaft kann jedoch das entscheidende Gewicht nicht gelegt werden. Aus der häuslichen Gemeinschaft ergiebt sick) zwar, daß das in dieser stehende, wenn­ gleich volljährige, Kind, wie jeder Andere, welcher einem fremden Hausstände angehört, sich der häuslichen Ordnung fügen muß, wenn cs nicht der Gefahrausgesetzt sein will, daß die Eltern ihm die häusliche Gemeinschaft kündigen; allein eine rechtliche Pflicht des Kindes zum kindlichen Gehorsam wird durck) die bloße Zugehörigkeit zum Hausstande der Eltern noch nicht begründet. Eine solche — von der sittlichen Pflicht zur Ehrerbietung gegenüber den Eltern verschiedene — Pflicht kann vielmehr nur dann anerkannt werden, wenn ein weiteres Moment, nämlich eine familienrechtliche Abhängigkeit, hin­ zutritt. Dies ist aber der Fall, wenn das Kind von den Eltern in deren Hausstande unterhalten wird. In diesem Falle entspricht es der natürlichen Sachlage, daß das Haupt der häuslichen Gemeinschaft von dem wirtschaftlich nock) unselbständigen Kinde kindlichen Gehorsam verlangen kann. Ein solches Recht der Eltern ist namentlich mit Rücksicht darauf, daß die elterliche Gewalt nack) dem Entwürfe mit der Volljährigkeit des Kindes endigt (§§ 1501, 1557), das letztere aber mit diesem Zeitpunkte in vielen Fällen die wirthschaftlichc Selbständigkeit noch nicht erlangt hat und deshalb von den Eltern unterhalten werden muß, aus den in den Motiven zu § 1491 oben S. 704 ff. bereits hervor­ gehobenen Gründen nicht zu entbehren. Im Hinblicke auf die praktische

714

Rcchtsrerhältniß zwischen Eltern und Kindern. Dienstleistungen. § 1499.

Schwierigkeit, iin einzelnen Falle zu ermitteln, ob dem volljährigen Kinde der Unterhalt von den Eltern auf Grund der gesetzlichen Untcrhaltsverpflichtung gewährt wird oder nicht, ist cs jedoch als rathsam erachtet, in dieser Hinsicht

nicht zu unterscheiden, zumal daraus eine Gefährdung der Kinder sich nicht crgicbt, weil diese es in der Hand haben, den Hausstand der Eltern jeder­ zeit zu verlassen, wenn sie sich selbst zu unterhalten im Stairde sind. Um übrigens anzudeuten, daß die Pflicht des Kindes zum Gehorsam keine absolute ist, sondern nur insoweit besteht, als das sittliche Verhältniß zwischen den Eltern und Kindern und diejenige Abhängigkeit der letzteren von den ersteren cs mit sich bringt, als deren Ausfluß die Pflicht zum Gehorsam sich dar­ stellt, bezeichnet der § 1498 den von dem Kinde den Eltern geschuldeten Gehorsam als kindlichen Gehorsam. Es versteht sich von selbst, daß namentlich die Pflicht eines volljährigen Kindes zum Gehorsam auf solche Angelegenheiten sich nicht erstreckt, in welchen das Recht dem Kinde in Folge der Beendigung der elter­ lichen Gewalt eilte eigene Entschließung gestattet bezw., wie z. B. bei der Aus­ übung politischer Rechte und Pflichten, verlangt. LbrigkeitDas sächs. G. B. § 1805 bestimmt, ohne in dieser Beziehung zwischen 1'wreiteit'.15 solchen Kindern, welche noch der Erziehung bedürfen, und anderen erwachsenen,

aber noch in der häuslichen Gemeinschaft mit den Eltern stehenden Kindern zu unterscheiden, daß die Eltern, wenn sie das Kind durch angemesiene Mittel häuslicher Zucht nicht zum Gehorsam zu bringen vermögen, obrigkeitliches Einschreiten vcranlasien können. In den Entwurf ist eine derartige besondere Bestimmung nicht ausgenommen. In Ansehung der noch unter der elterlichen Erzichungsgewalt stehenden Kinder ist eine solche Bestimmung im Hinblicke auf die Vorschriften des § 1504 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 entbehrlich. Die Ausdehnung dieser Vorschriften oder auch nur der Vorschrift des § 1504 Abs. 2 auf volljährige Kinder kann aber vom Standpunkte des Entwurfes aus, nach welchem die elterliche Gewalt mit der Volljährigkeit des Kindes endigt, nicht als angemcsien erachtet werden. Zudem würde jene Ausdehnung gegenüber dem überwiegend geltenden Rechte eine nicht unbedenkliche Neuerung enthalten, welche durch den Gesichtspunkt, daß das gewöhnliche Prozeßverfahren zur Erzwingung des Anspruches auf Gehorsam weniger geeignet sei, nicht gerechtfertigt wird. Ehrerbietung.

Verschiedene Gesetzbücher heben die Pflicht des Kindes zur Ehrerbietung gegenüber den Eltern besonders hervor ivcrgl. bayr. L. R. I, 4 § 3 Nr. 2; prcuß. A. L. R. II, 2 §§ 61, 249; österr. G. B. § 144; code civil Art. 371). Ter Entwurf schweigt von dieser Verpflichtung, da die Anerkennung dieser sittlichen Pflicht als einer Rechtspflicht neben den auf dieser sittlichen Pflicht beruhenden besonderen Bestimmungen (vergl. §§ 1238, 1610) eine selbständige rechtliche Bedeutung nicht hat.

§ 1499. . DienstDaß das Kind, solange cs dem Hausstände der Eltern angehört und ^KindesGunter deren Erziehungsgewalt steht, verpflichtet ist, in einer seinen Kräften und seiner Lebensstellung entsprechenden Weise den Eltern in deren Hauswesen

Rcchtsvcrhältmß zwischen Eltern und Kindern. Dienstleistungen. § 1499.

715

und Gewerbe unentgeltlich Dienste zu leisten, entspricht nicht allein der ab-»m Grund d°r hängigcn Stellung eines solchen Kindes dcm Erziehungszwccke und den natürlichen in den Kreisen kleinerer Gewerbebetriebe Grundlage crgiebt sich mich von selbst,

gegenüber den Eltern, sondern auch Eni-hmigsVerhältnissen des Lebens, namentlich !ic,ualtund Ackermirthschaften. Aus dieser daß die Verpflichtung eines solchen

Kindes zu unentgeltlichen Diensten der Art nicht davon abhängig gemacht werden kann, ob dasselbe von den Eltern oder aus den Einkünften des eigenen Ver­

mögens unterhalten wird (vcrgl. Seuffcrt I, 354, VII, 196, VIII, 59; preuß. A. L. R. II, 2 §§ 121—123). Daß unter der Heranziehung des Kindes zu den hier fraglichen Diensten der Unterricht und die Ausbildung desselben nicht leiden darf (preuß. A. L. R. II, 2 § 122), braucht nicht besonders Vorbehalten zu werden. Es folgt dies aus der Erziehungspslicht. Gegen einen Mißbrauch des hier in Rede stehenden Rechtes der Eltern schützen die Bestimmungen des

§ 1546. Ob und inwieweit auch ein nicht unter der Erziehnngsgewalt der Eltern auf mund stehendes Kind, insbesondere, wenn dasselbe soweit herangcwachscn ist, daß ucX>i't es sich selbst zu unterhalten im Stande wäre, den Eltern unentgeltlich Dienste g-w«hrun«. der hier fraglichen Art zu leisten verpflichtet ist, solange es dem Hausstände

der Eltern angehört und von denselben unterhalten wird, ist in der gemein­ rechtlichen Theorie und Praxis bestritten; doch neigt namentlich die Praxis sich dahin, jene Frage zu bejahen und in dem bezeichneten Falle dem Kinde einen Anspruch auf Vergütung für die von ihin den Eltern geleisteten Dienste in Ermangelung einer darauf gerichteten Vereinbarung zu versagen (vcrgl. Seuffcrt IX, 174, XVII, 256, XXI, 47, XXIV, 116). Dies ist auch der Standpunkt des bayr. L. R. I, 4 § 3 Nr. 2. Das sächs. G. B. § 1806 ver­ pflichtet die Kinder, solange sie in der häuslichen Gemeinschaft der Eltern stehen, das preuß. A. L. R. II, 2 § 254, solange sie, wenngleich nach auf­ gehobener väterlicher Gewalt, von den Eltern noch ernährt werden müsien, zu unentgeltlichen Diensten der hier fraglichen Art. Daß einem Kinde, solange cs dem Hausstände der Eltern angehört und von den letzteren unterhalten werden muß, weil es selbst sich zu unterhalten nicht im Stande ist, die Ver­ pflichtung allfertegt wird, den Eltern in der im § 1499 bestimmten Art un­ entgeltliche Dienste zu leisten, entspricht der familienrechtlichen Abhängigkeit, in welcher ein solches Kind gegenüber den Eltern sich befindet, und steht mit den Anschauungen im Volke durchaus im Einklänge. Zweifelhafter liegt die Sache in Ansehung solcher Kinder, welche selbst sich den Unterhalt zu ver­ schaffen in der Lage sind und welchen gegenüber deshalb eine Unterhaltspflicht

der Eltern nicht mehr besteht, die aber gleichwohl im Hausstande der Eltern von den letzteren noch unterhalten werden. Dieselben praktischen Erwägungen jedoch, welche den Entwurf bestimmt haben, im § 1498 nicht zu unterscheiden, ob die Eltern zur Gewährung des Unterhaltes an das Kind gesetzlich verpflichtet sind oder nicht, müssen dahin führen, auch hier von einer solchen Unter­ scheidung abzusehcn. Zudem trägt die dadurch hcrvorgerufcne Erweiterung der gesetzlichen Verpflichtung der Kinder, ihren Eltern unentgeltlich Dienste zu leisten, dazu bei, die vielen Streitigkeiten, wenn auch nicht völlig abzuschnciden, so doch erheblich zu verringern, welche, wie die Praxis lehrt.

716

Rechtsverhältniß zwischen Eltern und Kindern.

Ausstattung. § 1500.

namentlich in den Gebieten des gemeinen Rechtes wegen der Frage entstehen, ob und inwieweit Kinder, welche sich selbst zu unterhalten im Stande sind, aber von den Eltern in deren Hausstände unterhalten werden, für die während dieser Zeit von ihnen den Eltern in bereit Hatisiveseit oder Gewerbe geleisteten

Dienste eine Vergütung beansprucheit können. Durch die Bestimmung des § 1499 wird ein solcher Anspruch ausgeschlosien, sofern nicht eine anderweite ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung ergiebt, daß die Gewährung des Unterhaltes wie die Leistung der Dienste in Erfüllung einer besonderen

vertragsmäßigen Verpflichtung erfolgt ist, ein Resultat, welches auch mit den allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechtes (vergl. § 559 Abs. 2, § 567

Abs. 2, §§ 586, 748 Abs. 1; Entsch. d. R. G. in Civils. IV, 33) im Einklänge steht und die Kinder nicht gefährdet, da dieselben, wenn sie volljährig und selbst sich ztl uitterhalten im Stande sind, es in der Hand haben, jeder Zeit den Hausstand der Eltern zu verlassen bezw. durch Vertrag sich eine Ver­ gütung für ihre Dienste zu sichern. Daß die Kinder dasjenige, was sie in Erfüllung der ihnen nach § 1499 obliegenden Verpflichtung erwerben, den Eltern erwerben (preuß. A. L. R. II, 2 § 123), bedarf keines besonderen Ausdruckes (vergl. § 1518). Soweit das Er­ worbene nach den allgemeinen Grundsätzen über Stellvertretung (§ 116) den Eltern nicht direkt erworben wird, sind die Kinder dasselbe den letzteren ztl übertragen und herauszugeben verpflichtet.

§ 1500. Ausstattung durch die Eltern.

Geltendes Recht.

Wenngleich im Anschlüsse an die Bestimmungen des röm. und gemeinen Rechtes, nach welchen der Ehefrau, ihre eigene Vermögenslosigkeit voraus­ gesetzt, ein Anspruch auf Gewährung einer dos gegen ihren Vater nnb ihre väterlichen Aszendenten, aus besonderen Gründen auch gegen ihre Mutter zu­ steht, die meisten neueren Gesetzgebungen grundsätzlich eine Verpflichtuitg der

Eltern, ihrer Tochter bei deren Verheirathung eine Ausstattung mitzugebeit, anerkannt und zum Theil diese Verpflichtung — im Gegensatze zum röm. und gemeinen Rechte (vergl. Seuffert XII, 275, XXXIV, 310) — auch zu Gunsten der Söhne für den Fall ihrer Verheirathung oder der Einrichtung einer ab­ gesonderten Wirthschaft ausgedehnt haben (vergl. ivürttemb. L. R. IV, 13 § 1; bayr. L. R. I, 6 8 13 Nr. 4—7, § 14 Nr. 2; preuß. A. L. N. II, 2 §§ 232 ff. — Gesetzrevis., Pens. XV 88 176 ff. nebst Motiven S. 136 ff. —; öftere G. B. 88 1220—1224, 1231; sächs. G. B. 88 1661—1666), so ist doch andererseits in den wichtigeren neueren Nechteit, namentlich im pretlß. A. L. R. und im sächs. G. B., der Umfang der Verpflichtung auf die Gewährung einer Atlsstetier, d. h. eines Inbegriffes hauptsächlich der Einrichtung des Hauswesens und persöltlichen Bedürfniffen dieneitder beweglicher Gegenstände, beschrältkt. Im pretlß. A. L. R. ist zudem die Ausgestaltung der Verpflichtung als einer Rechtspflicht nicht durchgeführt, indem das letztere den Kiltdern die Geltendmachung des Ausstattungsanspruches im Wege des Prozeßes versagt und bei dem unzureichenden Mittel einer moralischen Beeinflussung der wider­ strebenden Eltern durch ein Verfahren vor dem Vormundschaftsgerichte stehen

Rcchtsvcrhältniß zwischen Eltern und Kindern.

Ansstatlung. § 1500.

717

geblieben ist. Das franz. Recht hat dagegen unter Ablehnung der in den Pro­ vinzen des geschriebenen Rechtes geltenden Grundsätze des röm. Rechtes sich dem in den Provinzen des Gewohnheitsrechtes geltenden Satze „ne dote qui ne reut-“’ angeschlossen und der Ausstattungspflicht den Karakter einer Rechtspflicht überhaupt versagt (code civil Art. 204). Dem franz. Rechte sind das bad. L. R. Satz 204 und der Hess. Entw. 111, Motive S. 164 ff., gefolgt. Für die Ausgestaltung der Ausstattungspflicht als einer Rechtspflicht stanbpuurt lassen sich erhebliche Gründe geltend machen. Es wird dadurch die Sitte der e„X%.s,

Gewährung von Ausstattungen, namentlich gegenüber egoistisch denkenden und Nicht­ hartherzigen Eltern, gestärkt und auf diese Weise die Begründung neuer Haris- °«-rkcnnu»g wesen begünstigt. Die Anerkennung der Ausstattungspflicht als einer Rechts- ""'pMe pflicht sichert ferner eine gleichmäßige rurd gerechte Behandlung der ver­ schiedenen Kinder, ein Gesichtspunkt, welcher namentlich für solche Fälle von Bedeutung ist, in welchen die Kinder aus verschiedenen Ehen stammen oder das eine oder das andere Kind den Verführungen schlcchtgesinnter Eltern seine Hand nicht hat bieten wollen. Ueberwiegende Gründe sprechen indessen für den Standpunkt des franz. Rechtes, welchem das prcuß. A. L. R., hingesehen auf das praktische Resultat, sehr nahe kommt. Will man sich auch über die Schwierigkeit Hinwegsetzen, welche in der gesetzlichen Be­ stimmung der Art der als Ausstattung zu gewährenden Gegenstände liegt, in Ansehung deren die lokale Sitte und die Standessitte mannigfache Ver­ schiedenheiten aufwcisen, so bleibt doch die größere Schwierigkeit der Be­ stimmung des Maßes der Ausstattung bestehen. Bei Ausgestaltung der Ausstattungspflicht als einer Rcchtspflicht müssen die Eltern für verpflichtet erklärt werden, schon bei Lebzeiten einen Theil ihres Kapitalvermögens dem

Kinde herauszugeben, und, selbst wenn man dem Kinde den Beweis der Größe dieses Vermögens auferlegt und mit dem prcuß. A. L. R. und dem österr. G. B. von einer Manifestationspflicht der Eltern absicht, auch die Bestimmung des Maßes, vorbehaltlich einer anderweitcn Entscheidung des Gerichtes bei offenbarem Mißbrauche des Bestimmungsrechtes, den Eltern überläßt, so werden doch die nicht gänzlich auszuschließenden Verhandlungen über die Höhe des Vermögens zu großen Unzuträglichkcitcn führen. Insbesondere kann dadurch der Kredit der Eltern gefährdet werden. Will man allen diesen Unzuträglichkeitcn abhclfen, so gelangt man zur Annahme einer unvollkommenen und praktisch wcrthlosen Obligation. Macht man aber mit der Ausgestaltung der Ausstattungspflicht als einer Rcchtspflicht Ernst, so werden die Eltern zu empfindlich getroffen. Zudem hat sich in denjenigen Rechtsgebieten, in welchen gegenwärtig die Ausstattungspflicht als Rechtspflicht überhaupt nicht oder doch in nur unvollkommener Art besteht, das Bedürfniß einer Aenderung des Rechtes nicht fühlbar gemacht. Es kann darauf vertraut werden, daß in der großen Mehrzahl der Fälle die Eltern ihren gut gearteten und die kindliche Pietät nicht außer Acht lassenden Kindern aus freiem Antriebe und nach ihren Kräften dasjenige gewähren werden, was die Kinder zu ihrem Fortkommen bedürfen. Dies wird auch dadurch bestätigt, daß in denjenigen Gebieten, in welchen gegenwärtig eine gesetzliche Ausstattungspflicht besteht, Prozesie, welche die Erfüllung dieser Verpflichtung zum Gegenstände haben, nur selten sind.

718

NechtSvcrhältmß zwischen Eltcrn und Kindern.

Ausstattung.

§ 1500.

Mit Recht wird ferner in den Motiven des Hess. Entwurfes hervorgehobcn, daß das Gesetz Prozesse zwischen Eltern und Kindern ohne dringende Gründe nicht zulassen soll und daß das Gefühl der Abhängigkeit der Kinder von Eltern, welches durch die Nichtanerkennung der Ausstattungspflicht als einer Rechtspflicht gestärkt wird, indirekt als Beförderungsmittel häuslicher Zucht und Ordnung wohlthätig wirkt. Wenngleich der Entwurf die Rechtspflicht der Ausstattung verneint, so Ausstattung" ist es doch im Hinblicke auf das bestehende Recht, auf die bestehende Sitte und Rechtlicher

den Karakter der Ausstattungsgewährung als einer sittlichen Pflicht für an­ gemessen erachtet, die Wirksamkeit solcher Rechtsgeschäfte, durch welche von dem

Vater oder der Mutter einem Kinde wegen dessen Verheirathung oder Errichtung eines eigenen Hausstandes eine Ausstattung vertragsmäßig zugesichert oder gewährt wird, gegenüber den Vorschriften über die Leistung einer Nichtschuld (§§ 737 ff.), über Schenkungen (§§ 440, 449) und über das abstrakte Schuld­ versprechen (§ 683) zu begünstigen bezw. Zweifel, welche in diesen Richtungen sich erheben könnten, abzuschneiden. Auf diesen Erwägungen beruhen die Bestimmungen des § 1500, daß ein Rechtsgeschäft der bezeichneten Art nicht als Schenkung gilt, daß das Versprechen einer solchen Ausstattung an keine besondere Form gebündelt ist und das zur Ausstattung Geleistete nicht deshalb zurückgefordert werden kann, iveil eine Verbindlichkeit zur Leistung nicht

bestanden hat (vergl. § 182 Abs. 2, § 664 Satz 2). Auch von der franz. Jurisprudenz wird vorwiegend angenommen, daß die Zusicherung oder Ge­ währung einer Ausstattung von Seiten der Eltern an das Kind nicht den Karakter einer Schenkung, sondern der Erfüllung einer natürlichen Verbind­ lichkeit habe (vergl. ferner für das gemeine Recht in Ansehung der Gewährung einer Ausstattung an Söhne Seuffert XII, 275 Nr. 2). Daraus, daß die bezeichneten Rechtsgeschäfte nicht Schenkungen sind, folgt namentlich, daß dieselben nicht den für Schenkungen geltenden beschränkenden Vorschriften des § 449, des § 1353 Abs. 2, des § 1399 Abs. 1, der §§ 1661, 1728 (vergl. jedoch

§ 1731) und der §§ 1839, 1952 unterliegen. Im Einzelnen ist zu den Bestimmungen des § 1500 noch Folgendes zu bemerken: 1. Die die Zusicherung oder Gewährung einer Ausstattung begünstigenden ui» Söhne. Vorschriften des § 1500 beziehen sich nicht nur auf die Töchter, sondern auch auf die Söhne. Der rechtliche Beweggrund der Ausstattungsgewährung ver­ dient in beiden Richtungen die gleiche Berücksichtigung (vergl. württemb. L. R.

Gleichstellung

IV, 13 § 1; preuß. A. L. R. II, 2 §§ 232, 233; österr. G.B. § 1231; Seuffert XII, 275 Nr. 2). Die Gründe, welche dafür angeführt werden können, mit dem röm. Rechte und dem sächs. G. B. § 1661 die Rechtspflicht der Ausstattung nur in Ansehung der Töchter anzuerkennen, kommen für den Entwurf nicht in Betracht. Ausstattung 2. Nur die von dem Vater oder von der Mutter, nicht auch die von ”°ankr«" anderen Aszendenten, gewährte oder zugesicherte Ausstattung soll die Bestfienbenten.

günstigungen des § 1500 genießen (vergl. württemb. L. R. IV, 13 § 1; preuß. A. L. R. II, 2 §§ 235, 236; sächs. G.B. §§ 1661, 1662). Ein genügender Grund, die Vorschriften des § 1500 auch auf die von anderen Aszendenten

Rechtsverhältnis; zwischen Eltern und Kindern. Ausstattung. § 1500.

719

zugesichcrtc oder gewährte Ausstattung auszudehncn, liegt nicht vor, da für die weiteren Aszendenten eine sittliche Pflicht znr Ausstattungsgewährung,

welche die Grundlage der besonderen Bestimmungen des § 1500 bildet, regel­ mäßig nicht begründet ist. 3. Die besonderen Bestimmungen des § 1500 finden mir Anwendung u»m»,g »»d auf eine Ausstattung, welche dem Kinde wegen dessen Verheirathung oder Errichtung eines eigenen Hausstandes durch Vertrag zugesichert oder gewährt wird. Der Ausdruck „Ausstattung" begreift solche bewegliche Gegenstände, welche hauptsächlich der Einrichtung des Hauswesens und persönlichen Bedürfnissen zu dienen bestimmt sind. Nicht ist unter „Ausstattung" die röm. dos zu verstehen, d. h. ein Heirathsgnt, dessen Erträgnisse dazu bestimmt sind, die Lasten der Ehe tragen zu helfen (vergl. preuß. A. L. R. II, 2 §§ 233, 243; sächs. G. B. § 1661). Die besonderen Bestimmungen des § 1500 Abs. 1 finden ferner insoweit keine Anwendung, als die Ausstattung das den Umständen des Falles, insbesondere den Vermögensverhältnissen des Vaters oder der Mutter, cutsprcchendc Maß übersteigt. Der Grund, weshalb in den Fällen des § 1500 Abs. 1 die Ausstattung nicht als Schenkung gilt, beruht darauf, daß in diesen Fällen eine unvollkommene Ausstattungspflicht angenommen wird. Von diesen: Standpunkte aus ist in jedem einzelnen Falle zu prüfen, wieweit nach den konkreten Verhältnißen die Pflicht des Vaters oder der Mutter sich erstreckt. Ergicbt diese Prüfung, daß die zugesicherte oder gewährte Ausstattung das den Umständen des einzelnen Falles, insbesondere den Vermögensverhältnifien des Vaters oder der Mutter, entsprechende Maß übersteigt, so fällt insoweit die causa, welche der Leistung den Karaktcx der Schenkung nimmt, weg. Diese Einschränkung der Vorschriften des Abs. 1 ist für die Anwendung und die Tragweite verschiedener anderer Bestimmungen (vergl. insbesondere die §§ 1352, 1353, 1399 Abs. 1, §§ 1661, 1728, 1731, 1839, 1952) von großer praktischer Bedeutung und deshalb im § 1500 Abs. 3 besonders zum Ausdrucke gebracht. 4. Auf dem Gebiete des gemeinen Rechtes ist es bestritten, inwieweit G-währderjcnige, welcher, ohne gesetzlich dazu verpflichtet zu sein, eine dos bestellt hat, für das als dos Geleistete wegen eines Mangels in seinem Rechte haftet. Die herrschende Meinung nimmt, gestützt auf die 1. 1 Cod. de jure dot. 5, n, an, daß der Besteller nur im Falle eines vorhergegangencn Dotalversprechens, anderen­ falls aber nur dann wegen eines Mangels in seinem Rechte hafte, wenn er die Haftung durch eiu besonderes Versprechen übernommen oder sich eines dolus schuldig gemacht habe. Andere stellen dagegen dem Falle des vorher­ gegangenen Dotalversprechens den Fall gleich, in welchem ohne vorhergehende

Verpflichtung eine Sache sofort zur dos gegeben worden ist. Auch über die Voraussetzungen des Eintrittes und den Inhalt der Haftpflicht gehen die Ansichtcn auseinander. Eine Haftung des Bestellers der dos wegen eines Mangels der als dos hingegebenen Sachen ist gemeinrechtlich nicht begründet. Nach dem preuß. A. L. R. I, 5 §§ 518 ff. »erb. mit I, 11 §§ 1047, 1048, sowie nach dem code civil Art. § 1440, 1547 finden die allgemeinen Grundsätze über die Gewährleistungspflicht bei lästigen Verträgen Anwendung. Dagegen findet nach dem sächs. G. B. § 949 eine Haftung wegen eines Mangels im Rechte oder wegen eines Mangels der Sache nur dann statt, wenn derjenige, welcher die

720

Rcchtsvcrhältniß zwischen Eltern und Kindern.

Ausstattung. § 1500.

Ausstattung gewährt, eine solche Haftung besonders übernommen oder einer absichtlichen Benachthciligung des Erwerbers sich schuldig gemacht hat. Der Entwurf geht davon aus, daß, wenngleich die Zusicherung undGewährung einer Ausstattung in den Fällen des § 1500 nicht als Schenkung gilt, doch die Anwendung der allgemeinen Grundsätze über die Gewährleistungs­ pflicht bei Verträgen (§§ 370 ff., §§ 381 ff.) mit dem Gesichtspunkte, daß die

Ausstattungsgewährung eine Freigebigkeit enthält und als die Erfüllung einer sittlichen Pflicht sich darstellt, nicht im Einklänge stehen und den Vater bczw.

die Mutter zu hart treffen würde. Der den Bestimmungen des § 1500 zu Grunde liegende Gedanke einer unvollkommenen Ausstattungspflicht rechtfertigt es nur, die geschehenen Erfüllungsaktc aufrecht zu erhalten und in Ansehung der Gewährleistungspflicht die Vorschriften über die Gcwährleistungspflicht des Schenkers (§§ 443, 444, 448 Abs. 2) für entsprechend anwendbar zu erklären (vcrgl. auch § 58 Satz 4), nicht aber dem Geber eine Vervollständigung der Erfüllung in demselben Umfange aufzuerlcgcn, als wenn aus einer vertrags­ mäßigen Obligation geleistet wäre. Vermuthung 5. Wenn derjenige Eltcrnthcil, welcher dem Kinde eine Ausstattung gc"ausstattenden währt, Vermögen des Kindes in Händen hat und das als Ausstattung GeEiterntheiles. leistete ohne nähere Bestimmung erfolgt ist, so kann der Zweifel sich erheben, ob die Ausstattung als aus dem eigenen Vermögen des ausstattendcn Elterntheilcs oder als aus dem Vermögen des Kindes gewährt anzusehcn, ob mithin der Eltcrntheil demnächst das Geleistete dem Kinde auf befielt Vermögen anzu­ rechnen berechtigt ist oder nicht. Nach röm. und gemeinem Rechte gilt in einem solchen Falle die Vermuthung, daß das dem Kinde als dos Geleistete von dem Elterntheilc aus dem eigenen Vermögen als Liberalität geleistet sei (vcrgl. I. 7 Cod. de dot. prom. 5, n; Seuffert XX, 45); doch ist die Anwendbarkeit dieser Bestimmung auf solche Fälle, in welchen dem überlebenden Ehegatten an dem Vermögen des Kindes der deutschrechtliche Beisitz zusteht, nicht un­ bestritten. Auf dem Boden des röm. Rechtes steht auch das franz. Recht (code civil Art. 1546). Von derselben Auffassung gehen die Motive zum § 1661 des sächs. G. B. aus, welches die Aufnahme einer entsprechenden Be­ stimmung wegen Selbstverständlichkeit als entbehrlich erachtet hat. Dagegen stellt das württemb. L. R. IV, 13 § 5 und — mit Ausnahme des Falles, wenn die Eltern das Heirathsgut ihrer minderjährigen Tochter ohne obcrvormundschaftlichc Genehmigung ausgezahlt haben — auch das öfters. G. B. § 1224 die entgegengesetzte Vermuthung auf. Dasselbe gilt nach preuß. A. L. R. II, 2 §§ 243, 245—247, wenn ein Eltcrntheil dem Kinde über seine gesetzliche Ausstattungspflicht hinaus dem Kinde eine Zuwendung (Mitgabc, Brautschatz) macht. Ob die Vermuthung, daß die Zuwendung aus dem Vermögen desKindes gemacht sei, auch dann cintritt, wenn dem Kinde von dem Elterntheilc nur die dem ersteren nach A. L. R. II, 2 §§ 232—234 gebührende Ausstattung ohne Vorbehalt gewährt ist oder ob in einem solchen Falle umgekehrt eine Schenkung vermuthet werden soll, ist bestritten. Das Reichsgericht hat sich in letzterem Sinne ausgesprochen (vergl. Gruchot XXIV S. 1029 ff.). Der Entwurf hat die Frage für den Fall, wenn das Vermögen des Kindes von dem Elterntheilc, welcher die Ausstgttung gewährt hat, als dem

Elterliche Gewalt.

Zuständigkeit.

Inhalt.

§§ 1501,1502.

721

gesetzlichen Vertreter des Kindes verwaltet worden ist, zu Gunsten des Elterntheiles entschieden. Es soll in diesem Falle vermuthet werden, daß die Aus­ stattung, soweit das Vermögen des Kindes hinreicht, aus diesem Vermögen gewährt sei (§ 1500 Abs. 2). Für diese Vermuthung spricht neben dem Um­ stande, daß für den Elterntheil eine Rcchtspflicht zur Gewährung einer Aus­ stattung nicht besteht, die Erwägung, daß derselbe als gesetzlicher Vertreter des Kindes nicht nur berechtigt, sondern vermöge der ihm obliegenden Pflicht, für das Wohl des Kindes zu sorgen und dementsprechend mit dem von ihm ver­ walteten Vermögen des Kindes zu verfahren, verpflichtet ist, dem Kinde aus dessen Vermögen zu den hier fraglichen Zwecken eine den Verhältnisicn ent­ sprechende Ausstattung zu gewähren, und daß er in seiner Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter des Kindes auch keine Veranlassung hatte, bei der Ge­ währung der Ausstattung einen Vorbehalt zu machen oder die Einwilligung des Kindes cinzuholcn, wenn er das Vermögen des letzteren dazu verwenden wollte. Das Bedürfniß, für den in Rede stehenden Fall durch die Aufstellung einer gesetzlichen Vermuthung einzugreifen, ist um so mehr angezeigt, als dadurch, daß die Rcchtspflicht zur Gewährung einer Ausstattung verneint ist, der durch die Vermuthung zu beseitigende Zweifel sich verstärkt. Dagegen fehlt es an einem genügenden Grunde, für andere Fälle, in welchen das Vermögen des Kindes von dem Elterntheile, welcher die Ausstattung gewährt hat, verwaltet worden ist oder für den Fall, in welchem derselbe Schuldner des Kindes ist und sich der Zweifel erhebt, ob er die Ausstattung an Zahlungsstatt geleistet habe, nach der einen oder anderen Richtung hin eine Vermuthung aufzustellcn. Die Verschiedenheit der Fälle läßt eine allgemeine gesetzliche Entscheidung nicht zu. Insoweit muß es daher bei der aus den allgemeinen Grundsätzen sich ergebenden Beweislast verbleiben, d. h. der Elterntheil, welcher dem Kinde die gewährte Ausstattung anrechnen will, muß den Rcchtsgrund darlegen, welcher ein solches Recht für ihn begründet, sei es eine mit dem Kinde getroffene Vereinbarung oder eine gerechtfertigte Geschäftsführung ohne Auftrag.

II. Elterliche Gewalt. 1. Allgemeine Vorschriften.

§§ 1501, 1502. I. 1. Auch noch im neuesten röm. Rechte hat die väterliche Gewalt, wenngleich nicht in dem Maße, wie dies nach älterem röm. Rechte der Fall war, doch vorwiegend den Karakter eines den Jntereffen des Hausvaters dienenden Herrschaftsrechtcs über das Hauskind, eines Eigenrechtes des Hausvaters, nicht den Karakter einer aus dem natürlichen Schutzbedürfnisse des Haus­ kindes hervorgegangenen, der Fürsorge des letzteren dienenden Schutzgcwalt. Das dem Hausvater kraft der väterlichen Gewalt zustehende Rutzungs- und Verwaltungsrecht am Vermögen des Hauskindes wird — abgesehen von den Fällen, in welchen der Hausvater ausnahmsweise über die Substanz des Ver­ mögens zu verfügen befugt ist und in welchen er, wenigstens nach der herrMotive z. bürgert. Gesetzbuch. IV.

46

Elterliche Gewalt.

Karakter, Inhalt. Geltendes Recht.

722

Elterliche Gewalt. Zuständigkeit. Inhalt. §§ 1501, 1502.

schenken, in neuester Zeit jedoch wieder bekämpften Ansicht, im Namen des Kindes zu handeln hat (vcrgl. 1. 8 §§ 4, 5 Cod. de bon. quae lib. 6, °I; Entsch. d. R. G. in Civils. X, 42 S. 150, XV, 41 S. 194, XVI, 24) —, als ein eigennütziges Recht von dem Hausvater nicht im Namen des Kindes, sondern im eigenen Namen ausgeübt. Die Pflicht und das Recht der Vertretung des schutzbedürftigen Kindes ist mit der väterlichen Gewalt nicht verbunden. Die letztere dauert, unabhängig von der Schutzbedürftigkeit des Kindes, fort, so­ lange der Hausvater lebt oder bis er das Kind aus seiner Gewalt entläßt. Im Gegensatze zum röm. Rechte hat das deutsche Recht des Mittelalters — ob auch das ältere deutsche Recht, ist bestritten — der väterlichen Gewalt insofern einen vormundschaftlichen Karakter im modernen Sinne beigelegt, als der Hausvater Pflicht und Recht der Fürsorge für das Hauskind auch in ver­ mögensrechtlicher Beziehung hat und als gesetzlicher Vertreter des minderjährigen Kindes im Namen des letzteren zu handeln berechtigt ist. Daneben steht ihm aber, ähnlich wie nach dem neuesten röm. Rechte, kraft eigenen Rechtes die Nutzung und Verwaltung in Ansehung des Vermögens des Haus­ kindes zu. Auch endigt dieses Recht des Hausvaters nach der herrschenden Ansicht nicht mit der Volljährigkeit des Kindes, sondern ■ erst mit der Ab­ sonderung des letzteren aus dem elterlichen Hause oder mit der Heirath der

Tochter. Diese Grundsätze des deutschen Rechtes sind auf die Gestaltung der

väterlichen Gewalt im gemeinen Rechte nicht ohne Einfluß geblieben. Die gemeinrechtliche Praxis stellt überwiegend das minderjährige Hauskind in An­ sehung der Geschäftsfähigkeit dem gewaltfreien Minderjährigen gleich und

giebt dem Hausvater als Ausfluß seiner väterlichen Gewalt neben dem als einem eigenen Rechte ihm zustehenden Nutzungs- und Verwaltungsrechtc am Vermögen des Kindes die rechtliche Stellung eines gesetzlichen Vertreters des minderjährigen Kindes nach Analogie der Rechte und Pflichten eines Vor­ mundes, jedoch ohne die besonderen Beschränkungen, welchen der letztere bei der vormundschaftlichen Verwaltung und Vertretung unterliegt (vergl. Seuffert VII, 197, XV, 113, XXXV, 297, XXXVII, 40; Entsch. d. R. G. in Civils. X, 42, XV, 41, 42, daneben jedoch XVI, 24). Auch darin ist das ge­ meine Recht deutschen Rechtsanschauungen gefolgt, daß die väterliche Gewalt auch nach ihrer vermögensrechtlichen Seite hin durch die Absonderung des Kindes von dem Haushalte des Vaters oder durch Verheirathung der Tochter aufgehoben wird. Auf dem Boden des gemeinen Rechtes, wie dasselbe in der Praxis sich gestaltet hat, stehen in der hier fraglichen Beziehung im Wesentlichen das preuß. A. L. R. (II, 2 §§ 125, 165, 166, 168, 210, 228; vergl. daneben preuß. Ges., betreffend die Geschäftsfähigkeit Minderjähriger u. s. w., v. 12. Juli 1875 § 2; preuß. Ges., das Staatsschuldbuch betreffend, v. 20. Juli 1883 §§ 7, 9, 24) und das sächs. G. B. (§§ 1811, 1821, 1822, 1829—1833); doch hat das erstere die beiden Bestandtheile der modernen gemeinrechtlichen väterlichen Gewalt, die väterliche Vormundschaft über das minderjährige Hauskind und das dem röm. Rechte entstammende, mit der Volljährigkeit des Kindes nicht endigende eigene Nutzungs- und Vcrwaltungsrccht des Vaters am Ver-

Elterliche Gewalt. Zuständigkeit. Inhalt. §§ 1501, 1502.

723

mögen des Kindes nicht in der scharfen und klaren Weise gesondert, wie dies nach dem sächs. G. B. der Fall ist. Auf dem Gebiete des preuß. A. L. R. gehen daher auch die Ansichten über den Umfang der dem Vater kraft seiner

väterlichen Gewalt zustehenden Vertretungsmacht auseinander (vergl. Urth. d. R. G. bei Gruchot XXIV S. 1042 ff., XXIX S. 927 ff.). Auch darin weicht das preuß. A. L. R. von dem sächs. G. B. ab, daß nach dem ersteren auch volljährige Hauskinder nicht nur in der Versügungsfreiheit, sondern auch in der Geschäftsfähigkeit beschränkt sind.

Im Gegensatze zum gemeinen Rechte und den auf gemeinrechtlicher Grundlage beruhenden Gesetzgebungen hat die väterliche Gewalt in Lübeck (Vorm. O. v. 1820 §§ 1, 2), in Hamburg (Vorm. O. v. 14. Dezember 1883 Art. 6 verb. mit dem Hamb. Stadtr. III, 6 Art. 7, 17), sowie nach dem österr. G. B. §§ 147, 149, 150, 152, 172, 173 durchaus den Karakter einer väterlichen Vormundschaft, welche — abgesehen von gewissen im österr. G. B. vorgesehenen Ausnahmen —, wie jede andere Vormundschaft, mit der Volljährigkeit des Kindes endigt, dem Vater auch kein eigenes Nutzungs­ recht am Vermögen des Kindes gewährt; doch ist nach dem österr. G. B. die Stellung des Vaters

als Inhabers der väterlichen Gewalt wesentlich

freier gestaltet. Auf der Grundlage des Vormundschaftsprinzipcs ist die väterliche Gewalt ferner geregelt von dem franz. Rechte und dessen Nachfolgern (vergl. code civil

Art. 372—382, 384, 389, 390; bad. L. R. Satz 372—382, 384, 389, 390; ital. G. B. Art. 220—228; Hess. Entw. III Art. 18, 21—25, 31—33, 38, IV Art. 45), von verschiedenen schweiz. Gesetzen, insbesondere dem zür. G. B. §§ 251, 259, 261, 263, 268, 275 und dem bünbner. G. B. §§ 59, 60, 62, 63, 67, 100, ferner von dem Weimar. Ges. v. 27. März 1872 §§ 1, 4, 17. Nach allen diesen Rechten hat der Vater kraft der väterlichen Gewalt Pflicht und Recht der Sorge für die Person und das Vermögen des Kindes, einschließlich der Pflicht und des Rechtes der Vertretung des letzteren, und endigt die väterliche Gewalt mit der Volljährigkeit des Kindes. Die Stellung des Vaters ist jedoch mehr oder weniger freier gestaltet, als die eines Vormundes. Auch steht in Ueberein­ stimmung mit dem gemeinen Rechte und den auf gemeinrechtlicher Grundlage beruhenden Gesetzgebungen dem Inhaber der väterlichen Gewalt als eigenes Recht die Nutznießung am Vermögen des Kindes zu; doch endigt die letztere mit der Volljährigkeit des Kindes, nach franz. Rechte und dem bad. L. R. (vergl. aber Eins. Ed. zum bad. L. R. VIII Nr. 3) schon mit dem achtzehnten Lebensjahre desselben. Nach franz. Rechte besteht außerdem die Eigenthümlichkeit, daß mit dem Tode der Mutter die dem Vater während bestehender Ehe kraft der väterlichen Gewalt zustehende Verwaltung des Vermögens des Kindes sich für den überlebenden Vater in eine gesetzliche Vormundschaft umwandelt und der Vater alsdann, wenn auch in etwas beschränkter Weise, den allgemeinen Grundsätzen des Vormundschaftsrechtes unterliegt (code civil Art. 389, 390; vergl. Entsch. d. R. G. in Straff. XI, 55, XVI, 96). In der preuß. Rhein­ provinz hat nach der preuß. Vorm. O. v. 5. Juli 1875 § 95 der Vater nach dein Tode der Mutter die Pflichten und Rechte eines gesetzlichen Vormundes im Sinne der preuß. Vorm. O. (vergl. dazu Entsch. d. R. G. in Strass. XVI, 96). 46*

724 Standpunkt

Elterliche Gewalt.

Zuständigkeit.

Inhalt.

§§ 1501,1502.

Entwurses.

Dem Entwickelungsgänge des Rechtes folgend hat der Entwurf die elterliche Gewalt uott einer einheitlichen Grundlage aus gestaltet und dabei das

schastlicher

natürliche Schutzbedürfniß des Kindes zum Ausgangspunkte genommen. Demgemäß behandelt er die elterliche Gewalt ihrer wesentlichen Grundlage nach

Karatter

der

°Gewaw"

als

eine vormundschaftliche im modernen Sinne der Vormundschaft, d. h. ein dem Interesse des Kindes dienendes Schutzinstitut, welches für den

Inhaber der elterlichen Gewalt die Pflicht und das Recht, für die Person wie das Vermögen des Kindes zu sorgen, begründet (vergl. § 1502 Nr. 1 vcrb. mit § 1648). Wie bei der Vormundschaft, umfaßt auch bei der elterlichen Gewalt jene Pflicht und jenes Recht die gesetzliche Vertretung des Kindes (vergl. § 1503 Abs. 1 verb. mit |§§ 1648—1651). Auf der anderen Seite muß aber im Anschlüsse an das bestehende Recht der Umstand, daß die elter­ liche Gewalt sich als der rechtliche Ausdruck eines natürlichen, sittlichen Ver­ hältnisses berstellt und dieselbe auf gegenseitiges Vertrauen und auf gegen­ seitige Liebe gegründet ist, dahin führen, den Inhaber der elterlichen Gewalt bei seiner vormundschaftlichen Verwaltung erheblich freier zu stellen. Diese freiere Stellung zeigt sich namentlich darin, daß die Vertretungsmacht des Inhabers der elterlichen Gewalt erheblich weniger beschränkt ist als die des Vormundes (vergl. §§ 1507, 1511 — 1515 mit §§ 1657, 1663, 1666, 1669—1671, 1674—1682), daß ein Gcgenvormund nicht bestellt wird (§ 1647) und der Inhaber der elterlichen Gewalt nicht der ständigen Aufsicht des Vormundschaftsgerichtcs und den der Durchführung dieser Aufsicht dienenden, den

Vormund beschränkenden Bestimmungen unterliegt (vergl. §§ 1544—1552 mit §§ 1659, 1683 — 1689, 1705 Nr. 1, 2). Diese freiere Stellung behält

der Vater nach dem Entwürfe auch dann, wenn die Ehe durch den Tod der Mutter aufgelöst ist. Das System des code civil, nach welchem mit dem Tode der Mutter die väterliche Gewalt sich in eine gesetzliche Vormundschaft ver­ wandelt und der Vater von da an im Wesentlichen wie ein anderer Vormund der Kontrole eines Gegenvormundes und des Familienrathes unterworfen wird, gewährt zwar den Kindern einen größeren Schutz gegen Mißbrauch von Seiten des durch die Mutter nicht mehr kontrolirtcn Vaters, erreicht aber diesen Erfolg nur auf Kosten der natürlichen Stellung und der Autorität des Vaters und entspricht nicht den Anschauungen des deutschen Volkes. Durch, die freiere Stellung des Inhabers der elterlichen Gewalt, sowie durch die weitere Bestimmung des Entwurfes, daß die elterliche Gewalt für den Inhaber der letzteren zugleich das Recht der Nutznießung am Vermögen des Kindes als ein dingliches Recht begründet (§ 1502 Nr. 2, §§ 1516—1537), erledigen sich die Bedenken, daß eine auf der Grundlage des Vormundschaftsprinzipes aus­ gestaltete elterliche Gewalt dem Inhaber der letzteren nicht die nöthige Energie und Autorität gegenüber dem Kinde zu gewähren vermöge. Elterliche Anlangend die elterliche Nutznießung, so läßt sich allerdings nicht verNutzn.eßung. fenneH, dcch durch die Verbindung der elterlichen Nutznießung mit der elterlichen Gewalt als eines Bestandtheiles der letzteren vom Standpunkte des Entwurfes aus ein fremdartiges, dem vormundschaftlichen Karakter der elterlichen Gewalt nicht entsprechendes Element in diese hineingctragen wird und daß daraus gewisse Schwierigkeiten und Verwickelungen sich ergeben. Auf der anderen Seite

Elterliche Gewalt. Zuständigkeit. Inhalt. §§ 1501, 1502.

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spricht aber gegen die reine Durchführung des vormundschaftlichen Karakters in dieser Richtung zunächst schon die Thatsache, daß nach dem in dem weitaus größten Theile Deutschlands geltenden Rechte die väterliche Gewalt für den Vater das Recht der Nutznießung an dem Vermögen des Kindes begründet. Die Beibehaltung dieses Rechtes ist auch keineswegs als ein Rest altrömischer Anschauungen über das Wesen der väterlichen Gewalt anzusehen, sondern entspricht dem Entivickelnngsgange des deutschen Rechtes, welches, von seltenen Ausnahmen abgesehen, mit dem väterlichen Mundium von jeher die Nutz­ nießung an dem Vermögen des Kindes verbunden hat. Für die Beibehaltung der elterlichen Nutznießung sprechen aber auch überwiegende innere Gründe. Der Inhaber der elterlichen Gewalt ist berechtigt, die Einkünfte des dem Kinde gehörenden Vermögens für den Unterhalt des Kindes zu verwenden (§ 1481 Abs. 1, 3). Er ist ferner berechtigt, die Art der Gewährung des Unterhaltes, sowie die Art der Erziehung und das Maß der dafür aufzuivendenden Kosten zu bestimmen. Ausgaben dieser Art gestatten ihrer Natur nach dem Ermeßen einen weiten Spielraum. Es können zu diesen Ausgaben auch Ausgaben für den Inhaber der elterlichen Gewalt selbst und für die übrigen Mitglieder seiner Familie gehören. Im elterlichen Hause, int Schooße der Familie, soll das Kind erzogen werden und, wenn dies in einer seinen Verhältnissen entsprechen­ den Art nur dadurch geschehen kann, daß die Einkünfte des demselben ge­ hörenden Vermögens zum standesmüßigen Unterhalte der Eltern und der sonstigen Mitglieder der Familie mitverwendet werden, so würde man dem Inhaber der elterlichen Gewalt auch bei einer rein vormundschaftlichen Stellung eine solche Verwendung gestatten müßen; denn es würde, wenn das Kind reich ist, die Eltern aber arm sind, mit einer vernünftigen Erziehung nicht vereinbar sein, daß in derselben Familiengemeinschaft das Kind seinem Reichthume, die Eltern ihrer Armuth entsprechend lebten. Mit der Stellung des Inhabers der elterlichen Gewalt gegenüber dem Kinde würde es ferner nicht im Einklänge stehen, wenn er demselben in irgend welcher Form für das Maß der zum Zwecke des Unterhaltes aus den Einkünften des Kindesvermögens gemachten Aufwendungen verantwortlich sein sollte. Er würde daher, auch wenn man den vormundschaftlichen Karakter der elterlichen Gewalt schlechthin festhalten wollte, doch iit der Verwendung der Einkünfte des dem Kinde gehörenden Vermögens thatsächlich fast unbeschränkt sein. Eine solche Stellung des In­ habers der elterlichen Gewalt unterliegt aber nach außen hin, insbesondere gegenüber seinen Glänbigern, ernsten Bedenken. Er kann über die Einkünfte des dem Kinde gehörenden Vermögeits, wie über seine eigenen, frei verfügen; er verwendet sie, ohne dafür verantwortlich zu sein, nach Belieben in seinen Nutzen, aber seinen Gläubigern sind sie entzogen, da sie dem Kinde gehören. Alle diese Bedenken werden beseitigt, wenn man dem Inhaber der elterlichen

Gewalt die Nutznießung am Vermögen des Kindes als ein eigenes Recht einräumt. Dem Jntereße des Kindes, daß die Einkünfte des demselben ge­ hörenden Vermögens in Folge der elterlichen Nutznießung ihrem Zwecke, vor­ zugsweise zum Unterhalte des Kindes und der Familie zu dienen, nicht entzogen

werden, wird durch die Bestimmungen der §§ 1532, 1534, 1535 in ausreichender Weise Rechnung getragen. Der Unterhalt des Kindes und die Vermeidung

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von Abrechnungen zwischen dem Inhaber der elterlichen Gewalt und dem Kinde über die Verwendung der Einkünfte, sowie die Herbeiführung einer angemessenen Stellung des Inhabers der elterlichen Gewalt nach außen sind nicht der einzige Zweck der elterlichen Nutznießung. Auch noch andere, nicht minder schwer ins Gewicht fallende Nachtheile entstehen, wenn man den vormundschaftlichen Karakter der elterlichen Gewalt auch in Ansehung der Einkünfte des dem Kinde gehörenden Vermögens festhalten wollte. Die Stellung des Inhabers der elterlichen Gewalt gegenüber dem Kinde muß eine selbständige sein; das natürliche Verhältniß ist, daß die Eltern dem Kinde den Unterhalt geben; dieses Verhältniß wird verschoben, wenn der Unterhalt des Kindes und viel­ leicht auch der Eltern nicht aus deren Mitteln, sondern aus denen des Kindes bestritten wird, wenn der Inhaber der elterlichen Gewalt über diese Mittel nicht kraft eigenen Rechtes, sondern nur als Vertreter des Kindes verfügt und diesem dafür, wenn auch nicht rechtlich, so doch sittlich verantwortlich ist. Das natürliche Gefühl der Abhängigkeit des Kindes von dem Inhaber der elterlichen

Gewalt kann dadurch unter Umständen schwer geschädigt werden. Der Satz des altröm. Rechtes, daß Alles, was das Kind erwirbt, dem Inhaber der väterlichen Gewalt gehört, ist heute nicht mehr möglich. Aber der demselben zu Grunde liegende Gedanke, daß das Recht die natürliche Abhängigkeit des Kindes von dem Inhaber der elterlichen Gewalt anerkennen und in der Ge­

staltung der beiderseitigen Vermögensverhältnisse, soweit thunlich, zum Aus­ drucke bringen müsse, ist, solange das Kind minderjährig ist und der Erziehung der Eltern bedarf, auch heute noch richtig und findet in dem eigenen Rechte des Inhabers der elterlichen Gewalt an den Einkünften des dem Kinde ge­ hörenden Vermögens seinen den jetzigen Verhältnisien entsprechenden Ausdruck. Mit Rücksicht auf den Zusammenhang, in welchem dem Vorstehenden nach die elterliche Nutznießung mit der im Uebrigen dem Inhaber der elterlichen Gewalt zugewiesenen Stellung gegenüber dem Kinde steht, sowie im Interesse der Ver­ einfachung und leichteren Handhabung des Gesetzbuches behandelt der Entwurf die elterliche Nutznießung nicht als ein von der elterlichen Gewalt völlig unab­ hängiges, neben derselben bestehendes Recht, sondern als einen, allerdings mehr akzidentalcn, Bestandtheil der elterlichen Gewalt. Dauer 2. Aus dem Prinzipe des Entwurfes, daß die elterliche Gewalt, analog tiei@“roait*en b£r Schutzherrschaft des Vormundes, eine Schutzgewalt ist, ergiebt sich, daß dieselbe so lange zu dauern hat, als die Schutzbedürftigkeit dauert. Man könnte daran denken, das Ende der Schutzbedürftigkcit nach der thatsächlichen Voraussetzung zu bestimmen, daß im einzelnen Falle die Person des Kindes eine selbständige Lebensstellung erlangt habe. Dies würde dann aber allgemein gelten müssen- sowohl für Hauskinder als für solche Kinder, welche nicht unter elterlicher Gewalt stehen. Wenngleich die Bestimmung einer solchen Endigungsart der Schutzgewalt theoretische Gründe für sich haben mag, so stößt dieselbe doch auf die schwersten praktischen Bedenken, weil die Erfüllung der bezeichneten gesetzlichen Voraussetzung bestreitbar und dritten Personen nicht mit Gewißheit ersichtlich ist. Schon im Interesse der Verkehrssicherheit muß man deshalb

die thatsächliche Voraussetzung der Schutzgewalt so bestimmen, daß dieselbe an jenen Mängeln nicht leidet und dabei doch im Durchschnitte das Richtige

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Dies führt aber dazu, wie bei nicht unter elterlicher Gewalt stehenden Volljährigkeit.

Kindern (§§ 1633, 1703), so Mich bei Hauskindern die Schutzgcwalt mit dem Austritte aus dem Alter der Minderjährigkeit endigen zu lassen (§§ 1501, 1557 Abs. 1). Daraus, daß die Gehorsamspflicht (§ 1498) und die Pflicht, die elterliche Einwilligung zur Eingehung einer Ehe einzuholen (§ 1238; vergl. auch § 1610), uicht auf das Alter der Minderjährigkeit beschränkt ist, kann ein Gegengrund nicht entnommen werden, da durch diese Pflichten die rechtliche Stellung des Kindes dritten Personen gegenüber nicht berührt wird. Mit dem Standpunkte des Entwurfes, daß die elterliche Gewalt mit der Voll­ jährigkeit des Kindes endigt, stimmen außer den oben S. 723 angeführten Rechten auch das in Naffau, sowie das in Braunschweig geltende Recht (braunschw. Ges. v. 19. Mai 1876) überein. Ebenso hat der 12. deutsche Juristentag in seiner ersten und zweiten Abtheilung 1875 die Frage, ob die väterliche Gewalt, insbesondere als Grund der Beschränkung der Geschäfts­ fähigkeit, kraft des Gesetzes mit der Volljährigkeit des Kindes erlöschen soll, einstimmig bejaht (Bd. IIIS. 82 ff.). Eine andere Frage ist cs, ob cs nicht angemesien sein würde, nach dem Vorgänge des gemeinen Rechtes und des sächs. G. B. und in Annäherung an das preuß. A. L. R. mit der Volljährigkeit des Kindes zwar jede Beschränkung der Geschäftsfähigkeit, desselben und die Vertretungs­ macht des Inhabers der elterlichen Gewalt wegfallen, im Uebrigen aber die elterliche Gewalt bis dahin fortdauern zu laffen, daß das Kind im Ver­ hältnisse zu den Eltern eine selbständige Lebensstellung erwirbt oder eine Ehe schließt. Da eine Fortdauer der Erziehungsgewalt regelmäßig thatsächlich ausgeschlossen ist, so würde das Fortdauernde im Wesentlichen die elterliche Nutznießung sein. Für eine solche Gestaltung kann man anführen, daß dadurch das Familicnband gestärkt werde und es billig sei, den Eltern, solange, die­ selben dem Kinde den Unterhalt gewähren müsten, vermöge des Rechtes der elterlichen Nutznießnng am Vermögen des Kindes einen Einfluß auf die Ver­ waltung dieses Vermögens und die Fruchtziehung cinzuräumen, daß es auch unnatürlich erscheine und zu Streitigkeiten und Prozeßen zwischen den Eltern und Kindern Veranlastung geben könne, wenn von dem Eintritte der Voll­ jährigkeit an das Kind, welches im Elternhause verbleibe, den Eltern auf Rechnung und Gcgenrechnung gegenübergestellt werde, statt in solchen Fällen Unterhalt und Nutzung gegen einander aufzurechnen. Die Gründe jedoch, welche den Entwurf bestimmt haben, dem Inhaber der elterlichen Gewalt als solchem das Recht der elterlichen Nutznießung beizulegen, sowie die Gründe, aus welchen der Entwurf die im § 1481 Abs. 3 bestimmte intensivere Unterhalts­ pflicht der Eltern gegenüber den Kindern nicht über das Alter der Minder­ jährigkeit des Kindes hinaus erstreckt hat (vergl. die Motive zu § 1481 oben S. 682), sprechen überwiegend dagegen, die elterliche Nutznießung über jenen Zeitpunkt hinaus fortdauern zu lasten. Eine solche Erstreckung der elterlichen Nutznießung führt, entgegen dem Prinzipe des Entwurfes, daß mit dem Zeit­ punkte der Volljährigkeit des Kindes die Selbständigkeit des letzteren eintritt, zu dem Resultate, daß solche Kinder, namentlich Töchter, welche sich nicht verheirathen und nach den obwaltenden Vcrhältnisten nicht in der Lage sind, einen selbständigen Erwerbszweig ergreifen zu können, in vermögensrechtlichcr

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Beziehung bis zum Tode der Eltern unselbständig und von den Eltern abhängig bleiben würden und daß man wieder mit dem schwer zu fassenden und zu Prozessen Veranlassung gebenden Begriffe der separata oeconomia würde rechnen müssen. Daneben kommt in Betracht, daß die ganze Konstruktion der elterlichen Nutznießung in dem Entwürfe auf die mit der Minderjährigkeit des Kindes verbundene Beschränkung der Geschäftsfähigkeit des Kindes und dessen regelmäßige Vertretung durch den Inhaber der elterlichen Gewalt gegründet ist. Die elterliche Nutznießung am Vermögen des volljährigen Kindes würde daher als ein besonderes Institut, ähnlich der ehelichen Nutznießung, ausgestaltet werden müssen und insbesondere Bestimmungen über Dispositionsbeschränkungen des an sich geschäftsfähigen Kindes, ähnlich den Dispositionsbeschrünkungen der Ehefrau in Ansehung des Ehegutes (§§ 1300 ff.), nöthig machen. Eine solche Gestaltung ist aber, soweit sie vermeidlich ist, wegen der aus derselben folgenden mehr oder weniger verwickelten Rechtsverhältnisse als angemessen nicht zu erachten. Eher könnte es in Frage kommen, ob es nicht, um die mit dem Wegfälle der elterlichen Nutznietzung nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes

unter Umständen verbundenen Unzuträglichsten und Streitigkeiten zu ver­ meiden, sich empfehlen würde, eine dem Gedanken des § 1340 entsprechende Vorschrift aufzunchmen (vergl. ital. G. B. Art. 234). Indessen ist auch eine derartige, dem in Deutschland geltenden Rechte zudem unbekannte Vorschrift als entbehrlich erachtet. Wie gegen die Fortdauer der elterlichen Nutznießung über die Grenze der Minderjährigkeit hinaus, wendet der Entwurf sich andererseits gegen das franz. Recht, nach welchem die elterliche Nutznießung schon vor der Volljährig­ keit des Kindes mit dem vollendeten achtzehnten Lebensjahre endigt. Diese Bestimmung des franz. Rechtes hat wesentlich den Zweck, zu verhindern, daß die Eltern aus Eigennutz die Emanzipation des Kindes oder ihre Einwilligung zu einer Eheschließung des letzteren verweigern, da nach dem code civil die elterliche Nutznießung mit der Emanzipation oder der Verheirathung des Kindes wcgfällt. Das franz. Institut der Emanzipation hat der Entwurf nicht ausgenommen (vergl. die Motive zu §§ 1557—1561 unter 1); dagegen wird auch nach dem Entwürfe durch die Schließung einer Ehe von Seiten des Kindes die elterliche Nutznießung beendigt, sofern die Ehe von dem Kinde mit der nach den §§ 1238, 1239 erforderlichen Einwilligung desjenigen Elterntheilcs geschloffen ist, welchem die elterliche Nutznießung zusteht (§ 1536). Trotzdem empfiehlt cs sich nicht, die elterliche Nutznießung nach dem Vorbilde des franz. Rechtes schon vor der Volljährigkeit des Kindes endigen zu lassen. Die Gründe, aus welchen der Entwurf die elterliche Nutznießung als einen Bestandtheil der elterlichen Gewalt behandelt, sind gegenüber dem aus einem Mißtrauen gegen die Uneigennützigkeit der Eltern entnommenen Bedenken entschieden als über­ wiegend zu betrachten. Wegen der Frage, ob es sich empfiehlt, die elterliche Gewalt einschließlich der elterlichen Nutznießung unter Umständen über die Minderjährigkeit des Kindes hinaus zu verlängern, wird auf die Motive zu § 1557 Bezug ge­ nommen.

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3. In Konsequenz des vormundschaftlichen Karakters der elterlichen VermögensGewalt sind dem Entwürfe diejenigen, dem neuesten röm. Rechte noch an-Kindes.^

gehörenden und wenigstens zum Theil in das gemeine Recht übergegangcncn Bestimmungen, welche sich als Ausfluß des altrömischcn Begriffes der väter­ lichen Gewalt und des damit im engen Zusammenhänge stehenden römischen Familiengüterrechtes darstellen, fremd. In Uebereinstimmung mit den neuere» Gesetzbüchern geht der Entwurf insbesondere davon aus, daß das Hauskind nicht minder vermögensfühig ist, wie das gewaltfreie Kind. Mit dem Satze des altröm. Rechtes, daß das Hauskind, was cs erwirbt, dem Hausvater er­ wirbt, ist vollständig gebrochen (vergl. preuß. A. L. R. II, 2 § 124; österr. G. B. § 149; sächs. G. B. § 1810). Daß diejenigen Gegenstände, welche das Kind durch seine unter die Vorschrift des § 1499 fallende Arbeit erwirbt, dem betreffenden Elternthcile erworben werden (vergl. § 1518), ist kein Ausfluß der elterlichen Gewalt und beschränkter Vermögensfähigkeit, sondern ergiebt sich aus den allgemeinen Grundsätzen. Mit den neueren Gesetzgebungen ist dem Entwürfe ferner die Bestimmung des röm. und gemeinen Rechtes unbekannt, daß der Hausvater einen dem Hauskinde angebotenen, von diesem ausgeschlagenen Erwerb für sich machen kann, eine Bestimmung, welche ebenfalls mit dem Prinzipe des altröm. Rechtes zusammenhängt, daß das Hanskind nothwendiges Erwerbs­ organ des Hausvaters ist. Mit der Anerkennung der vollen Vcrmögcnsfähig- S°g. P-rkeit des Hauskindes ist auch dem Prinzipe der sog. Pcrsonencinhcit, d. h. dem fone"em^,t

Satze des röm. Rechtes, daß weder durch Rechtsgeschäfte noch durch andere juristische Thatsachen zwischen dem Hausvater und dem Hauskinde eigentliche Rechtsverhältnisie begründet werden können, auch ein Rechtsstreit zwischen den­ selben nicht möglich ist, jeder Boden entzogen. Nach dem Entwürfe sind des­ halb insbesondere auch Schenkungen des Hausvaters an das Hauskind zulässig. Damit stimme» die neueren Gesetzgebungen (vergl. ferner für das gemeine Recht Entsch. d. R. G. in Civilst XVI, 21; Seuffert XLII, 307) ebenfalls überein. Inwieweit der Inhaber der elterlichen Gewalt bei Rechtsgeschäften und Rechtsstreitigkeiten zwischen ihm selbst und dem Kinde von der gesetzlichen Vertretung ausgeschlosien ist, ergiebt § 1651 verb. mit § 1503 Abs. 1. Rach dem Vorgänge der neueren Gesetzgebungen hat der Entwurf auch MulienE. die mit dem Gewaltbcgriffe des altröm. Rechtes zusammenhängende, auf der Basis der Vermögcnsunfähigkcit des Hauskindes erwachsene und auf historischer Grundlage beruhende Eintheilung des Kindesvermögens in peenlium castrense und quasi castrense, peculium adventieiüm reguläre und irreguläre nicht über­ nommen ; vielmehr unterscheidet der Entwurf im Anschlüsse an die neueren Gesetz­ gebungen (vergl. preuß. A. L. R. II, 2 §§ 147—157; österr. G. B. §§ 149—151; code civil Art. 384—387; sächs. G. B. § 1811; Weimar. Ges. v. 27. März 1872 §§ 4, 7; Hess. Entw. III Art. 25) nur zwischen solchem Vermögen des Kindes, welches der elterlichen Nutznießung, und solchem, welches der letzteren nicht unterliegt (freies Vermögen), bezw. zivischen solchem Vermögen, in Ansehung deffen dem Inhaber der elterlichen Gewalt die elterliche Vermögensverwaltung zusteht, und solchem, in Ansehung dessen die elterliche Vermögensverwaltung ausnahmsweise ausgeschlosien ist (§§ 1510, 1516—1519). Auch das röm. Institut des peculium profecticium, welches, wenngleich es mit der Anerkennung

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der Vermögensfähigkeit des Hauskindes keineswegs unvereinbar ist, doch mit der im altröm. Rechte anerkannten Vermögensunfähigkeit des Hauskindes und der lebenslänglichen Dauer der väterlichen Gewalt in engem Zusammenhänge steht und der dadurch bedingten eigenthümlichen Organisation der römischen Familie seine Entstehung und Ausbildung verdankt, hat keine Aufnahme in den Ent­ wurf gefunden. Der Umstand, dass jenes Institut in den Gebieten des gemeinen Rechtes fast gänzlich unpraktisch und, abgesehen von dem bayr. L. R. I, 5 § 3, in keine der neueren Gesetzgebungen übergegangen ist, zeigt, daß dasselbe den deutschen Sitten und Anschauungen nicht entspricht und als ein Bedürfniß nicht empfunden wird. Das Institut ist um so entbehrlicher, als einerseits die elterliche Gewalt mit der Volljährigkeit des Kindes endigt, anderer­ seits das Aufgcben des röm. Prinzipes der Personencinhcit, sowie die Anerkennung des Prinzipes der freien Stellvertretung und die Grundsätze von der Bürg­ schaft und dem Kreditauftrage die Begründung ähnlicher Rechtsverhältnisse ermöglichen, wie sie das peculium profecticium mit sich bringt, weitNgleich an­ zuerkennen ist, daß die mit Hülfe jener Rechtssätze zu begründenden Rechtsverhältniffe mit den rechtlichen Gestaltungen des peculium profecticium und der mit diesem in Verbindung stehenden actio de peculio sich nicht voll­

ständig decken. Haftung für 4. Mit dem Pekulienrechte des röm. Rechtes und der ganzen familicnbesÄtabeä'1’ rechtlichen Stellung des römischen Hausvaters gegenüber dem Hauskinde, insbesondere einerseits mit der Vcrmögensunfähigkeit des letzteren und der

Konzentration alles Erwerbes desselben in der Hand des Hallsvaters, an­ dererseits mit der Verpflichtllngsfähigkeit des Hauskindcs, hängen ferner die Qiagen*6 adjektizischcn Klagen des röm. Rechtes (actio de peculio, tributoria, de in rem verso und quod jussu) auf das Engste zusammen. Sie bezwecken, gegen­ über der Konzentration des Erwerbes des Hauskindes in der Hand des Haus­ vaters den Anforderungen der Billigkeit unter gewissen Voraussetzungen in der Weise Rechnung zil tragen, daß der Hausvater aus den Rechtsgeschäften des Haliskindcs in größerem oder geringerem Umfange haftbar wird. Vom Standpunkte des Entwurfes aus sind mit Rücksicht auf die Grundlagen, auf ivelchcn die elterliche Gewalt aufgebaut ist, und im Hinblicke auf die all-

gcmeinen Grundsätze über den Allftrag, die Vollmacht, den Kreditauftrag, die Geschäftsführuilg ohne Auftrag und die ungerechtfertigte Bereicherung besondere Bestimmungen über die Haftpflicht des Inhabers der elterlichen Gewalt als

solchen für die Geschäftsschulden des Hauskindes entbehrlich. Damit stimmen im Prinzipe allch die neueren Gesetzgebungen überein (vergl. preuß. A.L.R. II, 2 §§ 126—130; sächs. G. B. § 1825); doch ist in einigen derselben die allerinsb°f. dings praktisch wichtige Frage, unter welchen Voraussetzungen der Vater dem Dritten, welcher dem Kinde Unterhalt gewährt oder zum Zwecke des UnterUnt-rhalt°n Haltes mit dem Kinde Rechtsgeschäfte geschloffen hat, zum Ersätze verpflichtet Q m' ist, in Anknüpfung an die actio de in rem verso des röm. Rechtes besonders

geregelt (vergl. preuß. A.L.R. II, 2 §§ 129, 130; sächs. G. B. § 1825). Auch in dieser Hinsicht reicheil indeffen die allgemeinen Grundsätze, insbesondere die Bestiminlingen über die Geschäftsführung ohne Auftrag und die ungerecht­ fertigte Bereicherung (vergl. namentlich §§ 753, 755 Satz 2, § 758), sowie

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die Vorschrift des § 1492 aus, um dem praktischen Bedürfnisse zu genügen. Um so weniger empfiehlt es sich, für den Fall, daß ein Dritter einem Haus­ kinde Unterhalt gewährt hat, besondere Bestimmungen zu geben, als dieselben Fragen sich auch dann erheben, wenn einem anderen Unterhaltsberechtigten der Unterhalt nicht von dem verpflichteten Verwandten, sondern von einem Dritten gewährt ist. An der Hand der allgemeinen Grundsätze in Verbindung mit dem § 1495 Abs. 2 erledigt sich auch ohne Schwierigkeit die in den Ge­ bieten des gemeinen Rechtes und des preuß. A. L. N. streitig gewordene Frage, ob der Vater gegen den Dritten, welcher dem Kinde den nöthigen Unterhalt verschafft hat, eine wirksame Einrede daraus entnehmen kann, daß er das Kind mit dem erforderlichen Gelde u. s. w. versehen, das Kind aber die ihm gewährten Mittel anderweit verwendet habe (vergl. Seuffert IX, 306, X, 61, XVII, 64; Urth. d. R. G. bei Gruchot XXV S. 1029 ff., 1033 ff.). Soweit nach § 1495 Abs. 2 eine Vorausleistung (vergl. § 1491 Abs. 3—5) zum Zwecke des Unterhaltes für die Zukunft den Verpflichteten befreit, ist die Ein­ rede begründet, da insoweit der Dritte dem Verpflichteten eine Ausgabe nicht erspart, denselben von einer Verbindlichkeit nicht befreit, mithin ein Geschäft

des Verpflichteten überhaupt nicht geführt hat. Einer besonderen Bestimmung bedarf es insbesondere auch für den Fall nicht, in welchem der Vater voraus­ sehen konnte, daß sein Kind die demselben zum Zwecke des Unterhaltes ge­ gebenen Mittel verschleudern oder überhaupt anderweit verwenden werde (vergl. 1. 16, 1. 10 § 6 D. de in rem verso 15, s), da, soweit der Vater nach § 1491 Abs. 4, 5 die Frist für die Vorausleistung zu bestimmen hatte, die Vorausleistung ihn von der Unterhaltspflicht nur insoweit befreit, als die Vorausleistung für eine angcmcffene Frist bewirkt ist (§ 1495 Abs. 2). Ebensowenig wie für die Gcschästsschuldcn des Hauskindes hastet nach dem Entwürfe der Inhaber der elterlichen Gewalt als solcher für die Deliktsschuldcn des Hauskindes. Damit stimmt auch das bestehende Recht überein. Eine andere Frage ist, inwieweit Eltern wegen Vernachlässigung der ihnen obliegenden Aufsicht über das Kind (§§ 1504, 1506) aus dem Gesichts­ punkte einer ihnen selbst zur Last fallenden unerlaubten Handlung für die Delikte der Kinder verantwortlich sind (vergl. preuß. A. L. R. II, 2 §§ 139 bis 146; code civil Art. 1384; sächs. G. B. §§ 779, 1824, 1825). In dieser Hinsicht bedarf es indesien im Familicnrechtc keiner besonderen Bestimmungen, da die allgemeinen Grundsätze über unerlaubte Handlungeu (§§ 710, 713) in ausreichender Weise Vorsorge getroffen haben. Wegen der besonderen Vorschrift des sächs. G. B. § 1826, daß, wenn ein Kind Schaden zugefügt oder ein Verbrechen verübt hat, für Schadens­ ersatz, Geldstrafe- und Kosten des Strafverfahrens oder des Rechtsstreites der Stamm des Vermögens des Kindes haftet, daß aber der durch den Unterhalt im Gefängniffc und durch die Vertheidigung des Kindes verursachte Aufwand in Ermangelung eigenen Vermögens des Kindes aus dem des Vaters zu be­ zahlen ist, wird auf die Motive zu § 1488 oben S. 697 und zu §§ 1528, 1530, 1531 Nr. 5, 6 verwiesen. 5. Vom Standpunkte des Entwurfes aus, nach welchem die elterliche Gewalt mit der Volljährigkeit des Kindes endigt, kommen neben den all- f°

D-ims-

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gemeinen Vorschriften über die beschränkte Geschäftsfähigkeit Minderjähriger (§§ 65, 66) besondere Bestiminungen über die Beschränkung der Geschäfts­ fähigkeit bcziv. die DiSpositionsfühigkeit eines Hauskindes als solchen, wie sie im preuß. A. L. R. II, 2 §§ 125, 165, 166, im sächs. G. B. § 1821 nnd im gemeinen Rechte sich finden, nicht in Frage. Da die Wirksamkeit des von einem inindcrjährigen Hallskinde vorgenominencn Rechtsgeschüftcs von der Einwilligung oder Genehmigung des Inhabers der elterlichen Gewalt als des gesetzlichen Vertreters des Kindes abhängig ist (§§ 65, 1649, 1503 Abs. 1), das minderjährige Hauskind ohne die Einwilligung des Inhabers der elterlichen Gewalt als des gesetzlichen Vertreters des Kindes auch die im § 67 be­ stimmte erweiterte Geschäftsfähigkeit nicht erlangen kann, so ist das mit der elterlichen Gemalt verbundene Recht der Nutznießung am Vermögen des Kindes gegen Beeinträchtigung durch Rechtsgeschäfte oder Rechtsstreitigkeiten des Kindes trotz der Bestimmungen der §§ 1521, 1528 ausreichend geschützt, und auch in den Fällen, in welchen dem Inhaber der elterlichen Gewalt ausnahmsweise die Vertretungsmacht nicht zusteht (vergl. §§ 1510, 1546, 1550, 1553, 1554, 1556, 1650, 1651, 1503 Abs. 1, § 1738 Abs. 1), ist durch die beschräukte Geschäfts­ fähigkeit des minderjährigen Hauskiudes und die Nothwendigkeit der Vertretung desselben durch einen anderen gesetzlichen Vertreter der Gefahr einer Be­ einträchtigung der elterlichen Nutznießung durch das Hauskind in genügender Weise vorgebeugt (vergl. § 1532). Aus den Bestimmungen über die beschränkte Geschäftsfähigkeit Miilderjähriger in Verbindung mit der Vor­ schrift, daß die elterliche Gewalt einschließlich der elterlichen Nutznießung ipit der Volljährigkeit des Kindes endigt, ergicbt sich ferner von selbst, daß den Vorschriften des röm. und des gemeinen Rechtes über das S. C. s. c. Mac« Macedoiüanum, welche auf dem Grundsätze der Vcrpflichtungsfähigkeit des Haus«manum. |n Verbindung mit der Vermögensunfühigkeit bezw. der Dispositions­

beschränkung des Hauskindcs in Ansehung der Adventizicn und mit der lebens­ länglichen Dauer der väterlichen Gewalt beruhen (vergl. auch württemb. L. R. II, 28 §§ 2, 3; bayr. L. R. IV, 2 § 4) jeder Boden entzogen ist. Benefleium Auch die Billigkeitsgründe, welche das röm. Recht einerseits im Hinblicke pete°"iae. auf die Verpflichtungsfähigkeit, andererseits int Hinblicke auf die Vermögensnnfähigkeit des Hauskindes und auf die Zlilüssigkeit der Personalexekution veranlaßt haben, dem Kinde, nachdem dasselbe aus der väterlichen Gewalt ausgetreten ist, ohne dabei einen beträchtlichen Theil des väterlichen Ver­ mögens erhalten zli haben, gegen die aus der Zeit der väterlichen Gewalt herrührendcn Schulden, mit Ausnahme der Deliktsschuldcn, eine Zeit lang das benefleium competentiae zu Theil werden zll lasseil, treffen nach dein Systeme des Entwurfes nicht zu. Zudem ist diese Einrede der Kompetenz allst) den neueren Gesetzgebungen fremd. TestamentsDaß die elterliche Gewalt als solche — abweichend vom röm. lllld gefa^mnbe§be8meinen Rechte, aber in Uebereinstimmung mit den neueren Gesetzgebungen —

auf die Testameutsfühigkeit des Hauskiildes ohne Einfluß ist, ergicbt der § 1912 (vergl. die Motive zum Erbrechte). Pr°z-MhigDie Prozeßfühigkeit des Hauskiudes richtet sich nach § 51 Abs. 1 der eit C. P. O. in Verbindung mit den Vorschriften des Entivlirscs über die

Elterliche Gewalt. Zuständigkeit. Inhalt. §§ 1501, 1502. Geschäftsfähigkeit Minderjähriger (§§ 65, 67).

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Der Abs. 2 des § 51 der

C. P. O. ist nach dem Entwürfe gegenstandslos, da die elterliche Gewalt stets mit der Volljährigkeit des Kindes endigt. Auch in Ansehung der Deliktsfähigkeit macht der Entwurf keinen Unter- DeiiusWigschied zwischen Hauskindern und gewaltfreien Kindern (vergl. preuß. A. L. R. II, 2 §§ 134, 135 Verb, mit I, 5 §§ 33—36 und dem preuß. Ges. über die Geschäftsfähigkeit Minderjähriger v. 12. Juli 1875; österr. G. B. §§ 152, 248, 866; sächs. G. B. §§ 1823, 1912). Es sind in dieser Beziehung die allgemeinen Grundsätze maßgebend. Inwieweit die Gläubiger des Kindes auch wegen Deliktsforderungen ihre Befriedigung aus dem der elterlichen Nutznießung unterworfenen Vermögen verlangen können, darüber vergl. § 1528

nebst Motiven. IT. Das gegenwärtig in dem größten Theile Deutschlands herrschende Zuständigkeit Recht kennt ein volles durchgebildetes elterliches Recht nur für den Vater, nicht für die Mutter. Die väterliche Gewalt, nicht die elterliche Gewalt, bildet e(terIid)e die Grundlage des elterlichen Rechtes. Eine der väterlichen Gewalt gründ»«* sätzlich gleichstehende mütterliche Gewalt ist dem gemeinen Rechte und den ans 11!utter'

gemeinrechtlicher Grundlage beruhenden neueren Gesetzgebungen, insbesondere dem preuß. A. L. R., dem österr. G. B. und den: sächs. G. B., unbekannt. Im Vergleiche zu dem umfassenden Rechte, welches jene Rechte dem Vater als In­ haber der väterlichen Gewalt einräumen, legen dieselben nach dem Tode des Vaters der Mutter nur sehr beschränkte elterliche Befugnisse bei. An dem Erzichungsrcchte hat sie einen gewissen Antheil, aber auch insoweit ist sie mehr oder weniger unselbständig gestellt. Der Schwerpunkt des Erziehungsrechtes,

wie die ganze Sorge für das Vermögen des Kindes, einschließlich der Ver­ tretung des letzteren, geht vielmehr auf die staatlichen Organe der Vormund­ schaft, den Vormund und die Obervormundschaft, über und nur in der Stellung eines durch obrigkeitlichen Bestellungsakt berufenen Vormundes kann die Mutter diejenigen Befugnisse ganz oder theilweisc mittelbar erlangen, welche dem Vater kraft Elternrechtes zustchen. Ein Recht der Nutznießung am Vermögen des Kindes steht der Mutter als solcher nur ausnahmsweise partikularrechtlich zu. Im Einzelnen gestaltet sich nach dieser Gruppe von Rechten die Stellung der Mutter nach dem Tode des Vaters folgendermaßen: Anlangend zunächst das Erziehungsrccht, so liegt dasselbe gemeinrechtlich nach dem Tode des Vaters in der Hand der Obervormundschaft (1. 1 Cod. ubi pup. 5,49; 1. 1 D. eod. 27, -). Die letztere ist aber insofern gebunden, als die fähige Mutter einen Anspruch darauf hat, daß ihr die Ausübung der Er­ ziehung zunächst übertragen werde. Soweit die Mutter nicht zugleich Vormund ist, wird dem Vormunde des Kindes ein gewisser Einfluß auf die Erziehung, auch wenn diese der Mutter überlassen ist, insbesondere ein Aufsichtsrecht, ein­ geräumt (vergl. Seuffert XXXI, 247). Achnlich ist die Stellung der Mutter in Ansehung des Erzichungsrcchtes nach dem württemb. Rechte (vergl. württemb. L. R. IV, 11 § 1, IV, 12 § 1), dem bayr. L. R. I, 7 8 11 Nr. 3, dem preuß. A. L. R. II, 18 §§ 315, 320, 322, 326 (vergl. §§ 241—246, 237, 308—314), der preuß. Vorm. O. v. 5. Juli 1875 § 28, dem sächs. G. B. §§ 1875, 1886, 1923, 1924, dem österr. G. B. §§ 216—218, der lübeck. Vorm. O. v. 1820 § 26,

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der Hamb. Vorm. O. v. 14. Dezember 1883 Art. 22 und dem Entw. der bayr.

Vorm. O. v. 1874 § 60. Nach einzelnen dieser Gesetzgebungen, insbesondere nach der prcuß. Vorm. O. und dem Entw. der bayr. Vorm. O., ist jedoch das Erziehungsrecht der Mutter insofern unabhängiger und fester gestaltet, als ihr

das Erziehungsrecht, wenn auch unter Aufsicht des Vormundes, unmittelbar kraft des Gesetzes zusteht und nur aus erheblichen Gründen von der Ober­ vormundschaft entzogen werden darf. In verschiedene!: kleineren Rechtsgebieten des gemeinen Rechtes, namentlich in einzelnen bayrischen Landestheilcn (vergl. auch lippc-dctm. Verordn, v. 1786 §§ 17, 21, 22), sind die Wirkungen der

Vormundschaft auf das Erziehungsrecht der Mutter überhaupt nicht aus­ gedehnt. Es gilt dies namentlich da, wo der überlebenden Mutter, wenn auch keine mütterliche Gewalt, doch der Beisitz an dem Kindesvermögen eingeräumt ist oder fortgesetzte Gütergemeinschaft stattfindet. In Preußen sind derartige partikular-rechtliche Besonderheiten in Ansehung des Erziehungsrcchtes der Mutter durch die prcuß. Vorm. O. v. 5. Juli 1875 § 28 verdrängt. Die Vertretung des Kindes und die gesammte Vermögensverwaltung legen die zu dieser Gruppe gehörenden Rechte nach dem Tode des Vaters, vorbehaltlich des der Mutter kraft des ehelichen Güterrechtcs, insbesondere eines Beisitzrcchtes oder der fortgesetzten Gütergemeinschaft, zustehenden Verwaltungs- und Vertretungsrechtes (vergl. preuß. Vorm. O. v. 5. Juli 1875 § 95), in die Hand eines dem Kinde bestellten Vormundes; doch hat nach gemeinem Rechte und der Mehrzahl der auf gemeinrechtlicher Grundlage be­ ruhenden Gesetzgebungen die Mutter ein vorzugsweiscs, mehr oder weniger festes Anrecht, als Vormund ihrer Kinder bestellt zu werden (vergl. preuß. A. L. R. II, 18 § 186; prcuß. Vorm. O. v. 5. Juli 1875 § 17 Nr. 3, § 18; öfterr. G. B. § 198; sächs. G. B. § 1890; Hamb. Vorm. O. v. 14. Dezember 1883 Art. 7, 13; Entw. d. bayr. Vorm. O. v. 1874 § 30 Nr. 3, § 34). Ins­ besondere kann nach der preuß. Vorm. O. a. a. O. in Ermangelung eines von dem Vater nach Maßgabe des § 17 Nr. 2 benannten Vormundes die Mutter nur dann übergangen werden, wenn Umstände cingetreten sind, welche ihre Bestellung als nachtheilig für den Mündel erscheinen lassen. In einer Anzahl kleinerer Rechtsgcbietc ist die Mutter nach dem Tode des Vaters ohne weitere Bestellung gesetzlicher Vormund ihres Kindes (vergl. z. B. lippe-detm. Verordn, v. 1786 §§ 17—22). In anderen kleineren Rechtsgebieten, z. B. in Lübeck (Vorm. O. v. 1820 § 23 Nr. 3), ist dagegen die Mutter von der Vormund­ schaft gänzlich ausgeschlosien. Ein Recht der Nutznießung am Vermögen des Kindes steht gemeinrechtlich und nach den auf gemeinrechtlicher Grundlage beruhenden Gesetzgebungen der Mutter nicht zu. Dieser Grundsatz wird jedoch, zwar nicht formell, aber praktisch nicht unerheblich durchbrochen durch die Bestimmungen des ehelichen Güterrechtes, welche häufig auch der überlebenden Mutter gewisse Nutznießungs­ rechte an dem von dem Vater den Kindern zugcfallenen Vermögen gewähren, und durch zahlreiche Verträge, durch welche der Mutter gegen Uebernahme der Ver­ pflegung der Kinder der Bezug der Einkünfte des Kindesvermögens überwiesen wird. Nach einzelnen Rechten steht der überlebenden Mutter aber auch unab­ hängig von dem statutarischen, d. h. güterrechtlichen, Nießbrauche des über-

Elterliche Gewalt. Zuständigkeit. Inhalt. §§ 1501,1502.

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lebenden Ehegatten der gesetzliche Nießbrauch an dem Vermögen des Kindes zu (vergl. württemb. L. R. IV, 9 § 2, IV, 11 § 1, IV, 12 § 1; altenb. Erb­ folgers. v. 6. April 1841 § 66; Erbfolgeges. für Rellß j. L. v. 10. De­ zember 1853 § 61; schwarzb. sondersh. .Sukzessionsordn. v. 8. Dezember 1829 §§ 139—143; oldenb. Ges. v. 24. April 1873 Art. 44 und v. 10. Januar 1879 Art. 42). In denjenigen preuß. Landestheilcn, in welchen, wie z. B. in Nassau, den Eltern die gesetzliche Nutznießung am Vermögen der Kinder bisher zustand, sind diese Befugnisse durch die preuß. Vorm. O. (vergl. § 95 das.) nicht berührt. Im Gegensatze zum gemeinen Rechte und den auf diesem beruhenden Gesetzgebungen hat sich in einer größeren Anzahl von Partikularrechten ver­ schiedener Theile Deutschlands, namentlich in solchen Gebieten, in welchen das eheliche Güterrecht dem überlebenden Ehegatten weitgehende Verwaltungs- und Nutznießungsrechte an dem gesammtcn Familienvermögen gewährte, eine der väter­ lichen Gewalt wesensgleiche, nach dem Tode des Vaters eintretende mütterliche Gewalt entwickelt, welche das Recht der Erziehung, sowie das Recht der Ver­ waltung und Nutzung des Kindesvermögens einschließlich der gesetzlichen Vertretung des Kindes in demselben Umfange, in welchem diese Befugnisse dem Vater zustehen, umfaßt und daher die Anordnung einer Vormundschaft über die Kinder nach dem Tode des Vaters ausschließt. Eine solche mütter­ liche Gemalt ist namentlich in einer Reihe bayr. Statuten anerkannt (vergl. Entw. der bayr. Vorm. O. v. 1874 § 2), ferner für Neuß ä. L. durch die Verordn, v. 2. Juli 1864 § 2, sowie durch das wcimar. Ges. v. 27. März 1872 über die elterliche Gewalt, welches den Gedanken einer der elterlichen Gewalt des Vaters gleichstehendcn mütterlichen Gewalt selbständig durchgebildet hat. Von den neueren Gesetzbüchern ist es ferner vor Allem das franz. Recht, welches die rechtliche Gleichstellung der überlebenden Mutter mit dem überlebenden Vater für ein großes Rechtsgebiet in der Hauptsache durchgesetzt hat. Nach dem code civil steht das Kind, solange beide Eltern leben, unter der elterlichen Gewalt des Vaters (Art. 372 ff., 384, 385, 389). Wird die Ehe durch den Tod der Mutter aufgelöst, so wird der überlebende Vater von Rechtswegen Vormund der Kinder und hat das Recht der Vermögensverwaltung und der Vertretung der Kinder nur in der Stellung eines gesetzlichen Vormundes (Art. 390). Daneben verbleibt ihm als Ausfluß der elterlichen Gewalt das Erziehungsrecht und der elterliche Nießbrauch am Vermögen des Kindes. Die gleiche Stellung des gesetzlichen Vormundes und auch die übrigen bezeichneten elterlichen Rechte hat, wenn die Ehe durch den Tod des Vaters aufgelöst wird, die überlebende Mutter; doch steht ihr das Recht zu, die Vormundschaft ab­ zulehnen, und kann der Vater ihr einen Rathgeber beiordnen (Art. 372 ff., Art. 384, 385, 390—394). Auf der Grundlage des code civil haben sodann der Hess. Entw. III Art. 18—40 und das ital. G. B. Art. 220—239 die elterliche Gewalt und die Gleichstellung der Mutter mit dem Vater in der Art durchgeführt, daß sie einerseits die elterliche Gewalt des Vaters beim Tode der Mutter nicht zu einer kontrolirten Vormundschaft abschwächen, andererseits der Mutter nach dem Tode des Vaters die volle elterliche Gewalt einräumen. Nach dem ital. G. B. Art. 235 kann jedoch der Vater Vorschriften über die Erziehung und Verwaltung geben, von welchen die Mutter ohne

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Elterliche Gewalt.

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Genehmigung der vormundschaftlichen Aufsichtsorgane nicht abweichen darf. Ein Verzicht auf die elterliche Gewalt ist der Mutter so wenig nach dem Hess. Entw. als nach dem ital. G. B. gestattet;

auch steht dem Vater das Recht,

einen Rathgcber zu ernennen, nicht zu. Der bayr. Entw. einer Vorm. O. v. 1874 § 2 trägt dem vorzugsweise

in bayr. Statuten häufig vorkommendeu Verhältnisie einer mütterlichen Gewalt dadurch ausdrücklich Rechnung, daß er dieselbe, wo sie besteht, aufrecht erhält. Dagegen ist durch die prcuß. Vorm. O. §§ 11, 95 in deren Geltungsgebiete die mütterliche Gewalt, wo sie bisher bestand, als solche beseitigt und die Mutter vorbehaltlich der Befugnisie, welche Eltern oder Ehegatten kraft gesetz­ licher Nutznießung am Vermögen der Kinder oder kraft ehelichen Güterrechtcs zustehen, auf das Recht der Erziehung und das vorzugsweise Anrecht auf Uebertraguug der Vormundschaft (vergl. oben S. 734) beschränkt. Insbesondere hat auch in der prcuß. Rheinprovinz die Mutter die Stellung eines gesetzlichen Vormundes verloren. Stand»»»« Der Entwurf ist bei der Entscheidung der Frage, welche Stellung der Entwurfes. Mutter gegenüber ihren Kindern nach dem Tode des Vaters einzuräumen ist, davon ausgegangen, daß mit der grundsätzlich anerkannten vollen HandlungsEchstellung fähigkcit der Frauen auf dem Gebiete des Privatrechtes zunächst jede Nöthigung “ eut' wegfällt, den Frauen da, wo sie nach den natürlichen Verhältnifien zum

Handeln berufen sind, dieses Handeln zu ^versagen. Dies führt dahin, die Mutter, wenn nach Lage der Verhältnisie die natürliche elterliche Schutzpflicht in Ansehung ihrer Kinder an sic herantritt, auch rechtlich dem Vater grund­ sätzlich gleichzustellen. Solange beide Eltern leben, tritt das elterliche Recht der Mutter zurück. Bei bestehender Ehe ist das Ucbergewicht des Vaters in der Natur der Dinge begründet, und muß ihm, vorbehaltlich des Antheiles der Mutter an der Sorge für die Person der Kinder nach Maßgabe des Elt-ruch-^- § 1506, die elterliche Gewalt beigclegt werden. Wenn aber der Vater gestorben Mutter nach ist, so ist es die Mutter, welcher nach der Natur der Diuge die elterliche ‘“"saterähe8 Schutzpflicht, wie dieselbe bisher von dem Vater ausgeübt wurde, zufällt, und entspricht es dieser natürlichen Pflicht, wenn ihr auch rechtlich eine dieser Pflicht entsprechende, der Stellung des Vaters grundsätzlich gleichkommende elterliche Stellung eingeräumt wird. Es liegt zwar der Einwand nahe, daß es etwas Anderes sei, die Frauen für befähigt zu erklären, ihren eigenen Geschäften vorzustchen, und sie für geeignet zu halten, fremde Geschäfte mit Erfolg zu führen, daß vielfach, besonders in den höheren Ständen, den Frauen die nöthige Einsicht und Erfahrung fehle zur Uebernahme der oft schwierigen Geschäfte der Vermögensverwaltung, daß ihnen die männliche Kraft und Autorität mangele, 'welche die Erziehung der Kinder erfordere, mit anderen Worten, daß cs praktisch Bedenken unterliege, nach dem Tode des Vaters der Mutter die volle elterliche Stellung einzuräumen, welche ihr im Prinzipe vorzucnthalten kein Grund vorlicgt. Diesem Einwande gegenüber ist aber darauf hinzuweisen, daß es nicht eigentlich fremde Geschäfte sind, deren Besorgung der Mutter hier übertragen werden soll, daß cs sich vielmehr um die Angelcgcuheiten ihrer nächsten Angehörigen, ihrer Kinder, handelt. Es ist nicht ein öffentliches Amt, durch welches der Mutter fremde Geschäfte von außen

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überwiesen werden; vielmehr handelt es sich wesentlich doch nur um eine Er­ weiterung ihrer familienrechtlichen Stellung, um eine vollere Gestaltung ihres hausfraulichen und mütterlichen Berufes. Die Mutter soll nicht aus ihrem natürlichen Berufe herausgehoben, sondern im Gegentheil nur von Schranken befreit werden, welche sie bisher in der Erfüllung des ihr eigenen Berufes beengten. Dem Entwürfe liegt nichts ferner, als der Gedanke der sog. Emanzipation der Frauen. Er geht vielmehr von der Erwägung aus, daß das Mißtrauen, welches frühere Jahrhunderte in die Fähigkeit der Frau zu

einer vollen Erfüllung ihres elterlichen Berufes setzten und bei der Unsicherheit der Zustände, der Schwierigkeit der Rechtsverfolgung u. s. w. vielfach setzen mußten, nach den Verhältnissen der Gegenwart nicht mehr berechtigt ist. Den vom praktischen Standpunkte aus sich erhebenden Bedenken ist ein entscheidendes Gewicht nicht bcizumessen; in den weitaus meisten Fällen kann die Fähig­ keit der Mutter zur Uebernahme dieser volleren Eltcrnpflicht nicht wohl in Zweifel gezogen werden. Die große Mehrzahl der Fälle aber ist es, welchen das Recht seine Regel zu entnehmen hat, während für die geringere Zahl der Ausnahmefälle in ausreichender Weise durch besondere Bestimmungen Vorsorge getroffen werden kann. Gerade vom praktischen Standpunkte aus ist es weniger zu empfehlen, wegen der verhältnißmäßig seltenen Fälle die großen Vorzüge zu opfern, welche die Anerkennung der elterlichen Gewalt der Mutter für die großx Mehrzahl der Fälle bietet (vergl. Motive d. preuß. Vorm. O. v. 1875 S. 63). Insbesondere sind cs auch praktische Vortheile, welche die Anerkennung der elterlichen Gewalt der Mutter mit sich bringt. Sie führt zu einer großen Vereinfachung der Verhältniffe. Wie sie einerseits das innere Familienleben vor der sich eindrängenden Einmischung vormundschaftlicher Aufsichtsorgane bewahrt, so vermindert sie andererseits in erheblicher Weise die Geschäfte der Vormundschaftsgerichte, entlastet die durch die neuere Gesetz­ gebung auf anderen Gebieten mehr als früher in Anspruch genommene Thätig­ keit der Staatsbürger auf dem Gebiete der Vormundschaftsverwaltung und er­ spart so nicht allein dem Staate, sondern auch den Kindern und den Staats­ bürgern nicht unerhebliche Kosten und Ausgaben. Nicht zu verkennen ist, daß die Anerkennung der elterlichen Gewalt der Mutter für umfassende Rechtsgebiete eine große Neuerung enthält. Insbesondere fällt gegen den Standpunkt des Entwurfes schwer ins Gewicht, daß die preuß. Vorm. O. v. 5. Juli 1875 Be­ denken getragen hat, diesen Schritt zu thun, und die bei der Berathung jenes Gesetzes in dieser Richtung gestellten Anträge nicht durchgedrungen sind (vergl. Bericht der Herrenhauskommission v. 1875 Nr. 39 S. 24, 38; Bericht der Kommission des Abgeordnetenhauses § 12 v. 1875 Nr. 311 S. 1846; Verhandl. des Herrenhauses v. 16. März 1875, 10. Sitzung S. 124, 125). Allein nach der Erklärung der Regierung im Herrenhause sind es in der Hauptsache, wie es scheint, Rücksichten auf die Verhältniffe der östlichen Landes­ theile gewesen, welche die preuß. Gesetzgebung abgehalten haben, sich in dieser Frage dem Zuge anzuschließen, welchem andere neuere Gesetzgebungen vorzugs­ weise gefolgt sind. Für die Gesetzgebung des Reiches fallen indessen diese aus

den Zuständen einzelner Landestheile des preuß. Staates entnommenen Be­ denken, selbst wenn dieselben für diese Landestheile in dem vorausgesetzten UmMotive z. bürgerl. Gesetzbuch. IV.

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fange begründet sein sollten, verhältnißmäßig weniger ins Gewicht, als für die Gesetzgebung des preuß. Staates. Das Reich kann nicht darauf verzichten, seine Gesetzgebung nach demjenigen Zuschnitte zu gestalten, welchen der Bildungs­ zustand seines Volkes im Großen und Ganzen verträgt und erfordert; cs darf es wagen, die etwa in der Entwickelung zurückstehenden Bolkstheile mit sich fortzuziehen. Aber jene Bedenken können in so hohem Maße als begründet überhaupt nicht anerkannt werden. Erfahrungsmäßig pflegt in einer weniger fortgeschritteneil Bevölkeruilg die Frau hinter dem Manne an intellektueller Begabung keineswegs zlirückzustehen. Im Durchschnitte ist der Bildungszustand in Deutschland zudem gewiß fein geringerer als derjenige der romanischen Länder. Hat in diesen Ländern die Mutter sich der ihr durch die dortige Gesetzgebung gestellten Aufgabe gewachsen gezeigt, so ist es auch für die Gesetzgebllng des Deutschen Reiches praktisch unbedenklich, die elterliche Gewalt der Mutter anzuerkenneil, volleilds, roenn man mit dem Entwilrfe (§§ 1538—1543) gewisse fakultative Einschränkungen der elterlichen Gewalt der Mutter zuläßt, Einschränklingen, für welche ein'Bedürfniß weit mehr in den Verhältnissen der höhcreir Stände, als in deneil der niederen Stände liegt. In Frankreich erhoben sich bei der Berathung des code civil in der hier fraglichen Richtung ähnliche Bedenken. Als ein Zugeständniß an die letzteren wurde in das Gesetz die Bestimmung aufgenommen, daß der Vater berechtigt ist, der Mutter einen Rathgeber beizuordnen. Im Gebiete der preuß. Rheinprovinz hat jedoch das praktische Bedürfniß fast niemals dazu geführt, von diesem Auskunftsmittel Gebrauch zu macheil (vergl. Motive der preuß. Vorm. O. S. 63), ein Zeichen, daß in diesem Gebiete die Mutter sich der ihr gestellten Aufgabe gewachsen gezeigt hat. Dieselbe Erfahrung hat man, soviel bekannt, auch in denjenigen deutschen Rechtsgebieten, in welchen Elterliche Nutznießung der Mutter.

eine mütterliche Gewalt anerkannt ist, in vollem Maße gemacht. Noch ein Einwand, welcher gegen die Anerkennung der elterlichen Gewalt der Mutter erhoben werden könnte, bedarf der Berücksichtigung. Nach § 1502 ist mit der elterlichen Gewalt auch die elterliche Nutznießung am Vermögen des Kindes verbunden. Gegen die elterliche Nutznießung der überlebenden Mutter lassen sich, wenngleich in geringerem Maße, ähnliche Bedenken geltend machen, wie diejenigen, welche gegen die Anerkennung eines dnrch Erbrecht oder das eheliche Gütcrrecht begründeten Nießbrauches des überlebende» Ehe­ gatten an dem Vermögen der Kinder sprechen, ivelchcs die letzteren von dem verstorbenen Ehegatten geerbt haben. Man kann namentlich auf die Un­ zuträglichkeiten Hinweisen, welche sich ergeben föiuieii, wenn von mehreren Kindern das eine volljährig geworden ist, dieses zur Uebernahme der väter­ lichen Wirthschaft geeignet sein würde, eine solche Uebernahme aber in Folge der Nutznießung der Mutter an den Vermögensantheilen der übrigen noch minderjährigen Kinder auf Schwierigkeiten stößt. Jndesien, wenn man einmal der Mutter aus überwiegenden Gründen im Uebrigen grundsätzlich die gleiche Stellung einräumt, wie dem Vater, so kann man aus denselben Gründen, aus ivelchen der Entwurf mit der elterlichen Gewalt des Vaters die elterliche Nutz­ nießung verbindet, auch der Mutter die elterliche Nutznießung nicht versagen. Dazu kommt, daß bei normalen Verhältnisien, welche eine Solidarität der

Elterliche Gewalt. Zuständigkeit. Inhalt. §§ 1501,1502.

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Interessen der Eltern und der Kinder mit sich bringen, die angcdcutctcn Schwierigkeiten im Wege der Vereinigung der Betheiligten ihre Lösung finden werden. Von der grundsätzlichen Gleichstellung der elterlichen Rechte der Mutter nach dem Tode des Vaters mit den elterlichen Rechten des Vaters macht der Entwurf bXXwX abgesehen von den in den §§ 1538—1543 für die elterliche Geivalt der ®c,vnlt bcv Mutter bestimmten Besonderheiten — noch insofern eine Ausnahme, als im " “

Gegensatze zu der elterlichen Gewalt des Vaters (§§ 1548—1551) die elterliche Gewalt der Mutter dadurch beendigt wird, daß die Mutter eine neue Ehe schließt (§ 1558). Wegen der Gründe, ans welchen diese Abweichungen in der Gestaltung der elterlichen Gewalt der Mutter beruhen, wird auf die Motive zu den §§ 1538, 1558 verwiesen. In den Motiven zu § 1538 sind auch die Gründe dargelegt, aus welchcu der Entwurf der Mutter das Recht, auf die elterliche Gewalt zu verzichten, nicht bcigclegt hat (vcrgl. § 1561). Die Regel des § 1501 Abs. 2, daß die elterliche Gewalt erst nach dem steumm Tode des Vaters .der Mutter zusteht, erleidet gewisse Ausnahmen. In einzelnen „^.‘bem'zobc wenigen Fällen hat der Entwurf der Mutter die elterliche Gewalt einschließlich

der ehelichen Nutznießung schon vor dem Tode des Vaters eingeräumt (vcrgl. s 1557 Abs. 2, 3, § 1559 Abs. 2 verb. mit §§ 1440, 1464, 1558, 1560, ferner § 1564). Außerdem steht in den wichtigsten Fällen des Ruhens der elterlichen Gewalt des Vaters die elterliche Gewalt mit Ausnahme der dem Vater ver­ bleibenden elterlichen Nutznießung der Muttter zu (§§ 1554, 1555). Im klebrigen theilt die Mutter bei Lebzeiten des Vaters nur in einem gewissen Umfange die Sorge für die Person des Kindes (§ 1506). Die elterliche Gewalt ist, solange beide Eltern am Leben sind, nicht als dergestalt beiden Eltern gemeinsam zustchend gedacht, daß die Mutter in eine jede entstehende Lücke eintritt. III. Wie die Fassung des § 1501 ergiebt, kennt der Entwurf nur eine eiternd;« elterliche Gewalt, eine Gewalt des Vaters oder der Mutter über das minder- X’fXr" jährige Kind, nicht, wie das röm. Recht (1. 4, s D. de Ins qui sui 1, °; vergl. auch württcmb. L. R. IV, 22 § 6; bayr. L. R. I, 5 § 1, § 7 Nr. 6, 7) eine väterliche Geivalt des väterlichen Großvaters über seinen Enkel. Die An­ erkennung einer solchen den neueren Gesetzgebungen (vergl. preuß. Vorm. O. v. 5. Juli 1875 §§ 11, 17 Nr. 5; sächs. G. B. § 1808; österr. G. B. § 147; code civil Art. 372, 373; Weimar. Ges. v. 27. März 1872 § 17) unbekannten groß­ elterlichen Gewalt im röm. Rechte hängt mit der röm. Familienorganisation, der lebenslänglichen Dauer der väterlichen Gewalt und dem vorwiegend ver­ mögensrechtlichen Karakter der letzteren zusammen. Ist der Inhaber der elter­ lichen Gewalt noch minderjährig (§ 1233) und deshalb selbst noch unter der elterlichen Gewalt seines Vaters oder seiner Mutter (vergl. §§ 1557—1559, 1509, 1536), so ruht die elterliche Gewalt während der Minderjährigkeit (§ 1554) und wird, soweit nicht nach § 1555 an Stelle der ruhenden elterlichen Gewalt des minderjährigen Vaters die elterliche Gewalt der volljährigen Mutter tritt, eine Vormundschaft über die Kinder des minderjährigen Inhabers der elter­ lichen Gewalt eingeleitet (§ 1633). Die Großeltern haben nach §§ 1635, 1637 jedoch ein vorzugsweises Anrecht, als Vormünder bestellt zu werden. 47 *

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Elterliche Gewalt. Sorge für die Person und das Vermögen. § 1503.

2. Sorge für die Person und das Vermögen des Kindes.

§ 1503. Die Bestimmung des § 1503, welche die dort bezeichneten Vorschriften des Vormundschaftsrechtes auf die elterliche Gewalt für entsprechend anwendschaftsrechte>°' bQr erklärt, ist eine Konsequenz des vormundschaftlichen Karakters der letzteren J’ und durch die Analogie der Verhältnisse gerechtfertigt. Wegen der näheren Anwendung

Borichristen

Begründung wird im Allgemeinen auf die Motive zu den betreffenden, im § 1503 allegirten Vorschriften Bezug genommen, und ist hier nur noch Folgendes hervorzuheben: Vertretungg-

ntod,L

1. Inwieweit nach den bestehenden Rechten der Inhaber der elterlichen Gewalt gesetzlicher Vertreter des minderjährigen Kindes ist, wurde bereits in

den Motiven zu §§ 1501, 1502 oben S. 722 ff. dargelegt (vergl. insbes. für das gemeine Recht Entsch. d. R. G. in Civils. XV, 41, 42). Rach dem Entwürfe ist, wie die gesetzliche Vertretungsmacht des Vormundes, so auch die des In­ habers der elterlichen Gewalt nach außen hin prinzipiell eine unbeschränkte, sowohl ans dem Gebiete der Torge für die Person, als auf dem Gebiete der Sorge für das Vermögen, und nur insoweit ausgcschloffen oder beschränkt, als dies int Gesetze besonders bestimmt ist (vergl. § 1503 verb. mit §§ 1649—1651, 1653, 1661; 1507, 1511—1515; § 67; § 1232 Abs. 2 Verb, mit § 1238 Abs. 4; § 1248 Abs. 1, §§ 1254, 1263, 1265; §§ 1267, 1271, 1276 verb. mit § 1254; § 1277 Abs. 5, § 1341 Abs. 2, § 1431 Abs. 2; §§ 1451, 1476 Satz 1 verb. mit § 1254; §§ 1474, 1588, 1589, 1600, 1612—1614, § 1629 Abs. 5, §§ 1630, 1911, 1912, § 1933 Abs. 1, §§ 1941, 1942, § 1948 Abs. 4, §§ 1957, 1958, 1960, 2020, 2043, 2044, 2094 Abs. 6). Wegen der Gründe, aus welchen

der Entwurf, namentlich auch auf dem Gebiete der Sorge für das Vermögen des Kindes, von der Unbeschränktheit der Vcrtretungsmacht ausgeht und die letztere nur durch die Aufstellung einzelner bestimmter, greifbarer Kategorieen beschränkt, wird auf die Motive zu § 1649 verwiesen. Ausschließung Anlangend insbesondere die Ausschließung des Inhabers der elterlichen ^wegen" Gewalt von der gesetzlichen Vcrtrctllng des Kindes im Falle einer Kollision Kollision der Jnteress-n.

Interessen (§ 1503 verb. mit § 1651), so entspricht eine solche Aus|m Allgemeinen dem bestehenden Rechte (vergl. bayr. L. R. I, 7

§ 38 Nr. 1; prcuß. A. L. R. II, 18 §§ 28—34; österr. G. B. §§ 271, 272; code civil Art. 420; sächs. G. B. § 1827; weimar. Ges. v. 27. März 1872 § 9). Die Bestimmungen des Entwurfes gehen jedoch zum Theil weiter. Namentlich ist nach preuß. Rechte der Vater bei Geschäften, welche seine Hauskinder unter einander abschließeit, an der Ertheilung der Einwilligung nicht behindert,

während nach dem Entwürfe (§ 1503 verb. mit § 1651 Nr. 1) der Inhaber

der elterlichen Gewalt bei solchen Rechtsgeschäften seine Kinder nicht vertreten und daher zu solchen Rechtsgeschäften auch seine Einwilligung oder Ge­ nehmigung (§ 65) wirksam nicht ertheilen kann. Ein genügender Grund, in dieser Beziehung das Prinzip der Gleich­ stellung des Inhabers der elterlichen Gewalt mit dem Vormunde zu durch­

brechen und durch kasuistische Vorschriften für den Inhaber der elterlichen

Elterliche Gewalt. Sorge für die Person und das Vermögen. § 1503.

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Gewalt etwas Besonderes zu bestimmen, liegt jedoch nicht vor. Die Er­ wägungen, auf welchen die Bestimmungen des § 1651 beruhen, treffen auch für den Inhaber der elterlichen Gewalt zu (vergl. die Motive zu § 1651).

Daß durch die Uebertragung jener Bestimmungen auf die elterliche Gewalt, namentlich soweit dieselben den Inhaber der elterlichen Gewalt von der gesetz­ lichen Vertretung bei Rechtsgeschäften zwischen dem Kinde und einem anderen Abkömmlinge des Inhabers der elterlichen Gewalt ausschließen, zu tief in die Selbständigkeit nnd die natürliche Stellung des Inhabers der elterlichen Gewalt gegenüber seinen Kindern eingegriffen und eine zu weit gehende Ein­ mischung Dritter in die Familicnverhältniffe veranlaßt werde, ist nicht zu besorgen. 2. Die Anwendbarkeit der Vorschrift des § 1653 auf die elterliche Entscheidung Gewalt ist für solche Fälle von Bedeutung, in welchen dem Inhaber ber be8f®af™nb= elterlichen Gewalt ausnahmsweise die Sorge für die Person oder die Sorge für das Vermögen des Kindes nicht zusteht und deshalb die eine oder andere einem Pfleger übertragen ist (vergl. 88 1510, 1546, 1550, 1553, 1738). Die bestehenden Rechte enthalten in dieser Beziehung besondere Bestimmungen nicht. 3. Die entsprechende Anwendung des § 1660 führt dahin, daß über die Verwaltung der Vermögensgcgenstände, welche das Kind durch Erbfolge oder durch Vermächtniß oder als Pflichttheil oder durch Zuwendung unter Lebenden erwirbt, von dein Erblaffer durch lctztwilligc Verfügung bezw. von dem Zuwendenden durch Bestimmung bei der Zuwendung nach Maßgabe des § 1660 auch für den Inhaber der elterlichen Gemalt, sei dies der Vater oder die Mutter, bindende Anordnungen getroffen werden können. Die bestehenden Rechte beschränken sich auf Vorschriften darüber, inwieweit derartige für den Vormund getroffene Anordnungen von diesen: zu befolgen sind (vergl. die Motive zu § 1660). Der vormundschaftlichen Grundlage, auf welcher der Entwurf die elterliche Gewalt aufgebaut hat, entspricht cs indessen, die Vor­ schriften des § 1660 auch auf die letztere zu übertragen. Wegen der Gründe, welche den Entwurf bestimmt haben, dem Vater nicht die Befugniß ein­ zuräumen, kraft seiner elterlichen Gewalt und als Nachwirkung der letzteren für die Mutter als Inhaber der elterlichen Gewalt derartige bindende An­ ordnungen zu treffen, wird auf die Motive zu §§ 1538, 1655 verwiesen. 4. In den bestehenden Rechten finden sich besondere Bestimmungen darüber, inwieweit eine Schenkung von dem Inhaber der elterlichen Gewalt für das Kind oder von dem letzteren mit Einwilligung oder Genehmigung des Inhabers der elterlichen Gemalt vorgenommcn werden kann, in der Regel nicht (vergl. 1. 2 Cod. de bonis quae lib. 6, oo; Weimar. Ges. v. 27. März 1872 § 6). Dem vormundschaftlichen Karaktcr der elterlichen Gewalt entspricht es, in dieser Beziehung dieselben Bestimmungen zu treffen, wie für den Vormund (§ 1661). Anlangcnd die im § 1661 Satz 2 bestimmte Ausnahme, so ver­ steht es sich von selbst, daß bei Beantwortung der Frage, ob nach den Verhält­ nissen des Kindes eine Schenkung durch eine sittliche Pflicht oder die auf den Anstand zu nehmende Rücksicht gerechtfertigt wird, auch die Vcrmögensverhältuiffe des Kindes in Betracht zu ziehen sind und daß insbesondere der Inhaber der elterlichen Gewalt, soweit demselben an dem Vermögen des Kindes die

g-richt-r.

A>>°rdmi»gen

Verwaltung,

Schenkungen,

742

Elterliche Gewalt. Serge für die Person und das Vermögen. § 1503.

elterliche Nutznießung zusteht, aus diesem Vermögen solche Schenkungen nicht machen kann, welche ein ordentlicher Hausvater nicht aus dem Stamme seines Vermögens, sondern aus den laufenden Einnahmen zu machen pflegt. Danach

Verwendung Vermögen des

.»indes in Nutzen.'

werden die Fälle, in welchen eine Schenkung aus dem Stamme des Kindes­ vermögens durch eine sittliche Pflicht oder die auf den Anstand zu nehmende Rücksicht gerechtfertigt wird, äußerst selten sein. Ein Bedürfniß, in Fällen dieser Art die Wirksamkeit der Schenkung von der Genehmigung des Vor­ mundschaftsgerichtes abhängig zu machen, liegt für die elterliche Gewalt ebensowenig vor, wie für die Vormundschaft (vergl. in dieser Beziehung die Motive zu § 1661). 5. Die entsprechende Anwendung des 8 1662 ist ebenfalls eine Konsequenz des vormundschaftlichen Karakters der elterlichen Gewalt und durch die Rücksicht auf die Sicherheit des Kindes geboten. Eine Modifikation erleidet die Regel, daß der Inhaber der elterlichen Gewalt Vermögensgegenstände des Kindes nicht in eigenen Nutzen verwenden darf, jedoch durch die Bestimmungen des

8 1523 Abs. 2, 3 in Ansehung solcher verbrauchbaren Sachen, welche zu dem der elterlichen Nutznießung unterliegenden Vermögen des Kindes gehören (vergl. Motive zu § 1523). Ein praktisches Bedürfniß, die Bestimmungen des 8 1523 Abs. 2, 3 auch auf das nicht der elterlichen Nutznießung, aber der Verwaltung des Inhabers der elterlichen Verwaltung unterworfene Vermögen des Kindes auszudehnen (88 1516—1519), liegt nicht vor. Durch das zwischen dem Inhaber der elterlichen Gewalt und dem Kinde bestehende nahe Verhältniß wird eine solche, dem bestehenden Rechte zudem unbekannte Begünstigung des ersteren nicht gerechtfertigt. ?(bemU«üibeV 61 Die Unterwerfung des Inhabers der elterlichen Gewalt unter die gehörenden Vorschriften der 88 1664, 1665, 1667 über die Anlegung von Mündelgeldern theils mit dem vormundschaftlichen Karakter der elterlichen Gewalt, theils mit der Bestimmung des Entwurfes, daß auf die elterliche Nutznießung an verbrauchbaren Sachen die Vorschriften der §§ 1018—1020 über den Nieß­ brauch an verbrauchbaren Sachen keine Anwendung finden sollen (8 1523), im Zusammenhänge und ist durch die Rücksicht auf die Sicherheit des Kindes um so mehr geboten, als der Inhaber der elterlichen Gewalt, von Ausnahmefällen abgesehen, weder in seiner Eigenschaft als Verwalter noch in seiner Eigenschaft als Nutznießer des Kindesvermögens zur Sicherheitsleistung verpflichtet ist (8 1524). 7. Eine dem § 1659 entsprechende Vorschrift hat der Entwurf für den Vermögens- Inhaber der elterlichen Gewalt nicht gegeben. Der letztere soll, vorbehaltlich vewidjnifie?. gewiffer Ausnahmen (88 1547—1551), weder in Ansehung des der elterlichen

(Mtenbeg

Nutznießung unterliegenden Vermögens des Kindes (§ 1522), noch in An­ sehung des freien, aber seiner Verwaltung unterliegenden Vermögens des Kindes zur Aufnahme eines Verzeichnisses und zur Einreichung eines solchen oit das Vormundschaftsgericht verpflichtet sein. Damit stimmen das gemeine Recht (Seuffert XII, 44, XVII, 258) in Ansehung sowohl des adventicium reguläre als des adventicium irreguläre, das bayr. L. R. II, 9 8 6 Nr. 7 und das preuß. A. L. R. wenigstens in Ansehung des nichtfreien Kindes­ vermögens überein. In Ansehung des freien Vermögens ist der Vater nach

Elterliche Gewalt. Sorge für die Person und das Vermögen. § 1503.

743

preuß. A. L. R. II, 2 § 159 »erb. mit II, 18 §§ 984, 990 inventarisations­ pflichtig. Uebrigens jft es streitig, ob und inwieweit die landrechtlichen Be­ stimmungen über das Recht des Vaters auf die vormundschaftliche Verwaltung des freien Vermögens durch die preuß. Vorm. O. v. 5. Juli 1875 überhaupt als beseitigt anzusehen sind. Nach der preuß. Vorm. O. §§ 12, 35 ist der Vater als gesetzlicher Vormund seines durch Verheirathung, getrennte Haus­ haltung oder Entlastung aus der väterlichen Gewalt getretenen minderjährigen Kindes von der Pflicht zur Aufnahme eines Vermögensverzeichnisses befreit. Dagegen haben andere neuere Gesetzgebungen dem Inhaber der elterlichen Ge­ walt eine solche Pflicht ganz allgemein auferlegt (vergl. code civil Art. 600, 601, 384, 385, 451; sächs. G. B. § 1813; Weimar. Ges. v. 27. März 1872 § 12;

lübeck. Vorm. O. v. 1820 § 43; Hamb. Vorm. O. v. 14. Dezember 1883 Art. 6, 24; braunschw. Verordn, v. 6. Mai 1828 § 1). Der Hess. Entw. III Art. 30 verpflichtet das Vormundschaftsgericht, dafür zu sorgen, daß das den Kindern bei Lebzeiten beider Eltern oder eines Elterntheiles anfallende Vermögen von Belang ur­ kundlich festgestellt werde. Hier und da, so in einzelnen Theilen von Holstein, von Kurhessen (vergl. auch bayr. L. R. I, 5 § 5 Nr. 4), findet sich ferner die Bestimmung, daß wenigstens beim Tode der Mutter ein Verzeichniß aus­ genommen werden soll. Wenngleich für die Jnventarisationspflicht des Inhabers der elterlichen Gewalt sich anführen läßt, daß dadurch die Sicherheit des Kindes erhöht wird und ein vielleicht gebotenes Einschreiten des Vormundschaftsgerichtes nicht davon abhängig bleibt, ob das letztere von einem Vermögensanfalle an das Kind zufälliger Weise Kuude erlangt hat, daß ferner ein Inventar die

Grundlage für die dem Inhaber der elterlichen Gewalt bei Beendigung der letzteren obliegende Rechnungslegung (§ 1503 verb. mit § 1700 Abs. 1) bildet, so sprechen doch, hingesehen auf das auf Liebe und Vertrauen gegründete Verhältniß zwischen Eltern und Kindern, sowie auf die großen Belästigungen und die Einmischung des Vormundschaftsgerichtes in das Innere des Familienlebens, welche mit der Jnventarisationspflicht verbunden sind, überwiegende Gründe dafür, bei normalen Verhältnissen von einer solchen Pflicht abzusehen. Die Bestimmung einer so tief eingreifenden Kontrolmaßregel paßt nicht zu dem allgemeinen Grundsätze des Entwurfes, daß der Inhaber der elterlichen Gewalt von der Oberaufsicht des Vormundschaftsgerichtes in der Regel befreit fei» soll. Für den Fall der Beerbung eines in Gütergemein­ schaft lebenden Elterntheiles durch die Kinder (vergl. §§ 1382, 1384, 1386, 1387, 1434) würde zudem der besondere Uebelstand sich ergeben, daß der über­

lebende Elterntheil den Bestand des Gesammtgutes, mithin auch sein eigenes Verinögen offen zu legen hätte, ein Ergebniß, welches für den Fall der An­ erkennung der Jnventarisationspflicht des Inhabers der elterlichen Gewalt als Regel Ausnahmevorschriften nöthig machen würde. Dafür, daß in solchen Fällen, in welchen das Kind Vermögen erwirbt, ivelches nicht der Verwaltung des Inhabers der elterlichen Gewalt unterliegt (§§ 1510, 1738 Abs. 1), das

Vormundschaftsgericht unverzüglich von dem Vermögensanfalle Kunde bekommt und in der Lage ist, sofort eine Pflegschaft anordnen zu können, ist durch die Vorschrift des § 1738 Abs. 2 gesorgt.

Standpunkt des Entwurfes.

744 Sicherheits­ leistung.

Geltendes Recht.

Standpunkt des Entwurfes.

Elterliche Gewalt.

Sorge für die Person und das Vermögen.

§ 1503.

8. Ebensowenig, wie die Jnventarisationspflicht, liegt dem Inhaber der elterlichen Gewalt nach dem Entwürfe als Regel die Verpflichtung ob, wegen des seiner elterlichen Nutznießung unterliegenden Vermögens des Kindes (§ 1524) oder wegen des freien, aber seiner Verwaltung unterliegenden Vermögens des­ selben dem letzteren Sicherheit zu leisten. Dies ist auch der Standpunkt des gemeinen Rechtes (vergl. 1. 8 § 4 Cod. de bon. quae lib. 6,31; Seuffert XIX, 238, XX, 48, XXIX, 147; Entsch. d. R. G. in Civils. X, 42 S. 150) und der neueren Gesetzgebungen, wenigstens in Ansehung des nichtfreien Kindes­ vermögens (vergl. preuß. A. L. R. II, 2 § 178, II, 18 §§ 992, 993; bayr. L. R. II, 9 Z 6 Nr. 2; code civil Art. 601; sächs. G. B. § 1814; Weimar. Ges. v. 27. März 1872 §§ 13—15). Dagegen bestimmt der Hess. Entw. III Art. 30, daß nach dem Tode eines Elterntheiles der überlebende Elterntheil regelmäßig für das in seiner Verwaltung befindliche Kindesvermögen Sicherheit bestellen müsse. Im Anschlüsse an das gemeine Recht, welches den Kindern ein gesetz­ liches Pfandrecht an dem Vermögen des Vaters gewährt, räumen indessen verschiedene neuere Gesetzgebungen den Kindern allgemein einen gesetzlichen Titel zur Bestellung einer Hypothek an den Immobilien des Vaters ein (vergl. bayr. Hypothckenges. v. 1. Juni 1822 § 12 Nr. 7; württemb. Pfandges. v. 15. April 1825 Art. 33; meining. Pfandges. v.15. Juli 1862 Art. 14; Hess, darmst. Pfandges. v. 15. September 1858 § 15, letzteres jedoch nur nach Trennung der Ehe durch Tod, Scheidung oder thatsächliche Trennung), während andere Gesetzgebungen den Kindern einen solchen Titel nur unter besonderen Voraus­ setzungen, im Falle der Gefährdung des Kindesvermögens, geben (vergl. preuß. A. L. R. II, 2 §§ 178, 187, 463; sächs. G. B. §§ 1814, 1815, 391; Weimar. Ges. v. 27. März 1872 §§ 13—15; Hess. Entw. III Art. 31, 32 verglichen mit den Motiven zu IV Art. 40—41) oder zwischen dem freien und unfreien Kindesvermögen in der Art unterscheiden, daß den Kindern ein Recht auf Be­ stellung einer Hypothek in Ansehung des ersteren unbedingt, in Ansehung des letzteren nur unter Einschränkungen eingeräumt ist (altenb. Hypoth. O. v. 13. Oktober 1852 § 37; Hypoth. O. für Reuß j. L. v. 20. November 1858 § 37; Hypoth. O. für Neuß ä. L. v. 27. Februar 1873 § 39; vergl. auch schwarzb. rudolst. Hypoth. O. v. 6. Juni 1856 §§ 17—19). Die deutsche Konk. O. ge­ währt nach näherer Bestimmung des § 54 Nr. 5 (vergl. dazu Entsch. d. R. G. in Civils. XVII, 10) den Kindern nur ein Vorzugsrecht wegen ihrer Forde­ rungen an den Gemeinschuldner in Ansehung ihres gesetzlich der Verwaltung desselben unterworfenen Vermögens. Dieselben Gründe, welche den Entwurf bestimmt haben, den Vormund regelmäßig von jeder Sicherheitsleistung zu befreien und dem Mündel einen gesetzlichen Titel zur Bestellung einer Hypothek an den Immobilien nicht ein­ zuräumen (vergl. die Motive zu § 1689), treffen auch bei der elterlichen Gewalt zu. Dieselben werden hier noch erheblich verstärkt durch die Rücksicht auf das natürliche und nahe Verhältniß zwischen Eltern und Kindern. Dazu kommt, daß der Entwurf in anderer Art, namentlich durch die Bestimmungen über die elterliche Nutznießung an verbrauchbaren Sachen, an Forderungen, Aktien auf Inhaber, Grundschulden und Eigenthümerhypotheken (§§ 1523, 1526) und über die entsprechende Anwendbarkeit der Vorschriften über die Anlegung von

Elterliche Gewalt. Sorge für die Person und das Vermögen. § 1503.

745

Mündelgeldern (vergl. § 1503 Abs. 1 vcrb. mit §§ 1664, 1665, 1667), den Kindern eine größere Sicherheit im Vergleiche zu dem bestehenden Rechte gewährt hat. Unter besonderen Voraussetzungen kann indessen auch nach dem Entwürfe - der Inhaber der elterlichen Gewalt zur Sicherheitsleistung un­ gehalten werden (vergl. §§ 1524, 1547, 1549—1551). Zu diesen Ausnahme­ fällen rechnet aber der Entwurf nicht auch den Fall, wenn mir noch ein

Eltcrntheil am Leben ist. Eine besondere Gefährdung des Kindes kann in diesem Falle unter sonst normalen Verhältnissen nicht ohne Weiteres anerkannt werden. Das Mißtrauen gegen den überlebenden Elterntheil, welches darin sich kundgeben würde, wenn man denselben allgemein für verpflichtet erklären wollte, Sicherheit zu leisten, ist nicht gerechtfertigt und widerstreitet dem natür­ lichen Gefühle. 9. Daß auf die aus der Sorge für die Person und das Vermögen des BerbmdKindes zwischen dem Inhaber der elterlichen Gewalt und dem Kinde ent-S°rge"ür

stehenden Verbindlichkeiten die Vorschriften der §§ 1696—1698 und des § 1700 llt^c^'r^"r Abs. 1 entsprechende Anwendung finden sollen, entspricht dem Vormundschaft-mög™." lichen Karakter der elterlichen Gewalt. Wie bei der Vormundschaft (vergl. § 1688 Abs. 2), können die hier fraglichen Ansprüche des Inhabers der elter­ lichen Gewalt oder des Kindes, sofern deren Erfüllung an sich schon vor

Beendigung der elterlichen Gewalt verlangt werden kann, auch während des Bestehens der letzteren gerichtlich verfolgt werden; doch ist nach § 168 die Ver­ jährung während dieser Zeit, überhaupt während der Minderjährigkeit des

Kindes, gehemmt. Im Einzelnen ist noch Folgendes zu bemerken: a) Daß der Inhaber der elterlichen Gewalt in Ansehung der Erfüllung Haftung für der ihm obliegenden Verbindlichkeiten für die Anwendung der Sorgfalt eines XXrbent. ordentlichen Hausvaters haftet (§ 1503 Abs. 1 verb. mit § 1696 Abs. 1), steht zwar nicht mit den Bestimmungen des gemeinen Rechtes über die Haftpflicht

des Vormundes, aber mit den Bestimmungen dieses Rechtes über die Haft­ pflicht des Vaters wegen des seiner Verwaltung und Nutzung unterliegenden Kindesvermögens und im Wesentlichen auch mit den Vorschriften des preuß. A. L. N. im Einklänge; doch soll nach den letzteren, soviel die Haftung der zu dem nichtfreien Vermögen des Kindes gehörenden Kapitalien betrifft, bei der Bestimmung des Grades der Verschuldung auf die persönliche Fähigkeit und Einsicht des Vaters Rücksicht genommen werden (vergl. preuß. A. L. R. 11, 2 §§ 276, 281 verb. mit II, 1 § 595, I, 21 § 132, II, 1 §§ 554, 555, ferner II, 18 § 275, preuß. Bonn. O. §§ 11, 32). Das franz. Recht enthält in der hier fraglichen Beziehung keine ausdrückliche Vorschrift. Daraus folgt, daß der Inhaber der elterlichen Gewalt, soweit er die Stellung eines Nießbrauchers hat, wie dieser, soweit er die Stellung eines gesetzlichen Vormundes hat, wie ein Vormund, die Sorgfalt eines ordentlichen Hausvaters anzuwenden hat (vergl. code civil Art. 601, 450, 389, 390). Dieselbe Haftpflicht trifft den Vater kraft seiner väterlichen Vormundschaft nach dem Hamb. Rechte (vergl. Hamb. Vorm. O. v. 14. Dezember 1883 Art. 6, 19). Dasselbe ist für das österr. G. B. anzunehmen (vergl. § 228 das.). Dagegen haftet nach dem sächs. G. B. §§ 1817, 1949 und dem Weimar. Ges. v. 27. März 1872

erj'

74ß

Elterliche Gewalt. Sorge für die Person und das Vermögen. § 1503.

88 11, 42 der Vater, wie der Vormund, nur für die Anwendung der Sorg­ falt, welche er in den eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt. Der Entwurf geht davon aus, das; aus der natürlichen Grundlage der elterlichen Gewalt ein ausreichender Grund, in der hier fraglichen Beziehung das Prinzip der Gleichstellung des Inhabers der elterlichen Gewalt und des

Vormundes

zu

Gunsten

des

ersteren

zu

durchbrechen,

nicht

entnommen

werden kann. Ver;insungHpsiicht.

b) Anlangcnd die entsprechende Anwendung des § 1697, so versteht es sich von selbst, daß, soweit dem Inhaber der elterlichen Gewalt die elterliche Nutznießung zusteht, von einer Zinsenzahlung keine Rede sein kann, da er die Zinsen zu zahlen und zu empfangen haben würde.

Ersatz von Anfwenbunflcn.

c) In Ansehung des Anspruches des Inhabers der elterlichen Gewalt Ersatz von Aufwendungen enthalten die bestehenden liechte meistens keine besonderen Bestimmungen oder beschränken sich auf die Entscheidung der Frage, inwiefern der Vater Verwendungen, welche er auf Grund seines Nießbrauchs- und Verwaltungsrechtes auf das Vermögen des Kindes gemacht hat, ersetzt verlangen kann (vergl. preuß. A. L. R. 11, 2 88 168, 276 verb. mit 1, 21 8 124, 11, 1 88 586 ff.; sächs. G. B. 88 1835, 1690). Nach dem Entwürfe sollen auch in dieser Hinsicht wegen Analogie der Verhältnisse zu­ nächst die betreffenden Vorschriften des Vormundschaftsrechtes (8 1698) zur Anwendung kommen. Daneben finden in Ansehung des der elterlichen Nutz­ nießung unterliegenden Vermögens des Kindes nach 8 1520 auch die Vor­ schriften über den Nießbrauch (8 1010) entsprechende Anwendung, was für solche Fälle von Bedeutung ist, in welchen ein Anspruch auf Ersatz von Ver­ wendungen nach Maßgabe des 8 1698 verb. mit 8 1696 Abs. 1 nicht be­ gründet ist. auf

» p«iö»i. Rechtfertigung in der Natur und dem Zwecke der betreffenden Sachen. Wegen der Pathengeschenke vergl. S. 772. S*,L

774

Elterliche Nutznießung.

Freies Vermögen.

§§ 1517—1519.

§ 1517. Zuwendungen Dritter.

Die Vorschrift des § 1517 beruht auf ähnlichen Erwägungen, wie die VgrsHMm der §§ 1287, 1510. Es wird deshalb auf die Motive zu diesen Paragraphen, S. 168ff., 759ff., Bezug genommen.

In den Motiven zu § 1510 ist auch das mit dem § 1517 im Wesentlichen übereinstimmende geltende Recht bereits mitgetheilt.

§ 1518. Der Gedanke, daß der Erwerb des Kindes durch selbständige Thätigkeit — Gegensatze ju der unter die Vorschrift des § 1499 fallenden Arbeit — dem

Erwerb bind) Arbeit,

väterlichen Nießbrauchsrechte entzogen ist, hat schon im röm. und gemeinen Rechte in den Bestimmungen über das peculium castrense und quasi castrense

eine gewisse, wenngleich beschränkte, Anerkennung gefunden (vergl. Entsch. d. R. G. in Civils. XVI, 24). In den neueren Rechten ist dieser Gedanke meist grundsätzlich anerkannt (vergl. preuß. A. L. R. II, 2 §§ 148, 149; code civil Art. 387; ital. G. B. Art. 229 Nr. 4; Hess. Entw. III Art. 25). Nur das sächs. G. B. §§ 1806, 1810, 1811 läßt es in Ansehung des selbständigen Er­

werbes der Kinder durch ihre Arbeit bei der Regel bewenden, daß das Ver­ mögen des Kindes dem Nießbrauche des Vaters unterliegt. Ueberwiegende Gründe sprechen dafür, den hier fraglichen Erwerb des Kindes als freies Vermögen zu behandeln. Derselbe hat seiner Natur nach nicht den Karakter des Kapitales, sondern laufender Einnahmen und eignet sich schon deshalb wirthschaftlich nicht dazu, Gegenstand der Nutznießung zu sein (vergl. die Motive zu § 1289 oben S. 175). Dazu kommt, daß es ein angemeffener Sporn zum Fleiße ist, wenn dem Kinde die Früchte seiner selbständigen Thätig­ keit voll und ganz verbleiben. Im Anschlusie an den § 1289 erklärt der »rtrirt etacis § 151b ganz allgemein aber auch diejenigen Gegenstände für freies Vermögen, ^werb"" welche das Kind durch den ihm nach Maßgabe des § 67 gestatteten selbg-lchiifies. ständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäftes, insbesondere durch Umsatzgeschäfte

im Betriebe eines solchen Erwerbsgeschäftes, erwirbt. Dieselben Gründe, welche zu der entsprechenden Vorschrift des § 1289 geführt haben (vergl. Motive zu § 1289 oben S. 176 ff.), müssen auch hier dahin führen, jenen Erwerb, ohne Rücksicht darauf, ob und inwieweit derselbe im einzelnen Falle nur als Kapitalerlös sich darstellt, von der Nutznießung zu befreien. Dem Inhaber

der elterlichen Gewalt wird dadurch nicht zu nahe getreten, da er es in seiner Hand hat, ob und wieviel von dem seiner elterlichen Nutznießung unter­ liegenden Vermögen er dem Kinde zum Betriebe des Erwerbsgeschäftes über­ lasten will.

§ 1519. eurrogation.

Die Vorschrift des § 1519 Satz 1 beruht auf ähnlichen Erwägungen, wie die des § 1290 (vergl. auch § 1510 Satz 2). Es wird daher auf die Motive zu § 1290 oben S. 177 ff. verwiesen. In Ansehung der Gegenstände, welche auf Grund des § 1516 zu dem freie» Vermögen gehören, soll die

Elterliche Nutznießung.

Vorschriften über den Nießbrauch.

§ 1520.

775

Vorschrift des § 1519 Satz 1 jedoch keine Anwendung finden, weil die Vor­ schrift des § 1516 lediglich in der besonderen Eigenschaft und Zweckbestimmung der im § 1516 bezeichneten Gegenstände sich gründet und deshalb keine Veranlaffung vorliegt, die Surrogate jener Gegenstände, soweit dieselben nicht wieder unter die Bestimmung des § 1516 fallen, dem freien Vermögen zuzu­ rechnen. Auch die Vorschrift des § 1285 erstreckt sich nicht auf die Surrogate der dort bezeichneten Sachen als solche.

§ 1520. Die Bestimmung des § 1520, welche im Prinzipe mit dem gemeinen Anwendung Rechte und den neueren Gesetzgebungen (preuß. A. L. R. II, 2 § 168; code $ortoerciften civil Art. 384, 601; sächs. G. B. §§ 660, 1811; Weimar. Ges. v. 27. März iibe6r^ic|:'" 1872 § 4) im Einklänge steht, schließt sich dem § 1292 an und beruht auf *' ähnlichen Erwägungen, wie dieser. Es wird daher wegen der näheren Recht­ fertigung des im § 1520 ausgesprochenen Grundsatzes auf die Motive zu § 1292

S. 180 ff. Bezug genommen. Reben den besonderen Bestimmungen der §§ 1521—1537 sind weitere besondere Bestimmungen, durch welche einzelne Vorschriften über den Rieß-

Aw­ Q ,one"'

brauch von der Anwendung ausdrücklich ausgeschlossen, modifizirt oder ergänzt werden, nicht für erforderlich erachtet. Zwar sind außer den in den §§ 1522 bis 1524, 1526 speziell bezeichneten Vorschriften über den Nießbrauch noch ver­ schiedene andere Vorschriften über den Nießbrauch zur Anwendung auf die elterliche Nutznießung nicht geeignet. Indessen bedarf es insoweit keiner besonderen Bestimmung, da die Unanwendbarkeit dieser anderen nicht speziell bezeichneten Vorschriften sich mit genügender Klarheit aus den übrigen Be­ stimmungen des Gesetzes ergiebt. Insbesondere kommt in dieser Beziehung neben den Bestimmungen der §§ 1521—1537 in Betracht, daß die elterliche Nutznießung kraft des Gesetzes entsteht (§ 1502 Nr. 2). Gewisse Modifikationen ergeben sich ferner von selbst daraus, daß das Kind in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist und dem Inhaber der elterlichen Gewalt neben der elterlichen Nutznießung regelmäßig zugleich die elterliche Vermögensverwaltung zusteht, soweit dies aber nicht der Fall, der Inhaber der elterlichen Gewalt nach § 1532 von der eigenen Ausübung der elterlichen Nutznießung ausgeschloffen ist und die letztere für Rechnung des Inhabers der elterlichen Gewalt von dem Kinde durch den für die Vermögensverwaltung berufenen gesetzlichen Vertreter desselben ausgeübt wird. Im Einzelnen lassen sich diese Modifikationen durch das Gesetz nicht entscheiden; vielmehr muß diese Entscheidung der Wiffenschaft und Praxis überlassen werden. Da die elterliche Nutznießung kraft des Gesetzes entsteht, so ergiebt sich Eintragung aus § 837 von selbst, daß dieselbe den Schutz der bona fides des Grundbuches Grundbuch, nicht genießt. Ein solcher Schutz ist durch ein Bedürfniß nicht geboten und würde auch mit dem Grundgedanken des § 1521 nicht vereinbar sein. Andererseits ist es auch nicht erforderlich, zum Schutze Dritter die Eintragung der elterlichen Nutznießung vorzuschreiben (vcrgl. auch sächs. G. B. §§ 1670, 1819; abweichend preuß. Ges. über den Eigenthumserwerb

776

Elterliche Nutznießung.

Vorschriften über den Nießbrauch.

§ 1520.

v. 5. Mai 1872 § 12), da nach § 1521 die elterliche Nutznießung ohnehin insoweit wegfällt, als der Dritte ein zum Vermögen des Kindes gehörendes eingetragenes Recht wirksam erworben hat. Daß die Eintragung der elterlichen Nutznießung in das Grundbuch auch nicht zulässig ist, wird sich aus den Vor­ schriften der Grundbuchordnung ergeben. Mi-rh- und Ein Bedürfniß, dem Inhaber der elterlichen Gewalt in weiterem UmMrtX fange, als dies nach § 1008 der Fall ist, die Möglichkeit zu gewähren, kraft der elterlichen Nutznießung über die Dauer der letzteren hinaus mit Wirksam­ keit gegenüber dem Kinde Mieth- und Pachtverträge in Ansehung der der elterlichen Nutznießung unterliegenden Gegenstände abzuschließen, um ihm auf diese Weise einen angcinessenen Ertrag der elterlichen Nutznießung zu sichern, liegt nicht vor, zumal der Inhaber der elterlichen Gewalt vermöge der ihm

zustehendcn elterlichen Vermögensverwaltung Mieth- und Pachtverträge auch über die der elterlichen Nutznießung unterliegenden Gegenstände, vorbehaltlich der Bestimmung des § 1511 Nr. 4, auf den Namen des Kindes abschließen kann und, ohne sich verantwortlich zu machen, abschlicßen darf, wenn dies dem Interesse des Kindes entspricht. Ersatz der BeWährend der Eigenthümer dem Nießbraucher die Kosten, welche derselbe '‘fofteT auf die Hervorbringung der bei Beendigung des Nießbrauches noch nicht getrennten Früchte innerhalb der Grenzen wirthschaftlichen Verfahrens ver­ wendet hat, nach Maßgabe des § 1009 zu ersetzen verpflichtet ist, hat nach

den Vorschriften über den Nießbrauch umgekehrt der Nießbraucher in Er­ mangelung einer anderweiten Vereinbarung dem Eigenthümer die Kosten, welche von dem letzteren auf die Hervorbringung der bei dem Beginne des Nießbrauches noch nicht getrennten, dem Nießbraucher zufallenden Früchte verwendet sind, nicht zu ersetzen. Es läßt sich nicht verkennen, daß die Anwendung der allgemeinen Grundsätze über den Nießbrauch in der hier frag­ lichen Beziehung in einzelnen Fällen zu einer Unbilligkeit gegen das Kind führen kann, da dieses nicht in der Lage ist, sich den Ersatz der hier frag­

lichen Kosten vor dem Eintritte der elterlichen Nutznießung ausbedingcn zu können. Insofern ist die Sachlage bei der elterlichen Nutznießung eine andere, wie bei dem Nießbrauch?. Es scheint daher nahe zu liegen, dem Kinde bei dem Beginne der elterlichen Nutznießung einen dem § 1009 sich anschließenden Ersatzanspruch zu geben. Indessen die Gründe, welche bestimmend gewesen sind, für die eheliche Nutznießung cs in dieser Hinsicht bei den Vorschriften über den Nießbrauch bewenden zu lassen (vergl. die Motive zu § 1292 oben S. 187 ff.), treffen für die wichtigsten Fälle, nämlich für diejenigen Fälle, in welchen während bestehender elterlicher Gewalt dem Kinde durch Verfügung eines Dritten, insbesondere durch lctztwillige Verfügung, Vermögen zugewendet wird, auch bei der elterlichen Nutznießung zu. Eher könnte die Allwendung der allgemeinen Grundsätze in solchen Fällen Bedenken erregen, in welchen der Inhaber der elterlichen Gewalt vor der Ernte ein Grundstück für das Kind kauft und der Kaufpreis auch mit Rücksicht auf den Werth der dem Inhaber der elterlichen Gewalt kraft der elterlichen Nutznießuilg zufallenden Ernte bemessen ist. Allein in solchen Fällen ist das Kind durch die allgemeinen Grundsätze über die Verantwortlichkeit des Inhabers der elterlichen Gewalt

Elterliche Nutznießung. Gegenstand. Inventar. §§ 1521—1523.

777

bei der Ausübung der Vermögensverwaltung (§ 1503 Abs. 1, § 1696) genügend geschützt.

Auch im Hinblicke auf den Fall, wenn die elterliche Nutznießung

des Vaters durch die elterliche Nutznießung der Mutter abgelöst wird (§ 1501 Abs. 2, § 1559 Abs. 2), bedarf es im Interesse des Kindes eines besonderen Schutzes nicht. Da der § 1009 voraussetzt, daß die Früchte dem Eigen­

thümer zufallen, in dem hier in Rede stehenden Falle aber nicht das Kind, sondern die an Stelle des Vaters eintretende Mütter vermöge der elterlichen Nutznießung Eigenthümer der Früchte ivird, so wird in diesem Falle aus dem § 1009 ein Ersatzanspruch gegen das Kind nicht hergcleitet werden können.

8 1521. Die Bestimmung des § 1521 beruht im Wesentlichen auf denselben G-g-nst-md Gründen, welche für die entsprechende Behandlung der ehelichen Nutznießung Nutznießung: maßgebend gewesen sind (vergl. § 1293 nebst Motiven oben S. 103 ff.). Sie dasj-wemg-

steht auch im Einklänge mit denjenigen Erwägungen, welche den Entwurf überhaupt veranlaßt haben, die elterliche Nutznießung mit der elterlichen Gewalt zu verbinden (vergl. die Motive zu §§ 1501, 1502 oben S. 724 ff.). Ist dem Inhaber der elterlichen Gewalt die elterliche Nutznießung nicht zu dem

Zwecke ein geräumt, um ihm einen von seiner vormundschaftlichen Stellung losgelösten Vcrmögensvortheil zuzuwenden, sondern um ihm die Möglichkeit zu geben, in einer seiner Stellung gegenüber den Kindern angemessenen Weise über die Einkünfte des Kindesvermögens im gemeinsamen Interesse nach eigenem Ermessen verfügen zu sönnen, so ergiebt sich daraus von selbst, daß als Gegenstand der elterlichen Nutznießung das Vermögen des Kindes nur in derselben Weise angesehen werden kann, wie wenn die elterliche Nutznießung als dingliches Recht überhaupt nicht bestände. Die Bedenken, welche an sich gegen diese Gestaltung der elterlichen Nutznießung vom Standpunkte des Berechtigten aus sich erheben lassen, erledigen sich durch die beschränkte Geschäftsfähigkeit des Kindes, welche den Inhaber der elterlichen Gewalt gegen willkürliche Einwirkungen des Kindes auf das der elterlichen Nutznießung unterliegende Vermögen in ausreichendem Maße auch dann schützt, wenn dem Inhaber der elterlichen Gewalt die Vermögensverwaltung ausnahmsweise nicht zusteht.

§ 1522. Die Vorschrift des § 1522 hat bereits in einem aitderen Zusaininenhange in den Motiven zu § 1503 oben S. 742 ff. ihre Begründung gefunden.

Ult'

Ausnahmen von dem Grundsätze, daß der Inhaber der elterlichen Gewalt nicht inventarisationspsiichtig ist, sind in den §§ 1547, 1548, 1599, 1623 bestimmt.

§ 1523. Nach dem geltenden Rechte finden auf die zum nichtfreien Vermögen ^u^ßun^ des Kindes gehörendeir verbrauchbaren Sachen im Allgemeinen die Grundsätze baren Sachen, über den uneigentlichen Nießbrauch an verbrauchbaren Sachen Anwendung.

778

Elterliche Nutznießung.

Verbrauchbare Sachen.

§ 1523:

G-lt-ndcs Es ergiebt sich dies in Ermangelung entgegenstehender Bestimmungen ans 6dem auch dem geltenden Rechte zu Grunde liegenden Prinzipe, daß auf die elterliche Nutznießung die Vorschriften über den Nießbrauch Anwendung finden (vergl. 1. 8 pr. Cod. de bon. quae lib. 6, ei; Entsch. d. R. G. in Civils. X, 42 S. 151; preuß. A. L. R. II, 2 §§ 168, 169, I, 21 § 173; Code civil Art. 384, 587, 601 — dazu Entsch. d. R. G. in Strass. XV, 65 —; sächs. G. B. §§ 1811, 660, 623, 1819, 1670). Nach röm. und gemeinem Rechte soll jedoch in den Fällen, in welchen dem Vater ausnahmsweise eine Veräußerung der zum unfreien Vermögen des Kindes gehörenden Gegenstände gestattet ist, im Falle der Veräußerung der Erlös wieder zum Stamme des Kindesvermögens geschlagen werden (1. 8 § 5 Cod. de bon. quae lib. 6, «i; Seuffert XVII, 65), und das preuß. A. L. R. II, 2 § 174 bestimmt, daß, wenn der Vater Grund­ stücke oder Gerechtigkeiten, welche zu dem unfreien Vermögen des Kindes ge­ hören, mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes blos des Nutzens wegen veräußert, der Erlös entweder anderweitig zu Grundstücken auf den Namen des Kindes verwendet oder auf Hypothek angelegt oder von dem Vater be­ sondere Sicherheit dafür bestellt werden muß. Auch nach dem sächs. G. B. § 1818 und dem franz. Rechte (code civil Art. 457) ist anzunehmen, daß, wenn zu einer Veräußerung die Genehmigung der obervormundschaftlichen Behörde erforderlich ist, die letztere ihre Genehmigung von Bedingungen ab­ hängig machen kann, welche den Erlös für das Kind sicherstellen (vergl.

Staudpuukt Entwurfes.

NichtanwenfthMt-n über

. den Nießbrauch,

Entsch. d. R. G. in Civils. XI, 81). Im Hinblicke auf die freie Stellung, welche der Inhaber der elterlichen Gewalt in Ansehung der Vermögensverwaltung einnimmt, ist die Anwendung der Vorschriften über den Nießbrauch an verbrauchbaren Sachen (881018—1020) auf die elterliche Nutznießung an verbrauchbaren Sachen vom Standpunkte des Interesses des Kindes aus als bedenklich erachtet, zumal dem Inhaber der Gewalt grundsätzlich eine Verpflichtung zur Sicherheitsleistung nicht

obliegt (8 1524) und dem Kinde auch ein gesetzlicher Titel zur. Bestellung einer Hypothek nicht eingeräumt ist. Abgesehen von den wenigen Fällen, in welchen die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes zu einer Veräußerung vorgeschrieben ist (8 1511 Nr. 1, 2), hat der Inhaber, der elterlichen Gewalt es in der Hand, das Vermögen des Kindes in Geld umzusetzen, insbesondere auch die Forderungen des Kindes einzuziehen und die Werthpapiere zu ver­ äußern. Da die elterliche Nutznießung an dem jeweiligen Vermögen des Kindes besteht, so würde bei Anwendung der Vorschriften über den Nießbrauch an verbrauchbaren Sachen auf die elterliche Nutznießung der Inhaber der elterlichen Gewalt in der Lage sein, sich in Ansehung des ganzen Kindes­ vermögens oder doch eines großen Theiles desselben zum gewöhnlichen Schuldner zu machen, ohne daß das Kind gegenüber den Gläubigern des Inhabers der elterlichen Gewalt in anderer Art, als durch das im 8 54 Nr. 5 der Konk. O. bestimmte Vorzugsrecht geschützt wäre. Besonders gefährdet würde das Interesse des Kindes dann sein, wenn der Inhaber der elterlichen Gewalt beim Beginne der elterlichen Nutznießung bereits überschuldet sein sollte. Auch der Zweck der 88 1535, 1299, dem Kinde den Unterhalt aus den Einkünften seines Ver­ mögens gegenüber den Gläubigern des Inhabers der elterlichen Gewalt zu

Elterliche Nutznießung.

Verbrauchbare Sachen.

§ 1523.

779

sichern, würde insoweit, als die Vorschriften über den Nießbrauch an ver­ brauchbaren Sachen Anwendung finden würden, vereitelt werden. Auf der anderen Seite ist aber auch vom Standpunkte des Interesses des Inhabers

der elterlichen Gewalt aus kein Bedürfniß vorhanden, jene Vorschriften auf die elterliche Nutznießung zu übertragen. Die besonderen Vorschriften über den Nießbrauch an verbrauchbaren Sachen sind in solchen Fällen allerdings nicht zu entbehren, in welchen mit dem Nießbrauche nicht auch das Recht der Vermögensverwaltung Hand in Hand geht. Soll in diesen Fällen dem Nieß­ braucher in Ansehung der verbrauchbaren Sachen die Möglichkeit gewährt werden, den ökonomischen Ertrag zu ziehen, so ist der sog. uneigentliche Nieß­ brauch die einzige mögliche juristische Form. Anders verhält es sich aber bei der elterlichen Nutznießung, da der Inhaber der elterlichen Gewalt kraft der ihm regelmäßig zugleich zustehenden elterlichen Vermögensverwaltung die zum Vermögen des Kindes gehörenden verbrauchbaren Sachen, insbesondere auch das baare Geld, in andere Güter umsetzen kann, welche ihrer Natur oder ihrem juristischen Inhalte nach ohne Verbrauch einen Ertrag zu gewähren ge­ eignet sind. Soweit aber dem Inhaber der elterlichen Gewalt die Vermögens­ verwaltung nicht zusteht, ist er nach § 1532 überhaupt von der eigenen Aus­ übung der elterlichen Nutznießung ausgeschlosien, und hat der für die Ver­ mögensverwaltung berufene gesetzliche Vertreter des Kindes, welcher im Namen des letzteren für Rechnung des Inhabers der elterlichen Gewalt die elterliche Nutznießung ausübt, dafür zu sorgen, daß auch von den verbrauchbaren Sachen ein angemessener Ertrag erzielt werde. Der Ausschluß der Anwendbarkeit der Vorschriften über den Nießbrauch an verbrauchbaren Sachen entspricht außer­ dem dem Grundgedanken der elterlichen Nutznießung, daß der Inhaber der elterlichen Gewalt diejenigen Einkünfte des Kindesvermögens erhalten soll, welche ohne die elterliche Nutznießung dem Kinde zukommen würden. Aehnliche Gesichtspunkte sind es, welche zu der Bestimmung des § 1294 geführt haben, daß auch auf die eheliche Nutznießung an verbrauchbaren Sachen die Vor­ schriften der §§ 1018—1020 keine Anwendung finden sollen. Um jedoch den Anforderungen des Lebens gerecht zu werden bezw. dem Inhaber der elterlichen Gewalt nicht nur im eigenen Interesse, sondern auch ™ Ansehung im Interesse des Kindes selbst und der ganzen Familie, soweit nöthig, die acb'”^6a”cc‘=

Möglichkeit zu gewähren, mit Hülfe der zu dem unfreien Vermögen des Sachen. Kindes gehörenden verbrauchbaren Sachen den bisherigen Haushalt und seine wirthschaftliche Existenz zu erhalten, gestattet der § 1523 Abs. 2, 3 dem In­ haber der elterlichen Gewalt, diejenigen zu dem unfreien Vermögen des Kindes gehörenden Sachen, welche durch Verbrauch genutzt zu werden pflegen (§ 780 Abs. 1), z. B. Vorrat he von Lebensmitteln, Brennmaterial u. bergt, nach seinem freien Ermessen (vergl. auch § 1294 Satz 2), andere verbrauchbare Sachen aber, insbesondere Geld (§ 780), dann zu verbrauchen und >»it se­ in eigenem Namen zu veräußern, wenn das Vormundschaftsgericht cs d'sVormundgenehmigt hat, daß er dieselben verbrauche oder in eigenem Namen veräußere. Im Falle einer solchen thatsächlichen oder rechtlichen Verfügung ist der Inhaber der elterlichen Gewalt aber verpflichtet, nach Beendigung seiner elterlichen Nutznießung dem Kinde den Werth zu ersetzen, welchen die Sachen

780

Elterliche Nutznießung.

Sicherheitsleistung re.

§§ 1524, 1525.

zur Zeit der Verfügung hatten. Da das Vormundschaftsgericht die im § 1523 Abs. 3 bestimmte Genehmigung auch generell ertheilen kann, so bieten die Bestimmungen des § 1523 Abs. 2, 3 ein angemessenes Mittel, um, na­ mentlich in kleineren Verhältnißen, dem praktischen Bedürfnisse des Lebens zu genügen. Von selbst versteht es sich, daß das Vormundschaftsgericht geeigneten­ falls die Ertheilung der Genehmigung von einer Sicherheitsleistung abhängig machen kann (vergl. § 1524 Satz 1). Allgemein vorzuschreiben, daß das Vor­ mundschaftsgericht die Genehmigung, wenn der Inhaber der elterlichen Gewalt Sicherheit nicht leiste, nur unter besonderen Umständen ertheilen solle, ist einerseits mit Rücksicht auf das geltende Recht, von welchem der Entwurf durch die Aufnahme einer derartigen Vorschrift noch weiter sich entfernen würde, als dies nach den Bestimmungen des § 1523 ohnehin der Fall ist, andererseits um deswillen als bedenklich erachtet, weil die Aufstellung einer solchen Regel die Gefahr mit sich bringt, daß das Vormundschaftsgericht auch in solchen Fällen, in welchen die Ueberlasiung des zu dem unfreien Vermögen des Kindes gehörenden Geldes an den Inhaber der elterlichen Gewalt im Jntercsie nicht nur des Kindes, sondern auch der ganzen Familie in hohem Grade wünschenswerth ist, in Ermangelung der Sicherleistung aus Besorgniß einer Gefährdung des Kindes und der eigenen Verantwortlichkeit die Ge­ nehmigung zu ertheilen Anstand nehmen und auf diese Weise der Zweck, welchen die Bestimmung des § 1523 Abs. 3 verfolgt, gerade in solchen Fällen, auf welche dieselbe vorzugsweise berechnet ist, vereitelt werden wird. Rathsamer ist es deshalb, von der Aufstellung einer gesetzlichen Regel in der hier frag­ lichen Hinsicht überhaupt abzuschen und die Entscheidung dem verständigen Ermeßen des Vormundschaftsgcrichtes unter Berücksichtigung der Umstände des einzelnen Falles zu überlassen. Daß das Vormundschaftsgericht sich bei seiner Entscheidung von dem Interesse des Kindes leiten lassen muß, versteht sich

von selbst. Wegen der Gründe, aus welchen der Entwurf die Bestimmungen des § 1523 Abs. 2, 3 nicht auch auf die zu dem freien Vermögen des Kindes ge­ hörenden verbrauchbaren Sachen ausgedehnt hat, sind die Motive zu § 1503 oben S. 742 zu vergleichen.

§ 1524. 6Mfhmg'3s

Die Gründe, aus welchen der Inhaber der elterlichen Gewalt grund­ sätzlich von der Verpflichtung der Sicherheitsleistung befreit sein soll, sind be­

reits in den Motiven zu § 1503 unter Nr. 8 oben S. 744 ff. dargelegt. Die Vorschriften der §§ 1005, 1006 sind durch die besonderen Vorschriften der §§ 1547, 1550, 1532 ersetzt.

§ 1525. Erfüllung vor Vemdigung

Rutznioßung.

Die entsprechende Anwendung des § 1296 auf die elterliche Nutznießung sich durch die Analogie der Verhältniße. Es wird in dieser Beziehung auf die Motive zu § 1296 oben S. 198 ff. Bezug genommen.

Elterliche Nutznießung.

Forderungen :c.

§ 1526.

781

§ 152t;. Gemeinrechtlich finden auf die dem väterlichen Verwaltungs- und Nieß- eitcvlld,e brauchsrechte unterworfenen Forderungen die Vorschriften über den Nießbrauch 3‘än"s!r"8 an Forderungeir im Allgemeinen Anwendung. Die herrschende Meinung giebt bcvnn9en !Cdem Nießbraucher einer Forderung nicht nur ein Recht auf Beziehung der «-u°»dcs Früchte, sondern auch, das Recht der Einziehung und air dem Leistungsgegcnstände, je nach der Natur des letzteren, den eigentlichen oder uneigentlichcil Nießbrauch. Andere gehen noch weiter und behandeln den Nießbrauch an einer Forderung ganz nach den Grundsätzen über den Nießbrauch an verbrauch­ baren Sachen. Anlangend insbesondere die zu den Adventizien gehörenden Geldforderungcn, so nimmt die Praxis überwiegend an, daß der Vater kraft seines väterlichen Nießbrauchs- und Verwaltungsrechtes befugt sei, dieselben einzuziehen lind zu veräußern; doch wird vielfach die Einschränkung hinzu­ gefügt, daß der Vater das erhobene Geld nicht in den eigenen Nutzen ver­ wenden dürfe und überhaupt über die Geldforderung nicht zu seinen eigeneil individuellen Vermögenszweckcn verfügen könne (vergl. Seuffert II, 307, X, 181, XVII, 65, XXIX, 230, XXXIII, 236; Entsch. d. R. G. in Civilst X, 42 S. 151, 152). Das preuß. A. L. R. II, 2 § 169 gewährt dem Vater ausdrücklich das Recht, kraft seines väterlichen Verwaltungs- und Nicßbrauchsrechtes ausstehende Kapitalien nach Gutbefinden einzuziehen, anderweit zu be­ legen oder auch sich selbst zum Schuldner der Kinder dafür zu bestellen. Eine wegen ihrer Bedeutung und Tragweite viel bestrittene Ausnahme macht das­ selbe aber für solche Fälle, in welchen das Kapital den Kinderil zur Sicherheit besonders verschrieben oder die Verwaltung des Vaters darüber durch besondere Gesetze oder durch ausdrückliche Willenserklärung eingeschränkt ist. Nach franz. Rechte finden auf die elterliche Nutznießung an Forderungen die Vorschriften über den Nießbrauch mi Forderungen Anwendung (vergl. code civil Art. 579, 601). Der Nießbrauch an Kapitalien gewährt dem Berechtigten nicht nur ein Recht auf Beziehung der Zinsen (code civil Art. 582, 584), sondern, wie die Jurisprudenz annimmt, auch das Recht der Einziehung (vergl. Entsch. d. R. G. in Civilst IX, 87; Entsch. d. R. G. in Straff. XV, 65).

Das sächs. G. B. §§ 1811, 660 unterstellt den väterlichen Nießbrauch an Forderungen ohne Modifikation den Grundsätzen über den Nießbrauch an Forderungen (§§ 625—628). Der Vater hat daher das Recht der Einziehung und an dem eingezogenen Gegenstände, je nachdem der letztere zu den ver­ brauchbaren gehört oder nicht, den uneigentlichen (§ 623) oder den eigentlichen Nießbrauch. Der Entwurf geht davon aus, daß kein Bedürfniß vorliegt, dem Inhaber Standpunkt der elterlichen Gewalt kraft der elterlichen Nutznießung in Ansehung der zu Entwurs-s. dem nichtfreien Vermögen des Kindes gehörenden Forderungen, Aktien auf Inhaber, Grundschulden und Eigenthümerhypotheken weitergehende Rechte bei­ zulegen, als das Recht auf Beziehung der Früchte, da er vermöge der ihm regelmäßig zugleich zustehenden elterlichen Vermögensverwaltung in der Lage ist, soweit es im Interesse des Kindes angemessen erscheint, die Forderungen

782

Elterliche Nutznießung. Erwcrbsgeschäft. § 1527.

des letzteren zu kündigen, einzuziehen und das erhobene Geld anderweit zu belegen, und die elterliche Nutznießung sich kraft Gesetzes auch auf den ein­ gezogenen Gegenstand der Forderung erstreckt. Auch für solche Fälle, in welchen dem Inhaber der elterlichen Gewalt ausnahmsweise die Vermögens­ verwaltung nicht zusteht, ist im Hinblicke auf die Vorschriften des § 1532 kein Bedürfniß vorhanden, demselben weitergehcnde Rechte beizulegen. Unter den im § 1526 für nicht anwendbar erklärten Vorschriften über den Nießbrauch hat der Entwurf nicht auch den § 1002 allegirt, da der letztere nicht überhaupt unanwendbar ist, sondern die Anwendung desselben sich durch die besondere Vorschrift des § 1526 und durch die dem Inhaber der elterlichen Gewalt zustchende Vermögensverwaltung nur in anderer Art gestaltet. Die Allegation des § 1002 im § 1526 könnte daher zu Mißverständnissen Ver­ anlassung geben.

§ 1527. Nutznießung Wenngleich besondere Vorschriften über den Nießbrauch und über die E?-eheliche Nutznießung an einem Ermerbsgeschäfte in den Entivurf nicht auf-

nn"einem

geschäpe

9enommcn find und in den bestehenden Rechten auch über die elterliche Nutz­ nießung an einem zu dem Vermögen des Kindes gehörenden Erwerbsgeschäfte besondere Vorschriften sich nicht finden, so ist es doch, namentlich mit Rück­ sicht darauf, daß nach dem Tode des Vaters der Mutter die elterliche Nutz­ nießung zusteht, nach dem Entwürfe daher künftig viel häufiger Fälle ein­ treten werden, in welchen zu dem Vermögen des Kindes ein der elterlichen Nutznießung unterliegendes Erwerbsgeschäft gehört, als angemessen erachtet, die elterliche Nutznießung an einem solchen Erwerbsgeschäfte durch besondere Bestimmungen zu regeln, um die Erhaltung desselben, welches oft einen werth­ vollen Bestandtheil des Kindesvermögens ausmacht, für das Kind zu er­ möglichen oder doch zu erleichtern. Um so funbedenklicher ist es, hier durch besondere Vorschriften einzugreifen, als der Umstand, daß der Inhaber der elterlichen Gewalt zugleich der gesetzliche Vertreter des Kindes ist, eine einfache und zweckmäßige Regelung des Verhältnisses zuläßt. Der Auffassung des Verkehres entspricht es, das Erwerbsgeschäft wirthschaftlich als ein Ganzes zu betrachten und demgemäß davon auszugehen, daß die elterliche Nutznießung nicht die einzelnen zu dem Erwerbsgeschäfte gehörenden Gegenstände als solche ergreift, wie dies nach § 1038 bei dem Nießbrauche an einem ganzen Ver­ mögen allerdings der Fall ist, sondern daß die elterliche Nutznießung an dem Erwerbsgeschäfte als solchem besteht. Das Gegentheil würde auch, solange das Erwerbsgeschäft betrieben wird, praktisch zu den größten Verwickelungen führen und das Interesse des Kindes gefährden. Von jenem Ausgangspunkte aus kann man aber das Verhältniß wieder in verschiedener Art gestalten. Man kann die Nutznießung an dem Erwerbsgeschäfte als Ganzem nach den Grundsätzen des Nießbrauches an verbrauchbaren Sachen regeln. Gegen eine derartige Regelung sprechen aber im Wesentlichen dieselben Gründe, welche den Entwurf bestimmt haben, von einer solchen Regelung bei dem Nießbrauche und bei der ehelichen Nutznießung abzusehen. Dieselbe würde

Elterliche Nutznießung. Erirerbsgeschäft. § 1527.

783

auch mit den Gründen nicht vereinbar sein, welche dahin geführt haben, die Vorschriften über den Nießbrauch an verbrauchbaren Sachen von der An­ wendung auf die elterliche Nutznießung ausdrücklich auszuschließen (vergl.

§ 1523 Abs. 1 nebst Motiven oben S. 778 ff.). Da dem Inhaber der elterlichen

Gewalt zugleich die elterliche Vermögensverwaltung zusteht und nach § 1532 auch in denjenigen Fällen, in welchen dies ausnahmsweise nicht der Fall ist, die Verwaltung des Kindesvermögens und die Ausübung der elterlichen Nutz­ nießung in derselben Hand vereinigt sind, so liegt es am nächsten und entspricht

cs auch dem Grundgedanken und dem Zwecke der an dem jeweiligen Kindes­ vermögen bestehenden elterlichen Nutznießung am meisten, wenn das Erwerbs­ geschäft von dem Inhaber der elterlichen Gewalt im Namen des Kindes be­ trieben, dem Inhaber der elterlichen Gewalt aber kraft der elterlichen Nutz­ nießung der auf Grund des Betriebes des Erwerbsgeschäftes sich ergebende Reingewinn überlassen wird. Zweifelhaft kann es sein, wie dieser Gewinn «.rcchnuuz berechnet werden, ob als definitiver Gewinn nur das nach Beendigung des ©„Xes. Erwerbsgeschäftes endgültig sich ergebende Gesammtresultat in Betracht kommen oder ob dem Inhaber der elterlichen Gewalt der jährlich festgestcllte Geschäftsgewinn ohne Rücksicht darauf, ob der Stamm des ursprünglichen Geschäftsvermögens durch früher eingetretene Verluste noch verringert ist oder durch spätere Verluste verringert wird, als Nutzung definitiv zufallen soll. Für diese letztere Art der Behandlung spricht die Analogie der allgemeinen Grundsätze über den Nießbrauch in Verbindung mit der Erwägung, daß es

im Geschäftsleben üblich ist, behufs der Gewinnberechnung bestimmte Ab­ schnitte zu machen (vergl. Art. 108 des H. G. B.), ferner die Rücksicht auf den Nutznießungsberechtigten, welcher, wenn der jährliche Gewinn zunächst zur Ausgleichung der Verluste anderer Jahre verwendet werden muß, Nutzungen aus dem Betriebe des Erwerbsgeschäftes vielleicht niemals beziehen wird, ob­ wohl das zu dem Erwerbsgeschäfte gehörende Aktivvermögen ein bedeutendes sein kann. Es könnte dies für den Inhaber der elterlichen Gewalt ein Antrieb sein, das Erwerbsgeschäft, vielleicht zum großen Nachtheile des Kindes, gänzlich aufzugeben, um sich auf diese Weise die Nutzungen an den einzelnen zu dem Erwerbsgeschäfte gehörenden Gegenständen zu verschaffen. Auf der anderen Seite kommt indessen in Betracht, daß, wenn der Gewinn eines Jahres zu­ nächst zur Ausgleichung der Verluste anderer Jahre verwendet werden muß, dies dazu beitragen wird, daß der Inhaber der elterlichen Gewalt sich nicht auf Kosten des Kindes in eigenem Interesse auf leichtsinnige Spekulationen einläßt, sondern bei dem Betriebe des Erwerbsgeschäftes vorsichtiger zu Werke geht. Dieser dem Interesse des Kindes und der Erhaltung des Kindes­ vermögens entnommene Gesichtspunkt ist als der entscheidende zu betrachten. Bei der Gestaltung der elterlichen Nutznießung, welche zu der elterlichen Ge­ walt an sich nur als ein unwesentlicher Bestandtheil hinzutritt, kann in erster Linie nur das Jntereffe des Kindes maßgebend sein. Gegen die Gefahr, daß der Inhaber der elterlichen Gewalt das Erwerbsgeschäft zum Nachtheile des Kindes aufgeben könnte, ist das letztere durch die den Inhaber der elterlichen Gewalt bei Führung der Verwaltung treffende Verantwortlichkeit genügend geschützt. Es würde jedoch zu weit gehen und unbillig gegen den Inhaber der

784

Elterliche Nutznießung. Verbindlichkeiten des Kindes. § 1528.

elterlichen Gewalt sein, wenn derselbe auch den bereits bezogenen Gewinn eines Jahres in Folge später eintretender Verluste, sei es auch nur bis zum Belaufe der noch vorhandenen Bereicherung, wieder herauszugeben verpflichtet

sein sollte. Im Uebrigen lassen sich allgemeine Grundsätze über die Gewinnund Verlustbercchnung im Hinblicke auf die verschiedenen hier in Betracht kommenden Verhältnisse im Gesetze nicht aufstellen. Handelt cs sich um die Neubegründung eines Erwerbsgeschäftes, so wird das Vormundschaftsgericht bei Ertheilung der Genehmigung (§ 1515) dafür Sorge zu tragen haben, daß diese Grundsätze fcstgestellt werden.

Wie die allgemeine Fassung des § 1527 Abs. 1 ergiebt, bezieht derselbe sich sowohl auf den Fall der Fortführung eines bestehenden, als den der Be­ gründung eines neuen Erwerbsgeschäftes. Nach § 1527 Abs. 2 sollen jedoch die Bestimmungen des § 1527 Abs. 1 keine Anwendung finden, wenn das Geschäft ohne die nach § 1515 erforderliche Genehmigung des Vormundschafts­ gerichtes begonnen worden ist. Diese Vorschrift ist eine angemessene Ergänzung der nur deu Karakter einer Ordnungsvorschrift an sich tragenden Vorschrift des § 1515. Das im § 1527 Abs. 1 geregelte Verhältniß dauert so lange fort, als der Inhaber der elterlichen Gewalt das Erwcrbsgeschäft im Warnen des Kindes thatsächlich betreibt. Wann der Betrieb des Erwerbsgeschäftes thatsächlich auf­ gehört hat, ist unter Berücksichtigung der Umstände des einzelnen Falles fest­ zustellen. Durch die Bestimmungen des § 1527 Abs. 1 ist es übrigens selbstverständlich nicht ausgeschlossen, daß der Inhaber der elterlichen Gewalt durch Saftes. Vertrag mit dem Kinde ein zu dem Vermögen des letzteren gehörendes

mLßig°u-b°rnähme des

Erwcrbsgeschäft nach den Grundsätzen über den Nießbrauch an verbrauchbaren Sachen übernimmt und das Erwerbsgcschäft alsdann für eigene Rechnung und auf eigenen Namen betreibt. Zum Abschlüße eines solchen Vertrages muß aber dem Kinde ein Pfleger bestellt werden (§ 1651 Nr. 1, § 1738), und außer­ dem ist dazu die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes erforderlich (§ 1674 Nr. 14). Mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes kann ferner der In­ haber der elterlichen Gewalt die zu dem Erwerbsgeschäfte gehörenden verbrauch­ baren Sachen, insbesondere ein vorhandenes Waarenlager (§ 780 Abs. 2), nach Maßgabe des § 1523 Abs. 2, 3 in eigenem Namen veräußern und es dadurch ermöglichen, das Geschäft für eigene Rechnung und in eigenem Namen fortzu­ führen. Dadurch wird, namentlich in kleineren Verhältnissen, den Bedürfnissen des praktischen Lebens in angemessener Weise Rechnung getragen.

§ 1528. Stellung der y“flinbc8.b"'J

G-lteudes Recht.

Nach gemeinem Rechte können die Gläubiger des Kindes wegen der von diesem ohne Einwilligung des Vaters während der Dauer der väterlichen Ge-

walt gemachten Schulden aus dem dem väterlichen Nießbrauche unterliegenden Vermögen Befriedigung nicht verlangen, insbesondere auch nicht wegen der Deliktsschulden oder der gesetzlichen Verbindlichkeiten des Kindes. Dasselbe

Elterliche -Nutznießung. Verbindlichkeiten des Kindes. § 1528.

785

ßilt nach preuß. A. L. R. II, 2 §§ 201, 202 in Ansehung der Verbindlichkeiten ans Rechtsgeschäften des Kindes, soweit durch letztere ohne Einwilligung des

Vaters überhaupt eine Verbindlichkeit des Kindes begründet werden kann (vcrgl. II, 2 §§ 125—133, 165, 166). Dagegen haftet wegen der aus unerlaubte» Haudlungen des Kindes entstandenen Verbindlichkeiten desselben auch das nichtfreie Vermögen, jedoch nur in Ermangelung von freiem Vermögen (11, 2 §§ 134, 135, 167, 203). Ob und inwieweit auch wegen gesetzlicher Verbindlichkeiten des Kindes das nichtfreie Vermögen des letzteren von den Gläubigern in Anspruch genommen werden kann, ist im preuß. A. L. R. nicht besonders bestimmt. Das sächs. G. B. §§ 1821—1824, 1826 beruht auf dem Prinzipe, daß die Gläubiger des Kindes wegen rechtsgeschäftlicher, ohne Ein­ willigung des Vaters gemachter neuer Schulden des Kindes an das dem väter­ lichen Nießbrauche unterworfene Vermögen sich nicht halten können, daß da­ gegen das letztere wegen der Deliktsschulden und der gesetzlichen Verbindlich­ keiten des Kindes haftet. Das franz. Recht enthält in den hier fraglichen Beziehungen überhaupt keine besonderen Bestimmungen. Da die elterliche Nutznießung nach dem Entwürfe nicht bezweckt, dem Inhaber der elterlichen Gewalt einen von seiner vormundschaftlichen Stellung losgelösten Vermögensvortheil zuzuwenden, sondern sich nur als die der Stellung des Inhabers der elterlichen Gewalt entsprechende Form darstellt, in welcher ihm die Einkünfte des jeweiligen Kindesvermögens zur freien Verwendung int Interesse einer normalen Gestaltung der Verhältnisie innerhalb der Familie überwiesen werden (§ 1521), so ist es eine Konsequenz des Grundgedankens der elterlichen Nutznießung, daß die Gläubiger des Kindes wegen aller Verbind­ lichkeiten des letzteren die Befriedigung auch aus dem der elterlichen Nutznießung unterliegenden Vermögen desselben ohne Rücksicht auf die elterliche Nutznießung verlangen können. Das Gegentheil würde auch mit dem Jnteresie der Gläu­ biger nicht vereinbar sein. Das Jnteresie der letzteren verbietet es insbesondere auch, dieselben wegen ihrer Ansprüche aus unerlaubten Handlungen des Kindes oder wegen solcher Ansprüche, welche aus einem auf das freie Vermögen des Kindes sich beziehenden Rechtsverhältnisse entstanden sind (§ 1530 Abs. 2 Nr. 2), zunächst an das freie Vermögen des Kindes zu verweisen, da durch eine solche nur subsidiäre Haftung des nichtfreien Vermögens nach außen für die Geltendmachung der Rechte der Gläubiger die größten Schwierigkeiten und Weiterungen sich ergeben würden. Aehnliche Erwägungen sind es, welche für das eheliche Güterrecht zu der entsprechenden Vorschrift des § 1311 geführt haben. Die Sachlage ist hier nur insofern eine andere, als cs mit Rücksicht auf die beschränkte Ge­ schäftsfähigkeit des Kindes und den daraus sich ergebenden Mangel der Prozeß­ fähigkeit desselben, sowie mit Rücksicht auf die mit der elterlichen Nutznießung regelmäßig Hand in Hand gehende elterliche Vermögensverwaltung des In­ habers der elterlichen Gewalt im Jnteresie des letzteren der im § 1312 bestimmten Ausnahmen von der Regel des § 1311 hier nicht bedarf. Auch in den Fällen, in welchen dem Inhaber der elterlichen Gewalt die Vermögensverwaltung aus­ nahmsweise überhaupt nicht oder in Ansehung eines Theiles des Kindes­ vermögens nicht zusteht, ist derselbe dadurch genügend geschützt, daß rechts­ geschäftliche Verbindlichkeiten des Kindes wirksam nur durch den gesetzlichen Motive z. biirgerl. Gesetzbuch. IV.

50

Standpunkt des Entwurfes.

786

Elterliche Nutznießung.

Verbindlichkeiten des Kindes.

§ 1528.

Vertreter des letzteren, bezw. nur mit Einwilligung oder Genehmigung des gesetzlichen Vertreters begründet werden können. Auf die Ausnahmefälle, in welchen das Kind in gewissem Umfange geschäftsfähig und prozeßfähig ist (vergl. insbes. § 67, ferner §§ 1254, 1267, 1271, 1276, 1451 verb. mit § 1536),

Zwangs­ vollstreckung.

braucht um so weniger Rücksicht genommen zu werden, als in dem Hauptfalle, nämlich in dem Falle des § 67, die erweiterte Geschäftsfähigkeit des Kindes nur auf Grund einer von dem gesetzlichen Vertreter desselben unter Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes ertheilten Ermächtigung eintreten kann. Im Uebrigen wird wegen der Tragweite des im § 1528 ausgesprochenen Prinzipes, namentlich soviel das Recht der Gläubiger betrifft, behufs ihrer Befriedigung von dem Inhaber der elterlichen Gewalt die sofortige Erfüllung einer demselben gegen­ über dem Kinde obliegenden Verbindlichkeit zu verlangen, zu deren Erfüllung er wegen der elterlichen Nutznießung erst nach Beendigung der letzteren ver­ pflichtet ist (vergl. § 1523 Abs. 2, 3), auf die Motive zu § 1311 S. 254 Bezug genommen. Im Gegensatze zu den §§ 1314, 1315 bestimmt der § 1528 weiter, daß zu der Zwangsvollstreckung gegen das der elterlichen Nutznießung unterliegende Vermögen des Kindes ein gegen das letztere vollstreckbarer Titel genügend ist. Die Analogie der für die eheliche Nutznießung gegebenen Vorschriften der §§ 1314, 1315 trifft bei der elterlichen Nutznießung nicht zu. Diese Vor­ schriften beruhen einerseits darauf, daß die Gläubiger der Ehefrau nicht wegen aller Verbindlichkeiten der letzteren, sondern nur wegen Ehegutsverbindlich­ keiten (§§ 1311,1312) die Befriedigung auch aus dem Ehegute ohne Rücksicht auf die eheliche Nutznießung verlangen können, andererseits darauf, daß die Ehefrau als solche prozeßfähig ist. In beiden Beziehungen ist, wie oben aus­ geführt wurde, bei der elterlichen Nutznießung die Sachlage eine andere. Hier fehlt cs an einem Bedürfnisse, zum Schutze der elterlichen Nutznießung behufs der Zwangsvollstreckung gegen das der elterlichen Nutznießung unterliegende Vermögen neben dem vollstreckbaren Titel gegen das Kind noch einen voll­ streckbaren Titel gegen den Inhaber der elterlichen Gewalt zu verlangen. Eine solche Vorschrift würde, da der letztere nach § 1528 wegen der elterlichen Nutz­ nießung in keinem Falle, selbst da>m nicht der Zwangsvollstreckung wider­ sprechen kann, wenn das gegen das Kind ergangene Urtheil materiell unrichtig oder das Kind in dem Prozeße nicht von dem Inhaber der elterlichen Gewalt vertreten gewesen sein sollte, auf eine überflüssige Formalität hinauslaufcn. Angesichts der im ersten Satze des § 1528 enthaltenen Bestimmung kann cs zweifelhaft sein, ob der auf die Voraussetzung der Zwangsvollstreckung sich beziehende Zusatz überhaupt nöthig ist. Rathsamer ist es jedoch, denselben in das Gesetz aufzunehmen, da aus den neben der matericllrechtlichen Bestimmung des § 1528 Satz 1 in Geltung bleibenden prozessualischen Vorschriften der C. P. O. (vergl. §§ 712, 713, 745 das.), sowie hingesehen auf die Bestimmung des § 1904 Abs. 1 in Verbindung mit der Erwägung, daß der Inhaber der elterlichen Gewalt die Jnhabung der zu dem nichtfreien Vermögen des Kindes gehörenden Sachen nicht als Vertreter des Kindes, sondern kraft der elterlichen Nutznießung in eigenem Namen hat (vergl. §§ 1520, 984), der Zweifel sich ergeben könnte, ob lediglich auf Grund eines vollstreckbaren Titels gegen das

Elterliche Nutznießung. Verbindlichkeiten des Kindes. § 1529.

787

Kind die Zwangsvollstreckung gegen das nichtfreie Vermögen des Kindes auch dann zulässig fei, wenn der Inhaber der elterlichen Gewalt sich zur Heraus­ gabe der zu pfändenden Sachen nicht bereit erklärt. Aus § 1528 in Verbindung mit § 1521 ergießt sich von selbst, daß im Konkurse über das Vermögen des Kindes die elterliche Nutznießung dem Rechte der Gläubiger, die konkursmäßige Befriedigung auch aus dem der elterlichen Nutznießung unterliegenden Vermögen des Kindes zu verlangen, weicht und daß, wenn der Konkurs vor der völligen Vertheilung der Masse beendigt ist, die noch vorhandene Masse, soweit dieselbe nicht zur Zeit der Eröffnung des Konkurses zu dem freien Vermögen des Kindes gehört hat — was nöthigenfalls von dem Kinde bewiesen werden muß —, der durch den Konkurs über das Vermögen des Kindes nicht aufgehobenen elterlichen Nutznießung unter­ liegt. Andererseits ergiebt sich aus § 1530 Abs. 3, daß, soweit aus dem vor der Eröffnung des Konkurses vorhandenen freien Vermögen des Kindes Schulden berichtigt sind, welche im Verhältnisse zwischen dem Inhaber der elterlichen Gewalt und dem Kinde zu einander dem damals der elterlichen Nutznießung unterliegenden Vermögen zur Last fielen, oder auch umgekehrt, nach Maßgabe des § 1530 Abs. 3 dem einen Vermögen aus dem anderen, und zwar nicht nur aus dem Bestände des letzteren zur Zeit der Eröffnung des Konkurses, sondern auch aus dem künftigen Bestände desselben, Ersatz zu leisten ist.

§ 1529. Die Bestimmung des § 1529 beruht auf ähnlichen Erwägungen, wie die Unter= entsprechende Bestimmung des § 1313 und steht mit dem Grundgedanken der elterlichen Nutznießung, daß der Inhaber der elterlichen Gewalt die Früchte«^-» »ritte, des Kindesvermögens nur insoweit beziehen soll, als dieselben ohne die elter­ liche Nutznießung dem Kinde zugefallen sein würden, im Einklänge. Der § 1529 unterscheidet sich von dem § 1313 jedoch insofern, als er nicht blos von der gesetzlichen Unterhaltspflicht gegenüber Verwandten des Kindes (§§ 1480 ff.),

sondern allgemein von der gesetzlichen Unterhaltspflicht gegenüber einem Dritten redet, um auch solche Fälle ju decken, in welchen das Kind nach Maß­ gabe der §§ 1280, 1281, 1454 seinem Ehegatten, bezw. einem geschiedenen Ehegatten Unterhalt zu gewähren verpflichtet ist. Solche Fälle können mit Rücksicht darauf Vorkommen, daß nach § 1536 die elterliche Nutznießung durch Schließung einer Ehe von Seiten des Kindes nicht beendigt wird, wenn die Ehe von dem letzteren ohne die nach den §§ 1238, 1239 er­ forderliche Einwilligung desjenigen Elterntheiles geschlossen ist, welchem die elterliche Nutznießung zusteht. Dagegen fällt nicht unter die Bestimmung des § 1529 die Unterhaltspflicht des unehelichen Vaters gegenüber dem unehe­ lichen Kinde, da dieselbe durch die Leistungsfähigkeit des Vaters nicht bedingt ist (§§ 1573, 1574). Dasselbe gilt von der im § 1577 bestimmten Ver­ bindlichkeit des Vaters eines unehelichen Kindes gegenüber der Mutter des letzteren, zumal diese Verbindlichkeit nach dem Entwürfe überhaupt nicht den Karakter einer gesetzlichen Unterhaltspflicht, sondern einer Entschädigungs­ verbindlichkeit hat. Wegen der zuletzt bezeichneten Verbindlichkeiten können 50*

788

Elterliche Nutznießung.

Ausgleichung.

Lasten.

§§ 1530, 1531.

die Gläubiger, wie wegen jeder anderen Verbindlichkeit, schon nach Maßgabe des § 1528 die Befriedigung auch aus dem der elterlichen Nutznießung untcr-

liegcndcn Vermögen verlangen. Im Uebrigcn wird auf die Motive zu § 1313 oben S. 256 ff. verwiesen.

8 1530. Ausgleichung

Die dem § 1316 entsprechenden Bestimmungen des § 1530 (vergl. preuß. R. II, 2 §§ 167, 203; sächs. G. B. § 1826) rechtfertigen sich durch die

"u!chi7r-.m"

A-

uud dem freien Ucrmögen.

Analogie des § 1316. Es wird deshalb auf die Ausführungen in den Motiven § i ziß oben S. 260 ff. Bezug genommen. Im Einzelnen ist jedoch noch Folgendes zu bemerken: 1. Den Verbindlichkeiten aus unerlaubten Handlungen hat der Entwurf hier so wenig, wie im § 1367 Nr. 1, die in den §§ 1571, 1577 bestimmten Verbindlichkeiten des unehelichen Vaters gegenüber dem unehelichen Kinde und dessen Milttcr gleichgestellt. Eine solche Gleichstellung würde vom Stand­ punkte des Entwnrfes ans, welcher diese Verbindlichkeiten, wenngleich dieselben materiell aus einer unsittlichen Handlung entspringen, nicht als Delikts­ obligationen behandelt, einen durchaus positiven Karaktcr haben. Durch ein praktisches Bedürfniß ist sie aber nicht geboten. 2. Da nach § 1518 das von dem Kinde auf Grund der Vorschriften des § 67 selbständig betriebene Erwerbsgeschäft zu dem freien Vermögen des Kindes gehört, so kann cs, ohne daß cs in dieser Hinsicht einer besonderen

Bestimmung bedarf, nicht zweifelhaft sein, daß die aus dem Betriebe eines solchen Erwerbsgeschäftcs entstandenen Verbindlichkeiten des Kindes unter die Nr. 2 des § 1530.Abs. 2 fallen. Dasselbe gilt im Hinblicke auf den § 1518 auch von den Verbindlichkeiten des Kindes aus Dienst- und Arbcitsverhältnissen (vergl. auch § 1316 Nr. 2 vcrb. mit §1289).

§ 1531. Laste» Die bestehenden Rechte enthalten in Ansehung der mit der elterlichen Nnpmfiung.'' Nutznießung verbundenen Lasten theils überhaupt keine, theils nur wenige be­ sondere Bestimmungen (vergl. code civil Art. 385; sächs. G. B. §§ 1826, 1828). Nach preuß. Rechte ist insbesondere bestritten, ob der Vater die Kosten eines in Ansehung der Substanz des nichtfreien Vermögens geführten Prozesses aus seinem eigenen Vermögen zu tragen habe. Die Bestimmungen des § 1531, welche die Vorschriften der §§ 1003, 1041 ersetzen, schließen sich den Bestiminungen des § 1297 an und beruhen auf den gleichen Erwägungen, wie diese. Die Nru. 5 und 6 des § 1531 weichen von den entsprechenden Bestimmungen des § 1316 Nr. 5, 6 nur insofern ab, als die Nr. 5 des § 1531 die Kosten eines von dem Kinde geführten Rechtsstreites, sofern die Verbindlichkeit des Kindes im Verhältnisse desselben und des Inhabers der elterlichen Gewalt zu einander nicht dem freien Vermögen des Kindes zur Last fällt (§ 1530), dem Inhaber der elterlichen Gewalt, vorbehaltlich der aus § 1531 Abs. 2 sich ergebenden Beschränkung, ganz allgemein zur Last legt und auch die Nr. 6 des

Elterliche Nutznießung. Ausschluß d. eltcrl. Verwaltung. §§ 1532,1533.

789

§ 1531 die Verpflichtung des Inhabers der elterlichen Gewalt zur Tragung der dort bezeichneten Kosten der Vertheidigung des Kindes nicht davon ab­ hängig macht, daß der Inhaber der elterlichen Gewalt zu der Vertheidigung seine Einwilligung oder Genehmigung ertheilt hat. Diese Abweichungen be­ ruhen theils darauf, daß bei der elterlichen Nutznießung eine Unterscheidung, welche der Unterscheidung zwischen Ehegutsverbindlichkeiten und anderen Ver­ bindlichkeiten (§§ 1311, 1312) entspricht, nicht stattfindct (§ 1528), theils darauf, daß das Kind regelmäßig nicht geschäftsfähig und prozeßfähig ist und deshalb die hier fraglichen Rechtshandlungen regelmäßig von dem Inhaber der elterlichen Gewalt als dem gesetzlichen Vertreter des Kindes vorgenommen werden müssen bezw. zu ihrer Wirksamkeit der Einwilligung oder Gcnchinigung des Inhabers der elterlichen Gewalt bedürfen. Unter diesen Umständen können die bezeichneten Abweichungen einem Bedenken nicht unterliegen, um so weniger, als der § 1531 Abs. 2 den Umfang der dem Inhaber der elterlichen Gewalt gegenüber dem Kinde obliegenden Verbindlichkeiten der hier fraglichen Art in angcinessener Weise begrenzt. Jin Uebrigen wird wegen der Begründung der einzelnen Bestimmungen des § 1531 auf die Ausführungen in den Motiven zu § 1297 oben S. 199 ff. verwiesen. Die Gründe, aus welchen der Entwurf die Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber dem Kinde nicht als eine Last der elterlichen Nutznießung, sondern als Ausfluß der Verwandtschaft behandelt, sind in der Vorbemerkung zu den 88 1480 1496 oben S. 677 ff. dargelcgt.

88 1532, 1533. Die 88 1532, 1533 regeln das Verhältniß der elterlichen Nutznießung Eu-mchin denjenigen Fällen, in welchen dem Inhaber der elterlichen Gewalt in Ansehung des der elterlichen Nutznießung unterliegenden Vermögens bc§bcc elterli(t’e11 Kindes die elterliche Vermögensverwaltung nicht zusteht. Solche Fälle können 3

nach dem Entwürfe eintreten, wenn ein Dritter nach Maßgabe des § 1510 in Ansehung der dort bezeichneten Gegenstände die Vermögensverwaltung des Inhabers der elterlichen Gewalt, nicht aber zugleich die elterliche Nutznießung ausgeschlosien hat, wenn dem Inhaber der elterlichen Gewalt dnrch das Vor­ mundschaftsgericht die elterliche Gewalt mit Ausnahme der elterlichen Nutz­ nießung (§ 1546) oder die Vermögensverwaltung entzogen ist (88 1547, 1548, 1550, 1623), wenn die elterliche Gewalt ruht (§§ 1554—1556) oder roeim der Inhaber der elterlichen Gewalt in Folge der Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen die elterliche Vermögensverwaltung verloren hat (§ 1553). Nach dem in großen Rechtsgebieten geltenden Rechte, insbesondere nach dem preuß. Rechte, verliert in den meisten und wichtigsten der hier in Rede stehenden Fälle der Inhaber der väterlichen Gewalt mit der Verwaltung des Kindes­ vermögens auch den Nießbrauch, namentlich in den Fällen des Konkurses, der Entmündigung wegen Verschwendung, des Verlustes der väterlichen Gewalt wegen Mißbrauches sowie des Ruhens der väterlichen Gewalt (vergl. preuß. A. L. R. 11, 2 88 206, 268, 256 — 265). Nur in dem Falle, wenn ein Dritter bei einer Zuwendung an das Kind dem Vater lediglich die

790

Elterliche Nutznießung. Ausschluß d. elterl. Verwaltung. §§ 153'2,1533.

Vermögensverwaltung, nicht zugleich den Nießbrauch entzogen hat, tritt auch nach preuß. Rechte im Prinzipe ein ähnliches Verhältniß ein, wie nach dem Ent­ würfe in den Fällen des § 1532 (vergl. preuß. A. L. N. II, 18 §§ 977 ff.). Nach anderen Rechten dagegen, insbesondere nach gemeinem Rechte (vergl. Seuffert VII, 198, XXIV, 201) und dem sächs. G. B. §§ 1815, 1816, 1834, zieht auch in sonstigen Fällen der hier fraglichen Art der Verlust der mit der väterlichen Gewalt verbundenen Verwaltung nicht den Verlust des Nießbrauches nach sich; doch enthalten diese Rechte keine besonderen Bestimmungen darüber, wie in solchen Fällen das Verhältniß rechtlich sich gestaltet, ob und inwieweit dem Vater der Nießbrauch als ein dingliches Recht verbleibt oder ob der Nießbrauch sich in einen persönlichen Anspruch auf die Einkünfte umwandelt (vergl. code civil Art. 618). Entziehung

der elterlichen

Der Entwurf geht zunächst davon aus, daß in solchen Fällen, in welchen i'em Inhaber der elterlichen Gewalt in Ansehung des der elterlichen Nutz-

Nutznießung.

nießung unterliegenden Vermögens die elterliche Vermögensverwaltung nicht zusteht, demselben jedenfalls nicht die eigene Ausübung der elterlichen Nutz­ nießung mit der dazu erforderlichen nießbräuchlichcn Verwaltung gelassen werden darf, weil ein solches Verhältniß zwischen dem Inhaber der elterlichen Gewalt als Nutznießer und dem zur Vermögensverwaltung berufenen gesetz­ lichen Vertreter des Kindes zu Konflikten führt und auf die Vermögens­ verwaltung zum Nachtheile des Kindes hemmend und störend einzuwirken droht. Insbesondere müßen in den Fällen, in welchen dem Inhaber der elterlichen Gewalt wegen Gefährdung des Kindes durch das Vormundschafts­ gericht die Vermögensverwaltung entzogen ist (§§ 1546, 1547, 1550), dieselben Gründe, welche eine derartige Maßregel veranlassen, im Interesse des Kindes nothwendig dahin führen, dem Inhaber der elterlichen Gewalt auch die mit der eigenen Ausübung der Nutznießung verbundene nießbräuchliche Verwaltung zu nehmen, wenn nicht die Entziehung der elterlichen Vermögensverwaltung, wenigstens zum Theil, illusorisch gemacht werden soll. Aber auch in den Fällen, in welchen an die Stelle der ruhenden elterlichen Gewalt des Vaters mit Ausnahme der dem letzteren verbleibenden elterlichen Nutznießung die elterliche Gewalt der Mutter tritt, entspricht cs den natürlichen Verhältnissen am meisten, wenn die mit der elterlichen Nutznießung verbundenen kleinen Verwaltungshandlungen des täglichen häuslichen Lebens der Mutter über­ wiesen werden und die störende Einmischung des Vaters bezw. des demselben bestellten Vormundes ferngehalten wird.

Prinzipielle

Eine andere Frage ist, wie, um jenes Ziel zu erreichen, das Verhältniß Qm zollmäßigsten und in einer den verschiedenen Interessen gleichmäßig

Gestaltnng

BerlMnisftz.

Rechnung tragenden Weise rechtlich zu gestalten ist. Es bieten sich in dieser Hinsicht verschiedene Wege dar. Man kann in den hier fraglichen Fällen der elterlichen Nutznießung den Karakter eines dinglichen Rechtes gänzlich nehmen und den Inhaber der elterlichen Gewalt kraft der elterlichen Nutznießung auf eilten persönlichen Anspruch gegen das Kind auf den jährlichen Ueberschuß

der Einkünfte des Kindesvermögens beschränken. Oder man behält auch in diesen Fällen die elterliche Nutznießung als ein dingliches Recht bei, schließt aber den Inhaber der elterlichen Gewalt von der eigenen Ausübung der elter-

Elterliche Nutznießung. Ausschluß d. elterl. Verwaltung. §§ 1532,1533.

791

lichcn Nutznießung aus und läßt die letztere für Rechnung des Inhabers der elterlichen Gewalt von dem Kinde durch den für die Vermögensverwaltung berufenen gesetzlichen Vertreter desselben ausüben. Der erstere Weg ist dem Kinde insofern günstiger, als er das Recht der elterlichen Nutznießung zu einem nur persönlichen Ansprüche abschwächt. Auch gewährt er dem zur Vermögens­ verwaltung berufenen gesetzlichen Vertreter des Kindes gegenüber dem Inhaber der elterlichen Gewalt eine freiere und selbständigere Stellung. Insbesondere ist nach dem ersten Wege, nach welchem die gesammte Vermögensverwaltung, einschließlich der Fruchtziehung, für Rechnung des Kindes erfolgt und dem Inhaber der elterlichen Gewalt nur ein persönlicher Anspruch auf den Ueberschuß des Reinertrages zusteht, der gesetzliche Vertreter des Kindes der Pflicht einer sein Amt erschwerenden doppelten Rechnungsführung überhoben, indem er als solcher nur dem Vormundschaftsgcrichte, nicht auch in Ansehung der Ausübung der Nutznießung dem Inhaber der elterlichen Gewalt Rechnung zu legen verpflichtet ist. Ueberwiegende Gründe sprechen indessen für den zweiten, von dem Entwürfe eingeschlagenen Weg. Derselbe hat, wenn man eimnal davon ausgcht, daß in den hier fraglichen Fällen die elterliche Nutznießung überhaupt bestehen bleiben soll, die Nechtskonscquenz für sich und die Analogie des § 1006, welcher für den Nießbrauch eine ähnliche Vorschrift, wie die des § 1532, trifft und durch den § 1292 auch auf die eheliche Nutznießung für anwendbar erklärt ist. Die Regelung des Entwurfes hat ferner den Vorzug, daß sie das hier in Rede stehende Verhältniß und das Gesetz erheblich ver­ einfacht und das besondere Institut einer den Karakter eines dinglichen Rechtes entbehrenden elterlichen Nutznießung vermeidet. Die Ausgestaltung dieses be­ sonderen Institutes im Einzelnen ist zudem mit verschiedenen Schwierigkeiten verbunden und macht eine Reihe kasuistischer, verwickelter Bestimmungen noth­ wendig, namentlich über die Zeit der Fälligkeit des Anspruches auf den Ueberschuß des Reinertrages, sowie über den Zeitpunkt, in welchem der Ersatz der Bcstellungskostcn und der Verwendungen nach Maßgabe der §§ 1009, 1010 von dem Inhaber der elterlichen Gewalt in den hier fraglichen Fällen verlangt werden kann. Alle diese Schwierigkeiten und diese besonderen Be­ stimmungen werden vermieden, wenn dem Inhaber der elterlichen Gewalt die elterliche Nutznießung als dingliches Recht verbleibt. Dazu kommt, daß das Nutzungsrecht des Inhabers der elterlichen Gewalt vermöge des diesem Rechte verbleibenden dinglichen Karakters in höherem Maße geschützt ist. Er wird insbesondere Eigenthümer der getrennten Früchte, und sind die letzteren daher dem Zugriffe der Gläubiger des Kindes entzogen. Namentlich für den praktisch wichtigsten und am häufigsten vorkommenden Fall der ruhenden elterlichen Gewalt (§ 1554) würde die Umwandlung des dinglichen Rechtes der Nutz­ nießung in einen persönlichen Anspruch auf den Ueberschuß des Reinertrages eine bedenkliche Härte gegen den Inhaber der elterlichen Gewalt enthalten, wenn man sich vergegenwärtigt, daß das Ruhen der elterlichen Gewalt der Regel nach ohne jedes Verschulden des Inhabers der elterlichen Gewalt eintritt. Die Billigkeit erfordert, daß derselbe hinsichtlich der Nutznießung nicht weiter beschränkt wird, als unbedingt nothwendig ist und das Interesse des Kindes es erheischt. Dem Interesse des Kindes aber wird völlig dadurch genügt, daß

792

Elterliche Nutznießung. Ausschluß d. eitert Verwaltung. §§ 1532,1533.

der Inhaber der elterlichen Gewalt von der eigenen Ausübung der elterlichen Nutznießung ausgeschlossen ist, sowie durch die weitere Bestimmung, daß er die Herausgabe der Nutzungen nur insoweit verlangen kann, als dieselben zu der Fortführung einer ordnungsmäßigen Verwaltung und zu der Bestreitung der Lasten der Nutznießung nicht erforderlich sind, und daß, wenn die elter­ liche Gewalt ruht oder mit Ausnahme der elterlichen Nutznießung durch das Vormundschaftsgcricht entzogeu ist, dem Inhaber der elterlichen Gewalt mithin auch die Sorge für die Person des Kindes nicht zusteht, aus den demselben herauszugebcnden Nutzungen auch die Kosten des Unterhaltes des Kindes in­ soweit vorweg entnommen werden können, als sie dem Inhaber der elterlichen Gewalt zur Last fallen. Durch diese Dispositionsbeschränkungen in Ansehung der elterlichen Nutznießung ist insbesondere einer Einwirkung des Inhabers der elterlichen Gewalt auf die Verwaltung der Nutznießung und der Gefahr vorgebeugt, daß derselbe bezw. desien Gläubiger beliebig auf die erzielten Nutzungen vermöge des dem ersteren zustehenden Eigenthumsrechtes greifen und dadurch eine ordnungsmäßige und gedeihliche Verwaltung hindern und die Erfüllung der dem Inhaber der elterlichen Gewalt kraft seiner elterlichen Nutz­ nießung und seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kinde obliegenden Ver­ pflichtungen gefährden können (vergl. auch §§ 1534, 1535). Auf der anderen Seite versteht es sich aber von selbst, daß der zur Vermögensverwaltung berufeire gesetzliche Vertreter des Kindes bei der Art der Verwaltung des Kindes­ vermögens, soweit dies mit dem Interesse des Kindes vereinbar ist, auch das Juteresse des Inhabers der elterlichen Gewalt zu berücksichtigen utib das Ver­ mögen des Kindes, namentlich auch insoweit, als dasselbe in verbrauchbaren Sachen und Forderungen besteht (§§ 1523, 1526), ordnungsmäßig zum Zwecke der Fruchtziehung zu verwalten hat. Eimeih.it.n. Im Einzelnen ist noch Folgendes hervorzuheben: Durch die Bestimmung des § 1532 Abs. 1 Satz 1, daß die elterliche Nutznießung für Rechnung des Inhabers der elterlichen Gewalt von dem Kinde durch den für die Vermögensverwaltung berufenen gesetzlichen Vertreter des Kindes auszuüben ist, wird klargestellt, daß berechtigt und verpflichtet zu dieser Ausübung nicht etwa die Person des gesetzlichen Vertreters, sondern das Kind selbst ist und dieses hier wie in anderen Beziehungen nur durch feinen gesetz­ lichen Vertreter vertreten wird. 6oforti.w Von dem Prinzipe, daß in den Fällen, in welchen dem Inhaber der elterlichen Gewalt in Ansehung des der elterlichen Nutznießung unterliegenden bmdl>chkeil-n. Vermögens des Kindes die Verwaltung nicht zusteht, der Karakter der elter­ lichen Nutznießung, vorbehaltlich der aus dem § 1532 sich ergebenden Be­ schränkungen, nicht geändert wird, macht der § 1533 die weitere Ausnahme, daß der Inhaber der Gewalt, wenn er zu der Erfüllung einer gegenüber dem Kinde ihm obliegenden Verbindlichkeit wegen der elterlichen Nutznießung erst nach bereu Beendigung verpflichtet ist (§ 1523 Abs. 2, 3, § 1521 Derb, mit § 988 Abs. 2), in den Fällen des § 1532 die Leistung sofort zu bewirken hat. Die Verpflichtung zu der sofortigen Bewirkung der Leistung tritt hier an die Stelle der Ausschließung von der eigenen Ausübung der elterlichen Nutznießung und rechtfertigt sich durch die Rücksicht auf die Sicherheit des Kiudes, welche in

Elterliche Nutznießung. Unveräußerlichkeit/ §§ 1534, 1535.

793

den hier in Betracht kommenden Fällen regelmäßig gefährdet ist. Nnr in den Füllen des Ruhens der elterlichen Gewalt soll die ^Bestimmung des § 1533 Abs. 1 keine Anwendung finden, da die Anivendung derselben auf diese Fülle

zu einer unbilligen Härte gegen den Inhaber der elterlichen Gewalt führen würde nnd durch das Interesse des Kindes in diesen Füllen nicht geboten ist. Unter die Bestimmung des § 1533 Abs. 1 füllt anch der Fall, in welchem der Inhaber der elterlichen Gemalt nach Maßgabe der §§ 1292, 988 Abs. 2 zur Erfüllung der im § 988 Abs. 2 bezeichneten Verbindlichkeit wegen der elterlichen Nutznießung an sich erst nach Beendigung der letzteren verpflichtet ist. Wenngleich die ratio des § 988 Abs. 2 dafür geltend gemacht werden kann, für den dort bezeichneten Fall von der Bestimmung des § 1533 Abs. I eine Ausnahme zu machen, so ist eine solche Ausnahmebestimmung doch im Hinblicke auf die Seltenheit eines solchen Falles und den kasuistischen Karakter einer derartigen Vorschrift als angemessen nicht erachtet, zumal aus der An­ wendung des § 1533 Abs. 1 auf diesen Fall eine erhebliche Unbilligkeit sich nicht ergeben wird, da der Inhaber der elterlichen Gewalt die Zinsen der gezahlten Summe bezieht mit) die Fortdauer der elterlichen Nutznießnng in den Füllen, auf welche die Bestimmung des § 1533 Abs. 1 Anwendung findet, für den Inhaber der elterlichen Gemalt ohnehin als eine Begünstigung sich

darstellt.

§§ 1534, 1535. Gemeinrechtlich ist bestritten, ob der vüterliche Nießbrauch der Ausübung nnv°r°»ß«uach übertragbar ist (vergl. dafür Seuffert V, 296; dagegen Seuffert XX, 222). li^pflä“b"b

Auch die neueren Gesetzbücher entscheiden die Frage nicht ausdrücklich. Da- ba^tv[bev gegen erkennen die meisten liechte an, daß die Gläubiger des Vaters sich Rutzni-ßu».,. behufs ihrer Befriedigung insoweit an die Einkünfte des Kindesvermögens der

halten können, als dadurch die Unterhaltspflicht des Vaters gegenüber dem Kinde nicht beeinträchtigt wird. Noch weiter geht das sächs. G. B., nach welchem die Gläubiger des Vaters zu ihrer Befriedigung die Früchte des dem väterlichen Mißbrauche unterliegenden Vermögens nur insoweit in Anspruch nehmen können, als nicht die Kosten der Erhaltung des Gegenstandes des Nieß­ brauches sowie der Unterhalt des Vaters und der Familienglieder, zu deren Unterhalte er gesetzlich verpflichtet ist, daraus zu bestreiten sind (vergl. preuß. A. L. R. II, 2 §§ 205, 206; öfters. G. B. § 105; sächs. G. B. § 1820). Das oldenb. Ges. v. 24. April 1873 Art. 44 § 4 schließt die Pfändung ganz aus. Die gemeinrechtliche Praxis läßt die Zwangsvollstreckung in das väterliche Meßbrauchsrecht theils unbeschränkt zu (Seuffert V, 296, XXXV, 222), theils mit der Maßgabe, daß den Kindern auf Grund ihrer Unterhaltsberechtigung ein Einspruchsrecht eingeräumt wird (Seuffert III, 338, XXII, 153, 281). Diese letztere Auffassung wird anch von der franz. Jurisprudenz (vergl. code civil Art. 385) vertreten.

Für den Fall des Konkurses über das Vermögen des nutznießungs­ berechtigten Elterntheiles gehört nach § 1 Abs. 2 der Äons. O. der Nießbrauch zur Konkursmasse, soweit er nicht, wie dies nach dem preuß. A. L. R. 11, 2

G-»«nd«z 3le^t'

794

Standpunkt des Entwurfes.

Elterliche Nutznießung.

Unveräußerlichkeit.

§§ 1534, 1535.

§ 206 und nach den oldenb. Gesetzen v. 10. April 1879 Art. 52 und 2. April 1879 Art. 35 der Fall ist, mit der Eröffnung des Konkurses erlischt. Aus den Nutzungen kann aber der Gemeinschuldncr die Mittel beanspruchen, welche zu seinem angemessenen Unterhalte und dazu erforderlich sind, um eine gesetzliche Verpflichtung desselben zum Unterhalte seiner Ehefrau oder zum Unterhalte und zur Erziehung seiner Kinder zu erfüllen. Aehnliche Erwägungen, wie diejenigen, auf welchen die Vorschriften der §§ 1298, 1299 beruhen, müssen dahin führen, daß — abweichend von den für den Nießbrauch geltenden Vorschriften der §§ 1011 bis 1013 — die Rechte, welche durch die elterliche Nutznießung an den zu dem Vermögen des Kindes gehörenden Gegenständen begründet sind, wegen ihrer familienrechtlichen Grund­ lage nicht veräußert und belastet werden können und der Pfändung nicht unterliegen, sowie daß in Ansehung der Pfändung der auf Grund der elter­ lichen Nutznießung von dem Inhaber der elterlichen Gewalt erworbenen Früchte die Vorschriften des § 1299 entsprechende Anwendung finden. Um aber im Interesse des Kindes die Einmischung dritter, dem Kinde fremd gegenüber­ stehender Personen in die Verwaltung des Kindcsvermögens thunlichst zu vermeiden und zu verhindern, daß der Zweck der im § 1535 bestimmten Pfändungsbeschränkungcn vereitelt werde, soll die Bestimmung des § 1534 Satz 1 für den Fall, daß der Inhaber der elterlichen Gewalt nach Maßgabe des § 1532 von der eigenen Ausübung ausgeschlossen ist, auch auf den nach den Bestimmungen des § 1532 dem Inhaber der elterlichen Gewalt zustehendcn Anspruch auf Herausgabe der Nutzungen, solange dieser noch nicht fällig ge­ worden ist, Anwendung finden. Ferner soll jener Anspruch auch nach Eintritt der Fälligkeit desselben nur mit den im § 1299 bestimmten Beschränkungen der Pfändung unterliegen, damit nicht die auf Grund des Anspruches dem Inhaber der elterlichen Gewalt herauszugebenden Nutzungen ihrer Bestimmung, zunächst zur Erfüllung der im § 1299 Abs. 1 bezeichneten Unterhaltsverpflichtungcn des Inhabers der elterlichen Gewalt zu dienen, durch die Gläubiger des letzteren entzogen werden können. Dem Erwerbe der Früchte auf Grund der elterlichen Nutznießung, wenn die letztere von dem Inhaber der elterlichen Gewalt selbst ausgeübt wird, steht im Falle des § 1532 materiell die Fälligkeit des Anspruches auf Herausgabe der Nutzungen gleich. Wie im Falle des § 1298, braucht neben der Unveräußerlichkeit im Hinblicke auf die §§ 1022, 1207 die Nichtbelastbarkcit nicht besonders hervor­ gehoben zu werden; dagegen ist cs, wie im § 1298, so auch hier mit Rücksicht auf die Vorschrift des § 312 erforderlich, die Zulässigkeit der Pfändung der hier fraglichen Rechte ausdrücklich auszuschließen, da der Vater die Aus­ übung derselben, insbesondere durch Vermiethung oder Verpachtung, einem Anderen überlassen kann.

Konkurs des Inhabers der elterlichen Gewalt.

Aus den §§ 1534, 1535 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 der Konk. O. ergiebt sich von selbst, daß auch im Falle der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Inhabers der elterlichen Gewalt die Rechte, welche durch die elterliche Nutznießung an den zum Vermögen des Kindes gehörenden Gegenständen begründet sind, sowie der nach den Bestimmungen des § 1532

dem Inhaber der elterlichen Gewalt zustehcnde Anspruch auf Herausgabe der

Elterliche Nutznießung. Heirath des Kindes. § 1536.

795

Nutzungen, soweit dieser zur Zeit der Eröffnung des Konkurses noch nicht fällig ist, nicht zur Konkursmasse gehört, sowie daß die zu dieser Zeit auf Grund der elterlichen Nutznießung von dem Inhaber der elterlichen Gewalt bereits erworbenen Früchte und der im § 1532 bezeichnete, zu jener Zeit bereits fällige Anspruch auf Herausgabe der Nutzungen nur mit den aus 88 1535, 1299 sich ergebenden Beschränkungen zur Konkursmasse gezogen werden können. Im Uebrigen wird zur Begründung der §§ 1534, 1535 auf die Motive zu 88 1298, 1299 verwiesen.

§ 1536. Die Regel des § 1536, daß die elterliche Nutznießung durch die Schließung einer Ehe von Seiten des Kindes beendigt wird bezw. nicht eintritt, wenn die Nutznießung elterliche Gewalt erst nach Schließung der Ehe des Kindes erlangt worden ist ewb^unn

(vergl. § 1501 Abs. 2, § 1559 Abs. 2), enthält eine Modifikation des dem Entwürfe zu Grunde liegenden Prinzipes, daß die elterliche Gewalt durch die Heirath des Kindes nicht beendigt wird (vergl. § 1509). Diese Modifikation rechtfertigt sich theils, und zwar vorzugsweise, durch den Gesichtspunkt, daß die Einkünfte des Kindesvermögens zur Bestreitung der Kosten des ehelichen Haushaltes der Regel nach nicht zu entbehren sind, theils durch die Erwägung, daß, wenigstens im Falle der Verheirathung der Tochter, die Hauptgründe, aus welchen dtr Entwurf die elterliche Nutznießung mit der elterlichen Gewalt verbunden hat, wegfallen. Da die Tochter nach ihrer Verheirathung den Unterhalt in erster Linie nicht mehr von den Eltern, sondern von dem Ehe­

des Kindes.

manne empfängt (§ 1484), so dient die elterliche Nutznießung regelmäßig nicht mehr als Ausgleichung für den von den Eltern den Kindern zu gewährenden Unterhalt. Auch tritt der Zweck der elterlichen Nutznießung, das Kind behufs Stärkung der elterlichen Autorität auch in vermögensrechtlicher Beziehung von den Eltern abhängig zu machen, im Falle der Verheirathung des Kindes, namentlich der Verheirathung der Tochter (vergl. 8 1509), in den Hinter­

grund. Dazu kommt, daß auch nach dem geltenden Rechte die elterliche Nutz­ nießung durch die Heirath der Tochter ganz allgemein, durch die Verheirathung des Sohnes wenigstens dann beendigt wird, wenn mit dieser Verheirathung,

was thatsächlich meistens der Fall sein wird, eine Absonderung von dem elter­ lichen Haushalte verbunden ist. Nach verschiedenen Rechten hat aber auch die Verheirathung des Sohnes als solche bereits die Beendigung der elterlichen Nutznießung zur Folge (vergl. Scuffert XI, 52, XXIX, 148, XXVII, 144; prcuß. A. L. R. II, 2 88 168, 210 ff., 228, 229; scichs. G. B. 88 1811, 1832, 1833; Code civil Art. 476, 384; Weimar. Ges. v. 27. März 1872 8 17; braunschw. Ges. v. 19. Mai 1876; Hess. Entm. III Art. 25, 38). Von der Regel des 8 1536 ist jedoch für den Fall eine Ausnahme bestimmt, daß die Ehe von dem Kinde ohne die nach den 88 1238, 1239 er­ forderliche Einwilligung desjenigen Eltcrntheiles geschloffen ist, welchem die elterliche Nutznießung zusreht. Diese dem preuß. A. L. R. II, 2 8 228 und dem württemb. L. R. IV, 13 8 6 sich anschließende Ausnahme beruht auf der

Ausnahme,

796

Elterliche Nutznießung.

Verzicht.

§ 1537.

Erwägung, daß dem Inhaber der elterlichen Gewalt durch die rechtswidrige Handlung des Kindes das Recht der elterlichen Nutznießung nicht entzogen iverden darf. Dieselbe greift auch dann Platz, wenn der betreffende Elterntheil seine Einwilligung zur Eheschließung aus einem nicht gerechtfertigten Grunde verweigert, das Kind aber die Ehe geschlossen hat, ohne daß zuvor die elter­ liche Einwilligung durch richterliches Urtheil nach Maßgabe des § 1238

Abs. 3, 4 ersetzt worden war,

da, solange der Elterntheil zur Ertheilung der Einwilligung rechtskräftig nicht verurtheilt ist, die Einwilligung nach den 88 1238, 1239 erforderlich bleibt. Welchen Einfluß es auf die Fortdauer der elterlicheu Nutznießung hat, wenn der betreffende Elterntheil die erforderliche Genehmigung nachträglich nach Schließung der Ehe ertheilt, ist in Er­ mangelung eines Bedürfnisses und zur Vermeidung von Kasuistik im Gesetze nicht besonders entschieden. Im Allgemeinen wird davon auszugehen sein, daß in einem solchen Falle der Verstoß gegen die dem betreffenden Elterntheile schuldige Pietät und damit auch die an diesen Verstoß geknüpfte Folge wegfüllt, die elterliche 'Nutznießung mithin nachträglich beendigt wird.

§ 1537. Verzicht auf

Nach röm. Rechte hat der Verzicht des Vaters auf das väterliche Nießbrauchsrecht nur die Wirkung einer dem Hauskinde von dem Hausvater gemachten gewöhnlichen Schenkung (1. 0 § 2 Cod. de bon. quae lib. 6, «i); die gemeinrechtliche Praxis sieht jedoch einen solchen Verzicht als rechtsgültig an (vergl. Seuffert XIV, 44 S. 63). Auf demselbeu Boden steht das bayr. L. R. I, 5 § 6 Nr. 5). Im Uebrigen enthalten die bestehenden Rechte keine besonderen Bestimmungen darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen auf die väterliche oder elterliche Nutznießung verzichtet werden kaun; doch hat die Vorschrift des sächs. G. B. 8 1811, daß die väterliche Gewalt erlischt, wenn der Vater deren Aufhebung vor Gericht erklärt, für den Fall der Volljährigkeit des Kindes mit Rücksicht auf den Inhalt der väterlichen Gewalt gegenüber volljährigen Kindern im praktischen Resultate die Bedeutung eines einseitigen Verzichtes auf das väterliche Nießbrauchs- und Verwaltungsrecht. Die franz. Jurisprudenz hält einen Verzicht auf die elterliche Nutznießung für zulässig. Nach § 1561 verb. mit § 1502 würde in Ermangelung einer besonderen Bestimmung ein Verzicht des Inhabers der elterlichen Gewalt auf die elter­ liche 'Nutznießung im Ganzen als Gesammtrechtsverhältniß unzulässig sein, insbesondere auch im Wege eines Vertrages mit dem Kinde nicht bewirkt werden können. Es ist jedoch die elterliche Nutznießung an sich kein wesent­ licher Bestandtheil der elterlichen Gewalt, und wird durch den Wegfall der­ selben die mit der elterlichen Gewalt verbundene Sorge für das Vermögen des Kindes nicht berührt. Ferner kommt in Betracht, daß der Inhaber der elterlichen Gewalt vermöge der elterlichen Nutznießung die im § 1531 unter Nr. 4— 6 bezeichneten Zinsen, Leistungen und Kosten nach § 1531 Abs. 2 nur insoweit zu tragen hat, als dieselben den Betrag der Nutzungen nicht über­ steigen, daß die unter Nr. 1—3 daselbst bezeichneten, ohne Rücksicht auf den

Betrag der 'Nutzungen von dem Inhaber der elterlichen Gewalt vermöge der

Elterliche Gewalt der Mutter. Beistand. § 1538.

797

elterlichen Nutznießung zu trageuden Lasten und Kosten aber den Betrag der Nutzungeir des ganzen Kindesvermögens kaum jemals erreichen werden. Hiernach droht die Zulassung des Verzichtes auf die elterliche Nutznießung das Kind auch in vermögeusrechtlicher Hinsicht nicht zu gefährden; vielmehr wird

dieselbe dem Kinde regelmäßig nur zum Vortheile gereichen.

Es ist daher die

Bestimmung des § 1537, hingesehen auf das Interesse des Kindes, als un­ bedenklich und als angemessen zu erachten. Die Gründe, aus welchen der Entwurf einen einseitigen Verzicht des Ehemannes auf die eheliche Nutz­

nießung und Verwaltung nicht zugelassen hat (vergl. die Motive zu § 1327 oben S. 295), insbesondere der Gesichtspunkt, daß der Ehemann sich einseitig seiner Verwaltungspflicht in Ansehung des Ehegutes nicht entziehen kann, treffen hier nicht zu, da die elterliche Nutznießung mit der Pflicht des Inhabers der elterlichen Gewalt, für das Vermögen des Kindes zu sorgen, nicht, wie dies bei der ehelichen Nutznießung und Verwaltung der Fall ist, in einem inneren Zusammenhänge steht, sondern jene Pflicht trotz des Verzichtes in vollem Um­ fange und mit Erweiterung desselben auf die Fruchtziehung bestehen bleibt. Ist die Zulassung des Verzichtes einerseits vom Standpunkte des Kindes aus unbedenklich, so ist dieselbe andererseits in denjenigen Fällen, in welchen aus­ nahmsweise die elterliche Nutznießung schon bei Lebzeiten des Vaters der Mutter zusteht (§ 1559 Abs. 2, §§ 1564, 1567) und deshalb die letztere vor­ dem Vater zur Gewährung des Unterhaltes an das Kind verpflichtet ist (§ 1485), durch Rücksichten der Billigkeit gegen die Mutter geboten. Die Zulaffung des Verzichtes durch einseitige Erklärung des Inhabers der elterlichen Gewalt entspricht den Bestimmungen der §§ 1015, 1016. Mit Rücksicht darauf aber, daß es sich hier um einen Verzicht auf die elterliche Nutznießung im Ganzen handelt itnb dieser Verzicht auch im Verhältnisse zu Dritten, insbesondere auch gegenüber den Gläubigern des Inhabers der elter­ lichen Gewalt, von Bedeutung ist, bestimmt der § 1537 Satz 2, daß zu der Wirksamkeit des Verzichtes eine vor dem Vormundschaftsgerichte abzugebendc Erklärung erforderlich sein soll. Inwieweit ein Verzicht auf die elterliche Nutznießung in Ansehung ein­ zelner derselben unterliegender Gegenstände möglich und zulässig ist, richtet sich nach § 1520 in Verbindung mit den §§ 1015, 1016, 1025.

4.

Fon»,

Elterliche Gewalt der Mutter.

§ 1538. Wenngleich der Entwurf der Mutter eine der elterlichen Gewalt des Zuordnung Vaters grundsätzlich gleichstehendc elterliche Gewalt einräumt, so hat er doch Beistandes, Anstand genommen, diesen Schritt so unbedingt und vorbehaltslos zu thun, wie der hesi. Entwurf, das ital. G. B. und das weimar. Ges. v. 27. März 1872 (vergl. die Motive zu §§ 1501, 1502 oben S. 735 ff.). Wenn es für unbedenklich erachtet ist, der Mutter die elterliche Gewalt zu geben, so ist dies in der Erwägung geschehen, daß es auch in etwa vorkommenden schwierigeren Verhältniffen der Mutter regelmäßig an dem einen oder anderen ihr nahe stehenden

798

Elterliche Gewalt der Mutter. Beistand. § 1538.

Verwandten oder Freunde nicht fehlen wird, welcher ihr erforderlichenfalls als ihr Vertrauensmann mit Rath und That beistehen kann und will. Es ist jedoch anzucrkennen, daß es immer einzelne Fälle, namentlich in höheren Ständen, geben wird, in welchen die Mutter einer solchen Stütze bedarf, gleich­ wohl aber nach ihrer Persönlichkeit oder den sonstigen Verhältnissen zu besorgen ist, daß sie entweder nicht im Stande ist, selbständig den Beistand eines solchen Vertrauensmannes sich zu verschaffen, oder daß sie dem Rathe desselben nicht denjenigen Einfluß einräumt, welchen das Gesetz, indem dasselbe ihr die elter­ liche Gewalt unbeschränkt anvertraut, voraussetzt. Mit Rücksicht auf solche Ausnahmefälle allgemein zu bestimmen, daß in allen Fällen der Vermögens­ verwaltung der Mutter in derselben Weise, wie dies nach franz. Rechte bei der gesetzlichen Vormundschaft der Mutter der Fall ist (vergl. code civil Art. 390, 420), und auch von anderen Rechten für den Fall der Führung der Vormundschaft durch die Mutter in ähnlicher Art vorgeschrieben wird (vergl. österr. G. B. §§ 211—215; württemb. L. 91. I, 16 § 6; bayr. L. R. I, 7 8 6 Nr. 7; Hamb. Vorm. O. v. 14. Dezember 1883 Art. 7, 21, 48 Abs. 3), ein ständiger Gegenvormund zu bestellen sei, würde ein Wiederaufgeben des Prinzipes sein, daß der Mutter eine der Stellung des Vaters grundsätzlich gleiche Stellung eingeräumt werden soll. Es würde durch eine solche Bestimmung vormundschaftlichen Organen in weitem Umfange wieder Eingang in das innere Familienleben gestattet und die sonst mit der elterlichen Gewalt verbundene freie und selbständige Stellung wieder zu einer kontrolirten

aufAnordnung des Vaters,

Vormundschaft herabgedrückt. Dem Bedürfniffe wird vollständig genügt, wenn Vorsorge getroffen wird, daß für Ausnahmefälle der gedachten Art der Mutter ein Beistand bestellt werden kann, welcher innerhalb des ihm zu­ gewiesenen größeren oder geringeren Wirkungskreises im Allgemeinen eine der Stellung eines Gegenvormundes gleichkommcnde Stellung cinnimmt. Der § 1538 bestimmt die einzelnen Fälle, in welchen das Vormundschaftsgericht der Mutter, welcher die elterliche Gewalt zusteht, einen solchen Beistand zu bestellen hat. Da der Vater regelmäßig am besten zu beurtheilen im Stande sein wird, ob ein Bedürfniß vorliegt, der Mutter nach seinem Tode einen Ver­ trauensmann beizuordnen, so giebt der Entwurf dem Vater nach dem Vorbilde des code civil Art. 391, 392 als Ausfluß seiner elterlichen Gewalt die Befugniß, durch lctztmillige Verfügung nach Maßgabe der im § 1538 Abs. 2 in dieser Hinsicht für entsprechend anwendbar erklärten Vorschriften des § 1636 die Bestellung eines solchen Beistandes der Mutter mit der Wirkung anzuordnen, daß das Vormundschaftsgericht auf Grund dieser Anordnung einen Beistand zu bestellen hat. Im Anschluffe an diejenigen Rechte, nach welchen der Vater befugt ist, die Mutter von der nach seinem Tode einzuleitenden Vormundschaft überhaupt oder wenigstens dann gänzlich auszuschließen, wenn er selbst gleich­

zeitig einen anderen Vormund ernennt (vergl. 1. 1 D. de test. tut. 26,2; 1. 21 § 2 D. de tut. dat. 26,5; Nov. 118 c. 5; preuß. A. L. R. II, 18 §§ 141, 186; österr. G. B. §§ 193, 198; sächs. G. B. §§ 1886, 1887, 1890; preuß. Vorm. O. v. 5. Juli 1875 § 17 Nr. 2, § 21 Nr. 6; Entw. der bayr. Vorm. O. § 30 Nr. 2, § 32), dem Vater das noch weitergehcnde Recht einzuräumcn, die Mutter

Elterliche Gewalt der Mutter.

Beistand.

§ 1538.

799

von der elterlichen Gewalt auszuschließen, ist mit Rücksicht auf die Natur der elterlichen Gewalt als eines auf der natürlichen und sittlichen Stellung der Eltern gegenüber dem Kinde beruhenden Verhältnisses weder prinzipiell gerecht­

fertigt, noch durch ein praktisches Bedürfniß geboten. Die Frage, ob, wenn der Vater die Bestellung eines von ihm benannten Beistandes angcordnet hat, dieser aber das Amt nicht übernehmen kann oder aus berechtigten Gründen nicht übernehmen will oder später wegfällt, statt des von dem Vater benannten Beistandes ein anderer Beistand von dem Vor­ mundschaftsgerichte zu ernennen ist, hat der Entwurf ebensowenig wie der code civil durch eine besondere Bestimmung entschieden, da die Beantwortung der Frage von der Auslegung der betreffenden Anordnung des Vaters abhängt. Als einen weiteren Fall, in welchem das Vormundschaftsgericht der aus «»trag Mutter einen Beistand bestellen muß, bezeichnet der § 1538 Abs. 1 Nr. 2 den ber Fall, wenn die Mutter die Bestellung beantragt. Das franz. Recht (code civil Art. 394) gestattet der Mutter sogar das Recht, die gesetzliche Vormundschaft abzulehnen. Auch verschiedene andere Rechte, insbesondere das gemeine Recht,

die preuß. Norm. O. § 23 Nr. 1 und die Hamb. Vorm. O. v. 14. Dezember 1883 Art. 7 (vcrgl. ferner bayr. Entw. einer Vorm. O. § 39), verpflichten die Mutter

nicht, die Vormundschaft zu übernehmen, während das sächs. G. B. §§ 1890 bis 1892, 1897 und die brem. Vorm. O. v. 14. Mai 1882 § 23 Nr. 1, § 24 in dieser Hinsicht auf dem entgegengesetzten Standpunkte stehen. In Ueber­ einstimmung mit dem Hess. Entw. III Art. 19, dem ital. G. B. Art. 221, 231 und dem wcimar. Ges. v. 27. März 1872 § 1 geht der Entwurf davon aus, daß cs mit der Natur der elterlichen Gewalt, welche für den Inhaber der­ selben in erster Linie einen Kreis von Pflichten begründet (§ 1502 Nr. 1, § 1561), nicht vereinbar sein würde, der Mutter das Recht einzuräumen, die elterliche Gewalt abzulehnen. Um so weniger kann ihr aber, wenn sie ihrer Aufgabe allein sich nicht gewachsen fühlt, das Recht versagt werden, von dem Vormundschaftsgerichtc die Bestellung eines Beistandes mit der Wirkung zu erbitten, daß dasselbe diesem Anträge stattgeben muß. In den im § 1538 Abs. 1 Nr. 3 bezeichneten Fällen soll ferner das A»°rdVormundschaftsgericht im Interesse des Kindes berechtigt, wie verpflichtet sein, mundschaft"/-' der Mutter auch von Amtswcgcn einen Beistand zu bestellen. Diese Vorschrift dient namentlich dazu, diejenigen Bedenken zu beseitigen, welche gegen die An­ erkennung der elterlichen Gewalt der Mutter aus der mangelnden Fähigkeit der letzteren entnommen werden können. Da die Gründe, welche es im Jntcreffe der Kinder nöthig erscheinen lassen, der Mutter wegen des Umfanges und der besonderen Schwierigkeiten der Vermögensverwaltung einen Beistand zu bestellen, vielleicht erst nach dem Tode des Vaters hervortreten, so ist dem Vater das Recht, die Bestellung eines Beistandes durch das Vormundschafts­ gericht in den gedachten Fällen zu verbieten, nicht beigclegt. Dem Jnteresie des Kindes muß eine solche väterliche Anordnung weichen. Wie aus § 1503 Abs. 1 in Verbindung mit § 1660 hervorgeht, ist übrigens der Vater in der Lage, auf die elterliche Vermögensverwaltung der des Vaters. Mutter insofern cinwirken ;it können, als er in Ansehung der dem Kinde hinterlassenen Vermögensgcgenstände über deren Verwaltung nach Maßgabe

800

Elterliche Gewalt der Mutter.

Beistand.

§§ 15.39—1542.

des § 1660 Anordnungen für die Mutter als Inhaber der elterlichen Gewalt treffen kann, welche von der Mutter zu befolgen sind (§§ 1545, 1547, 1550). Dem Vater nach dem Vorgänge des ital. G. B. Art. 235 als Ausfluß seiner

elterlichen Gewalt nach Maßgabe der Vorschriften des § 1636 die weitere Befugnis; zu geben, über die Erziehung der Kinder und allgemein über die Verwaltung des Vermögens des Kindes ohne Rücksicht darauf, ob das Ver­ mögen von ihm dem Kinde hinterlassen worden, bindende Anordnungen für die Mutter zu treffen, ist aus denselben Gründen für bedenklich erachtet, aus welchen dein Vater, wie der Mutter, das Recht versagt ist, kraft der elterlichen Gewalt derartige bindende Anordnungen für den Vormund zu treffen. Es wird in dieser Beziehung auf die Motive zu § 1655 und zu § 1660 Bezug genommen.

§ 1539. Wirkung?-

Beistandes.

Die Bestimmung des § 1539 Abs. 1 gewährt die Möglichkeit, den Umfang des Wirkungskreises des Beistandes je nach dem Bedürfnisse des ein­ zelnen Falles in zweckentsprechender Weise zu bestimmen (vergl. auch code civil Art. 391). Demgemäß muß über den Umfang des Wirkungskreises des Bei­ standes die Bestellung entscheiden (§ 1539 Abs. 2 Satz 1). Daß, wenn die Be­ stellung auf Grund einer Anordnung des Vaters erfolgt, dessen Anordnung

auch für die Bestimmung des Umfanges des Wirkungskreises des Beistandes maßgebend sein soll (§ 1539 Abs. 2 Satz 2), ist eine Konsequenz des dem Vater nach § 1538 Nr. 1 beigelegten Rechtes und entspricht dem code civil Art. 391. Der dritte Satz des § 1539 Abs. 2 bezweckt, die Zweifel abzuschncidcn, welche sich im Hinblicke auf die Bestimmung des § 1539 Abs. 1 in Ansehung der Gültigkeit der Bestellung erheben könnten, wenn bei der Bestellung der Wirkungskreis nicht bestimmt ist.

§§ 1540-1542. Pflichte» und Beistandes.

Bei der Ausgestaltung der Stellung des Beistandes gegenüber der Mutter im Einzelnen hat der Entwurf an die Bestimmungen des öfters. G. B. §§ 212—215, der Hamb. Vorm. O. v. 14. Dezember 1883 Art. 21, 48 Abs. 2 und in gewisser Weise auch an die Bestimmungen des bayr. L. R. I, 7 § 6 Nr. 7 über die Assistenten und Beistände der die Vorinundschaft führenden Mutter, sowie an die Vorschriften des franz. Rechtes über den Beistand und über den Gegenvormund (code civil Art. 391, 420 ff.) angeknüpft. Die Mutter, auch wenn ihr ein Beistand bestellt ist, bleibt allein diejenige, ivelche frost der mit der elterlichen Gewalt verbundenen Sorge für die Person und das Vermögen des Kindes handelt; sie ist der gesetzliche Vertreter des Kindes und führt insbesondere auch die Vermögensverwaltung. Der Beistand soll aber. innerhalb seines Wirkungskreises die Mutter bei Ausübung der elterlichen Gewalt unterstützen, wie ein Gegenvormund (§ 1654) die Mutter bei Aus­ übung der elterlichen Gewalt überwachen und jeden Fall, in welchem das Vormuudschaftsgericht zu einem Einschreiten berufen ist (§§ 1544 ff.), bei

Elterliche Gewalt der Mutter.

Beistand.

§ 1543.

801

demselben zur Anzeige bringen, außerdem in den im § 1541 bezeichneten Fällen bei Ausübung der elterlichen Gewalt mitwirken. Anlangcnd die Mitwirkung des Beistandes bei Rechtsgeschäften, so ist Mitwirkung der Umfang seiner Mitwirkung insofern ein weiterer, ivie der Umfang der Mitwirkung eines Gegcnvormundes, als die Genehmigung des Beistandes innerhalb seines Wirkungskreises nicht nur zu jedem Rechtsgeschäfte erforderlich ist, zu welchem, wenn es von einem Vormunde vorgcnommen würde, die Ge­ nehmigung des Gegcnvormundes (Z1669) erforderlich wäre, sondern auch zu jedem Rechtsgeschäfte, zu welchem, wenn es von einem Vormunde vorgcnommen würde, die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes erforderlich sein würde (vergl. insbes. § 1674). Die Genehmigung des Beistandes, welche jedoch nach § 1541 Abs. 1 Satz 2 durch die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes ersetzt wird, tritt hier an die Stelle der Genehmigung des Vormundschafts­ gerichtes. Indessen erleidet dieser Satz die Modifikation, daß es insoweit bei dem Erfordernisse der Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes verbleibt, als zu dem Rechtsgeschäfte, wenn der Vater der Inhaber der elterlichen Gewalt wäre, die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtcs erforderlich sein würde (vergl. § 1341 Abs. 2, § 1431 Abs. 2, §§ 1507, 1511; § 1547 Abs. 1 Derb, mit §§ 1670, 1671; ferner §§ 1589, 1600, 1613, 1629 Abs. 5, §§ 1630, 1957, 1960, 2020, 2043, 2044, 2094). Auch bedarf es in diesen Fällen neben der Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes der Ge­ nehmigung des Beistandes ebensowenig, wie nach dem Vormundschaftsrechte der Genehmigung des Gegcnvormundes in solchen Fällen, in welchen der Vormund schlechthin an die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes gebunden ist. Indessen ist es angemessen, wenn, wie nach § 1680 der Gegenvormund, so hier in allen Fällen vor der Entscheidung des Vormundschaftsgerichtes über die Genehmigung eines in den Wirkungskreis des Beistandes fallenden Rechts­ geschäftes der Beistand gehört wird, der letztere mithin namentlich auch in den Fällen, in welchen seine Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht ersetzt werden soll, nicht völlig übergangen werden darf. Die Bestimmung des § 1541 Abs. 3, daß, wenn ein Beistand bestellt be> Anlegung worden ist, die Vorschriften der §§ 1666, 1668 für den Wirkungskreis des ”°n @eIbetn'

Beistandes entsprechende Anwendung finden sollen, empfiehlt sich im Hinblicke darauf, daß die Mutter gerade in Ansehung der Anlegung der zu dem Ver­ mögen des Kindes gehörenden Gelder vorzugsweise der Unterstützung eines Beistandes bedürftig sein wird. Die Bestimmung des § 1542 rechtfertigt sich durch die Analogie des

§ 1682.

§ 1543. Die Bestimmung des § 1543 Abs. 1 entspricht der Analogie der Stellung Berufung, des Beistandes mit der eines Gegenvormundes (vergl. § 1647 Abs. 4, §§ 1684, ®e,te^8ns “•

1686, 1696, 1698, 1710, 1711). Der Zusatz im § 1543 Abs. 2 folgt aus der Beistonded. akzessorischen 9lotur der Beistandschaft im Verhältnisse zur elterlichen Gewalt der Mutter. Motiv« j. bürgert Gesetzbuch. IV.

51

802

Elterliche Gewalt. Fürsorge d. Vocnmndschaftsgerichtes rc. §§ 1544,1545.'

5.

Fürsorge und Aufsicht des Vormundschaftsgerichtes. Beschränkung der elterlichen Gewalt.

§§ 1544—1553. Wenngleich die Stellung des Inhabers der elterlichen Gewalt gegenüber Vormunds dem Kinde nach dem Entwürfe begrifflich die eines Vormundes ist, so muß

Furwrgs u»d

sch-sts- dieselbe doch, wie bereits in anderem Zusammenhänge mehrfach hervorgehoben Mgmttinen, ist, mit Rücksicht auf das natürliche und nahe Verhältniß zwischen dem In­ haber der elterlichen Gewalt und dem Kinde nothwendig freier gestaltet und zur Vermeidung des Eindringens vormundschaftlicher Organe in das innere Familienleben und zur Aufrechterhaltung der Autorität des Inhabers der elterlichen Gewalt die Fürsorge und Aufsicht des Vormundschaftsgerichtcs auf ein möglichst geringes Maß, d. h. soweit beschränkt werden, als dies anderer­ seits mit dem Interesse des Kindes, mit der Sicherung desselben gegen Mißbrauch der elterlichen Gewalt und gegen Gefährdung durch den Inhaber der elterlichen Gewalt vereinbar ist. Von diesem Gedanken ausgehend und an normale Verhältniffe anknüpfend, hat der Entwurf im Anschlüsse an das über­ wiegend geltende Recht (vergl. die Motive zu §§ 1501, 1502 oben S. 722 ff.) die Fürsorge und Aufsicht des Vormundschaftsgerichtes bei der elterlichen Ge­ walt nicht als eine regelmäßige, organisirte und präventive, sondern als eine

nur in Veranlasiung besonderer Umstände wirksam werdende gestaltet. Aus diesen Gründen sind namentlich die Vorschriften der §§ 1684, 1686, sowie die der ständigen Kontrole durch das Vormundschaftsgericht dienenden Vorschriften

der §§ 1687, schaftsgerichte Rechnung zu Hinsicht auch

1688 über die Verpflichtung des Vormundes, dem Vormund­ über die Verwaltung des Vermögens des Mündels periodisch legen, auf die elterliche Gewalt nicht übertragen (vergl. in dieser die Motive zu § 1503 oben S. 719).

§ 1544. bet Zur Begründung des dem § 1683 entsprechenden § 1544 wird wegen ^Inhabersdes Zusammenhanges dieser Bestimmung mit dem Vormundschaftsrechte auf bet elterlichen

Gewalt,

die Motive zu § 1683 Bezug genommen. Wenngleich die Bestimmung im Hinbßtfg auf § 1683 in Verbindung mit dem § 1738 Abs. 1 Satz 1 und dem

§ 1743 als entbehrlich angesehen werden kann, so ist dieselbe doch im Jnteresie der Deutlichkeit des Gesetzes und als eine angemeffene Einleitung des mit dem § 1544 beginnenden Unterabschnittes ausgenommen.

§ 1545. wegen Werden von dem Inhaber der elterlichen Gewalt die für ihn bei Ausvon^lnord- Übung derselben verbindlichen Anordnungen eines Dritten (§ 1503 Abs. 1 verb.

nungen Dritter.

mit § 1660) nicht befolgt, so macht derselbe sich zwar einer Verletzung der ihm s)(nfef)Ung der Vermögensverwaltung obliegenden Verpflichtungen im Sinne

Elterliche Gewalt. Beschränkung derselben. § 1546.

803

des § 1547 schuldig; allein die weiter im § 1547 für das Einschreiten des Vormundschaftsgerichtes im Falle einer solchen Verletzung bestimmte Voraus­

setzung, daß in Folge dieser Verletzung eine erhebliche Gefährdung des Kindes für die Zukunft zu besorgen ist, wird in den hier in Rede stehenden Fällen, in welchen der Inhaber der elterlichen Gewalt die für ihn verbindlichen An­ ordnungen eines Dritten nicht befolgt, häufig nicht vorliegen. Um die Be­ folgung jener Anordnungen, soweit nicht das Vormundschaftsgericht nach Maß­ gabe des § 1660 eine Abweichung von denselben dem Inhaber der elterlichen Gewalt gestattet hat, sicherzustellen, muß daher das Vormundschaftsgericht für befugt erklärt werden, die zur Sicherung der Befolgung nothwendigen Maß­ regeln ohne Rücksicht darauf zu treffen, ob die Nichtbefolgung eine Gefährdung des Kindes für die Zukunft herbeizuführen droht.

§ 1546. Im Anschluffe an die große Mehrzahl der bestehenden Rechte (vergl. s-s°hrdu»q 1. 1 § 3, 1. 3 § 5 D. de lib. exhib. 43, so; I. 5 D. si a parente 37, 12;ber^'“"i’eä

Seuffert XXXVI, 203; Entsch. d. R. G. bei Fenner und Mecke III, 251; Entsch. d. R. G. in Civils. XVII, 31; württemb. L. R. IV, 11 § 2; bayr. L. R. I, 5 8 7 Nr. 2; preuß. A. L. R. II, 2 §§ 90, 91, 266 und dazu Jahrb. d. Entsch. des Kammerger. I S. 53 ff., 56 ff.; österr. G. B. 88 177, 178; sächs. G. B. 8 1803; Weimar. Ges. v. 27. März 1872 88 16, 112; Hamb. Norm. O. v. 14. Dez. 1883 Art. 62) bezweckt der 8 1546, dem Kinde in solchen Fällen gegenüber dem Inhaber der elterlichen Gewalt richter­ lichen Schutz zu gewähren, in welchen der letztere durch sein Verhalten das geistige oder leibliche Wohl des Kindes gefährdet. Im franz. Rechte fehlt es an ausdrücklichen Bestimmungen, welche in solchen Fällen ein richterliches Einschreiten zum Schutze des Kindes ermöglichen. Das Schweigen des code civil in dieser Hinsicht hat aber im Geltungsgebiete des franz. Rechtes den Wunsch nach solchen Bestimmungen hervorgerufen (vergl. die Motive des heff. Entw. zu III Art. 40), und spätere Nachfolger des code civil (heff. Entw. III Art. 40; ital. G. B. Art. 223) haben diese Lücke des franz. Rechtes ausgefüllt. Anlangend die Voraussetzungen, unter welchen ein Einschreiten gegen -on-brauch den Inhaber der elterlichen Gewalt aus den hervorgehobenen Gesichtspunkten zulässig sein soll, so rechnet der Entwurf dahin in wesentlicher Uebereinstimmung r-cht-s, V-rmit den oben angeführten Rechten zunächst die Fälle, wenn der Inhaber der na*la|f,fluna-

elterlichen Gewalt durch Mißbrauch des Rechtes, für die Person des Kindes zu sorgen, insbesondere durch Mißbrauch des Erziehungsrechtes, oder durch Vernachlässigung des Kindes deffen geistiges oder leibliches Wohl gefährdet. Einzelne Gesetzgebungen verlangen als Voraussetzung des Einschreitens eine „erhebliche" Gefährdung (vergl. sächs. G. B. 8 1803; weimar. Ges. 8 16) oder „grobe" Vernachlässigung (weimar. Ges. 8 16) oder einen „schweren" Mißbrauch der elterlichen Gewalt (bayr. L. R. I, 5 8 7 Nr. 2). Der Ent­ wurf hat derartige Zusätze nicht ausgenommen, davon ausgehend, daß cs im Interesse des Kindes rathsamer ist, dem Vormundschaftsgcrichte in den in Rede 51»

804

Elterliche Gewalt. Beschränkung derselben. § 1546.

stehenden Fällen möglichst freie Hand zu lassen, andererseits die Nichtaufnahme solcher Zusätze auch vom Standpunkte des Interesses des Inhabers der elterlichen Gewalt aus um deswillen unbedenklich erscheint, weil nicht jeder Mißbrauch des Rechtes, für die Person des Kindes zu sorgen, oder jede Vernachlässigung desKindes ohne Weiteres die Entziehung der elterlichen Gewalt zur Folge haben, sondern das Vormundschaftsgericht nur ermächtigt sein soll, je nach der Lage des Falles die zur Abwendung der Gefährdung des Kindes nach seinem Ermessen erforderlichen Maßregeln zu treffen. Daß die Erweiterung der Befugniß detz Vormundschaftsgerichtes nach Maßgabe des § 1546 zu einer unangemessenen und maßlosen Einmischung desselben in die inneren Familicnverhältnisse auch nur bei geringfügigen Anläßen führen könnte, ist um so weniger zu besorgen, als der Inhaber der elterlichen Gewalt nicht unter der ständigen Aufsicht des Vormundschaftsgerichtes steht. Auch das preuß. A. L. R. II, 2 § 266 ge­ stattet eine Einschränkung der väterlichen Gewalt in Ansehung der Erziehung, schon dann, wenn der Vater die letztere vernachlässigt. Mißhandlung. Zu der ersten Kategorie von Fällen gehören insbesondere auch Miß­ handlung des Kindes (preuß. A. L. R. II, 2 §§ 90, 266; bayr. L. R. I, 5 § 7 Nr. 2), Verleitung desselben zum Bösen (preuß. A. L. R. und bayr. L. R. a. a. O.), Bestimmung des Kindes zu einem den Neigungen, Fähigkeiten ober den sonstigen Verhältnissen desselben nicht entsprechenden Berufe, Vernach­ lässigung der Sorge für die Ernährung und Pflege des Kindes (preuß. A. L. R. a. a. O.; österr. G. B. § 177). Ehrloses ober Ferner soll nach dem § 1546 ein Einschreiten des VormundschaftsBerh°lten?er gerichtes statthaft sein, wenn eine Gefährdung des geistigen oder leiblichen Inhabers.

sjg0£)[c§ des Kindes in Folge ehrlosen oder unsittlichen Verhaltens des In­ habers der elterlichen Gewalt für die Zukunft zu besorgen ist (vergl. 1. 3 § 5D. de lib. exhib. 43, so; „ob nequitiam patris“; Seuffert XXXVI, 203; württemb. L. R. IV, 11 § 2). Es muß der Gefahr vorgebeugt werden können, daß das schlechte Beispiel der Eltern einen verderblichen Einfluß auf die Kinder äußert, selbst wenn zur Zeit eine sittliche Verwahrlosung der Kinder noch nicht eingetreten sein sollte. Zu weit würde es aber gehen, nach Analogie des § 1640 Nr. 3 und des § 1705 Nr. 2, dem Vormundschaftsgerichte lediglich auf Grund der Thatsache, daß dem Inhaber der elterlichen Gewalt die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt sind, die Befugniß zu geben, gegen den letzteren einzuschreiten. Aus jener Thatsache für sich allein kann nicht ohne Weiteres der Schluß auf eine Gefährdung des Kindes gezogen werden. Auch die Analogie der angeführten Bestimmungen des Vormund­ schaftsrechtes über die Unfähigkeit des Vormundes (vergl. § 34 Nr. 6 des Str. G. B.) kann als zutreffend nicht erachtet werden, da, wenngleich die elterliche Gewalt einen vormundschaftlichen Karakter hat, doch zwischen dem Inhaber der elterlichen Gewalt und einem Vormunde der bei der Gestaltung der elterlichen Gewalt im Einzelnen auch in anderen Beziehungen nicht un­ berücksichtigt gelaßene wesentliche Unterschied besteht, daß der Vormund ein ihm übertragenes Amt bekleidet, während die elterliche Gewalt auf einer natür­ lichen Grundlage beruht. Ferner kommt in Betracht, daß die mit der Ab­ erkennung der bürgerlichen Ehrenrechte verbundene Wirkung der Unfähigkeit,

Elterliche Gewalt. Beschränkung derselben. § 1546.

805

Vormund zu sein, kraft des Gesetzes nur während der im Urtheile bestimmten

Zeit dauert. Liegen die Voraussetzungen des § 1546 vor, so hat das Vormundschafts-art bec Maß­ gericht die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßregeln zu treffen. teäehL Die Art dieser Maßregeln muß bei der Vielgestaltung des Lebens dem ver­ ständigen Ermessen des Vormundschaftsgerichtes überlassen werden (vergl. auch preuß. A. L. R. II, 2 § 90; sächs. G. B. § 1803; Weimar. Ges. v. 27. März 1872 § 16). Als eine besonders wichtige Maßregel, welche in vielen Fällen sich als brinu^tevsbeg

das einzige wirksame Mittel erweisen wird, um das Kind vor dem schlechten Kindes in Einflüsse der Eltern und vor weiterer sittlicher Verwahrlosung in Folge Ver- n““,

nachlässigung der Erziehung zu bewahren, hebt der § 1546 die Unterbringung F°">me des Kindes zum Zwecke der Erziehung in einer geeigneten Familie oder in einer Erzichungs- oder Besserungsanstalt hervor (vergl. preuß. A. L. R. II, 2 Entziehung § 91; braunschw. Ges. über polizeiliche Maßregeln gegen Kinder v. 22. De- bgCroau‘miT

zember 1870 § 1; württemb. Ges., betr. Aenderungen des Polizeistrafrechtes, ^snahEder v. 27. Dezember 1871 Art. 12; sächs. Ges., das Volksschulwesen betr., v. 26. April 'u5n" un8' 1873 § 5; anhalt. Ges. v. 29. Dezember 1873 Art. 1). Sofern das Interesse des Kindes es erfordert, kann das Vormundschaftsgericht auch die elterliche Gewalt mit Ausnahme der elterlichen Nutznießung ganz oder theilweise ent­ ziehen (vergl. 1. 1 § 3, 1. 3 § 5 D. de lib. exhib. 43, so; Seuffert XXXVI, 203; preuß. A. L. R. II, 2 §§ 91, 266; sächs. G. B. § 1803; Weimar. Ges. v. 27. März 1872 § 16). Wird die mit der elterlichen Gewalt verbundene Sorge für die Person und das Vermögen des Kindes dem Inhaber der elterlichen Gewalt ganz entzogen, so würde es an sich konsequent sein, auch die elterliche Nutz­ nießung wegfallen zu lasten, da dieselbe nach dem Entwürfe einen blos akzessorischen Bestandtheil der elterlichen Gewalt bildet und dem Inhaber der elterlichen Gewalt keinen von seiner vormundschaftlichen Stellung abgelöstcn Vermögensvortheil zu verschaffen bezweckt (vergl. hesi. Entw. III Art. 38,40, ital. G. B. Art. 233). Allein auf der anderen Seite ist zu erwägen, daß vom familienrechtlichen Standpunkte aus eine Entziehung der elterlichen Gewalt nur insoweit gerechtfertigt ist, als die Erreichung des Zweckes im Jntereste des Kindes cs erheischt, das Interesse des Kindes aber, namentlich im Hinblicke auf die Vorschriften der §§ 1532, 1533, auch in den hier vorausgesetzten Fällen eine gänzliche Entziehung der elterlichen Nutznießung nicht erfordert, daß ferner die Entziehung der letzteren unter Umständen für die vielleicht unschuldige Mutter eine große Härte sein kann und durch die Fortdauer der elter­ lichen Nutznießung eine Abrechnung zwischen dem Inhaber der elterlichen Gewalt und dem Kinde wegen der für den Unterhalt des letzteren auf­ gewendeten Kosten vermieden wird. Ferner fällt ins Gewicht, daß es bedenklich ist, an eine Verfügung des Vormundschaftsgerichtes den Verlust der mit der elterlichen Nutznießung verbundenen Vcrmögensvortheile zu knüpfen. Die natürliche Grenze der Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichtes ist durch die Sorge für das Jntereste des Kindes gegeben. Zudem würde die Entziehung der elterlichen Gewalt, wenn sich daran als nothwendige Folge der Verlust der elterlichen Nutznießung knüpfte, leicht den Schein unnöthiger Gehässigkeit erhalten. Die Unbefangenheit des Vormundschaftsgerichtes würde darunter

806

Elterliche Gewalt. Beschränkung derselben. § 1546.

leiden, und das letztere der Versuchung ausgesetzt fein, sich von den im Interesse des Kindes erforderlichen Maßregeln durch die Rücksicht auf den dadurch für den Inhaber der elterlichen Gewalt eintretenden Vermögensverlust abhalten zu lassen. Wollte man daher auch die elterliche Nutznießung unter gewissen Voraussetzungen vollständig wegfallen lassen, so würde die Entscheidung darüber im Wege des ordentlichen Prozeßes zwischen dem Inhaber der elterlichen Gewalt und dem Kinde erfolgen müssen. Für die Zulassung eines so gehässigen Ver­ fahrens liegt aber kein Bedürfniß vor. Mit dem Entwürfe stimmen in dieser Hinsicht auch das gemeine Recht und die neueren Gesetzgebungen überein (preuß. A. L. R. II, 2 §§ 90, 91, 266 verb. mit II, 2 § 268; sächs. G. B. §§ 1803, 1815; weimar. Ges. §§ 14—19). Zuständigkeit Abweichend vom gemeinen Rechte, nach Ivelchem den Eltern die Erziehungs­ eichamt gemalt nur durch Richterspruch entzogen werden kann (vcrgl. auch ital. G. B. g-richt-s.

Art. 233), aber im Einklänge mit dem preuß. A. L. R. II, 2 § 91 und dem sächs. G. B. § 1803 (vergl. auch Hess. Entw. III Art. 40) weist der Entwurf Pflicht und Recht, in den Fällen des § 1546 gegen den Inhaber der elterlichen Gewalt einzuschreiten, dem Vormundschaftsgerichte zu. Es entspricht dies dem vormundschaftlichen Karakter der elterlichen Gewalt und empfiehlt sich zur Vermeidung langdauernder und gehässiger, den Familienfrieden zerstörender

Prozesie. Wird auf Grund des § 1546 dem Inhaber der elterlichen Gewalt die 'entiietjung1 letztere ganz oder theilweise entzogen, so ist dem Kinde in Gemäßheit der Bormund-

der eiterNchen Gewalt.

§§ Ißgg, 1738 ein Vormund bezw. ein Pfleger zu bestellen. Dies ist namentlich daE der Fall, wenn dem Vater die elterliche Gewalt zusteht. Es tritt

also in den hier in Rede stehenden Fällen nicht die elterliche Gewalt der Mutter an Stelle der dem Vater entzogenen elterlichen Gewalt (vergl. auch

Zwangs°'wahr!oste"

Kinder,

Hess. Entw. III Art. 40; ital. G. B. Art. 233; weimar. Ges. §§ 14—16). Eine gegentheilige Bestimmung würde bei der Abhängigkeit der Mutter von dem Vater und dem Einflüße des letzteren auf die Mutter den Erfolg der ge­ troffenen Maßregel in vielen Fällen vereiteln oder eine Störung des ehelichen Friedens Hervorrufen und eine den natürlichen Verhältnissen nicht entsprechende Stellung der Mutter gegenüber dem Vater in Ansehung der Kinder mit sich bringen. Aus den gleichen Gründen hat der Entwurf Anstand genommen, in dem hier in Rede stehenden Falle der Mutter die Sorge für die Person des Kindes, wenn auch nur in dem im § 1558 Satz 2 bezeichneten Umfange, zu über­ laßen (vergl. die Motive zu § 1506 oben S. 755 ff.) Wird den Eltern das Recht, für die Person des Kindes zu sorgen, in dem hier fraglichen Falle versagt, so muß auch die entsprechende Pflicht wegfallen, da in familienrechtlichen Ver­ hältnißen Pflicht und Recht sich nicht trennen laßen. Ob und inwieweit die auf sozialpolitischen Gründen beruhenden und mit dem öffentlichen Rechte im engsten Zusammenhänge stehenden, auf ein engeres Gebiet sich beschränkenden Vorschriften des § 55 Abs. 2 des Str. G. B. (vergl. auch § 56 Abs. 2 das.) und die auf Grund dieser Vorschriften er­ lassenen landesgesetzlichen Bestimmungen über die Zwangserziehung ver­ wahrloster Kinder (vergl. insbesondere preuß. Ges. v. 13. März 1878 und v. 23. Juni 1884; altenb. Ges. v. 20. März 1879; mecklcnb. schwer. Verordn, v.

Elterliche Gewalt. Beschränkung derselben. § 1547.

807

10. Oktober 1882; ferner aus der Zeit vor dem § 55 Abs. 2 des Str. G. B.: braunschw. Ges. v. 22. Dezember 1870; württcmb. Ges. v. 27. Dezember 1871 Art. 12; sächs. G. B. v. 26. April 1873 § 5; anhalt. Ges. v. 29. Dezember 1873) neben dem bürgerlichen Gesetzbuche aufrecht zu erhalten sein werden, ist dem Einführungsgcsetze Vorbehalten. Im Anschlüsse an den jenen Vorschriften zu Grunde liegenden Gedanken aus Gründen des öffentlichen Interesses und des Interesses des Kindes dem Vormundsch,aftsgerichte durch das bürgerliche Gesetz­ buch ganz allgemein das Recht bcizulegen, nach Maßgabe des § 1546 auch dann gegen den Inhaber der elterlichen Gewalt einzuschreiten, wenn das Kind eine strafbare Handlung begangen hat und mit Rücksicht auf die Beschaffenheit der letzteren, auf die Persönlichkeit des Inhabers der elterlichen Gewalt und die sonstigen Lebcnsverhältnissc des Kindes die Gefahr weiterer sittlicher Ver­ wahrlosung des Kindes begründet ist — und zwar ohne Unterschied, ob die Ver­ wahrlosung des Kindes auf eilt Verschulden des Inhabers der elterlichen Gewalt zurückgcführt werden kann oder ob derselbe seinerseits Alles gethan hat, um der Verwahrlosung des Kindes, soweit dies in seinen Kräften steht, vorzubcugen —, ist vom privatrechtlichen Standpunkte aus als bedenklich erachtet; auch ist eine solche Regelung durch ein praktisches Bedürfniß nicht geboten, zumal die Bestimmung des § 1504 dem Inhaber der elterlichen Gewalt die Möglichkeit gewährt, das verwahrloste Kind mit Hülfe des Vormundschafts­ gerichtes in einer Erzichungs- und Besserungsanstalt unterzubringen. Weigert sich der Inhaber der elterlichen Gewalt ohne genügenden Grund, diese Maßregel

zu ergreifen, obwohl dieselbe im Interesse des Kindes zum Zwecke der Erziehung des letzteren sich als nothwendig erweist, so kann in einem solchen Falle das Vormundschaftsgericht aus dem Gesichtspunkte der Vernachlässigung der Er­ ziehung des Kindes unter Umständen nunmehr von Amtswegen nach Maß­ gabe des § 1546 cingrcifen.

§ 1547. Es entspricht dem vormundschaftichen Karakter der elterlichen Gewalt, GMhrdung daß, wie im Falle der Gefährdung der Person des Kindes (§ 1546), so auch $er^gen8

im Falle der Gefährdung der Vermögensrechte desselben dem Vormundschafts- d-§ «md-s. gerichtc unter gewissen näher zu bestimmenden Voraussetzungen die Möglichkeit eröffnet wird, zum Schutze der Rechte des Kindes in die elterliche Gewalt einzugreifen; doch empfiehlt cs sich hier, wo es sich nicht um das geistige oder leibliche Wohl, sondern um den Schutz der Vermögensrechte des Kindes handelt, das Einschreiten des Vormundschaftsgerichtes allgemein an die strengere Voraussetzung zu knüpfen, daß eine erhebliche Gefährdung der Rechte des Kindes für die Zukunft zu besorgen ist. Dem Vormundschaftsgerichte schon beim Vorhandensein irgend einer, wenn auch nicht erheblichen, Gefährdung das Recht des Einschreitens beizulegcn, würde zu weit gehen und mit der grundsätzlich anerkannten freieren und selbständigeren Stellung des Inhabers der elterlichen Gewalt bei Ausübung der elterlichen Vermögensverwaltung nicht vereinbar sein. Auch ist eine solche Ausdehnung der Befugnisie des Vormundschaftsgerichtes durch die Rücksicht auf das Interesse des Kindes nicht geboten.

808

Elterliche Gewalt. Beschränkung derselben. § 1547.

In Uebereinstimmung mit der in Doktrin Uttd Praxis des gcmeineit pichtmgm. Rechtes vorwiegend vertretene Ansicht (vergl. Seuffert III, 336, VII, 198, Verletzung

XXIX, 147; a. M. Seuffert II, 306) und im Anschlüsse an ähnliche Vor­ schriften verschiedener neuerer Gesetzgebungen (vergl. österr. G. B. §§ 149,176 bis 178; lübeck. Vorm. O. v. 11. Oktober 1820 §§ 1, 2, 24; braunschw. Verordn,

VermögensInhaber?

v. 6. Mai 1828; sächs. G. B. § 1815; Weimar. Ges. v. 27. Mürz 1872 §§ 14, 16; Hamb. Vorm. O. v. 14. Dezember 1883 Art. 62; code civil arg. Art. 444, 618; Hess. Entw. III Art. 31; ital. G. B. Art. 233) erklärt der § 1547 ein Einschreiten des Vormundschaftsgerichtes zunächst dann für zulässig, wenn der Inhaber der elterlichen Gewalt die in Ansehung der Vermögensverwaltung oder der elterlichen Nutznießung ihm obliegenden Verpflichtungen verletzt und zugleich eine erhebliche Gefährdung der Rechte des Kindes für die Zukunft zu besorgen ist (vergl. auch §§ 1005, 1006, § 1328 Nr. 1, § 1705 Nr. 1). Weiter soll aber das Vormundschaftsgericht auch einzugreifen befugt sein, wenn die erhebliche Gefährdung der Vermögensrechte des Kindes darauf beruht, daß der Inhaber der elterlichen Gewalt, gleichviel aus welcher Ursache, seinerseits in Vermögensverfall geräth. Da es sich hier immer zunächst nur um die Ergreifung von Sicherheitsmaßrcgeln handelt, so kann es auf die Ursache des Vermögensverfalles, insbesondere darauf, ob der letztere durch ein Verschulden des Inhabers der elterlichen Gewalt hcrbeigeführt ist, nicht ankommen. Der Vermögensverfall des letzteren kann namentlich die Gefahr für das Kind mit sich bringen, daß die dem Kinde gehörenden, in der Jnhabung des Inhabers

der elterlichen Gewalt befindlichen Sachen von den Gläubigern des letzteren gepfändet und, wenn dieser die Erhebung der Jnterventionsklage unterläßt, zur Befriedigung jener Gläubiger verwendet werden, oder doch, daß das Kind in kostspielige Jnterventionsprozeffe verwickelt wird. Der Standpunkt des Ent­ wurfes schließt sich zudem in dieser Hinsicht dem in großen Rechtsgebieten geltenden Rechte an (vergl. preuß. A. L. R. II, 2 §§ 179, 182, 267; sächs. G. B. § 1815; Weimar. Ges. § 14) und steht mit der Bestimmung des § 1553 im Einklänge, daß die dem Inhaber der elterlichen Gewalt zustehende Vermögensverwaltung beendigt wird mit der Rechtskraft des Beschlusses, durch welchen der Konkurs über das Vermögen desselben eröffnet wird. läfftgunoes Ein Bedürfniß, außerdem noch den Fall hier besonders zu berücksichtigen, Unterhalter löenn der Inhaber der elterlichen Gewalt die ihm obliegende Pflicht zum der Kindes. Unfcrfjdtte des Kindes vernachlässigt (vergl. § 1328 Nr. 2; preuß. A. L. R. II, 2 §§ 206—209), liegt nicht vor, da in einem solchen Falle die Vor­ schriften des § 1546 (vergl. die Motive zu § 1546 oben S. 803 ff.) ausreichenden ^"^er Maß-

"0en

Schutz gewähren. Die Art der zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßregeln überläßt der Entwurf, wie im Falle des § 1546, so auch hier dem verständigen

Ermessen des Vormundschaftsgcrichtes; doch hebt der § 1547 Abs. 1 Satz 2 als angemessene, zulässige Maßregeln besonders hervor die Anordnung der Einreichung Vermögens- eines Vermögensverzeichnisses (vergl. die Motive zu § 1503 oben S. 742 ff.), verzeichn,ß. Anordnung, daß der Inhaber der elterlichen Gewalt nach Maßgabe

der Vorschriften des § 1670 die zu dem seiner Verwaltung unterliegenden Vermögen des Kindes gehörenden Kostbarkeiten und Werthpapiere, mit Ein-

Elterliche Gewalt.

Beschränkung derselben.

§ 1547.

809

schluß der Hypothekenbriefe und Grundschuldbriefe, zu hinterlegen oder die auf Hinterlegung von Werth­ den Inhaber lautenden Schuldverschreibungen und Aktien des Kindes auf den papieren rc. Namen des Kindes umschreiben zu lassen habe (vergl. wcimar. Ges. v. 27. März 1872 § 14). Ist eine solche Hinterlegung oder Umschreibung erfolgt, so sollen nach § 1547 Abs. 1 Satz 3 die Vorschriften des § 1671 entsprechende An­ wendung finden. Die Uebertragung dieser Vorschriften auf die elterliche Ge­

walt unter der bezeichneten Voraussetzung ist — hingesehen auf die dem Inhaber der elterlichen Gewalt in Ansehung der zu dem Vermögen des Kindes ge­ hörenden Kostbarkeiten und Werthpapierc, mit Einschluß der Hypothekenbriefe

und Grundschuldbriefc, grundsätzlich eingeräumte unbeschränkte Vertretungs­ macht (vergl. Motive zu § 1511 oben S. 765 ff.) — von besonderem praktischen Werthe. Sieht das Vormundschaftsgericht in den Fällen des § 1547 sich ver­ anlaßt, anzuordnen, daß der Inhaber der elterlichen Gewalt die dort bezeich­ neten Gegenstände zu hinterlegen bezw. die Jnhaberpapiere des Kindes auf den Namen des letzteren umschreiben zu taffen habe, um die dem Kinde drohende Gefahr abzuwenden, daß der Inhaber der elterlichen Gewalt dieselben in seinen Nutzen verwende, so ist es, um die Erreichung des Zweckes zu sichern, angezeigt, den Inhaber der elterlichen Gewalt auch in der obligatorischen und dinglichen Verfügung über die hinterlegten Gegenstände bezw. über die auf den Namen des Kindes umgeschriebenen Papiere zu beschränken. Daß das Vormnndschaftsgericht, weil nach den §§ 1670, 1671 zu der Erhebung der hinterlegten Gegenstände bezw. zur Ersetzung der umgeschriebenen Papiere durch Jnhaberpapiere und zu der Erhebung der letzteren die Genehmigung des Vor­ mundschaftsgerichtes erforderlich ist, von der Verfügung des Inhabers der elterlichen Gewalt Kenntniß erlangt, nützt in solchen Fällen nicht mehr, in welchen der Inhaber der elterlichen Gewalt die auf Grund des Rechtsgeschäftes erlangte Gegenleistung bereits in seinen Nutzen verwendet hat. Die durch § 1547 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit § 1671 bestimmte Beschränkung der Vertretungsmacht ist auch nicht etwa von dem Gesichtspunkte aus als entbehrlich anzusehen, daß das Vormundschaftsgericht in den vorausgesetzten Fällen von dem Inhaber der elterlichen Gewalt nach Maßgabe des § 1547 Abs. 2 Sicherheitsleistung verlangen und demselben eventuell nach § 1550 die Ver­ mögensverwaltung gänzlich entziehen kann, da es sowohl im Interesse des Kindes als des Inhabers der elterlichen Gewalt liegt, die Entziehung der Ver­ mögensverwaltung möglichst einzuschränken und die dem Kinde drohenden Ge­ fahren thunlichst auf anderen Wegen abzuwenden. Vermag die Vorschrift des § 1547 Abs. 1 Satz 3 auch nicht zu verhindern, daß der Inhaber der elter­ lichen Gewalt das Kind in anderer Art schädigt, so wird doch durch dieselbe die Sicherung des Vermögens des Kindes erheblich gefördert, namentlich in den zahlreichen Fällen, in welchen der Hauptbestandtheil des Kindesvermögens gerade in Werthpapieren besteht. Noch weiter zu gehen und dem Vormund­ schaftsgerichte die Befugniß bcizulegcn, unter den im § 1547 bezeichneten Vor­ aussetzungen anzuordnen, daß der Inhaber der elterlichen Gewalt die im § 1669 bezeichneten, an die Genehmigung des Gegenvormundes gebundenen Rechts­ geschäfte nicht ohne Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes vornehmen könne, ist jedoch angesichts des geltenden Rechtes und wegen der Kom-

810

Elterliche Gewalt. Beschränkung derselben. § 1547.

plikationcn und Schwierigkeiten, welche eine solche Bestimmung im Hinblicke auf das Interesse der Sicherheit des Verkehres nothwendig mit sich bringen würde, als bedenklich erachtet. Soweit nach den konkreten Umständen die be­ sonderen, im § 1547 Abs. 1 Satz 2, 3 bezeichneten Maßregeln nicht ausreichcn oder nicht anwendbar sind, bleibt nur die Anordnung der Sicherheitsleistung bezw. die Entziehung der Vermögensverwaltung nach Maßgabe des § 1547 Abs. 2 und des § 1550 übrig. e,,un0'

Nach der dem § 1689 Abs. 1, 2 entsprechenden Bestimmung des § 1547 Abs. 2 soll das Vormundschaftsgericht ferner zu der Anordnung befugt sein,

daß der Inhaber der elterlichen Gewalt Sicherheit zu leisten auch Seuffert XXIX, 147; lübeck. Vorm. O. v. 11. Oktober preuß. A. L. R. II, 2 § 179; sächs. G. B. § 1815; weimar. Ges. Zulässigkeit dieser Anordnung ist jedoch davon abhängig gemacht,

Entziehung Bermögens-

Verwaltung,

Zuständigkeit

Gerichtes.'

habe (vergl. 1820 § 24; § 14). Die daß die im

§ 1547 Abs. 1 bezeichneten Maßregeln zur Abwendung der dem Kinde drohenden Gefahr nicht ausreichend erscheinen. Außerdem ergiebt sich aus § 1550 Satz 2, daß die angeordnetc Sicherheitsleistung nicht erzwungen werden, sondern daß, wenn die Befolgung der Anordnung unterbleibt, das Vormundschaftsgericht dem Inhaber der elterlichen Gewalt nur die Vermögens­ verwaltung entziehen kann. Diese Art der Regelung entspricht nicht allein dem preuß. A. L. R. II, 2 §§ 182, 267 und dem sächs. G. B. § 1815 (vergl. auch Hess. Entw. III Art. 34 Abs. 2), sondern empfiehlt sich auch deshalb, weil die direkte Erzwingbarkeit der Sicherheitsleistung unter Umständen für den Inhaber der elterlichen Gewalt wegen der damit für ihn verbundenen Kreditgefährdnng große Härten mit sich bringen und gegen das eigene Interesse des Kindes den Vermögcnsverfall und die Untergrabung der wirthschaftlichen Existenz des Inhabers der elterlichen Gewalt und seiner ganzen Familie herbei­ führen kann. Unterbleibt die Befolgung der Anordnungen, welche von dem Vormundschaftsgcrichte in Gemäßheit der Bestimmungen des § 1547 getroffen sind, so kann das Vormundschaftsgericht nach § 1550 zu dem äußersten Mittel, der Entziehung der Vermögensverwaltung, greifen. Es genügt dazu schon die objektive Nichtbefolgung der Anordnungen. Wie in den Fällen des § 1546, verbleibt jedoch dem Inhaber der elterlichen Gewalt, vorbehaltlich der aus den §§ 1532, 1533 sich ergebenden Modifikationen, die elterliche Nutznießung (vergl. in dieser Beziehung die Motive zu § 1546 oben S. 805). Damit stimmt auch die Mehrzahl der bestehenden Rechte überein (vergl. Seuffert VII, 198; preuß. A. L. R. II, 2 §§ 182, 267 vcrb. mit § 268; lübeck. Vorm. O. § 24; sächs. G. B. § 1815; Weimar. Ges. §§ 14,16; Hess. Entw. III Art. 34 Abs. 2). Nach franz. Rechte (code civil arg. Art. 601, 618) kann dagegen die elterliche Nutznießung, wie jeder andere Nießbrauch, wegen Mißbrauches entzogen werden, wenn der Nutznießer die ihm obliegenden Verpflichtungen gröblich verletzt (vergl. auch bayr. L. R. II, 9 § 8 Nr. 6). Ebenso ist nach württemb. Rechte (vergl. württemb. L. R. IV, 11 § 2) die Entziehung der elterlichen Nutznießung neben der Entziehung der Verwaltung zulässig. Wegen der Gründe, aus welchen der Entwurf die Pflicht und das Recht, unter den Voraussetzungen des § 1547 gegen den Inhaber der elterlichen

Elterliche Gewalt. Beschränkung derselben. § 1548.

811

Gewalt cinzuschreiten, abweichend vom gemeinen Rechte und dem ital. G. B. Art. 233, dem Vdrmundschaftsgerichtc übertragen hat, wird auf die Motive

zu § 1546 oben S. 806 Bezug genommen. Ist dem Inhaber der elterlichen Gewalt nach Maßgabe der §§ 1547, WegfMt 1550 die Vermögensverwaltung entzogen, so tritt insoweit nicht an Stelle der .""hu»g"d-r elterlichen Gewalt des Vaters die elterliche Gewalt der Mutter, sondern cs ist, V-rm-g-ns. wie in den Fällen des § 1546, auf Grund des § 1738 eine Pflegschaft anzuordnen (vcrgl. auch Hess. Entiv. III Art. 31; ital. G. B. Art. 233; Weimar. Ges. v. 27. März 1872 §§ 14, 16).

§ 1548. Während nach gemeinem Rechte, dem östcrr. G. B., dem franz. Rechte W,-d«rund dem sächs. G. B. die Wicderverheirathung des Vaters auf dessen Stellung den Kindern gegenüber, insbesondere auch in Ansehung der Vermögens- der eitert. Verwaltung, ohne Einfluß ist, legt eine große Zahl anderer Rechte dem Vater (ScroaIt

oder überhaupt dem überlebenden Elternthcile, wenn er eine neue Ehe schließen will, die Verpflichtung mtf, vor Schließung der neuen Ehe dem Vormundschafts­ gerichte ein Verzeichniß des seiner Verwaltung unterliegenden Kindcsvermögcns cinzureichcn und sich mit den Kindern der früheren Ehe wegen des Vermögens derselben, insbesondere wegen des von dem verstorbenen Eltcrntheile ererbten Vermögens, auseinandcrzusetzen. Zum Theil bestimmen diese Rechte außerdem, daß der bctreffeudc Elterntheil ben Kindern wegen des Vermögens derselben, welches seiner Verwaltung unterliegt, Sicherheit 511 leisten habe (vergl. die Zusammenstellung dieser Rechte bei v. Sicherer, das Reichsgesetz über die

Beurkundung des Personenstandes u. s. tu. zu § 38 unter Nr. VI). Zu dieser Gruppe von Rechten gehört insbesondere auch das preuß. A. L. R. II, 1 § 18, II, 2 §§ 187, 188, 191, II, 18 §§ 970 ff. Dasselbe verpflichtet den Vater, wenn er sich wieder verheirathen will, zur Auseinandersetzung mit seinen

Kindern und zur Feststellung ihres Vermögens unter Zuziehung eines Kurators. Außerdem muß der Vater das Vermögen der Kinder aus voriger Ehe (ob darunter nur das mütterliche Vermögen oder auch anderes Vermögen zu ver­ stehen, ist bestritten) auf seine Grundstücke und Gerechtigkeiten eintragen lassen; doch hat diese Eintragung nur den Karakter einer vormundschaftlichen Kaution nach Maßgabe der §§ 427, 428 II, 18 A. L. R. Kann oder will der Vater die Sicherheit nicht leisten, so wird ihm die Verwaltung des Vermögens ent­ zogen. Sobald die Verpflichtung zu dieser Sicherheitsleistung eingetreten ist (vergl. A. L. R. II, 2 § 187; Anh. § 89), ist der Vater verpflichtet, dem Vormundschaftsgerichte davon Anzeige zu tnachen. Versäumt er diese Pflicht vorsätzlich, so verliert er den Nießbrauch (II, 2 §§ 199, 200). Für den Bezirk des Obcrlandesgerichtcs Cöln schreibt ferner die preuß. Vorm. O. v. 5. Juli 1875 § 95 Abs. 2 vor, daß der Vater, welcher zu einer neuen Ehe schreitet, das Vermögen der Kinder unter Mitwirkung eines Pflegers durch ein von dem Vater dem Vormundschaftsgerichte einzureichendes Ver­ zeichniß festzustellen hat. Nach franz. Rechte hat der Vater nach dem Tode der Mutter als gesetzlicher Vormund die Pflicht zur Einreichung eines Ver-

®^'tbeä

812

Elterliche Gewalt. Beschränkung derselben. § 1548.

mögensvcrzeichnisses schon beim Beginne der Vormundschaft (code civil Art. 390, 451, vergl. auch Hess. Entw. III Art. 32). Diese Pflicht ist durch die preuß. Vorm. O. § 95 Abs. 2 verglichen mit § 35 Abs. 2 beseitigt und durch die angeführte Bestimmung ersetzt. Wie nach franz. Rechte, bedurfte es auch nach dein sächs. G. B. für den Fall der Wicderverheirathung des Vaters keiner besonderen Bestimmung, um den Bestand des Kindesvermögens durch Ein­ reichung eines Verzeichnisics festzustellen, da der Vater nach dem sächs. G. B. § 1813 allgemein inventarisationspflichtig ist. Das weimar. Ges. v. 27. März 1872, nach welchem der Inhaber der elterlichen Gewalt ebenfalls unbedingt zur Einreichung eines Vermögensverzcichnisses verpflichtet ist (§ 12), legt dem Vater für den Fall der Wiedcrverheirathung außerdem die Verpflichtung zur Sicherheitsleistung oder zur Hinterlegung der Jnhabcrpapiere auf. Soweit hierdurch hinreichende Sicherheit nicht zu erlangen ist, soll dem Vater die Ver­ mögensverwaltung, unbeschadet des demselben verbleibenden Nießbrauches, ent­ zogen werden (§§ 14, 15). Standpunkt In Uebereinstimmung mit den bestehenden Rechten geht der Entwurf Entwurfes, zunächst davon aus, daß die Wiedcrverheirathung des Vaters auf den Fort­ bestand der elterlichen Gewalt, einschließlich der elterlichen Nutznießung, ohne d^-'ü-E-n Einfluß ist. Nach § 1558 wird allerdings die elterliche Gewalt der Mutter, Gewalt beiM'itter.

Vermögens-

verzerchmß.

Auseinander-

s-tzung.

vorbehaltlich der Pflicht und des Rechtes der thatsächlichen Fürsorge für die s]3er|on des Kindes, dadurch beendigt, daß die Mutter eine neue Ehe schließt.

Diese verschiedene Behandlung des Vaters und der Mutter rechtfertigt sich aber nicht allein durch die Rücksicht auf das geltende Recht, sondern auch durch die Erwägung, daß die Gefahr einer Entfremdung des wieder heirathenden Elterntheiles gegenüber den Kindern der früheren Ehe erfahrungsmäßig im Falle der Wiederverheirathung des Vaters weit geringer ist, als im Falle der Wiederverheirathung der Mutter. Immerhin ist jedoch auch iin ersteren Falle mehr oder weniger die Gefahr einer Verdunkelung der Vermögens­ verhältnisse der Kinder aus der früheren Ehe begründet und es des­ halb zur Vermeidung einer solchen Verdunkelung und zur Abschneidung künftiger Streitigkeiten angezeigt, dem Inhaber der elterlichen Gewalt, ohne Unterschied zwischen Vater und Mutter, nicht nur die Verpflichtung aufzuerlegen, vor Schließung der neuen Ehe dem Vormundschaftsgcrichte des feiner Verwaltung unterliegenden Vermögens der Kinder einzureichen, sondern auch, wenn er und das Kind den anderen Theil beerbt haben, die Auseinandersetzung in Ansehung der Erbschaft, und jWar 0[§ Regel vor Schließung der neuen Ehe, herbcizuführen (vergl. auch

§§ 1404, 1734). Da jedoch unter besonderen Umstünden die Fortdauer der Gemeinschaft im Jntercsie der Aufrechterhaltung der bisherigen Wirthschaft und der Subsistenz der Familie liegen und insbesondere von diesem Gesichts­ punkte aus auch dem Kinde vortheilhafter sein, da ferner untex Umständen die vollständige Bewirkung der Auseinandersetzung sich länger hinziehen kann, so ist es angemessen, dem Vormundschaftsgerichte die Bcfugniß beizulegen, ausnahmsweise - aus besonderen Gründen von der Auseinandersetzung vor Schließung der Ehe abzusehen, und auf diese Weise dem Vater oder der Mutter ohne vorherige Auseinandersetzung die Wiederverheirathung zu ermög-

Elterliche Gewalt. Beschränkung derselben. § 1548. lichen (vergl. § 1242).

813

Selbstverständlich ist auch nicht ausgeschlossen, daß in

Ansehung einzelner Gegenstände, z. B. einzelner Grundstücke, die Gemeinschaft aus besonderen Gründen fortgesetzt wird. Daß zum Zwecke der Auseinander­

setzung dem Kinde ein Pfleger bestellt werden muß, ergiebt sich aus § 1738 verb. mit § 1503 Abs. 1 und § 1651 Nr. 1. Ein Bedürfniß, die Auseinander­ setzungspflicht auch auf andere dem Kinde und Inhaber der elterlichen Gewalt gemeinschaftlich zustehende Erbschaften auszudehnen, liegt nicht vor. Der wichtigste und Hauptfall wird durch die Vorschrift des § 1548 getroffen. Von der Verpflichtung des Inhabers der elterlichen Gewalt zur Ein­ reichung eines Vermögensverzeichnisses gestattet der Entwurf zu Gunsten des Inhabers der elterlichen Gewalt in keinem Falle eine Ausnahme, auch dann nicht, wenn nach den konkreten Verhältnissen jede Gefährdung des Kindes als ausgeschlossen anzusehen sein sollte. Die Aufnahme eines solchen Verzeichnisses ist wegen der sonst leicht nach dem Tode des Vaters entstehenden Streitig­ keiten unter allen Umständen zweckmäßig und kann dem Inhaber der elterlichen Gewalt, ohne daß demselben daraus eine erhebliche Belästigung erwächst, im Jnteresie des Kindes unbedingt auferlegt werden. Die Mutter ist ohnehin nach erfolgter Wiederverheirathung auf Grund der §§ 1558, 1503 Abs. 1 verb. mit § 1700 Abs. 1 zum Zwecke der Rechnungslegung ein Verzeichniß auf­ zunehmen verpflichtet. Da eine regelmäßige Aufsicht des Vormundschaftsgerichtes bei der eiter- An,°>glichcn Gewalt nicht stattfindet, so ist dem Inhaber der elterlichen Gewalt.„uc™[c^X außerdem die Verpflichtung auferlegt, vor Schließung der Ehe dem Vor- gerate, mundschaftsgerichte von der beabsichtigten Eheschließung Anzeige zu machen, damit dasselbe die erforderlichen Anordnungen zu treffen in der Lage ist. Weitere Verpflichtungen, insbesondere die Verpflichtung zur Sicherheits- Sich-rh-itrlcistung, sollen mit der Wiederverheirathung des Vaters nicht verbunden sein. se,flu"q' Durch die Wiederverheirathung des Vaters als solche wird das Jnteresie des Kindes in vcrmögensrcchtlicher Beziehung regelmäßig nicht in der Art ge­ fährdet, daß zum Schutze des Kindes dem Vater die Pflicht zur Sicherheits­ leistung aufzucrlegcn und für den Fall, daß er dieser Pflicht nicht nach­ kommt, dem Vormundschaftsgerichte die Befugniß cinzuräumen ist, dem Vater die Vermögensverwaltung zu entziehen (§ 1550). Die allgemeinen Be­ stimmungen des § 1547 reichen aus, um das Kind im Falle der Wiederverheirathung des Vaters gegen die dem Kinde daraus etwa erwachsenden

Gefahren zu schützen. Mit der Wiederverheirathung als solcher die Ver­ pflichtung zur Sicherheitsleistung zu verbinden, kann für den Vater große Härten mit sich bringen und zur Zerrüttung seiner Vermögensverhältnisie führen, wenn er es nicht vorzieht, statt Sicherheit zu leisten, die elterliche Vermögensverwaltung zu verlieren. Eine derartige Erschwerung empfiehlt sich auch nicht vom Standpunkte des Interesses des Kindes aus, da in vielen Fällen die Wiederverheirathung gerade mit Rücksicht auf das Jnteresie des Kindes erfolgt und auch im Interesse des letzteren liegt. Diese Bedenken werden auch dann nicht beseitigt, wenn man dem Vormundschaftsgerichte die Befugniß beilegen wollte, unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse dem Vater die Verpflichtung zur Sicherheitsleistung zu erfassen. In vielen

814

Elterliche Gewalt. Beschränkung derselben. § 1549.

Fällen wird es dem Vormundschaftsgerichte an objektiven Anhaltspunkten für eine Dispensation fehlen. Außerdem ist zu besorgen, daß eine derartige Be­ stimmung in den verschiedenen Theilen des Reiches zu einer verschiedenen Praxis führen und so dem Zwecke des Gesetzbuches, auch in der hier frag­

lichen Materie einheitliches Recht zu schaffen, gefährden könnte. Gegen die Verpflichtung zur Sicherheitsleistung spricht ferner das, namentlich in einer die persönlichen Interessen so tief berührenden Materie wie dieser, schwerwiegende Bedenken, daß die Anerkennung einer solchen Verpflichtung gegenüber dem in großen Rechtsgcbieten geltenden Rechte als eine erhebliche Neuerung sich dar­ stellen würde. Auch die Vorschriften des preuß. A. L. R. über die Art und den Umfang der Sicherheitsleistung sind der Art, daß dieselben in der großen Mehrzahl der Fälle gegenstandslos sind. Entziehung Um bte Erfüllung der dem Inhaber der elterlichen Gewalt in GemäßVermögens- heit der Bestimmungen des § 1548 obliegenden Verpflichtungen sicherzu»envaitung. stellen bejiü. die für den Fall der Nichterfüllung dem Kinde drohenden Ge­ fahren abzuwenden, legt der § 1550 dem Vormundschaftsgerichte die Befugniß bei, dem Inhaber der elterlichen Gewalt die Vermögensverwaltung zu ent­ ziehen, wenn die Erfüllung jener Verpflichtungen unterbleibt (vergl. auch preuß. A. L. R. II, 2 §§ 182, 267; Weimar. Ges. v. 27. März 1872 §§ 14, 15). Ob von dieser Befugniß erst nach vorgängiger Aufforderung Gebrauch zu machen, ist dem vernünftigen Ermessen des Vormundschaftsgerichtes unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Falles zu überlasien. Außerdem Ehehinderniß. Echt der § 1242 die Zulassung zur Eheschließung von der Ertheilung eines Zeugniffes des Vormundschaftsgerichtes abhängig, daß der Inhaber der elter­ lichen Gewalt die im § 1548 bezeichneten Verpflichtungen erfüllt hat (vergl. preuß. A. L. R. II, 1 § 18 und die Motive zu § 1242 oben S. 33). to'euetiidien Wird dem Inhaber der elterlichen Gewalt die Vermögensverwaltung Nutznießung, entzogen, so verbleibt ihm die elterliche Nutznießung nach Maßgabe der §§ 1532, 1533 (vergl. auch preuß. A. L. R. II, 2 §§ 182, 267 verglichen mit § 268). Die lediglich den Karakter einer Strafbestimmung an sich tragende Vorschrift des preuß. A. L. 9L II, 2 § 200, daß der Vater den Nießbrauch verliert, wenn er die ihm obliegende Anzeige an das Vormundschaftsgericht vorsätzlich versäumt, empfiehlt sich nicht und ist durch ein praktisches Bedürfniß nicht geboten. Die Vorschriften der §§ 1550, 1242 reichen aus, um die Er­ füllung der im § 1548 bezeichneten Verpflichtungen zu sichern. Haftung des Ebensowenig ist es durch überwiegende praktische Gründe gerechtfertigt, Ehegatten, im Anschluffe an ähnliche Vorschriften des franz. Rechtes (code civil Art. 395; vergl. auch Hess. Entw. III Art. 27) positiv zu bestimmen, daß wegen Nicht­ erfüllung der dem Inhaber der elterlichen Gewalt nach § 1548 obliegenden Verpflichtungen der neue Ehegatte desselben als Bürge haftet.

§ 1549. Kosten d-r od-r°Sich-r?

Anlangend die Bestimmung des § 1549 Abs. 1, so würde es, rein juristisch betrachtet, das Richtige sein, die im § 1549 Abs. 1 bezeichneten Kosten,

h-itsl-istung. soweit dieselben in Ansehung des der elterlichen Nutznießung unterliegenden

Elterliche Gewalt.

Beschränkung.

Waisenrath.

§§ 1550—1552.

815

Vermögens entstanden sind nnd die Nutzungen jenes Vermögens nicht über­ steigen, dem Inhaber der elterlichen Gewalt (vergl. § 1531), im Uebrigen da­ gegen, insbesondere insoweit, als dieselben in Ansehung des freien Vermögens des Kindes entstanden sind, dem letzteren zur Last zu legen (vergl. § 1530 Abs. 1 Nr. 2, § 1689 Abs. 5). Im Interesse der Einfachheit des Gesetzes und mit Rücksicht darauf, daß die hier fraglichen Kosten durch das Verhalten des Inhabers der elterlichen Gewalt oder doch durch Umstände, welche in den Ver­ hältnissen des letzteren liegen, veranlaßt sind, ist cs jedoch als unbedenklich erachtet, jene Kosten ohne Unterschied unbedingt dem Inhaber der elterlichen Gewalt zur Last zu legen. Wegen der Begründung des § 1549 Abs. 2 wird auf die auch hier wegen Analogie des Verhältnisses zutreffenden Ausführungen in den Motiven zu § 1689 Bezug genommen.

§ 1550. Die Bestimmungen des § 1550 haben bereits in den Motiven zu §§ 1547, Entziehung 1548 oben S. 810, 814 ihre Begründung gefunden. VermögensVerwaltung.

§ 1551. Die Bestimmung des § 1551 Satz 1 folgt daraus, daß die dort be-AM-bung rc. zeichneten Anordnungen Ausfluß des dem Vormundschaftsgerichte zustehenden nungen"es Aufsichtsrechtes sind. Wegen der Bestimmung des § 1551 Satz 2 wird auf ®°™die Motive zu § 1689 verwiesen. Aus der entsprechenden Anwendung des ®eu*teS'

§ 1689 Abs. 3 ergiebt sich namentlich, daß das Vormundschaftsgcricht die Er­ höhung, Verminderung oder Aufhebung der bestellten Sicherheit nur anordnen kann, solange die elterliche Gewalt des Inhabers, welcher die Sicherheit zu leisten oder geleistet hat, nicht beendigt ist.

§ 1552. Die an ähnliche Vorschriften des weimar. Ges. v. 27. März 1872 § 112 Mitwirkung und der bad. Waisenrichter-Instruktion v. 17. Juli 1879 § 16 (vergl. auch ^-nEh-'

preuß. Ges., bctr. die Unterbringung verwahrloster Kinder, v. 13. März 1878 § 9) sich anschließende Bestimmung des § 1552 bezweckt, das in das Vormund­ schaftsrecht (§ 1725) aufgenommene Institut des Gemeindewaisenrathes auch in Ansehung der unter elterlicher Gewalt stehenden Kinder in der im § 1552

bezeichneteil Weise nutzbar zu machen. Es werden dadurch namentlich die Vorschriften der §§ 1546, 1547 im Interesse verwahrloster oder in ihren Rechten gefährdeter Hauskinder eine größere praktische Bedeutung gewinnen können. Dem Gemeindewaisenrathe, entsprechend dem § 1725, ein wirkliches Aufsichts­ recht über die unter elterlicher Gewalt stehenden Kinder beizulegen, würde dagegen mit der Stellung des Vormundschaftsgerichtes gegenüber dem Inhaber der elterlichen Gewalt nicht vereinbar fein. Steht dem Vormundschaftsgerichte

gegenüber dem Inhaber der elterlichen Gewalt ein regelmäßiges, zur Ein-

816

Etcrliche Gewalt.

Konkurs des Inhabers.

§ 1553.

Mischung in die Familicnvcrhältnisse berechtigendes Aufsichtsrecht nicht zu, so kann ein solches auch dem Gcmeindewaisenrathe als einem unterstützenden Organe des Vormundschaftsgerichtes nicht eingeräumt werden. Im Uebrigen wird wegen des Institutes des Gcmeindewaisenrathes, ins­ besondere wegen der Gründe, aus welchen dasselbe überhaupt in das Gesetz­ buch ausgenommen ist, sowie wegen der den Landesgcsctzgebungen in Ansehung dieses Institutes vorzubehaltenden Bestimmungen und wegen der Frage, in­ wieweit die Gemcindewaisenräthe wegen Verletzung der ihnen obliegenden Pflichten privatrechtlich verantwortlich sind, auf die Motive zu § 1725 ver­ wiesen.

§ 1553. Beendigung der Vermögens« Verwaltung durch Konkurs.

Da nach § 1534 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 der Konk. O. die Rechte, welche durch die elterliche Nutznießung an den zu dem Vermögen des Kindes

gehörenden Gegenständen begründet sind, im Falle der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Inhabers der elterlichen Gewalt nicht zur Konkursmasse gehören/ so fehlt es an einem ausreichenden Grunde, nach dem Vorgänge des preuß. A. L. R. II, 2 §§ 206, 268 und der oldenb. Gesetze zur Ausführung der Konk. O. v. 10. April 1879 Art. 52 und v. 2. April 1879 Art. 35 mit der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Inhabers der elterlichen Gewalt die elterliche

Nutznießung überhaupt beendigen zu lassen, um dadurch im Interesse des Kindes den Uebergang der nießbräuchlichen Verwaltung des Kindesvermögens auf den Konkursverwalter zu verhindern (vergl. § 1 Abs. 2 der Konk. O.). Dagegen empfiehlt es sich im Interesse des Kindes, an die Rechtskraft des Beschlusies, durch welchen der Konkurs über das Vermögen des Inhabers der elterlichen Gewalt eröffnet wird, den Verlust der elterlichen Vermögensverwaltung zu knüpfen, eincstheils um dadurch die elterliche Nutznießung den aus den §§ 1532, 1533 sich ergebenden, eine zweckentsprechende Verwendung der Nutzungen sichernden Beschränkungen zu unterwerfen, andererseits um die dem Vermögen des Kindes drohenden Gefahren abzuwcnden, welche mit der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Inhabers der elterlichen Gewalt wegen der Kollision der Jntereffen des letzteren und des Kindes, sowie wegen des Vermögensverfalles des Inhabers der elterlichen Gewalt mehr oder weniger immer verbunden sind (vergl. auch §§ 1547, 1550). Auf ähnlichen Erwägungen beruht die Be­ stimmung des § 1705 Nr. 2 in Verbindung mit § 1640 Nr. 2, daß ein Vor­ mund aus dem Gesichtspunkte der Unfähigkeit entlaffen werden muß, wenn über das Vermögen desselben der Konkurs eröffnet wird, ferner die Bestimmung des § 1327 Nr. 3, daß die eheliche Nutznießung und Verwaltung mit der Rechtskraft des Beschlusses endigt, durch welchen der Konkurs über das Ver­

mögen des Ehemannes eröffnet wird. Daß in diesem Falle nicht nur die ehe­ liche Verwaltung, sondern auch die eheliche Nutznießung beendigt wird, hat seinen Grund in dem engen inneren Zusammenhänge, in welchem jene Bestand­ theile des ehemännlichen Rechtes mit einander stehen. Wie der Entwurf, läßt auch das preuß. A. L. R. II, 2 §§ 206, 268 in dem hier fraglichen Falle die Beendigung der Verwaltung des Vaters in Ansehung des nichtfreien Ver­ mögens des Kindes kraft Gesetzes eintreten; dagegen wird das nach dem preuß.

Elterliche Gewalt. Konkurs des Inhabers. § 1553.

817

A. L. R. II, 2 § 159 dem Vater zustehende Recht der vormundschaftlichen Verwältung des freien Kindesvermögens durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Vaters nicht berührt, da nach dem preuß. A. L. R. der Gemciuschuldncr als solcher nicht unfähig ist, Vormund zu sein. Indessen ist cs bestritten, ob und inwieweit in dieser Hinsicht die landrechtlichen Vorschriften in Preußen durch die preuß. Vorm. O. v. 5. Juli 1875 § 102, bezw. § 21

9lr. 4 verb. mit § 63 Abs. 2 als beseitigt nnzusehen sind. Zu einem ähn­ lichen Resultate, wie der Entwurf, führen auch die Bestimmungen des sächs. G. B. 8 1815 und des Weimar. Ges. v. 27. März 1872 8 14; doch tritt nach diesen Gesetzgebungen der Verlust der Verwaltung nicht kraft des Gesetzes ein. Andererseits stimmen dieselben darin mit dem Entwürfe überein, daß dem Vater­ trotz der Entziehung der Verwaltung durch das Vormundschaftsgericht die elter­ liche Nutznießung verbleibt. Auch nach franz. Rechte ist die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Inhabers der elterlichen Gewalt auf die elterliche Nutznießung ohne Einfluß (vergl. eode civil Art. 384). Dagegen nimmt die franz. Jurisprudenz an, daß dem Vater unter Umständen auf Grund der Analogie des Art. 444 des code civil im Falle des Konkurses die Vermögensverwaltung entzogen werden kann. Aehnlich ist der Standpunkt der gemeinrechtlichen Praxis (vergl. Seuffert 111, 342, XXIX, 147). Geht man aus den oben angeführten Gründen davon aus, daß es im Interesse des Kindes angemcffen ist, dem Inhaber der elterlichen Gewalt im Falle des Kon­ kurses die elterliche Vermögensverwaltung stets zu entziehen, so dient es zur Vereinfachung des Verhältnisses, den Verlust der elterlichen Vermögensverwaltung mit dem im 8 1553 Abs. 1 bezeichneten Zeitpunkte kraft des Gesetzes eintreten zu lasten. Die Gründe, aus welchen das Amt des Vormundes in einem solchen Falle nicht kraft des Gesetzes beendigt wird, sondern eine Entlassung er­ forderlich ist, treffen bei dem Inhaber der elterlichen Gewalt nicht zu, da desteu Recht nicht auf der Bestellung durch das Vormundschaftsgericht, sondern un­ mittelbar auf Gesetz beruht, der Inhaber der elterlichen Gewalt zudem einer regelmäßigen Aufsicht des Vormundschastsgerichtes nicht unterliegt. Während nach dem preuß. A. L. R. der Vater durch die Eröffnung des Wied-r-i»Konkurses die Verwaltung dauernd verliert, bestimmt der 8 1553 Abs. 2, daß ^“TmögeX das Vormundschaftsgericht dem Inhaber der elterlichen Gewalt nach Beendigung Verwaltung, des Konkurses, mag die letztere durch Aufhebung oder Einstellung des Konkurs­ verfahrens herbeigeführt sein, die Vermögensverwaltung wieder einräumcn kann. Es mürbe ungerechtfertigt sein, dieselbe dem Inhaber der elterlichen Gewalt länger vorzuenthalten, als dies dnrch die Umstände im Interesse des Kindes geboten ist. Für diese Bestimmung spricht auch die Analogie des

8 1551 Satz 1. Die Vorschrift des 8 1553 Abs. 3 rechtfertigt sich durch dieselben Er­ wägungen, auf welchen die Vorschriften des 8 1553 Abs. 1, 2 beruhen. Der Hauptfall, in welchem die Bestimmung des 8 1553 Abs. 3 von Bedeutung ist, ist der, wenn die Mutter während der Dauer des Konkurses über ihr Ver­ mögen die elterliche Gewalt erlangt (8 1501 Abs. 2, § 1559 Abs. 2). Aber auch im Falle der Legitimation (88 1579, 1583) oder der Annahme an Kindes­ statt (88 1601, 1621) kann jene Bestimmung praktisch werden. Motive z. bürgert. Gesetzbuch. IV.

52

818

Elterliche Gewalt.

Ruhe».

§ 1554.

6. Ruhen und Beendigung der elterlichen Gewalt.

§ 1554. bet euerii den Der § 1554 regelt, abgesehen von dem im § 1556 bezeichneten speziellen cr@eroatt.’e" Falle, diejenigen Fälle, in welchen die elterliche Gewalt, weil der Inhaber der­

selben an ihrer Ausübung rechtlich oder thatsächlich verhindert ist, bis zur Beseitigung des Hindernisses ruht. In diesen Fällen muß, soweit nicht nach § 1555 an Stelle der ruhenden elterlichen Gewalt des Vaters die elterliche Gewalt der Mutter tritt, während des Ruhens der elterlichen Gewalt nach 88 1633, 1703 Nr. 3 eine Vormundschaft über das Kind eingeleitet werden. Dagegen soll die elterliche Nutznießung dem Inhaber der elterlichen Gewalt, trotzdem die letztere im Uebrigen ruht, nach Maßgabe der §§ 1532, 1533 verbleiben. Dem Inhaber der elterlichen Gewalt in den hier fraglichen Fällen während des Ruhens der elterlichen Gewalt die mit der elterlichen Nutznießung verbundenen Vermögensvortheile zu entziehen, ist im Hinblicke auf die in diesen Fällen eintretenden, im § 1632 bestimmten Beschränkungen der elterlichen Nutznießung im Interesse des Kindes nicht geboten und würde andererseits in den meisten hier in Frage kommenden Fällen eine unbillige Härte gegen den Inhaber der elterlichen Gewalt mit sich bringen. Auch in dem Falle, in welchem die elterliche Gewalt in Folge der Ent­ mündigung des Inhabers der elterlichen Gewalt wegen Verschwendung ruht (§ 1554 Abs. 1 Satz 1 vergl. mit § 70), ist es nicht gerechtfertigt, das Ruhen der elterlichen Gewalt auch auf die elterliche Nutznießung auszudehnen, zumal selbst in den Fällen, in welchen dem Inhaber der elterlichen Gewalt auf Grund des § 1546 die elterliche Gewalt entzogen ist, demselben die elter­ liche Nutznießung verbleibt. Mit dem Entwürfe stimmen in dieser Beziehung das gemeine Recht (vergl. 1. 8 pr. D. de bis qui sui 1, e; Seuffert XXIV, 147), sowie die meisten neueren Gesetzgebungen überein (vergl. bayr. L. R. I, 7 8 37 Nr. 1; code civil Art. 141, 384; sächs. G. B. § 1834; Weimar. Ges. v. 27. März

1872 § 19). Dagegen wird nach preuß. A. L. R. II, 2 §§ 260—265 in den Fällen des Ruhens der väterlichen Gewalt der väterliche Nießbrauch an dem Vermögen des Kindes, soweit derselbe nicht zur Verpflegung oder Erziehung des Kindes oder zur Unterstützung des Vaters erforderlich ist, bis zur Be­ seitigung des Hindernisses zur Substanz geschlagen. Im Falle der Ent­ mündigung des Vaters wegen Verschwendung aber tritt überhaupt nicht nur das Ruhen, sondern der dauernde Verlust der väterlichen Gewalt, einschließlich des väterlichen Nießbrauches, ein (A. L. R. II, 2 §§ 255, 256). Nach dem Hess. Entw. III Art. 18, 25 (vergl. auch ital. G. B. Art. 228, 231) umfaßt das Ruhen der elterlichen Gewalt auch die elterliche Nutznießung. GeschäftsAnlangcnd die einzelnen Fälle, in welchen nach dem Entwürfe die elterdes'Itchabcrs. liche Gewalt ruhen soll, so steht die Bestimmung des § 1554 Abs. 1 Satz 1,

daß die elterliche Gewalt ruht, wenn der Inhaber der elterlichen Gewalt geschäftsunfähig ist, mit dem geltenden Rechte im Einklänge (vergl. insbesondere 1. 8 pr. D. de bis qui sui 1, «; 1. 20 D. de statu hom. 1, 6; 1. 25 Cod. de nupt. 5,4; Seuffert XXIV, 201; bayr. L. R. 1,7 8 37 Nr. 1; preuß. A. L. R. II, 2

Elterliche Gewalt.

Ruhen.

§ 1554.

819

§§ 260—263; österr. G. B. § 176; sächs. G. B. §§ 1834, 1927; Weimar. Ges. v. 27. März 1872 § 19; Hess. Entw. III Art. 18; code civil arg. Art. 141). Als Fälle der Geschäftsunfähigkeit kommen hier nur die Fälle in Betracht, in welchen der Inhaber der elterlichen Gewalt des Vernunftgebrauches beraubt

oder wegen Geisteskrankheit entmündigt ist (§ 64 Abs. 2). Solange die Ent­ mündigung nicht erfolgt ist, kann allerdings der Zeitpunkt, in welchem die Geschäftsunfähigkeit und damit das Ruhen der elterlichen Gewalt eintritt, ungewiß sein; allein von der Entmündigung darf hier das Ruhen der elter­ lichen Gewalt nicht abhängig gemacht werden, da das Interesse und der Schutz des Kindes dadurch gefährdet werden würde (vergl. auch für das preuß. Recht Entsch. d. Kammerger. II, 21). Auf denselben Erwägungen beruht die Vor­ schrift des § 1704 Nr. 2, daß das Amt des Vormundes kraft des Gesetzes mit dem Eintritte der Geschäftsunfähigkeit desselben beendigt wird. Der Natur der Sache und dem vormundschaftlichen Karakter der elter- B-schräun«

lichen Gewalt (vergl. § 1640 Nr. 1, § 1705 Nr. 2) entspricht es ferner, daß die elterliche Gewalt auch dann ruht, wenn und solange der Inhaber der elter­ lichen Gewalt in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist (vergl. §§ 65, 70, 71). Auf demselben Boden stehen das österr. G. B. § 176, das sächs. G. B. § 1834, das Weimar. Ges. v. 27. März 1872 § 19 und der Hess. Entw. III Art. 18, während gemeinrechtlich bestritten ist, ob die Entmündigung wegen Verschwendung die Ausübung der väterlichen Gewalt hindert (vergl. Scuffert XXIV, 201). Nach franz. Rechte ist die Zuordnung eines Beistandes wegen Verschwendung, von der Vorschrift des Art. 513 des code civil abgesehen, auf die Geschäftsfähigkeit und deshalb auch auf die elterliche Gewalt ohne Einfluß (vergl. aber bad. L. N. Satz 513 a). Nach dem preuß. A. L. R. II, 2 §§ 255, 256 hat dagegen die Entmündigung wegen Verschwendung, wie erwähnt, sogar den dauernden Verlust der väterlichen Gewalt zur Folge. Diese Bestimmung geht indesien über das Bedürfniß und den Zweck hinaus. Abweichend von dem sächs. G. B. und dem weimar. Ges. knüpft übrigens der Entwurf das Ruhen der elterlichen Gewalt nicht an die Bevormundung, sondern an den Eintritt der beschränkten Geschäftsfähigkeit, da die letztere der wirkliche Grund des Ruhens der Gewalt, die Bevormundung nur die Folge ist. Als Fälle thatsächlicher Verhinderung der Ausübung der elterlichen Ge- sttjatf&we walt, welche das Ruhen der letzteren zur Folge haben, werden gemeinrechtlich Ausübung und in den neueren Gesetzgebungen namentlich anerkannt längere Abwesenheit, der Gewalt. Krankheit oder Haft (vergl. preuß. A. L. R. II, 2 § 260; österr. G. B. § 176; code civil Art. 141; sächs. G. B. §§ 1834, 1982, 1990; Weimar. Ges. v. 27. März 1872 §§ 19, 86, 91; Hess. Entw. III Art. 18). Es empfiehlt sich jedoch nicht, im Gesetze nur einzelne bestimmte Fälle thatsächlicher Verhinderung zu bezeichnen, da alle hier in Betracht kommenden Fälle, in welchen das Be­ dürfniß einer allgemeinen vormundschaftlichen Fürsorge für das Kind wegen thatsächlicher Verhinderung des Inhabers der elterlichen Gewalt vorliegen kann

und deshalb nach dem von dem Entwürfe festgehaltenen prinzipiellen Unter­ schiede zwischen Vormundschaft und Pflegschaft dem Kinde der erforderliche Schutz auf dem Wege der elterlichen Gewalt bezw. der Anordnung einer Vor­ mundschaft, nicht auf dem Wege einer immer nur auf einzelne bestimmte An52*

820

Elterliche Gewalt.

Ruhen.

§ 1554.

gelegenheiten oder einen bestimmten Kreis von Angelegenheiten sich beziehenden

Pflegschaft, gewährt werden muß, im Voraus sich nicht übersehen lassen. Auf der anderen Seite würde es indessen, hingesehen auf die mit dem Ruhen der elterlichen Gewalt, namentlich auch für die Gestaltung der elterlichen Nutz­ nießung (§ 1532), verbundenen einschneidenden Folgen und die an jeden der­ artigen Wechsel sich knüpfenden Unzuträglichkeiten, zu weit gehen, wenn man das Ruhen der elterlichen Gewalt, sofern nur das Bedürfniß einer allgemeinen

vormundschaftlichen Fürsorge vorliegt, ohne Rücksicht darauf eintreten lassen wollte, ob die thatsächliche Verhinderung des Inhabers der elterlichen Gewalt nur eine vorübergehende ist oder nicht. Ist die Behinderung eine voraus­ sichtlich nur vorübergehende, so kann dem Schutzbedürfnisse des Kindes durch die

Anordnung einer Pflegschaft für einzelne bestimmte Angelegenheiten oder einen bestimmten Kreis von Angelegenheiten nach Maßgabe des § 1738 in aus­ reichender Weise genügt werden. Der § 1554 Abs. 1 Satz 2 macht deshalb das Ruhen der elterlichen Gewalt wegen thatsächlicher Verhinderung des In­ habers, die Gewalt auszuüben, davon abhängig, daß in Folge jener Ver­ hinderung die Nothwendigkeit einer allgemeinen Fürsorge für die Person und das Vermögen des Kindes während einer voraussichtlich längeren Zeit sich ergiebt. Nach § 1554 Abs. 1 Satz 2 soll jedoch auch bei dem Vorhandensein dieser Voraussetzung das Ruhen der elterlichen Gewalt erst dann eintreten, wenn diese Voraussetzung von dem Vormundschaftsgerichte festgestellt ist. In den hier fraglichen Fällen das Ruhen der elterlichen Gewalt und den Eintritt der damit verbundenen, auch im Verhältnisse zu Dritten sich äußernden Wir­ kungen an das rein thatsächliche, hinsichtlich seiner Voraussetzungen leicht zweifelhafte Vorhandensein der Verhinderung zu knüpfen, würde, namentlich vom Standpunkte der Sicherheit des Verkehres aus, in hohem Grade bedenklich sein. Aus demselben Grunde muß das Ruhen der elterlichen Gewalt in diesen Fällen bis zu dem Zeitpunkte fortdauern, in welchem das Vormundschafts­ gericht die Beseitigung der Verhinderung festgestellt hat. Diesen Erwägungen gegenüber kann auf das Bedenken, daß durch diese Art der Regelung dem Vormundschaftsgerichte ein zu weitgehender Einfluß auf die elterliche Gewalt und die damit verbundene elterliche Nutznießung eingeräumt und die Geltend­ machung dieser an sich prozeßfähigen Rechte in zu weitem Umfange dem Rechts­ wege entzogen werde, erhebliches Gewicht nicht gelegt werden, um so weniger, als auch die Verfügungen des Vormundschaftsgerichtes nach Maßgabe der zu treffenden reichsgesetzlichen bezw. der landesgesetzlichen Vorschriften durch Rechts­ mittel angegriffen werden können. sorge für die Die Regel des § 1554 Abs. 1, daß, wenn und solange der Inhaber der Kinde" bc? elterlichen Gewalt in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, die elterliche Gewalt Minderdez°Jnhaber»,

desselben mit Ausnahme der elterlichen Nutznießung ruht, erleidet jedoch durch die Bestimmung des § 1554 Abs. 2 für den Fall eine Modifikation, wenn die elterliche Gewalt wegen Minderjährigkeit des Inhabers derselben ruht. Die in diesem Falle dem Inhaber der elterlichen Gewalt eingeräumte größere Selb­ ständigkeit in Ansehung der Pflicht und des Rechtes, für die Person des Kindes zu sorgen, entspricht den natürlichen Verhältnissen und ist andererseits un­ bedenklich, da jene Selbständigkeit sich nicht auf die Vertretung des Kindes in

Elterliche Gewalt.

Ruhen.

§ 1555.

821

dessen persönlichen Angelegenheiten erstreckt, sondern nur die thatsächliche Sorge für die Person des Kindes betrifft, außerdem in Ansehung dieser Sorge der gesetzliche Vertreter des Kindes die im § 1540 bezeichnete Stellung eines Bei­ standes haben soll (vergl. auch prcuß. Vorm. O. v. 5. Juli 1875 § 28). Da nach gemeinem Rechte die Vormundschaft über Verschwender nur >»>M- d-r eine Vermögensvormundschaft ist, so hat gemeinrechtlich die Entmündigung „..md^ung

des Inhabers der väterlichen Gewalt ivegen Verschwendung auf die dem Vater "«gen zustehende Erziehungsgewalt über sein Kind keinen Einfluß. Das Gleiche gilt d"ve” u"s’ nach franz. Rechte, wenn dem Inhaber der elterlichen Gewalt ein Beistand wegen Verschwendung zugeordnet ist. Rach dem süchs. G. B. §§ 1987, 1988, 1998 bezieht sich die Vormundschaft über einen Verschwender zwar nicht nur auf dessen Vermögen, sondern auch auf die Person desselben. Da jedoch nach dem sächs. G. B. §§ 1802—1805 das Erziehungsrecht nicht Ausfluß der väter­ lichen Gewalt, sondern des Elternrechtes überhaupt ist, so wird anzunehmen sein, daß durch die Bestimmung des § 1834, nach welcher der Vater, solange derselbe unter Vormundschaft steht, die väterliche Gewalt über die Person der Kinder nicht ausüben kann, das Erziehungsrecht des Vaters im Falle der Bevormundung des letzteren wegen Verschwendung, vorbehaltlich der Bestim­ mung des § 1803, nicht berührt wird. Dagegen hat nach preuß. Rechte, sofern man nach diesem die väterliche Erziehungsgewalt als Ausfluß der väterlichen Gewalt zu betrachten hat (vergl. die Ueberschrift zu A. L. R. II, 2 und die §§ 74 ff. das.), die Entmündigung des Vaters wegen Verschwendung mit dem' Verluste der väterlichen Gewalt (A. L. R. II, 2 § 256) auch den Verlust der Erziehungsgewalt zur Folge, zumal die Vormundschaft wegen Verschwendung nach dem A. L. R. II, 18 §§ 349, 350 und der preuß. Vorm. O. v. 5. Juli 1875 §§ 81, 83, 27 nicht eine bloße Vcrmögensvormundschaft ist. Auch nach dem Weimar. Ges. v. 27. März 1872 §§ 4, 19, 89 ruht im Falle der Bevormundung des Inhabers der elterlichen Gewalt wegen Verschwendung die Erziehungsgewalt, ebenso nach dem heff. Entw. III Art. 18, 20—24. Die Bestimmungen des § 1554 schließen sich in dieser Hinsicht den zuletzt gedachten Gcsetzgebungswerken an, da einerseits nach dem Entwürfe die Vormundschaft über Verschwender keine bloße Vermögensvormundschaft ist (§§ 1726, 1728, 1648, 1730), andererseits die Verschwendung sich als ein Laster darstellt und häufig in anderen sittlichen Fehlern, z. B. dem Hange zur Trunksucht, ihren Grund hat und deshalb zu besorgen ist, daß es auf die Erziehung der Kinder einen nachtheiligen Einfluß äußern werde, wenn dem wegen Verschwendung entmündigten Elterntheile die selbständige Erziehung der Kinder überlassen bleiben sollte. Wird dem wegen Verschwendung entmündigten Elterntheile das Recht, für die Person des Kindes zu sorgen, versagt, so muß auch die Pflicht dieser Sorge wegfallen, da Pflicht und Recht sich hier nicht trennen lassen.

§ 1555. Rach gemeinem Rechte und den auf beni Boden des letzteren stehenden GrGesetzgebungen, welchen eine elterliche Gewalt der Mutter unbekannt ist, wird Cutter bn im Falle des Ruhens der väterlichen Gewalt eine Vormundschaft über das -'"ae

822

Elterliche Gewalt.

Ruhen.

§ 1555.

Ruhens Kind angeordnet (vergl. preuß. A. L. R. II, 2 § 263 und preuß. Norm. O. 7-7 v. 5. Juli 1875 § 11; scichs. G. B. §§ 1834, 1875). Das franz. Recht läßt

Gewalt

Vaters.

groar nach dem Tode des Vaters die elterliche Gewalt bezw. die gesetzliche Vormundschaft der Mutter eintreten (code civil Art. 372, 373, 384, 390); da­

gegen hat dasselbe in Ansehung der Frage, ob an Stelle des behinderten Vaters schon während der Ehe die Mutter zur Ausübung der Gewalt gelangt, ein festes, allgemeines Prinzip nicht ausgestellt. Nur für den Fall, in welchem der Vater wegen Abwesenheit vermißt wird, bestimmt es ausdrücklich, daß die Mutter die Aufsicht über die Kinder hat und in Rücksicht auf deren Erziehung und auf die Verwaltung des Vermögens derselben alle Rechte des Vaters ausübt (code civil Art. 141, 149). Auf Grund der Analogie der Art. 141, 149 des code civil nimmt jedoch die Jurisprudenz an, daß auch in dem Falle, in welchem der Vater wegen Geisteskrankheit nicht im Stande ist, die elterliche Gewalt, d. h. die Rechte in Ansehung der Person des Kindes, auszuüben, die Mutter insoweit schon während bestehender Ehe an die Stelle des Vaters tritt; dagegen wird ihr in diesem Falle die Verwaltung des Kindesvermögens nicht überlassen. Von den neueren Gesetzgebungen, welche die elterliche Gewalt der Mutter anerkannt haben, wird grundsätzlich in den Fällen, in welchen der Vater während der Ehe an der Ausübung der elterlichen Gewalt verhindert ist, die Ausübung der letzteren der Mutter zugewiesen, mithin eine Vormund­ schaft über das Kind nicht angeordnet (vergl. ital. G. B. Art. 220; Weimar. Ges. v. 27. März 1872 § 19; Hess. Entw. III Art. 18). Dem Prinzipe dieser letzteren Gesetzgebungen hat auch der Entwurf in Konsequenz der Gründe, aus welchen derselbe nach dem Tode des Vaters die elterliche Gewalt auf die Mutter übergehen läßt (vergl. § 1501 Abs. 2 nebst Motiven oben S. 736 ff.), sich angeschlosien. Die Gründe, welche den Entwurf bestimmt haben, in den hier fraglichen Fällen nicht auch die elterliche Nutz­ nießung auf die Mutter übergehen zu lassen, sondern dieselbe nach Maßgabe des § 1532 dem Vater vorzubehalten, sind bereits in den Motiven zu § 1554 S. 818 dargelegt. Da nach § 1555 Abs. 1 die elterliche Gewalt der Mutter nur eintritt, solange die elterliche Gewalt des Vaters nach Maßgabe des § 1554 ruht, so folgt daraus, daß im Falle thatsächlicher Verhinderung des Vaters der Mutter die elterliche Gewalt nur dann zusteht, wenn die Nothwendigkeit einer all­ gemeinen Sorge für die Person und das Vermögen des Kindes während einer voraussichtlich längeren Zeit sich ergiebt und diese Voraussetzung durch das Vormundschaftsgericht festgestellt ist. Ein dringendes praktisches Bedürfniß, in solchen Fällen, in welchen der Vater an der Ausübung der elterlichen Gewalt durch Abwesenheit oder Krankheit verhindert und Gefahr im Verzüge ist, die elterliche Gewalt der Mutter ohne Rücksicht darauf eintreten zu lassen, ob nach § 1554 die Voraussetzungen des Ruhens der elterlichen Gewalt des Vaters begründet sind, liegt nicht vor, da insoweit die Vorschriften über die Anordnung einer Pflegschaft (§ 1738) und über die Geschäftsführung ohne Auftrag als ausreichend zu erachten sind. Dazu kommt, daß eine der­

artige Bestimmung wegen der Unbestimmtheit der Voraussetzungen, von welchen danach die Vertretungsmacht der Mutter abhängig sein würde, die Sicherheit

Elterliche Gewalt.

Ruhen.

§ 1555.

823

des Verkehres zu gefährden droht. Zwar enthalten die §§ 1306, 1358 für das eheliche Gütcrrecht ähnliche Vorschriften; allein die Zahl solcher Fälle ohne ein dringendes praktisches Bedürfniß zu vermehren, ist bedenklich und komplizirt> das Gesetz. Von dem Prinzipe des ersten Absatzes macht der zweite Absatz des § 1555 zunächst für den Fall eine Ausnahme, wenn die elterliche Gewalt des Vaters Baters w-«-» in Folge der Entmündigung desselben wegen Verschwendung ruht. Mit Rücksicht auf die Abhängigkeit der Ehefrau von dem Ehemanne ist es bedenklich, in diesem Falle an Stelle der ruhenden elterlichen Gewalt des Vaters die elterliche Gewalt der Mutter treten zu lassen. Wie in dem Falle, wenn dem Vater auf Grund des § 1546 die elterliche Gewalt durch das Vormundschaftsgericht entzogen ist (vergl. Motive zu § 1546 oben S. 806), soll daher auch in dem hier in Rede stehenden Falle eine Vormundschaft über das Kind angeordnet werden (§ 1633). Da im Falle der Entmündigung des Vaters wegen Ver­ schwendung nach § 1554 die elterliche Gewalt des Vaters auch in Ansehung der Sorge für die Person des Kindes vollständig ruht, so kann in diesem Falle auch die Mutter die ihr sonst nach Maßgabe des § .1506 zustehendc Sorge für die Person des Kindes, welche sich lediglich als ein Antheil an der dem Vater zustehenden elterlichen Gewalt darstellt, nicht ausüben. Wegen der Gründe, aus welchen der Entwurf Bedenken getragen hat, der Mutter in diesem Falle die Sorge für die Person des Kindes, wenn auch nur in dem im § 1558 Satz 2 bezeichneten Umfange, zu überlassen, wird ans die Motive zu § 1506 oben S. 755 ff. Bezug genommen. Dem Falle der Entmündigung des Vaters wegen Verschwendung den

Fall gleichzustellen, wenn die elterliche Gewalt des Vaters wegen Minder- deu-uen. jährigkeit desselben ruht (vergl. § 1233), die Mutter aber volljährig ist, erscheint nicht als geboten. Die Analogie jenes Falles trifft hier nicht zu. Daß die Minderjährigkeit des Vaters auf die Mutter einen dem Kinde schädlichen Einfluß ausüben werde, ist nicht zu besorgen. Andererseits kann es auch nicht als unpaffend und als mit der natürlichen Stellung der Ehegatten zu einander unvereinbar erachtet werden, wenn in diesem Falle die Mutter die elterliche Gewalt ausübt. Zudem handelt cs sich um seltene Fälle, für welche durch eine besondere kasuistische Bestimmung int Gesetze Vorsorge nicht getroffen zu werden braucht. Räumt man in dem hier fraglichen Falle der Mutter die elterliche Gewalt ein, so ist es das Natürlichste und Nächstliegende, ihr auch in Ansehung der thatsächlichen Sorge für die Person des Kindes im Verhältnisie zu dem minderjährigen Vater (vergl. § 1554 Abs. 2) dieselbe Stellung einzuräumen, wie sie nach § 1506 die Mutter hat, wenn dem Vater die elter­ liche Gewalt zusteht. Die Anwendung des § 1554 Abs. 2 ohne die im § 1555 Abs. 1 Satz 2 bestimmte Modifikation würde zu einem unangemessenen Re­ sultate führen. Eine weitere Ausnahme von dem Prinzipe des § 1555 Abs. 1 macht ««rwfung der der § 1555 Abs. 2 für den Fall, wenn die Ehe der Eltern des Kindes (durch G,e' Scheidung oder in Folge Todeserklärung, § 1464) aufgelöst ist. In diesem Falle treffen die Voraussetzungen, auf welchen die Regel des § 1555 Abs. 1

beruht, nicht zu.

Es fehlt die Solidarität der Interessen und das nahe per-

824

Elterliche Gewalt. Ruhen. § 1556.

söirliche Verhältniß der Eltern, welches das Vertrauen rechtfertigt, daß die

Mutter während des Ruhens der elterlichen Gewalt des Vaters die elterliche Gewalt im Sinne des letzteren ausüben und insbesondere auch dessen Interesse in Ansehung der ihm verbleibenden elterlichen Nutznießung gebührend wahr­ nehmen werde (vergl. § 1532). Es ist zu besorgen, daß der Eintritt der elterlichen Gewalt der Mutter in diesem Falle zu Konflikten führen und unter dem Wechsel der elterlichen Gewalt des Vaters und der der Mutter das Interesse der Kinder leiden würde.

Daß, wenn und soweit auch die elterliche Gewalt der Mutter ruht oder der Eintritt derselben kraft des Gesetzes ausgeschlossen ist (§ 1553 Abs. 3, §§ 1554, 1560), die Vorschrift des § 1555 Abs. 1, vorbehaltlich der Bestimmung des § 1554 Abs. 2, keine Anwendung findet, ergiebt sich aus den §§ 1554, 1633 bezw. dem § 1553 Abs. 3 und dem § 1560 von selbst und braucht deshalb nicht besonders ausgesprochen zu werden. In den bezeichneten Fällen muß daher nach den §§ 1633, 1738 eine Vormundschaft bezw., soweit nur die elterliche Vermögensverwaltung für die Mutter ausgeschlossen ist (§ 1553 Abs. 3), eine Pflegschaft angeordnet werden.

§ 1556. Unbekannt­ schaft des Familien­ standes des Kindes.

Die Bestimmung des § 1556 bezweckt vornehmlich, in solchen Fällen, in welchen der Familienstand eines Minderjährigen nicht zu ermitteln, sei es, daß er ein Findelkind oder dem Inhaber der elterlichen Gewalt weggenommen oder sonst abhanden gekommen ist, die Anordnung einer Vormundschaft über das Kind zu ermöglichen, da nach § 1633 ein Minderjähriger nur dann einen Vormund erhält, wenn er nicht unter elterlicher Gewalt steht oder die elterliche Gewalt auf die elterliche Nutznießung beschränkt ist, diese Voraussetzungen aber in dem hier in Rede stehenden Falle in Ermangelung der besonderen Beftimmimg des § 1556 nicht festzustellen sein würden. Um jedoch einen festen Zeitpunkt für den Eintritt des Ruhens der elterlichen Gewalt zu gewinnen, knüpft der § 1556 das Ruhen der elterlichen Gewalt an die weitere Voraus­ setzung, daß die Nichtermittelung des Familienstandes von dem Vormundschafts­ gerichte festgestellt ist. Dagegen ist es als bedeicklich erachtet, auch das Auf­ hören des Ruhens der elterlichen Gewalt in diesem Falle von einem Ausspruche des Vormundschaftsgerichtes abhängig zu machen, da es durch ein dringendes praktisches Bedürfniß nicht geboten erscheint, in dieser Hinsicht dem Inhaber der elterlichen Gewalt den Weg des Prozesses abzuschneidcn. Der § 1556 be­ stimmt deshalb, daß in dem hier fraglichen Falle die elterliche Gewalt auf Grund der besonderen Vorschrift des § 1556 bis zu dem Zeitpunkte ruhen soll, in welchem der Familienstand des Kindes bekannt geworden ist. Ebensowenig liegt ein Bedürfniß vor, in diesem Falle, abweichend von dem Prinzipe des § 1554 Abs. 1, auch die elterliche Nutznießung ruhen zu lassen. Eine derartige Abweichung würde im Hinblicke auf solche Fälle, in welchen das Kind dem Inhaber der elterlichen Gewalt weggenommen oder sonst abhanden gekommen ist, auch nicht angemefien sein.

Elterliche Gewalt.

Beendigung.

(§§ 1557—1561.)

825

§§ 1557-1561. Die §§ 1557—1561 betreffen die Beendigung der elterlichen (Seroatt. Als Beendigungsgründe sind in den §§ 1557—1560 anerkannt: Tod und "«-.»«ü/" Volljährigkeit des Kindes, Tod des Inhabers der elterlichen Gewalt und Todeserklärung der letzteren, Annahme des Kindes an Kindesstatt, Wieder-

verheirathung der Mutter und Verwirkung der elterlichen Gewalt durch die Verurtheilung des Inhabers derselben zu gewiffen Freiheitsstrafen wegen eines gegen das Kind oder an dem Kinde begangenen Verbrechens oder Ver­

Weitere Beendigungsgründe sind dem Entwürfe unbekannt. Daß auf die elterliche Gewalt nicht verzichtet werden kann, ist im § 1561 ausdrücklich bestimmt. Daß ferner eine Beendigung der elterlichen Gewalt durch Emanzipatiou, Anlegung eines gesonderten Haushaltes und durch Verheirathung des Kindes ausgeschloffen ist, ergiebt sich aus dem Schweigen des Gesetzes (vergl. in letzterer Hinsicht auch die §§ 1509, 1536). Während zur Begründung der in den §§ 1557—1561 enthaltenen Bestimmungen auf die besonderen Motive zu den einzelnen Paragraphen verwiesen wird, ist hier noch Folgendes hervor­ zuheben : 1. Die im röm. Rechte anerkannte Beendigung der'väterlichen Gewalt durch Emanzipation hat sich auch im heutigen gemeinen Rechte behauptet, obgehens.

EmanziP ,

wohl ihr praktische Bedeutung kaum noch zugestanden werden kann, seitdem die Beendigung der väterlichen Gewalt durch Anlegung eines gesonderten Haushaltes des Kindes und durch Verheirathung der Tochter anerkannt ist. Jndeffen ist das Institut der Emanzipation, wenngleich zum Theil in anderer Gestalt, auch in verschiedene neuere Gesetzgebungen übergegaugen (vergl.

preuß. A. L. R. II, 2 §§ 214 — 230; öfters. G. B. § 174; sächs. G. B. § 1831; code civil Art. 372, 384, 477—487). Ihrer Wirkung nach beendigt die Emanzipation gemeinrechtlich die vermögensrcchtlichen Wirkungen der väterlichen Gewalt, nach dem preuß. A. L. R. und dem sächs. G. B. die väterliche Gewalt, nach dem code civil die elterliche Gewalt bezw. die gesetz­ liche Vormundschaft des Vaters oder der Mutter. Während aber nach gemeinem Rechte und dem sächs. G. B. die Emanzipation auf die Geschäfts­ fähigkeit des entlassenen minderjährigen Kindes ohne Einfluß ist, erlangt das letztere nach franz. Rechte, welches eine Emanzipation erst nach zurückgelegtem 15. Lebensjahre des Kindes zuläßt, eine erweiterte Geschäftsfähigkeit, so daß dasselbe nur noch in beschränktem Umfange eines vormundschaftlichen Schutzes bedarf, welcher letztere durch eine bloße Kuratel gewährt wird. Auch nach dem preuß. A. L. R. hat die erst nach zurückgelegtem 20. Lebensjahre zulässige Emanzipation eines minderjährigen Sohnes zugleich die Wirkung einer Voll­ jährigkeitserklärung. Diese letztere Wirkung ist jedoch durch § 97 der preuß. Vorm. O. v. 5. Juli 1875 beseitigt. Dagegen wird von der herrschenden Meinung im Hinblicke auf § 12 der preuß. Vorm. O. die Entlassung eines minderjährigen Sohnes in der Art, daß der Entlaffene minderjährig bleibt, noch als zulässig erachtet. Der Entwurf geht davon aus, daß der vormundschaftliche Schutz, welcher Staudminn dem Kinde bis zur Volljährigkeit wegen der beschränkten Geschäftsfähigkeit entrourfeü.

826

Elterliche Gewalt.

Beendigung.

(§§ 1557—1561.)

desselben (§ 65) gewährt werden muß, dem Kinde, solange die Eltern leben, mittels der elterlichen Gewalt gewährt werden soll. Für die Fälle, in welchen das Kind ausnahmsweise vor erreichter Volljährigkeit eines solchen Schutzes nicht bedarf, ist durch das Institut der Volljährigkeitserklärung (§§ 26, 27) die Möglichkeit gewährt, das Kind selbständig zu stellen und die Beendigung der elterlichen Gewalt herbeizuführen (§ 1557 vergl. mit § 26). Die Voraus­ setzungen der Volljährigkeitscrklärung (§ 27) würden jeden Sinn verlieren, wenn man dem Inhaber der elterlichen Gewalt daneben gestatten wollte, durch Emanzipation die Selbständigkeit des Kindes zu bewirken. Dasjenige Ver­ hältniß erweiterter Geschäftsfähigkeit des Kindes aber, welches das franz. Recht mit der Emanzipation eintreten läßt, ist dem Entwürfe unbekannt, und fällt damit von selbst die Nothwendigkeit weg, Bestimmungen über den Einfluß einer solchen Emanzipation aus die Fortdauer der elterlichen Gewalt zu treffen (vergl. übrigens §§ 67). Diejenigen Gründe ferner, welche das gemeine Recht und das sächs. G. B. wesentlich bestimmt haben, neben der sog. emancipatio Saxonica die ausdrückliche Emanzipation beizubehalten, können vom Standpunkte des Entwurfes aus nicht in Frage kommen; denn nach diesen Rechten ist die väterliche Gewalt neben der vormundschaftlichen Schutz­ gewalt zugleich ein selbständiges Vermögensrecht des Vaters, desien Beendigung im Interesse des Kindes, insbesondere des volljährigen Kindes, man zu erleichtern strebte, während nach dem Entwürfe die elterliche Nutznießung nur einen akzesiorischen, von der vormundschaftlichen Stellung des Inhabers der elterlichen Gewalt nicht losgelösten Karakter hat. Die Möglichkeit des Ver­ zichtes auf die elterliche Nutznießung ist der letzte Nest des gemeinrechtlichen Grundgedankens der Emanzipation. Diese Möglichkeit gewährt aber der § 1537. Wie der Entwurf, haben auch das weimar. Ges. v. 27. März 1872 § 17, das braunschw. Ges. v. 19. Mai 1876, der Hess. Entw. III Art. 28 und für die preuß. Rheinprovinz die preuß. Vorm. O. v. 5. Juli 1875 § 97 das Institut der Emanzipation beseitigt. Abgesonderter 2. Gemeinrechtlich wird die väterliche Gewalt durch Anlegung eines Haushalt, Haushaltes des Kindes beendigt. Im Einzelnen sind die Voraus­ setzungen dieser Beendigungsart der väterlichen Gewalt sehr bestritten. Auch darüber gehen die Meinungen auseinander, ob die Absonderung des Kindes

von dem väterlichen Haushalte nur die vermögensrechtlichen Folgen der väter­ lichen Gewalt aufhebt oder dem Kinde zugleich die Eigenschaft der Volljährig­ keit beilegt. Im Anschluffe an das gemeine Recht haben auch die meisten Landesgesetzgebungen diese Beendigungsart der väterlichen Gewalt, wenngleich im Einzelnen abweichend, doch im Prinzipe anerkannt (vergl. preuß. A. L. R. II, 2 §§ 210—227; bayr. L. R. I, 5 8 7 Nr. 4; württemb. L. R. II, 18 § 7; sächs. G. B. § 1832). Während nach dem sächs. G. B. diese Beendigung der väterlichen Gewalt auf die Geschäftsfähigkeit des Kindes ohne Einfluß ist, hat nach preuß. A. L. R., welches den hier fraglichen Beendigungsgrund nur für Söhne anerkennt, die ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung des Vaters, daß der noch minderjährige Sohn, welcher das 20. Lebensjahr zurück­ gelegt hat, ein besonderes Gewerbe für eigene Rechnung anfängt, zugleich die Wirkung einer Volljährigkeitserklärung, eine Wirkung, welche jedoch durch

Elterliche Gewalt.

Beendigung.

(§§ 1557—1561.)

827

§ 97 der preuß. Vorm. O. v. 5. Juli 1875 beseitigt ist. Auch nach dem österr. G. B. § 174 treten Söhne, obwohl die väterliche Gewalt mit der Volljährigkeit aufhört (§ 172), vor erreichter Volljährigkeit, d. i. dem vollendeten 24. Lebens­ jahre, dann aus der väterlichen Gewalt, wenn der Vater ihnen nach zurückgelegtem 20. Lebensjahre die Führung einer eigenen Haushaltung gestattet. Da nach dem österr. G. B. vermögensrcchtliche Wirkungen mit der väter­ lichen Gewalt nicht verbunden sind, so hat hier die Gestattung der Führung eines eigenen Haushaltes offenbar nur die Bedeutung einer Volljährigkeits­

erklärung, einer Aufhebung der nach § 154 mit der väterlichen Gewalt ver­ bundenen beschränkten Geschäftsfähigkeit. Den übrigen Gesetzgebungen, welche mit der Volljährigkeit des Kindes die väterliche bezw. die elterliche Gewalt aufhören lasten, ist die Beendigung derselben durch Anlegung eines abgesonderten Haushaltes unbekannt, so insbesondere dem franz. Rechte (code civil Art. 372, 384; vergl. jedoch bad. L. R. Satz 476a), dem Hess. Entw. III Art. 38, 25, dem weimar. Ges. v. 27. März 1872 § 17 und dem braunschw. Ges. v. 19. Mai 1876. Der Entwurf hat sich diesen letzteren Gesetzgebungen angeschlossen. Da Standpunkt nach dem Entwürfe mit der Volljährigkeit des Kindes auch die vermögens- Emwurks. rechtliche Seite der elterlichen Gewalt beendigt wird (§ 1502 Nr. 2 vcrb. mit § 1557 Abs. 1), so kann der vorwiegend dem gemeinen Rechte, dem preuß. A. L. R. und dem sächs. G. B. zu Grunde liegende Gesichtspunkt, einem voll­ jährigen Kinde die Möglichkeit zu geben, durch Anlegung eines abgesonderten Haushaltes die vermögensrechtlichen Wirkungen der väterlichen Gewalt ;u~ beseitigen, nicht in Frage kommen. Solange aber das Kind minderjährig ist, liegt kein Bedürfniß vor, neben der Möglichkeit der Volljährigkeitserklärung (§§ 26, 27) und der Erweiterung der Geschäftsfähigkeit nach Maßgabe des § 67 die Beendigung der elterlichen Gewalt überhaupt oder doch nach der

vermögensrechtlichen Seite hin durch separata oeconomia anzuerkennen und damit dem schwierigen Begriffe der letzteren in das bürgerliche Gesetzbuch Eingang zu verschaffen. Die Beendigung der vormundschaftlichen Seite der elterlichen Gewalt durch die Anlegung eines eigenen Haushaltes würde zudem voraussetzen, daß der letzteren im allgemeinen Theile des Gesetzbuches die Wirkungen der Volljährigkeitserklärung beigelegt würden, da sonst die Fort­ dauer des vormundschaftlichen Schutzes für das Kind nicht zu entbehren wäre. 3. Die bestehenden Rechte, auch solche, welche, wie das gemeine 4->rath t>-s Recht, das preuß. A. L. R. und das sächs. G. B., den Satz „Heirath macht Smbe8' mündig" nicht anerkannt haben, lasten durchweg die väterliche bezw. elterliche ®e^tbe‘

Gewalt mit der Verheirathung der Tochter aufhören. Nach verschiedenen Rechten wird auch durch die Verheirathung des Sohnes die väterliche oder­ elterliche Gewalt über denselben beendigt. Ob dies insbesondere auch nach gemeinem Rechte der Fall, ist bestritten (vergl. Seuffert XI, 52, XXIX, 148; preuß. A. L. R. II, 2 §§ 228, 229; österr. G. B. § 175; sächs. G. B. § 1833; code civil Art. 476, 384; hest. Entw. III Art. 38, 25; lübeck. Vorm. O. v. 11. Oktober 1820 §§ 2, 81; weimar. Ges. v. 27. März 1872 § 17; braunschw. Ges. v. 19. Mai 1876; Hamb. Norm. O. v. 14. Dezember 1883 Art. 6, 63). Soweit die angeführten Rechte den Satz „Heirath macht mündig" nicht anerkennen, wird dem noch minderjährigen, in Folge der Verheirathung ans

828

Elterliche Gewalt.

Beendigung.

(§§ 1557—1561.)

der väterlichen Gewalt getretenen Kinde auf dem Wege der Vormundschaft der erforderliche Schutz gewährt. Jnsbesouderc tritt im ganzen Umfange des preuß. Staates, sowohl in den Gebieten des preuß. A. L. R., als in den Gebieten des gemeinen und des franz. Rechtes an die Stelle der väterlichen Gewalt die gesetzliche Vormundschaft des Vaters nach Maßgabe der Bestim­ mungen der preuß. Vorm. O. v. 5. Juli 1875 (vcrgl. preuß. A. L. R. II, 2 § 229; preuß. Vorm. O. §§ 12, 99), während nach dem sächs. G. B. §§ 1833, 1876 der minderjährigen vcrheiratheten Tochter ein Vormund bestellt wird. Standpunkt des Entwurfes.

Da der Satz „Heirath macht mündig" keine Aufnahme in dem Ent­ würfe gefunden hat, das minderjährige Kind mithin trotz der Verheirathung noch des vormundschaftlichen Schutzes bedarf, so ist es vom Standpunkte des Entwurfes aus konsequent, dem Kinde jenen Schutz auch ferner mittels der elterlichen Gewalt zu Theil werden zu lassen. Die abweichenden Bestimmungen des gemeinen Rechtes, des preuß. A. L. R. und des sächs. G. B. sind im Wesentlichen darauf zurückzuführen, daß nach diesen Rechten das väterliche Nießbrauchsrecht mit der damit vcrbundcuen Verwaltung des Kindesvcrmögens einen wesentlichen Bestandtheil der väterlichen Gewalt ausmacht und deshalb

die Fortdauer der letzteren nach Wegfall des väterlichen Nießbrauchsrechtes, welches man mit der Heirath des Kindes wegfallen lassen wollte, dem Begriffe der väterlichen Gewalt nicht mehr entsprach. Diese Erwägungen treffen aber für den Entwurf nicht zu, da nach demselben die vormundschaftliche Seite der elterlichen Gewalt das Wesentliche ist und die elterliche Nutznießung mir einen akzessorischen Bestandtheil bildet. Trotzdem auch nach dem Entwürfe die elter­ liche Nutznießung regelmäßig durch die Verheirathung des Kindes beendigt wird (§ 1536), fehlt cs daher an einem ausreichenden Grunde, auch im Uebrigen die elterliche Gewalt, vorbehaltlich der im § 1509 bestimmten Modifikation, mit der Hekrath des Kindes endigen zu lassen. Insbesondere fehlt es auch an einem Bedürfnisse, die elterliche Gewalt in diesem Falle in eine gesetzliche Vor­ mundschaft des bisherigen Inhabers der elterlichen Gewalt umzuwandeln. Es ist nicht abzuschen, warum der letztere nach der Verheirathung des Kindes die weniger freie Stellung eines Vormundes gegenüber dem Kinde haben soll, zumal der Inhaber der elterlichen Gewalt nach dem Entwürfe in Ansehung des freien Kindcsvermögens dieselbe freie Stellung einnimmt, wie in Ansehung des der elterlichen Nutznießung unterliegenden Vermögens (vergl. die Motive zu § 1511 oben S. 765). Ein durchschlagender Grund für die Umwandlung der elterlichen Gewalt in eine gesetzliche Vormundschaft kann auch daraus nicht hcrgeleitet werden, daß es mit dem Begriffe einer gesetzlichen Vormundschaft vereinbar sein würde, an Stelle des betreffenden Elterntheiles geeignetenfalls auch dem Ehemanne die Vormundschaft über die minderjährige Ehefrau zu übertragen und damit die aus der Stellung des Ehemannes gegenüber der Ehefrau etwa zu entnehmenden Bedenken gegen die Ablehnung des Satzes „Heirath macht mündig" abzuschwächen; denn wollte man dem Vormundschafts­ gerichte die Bcfugniß einräumen, an Stelle des gesetzlichen Vormundes geeignetenfalls den Ehemann als Vormund seiner minderjährigen Ehefrau zu bestellen, so würde dadurch die gesetzliche Vormundschaft der Eltern die im Jntereffe der Verkehrssicherheit erforderliche sichere Grundlage entbehren. Dazu

Elterliche Gewalt.

Beendigung.

(§§ 1557—1561.)

829

kommt, daß der Entwurf im Uebrigcn eine gesetzliche Vormundschaft überhaupt nicht kennt, durch die Anerkennung einer solchen in dem hier in Rede stehenden einzelnen Falle daher die Einfachheit des Gesetzbuches ohne Noth gestört werden würde. 4. Der Bestimmung des prcuß. A. L. R. II, 2 § 256, daß die väter- sitt­ liche Gewalt in Folge Entmündigung des Vaters wegen Verschwendung auf- wegen B-'" hört, ist bereits in den Motiven zu § 1554 oben S. 819, 821 gedacht. Nach Wroenbunsdem Entwürfe ruht in diesem Falle die elterliche Gewalt mit Ausnahme der elterlichen Nutznießung ('§ 1554 Abs. 1). 5. Das prcuß. A. L. N. II, 2 §§ 257, 258 laßt die väterliche Gewalt außer- Verlasse» der dem dauernd aufhören, wenn der Vater, um sich seinen Unterthanenpflichtcn enG-ltenber 9W’

kindlichen Elterntheile und dessen Verwandten die Rechte der ehelichen Ver­ wandtschaft gegenüber den Kindern versagt werden (vergl. bayr. L. R. I, 6 § 44; östcrr. G. B. §§ 160, 752, 756 verglichen mit den Verordn, v. 8. Oktober 1856 und 3. Juni 1858; code civil Art. 201, 202; sächs. G. B. §§ 1771, 1809, 1843, 2039; goth. Eheges. v. 15. August 1834 § 23 und goth. Erbfolgeges. v. 2. Januar 1844 §§ 19, 33; altenb. Eheordu. v. 13. Mai 1837 §§ 7, 283 und altenb. Erbfolgeges. v. 6. April 1841 §§ 17, 28; Erbfolgeges. für Reuß j. L. v. 10. Dezember 1853 §§ 17, 27, 28, Nr. 3; Weimar. Erbfolgeges. v. 2. Januar 1844 §§ 16, 26, 27 Nr. 3 und Weimar. Ges. über die elterliche Gewalt v. 27. März 1872 §§ 1, 2; Hess. Entw. Il Art. 59—62). Dagegen haben nach preuß. A. L. R. II, 2 §§ 50—55 (vergl. Urth. d. N. G. im preuß. Just. Min. Bl. 1882 Nr. 33 S. 283 ff.; Entsch. d. R. G. tu Civilst XVIII, 62; Gesetzrev. Pens. XV S. 30), die aus einer nichtigen Ehe crzeugteit Kinder ohne Rücksicht darauf, ob die Eltern bei der Eheschließung in gutem (Stauben waren oder nicht, in Ansehung ihrer unmittelbaren Eltern alle Rechte der ehelichen Kinder; sie treten aber nicht in die Familie des Vaters oder der Mutter und stehe»

deshalb zu deren Aszendenten oder Seitenverwandten in keinem Verwandtschaftsverhältnisse, auch führen sie in der Regel den Geschlechtsnamen der Mutter. Unter sich selbst aber haben sie alle Rechte ehelicher Kinder. Der gute oder böse Glaube der Elterit ist nur insofern von Einfluß, als, wenn beide Eltern oder auch nur einer derselben wissentlich eine nichtige Ehe geschlossen haben, sie über die aus der nichtigen Ehe erzeugten Kinder keine Elternrechte erlangen. Soweit sic jedoch den Kindern Erziehung und Verpflegung gewähren, habeit sie denselben gegenüber die Stellung von Pflegeeltern. In Ermangelung einer besonderen Bestimmung würden nicht nur die Kinder aus einer formungültigen Ehe, sondern, vorbehaltlich der Vorschrift Entwurfes, des § 1252 Abs. 1, auch die Kinder aus einer nichtigen Ehe, deren Nichtigkeit Behandlung nicht auf einem Formmangel bei der Eheschließung beruht, nach § 1262 Abs. 2t,erJtinbecals uneheliche Kinder fein. Von diesem Grundsätze macht der § 1562 jedoch für den Fall eine Ausnahme, wenn die Nichtigkeit der Ehe auf einem anderen Grunde als einem Formmangel bei der Eheschließung beruht. In diesem Falle soll das Kind, welches die Ehefrau nach der Schließung der Ehe und.

844

Kinder aus nichtigen Ehen. Rechtsstellung. § 1562.

bevor die letztere aufgelöst oder für ungültig erklärt ivordeu ist, empfangen oder vor der Schließung der Ehe empfangen und nach der Schließung der letzteren geboren hat (vergl. § 1252 Abs. 2, § 1466), ohne Rücksicht darauf, ob die Eltern bei der Schließung der Ehe in gutem Glauben waren oder nicht, vorbehaltlich der aus den §§ 1563—1566 sich ergebenden näheren Be­ stimmungen und Modifikationen, grundsätzlich als ein eheliches angesehen werden, sofern cs bei Voraussetzung der Gültigkeit der Ehe nach den all­ gemeinen Vorschriften über die eheliche Abstammung (§§ 1446—1479) als ein eheliches Kind anzusehcn wäre. Der Standpunkt des gemeinen Rechtes und der dem letzteren folgenden Gesetzgebungen, daß bei der Gestaltung des Rechtsverhältnisies der Kinder aus nichtigen Ehen die Rücksicht auf die Ehegatten der allein entscheidende Gesichtspunkt sei und deshalb eine Abweichung von den aus der Nichtigkeit der Ehe sich ergebenden Konsequenzen auch in An­ sehung der Stellung der Kinder aus einer solchen Ehe sich nur danu recht­ rechtfertige, wenn wenigstens einer der Ehegatten bei der Eheschließung in gutem Glauben gewesen sei, kann als angemessen nicht anerkannt werden. Auch den Rücksichten der Billigkeit gegen die Kinder muß in gebührender Weise Rechnung getragen werden. Diese Rücksichten führen aber zu dem Standpunkte des Entwurfes, daß die Eigenschaft der hier fraglichen Kinder als ehelicher Kinder grundsätzlich nicht von dem guten Glauben der Eltern oder auch mir eines Elterntheiles abhängig gemacht werden darf. Es würde für die Kinder aus einer formgültig geschlossenen Ehe eine große Härte sein, wenn dieselben, nachdem die Ehe aufgelöst oder für ungültig erklärt ist, schlecht­ hin in die Stellung unehelicher Kinder zurückgedrängt werden sollten (§ 1252 Abs. 2), obwohl sie bis dahin zufolge der Bestimmung des § 1252 Abs. 1 nicht allein thatsächlich, sondern auch im Rechtsleben die Stellung ehelicher Kinder eingenommen und sich für eheliche Kinder gehalten haben und von Anderen dafür gehalten worden sind. Auf einer ähnlichen Erwägung beruht auch die Bestimmung des kanonischen Rechtes, daß, wenn die Ehe in facie ecclesiae geschlossen worden ist und die Ehegatten lebenslänglich in Beziehung auf die Gültigkeit der Ehe unangefochten geblieben sind, die Nichtigkeit der Ehe zur Anfechtung der Legitimität der Kinder nach dem Tode der Eltern nicht mehr soll geltend gemacht werden können (c. 11 X. qui filii sint leg.; vergl. Entsch. d. R. G. in Civils. IX, 57 S. 257 g. E.). Für den Standpunkt dcö Entwurfes fällt ferner ins Gewicht, daß er im Prinzipe mit dem in den großen Gebieten des preuß. A. L. R. geltenden Rechte im Einklänge steht und auch andere neuere Gesetzgebungen sich dem Grundsätze des preuß. Rechtes in dieser Beziehung angeschlosien haben (vergl. schmelz. Bd. Ges., betreffend die Fest­ stellung und Beurkundung des Civilstandes und die Ehe, v. 24. Christmonat 1874 Art. 55). Es ist weit weniger bedenklich, den Grundsatz des preuß. Rechtes auf die übrigen Rechtsgcbiete des Reiches auszudehnen, als umgekehrt jenen Grundsatz da, wo derselbe bisher bestanden und zu Mißständen nicht geführt hat, zu beseitigen und dadurch in diesen Rechtsgebieten die rechtliche Lage der hier fraglichen Kinder zu verschlechtern. FormgüitigDer Entwurf läßt die Ehelichkeit der Kinder aus nichtiger Ehe indessen leit der Ehe. )uir fcann eintreten, wenn die Nichtigkeit der Ehe nicht auf einem Formmangel

Kinder aus nichtigen Ehen. Rechts-verhältniß zu den Eltern. § 1563.

845

bei der Eheschließung beruht. Tic Ausdehnung auf formungültigc Ehen scheitert, abgesehen davon, daß dieselbe in dieser Allgemeinheit zu weit gehen

würde,

daran,

daß

die Voraussetzungen,

unter welchen bei einer form­

ungültigen Ehe die Ehelichkeit der aus einer solchen erzeugten Kinder anerkannt werden soll, in einer sicheren und praktisch unbedenklichen Weise sich nicht fest­

stellen und begrenzen lassen, zumal nach dem Entwürfe eine formungültigc Ehe in allen Fällen ohne Weiteres nichtig ist, eine Ungültigkeitserklärung der­ selben nicht stattfindet (§§ 1252, 1253). Aus ähnlichen Gründen wird im § 1258 eine formgültige Ehe vorausgesetzt (vergl. die Motive zu § 1258 oben S. 68). Auch das geltende Recht, wenngleich dasselbe in dieser Hinsicht

zum Theil bestritten ist (vergl. ebendaselbst), behandelt die Kinder aus einer nichtigen Ehe, deren Nichtigkeit auf einem Formmangcl bei der Eheschließung beruht, vorwiegend ohne Rücksicht darauf, ob die Eltern sich im guten

Glauben befanden, als uneheliche.

Dies ist insbesondere, wie sich aus dem

preuß. A. L. R. II, 2 § 50 crgiebt, auch als der Standpunkt des preuß. Rechtes anzusehen.

§ 1563. Jin Falle des § 1563 gelangt das Prinzip des § 1562 zur reinen Durch- ®b"lncr6®t”‘1‘ führung. Das Kind gilt in allen Beziehungen, insbesondere auch in erbrecht- Ehegatten,

lichcr Beziehung, sowohl im Verhältnisse zu der Mutter und den mütterlichen Verwandten als auch im Verhältniße zu dem Vater und den väterliche!: Ver­ wandten als ein eheliches Kind. Diese Art der Regelung, welche dem ge­ meinen Rechte und den in den Motiven zu § 1562 oben S. 843 angeführten, dem Prinzipe des gemeinen Rechtes folgenden Gesetzgebungen, insbesondere dem sächs. G. B., dem österr. G. B. und dem franz. Rechte, entspricht (vergl. auch schweiz. Bd. Ges. v. 24. Christmonat 1874 Art. 55 Abs. 1), rechtfertigt sich durch Rücksichten der Billigkeit und der Schonung der Eltern. Um ihres guten Glaubens willen sollen sic nicht den Nachtheilen ausgesetzt werden, ivelche für sie in sozialer und anderer Hinsicht sich ergeben würden, wenn man das Kind nicht in allen Beziehungen als ein eheliches behandeln wollte. Der Stand­ punkt des preuß. A. L. R., nach welchem das Kind auch in diesem Falle nicht in die Familie der Mutter und des Vaters eintritt (vergl. Motive zu § 1562 oben S. 843; ähnlich in Ansehung des Erbrechtes nach der väterlichen Seite hin' Mommsen, Erbrechtsentw. § 23 nebst Motiven S. 149), wird jenen Rück­ sichten nicht in ausreichendem Maße gerecht. Derselbe kann, soviel das Ver­ hältniß des Kindes gegenüber den mütterlichen Verwandten betrifft, für den Entwurf auch um deswillen nicht maßgebend sein, weil nach dem Prinzipe des § 1568 — abweichend vom preuß. Rechte — das uneheliche Kind in die Familie der Mutter tritt. Die Nichtigkeit der Ehe kommt in dem Falle des § 1563 nur insofern Verhältniß in Betracht, als, vorbehaltlich der Vorschrift des § 1252 (vergl. dazu jedoch ’uben GltmL

den in der Anm. 1 zu Buch IV Abschn. 1 Tit. 1 §§ 1250 ff. unter III mit­ getheilten neuen Abs. 2 des § 139 der C. P. O.) in Ansehung des Kindes die­ jenigen Vorschriften entsprechende Anwendung finden sollen, welche für den

846

Kinder aus nichtigen Ehen.

Rechtsverhältniß zu den Eltern.

§ 1564.

Fall gelten, wenn die Ehe geschieden ist und beide Ehegatten für den schuldigen Theil erklärt sind (vergl. §§ 1456—1458, 1555 Abs. 2, § 1559 Abs. 2). ES rechtfertigt sich dies durch die Analogie der Verhältnisse. Anlangend den Eingang des § 1563, so schließt derselbe sich der Fassung des § 1258 an (vergl. die Motive zu § 1258 oben S. 69). Wie in dem Mai» «des Falle des § 1258, ist auch hier mala fides superveniens ohne Einfluß. Damit eupenemens. ^s^ude Recht vorwiegend überein (vergl. im Uebrigcn die Motive zu § 1258 oben S. 70 ff.).

§ 1564. «utrr Glaub«

Elterliche Gewalt.

Die Bestimmungen des § 1564 stehen, abgesehen davon, daß sic nicht nur dem Kinde den Verwandten des Vaters gegenüber, sondern auch diesen dem Kinde gegenüber die durch die Ehelichkeit des letzteren bedingten Rechte beilegen, mit dem gemeinen Rechte und den dem letzteren im Prinzipe folgenden, in den Motiven zu § 1562 oben S. 843 mitgetheilten Rechten im Einklänge (vergl. auch schweiz. Bd. Ges. v. 24. Christmonat 1874 Art. 55 Abs. 2). Von dem prcuß. A. L. R. II, 2 §§ 50—54 (vergl. ferner Gesetzrcv., Pens. XV S. 30 ff.) weichen dieselben darin ab, daß nach jenem das Kind weder in die Familie der Mutter noch in die des Vaters tritt; dagegen stimmt das preuß. Recht darin überein, daß in dem hier vorausgesetzten Falle der Vater elterliche Rechte über das Kind nicht erlangt. Der Entwurf geht davon aus, daß die Rücksicht auf die gutgläubige Mutter dahin führen muß, dem Kinde auch gegenüber der väterlichen Familie alle aus der ehelichen Verwandtschaft sich ergebenden Rechte einzuräumen. Wollte man das Gegentheil bestimmen, so würde die Mutter nicht allein in moralischer Hinsicht eine Zurücksetzung erfahren, sondern auch in materieller Hinsicht dann erheblich beeinträchtigt werden können, wenn der Vater vor seinen Aszendenten versterben sollte. Auf der anderen Seite würde es aber eine nicht zu rechtfertigende Härte gegen die Verwandten des Vaters sein, wenn man zwar dem Kinde gegenüber diesen Verwandten, nicht aber den letzteren gegenüber dem Kinde die durch die Ehelichkeit bedingten Rechte beilegen wollte. Daß aus dieser Regelung, welche nur dem Vater die aus der Vaterschaft sich ergebenden Rechte (vergl. §§ 1238, 1480, 1498, 1499, 1501 Abs. 1, §§ 1610, 1636, 1690—1693, 1712, 1713, 1715, 1716, 1718, 1729, 1966, 1975) versagt, erhebliche Komplikationen sich ergeben könnten, ist nicht zu besorgen und bei der Seltenheit der hier in Betracht kommenden Fälle jedenfalls nicht von entscheidender Bedeutung. In erbrechtlicher Be­ ziehung ergicbt sich aus dem Satze, daß der Vater die aus der Vaterschaft sich ergebenden Rechte nicht hat, die Konsequenz, daß er in Ansehung der Beerbung des Kindes und der Abkömmlinge des letzteren als vor dem Erblasser ver­ storben anzusehen ist. Daß in dem Falle des § 1564 die elterliche Gewalt nicht dem Vater, fonj)Crn der Mutter zusteht, ist ebenfalls eine Konsequenz des Satzes, daß der

Vater in diesem Falle die aus der Vaterschaft sich ergebenden Rechte nicht hat, in Verbindung mit der von dem Entwürfe grundsätzlich anerkannten elterlichen Gewalt der ehelichen Mutter über ihre Kinder (vergl. andererseits § 1570).

Kinder au» nichtigen Eben. Rechtsrerbälkniß zu den Eltern. § 1565.

847

Zwar tritt die elterliche Gewalt der Mutter regelmäßig erst nach dem Tode des Vaters ein; die Analogie des § 1559 Abs. 2 spricht indessen dafür, der Mutter

in diesem Falle die elterliche Gemalt schon vor dem Tode des Vaters ein­ zuräumen. Von selbst versteht cs sich übrigens, daß durch die Vorschriften des § 1564 die Bestimmungen des § 1252 (vcrgl. dazu jedoch den in der Anm. 1 zu Buch IV Abschn. 1 Tit. 1 §§ 1250 ff. unter III mitgetheilten neuen Abs. 2 des § 139 der C. P. C.) nicht berührt werden.

§ 151)5. Im Falle des § 1565 ist im Vergleiche zu dem Falle des § 1563 die ®“‘« , Lage der Mutter wegen ihrer im § 1565 vorausgesetzten mala fides zunächst Eh-mmm-s insofern eine ungünstigere, als in Ansehung des Kindes diejenigen Vorschriften nl,ein entsprechende Anwendung finden sollen, welche für den Fall gelten, wenn die Ehe geschieden und die Ehefrau allein für den schuldigen Theil erklärt ist (§§ 1456, 1457). Es rechtfertigt sich die entsprechende Anwendung dieser Vorschriften durch die Aualogie der Verhältnisse. Außerdem aber erleidet im Falle des § 1565 das Prinzip des § 1562 zum Nachtheile der Mutter die weitere Modifikatiou, daß ihr in Ansehung des Kindes überhaupt weitergehende Rechte nicht zustehen sollen, als der unehelichen Mutter in. Ansehung ihres unehelichen Kindes zustehen. Da indessen nach § 1568 zwischen einem unehelichen Kinde und der Mutter desselben grundsätzlich dieselben Rechte und Verbindlichkeiten bestehen, wie wenn das Kind ein eheliches wäre, so kommen hier nur die Ausuahmen jenes Grundsatzes in Betracht. Eine solche Allsnahme besteht nach § 1570 in Ansehung der elterlichen Ausschließung Gewalt. Mit Rücksicht darauf bestimmt § 1565 Satz 2, daß nach dem Tode bTr' des Vaters (§ 1501 Abs. 2) und nach Verwirkung der elterlichen Gewalt desselben (§ 1559 Abs. 2) die Mutter, wie nach § 1570 die uneheliche Mutter, mir die Pflicht und das Recht, für die Person des Kindes zu sorgen, nach Maßgabe des § 1558 Satz 2 hat. Daß an Stelle der ruhenden elterlichen Gewalt des Vaters nicht die elterliche Gewalt der Mutter tritt (§ 1555 Abs. 1), ergiebt sich schon aus § 1565 Satz 1 verb. mit § 1555 Abs. 2. Eine weitere, die Mutter im Falle des § 1565 treffende, auf dem obigen Gesichtspunkte be­ ruhende Beschränkung der Rechte der Mutter ist in einem anderen Zusammen­ hänge bestimmt (§ 1729 Abs. 3,5; vcrgl. auch § 1734 Abs. 3 verb. mit § 1565 Satz 2). Sonstige aus der ehelichen Mutterschaft sich ergebende Rechte, welche nicht auch der rnlehelichen Mutter zustehen, kommen nach dem Entwürfe nicht in Frage. Mit der Regelung des § 1565 stimmen im Prinzipe das gemeine Recht und die übrigen dem gemeinen Rechte folgenden, in den Motiven zu § 1562 oben S. 843 angeführten Gesetzgebungen überein, soweit sich nicht ans der abweichenden Gestaltung des Rechtsverhältniffes zwischen dem unehelichen Kinde einerseits und der Mutter desselben und den mütterlichen Verwandten anderer­ seits auch in der hier fraglichen Beziehung Abweichungen ergeben. Auf einem anderen Boden steht nur das prenß. A. L. R. insofern, als nach demselben das

848

Kinder aus nichtigen Ehen. Rechtsverhältnis; ;u den Eltern 2c. § 1566.

Kind, wie in dem Falle des § 1563 (vcrgl. Motive zu § 1563 oben S. 845), so auch hier nicht in ein Verwandtschaftsverhältniß zu den Verwandten des Vaters und der Mutter tritt. Auch im Falle des § 1565 bleiben die Vorschriften des § 1252 mit der aus dem neuen Abs. 2 des § 139 der C. P. O. (vergl. Anm. 1 zu Buch IV Abschn. 1 Tit. 1 §§ 1250 ff. unter III) sich ergebenden Modifikation jener Vor­ schriften selbstverständlich unberührt.

§ 1566. Mala fides beider Ehegatten.

Verhältniß

zu den Eltern,

zu den Verwandten derselben.

Das Prinzip des § 1562, nach welchem die Kinder aus einer nichtigen Ehe auch bei mala fides beider Ehegatten als ehelich gelten sollen, muß noth­ wendig dahin führen, den Kindern in dem Falle des § 1566 gegenüber den Eltern alle durch die Ehelichkeit bedingten Rechte beizulegen. Andererseits muß die Stellung des Vaters und der Mutter gegenüber den Kindern in diesem Falle konsequent sich nach denjenigen Vorschriften richten, welche in den §§ 1564, 1565 in Ansehung des in mala fide sich befindenden Vaters bezw. der in mala fide sich befindenden Mutter gegeben sind. Demgemäß kann in dem hier in Rede stehenden Falle die elterliche Gewalt weder dem Vater noch der Mutter und die Sorge für die Person des Kindes der Mutter nur nach Maßgabe des § 1558 Satz 2 überlasten werden. Dem Vater müssen ferner auch die sonstigen aus der Vaterschaft sich ergebenden Rechte versagt werden. In Ansehung der Mutter ist eine gleiche Bestimmung nicht erforderlich, da nach dem § 1568 die Mutter auch gegenüber dem unehelichen Kinde — ab­ gesehen von der elterlichen Gewalt (§ 1570) und dem im § 1729 Abs. 3, 5 besonders geregelten Rechte auf Uebertragung der Vormundschaft über ihr volljähriges Kind — dieselben Rechte hat, wie gegenüber dem ehelichen Kinde. Ebensowenig bedarf das Verhältniß zwischen dem Kinde nnd den Ver­ wandten der Mntter im Hinblicke auf das Prinzip des § 1568, nach welchem auch zwischeu den Verwandten der Mutter und dem unehelichen Kinde dieselben Rechte und Verbindlichkeiten bestehen, wie wenn das Kind ein eheliches wäre, für den hier in Rede steheirden Fall einer besonderen Regelung. Zweifelhaft sann es dagegen sein, ob in diesem Falle, wie in dem Falle des § 1564, trotz der mala fides des Vaters zwischen dem Kinde nnd den Verwandten des Vaters ein Verwandtschaftsverhältniß begründet oder hier das Prinzip des § 1562 weiter dahin modifizirt werden soll, daß die Verwandterr des Vaters, uirbeschadet der Vorschriften des § 1236, nicht als Verwandte des Kindes gelten. Für die erste, in dem schweiz. Bd. Ges. v. 24. Christmonat 1874 Art. 55 Abs. 3 anerkannte Alternative läßt sich die Konsequenz des im § 1562 an­ genommenen Prinzipes und die für die Annahme des letzteren maßgebend gcwesene Rücksicht der Billigkeit gegen das Kind sowie der Gesichtspunkt geltend machen, daß durch eine der zweiten Alternative entsprechende Bestimmung eine Mittclstnfc der Ehelichkeit geschaffen wird. Jndesten sind die für die zweite Alternative sprechenden Gründe als überwiegend zu erachten. Nach § 1252 sind die Kinder an sich nneheliche Kinder. Den Rücksichten der Billigkeit gegen

Kinder aus nichtigen Etzen. Rcchtsrcrtz. zu den Eltern :c. § 1566.

849

die Kinder wird in ausreichender Weise Rechnung getragen, wenn dieselben überhaupt als eheliche Kinder anerkannt und ihnen den Eltern gegenüber die Rechte ehelicher Kinder bcigelegt werden. Wenn in dem Falle des § 1564, d. h. iit dem Falle, in welchem nur der Ehemann bei der Eheschließung sich in mala fides befunden hat, bestimmt worden ist, daß die Kinder auch im Verhältnisse ztl den Verwandten des Vaters als eheliche gelten sollen, so ist dies hauptsächlich aus Rücksichten der Billigkeit gegen die in gutem Glauben befindlich gewesene Mutter der Kinder geschehen. Diese Rücksichten fallen aber in dem hier in Rede stehenden Falle, in welchem atich mala fides der Mutter vorausgesetzt ivird, weg. Es kann darin, daß das Kind durch die Ungültigkeits­ erklärung oder Auflösung der nichtigen Ehe (§ 1252) ans der Stellung eines ehelichen Kindes gegenüber den Verwandten des Vaters gedrängt wird, auch nicht eine unbillige Härte gegen das Kind gefunden werden, da dasselbe doch immer gegenüber den Eltern dieselbe Stellung behält und die nichtige Ehe ihm an sich gegen die Verwandten des Vaters, welche bei der Nichtigkeit der Ehe keine Schuld trifft. Rechte zu verleihen nicht geeignet ist. In einem solchen Falle, in welchem beide Ehegatten die Form der Eheschließung mißbraucht haben, um gegen ein' Verbotsgesetz nach außen die rechtliche Stellung wirklicher Ehegatten zu erlangen, in Ansehung des Kindes auch in dem Verhältnisse zu den Verwandten des Vaters die auf der Ehelichkeit beruhenden verwandtschaft­ lichen Beziehungen eintreten zu lassen, ist um so mißlicher, als dies gegenüber dem geltenden Rechte, insbesondere auch gegenüber dem auf dem Boden be§im § 1562 anerkannten Prinzipes stehenden preuß. A. L. R. (vergl. die Motive zu § 1562 oben S. 843), eine erhebliche Neuerung sein würde. Aus der all­ gemein gefaßten Bestimmung des § 1566 Abs. 2 crgiebt sich namentlich, daß zwischen dem Kinde und ben Verwandten des Vaters weder der gesetzliche Unter­ haltsanspruch noch das gesetzliche Erb- und Pflichttheilsrecht, noch die durch das Vormundschastsrecht mit der Verwandtschaft verbundenen Rechte (§§ 1635, 1729), noch die auf Spczialgesctzcn oder auf Privatdispositionen beruhenden, von der Ehelichkeit abhängig gemachten Rechte entstehen. Andererseits kann cs nach der Fassung des § 1566 Abs. 2 nicht zweifelhaft sein, daß das Kind, soviel das Verhältniß desselben zu dem Vater betrifft, auch gegenüber den Verwandten des Vaters als eheliches Kind des letzteren in Betracht kommt, daß also namentlich bei der Beerbung des Vaters das Erbrecht der Verwandten desselben durch das Erbrecht des Kindes ausgeschlosien bezw. beschränkt wird. Ta das Kind nach § 1562 auch in dem Falle des § 1566 als ein eheliches Kind anzusehen ist und deshalb nicht unter die Vorschrift des § 1236 Abs. 2 fällt, durch den § 1566 Abs. 2 aber eine rechtliche Verwandtschaft im Sinne des § 1236 Abs. 1 zwischen dem Kinde und den Verwandten des Vaters ver­ neint wird, so ist cs im Jntereffe der Deutlichkeit des Gesetzes als angemeffen erachtet, im § 1566 Abs. 2 die Worte „unbeschadet der Vorschriften des

§ 1236" einzuschalten. Von selbst versteht cs sich, daß auch in dem Falle des § 1566 die Vor­ schriften des § 1252 mit der aus dem neuen Abs. 2 des § 139 der C. P. O. sich ergebenden Modifikation jener Vorschriften (vergl. die Anmerkung zu Brich IV Abschir. 1 Tit. 1 §§ 1250 ff. unter III) unberührt bleiben. Motive z. bürgert Gesetzbuch. IV.

850 Kinder au5 anfechtbaren u. angefochtenen Eben. Rechtsstellung. § 1567.

§ 1567. eineT’nnw

Cb bic ftiitber aus einer anfechtbaren, für ungültig erklärten Ehe den

baren und an-

Kindern aus einer nichtigen Ehe gleichstehen oder, sofern sie nur vor der

Geltendes

Ungültigkeitserklärung erzeugt sind, unbedingt als eheliche gelten, ist gemeinrechtlich bestritten und hängt mit der Frage zusammen, ob die Ungültigkeitserklärung einer anfechtbaren Ehe die letztere rückwärtshin vernichtet oder nur

Recht.^

die Wirkung eines Scheidungsurtheiles hat.

Auf dem Boden der zweiten

Auffassung stehen das goth. Eheges. v. 15. August 1834 §§ 135, 136, 104 vcrb. mit dem goth. Erbfolgcges. v. 2. Januar 1844 § 18, die altenb. Eheordn.

v. 13. Mai 1837 § 283 Verb, mit dem altenb. Erbfolgeges. v. 6. April 1841 § 7, das weimar. Erbfolgeges. v. 6. April 1833 § 16 und das Erbfolgeges. für Rcuß j. L. v. 10. Dezember 1853 § 17. Dagegen hat das preuß.

A. L. R. II, 2 § 57 die anfechtbaren und für ungültig erklärten Ehen den nichtigen Ehen in der hier fraglichen Beziehung ausdrücklich gleich­ gestellt. Auch im öfterr. G. B. § 160 Derb, mit den Verordn, v. 8. Oktober 1856 und v. 3. Juni 1858, im franz. Rechte (code civil Art. 201 verglichen mit Art. 180 ff.), in dem Hess. Entw. II Art. 59 verglichen mit Art. 48 ff. und im fchweiz. Bd. Ges. v. 24. Christmonat 1874 Art. 55 verglichen mit Art. 50 ff. wird in der hier fraglichen Richtung ein Unterschied zwischen nichtigen und anfechtbaren Ehen nicht gemacht. Ebenso stellt das sächs. G. B. §§ 1809, 1843, 2039, wenngleich nach dem § 1771 das. die in einer nur anfechtbaren Ehe geborenen Kinder im Verhältniffe zum Vater, wie zur Mutter stets als eheliche anzusehen sind, dem praktischen Resultate nach die nichtige und die anfechtbare Ehe insofern ganz gleich, als der Vater, wenn er der schuldige Theil ist, weder die väterliche Gewalt über die Kinder, noch einen Alimentations­ anspruch gegen dieselben hat, außerdem in einem solchen Falle sowohl der Vater als dessen Voreltern von väterlicher Seite von der Erbfolge in das Vermögen der in einer solchen Ehe erzeugten Kinder und deren Abkömmlinge aus­ geschlossen sind. Standpunkt Entwmses. Behandlung der ktInder ehelicher.

Da nach § 1260 verglichen mit § 1252 eine anfechtbare Ehe, wenn sie angefochten ist, ihrer Wirkung nach einer nichtigen Ehe gleichsteht, so müssen die Gründe, (ins welchen die Vorschriften der §§ 1562—1566 beruhen, dahin führen, jene Vorschriften auf den Fall, wenn eine anfechtbare Ehe angefochten Anschlüsse oit den § 1270 mit der im § 1567 bezeichneten Maßgabe

für entsprechend anwendbar zu erklären (vergl. die Motive zu § 1270 oben S. 102). In den Fällen des § 1567 mit Rücksicht darauf, daß der die Ehe an­ fechtende Ehegatte durch seine eigene Entschließung das zwischen dem Kinde und der väterlichen Familie auf Grund der Ehe bestehende Band beseitigt, ein Verwandtschaftsverhältniß zwischen dem Kinde und den Verwandten des

Vaters auch dann auszuschließen, wenn der anfechtende Ehegatte bei der Ehe­ schließung in gutem Glauben, der andere Theil nicht in gutem Glauben war (vergl. Mommsen, Erbrechtsentw. § 24 S. 150), kann als angemessen nicht erachtet werden, da einerseits dem gutgläubigen Ehegatten, welchem ein An­ fechtungsgrund zur Seite steht, nicht zuzumuthen ist, die Ehe fortzusetzen, andererseits Rücksichten der Billigkeit und der Schonung dafür sprechen, trotz

Uneheliche Kinder.

Rcchtk-vcrh. zur Mutter n. deren Familie.

§ 1563.

851

der erfolgten Anfechtung der Ehe in einem solchen Falle die Kinder auch im Verhältnisse zu den Verwandten des Vaters als eheliche Kinder zu behandeln. Würde man das Gegentheil bestimmen, so könnte dadurch ein nicht gerecht­ fertigter indirekter Zwang gegen beit anfechtungsberechtigten Ehegatten aus­

geübt werden, von seinem Anfechtungsrechte keinen Gebrauch zu machen. Da auch bei einer anfechtbaren Ehe der Fall vorkommen kann, daß beide Ehegatten bei der Eheschließung die Anfechtbarkeit der Ehe gekannt haben, nämlich dann, wenn die Ehe wegen Eheunmündigkeit eines Ehegatten oder wegen Mangels der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters eines Ehegatten

anfechtbar ist (§ 1259 Nr. 3, 4), so muß im § 1567 auch der § 1566 fürentsprechend anwendbar erklärt werden.

Fünfter Titel.

Wechtsverchättniß Ser unehelichen Kinöer.

I. Allgemeine Vorschriften. § 1568. Bei der Regelung des Rechtsverhältnisses der unehelichen Kinder ist der «tagcmeme Entwurf davon ausgegangen, daß regelmäßig nur die durch eheliche Abstam- ®euf^5

mung vermittelte Verbindung diejenige sittliche Grundlage gewährt, welche die Voraussetzung familienrechtlicher Pflichten und Rechte bildet, daß insbesondere nur das feste Band der Ehe und das dadurch begründete Familienleben eine ausreichende Garantie für die Erfüllung jener Pflichten und die zweck­ entsprechende Ausübung jener Rechte bietet. 1. Dem vorstehend bezeichneten Ausgangspunkte entsprechend und in eteiiung zu Konsequenz des im § 30 Abs. 3 bereits ausgesprochenen Prinzipes hat der Entwurf zwischen dem unehelichen Kinde und dessen Abkömmlingen einerseits wandten, und dem unehelichen Vater und dessen Verwandten andererseits familienrecht­ liche Beziehungen, insbesondere die aus dem ehelichen Eltern- und Kindesverhältnisse sich ergebenden Pflichten und Rechte, grundsätzlich nicht anerkannt. Die durch die Natur zwischen dem unehelichen Kinde und seinem Erzeuger­ geknüpften Bande führen in den wenigsten Fällen zu einer innigeren Ver­ bindung zwischen beiden. Meistens steht der Vater dem unehelichen Kinde gleichgültig und fremd gegenüber. Er betrachtet dasselbe als eine Last und hat kein Jnteresie an dem Wohlergehen, der körperlichen und geistigen Aus­ bildung desselben. An dem Familienleben und an dem Vermögen des Vaters nimmt das uneheliche Kind in den seltensten Fällen unmittelbaren Antheil, und wenn der Vater die Verpflegung und Erziehung desselben übernimmt, so geschieht dies nur zu oft in seinem eigenen finanziellen

54*

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Uneheliche Kinder. Rcchtsverh. zur Mutter u. deren Familie. § 1568.

Interesse, um seinerseits dem Mindestfordcrnden wieder die Verpflegung des Kindes übertragen zu können. Es ermangeln hier völlig die sittlichen und faktischen Voraussetzungen für die Begründung familicnrechtlicher Beziehungen, namentlich in solchen Fällen, in welchen die Vaterschaft nicht freiwillig anerkannt wird, sondern erst im Wege des Prozesses festgestellt werden muß. Dazu kommt, daß die Feststellung der unehelichen Vaterschaft, wenngleich die­ selbe als unmöglich nicht betrachtet werden kann, doch mit erheblichen praktischen Unzuträglichkeiten verbunden, daß aber andererseits die Aufstellung

positiver Vorschriften zum Zwecke der Erleichterung jener Feststellung in hohem Grade bedenklich ist, wenn an die uneheliche Vaterschaft weitergehendc familien­ rechtliche Beziehungen, als der in den §§ 1571 ff. anerkannte Unterhalts­ anspruch des unehelichen Kindes gegenüber dem unehelichen Vater geknüpft werden sollen. Mit dem Entwürfe stimmen, soviel die rechtliche Stellung des unehelichen Kindes gegenüber dem unehelichen Vater und besten Verwandten betrifft, im Prinzipe das gemeine Recht und die neueren Gesetzgebungen überein (vergl. bayr. L. R. 1,5 8 1, 1,4 § 9 Nr. 4, in, 12 § 2 Nr. 11; preuß. A. L. R. II, 2 §§ 612 ff., §§ 651 ff., II, 3 §§ 7, 8 verglichen mit dem preuß. Ges. v. 24. April 1854; österr. G. B. §§ 162 ff., §§ 754, 756; code civil Art. 159, 756, 334—340; sächs. G. B. §§ 1801, 1858—1874, 2019, 2025. Anerkennung Abweichend von den übrigen Gesetzgebungen wird jedoch nach franz, uneheuchen Rechte, welchem in dieser Hinsicht im Wesentlichen das bad. L. R. und der Kinder, Entw. gefolgt sind, durch die Anerkennung des unehelichen Kindes voir Seiten des Vaters zwischen diesem und dem unehelichen Kinde ein besonderes familienrechtliches Verhältniß hergcstcllt, welches nicht nur eine gegen­ seitige Unterhaltspflicht und für das Kind den Zivilstand des Vaters, sondern auch gcwiste Eltern- und Kindesrechte und ein beschränktes gegenseitiges Erbrecht begründet, sich auf die Verwandten des Vaters aber nicht erstreckt. Im Einzelnen ist der Umfang der durch die Anerkennung zwischen dem unehelichen Kinde und dem anerkennenden Elterntheile begründeten familienrechtlichen Rechte und Pflichten nach verschiedenen Richtungen hin bestritten (vergl. code civil Art. 334—342, 158, 383, 756—767; Hess. Entw. III Art. 49, 50, 54, 57—59, II Art. 27—33, 114, 115). Der Entwurf hat das französischrechtliche Institut der Anerkennung nicht ausgenommen. Dasselbe entspricht nicht den deutschrechtlichen Anschauungen, ist überdies bedenklich und durch ein Bedürfniß, nicht geboten. Bedenklich ist die Aufnahme jenes Institutes, weil es die Gefahr mit sich bringt, daß dadurch, namentlich in den unteren Volksklassen, die Ehelosigkeit und das Konkubinat befördert, andererseits das Familienleben, insbesondere der eheliche Frieden, gestört wird. Durch ein Bedürfniß ist jenes. Institut nicht geboten, weil, wenn Liebe und Zuneigung zu dem Kinde und. der Wunsch, die Lage desselben zu verbeffern, die Triebfeder der Anerkennung des Kindes sind, der Entwurf dem Vater in ausreichendem Maße andere Wege bietet, rechtlich zu dem Kinde in ein nahes Familienverhältniß zu treten bczw. demselben Wohlthaten zu erweisen. Insbesondere ist es nach dem Ent­ würfe nicht ausgeschlosten, daß der unheliche Vater seinem unehelichen Kinde durch Annahme an Kindesstatt die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes verschafft (§§ 1601 ff. nebst Motiven zu § 1602). Ist nach den konkreten Umständen die An-

Uneheliche Kinder. RechtSverh. zur Mutter u. deren Familie. § 1568.

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nähme an Kindesstatt, welche allerdings, um einem Mißbrauche derselben und den auch mit diesem Institute unter Umständen verbundenen Gefahren entgegenzutreten, an strengere Voraussetzungen, als die Anerkeninmg des franz. Rechtes, geknüpft ist, nicht zulässig, so werden der Annahme des Kindes als Pflegekindes auf dem Wege obligatorischer Verträge selten Schwierigkeiten sich cntgegenstellen.

Außerdem gewährt die Legitimation durch nachfolgende Ehe (§§ 1579 ff.) oder durch Ehelichkeitserklärung (§§ 1583 ff.) dem unehelichen Vater die Möglichkeit, feinem unehelichen Kinde die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes zu verschaffen. Ferner kann der uneheliche Vater durch Verfügung von Todes­ wegen, soweit nicht das Pflichttheilsrecht entgcgensteht, für das uneheliche Kind nach seinem Ermessen sorgen, da die Erwerbsfähigkeit der unehelichen Kinder in dieser Hinsicht durch den Entwurf nicht beschränkt ist. Von dem Prinzipe, daß durch uneheliche Abstammung zwischen dem unehelichen Kinde und dessen Abkömmlingen einerseits und dem unehelichen Vater und dessen Verwandten andererseits familienrechtliche Beziehungen nicht begründet werden, ist in dem Entwürfe, abgesehen von dem im § 1236 anerkannten Ehehindernisse, nur insofern eine Allsnahme gemacht, als dem unehelichen Kinde nach Maßgabe der §§ 1571 ff. ein Unterhaltsanspruch gegenüber dem unehelichen Vater gewährt ist. Außerdem bildet die lmeheliche Vaterschaft die Grundlage für die Legitimation dlirch nachfolgende Ehe (§§ 1579, 1580) und durch Ehelichkeitserklärung (§§ 1583, 1593). Wegen der Gründe, aus welchen der Eiltwurf ein, wenn auch nur beschränktes, gesetzliches Erbrecht zwischen dem unehelichen Kinde und deffen Vater, wie solches nach verschiedcilen Rechten besteht, nicht anerkannt hat, ivird auf die Motive zum Erbrechte verwiesen. 2. Anlangeild die rechtliche Stellung der unehelichen Kinder gegenüber eteuumj der Mutter und der mütterlichen Familie, so führt das Prinzip des § 30 ^utter'un” Abs. 3, daß durch uneheliche Abstammuilg ein Verwandtschaftsverhältniß d-r-» V-rzwischen dem unehelichen Kinde sowie dessen Abkömmlingen einerseits und der cn'

Mutter des Kindes sowie deren Verwandten andererseits begründet wird, dahin, die unehelichen Kinder im Verhältnisie derselben zu der Mutter und der mütter­ lichen Familie, insbesondere auch auf dem Gebiete des Familienrechtes, den ehelichen Kindern grundsätzlich gleichzustellen (§ 1568). Damit stimmen das gemeine Recht, das sächs. G. B. und verschiedene andere neuere Gesetzgebungen

überein (vergl. sächs. G. B. §§ 1874, 2019, 2025,2565; meining. Ges. v. 9. Sep­ tember 1844 Art. 10, 27; goth. Ges. v. 1. Juli 1869 Art. 12, 13 verb. mit dem goth. Ges. v. 7. Juli 1844 §§ 20, 21, 33, 62; altenb. Ges. v. 29. Mai 1876 §§ 20, 21 verb. mit dem altenb. Ges. v. 6. April 1841 §§ 20, 22, 28, 80; ferner in erbrechtlicher Hinsicht holst. Verordn, v. 4. Juli 1863; sondersh. Sukzessionsordn. v. 8. Dezember 1829 §§ 15, 16, 17; weimar. Ges. v. 6. April 1833 §§ 19, 21, 26, 74; Ges. für Reuß j. L. v. 10. Dezember 1853 §§ 20, 22, 27, 73; Ges. für Reuß ä. L. v. 22. Januar 1841 §§ 19, 21,26,74). Dagegen haben das preuß., das österr. und das franz. Recht dem Grundsätze des älteren deutschen Rechtes, nach welchem das uneheliche Kind nicht nur nach der väterlichen, sondern auch nach der mütterlichen Seite hin jeder Familienverbindung, insbesondere auch des Erbrechtes, entbehrte, einem Grundsätze, an welchem das liib. Recht und die Stadtrechte von Rostock und

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Uneheliche Kinder.

RcchtLvcrh. zur Mutter u. deren Familie.

§ 1568.

Lüneburg in erbrechtlicher Hinsicht in vollem Umfange fcstgehalten haben, sich insoweit angeschlosscn, als nach jenen Rechten das uneheliche Kind auch in die mütterliche Familie nicht eintritt, sondern nur zwischen dem Kinde und der Mutter familienrechtliche und erbrechtliche Beziehungen bestehen. Nach franz. Rechte sind diese letzteren Beziehungen zudem von der freiwilligen oder erzwungenen Anerkennung des Kindes durch die Mutter abhängig und auch unter dieser Voraussetzung, namentlich in erbrechtlicher Hinsicht, nur in dem­ selben beschränkten Umfange anerkannt, wie int Falle der Anerkennung des Kindes von Seiten des Vaters. Von dem Grundsätze, daß zwischen dem unehelichen Kinde und den Verwandten der Mutter familienrechtlichc Be­ ziehungen nicht bestehen, macht das preuß. Recht jedoch die Ausnahmen, daß uneheliche Kinder derselben Mutter die rechtliche Stellung von Halbgcschwistern unter einander haben und eine subsidiäre Unterhaltspflicht zwischen dem unehelichen Kinde und den mütterlichen Großeltern anerkannt ist (vergl. preuß. A. L. R. II, 2 §§ 630, 631, 637—639, 656, 657, 660, 661, II, 3 §§ 6, 8, II, 2 §§ 629, 638 Verb, mit dem preuß. Ges. v. 24. April 1854 § 20; öfters. G. B. §§ 165, 754, 756, 763; code civil Art. 334—342, 158, 383, 756 bis 767; Hess. Entw. Art. 48, 57—59, II Art. 27—33, 114, 115). In erbrecht­ licher Beziehung haben außerdem verschiedene andere neuere Gesetzgebungen bald in größerem, bald in geringerem Umfange an dem Grundsätze des älteren deutschen Rechtes fcstgehalten (vergl. insbes. bayr. L. R. III, 12 § 2 Nr. 11; coburg. Ges. v. 28. Juli 1858 Art. 39, 40; lübcck. Ges. v. 10. Februar 1862 Art. 19, 22; fraukf. Ges. v. 22. August 1865 §§ 1, 2). Standpunkt Wenn das ältere deutsche Recht die unehelichen Kinder auch von der Entwmscz. mütterlichen Familie ausschloß, so hing dies wesentlich damit zusammeit, daß sl-ichst-llung dieselben damals auch ans allen anderen Gebieten des Rechtes in ihrer Rcchts"’fliXrn*" Fähigkeit wesentlich beeinträchtigt waren unb der unehelichen Geburt ein durch ' das ganze Leben und alle Lebensverhältnisse sich hinziehendcr Makel anhaftete. Unter der Herrschaft eines solchen Rechtszustandes lag es nahe, mit Rücksicht auf die übrigen Mitglieder der Familie den Eintritt in die letztere dem unehelichen Kinde zu versagen. Diese Rücksicht kaitn unter den heutigen Verhältnissen als entscheidend nicht mehr betrachtet werdeir. Andererseits spricht für die Gleichstellung des unehelichen Kindes mit dem ehelichen Kinde int Verhältnisse zur Mutter und deren Verwandten stuf dem Gebiete des Familienund Erbrechtes das dringende Jnteresie, die Lage der unehelichen Kinder zu verbessern, und vor Allem die Erwägung, daß die faktischen und sittlichen Voraussetzuitgen für familienrechtlichc und erbrechtliche Beziehungen zwischen

dem uitehelichen Kinde und dessen Abkömmlingeit einerseits unb der Mutter und deren Verivandten andererseits, wenn auch nicht in demselben Maße, wie bei ehelicher Abstammung, so doch regelmäßig in einem solchen Grade vorhandeit sind, daß, unter Vorbehalt geeigneter, der Verschiedenheit der Sachlage entsprechender Modifikationen, dem unehelicheit Kinde int Verhältnisse zur Mutter und zur mütterlichen Familie grundsätzlich die Stellung ehelicher Kinder eiitgeräumt werden kann. Das uneheliche Kiitd steht der Mutter ent­ schieden viel näher als dem Vater. Dasselbe ist schon von der Natur der Mutter aitvertraut und deren Pflege und Erziehung überlassen. Ta-

Uneheliche Kinder.

McchlSrerh. zur Multcr u. deren Familie.

§ 1568.

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durch wird das zunächst auf der natürlichen Verbindung beruhende Band der Liebe zwischen dem unehelichen Kinde und dessen Mutter fester geknüpft, und werden andererseits durch diese nahen Beziehungen zwischen dem unehelichen Kinde und der Mutter von selbst auch die durch die Einheit des Blutes bcgrün.dcten Beziehungen desselben zur Familie der Mutter aufrecht erhalten und belebt, zumal in sehr vielen Fällen die Mutter keinen eigenen Hausstand hat, sondern mit dem Kinde bei ihren Eltern oder anderen nahen Verwandten Aufnahme findet und so das Kind faktisch das Familienleben der mütterlichen

Verwandten theilt. Das Interesse der unehelichen Kinder, welche sonst nur zu leicht dem Elende und der Verwahrlosung preisgegcben sind und auf die

Bahn des Lasters gerathen, sowie mittelbar das Interesse der Gesellschaft erheischt cs dringend, dieselben rechtlich nicht auch von der Familie der Mutter auszuschließcn, damit sie, namentlich im Falle eines frühzeitigen Todes der Mutter oder wenn diese ihre mütterlichen Pflichten nicht erfüllen sollte, nicht

ganz isolirt dastchcn und nicht der in sittlicher und sozialer Beziehung so wichtigen Theilnahme an der Familie entbehren. Berücksichtigt man die^roße Zahl unehelicher Kinder, berücksichtigt man, daß destruktive Elemente vornehmlich aus den Kreisen solcher Personen hervorgchen, welche von der Familie auSgeschlosien sind, so erscheint cs als Aufgabe und Pflicht der Gesetzgebung, auch auf dem Gebiete des Zivilrechtes der Vermehrung des Proletariates cntgcgcnzutretcn, sollte auch der Eintritt des unehelichen Kindes in die mütterliche Familie den Anschauungen in einzelnen Ständen welliger entsprechen. Der Rücksicht auf die Heiligkeit und die hohe Bedeutung der Ehe wird aber schon dadurch in ausreichendem Maße Rechnung getragen, daß das uneheliche Kind zu den: Vater und dessen Familie rechtlich in keine Verbindung tritt. Aus dem Prinzipe des § 1568 ergiebt sich namentlich die Anwendbarkeit der §§ 1480—1496 mit der im § 1571 enthaltenen Modifikation, ferner die Anwendbarkeit der §§ 1498—1500 (vergl. ferner §§ 40, 1238, 1610). Die Vorschriften der §§ 1501 —1561 über die elterliche Gewalt finden nur nach Maßgabe des § 1570 Anwendung. Da nach § 1570 der Mutter die elterliche Gewalt nicht zusteht, so folgt daraus von selbst die Unanwendbarkeit des § 1635 Abs. 1 Nr. 2, der §§ 1690—1692, des § 1712 Abs. 1, des § 1713 Abs. 2, des § 1715 Abs. 1, des § 1716 Abs. 2 Nr. 4 (vergl. §§ 1636, 1693, 1718), sowie des § 1733 Abs. 1, 2 (vergl. § 1733 Abs. 3). Nicht anwendbar sind ferner die ausdrücklich nur für die eheliche Mutter geltenden Vorschriften des § 1729 Abs. 1 Nr. 2 und des § 1734. Dagegen beziehen sich die Vorschriftcil des § 1635 Abs. 1 Nr. 4 und des § 1729 Abs. 1 Nr. 4, vorbehaltlich der aus § 1637 Abs. 3 und § 1729 Abs. 5 sich ergebenden Modifikationen, auch auf uneheliche Kinder. Da im Erbrechte entgegeilstehendc Bestimmuilgcn nicht getroffen sind, so

finden in Gemäßheit des Prinzipes des § 30 Abs. 3 und des § 1568 im Verhältnisse zwischen dem unehelichen Kinde sowie dcffen Abkömmlingen einer­ seits und der Mutter des Kindes sowie deren Verwandten andererseits auch die Bestimmungen des Erbrechtes über das gesetzliche Erb- und .das PflichtthcilSrccht der Verwandten in vollem Umfange Anwendung. Wegen der Gründe, aus welchen in dieser Beziehung Modifikationen, wie sic in vcr-

uni’pe’

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Uneheliche Kinder.

RcchtZvcrh. zur Mutter u. deren Familie.

§ 1568.

schiedenen Rechten sich finden, nicht als angemessen erachtet sind, wird auf die Motive zum Erbrechte verwiesen. Feststellung der Mutterschaft.

Ehewidrige Kinder. '

Geltendes Recht.

Abweichend von dem franz. Rechte (code civil Art. 334—339, 341, 342; vergl. bad. Ges. v'. 9. Dezember 1875 § 12 und v. 3. März 1879 § 145), aber in Uebereinstimmung mit dem gemeinen Rechte und den übrigen aus gemeinrechtlicher Grundlage beruhenden Gesetzgebungen, insbesondere dem preuß. A. L. R. und dem sächs. G. B., ist nach dem Entwürfe die Entstehung der rechtlichen Beziehungen des unehelichen Kindes zu der Mutter und der mütterlichen Familie nicht von der (freiwilligen oder erzwungenen) Anerkennung des Kindes von Seiten der Mutter abhängig gemacht, sondern lediglich durch die Thatsache der Mutterschaft bedingt, eine Thatsache, deren Feststellung im Prozeßverfahren mit keinerlei Unzuträglichkeiten verbunden ist. Schon jetzt hat das Prinzip des franz. Rechtes durch die Vorschriften der §§ 15, 22 des R. Ges. über die Beurkundung des Personenstandes u. s. w. v. 6. Februar 1875 in Deutschland seine materielle Bedeutung im Wesentlichen verloren. Jenes Prinzip kann überdies um so weniger als angemessen erachtet werden, als dadurch die Lage unehelicher Kinder gegenüber solchen Müttern erheblich ungünstiger gestaltet wird, welchen daran liegt, ihren Fehltritt zu verheimlichen und des Kindes sich zu entledigen. Von dem Prinzipe, daß uneheliche Kinder im Verhältnisse zur Mutter und deren Verwandten den ehelichen Kindern gleichstehen, macht das röm. Recht in Ansehung der ex damnato coitu procreati eine Ausnahme. Die aus einer derartigen Verbindung erzeugten Kinder werden auch im Verhältnisse zur Mutter ignorirt; insbesondere wird ihnen auch gegenüber der letzteren ein Erbrecht versagt. Ob und inwieweit diese Ausnahme gemeinrechtlich noch Geltung hat, ist bestritten. Im Anschlüsse an das röm. Recht haben jedoch viele ältere deutsche Rechte, insbesondere auch das württemb. L. R. und das bayr. L. R., die hier fraglichen Kinder, namentlich in erbrechtlicher Beziehung, ungünstiger gestellt, als andere uneheliche Kinder. Nach württemb. Rechte besteht zwischen jenen Kindern und der Mutter, abgesehen von dem Ansprüche der ersteren auf nothdürftige Alimente gegen die Mutter und die mütterlichen Großeltern, kein Eltern- und Kindesverhältniß, insbesondere auch kein gegen­ seitiges Erbrecht. Auf demselben Standpunkte steht das franz. Recht. In Ehebruch oder Blutschande erzeugte Kinder werden in rechtlicher Hinsicht schlechthin so betrachtet, als ob sie weder Vater noch Mutter haben. Diese Regel erleidet nur insofern eine Ausnahme, als jene Kinder von ihren Eltern Alimente zu fordern berechtigt sind. Die Anerkennung ehcwidriger Kinder ist ausdrücklich verboten und die Vaterschaftsklage wie die Mutterschaftsklage in allen Fällen ausgeschlossen (code civil Art. 335, 342, 762—764, 908, 911; vergl. bad. Ges. v. 21. Februar 1851 § 1). Dagegen haben die meisten neueren Gesetzgebungen, insbesondere das preuß. A. L. R., das österr. G. B. und das sächs. G. B., die Unterscheidung zwischen ehewidrigen Kindern und anderen unehelichen Kindern aufgegeben (vergl. auch meining. Ges. v. 9. Sep­ tember 1844; coburg. Ges. v. 28. Juli 1858 Art. 28, 35 ff.; goth. Ges. v. 1. Juli 1869 Art. 12 vcrb. mit dem goth. Ges. v. 7. Juli 1844 § 20; altenb. Ges. v. 29. Mai 1876 §§ 4 ff. vcrb. mit dem altenb. Ges. v. 6. April 1841

Uneheliche Kinder.

RechHverh. zur Mutter u. deren Familie.

§ 1568.

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§ 20; ferner in erbrechtlicher Hinsicht holst. Verordn, v. 4. Juli 1863 § 4; frankf. Ges. v. 22. August 1865 § 1; Weimar. Ges. v. 6. April 1833 § 19; Ges. für Neuß j. L. v. 10. Dezember 1853 § 20; sonderst). SukzessionSordn. p. 8. Dezember 1829 §§ 15, 16). Streitig ist, ob und inwieweit die hier in Rede stehenden Bestimmungen über die Sonderstellung der ehewidrigen Kinder durch das Str. G. B. in Verbindung mit § 2 des Eins. Ges. zu demselben als beseitigt anzusehen sind. Der Entwurf hat, abgesehen von der Bestimmung des § 1586, keinen Unterschied zwischen ehewidrigen und anderen unehelichen Kindern gemacht. Entwurfes. Voir dem Gesichtspunkte der Abschreckung oder der Strafe aus läßt sich die Ausschließung ehewidriger Kinder von den familienrechtlichen und erbrechtlichen Beziehungen zu der Mutter und den Verwandten der letzteren nicht recht­ fertigen. Das Gegentheil hieße die Kinder wegen des Verbrechens oder Ver­ gehens der Mutter bestrafen. Ebensowenig verdient das Motiv bed code civil: ,.la manifestation d’un desordre caclie n’est jamais, pour sinteret social, com-

pensee par la reparation d’un dommage individuel“ (Röder, kritische Beiträge S. 94) Beifall, da das Bekanntwerdcn des Ehebruches oder der Blutschande durch den Ausschluß der aus einer solchen Verbindung hervorgegangencn Kinder von der mütterlichen Familie in der Regel doch nicht verhindert wird. Auch das Interesse der Erhaltung des Familienfriedens, der Schutz des letzteren gegen Störung durch die Klage auf Anerkennung eines int Ehebrüche erzeugten Kindes gegen die Ehefrau kann als durchschlagender Grund, den hier in Rede stehenden Kindern die Klage auf Anerkennung gegen ihre Mutter zu versagen, nicht angesehen werden. Nur das könnte in Zweifel gezogen werden, ob bei solchen aus einer strafbaren Verbindung hervorgegangenen und vielleicht den Gegenstand des Hasses auf Seiten der Mutter und der mütterlichen Verivandten bildenden Kindern diejenigen sittlichen Voraussetzungen und nahen Beziehungen vorhanden sind, welche die Grundlage des Familien- und Erb­ rechtes bilden. Die Rücksicht auf das Interesse jener ohnehin unglücklichen Kinder und auf die Mehrzahl der bestehenden Rechte ist jedoch als überwiegend zu erachten. Dazu kommt, daß Kinder aus einer formgültigen, aber inzestuösen Ehe nach Maßgabe der §§ 1562—1566 sogar als eheliche Kinder gelten. Wegen der Gründe, aus welchen der Entwurf von dem Grundsätze, daß ehe­ widrige Kinder nicht ungünstiger als andere uneheliche Kinder behandelt werden sollen, auch für den Fall keine Ausnahme gemacht hat, wenn im Ehebrüche erzeugte Kinder bei der Beerbung der Mutter mit dem Ehemanne konkurriren (vergl. sächs. G. B. § 2051; Weimar. Ges. v. 6. April 1833 § 58; altenb. Ges. v. 6. April 1841 § 64; Ges. f. Reuß j. L. v. 10. Dezember 1853 § 59), wird auf die Motive des Erbrechtes verwiesen. Im Anschlüsse an eine weitverbreitete, jedoch keineswegs allgemein an- srauttinber. erkannte, insbesondere auch vom Reichsgerichte zurückgewiesene gemeinrechtliche ®e‘t”'beS Praxis (vergl. dafür Seuffert VIII, 65, IX, 189, XI, 245, XV, 143, XIX, ** 166, XXVI, 46; dagegen Seuffert V, 200, XII, 344, XXV, 40, XXXII, 252; Entsch. d. R. G. in Civils. V, 44) werden auch von vielen neueren Gesetz­ gebungen sog. Brautkinder den ehelichen Kindern gleichgestellt. Im Einzelnen herrscht aber in Ansehung der Voraussetzungen und des Umfanges dieser

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Uneheliche Kinder.

Rechterer!), zur Mutter u. deren Fcimilic.

§ 1568.

Gleichstellung, insbesondere auch gegenüber den Verwandten des Vaters, keine Uebereinstimmung (vergl. süchs. G. B. §§ 1578, 1661, 1809, 1837, 2018, 2025, 2039, 2565; altcnb. Ges. v. 13. Januar 1869; Weimar. Ges. v. 6. April 1833 §§ 16, 26 und v. 27. März 1872 §§ 1, 2; Ges. für Rcuß j. L. v. 10. De­ zember 1853 §§ 17, 28; anhalt. Ges. v. 10. Mai 1879 §8 Abs. 5). Dagegen ist dem preuß. Rechte nach Aufhebung der Bestimmungen des preuß. A. L. R. II, 2 §§ 592—595, 597 durch das preuß. Ges. v. 24. April 1854, sowie dem östcrr. G. B. und dem franz. Rechte der Unterschied zwischen Brautkindern und anderen unehelichen Kindern unbekannt. Atlch die goth. Gesetze v. 7. Juni 1844 (vergl. § 19) und v. 1. Juli 1869, das coburg. Ges. v. 28. Juli 1858 und das mcining. Ges. v. 9. September 1844 (arg. Art. 42) enthalten keine be­ sonderen Bestimmungen über Brautkinder. Standpunkt Der Entwurf hat sich dieser letzteren Gruppe von Rechten angeschloffen. Entwurfes. Die Bedenken, welche gegen die Anerkennung familienrechtlichcr Beziehungen zwischen dem unehelichen Kinde und 'dessen Vater sprechen, treffen bei Braut­ kindern zwar nicht in demselben Maße zu. Nicht selten, namentlich in solchen Fällen, in welchen die Schließung der beabsichtigten Ehe unter den Ver­ lobten, z. B. durch den Tod der Braut, unmöglich geworden ist, wird das

Verhältniß zwischen dem Brautkindc und dem Vater ein so nahes und inniges sein, daß cs an sich unbedenklich sein würde, das Kind einem ehe­ lichen Kinde in familien- und erbrechtlicher Beziehung ganz gleichzustellen. Jndcffen die Fälle liegen keineswegs immer so. Man deitke nur an solche Fälle, in welchen das Verlöbnis; dllrch den Brälltigam aufgehoben ist oder derselbe die Anerkennung des Kindes verweigert und seine Vaterschaft im Wege des Prozeßes ausgemittelt werden muß. Dazu kommt, daß cs sich mit der Heiligkeit und Würde der Ehe nicht verträgt, mit einer immerhiir unsittlichen Geschlechtsgcmeinschaft gleiche Wirkungen wie mit der Ehe zu verbinden. Es würde dies die Gefahr einer Beförderung der Unsittlichkeit und des Konkubinates mit sich bringen. Um so weniger kann ein Bedürfniß anerkannt werden, zu Gunsten der Brautkinder von dem Prinzipe, daß nur die durch die Ehe vermittelte Erzeugung die Grundlage des Familien- und Erbrechtes bildet, aus Rücksichten der Billigkeit eine Ausnahme zu machen, als die ökonomischen und polizeilichen Erschwerungen der Eheschließung, welche früher vielfach die Veranlaffung gegeben haben, daß die Verlobten den Bei­ schlaf antizipirten, durch die neuere Gesetzgebung beseitigt sind. Will der Bräutigam, wenn die Ehe unmöglich geworden ist, dem im Brautstande er­ zeugten Kinde die Stellung eines ehelichen Kindes verschaffen, so bieten ihm das Institut der Annahme an Kindesstatt und das Institut der Legitimatioir durch Ehelichkeitserklärung die geeigneten Mittel. Gegenüber denjenigen Rechten, welche die Brautkinder in größeren: oder geringerem Umfange den ehelichen Kindern glcichstcllen, ist überdies nach dem Entwürfe die Sachlage insofern eine wesentlich andere, als nach dem Entwürfe durch das Verlöbniß eine Ver­ bindlichkeit der Verlobten zur Eingehung der Ehe nicht begründet wird, auch irgend welche Formvorschriftcn für Eingehung des Verlöbnisses nicht ausgestellt sind. Damit ist dem Institute der Brautkindcr die Grundlage, auf welcher das­ selbe historisch sich entwickelt hat und praktisch allein durchführbar ist, entzogen.

Uneheliche Kinder. Familiennamen. Elterliche Gewalt. §§ 1569,1570.

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§ 1569. Die Bestimmung des § 1569 entspricht dein Prinzipe, daß das unehc- -w|nilicit; lichc Kind nur zu der Mutter, nicht auch zu dem Vater in einem Familien- üX'iUm

Verhältnisse steht, nnd stimmt mit dem gemeinen Rechte (vergl. Entsch. d. R. G. Jtinbcäin Civils. V, 45) und der Mehrzahl der neueren Gesetzgebungen überein (prcuß. A. L. R. II, 2 Z 640 und Anh. § 94; österr. G. B. § 165; sächs. G. B. § 1801; mccklenb. strel. Verordn, v. 19. Januar 1844; sonderst). Verordn, v. 6. Dezember 1843; mcining. Ges. v. 9. September 1844 Art. 10; coburg. Ges. v. 28. Juli 1858 Art. 36; Verordn, für Neuß j. L. v. 29. April 1864; lübcck. Verordn, v. 22. Juli 1865; goth. Ges. v. 1. Juli 1869 Art. 13; (i(teilt). Ges. v. 29. Mai 1876; vergl. auch §§ 22, 25, 26 des R. Ges. über die Beurkundung des Personenstandes u. s. w. v. 6. Februar 1875). Daß, wenn die Mutter durch Schließung einer Ehe den Familiennamen des Ehe­ mannes erhalten hat, das uneheliche Kind den Familiennamen erhält, welchen die Mutter vor Schließung der Ehe geführt hat, beruht auf der Erwägung, daß das Recht der Mutter, den Familiennamen des Ehemannes zu führen, ein höchstpersönliches ist, das uneheliche Kind auch nicht der Familie des Ehe­ mannes, sondern der Familie der Mutter angehört. Verschiedene Rechte gestatten, daß das uneheliche Kind mit Einwilligung Sprung de» des Vaters befielt Namen führt (vergl. württemb. Ges. v. 5. September 1839 „«mensTes

Art. 28 Nr. 5;" österr. G. B. § 164; mcining. Ges. v. 9. September 1844 Art. 10; coburg. Ges. v. 28. Juli 1858 Art. 36; goth. Ges. v. 1. Juli 1869 Art. 13; Hess. Entw. II Art. 54). Eine derartige, der familienrechtlichen Stellung des unehelichen Kindes widersprechende und die letztere verdunkelnde privatrechtlichc Bestimmung ist jedoch nicht zu empfehlen. Daß nach franz. Rechte das vom Vater anerkannte Kind den Namen des Vaters erhält, hängt mit dem von dem Entwürfe nicht aufgenommenen Institute der Anerkennung zusammen. Die Frage, ob und inwieweit das uneheliche Kind den Stand der Mutter theile (vergl. preuß. A. L. R. II, 2 §§ 640, 642; österr. G. B. § 165; mcining. Ges. v. 9. Sept. 1844 Art. 10; Hess. Entw. II Art. 54), hat der Entwurf hier, wie in anderen ähnlich liegenden Fällen (vergl. §§ 1274, 1497 nebst den Motiven zu § 1274 oben S. 106 ff.), unberührt gelassen.

®atcc8-

Stand,

§ 1570. Gemeinrechtlich und nach den meisten neueren Gesetzgebungen stehen Elterliche uneheliche Kinder unter Vormundschaft; doch wird, wie der ehelichen Mutter nach dem Tode des Vaters, so auch der unehelichen Mutter ein bald mehr QcUenbcä bald weniger von dem Ermessen der Obervormundschaft abhängendcs Recht Recht,

auf die Erziehung des unehelichen Kindes eingcräumt. Insbesondere bestimmt die prcuß. Vorm. O. v. 5. Juli 1875, ohne in dieser Beziehung zwischen der ehelichen und der unehelichen Mutter zu unterscheiden, daß der Mutter des Mündels dessen Erziehung unter Aufsicht des Vormundes zustcht, ihr dieses Erzichungsrccht aber aus erheblichen Gründen nach Anhörung des Vormundes, sowie des Waiscnrathcs, durch das Vormundschaftsgcricht entzogen werden

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Uneheliche Kinder. Elterliche Gewalt. § 1570.

kann (vergl. A. L. N. II, 2 § 614 nebst Anh. § 95, II, 2 §§ 621—625, II, 18

§§ 315, 320, 321; preuß. Vorm. O. §§ 11, 12 Abs. 2, § 28; öfters. G. B. §§ 160—170; sächs. G. B. §§ 1874, 1875, 1922, 1923). Auch diejenigen Rechte, welche der ehelichen Mutter nach dem Tode des Vaters die elterliche Gewalt übertragen (vergl. die Motive zu §§ 1501, 1502 oben S. 723 ff.), erkennen eine elterliche Gewalt der Mutter über ihr uneheliches Kind nicht an; nur nach dem Weimar. Ges. v. 27. März 1872 §§ 2, 4, 15, 16

steht auch der unehelichen Mutter die volle elterliche Gewalt einschließlich der Verwaltung des Vermögens, der Vertretung und der elterlichen Nutznießung zu. Dasselbe ist nach dem heff. Entw. III Art. 55 der Fall, jedoch mit der Maßgabe, daß das Vormundschaftsgericht, je nachdem wegen der Persönlichkeit der Bkutter für die Erziehung des Kindes oder für die Verwaltung des dem letzteren gehörenden Vermögens besondere Vorsorge nöthig erscheint, einen Vormund oder Kurator für das Kind bestellen kann. In einigen kleineren Rechtsgebieteu, so in Mecklenburg-Schwerin, in Waldeck (Vorm. O. v. 21. Oktober 1844), in Reuß ä. L. (Verordn, v. 2. Juli 1864 § 2), hat die Mutter zwar nicht die elterliche Gewalt über ihr unehe­ liches Kind, aber die Stellung eines gesetzlichen Vormundes (vergl. auch Hamb. Vorm. O. v. 14. Dezember 1883 Art. 1 Abs. 2). Ob nach franz. Rechte der Mutter neben der auf die Person des von ihr anerkannten unehelichen Kindes sich beziehenden elterlichen Gewalt auch die gesetzliche Vormundschaft über das

Kind, also die Vermögensverwaltung unb die Vertretung zusteht, ist bestritten. Nach bad. L. R. Satz 393 a ist die Mutter, wenn sie bekannt ist, Vormund des unehelichen Kindes (vergl. jedoch § 4 des bad. Ges. v. 21. Februar 1851). Auch das ital. G. B. Art. 184 giebt der Mutter in Ansehung des von ihr anerkannten unehelichen Kindes die gesetzliche Vormundschaft, welche mit Aus­ nahme der elterlichen Nutznießung der elterlichen Gewalt vollständig gleichsteht und insbesondere auch nur nach Maßgabe der Bestimmungen über die elterliche Gewalt entzogen werden kann. Standpunkt Dem Prinzipe des § 1568 in Verbindung mit dem § 1501 Abs. 2 würde Entwurfes, cs entsprechen, wenn, wie der ehelichen Mutter nach dem Tode des Vaters, so der unehelichen Mutter mit der Geburt des Kindes die elterliche Gewalt über dasselbe übertragen würde. In dieser Beziehung ist jedoch die im § 1570 bestimmte Modifikation mit Rücksicht auf die Verschiedenheit der Sach­ lage für nothwendig erachtet. Die in den Motiven des heff. Entw. III S. 173 für die Uebertragung der elterlichen Gewalt auf die uneheliche Mutter geltend gemachteir Gründe, es sei von der natürlichen Mutterliebe zu ermatten, daß sie für ihr Kind nach Kräften sorgen werde, und es werde durch diese Art der Regelung die Staatsaufsicht einer Menge lästiger VormundschaftsAurM°bung bestellungen überhoben, werden durch die mit der Anerkennung der elterlichen Gewalt. Gewalt der unehelichen Mutter für das Kind, insbesondere für dessen körper­ liches und geistiges Wohl, verbundenen Gefahren überwogen. Die Voraus­ setzungen, von welchen der Entwurf ausgegangen ist, wenn er die Uebertragung der elterlichen Gewalt auf die eheliche Mutter als unbedenklich erachtet hat, treffen bei der unehelichen Mutter theils überhaupt nicht, theils wenigstens in einer großen Zahl von Fällen nicht zu. Die Erfahrung lehrt, daß uneheliche

Uneheliche Kinder.

Elterliche Gewalt.

§ 1570.

861

Kinder in körperlicher wie in geistiger Hinsicht nur zu oft verwahrlost werden. Tas Interesse dieser zahlreichen Kinder und mittelbar der Gesellschaft erheischt

cs dringend, möglichst sichere Garantien zu schaffen, daß dieselben in körperlicher und geistiger Beziehung eine gute Ausbildung erhalten und zu nützlichen Gliedern der menschlichen Gesellschaft erzogen werden. Diese Garantiern würden aber regelmäßig fehlen, wenn man der unehelichen Mutter die elter­ liche Gewalt über ihr uneheliches Kind cinräumen wollte. Hat die uneheliche Mutter an sich auch die Fähigkeit, die mit der elterlichen Gewalt verbundenen Pflichten und Rechte zu erfüllen bezw. auszuübcn, so mangelt es ihr doch zu oft an dem guten Willen und dem genügenden Ernste. In vielen Fällen hat die uneheliche Mutter für das uneheliche Kind nicht das gleiche Interesse und die gleiche hingehende, das Beste des Kindes im Auge habende Liebe, wie die ehelich« Mutter für ihr eheliches Kind; vielmehr verhält sic sich gleichgültig

gegen das uneheliche Kind und betrachtet dasselbe wohl gar als eine drückende Last. Dazu kommt, daß die uneheliche Mutter selten einen festen Hausstand hat, daß sic, um ihrem Erwerbe nachzugehen, häufig von dem Kinde getrennt ist und dasselbe gegen eine billige Vergütung fremden Personen überläßt, welche dabei weniger das Interesse des Kindes als ihr eigenes Interesse berück­ sichtigen. Auch insofern ist die Sachlage bei der unehelichen und der ehelichen

Mutter eine verschiedene, als die letztere in der Regel erst nach dem Tode des Vaters, also meistens erst in gereifteren Jahren, die elterliche Gewalt erlangt. Alle diese Bedenken werden mich dadurch nicht beseitigt, daß man die Befugnisse des Vormundschaftsgerichtes, der Mutter die elterliche Gewalt ganz oder theilweise zu entziehen, gegenüber den Bestimmungen des § 1546 erweitert; denn wenn der Mutter die elterliche Geivalt übertragen und eine Vormund­ schaft daher nicht angeordnet wird, so fehlt cs an einem Organe, welches pflichtmäßig die Ausübung der der Mutter übertragenen Pflichten und Rechte überwacht unb kraft seiner Amtspflicht das Vormundschaftsgericht von einem Mißbrauche der elterlichen Gewalt in Kenntniß setzt, um dasselbe zu einem Einschreiten zu veranlassen. Darauf, daß dritte Personen, insbesondere andere Verwandte des Kindes, dem Vormundschaftsgerichte rechtzeitig Anzeige machen werden, ist bei unehelichen Kindern mit einiger Sicherheit nicht zu rechnen. Ebensowenig reicht cs aus, wenn etwa das Aufsichtsrecht des Waisenrathes bei den unter der elterlichen Gewalt der Mutter stehenden unehelichen Kindern nach Maßgabe des § 1725 ausgedehnt würde, da es regelmäßig an einer äußeren Anregung zur Ausübung dieser Aufsicht und an dem nöthigen Zu­ sammenhänge mit dem Vormundschaftsgcrichte fehlt, weiln nicht zugleich eine Vormundschaft geführt wird. Wird dagegen in allen Fällen eine Vormund­ schaft ailgeordnet, so kann der Waisenrath auch in Ansehung der unehelicheil Kinder eine gedeihliche Wirksamkeit entwickeln. Ein weiteres Bedenken gegen die Uebertragung der elterlichen Gewalt aus die uneheliche Mutter ergicbt sich daraus, daß mit der elterlichen Gewalt die Sorge für das Vermögen einschließlich der gesetzlichen Vertretung verbundcil ist. Es liegt die Gefahr nahe, daß in vielen Fällen leichtsinnige Mütter das etwa vorhandene Vermögen des Kindes, namentlich die von dem Vater ge­ leisteten Unterhaltsgelder oder eine von demselben gezahlte Abfindungssumme,

862

Uneheliche Kinder. Elterliche Gewalt. § 1570.

nicht im Interesse des Kindes, sondern im eigenen Interesse verwenden würden und auf diese Weise der Zweck des nach den §§ 1571 ff. dem Kinde gegen den unehelichen Vater zustehenden Unterhaltsanspruches vereitelt werden könnte. Mit Rücksicht aus diese Gefahr ist z. B. in Mecklenburg-Schwerin, wo die Mutter die Stellung eines gesetzlichen Vormundes hat, durch Verordn, v. 26. Juni 1847 § 2 die Mutter in dem Verwaltungs- und Verfügungsrechtc

über die von dem unehelichen Vater zu zahlenden Alimente vielfach beschränkt und für verschiedene Fälle die Konkurrenz eines Vormundes bezw. der Ober­ vormundschaft vorgeschricben. Ferner bestimmt das bad. Ges. v. 21. Februar 1851 § 4, daß, wenngleich die Mutter Vormund des unehelichen, Kindes ist (bad. L. R. Satz 393a), doch die Klage auf Unterhalt gegen den unehelichen Vater nur von einem besonders zu ernennenden Vormunde geltend gemacht werden kann. Durch die Ausschließung des Vertretungsrechtes wird insbesondere auch der Gefahr vorgebeugt, daß liederliche oder leichtsinnige Mütter das Recht

der gesetzlichen Vertretung des Kindes dazu mißbrauchen, von verschiedenen Personen, welche mit ihr innerhalb der Empfängnißzeit des Kindes den Bei­ schlaf vollzogen haben, betrüglicherweise aus den Namen des Kindes Alimente zu fordern. Die hervorgchobenen Bedenken sprechen im Wesentlichen auch dagegen, der Mutter die Stellung eines gesetzlichen Vormundes zu geben. Elterliche Wird der unehelichen Mutter im Uebrigen die elterliche Gewalt versagt, mtzu.e uiig. so fehlt auch an einem ausreichenden Grunde, ihr die mit der letzteren ver­

bundene elterliche Nutznießring einzuräumen. Sollten die Einkünfte aus dem Vermögen des Kindes Ueberschüsie ergeben, so ist cs für das spätere Fort­ kommen des Kindes von großem Werthe, wenn diese Ueberschüsie für das Kind angelegt werden. Dieselben der unehelichen Mlltter zu überlasten, ist um so bedenklicher, als in vielen Fällen die unehelichen Mütter leichtsinnige und ver­ schwenderische Personen sind. Zudem liegt es im Jntereste der Sittlichkeit, lvenn der unehelichen Mlltter jeder aus ihrer Unsittlichkeit hervorgehendc, allch Thatsächliche

Kindes.

nur indirekte, Vermögensvortheil entzogen wird. Wenngleich der Entwllrf aus den angeführten Gründen Anstand gcnommen hat, der unehelichen Mutter die elterliche Gewalt über das uneheliche Aind zu übertragen, so ist es doch im Anschlüsse an das überwiegend geltende Recht als unbedenklich erachtet, der Mutter nach Maßgabe des § 1558 Satz 2

(vergl. auch §§ 1565, 1566) die thatsächliche Sorge für die Person des Kindes als ein selbständiges, ihr kraft des Gesetzes zustehendes Recht unter Alifsicht des bestellten Vormundes zu überlassen, zumal der § 1546, welcher nebst den übrigen Vorschriften über die elterliche Gewalt auch aus die nach § 1570 der unehelichen Mutter zustehende Sorge für die Person des Kindes analoge Anwendung findet (vergl. § 1685 Satz 2; Motive zu § 1558 oben S. 835), die Grenzen für die Zulässigkeit des Einschreitens des Vormundschaftsgerichtes weit genug gezogen hat, um jeder Gefahr eines Mißbrauches zum Nachtheile des Wohles des Kindes wirksam entgegentreten zu können. Nach dem Vorgailge des geltenden Rechtes unterscheidet der Entwurf auch nicht, ob die uneheliche Mutter selbst noch unter elterlicher Gewalt oder wegen Minder­ jährigkeit unter Vormundschaft steht. Auch wenn die uneheliche Mutter noch minderjährig sein sollte, würde cs den natürlichen Verhältnisten nicht ent-

Uneheliche Kinder. Elterliche Gewalt. § 1570.

863

sprechen, sic von der Pflicht, in dem im § 1570 bezeichneten Umfange für ihr

Kind zu sorgen, zu entbinden (vcrgl. auch § 1554 Abs. 2, §§ 1565, 1566 nebst den Motiven zn § 1554 oben S. 820). In Anlehnung an eine auch für das gemeine Recht vertretene, von der ErziehungsHerrschenden Meinung jedoch nicht getheilte Ansicht (vergl. Seuffert IV, 230, b-sÄers. XII, 163, XXVII, 32) erleidet nach verschiedenen neueren Gesetzgebungen das Erziehungsrecht der unehelichen Mutter insofern eine Modifikation, als die­ selben nach Ablauf der ersten Lebensjahre des Kindes dem uirchelichen Vater, wenn dieser wegen Erfüllung seiner Unterhaltspflicht in Anspruch genommen wird, das Recht geben, das Kind selbst in Pflege zu nehmen und zu erziehen, vorbehaltlich der Bcfugniß des Vormundschaftsgerichtes, der Mutter die Ver­ pflegung und Erziehung des Kindes auf Kosten des Vaters ferner zu be­ laßen, sofern

dies durch das Interesse des Kindes erfordert wird (vergl.

preuß. A. L. R. II, 2 §§ 622—625; waldeck. Verordn, v. 3. Januar 1780 §7; anhalt-dess. Verordn, v. 30. Mai 1815; sächs. G. B. § 1870; goth. Ges. v. 1. Juli 1869 Art. 9; altenb. Ges. v. 29. Mai 1876 § 16). Dagegen haben andere Gesetzgebungen jenes Recht des Vaters ausdrücklich ausgeschlossen (vergl. mecklcnb. Verordn, v. 23. Juni 1847 § 1 lit. d; sonderst). Ges. v. 12. August 1844 §§ 13—15; riidolst. Ges. v. 31. Mai 1850 §§ 10—12; mcining. Ges.

v. 9. September 1844 Art. 20; coburg. Ges. v. 28. Juli 1858 Art. 5, 8). Da nach dem Entwürfe (§ 1574 »erb. mit § 1491 Abs. 1) der uneheliche Vater dem Kinde den Unterhalt immer in einer Geldrente zu gewähren hat, so fällt damit die Grundlage des von den angeführten Gesetzen anerkannten Erziehungsrechtes des Vaters weg. Aber auch abgesehen davon kann vom Standpunkte des Interesses des Kindes aus ein solches Erziehungsrccht des Vaters aus den in den Motiven zu § 1568 oben S. 852 ff. dargestellten Gründen als angemessen nicht erachtet werden. In Ansehung der religiösen Erziehung des unehelichen Kindes bleiben, Rmgwswic aus § 1658 sich ergiebt, die Landesgesetzc unberührt (vergl. preuß. A. L. R. Gr,,enfl»ß d-r anspruch hat, wenn das uneheliche Kind durch nachfolgende Ehe oder durch £e9’‘™a“°”

Ehelichkeitserklärung legitimirt wird und dadurch gegenüber einem anderen abo,mo,L Manne als demjenigen, welcher als unehelicher Vater wegen Leistung von Alimenten in Anspruch genommen war, die rechtliche Stellung eines ehelichen

Kindes erlangt, ist mit Rücksicht auf die Seltenheit der hier in Rede stehen­ den Fälle im Gesetze nicht besonders entschieden. Auch die bestehenden Rechte entscheiden die Frage nicht. Ebensowenig bedarf es einer besonderen gesetzlichen Entscheidung der Frage, inwiefern der hier fragliche Unterhaltsanspruch dadurch berührt wird, daß das Kind später von einem Dritten an Kindesstatt angenommen wird. Die Entscheidung ergiebt sich aus den Vorschriften der §§, 1625, 1627 Abs. 2 in Verbindung damit, daß der uneheliche Vater, soviel seine Unter­ haltspflicht gegenüber dem unehelichen Kinde betrifft, nach § 1571 als leib­ licher Verwandter des angenommenen Kindes anzusehen ist.

6. Der § 1571 gewährt nur dem unehelichen Kinde, nicht auch dessen Unterhalts­ anspruch der Abkömmlingen einen Unterhaltsanspruch gegen den unehelichen Vater. Damit Abkömmlinge stimmt das geltende Recht überein; nur nach franz. Recht ist es streitig, ob des Kindes. der uneheliche Vater gegenüber den ehelichen Abkömmlingen seines anerkannten Natürlichen Kindes unterhaltspflichtig ist. Eine derartige Ausdehnung der

Unterhaltspflicht des unehelichen Vaters würde zu weit führen. 7. Rach dem Entwürfe besteht eine Unterhaltspflicht nur des unehelichen unterhaltsVaters gegenüber seinem unehelichen Kinde, nicht aber auch des letzteren gegen- ^nbeTgegL über dem ersteren. Dies ist auch der Standpunkt des gemeinen Rechtes und der Mehrzahl der neueren Gesetzgebungen. Dagegen sind nach dem prcuß. A. L. R. II, 2 § 638 uneheliche Kinder ihre nothleidenden Eltern und Groß­ eltern in Ermangelung anderer dazu näher verpflichteter Personen zu unter­ stützen verpflichtet. Auch nach franz. Rechte liegt dem von seinem Vater an­

erkannten unehelichen Kinde eine subsidiäre Unterhaltspflicht gegenüber dem unehelichen Vater ob. Der Standpunkt des franz. Rechtes in dieser Beziehung kann indessen für den Entwurf nicht in Betracht kommen, da derselbe mit dem von dem Entwürfe nicht aufgenommenen Institute der Anerkennung im Zu­ sammenhänge steht. Die durch die Zeugung vermittelte natürliche Verbindung vermag für sich allein eine Unterhaltspflicht des unehelichen Kindes gegen­ über dem unehelichen Vater nicht zu rechtfertigen, da es an der sittlichen Grundlage für eine solche Pflicht fehlt.

8. Anlangend das Verhältniß der Unterhaltspflicht des unehelichen Verhäumß Vaters zu der Unterhaltspflicht der Mutter und der sonstigen Verwandten des unt-rhausKindes, so ist gemeinrechtlich nach der herrschenden Ansicht der Vater vor der vw Mutter und den mütterlichen Verwandten des Kindes verpflichtet, dem letzteren den Unterhalt zu gewähren (vergl. Seuffert XII, 35); doch wird auch die sw Ansicht vertheidigt, daß der Vater und die Mutter solidarisch verpflichtet seien, einem jeden derselben aber das beneflcium divisionis zur Seite stehe. Uebrigens ist auch da, wo die primäre Unterhaltspflicht des Vaters anerkannt wird, der Betrag der von demselben zu leistenden Alimente durch den Gerichtsgebrauch

880

Unterhaltspflicht des unehelichen Vaters. Gestaltung. § 1571.

in der Regel so gering festgestellt, daß thatsächlich die primäre Unterhaltspflicht des Vaters auf die Gewährung des notdürftigen Unterhaltes sich beschränkt, bezw. sich nur als eine Beitragspflicht zum Unterhalte des Kindes gestaltet (vergl. Seuffert VI, 203, XII, 163, XXV, 132). Im Anschlüsse an die herr­ schende Auffassung des gemeinen Rechtes erkennen auch die meisten neueren Gesetzgebungen int Prinzipe eine primäre Unterhaltspflicht des Vaters an; doch ist die letztere regelmäßig auf die Gewährung des notdürftigen Unter­ haltes beschränkt oder das Maß des zu gewährenden Unterhaltes unter Bezug­ nahme auf die Bedürfnisse eines dem Bauern- oder gemeinen Bürgerstande angehörenden Kindes oder nach einem Minimum und Maximum in der Art festgesetzt, daß die zu leistenden Alimente zum völligen standesmäßigen Unter­ halte des Kindes thatsächlich nicht ausreichen (vergl. württemb. L. R. IV, 18 §§ 2—5 und württemb. Ges. v. 5. September 1839 Art. 28 Abs. 1, 2; bayr. L. R. I, 4 8 7 Nr. 1, 5, 8; preuß. A. L. N. II, 2 §§ 612, 621, 622, 626, 627, 629, 630, 635—637 und preuß. Ges. v. 24. April 1854 § 12; österr. G. B. 88 166—168; anhalt. Verordn, v. 30. Mai 1815 88 10, 11, 16—18, 22; schlesw. holst. Patent v. 14. Mai 1839 8 3; schlesw. Patent v. 9. September 1863 8 1; sondersh. Ges. v. 12. August 1844 88 3, 8, 10; rudolst. Ges. v. 31. Mai 1850 88 1, 6; Reuß ä. L. Ges. v. 4. Januar 1854 88 7—9, 13). Andere Rechte verpflichten den unehelichen Vater überhaupt nur zur Leistung eines Beitrages für den Unterhalt des Kindes. Der Beitrag besteht aber nicht in einer Quote der Unterhaltskosten, sondern wird innerhalb eines in den meisten dieser Rechte bestimmten Minimum und Maximum unter Berücksichtigung gewisser Anhaltspunkte, insbesondere des Standes der Mutter und der Ver­ mögensverhältnisse des Vaters, vom Richter in Geld festgesetzt (vergl. nass. Edikt v. 21. September 1816 88 3, 4; Weimar. Ges. v. 13. April 1829 88 1, 2, 4, 5, 8 und v. 23. Februar 1850 88 38 ff.; meining. Ges. v. 9. September 1844 Art. 13—17; coburg. Ges. v. 28. Juli 1858 Art. 1, 5, 6; goth. Ges. v. 1. Juli 1869 Art. 1, 4—6; sächs. G. B. 88 1858, 1862—1864; altenb. Ges. v. 29. Mai 1876 88 4, 8—10). Nach einer dritten Gruppe von Rechten liegt die Unterhaltsverpflichtung dem Vater und der Mutter gemeinschaftlich ob, doch in der Art, daß der Vater subsidiär allein haftet. Dies ist der Stand­ punkt des franz. Rechtes in Ansehung des von beiden Eltern anerkannten natürlichen Kindes. Es wird angenommen, daß jedem Elterntheile in diesem Falle die Unterhaltspflicht zunächst zur Hälfte obliegt (vergl. auch hesi. Entw. III Art. 57). Nach der mecklenb. Armenordn. v. 21. Juli 1821 und der mecklenb. Verordn, v. 23. Juni 1847 8 la sind der Vater und die Mutter solidarisch zum Unterhalte verpflichtet; doch giebt die Praxis dem Vater die exceptio divisionis, so daß bei Lebzeiten der Mutter, sofern dieselbe ihren Antheil zu leisten im Stande ist, der Vater nur pro rata haftet. Einen von den bisher angeführten Rechten völlig abweichenden Stand­ punkt nimmt das bad. Ges. v. 21. Februar 1851 88 2, 3 ein, indem dasselbe dem unehelichen Kinde nur dann einen Unterhaltsanspruch gegen den Vater, und zwar auf Gewährung des notdürftigen Unterhaltes, giebt, wenn die Mutter das Kind zu unterhalten unvermögend ist. Ausnahmsweise legt auch die anhalt. Verordn, v. 30. Mai 1815 8 18 der Mutter die primäre

Unterhaltspflicht des unehelichen Vaters. Gestaltung. § 1571.

881

Unterhaltspflicht auf, wenn dieselbe bereits früher ein uneheliches Kind geboren hat oder wenn sie ohne genügenden Grund das Erbieten des Vaters, sie zu ehelichen, ablehnt (vergl. Erläut. zur anhalt. L. O. Tit. V, VI, VIII

§ 20 Abs. 2). Die Art und Weise, wie das bad. Gesetz das Verhältniß der Unterhalts­ pflicht des Vaters zu der Unterhaltspflicht der Mutter geregelt hat, empfiehlt sich nicht. Dieselbe würde für den weitaus größten Theil der deutschen Rechts­ gebiete eine wesentliche Neuerung enthalten. Sie entspricht auch nicht der Grundlage, auf welcher die Unterhaltspflicht des Vaters beruht. Die natür­ liche und sittliche Pflicht des Vaters als des Erzeugers des Kindes bringt es mit sich, daß derselbe ebenfalls zu dem Unterhalte des Kindes beiträgt und die Last dieses Unterhaltes nicht der Mutter zunächst allein auferlegt wird. Daß die Mutter dem unehelichen Kinde ungleich näher stehe, reicht nicht aus, den Standpunkt des bad. Gesetzes zu rechtfertigen, ebensowenig der Gesichtspunkt, daß dadurch der Unsittlichkeit des weiblichen Geschlechtes energischer entgegen­ getreten werde. Dieser Vortheil wird dadurch ausgewogen, daß andererseits durch eine solche Regelung die Angriffslust des männlichen Geschlechtes gegen wohlhabende Frauenspersonen verstärkt wird. Die Unterhaltsverpflichtung des Vaters von dem Unvermögen der Mutter, das Kind zu unterhalten, abhängig zu machen, liegt auch nicht im Interesse des Kindes. Gerade in solchen Fällen, in welchen die Mutter im Stande ist, das Kind allein zu unterhalten, ist am ersten die Möglichkeit gegeben, die von dem Vater gezahlten Alimenten­ beiträge zu einem Kapitale für das Kind ganz oder zum Theil anzusammeln, wenn die Mutter dem Kinde gegenüber sich bereit erklärt, die Kosten des Unterhaltes allein zu tragen. Andererseits läuft die Gestaltung der Unterhalts­ pflicht des Vaters nach dem Vorbilde des bad. Gesetzes thatsächlich darauf hinaus, daß dieselbe schon dann nicht eintritt, wenn das Kind den nothdürftigen Unterhalt hat, ohne dem öffentlichen Armenwesen zur Last zu fallen. In gewisser Hinsicht kann allerdings jene Gestaltung dazu beitragen, die Zahl der Alimentationsprozesse zu vermindern, aber doch nur zum Schaden der Kinder, indem die Mutter bei der voraussichtlichen Vergeblichkeit einer Prozeßführung nicht selten in ihren Ausgaben für das Kind über die Maßen sich einschränken wird. Von besonderem Gewichte ist ferner, daß der Beweis, die Mutter sei nicht vermögend und erwerbsfähig, in der Regel erheblichen Schwierigkeiten begegnet und damit dem Kinde die Rechtsverfolgung erschwert wird, ein Um­ stand, welcher andererseits insofern zu einer Vermehrung der Prozesse führen kann, als der Vater nicht selten darauf bauen wird, daß der betreffende Beweis nicht erbracht werden könne. Schließt man sich dem von dem bad. Gesetze betretenen Wege nicht an, so bieten sich wieder verschiedene Arten der Regelung dar. Entweder läßt man den Vater in erster Linie haften, beschränkt aber seine Verpflichtung auf die Gewährung des nothdürftigen Unterhaltes, d. h. auf die Gewährung des­ jenigen, was das Kind, je nach dem Alter, in welchem dasselbe steht, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Lebensstellung braucht, oder man stellt auf die Verpflichtung zur Gewährung des standesmäßigen Unterhaltes (§ 1488 Abs. 2) ab und verpflichtet den Vater nur, gemeinschaftlich mit der Mutter bezw. den Motive z. bürgert Gesetzbuch. IV.

56

Standpunkt des Entwurfes

882

Unterhaltspflicht deS unehelichen Vaters.

Gestaltung.

§ 1571.

Verwandten diesen Unterhalt dem Kinde zu gewähren. Ein dritter Weg ist der, cs bei der Unterhaltspflicht der Mutter und der sonstigen Verwandten des Kindes zu belassen, den Vater aber, unter Festsetzung eines Minimum und Maximum und unter Berücksichtigung seiner Vermögensverhält­ nisse, sowie des Standes der Mutter, zur Gewährung eines Unterhaltsbeitrages anzuhalten. Dieser letztere Weg empfiehlt sich nicht. Abgesehen davon, daß er weniger einfach ist und sich von den Grundsätzen über die Unterhalts­ pflicht der Verwandten mehr entfernt, fällt gegen denselben entscheidend ins Gewicht, daß die Festsetzung eines Minimum und Maximum für ein so großes einheitliches Rechtsgebiet, wie es künftig das deutsche sein wird, bei der Verschieden­ heit der hier einschlagenden Verhältnisse, insbesondere der Preise und der Lebensbedürfnisie in den verschiedenen Theilen Deutschlands, nicht am Platze ist. Ueberwiegende Gründe sprechen für die Einschlagung des ersten Weges. Die primäre Unterhaltspflicht des unehelichen Vaters entspricht nicht nur dem bestehenden Rechte in weitem Umfange, sondern ist auch innerlich begründet. Der Vater eines unehelichen Kindes muß insoweit dem Vater eines ehelichen Kindes gleich­ gestellt werden. Zwar ist die Sachlage insofern nicht die gleiche, als die Be­ streitung des Unterhaltes für die ehelichen Kinder zu den ehelichen Lasten gehört (vergl. § 1339) und als der eheliche Vater den Genuß des Frauenund Kindesvermögens und der häuslichen Dienste der Ehefrau, wie des Kindes, bezw. gegen die Ehefrau einen Anspruch auf einen angemessenen Beitrag zur Tragung der ehelichen Lasten hat (vergl. §§ 1275, 1283, 1339, 1499, 1501, 1502 Nr. 2). Allein bei dem ehelichen, wie bei dem unehelichen Vater ist entscheidend, daß im sozialen, wie im Rechtsleben der Mann vor dem Weibe steht und derselbe zunächst berufen ist, dasjenige zu verdienen und zu beschaffen, was noth thut, und zwar gilt dies hier um so mehr, als die Mutter durch die für das Kind unentbehrliche Pflege vielfach an der Entfaltung ihrer Erwerbskraft gehindert wird. Das Bedenken, daß es im Hinblicke auf die hervorgehobene Verschiedenheit der Sachlage unbillig sei, wenn der uneheliche Vater die Kosten des Unterhaltes des unehelichen Kindes allein zu tragen habe, und daß es auch im Interesse der Verminderung der Unsittlichkeit nicht rathsam sei, der Mutter die Last des Unterhaltes des Kindes ganz abzunehmen, erledigt sich dadurch, daß die Unterhaltspflicht des unehelichen Vaters auf die Ge­ währung des notdürftigen Unterhaltes beschränkt sein soll (§ 1573). Auch dies entspricht, wenigstens im praktischen Resultate, überwiegend dem in Deutsch­ land geltenden Rechte. Der familienrechtliche Karakter des hier in Rede stehenden Unterhaltsanspruches steht einer solchen Beschränkung nicht entgegen, zumal es keineswegs geboten ist, alle Konsequenzen desselben hier zu ziehen. Die Bedenken, welche vom Standpunkte des Interesses der unehelichen Kinder und der Verbesserung ihrer Lage aus gegen jene Beschränkung an sich erhoben werden könnten, verlieren im Wesentlichen ihr Gewicht, wenn der Vater vor der Mutter zum Unterhalte des Kindes verpflichtet ist. Die Mutter ist als­ dann in der Lage, das, was sie besitzt oder erwirbt, für sonstige weitere Bedürfnifie des Kindes, insbesondere für eine angemessene Erziehung desselben, verwenden zu können. mütterlichen

Unterbaltsprlicht des nnchelicben Vaters. Beweis der Vaterschaft. §1572.

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§ 1572. Da der Entwurf den im § 1571 bestimmten Unterhaltsanspruch des un­ Beweis der unehelichen ehelichen Kindes auf die Vaterschaft gründet, so würde nach allgemeinen Grund­ Vaterschaft. sätzen dem Kinde der Beweis obliegen, daß der von ihm auf Gewährung des Unterhaltes in Anspruch Genommene der uneheliche Vater sei, und würde

der Richter nach § 259 der C. P. O. unter Berücksichtigung des gesammten Inhaltes der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisauf­ nahme, ohne an besondere zivilrechtliche Präsumtionen gebunden zu sein, nach freier Ueberzeugung zu entscheiden haben, ob die behauptete Vaterschaft erwiesen sei oder nicht (vergl. Motive zu § 1571 oben S. 868 ff.). Dieser Weg der Ermittelung der Vaterschaft, welcher im Strafverfahren maßgebend ist, wenn es sich bei diesem, z. B. im Falle des Inzestes, um den Beweis der Vaterschaft handelt, und welchen auch der Entwurf für solche Fälle eingeschlagcn hat, in denen auf die durch uneheliche Geburt vermittelte natürliche Verwandtschaft das im § 1236 bestimmte Ehehinderniß gegründet wird (vergl. die Motive zu § 1236 oben 3. 21), wurde bei der Berathung des preuß. Ges. v. 24. April 1854 in der Kommission der zweiten Kammer von verschiedenen Seiten befür­ wortet, jedoch mit 6 gegen 5 Stimmen abgelehnt (Drucks. Nr. 181, zweite Kammer, IlT. Legislaturperiode, II. Session S. 8, 9). Dieses System ist denn auch in seiner Reinheit von keinem der bestehenden Rechte bei dem hier fraglichen Unterhaltsanspruche durchgeführt. Dasselbe ist auch aus praktischen Gründen nicht zu empfehlen. Die Zahl der Alimentenprozesse ist eine sehr

große, und erscheint es sowohl aus diesem Grunde als auch im Hinblicke auf den Zweck des Unterhaltsanspruches angemessen, denselben, insbesondere auch in seinen Voraussetzungen, so zu gestalten, daß derselbe in möglichst einfacher Weise durchgeführt werden kann, ohne andererseits die Grundlage des An­ spruches aufzugeben und dem Jntereffe des auf Gewährung des Unterhaltes in Anspruch Genommenen zu nahe zu treten. Wollte man, soviel den Beweis der Vaterschaft betrifft, von jeder besonderen Bestimmung absehen, so würde nicht nur eine große Ungleichmäßigkeit der Beurtheilung in der Praxis der Gerichte in den verschiedenen Theilen Deutschlands, sondern auch eine erhebliche Vermehrung der Alimentenprozesie zu besorgen sein. Aus diesen Gründen geht der Entwurf im Anschlüsse an das gemeine Recht und die neueren auf dem Boden des gemeinrechtlichen Prinzipes stehenden Gesetzgebungen zunächst davon aus, daß zur Begründung des hier fraglichen Unterhaltsanspruches die Behauptung und der Nachweis genügen soll, daß der in Anspruch Genommene mit der Mutter des Kindes innerhalb der Empfängnißzeit den Beischlaf vollzogen hat (vergl. Seuffert IV, 148, XVII, 115, XX, 9, 10, XXIV, 117; preuß. A. L. R. II, 2 § 618, II, 1 § 1077; preuß. Ges. v. 24. April 1854 § 15; österr. G. B. § 163; sächs. G. B. § 1859; bad. Ges. v. 21. Februar 1851 § 2; weimar. Ges. v. 6. Juni 1853 § 2; meining. Ges. v. 9. September 1844 Art. 11; coburg. Ges. v. 28. Juli 1858 Art. 2; goth. Ges. v. 1. Juli 1869 Art. 2; altenb. Ges. v. 29. Mai 1876 § 5; sondersh. Ges. v. 12. August 1844 § 5; rudolst. Ges. v. 31. Mai 1850 § 3; Ges. für 56 *

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Unterhaltspflicht des unehelichen Vaters. Beweis der Vaterschaft. § 1572.

Reuß ä. L. v. 4. Januar 1854 § 11). Ob in der Aufstellung dieser Ver­ muthung der Vaterschaft eine Abweichung von den allgemeinen Beweisgrund­ sätzen liegt oder ob nicht schon die letzteren von selbst dahin führen würden, auf Grund jener Thatsache den Beweis der Vaterschaft zunächst als erbracht anzusehen, vorbehaltlich des Gegenbeweises anderer Thatsachen, welche den auf jene Thatsache gegründeten Schluß der Vaterschaft zu entkräften geeignet sind, kann hier dahingestellt bleiben. Jedenfalls empfiehlt sich die Anerkennung dieser Vermuthung aus praktischen Gründen, um die Durchführung des Unterhaltsanspruchcs zu erleichtern. Andererseits wird durch diese den natürlichen Verhältnissen sich anschließende Vermuthung dem als unehelichen Vater in Anspruch Genommenen nicht zu nahe getreten, sofern dem letzteren nur der Gegenbeweis nicht völlig abgeschnitten wird. Gegenbeweis.

Ob und inwieweit die Vermuthung, daß derjenige der uneheliche Vater ist, welcher mit der Mutter des Kindes innerhalb der Empfängnißzeit den Beischlaf vollzogen hat, durch Gegenbeweis entkräftet werden kann, ist in den bestehenden Rechten sehr verschieden beantwortet. Von besonderer Wichtigkeit ist in dieser Beziehung die Frage nach der Zulässigkeit der sog. exceptio plurium concumbentium.

Exceptio Gemeinrechtlich ist dhese mit der Streitfrage über die rechtliche Natur cambtotium ^cS ^er fraglichen Unterhaltsanspruches in engem Zusammenhänge stehende Frage sehr bestritten. Die eine, in der Praxis vorwiegend vertretene, insS8Mt'S besondere auch für die gemeinrechtlichen Gebiete Bayerns durch Plenarbeschluß des höchsten Gerichtes v. 23. Juni 1841 als maßgebend anerkannte Ansicht er­ klärt die Einrede für unzulässig und läßt die mehreren Konkumbenten solidarisch haften (vergl. Seuffert IX, 167, X, 171, XVI, 117; Fenner und Mecke III, 115, V, 117). Nach einer anderen Ansicht hat die Einrede die Wirkung, daß dadurch die Vermuthung der Vaterschaft zerstört wird und deshalb keiner der Konkumbenten haftet (vergl. Fenner und Mecke I, 9; Seuffert XXXVII, 314). Eine Mittelmeinung hält die Einrede zwar an sich für unzulässig, nimmt aber an, daß, wenn die Verpflichtung eines der Konkumbenten in rechtsverbindlicher Weise festgestellt sei, die anderen Konkumbenten nicht mehr in Anspruch genommen werden können, da nach der Natur der Sache nur einer der Erzeuger des Kindes sein könne (Seuffert XXXV, 27). Auch ist die Ansicht vertheidigt, daß jeder der mehreren Konkumbenten pro rata hafte.

Die Gesetzgebungen nehmen in dieser Frage ebenfalls einen sehr ver­ schiedenen Standpunkt ein. Ein Theil derselben schließt die Einrede aus

(vergl. preuß. A. L. R. II, 2 §§ 619, 620 — aufgehoben im Geltungsgebiete des preuß. Ges. v. 24. April 1854 —; sächs. G. B. § 1872; bad. Ges. v. 21. Februar 1851 §§ 2, 5; weimar. Ges. v. 6. Juni 1853 § 3; meining. Ges. v. 9. September 1844 Art. 19; sondersh. Ges. v. 12. August 1844 § 7; rudolst. Ges. v. 31. Mai 1850 § 7; Ges. für Reuß ä. L. v. 4. Januar 1854 § 11; altenb. Ges. v. 29. Mai 1876 § 18; anhalt. Verordn, v. 30. Mai 1815 88 8, 9; goth. Ges. v. 1. Juli 1869 Art. 1, 2, 8; mecklenb. Verordn, v. 23. Juni 1847 8 lb). Von den angeführten Gesetzgebungen bestimmt jedoch

Unterhaltspflicht des unehelichen Vaters. Beweis der Vaterschaft. §l 572.

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das bad. Ges. v. 21. Februar 1851 § 5 Abs. 2, daß nach Erhebung der Klage gegen eine bestimmte Mannsperson und nach Einlassung der letzteren auf die Klage das Klagerecht gegen jeden der übrigen Konkumbenten erlischt. Auch das Weimar. Ges. v. 6. Juni 1853 § 3 schreibt vor, daß, wenn die Klage gegen einen der Konkumbenten angestellt ist, aus demselben Klagegrunde gegen einen anderen Konkumbenten eine Klage nicht mehr erhoben werden könne. Nach dem sonderst). Ges. v. 12. August 1844 § 7 und dem rudolst. Ges. v. 31. Mai 1850 § 5 ist dagegen die Klage gegen die übrigen Konkumbenten noch zulässig, wenn der zuerst Belangte von der Klage rechtskräftig entbunden ist, nach dem prcuß. A. L. R. II, 2 §§ 619, 620, der anhalt. Verordn, v. 30. Mai 1815 §§ 8, 9 und dem meining. Ges. v. 9. September 1844 Art. 19 außerdem auch dann, wenn der zuerst in Anspruch genommene Konkumbent seine Pflichten zu erfüllen unvermögend ist. Eine andere Gruppe von Gesetzen knüpft an die Thatsache, daß die Mutter des Kindes innerhalb der Empfängnißzeit mit Mehreren den Beischlaf vollzogen hat, die Folge, daß die mehreren Konkumbenten zunächst nur pro rata und nur subsidiär auch für den Antheil der Anderen haften. Dahin ge­ hören das coburg. Ges. v. 28. Juli 1858 Art. 10, 25, 30 und, wie mehrfach angenommen wird, auch das bayr. £. 9L I, 4 § 9 Nr. 4, während Andere die Vorschriften des letzteren dahin auslegen, daß gegenüber dem Kinde eine solidarische Haftung begründet ist. Eine dritte Gruppe von Gesetzen läßt dagegen die exceptio plurium concumbentium mit der Wirkung zu, daß dadurch der Unterhaltsanspruch des Kindes vollständig ausgeschlossen wird (vergl. preuß. Ges. v. 24. April 1854 Z 9 Nr. 1; kurhess. Verordn, v. 23. Februar 1798 § 2; schaumb. tipp. Verordn, v. 2. Mai 1828; oldenb. authent. Deklaration v. 7. Juni 1845; württemb. Ges. v. 5. September 1839 Art. 28 Nr. 4). Da der innere Grund der Unterhaltspflicht des unehelichen Vaters nur stanbpun« in dem durch die Zeugung zwischen dem Kinde und dem Erzeuger geknüpften Entwurfes. Bande der Blutsverwandtschaft gesunden werden kann und auch der Entwurf jene Unterhaltspflicht auf die Vaterschaft als Nechtsgrund zurückführt (§ 1571), so kann es nicht zweifelhaft sein, daß vom Standpunkte der juristischen Konsequenz aus die Thatsache, daß innerhalb der Empfängnißzeit die Mutter mit mehreren den Beischlaf vollzogen hat, als erheblich erachtet werden muß. Zulassung t>« Das die Grundlage der Unterhaltspflicht bildende natürliche Verhältniß zwischen excepü0'

dem Kinde und dem Konkumbenten ist in einem solchen Falle nicht feststellbar und deshalb für das Recht nicht vorhanden. Zwar hat der Entwurf bei der ehe­ lichen Abstammung an der wirklichen Vaterschaft nicht streng festgehalten, sondern zur Begründung der Ehelichkeit eines von der Ehefrau geborenen Kindes die mögliche Vaterschaft des Ehemannes für genügend erklärt und ins­ besondere den Einwand, daß innerhalb der Empfängnißzeit auch von einem Anderen mit der Ehefrau der Beischlaf vollzogen sei, nicht zugelassen (§§ 1468—1470). Indessen die Gesichtspunkte, welche zu dieser Regelung

geführt haben, nämlich das Interesse der Würde der Ehe und der Erhaltung des Familienstandes (vergl. die Motive zu § 1469 oben S. 654), fehlen hier gänzlich. Ebensowenig treffen hier die Gründe zu, auf welchen die Bestimmung

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Unterhaltspflicht des unehelichen Vaters. Beweis der Vaterschaft. § 1572.

des § 1580 beruht, daß zur Legitimation eines Kindes durch nachfolgende Ehe die mögliche Vaterschaft des Ehemannes genügen soll (vergl. die Motive zu 8 1580), da hier die Rücksichten auf den Schutz der Familieninteressen nicht in Betracht kommen. Es kann sich daher nur fragen, ob überwiegende Gründe praktischer Zweckmäßigkeit dafür sprechen, auch den hier fraglichen Unterhalts­ anspruch an die mögliche Vaterschaft zu knüpfen, die letztere der wirklichen Vaterschaft insoweit gleichzustellen. Daß Zweckmäßigkeitsrücksichten für eine solche Gestaltung sich geltend machen lassen, ist nicht zu verkennen. Namentlich kommen sozialpolitische Gründe in Betracht. Hält man an dem Erfordernisse der wirklichen Vaterschaft fest und läßt demgemäß die exceptio plurium concumbentium zu, so ist nicht zu vermeiden, daß es eine Anzahl unehelicher Kinder geben wird, für welche es an einem Ernährer fehlt und welche, bei Vermögenslosigkeit und Erwerbsunfähigkeit der Mutter bezw. der mütterlichen Verwandten, der öffentlichen Armenpflege zur Last fallen und zur Vermehrung des Proletariates beitragen können. Diese Bedenken dürfen indeffen nicht über­ schätzt werden; die Gefahr liegt vorwiegend in dem Ueberhandnehmcn der un­ ehelichen Kinder überhaupt, nicht darin, daß einzelne Kinder an den Erzeuger sich nicht halten können. Ferner mag die Besorgniß nicht ohne jeden Grund sein, daß die Zulassung der exceptio plurium concumbentium zu einer Ver­ mehrung oder doch Verweitläufigung der Alimentenprozesse führe, da Mancher mit Hülfe dieser Einrede seiner Verbindlichkeit sich zu entschlagcn versuchen werde, sowie daß in Folge der Zulassung jener Einrede die hier fraglichen Prozesse zu widerwärtigen Verhandlungen und zu einer unbegründeten Kompromittirung unbetheiligter dritter Personen Anlaß geben könnten wegen der Mittel, welche der Beklagte anwende, um die Einrede zu bekräftigen, und daß die Mutter aus Noth oder Scham sich leicht verleiten lassen könne, den statt­ gehabten Umgang mit anderen Männern eidlich abzulehnen. Alle diese Be­ denken müssen indessen zurücktreten vor den Unzuträglichkeiten, welche mit dem Ausschlüsse der in Rede stehenden Einrede verbunden sind. Vor Allem liegt eine schwere Ungerechtigkeit darin. Jemanden, welcher der Erzeuger des un­ ehelichen Kindes in Wirklichkeit nicht ist oder dessen Vaterschaft wenigstens völlig ungewiß ist, weil feststeht, daß innerhalb der Empfängnißzeit auch von einem Anderen mit der Mutter des Kindes der Beischlaf vollzogen ist, als Erzeuger zu behandeln und zur Ernährung eines vielleicht fremden Kindes zu nöthigen. Des Weiteren erscheint es in hohem Grade anstößig und das Rechts­ gefühl verletzend, daß das Kind, oder thatsächlich die Mutter, in der Lage sein würde, unter den mehreren Zuhältern denjenigen auszuwählen, welcher ihr wegen seines Vermögens oder aus sonstigen Gründen als der angemessenste erscheint, bezw. die mehreren Zuhälter sämmtlich nach einander in Anspruch zu nehmen, zumal der Mutter damit zugleich die verführerische Gelegenheit zu Erpresiungsversuchen geboten wird. Nicht minder ist der Ausschluß der Einrede deshalb verwerflich, weil er einen Anlaß zur Unsittlichkeit und Liederlichkeit in sich birgt, da eine Frauensperson, welche einem Fehltritte zum Opfer ge­ fallen ist, sich solchenfalls leichter veranlaßt finden kann, auch anderen Männern sich hinzugeben, um ihre und des zu erwartenden Kindes Lage zu verbessern. Das Dirnenwesen und die Prostitution werden auf diesem Wege, statt ge-

Unterhaltspflicht des unehelichen Vaters. Beweis der Vaterschaft. § 157'2.

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mindert, gefördert. In der Zulassuirg der exceptio plurium concumbentium liegt gerade auch nach dieser Richtung hin eine angemessene Vermittelung Wischen dem Prinzipe des gemeinen Rechtes und dem strengen Prinzipe des

franz. Rechtes. Für die Zulassung der Einrede fällt ferner ins Gewicht der Gang, welchen die preuß. Gesetzgebung genommen hat. Das preuß. A. L. R. schließt die Einrede aus; dagegen hat man sie durch das Ges. v. 24. April 1854 zugelassen, und zwar nach den eingehendsten Erwägungen, und an der Hand der in der langen Zwischenzeit gemachten Erfahrungen. Die hier und da hervorgetretene Meinung, es habe sich dabei um einen nicht geglückten Versuch gehandelt, die Grundsätze des A. L. R. und des franz. Rechtes zu vermitteln, entbehrt, soviel wenigstens die Zulassung der hier fraglichen Einrede betrifft, der Begründung. Wenn im Anfänge der Geltung des Gesetzes vom Jahre 1854 die Urtheile über die "Neuerung zum Theil ungünstig gelautet haben, so liegt die Erklärung hierfür nahe. Jede Loslösung von dem bestehenden Rechte in einer wichtigen Frage stößt im Anfänge auf Widerspruch. In der späteren Zeit haben sich, soviel bekannt, Klagen nicht erhoben. Gemeinrechtlich ist bestritten, ob die aus dem Beischlafe innerhalb der n®‘9bec'^g““^ Empfängnißzeit hergeleitete Vermuthung durch einen aus dem Grade der Reife der Reife des des neugeborenen Kindes entnommenen Beweis beseitigt werden kann (vergl. dafür Seuffert XII, 161, XX, 9, XXV, 250; dagegen Seuffert XIII, 123, XV, 98, XVII, 115, XVIII, 109, XX, 10, XXXIV, 86). Die meisten neueren Gesetze laffcn diesen Beweis nicht zu, indem sie theils überhaupt jeden Gegenbeweis ausschließen, theils ausdrücklich die Unzulässigkeit jenes Ein­ wandes hervorheben, theils den letzteren nicht besonders gegenüber der Prä­ sumtion vorbehalten, daß derjenige als der Erzeuger gelte, welcher innerhalb der kritischen Zeit mit der Mutter des Kindes den Beischlaf vollzogen habe (vergl. sächs. G. B. § 1859; sonderst). Ges. v. 12. August 1844 § 6; rudolst. Ges. v. 31. Mai 1850 § 4; weimar. Ges. v. 6. Juni 1853 § 2; meining. Ges. v. 9. September 1844 Art. 11; Ges. für Reuß ä. L. v. 4. Januar 1854 § 11; coburg. Ges. v. 28. Juli 1858 Art. 2; goth. Ges. v. 1. Juli 1869 Art. 2; altenb. Ges. v. 29. Mai 1876 § 5; bad. Ges. v. 21. Februar 1851 §§ 2, 5). Dagegen wird in Württemberg jener Einwand durch eine konstante Praxis zugelaffen (vergl. Seuffert XX, 9). Das preuß. Ges. v. 24. April 1854 §§ 15, 9 erwähnt jenen Einwand zwar nicht besonders; da dasselbe aber die exceptio plurium concumbentium für zulässig erklärt, so kann in Er­ mangelung einer entgegenstehenden Bestimmung der Beweis der Zuhaltung der Mutter mit einem Anderen innerhalb der Empfängnißzeit auch durch die Beschaffenheit des Kindes zur Zeit der Geburt desselben geführt werden. Dies ist auch der Standpunkt des Entwurfes. Durch eine besondere Bestimmung darauf hinzuweisen, ist als entbehrlich erachtet. Andererseits fehlt es an einem ausreichenden Grunde, durch eine positive Vorschrift diese Art der Beweis­ führung auszuschließen und dadurch die Rechte des Beklagten zu beschränken. Dagegen kann nach dem Entwürfe — abweichend von der württemb. Praxis (vergl. Seuffert XX, 9), aber in Uebereinstimmung mit dem preuß. Ges. v. 24. April 1854 — das Kind die exceptio plurium concumbentium seiner­ seits nicht durch den Nachweis entkräften, daß der Reifegrad zur Zeit der

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Unterhaltspflicht des unehelichen Vaters. Beweis der Vaterschaft. § 1572.

Geburt in Verbindung mit der Zeit des mit dem Dritten gepflogenen Bei­ schlafes die Annahme der Erzeugung des Kindes durch diesen Dritten aus­ schließe. Mit Rücksicht auf die unsichere Grundlage eines solchen Nachweises und die praktischen Gesichtspunkte, auf welchen die Zulassung jener exceptio zugleich beruht, empfiehlt es sich nicht, jenen Nachweis zu Gunsten des Kindes ilnd zu Ungunsten des Beklagten zu gestatten. Hat die Mutter des Kindes innerhalb der Empfängnißzeit mit Mehreren den Beischlaf vollzogen, so läßt sich die Vaterschaft mit genügender Gewißheit nicht feststellen.

Ob der Einwand des Beklagten, daß die Mutter des Kindes bereits zur ^chaft"d-r Zeit des mit derselben vollzogenen Beischlafes schwanger gewesen sei, Beachtung

Einwand der

Mutter,

verdient, ist nach gemeinem Rechte streitig (vergl. einerseits Seuffert XIII, 123; andererseits Fenner und Mecke I S. 17, III S. 234). Nach der Mehr­ zahl der neueren Gesetzgebungen ist jener Einwand als unerheblich zu erachten (vergl. sächs. G. B. § 1859; bad. Ges. v. 21. Februar 1851 §§ 2, 5; sondersh. Ges. v. 12. August 1844 §§ 5, 6; rudolst. Ges. v. 31. Mai 1850 §§ 3, 4; weimar. Ges. v. 6. Juni 1853 § 2; meining. Ges. v. 9. September 1844 Art. 11; coburg. Ges. v. 28. Juli 1858 Art. 2; goth. Ges. v. 1. Juli 1869 Art. 2; Ges. für Reuß ä. L. v. 4. Januar 1854 § 11; altenb. Ges. v. 29. Mai 1876 §§ 4, 5). Das preuß. Ges. v. 24. April 1854 § 15 schweigt auch in dieser Beziehung. Daraus ergiebt sich, da 8 9 Nr. 1 jenes Gesetzes die exceptio plurium concumbentium zuläßt, daß die Thatsache der Schwangerschaft der Mutter zur Zeit des Beischlafes indirekt zum Nachweise jener Einrede ver­ werthet werden kann. Auch nach dem Entwürfe ist dies nicht ausgeschlossen. Außerdem ergiebt sich aus § 1572 Abs. 2 Satz 2, daß, wenn die Mutter während der im § 1572 Abs. 2 Satz 1 bestimmten Empfängnißzeit von einem anderen Kinde entbunden war, ein in diese Empfängnißzeit, aber vor die Zeit jener Entbindung fallender Beischlaf mit der Mutter für die Vaterschaft in Ansehung des später nach jener Entbindung geborenen Kindes nicht in Betracht kommt, da in einem solchen Falle die vor jene Entbindung fallende Zeit nicht zu der Empfängnißzeit des nachher geborenen Kindes gehört.

Einwand der

Anlangend den Einwand der Zeugungsunfähigkeit, so ist derselbe in dem sondersh. Ges. v. 12. August 1844 § 6, dem rudolst. Ges. v. 31. Mai 1850 8 4 und dem bad. Ges. v. 21. Februar 1851 8 5 ausdrücklich für zulässig erklärt, während die übrigen neueren Gesetzgebungen in dieser Beziehung be­ sondere Bestimmungen nicht enthalten. Auch der Entwurf hat es, und zwar theils aus den gleichen Gründen, wie bei den Vorschriften über die eheliche Abstammung (vergl. die Motive zu 8 1469 oben S. 655 ff.), theils mit Rück­ sicht auf die Zulaffung der exceptio plurium constupratorum vorgezogen, in dieser Hinsicht zu schweigen.

nnfähiMt,

Aehnlich liegt die Sache in Ansehung des Einwandes der nicht erfolgten

immissio seminis (vergl. Seuffert XVIII, 253).

Wegen des Einwandes, daß die Mutter des Kindes eine Ehefrau sei, wird auf die Motive zu 8 1571 oben S. 878 Bezug genommen. der Uuzurech-

Daß der Einwand der Unzurechnungsfähigkeit zur Zeit des Beischlafes

(vergl. Seuffert VI, 47, XII, 162) vom Standpunkte des Entwurfes aus.

Unterhaltspflicht deS unehelichen Vaters. Beweis der Vaterschaft. § 1572.

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welcher den hier fraglichen Unterhaltsanspruch auf die wirkliche Vaterschaft gründet, unerheblich ist, kann einem Zweifel nicht unterliegen. Das preuß. Ges. v. 24. April 1854 §§ 9, 13 schließt den Unterhaltsanspruch des unehelichen Kindes nicht nur dann aus, wenn die Mutter des ter mutter, letzteren während der Konzeptionszeit mit mehreren Mannspersonen den Bei­ schlaf vollzogen hat, sondern auch dann, wenn dieselbe eine in geschlechtlicher Beziehung bescholtene Person ist. Diese Bestimmung beruht auf dem Gedanken, daß in einem solchen Falle der an sich aus der Thatsache der Vollziehung des Beischlafes mit der Mutter des Kindes innerhalb der Empfängnißzeit auf die Vaterschaft zu ziehende Schluß erschüttert.werde und es deshalb nicht gerecht­ fertigt sei, auch unter solchen Umständen denjenigen, welcher mit der Mutter des Kindes innerhalb der Empfängnißzeit den Beischlaf vollzogen habe, auf Grund dieser Thatsache als Vater des Kindes zu behandeln, wenngleich der volle Beweis, daß innerhalb jener Zeit auch von einem Anderen der Beischlaf mit der Mutter vollzogen sei, nicht sollte erbracht werden können. Diese Art der Regelung, welche eine Annäherung an das Prinzip des franz. Rechtes bezweckt und auch verschiedenen schweiz. Gesetzgebungen zu Grunde liegt, empfiehlt sich jedoch nicht. Die Bescholtenheit der Mutter des Kindes ist keineswegs unbedingt geeignet, die Vaterschaft ungewiß zu machen, und geht es deshalb jedenfalls zu weit, den Ausschluß des Unterhaltsanspruches des Kindes schlechthin daran zu knüpfen. Man denke z. B. an solche Fülle, in welchen die Mutter zwar früher schon einmal außerehelich geboren hat, aber unter Umständen, welche ihren Fehltritt in einem milderen und entschuldbareren Lichte erscheinen lassen, oder in welchen dieselbe trotz ihres früheren, vielleicht schon Jahre lang zurückliegenden Fehltrittes, ihrer ganzen Persönlichkeit und ihrem ganzen Verhalten nach unter Berücksichtigung der übrigen Umstände sich als glaubwürdig darstellt, oder in welchen die Mutter den neuen Fehltritt im Brautstande begangen oder mit dem Beklagten im Konkubinate oder in einem Maitressenverhältnisse gelebt hat. In derartigen Fällen ist zwar die Mutter als eine schon vor der betreffenden Schwängerung in geschlechtlicher Hinsicht bescholtene Person zu bezeichnen, und doch wird gerade in Fällen dieser Art die Vaterschaft oft am wenigsten ungewiß sein. Daß in solchen Fällen dem unehelichen Kinde der Unterhaltsanspruch abgeschnitten wird, wurde schon bei der Berathung des preuß. Ges. v. 24. April 1854 in der zweiten Kammer von verschiedenen Seiten als eine Härte und ein Mangel jenes Gesetzes bezeichnet (vergl. stenograph. Berichte über die Verhandl. der zweiten Kammer 1853/54, Bd. 2 S. 632, 636, 640). Dazu kommt, daß der Begriff der Bescholtenheit wegen seiner Unbestimmtheit und Dehnbarkeit praktisch in hohem Grade bedenklich ist. Für einen Beklagten, welcher nicht zahlen will, bietet die Einrede der Bescholtenheit ein erwünschtes Mittel, den Versuch zu machen, sich seiner Pflicht zu entziehen. Zeugen, welche bereit sind, über den Ruf einer Frauensperson in geschlechtlicher Beziehung Nachtheiliges auszusagen, welche an sich vielleicht unverfängliche Dinge in ausgeschmückter und gefärbter Weise vortragen, finden sich, namentlich unter den Freunden des Beklagten oder unter den Feinden der Mutter, nur zu leicht. Auf diese Weise dient jene Einrede nicht nur dazu, die Prozeffe zu vermehren und die Durchführung

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Unterhaltspflicht des unehelichen Vaters. Beweis der Vaterschaft. § 1572.

begründeter Ansprüche zu erschweren oder gar zu vereiteln, sondern sie giebt auch zu Meineiden und widerwärtigen Verhandlungen Anlaß (vergl. auch Verhandl. des dritten deutschen Juristentages S. 229, 238).

Diejenigen Fälle, in welchen die Bescholtenheit der Mutter den Beweis der Vaterschaft auszuschließen oder die letztere völlig ungewiß zu machen ge­ eignet ist, lassen sich auch nicht einzeln im Gesetze bestimmen. Das preuß. Ges. v. 24. April 1854 Z 9 Nr. 2 hat es allerdings unternommen, eine Reihe von Fällen besonders hervorzuheben, in welchen wegen der Bescholtenheit der Mutter auch der Unterhaltsanspruch des Kindes ausgeschlossen sein soll (vergl. § 13 das.). Allein eine derartige kasuistische Regelung bringt, abgesehen davon, daß die im Gesetze bezeichneten Fälle häufig in concreto nicht zutreffen und alsdann zu Härten und Ungerechtigkeiten führen, die Gefahr mit sich, zu Zweifeln und Streitigkeiten aller Art Veranlassung zu geben, wie dies die in dem preuß. Ges. v. 24. April 1854 Z 9 Nr. 2 aufgeführten speziellen Fälle in reichlichem Maße gethan haben. Wie wenig zutreffend die letzteren zum großen. Theil sind, ist schon bei der Berathung jenes Gesetzes von ver­ schiedenen Seiten hervorgehoben worden. Auch der Ausweg empfiehlt sich nicht, den Unterhaltsanspruch schon dann auszuschließen, wenn Umstände nachgewiescn werden, aus welchen sich die Wahrscheinlichkeit ergicbt, daß während der Empfängnißzeit auch von einem Anderen mit der Mutter des Kindes der Beischlaf vollzogen ist. Gegen diesen Weg erheben sich ähnliche Bedenken, wie gegen die Zulaffung der Einrede der Bescholtenheit. Auch stellt derselbe sich als ein Bruch mit den allgemeinen Rechtsgrundsätzen dar, nach welchen eine rechtlich bedeutsame Thatsache nur dann Wirkung äußert, wenn sie wirklich, nicht blos wahrscheinlich vorhanden ist. Aus den vorstehenden Erwägungen gelangt der Entwurf zu dem Resul­ tate, daß die Vaterschaft einerseits immer, andererseits aber auch nur dann gegeben ist, wenn das Beiwohnen in die Empfängnißzeit fällt, es sei denn, daß innerhalb dieser Zeit auch von einem Anderen der Beischlaf mit der Mutter vollzogen ist. EinpfängnißDie Bestimmung des § 1572 Abs. 2, welche die Empfängnißzeit gesetzlich äClt begrenzt, schließt sich dem § 1467 an und beruht auf ähnlichen Gesichts­ punkten, wie diese letztere Bestimmung (vergl. die Motive zu § 1467 oben S. 648 ff.). Wie im Falle des § 1467, hat auch hier die im § 1572 Abs. 2 bestimmte Empfängnißzeit einen absoluten Karakter. Es wird daher weder zu Gunsten des Kindes noch zu Gunsten des Beklagten der Beweis zugelaffen, daß das Kind vermöge seiner Beschaffenheit zur Zeit der Geburt als aus einem

nicht in die Empfängnißzeit fallenden Beischlafe herrührend anzusehen sei. Dies ist auch der Standpunkt des gemeinen Rechtes (Seuffert XXIV, 117) und der Mehrzahl der neueren Gesetzgebungen. Nur nach dem meining. Ges. v. 9. Sep­ tember 1844 Art. 11 Abs. 3 soll ausnahmsweise bei einer Frühgeburt und nach dem Ges. für Reuß ä. L. v. 4. Januar 1854 § 11 sowohl bei einer Frühgeburt als bei einer Spätgeburt ein nicht in die gesetzlich bestimmte Empfängnißzeit fallender Beischlaf im Interesse des Kindes dann berücksichtigt werden, wenn das Alter der Frucht nach dem Urtheile Sachverständiger mit der Zeit des Beischlafes übereinstimmt. Eine derartige Ausnahme verträgt

Unterhaltspflicht des unehelichen Vaters. Beweis der Vaterschaft. §1572.

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sich indessen nicht mit den Gründen, welche überhaupt zur Aufstellung einer gesetzlichen Empfängnißzeit führen. Die im § 15 Abs. 2 des preuß. Ges. v. 24. April 1854 in dieser Hinsicht bestimmte Ausnahme bezieht sich nur auf

den Fall einer Fehlgeburt und kommt deshalb nur für die Entschädigungs­ forderung der Mutter, nicht auch für den Unterhaltsanspruch des Kindes in Betracht. Anlangend den Umfang der gesetzlichen Empfängnißzeit, so hat die gemein- umfang d°r rechtliche Praxis die bei ehelichen Kindern maßgebende Empfängnißzeit auch em,-eu8'u^

auf die unehelichen Kinder angewendet (vergl. Seuffert XV, 98, XVII, 115, XVIII, 108, XXIV, 117, XXXV, 27). Dem gemeinen Rechte sind in dieser Beziehung im Prinzipe gefolgt das österr. G. B. §§ 138, 163, das sächs. G. B.

1 *

§§ 1771, 1859, das bad. Ges. v. 21. Februar 1851 § 2 verglichen mit dem bad. L. R. Satz 312, das goth. Ges. v. 1. Juli 1869 Art. 2 und das altenb. Ges.

v. 29. Mai 1876 § 5. Dagegen hat das preuß. A. L. R. II, 1 § 1077, II, 2 § 618 den für die eheliche Geburt maßgebenden Zeitraum vom 210. bis 302. Tage (II, 2 § 2) bei unehelichen Kindern auf den Zeitraum vom 210. bis 285. Tage eingeschränkt und auch das preuß. Ges. v. 24. April 1854 § 15 hat, abweichend von dem Vorschläge des Gesetzrevisors, Pens. XV T. 551, diese Termine beibehalten. Dem preuß. Rechte haben sich angeschlossen das sonderst). Ges. v. 12. Aug. 1844 § 5, das rudolst. Ges. v. 31. Mai 1850 § 3, das meining. Ges. v. 9. September 1844 Art. 11, das Weimar. Ges. v. 6. Juni 1853 § 2 und das Ges. für Reuß ä. L. v. 4. Januar 1854 § 11. Einen Mittelweg hat das coburg. Ges. v. 28. Juli 1858 Art. 2 eingeschlagen. Dasselbe bezeichnet als die regelmäßige Empfängnißzeit den Zeitraum vom 210. bis 280. Tage, bestimmt aber daneben, daß, wenn nach ärztlichem Gutachten eine Früh- oder Spätgeburt anzunehmen, derjenige äls Vater des Kindes zu betrachten sei, welcher den Beischlaf mit der Mutter bei einer Frühgeburt innerhalb des Zeitraumes vom 180. bis 210., bei einer Spätgeburt innerhalb des Zeitraumes vom 280. bis 300. Tage vor dem Tage der Entbindung vollzogen habe. Wenngleich die Gründe, welche dafür maßgebend gewesen sind, bei ehe- Standpunkt lichen Kindern der Empfängnißzeit die im § 1467 bestimmte Ausdehnung zu Entwurfes,

geben, bei dem hier in Rede stehenden Unterhaltsanspruche des unehelichen Kindes nicht in gleichem Maße ins Gewicht fallen, so ist es doch an und für sich das Näherliegende, die Empfängnißzeit bei ehelichen und unehelichen Kindern gleich zu bemessen, da, wenn überhaupt die Möglichkeit anerkannt wird, daß das Kind aus irgend einem Beischlafe in der im § 1467 bestimmten Zeit hervorgehen kann, dies auch hinsichtlich eines unehelichen Kindes gelten muß. Um so unbedenklicher ist es, von einer Beschränkung der Empfängnißzeit bei unehelichen Kindern Abstand zu nehmen, als der Entwurf die exceptio plu.riu.ni concumbentium zuläßt und zum Beweise derselben auch die Beschaffen­ heit des Kindes zur Zeit der Geburt verwerthet werden kann. Für die Gleich­ behandlung spricht ferner, daß man bei der Legitimation durch nachfolgende Ehe doch nicht umhin kann, die für die ehelichen Kinder maßgebende Empfängniß­ zeit für anwendbar zu erklären (§ 1580), da, wenn man dort von anderen Grundsätzen ausgehen wollte, eigenthümliche Verwickelungen nicht ausbleiben würden.

892 Eid-s»usch.ebung.

Anerkenntnis unehelichen

Vaterschaft,

Unterhaltspflicht des unehelichen Vaters. Beweis der Vaterschaft. § 1572. Anlangend den Beweis der im § 1572 Abs. 1 bezeichneten Thatsachen, ber Entwurf cs in dieser Hinsicht, namentlich auch, soviel die Zu­

lässigkeit der Eidesdelation zum Zwecke des Beweises der Vollziehung des Bei­ schlafes betrifft, bei den allgemeinen Grundsätzeir des Prozeßrechtes bewenden. ES laßen sich allerdings gewichtige Gründe dafür anführen, nach dem Vor­ gänge des bad. Ges. v. 21. Februar 1851 § 6 und des preuß. Ges. v. 24. April 1854 §§ 16, 17 die Eidesdelation ganz auszuschließen bezw. zu beschränken (vergl. auch schlesw. holst. Patent v. 8. August 1826 § 1; coburg. Ges. v. 28. Juli 1858 Art. 24), um zu verhüten, daß die Zulässigkeit der Erforschung der Vaterschaft durch die Drohung mit der Eidesdelation zu Erpreffungen mißbraucht werde, und um der mit der Zulaffung der Eidesdelation ver­ bundenen, in Prozesien der hier fraglichen Art, wie die Erfahrung lehrt, besonders naheliegenden Gefahr des Meineides entgegenzutreten. Nachdem jedoch die Frage, ob die Eidesdelation in der bezeichneten Richtung auszuschließen oder zu beschränken sei, bereits durch die C. P. O., welche bewußt die einengenden Vorschriften des bestehenden Rechtes in dieser Beziehung beseitigt hat, in ver­ neinendem Sinne entschieden worden ist (Eins. Ges. zur C. P. O. § 14 Nr. 2; vergl. auch bad. Ges. v. 3. März 1879 § 145), ist es als bedenklich erachtet, diesen bestehenden Rechtszustand ohne die zwingendsten Gründe wieder zu ändern. Wenn die C. P. O. auf anderen Gebieten selbst die Eidesdelation ausschlicßt bezw. beschränkt, so geschieht dies doch nur da, wo die Offizial­ maxime im öffentlichen Interesse zum Zwecke der Ermittelung der materiellen Wahrheit Platz greifen muß. Sieht man aber auch von der durch die C. P. O. geschaffenen Rechtslage ab, so muß doch Anstand genommen werden, dem Vorgänge des bad. und des preuß. Gesetzes zu folgen. Die Eides­ zuschiebung bildet in den weitaus meisten Fällen das einzige oder doch das allein ausreichende Beweismittel für den vollzogenen Beischlaf. Die Versagung derselben ist im Ergebnisse in zahlreichen Fällen gleichbedeutend mit dem Ver­ bote der Erforschung der Vaterschaft überhaupt. Das preuß. Gesetz ist auch nicht so weit gegangen, sondern hat nur die Auferlegung des Eides bezw. die Zuweisung desselben an den einen oder anderen Theil in das Ermessen des Gerichtes gestellt. In der Praxis gestaltet es sich aber doch so, daß es meistens auf eine Eidesleistung hinauskommt. Dazu kommt, daß die Gefahr der Mein­ eide durch Ausschließung der Eidesdelation kaum eine geringere wird. Als einzige Zeugin wird der Regel nach die Mutter in Betracht kommen, und es läßt sich bezweifeln, ob die Besorgniß, es könne ein Meineid geschworen werdeit, in Ansehung der Mutter weniger begründet ist, als in Ansehung des als Vater in Anspruch Genommenen. Nach dem preuß. Ges. v. 24. April 1854 § 13 Nr. 2 soll die Vaterschaft als Rechtsgrund des dem unehelichen Kinde eingeräumten Unterhaltsanspruches auch dann als feststehend angenommen werden, wenn das Kind zur Begründung seines Anspruches ein ausdrückliches in einer öffentlichen Urkunde abgegebenes Anerkenntniß der Vaterschaft von Seiten des Schwängerers beizubringen vermag. Eine ähnliche Bedeutung hat die Anerkennung der Vaterschaft nach franz. Rechte und dem großherzogl. heff. Ges. v. 30. Mai 1821 (vergl. Entsch. d. R. G. in Civils. V, 99; Hess. Entw. III Art. 50). Die übrigen neueren

Unterhaltspflicht des unehelichen Vaters. Maß. Dauer. § 1573.

893

Gesetzgebungen enthalten über die Bedeutung der Anerkennung der unehelichen

Vaterschaft besondere Bestimmungen nicht. Gemeinrechtlich ist bestritten, ob dieselbe lediglich den Karakter eines Beweismittels oder einen rechtsgcschäftlichen Karakter hat oder doch den letzteren haben kann. Der Entwurf schweigt in dieser Beziehung. Daraus ergicbt sich, daß die Anerkennung der Vaterschaft als solche nicht einen konstitutiven Karakter, sondern nur die Natur eines Beweismittels hat, da die Verwandtschaft, soweit nicht das Gesetz ausdrücklich ein Anderes bestimmt, der Privatdisposition ent­ zogen ist. Ein Bedürfniß, in der hier fraglichen Beziehung die allgemeinen Grundsätze durch eine positive Bestimmung zu durchbrechen, ist nicht vorhanden. Inwieweit im einzelnen Falle das Anerkenntniß der unehelichen Vaterschaft zum Zwecke der Gewährung des Unterhaltes an das uneheliche Kind als ein gültiges abstraktes Schuldversprechen in Ansehung der Verpflichtung zur Leistung von Alimenten aufgefaßt werden kann, ist nach den Vorschriften der §§ 683, 684 zu beurtheilen.

§ 1573. Die

Gründe, welche den Entwurf

bestimmt haben, die

Unterhalts-

Verpflichtung des unehelichen Vaters auf die Gewährung des nothdürftigen Unterhaltes zu beschränken und von der Festsetzung eines Minimum und Maximum für den von dem unehelichen Vater zu leistcndeir Unterhaltsbeitrag abzusehen, sind bereits in den Motiven zu § 1571 oben S. 881 ff. im Zusammen­ hänge mit der Begründung der im § 1571 bestimmten primären Unterhalts­

mX

pflicht des Vaters dargelegt. Was die Gewährung des nothdürftigen Unterhaltes umfaßt, ist im § 1574 durch die entsprechende Anwendung des § 1488 bestimmt. In dieser Beziehung wird daher auf die Motive zu § 1574 verwiesen. Anlangend die Zeit, während welcher der Vater des unehelichen Kindes Beginn beidem letzteren Unterhalt zu gewähren verpflichtet ist, so ergiebt sich aus § 1571 Unj£$',ts’ verb. mit § 3 in Ermangelung einer entgegenstehenden Bestimmung von selbst, daß jene Verpflichtung mit der Geburt des Kindes, aber auch erst mit dieser zur Entstehung kommt. Es kann daher vor der Geburt des Kindes auf Leistung von Alimenten nicht geklagt, derjenige, welcher mit der Mutter des Kindes den Beischlaf vollzogen hat, auch nicht etwa im Wege einstweiliger Verfügung schon vor der Geburt des Kindes zur Zahlung von Alimenten angehaltcn werden, um die dem Kinde von dem Augenblicke der Geburt an gebührenden Alimente im Voraus zu sichern. Die hier und da in der gemeinrechtlichen Praxis vertretene entgegengesetzte Auffasiung (vergl. Seuffert V, 290, IX, 165) verdient keine Billigung und ist um so weniger gerechtfertigt, als erst nach der erfolgten Geburt des Kindes die Vaterschaft als Grund der Unterhalts­ pflicht nach Maßgabe des § 1572 sich feststellen läßt. Damit stimmt die preuß. Praxis vorwiegend überein (vergl. auch sondersh. Ges. v. 12. August 1844 §§ 31, 36; rudolst. Ges. v. 31. Mai 1850 §§ 28, 31; Ges. für Reuß ä. L. v. 4. Januar 1854 § 11). Die zeitliche Grenze, bis zu welcher die Unterhaltspflicht des unehelichen Vaters sich erstreckt, ist in den bestehenden Rechten sehr verschieden bestimmt.

Dauer.

894 Geltendes Recht.

Unterhaltspflicht des unehelichen Vaters. Maß. Dauer. § 1573.

Gemeinrechtlich dauert die Unterhaltspflicht solange, bis das Kind sich selbst erhalten kann; sie lebt aber wieder auf, sobald das Kind durch Krankheit oder aus anderen Gründen wieder unfähig wird, sich selbst zu unterhalten (vergl. Seuffcrt XXI, 238 unter I, ferner XLI, 107). Eine weitverbreitete Praxis läßt jedoch mit dem Zeitpunkte, in welchem das Kind sich selbst zu unterhalten

im Stande ist, d. h. im Zweifel mit dem vollendeten vierzehnten Lebensjahre desselben, die "Unterhaltspflicht dauernd endigen und nur dann über dieses Lebensalter hinaus fortdauern, wenn beim Eintritte des letzteren das Kind noch in einem hülfsbedürstigen Zustande sich befindet (vergl. Seuffert VI, 203, VII, 49, XI, 41, 245, XXI, 238, XXIV, 243). In anderen gemeinrechtlichen Gebieten erkennt die Praxis eine Verpflichtung des Vaters überhaupt nur bis zum vierzehnten, höchstens achtzehnten Lebensjahre des Kindes an (Seuffert 1,228). Von den neueren Gesetzgebungen läßt ein Theil die Unterhaltspflicht des unehelichen Vaters regelmäßig mit dem vollendenten vierzehnten Lebens­ jahre des Kindes aufhörcn, jedoch dann auch über diesen Zeitpunkt hinaus fort­ dauern, wenn das Kind aus besouderen Gründen sich selbst nicht unterhalten kann (vergl. preuß. A. L. R. II, 2 §§ 633, 634, 637 — dazu Urth. d. R. G. bei Gruchot XXXII S. 131 ff. — und preuß. Ges. v. 24. April 1854 § 12; rudolst. Ges. v. 31. Mai 1850 §§ 13—15). In diesem Sinne wird von der Praxis auch die Bestimmung des württemb. Rechtes, daß die Unterhalts­ pflicht des Vaters solange fortdauert, bis das Kind sich selbst ernähren kann (württemb. L. R. IV, 18 § 2; württemb. Ges. v. 5. September 1839 Art. 28 Nr. 1), gehandhabt. Auf demselben Boden stehen die anhalt. Verordn, v. 30. Mai 1815 §§ 21, 23 und das sondersh. Ges. v. 12. August 1844 §§ 16 bis 18, jedoch mit der Modifikation, daß diese Gesetze das vollendete fünfzehnte Lebensjahr bezw. die Konfirmation als regelmäßigen Endpunkt der Unterhalts­ pflicht bezeichnen. Nach einer anderen Gruppe von Rechten endigt die Unterhaltspflicht unbedingt, wenn das Kind ein bestimmtes Lebensalter erreicht hat, und zwar ist theils das vollendete vierzehnte Lebensjahr (vergl. hannov. Eheverlobungs­ konstitut. v. 5. Juni 1733 § 5; sächs. G. B. § 1862; bad. Ges. v. 21. Februar 1851 § 3; meining. Ges. v. 9. September 1844 Art. 13; Ges. für Reuß. ält. L. v. 4. Januar 1854 § 7; coburg. Ges. v. 28. Juli 1858 Art. 5; goth. Ges. v. 1. Juli 1869 Art. 4; altenb. Ges. v. 29. Mai 1876), theils das zurückgelegte dreizehnte (Ges. für Reuß. j. L. v. 26. Oktober 1822 § 13), theils das vollendete fünfzehnte Lebensjahr des Kindes als zeitliche Grenze festgesetzt (weimar. Ges. v. 13. April 1829 § 4). Nach dem nass. Edikte v. 21. September 1816 § 4 dauert die Unter­ haltspflicht bei Mädchen bis zum Eintritte in das fünfzehnte, bei Knaben bis zum Eintritte in das achtzehnte Lebensjahr und nach dem schlesw. holst. Rechte ist der Vater so lange dem Kinde Unterhalt zu gewähren ver­ pflichtet, bis dasselbe einen eigenen Stand ergreift oder das achtzehnte Lebensjahr zurückgelegt hat (vergl. schlesw.holst. Patent v. 14. Mai 1839 § 3; Provisor. Patent für Schleswig v. 9. September 1863 § 1). Das franz. Recht hat die Unterhaltspflicht des unehelichen Vatersgegenüber dem anerkannten natürlichen Kinde an eine Zeitgrenze nicht ge­ bunden (vergl. auch Hess. Entw. III Art. 59).

Unterhaltspflicht d. unedel. Vaters. Analogie der der Verwandten. § 1574.

895

Wenngleich der Entwurf die hier fragliche Unterhaltspflicht auf die Vaterschaft und die dadurch zwischen dem unehelichen Kinde und dessen Erzeuger hervorgcrufene dauernde Lebensbeziehung gründet und dieser Gesichtspunkt an

Standpunkt

Entwurfes,

sich dahin führen müßte, jene Unterhaltspflicht, wie die gesetzliche Unter­ haltspflicht der Verwandten, auf die ganze Lebenszeit des Kindes zu er­ strecken, so kommt doch andererseits in Betracht, daß die sittlichen Beziehungen zwischen dem unehelichen Kinde und desien Vater weniger intensiv sind, wie bei ehelichen Kindern, und daß eine auf die ganze Lebenszeit des Kindes sich erstreckende Unterhaltspflicht des Vaters auf die freie Bewegung desselben

in wirthschaftlicher und sozialer Beziehung zu störend einwirken und für ihn eine zu drückende Last sein würde. Dafür, daß eine solche Ausdehnung der Unterhaltspflicht auch durch ein praktisches Bedürfniß nicht geboten ist, spricht, daß die abweichende Vorschrift des prcuß. A. L. R., nach welcher der uneheliche Vater ohne Rücksicht auf die an sich aufgestellte Altersgrenze das Kind auch darüber hinaus zu unterhalten verpflichtet ist, wenn cs aus be­ sonderen Gründen zu jener Zeit oder zu einer späteren Zeit (vcrgl. Urtheil d. R. G. bei Grnchot XXXII S. 131 ff.) sich selbst zu unterhalten nicht vermag, in der Praxis wenig zur Geltung gelangt ist. Als angemessene Alters­ grenze erscheint das zurückgelcgte vierzehnte Lebensjahr. Darüber hinaus­ zugehen, würde für große Rechtsgebiete eine Verschärfung der Unterhalts­ pflicht des unehelichen Vaters mit sich bringen. Der Umstand, daß die Mehr­ zahl der Rechte auf das zurückgelegte vierzehnte Lebensjahr abstellt, und daß selbst in solchen Gebieten, in welchen das Gesetz, ohne nähere Präzisirung der Dauer, den unehelichen Vater für unterhaltspflichtig erklärt, bis das Kind sich selbst erhalten kann, die Praxis mehrfach und namentlich in Württemberg dazu gelangt ist, die Unterhaltspflicht mit dem zurückgelegten vierzehnten Lebensjahre endigen zu lassen, beweist, daß den Anforderungen des Lebens durch diese Ausdehnung der Unterhaltspflicht Genüge geschieht. Eine Person in jenem Alter ist auch, von besonderen, nicht entscheidenden Fällen abgesehen, im Stande, den erforderlichen Lebensunterhalt nach dem Maßstabe nothdürftiger Alimente sich selbst zu verdienen. Diese Art der Regelung bietet ferner den Vortheil, daß sie es ermöglicht, die Unterhaltspflicht des unehelichen Vaters als eine von der konkreten Bedürftigkeit der Kindes unabhängige zu gestalten

und dadurch die praktische Durchführung des hier fraglichen Unterhaltsanspruches erheblich zu vereinfachen (vergl. in dieser Hinsicht die Motive zu § 1574 unter Nr. 1).

§ 1574. Dem familienrechtlichen Karakter des auf der Vaterschaft beruhenden Unterhaltsanspruches des unehelichen Kindes entspricht es, die Vorschriften über die gesetzliche Unterhaltspflicht der Verwandten (§§ 1481—1496) auch auf jenen Unterhaltsanspruch insoweit zu übertragen, als nicht durch die Ver­ schiedenheit der Sachlage und Rücksichten praktischer Zweckmäßigkeit Ab­ weichungen geboten sind. In dieser Hinsicht ist Folgendes zu bemerken: 1. Der § 1481 macht den Anspruch eines Verwandten mit der aus Abs. 3 für ein minderjähriges unverheirathetes Kind sich ergebenden Modifikation

Analogie der

wandt-»,

M°disir"tu’ne"’

896

Unterhaltspflicht d.unehel. Vaters. Analogie der der Verwandten. § 1574.

desÄnde-"öon *3et Bedürftigkeit des Berechtigten abhängig. Diese Vorschrift ist auf e CJ' den Unterhaltsanspruch des unehelichen Kindes nicht übertragen. Anlangend das bestehende Recht, so setzt gemeinrechtlich der Unterhalts­ anspruch des unehelichen Kindes an sich die Bedürftigkeit des letzteren voraus; indessen nimmt ein allgemeiner Gerichtsgebrauch diese Bedürftigkeit bis zum vollendeten 14. Lebensjahre des Kindes ohne allen Beweis an (vergl. Seuffert

XXI, 238 unter I). Nach dem preuß. Rechte (preuß. A. L. N. II, 2 §§ 633, 634, 637; preuß. Ges. v. 24. April 1854 § 12) ist die Unterhaltspflicht des unehelichen Vaters jedenfalls bis zum vollendeten 14. Lebensjahre eine un­ bedingte; ob sie in den Ausnahmefällen, in welchen sie darüber hinaus fort­ dauert, nur einen subsidiären Karakter hat, ist bestritten (vergl. jedoch Urth. d. R. G. bei Gruchot XXXII S. 132).

Auch nach den in den Motiven zu

§ 1573 oben S. 894 angeführten Rechten, welche die Unterhaltspflicht des unehelichen Vaters zeitlich beschränken, ist die letztere nicht von der Bedürftigkeit des Kindes abhängig. Dagegen bestimmen das sondersh. Ges. v. 12. August 1844 §§ 16 ff. und das rudolst. Ges. v. 31. Mai 1850 §§ 13 ff., daß die Unterhaltspflicht aufhört, wenn das Kind zu eigenem Vermögen gelangt, vor­ ausgesetzt, daß die disponiblen Einkünfte des letzteren so viel betragen, als die jährlichen Alimentengelder. Auch nach franz. Rechte ist die Unterhaltspflicht des Vaters gegenüber dem anerkannten natürlichen Kinde eine subsidiäre (vergl. auch Hess. Entw. III Art. 59). Dem der Unterhaltspflicht des unehelichen Vaters zu Grunde liegenden Gedanken mag es an sich entsprechen, dieselbe nicht eintreten zu lassen, wenn das Kind genügendes Vermögen besitzt oder durch eigene Kraft seinen Unter­ halt sich zu verschaffen im Stande ist. Praktisch empfiehlt eine solche Ge­ staltung sich indessen nicht. Uneheliche Kinder besitzen in seltenen Fällen eigenes Vermögen; eine Ausnahme tritt in der Regel nur ein, wenn die Mutter frühzeitig stirbt, uud auch hier fällt ihnen als Erben gewöhnlich nur wenig zu. Die Erwerbsfähigkeit derselben ist ebenfalls kaum von Bedeutung, da nach dem Entwürfe die Unterhaltspflicht mit dem zurückgelegten 14. Lebens­ jahre des Kindes erlischt (§ 1573). Insofern trifft man der Regel nach schon an sich das Richtige, wenn von der Vermögenslosigkeit bezw. Erwerbsunfähigkeit des unehelichen Kindes als Voraussetzung des Unterhaltsanspruchcs abgesehen wird. Das Letztere ist aber namentlich deshalb geboten, weil anderenfalls dem unehelichen Kinde die Klagbegründung und damit die Rechtsverfolgung erheblich erschwert, auch die Lage desselben immer eine schwankende bleiben würde, da der uneheliche Vater selbst nach seiner Verurtheilung unter Berufung auf eine in den hier fraglichen Verhältniffen des Kindes eingetretene Aenderung seine Verpflichtung zu bestreiten im Stande sein würde (§§ 1493, 1574). Außerdem würde die Vermehrung oder doch Verweitläufigung der Alimentenprozesie die unausbleibliche Folge sein. Leistung^2. Auch die Bestimmung des § 1482, nach welcher der Unterhaltsia^Bater§bcS anspruch des ehelichen Kindes, wenn auch mit einer gewißen Modifikation,

von der Leistungsfähigkeit des Vaters abhängig ist, eignet sich nicht zur Uebertragung auf den Unterhaltsanspruch des unehelichen Kindes. Das Interesse des letzteren erfordert dringend, den Unterhaltsanspruch von der im

Unterhaltspflicht d. michel. Vater?. Analogie der der Verwandten. §1574.

897

§ 1482 bestimmten Leistungsfähigkeit nicht abhängig zu machen. Für eine große Zahl von Personen, insbesondere für solche, welche dem dienenden Stande angchörcn, sowie für einen erheblichen Theil der Fabrikbcvölkerung, würde dann das Gesetz so gut wie nicht geschrieben sein. Die Uebertragung des § 1482 auf den Untcrhaltsanspruch des unehelichen Kindes würde auch mit dem in einem großen Theile Deutschlands geltenden Rechte, insbesondere mit dem preuß. A. L. R., soviel die bis zum zurückgclegtcn 14. Lebensjahre des Kindes begründete Unterhaltspflicht betrifft (vergl. Urth. d. R. G. bei Gruchot XXXII S. 132) und mit den in den Motiven zu § 1571 oben S. 880 an­ geführten Rechten, welche für die Bemeffung des Unterhaltsbeitragcs ein Minimum und Maximum festsetzen, in Widerspruch stehen, indem jene Rechte

die Feststellung der Leistungsfähigkeit dem Exekutionsstadium übcrlaffcn. Ge­ meinrechtlich ist allerdings bestritten, ob die hier fragliche Unterhaltspflicht

von der Leistungsfähigkeit des unehelichen Vaters abhängig ist. Der Einwand, das uneheliche Kind könne nicht bester gestellt sein, als das eheliche Kind, wiegt nicht schwer gegenüber der Thatsache, daß bei ehelichen Kindern der Vater aus eigenem Antriebe selbst das Wenige, was er hat, mit ihnen theilt, bei unehelichen Kindern dagegen der Vater sich meist nur gezwungen zur Ge­ währung des Unterhaltes an dieselben versteht.

Die besonderen Vorschriften über die Beitreibung von Alimentengeldern gegen Personen des Soldatenstandcs (vergl. preuß. Ges. v. 24. April 1854 § 21) kommen angesichts der Vorschriften der C. P. O. § 749 Nr. 5, 6, 8 nicht weiter in Betracht.

3. Da der Unterhaltsanspruch des unehelichen Kindes von der Leistungs- Andere Modi­ fähigkeit des Vaters nicht abhängig ist, vielmehr der Anspruch insoweit den fl,ahonen'

Karakter einer gewöhnlichen Forderung hat, so sind die Bestimmungen des § 1483 nicht anwendbar.

4. Die Bestimmung des § 1484 kommt im Hinblicke darauf nicht in Betracht, daß nach § 1573 der uneheliche Vater nur bis zum vollendeten 14. Lebensjahre das Kind zu unterhalten verpflichtet ist.

5. Die §§ 1485, 1486 sind zur Uebertragung nicht geeignet (vergl.

§ 1571. 6.

Die Uebertragung des § 1487 ist nicht geboten, da der in seinen

Voraussetzungen von der Leistungsfähigkeit des unehelichen Vaters nicht ab­ hängige Anspruch auf Unterhalt wie jede andere Forderung einen Bestandtheil des Vermögens des unehelichen Kindes bildet und die Unterhaltspflicht der

mütterlichen Verwandten des Kindes nach den allgemeinen Grundsätzen (vergl. § 1568 verb. mit § 1481) von selbst Platz greift, wenn das Vermögen des Kindes zur Erhaltung desselben nicht ausreicht bezw. nicht verwerthbar ist.

7. Indem der § 1574 den § 1488 für entsprechend anwendbar erklärt, »«griff d-s bestimmt er den Begriff des nothdürstigen Unterhaltes, auf welchen nach Unterhaltes. § 1573 der Anspruch des unehelichen Kindes gerichtet ist, und stellt durch die Bezugnahme auf § 1488 klar, daß die Verpflichtung des unehelichen Vaters den

gesummten Lebensbedarf, die Kosten der Taufe, der Erziehung des Kindes und der Vorbildung desselben zu einem besonderen Lebensberufe, sowie die BegräbnißMotive z. öürgerl. Gesetzbuch. IV. 57

898

Unterhaltspflicht d. unehel. Vaters. Analogie der der Verwandten. §1574.

kosten umfaßt. Wenn auch Abs. 1 und 4 des § 1488 vornehmlich in Betracht kommen, so sind doch auch Abs. 2 und 3 nicht auszuschließen, da sie zur Förderung des Verständnisses jener beiden Absätze dienen, insbesondere der Begriff des noth-

dürftigen Unterhaltes erst durch den die Besonderheit des standesmäßigen Unterhaltes hervorhebenden Abs. 2 in das rechte Licht gesetzt wird. Mit dem Entwürfe stimmen, hingesehen auf das praktische Resultat, im Wesentlichen die

gemeinrechtliche Praxis und die meisten neueren Gesetzgebungen überein; doch behandeln dieselben zum Theil den Anspruch auf Ersatz der Taufkosten als einen nicht dem Kinde, sondern der Mutter des letzteren zustehenden Anspruch (vergl. Seuffert VI, 203, XII, 163; preuß. A. L. R. II, 2 §§ 612, 635, 636 nebst Anh. § 84, II, 1 §1016 und preuß. Ges. v. 24. April 1854 §§ 7,12; anhalt. Verordn, v. 30. Mai 1815 §§ 10, 11, 16, 17, 22; sächs. G. B. §§ 1358, 1861—1864, 1371; sondersh. Ges. v. 12. August 1844 §§ 3, 10; rudolst. Ges. vom 31. Mai 1850 §§ 1, 6; meining. Ges. v. 9. September 1844 Art. 2, 14—18; Ges. für Reuß ä. L. v. 4. Januar 1854 §§ 7—9; weimar. Ges. v. 13. April 1829 §§ 1, 2, 5, 6; coburg. Ges. v. 28. Juli 1858 Art. 3, 5, 6, 9; goth. Ges. v. 1. Juli 1869 Art. 1, 3—6, 10, 14; altenb. Ges. v. 29. Mai 1876 §§ 4, 7—10, 17). 8. Die §§ 1489, 1490 scheiden von selbst aus, der § 1490, abgesehen davon, daß die Gründe, auf welchen diese Bestimmung beruht, hier nicht zu­ treffen, schon deshalb, weil der Anspruch des unehelichen Kindes sich stets auf den nothdürftigen Unterhalt beschränkt. Art der Ge­ 9. Anlangend die Art der Gewährung der Alimente, so sollen in dieser währung des Die Unterhaltes. Beziehung nur Abs. 1, 3 des § 1491 entsprechende Anwendung finden. Vorschrift, daß der Unterhalt stets durch Entrichtung einer Geldrente zu ge­ währen ist, dient zur Vermeidung von Streitigkeiten über die gehörige Er­ füllung der Unterhaltspflicht. Dem unehelichen Vater, obwohl demselben aus den in den Motiven zu § 1568 oben S. 851 ff. und in den Motiven zu § 1570 oben S. 863 dargelegten Gründen das Recht der Erziehung des Kindes nicht eingeräumt ist, im Anschluffe an eine größere Zahl von Rechten, insbesondere an das preuß. und sächs. Recht, die Befugniß zu geben, das Kind, nachdem dasselbe die ersten Lebensjahre zurückgelegt hat, selbst in Pflege zu nehmen (vergl. in dieser Hinsicht die Motive zu § 1570 oben S. 863), ist im Interesse der Erziehung des Kindes nicht als angemeffen zu erachten. Es ist auch eine unbillige Härte gegen die Mutter, die letztere vor die Alternative zu stellen, entweder die Kosten des Unterhaltes für die Zukunft allein tragen, oder das Kind, obwohl dasselbe der Natur nach der Mutter viel näher steht als dem Vater, dem letzteren allein überlaffen zu müffen. Dazu kommt, daß auf Seiten des unehelichen Vaters häufig Eigennutz die Triebfeder ist, wenn er selbst das Kind in Pflege zu nehmen beantragt. Abgesehen von den Fällen, in welchen dem Vater das Recht eingeräumt ist, das Kind selbst in Pflege zu nehmen und zu erziehen, geht auch das geltende Recht überwiegend davon aus, daß der Unterhalt von Seiten des unehelichen Vaters durch Entrichtung einer Geldrente zu gewähren ist. Es entspricht dies insbesondere der gemein­ rechtlichen Praxis, dem preuß. Rechte (vergl. preuß. A. L. R. II, 2 §§ 621 bis 627 und preuß. Ges. v. 24. April 1854 § 12), dem sächs. G. B. §§ 1862

Unterhaltspflicht d. unehel. Vaters. Analozie der der Verwandten. § 1574.

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bis 1864, 1870 und dem bad. Ges. v. 21. Februar 1851 § 3, sowie den übrigen

oben S. 898 angeführten Gesetzen. Dadurch, daß der Unterhalt stets durch Entrichtung einer Geldrente zu gewähren ist, ergiebt sich von selbst die Unanwendbarkeit der Vorschriften des § 1491 Abs. 4, 5. Dagegen ist Ms. 3 des § 1491 zur j entsprechenden An­ wendung geeignet (vergl. auch, soviel die Vorschrift des § 661 Abs. 3 betrifft, sächs. G. B. § 1863; sondersh. Ges. v. 12. August 1844. § 19; goth. Ges. v. 1. Juli 1869 Art. 5). 10. Die Gründe, auf welchen die Bestimmung des § 1492 beruht, unt-rhau,ür treffen auch bei dem Unterhaltsanspruche des unehelichen Kindes zu; denn gangenheit. wenngleich dieser Anspruch nicht durch die Bedürftigkeit desjKindes bedingt und der Unterhalt stets durch Entrichtung einer Geldrente zu gewähren ist, so hat der Anspruch doch in der hier fraglichen Beziehung nicht den Karakter einer gewöhnlichen Geldforderung, sondern Gegenstand desselben ist auch in diesem Falle die Befriedigung der Bedürfniffe des Kindes durch Darreichung der dazu erforderlichen Geldmittel. Diese Auffaffung muß, wie bei der Unterhaltspflicht der Verwandten und insbesondere sbei der unbedingten Unterhaltspflicht des Ehemannes gegenüber der Ehefrau (vergl. § 1492 mit § 1280 .Abs. 2), so auch hier zu der Regel führen, daß für die Vergangenheit Alimente nicht gefordert werden können. Die int § 1492 von dieser Regel [bestimmten Aus­ nahmen aber sind hier als angemeffen zu erachten. Der Grundsatz, daß Alimente auch von dem unehelichen Kinde für die Vergangenheit nicht ge­ fordert werden können, wird, obwohl in der gemeinrechtlichen Jurisprudenz die Ansichten darüber auseinandergehen, doch vorwiegend auch von der gemein­ rechtlichen Praxis anerkannt (vergl. Seuffert I, 83, IV, 255, XII, 164, 273, XVII, 250; dagegen XII, 35 Nr. 2), während umgekehrt die preuß. Jurisprtldenz den Anspruch des Kindes auf Alimentenrückstände vorwiegend für zulässig erklärt. Letzteres ist auch der Standpunkt der mecklenb. Verordn, v. 23. Juli 1847 § 1 c. Dagegen liegt dem sächs. G. B. §§ 1868, 1869 und verschiedenen anderen neueren Gesetzgebungen (vergl. altenb. Ges. v. 29. Mai 1876 §§ 11, 12; coburg. Ges. v. 28. Juli 1858 Art. 14; goth. Ges. v. 1. Juli 1869 Art. 8; meining. Ges. v. 9. September 1844 Art. 22; sondersh. Ges. v. 12. August 1844 §§ 37—40; rudolst. Ges. v. 31. Mai 1850 §§ 32—35) die erstere Auffaffung zu Grunde, indem dieselben davon ausgehen, daß den Bei­ trag zu dem Unterhalte des Kindes für die Vergangenheit derjenige, welcher das Kind unterhalten hat, bezw. die Mutter des Kindes zu fordern berechtigt ist. Das sächs. G. B., das goth. Ges. und das altenb. Ges. stellen in dieser Hinsicht zu Gunsten der Mutter, wenn diese den rückständigen Betrag fordert, die Vermuthung auf, daß sie den Unterhalt gewährt habe, während das sondersh. und das rudolst. Ges. der Mutter den Anspruch auf die rück­ ständigen Alimentengelder ohneRücksicht darauf geben, ob derAufwand für die Alimentation wirklich von ihr bestritten worden ist. Ist die Mutter des Kindes verheirathet, so soll nach dem sächs. G. B. und dem altenb. Ges. vermuthet werden, daß der Ehemann derselbenwährend der Dauer der Ehe die Kosten des Unterhaltes des Kindes für die Vergangenheit bestritten habe.

900

Unterhaltspflicht d. unedel. Vater?. Analogie der der Verwandten. § 1574. Daß der Anspruch des Kindes für die Vergangenheit auch in den Aus­

nahmefällen des § 1492 dann ausgeschlossen ist, wenn und soweit ein Anderer dem Kinde für den unehelichen Vater den Unterhalt gewahrt hat, versteht sich von selbst, da insoweit die Verbindlichkeit dem Kinde gegenüber erfüllt ist. Inwieweit aber derjenige, welcher für den unehelichen Vater die Kosten des

Unterhaltes des Kindes bestritten hat, dicserhalb von dem Vater Ersatz seiner Aufwendungen verlangen kann, ist nach den Bestimmungen des Obligationen­ rechtes, insbesondere den Bestimmungen, über den Auftrag und die Geschäfts­ führung ohne Auftrag, zu beurtheilen. In dieser Beziehung hier besondere Bestimmungen zu geben, ist durch ein Bedürfniß nicht geboten. Insbesondere liegt ein Bedürfniß nicht vor, die Vermuthung aufzustcllen, daß die Mutter, welche die rückständigen Alimente fordert, den Unterhalt für die Vergangen­ heit gewährt habe oder daß dies, wenn sie vcrheirathet ist, mährend der Dauer der Ehe von dem Ehemanne derselben geschehen sei. Im Hinblicke auf den Grund­ satz der freien Beweiswürdigung bedarf es aus praktischen Gründen derartiger Vermuthungen nicht. Die Aufstellung derselben ist auch vom Standpunkte des Interesses des unehelichen Vaters aus gefährlich, da sie dahin führen könnte, daß der letztere doppelt verurtheilt wird, das eine Mal zu Gunsten der Mutter bezw. des Ehemannes derselben auf Grund der nicht widerlegten Ver­ muthung, das andere Mal zu Gunsten eines Dritten, welcher in Wirklichkeit den Unterhalt bestritten und die Geschäfte des unehelichen Vaters geführt hat. Aenderung 11. Die Uebertragung des § 1493 auf den Untcrhaltsanspruch ist durch »erhäitnisse. die Analogie gerechtfertigt. Auch gemeinrechtlich wird eine Abänderung des zur Gewährung des Unterhaltes verurtheilenden Erkenntnisses beim Wechsel der Verhältnisse für zulässig erachtet (Seuffert X, 53). Auf demselben Boden steht das provis. Patent v. 9. September 1863 § 2 für Schleswig. Das preuß. A. L. R. hat in der hier fraglichen Beziehung nur die in § 627 II, 2 sich findende Vorschrift, daß bei der Bestimmung der Vcrpflegungs- und Erziehungskosten nach Gelde auf die mit zunehmenden Jahren wachsenden Be­ dürfnisse des Kindes Rücksicht genommen werden soll (vergl. gegen diese Vor­ schrift Gesetzrev. Pens. XV S. 183). Das vormalige preuß. Obertribunal hat angenommen, daß der durch Urtheil einmal festgestellte Alimcntensatz un­ abänderlich sei (vergl. Striethorst Bd. LXXXVI S.153). Das sächs. G. B. § 1864 und verschiedene andere neuere Gesetzgebungen gestatten eine Abänderung des Erkenntnisics nur bei einer Aenderung der Vermögensverhältnisie des Vaters (vergl. weimar. Ges. v. 13. April 1829 § 3; meining. Ges. v. 9. September 1844 Art. 15; coburg. Ges. v. 28. Juli 1858 Art. 6; altenb. Ges. v. 29. Mai 1876 § 10 Abs. 2), das Ges. für Neuß ä. L. v. 4. Juni 1854 § 9 zudem nur auf Antrag des Kindes. Das sondersh. Ges. v. 12. August 1844 § 10 giebt dem Kinde für den Fall ein Recht auf Erhöhung des Alimentensatzes, wenn dasselbe in eine langwierige Krankheit verfallen sollte. Durchschlagende Gründe, die Vorschriften des § 1493 hier in der einen oder anderen Richtung zu modifiziren, sind nicht vorhanden. Insbesondere kann auf das Bedenken, daß die Zulassung einer Abänderung des zur Ge­ währung des Unterhaltes verurtheilenden Erkenntnisses nach Maßgabe des § 1493 in Verbindung mit § 724 Abs. 6 Satz 1, 2 die ohnehin schon große Zahl der

Unterhaltspflicht des unehelichen Vaters.

Vererblichkeit.

§ 1575.

901

Alimcntatiönsprozessc erheblich zu vermehren drohe, gegenüber den Erwägungen, auf welchen die Vorschrift des § 1493 beruht, entscheidendes Gewicht nicht gelegt werden, zumal nach dem Entwürfe bei Bemessung der Alimente auf die Vermögensverhältnissc dcS unehelichen Vaters keine Rücksicht zu nehmeu ist, sondern nur die jeweiligen Bedürfnisse des Kindes in Betracht kommen. 12. Welchen Einfluß der Konkurs über das Vermögen des unehelichen Konkmr bei Vaters auf den Unterhaltsanspruch des Kindes hat, ist in den bestehenden Saterä' Rechten nicht besonders entschieden und in der Doktrin bestritten. Rach der einen Ansicht erlischt der Unterhaltsanspruch mit der Eröffnung des Konkurses. Ein andere Ansicht geht dahin, daß auch die in der Zukunft fällig werdenden Alimente im Konkurse als Konkursforderungen zu liquidiren seien. Eine dritte Ansicht schließt die Geltendmachung des Unterhaltsanspruchcs für die Zukunft im Konkurse aus. Dieser Ansicht folgt der Entwurf, indem er den § 1494 für ent­

sprechend

anwendbar erklärt.

Die entsprechende Anwendbarkeit ergicbt sich

von selbst, wenn man davon ausgeht, daß der Unterhaltsanspruch des un­ ehelichen Kindes, weil auf dem durch die Vaterschaft begründeten natürlichen Verhältnisse beruhend, als familienrechtlicher Anspruch fortdauernd sich erneuert (§ 2 der Konk. O.). Aber auch wenn man in der Unterhaltspflicht eine ein­

heitliche Obligation mit bedingten wiederkehrendcn Leistungen sehen wollte, erscheint cs jedenfalls zweckmäßig, den § 1494 für entsprechend anwendbar zu erklären. Verfährt man anders, so können namentlich im Falle des Zustande­ kommens eines Zwangsvcrgleichcs Unzuträglichkcitcn sich ergeben. Der An­ spruch auf die nach der Konkurseröffnung entfallenden Leistungen würde als ein zur Zeit der Konkurseröffnung begründeter, wenngleich bedingter, Vermögcnsanspruch an den Gcmeinschuldner, mithin als Konkursforderung er­ scheinen (§§ 2, 60 der Konk. O.). Er würde daher, mag er liquidirt sein oder nicht, von dem Zwangsvergleiche getroffen werden (§ 178 Konk. O.), und so könnte es kommen, daß das uneheliche Kind mit den wenigen Prozenten, welche vielleicht für dasselbe entfallen, sich für die ganze übrige Zeit als abgcfunden ansehen müßte, während der uneheliche Vater später zu neuem Vermögen gelangt oder doch so viel verdient, daß er ohne Beschwer das Kind ernähren könnte. Die Folge der Uebertragung des § 1494 ist die, daß das uneheliche Kind nicht blos nach Beendigung, sondern auch während des Konkursverfahrens sich an den Vater halten kann (§ 11 Konk. O.); nur ist selbstverständlich dasjenige, was dieser aus der Konkursmasse zum Zwecke seiner Alimentation erhält, dem Zugriffe des Kindes entzogen.

§ 1575. 1. Gemeinrechtlich ist bestritten, ob die Verpflichtung des Vaters des sererbti^teit unehelichen Kindes, diesem den Unterhalt zu gewähren, auf die Erben des Verpflichtung.

Vaters übergeht. Die Streitfrage steht in engem Zusammenhänge mit der G-nend-z Frage, welchen rechtlichen Karakter die hier fragliche Verpflichtung hat. Die 9kd,t gemeinrechtliche Praxis hat überwiegend sich für die Vererblichkeit jener Ver­ pflichtung entschieden (vergl. Seuffert XI, 42, XIX, 47). Damit stimmen im Prinzipe auch die meisten neueren Gesetzgebungen überein (vergl. preuß. A. L. R.

902

Unterhaltspflicht deß unehelichen Vaters. Vererblichkeit. § 1575.

II, 2 §§ 647—652, Anh. § 97 und prcuß. Ges. v. 24. April 1854 § 19; rvürttemb. L. R. IV, 18 §§ 2, 3 und württcmb. Ges. v. 5. September 1839 Art. 28 Nr. 3; bayr. L. N. IV, 12 § 2 Nr. 11; sächs. G. B. § 1873; sondersh. Ges. v. 12. August 1844 § 4; rudolst. Ges. v. 31. Mai 1850 § 2; Ges. für Reuß ä. L. v. 4. Januar 1854 § 13; Weimar. Ges. v. 13. April 1829 § 8; anhalt. Verordn, v. 30. Mai 1815 §§ 24—27 nebst dec. II v. 1850; meining. Ges. v. 9. September 1844 Art. 26, 29; coburg. Ges. v. 28. Juli 1858 Art. 11, 41; goth. Ges. v. 1. Juli 1869 Art. 11; altenb. Ges. v. 29. Mai 1876 § 19). Von den angeführten Gesetzgebungen erkennen jedoch einige die Verpflichtung der Erben nur unter besonderen Beschränkungen zum Schutze des Erbrechtes der ehelichen Kinder des Erblassers an. So bestimmt das prcuß. A. L. R., welches indessen [im Geltungsgebiete des preuß. Ges. v. 24. April 1854 in­ soweit aufgehoben ist, daß, wenn der Vater vor vollendeter Erziehung des un­ ehelichen Kindes stirbt, das letztere die Aussetzung des dazu noch Fehlenden aus dem Nachlaße soll fordern können, jedoch mit der Modifikation, daß das­ selbe nur auf die Nutzungen des Nachlasies angewiesen werden und diese nicht übersteigen darf. Sind alle vorhandenen Kinder oder einige derselben noch unerzogen und sind die Nutzungen des Nachlasies zu ihrer aller Erziehung nicht hinreichend, so soll den ehelichen Kindern noch einmal so viel als dem un­

ehelichen ausgesetzt werden. sDcm preuß. A. L. R. sind in dieser Beziehung die anhalt. Verordn., das meining. und das coburg. Gesetz im Wesentlichen gefolgt. Das sächs. G. B., das goth. und altenb. Gesetz beschränken den An­ spruch des unehelichen Kindes gegen die Erben des Vaters, wenn dieser eheliche Kinder hinterläßt, in der Weise, daß die auf die Erben übergehende Ver­ pflichtung zu dem Unterhaltsbeitrage für das uneheliche Kind aufhört, wenn dasselbe von der Zeit des Todes des Erblasiers an aus desien Nachlasie so viel

Standpunkt des Entwurfes.

erhalten hat, als der gesetzliche Erbtheil eines ehelichen Kindes beträgt. Im Anschlüsse an die Bestimmungen des röm. Rechtes über den Unter­ haltsanspruch der Konkubinenkinder gegenüber den Erben ihres Vaters (Nov. 89 c. 12 § 6) bestimmt das franz. Recht, daß die den ehewidrigen Kindern von ihren Eltern geschuldeten Alimente auch aus dem Nachlasie gefordert werden können, die Größe dieser Alimente aber nach der Zahl und der Beschaffenheit der Erben bestimmt werden soll (code civil Art. 762). Ob und eventuell unter welchen Voraussetzungen nach franz. Rechte die Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber anerkannten natürlichen Kindern auf die Erben der ersteren über­ geht, ist bestritten. Die rechtliche Natur des hier fraglichen Anspruches als eines auf der Vaterschaft beruhenden familienrechtlichen Anspruches weist an sich darauf hin, den letzteren, wie im Falle des § 1496, mit dem Tode des unehelichen Vaters erlöschen zu lassen. Allein bei einer solchen Gestaltung kann das uneheliche Kind erheblich leiden, und zwar namentlich dann, wenn der vermögende Vater frühzeitig stirbt. Das Kind solchenfalls leer ausgehen zu lassen, widerstreitet dem Rechtsgefühle und dem Interesse der öffentlichen Armenpflege. Man würde dazu gedrängt werden, dem unehelichen [Kinde zur Ausgleichung ein Erbrecht gegenüber dem unehelichen Vater einzuräumen, ein Ausweg, gegen welchen indessen ebenfalls erhebliche Bedenken sprechen. Andererseits ist aller-

Unterhaltspflicht des unehelichen Vaters.

Vererblichkeit.

§ 1575.

903

dings auch die Anerkennung des Ueberganges der hier fraglichen Unterhalts­ pflicht auf die Erben des unehelichen Vaters nicht einwandsfrei. Zwar kann darauf kein Gewicht gelegt werden, daß es anstößig und für die Erben mißlich sei, wenn nach dem Tode des Erblassers eine vielleicht geheim gehaltene Ver­ pflichtung der fraglichen Art zum Vorscheine komme. Das Gleiche ist auch bezüglich verschiedener anderer Schulden möglich. Auch der Gesichtspunkt kann als entscheidend nicht in Betracht kommen, daß die Haftung der Erben unter Umständen von liederlichen Frauenspersonen zu Betrügereien und Erpressungen benutzt werden kann. Dagegen ist nicht zu verkennen, daß die Lage der ehe­ lichen Kinder des unehelichen Vaters bei Behandlung der Unterhaltspflicht als einer gewöhnlichen Nachlaßverbindlichkeit insofern eine ungünstige werden kann, als dieselben unter Umständen weniger als das uneheliche Kind oder vielleicht gar nichts aus dem Nachlasse ihres Vaters erhalten. Gegen eine solche Benachtheiligung der ehelichen Kinder schützen auch die Beschränkungen des preuß. A. L. N. oder des sächs. G. B. nicht vollständig. Die Nutzungen des Nachlasses, aus welchen nach dem preuß. A. L. R. die unehelichen Kinder die Alimente beziehen sollen, können leicht mehr betragen, als der Antheil des einzelnen ehelichen Kindes an der Substanz des Nachlasses. Zudem spricht gegen diese Art der Regelung, daß dadurch die ehelichen Kinder auf lange Zeit in der Disposition und Verwerthung des ganzen Nach­ lasses beschränkt sind; denn, soll der Anspruch des unehelichen Kindes nicht illusorisch gemacht werden, so muß die Substanz des Nachlasses sichergestellt werden. Außerdem müßte man dem unehelichen Kinde ein Recht auf Rechnungs­ legung einräumen. Wie der Gesetzrevisor, Pens. XV Motive S. 334, hervor­ hebt, haben jene Bestimmungen des preuß. A. L. R. auch zu vielen Zweifeln Veranlassung gegeben, und durch das Ges. v. 24. April 1854 sind dieselben in Preußen beseitigt. Anlangend aber den von dem sächs. G. B. eingeschlagenen Weg, so erreicht auch dieser den beabsichtigten Zweck doch nicht vollständig, weil beim Vorhandensein vieler unehelicher und weniger ehelicher Kinder der den letzteren nach Befriedigung der Ansprüche der ersteren verbleibende Erbtheil weniger betragen kann, als der Pflichttheil. Gegen die von dem preuß. A. L. R. und dem sächs. G. B. eingeschlagenen Wege spricht außerdem, daß sie insofern eine halbe Maßregel sind, als sie andere pflichttheilsberechtigte Erben, ins­ besondere den Ehegatten des Erblassers, nicht schützen. Um diesem Bedenken zu begegnen, könnte man bestimmen, daß die pflichttheilsberechtigten Erben des unehelichen Vaters jedenfalls das erhalten sollen, was ihnen als Pflichttheil zukommen würde, wenn der Anspruch des unehelichen Kindes nicht bestände. Indessen auch dieser Weg komplizirt in bedenklicher Weise das Gesetz. Dies tritt insbesondere dann hervor, wenn außer dem Pflichttheilsberechtigten noch andere Erben konkurriren, welchen jene Bestimmung nicht zu Gute kommen würde. Zudem schließt dieser Weg keineswegs aus, daß das uneheliche Kind sich besser stehen kann, als eines der ehelichen Kinder. Ebensowenig empfiehlt es sich, um den mit dem Uebergange der Unterhaltspflicht verbundenen Be­ denken zu begegnen, den Unterhaltsanspruch des Kindes — sofern der Erbe sich darauf beruft, daß der Anspruch denjenigen Betrag übersteige, welcher dem Kinde als Pflichttheil zukommen würde, wenn dasselbe, bezw. beim

904

Unterhaltspflicht des unehelichen VaterS.

Vererblichkeit.

§ 1575.

Vorhandensein mehrerer unehelicher Kinder die sämmtlichen unehelichen Kinder eheliche Kinder wären —, auf den Betrag jenes PflichtthcileS zu beschränken. Eine derartige Bestimmung komplizirt nicht minder das Gesetz und nöthigt dazu, dem unehelichen Kinde weitgehende Rechte in Ansehung der Regulirung des Nachlasses des verstorbenen Vaters einznräumen; sie geht auch insofern über das Bedürfniß hinaus, als sic jedem Erben die Befugniß giebt, den Anspruch des unehelichen Kindes auf das be­ zeichnete Maß zu beschränken. Vergegenwärtigt man sich, daß eine Benachtheiligung der pflichttheilsberechtigten Erben, insbesondere der ehelichen Kinder, durch die Berücksichtigung des Unterhaltsanspruches des unehelichen Kindes that­ sächlich sich nur selten ergeben wird und daß der Nachlaß jedenfalls in allen den Fällen voll haften muß, in welchen der uneheliche Vater vertragsmäßig zur Gewährung einer Abfindungssumme sich verpflichtet oder sonst die gesetz­ liche Obligation in eine vertragsmäßige verwandelt hat, so verdient cs im Anschlüsse an das in weitem Umfange geltende Recht den Vorzug, für den unbeschränkten Uebergang der Unterhaltspflicht auf die Erben des unehelichen Vaters zu entscheiden.

T°d

2. Die Vorschrift des § 1575 Abs. 2 ergiebt sich aus dem Zwecke der

d-r K»,des.

Verjährung.

3. Ueber die Verjährbarkeit des hier fraglichen Unterhaltsanspruches im Ganzen schweigen die meisten neueren Gesetzgebungen. In der Doktrin gehen

die Ansichten darüber auseinander. Nur das bad. Ges. v. 21. Februar 1851 § 5 Abs. 3 enthält in dieser Hinsicht eine besondere Vorschrift, indem dasselbe bestimmt, daß das Klagerecht des unehelichen Kindes auf Alimentation in allen Fällen mit Ablauf eines Jahres, von der Zeit der Geburt des Kindes an ge­ rechnet, erlischt. Diese Frist wird jedoch nicht als Verjährungs-,. sondern als Präklusivfrist aufgefaßt. Auch in verschiedenen schweiz. Gesetzen ist eine kurze Frist zur Anstellung der Klage bestimmt. Da nach dem Entwürfe der Unterhaltsanspruch des unehelichen Kindes

als ein familienrechtlicher Anspruch gestaltet ist, so unterliegt derselbe in Er­ mangelung einer besonderen entgegenstehenden Vorschrift, ebensowenig wie der gesetzliche Untcrhaltsanspruch der Verwandten, nach § 154 Abs. 2 der Ver-i jährung (vergl. die Motive zu § 1496 oben S. 711). Die praktischen Gründe, welche dafür geltend gemacht werden können, hier eine besondere Bestimmung über die Verjährung oder präklusive Befristung des Unterhaltsanspruches im Ganzen aufzunehmen, insbesondere der Gesichtspunkt, daß dadurch die Be­ denken gegen die Zulässigkeit der Ermittelung der Vaterschaft im Wege des

Prozesses und gegen die Vererblichkeit der Unterhaltspflicht abgeschwächt würden, verlieren durch die Zulassung der exceptio plurium concumbentium (§ 1572) erheblich an Gewicht, während auf der anderen Seite durch Einführung einer kurzen Verjährung oder präklusiven Befristung für den Anspruch im Ganzen die Alimcntationsprozesse vermehrt zu werden drohen. Dazu kommt, daß eine solche Bestimmung für den größten Theil der deutschen Rechtsgebiete eine wesentliche Neuerung sein würde, ein Bedürfniß für dieselbe aber in den be­ treffenden Rechtsgebicten nicht hcrvorgetreten ist.

Unterhaltspflicht des unehelichen Vaters.

Vertrag.

§ 1576.

905

Die Verjährung der einzelnen Alimcntcnlcistnngcn richtet sich nach § 157.

Ein Bedürfniß, auf die Verjährung des Anspruches, welcher dcmjeuigcu, der dem Kinde Unterhalt gewährt hat, nach Maßgabe der Vorschriften über die

Geschäftsführung ohne Auftrag zusteht, die Vorschriften der §§ 157, 159 für anwendbar zu erkläre«), damit der Zweck der kurzen Verjährung nicht vereitelt

werde (vergl. Fenner und Mecke II, 51 S. 131), liegt nicht vor. Allerdings mag eine derartige Bestimmung geeignet sein, einen gewissen Schutz in den

Füllen zu bieten, in welchen Verwandte das Kind zunächst ohne den Willen, die Geschäfte des Vaters zu führen, alimentirt haben, später aber unter Zu­ hülfenahme des § 755 mit Ersatzansprüchen gegen den Vater hervortretcn. Andererseits kann aber eine solche Vorschrift den Geschäftsführer anch sehr hart treffen. Dazu kommt, daß dieselbe dem bestehenden Rechte fremd ist.

§ 1576. Gemeinrechtlich ist es streitig, ob ein Vergleich zwischen dein unchclicheit Kinde über die Unterhaltspflicht des ersteren zulässig ist und ob eventuell die Vorschriften des röm. Rechtes, Vergleiche über letztwillig zugewendetc Alimente obrigkeitliche fordern,

auch

auf

jene Unterhaltspflicht Anwendung

dem Vater und

B-rtraz.

für die Zukunft welche zu einem Geltende Bestätigung er9l,d,t-

finden (vergl. einer­

seits Seuffert V, 285, XVIII, 244; andererseits Seusfert X, 263). Die meisten neueren Gesetzgebungen erklären einen derartigen Vergleich unter Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes für zulässig (vergl. württemb. L. R. IV, 18 § 4 uud württemb. Ges. v. 5. September 1839 Art. 28 Nr. 1; preuß. Ges. v. 11. Juli 1845 § lb und preuß. Norm. O. v. 5. Juli 1875 § 42 Nr. 8; öfters. G. B. §§ 170, 223; sächs. G. B. § 1867; sonderst). Ges.

v. 12. August 1844 §§ 21-25; rudolst. Ges. v. 31. Mai 1850 §§ 18—22; meining. Ges. v. 9. September 1844 Art. 21 — welches letztere jedoch außer­ dem Bestätigung des kompetenten Gerichtes vorschreibt —; mccklenb. Verordn. v. 23. Juli 1847 § 3c; Ges. für Reuß ä. L. v. 4. Januar 1854 § 10; coburg. Ges. v. 28. Juli 1858 Art. 7, 20; Weimar. Ges. v. 27. März 1872 § 10; anhalt. Verordn, v. 30. Mai 1815 § 28; altenb. Ges. v. 29. Mai 1876 § 15). Der familienrechtliche Karakter des hier fraglichen Anspruches und die eta^un,t daraus sich ergebende absolute Natur desselben muß an sich dahin führen, daß Entwurfes, auf denselben fstr die Zukunft ebensowenig verzichtet werden kann, wie nach § 1495 Abs. 1 auf den gesetzlichen Unterhaltsanspruch der Verwandten. Ueberwiegende Gründe sprechen indessen dafür, im Anschlüsse an die Mehrzahl der Rechte einen Vertrag, insbesondere einen Vergleich, zwischen dem Vater und dem unehelichen Kinde über die Unterhaltsverpflichtung für die Zukunft für zulässig zu erklären, die Wirksamkeit eines solchen Vertrages jedoch von der Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes abhängig zu machen (vergl. § 1681). Die Zulassung derartiger Verträge liegt sowohl im Interesse des unehelichen Kindes als desjenigen, welcher als Vater in Anspruch genommen ist, und führt zu einer Verminderung der Zahl der Alimentenprozesie. Dem als Vater in Anspruch Genommenen liegt oft viel daran, durch Zahlung einer Ab­ findungssumme von der sonst lange Jahre sich hinziehenden, seine freie Be-

906

Unterhaltspflicht des unehelichen Vaters. Entbindungskoflen re. § 1577.

wegung hindernden und vielleicht mit Störung seiner Familienverhältnisie ver­ bundenen Unterhaltspflicht sich befreien zu können; andererseits ist aber auch für das Kind der Empfang einer Abfindungssumme oft in hohem Grade erwünscht, namentlich wenn der Ausgang eines Prozesies ungewiß ist oder die Vermögcnsverhältnisie des Pflichtigen unsicher sind oder der Ausmittelung des künftigen Aufenthaltes desselben vielleicht Schwierigkeiten sich entgegenstellen. Der Umstand, daß die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes erforderlich ist und die Verwaltung der Abfindungssumme nicht der Mutter, sondern dem Vormunde des Kindes zusteht, bürgt dafür, daß das Jnteresie des Kindes und der subsidiär verpflichteten mütterlichen Verwandten, sowie das Jnteresie der öffentlichen Armenpflege gewahrt wird. Die Vorschrift des § 1576 bezieht sich indessen nicht blos auf solche Verträge, durch welche auf den Unterhalts­ anspruch für die Zukunft ganz oder theilweise überhaupt verzichtet wird, sondern auch auf solche, welche nur die Art der Gewährung des Unterhaltes in einer von den gesetzlichen Vorschriften abweichenden Weise regeln. Es kann dahingestellt bleiben, ob nicht solche Verträge schon nach allgemeinen Grund­ sätzen zulässig sein würden von dem Gesichtspunkte aus, daß die absolute Natur der gesetzlichen Unterhaltspflicht sich nur auf die Alimentation über­ haupt, nicht auf die Art und Weise, wie sie gewährt werde, beziehe. Jeden­ falls empfiehlt es sich, auch derartige Verträge wegen des Einflusies, welchen dieselben indirekt auf das Wohl und die Erziehung des Kindes äußern, sowie zur Vermeidung von Streitigkeiten und Prozeßen an die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes zu binden. Befreiung Daß, abgesehen von der besonderen Bestimmung des § 1576 Abs. 1, im bUtoiiungUä= übrigen die Vorschriften des § 1495 entsprechende Anwendung finden sollen,

rechtfertigt sich aus beit' Gründen, auf welchen diese letzteren beruhen, und durch die rechtliche Natur des Unterhaltsanspruches.

§ 1577. Entbindungs-

I. Im Anschlüße an die gemeinrechtliche Praxis (vergl. Seuffert IV, Wochenbetts- 255, V, 290, XIV, 40 Anm. 2, XXVII, 233, 261; Fenner und Mecke IX, kosten. 78 S. 205) gewähren die meisten neueren Gesetzgebungen der Mutter des un­ ehelichen Kindes gegen den Schwängercr einen Anspruch auf Entbindungs- und Geltendes Wochenbettskosten (vergl. preuß. A. L. R. II, 1. §§ 1016—1028, 1077, 1078, 9Mt 1083—1087, preuß. Ges. v. 24. April 1854 §§ 7—11, 15—20; österr. G. B.

§ 1328; sächs. G. B. §§ 1858, 1861; naß. Edikt v. 4. September 1816 §§ 3, 4; württemb. Ges. v. 5. September 1839 Art. 28; sondersh. Ges. v. 12. August 1844 §§ 3, 7, 11, 12, 20, 28, 36—39; rudolst. Ges. v. 31. Mai 1850 §§ 1, 5, 6, 17, 25, 28, 31, 32, 35; Weimar. Ges. v. 13. April 1829 § 6; meining. Ges. v. 9. September 1844 Art. 1, 2, 4, 10, 25, 28, 30; Ges. für Reuß ä. L. v. 4. Januar 1854 §§ 7, 8; coburg. Ges. v. 28. Juli 1858 Art. 1, 3, 4, 10, 25, 28, 30; goth. Ges. v. 1. Juli 1869 Art. 1, 3, 14, 15; altenb. Ges. v. 29. Mai 1876 §§ 4, 7, 18). Ueber die rechtliche Natur des hier fraglichen Anspruches sind in der Doktrin die Ansichten getheilt. Nach der einen Ansicht gehören die Kosten der

Unterhaltspflicht des unehelichen Vaters. Entbindungskosten rc. § 1577.

907

Entbindung und des Wochenbettes zu den Alimenten des Kindes. Tie herrschende Ansicht behandelt dagegen jenen Anspruch als einen der

Mutter zustehenden Anspruch. Diese letztere Ansicht ist auch in den neueren Gesetzgebungen durchgängig zur Anerkennung gelangt. Ueber den Nechtsgrund dieses der Mutter eingeräumten Anspruches besteht jedoch ebenfalls eine Ver­ schiedenheit der Meinungen. Während derselbe nach der einen Ansicht den Karakter eines Deliktsanspruches hat (vergl. Seuffert IV, 255, XXVII, 261), fassen Andere denselben als einen auf Billigkeit beruhenden Anspruch ex lege auf. Aus allgemeinen Grundsätzen kann ein Anspruch der Mutter auf Ersatz Standpunkt der Entbindungs- und Wcchcnbctlskcsten nicht abgeleitet weiden. Insbesondere Entwurfes,

läßt sich derselbe, selbst im Falle der Verführung der Mutter, aus dem Gesichts­ punkte eines gegen die letztere verübten Deliktes nicht rechtfertigen, da der Beischlaf mit ihrer Einwilligung vollzogen ist, die Theilnahme an einer unsittlichen Handlung aber nicht eine Quelle von Rechten für den Theilnehmcr zu sein vermag (vergl. 1. 12 § 1 D. de kurt. 47,2). Wenngleich der Anspruch hiernach einen positiven Karakter hat, so ist es doch, hingesehen auf das in den weitaus meisten Gebieten des Reiches geltende Recht, sowie aus Rücksichten der Billigkeit und der Gesetzgebungspolitik als bedenklich erachtet, denselben zu versagen. Insbesondere ist zu besorgen, daß die Versagung des An­ spruches dazu beitragen würde, das ohnehin mehr gefährdete Leben der unehelichen Kinder ncch in höherem Maße zu gefährden, den Kindesmord

zu befördern und überhaupt die Zahl der Todesfälle in den Reihen der neugeborenen unehelichen Kinder zu vermehren. Weiter kommt in Betracht, daß durch die Anerkennung des Anspruches die den Unterstützungskassen ob­ liegende Last (vergl. §§ 20, 57 des R. Ges., betr. die Krankenversicherung der Arbeiter, v. 15. Juni 1883) erleichtert wird. Im Einzelnen ist zur Begründung der Vorschriften des § 1577 noch Folgendes zu bemerken: 1. Man kann den hier fraglichen Anspruch der Mutter verschieden ««ratter gestalten, entweder als einen Unterhaltsanspruch oder als einen unmittelbar Anipnuh-s. auf Gesetz beruhenden gewöhnlichen Ersatzanspruch. Für den ersteren Weg läßt sich geltend machen, daß derselbe dem gesetzgeberischen Motive, ans welchem in nicht geringem Maße die Anerkennung des in Rede stehenden Anspruches be­ ruht, nämlich dem Gesichtspunkte der Erhaltung des Kindes, sich näher an­ schließt und den Zusammenhang dieses Anspruches mit dem Unterhaltsanspruche des Kindes zum Ausdrucke bringt, sowie, daß es der Sachlage und dem Zwecke des Anspruches mehr zu entsprechen scheint, wenn der Vater des unehelichen Kindes den zur Deckung der hier fraglichen Kosten erforderlichen Betrag sofort nach der Geburt des Kindes im Voraus zu entrichten verpflichtet ist. Diesen Erwägungen gegenüber fällt indessen entscheidend ins Gewicht, daß die Ge­ staltung des Anspruches als eines Ersatzanspruches nicht allein vorwiegend dem geltenden Rechte entspricht, sondern auch das Gesetz erheblich vereinfacht, indem diese Art der Regelung eine Reihe anderer Bestimmungen, namentlich darüber entbehrlich macht, ob der Anspruch auch für die Vergangenheit, ob er auch gegen die Erben des Verpflichteten und im Konkurse geltend gemacht und ob

908

Unterhaltspflicht dcZ unehelichen VatcrS. Entbindungskosten rc. § 1577.

er durch Vertrag zwischen der Mutter und dem Verpflichteten aitderwcit be­

Dazu kommt, daß der Gesichtspunkt des Unterhalts­

stimmt werden kann.

anspruches in Ansehung der Entbindungskosten nicht zutreffend ist, wenn der

Anspruch, wie dies nach dem Entwürfe der Fall ist, erst mit der Geburt des Kindes entsteht, und daß auch in Ansehung der Wochenbettskosteil das Ver­

hältniß sich praktisch doch dahin gestalten würde, daß in Erinangelung einer

freiwilligen Vorausleistung von Seiten des Verpflichteten die Mutter jene Kosten erst nach Ablauf der sechs Wochen erhält.

«'emew ter

2.

Der § 1577 gewährt den dort bezeichneten Anspruch gegen den Vater

B«t°rsch°ft. des nnehelichcn Kindes, d. h. gegen denjenigen, welcher nach §§ 1571, 1572

Damit stimmen

dem unehelichen Kinde Unterhalt zu gewähren verpflichtet ist.

im Prinzipe das gemeine Recht und die meisten neueren Gesetzgebungen überein lvcrgl. preuß. Ges. v. 24. April 1854 §§ 7—9, 13;

süchs. G. B. §§ 1858,

1859, 1872; württemb. Ges. v. 5. September 1839 Art. 28; Ges. für Neuß ü. L.

21. September 1816;

nass. Edikt v.

v. 4. Januar 1854

§§ 7, 11;

wcimar. Ges. v. 13. April 1829 §§ 6, 7 und Weimar. Ges. v. 6. Juni 1853

§ 3; altenb. Ges. v. 29. Mai 1876 §§ 4, 5, 18).

Abgesehen von dem preuß.

Ges. v. 24. April 1854 und dem württemb. Ges. v. 5. September 1839 führen

die angeführten Gesetze jedoch insofern zu einem anderen Resultate, als sie die exceptio plurium concumbentium, wie gegenüber dem Untcrhaltsanspruche des

unehelichen

Kindes, so

auch

gegenüber

dem hier

fraglichen

Ansprüche der

Mutter ausschließcn. Dagegen lassen das sondcrsh. Ges. v. 12. August 1844 § 7, das rudolst.' Ges. v. 31. Mai 1850 § 5 und das goth. Ges. v. 1. Juli 1869 Art. 14, obwohl diese Gesetzgebungen gegenüber dem Unterhaltsanspruche des unehelichen Kindes

jene

exceptio versagen,

fraglichen Ansprüche der Mutter zu.

vertreten,

daß jene Einrede,

die letztere

gegenüber dem hier

Auch gemeinrechtlich

wird die Ansicht

auch wenn dieselbe gegenüber dem Unterhalts­

ansprüche des Kindes ausgeschlossen sei, doch den hier in Rede stehenden An­

spruch

der Mutter

ausschlicßc.

Einzelne

Gesetzgebungen

behandeln

diesen

Anspruch insofern noch ungünstiger, als sie gegenüber demselben gewisse aus

der Bcscholtenheit der Mutter entnommene Einwendungen zulassen, welche gegen­

über dem Unterhaltsanspruchc des unehelichen Kindes unerheblich sind (preuß. A. L. R. II, 1 §§ 1025—1028; goth. Ges. v. 1. Juli 1869 Art. 14).

Auch

nach den oben angeführten Bestimmungen des prenß. Ges. v. 24. April 1854 wird der hier fragliche Anspruch der Mutter dadurch, daß sie eine in geschlecht­ licher Beziehung bcscholtene Person ist, ausgeschlossen; doch ist dies keine Be­

sonderheit für

diesen

Unterhaltsanspruchcs

Anspruch, des

da

das

Gleiche

unehelichen Kindes

gilt.

auch

in

Ansehung

des

Mit Rücksicht darauf,

daß der int § 1577 bestimmte Anspruch der Mutter des Kindes zugleich im

Interesse der Erhaltung des Kindes gegeben ist, empfiehlt es sich nicht, ab­

gesehen von der exceptio plurium concumbentium (§ 1577 Abs. 2 Verb, mit

§ 1572 Abs. 1), sonstige Einwendungen aus der Bcscholtenheit der Mutter jenem Ansprüche gegenüber zuznlassen. umfang und

3. Anlangcnd den Umfang und das Maß der von dem Vater des unehelichen Kindes der Mutter zu ersetzenden Kosten, so umfaßt der hier fragliche

Kosten.

Anspruch nach dem Gerichtsgebrauche in den meisten gemeinrechtlicheit Gebieten

Unterhaltspflicht des unehelichen Vaters (SntbintungSfcfteii 2c. § 1577.

909

die Mosten der Entbindung und die Kosten der Verpflegung auf die Dauer Geltendes Recht. von sechs Wochen (vergl. jedoch Seuffert XIV, 40 Anm. 2). Das Maß jener Kosten wird nach richterlichem Ermessen unter Berücksichtigung des Standes, der Lebensweise und der gewohnten Bedürfnisse der Mutter bestimmt, jedoch auf das Nothwendige beschränkt. Die oben S. 906 angeführten neueren Gesetze bezeichnen als Gegenstand des Anspruches theils die Entbindungs- oder Nieder­ kunftskosten und die Wochenbettskosten, theils nur die Entbinduugskosten, theils die Wochenbetts- oder Kindbetts- oder Geburtskosten. Das prenß. A. L. R. II, 1 §§ 1016—1018 geht insofern darüber hinaus, als es der Geschwängerten nicht nur einen Anspruch auf die Niederkunftskosten und stuf sechswöchentliche, ihrem Stande gemäße Verpflegung giebt, sondern den Schwängerer außerdem ver­ pflichtet, auch andere während der Schwangerschaft oder nach der Niederkunft ausgelaufene, unvermeidlich gewesene Kosten 511 übernehmen. Ferner hat der Schwängerer, wenn die Geschwängerte während der Wochen stirbt, die Begräbnißkosten zu tragen, sofern dieselben aus dem Nachlasse nicht bestritten werden können. Diese letztere Verpflichtung ist durch das preuß. Ges. v. 24. April 1854 beseitigt; im klebrigen bestimmt dasselbe wesentlich im An­ schlüße an das preuß. A. L. R., daß die Geschwängerte Niederkunfts- und Taufkosten, ferner sechswöchentliche, dem Stande der Geschwängerten an­ gemessene Verpflegung, sowie auch andere durch die Schwangerschaft oder durch das Wochenbett herbeigeführte unvermeidliche Kosten von dem Schwängerer verlangen kann. Verschiedene Gesetze setzen für den Betrag der hier fraglichen Kosten ein Minimum und ein Maximum fest und schreiben vor, daß innerhalb dieser Grenzen der Richter den Betrag der zu ersetzenden Kosten unter Be­ rücksichtigung des Standes der Mutter und der sonstigen Verhältnisse bestimmen soll (vergl. sondersh. Ges. v. 12. August 1844 §§ 10, 11; rudolst. Ges. v. 31. Mai 1850; meining. Ges. v. 9. September 1844 Art. 2; Ges. für Reuß ä. L. v. 4. Januar 1854 §§ 7, 8; eoburg. Ges. v. 28. Juli 1858 Art. 2). Das sächs. G. B. § 1861 und das goth. Ges. v. 1. Juli 1869 Art. 3 bestimmen, daß, wenn die Geschwängerte an Geburts- und Taufkosten nicht mehr als 7 Thaler verlangt, es keines Nachweises bedarf, daß dieser Aufwand nothwendig gewesen sei. Dieselbe Bestimmung enthält das altenb. Ges. v. 29. Mai 1876 mit der Abweichung, daß 30 Mark ohne weiteren Nachweis verlangt werden können. Der Entwurf hat, soviel den Umfang der zu ersetzenden Kosten betrifft, Standpunkt des den Anspruch der Mutter in Uebereinstimmung mit den meisten neueren Gesetz­ Entwurfes. gebungen auf den Ersatz der Entbindungskosten und der Kosten des Unterhaltes auf die Zeit der ersten sechs Wochen nach der Geburt des Kindes beschränkt. Umfang der Kosten. Die Kosten der Taufe und des Begräbniffes des Kindes, welche verschiedene neuere Gesetzgebungen bei dem in Rede stehenden Ansprüche der Mutter ebenfalls be­ rücksichtigen, kommen vom Standpunkte des Entwurfes aus hier nicht in Betracht, da der letztere diese Kosten zu dem dem Kinde zu gewährenden Unterhalte rechnet (vergl. §§ 1574, 1488 Abs. 1, 4). Die Ausdehnung, welche das preuß. A. L. R. und das preuß. Ges. v. 24. April 1854 dem hier fraglichen Ansprüche geben, läßt sich zwar vom Standpunkte des Jntereffes des Kindes aus recht­ fertigen, ist jedoch wegen ihrer Unbestimmtheit und im Hinblicke auf die Zweifel, welche in der Praxis über die Tragweite einer derartigen Bestimmung

910

Unterhaltspflicht deß unehelichen Vaters. Entbindungskosten re. § 1577.

sich ergeben können, als bedenklich erachtet. Zudem hat die Vorschrift des preuß. Rechtes, daß die Geschwängerte außer den Kosten der Entbindung und sechswöchentlichen Verpflegung auch andere durch die Schwangerschaft oder

durch das Wochenbett herbeigeführte unvermeidliche Kosten von dem Schwangerer verlangen kann, eine erhebliche praktische Bedeutung nicht gewonnen. Um so

mehr kann man. von jener Ausdehnung absehen, als der § 1577 der Mutter einen unbedingten Anspruch auf Ersatz sechswöcheutlicher Unterhaltskosten ein­ räumt, obwohl nicht selten, namentlich in den unteren Ständen, das Wochen­ bett nur auf eine kürzere Zeit, als auf die Zeit von sechs Wochen, besondere Unterhaltskosten erforderlich macht (vergl. § 20 Nr. 2 des R. Ges., betr. die Krankenversicherung der Arbeiter, v. 15. Juni 1883). Ein ausreichender Grund, dem Vater des unehelichen Kindes auch die Kosten der Beerdigung der im Wochenbette verstorbenen Mutter zur Last zu legen, ist nicht anzuerkenncn. Auch das geltende Recht, abgesehen von dem preuß. A. L. R., geht nicht so weit und auch in Preußen ist, wie erwähnt, jene Vorschrift des preuß. A. L. R. Maß

der Kosten.

Beweis der Aufwendung.

durch das Gesetz v. 24. April 1854 beseitigt. Die im § 1577 Abs. 1 bezeichneten Kosten soll der Vater des unehelichen Kindes jedoch nur innerhalb der Grenzen der Nothdurft zu ersetze» verpflichtet sein, das Maß derselben soll sich mithin nicht nach der gesammten Lebens­ stellung der Mutter richten. Da auch dem unehelichen Kinde nur ein Anspruch auf Gewährung des nothdürftigen Unterhaltes beigelegt ist (§ 1573), so muß der Gesichtspunkt, daß der hier fragliche Anspruch wesentlich auch dem Interesse des Kindes zu dienen bestimmt ist, konsequent dahin führen, bei Bestimmung des Maßes der der Mutter zu ersetzenden Kosten auf die Lebensstellung der Mutter keine Rücksicht zu nehmen, sondern auch hier in allen Beziehungen, insbesondere auch in Ansehung der Entbindungskosten, auf das Nothdürftige abzustcllen. Durch die Berückstchtigung des Standes der Mutter würde zudem unter Umständen dem Vater des unehelichen Kindes eine zu große Last auf­ gebürdet werden, namentlich da der Entwurf die Verpflichtung desselben von seiner Leistungsfähigkeit nicht abhängig macht. Das geltende Recht steht aller­ dings zum Theil auf einem anderen Boden. Indessen kann darauf bei der Entscheidung der hier in Rede stehenden Frage um deswillen erhebliches Ge­ wicht nicht gelegt werden, weil das geltende Recht, wenigstens zum Theil, von dem Gesichtspunkte des Deliktes oder Quafideliktes bei der Gestaltung des Anspruches im Einzelnen sich hat leiten lassen. Im praktischen Resultate be­ schränken auch verschiedene derjenigen Gesetze, welche den Stand der Mutter berücksichtigen, den Anspruch der letzteren auf das Nothdürftige, indem sie als Maximum der zu ersetzenden Kosten einen Betrag festsetzen, welcher in vielen Fällen nicht über das Nothdürftige hinausgeht. 4. Da der Anspruch der Mutter im § 1577 als ein Ersatzanspruch ge­ staltet ist, so würde an sich die Mutter die bezeichneten Kosten nur dann ver­ langen können, wenn und soweit sie die letzteren auch wirklich aufgewendet hat. Da jedoch der Anspruch der Mutter auf das Nothdürftige beschränkt ist und in den meisten Fällen die Mutter faktisch den Aufwand aus eigenen Mitteln bestritten haben wird, so empfiehlt es sich aus praktischen Gründen im Jntercffe der Vereinfachung und der Verminderung der Prozeße über die

Unterhaltspflicht deS unehelichen Vaters.

911

§ 1577.

Entbindungskosten:c.

hier in Rede stehenden Ansprüche, und ist es andererseits unbedenklich, nach dem Vorbilde

des

sächs. G. B.

S. 909) dem Vater

der

hier

fraglichen

welche Kosten

von

des

und anderer neuerer Gesetze

unehelichen

ohne

Kosten

darauf

Rücksicht

(vergl.

oben

die Verpflichtung zum Ersätze

Kindes

der Mutter aufgewendet

ob

aufzuerlegcn,

sind.

Um

und

aber dem Miß-

verständnisse zu begegnen, als ob in Folge dessen der Vater des unehelichen

Kindes auch in dem Falle, wenn die Mutter vor Ablauf von sechs Wochen

nach

der Geburt des

wöchentlichen

Kindes

Verpflegung

gestorben

über

ist, wegen

die Zeit

des

der Kosten

Todes

der

der Mutter

sechs­ hinaus

Ersatz zu leisten verpflichtet sei, ist im § 1577 Abs. 1 Satz 3 ausdrücklich

bestimmt, daß

in

diesem Falle die Ersatzverpflichtung

des Vaters

des un­

ehelichen Kindes wegen jener Kosten auf die Zeit bis zum Tode der Mutter beschränkt ist.

5. Die im § 1577 Abs. 1 bestimmte Verbindlichkeit des Vaters des un- T-btg-burt. ehelichen Kindes, wegen der Kosten des Unterhaltes während der ersten sechs

Wochen nach der Geburt des Kindes der Mutter Ersatz zu leisten, soll auch dann cintretcn, wenn das Kind todt geboren ist.

auf Ersatz jener Kosten

in diesem Falle

sich

aus

Wenngleich der Anspruch

dem Gesichtspunkte des

Interesses des Kindes nicht rechtfertigen läßt, so sprechen doch andere Gründe,

insbesondere Rücksichten der Billigkeit gegen die Mutter des Kindes und die

Rücksicht auf Erleichterung der den Armen- und Unterstützungskassen obliegenden Last, dafür, keinen Unterschied zu machen, ob das Kind todt geboren ist oder

nicht, zumal der Anspruch auf Ersatz der Unterhaltskosten für die ersten sechs Wochen nach der Geburt des Kindes zugleich eine gewisse Ausgleichung dafür

ist, daß der Mutter der Anspruch auf Ersatz anderer durch die Schwanger­

schaft oder das Wochenbett ihr erwachsener Kosten nicht zustehen soll. kommt, daß auch das geltende Recht jenen Unterschied nicht macht.

Dazu Neben

dem Falle der Geburt eines todten Kindes noch den Fall besonders hervor­ zuheben, in welchem das Kind in der Geburt stirbt (vergl. § 23 des R. Ges. über die Beurkundung des Personenstandes v. 6. Februar 1875), ist nicht für erforderlich erachtet, da

letztere Fall durch den Fall der Geburt eines

der

todten Kindes gedeckt wird.

Auch der Fall bedarf keiner besonderen Berück­

sichtigung, wenn das Kind vor Ablauf der sechs Wochen stirbt.

6. Verschiedene Gesetzgebungen räumen der Geschwängerten einen An- Fehlgeburt,

spruch auf Ersatz der Entbindungs- und Wochenbettskosten auch im Falle der Fehlgeburt ein und bestimmen, daß als Erzmger derjenige angesehen werden

soll, welcher mit der Geschwängerten den Beischlaf vollzogen hat, wenn die

Beschaffenheit der Frucht nach dem Urtheile Sachverständiger mit der Zeit des Beischlafes

übereinstimmt (vergl. preuß. A. L. R. II, 1 § 1078; preuß. Ges.

v. 24. April 1854 §§ 7—9, 15 Abs. 2; meining. Ges. v. 9. September 1844 Art. 1, 3 Abs. 2, Art. 11 Abs. 3; Ges. für Reuß ä. L. v. 4. Januar 1854 § 8

Abs. 2).

Der Entwurf hat diesen Fall nicht besonders berücksichtigt, theils

wegen der Schwierigkeit, in diesem Falle die Empfängnißzeit und die Person

des Schwängerers festzustellen,

ohne

die

exceptio

plurium

concumbentium

illusorisch zu machen, theils in der Erwägung, daß die Fälle einer Fehlgeburt

keine Begünstigung verdienen.

912 tsevmuttev als^ Ehefrau,

Ansprüche aus dem außerehelichen Beischlafe. (§ 1577.)

7- Inwiefern der im § 1577 anerkannte Anspruch auch von einer Ehefrau geltend gemacht werden kann (vergl. preuß. A. L. N. II, 1 § 1027; preuß. Ges. v.

24. April 1854 § 8; coburg. Ges. v. 28. Juli 1858 Art. 28), richtet sich, da der § 1577 die Unehelichkeit des Kindes voraussetzt, nach denselben Bestimmungen, welche für die Entscheidung der Frage maßgebend sind, ob ein von einer Ehe­ frau geborenes Kind den im § 1571 bestimmten Unterhaltsanspruch geltend machen kann (vergl. die Motive zu § 1571 oben S. 877 ff). Ein Bedürfniß, in dieser Richtung hier besondere Bestimmungen zn geben, liegt nicht vor. Insbesondere ist cs bei der Seltenheit der in Betracht kommenden Fälle nicht für erforderlich erachtet, der Mutter des Kindes den Anspruch auf Ersatz der Entbindungs­ und Wochenbettskosten überhaupt zu versagen, wenn und soweit dieselbe für die im § 1577 Abs. 1 bezeichnete Zeit einen Anspruch auf Unterhalt gegen ihren Ehemann hat. Eriüllungs8. Aus dem Karakter des hier fraglichen Anspruches als eines Ersatz,eit anspruches ergiebt sich von selbst, daß die Mutter des unehelichen Kindes die Bezahlung der im § 1577 bezeichneten Kosten nicht im Voraus verlangen kann (vergl. auch § 1577 Abs. 1 Satz 3). Ein Bedürfniß, der Mutter schon vor der Niederkunft ein Recht zu geben, von dem vermuthlichen Schwangerer Hinterlegung der Kosten zu verlangen (vergl. Seuffert V, 290; preuß. A. L. N. II, 1 §§ 1019—1023, II, 18 §§ 966, 967), ist nicht vorhanden (vergl. auch die Motive zu § 1573 oben S. 893). Mit dem Entwürfe stimmen in dieser Hinsicht die meisten neueren Gesetze überein. Auch die angeführten abweichenden Vorschriften des preuß. A. L. R. sind durch das Ges. v. 24. April 1854 § 22 für Preußen beseitigt. Vererblichkeit. 9, Da die im § 1577 bestimmte Verpflichtung des unehelichen Vaters keine familienrechtliche, sondern eine gewöhnliche Ersatzverbindlichkeit ist, so bedarf es einer besonderen Bestimmung, daß dieselbe auch gegen die Erben des Verpflichteten geltend gemacht werden kann, nicht. Die passive Vererblichkeit entspricht auch dem gemeinen Rechte und den neueren Gesetzgebungen (vergl. preuß. Ges. v. 24. April 1854 § 19; sondersh. Ges. v. 12. August 1844 § 4; rudolst. Ges. v. 31. Mai 1850 § 2; meining. Ges. v. 9. September 1844 Art. 29; coburg. Ges. v. 28. Juli 1858 Art. 11; goth. Ges. v. 1. Juli 1869 Art. 11; sächs. G. B. § 1873; altenb. Ges. v. 29. Mai 1876 § 19). Anspruch ii. Gemeinrechtlich steht der verführten unbescholtenen Jungfrau oder Tefloralion. Wittwe auf Grund eines Gewohnheitsrechtes gegen den Verführer der AnGeltendes spkuch zu, daß derselbe entweder sie eheliche oder ihr durch Gewährung einer Recht, dos die Eingehung einer anderen Ehe ermögliche. Ueber die rechtliche Natur dieses Anspruches herrscht jedoch in Doktrin und Praxis keine Uebereinstimmung. Vorwiegend wird derselbe als ein auf einem Delikte beruhender Anspruch auf

Schadensersatz aufgefaßt (vergl. Seuffert I, 230, IV, 255, VII, 48, IX, 294, XXVII, 261, XXXI, 196). Andere karakterisiren denselben als eine actio vindictam spirans, als einen Anspruch auf Genugthuung für eine persönlich zugefügte Kränkung, wieder Andere als einen Entschädigungsanspruch, welcher in gereifter Beziehung unter den Begriff der Privatstrafe falle. Eine vierte Ansicht verwirft überhaupt den Deliktsstandpunkt und führt den Anspruch als

obligatio ex lege auf die Billigkeit (vergl. Seuffert XIX, 212) bezw. auf das

Ansprüche au» bctit außerehelichen Beischlafs (§ 1577.)

913

durch ben Beischlaf zwischen der Geschwächten und dem Schwangerer angeblich begründete persönliche Verhältniß zurück. Mit dem gemeinen Rechte stimmen in den Grundlagen, wenn auch im Einzelnen abweichend, insbesondere das preuß. A. L. R. II, 1 §§ 1061, 1064 ff., 1025—1084, das sächs. G. B. §§ 1551—1553, das württemb. Ges. v. 5. Sep­ tember 1839 und das altenb. Ges. v. 29. Mai 1876 §§ 1—3 überein. Eine zweite Gruppe von Rechten hat zwar den Anspruch der Geschwächten oder Geschwängerten auf Ehelichung oder Ausstattung in der Allgemeinheit, wie ihn die Rechte der ersten Gruppe zulasten, beseitigt, jedoch für gewiste qualifizirte Ausnahmefälle der Geschwächten oder Geschwängerten einen An­ spruch auf Ausstattung oder auf Abfindung gegeben (vergl. preuß. Ges. v. 24. April 1854 §§ 1—6; meining. Ges. v. 9. September 1844 Art. 1, 4—7, 29—31; Ges. für Reuß ä. L. v. 4. Januar 1854 § 12 und v. 3. Mai 1879 § 51; eoburg. Ges., die Entschädigungsansprüche der Frauenspersonen aus einem Bei­ schlafe u. s. w. betreffend, v. 28. Juli 1858 Art. 1—4, 7, 8). Die zu dieser Gruppe gehörenden Gesetze geben der Geschwächten bezw. der Geschwängerten einen Anspruch auf Ausstattung oder auf Abfindung nur in einzelnen bestimmt bezeichneten Fällen, in welchen der Beischlaf unter Umständen erfolgt ist, welche den Thatbestand eines im Strafgesetzbuche vorgesehenen Verbrechens oder Ver­ gehens ausmachen, das preuß. Ges. v. 24. April 1854 §§ 2—4 und das Gesetz für Reuß ä. L. v. 3. Mai 1879 § 51 außerdem, wenn die Schwängerung während des Brautstandes unter den Verlobten stattgefunden hat. Eine dritte Gruppe von Rechten hat jeden auf den außerehelichen Bei­ schlaf als solchen oder auf die Verführung zum außerehelichen Beischlafe ge­ stützten Anspruch der Geschwächten oder Geschwängerten auf Ehelichung oder Ausstattung bezw. auf Ausstattung oder Abfindung (die sog. Deflorations­ klage) gänzlich beseitigt (vergl. österr. G. B. § 1328; nass. Edikt vom 21. September 1816 §§ 3, 4; großherzogl. Hess. Ges. v. 30. Mai 1821 Art. 2 — dazu Seuffert XXVII, 233 —; sonderst). Ges. v. 12. Aug. 1844 § 41; rudolst. Ges. v. 31. Mai 1850 § 36; Weimar. Ges. v. 6. Juni 1853 § 1; goth. Ges. v. 1. Juli 1869 Art. 18 »erb. mit der goth. Konstitution v. 29. Juni 1804 §§ 52, 56). Auch dem franz. Rechte ist die sog. Deflorationsklage fremd; eine feste franz. Praxis gewährt jedoch auf Grund des code civil Art. 1382 nicht nur im Falle einer Entführung oder Nothzucht, sondern auch im Falle jeder auf Täuschung, unzulässigen Manipulationen oder auf Mißbrauch der Autorität beruhenden Verführung und Schwängerung der betreffenden Person einen An­ spruch auf Entschädigung (vergl. Zeitschr. f. franz. Civilr. II S. 336ff.; ferner Urtheil d. R. G. v. 5. November 1886 ebendas. XVII S. 653). Das bad. Ges. v. 6. März 1845 §§ 14 ff. über die privatrechtlichen Folgen der Verbrechen giebt im Falle der Nothzucht, der Entführung, der mehrfachen Ehe, der im Strafgesetze mit Strafe bedrohten Verführung und der betrüglichen Verleitung zur Ehe der Verletzten einen Anspruch auf Schadensersatz, wenn durch das Verbrechen, dasselbe mag Arbeits- oder Erwerbsunfähigkeit zur Folge haben oder nicht, das künftige Fortkommen der davon betroffenen Person erschwert Motive j. biirgerl. Gesetzbuch. IV. 58

914

Ansprüche aus dein außerehelichen Beischlafe. (§ 1577.)

worden ist. Auch das württemb. Ges. v. 5. September 1839 Art. 18 räumt im Falle der Nothzucht oder der Verführung eines unmannbaren Mädchens zur

Unzucht der Verletzten (neben dem Ansprüche auf Ausstattung wegen Defloration) einen Anspruch auf Schadensersatz wegen der durch jene Hand­ lung etwa herbeigeführten Beeinträchtigung des Fortkommens ein. Der Entwurf übergeht die sog. Deflorationsklage mit Schweigen. Daraus Entwurs-z. ergiebt sich, daß durch den außer der Ehe vollzogenen Beischlaf als solchen

Standpunkt

Ausschließung für die Geschwächte oder Geschwängerte, auch wenn sie verführt worden oder d-r die Schwächung oder Schwängerung während des Brautstandes von Seiten ^^itoge.0"8' des Verlobten erfolgt ist, keinerlei Anspruch, sei es auf eine Ausstattung oder auf eine Entschädigung, begründet wird. Aus allgemeinen Grundsätzen läßt sich ein solcher Anspruch nicht recht­ fertigen, selbst nicht für den Fall der Verführung, da die Verführte, wenn überhaupt zurechnungsfähig, trotz der Verführung der Willensfreiheit nicht beraubt ist, demjenigen aber, welcher in eine ihn beschädigende Handlung ein­ willigt, ein Anspruch auf Schadensersatz nicht zusteht (§ 706). Auch wenn der Verführer, um die Frauensperson zur Gestattung des Beischlafes zu be­ wegen, seine Autorität mißbraucht, auf Täuschung beruhende Versprechungen gemacht und sonstige arglistige Mittel nicht gescheut hat, kann man zu einem anderen Resultate nicht gelangen, da, soweit nicht in jenen Fällen wirklicher Zwang oder solche Täuschungen stattgefunden haben, in Folge deren die Ge­ schwächte sich für berechtigt halten durfte, den Beischlaf zu gestatten, mithin wirkliche Verbrechen vorliegen, trotz der Anwendung jener Mittel die Freiheit der Einwilligung der Geschwächten nicht aufgehoben ist. Zwar empört sich das Gefühl, wenn ein unbescholtenes Mädchen auf arglistige Weise zum Bei­ schlafe verleitet ist; allein dies ist nicht minder der Fall, wenn Jemand einen Anderen durch sein geistiges Uebcrgewicht oder seine Autorität oder durch täuschende Versprechungen zu anderen unsittlichen Handlungen, mögen dieselben zugleich strafbar sein oder nicht, verführt hat. Ebensowenig wie in diesen Fällen, vermag in dem hier in Rede stehenden Falle die Verführung einen Anspruch auf Schadensersatz zu begründen; denn die schadenbringende Thatsache ist nicht die Verführung, sondern der Beischlaf, und zu diesem hat die Ver­ führte ihre Einwilligung ertheilt. Wenn trotzdem die Deflorationsklagc im gemeinen Rechte durch Gewohnheitsrecht anerkannt worden ist, so ist dies hauptsächlich dem Einflüsse des kanonischen Rechtes zuzuschreiben, welches im Hinblicke auf einige Aussprüche des alten Testamentes wesentlich den Zweck verfolgte, die gestörte Sitte und Ordnung dadurch wiederherzustellen, daß der Verführer die Geschwächte ehelichen sollte. Daher die Vorschrift des kanonischen Rechtes „duc et dota“, eine Vorschrift, welche erst durch die Praxis in die andere „duc aut dota“ umgewandelt worden ist. Jene Rücksicht auf Wieder­ herstellung der gestörten Ordnung und Sitte unter Beachtung der natürlichen Billigkeit ließ den Anspruch zu einer Zeit gerechtfertigt erscheinen, in welcher mit dem stuprum sonstige erhebliche, durch das ganze Leben sich hin­ ziehende Nachtheile verbunden waren, die ein Gegengewicht gegen jenen An­ spruch' bildeten. Diese Voraussetzungen liegen jetzt nicht mehr vor. Der Anspruch, welcher in vielen Fällen sich nur als ein reiner Gewinn für die Geschwächte

915

Ansprüche aus dem außerehelichen Beischlafe. (§ 1577.)

herausstellt, dient jetzt nur dazu, die Uusittlichkeit zu befördern. Alle Bedenken,

welche' gegen die Zulässigkeit der Erforschung der Vaterschaft im Prozesse geltend gemacht werden, kehren hier, wo es sich um einen Anspruch der Ge­

schwächten lediglich in deren Interesse handelt, in verstärktem Maße wieder, ohne daß denselben hier ein Rechtsgrund und die sonstigen für die Anerkennung des Unterhaltsanspruches des unehelichen Kindes sprechenden Gründe entgegen­ gehalten werden könnten. Dazu kommt, daß der Begriff der Verführung sich jeder scharfen Be­ grenzung entzieht und der Beweis der zu Grunde liegenden Thatsachen mit den größten Schwierigkeiten verbunden ist. Diejenigen Fälle, in welchen eine wirkliche Verführung der Geschwächten stattgefunden hat, sind von denjenigen, in welchen kein Theil dem anderen in dieser Beziehung etwas vorzuwerfen hat, in welchen mithin der Anspruch jedenfalls unbegründet ist und gegen die (litten Sitten streitet, oft schwer zu unterscheiden, so daß, wenn die Verführung von Seiten des Mannes zu Gunsten der Klägerin vermuthet wird — wie dies gemeinrechtlich nach der herrschenden Meinung der Fall ist (vergl. Seuffert XXVI, 133, XXX, 33) —, man Gefahr läuft, dadurch unbegründeten An­ sprüchen Vorschub zu leisten. Häufig verführt auch das Weib den Mann. Diese Schwierigkeiten hat das sächs. G. B. §§ 1551—1553 allerdings dadurch beseitigt, daß dasselbe den Anspruch ohne Rücksicht darauf giebt, ob eine Ver­ führung stattgefunden hat oder nicht; allein dadurch ist dem Ansprüche gerade diejenige Grundlage entzogen, von welcher aus derselbe sonst gerechtfertigt zu werden pflegt. Ohne diese Grundlage entbehrt derselbe auch des Scheines eines

Rechtsgrundes. Auf ähnliche Schwierigkeiten stößt man bei Beantwortung der Frage, wann eine Frauensperson als unbescholten oder als bescholten anzusehen ist. Stellt man die Fälle der Bescholtenheit im Gesetze fest, so ist zu befürchten, daß in vielen Fällen, in welchen der im Gesetze festgestellte Thatbestand von dem Beklagten nicht substantiirt und bewiesen werden kann oder in welchen jener Thatbestand nicht zutrifft, die Klägerin aber wegen ihres Verhaltens einer Entschädigung nicht würdig ist, der Richter doch in die Lage kommt, materiell unbegründete und mit den guten Sitten im Widerstreite stehende Ansprüche zuerkennen zu muffen. Abgesehen davon kommt hier alles dasjenige in Betracht, was den Entwurf bestimmt hat, gegenüber dem Unterhalts­ anspruche des unehelichen Kindes die Einrede der Bescholtenheit der Mutter

auszuschließen (vergl. Motive zu § 1572 oben S. 889 ff.). Um so unbedenklicher ist es, die Deflorationsklage im Gesetze zu über­ gehen, als auch die Mehrzahl der neueren Gesetzgebungen einen Anspruch der

Geschivächten oder Geschwängerten in der Allgemeinheit, wie ihn das gemeine Recht und das sächs. G. B. zulaffen, nicht anerkannt haben, und auch in den­ jenigen Gebieten, in welchen der Anspruch noch jetzt in seiner ursprünglichen Ausdehnung besteht, in der Praxis meistens nur geringe Beträge zuerkannt zu werden pflegen. Ziveiselhafter kann es sein, ob nicht nach dem Vorgänge des preuß. Ges. Schwäng-v. 24. April 1854 wenigstens für den Fall ein Anspruch auf Ausstattung Brautstand-, anzucrkcnncn ist, in welchem die Schwängerung während des Brautstandes

58*

916

Ansprüche aus dein außerehelichen Beischlafe. (§ 1577.)

von Seiten des Verlobten erfolgt ist.

Da die Schwängerung in diesem Falle unter Umständen stattgefunden hat, welche die Annahme rechtfertigten, daß es zur Ehe mit dem Schwangerer kommen werde, so erscheint hier der Fehltritt der Geschwächten allerdings entschuldbarer und in einem milderen Lichte; allein der antizipirte Beischlaf bleibt doch immer eine unsittliche Handlung, in welche die Geschwächte selbst eingewilligt hat. Als Teilnehmerin an der unsittlichen Handlung kann sie aus der letzteren keine Rechte ableiten. Es müßten daher sonstige dringende Gründe vorliegen, um es zu rechtfertigen, in dem hier in Rede stehenden Falle ausnahmsweise einen Anspruch auf Ausstattung oder auf eine Abfindung anzuerkennen. Solche Gründe sind aber, namentlich seitdem die Gesetzgebung die wirthschaftlichen und polizeilichen Vorschriften, welche die Eheschließung beschränkten oder erschwerten, beseitigt hat, nicht vorhanden. Im Gegentheil spricht gegen eine solche Ausnahmebestimmung, daß dieselbe geeignet ist, die Unzucht während des Brautstandes zu befördern. Dazu kommen die Schwierigkeiten, welche nach Obigem mit den Begriffen der Verführung und der Unbescholtenheit bezw. mit der Beweisführung in dieser Hinsicht verbunden sind. Diesen Schwierigkeiten würde man zwar entgehen, wenn man in diesem Falle den Anspruch nicht an die Voraussetzung der Verführung und der Unbescholtenheit knüpfte; allein dies läßt sich bei einem Ansprüche, welcher eine Entschädigung für den Verlust der weiblichen Ehre und die dadurch herbei­ geführte Erschwerung der Verheirathung zu gewähren bezweckt, nicht recht­ fertigen. Dazu kommt, daß nach dem Entwürfe das Verlöbniß, abgesehen von den Vorschriften des § 1228, einen Anspruch auf Entschädigung im Falle der Weigerung der Eheschließung nicht begründet. Der Zweck dieser Vorschrift, jeden Zwang zur Eheschließung thunlichst zu vermeiden, würde gefährdet werden, wenn aus dem Verlöbnisse unter hinzukommendem Bei­ schlafe im Falle der Verweigerung der Eheschließung ein Anspruch auf Aus­ stattung erwachsen sollte. SchadensEs kommen hiernach nur noch diejenigen Fälle in Frage, in welchen einesDeimes^ durch Vollziehung des Beischlafes eine im Strafgesetzbuche vorgesehene strafbare

Handlung begangen ist. In solchen Fällen ist auch jetzt noch von den meisten neueren Rechten ein Anspruch der Geschwächten oder Geschwängerten auf Ge­ währung einer Ausstattung oder Abfindung anerkannt. Insoweit bedarf cs

aber vom Standpunkte des Entwurfes aus einer besonderen Bestimmung nicht. Dem Bedürfnisse, in solchen Fällen der Verletzten eine angemessene Ent­ schädigung nicht allein wegen Beeinträchtigung ihres Fortkommens, sondern auch wegen der ihr persönlich widerfahrenen Kränkung zu Theil werden zu

lassen, ist durch die Vorschriften des Entwurfes über Schadensersatz ans un­ erlaubten Handlungen (§§ 704, 218, 219, 221, 728) in vollem Maße genügt. Insbesondere wird durch jene Vorschriften auch der in verschiedenen neueren Gesetzen, namentlich in dem preuß. Ges. v. 24. April 1854 § 6, dem württemb. Ges. v. 5. September 1839 Art. 18 und dem bad. Ges. v. 6. März 1845 § 14, vorgesehene Fall gedeckt, wenn ein nnbescholtencs Mädchen, welches das sechs­ zehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, zum Beischlafe verführt worden ist (vergl. § 182 Str. G. B. mit § 728 Abs. 2 d. Entw.; Vorbemerkung zu den §§ 722—736 Bd. II S. 753).

Unterhaltspflicht des unehelichen Vaterö.

Verjährung.

§ 1578.

917

III. Im Anschlüsse an eine, übrigens keineswegs allgemein anerkannte, Beilegung der gemeinrechtliche Praxis geben einzelne neuere Gesetze der von ihrem Verlobten geriebenen geschwängerten Braut für den Fall, daß der Verlobte die Eheschließung weigert, Ehesrau. bezw. auch für den Fall, daß die Ehe ohne die Schuld der Braut aus einem sonstigen Grunde nicht zu Stande kommt, das Recht, zu verlangen, daß ihr durch richterliches Urtheil die Rechte einer geschiedenen, für den unschuldigen Theil erklärten Ehefrau beigelegt werden; doch gehen diese Gesetze im Einzelnen, soviel namentlich die Voraussetzungen jenes Rechtes betrifft, mehrfach aus­ einander (vergl. preuß. A.L.R.II, 1 §§1032 ff.; sonderst). Ges. v. 12. August 1844 §§ 1, 2; Weimar. Ges. v. 2. November 1848 § 11). Dagegen sind dem öfters. G. B., dem franz. Rechte und dem sächs. G. B. derartige Bestimmungen un­ bekannt. Auch in Preußen sind die betreffenden Vorschriften des preuß. A. L. R. durch das Ges. v. 24. April 1854 § 22 aufgehoben. Ebenso ist in Württem­ berg die ältere auf dem Boden der bezeichneten gemeinrechtlichen Praxis stehende Gesetzgebung neuerdings durch das Ges. v. 8. August 1875 Art. 4 als beseitigt anzusehen. Der Entwurf hat sich den zuletzt angeführten Gesetzgebungen angeschloffen. Auch in Ansehung des hier fraglichen Anspruches kommt vor Allem in Be­ tracht, daß es an einem Rechtsgrunde für denselben fehlt. Auch würde die Anerkennung eines solchen Anspruches mit dem Prinzipe des Entwurfes nicht im Einklänge stehen, daß durch das Vcrlobuiß eine Verbindlichkeit der Ver­ lobten nicht begründet wird (§ 1227). Die Braut darf durch die hinzutretende Schwängerung nicht beffcr gestellt werden, wie dies ohne den Hinzutritt der Schwängerung der Fall ist. Es würde sonst der Antizipirung des Beischlafes unter Verlobten und damit der Unsittlichkeit Vorschub geleistet. Zudem ist das Verlöbniß nach dem Entwürfe an irgend eine Form nicht gebunden, welche erkennbar macht, ob in Wirklichkeit ein Verlöbniß vorliegt. Aber auch ab­ gesehen davon, ist im Interesse der Heiligkeit und Würde der Ehe daran fest­ zuhalten, daß die Rechte einer Ehefrau nur durch die Ehe entstehen und nicht als Mittel zur Entschädigung dienen. Aus diesem Grunde ist cs auch nicht gerechtfertigt, der Geschwächten etwa für den Fall, daß die Schwängerung durch ein gegen sie begangenes Verbrechen, z. B. durch Nothzucht, erfolgt ist (vergl. preuß. A. L. R. II, 1 §§ 1115, 1116; daneben aber preuß. Ges. v. 24. April 1854 § 22), aus dem Gesichtspunkte der Entschädigung die Rechte einer geschiedenen, für den unschuldigen Theil erklärten Ehefrau beizulcgen.

§ 1578. Die au ähnliche Vorschriften verschiedener neuerer Gesetze (vergl. preuß. Verjährung

A. L. R. II, 1 § 1083—1087; preuß. Ges. v. 24. April 1854 § 10; meining. Anspruches Ges. v. 9. September 1844 Art. 31; goth. Ges. v. 1. Juli 1869 Art. 15) sich bcr ,J)lutteranschließende Bestimmung des § 1578 bezweckt, thunlichst zu verhindern, daß

die Mutter die ihr durch den § 1577 beigelegtcn Rechte mißbraucht und noch nach längerer Zeit mit unbegründeten Ansprüchen hcrvortritt. Die zweijährige Verjährungsfrist entspricht dem preuß. Ges. v. 24. April 1854 § 10. Die Verjährungsfrist im Anschluffe an die im § 157 für rückständige Alimente be-

918

Legitimation unehelicher Kinder.

(§§ 1579—1600.)

stimmte Verjährungsfrist auf vier Jahre auszudehnen, empfiehlt sich nicht, da einestheils der hier in Rede stehende Anspruch nicht die Natur eines Alimentations­ anspruches hat, anderentheils die besonderen Gründe, auf welchen die kurze Ver­

jährung rückständiger Alimente beruht, bei jenem Ansprüche nicht zutreffen, sondern die kurze Verjährung des letzteren anderen Zwecken dient, welche es rathsam erscheinen lassen, die Verjährungsfrist auf zwei Jahre abzukürzen. Um die Anomalie zu vermeiden, daß eine Verjährung beginnt, bevor der Anspruch entstanden ist, andererseits um für den Beginn der Ver­ jährung in Ansehung aller hier in Rede stehenden Kosten einen einheitlichen Zeitpunkt zu gewinnen, bestimmt der zweite Satz des § 1578, daß die zwei­ jährige Verjährung mit Ablauf von sechs Wochen nach der Geburt des Kindes beginnen soll. Die Gesichtspunkte, welche zu der Vorschrift des § 159 geführt haben, kommen hier nicht in Betracht. Das preuß. Ges. v. 24. April 1854 § 11 Abs. 1 enthält nach dem Vor­ gänge des preuß. A. L. R. II, 1 § 1085 noch die besondere Bestimmung, daß, meint der Schwangerer innerhalb der zweijährigen Verjährungsfrist seinen bis­ herigen Aufenthalt verlaßen hat, die Zeit, während welcher sein neuer Auf­ enthaltsort unbekannt gewesen ist, von der Verjährungszeit abgerechnet wird. Ein Bedürfniß, durch eine derartige besondere Vorschrift den hier fraglichen Anspruch der Mutter des unehelichen Kiudes zu begünstigen, liegt jedoch nicht vor. Auch steht eine solche Begünstigung mit den Zwecken, welchen die kurze Verjährung zu dienen bestimmt ist, nicht im Einklänge. K.r>chtsstand. Die außerdem im § 11 Abs. 2 des preuß. Ges. v. 24. April 1854 sich findende besondere Vorschrift, daß, wenn der Schwängerer feilten Wohnsitz an einen anderen Ort des Inlandes verlegt, die Geschwängerte ihre Klage in dem vorigen Gerichtsstände desselben anstellen kann (vergl. auch preuß. A. L. R. II, 1 § 1087), ist durch § 14 des Eins. Ges. zur C. P. O. beseitigt.

Sechster Titel.

Legitimation unehelicher: Kinöev. LeguiDer Entwurf kennt nur zwei Arten der Legitimation unehelicher Kinder, inotionsarien. die Legitimation durch nachfolgende Ehe und die Legitimation durch Ehelichkeits­ erklärung (durch Reskript). Die sog. legitimatio per testamentum (Nov. 74 c. 2, Nov. 89 c. 10) ist dem Entwürfe fremd (vergl. die Motive zu § 1585), ebenso eine sog. legitimatio per nuncupationem, welche man auf die Nov. 117 c. 2 hat gründen wollen, d. h. eine Legitimation unehelicher Kinder durch die bloße Anerkennung derselben als ehelicher Kinder von Seiten des unehelichen Vaters (vergl. dagegen Seufsert V, 189). Die Zulassung einer solchen Legitimation würde mit den Gründen im Widersprüche stehen, welche den Entwurf bestimmt haben, die Legitimation durch Ehelichkeitserklärung, wie die Annahme an Kindesstatt, an bestimmte einschränkende Voraussetzungen zu knüpfen.

Legitimation durch nachfolgende Ebe.

Vormiss.; Wirkung.

§ 1579.

919

Die dem späteren deutschen Rechte bekannte sog. legitimatio minus plena oder ad honores ist kein Institut des Familienrechtes zur Begründung eines Eltern- und Kindesverhältnisses, sondern diente dazu, die nach deutschem Rechte mit der unehelichen Geburt .vielfach verbundenen Rechtsnachtheile zu beseitigen, in persönlicher Beziehung die unehelich Geborenen den ehelich Geborenen gleich­ zustellen. Da diese Gleichstellung auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechtes überall schon durch die Gesetzgebung herbeigeführt ist, so hat diese Art der Legitimation, welcher das preuß. A. L. R. 11, 2 §§ 662- 665 (vergl. auch Anh. § 94 zu 11, 2 § 592, I I, 8 § 279) noch gedenkt, ihre Bedeutung verloren. Dem Entwürfe ist eine Beschränkung der Rechtsfähigkeit der unehelichen Kinder fremd, und kann deshalb diese Legitimationsart nicht mehr in Frage kommen. Anlangend endlich die Vorschriften des preuß. A. L. R. II, 2 §§ 592, 597 über die Legitimation unehelicher Kinder durch richterlichen Ausspruch und über die Legitimation der Brautkinder durch gerichtliche Erklärung des Vaters, so hängen diese, in Preußen übrigens durch Ges. v. 24. April 1854 § 22 auf­ gehobenen Vorschriften mit der Art und Weise zusammen, wie die Rechte der außerehelich Geschwängerten bezw. die Rechtsstellung der sog. Brautkinder geregelt ist (vergl. in dieser Hinsicht die Motive zu § 1568 oben S. 858 und zu § 1577 oben S. 917). Vom Standpunkte des Entwurfes aus kommen jene Vorschriften nicht in Betracht.

I. Legitimation durch nachfolgende Ehe. 8 1579. Das Institut der Legitimation unehelicher Kinder durch nachfolgende An«i-»n»ng Ehe, welches durch die spätere röm. Gesetzgebung eingeführt wurde, um dem 3nf^teit Konkubinate entgegenzutreten, hat in Deutschland, insbesondere durch Vermitte­ lung der Kirche, als gemeines Recht Eingang gefunden. Das kanonische Recht

(c. 6 X. qui fllii sint legitim! 4, i?) hat diese Legitimationsart ausdrücklich anerkannt, und ist dieselbe auch Bestandtheil der neueren Gesetzbücher geworden (vergl. preuß. A. L. R. 11, 2 §§ 596, 598, 600; österr. G. B. § 161; code civil Art. .131 333; sächs. G. B. §§ 1780 ff.; Hess. Entiv. III Art. 60—62). Der Entwurf ist diesen Vorgängen gefolgt. Das Institut der Legitimation durch nachfolgende Ehe empfiehlt sich nicht allein im Hinblicke darauf, daß durch die nachfolgende Ehe der Eltern des unehelichen Kindes das verletzte Prinzip der Ehe anerkannt, der Widerspruch mit der sittlichen Ordnung beseitigt und das begangene Unrecht geheilt wird, sondern auch um desivillen, weil es im öffentlichen Jnterefie dazu beiträgt, die Zahl der Eheschließungen zu vermehren, die Zahl der unehelichen Kinder zu vermindern. Es würde zudem ein unnatürliches Verhältniß sein, wenn zwischen den Kindern derselben Eltern, je nachdem die­ selben vor oder nach der Eheschließung geboren sind, eine völlige Scheidung

stattfinden sollte. Im Einzelnen ist zur Begründung des § 1579 Folgendes zu bemerken: jungen. 1. Die Legitimation durch uachfolgende Ehe bezieht sich nach röm. segitu Rechte mir auf Konkubineukinder. Gemeinrechtlich ist diese Beschränkung"'°i'°nssahig-

920

Legitimation durch nachfolgende Ehe.

Vorauss.; Wirkung.

§ 1579.

jedoch durch die Beseitigung des Konkubinates als eines Rechtsinstitutcs und durch das kanonische Recht in Wegfall gekommen. Dagegen ist es bestritten, ob nach gemeinem Rechte die in Ehebruch oder in Blutschande erzeugten unehe­ lichen Kinder legitimationsfähig sind. Theorie und Praxis nehmen indessen überwiegend an, daß auch solche uneheliche Kinder durch nachfolgende Ehe legitimirt werden können, soweit die Eheschließung zwischen den Eltern rechtlich möglich ist (vergl. Seuffert I, 352, V, 188, XIII, 43, XV, 227, XVIII, 261,

XXII, 245, XXV, 137, XLII, 275). Dies ist auch der Standpunkt des württemb. Rechtes (vergl. Seuffert XXII, 245), des preuß. A. L. R. II, 2 § 596, des öfters. G. B. § 161, des sächs. (S. B. § 1780 und des Hess. Entw. III Art. 60 (vergl. ferner sonderst). Sukzessionsordnung v. 8. Dezember 1829 §§ 24, 25). Dagegen beschränkt das bayr. L. R. I, 5 8 8 Nr. 3 die Legiti­ mation durch nachfolgende Ehe im Anschlnffe an das römische Recht auf liberi naturales, welche nicht ex damnato coitu hervorgegangen sind. Nach franz. Rechte (code civil Art. 331) können in Konsequenz des Grundsatzes „la recherche de la paternite est interdite“ (Art. 340) und im Einklänge mit den Bestimmungen über die Anerkennung natürlicher Kinder (Art. 334, 342) nur anerkannte natürliche Kinder durch die nachfolgende Ehe ihrer Eltern legitimirt werden; doch ist den in Ehebruch oder Blutschande erzeugten Kindern die Lcgitimationsfähigkeit unbedingt versagt. Der Entwurf macht in Ansehung der Legitimationsfähigkeit zwischen den verschiedenen Arten unehelicher Kinder keinen Unterschied, insbesondere macht derselbe auch in Ansehung der in Ehebruch oder Blutschande erzeugten Kinder in Uebereinstimmung mit der Mehrzahl der Rechte keine Ausnahme. Die Gründe, auf welchen nach Obigem das Institut der Legitimation durch nach­ folgende Ehe beruht, treffen auch in Ansehung dieser Kinder zu. Diesen Gründen gegenüber kann auf den Einwand, daß die Legitimationsfähigkeit solcher Kinder gegen den Geist des Rechtes verstoße und mit dem öffentlichen Anstande sich nicht vertrage (vergl. Puchta, Vorl. II § 440), auch mit der auf die Familie des Vaters, insbesondere auf die rechtmäßigen Kinder des letzteren zu nehmenden Rücksicht nicht vereinbar sei (vergl. v. Scheurl, das gemeine deutsche Eherecht S. 264 ff.), entscheidendes Gewicht nicht gelegt werden. Uebrigens kann eine Legitimation der in Blutschande erzeugten Kinder durch nachfolgende Ehe im Hinblicke auf das Eheverbot des § 1236 verglichen mit § 178 des Str. G. B. nach dem Entwürfe regelmäßig überhaupt nicht in Frage kommen. Sollte jedoch entgegen jenem Eheverbote die Eheschließung erfolgt sein, so tritt die Legitimation durch nachfolgende Ehe trotz der Nichtigkeit der letzteren (§ 1250 Nr. 3) nach Maßgabe des § 1581 ein. Die Legitimation im Ehebrüche erzeugter Kinder durch nachfolgende Ehe findet insoweit eine Schranke, als das im § 1237 bestimmte Eheverbot wegen Ehebruches reicht; doch hat das letztere nur aufschiebende Wirkung, und kann von demselben dispensirt werden. Ist die Eheschließung erfolgt, so äußert die Legitimation durch nachfolgeude Ehe, sofern diese sonst gültig ist, ihre vollen Wirkungen nach Maßgabe des § 1579. 2. Die Legitimation eines unehelichen Kindes durch nachfolgende Ehe des Kindes. |ejnev ßttcni bezieht sich nur auf solche Kinder, welche zur Zeit der Ehe-

Unehelichkeit

Legitimation durch nachfolgende Ehe.

Voraus).; Wirkung.

§ 1579.

921

schließung der Eltern bereits geboren sind. Ein Kind, welches die Ehefrau vor Schließung der Ehe von dem Ehemanne empfangen und nach Schließung der Ehe geboren hat, ist nach §§ 1466, 1577 kein legitimirtes, sondern ein eheliches Kind (vergl. die Motive zu § 1466 oben S. 647). Aus dem im § 1579 aufgestellten Erfordernisse der Unehelichkeit des Kindes ergiebt sich ferner, daß solche Kinder, welche zwar in Wirklichkeit un­ eheliche Kinder der beiden Ehegatten sind, nach Maßgabe der §§ 1471 ff. aber als eheliche Kinder eines Anderen gelten, durch die nachfolgende Ehe

ihrer Eltern nicht berührt werden. Ein solcher Fall kann namentlich dann eintretcn, wenn das Kind mit einer Ehefrau im Ehebrüche erzeugt ist, der frühere Ehemann aber die Ehelichkeit des Kindes mit Erfolg nicht angefochten

oder sein Anfechtungsrecht verloren hat (§§ 1471—1473, 1477). Dagegen wird die Legitimation durch nachfolgende Ehe dadurch nicht ausgeschlossen, daß das Kind vor der Eheschließung zwischen seinen Eltern für ein eheliches Kind seines Vaters erklärt (§ 1583) oder von dem Vater oder der Mutter an Kindesstatt angenommen ist (§§ 1601, 1602); denn durch die Ehelichkeitserklärung und die Annahme an Kindesstatt hört das uneheliche Kind an sich nicht auf, ein uneheliches Kind zu sein; vielmehr erlangt, dasselbe in dem gesetzlich näher bestimmten Umfange (§§ 1596 ff., §§ 1620 ff.) nur die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes. Die Anwendung der für un­ eheliche Kinder gegebenen Vorschriften auf ein solches Kind ist daher insoweit nicht ausgeschlossen, als dieselbe mit der rechtlichen Stellung eines solchen Kindes als eines ehelichen Kindes innerhalb der von dem Gesetze bestimmten Grenzen nicht unvereinbar ist. Bei dieser Auffassung steht die vor der Ehe­ schließung erfolgte Ehelichkeitserklärung oder Annahme an Kindcsstatt der Legitimation des Kindes durch nachfolgende Ehe nicht entgegen, da die mit dieser Legitimation verbundenen weitcrgreifendcn Wirkungen mit den durch die Ehelichkeitserklärung oder die Annahme an Kindesstatt begründeten Wir­ kungen nicht unvereinbar sind (§§ 1596, 1620) und insbesondere die Ehelichkeits­ erklärung gewissermaßen nur als ein Surrogat der Legitimation durch nach­ folgende Ehe sich darstellt. Auch dann ist die Legitimation durch nachfolgende Ehe nicht ausgeschlossen, wenn das Kind vor der Eheschließung seiner Eltern von einem Dritten an Kindcsstatt angenommen sein sollte; vielmehr treten auch in diesem Falle die Wirkungen der Legitimation insoweit ein, als die­ selben mit dem Grundsätze vereinbar sind, daß das Kind die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes des Annehmendcn nach Maßgabe der §§ 1601 ff. erlangt hat. Das Verhältniß ist in diesem Falle dasselbe, wie in dem Falle, wenn ein Dritter das Kind nach der Eheschließung zwischen den Eltern des letzteren tm Kindesstatt angenommen hat. Dagegen ist die Legitimation durch nachfolgende Ehe dann ausgeschlossen, wenn das Kind vor der Eheschließung zwischen seinen Eltern (vergl. § 1580) für ein eheliches Kind eines Dritten erklärt worden ist, jedoch nicht deshalb, weil dasselbe in Folge der Ehelich­ keitserklärung die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes des Dritten erlangt hat und mit Rücksicht darauf aufgehört hätte, ein uneheliches Kind zu sein, sondern deshalb, weil durch die Ehelichkeitserklärung die Vaterschaft des Dritten in Ansehung dieses Kindes in unanfechtbarer Weise festgestellt

922

Legitimation durch nachfolgende Ehe.

Vorauss.; Wirkung.

§ 1579.

(88 1585, 1593) und damit die Vaterschaft des Ehemannes der Mutter des Kindes, welche die Voraussetzung der Legitimation durch nachfolgende Ehe bildet (§ 1579), unvereinbar ist. Aus ähnlichen Gründen ist die Legitimation durch nachfolgende Ehe ausgeschlossen, wenn das Kind nach Maßgabe der

§§ 1579, 1580 bereits durch nachfolgende Ehe der Mutter mit einem Dritten, welcher nach § 1580 als Vater des Kindes gilt, legitimirt worden ist und nach Auflösung dieser Ehe die Mutter eine neue Ehe mit einem Anderen schließt, welcher ebenfalls mit ihr innerhalb der im § 1580 bezeichneten Empfangnißzeit den Beischlaf vollzogen hatte. Dagegen steht es der Legiti­ mation durch nachfolgende Ehe nicht entgegen, wenn ein Anderer als der Ehe­ mann vor der Eheschließung als unehelicher Vater des Kindes dem letzteren Unterhalt zu gewähren verurtheilt ist, obwohl auch der Ehemann innerhalb der Empfängnißzeit mit der Mutter des Kindes den Beischlaf vollzogen hatte (88 1572, 1580), und zwar deshalb nicht, weil der zur Leistung der Alimente Verurtheilte nur in dieser einen Beziehung als Vater des Kindes gilt, zudem das betreffende Urtheil nicht für und gegen Dritte wirkt (vergl. § 1632). Eine andere, im Gesetze nicht besonders entschiedene Frage ist die, ob in einem solchen Falle die Unterhaltspflicht des Dritten trotz der Legitimation fortdauert oder von der Zeit der Legitimation an wegfällt (vergl. Motive zu § 1571 oben S. 879). Mit Rücksicht darauf, daß es sich in den hervorgehobenen Beziehungen um seltene Fälle und um solche Fragen handelt, welche an der Hand der allgemeinen Grundsätze zu beantworten sind, ist es als angemessener erachtet, jene Fragen nicht durch das Gesetz besonders zu entscheiden. Baterschast.

3. $5(11111 das Erforderniß der Vaterschaft, um die Legitimation zu bewirken, als vorhanden anzusehen ist, bestimmt der § 1580 (vergl. die Motive zu 8 1580).

Gültigkeit der

®Se'

4. Inwieweit die Legitimation auch dann eintritt, wenn die Ehe nngültig ist, ergiebt sich ans § 1581 (vergl. Motive zu § 1581).

Zustimmung 5. Die Legitimation erfolgt durch die Eheschließung zwischen den Eltern bctimbCbe‘?e'1 des Kindes kraft des Gesetzes, der Eintritt der Legitimation ist mithin nicht Kindes,

von der Zustimmung der Ehegatten und des Kindes abhängig. Damit stimmt die Mehrzahl der Rechte überein (vergl. preuß. A. L. R. II, 2 § 596; öftere. G. B. 8 161; sächs. G. B. 8 1780; code civil Art. 331, 333; Hess. Entw. III Art. 60). Das franz. Recht setzt indeffcn Anerkennung des Kindes, sei es vor

der Eheschließung, sei es in der Heirathsurkunde, voraus und, soweit diese An­ erkennung von dem Kinde angefochten werden kann (code civil Art. 339), richtet sich die Anfechtung indirekt auch gegen die Legitimation. Gemein­ rechtlich ist es dagegen streitig, ob die Legitimation Zustimmung oder doch Nichtwidersprnch des Kindes voranssetzt (vergl. Seuffert XI, 50, XXIV, 124) oder ob dieselbe auch gegen den Willen des Kindes eintritt (Seuffert XXV, 137). Eine dritte Ansicht geht davon aus, daß gegen den Widerspruch des Kindes durch die Legitimation die väterliche Gemalt über dasselbe nicht be­ gründet werde. Das bayr. L. R. I, 5 8 8 Nr. 2 hat sich der ersten Ansicht angeschlossen; doch soll die Einwilligung des Kindes bis zu eingelegtem Wider­ sprüche desselben vermuthet werden.

Legitimation durch nachfolgende Ehe.

Vorauss.; Wirkung.

§ 1579.

923

Von der Grundlage ans, auf welcher nach der oben S. 919 dargelegtcn Auffassung die Legitimation durch nachfolgende Ehe beruht, muß derselben konsequent ein absoluter Karakter beigelegt werden. Eine andere, in den '.Motiven zu § 1580 erörterte Frage ist es, ob die Vaterschaft des Ehemannes als Voraussetzung der Legitimation nur im Wege der Anerkennung des Kindes von Seiten des Ehemannes soll festgestellt werden können. Das röm. Recht verlangte behufs der Legitimation die Errichtung von instrumenta dotalia. Diese Vorschrift hing mit dein Streben zusammen, für die Verwandlung des Konkubinates in eine Ehe ein jeden Zweifel in dieser Richtung ausschließendes Beweismittel zu gewinnen. Da die Ehe jetzt an eine bestimmte Form gebunden ist, so bedarf es einer derartigen Vorschrift nicht mehr (vergl. auch Seuffert XXVIII, 36). 6. Im Einklänge mit der Grundlage, auf welcher nach der oben S. 919 Wirkung d«r dargelegten Auffassung das Institut der Legitimation durch nachfolgende Ehe 2,",t""nh0'L beruht, und entsprechend dem Zwecke dieses Institutes verbindet der Entwtlrf

nach dem Vorgänge des (vergl. preuß. A. L. R. G. B. §§ 1780, 2018, ferner in erbrechtlicher

gemeinen Rechtes und der neueren Gesetzgebungswerke II, 2 § 596; öftere. G. B. §§ 161, 752, 756 ; sächs. 2025; code civil Art. 333; Hess. Entw. III Art. 60; Hinsicht sondersh. Stlkzessionsordn. v. 8. Dezember 1829 §§ 24—27; Weimar. Ges. v. 6. April 1833 § 17; altenb. Ges. v. 6. April 1841 § 18; goth. Ges. v. 2. Januar 1844 § 22; Ges. für Reuß j. L. v. 10. Dezember 1853 § 18; Mommsen, Erbrechtsentw. § 25) mit dieser Legitimationsart die Wirkung, daß das uneheliche Kind in allen Beziehungen, insbesondere auch in erbrechtlicher Beziehung (vergl. § 30 Abs. 3, § 1579 verb. mit §§ 1965, 1975), die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes erlangt. Alls dem unbeschränkt ausgesprochenen Prinzipe des § 1579 crgiebt sich, daß die Wirkungen der Legitimation durch nachfolgende Ehe sich insbesondere auch auf die Abkömmlinge des unehelichen Kindes sowie auf die Verwandten des Vaters erstrecken tlnd daß durch dieselbe auch zwischen dem Ehegatten des Kindes oder eines Abkömmlinges desselben einerseits und dem Vater und der Mutter andererseits ein Schwägerschaftsverhältniß begründet wird. Rach Maß­ gabe der näheren Bestimmungen des Einführungsgesetzcs bleiben jedoch die landes­ gesetzlichen Vorschriften über die Sukzessionsrcchte der durch nachfolgende Ehe legitimirten Kinder in Lehen, Fideikommisse, Stamm- und Bauerngüter, sowie die Vorschriften des sog. Privatfürstenrcchtes und die dem öffentlichen Rechte angehörenden Vorschriften über den Erwerb des Adels in Folge Legitimation durch nachfolgende Ehe unberührt. Von selbst versteht es sich ferner, daß, soweit durch Privatdisposition, insbesondere durch Stiftungen, ein Rechtserwerb den legitimirten Kindern klar und deutlich versagt ist, cs bei dieser Disposition sein Bewenden hat. Rach § 1579 erlangt indessen das uneheliche Kind die rechtliche Stellung Beginn eines ehelichen Kindes nur von der Zeit der Eheschließung an für die Zukunft.bev

Die Legitimation wirkt also nicht bis zu der Geburt des Kindes zurück. Es entspricht dies nicht nur den allgemeinen Grundsätzen und der Billigkeit,

sondern auch dem geltenden Rechte (vergl. insbes. preuß. A. L. R. II, 2 § 598; öftere. G. B. § 161; sächs. G. B. § 1780; Hess. Entw. III Art. 60 nebst Motiven

924

Legitimation durch nachfolgende Ehe.

Vorauss.; Wirkung.

§ 1579.

S. 178; ferner in erbrechtlicher Beziehung Weimar. Ges. v. 6. April 1833 § 17; altenb. Ges. v. 6. April 1841 § 18; goth. Ges. v. 2. Januar 1844 § 22; Ges. für Neuß j. L. v. 10. Dezember 1853 § 18). Eine Konsequenz des Satzes, daß die Legitimation nicht zurückwirkt, ist es namentlich, daß, wenn ein Rechts­

erwerb von dem Lebensalter des ehelichen Kindes abhängig gemacht ist, die

bereits vor der Legitimation geborenen ehelichen Kinder des einen oder anderen Elterntheilcs als die älteren anzusehen sind, obwohl sie in Wirklichkeit jünger Elterliche Gewalt.

sind, als die legitimirten Kinder. Aus dem Prinzipe, daß das uneheliche Kind von der Zeit der Ehe­

schließung seiner Eltern an die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes erlangt, folgt insbesondere auch, daß mit diesem Zeitpunkte die elterliche Gewalt des Ehemannes über das minderjährige Kind eintritt (§ 1501). Es läßt sich nicht

verkennen, daß daraus für solche Fälle, in welchen in jenem Zeitpunkte die Vaterschaft des Ehemannes in Ansehung des Kindes und somit der Eintritt der elterlichen Gewalt des Ehemannes über dasselbe vielleicht subjektiv noch ungewiß ist und daher die für das Kind vorher angeordnete Vormundschaft auch nach jenem Zeitpunkte noch fortgeführt wird, im Hinblicke auf die mit der elterlichen Gewalt bczw. mit dem Amte des Vormundes verbundene Ver­ tretungsmacht unter Umständen die Rechtssicherheit gefährdende Unzuträglich­ keiten und Konflikte sich ergeben können. Trotzdem muß es als bedenklich erachtet werden, das Prinzip des § 1579, um jenen Unzuträglichkeitcn zu begegnen, in Ansehung der elterlichen Gewalt durch eine positive Vorschrift zu durchbrechen, sei cs durch die Bestimmung, daß die elterliche Gewalt über das Kind nicht vor dem Zeitpunkte eintritt, in welchem die Vaterschaft des Ehe­ mannes nach Maßgabe des § 1580 festgestcllt ist, oder durch die Bestimmung, daß der Ehemann die elterliche Gewalt erst dann erlangt, wenn das Vormnndschaftsgericht die Voraussetzungen der Legitimation des Kindes durch nachfolgende Ehe als gegeben anerkannt hat. Das Institut der Legitimation soll wesentlich dem Jntercsie des Kindes dienen. Das Jntcresie des Kindes aber erheischt es, daß die mit der elterlichen Gewalt verbundene Pflicht der Fürsorge für dasselbe von der Zeit der Eheschließung an kraft des Gesetzes für den Ehemann als den Vater des Kindes begründet wird. Die anderen angedcuteten Wege eröffnen dagegen dem Ehemanne die Möglichkeit, sich auf längere Zeit den mit der elterlichen Gewalt verbundenen Pflichten zu entziehen. Den Eintritt der elterlichen Gewalt von einer Entscheidung des Vormundschafts­ gerichtes abhängig zu machen, hat zudem das Bedenken gegen sich, daß die elterliche Gewalt ein an sich prozeßfähiges Recht ist. Um so mehr verdient es den Vorzug, in Uebereinstimmung mit dem geltenden Rechte es auch in Ansehung der elterlichen Gewalt bei den Konsequenzen des im § 1579 aus­ gesprochenen Prinzipes zu belassen, als in der großen Mehrzahl der Fälle die Legitimation durch nachfolgende Ehe in den ersten Lebensjahren des Kindes erfolgt, für diese ersten Lebensjahre aber die mit der elterlichen Gewalt bczw. mit dem Amte des Vormundes verbundene Vcrtretungsmacht gegen­ über der Pflicht thatsächlicher Fürsorge für das Kind in den Hintergrund tritt und dem praktischen Leben die mit den oben angedcuteten positiven Be­ stimmungen verbundenen Weiterungen fremd sind. Um aber zu verhindern.

Legitimation durch nachfolgende Ehe. Vaterschaft. § 1580.

925

daß die Rechtshandlungen, welche von dem Vormunde des Kindes in der

Zwischenzeit zwischen der Eheschließung und der Feststellung der Vaterschaft des Ehemannes vorgenommeu sind, auf Grund der Bestimmung des § 1703 Abs. 1 Nr. 2 der Wirksamkeit entbehren, und daß in der Zwischenzeit das Kind schutzlos ist, hat der Entwurf im § 1703 Abs. 2 durch eine besondere Be­ stimmung Vorsorge getroffen, daß im Falle der Legitimation des Mündels durch nachfolgende Ehe die Vormundschaft über denselben nicht schon mit dem Zeitpunkte der Eheschließung und dem damit verbundenen Eintritte der elterlichen Gewalt des Ehemannes beendigt wird (vergl. Jahrb. der Entsch. d. Kammcrgcr. VI, 27; Entsch. d. R. G. in Straff. XV, 55). Ueber die religiöse Erziehung entscheiden, wie bei ehelichen Kindern R-n-M- Er(§ 1508), so auch bei den durch nachfolgende Ehe lcgitimirten Kindern die ä"*inB Landesgcsetze (vergl. hannov. Verordn, v. 31. Juli 1826 § 6; waldeck. Ges. v. 28. März 1827 § 3; bayr. Rcligionscdikt v. 26. Mai 1818 §20; Weimar. Ges. v. 7. Oktober 1823 § 54; sächs. Ges. v. 1. November 1836 § 11;

braunschw. Ges. v. 10. Mai 1867 § 9).

§ 1580. Gemeinrechtlich ist bestritten, ob der Eintritt der Legitimation durch nachd-r folgende Ehe durch die Anerkennung der Vaterschaft von Seiten des Ehe- $l,te,4dwt manncs bedingt ist oder ob die Vaterschaft auch auf dem Wege andcrwciter St^c"tbca

Beweisführung ermittelt werden kann. Die Anhänger der letzteren Ansicht wenden in dieser Beziehung theils die allgemeinen Grundsätze an, theils dehnen sie die Vorschriften, welche für die Ermittelung der Vaterschaft zum Zwecke der Geltendmachung des Untcrhaltsanspruches des unehelichen Kindes maß­ gebend sind, auch auf das hier in Rede stehende Verhältniß aus. Demgemäß wird auch die Frage, ob die exceptio plurium concumbentium zulässig ist, ver­ schieden beantwortet (vergl. Seuffert XXXVI, 174). Auch über die Be­ deutung der Anerkennung der Vaterschaft gehen die Ansichten in der gemein­ rechtlichen Doktrin auseinander. Nach der einen Ansicht hat dieselbe einen konstitutiven Karakter, nach einer anderen Ansicht dagegen nur die Bedeutung eines Beweismittels. Die gemeinrechtliche Praxis knüpft an die Anerkennung die Wirkung, daß dadurch, und zwar auch gegenüber Dritten, die Vaterschaft bis zum Beweise des Gegentheiles als festgestellt angesehen wird (vergl. Seuffert XI, 10, XIII, 232, XXI, 200, XXII, 287, 288, XXIV, 242, XXXVI, 174; Entsch. d. R. G. in Straff. XIII, 41); doch nimmt die Praxis an, daß den Rechten des Kindes durch die Anerkennung nicht präjudizirt werde (Seuffert VIII, 344, XI, 10, XXIV, 242; Jahrb. der Entsch. d. Kammerger. VI, 27). Von den neueren Gesetzgebungen machen das preuß. A. L. R. II, 2 § 596, II, 1 § 1077 und das sächs. G. B. §§ 1780, 1859, 1872 die Legitimation durch nachfolgende Ehe nicht von der Anerkennung der Vater­ schaft von Seiten des Ehemannes abhängig; vielmehr gilt nach diesen Gesetz­ gebungen der Ehemann als Vater des Kindes, wenn er innerhalb der in Ansehung des Unterhaltsanspruches des unehelichen Kindes maßgebenden

926

Legitimation durch nachfolgende Ehe.

Vaterschaft.

§ 1580.

Empfängnißzeit mit der Mutter des Kindes den Beischlaf vollzogen hat. Ins­ besondere ist die exceptio plurimn concuinbentium ausgeschlossen. Durch die Vorschriften des preuß. Ges. v. 24. April 1854 sind jene Bestimmungen des prcuß. A. L. R., soweit dieselben sich auf die Feststellung der Vaterschaft in Ansehung der Legitimation durch nachfolgende Ehe beziehen, nicht berührt (vergl. Urth. d. Ob. Trib. v. 20. September 1870 bei Gruchot XVII S. 822 ff.). Ueber die Bedeutung der Anerkennung der Vaterschaft in der hier fraglichen Beziehung enthält das preuß. Recht keine besondere Bestimmung. Das vormalige Obertribunal zu Berlin hat jedoch mehrfach erkannt, daß behufs Führung des zur Legitimation des Kindes durch nachfolgende Ehe erforder­ lichen Beweises der Vaterschaft des Ehemannes die von dem letzteren erfolgte Anerkennung genüge und diese Anerkennung auch nach der Eheschließung und selbst noch nach Auflösung der Ehe durch den Tod der Ehefrau abgegeben werden könne (vergl. Gruchot XVII S. 818). Auch das sächs. G. B. schweigt über die Wirkung der Anerkennung. Nach Analogie der Vorschriften der §§ 1774—1778 wird anzunehmen sein, daß dadurch die Vaterschaft gegenüber dem Eheinanne unbedingt festgestellt, aber weder den Rechteit Dritter noch denen des Kindes präjudizirt wird. Mit dem preuß. und sächs. Rechte stimmt das österr. G. B. §§ 161, 163, 164 im Wesentlichen überein. Die Zulässigkeit der exceptio plurimn concumbentium ist zwar bestritten, wird aber von Theorie und Praxis vorwiegend

verneint. Im Gegensatze zu den angeführten neueren Gesetzgebungen macht das franz. Recht (code civil Art. 331; vergl. auch bad. L. R. Satz 331; Hess. Entw. III Art. 60) den Eintritt der Legitimation durch nachfolgende Ehe davon ab­ hängig, daß die Eltern das Kind vor der Eheschließung gesetzmäßig anerkannt

haben (code civil Art. 334—342; bad. L. R. Satz 334—340, 340 a, 341, 342; Hess. Entw. III Art. 48—53). Der Hess. Entw. III Art. 60 erklärt auch eine erst nach der Eheschließung erfolgende Anerkennung für genügend. Durch die Anerkenuung wird nach franz. Rechte die Vaterschaft bezw. die Mutterschaft, vorbehaltlich der Bestimmung des code civil Art. 339, festgestellt (vergl. Entsch. Standpunkt des Entwurfes.

d. R. G. in Civils. V, 99). Der Entwurf hat sich denjenigen Rechten angeschlossen, welche den Ein­

tritt der Legitimation durch nachfolgende Ehe von der Anerkennung der Vater­ schaft von Seiten des Ehemannes nicht abhängig machen, sondern die Er­ mittelung der Vaterschaft im Wege des Prozesses zulassen und dabei die Möglichkeit der Vaterschaft für genügend erachten.

Es läßt sich nicht ver­

kennen, daß für den Standpunkt des franz. Rechtes, welcher nach einer weit verbreiteten Ansicht auch der Standpunkt des gemeinen Rechtes ist, gewichtige Gründe sprechen. Es ist nicht unbedenklich, die tiefgreifenden Wirkungen der Legitimation durch nachfolgende Ehe, durch welche das Kind im Verhältnisse zu dem Ehemanne und dessen Verwandten in allen Beziehungen die rechtliche

Stellung eines ehelichen Kindes erlangt, ohne Rücksicht darauf, ob der Ehe­ mann das Kind als das seinige anerkannt hat, lediglich an die Thatsachen der Eheschließung und der möglichen Vaterschaft zu knüpfen und dadurch insbesondere jedem Dritten, welcher ein Interesse daran hat, daß das Kind ein

Legitimation durch nachfolgende Ehe.

Vaterschaft.

§ 1580.

927

Icßitimirtcö ist, solange nicht das Gegentheil nach Maßgabe des § 1632 durch Urtheil festgestellt ist, die Möglichkeit zu gewähren, auf Grund jener Thatsachen die Legitimation des Kindes geltend zu machen und im Wege des Prozesses, trotzdem der Ehemann seine Vaterschaft bestreitet, durch deu Nachweis, daß die Mutter des Kindes mit demselben innerhalb der Empfäirgnißzeit den Beischlaf vollzogen habe, die Vaterschaft zu ermitteln und festzustellen. Es ist zweifellos als ein Gewinn zu betrachten, wenn derartige Prozesse vermieden werdcir können. Trotzdem sind die für den Standpunkt des Entwurfes sprechendeir prinzipiellen und praktischen Gründe als überwiegend anzusehen. Mit dem absoluten Karakter und den Zwecken des hier fraglichen Institutes, insbesondere mit der Rücksicht auf das Interesse des Kindes, ist es nicht vereinbar, wenn die wohlthätigen Wirkungen der Legitimation auch nur indirekt von dem Willen des Ehemannes abhängig gemacht werden. Der Standpunkt des franz. Rechtes in der hier fraglichen Beziehung steht mit anderen in das Gesetzbuch nicht aufgenommenen Instituten und Bestimmungen des franz. Rechtes, ins­ besondere mit dem Satze „la recherche de la paternite est interdite“ und dem Institute der Anerkennung unehelicher Kinder, in engem Zusammenhänge, und kann deshalb bei der vorliegenden Frage auf das franz. Recht erhebliches Gewicht nicht gelegt werden. Auch die im gemeinen Rechte vielfach vertretene Ansicht, daß die Legitimation Airerkennung der Vaterschaft von Seiten des Ehemannes voraussetze, hängt mit den Bestimmungen des in Ansehung der Rechtsstellung der unehelichen Kinder gegenüber dem Erzeuger auf einem anderen Boden stehenden röm. Rechtes zusammen. Auf der anderen Seite hat der Entwurf das preuß. Recht, das sächs. G. B. und zum Theil auch die Doktrin und Praxis des gemeinen Rechtes für sich. Eirtscheidcnd fällt namentlich ins Gewicht, daß dem praktischen Bedürfnisse und deir Airforderungen des praktischen Lebens nicht genügt wird, wenir man die Wirkungen der Legitima­ tion von der Anerkennung der Vaterschaft durch den Ehemann abhängig nracht. Ganz besonders ist dies der Fall, wenn man eine arisdrückliche Willcnscrklärring verlangt. Da dies der Sitte in Deutschland nicht entspricht, so würden die Anerkennungen in vielen Fällen unterbleiben und der Eintritt der Wirkungen der Legitimation mehr oder weniger von zufälligen Umstäirderr abhärrgig sein. Aber auch durch die Zulassung stillschweigender Anerkennungen wird dem Interesse des Kindes nicht genügt, da der Beweis der Anerkennung durch konkludente Handlungen, insbesondere nach dem Tode des Ehemannes, oft mit großen Schwierigkeiten verbunden ist. Eine andere Frage ist, ob man nicht, wie gegenüber dem Unterhaltsanspruche des unehelichen Kindes (§ 1572), so auch hier dem Ehemanne die l,'X7X°u' exceptio plurium concumbentium gestatten soll. Der Gesichtspunkt, daß cs sich bei der Legitimation um weit eingreifendere Wirkungen, als die Begrün­ dung eines Unterhaltsanspruches, handelt, scheint der Bejahung jener Frage das Wort zu reden. Indessen ist die Sachlage hier doch insofern eine andere, als der Ehemann vor der Eheschließung in der Lage ist, sich zu erkundigen, und, wenn er nicht die Ueberzeugung gewinnt, daß er der Vater des Kindes sei, die Eheschließung zu Unterlasten. Dazu kommt, daß der Entwurf jene Einrede auch in dem Falle ausgeschlosten hat, in welchem das Kind zwar nach

928

Legitimation durch nachfolgende Ehe. Ungültige Ehe. § 1581.

Schließung der Ehe geboren, aber vor Schließung derselbeir empfangen ist (§ 1470). Die Gründe, auf welcheu diese Bestimmung beruht (vcrgl. Motive zu § 1470 oben S. 656), treffen im Wesentlichen auch hier zu. Dem zu­ fälligen Umstande, ob das Kind kurze Zeit vor der Eheschließung geboren ist, kann ein so tiefgreifender Einfluß auf die Rechtsstellung desselben nicht beigemcffen werden. Mit dem Standpunkte des Eytwurfes steht zudem überwiegend das geltende Recht, insbesondere das preuß. Recht und das sächs. G. B., im Einklänge. Anerkennung sBater^aft.

Als bedenklich ist cs dagegen erachtet worden, in dem hier fraglichen Falle der ausdrücklichen Anerkennung der Vaterschaft von Seilen des Ehe­ mannes dieselbe Wirkung beizulegen, wie in dem Falle, wenn das Kind zwar vor der Eheschließung empfangen, aber erst nach derselben geboren ist (§§ 1470 bis 1472). Ein dringendes praktisches Bedürfniß, dem Ehemanne auf dem Wege der Anerkennung der Vaterschaft ein Mittel an die Hand zu geben,

einem von seiner Ehefran vor Schließung der Ehe bereits geborenen, von ihm aber nicht erzeugten Kinde in Veranlassung und in Verbindung mit der Eheschließung ihm gegenüber die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes zu verschaffen, kann nicht anerkannt werden. Es würde dadurch gewissermaßen eine besondere Art der Annahme an Kindesstatt oder der Ehe­ lichkeitserklärung, jedoch ohne die schützenden Formen dieser Institute und mit weitergehenden Wirkungen, als diejenigen, welche mit diesen Instituten verbunden sind, geschaffen werden. Die Bedenken, welche sich dagegen er­ heben, der Anerkennung der Vaterschaft eine konstitutive Wirkung in dem Sinne beizulegen, daß dadurch die Vaterschaft als unbedingt festgestellt gilt, werden auch dann nicht völlig beseitigt, wenn man jene Wirkung von der Zustimmung des Kindes abhängig macht. Daß ein solches Institut durch ein praktisches Bedürfniß nicht geboten ist, sondern die Natur der Anerkennung als eines Beweismittels den Anforderungen des praktischen Lebens genügt, crgiebt sich schon daraus, daß keines der bestehenden Rechte, auch nicht das franz. Recht (vergl. code civil Art. 339), bei der Legitimation durch nach­ folgende Ehe mit der Anerkennung so weitgehende, den Personenstand des Kindes ändernde Wirkungen verknüpft (vcrgl. Entsch. d. R. G. in Strass. I, 4, XIII, 41).

§ 1581. Einfluß der

"der

Eh«'" ®-

Das gemeine Recht und verschiedene neuere Gesetzgebungen (vergl. sächs. § 1782; Hess. Entw. III Art. 62; ferner in erbrechtlicher Hinsicht Weimar.

Ges. v. 6. April 1833 §§ 16, 17; altenb. Ges. v. 6. April 1841 §§ 17, 18; goth. Ges. v. 2. Januar 1844 §§ 19, 22; Ges. für Reuß j. L. v. 10. Dezember 1853 §§ 17, 18) lasten die Wirkungen der Putativehe auch zu Gunsten der vor der Eheschließung bereits geborenen unehelichen Kinder der Ehegatten ein­

treten, jedoch mit der Modifikation, daß dieselben die Stellung legitimirter Kinder erlangen. Dagegen enthalten das preuß. A. L. R., das österr. G. B. und der code civil in der hier fraglichen Hinsicht keine besonderen Vorschriften (vergl.

preuß. A. L. R. II, 2 §§ 50—57; österr. G. B. § 160; code civil Art. 201, 202).

Legitimation durch nachf. Ehe.

Abkömmlinge des Kindes.

§ 1582.

929

Für das franz. Recht wird indessen die Ansicht vertreten, daß durch eine Putativehe auch die vor der Ehe geborenen Kinder legitimirt werden, sofern nicht das Ehehinderniß bereits zur Zeit der Erzeugung der Kinder vorhanden gewesen sei.

Dieselben Gründe, auf welchen die Vorschriften der §§ 1562—1567 be­ ruhen, müssen dahin führen, auch mit einer ungültigen Ehe die Wirkungen der Legitimation durch nachfolgende Ehe nach Maßgabe jener Vorschriften zu verbinden, cs sei denn, daß die Ehe wegen eines Formmangels bei der Ehe­ schließung nichtig ist. Die Herbeiführung der Legitimation der Kinder ist in vielen Fällen das Hauptmotiv, welches die Eltern der Kinder zu der Ehe­ schließung veranlaßt. Es würde eine große Härte sein, wenn jene Wirkung im Falle der Ungültigkeit der Ehe vollständig ausgeschlossen würde. Dazu kommt, daß es ein unnatürliches Verhältniß ist, wenn die Kinder derselben Eltern, je nachdem sie vor oder nach der Eheschließung geboren sind, eine verschiedene rechtliche Stellung gegenüber den Eltern und deren Verwandten einnehmen.

§ 1582. Die Bestimmung des § 1582 entspricht der Billigkeit und der Grund- Wirkung hms. läge, auf welcher nach der Auffassung des Entwurfes das Institut der Legiti- k

mation durch nachfolgende Ehe beruht; sie steht auch mit der Mehrzahl der »erstorbenen neueren Gesetzgebungen im Prinzipe im Einklänge (vergl. preuß. A. L. R. II, 2 Äinbeä

§ 600; code civil Art. 332; sächs. G. B. §§ 1781, 2018; Hess. Entw. III Art. 61; ferner in erbrechtlicher Hinsicht sondersh. Sukzessionsordn. v. 8. Dezember 1829 §§ 26, 27; Weimar. Ges. v. 6. April 1833 § 18; altenb. Ges. v. 6. April 1841 § 19; goth. Ges. v. 2. Januar 1844 § 23; Ges. für Reuß j. L. v. 10. Dezember 1853 § 19).

Aus dem § 30 ergiebt sich von selbst, daß zu den Abkömmlingen des unehelichen Kindes auch die unehelichen Abkömmlinge einer vor der Ehe­ schließung verstorbenen unehelichen Tochter gehören (vergl. auch § 1568), nicht dagegen die unehelichen Abkömmlinge eines unehelichen Sohnes (sächs. G. B. §§ 1781, 1874), es sei denn, daß die letzteren durch die nachfolgende Ehe ihrer Eltern legitimirt worden waren und dadurch gegenüber dem Vater und dessen Verwandten die rechtliche Stellung ehelicher Kinder erlangt hatten. Legitimation durch Ehelichkeitserklärung oder Annahme an Kindesstatt stehen in dieser Hinsicht der Legitimation durch nachfolgende Ehe nicht gleich, weil durch jene Institute zwischen dem legitimirten oder angenommenen Kinde und den Verwandten des Legitimirenden oder Annehmenden nach §§ 1596, 1620 ein Verwandtschaftsverhältniß nicht begründet wird. Dasselbe gilt, wenn die nachfolgende Ehe eines vor der Eheschließung seiner Eltern verstorbenen Sohnes ungültig war und auf Grund des § 1581 die Vorschrift des § 1566 Abs. 2 Anwendung findet. Die Vorschrift des preuß. A. L. R. II, 2 § 600, daß die Wirkungen der Legitimation durch nachfolgende Ehe immer nur in Ansehung der ehelichen Abkömmlinge eines vor der Eheschließung seiner Eltern verstorbenen unehelichen Kindes eintreten — womit im Resultate auch das Motive j. biirgetl. Gesetzbuch. IV.

59

930

Legitimation durch Ehelichkeitserklärung.

Karakter.

Wirkung. § 1583.

sranz. Recht übereinstimmt —, hängt mit dem von bcm Entwürfe abweichenden Standpunkte des preuß. A. L. R. II, 2 § 639 zusammen, daß uneheliche Kinder weder in die Familie des Vaters, noch in die Familie der Mutter cintreten, einem Standpunkte, welchen auch das franz. Recht einnimmt.

II. Legitimation durch Ehelichkeitserklärung.

§ 1583. Zulassung,

1. Die aus dem röm. Rechte stammende, dem älteren deutschen Rechte unbekannte sog. legitimatio per rescriptum principis (Legitimation durch Ehe­ lichkeitserklärung) ist Bestandtheil des gemeinen Rechtes und der meisten neueren Gesetzgebungen geworden (vergl. württemb. L. R. IV, 17 §§ 2—6; bayr. L. R. I, 5 § 9; preuß. A. L. R. II, 2 §§ 601—611; österr. G. B. §§ 162, 753, 756; sächs. G. B. §§ 1783 — 1786, 1808, 1841, 2021 — 2025; Hamb. Vorm. O. v. 14. Dezember 1883 Art. 65). Dagegen ist dem franz. Rechte und dem bad. L. R. diese Legitimationsart unbekannt; doch ist dieselbe in der preuß. Rhein­ provinz nach der Kabinetsordre v. 6. November 1827 in Verbindung mit dem Reskripte des Justizministers v. 1. Februar 1828 zugelassen. Auch in dem Hess. Entw. III Art. 63 hat dieselbe Aufnahme gefunden. Der vorliegende Entwurf hat ebenfalls der Mehrzahl der Rechte sich angeschlosien und das hier fragliche Institut beibehalten. Indem dasselbe dazu beiträgt, die Zahl der unehelichen Kinder zu vermindern und den natürlichen Beziehungen zu ihrem Erzeuger rechtliche Anerkennung zu verleihen, dient es dem öffentlichen Jntereffe, erweist es den unehelichen Kindern eine Wohlthat und giebt es dem Erzeuger Gelegenheit, sein Unrecht wieder gut zu machen. Ein Bedürfniß für die Beibehaltung dieses Institutes als eines Surrogates der Legitimation durch nachfolgende Ehe ist namentlich für solche Fälle an­ zuerkennen, in welchen durch Tod, Geisteskrankheit, Verschollenheit der Mutter oder aus' anderen Gründen die Eheschließung zwischen dem Vater und der Mutter des unehelichen Kindes unmöglich geworden ist. Dagegen kann es zweifelhaft sein, ob es sich nicht empfehlen würde, nach dem Vorgänge des bayr. L. R. I, 5 § 9 Nr. 3 und verschiedener ausländischer Gesetzgebungen (vergl. nieder!. G. B. Art. 330; ital. G. B. Art. 198 Nr. 3; zür. G. B. § 232; bündner. G. B. § 84) die Zulässigkeit der hier fraglichen Legitimation auf den Fall zu beschränken, wenn die Legitimation durch nachfolgende Ehe durch den Tod der Mutter oder aus anderen Gründen unmöglich geworden ist. Für eine solche Einschränkung kann man anführen, daß, solange die Eingehung der Ehe mit der Mutter des Kindes möglich ist, die Eingehung der Ehe mit derselben das der sittlichen Ordnung wie der Rechtsordnung allein entsprechende Mittel sei, die gestörte Ordnung wiederherzustellen, das begangene Unrecht wieder gut zu machen und den Kindern die rechtliche Stellung ehelicher Kinder zu ver­ schaffen, daß ferner die Zulassung der Legitimation durch Ehelichkeitserklärung in solchen Fällen, in welchen die Ehe mit der Mutter des Kindes noch möglich ist, die hohe Bedeutung und das Ansehen der Ehe zu schädigen und das Kon­ kubinat auf Kosten der Ehe zu befördern geeignet sei. Auf der anderen Seite

Ehelichkeitserklärung.

Karakter.

Wirkung.

§ 1583.

931

sind indessen auch solche Fälle zu berücksichtigen, in welchen die Eingehung der Ehe mit der Mutter des Kindes zwar möglich, dem Vater des letzteren aber nicht zuzumuthen ist, z. B. weil die Mutter sich später einem liederlichen Lebens­

wandel ergeben hat, oder aus sonstigen Gründen die Eheschließung als an­ gemessen nicht erachtet werden kann. Um so mehr ist ein Bedürfniß vorhanden, auch in solchen Fällen die Legitimation durch Ehelichkeitserklärung zu ermög­ lichen, als der Entwurf das franz. Institut der Anerkennung der natürlicheit Kinder nicht kennt und den Brautkindern dem unehelichen Vater gegenüber die rechtliche Stellung ehelicher Kinder versagt hat. Zwar ist es nach dem Ent­ würfe nicht ausgeschlossen, daß der Vater sein uneheliches Kind an Kindesstatt annimmt; allein dadurch wird dem Bedürfnisse nicht genügt, da die Annahme an Kindesstatt in mehrfacher Hinsicht an strengere Voraussetzungen geknüpft ist. Die rechtspolizeilichen Bedenken aber, welche sich gegen die Zulassung der Legitimation durch Ehelichkeitserklärung namentlich in solchen Fällen erheben, in welchen die Legitimation durch nachfolgende Ehe an sich möglich wäre, ver­ lieren dadurch an Gewicht, daß die Legitimation durch Ehelichkeitserklärung eine Verfügung der Staatsgewalt erfordert (§ 1583) und die Ehelichkeits­ erklärung versagt werden kann, auch wenn ihr ein gesetzliches Hinderniß nicht entgegensteht (§ 1592). Dazu kommt, daß auch das geltende Recht überwiegend die Zulässigkeit der Legitimation durch Ehelichkeitserklärung nicht auf den Fall beschränkt, wenn die Legitimation durch nachfolgende Ehe nicht mehr möglich ist. Dies ist insbesondere der Standpunkt des gemeinen Rechtes, des württemb. Rechtes, des preuß. A. L. R. II, 2 § 601, des öftere. G. B. § 162 und des sächs. G. B. § 1783; auch die oben angeführte Vorschrift des bayr. L. R.

wird als aufgehoben angesehen. Im Hinblicke darauf, daß die Ehelichkeitserklärung eine Verfügung der beim Sor‘ Staatsgewalt erfordert und auch dann versagt werden kann, wenn ihr ein gesetzliches Hinderniß nicht entgegensteht, ist es ferner unbedenklich, im Anschlusie an die Mehrzahl der Rechte (vergl. württemb. L. R. IV, 17 §§ 3, 4; ' reX preuß. A. L. R. II, 2 § 607; öftere. G. B. § 162; sächs. G. B. § 1783, 2021) von der römischrechtlichen Beschränkung abzusehen, daß die Legitimation durch Ehelichkeitserklärung ausgeschlosien ist, wenn der Vater des unehelichen Kindes eheliche Abkömmlinge hat (vergl. auch bayr. L. R. I, 5 § 9 Nr. 3; Hess. Entw. III Art. 63; ital. G. B. Art. 198 Nr. 2). Auch für das gemeine Recht wird vielfach der Wegfall jener Beschränkung behauptet. Die Zulässigkeit der Annahme an Kindesstatt hat der Entwurf zwar an die Voraussetzung ge­ knüpft, daß der Annehmende einen ehelichen Abkömmling nicht hat (§ 1602); allein, abgesehen davon, daß nach dem Entwürfe die Bestätigung der An­ nahme an Kindesstatt nur dann zu versagen ist, wenn der letzteren ein gesetz­ liches Hinderniß entgegensteht (§ 1619), ist die Sachlage bei der Annahme an Kindesstatt insofern eine verschiedene, als diese den Zweck verfolgt, kinderlosen Personen die Möglichkeit zu geben, sich auf künstlichem Wege eine Nach­ kommenschaft zu verschaffen. Der Zweck der Legitimation durch Ehelichkeits­ erklärung aber geht dahin, unehelichen Kindern auch in solchen Fällen, in welchen die Legitimation durch nachfolgende Ehe nicht möglich oder nicht wohl

thunlich ist, die rechtliche Stellung ehelicher Kinder ihres Vaters zu ver59*

932

Ehelichkeitserklärung.

Karakter.

Wirkung.

§ 1583.

schaffen. Die Erreichung dieses dem öffentlichen Jntereffe, wie dem Jntereffe der unehelichen Kinder und ihres Vaters entsprechenden und mit dem Vor­ handensein ehelicher Abkömmlinge des letzteren vereinbaren Zweckes würde ohne Noth in vielen Fällen unmöglich gemacht, wenn beim Vorhandensein ehelicher Abkömmlinge des unehelichen Vaters die Legitimation unbedingt aus­ geschloffen sein sollte. Der Gesichtspunkt, daß in solchen Fällen die Legitimation den häuslichen Frieden gefährden könne, kann als stichhaltig nicht angesehen werden. Auch im Falle des Ausschlusses der Legitimation kann dem unehe­ lichen Vater nicht verwehrt werden, das uneheliche Kind in seine Familien­ gemeinschaft aufzunehmen. Zudem kann in solchen Fällen, in welchen die Legitimation sich als unangemessen erweist, die Staatsgewalt die Ehelichkeits­ erklärung nach freiem Ermessen versagen. Eine andere unten besonders zu erörternde Frage ist es, ob es sich empfiehlt, die ehelichen Abkömmlinge beS. Legitimirenden durch besondere Bestimmungen gegen Verkürzung in ihrem Erbrechte zu schützen. Unehelichkeit 2. Eine begriffsmäßige Voraussetzung der Legitimation durch Ehelich^m>r°ndm"keitScrklärung ist die Unehelichkeit des zu legitimirenden Kindes und die VaterKind-z.

schäft desjenigen, dessen Kind für ein eheliches erklärt werden soll. Anlangend die Feststellung der Vaterschaft, so wird in dieser Hinsicht auf die Motive zu.

§§ 1585, 1593 Bezug genommen. Aus dem Erfordernisse der Unehelichkeit des zu legitimirenden Kindes ergiebt sich, daß ein Kind, welches zwar in. Wirklichkeit ein uneheliches Kind desjenigen ist, welcher die Ehelichkeitserklärung, beantragt, nach den Vorschriften über die eheliche Abstammung (§§ 1471 bis 1473) aber als ein eheliches Kind gilt, nicht durch Ehelichkeitserklärung, legitimirt werden kann. Auch dann ist die Legitimation durch Ehelichkeits­ erklärung ausgeschlossen, wenn das Kind vorher auf Grund einer Legitimation durch nachfolgende Ehe oder durch Ehelichkeitserklärung bereits die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes im Verhältniffe zu einem Anderen erlangt hat,, in diesen Fällen jedoch nicht deshalb, weil dasselbe dadurch aufgchört hätte, ein uneheliches zu sein, sondern deshalb, weil bereits jener Andere nach den. §§ 1580, 1593 als der Vater des unehelichen Kindes gilt, mehrere Personen aber nicht Väter desselben Kindes sein können (vergl. Motive zu § 1579 oben S. 921). 3. Das sächs. G. B. § 1783 (vergl. auch Hess. Entw. III Art. 63; ital. Abkömmlinge ®Art. 196) läßt auch noch nach dem Tode des unehelichen Kindes eine des n-rstorbe- Ehelichkeitserklärung zu Gunsten der ehelichen Abkömmlinge desselbeil zu. Ein. nen Kindes. Bedürfniß, nach Analogie des § 1582 eine solche, thatsächlich die Ehelichkeits­ Legitimation

erklärung der Enkel zulaffende Bestimmung aufzunehmen, liegt jedoch nicht Auch den übrigen in Deutschland geltenden Rechten ist eine derartige Ausdehnung der Legitimation durch Reskript fremd. 4. Der Entwurf kennt in Uebereinstimmung mit dem gemeinen Rechte, dem preuß. A. L. R. (vergl. jedoch II, 2 § 608) und dem sächs. G. B. keine Ehelichkeitserklärung, durch welche auf Antrag der Mutter das uneheliche Kind für ein eheliches Kind seiner Mutter erklärt werden könnte, während der Hess. Entw. III Art. 63 (vergl. auch ital. G. B. Art. 198 Nr. 1) auch eine solche Ehelichkeitserklärung zuläßt. Vom Standpunkte des Entwurfes aus,. vor.

Legitimation

der Mutier,

Ehelichkeitserklärung.

Knrakter.

Wirkung.

§ 1583.

933

nach welchem das uneheliche Kind gegenüber der Mutter und deren Verwandten ohnehin im Wesentlichen die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes hat

(§§ 1568—1570), fehlt es an einem Bedürfnisse, eine solche Ehelichkeits­ erklärung zuzulassen, zumal die uneheliche Mutter nach dem Entwürfe (§ 1602) nicht behindert ist, ihr uneheliches Kind an Kindesstatt anzunehmen und

ihm dadurch die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes ihr gegenüber zu verschaffen. 5. In Uebereinstimmung mit dem gemeinen Rechte und den übrigen in «-Handlung Deutschland geltenden Rechten (vergl. württemb. L. R. IV, 17 §§ 2—6 nebstalä ®™be"’ den württemb. Gesetzen v. 22. Juni 1807 und v. 24. Januar 1807 Art. 7, 15; bayr. L. 91. I, 5 § 9; preuß. A. L. R. II, 2 §§ 601, 602 und Allerh. Erlaß v. 25. April 1870; österr. G. B. § 162; sächs. G. B. § 1783) bestimmt der § 1583 Abs. 1, daß die Ehelichkeitserklärung nur durch eine Verfügung der Staatsgewalt, sei es des Trägers derselben oder eines delegirten Organes ■(§ 1584), erfolgen kann, und zwar behandelt der Entwurf nach dem Vorgänge der angeführten Gesetzgebungen und im Einklänge mit der herrscheirden Ansicht des gemeinen Rechtes die Ehelichkeitserklärung als eine Gnadensache, so daß das freie Ermeffen der Staatsgewalt unter Berücksichtigung aller Umstände darüber entscheiden soll, ob dem Anträge auf Ehelichkeitserklärung stattzugeben oder die letztere zu versagen sei (§ 1592). Die hier in Rede stehende Legitimatioir nach Analogie der Vorschriften über die Annahme an Kindesstatt (§§ 1616 bis 1619) allgemein oder wenigstens nach dem Tode der Mutter des Kindes lediglich auf Grund eines rechtsgeschäftlichen Aktes des Vaters zuzulassen, sofern nur im Uebrigen die gesetzlich bestimmten Voraussetzungen der Ehe­ lichkeitserklärung vorliegen, würde im hohen Grade bedenklich sein und ins­ besondere die Gefahr mit sich bringen, die im Volke herrschende, von der be­ stehenden Gesetzgebung getheilte und geschützte Anschauung von der hohen sozialen Bedeutung und von der Heiligkeit der Ehe zu erschüttern und das Konkubinat, überhaupt die außereheliche Geschlechtsgemeinschaft zu befördern. Im Hinblicke auf diese Gefahr kann eine Ausnahme von dem wichtigen Grund­ sätze, daß die hervorragende Rechtsstellung eines ehelichen Kindes ausschließlich auf der Ehe zwischen den Eltern desselben beruht, nur von dem Träger der Staatsgewalt oder einem delegirten Organe derselben zugelaffen werden. Die Analogie der Annahme an Kindesstatt trifft in dieser Beziehung nicht zu; denn wenngleich der Entwurf die Adoption eines unehelichen Kindes durch dcffen Vater zuläßt und die Annahme an Kindcsstatt nicht als Gnadensache behandelt, so kommt doch andererseits in Betracht, daß die Annahme an Kindesstatt an weit strengere gesetzliche Voraussetzungen geknüpft ist. Bei der Legitimation durch Ehelichkeitserklärung aber lassen sich die Voraussetzungen, unter welchen dieselbe allgemein vom Standpunkte des öffentlichen. Jntereffes aus als unbedenklich zu erachten ist, im Voraus nicht durch Gesetz genau präzisireu. Auf der anderen Seite betrachtet indessen der Entwurf die Ver­ fügung der Staatsgewalt nicht als eine eigentliche lex specialis in dem Sinne, daß die Ehelichkeitserklärung wirksam ist, auch wenn es an einem gesetzlichen Erfordernisse derselben fehlt; vielmehr bildet der das Bekenntniß der Vaterschaft enthaltende Antrag des Vaters auf Ehelichkeitserklärung, welcher sich als eine

934

Ehelichkeitserklärung.

Karakter.

Wirkung.

§ 1583.

rechtsgeschäftliche Erklärung desselben darstellt, die Grundlage der Ehelichkeits­

erklärung, zu welcher die Verfügung der Staatsgewalt als ein Akt freier Gnade und als Bestätigung der Willenserklärung des Vaters hinzutreten muß (vergl. §§ 42, 62, 701). Ohne diese Bestätigung ist die Willenserklärung des Vaters vollständig wirkungslos; andererseits ist aber auch die durch die Ver­ fügung der Staatsgewalt zugclassene Ehelichkeitserklärung nach Maßgabe des § 1593 unwirksam, wenn jene Willenserklärung des Vaters oder ein sonstiges nach dem Gesetze wesentliches Erforderniß der Ehelichkeitserklärung fehlt. Wirkung der 6. Anlangend die Wirkungen der Legitimation durch Ehelichkeitserklärung, Legitimation, so haben in dieser Beziehung die bestehenden Rechte verschiedene Wege ein^R-cht^ geschlagen. Gemeinrechtlich hat die Legitimation durch Reskript in allen Be­ ziehungen, nicht nur im Verhältnisse zwischen dem unehelichen Kinde und desien Vater, sondern auch im Verhältniße zwischen dem ersteren und den Verwandten des letzteren als Surrogat der Legitimation durch nachfolgende Ehe die Wir­ kungen dieser Legitimation (vergl. auch Hess. Entw. III, Art. 63). Eine zweite Gruppe von Rechten läßt durch die hier fragliche Legitimation die Wirkungen der ehelichen Verwandtschaft nur im Verhältniße zwischen dem unehelichen Kinde und desien Vater zur Entstehung kommen (württemb. L. R. IV, 17 §§ 2—6; österr. G. B. §§ 162, 753, 756; vergl. auch bayr. L. R. I, 5 8 9 Nr. 3, III, 12 § 2 Nr. 11). Nach einer dritten Gruppe von Rechten be­ gründet die Legitimation durch Ehelichkeitserklärung kraft des Gesetzes ein ehe­ liches Verwandtschaftsverhältniß nur zwischen dem unehelichen Kinde und desien Abkömmlingen einerseits und dem unehelichen Vater und desien Abkömmlingen andererseits. Zwischen dem unehelichen Kinde und desien Abkömmlingen einer­ seits und den sonstigen Verwandten des Vaters andererseits wird dagegen ein Verwandtschaftsverhältniß nur insoweit hergestellt, als die letzteren einzeln, bezw. in der Form eines Familicnvertrages der Legitimation zugestimmt haben (vergl. preuß. A. L. R. II, 2 §§ 603—608; sächs. G. B. §§ 1783, 1808. 1841, 2021—2025; ferner in erbrechtlicher Hinsicht Weimar. Ges. v. 6. April 1833 §§ 22—26, 58; sondcrsh. Sukzessionsordn. v. 8. Dezember 1829 §§ 28—31; altenb. Ges. v. 6. April 1841 §§ 24—28, 64; goth. Ges. v. 2. Januar 1844 §§ 24—27, 33; Ges. für Reuß j. L. v. 10. Dezember 1853 §§ 23—26, 59; Mommsen, Erbrechtsentw. § 26). Standpunkt Der Entwurf (§ 1583 Abs. 2, § 1596 Abs. 1) verbindet mit der LegitiEntwurses msl^on durch Ehelichkeitserklärung nicht die vollen Wirkungen der Legitimation durch nachfolgende Ehe (§ 1579), sondern, entsprechend der in dem überwiegenden Theile Deutschlands eingetretenen Rechtsentwickelung, ähnlich wie Verwandten fci der Annahme an Kindesstatt (§§ 1601, 1620 Abs. 1), nur mindere Wires “er' kungen, nämlich nur ein Verwandtschaftsverhältniß zwischen dem unehelichen

Kinde und desien Abkömmlingen einerseits und dem unehelichen Vater anderer­ seits. Die Zulässigkeit einer Erweiterung dieser Wirkungen durch Vertrag mit den Verwandten des Vaters ist ausgeschlosien. Diese Art der Regelung genügt dem Bedürfnisse und hat den Vorzug der Einfachheit für sich. Der Zweck der Legitimation durch Ehelichkeitserklärung, die Zahl der unehelichen Kinder zu vermindern nnd dem unehelichen Vater die Gelegenheit zu geben, sein Unrecht wieder gut zu machen und den Kindern eine Wohlthat zu erweisen, wird

Ehelichkeitserklärung. Karakter. Wirkung. § 1583.

935

durch jene Gestaltung des Verhältnisses in ausreichendem Maße erreicht. Es ist außerdem bedenklich, auf den einseitigen Antrag des Vaters, wenn auch mit Einwilligung des Kindes, das für ehelich erklärte uneheliche Kind ohne Weiteres in die väterliche Familie eintreten zu lassen und ihm dadurch ein Erbrecht gegenüber den Verwandten des Vaters zu verschaffen und den

letzteren die gesetzliche Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Kinde äufzuerlegen. Diese Bedenken werden allerdings beseitigt, wenn man bestimmt, daß zwischen dem unehelichen Kinde und d.essen Abkömmlingen einerseits und den Verwandten des Vaters andererseits ein Verwandtschaftsverhältniß nur insoweit begründet wird, als sic der Legitimation zugestimmt haben. Allein eine derartige Be­ stimmung bringt auf der anderen Seite den Nachtheil mit sich, daß dadurch das Verhältniß, wenn nicht sämmtliche Verwandte des Vaters zugestimmt haben, ein komplizirtcs werden kann und der einheitlichen Gestaltung entbehrt. Dieses Bedenken fällt zwar weg, wenn man mit dem preuß. A. L. R. II, 2 §§ 604, 605 den Eintritt des unehelichen Kindes in die väterliche Familie von einem Familienvertrage abhängig macht. Eine solche Bestimmung ist aber ohne erhebliche praktische Bedeutung, da die Einwilligung einer ganzen Familie häufig nur schwer oder überhaupt nicht zu bewirken ist (vergl. Gesetzrev., Pens. XV S. 162). Gegen die Aufnahme des Institutes des Familienvertrages zu dem bezeichneten Zwecke spricht außerdem, daß dieselbe eine Reihe weiterer Vorschriften darüber nöthig machen würde, in welcher Art ein alle Familienniitglieder bindender Familienvertrag zu Stande kommt. Wollen das Kind und die Verwandten des Vaters in erbrechtliche Beziehungen treten, so bleibt ihnen der Abschluß von Erbeinsetzungsverträgen nach Maßgabe des Erbrechtes unbenommen. Abweichend von der Annahme an Kindesstatt (§ 1620 Abs. 1), soll die Legitimation durch Ehelichkeitserklärung kraft Gesetzes auch zwischen den zur des Kindes. Zeit der Ehelichkeitserklärung bereits vorhandenen Abkömmlingen des unehelichen Kindes und dem Vater des letzteren ein Verwandtschaftsverhältniß begründen, ohne daß cs dazu der Einwilligung dieser Abkömmlinge bedarf. Der Zweck der Legitimation würde sonst nur ungenügend erreicht werden, namentlich in solchen Fällen, in welchen das uneheliche Kind mit Hinterlassung von Abkömm­ lingen vor dem unehelichen Vater verstirbt. Dazu kommt, daß es sich hier, und zwar im Wesentlicheil zu Gunsten des unehelichen Kindes und der Ab­ kömmlinge desselben, um die rechtliche Anerkennung eines natürlichen Verhältnisies handelt, welches, der Natur der Sache entsprechend, thunlichst auch rechtlich einheitlich zu gestalten ist. Mit dem Entwürfe stimmen insoweit auch das gemeine Recht, das preuß. A. L. R. und das sächs. G. B. überein. Aus deir Vorschriften des § 1583 Abs. 2, des § 1596 Abs. 1 in Verbindung mit den Vorschriften des § 30 Abs. 3 und der §§ 1965, 1975 folgt ^Beziehung"

insbesondere, daß durch die hier in Rede stehende Legitimation zwischen dem @eItenbeä unehelichen Kinde und dessen Abkömmlingen einerseits und dem unehelichen swVater andererseits auch in erbrechtlicher Beziehung dasselbe rechtliche Verhältniß begründet wird, wie wenn das legitimirte Kind ein eheliches wäre. Verschiedene Rechte, welche, wie der Entwurf, auch beim Vorhandensein ehelicher Abkömm­ linge des unehelichen Vaters die Legitimation eines unehelichen Kindes burd)

936

Ehelichkeitserklärung.

Karakter.

Wirkung.

§ 1583.

Ehelichkeitserklärung zulassen, sind bestrebt, die erbrechtlichen Interessen der zur Zeit der Legitimation bereits vorhandenen ehelichen Abkömmlinge gegen Beeinträchtigung durch die hier in Rede stehende Legitimation zu schützen. So bestimmt das württemb. L. R. IV, 17 §§ 3, 4, daß, wenn in dem Legitimations­ reskripte nicht ausdrücklich erwähnt sei, daß die Legitimation trotz des Vor­

handenseins der ehelichen Abkömmlinge erfolge, das legitimirte Kind neben den letzteren kein Erbrecht gegenüber dem unehelichen Vater haben solle. Nach dem preuß. A. L. R. II, 2 § 607 soll, wenn der Vater zur Zeit der Legitimation schon eheliche Deszendenten hatte und er in der Folge einem derselben nur den Pflichttheil hinterläßt, bei der Berechnung des letzteren das legitimirte Kind nicht mitgezählt werden. Ferner schreibt das altenb. Ges. v. 6. April 1841 § 24 vor, daß bei Konkurrenz von ehelichen Kindern jedes der letzteren ab intestato doppelt so viel als jedes der legitimirten Kinder erben soll und daß die ehelichen Kinder unter allen Umständen den ihnen ohne Hinzurechnung der legitimirten Kinder gebührenden Pflichttheil unverkürzt haben sollen. Standpunkt des Entwurfes.

Der Entwurf hat in Uebereinstimmung mit dem österr. G. B. §§ 753, 756 und dem sächs. G. B. § 2021, sowie mit der Mehrzahl der oben S. 943 angeführten Erbfolgegesetze der thüring. Staaten derartige besondere Vor­ schriften zum Schutze der erbrechtlichen Interessen, insbesondere des Pflichttheilsrechtcs, der zur Zeit der Legitimation bereits vorhandenen ehelichen Ab­ kömmlinge des unehelichen Vaters nicht für erforderlich erachtet. Gegen solche Vorschriften spricht von vornherein, daß die hier fragliche Beeinträchtigung des Erbrechtes und Pflichttheilsrechtes nicht die Natur einer Rechtsverletzung hat, da den beeinträchtigten Personen ein jus quaesitum auf den der damaligen Sachlage entsprechenden Erbtheil bezw. Pflichttheil nicht zusteht. Dazu kommt, daß der Entwurf die Ehelichkeitserklärung als eine von dem freien Ermessen der Staatsgewalt abhängende Gnadensache behandelt. Dadurch ist die Mög­ lichkeit ausgeschlossen, daß die Ehelichkeitserklärung willkürlich dazu mißbraucht wird, um Veränderungen in den die Gestaltung des Pflichttheilsrechtes be­ stimmenden Voraussetzungen der Jntestaterbfolge herbeizuführen. Aus ähnlichen Gründen hat der Entwurf auch von besonderen Bestimmungen zum Schutze des Pflichttheilsrechtes der Mutter des unehelichen Kindes (vergl. goth. Ges. v. 2. Januar 1844 § 33), des Pflichttheilsrechtes des zur Zeit der Legitimation bereits vorhandenen Ehegatten eines für ehelich erklärten Kindes oder eines seiner Abkömmlinge, sowie zum Schutze des Pflichttheilsrechtes der Ehefrau des unehelichen Vaters und der Eltern desselben abgesehen. In Ansehung der Ehefrau des unehelichen Vaters tritt zu den angeführten Gründen noch der weitere Grund hinzu, daß nach § 1587 zu der Ehelichkeitserklärung, sofern der Vater verheirathet ist, die Einwilligung der Ehefrau desselben erforderlich sein soll. Im Hinblicke auf die vorstehenden Erwägungen fehlt es auch an einem Bedürfnisse, nach dem Vorgänge des sächs. G. B. § 2051 und einiger der oben S. 934 angeführten thüring. Erbfolgegesetze für den Fall, daß die Ehe­ frau bei der Beerbung des Ehemannes nur mit ehelich erklärten Kindern zu­ sammentrifft, eine Erweiterung des gesetzlichen Erbrechtes der Ehefrau ein­

treten zu lassen.

" Ehelichkeitserklärung.

Zuständigkeit.

Antrag.

§§ 1584, 1585.

937

Durch die Bestimmung des § 1583 Abs. 2 soll übrigens der Frage nicht präjudizirt werden, ob und inwieweit und mit welchen Wirkungen beim hohen Adel eine Legitimation durch Ehelichkeitserklärung zulässig ist, ferner, ob die legitimirten Kinder den Adelstand des Vaters und Sukzessionsrechte in Lehen, Fideikommisse, Stamm- und Bauerngi'rter erwerben. In diesen Beziehungen sind die erforderlichen Bestimmungen dem Einführungsgesetzc Vorbehalten.

§ 1584. Gemeinrechtlich, sowie nach dem österr. G. B. § 162 und dem sächs. Zuständigkeit. G. B. § 1783 erfolgt die Ehelichkeitserklärung durch den Landcshcrrn, in Preußen durch den Justizminister, sofern es sich jedoch um die Führung eines

adeligen Namens handelt, durch den König (preuß. A. L. R. II, 2 § 601; Allerh. Erlaß v. 25. April 1870), in Württemberg durch die Gerichte und mir bei adeligen Personen durch den König (württemb. Gesetze v. 22. Juni 1807 und v. 24. Januar 1879 Art. 7, 15), in Hamburg (Bonn. O. v. 14. De­ zember 1883 Art. 65) durch den Senat. Mit Rücksicht darauf, daß der Ent­ wurf die Ehelichkeitserklärung als eine Gnadensachc behandelt, sowie mit Rück­ sicht auf die Verschiedenheit der Gesetzgebungen in den einzelnen deutschen Staaten bestimmt der § 1584, daß die Zuständigkeit zu der Ehelichkeitserklärung sich nach den Landesgesetzen richten soll. Rur insoweit regelt der § 1584 die Zuständigkeitsfrage zur Vermeidung von Kollisionen reichsgesetzlich, als er aus­ spricht, daß die Ehelichkeitserklärung demjenigen Staate zusteht, welchem der Vater angehört. Daß die Staatsangehörigkeit, und zwar die des Vaters ent­ scheiden soll, rechtfertigt sich durch die Natur der Ehelichkeitserklärung als einer Gnadensache in Verbindung damit, daß das durch die Legitimation begründete Familienverhältniß seine Wirkungen überwiegend in dem Staate äußert, welchem der Vater angehört. Zudem steht diese Regelung im Einklänge mit dem § 4 des R. Ges. über den Erwerb und dm Verlust der Staatsangehörigkeit v. 1. Juni 1870, nach welchem das legitimirte Kind die Staatsangehörigkeit

des Vaters gewinnt.

§ 1585. In Uebereinstimmung mit dem gemeinen Rechte und den neueren Gesetz- Antrag d-z gebungen macht der § 1585 die Ehelichkeitserklärung von dem Anträge des S8ater8'

unehelichen Vaters abhängig (vergl. bayr. L. R. I, 5 8 9 Nr. 3; preuß. A. L. R. II, 2 § 601; österr. G. B. § 162; sächs. G. B. § 1783). Von dem gemeinen Rechte und dem sächs. G. B. § 1784 weicht der Entwurf jedoch in­ sofern ab, als die Ehelichkeitserklärung nach dem letzteren nur auf Autrag des Vaters erfolgen kann, während jene Rechte für den Fall, wenn der Vater in seinem Testamente den Willen, daß das Kind ein eheliches sein solle, aus­ gesprochen hat, auch dem Kinde das Recht geben, nach dem Tode des Vaters die Ehelichkeitserklärung zu beantragen. Nach dem sächs. G. B., welches sich in dieser Hinsicht einer auch für das gemeine Recht vertretenen Ansicht an­ geschlossen hat, kann in dem bezeichneten Falle auch die Mutter des Kindes auf dessen Ehelichkeitserklärung antragen.

938

Ehelichkeitserklärung. Antrag. § 1585.

Legitimatio Die Aufnahme des besonderen Institutes der sog. legitimatio per testatestameutum. wentuw ist bürd) ein praktisches Bedürfniß nicht geboten, insbesondere auch im Hinblicke auf solche Fälle nicht erforderlich, in welchen der uneheliche Vater sich scheut, schon bei seinen Lebzeiten damit hervorzutreten, daß er der Vater des unehelichen Kindes sei oder in welchen er wegen Krankheit oder sonstiger Todesgefahr voraussichtlich nicht mehr im Stande ist, vor seinem Tode die

Ehelichkeitserklärung zu erwirken (vergl. § 1595). Dieselben Wirkungen, wie durch die erst nach dem Tode des Vaters erfolgende Ehelichkeitserklärung, können im Wesentlichen auch durch letztwillige Verfügung oder durch Erb­ einsetzungsvertrag erreicht werden. Die ev. noch besonders erwünschte Namens­ änderung kann das Kind daneben durch Verfügung der zuständigen Ver­

waltungsbehörde erwirken. Um so mehr empfiehlt es sich, von der Auf­ nahme des in Rede stehenden besonderen Institutes abzusehen, als mit dem­ selben Schwierigkeiten und Verwickelungen in erbrechtlicher Hinsicht ver­ knüpft sind.

Antrages'5

Der Antrag des Vaters, welcher die Willenserklärung des letzteren in sich schließt, daß er dem unehelichen Kinde die Rechtsstellung eines ehelichen Kindes einräumen wolle, hat den Karakter eines einseitigen Rechtsgcschäftes. Es finden daher auf jenen Antrag, soweit nicht in den §§ 1586 ff. etwas

Feststellung Vaterschaft,

Anderes bestimmt ist, die allgemeinen Grundsätze über einseitige Rechtsgeschäfte, insbesondere die Grundsätze über die Nichtigkeit und Anfechtbarkeit der Rechts­ geschäfte wegen Willensmängel (§§ 95 ff.; vergl. auch § 1600) Anwendung. Der Antrag muß ferner von dem Vater des unehelichen Kindes gestellt fein. Die bestehenden Rechte enthalten über die Frage, wie in diesem Falle

die Vaterschaft festzustellen sei und ob auch nach Ertheilung der Ehelichkeits­ erklärung die Unwirksamkeit der letzteren auf Grund der Behauptung, daß der in der Erklärung als der Vater Bezeichnete nicht der wirkliche Vater des Kindes sei, geltend gemacht bezw. die die Legitimation aussprcchende Ver­ fügung der Staatsgewalt zurückgezogen werden kann, keine besonderen Be­ stimmungen. Zu diesen Fragen darf jedoch das Gesetz sich nicht schweigend verhalten, da sonst eine Gefährdung der Rechtssicherheit zu besorgen ist. Der Entwurf geht davon aus, daß der Antrag auf Ehelichkeitserklärung das Be­ kenntniß der Vaterschaft enthalten muß und daß durch dieses in dem An­ träge enthaltene Bekenntniß die Vaterschaft, vorbehaltlich der Prüfung der mit der Ehelichkeitserklärung betrauten Behörde, ob jenes Bekenntniß der Wirklichkeit entspricht, in der Art festgestellt werden soll, daß, wenn die Ehe­ lichkeitserklärung einmal erfolgt ist, der Umstand, daß der in der Erklärung als der Vater Bezeichnete nicht der wirkliche Vater ist, die Unwirksamkeit der Ehelichkeitserklärung nicht zur Folge hat (§ 1593 Satz 2). Auf der anderen Seite kann ohne jenes Bekenntniß die Vaterschaft als feststehend niemals er­ achtet werden. Insofern ist dasselbe nicht minder wesentlich als der Antrag. Daß die betreffende Behörde das Bekenntniß der Vaterschaft, wie jede andere Voraussetzung der Ehelichkeitserklärung, erforderlichenfalls auf seine Richtigkeit prüfen kann und muß, versteht sich von selbst und ergiebt sich aus § 1592. Dadurch, in Verbindung mit den übrigen in den §§ 1587—1591 bestimmten Voraussetzungen der Ehelichkeitserklärung, wird eine ausreichende

> Ehelichkeitserklärung. Legitimationsfähigkeit. § 1586.

939

Garantie geschaffen, daß die Ehelichkeitserklärung nur auf Antrag des wirk­ lichen Vaters erfolgt, und ist es unter diesen Umständen unbedenklich, nach

Ertheilung der Legitimation jeden Gegenbeweis, daß der in der Erklärung als der Vater Bezeichnete nicht der wirkliche Vater sei, auszuschließen. Es ist

dies hier um so unbedenklicher, als durch diese Legitimation ein Verwandt­ schaftsverhältniß zwischen dem unehelichen Kinde und den Verwandten des Vaters überhaupt nicht begründet wird. Zwar können durch den Ausschluß

des Gegenbeweises unter Umständen die erbrechtlichen Jnterrcssen des Kindes und der sonstigen mütterlichen Verwandten, wie auch der Verwandten des

Vaters, beeinträchtigt werden, wenn später sich Herausstellen sollte, daß das legitimirte Kind ein Kind des in der Erklärung als Vater Bezeichneten nicht ist; allein ein solcher Beweis wird angesichts der durch das Gesetz geschaffenen Garantieen für die Feststellung der Vaterschaft nur in den seltensten Fällen gelingen, und kann auf eine so entfernte Möglichkeit gegenüber den Vortheilen der Rechtssicherheit, welche die Regelung des Entwurfes bietet, entscheidendes Gewicht nicht gelegt werden. Daß eine ohne den im § 1585 bezeichneten Antrag des Vaters erfolgte Ehelichkeitserklärung, vorbehaltlich der Bestimmung des § 1593 Satz 2, un­ wirksam ist, ergiebt sich aus § 1593 Satz 1.

§ 1586 Ob in Blutschande oder im Ehebrüche erzeugte Kinder durch Reskript legitimirt werden können, ist gemeinrechtlich bestritten. Während die eine Ansicht die Frage unbedingt verneint, eine andere dieselbe unbedingt bejaht, geht eine dritte Ansicht davon aus, daß die Legitimation in Ansehung dieser

Kinder insoweit zulässig sei, als auch die Legitimation durch nachfolgende Ehe möglich gewesen wäre. In Ansehung der im Ehebrüche erzeugten Kinder bejaht die gemeinrechtliche Praxis die Legitimationsfähigkeit (vergl. Seuffert III, 65, XIII, 42, XIV, 239). Auch nach preuß. Rechte ist es streitig, ob die hier fragliche Legitimation in solchen Fällen zulässig ist, in welchen die Eltern des Kindes wegen eines entgegenstehenden Verbotsgesetzes sich nicht heirathen können, also namentlich dann, wenn das Kind in Blutschande oder Ehebruch erzeugt ist. Der Wortlaut des preuß. A. L. R. II, 2 § 601 und die Er­ wägung, daß dasselbe keinen Unterschied zwischen verschiedenen Arten unehe­ licher Kinder macht, scheint für die Zulässigkeit der Legitimation zu sprechen (vergl. auch Gesetzrev., Pens. XV S. 161). Im sächs. G. B. § 1786 ist die Legitimationsfähigkeit der im Ehebrüche erzeugten Kinder ausdrücklich anerkannt. Dagegen fehlt es in Ansehung der in Blutschande erzeugten Kinder an einer besonderen Bestimmung. Der § 1783 des sächs. G. B. unterscheidet nicht zwischen verschiedenen Arten unehelicher Kinder. Indessen wird auch für das sächs. Recht die Ansicht vertreten, daß nach allgemeinen Grundsätzen die Legitimation durch Reskript insoweit ausgeschlossen sei, als ein indispensables Eheverbot entgegenstehe. Da nach dem Entwürfe das Ehehinderniß des Ehebruches nur ein auf­ schiebendes und zudem dispensables Ehehinderniß ist (§§ 1237, 1244), die

Logitimationsfähigkeit. Geltendes Recht.

Standpunkt des Entwurfes.

940

Ehelichkeitserklärung.

Einwilligung des KindeS 2C.

§ 1587.

Entscheidung über die Ertheilung der Ehelichkeitserklärung aber in die Hand

der Staatsgewalt als ein Akt der Gnade gelegt ist, so fehlt cs an einem genügenden Grunde, den im Ehebrüche erzeugten Kindern die Legitimations­ fähigkeit durch das Gesetz abzusprechen. Andererseits sprechen aber über­ wiegende Gründe dafür, die Ehelichkeitserklärung durch das Gesetz für un­ zulässig zu erklären, wenn die Ehe zwischen dem Vater und der Mutter des Kindes zu der Zeit der Erzeugung des letzteren »ach den Bestimmungen des § 1236 wegen Verwandtschaft oder Schwägerschaft nicht geschlossen werden konnte. Wenn cs auch vereinzelte Fälle geben mag, in welchen trotz der nahen Verwandtschaft oder Schwügerschaft der Eltern die Legitimation vielleicht nicht als geradezu gegen die öffentliche Ordnung verstoßend erscheinen mag, so würde doch in der überwiegenden Anzahl solcher Fälle durch die Zulassung der Legitimation gegen die Begriffe von Recht und Sitte verstoßen werden. Dazu kommt, daß die Staatsgewalt bei Prüfung eines Legitimationsgesuchcs keines­ wegs in der Lage ist, sicher zu erfahren oder zu erheben, ob nicht zwischen den Eltern des unehelichen Kindes ein Verwandtschafts- oder Schwägerschafts­ verhältniß der im § 1236 bezeichneten Art bestanden habe. Es können sogar die Eltern selbst sich eines solchen zwischen ihnen bestehenden Verhältnisics nicht bewußt sein oder gewesen sein. Es ist aber mißlich, in derartigen Fällen, wenn nach ertheilter Legitimation das Bestehen eines solchen Verhältnißes sich herausstellt, die Ehelichkeitserklärung als wirksam zu behandeln, obwohl die Staatsgewalt, hätte sie vor Ertheilung der Legitimation die wahre Sachlage gekannt, die Legitimation nicht ertheilt haben würde. Zur Vermeidung eines Aergernisses und einer Erschütterung des Rechtsgefühles verdient cs deshalb den Vorzug, unter den Voraussetzungen des § 1586 die Legitimation unbedingt zu verbieten (vergl. § 1593). Als entscheidend für die Legitimationsunfühigkeit kann aber nur die Zeit der Erzeugung des Kindes angesehen werden. Wenn z. B. erst nachträglich ein das Hinderniß des § 1236 begründendes Schwäger­ schaftsverhältniß eingetreten sein sollte, so bleibt das vorher erzeugte Kind lcgitimationsfähig. In einem solchen Falle ist die rechtliche Möglichkeit, daß das Kind ein eheliches Kind seiner Eltern sein könnte, nicht unbedingt aus­ geschlossen. § 1587.

Einwilligung i. Die Bestimmung des § 1587, daß zu der Ehelichkeitserklärung die e“ ‘' Einwilligung des Kindes erforderlich ist, entspricht dem gemeinen Rechte, dem

der Ehefrau des Baters;

bayr. L. R. I, 5 § 9 Nr. 3 und dem süchs. G. B. § 1785 (vergl. auch Hess. Entw. III Art. 63), während nach dem preuß. A. L. R. II, 2 § 602 die Ein­ willigung des Kindes ein wesentliches Erforderniß nicht ist. Daß im Gegen­ satze zu der Legitimation durch nachfolgende Ehe die Einwilligung des Kindes erforderlich sein soll, rechtfertigt sich durch die positive Natur der-hier in Rede stehenden Legitimationsart und im Hinblicke auf den tiefgreifenden Einfluß, welchen die Legitimation auf die persönlichen und auf die vermögensrechtlicheu Verhältnisie des Kindes äußert, 2. Von den bestehenden Rechten wird, sofern der Vater des unehelichen Kindes verheirathet ist, die Einwilligung der Ehefrau desselben nicht verlangt;

Ehelichkeitserklärung.

Einwilligung des Kindes ic.

§ 1587.

941

doch können nach dem sächs. G. B. § 1786 im Ehebrüche erzeugte Kinder, wenn die Ehefrau des Ehebrechers mit diesem noch in der Ehe lebt, nur mit Ein­ willigung der Ehefrau durch Reskript legitimirt werden. Der § 1587 stellt in Uebereinstimmung mit dem Hess. Entw. III Art 63 und dem ital. G. B. Art. 198 Nr. 4 die Einwilligung der Ehefrau des unehelichen Vaters ganz allgemein als ein wesentliches Erforderniß hin (vergl. auch § 1606). Es ist dieses Erforderniß durch die Rücksicht auf das Interesse und das sittliche Wesen der Ehe geboten. Es widerstreitet dem sittlichen Grundgedanken der letzteren, wenn es dem Ehemanne gestattet sein sollte, ohne die Einwilligung der Ehefrau sein natürliches Kind in der rechtlichen Stellung eines ehelichen, in die Familiengemeinschaft aufzunehmen. Ueberdies kommt in Betracht, daß unter Umständen durch die Legitimation in das gesetzliche Erbrecht der Ehefrau zum Nachtheile der letzteren eingegriffen wird. Unbedenklich ist cs dagegen Ausnahme im und andererseits im Interesse der Rechtssicherheit (vergl. § 1593) angemessen, ^e«'r in Ansehung der Einwilligung der Ehefrau dem Tode der letzteren den Fall, ertIäruno: wenn dieselbe für todt erklärt ist, unbedingt gleichzustellen, insoweit mithin an

die Todeserklärung eine über die Bestimmung des § 21 Abs. 1 hinausgehendc Wirkung zu knüpfen (vergl. auch §§ 1606, 1611). Es ist dies um so un­ bedenklicher, als der Ehemann nach § 1464 auf Grund der Todeserklärung sogar eine neue Ehe wirksam schließen kann. Dagegen hat der Entwurf Bedenken getragen, dem Tode und der Todes- Verhinderung erklärung der Ehefrau auch den Fall gleichzustellen, wenn die letztere, z. B. in bet-ef’efrau-

Folge Geisteskrankheit, zur Abgabe einer Erklärung voraussichtlich dauernd außer Stande ist (vergl. § 1238 Abs. 1 Satz 3). Zwar ist in einem solchen Falle, da nach § 1588 die Einwilligung der Ehefrau auch durch deren gesetz­ lichen Vertreter nicht erfolgen kann, die Möglichkeit der Ehelichkeitserklärung

gänzlich ausgeschlossen; allein die Gründe, aus welchen die Einwilligung der Ehefrau vorgeschrieben ist, lasten es bedenklich erscheinen, in jenem Falle von dem Erfordcrniste ihrer Einwilligung abzusehen, da die Möglichkeit einer Heilung nicht ausgcschlosten ist. Zudem könnte im Falle der Wiederherstellung leicht Streit darüber entstehen, ob die Voraussetzung, unter welcher die Ein­ willigung der Ehefrau nicht erforderlich war, zur Zeit der Ehelichkeitserklärung Vorgelegen hat oder nicht, ob die letztere mithin wirksam oder unwirksam ist. 3. Die Ehelichkeitserklärung nach Analogie der für die Annahme an Einwilligung Kindcsstatt gegebenen Vorschrift des § 1610 auch von der Einwilligung bcr bcr™“^be8

Mutter des Kindes abhängig zu machen, solange das letztere das fünfund­ zwanzigste Lebensjahr noch nicht zurückgelegt hat, ist als bedenklich erachtet. Für jenes Erforderniß läßt sich allerdings anführen, daß die uneheliche Mutter in der Regel dem Kinde näher steht, als der uneheliche Vater, und daß die Ehelichkeitserklärung des Kindes in nicht geringerem Maße, wie die Annahme an Kindcsstatt, in das persönliche Verhältniß und die Rechtsstellung der Mutter zu ihrem Kinde tief eingreift, insbesondere auch in erbrechtlicher Hinsicht, sowie in Ansehung der der unehelichen Mutter zustehenden Sorge für die Person desselben (§§ 1570, 1597). Da jedoch das Erforderniß der Ein­ willigung der Mutter dem geltenden Rechte fremd ist, so würde die Auf­ stellung dieses Erfordernisses sich nur dann rechtfertigen lassen, wenn in dieser

942

Ehelichkeitserklärung.

Vertretung.

§ 1588.

Richtung ein Bedürfniß hervorgetreten wäre. Dies ist aber nicht der Fall. Die mit der Ehelichkeitserklärung betrauten Behörden werden auch ohne be­ sondere Vorschrift, soweit nöthig und thunlich, die Mutter befragen und ohne ihre Einwilligung nur ausnahmsweise die Legitimation ertheilen. Schreibt man aber die Einwilligung der Mutter als gesetzliches Erforderniß vor, so entsteht die Gefahr, daß in nicht seltenen Fällen, zumal wenn der Vater des Kindes und die Mutter jeden Verkehr abgebrochen haben und in ganz verschiedenen Verhältnißen leben, die Mutter aus Trotz gegen den Vater oder im mißverstandenen Interesse des Kindes oder aus persönlicher Rücksicht­ nahme auf sich selbst die an sich vielleicht sehr im Interesse des Kindes gelegene Legitimation durch Verweigerung ihrer Einwilligung hintertreibt. Rechtlich« 4. Die im § 1587 vorgeschriebene Einwilligung des Kindes bezw. der ^willigEn- Ehefrau hat den Karakter eines einseitigen Rechtsgeschäftes, welches zu dem in dem Anträge des Vaters auf Ehelichkeitserklärung enthaltenen einseitigen Rechtsgeschäfte des letzteren als ein gleichfalls wesentliches Moment (§ 1593) hinzutreten muß. Wenngleich an sich die hier fragliche Einwilligung unter den § 127 fällt, so ist dieselbe doch im Einzelnen durch die besonderen Vor­ schriften der §§ 1591, 1593 Satz 1 selbständig geregelt. Eine der Bestimmung des § 1611 Satz 2 entsprechende Vorschrift ist hier nicht erforderlich, da die Ehelichkeitserklärung erst durch die Verfügung der Staatsgewalt erfolgt und es zu dieser, nicht aber zu dem Anträge des Vaters auf Ehelichkeitserklärung der Einwilligung bedarf, mithin die, wenn auch nach jenem Anträge, aber vor der Ehelichkeitserklärung erfolgte Zustimmung sich im Sinne des Gesetzes (§ 127 Abs. 1) noch als Einwilligung darstellt.

§ 1588. Vertretung Bethenigten

Abgesehen von dem sächs. G. B. § 1785, welches vorschreibt, daß, wenn unter Vormundschaft stehende Personen ehelich erklärt werden sollen, welche das vierzehnte Lebensjahr zurückgelegt haben, es ihrer eigenen Einwilligung bedarf, enthalten die bestehenden Rechte in den im § 1588 geregelten Be­ ziehungen besondere Bestimmungen nicht. Wenngleich die Vorschrift des § 1588 Satz 1 gegenüber dem geltenden Rechte zum Theil eine Neuerung und gegen­ über dem allgemeinen Vertretungsprinzipc (§§ 115, 1649, 1503 Abs. 1) eine Abweichung enthält, so empfiehlt sich die Aufnahme derselben doch im Hinblicke auf den höchstpersönlichen Karakter der in Rede stehenden Willenserklärungen, zumal diese Rücksicht in allen gleichliegenden Verhältnissen, insbesondere auch bei der Annahme an Kindesstatt, zur Aufnahme ähnlicher Bestimmungen geführt hat (vergl. namentlich § 1238 Abs. 2, § 1263 Abs. 1, §§ 1474, 1612, 1614). Eine Ausnahme von der Regel des § 1588 Satz 1, daß die Ein­ willigung des Kindes auch nicht durch den gesetzlichen Vertreter desselben erfolgen kann, macht der § 1588 Satz 2 jedoch für den Fall, wenn das Kind das vierzehnte Lebensjahr noch nicht zurückgelegt hat (vergl. auch § 1612), damit nicht die Möglichkeit, ein noch im Kindesalter stehendes Kind durch Ehelichkeitserklärung zu legitimiren, gänzlich abgeschnitten wird bezw. die im Jnterefie eines noch im jugendlichen Alter stehenden, der nöthigen Einsicht

Ehelichkeitserklärung. Genehmigung d. Normundschaftsgerichtes. § 1589.

943

entbehrenden Kindes liegende Legitimation nicht an dem Widerspruche eines solchen Kindes scheitert. Als die entscheidende Altersgrenze hat der Entwurf im Anschlüsse an das sächs. G. B. und nach Analogie der über die Annahme an Kindesstatt geltenden Vorschriften (vergl. § 1612 nebst Motiven) das vollendete vierzehnte Lebensjahr hingestellt, davon ausgehend, daß, wenn auch ein in diesem Lebensalter stehendes Kind die rechtliche Bedeutung der Legitimation nicht völlig zu begreifen im Stande ist, ein solches Kind doch die mit der Legitimation für dasselbe verbundenen persönlichen Wirkungen sehr wohl zu empfinden vermag und daß cs deshalb ungerechtfertigt und mit dem Zwecke der Legitimation, ein inniges Familienverhältniß zwischen dem unehelichen Kinde und dessen Vater zu begründen, nicht vereinbar sein würde, ein solches Kind, wenn dasselbe trotz des Einflusses seines gesetzlichen Vertreters bei seinem Widerspruche beharrt, gegen Neigung und Gefühl zu zwingen, zu dem unehelichen Vater in das mit der Legitimation durch Ehelichkeitserklärung verbundene nahe Verhältniß zu treten.

§ 1589. Daß, wenn der Vater oder das Kind in der Geschäftsfähigkeit beschränkt Einwilligung ist, zu dem Anträge des Vaters bezw. zu der Einwilligung des Kindes die BertreterS. Einwilligung des gesetzlichen Vertreters erforderlich ist, entspricht den Vor­ schriften des § 65 Abs. 3 und der §§ 70, 71 (vergl. sächs. G. B. § 1785; preuß. A. L. N. II, 2 § 602). Ein genügender Grund, die Ehelichkeitserklärung für unzulässig zu erklären, wenn der Vater noch minderjährig ist, liegt nicht vor, zumal auch

die Ehemündigkeit des männlichen Geschlechtes schon mit dem zurückgelegten zwanzigsten Lebensjahre eintritt (§ 1233) und während der Minderjährigkeit die elterliche Gewalt mit Ausnahme der elterlichen Nutznießung nach Maßgabe des § 1554 nur ruht. Für die Legitimation durch Ehelichkeitserklärung kann auch nicht in Betracht kommen, daß die Annahme cm Kindesstatt ein bestimmtes höheres Lebensalter des Annehmenden voraussetzt (§ 1603) und daß nach den Bestimmungen des Erbrechtes ein Minderjähriger durch Erbeinsetzungsvertrag über seinen Nachlaß nicht verfügen kann (§ 1942); denn bei der Ehelichkeits­ erklärung bildet im Gegensatze zu der Annahme an Kindesstatt die natürliche Vaterschaft die Grundlage, und auf die angeführten Bestimmungen des Erb­ rechtes kann entscheidendes Geivicht nicht gelegt werden, da das Erbrecht hier nur die gesetzliche Folge der Legitimation ist. Ausschlaggebend für die Zu­ lassung der Ehelichkeitserklärung auch bei Minderjährigkeit des Vaters ist aber, abgesehen davon, daß dieselbe mit dem geltenden Rechte im Einklänge steht, die Thatsache, daß es in nicht seltenen Fällen im höchsten Jnteresie Minder­ jähriger gelegen sein kann, wenn ihnen die Möglichkeit gegeben ist, ein natür­ liches Kind durch Ehelichkeitserklärung in die Rechtsstellung eines ehelichen Kindes zu erheben, zumal der Entwurf das besondere Institut der sog. legitimatio per testamentum nicht ausgenommen hat. Da die Ertheilung der Legiti­ mation nach dem Entwürfe Gnadensache ist (§ 1592), so kann darauf vertraut werden, daß die mit der Prüfung des Antrages eines Minderjährigen betrauten

Mmd-r-

944

Ehelichkeitserklärung.

Einwilligung.

Form.

§§ 1590, 1591.

Behörden auch darüber Erhebungen anstellen werden, ob überwiegende Gründe für die Ertheilung der Legitimation vorliegen oder nicht, insbesondere, ob nicht im Einzelfalle überwiegende Interessen Dritter gegen die Ertheilung der Legiti­ mation sprechen. Ueberdies bedarf es der Einwilligung des gesetzlichen Ver­ treters und der Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes. Es ist daher genügend gesorgt, daß die Interessen des Minderjährigen wie dritter Be­ theiligter berücksichtigt werden. Genehmigung Die Vorschrift, daß in den im § 1589 bezeichneten Fällen die GebcäMaf«=nb‘ nehmigung des Vormundschaftsgerichtes erforderlich ist (vergl. auch § 1613 geriet«.

Ms. 1, 2), rechtfertigt sich int Hinblicke auf die Wichtigkeit der Legitimation durch Ehelichkeitserklärung und den tiefgreifenden Einfluß derselben auf die persönlichen und vermögensrechtlichen Beziehungen des Vaters, wie des Kindes (vergl. sächs. G. B. § 1785). Fehlt in den Fällen des § 1589 die Einwilligung des gesetzlichen Ver­ treters oder die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes, so ist die Ehe­ lichkeitserklärung unwirksam; eine nachträgliche Genehmigung kann hier — abweichend von dem Falle der Annahme an Kindesstatt (vergl. Motive zu § 1613) — um deswillen nicht in Frage kommen, weil es sich bei der Ehe­ lichkeitserklärung, soviel den Antrag des Vaters uird die Einwilligung des Kindes betrifft, nur um einseitige Rechtsgeschäfte handelt (§ 1593; vergl. auch § 65 Abs. 3, § 1681 Abs. 2, § 1514).

§ 1590. Einwilligung Die Bestimmung des § 1590 beruht auf der persönlichen Natur des hier Bertretersder fraglichen Einwilligungsrechtes und steht mit anderen, ähnliche Verhältniffe Ehefrau des betreffenden Vorschriften des Entwurfes im Einklänge (vergl. insbes. § 1238 $ater8' Abs. 2 Satz 2, § 1614 Satz 2).

§ 1591. Form der Wenngleich nach dem geltenden Rechte die im § 1591 Satz 1 bezeichertiärunoer neten Willcnsrkläerungen an eine bestimmte Form als wesentliche VorausBetheiiigten, setzung der Ehelichkeitserklärung nicht gebündelt sind, so ist es doch als

bedenklich erachtet, den betreffenden Staatsbehörden, welche die Legitimation zu ertheilen haben, zu überlasten, sich nach ihrem Ermesien zu vergewistern, ob die als wesentlich erforderten Erklärungen abgegeben sind. Es würde dies die Gefahr mit sich bringen, daß derjenige, welcher sich auf die Ehelichkeits­ erklärung beruft, in die Lage versetzt wird, beweisen zu müssen, daß jene Vor­ aussetzungen bei Ertheilung der Legitimation vorgelegen haben. Man hat nicht einmal die Sicherheit, daß die betreffenden Erklärungen von der Behörde ausgenommen werden. Am sichersten geht man, und es entspricht auch der wichtigen Bedeutung der Ehelichkeitserkläruitg in rechtlicher und sozialer Beziehung, wenn man die bezeichneten Erklärungen im Einklänge mit den von dem Entwtirfe in ähnlich liegenden Fällen gegebenen Vorschriften in der im § 1591 Satz 1 bestimmten Weise formalisirt (vergl. § 1616 Abs. 2).

Ehelichkeitserklärung.

Gnadensache.

945

§ 1592.

Nur die im § 1591 bezeichneten Erklärungen sollen an die gerichtliche der emoder notarielle Form gebunden sein. Ein praktisches Bedürfniß, auch die im § 1589 bezeichnete Einwilligung des gesetzlichen Vertreters zu dem Anträge S8ertccterSdes Vaters oder zu der Einwilligung des Kindes — in Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen der §§ 65, 127 Abs. 2 — an die gerichtliche oder notarielle Form zu binden, kam: trotz der über die zunächst Betheiligten hinaus sich erstreckenden Wirkungen der Ehelichkeitserklärung nicht anerkannt werden, zumal die im § 1589 vorgeschriebene Genehmigung des Vormundschafts­ gerichtes eine ausreichende Garantie dafür bietet, daß die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters erfolgt ist. Auch bei der Eheschließung und bei den Eheverträgen (vergl. Motive zu § 1335 oben S. 313 ff.) ist es nicht für erforderlich und für angemessen erachtet, die Einwilligung oder Genehmigung des gesetzlichen Vertreters an eine Form zu binden. Wie dort, ist auch hier die Rücksicht auf die Aufrechterhaltung des Rechtsaktes als überwiegend anzusehen. Die Vorschrift des § 1591 Satz 2 bezweckt einerseits, den Zweifel zu Erklärungs­ lösen, wem gegenüber die Einwilligung des Kindes oder der Ehefrau des cmpfan!ier'

Vaters erfolgen muß (vergl. § 127 Abs. 1) und dadurch zugleich für den Fall der Anfechtung der Einwilligung (§ 1600) im Hinblicke auf § 113 Abs. 2 den Anfechtungsgegner in einer angemessenen Weise zu bestimmen, andererseits, die Widerruflichkeit der Einwilligung vor erfolgter Ehelichkeitserklärung, entgegen unwid-rrusden Vorschriften des § 127 Abs. 3 und des § 119 Abs. 1, auszuschließen ^mMgun'g. (vergl. auch § 1616 Abs. 2). Die Bestimmung, daß die einmal erfolgte Ein­ willigung unwiderruflich ist, empfiehlt sich aus praktischen Gründen, um zu verhindern, daß durch einen willkürlichen Widerruf der betreffenden Personen das ganze weitere Verfahren ein vergebliches wird und vielleicht erst nach ertheilter Legitimation die Unwirksamkeit der Ehelichkeitserklärung auf Grund des vorher erfolgten Widerrufes der Einwilligung sich herausstellt. Diese mit der Zulafiung des Widerrufes verbundenen Uebelstände würden zwar, wenn man verschriebe, daß der Widerruf, um wirksam zu sein, gegenüber der mit der Ertheilung der Ehelichkeitserklärung betrauten Behörde erklärt werden müsse, einigermaßen gemindert, aber nicht beseitigt werden. Die Ausschließung des Widerrufes ist andererseits auch unbedenklich, theils weil die Einwilligungs­ erklärung durch § 1591 Satz 1 formatiert ist und diese Form gegen Uebercthtitg schützt, theils im Hinblicke darauf, daß nach § 1589 in einer großen Zahl von Fällen die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes erforderlich ist, dieses aber seine Genehmigung versagen wird, wenn nach Ertheilung der Einwilligung des Kindes oder der Ehefrau Umstände eingetreten sein sollten, welche die Ehelichkeitserklärung vom Standpunkte des Interesses des Kindes aus als bedenklich erscheinen laßen. Derjenige, welcher seine Einwilligung ertheilt hat, bezw. der gesetzliche Vertreter des Kindes kann derartige Umstände zur Kenntniß des Vormundschaftsgerichtes bringen.

§ 1592. Der § 1592 bezweckt, insbesondere im Hinblicke darauf, daß nach gem» meinem Rechte darüber gestritten wird, ob beim Vorhandensein der gesetzlichen ®nabenfad,eMotive z. biirgcrL Gesetzbuch. IV.

60

946

Ehelichkeitserklärung. Unwirksamkeit rc. §§ 1593—1595.

Erfordernisse der Vater ein Recht auf die Ertheilung der Ehelichkeitserklärung habe, zum deutlichen Ausdrucke zu bringen, daß die Entscheidung über den Antrag des Vaters auf Ehelichkeitserklärung kraft freier Entschließung der

Staatsgewalt erfolgt, mithin als Gnadensache anzusehen ist (vergl. die Motive

zu § 1583 oben S. 933 ff.).

§ 1593. unwirksamDie Vorschrift des § 1593 Satz 1 entscheidet die namentlich in der Gesetz-' gemeinrechtlichen Jurisprudenz bestrittene Frage, ob und inwieweit eine trotz Nch-n Ersordermss-s;

des Mangels der im Gesetze bestimmten Voraussetzungen ertheilte Legitimation Reskript wirksam ist. Indem der Entwurf die Ehelichkeitserklärung für

unwirksam erklärt, wenn ein gesetzliches Erforderniß fehlt, schützt er die Jntereffen, um derenwillen die gesetzlichen Erforderniffe aufgestellt sind, dem Zuge der modernen Rechtsentwickelung entsprechend, in einer von der Verwaltung un­ abhängigen und wirksamen Weise (vergl. Motive zu § 1583 oben S. 933 ff.). Wegen der Bestimmung des § 1593 Satz 2 wird auf die Motive zu § 1583 oben S. 932 und zu § 1585 oben S. 938 ff. Bezug genommen.

§ 1594. ^Beifügung einet

bingung rc';

Die Bestimmung des § 1594 folgt aus dem Wesen der Legitimation durch Ehelichkeitserklärung als Begründungsart eines Eltern- und Kindes­ verhältnisses und steht mit anderen für gleichliegende Verhältniffe gegebenen Vorschriften des Entwurfes im Einklänge (vergl. § 1250 Abs. 2, § 1472 Satz 3, § 1615).

1595. Tod d-s Wenngleich es nach dem § 74 Abs. 3 auf die Wirksamkeit einer Willensd-s Kind-? erklärung ohne Einfluß ist, wenn der Urheber stirbt, nachdem er die ausdrück­

liche Willenserklärung behufs der Absendung abgegeben hat, so muß doch der vor der Ehelichkeitserklärung erfolgte Tod des Vaters oder des Kindes die Unwirksamkeit der Ehelichkeitserklärung zur Folge haben, weil nach § 1583 Abs. 2 die Ehelichkeitserklärung erst von der Zeit der letzteren an ohne Rück­

Geschäfts-

unsah,gleit.

wirkung auf den Zeitpunkt des gestellten Antrages auf Ehelichkeitserklärung in Kraft tritt, die Begründung des durch die Ehelichkeitserklärung beabsichtigten persönlichen Verhältnisies aber nicht mehr möglich ist, wenn es in dem ent­ scheidenden Zeitpunkte an dem erforderlichen Subjekte für das zu begründende Verhältniß fehlt. Dazu kommt, daß die an den Tod bezw. an die Zeit seines Eintrittes sich knüpfenden erbrechtlichen Folgen durch die Legitimation nicht mehr geändert werden dürfen. Anders liegt dagegen die Sache, wenn der Vater oder das Kind vor der Ehelichkeitserklärung geschäftsunfähig werden sollte. Daß der Eintritt der Geschäftsunfähigkeit auf die Wirksamkeit der Ehelichkeitserklärung ohne Einfluß ist, wenngleich die Staatsgewalt selbstverständlich sich dadurch veranlaßt sehen kann, die Legitimationsertheilung zu versagen, ergicbt sich schon an der Hand

Ehelichkeitserklärung.

Verwandtschaft re.

947

§ 1596.

der allgemeinen Grundsätze (§ 74 Abs. 3) und braucht deshalb nicht besonders

ausgesprochen zu werden. Andererseits versteht es sich in Ermangelung einer entgegenstehenden sebund-m-tn Bestimmung (vergl. § 62 Abs. 2, § 1617 Satz 3) von selbst, daß der Vater an be4 3$atera'

seinen Antrag vor Ertheilung der Legitimation nicht gebunden ist, sondern denselben bis dahin widerrufen kann. Die besonderen Gründe, welche zu der die Annahme an Kindesstatt betreffenden Vorschrift des § 1617 Satz 3 geführt haben, treffen für die hier in Rede stehende einseitige Willenserklärung des Vaters nicht zu.

§ 1596. 1. Der erste Satz des § 1596 Abs. 1 spricht nur eine Konsequenz des im . Wirkung § 1583 Abs. 2 enthaltenen Prinzipes aus. Bei der Wichtigkeit des letzteren "'m"®«"3 ist es jedoch als rathsam erachtet, den Sinn und die Tragweite desselben roanbtf4»ft, durch die Aufnahme jenes Satzes zu verdeutlichen und dem Mißverständniffe zu begegnen, als ob die Vorschrift des § 1583 Abs. 2 sich lediglich auf das Verhältniß zwischen dem Vater und dem Kinde beziehe. Im Uebrigen wird wegen der Gründe, auf welchen einerseits die Vorschrift des § 1596 Abs. 1 Satz 1, andererseits die als eine Ausnahme von dem Prinzipe des § 1583 Abs. 2 sich darstellende Vorschrift des § 1596 Abs. 1 Satz 2 beruht, daß das Kind und desien Abkömmlinge nicht die rechtliche Stellung von Verwandten der Verwandten des Vaters erlangen, auf die Motive zu § 1583 oben S. 934 ff. Bezug genommen. Durch diese letztere Vorschrift wird selbstverständlich das auf der natürlichen Verwandtschaft beruhende Ehehinderniß zwischen dem unehelichen Kinde und deffen Abkömmlingen einerseits und den Verwandten des Vaters andererseits nach Maßgabe des § 1236 nicht berührt. Wenngleich durch die Ehelichkeitserklärung zwischen dem unehelichen Kinde und deffen Abkömmlingen einerseits und den Verwandten des Vaters andererseits ein rechtliches Verwandtschaftsverhältniß nicht begründet wird, so wirkt doch die Ehelichkeitserklärung, weil dadurch zwischen dem unehelichen Kinde und desien Abkömmlingen einerseits und dem Vater andererseits ein Verwandtschaftsverhältniß, also ein absolut wirkendes Verhältniß zur Ent­ stehung kommt, auf die familienrechtlichen Beziehungen zwischen den Verwandten des Vaters und dem letzteren (vergl. z. B. §§ 1480, 1483 Abs, 1, § 1485) und insbesondere auf das Erb- und Pflichttheilsrecht derselben gegenüber dem Vater indirekt zurück. Wegen der Gründe, aus welchen der Entwurf es nicht für erforderlich erachtet hat, die erbrechtlichen Jntereffen jener Personen gegen Beeinträchtigung durch die Ehelichkeitserklärung im Wege besonderer Be­ stimmungen zu schützen, wird auf die Motive zu § 1583 oben S. 936 ff. Bezug genommen. Daß durch die Ehelichkeitserklärung zwischen dem Vater und solchen Verwandten des Kindes, welche nicht Abkömmlinge des letzteren sind, ein

Verwandtschaftsverhältniß nicht entstehen kann, ergiebt sich aus dem Begriffe der Verwandtschaft als eines durch Abstammung von einem gemeinschaftlichen Stammvater vermittelten Verhältniffes (§ 30) von selbst, da durch die Ehelichkeitserklärung ein gemeinschaftlicher Stammvater des Vaters und der 60*

948

Ehelichkeitserklärung.

Sorge für die Person des Kindes.

§ 1597.

Verwandten des Kindes nicht geschaffen wird. Ebensowenig entsteht ein Schwägerschaftsverhältniß zwischen denselben, da ein solches nach § 32 nur

durch eine Ehe vermittelt wird. tn Ansehung 2. Dagegen würde in Ermangelung einer besonderen Bestimmung durch becTld»°rS. 1112 unter Nr. 2 bezeichneten Gesetzen, insbes. mit der preuß. Vorm. O., kommunale" dcni Ges., betr. die Krankenversicherung der Arbeiter, v. 15. Juni 1883 § 40 Abs. 3 und dem Unfallversicherungsges. im Wesentlichen überein. Die in jenen

m

"

Gesetzen hinter dem Worte „Körperschaften" sich findenden Worte „(Provinzen, Kreisen, Gemeinden u. s. w.)" sind als entbehrlich weggelassen, zumal die Paren­ these doch nicht alle hier in Betracht kommenden kommunalen Körperschaften in den einzelnen Bundesstaaten, z. B. die Amtsverbände, umfaßt. 4. Während die preuß. Vorm. O. § 39 Abs. 2 (vergl. auch brcm. Ges. Sparkassen, v. 15. März 1887 Abs. 2) die Zulässigkeit der zinsbaren Belegung von Mündel­ geldern bei einer öffentlichen, obrigkeitlich bestätigten, nicht unter die im Abs. 1 des § 39 erwähnten Kreditanstalten deutscher kommunaler Korporationen fallenden Sparkaffe von der beschränkenden Voraussetzung abhängig macht, daß die Gelder in der im § 39 Abs. 1 bezeichneten Weise nach den obwaltenden Um­ ständen nicht angelegt werden können, gestattet der § 1664 Abs. 2 Nr. 5 auch die dauernde zinsbare Anlegung der Mündelgelder bei einer öffentlichen und obrigkeitlich bestätigten Sparkasse (vergl. sächs. G. B. § 1935; weimar. Ges. v. 16. Juli 1881 8 3 Nr. 7; meining. Ges. v. 12. April 1882; braunschw. Ges. v. 8. Februar 1883 § 1; Hamb. Vorm. O. Art. 45; bayr. Entw. Art. 73 Abs. 2 lit. b; Hess. Ges., betr. die Anlegung vormundschaftlicher und pflegschaftlicher Gelder u. s. w., v. 18. Juni 1887 Art. 2 Nr. 6; ferner Ges., betr. die Krankenversicherung der Arbeiter, v. 15. Juni 1883 § 40 Abs. 2; Unfall­ versicherungsges. v. 6. Juli 1884 § 76 Abs. 1; Ges., betr. die Unfall- und Krankenversicherung der in land- und forstwirthschaftlichen Betrieben be­ schäftigten Personen, v. 5. Mai 1886 § 85 Abs. 1; Ges., betr. die Unfall­ versicherung der Seeleute u. s. w., v. 13. Juli 1887 § 88 Abs. 1). Die An­ legung der Mündelgelder bei einer inländischen öffentlichen und obrigkeitlich bestätigten Sparkasse ist in vielen Fällen, namentlich wenn das Kapital-

1114

Anlegung in sonstigen Werth­ papieren.

Vormundschaft übcr Minderj.

Anlegung der Mündelgelder.

§ 1664.

vermögen des Mündels nicht erheblich ist und voraussichtlich im Laufe der Vormundschaft zum Zwecke des Unterhaltes des Mündels nach und nach auf­ gebraucht werden muß, die einfachste und bequemste Art der Anlegung, welche erhebliche Vortheile bietet, ohne andererseits die Sicherheit der Mündelgelder zu gefährden. Sic überhebt den Vormund der, namentlich auf dem Lande und in den kleinen Städten, mit dem Ankäufe und dem nicht selten noth­ wendig werdenden Umsätze der Werthpapiere verbundenen Weiterungen und der Nothwendigkeit, die Ausloosung der Papiere fortlaufend zu kontroliren, wozu der Vormund häufig gar nicht im Stande und in der Lage ist. Sie vermindert ferner die mit dem Besitze von Werthpapieren verbundenen Gcfahren des Verlustes derselben und gewährt dem Vormunde die Möglichkeit, die Gelder zu jeder Zeit in beliebigen Raten zu erheben. Diesen Vortheilen gegenüber kann darauf, daß die Anlegung der Gelder bei einer Sparkasse in der Regel etwas geringere Zinsen gewährt, als die Anlegung in Werthpapicrcn, erhebliches Gewicht nicht gelegt werden. Die hier fragliche Bestimmung ist auch nicht etwa im Hinblicke auf die Nr. 4 des § 1664 Abs. 2 als entbehrlich zu erachten, da die Sparkasien, auch wenn dieselben von Gemeinden oder anderen Kommunalverbänden gehalten werden, im Hinblicke auf den Zweck, welchen sie verfolgen, nicht oder doch nicht durchgängig den Karakter von Kreditinstituten der Gemeinden oder der anderen Kommunalverbände haben und jedenfalls die selbständigen, von den kommunalen Körperschaften nur garantirten Sparkassen nicht unter die Nr. 4 des § 1664 fallen. Das Be­ denken, es sei zweifelhaft, ob die öffentlichen und obrigkeitlich bestätigten Spar­ kassen durchgehends in Deutschland eine ausreichende Sicherheit bieten, kann als begründet nicht anerkannt werden. Die Frage, welche Sparkassen als öffentliche und obrigkeitlich bestätigte Sparkassen anzusehcn sind, entscheidet sich nach Landesrecht. Es kann darauf vertraut werden, daß die obrigkeitliche Bestätigung einer Sparkasse nur dann erfolgen wird, wenn die Sicherheit der­ selben außer Zweifel steht. 5. Weder vom Standpunkte des Interesses des Mündels noch mit Rücksicht auf die allgemeinen Krcditbedürfnisse würde cs angemcsien sein, die Anlegung von Mündelgeldern in anderen als den unter Nr. 2—4 des § 1664 Abs. 2 bezeichneten Werthpapicrcn unbedingt auszuschlicßen. Ins­ besondere kommen hier in Betracht die Pfandbriefe der verschiedenen Kredit­ institute, welche, wenn sie oft auch rechtlich nur ein persönliches Forderungs­ recht gegenüber dem Kreditinstitute begründen, in vielen Fällen doch thatsächlich eine ähnliche Sicherheit wie Spezialhypothcken gewähren und sich zur Anlegung von Mündelgeldern durchaus eignen. Die Voraussetzungen, unter welchen diese und andere nicht unter die Nr. 2—4 des § 1664 Abs. 2 fallende Werth­ papiere als zur Anlegung von Mündelgeldern geeignet anzusehen sind, lassen sich jedoch durch eine allgemeine gesetzliche Bestimmung nicht bezeichnen; viel­ mehr muß die Frage, ob ein nicht unter die Nr. 2—4 fallendes Werthpapier sich zur Anlegung von Mündelgeldern eignet, konkret geprüft rind entschieden werden. Da die einzelnen Bundesstaaten den maßgebenden Verhältnissen am nächsten stehen und diese am besten zu beurtheilen in der Lage sind, so liegt es nahe, jene Bestimmung, wenngleich es sich dabei nicht um eine Frage

Vormundschaft über Minder).

Anlegung der Mündelgelder.

§ 1664.

1115

der Justizverwaltung, sondern um einen grundsätzlich zur Kompetenz des Reiches gehörenden Gegenstand des Vormundschaftsrechtes handelt, den Landcsgesetzgebungen oder den Landesregierungen zu überlassen (vergl. Hess. Ges., betr. die Anlegung vormundschaftlicher und pflegschaftlicher Gelder u. s. w., v. 18. Juni 1887 Art. 2 Nr. 5). Dafür läßt sich ferner geltend machen, daß die einzelnen Bundesstaaten ein beachtenswerthes Interesse daran haben, daß gewissen in ihren Gebieten bestehenden, gemeinnützigen Zwecken dienenden, aber nicht unter die Nr. 4 des § 1664 fallenden Instituten, sofern nach ihrem — voraussichtlich unparteiischen — Ermessen dieselben ausreichende Sicherheit bieten, die Mündel­ gelder nicht entzogen werden. Allein diesen Gesichtspunkten kann entscheidendes Gewicht nicht beigemessen werden gegenüber der Erwägung, daß, wenn man die Bestimmung darüber, in welchen anderen Werthpapiercn, als in den unter Nr. 2—4 des § 1664 bezeichneten, die Anlegung der Mündelgelder soll erfolgen können, den einzelnen Bundesstaaten überläßt, man damit in einer praktisch hervorragend wichtigen Materie des Vormundschaftsrcchtcs auf eine einheitliche Regelung verzichtet und der große Uebelstand entsteht, daß die Frage, in welchen sonstigen Papieren die Anlegung der Mündelgelder erfolgen darf, je nachdem eine Vormundschaft in dem einen oder in dem anderen Bundesstaate anhängig ist, nach verschiedenem Rechte zu beurtheilen sein würde, ein Ucbelstand, welcher ganz besonders hervortritt, wenn die örtliche Zuständigkeit der Vormundschafts­ gerichte ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit des Mündels zu dem be­ treffenden Bundesstaate, welchem das Vormundschaftsgericht angehört, geregelt werden sollte. Dazu kommt, daß an verschiedenen anderen Stellen des Gesetz­ buches (vergl. §§ 201, 1034, 1292, 1323, 1815) auf die Vorschriften über die Anlegung von Mündelgeldern verwiesen wird (vergl. auch § 40 Abs. 3 d. R. Ges., betr. die Krankenversicherung der Arbeiter, v. 15. Juni 1883; § 76 des Unfallversicherungsges. v. 6. Juli 1884), in jenen Beziehungen aber auf eine einheitliche Regelung keinesfalls verzichtet werden darf. Zwar ließe eine einheitliche Re­ gelung sich auch durch die Bestimmung erreichen, daß die in der hier fraglichen Hinsicht von dem einen oder anderen Bundesstaate erlaffenen Vorschriften nicht nur für die in diesem, sondern auch für die in anderen Bundesstaaten an­ hängigen Vormundschaften bei Entscheidung der Frage, in welchen Werth­ papieren die Anlegung der Mündelgelder erfolgen dürfe, als maßgebend zu betrachten seien. Allein eine solche Bestimmung würde, abgesehen von der Anomalie, welche darin liegt, daß die Landcsgesctze des einen Bundesstaates auch für die in einem anderen Bundesstaate anhängigen Vormundschaften maßgebend sein sollen, von wirthschaftlichem Standpunkte aus in hohem Grade bedenklich sein. Unter diesen Umständen bleibt nur übrig, die hier fragliche Bestimmung der Reichsspezialgesetzgebung ober dem Bundesrathe zu überlassen. Für den ersteren Weg spricht, daß es sich um eine praktisch sehr wichtige, zudem in die allgemeinen Kreditverhältnisse eingreifende Bestimmung des Vor­ mundschaftsrechtes handelt, welche an sich nicht Gegenstand des Verordnungs­ rechtes, sondern der Gesetzgebung ist und insbesondere auch in Preußen bisher einen Gegenstand der Gesetzgebung gebildet hat. Auf der anderen Seite kommt jedoch in Betracht, daß die in Rede stehenden Vorschriften, weil die für die­ selben maßgebenden Verhältniffe ihrer Natur nach wandelbar sind, häufiger einer

1116

Vormundschaft über Minder). Anlegung der Mündelgelder. § 1665.

Aenderung bedürfen werden und cs aus diesem Grunde nicht zweckmäßig ist, wenn jedes Mal der schwerfälligere und weitläufigere Weg der Gesetzgebung betreten werden müßte. Auch ist es sachlich unbedenklich, den Erlaß der Vorschriften dem Bundesrathe zu überlassen. Derselbe wird bei der Auswahl der Werthpapiere auf die Verhältnisse in den einzelnen Bundesstaaten und auf die bcachteuswcrthen Wünsche und Juteressen der letzteren die gebührende Rücksicht nehmen. Wahl bei- An6. Wie die Fassung des § 1664 Abs. 2 ergiebt, ist der Vormund in kgungsait. Ansehung der ihm im § 1664 Abs. 2 zur Wahl gestellten Arten der Anlegung

Inhaber°ma«°>,s-'°

Papiere.

an eine bestimmte Reihenfolge nicht gebunden. 7. Bei der Anlegung der Mündelgelder soll der Vormund sclbstverständlich stets im Namen des Mündels handeln. Die besondere Art der Anlegung bringt jedoch Unterschiede mit sich, welche auf die Einziehungsbefugniß des Vorinundes von Einfluß sind. Es kann die Gläubigerschaft

streng an die Person des Mündels geknüpft sein; cs kann ferner der Mündel zwar zum Gläubiger gemacht, dem Schuldner aber zugleich die Bcfugniß ein­ geräumt werden, durch Zahlung an den Inhaber eines Legitimationspapicres sich zu befreien (§ 703), und endlich kann die Gläubigerschaft an die Jnhabung einer Schuldverschreibung geknüpft sein (§ 685). Die Vorschriften des § 1664 beschränken den Vormund nicht auf eine bestimmte Anlcgungsart in dieser Richtung, wenn nur überhaupt in vorgeschricbener Weise angelegt wird. Gegen die Gefahren, welche für den Mündel aus der Anlegung in Jnhaberpapieren oder gegen Ausstellnng von Legitimationspapicren der oben gedachten Art sich ergeben könnten, schützen die Vorschriften des § 1666 Abs. 2, des 8 1669 Abs. 2 und der §§ 1670, 1671. Bei Beginn 8. Besondere Vorschriften darüber, wie der Vormund in Ansehung Schaft v°r-^ solcher Kapitalanlagen zu verfahren hat, welche sich im Vermögen des Mündels

vvrfindcn und nicht die vorgeschriebene Sicherheit gewähren (vergl. z. B. prcuß. A. L. R. II, 18 §§ 455 ff.; Hamb. Bonn. O. Art. 46; meint ar.

hanbeneKapi-bereits

tahcu"

Ges. v. 16. Juli 1881 § 4; Hess. Ges., betr. die Anlegung vormundschaftlicher Gelder u. s. w., v. 18. Juni 1887 Art. 4), hat der Entwurf nicht aus­ genommen, davon ausgehend, daß es richtiger ist, cs dem Vormunde zu über­ lassen, wie er nach den Umständen des einzelnen Falles als guter Hausvater glaubt handeln zu müssen. Es ist unmöglich, dem Vormunde ohne Weiteres den Umsatz sämmtlicher Werthpapiere in pupillarisch sichere Papiere vorzuschreibcn; es würden damit oft erhebliche Einnahme- oder Vcrmögensverluste verbunden sein. Daß er besonders unsichere Papiere, soweit es ohne große Nachtheile geschehen kann, umzusetzen bemüht sein muß, folgt aus allgemeinen Grundsätzen (§ 1696), ebenso daß er unsichere Privathypotheken regelmäßig zu kündigen hat; indessen wird auch in dieser Hinsicht Alles nach den besonderen Umständen sich richten muffen.

§ 1665. Der § 1665 bezweckt, dem Vormunde zur Pflicht zu machen, die im ^kgung86' § 1664 Abs. 1 bezeichneten Gelder wenigstens vorübergehend zu belegen, wenn Vorüber-

eine dauernde Anlage nach den obwaltenden Umständen nicht in der im § 1664

Vormundscbcist übcr Mindcrj.

Anlegung der Mündelgelder. § 1666.

1117

bestimmten Weise erfolgen kann (vergl. preuß. Vorm. O. § 39 Abs. 2; meining. Ges. v. 12. April 1882; brem. Ges. v. 15. März 1887; R. Ges., betr. die Kranken­ versicherung der Arbeiter, v. 15. Juni 1883 § 40 Abs. 4; Unfallversicherungsges. y. 6. Juli 1884 § 76 Abs. 2). Gegenüber der preuß. Vorm. O. enthält der § 1665 insofern eine Erweiterung, als er die Belegung nicht nur bei der Reichsbank, sondern auch bei den anderen im § 1665 näher bezeichneten Banken, sowie bei einer öffentlichen Hinterlegungsstelle gestattet, sofern dieser die An­ nahme solcher Gelder landcsgesetzlich gestattet ist (§ 280). Diese Erweiterung ist einerseits vom Standpunkte des Jntcreffcs des Mündels aus unbedenklich, andererseits mit Rücksicht auf die in den einzelnen Bundesstaaten bestehenden, dem hier fraglichen Zwecke dienenden Einrichtungen angemessen. Die preuß. Vorm. O. § 39 Abs. 2 erwähnt neben der Reichsbank öffentliche, obrigkeitlich bestätigte Sparkasicn. Für den Entwurf kommen die letzteren wegen der Be­ stimmung im § 1664 Abs. 2 Nr. 5 hier nicht in Betracht. Das preuß. Recht schrieb für Verhältnisse der hier in Rede stehenden Art die gerichtliche Deponirung der Gelder vor (vergl. preuß. A. L. R. II, 18 §§ 422, 454). Damit hing die durch die Depositalordn. v. 15. September 1783 geregelte gerichtliche Depositalvcrwaltung zusammen, welche jedoch, weil für dieselbe nach den Verhältnißen der Gegenwart ein Bedürfniß nicht mehr

bestand und sie zudem mit einer unerträglichen Belästigung für die Gerichte und auch mit sonstigen Uebelständcn verbunden war, durch die preuß. Vorm. O. beseitigt ist (vergl. Motive zu der preuß. Vorm. O. S. 93, 95). Vom Stand­ punkte des Entwurfes aus, welcher auf dem Prinzipe der Selbständigkeit des Vormundes beruht, kann eine Wiederherstellung des älteren preuß. Systemes in dieser Richtung nicht in Frage kommen. Insbesondere ist dies auch im Interesse der Sicherheit des Mündels nicht geboten, da die im § 1665 be­ zeichneten Institute ausreichende Sicherheit gewähren.

Gegen die Gefahren, welche für den Mündel aus einer Belegung bei den im § 1665 bezeichneten Instituten gegen Aushändigung von Inhaber­ papieren oder Legitimationspapicrcn (§ 703) sich ergeben könnten, schützen die Vorschriften des § 1666 Abs. 2 verb. mit § 1669 Abs. 2 (vergl. Motive zu § 1664 oben S. 1116).

§ 1666. Die an die preuß. Vorm. O. § 39 Abs. 1 verb. mit § 46 sich an­ schließende Vorschrift des § 1666 Abs. 1 Satz 1 hat nur den Karaktcr einer

Ordnungsvorschrift. Die Wirksamkeit der durch den Vormund erfolgten An­ legung der Gelder von der Genehmigung des Gcgenvormundcs oder des Vormundschaftsgerichtcs oder stets von der Genehmigung des letzteren abhängig zu machen (vergl. 8 2 a. E. Inst. quib. allen. 2, s; preuß. A. L. R. II, 18 §§471, 479; braunschw. Verordn, v. 3. Februar 1814 § 50 verb. mit dem braunschw. Ges. v. 8. Februar 1883 § 1), ist als bedenklich erachtet. Zwar läßt sich dafür anführen, daß dadurch die vorschriftsmäßige Anlegung der Mündelgelder nach Maßgabe des § 1664 in höherem Maße gesichert werde und insbesondere das Erforderniß der Genehmigung des Vormundschafts-

Mitwirkung des Gegen­ vormundes.

1118

Vormundschaft über Minder).

Anlegung der Mündelgelder.

§ 1666.

Gerichtes eine größere Gewähr dafür biete, daß nicht bei der Anlegung durch den Vormund die Kündigung zu weit hinausgeschoben und dadurch das Kapitalvermögen des Mündels festgelegt werde. Indessen sind die andererseits mit

einer derartigen, die Wirksamkeit der Anlegung von der Genehmigung des Gegenvormundes oder des Vormundschaftsgerichtes oder von der Genehmi­ gung des letzteren allein abhängig machenden Bestimmung für den Mündel verbundenen Gefahren größer, als die von derselben zn erwartenden Vortheile.

Wird die Genehmigung zu der erfolgten Anlegung nachträglich verweigert, so kann zwar der Mündel das Geleistete sofort im Wege der Kondiktion zurück­ fordern; andererseits kommt aber in Betracht, daß dieser Kondiktionsanspruch der dinglichen Sicherheit durch die bestellte Hypothek entbehrt. Unter diesen Umständen verdient es den Vorzug, in der hier fraglichen Beziehung der preuß. Vorm. O. zu folgen. Das im § 1666 Abs. 1 vorgeschriebene Zusam­ menwirken des Vormundes und des Gegenvormundes und die Verantwort­ lichkeit beider (§ 1696) bietet in der großen Mehrzahl der Fälle für den Mündel ausreichende Garantieen, daß die Anlegung nicht in einer die Jntercssen des letzteren gefährdenden Weise erfolgen wird. Aehnliche Erwägungen, wie die vorstehenden, sprechen auch dagegen, die Wirksamkeit der dem Anlage­ geschäfte selbst vorhergehenden obligatorischen, auf die Ausleihung von Geldern, sowie auf den Erwerb von Werthpapieren und von bestehenden Hypotheken oder Grundschulden gerichteten Rechtsgeschäfte von der Genehmigung des Vor­ mundschaftsgerichtes abhängig zu machen. Auch von dem Gesichtspunkte aus ist die Aufnahme einer derartigen Bestimmung durch ein Bedürfniß nicht geboten, daß dieselbe dazu beitragen werde, den Vormund an Spekulationen mit dem Mündelvermögen zu verhindern. Die Gefahr, daß der Vormund für Rechnung des Mündels auf Spekulationsgeschäfte sich einlassen werde, liegt sehr fern. Gegen bösen Willen des Vormundes vermag in dieser Hinsicht auch die bezeichnete Bestimmung den Mündel nicht zu schützen, da der Vormund, wenn er will, es in der Hand hat, durch Geschäfte anderer Art zu spekuliren. Zudem ist eine solche Bestimmung dem geltenden Rechte fremd. Um schärfer zum Ausdrucke zu bringen, daß, wenn einmal nach Maß­ gabe des § 1647 ein Gegenvormund bestellt worden, derselbe aber später, z. B. in Folge Todes, weggefallen und ein neuer Gegenvormund noch nicht bestellt, der Grund für die Bestellung eines solchen auch nicht weggesallen ist, die zins­ bare Anlegung von Seiten des Vormundes nicht eher erfolgen soll, als bis ein anderer Gegenvormund bestellt ist und dieser seine Genehmigung ertheilt hat, bedient der Entwurf im § 1666 Abs. 1 Satz 1 sich der Worte „wenn ein Gegenvormund bestellt worden ist" (vergl. auch §§ 1679, 1687 Abs. 6), während er in solchen Fällen, in welchen es nur darauf ankommt, ob gegen­ wärtig ein Gegenvormund vorhanden ist, den Ausdruck gebraucht „weun ein Gegenvormund vorhanden ist" (vergl. z. B. § 1659). Ersetzung der Die Vorschrift des § 1666 Abs. 1 Satz 2 bezweckt, für den Fall, wenn der ^d°s°Geg»l-b Vormund nach Maßgabe des § 1664 in einer bestimmten Art die Mündelgelder Vormundes,

lmlegen will, das erforderliche Einverständniß des Gegenvormundes aber nicht zu erlangen ist, dem Vormunde im Interesse einer angemessenen Vermögens-

Vormundschaft über Minder).

Anlegung der Mündelgelder.

§ 1666.

1119

Verwaltung ein Mittel zu Gebote zu stellen, den unbegründeten Widerstand des Gegenvormundes zu brechen. Die Vorschrift, daß der Vormund die Gelder bei einer inländischen öffentlichen und obrigkeitlich bestätigten Sparkasie auch ohne die Genehmigung des Gegenvormundes dauernd anlegen darf (§ 1666 Abs. 2

verglichen mit § 1664 Abs. 2 Nr. 5), reicht nicht aus, da in vielen Fällen eine dauernde Anlage bei einer Sparkasse im Hinblicke auf den geringeren Zinsen­

genuß oder aus sonstigen Gründen sich nicht als die geeignetste Anlage er­ weisen wird. Zweifelhaft kann es allerdings sein, ob nicht die ausdrückliche Vorschrift des § 1666 Abs. 1 Satz 2 im Hinblicke auf die Bestimmung des § 1669 Abs. 3, nach welcher sogar in den Fällen des § 1669 die zur Wirk­ samkeit des Rechtsgeschäftes erforderliche Genehmigung des Gegenvormundes durch die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes ersetzt werden kann, sowie im Hinblicke darauf, daß die in den Fällen des § 1664 erforderliche Genehmi­ gung des Gegenvormundes sich nur als ein Ausfluß seines Aufsichtsrechtes darstellt, als selbstverständlich und deshalb als entbehrlich zu erachten ist, zumal auch die preuß. Vorm. O. eine derartige ausdrückliche Vorschrift nicht aus­ genommen hat. Im Jntereffe der Deutlichkeit des Gesetzes und mit Rücksicht

darauf, daß das Schweigen der preuß. Vorm. O. in dieser Beziehung zu Streitfragen geführt hat, ist es jedoch rathsamer, die Vorschrift aufzunehmen. Aus § 1679 crgiebt sich übrigens, daß auch in dem Falle des § 1666 Abs. 1 Satz 2 das Vormundschaftsgericht vor seiner Entscheidung den Gegen­ vormund hören soll. Wenngleich bei Meinungsdifferenzen zwischen dem Vormunde und dem Ausnahmen Gegenvormunde über die Art der zinsbaren Anlegung der Mündelgelder nach "°rderniss-d-r

§ 1666 Abs. 1 der Vormund den Ersatz der fehlenden Genehmigung des Gegen- ti,ene»mie Vormundes durch Nachsuchung der Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes 3“"9’ herbeiführen kann, so muß doch dafür gesorgt werden, daß der Vormund die

Gelder in der Zwischenzeit ohne die Genehmigung des Gegenvormundes anlegen kann. Wollte man den Vormund in einem solchen Falle blos auf den Weg des § 1665 verweisen, so ergiebt sich der Uebelstand, daß die Gelder vorläufig

möglicherweise unverzinslich oder zu unverhältnißmäßig niedrigen Zinsen belegt werden müssen. Um diesen Uebelstand zu vermeiden, bestimmt der Entwurf, daß es nicht nur zu einer unter die Bestimmung des § 1665, sondern auch zu einer unter die Bestimmung des § 1664 Nr. 5 fallenden Anlegung, d. i. zur Anlegung bei einer inländischen und obrigkeitlich bestätigten Sparkasse, der Genehmigung des Gegenvormundes nicht bedarf, obwohl der Entwurf die An­ legung bei einer solchen Sparkasse nicht blos vorübergehend, sondern dauernd gestattet. Im praktischen Resultate stimmt in dieser Hinsicht auch die preuß. Vorm. O. § 39 Abs. 2 mit dem Entwürfe überein. Der Vormund soll aber nach § 1666 Abs. 2, vorbehaltlich der im Gesetze Art der Bebestimmten Ausnahmen (§§ 1690, 1733), eine unter die Vorschriften des § 1664 Anlegungen Abs. 2 Nr. 5 und des § 1665 fallende Anlegung nur mit der Bestimmung bewirken, daß zur Erhebung der Gelder die Genehmigung des Gegenvormundes oder des Vormundschaftsgerichtes (§ 1669) erforderlich ist. Wäre es in den hier fraglichen Fällen dem Vormunde gestattet, die Gelder bei Sparkassen und den im § 1665 bezeichneten Instituten gegen Verabfolgung von Jnhaberpapieren

1120

Vonnundsch. über Minderj. Anlegung der Mündelgelder. §§1667,1668.

oder Legitiinationspapicren der im § 703 bezeichneten Art anzulegen, so würde er, da die Erhebungsbefugniß des Vormundes alsdann nicht nach den Vor­ schriften über seine Befugnisse als Vormund, sondern nach den Vorschriften über die Jnhaberpapiere und Legitimationspapiere sich richten würde, die nach § 1669 (vcrgl. auch § 1671) prinzipiell ihm versagte freie Befugniß zur Ein­ ziehung durch die Art der Anlegung sich verschaffen können (vergl. Motive zu § 1669).

§ 1667. Die von der preuß. Vorm. O. § 39 (vcrgl. Bericht der HcrrcnhausmUGeuehmi-Kommission S. 53) abweichende, aber dem in verschiedenen anderen Rechtsgung d-r Vor-gebieten geltenden Rechte (vergl. sächs. provis. Ger. O. § 57; württemb. Ges. "g-richl-s^ v. 28. November 1833 Art. 3; braunschw. Ges. v. 8. Februar 1883 § 1; Anderweite

brem. Vorm. O. § 61 und brem. Ges. v. 15. Mcirz 1887; Hamb. Vorm. O. Art. 45; bayr. Entw. Art. 66, 73 nebst Motiven S. 80; heff. Entw. IV Art. 58; Hess. Ges., betr. die Anlegung vormundschaftlicher und pffegschaftlicher Gelder u. s. w., v. 18. Juni 1887 Art 3) sich anschließende Vorschrift des

§ 1667 ist namentlich für solche Fälle von Werth, in welchen der Mündel, z. B. in Folge einer Erbschaft, Kapitalvermögen in ausländischen Werthen besitzt und im Zusammenhänge mit diesem Besitze zum Zwecke der Vermeidung sonst drohender großer Verluste die weitere Anlegung von Mündelgeldern in solchen Werthen, sei es durch Ausübung eines Bezugsrechtes, sei es durch Nachzahlungcn, erforderlich wird, oder in welchen es sich darum handelt, dem Vater oder der Mutter des Mündels durch die Hingabe eines Darlehens gegen Hy­ pothek den Besitz eines im Auslande belegencn Grundstückes zu erhalten, wenn durch die Erhaltung dieses Besitzes die Subsistenz der Familie und des Mündels selbst bedingt ist. Da auch in den Fällen des § 1667 immer eine sichere An­ legung der Mündelgelder vorausgesetzt wird und das Vormundschaftsgcricht wegen seiner Genehmigung verantwortlich ist (§ 1702), so steht der Bestimmung des § 1667 auch vom Standpunkte der Sicherheit des Mündels aus ein be­ gründetes Bedenken nicht entgegen.

§ 1668. bauernbcn Anlegung

b@etotr*e

Die Bestimmung des § 1668'.Satz 1 in Verbindung mit dem § 1669 Abs. 2 Satz 1 bezweckt, dem Vormunde in der Belegung und Erhebung der § 1668 Satz 1 bezeichneten Gelder, d. h. derjenigen Gelder, auf welche die Vorschriften der §§ 1664—1667 sich nicht beziehen, freie Hand zu lassen. Den

Vormund in Ansehung der Wiedererhebung dieser Gelder der regelmäßigen Beschränkung des § 1669 zu unterwerfen, empfiehlt sich nicht. Eine solche Beschränkung würde hier wegen des Bedürfniffes wiederholter Erhebungen von kleinen Posten von dem Vormunde, wie von dem Schuldner lästig empfunden werden. Auch die preuß. Vorm. O. § 41 Nr. 2 enthält in Ansehung der hier fraglichen Gelder keine Beschränkung des Vormundes. Die Vorschrift des § 1668 Satz 2 in Verbindung mit der Vorschrift des § 1668 Satz 1 bringt im Interesse der Deutlichkeit des Gesetzes ferner

Vormundsch. über Minderj. Genehmigung des Gegenvormundes. § 1669.

1121

zum Ausdrucke, daß die Bestimmung darüber, in welcher Art für die sichere

Belegung der im § 1668 Satz 1 bezeichneten Gelder zu sorgen sei und ob und in welcher Art etwa auch eine vorübergehende Belegung dieser Gelder, z. B. in der Form eines Kontokurrentverkehres mit einem zuverlässigen Bankier, erfolgen solle, dem pflichtmäßigen Ermessen des Vormundes überlasten bleibt und dessen Verantwortlichkeit in dieser Beziehung sich nach den allgemeinen Grundsätzen über die Verantwortlichkeit des Vormundes (§ 1696) richtet. Auf demselben Standpunkte steht die preuß. Vorm. O., wenngleich dieselbe es nicht ausdrücklich ausspricht.

§ 1669. I. Der Grundsatz, daß die Vertretungsmacht des Vormundes eine un- Verfügung

beschränkte ist (§ 1649 nebst Motiven S. 1084), erleidet durch die Bestimmungen Ansprüche des des § 1669 in Ansehung der dem Mündel zustehenden Ansprüche eine weit- Münde», greifende Ausnahme. Auch nach dem geltenden Rechte ist die Vertretungsmacht Geltendes des Vormundes in den hier fraglichen Richtungen bald mehr bald weniger gewissen Beschränkungen unterworfen. Insbesondere haben nach dem Vor­ gänge des gemeinen Rechtes (1. 25 Cod. de admin. tut. 5,37; H 2 Inst quib. alienare 2, s) auch neuere Gesetze vielfach die Wirksamkeit der Annahme von Zahlungen durch den Vormund, soweit es sich um die Erhebung des Stammes einer Forderung handelt, von der Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes ab­ hängig gemacht (vergl. preuß. A. L. R. II, 18 §§ 499, 500; österr. G. B.

§ 234; sächs. G. B. § 1038; weimar. Ges. v. 27. März 1872 § 52 Nr. 5). Ob nach gemeinem Rechte auch die Abtretung einer dem Mündel zustehenden Kapitalforderung der Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes bedarf, ist bestritten; doch wird dies von Theorie und Praxis vorwiegend angenommen (vergl. Entsch. d. R. G. in Civils. XII, 34, XVI, 24). Auf demselben Boden stehen auch verschiedene neuere Gesetze (vergl. österr. G. B. § 233; sächs. G. B. §§ 1941, 1946; Weimar. Ges. v. 27. März 1872 § 52 Nr. 6; Hess. Entw. IV Art. 78; bayr. Entw. Art. 78 Nr. 3). Zum Theil sehen indessen die an­ geführten Gesetze, soviel die Annahme von Zahlungen und die Abtretung von Forderungen betrifft, für geringere Forderungen von dem Erfordernisse der Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes ab (vergl. sächs. G. B. §§ 1946, 1938; weimar. Ges. v. 27. März 1872 § 52 Nr. 5, 6). Dagegen ist nach franz. Rechte dem Vormunde die Einziehung und Abtretung der dem Mündel zustehenden Mobiliarforderungen selbständig überlasten. Auch die brem. Vorm. O. § 48 und verschiedene bayr. Statuten haben die Verfügung des Vormundes in Ansehung der dem Mündel zustehenden Forderungen einer Beschränkung nicht unterworfen (vergl. ferner, soviel die Annahme von Zahlungen betrifft, Hamb. Vorm. O. Art. 48; bayr. Entw. Art. 79). Einen Mittelweg hat die preuß. Vorm. O. §§ 41, 46 eingeschlagen. Nach dieser bedarf es der Genehmigung des Gegenvormundes zur Veräußerung von Werth­ papieren, ferner zur Einziehung, Abtretung oder Verpfändung von Kapitalien, sofern die letzteren nicht bei Sparkasten belegt sind. Die Genehmigung des Gegenvormundes kann durch die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes ersetzt werden. Motive z. bürgert Gesetzbuch. IV.

71

1122

Vormundsch. über Minderj. Genehmigung des Gegenvormundes. §1669.

Standpunlt Die Art und Weise, wie der Umfang der Vertrctungsmacht des VorLntwmses. Mundes in Ansehung der Verfügung über die dem Mündel zustehenden An­ sprüche, namentlich in Ansehung der Einziehung der Forderungen, geregelt­ wird, ist einerseits für die Sicherheit des Mündels, andererseits für den Verkehr, für die Rechtsstellung des Schuldners, von besonders großer Be­ deutung. Das Streben nach größerer Sicherheit des Mündels ist die Stellung des Schuldners, auf welche die hier einschlagcnden Bestimmungen, unabhängig von dem Willen desselben, einwirken, leicht zu gefährden geeignet. Die Rücksicht auf den Schuldner verbietet es namentlich, die befreiende Wirkung von Leistungen irgend welcher Art, welche durch den Schuldner an den Mündel zu bewirken sind, im Jntcresie größerer Sicherung des letzteren gegen Veruntreuungen des Vormundes daran zu knüpfen, daß die Leistung an eine öffentliche Hinterlegungsstelle geschehe, ganz abgesehen von den mit einer solchen Regelung verbundenen Kosten und sonstigen praktischen Un­ zuträglichkeiten. Rücksichten praktischer Zweckmäßigkeit, insbesondere die Rück­ sicht auf die Bequemlichkeit der Betheiligten und auf die Verininderung der Gcschäftslast der Gerichte sprechen ferner dagegen, die Wirksamkeit der hier fraglichen Geschäfte, welche bei einer Vermögensverwaltung häufiger vorzu­ kommen pflegen, stets von der Genehmigung des Vormundschaftsgcrichtes Genehmigung abhängig zu machen. Im Interesse der Sicherheit des Mündels ist es vielrwrmundes mehr regelmäßig als genügend zu erachten, wenn der Vormund bei Vornahme der hier in Rede stehenden Geschäfte an die Genehmigung des Gegen­ vormundes gebunden (vergl. § 1682) und nur dann die Genehmigung des b«jw.d-zBor- Vormundschaftsgerichtes für erforderlich erklärt wird, wenn ein Gegenvormund nicht bestellt ist. Durch das Erforderniß der Genehmigung des Gegenvormundcs wird der letztere in den Stand gesetzt, das weitere ordnungs­ mäßige Verfahren des Vormundes zu beaufsichtigen und, wenn Bedenken sich ergeben sollten, die nöthigen Schritte zu thun, um die Gefährdung des Mündels abzuwehren, insbesondere durch Anzeige an das Vormundschafts­ gericht (§ 1654). Die Gefahr, daß der Gegenvormund im Einverständnisie mit dem Vormunde einer Untreue sich schuldig macht, liegt sehr fern. Zu beachten ist daneben, daß dem Vormundschaftsgerichte durch die Bestimmungen über die Verpflichtung des Vormundes, dem Vormundschaftsgcrichte jährlich über die Verwaltung des Mündelvermögens Rechnung zu legen (§§ 1687, 1688), die Möglichkeit gewährt wird, bei Gelegenheit der Prüfung der Rechnung sich davon zu überzeugen, daß der Vormund insbesondere auch in Ansehung der Anlegung der Mündelgelder die ihm obliegendeir Pflichten erfüllt hat. Es versteht sich von selbst, daß das Vormundschaftsgericht auch nach dieser Richtung hin die sachliche Prüfung der Rechnung zu erstrecken hat. Ein Bedürfniß, durch eine besondere Bestimmung Vorsorge zu treffen, daß das Vormundschaftsgericht mit Rücksicht auf das demselben zustehende ständige Aufsichtsrccht (§ 1684) in allen Fällen, in welchen der Gegenvormund dem Vormunde die erforderliche Genehmigung namentlich zur Annahme einer Leistung ertheilt hat, durch den Gegenvormund sofort von dem Stande der Dinge in der hier fraglichen Beziehung in Kenntniß gesetzt wird, um auch seinerseits die Möglichkeit zu.haben, darauf einzuwirken, daß die Anlegung

Vorinundsch. über Minder). Genehmigung des Gegenvormundes. § 1669.

1123

der Mündelgelder ohne Verzögerung vorschriftsmäßig erfolgt, liegt im Hinblicke

Gcgenvormundc allgemein obliegende Verpflichtung, etwaige Pflichtwidrigkciten des Vormundes dem Vormundschaftsgerichte unverzüglich anzuzeigen (§ 1654), sowie im Hinblicke auf die dem Vormundschaftsgerichte nach § 1686 zustehende Befugniß, auch ohne eine solche Anzeige kraft seines Aufsichtsrechtcs von dem Vormunde Auskunft zu verlangen, nicht vor. Uebcrdies ist eine besondere Vorschrift der bezeichneten Art, hingesehen auf die damit verbundene erhöhte Verantwortlichkeit des Gegenvormundes und des Vormundschaftsgerichtes, sowie auf die dadurch herbeigeführte Vermehrung der Geschäfte der Vormundschaftsgerichte bedenklich. Als bedenklich ist cs auch erachtet, den Gegenvormund durch eine be­ sondere Bestimmung anzuweisen, für den Fall, wenn Gelder anzunehmen sind, Welche nach den Vorschriften des § 1664 angelegt werden sollen, die Ge­ nehmigung zur Annahme nur dann zu ertheilen, wenn die Anlegung gesichert wird. Durch eine derartige Bestimmung würde das Gesetz Anforderungen an den Gegcnvormund stellen, welchen derselbe nur dann einigermaßen würde nach­ kommen können, wenn ihm die Stellung eines Mitvormundcs eingeräumt würde und er sich demgemäß in die Mitinhabung der Gelder bezw. der Werth­ papiere setzen könnte. Eine solche Stellung würde aber mit der Eigenschaft des Gegcnvormundes als eines Aufsichtsorgancs nicht im Einklänge stehen. Es genügt, daß der Gegenvormund in Folge des Erfordernisses seiner Ge­ nehmigung Kenntniß erhält, wenn dem Vormunde Gelder oder Werthpapiere geleistet werden. Ob ein Mißtrauen in das künftige redliche Verfahren des Vormundes für den Gegenvormund einen genügenden Grund abgiebt, seine Genehmigung zurückzuhalten, kann nur nach den besonderen Umständen des einzelnen Falles beurtheilt werden. Im Einzelnen ist zu den Bestimmungen des § 1669 noch Folgendes zu uuf die dem

bemerken: 1. Wie bereits oben S. 1121 erwähnt wurde, verlangt die preuß. Vorm. O. umfang d-r § 41 die Genehmigung des Gegcnvormundes außer zur Veräußerung von tem ©egen? Werthpapieren zur Einziehung, Abtretung oder Verpfändung von Kapitalien, f*anbe nad»-

sofern dieselben nicht bei Sparkassen belegt sind. Der Entwurf geht in der Beschränkung des Vormundes weiter, indem er ganz allgemein für die Ver­ äußerung eines dem Mündel zustehenden Anspruches die Genehmigung des Gcgenvormundes vorschreibt, soweit dazu nicht nach den Vorschriften der '§§ 1671, 1674 die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes erforderlich ist. Es macht also keinen Unterschied, ob das Recht des Mündels auf eine Leistung auf einem Schuldverhältnisse im engeren Sinne oder auf einem anderen Rechts­ grunde, insbesondere einem dinglichen Rechtsverhältnisse, beruht (§ 154) oder ob, wie im Falle der Grundschuld (§ 1135), eine bestimmte Leistung nicht in •obligatione, sondern in solutione ist. Insbesondere hat der Entwurf auch die Beschränkung auf „Kapitalien" aufgegeben, da dieser Ausdruck an einer gewissen, die Sicherheit des Verkehres gefährdenden Unbestimmtheit leidet und insbesondere zweifelhaft läßt, ob und inwieweit darunter auch der noch ausstehende Kauf­ preis für verkaufte Mündelsachen, insbesondere für verkaufte Grundstücke des Mündels, fällt, es aber bedenklich sein würde, solche Ansprüche des Mündels 71*

1124

Vcrmundsch- über Minder). Genehmigung des Gegenvormunde?. §1669.

yon der im § 1669 bestimmten Beschränkung der Vertretungsmacht des Vor-mundes auszunehmen. Mit Rücksicht auf ihre besondere Wichtigkeit und zur Vermeidung von Zweifeln hebt der § 1669 Abs. 1 ausdrücklich hervor, daß. auch Hypotheken, Grundschulden und Werthpapiere unter die dort bezeichneten Ansprüche fallen. Wenngleich der Entwurf zu einem Rechtsgeschäfte, durch, welches ein Recht an einem Grundstücke veräußert wird, im Uebrigen grund­

sätzlich die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes verlangt (§ 1674 Nr. 1), so hat er doch die Veräußerung von Hypotheken und Grundschuldcn, da die­ selben wirthschaftlich dem Forderungsverkehrc angehören, die Verfügung über dieselben auch nicht über die Grenzen der gewöhnlichen Vermögensverwaltung hinausgeht und eine freiere Bewegung in dieser Beziehung in vielen Fällen auch im Interesse des Mündels selbst liegt (vcrgl. die Motive zu § 1511 oben S. 765 ff.), dem § 1669 unterstellt (vergl. auch § 1432 Abs. 2 Nr. 2). Soweit jedoch die für einen Anspruch des Mündels bestehende Hypothek aufgehoben oder gemindert werden soll, ist nach § 1674 Nr. 13 — abweichend von der preuß. Norm. O. § 41 Nr. 3 — die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtcs. erforderlich (vergl. Motive zu § 1674). mit Rücksicht 2. Da der Ausdruck „Veräußerung" nach dem Sprachgebrauche des des Rechtt- Gesetzbuches nur die Uebertragung und das Aufgeben des Rechtes in seiner geschäftes. Totalität umfaßt (vergl. z. B. §§ 107, 1300, 1511 Nr. 1), so ist neben der Veräußerung im § 1669 Abs. 1 noch besonders die Belastung erwähnt, um die Bestellung von Nießbrauchs- und insbesondere von Pfandrechten an den. hier fraglichen Gegenständen zu treffen. Ferner stellt der § 1669 Abs. 1, damit der beabsichtigte Zweck nicht vereitelt wird, dem dinglichen Rechtsgeschäfte das obligatorische Rechtsgeschäft gleich, durch welches die Verpflichtung zu einer Veräußerung oder Belastung der im § 1669 Abs. 1 bezeichneten Art be­ gründet wird (vergl. auch § 1674 Nr. 1). Eine Ausnahme von dem Grundsätze, daß zur Veräußerung oder Be­ lastung eines dem Mündel zustehenden Anspruches die Genehmigung des. Gegenvormundcs erforderlich ist, hat der Entwurf auch nicht für den Fall gemacht, wenn dem Dritten ein Recht auf die Veräußerung zusteht (vergl. sächs. G. B. § 1946). Wenngleich die Ausnahme an sich innerlich begründet ist, so paßt sie doch nicht für solche Fälle, in welchen über ein Recht an einem Grundstücke oder über ein Recht an einem solchen Rechte jit verfügen ist, da die Legitimation zur Vornahme von Rechtshandlungen, welche auf das Grund­ buch sich beziehen, eine unbedingte und für den Grundbuchrichter sicher erkennbare sein muß (vergl. § 1318 Nr. 1). Unter diesen Umständen ist es im Jntereffe der Einfachheit des Gesetzbuches angemessener, von jener Ausnahme überhaupt abzusehen. Das Erforderniß der Genehmigung in Fällen der hier fraglichen Art hat materiell nur die Bedeutung, daß der Gegenvormund zu prüfen hat, ob dem Dritten ein Recht auf die Veräußerung wirklich zusteht. Wird die Genehmigung verweigert, so kann der Dritte selbstverständlich seinen Anspruch, gegen den Mündel im Wege des Prozesses geltend machen. Im § 1676 ist ausdrücklich bestimmt, daß es zu der Veräußerung oder Belastung eines Gegen­ standes im Wege einer gegen den Mündel gerichteten Zwangsvollstreckung der Genehmigung des Gegenvormundes nicht bedarf.

Vormundsch. überMinderj. Genehmigung dcS Gegenvormundes. §1669.

1125

Der § 1676 crgiebt ferner, daß die Genehmigung des Gegenvormundes In den Fällen des § 1669 auch nicht erforderlich ist zu dem Anträge, einen gemeinschaftlichen Gegenstand zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft nach Maßgabe des § 769 Abs. 2 zu verkaufen (vergl. in dieser Beziehung die

Motive zu § 1676). 3. Nach dem Sprachgebrauche des Gesetzbuches fällt auch die Annahme einer geschuldeten Leistung unter den Begriff der Veräußerung und mithin unter die Regel des § 1669 Abs. 1. Von dieser Regel macht aber der § 1669 Abs. 2 in Ansehung der Annahme einer Leistung verschiedene Ausnahmen. Nach dem Vorgänge der preuß. Vorm. O. § 41 Nr. 2 das Erforderniß der Ge­ nehmigung des Gegenvormundes auf den Fall des Empfanges von Kapitalien zu beschränken, ist aus den oben S. 1123 angeführten Gründen als bedenklich erachtet. Es bleibt daher nur übrig, die frei einziehbaren Ansprüche in einer, wenn auch kasuistischeren, aber den Vorzug größerer Bestimmtheit gewährenden

Art abzugrenzen. Die Gefahr, welcher die im § 1669 bestimmte Beschränkung des Vormundes entgegenwirken soll, besteht darin, daß mit der Erfüllung der Obli­ gation der Gegenstand der Leistung in dem Vermögen des Mündels an die Stelle des aufgehobenen Anspruches tritt und daß nach der Natur dieses Gegenstandes eine Schädigung des Mündels durch Verfügungen des Vor­ mundes erleichtert wird. Das Erforderniß der Genehmigung des Gegen­ vormundes hat vornehmlich die praktische Bedeutung, daß in Folge derselben dem Vormunde die Umsetzung des Anspruches in ein leichter entziehbares Objekt ohne die Kenntnißnahme des Gegenvormundes verwehrt wird. Eine erhebliche Gefährdung des Mündels besteht indessen nur, wenn Geld oder Werthpapiere Gegenstand der Leistung sind, wobei es aber keinen Unterschied macht, ob der Anspruch ursprünglich auf einen anderen Gegenstand gegangen ist und erst in Folge der Nichterfüllung in einen Anspruch auf Geld sich um­ gesetzt hat. Die Ausnahme von der Regel des § 1669 Abs. 1 ist zudem noth­ wendig, weil ohne dieselbe die weitgehende Beschränkung des Vormundes diesem die Vermögensverwaltung erschweren und im Verkehre lästig empfunden werden würde. Eine weitere Ausnahme bestimmt der § 1669 Abs. 2 für den Fall, wenn die zu realisirenden Ansprüche unter den Begriff der Nutzungen des Mündel­ vermögens (§§ 792, 793) fallen. Die freiere Stellung des Vormundes in Ansehung solcher Ansprüche entspricht dem Zwecke der Nutzungen, welche regelmäßig zur Bestreitung der lausenden Ausgaben benutzt werden und bei welchen eine Beschränkung des Vormundes zu großen Erschwerungen des Verkehres führen würde (vergl. auch 1. 25 Cod. de administr. 5, 37; sächs. G. B. § 1938; weimar. Ges. v. 27. März 1872 § 52 Nr. 5; preuß. Vorm. O. § 41 Nr. 2). Den hier fraglichen Ansprüchen stellt der Entwurf solche Ansprüche gleich, welche durch die Veräußerung der nicht in Ansprüchen, z. B. Zinsforderungen, sondern in anderen Objekten, z. B. Erzeugniffen, bestehenden Nutzungen begründet sind. Wegen der im § 1669 Abs. 1 Satz 1 ferner für den Fall bestimmten Ausnahme, wenn durch die Leistung ein Anspruch auf Rückzahlung von

Annahme

einer geschuldeten Leistung.

1126

Kündigung und Einklagung.

Vormundsch. übcr Minderj. Genehmigung des Gegenvormundes. § 1669.

Geldern erfüllt wird, welche nach Maßgabe der Bestimmung des § 1668 be­ legt sind, wird auf die Motive zu § 1668 oben S. 1120 Bezug genommen. Von der Regel, daß zur Einziehung von Kapitalien die Genehmigung des Gegcnvormundes erforderlich ist, läßt die preuß. Vorm. O. § 41 Nr. 2 eine Ausnahme eintreten für solche Kapitalien, welche bei Sparkassen belegt sind. Wenngleich diese Ausnahme geeignet ist, den geschäftlichen Verkehr mit den Sparkassen zu erleichtern, ein Gesichtspunkt, welcher dafür spricht, diese Ausnahme auch auf die Erhebung der nach Maßgabe des § 1665 belegten Gelder auszudehnen, so ist cs doch im Interesse der Sicherheit des Mündels als bedenklich erachtet, in diesen Fällen, in welchen es sich möglicher Weise um die Erhebung sehr beträchtlicher, an sich zu einer dauernden Anlegung be­ stimmter Gelder handelt, von dem Erfordernisse der Genehmigung des Gegenvonnundes abzusehen (vergl. auch § 1666 Abs. 2 nebst Motiven oben S. 1119 ff.). Die an ähnliche Bestimmungen des sächs. G. B. § 1938 und des weimar. Ges. v. 27. März 1872 § 52 Nr. 5 sich anschließende Ausnahme im § 1660 Abs. 2 Satz 2 beruht auf der Erwägung, daß bei Vormundschaften mit einiger­ maßen erheblicher Vermögensverwaltung dem Vormunde die Verwaltung des Mündelvermögens nicht zu sehr erschwert und er in der Freiheit seiner Be­ wegung nicht in einer mit den Bedürfnissen des praktischen Lebens nicht im Einklänge stehenden Weise beengt werden darf. Dieser Erwägung gegenüber kann auf das Bedenken, daß diese Ausnahme dem minder begüterten Mündel in Ansehung der demselben zustehcndcn Kapitalien den Schutz entziehe, welcheu die Regel des § 1669 dem reichen Mündel durch das Erforderniß der Ge­ nehmigung des Vormundschaftsgerichtcs gewähre, entscheidendes Gewicht nicht gelegt werden, zumal bei minder begüterten Mündeln die zinsbare Belegung der Mündelgelder vorzugsweise bei einer Sparkasse zu erfolgen pflegt, in einem solchen Falle aber die hier fragliche Ausnahme nach den Schlußworten des § 1669 Abs. 2 keine Anwendung findet, sofern, wie dies nach § 1666 Abs. 2 geschehen soll, die Anlegung mit der Bestimmung bewirkt ist, daß zur Erhebung der Gelder die Genehmigung des Gegenvormundes oder des Vormundschafts­ gerichtes erforderlich sei. Ebensowenig soll die Ausnahme in Ansehung der Zurückzahlung der nach Maßgabe des § 1665 belegten Gelder Platz greifen, wenn dieselben in Gemäßheit des § 1666 Abs. 2 mit der dort bezeichneten Bestimmung angelegt sind. Die Ausdehnung der hier in Rede stehenden Aus­ nahme auf solche Gelder, welche mit der im § 1666 Abs. 2 bezeichneten Be­ stimmung angelegt sind, würde mit dem Zwecke der Vorschrift des § 1666 Abs. 2 nicht im Einklänge stehen. Uebrigens ist für die im § 1669 Abs. 2 Satz 2 bestimmte Ausnahme, wie auch die Fasiung ergiebt, nicht der Betrag der Leistung, sondern des Anspruches maßgebend, sodaß der Vormund, wenn der Betrag des Anspruches dreihundert Mark übersteigt, auch Teilzahlungen, welche jenen Betrag nicht übersteigen, ohne Genehmigung des Gegenvormundes wirksam nicht annehmcn kann. Die Entscheidung der Frage, wann ein ein­ heitlicher Anspruch oder eine Mehrheit von Ansprüchen vorliegt, hängt von den konkreten Umständen ab und ist der Jurisprudenz zu überlasten. 4. Die preuß. Vorm. O. § 41 Nr. 2 verlangt die Genehmigung des Gegenvormundcs zur Einziehung von Kapitalien. Ob der Ausdruck „Ein-

Dcrmundsch. über Minderj. Genehmigung des Gegenvormundes. § 1669.

1127

ziehung" auch die Kündigung, sowie die Einklagung mitumfaßt, ist bestrittcu. Der Entwurf beschränkt den Vormund weher in der einen noch in der anderen

Beziehung.

Eine besondere Gefährdung crgiebt sich für den Mündel aus der

bloßcu Kündigung nicht. Gegen einen Mißbrauch der freien Kündigungsbcfugniß des Vormundes ist der Mündel durch die persönliche Verantwortlich­ keit des Vormundes genügend geschützt. Auf der anderen Seite kann eine Beschränkung dieser Befugniß für den Mündel unter Umständen nachthcilig wirken, wenn cs sich um eine Beschleunigung zur Abwendung von Gefahren handelt (vergl. prcuß. A. L. R. II, 18 § 497; abweichend braunschw. Verordn. v. 3. Februar 1814 § 50; öitcrr. G. B. § 233). Wegen der Gründe, aus welchen der Entwurf den Vormund in der Befugniß zur Prozcßführung nicht beschränkt, wird auf die Motive zu § 1674

vermiesen. 5. Die Bestimmung des § 1669 Abs. 3 Satz 1 entspricht dem § 41 ®e8n^9u“na Abs. 2 der prcuß. Vorm. O. Aus § 1679 ergiebt sich übrigens, daß das e * Vormundschaftsgericht, bevor dasselbe durch seine Genehmigung die des Gegen-

Vormundes ersetzt, den letzteren hören soll. Ein Bedürfniß, für den Fall, wenn der Gegenvormund seine Ge­ nehmigung zur Annahme einer Leistung versagt, dem Vormunde das Recht beizulcgen, von dem Schuldner die öffentliche Hinterlegung der Leistung zu verlangen, damit die Einziehung der Forderung nicht verzögert wird und der Mündel nicht in Annahmeverzug geräth, liegt nicht vor. Der regelmäßige Ausweg liegt in einem solchen Falle in der Nachsuchung der Genehmigung des Vormundschaftsgcrichtes durch den Vormund. Zudem ist ein derartiger Hintcrlcgungszwang gegen den Schuldner nicht gerechtfertigt. Die weitere Bestimmung des § 1669 Abs. 3 Satz 2, daß die Ge­ nehmigung des Vormundschaftsgerichtes auch dann erforderlich ist, wenn ein Gegenvormund nicht bestellt ist — mag nun die Nichtbestellung ordnungs­ mäßig sein oder nicht (§ 1647) —, schneidet einerseits die an den § 41 der prcuß. Vorm. O. sich knüpfende Streitfrage ab, ob, wenn das Gericht that­ sächlich einen Gegenvormund nicht bestellt hat, obwohl ein solcher nach der Vorschrift des Gesetzes (§ 26 Abs. 2 der prcuß. Vorm. O.) hätte bestellt werden müssen, die im § 41 bezeichneten Verfügungen des Vormundes so lange unwirksam sind, bis die Genehmigung eines Gegenvormundes erfolgt ist (vergl. Jahrb. der Entsch. des Kammcrger. IV, 38, 39), und sorgt andererseits dafür, daß auch in solchen Fällen, in welchen ein Gegenvormund nicht bestellt ist, weil ein solcher nach der Vorschrift des Gesetzes (§ 1647) nicht bestellt zu werden brauchte, dem Mündel der Schutz, welchen ihm der § 1669 Abs. 1 im Falle der Bestellung eines Gegenvormundes durch das Erforderniß der Ge­ nehmigung des letzteren zu gewähren bezweckt, durch das Erforderniß der Ge­ nehmigung des Vormundschaftsgerichtes zu Theil wird. Geht man einmal davon aus, daß im Interesse der Sicherheit des Mündels dem Vormunde die im § 1669 bezeichneten Rechtsgeschäfte nicht allein überlassen werden dürfen, so würde es inkonsequent sein und der inneren Begründung entbehren, dem Mündel diese Sicherung nur dann zu gewähren, wenn ein Gegenvormund bestellt ist oder doch nach der Absicht des Gesetzes hätte bestellt werden sollen, ihm

flcn*teS-

1128

Vormundsch. über Minderj. Genehmigung des Gegenvormundes. § 1669.

dieselbe aber zu versagen, wenn ein Gegenvormund, z. B. wegen Unerheblichkeit der Vermögensverwaltung, nicht bestellt ist. Auch bei einer unerheblichen Vermögensverwaltung können die int § 1669 bezeichneten Rechtsgeschäfte vor­ kommen und hat in solchen Fällen der weniger begüterte Mündel nicht minder wie der reiche Mündel ein Jnteresie daran, daß ihm durch das Erforderniß der Genehmigung eines Aufsichtsorganes eine größere Sicherheit gewährt wird. Ausnahme 6et

Von der Bestimmung, daß cs in den Fällen des § 1669, wenn ein Gegenvormund nicht bestellt ist, der Genehmigung des Vormundschaftsgcrichtcs XmünbeT bedarf, macht jedoch der § 1669 Abs. 3 Satz 2 im Anschlüsse an die Vorschriften der preuß. Vorm. O. §§ 41, 26 Abs. 3 eine Ausnahme für den Fall, wenn mehrere Vormünder die Vormundschaft gemeinschaftlich führen. Diese Ausnahme rechtfertigt sich durch die Erwägung, daß in diesem Falle der Mangel der Genehmigung eines Aufsichtsorganes durch die gegenseitige Kontrole der Mitvormünder und die Vorschrift ersetzt wird, daß dieselben nur genteinschaftlich handeln können, bei Meinungsverschiedenheiten aber das Vor­ mundschaftsgericht entscheidet (§ 1652).

kicher Vermal-

Weitere Ausnahmen von der Regel des § 1669 sind in den §§ 1676, 1690, 1733 bestimmt (vergl. ferner die in der Anm. 1 zu § 1634 enthaltene, für das Einführungsgesetz bestimmte Vorschrift). Wegen dieser Ausnahme wird auf die Motive zu jenen Paragraphen Bezug genommen.

n. Gemeinrechtlich ist zur Veräußerung nicht nur von unbeweglichen, ^Münde?-^ sondern auch von beweglichen Mündelsachen die obervormundschaftliche Ge-

Veräußerung

sachen.

nehmigung erforderlich. Ausgenommen sind jedoch die Einkünfte und ganz werthlose und überflüssige Sachen.

Die neueren Gesetze haben den Vormund in Ansehung der Veräußerung beweglicher Mündelsachen meist freier gestellt; zum Theil schreiben sie um­

gekehrt dem Vormunde die sofortige Versilberung des beweglichen Vermögens vor und gestatten demselben nur ausnahmsweise, insbesondere mit ober­ vormundschaftlicher Genehmigung, die Veräußerung zu unterlasien. Letzteres ist namentlich der Standpunkt des franz. Rechtes (code civil Art. 452, 453; vergl. auch Hess. Entw. IV Art. 55; bayr. Eutw. Art. 70), sowie im Wesent­ lichen der des preuß. A. L. R. II, 18 §§ 439 ff. und des österr. G. B. § 231. Auch nach württemb. Rechte soll die Fahrniß mit Ausnahme solcher Gegen­ stände, welcher der Mündel selbst bedarf, verkauft werden; wenn aber deren Werth 50 Fl. übersteigt, ist die Genehmigung der Obervormundschaft er­ forderlich. Das sächs. G. B. § 1940 macht dem Vormunde zur Pflicht, be­ wegliche Sachen, welche ohne Gefahr und Schaden nicht aufbewahrt werden

können, zu veräußern. Der Entwurf geht davon aus, daß der Vormund in Ansehung der Ver­ äußerung beweglicher Sachen weder nach der einen noch nach der anderen Richtung hin an eine allgemeine Regel gebunden sein, es ihm vielmehr überlaffen bleiben soll, im einzelnen Falle so zu verfahren, wie cs nach seinem Ermeffeil dem Jnteresie des Mündels am meisten entspricht (vergl. auch lübeck.

Vorm. O. 8 54; brem. Vorm. D. § 52; preuß. Vorm. O. § 41 nebst Motiven S. 77). Auch die in neueren Gesetzen (vergl. preuß. A. L. R. II, 18 § 441;

Vormundschaft rc.

Jnhaberpapiere rc.

Hinterlegung rc.

§ 1670.

1129

österr. G. B. § 231; code civil Art. 452; lübeck. Vorm. O. § 54; brern. Vorm. O. § 52; Hamb. Vorm. O. Art. 44; Hess. Entw. IV Art. 55; bayr. Entw. Art. 72) häufig sich findende, dem gemeinen Rechte, dem sächs. G. B. und der preuß. Vorm. O. (vergl. Motive zu dcrs. S. 77) dagegen unbekannte Vorschrift, daß die Veräußerung beweglicher Sachen in der Regel im Wege öffentlicher Versteigerung erfolgen solle, hat der Entwurf nicht ausgenommen,

weil sie den Vormund in der Freiheit der Verwaltung ohne Roth zu sehr beengt.

Eine Ausnahme von der Regel, daß der Vormund in Ansehung der K°stb°-i-u-n.

Veräußerung beweglicher Sachen einer Beschränkung nicht unterliegt, ist auch nicht für Kostbarkeiten gemacht, obwohl verschiedene neuere Gesetze die Ver­ äußerung der letzteren an obervormundschaftliche Genehmigung binden (vergl. preuß. A. L. R. II, 18 §§ 445—447; sächs. G. B. § 1940; Weimar. Ges. v. 27. März 1872 § 52 Nr. 6). Der Begriff der Kostbarkeiten ist ein sehr unbestimmter, und ist es deshalb in hohem Maße bedenklich, den Umstand, daß es sich um Kostbarkeiten handelt, in die Voraussetzung einer Rechtsnorm aufzunehmen, welche nicht nur die Rechtsbeziehungen zwischen Vormund und Mündel betrifft, sondern auch nach außen wirkt. Man könnte des­ halb nur an eine instruktionelle Vorschrift denken. Der. praktische Nutzen einer solchen Vorschrift für den Mündel ist indesien ein so geringer, daß ihre Aufnahme mit Rücksicht auf die mit einer solchen Vorschrift verbundenen Er­ schwerungen und Belästigungen der vormundschaftlichen Verwaltung nicht als angemesien erachtet werden kann. Der Entwurf der preuß. Vorm. O. stellte allerdings für die Veräußerung von Kostbarkeiten das Erforderniß der Ge­ nehmigung des Gegenvormundes auf. Durch die Kommission des Herren­ hauses wurde diese Bestimmung jedoch gestrichen und findet sich in der preuß. Vorm. O. selbst nicht mehr.

Nur in dem Falle, wenn Kostbarkeiten des Mündels auf Anordnung des Vormundschaftsgerichtes hinterlegt sind (§ 1670 Abs. 3), ist in Ansehung derselben die Vertretungsmacht des Vormundes nach Maßgabe des § 1671 Abs. 1 beschränkt.

§ 1670. 1. Wenngleich nicht verkannt wird, daß die im § 1670 Abs. 1 be- s»h-b-rstimmte gesetzliche Verpflichtung des Vormundes gegenüber dem in dem größten Hinterlegung; Theile Deutschlands geltenden Rechte, namentlich gegenüber dem gemeinen Umschreibung.

Rechte, dem franz. Rechte, der preuß. Vorm. O. § 60 (vergl. auch § 24 des preuß. Ges., betr. das Staatsschuldbuch, v. 20. Juli 1883) und dem sächs. G. B. § 1904, eine Neuerung enthält (vergl. ferner els.lothr. Ges. v. 16. Juni 1887 § 3; Hess. Ges., betr. die Anlegung vormundschaftlicher und pflegschaftlicher Gelder, sowie die Aufbewahrung der Werthpapiere u. s. w., v. 18. Juni 1887 Art. 5; bayr. Entw. Art. 68), wenngleich ferner zu­ gegeben werden mag, daß jene Verpflichtung insofern die Verantwortlichkeit des Vormundes steigert, als derselbe bei schuldvoller Verzögerung der gesetz­ lichen Verpflichtung die Gefahr des Verlustes der hier fraglichen Papiere durch Diebstahl, Brandunglück u. s. w. trägt, und daß der Hinterlegungs-

1130

Vormundschaft rc.

Jnhaberpapiere re.

Hinterlegung 2c.

§ 1670.

zwang bei größerem Vermögen die Verwaltung des Vormundes erschweren kann, die Vormundschaftsgcrichte aber im Hinblicke auf ihre Verantwort­ lichkeit (§ 1702) nicht leicht geneigt sein werden, den Vormund von der hier fraglichen gesetzlichen Verpflichtung zu dispensiren (§ 1670 Abs. 2), so sind doch die für die Bestimmung des § 1670 Abs. 1 sprechenden Gründe als überwiegend zu erachten. Entscheidend fällt ins Gewicht, daß dadurch der Mündel gegen die mit der Natur der Jnhaberpapiere verbundenen Gefahren besser geschützt wird. Die Gründe, auf welchen die Bestimmungen des § 1669 beruhen, daß der Vormund über Ansprüche des Mündels regel­ mäßig nicht ohne die Genehmigung des Gegenvormundes oder des Vormundschaftsgerichtcs soll verfügen können, sprechen dafür, bei Jnhaberpapieren die Hinterlegung oder die Umschreibung auf den Namen des Mündels, sofern dies zulässig ist (vergl. preuß. Ges., betr. das Staatsschuldbuch, v. 20. Juli 1883; sächs. Ges., das Staatsschuldbuch betr., v. 25. April 1884), vor­ zuschreiben, um den Vormund zu verhindern, daß er als Inhaber über jene Papiere ohne die Genehmigung des Gegenvormundcs oder des Vormundschafts­ gerichtes verfügt. Dieser Schutz des Mündels gegen Untreue des Vormundes ist um so mehr angezeigt, als der Vormund nicht mehr zur Kautionsleistung gezwungen werden kann (§ 1689 verb. mit § 1643 Nr. 6 und § 1706 Abs. 2) und dem Mündel eine gesetzliche Hypothek an dem Vermögen des Vormundes nicht mehr zusteht. Aber nicht nur von dem Gesichtspunkte des Schutzes gegen den Vormund aus, sondern vornehmlich zum Schutze gegen den Verlust der Papiere durch zufällige Umstände ist die Hinterlegung oder die Umschreibung der Papiere auf den Namen des Mündels als angemessen zu erachten. Von diesem letzteren Gesichtspunkte aus betrachtet, liegt die Maßregel auch in dem eigenen Interesse des Vormundes, welcher auf diese Weise der Verantwortlich­ keit in Ansehung der eigenen Verwahrung der Papiere überhoben wird. Das Bedenken, daß bei einer größeren Vermögensverwaltung der Hinterlegungs­ zwang für den Vormund mit vielen Weiterungen und Belästigungen ver­ bunden ist, wird, abgesehen davon, daß dem Vormundschaftsgerichte nach § 1670 Abs. 2 die Befugnis; zusteht, den Vormund geeignetenfalls von der im § 1670 Abs. 1 bestimmten Verpflichtung gänzlich zu entbinden, wesentlich da­ durch gemildert, daß die hier fragliche gesetzliche Verpflichtung des Vormundes auf die Zinsscheine, Rentenkupons, Gewinnantheilsscheine und die Erneuerungs­ scheine sich nicht beziehen soll. Um so unbedenklicher ist die Bestimmung des § 1670 Abs. 1, als erfahrungsmäßig im Gebiete der preuß. Vorm. O. in der großen Mehrzahl der Fälle die Jnhaberpapiere des Mündels hinterlegt, außer Kurs gesetzt oder nach Maßgabe des preuß. Ges. v. 20. Juli 1883, betr. das Staatsschuldbuch, auf den Namen des Mündels im Staatsschuld­ buche umgeschrieben werden. Auch in solchen Rechtsgebietcn, in welchen, wie in Bayern (vergl. bayr. Hypoth. Ges. v. 1. Juni 1822 § 20) und in Württemberg (Justizministerialverfügungen v. 28. März 1856 u. v. 9. Oktober 1863) ähnliche Vorschriften, wie die Vorschrift des § 1669 Abs. 1, schon seit längerer Zeit bestehen, haben dieselben praktisch sich bewährt, und auch in neuerer Zeit sind in verschiedenen anderen Gebieten ähnliche Vorschriften er­ lassen (oldenb. Gesetze v. 3. April 1876 Art. 2, v. 28. Januar 1879 Art. 2

Vormundschaft rc.

Jnhaberpapierc rc.

Hinterlegung ic.

§ 1670.

1 131

-und v. 19. März 1879 Art. 2; braunschw. Ges. v. 8. Februar 1883 § 2; brem. Ges. v. 15. März 1887; vergl. auch das R- Ges., betr. die Krankenvcrsichcrung der Arbeiter, v. 15. Juni 1883 § 40; Ges., betr. die Unfall­ versicherung der bei Bauten beschäftigten Arbeiter, v. 11. Juli 1887 § 43; öfters. G. B. § 229). Zu beachten ist ferner, daß, wenn man die Hinter­ legung bezw. die Umschreibung als Regel vorschreibt, statt mit den oben S. 1129 angeführten Gesetzen die umgekehrte Regel aufzustellcn und dem Vormundschaftsgcrichte nur die Befugniß beizulcgcn, eine derartige Anordnung zu treffen, die Maßregel den Karaktcr einer aus besonderem Mißtrauen hervor­ gegangenen Maßregel verliert und einer ungleichen Praxis in der hier frag­ lichen Beziehung entgegengetreten wird. 2. Die im § 1670 Abs. 1 bestimmte, kraft Gesetzes eintretende Ver- Gegenstand pflichtung beschränkt sich auf die auf Inhaber lautenden Schuldverschreibungen Hinterlegung, und Aktien des Mündels. Unter den Jnhaberpapieren sind aber nicht auch Blankowechsel und andere Ordre- oder Namenpapiere zu verstehen, deren Uebcrtragung in blanco geschehen kann. Ein Bedürfniß, die Bestimmung des § 1670 Abs. 1 auch auf andere Werthpapiere, insbesondere auf sog. unvoll­ kommene Jnhaberpapierc (§ 703), auszudehnen, liegt nicht vor. Insoweit reichen die Bestimmungen des § 1669 aus. Anlangend namentlich die Sparkasienbücher, sowie die nach Maßgabe des § 1665 bei den dort bezeichneten Instituten vorübergehend belegten Gelder, so ist insoweit durch die Bestimmung des § 1666 Abs. 2 ausreichend Vorsorge getroffen, daß eine unter die Be­ stimmung des § 1664 Abs. 2 Nr. 5 und des § 1665 fallende Anlegung nur mit der Bestimmung bewirkt werden soll, daß zur Erhebung der Gelder die Genehmigung des Gegenvormundes oder des Vormundschaftsgerichtes er­ forderlich ist. 3. Die Hinterlegung soll bei der Reichsbank oder einer anderen dazu Hmt-rdurch die Landesgesetze für geeignet erklärten Stelle erfolgen (vergl. preuß. Ie9un9us‘eIte-

Vorm. O. § 60 nebst der preuß. Hinter!. O. v. 14. März 1879 §§ 46 bis 52; bayr. Hypoth. Ges. v. 1. Juni 1822 § 20; sächs. G. B. § 1904; weimar. Ges. v. 27. März 1872 § 44; braunschw. Ges. v. 8. Februar 1883 § 2; brem. Ges. v. 15. März 1887; bayr. Entiv. Art. 68; hesi. Ges., betr. die Anlegung vormundschaftlicher und pflegschaftlicher Gelder u. s. w., v. 18. Juni 1887 Art. 5). Die Landesgesetzgebung hat es hiernach in der Hand, zu be­ stimmen, daß die Hinterlegung auch bei den öffentlichen Hinterlegungsstellen (§ 280) erfolgen sann. 4. Der Zweck der im § 1670 Abs. 1 bestimmten gesetzlichen Verpflichtung Art d-r Be­ bes Vormundes bringt es mit sich, daß, wenn eine Hinterlegung in Erfüllung jener Verpflichtung erfolgt ist, die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes °d-r zur Erhebung der hinterlegten Jnhaberpapiere für erforderlich erklärt wirdUrn,4,rei6un9' (§ 1671 Abs. 1). Ebenso bedarf es nach § 1671 Abs. 2, wenn eine Um­ schreibung in Erfüllung der im § 1670 Abs. 1 bestimmten gesetzlichen Ver­

pflichtung erfolgt ist, der Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes zur Er­ setzung der umgeschriebencn Papiere durch Jnhaberpapiere und zur Erhebung der letzteren (vergl. die Motive zu § 1671). Dagegen muß in solchen Fällen, in welchen der Vormund ausnahmsweise zu der Hinterlegung bezw. zur Be-

1132

Vormundschaft;c. Jnhaberpapiere;c. Hinterlegung x. § 1670.

Wirkung der Umschreibung nicht verpflichtet war (vergl. § 1670 Abs. 2, §§ 1692, 1733), er aber aus freien Stücken jene Maßregeln ergriffen hat, demselben die Befugniß eingeräumt werden, auch ohne Genehmigung des Vormundschafts­

gerichtes jene Maßregeln wieder aufzuheben (§ 1672). Aus diesem Grunde ist es erforderlich, zwischen solchen Fällen, in welchen der Vormund die Maß­ regeln in Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung, und solchen Fällen, in welchen er dieselben ohne Nöthigung ergriffen hat, eine Unterscheidung auf­ zustellen. Zu dem Ende empfiehlt es sich, im Anschlüsse an die ähnliche Vor­ schrift des § 1666 Abs. 2 zu bestimmen, daß der Vormund, wenn er zum Zwecke der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung die Jnhaberpapiere hinter­ legt oder auf den Namen des Mündels umschreiben läßt, die Hinterlegung bezw. die Umschreibung mit der im § 1670 Abs. 1 bezeichneten Bestimmung bewirken soll (vergl. auch preuß. Hinter!. O. v. 14. Mürz 1879 §§ 48—51; brem. Ges. v. 15. März 1887). Da die im § 1671 bestimmten Beschränkungen der Vertretungsmacht des Vormundes in Ansehung der hinterlegten Gegen­ stände und umgeschriebenen Papiere nur dann eintreten, wenn die Hinter­ legung oder Umschreibung mit der fraglichen Klausel nach Maßgabe des § 1670 erfolgt ist, so wird auf diese Weise jede Gefährdung der Sicherheit des Verkehres vermieden. H'E^ung 5. Die Vorschrift des § 1670 Abs 3, welche sich an ähnliche VorW-rthxapier°schriften verschiedener neuerer Gesetze anschließt (vergl. preuß. Vorm. O. § 60 ""barkit-n^ und preuß. Ges., betr. das Staatsschuldbuch, v. 20. Juli 1883 § 24; sächs.

G. B. § 1904; weimar. Ges. v. 27. März 1872 § 44; oldenb. Ges. v. 3. April 1876 Art. 2, v. 28. Januar 1879 Art. 2 und v. 19. März 1879 Art. 2; banr. Entw. Art. 68; heff. Ges., betr. die Anlegung vormundschaftlicher und pflegschaftlicher Gelder u. s. w., v. 18. Juni 1887 Art. 5) ist namentlich für solche Fälle nicht zu entbehren, in welchen das Vormundschaftsgericht dem Vor­ munde mißtraut oder in welchen der letztere außer Stande ist, selbst für eine gehörige Aufbewahrung der im § 1670 Abs. 3 bezeichneten Gegenstände zu sorgen. Auf Grund des § 1670 Abs. 3 kann das Vormundschaftsgericht insbesondere auch die Hinterlegung der im § 1670 Abs. 1 bezeichneten Zins­ scheine, Rentenkupons, Gewinnantheilscheine und Talons anordnen. Von be­ sonderer Wichtigkeit ist die Vorschrift des § 1670 Abs. 3 wegen der nach § 1671 Abs. 1 an die Hinterlegung sich knüpfenden Beschränkungen der Vertretungs­ macht des Vormundes in Ansehung der hinterlegten Gegenstände. Ein Bedürfniß, die im § 1670 Abs. 3 dem Vormundschaftsgerichte bei­ gelegte Befugniß auch noch auf andere Gegenstände, als die dort bezeichneten, auszudehnen, insbesondere auf baares Geld (weimar. Ges. v. 27. März 1872 § 44; heff. Entw. IV Art. 42; bayr. Entw. 68) oder allgemein auf Schuld­ urkunden oder auch auf sonstige Urkunden (preuß. A. L. R. II, 18 § 422 verb. mit der preuß. Verordn, v. 19. Juli 1849; österr. G. B. § 229; sächs. G. B. § 1904; weimar. Ges. v. 27. März 1872 §44; oldenb. Gesetze v. 3. April 1876 Art. 2, v. 28. Januar 1879 Art. 2 und v. 19. März 1879 Art. 2; bayr. Entw. Art. 68), kann dagegen nicht anerkannt werden. Soweit der Vormund baares Geld in Händen hat, kommen die Vorschriften der §§ 1664—1668 zur Anwendung.

Vormundschaft rc.

Jnhaberpapicre u.

Hinterlegung rc.

§ 1671.

1133

6. Einige Gesetze schreiben die Außerkurssetzung der dem Mündel ge- Außeriurshörenden Jnhaberpapicre vor oder gestatten der Obervormundschaft, eine solche ,e6ung'

anzuordncn (vcrgl. preuß. Vorm. O. § 60; brem. Ges. v. 15. März 1887; bayr. Entm. Art. 66 Nr. 2). Der Entwurf hat das Institut der Außerkurs­ setzung nicht ausgenommen (vergl. § 700). Aber auch, wenn etwa im Einführungsgesetzc den Landesgesetzgebungen die Beibehaltung oder Einführung jenes Institutes gestattet werden sollte, empfiehlt es sich nicht, die Außerkurs­ setzung der dem Mündel gehörenden Jnhaberpapicre als ein weiteres Sicherungs­ mittel zur Wahl zu stellen, da eine solche Maßregel für die Marktgängigkeit der Papiere mit Nachtheilen verbunden sein kann, andererseits die Bestim­ mungen des § 1670 Abs. 1 den Mündel gegen die Gefahren der Inhaber­ papiere ausreichend schützen.

7. Ein Bedürfniß, das Vormundschaftsgericht auch auf Antrag des Vor- Hinterlegung mundes zu verpflichten, eine Hinterlegung nach Maßgabe des § 1670 Abs. 3 Umschreibung eintreten zu lasten (vergl. preuß. Vorm. O. § 60 Abs. 3; sächs. G. B. § 1904; ««f »"trag. Weimar. Ges. v. 27. März 1872 § 44; bayr. Entw. Art. 68), liegt nicht vor.

Eine derartige Vorschrift paßt auch nicht zu den nach § 1671 an die Hinter­ legung geknüpften Wirkungen. Dem Vormunde steht es aber frei, auch in­ soweit, als eine Nöthigung zur Hinterlegung nicht besteht, nach Maßgabe des § 1672 Werthpapiere und Kostbarkeiten zu hinterlegen, bezw. die in Inhaber­ papieren bestehenden Werthpapiere auf den Namen des Mündels umschreiben zu lassen. Der Landesgesetzgebung ist es übrigens unbenommen, zu bestimmen, daß das Vormundschaftsgericht in solchen Fällen auf Antrag des Vormundes verpflichtet sein soll, eine derartige Hinterlegung oder Umschreibung thatsächlich zu vermitteln.

§ 1671. In der preuß. Jurisprudenz ist es bestritten, welche Bedeutung eine nach Beschränkung Maßgabe des § 60 der preuß. Vorm. O. auf gerichtliche Anordnung erfolgte VertretungsHinterlegung hat. Die eine Ansicht geht davon aus, daß jene Vorschrift lediglich eine Sicherung gegen die Gefahr des Abhandenkommens der hinterlegten Gegen­

stände, nicht auch eine Sicherung des Mündels gegen den Vormund bezwecke, der letztere daher durch eine solche Maßregel in seiner Verfügungsgewalt recht­ lich überall nicht beschränkt werde, auch die Wirksamkeit der Rückgabe der hinter­ legten Gegenstände an den Vormund nach der Vorm. O. von der Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes nicht abhängig sei. Dagegen wird in letzter Beziehung von der herrschenden Meinung das Gegentheil angenommen. Andere gehen noch weiter und sind der Ansicht, daß die Verwahrungsanordnung kraft Gesetzes eine Verfügungsbeschränkung des Vormundes enthalte oder doch von dem Vor­ mundschaftsgerichte mit dieser Wirkung erlassen werden könne. Durch die preuß. Hinter!. O. v. 14. März 1879 § 51 ist für die unter dieselbe fallenden Hinter­ legungen ausdrücklich bestimmt, daß es zur Herausgabe der nach § 60 Abs. 1 der preuß. Vorm. O. auf Anordnung des Vormundschaftsgerichtes hinterlegten Gegenstände an den Vormund der Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes bedarf. Auch wird, wenn auf Grund des preuß. Ges., betr. das Staatsschuld-

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bei Erhebung hinterlegten G-genstände,

Vormundschaft k.

Jnhabecpapiere 2t.

Hinterlegung rc.

§ 1671.

buch, v. 20. Juli 1883 § 24 das Vormundschaftsgericht angeordnet hat, daß die Eintragung der dem Mündel gehörenden Schuldverschreibungen auf den Namen desselben im Staatsschuldbuche beantragt werde, auf Antrag eine Be­ schränkung des Vormundes im Staatsschuldbuchc eingetragen, daß die Aus­ reichung von Staatsschuldverschreibungcn gegen Löschung der eingetragenen Forderung nur mit Genehmigung des Vormundschaftsgcrichtes zulässig sei (vergl. allg. Vcrf. des Justizministers v. 17. Dezember 1884 im preuß. Just. Min. Bl. 1884 S. 283; ferner els.lothr. Ges. v. 16. Juni 1887 § 6). Die Gründe, auf welchen die Bestimmungen des § 1670 beruhen, müssen nothwendig dahin führen, wenn eine Hinterlegung nach Maßgabe der Bestimmungcn des § 1670 erfolgt ist, die Erhebung der hinterlegten Gegenstände durch den Vormund an die Genehmigung des Vormundschaftsgcrichtes zu binden, da jene Bestimmungen auch eine Sicherung des Mündels gegen den Vormund und den Gcgenvormund bezwecken und nur das Vormundschafts­ gericht von der im § 1670 Abs. 1 bestimmten Verpflichtung den Vormund zu entbinden berechtigt ist, auch die Fortdauer einer auf Grund des § 1670

Abs. 3 erfolgten Anordnung von dem Ermeßen des Vormundschaftsgerichtes abhängt. Macht man aber die Wirksamkeit der Erhebung der hinterlegten Gegenüber^i-!-lben, stände von der Genehmigung des Vormundschaftsgerichtcs abhängig, erachtet bei Rechts-

man demnach in dieser Hinsicht die Genehmigung des Gegenvormundes nach Maßgabe des § 1669 nicht als ausreichend, so ist es konsequent, auch die Wirk­ samkeit eines jeden Rcchtsgcschäftcs, durch welches die hinterlegten Gegenstände und die Hypotheken oder Grundschulden, auf welche die hinterlegten Hypo­ thekeilbriefe oder Grundschuldbriefe sich beziehen, veräußert oder belastet werden oder die Verpflichtung zu einer solchen Veräußerung oder Belastung begründet wird, in Abweichung von der Regel des § 1669 nicht von der Genehmigung des Gegenvormundes, sondern stets von der Genehmigung des Vormundschafts­ gerichtes abhängig zu machen. Es ist zu besorgen, daß ohne eine solche Be­ stimmung der Zweck der Vorschriften des § 1670 in vielen Fällen, namentlich in solchen, in welchen das Vormundschaftsgericht die Hinterlegung angeordnet hat oder in Ermangelung der im § 1670 Abs. 1 bestimmten gesetzlichen Ver­ pflichtung des Vormundes angeordnet haben würde, weil es dem Vormunde und dem Gegenvormundc kein volles Vertrauen schenkt, vereitelt werden könnte. Von besonderem praktischem Werthe ist die hier fragliche Vorschrift ferner im Hinblicke auf die Bestimmungen des § 1547 für die elterliche Gewalt, da auf die letztere die Vorschriften des § 1669 keine Anwendung finden (vergl. die Motive zu § 1547 oben S. 809 ff.). Die mit der Hinterlegung in Ansehung der im § 1671 Abs. 1 bezeichneten Rechtsgeschäfte verbundene besondere Wirkung soll indesien nur eintreten, so­ lange die Erhebung der hinterlegten Gegenstände nicht erfolgt ist. Diese Be­ schränkung ist im Jntereffe der Sicherheit und der Erleichterung des Verkehres geboten, zumal die hier fragliche Bestimmung nicht den Karakter eines Veräußerungsverbo^tes (§ 107), sondern den einer Beschränkung der Vertretungs­ macht des Vormundes hat, der Dritte mithin, wenn die Erhebung der hinterlegten Gegenstände ohne die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes

Vormundschaft rc. Jnhaberpapiere rc. Hinterlegung tc. §§ 1672,1673.

1135

erfolgt sein sollte, ohne jenen beschränkenden Zusatz auch nicht durch seinen guten Glauben geschützt sein würde, wenn er sich mit dem Vormunde als

solchem auf Rechtsgeschäfte über die zu Unrecht erhobenen Gegenstände, nament­ lich über die Hypotheken und Grundschulden, in Ansehung deren die Hypotheken­ briefe und die Grundschuldbriefe auf Anordnung des Vormundschaftsgerichtes hinterlegt worden sind, einläßt. Auch in Ansehung der dem Mündel gehörenden Jnhaberpapiere, welche der Vormund nach § 1670 Abs. 1 kraft des Gesetzes zu hinterlegen oder auf den Namen des Mündels umschreiben zu lassen ver­ pflichtet ist, kann jener beschräirkende Zusatz nicht entbehrt werden, da sonst der Verkehr zwischen dem Vormunde und Dritten in Ansehung der Jnhaber­ papiere wegen der alsdann dem Dritten obliegenden Erkundigungspflicht, ob der Vormund von der hier fraglichen Verpflichtung befreit sei (vergl. § 1670 Abs. 2, §§ 1692, 1733), zu sehr erschwert und gefährdet werden würde. Zudem würde der Zweck einer in Ansehung der Jnhaberpapiere von jenem beschränkenden Zusatze absehenden Bestimmung, den Mündel auch in solchen Fällen mehr zu sichern, in welchen der Vormund seiner im § 1670 Abs. 1 bestimmten Verpflichtung nicht nachgekommen oder die Erhebung der Papiere ohne Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes erfolgt ist, auf diesem Wege doch nur unvollkommen erreicht werden, da der Vormund, wenn er will, als Inhaber über die Papiere zu verfügen in der Lage ist und alsdann dem Dritten die Vorschriften der §§ 687, 877, 879 schützend zur Seite stehen. Die Bestimmungen des § 1671 Abs. 2 beruhen auf ähnlichen Er- über »mg°wägungen, wie diejenigen, welche zu den Bestimmungen des § 1671 Abs. 1 P^>er-°

geführt haben.

§ 1672. Wenngleich die Vorschriften des § 1672 als selbstverständlich erachtet Freiwilligwerden können, so ist es doch wegen der praktischen Wichtigkeit derselben (vergl. insbesondere die §§ 1692, 1733) und nach Analogie des § 1668 als Umschreibung, angemessen erachtet, dieselben int Gesetze besonders zum Ausdrucke zu bringen

(vergl. Motive zu § 1670 oben S. 1133; preuß. Hinter!. O. v. 14. März 1879 §§ 46, 50; preuß. Ges., betr. das Staatsschuldbuch, v. 20. Juli 1883 § 7; sächs. Ges., das Staatsschuldbuch betr., v. 25. April 1884 § 7). Ist eine Hinterlegung oder Umschreibung nach Maßgabe des § 1672 erfolgt, so finden, soviel die Befugniß des Vormundes zur Vornahme der im § 1671 be­ zeichneten Rechtsgeschäfte betrifft, an Stelle der Vorschriften der §§ 1670, 1671 die allgemeinen Vorschriften Anwendung (vergl. § 1669 Derb, mit 88 1690, 1733).

§ 1673. Da die im 8 1673 bezeichneten Kosten sich als allgemeine Verwaltungs- M*en ber kosten darstellen, so muffen dieselben dem Mündel zur Last fallen. Im Interesse ®int"‘er9un0

der Deutlichkeit des Gesetzes ist es als angemessen erachtet, dies besonders zum Umschreibung. Ausdrucke zu bringen (vergl. auch 8 1549).

1136

Vormundschaft rc. Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes. § 1674.

§ 1674. I. Die Bestimmungen des § 1674 beruhen im Allgemeinen auf dem ^,ch°ft^ Gedanken, daß in Ansehung besonders wichtiger und über die Grenzen einer Genehmigung

geeichtes in

gesthssten.

gewöhnlichen Verwaltung hinausgehender Rechtsgeschäfte, ohne Unterschied, ob der Vormund dieselben als Vertreter des Mündels im Namen des letzteren oder ob der Mündel selbst sie unter Hinzutritt der Einwilligung oder Genehmigung des Vormundes vornimmt, die Vertretungsmacht des Vor­ mundes in der Art eingeschränkt werden soll, daß zu den sonstigen allgemeinen Erfordernissen der Wirksamkeit des betreffenden Rechtsgeschäftcs als weiteres Erforderniß die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes hinzutreten muß (vergl. § 1681). In den Motiven zu § 1649 oben S. 1085 ff. ist bereits darauf hingewiesen, daß es nicht möglich ist, die außerhalb der gewöhnlichen Verwaltung liegenden Geschäfte durch eine allgemeine prinzipielle Vorschrift zu treffen, sondern daß das Gesetz sich begnügen muß, die Vertretungsmacht des Vormundes durch die Aufstellung einzelner bestimmter und greifbarer Kategorieen zu beschränken. Während der dem § 1674 entsprechende, auf die elterliche Gewalt sich' beziehende § 1511 im Eingänge den Hinweis auf solche Rechtsgeschäfte enthält, welche das der elterlichen Verwaltung unterliegende Vermögen des Kindes betreffen, ist im § 1674 von einem solchen Hinweise abgesehen. Die Sachlage bei dem § 1511 ist insofern eine andere, als cinestheils der § 1511 eine der

Nr. 8 des § 1674 entsprechende, auch nicht vermögensrechtliche Rechtsgeschäfte umfaßende Bestimmung nicht enthält, anderentheils im § 1511 hat zum Aus­ drucke gebracht werden sollen, daß der § 1511 auf das der elterlichen Verwaltung entzogene, von einem Pfleger verwaltete Vermögen des Kindes (§ 1738) keine Anwendung findet, während der § 1674 ohne Rücksicht darauf maßgebend ist, ob das Vermögen des Mündels von dem Vormunde oder von einem Pfleger

verwaltet wird (vergl. § 1743). Uebrigens sind im § 1674 diejenigen Rechtsgeschäfte, deren Wirksamkeit von der Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes abhängig gemacht ist, keineswegs erschöpfend aufgeführt; vielmehr ist noch in einer Reihe anderer Fälle im Zusammenhänge mit anderen Materien die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtcs als Erforderniß der Wirksamkeit eines Rechtsgeschäftes vorgeschrieben (vergl. § 1341 Abs. 2, § 1431 Abs. 2, §§ 1576, 1589, 1600, 1613, 1629 Abs. 5, § 1630, § 1669 Abs. 3, § 1671, § 1957 Abs. 3, §§ 1960, 1962 Abs. 2, § 2020 Abs. 1, § 2043, § 2094 Abs. 6). Im Einzelnen ist zu den Bestimmungen des § 1674 Folgendes zu bemerken: Ver1. Die Vorschrift, daß zu einem Rechtsgeschäfte, durch welches ein g«schLst-"ub-r Grundstück veräußert wird, die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes o^erR°ch^/an erfor*3er^c^ sein soll, beruht auf dem Gesichtspunkte, daß der Grundbesitz als ° ‘foiseman eine, namentlich in sozialer Hinsicht, besonders werthvolle Art des Vermögens

dem Mündel regelmäßig zu erhalten ist und deshalb nur unter erschwerenden Voraussetzungen soll veräußert werden können. Mit dem Entwürfe stimmen in dieser Hinsicht das gemeine Recht und die neueren Gesetze im Prinzipe überein

Vormundschaft rc. Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes. § 1674.

1137

(vergl. preuß. A. L. R. II, 18 § 550; preuß. Norm. O. § 42 Nr. 5; österr.

G. B. § 232; sächs. G. B. § 1942; Weimar. Ges. v. 27. März 1872 § 52; brem. Bonn. O. § 74; Hamb. Norm. O. Art. 42; Hess. Entw. IV Art. 73; bayr. Entw. Art. 78 Nr. 1). Nach dem franz. Rechte (code civil Art. 457, 458) ist neben der Genehmigung des Familienrathes die Bestätigung des Kollegial­ gerichtes erforderlich. Die Frage, ob die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtcs nach § 1674 Nr. 1 auch zu einem solchen Rechtsgeschäfte erforderlich ist, welches lediglich das Aufgeben, insbesondere die Uebertragung, des Besitzes eines im Besitze des Mündels befindlichen Grundstückes zum Gegenstände hat und bei welchem nicht wenigstens eventuell der Wille auch auf Uebertragung des Rechtes an dem Grundstücke gerichtet ist (vergl. §§ 808, 809), hat der Ent­ wurf ebensowenig, wie die bestehenden Gesetze, durch eine besondere Bestimmung entschieden. Die Aufnahme einer die alienatio possessionis der alienatio rei in der hier fraglichen Hinsicht unbedingt gleichstellenden Vorschrift, um dem Mündel die condictio possessionis (§ 737 Abs. 3 nerb. mit § 748) zu sichern, wenn der Vormund ohne Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes den Besitz eines Grundstückes aufgegeben hat, ist bei der Seltenheit der hier in Betracht kommenden Fälle durch ein praktisches Bedürfniß nicht geboten, auch — hin­ gesehen namentlich auf solche Fälle, in welchen über das Eigenthum des Dritten an einem von dem Mündel ohne Rechtsgrund besefienen Grundstücke gar kein Zweifel besteht, die Uebertragung des Besitzes an den Dritten für das Kind mithin eine Vermögensverminderung überall nicht enthält — nicht als angemessen erachtet worden. Um so bedenklicher würde es sein, hier eine besondere Vorschrift aufzunehmen, als der Entwurf auch in anderen ähnlich liegenden Fällen (vergl. §§ 107, 1300) die Frage, ob und inwieweit das Auf­ geben des Besitzes einer Sache der Veräußerung der Sache selbst gleichzustellen sei, unentschieden gelassen hat, die Aufnahme einer besonderen Bestimmung an dieser Stelle daher zu einem irreführenden argumentum e contrario Veranlassung geben könnte. Wie sich aus § 781 ergiebt, stehen den Grundstücken im Sinne des § 1674 Nr. 1 solche Berechtigungen gleich, welche ein Blatt im Grundbuche erhalten können. Ferner stellt der § 1674 Nr. 1 den Grundstücken die Rechte an einem Grundstücke gleich, mit Ausnahme der Hypotheken und Grund­ schulden. Die Gründe, aus welchen der Entwurf die Hypotheken und Grund­ schulden von der hier fraglichen Bestimmung ausgenommen und dem § 1669 unterstellt hat (vergl. jedoch § 1670 Abs. 3 und § 1671 Abs. 1), sind bereits in den Motiven zu § 1669 oben S. 1124 dargelegt (vergl. auch die Motive zu § 1511 oben S. 765 ff.). Anders als bei den Hypotheken und Grundschulden liegt dagegen die Sache bei den sonstigen Rechten an Grundstücken. Da das Erbbaurecht nach den §§ 961, 962, 781 den Grundstücken gleichgestellt ist, das dingliche Vorkaufsrecht nach den §§ 954, 486 auf einen Anderen nicht über­ tragen und eine Grunddienstbarkeit von dem herrschenden Grundstücke nicht getrennt werden kann (§ 974), so kommen hier — von einem Verzichte auf ein Vorkaufsrecht oder auf eine Grunddienstbarkeit abgesehen — allerdings nur der Nießbrauch an Grundstücken (§ 1011), unter Umständen beschränkte Motive z. biirgerl. Gesetzbuch. IV.

72

1138

Vormundschaft re. Genehmigung des Vormundschastsgerichtes. § 1674.

persönliche Dienstbarkeiten (§ 1047) und die zu Gunsten einer bestimmten Person bestehenden Reallasten (88 1057, 1059) in Betracht. Wenngleich die . Fälle, in welchen' derartige Rechte an Grundstücken zu dem Vermögen des Mündels gehören, seltener sind und deshalb die Frage, ob der Vormund bei der Veräußerung derselben an die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes gebunden werden soll oder nicht, von geringerer praktischer Wichtigkeit ist, so fällt doch andererseits entscheidend ins Gewicht, daß die hier fraglichen Rechte, namentlich die Reallasten, auch nach der heutigen Rechts- und Verkehrs­ auffassung zu dem unbeweglichen Vermögen gerechnet zu werden pflegen (vergl. 8 1432 nebst Motiven oben S. 551), ferner, daß die Verfügung über die hier in Rede stehenden Rechte durch den regelmäßigen Lauf der Verwaltung nicht geboten wird, sondern etwas Außergewöhnliches ist. Mit dem Entwürfe stimmen in der hier fraglichen Beziehung das gemeine Recht, das preuß. und das sächs. Recht überein (vergl. I. 3 §§ 4, 5 D. de rebus eorum 27,9; preuß. Bonn. O. 8 42 Nr. 5 verb. mit preuß. A. L. R. I, 2 88 6—9, dazu Urth. d. Ob. Trib. bei Gruchot XXIII S. 917; sächs. G. B. 88 59, 60, 1942). Auch nach franz. Rechte wird angenommen, daß den Grundstücken die Jm-

mobiliarrechte gleichstehen. Aus denselben Gründen, wie im § 1669 Abs. 1 (vergl. die Motive zu § 1669 oben S. 1124), erwähnt auch hier der Entwurf neben der Veräußerung die Belastung (vergl. 1. 3 § 5, 1. 7 § 5 D. de rebus eorum 27,9; preuß. Vorm. O. 8 42 Nr. 5; code civil Art. 457; sächs. G. B. § 1942), sowie die Begründung der Verpflichtung zu einer Veräußerung oder Belastung der im

§ 1674 Nr. 1 bezeichneten Art. Verschiedene Rechte machen von dem Erfordernisse der Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes für solche Fälle eine Ausnahme, in welchen eine Verpflichtung des Mündels zur Veräußerung besteht (vergl. 1.1 § 2, 1. 5 88 6, 7 D. de rebus eorum 27,»; code civil Art. 460 und dazu Entsch. d. R. G. in Eivils. XI, 81; sächs. G. B. § 1945; weimar. Ges. v. 27. März 1872 8 52 Nr. 6). Tie Gründe, welche den Entwurf bestimmt haben, von einer solchen Ausnahme abzusehen, sind dieselben, aus welchen auch für die Fälle des 8 1669 eine Ausnahme nicht als angemessen erachtet ist (vergl. die Motive zu 8 1669 oben S. 1124). Dagegen ist nach dem Vorgänge der preuß. Vorm. O. 8 42 Nr. 5 im 8 1676 ausdrücklich vorgeschrieben, daß cs zu der Veräußerung oder Belastung eines Gegenstandes im Wege einer gegen den Mündel ge­ richteten Zwangsvollstreckung der Genehmigung des Vormundschaftsgepichtes nicht bedarf. Wegen dieser Bestimmung und der im 8 1676 gegebenen weiteren Vorschrift, daß die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes nicht erforderlich ist zu dem Anträge, einen gemeinschaftlichen Gegenstand zum Zwecke der Auf­ hebung der Gemeinschaft nach Maßgabe des 8 769 Abs. 2 zu verkaufen, wird auf die Motive zu 8 1676 Bezug genommen. F«ics Nach röm. Rechte darf die obervormundschaftliche Genehmigung zur VerVormund-"^ äußerung bei Vermeidung der Nichtigkeit nur aus Gründen der Nothwendig-

ichafts«dichte,.

feit, nicht auch aus Nützlichkeitsgründen ertheilt werden. Ob gemeinrechtlich @rff)etfung freu Genehmigung auch aus Nützlichkeitsgründen erfolgen kann,

ist bestritten.

Die neueren Gesetze gestatten regelmäßig die Veräußerung auch

Vormundschaft rc. Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes. § 1674.

1139

aus Zweckmäßigkeitsgründen (vergl. preuß. A. L. R. II, 18 §§ 555, 563; österr. G. B. § 232; sächs. G. B. § 1943; Weimar. Ges. v. 27. März 1872

§ 53; brem. Norm. D. § 74; Hamb. Norm. O. Art. 42; württemb. Notariatsges. v. 14. Juni 1843 Art. 21; code civil Art. 457; Hess. Entw. IV Art. 74). Andere neuere Gesetze erwähnen den Unterschied zwischen Nothwendigkeit und Nützlichkeit überhaupt nicht 'mehr, sondern überlassen in dieser Beziehung Alles dem von dem Jntercße des Mündels geleiteten verständigen Ermeßen der Ober­ vormundschaft (vergl. preuß. Vorm. O. § 42 Nr. 5, § 44 nebst Motiven S. 78; bayr. Entw. Art. 78 Nr. 1). Dies ist auch der Standpunkt des Entwurfes. Eine Einschränkung des Ermessens des Vormundschaftsgerichtes durch bestimmte Direktiven ist im Hinblicke auf die Vielgestaltuug des Lebens nicht als an­ gemessen zu erachten, auch für die Vormundschaftsgerichte, hiugesehen auf die Verantwortlichkeit derselben (§ 1702), mit großen Gefahren verbunden und kann dahin führen, daß von den Vormundschaftsgerichten bei Ertheilung der Genehmigung zum Nachtheile des Mündels zu ängstlich verfahren wird. Von selbst versteht es sich übrigens, daß in diesem Falle, wie überhaupt in allen Fällen, in welchen die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes zu einem Rechtsgeschäfte oder zu einer Handlung des Vormundes erfordert wird, das Vormundschaftsgericht sich nicht blos auf die Prüfung zu beschränken hat, ob die Vornahme des Rechtsgeschäftes eine Pflichtwidrigkeit des Vormundes nicht enthält und nicht mit besonderen Nachtheilen für den Mündel verbunden ist, sondern die Genehmigung nur daun ertheilen darf, wenn es die Ueberzeugung gewonnen hat, daß die Vornahme des Rechtsgeschäftes dem Jnteresie des Mündels entspricht, widrigenfalls das Vormundschaftsgericht dem Mündel sich nach Maßgabe des § 1702 verantwortlich macht. Das Vormundschaftsgericht nimmt in dieser Hinsicht ganz dieselbe Stellung ein, wie der Vormund bei der Einwilligung oder Genehmigung zu einem Rechtsgeschäfte des Mündels.

Aus ähnlichen Erwägungen hat der Entwurf auch über die Art der -(rt bev ®er= Veräußerung, insbesondere nach der Richtung hin, daß dieselbe bei Grundstücken regelmäßig im Wege der Subhastation zu erfolgen habe (vergl. preuß. A. L. R. II, 18 §§ 550, 558, 574—582, 636; österr. G. B. § 232; code civil Art. 459; bad. Ges., das Theilungsverfahren und die Veräußerung von Mündelgütern u. s. w. betr., v. 26. April 1886; Weimar. Ges. v. 27. März 1872 § 53; Hess. Entw. IV, 75; bayr. Entw. Art. 78 Nr. 1), spezielle Bestim­ mungen nicht ausgenommen, sondern auch in dieser Beziehung nach dem Vor­ gänge des gemeinen Rechtes und verschiedener neuerer Gesetze dem von dem Interesse des Mündels geleiteten verständigen Ermeßen des Vormundschafts­ gerichtes Raum gelaßen (vergl. preuß. Vorm. D. § 44; sächs. G. B. §§ 1942 ff.; brem. Vorm. O. 8 74; Hamb. Vorm. O. Art. 42). Eines besonderen Aus­ druckes im Gesetze bedarf dies nicht. Da das Vormundschaftsgericht seine Genehmigung von gewißen Voraussetzungen abhängig machen kann, so hat dasselbe es in der Hand, seinerseits eine bestimmte Art der Veräußerung vor­

zuschreiben. 2. Die Bestimmung des § 1674 Nr. 2, welche sich als eine Ausnahme Veräußerung von dem Prinzipe des § 1669 darstellt, beruht auf der Erwägung, daß die Immobiliarhier fraglichen Ansprüche, wirthschaftlich betrachtet, den in der Nr. 1 des an"jnid,°°sV°»

beschränken bezweckt, denselben Karaktcr hat, wie die zu einem Rechtsgeschäfte m“^tacg5’ des Mündels erforderliche Einwilligung oder Genehmigung des Vormundes, 3m '' so muß die Analogie dahin führen, der Genehmigung des Vormundschafts­ gerichtes im Prinzipe und im Allgemeine» dieselbe rechtliche Bedeutung bei­

zulegen, welche nach den Vorschriften des § 65 Abs. 3—6 der Einwilligung bezw. der Genehmigung des Vormundes zu einem Rechtsgeschäfte des Mündels zukommt (vergl. auch preuß. Vorm. O. § 46). Im Einzelnen ist zu den Bestimmungen des bemerken.

§

1681 Folgendes zu

1. Wie aus § 65 Abs. 3 verb. mit § 127 Abs. 1 sich ergiebt, kann die Vorgängige, zu einem Rechtsgeschäfte des Mündels erforderliche Einwilligung des Vor­ mundes sowohl gegenüber dem Mündel als auch gegenüber dem anderen Bethciligten erklärt werden. In Ermangelung einer entsprechenden Vorschrift würde nach § 127 Abs. 1 auch die vorherige Genehmigung des Vormund­ schaftsgerichtes nicht nur gegenüber dem Vormunde, sondern auch gegenüber dem Dritten wirksam erklärt werden können. Letzteres entspricht aber weder der Stellung des Vormundschaftsgerichtes, noch der des Vormundes. Der erste Abs. des § 1681 bestimmt deshalb, daß, wenn zu einem Rechtsgeschäfte die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes erforderlich ist, diese Genehmigung im Voraus nur gegenüber dem Vormunde erklärt werden könne.

2. Die Vorschrift des § 1681 Abs. 2 entspricht dem § 65 Abs. 3 Satz 2. »achusgnch3. Aus der Vorschrift des § 127 Abs. 1 würde in Ermangelung einer be- gung; Versonderen Bestimmung folgen, daß die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes oder die Verweigerung der Genehmigung dem betheiligten Dritten gegenüber Motive j. bürgert. Gesetzbuch. IV.

73

1154

Vormundschaft ?c. Karaktcr der Genehmigung des Vorm. Ger. § 1681.

dadurch Wirksamkeit erlangte, daß die betreffende Verfügung dem Dritten oder dem Vormunde von Seiten des Vormundschaftsgcrichtes mit­ getheilt würde. In dieser Beziehung enthält der § 1681 Abs. 3 Satz 1 die abweichende Vorschrift, daß die nachträgliche Genehmigung des Vormundschafts­ gerichtes sowie die Verweigerung dieser Genehmigung gegenüber dem anderen Vertragschließenden nur dadurch Wirksamkeit erlangt, daß sie demselben durch den Vormund mitgetheilt wird. Diese mit der Vorschrift des § 1681 Abs. 1 im Einklänge stehende Art der Regelung entspricht nicht allein der prinzipiellen Stellung des Vormundes als des Repräsentanten des Mündels nach außen, sondern verdient auch vom Standpunkte des Interesses des Mündels aus um deswillen den Vorzug, weil sie dem Vormunde die Möglichkeit gewährt, die Verfügung des Vormundschaftsgerichtes im Wege der Beschwerde mit Erfolg anfcchten zu können, wenn dieselbe dem Interesse des Mündels nach seiner schon

Ansicht widerstreitet. Rücktritts-

Die formale Konsequenz des dem § 1681 zu Grunde liegenden Prin-

sormunbeä. zipes in Verbindung mit dem § 65 Abs. 4 würde weiter dahin führen,

wie in dem Falle des § 65 Abs. 4 dem Minderjährigen, so hier dem Vor­ munde den Rücktritt von dem Vertrage, solange die Genehmigung des Vor­ mundschaftsgerichtes nicht verweigert ist, zu versagen. Indessen der materielle Grund, auf welchem die Bestimmung des § 65 Abs. 4 beruht, nämlich der Gesichtspunkt, daß der Minderjährige, weil er in der Geschäftsfähigkeit be­ schränkt ist, auch die ihm durch den Abschluß des Vertrages erworbene günstige Position der Bindung des anderen Theiles nicht aufgeben kann, trifft für den Vormund in dem in Rede stehenden Falle nicht zu. Die Vertretungs­ macht des Vormundes ist grundsätzlich eine unbeschränkte. In Ermangelung einer entgegenstehenden positiven Bestimmung kann er deshalb in Fällen der hier fraglichen Art auch auf die durch den Abschluß des Vertrages dem Mündel erworbene günstige Position wirksam verzichten. Ein Bedürfniß, in dieser Beziehung die Vertretungsmacht des Vormundes zu beschränken, liegt um so weniger vor, als er auch eine von dem Dritten gemachte, diesen bindende Offerte abzulehnen befugt ist. Weiter kommt in Betracht, daß nach § 1681 Abs. 3 gegen den Willen des Vormundes ein Rechtsgeschäft durch die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes ohnehin nicht wirksam werden kann. Gestattet man aber dem Vormunde, von dem Vertrage zurückzutreten (§ 1681 Abs. 3 Satz 2), so ist es konsequent, auch den § 65 Abs. 5 nur mit der Maßgabe hierher zu übertragen, daß die dort bezeichnete Aufforderung nicht an das Vormundschaftsgericht, sondern an den Vormund zu erlösten ist und in einem solchen Falle die Unwirksamkeit des Vertrages davon abhängig gemacht wird, daß der Vormund innerhalb der bestimmten Frist dem anderen Vertragschließenden die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes nicht mittheilt.

Bindung 4. Die Vorschrift des § 1681 Abs. 4 schließt sich mit der aus § 1681 d°Th-ii-E Abs. 3 Satz 2 sich ergebenden, unter Nr. 3 Abs. 2 gerechtfertigten Modifikation dem § 65 Abs. 4 an. Genehmigung des Mündels.

5. Die Vorschrift des § 1681 Abs. 5 übersetzt den § 65 Abs. 6.

Genehm, d. Gegenvorm. § 1632. Fürsorger. d.Vorin. Gerichtes. §§ 1683,1684.

1155

6. Aus dem Prinzipe des § 1681 Abs. 2 in Verbindung mit § 127 Rückwirkung Abs. 4 ergiebt sich von selbst, daß die nachträgliche Genehmigung des Vor- n-hmigung. Mundschaftsgerichtes zu einem Vertrage in gleicher Weise, wie die Genehmigung des gesetzlichen Vertreters nach Maßgabe des § 127 Abs. 4 rückwirkende Kraft hat.

§ 1682. Die entsprechende Anwendung der Vorschriften des § 1681 auf diejenigen K°ra«-r der Fälle, in welchen zu einem Rechtsgeschäfte die Genehmigung des Gegenvor- TeT®™9“"9 mundcS oder an Stelle derselben die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtcs “ormunbeäerforderlich ist (§ 1669), rechtfertigt sich wegen Gleichheit des Grundes (vergl.

auch preuß. Vorm. O. § 46).

III. Allgemeine Fürsorge und Aufsicht des Bormundschaftsgerichtes. § 1683. Die Bestimmung des § 1683 eröffnet dem Vormundschaftsgerichte die EinstweiligMöglichkeit und legt demselben zugleich die Pflicht auf in solchen Fällen, in des Bormund,

welchen für den Mündel ein Vormund noch nicht bestellt oder der bestellte Vormund für die Person oder das Vermögen des letzteren zu sorgen behindert ist, durch einstweilige Maßregeln dem Interesse des Mündels zu Hülfe zu kommen. Da ein solches Bedürfniß vorzugsweise in eiligen Fällen und häufig außerhalb des Bezirkes des regelmäßigen Vormundschaftsgerichtes hervortreten wird, so ist es vorbehalten, in dem Gesetze über das Verfahren in Vormund­ schaftssachen (vergl. die Anm. zu dem 4. Buche §§ 1227 ff.) für die Anordnung der hier fraglichen Maßregeln jedes Amtsgericht für zuständig zu erklären, in deffen Bezirke das Bedürfniß thatsächlich hervortritt (vergl. preuß. Vorm. O. ■§ 15; weimar. Ges. v. 27. März 1872 § 121; bayr. Entw. Art. 48; heff. Entw.

IV Art. 20). Inwieweit das Vormundschaftsgericht in den hier in Rede stehenden Fällen an Stelle des Vormundes selbst handeln oder zur Besorgung der be­ treffenden besonderen Angelegenheit einen Pfleger bestellen will (§ 1738), ist seinem Ermessen zu überlaffen. Handelt es sich um die Sicherstellung eines Nachlaffes, bei welchem ein Sicherstellung Mündel als Erbe bctheiligt ist (vergl. preuß. Vorm. O. § 15), so ist nach Nachlass«;. § 2058 das Nachlaßgericht zuständig und verpflichtet, von Amtswegen für die Sicherung des Nachlaffes insoweit zu sorgen, als das Bedürfniß es erfordert.

§ 1684. Wegen der Begründung des § 1684 (vergl. preuß. Vorm. D. § 51; Aussicht sächs. G. B. §§ 1880 1881; bayr. Entw. Art. 6) wird auf die Ausführungen be5j%'ä“nb‘ unter Nr. IV der allgemeinen Begründung dieses Abschnittes, oben S. 1026 ff.,

Bezug genommen.

s-richt-s.

1156 Vormundschaft x. Fürsorge, Aufsicht d. VorinundschaftögerichteS. §§ 1685,1686. -rdnungsinaicn.

Die erforderlichen Bestimmungen über die Zwangsgewalt des Vormunds^g^sgcrichtes, insbesondere über das Recht, gegen den Vormund und den Gegenvormund Ordnungsstrafen zu verhängen (vergl. prcuß. Vorm. O. § 51 Abs. 2; sächs. G. B. § 1881; bayr. Entw. Art. 123; Hess. Ges. v. 18. Juni 1887 Art. 6), sind dem Gesetze über das Verfahren zu überlassen.

§ 1685. unterWenngleich nicht verkannt wird, daß die Bestimmung des § 1685, welche «Mündels in3 dein Vormundschaftsgerichte das Recht giebt, die dort bezeichnete Blaßregel einer geeigFamilie"--,

aU(f) gegen den Willen des Vormundes im Interesse des Mündels selbst dann zu beschließen, wenn dem Vormunde eine Pflichtwidrigkeit in Ansehung der Erziehung des Mündels nicht zur Last fällt, einen Eingriff in die sonst dein Vormunde selbständig zustehendc Erziehungsgewalt enthält (§§ 1648, 1655), so fällt doch für die Aufnahme jener Bestimmung andererseits entscheidend ins Gewicht, daß es im öffentlichen Interesse als in hohem Grade angemessen erscheint, dem Vormundschaftsgerichte die Möglichkeit zu gewähren, zur Ver­ hütung weiterer sittlicher Verwahrlosung eines Mündels in der hier fraglichen Art energisch eingreifen zu können. Daß das Vormundschaftsgericht von der ihm eingeräumten Befugniß ohne dringenden Anlaß Gebrauch machen werde, ist nicht zu besorgen. Geeigneten falls gewährt auch das Rechtsmittel der Be­ schwerde den nöthigen Schutz. Der Zusatz im zweiten Satze des § 1685 kann als selbstverständlich er­ achtet werden, da die Erziehungsgewalt der Mutter bezw. im Falle des § 1554 Abs. 2 die Erziehungsgewalt des Vaters nach dem Entwürfe als ein residuum der elterlichen Gewalt unter den Regeln der letzteren steht (vergl. § 1656). Bei dem allgemeinen Wortlaute des § 1685 Satz 1 ist jener Zusatz jedoch im Interesse der Deutlichkeit des Gesetzes als rathsam erachtet. Durch die Vorschrift des § 1685 werden übrigens die landesgesetzlichcn Vorschriften über die Zwangserziehung verwahrloster Kinder nach näherer Bestimmung des Einführungsgesetzes (vergl. die Motive zu § 1546 oben S. 806 ff.), nicht berührt; insbesondere wird durch dieselbe keine Verpflichtung begründet, einen nach Maßgabe des § 1685 von dem Vormundschaftsgerichte gefaßten Beschluß cv. auf öffentliche Kosten zur Ausführung zu bringen.

§ 1686. erch-iluug durch den B-nnuud io.

Obwohl die Bestimmung des § 1686 schon aus dem Rechte der Aufsicht hergeleitet werden kann (vergl. § 1684), so ist cs doch, um MißVerständnissen cntgegenzutreten, vom praktischen Standpunkte aus rathsam, das Vormundschaftsgericht darauf hinzuweisen, daß cs von dem Vormunde und dem Gegenvormunde jederzeit Auskunft über die Führung der Vormund­ schaft, und zwar insbesondere auch in Ansehung der Person des Mündels, fordern kann. Der Zusatz, daß das Recht, Auskunft zu verlangen, sich ins­

besondere auch auf die persönlichen Verhältnisse des Mündels erstrecke (vergl. prcuß. A. L. R. ls, 18 § 327; lübcck. Vorm. O. § 31; brcm. Vorm. O. § 88),.

Vormundschaft über Minderjährige.

Rechnungslegung.

§ 1687.

1157

ist namentlich mit Rücksicht darauf als angemessen erachtet, daß besondere Vor­ schriften über sog. Erziehungsberichte nicht ausgenommen sind. Derartige ElgehungsErziehungSberichte haben keinen erheblichen praktischen Werth und sind theils bend,te'

im Hinblicke auf das Institut des Gemeindewaisenrathes (§ 1725), theils im Hinblicke auf die dem Vormundschaftsgerichtc durch die 88 1684, 1686 ein­ geräumten Befugnisse entbehrlich.

§ 1687. Nach dem Vorgänge des gemeinen Rechtes verpflichten die meisten Periodischneueren Gesetzgebungen den Vormund, dem Vormundschaftsgcrichte über die Verwaltung des Vermögens des Mündels regelmäßig Rechnung zu legen (vergl. prenß. A. L. R. II, 18 .§§ 647—678; preuß. Vorm. O. § 56; öftere. G. B. 88 238—242; sächs. G. B. 88 1950, 1951 nebst der provis. Ger. O. 88 61—72; württemb. Notariatsges. v. 14. Juni 1843 Art. 51; Weimar. Ges. v. 27. März 1872 8 59; bad. Ges. v. 6. Februar 1879 8 22; lübeck. Norm. O. 88 68—75; brem. Norm. C. 88 82—91; Hess. Eiltw. IV Art. 96 ff.; bayr. Entw. Art. 89 ff.). Dagegen ist der Hamb. Vorm. O. Art. 54—57, 70—74 und dem franz. Rechte eine periodische Rechnungslegung an die Obcrvormundfchaft fremd; doch kann nach dem letzteren (code civil Art. 470) der Vormund, Eltern ausgenommen, im Anfsichtswege angehalten werden, dem Gegen­ vormunde periodisch eine Uebersicht seiner Verwaltung zu liefern.

Der Entwurf geht im Anschlüsse an die Mehrzahl der bestehenden Rechte, insbesondere auch solcher, welche, wie die preuß. Vorm. C. und das bad. Recht, das Institut des Gcgenvormundcs ausgenommen haben oder, wie die lübeck. Vorm. O., stets die Aufsicht über den verwaltenden Vormund durch einen zweiten Vormund eintrcten lasien, davon aus, daß trotz der Aufnahme des Institutes des Gegenvormundcs die regelmäßige Rechnungslegung als ein Mittel der Selbstkontrolc des Vormundes und als die wirksamste Handhabe für die Beaufsichtigung desselben nicht entbehrt werden kann (vergl. Motive der preuß. Vorm. C. S. 86 ff.; Motive des bayr. Entw. S. 82 ff.). Dem­ gemäß ist im 8 1687 Abs. 1 bestimmt, daß der Vormund, vorbehaltlich der aus

den 88 1691, 1733 sich ergebenden Ausnahmen, verpflichtet ist, dem Vormund­ schaftsgerichte über die Verwaltung des Vermögens jährlich Rechnung zu legen. Von der preuß. Vorm. O. 8 56 Abs. 1 Satz 1 weicht diese Bestimmung insofern

ab, als der Vormund nicht blos auf Erfordern des Vormundschaftsgerichtcs, sondern kraft des Gesetzes jährlich Rechnung zu legen verpflichtet sein soll. Diese, dem gemeinen Rechte und den meisten neueren Gesetzen entsprechende Art der Regelung ist nicht allein die näher liegende, sondern ist auch um des­ willen vorzuziehen, weil sie die Verantwortlichkeit des Vormundes wegen Ver­ zögerung der Rechnungslegung nicht von einer vorgängigen Aufforderung des

VormundschaftsgcrichteS abhängig macht. Die im 8 1687 Abs. 1 bestimmte Verpflichtung des Vormundes hat aberfiara,ter ber nicht lediglich den Karakter einer im Aufsichtswege (8 1684) erzwingbarcn vffentlichrechtlichen Pflicht gegenüber dem Vormundschaftsgerichtc, sondern zugleich den Karakter einer dem Mündel gegenüber begründeten privatrecht-

1158

Rechnung?-

Zeitpunkt der

Einreichung,

Verlängerung der Periode.

Vormundschaft über Minderjährige.

Rechnungslegung.

§ 1687.

liehen Verpflichtung, welche nöthigenfalls auch im Wege des Prozesses durch einen zu diesem Zwecke bestellten Pfleger erzwungen werden kann (vergl. Hess. Entw. IV Art. 96). In engem Zusammenhänge mit jener Auffassung des Entwurfes steht die Vorschrift des § 1700 Abs. 2, daß der Mündel von dem Vormunde nach der Beendigung des Amtes des letzteren nicht nochmals über die ganze vormundschaftliche Verwaltung die Legung einer neuen Rechnung verlangen kann, sondern daß, soweit der Vormund dem Vormundschaftsgerichte eine Rechnung gelegt hat, die Bezugnahme auf diese Rechnung genügen soll. Die Bestimmung des Rechnungsjahres, sowie des Zeitpunktes der Einreichung der Rechnung soll dem Vormundschaftsgerichtc überlassen werden (vergl. sächs. provls. Ger. O. § 62). Es empfiehlt sich dies schon deshalb, damit nicht die Vormundschaftsgerichte auf ein Mal durch den Eingang sämmtlicher Rechnungen mit Geschäften überhäuft werden. Für unbedeutendere Vermögensverwaltungen ist eine alljährliche Rechnung§[egung erfahrungsmäßig entbehrlich. Durch die Vorschrift des § 1687

Abs. 3 ist dem Vormundschaftsgerichte daher das Recht eingeräumt, die Legung der Rechnung bei einer Verwaltung von geringem Umfange auch für einen längeren Zeitraum, welcher jedoch drei Jahre nicht übersteigen darf, zu gestatten (vergl. preuß. Vorm. O. § 56 Abs. 1). Längere Zeiträume zuzu­ lassen, ist im Jnterefie der Aufsichtsführung nicht rathsam, wenngleich in der Praxis und in den Gesetzen bisweilen auch vier-, selbst fünfjährige Perioden zugelasscn werden (vergl. bad. Ges. v. 6. Februar 1879 § 22). Im Anschlüsse an die preuß. Vorm. O. § 56 Abs. 1 soll aber das Vormundschaftsgericht die Legung der Rechnung für einen längeren Zeitabschnitt als den eines Jahres erst nach Legung der Rechnung des ersten Jahres gestatten dürfen, da es als­ dann besser zu beurtheilen im Stande ist, ob die Person des Vormundes und dieArt der bisherigen Verwaltung desselben zu Bedenken Anlaß geben oder ilicht. Einrichtung Die in der Fassung an den § 591 Satz 2 sich anlehnende Bestimmung der Rechnung. ^eg § 1087 Abs, 4 beruht auf der Erwägung, daß in Ansehung der Rechnung ohne Noth nicht zu große Anforderungen an den Vormund gestellt werden dürfen. Es würde insbesondere eine zu große Last für den Vormund sein, wenn derselbe verpflichtet sein sollte, bei jeder Rechnung eine vollständige Ueber­ sicht über den gegenwärtigen Stand des Vermögens zu geben. Im Hinblicke auf das bei Beginn der Vormundschaft zu beschaffende Inventar (§ 1659) genügt es, wenn die Rechnung die Angaben über den Ab- und Zugang des

Vermögens enthält (vergl. preuß. Vorm. O. § 56 Abs. 3). Inwieweit die Beschaffung der Belege erforderlich ist, unterliegt der verständigen Beurtheilung des Vormundschaftsgerichtes unter Berücksichtigung der Umstände des einzelnen Versicherung Richtigkeit,

Falles. Der in der preuß. Vorm. O. § 56 Abs. 3 Satz 2 sich findende Zusatz, daß der Vormund unter der Rechnung versichern solle, daß er alle Einnahmen verrechnet habe und außer den in der Rechnung aufgeführten vormundschaftlichen Vermögensstücken andere nicht verwahre, ist als eiübehrlich nicht aus­ genommen, da es selbstverständlich ist, daß die Rechnung vollständig sein muß, und da die Vorlegung einer Rechnung nach dem Zwecke und dem Begriffe

Vormundschaft über Minderjährige. Prüfung der Rechnung re. § 1688.

1159

der Rechnung schon von selbst die Erklärung der Vollständigkeit und Richtig­ keit derselben in sich schließt. Ein Bedürfniß, dem Vormunde dies noch besonders zum Bewußtsein 511 bringen, liegt nicht vor. Auf der anderen Seite ist der Zusatz aber auch bedenklich, da, wenn die Versicherung unter der Rechnung fehlt, das Vormundschaftsgericht, um sich nicht verantwortlich zu machen, die Rechnung zurückgeben muß und dadurch die Prüfung derselben verzögert wird. Zudem hat eine derartige Versicherung erfahrungsmäßig

geringen Werth, namentlich wenn sic formularmäßig erfolgt. Die Bestimmung des § 1687 Abs. 5 schließt sich an das prcuß. A. L. R. 8itaui II, 18 § 653 und die sächs. provis. Ger. O. § 67 an. Daß der Ausdruck „kauf-"" ,nun8’ männische Buchführung" zu dem Mißverständnisse Anlaß geben könne, die Be­ stimmung des § 1687 Abs. 5 solle nur bei kaufmännischen Geschäften Anwendung finden, ist nicht zu besorgen. Entscheidend ist, ob in dem Betriebe des be­ treffenden Erwerbsgeschäftcs die Buchführung nach denselben Grundsätzen er­

folgt, wie bei kaufmännischen Geschäften, so daß eine Bilanz im technischen Sinne aus den Büchern gezogen werden kann. Dem Vormunde ist es selbst­ verständlich unbenommen, bei Ziehung der Bilanz aus den Büchern sich der Hülfe eines Sachverständigen zu bedienen; doch muß daran festgehalten werden, daß, da die Bilanz die Stelle der Rechnung vertritt, der Vormund die Richtig­ keit der Bilanz nach Maßgabe der allgemeinen Grundsätze über die Verant­ wortlichkeit des Vormundes bei Führung der Verwaltung zu vertreten hat (vergl. sächs. provis. Ger. O. § 67). Grundsätzlich muß ferner dem Vormund­ schaftsgerichte das Recht vorbehalten werden, auch die Vorlegung der Bücher und der sonstigen Belege zu verlangen. Hält das Vormundschaftsgericht dies aus besonderen Gründen für erforderlich, so muß die Rücksicht auf etwaige Geschäftsgeheimniffe in den Hintergrund treten, soweit nicht die Vorschriften des § 1695 Platz greifen. Die Bestimmung des § 1687 Abs. 6 stimmt sachlich mit der preuß. Mitwirkung Vorm. O. § 56 Abs. 4 überein (vergl. auch preuß. A. L. R. II, 18 §§ 664 XmXbX bis 666; lübcck. Vorm. O. § 68; brem. Vorm. O. § 83).

Wegen der Worte

„wenn ein Gegenvormund bestellt worden ist" vergl. die Motive zu § 1666 oben S. 1118. Daß mehrere zu ungctrennter Verwaltung bestellte Vormünder die RechnungsRechnung gemeinschaftlich zu legen haben (vergl. prcuß. Vorm. O. § 55 Abs. 2),k9U mit?"*

folgt aus der Vorschrift des § 1652 von selbst und bedarf daher keines bc- »ormunder. sonderen Ausdruckes.

§ 1688. Die Bestimmung des § 1688 Abs. 1 ergiebt sich aus dem Zwecke der im Prüfung der § 1687 bestimmten Verpflichtung des Vormundes zur Rechnungslegung, sowie 9M”una'

aus der Pflicht und dem Rechte der Aufsicht des Vormundschaftsgerichtes (vergl.

auch preuß. A. L. R. II, 18 §§ 662—671; preuß. Vorm. O. § 56 Abs. 5; österr. G. B. § 241; sächs. G. B. § 1950 nebst der provis. Ger. O. §§ 70—72; weimar. Ges. v. 27. März 1872 § 59; lübcck. Vorm. O. §§ 74, 75; brem. Vorm. O. § 90; bayr. Entw. Art. 83). Von selbst versteht cs sich, daß das

1160

Erledigung der Er­ innerungen.

Gerichtliche Geltend­ machung gegenseitiger ^Ansprüche.

Vormundschaft über Minderjährige. Prüfung dec Rechnung re. § 1688.

Vormundschaftsgericht die sachliche Prüfung der Rechnung insbesondere auch auf die Pflichtmäßigkeit der Anlegung von Geldern zu erstrecken hat und geeignetenfalls behufs Vornahme der Prüfung die Vorlegung der in den Händen des Vormundes befindlichen Schuldurkunden rind Werthpapiere des Mündels nicht nur verlangen kann, sondern auch, soweit namentlich die Prüfultg der Rechnung dazil Anlaß giebt, zu verlangen verpflichtet ist. Auf der anderen Seite würde es aber zu weit gehen, das Vormundschaftsgericht unbedingt zu verpflichten, bei jeder Rechnungslegung sich von dem Vorhanden­ sein der bezeichneten Papiere zu überzeugen und die vorgelegten Papiere darauf hin zu prüfen, ob die Anlegung der Mündelgelder vorschriftsmäßig erfolgt ist. Eine derartige Bestimmung würde dem Vormunde und dem Vormundschafts­ gerichte eine zu große Last aufbürden, auch die Verantwortlichkeit des letzteren in einer bedenklichen Weise vermehren. Dieselbe ist durch ein Bedürfniß um so weniger geboten, als nach § 1687 Abs. 6 der Vormund dem Gegenvormunde den Vermögensbestand nachzuweisen hat. Wenngleich das Vormundschaftsgericht, soweit erforderlich, die Berichtigung und Ergänzung der Rechnung im Aufsichtswege herbeizuführen berechtigt ist, so steht doch demselben nach allgemeinen Grundsätzen kraft seines Aufsichts­ rechtes nicht die Befugniß zu, den Vormund unter dem Präjudize des Anerkenntnisses für den Fall der Nichterklärung (vergl. lübcck. Vorm. O. § 75; brem. Vorm. O. § 91) zu einer Erklärung über die Nichtigkeit einer gestellten Erinnerung anzuhalten. Ebensowenig ist es berechtigt, über unerledigt bleibende Ansprüche des Vormundes zu entscheiden. Selbst die Erfüllung anerkannter Ansprüche des Mündels gegen den Vormund kann es von dem letzteren auf Grund der ihm zustehenden Zwangsgewalt nicht erzwingen. Um Mißverständnisscn zu begegnen, ist dies im § 1688 Abs. 2 Satz 1 besonders zum Ausdrucke gebracht. Dies ist auch der Standpunkt des gemeinen Rechtes und der meisten neueren Gesetze (vergl. preuß. Vorm. O. § 56 Abs. 5 und Bericht der Kom­ mission des Herrenhauses S. 72; sächs. provis. Ger. O. § 71; Hess. Entw. IV Art. 98 nebst Motiven S. 264; bayr. Entw. Art. 84 nebst Motiven S. 85). Dagegen hat das preuß. A. L. R. Il, 18 §§ 669, 671 zwar die Entscheidung bezüglich nicht anerkannter Defekte dem Rechtswege Vorbehalten, die Exekution wegen anerkannter Defekte aber dem Vormundschaftsgerichtc überwiesen. Eine derartige positive Vorschrift ist jedoch nicht durch ein Bedürfniß geboten. Während nach röm. und gemeinem Rechte die Ansprüche des Vormundes oder des Mündels sowohl von dem Vormunde als dem Mündel erst nach Beendigung der Vormundschaft gerichtlich geltend gemacht werden können, geht der Entwurf in Uebereinstimmung mit den neueren Gesetzgebungen davon aus, daß die gerichtliche Geltendmachung dieser Ansprüche schon während des Bestehens der Vormundschaft in einem Prozesse zwischen dem Vormunde und einem dem Mündel zu diesem Zwecke zu bestellenden Pfleger (§ 1738) zulässig ist (§ 1688 Abs. 2 Satz 2). Dies ist insbesondere auch der Standpunkt des sächs. Rechtes (provis. Ger. O. § 71) und des bayr. Entw. Art. 84. Das­ selbe ist, obwohl darüber Streit besteht, in Ermangelung einer entgegen­ stehenden Bestimmung als der Standpunkt der preuß. Vorm. O. anzusehen (vergl. Entsch. d. R. G. in Eivils. XVI, 47). Ein genügender Grund, die

Vormundschaft über Minderjährige. Sicherheitsleistung. § 1689.

1161

Führung eines Rechtsstreites über Ansprüche des Vormundes oder des Mündels aus der vormundschaftlichen Verwaltung während des Bestehens der Vormund­ schaft gänzlich auszuschließen, ist nicht vorhanden. Im Gegentheile liegt es namentlich im Interesse der Sicherheit des Mündels und dient es zur Vermeidung der Verdunkelung der hier fraglichen Ansprüche, wenn dieselben schon während des Bestehens der Vormundschaft gerichtlich geltend gemacht werden können. Die Vorschrift der preuß. Vorm. O. § 56 Abs. 5, daß nach Erledigung Rückgabe der der Erinnerungen das Vormundschaftsgericht dem Vormunde die Belege mit einem Vermerke des erfolgten Gebrauches zurückzugcben und auf Verlangen d°r Rechnung. Abschrift der Rechnung zu ertheilen habe, hat der Entwurf nicht ausgenommen, da dieselbe, soviel die Rückgabe der Belege anlangt, in dieser Allgemeinheit bedenklich ist und besser dem Ermessen des Vormundschaftsgerichtcs nach Beschaffenheit des Falles überlassen bleibt, in Ansehung der Abschrift der Rechnung aber aus allgemeinen Grundsätzen folgt. Wenngleich der Entwurf davon ausgeht, daß die Legung der Jahres- B-d-umug rcchnungen gegenüber dem Vormnndschaftsgerichte zugleich eine Legung der-d-r Rechnung, selben gegenüber dem Mündel ist (vergl. § 1700 Abs. 2 und Motive zu § 1687 oben S. 1157 ff.), so kann doch eine eigentliche Abnahme der Rechnung mit materieller Erledigung durch das Vormundschaftsgericht nicht stattfinden, da das letztere die Rechnung nur kraft des Aufsichtsrechtes prüft, eine Vertretungs­ macht für den Mündel aber nicht besitzt. Dadurch, daß das Vormundschafts­ gericht die Jahresrechnungen als ordnungsmäßig anerkannt hat, wird daher dem Rechte des Mündels, nach Beendigung des Amtes des Vormundes gegen die früheren Rechnungen Ausstellungen zu erheben, in keiner Weise präjudizirt