Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich: Band 3 Sachenrecht [Amtliche Ausgabe. Reprint 2020 ed.] 9783112381526, 9783112381519


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German Pages 869 [872] Year 1888

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Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich: Band 3 Sachenrecht [Amtliche Ausgabe. Reprint 2020 ed.]
 9783112381526, 9783112381519

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Motive zu dem Entwürfe eines

Bürgerlichen Gesetzbuches für das

Deutsche Neich. Band in.

Sachenrecht.

Amtliche Ausgabe.

Berlin und Leipzig.

Verlag von I. Guttentag (D. Collin).

1888.

Drittes Buch.

Sachenrecht. Allgemeine Gesichtspunkte. I. Stellung des Sachenrechtes in dem Systeme des Entwurfes. Das Sachenrecht nimmt in dein Systeme des Entwurfes eine selb- Selbständig­ ständige Stellung 'ein. Es schließt sich ab einerseits gegen das Recht der Sachenrechtes Schuldverhältnisse und das Familienrecht, andererseits gegen das Erbrecht. Seine Selbständigkeit beruht wesentlich in dem Gegensatze zwischen dinglichem Re-htstheu-u. und persönlichem Rechte. Denn während das Obligationenrecht und das Familienrecht nur die rechtlichen Beziehungen der Personen zu einander in's Auge fassen uni) daher grundsätzlich nur mit persönlichen Rechten es zu thun haben, das Erbrecht aber den Uebergang des Vermögens einer verstorbenen Person auf eine andere bestimmt, hat das Sachenrecht die Aufgabe, die recht­ lichen Beziehungen der Person zur Sache, mithin vornehmlich die dinglichen Rechtes'zu ordnen. Aeltere Gesetzbücher, namentlich das preußische Allgemeine Landrecht und Verhältniß der code civil, vermengen vielfach obligationeilrechtliche und sachenrechtliche Vor- der^Schuid-

schrifteu mit einander, indem sie die in jedem subjektiven Rechte, auch in dem Verhältnis,-,

dinglichen, obschon in diesem nur mittelbar, vorhandene persönliche Richtung zum Ausgange nehmen und die Obligationen nur als Mittel zur Erwerbung oder zur Veränderung dinglicher Rechte behandeln. Eine solche Methode wird den begrifflichen Gegensätzen nicht gerecht; sie erschwert die Einsicht in das Wesen der Rechtsverhältnisse und gefährdet hierdurch die richtige Anwendung des Gesetzes. Die Wiffenschaft hat dies längst erkannt, und die neueren Kodifi­ kationen sind ihrem Vorgänge gefolgt. In dem sächsischen Gesetzbuche sowie in dem hessischen und dem bayerischen Entwürfe kommt die Selbständigkeit des Sachenrechtes zu zweifellosem Ausdrucke. Slotiee z bürgert Gesetzbuch. III

1

2

Allgemeine Gesichtspunkte.

II. Die dinglichen Rechte. 1. Begriff des dinglichen Rechtes.

Absolut9!ollu’

Das obligatorische Recht begründet für den Berechtigten einen Anspruch auf Leistung gegen den Verpflichteten. Das dingliche Recht ergreift die Sache selbst, und zwar entweder als Eigenthum oder als begrenztes Recht *), je nach­ dem der Wille des Berechtigten für die Sache in allen oder nur in gewissen Be­ ziehungen derselben maßgebend ist; der Anspruch, welchen es erzeugt, beschränkt sich nicht auf die Richtung gegen eine bestimmte Person.

UnmittelbarUber ‘ die Sache.

Aus dem Begriffe des dinglichen Rechtes crgiebt sich die Regel, daß das­ selbe von absoluter Wirkung ist. Das dingliche Recht schließt insoweit, als es die Sache dem Willen des Berechtigten unterwirft, jede Einwirkung Dritter auf dieselbe aus; es kann sich daher gegen Jeden bethätigen, deffen Verhalten mit ihm in Widerspruch steht. Soll die absolute Wirkung versagt sein, so muß das Gesetz cs besonders bestimmen. Durch eine solche Bestimmung wird dem von derselben betroffenen Rechte der dingliche Charakter nicht entzogen. Die Begriffe der Dinglichkeit und der Absolutheit decken einander nicht. Wenn auch das obligatorische Recht grundsätzlich nur relativ wirkt, so giebt es doch eine Reihe anderer persönlicher Rechte, welche absolute Wirkung haben; so namentlich gewisse selbständige Berechtigungen, welche von dem Sachenrechte wie Grundstücke behandelt werden, ferner verschiedene Rechte, welche dem Familienrechte angehören, sowie die sogenannten immateriellen Rechte. Die Absolutheit kann somit nur als eine regelmäßig dem dinglichen Rechte bei­ wohnende Eigenschaft angesehen werden. Das Wesen der Dinglichkeit liegt in der unmittelbaren Macht der Person über die Sache. Darauf, ob diese Macht von dem Berechtigten selbst oder nur jn x^em von dem Organe der Rechtsordnung geleiteten Verfahren ausgeübt

werden darf, ist kein Gewicht zu legen. Entscheidend ist nur, daß das Recht sich ohne den Willen eines Anderen zu bethätigen vermag, daß das Vorhanden­

sein eines Verpflichteten nicht erfordert wird. Hieraus folgt zugleich, daß dingliche Rechte nur stattfinden können an Sachen im eigentlichen Sinne, an körperlichen Dingen. Ueber Dinge, welche nur in der Vorstellung bestehen, namentlich über Sachgesammtheiten und Rechte, läßt sich eine reale Macht nicht üben 2).

2. Die einzelnen Kategorieen. Di- Katego-

g-lt-nd-n R-cht-s.

Die dinglichen Rechte des corpus juris sind: das Eigenthum, die Superfizies, die Emphyteusis, die Dienstbarkeiten und das Pfandrecht. Das sächsische Gesetzbuch und der bayerische Entwurf haben die Emphytheusis nicht 2) Der Ausdruck ist der Programmschrift Hartmanns,

eigenen Sache,

entlehnt.

das Recht an der

Er ist bezeichnender als der Ausdruck „dingliches Recht an

fremder Sache", weil er die Rechte mit umfaßt, welche dem Eigenthümer außer dem

Eigenthume an der Sache zustehen können.

2) Siehe die Vorbemerkungen zum ersten Abschn. unter 3.

Die dinglichen Rechte.

3

ausgenommen, dagegen die Reallasten den römischen Kategorieen hinzugefügt. In dem preußischen Allgemeinen Landrechte sind daneben noch andere Institute deutsch-rechtlichen Ursprunges geordnet, so namentlich das dingliche Vorkaufsrecht. Hervorzuheben ist ferner aus der neueren Gesetzgebung die Grundschuld. Nach dem preußischen Allgemeinen Landrechte kann überdies jedes persön- b®M5"“£?e liche Recht, weiches sich auf eine bestimmte Sache bezieht, dadurch dinglich werden, “m seh"' daß die Sache dem Berechtigten übergeben bezw. das Recht in das Hypothekenbuch u"b ®obuSeingetragen wird. Es hängt dies zusammen mit der ehemals weit verbreiteten Lehre vom „Recht zur Sache", nach welcher bei der Erwerbung der dinglichen Rechte zwei Momente in Betracht kommen: der Titel zur Erwerbung, welcher das Recht „zur Sache" begründet, und die Erwerbungsart, durch welche dieses Recht in ein Recht „auf die Sache" (jus in re) übergeht'). In der heutigen Wissenschaft des gemeinen Rechtes hat diese Lehre keine Stütze mehr, und die neuere Gesetzgebung, in Ansehung der unbeweglichen Sachen auch die preußische2), hat sie verworfen. Der Standpunkt des Allgemeinen Landrechtes ist in der That unhaltbar. Denn er beruht auf einer Verkennung des Gegensatzes zwischen dinglichem und persönlichem Rechte und führt damit zu einer Verdunkelung

der Grenzen zwischen den Gebieten des Sachenrechtes und des Rechtes der Schuldverhältnisse. Der Titel zur Erwerbung des dinglichen Rechtes ist an sich nichts anderes als der persönliche Anspruch auf Einräumung desselben; er gehört daher nicht dem Sachenrechte an. Das Sachenrecht muß, um seine Selbständigkeit zu wahren, die Erwerbung der dinglichen Rechte nach Gesichts­ punkten ordnen, die auf seinem Gebiete liegen. Es hat die Thatsachen, an Bestimmung welche die Erwerbung zu knüpfen ist, nicht minder als den Inhalt der ein- Terblngi8 gelnen Rechte nach deren Wesen und Zwecke zu bestimmen. Den Betheiligten fflbeJte@b“e^ kann es daher nicht frcistehen, jedem beliebigen Rechte, welches sich auf eine Sache bezieht, den Karaktcr des dinglichen zu verleihen. Der Grundsatz der Vertragsfreiheit, welcher das Obligationenrecht beherrscht, hat für das Sachen­ recht keine Geltung. Hier gilt der umgekehrte Grundsatz: Die Betheiligien können nur solche Rechte begründen, deren Begründung das Gesetz zuläßt. Die Zahl der dinglichen Rechte ist daher nothwendig eine geschlossene.

Die Entscheidung darüber, welche dinglichen Rechte das bürgerliche Gesetz- Di- Kat°g°buch zu regeln hat, ist im Wesentlichen durch die bisherige Rechtsentwickelung gegeben. Die nach derselben bestehenden Zweifel beziehen sich weniger auf die Dinglichkeitsfrage, als vielmehr darauf, ob die Aufnahme des einen oder des anderen Institutes dem Zwecke der gegenwärtigen Kodifikation entsprechend ist. Der Entwurf regelt die römischen jura in re, mit Ausschluß der Emphyteusis, sowie das dingliche Vorkaufsrecht, die Reallasten und die Grundschuld 3). So­ weit dies einer besonderen Rechtfertigung bedarf, wird dieselbe bei der Be­ gründung der betreffenden Abschnitte erfolgen.

') A. 8. R. I, 2 §§ 131-135, I, 4 §§ 16-19, I, 9 §§ 1-6, I, 10 §§ 1, 2, I, 19 §§ 4-6, I, 21 §§ 2—6. 2) Ges. über den Eigenthumserw. k. v. 5. Mai 1872 §§ 4, 15. 8) Eine iesondcre Art der Belastung des Antheiles eines Miteigenthümcrs regelt der § 949.

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Allgemeine Gesichtspunkte.

III. Ausschließung gewisser Rechtsmaterieu sachenrechtlicher Natur von der Regelung durch de» Entwurf. Auszählung geschlofsenen Materien,

Verschiedene Rechtsmaterien, welche einen mehr oder weniger sachenrechtlichen Karakter haben, werden in dem Entwürfe nicht geregelt; so namentlich: 1. das Bergrecht, mit Einschluß der selbständigen Berechtigung zum Abball gewisser Bodenbestandtheile, welche der Verfügung des Grund-

eigcnthiimers nicht entzogen sind; 2. das Enteignungsrecht; 3. das Recht der Gemeinheitstheilung, der Zusammenlegung der Grundstücke, der Regulirung gutsherrlicher und bäuer­ licher Verhältnisse, der Ablösung von Dienstbarkeiten, Reallasten, Zwangs- und Bannrechten; 4. das Wasserrecht, mit Einschluß des Mühlen-, Flötz-und Flößerei­ rechtes, das Deich- und Sielrecht, das Fischereirecht, das Jagdrccht, das Forstrecht; 5. das Recht der Familienfideikommisse, das Recht der Stamm­ güter, das bäuerliche Güterrecht; 6. das Lehnrecht, die Emphyteusis, das Erbzinsrccht und das Erbpachtrecht. Gründe für Der Grund, weshalb keine dieser Rechtsmatcrien in dem Entwürfe geschü-ßung: ordnet wird, liegt in der Aufgabe, welche das bürgerliche Gesetzbuch zu lösen im Allgem.;

hat. Diese Aufgabe besteht in der Herstellung eines einheitlichen Privatrechtes für das Deutsche Reich, erstreckt sich mithin an sich nicht auf das öffentliche Recht. Freilich haben beide Gebiete inancherlei Berührungspunkte, so daß einzelne Eingriffe in das öffentliche Recht sich nicht vermeiden lassen. Allein die Regelung geschloffener Theile dieses Gebietes in dem bürgerlichen Gesetz­ buche würde über den Zweck, welchem letzteres zu dienen bestimmt ist, hinaus­ gehen. Ferner bringt es die Rücksicht auf das praktische Bedürfniß, welches durch die gegenwärtige Kodifikation befriedigt werden soll, mit sich, daß die­ jenigen Rechtstheile bezw. Rechtsinstitute ausgeschieden werden, welche eine rein lokale oder eine nur vorübergehende Bedeutung haben, indem sie entweder so eng mit den örtlichen Verhältniffen zusammenhüngen, daß sie der angemeffenen Regelung für einen größeren Bezirk überhaupt widerstreben, oder aber dem Rechtsbewußtsein weiterer Kreise der Bevölkerung entschwunden sind.

hinsichtlich Rach diesen Gesichtspunkten bestimmt sich die Stellung des Entwurfes bmaterien:" gegenüber den unter 1.—6. bezeichneten Rechtsmaterien. Im Einzelnen ist zu B-rgrechi;

bemerken: Zu 1. Das Bergrecht setzt sich aus öffentlichrechtlichen und privat­ rechtlichen Vorschriften zusammen. An Umfang überwiegen die ersteren. Eine Ausscheidung der letzteren aber würde das richtige Verständniß derselben erheblich erschweren, zur Zerreißung einer Rechtsmaterie führen, welche in den meisten Staaten, die zu ihrer gesetzlichen Regelung gelangt sind, den Inhalt eines einzigen Gesetzes bildet. Es wäre daher wenig angemessen, wenn die bisherige Methode jetzt aufgegeben würde. Sie steht aber einer Einfügung des Berg-

Ausschließung gewisser Rechtsmatcrieu re.

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rechtes in das bürgerliche Gesetzbuch wegen des vorwiegend publizistischen Karakters dieses Rechtstheiles entgegen, ganz abgesehen davon, daß der reich­ haltige Stoff, um welchen es sich handelt, schon aus systematischen Rücksichten

bester in einem besonderen Gesetze gestaltet wird. Zu 2. Mit dem Enteignungsrechte verhält es sich ähnlich. ZwarEnieignungzsind die dasselbe betreffenden Vorschriften entfernt nicht so umfangreich wie die bergrechtlichen Bestimmungen, so daß ihre Unterbringung in dem Gesetzbuche kaum auf besondere Schwierigkeiten stoßen würde. Dafür aber spielt bei der Enteignung das Verfahren eine vielleicht noch wichtigere Rolle als im Berg­ rechte, und daß Verfahrensvorschriften nicht in eine Kodifikation des materiellen Rechtes gehören, wenn nicht ausnahmsweise zwingende Gründe für ihre Auf­ nahme vorlicgcn, folgt aus ihrer formalen Natur ohne Weiteres. Zu 3. Bei der Gemcinheitstheilung und den übrigen agrar- Agrarrecht; rechtlichen Prozeduren überwiegt gleichfalls der Karakter des Verfahrens. Auch handelt sich hier, wenn man von dem Zusammenlegungs- und dem Ablvsungsverfgchren absieht, meist nur um die Befriedigung vorübergehender Bedürfnisie, weil die Verhältnisie, auf welche jene Prozeduren berechnet sind, in Zukunft nicht häufig von Neuem sich bilden werden. Zu 4. Das Wasserrccht, das Deich- und Sielrccht, das Fischerei- W°,s-rr-chl recht, das Jagdrecht und das Forstrccht können im Einzelnen nur nach dem Bedürfnisse und den geschichtlich gegebenen Verhältniffen größerer oder kleinerer Forstr-Ht; Bezirke geregelt werden. Eine mehr als lokale Bedeutung hat die Art und Weise dieser Regelung nicht. Auch bildet der meist polizeiliche Inhalt der einschlägigen Vorschriften ein weiteres Hinderniß der Kodifikation. Zu 5. Die Errichtung von Familienfideikommissen ist in der großen Gebieten des Reiches unstatthaft. Ein Stammgütcrrecht und ein besonderes bäuerliches Güterrecht haben nur wenige Staaten. Bei der lc-; bestehenden Meinungsverschiedenheit darüber, ob diese Institute dem Gemein­ wohle förderlich sind oder nicht, wird man davon ausgehen dürfen, daß in den Gebieten, in welchen sie keine Geltung haben, die Ansicht vorherrscht, daß ihre Einführung keinen Nutzen bringen, sondern schädlich wirken würde. Vom politischen Standpunkte wäre es daher bedenklich, diesen Gebieten von Reichs­ wegen das eine oder das andere Institut aufzudrängen. Nun wäre es freilich möglich, alle drei Institute in dem bürgerlichen Gesetzbuche zu regeln, die Geltung der zu treffenden Bestimmungen aber für diejenigen Länder und Landestheile, in welchen man ein solches Sonderrecht bisher nicht hatte, von einem Akte der Landesgesetzgebung abhängig zu machen. Allein damit wäre wohl das Prinzip der Kodifikation gewahrt, die von derselben- bezweckte Rechts­ einigung dagegen nicht erreicht. Muß man aber auf die Rechtseinigung ver­ zichten, so ist es bester, auch die Kodifikation zu unterlassen. Praktische Vortheile von einigem Belange wären davon nicht zu erwarten, da die zu regelnden Verhältnisie mir von lokaler Bedeutung sind. Jedenfalls würden sie überwogen werden von den Unzuträglichkeiten, welche eine Aenderung des geltenden Rechies gerade für diese in den einzelnen Gebieten sehr verschieden gestalteten Verhältnisie zur Folge haben müßten. Es empfiehlt sich daher, es bei der Zuständigkeit der Landesgesctzgebungen für die fraglichen Rechtsmaterien

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Allgemeine Gesichtspunkte.

zu belassen und von Reichswegen nur insoweit einzugreifen, als es die Durch­ führung gewisser Grundprinzipien des Gesetzbuches nöthig macht. Lehnrecht-c. Zu 6. Bei dem Lehnrechte, der Emphyteusis, dem Erbzinsrechte und dem Erbpachtrechte handelt es sich um Einrichtungen, welche einer längst vergangenen Gestaltung der politischen und wirthschaftlichen Ver­ hältnisse ihre Entstehung verdanken. In den meisten Staaten ist die Gesetz­ gebung auf die Beseitigung dieser Institute bedacht gewesen. Die verbliebenen Reste derselben sind dem Absterben verfallen und deshalb zur Aufnahme in das bürgerliche Gesetzbuch nicht geeignet. Soweit sie nicht schon jetzt aus dem Rechtssysteme vollständig entfernt werden können, muß die Aufgabe, mit ihnen sich abzufinden, den Landesgesetzgebungen belassen werden. Wenn hiernach die unter 1.—6. bezeichneten Rechtsmaterien von der gegenwärtigen Kodifikation ausgeschlossen sind, so können sie doch dem Einflüsse derselben sich nicht entziehen. Insoweit, als sie in dem allgemeinen Privat­ rechte ihre Ergänzung finden, wird auch für sie das bürgerliche Gesetzbuch gelten. Es werden aber außerdem verschiedene Vorschriften erforderlich sein, um die wünschenswerthe Harmonie zwischen den Sonderrechten und dem Gesetz­ buche herzustellen. Der geeignete Ort für diese Vorschriften ist das Einführungs­ gesetz. Der Begründung des letzteren muß auch die nähere Darlegung des hier nur angedeuteten Verhältnisses des Gesetzbuches zu den im Einzelnen nicht kodifizirten Sonderrechten vorbehalten bleiben1).

IV. Die Rechtsgeschäfte des Sachenrechtes, insbesondere der dingliche Vertrag. Gestaltung

1. Aus bet' selbständigen Stellung, welche das Sachenrecht in dem

Mste nach Systeme des Privatrechtes einnimmt, folgt mit Nothwendigkeit, daß die Gesetzihren eigenen gebung auch die Rechtsgeschäfte, welche den sachenrechtlichen Verkehr vermitteln,

roe ,n’

unabhängig von den Rechtsgeschäften anderer Theile des Systemes auffassen

und gestalten muß. Diese Unabhängigkeit hat überdies eine geschichtliche Grundlage: Bei den Römern zeigte sie sich in der mancipatio und der in jure cessio, später in ber. traditio, bei den Deutschen vornehmlich in dem Institute der Auflassung. Die gemeinrechtliche Doktrin des vorigen Jahrhundertes und die unter ihrem Einflüsse entstandenen Gesetze wichen indessen von dem richtigen Standpunkte ab, indem sie, wie bereits hervorgehoben wurde, für die Erwer­ bung der dinglichen Rechte einen besonderen Titel (Erwerbstitel, Rechtstitel, Rechtsgrund) neben der Erwerbungsart (modus acquirendi) als Erforderniß aufstellten. Wäre dieser Weg der richtige, so müßte er dahin führen, daß die Ungültigkeit des Titels die dingliche Rechtsänderung verhinderte, dem Ver­ äußerer daher zur Wiedererlangung des dem Erwerber Zugewendeten die dingliche Klage zustände. In Wirklichkeit jedoch hat man in dem gesetzten Falle, wenn nur der Wille der Betheiligten auf die Veräußerung und bezw. die Erwerbung gerichtet und gehörig erklärt worden ist, nur eine persönliche Klage (condictio) zugelassen, mithin anerkannt, daß die dingliche Wirkung des x) Vergl. die Anm. I und II zur Ueberschrift des dritten Buches des Entwurfes.

Die Rechtsgeschäfte des Sachenrechtes. Geschäftes unabhängig von dem Titel eintritt.

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Ist aber das Erforderniß des

Titels für den rechtsgeschäftlichen Erwerb und Verlust der dinglichen Rechte bedeutungslos, so muß die Gesetzgebung es fallen lassen, wenn sie nicht Gefahr laufen will, das Wesen der Rechtsverhältnisse zu verdunkeln und dadurch die Sicherheit im Rechtsverkehre zu gefährden. Die sachenrechtlichen Geschäfte sind demnach in dem Entwürfe lediglich nach ihren eigenen Zwecken geordnet. Der Zweck eines solchen Geschäftes kann sein: Begründung, Belastung, Uebertragung oder Aufhebung eines dinglichen Rechtes. An den Inhalt des einzelnen Geschäftes ist daher nur die An­ forderung zu stellen, daß der auf den Zweck des Geschäftes gerichtete Wille der Betheiligten erklärt wird. Die sachenrechtlichen Geschäfte sind nothwendig abstrakter Natur. Sie unterliegen den die Rechtsgeschäfte regelnden Vorschriften des Allgemeinen Theiles, soweit nicht das Sachenrecht etwas Besonderes fest­ setzt, den Vorschriften des Obligationenrechtes dagegen nur insoweit, als das Gesetz zn erkennen giebt, daß die Anwendung derselben von ihm gewollt ist. Die hanptsächllichste Besonderheit liegt darin, daß für die meisten dinglichen

Rechtsgeschäfte das Prinzip der Formfreiheit nicht gilt, die erforderliche Willenserklärnng vielmehr in einer bestimmten Form abgegeben oder doch von einem formalen Elemente begleitet sein muß, um die beabsichtigte sachenrechtliche Wirkung hervorzubringen. Dieses Element ist für die beweglichen Sachen die Uebergabe (Tradition), für die unbeweglichen die Eintragung in das Grundbuch, bezw. die Uebergabe des Hypotheken- oder des Grundschuldbriefes an den Erwerber. 2. Das wichtigste Rechtsgeschäft ist der Vertrag, und zwar nichtDer dinglich­ minder für das Sachenrecht als für das Recht der Schuldverhältnisse. B-rtmg.

Ein Vertrag ist vor Allem die Tradition des gemeinen Rechtes, insonder­ heit das zur Uebertragung des Eigenthumes erforderliche Rechtsgeschäft. Die Ansicht, daß das Vertragsmoment nicht sowohl in der Uebergabe der Sache als vielmehr in dem derselben regelmäßig vorhergehenden obligatorischen Ver­ trage liege, läßt sich auf die mißverständliche Auffassung einer Digestenstelle *) zurückführen. Für den Entwurf erledigt sie sich mit der Abweisung der Theorie vom titulus und modus acquirendi. Zwar ist auch die Meinung vertreten, daß die in der Tradition sich vollziehenden Willenserklärungen des Veräußerers und des Erwerbers von einander unabhängig und folglich als einseitige Er­ klärungen anzusehen seien. Allein der natürlichen Betrachtung des Verhält­ nisses entspricht dies nicht. Wer seine Sache einem Andereil in der Absicht der Eigenthumsübertraglmg übergiebt, thut es nur, weil und sofern der Andere das Eigenthum erwerben will, und dieser wieder eignet sich die Sache nur an, weil und sofern jener den Uebertragungswillen hat. Es bekundet sich also in der Tradition nicht blos eine äußerliche Uebereinstimmung des Willens beider in der Richtung auf den nämlichen rechtlichen Erfolg, sondern eine wirkliche Willenseinigung über denselben. In der Rechtswissenschaft wird denn auch die Vertragsnatur der Tradition nur noch vereinzelt bestritten. Wenn in der Praxis die richtige Erkenntniß noch nicht überall zum Durchbruche gelangt

*) L. 31 pr. D. de acqu. rer. dom. 41, i. 1. 20 Cod. de pact. 2, z.

Siehe dagegen I. 36 eod. und

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Allgemeine Gesichtspunkte.

ist, so wird man die Erklärung hierfür vornehmlich darin suchen müssen, daß die Gesetzgebungen bisher gezögert haben, das in der Uebergabe sich vollziehende

Rechtsgeschäft als Vertrag zu bezeichnen. Der Entwurf läßt in dieser Hinsicht keinen Zweifel über den Standpunkt, welchen er einnimmt. Indem er aus­ drücklich ausspricht, daß jenes Geschäft ein Vertrag ist1), beugt er weiteren Unklarheiten und irrigen Auffassungen vor. Daneben ergiebt sich der Vortheil, daß den Vertragsvorschriften des Allgemeinen Theiles die Anwendung auf die Veräußerung gesichert, hierdurch aber eine nicht zu unterschätzende Knappheit in den aufzustellenden Bestimmungen ermöglicht wird.

Daß das, was hier von der Vertragsnatur der Eigenthumsübertragung gesagt ist, auch von den übrigen durch Tradition3) sich vollziehenden Rechts­ geschäften gelten muß, wird einer allgemeinen Rechtfertigung nicht bedürfen. Ein dinglicher Vertrag ist aus den angeführten Gründen in allen Fällen erforderlich, in welchen Jemand mittels Rechtsgeschäftes eine Sache oder ein Recht an einer solchen von einem Anderen erwerben soll, also namcmlich auch dann, wenn die Erwerbung nicht davon abhängt, daß der Besitz oder die Jnhabung der Sache dem Erwerber eingerüumt und von demselben ergriffen wird, d. i. nach den Vorschriften des Entwurfes in denjenigen Fällen, in welchen ein Grundstück den Gegenstand des Geschäftes bildet, bezw. die Eintragung in das Grundbuch das die Rechtsänderung vollendende formelle Moment ist3).

Grundsätze

Daß der dingliche Vertrag ein verschiedenes Gepräge annimmt, je nach­ dem zur Erreichung seines Zweckes die Eintragung oder die Tradition erforderlich ist4), wird sich aus der Begründung der vorgeschlagencn Bestimmungen ergeben. Hier ist nur auf die gemeinsamen Grundsätze aufmerksam zu machen, welchen die verschiedenen Fälle unterliegen. Diese Grundsätze sind nach den bisherigen Erörterungen, kurz zusammengefaßt, folgende: a) Für den dinglichen Vertrag gelten die Normen des allgemeinen Theiles über Rechtsgeschäfte, insonderheit diejenigen über den Vertrag, soweit nicht ihre Unanwendbarkeit aus den Vorschriften des Sachenrechtes sich ergiebt. b) Der dingliche Vertrag ist seinem Begriffe nach ein abstraktes Geschäft. c) Er bezweckt nicht, eine obligatorische Verpflichtung zu erzeugen, sondern ein Recht an der Sache zu begründen oder ein begründetes Recht zu ändern, zu belasten oder zu übertragen5). Zur Aufhebung eines Rechtes bedarf es in der Regel keines Vertrages3).

*) Sergi. § 874. 2) Tradition bezeichnet hier die Fälle, in welchen nach dem Entwürfe nicht der Besitz, sondern die Jnhabung dem Erwerber eingeräumt und von demselben ergriffen wird. - Bergt. §§ 983, 1011, 1147, 1210. 9) Bergt. §§ 828, 868, 962, 969, 982, 1011, 1023, 1038, 1043, 1048, 1054, 1064, 1065, 1087, 1100, 1106, 1107, 1126, 1129, 1134, 1136, 1144, 1208. 4) Deshalb ist eine für das Recht der beweglichen und das Recht der unbeweglichen Sachen gemeinsame Regelung ausgeschlossen. 5) Sergi, die Anm. 1—3. 6) Anwendung der Regel: §§ 965, 977, 1015, 1016, 1021, 1048, 1061, 1189; Ausnahmen: §§ 1091, 1108, 1125, 1136.

Die Bucheinrichtung; geschichtliche Rückblicke.

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d) Der Zweck des Geschäftes bringt cs mit sich, daß dasselbe gültig nur errichtet werden kann, wenn demjenigen, welcher über die Sache oder das Recht zu Gunsten des anderen Vertragschließenden verfügt, die Sache gehört oder das Recht zusteht. Diese Regel erleidet indessen aus Rücksicht auf das praktische Bedürfniß verschiedene Ausnahmen^). e) Das Verhältniß des dinglichen Vertrages zu dem obligatorischen Geschäfte ist das der Leistung zu dem rechtlichen Motive derselben. Der Vertrag besteht, ivenn auch das Motiv fehlt oder wegfällt. Der Verletzte kann die Leistung nur kondizircn2).

V. Die Vncheinrichtuug als Grundlage des Jmmobilienrechtes. 1. In der Entwickelung des römischen Rechtes treten überall die rein ’• «egenfa» logischen und privatrechtlichen Gesichtspunkte in den Vordergrund; der natür- römi^eVun» liche Unterschied zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen hat nitv ^JXnen" einen geringen Einfluß auf die Gestaltung des Sachenrechtes. Im deutschen twU''"

Rechte dagegen spielt dieser Unterschied eine wichtige Rolle. Die Verknüpfung politischer Rechte mit dem Besitze von Grund und Boden sowie die hiermit zusammenhängende Beschränkung des Besitzers durch das Recht des nächsten Erben erhoben den Grundbesitz im Mittelalter zu einer Bedeutung, welche die Ausbildung eines Sonderrechtes für die Grundstücke zur Folge haben mußte. Die Grundlage dieses Sonderrechtes war die Ocffentlichkeit der Rechtsverhält­ nisse, in welchen die einzelnen Grundstücke standen. In älterer Zeit war eine ausreichende Oeffentlichkcit dadurch gewährleistet, daß die Rechtsgeschäfte, welche eine Aenderung des jeweiligen Rechtsverhältnisses bezweckten, vor der ver­ sammelten Gemeinde vorgenommcn würben. Später, als mit dem wachsenden Verkehre auch die Schrcibckunst sich ausbreitete, ging man dazu über, die Geschäfte schriftlich zu beurkunden und die Urkunden zu sammeln, um das Geschehene der Vergessenheit zu entrücken. Auf diesem Wege gelangte man in vielen Gebieten, namentlich in den verkehrsreichen Städten, zur Anlegung und Führung öffentlicher Bücher, welche über die Rechtsverhältnisie des Grund­ besitzes sichere Auskunft geben konnten. Diese Einrichtung hielt freilich nicht Stand, als das römische Recht in Deutschland sich Geltung verschaffte; nur in einigen Städten, namentlich in Hamburg und Lübeck, vermochte sie sich zu behaupten und bis auf die Gegenwart fortzubilden. Allein der Gedanke, auf welchem sie beruhte, wurde von Steuern belebt, als im vorigen Jahr­ hunderte das bürgerliche Recht für den preußischen Staat einheitlich gestaltet wurde. 2. Die preußische Hypoth. O. v. 20. Dezember 1783 rief eine vollständige und den modernen Verhältnisien entsprechende Bucheinrichtung ins Leben. g°b»»g: Ob und in welchem Maße sie Berührungspunkte mit ihren mittelalter-'"^"'"""

lichen Vorgängern hatte, ist eine Frage, die nur von rechtsgeschichtlichem Jntereffe ist. Hier ist nur hervorzuheben, daß die Gesetzgebung das Oesfent!) Sergi. §§ 830, 837, 838, 876-879, 1083. 2) Sergi. §§ 829, 874, 878, 880, 983, 1021, 1147.

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Allgemeine Gesichtspunkte.

lichkeitsprinzip, welchem sie die Rechtsverhältnisie unterstellte, nicht sowohl wegen der politischen Bedeutung des Grundbesitzes, als vielmehr aus Rücksicht auf die Bedürfnisie des Gruudstücksverkehres und des Realkredites in das System des Sachenrechtes einführte. Der ausgesprochene Zweck der Hypotheken­ ordnung war „die Feststellung der Eigenthumsrechte uud des Kredites der Besitzer unbeweglicher Grundstücke und die Sicherung des Publikums bei den darauf gemachten Anlehnen". Das Gesetz gab deshalb Vorschriften darüber,

„wie die Hypothekenbücher einzurichten, was für Realrechte und Lasten in selbigen zu vermerken und was bei deren Eintragung, Umschreibung auf Andere, oder Löschung, .... zu beobachten" fei1). Alle selbständigen Grund­ stücke sollten in dem Buche verzeichnet, jedem Grundstücke ein besonderes Folium angewiesen, der Besitztitel des Eigenthümers berichtigt und der als Besitzer Eingetragene für den wahren Eigenthümer angesehen, alle Hypotheken- und Realverbindlichkeitcn, mit Ausnahme der gemeinen Lasten, in dem Buche ein­ geschrieben und alle Veränderungen, welche der Rcalzustand erfahren würde, sorgfältig nachgetragen werden2). Die Absicht war hiernach erkennbar die, das gesammte Jmmobilienrecht auf der Grundlage der Bucheinrichtung zu regeln, bei dem Karakter des Hypothekenbuchcs als eines Pfandbuches nicht stehen zu bleiben, sondern dasselbe zu einem wirklichen Grundbuche zu machen. Das Allgemeine Landrecht ging in­ dessen nicht so weit. Es erkannte das Publizitätsprinzip und das Eintragungs­ prinzip nur zu Gunsten der hypothekarischen Belastung an. Im Uebrigen wurde das Traditionspriuzip des römischen Rechtes nicht aufgcgeben. Das Eigenthum konnte mir durch Uebergabe erworben werden, und auch die Begründung begrenzter Rechte an einem Grundstücke blieb für die wichtigsten

Fälle unabhängig von der Eintragung in das Hypothekenbuch. Die Besitztitel­ berichtigung hatte im Wesentlichen nur die Bedeutung, daß der als Besitzer Eingetragene mit gutgläubigen Dritten alle eine Uebergabe des Grundstückes nicht erfordernden dinglichen Rechtsgeschäfte gültig vornehmen konnte, auch wenn er in Wahrheit nicht der Eigenthümer roar3). Die spätere Gesetz­ gebung verlieh auch noch formell den Hypothekenbüchern das Gepräge des Pfandbuchsystemes, indem sie die bisher bestandene Zwangspflicht zur Berich­

in anderen Bundes­ staaten;

tigung des Besitztitels beseitigte4). Erst in neuerer Zeit hat sich der Uebergang zum Grundbuchsysteme in Preußen vollzogen. In anderen Bundes st aaten ging man ebenfalls an eine Reform des Jmmobilienrechtes. Das Traditionsprinzip sowie die gesetzlichen und generellen Hypotheken des gemeinen Rechtes erwiesen sich immer mehr als unvereinbar mit den Anforderungen, welche das zunehmende Kreditbedürfniß der Grundbesitzer an die Rechtssicherheit stellte. Während einige Staaten dieses

Bedürfniß durch eine Reform des Hypothekenrechtes befriedigen zu können

*) 2) 3) Trib. zu 4)

Emg. der Hypoth. O. v. 20. Dezember 1783. Hypoth. O. I §§ 6, 8, 41 ff., II §§ 92, 109. A. L. R. I, 10 §§ 1, 10 ff., I, 20 § 410; Plen. Beschl. des Dorrn. OberBerlin v. 7. Juli 1851, Entsch. 21 S. 10. Kab. O. v. 31. Oktober 1831.

Die Bucheinrichtung; die moderne Gesetzgebung.

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glaubten und deshalb das Pfandbuchsystem einführten, erstreckten andere die Reform auch auf die Regelung des Eigenthumserwcrbes und gelangten so zur Annahme des Grundbuchsystemcs. Gegenwärtig bildet dieses oder jenes System in den weitaus meisten Staaten, in welchen das gemeine Recht gilt, die Grund­ lage des Jmmobilienrechtes. Daneben besteht in ausgedehnten Gebieten noch das Transskriptions- und im franz. Rechts­ Jnskriptionssystem des französischen Rechtes. Der code civil erinnert durch gebiete; die Schärfe, mit welcher er die Verschiedenheit der Behandlung von beweglichem und unbeweglichem Vermögen durchgeführt hat, an die germanische Auffassung. Aber die Art und Weise, wie das Jmmobilienrecht in ihm gestaltet ist, steht in einem auffälligen Gegensatze zn der Entwickelung auf deutschem Boden. Das Eigenthum wird nach ihm durch formlosen Vertrag übertragen, und wenn auch das sogenannte Transskriptionsgcsetz (loi sur la transcription en matiere hypothecaire) v. 23. März 1855 die Eintragung der Erwerbsurkunden und gewisser Urtheile in das Transskriptionsregister vorschreibt, so knüpft es doch bcn Eigcnthumscrwerb selbst nicht an die Eintragung. Die Rechte aus den der Transskription unterliegenden Akten können zwar dritten Personen, welche Rechte an der Liegenschaft erworben und gewahrt haben, bis zur Trans­ skription nicht entgegcngchalten werden. Die materiellen Wirkungen aber, welche das Gesetz mit der Transskription verbindet, bestehen im Wesentlichen nur darin, daß dieselbe die Wiederauflösungsklagc des Veräußerers und die Inskription von Hypotheken und Privilegien gegen denselben zu Gunsten Dritter gewissen Beschränkungen unterwirft. Im Uebrigen sind die privilegirten Hypotheken beibehalten, und die Eintragung der vertragsmäßigen und der richterlichen Hypotheken in das Jnskriptionsregister hat nur die Bedeutung, daß die Reihenfolge, in welcher sic vorgenommen wird, für die Rangordnung der Gläubiger maßgebend ist. Ein ganz eigenartiges Jmmobilienrecht hat sich in Bremen unter Fort­ in Bremen. bildung der Auflassung des Mittelalters entwickelt. Das Eigenthum wird hier bei Veräußerungen unter der Hand durch „Lafsung", bei öffentlichen Ver­ käufen durch Einhändigung des Zuschlagsprotokolles erworben, und die Ver­ pfändung der Grundstücke kann nur mittels „Handfesten" bewirkt werden. Der Veräußerung geht eine öffentliche Abkündigung durch das Erbe- und Handfesten-Amt voran. Sie enthält die Aufforderung aller Betheiligten zur Anmeldung der das Grundstück betreffenden Ansprüche binnen sechs Wochen bei Vermeidung des Rechtsverlustes. Von der Anmeldung befreit sind nur diejenigen handfestarischen Gläubiger, welche ihr Recht in das dafür bestimmte Buch haben eintragcn lassen. Nach der Lassnng oder der Einhändigung des Zuschlagsprotokolles bestimmen sich die Rechte an dem Grundstücke lediglich durch den Inhalt der Lassungs- oder der Zuschlagsurkunde. Die einzelnen Urkunden, welche in chronologischer Reihenfolge zusammengebunden werden, bilden das sogenannte „Erbebuch". Die Willigung von „Handfesten" wird gleichfalls öffentlich bekannt gemacht. Die Ausfertigung erfolgt durch die genannte Behörde, sofern nicht vor Ablauf der Ausschlußfrist ein begründeter Beispruch erhoben wird. Jede Handfeste muß auf eine bestimmte Summe lauten, das Grundstück, auf welches sie gewilligt ist, bezeichnen, und die

12

Allgemeine Gesichtspunkte.

Stelle, welche sie in der Reihenfolge der Handfesten einnimmt, angeben.

Die

an

dem

Handfesten werden dem

Williger

Pfandrecht

Ein

ansgehändigt.

Grundstücke nach. Maßgabe der einzelnen Handfeste entsteht durch Uebergabe

der Urkunde an den Gläubiger.

Der Weiterversatz ist zugelassen, jedoch nur

zugleich mit der Forderung, für welche die Handfeste haftet. 3. Uebersicht 3. Ein näheres Eingehen auf den Inhalt der geltenden Jmmobilienb@enung6=5 gesetzt muß bis zur Begründung der einzelnen Abschnitte ausgesetzt bleiben,

g-bietes:

gur Kennzeichnung des allgemeinen Standpunktes, von welchem der Entwurf ausgcht, wird folgende Uebersicht genügen. a) Das gemeine Recht gilt wesentlich unverändert in dem Bezirke des Amtsgerichtes zu Homburg') und für gewisse Grundstücke in

-y Im-

'ohne'Buch-'preußischen Einrichtung,

tictn

zu

Mecklcnburg-Strclitz

Ratzeburg.

gehörenden Fürstenthumc

Für

Bremen crgicbt sich der oben angcdeutctc Rechtszustand aus der Erbe und Handfesten O. v. 30. Juli 1860.

b) Das

b) Franz.

Tra n s s kri p t i o ns -

Jnskriptionssystem

und

bildet

die

ffriptions= Grundlage des Jmmobilicnrechtes in dem Bezirke des preußischen Oberlandes-

ftoptione sysiöm.

geeichtes zu Köln, der bayerischen Pfalz, dem Großherzogthume Baden, der hessischen Provinz Rheinhessen, dem oldenburgischen Fürstenthumc Birken­

feld und dem Reichslande Elsaß-Lothringen. a.

In Preußen erfuhr das französische Jmmobilienrecht bereits durch

die Subhast. O. v. 1. August 1822 verschiedene Aenderungen.

Die späteren

Versuche, das Hypothekenrccht zu verbessern, blieben zunächst ohne Erfolgs).

Auch die Ausführungsgesctze zu den Reichsjustizgesetzen griffen kaum merklich in das materielle Recht ein8).

Erst

das

Gesetz über die Veräußerung und

hypothekarische Belastung von Grundstücken im Geltungsbereiche des rhein. R.

v. 20. Mai 1885 hat Reformen von Allem ist Eintragung

das in

Spezialitütsprinzip

erheblicher Bedeutung

dadurch

verschärft, daß

die Register des Hypothekenbewahrers

gebracht.

die

Vor

Akte, deren

verlangt wird,

eine

genaue Bezeichnung der betreffenden Grundstücke nach dem Kataster enthalten sollen (§§ 2, 3, 5).

durch

Sodann wird für die Uebertragung des Grundeigenthumes

Rechtsgeschäft unter Lebenden die Errichtung eines notariellen

gerichtlichen Vertrages vorgeschrieben (§ 1).

bezw.

„Privilegien, mit Ausnahme der

im Art. 2101 des rheinischen Civilgesetzbuches

bezeichneten, und Hypotheken

werden nur durch Einschreibung in die Register des Hypothekenbewahrers und

nur bezüglich der in der Einschreibung einzeln bezeichneten Grundstücke wirksam. Hypotheken haben in keinem Falle einen früheren Rang, als von dem Tage, an welchem die Einschreibung bewirkt worden ist" (§ 4).

Die Eintragung selbst

ist wesentlichen Beschränkungen unterworfen (§§ 10—12); namentlich werden die

Privilegien, welche

der code civil Art. 2103 dem

Verkäufer und dem

*) Siehe indessen das Ausf. G. zur Äons. O. v. Ü. März 1879 2) So insbesondere der von Neichensperger im Auftrage der gearbeitete Entwurf eines Hypothekengesetzes mit Motiven 1851 und Philippi's in dessen Versuch über das Hypothekenrecht rc. 1860. 3) Eine Beschränkung der gesetzlichen Vorzugsrechte findet sich in zur Konk. O. v. 6. März 1879 § 10.

§§ 2 u. 3. Regierung aus­ die Vorschläge

dem Ausf. Ges.

Die Bucheinrichtung; Uebersicht der Landesgesetze.

13

Darleiher von Geld zum Ankäufe einer unbeweglichen Sache beilegt, an die nämlichen Voraussetzungen geknüpft, von welchen nach Art. 2109 und 2113 das Privileg des Miterben abhängt (§ 6). ß. Für Bayern ergiebt sich die hauptsächlichste Aenderung des fran­

zösischen Immobilienrechtcs aus der Bestimmung des Notar. Ges. v.IO.Nov. 1861 Art. 14, daß über alle Verträge, welche Rechte an Grundstücken betreffen, bei Strafe der Nichtigkeit notarielle Urkunden zu errichten sind. Im Uebrigen beschränken sich die Reformen auf die Jmmobiliarexekution, welche durch die Proz. O. v. 29. April 1869 und jetzt durch das Gesetz, betr. die Zwangs­ vollstreckung in das unbewegliche Vermögen, v. 23. Febr. 1879, einheitlich geregelt ist. Die badischen Einrichtungen weichen von den französischen wesentlich darin ab, daß die ortsgerichtliche Gewährung bcibehalten ist und dementsprechend die Gemeindebehörden, welchen die Führung der Register (Grund- und Pfandbücher) obliegt, vor jeder neuen Eintragung genau zu untersuchen haben, ob der bisherige Buchcigenthümer, gegen welchen ein Verüußerungsakt oder ein Pfandrecht eingetragen werde» soll, zu der Veräußerung oder der Verpfändung befugt ist, insbesondere das Grundstück rechtmäßig erworben hat, überhaupt ob der Einschreibung nach Inhalt der Bücher ein Hinderniß nicht entgegensteht. Das Nähere ergiebt sich aus der landesherrlich genehmigten Anleitung zur Führung der Grund- und Pfandbücher vom 23. April 1868. Die wichtigste materielle Aenderung ist die, daß die Wirksamkeit der Eigenthums­ übertragung und der Vertragshypothek gegen Dritte von der Eintragung ab­ hängig gemacht ist1).

8. In Rheinhessen handelte es sich bei den seit langer Zeit erstrebten Reformen wesentlich darum, das in den Provinzen Starkenburg und Oberhesseu bestehende Grundbuchsystem auf das Gebiet des französischen Rechtes zu übertragen. Diese Reformen sind bei Einführung der Neichsjustizgesetze zum Abschlüsse gelangt durch das Gesetz, die Uebertragung von Gruudeigeuthum und die Fortführung der Grundbücher betreffend, vom 6. Juni 1879, mit der Ausführungsverordnung vom 9. September desselben Jahres.

e. In Birkenfeld sind die französischen Einrichtungen durch die oldenburg. Hypoth. O. von: 11. Oktober 1814 erheblich modifizirt worden. C Für Elsaß-Lothringen ist nur das Gesetz über die Zwangs­ vollstreckung in das unbewegliche Vermögen vom 30. April 1880 zu erwähnen. Die Versuche der Regierung, das Jmmobilienrecht auf der Grundlage des Grundbuchsystemes zu gestalten, sind bisher erfolglos gewesen. Die französische Registereinrichtung besteht zum Theil auch in dem vor­ maligen Freistaat Frankfurt a. M., obschon erheblich modifizirt durch die Wiedereinführung des älteren Rechtes im Jahre 1814, sowie durch neuere Gesetze, namentlich die Verordnung wegen der gerichtlichen Transskriptionen re. vom 16. März 1820, die Verordnung wegen der Transskriptionen und Be­ stellung von Hypotheken auf dem Lande vom 16. März 1825, das Gesetz, die Rangordnung der Gläubiger re. betreffend, vom 10. Januar 1837.

*) Bad. L.R. Satz 939 a, 1002 a, 1583 a.

14 c)Pfandbuch-

Wumi

Allgemeine Gesichtspunkte.

c) Auf der Grundlage mobilienrccht:

a. für Bayern, v. 1. Juni 1822;

des

Pfandbuchsystemes

Ausschluß

mit

der

Pfalz,

regeln

das

das Jm-

Hypoth.

Ges.

ß. für Württemberg*) das Pfandgesetz v. 15. April 1825 und das Gesetz, die vollständige Entwickelung des neuen Pfandsystems betreffend,

v. 21. Mai 1828; 7. für den ritterschaftlichen Grundbesitz in Mecklenburg-Schwerin und Strelitz, mit Ausschluß von Ratzeburg?), die revidirte Hypoth. O. für Landgüter3) v. 18. Oktober 1818, ferner für die Erbpachtstellen auf den Gütern der (schwcrinschen) Landesklöster Dobbcrtin, Malchow und Ribnitz die revidirte Hypoth. D.4) v. 8. Dezember 1852;