Monetäre Wirkungen der Staatsverschuldung: Konsequenzen für das Debt Management [1 ed.] 9783428449804, 9783428049806


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German Pages 283 Year 1981

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Monetäre Wirkungen der Staatsverschuldung: Konsequenzen für das Debt Management [1 ed.]
 9783428449804, 9783428049806

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Schriftenreihe der Hochschule Speyer Band 83

Monetäre Wirkungen der Staatsverschuldung Konsequenzen für das Debt Management

Von

Helmut Kern

Duncker & Humblot · Berlin

HELMUT KERN

Monetäre Wirkungen der Staatsverschuldung

S c h r i f t e n r e i h e der H o c h s c h u l e Speyer Band 83

Monetäre W i r k u n g e n der Staatsverschuldung Konsequenzen für das Debt Management

Von

Dr. Helmut Kern

DUNCKER

& HUMBLOT

/

BERLIN

Alle Hechte vorbehalten © 1981 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1981 bei Fotokop W. Weihert, Darmstadt 1 Printed in Germany ISBN 3 428 04980 2

Vorwort

Die Staatsverschuldung ist in kurzer Zeit zu einem beherrschenden Thema der deutschen Wirtschaftspolitik geworden. Offen wird von einer „Krise" der Staatsfinanzen gesprochen, zuweilen sogar (und überzogen) von einem „Staatsbankrott". Angesichts des drastischen Anstiegs der öffentlichen Verschuldung seit 1974 ist dieses Thema längst auch in die politischen Auseinandersetzungen geraten und mittlerweile von derartigem Gewicht, daß es zur Belastungsprobe der Bonner Regierungskoalition geworden ist. Die vorliegende Untersuchung, entstanden als Forschungsprojekt im Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung (FÖV) der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, beschäftigt sich mit den monetären Wirkungen der Staatsverschuldung. Damit wird jener Bereich angesprochen, der an der Nahtstelle zwischen Finanz- und Geldpolitik liegt und der bislang kaum gewürdigt worden ist. Es bedurfte wohl schon der (zufälligen) Koinzidenz von zwei Phänomenen, um den Blick für diese Problematik zu schärfen: Etwa zur gleichen Zeit, nämlich 1974/75, begannen sowohl die Strategie der Geldmengensteuerung der Bundesbank als auch der rapide Anstieg der Staatsverschuldung. Zwischen diesen beiden wirtschaftspolitischen Strategien — der Geldmengenund der Staatsschuldenpolitik — bestehen vielfältige Wechselbeziehungen. Die unter monetären Aspekten wichtigsten werden in der Untersuchung anhand des Grobrasters von drei Konfliktpotentialen herausgearbeitet, und zwar den möglichen bzw. tatsächlichen Konflikten zwischen Sektoren, zwischen Politikbereichen sowie zwischen Politik und Macht. Der sektorspezifische Konfliktbereich umfaßt mögliche Kollisionen zwischen der Kreditaufnahme des Privat- und des Staatssektors, d.h. insbesondere die monetäre Verdrängungsproblematik („crowding out" auf den Kreditmärkten). Gemessen an dem traditionell angewandten Kriterium — der „zinsrobuste" Staat verdrängt über hohe und/oder steigende Zinsen die privaten Kreditnehmer — bietet der Untersuchungszeitraum (bis Ende 1978) keinen eindeutigen empirischen Befund: bei nur geringer Verschuldungsbereitschaft des Privatsektors und hoher öffentlicher Neuverschuldung halbierte sich in etwa das Zinsniveau in den Jahren von 1974 bis 1978. Auch die weitergehende, theoretische und empirische Analyse der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen der öffentlichen Kreditaufnahme während dieser Periode liefert keine Anhaltspunkte für finanzielles crowding out. Allenfalls lassen sich einige empirische Verdrängungsspuren ausmachen, belegt anhand von zeitweiligen Stockungen der öffentlichen Kreditaufnahme und aufgrund einiger Phasen, in denen der Staat die Zinsführerschaft übernommen hatte. Für die Zeit ab 1979 dürften allerdings kaum Zweifel an der Existenz von monetären Verdrängungseffekten

Vorwort

6

seitens des Staates bestehen, für deren Analyse diese Untersuchung wichtige Vorarbeiten leistet. Unter dem zweiten Aspekt, den Konflikten zwischen Politikbereichen, werden mögliche Kollisionsgefahren zwischen der Geldmengensteuerung der Bundesbank und der Staatsschuldenpolitik behandelt. Auch die öffentliche Kreditaufnahme hat - wie jeder Kredit - Geldmengen- und Zinswirkungen. Anhand von Modellrechnungen wird gezeigt, daß die hauptsächlich praktizierten Formen der öffentlichen Verschuldung die Zentralbankgeldmenge und die Bankenliquidität quantitativ in ähnlicher Weise beeinflussen wie die private Kreditaufnahme. Für die während des Untersuchungszeitraumes tatsächlich eingetretenen Geldmengenziel-Überschreitungen kann die forcierte öffentliche Neuverschuldung als Einflußfaktor daher apriori nicht ausgeschlossen werden. Allerdings fiel diese Zeit zusammen mit massiven, geldmengenwirksamen Devisenzuströmen. Mit der Umkehr der Devisenströme seit 1979 und insbesondere 1980 im Gefolge der sich abzeichnenden deutschen Leistungsbüanzdefizite erschienen die Geldmengeneffekte der Staatsverschuldung dagegen als durchaus erwünschter Beitrag zur „Erfüllung" des monetären Wachstumsziels der Bundesbank. Der dritte Bereich - Konflikte zwischen „Politik und Markt" (Staatsschuldenpolitik versus Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes) — zielt auf ein kaum lösbares Problem: Auf der einen Seite müssen die geldpolitischen Maßnahmen, sollen sie effizient sein, auf alle finanziellen Märkte, also auch auf den Kapitalmarkt, durchschlagen, was notwendigerweise zu Funktionsstörungen, dJi. insbesondere zu starken Zinsschwankungen dieses Marktes führen muß. Auf der anderen Seite ist vor allem dem staatlichen Schuldenmanagement an einer dauerhaften „Funktionsfähigkeit" dieses Marktes, an einer stetigen Entwicklung der Kapitalströme und an einer stabüen Zinsentwicklung gelegen. Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes können sich aber auch durch die Verschuldungsaktivitäten des Staates selbst ergeben. Hierdurch ausgelöste Zinsimpulse können darüber hinaus die Politik der Geldmengensteuerung empfindlich stören. Zinserhöhungseffekte der öffentlichen Verschuldung können jedoch zuweilen auch die Richtung der Geldpolitik unterstützen, so z.B. die seit Ende 1980 von der Bundesbank aus außenwirtschaftlichen Gründen betriebene Hochzinspolitik (Förderung der Kapitalimporte, Reduzierung des Zinsgefälles zum Ausland, Stützung des DM-Wechselkurses). Mit der systematischen Aufbereitung und Diskussion dieser drei Konfliktpotentiale deckt die Untersuchung ein breites Themenspektrum ab. Sie führt zu einer Reihe von Vorschlägen für eine bessere Koordination von Geld- und Staatsschuldenpolitik und gibt Anstöße für vertiefende und weiterreichende Arbeiten auf diesem Gebiet. Speyer, im August 1981

Dieter Duwendag

nsverzeichnis Erster Hauptteil Einführung und Darstellung der öffentlichen Verschuldung I.

II.

Einleitung und Problemstellung

17

1. Konflikte zwischen Sektoren

18

2. Konflikte zwischen Politikbereichen

20

3. Konflikte zwischen Politik und Markt

22

A b grenzungen

23

1. Begriffserklärungen

23

a) Die „Staatsverschuldung"

23

b) Die öffentlichen Schuldner

23

c) Staatsschuldenpolitik, Debt Management und ihre Träger . . . .

25

d) Der „Kapitalmarkt"

26

2. Rechtliche Abgrenzung

28

3. Zeitliche Abgrenzung

30

III. Aufbau der Untersuchung

31

IV. Entwicklung und Arten der öffentlichen

Verschuldung

32

1. Kredite der Bundesbank

33

2. Schatz Wechsel

36

3. Unverzinsliche Schatzanweisungen

36

4. Bundesschatzbriefe

37

5. Kassenobligationen

38

6. Anleihen

39

7. Schuldscheindarlehen

40

8. Sonstige Arten

41

9. Zusammenfassung

43

V. Struktur der öffentlichen

Schuld

46

1. Die Schuldnerstruktur

46

2. Die Rolle einzelner Schuldarten

46

8

alverzeichnis

3. Die Gläubigerstruktur

49

a) Der Aussagewert des empirischen Materials b) Die Streuung des Besitzes an öffentlichen Schuldtiteln 1970 bis 1978 4. Die Zins-und Laufzeitenstruktur a) Kapitalzins, Emissions-und Umlaufsrenditen

49 53 58 58

b) Die Konkurrenzlage öffentlicher Anleihen

62

c) Die Zinsstruktur

65

d) Die Laufzeitenstruktur

67

5. Zusammenfassung

70

Zweiter Hauptteil Monetäre Wirkungen der öffentlichen Verschuldung Erstes Kapitel Geldpolitik und Staatsverschuldung I.

Die Geldpolitik der Deutschen Bundesbank 1. Die Konzeption

71

a ) Die Ausrichtung

71

b) Gewandelte Voraussetzungen und Neuorientierung

73

2. Probleme der „neuen Geldpolitik"

II.

71

77

a) Die ZBG als Indikator und Zwischenziel

77

b) Die Steuerung der ZBG

80

Geldmengenwirkungen

der Staatsverschuldung

1. Abgrenzungen und Prämissen a) Die grundlegenden Modellannahmen

82 82 82

b) Der „Bargeldhaltungskoeffizient"

83

c) Der durchschnittliche „Mindestreservesatz"

85

2. ZBG-Effekte einzelner Verschuldungsarten

86

a) Verschuldung bei der Zentralbank

86

b) Verschuldung bei den Geschäftsbanken

88

aa) Existenz von freien Liquiditätsreserven

89

bb) „Zwischenfinanzierung" bei der Zentralbank

90

cc) Refinanzierung durch Wertpapierverkäufe

90

alverzeichnis

9

c) Kreditaufnahme bei den Nichtbanken

92

d) Öffentliche Kreditaufnahme im Ausland

94

e) Zusammenfassung der Ergebnisse

94

3. Interpretation der Resultate

97

a) Zeitliche Verteilung der Effekte

97

b) Das Gewicht der Portefeuilleentscheidungen

98

c) Zur Aussagekraft der Ergebnisse

100

4. Konfliktpotentiale III. Notenbankstrategie

105 und Staatsschuldenpolitik

106

1. Die Bundesbank als „Fiscal Agent"

106

2. Zentralbankpolitik und Kreditmärkte a) Kapitalmarktpolitische Bundesbank

Befugnisse

107 und

Möglichkeiten der

b) Dilemmasituationen

107 111

3. Zentralbankpolitik und öffentliche Schuldaufnahme

113

Zweites Kapitel Verdrängungswettbewerb zwischen privater und staatlicher Kreditaufnahme I.

Der analytische Rahmen

116

II.

Der Staat im Finanzierungskreislauf

121

1. Vorbemerkungen

121

2. Die gesamtwirtschaftliche Finanzierungsrechnung

122

3. Verdrängungs-„Spuren" im Finanzierungskreislauf

126

III. Der „Zins" als Verdrängungsindikator

129

1. Verdrängung und Geldpolitik

129

2. Staatliche Kreditaufnahme und Renditeentwicklung

132

3. Zur „Renditerobustheit" des Staates und der „Zinsempfindlichkeit" des Privatsektors

139

4. Zusammenfassung. .

143

Öffentliche I.

Die Funktionsfähigkeit

Drittes Kapitel Verschuldung und Kapitalmarkt des Kapitalmarktes

144

alverzeichnis

10

II.

Die Entwicklung des Rentenmarktes

146

1. Der deutsche Rentenmarkt von der Währungsreform bis 1970 . . .

146

2. Marktbeanspruchung und Rentenquoten im Untersuchungszeitraum

148

III. Probleme der Kapitalmarktentwicklung

150

1. Die Motivationsstruktur der Kapitalmarktpartner

150

a) Die Bedeutung der Kapitalnachfrager für die Mark tent Wicklung

150

b) Das Verhalten der Anleger

152

aa) Anlagepolitische Zielsetzungen

152

bb) Das Marktverhalten der Kreditinstitute

153

cc) Das Marktverhalten der übrigen institutionellen Anleger

160

dd) Das Verhalten des nichtfinanziellen Sektors

162

ol) Das Marktverhalten der Privatpersonen

162

ß) Das Markt verhalten der Unternehmen

169

γ) Das Markt verhalten ausländischer Anleger

170

2. Die Funktionsmängel des Rentenmarktes

171

a) Kapazität

172

b) Stabilität

177

aa) Die Ursachen der konjunkturellen Instabilitäten

177

bb) Die Geldmarktabhängigkeit des Rentenmarktes

181

cc) Stabilisierungswirkungen des privaten Wertpapiererwerbs

185

3. Zusammenfassung IV. Öffentliche

Verschuldung und Funktionsfähigkeit

186 des Kapitalmarktes

1. Die Rolle der öffentlichen Hand auf dem Kapitalmarkt

188

2. Der Staat als ordnungspolitischer Faktor

189

3. Marktverhalten des Staates und Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes

191

a) Öffentliche Kreditaufnahme versus Kapazität des Kapitalmarktes

191

b) Schuldenstrukturpolitik versus „Stabilität" des Kapitalmarktes

191

aa) Schuldverschreibungen versus Direktkredite

192

bb) Emissionsstrategien

193

cc) Fristenproblem und „Flexibilität" der Kreditaufnahme . . c) Institutionelle Vorkehrungen zum Marktausgleich

197 203

187

alverzeichnis

11

Dritter Hauptteil Konsequenzen für das Debt Management Erstes Kapitel Monetäre Grenzen der öffentlichen

Verschuldung

I.

Der haushaltspolitische Spielraum.

208

IL

Geld- und kreditpolitische

212

Grenzen

1. Verschuldungsgrenzen im Lichte der Notenbankstrategie

212

2. Verschuldungsgrenzen im Lichte der Kreditmarkteffekte

217

Zweites Kapitel Die Ausgestaltung der Schuldenstrukturpolitik I.

II.

Die Orientierung des Debt Management

219

1. Zu den Zielen der Schuldenstrukturpolitik

220

2. Die praktische Ausrichtung der Schuldenstrukturpolitik

224

Konsequenzen für die Schuldenpolitik 1. Schuldenniveaupolitik versus Geldmengensteuerung

234 234

2. Schuldenniveaupolitik versus Verdrängungsproblematik

237

3. Debt Management versus Entwicklung der Finanzmärkte

239

a) Debt Management und Geldmarktabhängigkeit der Kreditmärkte

240

aa) Ausgangspunkte

240

bb) Debt Management und Schuldscheindarlehen

241

cc) Zur Verringerung der Geldmarktabhängigkeit

243

b) Debt Management und Gläubigerstruktur

247

c) Debt Management und Kreditmarktbeanspruchung

253

aa) Die Emissionsmethoden

253

bb) Das Timing staatlicher Kreditaufnahme

255

d) Koordination der Schuldenpolitik

259

Zusammenfassung

263

Literaturverzeichnis

267

blnverzeichnis Tab.

1 : Hauptmerkmale der gängigsten Formen der Staatsverschuldung

44

Tab. 2: Entwicklung der öffentlichen Verschuldung 1970-1978

47

Tab. 3: Die Arten der öffentlichen Verschuldung 1970-1978

48

Tab. 4: Die wichtigsten öffentlichen Verschuldungsarten 1970 und 1978

50

Tab. 5: Verteilung des Besitzes an inländischen festverzinslichen Wertpapieren 1970-1978

54

Tab. 6: Verteilung des Besitzes an öffentlichen Anleihen 1970-1978

56

Tab. 7: Jährliche Entwicklung des Besitzes an öffentlichen Anleihen 1970-1978

57

Tab. 8: Kreditinstitute und Privatpersonen als Gläubiger der öffentlichen Schuld 1970-1978

59

Tab. 9: Renditen inländischer festverzinslicher Wertpapiere 1970-1978

63

Tab. 10: Brutto-Absatz öffentlicher Anleihen 1970-1978 nach Laufzeiten

69

Tab. 11: Durchschnittlicher Bargeldhaltungskoeffizient „ c " 1970-1978

85

Tab. 12: Durchschnittliches

Allokationsverhalten

der

inländischen

Nichtbanken Ende 1978 Tab. 13: Geldmengeneffekte staatlicher Kreditaufnahme Tab. 14: Kredite der Banken an inländische Nichtbanken 1970-1978 Tab. 15: Finanzierungsüberschüsse bzw. -defizite der Sektoren 1970 bis 1978 Tab. 16: Freie Liquiditätsreserven und Nettokreditvergabe der Banken 1974-1979

85 95 123

125 130

Tabellenverzeichnis

13

Tab. 17: Preisentwicklung, Kapitalzins, Kreditvergabe und Kreditangebot 1970-1978

136

Tab. 18: Bruttoabsatz inländischer festverzinslicher Wertpapiere 1970 bis 1978

149

Tab. 19: Die ,,Rentenquoten" der verschiedenen Sektoren 1970-1978..

150

Tab. 20: Geldvermögensbildung 1970-1978

163

(Auswahl)

der privaten

Haushalte

Tab. 21: Außenwert der DM und Rentenquote ausländischer Anleger 1973-1978

171

Tab. 22: Absatz festverzinslicher Wertpapiere und Kapazität des Rentenmarktes 1970-1978 172 Tab. 23: Die „Geldvermögensbildung" 1975-1978 Tab. 24: Zeitliche Verteilung der Bankenkreditaufnahme

200 1970-1978

201

Tab. 25: Der Unterschied zwischen Brutto- und Nettoverschuldung. . . . 209 Tab. 26: Zinsausgaben, Tilgungsverpflichtungen und Gesamthaushalt der Gebietskörperschaften 1974-1983

211

Tab. 27: Durchschnittliche Laufzeit neuabgesetzter öffentlicher Anleihèn und durchschnittliche Restlaufzeit 1970-1978

231

Tab. 28: Bankkreditaufnahme inländischer 1970-1978 nach Fristen

233

öffentlicher

Haushalte

Abbildungsverzeichnis Abb.

1 : Die öffentliche Verschuldung 1970-1978 nach Schuldnern . . .

34

Abb. 2: Die öffentliche Verschuldung 1970-1978 nach Arten

35

Abb. 3: Kapitalzins 1970-1978

61

Abb. 4: Zinsstruktur öffentlicher Anleihen 1967-1978

68

Abb. 5: Entstehung und Verwendung von Zentralbankgeld

79

Abb. 6: Entwicklung des öffentlichen Schuldenstandes und des Auslastungsgrades des Produktionspotentials 1970-1978

133

Abb. 7: Nettoabsatz an festverzinslichen Wertpapieren und Nettoerwerb der Kreditinstitute 1970-1978

155

Abb. 8: FLR, Direktkreditvergabe und Wertpapiererwerb der Banken 1974-1978

157

Abb. 9: Rentenquote, Wertpapiererwerb privater Haushalte, Realzins und Emissionsrendite 1970-1978

167

Abb. 10: Nettoabsatz und Emissionsrenditen inländischer festverzinslicher Wertpapiere 1957-1978

179

Abb. 11 : Nettoabsatz und Rendite inländischer Rentenwerte 1974-1978

180

Abb. 12: Diskontsatz, Nettoabsatz am Rentenmarkt und FLR 1970 bis 1978

183

Abungsverzeichnis AF n

Netto-Auslandsforderungen der Bundesbank (Gold- und Devisenreserven ./. Auslandsverbindlichkeiten)

AWG

Außenwirtschaftsgesetz vom 28.4.1961

BÄK

Bundesanleihekonsortium

BBankG

Gesetz über die Deutsche Bundesbank vom 26.7.1957

BdL

Bank Deutscher Länder

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch vom 18.8.1896

BGBl

Bundesgesetzblatt

c

Durchschnittlicher Bargeldhaltungsquotient

C

c

B

p

Kassenbestände der Banken (ohne Überschußreserven) Bargeldhaltung des Publikums (Noten und Münzen)

D

Mindestreservepflichtige Sichteinlagen bei Banken

DIHT

Deutscher Industrie- und Handelstag

ö

D

Zentralbankguthaben der öffentlichen Haushalte

Dt.Bbk. AaPa

Deutsche Bundesbank, Auszüge aus Presseartikeln

Dt. Bbk. GB

Deutsche Bundesbank, Geschäftsberichte

Dt. Bbk. MB

Deutsche Bundesbank, Monatsberichte

E

Gesamte reservepflichtige Einlagen bei Banken

ERP

Sondervermögen aus dem ,,European Recovery Program"

FAZ

Frankfurter Allgemeine Zeitung

FLR

Freie Liquiditätsreserven der Banken

FN

Fußnote

GB

Geschäftsberichte der Deutschen Bundesbank / der Bank Deutscher Länder

GG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23.5. 1949

GP r

Marktregulierte Geldmarktpapiere bei Banken

K

B

Refinanzierungskredite an Banken (Rediskont- und Lombardkredite)

16

Abkürzungsverzeichnis



= Direktkredite

der Bundesbank an öffentliche Haushalte

KWG

= Gesetz über das Kreditwesen vom 10.7.1961

LAG

= Sondervermögen des Lastenausgleichsfonds

MB

= Monatsberichte der Deutschen Bundesbank

ML

= Verbindlichkeiten der Bundesbank aus abgegebenen Mobilisierungs- und Liquiditätspapieren gegenüber Nichtbanken

ML r

= Mobilisierungs- und Liquiditätspapiere bei Banken

ORK

= Offene Rediskontkontingente der Banken

r

= Durchschnittlicher Mindesreservesatz



= Mindestreservesatz für Sichteinlagen = Mindestreservesatz für Spareinlagen

Tj R

A

= Mindestreservesatz für Termineinlagen = Mindestreserve-Soll auf Bankeinlagen von Gebietsfremden

Rl

= Mindestreserve-Soll auf Inlandsverbindlichkeiten

S

= Mindestreservepflichtige Spareinlagen bei Banken

SA

= Sonstige Aktiva der Bundesbank

SP

= Sonstige Passiva der Bundesbank

StabWG

= Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. Juni 1967

SVR JG

= Jahresgutachten des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung

Τ

= Mindestreservepflichtige Termineinlagen bei Banken

TZ

= Textziffer

ÜR

= Überschußreserven der Banken

WP

= Langfristige Wertpapierbestände der Bundesbank

ZBG

= Zentralbankgeldmenge (in der Def. der Bundesbank)

ZKMA

= Zentraler Kapitalmarktausschuß

ERSTER HAUPTTEIL

Einführung und Darstellung der öffentlichen Verschuldung I. Einleitung und Problemstellung Die öffentliche Verschuldung in der Bundesrepublik Deutschland hat in den letzten Jahren eine äußerst kräftige Ausweitung erfahren. Die inländischen Gebietskörperschaften wiesen Ende 1970 einen Schuldenstand von 126 Mrd. DM auf, im September 1979 überstieg er den Betrag von 400 Mrd. DM und hat sich somit in diesem Zeitraum mehr als verdreifacht 1. Allein im Jahre 1975 betrug die Nettokreditaufnahme, d.h. der Zuwachs des Schuldenstandes von Bund, Ländern und Gemeinden insgesamt 64 Mrd. DM. Diese Rate konnte 1976 zwar auf gut 40 Mrd. DM und 1977 auf knapp 32 Mrd. DM reduziert werden. Die zunächst noch labile Konjunkturlage des Jahres 1978 ließ jedoch keinen Raum für weitere Konsolidierungsbemühungen. Vielmehr stiegen im Zuge erneuter konjunkturstützender Maßnahmen die staatlichen Defizite und damit die öffentliche Nettokreditaufnahme wieder auf rd. 43 Mrd. DM an. Auch im Jahre 1979 betrug die Nettoneuverschuldung der Gebietskörperschaften rd. 40 Mrd. DM. Ähnliche Größenordnungen zeichnen sich nach den Projektionen der mittelfristigen Finanzplanung auch noch für das Jahr 1980 ab, um dann bis 1983 — unter den Status quo-Annahmen der Finanzplanung — wieder auf etwa 30 Mrd. DM zu sinken. Derart rapide Wachstumsraten des öffentlichen Schuldenstandes waren in der Bundesrepublik bis vor wenigen Jahren unbekannt: Sein Wiederaufbau vollzog sich nach fast vollständiger Liquidierung im Zuge der Währungsreform von 1948 seitdem recht langsam. Bis 1973 blieben die Neuverschuldungsraten gering. Dies dürfte der Hauptgrund dafür gewesen sein, daß bis heute die Problematik der öffentlichen Verschuldung für die bundesdeutsche Situation in wesentlichen Bereichen wissenschaftlich nur unzureichend behandelt wurde 2 : Die Grenzen der Staatsverschuldung, aber auch andere mit dem Schuldenstand und dessen Wachstum zusammenhängende Fragen, etwa nach den intertemporalen Belastungs- und interpersonellen Verteilungswirkungen der öffentlichen Kreditaufnahme, sind bislang nur selten diskutiert worden. 1 Zu den Zahlenangaben vgl. die Monatsberichte der Deutschen Bundesbank (im folgenden zitiert als: Dt. Bbk. MB), jeweüs Tab. VII 5. 2 Vgl. H. Hoppe (Bearbeiterin): Probleme der öffentlichen Verschuldung; Institut Finanzen und Steuern, Heft 115, Bonn 1977, S. 7 f.

2 Speyer 83

18

I. Teil: Einführung und Darstellung der öffentlichen Verschuldung

Auch die Beschäftigung mit den konjunkturpolitischen Problemen der öffentlichen Verschuldung erfolgte ganz überwiegend unter einseitigen, nämlich nichtmonetären Aspekten: Die seit Ende der 60er Jahre im keynesianischen Sinne antizyklisch ausgestaltete Finanzpolitik richtete ihr Hauptaugenmerk darauf, die güterwirtschaftlichen Komponenten des Wirtschaftsgeschehens zu beeinflussen, was sich auch im traditionellen Lehrstoff niederschlug. Nur wenige deutschsprachige Arbeiten berücksichtigen — zumindest ansatzweise — Rückwirkungen, die von der Schuldenaufnahme, der Struktur des Schuldenstandes und der Finanzierung der öffentlichen Defizite auf monetäre Größen und Märkte ausgehen3. Ein weiterer Grund für die Vernachlässigung dieses Fragenkreises mag in der für Deutschland traditionellen „Arbeitsteilung" zwischen den relevanten Disziplinen liegen4: Während sich die Finanzwissenschaft vorwiegend mit den realen Wirkungen der Staatsverschuldung beschäftigt, widmet sich die Geldtheorie herkömmlicherweise den Effekten der rein monetären, d.h. zentralbankpolitischen Maßnahmen. Für den „Grenzbereich", d.h. die monetären Rückwirkungen der Staatsverschuldung, fühlte sich bisher hierzulande keine der beiden Disziplinen so recht zuständig. Jenen Fragen, z.B. wie Maßnahmen der staatlichen Schuldenpolitik auf die relevanten Geldmengenkonstrukte wirken, wie sie mit einem bestimmten geldpolitischen Konzept oder der gewünschten Entwicklung finanzieller Märkte vereinbar sind, wurde infolgedessen wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Den Problemen solcher monetären Effekte dèr Staatsverschuldung und der sich daraus möglicherweise ergebenden Konfliktbeziehungen zwischen Geldpolitik und öffentlicher Schuldenpolitik widmet sich die vorliegende Untersuchung. Nachstehend werden drei hauptsächliche Konfliktbereiche skizziert, die zugleich die Problemstellung dieser Arbeit umreißen. 1. Konflikte

zwischen Sektoren

Der erste Bereich betrachtet mögliche Konflikte zwischen der Kreditaufnahme des Privat- und des Staatssektors. Er ist im Zusammenhang mit einer in den letzten Jahren stattgefundenen drastischen Verschiebung der Schuldnerstruktur auf den Finanzmärkten zu sehen5 : Während sich der Schuldenstand der Gebietskörperschaften im Jahrzehnt zwischen 1970 und 1980 nach Projektionen

3 Vgl. z.B. die knappe Darstellung bei Hedtkamp, die nur von kontraktiven bzw. expansiven Wirkungen auf eine nicht näher definierte Geldmenge und auf die private Nachfrage spricht. G. Hedtkamp: Lehrbuch der Finanzwissenschaft, 2. Aufl., Neuwied 1977, S. 278. 4 Vgl. D. Duwendag: Staatsverschuldung und Zentralbankgeldmengensteuerung, in: Das Wirtschaftsstudium (wisu), 7. Jg., Heft 3/1978, S. 132. 5 Vgl. J. Völling: Konsolidierung öffentlicher Defizite bleibt wichtig, in: Sparkasse, 95. Jg., H. 8/1978, S. 262 f.

I. Einleitung und Problemstellung

19

der Bundesregierung nahezu vervierfachen dürfte, werden die gesamten Verpflichtungen etwa des Unternehmenssektors im gleichen Zeitraum nur um rund 130 % zunehmen. Diese Entwicklung weckte bereits 1975, als sich zum ersten Mal Rekordkreditaufnahmen der öffentlichen Hand abzeichneten, Sorgen 6. Man befürchtete als deren Konsequenz eine Behinderung der privaten Kreditaufnahme bei steigendem Zinsniveau und einen verlangsamten wirtschaftlichen Wiederaufschwung. Solche Bedenken verstummten zwar bald wieder, weil die Zinsentwicklung auf allen finanziellen Märkten zunächst stark rückläufig war. Die Debatte um ein mögliches „crowding out" gewann aber neue Nahrung, als der Haushaltsplan des Bundes für 1978 von den Kommentatoren weitgehend als Abkehr von einer Konsolidierungspolitik interpretiert wurde 7 . Es wurden erneut Warnungen laut, steigende Zinsen durch die verschärfte staatliche Konkurrenz um knappe finanzielle Mittel würden private Kreditnachfrager vom Markt verdrängen 8. Entgegen solcher kritischen Prognosen setzte sich der Zinsrückgang - trotz zeitweiliger „VerSpannungen" am Rentenmarkt — bis Mitte 1978 fort. Deswegen fehlt es wohl - mit einigen Ausnahmen - an einer auf die hiesigen Verhältnisse zugeschnittenen Diskussion der Verdrängungsproblematik. Deren Relevanz für die bundesdeutsche Situation soll in den entsprechenden Abschnitten dieser Arbeit geprüft werden, wo versucht wird, einen Beitrag zur Versachlichung der Auseinandersetzung zu leisten, die bislang noch durch extrem unterschiedliche Einschätzungen staatlicher Kreditaufnahme unter crowding outAspekten gekennzeichnet ist: Sie reicht von Unbedenklichkeitserklärungen 9 über massive Kritik 1 0 bis zu einer „fatalistischen" Hinnahme ihrer Rückwirkun-

6

Vgl. O.V.: Die nächste Zinshausse kommt bestimmt, nur das Wann ist noch ungewiß, in: Der langfristige Kredit, 26. Jg., H. 14/1975, S. 437 f. 7 Vgl. E. Thiel: Zukünftige Etat-Konsolidierung, in: Wirtschaftsdienst 1977/XI, S. 538. 8 Vgl. O.V.: Öffentliche Verschuldung kann Kreditpolitik gefährden, in: Der langfristige Kredit, 28. Jg., H. 13/1977, S. 448, und O.V.: Die Zinssenkung wird zum Stillstand kommen, in: Handelsblatt Nr. 14 v. 19.1.1978, S. 8. 9 „In einer derartigen Situation (1975, d.V.) war es auch unter monetären Gesichtspunkten vernünftig, daß der Staat an die Stelle der privaten Kreditnachfrager getreten ist. Andernfalls hätten wir eine massive Deflation bekommen." K.O. Pohl: Verschuldung des Bundes und Kapitalmarkt, in: Öffentliche Verschuldung und Kapitalmarkt; Schriftenreihe des Instituts für Kapitalmarktforschung an der J.W. Goethe-Universität, Frankfurt am Main, hrsg. v. G. Bruns und K. Häuser, Reihe Kolloquien-Beiträge, Bd. 13, Frankfurt/M. 1976, S. 31. 10 „In der Bundesrepublik hat die starke Zunahme der öffentlichen Verschuldung sicherlich auch einen Crowding-out-Effekt ausgelöst, obwohl die starke Ausdehnung der Staatsschuld seit 1974 bei sinkenden Zinsen realisiert worden ist.44 M. Willms: Volkswirtschaftliche Wirkungen einer zunehmenden Staatsverschuldung, in: Wirtschaftsdienst 1978/ IX, S. 441.

2*

20

I. Teil: Einführung und Darstellung der öffentlichen Verschuldung

2. Konflikte

zwischen Politikbereichen

Der zweite Konfliktbereich zielt auf das Verhältnis zwischen den für die schuldenpolitischen Aktivitäten zuständigen (Regierungs-)Instanzen und der Bundesbank und damit auf die gemeinsame Verantwortung beider Politikbereiche für die Entwicklung der finanziellen Märkte. Neben den in Abschnitt 3. dazu angesprochenen Problemen sind hier zwei Aspekte zu unterscheiden, die an den beiden hauptsächlichen strategischen Komponenten der geldpolitischen Steuerung ansetzen: der Entwicklung der Zinssätze und der maßgeblichen monetären (Mengen-)Aggregate. Spätestens seit der Zinsliberalisierung im Jahre 1967 bestehen unter den institutionellen Gegebenheiten des bundesdeutschen Geldwesens enge Wechselbeziehungen zwischen der Zinsbildung auf den einzelnen monetären Märkten. So pflanzen sich geldpolitische Maßnahmen der Bundesbank, wie Änderungen der von ihr administrierten Zinssätze oder Variationen der Refinanzierungskontingente, die zunächst nur Höhe und/oder Zusammensetzung der Liquidität des Bankensystems beeinflussen, im Normalfall mehr oder weniger kräftig und rasch auf den finanziellen Teilmärkten fort. Umgekehrt können aber auch Maßnahmen der staatlichen Schuldenpolitik ihre Zinswirkungen haben, wenn Veränderungen der Laufzeiten- oder Gläubigerstruktur oder des Schuldenvolumens die Spreizung des Renditespektrums verändern oder die Höhe einzelner Zinssätze berühren. Dabei ist nicht garantiert, daß die sich herausbildende Zinsund Laufzeitenstruktur in Einklang mit dem jeweiligen stabilitätspolitischen Kurs der Bundesbank steht oder den Wünschen der öffentlichen Schuldner entspricht. Diesbezügliche Befürchtungen vermuten bei laufend hohen Neuverschuldungsraten des Staates entweder eine Konterkarierung der monetären Steuerung durch die Zins- und Liquiditätseffekte der Staatsverschuldung oder eine „Politik des leichten Geldes" infolge künstlich niedrig gehaltener Zinssätze zur Förderung der öffentlichen Kreditaufnahme von Seiten der Notenbank („even keeling"). Die praktische Bedeutung solcher Konflikte wird unter Berücksichtigung der Gegebenheiten unserer Geldverfassung an entsprechender Stelle gewürdigt. Die Konflikte um das „Mengenproblem" resultieren weitgehend aus der institutionellen Trennung der Träger beider Politikbereiche. Regierungen bzw. Parlamente entscheiden mit der Aufstellung bzw. Verabschiedung der Haushaltspläne über die jeweilige Höhe des jährlichen Defizits. Mit der Wahl bestimmter Arten der Kreditaufnahme fällen sie eine „Vorentscheidung" über die 11 „Gelingt es der Geld- und Kreditpolitik, einen evtl. expansiven Effekt der öffentlichen Haushalte . . . zu kompensieren, . . . , so muß dies . . . zu Lasten der privaten Investitionen gehen. Aus diesem Dilemma gibt es m.E. keinen Ausweg." N. Andel: Kreditversus Steuerfinanzierung, in: Öffentliche Verschuldung und Kapitalmarkt; Schriftenreihe des Instituts für Kapitalmarktforschung, Bd. 13, S. 25.

I. Einleitung und Problemstellung

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Gläubigerstruktur der Neuverschuldung, da bestimmte Papiere speziell auf geeignete Erwerber zugeschnitten sind. Die Geldpolitik hingegen fällt in den Aufgabenbereich der Zentralbank. Gelegentliche Abstimmungsversuche zwischen den beiden Politikbereichen können nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Trennung unter dem Aspekt der Geldmengenwirkungen problematisch ist 1 2 . Die Deutsche Bundesbank hat etwa ab dem Zeitpunkt, in dem die öffentlichen Neuverschuldungsraten sprunghaft anzusteigen begannen, in ihrem geldpolitischen Konzept einen gewissen Wandel vollzogen. Sie ist seit dem Frühjahr 1973 davon abgegangen, weitgehend nur die Bankenliquidität zu steuern und trachtete nun danach, auch andere monetäre Aggregate wirksamer zu kontrollieren. Seit Ende 1974 gibt sie für das jeweils folgende Jahr Geldmengenziele in bezug auf ein von ihr definiertes Konstrukt, die „Zentralbankgeldmenge" (ZBG), bekannt. Indem sie die Entwicklung dieser Größe mittelfristig orientiert, versucht sie die kurzfristigen Schwankungen der Wirtschaftsaktivität zu dämpfen, die gesamtwirtschaftliche Entwicklung zu „verstetigen". Die erwähnte Arbeitsteilung hatte zur Folge, daß bisher kaum berücksichtigt wurde, welche Kollisionen zwischen den Wirkungen der Finanzierung staatlicher Defizite und der Bundesbankkonzeption möglich sind. Auch traten spürbare Konflikte zunächst nicht auf. Die Geldmengenziele wurden bis 1977 im großen und ganzen trotz enormer Neuverschuldungsraten des Staates bei insgesamt sinkendem Zinsniveau erreicht. Dafür, daß sich im Verlauf des zweiten Halbjahres 1977 das Wachstum der Zentralbankgeldmenge weit über das geplante Niveau hinaus beschleunigte und auch für 1978 das monetäre Ziel „erheblich überschritten" 13 wurde, machte man unterschiedliche Einflüsse verantwortlich. Welche Wirkungen von Seiten der öffentlichen Kreditaufnahme auf die Entwicklung der ZBG ausgehen bzw. ausgehen können, soll die vorliegende Untersuchung klären. Damit versucht sie auch die Diskussion um das Ausmaß der notwendigen ZBG-Effekte staatlicher Schuldaufnahme zu relativieren, die bislang durch zwei Extreme gekennzeichnet ist: auf der einen Seite wird die Staatsverschuldung bisweilen als wichtigster Expansionsfaktor der ZBG angesehen 14 , andere Autoren raten ihr, die direkte Kreditaufnahme bei privaten Gläubigern wegen ihrer vermeintlichen Geldmengenneutralität zu meiden 15 .

12 Vgl. D. Duwendag: Staatsverschuldung und Zentralbankgeldmengensteuerung, S. 132 f. ^ C. Köhler: Hat die Geldpolitik versagt?, in: Das Parlament v. 23.9.1978, abgedr. in: Deutsche Bundesbank, Auszüge aus Presseartikeln (im folgenden zitiert als: Dt. Bbk. AaPa), Nr. 72/1978, S. 5. 14 So die Deutsche Bundesbank im Geschäftsbericht (im folgenden zitiert als Dt. Bbk. GB) 1975, S. 14. 15 So J. Beyfuss: Gesamtwirtschaftliche Probleme der Staatsverschuldung; Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialpolitik, hrsg. v. Institut der deutschen Wirtschaft, H. 33, Köln, 6/1976, S. 23.

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I. Teil: Einführung und Darstellung der öffentlichen Verschuldung

3. Konflikte

zwischen Politik und Markt

Ähnlich wie der zweite Konfliktbereich rührt auch der dritte Komplex aus dem „Spannungsverhältnis" zwischen Geldpolitik und Staatsschuldenpolitik her. Neben den in 2. bereits angerissenen Fragen, die — z.T. unter etwas anderen Vorzeichen - noch einmal anklingen, sind hier vor allem die Probleme zu erörtern, die den „Kapitalmarkt", insbesondere den Rentenmarkt, zum Austragungsort von Konflikten zwischen monetärer Steuerung und öffentlicher Schuldenaktivität werden lassen. Mit den „Konflikten zwischen Politik und Markt" soll insbesondere folgende Kollisionsgefahr angesprochen werden: Einerseits genießt das Ziel eines „funktionsfähigen Kapitalmarktes" aus verschiedenen Gründen einen hohen Rang. Andererseits muß die Geldpolitik, soll sie effizient sein, zins- und mengenmäßig voll auf den Kapitalmarkt durchschlagen, m.a.W., eine auf diese Weise möglicherweise bewirkte Funktionsunfähigkeit des Kapitalmarktes kann eine der entscheidenden Voraussetzungen für eine erfolgreiche Geldpolitik sein. Die vorwiegend geldpolitisch initiierten Schwankungen der Liquiditätslage des Bankensystems und die überragende Gläubigerposition der Kreditinstitute an den für den Staat wichtigsten Finanzmärkten, die aus ihrer „Transformationsfunktion" im Kreditsystem beim Ersatz mangelnder privater Anlagetätigkeit resultiert, haben die öffentliche Schuldaufnahme in den letzten Jahren immer stärker in den Sog der Geldpolitik gebracht. Eine angesichts solcher Gegebenheiten entwickelte spezifische Strategie staatlicher Verschuldungspolitik hat diese Tendenz noch verstärkt. Die Entwicklungen stehen nach Ansicht der Kritiker im Gegensatz zu der immer wieder erhobenen Forderung nach einem „funktionsfähigen" Kapitalmarkt. Dieser Begriff ist vielschichtig, da eine Funktionsunfähigkeit mehrere Ursachen und Ausprägungen haben kann. Sie resultiert jedoch fast immer aus bestimmten aktuellen oder „gegenüber früher geänderten individuellen Verhaltensweisen bzw. Zielsetzungen der am Kapitalmarkt und vor allem am Wertpapiermarkt beteiligten Wirtschaftssubjekte" 16. Die Kritiker haben die „Institutionalisierung" der Märkte, ihre Instabilität und die unbefriedigende Gläubigerstruktur der Staatsschuld gerügt. Sie sahen dadurch insbesondere den Rentenmarkt daran gehindert, seine bedeutendste Aufgabe zu erfüllen, die für den Staat die Sicherung einer möglichst stetigen und kostengünstigen Finanzierung öffentlicher Defizite bedeutet. Die geschilderten Phänomene sollen in dieser Untersuchung dargelegt werden. Auch sie werfen ein bislang nicht genügend berücksichtigtes Abstimmungsproblem auf. Es resultiert für die vorliegende Arbeit aus dem Zwang, einerseits die Durchschlagskraft der Geldpolitik gewähr16 W. Dannemann: Struktur und Funktionsweise des Kapitalmarktes in der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen 1959, S. 69.

II. Abgrenzungen

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leisten zu müssen, aber dabei den Kapitalerer in seiner Funktionsfähigkeit zur Deckung öffentlichen wie privaten Kreditbedarfs im jeweils gewünschten Maße zu erhalten.

II. Abgrenzungen 1. Begriffserklärungen a) Die „Staatsverschuldung" In den bisherigen Darlegungen wurden Ausdrücke wie „öffentliche Verschuldung", „Verschuldung der öffentlichen Haushalte" oder „Staatsverschuldung" synonym gebraucht. Diese Vorgehensweise entspricht dem allgemeinen Sprachgebrauch, wenn auch die Abgrenzung des „Sektors Staat" in der Literatur je nach Untersuchungsgegenstand variieren mag. Zu beachten ist aber, daß alle genannten Synonyme zwei unterschiedliche Begriffsinhalte aufweisen. Sie stehen zum einen für den jeweiligen Umfang des Schuldenstandes, können aber auch eine Kreditaufnahme meinen. Beide Ausprägungen sind strikt auseinanderzuhalten. Veränderungen des Schuldenniveaus haben in der Regel nämlich ganz andere Wirkungen als schuldenpolitische Maßnahmen, welche das öffentliche Schuldenvolumen unverändert lassen. Es ist daher stets zu präzisieren, ob vom Schuldenstowd oder der Schuldaufnahme die Rede ist. Eine Kreditaufnahme verändert den Schuldenstand nur dann, wenn sie betragsmäßig von gleichzeitig stattfindenden Tilgungen bestehender Kredite abweicht. Ist die Differenz größer als Null, so nimmt der Schuldenstand zu, es findet eine Nettoneuverschuldung (Nettokreditaufnahme) statt. b) Die öffentlichen Schuldner Zu den öffentlichen Kreditnehmern zählen im folgenden der Bund (incl. seiner Sondervermögen LAG- und ERP-Fonds), die Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände sowie Bundesbahn und Bundespost. Dagegen rechnet die im volkswirtschaftlichen Rechnungswesen häufig benutzte Abgrenzung 17 zu den öffentlichen Haushalten („Staat") neben den Gebietskörperschaften nur die Sozialversicherungshaushalte 18. Deren Einbeziehung ist trotz vorhandener 17 Vgl. z.B. G. Hamer: Revidierte Konten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, in: Wirtschaft und Statistik, 1970, S. 282, und Statistisches Bundesamt, Fachserie N, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, Reihe 1: Konten und Standardtabellen 1975, Stuttgart und Mainz 1976. 18 Zu den Sozialversicherungshaushalten zählen nach der Abgrenzung der Deutschen Bundesbank die Rentenversicherungen der Arbeiter und Angestellten, die Knappschaftliche Rentenversicherung, die Bundesanstalt für Arbeit, die gesetzliche Krankenversicherung und die Altershilfe für Landwirte. Vgl. Dt. Bbk. MB, November 1975, S. 22 f.

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I. Teil: Einführung und Darstellung der öffentlichen Verschuldung

Lücken im statistischen Material unproblematisch, weil die bis 1974 vorherrschenden Überschüsse der Sozialversicherungen zum großen Teil zur Kreditvergabe an die Gebietskörperschaften verwendet, die seit 1975 zu verzeichnenden Defizite dagegen durch sich laufend erhöhende Bundeszuschüsse gedeckt wurden 19 . Eine nennenswerte Kreditaufnahme der Sozialversicherungshaushalte selbst ist nicht zu verzeichnen: Damit treffen die Probleme der Finanzmittelbeschaffung den Bund. Über seine Statistiken sind die Sozialversicherungen volumenmäßig in die verwendete Abgrenzung einbezogen. Bestimmte Verhaltensweisen dieser Stellen an den Märkten für Staatsschuldtitel, die sich möglicherweise von denen anderer Gruppen unterscheiden, können in der Argumentation der entsprechenden Abschnitte unschwer berücksichtigt werden. Obgleich die Emissionstätigkeit von Bundesbahn und Bundespost dem Bund obliegt, sind ihre Schuldenaktivitäten volumenmäßig getrennt zu behandeln. Im übrigen werden beide neben den regionalen Verkehrs- und Versorgungsunternehmen, einschließlich der kommunalen Regiebetriebe, zu den öffentlichen Unternehmen gezählt, die statistisch dem Unternehmenssektor zurechnen. Es läge zwar nahe, auch von den Krediten, die Energiewirtschaft, Wasserversorgung und Bergbau (insbesondere im Bankensystem) aufgenommen haben, einen Teilbetrag dem öffentlichen Sektor zuzurechnen 20. Dies scheitert jedoch am dafür unzulänglichen statistischen Material. Außerdem ist das Gesamtschuldenvolumen dieser Unternehmensgruppe, gemessen am gesamten Schuldenstand der öffentlichen Hand, nicht sehr bedeutend 21 . Zudem wird es sich im Verlauf der Untersuchung erweisen, daß die absoluten Größenordnungen des öffentlichen Schuldenstandes oder seiner jährlichen Veränderungsraten weniger bedeutsam sind als deren längerfristige Entwicklungstendenzen oder bestimmte qualitative Phänomene, so daß die Analyse mit den genannten quantitativen Zurechnungsproblemen „leben" kann. Daher sind auch die Ausführungen über die Arten öffentlicher Schuld und die Schuldnerstruktur relativ kurz gehalten. Die zu diskutierenden Probleme sind von solchen Kriterien weitgehend unabhängig22. 19 Vgl. Dt. Bbk. MB, November 1975, S. 30 f. und O.V.: Die nächste Zinshausse kommt bestimmt . . . , S. 437. 20 Vgl. P. Lichtenberg: Öffentliche Verschuldung und Kapitalmarkt aus der Sicht einer Geschäftsbank, in: Öffentliche Verschuldung und Kapitalmarkt; Schriftenreihe des Instituts für Kapitalmarktforschung, Bd. 13, S. 127 f. 21 Selbst Ende 1975, nach Rekordkreditaufnahmen des Staates, betrug er nur etwa 24 Mrd. DM. Vgl. P. Lichtenberg, S. 128. 22 Dies gilt natürlich nur, wenn davon abgesehen wird, daß die öffentlichen Unternehmen in ihren Entscheidungen eher ertragsorientierten Motiven, ähnlich wie andere (private) Unternehmen, unterliegen und deshalb die zu untersuchenden Verhaltensweisen öffentlicher Schuldner an den Kreditmärkten eher auf die Gebietskörperschaften zutreffen.

II. Abgrenzungen

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c) Staatsschuldenpolitik, Debt Management und ihre Träger Grundsätzlich umfaßt die staatliche Schuldenpolitik alle Entscheidungen im Zusammenhang mit der Höhe und der Zusammensetzung der öffentlichen Verschuldung 23 . Als Teilaspekt wird davon üblicherweise der Bereich des „Debt Management" abgehoben. Dieser Bereich kreist um jene Fragen, die auftauchen, wenn die Entscheidung über das Niveau der Schuld als gegeben angesehen wird 2 4 . Das vom Debt Management zu lösende Problem ist demnach die Frage, wie von den für das Schuldenmanagement zuständigen Instanzen ein gegebener Schuldenstand oder eine gegebene Nettoneuverschuldungshöhe „im Rahmen (ihrer) gesamtwirtschaftlichen Zielsetzungen und der übrigen staatlichen Maßnahmen . . . gestaltet werden soll(en)" 25 . Gegenstand ist die „Verwirklichung eines Parlamentsbeschlusses, der sich auf die Variation der Staatsschuldenhöhe bezieht, in qualitativer Hinsicht" 26. Dabei geht es traditionell hauptsächlich um Entscheidungen über Arten und Formen der Verschuldung, die zeitliche Gestaltung ihrer Unterbringung oder die Beeinflussung der Gläubiger-, Zins- und Laufzeitenstruktur. Die Ursprünge der Beschäftigung mit den Problemen des Debt Management sind im angloamerikanischen Raum zu suchen, wo Untersuchungen zur Staatsschuldenpolitik eine wesentlich ältere Tradition haben als in Deutschland. In den USA wird Debt Management schon seit Anfang der fünfziger Jahre als makroökonomisches Instrument diskutiert, das mit diskretionären Maßnahmen darauf abzielt, die ökonomischen Aktivitäten in ganz bestimmter Weise zu beeinflussen 27. Hierbei spielt die Veränderung der Laufzeitenstruktur die gewichtigste Rolle. Der Erfolg der Politik wird daran gemessen, in welchem Ausmaß eine entsprechende Umschichtung der Staatsschuld Zinssätze, Zinsstruktur und die gesamtwirtschaftliche Liquidität berührt und in welchem Umfang solche Einflüsse Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Aktivitäten, vornehmlich des privaten Sektors, haben. Bei diesem eher globalen Erkenntnisgegenstand und angesichts bestimmter Eigenheiten in der institutionellen Ausgestaltung des 23

S. 133.

Vgl, D. Duwendag: Staatsverschuldung und Zentralbankgeldmengensteuerung,

2 4 Vgl. O. Gandenberger: Ziele und Strategien der staatlichen Schuldenpolitik, in: Finanzarchiv, N.F., Bd. 36, Heft 1/1977, S. 162. 25 G.H. Milbradt: Ziele und Strategien des debt management. Ein Beitrag zur Theorie der optimalen Schuldenstruktur des Staates unter Einbeziehung der Notenbank; Schriften zur öffentlichen Verwaltung und öffentlichen Wirtschaft, hrsg. v. P. Eichhorn u. P. Friedrich, Bd. 4, Baden-Baden 1975, S. 12. 26 W.A.S. Koch: Die Gläubigerstruktur als Ansatzpunkt für ein staatliches debt management; Schriften zur wirtschaftswissenschaftlichen Forschung, Bd. 48, Meisenheim am Glan 1972, S. 21 (Hervorhebung v. Verf.). 27 Vgl. R.W. Lang, R.H. Rasche: Debt Management Policy and the Own Price-Elasticity of Demand for US Government Notes and Bonds, in: Federal Reserve Bank of St. Louis Review, Vol. 59, Sept. 1977, S. 8.

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I. Teil: Einführung und Darstellung der öffentlichen Verschuldung

amerikanischen Geldwesens war es nur konsequent, daß auf der theoretischen Ebene solcher Untersuchungen die Zentralbank zum Sektor Staat gerechnet wurde. Für die Analyse der Wirkungen von Debt Management-Maßnahmen im „realen" Bereich bot es sich an, „die künstliche Unterscheidung zwischen Finanzministerium und Zentralbank" 28 als jeweils selbständigen Akteuren der Staatsschuldenpolitik aufzugeben. Da die Existenz der oben skizzierten gemeinsamen Verantwortungsbereiche die saubere Trennung von Aufgabengebiet und Wirkungen von Geldpolitik und staatlicher Schuldenpolitik erschwert, lag es nahe, zu fordern, daß beide Bereiche in einer Instanz administrativ zu konzentrieren seien 29 . Solche Überlegungen sind in jüngster Zeit auch für die deutschen Verhältnisse aufgegriffen worden 30 . Sie gipfeln in dem Vorschlag, der Bundesbank den gesamten Komplex des Debt Management zu übertragen und den Finanzministerien die „qualitative" Schuldenpolitik zu entziehen 31 . Das Erkenntnisobjekt der vorliegenden Arbeit ist ein anderes als das der zitierten Studien. Hier geht es weniger um die Effekte von Debt ManagementOperationen im realen Bereich, vielmehr soll gezeigt werden, wie mögliche Konflikte bei der Finanzierung staatlicher Defizite im monetären Sektor vermieden werden können. Zudem gibt es einige gewichtige Gründe, die verlangte institutionelle Zusammenfassung zumindest für die bundesdeutsche Situation abzulehnen. Eine Beurteilung entsprechender Vorschläge kann jedenfalls erst vorgenommen werden, nachdem eine Reihe von Vorfragen untersucht ist. Dies geschieht im letzten Hauptteil der Untersuchung. Im folgenden wird unter dem Begriff des „Debt Management" oder der Schulden struktur politik jede schuldenpolitische Maßnahme bei gegebenem Schuldenvolumen verstanden. Der Begriff der „Staatsschuldenpolitik" bezieht sich auf die Gesamtheit der Entscheidungen über Niveau und Zusammensetzung des öffentlichen Schuldenstandes. d) Der „Kapitalmarkt" Begriffliche Abgrenzungsprobleme wie bei der Kennzeichnung der Staatsschuldentätigkeit treten auch bei der Klassifizierung der verschiedenen monetären Märkte auf. Es fehlt in der Literatur nicht an diesbezüglichen Versuchen 32 . Dies trifft auch für den Markt zu, den man üblicherweise als „Kapitalmarkt" zu bezeichnen pflegt. Traditionelle Klassifikationskriterien wie die Fristigkeit 28

J. Tobin: Grundsätze der Geld- und Staatsschuldenpolitik; Schriften zur monetären Ökonomie, hrsg. von D. Duwendag, Bd. 6, Baden-Baden 1978, S. 21. 29 Vgl. ders., S. 95 f. 30 Vgl. die Vorschäge bei G. Milbradt: Ziele und Strategien des debt management. 31 Vgl. G.H. Mübradt: Soll die Schuldenpolitik zur Bundesbank?, in: Wirtschaftsdienst 1976/XII, S. 631. 32 Vgl. dazu beispielsweise die Übersicht bei W. Dannemann, S. 9 ff.

II. Abgrenzungen

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der dort eingegangenen Kreditbeziehungen, die Mittelherkunft oder die Verwendung der Kredite sind nicht widerspruchsfrei anzulegen. Auch die fallweise Aufzählung derjenigen Titel, die dem Kapitalmarkt zugerechnet werden sollen, hinterläßt immer einige ungeklärte Abgrenzungsfragen. Die vorliegende Arbeit unternimmt nicht den Versuch, den bereits vorhandenen Definierungsbemühungen eine weitere hinzuzufügen. Schon ihr Hauptuntersuchungsgegenstand rechtfertigt es, dies zu unterlassen: Die Vielzahl der möglichen Arten und Formen von Krediten an die öffentliche Hand erlaubt es nämlich nicht, sie alle einem der gängigen Kapitalmarktbegriffe zuzuordnen. Die in den letzten Jahren für die öffentliche Hand immer bedeutender gewordene Verschuldung mit Wertpapiersurrogaten, in der Regel über Schuldscheindarlehen 33 von Kapitalsammeistellen34, wäre in einer entsprechend erweiterten Definition ebenso zu berücksichtigen wie einzelne eher kurzfristige Papiere, die üblicherweise dem Geldmarkt zugerechnet werden (etwa Schatzwechsel) oder nur schwer in eine der beiden Kategorien passen (z.B. Bundesschatzbriefe). Es ist folglich nicht ganz korrekt, vereinfachend vom „Kapitalmarkt" als dem von den Aktionen der Staatsschuldenpolitik berührten Markt zu sprechen. Das scheint auch nicht notwendig. Die einzelnen betroffenen Teilmärkte sind nämlich hinreichend genau bezeichnet, wenn man auf die an ihnen gehandelten Papiere abstellt. Die spezifische Problemstellung der Arbeit erlaubt es aber, sich — wenn nichts anderes vermerkt ist — mit einer Kategorisierung zu begnügen, die unter „Kapitalmärkten", „Kredit-" oder „Finanzmärkten" die gesamte Palette des Handels längerfristiger Forderungen versteht. Ein solcher „Kapitalmarkt im weiteren Sinne" umfaßt dann als einzige Ausnahme also nicht die Märkte für Beteiligungs- oder Eigenkapital, den sog. Anlagenmarkt. Zum Kapitalmarkt ,4m engeren Sinne" rechnet dann nur der Rentenmarkt als Markt für festverzinsliche Wertpapiere. Von den finanziellen Quellen der Nachfrage nach Staatsschuldtiteln her gesehen werden durch die öffentliche Kreditaufnahme natürlich eine Reihe weiterer monetärer Märkte berührt, etwa der Bankeneinlagenmarkt, der Markt der Finanzintermediäre 35 oder der „Geldmarkt" in seinen verschiedenen Definitionen. Die Wirkungen und Effekte der Staatsschuldentätigkeit können analysiert werden, ohne daß im einzelnen eine begriffliche Abgrenzung oder Zusammenfassung derjenigen Teilmärkte erfolgen muß, an denen die Mittel zum Erwerb von öffentlichen Schuldtiteln aufgebracht werden. 33 Vgl. E.W. Haag: Beziehungen zwischen dem Geld- und Kapitalmarkt in der Bundesrepublik Deutschland unter besonderer Berücksichtigung der Aktivität von Institutionen; Diss., Mannheim 1971, S. 19 f. 3 4 Banken, Versicherungen, Kapitalanlagefonds. 35 Etwa Bausparkassen, Versicherungen.

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I. Teil: Einführung und Darstellung der öffentlichen Verschuldung

Auch bei der Kennzeichnung einzelner Zinssätze muß auf eine widerspruchsfreie Klassifizierung geachtet werden. Besonders dringlich ist diese Forderung bei Märkten, an denen ausstattungsmäßig nicht identische Titel gehandelt werden. In der Praxis wird bezüglich der Rendite festverzinslicher Wertpapiere beispielsweise oft vereinfachend vom „Kapitalmarktzins" oder „Kapitalzins" gesprochen. Hierbei handelt es sich im allgemeinen um die mit dem Umlaufvolumen gewichtete Durchschnittsrendite tarifbesteuerter festverzinslicher Wertpapiere inländischer Emittenten 36 . Ihre Höhe und Entwicklung werden als Indiz für die Verfassung der Kapitalmärkte angesehen. Außerdem vermittelt diese Größe einen raschen, ungefähren Überblick über die Situation an den Märkten für längerfristige Ausleihungen. Die Konkurrenzlage dort erlaubt es, die so ermittelte Rendite auch für nichtverbriefte langfristige Kredite als repräsentativ anzusehen. Insofern kommt sie für die Einschätzung der Lage an den für die öffentliche Schuldaufnahme hauptsächlich bedeutsamen Märkten in Frage. In weiten Teilen dieser Arbeit ist darüber hinaus eine eingehendere Differenzierung von Zinssätzen, etwa nach den Laufzeiten, der Art der Papiere oder nach Emittenten erforderlich.

2. Rechtliche Abgrenzung Mit den oben skizzierten drei Konfliktbereichen der Staatsverschuldung ist das sachliche Spektrum dieser Untersuchung bereits abgegrenzt. Im Kern geht es darum, die aus den monetären Mengen- und Zinswirkungen der öffentlichen Verschuldung sich ergebenden Konflikte zu analysieren und Empfehlungen zur Abschwächung bzw. Vermeidung solcher Konflikte zu erarbeiten. Es mag daher an dieser Stelle genügen, kurz den rechtlichen Hintergrund öffentlicher Schuldaufnahme zu umreißen. Während das Entstehen von Finanzierungslücken beim Unternehmenssektor vornehmlich mit der Vorfinanzierung ertragbringender Investitionen und für die Privathaushalte mit dem Wunsch nach zeitlicher Vorverlagerung von Konsum und dem Kauf nicht teilbarer langlebiger Gebrauchsgüter begründet werden kann 3 7 , ist eine solche unzweideutige Motivstruktur für den öffentlichen Sektor schwerer auszumachen. Die öffentliche Schuldaufnahme war in der Bundesrepublik vor der Reform des Haushaltsrechts von 1969 gemäß dem „klassischen Deckungsgrundsatz" 38 objektorientiert 39 und lag damit in der

36

Vgl. Dt. Bbk. MB, Tabelle VI 6. Vgl. K.-H. Hansmeyer: Der öffentliche Kredit, Grundzüge der Schuldenpolitik; Taschenbücher für Geld, Bank und Börse, hrsg. v. Ph. Möhring u. Hch. Rittershausen, Bd. 23, 2. Aufl., Frankfurt/M. 1970, S. 10. 3 » J. Beyfuss, S. 13. 37

II. Abgrenzungen

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Nähe der erwähnten unternehmerischen Motive. Nach der Verabschiedung des Stabilitätsgesetzes40 (1967) gewannen zunehmend „situationsbezogene" Dekkungsgrundsätze an Gewicht. Mit Ausnahme der kommunalen Verschuldung, die sich hauptsächlich an einzelwirtschaftlichen Kriterien orientiert 41 , wurde nun die staatliche Kreditaufnahme primär als Instrument zur Beeinflussung und Stabilisierung konjunktureller Prozesse begriffen. Zu ihrer Begründung konnten Analogien zur privaten und unternehmerisch gerechtfertigten Schuldaufnahme nicht mehr gezogen werden 42 . Die Gedanken des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes als „beredtem Zeugen einer postkeynesianisch ausgerichteten Konjunkturpolitik" 4 3 schlugen sich auch in Änderungen der Rechtsvorschriften des Grundgesetzes zur Staatsverschuldung nieder 44 . Nach der Neufassung des Art. 109 G G 4 5 hat die Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern nun auch gesamtwirtschaftlichen Erfordernissen zu genügen. Bei Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts überlagert e r 4 6 die Vorschrift des neuen Art. 115 4 7 , der die öffentliche Kreditaufnahme in konjunkturellen „Normalsituationen" — weiterhin objektorientiert — auf den Wert der Investitionsausgaben begrenzt 48 . In Ergänzung der verfassungsrechtlichen Vorschriften enthält das Stabilitätsgesetz die Staatsverschuldung betreffende Regelungen zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. In Boomzeiten können, wie seit 1967 bereits dreimal geschehen49, Kreditplafonds als „Schuldendeckel 39 Art. 115 GG lautete vor der Neufassung von 1969: „Im Wege des Kredits dürfen Geldmittel nur bei außerordentlichem Bedarf und in der Regel nur für Ausgaben zu werbenden Zwecken und nur aufgrund eines Bundesgesetzes beschafft werden." 4 0 Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. Juni 1967; BGBl. I, S. 582 (StabWG). 41 Vgl. Dt. Bbk. MB, Juli 1979, S. 19 f. 42 Vgl. K.-H. Hansmeyer: Der öffentliche Kredit, S. 11. 43 G. Weinert: Inflation - Theorien und Therapien, in: Wirtschaftsdienst 1974/IV, S. 324. 4 4 Zwanzigstes Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 12.5.1969; BGB1.I, S.357. 45 In der Neufassung vom 12.5.1969; BGBl. I, S. 357, wurde der Abs. 2 eingefügt: „Bund und Länder haben bei ihrer Haushaltswirtschaft den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen". 46 Vgl. K. Ebert: Recht und Technik der Bundesschuld, in: Öffentliche Verschuldung und Kapitalmarkt; Schriftenreihe des Instituts für Kapitalmarktforschung, Bd. 13, S. 63. 47 Art. 115 GG (Neufassung): Die Einnahmen aus Krediten dürfen die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen nicht überschreiten; Ausnahmen sind nur zulässig zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. 48 Vgl. W. Ehrlicher: Grenzen der öffentlichen Verschuldung, in: Wirtschaftsdienst 1979/VIII, S. 393 f. 4 9 Vgl. J. Schöllhorn: Der Konjunkturrat - ein Koordinierungsgremium zur Deckung des öffentlichen Kredits, in: Probleme der Ordnung und Regulierung des Kapitalmarktes; Schriftenreihe des Instituts für Kapitalmarktforschung, Bd. 8, S. 136 ff. und K.-H. Hansmeyer: Erfahrungen mit dem Stabilitätsgesetz, in: Wirtschaftsdienst 1977/XII, S. 611.

I. Teil: Einführung und Darstellung der öffentlichen Verschuldung

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für die öffentliche Hand" verfügt werden 50 . In rezessiven Phasen kann die Bundesregierung mit Zustimmung des Parlaments über die erteilten Kreditermächtigungen 51 hinaus in begrenztem Maße schuldenfinanzierte Ausgaben zulassen, sofern vorhandene Konjunkturausgleichsrücklagen zu ihrer Deckung nicht ausreichen 52 . Diese Neugestaltung der angesprochenen Rechtsvorschriften im Sinne der Berücksichtigung gesamtwirtschaftlicher Zielsetzungen hat zu der in den letzten Jahren forcierten Ausweitung des Schuldenstandes, insbesondere von Bund und Ländern, zweifellos mit beigetragen, indem sie die Voraussetzungen, unter denen staatliche Verschuldung rechtlich überhaupt möglich ist, wesentlich erweitert hat.

3. Zeitliche Abgrenzung Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich hauptsächlich mit Entwicklungen und Problemen, die erst seit wenigen Jahren bedeutsam geworden sind. Daher scheint es nicht immer sinnvoll, den Untersuchungszeitraum, anhand dem die Erkenntnisse zu gewinnen sind, die den abzuleitenden Empfehlungen für die Staatsschuldenpolitik zugrunde liegen, sehr weit in die Vergangenheit auszudehnen. So lassen sich zwar die Auswirkungen staatlicher Schuldentätigkeit auf die Zentralbankgeldschaffung weit zurückverfolgen. Von spezifisch geldpolitischem Interesse sind sie jedoch erst seit der Implementierung der neuen Geldmengensteuerungspolitik der Bundesbank im Frühjahr 1973. Für die Analyse möglicher Kollisionen zwischen der Kreditnachfrage öffentlicher und privater Schuldner empfiehlt es sich nicht, länger zurückliegende Entwicklungen zu berücksichtigen; die geringen Schuldaufnahmevolumina vor 1974/75 erlauben es nicht, dort nach Spuren solcher Konflikte zu suchen. Eine Untersuchung der Kapitalmarkt-, insbesondere der Rentenmarktentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland, wird sich teilweise auf einen längeren Zeitraum erstrecken müssen, jedoch nur insofern, als dort Phänomene 50

Vgl. §§ 19, 20 S tab WG. Die Vorschrift gilt für alle Gebietskörperschaften. Durch die Einstellung von Krediteinnahmen in den Haushaltsplan allein ist noch keine gesetzliche Ermächtigung zur Kreditaufnahme gegeben. Diese wird gem. Art. 115 Abs. 1, Satz 1 GG nur durch Gesetz erteilt und bezieht sich jeweils auf die Nettokreditaufnahme, um das Haushaltsvolumen nicht unnötig auszuweiten, wie es vor 1969 üblich war. Vgl. K. Ebert: Recht und Technik der Bundesschuld, S. 64 ff. Die Kreditermächtigungen sind auch in allen Landesverfassungen verankert. Vgl. H. Meder: Rechtsformen, anleihetechnische Gestaltungsformen und Rechtsgrenzen des Staatskredits unter besonderer Berücksichtigung des Bundeskredits, in: Wertpapier-Mitteilungen, 1961, Teil IV B, S. 1234. 51

52

Vgl. §§ 6, 8 Stab WG.

III. Aufbau der Untersuchung

31

angesprochen werden, die noch heute bedeutsam sind bzw. in der Zukunft (wieder) Bedeutung erlangen könnten. In den betreffenden Abschnitten soll einer problembezogenen Darstellung der Vorzug vor einem historischen Abriß gegeben werden. Berücksichtigt man diese Überlegungen, so scheint es gerechtfertigt, den Analysezeitraum — mit den angesprochenen Ausnahmen — mit dem Jahre 1970 beginnen zu lassen, dem ersten Haushaltsjahr nach Verabschiedung des Finanzreformgesetzes, das die Staatsverschuldung auf eine neue verfassungsrechtliche Grundlage stellte. Der Untersuchungszeitraum endet mit dem Jahr 1978. Einzelne Entwicklungen aus dem Jahr 1979, die von Bedeutung waren, wurden, soweit dies bis zum Abschluß der Arbeit Ende 1979 möglich war, einbezogen und berücksichtigt.

III. Aufbau der Untersuchung In den folgenden Abschnitten IV und V dieses Ersten Hauptteils wird das gegenwärtige Erscheinungsbild der öffentlichen Verschuldung in der Bundesrepublik behandelt. Aus der Analyse der Entwicklung ihrer Höhe, der Formen, der Zins-, Laufzeiten-, Schuldner- und Gläubigerstruktur während der letzten Jahre sollen die für die folgenden Abschnitte benötigten Erkenntnisse gewonnen werden. Es sind insbesondere Tendenzen aufzuzeigen, die sich in gewissen Anlagegewohnheiten der Gläubiger öffentlicher Schuldtitel äußern oder dadurch begründet sind, daß die öffentlichen Haushalte ganz bestimmte Verschuldungsformen bevorzugen. Die in der Problemstellung dargelegten drei monetären Konfliktbereiche der Staatsverschuldung durchziehen die nachstehenden Hauptteile inhaltlich wie ein „roter Faden". Diese Tatsache darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß sämtliche Konfliktbereiche eng zusammenhängen. Stets handelt es sich um Mengen- und Zinsprobleme auf bestimmten monetären Märkten. Im ersten Kapitel des zweiten Hauptteils werden nach kurzer Kennzeichnung der Notenbankkonzeption zunächst die Zusammenhänge zwischen der Strategie der Deutschen Bundesbank und den Aktionen der Staatsschuldenpolitik im Lichte der Geldmengensteuerung behandelt. Bei der Untersuchung der Auswirkungen, die von solchen Maßnahmen auf die Zentralbankgeldmenge ausgehen, wird insbesondere die bestimmende Rolle des Refinanzierungs- und Allokationsverhaltens der Gläubiger neuemittierter öffentlicher Schuldtitel deutlich. Daraus sind Aussagen über die Zentralbankgeldmengeneffekte unterschiedlicher Verschuldungsarten zu gewinnen. Danach wird analysiert, welche Berührungspunkte die Notenbankstrategie und der Gang der Staatsschuldenpolitik auf den für die öffentliche Kreditaufnahme bedeutsamen Finanzmärk-

32

I. Teil: Einführung und Darstellung der öffentlichen Verschuldung

ten aufweisen und welche Konflikte daraus - insbesondere im Hinblick auf die Renditeentwicklung — erwachsen können. Das sich anschließende zweite Kapitel über den Verdrängungswettbewerb zwischen staatlicher und privater Kreditnachfrage untersucht, nachdem die Fragestellung der crowding out-Diskussion auf den Problemkreis der vorliegenden Arbeit zugeschnitten ist, zunächst die Aussagekraft diesbezüglicher kreislauftheoretischer Überlegungen, wie sie zur Beurteilung der Verdrängungsproblematik oft herangezogen werden. Anschließend ist die Rolle der Zinsentwicklung für die crowding out-Debatte zu konkretisieren und zu überprüfen, inwieweit die staatliche Kreditaufnahme für Renditeentwicklungen verantwortlich zu machen ist, welche Bedeutung diesbezüglich anderen Einflußfaktoren zukommt und inwieweit weitere, eher „qualitative" Kriterien von den öffentlichen Kreditnehmern hervorgerufene Verdrängungen und Verspannungen signalisieren. Das dritte Kapitel im zweiten Hauptteil widmet sich der Analyse des „Kapitalmarktes", vor allem des Rentenmarktes, an dem die Kreditinstitute und die öffentliche Hand inzwischen als die wichtigsten Marktpartner auftreten. Deren „Marktverhalten" wird analysiert, die daraus resultierenden Entwicklungstendenzen werden aufgezeigt. Es interessieren insbesondere das Anlageverhalten des Bankensektors und des Publikums sowie die praktizierte „Verschuldungsstrategie" des Staates vor dem Hintergrund seiner kapitalmarktpolitischen Verantwortlichkeit und der bereits in der Vergangenheit getroffenen institutionellen Vorkehrungen zur möglichst reibungslosen Inanspruchnahme der Finanzmärkte. Der dritte Hauptteil zieht die Konsequenzen aus den zuvor gewonnenen Erkenntnissen. Er umreißt im ersten Kapitel die Grenzen der öffentlichen Verschuldung, welche die künftige Ausgestaltung der Staatsschuldenpolitik determinieren, soweit sie sich aus deren monetären Wirkungen ergeben. In den Vorschlägen des zweiten Kapitels steht die Schuldenstrukturpolitik im Vordergrund der Überlegungen. Ihre geeignete praktische Ausrichtung wird unter Berücksichtigung der bisherigen Diskussion um die Orientierung eines Debt Management und der diesbezüglichen Resultate unserer Überlegungen dargelegt.

IV. Entwicklung und Arten der öffentlichen Verschuldung Wenn in diesem und dem nächsten Abschnitt die Staatsschuld in ihrer Entwicklung während des Untersuchungszeitraumes und ihrem aktuellen Erscheinungsbild dargestellt werden soll, so mag es hier genügen, die in der schuldenpolitischen Wirklichkeit anzutreffenden Schuldarten in ihren für unsere Zwecke interessierenden Hauptmerkmalen zu kennzeichnen. Auf weitere spezifische

I . E n u n g und rten der öffentlichen Verschuldung

Eigenheiten,die für einzelne der anzusprechenden Problemkreise darüberhinaus bedeutsam sind, wird an entsprechender Stelle näher eingegangen. Das Gesamtbild der öffentlichen Verschuldung seit 1970 ist, soweit die relative quantitative Bedeutung der verschiedenen Schuldarten und der einzelnen öffentlichen Schuldner interessiert, aus den Abb. 1 und 2 zu ersehen 53. 1. Kredite der Bundesbank Gemäß § 20 Bundesbankgesetz darf die Deutsche Bundesbank dem Bund, der Bundesbahn und Bundespost, dem Ausgleichsfonds, dem ERP-Sondervermögen, den Ländern und Stadtstaaten kurzfristige Kredite in Form von Buchund Schatzwechselkrediten gewähren. Die Höhe dieser Kredite ist plafondiert, die Höchstgrenzen betragen 54 : — für den Bund 6 Mrd. DM — für die Bundesbahn 600 Mio. DM — für die Bundespost 400 Mio. DM — für den Ausgleichsfonds 200 Mio. DM — für das ERP-Sondervermögen 50 Mio. DM — für die Länder 40 DM je Einwohner nach der letzten amtlichen Volkszählung, für Berlin und die Stadtstaaten 80 DM je Einwohner. Solche „Kassenkredite" sollen lediglich kurzfristige Kassendefizite überbrükken helfen. Letztere entstehen vorwiegend aus der zeitlichen Disparität zwischen der Verausgabung der Haushaltsmittel und der Einnahmeentwicklung, die u.a. aufgrund der „großen" Steuertermine nicht kontinuierlich verläuft 55 . Unter „Kurzfristigkeit" versteht die Bundesbank dabei eine längste Laufzeit von 3 Monaten; in Ausnahme fällen kann prolongiert werden. Da die Kassenkredite jedoch keine „ordentlichen" Deckungsmittel im Sinne von § 13 Haushaltsgrundsätzegesetz und §§ 18,13 Bundeshaushaltsordnung sind, haben die öffentlichen Stellen derartige Notenbankkredite bisher nur in geringem Maße in Anspruch genommen. Im Monatsdurchschnitt betrug die Direktverschuldung der inländischen öffentlichen Haushalte bei der Bundesbank im letzten Jahrzehnt nur im Jahre 1974 mehr als 1 Mrd. DM. Für den gesamten Zeitraum von Ende 1970 bis Ende 1978 ergibt sich ein durchschnittlicher jährlicher Schuldenstand von ca. 1,3 Mrd. DM. Die starken Schwankungen machen deutlich, wie kurzfristig Kassenkredite üblicherweise sind. 53 Die im folgenden im Text angegebenen quantitativen Angaben beziehen sich, soweit keine eigene Quelle genannt wird, auf diese beiden Abbildungen. 5 4 Vgl. Gesetz über die Deutsche Bundesbank vom 26.7.1957, geändert durch Gesetz vom 23.11.1967; BGBl. I, S. 1157 (Bundesbankgesetz), § 20. 55 Vgl. H. Irmler: Die Zentralbank als „fiscal agent" des Bundes und der Länder, in: Öffentliche Verschuldung und Kapitalmarkt; Schriftenreihe des Instituts für Kapitalmarktforschung, Bd. 13, S. 97.

3 Speyer 83

34

I. Teil: Einführung und Darstellung der öffentlichen Verschuldung Abbildung 1: Die öffentliche

'

1970

Verschuldung 1970-1978 nach Schuldnern

'

1971

Quelle: Aus Tab. 2.

»

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JAHR

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IV. Entwicklung und Arten der öffentlichen Verschuldung Abbildung 2: Die öffentliche

Verschuldung 1970-1978 nach Arten

Mrd. DM

Buch- und Schatzwechselkredite der Bundesbank, U-Schätze und Kassenobligationen Bundesschatzbriefe Darlehen der S o z i a l v e r s i c h e rungen Sonstige Darlehen von Nichtbanken D i r e k t e Auslandsverschuldung + Sonstiges

Direktausleihungen der Kreditinstitute (Schuldscheindarlehen)

Anleihen ( v e r z i n s l . Schatζanweisungen 'S chuldve rs ehre i -

197o

1971

Quelle: Aus Tab. 3.

3*

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1974

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1978

JAHR

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I. Teil: Einführung und Darstellung der öffentlichen Verschuldung

In der Bundesbankbilanz werden neben den Kassenkrediten auch Bestände an Anleihen und verzinslichen Schatzanweisungen des Bundes und der Länder, der Bundesbahn und Bundespost ausgewiesen. Sie machten Ende 1979 gut 1 Mrd. DM aus 56 , schwankten aber betragsmäßig im Zeitablauf stark, da sie hauptsächlich aus Offenmarktkäufen und Kursstützungsaktionen der Bundesbank stammen. Insofern wurden sie also prinzipiell nicht erworben, um öffentlichen Stellen Kredit zu gewähren. Deswegen soll ihr Volumen hier nicht weiter interessieren. 2. Schatzwechsel Schatzwechsel sind diskontierbare Orderschuldverschreibungen. Sie können theoretisch auch als gezogene Wechsel auftreten 57 , werden in der Praxis heute aber ausschließlich als Solawechsel des Bundes nach Art. 75 ff. des Wechselgesetzes mit einer Laufzeit von 30, 60 und 90 Tagen begeben58. Ihre Rolle als Kassenkreditpapiere haben seit Anfang 1974 die unverzinslichen Schatzanweisungen übernommen. Schatzwechsel stehen hingegen nach wie vor als Liquiditäts- oder Mobilisierungspapiere zur Geldmarktregulierung durch die Bundesbank zur Verfügung. Mobilisierungspapiere werden geschaffen, wenn die Bundesbank den Bund ersucht, ihre aus der Währungsreform von 1948 stammenden Ausgleichsforderungen gegen ihn in Höhe von rd. 8 Mrd. DM ganz oder teilweise in Schatzwechsel umzuwandeln. Die Bundesbank verwendet sie zur Offenmarktpolitik ebenso wie die Liquiditätspapiere, die gemäß § 42a BBankG in einem Betrag bis zu weiteren 8 Mrd. DM als Schatzwechsel und U-Schätze des Bundes in Umlauf gebracht werden dürfen 59 . Wenn ihre Geldmarktfähigkeit zugesichert ist, können beide jederzeit — auch vor Fälligkeit — an die Bundesbank zurückgegeben werden. Da ihr Erlös jedoch nicht der öffentlichen Hand zufließt und insofern keinen öffentlichen Kredit darstellt, bleiben diese Papiere im folgenden außer Betracht. 3. Unverzinsliche Schatzanweisungen Schatzanweisungen treten als verzinsliche und unverzinsliche Stücke auf. Die unverzinslichen Schatzanweisungen (U-Schätze) werden als Diskontpapiere ohne Zinsscheine emittiert. Bis 1966 dienten sie, mit Laufzeiten von 6 und 12 56 Dt. Bbk. MB, April 1980, Tab. II 1. 57 Vgl. W. Dieben, K. Ebert: Die Technik des öffentlichen Kredits, in: Handbuch der Finanzwissenschaft, hrsg. v. W. Gerloff und F. Neumark, 2. Aufl., Tübingen 1958, S. 39. 58 Vgl. K. Ebert, S. 79. 59 Vgl. Deutsche Bundesbank (Hrsg.): Die währungspolitischen Institutionen und Instrumente in der Bundesrepublik Deutschland; 2., überarbeitete Auflage des Kapitels „Bundesrepublik Deutschland" der von der EWG herausgegebenen Studie „Die Währungspolitik in den Ländern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft - Institutionen und Instrumente Sonderdruck der Deutschen Bundesbank, Frankfurt/M. 1975, S. 53.

I . E n u n g und rten der öffentlichen Verschuldung

Monaten, ausschließlich der Kassenverstärkung. Sie werden seitdem als 18- und 24-Monats-U-Schätze auch zur Haushaltsfinanzierung begeben60. Dabei findet seit Ende 1977 auch das bis dahin für Kassenobligationen vorbehaltene Tenderverfahren 61 Anwendung. Zu den U-Schätzen zählen ebenfalls die „Finanzierungsschätze", die von jedermann bei Banken, Sparkassen und den Zweiganstalten der Deutschen Bundesbank gekauft werden können. Sie sind mit Laufzeiten zwischen 3 Monaten und 2 Jahren besonders auf die Anlagebedürfnisse privater Erwerber zugeschnitten und dienen der Finanzierung öffentlicher Haushalte. Dagegen stehen die nach § § 4 2 und 42a BBankG begebbaren U-Schätze als „Bundesbank-Schätze" nur für geldmarktregulierende Maßnahmen der Bundesbank zur Verfügung 62. Da die verzinslichen Schatzanweisungen als gesamtfällige öffentliche Schuldverschreibungen 63 in den Statistiken betragsmäßig bei den Anleihen (s.u.) geführt werden, interessiert im Rahmen dieses Abschnitts lediglich die Entwicklung der seit 1974 enorm gestiegenen öffentlichen Verschuldung mit unverzinslichen Schatzanweisungen. 4. Bundesschatzbriefe Seit 1969 begibt der Bund diesen Wertpapiertyp. Mit einer Laufzeit von bis zu 7 Jahren liegt er fristenmäßig zwischen den Finanzierungsschätzen und den öffentlichen Anleihen. Weil er nach einem Jahr jederzeit vorzeitig zum Nennwert zurückgegeben werden kann (pro Anleger bis zu 10 000 DM pro Monat zuzüglich anteiliger Zinsen), soll er breitere Bevölkerungsschichten ansprechen 64, die zwar oft zinsbewußt, aber risikoscheu sind und deswegen in der Vergangenheit oft vor der Geldanlage in Rentenwerten zurückscheuten 65. Bundesschatzbriefe werden in „Daueremission" ständig über die Bankschalter verkauft. Einer möglichen frühzeitigen Rückgabeneigung soll durch die Ausgestaltung des Typs A als „Staffelanleihe" mit einem steigenden Nominalzins bei wachsender Laufzeit (6 Jahre) entgegengewirkt werden. Beim Typ Β (Laufzeit 7 Jahre) wird der gestaffelte Zins jeweils dem Kapital zugeschlagen66. 60 Vgl. K. Ebert, S. 77 f. 61 Vgl. Dt. Bbk. AaPa, Nr. 77 v. 9.11.1977, S. 1. Zum Verfahren vgl. Abschnitt 5. 62 Vgl. Deutsche Bundesbank (Hrsg.): Die währungspolitischen Institutionen . . . , S. 54 f. 63 Vgl. K. Ebert, S. 77. Ebert zählt zu den Schatzanweisungen auch die Kassenobligationen, die aber hier wegen ihres besonderen Emissionsverfahrens getrennt behandelt werden. 6 4 Vgl. K. Richebächer: Börse und Kapitalmarkt; Taschenbücher für Geld, Bank und Börse, hrsg. v. Ph. Möhring und Hch. Rittershausen, Bd. 8, 4. Aufl., Frankfurt/M. 1971, S. 60 f. 65 Vgl. H. Raida: Bundesschatzbriefe und öffentliche Anleihen in Konkurrenz, in: Der langfristige Kredit, 28. Jg., Heft 21-22/1977, S. 698. 66 Vgl. K.-H. Hansmeyer: Der öffentliche Kredit, S. 18.

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I. Teil: Einführung und Darstellung der öffentlichen Verschuldung

Die Bundesschatzbriefe ergänzen die Palette der für Privatanleger besonders geeigneten Staatsschuld ti tel. Sie machen für die öffentliche Hand einen immer bedeutsamer werdenden Anteil der Krediteinnahmen aus: Ihr Umlauf ist von Juli 1974 bis Ende 1978 von ca. 3 auf 24,7 Mrd. DM (!) gestiegen.

5. Kassenobligationen Kassenobligationen sind mittelfristige Finanzierungspapiere, die seit 1958 6 7 vom Bund, den Ländern, der Bundesbahn und der Bundespost mit einer Laufzeit von bis zu 3 bis 4 Jahren begeben werden, um die Marktlücke zwischen den kürzerlaufenden Geldmarktpapieren und den Anleihen zu schließen68. Anleiherechtlich handelt es sich bei diesen Papieren um verzinsliche Schatzanweisungen 69 . Sie werden jedoch seit 1967 im Ausschreibungsverfahren untergebracht, das dem in angelsächsischen Ländern praktizierten „Tenderverfahren" bei der Plazierung von treasury-bills entspricht 70 . Dabei erfolgt die Zuteilung der Papiere nach Maßgabe von Kursgeboten potentieller Abnehmer zu einem Einheitskurs 71 . Ihr Umlauf entwickelte sich in den letzten Jahren ebenfalls kräftig. Umsätze in Kassenobligationen werden hauptsächlich in größeren Posten im Telefonhandel zwischen Banken getätigt. Private Sparer beteiligten sich am Tenderverfahren bislang nur in ganz geringem Umfang. Technische Schwierigkeiten dieser Emissionsmethode (während einer Frist von nur wenigen Tagen müssen die Gebote bei den Zweigniederlassungen der Bundesbank abgegeben werden) sind daran ebenso schuld wie die mangelnde Liquidierbarkeit der Papiere: Obwohl die Kassenobligationen des Bundes in den geregelten Freiverkehr eingeführt sind und die Mindeststückelung inzwischen auf 5000 DM herabgesetzt worden ist, kann im Bedarfsfall ein Weiterverkauf problematisch werden: Im Freiverkehr finden nämlich keine mengenmäßig bedeutsamen und vor allem keine ständigen Umsätze statt 7 2 . 67 Vgl. K. Rieger: Grundsätzliches und Aktuelles zum Markt der deutschen Kassenobligationen, in: Bank-Betrieb, 1965, S. 91. 68 Vgl. K. Rieger: Kassenobligationen an der Börse, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, 12. Jg., 1959, S. 775. 69 Vgl. W. Reiter: Das Bundesanleihekonsortium im Zusammenhang mit Gesamtwirtschaft, Staat, Banken und Kapitalmarkt; Schriftenreihe für Kreditwirtschaft und Finanzierung, hrsg. v. K.F. Hagenmüller, Bd. 8, Wiesbaden 1967, S. 174. 70 Vgl. H. Delorme, H.-J. Hoessrich: Konsortial- und Emissionsgeschäft; Taschenbücher für Geld, Bank und Börse, hrsg. v. Ph. Möhring u. Hch. Rittershausen, Bd. 11, 2. Aufl., Frankfurt/M. 1971, S. 66 f. 71 Vgl. JC. Mellerowicz: Artikel: Emissionsgeschäft, in: Enzyklopädisches Lexikon fur das Geld-, Bank- und Börsenwesen, 3. Aufl., red. v. E. Achterberg und K. Lanz, Frankfurt/M. 1967, S. 471, und H. Haverkamp: 10 Jahre Tenderverfahren in der Bundesrepublik, in: Sparkasse, 94. Jg., H. 9/77, S. 304 f. 72 Vgl. H. Raida: Bundesschatzbriefe . . . , S. 697 f.

I . E n u n g und rten der öffentlichen Verschuldung

Zeitweilig wurden Kassenobligationen in die Geldmarktregulierung der Deutschen Bundesbank einbezogen, sofern sie eine bestimmte Restlaufzeit nicht überschritten 73 . 6. Anleihen Die verzinslichen Schatzanweisungen bilden zusammen mit den Schuldverschreibungen die öffentlichen Anleihen 74 . Schatzanweisungen werden in einem Betrag an einem Fälligkeitstermin zurückgezahlt, während die Schuldverschreibungen in Gruppen eingeteilt sind und in der Regel nach mehreren tilgungsfreien Jahren jährlich mit einer durch Los bestimmten Gruppe zurückgezahlt werden 75 . Bund, Bahn und Post begeben ihre Anleihen heute nur noch dann als Schuldverschreibungen, wenn dies vom Bundesanleihekonsortium empfohlen wird. Während bis 1964 in der Regel Schuldverschreibungsanleihen aufgelegt wurden, waren z.B. von den Ende 1975 umlaufenden 100 Bundesanleihen lediglich 28 auslosbare Anleihen 76 . Vom gesamten Umlauf an festverzinslichen Wertpapieren entfallen Ende 1976 ca. zwei Drittel auf (gesamtfällige) Schatzanweisungen und nur ein Drittel auf „echte" Schuldverschreibungen 77. Die kommunalen Körperschaften treten als Anleiheemittenten nur noch gelegentlich in Erscheinung, öffentliche Anleihen werden in der Bundesrepublik vorwiegend vom Bund, den Ländern, von Bundesbahn und Bundespost begeben 7 8 . Sie wurden dabei lange Zeit als „fakultative Buchschuld" 79 emittiert: Der Gläubiger konnte die Auslieferung der Stücke als Inhaberpapiere beantragen oder aber sich mit einer Eintragung der Forderung in das entsprechende Schuldbuch des Bundes oder der Länder begnügen. Ursprünglich besaß die Buchschuld eine geringe Mobilität 8 0 , sie wurde jedoch nach und nach zu einem „Instrument moderner Anleihetechnik" weiter73

Vgl. Deutsche Bundesbank (Hrsg.): Die währungspolitischen Institutionen . . . ,

S. 55. 74

Vgl. H. Müncks: Die Bundesanleihen, Das Sparen mit festverzinslichen Wertpapieren von Bund, Bahn und Post; Taschenbücher für Geld, Bank und Börse, hrsg. v. Ph. Möhring und Hch. Rittershausen, Bd. 62, Frankfurt/M. 1972, S. 34. 75 Vgl. K. Ebert, S. 77. 7 * Vgl. ders., S. 78. 77 Vgl. H. Irmler: Kapitalmarktpolitische Gegenwartsfragen, in: Der langfristige Kredit, 27. Jg.,H. 11/1976, S. 336. 78 Ende 1976 betrug der Umlauf von Anleihen der Gemeinden 451 Mio. DM gegenüber fast 20 Mrd. DM von Bundesbahn und Bundespost. Vgl. Dt. Bbk. MB, Mai 1977, Tab. VII 5 und V I I 7. 79 W. Dieben, K. Ebert, S. 41. 80 Die Papiere waren auf den Namen des Gläubigers eingetragen und konnten in dieser Form nicht an der Börse gehandelt werden.

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I. Teil: Einführung und Darstellung der öffentlichen Verschuldung

entwickelt, so daß heute auch die Schuldbuchforderungen handelbar sind: Bei Auflage einer öffentlichen Anleihe wird in das Schuldbuch eine Sammelschuldbuchforderung für eine Wertpapiersammelbank eingetragen. Der Käufer eines Anleihebetrages erwirbt anteilmäßiges Miteigentum am (buchmäßigen) Bestand der Sammelbank. Der Handel erfolgt im Giroverkehr mit der Wertpapiersammelbank 81 . Seit 1969 werden Bundesschatzbriefe, seit 1970 sämtliche Kassenobligationen und seit Mitte 1972 Bundesanleihen in voller Höhe nur noch stückelos begeben und gehandelt. Die eingetragenen Anleiheforderungen sind zum Börsenhandel zugelassen82. Sie sind vor den Gefahren aus dem Besitz eines Wertpapiers geschützt, ihre Verwaltung ist kostenlos, der Wegfall des Stückedrucks und der Zinsscheinerneuerung senkt die Emissionskosten. Solchen Vorteilen steht nur eine geringfügig eingeengte Fungibilität gegenüber. Der Umlauf an öffentlichen Anleihen konnte seit 1970 relativ stetig und ohne größere Schwankungen ausgedehnt werden.

7. Schuldscheindarlehen Im Gegensatz zur Anleihe, bei der der Anspruch des Gläubigers „an das Papier als Sache" gebunden ist, entsteht die Darlehensschuld beim Schuldscheindarlehen mit dçr Hingabe der Darlehenssumme. Der Schuldschein hat in der Regel nur „Beweischarakter" 83 . Unter dem Begriff der Schuldscheindarlehen werden zwei Gruppen von Schuldtiteln zusammengefaßt 84. Während die echten Schuldscheindarlehen sich dadurch auszeichnen, daß die Schuldner meist nicht emissionsfähig sind, was hauptsächlich für die einzelnen Kommunen zutrifft, könnten für die „unechten" Schuldscheindarlehen ebenso Wertpapiere ausgestellt werden. Sie besitzen daher oft typisierte Ausstattungsmerkmale, wie sie bei Schuldverschreibungen üblicherweise anzutreffen sind. Die hauptsächlichen öffentlichen Schuldner dieser unechten Schuldscheindarlehen sind die übergeordneten Gebietskörperschaften, Bahn und Post. Das Verfahren bei der Darlehensaufnahme ist „ausgesprochen unbürokratisch und formfrei" 8 5 , die Konditionen können auf die jeweiligen Bedürfnisse 81

Vgl. H.H. Müncks, S.41. Vgl. K. Ebert, S. 84. S3 W. Dieben, K. Ebert, S. 39. 8 4 Vgl. H. Kalwar: Transparenzprobleme durch Schuldscheindarlehen, in: Transparenzprobleme des Kapitalmarktes; Schriftenreihe des Instituts für Kapitalmarktforschung, Bd. 15, Frankfurt/M. 1977, S. 123 f. 85 Vgl. K. Ebert, S. 85. 82

I . E n u n g und

rten der öffentlichen Verschuldung

von Gläubiger und Schuldner abgestimmt werden. Obwohl eine Abtretung häufig vertraglich ausgeschlossen wird, was ihre Fungibilität stark einengt, hat sich gezeigt, daß gerade Schuldscheine großer öffentlicher Adressen bei Fehlen oder der nachträglichen Aufhebung eines solchen Abtretungsverbots gut weiterzugeben sind, so daß sie grundsätzlich als fungibel gelten können 86 . Angesichts solcher Vorteile kann es nicht verwundern, daß die Schuldscheindarlehen heute eine „führende Rolle bei der Finanzierung des Bundeshaushalts" 8 7 und der Länderhaushalte spielen. Aber auch die mittel-und langfristige Schuldaufnahme der Gemeinden „bedient sich vornehmlich des Schuldscheindarlehens als der bequemsten Form kommunaler Verschuldung" 88 . Darüber hinaus ist das Schuldscheindarlehen in den letzten Jahren bis in den kurzfristigen Bereich vorgedrungen 89. Seine überragende Bedeutung bestätigt ein Blick auf Abb. 1. Seit Schuldscheine ab 1978 auch im Tenderverfahren abgegeben werden 90 , sind auch bei dieser Verschuldungsart neue Wege der Unterbringung beschritten. Das flexible Finanzierungsinstrument erscheint besonders als Anlage institutioneller Käufer geeignet91. So wird denn auch der überwiegende Anteil der in der Statistik ausgewiesenen „Direktausleihungen" 92 der Kreditinstitute und anderer Gläubiger von den Schuldscheindarlehen in Anspruch genommen.

8. Sonstige Arten Die bislang beschriebenen Schuldarten machen den Hauptanteil der Kreditforderungen an den öffentlichen Sektor aus. Hinzu kommen im aktuellen Erscheinungsbild einige andere Arten, die zwar Ende 1978 insgesamt immerhin knapp 11 % der öffentlichen Gesamtverschuldung 93 ausmachten, aber zum Teil aus spezifischen Besonderheiten der bundesdeutschen Staatsverschuldung resultieren, im Einzelfall von unbedeutender Größenordnung sind oder nicht alle öffentlichen Schuldner berühren, weswegen sie hier nur kurze Erwähnung finden.

86 Vgl. H.-J. Krümmel: Perspektiven des Wertpapiergeschäftes, in: Kredit und Kapital, 11. Jg.,H. 1/1978, S. 114. 87 K. Ebert, S. 84. 88 K.-H. Hansmeyer: Der öffentliche Kredit, S. 35. 89 Vgl. K. Ebert, S. 84. 90 Vgl. Dt. Bbk. AaPa, Nr. 9 v. 26.1.1978, S. 3. 91 Vgl. K.-H. Hansmeyer: Der öffentliche Kredit, S. 16. 92 Vgl. z.B. Tab. VII 6 der MB. 93 Hier ohne Bundesbahn und Bundespost.

42

I. Teil: Einführung und Darstellung der öffentlichen Verschuldung

Die direkte Auslandsverschuldung der inländischen öffentlichen Haushalte z.B. wies Ende 1978 nur einen Stand von 561 Mio. DM auf. Sie setzte sich hauptsächlich aus auf fremde Währung lautenden Altschulden zusammen 94 . Eine hohe Neuverschuldung im Ausland mußte in der Vergangenheit wegen des damit verbundenen Kapitalimports oft als der von bedeutenden Zahlungsbilanzüberschüssen gekennzeichneten außenwirtschaftlichen Situation unangemessen95 oder den inländischen geldpolitischen Bemühungen in Zeiten restriktiver Notenbankpolitik abträglich erscheinen und fand deshalb bislang kaum statt 9 6 . Die in den Monatsberichten ebenfalls angeführten Schuldbuchforderungen und Darlehen der Sozialversicherung sowie die sonstigen Darlehen von Nichtbanken weisen keine eigens zu erwähnenden Besonderheiten auf. Sie sind bei der Darlegung der Gläubigerstruktur quantitativ berücksichtigt. Die übrigen, bislang noch nicht behandelten Arten öffentlicher Schuld sind im Zusammenhang mit der Währungsreform von 1948 97 entstanden. Am bedeutsamsten davon sind noch heute die sog. Ausgleichsforderungen von Geldinstituten, Versicherungsunternehmen und Bausparkassen98, bei denen das Deutsche Reich hoch verschuldet war. Während auf der Aktivseite der Bilanzen dieser Institute die Wertpapierforderungen gegenüber dem Reich vollständig anulliert wurden, blieben die Passiva wenigstens teilweise erhalten (im Verhältnis 1 : 1 0 bzw. 6,5: 100). So entstand ein Fehlbetrag der Aktiva. Zum Ausgleich dieser Bilanzlücke wurden den vorgenannten Institutionen verzinsliche Schuldbuchforderungen gegen die öffentliche Hand zugeteilt 99 . Die Ausgleichsforderungen werden mittels eines Ankaufsfonds der Bundesbank niedrig verzinst und getilgt, weswegen sie Ende 1978 noch mit insgesamt rd. 17,5 Mrd. DM zu Buche schlugen 100 . 94

Vgl. Dt. Bbk. MB, April 1979, S. 59. Vgl. P. Lichtenberg, S. 138. 96 Vgl. H. Raida: öffentlicher Kredit nur noch Debt Management?, in: Der langfristige Kredit, 26. Jg., H. 21-22/1975, S. 696. Der Bestand von inländischen Staatsschuldtiteln in ausländischem Besitz weist demgegenüber Ende 1978 mit gut 13 Mrd. DM eine beachtliche Größenordnung auf, sein Betrag schwankt jedoch im Zeitverlauf erheblich. 97 Vgl. O. Pfleiderer: Artikel: Währungsreform in Westdeutschland (1948), in: Enzyklopädisches Lexikon für das Geld-, Bank- und Börsenwesen, 3. Aufl., red. v. E. Achterberg und K. Lanz, Bd. II, Frankfurt/M. 1967/68, S. 1771-1779. 98 Die Ausgleichsforderungen der Notenbank als Gegenposten für die Auszahlung des „Erstausstattungsbetrages" der Bürger mit DM werden von der Bundesbank, sachlich nicht ganz richtig, ebenfalls zur öffentlichen Schuld gerechnet. Vgl. Tab. V I I 6 in den MB. Hier interessieren sie nicht weiter. 99 Vgl. dazu D. Holzheimer: Artikel: Ausgleichsforderungen, in: Enzyklopädisches Lexikon für das Geld-, Bank- und Börsenwesen, red. v. E. Achterberg und K. Lanz, Bd. I, S. 83-86. 100 Vgl. Dt. Bbk. MB, Januar 1979, S. 59 + . 95

I . E n u n g und rten der öffentlichen Verschuldung

Etwa 0,5 Mrd. DM entfallen, ebenfalls als „Erbe" der Währungsreform, schließlich auf die Ablösungs- und Entschädigungsschuld und die Deckungsforderungen. Letztere standen hauptsächlich den Gläubigern wertlos gewordener Kommunalobligationen und Pfandbriefe z u 1 0 1 und konnten mit Barablösung, durch Änderungsgesetz 102 seit 1961 auch durch Eintragung von Schuldbuchforderungen gegen den Lastenausgleichsfonds oder Hingabe von Schuldverschreibungen des Ausgleichsfonds „erfüllt" werden 103 . Eine Ablösungsschuld wurde erst relativ spät 1 0 4 für die Gläubiger wertlos gewordener Reichsschuldtitel durch Eintragung von Schuldbuchforderungen übernommen. Mit der Zuteilung einer wie die Ablösungsschuld verbriefbaren Entschädigungsschuld105 wurden die Reichstitel-Altsparer, die ihre Papiere vor 1940 erworben hatten, erst im Jahre 1959 abgefunden.

9. Zusammenfassung Die öffentlichen Schuldner haben sich im Untersuchungszeitraum zur Finanzierung der anfallenden Haushaltsdefizite einer breiten Palette von Schuldarten bedient. Deren Umlauf entwickelte sich unterschiedlich schnell. Die einzelnen Schuldformen wurden ausstattungsmäßig an die diesbezüglich spezifischen Vorstellungen der jeweiligen Gläubiger angepaßt, die Fungibilität der Titel, wenn auch nicht bei allen Papieren, erheblich verbessert. Den Anforderungen an ein modernes, vom stückelosen giralen Handel von Kreditforderungen geprägten Finanzierungssystem, wurde Rechnung getragen, die anlagebereiten Mittel wurden in einem grundsätzlich alle Fristen umfassenden Laufzeitenspektrum und mit unterschiedlichsten Tilgungsmodalitäten genutzt.

101 Vgl. W. Schütz: Artikel: Altsparer-Entschädigung, in: Enzyklopädisches Lexikon für das Geld-, Bank- und Börsenwesen, red. v. E. Achterberg und K. Lanz, Bd. I, S. 55. 102 Art. 1 des 13. Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes vom 27.2.1961 in Ergänzung zu § 252 Lastenausgleichsgesetz; BGBl. I, S. 133. 103 vgl ψ Reiter: Das Bundesanleihekonsortium . . . , S. 171. 104

Gesetz zur allgemeinen Regelung durch den Krieg und den Zusammenbruch des Deutschen Reiches entstandener Schäden (Allgemeines Kriegsfolgegesetz) vom 5.11.1957, § 30; BGBl. I, S. 1747. los Ygi o.V.: Artikel: Entschädigungsschuld, in: Enzyklopädisches Lexikon für das Geld-, Bank- und Börsenwesen, red. v. E. Achterberg und K. Lanz, Bd. I, S. 477.

Kassenobliga3-5 Jahre tionen fälligkeit

variabel, bei Gesamt- ja hauptsächlich Bund, Einzel-E. Geschäfts- Zinsscheine heute im all- fälligkeit Länder, Bundesbahn, banken, halbjährlich gemeinen 6 Bundespost Publikum bis 10 Jahxe

Verzinsliche Schatzanweisungen („Anleihen4')

bei Gesamt- ja Bund, Länder, Bundesbahn, Bundes- Tenderpost verfahren

Geschäfts- diskontiert

-

-

-

ß Besonderheiten

Zinszahlun

Einzel-E. Geschäfts- halbjährlich Zeitweilig in banken, GeldmarktreguPublikum lierung einbezogen. Nur noch als Buchschuld existent.

Dauer-Ε. bankenc)

-

diskontiert

1/2-2 bei Fälligkeit^ nein Bund, Länder, Jahrea) Bundesbahn, Bundespost

-

Gläubiger

U-Schätze

Bbk

vwf^n

30,60, bei Fälligkeit nein Bund, Länder, Dauer-Ε. Bbk, Ge90 Tage Bundesbahn, Bundes- schäfts(Vorwegpost banken abzug)

Schuldner

Bund, Länder, Sozialversicherungen, Bahn, Post

börsenfähig

Schatzwechsel

Tügung

laufend, dis- nein kontinuierlich

Laufzeit

bis 3 Monate

Merkmal

Buchkredite

Ajt

Tabelle 1: Hauptmerkmale der gängigsten Formen der Staatsverschuldung

44 I. Teil: Einfhrung und Darstellung der öffentlichen Verschuldung

Merkmal

Laufzeit

Tügung

Auslosung einzelner Gruppen

tilgungsfreien Jahren

nach mehreren

Kapitalmarktsituation

gig von der

wie Anleihen, abhän-

Ende der Laufzeit

ZinsesZinsen am

stellen

anleihe-

1972 Neuemis-

sionen nur noch als Buchschuld)

sammel-

Als Buch- oder Briefschuld (ab

schuld existent.

ß Besonderheiten

Zinszahlun

selten grundsätzlich alle Einzel-E. Kapitalje nach Nur „indirekte" öffentlichen Haus- + TendersammelVereinbaVerbriefung halte verfahren stellen rung

konsortium)

Gläubiger

Typ A: Typ R fiir Wertjährlich; papierratensparTyp B: Verträge. Nur Zinsen + noch als Buch-

vwfahren"

Einzel-E. Publikum, halbjähr(BundesKapitallieh

Publikum

Schuldner

Bund, Länder, Gemeinden, Sozial-

Dauer-Ε.

Versicherungen

ja

Bund

börsenfähig

a) Finanzierungsschätze auch 3 Monate. - b) Zum Teil Rückgabefähigkeit an die Bundesbank vor Fälligkeit (Marktregulierte Papiere, „Geldmarktpapiere". - c) Finanzierungsschätze: Publikum.

Schuldscheingrundsätzlich laufend oder darlehen alle Fristen; bei Fälligkeit in der Regel ab ca. 1 Jahr

anleihen

Schuldverschreibungs-

BundesschatzTyp A: bei Fälligkeit; nein briefe 6 Jahre; Rückgabe nach Typ B: frühestens 1 7 Jahre Jahr möglich

Art

I . E n u n g und

rten der öffentlichen Verschuldung

46

I. Teil: Einführung und Darstellung der öffentlichen Verschuldung

V. Struktur der öffentlichen Schuld 1. Die Schuldnerstruktur Untersucht man die Struktur des öffentlichen Schuldenstandes ab 1970 hinsichtlich der Schuldner, so lassen sich seither einige nicht unerhebliche Veränderungen feststellen (vgl. Tab. 2). So ist der Anteil der Gemeinden (seit 1972), von Bundesbahn und Bundespost (seit 1974/75) am gesamten öffentlichen Schuldenvolumen recht kräftig gesunken. Die Quote der Gemeinden sank zwischen Ende 1970 und Ende 1978 von 24,7 auf 20,1 %. Auf die Bundespost entfielen 1974 noch knapp 16 %, im Dezember 1978 jedoch nur noch 7,4 % des öffentlichen Schuldenstandes. Dagegen stieg der Anteil der übergeordneten Gebietskörperschaften insgesamt seit 1972 relativ rasch um mehr als ein Drittel von 48,2 % auf über 65 %. Der Anteil aller Gebietskörperschaften erhöhte sich von 1970 bis 1978 nur um ein Zehntel: von 77,1 % auf 85,2 %. Nach 1973 wurde die Hauptlast der öffentlichen Verschuldung vom Bund, in geringerem Maße von den Ländern, vor allem deswegen getragen, weil die Aufgabe der konjunkturpolitischen Globalsteuerung in erster Linie bei den zentralen Haushalten verankert ist, diese leichteren Zugang zu allen Teilbereichen der Kreditmärkte haben und insbesondere der Bund durch die stattgefundenen steuerlichen Reformmaßnahmen weitaus am stärksten belastet wurde 106 . 2. Die Rolle einzelner Schuldarten Auch wenn man die Entwicklung der einzelnen Schuldformen betrachtet, lassen sich bedeutsame Tendenzwandlungen erkennen (vgl. Tab. 3). Insbesondere die Direktverschuldung bei inländischen Kreditinstituten stieg in den letzten Jahren kräftig an. Sie betrug 1970 noch weniger als 47 % des gesamten öffentlichen Schuldenniveaus. Seit 1975 macht ihr Anteil daran bis zu 60 % aus. Allein 1975 erfolgte mehr als 80 % (!) der staatlichen Neuverschuldung direkt bei Kreditinstituten. Die Ausweitung der Direktverschuldung wird nur noch vom Umlauf an Bundesschatzbriefen übertroffen, der sich zwischen 1973 und 1978 mehr als verachtfachte, aber immer noch weniger als 6 % der gesamten umlaufenden Staatsschuld beträgt. Die Kassenkredite der Bundesbank schwanken, wie schon erwähnt, sehr stark in ihrem Betrag, wurden aber 1977 und 1978 zunehmend unbedeutender. Der Absatz an U-Schätzen und Kassenobligationen hat sich kräftig ausgedehnt: Die unverzinslichen Schatzanweisungen machten in ihrem Anteil 1976 bis 1978 jeweils 9 % aus, der Umlauf von Kassenobligationen hat sich im Untersuchungszeitraum verfünffacht (Ende 1978 = 6 %). Vgl. Dt. Bbk. MB, Juli 1979, S. 17 f.

Länder

Anteil*")

Gemeinden0) Anteil*)

Bd-Bahn

Anteil*)

Bd-Post

14,0

Anteil*)

Quelle für Grundzahlen: Dt. Bbk. MB, div. Jg., Tab. VII 5, VII 6, VII 7.

a) Ohne Verschuldung der einzelnen Stellen untereinander. Differenzen in den Summen durch Runden. - b) Jahresendstände. - c) Nach Ausschaltung der Verschuldung der kommunalen Eigenbetriebe. - d) Veränderung in % gegenüber Vorjahr. - e) Incl. ERP- und LAG-Sondervermögen und Auftragsfinanzierung Öffa (bis 1971). - f) Anteil am Gesamtschuldenstand.

Anteil*)

163,2 6,8 57,8 35,4 27,0 17,0 40,3 24,7 17,0 10,4 20,3 12,4 185,6 13,7 59,4 32,0 33,0 17,8 47,9 25,8 19,3 10,4 25,9 207,6 11,9 63,1 30,4 37,0 17,8 56,0 27,0 21,1 10,2 30,4 14,6 224,4 8,1 68,4 30,5 39,5 17,6 59,9 26,7 21,4 9,5 35,2 15,7 256,1 14,1 78,6 30,7 47,3 18,5 66,4 25,9 23,2 9,1 40,5 15,8 322,8 26,0 115,0 35,6 67,0 20,8 74,4 23,0 26,3 8,1 40,1 12,4 364,6 12,9 135,0 37,0 81,8 22,4 79,8 21,9 29,3 8,0 38,6 10,6 395,8 8,6 155,4 39,3 89,6 22,6 83,3 21,0 31,9 8,1 35,4 8,9 436,1 10,2 182,0 41,7 102,2 23,4 87,5 20,1 32,1 7,4 32,4 7,4

Bunde>

1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978

Zuwachsd)

Gesamt

Jahrb>

Tabelle 2: Entwicklung der öffentlichen Verschuldung 1970-1978a> (in Mrd. DM)

V. Struktur der öffentlichen Schuld 47

48

I. Teil: Einführung und Darstellung der öffentlichen Verschuldung Tabelle 3

4,2 4,2 4,1 6,9 7,1 6,0 3,8 2,8 2,5

14,0 15,9 18,2 9,9 11,0 12,0 13,9 15,2 15,7

8,6 8,6 8,8 4,4 4,3 3,7 3,8 3,8 3,6

2,0 2,0 1,7 1,5 1,4 1,7 1,8 1,8 2,0

1,2 1,1 0,8 0,7 0,5 0,5 0,5 0,5 0,5

Anteil**)

2,0 1,3 1,8 3,0 4,0 5,6 5,7

Anleihen^1)

-

27,9 31,9 34,6 39,9 44,1 50,3 57,4 62,8 67,6

17,1 17,2 16,7 17,8 17,2 15,6 15,7 15,9 15,5

Anteil**)

6,8 7,8 8,5 15,5 18,1 19,5 14,0 10,9 11,1

_

Sonstiges^)

-f) -f) 4,2 3,0 4,7 9,8 14,5 22,0 24,7

Anteil·*)

3,2 3,0 2,8 2,4 2,1 2,6 3,6 5,4 6,0

Anteil·1)

BundesSchatzbriefe

5,2 5,6 5,9 5,4 5,4 8,5 13,0 21,4 26,3

Auslandsverschuldung

Anteil^)

1,5 1,2 1,0 0,8 2,6 4,1 2,5 2,3 2,1

Anteil**)

Kassenobligationen

46,8 50,0 52,1 54,1 51,4 57,9 60,0 58,6 59,7

2,4 2,3 2,0 1,7 6,7 13,3 9,0 9,0 9,0

Sonstige Darlehen von Nichtbanken

76,3 92,8 108,1 121,5 131,6 186,8 218,7 231,9 260,5

Anteil·*)

Anteil**)

1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978

1,8 1,4 1,5 1,4 0,5 0,1 0,5 0,2 0,0

Anteil**)

Jahrb)

U-Schätzee)

2,9 2,6 0,5 3,1 1,2 0,4 1,8 0,9 0,2

Anteil·*)

Buch- und Schatzwechselkredite der Bundesbank")

163,2 185,6 207,6 224,4 256,1 322,8 364,6 395,8 436,1

Jahrb>

Darlehen und Schuldbuchforderungen der Sozialversicherung

Gesamt0)

1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978

Direktausleihungen der Kreditinstitute

Die Arten der öffentlichen Verschuldung 1970-1978*) (in Mrd. DM)

25,3 24,6 23,9 23,1 22,2 21,3 20,4 19,8 19,0

15,5 13,3 11,5 10,3 8,7 6,6 5,6 5,0 4,4

a) Wie Tabelle 2. - b) Ebenda. - c) Schuldner: Bund (incl. LAG, ERP), Länder, Gemeinden, Bundesbahn, Bundespost. - d) Anteil der Schuldart am Gesamtschuldenstand in %. - e) Ohne aus der Umwandlung von Ausgleichsforderungen stammende Titel (Mobilisierungstitel). - f) Beträge für 1970 und 1971 bei den Anleihen. - g) Ablösungs- und Entschädigungsschuld, Ausgleichsforderungen, Deckungsforderungen, Steuergutscheine. Ohne Stücke im Bestand des Bundes. - h) Ohne Anleihestücke im eigenen Bestand der Emittenten. Quelle für Grundzahlen: wie Tabelle 2.

Eine eindeutig sinkende Tendenz ist bei der Auslandsverschuldung, insbesondere wegen des fortlaufend gestiegenen Außenwertes der DM, ebenso zu erkennen wie bei den aus dem Währungsausgleich stammenden, sukzessive zur

V. Struktur der öffentlichen Schuld

49

Tilgung anstehenden Forderungen. Auch die Darlehen der Sozialversicherungshaushalte gingen, bedingt durch deren teilweise prekäre finanzielle Entwicklung, zurück. Die sonstigen Darlehen von inländischen Nichtbanken sind für die öffentlichen Kreditnehmer heute nur noch von geringer Bedeutung. Insgesamt summierten sich die vier letztgenannten Verschuldungsarten Ende 1978 auf lediglich 11 % des öffentlichen Schuldenstandes. Der Anteil des Umlaufs an öffentlichen Anleihen blieb bei geringen Schwankungen von 1970 bis 1978 nahezu konstant. Er machte zuletzt 15,5 % des Gesamtschuldenstandes aus. Zusammen mit den Direktausleihungen der inländischen Kreditinstitute bildet er nach wie vor die wichtigste Schuldart: Die ausstehenden öffentlichen Schulden verteilen sich Ende 1978 zu mehr als 3/4 auf Anleihen und Schuldscheindarlehen. Diese Entwicklung gilt für die einzelnen öffentlichen Schuldner tendenziell gleichermaßen (vgl. Tab. 4). Alle haben die Darlehensaufnahme bei Kreditinstituten in den letzten Jahren ausgedehnt. Bei den Ländern stieg die direkte Bankenverschuldung zwischen 1970 und 1978 gar von 39 auf über 74 %. Aber auch die Gemeinden vermehrten die Direktverschuldung von bereits über 80 % 1970 auf mehr als 92 % der kommunalen Schulden. Die vermehrten Direktausleihungen erfolgten nicht immer auf Kosten der Anleiheemission. Der Bund z.B. konnte den Anteil der Schuldverschreibungen (hier allerdings einschließlich der Bundesschatzbriefe) von 1970 bis Ende 1978 von gut 20 auf über 31 % erhöhen, aber auch die Aufnahme von Bankkrediten dehnte sich in diesem Zeitraum von 28,4 % bis auf 37,5 % der Bundesschulden aus. Bei den Ländern jedoch hat sich die Bedeutung der Anleihen fast halbiert, während der Anteil der Direktausleihungen sich nahezu verdoppelte.

3. Die Gläubigerstruktur Während die Struktur der Emittenten öffentlicher Schuldtitel mit Hilfe der Statistiken der Deutschen Bundesbank hinlänglich genau aufgezeigt werden kann, entstehen einige Probleme bei dem Versuch, die Herkunft der Kapitalmittel für die Staatsschuld zu belegen. Der Grund dafür ist in den jeweüigen Eigentümlichkeiten des statistischen Materials zu suchen. a) Der Aussagewert des empirischen Materials Will man Aussagen über die Auswirkungen öffentlicher Schuldenpolitik auf einzelne finanzielle Märkte treffen, so müssen dabei auch die Zusammensetzung und das Verhalten der dort agierenden Kreditanbieter berücksichtigt werden. Sind deren Verhaltensweisen verschieden geartet, unterscheiden sich also beispielsweise die durchschnittliche Dauer des jeweiligen Engagements in Staatsschuldpapieren, die Art der bevorzugten Titel oder der Refinanzierung, dann

4 Speyer 83

Jahr

>4

27

>9 ^

10

1970

^

- 80,7

- >

1978

^

-

d

-

^ ^

12,1

1970

12,4

1978

20,9

_ d)

_

80,1

-d)

6,9

-

-d>

-

I. Teil: Einführung und Darstellung der öffentlichen Verschuldung

40,3

102,2

27,8

GesamtVerschuldung

87,5

-

i82,o

-d>

37,3

7,3

2,8

~

74,2

~ ^

6,4

_

38,9

_ d)

Anteüc)

28,4

Darlehen von Nichtbanken

16,4 3? 5

75,8

10,8

92,2

32,3

20,4

Direktausleihungen Anteüc) der Kreditinstitute

d)

5,8

11,8

Anteil^

1970

19?g

1970

Anleihenb>

a) Jahresendstände, ohne Verschuldung der einzelnen Stellen untereinander, in Mrd. DM. - b) Ohne im Bestand der Emittenten befindliche Stücke; hier incl. Bundesschatzbriefe. - c) Anteil an der Gesamtverschuldung der betreffenden Stelle in %. - d) Der Posten der Anleihen kann bei den Gemeinden vernachlässigt werden. Auch die Darlehen von Nichtbanken beim Bund, den Ländern, bei Bahn und Post machen nur einen unwesentlichen Anteil der Verschuldung aus und bleiben daher unberücksichtigt. Quelle für Grundzahlen: Dt. Bbk. MB, div. Jg., Tab. VII 5 und VII 7.

Bundesbahn und Bundespost ^

Gemeinden

Länder

(incl. LAG, ERP)

Bund

Schuldner

Tabelle 4: Die wichtigsten öffentlichen Verschuldungsarten 1970 und 1978a)

50 57,8

V. Struktur der öffentlichen Schuld

51

bestimmt die Gläubigerstruktur, wie dauerhaft die Unterbringung ist und beeinflußt insoweit das Volumen und die Renditen an den einzelnen Märkten sowie die Geldmengeneffekte staatlicher Schuldenpolitik. Eine unten vorzunehmende genauere qualitative Analyse der typischen Verhaltensweisen der Gläubiger öffentlicher Schuld ist deshalb unerläßlich, um die Art der an diesen Märkten auftretenden Konflikte und Probleme kennzeichnen und Empfehlungen zu ihrer Linderung abgeben zu können. Gewisse Anhaltspunkte können — soweit sie sich in deren zahlenmäßiger Entwicklung niederschlagen — schon aus der Untersuchung der Gläubigerstruktur von 1970 bis 1978 gewonnen werden. Wichtige Hinweise darauf liefert eine Statistik über den Erstabsatz von Schuldverschreibungen nach Käufergruppen, wie sie die Bundesbank als Konsortialftihrerin des Bundesanleihekonsortiums aufgrund der von den Konsorten verlangten Meldungen intern erstellt 107 . Diese Aufstellung bietet vor allem wertvolle Informationen über die Marktlage bei den festverzinslichen Wertpapieren 1 0 8 . Sie gibt darüber Aufschluß, wie die Aufnahmefähigkeit der Märkte zu einem bestimmten Zeitpunkt beschaffen ist, weswegen sie „der Kapitalmarktmann in der Mitte jeden Monats mit besonderer Spannung erwartet" 1 0 9 . Die Erstabsatzstatistik ist jedoch nicht in der Lage, ein eindeutiges Bild über die endgültige Placierung der festverzinslichen Wertpapiere zu vermitteln, da wesentliche Teile der Emissionsbeträge zunächst von Banken übernommen und erst später von diesen weiterplaciert werden 110 . Die Absatzzahlen müssen indes bereits innerhalb von 10 bis 14 Werktagen ab Verkaufsbeginn gemeldet werden. Ferner ist denkbar, „daß die Aufgliederungen von den Banken im Hinblick auf die Wünsche der Deutschen Bundesbank bzw. die konsortialvertragliche Verpflichtung zur Bevorzugung inländischer Käufer und hier besonders der Kleinzeichner frisiert worden sind" 1 1 1 . Außerdem berücksichtigt die Käufergruppenstatistik bei den einzelnen Erwerbergruppen nur die Bruttozugänge; sie erfaßt nicht, wie sich die Bestände infolge Zeichnung neuer Emissionen, von An- und Verkäufen oder Tilgungen später verändern. Ihre Aussagefähigkeit ist daher begrenzt. 107

Vgl. W. Reiter: Das Bundesanleihekonsortium . . . , S. 367. 108 vgl. m. Tridon: Die Situation am Kapitalmarkt, in: Der langfristige Kredit, 10. Jg., H. 21-22/1959, S. 418. 109 B. Benning: Kapitalmarkt und Kapitalmarktpolitik; Vortrag vor dem Verband privater Hypothekenbanken e.V. vom 26.3. 1965, abgedruckt in Dt. Bbk. AaPa, Nr. 29 vom 22.4.1965, S. 2. 110 Vgl. L. Lüdtke: Die Struktur und das Verhalten der Emittenten und Anleger am deutschen Rentenmarkt nach dem Zweiten Weltkrieg; Diss., München 1972, S. 37, und B. Benning: Zur Struktur des deutschen Wertpapiermarktes, in: Die Rolle einzelner Wertpapierarten auf dem Kapitalmarkt; Schriftenreihe des Instituts für Kapitalmarktforschung, Bd. 6, Frankfurt/M. 1973, S. 19. 111 W. Reiter: Das Bundesanleihekonsortium . . . , S. 358.

4*

I. Teil: Einführung und Darstellung der öffentlichen Verschuldung

52

Die von der Bundesbank laufend veröffentlichte Übersicht über „Absatz und Erwerb von Wertpapieren" 112 gibt zwar die Netto-Verkaufswerte an (d.h. unter Berücksichtigung der Eigenbestandsveränderungen der Emittenten), arbeitet jedoch mit den Kurswerten der abgesetzten Schuldverschreibungen. Damit verzerrt sie aber die Besitzanteile an den zu Nominalwerten zurückzahlbaren Wertpapieren, sobald sich Kursveränderungen einstellen. Darüber hinaus ermittelt die Tabelle den Erwerbsanteil der Nichtbanken nur „insgesamt" (und nicht weiter untergliedert) mit Hilfe einer „Resterrechnung". Da sie bei den Kaufanteilen zudem nicht zwischen öffentlichen Papieren und anderen Rentenwerten unterscheidet und, ebenso wie die Käufergruppenstatistik, das Ergebnis von Weiterplacierungen nicht aufzeigen kann, ist sie für unsere Zwecke nur unvollkommen geeignet. Detailliertere Informationen über die Käuferstruktur festverzinslicher Wertpapiere liefert die Bundesbank 113 in ihren jährlichen Finanzierungsrechnungen 1 1 4 , in denen Netto-Absätze und Nominalwerte veröffentlicht werden. Auch diese Statistik stellt aber nicht die Entwicklung der Besitzanteile speziell an öffentlichen Verschuldungspapieren dar. Ihre Zahlenangaben für die Bestände bei den sog. „nichtfinanziellen Sektoren" werden im wesentlichen nach Maßgabe einer anderen, ebenfalls jährlich publizierten Statistik geschätzt 115 , die allein eine zahlenmäßige Erfassung der Bestandsveränderungen in den Wertpapierportefeuilles der einzelnen Anlegergruppen zuläßt: der Depotstatistik 116 . Darin werden die von Kreditinstituten und der Deutschen Bundesbank für Depotkunden verwahrten Wertpapiere sowie die Eigenbestände der genannten Institute zu Nominalwerten erfragt 117 . Der in den letzten Jahren jeweils im August veröffentlichte Tabellenteil zur Depotstatistik 118 unterteilt die Bestände nach Wertpapierarten und gibt damit Aufschluß über die Besitzverteilung öffentlicher Schuldtitel. Allerdings vermag auch die Depotstatistik nicht den gesamten Verbleib der öffentlichen Verschuldungspapiere exakt nachzuweisen. So können, bedingt durch die Bewertungspraxis, bei den Eigenbeständen der Banken kleinere Differenzen gegenüber dem Rentenerwerb zu Buchwerten nach der monatlichen 112

Vgl. Tabelle VI 1 in den MB. Vgl. M. Gregor: Zur Absatz- und Zinsentwicklung am deutschen Rentenmarkt, in: Sparkasse, 89. Jg., H. 8/1972, S. 235. 114 Vgl. die jährlichen Aufsätze „Finanzierungsströme sowie Bestände an Geldvermögen und Verpflichtungen in der Bundesrepublik", in: Dt. Bbk. MB, zuletzt Mai 1979, S. 20 ff. 115 Vgl. Dt. Bbk. MB, Mai 1971, S. 33. 113

116

Vgl. die jährlichen Aufsätze „Die Wertpapierunterbringung im Jahre . . . in: Dt. Bbk. MB, zuletzt Mai 1979, S. 26 ff. 1 1 7 Vgl. Dt. Bbk. MB, Mai 1977, S. 19, FN 1. 118 Vgl. „Die Entwicklung der Wertpapierdepots im Jahre . . . , Ergebnisse nach Bankengruppen"; Beilage zu Statistische Beihefte zu den MB der Dt. Bbk., Reihe 1, Bankenstatistik nach Bankengruppen, zuletzt August 1979.

V. Struktur der öffentlichen Schuld

53

Bilanzstatistik auftreten 119 . Ferner sind in jedem Jahr gegenüber dem Wertpapierumlauf laut Emissionsstatistik „nicht aufgliederbare Reste" zu erwarten. Dabei handelt es sich im wesentlichen um selbstverwahrte Wertpapiere der einzelnen Besitzer, um in Einzelschuldbuchforderungen bei der Bundesschuldenverwaltung abgerufene Anleihebeträge, in das Ausland verbrachte Stücke oder Eigen- und Depotbestände der nicht zur Bankenstatistik berichtenden kleineren Kreditgenossenschaften 120. Direktausleihungen, also in der Hauptsache Schuldscheindarlehen der Kapitalsammelstellen, sind in der Depotstatistik ebenfalls nicht erfaßt. Ihr Volumen kann aber laufend ermittelt werden 121 , Gläubiger stellen zum überragenden Teil die Kreditinstitute dar. Ihre Direktausleihungen werden in der Statistik volumenmäßig getrennt ausgewiesen und verursachen somit keine Zurechnungsprobleme. Da die jeweiligen Quartals- bzw. Jahresendstände verglichen werden, sind die Bestände um Weiterplacierungen laufend bereinigt. Umsätze am Sekundärmarkt fallen bei Schuldscheindarlehen ohnehin kaum ins Gewicht, weil ihre Fungibilität stark eingeschränkt ist. Trotz der aufgezeigten Einschränkungen können aus der Depotstatistik stichhaltige Aussagen über die endgültige Unterbringung der Bestände an festverzinslichen Wertpapieren, insbesondere auch wesentlicher Teile öffentlicher Schuldtitel, abgeleitet werden. Wenn die aus der Depotstatistik ermittelten Quantitäten um die Direktausleihungen der Kreditinstitute ergänzt werden, so kann man aus den Ergebnissen einen direkten Eindruck von der Besitzverteilung aller wesentlichen angebotenen öffentlichen Verschuldungspapiere und ihrer Entwicklung gewinnen. Auf welche Phänomene im Anlage verhalten einzelner Gläubiger die erkennbaren Veränderungen der relativen Besitzanteile seit 1970 zurückzuführen sind und welches die Bestimmungsgründe dieses Verhaltens sind, muß eine eingehendere Motivationsanalyse zeigen 122 . b) Die Streuung des Besitzes an öffentlichen Schuldtiteln 1970-1978 Betrachtet man nur die aus der Depotstatistik abgeleitete Besitzverteilung an inländischen festverzinslichen Wertpapieren, so zeigen sich während des Untersuchungszeitraums wenig gravierende Änderungen (vgl. Tabelle 5). Insbesondere die Besitzanteile der Gebietsansässigen unterlagen keinen umwälzenden Wandlungen. So schwankte der Anteil der Kreditinstitute zwar zwischen gut 39 % (Ende 1973) und über 47 % (1970), per Saldo hat er jedoch zwischen 1970 und 1978 um nur 1,7 Prozentpunkte auf 45,6 % abgenommen. Der Anteil der inländischen Privatpersonen ging bei einer maximalen Veränderung von 119

Vgl. Dt. Bbk. MB, Mai 1977, S. 20, FN 2. Vgl. Dt. Bbk. MB, Mai 1977, S. 24. 121 Vgl. Tab. VII 6 der MB. 122 vgl dazu das 3. Kapitel im 2. Hauptteil dieser Arbeit. 120

9 100

1971

15,0

42

26

46

9,3

56

g3

4,2

17,5

31

46

7,1

3

10,0

u

94

3,9

12,6

g9

9,8

9 Q

24,3

2Q 2

g5

9,8

31g

10,0

?5

32

4,0

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100

366

53

26

25,8

1? Q

g2

9,5

37,3

9,5

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9 100

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S3



12,3

11,3

19 g

6g

4?

16

18,2

25,4

19 9

^

17,5

54,6

76,0

3,9

5

1976

9,7

4

4,8 14

3

14,9

1977

1978

38,2

19,9

67,4

9,1

4,8

16,1

16,9

47,3

21,9

10,2

4,7

77,8 16,8

189,7 45,4 210,7 45,6 78,4

100

159,0 43,4

462

%b)

13,6

19,9

43,2

72,8

13,8

19,7

41?

1975

138,7 43,6

3 100

%b)

110,7 41,1

χ

1974 %b)

62,7

39,3

21 4

32,4

57 7

3?

3,9

4 100

%b)

1973

95,5

269

%b)

12,9

21 g

21,2

62

44

8,4

27,8

206

90,9 42,1

242

g 100

1972 %b)

45 0 20 g 500

22,8

37 4 20 7

12,2

216

82,3 45,5

Q 100

0 100

%b)

I. Teil: Einführung und Darstellung der öffentlichen Verschuldung

a) Einschl. Wertpapiere aus dem Altgeschäft und Altsparerwertpapiere. Nur auf DM laufende Stücke, ohne Namensschuldverschreibungen. Differenzen in den Summen durch Runden.- b) Besitzanteil in %. - c) Mit Bundesbahn und Bundespost. - d) Geringe Bestände der Bundesbank, Organisationen ohne Erwerbscharakter und öffentlicher Haushalte sowie nichtaufgliederbare Reste des Umlaufs (vgl. Abschnitt II. 3a.). Quelle: Die Entwicklung der Wertpapierdepots im Jahre . . . , Beilage zu Statistische Beihefte zu den MB, Reihe 1: Bankenstatistik nach Bankengruppen, August 1971, S. 3; August 1973, S. 3, S. 6; August 1975, S. 3, S. 6; August 1976, S. 3; August 1977, S. 3; August 1978, S. 3; Die Wertpapier-Unterbringung im Jahre 1974, MB Mai 1975, S. 27; Die Wertpapierunterbringung im Jahre 1976, MB Mai 1977, S. 21; Die Wertpapier-Unterbringung im Jahre 1977, MB Mai 1978, S. 21; Die Wertpapier-Unterbringung im Jahre 1978, MB Mai 1979, S. 28.

Sonstige^)

Ausländische Einleger

Sicherungen

?4

6,6

Nichtfinanzielle Unternehmen0^

19 g

19,5

Sozialver-

lgl

75,6 47,3

159

317

%b)

Stand am Jahresende

%b)

1970

Kapitalfonds u. Versieherungsuntern.

personen

Privat-

2. Deponenten Ini. Kreditinstitute

1. Umlauf an inländ festverzinslichen Wertpapieren

Mrd.DM Nominalwert

Tabelle 5: Verteilung des Besitzes an inländischen festverzinslichen Wertpapieren 1970-1978a> 54

V. Struktur der öffentlichen Schuld

55

-1,7 Prozentpunkten im Verlauf der Jahre zwischen 1975 und 1977 von knapp 20 auf knapp 17 % zurück. Eine solche relativ unveränderte Gläubigerstruktur wie sie sich bezüglich der gesamten inländischen Rentenwerte zeigt, ist für die Besitzanteile an öffentlichen Anleihen 123 nicht zu erkennen (vgl. Tabelle 6). Während hier die Anteile von Kapitalfonds und Versicherungen, von nichtfinanziellen Unternehmen sowie die geringen Bestände der öffentlichen Haushalte selbst und der Sozialversicherungen in ihrem absoluten Betrag ähnlich gering schwankten, wie das bereits aus den Verhältnissen bei den gesamten inländischen Schuldverschreibungen abzulesen war, reagierten die ausländischen Wertpapierdeponenten auch bei den öffentlichen Papieren stark auf Zins- und Wechselkursveränderungen. Der Besitzanteil Gebietsfremder schwankte zwischen 10,7 % (1973) und 4,3 % (1970). Im Jahr 1972 hatten die Ausländer ein Drittel des Nettoabsatzes an öffentlichen Papieren übernommen, 1975 waren sie in größerem Maße als Verkäufer aufgetreten. Gleichbleibende, aber gegenläufige Tendenzen lassen sich bei den Anteilen der inländischen Kreditinstitute und der Privatpersonen ausmachen. Die Banken hielten noch 1970 über 40 % der öffentlichen Anleihen, Ende 1978 war ihr Anteil auf 33 % gesunken, nachdem er Ende 1975 nur gut 26 % betragen hatte. Dagegen konnten die Privaten ihren Besitzanteil im gleichen Zeitraum von knapp 32 % auf 34 % ausdehnen. Die jeweiligen Umsatzanteile am Nettoabsatz in den untersuchten Jahren entwickelten sich jedoch konträr zu den Besitzanteilen (vgl. Tabelle 7). Noch 1970 hatten inländische Privatpersonen netto ein Viertel mehr öffentliche Papiere gekauft, als neu emittiert worden waren, was nur durch massive Verkäufe der Banken ermöglicht wurde, die ein Paket abstießen, das in seinem Nominalwert etwa 2/3 der Neuemissionen entsprach. Der Anteil der Privaten am Nettoabsatz (gemessen an der Veränderung des Besitzanteils gegenüber dem Vorjahr) sank in der Folge nahezu kontinuierlich ab und belief sich 1977 bzw. 1978 nur noch auf 26,2 bzw. 14,8 %. Daß der absolute Besitzanteil des Publikums 1978 immer noch etwas größer war als derjenige der Kreditinstitute, ist mit den bedeutenden umgesetzten Mengen der Jahre 1974 bis 1978 und den geringen Marktvolumina 1970 und 1971 zu erklären. 1975 beispielsweise war der Nettoneuabsatz von öffentlichen Anleihen und Bundesschatzbriefen mit 13,5 Mrd. DM mehr als doppelt so hoch wie im Vorjahr und über siebenmal so hoch wie 1970, als die prozentuale Besitzstandsveränderung bei den Privatpersonen von 123,6 % absolut nur 2,6 Mrd. DM ausmachte. 1975 dagegen erbrachten nur 35 % des Nettoabsatzes nominal fast 5 Mrd. DM mehr an Staatsschuldpapieren in die privaten Depots. 123 Hier Schuldverschreibungen, verzinsliche Schatzanweisungen, Kassenobligationen und Bundesschatzbriefe.

%b)

%b)

3,1

'

1,4 4 3

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9,5

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5,7

1,6

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27 5

100

15

%b)

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1,9

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0,8

4,3

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3,1

10,5

1,0

4,1

7,2

4,5

0,7

5,1

1,5

2,0

3,5

'

6,7

6,9

7,8

7,7

0,6

3,5

5,7

12,6

0,7

7,9

0,6

1,9

3,1

21,9 ' ' 40,0'

'

100

'

9,7

°'6

13,7

0,6

2,0

4,3

20,1

2,9

6,3

8,0

°'5

7,5

3,9

7,2

8,5

8,8

10,1

7,8

7,7

4,6

9,9

4,7

8,4

13,4 11,1

5,7

10,1

41,1 34,1

120,5 100

39,0 38,3

4,7

39,3

100

~T 1978

106,3

1977

100

4,6

33,4 '

33,1

84,9

1976

26,6 ' '39,0'

'

100

35 6 39 9

68,2

| % b)

1975

26,1 25 6 30,2 36 3

54,7

T^b)

1974

38,2

'

100

28>1 17 8

48,7

%b)

1973

17,2 38,8 ' 18,6' '

13

44,3

%b)

5,2 10,7

35,5 '

'

28 4

100

4,5 10,2

0,9

1,6

2,8

13,1

12,6

36,9

12)9 35,0

100

%b)

1972

I. Teil: Einführung und Darstellung der öffentlichen Verschuldung

a) Schuldverschreibungen, verzinsliche Schatzanweisungen, Kassenobligationen und Bundesschatzbriefe. - b) bis d) wie Tabelle 5. Quelle: Die Entwicklung der Wertpapierdepots . . . , August 1972, S. 3, S. 6; August 1974, S. 6; August 1975, S. 3, S. 6; August 1977, S. 3, S. 6; August 1978, S. 3, S. 6; August 1979, S. 3, S. 6; Statistische Beihefte zu den MB, Reihe 1: Bankenstatistik nach Bankengruppen, Juni 1977, Februar 1979, S. 56; Statistische Beihefte zu den MB, Reihe 2: Wertpapierstatistik, Januar 1976, Tabelle 5a; MB Februar 1979, S. 52+, eigene Berechnungen.

Sonstige^

Ei^/egw1^6

0,8

1,4

Nichtfinanzielle Unternehmen0'

10,3

2,4

sichwungen

'

40 3

32,5

Kapitalfonds u. Versieherungsuntern.

personen

%b)

1971

Stand am Jahresende

insütuteedlt" 13,1

2. Deponenten

1. Umlauf an öffentlichen Anleihen

Mrd. DM Nominalwert

1970

Tabelle 6: Verteilung des Besitzes an öffentlichen Anleihen 1970-1978a> 56

'

-

0,9

Sonstige**)

>5

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0,4

9,1

2,4

°'3 >*

>8

1,4

31

%b)

1973

0,6

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'

1

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" "

'

6 8

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>3

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4,4

55

%b)

1974

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4

%b)

1975

4,5

3,3

1,5

25,0

3)6

^

°'3 " °>7

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7

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0



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17,4

3,0

2 1 4

50

41,9

'

13 4

0,3

-

5,6

3,7

1,4

0,8

>4

0,9

25

14,2

13,6

0,2

8

>6

2,9

>

3

100

1977 1978

21,4

%b>

°>9 6 > 3

1,9

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1)9

48,9

1)1 5Λ

6,6

'

21 6

-

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'

10 7

100

2,9

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0,7

5 6

>8

16,7

46

'

1976 [%»"

"°'2 -°>9

0,1

1,2

0,1

40

>8

100

-°>6 - 0

-0,1 -1,7

'

17

13,5

6 8

-0,4 -6,6

~ lj6 ~U'9

°> l

2,3

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2

34

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33

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0,1

»7





2

100

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4

100

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0,3

0,1 9,1

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" "

15,9

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'

2 3

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0,4

0,2

14,3 0,7

9

0,1

55

4,5

4,1

~4'5

100

a) bis c) wie Tabelle 6. - d) Ohne Sozialversicherungen. Quelle: Berechnet aus Tabelle 6.

0,3

"

"°'2

Sichtungen

EiÌfegner1SChe

'

4 8

"

0,2

'

63 6

-°>2

4,4

%b)

1972

Veränderung (Zu- oder Abnahme (-) im betr. Jahr; Anteil in % am Nettoabsatz

%b)

1971

9,5

-0,2 - 9,5

0,2

-

'

-66' 1

123 8 2 8

-1'4

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Nichtfinanzielle Unternehmen0)

Kapitalfonds u. Versieherungsuntern.

Charakter

'

2 6

Organisation ohne Erwerbs-

Personen

Privat-

institute^1*"

2. Deponenten

2,1

1. Umlauf an öffentlichen Anleihen

100

^ %b)

Nominalwert

1970

Tabelle 7: Jährliche Entwicklung des Besitzes an öffentlichen Anleihen 1970-1978a)

V. Struktur der öffentlichen Schuld

57

58

I. Teil: Einführung und Darstellung der öffentlichen Verschuldung

Das aufgezeigte Bild über die Bestände an öffentlichen Schuldverschreibungen bei den verschiedenen Gläubigern weist auf den ersten Blick eine sehr viel gleichmäßigere und für die Privaten „günstigere" Besitzverteilung aus. Betrachtet man aber die Entwicklung der jährlichen Übernahmequoten, muß es — wie erläutert — revidiert werden. Zudem ist es noch verzerrt, weil es die Direktausleihungen an öffentliche Stellen nicht umfaßt. Vergleicht man dagegen die Bestände an öffentlichen Schuldverschreibungen (incl. Kassenobligationen und Bundesschatzbriefen) bei den Privaten und das Volumen öffentlicher Anleihen (in der gleichen Abgrenzung) und Schuldscheindarlehen bei Banken (vgl. Tabelle 8), so wird die Verzerrung korrigiert: Der Anteil inländischer Privatpersonen als Gläubiger der gesamten öffentlichen Schuld erhöhte sich zwar zwischen 1970 und 1978 per Saldo um 1/3, beträgt aber Ende 1978 immer noch nur 11,1 %. Der Anteil der Kreditinstitute hat sich im betrachteten Zeitraum von 57,5 % auf 72 % (!) der öffentlichen Gesamtverschuldung erhöht. Erst aus diesen Größenordnungen wird deutlich, welchen bedeutenden Anteil die inländischen Kreditinstitute als Kreditgeber der öffentlichen Haushalte bestreiten, während Privatpersonen die staatliche Kreditaufnahme nur zu einem vergleichsweise geringen Prozentsatz finanziell alimentieren. Die Gründe für diese Entwicklung und ihre Implikationen werden in späteren Abschnitten der Arbeit behandelt. 4. Die Zins- und Laufzeitenstruktur a) Kapitalzins, Emissions- und Umlaufsrenditen Neben den in den vorangegangenen Abschnitten aufgezeigten quantitativen Entwicklungen auf den Märkten für öffentliche Schuldtitel interessieren hier ebenso deren qualitative Aspekte. So determinieren etwa die Nominalzinssätze, welche „Zinslasten" die staatliche Schuld verursacht. Aus der Differenz zwischen Umlaufs- und Emissionsrenditen erhellt u.a. die Art der Emissionspolitik der öffentlichen Hand. Der Abstand der Renditen öffentlicher Anleihen von denen anderer Schuldverschreibungen spiegelt die Konkurrenzsituation für Staatsschuldpapiere wider, deren Zins- und Laufzeitenstruktur informiert über die Verfassung der Märkte, an denen sie gehandelt werden. Die für das jeweilige Erscheinungsbild der finanziellen Märkte ursächlichen Einflußfaktoren, Mengeneffekte und psychologischen Komponenten schlagen sich in ganz unterschiedlicher Weise, sich z.T. überlagernd oder einander kompensierend und mit im Zeitablauf wechselndem Gewicht nieder 1 2 4 , ohne daß 124 Vgl. die Äußerungen zur Zinsentwicklung und der Veränderung der Zinsstruktur in der Bundesrepublik im MB, April 1978, S. 11 ff. Empirische Überprüfungen dazu finden sich bei W. Gebauer: Empirische Überprüfung von Zinsstrukturhypothesen; Manuskript, Frankfurt/M., Aprü 1978.

8,2

13,1

100

9,3

59,6

156,1

83,7

100

100

17,2

60,5

18,6

100

11,4

21,9

371,6

Quelle: Dt. Bbk. MB, div. Jg., jeweils Tabelle VII 6; eigene Berechnungen.

11,3

6

%a

206,5

33,4

64,9

100

10,6

162,6

100

%a)

1977 1978

26,6

63,2

328,5

%a)

1976

11,7

'

100

118 3

296,7

%a)

1975

62,0

250,8

101,3

100

%a)

1974

187,3

11,0

94)4

163,3

%a)

1973

a) Anteil in %. - b) Hier ohne Bundesbahn und Bundespost. - c) Hier Besitz an öffentlichen Anleihen gemäß Depotstatistik und Direktausleihungen gemäß Bankenstatistik.

10,3

p^rtonenat

140,4

57,7

100

72,6

125,9

1972

%a)

1971

Stand am Jahresende

%a)

institute0)

2. Gläubiger

1. Öffentliche Gesamtverschuldungb)

Mrd. DM

1970

Tabelle 8: Kreditinstitute und Privatpersonen als Gläubiger der öffentlichen Schuld 1970-1978

V. Struktur der öffentlichen Schuld

59

60

I. Teil: Einführung und Darstellung der öffentlichen Verschuldung

ihre relative Bedeutung theoretisch unumstritten oder emprisch zweifelsfrei nachzuweisen wäre 1 2 5 . Deswegen ist es notwendig, die Markteinflußfaktoren mit aller Vorsicht zu analysieren, ohne daß sie immer widerspruchsfrei kategorisiert werden können oder genau zu quantifizieren sind 1 2 6 . Es kann daher an dieser Stelle genügen, die Renditeentwicklung vor dem Hintergrund der hauptsächlichen Einflußfaktoren zu sehen. Auf sie wird in späteren Abschnitten näher eingegangen. So hat sich der „Kapitalzins" seit Mitte 1974 per Saldo stark ermäßigt (vgl. Abb. 3). Noch im Jahre 1973 und bis Mitte 1974 hatten steigende Inflationsraten im Gefolge der Ölkrise und verschiedene hohe Tarifabschlüsse sowie das nachlassende Interesse ausländischen Anlegerpublikums die Rentenmarktrenditen kräftig ansteigen lassen 127 . Erst bewußte Auflockerungen der Bundesbank am Geldmarkt 1 2 8 und Diskont- und Lombardsatzsenkungen leiteten - „unterstützt" vom beginnenden Konjunkturumbruch und sinkenden Preissteigerungsraten die Wende in der Zinsentwicklung ein. Die Zinssenkung vollzog sich in der Folge am Rentenmarkt sehr rasch. Im zweiten Halbjahr 1975 setzten sich vorübergehend Zinsauftriebstendenzen durch. Ursächlich dafür war hauptsächlich, daß die vorgelegten Nachtragshaushalte des Bundes und einiger Länder entgegen den ursprünglichen Ansätzen noch einmal erhöhte Defizite beinhalteten, deren Finanzierbarkeit schwieriger als vordem erwartet eingeschätzt wurde 1 2 9 . Die Bundesbank konnte diesen Zinsauftriebstendenzen bei den Bundesanleihen durch Offenmarktkäufe entgegenwirken. Der Markt für festverzinsliche Wertpapiere lockerte sich daraufhin ab Ende 1975 wieder zunehmend auf. Bis Mitte 1978 sank der Kapitalzins bis weit unter 6 % ab. Er befindet sich seither weithin parallel zu erhöhten Inflationsraten und steigender Kreditnachfrage wieder in einem Aufwärtstrend, der Ende 1979 noch anhielt. Der Kapitalzins als Umlaufsrendite gibt aufgrund seiner „Konstruktion" erste Anhaltspunkte über das von vielen Faktoren abhängige Marktklima längerfristiger festverzinslicher Wertpapiere zu einem bestimmten Zeitpunkt, weil in seine Berechnung auch Kursveränderungen bereits umlaufender Rentenwerte eingehen. Da der Kapitalzins mit den jeweiligen Umlaufvolumina der einbezogenen Papiere gewichtet ist, berücksichtigt er darüber hinaus die unterschiedlichen Marktanteile einzelner Emittenten. ι 2 5 Vgl. D. Duwendag u.a.: Geldtheorie und Geldpolitik, 2. Aufl., Köln 1977, S. 45 ff. 126 Vgl. κ . Rüchardt: Der Kapitalmarkt aus der Sicht der Kreditnehmer, in: Der langfristige Kredit, 31. Jg., H. 1/1980, S. 12 f. 127

Vgl. Dt. Bbk.GB 1973, S. 13.

128

Dt. Bbk. GB 1974, S. 31.

1 2 9

Vgl. Dt. Bbk. GB 1975, S. 17 f.

1970

1

1971

*

1972

1973

1974

ι 1975

a

1976

ι

1977

,

1970-1978

1978

ι » JAHR

Quelle: Dt. Bbk. MB, div. Jg., Tab. VI 6.

a) Hier: Umlaufsrenditen aller tarifbesteuerten festverzinslichen inländischen Wertpapiere, gewichtet mit den Umlaufsbeträgen (in %); Monatsdurchschnitt des jeweils letzten Quartalsmonats.

% ii

Abbildung 3: KapitalzinsV

V. Struktur der öffentlichen Schuld 61

62

I. Teil: Einführung und Darstellung der öffentlichen Verschuldung

Solche Vorteile machen die Umlaufsrenditen üblicherweise zum Anhaltspunkt bei der renditemäßigen Ausstattung von Neuemissionen. Aus dem jeweiligen Abstand von Umlaufs- und Emissionsrenditen öffentlicher Anleihen beispielsweise lassen sich Aufschlüsse über die Emissionspolitik des Staates gewinnen. Je nach der Einschätzung der gegenwärtigen Marktlage oder ihrer mutmaßlichen zukünftigen Entwicklung kann die öffentliche Hand an den Kapitalmärkten eine „marktkonstatierende Strategie" verfolgen oder eine aktive „Marktbeeinflussung" versuchen. Paßt sie sich den Marktgegebenheiten an, wird sie für neu zu emittierende Titel eine Ausstattung wählen, die sich eng an die Umlaufsrendite öffentlicher Anleihen anlehnt. Weicht die Emissionsrendite von der Umlaufsrendite stark ab, deutet dies entweder auf die Absicht hin, mit attraktiver Verzinsung Anleger anzuziehen oder mit einer — oft nur nominalen und durch entsprechende Festlegung des Auszahlungskurses in ihrer Wirkung auf die Effektivrendite kompensierten - Zinssenkung den Markt bezüglich seiner Aufnahmefähigkeit zu „testen" (vgl. 3. Kap., IV., im 2. Hauptteil). Umlaufs- und Emissionsrenditen, wie sie von der Deutschen Bundesbank veröffentlicht werden, sind effektive Zinssätze. Bei ihrer Ermittlung gehen folglich auch (Rest-) Laufzeiten, Auszahlungs- bzw. Börsenkurs und die Tilgungsmodalitäten ein. Sie berücksichtigen also die erfolgte „Feineinstellung" der effektiven Renditen mit Hilfe entsprechender Festlegung der übrigen genannten Ausstattungsmerkmale. b) Die Konkurrenzlage öffentlicher Anleihen Aus Tabelle 9 lassen sich auch Aufschlüsse über die Konkurrenzsituation für staatliche Schuldverschreibungen gegenüber anderen festverzinslichen Wertpapieren gewinnen. So lagen die Emissionsrenditen öffentlicher Anleihen zwischen 1970 und 1978 meist in der Nähe der Emissionsrenditen von Bankschuldverschreibungen, oft aber etwas darunter. Darin drücken sich die Bemühungen von Konjunkturrat, Bundesanleihe-Konsortium und Bundesbank aus, für die öffentlichen Emittenten jeweils besonders günstige Emissionskonditionen herauszuholen 1 3 0 . Daß die Umlaufsrenditen öffentlicher Anleihen seit Mitte 1970 nahezu durchweg unter den Umlaufsrenditen der übrigen Rentenwerte zu liegen kamen, ist vor allem darin begründet, daß die Bonität des Staates als Schuldner im Untersuchungszeitraum zu keiner Zeit bezweifelt wurde. Vor allem Industrieanleihen mußten renditemäßig immer besser ausgestattet sein als Anleihen der öffentlichen Hand, ihre Kurse liegen meist unter denen von öffentlichen Rentenwerten. Die Kursdifferenz machte im März 1978 beispielsweise mehr als 8 Punkte aus, die Umlaufsrenditen von Industrieobligationen lagen zum gleichen Zeitpunkt 1,2 Prozentpunkte (6,4 % zu 5,2 %) über denen der öffentli130

Vgl. B. Benning: Zur Struktur des deutschen Wertpapiermarktes, S. 14.

V. Struktur der öffentlichen Schuld

63

Tabelle 9 Renditen inländischer festverzinslicher Wertpapiere 1970-1978a) Umlaufsrenditen

Monat Ges.

Pf.

Ko

Differenzen

Ind.

ÖH

IndÖH

E-U Ges

E-U ÖH 0,3 _ b) 0,2 0,5

Preise0^

Realzinsd)

3,7 3,8 3,8 4,0

4,2 4,8 4,6 4,3

0,1 0

4,5 5,0 5,9 5,8

3,5 3,3 2,5 2,3

-0,2 -0,2 -0,2 -0,2

-0,2 -0,1 0,1 -0,1

5,4 5,4 6,2 6,5

2,4 2,9 2,1 2,2

0,2 0,6 0,5 0,5

-0,3 -0,4 -0,2 -0,2

0

6,9 7,6 6,2 7,8

1,8 2,6 3,6 1,9

9,6 9,9 10,4 10,4 10,6 10,7 10,7 10,7 10,7 10,7 10,4 9,8

0,5 0,6 1,0 1,0 0,8 0,7 0,7 0,6 0,7 0,7 0,7 0,7

-0,2 -0,4 -0,4 -0,2 -0,2 -0,4 -0,3 -0,3 -0,5 -0,6 -0,4 -0,2

-0,1

7,4 7,6 7,2 7,1 7,2 6,9 6,9 7,0 7,3 7,1 6,5 5,9

2,5 2,4 3,5 3,7 3,6 4,0 4,0 3,9 3,5 3,8 4,1 4,0

9,9 9,4 9,3 9,2 8,9 8,7 8,9 9,1 9,2 9,1 9,0 8,9

9,3 8,8 8,7 8,6 8,3 8,2 8,2 8,3 8,3 8,4 8,4 8,3

0,6 0,6 0,6 0,6 0,6 0,5 0,7 0,8 0,9 0,7 0,6 0,6

0 -0,2 -0,2 -0,2 -0,2 -0,2 -0,1 -0,3 0 0 -0,2 -0,4

0,1 0,2 0,1 0,1 0 0 0

6,1 5,8 5,9 6,1 6,1 6,4 6,2 5,9 6,1 5,8 5,4 5,4

3,3 3,2 3,0 2,7 2,4 2,0 2,2 2,7 2,6 2,9 3,3 3,2

8,6 8,3 7,9 7,9 8,2

8,1 7,9 7,6 7,6 7,8

0,5 0,4 0,3 0,3 0,4

-0,2 -0,2 0 -0,1 -0,1

5,3 5,5 5,4 5,2 5,0

3,1 2,7 2,4 2,6 3,0

3/70 6/70 9/70 12/70

7,9 8,6 8,4 8,3

7,8 8,5 8,4 8,3

7,8 8,5 8,4 8,3

8,2 9,0 8,6 8,4

8,1 8,7 8,5 8,2

0,1 0,3 0,1 0,2

0,3 -0,2 -0,2 0

3/71 6/71 9/71 12/71

8,0 8,3 8,4 8,1

8,1 8,4 8,6 8,2

8,0 8,3 8,5 8,1

8,0 8,3 8,3 8,2

7,9 8,2 8,1 7,9

0,1 0,1 0,2 0,3

-0,1 -0,2 -0,2 -0,3

-0,1

3/72 6/72 9/72 12/72

7,8 8,3 8,3 8,7

8,0 8,4 8,5 8,7

7,9 8,3 8,4 8,6

7,7 8,2 8,0 8,7

7,4 7,9 7,9 8,6

0,3 0,3 0,1 0,1

3/73 6/73 9/73 12/73

8,7 10,2 9,8 9,7

8,8 10,2 10,0 9,7

8,7 10,3 9,9 9,6

8,7 10,5 10,1 10,1

8,5 9,9 9,6 9,6

1/74 2/74 3/74 4/74 5/74 6/74 7/74 8/74 9/74 10/74 11/74 12/74

9,7 10,0 10,7 10,8 10,8 10,9 10,9 10,9 10,8 10,9 10,6 9,9

9,7 10,0 10,8 11,0 11,0 11,1 11,1 11,0 11,0 11,0 10,8 10,0

9,6 9,9 10,7 10,9 10,9 10,9 11,0 10,9 10,8 10,9 10,6 9,9

10,1 10,5 11,4 11,4 11,4 11,4 11,4 11,3 11,4 11,4 11,1 10,5

1/75 2/75 3/75 4/75 5/75 6/75 7/75 8/75 9/75 10/75 11/75 12/75

9,4 9,0 8,9 8,8 8,5 8,4 8,4 8,6 8,7 8,7 8,7 8,6

9,6 9,2 9,1 9,0 8,8 8,6 8,7 8,9 9,1 9,1 9,1 8,8

9,5 9,0 8,9 8,8 8,6 8,4 8,5 8,7 8,9 8,9 8,9 8,7

1/76 2/76 3/76 4/76 5/76

8,4 8,2 7,8 7,8 8,0

8,7 8,5 8,1 8,0 8,2

8,5 8,3 7,9 7,9 8,1





0,1 -

-

-0,1 -

-0,2 -0,2 -0,4 -0,4 -0,2 -0,1

-

-0,2 -0,1 0 0 0 -

64

I. Teil: Einführung und Darstellung der öffentlichen Verschuldung Tabelle 9 (Fortsetzung) Umlaufsrenditen

Monat Ges.

Pf.

Ko

Differenzen

Ind.

ÖH

IndÖH

E-U Ges

6/76 7/76 8/76 9/76 10/76 11/76 12/76

8,3 8,4 8,3 8,1 8,0 7,6 7,4

8,5 8,6 8,6 8,3 8,1 7,8 7,5

8,4 8,5 8,5 8,2 8,0 7,7 7,4

8,4 8,5 8,4 8,2 8,1 7,7 7,6

8,0 8,1 8,1 7,9 7,8 7,4 7,3

0,4 0,4 0,3 0,3 0,3 0,3 0,3

-0,2 -0,2 -0,1 -0,1 -0,1 -0,1 -0,3

1/77 2/77 3/77 4/77 5/77 6/77 7/77 8/77 9/77 10/77 11/77 12/77

7,2 7,1 7,0 6,6 6,4 6,4 6,3 6,1 6,0 6,0 6,0 6,0

7,4 7,3 7,2 6,8 6,6 6,6 6,5 6,3 6,2 6,2 6,2 6,2

7,3 7,2 7,1 6,7 6,5 6,6 6,5 6,2 6,1 6,1 6,1 6,1

7,4 7,3 7,2 6,8 6,8 6,7 6,6 6,5 6,5 6,5 6,5 6,4

7,0 7,0 6,8 6,3 6,2 6,1 6,0 5,7 5,7 5,7 5,7 5,7

0,4 0,3 0,4 0,5 0,6 0,5 0,6 0,8 0,8 0,8 0,8 0,7

-0,3 -0,2 -0,1 0 -0,1 -0,1 0 -0,1 0 -0,1 -0,1 -0,1

1/78 2/78 3/78 4/78 5/78 6/78 7/78 8/78 9/78 10/78 11/78 12/78

5,8 5,7 5,6 5,6 5,8 6,0 6,3 6,6 6,4 6,3 6,6 6,6

6,1 6,0 5,9 5,9 6,1 6,3 6,6 6,8 6,6 6,5 6,8 6,8

5,9 5,9 5,8 5,8 6,0 6,2 6,5 6,8 6,5 6,5 6,7 6,7

6,3 6,3 6,4 6,5 6,6 6,6 6,7 6,8 6,7 6,7 6,8 6,8

5,5 5,4 5,2 5,2 5,4 5,6 5,9 6,1 6,0 6,0 6,2 6,3

0,8 0,9 1,2 1,3 1,2 1,0 0,8 0,7 0,7 0,7 0,6 0,5

0 0 -0,1 -0,2 0 0 -0,1 -0,1 -0,1 0 -0,2

E-U ÖH

_ 0 0,1 0,1 -

-0,1 -0,1 0,1 -

0,2 0,4 -

0,5 0,4 0,4 -

0,1 0,5 0,3 -

0,2 -

0,5 0,3 0,3 -

0,3 0,2 0,1

Preisec) Real-d zins )

4,5 4,1 4,6 4,0 3,8 3,7 3,9

3,8 4,3 3,7 4,1 4,2 3,9 3,5

4,1 4,0 3,9 3,8 3,8 4,0 4,3 3,9 3,7 3,8 3,7 3,5

3,1 3,1 3,1 2,8 2,6 2,4 2,0 2,2 2,3 2,2 2,3 2,5

3,2 3,1 3,1 2,9 2,7 2,4 2,6 2,4 2,2 2,1 2,3 2,4

2,6 2,6 2,5 2,7 3,1 3,6 3,7 4,2 4,2 4,2 4,3 4,2

a) Tarifbesteuerte festverzinsliche Wertpapiere; Durchschnittsrendite aus den 4 Bankwochenstichtagen des jeweiligen Monats in %. - b) Wegen Emissionspause liegen keine Emissionsrenditen vor, Differenzen daher nicht zu ermitteln. - c) Veränderung der Preisindices für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte. - d) Umlaufsrenditen Gesamt ./. Preise. Ges.: Durchschnittsrendite aller betrachteten Wertpapiere, Pf.: Durchschnittsrendite der Pfandbriefe, Ko.: Durchschnittsrendite der Kommunalobligationen, Ind.: Durchschnittsrendite der Industrieanleihen, ÖH: Durchschnittsrendite der öffentlichen Anleihen, Ind-ÖH: Renditeabstand Industrie- und öffentliche Anleihen (Umlaufsrenditen), E-U Ges.: Renditeabstand Emissionsrendite ./. Umlaufsrendite im Durchschnitt aller betrachteten Wertpapiere, E-U ÖH: Renditeabstand Emissionsrendite und Umlaufsrendite im Durchschnitt der öffentlichen Anleihen. Quelle: Dt. Bbk. MB, div. Jg., jeweils Tab. VI 6; eigene Berechnungen.

V. Struktur der öffentlichen Schuld

65

chen Anleihen. In der Differenz der Umlaufsrenditen verglichen mit anderen Schuldverschreibungen spiegelt sich auch die von der Bundesbank für Staatsanleihen seit 1967 auf Rechnung der Emittenten ständig betriebene Kurspflege wider, weswegen diese vom Markt offensichtlich als relativ liquide eingeschätzt werden, wie ihre Kursvorteile deutlich machen 131 . Außerdem sind öffentliche Anleihen, im Gegensatz etwa zu den Pfandbriefen, uneingeschränkt lombardfähig. Auch die Bankschuldverschreibungen werden deshalb in der Regel etwas niedriger als öffentliche Anleihen bewertet, worin allerdings auch die Erinnerung an besonders tiefe Kurse langlaufender Kommunalobligationen und Pfandbriefe während der Hochzinsphase im Jahre 1974 nachwirken dürfte. c) Die Zinsstruktur Weitere Informationen über die Entwicklung der Marktlage festverzinslicher Wertpapiere, insbesondere über die vom Markt „bevorzugten" Emissionstypen, liefert schließlich der Vergleich von Renditestrukturen bestimmter Zeitpunkte. In diesen Zinsstrukturen spiegeln sich die Präferenzen der Anleger und ihre Erwartungen bezüglich der künftigen Preis- und Zinsentwicklung wider, weswegen bei ihrer Interpretation die gleiche Vorsicht wie bei der Erklärung der Kapitalzinsentwicklung angebracht i s t 1 3 2 . Empirische und theoretische Untersuchungen zu diesem Problemkreis haben zu teilweise widersprüchlichen Ergebnissen geführt. Dies gilt insbesondere für die Klärung der Frage, ob und in welchem Maße die Zinsstruktur geldpolitisch oder durch entsprechende Operationen der Staatsschuldenpolitik an den kurz- und langfristigen Wertpapiermärkten entsprechend den stabilisierungspolitischen Zielvorstellungen eines ,antizyklischen' Debt Managements zu beeinflussen ist (vgl. auch 3. Teil, 2. Kap.). Um das Erscheinungsbild der Renditenstruktur der öffentlichen Schuldtitel zwischen 1970 und 1978 aufzuzeigen, muß mangels umfassender Daten in der Regel auf die öffentlichen Schuldverschreibungen zurückgegriffen werden. Sie geben jedoch gleichzeitig einen relativ guten Einblick in die Verfassung der meisten für die öffentliche Kreditaufnahme bedeutsamen Märkte. Der dabei wichtigste Posten, die Direktausleihungen, werden nämlich konditionsmäßig in der Regel sehr rasch an die Ausstattung der öffentlichen Anleihen angepaßt, wenn auch ihre Verzinsung bei dieser von den Emissionskosten sehr günstigen Verschuldungsart meist etwas unter der der Schuldverschreibungen liegt 1 3 3 . Andere Schuldarten sind, wie zahlenmäßig bereits belegt, mengenmäßig nicht 131

Vgl. Dt. Bbk. MB, April 1978, S. 16. Einen Überblick über Entwicklung und Stand der Zinsstrukturtheorie liefert H. Faßbender: Die Theorie der Fristigkeitsstruktur der Zinssätze, Ein Überblick, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium (WiSt), 6. Jg., H. 3/1977, S. 97-103. 133 Vgl M. Lahnstein: Der Bund - Wegbereiter neuer Möglichkeiten des Kredits, in: Dt. Bbk. AaPa, Nr. 32/1978, S. 5. 132

5 Speyer 83

66

I. Teil: Einführung und Darstellung der öffentlichen Verschuldung

so bedeutsam. Ihre Außerachtlassung dürfte daher die Gestalt der Zinsstruktur nur wenig verzerren. Die Entwicklung der Renditenstruktur im Zeitraum von 1967 bis 1978 zeigt, daß ganz unterschiedliche Verläufe von Zinsstrukturkurven aufgetreten s i n d 1 3 4 (vgl. Abb. 4). Zwar werden festverzinsliche Wertpapiere mit verschieden langen (Rest-)Laufzeiten am Markt meist auch dann unterschiedlich bewertet, wenn ihre Ausstattung sonst in jeder Hinsicht gleich ist. Wie groß aber die Renditeunterschiede in Abhängigkeit von der Laufzeit sind und in welche Richtung sie gehen, unterliegt starken Schwankungen. Mit der Laufzeit steigende Renditen sind normal, aber auch Zinsstrukturen mit gleichen Renditen bei unterschiedlicher Laufzeit oder solche mit sinkender Rendite bei längerer Laufzeit sind möglich. Die Zinsstrukturkurven wiesen im Untersuchungszeitraum am häufigsten einen steigenden Verlauf auf. Besonders gilt dies für Perioden allgemein fallender Zinssätze, so von 1967 bis Anfang 1969 sowie zwischen Ende 1974 und Frühjahr 1978. Charakteristisch für dieses Phänomen sind zwei Tendenzen: Zum einen sinkt das „Niveau" der Renditekurven laufend ab, zum anderen werden sie üblicherweise um so steiler, je länger der Zinssenkungsprozeß anhält: Mit sinkendem Kapitalzins nimmt die Wahrscheinlichkeit (und die Erwartung) einer Zinswende zu, die Anleger verhalten sich längerfristiger Kapitalbildung gegenüber eher abwartend, die verstärkte Nachfrage nach kurzfristigen Papieren läßt deren Rendite relativ absinken. Wenn dies für die jüngste Periode fallender Renditen nur bis 1976 galt, so offensichtlich deswegen, weil seit Anfang der siebziger Jahre neben den „reinen" Zinserwartungen zunehmend auch Inflationserwartungen für die Kapitalzinsbildung bestimmend geworden sind (vgl. 2. Kap. und 3. Kap., II), die vor dem Hintergrund der günstigen Preisentwicklung ab 1976 aber an Einfluß verloren. Die Zinsstrukturkurve „drehte" sich ab Mitte 1976, unterstützt von gegenüber dem Vorjahr reduzierten öffentlichen Neuverschuldungsraten und nicht zuletzt durch die teilweise geschickte Emissionstechnik des Bundes, der Kapitalmarkt und Anlegerverhalten genau beobachtete und in ständiger Abstimmung mit der Bundesbank stand 1 3 5 , um das Renditenniveau der Papiere mit der kürzesten Restlaufzeit: Der Aufschlag, den langfristige Anleger üblicherweise in der Rendite erwarten, wurde geringer. Er reduzierte sich von über 3,5 Prozentpunkten im Mai 1976 bis auf gut 1,5 Punkte im April 1977. Entgegen dieser Tendenz zeigen sich in Zeiten steigender Zinssätze umgekehrte Entwicklungen. Das Renditeniveau nimmt allgemein zu, die Zinsstruktur flacht um so mehr ab, je restriktiver die Notenbank eingreift. Auf dem Höhepunkt der Restriktionspolitik kehrt sich der Renditevorsprung oft sogar zeitweilig um, so im Frühjahr 1970 und im März 1973, als die Renditen134

Vgl. zum folgenden Dt. Bbk. MB, April 1978, S. 16 ff. 135 vgl y. Hölterhoff: Das Zinsniveau und seine Einflußgrößen in der Bundesrepublik von 1960-1978, in: Ifo-Schnelldienst, 31. Jg., H. 8/1978, S. 14.

V. Struktur der öffentlichen Schuld

67

strukturkurve jeweils einen durchgehend fallenden Verlauf aufwies. Offenbar ging man auf Seiten der Anleger davon aus, daß der Zinsgipfel bald überschritten sein werde und es sich deswegen lohne, jetzt längerlaufende Titel zu einem im Augenblick zwar vergleichsweise geringen, aber nach der erwarteten Wiederauflockerung auch der kurzfristigen Märkte zu einem attraktiven, vor allem aber für einen wesentlich längeren Zeitraum sicheren und gleichbleibenden Zinsertrag zu erwerben. d) Die Laufzeitenstruktur Die Laufzeiten der Neuemissionen haben sich von 1970 bis Ende 1977 ständig verkürzt, was sich auf die Durchschnittslaufzeit des gesamten Rentenumlaufs auswirkte 136 : Im Herbst 1968 wiesen die im Umlauf befindlichen Schuldverschreibungen noch eine durchschnittliche Restlaufzeit von 13 Jahren auf. Sie betrug Anfang 1972 noch knapp 10 Jahre, im Herbst 1977 aber nur noch 5 1/2 Jahre. Danach konnten die durchschnittlichen Restlaufzeiten wieder etwas verlängert werden, haben aber noch nicht die Ende der 60er Jahre üblichen Fristen erreicht. Wie aus Tabelle 10 hervorgeht, war zwar auch die Laufzeitenstruktur öffentlicher Anleihen 1978 weiter gespreizt als etwa in den Jahren 1973 bis 1976, doch hatten noch 1970, 1971 und 1972 67,5 % bzw. 51,7 % und 53,2 % aller neu emittierten öffentlichen Schuldverschreibungen eine längste Laufzeit von über 10 Jahren, 1972 wurden sogar über 12 % aller Staatsanleihen mit einer Laufzeit von 15 bis 20 Jahren begeben. 1973 sank der Anteil der langlaufenden Papiere auf 15,2 %. 1974 und 1975 wurden keine Titel mit über lOjähriger Laufzeit emittiert, der überwiegende Teil der Emissionen lag zwischen 4 und 10 Jahren mit einer deutlichen Häufung bei den mittleren Laufzeiten zwischen 7 und 10 Jahren. 1976, 1977 und 1978 wurden wieder in verstärktem Maße 3- bis 4jährige Kassenobligationen begeben (31,8 bzw. 40,8 %), aber auch die langen Laufzeiten gewannen wieder an Gewicht und waren mit rd. 10, gut 23 und knapp 20 % des Emissionsvolumens wieder stärker besetzt. Im Februar 1978 wurde erstmals wieder eine öffentliche Anleihe mit einer festen Laufzeit von 15 Jahren erfolgreich piaziert 137 . Eine gewisse Absatzschwäche zeigte sich 1978 vor allem in dem vom privaten Anlegerpublikum bevorzugten mittleren Laufzeitenbereich zwischen 4 und der bei den Privaten offensichtlich als „Laufzeitenschallmauer" 136 Vgl. h. Sobbe: Entwicklungstendenzen am deutschen Rentenmarkt, in: Jahresbericht 1977 der Frankfurter Wertpapierbörse, Frankfurt/M. 1978, S. 35. 137 Vgl. Dt. Bbk. GB 1977, S. 33.

5*

68

I. Teil: Einführung und Darstellung der öffentlichen Verschuldung Abbildung 4: Zinsstruktur

öffentlicher

Anleihen*) 1967-1978

Stand am Monatsende

a) Regressionslinien für die Umlaufsrenditen tarifbesteuerter Anleihen von Bund, Bahn und Post. Quelle: Dt. Bbk. MB April 1978, S. 17.

4,3 100

8,1

%

100

3,7 0,6

DM

%

10,2

44,9 6,8

1973

100

9,8

4,2 41,1 1,2 12,1

17,1 16,4 13,1

Mrd. DM

0,0 2,9 35,2 1,7 9,5 1,7 3,6 1,3

Mrd.

2,9 0,8 0,3

DM

1972 %

100

1,5

0,2 0,5 0,5 7,3

%

Mrd. „ DM %

1975 Mrd. DM %

Mrd. „ DM %

1976

11,4

15,2

100

15,7

100

21,2

2,1

100

9,9

Quelle: Dt. Bbk. MB, Statistische Beihefte, Reihe 2, div. Jg., Tab. 2 e, 2 f; eigene Berechnungen.

18,9 36,8 28,8

Mrd. DM

1977 „

8,2 31,8 7,1 27,9 4,2 16,4

%

1978

8,5 40,8 4,5 21,7 3,1 14,8

25,7

100

20,9

100

5,9 23,2 4,3 20,4 0,2 0,8 0,5 2,4

0,0 0,3 0,2 0,9 1,8 0,3 1,9 1,0 4,7 5,4 0,9 8,1 3,4 21,4 4,0 5,0 5,0 44,2 3,1 20,1 7,8 74,4 5,2 45,9 8,8 56,3 6,1

Mrd. DM

1974

a) Nach der längsten Laufzeit gemäß Emissionsbedingungen. - b) Differenzen in den Summen durch Runden.

Gesamt

2,5 56,6 0,5 10,9

10 bis unter 15 15 bis unter 20

1,1

0,7 16,1 0,4 8,4 0,3 6,8

0,1

Mrd. Mrd. DM %

1971

bis 1 1 bis unter 2 2 bis unter 3 3 bis unter 4 4 bis unter 7 7 bis unter 10

Laufzeit 1970 in Jahren

Absatz im Jahr in Mrd. DM und Anteil am Gesamtabsatz^)

Tabelle 10: Brutto-Absatz öffentlicher Anleihen 1970-1978*)

V. Struktur der öffentlichen Schuld 69

70

I. Teil: Einführung und Darstellung der öffentlichen Verschuldung

anzusehenden Fristigkeit von 6 bis 7 Jahren 138 . (Zur durchschnittlichen Laufzeit neuabgesetzter und zur durchschnittlichen Restlaufzeit umlaufender öffentlicher Anleihen vgl. Tabelle 27 und die Erläuterungen hierzu.) 5. Zusammenfassung Unsere Erörterungen haben gezeigt, daß sich die öffentlichen Schuldner mit der Ausdehnung der Direktkreditaufnahme im Bankensystem vermehrt einer an den organisierten Kapitalmärkten vorbeigehenden Verschuldung bedienen. Vor dem Hintergrund der gewachsenen Bedeutung von Bund und Ländern als Nachfrager an den Kreditmärkten hat sich gerade die Schuldaufnahme der in ihrer Schuldenpolitik auch gesamtwirtschaftliche Verantwortung tragenden zentralen Gebietskörperschaften während des Untersuchungszeitraums zu einem wesentlichen Teil bei institutionellen Anlegern, insbesondere Banken, konzentriert, wodurch sich das gesamte Kreditvolumen von knapp 2/3 bis auf fast 3/4 auf Banken verlagerte und diese dementsprechend ihre Rolle als die bei weitem bedeutendsten Gläubiger der Staatsschuld auf Kosten des Privatpublikums noch verstärken konnten. Eine erste Untersuchung der Renditeentwicklung demonstrierte die, gemessen an den Papieren anderer Emittenten, sehr gute Marktlage öffentlicher Schuldtitel. Die Zinsen waren über weite Strecken rückläufig, vor allem seit dem enormen Anstieg öffentlicher Defizite. Die Renditestrukturen wiesen seither bis Mitte 1978 einen insgesamt gesehen „normalen", steigenden Verlauf mit nahezu „parallelem" Niveaurückgang auf. Differenzierter und wechselhafter verlief die Entwicklung der Laufzeiten, die sich im wesentlichen ab 1973 zurückbildeten und ab 1976 wieder etwas verlängert werden konnten.

138 Ygi o.V., Schork: Zinsniveau wird nicht wesentlich steigen, in: Handelsblatt, Nr. 32 v. 14.2.1979, S. 10.

ZWEITER HAUPTTEIL

Monetäre Wirkungen der öffentlichen Verschuldung Gegenstand dieses Hauptteils sind die in der Problemstellung skizzierten drei Konfliktbereiche, die von den monetären Folgewirkungen der Staatsverschuldung ausgehen können. Im einzelnen werden behandelt: Im ersten Kapitel die Zusammenhänge zwischen der Geldpolitik der Deutschen Bundesbank und den Aktionen der Staatsschuldenpolitik; im zweiten Kapitel die Verdrängungsproblematik auf finanziellen Märkten; im abschließenden dritten Kapitel die Konflikte zwischen monetärer Steuerung und Staatsschuldenpolitik vor dem Hintergrund der Entwicklung des Kapitalmarktes und seiner Funktionsfähigkeit.

Erstes Kapitel

Geldpolitik und Staatsverschuldung I. Die Geldpolitik der Deutschen Bundesbank 1. Die Konzeption a) Die Ausrichtung Die Geld- und Kreditpolitik der Bundesbank zielt darauf ab, die ökonomische Aktivität über die Steuerung der Kreditvergabe zu beeinflussen. Letztere vollzieht sich vorwiegend unter Einschaltung der Banken, weswegen diese die Hauptadressaten der Geldpolitik sind. Die Deutsche Bundesbank geht in ihrer Strategie davon aus, daß die Fähigkeit des Bankensystems zur Kreditschöpfung von der Differenz zwischen dem Gesamtbestand der dem Bankensystem zur Verßgung stehenden freien Liquiditätsreserven — in der jeweils gültigen Abgrenzung1 — und dem von ihnen gewünschten Mindestumfang an freier Liquidität determiniert wird. 1

Die .Abgrenzung der freien Liquiditätsreserven wurde verschiedentlich geändert. Nach dem Übergang zum Gruppenfloaten, insbesondere gegenüber dem US-Dollar, im März 1973, umfassen sie heute die Überschußguthaben der Banken bei der Bundesbank, den Bestand der Banken an inländischen marktregulierten (mit einer jederzeitigen Rücknahmegarantie versehenen) Geldmarktpapieren sowie die unausgenutzten Rediskontkon-

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II. Teil: Monetäre Wirkungen der öffentlichen Verschuldung

Um diese Divergenz zu kontrollieren, kann der direkte Ansatzpunkt der Geldpolitik folglich weniger die gewünschte Liquidität der Banken2 als vielmehr die tatsächliche Liquiditätslage der Kreditinstitute sein 3 , die von den Banken selbst nur mittelbar über das Tempo ihrer Geschäftsausweitung, nicht aber direkt beeinflußt werden kann. Die Notenbank steuert die Liquiditätslage, indem sie vorwiegend ihre quantitativen liquiditätspolitischen Instrumente wie Mindestreservevariationen oder Veränderung der Refinanzierungskontingente einsetzt. Das Volumen der von den Banken gewünschten Liquidität, d.h. ihre unter Ertrags- und Solvenzgesichtspunkten getroffenen Entscheidungen über die optimale Aufteilung ihrer Aktiva, ist nur indirekt zu steuern 4. Dazu müssen die Konditionen, d.h. die Zinskosten der von der Zentralbank angebotenen liquiden Aktiva, verändert werden, um die Alternativkosten der Liquiditätshaltung zu beeinflussen. Zinspolitik und (quantitative) Liquiditätspolitik sind also eng verzahnt 5. Je weniger die Zinssätze am Bankenkredit- und Bankeneinlagemarkt an Diskonst- und Lombardsatz gebunden sind, desto höheres Gewicht kommt liquiditätspolitischen Maßnahmen zur Unterstützung der zinspolitischen Steuerung zu. Auch Zinspolitik und Geldme^ewpolitik bilden insofern wichtige Bestandteile eines einheitlichen Konzeptes, als mit einer Veränderung der Liquiditätsreserven und der Leitzinsen das Kreditfl^e&oftverhalten der Banken, mit der Variation von Zinssätzen aber auch das Kre dit nachfrage verhalten der Nichtbanken beeinflußt werden soll 6 . Beider Zusammenspiel läßt letztendlich die „Zentralbankgeldmenge" (in der Definition der Bundesbank) „entstehen". Übersteigt der tatsächliche den gewünschten Bestand an Liquiditätsreserven der Banken, so führt dies bei entsprechender Kreditnachfrage zu verstärkter, weü üblicherweise lukrativerer Kreditgewährung. Dabei kommt dem „normalen" Kreditgeschäft ein Vorrang zu: Erst bei disproportionaler Entwicklung von Bankenliquidität und Direktkreditnachfrage werden Wertpapiere, insbesondere Rententitel, als „Ersatzdebitoren" erworben (vgl. 2. Hauptteil, 3. Kapitel). Die durch Kreditgewährung, auch in Form des Wertpapiererwerbs, eintretende Verlängerung der Bankbilanzen hält solange an, bis bei allen betroffenen Banken das gewünschte Verhältnis zwischen liquiden und sonstigen Aktiva wieder hergestellt tingente der Kreditinstitute. Vgl. die Neuabgrenzung im MB, Juni 1973, S. 47 f., und Abb. 5. 2 Bedeutsam sind hierfür allerdings die Liquiditätsgrundsätze des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen, vgl. Abschn. III im 3. Kapital des 2. Hauptteils. 3 Vgl. H. Bockelmann: Die Rolle der Banken in der Geldpolitik, in: Kredit und Kapital, 7. Jg., 1974, S. 148. 4 Vgl. H. Bockelmann: Problems of Monetary Policy in Germany; Paper to be Presented at the Fifth Konstanz Seminar on Monetary Theory and Policy, June 1974, S. 2 ff. 5 Vgl. C. Köhler: Der Zins als kreditpolitische Steuergröße, in: Dt. Bbk. AaPa, Nr. 77/ 1978, S. 2 f. 6 Vgl. dazu K. Andreas: Die theoretischen Grundlagen der Geldpolitik, 3. Teil, in: Bank-Betrieb, Nr. 10/1967, S. 283 f.

1. Kap.: Geldpolitik und Staatsverschuldung

73

ist 7 . Auf der Passivseite der Bundesbankbilanz hat sich dieser Vorgang dann in einer Erhöhung der „Zentralbankgeldmenge" niedergeschlagen.

b) Gewandelte Voraussetzungen und Neuorientierung Die Entscheidung einer einzelnen Bank, ihr Kreditvergabevolumen auszudehnen, hängt nun nicht nur von ihrer Ausstattung an freien Liquiditätsreserven, sondern auch von der Einschätzung ihrer einzelwirtschaftlichen Liquidität ab, die, nachdem 1969 die Liquiditätsgrundsätze geändert wurden, womit Interbankaktiva verstärkt als Quelle der Kreditvergabe genutzt werden konnten, zunächst relativ stark anstieg8, während der Bestand an freien Liquiditätsreserven sich kräftig verminderte 9. Das einzelne Kreditinstitut ist auch ohne freie Reserven in der Lage, weiterhin Kredite zu gewähren, wenn es bereit ist, eine Verschlechterung seines einzelwirtschaftlichen Liquiditätsstatus' hinzunehmen 10 . Denn überschüssige Zentralbankguthaben oder die Möglichkeit, solche durch Umtausch liquider Aktiva bei der Bundesbank zu erhalten, bilden nicht den unerläßlichen Ausgangspunkt von Geldschöpfungsprozessen. Damit ein solcher Geldschöpfungsprozeß aber ablaufen kann, sind zusätzliche Zentralbankgeldbestände notwendig. Eine Kreditgewährung „kostet" nämlich in der Regel bei der Verwendung der verliehenen Mittel Zentralbankgeld, mit dem Mindestreserveforderungen beglichen und der Bargeldbedarf der Wirtschaft befriedigt werden muß. Die Zentralbank besitzt zwar nicht das Monopol, Geldschöpfungsprozesse auszulösen, aber aus dem Liquiditätsproblem des Bankensystems insgesamt gegenüber der Notenbank resultiert deren Monopol, einzige Quelle des benötigten Zentralbankgeldes zu sein. Das veränderte „Liquiditätsgefühl" der Kreditinstitute veranlaßte die Deutsche Bundesbank, seit Frühjahr 1973 einen partiellen Strategiewandel vorzunehmen, der die Ära der „neuen Geldpolitik" 11 einleitete. Das Zentralbankgeldschöpfungsmonopol der Notenbank sollte künftig in weitaus stärkerem Maße in den Dienst der Geldpolitik gestellt werden. Die Leitidee der Bundesbank war, 7

Vgl. H. Bockelmann: Die Rolle der Banken . . . , S. 146. Vgl. H. Schlesinger: Recent Developments in West German Monetary Policy, in: Monetary Policy and Economic Activity in West Germany, hrsg. v. S.F. Frowen u.a., Stuttgart/New York 1977, S. 2. 9 Die FLR betrugen Ende 1970 25,4 Mrd., im Juni 1973 dagegen nur 1,8 Mrd. Vgl. Dt. Bbk. MB, Tab. I 3. 10 Vgl. zum folgenden H. Bockelmann: Streitfragen zur Kontrolle der Geldschöpfung, in: Probleme der Geldmengensteuerung, hrsg. v. W. Ehrlicher und A. Oberhäuser; Schriften des Vereins für Socialpolitik, N.F., Bd. 99, Berlin 1978, S. 43. 11 Vgl. dazu z.B. G. Bleüe: Die neue Geldpolitik der Deutschen Bundesbank, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, 28. Jg., H. 1/1975, S. 22-25; M. Münch: Neue Geldpolitik der Bundesbank, in: DGK-Mitteilungen der Deutschen Genossenschafts-Zentralkasse, H. 1/1975, S. 4-6, und O.V.: Ein Jahr „neue" Geldpolitik, in: DIW-Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, 41. Jg., 1974, S. 165-169. 8

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II. Teil: Monetäre Wirkungen der öffentlichen Verschuldung

„das Ausmaß der Geldschöpfung entsprechend ihren Vorstellungen zumindest zu begrenzen, wenn nicht gar zu lenken" 1 2 . Sie orientierte ihre Steuerung an der Entwicklung der hauptsächlichen Verwendungskomponenten der „Zentralbankgeldmenge" (ZBG, vgl. Abb. 5) als dem wichtigsten zu kontrollierenden Aggregat. Die ersten Erfahrungen mit der neuen Strategie wurden als positiv gewertet. Die Bundesbank konnte sogar das Lob der monetaristischen Theorie ernten 13 . Deren Ratschlägen folgend vollzog sie bald darauf den eigentlichen strategischen Wandel hin zu einer mittelfristig orientierten Geldmengensteuerung 14. Damit zog sie die Lehren aus den negativen Erfahrungen, die sie mit einer stopand-go-Politik in der Vergangenheit immer wieder machen mußte. Die Gefahr schlecht abschätzbarer und kaum zu beeinflussender Wirkungsverzögerungen und damit verbundener möglicher prozyklischer Wirkungen der Geldpolitik sollte weitgehend abgewendet werden. Seit 1974 gibt die Deutsche Bundesbank deshalb an jedem Jahresende für das jeweils folgende Jahr Wachstumsziele für die ZBG bekannt 15 . Die Vorgabe eines monetären „Rahmens" soll jeweils so quantifiziert werden, daß die Wachstumsrate der ZBG allmählich auf die längerfristig erwartete und erwünschte Wachstumsrate des physischen Produktionspotentials zurückgeführt wird. Mit der „Potentialorientierung" soll ein Element der Verstetigung Einzug in die Geldpolitik halten. Indem die Bundesbank ein monetäres Wachstumsziel vorgibt, dokumentiert sie, daß sie eine bestimmte Erhöhung des gesamtwirtschaftlichen Ausgabenvolumens zu finanzieren gewillt ist. Zugleich sollen die Erwartungen und Dispositionen aller am Wirtschaftsprozeß Beteiligten beeinflußt werden. Die wirtschaftspolitischen Entscheidungen sollen von mehr Rationalität geprägt sein, die ökonomischen Aktivitäten zu einer stetigen, möglichst ohne Konjunkturschwankungen verlaufenden Wirtschaftsentwicklung beitragen. Eine „Politik des langen Atems" soll in mittelfristiger Orientierung die Geldversorgung kontinuierlich gestalten, den Plänen der Wirtschaftssubjekte besser antizipierbare und stabile monetäre Rahmenbedingungen bieten und so das Auftreten von Irrtümern und den Zwang zu Planrevisionen vermindern 16 . Die 12

Vgl. H. Bockelmann: Charting monetary policy, in: Sparkasse, 92. Jg., H. 2/1975,

S. 36. 13 „Die Bundesbank hat den neu gewonnenen Freiheitsgrad hervorragend genutzt." M. Willms: 25 Jahre Geldpolitik der Bundesbank, Ein kritischer Rückblick, in: Wirtschaftsdienst 1974/V, S. 247. 14 Dazu und zum folgenden D. Duwendag: Alternative Ansätze der Geldmengensteuerung, in: Probleme der Geldmengensteuerung, hrsg. von W. Ehrlicher und A. Oberhäuser; Schriften des Vereins für Socialpolitik, N.F., Bd. 99, Berlin 1978, S. 50 f. 15 Vgl. O.V.: Beschluß des Zentralbankrats der Deutschen Bundesbank v. 5.12.1974, in: Dt. Bbk. AaPa, Nr. 77 vom 6.12.1974, S.l, und Dt. Bbk. MB, Januar 1976, Januar 1977, Januar 1978, Januar 1979, jeweüs S. 5 ff. 16 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftichen Entwicklung, Jahresgutachten (im folgenden zitiert als SVR JG), 1974/75, S. 14.

1. Kap.: Geldpolitik und Staatsverschuldung

75

Dekomposition und Offenlegung des „monetären Mantels" in Einzelfaktoren soll bestimmte psychologische Daten für das Lohn- und Preisverhalten setzen, die Verantwortung für inflationäre Preissteigerungen, die über die als „unvermeidlich" angesehene Inflationsrate hinausgehen, soll damit in gewissem Maße auf die Tarifpartner und die öffentlichen Haushalte übertragen werden 17 . Die Bundesbank kalkuliert ihr Geldmengenziel dabei jeweils so, daß sie mit einer mittelfristig angelegten Methode vorsichtigen Gegenhaltens einen ZBGWachstumspfad anvisiert, „auf dem die Geldpolitik dem Stabilisierungsprozeß ständig etwas vorgreift und ihn so vorantreibt" 18 , bis der „Idealzustand" erreicht ist, der es zuläßt, die ZBG nur noch am jährlichen Anstieg des realen Produktionspotentials zu orientieren. Bis dahin muß die Bundesbank den „Drahtseilakt" eines pragmatischen Kompromisses zwischen Verstetigung der monetären Entwicklung und antizyklischer Orientierung wagen 19 . Alle in die Vorabschätzung eingehenden Komponenten sind dabei mit großen Unsicherheiten behaftet. Die Projektion der „unvermeidlichen" Preissteigerungsrate, der ebenfalls in das monetäre Wachstumsziel einzukalkulierenden Veränderung der Kapazitätsauslastung und der veranschlagten Wachstumsrate des realen Produktionspotentials birgt daher „dornige Probleme", die jährliche Vorausschätzung der Veränderung der Umlaufsgeschwindigkeit als Reflex sich ändernder Kassenhaltungsgewohnheiten stellt „geradezu ein spekulatives Vorhaben" 20 dar. Die Bundesbank versah deshalb bislang alle ihre Zielvorgaben mit der „ProvisoKlausel" 21 , sie halte das anvisierte Wachstum der ZBG „aus heutiger Sicht" für stabilitätspolitisch vertretbar. Die „Konservierung einer einmal gewählten Expansionsrate" 22 lag nicht in ihrer Absicht. Anpassungen an geänderte gesamtwirtschaftliche Bedingungen sollten ausdrücklich möglich sein 23 , sich aber nicht daran orientieren, was kurzfristig an realem Wachstum erreichbar erscheint, sondern den mittelfristigen Erfordernissen für Wirtschaftswachstum und Geldwertsicherung Rechnung tragen 24 . So wurde die Zielformulierung mehrmals geändert. Für 1975 wurde eine Erhöhung von 8 % im Verlauf des Jahres angestrebt. Die Entwicklung der ZBG 17

Vgl. D. Duwendag: Alternative Ansätze der Geldmengensteuerung, S. 51. « SVR JG 1974/75, S. 126, TZ 311. 19 H. Schlesinger: Problems of Monetary Policy in Germany, in: Dt. Bbk. AaPa, Nr.68/ 1977, S. 3. 20 D. Duwendag: Alternative Ansätze der Geldmengensteuerung, S. 57. 21 K.-H. Ketterer: Bundesbank auf richtigem Kurs?, in: Ifo-Schnelldienst vom 20.3. 1975 (28. Jg.), S. 5. 22 O.V.: Wie soll sich die Deutsche Bundesbank 1976 verhalten?, in: DIW-Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, 42. Jg., Nr. 48-49/1975, S. 403. 23 Vgl. z.B. O.V.: Zwischenbilanz der Geldpolitik, in: DIW-Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, 43. Jg., Nr. 37/1976, S. 339. 2 4 Vgl. K.-H. Ketterer: Deutliche Wirkungen der expansiven Bundesbankpolitik, in: Ifo-Schnelldienst vom 28.1.1976 (29. Jg.), S. 3.

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II. Teil: Monetäre Wirkungen der öffentlichen Verschuldung

vollzog sich 1975 jedoch nicht stetig. Ein äußerst kräftiger Anstieg gegen Ende des Jahres führte zum Überschießen des Geldmengenzieles und überzeichnete damit die Entwicklung während der ersten Monate 25 . Die Erfahrung, daß stärkere kurzfristige Schwankungen der ZBG zeitweilig den längerfristigen Verlauf der ZBG-Expansion verzerren können, bewog die Bundesbank, für 1976,1977 und 1978 jahresdurchschnittliche Wachstumsraten von 8 % anzuvisieren. Für die letzteren Jahre gab sie außerdem an, welche Verlaufsrate mit dem Durchschnittsziel konsistent sei 26 . Für 1979 und 1980 hat die Bundesbank den monetären Mantel etwas enger geschneidert. Sie ist zum Verlaufsziel zurückgekehrt, weil „es die eigentliche Zielrichtung der Geldpolitik treffender kennzeichnet als ein Durchschnittsziel" 2 7 . Die Beobachtung des Verlaufs der ZBG-Entwicklung zeigt die Wirkungen der monetären Steuerung deutlicher auf, weil diese ja nur die laufende Geldmengenentwicklung beschleunigen oder verlangsamen kann. Indem die Bundesbank für 1979 eine Bandbreite von 6 bis 9 % als ZBG-Ziel formuliert hat 2 8 , will sie deutlich machen, daß ein bestimmter Wachstumspfad nicht immer so genau eingehalten werden kann, wie dies eine feste Zahl vermuten lassen könnte und daß sie je nach dem Verlauf der konjunkturellen und außenwirtschaftlichen Entwicklung flexibel zu handeln gedenkt. Die beiden jüngsten Geldmengenziele werden vom 4. Quartal 1978 (1979) bis zum 4. Quartal 1979 (1980) bemessen, um die erfahrungsgemäß auftretenden Zufallsschwankungen eines Vergleichs auf Monatsbasis auszuschalten. Ob und in welchem Ausmaß die Überlegungen der Bundesbank zur Zusammensetzung, zu Basisgrößen und Referenzperioden des jeweiligen ZBG-Zieles gerechtfertigt waren 29 und bisher zur Stabilisierung der Wirtschaftsentwicklung beigetragen haben, kann hier nicht näher untersucht werden. Bedeutsam für die Akteure der Staatsschuldenpolitik ist jedoch, daß die deutsche Notenbank nach allen ihren Aussagen mit der Beibehaltung einer mittelfristigen Steuerung der ZBG-Entwicklung zur Steuerung der ökonomischen Entwicklung beitragen und auch künftig Geldmengenziele nennen will. Damit setzt sie den Rahmen für „zentralbankgeldverbrauchende" Aktionen der Wirtschaftssubjekte, auch des Staates, bei der Handhabung seiner Schuldenpolitik. In dieser Restriktion liegt, auf eine Kurzformel gebracht, der potentielle Konflikt zwischen Geldmengenwachstumszielen und Wachstum der Staatsverschuldung. 25

Vgl. Dt. Bbk. GB 1975, S. 9. 26 Vgl. H. Schlesinger: Die Geldpolitik der Deutschen Bundesbank 1967-1977, in: Kredit und Kapital, 11. Jg., 1978, S. 23. 27

Vgl. zum folgenden Dt. Bbk. MB, Januar 1979, S. 6. Für 1980 beträgt die Bandbreite 5-8 %. Vgl. O.V.: Zentralbankrat der Deutschen Bundesbank beschließt Geldmengenziel für das Jahr 1980, in: Dt. Bbk. AaPa, Nr. 92 vom 1.12.1979, S. 1. 29 Kritik an beidem übt D. Kath: Das Geldmengenziel der Deutschen Bundesbank, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium (WiSt), 8. Jg., H. 10/1979, S. 455 ff. 28

1. Kap.: Geldpolitik und Staatsverschuldung

77

2. Probleme der „neuen Geldpolitik" Die Kritik an der neuen Politik der Bundesbank blieb im Laufe ihrer praktischen Verwirklichung nicht aus. Sie richtete sich hauptsächlich gegen die Behauptung, die ZBG sei als Indikator und Zwischenziel der monetären Politik besonders geeignet oder setzte an deren aufgezeigten strategischen Komponenten an. Wichtig für die vorliegende Arbeit ist die Kritik insoweit, als sie die Rolle der ZBG im Konzept der Bundesbank und das Problem ihrer Steuerung, ihre Verknüpfungen zu den Aggregaten der Bankenliquidität sowie die Aufgabe der Zinssätze in der deutschen Notenbankstrategie betrifft. a) Die ZBG als Indikator und Zwischenziel Monetäre Indikatoren sollen Ausmaß und Richtung von geldpolitischen Maßnahmen widerspiegeln 30. Sofern derartige Indikatoren exogen „im Politiksinne" sind, können sie als Kontrollvariablen der Geldpolitik dienen. Mit ihrer Kontrolle durch die Notenbank werden die monetären Zwischenziele auf dem angestrebten Kurs gehalten, um als „Impulsübermittler" 31 die gewünschte Veränderung der wirtschaftspolitischen Zielgrößen zu garantieren. Dies wiederum setzt voraus, daß die monetären Zwischenziele enge Beziehungen zu den „letzten Zielen" der Wirtschaftspolitik aufweisen. Bereits in der (traditionellen) Kreditpolitik der deutschen Notenbank diente die Bankenliquidität, d.h. das Volumen an freien Liquiditätsreserven der Banken, als hauptsächliche Indikatorvariable 32 . Die Kredit- und Einlagenzinssätze der Banken und die an den Finanzmärkten erzielbaren Renditen galten als weitere Indikatoren. Dies trifft prinzipiell auch heute noch zu 3 3 . Äußerungen der Bundesbank ließen bisweilen den Schluß zu, mit der Beseitigung der freien Liquiditätsreserven im Frühjahr 1973 hätten diese als monetärer Indikator „aus30 Vgl. M.J.M. Neumann: Zwischenziele und Indikatoren der Geldpolitik, in: Geldtheorie, hrsg. v. K. Brunner, H.G. Monissen und M.J.M. Neumann, Köln 1974, S. 360. 31 Vgl. D. Kath: Die geldtheoretischen Grundlagen geldpolitischer Steuerungskonzepte, in: Strukturwandel und makroökonomische Steuerung; Festschrift für F. Voigt, hrsg. v. S. Klatt und M. Wülms, Berlin 1975, S. 343. 32 Vgl. etwa M.J.M. Neumann: Bank Liquidity and the Extended Monetary Base as Indicators of German Monetary Policy, in: Proceedings of the First Konstanzer Seminar on Monetary Theory and Policy, hrsg. v. K. Brunner; Beihefte zu Kredit und Kapital, H. 1, Berlin 1972, S. 170 ff., und H. Irmler: The Deutsche Bundesbank's Concept of Monetary Theory and Monetary Policy, ebenda, S. 141: The principle starting point for the Bundesbank's monetary policy is „bank liquidity". 33 Daß das Kreditvolumen im gesamten Zeitraum zwischen 1958 und 1975 die wichtigste Ζwischenzielvariable darstellte und die FLR der bedeutendste Indikator waren, wurde jüngst in einer empirischen Studie mit verhaltenstheoretischem Ansatz nachgewiesen. Vgl. H.-P. Basler: Wirtschaftspolitische Zielpräferenzen und theoretische Orientierung in der Geldpolitik der Bundesrepublik Deutschland, Eine empirische Analyse des Verhaltens der Deutschen Bundesbank, Tübingen 1979, S. 126 ff.

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II. Teil: Monetäre Wirkungen der öffentlichen Verschuldung

gespielt"; spätestens seit die Bundesbank Geldmengenziele vorgibt, sollte die ZBG gleichzeitig als monetäres Zwischenziel und als Indikator der Geldpolitik dienen. Insbesondere die letztere Funktion kann die ZBG jedoch im oben beschriebenen Sinne nicht erfüllen. Die ZBG läßt sich analytisch gewinnen, wenn in einer erweiterten und umgruppierten Bundesbankbilanz die Entstehungs- und Verwendungskomponenten des Zentralbankgeldes gegenübergestellt werden 34 . Darin wird auch die Zusammensetzung der freien Liquiditätsreserven der Banken in der zur Zeit gültigen Abgrenzung deutlich (vgl. Abb. 5). Von der Verwendungsseite her setzt sich die ZBG aus der Bargeldhaltung des Publikums und dem Mindestreserve-Soll auf Inlandsverbindlichkeiten,berechnet zu konstanten Reservesätzen ( 7 , Basis Januar 1974), zusammen35: (1)

ZBG = Cp + R1

(2)

R1 = ~tdD+ 7 TT+ TgS D - Sichteinlagen Τ - Termineinlagen bei Banken S = Spareinlagen

Daraus folgt: (3)

ZBG = CP+ 7qD + r TT+ TgS.

Damit werden etwa die gesamten Bestände an potentiellem Zentralbankgeld und die Überschußreserven, d.h. das Volumen der freien Liquiditätsreserven der Banken, nicht zur ZBG gezählt. Dies resultiert aus den institutionellen Besonderheiten der Geldverfassung der Bundesrepublik. Indem den Kreditinstituten Refinanzierungszusagen gewährt werden und bestimmte Geldmarktpapiere mit einer Rücknahmegarantie seitens der Bundesbank versehen sind, wird es den Kreditinstituten ermöglicht, ein Liquiditätspolster aufzubauen. Mit den ihr zur Verfügung stehenden kreditpolitischen Instrumenten kann die Bundesbank daher grundsätzlich nur diese Bankenliquidität, d.h. den Umfang und die Zusammensetzung der freien Liquiditätsreserven, direkt steuern 36 . Geldpolitische Erleichterungen verbessern zunächst die Bankenliquidität. Steigt daraufhin die 3 4 Zur Herleitung vgl. Dt. Bbk. MB, Juli 1974, S. 15 ff.; zur Darstellung vgl. D. Duwendag: Alternative Ansätze der Geldmengensteuerung, S. 54. 35 Seit 1. März 1978 können die Kreditinstitute ihre jeweiligen Bestände an inländischen gesetzlichen Zahlungsmitteln auf die Mindestreserve anrechnen. Sie zählen seit diesem Zeitpunkt nicht mehr zur ZBG. Vgl. Dt. Bbk. GB 1978, S. 71 f. und § 7 Abs. 3 der AMR (Anweisung der Deutschen Bundesbank über Mindestreserven) vom 11.11.1968 i.d.F. vom 14.7.1978. 36 Vgl. C. Köhler: Probleme der Zentralbankgeldmengensteuerung, in: Probleme der Geldmengensteuerung, hrsg. v. W. Ehrlicher u. A. Oberhauser, S. 21.

1. Kap.: Geldpolitik und Staatsverschuldung Abbildung 5: Entstehung und Verwendung Erweiterte

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von Zentralbankgeld

Bundesbankbilanz a)

Zentralbankgeld Entstehung n

AF :

Netto-Auslandsforderungen (Gold- u. Devisenreserven ./. Auslandsverbindlichkeiten)

kB·.

Refinanzierungskredite an Banken (Rediskont- u. Lombardkredite)

K°:

Direktkredite an öffentliche Haushalte

WP: SA-SP:

Verwendung CB ~CP

w

ZBG

Kassenbestände der Banken (Ohne Überschufireserven) Bargeldhaltung des Publikums (Noten + Münzen) Mindestreserve-Soll auf Inland sverbindlichkeiten der Banken^)

RA-,

Mindestreserve-Soll auf Bankeinlagen von Gebietsfremden (aktuelle Reservesätze)

Wertpapierbestände (langfristig)

D°:

Zentralbankguthaben der öffentlichen Haushalte

Sonstige Aktive ./. Sonstige Passiva

ML:

Verbindlichkeiten aus abgegebenen Mobilisierungs- u. Liquiditätspapieren gegenüber Nichtbanken

ML r:

Mobil.- u. Liquiditätspapiere bei Banken

ÜR : ORK:

Offene Rediskontkontingente der Banken^)

ORK

GP r:

Marktregulierte Geldmarktpapiere bei Banken0)

GP r

Überschufireserven der Banken

FLR\

a) Zusammenfassung der wichtigsten Bilanzpositionen. - b) Gesamte Rediskontkontingente abzüglich kB. - c) Insbes. Schatzwechsel u. U-Schätze des Bundes und der Länder, die die Bundesbank in die Marktregulierung einbezogen hat, d.h. auch vor Fälligkeit anzukaufen bereit ist. - d) Berechnet zu konstanten (Basis Januar 1974), durchschnittlichen (7), einlagenspezifischen Reservesätzen. Die Sätze entsprechen etwa dem Verhältnis Tq: Ττ'. Τχ = 4 : 3 : 2 . Gerechnet wird momentan mit Tj) = 16,6 %, T j = 12,4 %, r s = 8,1 %. Tf) = Reservesatz auf Sichtverbindlichkeiten, ~rj = auf Termineinlagen, ~r s = auf Spareinlagen. Kreditgewährung der Banken, so schlägt sich dies auch in einer ZBG-Erhöhung via Anstieg des Mindestreserve-Solls und des Bargeldumlaufs i n der Bundesbankbilanz n i e d e r 3 7 . Die ZBG reflektiert also „allein das definitive Ergebnis der »monetären Expansion 4 , indiziert also nicht, ob monetäre Impulse von der Geldpol i t i k ausgelöst worden sind, sondern ob sie sich — zusammen m i t allen anderen 37 Vgl. H. Schlesinger: Neuere Erfahrungen der Geldpolitik in der Bundesrepublik Deutschland, in: Kredit und Kapital, 9. Jg., 1976, S. 446 f.

II. Teil: Monetäre Wirkungen der öffentlichen Verschuldung

80

Einflüssen außerhalb der Geldpolitik — in Veränderungen der GeldmengenAggregate niedergeschlagen haben" 38 . Damit ist die ZBG aber weder exogen im Politiksinne noch ein monetärer Indikator im eigentlichen Sinne. Vielmehr ist sie eine endogene Variable, ihre Funktion beschränkt sich auf einen Ex-Post-Indikator 39 . Die (ex-ante-)Funktion als monetärer Indikator nehmen dagegen die freien Liquiditätsreserven der Banken wahr; sie signalisieren Ausmaß und Richtung geldpolitischer Impulse, und sie bestimmen die künftigen Expansionsmöglichkeiten der Banken. Wegen der fehlenden Exogenität kann die ZBG auch nicht Kontrollvariable der Geldpolitik sein. Diese Rolle wird — wie bereits im „traditionellen" Konzept - weiterhin von der Bankenliquidität und den Notenbankzinssätzen wahrgenommen. Zur Steuerung der ZBG als monetärem Zwischenziel bedient sich die Bundesbank auf diskretionärem Wege ad-hoc-Änderungen der freien Liquiditätsreserven und der von ihr fixierten Leitzinsen 40 . b) Die Steuerung der ZBG Das vorerwähnte Liquiditätsproblem wird den Kreditinstituten über den Preismechanismus vermittelt 41 : Von ihnen ausgelöste Geldschöpfungsprozesse bedingen, daß die insgesamt vorhandenen oder bei der Notenbank zu beschaffenden Zentralbankguthaben zur Erfüllung des Bargeldbedarfs und der Mindestreserveforderungen ausreichen. Andernfalls wird der Tagesgeldsatz - spätestens bei der Reserve-Erfüllung gegen Ende der Reserve-Periode - ansteigen und damit die Versuche einzelner Banken widerspiegeln, sich das zur Reserve-Erfüllung benötigte Zentralbankgeld zu beschaffen. Die Banken insgesamt vermögen dadurch aber das Reserve-Soll nicht mehr zu vermindern. Wie hoch der Tagesgeldsatz auch steigt — in der Regel werden einige Banken am Monatsende ihre Reserveverpflichtungen nicht erfüllen können. Die Notenbank kann das benötigte Zentralbankgeld zwar verweigern, letztlich damit aber nichts gewinnen, sondern höchstens den Sinn der Mindestreserveregelung in Frage stellen oder Solvenzprobleme auslösen. Sie wird also den zusätzlichen Bedarf an Zentralbankgeld der Banken in der Regel erfüllen, was ihr bereits den Vorwurf eingetragen hat, bezüglich ihrer ZBG-Steuerung „ins Schlepptau der Banken" zu geraten 42 . Der beschriebene Zwang bezieht sich aber lediglich auf die aktuell benötigten Quantitäten an Zentralbankgeld. Deshalb muß die Notenbank der Entwicklung kei38

D. Duwendag: Alternative Ansätze der Geldmengensteuerung, S. 55. Ebenda. «o Vgl. ders., S. 59 f. 41 Vgl. H. Bockelmann: Streitfragen zur Kontrolle der Geldschöpfung, S. 43 ff. 42 Vgl. C. Köhler: Kreditpolitik gerät in das Schlepptau der Banken, Geldstromanalyse Frühjahr 1974, in: WSI-Mitteilungen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts des Deutschen Gewerkschaftsbundes, 27. Jg., Köln 1974, S. 207-213. 39

1. Kap.: Geldpolitik und Staatsverschuldung

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neswegs tatenlos zusehen. Sie kann nämlich die Konditionen verändern, zu denen sie bereit ist, das benötigte Zentralbankgeld zur Verfügung zu stellen, indem sie die Notenbankzinsen erhöht und/oder durch Verringerung der Refinanzierungskontingente die künftigen Zentralbankgeldschaffungsmöglichkeiten der Banken einschränkt. Wegen des Portefeuilleverhaltens der Banken werden dadurch Anpassungszwänge geschaffen sowie Art und Ausmaß der zukünftigen Kreditausweitung beeinflußt 43 . Auf diese Weise beabsichtigt die Notenbank mit einer indirekten, d.h. zinstheoretisch fundierten Strategie, den zukünftigen Zentralbankgeldbedarf der Banken zu steuern. Weil eine direkte Kontrolle der ZBG ausscheidet, wird auch die Zinspolitik als eines der kreditpolitischen Instrumente eingesetzt 44 , insbesondere, wenn es güt, die Kreditnachfrage anzuregen 45 . Angesichts der dominierenden Stellung der Zentralbank auf den monetären Märkten sind Zinspolitik und Geldmengenpolitik keine Alternative, die Bundesbank vertraut vielmehr darauf, daß sich die Kreditnachfrage den gesetzten Mengen- und Zinsdaten anpaßt 46 . Um die Entwicklung der ZBG auf dem anvisierten Zielpfad zu halten, müssen die geldpolitischen Instanzen auf ein relativ stabiles Portefeuilleverhalten der Banken und ihrer Kreditkundschaft im Zeitablauf vertrauen können, gerade auch, wenn es gilt, den angestrebten Zuwachs möglichst gleichmäßig auf das Jahr zu verteilen. Nicht zuletzt die Erfahrungen mit dem drastisch geänderten Liquiditätsverhalten der Kreditinstitute seit Beginn der 70er Jahr scheinen aber darauf hinzudeuten, daß das Portefeuilleverhalten der Banken und Nichtbanken im Konjunkturverlauf unterschiedlichen und wechselnden Maximen folgt 4 7 . Diese Tatsache erschwert die Abschätzung der für eine bestimmte ZBG-Ausweitung angemessenen Zumessung der freien Liquiditätsreserven und/oder der Notenbankzinsen bislang außerordentlich. Die Erfahrungen des Jahres 1973, als die ZBG trotz eines Volumens der Bankenliquidität von „nahe Null" noch zunahm und die Höhe der freien Liquiditätsreserven keine zuverlässigen Schlußfolgerungen über Richtung und Ausmaß der von der Bundesbank ausgelösten monetären Impulse mehr zuließ 4 8 , legen die Vermutung nahe, daß eine bestimmte Wachstumsrate der ZBG mit einem beliebigen Bestand an freien Liquiditätsreserven vereinbar ist. Diese Tatsache macht das „Multiplikatorproblem" der Steuerung der ZBG über die Liqui43

Vgl. Dt. Bbk. GB 1975, S. 12 f., und 3. Kapitel, II.2. Vgl. C. Köhler: Der Zins als kreditpolitische Steuergröße, S. 2. 45 Vgl. R. Caesar: Zentralbankgeldschöpfung und Zentralbankgeld, in: Wirtschaftsdienst 1975/V., S. 271 f. 46 Vgl. C. Köhler: Probleme der Zentralbankgeldmengensteuerung, S. 25. 4 7 Vgl. D. Duwendag: Alternative Ansätze der Geldmengensteuerung, S. 60. 48 Vgl. P. Trapp: Zur Wirksamkeit der Geldpolitik in der Bundesrepublik Deutschland, in: Die Weltwirtschaft, Zeitschrift des Instituts für Weltwirtschaft an der Universität Kiel, hrsg. v. H. Giersch, Tübingen, H. 2/1976, S. 54. 4 4

6 Speyer 83

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II. Teil: Monetäre Wirkungen der öffentlichen Verschuldung

ditätsausstattung49 deutlich: Stellt man das Volumen der ZBG dem Bestand an Bankenliquidität gegenüber, dann wird erkennbar, daß der Quotient (m) hauptsächlich von jenen Variablen determiniert wird, die die Komponenten der Portefeuilledispositionen der Banken (im Nenner) und der Kreditnachfrager {C p.R1) darstellen 50: (4)

™ = m = *±*L FLR ÜR + ORK + ML r + GP r

Das Multiplikatorproblem ist auch für die staatliche Schuldaufnahme bedeutsam. Wie bei der Kreditgewährung an den Privatsektor entsteht auch bei staatlicher Kreditaufnahme über Portfolioanpassungen der Banken Zentralbankgeld. Staatliche Schuldenpolitik „konkurriert" so mit anderen Quellen der Zentralbankgeldentstehung um die „Erfüllung" des Geldmengenziels. Die entsprechenden Mechanismen werden im folgenden untersucht.

II. Geldmengenwirkungen der Staatsverschuldung 1. Abgrenzungen und Prämissen a) Die grundlegenden Modellannahmen Wie bereits dargelegt, schlägt sich die über die Geschäftsbanken laufende Kreditvergabe via Erhöhung des Mindestreserve-Solls und des Bargeldumlaufs in der Bundesbankbilanz nieder. Diese beiden Größen sind, wie oben bereits abgeleitet, die Hauptkomponenten der Zentralbankgeldmenge in der Abgrenzung der Bundesbank — im folgenden stets als ZBG bezeichnet. Auch Aktionen der staatlichen Schuldenpolitik wirken über die Bargeld- und Mindestreservekomponente auf die ZBG ein. Bei der nachfolgenden Analyse der Geldmengenwirkungen der Staatsverschuldung stehen diese beiden Komponenten daher im Mittelpunkt der Betrachtung. Neben der öffentlichen Kreditaufnahme können auch Tilgungen von staatlichen Schulden und Umschuldungsoperationen die Höhe der ZBG beeinflussen. Wegen der herausragenden Bedeutung der Neuverschuldung während des Untersuchungszeitraums soll sich die Analyse der ZBG-Wirkungen der Staatsverschuldung jedoch auf die Effekte der Schuld aufnähme beschränken. Es wird also nur 49

Vgl. D. Duwendag: Alternative Ansätze der Geldmengensteuerung, S. 65 ff. Ketterer kam in seinen Berechnungen und Schätzungen zu dem Ergebnis, daß zwischen 1960 und 1971 70 % der Veränderungen der Geldmenge mit Nichtbankenverhalten statistisch erklärt werden können. Vgl. K.-H. Ketterer: Probleme der Neo-Quantitätstheorie und der Geldmengenpolitik; Veröff. des Instituts für empirische Wirtschaftsforschung, Bd. 13, Berlin 1975, S. 102. 50

1. Kap.: Geldpolitik und Staatsverschuldung

83

untersucht, wie sich eine die Tilgungen übersteigende Kreditaufnahme (NettoNeuverschuldung > 0) auswirkt. Differenziert wird lediglich nach den relevanten Gläubigergruppen der öffentlichen Schuld, wodurch wegen ihrer schon erwähnten Präferenzen für bestimmte Papiere eine weitgehende Trennung der ZBG-Effekte nach unterschiedlichen Verschuldungsarten ermöglicht wird. Die nachfolgende Analyse der Geldmengen (= ZBG-)Wirkungen der Staatsverschuldung erfolgt jeweils in vier — gedanklich — getrennten Modellschritten. Es sind (1) die (Netto-)Kreditaufnahme durch den Staat bei verschiedenen Gläubigergruppen, (2) die Refinanzierung seitens der Gläubiger, d.h. die Aufbringung der zur Kreditvergabe an den Staat eingesetzten Mittel, (3) die Verausgabung der durch den Staat aufgenommenen Mittel, (4) die Reallokation der im Zuge der Verausgabung durch den Staat zu den Banken und Nichtbanken zurückfließenden Mittel. Bei jedem dieser vier Schritte können ZBG-Effekte auftreten. Eine möglichst vollständige Erfassung der Geldmengenwirkungen der Staatsverschuldung setzt demnach voraus, daß sämtliche Modellschritte einbezogen werden. Obwohl dieser Anforderung im folgenden genügt wird, bleiben hinsichtlich der empirischen Aussagekraft der erzielten Ergebnisse zahlreiche Probleme ungelöst. Dazu zählt, hinsichtlich des Zeitraums, den die genannten Schritte benötigen, insbesondere, daß sich die vier Schritte in der Regel zeitlich überlagern, also nicht — wie unterstellt — chronologisch nacheinander ablaufen. Hinzu kommt, daß der Prozeß (im Modell) mit Ablauf des vierten Schrittes („Reallokation") gewissermaßen „künstlich" beendet wird, was vor allem im Fall der Kreditaufnahme bei der Notenbank die Resultate relativiert. Es braucht deshalb nicht besonders betont zu werden, daß die nachstehenden Ergebnisse lediglich als Modellrechnungen aufzufassen sind. Gleichwohl dürften sie gewisse Anhaltspunkte über die Geldmengenwirkungen der Staatsverschuldung vermitteln und der Realität näherkommen als die üblicherweise vorgenommene, etwas undifferenzierte Unterteilung in „geldmengenneutrale" Verschuldung im Nichtbankensektor und geldmengenschaffende, die Kreditschöpfungskapazität beeinflussende Kreditaufnahme bei Banken oder der Notenbank.

b) Der „Bargeldhaltungskoeffizient" Die Resultate der folgenden Untersuchungen werden maßgeblich von den Bargeldhaltungsgewohnheiten des Nichtbankensektors determiniert. Für die Analyse muß daher der relevante „Bargeldhaltungskoeffizient" ermittelt werden.

6*

84

II. Teil: Monetäre Wirkungen der öffentlichen Verschuldung

Nicht zum Bargeldumlauf in der Abgrenzung der ZBG zählen seit 1.3.1978 die Kassenbestände der Geschäftsbanken. Außerdem sind sie üblicherweise sehr niedrig, da sie keinerlei Ertrag erzielen: Sie betrugen Ende 1978 nur 0,27 % des Geschäftsvolumens 51, sichern lediglich die Aufrechterhaltung des laufenden Geschäftsgangs und bleiben im folgenden außer Betracht. Für die Nichtbanken — insbesondere die Privatpersonen — hingegen stellt Bargeld eine nicht unbedeutende Alternative zu anderen Formen der Geldhaltung dar. In den verschiedenen Geldnachfragetheorien werden Liquiditätssicherungs-, Vorsichts- und Spekulationsmotive unterschieden. Die einzelwirtschaftliche Analyse sieht die Kassenhaltung als Ergebnis eines Optimierungskalküls bestimmt. Das optimale Portefeuille ändert sich mit den zugrunde gelegten Präferenzen 52. Solchen Erklärungsversuchen kann hier ebensowenig nachgegangen werden wie den Ansätzen, die die gesamtwirtschaftlich relevante Geldmenge und damit auch die Bargeldhaltung entweder als von der Zentralbank fixiert oder unter Beachtung von Rentabilitätsgesichtspunkten als aus dem Modell heraus bestimmte Variable ansehen53: Der Exogenitäts-bzw. Endogenitätscharakter der Geldmenge bildet nach wie vor einen der bis heute unerledigten Streitpunkte zwischen unterschiedlich argumentierenden geldtheoretischen Lagern. Für die vorliegende Untersuchung ist diese Diskussion unfruchtbar. Hier genügt es, die Bedeutung der Bargeldbestände der Nichtbanken gegenüber konkurrierenden „Geldverwendungsformen" zu quantifizieren. Diese werden in jedem Fall im Zuge der Reallokation der vom Staat verausgabten Mittel, regelmäßig aber auch durch die genannten Refinanzierungsaktionen berührt. Wenn wir hier einmal von der Möglichkeit einer Geldanlage im Ausland absehen, sind es die Bestände auf Sicht-, Termin- und Sparkonten bei Banken sowie der Umlauf von (Bank-) Sparbriefen und Bankschuldverschreibungen 54 , die in Konkurrenz zum Bargeldumlauf 55 treten 56 . Der (durchschnittliche) „Bargeldhaltungskoeffizient" der inländischen Nichtbanken bezogen auf diese Anlageformen sank von 1970 bis Ende 1978 von 7,3 % auf 6,2 % ab (vgl. Tab. 11). Für die folgende Analyse wird er mit 6 % unterstellt.

51

Vgl. Dt. Bbk. MB, Statistische Beihefte, Reihe 1, Januar 1979, Tab. 1. Vgl. dazu z.B. H.-J. Jarchow: Theorie und Politik des Geldes, Bd. I, 2. Aufl., Göttingen 1974, S. 57 ff. 53 Vgl. dazu ders., S. 114. 5 4 ' Ohne Eigenbestände der Banken. 55 Ohne Kassenbestände der Banken. 56 Die Anlage in Dividendenwerten, Industrieobligationen, Staatsschuldtiteln oder Investmentzertifikaten führt, bezogen auf alle inländischen Nichtbanken, nur zu einer Umschichtung in den oben genannten Anlageformen der Nichtbanken bei Banken. Auch die Erlöse aus dem Handel von Gütern und Dienstleistungen können lediglich in diesen Formen oder in bar gehalten werden, ebenso die Mittel aus dem Erwerb von Forderungen an Bausparkassen, Versicherungen und dgl. 52

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1. Kap.: Geldpolitik und Staatsverschuldung Tabelle 11 Durchschnittlicher Bargeldhaltungskoeffizient „c" 1970-1978 a) 1970

1971

1972

1973

1974

1975

1976

1977

1978

7,3

7,0

6,9

6,3

6,3

6,2

6,0

6,1

6,3

a) Stand jeweils Jahresende in %. Quelle: Dt. Bbk. MB 1/79, Tab. I 2 und III 5; MB 1/75, Tab. I 2; eigene Berechnungen.

Die den Modellrechnungen zugrunde gelegten relativen Anteile der anderen finanziellen Aktiva ergeben sich aus Tab. 12:

Tabelle 12 Durchschnittliches Allokationsverhalten der inländischen Nichtbanken Ende 1978 Mindestreservepflichtige Bankeinlagen (E) Sicht- (D)

Termin- (T) Spar- (S)

D+T+ S

SBa>

Bargeldumlauf Gesamt (CP)

Einlagen Mrd. DM

165,9

286,6

470,7

(923,2)

239,6

76,2

1239,0

%-Anteil

13,4

23,1

38,0

(74,5)

19,3

6,2

100,0

a) Verbindlichkeiten der Kreditinstitute aus abgegebenen Sparbriefen und Bankschuldverschreibungen. Quelle: Dt. Bbk. MB 1/79, Tab. I 2 und III 5; MB 1/75, Tab. I 2; eigene Berechnungen.

c) Der durchschnittliche „Mindestreservesatz" Im Zuge der staatlichen Schuldaufnahme finden, soweit dabei Depositenbestände bei Banken auf- oder abgebaut werden, auch Bindungen bzw. Freisetzungen von Mindestreserveforderungen statt. Sie bemessen sich nach den Veränderungen der betroffenen Einlagearten und den auf sie anzuwendenden Reservesätzen. Im letzten Abschnitt wurde bereits erläutert, daß im Zuge der staatlichen Kreditaufnahme und -Verausgabung alle bei Banken gehaltenen Depositenarten berührt werden (können). Daher kann für die nachfolgenden Berechnungen bezüglich der ZBG-Wirkungen öffentlicher Schuldaufnahme nur ein Mindestreservesatz Anwendung finden, der sich aus dem Durchschnitt der mit den Beständen an reservepflichtigen Einlagen gewichteten, in der ZBG-Ermitt-

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II. Teil: Monetäre Wirkungen der öffentlichen Verschuldung

lung der Bundesbank angewandten „historischen" Sätze vom Januar 1974 errechnet (r): Τ

_ (0,166 xD) + (0,124 χ Τ) + (0,081 χ S) " (D+ T+S)

Mit Bezug auf die Daten der Tab. 12 (1978) ergibt sich r = 10,96 %. Aus Vereinfachungsgründen wird den nachfolgenden Modellrechnungen ein durchschnittlicher Reservesatz von 10 % zugrundegelegt.

2. ZBG-Effekte

einzelner Verschuldungsarten

Vorangestellt seien noch einmal die wichtigsten Prämissen genannt, die der folgenden Analyse zugrunde liegen: — Es werden nur Auswirkungen von Veränderungen des Schuldenstandes untersucht. — Getrennt wird nach verschiedenen Verschuldungsarten. — Es werden vier Modellschritte unterschieden: Die Kreditaufnahme, die Refinanzierung der geliehenen Mittel durch die Gläubiger, die Verausgabung dieser Beträge durch die öffentliche Hand und die Reallokation der vom Staat verausgabten Summen durch die Zahlungsempfänger. — Die aufgenommenen Mittel werden von den öffentlichen Stellen ohne Zeitverzögerung und in voller Höhe verausgabt. — Bezüglich der Refinanzierung der Banken werden unterschiedliche Alternativen berücksichtigt. — Der verwendete durchschnittliche Mindestreservesatz r beträgt 10%. — Hinsichtlich des Allokationsverhaltens der privaten Nichtbanken werden der „Bargeldhaltungskoeffizient" mit 6 %, der „Bankeinlagenkoeffizient" mit 75 % und der die sonstigen Forderungen gegenüber Banken („SB") umfassende Koeffizient mit 19 % zugrunde gelegt (vgl. auch Tab. 12). a) Verschuldung bei der Zentralbank Wie im Ersten Hauptteil bereits dargelegt, darf die Deutsche Bundesbank bestimmten öffentlichen Stellen kurzfristige Fazilitäten in Form von Buchkrediten und durch Ankauf von U-Schätzen gewähren. Der mögliche Höchstbetrag an Kassenkrediten für öffentliche Stellen beträgt zur Zeit knapp 10 Mrd. DM. Obwohl Kassenkredite in dieser Höhe während der Nachkriegszeit bisher noch nie gewährt wurden, soll von diesem Betrag im folgenden aus Gründen der Vergleichbarkeit ausgegangen werden. Unterstellt also, ein derartiges Kreditvolumen werde dem Staat von der Bundesbank gewährt, so lassen sich die ZBGWirkungen dieser Art von Staatsverschuldung in den folgenden vier Modellschritten (s.o.) nachzeichnen:

1. Kap.: Geldpolitik und Staatsverschuldung

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(1) Kreditaufnahme: In Höhe des Bundesbankkredits an den Staat steigen im ersten Schritt die öffentlichen Zentralbankguthaben (D° = + 10). (2) Refinanzierung: Dieser zweite Modellschritt, die Aufbringung der für die Kreditgewährung an den Staat erforderlichen Mittel durch die Gläubiger, bedeutet beim Notenbankkredit die Schaffung zusätzlichen Zentralbankgeldes „kraft Monopolstellung". Die eigentlichen Refinanzierungsprobleme stellen sich nur bei den Gläubigern außerhalb der Zentralbank. (3) Verausgabung: Der Staat disponiert über sein Zentralbankguthaben durch Käufe von Gütern und Dienstleistungen im privaten Sektor (D° = - 10), und in gleicher Höhe fließen den Privaten — annahmegemäß — per Überweisung Sichtguthaben bei ihren Banken zu (D = + 10). (4) Reallokation: Dem Empfang der Zahlungen auf Sichtdepositen folgt die Umschichtung auf die verschiedenen Arten finanzieller Aktiva (D = - 10). Entsprechend dem im vorigen Abschnitt abgeleiteten „durchschnittlichen" Allokationsverhalten der Privaten disponieren diese D - zu 6 % für die Bargeldhaltung ( C p = + 0,6), - zu 75 % für die verschiedenen (mindestreservepflichtigen) Sicht-, Termin· und Spareinlagen bei Banken (E: + 7,5), - zu 19 % für den Erwerb von Sparbriefen und Bankschuldverschreibungen (SB: + 1,9). Mit der Reallokation soll die Analyse des Prozesses enden. Als Ergebnis dieser „ersten Runde" des Notenbankkredits an den Staat in Höhe von 10 Mrd. DM hat sich die ZBG um den zusätzlichen Bargeldumlauf (C p: + 0,6 Mrd. DM) und die zusätzlichen Mindestreserveverpflichtungen auf E (R 1 : + 0,75 Mrd. DM, wobei der durchschnittliche Reservesatz mit 10 % angenommen wurde) erhöht, insgesamt also um 1,35 Mrd. DM. M.a.W., die quantitative ZBG-Wirkung beträgt 13,5 % der Verschuldung des Staates bei der Notenbank. Das nachstehende Schema veranschaulicht noch einmal die Modellschritte: Kreditaufnahme Dö\

+ 10

Verausgabung D°:

-10

D: + 10

Reallokation

ZBG-Effekte

D: -10 C: + 0,6 E: + 7,5

C P: + 0,60 R i : + 0,75

SB: + 1,9

Der Modellschritt „Refinanzierung" ist in diesem Schema nicht aufgeführt, da die Einräumung eines Zentralbankguthabens durch die Notenbank weder eine Refinanzierung im eigentlichen Sinne darstellt noch — für sich genommen — ZBG-Effekte bewirkt. Anders verhält es sich bei der Verschuldung des Staates bei Gläubigern außerhalb der Zentralbank. Darauf und auf die dort mit der Refinanzierung auftretenden ZBG-Effekte wird in den folgenden Abschnitten noch eingegangen.

88

II. Teil: Monetäre Wirkungen der öffentlichen Verschuldung

Es wurde schon erwähnt, daß nur die „erste Runde" der Verschuldungstransaktionen des Staates betrachtet wird. Besonders deutlich wird dies am vorstehenden Beispiel der Notenbankverschuldung des Staates: Der 10 Mrd. DM-Zentralbankkredit wird nur in Höhe von 1,35 Mrd. DM durch Cp und R1 „verbraucht". Der Rest, 8,65 Mrd. DM, steht den Banken als FLR zur weiteren Kreditexpansion (u.a. auch an den Staat) zur Verfügung, sei es in Form von zusätzlichen ÜR, ORK 57 oder von GP rS S - oder in allen drei Formen. Ob und in welcher Höhe es zu einer weiteren Kreditexpansion kommt, wird im folgenden nicht weiter untersucht. Hierzu bedürfte es näherer Analysen der Verhaltensfunktionen von Banken und Nichtbanken, aber auch einer adäquaten Abgrenzung der „relevanten" Periode, in der der Kreditschöpfungsprozeß als beendet betrachtet wird 5 9 . Unter den tatsächlichen und institutionellen Gegebenheiten in der Bundesrepublik stellt die Notenbankverschuldung des Staates und die - wie gezeigt damit verbundene Ausweitung der FLR-Position der Kreditinstitute einen Ausnahmefall dar; er ist praktisch nicht relevant. Vielmehr dominiert die Verschuldung des Staates bei den inländischen Kreditinstituten und privaten Nichtbanken. Da praktisch sämtliche Kreditbeziehungen über die Banken abgewickelt werden, führen Kreditgewährungen der Banken und Nichtbanken im Normalfall zu einem Verlust an FLR. Als Grundlage gilt, daß die FLR der Banken in gleicher Höhe sinken wie die ZBG zunimmt 6 0 : Der mit einer Kreditgewährung verbundene „Verbrauch" an Zentralbankgeld durch gestiegene Bargeld- und Mindestreserveerfordernisse muß von den Banken finanziert werden - eben dies geschieht durch Auflösung von FLR. Sinkende FLR engen wiederum den Spielraum für eine weitere Kreditexpansion ein, womit sich — jetzt allerdings mit umgekehrten „Vorzeichen" als im Fall der Notenbankverschuldung des Staates — die Frage nach der Fortsetzung des Prozesses stellt. Aus den schon genannten Gründen wird auch in den nachfolgenden Modellrechnungen dieser Prozeß nicht weiter verfolgt; er endet nach Ablauf des vierten Modellschrittes („Reallokation"), d.h. nach der „ersten Runde". b) Verschuldung bei den Geschäftsbanken Der zweite Fall behandelt die Kreditaufnahme des Staates bei den reservepflichtigen Banken, und zwar sowohl über Direktausleihungen - vor allem in Form von Schuldscheindarlehen - der Kreditinstitute als auch über den Erwerb 57 Erhöhung der ORK durch Rückzahlung von bei der Bundesbank aufgenommenen Refinanzierungskrediten. 58 Erwerb von „marktregulierten' 4 Geldmarktpapieren. 59 Vgl. dazu D. Duwendag: Staatsverschuldung und Zentralbankgeldmengensteuerung, S. 135. 60 Auf einige Ausnahmen von dieser Grundregel wird weiter unten eingegangen.

1. Kap.: Geldpolitik und Staatsverschuldung

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von festverzinslichen Wertpapieren der öffentlichen Hand. Beide Verschuldungsarten unterscheiden sich nicht in ihren Wirkungen auf die ZBG und die freien Liquiditätsreserven des Bankensystems. Abweichungen ergeben sich jedoch, wenn unterschiedliche Refinanzierungsmaßnahmen der Banken unterstellt werden. aa) Existenz von freien Liquiditätsreserven Die Existenz von FLR der Banken signalisiert, in welchem Betrag die Kreditinstitute insgesamt auf die Bundesbank als Quelle der Zentralbankgeldbeschaffung zurückgreifen können. Zu den FLR zählen: In zumeist geringem Umfange die ÜR als aktuelle Zentralbankgeldbestände, vorwiegend jedoch das potentielle Zentralbankgeld in Form offener Rediskontkontingente und marktregulierter Geldmarktpapiere der Banken, de facto schließlich auch offene Lombardspielräume 61 . Im Unterschied zum Fall der Notenbankverschuldung des Staates setzt die Kreditgewährung von Banken an den Staat — bei realistischerweise nur minimalen ÜR-Beständen — voraus, daß sich die Kreditinstitute bei der Notenbank refinanzieren. Dies geschieht durch Auflösung von FLR in jenem Umfang, der den aus der Kreditgewährung resultierenden Bargeld- und Mindestreserveforderungen entspricht. Die öffentliche Kreditaufnahme bei Banken möge wiederum 10 Mrd. DM betragen. Die Kreditinstitute werden sich zunächst in gleicher Höhe bei der Bundesbank re finanzieren, wenn unterstellt wird, daß der Bankenkredit im ersten Schritt auf das Konto des Staates bei der Notenbank überwiesen wird. Eine solche Überweisung kann aber nur in aktuellem Zentralbankgeld erfolgen. Die FLR der Banken nehmen also vorübergehend um 10 Mrd. DM ab. Von diesem Punkt an verläuft der Prozeß genauso wie im Fall der Notenbankverschuldung des Staates. Der Staat verausgabt die Mittel an private Nichtbanken per Überweisung auf ihre Sichtkonten bei den Kreditinstituten. Im Anschluß daran erfolgt die Reallokation seitens des Publikums, das gemäß seinen Anlagemotiven die für Güter und Dienstleistungen erhaltenen Erlöse umschichtet. Unter den gleichen Verhaltensannahmen und Parametern wie im Beispiel der Notenbankverschuldung nimmt die ZBG um 1,35 Mrd. DM oder 13,5 % der Kreditsumme zu, die FLR des Bankensystems sinken um den gleichen Betrag. Denn per Saldo werden nur 1,35 Mrd. DM an FLR für die ZBG-Komponenten Bar61 Lombardkredit wird grundsätzlich nur dann gewährt, wenn damit ein vorübergehendes Liquiditätsbedürfnis überbrückt werden soll und keine Bedenken gegen den Zweck der Kreditaufnahme bestehen. Die Kreditsumme beträgt bei Wechseln und Schatzwechseln maximal 9/10 ihres Nennbetrages, bei anderen lombardfähigen Papieren höchstens 3/4 des Nominalwertes. Vgl. Dt. Bbk. (Hrsg.): Die währungspolitischen Institutionen und Instrumente, S. 36. Im September 1979 wurden kurzfristig „Linien" für die maximal mögliche Höhe der Lombardkreditaufnahme der Banken eingeführt, Anfang März 1980 jedoch wieder aufgehoben. Vgl. Dt. Bbk. MB, März 1980, S. 5 ff.

90

II. Teil: Monetäre Wirkungen der öffentlichen Verschuldung

geld- und Mindestreserveerfordernisse „verbraucht". Von den ursprünglich aufgelösten FLR in Höhe von 10 Mrd. DM (s.o.) können 8,65 Mrd. wieder der FLR-Position der Banken zugeführt werden. bb) „Zwischenfinanzierung" bei der Zentralbank Die unter den Annahmen des Abschnitts aa. gezeigte Möglichkeit des Wiederaufbaus der FLR-Position der Banken deutet darauf hin, daß die freien Liquiditätsreserven nicht von vornherein einen Bestand in Höhe des vollen Kreditbetrages aufweisen müssen. Betrachtet man nämlich den gesamten Prozeß, dann genügt, wie schon der Fall aa. gezeigt hat, per Saldo ein Bestand an FLR, der für den Bargeldabzug der Privaten und die zusätzlichen Mindestreservebindungen im Gefolge der Anlageumschichtungen ausreicht. Beide machen definitionsgemäß genau den Betrag aus, um den sich die ZBG erhöht: Unter den gemachten Annahmen 13,5 % des Kreditbetrages. Wenn die Notenbank und die Kreditinstitute dies „antizipieren", kann die Zentralbank eine „Zwischenfinanzierung" der Banken insoweit zulassen, als sie ein relativ kurzfristiges Unterschreiten des Mindestreserve-Solls duldet oder beispielsweise den Kreditinstituten Sonderlombardkredite gewährt. Die Banken benötigen zwar bei der Kreditgewährung zunächst 10 Mrd. DM an disponiblem Zentralbankgeld, das — „für eine logische Sekunde" — auf das Notenbankkonto des Staates zu überweisen ist. Davon fließen den Banken allerdings im Verlauf der Verausgabung der geliehenen Mittel durch den Staat und der anschließenden Reallokationsmaßnahmen der Nichtbanken per Saldo wieder 8,65 Mrd. DM an ÜR zu. Wenn ihnen vor der Kreditgewährung mindestens 1,35 Mrd. an FLR zur Verfügung stehen, dann kann eine Unterschreitung der Mindestreserveanforderungen in Höhe von 8,65 Mrd. DM nach Beendigung des Reallokationsprozesses wieder abgedeckt werden. Ausgehend von einem FLR-Bestand der Banken von 1,35 Mrd. DM sinkt dieser im betrachteten Beispiel per Saldo auf 0. Je höher der Bestand an freier Bankenliquidität vor der Kreditgewährung ist, desto geringer kann die Zwischenfinanzierung durch die Notenbank ausfallen. In jedem Fall vermindern sich die FLR der Kreditinstitute um 1,35 Mrd. DM, die ZBG erhöht sich im gleichen Maße. Höhere Zwischenfinanzierungen als 8,65 Mrd. DM sind später nicht abdeckbar, da bei einem Kreditbetrag von 10 Mrd. aus dessen Verausgabung ceteris paribus nicht mehr als eben 8,65 Mrd. DM an ÜR bewirkt werden können. cc) Refinanzierung durch Wertpapierverkäufe 1. Freie Liquiditätsreserven werden auch dann nicht von Anfang an gebraucht, wenn es den Banken gelingt, sich die benötigten Mittel durch Verkauf vorhandener Wertpapierbestände an private Nichtbanken zu beschaffen. Diese

1. Kap.: Geldpolitik und Staatsverschuldung

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werden dann die angebotenen Titel entsprechend den ermittelten Relationen zu Lasten ihrer gesamten Anlagepalette „bezahlen". Die Refinanzierungssumme muß so hoch sein, daß die den Banken damit zufließenden Überschußreserven den Kreditbetrag an die öffentliche Hand (10 Mrd. DM) decken 62 . Positive Effekte auf die Überschußreserven ergeben sich aus dem Anteil der Wertpapiererlöse der Banken, der von den Privaten in bar geleistet wird (6 % der Wertpapierverkäufe) und aus der Mindestreservefreisetzung, die aufgrund der verminderten Bankeinlagen resultiert. Unterstellen wir realistischerweise, daß die Nichtbanken die von den Kreditinstituten angebotenen Papiere nicht im „Umtauch" gegen Sparbriefe und Bankschuldverschreibungen, sondern nur zu Lasten ihrer Bargeldhaltung (6 %) und der Bankeinlagen (94 %) erwerben 63 , so müssen (0,1 χ 94 % + 6 %) = 15,4 % der Erlöse aus abgesetzten Wertpapieren der Kreditinstitute also einen Betrag an ÜR erbringen, der dem Kreditvolumen an den Staat entspricht. Bei einer Schuldaufnahme in Höhe von 10 Mrd. DM folgt daraus rein rechnerisch, daß das Geschäftsbankensystem Wertpapiere aus seinen Portefeuilles im Betrag von 10 : 0,154 = ca. 65 Mrd. DM Kurswert an das Publikum veräußern muß. Durch die Verminderung der Bankdepositen werden daraus 65 χ 0,94 χ 0,1 = ca. 6,1 Mrd. DM an Mindestreserven frei. Um weitere 3,9 Mrd. DM erhöhen sich die Überschußreserven als Gegenposten zu dem entsprechend den oben geschilderten Kassenhaltungsgewohnheiten (c = 0,06) abnehmenden Bargeldumlauf. Per Saldo hat sich die ZBG bis hierhin um 10 Mrd. vermindert, die ÜR sind um 10 Mrd. DM gestiegen und können für die Kreditvergabe an die öffentliche Hand in gleicher Höhe eingesetzt werden. Aus den weiteren Schritten, der Kreditvergabe, der Verausgabung und der Reallokation, resultieren nun die gleichen Effekte, wie sie im Schema (Abschn. a.) gezeigt wurden. D.h. für Bargeld- und Mindestreserveerfordernisse werden 1,35 Mrd. DM an FLR „verbraucht", so daß den Banken von den insgesamt durch Wertpapierverkäufe beschafften ÜR noch 8,65 Mrd. DM an FLR verbleiben. Ebenso steigt die ZBG wieder um 1,35 Mrd. DM an, wodurch von dem ursprünglichen Rückgang der ZBG (10 Mrd. DM) noch 8,65 Mrd. DM verbleiben. Wie schon anhand der vorangegangenen Beispiele gezeigt wurde, werden die von den Kreditinstituten „refinanzierten" ÜR per Saldo gar nicht in vollem Umfang benötigt: Erbringen die Refinanzierungsmaßnahmen einen Betrag an ÜR, der für die dem Staat gewährten Kredite ausreicht, so fließen davon 8,65 Mrd. DM als Verausgabungs- und Reallokationseffekt wieder an die Banken zurück. Läßt die Bundesbank, wie im vorigen Fall beschrieben, ein kurzfristiges Unterschreiten des Mindestreserve-Solls zu oder gewährt Sonderkredite, dann können die Refinaitzierungsmaßnahmen der Banken also einen wesentlich kleineren Umfang annehmen. Dies wird im nächsten Beispiel gezeigt. 62 Von dem Fall der „Zwischenfinanzierung" der Notenbank (vgl. Abschnitt bb.) wird zunächst abgesehen. 63 Andere diesbezügliche Annahmen verändern nur den zu veräußernden Wertpapierbetrag, nicht aber die Höhe der zu beschaffenden Liquidität (10 Mrd. DM).

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2. Die Kreditinstitute benötigen im ersten Schritt insgesamt 10 Mrd. DM an ÜR. um sie als Kredit auf das Zentralbankkonto der öffentlichen Hand zu überweisen. Im Zuge der Verausgabung und der Reallokation fließen den Banken - wie gezeigt - davon wieder 8,65 Mrd. zu (vgl. das Schema). Ermöglicht die Bundesbank eine „Zwischenfinanzierung" in dieser Höhe (wie im Fall bb.), dann sind netto lediglich 1,35 Mrd. DM, also nur 13,5 % des im vorigen Beispiel benötigten Betrages, zu beschaffen. Entspricht das Allokationskalkül der Nichtbanken den oben getroffenen Annahmen, dann müssen die Banken folglich Wertpapiere aus dem eigenen Portefeuille in Höhe von ca. 8,77 Mrd. DM an die privaten Nichtbanken verkaufen. Aus deren Kassenbeständen fließen dann den Geschäftsbanken ca. 0,53 Mrd. in bar zu, die restlichen ca. 8,2 Mrd. an Wertpapierverkäufen der Kreditinstitute setzen 0,82 Mrd. DM an Mindestreserven frei und erhöhen in gleichem Ausmaß die Überschußreserven. Die Refinanzierung erbrachte den Banken die benötigten ÜR in Höhe von 1,35 Mrd. DM, die ZBG ist um den gleichen Betrag gesunken. Kreditgewährung, Verausgabung und Reallokation „schaffen" dann wieder 1,35 Mrd. DM an ZBG. Die aus den genannten Transaktionen ebenfalls resultierenden 8,65 Mrd. DM an Überschußreserveerhöhung dienen zur Wiederauffüllung der Reserveeinlagen der Kreditinstitute bei der Bundesbank. Per Saldo bleiben FLR und ZBG unverändert. Wie geschildert, machen die unter bestimmten Voraussetzungen notwendigen Refinanzierungsmaßnahmen der Banken bei einer „Vollrefinanzierung" der ÜR relativ große Beträge aus. Es kann daher in diesen Fällen zu einem Angebotsdruck auf dem Kapitalmarkt und zu Kursabschlägen der zu veräußernden Wertpapiere kommen. Die Probleme reduzieren sich jedoch erheblich, wenn die Notenbank die geschilderte „Zwischenfinanzierung" ermöglicht bzw. zuläßt. Wie gezeigt, vermindert sich dann der notwendige Refinanzierungsbedarf auf knapp 1/7 des in der Alternative mit „Vollrefinanzierung" der ÜR benötigten Betrages. Die gleichwohl eventuell noch hinzunehmenden Kurseinbußen durch die Veräußerung sind möglicherweise kurzfristiger Natur: Ihnen können höhere Zinserträge aus den Sollzinsen auf die gewährten Bankkredite an die öffentliche Hand gegenüberstehen, erworbene Staatsschuldpapiere sind in Zeiten einer besseren Marktverfassung später unter Umständen mit Kursaufschlägen weiterzuveräußem 64 . c) Kreditaufnahme bei den Nichtbanken Unter diese Alternative sind vorwiegend Verkäufe von staatlichen Wertpapieren aller Art an das Publikum zu zählen. Insbesondere Bundesschatzbriefe, in geringerem Maße öffentliche Anleihen, bilden, wie im ersten Hauptteil der 6 4

So D. Duwendag: Staatsverschuldung und Zentralbankgeldmengensteuerung, S. 185.

1. Kap.: Geldpolitik und Staatsverschuldung

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Arbeit bereits erläutert wurde, hier die dominierende Verschuldungsform. Aber auch die Direktkreditvergabe, vor allem von Finanzintermediären, wie Versicherungsunternehmen und anderen Kapitalgesellschaften, ist hier von Bedeutung. Die Kreditaufnahme bei Realkreditinstituten gehört eigentlich nicht in diese Kategorie, denn Private Hypothekenbanken und öffentlich-rechtliche Grundkreditanstalten sind de jure mindestreservepflichtige Kreditinstitute. Allerdings ist ihr Einlagevolumen gering, weswegen sie de facto von der Mindestreserpflicht freigestellt sind. Stattdessen refinanzieren sie ihr Aktivgeschäft vorwiegend mit der Ausgabe von Pfandbriefen und Kommunalobligationen. Die unter dieser Voraussetzung zu erwartenden Effekte staatlicher Schuldaufnahme entsprechen damit dem Fall, wo sich private Nichtbanken vor der Kreditvergabe durch Verkauf von Wertpapieren refinanzieren. Soweit diese von Banken übernommen werden, fällt das Beispiel unter die Alternative 2. 1. Ansonsten bedingt eine solche Refinanzierung üblicherweise eine für sich genommen und ceteris paribus geldmengenneutrale Portfolioumschichtung innerhalb des gesamten Publikumssektors, weil in der Regel nicht davon ausgegangen werden kann, daß die Kreditgeber und Empfänger kreditfinanzierter staatlicher Ausgaben identisch sind. Wohl kann aber angesichts der langfristigen relativen Konstanz der abgeleiteten „Finanzanlagekoeffizienten" angenommen werden, daß das Allokationsverhalten der Zahlungsempfänger nicht sehr stark vom Refinanzierungsverhalten der Gläubiger staatlicher Schuldtitel abweicht. Bei 10 Mrd. öffentlicher Kreditaufnahme werden folglich im (modellhaften) Verlauf der Refinanzierungsaktionen 7,5 Mrd. DM an verminderten Bankeinlagen „direkt" auf staatliche Zentralbankkonten überwiesen, ebenso 1,9 Mrd. DM aus der Reduktion des Bargeldumlaufs. Genau umgekehrt verläuft die Reallokation, per Saldo werden sich also ZBG und FLR nicht verändern. Die im Zuge der Refinanzierung von den Banken benötigten FLR in Höhe von 8,65 Mrd. DM (für den Abzug der Bankeinlagen 7,5 Mrd. DM abzüglich der freigewordenen Mindestreserve (0,75 Mrd. DM) sowie die Rücknahme von SB (1,9 Mrd.)) fließen den Banken mit der Verausgabung bzw. Reallokation wieder zu. Ist eine „Zwischenfinanzierung" möglich, kommen sie also alles in allem ohne FLR aus. Der notwendige Bestand an aktuellen oder potentiellen Zentralbankgeldbeständen der Kreditinstitute ist um so höher, je geringer die von der Notenbank „zwischenfinanzierten" Beträge ausfallen. 2. Gelingt es den Nichtbanken, sich ihrerseits durch Verkauf von Wertpapieren zu refinanzieren, so müssen diese von Banken übernommen worden sein. Die ZBG-Effekte von Refinanzierung und Kreditvergabe gleichen sich dann aus: Die Wertpapierbestände der Banken vergrößern sich. Als Gegenwert erhöhen sich die Depositenbestände der Nichtbanken, verbunden mit Mindestreservebindungen und entsprechender Verringerung der FLR (durchschnittlich 1 Mrd. DM bei 10 Mrd. Kreditsumme). Diesen Refinanzierungseffekten stehen durch die

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Kreditvergabe Einlagenabzüge in Höhe von 10 Mrd. DM und Mindestreservefreisetzungen im Betrag von 1 Mrd. DM gegenüber. Die FLR sinken daher mit Überweisung der zur Kreditvergabe eingesetzten Summe auf Zentralbankkonten der öffentlichen Hand vorübergehend um weitere 9 Mrd. DM ab. Vom Gesamtminderbetrag an FLR von 10 Mrd. DM können kurzfristig bis zu 8,65 Mrd. zwischenfinanziert werden, bis sich die Effekte von Verausgabung und Reallokation in einer Erhöhung der ZBG um 1,35 Mrd. DM und der FLR im Betrag von 8,65 Mrd. DM niedergeschlagen haben. Im Endergebnis ist damit die ZBG um 1,35 Mrd. DM gestiegen, die FLR sinken entsprechend um 1,35 Mrd. DM, das Ergebnis entspricht damit dem Resultat im Abschnitt bb. d) Öffentliche Kreditaufnahme im Ausland Außer bei inländischen Wirtschaftssubjekten vermag sich der Staat auch im Ausland zu verschulden. Wenn die damit erlösten Deviseneinnahmen im Gegenwert von 10 Mrd. DM von der Bundesbank aufgekauft werden, können ZBG und ÜR lediglich auf Verausgabung und Reallokation mit dem schon aus dem Fall der Notenbankverschuldung bekannten Ergebnis ZBG +1,35 Mrd. DM, ÜR + 8,65 Mrd. DM reagieren. Dies dürfte insbesondere eintreten, wenn Währungen erlöst werden, die dem Europäischen Währungssystem (EWS) angehören oder wenn die Bundesbank, zum Beispiel aus außenwirtschaftlichen Erwägungen heraus, kurzfristig andere Währungen aufkauft (z.B. US-Dollar); werden zur Kreditgewährung an den Staat DM-Guthaben von Gebietsfremden aufgelöst, resultieren die gleichen Effekte 65 . Sofern der Staat die mit der Auslandsverschuldung erhaltenen Devisen an Nichtbanken, d.h. auf dem Devisenmarkt, verkauft, treten vor die bereits bekannten Effekte von Verausgabung und Reallokation gleich große Refinanzierungseffekte, sobald das Publikum die übernommenen Devisen gemäß den eingangs ermittelten Quotienten zu Lasten seiner gesamten Anlagenpalette bezahlt (vgl. Abschnitt c., 1. Alternative). ZBG und ÜR bleiben dann per Saldo konstant. e) Zusammenfassung der Ergebnisse Um eine bessere Vergleichbarkeit zu ermöglichen, werden die Ergebnisse der Modellrechnungen zu den Geldmengenwirkungen der öffentlichen Schuldaufnahme in Tab. 13 noch einmal kurz zusammengefaßt gegenübergestellt. Die Varianten der Auslandsverschuldung werden hier nicht mehr aufgeführt, da sie nur Spezialfälle der anderen Kreditaufnahmealternativen mit jeweils gleichen Ergebnissen darstellen.

65 Vgl. dazu auch D. Duwendag: Staatsverschuldung und Zentralbankgeldmengensteuerung, S. 187 f.

FLR =1,35 8,65 „zwischenfinanziert"

FLR =10

Zentralbankgeldschöpfung

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