Mon Plaisir: Die Puppenstadt der Auguste Dorothea von Schwarzburg (1666-1751) 9783412217877, 9783412223991


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Mon Plaisir: Die Puppenstadt der Auguste Dorothea von Schwarzburg (1666-1751)
 9783412217877, 9783412223991

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Mon Plaisir

Selbstzeugnisse der Neuzeit Herausgegeben von Kaspar von Greyerz, Alf Lüdtke, Hans Medick, Claudia Ulbrich und Dorothee Wierling Band 23

Selbstzeugnisse sind Aufzeichnungen, die individuelle und auf das »Selbst« bezogene Beobachtungen und Erfahrungen zusammenhängend zum Ausdruck bringen. In größerer Zahl gibt es sie seit dem 16. Jahrhundert. Besonderes Interesse in der internationalen Forschung wie beim interessierten Publikum findet die populare Autobiographik, also die Selbstzeugnisse aus Unter- und Mittelschichten. Gerade sie erweisen sich als unverzichtbar für alle Versuche, soziale Praxis, Erfahrungszusammenhänge und Lebenswelten zu rekonstruieren. Selbstzeugnisse eröffnen neue Zugänge, um die historischen Akteure als empfindende und wahrnehmende, leidende und handelnde Personen zu zeigen. Selbstzeugnisse der Neuzeit wollen bisher noch nicht publizierte Individual­ quellen zugänglich machen, die historische Zeitgenossenschaft einprägsam reflektieren. Weiterhin wird die Reihe zu Unrecht vergessene oder vergriffene Selbstzeugnisse als kommentierte Nachdrucke verfügbar machen. Veröffentlicht werden auch exemplarische Analysen sowie beschreibende Verzeichnisse und Übersichten. Die Herausgeber hoffen zudem, daß mit diesem Vorhaben Schätze gehoben werden können, die bisher unbekannt sind.

Annette Caroline Cremer

Mon Plaisir Die Puppenstadt der Auguste Dorothea von Schwarzburg (1666 –1751)

2015 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Gedruckt mit Unterstützung durch den Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Mon Plaisir, Wochenbett, Toilette, Auguste Dorothea mit Hofdamen (Foto Autorin)

© 2015 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Lektorat: Anja Borkam, Jena Gesamtherstellung: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst, Köln Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier ISBN 978-3-412-22399-1

Meinen Kindern

Inhalt

Vorwort.................................................................................................................  13 1. Einleitung – Mon Plaisir als Kunstkammerstück und Selbstzeugnis. . ...........................................  1.1 Hypothesen, Quellen, Methoden und Fragestellung.........................  1.2 Die Puppenstadt Mon Plaisir als Selbstzeugnis. . .................................  1.3 „Liebenswürdiges und kostbares Zeugnis einer längst entschwundenen Zeit“...................................................... 

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2. Das Puppenhaus als Kulturdokument und Kunstkammerstück.. ......  2.1 Beobachtungen zur Gattung Puppenhaus...........................................  2.1.1 Ein Puppenhaus als Quelle – Vom Abbild der Wirklichkeit zum Medium des Ideals. . ..........  2.1.2 Zur Rezeption von Puppenhäusern.. ..........................................  2.1.3 Wie „liest“ man ein Puppenhaus? Zum Symbolgehalt des Materials...............................................  2.2 Enzyklopädischer Mikrokosmos Puppenhaus.....................................  2.2.1 Puppenhäuser als Kunstkammerstücke. . ....................................  2.2.2 Mon Plaisir als Kunstkammerstück. . .......................................... 

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3. Masterplan, Ständepyramide, museale Inszenierung.........................  3.1 Geschichte und Rezeption....................................................................  3.1.1 Mon Plaisir zwischen lokaler Verankerung und (inter-)nationaler Bekanntheit – Die historische Rezeption der Sammlung.................................  3.1.2 Ein verstaubtes „Archiv des Luxus und der Moden“ – Vom fürstlichen Plaisir zum Museumsstück.............................  3.1.3 Mon Plaisir heute – Nur die Reste der barocken Sammlung?. . ..................................  3.2 Das ästhetische Prinzip der Puppenstadt.............................................  3.2.1 Uneinheitlichkeit und Dynamik................................................  3.2.2 Die formale Struktur des Mon Plaisir – Haus oder Aufbewahrungsschrank?...........................................  3.2.3 Keine Treppen, dafür Fenster, Türen, Kamine.......................... 

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Inhalt

3.2.4 Die formale und chronologische Entwicklung der Sammlung..............................................................................  95 3.3 Die Puppen des Mon Plaisir................................................................. 104 3.4 Zur Datierung der Sammlung.............................................................. 117 3.4.1 Die Kleidung der Herren............................................................ 119 3.4.2 Die Kleidung der Damen. . .......................................................... 124 4. Auguste Dorothea (1666 – 1751), Prinzessin von Braunschweig-Lüneburg, Gräfin/Fürstin und Witwe von Schwarzburg-Arnstadt. . ................................................. 135 4.1 Herkunft, Erziehung und Kunstübung am Wolfenbütteler Musenhof. . ............................................................. 135 4.2 Lebensthemen Standesgemäßheit, Geldbeschaffung und Reputation.Auguste Dorotheas „genereuse gemüths ahrt“ und „kummervolle Umstände“. . ........................................................... 142 4.2.1 Finanzielle Versorgung als Indikator der sozialen Integration............................................................... 144 4.2.2 Strategien der Geldbeschaffung.................................................. 148 4.2.3 Der lange Streit um die Einrichtung des Wittums................... 152 5. Auguste Dorothea als Witwe.. ................................................................... 157 5.1 Die fürstliche Witwe in der Frühen Neuzeit....................................... 157 5.1.1 Die Erfüllung des Ehevertrags in der Lebenspraxis und die sozialen Bedingungen des neuen Status als Witwe..... 161 5.1.2 Das Bild der fürstlichen Witwe in normativen Quellen.......... 163 5.1.3 Auguste Dorotheas Selbstinszenierung als fürstlicher Witwe vor der Folie frühneuzeitlicher Witwentraktate. . .......... 166 5.2 Der Prozess gegen Schwarzburg-Sondershausen................................. 170 5.2.1 Die kaiserliche Kommission....................................................... 171 5.2.2 Gedruckte Gegenwehr – Die „Specification meyner Pretentiones“ 1717. . ......................... 178 5.2.3 Auguste Dorotheas präzise Forderungen................................... 182 5.2.4 „In summa wir sind übel dran“ – Die kaiserliche Entscheidung. . .................................................... 183 5.2.5 Gewonnen und verloren.. ............................................................ 185 5.3 Die Versorgung der Witwe nach dem Ende des Konflikts 1723 bis zu ihrem Tod 1751 – Bitten, Betteln, Schmeicheln, Flehen.......... 187 5.4 Sorge um den Nachruhm. . .................................................................... 192

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5.5 Am unteren Ende der sozialen Elite – Notwendige Verschuldung zum Statuserhalt.. ..................................... 200 6. Mikrokosmos Witwenhofstaat – Lebensweltlicher Referenzpunkt der idealen Miniatur....................... 203 6.1 Auguste und ihr Schloss........................................................................ 203 6.1.1 Die Augustenburg als Lusthof, Witwenhof und Versorgungseinheit – Die materielle Referenz des Mon Plaisir.................................... 205 6.1.2 Ein Lustschloss zur Versorgung.................................................. 210 6.1.3 Lustwandeln unter Streuobst – Die Gartenanlage. . .................. 213 6.1.4 Vom roten, gelben, grünen, blauen, englischen und französischen Gemach – Die Ausstattung der Augustenburg............................................ 225 6.1.5 Der Kalk bröckelt – Die Augustenburg nach dem Tod der Herzogin....................... 241 6.2 „Meine Leut’“ – Das Personal des Witwenhofs.. ................................. 246 6.3 Die Bedeutung des Hofs für die Umgebung....................................... 248 6.4 Das Ende des Mikrokosmos................................................................. 254 7. Mon Plaisir als Spiegel eines Fürstinnenlebens. Die Fürstin im Spiegel ihrer Sammlung? – Zu den Erfahrungsräumen, Lebensräumen und Handlungsräumen einer Hochadeligen.. ........................................ 259 7.1 Hierarchien der Beweglichkeit.. ............................................................ 262 7.2 Herzogin und Graf................................................................................ 271 7.2.1 Graf/Fürst Anton Günther II. von Schwarzburg-Arnstadt (1653 – 1716)..................................... 273 7.2.2 Hochzeit.. ...................................................................................... 277 7.3 Eine Prinzessin unterwegs..................................................................... 282 7.3.1 Die Posthalterei............................................................................ 283 7.3.2 Die holländische Stadt. . ............................................................... 290 7.3.3 Die Messe..................................................................................... 292 7.4 Mutterschaft, Wochenbett und Kindererziehung............................... 303 7.4.1 Die Fürstin im Wochenbett........................................................ 303 7.4.2 Kinder........................................................................................... 307 7.4.3 Die Pflege und Aufzucht der Kinder.. ........................................ 310 7.5 Konfession.............................................................................................. 317

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Inhalt

7.5.1 Katholische Kirche. . ..................................................................... 321 7.5.2 Der Ursulinenkonvent. . ............................................................... 327 7.6 Vorratshaltung, Kochen, Essen............................................................. 333 7.7 Fürstliche Vergnügungen...................................................................... 355 7.7.1 Bibliothek..................................................................................... 357 7.7.2 Alchemie und Apotheke.............................................................. 358 7.7.3 Sammeln....................................................................................... 360 7.7.4 Billard. . .......................................................................................... 366 7.7.5 Reiten............................................................................................ 368 7.7.6 Jagd. . .............................................................................................. 369 7.7.7 Tanzen........................................................................................... 372 7.8 Zeitvertreib............................................................................................. 373 7.8.1 Musik............................................................................................ 373 7.8.2 Feste.. ............................................................................................. 378 7.8.3 Theater.......................................................................................... 380 7.8.4 Assembleen................................................................................... 384 7.9 Fürstliche Pflichten................................................................................ 390 7.9.1 Unternehmertum und Sorge für die Untertanen − Die „Augustenburgsche Porcellain Fabrique zum Dorotheenthal“.................................................................... 394 7.9.2 Höfische Repräsentation............................................................. 399 7.9.3 Hofmaler. . ..................................................................................... 400 7.9.4 Hofmohren................................................................................... 401 7.10 Schutz und Sicherheit am Witwenhof................................................. 404 7.11 Krankheit, Sterben, Tod........................................................................ 406 8. „Meine Freude“ – Die Funktionen des Mon Plaisir im Leben der Auftraggeberin und im höfischen Kontext. . .................. 417 8.1 Tugendhaftes Dilettieren....................................................................... 417 8.2 Persönliche Bedeutung.......................................................................... 424 8.3 Identifikationsstiftung, Untertanenbindung, Selbstbehauptung – Die Botschaften des Mon Plaisir nach außen.. .................................... 428 9. Schluss: Persönlich und heiter – Stilisierte Lebensbilder einer Hochadeligen.......................................... 431 9.1 Der Teufelskreis des Statuserhalts – Die Handlungsleitmotive einer mindermächtigen Reichsfürstin und Witwe.. ..................................................................... 435

Inhalt |  11

9.2 Zum Selbstbild der Reichsfürstin – Diskrepanzen zwischen Leben und Werk............................................ 439 9.3 Mon Plaisir als Fürstinnenspiegel und weibliche Kunstkammer................................................................ 445 Anhang.................................................................................................................. 447 Grafische Rekonstruktion der Galerieaufstellung 1751................................ 447 Schematische Darstellung der einzelnen Kästen.......................................... 447 Abbildungsverzeichnis.................................................................................... 465 Liste der verwendeten Archivalien................................................................ 467 Quellen- und Literaturverzeichnis.. ................................................................. 471 Quellen online................................................................................................ 471 Bibliografie...................................................................................................... 472 Register................................................................................................................. 515

Vorwort

Das vorliegende Buch beruht auf dem Manuskript meiner Dissertation an der Justus-Liebig-Universität Gießen 2012, das für die Drucklegung geringfügig überarbeitet wurde. Bei meinem ersten Besuch im Arnstädter Schlossmuseum 2004 erwarteten mich mehrere tausend widerspenstige und widerständige Klein- und Kleinstobjekte, die meisten davon beweg­lich, entstanden in über sechzig Lebensjahren, danach vielfach umgezogen, dezimiert, zerstört, rekonstruiert und dekontextualisiert wiederaufgebaut. Inhalt­lich nahm die Arbeit zunächst eine kunsthistorische Fragestellung zum Anlass, näm­lich die Relation der miniaturisierten Interieurs im Vergleich zu originalen, zeitgenös­sischen Schlossausstattungen der Umgebung. In Anbetracht der Sammlung schien mir dieser Zugang jedoch zu kurz gegriffen. Mich interessierte vielmehr die Frage der Relation zwischen der Sammlung und ihrer Stifterin, der kinderlosen Wolfenbütteler Prinzessin, von der es im Volksmund hieß, sie habe in Mon Plaisir die Stadt Arnstadt abgebildet. Über die Stifterin war zu Beginn meiner Forschung wenig bekannt, aber allein die vergleichsweise überproportionale Darstellung von höfisch-weib­lichen ­Szenen schien dies unwahrschein­lich zu machen. Mit der Frage nach der Beziehung zwischen der Prinzessin und ihrer Sammlung begann ich, die Vergleichbarkeit zwischen ihrem Leben und ihrem Lebenswerk vorzubereiten. Dies führte mich zu der These des dreidimensionalen Selbstzeugnisses, für die ich seit 2008 auf vielen nationalen und internationalen Vorträgen geworben habe. Wohlmeinende und unschuldige Fragen wie: „Worüber promovierst du denn?“ brachten mich vielfach in Verlegenheit, musste ich doch sagen: „Über Puppen.“ Ich wähnte mich (vielleicht völlig zu Unrecht) in permanenter Legitimationsnot, die Ernsthaftigkeit meines Gegenstands betreffend. Hier half langsam, aber stetig das ehr­liche und anhaltende Interesse, das mir aus dem Feld der interdisziplinär arbeitenden Kulturwissenschaften, der Geschlechtergeschichte und der Selbstzeugnisforschung entgegengebracht worden ist. Die Idee, Objekte als Selbstzeugnisse zu begreifen, hat inzwischen Fuß gefasst. Sie gipfelt in der Tatsache, dass dieses Buchprojekt in die „Selbstzeugnis“-Reihe aufgenommen worden ist. Mein Forschungsprojekt mit meiner Familie und einer Arbeitsstelle zu vereinbaren war eine Herausforderung für alle Beteiligten. Dazu bedurfte es guter Rahmenbedingungen und vieler Menschen, die mich manchmal nur kurze Zeit, manche aber über weite Strecken hinweg begleitet haben. Für den strukturellen Rahmen sorgte das International Graduate Centre for the Study of Culture der

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Vorwort

Justus-Liebig-Universität Gießen, dem ich für die vielfältigen, interdisziplinären Eindrücke und die lebhafte und äußerst kollegiale Atmosphäre dankbar bin. Meinen Arbeitskolleginnen und Kollegen danke ich nachdrück­lich für ihr Verständnis und ihre Unterstützung. Katharina Krause/Philipps-Universität ­Marburg verdanke ich nicht nur das Thema, sondern auch ihre Weitsicht, mir dessen Bearbeitung zuzutrauen, und die Unterstützung meines Weggangs nach Gießen. Silke ­Tammen und Sigrid Ruby danke ich für ihre Begleitung während der ersten Phase der Promotion. Seit meinem Fachwechsel in die Geschichtswissenschaften betreute Horst Carl die Promotion, dem ich für Rat und Tat, seine Großzügigkeit und sein Vertrauen danke. Hubertus Büschel danke ich für die Übernahme des Zweitgutachtens. Den Herausgebern Claudia Ulbrich und Hans Medick danke ich besonders herz­lich für die Aufnahme in die Reihe der „Selbstzeugnisse der Neuzeit“ und ihre hilfreichen Anmerkungen. Die vollständige Kostenübernahme der Druckkosten durch VG Wort ist eine Auszeichnung, und ich bedanke mich sehr herz­lich bei der Kommission. Jenseits jeder Rhetorik wäre die Umsetzung dieses Projekts nicht mög­lich gewesen ohne die Unterstützung einiger Personen. An erster Stelle steht hier Matthias Klein, Direktor des Schlossmuseums Arnstadt, der mir zu jeder Zeit größtmög­liche Unterstützung und uneingeschränkten Zugang zu Mon Plaisir ermög­lichte und mir über Jahre hinweg zur Seite stand. Gleiches gilt für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Besonders möchte ich mich bedanken bei Helga Scheidt, Janny Dittrich und Birgit Messerschmidt, aber auch bei den stets gut informierten und überaus freund­lichen Museumwärterinnen der Sammlung. Ihnen allen gilt mein besonderer Dank. Viele Ideen reiften in Gesprächen am Graduate Centre for the Study of Culture und am Gießener Graduiertenzentrum Kulturwissenschaften und am Historischen Institut der JLU Gießen, in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, am Forschungszentrum Gotha der Universität Erfurt und bei gemeinsamen Museumsbesuchen oder dem Arbeitskreis Historische Frauen- und Geschlechterforschung. Ein besonderes Glück war meine Teilnahme am Transatlantischen Doktorandenseminar des Deutschen Historischen Instituts Washington in Berlin 2008, an dem sowohl Ulinka Rublack/Cambridge als auch Claudia Ulbrich/Berlin teilnahmen. Ihnen beiden danke ich besonders für den fruchtbaren Austausch. Nament­lich bedanken möchte ich mich ebenfalls bei Jet Pijzel-Dommisse/Den Haag für ihre kollegiale Hilfe sowie bei Heide Wunder/Kassel, die mir stets unterstützend als Ansprechpartnerin zur Seite stand. Meinen Freunden, besonders Antje Fehrmann, Birgit Koerschgen, Jürgen Laubersheimer, Christopher Scharfenberger und Klaus Schütz, danke ich dafür, dass sie immer noch da sind, obwohl sie schmäh­lich

Vorwort |  15

vernachlässigt wurden. Andreas Benkwitz, Daniela Schmelz und Judith Thomann lasen aufmerksam und umsichtig Korrektur. Meiner Familie, den Großeltern Gerlinde und Jürgen Benkwitz, aber besonders Andreas Benkwitz danke ich für die andauernde Bestärkung und selbstlose Unterstützung während der Phase der Dissertation und vor allem unseren Kindern danke ich für das tapfere Durchhalten und die große Unterstützung ihrer working mum. Gießen, März 2014

1.

Einleitung – Mon Plaisir als Kunstkammerstück und Selbstzeugnis

1.1 Hypothesen, Quellen, Methoden und Fragestellung

Die Puppenstadt Mon Plaisir in Arnstadt/Thüringen entstand in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. In sechsundzwanzig unterschied­lich großen Holzkästen befinden sich achtzig Puppenstuben mit heute noch insgesamt vierhundert Figurinen und zweitausend Miniaturobjekten. Die Genreszenen zeigen das profane und religiöse Leben von Adel, Bürgertum und Bauernstand eines kleinen mitteldeutschen Fürstentums.1 Die Sammlung wurde von der Fürstin Auguste Dorothea von Schwarzburg, geborene Prinzessin von Braunschweig-Wolfenbüttel, selbst konzipiert und in Handarbeit gemeinsam mit ihrem Hofstaat erstellt.2 Einige Objekte waren Auftragsarbeiten, wenige kamen durch Ankauf oder durch Schenkung in die Sammlung. Die Puppenstadt entwirft ein ästhetisch heterogenes, exempla­ risches Panorama eines Adelshofs aus der Sicht der Fürstin. Überwiegend zeigen die Szenen höfische Interieurs aus dem Bereich des adelig-repräsentativen Lebens oder der fürst­lichen Vergnügungen (Salons, Tee-, Tanz- und Spielgesellschaften, Speisen, Toilette, Schlafgemach, Musikzimmer, Audienz und Beratung) sowie aus dem Bereich der höfischen Versorgung (Vorratshaltung, Nahrungszubereitung, Wäscherei, Schneiderei, Schreinerei). Einige Szenen sind im Außenraum angesiedelt und thematisieren die gräf­liche Domäne, einen städtischen Markt, das Reisen oder die höfische Jagd. Mon Plaisir – „meine Freude“, wie die Fürstin ihre Sammlung nannte, ist nicht von ihrer Lebensgeschichte zu trennen. Auguste Dorothea von Schwarzburg wurde 1666 als Tochter von Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-­ Lüneburg (1633 – 1714) und Elisabeth Juliane von Holstein-Norburg (1634 – 1704)



1 Siehe den virtuellen Rundgang durch die Ausstellung unter http://www.arnstadt.de/­content/ kulttour/monplaisir.html [13.7.2014] 2 Leber, Wolfgang (1965): Die Puppenstadt Mon Plaisir. Leipzig. Leber geht davon aus, dass das umfassende Programm der Anlage von Anfang an in allen wesent­lichen Punkten eindeutig von der Fürstin festgelegt worden war (S. 20). Nach Eaton (Eaton, Faith (1990): The Miniature House. London, S. 21) orientierte sich Auguste Dorothea am tatsäch­lichen Arnstädter Stadtplan, wobei alle Häuser durch Treppen und Galerien miteinander verbunden gewesen seien.

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Einleitung

Abb. 1: Auguste Dorothea von Schwarzburg-­ 3 Arnstadt (1666 – 1751)

Abb. 2: Mon Plaisir, Corps de Logis I, Auguste Dorothea als Figurine (um 1720)

im lutherischen Wolfenbüttel geboren.3Mit 18 Jahren heiratete sie den am dortigen Hof erzogenen Grafen Anton Günther II. von Schwarzburg-Arnstadt, mit dem sie 32 Jahre lang eine kinderlose Ehe führte. Während ihrer Ehe wurde die Grafschaft in den Reichsfürstenstand erhoben. Die Fürstin konvertierte 1715, kurz vor dem Tod ihres Mannes, zum Katholizismus. Nachdem 1716 ihr Witwenstand eingetreten war, lebte sie noch weitere 35 Jahre mit ihrem umfangreichen Hofstaat auf Schloss Augustenburg, ihrem unweit der Residenzstadt Arnstadt gelegenen Lustschloss. Die Puppenstadt entstand hauptsäch­lich während der Lebensphase der Witwenschaft und wurde auf Schloss Augustenburg in einer Galerie ausgestellt (Abb. 202, S. 448). Auguste Dorothea starb im Alter von 85 Jahren im Juli 1751 und wurde im Erfurter Ursulinenkonvent beigesetzt. Nach ihrem Tod befand sich die Sammlung bis Mitte des 19. Jahrhunderts in der Verwahrung des Arnstädter Waisenhauses und danach erneut im Besitz der Fürsten von ­Schwarzburg in Schloss Gehren. Seit 1932 gehört Mon Plaisir zur ständigen Ausstellung des Arnstädter Schlossmuseums. 3 Arnstadt Schlossmuseum, anonym, um 1700.

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Hypothesen/Leitfragen/Ziel

Das kuriose Kunst(hand)werk Mon Plaisir, das zeitgenös­sisch hohe Aufmerksamkeit erhielt, changiert zwischen repräsentativer Sammlungskunst als Ausdruck fürst­ licher Magnifizenz und persön­licher – nicht privater – Selbststilisierung, Vergewisserung und Erinnerung. Die enge Verknüpfung zwischen Auguste Dorothea und Mon Plaisir macht beide gleichermaßen zum Gegenstand der Studie: die Sammlung und die Person. Zwei Vorannahmen liegen der Untersuchung zugrunde. Mon Plaisir ist das Lebenswerk der Fürstin und persön­lich bedeutungstragend. Auguste Dorothea bildete aktiv und absichtsvoll verschiedene Stationen und Ereignisse ihres Lebens in Mon Plaisir nach, und zwar in unterschied­lichen Graden der Realitätsnähe in persön­lich markierten Miniaturinterieurs mit Hilfe portraithafter Figurinen. Von diesen Prämissen ausgehend ergeben sich folgende Hypothesen: Mon Plaisir ist als ein dreidimensionales Selbstzeugnis zu bewerten, in dem alltäg­liche und ereignishafte Vorgänge nach bestimmten Regeln festgehalten werden. Die Aufstellung der Sammlung in einer semiöffent­lichen Galerie des Schlosses, ihr Miniaturformat und ihre enzyklopädische Vielfalt bezeugen ihre formale Zugehörigkeit zum frühneuzeit­lichen Sammlungstyp der Kunst- und Wunderkammer. Die Sammlung diente einerseits der persön­lichen Selbstinszenierung – verstanden als performative Erzeugungsstrategie im Dienst einer abstrakten Vorstellung 4 – und andererseits der Herrschaftsrepräsentation, also der symbo­lischen Darstellung politischer Macht.5 Die Beschäftigung mit Mon Plaisir wurde geleitet von der Frage nach den Unterschieden und Gemeinsamkeiten zwischen dem Leben der Fürstin und den Darstellungen in Miniatur, also dem Vergleich zwischen den archiva­lisch rekonstruierbaren Stationen ihrer Biografie mit dem von ihr selbst erzeugten Bild ihrer Person, als persön­licher Ikonografie in Mon Plaisir. Jenseits des Darstellungsinhalts weisen Fragen nach dem Herstellungsprozess, der Präsentation und dem Umgang mit der Sammlung auf unterschied­liche Funktionen des Mon Plaisir nicht nur für die Stifterin, sondern auch für ihren Hofstaat und ihre Untertanen hin. Das Ziel 4 Fischer-Lichte, Erika (2004): Ästhetik des Performativen. Frankfurt, S. 318 – 328, hier in Bezug auf Wolfgang Iser besonders S. 324. 5 Carl, Horst (2010): „Repräsentation“. In: Enzyklopädie der Neuzeit. Bd. 11. Stuttgart, Sp. 62 – 65, Sp. 63 f.; Stollberg-Rilinger, Barbara (2005): Herstellung und Darstellung politischer Einheit: Instrumentelle und symbo­lische Dimensionen politischer Repräsentation im 18. Jahrhundert. In: Andres, Jan; Geisthövel, Alexa; Schwengelbeck, Matthias (Hgg.) (2005): Die Sinn­lichkeit der Macht. Frankfurt, S. 73 – 92, hier S. 75.

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Einleitung

der Studie ist es, die Selbstsicht und Subjektkonstruktion der Reichsfürstin in der Zusammenschau von Leben und Werk herauszuarbeiten und zugleich durch das Prisma der Sammlung einen Blick auf zeitgenös­sische Lebensverhältnisse unterschied­licher sozialer Gruppen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu werfen. Das Anliegen meiner Untersuchung ist es zusätz­lich, Mon Plaisir als Kulturdokument und dreidimensionale Quelle für die historischen Kulturwissenschaften zu erschließen. Methode und Quellen

Die vorliegende Untersuchung zu Auguste Dorothea von Schwarzburg und ihrer Puppenstadt Mon Plaisir ist nicht nur ein methodischer, sondern auch ein disziplinärer Grenzgänger, der zwischen kunsthistorischem „Barock“ und allgemeinhistorischer „Früher Neuzeit“ sowie zwischen Adels-, Geschlechter-, Wissens- und Sammlungsgeschichte changiert und sich einer klaren Rubrizierung entzieht. Die Studie will einen bislang in deutschsprachigen Forschungslandschaften ungewohnten methodischen Zugang zu Objekten fruchtbar machen, indem sie den kunsthistorischen Blick auf das Material genauer nimmt, als dies historische Darstellungen gemeinhin tun, und umgekehrt, indem sie historischen Fragestellungen und Kontexten größere Aufmerksamkeit widmet, als dies die Kunstgeschichte tut. Objekte können aus der Sicht der Material Culture Research lesbar gemacht und als historische Quellgattung genutzt werden. Mon Plaisir ist zugleich Forschungsgegenstand, Thema und dreidimensionale Quelle. Das Material selbst stellt das primäre Erkenntnismedium dar. Dabei ist Mon Plaisir (wie jede andere materielle Quelle) nicht selbstreferenziell. Seine spezifische Bedeutung zu erschließen ist ohne serielle Quellen, text­liche Selbstaussagen, gedruckte Quellen, Bildquellen und vergleichende Sachquellen nicht mög­lich. Um die Lesbarkeit der materiellen Quelle herzustellen, muss sich die methodische Annäherung in eklektischer Weise an Instrumentarien und Denkmodellen verschiedener (kultur-)historischer (Teil-) Disziplinen wie der Kunstgeschichte, der New Cultural History, der Ethnologie, der Geschlechtergeschichte oder der Historischen Anthropologie orientieren in Form einer integrierten theoretischen Rahmung.6 Die vergleichsweise jungen Material Culture Studies führen Ansätze genannter Disziplinen in interdisziplinärer Weise zusammen.7 Aber auch in dem mittlerweile vorsichtig ausgerufenen material 6 Vgl. Knappett, Carl (2005): Thinking through Material Culture. Philadelphia, S. 110. 7 Siehe exemplarisch Kingery, William D. (1996): Learning from Things: Method and ­Theory of Material Culture Studies. Washington; Brown, Bill (2001): Thing Theory. In: Critical Inquiry, Bd. 28/1, S. 1 – 22; Hicks, Dan; Beaudry, Mary C. (Hgg.) (2010): The Oxford

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turn 8 findet sich eine Bandbreite unterschied­lichster Ansätze, die meist Objekte, Dinge, Waren oder Lebensmittel zum Thema nehmen, diese aber nicht als Quelle behandeln. Man forscht über Objekte,9 nicht aber mit ihnen oder durch sie.10 In Ermangelung eines treffenden Begriffs für das in der vorliegenden Untersuchung angewandte Verfahren könnte man von einem material close reading oder einer dichten Materialbeschreibung des Mon Plaisir sprechen. Das methodische Ziel ist es, anhand des Materials durch die materielle Quelle hindurch auf den spezifischen historischen Mikrokosmos des kleinstaat­lichen fürst­lichen (Witwen-)Hofs und auf die Selbstsicht der Fürstin zuzugreifen. Dazu mussten verschiedene Themenfelder im Vorhinein erarbeitet werden, die in einem zweiten Schritt den Vergleich mit der Quelle von verschiedenen Perspektiven aus ermög­lichen. Der Analyse, Einordnung und Interpretation der einzelnen Szenen des Mon Plaisir geht die Rekonstruktion der Biografie der Fürstin, die theoretische Fundierung der Gattung des Puppenhauses, die Rekonstruktion des historischen Zustands der Sammlung und die umfangreiche Kenntnisnahme der verwendeten Materialien sowie der ikonografischen Referenzen der gezeigten Genreszenen voraus. Dabei ist eine wiederholte Rückkopplung des jeweiligen Befunds an normative Quellen notwendig, wie sie in Staatsbildungsliteratur, Hausvätertraktaten, Tugendlehren, Fürstenspiegeln und Kunstkammertraktaten zu finden sind. Die Analyse jeder einzelnen Puppenstube benötigt je nach den materiellen Gegebenheiten des Raumes, des Ensembles, der (potenziell) beteiligten Figurinen und der dargestellten Szenen eine unterschied­liche Gewichtung der verschiedenen disziplinären Anteile im methodischen Zusammenspiel. Das

Handbook of Material Culture Studies. Oxford; Hahn, Hans Peter (2005): Materielle Kultur. Eine Einführung. Berlin. 8 Bachmann-Medick, Doris (2006): Cultural Turns. [5. Auflage 2014] Hamburg, Nachwort, S. 423; Bräunlein, Peter J. (2012): Material Turn. In: Georg-August-Universität Göttingen (Hg.) (2012): Dinge des Wissens. Die Sammlungen, Museen und Gärten der Universität Göttingen. Göttingen, S. 30 – 44; Hinweise auf die breite Rezeption des Ansatzes geben die Publika­tionen von: MacGregor, Neil (2011): Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten. München und: Bryson, Bill (2011): Eine kurze Geschichte der alltäg­lichen Dinge. München. 9 Siehe als Beispiel zu Forschung über Dinge: Mintz, Sidney W. (1987): Die süße Macht. Kulturgeschichte des Zuckers. Frankfurt a. M. [Erstausgabe 1985: Sweetness and Power: The Place of Sugar in Modern History. New York] und als Forschung durch Dinge: Styles, John (2007): The Dress of the People: Everyday Fashion in Eighteenth-Century England. New Haven/Conn. 10 Vgl. Harvey, Karen (2009): History and Material Culture: A Student’s Guide to ­Approaching Alternative Sources. London/New York, Introduction.

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Einleitung

von Jacques Revel entworfene Modell des jeux d’échelles, des forschenden Spiels mit dem Wechsel zwischen Makro- (und Meso-) und Mikroebene der Betrachtung ermög­licht die Zusammenführung von Masternarrativen und persön­licher Erfahrung historischer Akteure.11 In der überpersön­lichen Rahmung des Phänomens der fürst­lich-weib­lichen Witwenschaft durch determinierende Faktoren der Makroperspektive(n) wie struktureller Situiertheit oder konfessioneller Zugehörigkeit lässt sich die Dichotomie der Mikro- versus Makroperspektive in einer sich gegenseitig dynamisierenden Denkbewegung in der Zusammenschau am Material auflösen. So wird die Ebene der Person mit der Perspektive der gesellschaft­ lichen Strukturen verwoben. Während auf der Ebene der Makroperspektive vom allgemeinen Phänomen fürst­licher Witwenschaft deduktiv auf die spezifische Situation Auguste Dorotheas zu schließen ist, lässt umgekehrt die Untersuchung der Mikroperspektive, der persön­lichen Ausgestaltung der Witwenschaft durch Auguste Dorothea, induktiv Rückschlüsse auf die tatsäch­liche Wirkungsmacht der Makrostruktur zu. Am Beispiel Auguste Dorotheas lässt sich zeigen, dass die separate Betrachtung der beiden Ebenen zu sehr unterschied­lichen Erkenntnissen über die Handlungsmög­lichkeiten mindermächtiger Reichsfürstinnen und fürst­ licher Witwen führt. Ein stärkeres Bewusstsein für die gegenseitige Bedingtheit von Makro- und Mikroebene, insbesondere für den Aushandlungsrahmen zwischen der Verpf­lichtung gegenüber sozialen wie auch mora­lischen Regeln und der inter­ essenwahrenden persön­lichen Ausgestaltung – somit also zwischen den sozialen Ebenen Person, Gruppe und Gesellschaft – wird durch das Experiment mit dem Perspektivwechsel zwischen subjektivem Erfahrungsraum, dynastisch-politischen Verflechtungen und normativer zeitgenös­sischer Traktatliteratur erzielt. In diesem Experiment wird das dreidimensionale, bild­liche Selbstzeugnis der Fürstin zum Informationsträger über ihr persön­liches Selbstverständnis in symbo­lischer Form. Dabei lassen die im Werk durchscheinende Subjektkonstruktion und die Selbststilisierung der Fürstin die Diskrepanzen zwischen gesellschaft­lichen ­Idealen und gesellschaft­licher Praxis erkennen, wie sie in Bezug auf Witwenschaft bereits festgestellt wurden.12 11 Revel, Jacques (1996): Jeux d’échelles. La micro-analyse à l’expérience, Paris; Tanner, Jacob (2004): Historische Anthropologie. Zur Einführung. Hamburg, S. 110 – 116. 12 Ulbrich, Claudia (1996): Zeuginnen und Bittstellerinnen. Überlegungen zur Bedeutung von Ego-Dokumenten für die Erforschung weib­licher Selbstwahrnehmung in der länd­lichen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts. In: Schulze, Winfried (Hg.) (1996): Ego-Dokumente. Annäherung an den Menschen in der Geschichte. Berlin, S. 207 – 226; zur Witwe als Vertreterin des Hausvaters siehe S. 215 (FN).

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Aufbau der Arbeit

Die Untersuchung beginnt mit einem einführenden Kapitel zur Gattung der Puppenhäuser im Allgemeinen, zu ihrer Rezeptionsgeschichte, der Nutzung von Puppenhäusern als Quelle der historischen Kulturwissenschaften und der Frage nach der Dekodierung ihres Symbolgehalts. In Analogie zum enzyklopädischen Anspruch barocker Kunstkammersammlungen wird in der Folge die Interpretation von Puppenhäusern als Kunstkammerstücke vorgenommen und insbesondere Mon Plaisir als Kunstkammer bewertet. Im Vergleich mit Aussagen der etablierten Selbstzeugnisforschung wird die These geprüft, es handele sich bei Mon Plaisir um ein dreidimensionales Selbstzeugnis. Dieser Abschnitt beschäftigt sich auch mit den besonderen Bedingungen einer nicht schrift­lich fixierten, dynamischen Quelle und den Konsequenzen für ihre Deutbarkeit und der Frage nach dem Grad der Individualität der kulturellen Leistung. Das zweite Kapitel befasst sich mit der wechselvollen Geschichte der Sammlung von ihrer historischen bis zu ihrer zeitgenös­sischen Ausstellung, Rezeption und Bedeutung. Im Abschnitt zum ästhetischen Prinzip wird der Versuch unternommen, die chronolo­gische Entwicklung der heterogenen Sammlungsschränke anhand stilistischer und struktureller Merkmale nachzuvollziehen und eine Gattungsdefinition vorzulegen. Hier werden die Wirkungsprinzipien der Gattung und die Erzählstruktur des Mon Plaisir erörtert. Besondere Bedeutung kommt den ausdrucksstarken, portraithaft durchbildeten Figurinen aus Wachs zu. Die Datierung der unterschied­lichen Bestandteile der Sammlung (Kästen, wandfeste Dekoration, Ausstattungsgegenstände, Bekleidung der Figurinen) stellt die Basis zur Zuordnung einzelner Szenen zu Lebensphasen der Fürstin dar. Durch die je nach Gattung unterschied­lich schnelle Rezeption „moderner“ Dekorationsstile und Moden im Sinn eines überregionalen Kulturtransfers und durch die generelle Beweg­lichkeit des Puppenhausinventars lassen sich meist jedoch nur ungefähre zeit­liche (und räum­liche) Zuordnungen der Miniaturen vornehmen. Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit der Stifterin Auguste Dorothea in unterschied­lichen biografischen Phasen, ihrer Herkunft und kulturellen Prägung sowie dem lebensbegleitenden Thema der finanziellen (Unter-)Versorgung als Gräfin, Fürstin und fürst­lichen Witwe. Dabei geht es einerseits um mög­liche Erklärungsversuche der Voraussetzungen, Bedingungen und Motive der Hinwendung zum Mammutprojekt Mon Plaisir, seiner Herstellung und der lebenslangen Pflege dieses Divertissements. Andererseits zeigen sie die Stifterin in ihren verschiedenen sozialen Bezügen in lokalen und translokalen Adelsnetzwerken, ihre Handlungsoptionen und Beschränkungen in unterschied­lichen Rollen sowie ihre Strategien zur Wahrung

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einer relativen Unabhängigkeit. Für die Frage der Realitätsnähe der Genreszenen ist die Rekonstruktion ihres heute nicht mehr existenten Schlosses Augustenburg und des Witwenhofs als welt­licher Referenzpunkt der idealen Miniatur von größter Bedeutung. Hier übte Auguste Dorothea eine nach innen und außen fragile Herrschaft aus, die durch die Darstellung ihres höfischen Mikrokosmos in Miniatur gestützt wurde. Beide, ihr Schloss und ihr Witwenstaat, sind von immanenter Bedeutung für die Identitätskonstruktion der Fürstin. An einigen Stellen lässt sich nachweisen, dass Mon Plaisir in seinen abstrahierten und idealisierten Darstellungen konkret auf das Schloss und seinen Hofstaat Bezug nimmt. Am Rand befasst sich dieser Teil mit der Frage der Selbstinszenierung Auguste Dorotheas als fürst­licher Witwe vor der Folie normativer Quellen. Das Zentrum der Studie bildet das vierte Kapitel, das auf der Grundlage der Einzelszenen des Mon Plaisir, „typische“ Momente adelig-weib­licher Biografien darstellt, diese aus der Makroperspektive heraus beleuchtet und mit Details aus Auguste Dorotheas Biografie hinterlegt. So nimmt einerseits das Leben der Fürstin stärkere Konturen an, während zugleich Grundbedingungen höfisch-weib­licher Biografien anschau­lich anhand der Miniaturen erzählt werden können. Zu den wiederkehrenden Themen gehören die Darstellung der Ehe, Kinder und Konfession, fürst­liche Verpf­lichtungen, Reisen, der Bereich der höfischen Versorgung, Krankheit und insbesondere höfische Vergnügungen wie Musik, Tanz, Theater, Spiel oder Jagd. Die einzelnen Abschnitte stellen zugleich einen Bildkatalog h ­ öfischer Standardsituationen des 18. Jahrhunderts dar. Das fünfte Kapitel befasst sich mit den Funktionen der Sammlung. Jenseits der Darstellungen des typischen, idealen und eigenen Lebens vereint Mon Plaisir unterschied­liche Funktionen in sich, und zwar nicht nur für die Stifterin persön­lich, die die szenischen Aufstellungen als memory box, zur Selbstvergewisserung und zum re-enactment nutzen konnte. Mon Plaisir diente dem kompletten Hofstaat als Identifikationsplattform und den einzelnen Mitgliedern zur Bestätigung der jeweiligen Position innerhalb der höfischen Hierarchie. Auguste nutzte Mon Plaisir als Mäzenatin zur Untertanenbindung. Ebenso stellte sie durch das handwerk­lich-weib­liche Dilettieren die Tugendhaftigkeit ihrer selbst und ihres Frauenzimmers unter Beweis. Das Schlusskapitel versucht in der Zusammenschau von Leben und Werk die leitenden Denk-, Ordnungs- und Handlungsmuster der mindermächtigen Reichsfürstin darzustellen. Die festzustellende Diskrepanz zwischen Leben und idealisierter Darstellung eröffnet dabei einen Blick auf die Wertvorstellungen der Fürstin und ihr Selbstbild als Reichsfürstin, das sich nicht in Übereinstimmung mit ihrer realen poli­tischen und sozialen Situation zeigt. Die Studie schließt mit der Einordnung des Werks als dezidiert weib­liches Kunstkammerstück und dreidimensionaler Fürstinnenspiegel.

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Archivalische Quellen

Zur Rekonstruktion der Sammlung wurden neben verfügbaren Unterlagen des Schlossmuseums Arnstadt, Dokumente des Stadt- und Kreisarchivs Arnstadt, Archivalien des Thüringer Staatsarchivs Rudolstadt und des Niedersäch­sischen Landesarchivs Wolfenbüttel ausgewertet. Die Rekonstruktion der Biografie der Fürstin wurde neben den beiden Archiven in Rudolstadt (Schwarzburg-Arnstadt) und Wolfenbüttel (Herzogshaus) durch Recherchen im Landeskirchenarchiv Eisenach (Witwenhof ), in dem Staats­archiv Gotha (Rechtsstreit), dem Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien (Konversion/Rechtsstreit), dem Bayerischen Staatsarchiv Würzburg (Konversion), dem ­Weimarer Hauptstaatsarchiv sowie der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel ergänzt. Zu den Abbildungen

Mon Plaisir befindet sich, konservatorisch gesehen, in einem schlechten Zustand. Die Kästen sind nicht beleuchtet. Das Berühren oder Umgruppieren von Figurinen oder Objekten verbot sich in Ermangelung einer restauratorischen Betreuung. Teilweise war es nicht mög­lich, die Kästen zu öffnen, sodass einige Fotos durch die geschlossenen Glasfenster hindurch entstanden und entsprechende Spiegelungen nicht zu vermeiden waren. Puppenhäuser sind aufgrund ihres dreidimensionalen Charakters schwer zu fotografieren. Während einerseits die Gesamtansicht eines kompletten Kastens und andererseits die Aufnahme von Details oft gelingen, stellt die Zwischenebene der ganzen Szene eines Stockwerks eine fotografische Herausforderung dar, will man das Aufgehen der Objekte in der Fläche und den Verlust des dreidimensionalen Korpus vermeiden. Das Engagieren eines professionellen Fotografen und das Integrieren eines Katalogs waren im Rahmen des finanziellen Budgets nicht mög­lich. Das vorliegende Buch arbeitet vornehm­lich mit Details der Szenen und greift dort auf unzureichende Gesamtszenen zurück, wo diese für das Verständnis nötig sind. Nichts davon ersetzt die Betrachtung des Objekts selbst. Für die Argumentation notwendige Szenen, Objekte und Details wurden herangezogen und damit wurde eine bestimmte Auswahl getroffen. Vieles mehr findet sich in der Ausstellung wie zum Beispiel Wandbespannungen, Möbel, technische Instrumente. Mon Plaisir ist als kulturgeschicht­liche Quelle auch nach meiner Bearbeitung längst nicht erschöpft.

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1.2 Die Puppenstadt Mon Plaisir als Selbstzeugnis

„Dolls’ houses and miniatures are an amazingly rich but regrettably under-utilized body of evidence with much to teach us about the tastes, ideals, and assumptions of the people involved in making, owning, or using them.“13 James Bryan wies 2003 auf Puppenhäuser als unterschätzte Quelle hin, die aus seiner Sicht als Symbole der Identität ihrer Besitzer und Besitzerinnen zu betrachten sind.14 Meist werden Puppenhäuser stattdessen als unpersön­liches Kulturdokument oder didaktisches Spielzeug zur Einübung von Geschlechterrollen angesehen. Bryans Kritik teilen Broomhall und Spinks und betonen die mög­liche Bedeutung der Gattung für die Geschlechtergeschichte: „[…] there has been little historical or gender analysis to date on early modern dolls’ houses […] a rare primary source available for the study of how women might reflect or create ideas of household spatial arrangements, dynamics, and identities.“15 Puppenhäuser, so die beiden Autorinnen, „provide […] a kind of early modern social portrait of the broader household community“.16 Die niederländischen Puppenkabinette sollten nicht nur als Darstellungen von weib­lichen Lebens- und Erfahrungsräumen im Allgemeinen betrachtet werden, sondern gemeinsam mit den auf diese bezogenen, überlieferten text­lichen und visuellen Dokumentationen in Form von Tagebüchern und Ankauflisten als „another form of ego-document which women could create as a testament to their interests and sense of self for their own era and for future generations“.17 Der Fokus dieser Analyse liegt auf der bürger­ lichen Wahrnehmung von Häus­lichkeit und der Vor- und Ausstellung des eigenen Pf­lichtbewusstseins einer guten Haushälterin, wobei jedoch einschränkend gesagt werden muss, dass in ihrer Untersuchung der soziale Handlungsspielraum großbürger­licher Frauen und deren repräsentative Aufgaben unterschätzt werden.18 Es sei die Spannung zwischen dem Luxusobjekt der Erwachsenenwelt und der offensicht­lichen Freude dieser Erwachsenen an einem Kinderspielzeug, die den besonderen Wert von Puppenhäusern als Quelle für den Vorstellungsraum

13 Bryan, James E. (2003): Material Culture in Miniature: Historic Dolls’ Houses ­Reconsidered. [Dissertation] University of Wisconsin-Madison, S. 22. 14 Ibid., S. 42. 15 Broomhall, Susan; Spinks, Jennifer (2011): Early Modern Women in the Low Countries: Feminizing Sources and Interpretations of the Past. Farnham, S. 104. 16 Ibid., S. 105. 17 Ibid., S. 122 beziehen sich hier auf das Puppenhaus der Sara Rothé. 18 Ibid., S. 117.

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erwachsener Frauen ausmache.19 Einzuwenden ist hier, dass Puppenhäuser zwar ein abbildendes wie kreatives Medium der wirk­lichen und der imaginativen Welt darstellten, dass sie jedoch bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts keinesfalls als Kinderspielzeug des Bürgertums oder des Großbürgertums dienten. Puppenhäuser unterlagen unterschied­lichen Nutzungen (siehe 2. Das Puppenhaus als Kulturdokument und Kunstkammerstück, S. 49). Seine Bedeutung erhielt die Gattung maßgeb­lich durch die kleine Form, die Miniatur, die sich leicht handhaben, beherrschen und aneignen ließ, gepaart mit der Ikonografie der Interieurs, die das Puppenhaus zum Medium weib­licher Selbstdarstellung und Selbstbespiegelung werden ließ. Puppenhäuser tragen seit jeher persön­liche Markierungen ihrer Hersteller-­ Besitzer/innen, die bislang (auch aufgrund mangelnder Sekundärquellen) jenseits der holländischen Puppenkabinette kaum wahrgenommen worden sind. Sie waren kunsthandwerk­liche Sammlungsobjekte, an denen sich als Ganzes oder in einzelnen Miniaturen in verdichteter Form bestimmte Aspekte der Person niederschlugen. Während die frühen Puppenhäuser um 1600 unter männ­licher Mitwirkung in Auftrag gegeben und als Kuriosum und Besitz beider Ehepartner ausgestellt waren,20 sind die Puppenhäuser des späteren 17. und 18. Jahrhunderts meist auf eine großbürger­liche oder niederadelige weib­liche Auftraggeberschaft zurückzuführen und befanden sich immer im Besitz von Frauen. Die handwerk­ liche Mitarbeit der Besitzerinnen an Details lässt sich an einigen Beispielen nachweisen,21 während der äußere Kasten, das ‚Haus‘ nie von den Damen selbst hergestellt wurde. Puppenhäuser spiegelten die Vorlieben und auch die Absichten der Besitzerperson wider. Zum einen war das Bemühen erkennbar, eine äußere Ähn­lichkeit zum realen Lebensumfeld der Besitzerperson herzustellen, zum anderen wurden mit persön­licher Bedeutung aufgeladene Sammlungsstücke in die Miniatur integriert. Darüber hinaus steuerte die Besitzer-Nutzerin oft noch von ihr persön­lich angefertigte (textile) Handarbeit als Zeugnis ihrer eigenen Fähigkeiten bei. In der Bespielung, also der Zusammenführung von Abbild, Interieur, emotional aufgeladener Objektausstattung und der (personalisierten) Figurinen zu einem Narrativ, kulminiert die jeweilige persön­liche Vorstellungswelt, die sich in der Rekonstruktion zumindest erahnen lässt.

19 Ibid., S. 109. 20 Vgl. Abschnitt 2.2 Enzyklopädischer Mikrokosmos Puppenhaus, S. 62. 21 Broomhall/Spinks (2011), S. 119.

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Puppenhäuser fungierten als Lebensbegleiter.22 Das unikale Puppenhaus war während des Barock ein Sammlungsobjekt der sozialen Eliten. Seine Herstellung war mit hohen Kosten verbunden.23 Alle großen Puppenhausprojekte eint neben der Idee der abbildenden Darstellung des eigenen Lebens eine Tendenz zur Utopie und zum Ideal. „Dolls’ houses function as virtual realities, they are representations of human environments wherein lives may be imagined, p ­ ossessions held, and existence shaped in ways perhaps unavailable in full scale.“24 Sie offerieren zugleich im Prozess der Herstellung und Bespielung ein Moment der Kompensation und des „escapism into miniature“.25 So dienten Puppenhäuser in den Jahren zwischen 1650 und 1750 als Selbstbespiegelungsfolie, als Vergewisserungsstrategie, als memory box und als kompensatorisches oder utopistisches Medium, besonders von Frauen. 22 Cremer, Annette (2014): Personalisierte Lebensbegleiter. Puppenhäuser des Barock. In: Fooken, Insa; Mikota, Jana (Hgg.) (2014): Puppen. Menschheitsbegleiter in Kinderwelten und imaginären Räumen. Göttingen, S. 160 – 174. 23 Für den hier gewählten Zugang zu Puppenhäusern sind die seit dem späten 18. Jahrhundert für eine breite bürger­liche Schicht produzierten, normierten Puppenhäuser irrelevant. Sie dienten der Einübung normativer Vorstellungen über Geschlechterrollen. Hier ist zudem die Überlieferung so dürftig, dass sich das Persön­liche am Objekt nicht mehr nachvollziehen lässt. Nur die wenigen Beispiele der Nutzung des unikalen P ­ uppenhauses als Projektionsfläche des Selbst sind relevant für die hier vertretene These des dreidimen­ sionalen Selbstzeugnisses. Puppenhausprojekte von Männern unterschieden sich in ihrem Wesen insofern, als sie immer auch an der Planung, Konzeption und architektonischen Konstruktion oder der (eigenen) handwerk­lichen Umsetzung des Rahmens Interesse ­hatten; Als frühes Beispiel wäre der Meierhof 1610 von Philipp Hainhofer für den H ­ erzog von Pommern-Stettin zu nennen. In einigen Fällen wurden die Puppenhäuser von Vätern als Geschenk für ihre Töchter in Auftrag gegeben oder selbst hergestellt wie zum Beispiel das so genannte Brett House, Museum of the City of New York, um 1840. King, ­Constance Eileen (1977): Puppen und Puppenhäuser. Zürich, S. 203. Ein spätes Beispiel stellt Neville Wilkins Titania’s Palace um 1910 dar. Wilkinson, Nevile (1926): Titania’s Palace: An Illustrated Handbook [s. l.]. Männer verbanden mit den Puppenhäusern in höherem Grad ein technisches Interesse und nur in seltenen Fällen blieb das Puppenhaus in ihrem eigenen Besitz. Dennoch schlug sich auch das Ich der männ­lichen Konstrukteure am Objekt nieder. Es ist jedoch mehr der Ausdruck ihrer Ideen und technischen Herstellungsleistung und weniger mit persön­lichen Aufladungen „eingerichtet“ oder bespielt. Cremer, Annette (2010): Utopia in Small Scale – Female Escapism into Minia­ ture. In: Women’s History Magazine, 2, Nr. 63, S. 4 – 10, Fussnote Nr. 4. 24 Bryan (2003), S. 2. 25 Cremer (2010); vgl. Broomhall, Susan (2007): Imagined Domesticities in Early Modern Dutch Dollhouses. In: Parergon, Bd. 24/2, S. 47 – 67.

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Bisher waren es primär schrift­liche Texte, ob handgeschrieben oder gedruckt, ob als Tagebuch, Memoiren oder Brief, die als anerkannte Medien der Selbstzeugnisforschung dienten. Konsequenterweise hat sie sich bislang primär mit schrift­lichen Zeugnissen und Überlieferungen beschäftigt und nur in Ausnahmen andere Formen kultureller Produktion jenseits von Texten in ihre Überlegungen miteinbezogen.26 Die Puppenstadt Mon Plaisir als dreidimensionales Selbstzeugnis zu interpre­ tieren, irritiert vor diesem Hintergrund, weil es sich offensicht­lich nicht um eine verbal-explizite Äußerung einer einzigen Person handelt. Tatsäch­lich ließ sich kein Schriftstück nachweisen, in dem Auguste Dorothea ihre eigene Beziehung zu Mon ­Plaisir beschrieb oder gar die willent­liche Abbildung biografisch relevanter Ereignisse kundgab. Seinen Namen erhielt die Sammlung jedoch schon zu Lebzeiten von der Fürstin. Er deutet zumindest auf die hohe Bedeutung und Funktion für die Stif­terin hin. Ebenfalls bezeugt die Nennung ihres Puppenkabinetts in einer Aufstellung kostbaren Besitzes die persön­liche Wertbeimessung. Einige wenige Paral­lelen zwischen Elementen des eigenen Lebensumfelds und einzelnen Minia­ turen beweisen die (zumindest teilweise) intendierte Abbildhaftigkeit: so findet sich der geschwungene Miniaturzaun des Lustgartens in einer Grafik des Schlossgartens wider (Abb. 61, S. 217 und Abb. 66, S. 221). Alle weiteren von mir vorgenommen Zuweisungen und Gleichsetzungen zwischen fassbaren Momenten ihrer Biografie und Bildern in Miniatur sind sinnfällige Annahmen, Ableitungen, die sich aus dem Ernstnehmen der Nähe zwischen Leben und Bild ergaben. Die ebenfalls unterstellte, nicht nachlesbare Autorinnenintension, ein willent­liches Selbstzeugnis erstellt zu haben, leitet sich aus der lebenslangen Beschäftigung mit Mon Plaisir (also offensicht­lich dem bewussten Erzählen und Bildsetzen des eigenen Lebens), der Auswahl der gezeigten Szenen sowie der Art und Weise des Schilderns der ­Szenen ab, die nur aus der persön­lichen Perspektive der Stifterin erklärbar sind. Skeptiker werden der Selbstzeugnisthese in Ermangelung schrift­lich vorgetragener Willensbekundungen und persön­licher Zielsetzung, unbestimmter Autorschaft (Fürstin, Hofstaat, Untertanen) sowie den fehlenden klaren Adressatenkreisen, nicht folgen. Dass es sich bei der Quelle auch noch um einen Rest des Originalbestands 26 Bspw. Linnemann, Dorothee (2007): Repraesentatio Majestatis. Zeichenstrate­gische Person­ konzepte von Gesandten im Zeremonialbild des späten 16. und 17. Jahrhunderts. In: Bähr, Andreas; Burschel, Peter; Jancke, Gabriele (Hgg.) (2007): Räume des Selbst. Selbstzeugnisforschung transkulturell. Wien/Köln/Weimar, S. 57 – 76 und Schweikhart, Gunter (1999): Vom Signaturbildnis zum autonomen Selbstportrait. In: Arnold, Klaus; Schmolinsky, Sabine; Zahnd, Urs Martin (Hgg.): Das dargestellte Ich. Studien zu Selbstzeugnissen des späteren Mittelalters und der frühen Neuzeit. Bochum, S. 165 – 188.

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handelt, der dazu auch noch beweg­lich ist, scheint die Lesbarkeit der Sammlung als Selbstzeugnis ad absurdum zu führen. Das Besondere an Mon Plaisir ist jedoch, dass es sich um ein Selbstzeugnis handelt, obwohl es sich eben nicht im Medium der Schrift bewegt und es heute immer noch lesbar ist, trotz der (in Analogie zu Texten gedachten) fehlenden Sätze, Zeichen und sogar einer Beschädigungen des ursprüng­ lichen Texts (siehe Abschnitt 2.1.3 Wie „liest“ man ein Puppenhaus?, S. 56). Die Alternativen zur Deutung als Selbstzeugnis wären erstens die unpersön­liche (von der Person der Stifterin enthobene) enzyklopädische Abbildung der Stadt Arnstadt als vollständigem Zeitprofil oder zweitens die Interpretation als Ergebnis weib­licher Handarbeit gewesen, dessen Sinn ledig­lich in dem aktuellen und nicht über sich hinausweisenden persön­lichem Tun bestanden hätte. Die tatsäch­lich verbreitete Vorstellung von Mon Plaisir als Portrait Arnstadts konnte ich entkräften, da viele bedeutsame Monumente der Stadt in Mon Plaisir fehlen und nur Zünfte oder ­Themen abgebildet wurden, die eng mit der Person der Fürstin verknüpft waren. Die Interpretation als simple kunsthandwerk­liche Hinterlassenschaft würde die Inhalte der gezeigten Szenen ignoriert haben. So versuchen die Szenen eines Fürstinnenlebens im Abgleich zwischen den biografischen Blitz­lichtern und den einzelnen Ensembles die These vom Selbstzeugnis plausibel zu machen. Die Anerkennung des Mon Plaisir als Selbstzeugnis setzt eine Öffnung des Begriffs voraus, genauso wie eine Ausweitung des Selbstzeugnisbegriffs aus ihr folgt. Eine erweiterte Definition muss sich von der Prämisse der Schrift­lichkeit lösen und die Mög­lichkeit eröffnen, Selbstäußerungen oder Selbstthematisierungen mittels anderer Medien als solche gelten zu lassen. Erreicht der material turn nun auch die Selbstzeugnisforschung? Die vorliegende Arbeit versteht sich als ein Schritt zur Erweiterung der Selbstzeugnisforschung in diese Richtung. Gerade für Epochen, in denen die ständischen Normen den überragenden Kompass der Selbst- und Fremdvergewisserung darstellen, sollten implizit(er)e Ausdrucksformen als die explizit schrift­lichen Äusserungen in den Beobachtungskanon mit einbezogen werden. Die Vorstellung, dass nicht nur Texte, sondern auch Gegenstände ein Selbstzeugnis sein können, wird erst seit relativ kurzer Zeit zur Kenntnis genommen. Hans Medick wies 2012 darauf hin, es seien „keineswegs nur die Selbstzeugnis-Texte, über die und in denen sich Personen konstituieren“, denn „ein zentrales Moment von Personkonstitution besteht vielmehr im sozialen und personalen Leben der Dinge“.27 Ihm ging es dabei jedoch um Gegenstände, die in

27 Medick, Hans (2012): Einführung: Kulturelle Mehrfachzugehörigkeit. In: ders.; Ulbrich, ­Claudia; Schaser, Angelika (Hgg.) (2012): Selbstzeugnis und Person. Transkulturelle Perspektiven.

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Texten Erwähnung finden und denen bei der Aufschlüsselung der Selbstsicht oder der sozialen Zuordnung von Personen Bedeutung beigemessen werden könnten, nicht aber um die Gegenstände selbst. Die Mög­lichkeit der Selbstverortung einer Person in Relation zu Dingen in Schriftquellen beschrieb zum Beispiel Richard Wittmann. Dinge – gemeint ist dort die Beschreibung oder Nennung von Dingen – ließen „erkenntnisreiche Rückschlüsse auf die Personen zu, die mit ihnen umgehen […]. Hierdurch eröffnet sich ein Zugang zur Person, der über die Selbstbeschreibung im Text im Einzelfall hinausgehen kann und ansonsten unzugäng­ liche Erkenntnisse erschließt.“28 Die aus der ethnolo­gisch-kulturwissenschaft­lichen Sachkulturforschung stammende Einsicht, dass Objekte und Dinge mit generativem, konstitutivem bis hin zu handlungsaktivierendem Potenzial versehen sind, ist damit erstmals von der Selbstzeugnisforschung anerkannt worden. Es bleibt jedoch ein eklatanter Unterschied, ob zur Rekonstruktion einer persön­lichen Selbstthematisierung autobiografische Texte zugrunde gelegt werden, in denen Gegenstände Erwähnung finden, oder ob die Dinge selbst als Selbstzeugnis betrachtet werden. Die Puppenstadt Mon Plaisir kann jedenfalls als ein gegenständ­liches Selbstzeugnis oder Selbstnarrativ gelesen und verstanden werden.29 Während, wie bereits erwähnt, sich ein klas­sisches Selbstzeugnis immer noch im Medium der Schrift entfaltet und die Sprache seine Wahrnehmungsweisen oder Bewertungen transportiert, kommt das gestaltete materielle Objekt durch seine stofflichen, formalen, funktionalen, ästhetischen und sozialen Eigenschaften, durch seine Nutzung und seine spezifische Biografie 30 erst eigent­lich zur Sprache und wird dadurch zum Informationsträger über Werte, Ziele, Selbst- und Fremdwahrnehmung historischer Menschen, die Dinge nutzen, um ihre Identität zu formen und auszudrücken. Dabei gibt es drei Arten, wie Objekte dazu beitragen, das Selbst zu verding­lichen („objectify the self“): Dinge sind Zeugnis konkreter sozialer Beziehungen und persön­licher Verbindungen, sie demonstrieren den eigenen Platz in

Wien/Köln/Weimar, S. 181. 28 Wittmann, Richard (2012): Franzö­sische Hemden, österreichische Dampfschiffe und deutsche Lokomotiven. Fremde Dinge in der Selbstverortung des islamischen Mystikers Aşçi Dede Ìbrahim. In: ebenda, S. 243 – 262, hier S. 243. 29 Zur aktuellen Diskussion um die Begriffe Egodokument, Egodocument, Selbstzeugnis und Selbstnarrativ siehe Greyerz, Kaspar von, Ego-Documents: The Last Word? In: ­German History, Bd. 28/3, S. 273 – 282, ebenfalls in ders.; Siebenhüner, Kim; Zang, Roberto (Hgg.) (2013): Von Menschen, die glauben, schreiben und wissen. Ausgewählte Aufsätze. ­Göttingen, S. 182 – 193 und Ulbrich/Medick/Schaser (2012), Einführung. 30 Hahn (2005), S. 40 – 45.

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der sozialen Hierarchie, und sie verankern das Selbst in der Zeit.31 Dem folgend wird das Objekt zur dreidimensionalen Quelle über historische Selbstsichten und zum plausiblen Medium des self-fashioning, des von Stephan Greenblatt beschriebenen bewussten Formens des Ausdrucks der eigenen Identität.32 Gegenständ­liche Selbstzeugnisse fungieren dabei nicht als Surrogat für einen selbstformulierten Text, sondern wirken durch einen vom Text unabhängigen, gleichwohl auf mög­ liche andere Texte bezogenen Objektcode. Entfernt man sich vom Postulat der Schrift­lichkeit, werden strukturelle oder prinzipielle Ähn­lichkeiten über die medialen Gattungsgrenzen und die Raumdimensionen hinweg sichtbar. Der Begriff des „Egodokuments“ schien zunächst einen breiten Definitionsrahmen anzubieten, unter dem solche Quellen verstanden wurden, „die Auskunft über die Selbstsicht eines Menschen geben [und in denen] ein Ego sich absicht­lich oder unabsicht­lich enthüllt oder verbirgt“.33 Während der Begriff und der Gegenstand der älteren Egodokumentforschung auch die Untersuchung von „unfreiwilligen“ Zeugnissen wie zum Beispiel Gerichtsakten beinhaltet, die Informationen über das Leben und die Denkweise historischer Menschen transportieren,34 hat die Forschung stattdessen einen erweiterten Begriff des Selbstzeugnisses vorgeschlagen: „Selbstzeugnisse sind Quellen zur eigenen Person – über diese allgemeine Bestimmung hinaus unterliegen sie keinerlei Beschränkung in Typ und Überlieferungsform. In Selbstzeugnissen stellen sich Personen in Wort oder Bild selbst dar, sei es in Momentaufnahmen, sei es in längeren oder kürzeren Längsschnitten durch das eigene Leben.“35 Diese Sichtweise ermög­licht prinzipiell auch die Integration von Gattungen jenseits der Schrift. Die aus einer persön­lichen Perspektive heraus konzipierte Puppenstadt Mon Plaisir fügt sich hier mühelos ein.

31 Csikszentmihalyi, Mihaly (1993): Why We Need Things. In: Lubar, Steven; Kingery, David W. (Hgg.) (1993): History from Things. Washington, zitiert nach: Bryan (2003), S. 29. 32 Greenblatt räumte etwas widersprüch­lich ein, „self-fashioning is always, though not exclusively, in language“. Greenblatt, Stephen (1980): Renaissance Self-Fashioning: From More to Shakespeare. Chicago, Introduction, S. 9. 33 Schulze (1996), S. 14 f.; ebenda: Vorüberlegungen und Schlußbemerkungen zur Konferenz über „Ego-Dokumente“, S. 11 – 32 und 343 – 347. 34 Brändle, Fabian; Greyerz, Kaspar von; Heiligensetzer, Lorenz; Leutert, Sebastian; Piller, Gudrun (2001): Texte zwischen Erfahrung und Diskurs. Probleme der Selbstzeugnisforschung. In: Greyerz, Kaspar von et al. (Hgg.) (2001): Von der dargestellten Person zum erinnerten Ich. Europäische Selbstzeugnisse als historische Quellen (1 500 – 1850). Köln, S. 3 – 34, hier S. 7. 35 Arnold et al. (Hgg.) (1999), S. 13.

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Das Interesse der Forschung gilt den Lebensentwürfen, Selbstsichten und Wahrnehmungsmustern historischer Personen jenseits der normativen Quellen und der Infragestellung makrohistorischer Perspektiven durch Selbstäußerungen.36 Die grundsätz­liche Skepsis gegenüber der Aussagekraft jeder subjektiven Quellgattung liegt an der begrenzten Übertragbarkeit sowie der Stilisierung der ‚Texte‘. Beide, Übertragbarkeit und Stilisierung, sind kritische Aspekte in Bezug auf die Interpretation von Mon Plaisir als Selbstzeugnis. Selbstzeugnisse thematisieren stets nur ausgewählte Aspekte einer Person und folgen gattungsimmanenten Traditionen (des Schreibens). Auch thematische Begrenzung und Traditionsgebundenheit finden sich in Mon Plaisir. Darüber hinaus haben klas­sische Selbstzeugnisse eine bestimmte Funktion und wenden sich häufig an eine bestimmte Zielgruppe.37 Trotz dieser Einschränkungen bieten Selbstzeugnisse, gleichgültig welcher Gattung sie angehören und welche Absicht sie verfolgen, als „Selbstbetrachtung einen Zugang zum historischen Menschen mit vergleichsweise hoher Authentizität“.38 Mit der Erforschung von einzelnen Puppenhäusern allgemein eröffnet sich eine Perspektive auf die persön­lichen Selbstsichten und Wahrnehmungsweisen von Frauen innerhalb der europäischen Eliten. Das im Vergleich zu einfachen Puppen­häusern fundamental umfangreichere Mon Plaisir sollte dementsprechend als Selbstzeugnis verstanden werden, das seine Eigenschaft als Zeitzeugnis integriert und eine bewusste Nutzung als Selbstnarrativ impliziert, in dem der imaginative Charakter, das zielgerichtete Erzählen wie auch die Traditionsgebundenheit im Rahmen der Gattung zum Ausdruck kommen. Nicht alle definitorischen Marker eines Selbstzeugnisses lassen sich auf Mon Plaisir anwenden. Fürstin Auguste Dorothea gibt in Mon Plaisir zweifelsohne freiwillig einen Blick auf ihr Leben und ihr Lebensumfeld frei. Mon Plaisir enthält ein „Text-Ich aus der Subjektposition einer Frau“39 in einem Medium, das sowohl visuell, körper­lich als auch haptisch erfahrbar war. Sie folgt dabei, wie dies auch in anderen Selbstzeugnissen der Fall ist, bestimmten Konventionen und Schemata, die sich einerseits aus den darstellerischen Mög­lichkeiten der Gattung ergeben und sich andererseits aus dem zeitgenös­sisch Sagbaren ableiten, den als 36 Jancke, Gabriele; Ulbrich, Claudia (2005): Einleitung. In: dies. (Hgg.): Vom Individuum zur Person. Neue Konzepte im Spannungsfeld von Autobiographietheorie und Selbstzeugnisforschung. Göttingen, S. 7 – 28. 37 Bähr et al. (2007), Einleitung, S. 2 und Schulze (1996), S. 24. 38 Brändle et al. (2001), S. 12. 39 Griesebner, Andrea; Lutter, Christina (2005): Geschlecht und „Selbst“ in Quellen des Mittel­alters und der Frühen Neuzeit. In: Jancke/Ulbrich, S. 51 – 70, hier S. 53.

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notwendig empfundenen Grenzen von konformer und nonkonformer Äußerungen wie zum Beispiel durch das Einhalten der Schick­lichkeitsnormen. Ohne die Mög­lichkeit, die Darstellungen mit biografisch relevanten Archivalien abgleichen zu können, bliebe Mon Plaisir allerdings eine Sammlung verschiedener Szenen adeligen, bürger­lichen und bäuer­lichen Lebens aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, ein Kulturdokument ohne spezifischen, persön­lichen Kontext. Doch auch ohne weitere Informationen über die Stifterin entstammt der Blick, mit dem das Leben in der Miniatur erzählt wird, offensicht­lich der Erzählperspektive einer Frau des Hochadels. Die Sammlung hätte nicht ,von unten‘ ins Bild gesetzt werden können. Die Darstellung der Lebenswelt der Adelsgruppe ist zu selbstsicher und zu detailliert vorgetragen, als dass ein fremder Blick aus einer distanzierten Beobachterperspektive eine solche Genauigkeit mög­lich gemacht hätte. In der Beschreibung der bürger­lichen und der bäuer­lichen Lebenswelt zeigt sich dagegen ein gewisses Desinteresse: Die Figurinen sind kleiner, die Gesichter oft einheit­lich und nicht durchgebildet, die Kleidung eher achtlos genäht. Auffällig ist ebenfalls, dass die Kleidung der Herren weniger akkurat ausgeführt wurde. Nur die Einbeziehung des biografischen Kontexts anhand von Archivalien und die Rekonstruktion der sozialen, familiären, finanziellen, politischen und religiö­ sen Lebensumstände lässt eine Interpretation der Sammlung als Selbsterzählung zu. Mit dem Vergleich zwischen dem aus den Archivalien ersicht­lichen Leben der Schöpferin und dem Inhalt ihrer Sammlung wird Mon Plaisir zur personalisierten dreidimensionalen Quelle über das Leben dieser bestimmten Frau, über ihre Lebensräume, Erfahrungsräume, über ihre stilisierten und personalisierten Wahrnehmungen und eröffnet damit den Blick auf die Diskrepanz zwischen norma­ tiven Vorschriften und kultureller Praxis, wie sie auch in anderen Selbstzeugnissen aufscheint.40 Trotz dieses Spannungsverhältnisses und der hierin mitschwingenden Ambivalenz der Autorin, Stifterin und Protagonistin, Regeln einzuhalten und sie zugleich auszudehnen oder sogar brechen zu wollen, muss durch die nachweis­ liche zeitgenös­sische Öffent­lichkeit der Sammlung und ihre höfisch-repräsentative Funktion, neben dem Imaginativen auch zweckgebunden die Darstellung akzeptierter Normen unterstellt werden. Das Zur-Darstellung-Bringen des Typischen, gepaart mit dem persön­lichen Charakter der Sammlung, lässt die Übertragbarkeit dieser durch den gemeinsamen Produktionsprozess und die Umgangspraxis ebenfalls eingeschränkt kollektiven Quelle ins Allgemeine zu.

40 Vgl. Ulbrich, Claudia (2010): Person and Gender: The Memoirs of the Countess of Schwerin. In: German History, Bd. 28/3, S. 296 – 309.

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Im Verzicht auf den Begriff des Individuums wurde von Teilen der Selbstzeugnis-Forschung auf den Begriff der Person verwiesen, der konsequent zu historisieren ist und der den Menschen als einen sich permanent konstituierenden im Rahmen eines sozialen Prozesses versteht.41 Dies wird in der folgenden Untersuchung etwa dadurch sichtbar, dass sich die Figurine der Auguste Dorothea in Mon Plaisir keineswegs als ein auf Abgrenzung zielendes Individuum präsentiert, sondern als Mitglied oder Prima inter Pares eines sozialen Gefüges. In Mon Plaisir wird kein Ich jenseits des Sichtbaren angedeutet, keine Trennung zwischen einer inneren und äußeren Welt angelegt, und es werden keine polaren Sphären zwischen Privatheit und Öffent­lichkeit konstruiert. Die Figurinen repräsentieren in den meisten Fällen konkrete Personen und werden in Interaktionszusammenhängen gezeigt. Sie befinden sich in verschiedenen Räumen und unterschied­lichen Situationen, die gleichzeitig, übereinander und nebenein­ ander stattfinden und nicht nacheinander. Persön­lichkeitsgrenzen „umfassten für frühneuzeit­liche Menschen vielmehr ganze soziale Gebilde mitsamt ihren internen sozialen Verflechtungen. Einzelne Menschen, Männer genau wie Frauen, handelten und verstanden sich von ihren Positionen her, die sie innerhalb dieser Netzwerke einnahmen. […] Keineswegs war es für eine selbstbewusste Bestimmung der eigenen Individualität nötig, in einem solchen Gegenüber zu Anderen […] eine unabhängige Position einzunehmen.“42 Innerhalb eines durch Herkunft, Sozialisation und Status sowie Geschlecht bestimmten und klar begrenzten Entfaltungsraums hatte eine Person mehrere Identitäten, die zur Äußerung gelangen konnten. So findet sich die Auguste Dorothea-Figurine in Mon Plaisir in mehrfachen Ausführungen, mit unterschied­lichen Altersmarkierungen, Bekleidungen und in vielen verschiedenen Situationen. Sie stellt ein Äquivalent zum chronolo­gischen Schreibprozess dar, der im Rückblick die unterschied­lichen Stationen des eigenen Lebens beschreibt. Für frühneuzeit­liche Menschen war es bedeutsam, die ihnen persön­lich zustehenden, durch Herkunft erzeugten oder durch Leistung erarbeiteten, angemessenen Positionen einzunehmen und zugesprochen zu bekommen. In Mon Plaisir zeigt sich die Eingebundenheit der Fürstin Auguste Dorothea in horizontale wie auch vertikale Beziehungen, was als „zentrale[r] Modus frühneuzeit­lichen autobiographischen Schreibens“43 angesehen werden kann. Oder mit Winfried Schulze gesprochen: „Eine noch 41 Ulbrich (2010), S. 299. 42 Jancke, Gabriele (2002): Autobiographie als soziale Praxis. Beziehungskonzepte in Selbstzeugnissen des 15. und 16. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum. Wien/Köln/Weimar, S. 13. 43 Jancke/Ulbrich (2005), S. 22.

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Abb. 3: Mon Plaisir, Böttcher – vertrautes, beobachtetes Handwerk

in Ständen geordnete Gesellschaft entwickelt ihre Handlungsorientierungen weniger am Begriff der selbstverantwort­lichen Persön­lichkeit als an der jeweiligen gesellschaft­lichen Gruppe, der sich der Einzelne zugehörig fühlte.“44 Die unterschied­lichen sozialen Bezugsgruppen des eigenen Hofs, der Schwarzburger Untertanen, der lokalen Eliten und des translokalen Adelsnetzwerks bilden die verschiedenen Folien, anhand derer Mon Plaisir als dreidimensionales Selbstzeugnis gelesen werden kann und muss. Das persön­liche Selbstverständnis – wie auch die Selbstäußerung – war also in der Frühen Neuzeit immer auf verschiedene soziale Netzwerke bezogen. Personen definierten sich über Konformität oder Devianz bezüg­lich unterschied­licher und dennoch gleichzeitig existierender normativer Vorgaben, wie sich auch bei Auguste Dorothea im Konflikt der verschiedenen Rollen zeigt. „Persön­liche Artikulationen sind von Rollenmodellen und -bildern ebensowenig abzulösen wie von ihren sozialen, recht­lichen oder auch ökonomischen Rahmenbedingungen. Sie 44 Schulze (1996), S. 345.

Mon Plaisir als Kunstkammerstück und Selbstzeugnis  |  37

sind Bestandteil diskursiver Konfigurationen, die handlungsanleitend wirken [und] Individuen die Mög­lichkeit geben, sich in bestehende Diskurse einzuschreiben.“45 Wie persön­lich, wie individuell kann also ein grundlegend normiertes Muster, dem eine Äußerung folgt, sein? Auguste Dorothea war eine geübte Vielschreiberin, die sich aber (soweit bekannt ist) keines Tagebuchs bediente. Mon Plaisir ist insofern nicht nur eine persön­liche, sondern auch eine besondere Äußerung Auguste Dorotheas, da sie in der Wahl des Mediums und bei der Übersetzung ihres Lebens in den dreidimensionalen ‚Text‘ eine einzigartige Lösung fand. Thema­ tisch sind die Szenen an die persön­lichen Erfahrungen der Fürstin geknüpft. Der dargestellte Inhalt ist im Detail persön­lich markiert. Trotzdem beschreiben die Szenen einen Erfahrungsraum, der von einer bestimmten Gruppe von Menschen in ähn­licher Weise geteilt wurde. Sie sind somit ebenso typisch und wiederholen alltäg­liche Muster und Rollen, die für viele weib­liche Mitglieder des Adels galten. Mon ­Plaisir allein, ohne die Archivquellen miteinzubeziehen, zeigt Auguste Dorothea im Beharren auf dem Üb­lichen und Standesgemäßen, dem Regelhaften, dem Muster und nicht in dessen Überwindung, ebenso wenig in einer Spannung wider die Ordnung. Bezieht man das Archivmaterial mit ein, werden Persön­lichkeit, Verhaltensweisen und Strategien sowie Lösungen sichtbar, die durchaus als eigensinnig gelten dürfen, die sich aber stets innerhalb der Bandbreite des Erlaubten und Mög­lichen artikulieren. Mon Plaisir ist seit seiner Entstehung oft umgezogen, umgebaut und verstellt worden und hat die persön­liche Handschrift Auguste Dorotheas verloren. Bis zu einem gewissen Grad ist es deshalb bei der Analyse des Mon Plaisir nötig, mehrere mög­liche Kombinationen und Variationen zwischen Kästen, Möbeln und Figurinen mitzudenken. Mon Plaisir, wie wir es heute sehen, muss als Paraphrase eines Zitats gelten. Es ist ungefähr so, wie es gedacht war, kann allerdings, wie die Paraphrase, die den genauen Wortlaut nicht kennt, den Inhalt korrekt wieder­ geben. Was wir heute sehen, ist in den meisten Fällen, wie es hätte sein können, aber es spiegelt zugleich die Vorstellung der modernen Menschen (Kuratoren, Restauratoren) über das Leben um 1700 wider. Die Interpretation der Sammlung als Abbild der unterschied­lichsten Facetten gesellschaft­lichen Lebens wie zum Beispiel der ausgestellten Geschlechterverhältnisse muss deshalb mit Sensibilität geschehen. In gewisser Weise handelt es sich bei Mon Plaisir nicht mehr um einen Teil einer Autobiografie, sondern um einen Text, der auf Basis des Originals von anderen „Mitautoren“ weitergeschrieben wurde. Damit wäre die Sammlung als

45 Griesebner/Lutter (2005), S. 69.

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ein biografisches Fragment anzusehen, in seiner aktuellen Form ohne die explizit nachweisbare direkte Markierung der Autorin und Stifterin, aber dennoch aussagekräftig als Selbstzeugnis. 1.3 „Liebenswürdiges und kostbares Zeugnis einer längst entschwundenen Zeit“ „Es ist, als wäre durch Zauberspruch das Leben eines Tages vom ersten Hahnenschrei bis zum Ruf des Nachtwächters gebannt und zur Gnomenkleinheit zusammengeschrumpft.“46

Mon Plaisir gilt als einzigartiges Kulturdokument par excellence, als die „schönste und größte Puppenstadt der Welt“,47 als „liebenswürdiges und kostbares Zeugnis einer längst entschwundenen Zeit“.48 Vor allem die szenische Darstellung der Lebenswelt, die ins Dreidimensionale übersetzte Genrebilder sind,49 bieten einen „selten geschlossenen Eindruck von den Wohn, Arbeits- und Lebensverhältnissen der Menschen, die in enger oder loser Beziehung zu einer absolutistischen Residenz standen“.50 Die Literatur ist sich einig über den Charakter des Mon Plaisir als Lehrstück einer vergangenen Epoche. Es sei eine „perfekte, greifbare Darstellung des Lebens“,51 die „in ihrer Anschau­lichkeit kaum zu übertreffen“52 sei. Die moderne Rezeption der Sammlung setzte im späten 19. Jahrhundert ein. Ihre Bekanntheit ging jedoch lange nicht über den nationalen Rahmen hinaus.53 Das 46 Rehbein, A. (1938): Stadt Liliput in Thüringen. In: Berliner Morgenpost, Ausgabe „Die Reisepost“, Beilage, 24.4.1938. 47 Gröber, Karl (1934): Das Puppenhaus einer Deutschen Fürstin. In: Der eiserne Hammer, Königstein im Taunus, S. 2. 48 Leber (1965), S. 5. 49 Klein, Matthias (1999): Die Sammlung Mon Plaisir im Schloßmuseum zu Arnstadt. Neuere Hinweise zur Herkunft der Puppen. In: Thüringer Geschichtsverein Arnstadt e. V. (Hg.) (1999): Aus der Vergangenheit von Arnstadt und Umgebung. Ein heimatkund­liches Lesebuch, Bd. 9, S. 7 – 19, S. 7. 50 Leber, Wolfgang (1968): Das Puppenhaus „Mon Plaisir“ im Schloßmuseum Arnstadt. In: Museen der Stadt Erfurt (Hg.) (1968): Beiträge zur Geschichte Thüringens, S. 217 – 225, S. 217. 51 Jackson, Valerie (1989): Puppenhäuser. München, S. 44. 52 Donhof, Manfred (1988): Arnstadt Neues Palais. Leipzig, S. 15. 53 Puetter, Johann Stephan (1798): Selbstbiographie zur dankbaren Jubelfeier seiner 50 jaehr. Professorsstelle zu Goettingen. Bd. I, Göttingen, S. 396; Arnold, Theodor Ferdinand Kajetan (1804): Malerische Wanderung am Arme meiner Karoline. Erfurt. Bd. 1, S. 76 – 78; Pfarrchronik Oberndorf (1814); Anonym (1820): Freimüthige Bemerkungen auf einer Reise über

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Erfurt und Arnstadt in einen Theil der Thüringer Waldgegenden oder Meine Reise zum Arnstädter Vogelschießen. Sondershausen, S. 36; Vulpius, Christian August (1820): Das merkwürdige Puppen-Kabinett zu Mon Plaisir, innerhalb Arnstadt. In: ­Curiositäten der phy­sisch-literarisch-artistisch-historischen Vor- und Mittelwelt, zur angenehmen Unterhaltung für gebildete Leser, Bd. 8, Weimar, S. 426 – 433. Vulpius (1762 – 1827) war Weimaraner und der Schwager von Goethe. Mendheim, Max: „Vulpius, Christian August“. In: Allgemeine Deutsche Biographie 40 (1896), S. 379 – 381 [Onlinefassung]; Hesse, ­Ludwig ­Friedrich (1841): Das Lustschloß Augustenburg. In: Thüringen und der Harz, Bd. 5, S. 169 – 172; ­Wedemann, H. (1883): Das Mon Plaisir. In: Arnstädter Tageblatt, Beilage, 229 vom 30.9.1883; Pick, Albert (1894): Ein kulturgeschicht­licher Puppenschrank. In: Arnstädter Nachrichten und Informationsblatt, Beilage, 6. Mai 1894; Reineck, Carl (1904): Die Augustenburg und das Mon Plaisir der Fürstin Augusta Dorothea von Schwarzburg. In: Arnstädter Anzeiger, Festausgabe zur 1200-Jahrfeier, 24.5.1904; Hampe, Theodor (1921): Puppenhäuser und Puppen­stuben aus alter Zeit. In: Daheim, Bd. 13/14; Hertel, Richard (1924): Arnstadt und seine Umgebung. Arnstadt, S. 24 f.; Thalmann, Paul (1929): Chronik der Stadt Arnstadt. Arnstadt, S. 17; Anonym (1930): Mon Plaisir in Arnstadt. In: Arnstädter Anzeiger, 28.10.1930; Wiegand, Fritz (1932): Monplaisir. In: Alt-Arnstadt. [Beiträge zur Heimatkunde von Arnstadt und Umgegend] Bd. 9, Arnstadt; Gröber, Karl (1928): Kinderspielzeug aus alter Zeit. Eine Geschichte des Spielzeugs. [Neuauflage 1965] Berlin, S. 60: „Spielzeug einer alternden einsamen Erwachsenen“; Gröber, Karl (1933): Das Arnstädter Puppenhaus. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Wohnens im 18. Jahrhundert. In: Pantheon, H. 12, München, S. 384 – 390; Gröber (1934); Wiegand, Fritz (1934): Die Puppensammlung Mon Plaisir im Besitz des Braunschwei­gischen Herzoghauses. In: Unsere Heimat, Beilage des Arnstädter Anzeigers, Bd. 1/5; Kühn, Bodo (1936): Schloß Augustenburg bei Arnstadt. In: Unsere Heimat, 11.1.1936; Wiegand, Fritz (1936): Das Tagebuch von J. G. Bachstein 1763 – 1792. In: Alt-Arnstadt 1936, Bd. 11; Blankenburg, Walter (1938): Das Arnstädter Puppen­haus. In: Zeitschrift für Hausmusik, Bd. 7/1; Wittmann, Dornheim (1938): Aus dem Leben der Fürstin Auguste Dorothea. In: Unsere Heimat, 9.2.1938; W. Dh. (Wittmann Dornheim?) (1938): Zur Zaungerichtsbarkeit auf der Augustenburg. In: Unsere Heimat, 30.4.1938; ­Wiegand, Fritz (1939): Zur Geschichte der Augustenburg. In: Alt-Arnstadt, Bd. 12, Arnstadt, S. 46 – 50; Roselt, Christoph (1956): Kunst-Sammlungen im Schloß zu Arnstadt. Eisennach und Kassel, S. 58 f.; Roselt, Christoph (1957): Dorotheentaler Fayencen. In: Form und Zweck. Berlin, S. 104 – 122; Melnikova-Papouskova, N. (1957): Umeni a nemesla. ­casopis pro vyrobu a umelecka remesla. [Dve hrackarska museas V NDR] [s.l.]; Roselt, Christoph (1958): Inventar der Puppenstadt Mon Plaisir im Schloßmuseum zu Arnstadt. Ein Beitrag zur Erschießung der materiellen Kultur des 18. Jahrhunderts in Thüringen. In: Forschungen zur Thürin­gischen Landesgeschichte. [Veröffent­lichung des Thürin­gischen Landeshauptarchivs Weimar] Weimar, S. 328 – 386; Roselt, Christoph (1958): Unser Museum weiterhin im Aufbau. In: Kulturspiegel Arnstadt, März 1958; Meiland, Ernst (1960): Die Bücher des Puppenmuseums „Mon Plaisir“ in Arnstadt. In: Marginalien, Bd. 8, Berlin; Leber (1965); Leber (1968); Kähler, Otto (o. A.): Bühnenbild in historischen Zeugnissen. [s. l.], hier Abb. Hoftheater; Wilckens, Leonie von (1978): Das Puppenhaus. Vom Spiegelbild des bürger­lichen

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Desinteresse an der Sammlung während des 19. Jahrhunderts spiegelt sich im Fehlen jeg­licher Äußerungen zur Sammlung zwischen 1820 (Vulpius) und 1883 (­Wedemann) wider, als die Sammlung auf dem Dachboden des Arnstädter Waisenhauses in Vergessenheit geraten war. In den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs kam es zu einer ersten Welle des Interesses an Mon Plaisir, besonders nachdem es wieder nach Schloss Arnstadt überführt und

Hausstandes zum Spielzeug für Kinder. München, S. 59 f.; Fuhrmann, Hartmut (1985): Arnstadt zur Bachzeit. In: Beiträge zur Heimatgeschichte Stadt und Kreis Arnstadt, Bd. 4, S. 27 – 40, S. 28; Dürbaum, Dörte (1990): Arnstadt-Puppen im Goethe-Haus. In: Cieslik’s Puppenmagazin, Bd. 4, S. 27 – 29; Glase, Jost (1992): Die vergnüg­liche Stadt (Nachlass). In: Stadtinformation Arnstadt, Bd. 4, S. 5 – 7; Klein, Matthias; Müller, Carola (1992): Die Puppenstadt im Schlossmuseum zu Arnstadt. Königstein im Taunus. Klein und Müller vergleichen Mon Plaisir mit den anderen zeitgenös­sische Häusern, konstatieren jedoch, dass Mon Plaisir „weit über die Zielstellung vergleichbarer Puppenhäuser […] hinaus“ ginge (S. 2). Nach einer kurzen Einführung zur Fürstin und der Geschichte der Sammlung liegt der Schwerpunkt auf den Puppen selbst; Müller-Krumbach, Renate (1992): Kleine heile Welt. Eine Kulturgeschichte der Puppenstube. Leipzig, S. 25 – 30; Pleticha, Heinrich; Beyer, Constantin (1995): Die Puppenstadt „Mon Plaisir“. Ein Lesebuch. Würzburg. Nach einer einleitenden Beschäftigung mit den Bedingungen der Miniatur und den Relationen des Menschen zum Kleinen („einmal Gulliver sein“), nutzen die Autoren die Puppenstadt als Folie zur Lebensbeschreibung eines barocken Hofes, des bürger­lichen Lebens sowie des Alltags in einer Kleinstadt im 18. Jahrhundert; Flanze, Gerald (1997): Puppenhäuser selber bauen. Augsburg (mit Abb. von Mon Plaisir); Klein (1999); Scheidt, Helga (2000): Das Stadtbild Arnstadts um 1700 und die Augustenburg. In: Ausstellungskatalog Arnstadt (2000), S. 49 – 61; Scheidt, Helga (2000): Künstler und Werke der bildenden Kunst und des Kunsthandwerks in Arnstadt und am Hofe Anton Günthers II. In: Ibid., S. 89 – 114; Scheidt, Helga (2003): „Warffen Dero hohe Gnade auf mich, und meine Kunst“. Zur Stellung Johann Alexander Thieles am fürst­lichen Hof zu Arnstadt. In: Schlossmuseum Sondershausen (Hg.) (2003): „Wie über die Natur die Kunst des Pinsels steigt“. Johann ­Alexander Thiele (1685 – 1752). Thüringer Prospekte und Landschafts-Inventionen. ­Weimar und Jena, S. 77 – 104; Unger, Corona (2005): Aspekte höfischen Lebens im Spiegel der Puppen­sammlung „Mon Plaisir“. In: Aus der Vergangenheit von Arnstadt und Umgebung, Bd. 14, S. 55 – 70; Laß, Heiko (2006): Jagd- und Lustschlösser. Kunst und Kultur zweier landesherr­licher Bauaufgaben. Dargestellt an thürin­gischen Bauten des 17. und 18. Jahrhunderts. Petersberg; Kunze, Kathrin (2006): Kostbarkeiten der Barockzeit. Fayencen des 18. Jahrhunderts aus dem Thüringer Museum Eisenach. Marburg, S. 106 – 115; Müllerott, Hansjürgen (Hg.) (2009): Quellen zur Geschichte des Lustschlosses Augustenburg. Arnstadt; Scheidt, Helga (2010): Die Rolle der flämischen Tapisserien bei der Herrscherinszenierung der Schwarzburger in Schloß Neideck vom 16. bis 18. Jahrhundert und in Schloß Gehren in der Neuzeit. In: Schloßmuseum Arnstadt (Hg.) (2010): Günther XLI. Graf von Schwarzburg. Flämische Tapisserien des 16. Jahrhunderts. Jena, S. 115 – 144.

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der Öffent­lichkeit zugäng­lich gemacht worden war. Nach der Auslagerung während des Krieges und der Rückkehr der Sammlung folgten Publikationen der jeweiligen Kuratoren (Roselt, Leber). Zu DDR-Zeiten wurde Mon Plaisir nur eingeschränkt von der westdeutschen Forschung wahrgenommen.54 Eine breitere Rezeption setzte in den 1990er Jahren ein. Das eigent­liche Korpus der relevanten Literatur zu Mon Plaisir entstand unter den Kuratoren des Arnstädter Schlossmuseums und der lokalhistorischen Forschung im Rahmen kleiner Artikel, die in Ton und Stil unverkennbar lokal und politisch verortet waren. Die politischen Hintergründe der Forschungsdebatten zur Arnstädter ,Puppenstadt‘ spiegeln sich in den zeit­lichen und lokal gebundenen Beurteilungen der Sammlung. Während nationalsozialistische Autoren die kleinbürger­liche Idylle schilderten, zeigt sich die marxistische Kritik an der monarchischen Ständepyramide. Auch das Urteil der DDR-Forschung der 1960er Jahre zeigt das Dilemma der ostdeutschen Kulturgeschichte, die einerseits regio­ nales Kulturgut mit dem Ziel einer touristischen Erschließung würdigte, sich jedoch andererseits bis in die 1980er Jahre hinein über den Umgang mit den Hinterlassenschaften der Monarchie nicht im Klaren war. Im Jahr 1983 wurde die Sammlung in eine eng­lische Publikation aufgenommen und dadurch weltweit bekannt gemacht.55 Mittlerweile gehört Mon Plaisir zum etablierten Kanon der barocken Puppenhäuser.56 Auguste Dorothea und ihre Sammlung werden in allen Publikationen stets gemeinsam genannt. Mon Plaisir wird als „Laune einer schwarzbur­gischen Fürstin“57 bezeichnet, als „seltsames Werk einer Hofgesellschaft […] [und] Lebenswerk einer glücklosen Fürstin“,58 als absolutistisches Spiegelbild 59 und als Abbild der ­Ständepyramide.60 54 Siehe von Wilckens (1978); Bayer (Bayer, Lydia (1962): Das Europäische Puppenhaus von 1550 – 1800. Geschichte und Formen, ein Spiegelbild der gleichzeitigen Wohnkultur. [Disser­tation] Würzburg) scheint Mon Plaisir, im geteilten Deutschland der 60er Jahre, nicht bekannt gewesen zu sein. 55 King, Constance Eileen (1983): The Collectors’s History of Dolls’ Houses, Doll’s House Dolls and Miniatures. London, S. 75 – 98. King rezipierte unkritisch ältere Literatur und kolportiert den Topos der lonely widow, wie auch einige Fehlinformationen, beispielsweise die Behauptung, die Augustenburg sei mehrfach ausgeraubt und die Galerie der Augusten­ burg extra für Mon Plaisir gebaut worden. Ansonsten bietet King jedoch einen an der Biografie der Fürstin interessierten Blick auf die Sammlung; Eaton (1990), vergleicht Mon Plaisir mit einem Dokumentarfilm. 56 Pasierbska, Halina (2008): Dolls’ Houses from the V & A Museum of Childhood. London, S. 15 f. Der Bildband eröffnet mit der doppelseitigen Darstellung einer Szene aus Mon Plaisir. 57 Arnstädter Anzeiger, 28.10.1930. 58 Rehbein, Berliner Morgenpost, 24.4.1938. 59 Roselt (1956), S. 68. 60 Leber (1968), S. 223.

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Einleitung

Abb. 4: Mon Plaisir, Kaiser­liche Post, Dame bei der Abendtoilette

Viele Publikationen transportieren moderne oder topische Vorstellungen vom bürger­ lichen Witwenstand und beschreiben den Witwenhof der Fürstin als einsam, das Leben auf dem Lustschloss Augustenburg als still und trostlos und Mon Plaisir als zentralen Lebensinhalt von Auguste Dorothea: „Für die Fürstin selbst war das ganze zunächst wohl nichts anderes als ein spielerischer Zeitvertreib auf dem einsamen Landsitz, eine Verkürzung ihrer jahrelangen Witwenzeit, ein kostspieliges Plaisir, das jedoch im Verlauf der Jahre zum eigent­lichen Inhalt ihres Lebens wurde.“61 In der Forschung wird die Bedeutung der Sammlung für die Besitzerin so dargestellt, als wäre zumindest ihr gesamtes Witwenleben um die Erschaffung der Puppenstadt 61 Roselt (1956), S. 60.

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herum konstruiert gewesen. „Augustenburg wurde ein seltsamer Musenhof; statt in Schäferspielen und ähn­lichen Rokokovergnügungen verbrachte der ganze Hofstaat seine Tage mit der Herstellung einer getreuen Wiedergabe seines Zeitbildes im Zwergenmaßstabe.“62 Das Leben der Fürstin und das der ganzen Residenzstadt zirkelten in der Vorstellung der Autoren und Autorinnen um die ungewöhn­liche Selbstdarstellung. „Alle Handwerker der nahen Stadt mussten dabei helfen, Tischler und Schmied, Schuster und Schneider, Töpfer, Zinngießer, Klempner, Schlosser, Maler, Korbflechter, Polsterer usw.“63 Sogar die vermut­lich aus merkantilistischen Interessen von der Fürstin nach Wolfenbütteler Vorbild gegründete Fayencemanufaktur Dorotheental wird einzig in den Dienst der Sammlung gestellt: „Wir dürfen sogar annehmen, daß die Porzellanmanufaktur Dorotheental gleich neben der Augustenburg in erster Linie im Hinblick auf den Bedarf der Puppenstadt an Geschirr und Schmuck angelegt worden ist.“64 Die Abhängigkeit der Sammlung von Auguste Dorothea wurde also stets wahrgenommen, allerdings ohne die Puppenstadt als konkretes Selbstzeugnis zu bewerten. Trotzdem wurden et­liche Figurinen mehrfach als Portraits der Fürstin identifiziert.65 So schreibt zum Beispiel Müller-Krumbach, da die Fürstin selbst Kontakt zu den Ursulinen gehabt habe, sei es „nur natür­lich, daß sie auch der Schilderung des Klosterlebens Räume in ihrer Puppenstadt zuweist“.66 Eine kompensatorische Funktion der Sammlung im Leben der Fürstin meinte B ­ ristol zu erkennen: „[Mon Plaisir is] not so much a dolls’ house as an extraordinarily complicated set of rooms […] which mirrored the life at court she would have enjoyed – she began to create an entire town. Her real life was much less fun than her fantasy life. Her husband neglected her, she had no children and she could ill-afford her expensive hobby.“67 62 Rehbein (1938). 63 Ibid. 64 Ibid. 65 „The dolls […] are copies of real people, including the princess herself“, Bristol, Olivia; Geddes-Brown, Leslie (1997): Dolls’ Houses. Domestic Life and Architectural Styles in Miniature from the 17th Century to the Present Day. London, S. 36; die Fürstin sei auch als Puppe „immediatly identifiable“. King (1983), S. 87. 66 Müller-Krumbach (1992), S. 27. 67 Bristol/Geddes-Brown (1997), S. 36; Caroline Clifton-Mogg folgt Jackson auch bei der bislang nicht verifizierbaren Aussage, Auguste Dorothea habe das Puppenhaus zu Lebzeiten zugunsten des Waisenhauses ausgestellt: „[The duchess] devoted her widowhood to the creation of a fully populated dolls’ town […] all portraying the life of a […] German

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Einleitung

Die denkbaren Parallelen zwischen den narrativ angelegten Szenen des Mon ­Plaisir und dem Leben der Fürstin basierten bis dato allerdings auf einer oberfläch­ lichen Sichtung der Quellen und einer sehr schnellen Zuschreibung von Ähn­ lichkeit. Die Idee der gedank­lichen Nähe zwischen der Sammlung und dem Leben der Stifterin findet sich bei King, die Mon Plaisir als Modell ihres Lebens interpretierte: „[…] this lady found it necessary to construct a model of the town in which she lived, represented complete with its inhabitants engaged in their daily life“.68 Die (populärwissenschaft­liche) Forschung skizziert Mon Plaisir also meist als Ergebnis des einsamen Lebens einer gelangweilten Witwe „who spent too much time alone“,69 die sich in der „Abgeschiedenheit ihres Lustschloßes ihrer künstlerischen Sammelleidenschaft“70 gewidmet habe. Zusätz­lich betont die neuere Literatur vor allem die angeb­liche Verschwendungssucht und die Verschuldung der Herzogin durch die Sammlung,71 deren „übermäßige Ausgaben […] nicht unwesent­lich zu einer Entfremdung der Ehegatten beigetragen“72 habe und die „die Tilgung den Überlebenden auf[bürdete]“.73

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town as if it were a theatrical event, with dolls acting the parts of royalty, courtiers, ­servants and citizens.“ Prinz und Prinzessin werden von der Autorin ebenfalls identifiziert, die Beschreibung wird in ein Narrativ eingebunden, „all providing insights into the customs of the times“. Clifton-Mogg, Caroline (1993): The Doll’s House Sourcebook. London, S. 15 f. King (1983), S. 75 und 76. Ibid., S. 77. Klein/Müller (1992), S. 3. „Auguste Dorothea von Brauschweig-Wolfenbüttel“, siehe Jarck, Horst-Rüdiger; Lent, Dieter (Hgg.) (2006): Braunschwei­gisches Biographisches Lexikon. 8.–18. Jahrhundert. Braunschweig, S. 59 f.; auch Müller-Krumbach (1992), S. 25; zum gleichen Urteil kommen Vertreter der Thürin­gische Landesgeschichte, die Auguste Dorothea folgendermaßen charakterisieren: „[…] eine sehr kunstsinnige Persön­lichkeit, aber ebenso verschwenderisch und daher ständig verschuldet, hat mit den 82 Schaukästen der Puppenstadt ,Mon Plaisir‘ ein einmaliges Denkmal der materiellen Volks- und höfischen Kultur in Thüringen aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts hinterlassen, das einen einzigar­ tigen Einblick in die gesamte häus­liche und insbesondere in die Wohnkultur dieser Zeit gewährt […]. Wenn sich der barocke Glanz eines absoluten Staates in Arnstadt in einer Puppenstadt erschöpfte, so war davon in Sondershausen noch weniger zu spüren.“ Siehe Patze, Hans; Schlesinger, Walter (Hgg.) (1984): Geschichte Thüringens. Köln, S. 558; Klein (1992), S. 3 f. Leber (1965), S. 14; King (1983), S. 76. Leber (1968), S. 218.

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Ebenfalls wurde der Fürstin ohne genaues Quellenstudium planvolles und zugleich spielerisches Abbilden ihrer Lebenswelt unterstellt,74 da „von Anfang an das umfassende Programm der Anlage in allen wesent­lichen Punkten eindeutig“75 festgestanden habe und dennoch der Fürstin die eigent­liche Bedeutung ihrer Hinter­lassenschaft unbewusst gewesen sein soll: „Zu Beginn des 18. Jahrhunderts faßte die Fürstin […] den Entschluß, das Leben und Treiben ihrer kleinen Residenzstadt mit allem, was dazu gehörte, in einer Reihe von Puppenhäusern nachzubilden. […] Eindring­licher und liebenswürdiger zugleich kann Kulturgeschichte nicht gelehrt werden. Nichts fehlt! […] Der ganze Hofstaat mußte mithelfen, um das umfangreiche Werk zu vollenden. Die Damen schneiderten die bunten Kleider nach der neuesten Mode für ihre kleinen Ebenbilder und stickten die vielen winzigen Tisch- und Handtücher. Die eleganten Anzüge der Kavaliere fertigte der Herr Hofschneider […]. Alle Handwerker der Stadt mußten mit ihrer Kunst zur Ausstattung des Puppenhauses beisteuern. Der Tischler lieferte die kleinen Möbel, der Kupferschmied und der Zinngießer das Küchengeschirr […]. Der Fürstin mag es wohl kaum zum Bewußtsein gekommen sein, daß sie nicht nur eine galante Spielerei, die ihr die lange Witwenzeit verkürzen sollte, geschaffen hat, sondern daß sie ein Kultur­ dokument geschaffen hat“.76

Der Herstellungsprozess wird bei Gröber als sozialer Akt innerhalb der ständischen Gesellschaft und als Ausdruck ihrer Hierarchisierung thematisiert. Bei Jackson wurde die handwerk­liche Entstehung des Mon Plaisir kritisch als fürst­liches ­Mittel der ständischen Unterdrückung bewertet: „Um ihren Traum wahr werden zu lassen und um diese überwältigend detailreiche Minia­ turwelt schaffen zu können, stürzte sich die Herzogin […] für die Bezahlung von Material und Handwerkern tief in Schulden. Jedes Mädchen aus ihrer Umgebung, das nähen konnte, wurde in Dienst gepreßt; Mönche aus Erfurt fertigten aus Wachs die Köpfe und Hände der Figuren, und ein Heer von Gürtlern, Kistlern, Künstlern und Handwerkern wurde eingesetzt.“77

74 75 76 77

Pasierbska (2008), S. 15: „intended record of life“. Leber (1965), S. 36; ebenfalls Klein (1992), S. 5. Gröber (1934), S. 2. Jackson (1989), S. 43.

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Einleitung

Leber betrachtete Mon Plaisir ebenfalls als Ausdruck der „absolutistischen Klassen­ pyramide“.78 Für die Fürstin „erwies sich der Einsatz vorhandener Kräfte, die in mehr oder minder großer Abhängigkeit zur Herrscherin standen, als ökonomisch recht günstig, weil diese sich den an sie gerichteten Aufträgen doch praktisch nicht entziehen konnten“. Die Zahl der Mitarbeiter sei anonym, mög­licherweise bestehend aus Angehörigen des Hofstaats, die „vermut­lich […] unter Anleitung der Fürstin“ gearbeitet haben.79 Auch die Handwerker seien namenlos, „die zur Vervollständigung der fürst­lichen Spielerei beitragen mußten“.80 Auguste Dorothea wurde bei Leber als Demagogin beschrieben, die mit Hilfe des Mon Plaisir ihre Untertanen unterdrückte. Mon Plaisir diente dem Autor als Beispiel, „wie sehr unter ihr […] besonders das Personal der Augustenburg zu leiden hatte“.81 Das Handwerken wird in der jüngeren Forschung jedoch auch gegenteilig bewertet, gerade unter Bezugnahme auf den Topos der Einsamkeit im Witwenstand, und der Nähe zur Biografie der Fürstin allein zugeschrieben und als ungewöhn­liche Beschäftigung und Exzentrik ihrer Person ausgewiesen.82 Kaum eine Untersuchung richtete einen detaillierten und informierten Blick auf die Stile des Interieurs, des Möbels oder des Kostüms, die eine präzisere Datierung mög­lich machen könnte und darauf hindeuten würde, dass die Sammlung bereits vor dem Eintritt der Witwenschaft begonnen wurde. Stattdessen wird Mon Plaisir von den meisten Autoren und Autorinnen pauschal als Werk der Witwenzeit ausgewiesen.83 Aufgrund seines Umfangs firmiert Mon Plaisir als Unikat. Bislang konnte die Forschung keine konkreten Vorgänger oder Nachfolger benennen.84 Noch zu wenig wurde auf die Tradition des europäischen Puppenhauses verwiesen, in dessen Kontext Mon Plaisir einzuschreiben ist. Leber sah einen Zusammenhang zwischen den Kunst- und Wunderkammern der Spätrenaissance und der Entstehung der Augsburger Kunstschränke sowie den darauffolgenden 78 79 80 81

Leber (1968), S. 223. Leber (1965), S. 16. Ibid., S. 33. Ibid., S. 37, eine Einschätzung, die durch ihren zeit­lichen und räum­lichen Entstehungskontext geprägt war. Leber geht davon aus, dass 350 Paar Socken für die Puppen gestrickt wurden und schlägt vor, man solle selbst mit 3 cm langen Nadeln stricken und damit die „Qual“ nachvollziehen. 82 King (1983), S. 77. 83 Jackson (1989), S. 43; nicht so Klein (1992), S. 4, der den Ankauf von Puppenzeug bereits 1697 nachweist. 84 King (1983), S. 75.

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Puppenhäusern.85 Als dezidierte Ausnahme behandelt Müller-Krumbach Mon ­Plaisir: „Einen Höhepunkt, aber auch einen Ausnahmefall in der Entwicklungsgeschichte des Puppenhauses […] stellt die Puppenstadt Mon Plaisir in Arnstadt, die umfangreichste Einrichtung dieser Art in der Welt, dar.“86 In Bezug auf die Funktion des Mon Plaisir schwanken die Vorschläge, wie bei allen barocken Puppenhäusern, zwischen Spielzeug, Erziehungsinstrument und Repräsentationsstück.87 Eine weitere Funktion könnte im Format der Miniatur selbst begründet liegen: „Welcher Zweck nun auch immer dem verkleinerten Abbild mensch­lichen Lebens und mensch­licher Wirk­lichkeit bestimmt war, es gehört wohl über alle Zeit zum schöpfe­ rischen Wollen des Menschen, sich selbst und die Welt noch einmal in einer überschaubaren, gleichsam beherrschbaren Form darzustellen. Zugleich findet damit ein ewig spielerisches Moment unseres Wesens seinen Ausdruck.“88

Die irritierende ästhetische Uneinheit­lichkeit des Mon Plaisir erschwert die Einordnung als Kunstkammerstück und/oder Spielzeug. Mehrere Publikationen benennen die wechselnde Qualität von Puppen und Mobiliar, besonders aber den frappierenden Unterschied zwischen der Einfachheit der Rahmung (der Kästen) und der qualitativ höherwertigen Ausstattung. Im Gegensatz zur Innenraumgestaltung, vor allem der Wände, sind „die Gebäude, die die Räume bergen, sch­licht und nicht einem fürst­lichen Schloß nachgebildet“.89 Die fehlende oder unterschied­liche Qualität wird der langen Entstehungszeit oder den finanziellen Mög­lichkeiten der Fürstin zugeschrieben. Eine ästhetische Absicht oder besser Indifferenz wird nicht vermutet. Die Inszenierung der Szenen selbst wird als bilderbuch- oder tribünenartig beschrieben, in der „wie auf einer Theaterbühne […] lebensecht wirkende Puppen […] die Rollen von Hofstaat und Bürgerschaft [spielen]“.90 In 85 Leber (1965), S. 8. 86 Müller-Krumbach (1992), S. 25. 87 „Alles war darauf ausgerichtet, reiche Bürgerstöchter auf den begrenzten Aufgabenkreis des Haushaltens vorzubreiten […]. [Eine] genaue Scheidung zwischen repräsentativem Kunstkammerstück und Puppenhaus [ist] nicht zu ziehen. Gerade die holländischen Puppenhäuser bilden jenen Grenzbereich, in dem sie sich vom Kinderspielzeug zu einem großbürger­lichen oder fürst­lichen, ausschließ­lich dem Repräsentationsbereich angehörenden Prunkstück wandeln.“ Leber (1965), S. 9. 88 Glase (1992), S. 5. 89 Müller-Krumbach (1992), S. 26. 90 Jackson (1989), S. 43.

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Einleitung

der eng­lischen Forschung beeindrucken vor allem die Figurinen und weniger die Rahmungen: „[…] it is the dolls that seem to dominate, so that when the town is seen for the first time, the initial impression is one of breathtaking selection of fine figures in fairly rudimentary settings“.91 Dieser starke Gegensatz werde durch die sehr einfachen, weißen Holzkästen verstärkt. King ist der Meinung, dass „the princess’s main interest seems to have lain with the many characters and the interiors, so that the buildings were mere sketches against which she assembled her extravagant tableaux“.92 Dennoch findet sie auch hier noch eine vermutete Nähe zu den Lebensumständen der Fürstin: „Like the model Mon Plaisir, the Augusten­burg was provided with a fairly simple exterior, but the princess threw all her energy into furnishing the rooms with costly items.“93 Die Tatsache, dass ihr Gemahl Anton Günther II. von Schwarzburg-Arnstadt circa zweihunderttausend Taler allein für seine numismatische Sammlung ausgab, toleriert die Forschung als legitime und standesgemäße Ausgaben eines Landesherrn. Auguste Dorotheas, als aus ihrer Sicht ihren Mann im Adelsrang überragende Hochadelige, eigene obligatorischen Ausgaben, die nur einen geringen Teil der Ausgaben ihres Mannes ausmachten, bewertet die Forschung als Verschwendung und geht sogar so weit, Auguste Dorothea den Staatsbankrott Schwarzburg-­ Arnstadts anzulasten. Hier greifen auch in der zeitgenös­sischen Forschung noch stereotypische Vorstellungen von sozial determinierten, geschlecht­lich gebun­denen Tugenden. Zeitgleich schwingt in der Forschung die moderne Bewertung von sozialer Gerechtigkeit mit, die mit leichtem Vorwurf die hohen Ausgaben einer alternden Fürstin gegenüber den unteren Schichten wahrnimmt und damit den Kontext von Stand und Epoche aus den Augen verliert.

91 King (1983), S. 75. 92 Ibid., S. 76. 93 Ibid.

2.

Das Puppenhaus als Kulturdokument und Kunstkammerstück

2.1 Beobachtungen zur Gattung Puppenhaus 2.1.1 Ein Puppenhaus als Quelle – Vom Abbild der Wirklichkeit zum Medium des Ideals

Das allgemeine Interesse an der Gattung Puppenhaus in der Forschung ist nicht ausgeprägt. Es gibt nur wenige wissenschaft­liche Publikationen, die sich mit Puppen­häusern beschäftigen, jedoch eine große Menge an populären Büchern. Die disziplinäre Herkunft der wissenschaft­lichen Bearbeitungen liegt zwischen Pädagogik, Volkskunde, Geschichte und Kunstgeschichte und kann drei thema­ tischen Bereichen zugeordnet werden. Puppenhäuser werden zum einen als Spielzeug definiert und allgemein als Erziehungsinstrumente bewertet.1 Die zweite und dominante Gruppe der wissenschaft­lichen Literatur behandelt Puppenhäuser zum anderen als sozialhistorisch relevantes Zeitzeugnis, als kulturgeschicht­lich authentisches Abbild und Dokument. Abschließend greift der dritte und quantitativ umfangreichste Zugang zu Puppenhäusern den populärwissenschaft­lichen Aspekt der Miniatur als Sammlungsgegenstand auf. Von eigent­licher Forschung im Sinn einer systematischen Auseinandersetzung mit der Gattung kann bislang kaum gesprochen werden.



1 Die Publikationen, die Puppenhäuser als Spielzeug betrachten, behandeln üb­licherweise das 19. und frühe 20. Jahrhundert und nehmen primär die pädago­gischen Aspekte von Spielzeug in den Blick. Vor allem Einzelszenen wie Puppenküchen (oder geschlechtsanalog z. B. Zinnfiguren) werden als Medien der Erziehung im Sinne zeitgenös­sischer Geschlechterrollen gedeutet. Zu dieser Gruppe gehören auch Publikationen, die sich mit der Herstellungsgeschichte, mit Protoindustrie beziehungsweise mit industrieller Fertigung von Puppenhäusern beschäftigen. Siehe auch: Hampe (1921); Gröber (1928); Boehn, Max von (1929): Puppen und Puppenspiele. München; ders. (1972): Puppets and Automata. New York; Baecker, Carlernst; Jeanmaire, Claude; Väterlein, Christian (Hgg.) (1988): Die Anderen Nürnberger. Technisches Spielzeug aus der „guten alten Zeit“. Frankfurt/Main; Jeanmaire, Claude; Baecker, Carlernst; Haas, Dieter (1992): Technisches Spielzeug im Wandel der Zeit. Frankfurt/Main; Faber, Michael (1993): Kindheit – Spielzeit. Köln.

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Das Puppenhaus als Kulturdokument und Kunstkammerstück

Die Interpretationen unterscheiden sich entsprechend ihrer Zugänge und Pers­ pektiven. Die fast ausschließ­lich aus Frauen bestehende Autorenschaft kommt meist aus dem konkreten Umgang mit der Objektgruppe, entweder aus musealen Kontexten oder aus der eigenen Sammlungstätigkeit und Liebhaberei, welche der schrift­lichen Auseinandersetzung mit dem Objekt vorangeht. Darin liegt zugleich auch eine generelle Eigenart der Literatur. Sie ist undistanziert, fast persön­lich und nicht beschreibend, sondern narrativ angelegt. Bei der Darstellung der Schlafstube im Puppenhaus der Familie Kress von Kressenstein aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, welches sich im Besitz des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg befindet, schreiben zum Beispiel Bristol und Geddes-Brown: „another grand lady doll sits in her underclothes trying to decide what to wear that day – her choices are laid out, presumably by servants“.2 Den Figurinen wird menschenähn­ liches Handeln unterstellt. Die Beschäftigung mit Puppenhäusern ist zudem an bestimmte Kulturräume gebunden. Die einschlägige Literatur stammt aus England, Deutschland, den Niederlanden und den USA. In diesen Regionen gibt es entweder noch einen größeren Bestand an historischen Puppenhäusern oder die Sammlungstätigkeit ist dort auch heute noch sehr lebendig. Miniaturhäuser sind offensicht­lich Teil einer historisch gewachsenen Kulturpraxis, die bestimmten Bedingungen unterlag und unterliegt. Aus ihr speist sich auch die heutige Beschäftigung mit der Gattung. Der folgende Überblick versucht, die grundsätz­lichen Argumenta­ tionslinien der oben skizzierten Gruppen darzulegen und einzelne, herausragende Standardwerke darzustellen. 2.1.2 Zur Rezeption von Puppenhäusern

Seit der nachweisbaren Existenz von Puppenhäusern im 15. Jahrhundert findet sich bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein keine generelle Abhandlung über die Gattung. Nur in kleinen Artikeln aus lokalhistorischem oder kuratorischem Kontext setzte langsam eine Würdigung der als volkstüm­lich und nicht künstlerisch eingestuften Objektgruppe ein. Das 19. Jahrhundert zeigte wenig Interesse an der Gattung, nur vereinzelt kam es zu Publikationen, die vor allem Quellenbestände auswerteten.3 2 Bristol/ Geddes-Brown (1997), S. 24. 3 Stockbauer, Jacob (1879): Das Dockenhaus in der Kunstkammer Herzog Albrecht V. von Bayern. In: Anzeiger für die Kunde der deutschen Vorzeit, Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum, Bd. 26, S. 313 – 320; Boesch, Hans (1879): Die Puppenhäuser des Germanischen Museums. In: Anzeiger für die Kunde der deutschen Vorzeit, Mitteilungen

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Puppenhäuser, -stuben, -küchen und Puppen selbst wurden erst ab dem frühen 20. Jahrhundert in den Blick genommen und als Spielzeuge behandelt.4 Seitdem bildete sich in der Literatur eine periodische Publikationstätigkeit ab, die an die Generationenfolge von wenigen Expertinnen gebunden zu sein scheint. In einer Welle entstanden fast zeitgleich in den USA, England, Holland und Deutschland erstmalig in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts Überblickswerke durch Flora Gill Jacobs, Vivienne Greene und Leonie von Wilckens.5 Alle drei Autorinnen publizierten in den Folgejahren weiter ambitionierte Pionier- und Lebenswerke, die als einführende Standardwerke gelten. Dabei befassen sich die Autorinnen hauptsäch­lich mit der Objektgruppe ihres eigenen Herkunftslandes. Vertiefend für den deutschen Zugang soll die Dissertation von Lydia Bayer von 1962 aus dem Kontext des Spielzeugmuseums Nürnberg dienen, die mit vergleichendem Blick dem europäischen Puppenhaus gewidmet und prototypisch in Herangehen, Methode und Perspektive ist. Sie versucht „das Puppen­haus mit dem Haus natür­licher Größe in Beziehung [zu] setzen und aus diesem Vergleich die Geschichte der Wohnkultur Europas von 1550 bis 1800 in einem neuen Licht erscheinen [zu] lassen“. Weiter sollen die Zusammenhänge „einzelner Gebrauchsgüter nach Sinn und Zweck bestimmt“6 werden; ein klar kultur­historischer Blick also auf das Puppenhaus und sein Interieur, das als Folie zur Bestimmung der eigent­lichen Lebenspraxis dienen soll. Wie auch alle folgenden Publika­tionen wartet Bayer mit einer Geschichte des Puppenhauses auf, die immer mit der Referenz an das Puppenhaus in der Münchener Kunstkammer von 1557/58 beginnt, welches üb­licherweise als „terminus post quem der Entwicklungsreihe dieser

aus dem Germanischen Nationalmuseum, Bd. 26, S. 233; Victoria and Albert Museum (1926): A Picture Book of Dolls and Dolls’ Houses. London. Die Ausnahme bildet die Beschreibung der eigenen Familiengeschichte anhand des Gontard`schen Puppenhauses: Jügel, Carl (1921): Das Puppenhaus. Ein Erbstück in der Gontard’schen Familie: Bruch­ stücke aus den Erinnerungen und Familienpapieren eines Siebenzigers. Frankfurt/Main, die bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts entstand, aber erst 1921 in Druck ging. 4 Hampe (1921); Gröber (1928); Boehn (1929); als aktuelles Beispiel siehe Cieslik, Marianne; Köhler, Swantje (2003): Lexikon der Puppenstuben und Puppenhäuser. Jü­lich. 5 Siehe Jacobs, Flora Gill (1953): A History of Dolls’ Houses: Four Centuries of the Domestic World in Miniature. London; Greene, Vivien (1955): English Dolls’ Houses of the Eighteenth and Nineteenth Centuries. London; Wilckens, Leonie von (1956): Tageslauf im Puppenhaus. Bürger­liches Leben vor dreihundert Jahren. München; Leesberg-Terwindt, J. H. M. (1955): Poppenhuizen. Amsterdam; Victoria and Albert Museum (1960): Dolls’ Houses. London; Bayer (1962); Jacobs, Flora Gill (1965): A History of Dolls’ Houses. New York. 6 Bayer (1962), S. II.

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Das Puppenhaus als Kulturdokument und Kunstkammerstück

Gattung“7 genannt wird. Der Fokus der Forschung auf der kulturgeschicht­lichen Bedeutung der Gattung blieb auch in den Publikationen der 1970er Jahre bestehen.8 Leonie von Wilckens (1978) beginnt ihre funktionsgerichteten Ausführungen „Vom Spiegel des bürger­lichen Hausstandes zum Spielzeug für ­Kinder“ mit Gattungsbeispielen adeliger, barocker Kunst­kammern, fokussiert sich dann jedoch auf das süddeutsche Puppenhaus und behandelt deren Interieurs als „Spiegel eines bürger­lichen Hauses und Hausstandes“.9 Ihrer – mittlerweile etablierten – Hypothese nach waren Puppenhäuser zwischen dem 16. und frühen 19. Jahrhundert nicht als Spielzeug für Kinder konzipiert, sondern als Haushaltslehrstücke mit repräsentativem Charakter. Doch auch hier liegt der Schwerpunkt der Ausführung auf dem konkreten Vergleich zwischen lebenswelt­lichem Vorbild und Abbild im historisch als Dockenhaus bezeichneten Puppenhaus: „In rechter Vollständigkeit ist im Kleinen […] alles in den großen alten süddeutschen Puppen­häusern […] bewahrt“,10 was an Haushaltsgegenständen im echten Leben zerstört wurde. Wilckens kommt dennoch das Verdienst zu, Quellen zu den zerstörten Dockenhäusern breit veröffent­licht zu haben.11 Die Rubrizierung von Puppenhäusern im kollektiven Gedächtnis als Kinderspielzeug für Mädchen führte und führt stets zu einer defensiv geführten Auseinandersetzung mit der Frage, ob es sich auch bei den barocken Häusern um Spielzeuge gehandelt habe. Wenngleich alle Autorinnen und Autoren die Tatsache anerkennen, dass es sich um Besitztümer erwachsener Frauen handelte, wurden immer wieder Argumente des Spielens ins Feld geführt und die argumentativen Ebenen vermischt. Die Tatsache, dass Puppenhäuser gerne mit Spielzeug assoziiert werden, verwarf beispielsweise Eileen King. Für King ist die Geschichte des Puppenhauses „rather the development of adult fascination with the miniature“.12 Ihrer Meinung nach gibt es eine eigenartige gegenseitige Beziehung zwischen adult amusement und Kinderspiel, die die komplette Geschichte der Miniatur

7 Ibid., S. 1; vgl. auch Volk-Knüttel, Brigitte (2008): Das Puppenhaus der Herzogin Anna von Bayern von 1558. In: Sauerländer, Willibald et al. (Hgg.) (2008): Die Münchner K ­ unstkammer. Bd. 3, [Aufsätze und Anhänge] München, S. 285 – 292. 8 Greene, Vivien (1973): Family Dolls’ Houses. London; King (1977); diesselbe (1983); Reinelt, Sabine (1985): Puppenküche und Puppenherd in drei Jahrhunderten. Weingarten. 9 Wilckens (1978), S. 5. 10 Ibid., S. 18. 11 So zum Dockenhaus von Albrecht V. von Bayern, dem Meierhof von Philipp II. von Pommern-­ Stettin, sowie dem Puppenhaus der Anna Köferlin. Ibid., S. 7 – 15. 12 King (1983), S. XXIII.

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durchzieht. King beklagte 1983 noch ein Forschungsdesiderat, nähert sich dann jedoch selbst wie all ihre Vorgängerinnen aus der Perspektive der Kulturgeschichte und interessiert sich deshalb hauptsäch­lich für Häuser im Originalzustand, im Sinn einer Beweiskraft und Zeugenschaft der Häuser, „as it is only in these specimen that we are given an even partially correct picture of everyday life in a particular country or specific time“.13 Der mediale Übersetzungsbruch, den die Gattung bewirkte und das daraus folgende komplexe Verhältnis zwischen realem Vorbild und miniaturisiertem Abbild wurde erst 1993 thematisiert, während zeitgleich die Qualität des Puppenhauses als Folie für das Imaginative in den Blick rückte.14 Der „phenominal appeal of this tiny universe is anything but simple. It encompasses a world nearly as diverse as the ­larger world it imitates […] these diminutive creations remain as evocations of a time gone by in which we can see the world as it was, or as someone may have dreamed it should be.“ Die Qualität der Puppenhäuser, vor allem der N ­ ürnberger Häuser des 17. Jahrhunderts als Zeitzeugnisse, ist auch hier unbestritten: „So extraordinarily realistic were these early houses, such complete models of properly organized, well-run Bavarian homes, that to this day they stand as invaluable documents for the social historian.“15 Sie seien jedoch nicht nur Dokumente der materiellen ­Kultur ihrer Entstehungsepoche, sondern transportierten auch „social attitudes, ­prevailing philosophies about childhood and education, economic factors – all find expression in the manufacture of these little domiciles“.16 Trotz des auch hier dominanten kultur­historischen Blicks auf Miniaturräume wird die Abstraktionsqualität der Miniaturen anerkannt wie auch die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit vom lebensgroßen Modell. „It is essential to visualize the finished product not as a reduced version of something big, but as something small in its own right and by its own nature, a harmonious whole in which all parts, small though they may be, are in proportion to each other.“17 Dem Original (ohne damit die Miniatur auf den Status einer Kopie reduzieren zu wollen) kommt die Rolle eines referenziellen Objektes zu, als Ausgangspunkt für the art of miniaturization. Bei den barocken

13 Ibid., S. XXIV. 14 Akre, Nancy (Hg.) (1983): Miniatures: Compiled for the Cooper-Hewitt Museum: The Smithsonian Institution’s National Museum of Design. New York; Müller-Krumbach (1992); Clifton-Mogg (1993); Bristol/Geddes-Brown (1997); Pasierbska, Halina (1998): Dolls’ House Furniture. Shire. 15 Akre (1993), S. 19. 16 Ibid., S. 23. 17 Ibid., S. 7.

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Das Puppenhaus als Kulturdokument und Kunstkammerstück

Puppenhäusern handelt es sich, nicht zuletzt aufgrund der medialen Brechung und Umsetzung in die Miniatur, um Ideale, um den Ausdruck einer bestimmten Zeit und eines Kulturraums, nicht jedoch um ein natür­liches Abbild.18 Olivia Bristol und Leslie Geddes-Brown besprechen 1997 die bekannten Puppenhäuser der drei Regionen (Süddeutschland, Holland, England) zwar auch vor der Vergleichsfolie der Alltagskultur, beginnen aber mit einer systematischen Erfassung der dargestellten Szenen und ihrer räum­lichen Funktionen, allerdings ohne diese im Hinblick auf ein für die Gattung obligatorisches Raumprogramm hin zu befragen. Zu fast jedem Beispiel wird der dezidierte Vergleich mit bestehender Architektur geführt, das Puppenhaus wird bezogen auf seine äußere Rahmung zum Modell oder zur Kopie realer Architektur. Dies hatte den positiven Effekt, dass alle Puppenhäuser fotografisch mit Sockel und Dachzone abgebildet und damit erstmalig in hoher Qualität komplett publiziert wurden. Den Autorinnen kommt es besonders auf die Interpretation auch der barocken Puppenhäuser als Kinderspielzeug an. Im Gegensatz dazu beschäftigte sich die Designhistorikerin Caroline Clifton-Mogg mit der Abbildhaftigkeit der Innenraumgestaltung. Sie machte es sich zur Aufgabe, die Verbindungen zwischen den originalgroßen Objekten und ihren miniaturisierten Gegenstücken zu erforschen. Dabei geht es ihr besonders um die gegenseitige Abhängigkeit zwischen Lebensumständen und Wohnraumgestaltung. In der Entwicklung zeitgenös­sischer Miniaturbau- und Sammlungstätigkeit vor der Folie historischer Dekorationssysteme geht die Autorin noch weiter. Denn als Motiv des erwachsenen Herstellens eines „realistic, three-dimensional picture […] of domestic life of our times“ benennt sie als Aufgabe: „furnishing a doll’s house in the style of today is recording for the future, just as our ancestors were“. Das Herstellen einer Miniatur wird hier also als Auftrag des Dokumentierens verstanden, als Zeugnis für die Nachwelt.19

18 Der Frage von Ideal und Abbildhaftigkeit gehe ich im Zusammenhang der Wirkungsprinzipien im Puppenhaus nach. Siehe Abschnitt 3.2 Das ästhetische Prinzip der Puppenstadt, S. 92. 19 Siehe Clifton-Mogg (1993), S. 9 und 11. Nach der Kurzbeschreibung berühmter Häuser aus dem 17. bis 20. Jahrhundert geht die Autorin zur Stilbeschreibung anhand eng­lischer Landhäuser über und beschreibt Lebensweisen, Konzepte von Privatheit und dekorative Systeme wie die von Inigo Jones (1573 – 1652), Christopher Wren (1632 – 1723), Thomas ­Chippendale (1718 – 79) und Sir John Soane (1753 – 1837) sowie Epochenstile. Der Beschreibung der Innendekoration folgt die der Architektur, in der explizite visuelle Vergleiche zwischen Originalhäusern und ihren Imitationen geführt werden (S. 34 f.). Hier auch das Beispiel eines Modellschlosses, Hever Castle, aus dem späten 15. Jahrhundert.

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Auch die aktuellsten wissenschaft­lichen Bearbeitungen der Gattung stammen aus dem Umfeld der großen Sammlungen von Nürnberg und dem Victoria and Albert Museum of Childhood in London und wurden dort von den jeweiligen langjährigen Kuratorinnen verfasst. Heidi Müller, die die Sammlung des Germa­ nischen Nationalmuseums bis vor Kurzem betreute, stellt in ihrer Publikation den Zusammenhang zwischen den Nürnberger Häusern und einem lokalen Hausmutter­traktat her.20 Müller vollzieht allerdings nicht den Schritt hin zur Verallgemeinerung und zieht auch keine Schlüsse aus der geografischen Gebundenheit der Gattung; ebenso Halina Pasierbska, die 2008 mit einer Publikation an die Öffent­lichkeit trat, deren primäres Ziel es ist, die vor allem in den Depots befind­lichen Stücke des Victoria and Albert Museums zu veröffent­lichen.21 Die wichtigste Publikation ist die Dissertation der niederländischen Spezialistin für Puppenhäuser Jet Pijzel-Dommisse. Bei ihr liegt der Fokus ausschließ­lich auf den Details der niederländischen Puppenkabinette, die vollständig aufgenommen wurden. Neben Besprechungen einzelner Raumtypen (Salon, Wäschekammer, Wochenstube) werden jede einzelne Objektgruppe erklärt und sämt­liche Objekte kunst- oder kulturhistorisch bestimmt.22 Neben den oben genannten Überblickswerken und Katalogen existieren einige Einzelmonografien. Das auffällige Charakteristikum dieser Publikationen ist neben der ausführ­lichen Darstellung der Geschichte, der Provenienz des Puppen­hauses und der Bedeutung eines jeden Hauses in „seiner“ Familie ein noch stärkerer Blick auf das einzelne Detail und dessen kulturhistorischen Kontext. Für die Frage nach der Deutung der Gattung als Selbstzeugnis oder Projektionsfläche sind diese Publi­ kationen am aufschlussreichsten.23 20 Müller, Heidi (2006): Ein Idealhaushalt in Miniaturformat. Nürnberg. 21 Pasierbska, Halina (2001): Dolls’ Houses. Shire; Pasierbska (2008). 22 Pijzel-Dommisse, Jet (2001): Het Hollandse pronkpoppenhuis. Interieur en huishouden in de 17de en 18de eeuw. Waanders. 23 Marwitz, Christa von der (1987): Das Gontard’sche Puppenhaus im Historischen Museum Frankfurt am Main, Frankfurt/Main; Marwitz, Christa von der; Kretschmann-Muche, Kirsten (1995): Das Offenbacher Puppenhaus von 1757. Leben im 18. Jahrhundert. Offenbach; Volk-Knüttel (2008); Muller, S.; Vogelsang, W. (1909): Holländische Patrizierhäuser. Utrecht; Dommisse, F. (1932): Het Poppenhuis in het Centraal Museum te Utrecht. Utrecht; Eeghen, I. H. van (1960): Het poppenhuis van Petronella de la Court huisvrouw van Adam Oortmans. In: Maandblad Amstelodamum, 47, S. 159 – 167; Soer, I. J. (1971): De kostuums uit het 17e eeuwse Utrechtse poppenhuis. In: Jaarboek Oud Utrecht, S. 46 – 66; Jansen, B. (1977): Een rondgang door het poppenhuis. [Gemeentemuseum] Den Haag; Veldkamp, M. (1977): Het Utrechts poppenhuis. Utrecht; Pijzel-Dommisse,

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Auch wenn der Versuch hier unternommen wurde, ist die Trennung zwischen Literatur von Kuratorinnen, Sammlerinnen und Bastlerinnen kaum aufrecht zu halten. Die Beschäftigung mit der Objektgruppe scheint eine Vorliebe für die Minia­ tur vorauszusetzen oder mit sich zu bringen. Begeisterung und Liebhaberei sind hörbar und auch die Geschlechtsgebundenheit des historischen Umgangs scheint sich als Bedingung der zeitgenös­sischen Beschäftigung abzubilden. Oft thema­ tisieren die Autorinnen Verlust- oder Defiziterfahrungen und begründen damit ihre eigene Auseinandersetzung mit der Miniatur. Auch werden die Darstellungen merk­lich von nostal­gischen Gedanken an das eigene Kinderspiel durchzogen. Insgesamt zeigen die Publikationen eine auffällige Vermischung von unpersön­lichem Studienobjekt und persön­licher Leidenschaft. Sie betrachten Puppenhäuser unterschwellig als ein mit voyeuristischer Freude genutztes ‚Guckloch‘ in eine andere Zeit und mitunter eine andere Schicht. 2.1.3 Wie „liest“ man ein Puppenhaus?Zum Symbolgehalt des Materials

Der anonyme Inventarisateur beschrieb 1751 Mon Plaisir nicht einfach nur – er identi­fizierte Szenen als Orte und Figurinen als Personen. Ähn­lich gingen die schrift­ lichen Quellen des 19. Jahrhunderts mit der Sammlung um und beschrieben „die Fürstin im Kindbette“.24 Es ist erstaun­lich, dass auch die Forschungsliteratur des Jet (1980): ’t Is poppe goet en anders niet. Het poppenhuis in het Frans Halsmuseum. Haarlem; Fock, C. W.; Ekkart, R. (1981): De portretgalerij van de familie De la Court. In: Jaarboek van het Centraal Bureau voor Genealogie, 35, S. 177 – 230; ­Pijzel-Dommisse, Jet (1987): Het Poppenhuis van Petronella de la Court. Utrecht; Runia, Epco (1998): Sara Poos van Amstel-Rothé – Poppenhuis. Zwolle; Scholten, F. (1999): Een yvore Mars van Francis, de beeldsnyder Van Bossuit en de familie de la Court. In: Bulletin van het Rijksmuseum, Bd. 47/1, S. 26 – 43; Wilkinson (1926); Niblack, Narcissa (1948): Handbook to the European Rooms in Miniature by Mrs. James Ward Thorne. [The Art Institute of Chicago]. Chicago; Stewart-Wilson, Mary; Cripps, David (1989): Das schönste Puppenhaus der Welt. Das Puppenhaus der eng­lischen Königin Mary. München; Ausstellungskatalog Chicago (1997): Within the Fairy Castle: Colleen M ­ oore’s Doll House at the Museum of Science and Industry. Chicago; Davis, Harry (1999): Tasha Tudor’s Dollhouse: A Lifetime in Miniature. Boston; Simmons, Laurie; Squiers, Carol; Nitsch, Carolina (2003): Laurie Simmons: In and Around the House ; Photographs 1976 – 78. Ostfildern; Weingartner, Fannia; Stepina, Elizabeth (2004): Miniature Rooms: The Thorne Rooms at the Art Institute of Chicago. Chicago; Clark, Sheila W. (2009): The Stettheimer Dollhouse. San Francisco. 24 Arnold (1804), nach Apfelstedt, Heinrich Friedrich Theodor (1856): Heimathskunde für die Bewohner des Fürstenthums Schwarzburg-Sondershausen. Bd. 2, Geographie der

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20. Jahrhunderts bislang mühelos die Fürstin als Figurine in Mon Plaisir identifizierte und ebenso der Ansicht war, zwischen dem Lebensumfeld der Fürstin und den Alltagsdarstellungen der Bürger und Bauern unterscheiden zu können. Ein Puppenhaus als Quelle einer kultur- und mikrohistorischen Untersuchung zu nutzen erfordert zunächst die Fähigkeit, das Visuelle auf verschiedenen Bedeutungsebenen zu dekodieren. Wie also liest man ein dreihundert Jahre altes, beweg­liches Puppenhaus? Mon Plaisir muss zunächst rekonstruiert werden, um es als historisches Dokument auswerten zu können. Das dynamische Grundprinzip des Puppenhauses stellt den Betrachter vor höhere Anforderungen als beispielsweise ein Gemälde.25 Alle Einzelteile müssen zuerst sortiert werden, bevor sie interpretiert werden ­können. Ein Puppenhaus besteht aus einem „Rahmen“, meist einem kastenförmigen Schrank, der auf jeder Regalebene in mehrere Kompartimente unterteilt ist. Größe, Gestaltung und Verzierung bestimmen den Grundcharakter der Sammlung, der zwischen Aufbewahrung und Repräsentation aufgespannt ist, und s­ tellen die Einheit des Inhalts her. Die Verkleidung der so entstandenen Räume und die wandfeste Ausstattung legen die Grundfunktion eines Raumes (Küche, Salon) fest. Die beweg­liche Ausstattung (Möbel, Kerzenhalter), die ebenfalls beweg­lichen Figurinen und die Textilien müssen einander zugeordnet und dann einzelnen ­Räumen zugewiesen werden. Die prinzipielle Dynamik der Puppenstadt macht eine präzise Rekonstruktion einzelner Szenen und des daran beteiligten Personals nicht mög­ lich. Mon Plaisir ist vergleichbar mit einem eingeschränkt variablen Puzzle, bei dem die einzelnen Teilchen zu bestimmten Regionen gehören, innerhalb derer jedoch ein gewisser Spielraum besteht. Die Zuordnung aller beweg­lichen Gegenstände untereinander und zu bestimmten Situationen erfolgt über die stilistische Zugehörigkeit ihrer Merkmale. Wandfeste Ausstattungen (Küche mit Herd) in Kombination mit funktionsgebundenen Objekten (Kochgeschirr) und klar erkennbaren Figurinen (Koch) ergeben dreidimen­sionale szenische Bilder, die so oder ähn­lich konzipiert gewesen sein könnten. Die Regeln des barocken Decorums und das Ausweisen von ständischen Räumen verhindern daher beispielsweise, die Figurine der Fürstin im Pferdestall zu platzieren. Bei allen oben genannten konstitutiven Momenten im Puppenhaus (­Kasten, Ausstattung, Figurine, Kleidung, Gegenstände) wird die Zuordnung nicht nur über Form und Funktion vorgenommen, sondern vor allem anhand des Materials. Dem zugrunde liegt die Idee einer hierarchisch gegliederten,

Oberherrschaft. Sondershausen, S. 54 f. 25 Siehe Abschnitt 3.2 Das ästhetische Prinzip der Puppenstadt, S. 92.

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unterschied­lichen Materialwertigkeit aller Dinge.26 Das Material selbst ist der Schlüssel zur D ­ ekodierung des Mon Plaisir und stellt seinen zentralen Marker dar. Die Lesbarkeit der Szenen hängt also von seiner Entschlüsselung und Interpretation ab. Das Material und seine Bearbeitung werden in eine Wertigkeitsskala eingeordnet. Auf der Ebene der Gegenstände erfolgt die Dekodierung anhand seiner Funktion und anhand des Materials, aus dem das Objekt besteht, im Wesent­lichen also der Form sowie der Art und Weise der Gestaltung oder der Bearbeitung des Materials. Die Skala reicht von gewöhn­lich bis kostbar, von einfach bis komplex, sch­licht bis edel, von Eisen über Kupfer, Zinn, Messing, Silber, vergoldetem Silber bis hin zu Gold. Bei den Figurinen findet die Dekodierung auf verschiedenen Ebenen statt. Bereits mit der faktischen Größe der Puppe geht eine Bedeutungszuschreibung einher: je größer die Puppe, desto wichtiger ist sie für das Narrativ der Szene oder das Gesamtarrangement. Die Gestaltung der Köpfe und Hände gibt den nächsten Hinweis. Je weniger standardisiert und je individueller die Gesichtszüge einer Puppe gestaltet sind, die Farbe des Inkarnats sich unterscheidet, die Augen nur angedeutet oder ausgeführt wurden, die Lippen hervorgehoben und die Haare, die Frisur entwickelt wurden, desto mehr Bedeutung im Rahmen der Gesamt­erzählung wird der Figurine beigemessen. Die Komplexität der Unterkonstruktion ist für den Betrachter nicht direkt erschließbar; ob es sich also um eine Holzgliederpuppe oder einen mit Papier ausgestopften Rock handelt, lässt sich nur anhand der unterschied­lich ausdifferenzierten Haltung der Puppe erahnen. Der zentrale Marker der Figurine besteht jedoch aus ihrer Kleidung. Hier ist es nicht der Schnitt, sondern es sind die Reichhaltigkeit der Verzierung und der Grad der Pracht des verwendeten Stoffes, die eine direkte Zuordnung einer Figurine zu einem bestimmten Stand ermög­lichen. Neben dem Vorhandensein oder eben 26 Raff, Thomas (1994): Die Sprache der Materialien. Anleitung zu einer Ikonologie der Werkstoffe. München; Bandmann, Günter (1969): Bemerkungen zu einer Ikonologie des Materials, Städel Jahrbuch. [Städelsches Kunstinstitut und Städtische Galerie, Frankfurt am Main] N. F. 2, S. 75 – 100; Didi-Huberman, Georges (1999): Die Ordnung des Materials. In: Kemp, Wolfgang (Hg.) (1999): Vorträge aus dem Warburg Haus, Bd. 3, Berlin, S. 1 – 29; Wagner, Monika (Hg.) (2002): Lexikon des künstlerischen Materials. Werkstoffe der modernen Kunst von Abfall bis Zinn. München; Lubar, Steven D. (Hg.) (1993): History from Things: Essays on Material Culture. [Conference „History from Things: The Use of Objects in Understanding the Past“, Smithsonian Institution, April 1989] Washington; Kemp, Wolfgang (1975): Material der bildenden Kunst. Zu einem ungelösten Problem der Kunstwissenschaft. In: Prisma. Zeitschrift der Gesamthochschule Kassel, H. 9, S. 25 – 34; Kingery (1996).

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der Abwesenheit etwa einer Kopfbedeckung oder von Handschuhen als sozial identi­fizierendem Indikator bildet die Kleidung das zentrale Verweissystem, das von den Betrachtern als symbo­lische Sprache gelesen wurde.27 Die Unterscheidung innerhalb der Gruppe der reich ausgestatteten Figurinen und damit die Differenzierung innerhalb eines Standes ließen sich für den barocken Rezipienten ebenfalls an den feinen Binnendifferenzierungen zwischen den verwendeten Stoffen, Mustern, Schnitten und Verzierungen ablesen. Moderne Rezipienten müssen sich dieses Wissen mühsam erarbeiten. Bei den Textilien ergibt sich die Staffelung anhand der Ausgangsmaterialien, das heißt anhand der lokalen Verfügbarkeit beziehungsweise der Notwendigkeit, das Material (oder ein fertiges Produkt) an einem anderen Ort einzukaufen oder verarbeiten zu lassen. Während also Wolle, Leinen, Hanf und Flachs in Arnstadt hergestellt und verarbeitet wurden, mussten Baumwolle, Drill, Seide, Samt, Brokat und Tweed importiert oder auf der Messe eingekauft werden und waren dadurch teurer und seltener. Stoffe konnten ungefärbt, gefärbt, gedruckt, gewirkt, bemalt oder bestickt werden. Der Aufwand für die Beschaffung und Herstellung der Textilien definierte die Wertzuschreibung, während die Wertigkeit mit jeder Veredelung stieg, die zugleich einen sozialen Ausschluss beinhaltete. Jeg­liche funktional überflüssige Dekoration (Bänder, Knöpfe, Spitzen) erhöhte den Wert. Vordergründig sind es demnach vor allem der Stoff, der Schnitt, die Farben und die Zierelemente, die Informationen über die Zugehörigkeit ihres Trägers oder ihrer Trägerin beinhalten.28

27 Racinet, Auguste (1888): The Complete Costume History. Paris; Klein, Ruth (1950): ­Lexikon der Mode. Drei Jahrtausende europäischer Kostümkunde. Baden-Baden; Boehn, Max von (1963): Menschen und Moden im 18. Jahrhundert. München; Fehlig, Ursula (1978): Kostüm­ kunde. Leipzig; Lenning, Gertrud (1989): Kleine Kostümkunde. Berlin; Willett, Cecil; Cunnington, Phillis (1992): The History of Underclothes. New York; Fuchs, Carl Ludwig (1992): Die Kostümsammlung des Kurpfälzischen Museums. Heidelberg; Peacock, John (1991): Kostüm und Mode – das Bildhandbuch. Stuttgart; Rasche, Adelheid (Hg.) (1999): Die Kultur der Kleider. Zum hundertjährigen Bestehen der Lipperheideschen Kostümbibliothek. Berlin; Bönsch, Annemarie (2001): Formengeschichte europäischer Kleidung. Wien; Bombek, Marita (2005): Kleider der Vernunft. Die Vorgeschichte bürger­licher Präsentation und Repräsentation in der Kleidung. Münster; Loschek, Ingrid (2005): Reclams Mode und Kostümlexikon. Stuttgart; Styles (2007); Thiel, Erika (2010): Geschichte des Kostüms. Die europäische Mode von den Anfängen bis zur Gegenwart. Leipzig. 28 Jost Amman zeigte 1586 sehr ausführ­lich die Unterschiede der Bekleidung von Frauen in Abhängigkeit von regionaler und sozialer Zugehörigkeit sowie von Lebensalter, Stand, geografischer Herkunft und auch von der Profession. Siehe Amman, Jost (1586): Das

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Eine Figurine, bei der die porträthafte Durchbildung des Wachskopfes mit prachtvoller Kleidung und Accessoires harmoniert, wird auf den ersten Blick als einen hohen sozialen Rang abbildend erfasst. In Mon Plaisir finden sich jedoch einige Figurinen, bei denen nicht alle Indikatoren (Gesicht, Haare, Perücke, Inkarnatsfarbe, Individualität des Ausdrucks, Stoff, Schnitt, Farbe, Applikation, Accessoires) auf der gleichen Stufe durchgebildet wurden und die deshalb eine uneinheit­liche Kodierung hervorrufen und die Lesbarkeit erschweren. Das könnte von dem langen Entstehungszeitraum herrühren, durch „Umziehen“ der Puppen im späten 19. Jahrhundert entstanden oder aber durch die Restaurierung der schadhaften Köpfe zustande gekommen sein. Die Lesart und Zuordnung einer Figurine funktionieren dann jedoch immer noch über die Reichhaltigkeit der Kleidung. Entgegen der Erwartung birgt die äußere Rahmung, die Kästen des Mon P ­ laisir, kaum Hinweise auf die Wertigkeit des Inhalts. Während die holländischen Prunkkabinette die Kostbarkeit und die eigene Wertschätzung des Inhalts bereits von außen erkennen lassen und die eng­lischen baby houses tatsäch­liche Architektur in die Fassadengestaltung aufnehmen, unterscheidet sich der Corps de Logis des Mon Plaisir in seiner Sch­lichtheit abgesehen von den Scharnieren kaum vom Drechsler im Mon Plaisir. Die Bedeutung des Inhalts wird nur über die Größe des Gesamtkastens und die Anzahl der übereinander gestaffelten Szenen, nicht aber über die Verwendung von Zierhölzern oder Schmuckelementen angezeigt. Die Interpretation der wandfesten Ausstattung der einzelnen Szenen gründet auf der An- oder Abwesenheit von Wandbespannungen, von gegliederten oder ungegliederten Wandflächen, Holzvertäfelungen, der Anzahl und Beschaffenheit der Fenster beziehungsweise dem Vorhandensein eines Kachelofens oder Kamins. Je komplexer das dekorative System, desto höher ist der Status der darin präsentierten Installation. Die Art und Qualität der Wandbespannung dient der Funk­ tionszuweisung. Die Gestaltung des Kamins und der Türen weist auf die Bedeutung des Raumes als repräsentativ oder eher alltäg­lich hin.29

Frauenzimmer. Die Frauen Europas und ihre Trachten. Frankfurt/Main [ND Dortmund 1980]. 29 Kurth, Wilhelm (Hg.) (1923): Die Raumkunst im Kupferstich des 17. und 18. Jahrhunderts. Stuttgart; Peck, Amelia (1996): Period Rooms in the Metropolitan Museum of Art. New York; Reepen, Iris; Handke, Edelgard; Breidenstein, Irmela (1996): Chinoiserie, Möbel und Wandverkleidungen. Bestandskatalog der Verwaltung der Staat­lichen Schlösser und Gärten Hessen. Bad Homburg; Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten (Hg.) (2005): Raumkunst in Burg und Schloss. Regensburg [Jahrbuch der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten, 8].

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Die beweg­liche Ausstattung, Mobiliar, Gemälde, Lüster, Spiele, Kästchen et cetera, bildet die am schwersten zuzuordnende Objektgruppe. Wenngleich die Materialwertigkeit leichter zu bestimmen ist, sind die mit ihnen verbundenen Funktionen so generell, dass sie eine präzise Zuweisung erschweren. Während identische Objekte auf eine ehemals symmetrische Aufstellung in einem repräsentativen Kontext hindeuten (zwei Silberspiegel), ist die Bauart der Tische meist identisch (Balusterbeine mit Querstreben aus Eichenholz), sodass nur die Ausgestaltung der Details Aufschluss über ihren ehemaligen Verwendungszusammenhang zulässt. Tische wurden im Barock auch nicht holzsichtig präsentiert, sondern gerne mit kostbaren Tischdecken verborgen. Moderne Vorstellungen von Wohnen erschweren zudem den Blick auf den räum­ lichen Kontext bestimmter Möbeltypen.30 Schränke oder Nachtstühle waren in adeligen Repräsentationsräumen nicht denkbar. Dort befanden sich ausschließ­lich Betten, Tische, Beistelltische, Stühle, Hocker, Schemel, Waschtische, Kredenzen, Konsolen und Kabinettschränke (Sekretäre). Truhen und Kästen waren im Versorgungstrakt des Hauses untergebracht. Raumausstattungen und Einrichtungsgegenstände waren im Barock grundsätz­lich aufeinander abgestimmt, wobei der textilen Gestaltung und der dekorativen Einheit die größte Bedeutung zukam. Möbeltypen blieben lange unverändert und fanden in allen Schichten Verwendung, daher erfolgte die schichtenspezifische Unterscheidung wie oben anhand des Zierwerks. Kabinettschränke und mit Blattgold belegte Spiegelkonsolen fanden sich somit sowohl im Hochadel als auch in der reichen bürger­lichen Oberschicht. Betten waren wegen ihrer vielen unterschied­lichen Formen und Ausstattungen ein guter Sozialindikator. Man unterschied zwischen den einfachen und klapp­ baren „Spann=Betten“ ohne Himmel und Decke, einer „Bett=Bank“, die tagsüber als Tisch diente, einem klappbaren Schrankbett, den „Ruhe- oder Faul=Betten, Himmel=Betten, Thron=Betten“ und vielen anderen Arten.31 Die Differenzierung dieser Typen erfolgte eben nicht nur hinsicht­lich ihres Rahmens, sondern auch 30 Ausstellungskatalog München (1979): Kleine Möbel: Modell-, Andachts- und Kassettenmöbel vom 13.–20. Jahrhundert. [Ausstellung im Bayer. Nationalmuseum, ­München, 15. März–16. Juni 1979, hrsg. von Georg Himmelheber et al.] München; Wiswe, M ­ echthild (1983): Bemalte volkstüm­liche Möbel aus dem südöst­lichen Niedersachsen. Truhen, Schränke, Betten, Wiegen. Braunschweig; Augst, Emil (1984): Deutsche Möbelgeschichte. Stilkunde – Von der Romanik bis zur Neuzeit. Wiesbaden; Dolz, Renate (1990): Möbelstilkunde. München; Möller, Renate (Hg.) (2009): Möbel. Vom Barock bis zur Gegenwart. München/Berlin; Ausstellungskatalog München (2002): Pracht und Zeremoniell: Die Möbel der Residenz München. München. 31 Krünitz, Oekonomische Encyklopädie, „Bett-Gestell“, Bd. 4, 331.

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in Bezug auf die Ausstattung und Beschaffenheit der Matratze, der Kissen, der Bettdecke und den textilen Behang auf aussagekräftige Weise.32 Die Identifizierung der Szenen in Außen- und Innenraumszenen erleichtert ebenfalls die Zuordnung von Figurinen und Objekten. Dabei geben die Settings jeweils eine Hauptgruppe als den wahrschein­lichsten Nutzer an, schließen dabei aber „Besuch“ aus anderen Gruppen nicht aus. Erst nachdem die Raumausstattung, die Möbel, die Figurinen und die Kleidung einzeln identifiziert und sachkundig zu Rauminstallationen zusammenfügt wurden, kann das Lesen der einzelnen Szene in ihrem räum­lichen Kontext erfolgen. Erst jetzt erschließen sich in der Zusammenschau der Objekte die Bedeutung und das Narrativ jeder einzelnen Szene. 2.2 Enzyklopädischer Mikrokosmos Puppenhaus „Die mensch­liche Natur hat unter vielen andern herr­lichen Eigenschafften auch vornem­ lich diese an sich, daß sie nimmer müßig seyn kan, sondern allezeit etwas vorhaben muß […]. Der Gött­liche Befehl aber erfordert, [dass] wir […] was nütz­liches verrichten, ­welches beydes zu unserem eigenen und unsers Nächsten besten gedeihen mag“.33

Der frühneuzeit­liche Sammlungstypus der Kunst-, Wunder- oder Raritätenkammer kam im Hochadel der Renaissance auf 34 und war „eine Mischform von 32 Als Auguste Dorothea die Einrichtung ihres Witwensitzes forderte, bestand der wichtigste Unterschied zwischen ihrem eigenen Bett und den Betten ihres Frauenzimmers in der weniger kostbaren textilen Ausstattung der Letzteren. Der Behang des Gästebetts rangierte zwischen der Qualität ihres eigenen Bettes und dem ihres Frauenzimmers. In Bezug auf die Bettlaken forderte sie „feinen Drell“ für sich, „gemeinen Drell“ für ihr Frauenzimmer und „gröbere Bettlaken“ für die Bediensteten. ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. IV, 101; Inventarforderungen für Schloss Keula. 33 Neickel, Kaspar Friedrich; Kanold, Johann (1727): Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nütz­licher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig, S. 2. 34 Herzog Jean de Berry (1340 – 1416) aus dem Haus Valois gilt als der erste Sammler, „der den Mikrokosmos seiner Sammlung als Abbild seiner persön­lichen Interessen, seines eigenen Mikrokosmos gestaltete“. Walz, Alfred (2000): Die Kunstkammer und die Ordnung des Wissens. Eine Einführung. In: Ausstellungskatalog Braunschweig (2000): Weltenharmonie. Die Kunstkammer und die Ordnung des Wissens [Ausstellung im Herzog-Anton-Ulrich-­ Museum Braunschweig 20. Juli–22. Oktober 2000, hrsg. vom Herzog-Anton-Ulrich-­Museum, Red. Susanne König-Lein] Braunschweig, S. 11.

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naturkund­lich-technischer und historisch-kulturgeschicht­licher Sammlung unter Einschluss von Kunstwerken aller Gattungen“.35 Die Bezeichnungen wurden uneinheit­lich gehandhabt, und eine klare Unterscheidung zwischen der Kunstkammer, der Wunderkammer und dem Raritätenkabinett wurde nur aufgrund leichter Unterschiede der Sammlungsschwerpunkte vorgenommen.36 Unter „Kunst-Kammer“ verstand man im 18. Jahrhundert einen „wohlgeordneten Vorrath von allerhand Seltenheiten der Kunst, als von Mahlerey, Bildhauerey, Tischer, Drechsler, Goldschmiede, Uhrmacher, Spiegel= und anderer dergleichen Arbeit, wobey gemeinig­lich auch die Seltenheiten der Natur gefüget werden, dergleichen in fürst­lichen Hof-Lagern, bey grossen Städten, hohen Schulen auch wohl Privat-­Häusern hin und wieder angtroffen und von Durchreisenden mit Lust besuchet werden.“37

Im Sammlungskanon spiegelte sich stets Gottes Schöpfung wider und durch das Ausstellen lenkte die Kunstkammer „das ganze Gemüth des Menschen zu mehrerer Bewunderung und Verehrung des weisen Schöpffers [auf die] von ihm kommenden Natur- und Kunst-Gaben“.38 Das Anlegen und kostspielige Pflegen einer Kunstkammer war in Fürstenspiegeln legitimiert durch die Mög­lichkeit zur „fürst­liche Ergetzung“39 und der damit verbundenen Vorbildfunktion für die Untertanen: „Die Kunst-Cammern legt ein Fürst nicht allein deswegen an, sein Gemüthe an denen […] Kunststücken zu weiden, sondern auch daß er denen Künstlern seines Landes durch deren Vorlegung desto mehr Begierde der Nachahmung beybringet“.40 Das Sammeln wurde somit

35 Weissert, Caecilie (2003): „Museum“. In: Pfisterer, Ulrich (Hg.): Metzler Lexikon Kunstwissenschaft. Stuttgart, S. 238. 36 Neickel/Kanold (1727), S. 412. 37 Zedler, Johann Heinrich (1732 – 1750): Universal-Lexicon. Leipzig, Bd. 15, 1068, Sp. 2143 f. Zedler unterschied Mitte des 18. Jahrhunderts zwischen der Kunstkammer und der Raritätenkammer, die Einträge sind jedoch nahezu identisch. Ein Raritätenkabinett war „ein Gemach, worin mancherley Sammlungen von Müntzen, Gemählden, Naturalien, auslän­ dischen Sachen, Antiquitäten und anderen curiösen oder seltenen Sachen zu finden u. gezeiget werden“. Bd. 30, 0454, Sp. 890. Bestand eine Sammlung hauptsäch­lich aus einer bestimmten Gattung, wurde der Name differenziert zu „Naturalien-Cabinet“ und dergleichen. 38 Ibid., Bd. 30, 0454, Sp. 890. 39 Seckendorff, Veit Ludwig von (1700): Teutscher Fürsten-Stat. [Erstausgabe 1656] Frankfurt/ Main, S. 629 f. 40 Florinus, Franz Philipp (1719): Oeconomus Prudens et Legalis continuatus. Oder Grosser Herren Stands und ade­licher Haus-Vatter bestehend in fünf Büchern. Nürnberg, Bd. I, S. 129.

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zum legitimen Divertissement von Landesherren. Berühmte Sammlungen waren zum Beispiel die des Erzherzogs Ferdinand von Tirol (Schloss Ambras), die des Kaisers Rudolf II. in Prag sowie die Sammlungen der Kurfürsten in Dresden (Grünes Gewölbe) und der bayrischen Herzöge in München.41 Kunstkammern folgten einem festen inhalt­lichen Programm, hatten aber je nach Interessenlage des Besitzer-Sammlers unterschied­liche Schwerpunkte. Was eine Kunst- oder Raritätenkammer zu beinhalten hatte und wie die Exponate zu ordnen, aufzubewahren und auszustellen waren, beschrieben ab Mitte des 16. Jahrhunderts Sammlungssystematiken.42 Die Objekte kamen aus zwei Bereichen, nament­lich aus den naturalia und den artificialia. Das Sammlungsgebiet der Natur war in drei „Reiche“ unterteilt: das Regno animali, das Regno vegetabili und das Regno minerali. Der erste Theoretiker des Sammlungssystems, der Niederländer Samuel Quiccheberg, sortierte die Gegenstände nach ihrer historischen oder geografischen Relevanz, nach ihrer Zugehörigkeit zum Kunsthandwerk, nach ihrem Material oder nach bestimmten Gattungen (Instrumente, Waffen).43 Kunstwerke und Mischformen (also „veredelte“ Naturalia wie Kokosnusspokale) sowie Kuriosa wurden als Abbild der Weltordnung und als Gottes Schöpfung in Schränken gesammelt, sortiert, bewahrt, beforscht und präsentiert.44 Der Wert einer Kunstkammer und seiner Exponate bestimmte sich durch 41 Zedler, Bd. 15, 1068, Sp. 2144. Hier werden zusätz­lich die Sammlung der Medici, die der Akademie der Wissenschaften in London, sowie die könig­lich Dänische erwähnt. 42 Roth, Harriet (2000): Der Anfang der Museumslehre in Deutschland. Das Traktat „Inscriptiones vel tituli theatri amplissmi“ von Samuel Quiccheberg; lateinisch – deutsch. Berlin; Maior, Johann Daniel [ca. 1674]: Unvorgreiff­liches Bedencken von Kunst- und Naturalien-­Kammern ins gemein. Kiel; Neickel/Kanold (1727). 43 Mundt, Barbara (1974): Die deutschen Kunstgewerbemuseen im 19. Jahrhundert. München, S.  92 – 95. 44 Die Darstellung der Kunstkammer kann hier nur holzschnittartig erfolgen. Aus der Fülle der Fachliteratur seien hier als wichtigste Publikationen genannt: Impey, Oliver; M ­ acGregor, Arthur (Hgg.) (1985): The Origins of Museums. The Cabinet of Curiosities in Sixteenthand Seventeenth Century Europe. Oxford; Findlen, Paula Elizabeth (1989): Museums, Collecting and Scientific Culture in Early Modern Italy. Berkeley; Bredekamp, Horst (1993): Antikensehnsucht und Maschinenglauben. Die Geschichte der Kunstkammer und die Zukunft der Kunstgeschichte. Berlin; Grote, Andreas (1994): Macrocosmos in Microcosmo. Die Welt in der Stube. Zur Geschichte des Sammelns 1450 bis 1800. Opladen; Pearce, Susan M.; Arnold, Ken (Hgg.) (2000): The Collector’s Voice: Critical Readings in the Practice of Collecting. Aldershot; Müller-Bahlke, Thomas; Göltz, Klaus E. (2004): Die Wunderkammer. Die Kunst- und Naturalienkammer der Franckeschen Stiftungen zu Halle. Halle (Saale); Stafford, Barbara Maria; Terpak, Frances (2001): Devices of Wonder: From the World in a Box to Images on a Screen. Los Angeles.

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„die Seltenheit und Kostbarkeit, […] die Anzahl, […] die Ordnung oder Rangirung der vorhandene Sachen“.45 „Wobey auch dieses in Acht zu nehmen, daß, je schwerer eine Materie an und für sich zu bearbeiten, um destomehr die Rarität und Kunst dabey zu admirieren sey.“46 Das Rare, das Besondere oder das Kuriose hatte den größten Wert. Wachsobjekte und Miniaturen, wie sie sich auch in Puppenhäusern finden, waren integrale Bestandteile von Kunst- und Wunderkammern.47 Der Adel sammelte im Gegensatz zum Bürgertum bis ins 18. Jahrhundert weniger spezialisiert nach einzelnen Gattungen, sondern deckte alle Sammlungsfelder ab. Je nach Wunsch, Funktion, Finanzkraft und ästhetischem Empfinden befanden sich die Sammlungsgegenstände auf Tischen, auf Kredenzen, in offenen Regalen, hinter Holzverkleidungen mit Bildprogramm,48 in verglasten Repositorien, Schrankwänden, Schatullen, Kästchen oder so genannten Kabinettschränken,49 die das Prinzip der Kunstkammer auf kleinstem Raum anboten. Ähn­lich wie bei Gemälden schützte man auch Kunstkammerschränke durch Vorhänge, solange man sie nicht nutzte. Einige dienten nur der Aufbewahrung der Kostbarkeiten des Hauses und waren ausschließ­lich den engsten Familienmitgliedern vorbehalten, aber um 1700 waren die meisten zumindest einer eingeschränkten Öffent­lichkeit von Liebhabern beiderlei Geschlechts zugäng­lich. Die Sammlungen dienten den Besitzern, wenn sie adeligen Besuch hatten, als willkommener Gesprächsanlass zur Auflockerung im höfischen Zeremoniell.50 Gleich ob eine Sammlung privaten oder eher öffent­lichen Charakter hatte, wurde sie von einem Kämmerer betreut. Dieser pflegte und präsentierte die Exponate, denn „selbst muß man nicht angreiffen, man empfange es denn aus des Rari­tätenKämmerers Händen“.51 Bis 1600 verstanden die Fürsten ihre Sammlungen als Statussymbole, in denen sie die Ordnung des Universums in enzyklopädischer Vollständigkeit als Mikrokosmos 45 46 47 48 49

Zedler, Bd. 30, 0454, Sp. 890. Neickel/Kanold (1727), S. 3. Ibid., S. 415 und S. 456. Das Studiolo des Francesco I. Medici von Giorgio Vasari 1573 blieb ohne Nachfolge. Siehe Mundt, Barbara (2009): Der Pommersche Kunstschrank des Augsburger Unternehmers Philipp Hainhofer für den gelehrten Herzog Philipp II. von Pommern. München. 50 Collet, Dominik (2007): Die Welt in der Stube. Göttingen, S. 60 und Heesen, Anke te (1996): Das Naturalienkabinett und sein Behältnis. Überlegungen zu einem Möbel im 18. Jahrhundert. In: Ogilvie, Brian (Hg.) (1996): Sammeln in der Frühen Neuzeit. Berlin, S. 44 weisen den gemeinsamen Besuch von Besitzersammler und Besucher in Gegenwart des Kunstkämmerers nach. 51 Leonard Christoph Sturm (1707), zitiert nach: te Heesen (1996), S. 44.

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abzubilden versuchten und sich selbst als dessen Zentrum inszenierten.52 Im Laufe des 17. Jahrhunderts änderten sich die ideellen und auch die lebenswelt­lichen Grundlagen und Bedingungen des Sammelns. Mit der Ausweitung der Welt ins Außereuropäische kam es zu einer solchen Quantität an Dingen, sodass der kaum aufrechtzuerhaltende Anspruch der Vollständigkeit einer zunehmenden Spezialisierung und Vertiefung in einzelne Sammlungsbereiche wich, die sich zum Beispiel in Anton Günthers umfangreicher Münzsammlung äußerte. Nachdem durch Kopernikus die Erde nicht mehr im Zentrum des Universums lag und Descartes alle Erscheinungen der Natur mit den Gesetzen der Mechanik erklärbar machte, war der Analogie zwischen Makro- und Mikrokosmos zudem die gedank­liche Basis entzogen worden.53 Ein generatives Moment der Kunstkammer bestand in seiner Fülle und Kleinteiligkeit, die sich ebenso in Puppenhäusern wiederfand. Die Darbietungsart überwältigte den Betrachter mit überbordender Fülle an Gegenständen, die sich vor-, über- oder hintereinander befanden und Wand-, Boden- und sogar Deckenflächen vollständig miteinbezogen. Dem zeitgenös­sischen Verständnis der Kunstkammer unterlag seit der Mitte des 17. Jahrhunderts ein didaktischer Impetus, wie er im Eingangszitat anklang. Der Realienkunde unterstellte man einen hohen Nutzwert: „Da nun in selbigen [Kunstkammern] öfters ein unglaub­licher Schatz lieget, welcher nicht allein die Augen belustiget, sondern auch den Verstand in vielen Wissenschaften weit besser als Bücher thun können, unterrichtet.“54 Damit folgten die Traktate zur Kunstkammersystematik der zeitgenös­sischen Reformpädagogik nach Johannes Comenius, die den Lernstoff anhand von Bildern und Objekten veranschau­lichen wollte.55 Die Traktate forderten konsequent die Kombination einer Sammlung mit Spezialliteratur zu den ausgestellten Gegenständen und verbanden auch mit den fürst­lichen Sammlungen zumindest den theoretischen Anspruch der Bildung. Nachweis­lich umgesetzt wurde dieser Anspruch des Unterrichts an der Realie für breitere Schichten tatsäch­lich erst in der Franke’schen Stiftung in Halle im frühen 18. Jahrhundert.56 Am Gothaer Hof lässt sich um 1700 die Integration der Kunstkammer in die Erziehung der Prinzen zeigen. Die eigene Sammlung und ihre Präsentation im Beisein von Gästen diente der Bildung der Prinzen und 52 Olmi, Giuseppe (1985): Science-Honour-Metaphor; Italien Cabinets of the Sixteenth and Seventeenth Centuries. In: Impey/MacGregor, S. 9. 53 Walz (2000), S. 16 f. 54 Zedler, Bd. 30, 0454, Sp. 890. 55 Collet (2007), S. 41. 56 Ibid., S. 42.

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dem Einüben von Herrscherrollen.57 Die tatsäch­liche Erforschung der gesammelten Dinge war ein bürger­liches Bedürfnis. Die Idee des Lernens am Objekt wurde ebenfalls partiell auf Puppenhäuser angewandt. Mädchen (und Jungen) sollten an der Miniatur das Führen eines idealen Haushalts erlernen. 2.2.1 Puppenhäuser als Kunstkammerstücke

Die ersten Puppenhäuser lassen sich im 16. und im frühen 17. Jahrhundert im europäischen Hochadel als Teil höfisch-repräsentativer Kunstkammern nachweisen. Sie scheinen aus dem Nichts zu entstehen.58 Im Besitz von Herzog Albrecht V. von Bayern (1528 – 1579) und Philipp II. von Pommern-Stettin (1573 – 1618) befanden sich ein Puppenhaus und der berühmte Meierhof von Philipp Hainhofer um 1610, der sich in zwei Abbildungen erhalten hat.59 Obwohl die Gattung Puppenhaus ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts europaweit fast ausschließ­lich von der bürger­lichen Elite rezipiert wurde, lag ihr Ursprung in der Preziose, dem kuriosen Objekt der adeligen Kunstkammer. Das älteste überlieferte eng­lische Beispiel bezeugt formal den engen Zusammenhang zwischen Puppenhaus und Sammlungsschrank. Ann Sharp, die Tochter des Bischofs von York, bekam ihr „Haus“ von ihrer Patentante, der späteren Königin Anne um 1700 geschenkt.60 Die Bezeichnung „Haus“ ist bei den frühen Puppenhäusern allerdings irreführend, weil es sich – ähn­lich wie bei Mon ­Plaisir – um einen sch­lichten, verglasten Aufbewahrungsschrank mit Regal­böden handelte, der nicht nur mit Haushaltsutensilien bestückt wurde, sondern auch problemlos Sammlungsgegenstände der Kunstkammer integrierbar machte. Das konsequent verfolgte „Konzept Haus“ und die Engführung des Gezeigten auf das rein Häus­liche stellen vermut­lich Entwicklungen der Nutzung des 57 Ibid., S. 57. 58 Die Suche nach der Tradition von dreidimensionalen, miniaturisierten Genredarstellungen führt unter anderem nach Ägypten: Dort fanden Tonmodelle von Häusern oder Werkstätten als Grabbeigaben Verwendung, wie das Bäckereimodell um 2000 v. Chr. (heute im Metropolitan Museum New York). Puppenhäuser sind ab dem 17. Jahrhundert in protestantischen Kulturräumen populär. Das katho­lische Pendant ist in den großformatigen und vielfigurigen Barockkrippen zu sehen. Vgl. den Bestand des Bayr. Landesmuseums München. 59 Mög­licherweise befanden sich beide Werke im Besitz der Herzoginnen, wurden aber in der gemeinsamen Kunstkammer aufbewahrt, vgl. Mundt (2009), S. 39. 60 Babyhouse der Ann Sharp, 1700 bis 1770, Heydon Hall, Norfolk, England, siehe Bristol/ Geddes-Brown (1997), S. 38.

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Puppenhauses im gehobenen Bürgertum dar, in der das Objekt als Einzelstück begriffen und präsentiert wurde. Bevor die Gattung dem Diktum des Haus­ artigen komplett unterworfen wurde, war die Behandlung des Schrankes selbst als Schmuckstück mög­lich, ähn­lich der in Kunstkammern mitunter üb­lichen Verzierung der Sammlungsschränke mit Vasen. Berechtigterweise spricht die Forschung vor allem in Bezug auf die holländischen Beispiele von Puppen­ kabinetten. Bevor also auch das Äußere der Schränke begann, Hausfassaden anzudeuten oder zu imitieren (siehe Nürnberg und England), war der Aufbewahrungskasten klar als Sammlungsschrank ausgewiesen und bezeugte formal die Ähn­lichkeit zum Kunstkammerschrank. Die Kunstkammern stellten aber nicht nur den eigenen Besitz und die Schätze des Territoriums aus, sondern auch die Resultate fürst­licher Handarbeit. Florinus wies explizit darauf hin, dass diese, solange sie gut gelungen wären, auch auszustellen seien: „Wo sie selbst [der adelige Sammler] etwas vortreff­liches verfertiget, wird es zu ihrem Ruhm [in die Kunstkammer] hinein gestellet, andere desto mehr aufzumuntern […]. Weil ich hier von Mechanischen Künsten rede, so pflegen sich Fürsten öffters damit zu erlustigen […]. Das Haus Sachsen hat sich sehr des Drechselns beflissen, welches man auch in dem Hause Österreich, nebst der Mahlerey beobachtet. Wie dann der Kayser Ferdinand III. so wohl künst­lich gedrechselt als auch vortreff­lich gemahlet.“61

Kunstkammern spiegelten also auf mehreren Ebenen die Vorlieben, Erlebnisse, Kenntnisse und Kompetenzen des Sammlers beziehungsweise der Sammlerin wider. Ein ebenfalls wichtiges Charakteristikum, das den Analogieschluss zwischen Puppen­haus und Kunstkammer ermög­licht, ist die Bindung der ausgestellten oder gesammelten Gegenstände an das Territorium und die persön­liche Aufladung der Sammlungsgegenstände.62

61 Florinus (1719), Bd. I, S. 129. Siehe auch Scheicher, Elisabeth (1985): The Collection of Archduke Ferdinand II. at Schloss Ambras: Its Purpose, Composition and Evolution. In: Impey/MacGregor, S. 29 – 38 und Schepelern, H. D. (1985): Natural Philosophers and Princely Collectors: Worm, Paludanus and the Gottorp and Copenhagen Collections. In: Impey/MacGregor, S.  121 – 127. 62 Scheicher (1985). Rudolf II. ließ von ihm selbst geschossene Tiere konservieren und in seiner Kunstkammer ausstellen. Fucikova, Eliska (1985): The Collection of Rudolf II. at Prague: Cabinet of Curiosities or Scientific Museum? In: Impey/MacGregor, S. 47 – 53.

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Durch sein Format und seine Kuriosität stellt das Puppenhaus als Ganzes, als Gesamtkorpus ein veritables Kunstwerk aus dem Bereich der artificialia dar. In sich vereint es darüber hinaus viele Elemente und Prinzipien der Kunstkammer. Ein Puppenhaus ist ähn­lich dem Pommer’schen Kunstschrank eine geschlossene Einheit und ließ sich im Kontext der Kunstkammer integrieren oder als Einzelstück unabhängig davon präsentieren. In der Kunstkammer ist das Puppenhaus ein „Bild im Bild“, eine kleine Kunstkammer in der realen Kunstkammer. Formal passt sich das Äußere des Puppenhauses als zu öffnende Schrankform (süddeutsch) oder als Kabinett auf einem Untergestell (Holland) dem Sammlungsträger der Kunstkammern an. Sein Inneres ist in einzelne Kompartimente aufgeteilt, die eine thematische Einheit (Szenen) darstellen. Die Ordnungsprinzipien im Puppenhaus folgen nicht der Unterteilung anhand ihres Trägermaterials (Stein, Holz, Elfenbein, Silber et cetera), stattdessen stellt das Puppenhaus in sich eine sinnfällige Zusammenstellung von Dingen nach ihrer Funktion in einem räum­lichen Kontext dar. Durch seine notwendige Materialmischung gehört das Puppenhaus per Definition in den Bereich der Kuriosa, wenngleich Wachs (aus dem die Figurinen sind) und auch (lebensgroße) Haushaltsgeräte zum ordent­lichen Repertoire der Kunstkammer gehörten.63 2.2.2 Mon Plaisir als Kunstkammerstück

Komplexer gestaltet sich die inhalt­liche Ableitung des dargestellten Sujets im Puppenhaus im Vergleich zu den Ordnungsprinzipien der Kunstkammer. Anders als die Kunstkammern oder der Kabinettschrank bilden die Puppenhäuser nicht das Universum mit seinen „Reichen“ im Kleinen ab. Stattdessen wird der komplette Lebensraum des Menschen, das „ganze Haus“ (Otto Brunner), miniaturisiert wiedergegeben. Es ist die vollständige Darstellung des irdischen Kosmos des Menschen. Die Idee von Gottes Gegenwart in Natur und Kunst verlagerte sich in die Darstellung des wichtigsten Wirkungsortes eines Menschen: seines Hauses. Die Entwicklung des Puppenhauses und seine Blütezeit wären ohne Luther und den ideellen Wandel, der mit dem Protestantismus einherging, nicht mög­lich gewesen. In den Haustafeln lag der Schwerpunkt der Christen­ pf­licht und Tugend auf der ehe­lichen Gemeinschaft und der Führung des Haushalts.64 Die Darstellung des wohlorganisierten und prosperierenden Haushalts

63 Neickel/Kanold (1727), S. 415. 64 Vgl. Luther, Martin (1529): Enchiridion. Der kleine Catechismus. Wittenberg.

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in Miniatur kommt demnach einem Ausweis für Tugendhaftigkeit gleich. Der Makrokosmos „ganzes Haus“ findet sich analog als Mikrokosmos im Puppenhaus. Auch in Bezug auf die didaktische Forderung und den Umgang mit den Gegenständen in der Kunstkammer folgt das Puppenhaus der Tradition dieser Wirkungsprinzipien. Zentrales Element ist die Verbindung zwischen Haptik und Bildung, Lernen also durch Begreifen, und zwar vermittelt durch Gegenstände, die in Kästen bewegt und geordnet werden. In der Raritätenkammer sah man Dinge, deren Ursprung „einer ist die Natur, der andere die Kunst […] 1, dasjenige was die blosse Natur einig und allein aus ihrem Wesen und Würkung hervor bringet und 2, was die Kunst durch mensch­ lich subtilen Verstand, scharffsinnigen Witz und unverdroßener Hände Arbeit verfertiget. Aus diesen beyden Haupt-Quellen fliessen unzählig variable Producta, aus welchen die ungemeinste, auserlesenste und notbleste oder merckwürdigste in Raritäten-Kammern oder Museis zur sinn­lichen Gemüths-Ergötzung aufbehalten“.65

Vor diesem Hintergund stellt sich somit die Frage, ob Mon Plaisir zu Lebzeiten der Auguste als Kunstkammerstück eingeordnet worden wäre. Immerhin handelte es sich um eine definitiv rare, kuriose und sehr umfangreiche, kostspielige und augenschein­lich enzyklopädische Sammlung, die in einem fürstlichen Schloss in einem typischen Galerieraum auf- und ausgestellt war. Die Aufbewahrungsschränke des Mon Plaisir sind keineswegs Häuser, sondern uneinheit­liche Sammlungsschränke. Einige waren auf Konsoltischen präsentiert, andere waren ähn­lich wie das holländische Puppenhaus der Sara Ploss van Amstel (Haarlem) mit Porzel­ lanvasen oder -figuren als Schrankaufsätze verziert. Neben den Kästen verfügte die Galerieaufstellung über ein dreidimensionales Modell einer Kirche und einen Tischbrunnen, der sich formal nicht in die Schränke eingliedern ließ. Zeitgenös­ sische Traktate erwähnen weder Puppen noch Puppenhäuser als Bestandteile von Kunstkammern, wohl aber Modelle, Miniaturen und Wachsobjekte.66 Jacob L ­ eupold (1674 – 1727), gelernter Drechsler, Uhrmacher, Instrumentenbauer und Autor der technischen Enzyklopädie „Theatrum machinarum“ (1724) schrieb 1718 für den Herzog von Gotha ein Gutachten über die Einrichtung von Kunstkammern, das

65 Neickel/Kanold (1727), S. 413. 66 Im Katalogteil von Neickels Museographia (1727) werden weder unter „Nürnberg“ (S. 207) noch unter „Amsterdam“ (S. 182 f ) Puppenhäuser erwähnt. Die Gattung wurde von N ­ eickel nicht als Kunstkammer bewertet.

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nur als Handschrift vorliegt.67 Trotz der vermut­lich begrenzten Verbreitung des Traktats spiegeln sich in ihm die zeitgenös­sischen Vorstellungen über die Art der Einrichtung einer fürst­lichen Kunstkammer und seine Funktion besonders in Bezug auf ein kleines Reichsfürstenhaus in unmittelbarer geografischer Nähe von Auguste Dorothea wider. Quasi programmatisch für Mon Plaisir formuliert der Traktat, der Fürst „soll sehen, so viel mög­lich ist, daß gantze Land in der Kunstkammer vorzustellen“.68 In Mon Plaisir wurde diese Forderung wört­lich umgesetzt, und zwar aus dem Blickwinkel der Auguste Dorothea auf ihr „Reich“, den Witwen­hof. Mon Plaisir diente unbestreitbar als kuriose und einzigartige Sammlung der Vermehrung der „Magnificenz des Herrn“ beziehungsweise der Dame und nachweis­lich zu „denen Curiosis eine Gemüths Vergnügung“.69 Mon Plaisir war ebenfalls wie eine Kunstkammer „ein wieder alle Gefahr, als Feuer, Diebs und dergl[eichen] wohlverwahrter Orth, […] so da bestehet in allerley kostbaren und künstl[ichen] Kleinodien, […] Geschirren, Instru­menten, […] und dergl[eichen]. In Summa aller solcher Sachen, die wegen ihrer besondern und ungemeinen Kostbarkeit und angewandten Kunst, selten zu finden, oder wegen anderer Denkwürdigkeit, rahr, kostbar und seltzsam sind, damit sie alle Zeiten guter Ordnung und Aufsicht vor allen Schaden und Ruin erhalten und auf Vergüns­tigung curiösen Gemüthern können gezeuget werden.“70

Kunst(hand)werke sollten besonders gewürdigt werden, da manche „solche ­Wercke hervorbringen, die von vielen 100 nicht können nachgemachet werden, so ist es nicht unbillig, daß wir solche Wercke zu ihrem Ruhm und Andencken auffheben und conserviren [und] als ein Muster dienen zu laßen“.71 Mon Plaisir musste als ebensolch ein Unikat gelten, das vorher und nachher niemand nachahmen konnte, und war würdig, aufbewahrt zu werden. Auch dieses Charakteristikum weist Mon Plaisir als Kunstkammerstück aus.

67 Siehe Troitzsch, Ulrich (1985): „Leupold, Jacob“. In: Neue Deutsche Biographie 14 (1985), S.  377 f. [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/artikelNDB_n14-377-01. html [13.7.2014]; Registereintrag, Quelle/Vorlage, NDB 14 (1985), S. 377 f.; Leupold, Jacob (1718): Kurtzer Unterricht von Kunstkammern. ThStA Goha, Kammer Gotha Immediate Nr. 1378 (zuerst bei Collet (2007), S. 27 und 204 f.). 68 Ibid., S. 15b. 69 Ibid., S. 1. 70 Ibid., S. 2. 71 Ibid., S. 3.

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Leupold wiederholt in seinem Traktat die auch von anderen Theoretikern vorgebrachte Forderung, Kunstkammersammlungen müssten sowohl nütz­lich als auch öffent­lich sein und dem Unterricht aller dienen.72 Der Sammler wird hier zur Volksbildung durch die Öffnung der Realiensammlung verpf­lichtet. Ob Mon Plaisir dieser Forderung gerecht wurde, ist unklar. Eine didaktische Nutzung der Sammlung zu Lebzeiten der Herzogin ist nicht nachweisbar. Folgte man den theoretischen Hinweisen, so hätten sich im räum­lichen Sammlungskontext in Anlehnung an das Gezeigte Bücher über Haushaltungskunst oder Ähn­liches befinden müssen, um ein gezieltes Studium an der Miniatur zu ermög­lichen. Zwar hatte die Herzogin eine Bibliothek (von unklarem Umfang), aber in der Galerie, in der die Sammlung präsentiert wurde, befanden sich laut Inventar keine Bücher.73 Nach Leupold wäre Mon Plaisir unter die Rubrik „Kunst Invention Machienen und Modell“ gefallen, die nach seinen Vorstellungen räum­lich von anderen Klassen (Schätze, Naturalien) getrennt gewesen wäre.74 Auch die geforderte besondere Bindung der Exponate an das Herrschaftsterritorium, „ja alles, was hiervon der Fürst im Lande hat“,75 findet in Mon Plaisir nicht nur exemplarisch, sondern ganz konkret und dezidiert statt. Auguste Dorothea zeigte in Mon Plaisir alles, was es Bedeutungsvolles in ihrem Land gab. Die Kunstkammer, die laufende Erweiterung der Sammlung und auch die Herstellung der Kunst(hand)werke stellten eine willkommene Gelegenheit zur Untertanenbindung dar. Der Auftraggeber war in theoretischen Schriften dazu angehalten, sich „genereuse gegen seinen Künstler auf[zu]führen, welches bisweilen auch nöthig, weil es dem Ruhm des Herrn vermehret und die Künstler 72 Ibid., S. 6. 73 Stadtarchiv Arnstadt und Arnstadt Schlossmuseum, Acten des fürst­lichen SchwarzburgSondershau­sischen Landraths zu Arnstadt betreffend Mon Plaisir, ohne Signatur, unpaginiert (= Inventarium Mon Plaisir). 74 Leupold, S. 6. In die „Schatz-und Praetiositaeten Kammer gehören alle Machinen, Instru­menta, Uhren, Gewehr, Kleider, Haußrath, Schmuck und dergl., die bloß wegen ihrer kostbaren Materialien als Gold, Silber, Edelgesteinen, kostbarem Holtz und dergleichen, wie auch wegen der gar besonderen Arbeit, als Bildhauer-Mahler, Drechsler, Aemulir- und dergleichen Arbeit also gemachet sind, so daß dergleichen nicht mehr zu finden oder nicht leicht nachzumachen ist.“ (S. 7) „Oeconomica, allerley zur haußhaltung dien­liche Instrumente“ gehörten seiner Meinung nach in den Bereich der Maschinen. Die Kunst-Inventionen-Machinen und Model-Kammer wird von Leupold noch mal in 16 Unterklassen unterteilt. Unter Nr. 15 sind die Haushaltsgeräte rubriziert. 75 Leupold, S. 11.

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zu größerem Fleiß aufmundert“.76 Die Untertanen sollten an der Sammlung teilhaben und selbst dazu beitragen, indem die Jäger, die Bergmänner, die „Stadtphysici“, die Bauern, sobald sie etwas „curioses“ fänden, dieses dem Fürsten bringen sollten. Sogar die Pfarrer sollten die Untertanen zum Sammeln anhalten.77 Damit wurde die fürst­liche Kunstkammer zu einem identitätsstiftenden Gemeinschaftswerk stilisiert. Zusammengefasst diente die Einrichtung der „Schatz-Kunst-­Modell und Natura­lienkammer“ und demnach auch Mon Plaisir, der Fürstin selbst zur Erquickung und Vergrößerung ihres Ruhms. Neben der Didaktik diente sie der Darstellung der „gute[n] Anstalt und väter­liche[n] Vorsorge vor sein Land und Leuthe“.78 Weder hinterließ die Fürstin den Beweis ihrer Kunstfertigkeit in Form von gedrechseltem Elfenbein noch in Form von Zeichnungen oder Ölgemälden, wie es oben erwähnt ihre männ­lichen Standesgenossen taten. Stattdessen demonstrierte sie extensiv ihr kunsthandwerk­liches Geschick mit Textilien und führte dadurch in ihrer Sammlung ihre Tugendhaftigkeit vor. Auch in diesem zusätz­lichen Aspekt ähnelt Mon Plaisir einem Kunstkammerstück, allerdings in einer weib­lichen Ausprägung. Das Gemälde von Jacob Appel, welches das Puppenkabinett der Petronella Oortmann zeigt,79 beweist, dass ähn­lich wie Gemälde und Kunstkammerschränke auch Puppenhäuser durch Vorhänge geschützt wurden. Die visuelle Inszenierung der Betrachtung von häus­lichen Miniaturen ähnelt damit der durch Verbergen und Entbergen gelenkten visuellen Praxis der Kunstkammer. Zu guter Letzt ist in Mon Plaisir analog zur Kunstkammernutzung kein sklavisches Beibehalten eines theoretischen Konzepts oder nur einer bestimmten Spezialsammlung nachzuweisen, sondern es wurden in Mon Plaisir ebenfalls Objekte aus dem breiteren Feld der Kunstkammersammlung jenseits des Häus­lichen integriert, wie beispielsweise die unproportionierte Jadefigur des Chinesen, der keine miniaturisierte Figur ist, sondern in seiner Originalgröße gezeigt wurde.80

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Ibid., S. 15a. Ibid., S. 19. Ibid., S. 24 f. Das Kabinett der Petronella Oortman von Jacob Appel um 1710, Utrecht Centraal Museum, siehe Pijzel-Dommisse (1994), S. 7. 80 Heute in der Szene Kunstkammer.

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Das Puppenhaus als Kulturdokument und Kunstkammerstück

Laut Neickel wäre Mon Plaisir mit Sicherheit keine nütz­liche Sammlung gewesen: „Ein Museum aber nenne ich ein solch Gemach, Stube, Kammer oder Ort, wo zugleich allerley natür­liche und künst­liche Raritäten nebst guten und nütz­lichen Büchern beysam­ men zu finden. In […] Cabinetten aber werden bekandter Massen fast durchgehends lauter Curiosa allein gefunden. Weil aber, wie gedacht, blosse Raritäten, ohne die behörige Wissenschafften davon, nur wenigen und geringen Nutzen schaffen können; so halte ich es mit der ersten Art und wolte demnach wünschen, daß sich keiner damit abgebe, der nicht zugleich anbey die Absicht hat, sich davon gründ­liche bekanntschafft zu machen. Denn einen großen Haufen Raritäten zu besitzen und davon keinen Begriff zu haben, ist nur mühsam, und bringet mehr Beschwerde als Lust.“81

Mon Plaisir fehlt demnach also das Moment des kognitiven Erfassens des Gesehenen mittels schrift­licher Lektüre. Trotzdem muss die Sammlung als Kunstkammerstück und als weib­liche Ausprägung einer Kunstkammer gelten. Unter Raritätenkasten verstand man im 18. Jahrhundert einen Kasten, in dem Schausteller mit kleinen beweg­lichem „Puppenwerck“ eine Geschichte auf Jahrmärkten erzählten.82 Mon Plaisir erzählt die Lebensgeschichte der Stifterin mit Hilfe von Puppen. Mon Plaisir mit seinen Puppen in Kästen war also im doppelten Sinn eine „Rarität“. Im Gegensatz zu den weitestgehend „homogenisierten“ Objekten von Kunstkammern, die um 1700 keine Raritäten mehr waren, weil sie in „nahezu jeder europäischen Kunstkammer zu finden waren“,83 stellte Mon Plaisir eine wirk­liche Seltenheit dar. Abgesehen von der nicht nachweisbaren, aber auch nicht gänz­lich auszuschließenden didaktischen Absicht der Sammlung bekräf­tigen alle Aspekte die Einordnung des Mon Plaisir als Kunstkammer mit einer das üb­liche Maß übersteigenden persön­lichen Markierung.

81 Neickel/Kanold (1727), S. 2. 82 Zedler Bd. 30, 0455, Sp. 891. 83 Collet (2007), S. 325.

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3.1 Geschichte und Rezeption 3.1.1 Mon Plaisir zwischen lokaler Verankerung und (inter-)nationaler Bekanntheit – Die historische Rezeption der Sammlung

Der Arnstädter Kunstschmied J. G. Bachstein berichtete 1765, er habe in Schloss Augustenburg ein Kabinett gesehen, „welches aus 14 mit Glasthüren verwahrten Schränken bestand, worinne die vornehmsten Merkwürdigkeiten u. Auftritte des mensch­lichen Lebens, in kleinen und in migniatur vorgestellt werden. Dieses Cabinett war in hiesigen Gegenden damalen unter den Namen des Mon Plaisir bekannt“.1

Von Mon Plaisir haben sich weder Kataloge noch Stiche erhalten.2 Dennoch belegen einige hochrangige Zeugnisse die breite lokale Rezeption und die internationale Bekanntheit der Sammlung innerhalb der Elite. Nicht zuletzt rührt(e) der Ruhm der Sammlung von ihrer Stifterin, die durch ihre Hofhaltung von sich Reden machte. Mon Plaisir gehörte als Einheit zum festen Inventar von Schloss Augusten­burg. Das Kabinett der Fürstin befand sich in einer Galerie des Schlosses 3 direkt neben ihrem Schlafzimmer im ersten Stock des Mittelbaus, demnach war Mon Plaisir von diesem nur durch eine „meublirte breternen Wand“ getrennt.4 Die Fürstin schlief 1 Wiegand (1936), S. 31. 2 Die Existenz eines Kataloges ist unwahrschein­lich. Ein Stich wäre zu erwarten, ist aber nicht gesichert. 3 Die exakte Lage sowie der Grundriss der Galerie sind unbekannt. Siehe im Anhang die grafische Rekonstruktion der ehemaligen Aufstellung und Abschnitt 6.1 Auguste und ihr Schloss, S. 203. 4 Heller, Johann Bernhard (1731): Zehen Sammlungen Sonderbarer Alt- und Neuer Merckwürdigkeiten aus der berühmten Land-Grafschafft Thüringen. Jena und Leipzig, S. 438; die Art der Wandbeschaffenheit, näm­lich eine mit Stoff verkleidete Holzständerwand, deutet darauf hin, dass diese erst nachträg­lich eingebaut wurde. Damit hätte zum Zeitpunkt des Baus der Augustenburg zwischen 1700 und 1708 der Umfang des Mon Plaisir noch nicht festgestanden.

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also in unmittelbarer Nähe ihrer Sammlung, ein Hinweis auf die hohe Bedeutung der Sammlung, die sich damit zusätz­lich auratisch auflud.5 Der Raumtypus Galerie hatte im Barock nicht die Funktionen eines Versorgungsganges, sondern stellte den offiziellen Zugang zum Appartement des Fürsten oder der Fürstin dar und diente der Repräsentation. Die üb­liche Ausstattung einer Galerie bestand nach der Ablösung großformatiger Tapisseriefolgen aus einer hölzernen Wandverkleidung, textiler Wandbespannung, einer (meist genealo­gischen) Gemäldesammlung und kleineren Kabinettschränken.6 Dem Inventar zufolge befanden sich in der Kabinettgalerie außer mehreren Konsoltischen, auf denen Ausstellungsgegenstände standen, weder Tische noch Stühle.7 Mon Plaisir war eingeschränkt öffent­lich zugäng­lich. Publikumsverkehr auf der Augustenburg bezeugte 1711 Gregorii bei seiner ausführ­lichen Beschreibung des „prächtigen Lust-Hauß“, der Gartenanlage als auch der Inneneinrichtung, die er mit den Worten beendete: „Von dem übrigen kann der Augenschein am Besten urteilen“,8 und damit einer konkreten Aufforderung an den Leser aussprach, sich das Schloss von innen selbst anzusehen. Gregorii wurde seiner Beschreibung zufolge in sämt­liche relevante Räume (Audienzgemach, Saal, Gemächer, Kabinette) geführt.9 Die Mög­lichkeit zur öffent­lichen Besichtigung der Sammlung durch Lokalpublikum beweist ebenfalls der eingangs zitierte Tagebucheintrag von J. G. Bachstein von 1765.10 Ganz besonders demonstriert 5 Die Galerie war ca. 19 Meter lang und 3,5 Meter breit, hatte vier Fenster längsseits und drei Fenster an der Stirnseite, sowie einen Kamin. Der Raum verfügte neben dem Zugang vermut­lich über einen zweiten Durchgang zum Seitenflügel. 6 Vgl. Heppe, Dorothea (1995): Das Schloß der Landgrafen von Hessen in Kassel von 1557 bis 1811. Marburg; Heppe zeichnet die sich je nach Epochengeschmack ändernde Ausstattung der Galerie nach. 7 Es ist jedoch durchaus mög­lich, dass diese nicht zur eigent­lichen Sammlung gehörenden Möbel auch keinen Eingang in das Spezialinventar des Mon Plaisir gefunden haben. In Anlehnung an die Ausstattung vergleichbarer Kabinette ist die Existenz einer Sitzgelegenheit zur näheren Betrachtung einzelner Objekte trotz der beengten Verhältnisse sogar eher wahrschein­lich. Inventar Mon Plaisir 1751. 8 Gregorii, Johann Gottfried; Toppii, Andreae (1711): Das jetzt florirende Thüringen in s­ einen durchlauchtigsten und ruhmwürdigsten Häuptern. Erfurt, S. 184. 9 Ob das Schloss ganz oder teilweise, nur zu bestimmten Tagen, mit Empfehlungsschreiben oder gegen einen Obolus und damit zwar auch für Bürger­liche, aber immer noch eingeschränkt öffent­lich zu besichtigen war, ist unbekannt. Ungesicherten Hinweisen zufolge soll die Fürstinnenwitwe, solange sie lebte, ihre Sammlung zu „Wohltätigkeitszwecken zugunsten eines Waisenhauses zur Schau“ gestellt haben. Jackson (1989), S. 44. 10 Klein/Müller (1992), S. 6.

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die Schenkungsanfrage der Erfurter Räte und Waisenhausdirektoren, die gerade einmal sechs Wochen nach dem Tod der Herzogin 1751 erfolgte, den offensicht­ lichen Bekanntheitsgrad sowie die starke lokale Verankerung und Beliebtheit der Sammlung. Scheinbar wurde das Mon Plaisir jedoch nicht nur von Einheimischen besucht, sondern vor allem von Reisenden.11 Fast alle Berichte beziehen sich auf die Zeit zwischen dem Tod Auguste Dorotheas und dem Abriss des Schlosses. Die repräsentative Funktion der Sammlung und der doppelte Adressatenkreis lassen es als legitim erscheinen, von einer Kontinuität der Öffent­lichkeit auch zu Lebzeiten der Auguste auszugehen. Der enge lokale Bezugsrahmen war von großer Bedeutung für die Rezeption. Auguste Dorothea war die einzige Fürstin von Schwarzburg-Arnstadt. Nach dem Tod ihres Mannes wurden die beiden Territorien Schwarzburg-Sondershausen und Arnstadt wieder vereint und Arnstadt verlor seine Position als Residenzstadt. Dadurch wurde der politische und kulturelle Abstieg der barocken Kleinstadt eingeleitet. Durch das lange Leben der Fürstin und ihr Verharren am Ort auch während ihrer Witwenzeit wurde Auguste Dorothea zum Überbleibsel einer vergangenen Glanzepoche der Stadt. Die gegenseitige Identifikation zwischen Fürstin und Untertanen war hoch, da die Bildsetzung des Hofstaats und des kulturellen Lebens vor Ort mit der portraitgleichen Abbildung vieler Menschen eine breite Identifikationsplattform für den lokalen Rezipientenkreis bot. Innerhalb des regionalen Adelsnetzwerks war Auguste Dorothea sozial integriert. Regelmäßige Kontakte und gegenseitige Besuche bestanden zwischen Schwarzburg-Arnstadt und Gotha 12 sowie zu den anderen Höfen der Umgebung und

11 Das Oberndorfer Kirchenbuch berichtete 1765 von der Grundsteinlegung des Arnstädter Waisenhauses, in dem das „so genannten […] Mon Plaisir […] in den Weisenhause so stehet wie sonst auf der Augustenburg, welche diesehalben von vielen Fremden oft besuchet werde.“ Eisenach, Thürin­gisches Landeskirchenarchiv, Kirchenbücher Arnstadt-Illmenau, Kirchenbuch 1626 – 1716 Oberndorf, Dorotheental, K7/2a-7 Chronik Reisland Anhang, genannt „Pfarrchronik Oberndorf 1814“, ohne Paginierung. Diese Bemerkung, obwohl sprach­lich unklar, bezieht sich wahrschein­lich auf die alte Aufstellung in der Augustenburg und nicht bereits auf die neue Aufstellung im Waisenhaus. Dieses befand sich 1765 noch im Rohbau. 12 Jacobsen, Roswitha (Hg.) (2003): Friedrich I. von Sachsen-Gotha und Altenburg. Die Tagebücher 1667 – 1686. [Veröffent­lichung des Thürin­gischen Staatsarchivs Gotha, 4] Weimar, Bd. II, S. 156, S. 461 und Kommentarband S. 495; ebenso Czech, Vincent (2003): Legitimation und Repräsentation. Zum Selbstverständnis thürin­gisch-säch­sischer Reichsgrafen in der frühen Neuzeit. Berlin, S. 314 ff. und ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. II 1717 – 1721; siehe Abschnitt 5. Auguste Dorothea als Witwe, S. 157. Weitere

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durch verwandtschaft­liche Beziehungen zu Wolfenbüttel, Meiningen (Schwester), Eisenach (Vormund), Erfurt (Lothar Franz von Schönborn) sowie zur Schwarzburger Verwandtschaft aus Sondershausen und Rudolstadt. Der Besuch der Sammlung oder der Kunstkammer – und als eine solche ist wie bereits gezeigt Mon Plaisir zu bewerten – war fester Bestandteil mehr oder weniger förm­lichen Hofzeremoniells bei adeligem Besuch. Sie bot neben ihrer Funktion als Ausdruck der Kunstsinnigkeit, der Reisetätigkeit oder der finanziellen Potenz des Sammlers oder der Sammlerin eine zwanglose Gelegenheit zum Gespräch und ein heiteres Divertissement.13 Auch zu Lebzeiten der Fürstinnenwitwe war Mon Plaisir innerhalb des Adels bekannt und regte sogar zur Nachahmung an. Horace Walpole berichtete 1750 über „Frederick Prince of Wales“: „The prince is building a baby house at Kew“, seinem Residenzschloss, nachdem er die „Dowager Duchess of Brunswick“ besucht hatte, „and had become fascinated by her project to reproduce the entire court in miniature, hiring local craftsmen to make all the hundreds of objects“.14 Der Besuch Fredericks bei Auguste Dorothea war nicht ungewöhn­lich. Der Prinz von Wales war deutscher Abstammung, hieß eigent­lich Friedrich Ludwig von Hannover (1707 – 1751) und war ein entfernter Verwandter von Auguste Dorothea. Er war mit Augusta von Sachsen-Gotha-­ Altenburg (1719 – 1772) verheiratet, dem 15. Kind von Friedrich II. von SachsenGotha-­Altenburg. Friedrich Ludwig scheint bei einem Verwandtenbesuch in Gotha zu Besuch bei Auguste ­Dorothea gewesen zu sein. Der Gothaer Hof hielt sich nicht nur bei hohem Besuch aus England, sondern vermut­lich regelmäßig dort auf. Einen expliziten Nachweis liefert der Göttinger Universitätsprofessor Johann Stephan Pütter (1725 – 1807),15 der 1762 ein halbes Jahr als Prinzenerzieher für Staatsrecht in Gotha arbeitete und den Hof bei einem Ausflug zum Lustschloss Ichtershausen begleitete. In seiner mehr als dreißig Jahre Kontaktnachweise: Im Inventar der Gothaer Kunstkammer befinden sich Objekte, die Auguste Dorothea Friedrich II. als Geschenk verehrt hatte. Kunstkammer Inventarium 1721. Schlossmuseum Gotha, S. 603, 613 und 629, Schenkung von Bezoarsteinen und Schlangenhaut von der Herzogin, nach Collet (2007). 13 Siehe Abschnitt 2.2 Enzyklopädischer Mikrokosmos Puppenhaus, S. 62. 14 Zitiert nach Bristol/Geddes-Brown, S. 40. 15 „Mit seinen Vorlesungen, u. a. über Reichsgeschichte, Staatsrecht und Reichsprozeß trug P. als berühmtester Staatsrechtslehrer und Reichspublizist seiner Zeit maßgeb­lich zur Rolle Göttingens als bedeutendster und modernster dt. Universität im 18. Jh. bei.“ Otto, Martin, „Pütter, Johann Stephan“. In: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S.  1 – 2 [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd118742906.html [13.7.2014].

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nach der Begebenheit geschriebenen Biografie anläss­lich seines fünfzigjährigen Professorenjubiläums beschrieb er das höfische Landleben und erwähnte dabei auch Mon Plaisir: „Bald gingen wir nach Molsdorf, einem Rittergute, nur etwa drey viertel Stunden von Ichtershausen, das der Graf Gotter besessen und mit vielen kostbaren Anlagen verbessert hatte; bald nach Arnstadt, bald nach Augustenburg, wo unter andern damals ein sehenswürdiges Puppencabinet in mehreren Zimmern vertheilt zu sehen war.“16

Nach seiner Beschreibung bewegte sich der Gothaer Hof im Rahmen zeit­lich machbarer Tagesausflüge zwischen anderen, kleineren Höfen in einem geografischen Umkreis von Gotha und Ichtershausen.17 Die Beschreibung Pütters zeigt zum einen, dass die Augustenburg trotz der geringen Entfernung von Arnstadt tatsäch­lich als eigene Entität wahrgenommen wurde. Zum anderen wird deut­ lich, dass es bei dem Besuch auf der Augustenburg nicht um Kontaktpflege ging, sondern dass Mon Plaisir selbst die Attraktion darstellte. Pütters Bericht demonstriert ebenso, dass nicht nur den Gothaer Herzögen Zugang zu Mon Plaisir gewährt wurde, sondern dass die komplette Entourage sich gemeinsam in der Sammlung bewegte. Der (regionale) Hochadel kannte demnach nachweis­ lich die Sammlung. Mon Plaisir war nicht nur beiläufiger Programmpunkt bei adeligem Besuch der Fürstinnenwitwe, sondern hatte den Rang einer Kurio­sität und Attraktion, die auch unabhängig vom persön­lichen Kontakt bereits in quasi musealer Nutzung stand.

16 Puetter (1798), Bd. I, S. 396. 17 Einen weiteren Beleg für den regen Kontakt zwischen Arnstadt und Gotha findet sich im Briefwechsel zwischen Luise Dorothea von Sachsen-Gotha-Altenburg und ihrer ehemaligen Hofdame Friederike von Montmartin aus den Jahren 1751 und 1752: „Habe ich Ihnen, Madame, schon geschrieben, dass die alte Prinzessin von Augustenburg tot ist? In diesem Alter kann man ohne Bedauern sterben“, schrieb Luise Dorothea an Friederike am 17. Juli 1751. Dies bezeugt die Nähe und auch die Geschwindigkeit, mit der Neuigkeiten sich innerhalb des Adels verteilten – Auguste Dorothea war gerade sechs Tage zuvor verstorben. Raschke (2009), Briefwechsel, S. 46 und 100.

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3.1.2 Ein verstaubtes „Archiv des Luxus und der Moden“ – Vom fürstlichen Plaisir zum Museumsstück

Nach dem Tod der Stifterin ist die geschlossene Sammlung mehrfach umgezogen. Dabei blieb Mon Plaisir immer im Umkreis ihres Entstehungsorts. Durch die Ortswechsel erlitt die Sammlung allerdings Schäden und Verluste. Die wechselvolle Geschichte der Sammlung illustriert dabei die sich ändernden Bedeutungszuschreibungen und Geschmacksmoden sowie den Umgang der Behörden mit dem so umfangreichen und sperrigen Objekt, dessen Bewertung zwischen Lehrstück, Kunstwerk, Spielzeug und Schrott changierte. Kurz nach dem Tod der Fürstin begann die Inventarisierung des Schlosses zum Zwecke der Wertermittlung. Zunächst herrschte Ratlosigkeit bezüg­lich des Umgangs mit dieser eigentüm­lichen Sammlung, deren Name „Mon Plaisir“ sich schon zu Lebzeiten etabliert hatte. Der mit der Auflösung des Haushalts betraute Braunschweiger Geheimrat Mecken zeigte sich ratlos: „Wo es aber mit dem sogenannten mon plaisir hinaus will, dass weiß ich nicht.“ Mecken sollte „von dem sogenannten Mon Plaisir aber nur vorerst gutacht­lich berichten ob und von welchem Werth es ohngefehr sey“. Darüber hinaus wurde auf die „gnädige Disposition“ der Erbin, Herzogin Antoinette Amalia, einer Nichte Auguste Dorotheas, gewartet.18 Diese entschied offenbar, die Sammlung zu verkaufen. Mon Plaisir wurde auf sechshundert Reichstaler geschätzt, aber einen Käufer dafür zu finden erwies sich als schwierig. Einen Liebhaber, der so viel zahlen wolle, finde man vermut­lich kaum in Arnstadt.19 Zunächst war die Sammlung unter dem summarischen Inventarposten „Variis“ subsummiert worden, aber „bey den Variis wird das sogenannte Mon Plaisir schwer­lich einen Käufer finden und ist daher zu versuchen, ob extra auctionem solches zu Gelde zu machen“.20 Geheimrat von Mecken ging so weit zu behaupten, dass trotz des geringen Werts „vielleicht überhaupt gegen Bezahlung kein Liebhaber [zu] finden [sei], dasselbe aber zu verschencken absorbierte wiederum den wehrt des Inventarii“.21 In Ermangelung einer zufriedenstellenden Lösung wurde die Sammlung dort gelassen, wo sie war. Während Prinz Wilhelm von Schwarzburg-Sondershausen als Mieter in der Augustenburg wohnte (1752 – 1762), verblieb die Sammlung weiterhin an Ort und Stelle. Sie scheint repräsentativ und attraktiv genug gewesen zu sein, keiner 18 19 20 21

NLA WB, 1 Alt 24, 238, 93, Mecken am 21.7.1751, 103 u. 107.

Ibid., 239, 41 Mecken am 28. August 1751. Ibid., 240, 48. Ibid., 16.

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anderen räum­lichen Nutzung im Weg gestanden zu haben und wurde nachweis­ lich während dieser Zeit noch vom Adel besucht. Auch nach dessen Tod blieb Mon Plaisir in der Augustenburg, bis diese verkauft wurde.22 Der nun folgende Abriss und die Ausschlachtung von Grund und Boden machten den Umzug endgültig notwendig. 1765 zog die Sammlung in den Rohbau des Arnstädter Waisenhauses um, nachdem Herzog Carl I. von Braunschweig der Waisenhausstiftung die Sammlung geschenkt hatte.23 Der Herzog schien die lokale Bedeutung der Sammlung erkannt zu haben, daher blieb sie weiter der Öffent­lichkeit zugäng­ lich.24 Innerhalb des Waisenhauses wechselte die Sammlung in den folgenden hundertzwanzig Jahren je nach seiner Beliebtheit und den Raumbedürfnissen der Anstalt mehrfach ihren Platz. Zunächst befand sie sich im Saal des Nebengebäudes, danach im Betsaal des Hauptgebäudes und schließ­lich in den ehemaligen Schlafsälen der Kinder unter dem Dach.25 Im Waisenhaus wurde sie zusammen mit einer zweiten Sammlung in eine Kunstkammerpräsentation unter erzieherischen Leitgedanken ausgestellt.26 Sie diente dort einerseits im Unterricht als Anschauungsmaterial der Waisenkinder und wurde andererseits begrenzt öffent­ lich gezeigt. Es ist davon auszugehen, dass sich die Sammlung um 1800 noch in einem nahezu originalen Zustand befand. Die Aufstellung muss der ehemaligen 22 Elf Jahre nach Auguste Dorotheas Tod war das Herzogshaus in Braunschweig weniger am Verkauf interessiert, NLA WB, 1 Alt 24, 242, 5. 23 Wiegand (1932), S. 35 und Pfarrchronik Oberndorf (1814). Am 24.11.1766 war das u. a. mit Steinen des bereits ruinösen Schlosses Neideck gebaute Waisenhaus mit 17 Jungen und 13 Mädchen eröffnet worden. „Im untern Stockwerk […] waren die Arbeits- und Lehrzimmer für die Weisenkinder, eine Wohnung für die Hausmutter nebts Küche, im zweiten Stock befand sich der Betsaal und im Dachgeschoss befanden sich die Schlafsäle. Im Neben­ gebäude befanden sich im 2. und 3. Stockwerk ein Damenstift, Wohnungen für Witwen von Lehrern und Pfarrern und nach Süden in Richtung des neuen Tores befand sich in einem großen Saal das Mon Plaisir.“ Mon Plaisir war also zu Beginn nicht im Haupt­gebäude, sondern im Nebengebäude aufgestellt gewesen, dort aber zumindest in einem repräsentativen und großen Raum. Wiegand (1936), S. 31 und Stadtarchiv Arnstadt Nr. 932/40 Bl. 43. Als Nachweis für den Transport findet sich ein Ausgabenposten des Waisenhauses „Hirherschaffung des Mon Plaisir von der Augustenburg und daßselbe wieder zu sezen“ und weitere Tagelöhne. 24 Stadt- und Kreisarchiv Arnstadt, Akten des Fürst­lich Schwarzburg-Sondershausenschen Landrathes zu Arnstadt betreffend Mon Plaisir 331 – 01 – 1. Die Verwaltung des ­Waisenhauses Arnstadt an den fürst­lichen Bezirksvorstand, 10.1.1855. 25 Apfelstedt (1856), Geographie, S. 54 f. 26 „Verzeichnis der dem Weisenhause angehörigen Böhlerschen Kunstsachen“ vom 7. ­Oktober 1850, Acta, S. 22 – 35.

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Präsentation geähnelt haben, weil die Erinnerung an die Fürstin noch lebendig war und das Persön­liche noch an der Sammlung haftete und ein Eingreifen sich aus diesem Grund verbot. Theodor Ferdinand Arnold hatte die Sammlung im Waisenhaus noch im Betsaal besucht und berichtet 1804 davon: „In einer Reihe (vierzehn) Glasschränke vom Boden bis an die Decke eines eben nicht kleinen Saales des Waisenhauses zu Arnstadt findet man alle Vorrichtungen des mensch­ lichen − vorzüg­lich des fürst­lichen − Lebens durch 8 bis 12 Zoll hohe Puppen vorgestellet. Hier sieht man Audienzzimmer, Spazierfahrten, Maskeraden, Assembleen, Spielgesellschaften, die Fürstin im Kindbette, umgeben von ihren Hofdamen, Apotheken, eine katho­lische Kirche, ein Nonnenkloster, verschiedene Handwerker. Jeder Schrank bildet ein Haus und die Unterabteilungen, Stuben, Vorsäle, Kammern, Küchen, Keller, alles mit den gehörigen Gerätschaften bis auf das kleinste Stückchen versehen – nichts fehlt der vollkommenen Darstellung. Die Puppen, gewiß mehr denn zweitausend – im damaligen Geschmacke gekleidet, geben den anschau­lichen Unterricht in der Etikette und Kleidertracht jener Zeit, bei Hofe sowohl als im Publikum, und so könnte man diese Sammlung, welche von dem Jahre 1766 an durch verschiedene interessante Geschenke von Kunstsachen vermehrt worden ist, als ein sehr lehrreiches Archiv des Luxus und der Mode betrachten.“27

Gemeinsam mit Mon Plaisir wurde die so genannte Böhler’sche Sammlung ausgestellt. 28 Beide Gründer waren durch ihre Portraits auch weit über den ­Zeitpunkt

27 Arnold (1804), S. 76 ff. 28 Die Schenkung von der Augustenburg scheint über die reine Puppenhaussammlung Mon Plaisir hinausgegangen zu sein. Das „Verzeichnis der dem Weisenhause angehö­ rigen Böhlerschen Kunstsachen“ vom 7. Oktober 1850 beschreibt neben dem Kernkorpus des Mon Plaisir andere Kunstgegenstände, vor allem Gemälde und Kupferstiche, die als Teil der Augustenburg’schen Sammlung zusätz­lich zu den Kästen mit ins Waisenhaus gekommen waren. Die Gemälde und Kupferstiche haben außer zwei Darstellungen der Stifterin und der Augustenburg ausschließ­lich religiöse Sujets. An Ölgemälden werden genannt: Moses wird den ägyptischen Priestern zur Erziehung übergeben, eine Kreuzi­ gung, ein Christuskopf, eine „Katharina von Bohra“, ein Portrait der Auguste D ­ orothea, eine weitere Kreuzigung, der Kaiser Günther von Schwarzburg. An Kupferstichen beherbergte das Waisenhaus einen Jesus am Kreuz mit der Schrift „Confumalum est“, ein Heiliger Petrus „in roth“, eine Maria Magdalena und eine Mater Dolorosa, des Weiteren Joseph als Traumausleger, der Prophet Habakuk in der Löwengrube, Joseph und seine ­Brüder, Maria mit dem Kinde mit der Unterschrift „ego mater pulchrae dilectionis“, eine

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der Schenkung (beziehungsweise des Ankaufs) in der Ausstellung präsent. Der Zusammenhang zwischen Mon Plaisir und der Stifterin Auguste Dorothea sollte visuell für die Kinder und die Besucher nachvollziehbar bleiben. Vermut­lich sorgte die Verbindung von Portrait und Sammlung auch dafür, dass das münd­lich tradierte Wissen über den Entstehungszusammenhang nicht gänz­lich verlorenging. Im 19. Jahrhundert sorgte das allgemeine Desinteresse am 18. Jahrhundert zu Beginn der Moderne und der Industrialisierung für ein langsames Schwinden dieser münd­lichen Tradition. Bis zur Auflösung des Waisenhauses 1822 war Mon Plaisir öffent­lich zugäng­lich.29 Die Sammlung wurde „jeweils am dritten Oster-, Pfingst-, und Weihnachtsfeiertag gegen ein Entgelt zur Besichtigung freigegeben“.30 Die anschließende Nutzung des Baus als Irrenanstalt vertrug sich vermut­ lich nicht gut mit musealem Besuchsverkehr und der ehemaligen Bildungsidee, die sich an Mon Plaisir band.

Auferstehung, der Gichtbrüchige am Teiche, die Grablegung, eine büßende Magdalena, Maria mit dem Christkinde und anderen Kindern, eine Kreuztragung, Hl. Petrus mit dem Kreuz, Hl. Petrus mit dem Hahne, eine Verkündigung, ein Stufenaltar, eine Anbetung der Hirten, Maria mit dem Kind und Engeln, Christus am Kreuz mit der Unterschrift „jesus amor meus crucifixus est“, eine Auferstehung des Larzarus, ferner ein „Christuskopf aus Schrift gefertigt“, ein Luther aus Zinn, ein „Aufriß des ehemaligen Schlosses zur Augustenburg“. Acta, S. 25 f.; zusätz­lich befanden sich üb­liche Kunstkammerobjekte der Kategorie „Naturalia“ im Kontext des Mon Plaisir im Waisenhaus. Darunter ein Krokodil, zwei Seehunde, zwei Kugelfische, ein gewundenes Horn, zwei Kokosnüsse, ein Straußenei, „eine Kugel, angeb­lich aus einem Pferd“ (Bezoar), ein Stück Mumie, ein „Glaskästchen mit in Wachs bossierten Früchten“ (später im Neuen Palais während Mon Plaisir in Gehren weilte), verschiedene Gläser, in denen sich „Naturalien in Spiritus […], aber schon längst verdorben“ befinden, ein Vexierkranz, ein „goldenes Kruzifix in einem Kasten“ sowie ein kleiner Porzellanofen, vermut­lich Dorotheental (Acta, S. 25 – 27). Alle Objekte zählen zum Standard der enzyklopädisch angelegten Kunstkammersammlung. Ob die Objekte ehemals aus der Böhler’schen Sammlung oder von der Augustenburg kamen, lässt sich nicht präzise sagen. Auf der Augustenburg könnte es entweder neben der Galerie, die Mon Plaisir beherbergte, einen weiteren Sammlungsraum gegeben haben, der diese Objekte beherbergte, oder sie waren in die Mon Plaisir-Galerie an Wänden und Decke integriert, obwohl das Inventar von 1751 dies nicht erwähnt. Einige der genannten Objekttypen waren bereits auf Schloss Arnstadt nachweisbar (ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. II, 310 f.) und wurden von der Witwe im Rahmen der Erbauseinandersetzung beansprucht. 29 Die Jahresberichte des Waisenhauses von 1811 und 1820 zeigen Einnahmen von je über zehn Taler durch Eintrittsgelder. Wiegand (1932), S. 36. 30 Roselt (1956), S. 62.

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In den 1850er Jahren befand sich Mon Plaisir nunmehr auf dem Dachboden des „Irrenhauses“.31 Aus dem Verzeichnis werden die Wertschätzung der Sammlung und der Wunsch, diese für die Nachwelt zu bewahren, deut­lich. Doch die Sammlung befand sich in einem schlechten Zustand. Die Naturalien waren von Motten zerfressen, die Puppen waren zerbrochen und Köpfe fehlten. Die zerrissenen Ölgemälde hatten Löcher und eine Reparatur war nicht denkbar.32 Knapp einhundert Jahre nach der ersten Degradierung wiederholt sich die Entwertung der Sammlung damit erneut. Wieder wurde der Sammlung zu wenig Pracht und Kuriosität zugeschrieben, um wirk­lich erhaltenswert zu sein. Als Lehrstück sollte sie dennoch dienen. Was jedoch übrig sei, müsse schnell gerettet werden, da ein Verbleib den schon geringen Wert noch weiter herabsetzen würde.33 Der fürst­ liche Bezirksvorstand empfahl, Mon Plaisir in die Hände eines Herrn Francke zu legen, der die Verantwortung dafür übernehmen wollte.34 Der pragmatische Vorschlag der Arnstädter beinhaltete konkret, das meiste wegzuwerfen und das wenige, was noch übrig war, an das Gymnasium zu verschenken. Doch am 27. November erging aus dem Ministerium des Innern aus Sondershausen ein Dekret an den Arnstädter Bezirksvorstand, der sich ausdrück­lich gegen diese Praktik verwahrte und dadurch verhinderte, dass der Bestand zerrissen wurde.35 Im Mai 1851 fand zwar die Versteigerung des kompletten Hausinventars statt.36 Mon Plaisir jedoch blieb unter dem Dach an Ort und Stelle, wo es ein unbeachtetes Dasein fristete. 1855 wurde durch die Intervention der Einheimischen noch einmal vehement auf den schlechten Zustand der Sammlung hingewiesen: „Das sogenannte Mon Plaisir war früher im Weisenhause in der zweiten Etage aufgestellt und jeden dritten Feiertage dem größeren Publico gegen eine geringe Abgabe welche in die Weisenhauskasse floß und eine nicht unbeträcht­licher Gewinn für dieselbe gewesen

31 Apfelstedt, Heinrich Friedrich Theodor (1856): Heimathskunde für die Bewohner des Fürstenthums Schwarzburg-Sondershausen. Bd. 3, Geschichte des Fürst­lich-Schwarzbur­ gischen Hauses. Sondershausen, S. 98. 32 Acta, S. 36. 33 Ibid., S. 37. 34 Ibid. 35 Ibid., S. 38. Auch kommt eine deut­liche Skepsis zum Ausdruck, die an der Nütz­lichkeit einer solchen Sammlung für das Gymnasium zweifelt. 36 Acta, S. 41 f., am 9.5.1851. Das gesamte Inventar ergab einen Erlös von weniger als 27 Taler, siehe S.  43 – 45.

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sein soll, geöffnet; jetzt soll dasselbe auf dem Boden des Weisenhauses sich befinden und es unterliegt keinem Zweifel, das es in kürzerer oder längerer Zeit dem Verderben unterliegt. Wenn auch keine großen Kunstschätze in demselben sich befinden, so geht doch bei genauerer Durchlesung der oben angegebenen Specification hervor, dass manche werthvolle Gegenstände, wenn sie auch größtentheils Spielereien für Kinder ausmachen noch mehrenden sind. Der Ort der Aufbewahrung dieser Gegenstände dürfte jedoch kein dazu geeigneter sein und der hießige Gemeindevorstand dürfte bestimmt, falls es an passenden Räum­lichkeiten fehlen sollte, erböthig sein, einen dazu passenden Raum zur Aufbewahrung des Mon Plaisir, welches ein Geschenk einer Schwarzbur­gischen Gräfin sein soll, einzuräumen. Mehrere hießige Bürger haben mich ersucht, bei dem fürstl. Bezirksvorstand Vortrag wegen Erhaltung […] des Mon Plaisir zu thun.“ 37

Allgemein scheint die Information über die Provenienz des Mon Plaisir nur noch vom Hörensagen bekannt gewesen zu sein, genauso die Tatsache, dass es sich hierbei um ein Geschenk der Fürstin gehandelt hätte. Die Sammlung wird zu ­diesem Zeitpunkt als wertloses, aber erhaltenswertes Spielzeug für Kinder aufgefasst. Einige Ortsansässige erkannten den kulturgeschicht­lichen Wert der Puppen­stadt, denn es war ihnen offensicht­lich ein Anliegen, die Sammlung durch ihre Eingabe vor der vollständigen Zerstörung durch Vernachlässigung zu bewahren. Es war vermut­lich eben dieses lokale Interesse, das Mon Plaisir in diesem Moment rettete. Trotz guten Willens wussten die Arnstädter nicht wohin mit der sperrigen Sammlung. Im April 1860 wurde der Umgang mit den Gegenständen im Besitz des Waisenhauses erneut thematisiert. Unklare Zuständigkeiten, fehlende Schlüssel und Inventare und Kompetenzrangeleien zwischen Arnstadt und dem Bezirksvorstand beziehungsweise dem Innenministerium in Sondershausen zeigen, dass der kulturhistorische Wert der Sammlung zwar erkannt wurde, aber niemand eine Lösung parat hatte.38 Am 30. Mai 1860 wurde die Aufsicht über 37 Acta, S. 47 ff.; 10.1.1855, Brief an den Bezirksvorstand. 38 Acta, 60 ff. Herr Franke, der im Waisenhaus wohnte und dem deshalb die Aufsicht übergeben worden war, räumt nun seine Wohnung vor Ort. Er wurde daraufhin gebeten, die Sammlung in die Obhut des Rechtsanwalts Maempel, dem Verwalter der Waisenhauskasse zu übergeben. Aber da auch dieser nicht im Waisenhaus wohnte, sah das Ministerium des Innern in Sondershausen keinen Grund, eine Änderung im Arrangement vorzunehmen. Hier scheint sich ein Kompetenzstreit anzubahnen: Arnstadt insistierte, das Mon Plaisir gehöre dem Waisenhaus, der Herr Franke als Direktor habe die Aufsicht nach seiner Pensionierung nur deshalb behalten, weil er weiter dort gewohnt habe. Der Herr Mämpel wäre jetzt dazu verpf­lichtet, die Aufsicht zu übernehmen. Die Entscheidung hierüber lag jedoch beim Ministerium.

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das Mon Plaisir von dem Landrat Rapp in Arnstadt im Namen des Ministe­ riums des Innern dem Rechtsantwalt Maempel übertragen, der auch den anderen Besitz des Waisenhauses verwaltete. Im Dokument der Übergabe wird wieder der Mottenbefall von Kleidern und Möbeln sowie das Fehlen einiger Figuren und Gegenstände beklagt.39 Et­liche Einträge berichten von dem überwiegend bedauernswerten Zustand, in dem sich die Sammlung befunden haben muss. Neben vielen abgeschlagenen oder fehlenden Köpfen oder gar ganz fehlenden Figurinen werden einzelne fehlende Gegenstände, Probleme der Kästen sowie generell die Zerstörung durch Schädlinge und Staub beschrieben. Vulpius hatte diesen Zustand bereits 1820 bemängelt: „Schade ist es, daß die Galerie nicht unter guter Aufsicht steht. Alles ist größtentheils verstaubt, hier und dort liegen die Figuren ungeordnet, sogar unter einander. Zudem hat man nicht gesucht, die Figuren gegen Schaben und Motten, etwa durch Bespritzen mit Kampfer-Spiritus zu schützen, und so ist es gekommen, daß die Haartouren der Damen, die Perücken der Herren usw. sehr mitgenommen sind. Die Kleidungsstücke sind dem Erbleichen größtentheils nahe. Die Wachslarven haben sich am besten erhalten. Die Ordnung der Glasschränke ist auf dem Platz beschränkt worden und daher ganz abenteuer­lich durcheinander gemischt. Eine bessere Anordnung, eine Reinigung und gehörige Aufsicht würde dem Ganzen das geben, was es nicht hat – ein vergnüg­ liches Ansehen.“40

Es ist zu vermuten, dass dieser Zustand sich in den folgenden vierzig Jahren weiterhin massiv verschlechterte.41 Erst 1881 wurde die Sammlung von der letzten Fürstin des Landes, Marie von Sondershausen (1845 – 1930), wiederentdeckt und vor dem endgültigen Verfall bewahrt.42 Elf Jahre befand sich Mon Plaisir im Neuen Palais, um dann 1892 in das Schwarzburger Privatschloss Gehren umzuziehen, wo es „in zwei größeren Räumen des zweiten Obergschosses untergebracht war“.43 Es war

39 Acta, S. 69 ff.; Mit nicht mehr nachvollziehbarer Nummerierung folgt eine Auflistung einiger Fehlstände: „11, I, Abtheil 2: fehlt das Nachtgewand (Mottenfraß)“ usw. 40 Vulpius (1820), S. 433. 41 Acta, S. 73 ff., Inventar von 1860. Das Inventar listet den Inhalt jedes einzelnen „Schrankes“ und der jeweiligen „Abteilungen“ auf. 42 Wiegand (1932), S. 35. 43 Klein/Müller (1992), S. 7; Wiegand (1932), S. 34 – 44, S. 36; in der Beschreibung Apfelstedts des Neuen Palais von 1887 erwähnte er als besonders sehenswert „das Procellankabinett, chine­sische, japanische und per­sische Geschirre enthaltend, und das sog. Mon Plaisir,

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also einer Nachfolgerin Auguste Dorotheas zu verdanken, dass Mon Plaisir überdauerte. Wieder war es eine adelige Dame, die sich dem fürst­lichen Plaisir widmete, es säuberte und instand setzte und nach ihrem Gutdünken gestaltete, vermut­lich auch einiges entsorgte. In der Folge wurde Mon Plaisir als Privat­besitz betrachtet und der fürst­lichen Sondershausener Sammlung einverleibt.44 In Schloss Gehren war Mon Plaisir unzugäng­lich für Forschung und Besucher.45 Aus der Tatsache, dass die Fürstin Mon Plaisir als ihren eigenen Besitz empfunden haben muss, erklärt sich auch, warum einige Objekte verschenkt, andere auf dem Kunstmarkt zum Verkauf angeboten wurden.46 ein Puppencabinet, welches aus 14 Schränken mit mehr als 2.000 Puppen von 8 bis 12 Zoll Höhe besteht, durch welche alle Verrichtungen des mensch­lichen, vornehm­lich des Lebens an fürst­lichen Höfen dargestellt werde.“ Apfelstedt, Heinrich Friedrich Theodor (1887): Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Fürstenthums Schwarzburg-Sondershausen. Die Oberherrschaft. Sondershausen, S. 41. 44 Als Hertel 1924 eine Beschreibung des Museums im Neuen Palais verfasste, hing dort der Kupferstich der Augustenburg von Pius von Rösel, ein Ölgemälde der Auguste Dorothea von Stechanelli aus dem Jahr 1731, sowie „ein verziertes Glaskästchen mit Wachsfrüchten aus der Mon Plaisir-Sammlung des Lustschlosses Augustenburg“ (Hertel, 1924, S. 97), die in einem Raum mit vermischten regionalen Erinnerungsstücken präsentiert wurden. Der Entstehungskontext, der durch die beiden Bildwerke der Fürstin und ihres L ­ ustschlosses zuvor präsent gehalten worden waren, scheint in Gehren als „eigenes“ Pläsier nicht erwünscht gewesen zu sein. Zu allen Zeiten wurden aus unterschied­lichsten Gründen Stücke aus ihrem eigent­lichen Kontext entnommen. Dies kann auch zu Lebenszeiten der Stifterin geschehen sein. 45 Leber (1968), S. 224. 46 Kunze (2006), S. 111, Miniaturteller aus Mon Plaisir, „Ankauf von Albert Löher, Illmenau 1930“, ebenso Abb. S. 113, ein kleiner Obelisk, dort 1931 gekauft; Abb. S. 115, Fayence­ büsten mit Damenköpfen, zwischen 1720 und 1730, 13 cm hoch, vermut­lich aus Mon Plaisir, angekauft aus Halle, Sammlung Haenert, 1927; S. 107, Miniaturofen, Dorotheental um 1735 aus Mon Plaisir, 19 cm mit Holzfuß, Grundfläche 10 x 6 cm, scheint aus Schloss Gehren zu kommen und dort übrig geblieben zu sein, wurde auch über Löher, Illmenau verkauft. Weitere Miniaturteller in Eisenach vorhanden (Nachttopf, Miniaturschüssel). Im Besitz einer Privatsammlerin (Auenwald) befindet sich heute eine Tischgruppe mit Stühlen, die laut Legende der letzte Fürst von Schwarzburg-Sondershausen der Tochter seines Gärtners geschenkt haben soll. Die Geschichte könnte eine Kontinuität im Umgang mit der Sammlung beleuchten. Im März 2012 tauchten auf der Spielzeugmesse in Nürnberg ein Ensemble von vier Figurinen, ein Tisch und ein Apothekenschrank des Mon Plaisir aus norddeutschem Privatbesitz auf (heute wieder Museum Arnstadt). Das Angermuseum Erfurt besitzt ebenfalls Miniaturfayencen der Sammlung, eine „Volutenvase, Waschleuchter und Teller, Blaumalerei, teilweise gemarkt“. Mahnert, Adelheid (1993): Thüringer Fayencen des 18. Jahrhunderts. Leipzig, S. 66; Dürbaum (1990).

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Abb. 5: Mon Plaisir, Grüner Mohr, Dame in grünem Samtkleid mit Fächer

3.1.3 Mon Plaisir heute – Nur die Reste der barocken Sammlung?

Die Sammlung blieb bis 1930 in Schloss Gehren und wurde dann zurück nach Arnstadt und dort in das Neue Palais überführt, wo es sich heute noch befindet.47 Wiegand schrieb 1932 von dem „großen Interesse von außerhalb“ und berichtete von einem Rundfunkhörspiel über die Fürstin und Mon Plaisir. Darüber hinaus erklärte er, dass „die Reichszentrale für den Deutschen Reiseverkehr […] unsere 47 Nach der Enteignung der Fürsten 1918 beschloss der Sondershäuser Landtag 1919 die Einrichtung einer Museumsstiftung, an die die Kunstsammlungen des letzten Fürstenpaares nach deren Tod übergeben wurden, darunter auch das Mon Plaisir. Gesetzessammlung für Schwarzburg-Sondershausen vom Jahr 1919. Sondershausen.

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Puppenwelt in ihren Werbeplan mit aufgenommen“48 habe. Zurück an ihrem ungefähren Entstehungsort und in ihrer mentalen Heimat avancierte die Puppen­stadt erneut zu überregionaler Bedeutung. Im Zweiten Weltkrieg musste die Sammlung in die Umgebung ausgelagert werden.49 1946 wurde die Sammlung auf Befehl der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland ins Museum zurückgebracht und ist dort seit 1954 zu besichtigen.50 Mon Plaisir ist, wie bereits gezeigt, seit dem Tod der Stifterin mehrfach umgezogen. Seit 1930 befindet es sich an seinem heutigen Präsentationsort, dem Schlossmuseum Arnstadt.51 „Aufbau und Verteilung einzelner Puppenstuben wechselten jedoch seit der Entstehungszeit der Sammlung mehrfach.“52 Die erhaltenen Inventare sind nicht präzise und erlauben in den meisten Fällen keine genaue Zuordnung einzelner Objekte und Figurinen zu einem bestimmten Raum. Heute sieht der Betrachter eine sinnfällige Zuordnung nach stilistischen Merkmalen und archiva­lischen Hinweisen. Ein seriöser wissenschaft­licher Umgang mit der Sammlung muss ihre Beweg­lichkeit als inhärentes Prinzip begreifen und darf nicht von einer, auch historisch nie gewesenen, statischen Zuordnung ausgehen. Diese Erkenntnis hat weitreichende Konsequenzen für den generellen Umgang und die Bewertung der Puppenstadt als Abbild ihrer Zeit. Da außer der wandfesten Ausstattung alle Gegenstände und auch die Figurinen beweg­lich sind, muss davon ausgegangen werden, dass die verschiedenen Präsentationen den Einflüssen der jeweiligen Kämmerer, Kümmerer und Kuratoren unterlagen. Wie oben gezeigt war der Zerstörungsgrad im 19. Jahrhundert erheb­lich und einige Objekte des Mon Plaisir befinden sich in anderen Museen oder Privatbesitz. Auffällig ist die geschätzte Anzahl der Figurinen in der Sammlung, die Arnold und, im Abstand von achtzig Jahren, auch Apfelstedt mit zweitausend bezifferte.53 Die 48 Wiegand (1932), S. 34. 49 Leber (1965), S. 77. Die Sammlung befand sich zwischen 1943 und 1947 in Kriegsauslagerung auf dem Land. Vgl. Roselt (1956), S. 62. 50 Leber (1968), S. 224. 51 Vgl. Rückkehrmeldung: „Mon Plaisir“ in Arnstadt (1930). In: Arnstädter Anzeiger, 28.10.1930: Hier findet sich die unrichtige Darstellung, Auguste Dorothea habe alles Albertine und Günther I. vererbt, aber Herzog Carl I. von Braunschweig habe sich dessen bemächtigt. 52 Klein/Müller (1992), S. 7. 53 Die von Arnold beschriebene „Spazierfahrt“ präsentiert sich heute im Zusammenhang mit Post und Reise und nicht mit adeligem Freizeitvergnügen. Die von ihm bezeichnete „Maskerade“ existiert nicht mehr. Apfelstedt (1856), Geschichte, S. 98: „In demselben sieht man im Kleinen – die Personen durch höchstens einen Fuß hohe Puppen – dargestellt: Audienzzimmer, Spazierfahrten aus dem Residenzschlosse, offene Tafel, Schauspiele u. s. w.“

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heutige Anzahl der Puppen beläuft sich auf 391.54 Auch wenn Arnolds Angabe sch­licht ein Synonym für „sehr viele Puppen“ sein kann, muss von einer hohen Verlustrate ausgegangen werden. Trotz seines heute noch beacht­lichen Umfangs handelt es sich bei Mon Plaisir um einen Rest der ehemaligen Sammlung. Es ist also aus mehrfachen Gründen von einem breiteren Verlust auszugehen als bislang angenommen.55 Seit den 1930er Jahren fanden mehrere Rekonstruktionsversuche statt, die die Informationen aus den Inventaren umzusetzen versuchten.56 Zugleich wurde versucht, die Sammlung optisch zu vereinheit­lichen.57 Für die Neuaufstellung der Sammlung im Schlossmuseum diente zunächst die Aufstellung von Schloss G ­ ehren zur Orientierung, im Laufe eines Jahres wurde die Ausstellung allerdings auf Grundlage des Inventars von 1751 wieder zurückgebaut, um die unsachgemäßen Änderungen und Hinzufügungen herauszufiltern und eine „stilgerechte Wirkung“ zu erzielen. Von der soweit rekonstruierbaren ehemaligen Aufstellung wurde nach eigenen Aussagen nur abgewichen, „wenn eine Störung des Zusammenhangs erfolgt wäre. […] Dadurch sind in zahlreichen Fällen sinngemäßere und natür­ lichere Bilder erzielt worden.“58 „Bei der Präsentation der Sammlung 1931 wurden schließ­lich einzelne Puppenhäuser geteilt, zu unterst liegende Puppenstuben auf einen Sockel aufgesetzt und vorhandene Sprossenteilungen der Fenster durch große Glasscheiben ersetzt.“59 54 Klein/Müller (1992), S. 7. 55 Fritz Wiegand führte 1932 den Beweis anhand der Inventare von 1751, 1840, 1882 und der Aufstellung von 1932, dass die Verluste im Bereich der Figurinen mit etwa dreißig Stück zu beziffern seien (S. 44). Da jedoch das erste Inventar keine konkreten Angaben enthielt, ist der Ausgangsbestand unklar. Wiegand hat zudem keine Aussagen hinsicht­ lich aller anderen beweg­lichen Gegenstände getroffen. Auch hier ist von größeren Verlusten auszugehen. 56 Jedes Inventar ist dabei entlang der aktuellen Aufstellung der Sammlung zu einer unterschied­ lichen Anzahl und Nummerierung der Kästen und Szenen gekommen, wobei oft gleiche Szenen in neue Kontexte gestellt und mit neuen Nummern versehen wurden. Wiegand bemühte sich als erster um eine Konkordanz der bis 1932 bekannten Beschreibungen und Inventare von 1751, 1840, 1882 und 1931 wie auch die Museumsdirektoren Roselt (1958) und Klein (1998). 57 Stadtbauamt Arnstadt: Leistungsverzeichnis. Anstrich der Puppenstuben, 20.12.1930. Dieses beweist durch Aufmaß und Zeichnungen den damaligen Zustand, aber auch das Eingreifen des Museums in die Farbfassung und die Zusammenstellung der Kästen. Arnstadt, Kreisarchiv, Kartensammlung, Mappe 16. 58 Wiegand (1932), S. 36. 59 Klein (1992), S. 7 f.

Geschichte und Rezeption  |  91

In den späten 1950er Jahren orientierte man sich an den Sehgewohnheiten der modernen Rezipienten und verlor den ehemaligen Kontext gänz­lich: „Nachdem durch einige bau­liche Veränderungen ein eindeutiger Rundgang durch die Sammlung geschaffen worden war, wurden sowohl die Aufstellung der Schränke innerhalb der Museumsräume als auch die Anordnung einzelner Stuben innerhalb der Schränke einer gewissen Korrektur unterzogen, wobei eine klarere, sach­liche Gliederung und bessere Wirkung des Ganzen angestrebt wurde. Nunmehr wird der Besucher von den Darstellungen des bürger­lichen Lebenskreises (Handwerk, Gewerbe, Landwirtschaft) über die Klosterszenen zu den Stuben höfischen Inhalts geleitet. Auch das Inventar der meisten Stuben wurde sinnvoller zusammengestellt.“60

Moderne Vorstellungen vom Wohnen und Leben eines Fürstenpaares um 1700 wurden umgesetzt. Dies führte zu einigen Falschzuordnungen von Figurinen und Möbeln. Heute steht der Jäger nicht in der Jagdszene, sondern im Rauchzimmer des Herrn und der Tanzmeister führt im „Albertinischen Garten“ ein Hündchen spazieren, anstatt im Ballsaal Unterricht abzuhalten. Spazierfahrt, offene Tafel und Maskerade fehlen ganz. Nur die präzise Kenntnis zeitgenös­sischer Kleidungskonventionen und Verhaltensnormen reduziert die Gefahr solcher Fehlzuweisungen und szenischer Verluste, ohne sie je ganz vermeiden zu können. Die ehemals 14 Konfigurationen sind heute auf 26 verteilt worden, um mit dieser entzerrten Präsen­tation die Rezeption der kleinteiligen Sammlung zu erleichtern.61 Die circa vierhundert heute noch vorhandenen Figurinen bewirken auch in der „entzerrten“ Präsentation der Sammlung im Museum einen gefüllten Eindruck. Es bleibt offen, wie die Kästen mit einer – Arnold und Apfelstedt nicht ganz genau nehmend – dreifachen Menge an Figurinen ausgesehen haben mögen. Die ehemalige Aufstellung und Zusammensetzung der einzelnen Kästen ist heute nicht mehr für den Rezipienten nachvollziehbar. Der große Umfang der Sammlung und die eigentüm­liche Gattung mit ­seiner sperrigen Kleinteiligkeit, die Auguste Dorothea für ihr Selbstzeugnis wählte, sorgten beinahe für den totalen Verlust des Mon Plaisir. Es ist der Verdienst der Arnstädter Bevölkerung und einzelner Akteure, dass zumindest der größte Teil der Sammlung heute noch erhalten ist. 60 Roselt (1958), Museum, S. 3. 61 Auch im Museum musste die Sammlung nochmals umziehen. 1988 befanden sich Teile der Ausstellung im sog. Schmelzzimmer, dem ehemaligen Audienzzimmer im nörd­lichen Seitenflügel des Neuen Palais. Donhof (1988), S. 8 und S. 12.

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3.2 Das ästhetische Prinzip der Puppenstadt 3.2.1 Uneinheitlichkeit und Dynamik

Mon Plaisir ist kein einheit­liches, ästhetisch konsequent durchkonzipiertes und umgesetztes Werk.62 Das der Gattung und besonders Mon Plaisir inhärente Prinzip der ästhetischen Heterogenität, des konstanten Wandels und der lebenslangen Entwicklung lässt sich an den Kästen selbst zeigen. Größe, Breite und Höhe variieren ebenso wie die Distribution der Räume innerhalb der Kästen sowie die Auffassung und Darbietung der einzelnen Szenen. Formal ist die einzige Gemeinsamkeit die viereckige Bühnenplattform, auf der sich die Szenen befinden. Die Figurinen können mindestens sechs verschiedenen Gruppen zugeordnet werden.63 Mon Plaisir ist eine uneinheit­lich gewachsene Sammlung von Einzelstücken, deren gemeinsamer Nenner das Auskleiden, Einrichten und Bestücken von kastenförmigen Schrankkompartimenten mit Gegenständen und Figurinen aus einer Ikonografie des Häus­lichen darstellt. Für die fehlende ästhetische Einheit­lichkeit gibt es mehrere Gründe: Eine Sammlung, die ein Leben über fünfzig Jahre hinweg begleitet, wächst mit den unterschied­lichen Anforderungen und Vorlieben der verschiedenen Lebensphasen. Mon Plaisir bündelte einerseits die Resultate weib­licher Handarbeit des fürst­ lichen Frauenzimmers und sorgte andererseits für die Bindung der Loyalität der Untertanen. Die Vorliebe für ihre Miniaturstadt muss weithin bekannt gewesen sein: als Geschenk zu Neujahr, zum Namenstag oder zum Geburtstag von der Familie, als Besuchspräsent oder um sich mit Miniaturgeschenken ihr Wohlwollen zu sichern – vermut­lich kamen die meisten unproportionalen Gegenstände und auch einige Figurinen als Schenkungen in die Sammlung. Es wäre sogar denkbar, dass einzelne Zünfte oder Interessengruppen ihre eigene Tätigkeit ins Bild setzten, um auf diese Weise auf sich aufmerksam zu machen und um damit eine Verbind­lichkeit herzustellen.64

62 In der Literatur findet sich mehrfach der Verweis, Auguste Dorothea habe das Gesamtkonzept ihrer Sammlung bereits früh entworfen und an seiner Umsetzung gearbeitet. Die Galerie auf Schloss Augustenburg soll eigens für die Puppenstadt gebaut worden sein. King (1983), S. 75; Leber (1965), S. 36. 63 Siehe Abschnitt 3.3 Die Puppen des Mon Plaisir, S. 104. 64 Theater, Holländische Stadt und Ursulinenkonvent sind eigene Einheiten und könnten durch Schenkung oder durch Ankauf in die Sammlung gekommen sein.

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3.2.2 Die formale Struktur des Mon Plaisir – Haus oder Aufbewahrungsschrank?

Im Gegensatz zu den holländischen Prunkkabinetten sind die Kästen sehr ­sch­licht. Diese Umsetzung erinnert an Auguste Dorotheas Desinteresse an äußeren Formen, was sich auch an ihrem eigenen Schloss, der Augustenburg, bemerkbar machte. Diese bestach durch ungewöhn­liche Größe der Anlage eines Witwenhofs, aber auch durch seine bau­liche Sch­lichtheit. Zeitgenossen lobten indes stets die Innenraumgestaltung. Ähn­lich verhielt es sich mit Mon Plaisir: Die Fürstin hatte kein Interesse an der äußeren Erscheinung der Kästen, obwohl es nachweis­lich zu ihren Lebzeiten einen Versuch der Vereinheit­lichung durch gleiche Farbgebung aller Kästen gab.65 Nicht sie waren die eigent­lichen Bedeutungsträger, sondern die Objekte und Figurinen, die Szenen im Innern. Der Fokus der Inszenierung lag auf dem Narrativ des Interieurs, nicht auf der Zurschaustellung äußerer Pracht. Die Schränke, in denen der Hof gezeigt wird, sind zwar wesent­lich größer und szenenreicher, weisen ledig­lich schönere Beschläge und reichere Profile, aber keinen Bauschmuck oder Zierhölzer, auf. Trotz der grundsätz­lichen Sch­lichtheit wird also eine Differenzierung in Abhängigkeit vom beigemessenen sozialen Status des gezeigten Inhalts vorgenommen. Nur einige wenige Schränke haben einen dachartigen Aufsatz, sind also „Häuser“ im eigent­lichen Sinn.66 Eine Steinfassade oder eine Fachwerkstruktur imitierende äußere Bemalung, wie sie zum Beispiel Nürnberger Häuser zeigen, kam nur einmal bei der Kirche zum Einsatz.67 Auguste Dorotheas Interesse bestand offensicht­lich nicht in der naturgetreuen Abbildung eines tatsäch­lichen Hauses oder Schlosses. Die ehemals mit Bleisprossen in kleinen Feldern verglasten Vitrinenfenster der Kästen dienten der Aufbewahrung, dem Schutz der Objekte und der Nobilitierung seines Inhalts. Die Indifferenz gegenüber dem Äußeren 65 Restauratorische Befunde am Kasten Corps de Logis zeigen einen mehrfachen Farbauftrag. Die Kästen scheinen zunächst holzsichtig belassen worden zu sein und wurden dann oliveg­rün, cremeweiß, elfenbeinfarben und letzt­lich weiß gestrichen. Restaurierungsbefund Schlossmuseum Arnstadt. 66 Nur fünf der 14 im Inventar aufgeführten Schränke wurden als „Haus“, alle anderen dezidiert als „Schrank“ bezeichnet. Stadtarchiv Arnstadt, Acten des fürst­lichen SchwarzburgSondershau­sischen Landraths zu Arnstadt betreffend Mon Plaisir, „Das Augustenburger betittulte Mon Plaisir“, ohne Signatur, unpaginiert; Inventarium Mon Plaisir. 67 Die einzige Ausnahme stellt die katho­lische Kirche dar, die als allansichtiges, freistehendes Modell gearbeitet und steinsichtig bemalt wurde. Dies markiert die besondere Stellung des Themas für die Auftraggeberin. Das Modell Kirche hat zwar das genannte Alleinstellungsmerkmal, allerdings wurde sie wesent­lich kleiner ausgeführt als der Kasten Corps de Logis.

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der Kästen lässt sich auch durch die Praxis erklären, die Schränke immer wieder zu erweitern und konstruktiv zu verändern. Szenen wurden angestückt und Wanddurchbrüche nachgetragen. Dadurch kam es zu „Baunähten“, die die prozesshafte Entwicklung der Sammlung ablesbar machen. Diese Erweiterungs­ praxis vor allem der kleinräumigeren, vielszenigen Kästen beweist das Fehlen eines äußeren Gesamtkonzepts. 3.2.3 Keine Treppen, dafür Fenster, Türen, Kamine

Im Innern finden sich dennoch drei konstitutive Elemente realer Architektur. Allerdings blieb ein Architekturelement weitestgehend unbeachtet: Die vertikale Kommunikation der Räume miteinander durch Treppen, die für ein echtes Haus unumgäng­lich ist und die im Rahmen des höfischen Zeremoniells eine bedeutende Position als Bühne der Statusinszenierung hatte, fehlt. Mit einer einzigen Ausnahme (Drechsler – Leinweber) existiert keine Treppe zwischen den einzelnen Stockwerken. Die Regalböden der Schränke, die Stockwerke der Häuser stehen unverbunden unter- und übereinander. Andere konstruktive Bauelemente realer Häuser, soweit sie den Innenraum betrafen, wurden jedoch in Form von Fenstern, Zwischentüren und Kaminen wiedergegeben. Bei Fenstern muss nach Typen unterschieden werden. Reine Wandöffnungen zur Beleuchtung einer Szene wurden in die Seitenwände eingelassen. Diese sind ohne oder nur mit sehr sch­lichten Rahmen ausgeführt, lassen sich nicht öffnen und dienen nur der Beleuchtung. Der zweite Fenstertypus hat keine beleuchtende, sondern nur schmückende Funktion und ist mit Spiegelglas hinterlegt (in dem sich auch der Betrachter spiegelt). Die dritte Form befindet sich immer in der Rückwand, ist konstitutives Bildelement, mit Beschlägen versehen und prinzipiell zu öffnen. Diese Fenster finden sich hauptsäch­lich in den Kästen des Corps de Logis. Sie sind sowohl Schmuckelement als auch Beleuchtung und machen vor allem durch die rückseitige Anbringung eine Durchleuchtung der Szenen von hinten mög­lich, zum Beispiel durch ein echtes Fenster der Galerie. Die Funktionsart der Fenster variiert ebenfalls, es existieren einflügelige, zweiflügelige und Schiebefenster. Teilweise wurden Türen als Kommunikationsmög­lichkeit zwischen einzelnen Szenen eingesetzt und signalisieren dadurch die größere Nähe der benachbarten Szenen zueinander. Sie sind meistens als zweiflügelige Türen oder als einflügelige Tür mit Glaseinsatz gestaltet. Unerwartet viele Szenen wurden nicht mit einer Verbindungstür versehen. Die vielfachen (nun geschlossenen und verputzten) seit­ lichen Öffnungen der Kästen, teilweise auf mehreren Ebenen eines Kastens übereinander mittels rundbogigen oder rechteckigen Aussägungen oder (verhängten)

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Glastüren, sprechen für ein starkes Interesse am Gesamtensemble und an der Kommunikation der einzelnen Kästen untereinander. Ein wesent­liches konstruktives und raumbestimmendes Element, das sich ebenfalls an reale Verhältnisse anlehnte, ist der Kamin. Viele Räume sind mit einem Kamin ausgestattet, der je nach Gestaltung als Eck- oder als mittig angeordneter Kamin den Raum maßgeb­lich vorstrukturiert. Über die Elemente Fenster und Kamin wird die Raumsymmetrie hergestellt oder verworfen. Die Art des Kamins oder Ofens markiert, ebenso wie die Ausführung der Türen, den Grad der ­sozialen Relevanz des Raums. 3.2.4 Die formale und chronologische Entwicklung der Sammlung

Trotz der generellen Uneinheit­lichkeit lassen sich stilistische Gruppen bilden, die eine Chronologie der Kästen nahelegen. Damit wird die zeit­liche Bindung der Kästen an bestimmte Lebensphasen der Fürstin und Witwe plausibel. Einige wenige Kästen sind als eigene Einheit durchkonzipiert und wurden in einem Arbeitsgang hergestellt. Dies lässt sich einerseits an der Geschlossenheit der äußeren Propor­ tionen, andererseits aber auch an der verwendeten Holzart, dem Zustand und der Machart der unbehandelten (hobelrau belassenen) Rückwände ablesen. Zu diesen Kästen zählen die Szenen Hofküche – Keller (Grafik XVII im Anhang), Damengesellschaft – Wochenbett – Morgentoilette (Abb. 6, S. 96), Drechsler – Leinweber – Jude (Grafik V) und der später entstandene Kasten Prunkzimmer – Post (Abb. 8, S. 100). Die gestalterische Einheit dieser Gruppe wird durch ein annähernd gleiches Kastenkonzept erreicht, das neben ähn­licher Höhe und Breite eine klare Dreiteilung der Geschosse und vor allem eine Fokussierung des Raums auf ein Zentrum hin durch einen repräsentativen Kamin beinhaltet. Zusätz­lich stehen die Motive vertikal in einem Zusammenhang. Es ist davon auszugehen, dass die Hofküche, das Wochenbett und der Drechsler zu den ersten Kästen der Sammlung gehörten. In allen drei Kästen wurden für die Herstellung des Schrankes breite Holzbretter verarbeitet. Die in mehrere Zonen aufgeteilte Wandgestaltung ist komplex und verfügt sowohl über eine hölzerne (keine gemalte) Lambrie (eine umlaufende Sockelzone) als auch über eine kostbare, textile Wandbespannung (anstelle beklebter Papierbögen) und darüber bemalte Deckenspiegel. Die Räume sind ungewöhn­ lich hoch, um der aufwändigen Wandgestaltung Raum zu geben und den Inhalt zu nobilitieren, während die Innenarchitektur symmetrisch ist und ein zentrales Motiv abbildet. Für den Betrachter wird der Zugang zur Masse an Miniaturen dadurch deut­lich einfacher, weil sich das Geschehen auf einen Inhalt fokussiert und keine narrative Konkurrenz besteht.

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Abb. 6: Mon Plaisir, Damengesellschaft – Wochenbett – Morgentoilette

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Im Beispiel des oben gezeigten Ensembles wird die „Damengesellschaft“ ­mittig durch den weißen Porzellankamin strukturiert. Der Kamin als nobilitierendes Raumkennzeichen definiert die Position der Hauptfigurine (Auguste ­Dorothea). Alle Staffagefiguren müssen sich dieser Raumanordnung unterwerfen. Die Einrichtungsgegenstände müssen symmetrisch zum Kamin angeordnet werden (Spiegelpaare). In der mittleren Ebene (Wochenbett) übernimmt das signalfarbene Prunkbett unter der puttenbekränzten Arkade über Arkanthuskapitellen die Funktion der Zentrierung. Das Bett und das damit verbundene Entbindungsgeschehen bilden das zentrale Narrativ. Obgleich die unterste Ebene eine vertikale Trennung aufweist, die die Szenen an sich verkleinert, ist die Trennung der Räume wiederum genau mittig vorgenommen und kommt unterhalb von Kamin und Prunkbett zu liegen. Die beiden dadurch geschaffenen Felder ermög­lichen die geschlecht­lich getrennte Darstellung der Morgentoilette. Der Schrank enthält nicht nur eine formale, sondern auch eine inhalt­liche Einheit. Er zeigt ausschließ­lich Szenen aus dem adeligen Erfahrungsraum. Die Hofküche (Grafik XVII, Anhang) scheint ebenfalls aus derselben Entstehungszeit zu stammen. Als einziger Kasten weist das Untergeschoss frontal eine aus Holz bestehende, rusti­zierte Fassade als Kellergewölbe mit Lichtschlitzen und Luftlöchern auf und zeigt damit die größtmög­liche Nähe zu einem tatsäch­lichen Weinkeller. Auch dieser Kasten verfügt über eine klare vertikale Orientierung. Auf die obligate horizontale Dreiteilung wurde hier verzichtet, sie bleibt aber dennoch durch die Zone des Kaminbildes erfahrbar. Bei der Hofküche wird die größte Einheit von szenischem Raum und Kasten erreicht. Der Innenraum des Oberteils ist klar gegliedert durch den riesigen Kamin, von dem umlaufend mehrere Tellerregale auszugehen scheinen, die sich über alle drei Seiten erstrecken und den Eindruck erwecken, als würden sie in den realen Raum hineinragen. Das Thema des Gesamtkastens lautet Speisezubereitung (Essen und Trinken) und bildet ebenfalls einen geschlossenen thematischen Kreis. Diese beiden Kästen überzeugen durch die größte Übereinstimmung von äußerer Geschlossenheit, symmetrischem Szenenaufbau und inhalt­licher Einheit. Der einzige Kasten von ähn­lichen Proportionen und nahezu symmetrischer Dreiteilung des vertikal ausgerichteten Ensembles kommt aus dem Themenfeld der Zünfte und zeigt die Werkstatt eines Leinwebers, eines Drechslers und den Laden eines jüdischen Textilhändlers (Grafik V, Anhang). Die einzelnen Fächer sind jedoch weniger hoch, und der gesamte Kasten ist weniger breit. Im Vergleich mit den adelige Sujets darstellenden Kästen entspricht sogar die Größe des Kastens dem ständischen Decorum. Dieser Kasten gehört in Bezug auf die Einheit von Form und Inhalt und auch aufgrund der Gesamtgeschlossenheit

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ebenfalls zur ersten Gruppe der Häuser. Es ist zu vermuten, dass dieses Haus den Beginn der Darstellungen der außeradeligen Lebenswelt markiert. Obwohl der Drechsler im untersten Segment wie ein Stapelkasten funktioniert und der Schrank keine organische Einheit auf der Ebene der Konstruktion darstellt, stammt er aus einer Schaffensperiode. Die einzigen Kästen, die darüber hinaus eine thematische Einheit vorführen, sind die Außenszenen Lustgarten (Abb. 7, S. 99), Jagd und Holländische Stadt. In allen drei Beispielen wurde allerdings die Kastenform gesprengt und zu einem in der Tiefe reduzierten und die Kontur rund nach oben abschließenden, oberen Kasten aufgelöst. Das Kastenformat der Sammlung wird hier überführt in eine Hauptszene mit bekrönendem und auch bespieltem Aufsatz, der zugleich als Konsole für Ziervasen, Lüster oder figurale Porzellane dient. Diese Art der Darstellung folgte vermut­lich holländischen Vorbildern.68 Die Holländische Stadt fällt sowohl konzeptionell und künstlerisch als auch bezüg­lich der Auffassung und der Ausführung aus dem Rahmen und muss als Auftrag oder Geschenk in die Sammlung gekommen sein. Sie könnte als Prototyp des getreppten Tonnenabschlusses gelten, in deren Folge die Kästen Lustgarten und Jagd entstanden. Dass die Außenszenen ehemals als Einheit verstanden wurden, zeigt die Tatsache, dass sie in der ehemaligen Aufstellung direkt nebeneinander standen, vermut­lich weil sie das geschlossene Themenfeld des Außerhäus­lichen zeigten. Formal unterbrechen die als Himmel bemalten, tonnengewölbten Deckenbekrönungen die Geschlossenheit der vorher beschriebenen Kästen. Ihre Orientierung ist horizontal, nicht vertikal. Die Jagdszene stellt den Übergang zwischen dem noch nahezu quadratischen und komplett geschlossenen Kasten, der allseitig bemalbar war als Landschaft, hin zu größtmög­licher Rücknahme der Wände beim horizontal angelegten Lustgarten dar. Will man der Datierung des Lustgartens glauben, stammt er aus dem Jahr 1744, damit würde die ganze Gruppe formal und konzeptionell eher am Ende des Lebensprojekts zu situieren sein. Eine besondere Position hat die Kaiser­liche Post, bei der eine Stadtvedute mit eingestellter Posthausarchitektur mit drei darüber sich befind­lichen höfischen Prunkräumen verbunden ist. Dieser Schrank stellt eine ideale Fusion zwischen Außenraum und Innenraumpräsentation dar. Während das Prinzip des „Innen über Außen“ blieb, wurden die in der Holländischen Stadt angelegten Veduten und die Hintergrundmalerei erweitert. Darüber hinaus wurde die Außendarstellung

68 Siehe das Puppenkabinett der Sara Ploos van Amstel, 1743, Gemeentemuseum, Den Haag, auch Pasierbska (2008), S. 19.

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Abb. 7: Mon Plaisir, Lustgarten (Augustenburg)

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Abb. 8: Mon Plaisir, Kaiser­liche Post

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mit eingestellten Bauten im Kasten verbessert. Die Innenräume übernehmen die Idee der hintereinander liegenden, waagerecht gestaffelten Raumfolge aus den Kästen des Corps de Logis, setzen diese aber konsequent fort. Gleichzeitig wird die Raumhöhe des Wochenbetts übernommen. Der ganze Kasten verlässt die vertikale Orientierung der geschlossenen Form und schrumpft zugleich das querrechteckige Prinzip der Bauten des Corps de Logis zu einer Proportion, die sich realen Hausproportionen nähert. Die Innenräume werden wie bei den ersten Kästen durch einen strukturierenden Raumakzent (Kamin, Thronbaldachin, Bett) gegliedert, was zu einer klaren Erzählung innerhalb der Szenen führt. Die wandfeste Gestaltung der Innenszenen besteht aus originalgroßer, kostbarer, textiler Wandbespannung und einer Goldledertapete, die als Reststück an der Wand des Puppenkabinetts Verwendung fanden und damit auch die vermut­lich größte Nähe zur tatsäch­lichen Raumausstattung der Augustenburg aufweisen. Die Reihung der Szenen orientiert sich an der tatsäch­lich anzutreffenden Enfilade von drei Sphären fürst­lich-weib­ licher Lebensräume (Schlafgemach, Empfangszimmer, Vorzimmer). Die in den anderen Kästen erprobten Prinzipien sind bei diesem Ensemble ausgewogen und durchdacht zusammengestellt. Der Qualitätsgrad der Machart (Kasten) und die Reichhaltigkeit der Ausstattung deuten auf ein hohes finanzielles Engagement hin und stellen in gewisser Weise den Höhepunkt der Sammlung dar. Dies wäre zwischen 1716 und 1723 aufgrund der schwierigen finanziellen Situation zu Beginn der Witwenzeit vermut­lich nicht mög­lich gewesen. Die Szenen Audienz – Apotheke – Bäcker zeigen die Entwicklung vom vertikalen Gesamtformat in die Breite.69 Die Räume werden immer noch proportional und symmetrisch im Kasten verteilt. Pro Ebene befinden sich nun zwei Räume, die jedoch nur teilweise untereinander verbunden sind (Bäcker). Es sind abgeschlossene thematische Einheiten, Bilder, die nur durch die phy­sische Nähe zum nächsten Bild einen inhalt­lichen, nicht aber einen konkreten, räum­ lichen Zusammenhang erfahren. Dieser Kasten behält sich für die obere Lage die Darstellung des höfischen Empfangs vor. Darunter beginnt der Bereich der Versorgung, mit Hofapotheke (Gesundheit), Hofschneider (Kleidung), darunter Hofbäckerei (Nahrung). Vielleicht wurde hier erstmals eine Außendarstellung (Mehlanfuhr) in einen Kasten integriert. Die Außendarstellung wird noch nicht durch Bemalung kennt­lich gemacht, nur die Staffage (Karren und Pferde) markieren den Außenraum. Thematisch erfährt das Konzept hier eine Öffnung über

69 Vgl. Grafik III, ehemals ein Ensemble, heute in zwei Vitrinen präsentiert. Oben Damen­ salon/Audienz über Apotheke/Hofschneider. Darunter Mehlanfuhr/Hofbäckerei.

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die Darstellung der Versorgung hin zu den Zünften. Das Darstellungsensemble bleibt immer noch im Bereich des Höfischen. Auch dieser Schrank wurde in einer Produktionsphase erstellt. Zwei Ensembles zeigen ganz besonders deut­lich die langsame Entwicklung der Sammlung. Die beiden ein fürst­liches Schloss darstellenden Kästen des Corps de Logis machen die Ausweitung der Kästen direkt am Objekt sichtbar und beweisen damit ein laufendes Wachsen. Sie widersprechen damit wie bereits erwähnt eklatant der Idee des seit den 1690ern von langer Hand geplanten Gesamtkonzepts.70 Im Corp de Logis I, heute auf drei Schränke verteilt, weisen verspachtelte Risse um das Geviert in der Mitte wie auch die Verglasung und vor allem die einheit­ lichen Scharnierbeschläge der Mittelszenen auf die ursprüng­liche Größe dieses Kastens hin. Das erste Projekt dieses Kastens sah vermut­lich unter der krönenden Altane ein erstmalig vierstöckiges Ensemble mit zwei symmetrisch geteilten Szenen pro Ebene vor. Vier höfische Szenen aus dem Themenkreis Fürst und Fürstin (Speisezimmer – Jagdzimmer über Spiel – Hausmusik) befinden sich über zwei Szenen mit allgemeineren höfischen Themen (Kinderzimmer – Mohren­ familie über Stall – Brautzug)71 und über einer Bauernfestszene. Damit war das erste Projekt auch noch der Vertikalen verpf­lichtet, erweiterte diese stückweise und addierte eine neue Dachlösung. Die vier Räume links und rechts des Kerns wurden nachträg­lich angefügt. Die Zunftszene (Schreiner) und das Bauernfest unten wurden hier problemlos mit den Innenszenen darüber kombiniert. Wieder besteht der einzige Verweis auf den nichthöfischen Ort im Fehlen von Wandgliederung oder Bemalung. Ein weiteres Beispiel bildet die Dynamik der Sammlung ab. Deut­lich sichtbar wurde der Corps de Logis II rechts an zwei übereinander liegende Szenen gefügt, die aber kleiner ausgeführt wurden und von den Proportionen und der Geschosshöhe nicht zum Hauptkorpus passen.72 Die rein äußer­liche Angleichung des Rahmens wurde nur ungenau und stümperhaft umgesetzt, indem er grob verputzt wurde, sodass eine Anschlussstelle im oberen Profil deut­lich sichtbar blieb. Bei der Erweiterung des unteren Teils wurde auf das konstruktive Einfügen des Kastens verzichtet und ebenfalls nur auf der Vorderseite grob verputzt. 70 Vgl. Grafik XI, ehemals ein Ensemble, heute drei getrennte Kästen. Oben Corps de Logis I mit Altane, unten links Kinderzimmer – Mohrenfamilie über Stall – Bärentanz – Hochzeit. Unten rechts Wäschezimmer über Schreiner. 71 Stall und Tanzbären sind vertauscht inszeniert laut der Beschreibung von 1751. 72 Vgl. Grafik XIV, ehemals ein Ensemble, heute drei separate Kästen. Oben: Corps de Logis II, unten links: Jahrmarkt, unten rechts Putzmacherin über Schankstube.

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Der Kasten Theater – Hofmaler – Bürgerküche – Böttcher zeigt am deut­lichsten die ästhetische Indifferenz Auguste Dorotheas gegenüber der äußeren Einheit­ lichkeit.73 Zum Zeitpunkt des Ablebens der Fürstin und Witwe waren diese sechs Szenen übereinander gestapelt, obwohl alle drei unterschied­liche Raumtiefen aufweisen und das Theater als oberster Kasten dreißig Zentimeter tiefer ist als der darunter liegende. Der unterschied­liche Umgang mit der Binnenstruktur, mit der Symmetrie und Asymmetrie der Raumaufteilung und auch mit der Beleuchtung beweist, dass es sich hier um Kästen unterschied­licher Zeitstellungen und vermut­lich auch anderer Zusammensetzungen handelt, die irgendwann in obiger Zusammenstellung endeten. Es ist davon auszugehen, dass Kästen auch umgenutzt wurden und Szenen in andere Kästen umziehen mussten.74 Zwei weitere Schränke zeigen die Kombination von fürst­lichem Innenraum und landwirtschaft­lichem Außenraum.75 Beide Kästen wiederholen das große querrechteckige Format der Kaiser­lichen Post und auch die dort vorkommende Unterteilung in höfischen Innenraum beziehungsweise Wohnszenen oben über einer großformatigen Außenszene unten. Die oberen Szenen brechen aus ihrem quadratischen Grundriss aus und erstrecken sich über zwei Raumbreiten. In jeweils zwei Feldern wurde die Mittelwand entfernt und damit doppelt so viel Platz für eine einzige Szene geschaffen. Die Raumdistribution wird dadurch asymmetrisch und die Raumzahl ungerade. Damit konnten zwei raumgreifende Szenen – eine Spielgesellschaft und ein Tabakskollegium mit Billard – inszeniert werden. Der Verzicht auf die formale Symmetrie weist diese beiden Kästen als spätere Projekte aus. Diese beiden Kästen stammen ebenfalls aus einer gemeinsamen Phase. Die prinzipielle Dynamik, die grundlegende Unabgeschlossenheit und die Entstehung über einen langen Zeitraum sind die Prinzipien der Gattung Puppen­ haus, die ganz besonders an dem Lebenswerk Mon Plaisir ablesbar sind. Innerhalb einer durch die Kastenform festgelegten Variationsbreite waren sowohl Höhe, Tiefe, Breite, Einteilung, Beschlag und Auskleidung in Abhängigkeit vom Geschmack des jeweiligen Lebensalters und der zugedachten Raumfunktion unterschied­lich. 73 Vgl. Grafik II , ehemals ein Ensemble, heute in drei Kästen präsentiert: Theater über ­Hofmaler – Philosoph über Bürgerküche über Böttcher. 74 Der Kasten Theater passt von der Größe her zum Unterteil des Jagd-Kastens und hat vermut­lich im Lauf der Sammlung Zuordnung und Inhalt gewechselt. 75 Vgl. Grafik XV , ehemals je ein Kasten. Spielgesellschaft über Vorwerk und Grafik XVI Tabakskollegium über Kleinem Vorwerk.

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3.3 Die Puppen des Mon Plaisir

Die Uneinheit­lichkeit des Rahmens setzt sich mit den knapp vierhundert Figurinen „von überragender Bedeutung“76 konsequent fort. Die stilistische Durchmischung der Figurinen ist das Ergebnis der gleichen ästhetischen Indifferenz in Bezug auf den Informationsträger, die schon zuvor für die Gestaltung der Kästen beobachtet wurde. Das Interesse lag auch bezüg­lich der Puppen nicht im Grad ihrer Einheit­lichkeit, sondern in der Vielfalt der dargestellten Personen und Sujets. Die unterschied­lichen Puppentypen sind dem langen Entstehungszeitraum, den wechselnden Vorlieben oder auch Spontankäufen auf Messen geschuldet. Auguste Dorotheas Phasen der Finanznot führten wahrschein­lich zeitweise zu notgedrungen qualitätsärmeren Ausführungen.77 „Personen mit unterschied­lichen Fertig­ keiten, Ideen und Arbeitsmethoden“78 waren über Jahrzehnte mit der Produktion der Puppen beschäftigt. Die Uneinheit­lichkeit ist also das natür­liche Ergebnis einer ambitionierten, aber stilistisch nicht dogmatischen Sammlungstätigkeit und ordnet sich auch in Bezug auf die Figurinen dem Prinzip der eklektischen Kunstkammer unter. Klein und Müller unterteilen die Puppen anhand von Größe, Material, Qualität der Ausführung sowie anhand der Art und Weise der kunstvollen Durchbildung in drei Hauptgruppen (der kleinen, der Standard- und der großen Puppen) und, neben Einzelstücken, in mehrere geschlossene Kleingruppen, die aufgrund ihrer Machart oder Auffassung von den Hauptgruppen abweichen (Mönche, Nonnen, Holländer, Theater, Musikanten).79 Bei den Puppen zeigt sich genau wie bei der Ausstattung und Möblierung eine Mischung aus gezielter Auftragsvergabe, Ankauf und Eigenproduktion.80 Die Körper sind unterschied­lich gebaut, setzen sich aus diversen Materialien zusammen und machen die Puppen unterschied­lich beweg­lich.81 76 Müller-Krumbach (1992), S. 30. 77 Siehe den Punkt 4.2 Lebensthemen Standesgemäßheit, Geldbeschaffung und Reputation., S. 142. 78 Klein/Müller (1992), S. 8. 79 Ibid. 80 Sowohl der Ankauf als auch die Eigenproduktion am Hof lassen sich an einzelnen Beispielen nachweisen. Auf der Leipziger Ostermesse 1697 kaufte Auguste Dorothea etwa „Poppen Zeug“ (ThStA Ru, Kanzlei Sondershausen 504, 54). In der Robe des „Gelehrten“ fand sich dagegen zur Aussteifung ein Brieffragment, das an Auguste Dorothea adressiert war und damit die Herstellung am Witwenhof nachweist. Klein (1999), S. 14. 81 Holzkörper und -beine, Drahtarme, Mischmasse zur Formung von Knie und Schulterbereich, Köpfe aus Wachs, Holz oder Pappmaché sowie Hände aus Wachs, Holz oder Mischmasse.

Die Puppen des Mon Plaisir  |  105

Für das Problem der Beweg­lichkeit wurde stets nach neuen Lösungen gesucht, daher wurde die Grundkonstruktion der Puppen immer wieder leicht verändert, vermut­lich je nach Anforderungen an die Positionierbarkeit der Figurinen.82 Manche Puppen waren durch die Art ihrer Konstruktion nur für eine ganz bestimmte szenische Einbindung mög­lich. Die meisten der Hofdamen sind ohne Beine konzipiert. Ihre Oberkörper stützen sich ausschließ­lich auf die Röcke, daher müssen sie von Beginn an ausschließ­lich in einer sitzenden Haltung konzipiert gewesen sein. Die Konstruktion der Puppen stand in Abhängigkeit zur zeitgenös­sischen Kleiderordnung. Frauen der Mittelschicht oder Mägde, deren Röcke kürzer waren, mussten im Mon Plaisir folg­lich mit standfesten Beinen ausgestattet werden. Es besteht ein markanter Unterschied im verwendeten Material zwischen männ­ lichen und weib­lichen Puppen. Die männ­lichen bestehen aus bekleideten Holzklötzen, während die weib­lichen Puppen aus formbaren, ausgestopften Lederoder Leinensäcken gefertigt wurden. Die Hände der weib­lichen Puppen sind meist aus Wachs und nicht aus Holz oder Mischmasse. Da der Schwerpunkt des Mon Plaisir auf der Erzählung des weib­lichen Lebens lag, brach sich die Nähe der Erzählperspektive zum Weib­lichen Bahn für die Details des spezifisch Femininen wie zum Beispiel die korrekte Wiedergabe der Bekleidung, die Klöppelspitze am Ärmelbesatz und im Schmuck. Wachs war durch seine bessere Formbarkeit das höherwertige Material. 82 Zu Art und Konstruktionsweise der Puppen: Die Standard-Puppen können stehen und sitzen, ihre Arme sind biegsam und sie sind ca. 20 bis 28 cm groß. „Den ‚Standard-Puppen‘ im Körperbau ähn­lich sind die ‚Kleinen Puppen‘, 53 an der Zahl und etwa 15 bis 19 cm hoch. Von wenigen Ausnahmen abgesehen sind ihre Gesichter primitiver gestaltet, ist ihre Kleidung einfacher, als die der ‚Standard-Puppen‘. […] 32 ‚Große Puppen‘ messen 27 bis 35 cm Höhe. Ihre Gesichter sind ebenfalls nicht so kunstvoll gestaltet, wie die der ‚Standard-Puppen‘; auch zeigen viele von ihnen einen fülligeren Körperaufbau. […] Der Prototyp des männ­lichen Standard-Körpers setzt sich aus einem hölzernen Rumpfteil und den Beinen zusammen. […] Die Oberkörper der weib­lichen Puppen bestehen gewöhn­lich aus einem in femininen Formen gebildeten Rumpfteil, welches kegelförmig schmaler werdend bis unter die Taille reicht und dort zugebunden, zugenäht oder offen belassen, sichtbar ist. Dieses Rumpfteil ist genäht, besteht aus Leinen oder Leder und wurde mit Werg, Kapok oder Gräsern ausgestopft. Die erforder­liche Stabilität verleiht ihm ein Holzstäbchen, das gleichzeitig den Kopf trägt. In einigen Oberkörpern sind feste Einlagen aus Papier oder Karton ertastbar. Letztere sind besonders dort erforder­lich, wo wächserne Dekolletés (…) festen Halt benötigen. Wie bei den männ­lichen Puppen dient auch hier ein durch den Körper gesteckter Draht als Armskelett. Gewöhn­lich wurde dieser Draht mit Werg und Leinenstreifen umwickelt, oft auch mit Stoff umnäht, so daß sich die Hände bzw. die hochgeschlossenen Wachsunterarme gut aufstecken ließen.“ Carola Müller in Klein/Müller (1992), S. 8 ff.

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Masterplan, Ständepyramide, museale Inszenierung

Abb. 9: Mon Plaisir, Spielgesellschaft, Puppenportraitkopf

Abb. 10: Mon Plaisir, Corps de Logis II, Dame (Auguste Dorothea) – weich modellierter Körper, Wachskopf auf Stützrock

Die Qualität der Puppen war, ebenso wie die Räume des Gesamtensembles, nach ihrer gedachten sozialen Zugehörigkeit getrennt, was anhand der im Vergleich zu den Untertanenfigurinen sehr viel qualitätsvoller gearbeiteten adeligen Puppen besonders deut­lich wird. Diese ständische Unterscheidung sogar im Detail kulminiert in der Fürstinnenfigurine in der Audienz, die als bedeutendste Akteurin des Puppenstaats als voll beweg­liche Holzgliederpuppe gearbeitet wurde. Ausgehend von der Idee des Mon Plaisir als persön­lichem Gruppenbild wurden die Personen im Umkreis der Fürstin als Portraits nachgebildet, während die Untertanen, die „nur“ eine Funktion darstellten und zu denen die Fürstin keinen persön­lichen Bezug hatte, als reine Staffagepüppchen ausgeführt wurden. An die Untertanen darstellenden Figurinen banden sich keine besonderen künstlerischen Ambitionen – sie mussten nur mit Merkmalen ausgestattet werden, die ihre Rolle erkennbar machten. Die einheit­lichen Gruppen der Portraitfigurinen und der großen Puppen sind in Aufträgen oder in höfischer Eigenproduktion entstanden, während die anderen, qualitätsärmeren und kleineren, eher als Geschenke (der Untertanen) denkbar sind.

Die Puppen des Mon Plaisir  |  107

Abb. 11: Mon Plaisir, Spielgesellschaft, zwei Herren

Die großen Puppen wie zum Beispiel die Herren beim Kartenspiel könnten zeitgenös­sische Spielzeugpuppen gewesen sein.83 Sie machten durch ihre Größe die authentische Darstellung zeitgenös­sischer Bekleidung mög­lich. Sie sind nur im Bereich des Adels zu finden und bezeichnen weniger durch eine ausgeprägte Portraithaftigkeit eine bestimmte Person, sondern durch ihre reiche ­textile Ausstattung die Zugehörigkeit der Figurine zur sozialen Elite. Die Identität der Puppe wird in Kenntnis der höfischen Rollenverteilungen im Vergleich mit anderen Puppen vorgenommen. In Größe und Ausstattung sind diese Puppen in die Nähe der Mannequins, der aus Paris verschickten Modepuppen, anzusiedeln,

83 King (1983), S. 82.

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Masterplan, Ständepyramide, museale Inszenierung

die den Damen des Hochadels die neueste Mode haptisch am Modell nachvollziehbar übermittelten.84 Im Zentrum des Interesses stehen die Portraitpuppen, die sich vermut­lich auf den engeren Hofstaat der Fürstinnenwitwe beziehen. Die Portraitechtheit der Figurinen soll 1820 durch den Weimarer Verleger Friedrich Justin Bertuch (1747 – 1822) bezeugt worden sein, der schrieb: „Was die Abbildungen der Fürstin, ihrer Räthe, Beamten, Damen, Diener usw. betraf, so wurden diesselben nach dem Leben gemacht, und sind also Portraits (wie von einigen wenigstens, ein noch lebender geachteter Schriftsteller in Arnstadt die Versicherung gab, der einige derselben noch recht gut gekannt hatte).“85

Der auch münd­lich überlieferte Portraitcharakter vieler Puppen ist plausibel. Klein und Müller konstatierten ebenfalls die portraithafte Durchbildung der keroplastischen Gesichter, reduzierten aber zugleich diese Würdigung durch die Feststellung, dass sich die Typen wiederholten.86 Diese Beobachtung ist völlig korrekt, nur die Ableitung daraus ist es nicht. Wie die folgenden Beispiele zeigen, wurden Kopfmodelle mehrfach wiederholt. Bei den sch­lichteren Puppen stellt diese Methode eine Arbeitsvereinfachung dar. Eine Anmutung von Individualität zwischen diesen funktionalen Puppen (Musiker) wurde über Bemalung, Haartracht oder Kopfbedeckung bewirkt. Nicht bei jeder neuen Figurine musste erst umständ­lich ein (Ton-)Modell angefertigt, die Negativform abgenommen und danach im Hohlgussverfahren ausgegossen werden.87 Bei den für das Narrativ des Lebens am Fürstenhof wichtigen Vertreterpuppen für reale Personen wurde ein Portraitmodell deshalb wiederholt, weil eine bestimmte Person mit diesem verbunden war, die nicht nur einmal, sondern mehrfach in Mon Plaisir erscheint. Die sich wiederholenden Köpfe mit unterschied­licher Kopfbedeckung und Bekleidung zeigen eine bestimmte, identifizierbare Personengruppe bei sich wiederholenden Tätigkeiten in unterschied­lichen Situationen.

84 „Mode-Puppen oder Docken, sind ordent­liche Puppen, welchen hauptsäch­lich in Frankreich die neu erfundenen Moden angeleget, und die also in auswärtige Länder verschicket werden, damit solche daselbst desto besser nachgemachet werden können.“ Zedler, Bd. 21, 0382, Sp. 722. 85 Zitiert nach Leber (1965), S. 35, leider hier ohne Quellenangabe. 86 Klein/Müller (1992), S. 4. 87 Müller in Klein/Müller (1992), S. 11 ausführ­lich zu den Wachsköpfen.

Die Puppen des Mon Plaisir  |  109

Abb. 12: Mon Plaisir, Auguste Dorothea mit eng anliegender Lockenfrisur und Fledermaus (Spitzenhäubchen)

Abb. 13: Mon Plaisir, Hofdame

Abb. 14: Mon Plaisir, Bibliothek, Herr im Hausmantel (Philosoph /Anton Günther)

Abb. 15: Mon Plaisir, Hofküche, Kellermeister

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Masterplan, Ständepyramide, museale Inszenierung

Abb. 16: Mon Plaisir, Kleines Vorwerk, Bürgerin

Abb. 17: Mon Plaisir, Vorwerk, Rattenfänger

Abb. 18: Mon Plaisir, Ursulinenkonvent, Bettler

Abb. 19: Mon Plaisir, Kleines Vorwerk, Bettlerin

Die Puppen des Mon Plaisir  |  111

Die Adelsfigurinen und ganz besonders die Damen zeigen fein durchgebildete, individualisierte Gesichtszüge. Die Hofdamen sind eher rund­lich und tragen ein helles Inkarnat. Ihre Gesichter spiegeln dadurch ein müheloses, gesättigtes Leben im Innern eines Hauses oder unter Sonnenschirmen. Das helle Bienenwachs des Gesichts mit tiefrot bemalten Lippen in Verbindung mit textiler Prachtausstattung steht für ein stark geschminktes, weiß gepudertes Gesicht, das der zeitgenös­sischen modischen Vorliebe des Adels entsprach.88 Nur wer draußen ungeschützt arbeitete, war Sonne, Wind und Wetter ausgesetzt und folg­lich gebräunt oder faltig. Ein Charaktergesicht und sonnengebräunte Haut zu haben war ein Kennzeichen der unteren Schichten. Der frühneuzeit­liche Terminus für Puppe war „Docke“, in Ableitung von ihrer bauchigen, sich verjüngenden Form, die damals wie heute auch bei Balustraden zu finden ist.89 Christoph Weigel beschrieb im Ständebuch 1698 verschiedene Zünfte, die aus unterschied­lichen Materialien die Körper und Köpfe fertigten, näm­lich den „Dockenmacher von Silber, Holz, Alabaster, Wachs und Dockenmacher von Pappen-Zeug […]. Die Materie, woraus diese Spiel- und Docken-Wahren bestehen, sind theils aus Silber […] und werden von den Goldschmied= und Silber Arbeitern verfertiget; Theils Holz, welche die gemeine Bildschnitzer und Drechsler zu machen pflegen, Theils Alabaster, so eine Arbeit ist der Alabasterer; Andere werden von Wachs poussiret […] der Natur ganz gemäß […]. Diejenigen Docken zu geschweigen, so nach ieder Landes-Art mit allerley gezeug von Sammet und Seiden bekleidet, ja sogar die neueste Moden von Kleidungen und Aufputz des Frauen-Zimmers.“90

Weigel erläutert weiter, viele Puppen würden heute aus „Pappen“, also Pappmaché, gefertigt und hinterher bemalt und mit Firnis überzogen werden.91 Besonders die Augsburger und Nürnberger Puppen seien berühmt, „welche auch die Alte[n] [Menschen] nur durch das Ansehen ihrer art­lichen Erfindungen und angenehmen Wercke ergötzen.“92 Weigel beschreibt als Zeitgenosse Auguste Dorotheas die bereits etablierte und ausdifferenzierte Werklandschaft der Puppen­herstellung, die sich an den unterschied­lichen Figurengruppen des Mon Plaisir ablesen lässt. Puppen wiesen 88 Boehn (1963), S. 164 ff. 89 Krünitz, „Docke“, Bd. 9, 353 f. 90 Weigel, Christoph (1698): Abbildung der Gemein-Nütz­lichen Haupt-Stände. Regensburg, S. 217 ff.; vgl. Zedler, Eintrag „Puppenwerk“ ist nahezu wortgleich, Bd. 29, 830, Sp. 1634. 91 Die Hersteller wurden „Papier-Dockenmacher“ genannt (Weigel, 1698, S. 219). 92 Ibid., S. 220.

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Masterplan, Ständepyramide, museale Inszenierung

Abb. 20: Mon Plaisir, Hoftheater, Komödianten

regionale Varietäten auf und waren je nach Finanzkraft des Käufers oder Auftraggebers aus unterschied­lich kostbarem Material gefertigt. Bei den Puppen des Mon Plaisir trägt das Korpusmaterial kaum Eigenwert, die künstlerische Gestaltung von Kopf und Gewand sind demnach das eigent­lich Wertvolle dieser Puppen. Bislang fanden sich keine Rechnungen und Belege, die die Herkunft der vermut­lich angekauften oder geschenkten Figurinen erklären. Sicher scheint nur, dass diese Püppchen nicht aus Arnstadt oder der Augustenburg stammen. Zu den „externen“ Puppen gehören die aus den Kästen ­Theater und Holländische Stadt, Mönche und Nonnen 93 sowie einige Einzelstücke anderer Provenienz.94 93 Die Nonnenfigürchen fallen aus dem Rahmen, weil die Köpfe nicht vollständig aus Wachs, sondern nur als Gesichtsmasken gegossen sind. Nachweis­lich wurde zumindest eine der Nonnen-Figurinen in Erfurt hergestellt, vermut­lich aber das ganze Ensemble. Siehe Klein (1999), S. 14. 94 So bspw. die „Putzmacherin“, die vermut­lich aus Augsburg stammt. Ibid., S. 11.

Die Puppen des Mon Plaisir  |  113

Abb. 21: Mon Plaisir, Katholische Kirche, Mönche verschiedener Orden und weib­liche Figurine (Sonneberg?)

Die klein und gedrungen ausgeführte Schauspieltruppe und das dazugehörige Orchester des Hoftheaters folgen einer besonderen Figurenauffassung. Während die Schauspieler vollständig aus Holz gefertigt sind, haben die Musiker einen Holzkörper und Köpfe aus Pappmaché. Beide stehen in der Werktradition süddeutscher und italienischer geschnitzter Presepe oder Krippenfiguren.95 Da aber der Stoff des Justeaucorps (Hofmantel) der Orchestermitglieder dem anderer Hofangestellter gleicht, wurden die fremden Puppen vermut­lich am Hof der Augustenburg äußer­ lich angeg­lichen und durch die Uniform als Hofmusiker markiert. Die Gruppe der Mönche aus der Kirche haben keine Beine, sondern stehen auf ihren Kutten und ähneln den Puppen der Bernfeld-Sammlung in Sonneberg.96

95 Ibid. 96 Ibid.; vgl. den Bestand des Deutschen Spielzeugmuseums Sonneberg.

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Masterplan, Ständepyramide, museale Inszenierung

Die Wachsköpfe sind durch die Tonsur besonders gekennzeichnet und verleihen den Gesichtern einen nüchternen, herben und zugleich vereinheit­lichenden Ausdruck. Eine weib­liche Figurine (siehe Abb. 42, S. 127) trägt ähn­liche Gesichtszüge und stammt vermut­lich aus derselben Quelle. Die Puppen der Holländischen Stadt sind ebenfalls in einem anderen Gestus modelliert als die Arnstädter Puppen, da vor allem die Gesichtszüge der männ­lichen Puppen überzeichnet sind und sich an der Grenze zur Karikatur befinden. Bei allen dargestellten Gruppen handelt es sich um Ausnahmen im Vergleich zu den zahlenmäßigen Abb. 22: Mon Plaisir, Holländische Stadt, Haupttypen der Sammlung. Die so männ­liche Figurine genannten Standardpuppen, die in der europäischen Puppenlandschaft durch ihre portraithafte Durchbildung einzigartig sind, werden nach der münd­lichen Tradition und auch der älteren Literatur als Ergebnis lokaler Produktion zweier Mönche ausgegeben.97 Die beiden nacheinander auf der Augustenburg nachweisbaren Kapuzinermönche 98 Benedikt Saur und Antonius Einhorn galten als des Wachsbossierens mächtig. Damit wäre aber nur eine Erklärung für die Herstellung der Portraitköpfe gefunden, nicht aber für den Puppenkörper und die Bekleidung. Vermut­lich waren die Puppen das Ergebnis verschiedenster handwerk­licher Tätigkeiten, die von unterschied­lichen Personen(-gruppen) ausgeführt wurden, von denen die meisten an der Augustenburg (und zuvor am Residenzschloss) angesiedelt und deren Schaffen Teil höfischen Dilettierens (Modellieren der Köpfe, Ausgießen mit Wachs, Bemalung der Gesichter, Herstellung der Puppenkleider, Stricken der Puppenstrümpfe et cetera) oder Zunftarbeit in Miniatur (Fertigen der Körper) waren.

97 Leber (1965), S. 35. 98 Siehe Abschnitt 7.5 Konfession, S. 317.

Die Puppen des Mon Plaisir  |  115

Werkstoff Wachs

Dem Werkstoff Wachs kommt in Mon Plaisir besondere Bedeutung zu, weil durch seine Eigenschaften die vom Prinzip her anonymen Puppen in portraithafte Figurinen verwandelt werden. Der Stand des Wachsziehers in Mon Plaisir zeigt die alltäg­lichen Verwendungen des Materials. Das kostbare Bienenwachs diente neben seiner Bedeutung als begehrtes Leucht- und Heilmittel vor allem in unterschied­lichsten Ausprägungen der Portraitbildnerei. Aufgrund seiner leichten Formbarkeit, seiner relativen Festigkeit und der unterschied­lichen natür­lichen Einfärbungen eignete es sich ideal zur Bossierung (der freien Bearbeitung) oder zum Guss von Portraitköpfen im Hohl- oder Vollgussverfahren mit Hilfe von Holzformen (Modeln). Die Wachsbildnerei erlangte seit dem 18. Jahrhundert für die Wissenschafts- und Medizingeschichte größere Bedeutung, indem Nachbildungen mensch­licher Anato­mie und patholo­gischer Erkrankungen in Form von so genannten Moulagen zu Lehrzwecken hergestellt wurden. Sie hatten zum Ziel, den lebenden Menschen als auch seine Erkrankung mög­lichst realistisch darzustellen.99 Wachs galt in Form von Totentafeln, Halbreliefs oder vollplastischen Portraitköpfen als ein Trägermedium der Kunst der Erinnerung.100 Die Darstellung toter (aber auch lebender) Familienmitglieder in Halb- oder Vollplastik, lebensgroß oder in Puppenformat durch Wachs war im 18. Jahrhundert eine üb­liche Praxis.101 So portraitiert eine Puppenstube im Münchener Stadtmuseum mit Hilfe von Figurinen eine Fürstenfamilie.102 Wachs ist jedoch, jenseits seiner oberfläch­lichen Materialeigenschaften und dem dadurch erzeugten Verismus der Darstellung, bedeutungstragend. Dies zeigt die Nutzung in der Portraitplastik im könig­lichen Funeralzeremoniell oder als Votivfigur. Seine Fähigkeit, veristischer Bildträger nicht nur des mensch­lichen Antlitzes zu sein, sondern auch die Königswürde selbst in effigie zu transportieren, erhöht seine Wertigkeit trotz seines vergleichsweise ephemeren, vergäng­lichen Charakters, weit über seinen

99 Lang, Johanna et al. (Hgg.) (2010): Körper in Wachs. Moulagen in Forschung und Restaurierung [Deutsches Hygiene-Museum Dresden Sammlungsschwerpunkt, Bd. 3] Dresden. 100 Schlosser, Julius von (1910): Tote Blicke. Geschichte der Portraitbildnerei in Wachs. [Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses, Bd. 29] Wien [ND Berlin 1993]; Panzanelli, Roberta (2008): Ephemeral Bodies: Wax Sculpture and the Human Figure. Los Angeles; Büll, Reinhard (1977): Das große Buch vom Wachs. München. 101 Angeletti, Charlotte (1980): Geformtes Wachs. Kerzen, Votive, Wachsfiguren. München, S.  68 – 76. 102 Ibid., S. 72.

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Masterplan, Ständepyramide, museale Inszenierung

Abb. 23: Mon Plaisir, Markt, Stand des Wachsziehers

materiellen Wert hinaus.103 Die Effigie des verstorbenen Königs oder der Königin repräsentierte den portraitierten Menschen und das Fortbestehen der Würde des Amtes. Sie vertrat ebenso das politische Amt, wie sie dessen soziale Bedeutung verkörperte. Diese Bedeutungszuschreibung konnte nur aufgrund seiner Materialeigenschaften erfolgen. Es wäre also denkbar, dass Auguste Dorothea, indem sie auf Wachs als Mittel der Portraitierung zurückgriff, sowohl die in der Verbindung von Material und Portrait eingeschriebene Memorialfunktion als auch das Fortbestehen ihrer fürst­lichen Würde implizierte.

103 Marek, Kristin (2009): Die Körper des Königs. Effigies, Bildpolitik und Heiligkeit. München; Lessmann, Johanna; König-Lein, Susanne (Hgg.) (2002): Wachsarbeiten des 16. bis 20. Jahrhunderts. Braunschweig.

Zur Datierung der Sammlung  |  117

3.4 Zur Datierung der Sammlung

Mon Plaisir lässt sich stilistisch anhand von Innenraumdekoration, Möbeln, Bekleidung und Haarmode in einen Zeitraum zwischen dem ausgehenden 17. Jahrhundert und den 1730er Jahren datieren. Die Puppensammlung scheint in den 1690ern begonnen worden zu sein,104 wurde maßgeb­lich nach 1711 entwickelt 105 und bis zum Lebensende Auguste Dorotheas 1751 erweitert.106 Zufallsfunde bestätigen die Herstellung bestimmter Figurinen nach oder in den Jahren 1727 und 1728.107 Einzelne Datierungen an den Miniaturporzellanen und Fayencen,108 seltene Signaturen und Beschriftungen 109 zeigen eine kontinuier­ liche Sammeltätigkeit. Der Fokus der Sammlung liegt zwischen 1715 und 1735, der Stilepoche des Régence,110 die nach dem Tod Ludwigs XIV. die barocke Großform reduzierte und noch nicht zur Rocaille des Rokoko tendierte. Ihr stilistisches Merkmal ist das geometrische Bandelwerk, das sich in Mon Plaisir an Wänden, Sockelzonen, Türen und Wandschirmen wiederfindet. Das Régence hatte eine Vorliebe für zier­liches Schnitzwerk, helle Farben und weiße Lackierung mit Vergoldungen an Wandpaneelen. „Kennzeichnend für die Gestaltung der fürst­lichen Repräsentationsräume ist noch immer der harmonische Einklang von Parkettböden, kostbarer Seiden-Tapeten umschließenden Wandtäfelungen und reich ausgebildeten Stuckdecken.“111 Während sich die Raumkunst in Mon Plaisir am Régence ori 104 Die früheste und einzige Rechnung über den Kauf von Puppenzeug stammt von der Leipziger Ostermessen 1697 (ThStA Ru, Kanzlei Sondershausen 504, 54). 105 Melissantes erwähnt die Puppenstadt in seiner Beschreibung der Augustenburg nicht, daher ist davon auszugehen, dass sie zu diesem Zeitpunkt erst von geringem Umfang war. 106 Auf einem Miniaturmedaillon der Fürstin findet sich die Jahreszahl 1751; die auf einigen Gegenständen angebrachten Jahreszahlen umfassen „den Zeitraum von 1704 – 1751“, Roselt (1958), Inventar, S. 332. 107 Klein (1999), S. 14. 108 Die chine­sischen Porzellane stammen aus der K’ang hsi Zeit (1662 – 1722), wurden aber auch noch danach gehandelt. Müller-Krumbach (1992), S. 26; die Dorotheentaler Fayencen lassen sich auf die 1720er Jahre datieren. Leber (1965), S. 33 ff. Ebenso Mahnert (1993), S. 65. 109 Die Datierung des Albertinischen Gartens durch eine am Kasten angebrachte Plakette lautet auf 1744. 110 Als Régence wird der während der Minderjährigkeit von Ludwig XV . bestehende Stil bezeichnet, der von 1715 bis 1723 andauerte. Der Stil hielt sich aber darüber hinaus bis Mitte der 1730er, als sich das Rokoko durchsetzte. Möller (2009), S. 15. 111 Augst (1984), S. 70.

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entiert, besitzen die Möbel „noch die strenge Symmetrie des Barock mit spiralig gewundenen, balusterhaft schweren oder volutenförmig geschweiften Beinen.“112 Da der Sammlungszeitraum noch weit in das Rokoko hineinreicht, könnte das Fehlen von Rocailleformen „mög­licherweise ein Zeichen konservativer Auffassung der Auftraggeberin“113 sein. Womög­lich war der Bau des zentralen Korpus (Kästen und Figurinen) in den 1730ern bereits abgeschlossen und es wurden hiernach nur noch „zeitlosere“ Miniaturen und einzelne Kästen nachgetragen. Eine unterstellte Unmodernität der Sammlung könnte jedoch auch der zeit­lich verzögerten Adaption neuer Moden geschuldet sein oder auf ein bewusstes Beharren auf den schwereren, deutschen Formen hindeuten. Dies würde die populäre Hypothese vom Kulturtransfer zwischen Versailles und den kleineren deutschen Reichsterritorien schwächen. Mon Plaisir erzählt unter anderem das Leben bestimmter älterer Personen, deren etwas altmodisches Modeverständnis vielleicht wahrheitsgetreu wiedergegeben wurde. Wie bei allen Aspekten des Mon Plaisir kann auch bezüg­lich der Kleidung der Figurinen eine retrospektive Bekleidung nicht ausgeschlossen werden. Falls in Mon Plaisir auch Begebenheiten aus der Vergangenheit Auguste Dorotheas zur Aufführung kommen, müssen die stilistischen Merkmale zudem bewusst altmodisch gehalten worden sein. Die textile Ausstattung der Puppen folgt den zeitgenös­sischen Kleiderordnungen, in denen eine normative Wunschvorstellung des Adels verschrift­licht worden war, nach der der soziale Rang eines Menschen äußer­lich ablesbar sein sollte.114 Der ideelle Wert eines Kostüms und sein materieller Wert sollten sich entsprechen. In der Praxis hielten sich die Stände nicht an die ihnen zugewiesene Kleiderordnung. Die vielen Überschreitungen und die Beschwerden adeliger Damen über das anmaßende Verhalten der bürger­lichen Schichten zeigen die Probleme dieser Vorschrift.115 In Mon Plaisir entsprechen die Standeskleider der Stellung ihrer Träger und Trägerinnen. Die Mode, die die Figurinen tragen, stammt aus dem ausgehenden 17. und den ersten drei Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts.116 Zur Datierung der Kleidung ­werden die Kleider der männ­lichen und weib­lichen Figurinen, die Frisur beziehungsweise

112 Leber (1965), S. 37. 113 Leber (1968), S. 220. 114 Z. B. bei Christian Wolff (1740): Vernünfftige Gedanken, S. 505, nach Vierhaus, Rudolf (1984): Deutschland im Zeitalter des Absolutismus (1648 – 1763). Göttingen, S. 56; vgl. Dinges, Martin (1992): Der „feine Unterschied“ – Die soziale Funktion der Kleidung in der höfischen Gesellschaft. In: Zeitschrift für Historische Forschung, Bd. 19, S. 49 – 76. 115 Thiel (2010), S. 246. 116 Leber (1965), S. 38.

Zur Datierung der Sammlung  |  119

die Art der Perücke und das Schuhwerk herangezogen. Die Betrachtung der bürger­lichen und bäuer­lichen „Untertanen“ des Mon Plaisir ist in Bezug auf den Entstehungszeitraum weniger aufschlussreich, weil sich die Schnitte zwar denen den Adels ang­lichen, aber grundsätz­lich zeitloser und langlebiger ausgelegt wurden.117 3.4.1 Die Kleidung der Herren

Die Kleidung des Herrn hatte sich im späten 17. Jahrhundert etabliert und bestand aus einem mit Rüschen besetzten Hemd, einer Culotte (Kniehose), Strümpfen, einer kurzärmeligen Weste, einem langärmeligen und langschößigen Justeaucorps, einer Krawatte, Hut und – für den Adel verpf­lichtend – einem Degen. Dieses Programm hatte während der kompletten Lebenszeit der Fürstin Bestand. Die Veränderungen der Mode, Abb. 24: Mon Plaisir, Lustgarten, die ein Voranschreiten des 18. Jahrhun- Tanzmeister mit ausgestelltem Justeaucorps derts kennt­lich machte, äußerte sich in der anders gebundenen Krawatte (Steinkerke), mehr oder weniger Rüschen, kürzer werdenden Ärmelaufschlägen und Mantelrevers, der länger werdenden Weste und im rockartigen Ausstellen des Justeaucorps ab der Hüfte. Unterschiede gab es hinsicht­ lich der Anzahl der Knöpfe, der Art der Knopflöcher, des Besatzes und der Frage, ob die Strümpfe nun unter oder über der Culotte geschlossen wurden. Während der Anzug des Alltags mit aller Vollständigkeit unifarben war und gedecktere Farben bevorzugte (Abb. 25, S. 120), schillerte die Gala- oder Staatsrobe in strahlenden, starken Farben und war reichhaltig verziert (Abb. 28, S. 121).118 Während auf einer

117 Vgl. Styles (2007). 118 Anton Günther besaß laut Inventar von 1717 ein braunes, ein grünes (Winter) und mehrere weiße (Sommer) Alltagskleider, dazu mehrere schwarze Garnituren, ein silbernes Samtkleid

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Masterplan, Ständepyramide, museale Inszenierung

Abb. 25: Mon Plaisir, Tabakskollegium, Herr in Alltagsgarderobe

Abb. 26: Mon Plaisir, Jagd, Herr im Jagdkleid

Reise der etwas bequemere Reisemantel (der Adel trug ihn in rot) angelegt wurde (Abb. 30, S. 121), trugen die Herren zuhause ein Hauskleid mit einer (Schlaf-) Mütze, die das vom vielen Perücketragen malträtierte Haar oder die Glatze verbarg (Abb. 31, S. 122). Der Hausmantel war kein privates Kleidungsstück, sondern kam auch in repräsentativen Situationen zum Einsatz, wie das Beispiel des Portraits Herzog Anton Ulrichs von Braunschweig-Wolfenbüttel zeigt,119 der den Hausmantel gemeinsam mit einer Allongeperücke im Staatsportrait trägt.

sowie eine grün-goldene Staatsrobe, mehre Straßen-, Haus- und Morgenmäntel und vier Perücken. ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. II, 97 f. 119 Bernhard Francke (um 1700), HAUM Braunschweig.

Zur Datierung der Sammlung  |  121

Abb. 27: Mon Plaisir, Spielgesellschaft, Herr in Galarobe

Abb. 28: Mon Plaisir, Offene Tafel, Herr in Galarobe

Abb. 29: Mon Plaisir, Porzellankabinett, Herr in Galarobe

Abb. 30: Mon Plaisir, Tabakskollegium, Herr im venezianischen Reisemantel mit Dreispitz

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Masterplan, Ständepyramide, museale Inszenierung

Der ständische Unterschied zwischen Adel und Bürgern schlug sich in Bezug auf die Kleidung nicht im Schnitt, sondern im verwendeten Material und dem Schmuckbesatz nieder. Die Figurinen der angeführten Beispiele tragen ebenfalls Strümpfe, knie­ lange Culottes, Weste über einem Hemd und einen Justeaucorps. Die Farben der Textilien sind weder modisch (natur, rot, schwarz) noch unifarben oder aufeinander abgestimmt, wie bei den „adeligen“ Männerfigurinen. Das Hemd besteht aus Leinen, die Weste wird funktional geknöpft und der Justeaucorps ist aus grobem Tuch. Schmuckelemente wie Rüschen, Bordüren oder Tressen fehlen. Die Figurinen tragen im Gegensatz zu den oben gezeigten „adeligen“ Beispielen keine Perücke, sondern die Imitatio­ nen von Echthaar.

Abb. 31: Mon Plaisir, Kaiser­liche Post, Herr im Hausmantel mit Schlafmütze

Zur Datierung der Sammlung  |  123

Abb. 32: Mon Plaisir, Vorwerk, Flachsschneider (?)

Abb. 33: Mon Plaisir, Corps de Logis I, Bärenführer

Abb. 34: Ensembles zur Produktion und Erwerb von Kleidung (vgl. auch die Abb. 35, S. 124), Mon Plaisir, Drechsler, Jude

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Masterplan, Ständepyramide, museale Inszenierung

Abb. 35: Mon Plaisir, Grüner Mohr, Schneider

3.4.2 Die Kleidung der Damen

Die Kleidung der Damen war mehrteiliger und komplexer als die der Herren und änderte sich im Zeitraum der Sammlung ebenfalls drastischer als bei den Herren.120 Zusätz­lich muss zwischen Alltagskleid, dem so genannten Negligé, Hofkleid (Galarobe) und anlassgebundener Kleidung (Trauerkleidung, Maskerade) unterschieden werden. Die Damen trugen ein sch­lichtes, langes Unterkleid mit Ballonärmeln, die bis kurz unterhalb des Ellenbogens reichten. Der Spitzenbesatz lugte am Dekolleté und an den Ärmeln unter dem Stoff des Oberkleids heraus. Über dieser Chemise trug man das Korsett, das Mieder zur Schnürung des Oberkörpers, das durch Fischgräten verstärkt war und hinter dem Rücken oder vorn geschnürt wurde, um eine mög­lichst schmale Taille zu erzielen. Über die Taille wurde der durch Fischbein und Wachshaut konstruierte Reifrock gezogen, der sich in fünf Ringen nach oben verjüngte 120 Vgl. Hart, Avril; North, Susan (1998): Fashion in Detail. London.

Zur Datierung der Sammlung  |  125

Abb. 36: Mon Plaisir, Hofmaler, Dame im Galakleid

Abb. 37: Mon Plaisir, Corps de Logis II, Ballsaal, Dame in förm­lichem Hofkleid mit Ziereinsatz „Stecker“ (vor 1710)

Abb. 38: Mon Plaisir, Schneider, Dame in Kontusche (vgl. Abb. 100, S. 296)

Abb. 39: Mon Plaisir, Corps de Logis II, Dame im Rokokokleid mit auffälligem Schleifenbesatz

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Masterplan, Ständepyramide, museale Inszenierung

und dabei half, das Gewicht des Stoffes zu tragen. Das sichtbare Gewand bestand aus drei Teilen: der Korsage, dem Rock (la jupe) und dem Oberkleid, Robe oder Manteau genannt, das hinten in eine Schleppe auslief. Die Robe war vorn geöffnet, an der Taille festgehalten und unten hochgenommen, sodass sie seit­lich nach hinten über den Rock fiel. Das Kleid des Barock bediente sich schwerer Stoffe (Samt, Brokat), während das Kleid des Régence und Rokoko aus leichter, glänzender Seide und aufwändig gewebtem Damast bestand, die beide durch ihre Materialität einen eigenen ästhetischen Reiz entfalteten. Die Farben des Barock waren dunkel und voll.121 Zur kompletten Garderobe der Dame in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gehörten eine gepuderte Perücke, Handschuhe und ein Fächer, mit dem in einer eigens hierfür erlernbaren Sprache Botschaften gestisch übermittelt werden konnten. In einer kleinen Handtasche befanden sich Bleiweiß, Rouge und Schönheitspflaster, genannt Mouches. Die ästhetische Vorliebe verlangte von den Damen wie den Herren, sich der weiß gepuderten Coiffure durch ein ebenso künst­liches weißes Antlitz anzugleichen und mit starken Farbakzenten zu kontrastieren. Bemerkenswerterweise trug die adelige Dame außer Perlenketten oder Halsbändern wenig oder gar keinen Schmuck. Bei Bewegungen im Freien durfte der Sonnenschirm nicht fehlen. Zuhause tauschten die Damen die offizielle, schwere und unbequeme Robe, die zu aufrechter und steifer Sitzhaltung zwang und auf den Stöckelschuhen kaum das Gehen ermög­lichte, gegen das bodenlange Hauskleid und Pantoffeln ein. Die Adrienne oder Kontusche, das Kleid mit der „Watteau“-Rückenfalte, war als Umstandskleid von Madame de Montespan am franzö­sischen Hof eingeführt worden. Es dauerte geraume Zeit, bis die Kontusche als offizielles Hofkleid akzeptiert wurde. Für Liselotte von der Pfalz (1652 – 1722), die Schwägerin von Ludwig XIV., war dieses Hofkleid zu „kammermegtisch“ und unter ihrer Würde.122 Davor wurde der wesent­ lich bequemere Aufzug mit einem Negligé (also Alltagskleid im Gegenteil zur Staatsrobe) oder einem Reisekleid gewählt. Die verwendeten Stoffe und auch die Dekore wurden leichter. Die Kleider in der frühen Régence waren unifarben und sch­lichter. Die Modefarben des Rokoko waren helle Pastelltöne in Rosa, Gelb, Grün und Blau. Der mittige Schleifenbesatz dieser Kleiderbeispiele deutete die Blüte des Rokoko­kleides an, das in einem Meer von Volants, Rüschen, Schleifen und Bändern aufging. Das wohl berühmteste Beispiel eines Kleides diesen Typs portraitierte Francois Boucher an Madame de Pompadour 1759.123

121 Vgl. Ribeiro, Aileen (2002): Dress in Eighteenth-Century Europe. 1715 – 1789. New Haven. 122 Zitiert nach Boehn (1963), S. 132. 123 London, The Wallace Collection.

Zur Datierung der Sammlung  |  127

Abb. 40: Mon Plaisir, Corps de Logis II, Amazone im 124 Reitkleid,  adelige Mädchenkleidung

Abb. 41: Mon Plaisir, Ursulinenkonvent, Kostkind im Alltagskleid; sommer­liches Festkleid, vgl. Abb. 122, S. 316

Abb. 42: Personal mit Haube, Schultertuch und Schürze (vgl. auch die Abb. 43, S. 128 und Abb. 44, S. 129) Mon Plaisir, Kinderstube, Amme

124 Ein vergleichbares Reitkleid bei: Reichen, Quirinus; Christie, Karen (2000): Das Schnittmusterbuch von Salomon Erb. Livre des chefs d’oeuvre de la maistrise des Tailleurs de

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Masterplan, Ständepyramide, museale Inszenierung

Abb. 43: Mon Plaisir, Silberkammer, Ausgeberin

Alters- und anlassgebunden trugen die Damen neben Staatsrobe, Kontusche und Hauskleid die Reitkleidung, deren Schlitze mehr Bewegungsfreiheit erlaubten. Das Spitzenhäubchen wurde mit einem Dreispitz vertauscht. Abhängig von der Jahreszeit wurden dünne oder dicke Stoffe getragen, die im Winter mit Wolle gefüttert waren. Mäntel trug man dagegen selten. Bis ins späte 18. Jahrhundert hinein wurde auch in Bezug auf den zur Anwendung kommenden Schnitt nicht zwischen Erwachsenen und Kindern unterschieden. In der Klostererziehung trugen jedoch auch die adeligen Mädchen einfachere, hochgeschlossene Kleider mit Schürze und „Fichu“, einem Tuch, das kreuzweise gebunden den Ausschnitt bedeckte, sowie eine obligatorische Haube. Die Mägde trugen über dem Rock ein langärmeliges Oberteil mit Schößen (Caraco), das erst ab den 1760ern allgemein hoffähig wurde. Die meisten Mägde trugen darüber hinaus das Fichu.

Berne, 1730. Zürich, S. 39.

Zur Datierung der Sammlung  |  129

Abb. 44: Mon Plaisir, Corps de Logis I, Bettenmagd

Abb. 45: Mon Plaisir, Wirtshaus, Schankmagd

Wie bei den Herren unterschied sich die Kleidung der bürger­lichen Frauen nicht in der Anzahl der Kleidungsstücke und nur wenig in Bezug auf den Schnitt. Stattdessen waren es erneut Farbe, Stoffart und Muster, die die Differenz herstellten. Manche Kleidungsstücke, wie Arbeitsschürze, Fichu oder Caraco, waren bei der adeligen Dame kaum denkbar. Die bürger­lichen Frauen besaßen ein Sonntagskleid. Generell verzichtete ihre Kleidung auf Schmuckelemente. Sie war abgesehen von aufgedruckten oder eingewebten Mustern des Stoffes sch­licht. Im Gegensatz zum adeligen Korsett war das bürger­liche höher geschlossen. „Die Verhüllung des Busens überließ man […] den Bürgersfrauen und ihrer ‚bürger­lichen‘ Moral.“125 Als Faustregel galt: Je kürzer der Rock, desto niedriger der Stand. Aus rein pragmatischen Gründen durfte der Rock einer Kauffrau oder einer Bäuerin nicht auf dem Boden schleifen. Die Watteau-Falte wurde im bürger­lichen Milieu in einem kurzen Mantel übernommen. Großformatige Blumenmuster auf hellem Fonds und Streifen finden sich zwischen 1720 und 1740.

125 Thiel (2010), S. 241.

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Masterplan, Ständepyramide, museale Inszenierung

Abb. 46: Mon Plaisir, Markt, bürger­liche Frau

Abb. 47: Mon Plaisir, Küchenschreiber, Bäuerin

Frauen von Handwerkern und Bäuerinnen trugen praktische Arbeitskleidung oder regionale Trachten. Das Mieder wurde vorne geschnürt. Wie bei den männ­lichen Pendants dominierten fahle, gedeckte Farben (natur, rot, schwarz). Brusttuch und Schürze durften nicht fehlen. Die Perücke, die seit den 1690ern reüssierte, gehörte zu den visuellen Privilegien der Eliten und kennzeichnete den Stand oder Beruf (Geist­liche, Advokaten) des Trägers. Zu den Livreen der Hofbediensteten gehörte üb­licherweise auch eine Perücke, die wie die Kleidung eine visuelle „Gleichförmigkeit“126 schuf. Während bis 1710 nur die Männer Perücken trugen und die Damen ihre Haare mit der Fontange in die Höhe frisierten, brachte der Trend des Régence mit der eng anliegenden, strengen Lockenfrisur auch für Damen die Mög­lichkeit, eine Perücke zu tragen. Während die Staatstoilette auch in den 1730er Jahren noch die lange Allongeperücke verlangte, durfte im Alltag die eng anliegende Perücke getragen werden, die im Nacken mit einem Haarsack oder Band zusammengehalten 126 Kliegel, Marieluise (2006): „… die näm­liche Gleichförmigkeit …“. Die Perücke als Bestandteil der Galalivreen der Dienerschaft an Adelshöfen. In: Luckhardt, Jochen; Marth, Regine (Hgg.) (2006): Lockenpracht und Herrschermacht. Perücken als Statussymbol und mo­­ disches Accessoire. Leipzig, S. 53 – 60.

Zur Datierung der Sammlung  |  131

wurde. Die Figurinen des Mon Plaisir tragen alle gängigen Perückenmodelle von der naturfarbenen oder gepuderten Allonge über die Knotenperücke bis hin zur Stutzperücke und decken die modische und funktionsgebundene Entwicklung des gesamten Zeitraums der Sammlung ab. Die Schuhe der Figurinen weisen untrüg­lich auf die ständische Zugehörigkeit und das Arbeitsgebiet hin. Bei den Männern dominierte der seit den 1630ern mit Stöckelabsatz ausgestattete, geschlossene Lederschuh mit eckiger Kappe und hoher Ristlasche, welche mit Verschlussbändern oder Schnallen versehen war. Neben geschlossenen, knöchelhohen Schuhen trug der Herr zuhause Abb. 48: Mon Plaisir, Mehlanfuhr, Magd Pantoffeln und zum Ausritt Stulpenstiefel oder Gamaschen mit Sporen. Die Mode im beginnenden 18. Jahrhundert reduzierte den hohen Stöckel­absatz zugunsten eines breiten Blockabsatzes und der schmuckvollen Ausgestaltung der Schnallen, während die Ristlasche abgerundet wurde. Die eckigen Kappen der Schuhe wurden runder und der Schuh insgesamt niedriger.127 Die meisten männ­lichen Figurinen im Mon Plaisir tragen jedoch hohe, geschlossene, einfache, schwarze Lederschuhe mit sch­lichter Schnalle, die aus 127 Ausstellungskatalog München (1991): Schuhe. Vom späten Mittelalter bis zur Gegenwart. [Ausstellung Bayrisches Nationalmuseum München, 12. Dezember 1991 – 30. April 1992] München, S. 66 ff., Abb. S. 56; Abb. 92, S. 283 links: Kurierläufer mit Patten. Der Mosqoviter/Husar trägt als einziger Schnürstiefel mit halbhohem, engem Schaft, die das Militär in der Mitte des 17. Jahrhunderts zu tragen pflegte. Der Kurierreiter im gelben Rock trägt Postillionstiefel (Abb. 93, S. 285). Der Kurierstiefel wies im Gegensatz zum höfischen Reitstiefel einen verstärkten Schaft auf und war als Funktionsschuh deut­lich klobiger. Der Estafettenläufer trägt Kothschuhe oder Patten, die den Träger als Fußgänger ausweisen und ihn vor den schmutzigen Straßen schützen. Nur wenige Figurinen tragen zier­licheres, dezidiert höfisches Schuhwerk mit ausgeprägten Schmuckelementen, wie z. B. der „Tanz­ lehrer“ (Abb. 24, S. 119), oder weisen Schuhwerk auf, das zumindest der modischen Form entspricht (Abb. 77, S. 264, „Herr“/Billard). Die Schuhe sind flach oder enden unterhalb des Knöchels, daher kommt der Verschluss auf dem Fußrücken zu liegen.

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Abb. 49: Mon Plaisir, Markt, Bude des Schuhverkäufers

bislang unerfind­lichem Grund als ‚Entenfüße‘ gestaltet sind (Abb. 25, S. 120). Der ehemals dem Adel vorbehaltene, rot gefärbte Absatz findet sich in wenigen Fällen bei Mitgliedern der Hofgesellschaft wieder. Die Mitglieder des Hofs tragen jedoch nicht durchgängig modisches Schuhwerk, sondern eher im Gegenteil einfache, schmucklose Schuhe mit geradem Abschluss und wenig Absatz. Die Figurinen, die Mitglieder der Zünfte darstellen, tragen klobige, einfache und flache (Schnür-)Lederschuhe (Küfer, Böttcher, Kellermeister). Das Schuhwerk der unteren Schichten lässt sich wegen seiner langen Verwendungsperiode nicht präzise datieren. Die Fußbekleidung der Hofmitglieder kann auf den Zeitraum vor 1730 eingegrenzt werden. Sollten die Figurinen die tatsäch­liche Vorliebe des Arnstädter Hofes widerspiegeln, wäre im Vergleich zu den Modehöfen ein Beibehalten funktionalen, aber wenig modischen Schuhwerks bei der breiten Masse zu konstatieren. Während die Herren durch ihre festen Ledersohlen vor dem Schmutz der Straße gefeit waren, mussten die nicht für extensive Bewegung konzipierten Schuhkunstwerke der Damen gesondert geschützt werden. Bewegte sich also eine Dame außerhalb des Hauses, trug sie so genannte Patten (Kothschuhe), meist hölzerne Überschuhe, die am Zierschuh befestigt wurden und die kostbaren Kunstwerke schützen sollten. Patten haben sich nicht in Mon Plaisir erhalten.

Zur Datierung der Sammlung  |  133

Der Damenschuh in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts blieb mit hohem Stöckel und spitz zulaufender Kappe entweder als geschlossener Schuh oder als Pantoffel erhalten. Im Gegensatz zu den Herren konnten die Damen Pantoffeln auch außerhalb des Hauses tragen. Der Damenschuh erfuhr hier die „höchste Steigerung […] des Pretiösen und die Betonung des Textilen“.128 Dem „schnabelartigen, langen Schuh wird als Blickfang besondere Bedeutung beigemessen“.129 Die Schuhe wurden aus feinem Leder mit höchster Kunst gearbeitet, mit Stoff (Seide) bezogen und mit Gold- und Silberfäden bestickt. Abb. 50: Mon Plaisir, Audienz, Brokatschuhe, Einige wenige Beispiele in Mon Plai- Ledersohle mit rotem Absatz sir demonstrieren die zeitgenös­sische Schuhmode, die im Gegensatz zu den Herren bei der Fußbekleidung der Damen Wert auf höchste Aktualität legte. In der Audienzszene trägt die Auguste Dorothea-Figurine hochgeschlossene, zum Kleid passende Schuhe mit breiten Ristlaschen und rotem Absatz, deren Oberschuh mit Goldbrokat und Tressen versehen wurde. Der hohe Grad an Verzierung und die texti­le Gestaltung weisen auf eine Entstehungs- oder Referenzzeit zwischen 1720 und 1730 hin.130 Während die Herren des Hofs sich eher in zeitloses Schuhwerk hüllen, folgen die weib­lichen Mitglieder der Mode aus Paris. Die Figurinen mit sichtbaren Schuhen tragen zeitlose, praktische, eher einfache und feste, lederne Schnürschuhe, ähn­lich den Modellen der Männer, allerdings sind die der weib­lichen Puppen schmaler und spitzer (Küchenmeisterin). Die Kleidung der Figurinen stammt aus der Zeit um 1700 und reicht bis in die 1740er Jahre hinein. Sie enthält in Schnitt, Muster, Stoff, Farbe und Frisur Elemente des Barock wie auch des Rokoko. Dabei können die einzelnen Figurinen nicht anhand der stilistischen Merkmale ihres Kleides präzise datiert werden.

128 Ausstellungskatalog Schuhe (1991), S. 66. 129 Ibid. 130 Vgl. ibid., S. 74.

Die Kleidung gibt vermut­lich keinen Hinweis auf den Zeitpunkt ihrer Herstellung, sondern markiert nur eine grobe Zeitspanne. Die datierbare Bekleidung der Figurinen weist einen Schwerpunkt in den 1720er und 1730er Jahren und damit in der Zeit des sch­lichten und reduzierten Régence auf.

4. Auguste Dorothea (1666 – 1751), Prinzessin von Braunschweig-Lüneburg, Gräfin/Fürstin und Witwe von Schwarzburg-Arnstadt

Ein Erklärungsversuch für die Existenz der Mon Plaisir-Sammlung muss notwendigerweise biografisch erfolgen. Auguste Dorotheas Herkunft spielt dabei eine große Rolle. Archiva­lisch ist sie hauptsäch­lich im Kontext ihrer umfangreichen Schulden und als Witwe greifbar. Die Prägung durch den kulturellen Habitus der Herkunftsfamilie, das Lebensthema der finanziellen Versorgung und ­Augustes Witwen­hof stellen einerseits das Motiv zur Beschäftigung mit der Puppensammlung dar, sie bilden zugleich die Grundlagen der Sammlung und den realen Gegenpol der idealisierenden Darstellung. Während die Herkunft die künstlerischen Vorlieben und die Vorstellungen über Standesgemäßheit anlegte, bildeten die Erfahrungen der erwachsenen Gräfin, Fürstin und Witwe in Arnstadt den realen sozialen, politischen und emotionalen Kontext, auf die in Mon Plaisir szenisch Bezug genommen wurde. 4.1 Herkunft, Erziehung und Kunstübung am Wolfenbütteler Musenhof

Der Wolfenbütteler Hof 1 glänzte durch seine Bildung, seine Belesenheit, seine Frömmigkeit, seinen Kunstsinn und seine Festkultur, vor allem aber durch die hauseigene Kunstproduktion fast aller seiner Mitglieder.2 Als Austragungsorte nutzte man die Vierflügelanlage des Residenzschlosses Wolfenbüttel, später die Braunschweiger Oper und vor allem das hochreputier­liche Lustschloss Salzdahlum, das, wie so viele andere, als „deutsches Versailles“ galt.3 Verschiedene ­Familienmitglieder

1 Berns, Jörg Jochen; Ignasiak, Detlef (Hgg.) (1993): Frühneuzeit­liche Hofkultur in Hessen und Thüringen. Erlangen, S. 10; Bauer, Volker (1993): Die höfische Gesellschaft in Deutschland von der Mitte des 17. bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts. Versuch einer Typologie. Tübingen, S. 73 ff. 2 Thöne, Friedrich (1968): Wolfenbüttel – Geist und Glanz einer alten Residenz. München; Fürst, Reinmar (1990): Wolfenbüttel. Ein Fürstenhaus und seine Residenz. 25 biographische Porträts. Unter Mitarbeit von Wolfgang Kelsch. Wolfenbüttel; Jarck/Lent (2006). 3 Querfurt, Tobias (ca. 1710): Kurtze Beschreibung Des Fürstl. Lust-Schlosses Saltzdahlum: herausgegeben und dem durchl. Fürsten und Herrn, Herrn Anthon Ulrich, Hertzogen zu Braunschweig und Lüneburg […]. Braunschweig; Brandes, Karl (1880): Das ehemalige

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Auguste Dorothea (1666 – 1751)

hinterließen elaborierte, künstlerische Zeugnisse, „Selbstrepräsentation und wohldurchdachte Gedächtnispolitik“4 in Form von Tagebüchern, Gedichten, Gebets­ büchern, Romanen, Singspielen, Opern, Übersetzungen, Musikstücken, handwerk­ lichen Erzeugnissen und nicht zuletzt Kunst- und Büchersammlungen,5 in denen sich die Persön­lichkeit einzelner Mitglieder niederschlug. Das Motiv für das ambitionierte Kunstgebaren mag für einige Mitglieder in der Kompensation des

fürst­liche Lustschloß Salzdahlum und seine Überreste. Geschichtsabriß und Beschreibung. Wolfenbüttel; Gerkens, Gerhard (1974): Das Fürst­liche Lustschloss Salzdahlum und sein Erbauer Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel. Braunschweig; Wittig, ­Holger (1996): Das Fürst­liche Lustschloß Salzdahlum. Wolfenbüttel; Bessin, Peter (2001): Der Regent als Architekt. Schloß Richmond und die Lustschloßbauten BraunschweigWolfen­büttels zwischen 1680 und 1780 als Paradigma fürst­licher Selbstdarstellung. Göttingen; Grote, Hans-Henning (2005): Schloss Wolfenbüttel. Residenz der Herzöge zu Braunschweig und Lüneburg. Braunschweig; Albrecht, Peter; Paulus, Simon (Hgg.) (2006): Hermann Korb und seine Zeit. 1656 – 1735. Barockes Bauen im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel. Braunschweig. 4 Gleixner, Ulrike (2010): Die lesende Fürstin. Büchersammeln als lebenslange Bildungspraxis. In: Jacobi, Juliane (Hg.) (2010): Vormoderne Bildungsgänge: Selbst- und Fremdbeschreibungen in der frühen Neuzeit. Wien/Köln/Weimar, S. 207 – 224, S. 222. 5 Ludwig Rudolf Herzog von Braunschweig-Lüneburg: Lebensbeschreibung 1690 – 97. HAB, COD.GUELF. 217a Blank; Heinemann, Otto von (1894): Die herzog­liche Biblio­ thek zu Wolfenbüttel 1550 – 1893. Wolfenbüttel, S. 141 f.; Müller, H. F. (1896): Herzog Ludwig Rudolf und das Blankenburger Theater. In: Zeitschrift des Harz-Vereins für Geschichte und Altertumskunde, Bd. 29, S. 498 – 519; Arnold, Werner (1980): Eine norddeutsche Fürstenbibliothek des frühen 18. Jahrhunderts. Herzog Ludwig Rudolph von ­Braunschweig-Lüneburg (1671 – 1735) und seine Büchersammlung. Göttingen; Roloff, Hans-Gert (1981): Absolutismus und Hoftheater. Das Freudenspiel der Herzogin Sophie Elisabeth zu Braunschweig und Lüneburg. In: Daphnis, Bd. 10, S. 735 – 753; Hueck, Monika (1982): Gelegenheitsgedichte auf Herzog August von Braunschweig-­ Lüneburg und seine Familie. Wolfenbüttel; Bepler, Jill (1988): Ferdinand Albrecht Duke of Braunschweig-­Lüneburg (1636 – 1687). A Traveller and his Travelogue. Wiesbaden; Ausstellungskatalog Wolfenbüttel (1988): ­Barocke Sammellust. Die Bibliothek und Kunstkammer des Herzogs Ferdinand Albrecht zu Braunschweig-Lüneburg (1636 – 1687). Hannover; Smart, Sara (1989): Doppelte Freude der Musen: Court Festivities in Brunswick-Wolfenbüttel 1642 – 1700. Wolfenbüttel; Walz, Alfred (Hg.) (1994): „Seltenheiten der Natur als auch der Kunst“. Die Kunst- und Naturalienkammer auf Schloß Salzdahlum. Braunschweig; Schütte, Rudolf-Alexander (1997): Die Kostbarkeiten der Renaissance und des Barock. „Pretiosa“ und „allerley Kunst­sachen“ aus den Kunst- und Raritätenkammern der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg aus dem Hause Wolfenbüttel. Braunschweig; L ­ uckhardt, Jochen (2002): Malerei und Divertissement. Braunschweig, S. 5: Anton Ulrich hatte sowohl Zeichen- als auch Elfenbeindrechselunterricht.

Herkunft, Erziehung und Kunstübung am Wolfenbütteler Musenhof  |  137

Zweitgeborenenstatus 6 gelegen haben. Für die Sippe als Ganzes ist seit 1690 das repräsentative Dilettieren begründet in jener fehlenden politischen Relevanz im Vergleich mit anderen Häusern, vor allem den Vettern in Kurhannover. Während die ältere Forschung zu einzelnen Mitgliedern dieser Familie die (männ­liche) Instrumentalisierung von Kunst oder künstlerischer Produktivität im Dienst der Machtentfaltung darstellte,7 würdigte die jüngere Forschung vermehrt den Anteil der weib­lichen Mitglieder an Bildung, intellektueller Atmosphäre und Kunstproduktion 8 und zeigte damit deren weitreichende kosmopolitische Interessen, in deren Tradition auch Auguste Dorotheas Lebenswerk einzureihen ist. Ihr Schaffen und ihre Auftraggeberschaft kann konsequent aus der identitätsstiftenden kulturellen Praxis und der ständigen Kunstübung am Wolfenbütteler Hof abgeleitet werden. Zweifelsohne muss als die schillerndste Figur der Familie Auguste Dorotheas Vater Anton Ulrich gelten, dessen oft beschriebene politische Ambitioniertheit und Selbst­inszenierung für die Lebensleistung seiner Tochter als Folie gedient haben mag.9 6 Bepler, Jill (2010): Für den Notfall ausgebildet. Zum Spannungsverhältnis von Unterwerfung und eigener Größe – Bildungsgänge nachgeborener Fürstensöhne im 17. Jahrhundert. In: Jacobi (2010), S. 225 – 242. 7 Eckart, Rudolf (1895): Die Fürsten des Welfenhauses in ihren Beziehungen zu Kunst und Wissenschaft. Braunschweig; Biehringer, Frida (1920): Herzog Karl I. von Braunschweig. Wolfenbüttel, S. 145 – 160; die Kinder Herzog Augusts wurden von einem Drechsler im Handwerken unterrichtet (Thöne, 1968, S. 107); Bircher, Martin; Bürger, Thomas (Hgg.) (1979): Alles mit Bedacht. Barockes Fürstenlob auf Herzog August (1579 – 1666). Wolfen­ büttel; Ausstellungskatalog Wolfenbüttel (1979): Sammler, Fürst, Gelehrter. Herzog August zu Braunschweig und Lüneburg. 1579 – 1666. Wolfenbüttel; Ausstellungskatalog Braunschweig (1983): Herzog Anton Ulrich von Braunschweig. Leben und Regieren mit der Kunst. Wolfenbüttel; Luckhardt (2002). 8 Roloff, Hans-Gert (1980): Sophie Elisabeth, Herzogin zu Braunschweig und Lüneburg 1613 – 1676: Dichtungen. Frankfurt/Main; Geck, Karl Wilhelm (1992): Sophie Elisabeth Herzogin zu Braunschweig und Lüneburg (1613 – 1676) als Musikerin. Saarbrücken; ­Gleixner (2010); Waczkat, Andreas (Göttingen): Sophie Elisabeth von Braunschweig-Lüneburg: Ihre geist­lichen Dichtungen und Lieder in ihrer Beziehung zu Heinrich Schütz. Vortrag bei der Tagung „Fürstinnen und Konfession. Beiträge hochadliger Frauen zur Religionspolitik und Konfessionsbildung“ des IEG Mainz und dem Forschungszentrum Gotha der Universität Erfurt, Gotha, 24.–26.3.2011; Moore, Cornelia Niekus (2010): Der Bücherschatz der ­Elisabeth Juliane von Braunschweig-Wolfenbüttel (1634 – 1704) als Beispiel einer Frauenbibliothek des 17. Jahrhunderts. In: Bepler, Jill (Hg.) (2010): Sammeln, Lesen, Übersetzen als höfische Praxis der Frühen Neuzeit. Wiesbaden, S. 283 – 305. 9 Zu Herzog Anton Ulrich siehe Rehtmeier, Philipp Julius (1722): Braunschweig-Lünebur­ gische Chronica. Bd. III, Braunschweig, S. 1539 – 1575; Bender, Wolfgang (1964): Herzog

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Auguste Dorothea (1666 – 1751)

Auguste Dorotheas Großvater, August der Jüngere, hatte ursprüng­lich eine intellektuell-humanistische Kultur am Wolfenbütteler Hof geprägt, aber es war maßgeb­ lich seine dritte Ehefrau, Elisabeth Sophie von Mecklenburg-Güstrow (1613 – 1676), die im Zentrum des kulturellen Hofes stand und ihren Kindern beziehungsweise Stiefkindern Musik und Singspiele zum kulturellen Alltag werden ließ. Die große Bedeutung von Literatur, Theater und Musik wurde in der Generation von Anton Ulrich, seiner Schwester Sibylle und seiner Frau Elisabeth Juliane zum tragenden Element des Selbstverständnisses und der höfischen Repräsentation des Wolfen­ bütteler Hofs. Dabei entfaltete die Kunstsammlung und Eigenproduktion zwei Richtungen: Eine weiterhin mit religiös-erbau­lichem oder didaktischem Charakter, die eher von den Frauen der Familie betrieben wurde, und eine säkulare, die eher von den männ­lichen Mitgliedern verfolgt wurde. Beide Ausprägungen der kreativen Äußerungen trugen stets repräsentative Züge. Die generelle Atmosphäre des Hofes, aber auch der Unterricht leiteten zu Sammeln und Dilettieren an. Auguste Dorotheas Mutter Elisabeth Juliane (1634 – 1704) muss neben dem Vater als persön­liches Leitbild für die besondere Form der Selbst­inszenierung Auguste Dorotheas gelten. Sie besaß eine eigene Porzellansammlung, eine eigene Kunstkammer, die auch Miniaturen enthielt, und war berühmt für ihr handwerk­liches Geschick mit Textilien, das sie zum Inbegriff der erfolgreichen und tugendsamen Landesmutter machte.10 Es ist anzunehmen, dass „die Kultur- und Bildungstradition des Wolfenbüttler Musenhofes von der Mutter an die Tochter weitergegeben“ wurde.11 Die Fingerfertigkeit, die sich auf Weben, Spinnen, Nähen und Klöppeln bezog, hatte Auguste Dorothea,

Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel. Biographie und Bibliographie zu seinem 250. Todestag. In: Philobiblon, Bd. 8/3, S. 166 – 187; zu literarischen Werken Anton Ulrichs siehe Spahr, Blake Lee (1966): Anton Ulrich and Aramena: The Genesis and Development of a Baroque Novel. Berkeley; Mazingue, Etienne (1978): Anton Ulrich, Duc de Braunschweig-Wolfenbüttel (1633 – 1714). Un prince romancier au XVIIeme siecle. Bern; Krummacher, Hans-Henrik (1985): Der Tod des Herzogs Anton Ulrich. Meldungen und Berichte in der „Europäischen Fama“ von 1714/15. In: Valentin, Jean-Marie (Hg.) (1985): Monarchus Poeta. Studien zu Leben und Werk Anton Ulrichs von Braunschweig-Lüneburg. [Cloe, 4] Amsterdam, S. 303 – 333; Berns, Jörg Jochen (1985): „Princeps Poetarum et Poeta Principum“: Das Dichtertum Anton Ulrichs als Exempel absolutistischer Rollennorm und Rollenbrechung. Ibid., S. 3 – 30. 10 Ausstellungskatalog Braunschweig (1983), S. 86 (Porzellanzimmer); Arnim, Max (1928): Johann Friedrich Armand von Uffenbach’s Spazierfarth durch die Hes­sische in die Braunschweig-Lüneburgschen Lande 1728. Göttingen, S. 24 ff. 11 Gleixner (2010), S. 224.

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wenn nicht direkt von der Mutter, so doch vermut­lich auf deren Anweisung hin erlernt. Ihr Soloauftritt bei einem höfischen Singspiel in Salzdahlum 169412 und die vielen Darstellungen der Herzogin beim Musizieren in Mon Plaisir sowie das Musikzimmer ihres Schlosses belegen ihr musika­lisches Talent und ­Inte­resse. Ähn­lich seiner eigenen jugend­lichen Erfahrungen als Mitwirkender bei den Singspielen seiner Stiefmutter kann davon ausgegangen werden, dass auch Anton Ulrichs Kinder in die höfischen Aufführungen von klein auf integriert wurden und somit die Bühne als alltäg­liches Medium der Repräsentation und des Zeitvertreibs kannten. Zum Barocktheater gehörten aufwändige Kulissenbauten und Bühnenbilder, wie sie beispielsweise Johann Oswald Harms für die Braunschweiger Oper entwarf, die ähn­lich später als Miniaturbauten zum Beispiel im Markt des Mon Plaisir zu finden waren.13 Aus den Archivalien ist ersicht­lich, dass Auguste Dorothea mindestens Latein und Franzö­sisch beherrschte.14 Indem man auch die Mädchen nicht nur in den höfisch notwendigen Sozialkompetenzen wie Musik, Zeichnen, Konversation, Sprachen und Tanz unterrichtete, sondern sie auch intellektuell bildete, erhöhte man ihr kulturelles Kapital – ihre Chancen auf dem Heiratsmarkt – und bereitete sie darauf vor, als mög­liche Regentinnen zu fungieren. Gerade die relative Bedeutungsarmut des Herkunftshauses und die daraus resultierende Nischenstrategie zur Machterweiterung eröffnete Räume der Rollenausdehnung. Bekannter­maßen wies der Gothaer Staatsrechtler Seckendorff im „Teutschen Fürstenstaat“ auch auf die Notwendigkeit der hochadeligen Mädchenbildung hin. Den Fokus legte er jedoch auf geschlechtsspezifische Erziehung und bereitete damit die theoretische Basis für die Vermischung von repräsentativem Anspruch, Rollenbewusstsein und weib­lichen Kernkompetenzen vor, die in Mon Plaisir ihren Ausdruck fanden: 12 Bressand, Friedrich Christian (1694): Salzttha­lischer Mayen-Schluß: oder Beschreibung der auf den höchsterfreu­lichen Geburts-Tag der Durchleuchtigsten Fürstin und Frauen Elisabetha Juliana […] in Salztal angestellter Lustbarkeiten. [ND Berlin 1994, hrsg. von Thomas Scheliga] Wolfenbüttel. 13 Entwürfe für die Dekoration der Oper ‚Cleopatra‘, Johann Oswald Harm 1690, siehe Ausstellungskatalog Braunschweig (1983), S. 192 (Abb.) und 193. 14 Vor allem in den Korrespondenzen zu der recht­lichen Auseinandersetzung um die Witwen­ einkünfte finden sich in vielen von der Herzogin selbst geschriebenen Briefen lateinische Versatzstücke und Absätze. ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72. Privatkorres­ pondenzen, Glückwünsche zur Geburt etc. erfolgten meist in franzö­sischer Sprache wie zum Beispiel die Widmung an ihren Bruder in einem Buchgeschenk: Stöcklein, Joseph (1728): Der Neue Welt Bot mit allerhand Nachrichten dern Missionarium Soc. Jesu. Wien. HAB, M:Tq 4 11.

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„Die fürst­lichen […] Fräulein werden auch nütz­lich und wol angehalten zu feinen Geberden, zier­lichen Tänzen, zu allerhand Frauen-Zimmers-Arbeit mit künst­lichem Ne[h]en und Sticken […] sodann mit Zurichtung et­licher guten Confecturen und Artz­neyen, gebrandten Wassers, sonderbahren Speisen, und dergleichen, was solchen Standes-­Personen anständig, und zu ihrer fürst­lichen Eltern oder in künfftigen Ehestande ihrer Herren und Gemahl Beliebung gereichen kann. Ihre Ergetzligkeiten werden angestellet in zulässigen, kunstreichen, unärger­lichen Spielen, Spazieren-fahren, zu Jagten und Fischereyen, Anhörung der Music oder, daß sie selbst etwas darvon lernen, in der Jugend auch bey Herren und Fräulen, daß sie selbst bey artigen Auffzügen und Comoedien […] sich brauchen lassen, oder, da sie erwachsen, dergleichen anschauen und sich damit belustigen.“ 15

In Einklang mit der gängigen Vorstellung von den angemessenen Unterrichts­ inhalten und den Gepflogenheiten in Wolfenbüttel ist davon auszugehen, dass Auguste Dorothea zwar einerseits in Reichsgeschichte, territorialer Landeskunde, Genealogie und Staatsrecht, andererseits aber auch im traditionellen Kanon der Mädchenbildung unterrichtet wurde. Man machte sie vertraut mit der „christ­ lichen seligmachenden Religion“, mit „allen christ­lichen Tugenden“, vermittelte die Werte „Bescheidenheit, Fürsichtigkeit, Freundligkeit, Demuth, Wahrheit, Mässig­ keit, Höf­lichkeit“ und unterrichte die Basiskompetenzen des „Lesens, Schreibens und Rechnens […] [sowie die] Beschaffenheit eines vernünfftigen Haußhalts“.16 In der Praxis konnten diese prinzipiell konträr angelegten Zielsetzungen – Nähen

15 Seckendorff (1700), S. 180 zu Unterrichtsplan für Frauen, Zitat S. 185. 16 Ibid., S. 178 – 181; siehe auch Hammerstein, Notker (1983): Prinzenerziehung im landgräf­ lichen Hessen-Darmstadt. In: Hes­sisches Jahrbuch für Landesgeschichte, Bd. 33, S. 193 – 237; Müller, Jörg Jochen (1976): Fürstenerziehung im 17. Jahrhundert. Am Beispiel Herzog Anton Ulrichs von Braunschweig und Lüneburg. In: Schöne, Albrecht (Hg.) (1976): Stadt, Schule, Universität, Buchwesen und die deutsche Literatur im 17. Jahrhundert. Vorlagen und Diskussionen eines Barock-Symposions der Deutschen Forschungsgemeinschaft. München, S. 243 – 260; Berns, Jörg Jochen (1977): Justus Georg Schottelius 1612 – 1676. Ein Teutscher Gelehrter am Wolfenbüttler Hof. Braunschweig; Petschauer, Peter (1986): Eighteenth-Century German Opinions about Education for Women. In: Central European History, Bd. 19/3, Cambridge, S. 262 – 292; Franke, Myriam (1997): Ziele und Mittel fürst­licher Erziehung in der Frühen Neuzeit unter besonderer Berücksichtigung der mu­sischen Aspekte. Am Beispiel der Fürstenspiegel von Erasmus von Rotterdam, Reinhard Lorich, Christian Hohburg und Veit Ludwig von Seckendorff. Marburg [Magisterarbeit, ungedruckt]; Multer, Rita (1998): Pädago­gische Perspektiven in deutschen Fürstenspiegeln und Erziehungsinstruktionen von Fürstinnen und für Fürstinnen in der Frühen Neuzeit. Eichstätt.

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und Regieren – zu permanenten Aushandlungsprozessen um das Rollenverständnis führen. Auguste Dorothea war selbst für „den Notfall ausgebildet“ (Bepler) und wäre von ihrer Erziehung her und aufgrund ihrer persön­lichen Disposition in der Lage gewesen, eine bedeutendere politische Rolle zu spielen. Durch ihre Heirat nach Schwarzburg war sie auf ein rangniedrigeres Adelshaus ohne poli­ tisches Entwicklungspotenzial festgelegt und aufgrund der Kinderlosigkeit wurde sie zwar zur Fürstin, aber nie zur Regentin wie zum Beispiel ihre Großnichte Anna Amalia von Sachsen-Weimar (1739 – 1807).17 Die Entstehung des Unikats Mon Plaisir war nur aufgrund dieses kulturell fruchtbaren familiären Hintergrunds mög­lich. Dennoch lässt sie sich trotz der sinnfälligen Ableitung aus dem inspirierenden Umfeld nicht in eine lückenlose Kausalkette einfügen. Ein Erklärungsversuch kommt notwendigerweise nicht ohne einen Verweis auf das Individuelle bei der Wahl des künstlerischen Ausdrucksmittels aus – im vollen Bewusstsein des Paradigmas der ständischen Prägung des barocken Menschen.18 Die Wahl des Mediums war neben verschiedenen Motiven auch den persön­lichen Umständen geschuldet. Parallel zu der von Jill Bepler bei den nichtregierenden Prinzen nachgewiesenen kompensatorischen Kunstproduktion oder Sammlungstätigkeit barg die Beschäftigung mit dem Miniaturkosmos ein kompensatorisches Moment für Auguste Dorothea, die sich dort eine Welt schuf, die es so nicht gab, und die sich in der Miniatur in einer Führungsrolle inszenierte, die sie nicht besaß. Die künstlerische Ausbildung, das handwerk­liche Gestaltungsvermögen und das Bedürfnis nach Repräsentation gepaart mit den für die standesbewusste und ambitionierte Auguste unbefriedigenden Umständen musste als Äußerung nicht zwingend zu einer miniaturisierten Puppenstadt führen, sondern hätte sich ebenso in konventioneller kultureller Kunstpraxis äußern können. Die Entstehung des Mon Plaisir ist dem Zusammenspiel von Herkunft, Erziehung, Erfahrungs- und Erlebniswelt sowie persön­licher Neigung geschuldet. Auguste Dorotheas Selbstbewusstsein als selbsternannte Herzogin und ihr ausgeprägtes Standesbewusstsein beruhten auf ihrer Herkunft. Dies zeigt sich nicht nur archiva­lisch, sondern auch in der bild­lichen Ausstattung ihres Lustschlosses, das stark auf das Haus Wolfenbüttel abhob. Sie verbrachte jedoch die weitaus meiste Zeit ihres Lebens in Arnstadt, ihrer zweiten Heimat, die zur ersten avancierte. Im Gegensatz zu ihrer Schwester Anna Sophie (1659 – 1742), die als Witwe nicht in 17 Berger, Joachim (2003): Anna Amalia von Sachsen-Weimar-Eisenach (1739 – 1807). Heidelberg. 18 Stollberg-Rilinger, Barbara (1997): Zeremoniell als politisches Verfahren. Rangordnung und Rangstreit als Strukturmerkmale des frühneuzeit­lichen Reichstags. In: Kunisch, Johannes (Hg.) (1997): Neue Studien zur frühneuzeit­lichen Reichsgeschichte. Berlin, S. 91 – 132.

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Baden-Durlach blieb, sondern nach Wolfenbüttel beziehungsweise Salzdahlum heimkehrte, blieb Auguste Dorothea bis zu ihrem Lebensende in Schwarzburg. Gerade indem sie um ihre Bedeutung in Schwarzburg kämpfte und damit den normativen Zuschnitt von fürst­licher Witwenschaft ausdehnte, erfüllte sie ihre Rolle mustergültig im Sinne des eigenen Hauses. Ihre starke Identifizierung mit „ihrem“ Territorium, das während ihrer Regierungszeit in den Reichsfürstenstand erhoben wurde und die Gräfin zur Fürstin machte, zeigt sich vielfach in Mon Plaisir, zum Beispiel in der Anbringung des Schwarzburger Wappens oder einer Schwarzburger Genealogie in Miniatur. Dagegen enthält Mon Plaisir keine expliziten Markierungen der Zugehörigkeit zu Braunschweig-Lüneburg (mehr). 4.2 Lebensthemen Standesgemäßheit, Geldbeschaffung und Reputation.Auguste Dorotheas „genereuse gemüths ahrt“ und „kummervolle Umstände“19 ,,Also hat auch ein Fürst ehe und bevor er seinen Staat einrichtet, seine Einkünfte gründ­ lich zu examiniren und dann […] selbigen dergestalten nach denenselben zu reguliren, daß alljähr­lich von seinen Revenuen noch etwas über schiesse, damit er in dem Fall […] eines Unglücks sich helffen könne, und nicht nöthig habe, beschwer­liche Schulden zu machen, oder zu anderen disreputier­lichen Dingen sich zu entschließen […]. Nichts ist so unglückseelig, wie eine Standesperson, die andere durch gemachte Schulden zum Herren über sich gemachet, da Sie doch von niemand als von Gott und Ihren Segen dependiren will.“20

Viele Szenen des Mon Plaisir zeigen das luxuriös ausgestattete Leben einer Hoch­ adeligen und demonstrieren damit den Wohlstand der Fürstin. Zweifelsohne gehörte die Hauptperson des Ensembles zur sozialen Elite des Landes und galt als reich. In der Miniatur wird dieser Eindruck durch Kleidung, räum­liche Ausstattung und im Kontrast zu den anderen Ständen hergestellt. Die Geldbeschaffung oder die Bezahlung der dargestellten Dienstleistungen in Mon Plaisir wird nicht thematisiert. Wie das Zitat zeigt, existierte nach Meinung der Zeitgenossen ein enger Zusammenhang zwischen Standesgemäßheit, kluger Haushaltung, finanzieller Versorgung und Reputation. Aber wie wahr war der in der Miniatur postulierte

19 NLA WB, 1 Alt 24, 239, 61. 20 Florinus (1719), Bd. I, S. 46.

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relative Wohlstand in Wirk­lichkeit? Wie stand es um den „Reichtum“ der Fürstin und um ihre finanzielle Versorgung in den verschiedenen Lebensphasen? Archiva­lisch zeigt sich, dass die Geldbeschaffung zu den lebensbegleitenden und dominierenden Themen Auguste Dorotheas gehörte. Die Prinzessin war bis zu ihrer Hochzeit von ihrem Vater finanziell versorgt worden. Mit der Übersiedlung nach Arnstadt hatte nun ihr Gemahl für sie aufzukommen. In den ersten Jahren der Ehe scheinen sich die Ausgaben der jungen Frau innerhalb der vorgesehenen Grenzen bewegt zu haben. Allerdings wurde sie ihrer Meinung nach wegen der relativen finanziellen Knappheit des Grafenhauses und dessen eigenen Staatsverschuldung von Anfang an finanziell unterversorgt. Auf die Verfasstheit des Schwarzburger Finanzrahmens nahm sie jedoch keine Rücksicht. Ab den 1690er Jahren begann sie, sorglos Geld auszugeben. 1692 und 1693 verkaufte und versetzte sie erstmals nachweislich Schmuck, und zwar „zu unßer höchsten Notdurft und Rettung unserer fürst­lichen Ehre“.21 Et­liche Sammelrechnungen und Schuldscheine belegen die höfischen Ausgaben der Fürstin:22 Messebesuche, Ausstattungen der Appartements, Neujahrspräsente, Hochzeitskleider und Livreen für ihre Dienerschaft, standesgemäße eigene Bekleidung, Luxuswaren und Tafelfreuden verschlangen viel mehr Geld, als Auguste Dorothea zur Verfügung stand. Sie lieh sich Bargeld bei Untertanen, Dienstboten, Kammerjungfern, Räten, Familienmitgliedern und den umliegenden Adeligen oder bei professionellen Geldverleihern.23 Jede geliehene Summe wurde jähr­lich mit fünf bis sechs Prozent verzinst. Sie kaufte Luxuswaren auf Rechnung, ohne diese zu bezahlen. Sie hielt Löhne zurück und bezahlte die lokalen Händler nicht.24 Die Schuldner drängten, weswegen sie wieder neues Geld aufnahm oder ihre Bezüge (später die Witweneinnahmen) im Voraus verpfändete.25 Der Schuldenzirkel nahm seinen Lauf. Bis ins hohe Lebensalter zeigte Auguste Dorothea kein Bewusstsein für die Eigenverantwortung im Umgang mit Geld. Schulden waren keine Kategorie, die sie zu Sparsamkeit motivieren konnte. Ihre intellektuelle Kapazität hätte ein an ihre Einkünfte angemessenes Finanzgebaren mög­lich gemacht, aber ihre Vorstellung von reputier­lichem Leben sprach gegen ‚kluge Haushaltung‘, wie sie Florinus im Eingangszitat beschwört. 21 ThStA Ru, Kanzlei Sondershausen 504, 6 und 19. 22 Siehe ThStA Ru, Kanzlei Sondershausen 504. 23 Auguste Dorothea unterhielt den Hofjuden Abraham Süßmann, wohnhaft in Mühlhausen. HHStA Wien, RHR, Conf. priv. at. Exped. 94, Freiheitsbrief (1717). 24 Debitoren stellte sie Schreiben aus, damit diese aus der Kasse ihres Mannes bezahlt w ­ ürden. ThStA Ru, Kanzlei Arnstadt, 421, 140. 25 NLA WB, 1 Alt 24, 237, 7 zur Befriedigung der Kreditoren.

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Die Schulden der Fürstin, die sich konstant bis zu ihrem Lebensende auf zehnbis neunzehntausend Reichstaler beliefen, kamen einerseits durch ihre Hofhaltung, andererseits durch Einkäufe zustande. Auguste Dorothea kaufte meist im lokalen Umkreis ein, neben Arnstadt in Rudolstadt, Meiningen, Coburg, Suhl, Halber­ stadt, Erfurt, Gotha, Mühlberg, Leipzig, aber auch bei Händlern aus Bamberg, Frankfurt, Hamburg, Aachen oder Holland.26 Zwei- bis dreimal jähr­lich reiste sie zur Leipziger Messe und gab dort jeweils eintausend Reichstaler aus. Auch nach dem Tod ihres Mannes gab sie in drei Jahren bei den Messen 7.600 Reichstaler allein bei den Kaufleuten Albrecht und Piper aus.27 Summarische Rechnungen über für den Adel üb­liche Luxusgegenstände haben sich erhalten. Ihr Interesse galt demnach Juwelen, Silberobjekten (Tischaufsätze, Besteck, Lüster), Sammlungs­ gegenständen, exquisiten Nahrungsmitteln (Tee, Kakao, Kaffee, Zucker), aber auch Pflanzen. Sie kaufte mit größter Vorliebe Textilien. Stoffe aus Samt und Seide, Brokat mit Gold- und Silberfäden und Spitzen waren ihre Leidenschaft.28 Reisen kosteten Geld, höfische Vergnügungen, besonders Feste, ebenso Spiel, ­Theater, Tanz und Musik, die mehrfach in Mon Plaisir gezeigt werden. Mit Spenden und Stiftungen erhielt man sich das Wohl der Untertanen und bediente zugleich einen Aspekt des fürst­lichen Tugendkanons. Ab 1700 verschlang der Bau und die Ausstattung der Augustenburg, ihres Privatschlosses, große Summen. Spätestens seit der Witwenschaft führte die Versorgung ihres beträcht­lichen Hofstaats zu gleichbleibend hohen Ausgaben. 4.2.1 Finanzielle Versorgung als Indikator der sozialen Integration

Die finanzielle Versorgung fand innerhalb von Beziehungssystemen statt. Je nach Gelingen der Beziehung gestaltete sich auch die finanzielle und diplomatische Unterstützung. Die finanzielle Versorgung war daher ein wichtiger Indikator für das Maß der Integration der Fürstin in die verschiedenen Familienverbände. Der Gestus des Schuldenmachens war zunächst ein selbstbewusster, der in befehlendem Ton vorgetragen wurde und die Vorstellung des rechtmäßigen Anspruchs einer aus einem altfürst­lichen Haus stammenden, regierenden Fürstin transportierte. Bis zum Tod ihres Vaters 1714 existierten zwei zwar nicht konfliktfreie, aber immerhin sichere Geldquellen. Anton Günther sicherte die Grundversorgung

26 ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. I, 362 ff. 27 NLA WB, 1 Alt 24, 232, 67. Auflistung von März 1719. 28 ThStA Ru, Kanzlei Arnstadt, 421, 137.

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und übernahm aus ehe­lichem Pf­lichtgefühl die meisten der von ihr verursachten Schulden. Dafür äußerte die Herzogin ihrem Gemahl gegenüber im Jahr 1700 bereits ihre Dankbarkeit, weil sie die „vielfältige […] Gutigkeit dankbar zu rühmen habe […] wegen sothanen übernommener unserer Schulden“.29 Anton Günther führte minutiös Buch über alle Ausgaben, die er für seine Gemahlin tätigte, und zwar vom Jahr ihrer Eheschließung an.30 Eine Aufstellung von sechzig Rechnungsposten, die Anton Günther für sie bezahlte, ergaben über 32.000 Reichstaler bis 1711.31 Zwischen November 1711 und November 1712 hatte Anton Günther zusätz­lich über zehntausend Reichstaler Schulden für sie übernommen.32 Zumindest bis zu ihrer Konversion Ende 1715 scheint Anton Günther die Hofhaltung auf der Augustenburg mitfinanziert zu haben.33 Die absoluten Summen, die die Herzogin verbrauchte, waren im Vergleich nicht bedeutend. Bedeutsam war, was man der Herzogin persön­lich aufgrund ihrer Herkunft, ihrer „Leistung“ und ihrem sozialen Prestige auszugeben zugestand. Nur in wenigen Fällen beharrte Anton Günther auf der Kompensation ihrer Schulden durch ihr Herkunftshaus. Ihr gefällig zu sein war vor allem durch den einflussreichen Anton Ulrich im Hintergrund motiviert, vor dem Anton Günther sich stets rechtfertigte und mehrfach die Ausgaben für die Gemahlin darlegte. Mit dem Tod des Vaters 1714 und dem Tod des Gemahls 1716 verlor Auguste ­Dorothea sowohl den Rückhalt im Herkunftshaus wie auch in der Agnatenfamilie. Bis zum Zeitpunkt, an dem der Tod des Gemahls absehbar war, hatte sie sich darauf verlassen können, dass entweder ihr Vater oder ihr Mann – gegen entsprechende Unterwerfungsgesten – ihre Schulden auslösten. Dennoch kam es zwischenzeit­lich zu größeren Krisen und Konflikten mit der Familie, die Eigenverantwortung verlangte. Auguste Dorothea verschwieg ihrem Mann mitunter ihre Schulden, „und zwar aus bloßer Furcht, dass ich deswegen wie öfters geschehen, hart angefahren 29 ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. I, 371 f., 6.4.1700. 30 Zu jeder Messe in Leipzig erhielt sie eintausend Reichstaler Handgelder. ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. I, 366 f.; hier nachgewiesen für die Jahre 1713 und 1714. Die Jahre 1715 und 1716: 370. 31 Vor 1711, ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. I, 362 ff. Zwischen 1690 und 1701 waren es demnach nur 3.500 Reichstaler (ThStA Ru, Kanzlei Sondershausen 504, 5). Eine Urkunde von 1704 besagt, sie habe 29.150 Reichstaler Passivschulden angesammelt, von denen Anton Günther bereits 12.000 Reichstaler ausgelöst hatte. ThStA Ru, Kanzlei Sondershausen 504, 129. 32 ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. I, 366, Bescheinigung von Auguste Dorothea, 22.11.1712. 33 HHStA Wien, MEA Kommissionsakten 8b, Auguste Dorothea an Schönborn, 19.2.1716.

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werden möchte“.34 Bereits 1700 beschrieb Auguste Dorothea ihrem Mann ihre Situation. Sie habe den Vorsatz gefasst, „in Zukunfft durchaus dergleichen Schulden, viel oder wenig nicht zu machen, sondern uns mit unseren Handgeldern zu [be]gnügen,35 […] weil aber meine Creditores mit […] meiner Bezahlung sich nicht contentieren wollten […], so bin denn gleichsam gezwungen worden weil die Handgelder nicht hinläng­lich gewesen, andern Geldes, wo ich nur welches bekommen können, auf zu bringen, um die Creditores nach und nach zu befridigen, wodurch denn gekommen ist, dass die Summe[n] alle Jahr mehr und mehr angewachsen sind anstatt dass solche hätte[n] geringer werden sollen.“36

Es waren also zunächst Ehemann, Vater, Brüder, Mutter und Schwestern, die Geld liehen oder Rechnungen bezahlten. So gewährte ihr die Mutter 1697 eine Anleihe auf ihr späteres Erbe, „zu unseren jetztigen höchst dringenden Außgaben […] zur Abtragung einiger dringender Schuldposten“.37 Die Gunst des Vaters schürte zugleich die Eifersucht der Geschwister.38 Der ältere Bruder August Wilhelm, der nach dem Tod des Vaters die Stelle des Familienoberhaupts einnahm, warf ihr vor, sie habe den Vater viel zu viel Geld gekostet und dadurch mit für die Staatsverschuldung gesorgt. Im Gegenzug unterstellte sie ihm böswilliges Vorenthalten des väter­lichen Erbes.39 Während seiner Regentschaft wandte sich Auguste Dorothea 34 NLA WB, 1 Alt 24, 231, 12 (auch Gotha, B IV, Vol. I, 394 f.). 35 ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. I, 371 f., 6.4.1700. 36 NLA WB, 1 Alt 24, 231, 12. 37 Ibid., 22, 12.2.1697. Die Urkunde wurde auch von Anton Günther als Vormund unterzeichnet. Es handelt sich um ein Erbteil aus dem Vorwerk von Salzdahlum, das Elisabeth Juliane gehörte. Die sechstausend Reichstaler wurden jähr­lich mit dreihundert Reichs­ talern verzinst. 38 Anton Ulrich ließ ihr zum Leipziger Neujahrmarkt 1694 eintausend Reichstaler überbringen (NLA Wolfenbüttel, 1 Alt 24, 231, 20, 4.2.1694). 1704 hatte sie Schulden in Höhe von knapp 5.500 Reichstalern in Wolfenbüttel hinterlassen, doch Anton Ulrich übernahm diese Kosten für sie (1 Alt 24, 231, 41 u. 45). Später wurde diese Zahlung als nachträg­ liche Ehegelder ausgegeben (17.2.1710, Folio 51 f.). Manche Rechnungen landeten direkt beim Vater, während Auguste Dorothea sich selbst nicht die Mühe machte, sich um die Bezahlung der von ihr verursachten Kosten zu kümmern. Dabei war sie sich seiner Großzügigkeit bewusst: Selbst bei einer kleineren Summe über fünfzig Reichstaler, die sie bar von ihrem Vater erhielt, bedankte sie sich überschwäng­lich (1 Alt 24, 232, 20. Datum unklar, vor 1712). 39 August Wilhelm hatte kurz vor dem Ableben Anton Ulrichs große Teile des Familien­silbers nach Braunschweig transportieren lassen, um sie aus der Erbmasse herauszuhalten. Der

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ausschließ­lich an ihren jüngsten Bruder Ludwig Rudolf, der ihren Kapriolen – die Schulden, die Konversion, die Launen − eher mit Schulterzucken begegnete, sich aber doch in Maßen verantwort­lich zeigte. Ihre Zahlungsmoral war weder gegenüber der eigenen Familie noch gegenüber anderen Gläubigern vorbild­lich, obwohl sich zeigen lässt, dass die meisten Schuldscheine nach drei bis fünf Jahren bezahlt wurden.40 „Meiner Gemahlin notorischer Zustand“,41 der andauernde Geldmangel der Herzogin war überall bekannt. Ab 1700 verlagerte sie die Geldbeschaffungsmaßnahmen von der Kernfamilie weg in den Personenkreis der erweiterten Familienmitglieder, der adeligen Nachbarn, der professionellen Geldverleiher und wahllos aller anderen, die Geld besaßen.42 Durch die erfolgreiche Heirat ihrer Nichte nach Wien und ihre eigene Konversion hatte Auguste Dorothea einen zusätz­lichen

Silberschatz sollte unter den Geschwistern aufgeteilt werden. NLA WB, 1 Alt 24, 233, 1 – 11. Er hatte das Testament in Abwesenheit der Geschwister eröffnen lassen. 40 ThStA Ru, Kammer Arnstadt 218; Kanzlei Arnstadt, 421, 150. 41 NLA WB, 1 Alt 24, 233, 15, Anton Günther an August Wilhelm, 29.8.1714. 42 Exemplarisch sei hier gezeigt, dass die Fürstin sich überall Geld lieh: 1690 320 Reichstaler bei Wilhelm Avemann, Landsmann; 1697 eintausend Reichstaler von dem Grafen zu Reuß; 1699 eintausend Reichstaler von Gräfin Sophia Elisabeth von Reuß; 1699 350 Reichstaler von Albert Anton von Schwarzburg Rudolstadt; 1700 dreitausend Reichstaler von der Gräfin zu Solms; 1701 zweitausend Reichstaler von Emilie Juliane von Schwarzburg-­ Rudolstadt, die vier Jahre später mit 13 Diamanten ausbezahlt wurden; 1702 dreitausend Reichstaler von dem Juden Levin Meyrin, die nach drei Jahren mit 660 Reichstalern Zinsen zurückgezahlt wurden; 1699 einiger Diamantschmuck wird für 11.000 Reichstaler versetzt; 1711 wurde in Leipzig Silber versetzt (ThStA Ru, Kanzlei Sondershausen 504); 1700 einhundert Reichstaler von Martin Geldhaus, „Bürgermeister allhier“ (ThStA Ru, Kammer Arnstadt 218); 1709 342 Reichstaler bei Fräulein von Milwiz (ThStA Ru, ­Kammer Arnstadt 224). Die Menge der Schuldscheine, Rechnungen und Verpfändungen ist nicht überschaubar und die genaue Ermittlung der Summen nicht mög­lich. Es ist keine Gegenüberstellung ihrer Ausgaben mit denen von Anton Günther erfolgt. Auch in Wolfenbüttel lieh sie sich permanent Geld, siehe die Auflistung vom 11.4.1704 über 5.437 Reichstaler: „Von Ihro durchl der Herzogin zu Meiningen: 1.000 plus 200 Inte­r­ esse; der Frau Cantzlerin alhier 500 gegen ein Unterpfand von Goebelen [Tapisserien]; dem Italiener Dominico alhier […] 408; an den Goldschmid Günthern […] 117; An den Cammerdiener Siegmund 200; An den Hofambtsschreiber 150; an Madame Campen 100; an den Oberverwalter zu Rüdders­hausen 300; ans Closter Dörstadt 100; dem Goldschmid Binnius […] 75; dem Herrn von Gans zu Lütter 200; dem Ambtman daselbst 250; dem Ambtmann zu Gandersheim 50; einer ade­lichen Frau zu Gandersheim, wovon ihro durchl. die Äbtissin gut gesagt 100; an Ambtmann Creyen […] 88; an Lillien […] 666; Neuhoff zu Braunschweig ungefähr 360; An Fröhlighauser in Gandersheim ungefähr

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Kreis an potenziellen Geldgebern erschlossen. Mit jeder Transaktion begab sie sich jedoch in ein weiteres Abhängigkeitsverhältnis, das ihre Position innerhalb der familiären Hierarchie schwächte. Durch den Verlust an Glaubwürdigkeit und Kreditfähigkeit sank ihrer Autorität innerhalb der lokalen Adelsgemeinschaft und gefährdete durch die zunehmende Zahlungsunfähigkeit am Ende sogar den Respekt der Untertanen. 4.2.2 Strategien der Geldbeschaffung

Zur Sicherung ihrer Finanzen wandte sich Auguste – und zwar getrennt nach Geschlecht – an drei verschiedene Adelskreise, näm­lich die Herkunftsfamilie in Wolfenbüttel, die Agnatenfamilie in Schwarzburg und die katho­lischen Kreise um das Kaiserpaar in Wien. Gegenüber ihrem Mann und der Agnatenfamilie war ihre Haltung stets geprägt von Standesbewusstsein und Gerechtigkeitsempfinden. Rhetorisch berief sie sich auf die Verpf­lichtung zum Unterhalt und verwies auf den Ehevertrag. Diese Strategie behielt sie auch nach seinem Tod gegenüber der Agnatenfamilie bei. Adressierte sie weib­liche Familienmitglieder, reichte es, unverblümt auf die finanzielle Notlage hinzuweisen, um ihre taktische Unterstützung gegenüber den Familien­ oberhäuptern zu sichern. Die männ­lichen Mitglieder wurden dagegen durch die Erwähnung der gemeinsamen Abstammung an ihre Fürsorgepflicht erinnert. Potenziellen katho­lischen Geldgebern gegenüber argumentierte sie ab 1717 mit religiöser Diskriminierung und nutzte ihren dritten Vornamen Eleonora, nach der Kaiserinwitwe, als Hinweis auf den Konvertitenstatus. Die Hinweise auf die Konversion unterblieben allerdings gänz­lich gegenüber den lutherischen Schwarzburgern. In Fragen der Versorgung legte sie ihnen gegenüber eine klare Attitüde des Verhandelns an den Tag. Hier war sie aufgrund eines ausgeprägten Rechtsempfindens bereit zur Verteidigung und zum Streit. Das Argument der „armen Witwe“ wurde gegenüber Wien immer ins Feld geführt, wohingegen gegenüber Wolfenbüttel die „arme Verwandtin“ aussichtsreicher schien. Mit schwarzem Trauer­rand versehenes Briefpapier wies visuell auf ihren Status hin. Halfen Witwen­schaft und dynastische Zugehörigkeit nicht, ignorierte sie alle in den Briefstellern 43 empfohlene Rhetorik: Sie befahl, argumentierte, drohte, beschimpfte, bat, flehte, jammerte. Sämt­liche 100; des verstorbenen Gärtners Leydenkens Vater 100; Schmalen von Hannover 131; dem Lastrop zu Hamburg 182.“ NLA WB, 1 Alt 24, 231, 41. 43 Anleitungen zum förm­lich korrekten Schreiben. Siehe Furger, Carmen (2010): Briefsteller: Das Medium „Brief“ im 17. und frühen 18. Jahrhundert. Wien/Köln/Weimar.

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sprach­liche Register wurden auf mehreren parallelen Kommunikationskanälen (direkt, über Verwandte, über Räte) eingesetzt, um finanzielle Versorgung zu erhalten und auszubauen. Der Brief als Kommunikationsmedium, dessen Transport in Mon Plaisir gezeigt wird (ohne Abbildung), war für die Herzogin in Bezug auf Wolfenbüttel und Wien das wichtigste Hilfsmittel zur Erlangung des Gewünschten. Auguste Dorothea schrieb viel und war eine Meisterin des Wortes. Teilweise haben sich mehrere Briefe an unterschied­liche Adressaten vom selben Datum erhalten, manchmal je ein Brief an aufeinanderfolgenden Tagen an ein und dieselbe Person.44 Das Schreiben hatte einen festen Platz in der täg­lichen Routine. Umso mehr verwundert es, dass sich in Mon Plaisir zwar Schreibsets erhalten haben, aber kein Schreibtisch oder Klappsekretär, die als Schreibmöbel ab dem zweiten Viertel des 18. Jahrhunderts bereits in Mode waren. Heute zeigt keine Szene die Fürstin bei der Tätigkeit des Schreibens oder Diktierens, obwohl beides regelmäßige Handlungen gewesen sein müssen. Da Schreiben und Lesen auch im Barock grundsätz­lich darstellungswürdige Tätigkeiten waren, ist davon auszugehen, dass das Arrangement verlorenging. Das Schreiben und das Erhalten von Briefen dienten nicht nur der Informa­tionsweitergabe, sondern waren Zeichen der sozialen Zugehörigkeit. Für Auguste Dorothea, die als Witwe weniger reiste, waren Briefe Beziehungsträger. In ihnen spiegelte sich das Gnadenbarometer und damit ihre eigene Position innerhalb des Hauses. Es ist daher wahrschein­lich, dass der hier gezeigte Brief nicht ein Platzhalter für „die Post“ im Allgemeinen darstellt, sondern Auguste Dorotheas persön­liche Korrespondenz meint. Der notorische Geldmangel provozierte verschiedene Eklats, so zum Beispiel 1714, nach dem Tod ihres Vaters. Hier entbrannte ein Streit zwischen Auguste Dorothea und ihrem Bruder August Wilhelm, dem Nachfolger in Wolfenbüttel, um den Umgang mit dem Erbe. Sie bestand auf der Auszahlung ihres Erbteils, einen Anteil am Fideikommiss des Vorwerks Salzdahlum, das sie zuvor schon beliehen hatte.45 Anton Günther setzte sich hier für seine Gemahlin ein, „da sie von ihren Creditoribus auf das heftigste pressiret“ würde und versprach die Summe nach seinem Tod wieder in den Fideikommiss zurückzuzahlen. Aus seiner Bemerkung, es handele sich um einen „nicht allzu großen Post[en]“46 von sechstausend Reichstalern, wird deut­lich, dass die Summen, die sie verbrauchte, relativ gesehen, tragbar waren. Um 44 Erhalten haben sich nur die Briefe, die finanzieller Natur waren. Es ist daher kaum vorstellbar, wie umfangreich die Privatkorrespondenz gewesen sein muss. 45 NLA WB, 1 Alt 24, 233, 4. 46 Ibid., 15, Anton Günther an August Wilhelm, 29.8.1714.

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sich standesgemäße Trauer anzuschaffen, hatte August Wilhelm ihr dreihundert Reichstaler zahlen lassen, zu denen sie aber zusätz­lich noch zweihundert aufnahm und als Pfand das Silber hinterlegte, das sie noch nicht einmal geerbt hatte. Der Bruder konfiszierte daraufhin ihren Anteil am Familiensilber, worauf sie ihm die Verweigerung ihres Erbteils vorwarf. Die ganze Angelegenheit war ihr „sehr sensibel, zumahl da es von meinem Bruder geschehen, welchen der trefligstenste Vatter auff seinem Todtbette mich noch so treulig recommediret haben und der mir auch gefolge dessen […] versichern lassen, dass er in allen nöthen nicht allem alß ein treuer Bruder sondern alß ein Vatter sich meiner annehmen wollte nun mehro aber der allererste ist, so mir alß treuer leib­licher Schwester mir das Gegentheil […] bewießen und der herr Vater kaum kalt geworden, zu ihro eigenen […] Schande mich schon zu beschimpften gesuchet.“47

August Wilhelm hatte weder die Geduld noch die Großzügigkeit des Vaters und warf ihr vor, sie habe Wolfenbütteler Gläubiger über zehn Jahre hinweg vertröstet, und jedes Gericht würde ihren Besitz beschlagnahmen, um diese zu befriedigen. Er weigerte sich, weiter brief­lich mit seiner Schwester zu verkehren und wollte sich „von dieser Last der immer so unerkönt­lich alß empfind­lichen Schwester gerne debarassiren [losmachen]“.48 Anton Günther vermittelte in diesem Konflikt, er selbst habe keinerlei Gefallen an der „Misshelligkeit“, und seine Gemahlin habe ihre „Redensarth“ nicht sehr genau erwogen. Auguste Dorothea hatte gegen das Decorum der Höf­lichkeit verstoßen und um den Hausfrieden zu wahren, versicherte Anton Günther an ihrer statt ihre schwester­liche Treue und Liebe. Die Auszahlung aus dem Fideikommiss erforderte das Einverständnis aller Geschwister, das umständ­lich eingeholt wurde, und der Pächter des Vorwerks streckte das Bargeld vor. Im September erhielt sie die sechstausend Reichstaler aus dem Vermächtnis der Mutter, im Dezember 1714 nochmals sechstausend aus dem Erbe des Vaters.49 Allein um diese Auszahlung zu bewerkstelligen, musste Auguste Dorothea ihre vier Geschwister zu einer schrift­lichen Genehmigung bewegen und den regierenden Fürsten zur Umsetzung. Dafür wird sie über einen langen Zeitraum hinweg schrift­lich und münd­lich bei allen Betroffenen vorgesprochen haben.

47 Ibid., 10, 25.4.1714 Auguste Dorothea an August Wilhelm. 48 Ibid., 4. 49 Ibid., 19 – 29.

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Abb. 51: Mon Plaisir, Vorwerk, Fürst­liche Domäne

Eine simple Quittung – Am Gängelband des Bruders

Auguste Dorothea fragte bereits im Oktober 1716, als der Tod ihres Mannes absehbar schien, August Wilhelm nach Quittungen zu den zusätz­lich gezahlten Ehegeldern.50 Die Frage, ob die im so genannten Nebenrezess vereinbarte Aufstockung der Ehegelder auf 17.500 Reichstaler durch Anton Ulrich erfolgt war, stand im Zentrum der Auseinandersetzung. Der Schwager Christian Wilhelm von Schwarzburg-Sondershausen (1647 – 1721) bestritt, dass das zusätz­liche Ehegeld gezahlt worden war und behauptete daher, der Ehevertrag sei nicht gültig.51 Solange Auguste Dorothea keine Quittung vorzeigen konnte, galt das Geld als nicht gezahlt.52 Das Erlangen dieser und anderer Quittungen über (vermeint­lich) gezahlte Gelder von ihrem Bruder August Wilhelm war ein großes Unterfangen.

50 NLA WB, 1 Alt 24, 233, 32 f. 51 ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. II, 132, 29.6.1717. 52 Ibid., 362.

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Im Februar 1719 wollte der Reichshofrat eine Quittung über zweitausend Reichs­ taler als Beleg für die vollständige Zahlung der Ehegelder als Nachweis von Auguste Dorothea.53 Drei Wochen später schrieb Ludwig Rudolf an August ­Wilhelm, und wiederholte ihre Bitte.54 August Wilhelm weigerte sich jedoch, ihr die Quittung auszuhändigen.55 Hintergrund der Weigerung war die Frage, ob nun er, August Wilhelm, für die versprochenen Ehegelder geradezustehen hatte. Es dauerte über zwei Jahre, in denen permanent über diese simple Quittung hin und her kommuniziert wurde, bis August Wilhelm im Juni 1721 überraschend mitteilte, es gäbe einen Beleg. Anton Ulrich hatte die Gelder ordnungsgemäß bezahlt. Die Verweigerung des Nachweises war reine innerfamiliäre Schikane.56 4.2.3 Der lange Streit um die Einrichtung des Wittums

Im Ehevertrag von August 1684 waren die präzisen Klauseln der späteren Witwen­ versorgung festgelegt worden.57 Die Prinzessin hatte den üb­lichen Erbverzicht geleistet und wurde von Anton Ulrich standesgemäß ‚ausgesteuert‘. Sie wurde mit „Kleidern, Kleinodien und fürst­lichem Geräte“ ausgestattet, „dass si[e] damit […] vom Stande gemäß vol bestehen möge“. Der Vater richtete die Hochzeit aus und gab der Tochter zehntausend Reichstaler als Brautschatz mit, die von Seiten des Ehemannes mit dergleichen Summe ‚wiederlegt‘ wurden. Bei Eintritt des Witwen­standes sollte die Herzogin jähr­lich zweitausend Reichstaler ­Pension aus diesen Geldern erhalten.58 Der Unterhalt sollte durch die Einnahmen aus dem Amt Keula gedeckt werden, das der Herzogin aus diesem Grund verschrieben wurde. Dort sollte Auguste Dorothea später alle „Ober- und Unter-­Gerichte, ­Renten, Einkünften, Gefällen, Fischeyen, Jagden, Diensten, Brauwesen, und anderen Nutzungen […] würk­lich übergeben und eingeräumet werden“. Ihren Witwensitz sollte sie ebenfalls im dortigen Schloss

53 54 55 56

NLA WB, 1 Alt 24, 233, 36, Auguste Dorothea an August Wilhelm, 22.2.1719.

Ibid., 42. Ibid., 43. Zu dem Quittungsstreit: NLA WB, 1 Alt 24, 233: 36, 42, 43, 44, 47 – 96; 1 Alt 24, 234, 1, 9, 11, 21, 23. 57 Ehevertrag unter NLA WB, 1 Alt 24, 230, 8 – 22 und 24 – 33 vom 6.8.1684; als Morgengabe standen ihr viertausend Reichstaler in bar zur freien Verfügung zu, die aber scheinbar nie ausgezahlt wurden. ThStA Ru, Kanzlei Arnstadt 421, 119. 58 Das entsprach einem Zinssatz von zehn Prozent aus Ehegeld und Wiederlage in Höhe von zwanzigtausend Talern.

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beziehen, für dessen Instandsetzung und standesgemäße Einrichtung das Haus Schwarzburg zuständig war.59 Allerdings war ihr freigestellt, ob sie ihre Witwenresidenz in Arnstadt einrichten wollte. Die Bestellung der Pfarrer, Schuldiener sowie die Belehnung der Rittergüter sollte ihr ebenfalls unterstehen. Sollte das Amt Keula vollständig abbrennen, musste Schwarzburg der zukünftigen Witwe dennoch zweitausend Reichstaler jähr­lich zahlen. Die Untertanen des Amtes hatten Aufwartungsdienste zu leisten und ein Handgelöbnis abzulegen. In Bezug auf die Untertanen waren die Rechte so weitgehend formuliert, dass Braunschweig-Wolfenbüttel damit einen Einflussbereich in Thüringen hatte. Auguste Dorotheas Handlungsbefugnisse sollten sich auch auf die „Hohe und Erbgerichtsbarkeit“ sowie auf „Regalia christ­licher Jurisdiction“ beziehen. Die Witwe sollte weiterhin das Anrecht auf die oberherr­liche Leibzucht haben. Dies beinhaltete die Lieferung von Naturalien direkt an ihren Hof.60 „Sofern […] der Gräfli. Herr Bräutigam […] gar keine Erben nach sich verlassen würden […] sollen der Frau Witben durchl. Ihro Kleider, Klein­odien, Geschmück, Silber, Geschirr, und was sie an Paraphernalien eingebracht, neben allen anderen weib­lichen Gerechtigkeiten von Gerade, Morgen Gabe, und Mußtheil […] abgefolget werden.“61

Obwohl jeder Punkt ausführ­lich schrift­lich niedergelegt worden war, entbrannte ab 1704 und vor allem nach Eintritt des Witwenstands heftiger Streit um jede einzelne Vertragsklausel. Die ersten 25 Jahre der Ehe wurden von Schwarzburg aus keinerlei Anstrengungen unternommen, den absehbar bevorstehenden Witwenstand Auguste Dorotheas gebührend vorzubereiten. Auguste Dorothea hatte die begründete Sorge, beim Tod ihres Mannes plötz­lich mittellos und ohne Dach über dem Kopf dazustehen. Sie unternahm selbst Visiten in Eisenach, Meiningen und Hildburghausen, um die Frage ihrer Versorgung zu erörtern und um Unterstützung zu bitten. Es sei wichtig, ihren Herrn davon zu überzeugen, dass bereits zu seinen Lebzeiten alles geregelt

59 Im Falle eines Brandes oder Verwüstung durch Kriegsgeschehen war Schwarzburg ebenfalls für die Wiederherstellung verantwort­lich und musste der Witwe für den Übergang eine andere angemessene Wohnstätte zuweisen. NLA WB, 1 Alt 24, 230, 26. 60 „Holz und Kohlen […] fünf Marck, jährl. vier Scheffel Weizen, vierzig Marck Roggen, vierzig Marck Gersten, sieben Pfund gewöhn­liches Futter an Hafer, Heu und Stroh, Sechzig Eymer Landwein, sieben Hirsche, acht Rehe, acht wilde Schweine, vierzig Hasen, Sechs Zentner Karpfen, ein Zentner grüne Hechte“. NLA WB, 1 Alt 24, 230, 27 f. 61 Ibid., 29.

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Auguste Dorothea (1666 – 1751)

werden müsse.62 Auch wenn Auguste Dorothea hier schon von großer Gefahr und bevorstehendem mög­lichen „Unglück“ sprach, stand sie immer noch unter dem Schutz ihres Vaters und die Situation schien zwar ernst, aber nicht bedroh­lich. Im Herbst 1704 bat Anton Ulrich den Eisenacher Herzog Johann Wilhelm (1666 – 1729) bei einem persön­lichen Besuch in Wolfenbüttel, als Kurator zu agieren und die Einrichtung des Wittums für seine Tochter in Arnstadt und Sondershausen zu bewirken.63 Doch brachte dieser das Thema zunächst „ohne Frucht […] in Erinnerung“.64 Der Besuch diverser Räte war Anton G ­ ünther und Christian Wilhelm von beiden Seiten schrift­lich angekündigt worden. Graf Anton Günther zeigte sich indessen zunächst „unpäss­lich“ und verweigerte die Audienz. Gespräche und Briefe liefen zwischen Auguste Dorothea, ihrem Vater, Herzog Johann Wilhelm und den Räten hin und her, und man appellierte zunächst an die „contestierte gute Intention und Zuneigung“ Anton Günthers und bat darum, den Hofmeister und den Hofmarschall mit der Erledigung von Auguste ­Dorotheas Interessen zu betrauen. Zuallererst forderte die Allianz die Huldigung der Untertanen in den Dörfern Keula und Urbach.65 Anton Günther gab vor, zunächst den Ehevertrag prüfen zu müssen. Sicher war ihm klar, wozu sich Schwarzburg bei der dynas­ tischen Verbindung mit Wolfenbüttel verpf­lichtet hatte. Nachdem Hofrat Ludolf aus Eisenach unverrichteter Dinge zurückgekehrt war, versuchte der Wolfenbütteler Rat Heydenreich Ende November 1704 einen neuen Anlauf. Inzwischen hatte in Sondershausen zur Frage des Wittums eine „Conference“ stattgefunden mit wenig positivem Ergebnis. Christian Wilhelm, der Bruder Anton Günthers, erwies sich als „hart und gar unbillig […] aller […] gethaner Remonstrationes […], gestalten Sie sich ganz und gar auf nichts einlaßen wollen, anbey […] zu vernehmens gegeben, daß sie auch [auf ] der Frau Fürstin durchl. Desideria beharr­lichen Nein begegnen, auch sich darinnen, [es] möchte gleich so oft und von wem es wolle an sie gesandt, wird nichts ändern würden.“66

Das Problem bestand in der Tatsache, dass das der Prinzessin verschriebene Witwen­amt im Territorium Christian Wilhelms lag. Dieser hatte zwar im 62 NLA WB, 1 Alt 24, 232, 22 f. 63 ThHStA Weimar, Eisenacher Archiv, Fürst­liches Haus 263, 1704, 1 und 2. 64 NLA WB, 1 Alt 24, 230, 61. Johann Wilhelm an Anton Ulrich, 24.10.1704. 65 Ibid., 63 – 65, 27.10.1704, Georg Melchior Ludolf. 66 Ibid., 75, 23.11.1704, Heydenreich an Anton Ulrich.

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Ehevertrag sein Einverständnis zur Verschreibung Keulas erteilt, war jedoch nun nicht mehr bereit, sich an die Abmachung zu halten. Anton Günther zeigte sich nur oberfläch­lich bemüht, seine Frau in dieser Frage zu unterstützen und beauftragte seinen Kanzler Zang und den Vizekanzler mit der Umsetzung. Aber auch Zang konnte in Sonders­hausen in dieser Frage nichts ausrichten.67 Der Herzog von Sachsen-­Eisenach wie auch Anton Ulrich versuchten ihren Einfluss auf Sonders­hausen geltend zu machen, um die Interessen der Herzogin durchzusetzen. Der protokollarische Umgang mit Christian Wilhelm war jedoch grundsätz­lich ­schwierig, weil er sich durch die Anrede „hochgebohren“ oder „durchlauchtig-hoch­gebohren“ beleidigt fühlte und nur „durchlauchtig“ als standesgemäß akzeptierte.68 Dies erschwerte die Einigung in Fragen des Wittums. Trotz seiner augenschein­lichen Bereitschaft, den Ehevertrag zu erfüllen, bestand Anton Günther auf der Freiwilligkeit seiner Leistung, er ließ sich keineswegs unter Druck setzen. Damit war „der Frau Fürstin Ahnsinnen übel dran und sehr disconfortiert“.69 Die Bemühungen der Allianz blieben umsonst. 1706 erreichte Anton Günther immerhin das Einverständnis des Bruders, dem Amt Keula noch so viele Ländereien zuzuschlagen, damit die potenziellen Einnahmen von zweitausend Reichstalern als Witweneinkünfte überhaupt zustande kommen konnten.70 Bis zum Tod Anton Günthers wurde das Wittum jedoch nicht eingerichtet.

67 ThStA Ru, Kanzlei Arnstadt 308, 1704 – 14 Wittumsakten, 28 ff. 68 NLA WB, 1 Alt 24, 230, 76. 69 Ibid. 70 ThStA Ru, Kanzlei Arnstadt 308, 1704 – 14 Wittumsakten, 67.

5. Auguste Dorothea als Witwe

Mon Plaisir entstand hauptsäch­lich während der 35-jährigen Witwenzeit Auguste Dorotheas. Die Folgen dieses allgemein konfliktbehafteten Personenstandswechsels und die Ausgestaltung ihrer Witwenschaft bilden einen mög­lichen Ausgangspunkt für die elaborierte und umfangreiche Gestaltung der Puppenstadt. Auguste D ­ orotheas Wittum und ihr Witwenhof sind zugleich die lebenswelt­lichen Referenzpunkte der miniaturisierten Genredarstellungen. Erst der Eintritt in den Witwen­stand mit seinen persön­lichen und politischen Konsequenzen für die Protagonistin machte die repräsentative Inszenierung notwendig. Die recht­lich-mora­lischen Grundlagen des fürst­lichen Witwentums, das Idealbild der Witwe im frühneuzeit­lichen Diskurs und die konkreten lebenspraktischen Abweichungen von beiden in Auguste Dorotheas Witwenschaft dienen der Einordnung des Werks. Dabei liegt das besondere Augenmerk auf dem Verhältnis zwischen den normativen Vorgaben und der kulturellen Praxis, wie sie in Mon Plaisir aufscheint. 5.1 Die fürstliche Witwe in der Frühen Neuzeit

In den letzten Jahren entstanden einige Publikationen zum Thema der Witwenschaft in der Frühen Neuzeit. Germanistik, Geschichte und Kunstgeschichte interes­ sierten sich für das soziolo­gische Massenphänomen Witwenschaft in Bürgertum und Adel, für die ideellen Grundlagen und normativen Vorgaben für Frauen im Witwenstand, die persön­liche Ausgestaltung von Witwenschaft in Mikrostudien und die visuelle Inszenierung dieses Status.1 Die Forschung ist sich dabei einig, 1 Arnold, Marina (2003): Mourning Widows: Portraits of Widows and Widowhood in ­Funeral Sermons from Brunswick-Wolfenbuettel. In: Levy (2003), S. 55 – 76; Bastl, Beatrix (2000): Tugend, Liebe, Ehre. Die adelige Frau in der Frühen Neuzeit. Wien; Bastl, Beatrix (2003): Herrschaft und Gedächtnis. Zur „Inszenierung“ der „Witwe“. In: Schattkowsky, ­Martina (Hg.) (2003): Witwenschaft in der Frühen Neuzeit. Fürst­liche und adlige Witwen zwischen Fremd- und Selbstbestimmung. Leipzig, S. 281 – 304; Bepler, Jill (2003): „Zu meinem und aller dehrer die sichs gebrauchen wollen, nutzen, trost undt frommen“. Lektüre, Schrift und Gebet im Leben der fürst­lichen Witwen in der Frühen Neuzeit. In: Schattkowsky, S. 303 – 320; ­Bepler, Jill (2010): Enduring Loss and Memorializing Women: The Cultural Role of Dynas­tic Widows in Early Modern Germany. In: Tatlock, Lynne (Hg.) (2010): Enduring Loss in Early Modern Germany: Cross Disciplinary Perspectives.

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Auguste Dorothea als Witwe

dass Witwenschaft zwar nach ständischer Zugehörigkeit der betroffenen Frauen Leiden, S. 133 – 160; Brosowski, Gritt (2010): Sophie und Eléonore. Zwei welfische Witwen im Vergleich. In: Mächtig ver­lockend. Frauen der Welfen; Eléonore d’Olbreuse Herzogin von Braunschweig-Lüneburg (1639 – 1722), Sophie D ­ orothea Kurprinzessin von Hannover (1666 – 1726). Celle, S. 186 – 211; Cavallo, Sandra; ­Warner, Lyndan (Hgg.) (1999): Widowhood in Medieval and Early Modern Europe. Harlow; Dürr, Renate; Gramm, Bernadette (1998): Nonne, Magd oder Ratsfrau. Frauenleben in Leonberg aus vier Jahrhunderten. Leonberg; Essegern, Ute (2003): Kursäch­sische Eheverträge in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. In: Schattkowsky, S. 115 – 138; Fischer, Doreen (2002): „Witwe“ als weib­licher Lebensentwurf in deutschen Texten des 13. bis 16. Jahrhunderts. Frankfurt/Main; Freist, Dagmar (1999): Religious Difference and the Experience of Widowhood in Seventeenth and Eigtheenth-Century Germany. In: Cavallo/Warner, S. 164 – 178; ­Hofmann-Randall, Christina (Hg.) (2002): Das Erlanger Schloß als Witwen­sitz 1712 – 1817. Erlangen; Hufton, Olwen (1984): Women Without Men: Widows and Spinsters in Britain and France in the Eighteenth Century. In: Journal of Family History, Bd. 9, S. 355 – 376; Ingendahl, Gesa (2003): Elend und Wollust. Witwenschaft in kulturellen Bildern der Frühen Neuzeit. In: Schattkowsky, S. 265 – 280; dies. (2006): Witwen in der Frühen Neuzeit. Frankfurt/Main, besonders S. 9 – 37; Helt, J. S. W. (2003): Memento Mori: Death, Widowhood and Remembering in Early Modern England. In: Levy, S. 39 ff.; Jussen, Bernhard (2000): Der Name der Witwe. Erkundungen zur Semantik der mittelalter­lichen Bußkultur. Göttingen; Kruse, Britta-Juliane (2007): Witwen. Kulturgeschichte eines Standes in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Berlin; Kuhlbrodt, Peter (2009): Clara von Schwarzburg: eine geborene Herzogin von Braunschweig-Lüneburg in Heringen. Auleben; Lesemann, Silke (2003): Die „Mutter der Könige“ und der eng­lische Thron. Kurfürstin Sophie von Hannover. In: Schattkowsky, S. 249 – 264; Levy, Allison Mary (Hg.) (2003): Widowhood and Visual Culture in Early Modern Europe. Aldershot; Löwenstein, Uta (1993): „Daß sie sich uf iren Withunbssitz begeben und sich sonsten anderer der Herschafften Sachen und Handlungen nicht undernemen …“. Hofhaltungen fürst­licher Frauen und Witwen in der frühen Neuzeit. In: Berns/Ignasiak (1993), S. 115 – 141; Machtemes, Ursula (2001): Leben zwischen Trauer und Pathos. Bildungsbürger­liche Witwen im 19. Jahrhundert. Osnabrück; Puppel, Pauline (2003): Formen von Witwenschaft. In: Schattkowsky, S. 139 – 162; Sabean, David Warren (1997): Allianzen und Listen. Die Geschlechtsvormundschaft im 18. und 19. Jahrhundert. In: Gerhard, Ute (Hg.) (1997): Frauen in der Geschichte des Rechts. München; Schattkowsky, Martina (Hg.) (2003): Witwenschaft in der Frühen Neuzeit. Fürst­liche und adlige Witwen zwischen Fremd- und Selbstbestimmung. Leipzig; Spieß, Karl-Heinz (2003): Witwenversorgung im Hochadel. Recht­licher Rahmen und praktische Gestaltung im Spätmittelalter und zu Beginn der Frühen Neuzeit. In: Schattkowsky, S. 87 – 114; Streich, Brigitte (2003): Anna von Nassau und ihre „Schwestern“. Politische Gestaltungsmög­lichkeiten fürst­licher Witwen in der Frühen Neuzeit. In: Schattkowsky, S. 163 – 190; Tatlock, Lynne (Hg.) (2010): Enduring Loss in Early Modern Germany: Cross Disciplinary Perspectives. Leiden; Taylor, Irmgard C. (1980): Das Bild der Witwe in der deutschen Literatur. Darmstadt; Welzel, Barbara (2000): Die Macht der Witwen. In: Hirschbiegel, Jan; Paravicini, Werner (Hgg.)

Die fürst­liche Witwe in der Frühen Neuzeit  |  159

zu differenzieren ist, dass jedoch darüber hinaus sich die Einzelschicksale jeg­licher Typisierung entziehen. Auch die Tugendbilder und Handlungsvorgaben, wie sie in Traktaten, Trostbüchern und Leichenpredigten als normative Ideale vorgeführt wurden, führten nur bedingt zur Übernahme und Imitation dieser Rollenvorbilder. Das generelle Bild, das die Forschung bislang ergab, skizziert Verhaltensoptionen auf einer Achse, die sich zwischen vollständiger Erfüllung des geforderten Tugendkanons und vollständiger Ablehnung dessen bewegte. Einig ist man sich auch über die grundsätz­liche Erweiterung des Handlungsraumes im Witwenstand basierend auf der ehe­lichen Lebenserfahrung (als Landesherrin, Geschlechtspartnerin, Mutter) und durch den Wegfall der männ­lichen Kontrolle. Diese fehlende soziale Kontrolle soll jedoch sofort durch die soziale Gemeinschaft ersetzt worden sein, die über das tugendhafte Gebaren der Witwe wachte. Welcher persön­liche Freiraum einer adeligen Witwe zugestanden wurde, hing maßgeb­lich von einem komplexen Zusammenspiel zwischen einer im Sinn der dynastischen Interessen erbrachten Leistung (Mutterschaft, Mediatorin), ihrer Persön­lichkeit und ihrer Neigung (Wünsche, Durchsetzungsvermögen), der Macht und dem Rückhalt der Herkunftsfamilie sowie der Beziehung zur Agnatenfamilie ab. Einige Frauen waren einverstanden mit den Handlungsmög­lichkeiten, die ihnen das normative Ideal zuwies und agierten im Rahmen des weib­lichen Tugendkatalogs, weil es neben der unbestrittenen Geschlechterhierarchie im Hochadel ihrer persön­lichen Disposition entgegenkam. Jenseits der tugend­lichen Grundausrichtung der Mädchenerziehung muss ein Wille zur Erweiterung des vorgegebenen Handlungsrahmens in der einzelnen Person angelegt gewesen sein. Gebildete Frauen der sozialen Eliten konnten in vielen Fällen ihre persön­lichen Interessen geltend machen und weitestgehend durchsetzen.2 Viele dieser im Sinn des persön­lichen Statuserhalts ambitionierten Frauen waren bereit, sich auf langwierige Aushandlungsprozesse einzulassen. Hochadelige Witwen hatten innerhalb der eigenen und der angeheirateten Familie wichtige Funktionen als Heiratsstifterinnen, in der Ausbildung des weib­lichen Nachwuchses und als Mediatorinnen zwischen den Familien. Die Forschung unterstellt den adeligen Witwen ein konservatives Bewahren der dynastischen Identität und weist den Witwen damit eine wichtige Rolle im Erhalt des dynastischen Selbstverständnisses eines Hauses zu. (2000): Das Frauenzimmer. Stuttgart, S. 287 – 309; Wiedemann, Inga (2001): Die Schriften für Witwen in der Frühen Neuzeit. Berlin. 2 Jedoch gelang dies nicht allen, vgl. die Biografien der Anna Constantia Gräfin von Cosel (1680 – 1765) oder der Sophie Dorothea, Herzogin von Braunschweig und Lüneburg (1666 – 1726), der „Prinzessin von Ahlden“.

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Auguste Dorothea als Witwe

Die finanzielle Absicherung einer potenziellen Witwe wurde bereits im Ehevertrag genau festgelegt.3 Der Ehevertrag war das zentrale Dokument im Leben einer Frau, weil darin formal die Grundlage ihrer Zukunft geregelt wurde. Ihre finanzielle Versorgung im Witwenstand war abhängig von dem ihr in die Ehe mitgegebenen Vermögen aus der Herkunftsfamilie. Ehegeld und Aussteuer dienten zusätz­lich der Erbabfindung der Prinzessinnen.4 Das „Leibgedinge“, sozusagen die Witwenrente, wurde meist nicht bar an die Witwe ausbezahlt, sondern in Form eines an sie verpfändeten Amtes und durch Sachleistungen, deren Einnahmen dem monetären Gegenwert entsprach, was oft wegen der aufwändigen Verwaltungslogistik zu Konflikten führte. Die meisten großen Häuser hielten einen oder mehrere Witwensitze in ihren Territorien bereit, die immer erneut vergeben werden konnten und oft gleichzeitig besetzt waren. Für die Landesherren stellten die Witwensitze eine große finanzielle Belastung dar. Recht­lich befand sich die Frau als Gattin unter der Geschlechtsvormundschaft ihres Mannes, des so genannten Ehevogts. Der Ehevogt fungierte als ihr Repräsentant und war berechtigt, in ihrem Namen Rechtsgeschäfte zu tätigen, während umgekehrt die Frau nicht frei über ihren eigenen Besitz verfügen konnte und zu allen Transaktionen wie Verkäufen, Verpfändungen und Hypotheken der Zustimmung ihres Mannes bedurfte. Als juristisches und politisches Gegengewicht zum Ehevogt wurde der Frau der Kriegsvogt zur Seite gestellt, üb­licherweise ein Mann aus dem Kontext ihrer eigenen Familie, der ihr beratend alle anstehenden Rechtsvorgänge erläuterte und diesen auch zustimmen musste.5 Geschützt war der Besitz der Frau, indem es ihr juristisch untersagt war, als Bürgin für ihren Mann aufzutreten oder seine Schulden zu übernehmen. Der Ehemann als Verwalter ihres Besitzes durfte diesen nicht beleihen oder veräußern. Mit dem Eintritt in den Status der Witwe trat für die Frau eine Besserung der Bevormundung ein, indem die Ehevogtschaft entfiel und fortan nur noch die Geschlechtsvormundschaft bestehen blieb.6 Bereits aus der Zeit der Ehe mit Anton Günther haben sich unzählbare Schuldscheine und Verpfändungen der Auguste Dorothea erhalten,7 die neben dem Siegel nur ihre eigene Unterschrift tragen und 3 Zum Ehevertrag allgemein siehe: Essegern (2003) und Spieß (2003). 4 Essegern (2003), S. 122. 5 Siehe Erler, Adalbert; Kaufmann, Ekkehard (Hgg.) (1995): Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte. Berlin. 6 Siehe dazu Sabean (1997). 7 ThStA Ru, Kanzlei Sonderhausen 504.

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keine weitere sichtbare Zustimmung einer zweiten (Kriegsvogt) oder dritten (Ehevogt) Person nachweisbar machen. Ein anderes Dokument von 1697 hingegen, in dem sie auf das mütter­liche Erbe aus dem Vorwerk von Schloss Salzdahlum gegen Auszahlung von sechstausend Reichstalern verzichtete, wurde durch ihren Ehemann in einem zweiten Dokument bestätigt.8 Die Archivalien lassen also einen gemischten Befund zu: Einerseits spiegeln die Dokumente die Abhängigkeit der Auguste Dorothea von ihrem Ehemann in Rechtsfragen. Andererseits zeigen sie ein höchst selbstständiges, eigenmächtiges wirtschaft­liches Handeln der Fürstin. Die Vormundschaft wurde sogar von Auguste Dorothea zu ihren eigenen Gunsten interpretiert, indem sie im Nachhinein behauptete, ein von ihr allein abgeschlossener Vertrag wäre nicht gültig gewesen, um sich so um die Rückzahlung der Schulden zu drücken.9 5.1.1 Die Erfüllung des Ehevertrags in der Lebenspraxis und die sozialen Bedingungen des neuen Status als Witwe

Innerhalb des Hochadels gab es große Unterschiede in der Ausgestaltung der Witwenschaft, die Bandbreite reichte von üppigem Luxus bis hin zu relativer Armut. Obwohl im Ehevertrag oft genauestens die spätere Versorgung der Frau geregelt war, klafften geschriebenes Recht und dessen Umsetzung vielfach auseinander.10 Wie einige Vergleichsbeispiele zeigen, sind der Übergang und die Versorgung im Witwenstand das Ergebnis von Aushandlungsprozessen.11 Die große „Kluft zwischen dem normativen System der Wittumsurkunden und der praktischen Durchführung nach dem Tod des Ehemannes“12 war umso größer, je weniger es der Witwe gelang, sich politisch an die neue Familie zu binden. Verlor die Frau noch zusätz­lich – durch als nicht opportun bewertetes Verhalten – den Rückhalt der eigenen Familie, gestaltete sich das Aushandeln der weiteren Lebensbedingungen trotz eines Vertrags konfliktreich.13 Der Konflikt war dabei die Norm. Frauen verstanden die Witwenbezüge oftmals als ihr Recht

8 Ibid., 42 und 46. 9 Siehe den Punkt 4.2 Lebensthemen Standesgemäßheit, Geldbeschaffung und Reputation, S. 142. 10 Neuhaus, Helmut (2002): Die Fürstin als Witwe in der Europäischen Geschichte der ­Frühen Neuzeit. In: Hofmann-Randall, S. 9 – 39. 11 Löwenstein (1993); Kuhlbrodt (2009); Brosowski (2010). 12 Spieß (2003), S. 93. 13 Löwenstein (1993), S. 115 f.

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und scheuten nicht den Gang über gericht­liche Instanzen. Hatte die Witwe als Mutter die Obervormundschaft oder gar die Regentschaft, waren die Streitigkeiten um den Erhalt des Wittums geringer.14 Im schlechtesten Fall blieb die Ehe kinderlos wie im Fall von Auguste Dorothea, und die Frau fand sich nach dem Tod ihres Mannes als quasi nutzloses Überbleibsel der vorherigen herrschenden Generation wieder. Die neue territoriale Herrschaft, oft entfernter verwandt, sah weder eine politische noch eine emotionale Verpf­lichtung, den recht­lich einwandfreien Ansprüchen der Witwe zu entsprechen; zumal zwischen der Ausarbeitung des Ehevertrags und dem Eintritt des Witwenfalls dreißig oder mehr Jahre liegen konnten. Ob und wie die Witwe ihre Rechte durchzusetzen vermochte, hing einerseits von der Potenz ihrer Familie ab, die für diese verhandelte, andererseits von ihrem eigenen Durchsetzungswillen und -vermögen. Seit dem 16. Jahrhundert hatten jedoch auch Witwen die Mög­lichkeit, ihre Interessen vor den Reichsgerichten verhandeln zu lassen.15 Im konfliktarmen Idealfall wird der soziale Bruch bei Eintritt in den neuen Lebensabschnitt als nicht gravierend beschrieben.16 Es gehörte zu den fürst­lichen Gepflogenheiten, bereits zu Lebzeiten beiden Ehepartnern eine eigene, voneinander unabhängige Hofhaltung zu gestatten, die sich in getrennten räum­lichen Bereichen, unabhängigen sozialen Gruppen, eigenen Lustbarkeiten und selbstständiger Religionsausübung ausdrücken konnte. Die Fürstin verbrachte die meiste Zeit separiert mit ihren Hofdamen im „Frauenzimmer“,17 der Tod des Ehegatten beendete daher keine ehe­liche Zweisamkeit. Der höfische Alltag veränderte sich nicht zwingend, wenngleich der meist folgende Umzug in einen entlegeneren Wittumssitz und das Platzmachen für die nächste Fürstengeneration eine Dezentralisierung und einen oft beklagenswerten Informationsmangel mit sich brachte, den die Witwen schwer ertrugen.

14 Zur Regentin siehe: Puppel (2003) und dies. (2004): Die Regentin. Vormundschaft­liche Herrschaft in Hessen 1500 – 1700. Frankfurt/Main. 15 Spieß (2003), S. 106. 16 Ibid., S. 111. 17 Siehe Hoppe, Stephan (2000): Bau­liche Gestalt und Lage von Frauenwohnräumen in deutschen Residenzschlössern des späten 15. und 16. Jahrhunderts. In: Hirschbiegel/Paravicini (Hgg.), S.  151 – 174.

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5.1.2 Das Bild der fürstlichen Witwe in normativen Quellen „Das religiös-konfessionelle Denken der Frauen [war] Teil der spezifisch adeligen weib­ lichen Mentalität.“18

Die Inhalte religiöser Traktate und Trost- und Erbauungsliteratur waren das Resultat der gesellschaft­lichen Bewertung oder besser des Umgangs mit dem ‚Problem‘ Witwenstand für die einzelne Frau und die Gesellschaft. Sie vermittelten Werte, die das Selbstverständnis der adeligen Frau im Witwenstand präfigurierte, prägte oder zumindest notwendigerweise als Folie der persön­lichen Ausgestaltung dienen musste. Seit dem Mittelalter waren im Rahmen religiöser Traktate Lebenskonzepte sowie Normen und Verhaltensprogramme für Witwen entwickelt worden. Das zugrunde liegende Ordnungsmodell ist der Familienstand, der als vorehe­lich, ehe­lich oder nachehe­lich begriffen wurde und die Lebensetappe der Frau als Jungfrau, Ehefrau oder Witwe beschrieb. Nach der Gebrauchsliteratur sollte sich die Witwe primär auf die Glaubenspraxis konzentrieren und sich zurückziehen aus dem öffent­lichen Leben. Ausgehend von der spezifischen weib­lichen Geschlechtstypik, der man Affektgelenktheit unterstelllte, wurden spezielle Verhaltensregeln für Witwen entwickelt. Diese zeichnen das Bild einer religiös lebenden Laiin, deren Lebensinhalt darin bestehen sollte, Gott zu dienen, zu beten und zu fasten.19 Die allgemeinen Tugendentwürfe für Frauen bestanden in „Gottesfurcht, Zucht, Keuschheit, Vernunfft, Bescheidenheit, Häuß­lichkeit“20 sowie in Fürsorge und Arbeitswilligkeit der Hausmutter. Die Relation zwischen Frau und Mann wird dabei mit der Metapher von Kopf (Mann) und Körper (Frau) beschrieben. Corvinus’ Meinung: „[W]o ein Hausvater ein faules und fressiges Weib hat, die allein zum Müßiggang, zum Schlaff, zu zarter Kost, zu köst­lichem Schmuck geneiget ist, wie kündte der übler verraten sein?“21 beschreibt trotz des gleichzeitigen Gebots der standesgemäßen Repräsentation auch die Einstellung fürst­licher Herren gegenüber ihren Frauen. Die Idee der tugendhaften Frau kulminiert in verdichteter Form im Konzept der idealen Witwe. Neben allen Ansprüchen an die junge Frau und die Ehefrau wird von der Witwe neben intensiver 18 Bastl (2003), S. 286. 19 Kruse (2007), S. 2. 20 Hall, Joseph (Hg.) (1684): Salomons Regir-Haußhaltungs- und Sitten-Kunst […] herausgegeben von M. Andreas Beyern. Frankfurt/Main/Leipzig, S. 123. 21 Corvinus, Antonius (1543?): Vom Glück, Segen, Gedeien der Eheleute. […] Von der Haushaltung eines christ­lichen frommen Weibs aus dem XXXI. Capitel der S­ prüche Salomos. Hildesheim [ohne Paginierung].

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Frömmigkeit noch zusätz­lich Barmherzigkeit, karitative Stiftungen, Dienst an der Gemeinschaft und Rückzug aus dem öffent­lichen Leben gefordert.22 Im Tugendkatalog der gegen­reformatorischen Traktate fungierte der Witwenkörper als Träger für drei „Metaphern der Keuschheit“, die der kargen Speise, der phy­sischen Marter und der sch­lichten Kleidung.23 Durch züchtige Kleidung sollte nicht nur die Zugehörigkeit zum Witwen­stand, sondern auch gleichzeitig die innere geist­liche Einstellung und der Wille zur Abstinenz zum Ausdruck gebracht werden. Die Farbe Weiß (später Schwarz) galt dabei als Zeichen der Verneinung und des Verlusts. Die Witwentracht stellte den wichtigsten Marker dar für die Identitätsstiftung über den verstorbenen Ehemann, diente der politischen Legitimation und wurde oft visuell inszeniert.24 Von den adeligen Witwen heißt es, „es seyn kein elender Volck auff Erden als die Widwen […] denn wo der Zaun am niedrigsten ist, da wil jederman hinüber springen (…). Man gehe mit ihnen umb wie man wolle […] daß es zu erbarmen.“ Besonders die Frauen des Adels haben niemand, dem sie ihr Leid klagen konnten, daher sie „seyn derenthalben die aller elendsten Widwen, daß sie ihre Noth und Anliegen niemand künt­lich können oder dürffen vertrauen“.25 Eine Vorfahrin Auguste Dorotheas fasste die prekäre Situation adeliger Witwen zusammen: „Die Welt spricht, wenn eim Weib der Man stirbet, so stirbet ihr Ehr und Gut […]. Der Mann des Weibes Haupt ist […] daß das Weib Schutz und Vertretung vom Manne habe, wenn aber der Schutz hinweg ist, so wil jedermann die Füsse an sie wischen, [sie] müssen der Welt Fußschemel seyn […,] was können dir denn auch die Menschen schaden, wann dir Gott hold und gnedig ist, […] die Vormünde werden deß oberlauffens überdrüßig, zu Gericht und Recht wird sie ohne Vormünder nicht gelassen, wer ist nun elender als sie? Die Krone ihres Hauptes ist ihr entfallen […] und nachdem die Widwe verachtet ist […] hetzet die Nachbarn und jederman an das elende Weib, auff das er sie noch herter betrübe und elender mache […] das Gesinde auch unartig und ungehorsam“.26

22 Siehe Gilbert, Jacob (1613): Speculum Viduarum oder Witwen-Spiegel. Braunschweig, „Eingang“. 23 Bastl (2003), S. 286. 24 Jost Amman zeigt eine von Kopf bis Fuß verhüllte adelige Witwe in der Trauer ganz in Weiß. Siehe Amman (1586), Tafel 17. 25 Elisabeth Herzogin von Braunschweig-Calenberg (1598): Der ­Widwen Handbüchlein. Durch eine hocherleuchtete Fürst­liche Widwe vor vielen Jahren selbst beschrieben und verfasset. Leipzig, Vorrede von Georg Coelestinus. 26 Ibid., 1. Kapitel.

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Trotz gebotener Vorsicht gegenüber einer gewissen Topik des Jammerns im Witwenstand beschreibt das Zitat die grundlegende Veränderung der Reputation der Frau durch den schuldlos einsetzenden Witwenstand. Die einzig gefahrlose Zuflucht der Witwen vor ihrer relativen Hilflosigkeit, dem Ausgeliefertsein und der sozialen Kontrolle war die Frömmigkeit. Aufgrund der zeit­lichen und auch geografischen Nähe des Traktats zur Lebensspanne der Auguste Dorothea soll im Folgenden Paul Jacob Marpergers 1723 erschienene „Abbildungen einer betrübten und wieder getrösteten Witwe“ im Zentrum der Betrachtungen stehen,27 auch wenn dieser sich nicht ausschließ­lich auf das Problem der adeligen Witwe kapriziert. Aus merkantilistischer Sicht entwarf er Konzepte zur Versorgung von Witwen gemäß der Ständepyramide und zeigte Mög­lichkeiten zur Etablierung und Organisation von Witwenkassen.28 Das generelle Bild, das Marperger von der Witwe zeichnet, ist ein topisches: Witwen seien Personen, über die „alle Wetter der Trübsal“ hinwegfegten, und „­Hausmütter, von deren Haupt die Krone, ihr Ehemann, zu Boden“ gefallen sei. Einsam und verlassen, mangele es ihnen nun an der Stütze, dem Beschützer, Verteidiger und Ernährer, an ihrem ehe­lichen Vormund und Vorsprecher, der „Sonne ihre H ­ auses“.29 Marperger benennt jedoch eine Ausnahme in seiner Litanei der durch den Tod des Gatten leidenden und sich verzehrenden Ehefrau. So gäbe es auch die ­Witwen, die „einen Löwen im Haus und einen Wüterich gegenüber dem Gesinde verloren hätten“, weshalb sie nach seinem Tod mehr Freude als Trauer empfänden. Sie seien „geknechteten Sklaven“ vergleichbar, welche unverhofft ihre Freiheit wieder­erlangten.30 Hier findet sich erstmalig eine Legitimation für die womög­lich positive Bewertung der persön­lichen Freiheit im Witwenstatus. In einer funktional gebundenen Sichtweise, die auf das Ehepaar als produktives Arbeitspaar gerichtet ist und die in einer zyk­lischen Lebenssicht Witwenschaft mit Abstieg und Verfall gleichsetzt, fordert er die Witwen auf, Platz zu machen für die nachfolgenden Generationen. Das Bestehen der adeligen Dame auf ihrem – ganz konkreten – eigenen Raum wird mit Unzüchtigkeit gleichgesetzt. Sturen Frauen gegenüber empfiehlt der Traktat staat­liche Sanktionen. Marperger fordert weiter, 27 Marperger, Paul Jacob (1723): Abbildungen einer betrübten und wieder getrösteten Witwe. Dresden und Leipzig. Der Theologe, 1712 zunächst Hofrat am Witwenhof der Herzogin Sophia von Württemberg, schrieb den Traktat zur Zeit seiner Beschäftigung als Hofrat in Dresden unter August dem Starken. 28 Vgl. Kruse (2007), S. 7. 29 Zitiert nach ibid., S. 213. 30 Zitiert nach ibid., S. 214.

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eine „heilige Gesellschaft christ­licher Witwen“ zu gründen, die Kammermädchen, Lakaien sowie die Schauspielkompanien (!) zu entlassen, keinen prächtigen Schmuck mehr zu tragen und allen anderen sinn­lichen Freuden und Bequem­ lichkeiten des Lebens zu entsagen.31 Das von einer Witwe erwartete Verhalten bestand kurz gefasst in regelmäßigen Gottesdiensten, Zurückhaltung im Gespräch, Maß halten in allen Dingen, Bescheidenheit und unauffälliger Kleidung. Witwen, egal welchen Standes und welcher Religionszugehörigkeit, sollten tüchtig, ehrbar, fried­lich und fleißig sein.32 Die tugendhafte Witwe diente der conservatio memoriae ihres Mannes. Durch die Gedächtnisleistung der Witwe wurde der Tote ständig vergegenwärtigt und blieb somit weiterhin ein Bestandteil der welt­lichen Gemeinschaft.33 Während im Zentrum katho­lischer Traktate der phy­sische Verzicht und der Rückzug von der Welt standen, lag der Schwerpunkt der protestantischen Ausführungen auf der Verpf­lichtung zum Dienst an der Gemeinschaft. 5.1.3 Auguste Dorotheas Selbstinszenierung als fürstlicher Witwe vor der Folie frühneuzeitlicher Witwentraktate

Auf den ersten Blick werden die in den Traktaten geforderten äußer­lichen Kennzeichen und Tugendentwürfe einer fürst­lichen Witwe visuell in Mon Plaisir nicht aufgenommen oder umgesetzt. Als einziges im Traktat gefordertes äußer­liches Kennzeichen der Tugendhaftigkeit kommt die schwarze Witwentracht nur einmal zur Anwendung. Auguste Dorothea kennzeichnete damit nicht die Lebensphase oder den Stand, in dem sie sich befand, sondern illustriert eine bestimmte Situa­ tion, die sich vermut­lich auf das erste Jahr nach dem Tod ihres Mannes bezog, in der die Witwe in Trauer zu gehen hatte. Üb­licherweise bezog sich diese visuell sichtbare Trauer aber auf den kompletten Hof oder zumindest aber das Frauenzimmer. So ließ Auguste Dorothea aus Anlass des Todes einer Wolfenbütteler Verwandten für ihren ganzen Hof Trauer anschaffen, um aus der Ferne angemessen trauern zu können.34 Mit der Darstellung der Trauer im Witwenstand auf eine einzige Szene wird der Tod des Gemahls zu einem Ereignis unter vielen im Leben der fürst­lichen Witwe reduziert. Aus den Briefquellen wird ebenfalls deut­lich, dass Auguste Dorothea sich nicht permanent als Witwe inszenierte. Auf die kulturell 31 Ibid., S. 220. 32 Ibid., S. 244. 33 Siehe Levy, Allison (2003): Widow’s Peek: Looking at Ritual and Representation. In: dies., S. 3. 34 NLA WB, 1 Alt 24, 236, 49.

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Abb. 52: Mon Plaisir, Witwensalon/Himm­lisches Konzert 

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geformte Topik des Witwenstands und das Bild der „armen Wittib“ griff sie nur dann zurück, wenn es opportun erschien und sie dem Erreichen eines Ziels (meistens Geld) näherbrachte.35 In der nach dem Deckenspiegel als Himm­lisches Konzert benannten Szene sitzt mittig vor einem vorspringenden Kamin eine Dame in schwarzer Kleidung und mit weißem Haar vor einem kleinen, runden Holztisch, auf dem sich drei Teeschalen befinden. Links und rechts der zentralen Figurine sind jeweils zwei weitere Damen in unterschied­lich farbigen Seidenkontuschen auf hohen Lehnstühlen

35 Aus Klein/Müller (1992), S. 37.

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arrangiert. Der Raum ist prachtvoll ausgeschmückt. Die Wanddekoration besteht aus einer gedruckten Papiertapete, die zwischen Pilastern Felder mit floralen Elementen aufweist. Die Überleitung zur Decke erfolgt durch eine breite Frieszone mit Gesims, auf der sich ein Akanthusmotiv entlangzieht. Die Decke zeichnet neben dem genannten Gemälde noch vier weitere Eckmedaillons aus, die dekorativ verflochten sind. Den weißen Kamin ziert mittig ein Gemälde in einem goldenen Rahmen, welches vor dunklem, fast schwarzem Hintergrund eine Frau vor einem Tisch mit roter Decke mit einem glühenden Kohlebecken zeigt, den Blick erhoben und in der rechten Hand eine Zange haltend. Die übrige Ausstattung des Raums besteht aus zwei goldgerahmten Spiegeln links und rechts des Kamins, einem seit­lich links stehenden Intarsienschrank sowie einem kleinen Beistelltisch unter zwei franzö­sischen Fenstern an der gegenüberliegenden Wand. Die als Witwe zu identifizierende Frau in Schwarz kommt zentral unter dem Gemälde zu sitzen, der Betrachter stellt dadurch einen direkten Bezug her zwischen Bild und Person. Sowohl die durch dunkles Haar als jung (oder nichtadelig) gekennzeichneten Damen in lila und grün sowie die beiden weißhaarigen, älteren Damen in gelber und blauer Bekleidung sind durch ihre Anordnung hin zur zentralen Figur nieder­rangig beigeordnet. Auguste Dorothea sitzt in vorgeschriebener Trauerkleidung im Kreis ihrer Hoffräulein und Mündel beim Tee. Sie inszeniert sich dabei im Gewand der Trauer vor einer Ölminiatur, das der Ikonografie der Heiligen Agatha folgt. Diese Tugendallegorie, die für Keuschheit und Glaubensfestigkeit steht, wird mittels der räum­lichen Bezugnahme auf die Protagonistin übertragen. Die Darstellung beinhaltete für den informierten Betrachter die Aussage, dass Auguste Dorothea ihre Konfessionszugehörigkeit trotz der Bedrohung durch den Agnatenverband der Schwarzburger verteidigte und beibehielt. In Mon Plaisir existiert sonst nur eine weitere Figurine in schwarzer Kleidung, die aber keine Adelige darstellt. Die der Witwe zur Aufgabe gemachte permanente Erinnerung ihres Mannes ist in Mon Plaisir oberfläch­lich nicht erkennbar. Einige männ­liche Figurinen ­können als Anton Günther identifiziert werden und an ein paar Stellen befinden sich explizite Bezüge auf das Haus Schwarzburg (Theater) und auf Anton G ­ ünther (Hochzeitsmedaillon). Die Integration des Ehemannes in die Inszenierungen entspricht keinem traditionellen Format des Erinnerns. Diese Aufgabe hätten beispielsweise kleine Ölportraits Anton Günthers, platziert an zentralen Stellen, oder die mehrmalige Wiederholung von Markierungen durch Initialen, wie sie durchaus in Miniaturen vorkamen, übernehmen können. Im realen Schloss der Herzogin befanden sich dagegen mehrere Portraits Anton Günthers, die der offiziellen oder öffent­lichen Erinnerung dienten.

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Auguste Dorothea inszenierte sich selbst und Anton Günther in Mon Plaisir als Paar, aber sie portraitierte sich nicht als ein durch den Tod voneinander getrenntes, sondern als lebendiges, regierendes Paar in der Rückschau. Die Art und Weise des Gedenkens war privater Natur und nur durch die Erzählung zugäng­lich. Der Fokus des Narrativs lag jedoch klar auf den Szenen aus ihrem Leben, an dem ihr Gemahl zu einem gewissen Grad teilhatte. Gleichzeitig verdeut­licht die zurückhaltende Inszenierung des Mannes, dass der Witwenstatus eben nicht konstitutiv für das Selbstverständnis der fürst­lichen Witwe war. Ihre natür­liche Position legitimierte sich nicht allein durch das Haus Schwarzburg, obwohl sie sich, wie die Archivalien zeigen, in hohem Maß auf die Zugehörigkeit zur A ­ gnatenfamilie bezog. Die Basis ihres Selbstverständnisses waren ihre altadelige Abstammung und die Teilhabe an einem erfolgreichen Familiennetzwerk sowie ihre ehemalige Position als regierende Landesmutter. Mon Plaisir demonstriert nicht ostentativ die neu gewonnene Freiheit der ehemaligen Landesherrin im Witwenstand. Bezeichnenderweise zieren die Textilien des Mon Plaisir ihre eigenen Initialen unter einer Krone. Ihr Selbstverständnis als autarke Fürstin drückt sich auch in der Brieffloskel „Wir von Gottes Gnaden Herzogin Auguste Dorothea“ aus, die sie ab 1697 führte.36 Auguste Dorothea benötigte keine Rechtfertigungsstrategie für die Freiheit im Witwenstand, denn es war eine als selbstverständ­lich aufgefasste Freiheit als unabhängige Fürstin, die es zwar zu verteidigen, nicht jedoch zu rechtfertigen galt. Auguste Dorotheas vermeint­liche Unabhängigkeit im Witwenstand ist jedoch zu relativieren. Durch die politische Konstellation bis zum Tod ihres Vaters Anton Ulrich 1714 und das hohe Pf­lichtverständnis Anton Günthers gegenüber seiner Gemahlin konnte Auguste Dorothea vor dem Tod ihres Mannes weitestgehend uneingeschränkt agieren. Den Folgen ihres Handelns – der Verschuldung – musste sie sich erst ab 1716 ernsthaft stellen und geriet ab diesem Zeitpunkt in größere Abhängigkeiten von allen denkbaren Wohltätern, die im Gegenzug bestimmte Verhaltensnormen erwarteten. Der Witwenstatus bot prinzipiell die Mög­lichkeit, durch die recht­liche und umso mehr durch die finanzielle Autonomie „eigene Zielvorstellungen und Wünsche zu entwickeln, zu artikulieren und durchzusetzen“.37 Der zu leistende Balanceakt für Frauen in der Öffent­lichkeit war, im Wittum tradi­tionelle weib­liche Identitätsmuster zu überschreiten und sich gleichzeitig die gesellschaft­liche Wertschätzung zu erhalten. Das adelige Witwendasein oszillierte

36 ThStA Ru, Kanzlei Sondershausen 504, 46. 37 Machtemes (2001), S. 9.

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zwischen Zurschaustellung und Verinner­lichung der Trauer und der Memoria, mittels derer die eigenen Interessen durchgesetzt werden konnten. Mon Plaisir zeigt insgesamt keine Unterordnung unter die Tugend- und Verhaltenslehren für ideale Witwen. Das Werk ignoriert den ausführ­lichen, im Traktat ausgebreiteten Tugendkatalog für Witwen. Es finden sich keine Darstellungen von Keuschheit, Selbstkasteiung, Mäßigung, Zurückgezogenheit oder Trauer. Auguste Dorothea wird selbst nie als Betende gezeigt oder als Witwe am sozialen Rand der Gesellschaft. Sie wird im Gegenteil als Zentrum der Hofgesellschaft inszeniert. Die Darstellungen vom eigenen Hoftheater, der Hausmusik und dem illustren Tanzabend stehen Marpergers Ausführungen diametral entgegen und würden, folgt man seiner Sichtweise, als „lüstern“ und „wolllüstig“ klassifiziert werden. Die Fürstin hätte sich durch die Auswahl der Szenen als hauptsäch­lich fromm und karitativ darstellen können. Dies entsprach jedoch weder ihrer Lebensweise noch ihrer Intention. Karitative Ausgaben lassen sich in den Rechnungen nicht finden. In ihrem letzten Testament vermachte sie das allerkleinste Legat über einhundert Reichstaler „den Armen“.38 „Vor allem kinderlose vermögende Witwen spielten als Mäzeninnen eine gewichtige Rolle in der […] Kulturförderung“.39 In der Tradi­tion ihres Vaters und der Kultur am Wolfenbütteler Hof gehörte es zu ihrem Selbstverständnis, Standesgemäßheit durch die Unterhaltung eines Musenhofs zu demonstrieren, zu dessen Bedingungen auch die Überschuldung gehörte, nicht aber durch offensive Frömmigkeit und Almosen. Mon Plaisir formulierte jedoch zugleich kein absichtsvoll provokantes Gegenbild. Vielmehr zeigt es die Fürstin in ihrem auch durch die Witwenschaft ungetrübten Selbstverständnis als verdiente fürst­liche Witwe und als Regentin ihres Witwenstaats. 5.2 Der Prozess gegen Schwarzburg-Sondershausen

Die Untätigkeit Anton Günthers in der für die Fürstin zentralen Frage ihrer nachehe­lichen Finanzierung war ein wichtiges Motiv, ihre Versorgung selbst in die Hand zu nehmen.40 Durch die Konversion (siehe unten) wurde sie zu einer kaiser­lichen Pensionärin. Dies ermög­lichte ihr eine gewisse Unabhängigkeit von Schwarzburg. Größe und Ausstattung von Schloss Augustenburg

38 NLA WB, 1 Alt 24, 239, 54. 39 Kruse (2007), S. 11. 40 NLA WB, 1 Alt 24, 231, 15.

Der Prozess gegen Schwarzburg-Sondershausen  |  171

waren nicht primär als Lustschloss geplant, sondern als mög­licher permanenter Wohnsitz. Damit hatte sie sich mit eigenen Mitteln und denen ihres Mannes einen ganzjährig beheizbaren Aufenthaltsort geschaffen, der ihren persön­lichen Vorstellungen von Standesgemäßheit entsprach. Das ihr eigent­lich als Witwensitz zugedachte Schloss Keula reduzierte sich zu purer Verhandlungsmasse. Sie war also durch ihr eigenes Handeln zum Zeitpunkt von Anton Günthers Tod sowohl mit einem repräsentativen Landsitz ausgestattet als auch durch jähr­lich viertausend Gulden aus Wien finanziell gesichert. Dennoch wollte sie auf ihr Recht aus dem Ehevertrag nicht verzichten. Zwischen 1717 und 1721 führte sie einen Prozess gegen die Agnatenfamilie, währenddessen sie keine Bezüge aus Sondershausen erhielt. 5.2.1 Die kaiserliche Kommission

Auguste Dorothea stellte sich bereits weit vor dem Ableben ihres Mannes unter kaiser­liches Protektorat,41 weil sie „bil­liche Ursachen befürchten, das mir von dessen Succesoren leicht einige Verdriß­lichkeiten zuwächsten mögen“.42 Kaum eine Woche nach dem Tod Anton Günthers bat sie den Kaiser um die Einsetzung einer kaiser­lichen Kommission, um sich mit „avantage von dem Hauß Schwartburg […] zu separieren“.43 Damit begann Auguste Dorotheas öffent­ lich geführte Auseinandersetzung, die sechs Jahre lang (bis 1723) dauern sollte. Während dieser Zeit wurde die Auseinandersetzung mit den Fürsten von Sondershausen und die Erlangung ihres Rechts zum zentralen Lebensinhalt. Auguste Dorothea und ihre Ratgeber hatten sich sehr genau und offensicht­lich von langer Hand vorbereitet, welchen Instanzenweg sie beschreiten wollten. Der Jenaer Schöppenstuhl würde als oberstes lokales Gericht stets auf Kompromisse hinarbeiten und stellte ihrer Meinung nach keine Autorität für den Schwager Christian Wilhelm dar. Wohl nicht zu Unrecht vermutete die Herzogin, dass „man sich wenig Hoffnung machen können, daß er [Christian Wilhelm] dem Laudo, wenn es ihm nicht zugefallen wäre, nachgelebt, sondern vielmehr dagegen allerhand remedia hervorgesucht haben würde“.44

41 ThStA Ru, Kanzlei Arnstadt 421, unpaginiert, Kaiser­liche Protectoratsurkunde, 18.8.1715. 42 HHStA Wien, Reichskanzlei Kleine Reichsstände 501, Schwarzburg 1701 – 1722, 537. Auguste Dorothea an Kaiser, 4.8.1715. 43 ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. I, 4. Hier die zweite Bitte vom 23.1.1717. 44 Ibid., Vol. II, 144, 24.6.1717.

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Auguste Dorothea als Witwe

Der Reichshofrat erschien zu langwierig und man befürchtete, dass sie „bey erhobenem Prozeß hungern“ müsste, deshalb entschied man sich für die kaiser­liche Kommission und rief den Kaiser als der „Wittben und Waißen […] Beschirmer und Beschützer“45 an. Als Motiv führte Auguste Dorothea an, dass sie „als eine Wittib, so weder Land noch Leute hatt, daßselbe mit guten Fug und Rechte suche, und zusammen halte, was mir quovis modo zustatten kommen mag, damit […] zu Meines seel Hrn Gemahls […] Honneur reputier­lich leben kann“.46 Als der 1715 zu ihem Protektor bestimmte Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz in Düsseldorf im Juni 1716 starb, wünschte sich Auguste Dorothea wieder einen „mächtigen Protektor“ vom Kaiser und schlug August den Starken, Kurfürst von Sachsen und König von Polen vor.47 Bereits Mitte Februar 1717 erging die Einsetzung der kaiser­lichen Kommission, zu deren Vorsitzenden Lothar Franz von Schönborn (1655 – 1729), der Kurfürst von Mainz und der Herzog Friedrich II. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1676 – 1732) ‒ nicht Auguste der Starke ‒ bestimmt wurden.48 Die beiden Kommissare setzten im März 1717 Subdeligierte ein, die die eigent­liche Arbeit machten: Johann Philipp Streit aus Erfurt und Kammerrat Gotter aus Gotha.49 Durch die langjährige Verbindung zu Schönborn, der auch während der Anbahnungsphase der Konversion an ihrer Seite stand, konnte sie sich seines Wohlwollens sicher sein. Nicht ganz so deut­lich war die Unterstützung Herzog Friedrichs in Gotha. Sie rechtfertigte ihm gegenüber ihren Gang zum Reichshofrat mit der Begründung: „[I]ch […] pretendire nichts was dem Recht zu wieder ist, hoffe daher Ew Lbd werden mich desto eheder secondiren.“50 Ab April begann die Beweisführung beider Seiten, deren Vertreter sich regelmäßig zu Verhandlungen trafen und jeden einzelnen Punkt der Forderungen debattierten. Als Vertreter Christian Wilhelms agierten die Räte Christian Happen und Johann Georg Brodkorb. Auguste Dorothea wurde vertreten durch ihren Oberhofmeister Baron von Kranichstein, den Juristen Dr. Christian Valentin Fleischhauer 45 Ibid., 142, 24.6.1717. Auch Erbprinz Günther von Schwarzburg scheint dies als besten Weg der Auseinandersetzung betrachtet zu haben. 46 Ibid., 282. 47 HHS tA Wien, Reichskanzlei Kleine Reichsstände 501, Schwarzburg 1701 – 1722, 564 (22. April 1716?). 48 ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. I, 3. 49 Ibid., 7 und 10; nach Roob, Helmut; Scheffler, Günter (2000): Gothaer Persön­lichkeiten. Arnstadt und Weimar, S. 58 f.: Gustav Adolf Gotter (1692 – 1762), Jurist, Sohn eines Gothaer Kammerdirektors, ging 1715 als erster gothaischer Gesandter nach Wien, hier vermut­lich Johann M. Gotter (Vater). 50 ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. I, 13, 1.4.1717.

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und den Kurator Daniel Martin Gudenus.51 Mit der Beteiligung Brodkorbs an der Auseinandersetzung im Auftrag der Schwarzburger erhielt der Konflikt eine weitere persön­liche Ebene. Brodkorb war ein langjähriger Rat Anton Günthers und ehemals ergebener Diener und langjähriger Vertrauter Auguste Dorotheas gewesen, der nun im Dienst der Gegenseite sein vertrau­liches Wissen preisgab und aus ihrer Sicht Verrat übte. Brodkorb habe ihr Vertrauen missbraucht, private Handbriefe geöffnet und sich „gleichwie eine Spinne aus der süßesten Blume das allerschäd­lichste Gift gezogen“.52 Im Juni brach sich der ganze Unmut über den ihrer Meinung nach ungerechten Umgang mit ihrer Person in einer einhundert Seiten langen Protestschrift an die Gegenseite und die Kommissare Bahn. Sowohl der Superintendent als auch Christian Wilhelm in „selbsteigener Person mit Gemüths bewegl. Expressiones“ hätten sie in dem sicheren Glauben gewogen, dass alles in ihrem Sinn verlaufen würde. Tatsäch­lich war „davon aber nicht der allergeringste Effect, vielmehr das unverhoffte Gegentheil erfolget“ und so habe sie „die heilige Intension, in Friede auseinander zukomen, ihren so hertz­lich gewünschten finem nicht erreichen können“.53 Trotz des Wissens um die Position der Gegenseite beschwor Auguste Dorothea wieder und wieder gleich einer rhetorischen Formel „von Hertzens Grunde, daß ew lbd ein solch generöses friedliebendes Gemüth wie bisher fernerhin geschehe, gegen mich als einer kraftlosen und sehr betrübten Wittib behalten, und daran durch niemanden sich abwenden lassen, sondern allezeit wohl affectionirt verbleiben mögen“.54 Christian Wilhelm hatte sich über Auguste Dorotheas „eingegebene Pretentions sehr moquirt“55 und auch Brodkorb äußerte, Augustes Forderungen seien ihm „befrembt­lich vorgekommen“, denn es „verhielt sich damit gantz anders“.56 Da Christian Wilhelm den Ehevertrag als solchen nicht umgehen konnte, verfiel er darauf, diesen „nach seiner Caprice anders zu deuten, oder die Principium wohl gar 51 Kurmainzer Rat zu Erfurt, ibid., 36 – 38. 52 ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. II , 1717, 137; Bordkorb warf ihr im Gegenzug Zänkerei vor und verg­lich sie implizit mit dem „gemeinen Pöbel“, fühlte sich „unverantwort­lich touchiert“ und verleumdet und drohte mit recht­lichen Schritten, ­sollten weitere Beleidigungen und Kränkungen geäußert werden. Er selbst beanspruchte für sich, die Sache „ohne alle Empfind­lichkeit und Passion tractiren“ zu wollen. Gotha, Vol. II , 358 f. 53 Ibid., 141, 24.6.1717. 54 Ibid., 279. 55 Ibid., Vol. I, 144, 24.4.17. 56 Ibid., 413, 13.5.1717.

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zu negiren, auch ob die Ehepackten gültig seyn? [sowie] allerhand Chicanen mehr zu machen […] sich nicht entblödet“.57 Diese Schikanen bezogen sich hauptsäch­ lich auf den Umgang der Schwarzburger mit der Herzogin in den sechs Wochen bis zu ihrem Auszug aus Schloss Neideck. Man verweigerte ihr, ihren eigenen Besitz, den sie aus Braunschweig mit in die Ehe gebracht hatte, auf die Augustenburg zu bringen. Man zwang sie, die bereits verladenen Dinge wieder auszupacken. Wie sehr die Atmosphäre am Hof „vor ein Intention gegen die durchl. Hertzogin geheget worden“,58 illustriert ein kleines Beispiel. Als man das übrig gebliebene Konfekt teilte, wurde die Herzogin gefragt, ob sie die Dose, die nur sechs Gulden gekostet habe, leihen oder ob sie das Konfekt lieber in einer Schürze transportieren wolle? Auguste Dorothea regte sich maßlos über dieses engstirnige und ihrer Meinung nach völlig ungerechte Verhalten auf. Hatte sie nicht bei ihrem ersten Porzellanbrand dem Schwager et­liche Dutzend Büchsen schicken lassen? Ebenso verweigerte man die Herausgabe der roten Livreen ihrer zehn Pagen. Die Minister parierten nicht mehr und holten keine Befehle mehr von ihr ein.59 Der Erbprinz ließ ihr mitteilen, er wolle ab sofort ihre Gemächer bewohnen. Sogar den Hofkavalieren war es verboten worden, sich von ihr zu verabschieden oder ihr das schick­liche Geleit zu geben.60 Man jagte sie quasi aus dem Schloss hinaus und behandelte sie „wie eine gemeine Frau, welche auf einem Acker-Hoffe hinter das Gesinde herkriechet und die Schlüssel an sich träget“.61 Die Behandlung, die Auguste Dorothea am Hof als frische Witwe erfuhr, brachte sie jedoch nicht zur Unterordnung: „Warum also hätte die D[urchlauchtige] H[erzogin] sich gleichsam als eine generose Dame zu Füßen legen und sich groß submittiren und des Herrn Schwagers lbd Grace suchen sollen, als man wohl begehret hat, da sie doch nichts verlanget, als was ihr ex juris necessitate gebühret.“62

Aus Verzweiflung über die Behandlung verließ sie das Schloss.63 Auguste Dorothea bewies aber immer wieder ihre Rechtsgläubigkeit, auch wenn das Recht zu ihrem

57 Ibid., Vol. II, 143, 24.6.1717. 58 Ibid., 150. 59 Ibid., 278. 60 Ibid., 153. 61 Ibid. 62 Ibid., 154. 63 „Sie vor Jagrin end­lich des Todtes darüber seyn müssen, wan sie nicht vom Arnstädtischen Schloße gewichen wäre.“ ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. II, 151.

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persön­lichen Nachteil führte. So hatte sie sich belehren lassen, dass sie vor Ablauf des dreißigsten Tages nach dem Tod des Ehemanns nichts in ihren Besitz nehmen durfte und bat nun die Agnatenfamilie darum, alles unverändert zu belassen.64 Ein großer Streitpunkt stellte das Inventar von Januar 1717 dar, das ohne Zeugen aller Parteien und laut der Fürstin bei allen Posten zwanzig Prozent weniger aufführte, als eigent­lich vorhanden gewesen war.65 Anton Günther hatte kurz vor seinem Tod die gesamte Bibliothek seinem Neffen und späteren Landesherrn Günther vermacht und sie damit Auguste Dorothea entzogen. Der Zeitpunkt der Inventarisation war ebenfalls ein Streitpunkt, denn sie fand erst vier Wochen nach dem Tod ihres Mannes statt und reflektierte zum Beispiel nicht den Zustand der Speisekammer zum Zeitpunkt des Todes. Manche Objektgruppen und Unterin­ ventare waren vergessen worden, manche Vorwerke ausgelassen, die Tiere nur geschätzt und nicht gezählt worden; alles in allem eine Inventarisationspraxis, die darauf abzielte, die Teilungsmenge zu verkleinern und so mehr für das Stammhaus behalten zu können. Auguste Dorothea forderte deshalb ein zweites Inventar.66 Das Silberservice, das die Herzogin mit in die Ehe gebracht hatte, schenkte Auguste in einer donation inter vivos ihrem Mann, um es schmelzen und ein moderneres herstellen zu lassen. Statt ihres eigenen Silbers hatte Anton Günther ihr im Wert von zweitausend Reichstalern Objekte aus „Silbergewölbe, Küche und Kirche“ verschrieben. Nun aber behaupteten die Sondershäuser, grundsätz­ lich korrekt, alles Silber gehöre zum Hausschatz, und Auguste Dorothea habe kein Anrecht daran. Christian Wilhelm berief sich zudem darauf, dass Schenkungen zwischen Eheleuten nach kaiser­lichem Recht verboten seien, behauptete aber gleichzeitig, Anton Günther habe wegen ihrer Konversion nachträg­lich entschieden, die Gegenschenkung rückgängig zu machen.67 Unabhängig von 64 Ibid., 278. 65 Ibid., 267 – 272 und 316: „muß man sich fast über die Diskrepanz entsetzen und ist leicht davon auf ander Dinge mehr zu schließen, wie unrichtig das Inventarium seyn muß“. 66 Im Januar 1717 hatte sie Christian Wilhelm bereits um ein erstes Inventar gebeten über „1. von Gedräncke, 2. von speisenden Dingen, 3. von Viehe, 4. von Futter, 5. von Getreyde, 6. von Zinsen, 7. von Haußgeräthen 8. Pretiosis, 9. Baarschafften, 10. liegenden Gründen, 11. bestelten und unbestelten […] Lande, 12. von Schulden activa und passiva, damit alles fein ordent­lich vor sich gehen mag und die Deputirten […] darüber sich vergleichen“. ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. II, 274. 67 ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. I, Christian Wilhelm an Auguste Dorothea, 28.1.1717, 116: „Serenisimus Donator nach dem Ihro Frau Gemahlin durchl. die Religion geändert, selbiger expresse die Andeutung thun lassen, dass er ihr zwar alles, worzu Ihm der Ehepact und andere Schuldigkeit anweisen, wiederfahren, sich aber ein mehres

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der Kommission beauftragte Auguste Dorothea in der Frage des Tafelsilbers den Schöppenstuhl Halle, der ihr Recht gab.68 Der Schöppenstuhl gab ihr ebenfalls Recht in der Frage der Kutschen. Sie sollte nicht nur die Kutsche samt Pferden bekommen, die sie mit in die Ehe gebracht hatte, sondern auch den Wagen mit den Pferden, den sie immer benutzte.69 Die Absicht Christian Wilhelms war, die Herzogin mit so wenig weiteren Verlusten wie mög­lich loszuwerden. Er war nicht bereit, den Ehevertrag zu erfüllen. Zunächst spielte man auf Zeit und versuchte, die Herzogin zu schikanieren und zu enervieren. In der Auseinandersetzung sollte Regierungsrat Streit aus dem kurmainzischen Erfurt Auguste Dorothea vertreten, aber Sondershausen akzeptierte den Unterhändler nicht, weil der Kurfürst von Mainz, Lothar Franz von Schönborn, nur der kaiser­liche Protektor der Fürstin und formal nicht ihr Kurator war. Als Auguste Dorothea offensicht­lich überrascht bei Schönborn nachfragte, reagierte dieser erstmals distanziert und wies sie mit den Worten zurecht, er hoffe, „daß ew lbd mir [nicht] ein mehreres aufbürden werden, als der Sache Eigenschafft und Billigkeit“.70 Christian Wilhelm versuchte über den Herzog von Sachsen-Weimar Einfluss auf den Kaiser zu nehmen und schlug vor, die Angelegenheit durch das Schöppen­ gericht zu Jena regeln zu lassen, „als des beklagten Fürsten Instanz […] und die ertheilte kayser­liche Commission zu cassiren“. Karl VI. entschied aber in Auguste Dorotheas Sinn, es „nach besonderer Gelegenheit dieses Casus bey […] kayser­ licher Commission bewenden [zu] lassen“.71 Die Verlegung der Auseinandersetzung wäre sicher zu ihren Ungunsten ausgefallen. Auguste Dorothea selbst und ihre drei männ­lichen Vertreter bombardierten vor allem den Herzog von Gotha mit Briefen, ebenso die Räte Streit und Gotter, um das Verfahren mög­lichst zügig abzuwickeln. Der Gegenseite wurde grundsätz­ lich Verzögerungstaktik vorgeworfen.72 August Wilhelm, Augustes Bruder und nicht ansinnen lassen wollte, in welcher generalen Redensarth, das, was aus guthem Willen geschehen, absonderl. aber die donationes, welche nicht aus Schuldigkeit, sondern gratuitae seyend […] excludirt und in Unbestand gesetzt worden.“ ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. I, 132, 21.11.1713, Donation des Silbers. „dergestalt eigenthüm­lich zustehet, dass die damit nach unserem Ableben nach Ihrem Gefallen schalten und walten kann“. 68 Ibid., 21 – 24 und 134 f. 69 Ibid., 108, Extract des Urteils des Schöppengerichts. 70 HHStA Wien, MEA Kommissionakten 8b, 12.1.17 Schönborn an Auguste Dorothea. 71 ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. I, 426 f., Karl VI., 12.4.1717. 72 Ibid., 419. Allein wenn ein Termin sich wegen Christian Wilhelm um drei Tage verschob, überzog Auguste Dorothea den Gothaer Kommissionsvorsitzenden bereits mit

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regierender Herzog in Wolfenbüttel seit 1714, mischte sich ebenfalls ein und übte Druck auf den Gothaer Herzog aus.73 Es dauerte ein knappes Jahr, bis der neunhundertseitige Bericht der beiden Kommissare als Beschlussvorlage nach Wien zum Reichshofrat geschickt werden konnte. Ein weiteres Jahr verging bis zur Beschlussfindung. Während dieser Phase verfügte Auguste Dorothea über keine Schwarzburger Einkünfte, sondern nur über die Wiener Pension. Ähn­lich wie bereits zuvor überließ Auguste Dorothea auch weiterhin die Regelung ihres Witwenstands nicht den Räten oder der Familie, sondern sie kümmerte sich persön­lich um ihre Zukunft. Eine sternförmige, intensive Briefkommunikation belegt ihr Bemühen, von überallher Hilfe und Informationen zum Witwenrecht, zum üb­lichen Umgang und zu vergleichbaren Fällen einzuholen. Allein für Januar 1717 haben sich et­liche Briefe an den Kurfürsten von Mainz, den Kaiser in Wien, den Herzog von Eisenach, den Herzog von Gotha, den Bruder in Wolfenbüttel und den Gegenspieler in Sondershausen erhalten, neben einigen an diverse Untergebene. Erhalten haben sich nur die Kontakte zu den Entscheidungsträgern, es ist aber mit Sicherheit davon auszugehen, dass sie die weib­lichen Mitglieder umfangreich über ihren Konflikt informierte, um sie zu Einflussnahmen zu bewegen. In Handbriefen berief sie sich auf den Sachsenspiegel und führte den Unterschied im Umgang mit Gerade, Morgengabe und Mußtheil 74 zwischen einer „Ade­lichen und Rittersperson“ vor, einen Unterschied, den die Gegenseite nicht machen wollte. Herzog Johann Wilhelm von Eisenach, der 1704 bereits in ihrem Sinn agiert hatte, bat sie um seine Einschätzung und um Vergleichsbeispiele, „was eine fürst­liche Wittib und zwar, wenn keine Descendenten sondern nur Collateral Erben vor[handen] gewesen, in dero fürst­lichen Hände […] an Mußtheilen […] genommen habe und Ihr gelassen worden sey?“75 Der Herzog war jedoch auch ratlos. Unter ihm wäre es nicht zu Konflikten gekommen, bei der Herzogin von Allstedt zum Beispiel habe man sich sch­licht an die Eheverträge gehalten.76

Beschwerdebriefen. Ibid., 435. 73 Ibid., 145, 16.4.1717. Sein Interesse im Sinn der Schwester lag vermut­lich hauptsäch­lich in der zukünftigen Entlastung seines Hauses. Wenn die Schwester verlöre, wäre sie finanziell wieder von Wolfenbüttel abhängig gewesen. 74 Habitueller Besitz, Brautgeschenk und Witwenbezüge. 75 ThHStA Weimar, Eisenacher Archiv, Fürst­liches Haus 450, 2, Auguste Dorothea an Johann Wilhelm, 25.1.1717. 76 Ibid., 5, Johann Wilhelm an Auguste Dorothea, 26.1.1717. Hiermit ist vermut­lich Sophie Charlotte von Württemberg, die Witwe seines Bruders gemeint.

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5.2.2 Gedruckte Gegenwehr – Die „Specification meyner Pretentiones“ 1717

In der Auseinandersetzung zwischen Christian Wilhelm auf der einen Seite und Auguste Dorothea auf der anderen ging es nicht nur um Recht und um Geld, sondern in hohem Maße auch darum, was die Adelsgemeinschaft von diesem Streit hielt. Beide polarisierten, um wichtige Akteure auf die eigene Seite zu ­ziehen. Christian Wilhelm diskreditierte die Herzogin schrift­lich im Herbst 1717 beim Kaiser und der Kaiserin Elisabeth Christine (ihrer Nichte)77 und versuchte, sie „unschuldigerweise zu blamiren“. Sich selbst stellte er als schuldlos Beklagten, wohlmeinenden Schwager und die fürst­liche Witwe als Lügnerin dar.78 Dieselbe Taktik wandte er gegenüber der Herzogin von Blankenburg Christine Luise vom Oettingen-Oettingen (1671 – 1747), der Mutter der Kaiserin und engen Vertrauten Auguste Dorotheas, an und versuchte so geschickt, die Meinung des Umfelds zu lenken und den sozialen Rückhalt Auguste Dorotheas zu schwächen.79 Das provo­zierte eine bislang einzigartige Reaktion einer Reichsfürstin in Bezug auf ihre Witwenanprüche: Auguste Dorothea ließ ihre Forderungen, die „Specification meyner pretentiones“ drucken und in Buntpapier binden und verschickte sie zur Rechtfertigung nach Mainz, Wien und Sondershausen., nicht nur „umb aller Welt meyne gerechten Pretensiones zu zeigen, sondern auch zu förderst meyne Unschuld an den Tag zu legen“.80 Das war eine offene Provokation. In Wien sorgte Auguste Dorothea für Gesprächsstoff:

77 Siehe Abschnitt 7.5 Konfession, S. 317. 78 ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. III, 216 f., 25.9.1717, Christian ­Wilhelm an Kaiserin Elisabeth Christine. 79 Ibid., 218. 80 HHStA Wien, MEA Kommissionakten 8b, 2.1.1718. Die Klageschrift hat sich mindestens zweifach erhalten (Arnstadt, Museum/Wien) (1717): „Justifizierter kurzer Inhalt nebst einer zuverlässigen Spezification Dessen was die Durchlauchtigste Fürstin und Frau Augusta Dorothea Eleonora gebohrne Herzogin von Braunschweig und Lüneburg verwittibte Fürstin zu Schwarzburg Arnstadt Entgegen Dero Herrn Schwagers Liebden, dem gleichfalls durchlauchtigsten Fürsten und Herrn Herrn Christian Wilhelm Fürsten zu ­Schwarzburg Sondershausen und Arnstadt vor der allerhöchsten kayser­lichen Commission und denen hochverordneten Churfürst­lich mainzischen und hochfürst­lich Gothaischen Herrn Räthen, sowohl aus klaren Recessen und Ehe-Pactis als auch nach denen albekandten gemeinen sächsichen Lehn-Rechten wohlgegründet prätendiert hat und noch beständig prätendiert“, Arnstadt (?).

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„Die fürstl. Frau Wittib hat dem kayser­lichen Hoffe insinuiert, dass sie bald Hungers sterben müsste, und man sie als eine Mauren Frau und noch geringer tractirte und nimbt sich ihrer umso mehr an, weil sie vorgibt und man glaubet, es geschehe [wegen] d[er] Religionis, daher si[ch] alle 3 Keyserinnen vor sie interessieren, an welche sowohl als an den Kayser selbst sie fast täg­lich schreibt, und sagte mir der Herr Präsident [des Reichshofrats], dass er niemals nach Hof käme, ohne von den Kaysern gefragt zu ­werden, wie die Sache stündte“.81

Christian Wilhelm reagierte prompt mit einem Gegendruck, um seine Perspektive darzulegen.82 Die Auseinandersetzung zwischen der Witwe und ihrem Schwager wurde zum Politikum auf der Ebene der Kommissare. Auguste Dorothea hatte sich an August den Starken gewandt. Fleischhauer nutzte diese Information als ­Drohung gegenüber der Kommission. Als die Subdelegierten zufällig von der Ankunft eines Dresdener Diplomaten in Arnstadt erfuhren, versuchte Hofrat Gotter Herzog Friedrich zu überzeugen, dass es „nachteilig fallen, wenn der commissarische videt […] mit den Churmamayntzischen nicht conform seyn“83 würde. Herzog Friedrich konnte sich aber zu keiner klaren Position in Bezug auf die fürst­ liche Witwe und ihre Ansprüche durchringen. Er wollte die Auseinandersetzung so schnell als mög­lich beendet wissen und erhoffte eine güt­liche Einigung. Allerdings wollte er „die verwittibte Fürstin zu Arnstadt zur Annehmung derer vom Gegenteil geschehenen oblatorum und Admittirung der Billigkeit“84 bewegen. Friedrich verzögerte das Verfahren später mehrfach und Auguste Dorothea erkundigte sich wieder und wieder bei ihm nach dem Stand seiner Entscheidungsfindung: „[…] so finde mich obligiret durch dieses Ew lbd nochmals zu incomodiren […] mit 81 ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. I, unpaginiert. Anonym (Gotter?) aus Wien, 15. Sept. 1717. 82 ThStA Ru, Kanzlei Sondershausen 504, 321: „Summarischer Begriff derer Exceptionen welche der durchlauchtigste Fürst und Herr, Christian Wilhelm, Fürst zu Schwarzburg/ der vier Grafen des Reichs und Graf zu Hohnstein Wider die PRAETENSIONES so die auch durchlauchtigste Fürstin und Frau/Frau Augusta Dorothea/verwittibte Fürstin zu Schwarburg/gebohrne Herzogin zu Braunschweig und Lüneburg Wegen dero Witthumbs und anderen Weib­lichen Gerechtigkeiten formiret/von der zu diese Sache allerhöchst angeordneten kayser­lichen COMMISSION in Schrifften deduciren lassen entgegen gestellet, dem sogenannten justiticirten kurzten Inhalt nebst einer zuverlässigen Specificatio & c. welchen hochgedachter verwittibten Frau Herzogin Durchl. Unlängst durch den Druck publiciren lassen“. 1718 [s. l.]. 83 Ibid., Gotter an Herzog Friedrich, Gotha, 5.9.1717. 84 Ibid., unpaginiert. Friedrich an Gotter, 5.10. 1717.

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der Übersendung [der Akten nach Wien] doch nicht länger zu säumen.“85 Auch den Subdelegierten und Schönborn erschien der Herzog säumig.86 Während Lothar Franz vollständig auf Auguste Dorotheas Seite stand, schien der Gothaer Herzog seine Beziehungen nach Sondershausen nicht auf Spiel setzen zu wollen und lavierte zwischen den Ansprüchen der Herzogin, denen ihres Schwagers und der Haltung des katho­lischen Schönborn hin und her. Auch Hofrat Brodkorb betonte mehrfach, Christian Wilhelm wünsche „nichts mehr als ein[en] güt­lich[en] Vergleich“,87 verweigerte aber zugleich die Anerkennung des Ehevertrags und besonders des Nebenrezesses über die Erweiterung der Ehegelder um 5.500 Reichstaler und damit die Ansprüche der Herzogin auf Morgen­gabe, Gerade oder Mußtheil. Man bedauerte zwar rhetorisch die „schlechte Hofstadt“ der Herzogin, sah sich aber nicht in der Lage, sie mit einem Vorschuss zu versorgen, solange der Streit noch schwelte. Auguste D ­ orothea wurde von Schwarzburg-Sondershausen in der Folge jahrelang ausgehungert, eine Strategie, die, obwohl sie Auguste Dorothea klar vor Augen stand,88 am Ende dazu führte, dass sie klein beigab. „Ja man hat diese Stunde noch nicht ein Scheid Deputat Holtz zu Arnstadt oder eine Grete Fisch geliefert, dagegen ist das Wild, groß und klein […] so der durchl. Hertzogin verschrieben […] hinweg geschossen.“89 Und: „Ach! Wie schwer ist das zugangen“ allein ein wenig Futter für die Tiere zu erstreiten.90 Die Glaubwürdigkeit der vorgeb­lichen guten Absichten Christian Wilhelms und seines Sprechers Hofrat Brodkorb wurde von Seiten der Klägerin bezweifelt, denn „der hohe Gegentheil niemahlen nach

85 ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. III, 100, 30.10.17 und Zitat 102, 14.11.17. „Wie ich wol meyner frau Schwiegerin, der Hertzogin von Blankenburg mir münd­lich versichert als man [mir] berichtet, daß man zu Wien nach der hohen Herr Commisares Relationes zum höchsten verlanget ist, auch Ihro der kayser selbsten sehr verwundert ist, was die Ursache sein müsse, daß noch kein Bericht von der hohen Hr Commisarien eingelauffen sey“. Er wäre vom Kaiser als Kommissar erwählt worden, weil er ein „gerecht­liebendes Gemüth und cristfürst­lichen Hertzen, eyner bedrängten Wittibt zu ihrem gerechtsahme verhelften sollen […,] daß der Gerechtigkeit ein Gnüge geschehe und ich bald zu dem meinigen gelangen möge.“ Er wisse ja, „wie hart der Fürst mein hr Schwager mit mir prosuediret und wie kein güt­licher Vergleich zu hoffen ist“. 86 Ibid., 108. 87 ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 68 bis 72, Vol. II, 1717, 1 – 4, Bericht der Subdelegierten zum letzen Treffen zwischen den Kontrahenten, 7.6.1717, 2. 88 Ibid., 157. 89 Ibid., 145. 90 Ibid., 151.

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die wahre Intension gehabt, der durchl. Hertzogin […] zugeben, was ihr […] gebühret“.91 Im Oktober 1717 schaltete sich Kaiser Karl VI. nochmals ein und befahl den Kommissaren für die Auszahlung von sechstausend Reichstalern als Übergangsgelder aus Sondershausen zu sorgen.92 Der Mainzer Subdelegierte war aber der Auffassung, dass Christian Wilhelm deut­lich mehr als sechstausend Reichstaler zahlen müsse. Schönborn plädierte trotzdem vorerst auf diploma­ tischen viertausend Reichstalern.93 Der Umgang mit dem schrift­lich fixierten Recht der Herzogin zeigt, dass beide Seiten die Frage der Witwenversorgung als Gegenstand von erneuten Aushandlungsprozessen betrachteten, nicht als definitives und unverrückbares Recht der Herzogin. Die Agnaten warfen ihr insbesondere vor, sie persön­lich sei „difficil, intractable und widerspenstig“ und sie habe das „Hauß spolicirt [beraubt] und den seel Herrn Bruders Lbd so arm gemachet, dass er nicht eine Ziegel mehr ins Dach stecken lassen können“.94 Sie machten sie also grundsätz­lich für die Verschuldung des Hauses verantwort­lich. Man ging sogar so weit zu sagen, sie habe bereits „30 Jahre standesgemäße Unterhaltung aus dem Erbe gehabt“.95 Da die Witwe aber 270 Reichstaler als Unterhalt für ihre 44 Bediensteten pro Woche beanspruchte und allein ihre Hofhaltung ohne Handgelder und Luxuseinkäufe bereits über 14.000 Reichstaler pro Jahr betrug, ist ihre Beschwerde durchaus nachvollziehbar.96 Dass sie vor diesem Hintergrund die angebotenen dreitausend Reichstaler pro Jahr nicht annehmen wollte, scheint verständ­lich. Das Witwenrecht kann als relatives Recht verstanden werden. Der Ehevertrag diente dabei als grobe Richtschnur und sein Inhalt als Verhandlungsmasse. Die Beweislast lag grundsätz­lich bei der Partei der Witwe, die ihren Anspruch rechtfertigen musste.97

91 92 93 94 95 96 97

Ibid., 131, 29.6.1717, Gudenus an die Subdelegierten. ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 68 bis 72, Vol. III, 2. Ibid., 59. ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 68 bis 72, Vol. II, 152. Ibid., 370. Ibid., 154. Mehrfach wird auf die Kosten der Hochzeit hingewiesen und die einzelnen Posten ausgewiesen, um den Anspruch auf das Wittum zu bekräftigen, siehe NLA WB, 1 Alt 24, 230, 89 f. vom 2. Januar 1717.

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5.2.3 Auguste Dorotheas präzise Forderungen

Die Streitpunkte neben der Einrichtung des Wittums, der Grundversorgung und Nahrung waren folgende: Auguste Dorothea forderte zweitausend Reichstaler „rückständige Morgengabe Gelder“, 7.500 Reichstaler als Wiederlage und Ausgleich für die zusätz­lich gezahlten Ehegelder, zehntausend Reichstaler Paraphernalien, siebzig- bis achtzigtausend für den Wert des Inventars, „des hochseeligen Herrn Kleider, Kleinodien und Silberwerck“, die „verschriebenen Wittumbseinkünfte an Korn, Weizen, Gersten, Holz, Kohlen, Wildpret, Fischen, und dergleichen, zu sambt denen 60 Eymern Landwein“, ein Silberservice im Wert von fünftausend Reichstalern, alljähr­lich vierhundert Reichstaler Handgelder, die standesgemäße Möblierung, Einrichtung und Reparatur des Witwensitzes zu Keula, die Einlösung der vom Ehemann versetzten Stücke und die Bezahlung aller Passivschulden, die der Gemahl übernommen hatte.98 Ihre präzisen Sachforderungen 99 illustrieren dabei die Art und Weise, in der auch von Seiten der Herzogin aus das Recht der Witwe spitzfindig ausgelegt und gedehnt wurde. Die Argumentation, welche Objekte ihrer Meinung nach zur Gerade gehörten, erscheinen bisweilen willkür­lich oder unglaubwürdig.100 Habituelle Gerätschaften sowie alles Beweg­liche aus dem täg­lichen Gebrauch gehörten traditionell zur Gerade, ebenso aller Schmuck und alle Kleinodien, letzt­lich alle Gegenstände „mit welchen die Weibspersonen täg­lich umgehen, und selbige in ihrem Beschluß und Versorgung, auch sonst zu ihrem täg­lichen Gebrauch in der Haushaltung nötig haben [und] welche denen säch­sischen Rechten und Gewohnheiten nach, einer Wittwe nach ihres Ehemanns Tode eigenthüm­lich verbleiben“.101 Auch adeligen Witwen stand „alles Schaaf-Vieh weib­lichen Geschlechts, ohne Unterschied, wo sie seyen in Schäfereyen“ zu, ebenso „Gänse, Endten und der Wagen, darauf das Eheweib pfleget zu fahren“,102 und „ihr ersponnenes und erspartes, auch durch fleißige Haushaltung […] oder auch von ihren Ehemännern geschenkt bekommenes […] und sonst

98 „Justifizirter kurtzer Inhalt“, HHStA Wien, MEA Kommissionsakten 8b, ebenfalls in der Bibliothek des Arnstädter Museums unter der Signatur A A 34/412; das Pendant, die Klage­ schrift des Christian Wilhelm unter 37/408. 99 ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. II, 294 ff. 100 Vgl. Amaranthes (Corvinus, Gottlieb Siegmund) (1715): Nutzbares, galantes und curiöses Frauenzimmer-Lexicon. Leipzig, Sp. 653 f. 101 Zedler, Bd. 10, 539, Sp. 1044 „Gerade“. 102 Ibid., 540, Sp. 1045.

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erhaltenes Eigenthum hat […] durch der Eheweiber […] Hände Arbeit selbige errungen“.103 Die kreative Auslegung der Zuordnung einiger Objekte aus der Kunstkammer zur Gerade und damit zum Besitz der Herzogin zeigen folgende Beispiele: Juwelen gehörten zur Gerade, also auch „ein Stück zu Stein gewordenes Holtz, weil solches den Edelgesteinen gleich ist“. Eine Camera obscura wurde beansprucht, „weil solche [zu den] specula gehört“.104 Papyrus mit chine­sischen Schriftzeichen wird als historisches Buch deklariert, „in welchen die Frauen zu lesen pflegen“. Eine antik-römische Lampe wird gefordert, weil sie den trag­ baren Lüstern gleicht und das Microscopium, „weil es ein Spiegel-Werck ist“ und alle Spiegel zur Gerade gehören.105 Nach dem Ausschlussprinzip verfährt die Begründung bei der Forderung nach dem „Zahn von einem Meer Pferd, weil die Mutterpferde zur Morgengabe gehören, ergo auch der Zahn von solchen, weil nicht gesagt werden kann, daß er von [einem] Männ­lichen sey“.106 107

5.2.4 „In summa wir sind übel dran“  – Die kaiserliche Entscheidung

Das gemeinsame Gutachten der kaiser­lichen Kommissare aus Mainz und Gotha wurde erst im Januar 1718 nach Wien geschickt.108 Bis Februar 1719 ruhte das Verfahren und alle warteten auf die Entscheidung aus Wien. End­lich bestätigte ein Schreiben des Reichsvizekanzlers Friedrich Carl von ­Schönborn Auguste ­Dorotheas Recht in allen Klagepunkten. Christian Wilhelm sollte 71.384 Reichstaler an seine Schwägerin zahlen.109 Im Mai 1719 bestätigte Christian 103 Ibid., 1046. Ab 1077 ff. ausführ­liche Nennung aller Objekte, die laut Zedler zur Gerade gehören. Zedler schränkte die Gerade etwas ein, indem er Anschaffungen des Mannes (Betten, Juwelen) nicht als Gerade, sondern als Erbmasse definierte, die nicht ausschließ­ lich der Witwe zuzukommen habe. Amaranthes sieht das anders. 104 ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. II, 308. 105 Ibid., 309. 106 Ibid., 310. 107 ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. IV , 14.6.1719, 129. Kanzler Zang an Subdelegierte (?). 108 Ibid., Vol. III, 239. 109 Ibid., Vol. IV, 16, Anzeige des Kaisers, dass der RHR zu einem Urteil gekommen war; ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. IV, 18. Rechtsspruch vom 3.2.1719; 41 f.: „Ohngefähre[r] Anschlag was der durchl. Hertzogin zu Satisfaction: 1. das rückständige Deputat Wein, 1.080 rt, 2. das rückständige Debutat Holz für drei Jahre 3.000, 3. aus dem Amt Keula 3.000 rükständige Gelder, 4. rückständige Morgengabe Gelder mit Zinsen 2.200, 5. für die Schafe 16.000, 6. 1.200 für Rindvieh, 7. 1.000 für das Schweinevieh, 8. für das Federvieh 150, 9. für das Korn 10.000, 10. Vor die Meublen an Betten und Haußgeräthen

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Wilhelm, die „Forderungen nebst der darzu gehörigen Bescheinigung absondern […] mit sondern Fleiß angelegen lassen, die güthl. Abfürung der geklagten Irrungen also zu erreichen, damit die supplicirende Fürstin zu demjenigen, was derselben von Billigkeit wegen gebühret, ohne […] Weiterung und ohnnötigen Disput fürdersambt gelangen möge“.110 Vertreten wurde er mittlerweile von Kanzler Zang. Damit war jedoch die Auseinandersetzung noch nicht beendet und die Durchführung führte zu weiterem Unmut. Auguste Dorothea war bereit, auf die Möblierung Keulas zu verzichten, solange man die Holzlieferungen erhöhte und direkt zur Augustenburg brachte. Die Gegenseite behauptete ­darauf, das Schloss sei bereits standesgemäß eingerichtet, woraufhin neutrale Gutachter nach Keula entsandt wurden.111 Auguste Dorothea unterbreitete nun ein Vergleichsangebot, um das Verfahren zu beschleunigen und wollte gegen einen Abschlag von dreißigtausend Reichstalern auf alle Ansprüche verzichten, nahm den Vorschlag aber sogleich wieder zurück.112 Auch nach dem Tod ihres Schwagers Christian Wilhelm und der Regierungsübernahme durch seinen Sohn Günther I. (1678 – 1740) ging die Auseinandersetzung weiter. Auguste Dorothea wurde nicht voll entschädigt, wieder drängte sie die Kommissare, ihr als einer „bedrängten Wittib“ zu helfen und Druck auszuüben, „daß man doch in der Güte sich mit mir nach außeinandersetzen und nicht ferner Weitläufftigkeit verursachen […] und ich auch noch folg­lich noch länger discon­ soliret bleiben müsste“.113

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so zur Gerade gehören […], 3.000 rthl, 11. Specification […] 2.230, 12. Brandtwein 400, 13. Handgelder 1.324, 14. Paraphernalie 2.200, 15. was intra tricelinium consumirt 1.000, 16. Amt Scherenberg, Früchte und Gerade 10.000 [insgesamt 71.384 Reichstaler], 17. das silber Service, 18. Ring und Ohrringe in Gotha versetzt weil der hochseelige Herr Ihr solche auf seinem Todtbette geschenket, 19. Pretiosen, […] 21. Serenisima will die Meublirung des Ambts Keyla fahren lassen, wenn die Lieferung des Feuerwerks [Holz] auf die Augustenbourg zu einer jähr­lichen gewissen quanität accordirt werden kann, 22. [zu ihren Rechten im Amt Keula:] Es soll aber Serma doch das Jus aggratiandi in causis Criminalibus verbleiben, auch gehen die Appellationes nach Sondershausen, und lassen dahero die Witthumbs Beamten auch Serenmae die Pf­licht nicht unbillig wie denn auch demselben die Einrichtung in Policey Sachen bey dem Ambts billig verbleibet.“ ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. IV, 52, 17.5.1719. Ibid., 87 – 89. Ibid., 129. Ibid., Vol. V, 205, 28.4.1722.

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5.2.5 Gewonnen und verloren

Ob und wie viel von der Auguste Dorothea zugesprochenen Summe tatsäch­ lich floss, bleibt unklar. Die Kaufleute Albrecht und Piper aus Leipzig gehörten zu Auguste Dorotheas beständigen Gläubigern. 1721 entschied Kaiser Karl das erste Mal gegen Auguste Dorothea und für die Kaufleute, die sich aufgrund ihrer schlechten Zahlungsmoral direkt an den Kaiser gewandt hatten. Karl befahl den Kommissionsvorsitzenden, der Fürstin einen zweimonatigen Zeitraum zu setzen, um ihre Schulden zu begleichen.114 Zwei Jahre später war die Herzogin dieser Aufforderung immer noch nicht nachgekommen. Dieses Mal verfuhr Karl rigoroser mit ihr. Albrecht und Piper sollten sich direkt über Einnahmen aus dem Amt Keula befriedigen. Auf ihre Klage gegen dieses harte Urteil des Kaisers hin, der ihr damit die laufenden Einnahmen pfändete, reagierte ihr langjähriger Fürsprecher Lothar Franz Schönborn erst fünf Wochen später kurz angebunden.115 Vermut­lich hatte sie mit dem Verlust des Rückhalts im Kaiserhaus auch die Loyalität ­Schönborns verloren. Auguste Dorothea versuchte nochmals mit dem Reichshofrat zu verhandeln und bot die Porzellanfabrik Dorotheental als Hypothek an anstelle der Einnahmen aus Keula, weil diese dringend zur Hofhaltung benötigt wurden, aber ohne Erfolg.116 Vermut­lich hatte Sondershausen Kenntnis von dieser Entwicklung und nutzte den Moment strate­gisch, um sich wieder in den Besitz von Keula zu bringen. Offenbar wollte Fürst Günther vor allem die Jurisdiktion der Ämter wieder unter seine Kontrolle bringen.117 Die zu ihrer Grundsicherung gehörenden Einnahmen aus dem Amt Keula beliefen sich auf circa 2.200 Reichstaler pro Jahr.118 Das dortige Schloss war Auguste Dorotheas verschriebener Witwensitz, den sie aus Gründen der Abgeschiedenheit und der mangelnden Ausstattung nicht nutzte. Im März 1723 wollte Fürst Günther von Sondershausen das gesamte Amt, mit dem Wohnsitz, allen Einnahmen und Rechten, von ihr pachten. Aus Angst, etwas Falsches zu tun und sich „außer Possession zu setzen“, versuchte sie, Rat von ihrem Bruder Ludwig Rudolf einzuholen, wie sie sich nun verhalten solle. In dem Brief schwingt deut­liche Kritik mit:

114 HHStA Wien, MEA Kommissionakten 8b, 23.10.1721. 115 Ibid., 4.9.1723 und 12.10.1723. 116 NLA WB, 1 Alt 24, 232, 70, 26.3.1723. Die Klageschrift der Kaufleute Albrecht und Piper gegen Auguste Dorothea vom 8.3.1723 unter 232, 71. 117 Ibid., 79. 118 NLA WB, 237, 2.

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„Ein mal ist gewiß dass ich mich auff ein oder andere ahrt, auß meinem habenden Embaras errethen muß und w[e]illen meynen nechst Verwandt, […] theils wegen wenig habender Consideration vor mich, mich nicht helffen können oder wollen, so bin forciret andere Mittel zu ergreiffen und so guth es mir mög­lich mich mit dem Fürsten zu setzen und mein weniges Vermögen zu hülffe zu nehmen, welches nach meinem Ableben doch gern den m ­ eynigen gegönnet hätte, allein die Schulden zu bezahlen bey Lebezeiten ist nöthig damit nach ­meinem Tode nicht Schpott und Schand in der Erde haben möge, da sich ja niemand [kümmern] würde ob meyn Leichnamb mal würde begraben oder zu Schpott aller stehen würde.“119

Zunächst erhielt sie keine Antwort und so meldete sie sich nach einer Woche erneut mit der dringenden Bitte, „dero sentiments“ zu erhalten. Die Frage der Verpachtung sollte aber mit „aller precaution“ traktiert werden, da „meyne zeit­liche Wolfahrt daran henget“.120 Ihre Ämter gegen andere zu tauschen lehnte Auguste ab, ebenso den Vorschlag, stattdessen einen festen Betrag aus der Rentkammer jähr­lich zu beziehen, weil sie dadurch den Anspruch auf Keula aufgegeben hätte. Sie war jedoch zur Verpachtung der Witwenämter gegen eine „erkleck­liche Verbesserung meiner Revenuen“ bereit.121 Die Verhandlungen über die Verpachtungen zogen sich ein h ­ albes Jahr hin, in die Auguste Dorothea sehr weitreichende (sechstausend Reichstaler jähr­liche Witwen­ bezüge), aber auch weitsichtige Forderungen einbrachte. So bestand sie auf der Ziviljurisdiktion über ihre Angestellten auf der Augustenburg und die Wiederherstellung ihres Schlosses auf Kosten Sondershausens im Fall eines Wetter- oder Brandschadens.122 Ludwig Rudolf schaltete sich und einen seiner Räte beratend ein. Man einigte sich auf eine Pacht von fünfhundert Reichstalern pro Jahr und die Dienstgelder aus Keula und Urbach für die Witwe, während Fürst Günther die Jurisdiktion, das Schloss, die Jagden, das Holz und die Dienste erhielt. Der Herzog von Gotha (Friedrich II.) wurde zum fürst­lichen Garanteur bestimmt.123 Der Beschluss des Reichshofrats und die Verpachtung des Wittums schwächten radikal ihre Kreditwürdigkeit im Alltag, sodass sie nun „nichts ohne eher zu bezahlen bekom[men] kann“.124

119 Ibid., 232, 61, Auguste Dorothea an einen der Brüder (August Wilhelm oder Ludwig Rudolf ), 17.3.1723. 120 Ibid., 63 f., 24.3.1723, Auguste Dorothea an einen der Brüder (August Wilhelm oder ­Ludwig Rudolf ). 121 Ibid., 73. 122 Ibid., 75. 123 Ibid., 92 f., Pachtvertrag. Auguste Dorothea wollte zunächst auch bei diesem Verfahren den Kaiser einschalten. 124 Ibid., 98.

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1723 endete die formale Auseinandersetzung mit einem Vergleich zwischen Auguste Dorothea und Fürst Günther von Schwarzburg-Sondershausen, in dem sie sich mit zweitausend Reichstalern abfinden ließ.125 Das Dokument bescheinigt ihre letztend­liche Niederlage. In dem Vergleich vom September 1723 verzichtete sie auf alle Ansprüche aus den zusätz­lich gezahlten Ehegeldern, den Paraphernalien et cetera, weil über die finanzielle Grundsicherung hinaus ihre Forderungen, obwohl sie juristisch im Recht war, sozial und politisch nicht durchsetzbar waren. 5.3 Die Versorgung der Witwe nach dem Ende des Konflikts 1723 bis zu ihrem Tod 1751 – Bitten, Betteln, Schmeicheln, Flehen

Ab 1716 wurde die Herzogin aufgrund ihrer Konversion durch das Kaiserhaus mitfinanziert. Zu Beginn versuchte Auguste Dorothea, die Pension pro Jahr auf sechstausend Gulden zu erhöhen: „Sollte mein miserabler Zustand als er in effect ist, Ew kaysl. May bekannt sein“, müsse er doch Mitleid mit ihr haben.126 Es blieb bei jähr­lich viertausend Gulden, die vierteljähr­lich (März, Juni, September und Dezember) per Post an sie ausgezahlt wurden. Auf das regelmäßige Eintreffen konnte sie sich jedoch nicht verlassen. Oft kamen sie zu spät, oft blieben sie ganz aus und wurden später nachgezahlt. Et­liche Bittbriefe an den Kaiser und Nachfragen nach dem säumigen Geld haben sich erhalten.127 Nach dem Tod Kaiser Karls VI. blieben die Zahlungen zehn Quartale lang aus und es bedurfte einiger diplomatischer Anstrengungen, sie wieder zu reaktivieren.128 Mit der Konversion war es Auguste Dorothea kurzfristig gelungen, sich in der Gunst des Kaiserpaars zu sonnen. Spätestens zum Zeitpunkt des harten Schiedsspruchs des Reichshofrats 1723, der ihren Gläubigern zu Recht verhalf, hatte sie diese verwirkt. Ihre Reaktion oszillierte zwischen Selbstmitleid, Sorge um den Verlust der kaiser­lichen Gunst und direkter Kritik am Verhalten des Kaiserpaares: 125 NLA WB, 1 Alt 24, 230, 95 f. und ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. VI, 97, 3.9.1723, Vergleich. 126 HHStA Wien, Kleinere Reichsstände 501, 547, Auguste Dorothea an Kaiser, 13.10.1715. 127 Siehe Briefe zwischen 1724 und 1741: HHStA Wien, Kleinere Reichsstände 502, 1 – 38. Später an Maria Theresia. 128 Die Ausfälle wurden aber immer nachgezahlt und der Anspruch an die Pension konnte auch vererbt werden. NLA WB, 1 Alt 24, 237, 3 ff.

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„[…] geschwiegen dem Schpott und dem Schimpf so ich daran habe und wie die Leutte albereits daran raisonnieren, dass selbst an mir als einer so mehr Anverwandten der Keyserin geschulde und die mich bey anderig Religion ihro Mayesstet der Keyserin in Protection gethannen, anjetzo ich aber zur Schande aller meyner Familie in die Hände meines ärgsten Feinde abgegeben werde […] und mich das Prod und Lebensmittel von dem Maull weg nehmen würden, welches ein Himmel schreinend Sünde ist, aber wör ist der Samariter so sich meyner erbarmet und vor mir schpricht ihro May: die Keyserin hat mich gäntz­lich verlassen.“129

Ihre offene Kritik am Kaiserhaus ging so weit, dass sie bat, Gott solle diejenigen strafen, die „Witwen und Weißen drüket und ihm ihr brod nimbt davon sie das Leben haben“. Die Verzweiflung der Herzogin und ihre Rat- und Hilflosigkeit in dieser Situation waren groß und so schrieb sie ihrem Bruder Ludwig Rudolf: „Meynes Hertzen Angst [ist] so groß […], dass ich vergehen mögte, können sie mich nicht witter helfften so bethen sie vor mich dass mich Gott nicht mit trost verlässt und mir helfte.“130 Von ihrem Bruder, dem Vater der Kaiserin, wurde sie zunächst beruhigt. Doch die Funkstille aus Wien deutete sie zu Recht als Signal der Verstimmung: „Mein Creutz würde mir aber umb ein großes gelindert werden, wenn nur dann und wann von höchst gnädigster Mayestet ein allergnädigstes Antwortschreiben gleich wie ich vormals die Gnade gehabt erhalt thätte, wie ich denn dießes Jarr auch nicht ein mal auff mein allerunterthenigsten Neujarreswunsch einige selbe zur Antwort bekommen worauß billig eynige Ungnade judiciren muß.“131

Ludwig Rudolf versprach, sich bei seiner Tochter und ihrem Mann für die „Alimentation“ seiner Schwester einzusetzen, was er ein halbes Jahr später bei einem Besuch in Prag im November 1723 auch tat.132 In Bezug auf die ­Kaiserin und den Kaiser funktionierte die Einflussnahme am schlechtesten über direkte Ansprache,

129 Ibid., 232, 64. 130 Ibid. Ihre Situation wird argumentativ immer wieder gegenüber dem Kaiserpaar in den Zusammenhang der Konversion gestellt: „Ihre sehr bittere und zum Spott aller umb sie wohnenden uncatho­lischen Fürsten und Adels, täg­lich sich vermehrende Noht“. HHStA Wien, Kleine Reichstände 502, 1, Rat Hallenhorst an Kaiser Karl VI., 3.7.1724, Bitte um Überweisung von dreitausend Reichstalern. 131 NLA WB, 1 Alt 24, 232, 80. 132 Ibid., 87.

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sondern am besten über die Vermittlung durch die Eltern der Kaiserin, und zwar einzeln, durch den Vater Ludwig Rudolf und die Mutter ­Christine Luise. Das Wohlwollen dieser beiden galt es daher im Blick zu behalten. Sie bedankte sich also für „die gethanen vorbitten bey beyderseits May: mayesteten Eyner allergnädisgten Hülfe zu meiner jetzigen Bedrängniß“ und bat zugleich, doch bitte weiter in Wien in ihrem Sinne zu agieren. Für das Haus wurde Auguste Dorothea vermehrt zu einer Pein­lichkeit, zu einem Problem, für das man eine Lösung suchte. In Wien hatte man erwogen, sie als Äbtissin eines Klosters zu installieren, hatte sie aber für diese Aufgabe als nicht taug­lich befunden. Einerseits wollte man sie finanziell versorgen, andererseits besser kontrollieren. Auguste Dorothea zeigte sich tief betroffen und meinte nicht verstehen zu können, wieso man in Wien so unerbitt­lich auf ihre Ansuchen reagierte. Sie beschwerte sich auch über die „unschuldige leidende Ungnad ihro May: der Keiserin, ich kann nicht ausdenken, was doch jenes mehr muß Ihre May: von mir vorgebracht sein worden, dass höchstgedachte May: in so allem und gar ungnädigen Sentiments von meiner Conduite gesetzet het und daher auf alle meine so erbärm­liche Bittschreibenß sich […] innexorable bezeigen auch bedenken tragen Mir eine Prebende [Pfründe] zu geben […]. Ich will gar gern gestehen, dass ich vielleicht wegen Mengel eineß großen Verstandeß unfähig bin die Stelle einer Abtissin zu versehen. Jedoch glaube ich, dass man, waß zu solcher Sache benötiget sich hätte könn informiren lassen. Und habe ich zeitlebens mich ziem­lich [in] anderer Leutte Humeuren [schicken] müssen, dass ich zu meinem Umbgang mit dahin mir unterge­ benen geistl wol keyne würde Ursache zu Klage geben haben. Ich steurr aber hieruaff gar nicht und woher es mir von mir ein allerunterthänigst Vorschlag, ich will gar gern in ­meynem Haus bleiben, wenn nur mir geholfften wird, dass ich meines Standes gemäß mit Honeur mich erhalten kann, und nicht meiner großen Familie zum Schpott, an Hungers Pfohtten nagen muß, woher meine Schulden rühren und wodurch sie gemacht, habe ich zur genüge erwißen. Dass sie durch Bau und Meublirung deß Haußes gemacht worden, nicht aber durch Verschwendung in Gastereyen noch auch in Schpillen oder sonst aus unanstän­digen Depensen herrühren; gnug Gott und hiesieger Nachtbahrenschafft ist bekannt wie ich lebe, ich will ew lbd mit unnöthigen Remonstration nicht weitter beschwer­lich fallen, willen solches doch alles nicht helffen will ihro May: von derro einmal üblen gesagten Meinung abzubringen.“133

133 Ibid., 94.

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Wieder und wieder befand die Herzogin sich in der Rechtfertigungspf­licht nachzuweisen, wozu sie das Geld benötigt hatte. Auf den auf der familiären Verbindung beruhenden und durch die Konversion bekräftigten Rückhalt im Kaiserhaus hatte sie sich zu sehr verlassen. Als kinderlose Witwe hatte sie ihrerseits nichts zu bieten. Sie besaß weder Macht noch Ansehen oder wichtige politische Verbindungen. Ihr ehemals treuer Fürsprecher Lothar Franz von Schönborn hatte sich aus dem Disput zurückgezogen. 134 Ihrem Bruder gegenüber versicherte sie, niemals in Briefen nach Wien „den Resepct so ich beyderseits May: Mayesteten schuldig bin keyneswegs vergessen auch niemals gegen solchen gehandelt noch mich in meinem Brieffe vergessen gehabt als welche nur mit […] Flehen jederzeit angefüllet gewesen“.135 Es musste ihr klar sein, dass ihre Klage über das Verhalten der Kaiserin, die sie im März gegenüber dem Bruder geäußert hatte, doch den Weg nach Wien gefunden haben musste. Als sie Ende November 1723 erstmals wieder „die allerhöchste Gnade“, einen Brief der Kaiserin, erhielt, berichtete sie überschwäng­lich dem Bruder und bat weiter, er möge immer weiter ihren Namen bei der Kaiserin in Erinnerung bringen, damit die Aussicht auf eine zusätz­liche finanzielle Absicherung aussichtsreicher werde.136 Dieser langersehnte Brief stellte das Zeichen für die gnadenvolle Wiederaufnahme in den Reputationskreis des Kaiserhauses dar. Es wird sich dabei aber noch nicht einmal um ein Handbillet gehandelt haben, sondern um ein kurzes Kanzleischreiben. 1725 brachte sie sich wieder in Wien in Erinnerung als eine „trostlosen und verlassenen Wittibt und Convertitin“. Dabei verlor sie völlig die Contenance: „Daß ich in die äußerste Noth gerathen bin und mir das Feuer beginnet auf die Finger zu brennen, darumb ruf und schrey Ew May: wollen sich Meyner erbarmen und nicht zulassen, daß ich […] ew may und may der Kaiserin als eyner nahen Anverwandten zum Disrespect in der äußersten Ahrmuth gerathen möge.“137

Spätere Anfragen an die Tochter Elisabeth Christines, Kaiserin Maria Theresia, geschahen nie mehr direkt, sondern stets über den Wolfenbütteler Diplomaten in Wien von Moll, die Hofmeisterin der Königin Gräfin von Paar oder die

134 135 136 137

Nach 1723 lässt sich kein Kontakt mehr nachweisen, obwohl er noch bis 1729 lebte.

NLA WB, 1 Alt 24, 232, 100.

Ibid., 98, Auguste Dorothea an Ludwig Rudolf, 27.11.1723.

HHStA Wien, Kleine Reichstände 502, 3. 19. Mai 1725. August Dorothea an Kaiser Karl VI.

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„Vice Cammer-prädidenten Baron von Prandau“ und „Bancalitätspräsidenten von Hilleprand“.138 In der Folge bettelte sie bei den umliegenden Fürstenhäusern um Geld und Naturalien. Je öfter sie um die Gunst bat, desto weniger erfolgreich waren ihre Bitten. Im Januar 1729 hatte Herzog Johann Wilhelm von Sachsen-Eisenach (1666 – 1729) ihr „auf die bevorstehende Gartenzeit aus dem Schwanensee ein Centner Fische auf dero Verlangen“ geschenkt. Er mache sich „ein Plaisir Ew Lbd hierunter an Hand zu gehen“. Kurzfristig überlegte es sich der Herzog doch anders und hatte „resolvirt daß der verwitweten Frau Fürstin zu Arnstadt Ihr durchl. der mentionirte Centner Fisch nicht abgegeben werden sollte, und hätte man desfals eingelaufene fürstl. Schreiben unbeantwortet liegen zu lassen“.139Vermut­lich hatte sie bereits einmal zu oft um Hilfe gebeten. 1726 schien Auguste Dorothea wieder in einer massiven Finanzkrise zu sein. Um ihr aus der „jetzigen Armuth“ herauszuhelfen, unterhielt Ludwig Rudolf sie zunächst monat­lich ein Jahr lang mit fünfhundert Reichstalern. Ab Oktober 1727 reduzierte sich der Betrag auf monat­lich einhundert Reichstaler. Diese Unterstützung erfolgte allerdings unter der Bedingung, dass sie „ohne die höchste Noth auch keine neuen weiteren [Schulden] machen“140 durfte. Im März 1735 endeten die Zahlungen. Neun Jahre lang musste Auguste Dorothea pro Monat eine Quittung über diesen geringen Unterhalt unterzeichnen, der ihr das Überleben ermög­lichte und ihren Hofstaat erhielt. Die Mög­lichkeit zu standesgemäßer 138 Bei der Auszahlung der rückständigen Gelder aus Wien verlor die Herzogin vierzig Prozent; Rat Heiligenstadt riet ihr unter dem Hinweis: „[H]inter dem Geld in Wien steckten die Juden“ zu handeln. Sie beraten, ob dies eventuell die Ungnade der Königin nach sich ziehen könnte und belassen es dabei. NLA WB, 237, 5 – 15. 139 ThHStA Weimar, Eisenacher Archiv, Hof und Haushalt 1229, 2.2.1729. Mit dem Herzog von Weimar-Eisenach begab sich noch eine weitere aufschlussreiche Episode. Als die Frau seines Bruders Herzog Johann Georg II., Sophie Charlotte (1671 – 11.9.1717) im September 1717 auf Schloss Alstedt starb, wurde ihre Hofmeisterin arbeitslos und bat Auguste Dorothea dringend um Rückgabe von knapp zweitausend Reichstalern. Auguste Dorothea wandte sich an den Herzog mit der Bitte, ihr das Geld für die Hofmeisterin vorzustrecken, was ­dieser ablehnte. An der Kommunikation zeigt sich, dass das Umfeld (auch die Hofmeis­terin) gut über Auguste Dorotheas Situation informiert war und ihre Aussichten auf finanzielle Konsolidierung pessimistisch einschätzte: Im Briefkonzept vom 23.9.1717 ist die Passage in Bezug auf den Rechtsstreit über die Witwenbezüge, die „vielleicht noch lange ausgesetzt sein dürffte“, durchgestrichen und wurde korrigiert zu: „ein Rechtsspruch in Wien binnen Kürtze in dero Faveur geschehen muss“. THStA ­Weimar Eisenacher Archiv Hof und Haushalt 1989. 140 NLA WB, 1 Alt 24, 234, 66.

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Lebensführung wurde damit nicht garantiert. Oberhofmeister von Kranichstein, der Mann an Auguste Dorotheas Seite während der Witwenzeit, fragte in ihrem Auftrag in Blankenburg an, ob die Zahlungen nicht vielleicht auch zu Anfang (und nicht am Ende) des Monats kommen könnten?141 5.4 Sorge um den Nachruhm

Auguste Dorothea litt unter dem permanenten finanziellen Engpass, der einzig durch das ihrer Meinung nach standesgemäß notwendige Verhalten zustande gekommen war. Ihre größte Sorge war der soziale Abstieg und der Verlust der Reputation durch die dauernde Verschuldung. Zu Lebzeiten, soweit war ihr klar, würde sie nicht in der Lage sein, ihre Schulden abzutragen. Sie war deshalb mehrfach auf der Suche nach einem Erben, der bereit sein würde, nach ihrem Tod all ihre Habe zu verkaufen, um damit alle Schulden zu bezahlen.142 Als wertvollen Besitz führte die Herzogin das Schloss, dessen Inventar sowie das „Speckstein-Cabinet [Mon Plaisir?], das Silbern Service, die Schildereyen und das indianische Porcelain“143 an. Von keinem der genannten Gruppen von Kunstgegenständen war sie bereit, sich zu Lebzeiten zu trennen. Ihr einzig wertvoller Besitz war ihr Lustschloss, das sie mehrfach als Hypothek benutzte und zur Besitzsicherung und Kostenreduktion zu verschenken versuchte. Erstmalig bot die Herzogin bereits 1711, kurz nach seiner Fertigstellung, das Schloss ­Christian Wilhelm von Sondershausen zum Kauf an. Der aber machte von seinem Vorkaufsrecht keinen Gebrauch und ließ mitteilen, Auguste Dorothea könne ihr„schon berüh[m]tes Hauß anderweit nach der Convenietz veralie­niren“.144 Im Februar 1720 verhandelte sie mit ihrem Bruder Ludwig Rudolf über die Schenkung des Schlosses an ihn.145 Ludwig Rudolf aber wollte das Schloss nicht geschenkt haben. Während der Schenkungsverhandlungen kamen einige widrige

141 Ibid., 235, 1 und 4 – 46 Quittungen. 142 Die Verschuldung der Herzogin hatte weitreichende Folgen nicht nur in Bezug auf ihre Reputation. 1718, als der Streit um ihre Witwenversorgung noch in vollem Gang war, bestätigten die beiden eingesetzten Erbinnen, ihre Nichten Antoinette Amalia und ­Elisabeth Ernestine Antonie, aus dem später an sie fallenden Erbe zuallererst die Gläubiger zu befriedigen. Ibid., 230, 93 u. 94. 143 Ibid., 232, 27. 144 Ibid., 241, 28. Brief vom 10.3.1711. 145 Ibid., 232, 16 f. und 24.

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Umstände ans Licht. Grund und Boden der Augustenburg sollten nach ihrem Ableben an Sondershausen zurückfallen. Zwar erbrachten die Fabrik und die Ländereien jähr­lich 250 Gulden ein, aber das Schloss selbst war 1720 mit einer Hypothek für die Leipziger Kaufleute Albrecht und Piper in Höhe von viertausend Reichstalern belastet.146 Das Silberservice war an ihren Oberhofmeister von Kranichstein für 6.759 Reichstaler verpfändet. Zusätz­lich hatte die Herzogin Außenstände für Galanterie- und Kramwaren über knapp 16.000 Reichstaler und ihre zu diesem Zeitpunkt baldig vermutete Beerdigung sollte sich auf achthundert Reichstaler belaufen.147 Auch ihrem Bruder versprach sie „so viel wie mög­lich meyner Schulden noch zu Lebzeiten zu begleichen“.148Angeb­lich ging es ihr nicht darum, den Bruder finanziell zu belasten, doch ihr Rat Hallenhorst konnte nicht umhin, nach Blankenburg zu melden, dass „­Serenissimaes gnädigste Intention ginge dahin, dass Donatarius […] die Schulden […] bezahlen“.149 Zwischen den Räten aus Blankenburg und der Augustenburg wurden klare Worte gewechselt. Ludwig Rudolf habe sich bei der Herzogin „selbst verschuldeten Zustande zu nichts verbindtlig machen“ können, sollte sie sich aber selbst daraus befreien können, wäre er gern behilf­lich.150 Auguste Dorothea musste Stimmungen erspüren und flexibel reagieren. Als ihr Bruder Ludwig Rudolf die Erbschaft und Schenkung der Augustenburg 1720 ausschlug, zeigte sie daher Verständnis für seine Reaktion, bekräftigte ihre „zarte Tendresse“ und wollte auf keinen Fall, dass er sich wegen ihrer Schulden belaste.151 Zeitgleich verhandelte ihr Rat mit den Räten des Bruders über eine

146 Tatsäch­lich ist ihr Bemühen nachweisbar, Schulden zurückzuzahlen. 1719 und 1720 führte sie je zweitausend Reichstaler an Albrecht und Piper in Leipzig ab. NLA WB, 1 Alt 24, 232, 68. 147 Ibid., 27 – 29. Heinrich Anton Hallenhorst, Witwenrat am 7.10.1720. Dass im Februar 1703 Herzog Friedrich von Sachsen-Gotha sich persön­lich bei ihr für die Bezahlung von Rechnungen eines seiner Untertanen einsetzte, muss eine große Pein­lichkeit gewesen sein. ThStA Ru, Kanzlei Arnstadt, 421, 117. Brief vom 8.2.1703. Ganz besonders dreist benahm sich 1719 der Gläubiger Wolfgang Appell. Die Herzogin hatte schon seit Jahren Schulden beim Arnstädter Hospital St. Georg als auch beim Gotteskasten. Schrift­liche wie auch münd­liche Vorträge bei ihr hatten jedoch nicht gefruchtet. Da er nun gehört hatte, dass die kaiser­liche Kommission bald beendet und er, Christian Wilhelm, nun doch Geld zahlen müsse – ob nicht der Fürst ihm direkt sein Geld geben könne? ThStA Ru, Konsistorium Arnstadt 1859, 9.7.1719 Johann Wolfgang Appell an Christian Wilhelm von Sondershausen. 148 NLA WB, 1 Alt 24, 232, 35. 149 Ibid., 37. 150 Ibid., 39. Rat von Campen, Blankenburg an Rat Hallenhorst, Augustenburg, 13.10.1720. 151 Ibid., 41 u. 45.

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regelmäßige Apanage für sie. Die Informationspolitik auf der Ebene der Räte machte es mög­lich, kritische Töne aus der direkten Kommunikation zwischen den Familienmitgliedern herauszuhalten, damit alle Beteiligten das Gesicht ­wahren konnten. Wurden die Forderungen und Gegenmeinungen zu unverschämt, wurde das Gesagte als Missverständnis der Räte oder als Ergebnis von schlechter Beratung deklariert. Auguste Dorothea beherrschte die Kommunikation ‚über die Bande‘: Auch als klar war, dass ihr Bruder die Schenkung wegen der daran gebundenen Schulden nicht übernehmen würde, versuchte sie dennoch, aus der Situation Gewinn zu schlagen. Sie schrieb an dessen Rat und behauptete, sie habe gehört, ihr Bruder wolle ihr eintausend Reichstaler pro Jahr schenken. Dieser leitete die Anfrage an den sicht­ lich überraschten Herzog weiter. Auguste Dorothea plädierte auf Missverständnis, „sonderbare Fatalitet“,152 betonte ihren eigenen Verdruss in der Sache, er möge ihre Anfrage „pardoniren“, sie habe nicht gegen die „schuldige schwester­liche Liebe handeln wollen“, er möge „persuadirt sein, dass keyne Falschheit bey mir statt findet“. Sie wäre, hätte sie das Geld, immer bereit, seine Schulden zu übernehmen, es wäre niemals ihre Intention gewesen, ihn zu „incomodiren“, er möchte sich doch aus ihrem Haus ein Geschenk aussuchen. Sie ließ ihre „les sincere sentiments de votre fidelle soeur“ hinterbringen.153 Ludwig Rudolf bedankte sich letzten Endes für das ihm entgegengebrachte Vertrauen und die „schwester­liche Affection“ und lehnte die Schenkung ab mit der Begründung, er werde wohl nicht mehr lange leben und zudem habe er Skrupel, der eigent­lichen Erbin (seine Tochter) die Erbschaft zu verkleinern.154 Trotz dieser Absage erhielt sie hiernach mehrfach Geld von ihrem Bruder vor und während seiner Zeit als regierender Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel. Der Dank für seine Hilfe brach sich in Briefen Bahn: „Geliebter Bruder mit waß vor Worten soll ich Ew lbd meyner Reconnoissance versichern, vor dess mir Ewer Schriebes present, welches ich mit tausend Thränen geküßet und so sehr mir solches ertreumt, willen es mir anietzo große Hülffe giebet, so sehr schmerzet eß mich dass sie dadurch sich zu derro jetzigen Beschwerniß incomodiret, ich bin aber in meynem Hertzen versichert, dass die gött­liche Güthe solche Wohltat an mir alß einer armen Frau erwißen mit millionen Segen ew lbd belehnen wird dass sie dießen Segen augenschein­lich vermachen werden. Gott erhörr mein Gebeth und laß Ew Lbd dem

152 Ibid., 49. 153 Ibid., 49 – 50. 154 Ibid., 232, 53 f. Ludwig Rudolf an Auguste Dorothea, Dezember 1720.

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Segen ihrs hl Vattero seliger auff sie ruhen. Er segne alle Ihre thun […] und setze sie zum Segen ewig­lich Amen. Dieses wünschet mit aufrichtigem Hertzen und Gemüthe Ew Lbd getreue Schwester und Magt AD.“155

Nicht immer war ihr Verhältnis zu ihm so rosig. Im November 1723, obwohl Ludwig Rudolf sich gerade bei seiner Tochter, der Kaiserin in Wien, für Auguste Dorothea eingesetzt hatte, gratulierte sie ihm lakonisch zu dem gerade erhaltenen Government in Schleswig, das ihm jähr­lich vierzigtausend Reichstaler einbringen sollte, und verwies darauf, dass sie wohl dennoch von ihm keine Hilfe zu erwarten habe.156 Eine paar Tage später relativierte sie den Vorwurf und bedankte sich für den Einsatz gegenüber der Kaiserin.157 Gegenüber ihrem Großnefffen Herzog Carl war die Distanz größer, dementsprechend verstärkten sich die Erwähnungen der Familienbande sowie die Unterwerfungsrhetorik dem männ­lichen Familienoberhaupt gegenüber. Das Abhängigkeitsverhältnis zur nächsten Generation ließ keinen Spielraum für persön­liche Auseinandersetzung. Carl agierte aus Wohlwollen einem entfernten Familienmitglied gegenüber. Er muss aber kaum noch persön­liche Bindung zu Auguste Dorothea besessen haben. Den jungen Carl erinnerte sie oft an die präzise verwandtschaft­ liche Verbindung zu ihr, war sie doch die Schwester des vorherigen Regenten, seines Großvaters. „Ew lbd haben den Ruhm, dass derselbige ein güttiges und genereuses Gemüthe und Hertz haben und also mich arme alte Frau auch nicht ungetröstet lassen werden […] zu male eyner so nahen Anverwandten.“158 Carl reagierte meist sehr prompt und grundsätz­lich wohlwollend auf ihre Anfragen. Er beriet sie in Fragen des Testaments, sandte Räte zur Betreuung, half finanziell und vermittelte ihr den Eindruck, Teil des Familienverbands zu sein. Ihre Anfragen seien für ihn stets „eine besondere Ehre“, und er wolle „gern an Hand gehen“.159 Ihre Anliegen brachte sie ihm gegenüber zwar direkt vor, aber immer begleitet durch eine Vermittlung durch seine Mutter, ihrer Nichte Antoinette Amalia. Als 1738 ein Brand in ihrem Witwenamt Keula ausbrach und sie wegen der Flurschäden kaum Einnahmen hatte, wandte sie sich mit der formalen Anfrage um Hilfe an Carl. Die Ausschmückung des Elends überließ sie seiner Mutter.160 Carl setzte 155 156 157 158 159 160

Ibid., 57 f., Auguste Dorothea an Ludwig Rudolf, 16.1.1723. Ibid., 96, 24.11.1723 Auguste Dorothea an Ludwig Rudolf. Ibid., 98. NLA WB, 1 Alt 24, 236, 4 f. Ibid., 8 und 15. Ibid., 15 – 18.

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sich in dieser Angelegenheit unverzüg­lich für sie in Sondershausen ein. Dort verweigerte man der alten Witwe, wie erwartet, Ersatz für ihr niedergebranntes Dorf. Auguste Dorothea erwog tatsäch­lich, noch einmal vor den Reichshofrat zu ziehen, entschied sich aber dann dafür, „umb Fride und Ruhe zu haben und in […] Freundschafft zu leben […,] den Schaden über mich ergehen zu lassen“.161 Bis die Bauern wieder auf die Beine gekommen sein würden, lieh sie sich Geld vom Fürsten zu Rudolstadt und bat auch Carl um Geld. Carl erwürbe sich den „Ruhm, daß sie eine arme Verwandtin in ihrem bedrügten Zustandt nicht hilflos gelassen“. Aber auch Carl war vor ihrer Kritik nicht gefeit. Seine Anfrage in Sondershausen hatte für Wirbel gesorgt, der nun negativ auf die alte Herzogin zurückfiel. Man war dort „in die Opinion gesetzt worden […,] alß ob über dieselben mißvergnüget bey Ew lbd darum angehalten hätte“. Genau das hatte sie getan, aber offensicht­lich nicht gewollt, dass Carl den offiziellen Weg beschritt. Mit den Sondershäusern lebe sie in „guter Harmonie“, man habe ihr von dort „viele Höf­lichkeiten erwiesen“.162 Hätte er sein Handeln nicht mit ihr absprechen können? Es war schwer, es der Tante recht zu machen. Mit dem Tod des Sonders­ häuser Regenten Günther 1740 kam neue Unruhe auf und Auguste Dorothea fürchtete zum einen eine schlechtere Versorgung unter dem Nachfolger H ­ einrich, aber auch politische Unbillen durch weitere Einmärsche Sachsen-Weimars, die den unabhängigen Status des ehemaligen Lehensnehmers immer noch nicht akzeptierten. So bat sie Carl bei der Kenntnisnahme des Regierungswechsels, ihre „Person und Interessen“ zu empfehlen.163 Nachdem Carl die offizielle Nachricht aus Sondershausen erhalten hatte, kam er umgehend ihrer Bitte nach und bat um die Fortsetzung von Auguste Dorotheas Bezügen. Im November 1742 muss ihre Not wieder sehr groß gewesen sein. Unumwunden und ohne Rhetorik schrieb sie flehent­lich an Carl: „Hier kumpt eyne arme verlassene Verwandtin und bittet Ew lbd flehent­lich umb derro Gnade und Erbarmung dass die selbige auß christl. Liebe ihr wenigstens mit 200 rthl in ihrer höchsten Noth beyspringen wollen. Gnädiger Herr Mein Ahrmuth ist wegen den zurück geblieben meiner Penssion [so groß,] da mir aller Hulfte und mensch­lichen Rath 161 Ibid., 17. 162 Ibid., 21. 163 NLA WB, 1 Alt 24, 236, 22, 3.12.1740 Auguste Dorothea an Carl. Die offizielle Information über den Regierungswechsel erging bereits von Heinrich an Carl am 29.11.1740. Beteuerung der guten Beziehung und Versicherung sowie Bitten um deren Fortsetzung sind die Ziele. Ibid., 27.

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und Beystand fehllet, ich mich nicht […] zu hulften noch zu rathen weiß, und ich in die höchsten Mühen mich befinde, also wollen die selbigen in regard ich doch ein Kindt derro hohen fürstl Haußes bin, mich durch diese demütige Bitte […] diesse 200 rthl alß eyne christl Almose eyner betrübten Anverwandten […] ew lbd wollen die Gedult nehmen und sich von derro Frau Mutter eröffnen lassen in waß für Drangsahl ich mich befinde […] kurzt ich bitte allerliebster Herr Vetter sie erbarmen sich aber mir und denken dass ein Gott im Himmel ist der versprochen hat, alles so man den Armen gibt reich­lich zu ersetzen.“164

Drei Tage später wandte sie sich an seine Mutter und schickte kein kopfloses Handbillet, sondern ein Kanzleischreiben. Auguste Dorothea hatte sich während ihres Prozesses um 1720 eintausend Reichstaler von dem noch jungen Kammerjunker von Schelika zu Sondershausen geliehen. Damals war der Leihgeber selbst noch unmündig und Auguste Dorothea hatte ohne die Zustimmung ihres Kurators agiert. Obwohl sie das Geld erhalten hatte, erklärte sie den Rückzahlungswunsch für ungehörig und den ganzen Vertrag für nichtig, eben weil der Junge noch unmündig und „eine Dame ohne Authorité eines Curatoris dergleichen Handlung nicht mit Bestande schließen kann“.165 Im Nachhinein erklärte sie ihre eigene Handlung als rechtswidrig, obwohl sie in den Nutzen des Geldes gekommen war. Hier wurde die Geschlechtsvormundschaft strate­gisch instrumentalisiert (aber nur gegenüber ihrer Nichte) und gezielt als Argument der eigenen Unzurechnungsfähigkeit verwandt. Als zweite weib­liche Verbündete versuchte sie, die ehemalige Gemahlin Fürst Günthers, Elisabeth Albertine, die zweite verwitwete Fürstin von Arnstadt, zu aktivieren. Diese jedoch fand die Angelegenheit „zu delicat“, um sich einzumischen, schlug aber vor, sie umgehend nachmittags zu besuchen.166 Der Legationsrat von Moll, der die Angelegenheit Wolfenbüttels in Wien vertrat, agierte ebenfalls in Auguste Dorotheas Interesse. Im Dezember 1744 brachte man auf Befehl Maria Theresias (1717 – 1780) end­lich die Wiener Pension wieder in Gang. Die rückständigen Quartale waren bereits eingegangen, aber auch schon wieder verbraucht. Um standes- und traditionsgemäß Weihnachtsgeschenke machen zu können, bat sie Carl nun um einen Vorschuss auf die kommende Wiener Pension.167 1747, zum Tod ihrer Schwägerin Christine Luise von Oettingen aus Blankenburg (1671 – 1747), erwähnte sie in ihrem Kondolenzschreiben, sie wolle die Herzogin mit ihrem Hofstaat betrauern, aber „mein Vermögen, ich kann es nimanden alß Ew lbd 164 165 166 167

Ibid., 36 f. Auguste Dorothea an Carl, 3.11.1742. Ibid., 38, dem Hofjuden in Sondershausen oblag das Eintreiben der Schuld. Ibid., 40, Elisabeth Albertine an Auguste Dorothea, 1.11.1742. Ibid., 44.

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in größtem Vertrauen eröffnen und klagen, zu Vermehrung meines Leidens nicht zureichet, sothane meine Obligenheit gebührend zu bewerckstelligen“. Nur zweihundert Reichstaler würden ausreichen, „dass nur nicht vor der Welt zu Schanden sondern in Stande gesetzet werden möge, solches zum Respect dero Durchläuchtigsten Haußes und zur Rettung meiner Honeur, so wie es sich geziemet“168 auszuführen. Zu Beginn des Jahres 1748 schickte Herzog Carl seinen Sekretär Hirsch nach Arnstadt, um bei der alten Tante nach dem Rechten zu sehen. Das Schreiben beginnt mit einem Bericht über die Gesundheit der Frau Herzogin, die „in dem hohen Alter überaus gut“ sei, nur wäre sie fast blind. „Die aufrichtige gnädigste Erzählung aller Ihrer Umstände erwecken empfind­liches Mitleyden und umso mehr da kein Mittel sehe, wie höchst dieselbe zu beßern.“169 Seinem Urteil nach waren viele der Bediensteten überflüssig. An rückständigen Besoldungen hatten sich 5.224 Reichstaler angesammelt und aufgrund dessen „sind die mehresten trotzig“. Die blinde Auguste Dorothea war in ihrem Lustschloss ihrem Personal ausgeliefert und musste sich vieles gefallen lassen, alles mit Gelassenheit ertragen und jeden mit Kleidung, freier Wohnung und Essen versorgen, weil sie keine Löhne mehr zahlen konnte. Sonstige offene Rechnungen oder ausgeliehenes Kapital betrugen knapp 13.500 Reichstaler, sodass sich die Gesamtschulden auf 18.693 Reichs­taler beliefen. Aus Wien stünden noch die Pensionsgelder aus den Jahren 1741 bis 1743 aus. Sonst bleibe nur das Schloss samt Inventar. Doch „die Vorstellung, das wenige Silber zu vermüntzen herzu geben scheinet noch kein Gehör zu finden“. Auch wenn die Herzogin selbst nichts mehr sah, so sahen doch alle anderen, ob sie standesgemäß mit Silberbesteck und von silbernen Tellern aß. Insgesamt ­dauerte es viele Jahre, bis Herzog Carl wirk­lich steuernd eingriff. Mitte des Jahres 1748 bat die Herzogin ihren Großneffen um dauerhafte Endsendung eines Rats. Vermut­lich war ihr der Gedanke angenehm, einen Vertreter ihres Hauses auf der Augustenburg zu wissen, der ein Auge auf alles haben würde und ihre beiden Augen ersetzen konnte.170 Ihre „sich täg­lich häufende Betrübniß und kummervollen Umstände“ gleichen „jener Wittben in Evangelis“ und zwingen sie dazu, „in Bitten und Flehen unabläß­lich fortzufahren“. Drei Jahre vor ihrem Tod hörte sie auf, selbst Briefe zu verfassen. Allein das Unterschreiben der Kanzleibriefe fiel ihr immer schwerer und oft befand sich diese mitten in der Abschrift. Die Summen, um die sie bat, wurden mit dem Alter kleiner. Immer wieder rechnete sie ihre

168 Ibid., 49. 169 Ibid., 52. 170 Ibid., 59 f.

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Abb. 53: Mon Plaisir, Kleines Vorwerk, Fleischerei

Einnahmen und Ausgaben vor, schummelte dabei aber bei den Beträgen der Ausgaben. Anstatt mit den Geldgeschenken die Diener zu entlohnen, nutzte sie das Geld für den Kauf von Luxusartikeln (Textilien). Mit kleineren Pausen verfügte sie jähr­lich über mindestens zweitausend Reichstaler Einnahmen aus Keula und viertausend Gulden Pension aus Wien.171 Dazu kamen geschenkte Einzelbeträge oder auch zusätz­liche Apanagen durch die Familie. Ihre Bediensteten bekamen pro Jahr 660 Reichstaler an Lohn, dazu Logis, Holz und teilweise Kost.172 Mit dieser Geldmenge hätte sie auskommen können. Gegenüber Antoinette Amalie erwähnte sie im September 1749: „Biß dato habe noch das Kostgeld für meine Bediente, so gut alß mög­lich bestritten, dass es noch niemahlen daran manquiret hat, aber zuletzt und auf solche Weise will auch dieses fehlen, dass es nicht mehr auftreiben kann. Und gedenke ich vollends an den Fleischliferanten, dem nun auf ein halbes Jahr schuldig bin, dass der aufwachen möchte, so stehen mir die Haare zu Berge.“173

171 Dies entsprach umgerechnet ca. 2.660 Säch­sischen Reichstalern. Siehe http://www.pierre-­ marteau.com/currency/converter.html [13.7.2014]. 172 NLA WB, 1 Alt 24, 238, 59 ff., komplette Lohnliste aller Bediensteten 1751. 173 Ibid., 237, 12.

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Herzog Carl half ihr treu mit kleinen Beträgen, verlängerte Rückzahlungsfristen oder erließ diese ganz. Am Ende ihres Lebens verpfändete Auguste Dorothea sogar ihren eigenen Nachlass.174 Ganz besonders wichtig war ihr die Bezahlung ihrer Schulden nach ihrem Tod, vor allem aber der korrekte Umgang mit ihren Bediensteten, „allen denen so unter meiner Hand und Siegel“, damit sie nicht „in der Erde beschimpffet und mir nach gezeiget werden möge“.175 Sie verfügte auch über ihren Tod hinaus über das Geld ihrer Verwandten und bat Herzog Carl, „meyne armen verlassnen Leuten in Seynen gnädigsten Schutz [zu] nehmen, ihnen die gewöhn­liche Treue geben zu lassen und sie ohne die 6 Wochen nicht fort zu schaffen auch die wenigen Legate so ich eyn und dem anderen vermachen würde allen gnädigst reichen zu lassen“.176 Dabei vermachte sie in ihrem Testament Legate in Höhe von 6.370 Reichstalern.177 Anstandslos wurden von der Familie alle Wünsche erfüllt.178 5.5 Am unteren Ende der sozialen Elite – Notwendige Verschuldung zum Statuserhalt

Die Herzogin war lebenslang finanziell abhängig und konnte sich nie daraus befreien, obwohl sie ihre Haushaltung mit dem Plan der Autarkie und des aktiven Unternehmertums betrieb.179 Die soziale Reputation innerhalb der Adelsgemeinschaft war von größter Bedeutung für sie. Da sie dieser nicht durch die Erfüllung ihrer primären Verpf­lichtung als Frau (und Mutter) nachgekommen war, verlegte sie sich auf das Repräsentieren von Status vermittels luxuriöser Kleidung, Ausstattung und Ausstaffierung der Räum­lichkeiten und kostspie­liger Lustbarkeiten (Bankette, Reisen, Feste, Theater, Messen, Divertissements). Weder 174 So bei einer Summe von 2.400 Reichstalern zugunsten des Juden Isaac Moses zu Frankfurt. Die Wiener Pension war bis nach ihrem Tod an ihn verpfändet. Ebenso mit 535 Gulden für die Kaufleute Bianeko & Compagnie in Rudolstadt; auch 1.150 Reichstaler an die Leipziger Kaufleute Albrecht und Piper, die offenbar immer noch mit ihr Handel trieben. Ibid., 239, 20 ff. 175 Ibid., 232, 35. 176 Ibid., 34. 177 Ibid., 239, 65. 178 Zum Zeitpunkt ihres Todes verwahrte Auguste Dorothea 103 Reichstaler in ihren Gemächern. Ibid., 240, 10; nach dem Tod schickte die Kaiserin eine Zulage von 8.100 Reichs­ talern. Ibid., 240, 5. 179 Siehe Abschnitt 6.1 Auguste und ihr Schloss, S. 203.

Am unteren Ende der sozialen Elite – Notwendige Verschuldung zum Statuserhalt  |  201

mit der Regierung noch mit Kindererziehung betraut, war Auguste D ­ orothea mit den wenigen Aufgaben, die sie in dem kleinen Territorium zu erledigen hatte, unterfordert. Um als reputier­lich zu gelten, wäre es strate­gisch klüger und konfliktärmer gewesen, sich auf etablierte weib­liche Tugendentwürfe zurückzuziehen und sich angepasst zu verhalten. Doch für Auguste Dorothea bestand der einzige Weg zu Standesgemäßheit in der Herstellung und Beibehaltung eines ihr gebührenden Lebensumfeldes, und zwar unabhängig von der Finanzkraft der Agnaten und ebenso unabhängig von ihrem Familienstand oder ihrem Lebensalter. Damit provozierte sie den gegenteiligen Ruf. Die Standes- und Statuspyramide konnte notwendigerweise nur noch in ihrer eigenen Hofhaltung aufrechterhalten werden und dort auch nur mit Mühe. Vor diesem Hintergrund wurde die bild­liche Umsetzung ihres konkreten Lebensumfeldes in Mon Plaisir so bedeutsam, weil der lebenswirk­liche Referenzpunkt ihres Hofes den einzigen räum­lichen, sozialen Bezugsrahmen darstellte, an dessen Spitze sie sich tatsäch­lich bewegte. Im übrigen sozialen Feld, also den sozialen Eliten ihrer Familien, rangierte sie auf den untersten Plätzen und war selbst in einer abhängigen Position gefangen. Mon Plaisir postuliert in seiner Darstellung von Wohlstand einen Zustand, der, wie oben gezeigt, nicht stimmte. Nur für die Untertanen, Bediensteten und Bewohner der Region konnte das Bild von der reichen Fürstin aufgrund des assoziativ zugeschriebenen Status der „Tante der Kaiserin“ überhaupt funktionieren.

6. Mikrokosmos Witwenhofstaat − Lebensweltlicher Referenzpunkt der idealen Miniatur

6.1 Auguste und ihr Schloss

Die Puppenhäuser des Mon Plaisir sind keine konkreten Miniaturmodelle eines realen Schlosses oder einer Stadtanlage. Sie sind mentale Aufbewahrungskästen, die nur zum Teil einen bau­lichen Zusammenhang der Räume andeuten, jedoch hieraus keinen Grundriss eines real existierenden Schlosses erschließbar machen. Trotzdem gründet die miniaturisierte Abbildung im Mon Plaisir auf wirk­lichen (Erfahrungs-)Räumen. Wie lässt sich die Relation zwischen Miniatur und realer Welt demnach nachweisen und beschreiben? Der folgende Abschnitt rekonstruiert zunächst das materielle Lebensumfeld von Auguste Dorothea und versucht im Vergleich mit einzelnen Aspekten der Miniatur dieses Verhältnis aufzuzeigen. Zu Beginn der Witwenzeit suchte die Familie eine ‚Lösung‘ für die kostspielige Auguste Dorothea und überlegte, sie in einem Konvent unterzubringen. Dies aber lehnte sie ab und bat stattdessen darum, in ihrem Haus bleiben zu dürfen.1 Ihr Haus, die Augustenburg, war das von langer Hand geplante Lustschloss, zu dem bereits 1697 Grundstücke in der nahe Arnstadt gelegenen kleinen Ortschaft Oberndorf von Auguste Dorothea selbst angekauft worden waren.2 Bis zum Tod ihres Mannes war das Lustschloss zu einem logistisch voll funktionsfähigen, ganzjährigen Wohnsitz entwickelt worden und diente der Fürstin und später der Witwe als stabile Basis, Rückzugsort, Witwensitz und als lebenswelt­licher Referenzpunkt der idealen Miniatur. Der Versuch, die konkreten Lebensräume und Ausstattungsvorbilder, die Auguste Dorothea hauptsäch­lich umgaben, zu ermitteln, fördert fünf mög­liche Raumvorbilder für Mon Plaisir aus ihrem lebensgeschicht­lichem Zusammenhang zutage: Auguste Dorothea wuchs zunächst im Prinzenpalais in Wolfenbüttel auf und sicher­lich war ihr auch das sich direkt daneben befind­liche Schloss Wolfenbüttel sehr vertraut. Beide Orte könnten als Vorbilder gedient haben. Das Lustschloss Salzdahlum hatte Auguste Dorothea nicht als Kind erlebt, aber als erwachsene

1 NLA WB, 1 Alt 24, 232, 94. 2 Pfarrchronik (1814).

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Mikrokosmos Witwenhofstaat

Frau vielfach besucht. Zudem hatte im Vorgängerbau ihre Vermählung mit Anton Günther stattgefunden. Salzdahlum muss als wichtiger biografischer Bezugsort gelten. Das Lustschloss war besonders für die Darstellung der Magnifizenz ihrer Herkunftsfamilie von großer Bedeutung und könnte schon deshalb als Bild­geber für Mon Plaisir fungiert haben. Schloss Arnstadt, genannt Neideck, diente ihr 32 Jahre lang als dauerhafte Residenz als Gemahlin von Anton Günther. Den in Bezug auf Mon Plaisir wohl bedeutendsten Ort markierte jedoch mit ­großer Wahrschein­ lichkeit das Lustschloss Augustenburg. Das Schloss war Auguste Dorotheas eigenes Bauprojekt, das sie selbst bauen und nach ihren eigenen Vorstellungen ausstaffieren ließ. Hier verbrachte sie weitere 35 Jahre ihrer gesamten Witwenzeit. Erst auf der Augustenburg entstand der größte Teil der Sammlung und hier wurde Mon Plaisir ausgestellt. Fünf biografisch relevante Schlösser und ihre Ausstattungen wären also exemplarisch zu vergegenwärtigen beziehungsweise zu rekonstruieren, um damit eine Folie zur Beurteilung der Nähe oder Ferne der Miniaturen, der Räume und deren Ausstattung im Vergleich zum tatsäch­lichen Leben der Auguste Dorothea zu erarbeiten. An der Bezugnahme einzelner Räume des Mon Plaisir zu bestimmten Orten und damit bestimmten Lebensphasen als Prinzessin, Landesherrin oder Witwe wäre die Funktion der Sammlung ablesbar. Je nach Fokus der Inszenierung auf eine bestimmte Lebensphase kann diese als zentraler Bezugspunkt des Selbstverständnisses gelten. Oder anders ausgedrückt: Das „Ich“, das Auguste Dorothea zur Aufführung in Miniatur brachte, war lokal und temporal verortbar. Nur zwei der genannten Schlösser, das Prinzenpalais 3 und Schloss Wolfen­büttel, existieren heute noch. Schloss Salzdahlum brannte im frühen 19. Jahrhundert nieder, während Schloss Neideck aufgegeben wurde und seit dem späten 18. Jahrhundert bis auf den Turm und die Grundmauern zerfiel.4 Schloss Augustenburg 3 Während die Ausstattungen von Schloss Wolfenbüttel sowie Salzdahlum aufgrund guter Quellenlagen erforscht und publiziert sind, fehlen Informationen zur Ausstattung des Prinzenpalais. 4 Apfelstedt (1887), S. 41. Das Schloss wurde nach dem Tod Anton Günthers als Residenz aufgegeben und bereits 1748 stürzten Decken in der unbewohnten Anlage ein. Ab 1764 wurde Schloss Neideck zum Steinbruch für andere Bauprojekte (Waisenhaus, Ausbesserungsarbeiten am Neuen Palais und an der Günthersmühle). Lappe, Ulrich; Unger, Peter (2010): Zur Baugeschichte des alten Schlosses, der späteren Neideck im 16. Jahrhundert. In: Schloßmuseum Arnstadt (Hg.) (2004): Günther XLI. Graf von Schwarzburg. Flämische Tapisserien des 16. Jahrhunderts. Jena, S. 51 – 76, S. 69. Für Schloss Neideck gibt es zwar einige Inventare, aber keinen Grundriss im 18. Jahrhundert, sondern leider nur unvollständige Beschreibungen.

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wurde in den 1760er Jahren verkauft und abgerissen. Eine genaue Rekonstruktion aller Orte ist aufgrund fehlender Quellen hier nicht leistbar. Der präzise Vergleich zwischen allen realen Schlössern sowie ihrer Ausstattung und der Miniatur ist also nicht mög­lich.5 Archiva­lisch zeigt sich jedoch ein enger Bezug Auguste Dorotheas zu ihrem eigenen Bauprojekt, der Augustenburg. 6.1.1 Die Augustenburg als Lusthof, Witwenhof und Versorgungseinheit – Die materielle Referenz des Mon Plaisir

Schloss Augustenburg entstand zwischen 1700 und 1710, vermut­lich unter den säch­sisch-weimarischen Hofbaumeistern Johann Moritz Richter und Johann Mützel,6 in der circa drei Kilometer südöst­lich von Arnstadt gelegenen Ortschaft

5 Schwierig gestaltet sich die Beweisführung der Identität eines Raumausstattungsstückes. Wenn z. B. ein Inventar von der roten Damastbespannung einer Wand spricht, wird zum einen das Muster nicht übermittelt und zum anderen stellt sich die Problematik, dass die ehemals rote Wandbespannung mittlerweile vermut­lich verblasst ist, sodass die Zuordnung einige Unsicherheitsfaktoren birgt. 6 Bärnighausen, Hendrik; Donhof, Manfred (1997): Zur Tätigkeit des Architekten Johann Mützel in der Grafschaft bzw. im Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen. In: Streif­ lichter aus der Heimatgeschichte. Neustadt/Aisch. Nach ThStA Ru, Kammer Arnstadt Nr. 124, 2 und 9 wurde „Meister Richtern […] zu den Quartalen Luciae 1710 und Reminiscere 1711 zu zahlenden Summe von 57 Gulden 3 Groschen“ geschuldet. „­Mützel muss also […] zumindest wesent­liche Leistungen für die Fürstin erbracht haben, die sich in diesen Jahren kaum auf ein anderes Objekt als die Augustenburg bezogen haben können“ (S. 15 f.). Nennungen der Augustenburg: Gregorii (1711), S. 184; Treiber, Johann ­Friedrich (1718): Genealogia et Chorographia Schwartzburgica. Arnstadt, S. 93; ­Heydenreich, L. W. H. (1743): Historia des Hauses Schwartzburg. Erfurt, S. 183; Hellbach, Johann ­Christian (1787): Archiv von und für Schwarzburg. Hildburghausen; Vulpius (1820); Kühn (1936); Hesse (1841); Apfelstedt (1887); Reineck, Carl (1904): Die Augustenburg und das Mon Plaisir der Fürstin Auguste Dorothea von Schwarzburg. In: Arnstädter Anzeiger, Festausgabe zur 1200-Jahrfeier, 24.5.1904; Hertel (1924), S. 94 f.; Thalmann (1929); Pfarrer Rose (1937): Arnstadt Oberndorf: Rings um die Kefernburg. In: Thüringer Monatsblätter, Zeitschrift des Thüringer Waldvereins e. V., Bd. 45/6, 1.6.1937; Wiegand, Fritz (1939): Zur Geschichte der Augustenburg. In: Alt-Arnstadt, Bd. 12, S. 46 – 50; Wittmann (1938); Donhof, Manfred; Scheidt, Helga (Hgg.) (1985): Arnstadt. Bildende Kunst der Bachzeit 1685 – 1750. Arnstadt; Bärnighausen, Hendrik (1994): Christian Wilhelm und Anton ­Günther II. Grafen bzw. Fürsten von Schwarzburg-Sondershausen. In: Ignasiak, ­Detlef (Hg.): Herrscher und Mäzene. Thüringer Fürsten von Hermenefred bis Georg II. Rudolstadt, S. 241 – 252, S. 247 gibt die Augustenburg als Projekt von Anton Günther aus; Mück, Wolfgang (1997): Johann Mützel (1647 – 1717). Ein Wegbereiter des Barock.

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Oberndorf und war „ein durch seine Bauart wie durch seine innere Einrichtung und seine reizende Umgebung berühmtes Schloß“.7 H ­ eydenreich beschrieb das Schloss 1743 als „ein prächtiges Lustschloß, nahe bey Arnstadt unter dem wüsten uhralten Schlosse Käfernburg, von der verwittweten Fürstin zu Arnstadt […] seit a. 1700 ausgeführet, und zwar auf Art des zu Salzdahlen befind­ lichen Fürstl. Wolfenbüte­lischen Lustschlosses. Es ist insonderheit wegen des vortreffl. Gartens, welcher in kurtzer Zeit auf das herr­lichste an einem wüßten Orte angerichtet worden, zu bewundern“.8 Abb. 54: Wegeinspektor Meizner (1766), Schloss Augustenburg, Schlossmuseum Arnstadt

Neustadt/Aisch; Scheidt (2000), Stadtbild; Czech (2003), S. 260; Dehio, Georg (2003): Thüringen. München, S. 47; Kirchschlager, Andrea; Behr, Heinrich (Hgg.) (2003): Chronik von Arnstadt. Arnstadt. S. 185, 193 f.; Müllerott (2009). 7 Apfelstedt (1856), Geographie, S. 134; Die Grundrisse der Nebengebäude müssen 1856 noch sichtbar gewesen sein. 8 Heydenreich (1743), S. 183. Immer wieder findet sich in der Literatur der Verweis auf die Ähn­lichkeit zwischen der Augustenburg und Schloss Salzdahlum. Tatsäch­lich zeigen sich jedoch weder in Bezug auf die Lage des Schlosses am Fuß eines Hanges noch in Bezug auf die Konzeption Ähn­lichkeiten zwischen der Augustenburg und ihrem angeb­lichen Vorbild. Vermut­lich ist mit „in Art und Weise von“ die Bauart gemeint. Beide Lustschlösser wurden als verputzte Fachwerkbauten ausgeführt. Die Augustenburg ähnelte stilistisch eher dem Wolfenbütteler Lusthaus „Mon Plaisir“, das sich zwischen 1655 und 1711 vor dem Harztor befand. Siehe Bessin (2001), S. 33 ff. und Abb. S. 294; Nach Scheliga habe Salzdahlum versucht, „die Sandsteinfassade des Palais du Luxemburg zu evozieren“. Scheliga, Thomas (1994), Kommentar zu Bressand (1694), S. 59.

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Das Schloss erhielt sogar einen Eintrag in Zedlers „Universal-Lexicon“.9 Seine Bauzeit wird grob auf die Phase zwischen den Jahren 1700, dem Fixpunkt der Schenkung des Baulandes,10 und 1710 geschätzt. Bereits 1697 hatte Auguste ­Dorothea begonnen, dort Land aufzukaufen.11 Im Jahre 1700 befanden sich Diener der Herzogin im so genannten Fasanhaus und ein Gärtner sowie ein Konditor sind bereits 1702 als Bewohner der Augustenburg nachweisbar,12 sodass die Bauzeit von Teilen des Ensembles sehr viel kürzer gewesen sein muss als bislang angenommen.13 Der Name „Augustenburg“ ist erstmalig für das Jahr 1702 belegt. Zu diesem Zeitpunkt muss das Lustschloss schon beziehbar gewesen sein, denn im selben Jahr wurde dort die Hochzeit eines konvertierten „Türken“ gefeiert sowie die Geburt und Taufe der Tochter des Konditors.14 Ein Grundstock an Personal – Haushälterin, Magd, Konditor, Gärtner – war vermut­lich schon fest installiert, denn 1711 musste Auguste D ­ orothea eine Rechnung über Getreide begleichen, was den Schluss nahelegt, dass sie bereits fünf Jahre vor Anton Günthers Tod eine umfangreiche Hofhaltung auf der Augusten­burg unterhielt.15 Einem derart großen Bauprojekt muss eine lange gedank­liche Auseinandersetzung vorausgegangen sein. Das teure Projekt hing vermut­lich ebenfalls mit der Standeserhebung der Grafschaft zusammen, worauf sich die Verpf­lichtung zu architektonisch standesgemäßer Repräsentation erweiterte. Schwarzburg-Arnstadt verfügte 9 Zedler, Bd. 2, 1114, Sp. 2178. Hier wird ebenfalls Salzdahlum als Vorbild benannt. Weitere Nennungen: Großes Geographisches Lexikon nach Martiniere, I. Theil, S. 1787; Hübners Geographie (Ausgabe Dresden 1773), 4. Theil, S. 1121, zitiert nach Vulpius (1820), S. 426 f. 10 ThStA Ru, Kanzlei Arnstadt, Nr. 1271, Donationsurkunde 2.1.1700. Laut Fuhrmann (1985), S. 28 betrug der Wert des Gebäudes samt Inhalt 1710 bereits 19.365 Reichstaler. 11 Landeskirchenarchiv Eisenach, Kirchenbücher Oberndorf. 12 Die Magd Margaretha, siehe Landeskirchenarchiv Eisenach, Kirchenbücher Arnstadt-­ Illmenau, Kirchenbuch 1626 – 1716, Oberndorf, Dorotheental, K7 2a-1, 743 und Johannes Aldental, „Papist“ und Konditor, ibid., 737. 13 Vgl. Fußnote Nr. 24 zum Stich der Augustenburg (Gartenansicht) von Pius Rösel, Abb. bei Klein/Müller. 14 Kirchenbuch 1626 – 1716, Oberndorf 1702, S. 734: „d. 9. Septembr. ist Hr Georg Albrecht, ein Türcke, u[nd] F[rau] Johanna Christiana Augusta, einer Türckin, welche zur evange­ lischen Religion bekehret worden, copuliret worden. Die gnädig. Fürstin hat ein herr­lich Hochzeitsmahl auf der August-burg ausgerichtet.“; 1702, 737: „d. 2. Marty hat hr Johannes Aldenthal, ein Papist, der Fürstin Conditor auf der Augustenburg ein Töchterlein taufen lassen, dessen Taufpaten sind Hr Christoph Haydekampf dero gnäd. Fürstin Gärtner auf der Augustenburg und Frau Anna Elisabeth Al[b]rechts, die Haußhälterin auf der Augusten­ burgk, das Kind heißt Anna Elisabeth Maria“. 15 ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. II, 44.

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bis dato nicht über eine Sommer­residenz, und das Bauprojekt wird in diesem Sinn als Vervollkommnung des repräsentativen Bauprogramms eines Landesfürsten verstanden worden sein. Nach Penther 1762 handelt es sich bei einer „Maison de la Plaisance“ um „ein Gebäude auf dem Lande […] welches nicht gewöhn­lich bewohnet wird, sondern nur dann und wann in Sommer-Tagen zum Abtrit […]. Nachdem der Besitzer vornehm, oder reich, oder Bau-lustig, so ist auch die Größe, Kostbarkeit und architektonische Auszierung beschaffen“.16 Abb. 55: Mon Plaisir, Corps de Logis II, Magd mit Kleidertruhe

Erst im 18. Jahrhundert werden in Thüringen Lustschlösser als landesherr­liche 17 Bauaufgabe wahrgenommen. Vor allem muss aber bedacht werden, dass es sich bei Schloss Augustenburg und bei dem Grund und Boden (zumindest bis zu ihrem Tod), auf dem es gebaut wurde, um das Privateigentum von Auguste Dorothea handelte und sie selbst als Bauherrin gelten muss.18 Die Augustenburg diente demnach nicht primär einer Schwarzburger Repräsentation, sondern Auguste Dorotheas eigener Darstellung als Fürstin. Nach 1716 nannte sie sich oft „Herzogin zur Augustenburg“, was einerseits eine Referenz an den Lebensort ihrer Wahl darstellte, andererseits jedoch den beschränkten Rahmen der Ausübung ihrer Herrschaft verdeut­lichte und gleichzeitig von einer gewissen Hybris zeugte, denn formal war Auguste Dorothea keine Herzogin. Die Augustenburg scheint direkt nach ihrer Fertigstellung zu Auguste D ­ orotheas ständigem Wohnsitz geworden zu sein. Allerdings verzichtete sie bis zum Tod ihres Mannes nachweis­lich nicht auf ihr Appartement im Residenzschloss, aus dem sie nach Ablauf der vierwöchigen Frist, die auf Anton Günthers Ableben folgte, 16 Zitiert nach Laß (2006), S. 99 f. 17 Ibid., S. 52. 18 Die Bauherrentätigkeit und auch das Unternehmertum der Auguste Dorothea werden vielfach bestritten und als Projekte von Anton Günther II. ausgewiesen, z. B. bei Bärnighausen (1994), S. 247. Dagegen nennt Hertel (1924), S. 94 Auguste Dorothea explizit als Erbauerin.

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Abb. 56: Johann Alexander Thiele (1685 – 1752), Auguste Dorothea Fürstin von Schwarzburg-Arnstadt, geborene Prinzessin von Braunschweig-Wolfenbüttel (1666 – 1751), 1708 (?)

hinausgeworfen wurde. Damit wurde die Augustenburg vom Funktionstypus des anlassgebundenen, temporären Lustschlosses, dem Ort des Rückzugs und der Selbstvergewisserung, zum permanenten Wohnsitz, stellte aber weiterhin keinen formellen landesherr­lichen Witwensitz dar. Der Bau der Augustenburg nahm den Witwenstatus vorweg, indem Auguste Dorothea schon frühzeitig ihren Wohnsitz sicherte und sich damit von dem ihr zugewiesenen, aber nicht standesgemäß ausgestatteten und zudem dezentralen Schloss Keula, ihrem eigent­lichen Witwensitz, unabhängig machte. Gleichzeitig verschaffte sie sich mit der frühen Verlegung ihres Hofstaats in die Augustenburg bereits vor ihrem Witwenstand eine größere Handlungsfreiheit. Da Schloss Keula von Auguste Dorothea nicht als Wohnort in Anspruch genommen wurde, fiel der Augustenburg nach dem Tod Anton Günthers 1716 die Rolle der Witwenresidenz einer ehemaligen Landesfürstin zu, die ihre geografische Position in der Nähe des ehemaligen Regierungssitzes nicht aufgab. Die Augustenburg wurde zum beharr­lichen Zeichen der Weigerung Auguste Dorotheas, Schwarzburg-Arnstadt zu verlassen. Die hohe persön­liche Identifikation der Herzogin mit ‚ihrem‘ Haus zeigt ein allegorisches Portrait Auguste Dorotheas als Ruth vor thürin­gischer Landschaft

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und ihrem Lustschloss im Hintergrund. Die Wahl der Ikonografie ist aufschlussreich: Ruth, die arme und auch kinderlose Witwe,19 sammelt die übrig gebliebenen Ähren auf dem Felde ein, um sich und ihre Schwiegermutter, die sie zurück in ihr Elternhaus schicken will, zu ernähren. „Wo du hingehst, da will ich auch hingehen […]. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott.“20 Die zentralen Sätze der Ruth zeugen von Treue gegenüber der Agnatenfamilie, die Auguste Dorothea hier visuell als Tugend für sich beansprucht und zugleich als Botschaft übermittelt. Trotz ihrer finanziell prekären Situation wollte sie lieber in Schwarzburg bleiben als nach Wolfenbüttel zurückzukehren. 21 6.1.2 Ein Lustschloss zur Versorgung

Von Schloss Augustenburg haben sich nur wenige Skizzen der Gesamtanlage erhalten.22 Grund- und Aufrisse des Schlossinneren fehlen vollständig. Die vorhandenen Ansichten ergänzen sich dabei, da der Stich von Pius Rösel (vor 1710) 19 Vgl. Gilbert (1613), S. 188. 20 BBKL Onlineversion, http://www.bautz.de/bbkl/r/ruth.shtml [19.4.2011], Bd. VIII , Sp.  1111 – 1115. 21 Ein weiterer Anlass für Auguste Dorotheas Wunsch nach einem eigenen Lustschloss könnte familiär gewesen sein: Elisabeth Eleonore Sophie von Sachsen-Meiningen (1658 – 1729), die ältere Schwester von Auguste Dorothea, ließ 1692 ihr Lustschloss Sinnershausen (das nachweis­lich erste Lustschloss im Besitz einer Frau in Thüringen) bauen. Das Handeln einzelner Familienmitglieder war demnach für Auguste Dorothea eventuell Vorbild oder, aufgrund von innerfamiliärer Konkurrenz, ein Motivator zum Bau der Augustenburg: Sowohl ihre Residenz als auch Sinnershausen befanden sich nicht nur nominell, sondern auch faktisch im Besitz der beiden Schwestern. Siehe Laß (2006), S. 66 und 73. 22 Laß (2006), S. 54; die überlieferten Abbildungen lassen unterschied­liche Interpretationen des ehemaligen Aussehens des Lustschlosses zu. Nur in der Anzahl der Fensterachsen des Mittelrisalits sind sich die beiden Abbildungen einig – und gerade hier widerspricht Reineck (1904). Schon bei den Seitenrisaliten sind bei Rösel nur drei eingetragen, in der Zeichnung sind nur zwei zu sehen. Ein viel deut­licherer Unterschied besteht in der Nennung der Achsen des Corps de Logis. Hier sind 1752 doppelt so viele Achsen eingetragen wie bei Rösel. Dies hätte zu einem ästhetischen Missverhältnis zwischen Länge und Höhe des Gebäude­komplexes geführt. Aber auch in Bezug auf die Höhe sind sich die Abbildungen nicht einig. Das Gebäude scheint grundsätz­lich zwei Stockwerke gehabt zu haben, während der Mittelrisalit entweder drei volle Stockwerke oder ein Mansarddach mit Gauben aufwies. In Bezug auf die Relationen der einzelnen Gebäudeteile zueinander scheint der Stich von Rösel zuverlässiger, während in Bezug auf die Gesamtanlage und der tatsäch­lichen Nutzung einzelner Gebäudeteile die Skizze von 1752 die genauere Quelle darstellt.

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Abb. 57: Schloss Augustenburg, Ansicht auf einer Schützenscheibe 1856 vermut­lich nach einer Rekonstruktion von Heinrich Kranz, Öl auf Holz, Arnstadt Schlossmuseum

die Schlossanlage vom Garten her zeigt und den Blick von der Anhöhe nach Arnstadt erschließt.23 Zwischen den Ansichten liegen mindestens vierzig Jahre, die eine bau­liche Weiterentwicklung sichtbar machen. Die anonyme Zeichnung der Augustenburg von 1752, die aus Anlass der Wertbemessung im Zuge der Erbabwicklung und des Verkaufs der Augustenburg entstand, zeigt die Aufsicht von der Arnstadt zugewandten Hofseite. Während der Stich noch eine ideale Ordnung in barocker Regelmäßigkeit propagiert, löst die Zeichnung alle Teile der Anlage in eine schematische, doch belebte Unordnung auf. Die Aquatinta des Sondershäuser

23 Vermut­lich entstand der Rösel-Stich kurz nach Fertigstellung der Anlage parallel zum Wertgutachten durch Kanzler Zang. Es ist anzunehmen, dass es von Rösel auch eine Vorder­ansicht der Augustenburg gab. Siehe Fußnote Nr. 24.

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Abb. 58: Prospekt des Augustenburger Schlosses nebst Garten bei Arnstadt 

Wegeinspektors Meizner entstand 1766 kurz nach dem Abriss der Augustenburg und hielt mit präzisem Blick vermut­lich aus Interesse an einer Chronik den Umfang und einen rudimentären Grundriss fest. Die Augustenburg war als breitgelagerte Dreiflügelanlage mit einem Mittel­ risalit, zwei Seitenrisaliten und mit Eckpavillons an den Flügelbauten konzipiert. Die Schlossanlage war nach Arnstadt hin ausgerichtet und verdeut­lichte durch den räum­lichen zugleich den sozialen Bezug.24Der Ehrenhof wandte sich der vorbeiführenden Straße zu und wurde von einer Mauer mit einer zentralen Durchfahrt und

24 NLA WB, 1 Alt 24, 242, 1 aus Mück (1997), S. 49. Die Rekonstruktion von Kranz und der Maler der Schützenscheibe beziehen sich vermut­lich auf diese Vorlage, ebenso wie Rose (1937), Rings um die Kefernburg. Hier Abb. der Lithografie von Kranz (1880), S. 85. Vgl. die mehrfach publizierte Ansicht von Pius Rösel, Maison de Plaisance de SAS Madame La Princesse de Schwarzbourg-Arnstadt nommee Augustenbourg, Gartenansicht, vor 1710 (Arnstadt Schlossmuseum).

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einem bemerkenswert sch­lichten Eisentor 25 begrenzt, das die bequeme Durchfahrt einer Kutsche erlaubte. Der alltäg­liche Zugang erfolgte allerdings nicht durch das bescheidene Haupttor, sondern durch den vorderen Hof, dem Vorwerk. Die Straße nach Arnstadt und später auch nach Dorotheental ließ Auguste Dorothea als Allee anlegen. An der Rückseite des Corps de Logis schloss sich der ansteigende Garten an, „der axial auf ein Lusthaus ausgerichtet war, so daß der Garten […] zwischen zwei Architekturen eingespannt war“.26 Die Gestaltung der Fassade der Augustenburg ist nicht präzise überliefert. Es ist jedoch davon auszugehen, dass das Landschloss als „niedrige Bauaufgabe“ nicht reichhaltig verziert war. Meist konzentrierte sich der Bauschmuck auf den Mittel­risalit des Corps de Logis als zentralem Blickfang. Nach Reineck schmückten den „Mittel­risalit der Augustenburg […] vier dorische Säulen“.27 Stilistisch ist eine Nähe zu Schloss Hallenburg des vermut­lich auch am Bau der Augustenburg beteiligten Architekten Mützel zu vermuten, dessen zeitgleicher Entwurf der Fassadengestaltung in seiner stilistischen Sch­lichtheit der Augustenburg geähnelt haben mag.28 Der Ehrenhof war vollständig mit Steinplatten ausgelegt und vor dem Portal befanden sich zwei Statuen auf Postamenten.29 Zur Straße hin wurde der Ehrenhof durch eine Mauer mit Pfeilern geschlossen, auf der sich eine Balustrade mit Postamenten und 21 krönenden Vasen befand.30 Auf der Mauer hielt die aus bis zu sieben Mann bestehende Garde Wache.31 6.1.3 Lustwandeln unter Streuobst – Die Gartenanlage

Auf den ersten Blick wird aus beiden Abbildungen ersicht­lich, dass es bei der Anlage des Schlosses nicht nur um Pläsier, sondern vor allem auch um Versorgung ging. Nur der dem Corps de Logis am nächsten gelegene Teil wurde als Ziergarten konzipiert, der weitaus größere Teil der Anlage wurde zur Nahrungsmittelproduktion mit Obstgehölzen, Wein, Hopfen, Treibhäusern und einer Orangerie angelegt. Daneben 25 Das ehemaliges Tor der Augustenburg steht heute in Arnstadt, im Bürgerpark an der Gottes­ackerkirche. 26 Laß (2006), S. 68. 27 Reineck (1904). 28 Vgl. den Entwurf von Schloss Hallenburg 1702, kolorierte Federzeichnung unsig. und undatiert aus Mück (1997), S. 51. 29 ThStA Ru, Hofmarschallamt Sondershausen, Nr. 1, unpaginiert. „Anschlag der Augustenburg“. Die Statuen werden mit 84 Reichstalern veranschlagt. 30 Ibid. 31 Siehe Abschnitt 7.10 Schutz und Sicherheit am Witwenhof, S. 404.

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befand sich links des zentralen Schlosskorpus die Domäne, die neben Ställen und Gemüsegärten zusätz­lich über einen Fischteich außerhalb der Schlossmauern in Richtung der Porzellanfabrik Dorotheental verfügte. Während die der Schlossanlage zugehörigen Teile außerhalb der Mauern im Westen und Osten bei Rösel fehlen oder noch nicht entwickelt waren, wird die Grenze des Rechtsraumes außerhalb in der Zeichnung explizit markiert. Die Anlage zielte demnach auf weitestgehende Autarkie der Lebensmittelproduktion und sogar auf den Verkauf der Überschuss­ produktion an Obst ab. Brennholz und Getreide waren vorhanden, aber nicht ausreichend. Damit wurde die Augustenburg als Zentrum eines ökonomischen Betriebs geplant, konstruiert und inszeniert. Neben der puren Notwendigkeit des Überlebens und sicher auch mit dem Ziel, weitestgehend unabhängig von der Schwarzburger Verwandtschaft zu wirtschaften, könnte der auf Autarkie zielende Aufbau des Lustschlosses einen Hinweis auf das hausväter­liche Denkmuster der Auguste Dorothea beinhalten, das sich auch in Mon Plaisir widerspiegelt. Der so genannte Albertinische Garten in Mon Plaisir (Abb. 7, S. 99), der laut seiner Kartusche in das Jahr 1744 zu datieren ist, zeigte ehemals auf zwei Ebenen einen barock-symmetrischen Lustgarten und eine Eremitage vor einer Streuobstwiese mit Prachtvögeln. Die untere Szene stellt einen stufig ansteigenden Ziergarten mit Wegen, Hecken, Zäunen, Zierelementen, Orangenbäumchen, einem Wasserbassin und einer Laube dar. In der linken Hälfte des Bildhintergrunds erhebt sich vor einer ansteigenden Hügel- und Felsenlandschaft im Fluchtpunkt ein einfach skizziertes, ­Statuen bekröntes Haus mit Laterne, Mittelrisalit und Dreiecksgiebel über einem Mauer­ wall. In dem Parterre vor dem Haus befindet sich ein polygonal geformtes Wasser­ becken mit Fontäne, das von angedeuteten weißen Skulpturen umrahmt wird. Das Parterre wird links und rechts von je drei gemauerten, rundbogigen Pfeiler­ arkaden flankiert, die sich perspektivisch zum Betrachter hin ausdehnen. Von der Mitte des Bildvordergrunds aus wird diese Szene nach rechts gespiegelt. Mit einem gemalten Dockenbaluster wird der Hintergrund vom dreidimensionalen Ziergarten getrennt. Träte der Betrachter hinter dem Gartenpavillon über eine Treppe in den oberen Landschaftsgarten, hätte er die Wahl, ob er nach links oder nach rechts auf das Lusthaus im Hintergrund zuliefe. Eine solche radial angelegte Gartenanlage fand sich nicht auf der Augustenburg. Die Vermutung, der Miniatur­garten könne sich aufgrund seines Namens auf das Gartenprojekt am Neuen Palais beziehen, in dem die zweite fürst­liche Witwe Arnstadts, Elisabeth Albertine von Anhalt-Bernburg residierte, findet ebenfalls keinen Widerhall im tatsäch­lichen Aussehen des Gartens. Eher ist von einer ideellen Benennung der Gartenminiatur als Verbundenheitsgeste an Elisabeth Albertine auszugehen.

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Abb. 59: Mon Plaisir, Lustgarten (Albertinischer Garten), Vierpassbassin mit Brunnenskulptur

Im Lustgarten der Augustenburg befanden sich einige Elemente, die in der Minia­ tur aufgenommen wurden. Das Gelände verfügte über eine Quelle im oberen Teil des Gartens und zwei Brunnen, einen im vorderen und einen im hinteren Hof. Von dort wurde das Wasser mit Röhren in die Küche, das Waschhaus, zum Vorwerkshof und in das große vierpassförmige Bassin des Lustgartens hinter dem Corps de Logis geleitet. Im zweieinhalb Acker großen Lustgarten befanden sich um die zentrale Fontäne herum vier mit Buchsbaum gefasste Quartiere und ein Broderieparterre, das mit Rabatten und Zwiebelgewächsen bepflanzt war. Je zwei von Stachelbeerhecken eingefasste, so genannte franzö­sische Quartiere mit 308 „tragbaren und teils eingesetzten“, niedrigen Obstbäumen schlossen jeweils links und rechts des zentralen Gevierts nach außen an. „Vom Haus weg“ standen, vermut­lich in einer Allee, 37 Aprikosen-, Pfirsich- und Mandelbäume, dazu 15 Apfel-, Birnenund Quittenspaliere. Die zentrale Fontäne und die Quartiere wurden von vier „steinernen, bronzierten Statuen“, acht bronzierten „Kindergen“ (mög­licherweise Putten) und zehn Vasen auf hölzernen Postamenten gesäumt.

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Abb. 60: Mon Plaisir, Lustgarten, Henkelvasen als Blumenkübel, Dorotheental, daneben befindet sich eine asiatische Miniaturstatue auf Postament mit Girlande (ohne Abb.)

Vom Parterre leitete ein weißes „Portal von Lattwerk“ über in den nächst höher gelegenen Teil des Gartens.32 Links und rechts des Portals zog sich über die ganze Breite des Gartens eine ebenfalls weiße Balustrade hin, auf der sich 17 Statuen von „­Kindergen mit bleyweißen Öhl angestrichen“ befanden. Im Portal befanden sich sechs weitere „mit gutem Gold vergüldet[e]“ Staffageobjekte, näm­lich zwei „blecherne Blumenkrüge“, zwei „steinerne Kindgen“ und zwei „von holtz geschnittene Brustbilder“. Zu beiden Enden des Balustradenwegs befanden sich an der Gartenmauer eine „Retirade mit Schiefer gedeckt“.33 Durch das erste große Portal führte der „mittlere Gang“ den Hang hinauf. Durch zwei sich gegenüberstehende Gitterportale gelangte man in den weiteren Lust- und Küchengarten, der mit rot und weiß gestrichenen Staketen und Spalieren begrenzt war. Vom „großen Saal“, der einen Gartenausgang 32 Dieses Portal fehlt sowohl in der Skizze von 1752 als auch bei Meizner 1766. 33 Bei Rösel sind diese Retiraden noch nicht eingezeichnet, der Stich muss demnach vor 1710 datieren. In der Skizze von 1752 sind zwei „Traille-Häuser“ eingezeichnet, bei ­Meizner werden sie zumindest angedeutet.

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Abb. 61: Mon Plaisir, Lustgarten, Topfpflanze, Gärtner und geschwungenes Zaunelement

hatte, bis zur Umzäunung des Baumgartens, an dem ein „Zigeuner Marsch“ auf eine „Planke“ gemalt war, führte ein mit Schiefer gedeckter „Lusthausgang, auswendig als Fresco gemahlet […], dessen Seitenwände, Gewölbe und Capula inwendig mit 3506 holländischen Fließgen bekleidet, der Fußboden mit gehauenen, steinernen Blatten belegt und die 2 Cabinets mit Öhlfarbe auf Marmor Arth gemahlet“ war. Der wettersichere Wandelgang muss an einer der beiden Außenmauern entlang­ geführt haben. An seinem Ende luden zwei Kabinette zum Verweilen ein. In d­ iesem Teil des Gartens waren die Quartiere mit Gras, Akazien und Eiben bepflanzt. Der „Küchengarten“ lag „vor dem Gewächshaus und unten an Lustgartten“ und war eineinhalb Acker groß. Hier stand ein vergittertes Lusthaus mit Geflügel, 51 Obstbäumen und 11 Weinstöcken. Auf dem Mistbeet wurden unter „21 Fenstern“ im Frühbeet Pflanzen gezogen. Von neun mit Johannisbeerhecken eingefassten Quartieren waren zwei mit Artischocken und Spargel bepflanzt. Im „Gang auf der

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Mauer“ standen zwanzig „schöne, große Kirschbäume“ und 31 franzö­sische Spalierobstsorten sowie „2 paar Kindergen von Stein, welche miteinander ringen“. Der große Baumgarten, der sich über fast sieben Acker erstreckte, war voller Zwetschgen- und Kirschbäume. In der Mitte befand sich ein Treppengang, der von Rosenhecken und weiß gestrichenen Zäunen flankiert wurde. Am oberen Ende des Baumgartens befand sich wieder ein Ziergarten mit zwei Quartieren mit Eiben, Spalierobst und einem „achtecktes Portal von Lattenwerk mit bleyweiß in Öhl angestrichen“. Das Portal war mit blau und weiß bemalten, blechernen Krügen ausgestattet. Über diesem Teil des Gartens befand sich eine in die Schräge des Hangs eingelassene Mauer parallel zum Hang, über der sich das „große Lusthaus mit seiner Abb. 62: Mon Plaisir, Lustgarten, „Lattwerk“ Pavillon Capula“ erhob. Rechts und links des Lust­ über achteckigem Grundriss hauses befand sich eine Balustrade mit gedrehten Docken, worauf „21 blecherne blau und weiß gemahlte Vasen“ standen. Die genaue Beschreibung des Lusthauses fehlt, allerdings ist es mit achthundert Reichstalern taxiert und übersteigt damit im Preis alle anderen Bauteile oder Ausstattungen – sogar den Wandelgang mit den über dreitausend Delfter Kacheln, der mit sechshundert Reichstalern veranschlagt war. Das Lusthaus wurde von 54 Kirschbäumen flankiert. Oberhalb und am äußeren Ende des Gartens befand sich der Hopfenberg und auf der Höhe der Kirche das Wohnhaus des Gärtners, das neben einer Küche noch fünf Zimmer und einen Keller umfasste, zu dem zusätz­lich eine Scheune und ein weiterer Küchengarten gehörten.34 34 1727 verpachtete Auguste Dorothea zwei Gärten an das Hospital St. Georg. 1742 wurde der Hopfenberg neben den von ihr darauf erbauten drei Wohnhäusern von insgesamt drei Äckern für zweihundert Reichstaler ebenfalls an das Hospital verkauft, „welches Grundstück wir in ao 1704 gegen den von Paul Löbrichen vor 300 RT erkaufften Garten vormals von Hieronymo Wagner ertauschet“. 1745 kaufte das Hospital auch noch den Küchengarten

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Im unteren Teil des Gartens lag an der Außenmauer die Orangerie, deren neun Fenster sich dem Garten zuwandten. Hier überwinterten unter anderem Pomeranzenbäume, Lorbeerbäume, Myrthen, Oleander, Yucca, 320 Rosmarinstöcke und 200 Nelkenstöcke.35 Das Inventar von 1710 führt noch einen „Lunastischen Garten“ auf, der für 525 Reichstaler Bargeld angekauft worden sei mit „2 achteckten Lusthäußergen mit Schiefer gedeckt“, einem am Hain gelegenen Baumgarten, weite­ren Wiesen und insgesamt noch siebzig Acker Land. Auguste Dorotheas Garten muss von besonderer Qualität gewesen sein. Melissantes empfahl 1711 dem geneigten Leser die Augustenburg „insonderheit wegen des vortreff­lichen Gartens, welcher in kurtzer Zeit auffs herr­lichste an einem wüsten Orte angerichtet worden, zu bewundern. In dem Garten sind ett­liche kleine Lust-Häußer, auch zwey andere kleine Häuser, worinnen allerhand Vögel zu sehen.“36 Im Osten des Geländes kam später noch der Zacharias-Garten dazu und ebenfalls

Abb. 63: Mon Plaisir, Lustgarten, Zitronenbaum

für zweihundert Reichstaler. NLA WB, 1 Alt 24, 241, 40 f. Alle Gärten wurden spätestens nach dem Tod Auguste Dorotheas durch ihr Herkunftshaus zurückgekauft. Ibid., 242, 4. 35 Ferner an Gewächsen: „13 große Pomeranzen Bäume 130 RT, 25 etwas kleinere dergl. Bäume 175 RT, 15 große Lorbeer Bäume 105 RT, 2 St. Laun Cerasus 7 RT, 8 St große Capressen Bäume 32 RT, 12 st kleinere dito 8 RT, 6 st große Mirtis Bäume 18 RT, […] Ferner 6 st große Granat Bäume, 1 großer Oliander, 2 st Spina Christi, 2 st Agnus Castus, 2 st Pympernell major, 3 st Juca Gloriosa, 8 st große Feigen Bäume, 2 st Genista Hispanica, 1 Flos Passionis Major,1 […] Ketmi Arabu […] Summa das Gewächshaus und was in selbigem vorher specificiert 969 RT.“ Siehe ThStA Ru, Hofmarschallamt Sondershausen, Nr. 1, unpaginiert. 36 Gregorii (1711), S. 183 f.

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Abb. 64: Meizner (1766), Schloss Augustenburg mit Lusthaus oberhalb der Schlossanlage

öst­lich vor dem vorderen Hof außerhalb des Gartens wurde ein weiteres Quartier mit Fontäne angelegt. Die beiden späten Pläne zeigen ein „Tournierhaus“ leicht unterhalb des Lusthauses, das vielleicht als Spiel- und Tanzhaus genutzt wurde und ebenfalls erst nach 1710 hinzugekommen sein könnte. Ein gesondertes Theatergebäude findet sich nicht, für derartige Zwecke diente demnach vermut­lich das Lusthaus. Auguste Dorothea scheint die Züchtung extravaganter Pflanzen lebenslang betrieben zu haben.37 Der Garten der Augustenburg zeigt eine Mischung zwischen Nutz- und Ziergarten, zwischen notwendiger Versorgung und mög­licher Zerstreuung. Es erstaunt daher nicht, dass im Wertgutachten von 1710 allein 9.588 Reichstaler von dem auf 19.365 Reichstaler bezifferten Gesamtwert der Augustenburg auf den Garten, seine Gebäude und vor allem seinen Pflanzenbestand entfielen. Zwei Details zeigen die große Ähn­lichkeit zwischen den Abbildungen der Augustenburg und den Miniaturen in Mon Plaisir. Zum einen ist die Nähe zwischen Meizners Darstellung des großen Lusthauses am oberen Ende des 37 Im Garten der Augustenburg blühten am 23. und 24.8.1719 unter anderem Cereus major Peruvianus spinosus triangularis (Cactus triangularis). Am 25.9.1748 standen Cereus Peruvianus major sexangularis florens (Cactus peruvianus L. C. hexagonus W.), vom 20.11. bis zum 24.12.1746 Yucca Gloriosa L. sowie Geranium Africanum L. im Jahre 1752 in Blüte. Hesse (1841), S. 170.

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Abb. 65: Mon Plaisir, Lustgarten, Detail linker Prospekt

Abb. 66: Augustenburg (1752), Handskizze, Detail wellenförmiger Zaun im Mittelgrund, vgl. Abb. 61, S. 217: Mon Plaisir, Lustgarten, Detail geschwungenes Zaunelement im Vordergrund

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Gartens und der Darstellung des Baukörpers im Bildhintergrund des Albertinischen Gartens unübersehbar. Zum anderen zeigt ein weiteres Detail aus der Handskizze von 1752 einen bogenförmigen Gitterzaun, der sich in ähn­licher Form in Mon Plaisir wiederfindet. Obwohl die Miniatur nicht in allem mit dem Lust- und Nutzgarten der Augustenburg übereinstimmt, stellt die Szene Auguste Dorotheas Garten in der Miniatur dar. Exkurs: Der Garten von Schloss Arnstadt

Während ihrer Zeit als regierende Gräfin respektive Fürstin zu Schwarzburg-Arnstadt war Auguste Dorothea bereits Herrin eines berühmten Lustgartens. Der Ruf der Arnstädter Gartenanlage war bereits im ausgehenden 16. Jahrhundert exzellent gewesen.38 Es ist unklar, ob es im Park ein eigenes Theatergebäude gab oder ob man bis 1842 (Bau des Hoftheaters) Theaterstücke in der Reitbahn oder im ehemaligen Tuchboden, dem Rathaussaal, aufführte.39 Die Menge und Vielfalt an Zier- und Nutzpflanzen, vor allem aus dem Ausland, wurde in jedem Fall im 17. Jahrhundert ausgeweitet und diente so als wichtiges Medium der höfischen Repräsentation der Schwarzburger Grafen. Der reichhaltige Bestand war auch im Umkreis bekannt und ins System des höfischen Gabentauschs von Pflanzen eingebunden. So fragte am 1. September 1660 Elisabeth Sophie, Gemahlin von Ernst dem Frommen in Gotha, in Vorbereitung eines Festes Graf Christian Günther, ob er nicht „aus ­seinem zu Arnstadt habenden Lustgarten ihr etwas von großen Sonneblumen, Kürbis, Melonen und Artischocken, und wenn von gutem Obst etwas vorhanden sei, auch solches zu

38 In den Augen der Zeitgenossen war der Garten nach Toppius (Toppius, Andreas (1658): Beschreibung der Städte und Flecken der Graffschafft Schwartzburg. Erfurt) besonders sehenswert. Neben den üb­lichen Zierbeeten und Nutzgärten wies der Garten eine Reitanlage und ein Theater auf sowie eine Grotte mit Wasserspielen, ein Schießhaus mit Ahnengalerie und eine Art Lehrpfad bestehend aus „einem langen Schwibbogen aus Holz an dem alle bekannten Tiere abgebildet“ und bezeichnet waren. Dazu gehörte noch ein Eishaus, Lauben, Laubengänge, Irrgärten und eine Wildbahn mit Rehen und Hirschen (Lappe/Unger, 2010, S. 70). Die Beete waren zudem voll mit als repräsentativ angesehenen Blumen und Pflanzen wie Tulpen, Lilien, Narzissen, Hyazinthen, Krokussen, Safran, Iris, Nelken, Malven, Astern, Rittersporn, Päonien, Löwenmaul, Lavendel, Baldrian und Artischocken. Der Obstgarten beherbergte Birnen, Pflaumen, Aprikosen, Mirabellen, Kirschen, Pfirsich und Quitten. In Töpfen wurde „Yucca, verschiedene Agaven, Feigen- und Granatapfelbäume, Kirschlorbeer und Nelken“ gezüchtet. Siehe Lappe/Unger, 2010, S. 75 f. nach: Irmisch, Thilo (1906): Beiträge zur Schwarzbur­gischen Heimathskunde. Bd. II, Sondershausen, Bd. II, S.  21 – 24. 39 Apfelstedt (1856), Geographie, S. 53.

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Abb. 67: Arnstadt aus der Vogelschau (Detail Schloss Neideck mit Gartenanlage), Wolf Kelner, Öl auf Leinwand, um 1580, Schlossmuseum Arnstadt, Inv.-Nr. B 402

schicken“.40 Christian Günther ist dieser Aufforderung mit Sicherheit gern nachgekommen, denn sie integrierte ihn in das höfische do ut des und erzeugte damit wenn nicht Ebenbürtigkeit, dann doch immerhin Nähe zum Gothaer Hof. Ein Garteninventar von 1646 gibt genaue Auskunft über den ungewöhn­lichen Pflanzenbestand der Lorbeerbäume, Granatbäume, Pomeranzen, Zypressen, Feigenbäume, Agaven, Kakteen, Myrtenbäume, Nelken, Lavendel und Lilien umfasste. Die nicht winterharten Gewächse befanden sich in Töpfen und wurden während der kalten Jahreszeit im Keller beziehungsweise in der Orangerie aufbewahrt.41 Der Lustgarten war großflächig mit den im Barock sehr beliebten Tulpenteppichbeeten ausgestaltet, die zusätz­lich mit Narzissen und Rosen versehen wurden. Der Ziergarten und der Küchengarten beherbergten Heilkräuter (zum Beispiel Süßholz und Baldrian), die Bienenstöcke waren von Salbei und Thymian gesäumt. Gewächshäuser scheint es in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts nicht gegeben zu haben. Der Garten

40 Irmisch (1906), S. 7. 41 Ibid., S. 21 – 27. Hier eine ausführ­liche und beeindruckende Liste aller im Garten nachweisbaren Gewächse.

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beherbergte ein Labyrinth und eine Sonnenuhr. Ein zweites Inventar anläss­lich des Personalwechsels des Gärtners im Jahr 1668 zeigt, dass die Schwarzburger Grafen auch weiterhin die Bedeutung des Lustgartens hochschätzten und diesen pflegten: Der Bestand war nicht nur beibehalten, sondern erweitert worden. Neu dazugekommen waren unter anderem Yucca, Rosmarin, Jasmin, Ginster, Kirschlorbeer und Hibiskus. Das Inventar gibt genaue Auskunft über die Anlage des Gartens: Der Lustgarten war in insgesamt 21 „Quartiere“ geteilt, die wiederum in „Länder“, also Beete unterteilt waren. Ein Beet war mit gelben Tulpen bepflanzt, „auf 3 Ländern des ersten Quartiers hatte man weiße Lilien auf 4 andern gelbe Narcissen, auf einem Levkojen, auf einem „Immer-Treu“ und auf acht Ländern Nelken.42 Der Ziergarten war durchmischt mit Heilpflanzen, und die Blumenbeete waren von Kräutern eingefasst. Vorherrschend bei den Blumen scheinen die Farben Weiß und Gelb gewesen zu sein – auch die Rosen existierten nur in gelber Ausführung. Drei Jahre nachdem Auguste Dorothea nach Arnstadt gekommen war, wurden am 17. Februar 1687 vermut­lich unter ihrem Einfluss in Hamburg franzö­sische Obsthölzer bestellt, und zwar je sechzehn Birnen- und Apfelbäume, vier Aprikosenbäumchen, sechzehn Mirabellenbäume, je acht Pflaumen- und Mandelbäumchen sowie sechzehn Kirschbäume, die für bevorzugte Lagen im Lustgarten vorgesehen waren. Aufschlussreicher als die Bestellung ist jedoch die dem Händler mitgelieferte Aufzählung der Obstsorten, die sich bereits in Arnstadt befanden: Die Liste enthielt 36 unterschied­liche franzö­sische Birnensorten, 31 unterschied­liche franzö­sische Apfelsorten, 19 verschiedene Steinobstsorten und 12 verschiedene Kirschsorten.43 Diese große Variationsbreite der Obstsorten zeigt zum einen, dass sich auch hier der adelige Repräsentationsmarkt an franzö­sischen Produkten orientierte, um sich als besonders kosmopolitisch auszuzeichnen. Zum anderen verdeut­licht die Vielzahl an Pflanzenarten die Ausdifferenzierung des repräsentativen Mediums ‚Lustgarten‘ und des Geschmacks im Sinne der Haute Cuisine. Der Garten als symbo­lisches Trägermedium wurde von Auguste Dorothea bereits in Arnstadt kultiviert und als persön­liches Projekt in Schloss Augustenburg weitergeführt.

42 Ibid., S. 23. 1682 stellte Anton Günther II. den Hofgärtner Hans Thieme aus Holstein für ein Jahressalair von 55 Gulden plus Kost und Logis ein (S. 24). 43 Ibid., S. 25 f. vermutlich mit verschiedenen Fruchtreifen. Weitere Bestellungen erfolgten bei Marcus Langefeld, Frankfurt/Main 1685, andere Handelsbeziehungen bestanden nach Italien (Orangen, Kastanien). Schloss Keula war in sehr geringem Maße auch mit Zierpflanzen ausgestattet. Das persön­liche Interesse Anton Günthers zeigt ein Brief vom 2.12.1688 an den Stolberger Grafen Christoph Ludwig zu Roßla, den Anton Günther an die versprochenen Mandelbäumchen erinnerte (ibid., S. 27).

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6.1.4 Vom roten, gelben, grünen, blauen, englischen und französischen Gemach – Die Ausstattung der Augustenburg

Viele der im Bauinventar erwähnten Räume oder Ausstattungsmerkmale der Augusten­burg lassen sich in Mon Plaisir nachvollziehen. In geradezu idealer Weise spiegelt das prinzipiell beweg­liche, dreidimensionale Mon Plaisir diese reale Mög­ lichkeit der Veränderung – und eben keinen zeit­lich exakt zu bestimmenden Zustand der Augustenburg – wider. Die Inventare machen bau­liche Veränderungen sichtbar: So wies das Lustschloss 1710 noch keine Kapelle auf – eine solche wurde erst nach dem Religionswechsel 1717 nachvollziehbar.44 Während 1708 die beiden Pavillons bereits ausgeführt worden waren, bestanden noch keine Verbindungsbauten zum Hauptflügel; diese entstanden erst zwei Jahre später. In den knapp fünfzig Jahren, in denen Auguste Dorothea das Schloss bis zu ihrem Tod 1751 nutzte, kann es noch viele räum­liche Änderungen, Umbauten oder Neuzuweisungen von Raumfunktionen gegeben haben – ganz abgesehen von Umdekorationen der wandfesten Ausstattung, neuer Möblierung und Farbgebung. Stoff- und Tapetenreste, die von mög­lichen dekorativen Umgestaltung stammen könnten, jedoch in jedem Fall in der Augustenburg verwendet wurden, wurden nachweis­lich in Mon Plaisir verarbeitet. Das Bauinventar, das der Rekonstruktion zugrunde liegt, benennt die Räume entweder nach ihrer Funktion („Schlaff Gemach“), nach ihrer Farbgebung („gelbes Gemach“) oder nach der Herkunft der Ausstattungsstücke („Eng­lisch“). Dadurch wird jedoch beispielsweise nicht erklärt, welche farb­liche Ausstattung das Schlafzimmer aufwies oder wozu das gelbe Zimmer benutzt wurde. Der Vergleich mit der Raumdistribution und deren (zeremonieller) Nutzung in anderen zeitgenös­sischen Schlössern macht die Interpretation der Funktion eines Raumes in Abhängigkeit von seiner Lage und Ausstattung plausibel.45 Die Raumverteilung der Augustenburg lehnte sich mit einem zentralen Treppenhaus an die zeitgenös­sisch vorherrschende Distributionsmode an – die einzige

44 Die Kirchenchronik von Arnstadt Landeskirchenarchiv Eisenach, Kirchenbuch Oberndorf 1717 – 1757, K7 2a-2 erwähnt 1717 eine Kapelle auf der Augustenburg, in der Auguste ihren katho­lischen Gottesdienst abhielt. 1720 wünschte sich Auguste Dorothea von Lothar Franz von Schönborn, „zu meiner Capell ein gnädigste[s] Andenken […] etwa ein pahr silbern Leuchter“. HHS tA Wien, MEA Kommissionsakten 8b, Brief vom 22.4.1720, Auguste Dorothea an Lothar Franz von Schönborn; als Lage der Schlosskapelle schlägt Laß den südöst­lichen Anbau der Gartenseite vor (Laß 2006, S. 320). 45 Vgl. Graf, Henriette (2002): Die Residenz München. München.

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Abweichung stellt die Situierung des Prunksaals dar. Die repräsentative Bedeutung eines Zimmers lässt sich neben dem Stuckieren von Wand und Decke auch an dem Vorhandensein eines Kamins oder Eisenofens und an der Art der verwendeten Türen erkennen.46 Erdgeschoss. Der Corps de Logis der Augustenburg war vom mittleren, vollständig mit Steinplatten belegten Hof her durch ein mit dorischen Säulen und zwei Statuen geschmücktes Portal zugäng­lich und mündete ins zentrale Foyer, dem „Hausplatz“. Vom Foyer aus führten „6 Doppeltüren mit Ölfarbe gemahlen und guten Beschlägen“ in die angrenzenden Zimmer. Hier befanden sich der Kellerzugang und die Treppe zu den beiden darüber liegenden Stockwerken. Zwei Fenster beleuchteten den Flur. Die Wände des repräsentativen Eingangsraums waren gegliedert durch „korinthische Pilaster und Nichen, worinnen ­Statuen mit Öhlfarbe gemahlet“, während dieTreppe „mit Architektur gemahlet in Öhl und in der Helfte ein Kindgen von Stein“ ausgeführt war. Ein nicht weiter benanntes gemaltes Gesicht zierte die Decke des Eingangsbereichs.47 Mit wenigen Ausnahmen bestand der Fußboden der Augustenburg, auch der der repräsentativen Räume, aus „Brettern“, also Holzdielen. Diese eher einfache Lösung zur Gestaltung des Bodens könnte sowohl der finanziellen Situation als auch pragmatischen Überlegungen geschuldet gewesen sein. Zur linken Hand befand sich das „Carmoisin Gemach“, das Antichambre des Staatsappartements der Herzogin. Der Raum hatte drei Fenster, die zum Ehrenhof hin ausgerichtet waren. Eine hölzerne Lambrie (Wandverkleidung) mit Grotesken in Blau, Weiß und Gold zierte die Wände. Ein „Camin von Stukkaturarbeit mit Graf Ernst von Stollbergk Conterfait“ und Delfter Kacheln davor gehörte ebenfalls zur Ausstattung. Vermut­lich war der Raum mit einer roten, textilen Wandbespannung (Damast) 46 Die Türen waren entweder ganz sch­licht, einflügelig, holzsichtig und bemalt oder verglast, doppelflügelig, groß, zusätz­lich verziert und auffällig mit Türbändern und Schlössern beschlagen. Je offizieller der Raum, desto größer die Tür. 47 Von der Augustenburg hat sich ein Treppenhaus erhalten (heute in einem Privathaus in Arnstadt), das mit niedrigem Auftritt über drei quadratische Umkehrpodeste mit einer Breite von ca. 1,20 m sanft in den oberen Stock geleitet. Das Treppenhaus, dessen Pfosten Knäufe tragen, hat einen auffälligen Zahnschnitt, der in der freigelegten Fassung als ein groteskes, ständig wiederkehrendes Ornament in Erscheinung tritt. Ehemals standen Vasen und Löwen auf den unteren Podesten. Der Wangenfries ähnelt dem der Zugangstreppe des Ekhoftheaters von Schloss Friedensstein in Gotha. Dies bezeugt die geografische und zeit­liche Nähe der Innendekorationsstile. Der Deckenspiegel aus dem Arnstädter Privathaus ähnelt stilistisch dem Deckenspiegel im Witwensalon des Mon Plaisir.

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Abb. 68: Mon Plaisir, Grüner Mohr, Kamin aus 48 Dorotheental  

ausgekleidet und mit identisch bezogenen Möbeln48ausstaffiert.49 Eine Doppeltür in Weiß und Gold führte in das angrenzende Audienzzimmer.50 48 Vgl. den Kachelofen mit Warmhaltefächern aus Mon Plaisir, Dorotheental um 1735, Museum Eisenach, 19 x 10 x 6 cm (aus Kunze 2006, S. 107). Der Holzverbrauch auf der Augustenburg zwischen März 1717 und März 1719 betrug 1.600 Klafter Holz (davon 400 Hartholz), während der Kohleverbrauch mit „39 Karren“ beziffert wurde. ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. IV, 91. 49 Vgl. Ottomeyer, Hans (2011): Gebrauch und Form von Sitzmöbeln bei Hof. In: H ­ ackenschmidt, Sebastian; Engelhorn, Klaus (Hgg.) (2011): Möbel als Medien. Bielefeld, S. 103 – 122. 50 Bedauer­licherweise beschreibt das Inventar nicht, ob sich dieses Gemach neben oder ­hinter dem „Carmesinzimmer“ befand. Der franzö­sischen Raumdistribution nach wären die Räume als Enfilade hintereinander angeordnet gewesen. In Schloss Wolfenbüttel musste der Besucher

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Das Audienzzimmer hatte ebenfalls drei Fenster „von Tafelglas und inwendige Läden“, einen Stuckkamin mit einem Portrait Anton Günthers und eine „Lambrie von Tafelnwerck mit waßerfarbe gemahlt, grün und weiß“. Über die Farbgebung der Wände schweigt das Inventar. Erwartbare Gegenstände des Audienzzimmers wären ein Thronsessel oder -bett mit Baldachin, Konsoltische, Lüster und Spiegel. Von diesem Raum führten zwei einfache Türen hinaus, vermut­lich in ein Kabinett. Die Gestaltung der Türen fungiert hier als Hinweis auf die dem Raum zugedachte zeremonielle Nutzung. Von der Eingangshalle aus zur rechten Hand befand sich das „Pannel Gemach“. Über dem Stuckkamin mit eiserner Ofenplatte hing ein „Öhlfarbe gemahlte[s] Bilde, so eine Assemblée vorstellt“. Drei Fenster mit „Tafelglas und Läden“ führten zum Ehrenhof, und die Wand war vollständig mit Holz verkleidet.51 Eine doppelflügelige Tür führte in die angrenzende Kammer, die als zentrales Merkmal einen mit „holländischen Fließen“ verkleideten, eisernen Windofen beherbergte.52 Die Lambrie war mit weißer und goldener Ölfarbe bemalt. Die Funktion dieser beiden Räume wird im Inventar nicht weiter definiert. Es handelt sich vermut­ lich um Empfangsräume. Erstes Obergeschoss: Die Treppe führte in den Flurraum des ersten Stocks, der fünf Türen und zwei Fenster hatte sowie zwei Kamine, von denen einer ein „Vanitas mit Oehlfarbe“ zierte, während der andere mit einer gemalten „Feuers­ brunst“ versehen war, worüber ein Portrait eines „Prinzen von Hollstein“ hing. Rechter Hand befand sich ein Kabinett mit einem Stuckkamin, woran „viereckete

von der Antechambre jedoch um eine Ecke biegen, um in das Audienzzimmer zu gelangen. Allerdings handelte es sich hier zum Zeitpunkt der Errichtung der Augustenburg um einen historischen Baubestand, während Auguste Dorotheas Lustschloss einen Neubau darstellte. Das Inventar verzichtet zudem weitestgehend auf die Nennung von Versorgungsgängen. Auch dies macht eine präzise Rekonstruktion der Raumsituation unmög­lich. Eine letzte Erschwernis beinhaltet die Tatsache, dass das Inventar bei der Beschreibung der Seiten­flügel nicht explizit sagt, von wo aus die Raumfolge beschrieben wird. Im Abgleich zwischen den noch erhaltenen Vorder- und Hinteransichten, den Fensterachsen und der Nennung der Fensteranzahl jedes Raums im Inventar wird im Folgenden die Lage des jeweiligen Raums so weit als mög­lich bestimmt. Der Corps de Logis wird als separate Einheit im Inventar behandelt und von unten nach oben entlang der Stockwerke beschrieben. Wir erfahren nichts über die Verbindung zwischen den Flügelbauten zum Corps de Logis, die aber mit Sicherheit bestand. 51 Ein solches Gemach gab es zur Regierungszeit von Anton Ulrich von 1704 bis 1714 in Schloss Wolfenbüttel. Siehe Grote (2005). 52 Der Raum besaß ebenfalls eine Doppeltür sowie zwei Fenster mit Tafelglas und Läden.

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Spiegel und oben Ihro Durchl. Unseres gnädigsten Herrn Conterfeit“ angebracht waren. Der Raum wurde ebenfalls durch drei Fenster zum Hof hin beleuchtet, die hölzerne Lambrie war mit Grotesken bemalt, und eine einfache Tür führte in das angrenzende „Schlaffgemach Ihro Durchlaucht“. Hier stand ebenfalls ein mit Delfter Kacheln verzierter Windofen. Die Lambrie aus Tafelwerk war „weiß in Oehl gemahlet“. Zwei einfache Türen führten entweder in ein weiteres Kabinett, eine Retirade oder zu Versorgungsgängen. Im ersten Stock linker Hand befand sich das so genannte Blaue Gemach mit drei Fenstern zum vorderen Hof, einer weiß-gelb bemalten Holzlambrie und einem eisernen, teilweise gefliesten Ofen, worüber sich ein „Küchenstück“, ein Gemälde mit der Darstellung einer Küchenszene, befand. Eine Doppeltür führte ins „Grüne Gemach“, das durch „2 Fenster mit schönem weißen Tafelglas“ beleuchtet wurde. Den Kamin zierten „1 sehr großer und 10 kleine Spiegeln“ nebst „1 Lambrie von Holtz von guter Tischer Arbeit weiß marmoriert in Öhlfarbe“. Eine gläserne Doppeltür führte in einen weiteren Raum. Zweites Obergeschoss: Vom Flur aus führte nochmals eine Treppe in den zweiten Stock, der die geselligen Räume beherbergte. Die Decke des Flurs bestand aus einem Stuckoval, fünf sehr großen Doppeltüren „mit Öhlfarbe auf Furnierarth gemahlet“, die rechts in den Festsaal und links in den Kavalierssaal führten.53 Im Flur befand sich wieder ein Kamin mit eiserner Platte, worüber sich ein „Fruchtstück“, ein Stillleben aus Früchten, befand. Der „herrschaft­liche Saal“ war der größte Raum der Augustenburg. Die gesamte Ausstattung des Saals deutet darauf hin, dass es sich um den repräsentativsten Ort innerhalb des Schlosses handelte. Statt einfacher Dielen war er mit Parkettboden ausgelegt, während die Decke aus „Stuckarbeit auff die neueste Facon“ mit einem Wappenfresko bestand.54 An den Wänden befand sich das genealo­gische Portraitprogramm, in dessen Tradition sich Auguste Dorothea offenbar „mit 13 königl, Chur und fürst­lichen Portraits“ stellte. Zwei Kamine aus „gemachten Marmor, geschliffen und poliert, beyde mit ­eisenen gegossenen Blatten“ (Stuckmarmor) konnten den Raum beheizen. Darüber hinaus wies der Saal sechs stuckumrahmte Fenster, eine Lambrie ebenfalls aus Stuck mit „Grotesquen gemahlet“ und ein „Schenckstuhl mit einer Balustrade von geschnittenen Docken“ auf. Die Versorgung der Gäste war also bereits in die Raumarchitektur integriert.

53 Auch dieser Flur hatte zwei Fenster mit Tafelglas. 54 Vermut­lich handelte es sich bei diesem Wappen um das schwarzbur­gische oder ein ­Allianzwappen.

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Gegenüber dem Saal lag das Herrenzimmer, der so genannte Cavallier-Saal, ­ essen Decke zwar noch modernsten Stuck aufwies, sonst aber statt zweier Kamine d nur einen Eisenofen, eine Lambrie mit vergoldeten Grotesken, dafür aber sieben Fenster besaß. Dachgeschoss: Eine Treppe führte vom Flur unters Dach. Hier befanden sich nur noch zwei Kammern und sechs Dachfenster mit hölzernen Verkleidungen, die vermut­lich in das Krüppelwalmdach als Gauben eingelassen waren.55 Erdgeschoss rechts zum Garten hin: Vom Eingang aus gesehen schloss sich rechts im Erdgeschoss „Ihro Durchlaucht Schlaffgemach“ (mög­licherweise für die Sommer­ zeit) an. Der einfach gehaltene Raum hatte drei Fenster mit Eichenläden mit verzinnten Beschlägen, einen Kamin mit Eisenplatte und einem den Gutachtern unbekannten Portrait. Die Lambrie war aus braun gestrichenem Holz. Eine einfache Tür führte in die erste Garderobe: einem Verteilerzimmer mit drei Doppel­ türen. Über dem Kamin prangte das Portrait „des vorigen Herrn Stadthalters von Erfuth Faust von Stromberg Conterfait“. Ungewöhn­lich war in diesem Raum die Form der Fenster, die aus zwei „tecketen“ (viereckigen) und einem ovalen Fenster bestand. Die zweite Garderobe hatte zur höheren Bequem­lichkeit einen Kamin und einen eisernen Windofen, vier Fenster und eine doppelte Tür, die zu einem „Vorplaz“, einem Portikus oder Vestibül führte, dessen Fußboden nicht wie sonst aus Holz, sondern aus Backsteinen bestand und so den Übergang zwischen Innen und Außen markierte. Eine Treppe mit einem Geländer aus „gedrehten Docken“ führte nach oben. Der „Vorplatz“ wies zudem zwei Fenster und eine Tür auf. Vermut­lich befand sich dieser Raum am Ende des Flügels und hatte einen Ausgang zur Durchfahrt im Seitenflügel. Als nächster Raum dahinter befand sich die sehr sch­lichte „Conditorey“,56 ebenfalls mit Holzboden und zwei mit eisernen Stäben vergitterten Fenstern. Dieser Raum mündete wiederum in die „Messing Küche“ mit drei Fenstern, die die Prunkküche darstellte. Hier waren „mit holländischen Fließgen die Wände, Herd und Camin bekleidet“, der Fußboden bestand aus behauenen „Seeberger Steinen“ und über dem Kamin hing ein „Nachtstückgen in Öhl gemahlet“. 55 Damit endet die Beschreibung des „mittelsten großen Gebäud[es]“. Die räum­liche Überleitung zu den Flügeln und auch die Beschreibungsrichtung sind unklar. In Ermangelung eines Grundrisses ist die präzise Deutung der Verteilung der Räume nicht mög­lich. Eine Korrelation der Anzahl der genannten Fenster jedes einzelnen Raums im Inventar mit den nach den Abbildungen rekonstruierten Fensterachsen ist ebenfalls nicht mög­lich. 56 Entweder in dem zum Garten hin sich ausdehnenden Gebäudeteil oder aber in dem F ­ lügel, der rechts den Ehrenhof begrenzte.

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Abb. 69: Mon Plaisir, Mehlanfuhr, im Hof vor der Backstube (linke Seite)

An dieser Stelle bietet sich der explizite Vergleich zwischen der Beschreibung eines Raums der Augustenburg und seinem Gegenstück in der Miniatur an, da Mon Plaisir sowohl eine Bäckerei als auch eine Prunkküche beinhaltet. Laut des Bauinventars für die Augustenburg wurde die Szene Bäckerei als einziger Kasten der Puppenstadt neben der Apotheke – wie sein originales Vorbild – mit vergitterten Fenstern dargestellt. Die Grundnahrungsmittel Mehl und Brot mussten gegen Diebstahl durch vergitterte Fenster geschützt werden. In einer Doppelszene wird in der linken Hälfte des Kastens die zum Backen notwendige Mehlanfuhr gezeigt, während in der rechten Hälfte die Bäckerei mit Back­ofen, Brotregal, Verkaufstisch und Waren dargestellt wird. Eine in Leinen gekleidete, weib­liche Figurine mit einem Kind stellt die Bäckerin mit ihrem Backwerk dar. Vermut­lich markierte die Prunkküche den Arbeitsort des Konditors, dessen Produkte – Kuchen, Eis und Zuckerkunstwerke – ähn­lich luxuriös waren wie die Prunkküche selbst. Die Prunkküche war keine alltäg­liche Speiseküche, sondern eine Schauküche, in der das kostbare Geschirr in Regalreihen ausgestellt wurde. Der Schrank Hofküche besteht nur aus zwei Szenen. Im unteren Teil befindet sich der Wein- und Bierkeller, darüber befindet sich die Prunkküche. Damit sind die Bereiche Nahrungsaufbewahrung und Nahrungszubereitung in Mon Plaisir gemeinsam dargestellt. Zentraler Blickfang ist der große, weiße Kamin, der mit einem die Umgebung kontrastierenden Küchenstück eines Tagelöhners ausgestattet wurde. Umlaufend und bis zur Decke reichend befinden sich Regalbretter mit Haken an den Wänden.

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Abb. 70: Mon Plaisir, Backstube, Bäckerin mit Brot und Kuchen (rechte Seite)

Im Vergleich zum Original ist die Miniaturküche zwar nicht gekachelt, aber rundherum im Stil von Delfter Kacheln bemalt. Das Geschirr (Teller, Töpfe, Schalen, Kuchenformen, Schöpfkellen und Durchschläge) besteht aus Zinn, Messing und Porzellan. Prunkküchen waren weib­liche Repräsentationsräume, die vorgeführt wurden und Geschmack und Finanzkraft bewiesen.57 Die große Bedeutung, die diese Messingküche für die höfische Repräsentation von Auguste Dorothea besaß,

57 Bischoff, Cordula (2002): „… so ist ein anders das männ­liche, ein anders das weib­liche Decorum“. Fürst­liche Damenappartements und ihre Ausstattung um 1700. In: Wunder, Heide (Hg.) (2002): Dynastie und Herrschaftssicherung in der Frühen Neuzeit. Berlin, S.  161 – 179.

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Abb. 71: Mon Plaisir, Hofküche, Koch

wird durch die Miniatur bezeugt, die zu den klarsten, einheit­lichsten und größten Szenen der Sammlung zählt. In der Augustenburg führte eine Tür von der Messingküche in die „Porzelin Cammer“, deren „Wände und Camin aber mit holländischen Fließgen bekleidet“, also komplett gekachelt waren, während der Fußboden wieder aus „gehauenen Seeberger Steinen“ bestand; Über dem Stuckkamin befand sich ein ovaler Spiegel, „worüber ein gemahltes Küchenstücke“58 hing. Annex: Darauf folgend nennt das Inventar das „Vorrathsgewölbe“. Dieses befand sich in einem eigenen Gebäudeteil oder zumindest einem Annex. Die

58 Die „Porzelin Cammer“ hatte zwei Fenster und eine Tür.

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Abb. 72: Mon Plaisir, Hofküche, Utensilien

Raumfolge schloss nicht direkt an die Repräsentationsräume an. In diesem Vorratsgewölbe lag der „Ausgeberin Ihr Küche, Stube und 3 Cammern“, darunter befand sich der Vorratskeller für Lebensmittel. Hier wurden einerseits die teuren Nahrungsmittel aufbewahrt, gelagert und vor unautorisierter Entwendung geschützt. Zugleich befanden sich hier andererseits die Wohnung der Ausspeiserin oder Schlüsselmagd und die Gesindeküche.59 Hinter diesem Gebäudeteil lag die schlosseigene „itzige Schreinerey“. Flügel: Die Flügelbauten waren im Unterschied zum Corps de Logis zweistöckig. Vor allen im Folgenden genannten Räumen lief ein Gang entlang. Im 59 Grimm, Bd. I, Sp. 868.

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Abb. 73: Mon Plaisir, Küchenschreiber

oberen Stockwerk, vielleicht an das Grüne und das Blaue Gemach angrenzend, befand sich das „Bett- und Butzcabinet“, in dem mög­licherweise Schmuck und das kostbare Bettzeug aufbewahrt wurden. Der Raum, über dessen Stuck­kamin ein Landschaftsgemälde hing, war mit vier Fenstern sehr hell und vermut­lich auch groß; von seinen zwei Glastüren führte eine in die nächste „Garderobe“ mit zwei Fenstern und einem Stuckkamin, „über welchem 1 Gemählde von Ölfarbe einer Assemblée einiger hießigen fürst­lichen Bedienten vorstellend“ angebracht war. Die Darstellung „ihrer Leute“ war Auguste Dorothea also nicht nur im Rahmen der Miniatur, sondern auch in Öl ein possier­liches Bedürfnis. Als Nächstes folgte „Ihro durchl. Ordinaire Speisegemach“, neben zwei nicht weiter benannten kleinen „Cabinets“ und der Altane, dem Balkon mit einer Balustrade, auf der „2 steinere Kindergen“ befestigt worden waren. Dieser

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Balkon stellte den oberen Abschluss des zum Ehrenhof gelegenen Mittelrisalits dar.60 Vor dem Speisezimmer lag eine Stube mit Eisenofen und ein „Vorplaz“, der mög­licherweise mit dem im Erdgeschoss korrespondierte. Hier begann der Trakt mit den Wohnräumen der Hofdamen. Zunächst schloss das Kabinett der „Jungfer Öhlers“ und „Ihro Durchlaucht Ober-Küche“, die Küche für die abend­ liche heiße Schokolade an. Hiernach werden die Stube und das Schlafgemach des Fräulein von Ketzler genannt. Hiervor befand sich erneut ein „Vorplaz“ und ein Treppenaufgang, also ein weiterer Verteilerraum. Daneben lag die Stube ihrer Hofmeisterin Fräulein von Hoym, dann die des Fräulein von König. Über der Seiteneinfahrt des mittleren Hofs befand sich wieder ein Flurzimmer, um dann mit Madame von Witzlebens Stube, die einen Ofen und einen Kamin hatte, den Flügel abzuschließen.61 Das Frauenzimmer war also im selben Geschoss untergebracht wie die fürst­liche Witwe. Erdgeschoss, linker (Seiten-)Flügel: Der linke Flügel, der an das Haupthaus anschloss, eröffnete mit dem „gelben Cabinet“, das zwar eine Lambrie, aber ­keinen Kamin besaß und mit einer Doppeltür und zwei Fenstern ausgestattet war. Das Kabinett führte in die Galerie, die neben vier Fenstern samt Läden über fünf Doppel­türen, die vermut­lich direkt zum Garten oder zu Räumen mit Garten­ zugang führten, verfügte. Hier waren eine Lambrie und ein Stuckkamin mit einem „vierecketen Spiegel“, vor dem auf dem Boden Fliesen lagen, angebracht worden. Die großen Doppeltüren weisen auf den repräsentativen Charakter hin. „Eine Stube gleich dran“ verfügte ebenfalls über vier Fenster, aber nur eine Tür sowie einen mit Fliesen besetzten Eisenofen „wie ein Camin etonirt“, worüber ein Portrait des Prinzen von Mecklenburg hing. Daneben befand sich ein Alkoven­ zimmer (Bett­nische), dessen Decke mit „Quadratür und Fresco-Mahlerey“ verziert war. Die Zone vor dem Kamin war mit Steinen belegt und über diesem hing ein „Conterfait in Öhlfarbe“. Auch der Alkoven hatte vier Fenster, eine Doppeltür und eine hölzerne Lambrie, während das „Cabinet gleich dran“ nur über ein Fenster und keine nennenswerte Ausstattung verfügte. Der nächste Raum war wieder eine Garderobe, die mit einer Gipsdecke und Freskomalereien ausgestattet war. Über dem eisernen Ofen in diesem Raum hing ein Landschaftsgemälde.62 Ohne erkennbare Verbindung nennt das Inventar nun die „Küche nebst ihrem großen Schlothe, Küche, Stube und Speise Camer“. Kochküche, Konditorei und 60 Wie die Altane an die vorgenannten Räume angeschlossen waren, wird nicht beschrieben. Entweder war sie vom Gang oder direkt vom Speisezimmer aus erreichbar. 61 An das Wohnzimmer der Witzleben grenzte noch ein „Bettboden“ an. 62 Die Garderobe verfügte über zwei Fenster mit Läden und drei Doppeltüren.

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Speisezimmer lagen also nicht nebeneinander, sondern über den Gebäudekorpus verteilt; zusätz­lich befand sich noch über der Küche ein mit Grotesken bemaltes Zimmer. Hiernach nennt das Inventar den Bäderbereich, der aus einem Vorzimmer 63 und einem Prunkbad bestand: Die „Badestube“ hatte einen Holzfußboden, einen Kamin und eine blau, rot und weiß bemalte Lambrie. Die Wände und der Kamin waren dagegen mit viertausend holländischen (Delfter) Fliesen verkleidet. (Die Darstellungen dieses kostbaren Bades oder eines „geheimen Gemachs“ fehlen allerdings in Mon P ­ laisir.) Dahinter oder daneben befand sich der Aufenthaltsraum der Hofleute, „die Hoffstube nebst der Cammer und Küchenstube“. Erstes Obergeschoss, linker (Haupt-)Flügel: Im oberen Stockwerk des linken Flügels schloss das „franzö­sische Cabinett“, ausgestattet mit einem teilweise gefliesten Kamin, über dem ein ovaler Spiegel und das Portrait der „verstorbenen Königin von Preußen“64 angebracht waren, an die Räume des Paradeschlafzimmers an. Im Franzö­sischen Zimmer waren sowohl die Decke als auch die Lambrie stuckiert. Eine doppelte Glastür führte ins so genannte Bildergemach: Hier waren Wände, Decke und Lambrie aus Stuck, ebenso der Kamin, vor dem Fliesen ausgelegt worden waren und den ein Spiegel zierte.65 Von hier aus führte wieder eine doppelte, gläserne Tür durch ein kleines Kabinett mit einer vergoldeten Lambrie mit Vasen 66 hin zu einer dritten doppelflügeligen Glastür und in das „Eng­lische Gemach […] mit einer Cupula von Stucc und Mahlerarbeit, in welchem 1 glatte Decke, gemahltes Lambris und Wände, so Grotesquen gemahlet, worauf 4 Ovales von Stucc, 1 hölzerner Fußboden [Parkett], 1 Camin mit 2 Spiegel unten 1 langicht 4eckiger und oben ein ovaler“ sich befanden. Vom Eng­lischen Zimmer aus war die Altane des linken Seitenrisalits, die spiegelgleich ebenfalls eine Balustrade besaß, „worauff 2 Kindergen von Stein stehen“, zugäng­lich. Auch die Läden der vier Fenster des Eng­lischen Zimmers waren mit Grotesken bemalt. Zwei doppelte Türen (ohne Glas) mit Beschlägen vervollständigten die prachtvolle Ausstattung des Raums. Neben dem Eng­lischen Gemach lag das „gelbe Sammet Gemach“: Darin befanden sich ein Kamin mit drei Spiegeln und Freskomalereien und eine ebenso bemalte Decke, während die Wände durch aus Gips bestehende, korinthische Pilaster gegliedert wurden. Der große Raum verfügte über vier mit Läden ausgestattete 63 Das Vorzimmer hatte einen Holzfußboden, zwei Fenster mit eisernen Stäben (vergittert) und Fensterläden, zwei Türen mit Beschlägen und einen Eisenofen. 64 Vermut­lich Sophie Charlotte von Hannover (1668 – 1705). 65 Das Bildergemach hatte zwei Fenster mit Läden. 66 „Das Cabinet am Eng­lischen Gemach“ hatte nur ein Fenster.

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Fenster. Eine doppelte Glastür führte in das getäfelte Zimmer, an dessen Kamin ein „Blumenstück“, also ein Stillleben hing. Die Wände und die Lambrie waren vollständig mit weiß und gold bemaltem „Tafelwerk“ verkleidet, auf dem weitere sechs Ölgemälde mit Blumenstillleben gezeigt wurden. Zum „blauen Cabinet“ gelangte man ebenfalls durch eine einfache Glastür. Über dem Kamin befanden sich ein Spiegel und ein nicht näher bezeichnetes Portraitmosaik; der Raum hatte nur ein Fenster, eine braun bemalte Lambrie und war vermut­lich recht klein. Seine verspiegelte Tür führte vermut­lich zu einem Versorgungsgang, während eine Glas­ tür in das angrenzende „Porcelain Cabinet“ führte. Hier wies bereits der kostbare Fußboden aus „eingelegtem“ Holz auf den Wert des präsentierten Inhalts hin. Im Deckenspiegel befand sich ein „Bild Öhlfarbe von spielenden Kindergen“, während sich an den Wänden „Pilasters mit Tischerarbeith“ befanden, also Konsolen zur Präsentation von Porzellan. Dem Blauen Gemach folgt in seiner Beschreibung der über eine Treppe in den Garten führende Gartensaal. Da der Saal zum Schluss dieser Raumfolge beschrieben wird, könnte der Gartensaal mög­licherweise im südöst­lichen Anbau zwischen Parterre und Küchengarten gelegen haben. Auf dem Stich der Gartenfassade von Rösel 1708 existiert nur eine Treppe zum Garten, näm­lich die am Corps de Logis im ersten Stock; demzufolge hätte sich der Gartensaal direkt an das Foyer angeschlossen.67 Die hohe Bedeutung des Gartens macht den zentralen Zugang plausibel. Im Gartensaal war der Boden ebenfalls mit Parkett ausgestattet, während die Wände und Decken aus Stuck mit Fresken und Groteskenmalereien bestanden. Zur Ausstattung des Raums gehörten zusätz­lich zwei Kamine „vorn mit Fließen“, über denen ebenfalls Freskenmalereien angebracht worden waren, eine Doppeltür zur Gartentreppe und drei „schöne Türen mit verzinnten Beschlägen“. Zusätz­lich waren zwei Fenster des Saals verspiegelt, während sechs andere mit „großem Tafelglas und Läden“ den Blick zum Garten eröffneten. Erster Hof: Hier lagen die Wohnräume des Hofmeisters und einige ihm unterstellte Bereiche. Eine Kellertreppe führte zum „Kellerhof“, mehrere Gesinde­ räume befanden sich neben der Küchenstube und Speisekammer, ebenso „die Ober Stube, Cammer, Küche, Vorplatz und Treppe“ sowie eine zusätz­liche Stube neben der mit einem eisernen Ofen ausgestatteten Küche des Hofverwalters. Das Musikzimmer, oder auch der „Flügelraum“, befand sich vermut­lich im

67 Das Inventar würde demnach zunächst die Räume entlang des Ehrenhofs beschreiben, am Ende umkehren und sich darauf den zum Garten hin gelegenen Räumen zuwenden.

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linken Pavillon und verfügte sowohl über einen Kamin als auch einen Eisen­ ofen und zwei doppelte Türen. Über dem Musikzimmer befanden sich mehrere Dachkammern. Im Haus des Hofverwalters waren Teile der Stallungen (Pferde) untergebracht, während sich im Hof selbst ein Springbrunnen, ein Backhaus mit Ofen und eine Kohlekammer befanden. Der Viehstall mit Rindern am ersten Hof war mit Steinplatten ausgelegt und verfügte über einen zusätz­lichen Brunnen, der speziell zum Tränken der Tiere gedacht war. Hier befanden sich auch eine Mägdekammer und die Holzkammer. Über dem Kuhstall, der Platz für 18 Kühe bereithielt, befand sich ein über eine Treppe erreichbares Foyer, von dem aus die hauseigene Kräuterkammer sowie die Apotheke zugäng­lich waren. Nebenan wurde in der „Weiße[n] Zeugkstube und zwei Weiße[n] ZeugCammern“ die Wäsche aufbewahrt. „Der Heydenring ihr Stube und Cammer“ lag ebenfalls hier, ebenso wie der Waschboden.68 Vorwerk: Zur Augustenburg gehörte ein eigenes Vorwerk mit mehreren alten und neuen Scheunen, ein Wagenhaus für die Kutschen und Fuhrwerke, „zwey kupferne Kessel im Waschhause und große Schloten [Kaminzüge]“ wie auch eine Meierei. Interieur: Die Ausstattung der Augustenburg ist 1711 rudimentär fassbar: „Die vielen Gemächer sind alle auffs kostbareste Fürst­lich meubliret und mit raren und curieusen Schildereyen, auch pretieusen Spiegeln gezieret. Insonderheit sind sehenswürdig die Porcellain-Cabinetta, in welchen viele chine­sische, japanische und persianische Porcellain-Geschirr zu sehen. Der große Saal mit zweyen Caminen, dessen Boden mit allerhand Holz ausgeleget ist, und die Decke in Fresco mit Wappen und kostbaren Gemälden gezieret, ist das weitläufftigste Gemach. Das Audienz-Gemach und Franzö­sische Zimmer sind wegen der schönen Portraiten und Meublen zu bewundern. Von dem übrigen kann der Augenschein am Besten urteilen.“69 Die Möbel wurden auch 1751 noch als „durchgehend schön und von guthem Geschmack, besonders das Leinen-Tisch und Bettezeug

68 Der Viehstall wird insgesamt nur aufgrund seiner Baumaterialien auf 252 Reichstaler geschätzt, ebenso wie „der große Küchenbau“. Des Herrn Hofverwalters Wohnung wird auf sechzig Reichstaler beziffert, während die beiden Flügelbauten mit den zwei Pavillons auf dreihundert Reichstaler und das Vorwerk auf sechshundert Reichstaler geschätzt werden. 69 Gregorii (1711), S. 183 f.; ebenso Apfelstedt (1856), Geographie, S. 134; Die Portraits zeigten Familienmitglieder des Hauses Braunschweig-Wolfenbüttel sowie Mitglieder des kaiser­ lichen, könig­lichen, des eng­lischen und des preußischen Hauses. NLA WB, 1 Alt 24, 240, 18 und 47.

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kostbahr“ beschrieben.70 Im Gegensatz zu anderen Hochadeligen ihrer Generation lag das Interesse der Fürstin nicht im Sammeln von Büchern, sondern hauptsäch­lich in der Sammlung von Stoff in all seinen Erscheinungsformen, etwa als Bezug, Decke, Wandbespannung, als Vorhang oder als Kleidung. Den zweiten Sammlungsschwerpunkt stellten Porzellane, Pretiosen und Küchengeräte dar. Die Textilien und das erlesene Mobiliar stellten das eigent­lich Kostbare innerhalb ihres Lustschlosses dar – hiervon abgesehen besaß Auguste Dorothea keine Wertgegenstände.71

70 NLA WB, 1 Alt 24, 238, 91; von der Ausstattung der Augustenburg haben sich wenige Stücke erhalten: „Von der Augustenburg sind drei Stück gemalter Tapeten durch Herrn Malermeister Schmidt ins Museum gerettet worden“ (Hertel, 1924, S. 100). Die Tapeten befinden sich vermut­lich im Schlossmuseum Arnstadt, ihre Identität ist jedoch nicht ­gesichert. Apfelstedt unterstellt, Herzog Carl habe die Augustenburg widerrecht­lich an sich gebracht und bezieht sich dabei auf das Testament von 1734, worin Auguste Dorothea ihren gesamten Besitz Günther I. vermachte, der jedoch schon vor ihr verstarb. Zusätz­lich schrieb er, die Augustenburg wäre unter der Bedingung des Abbruchs für zweitausend Taler verkauft worden; nach dem Abbruch wären die Baumaterialien getrennt und wiederverwertet worden. Die Gemeinde Angelhausen habe die Scheune und den Teich erworben, während der Grund und Boden für siebenhundert Taler an den Pfarrer ­Reißland verkauft worden sei, in dessen Familienbesitz sich die Fläche auch noch 1856 befand (Apfelstedt, 1856, Geographie, S. 135). „Die Orgel der Augustenburger Kapelle wanderte in die K ­ irche nach Angelhausen, eine Scheune wurde abgerissen und in der gleichen Gemeinde als Schulhaus wieder aufgebaut, die Bäume der Lindenallee erwarb der Pfarrer für 35 Taler.“ Rose, Rings um die Kefernburg, S. 96. 71 „Summarische Recapitulation aller auff der Augustenburg befind­licher Inventarien S­ tücke“, 24.1.1752 Mecken, 1 Alt 24, 240, 12: Pretiosen an Juwelen, Gold und Silber (835 Reichs­taler), Uhren (238 Reichstaler), „ächt indianisch und dreßdner Porcellain“ (887 Reichstaler), „unecht Porcellain diversen Fabriquen“ (326 Reichstaler), Gemälde (1.367 Reichstaler), Spiegel und Wandleuchter (522 Reichstaler), Tapeten, Gardinen (1.558 Reichstaler), „Kupfer-Geräthe“ (159 Reichstaler), „Zinnen-Geräthe“ (181 Reichstaler), „Messing Geräthe“ (102 Reichstaler), „Drell“ (1.542 Reichstaler), Leinen und Garrn (1.898 Reichstaler), Betten, Matratzen und Decken (888 Reichstaler), Kleider und Spitzen (1.572 Reichs­taler), „Bettsponden“ (495 Reichstaler), Canapees und Stühle (972 Reichstaler), Schränke, Commoden und Kasten (723 Reichstaler), Tische, Toiletten, Gueridons, „Thresors“ und Consolen (647 Reichstaler), „Eiserne Geräthe und Blech“ (84 Reichstaler), „Irden Geräthe“ (7 Reichstaler), „Conditorey Sachen“ (12 Reichstaler), Gläser (133 Reichstaler), Kutschen und Wagen (122 Reichstaler), Pferde (210 Reichstaler), Rinder und Schweine (57 Reichstaler), Varia (1.004 Reichstaler), Küchengeräte (628 Reichstaler), Bücher (15 Reichstaler). Die Summe des Inventars belief sich auf 20.075 Reichstaler, „exklusive Haus und Boden“.

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6.1.5 Der Kalk bröckelt – Die Augustenburg nach dem Tod der Herzogin

Auguste Dorothea starb auf Schloss Augustenburg am 11. Juli 1751. Die Familie unter Führung von Herzog Carl nahm das Lustschloss in Besitz und begann mit der Haushaltsauflösung.72 In Wolfenbüttel hatte man entschieden, das Schloss zu verkaufen, da man für die exterritoriale Haushaltung keinen Nutzen hatte. Das Haus war jedoch in einem schlechten Zustand: „Die hießigen Gebäude erfordern dazu nicht allein schon de praesentinium starcke, sonder auch nach ihrer von allen Seiten Wind und Witterung exponirten freyen Situa­ tion, auch weile sie gar nicht mit Dauer pro posteritate gebauet sind […] und bereits 50 Jahr gestanden haben, ein beständige considerable Reparatur, gestalt wie bißweilen der äußer­liche bekleidete Kalck abfält, das fast durchgehend faul gewordenen Holtz sich aller Orten zeiget.“73

Aus Geldmangel und vielleicht auch aus Ignoranz hatte sich Auguste Dorothea stets lieber um die Gestaltung des Inneren gekümmert, das auch 1751 nach 35 Jahren Bewohnung immer noch in passablem Zustand war. Die aktive Suche nach einem Käufer, einem „Liebhaber“ begann. Sechstausend Reichstaler wünschte man sich als Erlös für Schloss und Garten, war aber realistisch genug zu wissen, dass der Erlös vom Käufer abhing. „Jemand des fürstl. Schwartzbur­gischen Haußes zu den Kauffe zu inetiniren glaube ich schwer­lich, indem daßselbe nach Proportion seiner Umstände wegen der vielen vorhin gewesenen appanagirten Printzen mit so mancherley fürstl. Wohnungen bereits gehauffet ist.“74 Auch „Persuasiones mit Engelszungen“ 75 halfen nichts bei dem Fürsten von Sondershausen, der ja selbst zur Erhaltung seiner Schlösser „die Kosten scheut“ und obwohl doch „auf schick­lichste Arth […] zur eigenen Ehr des fürst­lichen Hauses“76 der Vorschlag unterbreitet worden war. Also wendete man sich an den Bruder des regierenden Fürsten, den Prinzen Wilhelm, wegen „seiner guten Oeconomie und gesammelten Barschaften“, der aber hatte „ga[r] keine Lußt dazu bezeiget“, weil er bereits eine schön möblierte Wohnung in Arnstadt besaß. Als einziger finanzkräftiger, potenzieller Käufer kam der Württemberger Oberstallmeister von Röder in Frage 72 73 74 75 76

Siehe Abschnitt 7.11 Krankheit, Sterben, Tod, S. 406.

NLA WB, 1 Alt 24, 238, 91.

Ibid., 90. Ibid., 239, 5. Ibid., 9.

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und man hatte ihm „unter der Hand davon Insinuation verrichten lassen“77 und wartete nun auf Antwort. Im August war von Mecken bei der Herzogin von Gotha auf dem Lustschloss Ichtershausen zu Gast und berichtete dort „dass vielleicht die Augustenburg sambt Garten und allen Meublen, wenn es ein conveniter dazu wäre, verkaufft werden möchte. Ich beschrieb die schön Situation des Schloßes und den guten Geschmack der Ausmeublierung dergestalt, als es die Kaufleutte zu tun pflegen, wenn sie ihr Waaren ausbringen wollen.“78

Aber auch hier bekam er eine Absage. Gotha besaß bereits Schloss Ichtershausen, das „mehr Solidité im Bauwerk“ besaß und wo „auch der Garten gantz annehm­lich“ war und näher an Gotha lag. Zudem hätte Sachsen-Gotha keinen Besitz in „hießiger Jurisdiction“ haben wollen. Viel wahrschein­licher sei es, dass die Rudolstädter das Schloss kaufen würden, die aber hätten wiederum kein Geld. Auch der Hoffnungsträger von Röder hatte doch nicht so viel Geld wie erwartet und harrte selbst auf das Ableben des Grafen Gustav Adolf von Gotter (1692 – 1762),79 dessen Landhaus er erben würde.80 Es blieb also nur die Lösung, das Schloss per Auktion zu verkaufen.81 Zur Wertermittlung wurde die Augustenburg mit ihren Gebäuden, Gärten und Mobilien inventarisiert und geschätzt.82 Aber die Taxierung der Möbel und 77 Ibid., 54. 78 Ibid., 31. 79 Gotter stammte aus Gotha und war bereits bei der Konfliktregulierung des Wittums mit Auguste Dorotha befasst gewesen. 1732 quittierte er den Dienst am Gothaer Herzogshaus und ging als preußischer Minister nach Wien. Siehe ADB, Bd. 9, 451 ff. 80 NLA WB, 1 Alt 24, 239, 55. Vermutlich spekulierte von Röder auf eine Immobilie in Molsdorf oder Neudietendorf. Schloss Molsdorf, ehemals im Besitz von Gotter, war 1748 bereits in den Besitz von Heinrich Reinhard Freiherr Röder von Schwende übergegangen. Hier scheinen falsche Gerüchte gestreut worden zu sein. 81 Ibid., 239, 32. 82 Nach der ersten Taxation belief sich der Wert auf 19.000 Reichstaler, an Ausgaben waren aber über 21.000 Reichstaler durch die Entlohnung der Bedienten und Befriedigung der Kreditoren zu erwarten (NLA WB, 1 Alt 24, 239, 52). Tatsäch­lich gab es von der Augustenburg ein vollständiges Inventar, das zimmerweise vorging (1 Alt 24, 239, 64) und mindestens 486 Seiten Umfang hatte (1 Alt 24, 240, 18). Es hat sich bislang noch nicht gefunden. Es könnte sich bei den Archivalien der Erbnehmerinnen Herzogin Antoinette Amalie bzw. deren Tochter Philippine (NLA Wolfenbüttel) befinden oder bei der Archivalien zu Prinz Wilhelm von Schwarzburg-Sondershausen (ThStA Rudolstadt), da das Inventar vor d ­ essen Einzug ins Schloss 1752 präzise festgehalten werden sollte. Auch ThStA Ru, Regierung Arnstadt 5. Überreichung Fasanenhaus bis Abriss.

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Gegenstände war zu hoch bewertet, weil „vieles hingegen wiederum bey den etwann resolvirenden würckligen verkauff zimm­lich geringer außfallen möchte“.83 Im Oktober hatte sich immer noch kein „Liebhaber“ gefunden „und allen Anschein nach sich vorderhand dergleichen nicht finden dürfften“.84 Die Herzogin in Wolfenbüttel regte an, zur besseren Auktionierung einen Katalog der zum Verkauf stehenden Objekte drucken zu lassen, die Auktion als solche aber auf das Frühjahr zu verschieben. Die Zimmer der Augustenburg sollten möbliert bleiben und Möbel oder Bilder nur dann entfernt werden, wenn dadurch kein Schaden zustande käme.85 Bis es zur Verauktionierung kam, verging über ein Jahr, aber so leicht wurde man die Haushaltsgegenstände nicht los. Im Juli 1752 hatte „man zwar von fürstl. Hofe zu Gotha Mine gemacht […] die drey Articel des Inven­ tarii von Leinen, Drill und Betten […] aufzukauffen“. Gotha wollte aber zwanzig Prozent weniger zahlen als die Gegenstände taxiert waren und so verblieben sie in der Augustenburg, denn vor allem die Textilien durften nicht unter Wert verkauft werden.86 Einen Käufer fand man vorerst nicht, aber ganz unerwartet interessierte sich Prinz Wilhelm von Schwarzburg-Sondershausen für die Augustenburg, und zwar zur Miete auf Lebenszeit. Der Prinz war bereits 53 Jahre alt „und nach dem wenigen demnach bey guten essen und trinken und daher completen Körper sich machenden Bewegungen von keiner der gesündesten Constitutionen, schläfft öffters sowohl vor-als nachmittags, woraus man die in der fürstl Familie schon öfftere Krankheit von Schlagflußen befürchtet“.87

Aktuell verschlang die Augustenburg jähr­lich 374 Reichstaler an Unterhaltungskosten und man suchte dringend nach einer Lösung. Da der Prinz „Ordnung und eine gewissen Propreté“ zu schätzen wusste und man durch eine Vermietung an ihn die „sehr in Abgang gerathenen Gebäude und Garten […] zu conserviren“ los war, wurde die Augustenburg für dreitausend Reichstaler möbliert an ihn 83 NLA WB, 1 Alt 24, 239, 53. 84 Ibid., 64. 8.10.1751 Mecken. 85 Ibid., 240, 5; aus Kostengründen entschied man sich gegen einen Katalog. Die bevorstehende Auktion wurde in Erfurt und Gotha in den wöchent­lichen Zeitungen inseriert. Ibid., 17. 86 Ibid., 66. Zur Auktion kam es erst Mitte August, 240, 84. 87 Ibid., 70. Mecken an Herzogin Antoinette Amalie, 17.7.1752. Siehe auch Apfelstedt (1856), Geographie, S. 53; Landeskirchenarchiv Eisenach, Kf 2a-5 Ba 1758 – 1804 „Confitenten-­ Register“, 1758 Erwähnung von Prinz Wilhelm; Wilhelm wollte so bald als mög­lich einziehen, um eine „Brunnen-Kur“ anzuwenden.

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vermietet.88 Prinz Wilhelm übernahm sogar die Hypothek und zahlte die Kredi­ toren aus, und falls ein Feuer ausgebrochen wäre, hätte Wilhelm sechstausend Reichstaler Schadensersatz leisten müssen.89 Mecken ließ „sofort […] eine Reihe Zimmer unten im Corps de Logis und Flügel der durchl. dem Printzen geräumet nebst Küche Keller Stall und bedienten Cammern sodaß höchst dieselben täg­lich hier seyn um so mehr die Arbeit der Handwerker in Ausbesserung der Gebäude und Gärten […], damit alles in Guten Stand komme.“90

Antoinette Amalia ordnete an, alle übrigen Textilien, sämt­liche Bücher, die Gemälde und das „alte indianische Porcellain und terra sigilata“ nach Braunschweig bringen und das Silbergeschirr einschmelzen zu lassen.91 Prinz ­Wilhelm lebte noch knapp zehn Jahre auf der Augustenburg mit höchstens zehn Bediensteten.92 Im Januar 1762 meldete der in Erfurt mit Braunschweiger Pension lebende Sekretär Schulz den schlechten Gesundheitszustand des Prinzen und die „zunehmende Dicke des fürst­lichen Cörpers, welche die schmächtigen dünnen Beine kaum tragen können“93 und bat erneut um eine Blankovollmacht zur Inbesitznahme des Schlosses beim baldig erwarteten Tod des Prinzen. Die eigent­ liche Erbnehmerin, Herzoginwitwe Antoinette Amalia, starb allerdings selbst am 6. März 1761. Ihre älteste, unverheiratete Tochter Charlotte (1726 – 1766), Schwester des regierenden Herzogs Carl, trat nun das Erbe der Augustenburg an. Da keiner der Beteiligten einen Bezug zum Schloss oder zum Territorium 88 NLA WB, 1 Alt 24, 240, 71 f. 89 Ibid., 76 – 80 Mietvertrag vom 1.8.1752 zwischen Mecken als Bevollmächtigter der Herzogin und Prinz Wilhelm. „Schloß Augustenburg sambt denen Neben-Gebäuden, Gärthen, kleinen Teiche und Teig-Damm […] des Herrn Fürst Wilhelms Durchl. uf dero Lebenzeit zur Bewohn- und Nutzung eingeräumet“. Die Möbel blieben im Schloss, ebenso die wandfesten Spiegel und Gemälde, „sambt ihren Consolen und kleinen Aufsätzen von unechten Porcellain“. Ein separates Bestandsinventar sollte die Abnutzung dokumentieren. Wilhelm verpf­lichtete sich auch dazu, die Zäune, Mauern, Brunnen und Wasserleitungen zu reparieren. 90 Ibid., 83. 91 Ibid., 48 u. 81. Der Transport der Kunstgegenstände wird nicht gesondert nachgewiesen. (Generalmajor) Laudons, der vom 25.–28.9.1757 mit 4.500 Kroaten bei Arnstadt lag, hat angeb­lich „für 10 Rthl Porcellain von der Augustenburg erstanden“. Akten des Fürst­lich Schwarzburg-Sondershausenschen Landrathes zu Arnstadt betreffend Mon Plaisir 331 – 01 – 1 (15.8.[17]96). 92 ThStA Ru, Konsistorium Arnstadt 386, 40 f. 93 NLA WB, 1 Alt 24, 241, 3. Wilhelm starb am 19.3.1762 an „Schlagfluß“, ibid., 11.

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hatte, kam es zu einer sehr schnellen und unpersön­lichen Abwicklung. Man entschied, „dieses Schloß der Entlegenheit wegen zu verkaufen“.94 „Serenissima denke ich wird es gleichgültig seyn, wem dieses Lust-Schloß anheim fällt, ich denke, wer es am besten bezahlt ist der anständigste Käufer.“95 Drei Jahre später war immer noch nichts passiert. Der Garten hatte sich seit Auguste Dorotheas Tod nicht verschlechtert, nur die Gebäude waren mittlerweile einsturzgefährdet. „Die Schloß-gebäude fangen aber zum Theil an sehr zu wancken, die Schadhaftigkeiten sind so, dass […] man sich also bis dato noch mit Trempeln und Stützen geholfen“96 hatte. Für die gesamte Augustenburg lag nur ein Gebot über 1.800 Reichstaler vor. Mecken schlug vor, das Land zu parzellieren und alles auszuschlachten. Im März 1765 war „der Anfang von der Zerstörung der hießigen schönen Augustenburg gemachet worden. Leider, da nach Printz Wilhelms Tod sich kein Käufer gefunden und die regierende Herrschaft sich es aus unbekannter Ursache derselben nicht angenommen“, befand die Pfarrchronik. Nach einigen Monaten der Unklarheit wurde sämt­liches Inventar, die Tapeten, Spiegel, Schränke und die Statuen verauktioniert. Im August erwarb der Arnstädter Kaufmann Carl Gottlieb Böhme die Augustenburg für dreitausend Reichstaler. Am Kauf beteiligt waren zudem „Herr von Kaufberg, Cammer Inspector und Hofrath bey deren nostro […] Assessor Consistorii zu Arnstadt wie auch her Major von Bufett zu Ettischleben“. „Gleich nach Michael nahm man die Demolierung der gantzen Augustenburg vor und die Hauptgebäude sind nun […] hinweg, Ziegel und Baitstern sind fast mehren Geld wehrt, das Höltz wurde theils in Claftern gesplittet theils […] was noch Bauholtz war, in Geld dahin gegeben, und so wie alle Tage großer Markt gehalten, herauf man [aus den] Castanien-Bäumen und die [Buchen-]Alleen […] bloße Clafter Holtz und Balken machen lassen.“97

Innerhalb kürzester Zeit war das ehemalige Lustschloss Augustenburg samt seinem Garten verschwunden. Wenig erinnerte noch an Auguste Dorotheas Witwenzeit auf der Augustenburg. Nur Mon Plaisir bewahrte Bilder des Lebens eines längst vergangenen Ortes und seiner Bewohner.

94 Ibid., 22. 95 Ibid., 242, 5. 96 Ibid. 97 Pfarrchronik (1814), 262.

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Mikrokosmos Witwenhofstaat

6.2 „Meine Leut’“ – Das Personal des Witwenhofs „Ordnung ist die Seele des Hofs. [Es] kommt bey Hofe auf zwey Dinge, auf die Personen und deren Wandel an. […] Bey denen Personen ist dahin zu sehen, daß einem ieden sein Platz und Rang angewiesen […], damit ein ieder wissen möge, was vor eine Stelle er zu occupiren habe.“98

Auguste Dorothea entwarf in Mon Plaisir das Portrait eines Hofs, der sich vollständig an der mehrfach präsenten Figurine der Fürstin orientiert. Die Kästen und einzelnen Räume symbolisieren durch ihre Anordnung die Ständepyramide. Zugleich wurde jeder Figurine durch ihre materielle Ausstattung ein festgelegter Platz im höfischen Ganzen zugewiesen. Mon Plaisir spiegelte mit seinen Figurinen die funktionale Rollenverteilung am realen fürst­lichen Witwenhof wider. Das eigene Schloss mit seinem Personal war von größter Bedeutung in der Selbstkonstruktion der Fürstin. Auf der funktionierenden, pyramidal aufgebauten Gesellschaftsstruktur, deren Spitze und Zentrum die Herzogin darstellte, beruhte ihr Selbstverständnis. Während einerseits ihre Position als Landesmutter (und später fürst­liche Witwe) die Hofhaltung des Lustschlosses begründete, legiti­mierte vor allem nach dem Tod ihres Mannes der relativ umfangreiche Hofstaat umgekehrt die Ausübung der Rolle als höfisches Zentrum, mit Repräsentationspf­lichten und mit Machtbefugnissen, die Auguste Dorothea für sich – realiter und dreidimensional in Miniatur – reklamierte. Der Witwenhof der Augustenburg stellte einen eigenen kleinen Kosmos dar, einen Miniaturstaat, in dem die Herzogin regierte. Dem Personal, den „Untertanen“ kam dabei eine wichtige Rolle zu, ebenso den Bewohnern des Dorfes und den Arbeitern in der von ihr gegründeten Porzellanfabrik Dorotheental, von denen die meisten in unterschied­lichem Grad in Abhängigkeit von der Herzogin standen. Diese profan klingende Feststellung verschleiert, dass Auguste Dorothea selbst vollkommen abhängig vom Wohl ihrer Angestellten war. Das hierarchische System war fragil und die Unterwürfigkeit des Personals variierte in Abhängigkeit von der Reputation der Fürstin außerhalb des Witwenhofs, von ihrer Zahlungsfähigkeit und ihrer Exekutivmacht, sodass die Herzogin mit fortschreitendem Alter ihrem Hof geradezu ausgeliefert war.99 Zum Zeitpunkt ihres Todes 1751 zeichnen die Archivalien zur Abwicklung des Sterbefalls ein differenziertes Bild des Witwenhofs. Im Juli 1751 befanden

98 Florinus (1719), Bd. I, S. 107. 99 NLA WB, 1 Alt 24, 236, 52.

Das Personal des Witwenhofs  |  247

sich vierzig Personen im Dienst der Herzogin. Nur ein kleiner Teil des Personals war adelig oder katho­lisch. Die überwiegende Mehrheit war protestantisch und nicht adelig. Unter den 19 Frauen befand sich eine einzige Witwe, alle anderen Frau waren unverheiratet. Der Witwenhof g­lich zu diesem Zeitpunkt eher einem Damenstift mit männ­lichem Dienstpersonal. Unter den 21 männ­lichen Mitgliedern der Augustenburg waren fast alle verheiratet. Ihre Frauen und Kinder lebten ebenfalls auf der Augustenburg. Der Kosmos Augustenburg bezog sich hauptsäch­lich auf sich selbst und nahm nur wenn nötig Dienste von außen an. Um diese auf Hierarchie und Selbstversorgung ausgerichtete Entität zu betreiben, waren viele verschiedene Funktionen personell zu besetzen.100 Das System Witwenhof zeigt sich dabei relativ geschlossen. Innerhalb des Systems konnte man Karriere machen und vom Konditor zum Hofverwalter aufsteigen. Dazu trugen unter anderem die persön­lichen Verflechtungen der Mitglieder des Hofstaats untereinander bei. Zwischen 1704 und 1738 fanden auf der Augustenburg zwölf „Copulationen“ statt. 1722 heiratete der Hofmaurer Peter Hauser die Kammerjungfer Anna Maria Ohlin (die Tochter eines Sondershäuser Schneiders) und 1728 heiratete der verwitwete Sekretär der Herzogin eine ihrer anderen Hofjungfern namens Heydekampfin.101 Nur bei zwei Vermählungen kamen die männ­lichen Partner von außerhalb. Die Ausgeberin Anna Elisabeth heiratete 1708 den Kunstmaler Johann Georg Gedel und die Kammerjungfer Rosina Plettin heiratete 1719 den säch­sisch-gothaischen Landmedikus Johann Wilhelm ­Wöllner.102 Zwischen 1704 und 1751 wurden auf der Augustenburg und im angrenzenden Dorotheental 32 Kinder geboren. Die Paten und Patinnen kamen meist von der Augustenburg. Elfmal war die Herzogin selbst Patin. Mädchen trugen meist den Namen der Herzogin, Jungs erhielten eine männ­liche Variante („August“). Die Patenschaft scheint zugleich eine Garantie für die spätere Versorgung der Kinder als Angestellte auf der Augustenburg gewesen zu sein. Der Verkehr zwischen den Geschlechtern verlief jedoch nicht nur in geordneten Verhältnissen.103 100 Viele Funktionen am Hof waren doppelt in Personalunion besetzt. Diese in den Thüringer Kleinstaaten gern verwandte Technik sparte vor allem Geld. Johann Andreas Bähr (und seine Frau Martha Maria) waren 1722 sowohl Hofbäcker als auch „Gerstwirt“. Johann Sophie Hetzin war 1730 sowohl Wasch- als auch Konditoreimagd (Landeskirchenarchiv Eisenach, Kirchen­ bücher Arnstadt-Illmenau, Kirchenbuch 1626 – 1716, Oberndorf, Dorotheental, 2a-2, 95 u. 207). 101 Kirchenbuch 1626 – 1716, Oberndorf, Dorotheental, 2a-2, 103 und 168. 102 Ibid., 2a-1, 780 f. und 2a-2, 43. 103 Im Jahre 1729 kam es zu einer unehe­lichen Schwangerschaft der Magd Martha Elisabeth Steltzerin durch den Vorreiter Kästner. Beide sind später nicht nachweisbar und wurden dementsprechend vermut­lich entlassen. ThStA Ru, Konsistorium Arnstadt 1006.

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Mikrokosmos Witwenhofstaat

6.3 Die Bedeutung des Hofs für die Umgebung

Auguste Dorotheas Umzug mit der kompletten Hofhaltung nach Oberndorf und die Gründung der Porzellanmanufaktur Dorotheental war für die Neunundneunzig-Seelen-Gemeinde 104 sehr bedeutend. Die Kirchenbücher Oberndorfs verzeichneten durch die Nennungen von Geburten, Hochzeiten, Sterbefällen, aber vor allem durch das Führen von so genannten Abendmahlslisten implizit den Bevölkerungswandel, der mit Auguste Dorotheas Kommen aufblühte und nach ihrem Tod wieder versiegte. Für den jeweiligen Chronisten und Pfarrer war die Zuordnung der einzelnen Menschen zum Dorf, zur Augustenburg oder zu Dorotheental bedeutsam und diente der zusätz­lichen Identifikation einer Person. Dies bezeugt die zeitgenös­sische Wahrnehmung der Sphären zwischen Dorf und Schloss als zunächst getrennte. Durch persön­liche Bezüge und Heiraten unterein­ ander kam es zu einer langsamen Annäherung beider Bereiche. Die Summe der ausgegebenen Abendmahle pro Jahr spiegelt den langsamen Zuzug des Hofs, seine Verstetigung vor Ort sowie dessen Abwanderung. Während um 1700 zwischen 5 und 15 Menschen pro Messe (228 im gesamten Jahr) das Heilige Abendmahl erhielten, stieg die Zahl 1720 auf das Doppelte.105 Im Jahr 1717, dem Jahr des endgültigen Auszugs aus dem Residenzschloss Neideck, stieg die Zahl um mehr als fünfzig Prozent auf 370 an. In den Jahren 1731, 1738 und 1740 erreichte die Summe aller Personen, die ein Abendmahl empfangen hatten, über 400. Im Jahr von Auguste Dorotheas Tod 1751 verzeichnet das Abendmahlsregister nur noch 251 Zähler und befand sich damit wieder fast auf dem Ausgangsniveau von 1700. Es ist von einem guten Kontakt zwischen der evange­lischen Pfarrei und der katho­lischen Witwe auszugehen. Der Oberndorfer Pfarrer war nach der Konver­ sion der Auguste Dorothea für alle evange­lischen Bediensteten oder Mitglieder der Augustenburg verantwort­lich, aber auch für Trauungen von konfessionell gemischten Ehen,106 Taufen von Kindern katho­lischer Eltern 107 sowie Beiset-

104 Konsistorium Arnstadt 386, Seelenregister von Angelhausen-Oberndorf mit Vorwerk Käfernburg, Augustenburg und Porzellanfabrik Dorotheental 1684 – 1755, 5. Erstellt von Pfarrer Johann Michael oder Samuel Heinrich Reißland. 105 Landeskirchenarchiv Eisenach, Kirchenbücher Arnstadt-Illmenau, K7 2a-2 sowie Anhang K7 2a-7. 106 Am 15.6.1723 wird der katho­lische Hofmauerer Peter Hauser mit der evange­lischen Jungfer Anna Maria Ohlin in der Oberndorfer Kirche „copulirt“, Kirchenbücher 1717 – 1757, S. 103. 107 Z. B. wurde 1703 der Sohn des katho­lischen Konditors Aldenthal vom Oberndorfer Pfarrer getauft. Kirchenbuch (1626 – 1716), Oberndorf, 746.

Die Bedeutung des Hofs für die Umgebung  |  249

Abb. 74: Mon Plaisir, Bauernbrautzug

zungen.108 Bei „großer Schwachheit“ wurde Gläubigen das Abendmahl zuhause ausgeteilt und auch wegen einiger Nottaufen war der Pfarrer oft in der Ausübung seines Berufs auf der Augustenburg präsent. Im Jahr 1724 lebten auf der Augustenburg allein siebzig Seelen, darunter fünf Schulkinder und zehn Kleinkinder.109 Eine der Töchter des Pfarrers arbeitete als Magd auf der Augusten­burg. Auguste Dorothea schenkte der Kirche 1722 eine Bekleidung für Altar, Kanzel und Taufstein und finanzierte 1744 mit fünfzig Reichs­talern den Neuguss der großen Glocke.110 Bei Sterbefällen mehrerer katho­lischer Angehöriger bewirkte 108 Baron von Kranichstein, der Oberhofmeister der Augustenburg, starb 1743 als Konvertit und wurde trotzdem in der Oberndorfer Kirche unter dem Taufstein beigesetzt. Kirchenbücher 1717 – 1757, 414 und K7/2a-7, Anhang. 109 ThStA Ru, Konsistorium Arnstadt 386, 12; Protestanten auf der Augustenburg: 1720: 49 Menschen, 1734: 51, 1738: 62, 1745: 64, 1752 nach Auguste Dorotheas Tod: 25 Personen. 110 LKA Eisenach, K7/2a-7 Anhang; auch K7/ 2a-2, 440. Weitere „Verehrungen in die Kirche zu Oberndorf“ von der Augustenburg: „Blumenstreusse von einigen Frauen der Augustenburg (1723)“, „2 taffenter Dekkel auf die Patene u. den Kelch (1726) von der Frau Hofverwalterin Mannhaupt“, Crutzifix vom Mundkoch der Herzogin (1734), Blumenvasen aus Dorotheental von 1719.

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Mikrokosmos Witwenhofstaat

Abb. 75: Mon Plaisir, Wäschekammer mit Mangel

Auguste Dorothea beim Arnstädter Konsistorium, dass diese trotz ihrer Religionszugehörigkeit ehrenvoll auf dem Oberndorfer Friedhof beigesetzt werden konnten.111 Die Verzahnung zwischen Schloss, Manufaktur und Dorf fand auch in Bezug auf die Schulbildung der Kinder statt.112 Zu Beginn ihrer Witwenzeit 1717, kurz bevor sie aus Schloss Arnstadt auszog, bestand Auguste Dorotheas Hofstaat aus 43 Personen, die eine von ihrem Gemahl völlig unabhängige Hofhaltung bezeugen.113 Ein eigener Koch und eigener Kon-

111 So 1729, bei der Konvertitin und Mutter von Baron von Kranichstein, die mit 86 Jahren starb (2a-2, 190); 1730 der katho­lische Gefreite Christoph Schmid, Wachsoldat aus Erfurt. Auf ihr Geheiß beorderte Major von Buttlar zwanzig Soldaten zur ehrenvollen Beisetzung (2a-2, 202), 1743 Baron von Kranichstein. 112 LKA Eisenach, K7/2a-7, Anhang: Verzeichnis der Schullehrer von Angelhausen und Oberndorf: 1692 – 1705 Johann Reibstein; 1706 – 1713 Johann Lorenz Möhring; 1713 – 1741 Johann Daniel Högelmann; 1741 – 1760 Albertus May. 113 Die von der Herzogin persön­lich erstellte Liste demonstriert nicht nur, wer in ihren Diensten stand, sondern auch die hierarchische Verteilung des Personals auf die herzog­liche Tafel,

Die Bedeutung des Hofs für die Umgebung  |  251

ditor bereiteten die Speisen nur für ihren Hofstaat zu. Kutscher samt Vorreiter garantierten Beweg­lichkeit und standesgemäße Spazier- und Lustfahrten. Das Frauenzimmer bestand aus vier Fräulein und drei Jungfrauen sowie „Christiana“, vermut­lich der konvertierten „Türkin“.114 Mit dem vollständigen Umzug auf die Augustenburg differenzierte sich das Personal weiter nach Funktionen aus.115 Zu den wichtigsten Aufgaben gehörte die des Hofverwalters,116 dem die Aufsicht über den gesamten Wirtschaftshof oblag. Der Küchenschreiber 117 und der Kellerschreiber 118 waren zuständig für die Vorratshaltung ihrer Bereiche und kontrollierten vorhandene Mengen und deren Abgabe. Mundkoch,119 Lehrkoch 120 und Konditor 121 bereiteten täg­lich die Speisen zu. Braumeister 122 und Mundschenk 123 sorgten für den Kammer- und den Gemeinentisch: „An meiner Tafel: Ich die Hertzogin, 4 Fräulein, Der Herr Beichtvater, 2 Cavaliers [=] 8 Personen […] An dem Kammer Tische: 3 Kammer Jungfrauen, Christiana, 3 Fräul. Mädgen, 1 Page, 1 Hoffverwalter, 2 Kammerdiener [=] 11 Personen […] An denen gemeinen Tischen: 1 Außgeberin mit 3 Mägden auf der Augustenburg, 5 Garderobbe, Lauff und Waschmägde, 1 Koch, 1 Conditor, 1 Gärtner mit 1 Geselln und 1 Jungen, 3 Laquayen, 1 Laquaye vom Herrn Beichtvater, 2 Cavalier Laquayen, 1 Fräul. Laquaye, 1 Kutscher, 1 Vorreiter, 2 Knechte [=] 25 Personen“, deren Unterhalt wöchent­lich 210 Reichstaler kostete. ThStA Ru, Kanzlei Arnstadt 311 Witthumsakten 1716 – 21. 114 Der Begriff „Türke“ steht in der Frühen Neuzeit für Nichtchrist/Moslem (siehe Grimm, Bd. 22, Sp. 1848). 1702 wird auf der Augustenburg die Hochzeit der konvertierten „Türken“ Georg Albrecht und Johanna Christiana Augusta erwähnt (K/7 2a-1, 734). Vermut­lich handelt es sich hier um das Hofmohrenpaar. 115 Als Quelle für den folgenden Abschnitt diente: ThStA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt 311; NLA Wolfenbüttel, 1 Alt 24, 238, Landeskirchenarchiv Eisenach K/7 2a-1, 2a-2 Kirchenbücher Oberndorf 1626 – 1757. Aufgrund der Vielzahl der Fundstellen wird auf die Angabe der einzelnen verzichtet. 116 Pius Rösel (1704 – 1722 † Augustenburg) wird hier als Kammerdiener von Anton Günther bezeichnet; Johann Aldental 1716; Bernhard Mannhaupt (–1741 † Augustenburg); 1751: „Landvogt“ Johann Georg Schildt (1681– 1751). 117 1719 Valentin Grau; 1719 Philipp Georg Grammann; 1732, 1738 Johann Christoph Graf (mit Frau und Tochter). 118 1731 Heinrich Jacob Sommer (heiratet Jungfer Maria). 119 1722 Georg Äcker; 1723, 1729, 1732 Andreas Handwergk (Frau und Kind † 1729, Kind † 1732); 1732 Mundkoch Schade. 120 1720 Johann Heinrich Mollewitz aus Wolfenbüttel. 121 Johannes Aldental 1702 (mit Frau und 2 Kindern) 2a-1, 737; 1723 Konditor Graff; 1723 Konditor Rösler. 122 1722 Meister Frantz (Gerihn?); 1731 Johann Georg Schild (heiratet die Kammerjungfer Rosina Müllerin). 123 1725 Nicol Jonas (mit Frau und Tochter); 1739, 1740 Friedrich Christian Heimbürger (mit Frau, Kind 1740).

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Mikrokosmos Witwenhofstaat

Getränke und deren Ausschank. Der Hofbäcker 124 sorgte für Brot. Die Ausgeberin (Haushälterin) kontrollierte den Hausrat und die Mägde.125 Der Bettmeister 126 hatte die Aufsicht über Betten und sämt­liches Zubehör. Auf der Augustenburg lebte auch ein Hofmaurer,127 ein „Hofküffer“,128 der sich nur um die großen Weinfässer zu kümmern hatte oder auch ausschenkte und einen zusätz­lichen Böttcher,129 der für Fässer und Behältnisse allgemein zuständig war. Auf der Augustenburg gab es auch Räume für die Schneiderei und die Schreinerei.130 Kutscher,131 Vorreiter 132 und Knechte 133 kümmerten sich um die Wagen, Chaisen, Kutschen und Pferde und begleiteten die Herzogin bei Ausflügen. Einige Mägde 134 und „Laquayen“135 sorgten für das Funktionieren der Abläufe, für Sauberkeit der Räume, Wäsche, Garderobe und übernahmen Hol- und Bringdienste. Kammerdienerinnen 136 und Kammerdiener 137 versahen den „Leibdienst“ bei der Herzogin. Ein Leibmedikus 138 und die hofeigene Apotheke 139 waren für die medizinische Versorgung der Fürstin 124 125 126 127 128 129 130 131

1722, 1723 Johann Andreas Bähr (und Frau Martha Maria und Kind). 1702 Anna Elisabeth Albrecht. 1722, 1723 Georg Schildt (später Hofverwalter). 1723, 1729 Peter Hauser, heiratet Jungfer Ohlin, Schneiderstochter aus Keula (Sohn 1729). 1724, 2a-2, 114. 1716, K/7 2a-2, 33. Beide Berufsgruppen sind jedoch nicht in den Kirchenbüchern nachweisbar. 1723 Kutscher Heger; 1742 Kutscher Michael (Stadel?), fiel am 15.9. vom Pferd und kam unter die Hufe. K/7 2a-2. 381. 132 1722 Daniel Kauffmann; 1729 Hans Andreas Kästner; 1731 Johann Fischer; 1734 Andreas Fischer (heiratet Jungfer Maria Catharina Korbin). 133 1722 Nicol Kleingunther; 1722, 1723 Benedikt Riedermann; 1723 Johann Nicol Heyder. 134 1722 Waschmagd Clara; Küchenmagd Margarethe Hornungen; 1723 Sophie Vogtin; 1730 † Johanna Sophie Hetzin. 135 1722 Joh. Kling(vetter); 1734 Friedrich Christian Heimbürger (mit Frau und Kind † 1739). 136 1720 Kammerdienerin Kamm; 1721, 1724 Kammerdienerin Dobelin, genannt Charlin; 1731, 1738 Kammerdienerin Gerstenkorn. 137 1722 Kammerdiener Kamm; 1723 Kammerdiener Grupp; 1724 Kammerdiener Michael Grau; 1731 Anton Vätter (heiratet Jungfer Sophie Hedwig (Holethin); 1738 Philipp Anton Wülmer (Wöllner?). 138 1719 Johann Wilhelm Wöllner, säch­sisch-gothaischer Landmedicus (heiratet Jungfer Rosina Plettin); 1721 – 1751, Leibmedicus Schumann, NLA WB, 1 Alt 24, 239, 47. 139 Räum­lich und bild­lich nachweisbar, nicht aber über Kirchenbücher. Die Kirchenbücher verzeichnen nur die Geburten, Taufen und Hochzeiten sowie Sterbefälle evange­lischer Bediensteter der Augustenburg. Wer also selten zum Abendmahl ging oder keine konfessionellen Handlungen in Anspruch nahm, auf der Durchreise war oder nur eine kurze Zeit auf der Augustenburg arbeitete, wurde nicht erfasst. Katholiken sind nur in Ausnahmen

Die Bedeutung des Hofs für die Umgebung  |  253

und ihrer Leute zuständig. Soldaten aus Erfurt 140 beschützten die Augustenburg vor Diebstahl. Mehrere Gärtner 141 kümmerten sich um den Lustgarten. Es lassen sich drei „Kunstmahler“ auf der Augustenburg nachweisen.142 Bedeutsame Aufgaben hatten der Hoffourier oder Hofmeister,143 der sich um Gäste kümmerte und die Wahrung des Zeremoniells überwachte. Der „Secretarius“ Cornelius Schulz erledigte seit 1718 alle Schreibaufgaben der Herzogin und fungierte als ihr Berater und Gesandter.144 Zur persön­lichen Entourage der Fürstin gehörte das Frauen­ zimmer mit mindestens einem Kammerfräulein 145 und vier Kammerjungfern.146 Zum ständigen Gefolge gehörten zudem Kavaliere,147 (unverheiratete) Männer aus dem landsässigen Adel, die der Herzogin Gesellschaft leisteten und zur Reputation des Hofes beitrugen. In Auguste Dorotheas Dienst standen zusätz­lich diverse Räte und Juristen, die sie recht­lich vertraten und sie berieten.148 Alt gewordene Bedienstete und Witwen von ehemaligen Angestellten konnten auf der Augustenburg bleiben und wurden bis an ihr Lebensende mit einer Pension oder zumindest mit Kost und Logis versorgt.

erfasst. Die Kirchenbücher bieten demnach nur Stichproben und führen zu einem zwangsläufig unvollständigen Bild des Lebens auf der Augustenburg. 140 1716 Hauptmann Wächter und Frau; † 1730 Gefreiter Christoph Schmid (r. k.). 141 Christoph Heydekamp 1702; Philipp Matthies (Zörn) aus Sondershausen 1703; Johann Gottlieb Möller und Frau Susanna 1710; Johann Michael Schenke (–1716); 1722, 1723 Georg Christoph Tappert (–1730) mit Mutter und Frau Magdalena. 142 Johann Georg Gedel (?) 1708, heiratet die Ausgeberin Anna Elisabeth Albrecht; Georg Balthasar Hyldebrandt, Erfurt 1712, Tochter stirbt während eines Malerauftrags; 1757 der katho­lische Christian Carl Himdorff (ThStA Ru, Konsistorium Arnstadt 3297). 143 1704 Valentin Walther; 1719 Johann Hannibal Wümsching (ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. IV, 51); 1722, 1723, 1725, 1738 Philipp Mannhaupt † 1741 (mit Frau; zweite Ehe 1738 mit Jungfrau Dorothea Augusta, Patenkind und Zögling der Herzogin). 144 Carl Friedrich Cornelius Schultze (1699 – 1752) katho­lisch, seit 1718 im Dienst der Herzogin, 1724 stirbt die erste Frau mit dem Kind (K/7 2a-2, 116); zweite Ehe mit Jungfer ­Heydekampfin 1728 (ein Kind † 1730; ein Kind 1731, ein Kind 1736). 145 1725 Frau von Spitznasin; 1734 Frl. von Berger. 146 1718 „Cammer Jungfrau Anna Margaretha (Kohlerin); Jungfrau Catharina Magdalena (Schellhafin); Jungfrau Eleonora Rosina (Plettin); Jungfer Auguste Heyde Kamm[pfin]; Jungfer Clara Markgräffin“, K/7 2a-2, 33; 1719, 1739 Rosina Plettin; 1723 Anna Maria Ohlin (Schneiderstochter aus Keula) und drei weiter unbezeichnete Kammerjungfrauen; 1725 Jungfrauen Ohlin, Möllerin, Heydekampf, (Holethin); 1728 Heydekampfin; 1731 Rosina Müllerin; 1734 Jungfer Maria Catharina Korbin. 147 1717 Herr von Witzleben; 1725 Obristmarschall von Buttlar. 148 1717 Curator Daniel Martin Gudenus, Kurmainzer Rat; 1719 Dr. Friedrich Hallenhorst.

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Mikrokosmos Witwenhofstaat

Der wichtigste Mann in Auguste Dorotheas Leben neben ihrem Ehemann war vermut­lich Cornelius Baron von Kranichstein (gestorben 1743), der formal den Rang des Oberhofmeisters bekleidete.149 Er wird bereits im frühen 18. Jahrhundert archiva­lisch greifbar und lebte mindestens vierzig Jahre an Auguste ­Dorotheas Seite. Vielfach setzte er sich brief­lich für die Belange der Herzogin ein. Die hohe Bedeutung, die Auguste Dorothea seiner Person beimaß, beweisen ihre Forderungen bezüg­lich der standesgemäßen Ausstattung ihres Witwensitzes in Keula, in der sie explizit eine Raumfolge für ihn forderte.150 Kranichstein lebte gemeinsam mit seiner Mutter auf der Augustenburg, die 1729 im Alter von 86 Jahren starb. Sowohl die Mutter als auch der Baron selbst konvertierten zum Katholizismus, vermut­lich aus Loyalität. Als er 1743 starb, setzte sich Auguste Dorothea dafür ein, dass er in der Oberndorfer Kirche in direkter Nähe zur Augustenburg bestattet wurde.151 6.4 Das Ende des Mikrokosmos

Das Lustschloss mit seinem Witwenhof hatte fünfzig Jahre lang nur durch Auguste Dorothea bestanden, und als sie 1751 starb, zerfiel auch sein pyramidal geformtes soziales System, in dessen Zentrum sich die Fürstin befunden hatte. Nach ihrem Tod löste Hofrat von Mecken aus Wolfenbüttel den Haushalt langsam auf.152 Die 149 Kranichstein/Cranichstein ist weder über ADB/NDB noch über das Gothaer Adelslexikon [Gothaischer Hofkalender zum Nutzen und Vergnügen (1767 – 1815). Gotha] nachzuvollziehen. 150 ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. IV, 101. 151 LKA Eisenach, K/7 2a-2, 414. 152 Ein Querschnitt der Bewohner bietet das vollständige Seelenregister der protestantischen Mitglieder der Augustenburg von 1735 über insgesamt 55 Personen: Auguste ­Dorothea Schultzin, Sekretärin, verheiratet; Johann Philipp Manhaupt, Hofverwalter, Witwer; Johann Christoph Graf, Küchenverwalter, Magdalene Regina (Ehefrau), Auguste ­Dorothea (Tochter), Sophia Maria (Tochter), Johann Joachim Graf (Vater), Witwer; Anna M ­ argaretha Försterin, Magd; Johann Georg Schild, Bauvogt; Rosina Hedwig (seine Frau); Barbara Maria Reißlandin, Magd; Johann Andreas Handwerck, Mundkoch; ­Christina Margaretha (seine Frau); Auguste Dorothea, Magd; Johann Philipp, Lakai; Jacob Heinrich Sommer, Kellerschreiber; Maria Elisabetha (seine Frau); F ­ riedrica Christina (Tochter); August Anton (Sohn); Philipp Anton Willmer, Kammerdiner; Sophia ­Hedwig, (seine Frau) Kammerdienerin; Johann Wilhelm Willmer, Schneider (Lakai); Frau Kammer­dinerin Gerstenkorn, „dessen Mann catho­lisch“; Georg Philipp Rabe, Lakai; Sophia (seine Frau); August Cornelius, Sohn; Friedrich Christian Himberg, Kutscher; Anna Margaretha (seine Frau); Auguste Dorothea (Tochter); Wilhelm Gerber, Kutscher;

Das Ende des Mikrokosmos  |  255

Familie kümmerte sich umgehend um alle anstehenden Erledigungen und widmete sich besonders dem Haushalt und seinen Bewohnern, die Trauergeld, kleine Legate oder Sachgeschenke erhielten.153 Fräulein von Bergen bekam aus Wolfenbüttel das Geld, um sich eine „komplette Trauer“-Montur anzuschaffen.154 Die, die entlassen wurden, durften ihre Dienstkleidung und Livreen behalten.155 Vier Wochen lang gestattete der Fürst von Sondershausen „das Exercitium des catho­ lischen Gottesdienstes hierselbst […] post piee defunctae Ableben“. Auguste Dorothea hatte bereits 1733 im Falle ihres Todes ihrem Beichtvater Benedikt Saur als Ausgleich für seine jahrelang unentgelt­lich geleisteten Seelendienste auf der Augustenburg das komplette beweg­liche Inventar ihrer Schlosskapelle geschenkt, „mit allen denen darinnen zum Gottesdienst gebrauchten, gehörigen und vorhandenen […] Priesterornaten sowohl als allen und jeden was zu der Altar bey der hl. Messe und außer der hl. Messe von nöthen, nicht weniger den zur Bekleidung der Cantzel und sonsten in der Kirchen gehörien Stücken mit sambt allen in unser Fürst-Capelle befind­lichen Bildern und Schyldereyen“.156

153

154 155

156

Catharina Elisabetha, Ausgeberin (seine Frau); Jungfer Tempelhofin; Jungfer Ölher; Jungfer Best, Maria Magdalena Wigandin, Bettmagd; Anna Sophia Dittmarin, Witwe; Augusta Dorothea Frantzin, Magd; Eva Dorothea Möringin, Magd; Susanna Dorothea Meierin, Magd; Catharina Bergin, Nähmädchen; Barbara Maria Beydelin, Magd; Margaretha Orthhausin, Magd; Magdalena Margaretha Carlin, Magd; Anna Maria Hauserin, „dessen Ehemann catho­lisch“; Maria Elisabeth (Tochter); Margaretha D ­ ittillgen, Magd; Johann Martin Dittmar, Lehrkoch, lediger Lakai; Johann Michael Sauer, „des Herrn Oberhofmeisters Diener“, lediger Lakai; Johann Michael Gärtner, Geselle, lediger Lakai; Andreas Fischer, „Vorkücher“, Maria Catharna (seine Frau), Hans Nicol (Sohn); Christian Wertzler, Hausknecht, Susanna (seine Frau), Maria Christina Rudolfin (Tochter). ThStA Ru, Konsistorium Arnstadt, 386, 18 f., „Hochfürstl. Augusten­burger Seelen Register 1735“. Mecken wurde angehalten, auch die Dinge in den Schränken vor Diebstahl zu schützen, „welche den Bedienten in dergleichen Trauer Begebenheiten anheim zu fallen pflegen, zubeobachten, jedoch auch dahin zu sehen, dass solche Stücke abseite geleget“. NLA WB, 1 Alt 24, 238, 84. Ibid., 95. Auguste Dorotheas zehn Pagen hatten rote Livreen. ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. II, 278 (im Jahr 1717). „Das Schicksal der Herrschaft war zugleich das der Dienstboten. […] Tagtäg­lich in zeremonielle Kleidung eingezwängt zu sein, war die Pf­licht der Lakaien. Vom Fürsten bis zum Höfling machte man es sich normalerweise bequem.“ Hucker, Bernd Ulrich (Hg.) (1997): Niedersäch­sische Geschichte. Göttingen, S. 292 und 295 f. NLA WB, 1 Alt 24, 239, 2. Donationsurkunde vom 2.6.1733.

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Mikrokosmos Witwenhofstaat

Sein Nachfolger Pater Einhorn bat nun um die Herausgabe des Legats sowie die Reisekosten, um in sein Mutterhaus nach Paderborn zurückkehren zu können.157 Das „sogenannte Oratorium“, die Hauskapelle, wurde nach dem Wunsch der Fürstin dem Ursulinen­konvent Erfurt vermacht.158 Mit dem Personal nahm Mecken „die Abrechnung und Liquidation Ihrer rückständigen Besoldungen und Löhne sogleich vor“, um „denjenigen so zu entbehren den Dienst auffzusagen“. Dreißig Tage nach dem Tod wurde dem überflüssigen Personal gekündigt. Bis Michaelis (Ende September) sollten sie weiterbezahlt werden. Bei manchen Mitgliedern führte diese Regelung zu Aufruhr: „die erste Cammerjungfer Stockhaussen [wollte] nicht gern eher weichen, biß sie völlig abgelohnet sey, auch Ratione der Guarderobbe dasjenige, so ihr gnädigst destinirt nebst den per testamentum wie sie glaubet vor sie vermachten Legato erhalten hätte […]. Des anderen Tages hingegen hatte sie sich nicht allein anders bedacht, sondern auch ihre Cammeradin, die zweite Cammerjunfer […] aufgemacht mit dem Ergebnis, Ihnen solange hier zubleiben zu erstatten biß sie ihre völlige Abfindung erhalten.“159

Ohne Geld weigerten sich die Damen, das Haus zu räumen. Da aber wegen der Witterung das Haus nicht vor dem Winter geräumt werden konnte, stellte diese Forderung kein Problem dar. Mecken schlug vor, eine Mindestpersonenanzahl zur Erhaltung des Hauses zurückzulassen und alle übrigen zu entlassen.160 Zwölf 157 Ibid., 1. Pater Antoinius Einhorn war Franziskanermönch und gehörte zum Orden des Hl. Kreuzes, Paderborn. Das Inventar der Schlosskapelle wurde auf 713 Reichstaler geschätzt. 239, 54 (auch 65, hier nur noch 585 Reichstaler), ein weiteres Bittschreiben 58 f.; Einhorn hatte seit 1743 als Seelsorger bei Auguste Dorothea gearbeitet. 158 Ibid., 65, taxiert auf 78 Reichstaler. 159 Ibid., 11. Zur Ablösung der Bedienten war die Summe in Höhe von 3.199 Reichstalern zu bezahlen. Ibid., 16. Hier genaue Aufstellung, wer wie viel zu bekommen hatte. 160 „[…] die Freulein von Bergen, als die erste zur Obsicht auff die übrigen […], der Secretarius Schulze, indem selbiger von allen Umständen pie defunctae am mehresten informiret und wenigst bis zur Abfindung oder Auseinandersetzung mit den Creditores hieselbst nötig ist […], der Landwaigl Schild, um das Hauß und Meublen nach wievor bis damit ein Änderung getroffen, in Obacht zu nehmen und zumahlen er zugleich ein Tischler ist, welcher was vorfällt ausbessert […], der Küchenschreiber Heimburger, der von allen Außgaben die Rechnungen zu führen am brauchbahrtsen, auch der bisherigen Conduite nach red­lich zu seyn […], der Gärtner Hartmann, so lange die Gärten nebst dem Schloße nicht verkaufft oder damit andere Disposition getroffen […], der Laquey Sauner zur Aufwartung für die Freulein und den secretarius […], der Laquey Haußner weilen er zugleich ein Maurer von Profession und die Dächer besteiget […], die Fräulein Jungfer Krafften

Das Ende des Mikrokosmos  |  257

Leute wollte man in dem leeren Schloss behalten. Fräulein von Berger hatte jedoch „wegen ihres ungemein betrübten und niedergeschlagenen Gemüths nicht in loco bleiben wollen und sich daher nach Arnstadt retiriret“, erhielt aber zunächst vierzig Reichstaler zur Versorgung.161 Diese so genannten Wartegelder sollten die Zeit bis Ostern 1751 überbrücken.162 Die Verauktionierung verschob man auf das kommende Frühjahr, da alle Interessenten nach Oberndorf reisen mussten. „Sämt­liche Oeconomie“ wurde stillgelegt, Pferde, Rinder und Schweine wurden verkauft 163 und ein Kostgeld für die Selbstversorgung des übrigen Personals ausgesetzt sowie vier Mann der kaiser­lichen Garnison aus Erfurt als Wachen bestellt, solange sich dort noch Möbel befanden.164 Als letzter Bediensteter und Überbleibsel aus einer anderen Zeit zog Herr Sauer nach einer Dienstzeit bei Prinz Wilhelm erst 1765 kurz vor Abriss des Schlosses aus. Der Witwenkosmos funktionierte als geschlossener Zirkel, in dem sich alles um die Herzogin drehte. Nur vor dem Hintergrund der gestaffelten Abhängigkeiten konnte die Herzogin die Selbstkonstruktion der fürst­lichen Herrschaft aufrechterhalten. Aus diesem Grund war auch die relative Größe des Witwenhofs vonnöten. Ohne sie hätte das System der fein abgestuften Hierarchie und des machtvollen Spielens mit Gunstbeweisen nicht funktionieren können. Außerhalb ihres selbstgeschaffenen und sich selbsterhaltenden Kosmos war die Herzogin am unteren Ende der sozialen Skala innerhalb ihrer Vergleichsgruppe, dem deutschen Hochadel. In der Miniatur führte Auguste Dorothea eben diesen Mikrokosmos vor, denn „standesgemäßes Auftreten bedarf der Umgebung“.165

161 162 163 164 165

zu derselben Aufwartung […], die Bettenrichterin Einherdten alß die erste, um derselben das Leinen, welches die Cammerjungsfrau zeither in Verwahrung gehabt, zu untergeben […], die bishe­rige Küchen-magd […] künftig als Köchin zu gebrauchen, da beide Köche sodannen abgehen könnten und sie nur vor die Fräulein nebst den Secretarius zu kochen brauchet, auch sich solches, weile sie lange in der Küche gedienet schon getraut […], die Guarderoben Magd Förstern um das waschen und nähen zu verrichten auch dass Hauß allemahl reinigen zu helffen […], die bisherige Waschmagd Binder als künftige Haußmagd.“ NLA WB, 1 Alt 24, 239, 11 f.; dem Braumeister gewährte man zwölf Gulden, „weil er das Wasser von einer ziem­lich entfernten Quelle holen muss“ (239, 66, hier genaue Aufstellung der Löhne für die rest­lichen Bedienten). NLA WB, 1 Alt 24, 239, 66. Die Berger blieb Pensionärin Braunschweigs mit drei Reichs­ talern pro Woche (240, 83). Ibid., 240, 22. Ibid., 239, 67. Ibid., 55 f. Paravicini, Alltag, S. 16 (Einführung).

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Mikrokosmos Witwenhofstaat

Auguste Dorothea beschäftigte auf ihrem als Witwensitz genutzten Lustschloss mindestens ein Drittel oder gar doppelt so viele Angestellte wie die Witwen anderer kleinstaat­licher Territorien.166 Ihr Witwensitz war größer als der der meisten Witwen. Die personelle Einrichtung der Augustenburg konnte sich messen mit der von Eléonore d’Olbreuse, Herzogin von Braunschweig-Lüneburg (1639 – 1722), die 44 Leute beschäftigte und sogar mit der der Kurfürstin Sophie von Hannover (1630 – 1714), die in Herrenhausen nur acht Räume bewohnte. Beide Damen erhielten allerdings mindestens die doppelte Summe an festen Witwenbezügen.167Auch im Witwenstand bemühte sich Auguste Dorothea in der Tradition ihrer Familie, mit der Spitzengruppe äußer­lich mitzuhalten, ohne sich die aufwändige Hofhaltung leisten zu können.

166 Zum Vergleich eines zeitgenös­sischen herzög­lichen Witwensitzes siehe Wilde, Manfred (2007): Das Barockschloss Delitsch als Witwensitz der Herzöge von Sachsen-Merseburg. In: Barocke Fürstenresidenzen an Saale, Unstrut und Elster. [Hrsg. vom Museumsverbund „Die Fünf Ungleichen e. V.“ u. dem Museum Schloss Moritzburg] Petersberg, S. 264 ff. Im Jahr 1692 waren 28 Personen fest angestellt. Zusätz­lich wurden aus dem Städtischen Hofhandwerker und Lieferanten rekrutiert (S. 273 f.). Dieser Witwenhof war also etwas kleiner als der der Auguste Dorothea. In Bezug auf Schloss Allstedt, das ab 1692 zu Sachsen-­ Weimar gehörte, konnte gezeigt werden, dass die Witwen als Initiatorinnen der Renovierung stets gegen die Interessen der regierenden Herzöge arbeiteten. Siehe Säckl, Joachim: Schloss Allstedt – Fürst­liche Herrschaftsvermittlung zwischen Anspruch und Realität. In: Ibid., S. 358 f.; vgl. auch Dauer, Horst (1999): Schloßbaukunst des Barock von AnhaltZerbst. Köln, S. 135 und S. 233 zu den beiden Witwensitzen Schloss Coswig und Schloss Dornburg/Elbe. 167 Brosowski (2010); eine weitere Schwarzburger Witwe, Elisabeth Albertine, hinterließ ebenfalls u. a. wegen Bauausgaben 11.000 Gulden Schulden bei ihrem Tod. Das Jahresgehalt ihrer Diener betrug im Vergleich: Hofprediger 216 Taler, Kutscher 68 Taler, Küchenmagd 10 Taler. Die standesgemäße Beisetzung kostete neunhundert Reichstaler. ThStA RU Geheimes Consilium SO 313 nach Donhof/Scheidt (1985), S. 8.

7.

Mon Plaisir als Spiegel eines Fürstinnenlebens. Die Fürstin im Spiegel ihrer Sammlung? – Zu den Erfahrungsräumen, Lebensräumen und Handlungsräumen einer Hochadeligen

In Mon Plaisir besteht das Leben adeliger Damen aus Schlafen, Essen, Handarbeit, Musik, Lesen, Kirchgang, Sammeln, Spaziergängen, Heilkunst, Ehepf­lichten, Geburt und Kinderaufzucht und vielen Formen geselligen Zusammentreffens in Salons, bei Teestunden, Spielabenden oder Tanz. Für die Fürstin und fürst­liche Witwe kommen die Aufgabenfelder des Regierens in Form von Beratung mit Räten und Audienz sowie die Portraitsitzung beim Hofmaler, Reise und Messebesuch hinzu. Mon Plaisir beschreibt damit nicht nur die konkreten Räume, in denen sich adelige Frauen aufhielten, sondern auch die abstrakteren Handlungsräume und kommunikativen Mittel sowie Mög­lichkeiten der Einflussnahme, die sich adeligen Frauen erschlossen. In Abhängigkeit von räum­licher Zuschreibung und mög­lichen Handlungsräumen ergeben sich für Frauen und Männer unterschied­liche Bewegungsmuster, die für Frauen des Adels weitaus statischer angelegt waren als für Männer und sich allein schon durch die Kleidung und das Schuhwerk ausdrückten. Dieser statische Lebensentwuf zeigte sich nicht nur in den Inhalten der Szenen, sondern auch konstruktiv in der Machart der meisten weib­lichen Adelsfigurinen, die ohne Beine gearbeitet sind, weil die Grundhaltung der adeligen Dame das Sitzen war. Auguste Dorothea etablierte den Ort, an den sie per Heirat beziehungsweise per Witwenstand gebunden war, machte sich als Besuchsziel attraktiv und gewann durch die kulturelle und soziale Knotenpunktfunktion an Bedeutung. Ihr Hof lebte von der repräsentativen Architektur, der geschmackvollen Einrichtung, der Kultiviertheit, dem Decorum der Damen, der Reichhaltigkeit der Speise und dem Angebot an Lustbarkeiten. In der Zusammenschau der 82 Szenen des Mon Plaisir ergeben sich wiederkehrende Themen, die aus der Perspektive der Fürstin geschildert werden. Es sind lebensbestimmende, existenzielle Themen oder wiederkehrende Elemente des Hoflebens, die zwischen Geschlechtszugehörigkeit, biolo­gischen Lebenszyklen und zeitgenös­sischen Tugendbegriffen aufgespannt sind. Mon Plaisir beschreibt neben den existenziellen Grundthemen den „primären“ und „sekundären“ Alltag bei Hofe: Unter primärem Alltag versteht man „die täg­ liche Wiederholung […], grundsätz­liche Gleichförmigkeit […,] die täg­liche Messe,

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Mon Plaisir als Spiegel eines Fürstinnenlebens

die Mahlzeiten, die Ratsitzungen, die unentwegten Briefdiktate, […] Bittsteller sind zu hören, Audienzen zu geben, Gesandte und fremde Gäste zu empfangen“.1 Zum primären Alltag gehörten auch die Unterhaltungen wie zum Beispiel die Jagd, das Spiel (Brettspiele, Glücksspiele) oder das Lustwandeln im Park. Zum so genannten sekundären Alltag, den Wiederholungen einzelner Ereignisse, gehören solche Anlässe wie Geburt, Taufe, Hochzeit, Begräbnis, Trauerzeit, Kirchenfeste im Jahreslauf, Huldigungen und Besuche oder auch der jahreszeit­lich bedingte Wechsel zwischen Residenz und Sommerfrische, Maskeraden, Bällen und Reisen.2 Die alltäg­liche höfische Versorgungslogistik wird ebenfalls in Mon Plaisir thematisiert, also Essen, Trinken, Unterkunft, Kleidung und Gesundheitsversorgung, bezogen auf die verschiedenen am Hof beteiligten Status- und Standesgruppen.3 Nicht im Bild nachvollziehbar ist die organisatorische Bewältigung wiederkehrender Ereignisse oder großer Feste. Wie gestalteten sich also die Pf­lichten einer Fürstin? Wie ihre Pläsiere? Und wie ihre Reisen? Die Aspekte der Organisation des Lebens weisen weg von dem persön­lichen Erfahrungsbereich hin zu definierten Aufgaben eines Herrschers und einer Herrscherin, die sich neben Fürstenspiegeln besonders in Hausvaterratgebern wiederfinden. Bei der so genannten Hausvaterlitertur handelt es sich „um Lehrund Hilfsbücher für Hausväter und Hausmütter. […] Beide tragen für sich und die Hausgenossen, für Acker und Vieh, in Gesundheit und Krankheit vor Gott die gleiche Verantwortung. Ihre Aufgaben sind unterschied­lich, aber gleichwertig. Diese Hausordnung vergegenwärtigt die gött­liche Ordnung gleichrangig neben der Staatsordnung, und die Herrschaft wird als unmittelbar von Gott verliehen verstanden.“4 Die Frühe Neuzeit brachte eine Menge an Literatur über die Aufgaben von Hausvater und Hausmutter hervor, welche die Hofgemeinschaft als autarkes Ideal konzipierte. Von den bedeutenderen Werken wie zum B ­ eispiel denen 5 von Coler, ­Hohberg, Böckler, Florinus und Becher  befasst sich nur Florinus in 1 Paravicini (1995), S. 23. 2 Ibid., S. 24. 3 Ibid., S. 11. 4 Hartmann, Fritz (1983): Hausvater und Hausmutter als Hausarzt in der Frühen Neuzeit. Hausgewalt und Gesundheitsfürsorge. In: Staat und Gesellschaft in Mittelalter und früher Neuzeit, S. 151 – 175, hier S. 152. 5 Becher, Johann Joachim (1747): Kluger Haus-Vater, verständige Haus-Mutter, vollkommener Land-Medicus. Leipzig; Böckler, Georg Andreas (1678): Nütz­liche Hauß- und Feld-Schule. Nürnberg; Colerus, Johannes (1645): Oeconomia ruralis et domestica. Mainz; Hohberg, Wolf Helmhardt von (1682): Georgica Curiosa. Nürnberg; Florinus, Franz Philipp (1713): Der kluge Landmann. Frankfurt am Main; derselbe (1719).

Mon Plaisir als Spiegel eines Fürstinnenlebens   |  261

einem zweiten Buchprojekt 1719 dezidiert mit dem Fürstenhaushalt, während die anderen Ratgeber Besitzer von niederadeligen Landgütern zur Zielgruppe haben. Grundsätz­lich wird dabei eine Gleichsetzung zwischen Haushalt und Staat vorgenommen:6 „Das Hauswesen ist gleichsam die Säug-Amme, welche den übrigen Gliedern eines Landes ihre Süsse/Nahrung mittheilet.“7 Viele S­ zenen des Mon Plaisir muten wie eine dreidimensionale Bildsetzung eben dieser Hausväterliteratur an, in denen alle Lebensbereiche vom Flachsbrechen über die Honigherstellung bis hin zur Gemüsezucht aufgeführt werden. Der folgende konkrete Blick auf einzelne Szenen im Vergleich mit den Eckpunkten von Auguste Dorotheas archiva­lisch rekonstruiertem Leben leistet daher Verschiedenes. Einerseits zeigt die Analyse, dass die Szenen in ihrer Gesamtheit (bewusst oder unbewusst) auf der verinner­lichten normativen Basis der barocken Traktatliteratur fußen. Zweitens beleuchten die Szenen nicht nur die Person Auguste Dorotheas im Spiegel ihres (retrospektiven) Selbstzeugnisses, sondern sie zeigen Erfahrungsräume, Lebensräume und Handlungsräume einer Hoch­ adeligen, die bedingt verallgemeinerbar sind. Damit wird Mon Plaisir zu einem Spiegel hö­fischen Alltags aus der Sicht einer Hochadeligen.

6 Steinbrink, Matthias (2007): Adlige Ökonomie in der Frühen Neuzeit zwischen Idealbild und Realität. In: Hirschbiegel, Jan; Paravicini, Werner (Hgg.) (2007): Atelier – Hofwirtschaft. Ein ökonomischer Blick auf Hof und Residenz in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. [Mitteilungen der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Sonderheft 9] Kiel, S. 33 – 40, S. 38. Allgemein siehe Bauer, Volker (1997): Hofökonomie. Der Diskurs über den Fürstenhof in Zeremonialwissenschaft, Haus­ väterliteratur und Kameralismus. Wien; Trossbach, Werner (1993): Das „ganze Haus“ – Basiskategorie für das Verständnis der länd­lichen Gesellschaft deutscher Territorien in der Frühen Neuzeit. In: Blätter für deutsche Landesgeschichte, 129 (1993), S. 277 – 314; Weiß, Stefan (2001): Neueste Diskussion um Otto Brunner und das Ganze Haus. In: HZ, 273, S. 335 – 369; Frühsorge, Gotthardt (1978): Die Begründung der „väter­lichen Gesellschaft“ in der europäischen oeconomia christiania. Zur Rolle des Vaters in der „Hausväterliteratur“ des 16. bis 18. Jahrhundert in Deutschland. In: Tellenbach, ­Hubertus (Hg.) (1978): Das Vaterbild im Abendland. Stuttgart, S. 110 – 123; Hoffmann, Julius (1959): Die „Hausväterliteratur“ und die „Predigten über den christ­lichen Hausstand“. Lehre vom Hause und Bildung für das häus­liche Leben im 16., 17. und 18. Jahrhundert. Berlin; Brunner, Otto (1949): Adeliges Landleben und europäischer Geist. Leben und Werk Wolf H ­ elmhards von Hohberg 1612 – 1688. Salzburg; Opitz, Claudia (1984): Neue Wege der Sozialgeschichte? Ein kritischer Blick auf Otto Brunners Konzept des Ganzen Hauses. In: GG, 20, S.  88 – 98; Richarz, Irmintraut (1991): Oikos, Haus und Haushalt. Ursprung und Geschichte der Haushaltsökonomik. Göttingen. 7 Becher (1747), S. 3.

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Mon Plaisir als Spiegel eines Fürstinnenlebens

7.1 Hierarchien der Beweglichkeit

Abb. 76: Mon Plaisir, Witwensalon. Nie allein – ­Auguste Dorothea umringt von Hofdamen und Kammermägden

Der Lebensraum adeliger Frauen, wie er sich in Mon Plaisir zeigt, beschränkte sich auf das Innere des Schlosses, den Schlossgarten und Spazierfahrten in der Kutsche. Den adeligen Damen, den Hofkavalieren wie auch allen anderen Gruppen, die das Schloss bewohnten, waren bestimmte Orte und Wege vorgegeben und zugeordnet. Damit bewegten sich alle Mitglieder des Hofs in einem festgelegten horizontalen und vertikalen räum­lichen Koordinatensystem, von dem nicht abgewichen werden sollte. Ein einfaches Beispiel war die (nicht abgebildete) Unterscheidung zwischen herrschaft­licher Treppe und Dienstbotenstiege. Es war undenkbar, dass eine Küchenmagd die offizielle Treppe zum Betreten des Hauses oder zum Überwinden der Stockwerke nutzte, umgekehrt

Hierarchien der Beweg­lichkeit  |  263

war es aber den höheren Ständen mög­lich, die Dienstbotengänge als Abkürzungen im höfischen Alltagsleben zu nutzen. Die Festlegung beziehungsweise die Beschränkung auf bestimmte Räume galt im Innern des Schlosses stärker für die Bediensteten, endete aber an der Grundstücksgrenze und erweiterte sich dann in den öffent­lichen Raum, der von der Herrschaft (abgesehen von eklatanten Regelverstößen) kaum zu kontrollieren war (Feste, städtisches Treiben, Felder). Dem Personal war bis auf die Ausnahme von Kammerdienerinnen und -dienern der Zugang zu den „höheren“ Räumen nur im Rahmen ihrer Pf­l ichten mög­lich. Umgekehrt verhielt es sich mit dem Wegenetz der adeligen Damen, das sich, wegen des Verdachts der „Unschick­lichkeit“ kaum jenseits der Mauern erstreckte und auch innerhalb des Schlosses reglementiert war. Da es zu ihren Aufgaben als Hausmutter gehörte, Wissen über Heilmittel, deren Herstellung und Verarbeitung zu besitzen, wäre es für Auguste Dorothea mög­lich gewesen, die Hofapotheke im ersten Schlosshof zu besuchen, nicht aber die kalbende Kuh im Stall. Die Lebenswelten und die Bewegungsräume waren nicht nur ständisch, sondern auch geschlechtlich getrennt. Frauen durften nur nach bestimmten Regeln die Räume, das Appartement der Herren betreten, näm­lich zu bestimmten Uhrzeiten, Anlässen und in Begleitung.8 Ähn­liches galt, aber wesent­lich weniger reglementiert, für Männer. Adelige Damen waren nie allein. Das ‚Tätigkeitsprofil‘ des weib­lichen Gefolges lautete folgendermaßen: „Das […] Ade­liche Frauenzimmer wird dazu gehalten, daß es der Fürstin aufwarte, derselben nachtrette, bey Ihrem Aufstehen und Niederlegen, mit An- und Auskleidung Sie bediene und sonsten zu allerhand Galanterien, als Sticken und künst­lichen Nähen, behülf­lich seyn. sie sich dazu gebrauchen lassen, müssen sich galant und propres halten, sonsten aber eine gute Conduite zu führen wissen. […] Die bürger­lichen Stands sind, geben Cammer- und Hof-Mägde, so man nunmehro Cammer-Dienerinnen zu nenen pfleget, bey der Fürstin ab, sind mit Aus- und Anziehen derselben beschäfftiget, richten dero Befehl aus, waschen das weiße Zeuch, nehen dasselbe, warten dem ade­lichen Frauenzimmer auf, kehren und säubern der Fürstin ihre Gemächer, und was dergleichen Verrichtung etwan mehr seyn mag.“9 8 Die Verhaltensvorschriften lassen sich an den deutschen Hofordnungen des Barock ablesen. Kern, Arthur (1907): Deutsche Hofordnungen des 16. und 17. Jahrhunderts. Berlin, besonders S. 200 ff. 9 Florinus (1719), Bd. I, S. 105 f.

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Mon Plaisir als Spiegel eines Fürstinnenlebens

Abb. 77: Mon Plaisir, Tabakskollegium. Männer unter sich (vgl. auch die Abb. 78, S. 264)

Abb. 78: Mon Plaisir, Jagd

Hierarchien der Beweg­lichkeit  |  265

Abb. 79: Die männ­liche Entourage und Bediensteten der Fürstin (vgl. auch die Abb. 80 und 81) Mon Plaisir, Lustgarten, Kavalier

Abb. 80: Mon Plaisir, Visite, Rat

Auguste Dorothea war – so legen es zeitgenös­sische Hofordnungen nahe – immer umringt von mindestens einer Kammermagd oder der Leibdienerin und/oder ihren Hofdamen und Hoffräulein. Permanente Begleitung war nicht nur Statussymbol, sondern schützte durch die gegenseitige Kontrolle die Herrschaft sowie den Frauenstaat vor untugendhaftem Verhalten und Gerüchten. Beim Anziehen, beim Essen, beim Lesen, beim Musizieren, beim Spielen, bei der Audienz und auch während des Schlafs war die Herzogin von mindestens einer Person umgeben.10 Die Hofmeisterin

10 Vgl. Keller, Kathrin (2005): Hofdamen. Amtsträgerinnen im Wiener Hofstaat des 17. ­Jahrhunderts. Wien; Kern (1907), Hofordnungen.

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Mon Plaisir als Spiegel eines Fürstinnenlebens

hatte eine eigene Suite im Schloss, die sie allein bewohnte, auch sie hatte eigene Mägde und Pagen zu ihrer ständigen Verfügung. Der untadelige Lebenswandel wurde in diesen Fällen durch eine rangniedere Person bezeugt. Die unverheirateten Hoffräulein wohnten, wenn sie nicht als Gruppe bei der Herzogin erwünscht waren, gemeinsam in einer Zimmerfolge und schliefen alle gemeinsam in einem Zimmer.11 Die Hofdamen bewegten sich üb­licherweise gemeinsam als Pulk im Schloss, im Garten oder auf der Spazierfahrt und bei allen täg­lichen Verrichtungen wie Handarbeit, Mahlzeiten und Kirchgang.12 Das gemeinsame und gleichzeitige Handeln, wie es mehrfach in Mon Plaisir visualisiert wurde, war Ausdruck der ständischen Zugehörigkeit und gehörte zum Verhaltenskodex des adeligen Frauenzimmers. Adelige Männer werden in Mon ­Plaisir ebenfalls auf bestimmte Räume und Tätigkeitsbereiche wie Billardzimmer, Bibliothek (Wissen) und Alchemie­labor (Wissenschaft) festgelegt und waren ebenso wie die Damen meist in Begleitung von Kammerdienern, Pagen und Knechten, hatten aber einen größeren Aktions­radius im Außenraum jenseits des Schlosses. Besonders die Jagd muss als etablierter Abb. 81: Mon Plaisir, Küchenschreiber, Knecht

11 Bei der Ausstattung ihres Witwensitzes Keula verlangte Auguste Dorothea explizit einen gemeinsamen Raum für ihre vier Hoffräulein. ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. IV, 101. 12 Kern, S. 271.

Hierarchien der Beweg­lichkeit  |  267

Raum von Männern gelten, auch wenn adelige Damen vereinzelt auch zur Jagd ritten und schossen.13 Reitkunst auf der höfischen Reitbahn ist zwar nur mittelbar in Mon Plaisir dargestellt (vgl. Abb. 40, S. 127), wurde aber von beiden Geschlechtern verfolgt. Bürger und Bauern, Mägde und Knechte bewegten sich dagegen auch einzeln im Schloss und auch außerhalb. Die Mög­lichkeit des sanktionsfreien Alleinseins wurde so zum „Privileg“ der unteren Schichten. Florinus berichtet 1719 „von der Einrichtung eines fürst­lichen Hofstaats“, dem dazu erforderlichen Personal und den notwendigen höfischen Institutionen. Zum Hofstaat waren zu rechnen: „les Ministres de plaisir de beaus arts, die Direction der Music, der Comoedien und Opern, die Ball-Häuser, die Ballette, Gärten, Bilder, Gallerien, Antiquitäten, Kunst- und Schatz-cammern, Observatoria, Ritter-Academien, die Hoff-Müntze, die Direction des Medaillien-Collegii, die Societäten der Künste […], die Hoff-Bibliothec, Laboratoria, Rüst cammern […] auch die Hoff-­Jägerey […]. Zu dem Hoff-Staat gehöret auch das Post-Wesen, mit dem General-Post-Meister, vornehm­lich aber der Ceremonien-meister“.14

Was Florinus als obligatorisches Programm eines Fürstenhofs skizzierte, fi­ ndet sich szenisch in Mon ­Plaisir wieder­gegeben. Mon Plaisir stellt damit auch personell ein vollständiges Profil eines barocken Fürstenhofs dar, der trotz seiner Kleinheit auf programmatische Vollständigkeit zielte. Florinus bezog sich mit ­seiner Beschreibung auf den männ­lichen Fürstenstaat, sozusagen den Norm­zustand eines Fürstenhofs, und erwähnte die höfische Situa­tion der Damen separat: „In Teutschland hat eine jede Prinzes­sin Ihre Hoffmeisterin und Dames ­d’honeur, auch Cammerdinerin und andere Bediente, nebst der Aufwartung des Cavaliers [an manchen Höfen haben] auch die Prinzes­sinnen ihre Stallmeister und Cavaliers, ungeachtet sie an des Gemahls Hoffe leben und keine eigene Hoffstat halten.“15

13 So z. B. Liselotte von der Pfalz in Versailles. Siehe Boehn (1963), S. 238. 14 Florinus (1719), Bd. I, S. 49. 15 Ibid., S. 51.

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Abb. 82: Die weib­liche Entourage und Bediensteten (vgl. auch die Abb. 83 und 84) Mon Plaisir, Corps de Logis II, Hofdame

Abb. 83: Mon Plaisir, Hofküche, Beschließerin

Detailliert aufgeführt bedeutete dies für die fürst­liche Gemahlin, dass ihr folgende „Manns-Personen zum Staat und Aufwartung gegeben, als 1. ein Hofmeister, ein ­Cammerund Hof-Juncker, ett­liche Pagen und Laqueyen und dann 2. von Weibs-Personen eine Hofmeisterin, einige Fräulein oder Dames, ett­liche Cammerjungfern und Frauen-­Zimmers Magde. Wo die Hofhaltung und der Staat groß ist, da wird auch der Fürstin solcher vermehret. […] Der Hofmeister ist gesetzet über der Fürstin ihre Diener, ­solche zu guberniren, und wann die Fürstin reiset, oder sonsten allein wohin gehet, die gewöhn­lichen Ceremonien mit Vorangehen, führen und begleiten zu verrichten.“

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Unter dem Frauenzimmer „ist die vornehmste die Hofmeisterin, welche ebenfalls eine ade­liche Dame seyn muß, sonsten aber dazu verordnet ist, daß sie nicht nur die übrige zu dem Frauenzimmer der Fürstin gehörige Weibspersonen commandirt und dirigirt und solche zur Verrichtung ihres Dienstes fleißig antreibet, sondern auch wohl die Aufsicht über deroselben Geschmuck, Mobilien und Silberwerck hat […]. Sie muß daher geschickt, gescheid, hertzhafft und des Hof-Lebens kundig seyn.“16 Die räum­liche Sphäre von Männern und Frauen war in der Oberschicht weitestgehend separiert und mischte sich nur bei spezifischen Anlässen und in dafür vorgesehenen Räumen wie dem abend­ lichen Salon, bei Mahlzeiten,17 beim Kirchgang, an Festtagen oder bei Maskeraden. Die höfischen Szenen Mon Abb. 84: Mon Plaisir, Wäschekammer, Waschmagd Plaisirs erzählen primär das geschlecht­ lich getrennte Leben von Auguste Dorotheas Frauenzimmer. Einige Szenen demonstrieren jedoch das gemeinsame Leben von Herzogstochter und Graf, von Fürstin und Fürst.

16 Ibid., S. 105. 17 Eine ebenso üb­liche Trennung der höfischen Geschlechtersphären zeigt die Beschäftigung der Damen und Herren nach dem gemeinsamen Tafeln. Die Männer zogen sich zum Rauchen, Karten spielen, Billard oder zu Gesprächen in das Kavalierzimmer zurück, ­während die Damen nach dem Gastmahl ins Frauenzimmer gingen, durchaus ebenfalls zum Schmauchen und zur heißen Schokolade.

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Abb. 85: Mon Plaisir, Spielsalon. Frauen und Männer gemeinsam bei Spiel und Tanz (vgl. auch die Abb. 86)

Abb. 86: Mon Plaisir, Corps de Logis II, Ballsaal

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7.2 Herzogin und Graf „Das einzig wirk­liche Glück auf dieser Welt ist eine glück­liche Ehe: ich kann es bezeugen. Alles hängt von der Frau ab, wenn sie nachgiebig, gut und amüsant ist.“18 (Maria Theresia an Marie Antoinette, 4. Mai 1770)

Die Beziehung zu ihrem Gemahl Anton Günther wird in Mon Plaisir als eines der zentralen Merkmale Augustes Lebens formuliert. Die vielfache Integration von Figurinen, die als Anton Günther gedeutet werden können, illustriert die Bedeutung der Ehe mit dem Schwarzburger Grafen für die Subjektkonstruktion der Herzogin. Ihre persön­liche Wertschätzung dieser Beziehung drückt ein besonderes Stück des Mon Plaisir aus: Die Miniaturtruhe mit Intarsien, die sich heute in der Kunstkammer befindet, präsentiert in Form von Portraitmedaillons Anton Günther und Auguste Dorothea als junges Paar, das sich im Viertelprofil einander zuwendet. Die Truhe ziert nicht etwa ein Allianzwappen oder die Wappen Schwarzburgs und Braunschweig-Lüneburgs. Wichtig war also nicht allein die Verbindung der Häuser, sondern die Verbindung dieser beiden Personen, die hier vermut­lich in ihrer Hochzeitskleidung aufscheinen. Es könnte sich bei dieser Miniatur um eine verkleinerte Version einer Hochzeitstruhe in der Tradition der Cassoni handeln, die allgemein weniger figural bebildert waren, sondern hauptsäch­lich ornamentale oder florale Verzierung aufwiesen und mit Monogrammen und Wappen versehen wurden.19 Die Legitimation von Auguste Dorotheas sozialer Stellung beruhte entscheidend auf ihrem Status als Gemahlin von Anton Günther und als Landesherrin von Schwarzburg. Immerhin war sie seit der Standeserhebung Reichsfürstin, wenn auch nur eines sehr kleinen Territoriums. Die Bezugnahme auf ihren Gemahl zeigte sich bereits in der visuellen Inszenierung Anton Günthers in ihrem Lustschloss Augustenburg. Portraits „meines Herrn“ hingen in mehreren repräsentativen Orten und legitimierten quasi die unter seinem Konterfei stattfindenden Handlungen als legitime Herrschaftspraxen. Die Archivalien zeigen Auguste Dorothea selbstbewusst

18 Schulte, Regina (2002): „Madame, Ma Chère Fille“ – „Dearest Child“. Briefe imperialer Mütter an könig­liche Töchter. In: dieselbe (Hg.) (2002): Der Körper der Königin. Geschlecht und Herrschaft in der höfischen Welt seit 1500. Frankfurt/Main, S. 162 – 193, hier S. 165. 19 Vgl. Albrecht, Thorsten (1997): Truhen, Kisten, Laden. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, am Beispiel der Lüneburger Heide. Petersberg; Wiswe (1983); Ausstellungskatalog London (2009): Love and Marriage in Renaissance Florence: The Courtauld Wedding Chests. [Published to Accompany the Exhibition at the Courtauld Gallery, Somerset House, London, 12 February–17 May 2009; Red. Caroline Campbell] London.

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Mon Plaisir als Spiegel eines Fürstinnenlebens

Abb. 87: Mon Plaisir, Kunstkammer, Hochzeitstruhe mit Partnermedaillon von Anton Günther und Auguste Dorothea

Abb. 88: Mon Plaisir, Theater, Schwarzburger Wappen

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als Tochter eines Herzogshauses, woraus sich ihre grundsätz­liche Anspruchshaltung ableitete. Der Hierarchieunterschied im Adelsrang der Ehepartner bestand trotz der Standesgemäßheit der Verbindung. Doch Auguste Dorothea besaß auch angesichts der starken Konflikte um ihre Finanzen ein hohes Maß an Identifikation mit dem Haus Schwarzburg und Arnstadt. Dies spiegelt sich in Mon Plaisir in Form von Wappen, Landkarten oder einer Miniaturgenealogie des Hauses.20 7.2.1 Graf/Fürst Anton Günther II. von Schwarzburg-Arnstadt (1653 – 1716)

Anton Günther II. wurde 1653 als fünftes Kind von Graf Anton Günther I. von Schwarzburg-Sondershausen (1620 – 1666) und Maria Magdalena, Pfalzgräfin zu Birkenfeld (1622 – 1689) geboren.21 Nach dem Tod seines Vaters 1666 verbrachte er fünf Jahre zur Ausbildung bei Auguste Dorotheas Onkel Herzog Rudolf August am Wolfenbütteler Hof. Ab 1671 trat er eine zweieinhalbjährige Kavalierstour durch die Niederlande und Frankreich an.22 Nach seiner Rückkehr übernahm er zunächst Amt und Schloss Keula als Apanage, bis er 1681 nach Schloss Arnstadt umsiedelte und die von seinem Bruder Christian Wilhelm in Sondershausen unabhängige Regierung der Oberherrschaft übernahm. Anton Günther war der letzte Graf des Teilterritoriums Schwarzburg-­Arnstadt und dessen einziger Fürst. Die lokalhistorische Forschung sieht in Anton ­Günther einen Mann, der durch „eine glänzende Hofhaltung und persön­liche 20 U. a. im Theater und im Tabakskollegium. Vgl. den Vortrag von Dietlinde Schmalfuß: Die Miniaturbücher der Sammlung „Mon Plaisir“ sowie das Buchwesen und die Lesegewohnheiten im Barock. Schlossmuseum Arnstadt, Vortragsreihe 1995 [ungedruckt]. 21 Böttiger, Johann (1653): Freyer Offener Tauff-Brunn/Bey des Hoch-Wohlgebornen Grafen und Herrens/Herrn Anthon Günthers/Der vier Grafen […] zu Schwartzburg und ­Hohenstein […] am 10. Octobris dieses 1653. Jahrs […] gebornen Jungen Herrleins/Anthon ­Günthers/Christ­licher Tauffe und Einsegnung den 16. Octobris […] in der Hoff-Kirchen zu Sondershausen. Arnstadt. 22 Über Celle, Bremen, Oldenburg, Friesland, Amsterdam, Harlem, Leiden, Den Haag, Angers, Paris, Schweiz, am Rhein entlang nach Mainz, danach Heidelberg, Stuttgart, Ulm, Augsburg, München, Innsbruck, Salzburg, Regensburg, Nürnberg, Wien und über Böhmen zurück nach Thüringen. Anton Günther (1716): Christ-Fürstlicher Lebens-Lauff Des ­Weyland Durchlauchtigsten Fuersten und Herrn Anthon Gunthers, Fürstens zu Schwartzburg. [s. l., Arnstadt oder Sondershausen]. In: Rumetsch, Johann Christoph (1682): Templum Concordiae Sacrum. Frankfurt/Main (HAAB Weimar, 16,1:56), ohne Paginierung.Vgl. Stannek, Antje (2001): Telemachs Brüder. Die höfische Bildungsreise des 17. Jahrhunderts. Frankfurt/Main; Bender, Eva (2011): Die Prinzenreise. Bildungsaufenthalt und Kavalierstour im höfischen Kontext gegen Ende des 17. Jahrhunderts. Berlin.

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Mon Plaisir als Spiegel eines Fürstinnenlebens

Abb. 89: Anton Günther II. von Schwarzburg-Arn23 stadt, Öl auf Leinwand, anonym um 1700 

Abb. 90: Mon Plaisir, Corps de Logis I, Speisezimmer, Anton Günther-Figurine, nach 1710

Standeserhöhung23[…] über die politische Ohnmacht seines Staates hinweg[zu] täuschen“24 versuchte. Dieses Urteil greift jedoch zu kurz. Anton Günthers Denken und ­Wirken entfaltete sich in zwei Bereichen. Als lutherisch-hausväter­lich geprägter Landesherr lag sein Augenmerk auf Fürsorge und Kontrolle seiner Untertanen.25 Seine ­persön­liche Leidenschaft galt neben der Kunstsammlung und Musikförderung besonders der Numismatik und der Alchemie, die ihm den

23 Schlossmuseum Arnstadt; Zu einer ausführ­lichen Darstellung Anton Günthers II. vgl. Cremer, Annette (2012): Mäzen und frommer Landesherr. Fürst Anton Günther II. von Schwarzburg-Arnstadt (1653 – 1716). In: Zeitschrift für Thürin­gische Landesgeschichte, hrsg. vom Verein für Thürin­gische Geschichte/Historische Kommission für Thüringen, Bd. 66, Neustadt/Aisch, S.  111 – 154. 24 Donhof/Scheidt (1985), S. 5 f. 25 Cremer, Anton Günther, S. 134 ff. Seine Gesetzgebung ist vergleichbar mit der anderer zeitgenös­sischer protestantischer Fürsten kleiner Territorien, die sich an dem großen Vorbild Ernst des Frommen und dessen theoretischer Untermauerung bei Seckendorff orientierten. Vgl. Jacobsen, Roswitha; Ruge, Hans-Jörg (Hg.) (2002): Ernst der Fromme (1601 – 1675). Staatsmann und Reformer. Jena.

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Titel eines „Gelehrtenmäcenas und tüchtige[n] Alterthumskenner[s]“ einbrachte.26 Anton Günthers Ambitionen als Landesherr und als Sammler wurden durch zwei Faktoren beeinflusst: Das nur circa 340 Quadratkilometer große Territorium erwirtschaftete vergleichsweise geringe Einnahmen. Damit besaß Anton Günther wenig finanziellen Spielraum. Zugleich litt er unter Migräne, Gallensteinen, Gicht, Schlaflosigkeit und Schmerzen. Die lebenslang schlechte Konstitution, seine persön­lichen Interesse sowie die konfessionell-mora­lischen Neigungen des Grafen gepaart mit der konkreten politischen Lage führten zu einer intensiven Kultivierung einer intellektuellen Kultur am Arnstädter Hof einerseits und zu einem übermäßigen Reglement der Untertanen andererseits. Allein zwischen 1683 und 1707 erließ Anton Günther insgesamt 49 Gesetze und Erlasse. 27

26 Amiet, Jacob (1883): Der Münzforscher Andreas Morellius von Bern. Bern, S. 44; Cremer, Anton Günther, S. 138 – 143; Berghaus, Peter (2000): Das münzsichtige Arnstadt. In: AK Arnstadt (2000): Johann Sebastian Bach und seine Zeit in Arnstadt. Rudolstadt, S. 121 – 136; derselbe (2000): Anton Günther II. Graf, seit 1709 Fürst von Schwarzburg-Arnstadt. In: AK Arnstadt (2000): Johann Sebastian Bach und seine Zeit in Arnstadt. Rudolstadt, S. 137 – 142; Steguweit, Wolfgang (1981): Thürin­gische Brakteaten des Münzkabinetts Gotha. Gotha; Wallenstein, Uta (2003): Die Friedensteinische Münzsammlung von ihren Anfängen bis zur Blüte unter Herzog Friedrich II. (1691 – 1732) von Sachsen-Gotha-Altenburg. In: Patrimonia, Bd. 207, S. 15 – 31. 27 Fuhrmann (1985), S. 27 und S. 34; Sowie aufbauend auf 1618: „Gräff­liche / Schwartzbur­ gische renovirte Ordnung / Wie es mit Hochzeiten / Kindtäufften unnd Begräbnüssen gehalten werden soll: Sampt etz­lichen angehengten zur Policey gehörigen nütz­lichen Articuln“; Heiratsordnung Schwarzburg: Landesverweis unehe­lich schwanger Gewordener, Bestrafung der Ehebrecher; 1680: Seuchenordnung Sondershausen; 1681: Instruktion für die Grenzkontrollen Anton Günther II. und Christian Wilhelm (getrennte Territorien); 1686: Berg-Ordnung (von Albrecht Anton, Christian Wilhelm und Anton Günther), Arnstadt; 1688: Erneuerte Gräffl. Schwartzbur­gische Mühl-Ordnung, Arnstadt; 1693: Schutz der Weinberge vor randalierenden Jugend­lichen/Diebstahl; 1693: Marktgesetz gegen Wucher; 1695: Verordnung gegen Unzucht und Hurerei; 1696: Patent gegen den unerlaubten Kriegsdienst von Kindern und Ehemännern; 1698: Patent gegen Zigeuner; 1699: Ordnung zur Schäferei; 1703: Edikt gegen anonyme Briefschreiber; 1707: gegen die Verunreinigung der Gewässer; 1708 (1709 und 1713) Postmandate; 1710: Sabbatordnung, fehlende Frömmigkeit wird beklagt (bereits 1649 aus Sonderhausen); Erbrechtsregelung der Untertanen; 1710: Instruktion für Inspektoren, Schulvisitationen; 1712: Edikt zur Inflation/Währung; 1712: Verbot des Degentragens; 1715: Verbot des Schießens; 1716: Viehseuche, Meldepf­licht. Vgl. Gelegenheitsschriften zu Schwarzburg-Sondershausen (1602 – 1729), HAAB Weimar O4:21.b, 1 – 64. Siehe auch Hahn, O[ttomar] (1914): Heimatkunde für das Fürstentum Schwarzburg Sondershausen. Sondershausen, S. 203; Olearius, Johann Christoph (1701): Historia Arnstadiensis. Historie der alt-berühmten schwarzbur­gischen Residenz Arnstadt. Arnstadt

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Trotz der begrenzten Ressourcen stand Anton Günther in der Prestigekonkurrenz zu den umliegenden Zwerg- und Kleinstaaten und musste ein gewisses Maß an repräsentativer Hofhaltung aufrechterhalten. Im Jahr 1692, als sich die Fürstung in greifbarer Nähe befand, leistete sich das Grafenpaar einen Hofstaat von mehr als einhundert Personen.28 Dies führte zu Staatsverschuldung und Finanznot, die sich auf das Verhältnis zu Auguste Dorothea auswirkte. Anton Günther war ein gemäßigter, pf­lichtbewusster, verantwortungsvoller und zurückgezogen lebender, frommer Lutheraner, dessen einzig überdauernde Leistung in der kenntnisreichen und umfangreichen Sammlung von Münzen bestand, die sogar Florinus 1719 als „eines der größten von Europa“ würdigte.29 Sein kritisiertes Eingreifen in die Politik der Residenzstadt 30 und sein Interesse an der Wissenschaft zeigen ihn als idealtypischen fürst­lichen Hausvater:31 Anton Günthers Agieren weist ihn als kooperations- und kompromissbereiten Herrscher aus, der ungern Konfrontationen verursachte und dem seine „Reputation“32 wichtig war. Der Bewertung, dass „die Grafschaft […] − vor allem ihre Hauptstadt – […] unter Anton Günther und seiner Gemahlin Auguste Dorothea […] eine kulturelle Blüte [erlebte]“,33 ist sicher­lich zuzustimmen. Die zwanzig Jahre zwischen 1690 und 1710 sollten als Kern dieser Blütezeit gelten. Die Ausstrahlung des Hofs speiste sich in dieser Periode von der erstarkten Hoffnung auf die Fürstung und hielt bis zu ihrer Publikation an, welche zugleich die mittleren Lebensjahre des Paares abdeckt.

28 29 30 31 32 33

[ND Berlin 1995], S. 123; auch Bierbrauerei, Zunftordnungen und Marktverkehr wurden durch Anton Günther geregelt. Diese Einmischung in die Kompetenzen des Stadtrates bei Abzugsgeldern, Tranksteuern, Wegegeld, Gesundheitswesen oder Polizei­wesen wurde als Einschränkung des städtischen Selbstverwaltungsrechts wahrgenommen. Fuhrmann (1985), S. 34; Heß, Ulrich (1993): Geschichte der Behördenorganisation der thürin­gischen Staaten und des Landes Thüringen von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zum Jahr 1952. Jena, S. 19. ThStA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt 1269 nach Donhof/Scheidt (1985), S. 6. Florinus (1719), Bd. I, S. 128. Donhof/Scheidt (1985), S. 5. Vgl. Florinus, Bd. I, S. 130 f. NLA WB, 1 Alt 24 Nr. 231, 11. Ignasiak (1994), S. 20.

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7.2.2 Hochzeit

Die Prinzessin hatte den 13 Jahre älteren Anton Günther von Schwarzburg in Wolfenbüttel kennen gelernt. Auguste Dorothea scheint als Prinzessin einen nicht unbeträcht­lichen Stellenwert besessen zu haben. Briefe zwischen dem späteren Erbprinzen, dem 22-jährigen August Wilhelm, und dem 31-jährigen Schwarzburger Grafen Anton Günther kurz vor und kurz nach der Vermählung bezeugen die Mitwirkung mehrerer Familienmitglieder an dieser Eheanbahnung.34 Am 6. August 1684 wurde der Ehevertrag beurkundet,35 der später im Rahmen der langjährigen Streitigkeiten um die Witwenbezüge eine große Rolle spielen sollte. Der Vertrag wurde auf Seiten der Schwarzburger von Anton Günther, seinem Bruder ­Christian Wilhelm und Graf Albrecht Anton aus Rudolstadt unterschrieben, auf der Seite Wolfenbüttels von Herzog Anton Ulrich, dem Brautvater, Herzogin Elisabeth Juliane, der Brautmutter, und Auguste Dorothea selbst.36 Im Salzdahlumer Lusthaus, dem Vorgänger des späteren Lustschlosses, wurde das Beilager zwischen Auguste Dorothea und dem Grafen Anton Günther von Schwarzburg am 7. August 1686 gefeiert. 37 Unabhängig von der eigent­lichen Fest­lichkeit, für die Johann Rosen-

34 NLA WB, 1 Alt 24, 230, 2 u. 3. August Wilhelm erhielt aus der „Fräuleinsteuer“ eine Summe von 1.866 Reichstaler, die als Vermittlungsprovision gelten kann. Herzog Anton Ulrich, der Brautvater, erhielt 17.500 Reichstaler. Ibid., 54. 35 Der Ehevertrag liegt mehrmals in Originalen und Abschriften vor: ThStA Rudolstadt, Kanzlei Sondershausen 504, 189 ff; ebenso NLA WB, 1 Alt 24, 230, 18 ff. 36 ThStA Ru, Kanzlei Rudolstadt, B. I.7c, Nr. 10. Siehe auch Jacobsen, Tagebücher, Bd. III, S. 606. 37 Gerkens (1974), S. 47, nach: Brandes (1880), S. 5; Salzdahlum lag eine Wegstunde vom Regierungssitz Wolfenbüttel entfernt, wo zwischen 1672 und 1688 das erste, kleinere Schloss­ gebäude, das Lusthaus, errichtet worden war. Anton Ulrich hatte bereits ab 1663 im Rahmen eines Pachtvertrags für 150 Taler jähr­lich das Gut und Gelände übernommen, auf dem später das Lustschloss Salzdahlum erbaut werden sollte. Rudolf August kaufte 1672 das Gut und schenkte es seinem Bruder (Wittig, 1996, S. 8). Das Lusthaus ist vollständig in der späteren Anlage aufgegangen oder abgetragen worden, auch über seinen Aussehen oder den genauen Ort existieren keine gesicherten Kenntnisse, da sich weder Grundrisspläne noch Aufrisse oder sonstige Abbildungen erhalten haben. Zwischen 1685 und 1687 ist eine Veränderung der Dekoration durch Anton Ulrich bezeugt. Dabei handelte es sich um Entwürfe für zwei Deckenmalereien, die illusionistisch den Blick in den offenen Himmel freigaben, während Muschelkalotten zwischen Decke und Wand vermittelten, auf denen spielende Putti mit Fruchtgirlanden zu sehen waren (Braunschweig, Herzog Anton Ulrich Museum, Johann Oswald Harms, Federzeichnung 17,9 x 33,7 cm). Der Nachlass des Künstlers umfasst eintausend Zeichnungen, Entwürfe für Innenraumdekorationen, Bühnenbildentwürfe. Tobias Querfurt war seit 1689 Hofmaler und löste damit Harms ab (Wittig, 1996, S. 13).

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müller ein Libretto schrieb und zur Aufführung brachte,38 verursachte diese Hochzeit Kosten in Höhe von 10.888 Reichstalern.39 Als dritte Tochter erhielt Auguste Dorothea weniger Ehegelder als ihre zwei Schwestern.40 Die vergleichsweise niedrigen Ehegelder der drei Töchter waren der Tatsache geschuldet, dass Anton Ulrich die Prinzessinnen als noch nicht regierender Herzog vermählte und zudem sechs Kinder zu versorgen hatte und die Mädchen aus dem Erbe auszusteuern waren. Durch den Status als Mitregent ab 1685 wurden die Ehegelder für Auguste Dorothea um 5.500 Reichstaler erhöht. Ab 1686 wurde das Ehegeld in kleinere Summen an Anton Günther ausgezahlt.41 1695, elf Jahre nach der Hochzeit, stand die Zahlung von viertausend Reichstalern noch aus.42

38 Rosenmueller, Johann (1684): Der beständige Orpheus: Bey Getroffenem Hoch-Fürstl. Braunschw. Lüneb. Eheverbündniß mit dem Hoch-Gräfl. Schwartzbur­gischem Hause; In einem Singe-Spiel Vorgestellet/Auf dem Lust-Hause Saltzthalem. Wolfenbüttel. 39 NLA WB, 1 Alt 24, 230, 33 – 37: Der Verlobungsring hatte 666 Reichstaler gekostet, der Ehering achthundert Reichstaler, die Kutsche samt Pferden 1.400 Reichstaler, das Brautkleid der Prinzessin zweitausend Reichstaler, der dazugehörige Diamantschmuck eintausend Reichs­taler, das Hutband mit Diamanten für den Bräutigam belief sich auf fünfhundert Reichstaler. Die Reisekosten der Schwarzburger Familie, der Mutter und der Schwester des Bräutigams wurden von Wolfenbüttel übernommen und auch ihnen wurden Geschenke im Wert von achthundert Reichstalern überreicht. Auguste Dorothea erhielt zusätz­lich materielle Mitgift, die so genannte Heimfahrt an Leinen und Spitzen (eintausend Reichstaler), ein Silberservice (1.500 Reichstaler) und ein „Braut Bett nebst Tisch und Stühlen“ (siebenhundert Reichstaler). 40 Zur Deckung der Hochzeitskosten und Ehegelder der drei Töchter von Anton Ulrich hatte der 1686 noch allein regierende Rudolf August bei den Landständen um Auszahlung der bewilligten Fräuleinsteuer in Höhe von 52.000 Reichstalern gebeten. Mit „gött­licher Hilfe“ wäre es gelungen, „die erste an Herzog Bernhard zu Sachsen-Meinigen, die zweite an Gustav, Marggraf zu Baden und die dritte an Anton Günther zu Schwarzburg“ zu verheiraten und „weil unsere Herrn Schwiegersöhne nach so lange gehabter Geduld nun end­lich nach gerade und ohne lange Aufenthalt deshalb befriediget werden müssen“. NLA WB, 1 Alt 24, 230, 41 f., März 1686; Aufstellung der Fräuleinsteuer ibid. 54, 30.3.1696. Der Wert der Ehepartner schlug sich in der Mitgift nieder: Der Herzog von Meiningen erhielt zwölftausend Reichstaler, der Markgraf von Durlach neuntausend, der Graf von Schwarzburg achttausend Reichstaler. Laut Ehevertrag handelte es sich aber um zwölftausend Reichstaler, wovon zweitausend als Paraphernalgelder als Vermögen der Ehefrau eingebracht werden sollten plus 5.500 Zuzahlung ab dem Zeitpunkt des Mitregentenstatus von Anton Ulrich. Siehe 1 Alt 24, 230, 18. 41 Er erhielt innerhalb von zwei Jahren sechstausend Reichstaler persön­lich in ­Wolfenbüttel ausgezahlt. Ibid., 44 – 53: August 1686 zweitausend Reichstaler, April 1687 eintausend, August 1686 eintausend, Februar 1688 eintausend, August 1688 eintausend Reichstaler. 42 NLA WB, 1 Alt 24, 230, 54.

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Erst am 18. Oktober 1684, mehr als zwei Monate nach dem Beilager in Salzdahlum, kam der Graf mit seiner jungen Ehefrau „unter allgemeinem Frohlocken aller getreuer Diener und Unterthanen“43 in Arnstadt an. Johann Georg Sommer, der Leibmedikus Anton Günthers, verfasste ein „Jubelblatt“ zur Einführung der Braut. Zu ihren Ehren druckte man mehrere Gelegenheitsschriften,44 dichtete ein italienisches Sonnet und ließ ein Allianzwappen entwerfen.45 Die Lobpredigt auf die Hochzeit des Paares im entfernten Wolfenbüttel wünschte, „daß die beiden hohen Personen glück­lich und wohlvergnügt anher gelangen und bey wahrer Gottesfurcht, in guter Gesundheit und allem selbst-erwünschtem hohen Wohlergehen lange beysamen leben“.46 Es gab wenig bemerkenswerte Ereignisse im Leben der beiden. Zu dem wichtigsten Ereignis gehörte die Erhebung in den Reichsfürstenstand 1697, die darauf­ folgende Neueinrichtung des Residenzschlosses, der Bau und die Einweihung der neuen Schlosskapelle im Jahr 1700 und der Einmarsch Weimarer Truppen 1711. Ansonsten empfing oder besuchte man Verwandte,47 vertrieb sich die Zeit oder befasste sich mit der Regierung des kleinen Territoriums, das von der Pest, Viehseuchen und Bränden heimgesucht wurde.48 Der Schatten der Kinderlosigkeit ruhte auf der Ehe. Anton Günther und Auguste Dorothea begegneten sich jedoch mit Wohlwollen und Pf­lichtergebenheit. Die Tatsache, dass Auguste Dorothea im Adelsrang über ihrem Mann stand und ihm dennoch im zeitgenös­sischen Verständnis der Geschlechterhierarchie unterstand, zeigt sich in den wenigen erhaltenen Briefen der Ehepartner als markante Charakteristik.49 Der Ton seiner Briefe blieb in Konfliktsituationen

43 Sommer, Johann Georg (1684): Unterthänigster Bewillkommungs-Zuruff. Arnstadt. 44 Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar, Signatur: O4:21[b], Flugschrift. 45 ThStA Ru, Kanzlei Sondershausen 504, 200 – 204; Allianzwappen oder Symbolum: Zwei Herzen überlappend, links und rechts jeweils ein Geweih, welche zwei Zepter, die aus zwei Kronen wachsen, umfangen. Das linke Zepter oben u-förmig endend, rechtes oben herzförmiger Auswuchs mit Stern, kannelierter Stab durchbrochen von springendem Pferd, beide Zepter überfangen von einer Krone. 46 Fürbitte, HAAB Weimar, O4:21b, 44, August 1686. 47 Während der Krise um die 9. Kur hielt sich Anton Ulrich in seinem freiwilligen Exil ­zwischen 12.4. und 12.5.1702 bei seinen Töchtern in Meiningen (Elisabeth Eleonora) und Auguste Dorothea in Arnstadt auf. Mazingue (1978), S. 225; auch Wagnitz (1991), S. 73. 48 Kirchschlager/Behr (2003). 49 Anton Günthers Sicht auf die Geschlechterhierarchie spiegelte sich in der Verwendung eines Paulus-Zitats in einer Verordnung wider: „Also sollen auch die Männer ihre Weiber lieben, als ihre eigne Leibe. Wer sein Weib liebet, der liebet sich selbst, denn niemand hat

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v­ äter­lich-wohlmeinend und ermahnend, während Auguste Dorothea stets auf ihrer eigenen Meinung beharrte und gleichzeitig ausdrück­lich bekannte, die Reaktio­ nen ihres Mannes zu fürchten. Auguste Dorothea versuchte, einen Mittelweg zu beschreiten zwischen der Durchsetzung ihrer eigenen Interessen und der Vermeidung von Auseinandersetzungen. Sie bemühte sich einerseits darum, die ehe­ lichen Normen auszudehnen und ihnen zugleich zu entsprechen. Die normativ erwartete Demut der Frau gegenüber ihrem Mann wurde von Auguste Dorothea nie bestritten. Trotzdem scheinen seine Ermahnungen − soweit das aufgrund der Aktenlage zu beurteilen ist – nichts bewirkt zu haben. Die Forschung postulierte bislang die lebenslangen Differenzen zwischen den beiden Ehepartnern, vermeint­lich aufgrund der angeb­lichen Verschwendungssucht der Herzogin.50 Die unterschied­liche Herkunft und die unterschied­lichen Vorstellungen von Standesgemäßheit stellten mit Sicherheit ein innerehe­liches Konfliktpotenzial dar. Zu einem wirk­lichen Zerwürfnis mit Anton Günther, den sie schrift­lich mit „Mon Coeur“51 ansprach, kam es indes nie. In der Kommunikation mit ihm unterblieben rhetorische Formeln, was die relative Nähe der Partner zueinander demonstriert, aber Streit nicht ausschloss. Die Herzogin zog nicht bereits 1708 in ihr Lustschloss um, sondern blieb bis zu Anton Günthers Tod im Schloss Arnstadt und war an seinem Totenbett zugegen.52 Herzogin und Graf führten eine im Adel üb­liche Ehe mit getrennten Hofhaltungen unter dem Dach von Schloss Arnstadt, die sich in ihrem Fall durch eine wohlmeinende gegenseitige freund­liche Gesonnenheit und Respekt auszeichnete. Mon Plaisir zeigt das Paar in alltäg­lichen Begebenheiten in einer geschlecht­ lich getrennten Parallele zwischen Fürstin und Fürst. Auf einer Raumebene wird jemals sein eigen Fleisch gehasset, sondern ernehret es, und pfleget seyn […]. Die Weiber seyn Unterthan ihren Männern, als dem Herrn, denn der Mann ist des Weibes Haupt, […] So sprach Gott zum Weibe: […] dein Wille sol deinem Manne unterworffen seyn, und er soll dein Herr seyn.“ Dieser Text reproduzierte (an anderer Stelle) den gängigen Topos von der Minderwertigkeit der Frau durch den Sündenfall und die Vormachtstellung des Mannes gegenüber der Frau. Der Mann wird zugleich in die Pf­licht genommen, seine Frau zu lieben wie sich selbst. Verordnung Anton Günthers vom 29.1.1695 gegen „Unzucht und Hurrerey“, HAAB Weimar, O4:21b, 7a. Wie sehr Anton Gunthers Haltung gegenuber seiner Gemahlin religios begrundet war, zeigte sich in seiner personlichen Betroffenheit gegenuber ihrer Konversion. 50 Leber (1965), S. 14. 51 NLA WB, 1 Alt 24, 231, 10. 52 Anton Günther (1716): Christ-Fürst­licher Lebenslauff; ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. II , 145 ff.

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Abb. 91: Mon Plaisir, Wochenbett, Herr bei der Toilette

nur getrennt durch eine Zimmerwand links die morgend­liche Toilette der Dame gezeigt, während rechts die Toilette des Herren zeitgleich stattzufinden scheint. Die Dame wird von ihrer Kammerdienerin und einer weiteren Jungfer angekleidet, gekämmt und gepudert und so für den Tag zurecht gemacht. Der Herr wird im Nachbarzimmer in Anwesenheit seines Leibdieners rasiert und mit einer Perücke bekleidet. Alle anderen Begegnungen zwischen Dame und Herr lassen sich entweder dem Bereich des Privaten, der eingeschränkten Öffent­lichkeit des Hofes oder der repräsentativen Öffent­lichkeit zuordnen. Die Szenen beschreiben also entweder das nach innen gerichtete oder nach außen gerichtete Agieren des Paares. Fürst und Fürstin begegneten sich nicht nur in Gegenwart Dritter, sondern durchaus auch ganz allein. Zu dieser Kategorie der Begegnung gehörte das Speisen en ­serviette, das Spielen von Brettspielen und die gemeinsame Nachtruhe, die

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in einer historischen Aufstellung des Mon Plaisir nachvollziehbar ist. Auguste ­ orothea war daran gelegen, nicht nur den öffent­lich-politischen Aspekt der Ehe D zu beleuchten, sondern dezidiert den privaten Umgang miteinander vorzuführen, um damit die ehe­liche Eintracht oder die tatsäch­liche persön­liche Zuneigung wie auch die Erfüllung ehe­licher Pf­lichten im Ehebett zu demonstrieren. Mon Plaisir zeigt also nicht nur die Fürstin in der Wahrnehmung ihrer verschiedenen Aufgabengebiete, sondern beide gemeinsam bei der Ausübung ihrer standesspezifischen Rollen als fürst­liches „Arbeitspaar“.53 7.3 Eine Prinzessin unterwegs „An denen Höfen welche nach franzö­sischer Art eingerichtet, hat die Fürstin allezeit ihren Stallmeister, welcher bloß auf sie wartet […]. Er wird auf franzö­sisch Ecuyér de Dame genennet und hat nach Gelegenheit andere Cavalliere unter sich [und] sollen auch diese von Adel sein. An dem Kayser­lichen Hof hat eine iede Dame von Condition einen Führer […]. Fährt die Dame in der Carosse, so reitet er vorher und bietet Ihr, wann sie absteigt die Hand zum Führen: läßt sie sich in der Sänfte tragen, so gehet er bey her und bietet Ihr alsdann, beym Absteigen die Hand, doch sind dieses keine von Adel als die franzö­sischen […] und dürfen also auch nicht mit in die Compagnie hinein gehen, wo die Dame hinein gehet. […] Geht die Dame zu Fuß, wird sie vom Führer geführt.“54

Mon Plaisir dokumentiert neben den geschlecht­lich und ständisch hierarchisierten, reglementierten lokalen Wegenetzen Auguste Dorotheas persön­liche R ­ eisen. Obwohl die Grand Tour als Bildungselement für Frauen grundsätz­lich nicht vorgesehen war, ließ sich der Erfahrungs- und Handlungsrahmen durch kleinere Reisen, Kuren, Messe- und Verwandtenbesuche legitim erweitern. Auguste ­Dorothea schrieb ihre eigenen Reisebilder und die besuchten Orte in Mon Plaisir ein und machte die Sammlung so unter anderem zum Erinnerungsort einzelner und jähr­lich wiederkehrender Ereignisse. Die Reisebilder werden im Gegensatz zu den meisten anderen Inszenierungen als Außendarstellungen unter freiem Himmel wiedergegeben.

53 Nach Wunder, Heide (1992): „Er ist die Sonn’, sie ist der Mond“. Frauen in der Frühen Neuzeit. München. 54 Florinus (1719), Bd. 1, S. 105.

Eine Prinzessin unterwegs  |  283

Abb. 92: Mon Plaisir, Kaiser­liche Post, Wechselstation, Sänfte mit Prinzessin (Auguste Dorothea?)

7.3.1 Die Posthalterei

Die Posthalterei thematisiert unterschied­liche Formen des Reisens und den Transport von Post und Waren. Vor einer gemalten Stadtvedute und blauem Wolkenhimmel, die sich über den Hintergrund wie auch die beiden Seitenwände des Kastens erstrecken, befindet sich mittig ein zweistöckiges Haus, das im Dreiecksgiebel das Zeichen der Reichs­ post trägt.55 Das Hauptportal der Poststation öffnet sich nach hinten zu einer gemalten großräumigen Hallenarchitektur mit Empore und Kuppel, die durch gemalte Mauerbögen an den von außen sichtbaren Torbögen zu beiden Seiten des Hauses anschließen. Um das Gebäude herum stehen mehrere unterschied­ liche Kutschen mit Pferdegeschirren, Gepäck, Reitern, Hunden, Trägern und Dienern. Eine Portechaise, zwei Zweispänner und eine große Transportkutsche für Waren nutzen die Wechselstation als Haltepunkt der Kutschroute oder zum Wechseln der Pferde und zur Übergabe von Waren. Estafettenläufer und Kurierboten besorgen die eilige Post.56 Die zentrale Figurine dieser Installation ist eine zier­liche Mädchenfigur in einem sch­lichten Reisekleid aus rosa Seide mit goldenen

55 Behringer, Wolfgang (2003): Im Zeichen des Merkur. Reichspost und Kommunikationsrevolution in der Frühen Neuzeit. Göttingen. 56 Zimmermann, Otto von (1875): Zur Kostümkunde des deutschen Postboten. Berlin.

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Mon Plaisir als Spiegel eines Fürstinnenlebens

Tressen, unter der ein weiß-seidenes Unterkleid mit Spitzenbesatz an Armen und Dekolleté zu sehen ist. Über den blonden Haaren kommt ein Schleier zu liegen. Die Figurine mit dem blassen, feinen und zarten Gesicht und der einfachen, aber kostbaren Bekleidung stellt eine junge Prinzessin dar. Die Prinzessin ist im Begriff, in die vor ihr stehende goldene Sänfte einzusteigen. Während längere Wege mit Pferdekutschen zurückgelegt wurden, nutzten adelige Damen und Herren eine von Dienern getragene Sänfte, um sich lokal fortzubewegen.57 An der goldfarbenen Sänfte der Prinzessin laufen links und rechts je eine Tragstange durch Ösen. Zum Einsteigen konnte die Tür nach vorne zum Träger hin geöffnet werden.58 Die Sänfte erhebt sich über einem nahezu quadratischen Grundriss. Auf drei Seiten ist sie durch Fensterglas durchleuchtet. Nur die Rückseite und die Decke sind geschlossen und mit Leder überzogen und schützen so vor Sonne und Regen. Die Decke kragt auf allen Seiten leicht über den Korpus der Sänfte und ist zudem nach oben gewölbt, um die Raumhöhe im Innern zu vergrößern. In die seit­lichen Fenster wurde ein sich rankendes Blumenmotiv eingraviert. Das Frontfenster in der Tür zur Sänfte konnte als Schiebefenster nach unten geöffnet werden, um so die Kommunikation zum Träger zu erleichtern. Neben der Goldfassung der Sänfte weisen geschnitzte Girlanden, florale und eine wappenartige Bemalung auf die adelige Besitzerin und Nutzerin hin. Für kleinere Spazierfahrten und Ausflüge im Sommer benutzte man die leichte, offene Chaise oder Halbchaise, den Ein- oder Zweispänner. Hier saß der Kutscher auf einem Kutschbock direkt über der Vorderachse. Die Chaisen waren ungefedert und machten längere Fahrten unbequem. Die vier mit einem Metallreifen gefestigten Holzräder waren ebenso wie die Deichsel durch die Unebenheiten der Straße bruchgefährdet. Das lederne Klappverdeck konnte je nach Bedarf aufgerichtet werden. Steigeisen vereinfachten den Einstieg. Größere Reisen trat man jedoch mit einer stabilen Reisekutsche (Kalesche) an. Der geschlossene, mit Leder bekleidete, hölzerne Korpus der Kutsche war ­zwischen den Reifen aufgehängt. Diese war für lange Strecken und alle Wetterlagen gedacht und hatte ausreichend Stauräume für größere Gepäckstücke oder Mengen. Mit ledernen Planen wurde auch das Gepäck vor Unwetter geschützt. Diese Kutschen waren wenig repräsentativ, aber sehr funktional. Auch die Grafenfamilie nutzte für längere Reisen nicht die eigenen Kutschen, sondern die Postkutsche.59 Auch

57 Arnim (1928), S. 14. 58 Die Tür ist durch Türbänder rechts angeschlagen und kann tatsäch­lich geöffnet werden. 59 Hahn, S. 201.

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Abb. 93: Mon Plaisir, Posthalterei, Reisekutsche

Geld transportierte man zwischen Braunschweig-Wolfenbüttel und Arnstadt mit der Post.60 Im Bestand des Fürstenpaares Anton Günther und Auguste Dorothea befand sich 1716 ein kompletter Fuhrpark an Pferden, Kutschen, Schlitten und Geschirren.61 Einundzwanzig Pferde standen im Stall des Schlosses, zwei Züge Rappen und ein Zug (sechs Tiere) braune Wallache, welche die Fürstin nutzte, sowie drei Reitpferde. Die Wallache trugen Kutschzeug mit gelben Zügeln und Ringen aus Messing mit schwarzen Schnallen. Durch die zwölf vollständigen Geschirre konnten also zeitgleich zwei Sechsspänner gefahren werden. Um 1700 hatte man erst die „Arnstädtische Chaise“, die mit „rothem Tuch und goldenen Schnüren“ ausgestattet war, samt Geschirr neu angeschafft. Die Fürstin verfügte über ihre „Braut Kutsche“, die 1684

60 NLA WB, 1 Alt 24, 239, 28. 61 ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. II, 51.

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immerhin 1.400 Reichstaler gekostet hatte,62 ihre „Leib Chaise“, eine „grüne Kutsche vor die Freuleins“ und die „blaue wolfenbütt­lische Chaise“. Im Besitz des Hauses war zudem eine „sondershäu­sische Chaise grün mit Silber“, eine alte, graue Chaise, ein grüner „Schweizer Wagen“, ein grüner „Cammer Wagen“, eine blau-rote Chaise, eine gelbe Chaise und eine „halb gedeckte Calesche“. Die Fortbewegungsmittel waren also nicht nur persön­lich Auguste oder ihrem Mann zugeordnet, sondern dienten der Familie aus Sondershausen oder Wolfenbüttel, sobald sie sich in Arnstadt aufhielten, oder wurden von bestimmten Personengruppen genutzt. Musste man im Winter über verschneite oder vereiste Straßen fahren, kamen Schlitten zum Einsatz, die aber genauso zu Lustfahrten verwendet wurden. In der Remise befanden sich sechs Schlitten mit „Geschirre und Geläute dazu“, sowie „15 Handdecken mit s­ eiden gestickten Wappen“ und drei lederne Handdecken sowie „10 Stück Chabraken mit seiden gestickten Nahmen“.63 Fuhr Auguste Dorothea aus, dann tat sie das also in ihrer eigenen Kutsche mit sechs braunen Wallachen mit gelbem Geschirr. Je nach Witterung wurden die Pferde mit monogrammierten Decken geschmückt. Und auch die Fürstin konnte sich und ihre Kleidung vor Schmutz und Kälte mit Handdecken schützen. Die Prinzessin fuhr nie alleine aus, sondern immer in Begleitung ihrer Hofdamen in der Fräuleinkutsche.64 Ihr eigener Kutscher und eigene Pferdeknechte standen stets bereit und begleiteten sie auf ihren Fahrten. Ein Vorreiter befand sich vor dem Tross und bahnte symbolisch den Weg. An beiden Seiten der Kutsche und dahinter ritten Hofkavaliere und Lakaien. 1716 unterhielt sie „1 Kutscher, 1Vorreiter, 2 Knechte“,65 die auch zur Witwenzeit auf der Augustenburg gleich blieben. Ein Unfall ereignete sich am 15. September 1742, als der Kutscher Michael vom Pferd fiel, unter die Hufe kam und in der Folge starb.66 Eine größere Reise zum Beispiel bereits nach Wolfenbüttel brachte neben den Grundkosten für die Kutsche und die Anschaffung und Haltung von Pferden zusätz­liche Kosten mit sich. 1703 brachte Auguste Dorothea folgende Kosten in Anschlag: Für das eigene „Logiment und Holtz 8 RT“, ein Kontingent an Zucker, Butter, Eiern, Mehl und Fleisch als Proviant, zwei Reichstaler für (das Wechseln 62 NLA WB, 1 Alt 24, 230, 33. 63 ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 68 bis 72, Vol. II, 51. 64 Nach dem Tod des Gemahls forderte sie nur die Herausgabe ihrer Leibchaise, der Fräuleinchaise und von sechs Schlitten – ein untrüg­liches Zeichen für deren Nutzung besonders durch die weib­lichen Mitglieder des Hofs bzw. das Frauenzimmer. Ibid., 313. 65 ThStA Ru, Kanzlei Arnstadt 311, Witthumsakten 1716 – 21. 66 Landeskirchenarchiv Eisenach, K/7 2a-2, 381.

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Abb. 94: Mon Plaisir, Corps de Logis I, Pferdeknecht im Stall

und) die Unterkunft der Pferde, dazu Hafer, Heu und Stallgeld, zwei Gulden für die Wachen, für Bier, Wein und Essig insgesamt zwanzig Gulden. Zwei besondere Umstände machten die Fahrt noch ein wenig teurer: „Vor die Trompeters und was sie noch mehr in die Reise gebraucht“ benötigte man nochmals zwanzig Gulden sowie für „Rosenwasser 1 Gulden“, zum Überdecken schlechter Gerüche.67 Auguste Dorothea reiste viel. Als hochadelige Dame genoss sie das Privileg und die Mög­lichkeit zu überregionaler Beweg­lichkeit. Eheanbahnung und Umsetzung zwangen zur Mobilität. 1681 befand sich die 15-Jährige in der Entourage ihrer Schwester und ihres Schwagers auf dem Weg von Meiningen zu einem Treffen mit ihrem Vater Anton Ulrich und Herzog Friedrich I. von Sachsen-Gotha-Altenburg auf Schloss Friedensstein in Gotha.68 Da zehn Wochen zuvor dessen erste Frau Magdalena Sibylla von Sachsen-Weisenfels (1648 – 1681) verstorben war, könnte die besondere Nennung der Prinzessin und das Anreisen der ganzen Familie darauf 67 ThStA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt 421, 160 f., Kosten einer Reise um 1703, Ziel unbekannt. 68 Jacobsen (2003), Tagebücher. Am 14.3.1681 vermerkte Friedrich I. eine geplante Zusammenkunft der Familien aus Wolfenbüttel, Coburg und Meinigen in Gotha. Herzog Anton Ulrich reiste mit acht Mann an, die Coburger mit zwanzig Leuten und die Meininger mit 27 Personen, darunter auch die Prinzessin Auguste Dorothea. Der Fourierzettel existiert noch unter: FB Gotha, FBG Chart A 1100, Nr. 15, siehe S. 495 und Bd. II, S. 156.

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hindeuten, dass Auguste Dorothea als potenzielle neue Heiratskandidatin zur Diskussion stand.69 Ihre wichtigste Reise trat Auguste Dorothea im Oktober 1684 an, als sie von ihrem frisch vermählten Ehegemahl von Wolfenbüttel nach Arnstadt geführt wurde. Die Heimführung der Braut markierte den Übergang vom Stadium der Jungfrau und Prinzessin zum Stadium der Ehefrau, in der die frisch Verheiratete all ihre Habe und die materielle Aussteuer sowie Dienerschaft in einem umfangreichen Tross mit sich in ihre neue Lebensphase führte. Die Kutsche wurde dadurch zum Symbol dieses rite de passage. Sie geleitete die Prinzessin in den geografischen Raum ihrer eigent­lichen Bestimmung als Landesherrin, Ehefrau und Mutter. Ein weiteres anlassunabhängiges Motiv für ausgedehnte Reisen war der Bildungsanspruch. Die vielen italienischen Einflüsse in Mon Plaisir lassen vermuten, dass die Prinzessin Italien kannte.70 Im Jahre 1690 hielt sich Auguste Dorothea mindestens drei Monate in Holland auf.71 Holländische Rechnungen in späteren Jahren bezeugen den weiteren Kontakt in die Niederlande.72 Der Besuch zuhause oder bei Familienmitgliedern machen ein sternförmiges Bewegungsmuster der Herzogin im näheren und ferneren Umfeld sichtbar. Oft fuhr sie nach Hause zurück, nach Wolfenbüttel und Salzdahlum, nach Braunschweig zur Oper oder zur Messe, nach Gandersheim zur einen Schwester, nach Meiningen zur anderen, nach Eisenach und nach Gotha zu ihren herzög­lichen Vormündern, nach Sondershausen und Rudolstadt zur Schwarzburger Verwandtschaft. Das nur vier Stunden entfernte Erfurt 73 69 Im selben Jahr heiratete Friedrich Christine von Baden-Durlach (1645 – 1705), eine verwitwete Markgräfin von Brandenburg-Anspach. Auch später erwähnte Friedrich I. die Prinzessin bzw. dann bereits Gemahlin von Anton Günther, die er sowohl in Arnstadt als auch in Wolfenbüttel traf. Jacobsen, 20.8.1686: Friedrich hielt sich in Wolfenbüttel auf. Auguste Dorothea und Anton Günther sind beide zugegen, Bd. II, S. 459; am 29.8.1686 fuhr Friedrich mit Anton Ulrich, Auguste Dorothea und der Jungfer Schulenburg in einer Kutsche aus „den tour a la mode“ machen, Bd. II, S. 461. 70 Archiva­lisch findet sich kein Hinweis auf eine Italienreise. Ob vielleicht nicht nur ihr Bruder Ludwig Rudolf, sondern auch sie ihre Eltern bei einer der Italienreisen begleitete, bleibt offen. Zumindest mittelbar war ihr die italienische Kunst- und Kulturlandschaft vertraut. Siehe Luckhardt (2002) zu den Reisen Herzog Anton Ulrichs und seiner Familie nach Venedig. 71 Wallmann, Johannes; Sträter, Udo (Hgg.) (2006): Philipp Jacob Spener. Briefwechsel mit Auguste Hermann Francke 1689 – 1704. Tübingen, S. 27 u. 33. 72 ThStA Ru, Kanzlei Arnstadt 421, 137: „29 ½ elle groen en gouldt en silver stoff a 16 guld […] 472 Guld“, 14. Juni 1693 (?). 73 Mit der Postkutsche von Arnstadt aus. Pfeiffer, L. (1875): Thüringens Bade- und Kurorte und Sommerfrischen. Wien, S. 113.

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besuchte sie regelmäßig. Mit ihrer Schwester Henriette Christine bereiste sie 1712 Belgien. Mindestens zweimal fuhr sie zur Kur nach Aachen und Bad Ems.74 Der Jahreslauf hielt einige Anlässe zu Reisen bereit: Karneval in Hannover, dreimal jähr­lich stattfindende Messen in Leipzig, zu denen sie regelmäßig mindestens zweimal pro Jahr fuhr, Feste, Geburtstage, Taufen und Kirchweihen waren willkommene Anlässe und Abwechslung. Auch die Nachbarn im näheren Umfeld wurden besucht. Als Witwe besuchte sie von der Augustenburg aus ihre Nachfolgerin, die neue Fürstin von Schwarzburg (Elisabeth Albertine) im drei Kilometer entfernten Arnstadt. Wie aufregend das Reisen sein konnte, wie wenig planbar und wie sehr man von den Witterungsverhältnissen abhängig war, zeigte sich an Auguste ­Dorotheas Reaktion, als der Sekretär Hirsch im März 1748 auf dem Weg von der Augustenburg nach Wolfenbüttel von Erfurt aus per Eilpost sendete, dass „er wegen der Unvermutheit und plötz­lich angelasten großen Gewäßern vor der hand nicht weiter kommen, und ihn […] auch kein Post weiter fahren wollte noch könnte, mithin er wohl ett­liche Tage daselbst würde bleiben müssen […] dagegen habe ihm sofort antworten lassen, wie ich embarassiret sey, dass ihn […] dergleichen Schicksal zugestoßen, er darum sich zu keiner Gefahr exponiren, sondern […] lieber wieder anher retouriren und besser Weg und Wetter abwarten möchte“.75

Spazierfahrten ohne Ziel dienten der Erquickung und die winter­lichen Schlitten­ fahrten 76 zur Belustigung. Beides galt auch in der Hausväterliteratur als höfische Vergnügungen: „Dem Plaisir des Reitens will ich noch zuletzt beyfügen, die sogenannte Tour a la mode, wann sich der Hof mit Spazierfahrten erlustiget, dieses geschieht in wohleingerichteter Ordnung, meistens in Kutschen mit 6 Pferden, und pflegen sich dieser Plaisir meistens die Printzen zu geben, welche wegen Alters und anderer Commodität nicht mehr reiten können.“77

74 ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. I, 366 (1714 Aachen); ThStA Ru, Kanzlei Arnstadt 421, 103 (1707 Bad Ems). 75 NLA WB, 1 Alt 24, 236, 55. Auguste Dorothea an ihre Nichte, 19.3.1748. 76 Vgl. Florinus (1719), Bd. II, S. 88. 77 Ibid., S. 134.

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7.3.2 Die holländische Stadt

Zwei Bilder einer Reise wurden in Mon Plaisir konserviert. Die Holländische Stadt (ohne Abb.) gehört zu den ungewöhn­lichen Doppelszenen, die im Außenraum stattfinden und deren kastenförmige Rahmung nach oben durch eine Tonnendecke mit zurückspringendem Gesims aufgebrochen wird. Die untere Szene zeigt im Vordergrund einen Kanal oder Hafen, der sich nach hinten zu einem gemalten Seestück öffnet. Mittig im Hintergrund steht ein Leuchtturm auf einer Felsen­insel, die von tosendem Meer umspült wird. Zwei große Segelschiffe befinden sich im Mittelgrund. Links und rechts leiten gemalte Gebäude vom gebauten Vordergrund in den gemalten Bildhintergrund. Im linken Bildhintergrund befindet sich eine Festungsanlage. Im linken Vordergrund versperrt bildparallel eine niedrige Mauer unter einem Laubengang den direkten Zugang zum Meer. Der Betrachter (die Figurinen) sind dazu eingeladen, das tosende Meer aus der sicheren Rahmung des Aussichtspunkts zu betrachten. An der rechten Flanke führt eine gemalte, antikisierende Architektur perspektivisch ins Meer hinaus. Ein Gebäude mit einem riesigen Säulenportikus scheint direkt ins Wasser gebaut und thront auf einer gemauerten Plattform über dem Meer. Dahinter erhebt sich in der Ferne ein weiteres langgestrecktes Gebäude als geschlossener Gebäude­korpus. Im Vordergrund schwimmt auf dem ankerförmig in Backsteinoptik gestalteten Kanal und der Hafenbucht ein Fischerboot. Am Ufer steht ein Fischer mit einem Netz. Das Ufer ist mit (gemalten) Steinplatten ausgelegt. Auf den ersten Blick scheint diese Szene eine holländische Hafensituation wiederzugeben, die das Leben am Meer erzählt. Schiffe fahren vom Leuchtturm gelenkt in den Hafen ein und laden ihre Waren in den großen Lagerhäusern am rechten Ufer ab. Der Kanal und die Hafenbucht sind gut befestigt und erlauben das Fischen auf dem ruhigen und vergleichsweise gefahrlosen Wasser des Kanals. Das wilde Meer des Hintergrunds kontrastiert mit der ruhigen Beschau­lichkeit des Vordergrunds. Zwei Figurinen im linken Vordergrund betrachten die Szene von der mit Platten ausgelegten Uferpromenade aus. Die gemalte Architektur der Flanke sowie die Festung rechts überzeugen jedoch nicht als holländisch, sondern erinnern entfernt an italienische Palazzi. Der malerische Entwurf kümmert sich nicht um die exakte Lokalisierbarkeit der abgebildeten Architekturen. Die obere Szene des Doppelensembles zeigt einen innerstädtischen Markt auf einem Rathausplatz. Der gemalte Hintergrund zeigt eine Stadtvedute, in deren Zentrum sich ein monumentales, repräsentatives Gebäude befindet. Über einem steinsichtigen, rustikal bossierten Sockelgeschoss mit bogenförmigen Toröffnungen steigt das Hauptgeschoss auf, das durch vorspringende Pilaster und rund

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abschließende Fensterachsen gegliedert wird. Eine Dockenbalustrade leitet zum Dach über, das an eine Kirche erinnert. Hinter den Fenstern befinden sich bunt gekleidete Männer mit Perücken. Vor dem Rathaus liegt ein großer Platz, auf dem sich einige Männer in unterschied­ lichen Landeskostümen (Holländer, Osmanen, Moskowiter) bewegen oder in Gruppen zusammenstehen. Links und rechts säumen traufständig mehrstöckige, hohe Steinhäuser mit roten Ziegeldächern und mittiger Dachgaube den Platz. Malerisch schließt der Hintergrund zur Kastenplattform mit einer Brücke über Abb. 95: Mon Plaisir, Holländische Stadt, einem Kanal und einer Backsteinmauer. Hummerfischer Im Vordergrund ist heute ein unproportional großer Tischbrunnen eingestellt, der sich ehemals nicht in dieser Szene befand. Beide Seitenwände des Vordergrunds sind mit einstöckigen, backsteinsichtigen Hauseinbauten versehen, die in die Mitte schräg hineinragen. Die Häuschen haben Klappfenster, die sich zum Platz hin öffnen. Ein Mann in einfacher Leinenhose und weißer Bluse unter einer roten Weste trägt über der Schulter an einem Stock einen geflochtenen Korb, in dem er einen Hummer gefangen hat (Abb. 95, S. 291). Die Kostbarkeit des Fangs zeigt die goldene Bordüre seiner Weste. Das Fischer- oder Krämerviertel des Vordergrunds mit den kleinen Backsteinhäusern und den bäuer­lich gekleideten Figurinen kontrastiert mit den großen Bürger­häusern aus Stein und der palastartigen Rathausarchitektur. Drei Themen dieser holländischen Hafen- und Handelsstadt werden zentral inszeniert. Die Stadt wird vom Bürgertum dominiert und stellt einen Gegensatz zum für Auguste Dorothea gewohnten Leben in einer fürst­lichen Residenzstadt dar. Große Steinhäuser verweisen auf den Reichtum seiner Bürger. Das Berufsfeld Fischerei war ans offene Meer und die Kanäle gebunden und gehörte ebenfalls zu einem Erlebnisfeld, das der Binnenanwohnerin nicht vertraut war und ein Faszi­ nosum darstellte. Während man in Wolfenbüttel und Arnstadt nur Süßwasserfische wie Forelle und Karpfen aß, bot die Küstenfischerei Salzwasserfische und solche Besonderheiten wie frischen Hummer. Mit den vielen aus unterschied­lichen Ländern stammenden Menschen wird diese Stadt als internationales Handelszentrum evoziert. Der Flair der betriebsamen Stadt mit seinen vielen fremdländischen

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Bewohnern und Gästen stand vermut­lich ebenfalls in krassem Gegensatz zur Bevölkerungsschicht und -mischung des beschau­lichen Arnstadts. Figurinen in holländischem Kostüm hielten hier früher wahrschein­lich Fischmarkt. Die Figurinen haben sehr markante Gesichter und unterscheiden sich in der Modellierung stark von den sonstigen Figurinen, sodass sie vermut­ lich in Holland gekauft und nach Arnstadt gebracht wurden (Abb. 22, S. 114). Eine Reise der Fürstin in die Niederlande ist konkret nachweisbar. Dekorative Gestaltungselemente ihres Lustschlosses dokumentieren ihre anhaltende und umfangreiche Begeisterung für holländische Waren. Tausende von blau-weißen Delfter Kacheln zieren die Wände und Kamine ihres Hauses, schwere hollän­dische Textilien bedecken die Tische. Delfter Lüster und Kerzenhalter beleuchten die Räume der Miniaturstadt, und gemalte Delfter Kacheln verkleiden die Hofküche (Abb. 71, S. 233 und Abb. 72, S. 234). Wie bei den meisten Szenen des Mon Plaisir ist die präzise Markierung der abgebildeten Orte und damit ihre Lokalisierbarkeit für den anonymen Betrachter nicht intendiert. Mit großer Sicherheit ist hier eine niederländische Hafenstadt portraitiert, die aufgrund der internationalen Händler einen Hinweis auf die Börse Amsterdams bergen könnte.78 Aber auch Haarlem, Den Haag, Maastricht oder Rotterdam könnten gemeint sein. Es handelt sich um einen persön­lichen Eindruck, der in der Miniatur als Erinnerungsmedium erhalten blieb und der sich vermut­lich nur in der Erzählung erschloss. Hier geht es nicht um die Darstellung aller städtischen und länd­lichen Lebensformen in enzyklopädischer Vollständigkeit, sondern um das Dokumentieren eines persön­lichen Erlebnisses. Das Doppelensemble ist ein dreidimensionaler Erfahrungsbericht der Herzogin, der vermut­lich erst nach der Reise weitestgehend aus der Erinnerung ohne Zuhilfenahme konkreter Vorlagen in Auftrag gegeben und gestaltet wurde. 7.3.3 Die Messe

Ein jähr­lich mehrmals wiederkehrender Reiseanlass für Auguste Dorothea stellte die Leipziger (und die Braunschweiger) Messe dar.79 Leipzig hatte seit 1497 das Messeprivileg. Dreimal jähr­lich fanden hier nach ihrer Position im Jahreslauf

78 Die Gebäude ähneln jedoch nicht Amsterdamer Häusern oder gar der Börse. 79 Siehe Brübach, Nils (1994): Die Reichsmessen von Frankfurt am Main, Leipzig und Braunschweig. 14.–18. Jahrhundert. Stuttgart.

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Abb. 96: Mon Plaisir, Markt

benannt die Jubilate-, Michaelis- und Neujahrsmesse statt.80 Das Postkursbuch von Leipzig verzeichnete im 18. Jahrhundert über 47 Verbindungen in alle Himmels­ richtungen, die eine bequeme Anreise möglich machte.81 Zwischen 1700 und 1740 hatte jede der Messen circa fünftausend Besucher zusätz­lich zu den Händlern, Gauklern und Handwerkern. Üb­licherweise erhielt Auguste Dorothea von ihrem Gemahl eintausend Reichs­taler pro Messe als Handgeld, die in Luxusgüter umgesetzt wurden.82 Ein großer, breitgelagerter Kasten in Mon Plaisir berichtet von diesem spezifischen Erlebnis- und Erfahrungsraum der Fürstin und erzählt das Treiben auf einem großen Markt. 80 Bentele, Günter; Topfstedt, Thomas; Zwahr, Hartmut (Hgg.) (1999): Leipziger Messen 1497 – 1997. Teilband 1: 1497 – 1914. Köln, Einführung. Jede Messe dauerte ca. zwei Wochen. Die Neujahrmesse begann am 1. Januar, die Oster- oder Jubilatemesse fing am dritten S­ onntag nach Ostern an, und die Herbstmesse begann am Sonntag nach Michaelis Ende September. Mittags um zwölf Uhr wurde die Messe eingeläutet und genau nach einer Woche ausgeläutet, die folgenden acht Tage hießen „Zahlwoche“. Die Woche vor dem Einläuten hieß Böttgerwoche, weil diese Zunft als einzige bereits Ware verkaufen durfte, in dieser Woche wurden aber die meisten Geschäfte bereits getätigt, während alle Kaufleute ihre Ware auspackten. Die Messe der Buchhändler begann erst nach der Zahlwoche. 81 Czok, Karl (1999): Leipzig und seine Messen im Augusteischen Zeitalter. In: Zwahr et al., S. 190. 82 1706 gibt das Paar zusammen knapp zweitausend Reichstaler auf der Leipziger Ostermesse aus (Donhof/Scheidt, 1985, S. 6). Nachweisbar war Auguste Dorothea im Oktober 1709 dort, ihr Gemahl im Mai 1715 (Czech, 2003, S. 354 f.).

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Der mit seiner horizontalen Ausrichtung für die Sammlung ungewöhn­liche Kasten zeigt in zwei nahezu ungegliederten Kompartimenten zwei Außenszenen. Fast die ganze obere Hälfe des Kastens wird von bildparallel angeordneten und zum Betrachter hin sich öffnenden Marktständen eingenommen, die sich links und rechts eines bühnenartigen Einbaus befinden. Der Boden, die Wände und die Decke der oberen Hälfte sind nicht markiert und völlig weiß gehalten. Auf der unteren Ebene des Kastens wurde vor die Rückwand ebenfalls bildparallel eine steinsichtige Hauswand vorgeblendet, in der über symmetrischen Pfeilerarkaden einflügelige Fenster liegen. Im linken Drittel wird die Szene durch eine vertikal eingestellte Torwand mit Rundbogen gegliedert, die sich in beiden Seitenwänden als Torform wiederholt. Die Zone links des Durchgangs entspricht ästhetisch der rechten Hälfte, ist aber kleiner ausgeführt. Rechts von diesem Kasten schloss ehemals das Ensemble Putzmacherin oben und Schankstube darunter an, die das Warensortiment und die Attraktionen der Messe komplettierten. Während die obere Szene von hölzernen Krambuden dominiert wird, werden die Waren unten auf dem Boden stehend feilgeboten. Beide Szenen führen die materiellen Warengruppen im frühen 18. Jahrhundert und ihre zünftige materielle Separierung vor. Spitzen und Klöppelware wurde getrennt von Stoffen verkauft, Küchen- und Haushaltsgeräte aus Kupfergerät getrennt von Zinn. Der Hutmacher fertigte Hüte, der Schuhmacher die Schuhe, der Wachszieher bot Wachs, Docht und Kerzen an, die Töpfer verkauften Fayence. Die Zünfte waren in Leipzig in getrennten Gassen angesiedelt.83 Die Händler kamen aus allen Teilen Europas und kommunizierten über ihre Kleidung ihr Fremdsein.84 Rattenfänger und Scherenschleifer boten ihre Dienste an, ein Wunderheiler versprach Heilung und Schausteller und Musiker sorgten für die Unterhaltung der Kunden. 83 Siehe Verteilungsplan der Stände in: Anonym (1797): Churfürst­liches Säch­sisches privi­ legirtes Leipziger Meß-Schema. Leipzig. Hier lassen sich folgende Gewerke oder Produkte (in Auswahl) nachvollziehen: Rosshändler, Rauchwaren, Buchhändler, Siegellack, schle­sisches Tuch, Leinwand, Zwil­lich, Pfeifenköpfe, Schnittwaren, Seide, Leder, Kattun, Schlösser und Messer, Damast, Galanteriewaren, Baretwaren, engl. Wolle, Flanell, Stahlwaren, Mützen, Strümpfe, Kupferstiche, Spitzen, Spielkarten, Mousselin, Nadlerware, Gürtlerware, Schafswolle, seidene Bänder, Bernstein, Pantoffeln, Knöpfe, Espanioletten, Blumen, Kammmacherware, Federschmuck, Schokolade, Pomade, Handschuhe, Nürnberger Waren, Mieder, Medizin, Petschierstecher, Barchent, Spielkarten und Tapeten, Sohlenleder, eng­lische Kurzwaren, Tiermedikamente, Wachstafeln, Drogerien, Windofen und Rohre, Sensen, Sicheln. 84 Bentele, Günter (1999): Die Leipziger Messe als Kommunikationsereignis. Messefunk­ tionen und Haupttypen der Messekommunikation. In: Zwahr et al., S. 33 – 50, S. 36.

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Abb. 97: Mon Plaisir, Markt, Klöppelspitze

Abb. 98: Mon Plaisir, Markt, Küchengerät

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Abb. 99: Mon Plaisir, Markt, Kopfbedeckungen Abb. 100: Mon Plaisir, Markt, Talg­lichter in Flechtkorb

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Abb. 101: Mon Plaisir, Markt. Transportmittel Pferdekarren, Pferdeschlitten, Schubkarre, Kraxe (vgl. auch die Abb.  102 – 106)

Abb. 102: Mon Plaisir, Markt, Pferdeschlitten

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Abb. 103: Mon Plaisir, Markt, Schubkarre Abb. 104: Mon Plaisir, Markt, Kraxe

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Abb. 105: Mon Plaisir, Markt, Verkaufsplattformen Krambude

Bauchladenverkäufer boten ein buntes Allerlei von Kämmen, Handspiegeln, Hufeisen, Degengriffen. Buchhändler verkauften und tauschten Bücher, Kunsthändler verkauften Drucke. Die Szene zeigt nicht nur den exklusiven Handel der Messen, sondern den Transport der Waren in Karren und Kraxen. Die Waren wurden von den wohlhabenderen Händlern mit Karren oder Pferdeschlitten transportiert, von den ärmeren und kleineren Händlern durch Schubkarren oder Rückentragen. Etablierte Händler boten ihre (Luxus-)Waren in einem Kontor im Innern eines Hauses an. Bessere Händler mieteten oder besaßen eine hölzerne Krambude, in der sie vor Wind und Wetter geschützt ihre Waren auslegen und verkaufen konnten und unter deren tiefem Vordach auch die Kunden geschützt waren. Kleinhändler oder lokale Produzenten präsentierten ihre Waren auf kleinen Tischen, in Bauchläden oder auf dem Boden.

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Abb. 106: Mon Plaisir, Markt, Verkaufsplattformen Kontor

Abb. 107: Verkaufsplattformen Tischladen, Bauchladen, Boden (vgl. auch die Abb. 108 und 109) Mon Plaisir, Markt, Krämer mit Tischladen

Abb. 108: Mon Plaisir, Markt, Krämer mit Bauchladen

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Abb. 109: Mon Plaisir, Markt, Bodenauslage

Auguste Dorothea fuhr sicher nicht nach Leipzig, um Strümpfe oder Wachs zu kaufen. Dazu reichte der Markt in Arnstadt. Wie viele andere ihres Standes hatte Auguste Dorothea eine Vorliebe für bestimmte ausländische Waren. Dies beklagte ein Händler, weil die Oberschicht „ohngeachtet sie Teutsche von Geburth seyn, welche alles dasjenige so nur nach Frankreich schmecket, und sich daher nennet, weit höher aestimiren als was unser werthes Vaterland hervor bringet“.85 Die Galanteriewaren aus Frankreich, Spanien, England, Holland, Dänemark und Schweden 86 wie Seide, Zierpflanzen, Chinoiserien, (Meißner) Porzellane, Tee, Kaffee, Kakao und Wein waren begehrte Luxusgüter der Oberschicht. Die Leipziger Messe hatte jedoch vor allem eine wichtige soziale

85 Zitiert aus einer Streitschrift zwischen franzö­sischen Großhändlern und Leipziger Kleinkrämern vom 9. Juli 1745 nach Middell, Katharina (1999): „En gros“ und „en detail“. Konflikte um den Kleinhandel außer den Messen. In: Zwahr et al., S. 231 – 242, hier S. 235. 86 Beyer, Peter (1999): Leipzigs Auseinandersetzung mit Frankfurt am Main (1706 – 1726). Ibid., 198 f.

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Funktion und stellte ein „Kommunikations- und Medienereignis“ dar.87 Die Messe war der regelmäßige Treffpunkt der sozialen Eliten. August der Starke logierte während der Messen jeweils in seinem für zweitausend Reichstaler jähr­ lich gemieteten Palais am Marktplatz.88 Während der zweiwöchigen Messezeit wurden Bälle veranstaltet, man traf sich auf Soireen und Festen. Die Herzogin schritt sicher­lich niemals persön­lich durch die Warengassen, sondern ließ sich in ihrer Sänfte hindurchtragen oder sich Waren in ihrem Logement zeigen. Das bewegte Durcheinander und die Fülle des gleichzeitigen Nebeneinanders von Reden, Rufen, Handeln, Musik, Fuhrwerken, Essen und Trinken wird im Puppenkasten in eine regelmäßige, beruhigte Struktur überführt, die trotzdem durch die angelegte Breite des Kastens die Gleichzeitigkeit der Handlungen und die Fülle der beteiligten Personen unterschied­licher Stände sichtbar macht.89 Vulpius identifizierte die Markt- oder Messeszene des Mon Plaisir 1820 als „ein Jahrmarkt; unweit den Barfüßern zu Erfurt, mit Buden, Puppenspielern, Hanswurst, Wurmdoktor, Ausrufer“.90 Er weist die Marktszene damit als lokalen Markt aus. Die münd­liche Tradition erkennt in der Szene den Arnstädter Markt. Alle drei Ortszuschreibungen sind weder widerlegbar noch nachweisbar, alle liegen im Bereich des Mög­lichen. Wie bei der Reiseszene Hollands stellt Mon Plaisir eine Mög­lichkeit zur Fusionierung unterschied­licher aber ähn­licher Erlebniswelten der Fürstin dar.

87 Zwahr, Hartmut (1999): Die Messe in ihrem Gestaltwandel. In: ders. et al., S. 21 – 28, hier 22. 88 Czok, Karl (1999): Leipzig und seine Messen im Augusteischen Zeitalter. In: Ibid., S. 185. 89 Die latente Ähn­lichkeit der Pfeilerarkaden mit denen des Leipziger Markts wie auch die sichtbare Nähe zu Leipziger Krambuden lassen vermuten, dass es sich bei der Szene in Mon Plaisir zumindest teilweise um die Darstellung der Leipziger Messe handelt. Vgl. die Darstellung der Leipziger Messe bei Emanuel Opiz (1811), Stadtmuseum Leipzig. 90 Vulpius (1820), S. 431.

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7.4 Mutterschaft, Wochenbett und Kindererziehung 7.4.1 Die Fürstin im Wochenbett

Die Wochenbettszene des Mon Plaisir gehört zu den prunkvollsten der Sammlung. Durch die besonders reichhaltige Ausstaffierung wird die zentrale Bedeutung des Dargestellten unterstrichen. Auguste Dorothea inszenierte hier eine prachtvolle Rezeption in einer Wochenstube, in der eine junge Mutter die Gratulanten empfängt. Im Zentrum der Szene befindet sich ein mit rotem Damast bezogenes Himmelbett in einer rundbogig schließenden Alkovennische, die über goldenen korinthischen Kapitellen aufsteigt. Über dem Alkoven thronen Famae und ­Putten, die mit Trompeten den Ruhm des neu geborenen Kindes hinausposaunen. Sämt­liche Ausstattungsmerkmale sind mit größter Mühe verziert worden. Der rote Bettvorhang ist mit silbernen Tressen eingefasst und der bereits aufwändig gemusterte Stoff wurde mit Silberfäden floral bestickt. Die gelb-seidene textile Wandbespannung wurde mit Blumenmotiven beklebt, Blumenbilder zieren die Wände. Die kaum sichtbare Decke des Raumes wurde mit Bandelwerk bemalt und über dem seit­lichen Kamin prangt ein großer, vergoldeter, hochrechteckiger Spiegel. Ein Korb mit Windeln und eine Wiege aus Korbgeflecht stehen für den Säugling bereit. Die Wöchnerin, die vor kurzem entbunden wurde, trägt ein sch­lichtes Hauskleid über ihrer Chemise und ihre ungepuderten dunklen Haare unter einer Haube mit Kinnband. Die Kinderfrau kümmert sich um den Säugling, während die Wöchnerin Besuch empfängt. Die Wochenstube und das Wochenbett stellten einen funktional festgelegten Raumtyp dar, der in Wohnstätten der höheren Schichten dem Gebären vorbehalten war. Die Wochenbettstube war ein integraler Bestandteil eines Raumgefüges und wurde auch bei Eintreten eines Erbfalles nicht als Teil der weib­lichen Gerade, der der Frau zufallenden Güter, verstanden. Das Ensemble des Wochenbetts verblieb stets im Stammhaus der Agnatenfamilie und wurde damit jeweils an die nächste Generation weitergereicht. Die Wochenstube „ist ein rein­lich und wohl-meubliertes Zimmer im Hause, worinnen die Kind-­ Betterin ihre Sechswochen hält, und den Wochenbesuch anzunehmen pfleget“.91 Aus der Beschreibung Amaranthes’ im „Frauenzimmer-Lexicon“ von 1715 wird die Relevanz des Zimmers auf verschiedenen Ebenen deut­lich. Nachwuchs war in allen Schichten lebensnotwendig. In höheren Schichten gewährleisteten

91 Amaranthes (1715), Sp. 2131.

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Abb. 110: Mon Plaisir, Fürst­liches Wochenbett

Kinder (oder weckten zumindest Hoffnung auf ) die Fortführung des eigenen Hauses sowie die potenzielle Ausdehnung des Machtgefüges durch vorteilhafte Heiraten. Das erfolgreiche Hervorbringen von Nachwuchs wurde als zentrale Aufgabe von Frauen des Adels definiert. Unfruchtbarkeit wurde grundsätz­ lich der Frau angelastet und bedeutete die Gefährdung oder sogar den Verlust der politisch-dynastischen Position.92 Eine geglückte Schwangerschaft war dementsprechend ein großes Ereignis, ein Erfolg, der mit der entsprechenden Repräsentation einhergehen durfte. Die Ausstattung einer Wochenstube war so reichhaltig wie mög­lich. Sie stellte eine ästhetische Belohnung der jungen Mutter und zugleich eine Auszeichnung ihrer Leistung dar. Die sechswöchige Schonzeit der Mutter ermög­lichte und erzwang zumindest für kurze Zeit eine

92 Bastl (2000), S. 434 f. und Bepler, Jill (2002): Die Fürstin im Spiegel der protestantischen Funeralwerke der Frühen Neuzeit. In: Schulte, S. 135 – 161, hier S. 151 f.

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ungehinderte Erholung und förderte die Nähe zum Neugeborenen, dessen Überleben vor allem zu Beginn von der ungeteilten Aufmerksamkeit von Mutter und Amme abhing. Der Schutzraum nach der Geburt während der Wochenbettzeit war zugleich auch Gefängnis, das – um erträg­lich zu sein – so bequem und so schön wie mög­lich ausgestattet wurde. Von der gewünschten Bequem­lichkeit zeugen auch die Wochenstühle, „von Sammet, Damast, Tapeten, Gold- oder anderen Leder“ reich bezogene (üb­licherweise gelbe) Armlehnstühle, von denen zwei vor dem Bett der Wöchnerin aufgestellt waren. Zentraler Ausstattungsgegenstand war das Wochenbett, „ein aus vielerley Facon ausstaffiertes und prächtig geziertes erhabenes Bette, worinnen die Sechswöchnerin zu liegen oder zu sitzen pfleget. Man findet insgemein daran Vorhänge, von Damast, Atlas, Taffet […] falbaliret oder mit anderen Zierrathen besetzt; einen Crantz um selbiges, einen Bett­zopf von innen, saubere Küssen und Überzüge darüber mit schönen Strichen und Spitzen durchnähet […]“.93 Die Betonung der Sauberkeit in Amaranthes’ „Frauenzimmer-­Lexicon“ spiegelt die hohe Sterb­ lichkeitsrate von Müttern und Kindern. „Die Frauen aller Stände waren sich der Risiken von Schwangerschaften und Geburt nur allzu bewusst.“ 94 Auch ohne den präzisen Zusammenhang zwischen Schmutz und Kindbettfieber zu kennen (dieser war wissenschaft­lich erst im späten 18. Jahrhundert nachgewiesen 95), scheint man bei den Wochenstuben großes Gewicht auf Sauberkeit gelegt zu haben, ein Zustand, der sonst wohl nicht für alle Räume des Hauses in Anspruch genommen werden konnte. Das Gebären war in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts noch weitestgehend in Frauenhand und wurde von Hebammen geleitet.96 Die sechswöchige Schutzfrist hatte ebenfalls zum Ziel, eine verfrühte neue Schwangerschaft der Mutter zu verhindern. Der jungen, oft schwachen Sechswöchnerin wurde das öffent­liche Hofzeremoniell erspart und die Teilnahme an der heiligen Kommunion untersagt. Die „Sechswöchnerin“ nahm „in ihrer Wochenstube rein­lich und nette ausgeputzt und angekleidet […] den Gevatter und Wochen-Besuch“97 an. Üb­licherweise wurde die Wöchnerin während dieser Zeit zweimal von jeder weib­lichen Anverwandten

93 Amaranthes (1715), Sp. 2130. 94 Wunder (1992), Sonn’, S. 159. 95 Vgl. Metz-Becker, Marita (1997): Der verwaltete Körper. Die Medikalisierung schwangerer Frauen in den Gebärhäusern des frühen 19. Jahrhunderts. Frankfurt/Main. 96 Wunder (1992), Sonn’, S. 141. 97 Amaranthes (1715), Sp. 1831.

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und Freundin besucht.98 Wie es bei einem solchen Besuch zuging, zeigt ein Gemälde von Gabriel Metsu von 1661.99 Wie aber passt diese Szene zur Ausgangsthese des Selbstzeugnisses der Herzogin? Als kinderlose Witwe kann hier mit der Wöchnerin kaum auf das eigene Erleben angespielt werden. Handelt es sich bei der Darstellung der Wochenstube etwa um eine Wunschvorstellung der Fürstin, oder stellt sie die Geburt im erweiterten Familienkreis dar oder sogar ihre eigene in Wolfenbüttel? Ohne zu wissen, welches Motiv die Darstellung bewirkte, kann Wochenbett das Ergebnis persönlichen Erlebens und beobachteter Erinnerung sein. Oder ist die Wochenbett­ szene ein integraler Bestandteil eines Szenenprogramms, das sich in den meisten barocken Puppenhäusern zu wiederholen scheint? Einige der eng­lischen baby houses 100 und alle holländischen Puppenkabinette enthalten eine prachtvoll eingerichtete Wochenbettstube, deren Bestandteile immer aus Himmelbett (teilweise unter einem Alkoven wie bei Mon Plaisir), Kamin oder Kachelofen, einem Tisch und Stühlen, einem Nachtstuhl und Wiege bestand.101 Bei dem Puppenhaus der Petronella Dunois befindet sich die Wochenbettszene auf der mittleren Regalebene und wird bei geschlossenen Türen durch einen bilder­rahmenartigen Ausschnitt im Holz hervorgehoben. Die süddeutschen bürger­lichen Puppenhäuser weisen kein explizites Geburtszimmer aus. Hier wurde vermut­lich die Funktion des Schlafzimmers oder des Kinderzimmers mit der des Geburtsortes übereinandergeblendet. Es ist überliefert, dass die miniaturisierte, dreidimensionale Darstellung einer Wochenbettstube an kleine Mädchen oder Wöchnerinnen verschenkt wurde.102 „Als speziell elsäs­sische Schöpfung gelten die […] Wochen-

98 Ibid., Sp. 2130. 99 Gabriel Metsu, The Visit to the Nursery, 1661 (Metropolitan Museum NewYork). Siehe Loughman, John (2006): Between Reality and Artful Fiction: The Representation of the Domestic Interior in Seventeenth Century Dutch Art. In: Aynsley, Jeremy; Grant, ­Charlotte; McKay, Harriet (Hgg.) (2006): Imagined Interiors: Representing the Domestic Interior since the Renaissance. London, S. 72 – 97, S. 94. 100 Siehe Greene/Towner (1995); Pasierbska (2008), z. B. das „Killer-House“ und „Uppark House“. 101 Im Puppenkabinett der Petronella Oortmann, in der Leinenkammer hängt ein „swaddling seat“ an der Wand, ein Windelsitz aus Korbgeflecht, in der die Amme mit ausgestreckten Beinen am Feuer saß und das Baby zwischen ihren Beinen fütterte. Pijzel-Dommisse (1994), S. 10, Abb. S. 11. 102 King (1977): „A lying-in room was owned by the young sister of Louis XIII, who also owned another model room in which the scene where Judith murdered Holofernes was depicted“, S. 183; Kardinal Richelieu soll um 1630 der Prinzessin von Enghien eine Wochenstube, „ein kleines Zimmer mit 6 Puppen“ geschenkt haben (Gröber, 1928, S. 63). Vermut­lich handelt

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stuben“,103 die den Taufschmaus bei der Wöchnerin darstellten. Nachweis­lich bemühte man sich besonders in diesen Einzelszenen um die Portraithaftigkeit der Figurinen.104 Einerseits scheinen die Wochenstuben also zur programmatischen Raumfolge des großbürger­lichen und aristokratischen Puppen­hauses gehört zu haben, andererseits werden sie in einigen Fällen persön­lich konnotiert und emotional aufgeladen.105 7.4.2 Kinder

Kinder sind ein populäres Motiv in Mon Plaisir. Drei Szenen zeigen höfische Kinder­zimmer. Einigen weib­lichen Figurinen wurde eine Kinderlarve beigeordnet. Kinderpüppchen in verschiedenen Altersstufen vom Säugling bis zum Adoles­ zenten tauchen als Figurinen auf. Kinder sind das Bildmotiv mehrerer Stiche.106 Im realen Schloss Augustenburg waren Kinder als Sujet geradezu überwältigend präsent. „Kindgen“ aus Stein zierten in großer Menge die Balustrade des Balkons, die Treppengeländer und den Lustgarten. Deckenspiegel zeigten spielende ­Kinder und nicht etwa Putten. Dabei lässt sich das häufige Abbilden von Kindern in Mon Plaisir nicht auf den Wunsch nach Vollständigkeit reduzieren. Kinder oder eben das Fehlen von Kindern scheint ein zentrales Lebensthema der kinderlosen Stifterin gewesen zu sein – nicht ohne Grund. Wie das soziale Umfeld Auguste Dorotheas Kinderlosigkeit beurteilte, zeigen die Eheabredung, eine Wolfenbütteler Festschrift und die Leichenpredigt Anton Günthers. Der Ehevertrag enthielt einen Passus, aus dem explizit hervorging, dass von Auguste Dorothea die Produktion von männ­lichen Nachkommen erwartet

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es sich um Claire-Clemence de Maillé-Brézé (1628 – 1694), die Louis II . Grand Condé (1621 – 1686) heiratete. Müller-Krumbach (1992), S. 20. Das Baseler Kirschgartenmuseum besitzt eine elsäs­sische Wochenstube (Wittkop-­Menardeau, 1962, S. 102, Abb. siehe Abbildungsteil S. 90 ff.). Vgl. die Wochenbettszene aus dem Puppenhaus der Petronella de la Court (Pijzel ­Dommisse, 1987, S. 40), die der Petronella Oortman (Pijzel-Dommisse, 1994, S. 21), die der Petronella Dunois (Pijzel-Dommisse, 1994, S. 39) und die Wochenbettstube oder das Kinder­zimmer aus dem vermut­lich holländischen Puppenkabinett der Familie Gontard, Frankfurt/Main (­Marwitz, 1987, S. 49). Vgl. zum Beispiel die miniaturisierte Serie „Der Jugend Kurzweil“ aus der Kinderstube, vermut­lich nach Claudine Bouzounet Stella, Paris 1657, heute Germanisches Nationalmuseum Nürnberg.

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wurde und man Gott bat, die Geburt von ausschließ­lich Mädchen oder gar keinen Kindern zu verhüten.107 Zehn Jahre nach ihrer Hochzeit mit Anton Günther fand 1694 in Schloss Salzdahlum ein Geburtstagsfest zu Ehren von Auguste Dorotheas Mutter statt, zu dem der Hofdichter Bressand eine Beschreibung verfasste. Man veranstaltete unter anderem eine ‚Schäferey‘, bei der sich alle adeligen Gäste als Schafhirten und Schäferinnen verkleideten und pastoral verbrämtes Landleben imitierten. Bressand dichtete zu jedem der prominenten Gäste während der Schäferei einen Vers, der die Person schmeichelnd charakterisierte und dabei den Rahmen des Schafe-Hütens zum Vergleich heranzog. Die Beschreibung der 28-jährigen „Fürstin von Arnstadt“ fiel jedoch nur mäßig wohlwollend aus: „Ein Schäfer liebet mich, mein Nam ist wol bekandt, in allen Schäfereyen, der Himmel wolte mir mit Überfluß verleihen was nötig meinem Stand, dass ich mich nicht darf scheuen, zu gleichen meinen Ruhm mit jeder Hirtin Zier, ja gar vielleicht zu ziehen für. Nur dieses kann ich nicht ersinnen, warum er andern Schäferinnen, eh[er] Lämmer gibt als mir?“108

Während die Verse über andere Gäste deskriptiv sind und über diese berichten, wird Auguste Dorotheas Vers aus der Ich-Perspektive erzählt. In direkter Weise wird hier Bezug auf die Kinderlosigkeit der Gräfin genommen. Die Stigmatisierung ihrer vermut­lich wohlbekannten Kinderlosigkeit ging durch die Publikation der Festschrift und seiner Verteilung innerhalb des Adels über den Moment des Vortrags hinaus. Bressand konnte als Hofdichter diesen Inhalt nicht unautorisiert vorgetragen und anschließend gedruckt haben. Das Gedicht spiegelt die Meinung des Herzogs selbst wider, der in den wenigen Zeilen auf die alleinige Verantwortung seiner Tochter und zugleich ihre Gottergebenheit und Verzweiflung hinwies. Die Kinderlosigkeit der Auguste Dorothea war ein öffent­liches Thema, das direkt und nicht nur hinter vorgehaltener Hand thematisiert wurde. Auf jungverheiratete Frauen wurde „ein enormer sozialer Druck […] mit der Erwartung ausgeübt […], die Hochzeit mit einer Schwangerschaft zu besiegeln“.109 Trotz gebotener Vorsicht in Hinblick auf die historische Kontextualisierung und die eingeschränkte Mög­lichkeit der Rekonstruktion von Emotionen

107 Ehevertrag, NLA WB, 1 Alt 24, 230, 29. 108 Bressand (1694), S. O ii. 109 Raschke (2009), Briefwechsel, S. 20.

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kann dennoch vermutet werden, dass ihre „Unzuläng­lichkeit“ und die Debatten darüber auf Auguste Dorothea lasteten. Die frisch vermählte Zeit­genossin ­Friederike von Montmartin äußerte sich auf die Frage, ob sie denn noch nicht schwanger sei, wie folgt: „Eine schlimme Niederlage wird es heißen. Aber ist es so schlimm, unfruchtbar zu sein, und ist man schuldig, wenn das Ergebnis nicht den Anstrengungen entspricht?“110 Sogar die in Auguste Dorotheas Beisein vorgetragene Leichenpredigt ihres Gemahls Anton Günther reduziert die Qualität seiner Ehe mit Auguste Dorothea abgesehen von ihrer Herkunft auf eine einzige Aussage: Unfruchtbarkeit.111 Ohne selbst Kinder zu haben, war die Herzogin von vielen Kindern umgeben. Im konkreten personellen Umfeld auf der Augustenburg und in Dorotheental sind während ihrer Witwenzeit 32 Kinder geboren worden. Zwischen 1704 und 1734 wurde Auguste Dorothea Taufpatin von mindestens elf Kindern von Mitgliedern ihres Hofes.112 Auguste Dorothea erlebte viele Schwangerschaften ihres weib­lichen Personals auf der Augustenburg, Wehen und Geburten, Taufen, Säuglinge, Kleinkinder und auch manchmal wieder deren Sterben, ohne (vermut­lich) jedoch selbst jemals schwanger gewesen zu sein. Das Themenfeld Kinder war für Auguste Dorothea sozusagen ein sekundäres oder passives Erfahrungsfeld, das sich ihr (nur) mittelbar erschloss. Über ihre Empfindungen haben sich keine Selbstaussagen erhalten. Bei der Darstellung des Wochenbetts könnte es sich also nicht nur um das Dokumentieren allgemein weib­lichen Lebens oder besser spezifisch weib­licher Erfahrungen gehandelt haben, sondern um eine personalisierte Darstellung, die vermut­lich eine ganz konkrete Situation beschreibt, an der Auguste Dorothea mittelbar beteiligt war wie eventuell die Geburten ihrer Schwester in Meiningen oder Geburten ihrer Patenkinder am eigenen Hof.113 Der vermutbare Schmerz über die eigene Kinderlosigkeit führte also nicht zu einer Ausblendung des programmatisch zugehörigen Themas innerhalb des Mikrokosmos.

110 Ibid., am 17.9.1751, S. 89. 111 Anton Günther (1716): Christ-Fürst­licher Lebens-Lauff. 112 Landeskirchenarchiv Eisenach, Kirchenbücher Arnstadt-Illmenau, Kirchenbuch 1626 – 1716, Oberndorf, Dorotheental, K7 2a-1, Filmsignatur kf 7/25 und Kirchenbuch 1717 – 1757, K7 2a-2. Nicht alle Kinder waren katho­lisch. 113 Die Niederkunft der Kaiserin Elisabeth Christine, ihrer Nichte, könnte ebenfalls gemeint sein. Allerdings wäre die Darstellung in dieser Gattung vermut­lich als zu wenig repräsentativ verstanden worden und nicht dem Decorum angemessen. Daher wird es sich eher um ein Geburtsereignis aus dem „privateren“ Umfeld handeln.

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7.4.3 Die Pflege und Aufzucht der Kinder

In Mon Plaisir werden nicht nur adelige Kinder gezeigt, sondern auch die der anderen Stände. Nach der Darstellung zu urteilen unterschied sich der Umgang mit den Kindern erheb­lich je nach Standeszugehörigkeit. Während die Zunftfrauen ihre Kinder stets bei sich in einem Tuch trugen und mit den Kindern ihren Tätigkeiten nachgingen, war die Kinderbetreuung im Adel nicht die Aufgabe der Mutter. „So viel aber die Fürst­lichen Kinder betrift, so sind solche auf zweyerley Art zu consideriren, 1. als Klein und unerzogen, und 2. als erwachsen. Auf den ersten Fall wird angenommen eine Amme, so die Nahrung giebet und dahero von gesunder Complexion seyn solle, eine Wart-Frau, so auf die fürst­lichen Kinder Achtung giebt, Ihrer pfleget und wartet, und dahero vorsichtig, munter und so tags als nachts allart seyn muß. Mädge, so zum Ausschicken und Herbeytragen nöthiger Dinge gebrauchet werden. Heut zu Tage nimmet man auch wol eine Kinder-Hofmeisterin an, […] welche die Obsicht über die Bedienung und Wartung der Fürst­lichen Kinder hat, auch solche bey Zeiten zur Zucht, Gehorsam und manier­lichen Geberden anführet. Desgleichen auch eine Franzö­sische, soman insgemein Mademoiselle nennet, und die Fürstl. Kinder zur Franzö­sischen Sprache angewöhnet.“114

Adelssprosse befanden sich von Anfang an in der Obhut von Ammen und Kinder­ frauen, die permanent bei den Kindern waren und in deren Kammern schliefen. Säuglinge schliefen in Wiegen, Kinder in verschließbaren Kastenbetten oder kleinen Himmelbetten mit wärmenden Vorhängen. Die ständische Trennung schlug sich auch bei der Ausstaffierung der Säuglinge und Kinder im Material nieder, die sich nicht nur auf die Kleidung beschränkte. Während das Mohrenkind auf einem sch­lichten hölzernen Hochstuhl mit immerhin stoffbezogener Lehne sitzt, thront das Fürstenkind auf einem kunstvoll gearbeiteten und verzierten Hochstuhl mit rotem Samtbezug und goldenen Tressen. Jedes Lernen wurde kontrolliert vollzogen, wie die hölzerne Lauflernhilfe und das Gängelband, an dem das Kind an einem Geschirr läuft, zeigen. Waren Prinzen im passenden Alter vorhanden, so „daß man sie informiren […] kan, nimmt man vor sie 1. einen Hofmeister an, so ade­ lichen Stands ist und dieselbe zur Gottesfurcht, guten Sitten, Fürst­lichen Tugenden, besonders aber zur Bescheidenheit, Fürsichtigkeit, Freund­lichkeit, Demuth, Wahrheit,

114 Florinus (1719), Bd. I, S. 106.

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Abb. 111: Mon Plaisir, Drechsler, Altwarenhändler. Das Kind immer dabei. Jüdin (und Bäckerin vgl. Abb. 70, S. 232) mit Kind

Abb. 112: Mon Plaisir, Kinderstube, Amme mit Säugling

Abb. 113: Mon Plaisir, Kinderstube, Kinderfrau mit Kleinkind im Laufstall am Gängelband

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Mässigkeit und Höf­lichkeit, wie auch zu allerhand Künsten und Sprachen anleiten läßt. 2. einen Informatoren oder Praeceptoren, welcher Sie in dem Christenthum und Studiis, absonder­lich aber im Lesen, Schreiben, Rechnen, in der Lateinischen und andern Sprachen, der Mathematic und denen Principiis Juris unterrichtet. […] 3. werden zur Bedienung der jungen fürst­ lichen Herrschafft, besondere Cammer- und Hof-Junckern […] angenommen.“115

Kinder waren in der Frühen Neuzeit und besonders im Adel den Verhaltensnormen der Erwachsenen unterworfen und vor allem von Fürstenkindern erwartete man schon früh repräsentatives Verhalten in der Öffent­lichkeit.116 Die Erziehung der Fürstenkinder wurde aufgrund ihres hohen staatspolitischen Werts Abb. 114: Mon Plaisir, Mohrenkinderstube, Mohrennicht oder nicht allein der Entscheidung kind im Hochstuhl der Mutter überlassen. Es handelte sich um eine Staatsangelegenheit, bei der vor allem der Fürst und die Räte die Vorgaben festsetzten, Instruktionen erteilten, Lehrpläne erstellten und Bildungsreisen befahlen.117 Jugend wird in Mon Plaisir nur an Mädchenfigurinen greifbar, die in spezi­ fischen Handlungen gezeigt werden. Zu den Tätigkeiten junger Mädchen gehörten demnach das Reiten, Handarbeiten und Musizieren. Diese könnten entweder Jugenderinnerungen der Stifterin aufgreifen oder das Aufwachsen ihrer eigenen Fräulein beschreiben, die teils bereits als Kinder in ihr Frauenzimmer eintraten.

115 Ibid. 116 Wilckens (1978), S. 7 f. 117 Vgl. die Einflussmög­lichkeiten der jungen Herzoginwitwe Anna Amalia auf die Erziehung ihrer Söhne. Berger, Leonie und Joachim (2006): Anna Amalia von Weimar. Eine Biographie. München, S. 53.

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Abb. 115: Mon Plaisir, Kinderstube, Fürstenkind mit Spieltieren Abb. 116: Mon Plaisir, Wochenbett, Amme mit fürst­lichem Säugling

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Abb. 117: Mon Plaisir, Kinderstube, Wiege

Abb. 118: Mon Plaisir, Kinderstube, Kastenbett

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Abb. 119: Mon Plaisir, Kinderstube, Windeltrockner

Abb. 120: Mon Plaisir, Kinderstube, Töpfchen

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Abb. 121: Mon Plaisir, Corps de Logis I, Junge Dame bei der Handarbeit

Abb. 122: Mon Plaisir, Corps de Logis I, Junge Dame beim Musizieren, Reiten (Abb. 40, S. 127)

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7.5 Konfession

Konfession wird in Mon Plaisir mehrfach ins Bild gesetzt, so zum Beispiel in ­ irche, Ursulienenkonvent, Diskutierende Geist­liche und einzelnen Miniaturen mit K christ­lichen Ikonografien. Sie stellen nicht den szenischen Schwerpukt der Sammlung dar, dennoch wird das Thema hervorgehoben präsentiert und durchzieht den Gesamtkorpus. Dies spiegelt die Bedeutung der Konfessionszugehörigkeit beziehungsweise des Konfessionswechsels der Stifterin. Der Vergleich zwischen der realen Konversion Auguste Dorotheas mit den konfessionsbezogenen Szenen und Objekten macht deut­lich, wie sehr Mon Plaisir als Abstraktion zu verstehen ist, als Zitat im weitesten Sinn von realen Gegebenheiten. Besonders der Ernst der religionspolitischen Dimensionen und die Abhängigkeit der einzelnen Personen vom Bezugssystem der Konfession wird in die der Sammlung inhärenten Leichtigkeit der Erzählstruktur überführt. In allen konfessionsbezogenen Szenen zeigt sich eine ideelle Nähe zum realen Leben – mehr aber nicht. Auguste Dorothea konvertierte 1715 zum Katholiszismus. Die Konversion hatte einerseits dynastisch-politische Hintergrunde, andererseits diente sie der finanziellen Versorgung im drohenden Witwenstand. Im Zug des Heiratsprojekts zwischen Auguste Dorotheas Nichte Elisabeth Christine (1691 – 1750), Tochter ihres jüngsten Bruders Ludwig Rudolf, und dem Erzherzog Karl, dem späteren Kaiser Karl VI. (1711 – 1740)118 fand nach einer jansenistisch geprägten Umerziehung der Prinzessin die erste Konversion im engeren Familienverband Braunschweig-Wolfenbüttel statt. Durch den Mainzer Kurfürsten Lothar Franz von Schönborn 119

118 S. Hoeck, Wilhelm (1845): Anton Ulrich und Elisabeth Christine von Braunschweig-­ Lüneburg. Durch archiva­lische Dokumente begründetet Darstellung ihres Übertritts zur römischen Kirche. Wolfenbüttel; Räß, Andreas (1869): Die Convertiten seit der Reformation. Nach ihrem Leben und aus ihren Schriften dargestellt. Bd. IX (1700 – 1747). Freiburg; Soldan, Wilhelm Gottlieb (1845): Dreißig Jahre des Proselytismus in Sachsen und Braunschweig. Leipzig. 119 Lothar Franz von Schönborn, der bei der Konversion der Auguste Dorothea eine große Rolle spielte und Anton Ulrich kannten sich bereits seit den 1680er Jahren, zunächst über Rudolf Christian von Imhoff (1660 – 1717), einen der Prinzenerzieher, siehe Schröcker, Alfred (1981): Die Patronage des Lothar Franz von Schönborn (1655 – 1729). Wiesbaden, S. 175; Hartmann, Peter Claus (Hg.) (2002): Die Mainzer Kurfürsten des Hauses S­ chönborn als Reichserzkanzler und Landesherren. Frankfurt/Main, S. 14. Czech (2003), S. 321 zeigt archiva­lisch den guten Kontakt zwischen Anton Ulrich und Anton Günther II. von Schwarzburg, die 1696 Lothar Franz von Schönborn in Erfurt besuchten und mit ihm nach eigener Aussage „pro patria gesoffen“ haben.

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Abb. 123: Mon Plaisir, Kunstkammer, Memento Mori

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Abb. 124: Mon Plaisir, Corps de Logis II, Geist­liche

und Florentinus von dem Felde, dem Abt von Corvey,120 bestanden schon seit dem letzten Viertel des 17. Jahrhunderts intensive freundschaft­liche Beziehungen zu einflussreichen Mitgliedern der römisch-katho­lischen Kirche. Henriette Christine (1669 – 1753), Lieblingsschwester von Auguste Dorothea und Äbtissin von Gandersheim, konvertierte 1712 unter Federführung des Abts von Corvey vermut­lich zur Vertuschung einer Schwangerschaft und zog sich für den Rest ihres Lebens in den Ursulinenkonvent Roermond zurück.121 Nach dem unerwarteten Tod von Kaiser Joseph I. wurde Elisabeth Christine 1711 Kaiserin des Heiligen Römischen Reichs. 120 Soldan (1845), Anhang (Diarium des Abts mit häufigen Verweisen); Brüning, Hans ­Joachim (1976/77): Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Lüneburg zu Wolfenbüttel und Abt Florenz von Corvey. In: Westfä­lische Zeitschrift, 126/27, S. 329 – 371. 121 Siehe Kronenberg, Kurt (1981): Äbtissinnen des Reichstiftes Gandersheim. Gandersheim; Leuckfeld, Johann Georg (1709): Antiquitates Gandersheimenses. Wolfenbüttel, S. 267 ein Portrait von Henriette Christine, der Auftraggeberin des Werks; Küppers-Braun, Ute (2006): Fürstäbtissin Henriette Christine von Braunschweig-Lüneburg. Oder kann eine

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Herzog Anton Ulrich, Auguste Dorotheas Vater, dem sie sehr nahestand, war bereits 1710 aus bislang unklaren Motiven heraus zum Katholizismus übergetreten. Auguste berief sich später auf dessen Weisung auf dem Totenbett und inszenierte ihre Konversion als Gehorsam gegenüber dem Letzten Willen des Vaters.122 Bevor Auguste also selbst konvertierte, hatten diesen Schritt bereits drei andere Familienmitglieder vollzogen. Selbst der Papst hatte von ihrer Konversionswilligkeit erfahren und sowohl die Kaiserin als auch ihre Schwester instruiert, auf die baldige Umsetzung hinzuwirken mit der Hoffnung, Auguste Dorothea wirke als Multiplikatorin der Rekatholisierung des lutherischen Braunschweig-Wolfenbüttel.123 Mindestens schon ab 1711 benutzte Auguste ihre Konfessionszugehörigkeit und die Konversionsbereitschaft als Verhandlungsmasse, gegenüber Wien als Lock- und gegenüber den Schwarzburger Agnaten als Druckmittel. Um die lutherische Konfession beizubehalten, verlangte sie von den Schwarzburgern, sie aus ihrer Sicht finanziell angemessen zu versorgen.124 Wien gegenüber zögerte sie die Konversion so lange hinaus, bis sie mit Hilfe von Schönborn die schrift­liche Zusicherung einer kaiser­lichen Apanage in Händen hielt.125 Für den streng lutherischen Anton Günther bedeutete Augustes Plan nicht nur einen drohenden Reputationsverlust, sondern er sorgte sich ernst­lich um das Seelenheil seiner Gattin. Nachdem sein flehent­liches Bitten nicht half, drohte er ihr im Vorfeld mit Scheidung, sofortiger Regierungsaufgabe und Rauswurf, war aber nur bedingt bereit, auf ihre finanziellen Vorstellungen einzugehen. Nachdem Auguste 1715 ohne großes Aufsehen in Erfurt im Beisein des Weihbischofs konvertiert war, strich Anton Günther ihre Versorgungsgelder für ihre eigene Hofhaltung.126 Ein knappes Jahr später starb er. Auguste war als Reichsfürstin die private Religionsausübung gestattet worden. Ihre engsten Vertrauten konvertierten Frau ohne ihr Wissen schwanger werden? In: Hoernes, Martin (Hg.) (2006): Gandersheim und Essen. Vergleichende Untersuchungen zu säch­sischen Frauenstiften. Essen, S. 229 – 244. 122 Soldan, S. 245 nach Theiner, S. 36, ebenfalls Vehse, Eduard (1853): Geschichte der Höfe des Hauses Braunschweig in Deutschland und England. Hamburg, S. 203. 123 Clemens XI . Pont. Max. (1729): Opera omnia. Frankfurt, Sp. 1957 f., Brief von Papst ­Clemens XI. an Henriette Christine vom 28.4.1714 (s. Soldan, S. 244). Andere Sp. 1973, Sp. 2026 und Sp. 2031. 124 NLA WB, 1 Alt 24, 231. 125 HHStA Wien, Reichskanzlei, Kleine Reichsstände 501, Schwarzburg 1701 – 1722, 537; Brief vom 4.8.1715 Auguste Dorothea an Karl VI. 126 Zur Konversion in Erfurt siehe Brodbeck, Christian (1927): Philipp Wilhelm Reichsgraf zu Boineburg. In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt, 44, S. 115 ff.; zum Konflikt HHStA Wien, MEA Kommissionsakten 8b.

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ebenfalls. Dies diente vermut­lich nur der überzeugenden Darstellung nach außen hin, ebenso das Führen des Namens „Eleonore“. Der dritte Vorname bezog sich auf die Kaiserin-Witwe Eleonora Magdalena Theresia, die durch Vertretung als ihre Firmpatin fungierte.127 Die nun auch konfessionell hergestellte Nähe zu Wien versuchte Auguste im Dauerkonflikt um ihre finanzielle Versorgung im Witwen­ stand zu instrumentalisieren. Obwohl sie wie bereits gezeigt den Prozess um ihr Wittum gegen die Agnaten letztend­lich gewann, war die Umsetzung des Urteils jedoch politisch nicht durchsetzbar, sodass Auguste ab 1716 hauptsäch­lich durch Wien versorgt wurde. In Auguste Dorotheas Lebensauffassung hatte Religion als polarisierendes, zuordnendes Moment einen hohen Stellenwert. Konfessionszugehörigkeit war eine Grundvoraussetzung und bedeutende Lebensbasis und stellte einen Ermög­ lichungsraum dar. Andererseits hatte diese im Leben der Stifterin wie in der Sammlung ihren klar begrenzten Austragungsort. 7.5.1 Katholische Kirche

Die Katho­lische Kirche ist der augenfälligste Marker konfessioneller Kultur. Sie ist der einzige freistehende und mehransichtige Körper in Mon Plaisir, der einem Modell ähnelt, ohne dabei eine maßstabgetreue Wiedergabe einer real existierenden einschiffigen Hallenkirche zu sein. Allein durch ihren formalen Sonderstatus wird die Bedeutung der Kirche für die Sammlerin deut­lich. In der historischen Raumsituation korrespondierte die Kirche mit dem Schloss und demonstrierte so den engen Zusammenhang und die Rolle als Bezugspunkt zwischen Auguste Dorotheas Hof und ihrer Kirche (vgl. Abb. 202, S. 448). Mit der Kirche wird die konfessionelle Zugehörigkeit nach der Konversion der Fürstin visuell ins Bild gesetzt und dem Betrachter vorgeführt. Eine Quelle von 1820 beschrieb: „Eine Prozession von Geist­lichen von mancherlei Orden und Graden zu einer Kirche, wo ein hohes (vielleicht das Froheleichnams-)Fest gefeiert wird. Vor dem Hochaltar knien Betende; es wird an einem anderen Platze gebeichtet; anderswo gepredigt, dort Messe gelesen und dort musiciert.“128Auch wenn hier die Zweitaufstellung im Waisenhaus beschrieben wird, ähnelt sie der ehemaligen Aufstellung auf der Augustenburg, in der die Kirche auf einem Tisch präsentiert wurde, auf die sich 127 Peper, Ines (2003): Konversion im Umkreis des Wiener Hofes um 1700. Graz, S. 46. u. S. 94 ff.; Coreth, Anna (1959): Pietas Austriaca. Ursprung und Entwicklung barocker Frömmigkeit in Österreich. Wien, S. 63 ff. 128 Vulpius (1820), S. 429.

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Abb. 125: Mon Plaisir, Katho­lische Kirche

eine Gruppe von Figurinen zu bewegte. Zur Inszenierung Kirche ist also nicht nur der Innenraum zu zählen, sondern auch der Bereich vor dem Portal oder der Hauptschauseite. Florinus beschrieb 1713 eine Prozession zu Christi Himmelfahrt in Würzburg, die aus dreißig beteiligten Gruppen bestand, darunter Fackelträgern, Fahnenträgern, Musikern, sämt­lichen Mönchsorden und Klerikern, die „silberne Bilder“ umhertrugen. Die Hofkavaliere und Stadträte, die Bürgerschaft, die Mädchen, singende Frauen und betende alte Weiber begleiteten den Zug in einer vorgegebenen Ordnung, während der Fürst unter einem Himmel getragen wurde.129 Eine solche Prozession könnte sich vor dem Portal befunden haben. Die Ausstattung 129 Florinus (1719), Bd. I, S. 716.

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der Kirche bezeugt die Religionszugehörigkeit, die „Gott mit aller nur denkbarer Pracht und Schönheit verherr­lichen und den Himmel auf Erden“ darstellen 130 sollte. Ein Deckenfresko mit der Heiligen Trinität, die Bemalung der Trägersäulen und ihrer Sockel im Stil von Stuckmarmor, Kanzel, Beichtstuhl, Marienbild und Altarzone markieren die Kirche bereits für Zeitgenossen unverkennbar als katho­ lisch. Trotzdem strotzt das Innere nicht von barocker Sinnenrhetorik, sondern ist im Gegenteil eher sch­licht. Links und rechts des Altars an den Seitenwänden befindet sich das Chorgestühl für die Geist­lichen, das zur Gemeinde hin durch eine Stufe und eine Balustrade leicht abgeschrankt wird. Zu beiden Seiten des Mittelgangs stehen die Kirchenbänke, an der linken Wand erhebt sich die Kanzel, ihr gegenüber an der rechten Außenwand liegt die Orgelempore. In der Kirche wird katho­lische Religionspraxis in unrealistischer Gleichzeitigkeit vorgeführt. Während der Priester vor dem Altar eine Messe liest, wird im Beichtstuhl die Beichte abgenommen, von der Kanzel gepredigt und Orgel gespielt, Weihwasser geschwenkt und gebetet. Dabei soll sich die Andacht der Gläubigen auf das Altarbild richten, das Jesus als Auferstandenen mit der Lanze zeigt. Die Kirche ist hier zentraler Austragungsort von öffent­lichen Frömmigkeitsübungen, wie sie beispielsweise bei der Konversionvorbereitung der Prinzessin Elisabeth Christine 1706 und 1707 trainiert wurden. Dazu gehörte der regelmäßige Besuch der Messe an Sonn- und Feiertagen, die Sakramente Kommunion und Firmung, Buße und Beichte, Fastentage, päpst­liche Jubiläen und der Verzicht auf Fleisch freitags und samstags.131 Außerhalb von Kirche und Ursulinenkonvent sind die Geist­lichen  132 in einer Szene des Corps de Logis II-Kastens integriert und demonstrieren den engen Zusammenhang zwischen Kirche und Staat­lichkeit, wie er sich vielfach in der Regierungszeit von Auguste Dorothea in Gesetzgebungen ihres Gemahls nieder­ schlug (Abb. 124, S. 319). An Bildminiaturen mit religiösem Inhalt existieren (heute nur noch?) wenige Stücke.133

130 Hartmann, Peter Claus (Hg.) (2006): Religion und Kultur im Europa des 17. und 18. Jahrhunderts. Frankfurt/Main, S. 15. 131 NLA WB, 1 Alt 24, 257, 145 nach Peper, S. 163. 132 Vgl. Bringemeier, Martha (1974): Priester- und Gelehrtenkleidung. Tunika, Sutane, Schaube, Talar; ein Beitrag zu einer geistesgeschicht­lichen Kostümforschung. Münster. 133 Ein Tondo mit einer Maria lactans; ein Aquarell „Die Ägypter ersaufen im Meer“; eine Holzskulptur eines Memento mori mit Kreuzigung über Totenkopf; eine Skulptur einer Kreuzigung, Elfenbein/Holz (heute alle in Kunstkammer).

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Die Ordensmitglieder, die heute in der Kirche präsentiert werden, befanden sich ehemals vermut­lich vor der Kirche. Als Glaubensmänner ist die Kirche ihr angestammter Ort, dem sie zugeordnet werden. Anhand ihrer Kutten und Haartracht können die Figurinen als Platz­halter von Mönchen verschiedener Orden interpretiert werden. Die generelle Vielfalt der Mög­lichkeiten von religiösen Lebensentwürfen von Männern oder auch ganz bestimmte Personen können hier gemeint sein. Auguste Dorothea beschäftigte nacheinander mehrere Padres aus verschiedenen Orden als ihre Beichtväter, so „Franziskaner, bald Augustiner, jetzt aber einen Jesuiten“,134 darunter den Franziskaner Pater Einhorn.135 Könnte die Aufstellung der Figurinen vor der Kirche eine biografische Entsprechung gehabt haben? Vulpius’ vorsichtige Erklärung, es handle sich um eine Fronleichnamsprozession, vermag in Anbetracht der historischen Umstände Abb. 126: Mon Plaisir, Katho­lische Kirche, Kanzel nicht zu überzeugen. Ihr selbst war die Ausübung des Glaubens nur im Stillen erlaubt worden, sodass in Arnstadt oder der Augustenburg nie ein großer Umzug oder Einzug stattgefunden haben kann. Ebenso war ihre eigene Konversion zwar im katho­lischen Erfurt, aber nicht im Dom und ebenfalls in aller Stille erfolgt. Als mög­licher Erfahrungsmoment, der hier zur Wiederaufführung gelangt sein könnte, bietet sich vor allem der erste katho­lische Gottesdienst ihrer Nichte in Erfurt oder deren öffent­liche Konversion im Dom zu Bamberg – oder die ihres Vaters am gleichen Ort – an. Viel wahrschein­licher

134 Pfarrchronik Oberndorf (1814). 135 Beyer, Constantin (1821): Neue Chronik von Erfurt. Erfurt, S. 28.

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Abb. 127: Mon Plaisir, Katho­lische Kirche, Altarraum

ist daher die Interpretation dieser Szene als Nachstellung eines fest­lichen Entrée einer hohen Persön­lichkeit aus dem Kreis der Konvertiten ihrer Familie. Über Lothar Franz von Schönborn erwirkte sie das Recht zur privaten Religions­ ausübung auf der Augustenburg.136 Das exercitium privatum erlaubte ihr und ihren „Catho­lischen Donesticen“ auf der Augustenburg die Religionsausübung „ohne öffent­liches Zeichen, Glockenleuth, Umbgänge, Ausstellung oder Umbtragung der sogenannten venerabilis, Aufrichtung einiger Bilderstöcke […] und ohne Anstoß und Ärgerniß der Evange­lischen“. Hochzeiten, Taufen und Begräbnisse

136 HHS tA Wien, MEA Kommissionsakten 8b, Lothar Franz von Schönborn an Auguste Dorothea, 8. Februar 1716.

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Abb. 128: Mon Plaisir, Kranke Dame, Franziskanermönch

sollten weiter dem lutherischen Ordinarius vorbehalten bleiben. Katho­lische Mission war ihr untersagt. Während sie in ihrer Aufgabe als regierende Landesherrin bei Konversionen von Heiden beteiligt war,137 ist kaum Missionstätigkeit im Sinn der katho­lischen Kirche nachzuweisen. Ihrem Bruder Ludwig Rudolf schenkte sie zum Geburtstag 1728 einen gerade erschienenen jesuitischen Missionsbericht für seine Biblio­ thek.138 Scheinbar änderte sich auch an der Religions­zugehörigkeit ihrer Gefolgsleute und Dienerschaft wenig. In den 1740ern gab es einige in Bezug auf die Konfessionszugehörigkeit gemischte Ehepaare (lutherisch/reformiert), aber außer ihr selbst nur zwei weitere Katholiken, näm­lich ihren ältesten Diener und ihren Konditor.139 Zum Zeitpunkt ihres Todes 1751 waren von den vierzig Mitgliedern der Augustenburg fünf katho­ lisch: der Pater, sein Messdiener, zwei Kammerjungfern und der Sekretär.140

Auguste Dorotheas Beichtväter scheinen alle zunächst in Braunschweig und Wolfenbüttel gewirkt zu haben, bevor sie an ihren Hof berufen wurden. Der Fransziskaner

137 Meinhart, Georg Friedrich (1692): Sondershäu­sische Einweihungs-Predigt [der] Kirche Zur Heiligen Dreyfaltigkeit. Sondershausen, S. 65 ff. 138 Stöcklein, Joseph (1728): Der Neue Welt Bot mit allerhand Nachrichten dern Missionarium Soc. Jesu. HAB, M:Tq 4 11. Widmung: „Por marque de mon estime et affection inviolable que je portte pour son Alsesse Monseigneur le Duc Louis Rudolphe mon tres cher et tres honore frere je lui fais present de ces deux volumes pour sa Bibliothec, Augustenburg le 29me de Sebtembre 1728, Auguste Dorothea […] Douairiere de Schwartzbourg nee duchess des Brunswick.“ 139 Siehe Abschnitt 8. „Meine Freude“, S. 417. 140 NLA WB, 1 Alt 24, 238, 59 f.

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Benedikt Saur (gestorben 1734) war 1696 approbiert worden und zunächst „Vikar, erster Präles und Hofprediger in Braunschweig, wo er 1708 den ersten öffent­lichen Gottesdienst hielt“. Von 1708 bis 1712 war er zuständig für katho­lische Mission in Wolfenbüttel und warb 1706 bis 1711 130 Konver­titen. Saur bemühte sich auch nach dem Tod Anton Ulrichs um die Aufrechterhaltung der Rechte der Katholiken im Herzogtum. Kurz nach 1706 kam Saur wohl erstmals zur Mission nach Arnstadt „auf Bitten der Fürstin von Schwartzburg“. Mindestens vier Jahre, von 1730 bis 1734 verbrachte er auf der Augustenburg.141 Die Konversionsphase unterstützte ein Graf Hamilton,142 der ehemalige katho­lische Beichtvater ihres Vaters. Der Paderborner Franziskaner Antonius Einhorn (gestorben 1766) war 1721 approbiert worden und hatte seit 1730 in Braunschweig, Wolfenbüttel und Arnstadt als Missionar gearbeitet. Seit dem 26. Februar 1734 diente er bis zum Tod der Fürstin auf der Augustenburg als Hofprediger.143 ­Einhorn war nachweis­lich mindestens als Wachsbossierer an der Produktion des Mon Plaisir beteiligt.144 7.5.2 Der Ursulinenkonvent

Während die Staffagefiguren der Kirche das Kaleidoskop mög­licher katho­lischer Lebenswege für Männer in allen Facetten zeigen, beschreibt der Ursulinenkosmos den weib­lichen Gegenentwurf. Ein Kontakt zwischen Auguste Dorothea und dem Erfurter Ursulinenkonvent ist bereits für den Beginn des 18. Jahrhunderts nachweisbar.145 Vermut­lich entstand dieser im Zuge der Konversion ihrer Nichte Elisabeth Christine und ihres Aufenthalts in Erfurt 1707. Wie gut und regelmäßig der Kontakt allerdings war, ist weiterhin unklar. Die Anwesenheit des

141 Totenbuch der Säch­sischen Franziskanerprovinz vom Heiligen Kreuz (1947). Werl, Bd. I, S. 328, Bd. II, S. 187 und S. 389. Saur reiste unter anderem mit Anton Ulrich nach Roermond zu Henriette Christine. Weitere Informationen zur katho­lischen Mission: Bertram, Adolf (1899): Geschichte des Bistums Hildesheim. III , S. 128; Zitat über die Bitte der Fürstin zur Mission bei: Evelt, Julius (1869): Die Weihbischöfe von Paderborn. Paderborn, S. 129; Ribbentrop, Philipp Christian (1791): Beschreibung der Stadt Braunschweig, Bd. II, 81 f.; Müller, Thomas T.; Schmies, Bernd; Loefke, Christian (Hgg.) (2008): Franziskaner in Thüringen. Für Gott und die Welt. Paderborn. 142 Kein Nachweis in ADB/NDB oder Dictionary of National Biography, 1885 – 1900, Vol. 24. 143 Totenbuch, Bd. I, S. 329 und Bd. II, S. 188 und S. 391; auch Hahn (1914), S. 206. 144 Leber (1965), S. 35. 145 Klein (1994), S. 34; Bäseler, Gregoria (1937): Geschichte der Erfurter Ursilinenklosters von 1667 – 1871. Berlin.

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Abb. 129: Mon Plaisir, Ursulinenkonvent, Betende Nonne

Abb. 130: Mon Plaisir, Ursulinenkonvent, Klosterspeise

Ursulinenkastens in Mon Plaisir legt einen regelmäßigen Kontakt nahe.146 Der Puppenkonvent könnte als Geschenk der Ursulinen in die Sammlung gelangt oder eine Huldigungsgabe gewesen sein oder als eine Form der Mission verstanden werden.147 Zu vermuten ist ebenfalls, dass ihre jeweiligen Beichtväter engen Kontakt zum katho­lischen Erfurt hatten. Auguste Dorothea wurde 1751 auf e­ igenen Wunsch im Ursulinenkonvent Erfurt beigesetzt.148 Nicht nur der lokale Bezug durch die geografische Nähe zu Erfurt und die Freundschaft zu Schönborn wird die Beziehung zu den Ursulinen gefestigt haben, sondern auch die Tatsache, dass ihre Schwester Henriette seit 1712 in Roermond ebenfalls in einem Ursulinenkonvent lebte. Bei dem Ursulinenkonvent handelt es 146 Bei der Restaurierung einiger Figurinen fanden sich als Aussteifung der Röcke Briefumschläge, u. a. mit dem Namen eines Mädchens, das zeitgleich im Ursulinenkonvent nachweisbar ist. Siehe Klein (1999), S. 14. 147 Conrad, Anne (1991): Zwischen Kloster und Welt. Ursulinen und Jesuitinnen in der katho­ lischen Reformbewegung des 16./17. Jahrhunderts. Mainz. 148 Siehe ausführ­lich Abschnitt 7.11 Krankheit, Sterben, Tod, S. 406.

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Abb. 131: Mon Plaisir, Ursulinenkonvent, Klosterküche

Abb. 132: Mon Plaisir, Ursulinenkonvent, Refektorium

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Abb. 133: Mon Plaisir, Ursulinenkonvent, Bettler

Abb. 134: Mon Plaisir, Ursulinenkonvent, Klosterpforte mit Drehklappe

sich vermut­lich um die einzige Szenengruppe der Sammlung, die nicht Auguste Dorotheas engerem Erlebnisraum entsprang. Die Fürstin wird als Besuchende dargestellt, nicht als Mitschwester. Der Konvent thematisiert das religiöse Leben von Frauen unterschied­lichen Alters und unterschied­licher Herkunft in der Gemeinschaft. Neben der Gebetspraxis der Privatandacht wird die gemeinsame Lesung im Refektorium beschrieben. Im Gegensatz zu den Hofszenen in Mon Plaisir wird vor allem die Sch­lichtheit des Lebens betont. Sicher­lich war diese einer der Gründe, warum Auguste Dorothea ihren primären Wirkungsort nicht im Kloster sehen wollte.149 Die einfachen Schlafräume befinden sich als Annex zu den Gebetsräumen, das Geschirr besteht aus Zinn und das Essen bestenfalls aus dem symbo­lisch aufgeladenen Brot und Fisch, so zumindest wird es aktuell inszeniert. Zur Glaubenspraxis und den Aufgaben der katho­lischen Nonnen gehörte neben Glaubensverkündigung, Seelsorge, Krankenpflege auch die Armenfürsorge.150

149 NLA WB, 1 Alt 24, 232, 94. 150 Conrad, Anne (1991), S. 202 ff.

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Die Speisung der Armen thematisiert eine Szene, in der ein Bettler an der Klosterpforte mit Essensresten versorgt wird. Zur Ausgabe übrig gebliebener Speisen stand dem Kloster eine in der Wand eingelassene Drehtür zur Verfügung, die den Vorgang anonymisierte und die Schwestern vor zudring­ licher Armut schützte. Ähn­liche Klappen wurden zeitgleich in Hospitälern und Waisen­häusern eingeführt, um die anonyme Abgabe der Neugeborenen zu ermög­lichen und dadurch die Tötung unerwünschter Kinder lediger Frauen einzudämmen.151 Eine bedeutende Auf- Abb. 135: Mon Plaisir, Ursulinenkonvent, gabe der katho­lischen Nonnen­orden Kostkinder bei der Handarbeit bestand in der Erziehung adeliger Mädchen und im Allgemeinen in der weib­lichen Volksbildung.152 Zwei der Szenen z­ eigen die Nonnen mit ihren Kostkindern beim Unterricht, der dem Gebet, religiöser Bildung und dem Erlernen von handwerk­lichen Fertigkeiten gewidmet war. Die Kostkinder und Nonnen in Mon Plaisir werden beim Sticken, Nähen, Klöppeln und Stricken gezeigt. „Handarbeiten war nach der Religion und Moral der wichtigste Unterrichtsgegenstand.“153 Während diese Fertigkeiten den adeligen Mädchen als Ausweise ihrer geschlechtsgebundenen Tugend galten und eine Art Charaktermitgift darstellten, waren sie für die unteren Schichten notwendige Voraussetzungen, um später ihren eigenen Lebensunterhalt zu verdienen. Der Alltag der Kinder nach den Regeln des Heiligen Augustinus führte zu folgendem Tagesablauf: „Die ­Kinder lernten am Vormittag Deutsch und Latein lesen, hörten die Hl. Messe und beteten den Rosenkranz. Um 11 Uhr aßen sie zu Mittag, während der Mahlzeit hielten sie, wie die Klosterfrauen, das Silentium und hörten eine Tischlesung. Nach der Rekreation begann um 1 Uhr der Nachmittagsunterricht mit der 151 Münch, Paul (1992): Lebensformen in der Frühen Neuzeit. Frankfurt/Main, S. 249 f. 152 Schraut, Sylvia; Pieri, Gabriele (2003): Katho­lische Schulbildung in der Frühen Neuzeit. Paderborn. 153 Schneider, Christine (2005): Kloster als Lebensform. Der Wiener Ursulinenkonvent in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts (1740 – 1790). Wien, S. 82.

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Unterweisung in der christ­lichen Lehre, danach folgten Schreiben, Lesen und Handarbeiten. Um 4 Uhr hielten sie ,Collation‘, danach folgten weitere Übungen bis halb sechs […] nach einer halben Stunde Gebet wurde um 6 Uhr das Abendessen eingenommen. Um 8 Uhr abends schloss der Tag mit der Gewissenserforschung, der Litanei und dem Gebet.“154 Die bild­liche Ausstattung des Klosters beinhaltet mehrere Memento mori und Heiligendarstellungen sowie vor allem selbstgemachte Textilien, Altartep­piche, Tischbehänge und Textilbilder, die wiede­rum die alltäg­liche Handwerks­ praxis der Konventsmitglieder spieAbb. 136: Mon Plaisir, Witwensalon, Ölminiatur der geln. In Bezug auf die Handwerkspraxis Heiligen Agatha, Hinweise auf die Konversion der unterschied sich die Tätigkeit des KonFürstin in Mon Plaisir vents nicht von der Tätigkeit Auguste Dorotheas Frauenzimmer. In ihrem Leben und auch in der Miniatur hielt Auguste Dorothea ihre Zugehörigkeit zur katho­lischen Kirche und den katho­lischen Adelskreisen präsent. Sie verhielt sich dabei moderat und zurückhaltend. Weder überzog sie ihre Familie oder ihr Land mit katho­lischer Mission noch wurde Mon Plaisir mit einer überbordenden Fülle an christ­licher Ikonografie ausgestattet. Auf ihre Situation als Konvertitin weist das Ölgemälde der Heiligen Agatha mit dem Becken voll glühender Kohlen und einer Zange. Die Märtyrerin Agatha von Catania verweigerte die Ehe mit einem Nichtchristen und wurde zur Prostitution gezwungen und unter anderem auf einem Bett aus Glut gefoltert. Bis zu ihrem Tod blieb sie ihrem Glauben treu.155 Der Vergleich Auguste Dorotheas mit der Märtyrerin Agatha scheint gewagt, aber sicher intendiert. Auguste Dorothea blieb ihrem 154 Ibid., S. 86. 155 Um sie gefügig zu machen, zerquetschte man ihre Brüste mit einer Zange und schnitt sie ab. Danach wurde Agatha auf ein Bett aus Scherben und glühenden Kohlen gelegt. Üb­licherweise wird Agatha mit blutendem Hemd und abgeschnittenen Brüsten gezeigt. Die Miniatur in Mon Plaisir deutet das Martyrium nur mittels der Attribute Zange und

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angenommenen Glauben treu, obwohl man sie von außen unter Druck setzte. Dieses Gemälde mit dem vergoldeten Stuckrahmen wurde als zentraler Blickpunkt in einem der prachtvollsten Räume des Mon Plaisir inszeniert. Bei dem Raum scheint es sich um einen Salon gehandelt zu haben.156 In der Szene wird ein direkter Bezug zwischen Figurine und Bild konstruiert. Auf diese Weise wurde das Handeln der Fürstin für den informierten Betrachter kurz und knapp in einer Anspielung auf eine wohlbekannte Erzählung erklärt und verteidigt. Die Minia­ turgrafik „Conversion de St. M. Madelene“ könnte ebenfalls auf ihren Status als Konvertitin hinweisen.157 Maria Magdalena galt als Inbegriff der bekehrten, ­reichen Sünderin. Leider ist nicht bekannt, an welcher Stelle diese Grafik ehemals hing. Allerdings macht die sehr einfache, hölzerne Rahmung eine repräsentative Hängung unglaubwürdig. Auguste Dorothea blieb bis zu ihrem Lebensende katho­lisch, wenngleich der Oberndorfer Pfarrer Reißland bemerkte, sie habe ein ganz „stilles und evange­lisches“ Leben geführt.158 In beidem, im Leben und in der Miniatur, geht die Ausübung beziehungsweise die Darstellung der Religionszugehörigkeit zur katho­lischen ­Kirche nur wenig über die maßvoll erfüllte Darstellungspf­licht hinaus. 7.6 Vorratshaltung, Kochen, Essen „Der Endzweck des Kochens und Zurichtens der Speise zweierlei sei, als erst­lich daß solche der Unterhaltung des Menschen und dessen Gesundheit diensahm und wol zu verdauen und den zum anderen auch den Geschmack vergnügen […] schick­lich sein mögen […] daß die simpeln Speisen die gesundesten: Ob wohl die ietzige in Wollüsten ersoffene weltüb­lichen Lebensart, solche von der Natur verlangte Speisen auszuschlagen, und mehr dem Kragen und Magen, als einem gesunden Leibe und Geiste zu schmeicheln belieben träget“.159

156 157 158 159

Kohlenbecken an. Siehe Kirschbaum, Engelbert (Hg.) (1994): Lexikon der christ­lichen Ikonographie. Freiburg. Inventar 1751, In der historischen Aufstellung von 1751 empfing die Fürstin hier eine Tirolerin. Namenszug teilweise unter dem Rahmen verborgen, vermut­lich von Martin Engelbrecht, befindet sich heute im Ursulinenkonvent. Pfarrchronik (1814), Eintrag zum Jahr 1730. Schellhammer, Maria Sophia (1697): Die wol unterwiesene Köchinn. [Unter Mitarbeit von Herzogin Elisabeth Juliane 1634 – 1704.] Braunschweig, S. 2.

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Abb. 137: Mon Plaisir, Küchenschreiber. Vorratshaltung in der Küche: Schubkastenmöbel (Küchenschreiber) und Sideboard (Bürgerküche) mit Beschriftung: „Kleine Graupen“, „Ciocolade“, „Hagnbutten“, „Truckne Quetschen“, „Buchwatzen Grütz“, „Mais Stärke“, „große Graupen“, „trockene Kirschen“ (vgl. auch die Abb. 138) .

Die Darstellung von Nahrung gehört zu den Leitthemen des Mon Plaisir. In sehr vielen Szenen steht Essen (aus Salzteig) auf dem Tisch. Die Adelsgemeinschaft (in Mon Plaisir) verbrachte sehr viel Zeit bei Tisch.160 Neben dem Verzehr zeigen einige Szenen die Beschaffung der Zutaten und die Zubereitung von Nahrung. Nahrungsmittelbeschaffung nahm viel Zeit in Anspruch und gehörte zu den zentralen Betätigungsfeldern und zum mentalen Fokus aller Schichten, wenn auch mit unterschied­lichem Akzent.161 Während es für die unteren Schichten um das sch­lichte Überleben ging, diente Nahrung beim Adel nicht primär der Bedürfnisbefriedigung und Ernährung, sondern war ein repräsentatives Ausdrucksmittel von Wohlstand und Rang.162 Essen stellte zudem eine erlaubte Lust dar, mit der andere, 160 Boehn (1963), S. 223 ff.; Rohr, Julius Bernhard von (1733): Einleitung zur Ceremoniel-­ Wissenschaft der großen Herren. Berlin, Kapitel VIII. Von dem Tafel-Ceremoniel, S. 90 ff. 161 Braudel, Fernand (1985): Sozialgeschichte des 15.–18. Jahrhunderts. Der Alltag. München, S.  210 ff. 162 Wilke, Sabine (2005): Die verspeiste Esskultur. Nahrung und Nahrungstabus. Marburg, S. 33.

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sozial unerwünschte Lüste kompensiert werden konnten.163 Die Landesherren legten umfangreiche Nutz- und Küchengärten an, in denen sowohl üb­liche als auch exotische Gemüse- und Obstsorten sowie Kräuter gezogen wurden. Auch Hopfen, der in der eigenen Brauerei Verwendung fand, wurde angepflanzt. Auf den eigenen Feldern baute man diverse Getreidesorten an, die zu Mehl als wichtigster Nahrungsgrundlage verarbeitet oder als Grütze oder Graupen zu nahrhaften Suppen wurden. Größere Mengen wurden im Vorwerk, dem fürst­lichen Bauernhof, auf einem Speicher gelagert oder in Gewölbekellern. Kleinere Mengen beherbergte die Vorratskammer oder lagerten in diversen Küchenschränken Abb. 138: Mon Plaisir, Bürgerküche, Sideboard unter der Aufsicht des Küchenschreibers oder des Hofverwalters. Mehl verwahrte man in Mehltruhen, Getreide und Dörrobst in Schubkastenschränken oder Buffets, die einen mühelosen Zugriff erlaubten. Butter oder Erbsen kamen in Bottiche mit Deckel, Brot und verderb­liche Waren kamen in spezielle Brotschränke, die die Nahrungsmittel durch ein Gitternetz vor Insekten schützen sollten. Etwas lebendiges Federvieh befand sich immer in einem Holzkäfig direkt in der Küche. Das Personal des fürst­lichen Vorwerks war nicht nur für das Beackern der ­Felder zuständig, sondern für das Milch- und Fleischvieh, für das Füttern, die Pflege, die Zucht und das Melken. Über die Jagd im eigenen Forst wurde der Speiseplan um Wildbret erweitert. In eigenen Fischteichen züchtete man Speisefisch. Was nicht selbst erwirtschaftet werden konnte (Gewürze, Zucker, Tee, Schokolade, bestimmte Alkoholika), wurde zugekauft.

163 Andressen, B. Michael (2001): Barocke Tafelfreuden. Tischkultur an Europas Höfen. München, 95 f.

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Abb. 139: Mon Plaisir, Böttcher, Bottich. Aufbewah­ rungsbehälter und Möbel (vgl. auch die Abb. 140 – 142)

Abb. 140: Mon Plaisir, Küchenschreiber, Brotschrank

Mon Plaisir zeigt Hofküche und Wein- und Bierkeller in einem gemeinsamen Schrank, der auch äußer­lich das Kellergeschoss als rustiziertes Gemäuer erscheinen lässt. Der enge Zusammenhang zwischen Speise und Trank wird auf diese Weise formal veranschau­licht. Mon Plaisir verzichtet allerdings auf die Darstellung des komplexen Herstellungsverfahrens von Wein und Bier. Beides wurde auf der Augustenburg hergestellt, aber die Miniatur begnügt sich mit der Darstellung der Aufbewahrung oder Verwendung des fertigen Produkts. Als der Fürst von Sondershausen Auguste Dorothea das Recht am Bierbrauen einschränken wollte, äußerte sie selbstbewusst: „Wegen des Brauhauses so ist solches nicht umb deß Wirthshaußes willen, sondern zu meynem eygenen Nutzung zu erbauen resolvirt worden und wird so wenig der Fürst als niemand anders mir auff meinem Grund und Boden verbietten können, was ich thun oder lassen soll.“164 Das für Küche und Keller so wichtige Wasser musste 164 ThStA Ru, Kanzlei Arnstadt 311, Auguste Dorothea, unpaginiert, ohne Datum, nach 1716.

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Abb. 141: Mon Plaisir, Vorwerk, Hühnerkäfig

mühevoll aus eigenen Brunnen herbei­geschafft werden (Abb. 48, S. 131, Magd mit Balkentrage). Küche und Keller waren voll. Die Bestandsaufnahme der Vorräte aus Anlass der Erbteilung auf Schloss Arnstadt gibt einen Eindruck der Reichhaltigkeit und der geschickten Vorratshaltung. Unter Abteilung VII des Inventars werden die Bestände des Schlosses an Wein, Bier, Branntwein und Essig verzeichnet. An ungarischem Wein beherbergte der Schlosskeller „9 Eymer 7 Stübigen“.165 Daneben gab es noch 29 Eimer „alten Rhein Wein de anno 1684“, ebenso 46 Eimer Hochheimer Wein (Rheinhessen), 56 Eimer „Sommerracher“, 20 Eimer Randisacker, 29 Eimer einheimischen Wein, 61 Eimer Rüdesheimer Wein, 6 Eimer Frankenwein, 3 Eimer „Vin de Grove“ und noch einige andere in kleinen Mengen. Insgesamt befanden sich im fürst­lichen Keller mehr als 268 Eimer Wein.

165 „Hiervon haben Ihro Durchl. die gnädigste Hertzogin die Helfte a 4 Eymer 12,5 stübechen bekommen.“ ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 68 Vol. II, 46.

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Abb. 142: Mon Plaisir, Bäcker, Mehltruhe

Abb. 143: Mon Plaisir, Hofküche, Spirituosenkeller

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Neben den Eimern gab es noch 241 Flaschen unterschied­licher Weine, zusätz­ lich 23 kleine Fässer Essig und 59 Eimer Bier sowie 94 Eimer „Brandtwein“.166 Die Jahresernte aus dem Obstgarten lagerte ebenfalls in unterschied­lichen Verarbeitungsformen im Vorratskeller. Ende Januar, nachdem schon einiges im Winter aufgebraucht worden sein musste, befinden sich unter der Rubrik „Confi­türen und Gewürze“ noch „2 Büchsen von Orangen, 2 Büchsen mit fleur ­orangen, 10 Büchsen mit Johannisbeeren, 4 Büchsen mit Apricosen, 2 ­Büchsen mit schwartzen Nüssen, 2 Büchsen mit weißen Nüssen, 2 Büchsen mit Himbeeren, 2 Büchsen mit schwartzen Kirschen, 6 Büchsen mit Ammeren, 4 Büchsen mit Marmelade von Himbeeren“, ebenso kleinere Mengen an Quitten-, Taldinen-, Citronen-, Ammern-, Schwarznussund Himbeermarmelade sowie „indianische Confectüren“.167 Zudem enthielt der Keller et­liche Pfund getrocknete Ammern, Kirschen, kandierte Aprikosen, Quitten, Kardamom und „Fleur de Orange“, bittere Mandeln, 74 Zuckerhüte, 22 Gläser Quittengelee, dazu 521 Pfund eingemachte Zwetschgen und größere Mengen an Lagerobst (Kirschen, vermut­lich Äpfel und Birnen). An Gewürzen hielt man 1 Pfund 23 Lot Spitzmorcheln, 1,5 Pfund Silbergraupen, 1 Pfund Hafergrütze, 23 Lot Zimt, 13 Lot Pistazien, süße Mandeln, Oblaten, 8 Pfund Pfefferkörner, „Nägelein“ (Nelken), 11 Pfund Muskatnüsse und 1 Pfund Muskatblüten, 7 Pfund Ingwer, 9 Pfund Reis, 11 Pfund „Piniolen“ (Pinienkerne) und 18 Pfund Rosinen. Auch mitten in der Winterzeit präsentierte sich der Schlossvorrat noch hervorragend.168 Die Küche bevorratete weiter 18 Pfund gepökeltes Rindfleisch, 148 Pfund gepökeltes Wildbret, 166 Pfund Pökelrindfleisch im Fass, 426 Pfund frisch geschlachtetes Rindfleisch, 57 Pfund Sülzen, 19 Pfund „so der Kopf gewogen“, 56 Pfund „Schweinewildpret excl. Den Kopff“, „9,5 Korn Maaß Saltz“, 17 „Mößel“ Kümmel, 3,5 Pfund Graupen, 10,5 Pfund Kapern, 3 Pfund Stockfisch, 5 Pfund hollän­dischen Rosenkohl, 32 Pfund Butter, diverse Kohlköpfe, Weißmehl, Schwarzmehl, Kleie, Erbsen, 258 Stück Blumenkohl, 94 Stauden Sellerie, Kohlrabi (fast leer), Lauch (fast leer), Meerrettich, Pastinaken, Rettich, rote Rüben, weiße Bohnen, saure Gurken, 108 Köpfe Weißkraut, 7 Schock Äpfel, 10 Maß Roggenmehl.169 Das Getreide lagerte jedoch hauptsäch­lich in den Vorwerken.170 166 Ibid. Zugunsten der Lesbarkeit verzichte ich im ganzen Buch auf präzise Angaben der Mengen, es handelt sich also stets um Circa-Angaben. 167 Von denen die Hälfte „Ihro hochfürst­liche Durchl. Der Hertzogin zugefallen“ war. Ibid., 47. 168 Ibid., 47 f. Auch hiervon hatte Auguste Dorothea im März 1717 bereits die Hälfte erhalten. 169 Ibid., 48 f. Diese Posten scheinen nicht geteilt worden zu sein. 170 „9 Maß 10 Metzen Vorrath auf den Böden in Dornheim und Arnstadt“, ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. II, 58.

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Mon Plaisir als Spiegel eines Fürstinnenlebens

Abb. 144: Mon Plaisir, Kleines Vorwerk, Metzger

Abb. 145: Mon Plaisir, Vorwerk, Butterherstellung

Abb. 146: Mon Plaisir, Bäcker, Mehlraufe, Eier und Wellholz

Vorratshaltung, Kochen, Essen  |  341

An Federvieh hielt die Hofküche folgendes bereit: 13 bereits gemästete Kapaunen und 17, die noch zu mästen sind, 4 „welsche Hüner“ und 6 „fastnachts Hüner“. Doch der Hauptteil des Geflügels befand sich in der Fasanerie und in den diversen Vorwerken, die zum Schloss gehörten. Hier gab es 148 Fasane, 16 Rebhühner, 18 Lerchen, 6 wilde Fasane, 119 Gänse 171 und 260 Hühner.172 Schafe hielt man sowohl wegen der Wolle, der Milch als auch wegen des Fleisches.173 Dazu kamen et­liche hundert Rinder, Kühe, Schweine und Ziegen.174 Für die Verarbeitung der Rohstoffe waren unterschied­liche Zünfte zuständig, die in Mon Plaisir bei ihrer Arbeit portraitiert werden. Der Fleischer (Abb. 144, S. 340) schlachtete und häutete das Großvieh, während Federvieh üb­licherweise in der Küche geschlachtet und gerupft wurde. In der Meierei wurde die Milch verarbeitet zu Butter, Sahne und Quark. Die Verarbeitung von Mehl zu Brot, Brötchen, Brezeln, süßem Brot, Kuchen und Zuckerwerk wurde nicht allein vom Bäcker vorgenommen, sondern je nach Produkt vom Lebküchner, Koch, Pastetenbäcker und Zuckerbäcker. Glaubt man den Darstellungen des Mon Plaisir, lag Auguste Dorotheas Vorliebe bei Backwerk, Pasteten, Fleisch, Geflügel und Fisch, alles allgemein beliebte Gerichte. Auguste Dorothea stellt in Mon Plaisir nicht nur das Essen in vielen Lebenslagen als Statussymbol dar, sondern sie verweist auf ihre persön­liche Kompetenz und Kenntnis, die durch das Anleiten des Personals zu schmackhaften und optisch ansprechenden Speisen führten. Die im Umfeld des Wolfenbütteler Hofs zeitgenös­ sisch entstandene „wol unterwiesene Köchin“ veranschau­licht die große Vielfalt an Fisch, Fleisch und Gemüse sowie Konfekt, Früchten, Säften und Wein.175 Die Zielgruppe dieser Kochbücher waren die Damen des Adels, die nicht selbst kochten, sondern kochen ließen, aber genauestens informiert waren oder informiert zu sein hatten. Der Autorin Maria Sophia Schellhammer erhebt das Kochen zur Aufgabe der Frauen und zu einer Wissenschaft, die auch die adeligen Damen beherrschen sollten, um das Personal anleiten und kontrollieren zu können:

171 Ibid., 313. 172 Ibid., 50. In Bezug auf die Mengenangaben kommt das von der Gegenseite erstellte Inventar oft zu abweichenden Zahlen, sodass die Mengen um zwanzig Prozent differiert haben könnten. Siehe ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. II, 300 ff. 173 Nach ibidem, 57, besaß das Fürstenpaar über fünftausend Schafe im Januar 1716. 174 Ibid., 55 ff. 175 Schellhammer (1697) und dies. (1700): Der wohl-unterwiesenen Köchinn Zufälliger Confect-­ Tisch. Bestehend In Zubereitung allerhand Confecten/zugerichten Früchten/Säfften/­Weinen/ Aqvaviten/Brandteweinen/Bieren/Eßigen und dergleichen [...]. Braunschweig.

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Abb. 147: Mon Plaisir, Bäcker, Süßes Gebäck

Abb. 148: Mon Plaisir, Kuchen, Törtchen

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Abb. 149: Mon Plaisir, Geflügel, Schinken

Abb. 150: Mon Plaisir, Pasteten, Maultaschen

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„und was haben wir mit den Männern zu thun, die […] uns die Haussorge überlassen, unter welchen die Küche zu bestellen, unsere täg­liche und ausbleibende Bemühung ist, die, so gering sie auch scheinet, dennoch ihre Wissenschaft, Fleiß und Verstand erfordert […]. Und ob mir wohl nicht unwissend, daß alle fürnehme Ade­liche […], sich mit dergleichen nicht zubemühen, nötig haben […] und sie ihren Bedienten überlassen können, so vermeine ich doch nicht unrecht zu haben, wenn ich dafür halte, daß etwas wissen allemahl löb­lich sey und eine Frau, wie fürnehm sie auch sey, wenigstens die Küche und die Taffel müsse anzuordnen, und die Aufsicht, so wol über alles andere Hauswesen […] zu führen wissen.176 […] Denn man saget auch wol von einer vornehmen Frau (so ihrem Haußwesen und Küche wol vorzustehen weiß) sie sey eine gute Köchin, von welcher aber nicht eben erfordert wird, daß sie selbst in der Küche liege […] und die Sudelschürze vorbinde, sondern das gehöret eigent­lich für die jenige, die als eine gemietete Köchin ihren Lohn verdienen muß.“177

Die Kochanleitungen zeigen die Vielfalt an Speise und das breite Nahrungs­angebot, auf das der Adel zurückgreifen konnte: Suppen und Potagen (Eintöpfe), diverse Fischgerichte (Hecht, Karpfen, Karausche, Barsch, Aal, Forelle, Wels, Lachs, Hering et cetera), Schildkröten, Frösche, Schnecken und Muscheln. An Geflügel aß man Rebhühner, Schnepfen, Wachteln, Kapaunen, Pfauen und Auerhahn.178 An Wildbret gab es Reh, Hirsch, Wildschwein, Hase, Kaninchen und natür­lich sämt­liche Teile von Hausrind, Schwein und Lamm. Aus Fleisch stellte man Paste­ten her und salzige franzö­sische Quiches. Süßspeisen waren sehr beliebt, ebenso Schokolade, Kakao, Tee und Kaffee, weil sie ebenso teuer wie prestigeträchtig waren. Süße Tartes schätzte man genauso wie süßen Milchreis, Gugelhupf und Blechkuchen. Zum Backen verwendete man Rosenwasser, Mandeln und mit Vorliebe deren Verarbeitung zu Marzipan. Eier gehörten ebenfalls zu den zentralen Bestandteilen der deftigen wie der süßen Küche. Gekocht wurde mit Essig, Ingwer und Zitrone, Kardamom, Muskatnussblüten und Safran. Zucker wurde nicht nur für Desserts verwendet, sondern kam an viele deftige Gerichte, wie zum Beispiel Weinsuppe, die mit Zucker bestreut wurde.179 Der Verbrauch an Nahrung auf der Augustenburg ist schwer zu ermessen. Während 1703 noch wenig Betrieb auf der Augustenburg herrschte, benötigten die Ausgeberin und der Gärtner samt fünf Mägden und Knechten im ganzen 176 177 178 179

Schellhammer (1697), Vorrede. Ibid., S. 29. Ibid., S. 159 ff. Ibid., S. 36.

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Jahr 3.712 Pfund Fleisch, 104 Pfund Butter, 1.846 Laib Brot,180 90 Eimer Bier, 26 Maß Korn, 29 Maß Gerste.181 Der Speiseplan der Bediensteten, die (zu dieser Zeit) nicht an der Tafel der Herzogin aßen, beinhaltete also hauptsäch­lich Getreide, Fleisch und Bier. Die Ausgaben und der Verbrauch der Herzogin selbst für Nahrung waren umfangreicher. Als Anfang Mai 1717 die Herzogin von Strelitz 182 mit ihrer Entourage eine Woche lang zu Besuch auf der Augustenburg weilte, mussten 94 Personen verköstigt werden. In dieser kurzen Zeit vertilgte der Hof 192 Pfund Wildbret, 876 Pfund Kalbsfleisch, 451 Pfund Rindfleisch, 113 Pfund Schweinefleisch, 10 Hasen, 2 Fasane, 2 Schinken, 4 Lämmer, 43 alte Hühner, 36 junge Hühner, 2 Hähne, 30 Rotwürste und 18 Bratwürste. Für die Versorgungslogistik stellte solch ein Besuch eine riesige Herausforderung dar.183 Die soziale Bedeutung des Essens

Die Herzogin aß in unterschied­lichen sozialen Zusammensetzungen. Üb­licherweise speiste Auguste Dorothea mit ihrem gesamten Hofstaat an verschiedenen in einem Raum aufgestellten Tischen. Je nach sozialem Stand war die Qualität und Menge des Essens hierarchisch gestuft bemessen. An der herzog­lichen Tafel saßen die Hofdamen, der Beichtvater und die Hofkavaliere. Am „Kammer Tisch“ aßen die Leibdiener und die höheren Bediensteten der Herzogin wie der Hofverwalter und Sekretär. Am „gemeinen Tisch“ saß alles andere Personal von den Waschmägden, dem Koch bis hin zu den Knechten.184 Beim alltäg­lichen Essen sollte es gesittet zugehen. Die Hofjungfern sollten zugleich zum Essen gehen und aufstehen, aßen sie aber im gleichen Gemach wie die Fürstin, so sollten sie leise sein, nicht laut lachen und Gespräche sittsam führen.185 Pro Tag gab es zwei ordent­liche Mahlzeiten. Morgens reichte man allen eine Suppe. 180 Fast ein Laib pro Person und Tag. 181 ThStA Ru, Kanzlei Arnstadt 421, 160, Specification des jähr­lichen Verbrauchs an Victualien im Jahr 1706 auf der Augustenburg. 182 Vermut­lich Dorothea Sophie von Holstein Plön (1692 – 1765), verheiratet mit Adolf ­Friedrich III. von Mecklenburg-Strelitz und Tochter von Dorothea von Braunschweig-­ Wolfenbüttel (1653 – 1722), einer direkte Cousine Auguste Dorotheas. 183 Das wären ca. 1,5 kg Fleischverzehr pro Person und Tag. 184 1716 bestand der Hofstaat der Herzogin aus 42 Personen, deren Unterhalt wöchent­lich 210 Reichstaler kostete. ThStA Ru, Kanzlei Arnstadt 311, Witthumsakten 1716 – 21. 185 Kern, Hofordnungen, S. 271.

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Abb. 151: Mon Plaisir, Fürstin und Fürst beim Mahl, Mundschenk/Weindiener. Gläser standen anders als heute nicht auf dem Tisch, sondern wurden auf Handzeichen hin angereicht

Gelegent­lich speiste die Herzogin förm­lich mit ihrem Gemahl umgeben von Lakaien, wie es Fürstin und Fürst beim Mahl darstellt. Obwohl Mon Plaisir eine solche Szene heute nicht mehr beinhaltet, konnten Fürst und Fürstin auch nur zu zweit „separé“ speisen, üb­licherweise als Auftakt erotischer Handlungen, die in Mon Plaisir durch die Darstellung eines Paares im Bett angedeutet wird. Neben alltäg­lichen Mahlzeiten, die mit dem Hofstaat oder dem Gemahl eingenommen wurden, muss das anlassgebundene Essen unterschieden werden. Bei adeligem Besuch, bei Festtagen oder Galatagen und der öffent­lichen Tafel wurde je nach Anlass mit unterschied­lich großem Aufwand getafelt. Dabei unterschieden sich nicht nur die Anzahl der Gäste und die Anzahl der Gerichte, sondern auch der Tischschmuck und die Dekoration. Als Festtage galten die hohen kirch­ lichen Feiertage, der Namenstag, der Geburtstag und der Neujahrstag. An der

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fürst­lichen Tafel speiste man auf meist mit Monogramm versehenem Tafelsilber,186 und zwar „à la francaise“:187 Das Essen wurde in drei Gängen oder so genannten Trachten aufgetragen: Vorspeisen, Fleischgericht mit Beilagen und Dessert. Jeder Gang bestand aus einer symmetrisch angeordneten, geraden Anzahl von Einzelgerichten, die in jedem Gang gleich hoch bleiben musste. In der Mitte des Tisches prangte das Surtout oder das dormant, prachtvolle Tafelaufsätze, die erst zum Dessert oder gar nicht gewechselt wurden.188 Unterplatten oder ovale Teller waren achsensymmetrisch angeordnete Platzhalter der Gerichte. Es befanden sich also pro Gang bis zu einhundert Gerichte in unterschied­licher Entfernung vom Gast auf der Tafel, und ein Großteil der Mahlzeit bestand darin, die Nachbarn oder die Tafeldiener um das Anreichen von Speisen zu bitten.189 Je nach sozialem Rang und Durchsetzungsfähigkeit erhielt man das gewünschte Stück Fleisch oder nur Reststücke. Fleisch wurde immer am Stück serviert, wie es Mon Plaisir anhand von Hühnchen zeigt. Jeder wählte nach Belieben eine Kombination von Speisen. Das Bedürfnis nach Symmetrie und Masse hatte allerdings zur Folge, dass durch die Zubereitung sehr vieler Speisen gleichzeitig die meisten nur noch lauwarm oder kalt serviert werden konnten. Ein solches Diner war zwangsläufig eine lebhafte Situation. Die übrig gebliebenen Speisen wurden in die Küche zurückgetragen, dort in einfachere Terrinen umgefüllt und der nächst höheren Standesgruppe, den Beamten und Kammerdienern und danach dem sonstigen Personal am Hof vorgesetzt. War hiernach immer noch etwas übrig, wurde es in geregelter Form den Armen als Almosen gereicht.190 Ebenfalls nicht mehr vorhanden, aber von zwei Betrachtern im 19. Jahrhundert identifiziert,191 zeigte Mon Plaisir 1751 eine öffent­liche Tafel. Vermut­lich befand sich diese in dem mittleren Raum über der Poststation, der mit einer repräsentativen, originalgroßen Goldledertapete und einem grünen Baldachin an der Rückwand ausgestattet war. „Zeremonien und Rituale gehörten in der vormodernen 186 Seelig, Lorenz (2002): Der schöne Schatz: Tafelsilber als Staatsvermögen. In: Ottomeyer, Hans; Völkel, Michaela (Hgg.) (2002): Die öffent­liche Tafel. Tafelzeremoniell in Europa 1300 – 1900. Wolfratshausen, S.  102 – 111. 187 Ottomeyer, Hans (2002): Service à la francaise und service à la russe. Die Entwicklung der Tafel zwischen dem 18. und 19. Jahrhundert. In: Ibid., S. 94 – 101. 188 Beispiele für einen Tafelplan und ein Surtout mit architektonischen und figür­lichen Elementen: zwei Federzeichnungen nach Seelig, S. 103 f. (Augsburg, Städtische Kunstsammlungen, Graphische Sammlung Gr. 24934 und Gr. 14230). 189 Ottomeyer (2002), S. 97. 190 Kern, Hofordnungen, S. 204. 191 Hesse (1841), S. 171, mit Bezug auf Arnold (1804); Apfelstedt (1856), Geschichte, S. 98.

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Abb. 152: Mon Plaisir, Kaiser­liche Post, Offene Tafel, Detail Goldledertapete

Gesellschaft zu den wichtigsten Formen nichtverbaler Kommunikation.“192 Die offene Tafel war ein formaler Akt, bei dem sich der Fürst und die Fürstin regelmäßig dem Hofstaat und den Untertanen zur Schau stellten. Die Tafel stand dabei üb­licherweise auf einer Estrade unter einem Baldachin, wie in Mon Plaisir vorgeführt. Es ist vorstellbar, dass die Fürstin in Analogie zur Nutzung des politischen Zeichens durch Fürsten allein unter dem Baldachin an der Tafel saß und von den Inhaber(inne)n der Hofämter bedient wurde, die den Tafeldienst versahen.193 In 192 Ottomeyer (2002), Vorwort. In: Ottomeyer/Völkel, S. 4. 193 Das Mittel der öffent­lichen Tafel wurde auch von Frauen alleine eingesetzt, z. B. von Erzherzogin Maria Elisabeth, Statthalterin der Österreichischen Niederlande, Brüssel 1725 – 1741. Siehe Ottomeyer/Völkel (2002), S. 153.

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ritualisierten Handlungen (dem Reichen von Waschbecken und Wasser sowie dem Vorschneiden, der Giftprobe und dem Vorlegen der Speisen) wurde der Status und das politische Anrecht des Herrschers oder der Herrscherin allgemein öffent­lich vergegenwärtigt. Der Zugang zum Schloss und das Zuschauen bei der Zeremonie standen grundsätz­lich allen Männern und Frauen offen, die ohne Umhang, Waffen und frei von Krankheiten waren.194 In der Nähe der Tafel stand ein Buffet mit mehreren Stufen, die Kredenz, auf der Kunstgegenstände aus Edelmetall oder der Hausschatz präsentiert wurden und die so Wohlstand und Status demonstrierte. Bei Tisch oder auch bei einer Audienz bediente sich die zeichenhafte Kommunikation ganz besonders des Materials der verwendeten Tischdecke, des Geschirrs und der Art des Sitzmöbels. Man unterschied zwischen Lehnstühlen mit Armlehnen, Lehnstühlen ohne Armstützen und Hockern (Tabourets) unterschied­licher Höhe, die wiederum durch den Bezug, die Verzierung und die Polsterung in sich noch weiter differenzierbar waren. Die hierarchische Zuweisung der Sitzmöbel wurde dabei von allen Anwesenden wahrgenommen und als Positionsanzeiger im Machtgefüge des Hofes dekodiert.195 Galadiners und offene Tafeln gehörten zu den zeremoniellen Speisesituationen, die einen weitestgehend öffent­lichen Charakter hatten. Mitunter entschied man sich an Fürstenhöfen und besonders im Sommer auf den Lustschlössern gegen das strenge Tafelzeremoniell, für eine reduzierte Speisenmenge und reduziertes Dienstpersonal und ließ das Los (und nicht den Rang) die Sitzordnung in einer so genannten Bonderietafel entscheiden.196 „Alle Cavaliers und Damen des gantzen Hofs, speisen an der fürst­lichen Tafel, paar-weise in der Ordnung nach dem Loose, es mag nun mit oder ohne Verkleidung sein […]. Bey allen diesen Tafeln pfleget ordent­lich eine wohl-eingerichtete Music gehöret zu werden, man pfleget auch dabey durch lustige Personen mehr Lachens zu machen.“197

194 Ottomeyer, S. 5; nach dem vormodernen Politikverständnis stellte ein Fürst eine grundsätz­lich öffent­liche Person dar. Die Nutzung der repräsentativen Öffent­lichkeit war ein herrschaft­ liches Attribut. Siehe Völkel, Michaela (2002): Die öffent­liche Tafel an den europäischen Höfen der frühen Neuzeit. In: Ottomeyer/Völkel, S. 10. In diesem Kontext wichtige Forschung von Habermas, Jürgen (1962): Strukturwandel der Öffent­lichkeit. Frankfurt/Main und Kantorowicz, Ernst H. (1957): Die zwei Körper des Königs. München 1957 sowie Stollberg-Rilinger (1997). 195 Völkel, S. 19. 196 Ottomeyer (2002), S. 162. 197 Florinus (1719), Bd. I, S. 135.

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Mon Plaisir als Spiegel eines Fürstinnenlebens

Abb. 153: Zeichen sozialer Hierarchie am Hof (vgl. auch die Abb. 154) Mon Plaisir, Lehnstuhl

Abb. 154: Mon Plaisir, Hocker

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Das höfische Leben auf der Augustenburg kann mit einem Zeugnis vom Hof von Auguste Dorotheas Bruder August Wilhelm (1662 – 1731) in Braunschweig illustriert werden. Johann Friedrich von Uffenbach reiste 1728 über Braunschweig und Salzdahlum nach Wolfenbüttel.198 Am Mittwoch, den 28. August, wurde ihm die Ehre erwiesen, dem regierenden Fürsten von Braunschweig-Wolfenbüttel vorgestellt zu werden. Ausführ­lich beschreibt er alle Begebenheiten: „Man hatte mir nehm­lich wissen machen, dass ich mich sollte in der Antichambre, alwo um diese Zeit alle Tage nicht nur der ganze Hof, sondern auch alle anwesende Fremde zusammenkommen und Cour machen, einfinden. […] so ließe mich dennoch mit der Portechaise biß vor die große Treppe tragen, ginge hinauf und eröffnete behertz alle vorkommene Thüren und traffe also den rechten ort, da schon viele verschiedene Hofleute versammelt beyeinander stunden. Ich wartete alhier in einem sehr großen propre meublirten Saal, worinnen drey runde Tische zum speißen gedeckt stunden […] und sah, wie sich aller Raum allmäh­lich von Höfflingen anfüllete“.199

Von einem Herrn Rhetz, der ihn dorthin bestellt hatte, wurde ihm mitgeteilt zu warten, bis der Herzog aus seinem Zimmer treten würde und durch die Menge hindurchginge, um die Herzogin zum Essen abzuholen. Doch zunächst wurde er einem „Lieblinge des Hertzogs“ vorgestellt sowie demjenigen Adeligen, der ihn dem Herzog präsentieren würde. Nach einer Wartezeit von einer Stunde kam der Herzog und hielt sich ein wenig in der Menge auf. Uffenbach wurde ihm vor aller Augen vorgestellt. Der Herzog indes habe sich gnädig gezeigt, lobte kurz dessen bisherige Schreibtätigkeit und entfernte sich schnell. Vom Oberhofmarschall wurde Uffenbach dann „an[ge]deutet, dass ich zur Tafel hier oben bleiben sollte“. Der Herzog aber führte indessen die Herzogin an der Hand in das Speisegemach hinter dem Empfangssaal. Danach begab sich der anwesende hohe Adel zum Essen (zwei Prinzen von Gotha, der Herzog von Dornburg und der Herzog von Bevern). Ihm selbst jedoch wurde erlaubt, an einer der drei Tafeln des Empfangs­ saales gemeinsam mit 14 anderen Gästen „ohne alle Ceremonien“ zu speisen. Musiker erfreuten im Speisezimmer des Hochadels den Herzog, während von der Musik im Vorzimmer wenig zu hören war, weil „des Lermens und des Gedränges von Hoffbedienten und Fremden, so den Hoff zu speisen sehen kommen waren, war so viel“. Nach dem Ende der Tafel hielten sich alle Höflinge noch länger im

198 Arnim, Uffenbach. 199 Ibid., S. 14.

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Stehen trinkend am Hof auf und „lieffen […] noch ziem­lich in denen Gemächern durcheinander her“,200 bis sich die Gesellschaft langsam auflöste und Uffenbach sich wieder nach Hause tragen ließ. Ein Lebensmittel der Luxusküche fehlte nie: Zucker. „Der ‚Zauberstoff‘ gehörte zu jeder Mahlzeit bei Hofe: weiß oder gefärbt, gesponnen oder geblasen, zu Marzipan, Konfekt, Kuchen oder figür­lichen Ausformungen gearbeitet. So genannte Schaugerichte mit Figuren, Aufbauten und Kulissen aus Zucker bzw. dem gehärteten Pflanzenschleim Tragant [waren] prachtvoll anzusehen, aber nicht wirk­lich genießbar.“201

Die Bedeutung süßer Gerichte zeigt sich am Personal der Dresdener Hofkonditorei, die 1753 allein 35 Angestellte hatte. Die große Vorliebe des Barock galt dem Gugelhupf, von dem sich mehrere Kuchenformen in Mon Plaisir befinden. Der Gugelhupf galt „als der Allzweckkuchen schlechthin“. Im Gegensatz zu den Blechkuchen galt er als hoher und fest­licher Kuchen. Ein Nürnberger Kochbuch von 1691 enthielt folgendes Rezept: „Einen Gogelhopffen zu bacen […]. Man nimmt zehen Loth [~ 175 g] Schmalz / rühret dasselbe in einer Schüssel wohl ab […] schläget und rühret hernach drey gantze Eyer und zwey Dottern […] giesst ein halb Seidlein [~ o,17 l] / oder viertel-Maas Heffen / und ein wenig mehr Milch dazu / saltzet / und rühret drey Seidlein [~ 1 l] / oder anderhalbe Maas schönes Mehl darunter / schläget den Teig glatt ab / biß er so fest wird / daß der Löffel darin steht; schüttet ein zerlassenes Schmalz in das Becken oder Geschirr, darinnen man ihn backen will / und den Teig darein / setzet selbiges an ein warmes Ort / biß er ziem­ lich aufgehet; thut ihn hernach in das Oefelein / und last ihn backen / biß er fertig ist.“202

In seiner ehemaligen Vollständigkeit beinhaltete Mon Plaisir sicher auch Beispiele für aufwändigen Tafelschmuck, der aus essbarem Schauessen oder nichtessbaren Schaugerichten aus Wachs oder Stroh bestand und Pflanzen und Tiere oder ganze Landschaften mit Figürchen und Häusern darstellte, der je nach Machart nur als Augenlust oder eben als Dessert diente.203 Die Schaudekoration sollte „dem B ­ ancket 200 201 202 203

Ibid., S. 16. Krauß, Irene (1999): Chronik bildschöner Backwerke. Stuttgart, S. 51. Ibid., S. 88 f. Andressen (2001), Tafelfreuden; Vgl. Sulzer, Alain Claude (Hg.) (2006): Vorlesungen über die Eßkunst. Frankfurt/Main [ND der 2. Ausg. von Antonius Anthus, Leipzig 1881].

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Abb. 155: Mon Plaisir, Auguste Dorotheas Vorliebe für Süßes. Herzkuchenform (Gugelhupf und Eisförmchen, ohne Abbildung)

einen Ruhm, und den Anwesenden kluges Nachsinnen verursachen“.204 Die ephemere Tischkunst aus Zucker und Marzipan erlangte repräsentative Bedeutung. So wurde die Konfekttafel bei der Hochzeit von Herzog Wilhelm von Jü­lich-Cleve im Düsseldorfer Schloss um Mitternacht präsentiert mit „Felsen und Bergen, Bächen, Flüssen, Häuser[n] und Schlösser[n], Tiere[n] und Menagerien, Hecken und Gehölze[n], des weiteren allegorische[n] und heraldische[n] Kompositionen“.205

204 Glorez, Andreas (1701): Vollständige Hauß- und Landbibliothec. Regensburg, zitiert nach: Andressen, Augenlust, S. 21; Florinus berichtete von einem Schauessen bei der Vermählung des dänischen Königs Friedrich IV., dort waren im Rittersaal Tribünen für die Zuschauer aufgebaut und die Tische des Königs im Rittersaal waren an einen künst­lichen Kanal gebaut, worauf während des Festes Schiffe fuhren, Kanonen abgefeuert wurden, ein ­Theater stattfand und das Konfekt über eine Mechanik plötz­lich am Rand des Teichs erschien. Florinus (1719), Bd. I, S. 134. 205 Andressen, S. 52. Vgl. Franz von Hohenberg „Mitternächt­liche Konfekttafel eines fürst­ lichen Hochzeitessens in Düsseldorf“ (1585), Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum.

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Mon Plaisir als Spiegel eines Fürstinnenlebens

Ab 1710 wurde der essbare oder zumindest vergäng­liche Tafelschmuck langsam in das Medium Porzellan überführt. Die Desserttafel des Rokoko bestand in einer Spiegelplatte, darauf niedrige Hecken, farbiger Sand oder Zuckerperlen und lose Porzellanblüten.206 Auch noch gegen Ende des 18. Jahrhunderts zählte man den am Hof gut bezahlten Konditor, der die Zuckerwerke herstellte, zu den Künstlern.207 Zu der luxuriösen Esskultur gehörten oftmals mit großem finanziellen Aufwand verbundene, funktionsgebundene Prachtgegenstände. Die Lavabogarnitur mit Kanne und Becken (Abb. 4, S. 42) diente dem ranghöchsten Tafelmitglied zum Reinigen der Hände vor und nach dem Mahl. Stufenartige Kredenzmöbel oder Buffets präsentierten die höfischen Preziosen. Mit Edelmetall gefasste Bezoarsteine (Gewölle aus Tiermägen) sollten vor Vergiftungen schützen. Die gleiche Funktion hatte das Horn des Rhinozeros, das in Schalen oder Pokalen zum Testen des Getränks bereitstand. Kredenzen und Kredenzplatten mit und ohne Fuß mit Deckelgläsern standen in der Nähe der Tafel bereit und wurden auf Handzeichen gefüllt und bedeckt zum Tisch getragen. Ovale Gläserkühler machten das Temperieren der Gläser in Eiswasser mög­lich. Kostbare Tischbrunnen vermischten zur Freude der Gäste Wasser und Wein zum Verzehr. Essen in all seinen verschiedenen Erscheinungsformen zählte zu den bedeutsamsten täg­lichen oder sich regelmäßig wiederholenden Handlungen, an denen sich das Sozialgefüge des Hofes ausrichtete und die Hierarchien visuell und am eigenen Leib erfahrbar bestätigt wurden. Auguste Dorotheas Vorlieben und ihr beacht­licher Konsum von Nahrungsmitteln, der sich unter anderem in der hohen wöchent­lichen Summe niederschlug, die sie für den Unterhalt ihres Gefolges veranschlagte, waren daher nicht ungewöhn­lich. Auch wenn der Arnstädter Hof oder gar die Augustenburg dem Braunschweig-­ Lüneburg’schen in Wolfenbüttel kaum ebenbürtig in Rang und Einfluss war, kann davon ausgegangen werden, dass es sich dort zumindest so ähn­lich verhielt; vielleicht in geringerer Frequenz, vielleicht mit weniger Höflingen und weniger staunendem Volk. Es ist aber ebenso wahrschein­lich, dass nicht die Frequenz und Anzahl der Audienzen und Höflinge differierten, ­sondern deren soziales Niveau. Diese Termine waren für die Fürstin ein regelmäßiges Pf­lichtprogramm, das sie zu absolvieren hatte, sie waren Teil ihrer Aufgaben als Landesherrin.

206 Ibid., S. 53. 207 Hartwig, Otto Ludwig (1774): P. N. Sprengels Handwerke und Künste in Tabellen. Berlin, nach Krauß (1999), S. 60.

Fürst­liche Vergnügungen 

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7.7 Fürstliche Vergnügungen

Der Schwerpunkt der höfischen Darstellungen in Mon Plaisir liegt auf den fürst­ lichen Vergnügungen, die in der barocken Traktatliteratur legitimiert waren als Gegengewicht zur anstrengenden Regierungstätigkeit: „Wer die Größe der Regierungs-last wohl erweget, wird leicht gestehen müssen, das grosser Herren Conditionen […] eine vergnügte Stunde machen müssen, damit sich die Kräfte des Gemüths wieder erholen und die vorstehende Arbeit desto nachdrück­licher angreiffen und überwältigen können.“ 208

Die Art und Weise der rekreativen Ablenkung und vor allem ihr Ausmaß wurden kritisch beobachtet und als potenzielle Gefahr für das Wohlergehen des Staates betrachtet: „Allein da die Sache überhaupt denen Regenten und Landes-herren nicht kan abgesprochen werden, so ist doch dieses ein solch delikates Wesen, welches leicht einen Flecken der Unanständigkeit […] bekommen kan, wann man es nicht in gewisse Schranken einschließet. Der Excess davon ist ein […] Verderben des gantzen Landes“.209

Die „Plaisirs und Ergötz­lichkeiten“ wurden unterteilt in solche, „so das Gemüthe und den Verstand vergnügen“, andere, die der „Übungen des Leibes, wo man vornehm­lich dessen Geschick­lichkeit sehen lässt“, dienten, und letztens „in solche Plaisirs, welche bloß zum Zeitvertreib angestellet sind“.210 Unter „Gemüts­ ergötzung“ verstand man die Einrichtung von Bibliotheken „welche zu des gantzen Landes nutzen angeleget sind, worinne vornehm­lich auf rare Codices und Manuscripta gesehen wird, deßgleichen auf solche kostbare Wercke, die ein Privatus nicht anschaffen kan. […] Zu Anlegung einer solchen Bibliothec muß vornehm­lich ein gelehrter Bibliothecarius ausgesuchet werden […]. Neben der großen Bibliothec pfleget ein Prinz eine Hand-Bibliothec zu haben.“ Florinus zählte die Bibliotheken in Wolfenbüttel und Gotha zu den berühmtesten in Deutschland.211

208 Florinus (1719), Bd. I, S. 126. 209 Ibid. 210 Ibid., S. 128. 211 Ibid.

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Abb. 156: Mon Plaisir, Bibliothek mit Hausherr

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7.7.1 Bibliothek

Die Bibliothek des Mon Plaisir hatte ehemals den dreifachen Raum der heutigen Inszenierung inne. In einer Stube sitzt eine Figurine in seidenem Hausmantel und Hausmütze auf einem Hochlehnstuhl an einem Schreibtisch. An der Rückwand des Raumes befindet sich ein Bücherregal. Die Gegenstandsbereiche seiner geistigen Betätigung werden durch die Attribute des Raumes charakterisiert. Die Miniaturbücher befassen sich mit Religion, Geschichte und Genealogie,212 an der Wand hängen Landkarten als Platzhalter für Geografie, das Skelett verweist auf die Beschäftigung mit der Medizin, und der Totenschädel (Memento mori) auf dem Tisch deutet auf die philosophische Grundhaltung des barocken Menschen hin, dem zufolge alles irdische Streben vergäng­lich ist. Hier ist vermut­lich sowohl die Schwarzburger Staatsbibliothek als auch die fürst­liche Handbibliothek in Abbreviatur gezeigt. Referenzpunkt kann sowohl die Arnstädter als auch die Augustenburger Schlossbibliothek gewesen sein. Eventuell ist in dieser Szene der am franzö­sischen Hof aufgrund konfessioneller Differenzen in Ungnade gefallene und seitdem in Arnstadt tätige, berühmte Münzenspezialist Andreas Morelli aus Bern oder aber der Graf selbst dargestellt.213 Neben den Bibliotheken gehörte das Sammlungswesen zum programma­tischen Entwurf eines idealen Divertissements, unter anderem auch von antiken Münzsammlungen, von denen Florinus sogar konkret die Arnstädter Sammlung nennt. Das „gothaische Müntz-Cabinet gehörte vor[her] dem Fürsten von Schwartz­burgArnstadt und ist eines der größten von Europa“.214 Vermut­lich enthielt Mon Plaisir ehemals echte Münzen und Medaillen, die aber aufgrund ihres Materialwerts aus der Sammlung entfernt wurden. Geblieben sind zwei Prägestöcke für Medaillen, die sich heute in der Kunstkammer befinden. Antike Sammelobjekte besaß das Fürstenpaar in Arnstadt nur in geringem Maße im Vergleich zur Gesamtsammlung, näm­lich „verschiedenen Fibula und alte römische Ringe“215 sowie zwei „römische Lampe[n]“, des Weiteren verschiedene römische Instrumente, von denen die meisten kaputt waren.216 Die Ringe und die Lampen wurden später von Auguste Dorothea im Rahmen der Erbauseinandersetzung beansprucht. 212 Vgl. Meiland (1960). 213 Mulsow, Martin (2012): Prekäres Wissen. Eine andere Ideengeschichte der Frühen Neuzeit. Berlin, S. 358 ff. 214 Florinus (1719), Bd. I, S. 128. 215 ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. II, 40. 216 Ibid., 41.

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7.7.2 Alchemie und Apotheke

Zu den fürst­lichen Divertissements zählte Florinus auch die alchemistischen Laboratorien und erwähnt wieder konkret das Labor zu Arnstadt, wenngleich er sich kritisch äußert gegenüber dem Versuch, Gold herstellen zu wollen.217 Anton ­Günther unterhielt in Arnstadt mehrere Laboratorien an unterschied­ lichen Standorten, deren Ausstattung sich im Inventar des Schlosses 1717 findet.218 Die Ausstattung der verschiedenen Laborstandorte war sehr reichhaltig und bezeugt die Ernsthaftigkeit der Bemühungen und die Standesangemessenheit der Beschäftigung.219 Die Instrumente in der Darstellung der fürst­lichen Apotheke sind denen in den Laboratorien ähn­lich oder identisch. Die Verfahren zur Herstellung von Substanzen ähnelten sich ebenfalls. Durch Zerreiben mit Hilfe von Mörsern, Erhitzen, Verdunsten und Niederschlag sowie Pressen gewann man Essenzen, Heilmittel oder Grundstoffe für weitere Experimente. Die Apotheke ist angefüllt mit Retorten, Destillierhelmen, Dreifüßen, Kolben, Reagenzgläsern, Pflanzenpressen und Feinwaagen. Der Unterschied zwischen Apotheke und Labor bestand in der Verwendung unterschied­licher Ausgangsstoffe und dem gewünschten Produkt. Im einen Fall handelte es sich dabei um Heilstoffe oder Süßigkeiten, im anderen versuchte man unter anderem Gold herzustellen. Die Beschriftung der Aufbewahrungsgefäße in Mon Plaisir macht deut­lich, dass hier primär die Funktion der Apotheke intendiert ist, die damit auf die Aufgabe der Hausmutter in der Krankenversorgung hindeutet.220

217 Florinus (1719), Bd. I, S. 128. 218 Viel Geld scheint in seine „Laboratorien“ geflossen zu sein. Ein großer Posten an Briefschaften, die bei Anton Günthers Tod in seinen Gemächern gefunden wurden, befasst sich mit „Chymie und Laboratorien“. Anton Günther scheint ein gemeinschaft­liches Laboratorium mit der Hofmeisterin Frau von Hoym betrieben zu haben. Weitere 32 Posten (nicht Einzelbriefe) zeigen das große Interesse des Grafen an Chemie. Unter den „Laboranten“ befinden sich wenige Adelige, z. B. Baron Bechini, Baron von Wildeck. Der nächste große Sachposten bezieht sich auf den Bergbau, Edelmetall-, Allaun-, Virtriol- und Salzabbau. ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. II, 28 – 30. 219 Ibid., 83 und 106 – 112. 220 Günster, Susanne; Hartmann, F. (1985): Die Aufgaben der Hausmutter in der Gesundheitsfürsorge und Krankenbetreuung. Eine medizinhistorische Untersuchung der deutschsprachigen Hausväter-/Hausmütterliteratur der Frühen Neuzeit. Hannover; Hartmann, Fritz (1983): Hausvater und Hausmutter als Hausarzt in der Frühen Neuzeit. Hausgewalt und Gesundheitsfürsorge. In: Staat und Gesellschaft in Mittelalter und früher Neuzeit . Göttingen, S. 151 – 175.

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Abb. 157: Mon Plaisir, Apotheke

Abb. 158: Mon Plaisir, Apotheke, Helmkolben auf Dreifuß und gläserne Aufbewahrungsgefäße mit „Riederschlag Pulver“ und „Pommeranzen Blüten“

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7.7.3 Sammeln

Zur standesgemäßen Sammlung gehörte neben der Bibliothek und der Münzsammlung eine Naturalienkammer, die all das enthielt, „so die Natur in allen Ländern rares vorgebracht. Ein Fürst soll sich vornehm­lich bemühen, damit dasjenige, so in seinem Lande zu finden, gesammelt werde.“221 Mit an Sicherheit grenzender Wahrschein­lichkeit besaß Auguste Dorothea auf Schloss Augustenburg ebenfalls eine – heute verlorene – begrenzte Naturaliensammlung aus Fundstücken ihres Territoriums, die entweder im räum­lichen Kontext des Mon Plaisir oder direkt in den Kästen integriert waren. Die Arnstädter Sammlung enthielt beim Tod des Fürsten et­liche gefasste und ungefasste Naturalia. Die populärste und zugleich bedeutendste Sammlungssparte war die enzyklopädisch angelegte Kunstkammer. „Die Kunst-Cammern legt ein Fürst nicht allein deswegen an, sein Gemüthe an denen auswärtigen Kunststücken zu weiden, sondern auch daß er denen Künstlern seines Landes durch deren Vorlegung desto mehr Begierde der Nachahmung beybringet. Wo sie selbst etwas Vortreff­liches verfertiget, wird es zu ihrem Ruhm hinein gestellet, andere desto mehr aufzumuntern“.222

Von den vielen Funktionen, die eine Kunstkammer hatte, erwähnt Florinus hier nur die Funktion als Ideengeber und Modernisierungsvorbild für die Untertanen und als Ausstellungsort für die künstlerischen oder handwerk­lichen Produkte des eigenen Landes. Die Kunstkammer von Schloss Arnstadt war hingegen voll ausdifferenziert und beinhaltete Exponate aller klas­sischen Sammlungsbereiche und -arten von Kokosnuss und Nilpferdzahn über Muscheln bis hin zur Camera obscura.223 Die Kunstkammer des Mon Plaisir erinnert in ihrer heutigen Inszenierung eher an eine Gemäldegalerie mit einigen wenigen Elementen der Kunstkammer. An den ungegliederten weißen Wänden hängen Ölgemälde mit bib­lischen Sujets oder Histo­rien, Blumenstillleben, die sich auch sonst mehrfach finden, Portraitmedaillons aus Gips mit dem Brustbildrelief der Herzogin, Ölportraits von Hunden (Mops) und einem Papagei sowie ein Madonnen-Tondo aus Wachs. 221 Florinus (1719), Bd. I, S. 128. 222 Ibid., S. 129. 223 Unter IV verzeichnete das Inventar von Schloss Neideck vom 5.6.1717 „Curiosa, Artificiosa und Naturalia“, die sich auf Schloss Neideck befanden. ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. II, 18 – 43.

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Abb. 159: Mon Plaisir, Kunstkammer Abb. 160: Mon Plaisir, Kunstkammer, Elfenbeindrechselei

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Der Sammlungsraum wird komplettiert durch Konsoltische, chine­sische Miniaturschnitzereien aus Holz und Jade, Intarsienkästchen, einem Lacktisch und kleinen Bleifigürchen. Die einzigen wirk­lichen Kunstkammer­objekte aufgrund ihrer Kuriosität und Materialart und -mischung sind die gedrechselten Miniaturelfenbeine, wie man sie in allen Kunstkammern fand, und das ungewöhn­liche und kunstvoll aus unterschied­lichen Holzarten ausgeführte Memento mori eines GekreuzigAbb. 161: Mon Plaisir, Kunstkammer, Miniaturten, dessen Leidenswerkzeug sich über gemälde eines Mopshunds auf blauem Samtkissen einem Schädelknochen erhebt. Die Darmit Knochen stellung der Kunstkammer schließt also nicht an die vorhandenen Exponate der Arnstädter Sammlung an, die teilweise auf die Augustenburg gelangt waren, sondern greift auf ein eigenes Ausstellungskonzept oder ein persön­liches Sammlungsinteresse zurück, in dessen Zentrum Gemälde und keine Kuriositäten standen. Kurios aufgrund des Miniaturformats, aber nicht grundsätz­lich ungewöhn­lich ist die Darstellung der Haustiere. Sowohl die Haltung von Papageien als auch von Hunden und ganz besonders Mopshunden war ein exotisches und üb­liches Pläsier, das der Bewunderung der chine­sischen Kultur entsprang.224 Die vermeint­lichen Lieblingstiere – hier der exotische Mops aus China mit Knochen auf einem blauen Samtkissen – wurden entweder bereits zu ihren Lebzeiten oder erst nach ihrem Dahinscheiden zur Erinnerung portraitiert und vervollständigten das Bild, das die Herzogin von sich selbst zeichnete.225 Heute sitzt bei zwei Auguste ­Dorothea-Figurinen je ein Hündchen auf ihrem Schoß oder steht neben der Figurine und beschreibt damit die Praxis der Damen, ihre Hündchen tatsäch­lich als Schoßhündchen bei sich 224 Foerster, Rolf Hellmut (1981): Das Barock-Schloß. Geschichte und Architektur. Köln, S. 157. 225 Von Haustieren des Hochadels wurden mitunter sogar überlebensgroße Bronzen angefertigt, so vom Hund des Langrafen Moritz von Hessen Kassel im frühen 17. Jahrhundert. Schmidberger, Ekkehard; Richter, Thomas (Hg.) (2001): SchatzKunst 800 bis 1800: Kunsthandwerk und Plastik der Staat­lichen Museen Kassel im Hes­sischen Landesmuseum Kassel. Kassel, S. 164.

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zu haben. Das Gassi-Gehen besorgte das Dienstpersonal im Lustgarten. Welchem „tierischen“ Vergnügen man sich zuwendete, war jedoch von großer Beliebigkeit: Während ­Heinrich III. sich einhundert Bologneser-Hündchen hielt, ließ eine Prinzessin Teiche vor ihrem Fenster anlegen, weil sie das Quaken der Frösche erfreute.226 Ein weiterer Gegenstandsbereich der fürst­lich-repräsentativen Sammlungs­ tätigkeit eröffnete sich ab dem letzten Drittel des 17. Jahrhunderts mit Majolika, importierten Porzellanen und europäischen Nachbildungen. „Erst vor wenig Jahren hat man angefangen Cabinets von Majolica zu sammeln, welches Wort unter den Curiosen vor dem fast unbekant war. Es gehört aber die Majolica bil­ lich zur Mahlerey […]. Der Ursprung der Majolica kommt daher: als vor 200 Jahren der sine­sische Porcellan in Europa bekant wurde […] nunmehro fängt man an die alten Stücke davon mit großen Kosten aufzusuchen und gantze Cabinets davon zu sammeln, wovon der Hertzog von Wolffenbüttel das aller vollkommenste besitzet. Der Majolica muß ich die Porcellan-Cammer beyfügen, wie wohl sie nicht eben zu denen Gemüths Ergötz­lichkeiten gehören, doch da der Porcellan zu dem Majolica Anlaß gegeben, so mag auch dieses jenen wiederum einen Platz bereiten. Fast in einen jeden Hauße findet man jetzt einen Aufputz von Porcellan, also ist sich nicht zu verwundern, wann auch große Herren gantze Collectiones davon machen. Es ist aber mehr eine Sammlung des Fürst­ lichen Frauenzimmers.“227

Die Porzellanmode war mit dem Bau des Trianon de Porcelaine durch Louis Le Vau 1670 unter Ludwig XIV. als breites Phänomen entfacht worden.228 Die frühesten deutschen Porzellansammlungen befanden sich im brandenbur­gischpreußischen Schloss Oranienburg ab Mitte der 1660er Jahre.229 In Thüringen zeigten vor allem Landes­herrinnen auf ihren Lustschlössern Porzellansammlungen.230Auguste ­Dorothea führte diesen Sammlungstypus in Thüringen ein. Mit ihrer umfangreichen Porzellan, Fayence- und Majolikasammlung befand sich Auguste Dorothea demnach voll im Trend und in der Tradition ihres Herkunftshauses. Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt, besaß das Porzellankabinett des Mon Plaisir einen lebenswelt­lichen Referenzpunkt im Lustschloss 226 Florinus (1719), Bd. I, S. 127. 227 Ibid., S. 129. 228 Foerster (1981), S. 154. 229 Scheidt, Helga (2009): Ein Kleinod des Schloßmuseums Arnstadt. Das Porzellankabinett im Neuen Palais. In: Thüringer Museumshefte, Bd. 18/2, S. 7 – 10, S. 7. 230 Laß (2006), S. 66.

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Abb. 162: Mon Plaisir, Porzellankabinett, Gesamtansicht

Abb. 163: Mon Plaisir, Porzellankabinett, Detail Frieszone

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der Herzogin. Das Porzellankabinett in Miniatur gehört zu den prachtvollsten Räumen der Puppenstadt und zeigt dem hochrepräsentativen Charakter des Raums entsprechend einen komplexen Wandaufbau. Über einer Lambriezone mit goldgefasstem, stukkiertem Girlandenschmuck erstrecken sich über zwei Drittel der Wand verspiegelte Flächen, zwischen welchen sich Porzellane auf einzelnen Widerlagen (kleine Wandkonsolen) auf Pilastern befinden. Darüber leitet ein mehrfach profilierter und hervorspringender Fries zur Decke über, der durch ebenfalls vergoldete korinthische Kapitelle rhythmisiert wird. Rückwandige Fenster beleuchten die Szene und verstärken den optischen Effekt der sich in den Wandspiegeln vervielfachenden Porzellane. Die Präsentationsform der Porzellane auf Etageren vor Spiegeln könnte dabei ein neues Konzept aufgegriffen haben, das erstmalig um 1713 in Salzdahlum greifbar wird.231 Mon Plaisir fehlt allerdings die sonst üb­liche überbordende, visuell beeindrucken wollende Fülle an Objekten. Die Größenreduktion machte vermut­lich eine authentische Menge an Exponaten nicht mög­lich, ohne die Wände durch Konsolen quasi zu perforieren. Bei den ausgestellten Fayence- und Porzellanminiaturen handelt es sich teilweise um eigene Erzeugnisse aus der Fayencemanufaktur D ­ orotheental und um chine­sische und japanische Porzellane, die jedoch teilweise in Europa bemalt wurden.232 Der Ausgangspunkt dieser neuen Sammlungssparte war die Begeisterung, die „China und Japan zu einer utopischen Wunschwelt vor allem für Fürsten […] verklärten, die in den fernöst­lichen Ausdrucksformen der Macht und Repräsentation sowie im Luxus eines feudalen Alltagsleben ein Ziel kultureller Nachahmung sahen, um ihrem eigenen Genussstreben, ihrem Machtverlangen und ihrem Repräsentationsanspruch Ausdruck zu verleihen“. Der Hochadel war bereit, „Unsummen für den Erwerb kostbarer Porzellane aus China und Japan, für den Kauf von Seidenstoffen, Lackgegenständen und für andere Spitzenerzeugnisse ostasiatischen Kunsthandwerks auszugeben, um sie in ihre höfische Wohnkultur gleichermaßen als Objekte der Repräsentation und des Vergnügens zu integrieren“.233

231 Scheidt (2009), S. 8. 232 Klein/Müller (1992), S. 4; Meißner Porzellan wurde erstmalig 1710 auf der Leipziger Messe verkauft. Der größte Verkauf fand zwischen 1725 und 1735 statt. Czok (1999), S. 184. 233 Vogel, Gerd-Helge (2010): Die Anfänge chinoiser Architekturen in Deutschland: Prototypen und ihr soziokultureller Hintergrund. In: We­lich, Dirk (Hg.) (2010): China in Schloss und Garten, S. 13 – 30, S. 13 und 15.

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Mon Plaisir als Spiegel eines Fürstinnenlebens

Abb. 164: Mon Plaisir, Tabakskollegium, rauchende Herren

7.7.4 Billard „Das Ball-Ballan- und Billiard-Spiel gehöret ohnfehlbar unter die geschickten Übungen und Ergötz­lichkeiten eines Printzen“.234

Neben den alltäg­lichen oder kontinuier­lichen „Vergnügungen des Gemüths“, zu denen auch das Gespräch bei Tisch gehörte, fanden ebenfalls entweder täg­lich oder in regelmäßigen Abständen „Vergnügungen des Leibes“ statt. Für ­Prinzen stand hier Fechten, Schießen und Exerzieren auf dem Plan.235Und auch das ­Billardspiel war Männern vorbehalten.

234 Ibid. 235 Florinus (1719), Bd. I, S. 132.

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Abb. 165: Mon Plaisir, Tabakskollegium, Billard

Das Herrenzimmer von Mon Plaisir hat eine sch­lichte weiße Wand, einen einfachen Kamin und Vorhänge aus schwerem, grobem Filzstoff. Über dem Kamin hängt ein Gemälde eines Dudelsackspielers, vielleicht als Verweis auf die in diesem Raum üb­liche musika­lische Untermalung. An den Wänden hängen Landkarten, Wandleuchter und Pfeifenhalter. In der linken Hälfte des Raums befinden sich ein Eckschrank und ein Spieltisch mit Stühlen. Die rechte Hälfte der Szene wird von einem Billardtisch mit grüner Filzbespannung eingenommen. Die weiteren Ausstattungsgegenstände – Gläser, Flaschen, Spielkarten – belegen die Tätigkeiten und Interessen der Kavaliere in diesem Raum. Man trank, man rauchte, man spielte, man sprach über Politik. Die meist prachtvoll gekleideten Figurinen sind um den Spieltisch oder den Billardtisch herum lose gruppiert.

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7.7.5 Reiten

Das Reiten gehörte zu den sportlichen Vergnügungen beider Geschlechter. „Das Reiten kann man eines Fürsten stetes und immerwehrendes Vergnügen und Exercitium nennen.“ Auch die Damen bei Hof würden „als Amazoninnen gekleidet, zu Pferde sitzen, die Schulen der Reitbahn machen, und mit auf die Jagd reiten“.236 Als Prinzessin war Auguste sicher­lich auf der elter­lichen Reitbahn geschult ­worden. Sowohl das oft besuchte Salzdahlum als auch Schloss Arnstadt verfügten über eine Reitbahn oder eine Reithalle und im fürst­lichen Stall zu Arnstadt standen neben Nutzpferden und den 17 Gespannpferden drei Wallache, die zum Reiten bestimmt waren.237 In der Reitbahn fanden auch unterschied­liche Turniere statt. Damit waren Rossballette, so genannte Quardrillien, Wettrennen oder Geschick­lichkeitsspiele gemeint wie Ringstechen, die gerne nachts in beleuchteten Reithallen statt­fanden. Bei diesen Spielen schauten die Damen allerdings zu. Fanden diese Spiele verkleidet statt, „mit aufgeführten Inventionen, Maschinen und Triumph-Wägen, so wird es ein Carrousell genennet“.238 Zu den regelmäßigen Vergnügungen mit und ohne Pferd gehörte die Jagd.239 Gejagt wurden Rotwild, Dammwild, Füchse, Wölfe, Bären, Hasen und Federvieh aller Art, und zwar je nach Tier mit unterschied­lichen Methoden und Risiko. Die Jagd war eine Männerdomäne, die Frauen aber nicht grundsätz­lich verschlossen war. Das höfische Jagen zum reinen Vergnügen wurde mindestens seit dem ausgehenden Mittelalter zum Kanon herrschaft­licher Beschäftigung gezählt, aber zugleich auch kritisch hinterfragt: „Daß diese Plaisir von einigen, einem Fürsten als eine nothwendige Sache ausgeleget werde, und das man diese gleichsam vor faul und untaug­lich halte, der nicht am Jagen sein Vergnügen findet“, hielt ­Florinus für ungut.240

236 237 238 239

Ibid., S. 133. ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. II, 51. Florinus (1719), Bd. I, S. 133. Berswordt-Wallrabe, Kornelia von (Hg.) (2000): „Jagd, welch fürst­liches Vergnügen.“ Höfische Jagd im 18. und 19. Jahrhundert. Schwerin; Ausstellungskatalog Schwetzingen (1999): Die Lust am Jagen. Jagdsitten und Jagdfeste am kurpfälzischen Hof im 18. Jahrhundert. Ubstadt-Weiher; Martini, Wolfram (2000): Die Jagd der Eliten in den Erinnerungskulturen von der Antike bis in die Frühe Neuzeit. Göttingen. 240 Florinus (1719), Bd. I, S. 134; Vgl. die Abb. in Florinus zur Treibjagd mit Meute; Jagd mit Netzen (Lappen); Jagd mit Schlingen; Ibid., Bd. II, S. 165, 175, 220 und 357.

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Abb. 166: Mon Plaisir, Jagd mit Jagdgefolge

7.7.6 Jagd

Die Jagd des Mon Plaisir findet in offener Landschaft statt. Der Fürst mit seiner Jagdgesellschaft und Gehilfen ist zu Fuß auf der Pirsch. Im gemalten Hintergrund sieht man Hirsche und Rehe auf einer Lichtung springen, während die Jäger im baumbestandenen Vordergrund stehen. Während ein Hirsch bereits mit einer Schusswunde erlegt am Boden liegt, befinden sich weitere Hirsche, Gemsen und Wildschweinfrischlinge in unmittelbarer Nähe der Jäger.241 Die Begeisterung für das Jagen führte in vielen Territorien zum Bau separater Jagdschlösser in wildreichen

241 Die Darstellung der Gemsen, falls sie ehemals in dieser Szene standen, könnte sich ebenfalls auf einen bestimmten Jagdausflug, z. B. im Alpenraum beziehen.

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Lagen.242 Das Jagdrecht war ein fürst­liches Privileg. Im Inventar des Arnstädter Schlosses befanden sich viele Jagdutensilien, wie zum Beispiel Wolfsnetze, Hasennetze, Jagdtücher und Transportschlitten.243Die Jagdsaison begann im Frühling und währte bis in den Herbst hinein, während man im Winter, den man in der Residenz verbrachte, weniger jagte. Am Wiener Hof wurde die Jagd im März mit dem Fuchsprellen eröffnet, im April folgte die Reiherbeize, im Juni schoss man beim Aufenthalt im Lustschloss auf Ziele, im Juli folgte die Hirschjagd, die man unter anderem in ein geschlossenes Areal vor eine Tribüne trieb und sie dort zum Vergnügen und Schaudern der Zuschauenden schoss.244 Im August variierte man die Jagd, indem man die Tiere in den Fluss trieb und sie dort abschoss. Ebenso existierte die in Frankreich beliebte Parforcejagd, bei der man mit Hunden im offenen Gelände ohne sicheren Erfolg jagte.245 Ein besonderes Vergnügen stellte die kontrollierte Tötung von Bären in Schaugehegen dar, nachdem man ihnen beim Kampf mit anderen Tieren zugesehen hatte.246 Bären gab es noch bis Mitte des 18. Jahrhunderts im Raum der Oberherrschaft, allerdings sind wenig erlegte Bären bekannt.247 „Bereits aus dem 16. Jahrhundert liegen Nachrichten vor, daß in Mitteldeutschland gezähmte Bären zur Schau herumgeführt wurden, und der im Bärengarten oder Bärenzwingern 242 Zu Schwarzburg siehe Bärnighausen (1990), S. 11. 243 „Jagdzeug bey der Hofjägerey: 13 Tücher, 12 Garn, 12 Tuchlappen, 33 Haasen Garn, 10 Bund Federn zu welchen insgesamt 4 Wagen und 4 Böcke vorhanden, 4 […] Klebgarne, 1 Linie darzu, Pfahleisen und [Forteln], 2 Chüreßen, 6 alte [Flick]garne, 2 Vogel Wände. In [Schloss] Keula: Was aus der Erbvertheilung anno 1682 zu Sondershausen dorthin gebracht worden, 2 alte hohe Netze so 300 Schritte stellen, 1 […] hohes Jagdtuch, stellt 100 Schritt ist noch in gutem Stande, 8 alte hohe Jagdtücher stellet jedes 100 Schritt […], 4 alte schnelle Tücher […], 14 […] Lappen, 11 Wolff Netze, 30 Haasen Netze so alt […], 2 Zeug Wagen u. 5 Zeug Schlitten, 2 Pfahleisen, 13 hohe Jagdtücher, stellt jedes 120 Schritt, 6 Bund Tuchlappen ao 1692, 10 Haasen netze ao 1692, 2 Zeugwagen 1687 u. 1688, 3 was der jetzige Herr Oberförster daselbst verfertigen lassen […] biß 1715, 12 schmahle Jagd­tücher worunter 4 jedes 120, 6 stück jedes 130 u. 2 Stück jedes 140 Schritte stellen, 15 Bund Federlappen, 1 neuer Zeugwagen, 2 Zeugschlitten“. ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. II, 115 f. 244 Biller, Thomas; Großmann, Georg Ulrich (2002): Burg und Schloss. Der Adelssitz im deutschsprachigen Raum. Darmstadt, S. 38. 245 Duindam, Jeroen Frans Jozef (2003): Vienna and Versailles: The Courts of Europe’s D ­ ynastic Rivals, 1550 – 1780. Cambridge, S. 147 f. 246 Vgl. die Abb. des Bärengeheges in Florinus (1719), II, S. 276. 247 Einer wurde 1686 in Gotha geschossen, ein anderer in der Nähe von Arnstadt 1671 und der letzte 1765 bei Rudolstadt. Irmisch (1906), S. 76 f.

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Abb. 167: Mon Plaisir, Corps de Logis I, Bärenführer

gehaltenen Bären bediente man sich zu dem grausamen Vergnügen der Bärenhetzen.“248 Von der Praxis, Bären zu zähmen und gegen Entgelt zum Vergnügen vorzuführen, erzählt die Szene des Bärenführers. Zwei Bären, von denen einer durch einen Nasenring an einer Kette geführt wird, tanzen zu Dudelsackmusik. Der Bären­ führer diktiert die Bären mit einem Dompteurstock. Um Bären gefügig zu machen, blendete man sie als Jungtiere und brachte ihnen durch gezielte Schmerzreize Tricks bei. Bei dieser Art des höfischen Vergnügens reduzierte sich die Teilnahme von Frauen auf das passive Betrachten.

248 Ibid., S. 77.

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7.7.7 Tanzen

Zu den körper­lichen Vergnügungen, bei denen sowohl Männer als auch Frauen gemeinsam teilnahmen, gehörte das Tanzen, das auch Herrschaftssymbolik enthalten konnte.249 Im Rahmen von Bällen zum Beispiel an Galatagen versammelten sich der Hof und der umliegende Adel sowie geladene Gäste zu Reihen, Gruppen- oder Paartänzen. „Die Bälle sind solche Zusammenkünffte, wo die Dames und Cavaliers, entweder Franzö­sisch oder Teutsch, Eng­lisch oder Polnisch tantzen. Dann diese 4. Arten des Tantzens pflegen ietzo im Schwange zu gehen.“ Man tanzte Pavanen, Couranten, Quadrillen und Menuetts.250 Eine besondere Art des Tanzes war das Ballett, das Ludwig XIV. hoffähig gemacht hatte. Florinus war jedoch nicht überzeugt, ob die Teilnahme an einem Ballett eine angemessene Vergnügungsform für den Hochadel darstellte: „Ein Ballet aber ist ein Tantz von vielen Personen, der manchmal eine Historie vorstellet, auch öffters in Verkleidungen geschieht. Dieses wird la haute dance genennet“.251 Die Ballszene des Mon Plaisir (Abb. 86, S. 270) findet in einem großen, symmetrisch aufgebauten Raum statt, in dem als zentrales Merkmal ein deckenhoher, holzgefasster Kamin mit Spiegel­ einsätzen prunkt. Von der Decke hängen Kristalllüster und die Wände sind mit venezianischen Spiegeln mit Kerzenhaltern auf einer floral durchwirkten, textilen Wandbespannung versehen, die vermut­lich ehemals einen roten Farbton hatte. Der Ball fand vermut­lich im größten Raum des Schlosses statt. Das Interieur war entsprechend dem Anlass prachtvoll und repräsentativ gehalten. Je nach Rang der teilnehmenden Gäste und dem Wunsch der Gastgeberin variierte der Charakter eines solchen Balles allerdings zwischen intim und zeremoniell.252 Die Szene in Mon Plaisir lässt vermuten, dass nicht alle Gäste tanzten. Am Rand standen Gäste in Unterhaltungen vertieft oder saßen beim Spiel (eher in einem Nebenzimmer). Wie eine solche Einladung vonstatten ging, beschreibt folgender Bericht am Beispiel des Braunschweiger Hofs zur Messezeit:

249 Braun, Rudolf; Gugerli, David (1993): Macht des Tanzes – Tanz der Mächtigen. Hoffeste und Herrschaftszeremoniell 1550 – 1914. München, besonders S. 96 ff. 250 Boehn (1963), S. 233. 251 Florinus (1719), Bd. I, S. 132. 252 Duindam (2003), S. 179; Berns, Jörg Jochen (1984): Die Festkultur der deutschen Höfe zwischen 1580 und 1730: eine Problemskizze in typolo­gischer Absicht. In: ders. (1998): Gesammelte Aufsätze, Bd. II, Marburg, S. 23 – 41.

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„Der Hof ließ alle Morgen Einladungen an alle Personen von Stande aus beiden Geschlechtern ergehen. Gegen Mittag versammelte man sich im Schlosse zur Tafel: die Plätze wurden durch den Oberhofmarschall nach dem Lose, welches die Herren und Damen selbst zogen, vertheilt, um allen Rangstreit zu beseitigen. Abends begab sich die Gesellschaft in die Oper. Nach derselben war Spiel und Souper in den an das Theater anstoßenden Sälen. Nach dem Souper end­lich war Ball, der jedes mal von dem eröffnet wurde, der zu Mittag die erste Nummer gezogen hatte; der Tanz dehnte biß zum lichten Morgen sich aus.“253

7.8 Zeitvertreib „Die dritte Art der Divertissements bey Hofe, bestehet in solchen Sachen, wo weder das Gemüthe, seine nachsinnende Vergnügung, noch der Leib seine geschickte Übung findet, sondern womit allein die Zeit passiret und vertrieben und die Lust erwecket wird.“254

Zu den sch­lichtesten alltäg­lichen Beschäftigungen gehörten das Lesen, das Vorlesen und die Handarbeit, die an ­anderer Stelle ausgeführt wird. Zu den Betätigungen, die dem reinen Zeitvertreib dienten, gehörte das aktive Musizieren oder das passive Musikhören. Musik galt als „eine der angenehmsten Hofvergnügungen“ derer man sich „bey allen Begebenheiten“255 bediente. 7.8.1 Musik

In Mon Plaisir stellt Musik ein zentrales Element des alltäg­lichen Lebens dar, und zwar sowohl im öffent­lich-städtischen Raum als auch bei Hof. In der Bestallungsurkunde für Johann Christoph Bach im Jahr 1671 zum Arnstädter Hofmusiker hieß es, Bach solle „alß ein fleißiger Hof-Musicant Uns jederzeit ufwarthen, insonderheith aber in der ­Kirche jederzeith der Music beywohnen, da zu Hofe uf Unseren Befehl Er neb[s]t anderen oder

253 Vehse (1853), S. 182. 254 Florinus (1719), Bd. I, S. 134. 255 Ibid., S. 135.

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alleyn begehret würde […] und wir angeordnet, daß die Exercitia Musica fleißig getrieben werden sollen“.256

Bach musste sich also jederzeit verfügbar halten und auf Abruf musizieren und „zu unser Ergez­lichkeit sich willig gebrauchen“ lassen,257 also Mahlzeiten und Bälle als Untermalung begleiten oder als Programmpunkt fungieren. Gerne ließ man sich im Garten musizieren oder eine Serenade bei Nacht spielen. Der Arnstädter Hof unterhielt 1680 22 Musiker und 1683 zumindest noch 13.258 Das Hoforchester und auch die Chorknaben bestanden häufig aus auch in anderen Funktionen bei Hofe tätigen Bediensteten. Nur Johann Sebastian Bach war während seiner Zeit in Arnstadt von Nebenämtern befreit.259 Tonsignale von Trompetern übermittelten die Ankunft eines Adeligen oder zeigten bei der offenen Tafel an, dass der Herrscher einen Trank zu sich nahm. Hoftrompeter hatten eine besondere Stellung bei Hofe. „Sie waren Vertrauenspersonen des Grafen und seine Begleiter auf Reisen; auch hatten sie Botschaften münd­lich oder schrift­lich zu überbringen.“260 Das Erlernen eines Instruments gehörte zum adeligen Erziehungskanon für beide Geschlechter. Auguste Dorotheas Herkunftsfamilie war besonders musika­ lisch. Dies erwähnt auch Florinus: „Es sind einige Printzen in Deutschland so curieus gewest, daß sie der Hof-Music wegen, gantze Music-Bibliothequen angeleget, dergleichen bey dem Hertzog zu Braunschweig Wolfenbüttel eine zufinden.“261 Man musizierte selbst in Form einer Hausmusik oder konzertierte vor Publikum. Die Instrumente des Hofes und auch die Art der Literatur unterschieden sich von denen des Volkes. Die Flöte galt als Soloinstrument bei Hofe, dazu kamen Viola, Viola da Gamba, Laute und Spinett. Der so genannte Basso continuo wurde üb­licherweise noch nicht notiert, sondern durch die Tonart festgelegt und

256 Zitiert nach Müller, Karl; Wiegand, Fritz (1957): Arnstädter Bachbuch. Johann Sebastian Bach und seine Verwandten in Arnstadt. Arnstadt, S. 48. 257 Die Besoldung belief sich auf dreißig Gulden, fünf Maß Korn, fünf Maß Gerste, ein halbes Maß Erbsen oder Weizen und vier Klafter Holz. Ibid. 258 Ibid., S. 69 f. 259 Ibid., S. 97. 260 Ibid., S. 71. Nach dem Dienerbesoldungsbuch Kanzlei Arnstadt 56 b bekamen Kapellmeister Drese 106 Gulden jähr­lich, Herthum Trompeter 57 Gulden, Johann Christoph Bach Hofmusicus 20 Gulden, Wentzing, Richard, Künstler, Handwerker, Hofmaler, Kapell­musicus 57 Gulden, und die Chorknaben 10 Gulden. 261 Florinus (1719), Bd. I, S. 135.

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Abb. 168: Mon Plaisir, Corps de Logis II, Kammermusiker

Abb. 169: Mon Plaisir, Corps de Logis I, Notenblätter

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Abb. 170: Mon Plaisir, Spielsalon, Bläserensemble

frei zur Melodiestimme improvisiert. Bei Hofe spielte man „hohe“ Literatur der Hofkomponisten, aber keine Volksweisen. Größere Höfe unterhielten einen hauptamt­lichen Hofmusiker, der selbst Stücke zu lokalen Anlässen komponierte und das Orchester dirigierte, sowie Hofdichter, die passende Texte produzierten. Der Hofdichter Friedrich Christian Bressand (1670 – 1699) sorgte seit 1689 am Wolfenbütteler Hof „für den Beitrag der Sprache zur Repräsentation“ und hatte zusätz­lich die Leitung und Organisation sämt­licher Fest­lichkeiten inne.262

262 Scheliga, Thomas (1994), Kommentar zu Bressand (1694), S. 3.

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Auguste Dorothea als Musikerin und Sängerin

Die Krönung des musika­lischen Divertissements stellte die Oper dar. „Die Opera ist dasjenige, worinnen die Music ihre Vollkommenheit erzeichet, also ist kein Wunder, daß dieses kostbare Vergnügen nunmehro an vielen Höfen gefunden wird.“263 Die zeitgenös­sische Traktatliteratur verstand die Oper als „kleinen Staat“, die damit eine Analogie zum Herrschen herstellte und ein legitimes Divertissment darstellte.264 Herzog Anton Ulrich, ein Bewunderer der italienischen Oper, hatte 1688 ein Operhaus in Wolfenbüttel und 1690 eines in Braunschweig bauen ­lassen.265 Es war üb­lich, dass sich die Mitglieder des Hofes (wenn auch nicht immer ganz freiwillig) an den größeren Aufführungen beteiligten.266 So berichtete Herzog Friedrich am 20. August 1686 von einem Besuch in Wolfenbüttel, während auch Auguste Dorothea und Anton Günther anwesend waren. Man sei abends in die Oper gegangen, in der „die Dames So mitt In der Opera gespiehlet Und Gedantzet hatten“.267 Viele Szenen in Mon Plaisir zeigen Auguste Dorothea beim Musizieren oder Singen (vgl. Abb. 122, S. 316). Die Fürstin war eine begeisterte Musikerin und geübte Vokalsolistin. Bressand widmete Auguste Dorothea mehrere Singspiele.268 In „Penelope“ 1696 verg­lich er die Hauptfigur in der Dedikation mit der Gräfin und nannte sie das „Abbild Ew hochfürst­lichen Vollkommenheit“.269 Bressand 263 264 265 266 267

Florinus (1719), Bd. I, S. 135. Berns (1985), S. 18 beruft sich dabei auf von Rohr. Grote (2005), S. 35 f. Duindam (2003), S. 133. Jacobsen, Tagebücher, Bd. II, S. 459; auch Kaiser Karl VI. dirigierte manchmal selbst Opern­ aufführungen vom Cembalo aus, „um der Kaiserin eine Freude zu machen. Die kleine Maria Theresia mußte auf der Bühne mitsingen.“ Rill, Bernd (1992): Karl VI. Habsburg als barocke Großmacht. Graz, S. 198. 268 Bressand widmete 1693 Anton Günther und Auguste Dorothea ein Libretto, das in Braunschweig zur Aufführung kam. In der Tradition des Fürstenlobs wird das Paar als irdische Sonnen bezeichnet. Der Anlass der Aufführung ist unbekannt, es könnte sich aber um den Jahrestag der Verlobung des Paares gehandelt haben. Bressand, Christian Friedrich (1693): Die Plejades Oder das Sieben-Gestirne: in einem Sing-Spiele auf Dem Braunschwei­gischen Schau-Platze vorgestellet/Dem […] Hn. Anthon Guenthern/[…] Grafen zu Schwartzburg und Hohnstein […] und […] Fr. Augusta Dorothea. Braunschweig. [Komposition von Philipp Heinrich Erlebach]. 269 Bressand, Friedrich Christian [ca. 1696]: Penelope, Oder Des Ulysses Anderer Theil: In einem Sing-Spiele/Auf dem Braunschwei­gischen Schau-Platze vorzustellen; Der […] Fr. Augusta Dorothea/Gebohrner Herzogin zu Braunschweig und Lüneburg […] zugeschrieben. ­Reinhard Keiser (Komposition) (s. l.).

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Abb. 171: Mon Plaisir, Corps de Logis I, Hausmusik und (Kammer-)Konzert mit Laute, Spinett, Traversflöte und Gesang (Abb. 122, S. 316)

erhob damit Auguste Dorothea topisch zum Tugendvorbild. Das Libretto wurde mit Sicherheit in der Gegenwart der Herzogin, aber noch wahrschein­licher unter Beteiligung der ­Herzogin aufgeführt. 7.8.2 Feste

Ende Mai 1694 wurde auf Schloss Salzdahlum ein großes Fest begangen, das einen dreifachen Anlass feierte, näm­lich den 60. Geburtstag der Herzogin, die Vermählung zweier adeliger Paare und die Einweihung der Schlosskapelle (und letzt­lich damit des ganzen Lustschlosses). Die anlassgebundene, panegyrische Hofdichtung Bressands stand nicht nur im Kontext des barocken Gesamtkunstwerks, sondern hatte einen konkreten politischen Kontext. Als eigent­liches Motiv für den Schlossbau, das Fest und dessen gedruckten Verbreitung unter

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den Adelshöfen Norddeutschlands muss der Anspruch Wolfenbüttels auf die neunte Kur gelten, die 1692 an die Calenberger Linie der Welfen in Hannover vergeben worden war.270 Das Fest an sich war als barockes Gesamtkunstwerk konzipiert, in dem die verschiedenen Künste zusammenspielten und das auch für die Gäste festgelegte Rollen vorsah.271 Das Fest ging von Mittwoch, dem 30. Mai, bis Samstag, dem 2. Juni 1694. Es begann mit einer Prozession der Festteilnehmer von Wolfenbüttel nach Salzdahlum. Nach einer musika­lischen Begrüßung, einem Festgottesdienst mit Kirchenkantate folgte das Festessen im „Neuen Saal“, in dem eine Tafel für sechzig Gäste mit einer fast zwanzig mal s­ ieben Meter langen epheremen Tischdekoration eines Gartens aus Zucker gerichtet war, die mit ebenfalls sechzig Emblemen verziert war. Während des Essens gab es einen „musika­lischen Dialog der 5 Künste“ und Vorträge von Stegreifversen, um den Abend mit dem Festball und der Nachttafel zu beschließen. Am Donnerstag wurde der Morgen mit der Besichtigung von Schloss und Garten verbracht und sich nach dem Essen mit Spielen verlustiert. Abends erfolgte die deutschsprachige Aufführung von Pierre Corneilles Schauspiel „Sertorius“, danach die Abendtafel mit weiteren „Ergötz­lichkeiten“. Am Freitag fand die Mittagstafel in Schäferkostümen in der Grotte statt, darauf folgten Ballett und Arien und eine Komödie von Molière („L’Etourdy“) durch Hofbedienstete. Am Samstag zog der ganze Hofstaat zurück nach Wolfenbüttel. Im Opernhaus wurde das Ballet de Cour noch einmal in ungekürzter Fassung gegeben und abends dort eine zweite Komödie von Molière gespielt („Le Mariage forcé“) sowie die bereits gesehenen Schauspiele „Sertorius“ und „L’Etourdy“ wiederholt.272 Auguste Dorothea war mit ihrem Gemahl während des Geburtstags ihrer Mutter anwesend und trat mehrfach in einem Ballett und Singspiel auf. Als Schäferin verkleidet betrat sie mit ihren Geschwistern und acht anderen Höflingen die Bühne zu einer Tanzaufführung eines Ballet de Cour mit seiner typischen Aufteilung in Ouvertüre, Entrée und Grand Ballet.273 „Alle diese Personen dieser Entrée hatten Schäferstäbe mit Blumen und Festons bewunden / welche sie unter währendem Danzen offtmals in die Erde steckten / und verschiedene artige Figuren daraus formirren / biß die letzte davon in abläng­licher halben Rundung gleichsam ein Theatrum vorstellete“. 270 271 272 273

Ibid., S. 25. Scheliga, Thomas (1994), Kommentar zu Bressand (1694), S. 13. Bressand (1694), Übersicht über den Ablauf des Festes, ohne Paginierung. Ibid., S. 30.

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Zunächst sang Auguste D ­ orothea eine Arie. Hiernach tanzte ihre Schwester ­Henriette Christine allein eine Chaconne. Ihr Bruder August Wilhelm spielte ein Stück auf einer Flöte, worauf zusammen mit Henriette Christine und Aurora von Königsmarck (1662 – 1728) ein Gitarrentrio folgte. Danach sang Auguste ­Dorothea eine weitere Arie. Zu der folgenden Arie der Gräfin von Königsmarck hielten Auguste Dorothea und Bruder Ludwig Rudolf Entrée. Hiernach sang Auguste Dorothea mit Aurora ein Duett. „Alle diejenigen / welche in der ersten Entrée gewesen / danzten h ­ ierauf wieder so lang um ihre Schäferstöcke herum / biß sie selbige end­lich aus dem Boden heraus zogen und hinweg brachten.“

Am Schluss tanzten alle eine „Chaconne zum Grand Ballet“.274 Es ist davon auszugehen, dass dem repräsentativen Charakter des Anlasses entsprechend zwar auf die Qualität dessen geachtet wurde, was zum Vortrag kam und welche Personen zum Vortrag geeignet waren. Zugleich traten die Kinder der Herzogpaares – soweit anwesend – auf. Diese Aufführung unter Zeugen stellte vor allem den „gelungenen“ Nachwuchs des Hauses aus. 7.8.3 Theater

Im Theater wollte man nicht nur das Gehör anregen, sondern alle Sinne.275 Pompöse Dekorationen und Komparserien unterhielten das Auge und überwältigten visuell.276 Die höfischen Theater waren von der Größe her so bemessen, dass man mühelos erkennen konnte, wer anwesend war. Es erfüllte damit ebenso eine wichtige soziale Funktion. Auf der Bühne des Mon Plaisir-Theaters stehen die Hauptfiguren der italie­ nischen Commedia dell’arte (Pantalon, Harlekin, Brighella, Kolombine) und et­liche Nebenfiguren, die von einem Orchester begleitet werden (vgl. Abb. 20, S. 112). Die Szene zeigt „drei Kulissenpaare und einen Schlussprospekt, der einen breiten Torbogen und eine Straßenvedute darstellt. An der linken Seitenwand befinden sich zwei Fenster. Der

274 Bressand (1694), S. N i ff. 275 Schütz, Heinz (1984): Barocktheater und Illusion. Frankfurt/Main. 276 Boehn (1963), S. 238.

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Vorhang ist in die Höhe gehoben, sodass gerade noch das schwarzbur­gisch-arnstädtische Wappen mit der Krone und dem Doppeladler zu sehen ist. Das Spielfeld zwischen den Kulissen und die tiefer gelegene Fläche davor sind mit kostümierten Figuren ohne Rücksicht auf eine dramatische Handlung vorgestellt. Ohne Zweifel ist vieles untergebracht, das in keinem theatra­lischen Vorgang gleichzeitig gedacht werden kann. Unter den Komödian­tinnen und Komödianten fällt der Harlekin in der Mitte wegen seines bunten Kostüms neben anderen Typen der Commedia dell’arte auf. Vorn rechts stehen fünf Musiker und eine Pauke auf Klappbock sowie ein Spinett mit Klapp­deckel. Der Zuschauerraum ist bis auf die unmittelbar vor der Bühne gelegene Loge und ihre Entsprechungen in den beiden darüber befind­lichen Rängen abgeschnitten. Aus den mit Goldornamenten bemalten Logen rechts und links blicken Zuschauer auf das Getümmel von Komödianten und die Musiker. In welchem Größenverhältnis Bühne und Zuschauerraum stehen, ist wegen des gelegten Schnittes ebenso wenig ersicht­lich wie die Form des Zuschauerraums. Das zentralperspektivisch einachsige Bühnenbild und das hier in Wahrheit kleine Künstlervolk scheinen den schulbildenden Einfluss Italiens auf das frühe deutsche Barocktheater zu illustrieren. Auch wenn dieses Miniaturtheaterchen auf kein reales Vorbild zurückzuführen sein sollte, verdient es Beachtung. Aus ihm ist wegen seiner Plastik, seiner Farben und der echten Stoffe, aus denen es hergestellt ist, mehr über ein verhältnismäßig frühes Stadium des deutschen Barocktheaters zu erfahren, als aus manchem Szenenbild.“277

Das Lustsschloss der fürst­lichen Witwe besaß ein Theater, dessen Lage und Aussehen nicht gesichert sind.278 In Arnstadt unterhielt Graf Anton Günther in den 1680ern ein Theater 279 und im nahen Gotha befand sich das Hoftheater, das einen der Miniatur vergleichbaren Raum bot.280 Das Theater bestand aus 277 Bühnenbild in historischen Zeugnissen des 17. bis 19. Jahrhunderts aus Kunstsammlungen der DDR (1993). Berlin, S. 9 f. Der Hanswurst im Vordergrund mit dem Spitzhut soll große Ähn­lichkeit haben mit Darstellungen des berühmten Wiener Komödianten Joseph Stranitzky, dessen Bildnisse ab 1720 größere Verbreitung im deutschen Raum fanden (ibid.). 278 Mück (1997), S. 49; Czech (2003), S. 260; Klein, Matthias (2003): „Anton Günther II.“ In: Kirchschlager/Behr, S. 193; ebenfalls „Auguste Dorothea Eleonora von Schwarzburg-­ Arnstadt“, „Augustenburg“ und „Dorotheental“. 279 Müller/Wiegand (1957), S. 69 und Schiffner, Markus (1985): Johann Sebastian Bach in Arnstadt. Arnstadt, S. 8. 280 Rasche, Adelheid (1996): Höfisches Theater im 18. Jahrhundert. In: Aus der Vergangenheit von Arnstadt und Umgebung, Bd. 6, S. 77 – 90; Dobritzsch, Elisabeth (1999): Das Ekhof-Theater in Gotha. Technik, Spielplan, Darsteller. In: Jacobsen, Roswitha (Hg.)

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Abb. 172: Mon Plaisir, Markt, Wandertheater auf dem Jahrmarkt

einer Kollaboration unterschied­lichster Künstlergruppen. Hofdichter verfassten Stücke, der Hofkapellmeister komponierte die Musik, Musiker besorgten die Umsetzung, der Hofmaler entwarf ein Konzept für das Bühnenbild und übertrug es auf die vom Hofschreiner hergestellten Kulissen, 281 das Hofpersonal, die Höflinge und die Familie übernahmen auch in anlassunabhängigen Aufführungen die Haupt- und Statistenrollen. Mittelgroße Höfe engagierten reisende Schauspieltruppen für kurze Engagements oder für eine Saison. Größere Höfe besaßen eigene fest engagierte Truppen. Mon Plaisir zeigt eine fahrende Truppe, die mit einem festen Repertoire an Stücken von Hof zu Hof (1999): Residenzkultur in Thüringen vom 16. bis zum 19. Jahrhundert. Bucha bei Jena, S. 288 – 302; Frenzel, Herbert Alfred (1965): Thürin­gische Schloßtheater. Beiträge zur Typologie des Spiel­ortes vom 16. bis zum 19. Jahrhundert. Berlin; Hadamowsky, Franz (1955): Barock­theater am Wiener Kaiserhof. Wien; Daniel, Ute (1995): Hoftheater. Stuttgart. 281 Kähler, Bühnenbild. Berühmte Bühnenbildner waren Giuseppe Galli-Bibiena und ­Alessandro Mauro in Dresden 1718 und 1719.

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Abb. 173: Mon Plaisir, Wirtshaus, Chorsänger

Abb. 175: Mon Plaisir, Kirche, Organist

Abb. 175: Mon Plaisir, Markt, Volkstüm­liche Musiker mit Dudelsack und Schalmei

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reiste und die sicher nur für ein kurzes Gastspiel in Arnstadt oder der Augustenburg weilte. Man interessierte sich für die franzö­sische und italienische Oper, dem Gerücht nach gab es in Frankreich gute Tänzer und in Italien gute Sänger. In Wien, Dresden, Düsseldorf und Hannover befanden sich laut Florinus die schönsten Opernhäuser. Die deutsche Oper wurde besonders durch August von ­Sachsen gefördert. Normalerweise spielte man die Opern bei Tages­licht und nicht immer nur in eigens dafür gebauten Häusern, sondern in umfungierten Reithallen oder wie in Arnstadt unter anderem. auf dem städtischen Tuchboden. Heckentheater ließen im Sommer Theater im Freien zu. Neben der gesungenen Oper sah man gerne gesprochene Komödien, Burlesken oder Possenspiele und auch Marionettentheater.282 Parallel zum höfischen Theater bestand das volkstüm­liche Wandertheater, das bei Jahrmärkten und Messen auftrat. In Mon Plaisir wurde eine Gruppe von Wander­schaustellern in die Marktszene integriert. Auf einem Bühnenpodest befindet sich eine Gruppe von Komödianten vor einem als barocker Garten bemalten Hintergrundprospekt. Der Ausrufer bewarb das Stück oder fungierte als Erzähler, während die Truppe versuchte, gegen die optische und akustische Konkurrenz des Markttreibens anzukommen.283 Die Musikinstrumente des Volkes waren Dudelsack, Drehleier und Schalmei. In Arnstadt zur Zeit der Herzogin gab es einen Chor und eine so genannte Kurrende, die aus Schülern bestanden und die an fünf Chortagen pro Woche durch die Stadt liefen und unter den Fenstern der Häuser sangen. Die Mitglieder des Chors trugen blaue Mäntel, die der Kurrende schwarze, bis sie ab 1700 einheit­ lich schwarz gekleidet waren.284 7.8.4 Assembleen

Ein alltäg­liches Pläsier waren die für den Gastgeber wenig aufwändigen höfischen Treffen am Nachmittag: „Assembleen […] sind nicht eine der geringsten Vergnügungen des Hofs. Es sind aber diese nichts anderes als Zusammenkünffte von Dames und Cavaliers, so nach Mittag

282 Florinus (1719), Bd. I, S. 135 f. 283 Kröll, Katrin (1989): „Theatrum Mundi“ versus Mundus Theatri. Untersuchungen zur Geschichte der Jahrmarktskunst in der frühen Neuzeit. Kopenhagen. 284 Müller/Wiegand (1957), S. 100.

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gehalten werden, worbey man sich durch Spielen, und durch ein vertrautes Gespräch die Zeit vertreibet, die aufgesetzten Erfrischungen bestehen nur aus einem Trunck.“285

Assembleen fanden meist in den Appartements statt, wo sich die Gesellschaft auf mehrere Zimmer verteilte. Man spielte Brettspiele (Mühle, Dame, Schach, Reversi, Tric Trac, Gänsespiel), Kartenspiele und Glücksspiele, so genannte Hasardspiele mit und ohne Würfel 286 sowie Gesprächsspiele.287 Der gesamte Adel spielte europa­weit mit großer Leidenschaft.288 In Mon Plaisir spielt man hauptsäch­lich Kartenspiele, und zwar auch um Geld (Abb. 85, S. 270). Das beliebteste zeitgenös­sische Kartenspiel war das dem Skat vorgreifende L’Hombre für drei Personen, wofür eigene Spieltische angefertigt wurden (Abb. 179, S. 388). Beim Glücksspiel Bassette fungierte eine Person als die Bank, während die anderen auf eine Karte setzten. Florinus hielt dieses Glücksspiel für „eines der gefähr­lichsten des Hofs und gehöret unter die Verderbniß unserer Zeiten“,289 weil sich schon viele Kavaliere und Prinzen und sicher auch Prinzessinnen damit ruiniert hatten. Lud das höchste weib­liche Mitglied des Hauses allein Damen zur Assemblee, nannte man dies einen Cercle Royal, bei dem eine bestimmte Sitzordnung einzuhalten war: „[In] der Fürstin Zimmer, da sich dann die höchsten Standes Personen auf Tabourets um die Prinzessin herum setzen, denen anderen aber ist nur erlaubet dabey zu stehen. Es werden auch Cavaliere eingelassen, die sich aber auch nicht setzen dörffen.“290

Das Glücksspiel wurde nicht nur an den Höfen, sondern auch in öffent­lichen Spielhallen, dem so genannten Ridotto, ausgeführt, die in Hannover durch den Kurfürsten aus Italien kommend eingeführt worden waren. Hier spielte

285 Florinus (1719), Bd. I, S. 136. 286 Welper, Eberhard (1690): Das Zeit kürtzende Lust- und Spiel-Hauß. Frankfurt/Main; ­Wilckens, Leonie von (1985): Spiel, Spiele, Kinderspiel. Darmstadt; Zollinger, Manfred (1997): Geschichte des Glücksspiels. Vom 17. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg. Wien/Köln/Weimar. 287 Harsdörffer, Georg Philipp (1644 – 1649): Frauenzimmer Gesprechspiele. Nürnberg. 288 Boehn (1963), S. 233. 289 Florinus (1719), Bd. I, S. 136. 290 Ibid., S. 136 f.

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Abb. 176: Mon Plaisir, Spielsalon, Spielkarten

man hauptsäch­lich Bassette. Doch das Aufeinandertreffen vieler Adeliger mit unterschied­lichen Rangstufen führte zu einer besonderen Bedingung der Teilnahme: „Es mögen alle honetten Leute dahin kommen und spielen. Doch erfordert die Natur dieses Divertissements, daß alle in Masquen und verkleidet erscheinen müssen, damit man ohne Ceremonie durch einander weggehen kann.“291

Die Qualität des Inkognitos bestand grundsätz­lich nicht darin, die Identität einer Person unkennt­lich zu machen. Auch in Verkleidung und Maske wusste jeder, wen er vor sich hatte. Das Inkognito entband alle Anwesenden vom sonst zu fordernden hierarchischen Zeremoniell. Zur Variation der Fest­lichkeiten bei Galatagen wurde dem üb­lichen Ball ein Motto gegeben. Dazu gehörte, dass die Anwesenden in andere soziale Rollen schlüpften und sich verkleideten. Das Ergebnis waren Maskeraden, Wirtschaften, 291 Ibid., S. 137.

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Abb. 177: Mon Plaisir, Corps de Logis I, Tric Trac (Backgammon)

Abb. 178: Mon Plaisir, Spielsalon, Spieltisch

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Abb. 179: Mon Plaisir, Spielsalon, dreiseitiger L’Hombre-Spieltisch (Lomberttisch)

Bauernhochzeiten, Schäfereien 292 und Märkte.293 Die Teilnahme an solchen Festen erforderte nicht etwa eine authentische Verkleidung, sondern eine eigens dafür 292 Ein Beispiel einer Schäferei: Bressand, Friedrich Christian (1698): Salztha­lische Schäferey: Ballet und Masquerade; Dem Höchst-erfreu­lichen Geburts-Tage Der […] Frauen Elisabeth Julianen/ Hertzogin zu Braunschweig und Lüneburg […] An welchem I. Hoch-Fürstl. Durchl. das 64ste Jahr Dero Fürstl. Alters erreicht. Wolfenbüttel; Keiser, Reinhard (1695): Die Wieder­gefundenen Verliebten: Schäfer-Spiel; Bey Begehung des Geburts-Tages Der […] Fr. Elisabetha Juliana/ Hertzogin zu Braunschw. und Lüneb. […]; Auf dem kleineren Theatro […] zu Salzthalen singend vorgestellet. Wolfenbüttel. Auch Schnitzer, Claudia (1999): Höfische Maskeraden. Funktion und Ausstattung von Verkleidungsdivertissements an deutschen Höfen der frühen Neuzeit. Tübingen; Vgl. die Abb. einer Maskerade in Florinus (1719), Bd. I, S. 131. 293 Beispiel für einen Markt: Bressand, Friedrich Christian (1693): Der Salztha­lische Markt: Dem Fürsten und Herrn Hn. Anthon Ulrichen/Hertzogen zu Braunschweig und Lüneburg […] Durchlaucht glück­lich wieder eingetretenen Geburts-Tag/zu Ehren angestellet von Dero […] Fr. Elisabeth Juliana/Hertzogin. Wolfenbüttel.

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hergestellte Kleidung, die zum Beispiel mit aufgestickten Motiven oder durch die Kopfbedeckung auf die gewünschte Figur oder den Beruf hinwies. Das finan­zielle Engagement war dementsprechend hoch.294 Ein jähr­lich fester Termin war der höfische Karneval am hannoverischen Hof. Als nächt­licher Programmpunkt beinhalteten diese Feste meist ein Feuerwerk oder Illuminationen, bei denen die ganze Stadt mit weißen Wachsfackeln oder Öllampen hinter Papierbildern erleuchtet wurde, während die Herrschaft in einer tour à la mode durch die ­Straßen fuhr.295 Mitunter verschob man die Festivitäten zur Abwechslung komplett in den frühen Morgen. Bei dieser Merende speiste man erst nachts um zwei Uhr, um ab drei Uhr morgens zu tanzen.296 Die Darstellungen der höfischen Pläsiere in Mon Plaisir nehmen den größten Raum ein. Sie erwecken den Eindruck, als habe das Hofleben aus einer Aneinanderreihung von Vergnügungen bestanden.297 Wie an anderer Stelle gezeigt, bestand ein großer Teil von Auguste Dorotheas Leben sowohl als Fürstin und besonders als fürst­liche Witwe in der permanenten täg­lichen Auseinandersetzung mit der schlechten finanziellen Situation, bei der die höfischen Pläsiere selbst nur eine kompensatorische oder die tatsäch­liche Situation überdeckende Funktion ­hatten. Trotzdem gehörte der ostentativ in Mon Plaisir vorgetragene unbeschwerte Genuss zum angemessenen Verhaltenskanon der Fürstin wie auch der um ihre Situation wissenden Gäste.

294 Boehn (1963), S. 232. 295 Florinus (1719), Bd. I, S. 137. 296 Boehn (1963), S. 230. 297 Vgl. Jacobsen, Roswitha (1999): Prestigekonkurrenz als Triebkraft höfischer Kultur – Fürsten­ begegnungen im Tagebuch Herzog Friedrich I. von Sachsen-Gotha und Altenburg. In: dies. (Hg.) (1999): Residenzkultur in Thüringen vom 16. bis zum 19. Jahrhundert. Bucha, S. 187 – 207, S. 190.

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Mon Plaisir als Spiegel eines Fürstinnenlebens

7.9 Fürstliche Pflichten „Ein Herr hat Sorge zu tragen vor die Nahrung der Unterthanen […], die Gerechtigkeit wohl zu administrieren […], denen Unterthanen mit Güte und Freund­lichkeit zu begegnen […], an seinen Bedienten kein Unrecht zu gestatten. […] So viel die Unterthanen betrift hat er anfäng­lich wohl zu bedencken, daß er nicht so sehr um seines eigenen, als des gemeinen Nutzens willen über sie gesetztet sey.298 […] Ferner wo ein Herr in der That sich als ein Landes-Vatter erweisen will, hat er noch vielmehr Sorgfalt anzuwenden, wie er die Nahrung und das Gewerbe seiner Untertanen befördern [könne].“299

Einige Szenen des Mon Plaisir rekurrieren explizit auf die Pf­lichten Auguste ­ orotheas als regierende Fürstin oder als fürst­liche Witwe. Die Eigenständigkeit D und die Machtbefugnisse in ihrem teilweise aus Privatbesitz bestehenden Witwen­ territorium waren dabei ungefähr vergleichbar mit ihrer Situation als Fürstin. Während das fürst­liche Territorium weit größer war als der Herrschaftsbezirk im Witwenstand, waren die Kompetenzen der Fürstin beschränkter als die der fürst­lichen Witwe, die als Oberhaupt des Wittums in die Rolle des Hausvaters (nicht der Hausmutter) trat. Damit war sie die oberste Ansprechpartnerin für alle Belange des Territoriums, von Grundversorgung, Streitigkeiten, Schutz vor Kriegshandlungen und Krankheiten, Lohn und Brot. Dazu standen Auguste Dorothea Witwenräte, zumeist Juristen, zur Verfügung und ein Sekretär, der nicht nur die Schreibarbeiten erledigte, sondern auch beratende Funktion hatte. In offiziellen Audienzen und privaten Visitationen war das direkte Gespräch mit der Fürstin und Witwe mög­lich. Zu ihren Verpf­lichtungen gehörte neben der Sorge um das Wohl der Untertanen die angemessene Darstellung ihrer Position nach außen. Dies beinhaltete die angemessene Hofhaltung, die fürst­liche Kleidung, das Austeilen von Geschenken und das Einrichten von Stiftungen.300 Auch die sichtbare Repräsentation des Standes war Teil der Regierungsaufgabe. Eines der prachtvollsten Zimmer des Mon Plaisir zeigt Auguste Dorothea bei der Audienz in einem Raum, dessen stoffbespannte Wände mit japanischen Farbholzschnitten ausgestaltet wurden. Die rechte hintere Ecke wird eingenommen von einem deckenhohen, champagnerfarbenen Thronbaldachin, von dem beidseitig Stoffbahnen herunterwallen. Darauf sitzt eine Puppe in einem voluminösen, gelben Kleid.

298 Florinus (1719), Bd. I, S. 18. 299 Ibid., S. 20. 300 Vgl. Seckendorff (1700), S. 64.

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Abb. 180: Mon Plaisir, Audienz

Das Rückenteil ziert, die Figur rahmend, eine Stickerei in Form einer Krone. Über dem mit mehreren Lagen wellig drapierten Baldachin erhebt sich mittig ebenfalls eine Krone aus Brokat. Das Kleid der Puppe besteht aus kostbarer Seide und ist mit Brokat und Spitze verziert. Auf der (männ­lichen Allonge) Perücke, die beidseitig des Kopfes lang herabfällt, trägt die Puppe eine Krone. Zu ihren Füßen steht ein kleines Hündchen. Während sie in ihrer linken Hand die Leine einer Meerkatze hält, wendet sich ihr Blick einem Mann zu, der vor dem Thron steht. Die Fürstin sitzt leicht erhöht als Zeichen ihres Ranges, entsprechend dem Protokoll steht der Vorsprechende in gebotenem Abstand vom Thron. Wenngleich der Raum als solcher etwas klein erscheint für eine repräsentative Audienzsituation und auch Sujet und Stil der wandfesten Dekoration nicht der typisch repräsentativen entsprechen, zeigen sie die Fürstin in prachtvoller Robe bei der Ausübung ihrer Regierungsgeschäfte.

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Auguste Dorothea inszeniert sich hier allein als Fürstin, nicht als gemeinsam mit ihrem Mann regierend. Der Bittsteller steht für die Untertanen und Adressaten der Machtentfaltung. Auch wenn die Besucherpuppe dem Blick des Betrachters nicht den Rücken zukehrt, so schlüpft der Rezipient doch in seine Rolle und sieht Auguste Dorothea in ihrem fürst­lichen Glanz als einer ihrer Untergebenen. Die Traktatliteratur legt großen Wert auf die persön­liche Begegnung der Statusund Standesgruppen: „Die löb­lichen Regenten ihre Unterthanen, hohe und niedern, nicht allein durch ihre Räthe und Diner, sondern auch wol nach Gelegenheit und eigener Person anreden, nach Beschaffenheit ihres Standes grüssen unnd die Hand geben, ihr Anliegen hören, ihre unterthänige Schrifft annehmen, auf Bescheid vertrösten, die vornemsten zu sich an ihre Tafel zur Speisung unnd Gespräche ziehen, bey Ihnen hinwiederumb zu weilen bey Ehren gelagen erscheinen, so dann auch in ihren Bitten und Anlagen gnädig­lich erhören, unnd Ihnen in einem und andern zu willen seyn.“301

Gesandte aus Wolfenbüttel, Sondershausen oder Gläubiger konnten hier vorstellig werden, zukünftige Ehemänner, die um die Hand eines Fräuleins aus ihrem Frauenzimmer anhielten sowie zum Beispiel Anfragen von Patenschaften für K ­ inder von Hofpersonal durften während der Audienz erfolgen. In welchem Umfang Auguste Dorothea Audienz hielt, ist nicht überliefert. Die Audienz der Fürstin muss als formalisierte persön­liche Sprechstunde ohne maßgeb­liche politische Relevanz beurteilt werden. Das Nichtgewähren der Audienz, das Sich-Entziehen, wurde dagegen trotzdem aufmerksam beäugt. Die obersten – meist männ­lichen – Entscheidungsträger des Territoriums wurden stets dazu angehalten, sich durch kompetentes Personal beraten zu lassen. Als eine Tugend des Verstandes galt die Fähigkeit, gute Ratschläge anzunehmen: „[…] denn darumb hat ein Herr und Regent Räthe und Diener, daß er sich durch dieselbe in wichtigen Dingen die Ihme schwer und bedenck­lich fallen berichten, unnd seinen Verstand dadurch gleichsam erwecken und erleuchten lasse.“302 Es galt als schänd­lich, wenn ein Regent nur seinen Willen durchsetzte, ohne auf den Sachverstand seiner Räte zu hören. Ähn­lich blamabel war der umgekehrte Fall, in dem nur die Räte regierten.303 Die Beratungen der fürst­lichen Wittumsange-

301 Ibid., S. 63. 302 Ibid., S. 58. 303 Ibid., S. 59.

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legenheiten oder Fragen, die das Territorium betrafen, finden im repräsentativ ausgekleideten blauen Salon des Mon Plaisir statt (Abb. 8, S. 100 oben rechts). Die Lambrie und Tür sind mit geometrischem Bandelwerk versehen, die textile Wandbespannung aus blauer Seide ist in einem floralen Motiv mit Silberfäden durchwirkt. Der weiße Porzellankamin ist mit einem rechteckigen Spiegel verziert, über dem ein Blumenstillleben hängt. Links und rechts des Kamins befinden sich silberne venezianische Spiegel. Die beiden hochrechteckigen, zweiflügeligen Fenster sind mit ebenfalls lichtblauen, gerafften Volants versehen. Von der Decke hängt ein Lüster aus Messing. Die Fürstin-Figurine sitzt in einem unifarbenen, gelben Negligé an einem Balustertisch, während links und rechts je eine männ­ liche Figurine mit Perücke in einem gelben und einem roten Justeaucorps stehen.304 Zu ihren Füßen liegt ein Mops. Während der Phase der recht­lichen Auseinandersetzung um das Wittum muss Auguste Dorothea in Anbetracht ihrer umfangreichen Korrespondenzen täg­lich mit ihrem Sekretär Schulz, ihrem Wittumsrat Fleischhauer und vor allem ihrem Hofmeister und Lebensgefährten Kranichstein die Situation besprochen und taktische Züge erörtert haben. Regelmäßige Vorsprechen des Hofverwalters und des Küchenschreibers informierten sie über Erntemengen von Obst und Getreide, Erlös an Schafwolle, die Gesundheit der Tiere und die Nahrungsmenge in den fürst­lichen Kellern. Ein einziger Fall ist bekannt, zu dem das fürst­liche Wittumsgericht zusammentreten musste, und dabei handelte es sich um eine Bagatelle: Im November 1717 hatte sich der Untertan und Porzellanmaler Johann Wilhem Vittmer an Wild aus dem fürst­ lichen Forst vergriffen und wurde dafür in Arrest genommen. Der herrschaft­liche Forstjäger befand es aber an zwei aufeinanderfolgenden Terminen nicht für nötig, vor dem Witwengericht zu erscheinen und auszusagen, weshalb man den Dieb auf Kaution wieder freiließ.305 Entweder steckte in diesem Fall der Jäger mit dem Maler unter einer Decke, verkaufte das herrschaft­liche Wild sogar selbst, oder er befand den Tatbestand als zu nichtig. In jedem Fall fehlte allen Seiten der Respekt vor dem 304 Die Figurinen stammen aus unterschied­lichen Herstellungszeiten oder meinen unterschied­ liche Zeitstellungen. In dieser Szene wurden sie unsauber vermischt. Die gelb gekleidete Figurine trägt noch eine braune (ungepuderte) Perücke, und der Rock weist sehr breite und hohe Ärmelaufschläge auf. Beide Elemente finden sich in der Bekleidung vor 1710. Die rot bekleidete Figurine mit der gepuderten, kürzeren Perücke datiert nach 1710. Vermut­lich gehörte diese Figurine mit dem roten Justeaucorps samt den Goldknöpfen zum gehobenen Dienstpersonal der Auguste Dorothea. 305 ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. III, 243 f., der hochfürstl. Schwarzb. Wittums Hoffgerichts Verordneter Justiciarius Christian Wilhelm (Valentin) Fleischhauer, 13.11.1717.

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Witwengericht und seiner Exekutive. Aber welche Themen könnte es darüber hinaus zu beratschlagen gegeben haben, die den unmittelbaren Bereich der Augustenburg überschritten? Schon als Fürstin des Zwergenstaats Schwarzburg-Arnstadt war das zu Beherrschende überschaubar. Auf der Augustenburg reduzierte sich der zu beherrschende Staat (fast) auf den Puppenstaat in Mon Plaisir. 7.9.1 Unternehmertum und Sorge für die Untertanen − 306 Die „Augustenburgsche Porcellain Fabrique zum Dorotheenthal“ „Es ist eine ausgemachte und unstreitige Sache, daß die Manufacturen, Commertien, Berck und Saltzwercken wie auch nicht weniger die Oeconomie die wichtigsten Stücke sind, wo durch ein Land reich und in Auffnehmen kan gebracht werden.“307

Vermut­lich aus Sorge um die eigenen Finanzen und um das Wohlergehen der Untertanen zu sichern, gründete Auguste Dorothea mit der Zustimmung und Hilfe ihres Mannes 308 und Arbeitskräften aus dem heimischen Wolfenbüttel eine „Porcellain Fabrique“, die in Ermangelung des in Dresden gehüteten Rezepts kein Porzellan, sondern Fayencen herstellte.309 Nach einer mehrjährigen Versuchsphase, 306 Landeskirchenarchiv Eisenach, Kirchenbücher Oberndorf 1717 – 1757, 135. 307 Leupold (1718), S. 33. 308 In der Forschungsliteratur wird immer wieder die Frage diskutiert, wer die Fabrik gegründet habe, Auguste Dorothea oder Anton Günther? Auguste Dorothea konnte diese territorial wirksame Initiative nicht ohne Anton Günthers Wissen, seine Zustimmung und finan­zielle Unterstützung ins Leben rufen. Es ist daher nur natür­lich, dass in den Briefschaften des Nachlasses von Anton Günther sich Akten „die porcellain-Fabrique betreffend“ befinden, die seine Beteiligung belegen. ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. II, 27; es ist aber mit Sicherheit davon auszugehen, dass die Idee und die Umsetzung von der Fürstin ausging, weil 1. Anton Günther sterbenskrank war, 2. Auguste Dorothea auf Arbeiter aus Wolfenbüttel zurückgriff, 3. die Manufaktur in unmittelbarer Nähe der Augusten­burg gebaut wurde und 4. die Kirchenbücher klar von Auguste Dorothea als Gründerin sprechen. „Die Fürstin, die die ,Porcellain-Fabriq‘ als ,Erbstück‘ übernahm, mußte sich […] verpf­lichten, die bis zum Zeitpunkt der Inbesitznahme entstandenen Kosten, die sich auf etwa 2.000 Taler beliefen, an ihren Mann zurückzuzahlen.“ (Mahnert, 1993, S. 62). Nach seinem Tod sollte die Fürstin frei über die Fabrik verfügen können (Bärnighausen 1994, hält Anton Günther für den Gründer, S. 248); Mahnert meint, es lasse sich nicht mehr feststellen, von wem die Initiative zur Gründung ausgegangen sei (S. 64). Apfelstedt (1856), Geographie, S. 138 f. geht indessen davon aus, dass die Porzellanfabrik ein Projekt von Auguste Dorothea war. 309 Fayence nennt man gebranntes und glasiertes Tongeschirr. Zur Technik siehe: Osborne, Harold (1975): The Oxford Companion to the Decorative Arts. Oxford, „Pottery Techniques“.

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Abb. 181: Fayencemanufaktur Dorotheental, Lithografie um 1880 nach älteren Vorlage, Angermuseum Erfurt  

bei der Dreher,310Maler und Glasierer an unterschied­lichen Orten in Oberndorf und Arnstadt arbeiteten, wurden die einzelnen Produktionsschritte in der eigens dafür gebauten Fabrik Dorotheental zusammengeführt.311 Zur Fabrik gehörten auchWohnhäuser und das dort bereits schon um 1710 von Auguste Dorothea gebaute Wirtshaus, das seinen Namen aufgrund des Pferdes im Braunschweiger Wappen trug.312 In Mon Plaisir wurden nicht nur viele Fayencen als Hinweis auf

Parallel zu Auguste Dorothea probierte die Sondershäuser Verwandtschaft ein ähn­liches Projekt zwischen 1713 – 16, das aber scheiterte. Bärnighausen (1994), S. 248. 310 Mahnert (1993), S. 63; Roselt (1957); Roselt interpertierte die Gründung als „Ausdruck ihrer künstlerischen Neigung“ (Roselt, 1956, S. 60); Büsching, Anton Friedrich (1761): Anton Friederich Büschings neue Erdbeschreibung 3. Theil: Das deutsche Reich nach ­seiner gegenwärtigen Staatsverfassung, Bd. 2: Der schwäbische, bayerische, fränkische und obersäch­sische Kreis. [3. Auflage] Hamburg, S. 2350. 311 Laß hat die Hypothese aufgestellt, Dorotheental sei ein eigenes Lustschloss zum bereits bestehenden Lustschloss Augustenburg gewesen (Laß, 2006, S. 320). Eher ist davon auszugehen, dass sich in der repräsentativen Ausführung des Gebäudes der landesmütter­liche Anspruch der Stifterin niederschlug. 312 Apfelstedt (1856), Geographie, S. 138 f.; im Zusammenhang der Fabrik tauchen im ört­ lichen Kirchenbuch (Landeskirchenarchiv Eisenach, K7 2a-2) einige Namen auf: 1716 Johann Martin Frantz, Porzellanmaler (Frau und Kind); 1716 Conrad Scheid, Faktor, drei Kinder sterben; 1718 Conrad Scheid hat einen Sohn, stirbt nach vier Tagen; 1718 Johann

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Abb. 182: Mon Plaisir, Markt, Wirtshausfahne ‚Zum weißen Ross‘

die eigene Produktion integriert, sondern auch das Wirtshaus ‚Zum weißen Ross‘ durch eine Fahne mit einem springenden weißen Pferd. Alle Miniaturfayencen (nicht die Porzellane) in Mon Plaisir stammen aus der Manufaktur Dorotheental und sind gemarkt mit „ab“ für Augustenburg oder mit den Zeichen der Maler 313 bis circa 1735.314 Dazu gehören nicht nur das Gebrauchsgeschirr und die dekorativen Vasen, sondern auch die Kamine und Pyramiden (Abb. 68, S. 227). Auguste Dorothea integrierte also das Ergebnis ihres eigenen Jacob Carl Herbst, „Porcellain Dreher Gesell“ heiratet Anna Catharina, die Tochter des Porzellanmalers Hans Philipp Frantz (bis hier unpaginiert); 1718 Conrad Schneider mit Sohn (2a-2, 33); 1720 stirbt Carl Friedrich Herbst, Porzellandreher (2a-2, 52); Hans Schneider ist Porzellanfaktor 1721 (2a-2, 54); Caspar Engel(hard), Porzellanmaler, stirbt 1721 auf der Augustenburg (2a-2, 70); 1721 dort nachvollziehbar: Schneider, Frantz (­2a-­ 2, 75); 1722 Samuel Schildbach, Dreher (2a-2, 88); August Ernst Porzellan­maler (2a-2, 95); 1724 Theobald Frank, Porzellanmaler (2a-2, 123), Samuel Schild, Dreher (2a-2, 124); 1731 Wilhelm Dittmar, Porzellanmaler stirbt (2a-2, 217); 1734 Martin Frantz Porzellanmeister, stirbt (2a-2, 259). 313 So „die Malersignaturen ,al‘, ,f‘ und ,H‘, die sich auf Johann Christoph Alex, Johann Theobald Frantz und auf Heinrich Hegelmann oder Johann Erhard Herbst bezogen“; Leber (1965), S. 33. 314 Klein (1992), S. 4.

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Abb. 183: Mon Plaisir, Wirtshaus

wirtschaft­lichen Unternehmertums mittels miniaturisierter Zeugnisse in Mon Plaisir.315 Die Augustenburg und das nach Auguste Dorothea benannte Dorotheental waren direkt durch eine an den Fischteichen vorbeiführende Allee verbunden, welche die Zusammengehörigkeit von Schloss und Manufaktur auch visuell

315 Einer lokalhistorischen Behauptung zufolge gründete Auguste Dorothea die Fayencefabrik, um sich mit Miniaturobjekten zu versorgen; Rehbein (1938); auch Mahnert kolportiert die Mär, die Fürstin habe die Fabrik nur gegründet, um sich mit Miniaturen zu versehen, lenkt aber doch ein, eher ökonomische Interessen haben zur Gründung geführt (Mahnert, 1993, S. 65). Weitere Dorotheentaler Miniaturen im Museum Eisenach, ehemals Mon Plaisir: Zierpyramide um 1720, 14 cm, Kunze (2006), S. 113. Einige der sich heute im Museum Eisenach befind­lichen Miniaturen tauchten um 1930 auf dem Markt auf. Sie kamen vermut­ lich aus Schloss Gehren, so ein Miniaturteller um 1720 und ein Kachelofen, 19 x 10 x 6 cm um 1735, Kunze, S. 111 und S. 107.

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deut­lich machte. War also die Fabrik als Erweiterung der Versorgungsstrategie des Konzepts des vermeint­lich „autarken Witwenhofs“ gedacht? Vermut­lich wurde die Fayencefabrik von der Augustenburg aus verwaltet. Wenngleich Dorotheental die älteste Manufaktur in Thüringen darstellt und großes initia­tives Potenzial ausstrahlte, waren Auguste Dorothea und ihr Hofstaat keine geübten Kaufleute.316 Die Fabrik kam erst nach dem Verkauf zur Blüte.317 „Diese Porcellain Fabrique habe die hohe Stifterin nicht lange selbst behalten, denn da sie sahen, daß sie wenig Nutzen davon hätten, weil sie als eine fürst­liche Person, die Arbeit theurer bezahlet als eine gemeine Person, so habe sie solche eine zeitlang verpachtet, hernach aber gäntz­lich verkauft, [wodurch] sie nach und nach in gute Umstände gebracht worden.“318

Entweder Dorotheental erbrachte nicht den gewünschten monetären Erfolg oder die Fabrik bereitete zuviel Unbill. Zunächst wurde die Fabrik verpachtet und später vermut­lich aus dringender Finanznot heraus verkauft.319 1716 berief Auguste Dorothea den Erfur­ter Daniel Christoph Fleischhauer als Verwalter ihres Betriebes (vermut­lich ein Verwandter ihres Witwenrats Christian ­Fleischhauer) und verpachtete die Fabrik 1718 an zwei bürger­liche Unternehmer, die ebenfalls aus Erfurt kamen: Georg Friedrich und Johann Paul Stieglitz. Damit begann die Produktionsphase zwischen 1718 und 1724, die als künstlerischer Höhepunkt Dorotheentals gilt.320 Aber auch nach der Abgabe der Fabrik bezog Auguste Dorothea noch Miniaturen für Mon Plaisir. Ein größerer Sammlungsbestand von originalgroßen Produkten aus Dorotheental befindet sich heute im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg. 316 Kühnert, Herbert (1943): Die thürin­gischen Fayence-, Porzellan- und Steingutfabriken des 18. Jahrhunderts. In: Zeitschrift des Vereins für Thürin­gische Geschichte und Altertumskunde, Bd. 45, S. 225 – 283, betrachtet Dorotheental als wichtigste thürin­gische Gründung bis 1806. 317 Pfarrchronik (1814), o. A. 318 Ibid., zum Jahr 1716. 319 Hesse (1841), S. 170: „In der Folge wurde[n] im nach der Herzogin benannten Dorotheental neue Häuser als Fabrik angelegt. Fürst Christian Günther erteilte der Fabrik Privilegien am 6. Mai 1720. Die Fabrik scheint jedoch nicht kostendeckend gearbeitet zu haben und wurde 1724 mit dem dazu gehörenden Gasthof […] an Bernhard Chr. von Boseck für 2.000 Rthl verkauft.“ 320 Mahnert (1993), S. 66. Alle in der Frühzeit der Manufaktur bemalten Fayencen stammen vermut­lich von Johann Martin Frantz d. Ä. (S. 68).

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Abb. 184: Dorotheental, links die Kirche Oberndorf unterhalb der Ruine Käfernburg. Aquarell (anonym), 19. Jahrhundert (?), Schlossmuseum Arnstadt

Am Beispiel der Fayencefabrik Dorotheental zeigt sich einmal mehr die enge Verschränkung zwischen der Realität der fürst­lichen Witwe und ihrer Spiegelung in der Miniatur. Obwohl Mon Plaisir nicht konkret die Manufaktur zeigt, sie nicht als angemessenen Darstellungsanlass begriff oder die eigent­liche Produk­ tionsweise Auguste Dorothea fremd war, stellt sie ihre Produkte aus und verweist damit implizit auf ihre hausväter­liche Fürsorge. 7.9.2 Höfische Repräsentation

Zum repräsentativen Leben einer Fürstin gehörte, portraitiert zu werden. Damit verbunden war das fürst­liche Mäzenatentum, die Kunstförderung und die direkte Sorge für die Auftragslage der territorial angesiedelten Künstler. Mon ­Plaisir beinhaltet die für Puppenhäuser einzigartige Szene einer Portraitsitzung beim Hofmaler.

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Abb. 185: Mon Plaisir, Sitzung beim Hofmaler

7.9.3 Hofmaler

Während eine Auguste-Figurine in großem Putz mit Fächer, Handschuhen und Hündchen auf einem Stuhl sitzend für den Maler posiert (vgl. Abb. 36, S. 125), sitzt der Künstler ihr gegenüber mit Palette und Pinseln in der Hand an einer Staffelei, auf der er ein tief dekolletiertes Brustbild der Herzogin im Dreiviertelprofil entwirft. Der Hofkünstler trägt als Arbeitskleidung keinen einfachen Anzug, sondern eine höfische Uniform mit Perücke. Von Auguste Dorothea haben sich nur ein Portrait und ein allego­risches Portrait erhalten. Die Darstellung in Miniatur behauptet die Sitzung beim Hofmaler nicht als einmaliges, sondern als sich regelmäßig wiederholt habendes Erlebnis im Leben der Prinzessin, der Fürstin und vielleicht der Witwe. Dagegen spricht die Tatsache, dass sich in der Miniatur keine weiteren Ölportraits finden.

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7.9.4 Hofmohren „Mohrin nennt man ein Kind, […] welches noch jung aus Mohrenland gebracht und an dem Hofe einer Kayserin, Königin oder Fürstin auferzogen worden, die solches zu ihren Staat und Vergnügen um sich haben.“321

Zu den ungewöhn­lichsten Figurinen des Mon Plaisir gehört die Mohren­familie, die aus zwei Frauen, einem Mann, einem Kleinkind und einem Säugling besteht. Heiden und Mohren waren enorm prestigeträchtig für jeden Hof, weil sie „praktisch nutzlos“322 waren. Hofmohren waren Auguste Dorothea vom heimischen Hof her bekannt.323 In Wolfenbüttel lebten ab 1684 Hofmohren. Den ersten erwarb man auf der Leipziger Messe, der andere wurde Herzog Anton Ulrich 1707 in den Niederlanden geschenkt. Man taufte sie auf die Namen ihrer Besitzer oder Paten und beschäftigte sie am Hof als Lakaien, Kammerdiener oder Kammerfräulein. Während der eine Diener die Hofmohrin ehe­lichte, diente der andere, Anton Wilhelm Arno, der 1708 in der Salzdahlumer Schlosskapelle getauft worden war, als Kammerdiener von Anton Ulrich und August Wilhelm. Er studierte und promovierte später „über die von Christen erkauften Mohren in Europa“.324 Die Mohren des Mon Plaisir sind über die außergewöhn­liche Hautfarbe hinaus, die nach zeitgenös­sischer Meinung von der starken Sonnenstrahlung im Mohrenland herrührte,325 als fremd gekennzeichnet. Alle drei erwachsenen Figurinen tragen geschlossene Kopfbedeckungen, die das als unschick­ lich betrachtete krause Haar vollständig bedecken. Die weißen Leinenhauben sind besonders reich mit Spitze versehen und mit einer goldfarbenen Bordüre umfasst, die sonst bei Kopfbedeckungen nicht zum Einsatz kam. Die besondere textile Ausstattung und der Perlenschmuck machen den hohen Status der einen Trägerin deut­lich, während die andere eine schwarze Magd zu sein scheint. Das 321 Zedler, Bd. 21, S. 0456, Sp. 870. 322 Paravicini (1995), S. 18. 323 Der „Besitz“ von Menschen exotischer Herkunft war nicht unüb­lich. Beispielsweise bekam Auguste Dorotheas Schwägerin in Blankenburg 1740 eine Türkin geschenkt. Wegner, ­Hartmut (2009): Christine Luise, Prinzessin von Oettingen, Herzogin von Braunschweig-­ Lüneburg-Wolfenbüttel und „heim­liche“ Regentin in Blankenburg und Wolfenbüttel. In: Weiss, Thomas (Hg.)(2009): Frauen im 18. Jahrhundert. Entdeckungen zu Lebensbildern in Museen und Archiven in Sachsen-Anhalt. Halle, S. 303  – 314, S. 311. 324 Raabe, Paul (Hg.) (2006): Wolfenbüttler Köpfe des Barockzeitalters. Wolfenbüttel, ohne Paginierung im Anhang. 325 Zedler, Bd. 21, 0453, Sp. 864.

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Abb. 186: Mon Plaisir, Mohrenstube, Mohrin

Abb. 187: Mon Plaisir, Spielsalon, Mohr

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kleine Mohrenkind hingegen ist nahezu nackt und reflektiert die Vorstellung vom Wilden, der kaum mit einer Stoffwindel bedeckt ist, während die altersgleichen Hofkinder vollständig bekleidet wurden. Besondere Aufmerksamkeit verdient der Mohrenmann, der nicht die zentraleuropäische Hofuniform trägt, sondern ein exotisches Gewand mit edelsteinbesetztem Turban, Ohrring, goldbesticktem, rosafarbenem Seidenwams, einem cremefarbenen Rock und einer hellblauen Schärpe um die Taille. Dieser Mohr hat primär dekorative Funktion am Hof. Die Mohren wurden zum engen Kreis des Hofes gezählt. Auguste Dorothea forderte 1717 die Herausgabe eines „Brustbild[s] eines Mohren, woran Perlen und Rubinen“ mit der Begründung, es stelle einen „Angehörigen“ dar.326 Entweder stellt dieses Portrait einen der Wolfenbütteler Mohren dar oder ein Mitglied ihrer eigenen Entourage. Nachweis­lich war Auguste Dorothea die Taufpatin eines Türken in Sondershausen und hatte später die Verheiratung einer Türkin an ihrem eigenen Hof gefeiert.327 Der Begriff „Mohr“ konnte in der Frühen Neuzeit auch Araber meinen,328 sodass eine synonyme Verwendung des Begriffs nicht ausgeschlossen ist. Die Pf­lichten einer Fürstin oder fürst­lichen Witwe wird in demselben Erzählduktus geführt wie alle anderen Szenen. Die Gleichförmigkeit des Nebeneinander-Stehens von formellen und informellen Szenen, von Pf­lichten und Pläsieren, von Audienzzimmer und Privatsalon kommt ohne Kommentar aus. Nur durch die relativ geringe Anzahl an repräsentativen Szenen wird eine Wertung vorgenommen. Größe und Ausstattung der Räume innerhalb der adeligen Sphäre des Hofs variieren kaum und sind nur in wenigen Fällen an den Szeneninhalt angepasst.329 Die Darstellung der Szenen in Mon Plaisir lässt vermuten, dass die Pf­lichten zum Leben einer Fürstin gehörten, für die Fürstin aber nicht bedeutsamer waren als die Pläsiere oder die Versorgungslogistik.

326 327 328 329

ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. II, 306. Kirchenbuch Oberndorf, K/7 2a – 1, 734. Zedler, Bd. 21. S. 0454, Sp. 865. Ausnahmen sind: Tanz im Spiegelsaal, Spielsalon, Wochenbett, Damengesellschaft und Hofküche.

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7.10 Schutz und Sicherheit am Witwenhof

Die historische Inszenierung des Mon Plaisir beinhaltete eine „Soldaten Haupt Wache“, die sich in einem offenen Regal befand. Die Identifikation von Soldaten oder Wachen im heutigen Restbestand der Sammlung ist unsicher. Uniformen entwickelten sich erst ab 1670. Das wichtigste Kennzeichen einer militärischen Uniform war die Tatsache, dass der Rock von „zweierlei Tuch“ geschneidert war, also das Innenfutter eine andere Farbe besaß als der Oberrock. Offiziere waren durch vornehme Tracht ausgezeichnet und hatten keine gesonderten Abzeichen.330 Die Offiziere trugen einen langschößigen Rock, eine Allongeperücke und einen breitrandigen Filzhut, der dreiseitig aufgeschlagen und mit Tressen verziert wurde. Nach 1710 wurde der Rock zweireihig und auf der Brust zu Rabatten aufgeschlagen und die umgeschlagenen Schöße und Ärmelaufschläge wurden schmaler. Ein wichtiges Kennzeichen eines Soldaten waren Munitionstaschen. Nach diesen Kriterien könnte es sich bei den oben gezeigten Figurinen um einen Offizier mit Allongeperücke, in Gelb mit silber-grauen Aufschlägen (Abb. 80, S. 265) und einen Soldaten in grünem Doppelreiher mit Patronentasche handeln (Abb. 188, S. 405).331 Auf Schloss Augustenburg befanden sich zeitgleich immer sieben Soldaten. Laut Ehevertrag hatte die Agnatenfamilie für die persön­liche Sicherheit der Witwe zu sorgen. Von der Fürstinnenwitwe wurden Wachen „pro honore und decore“332 verlangt. Die Bewachung eines Schlosses und einer Person fungierte also neben der primären Schutzfunktion als Standeszeichen. Als der Fürst von Sondershausen im September 1717 schlagartig sämt­liche Schwarzburger Wachen von Schloss Augustenburg abzog,333 verletzte er damit nicht nur gängiges Recht und setzte den Witwenhof räuberischen Überfällen aus, sondern er verweigerte die Anerkennung ihres Status als fürst­licher Witwe. Auguste Dorothea war „aller Gefahr dadurch öffent­lich exponiret“ und sie bemängelte den „Schutz an Leib und Gut.334 Über den Kurmainzer General von Füger zu Erfurt, der eine wesent­liche Rolle bei ihrer Konversion gespielt hatte, organisierte sie sich 330 Knötel, Herbert; Sieg, Herbert (1937): Handbuch der Uniformkunde. Hamburg. 331 Das Schwarzburger Regiment im Spanischen Erbfolgekrieg trug weiße Röcke mit roten Aufschlägen. Ibid., S. 114. 332 HHStA Wien, Reichskanzlei Kleine Reichsstände 501, Schwarzburg 1701 – 1722, 577, zum Konflikt um die Bewachung siehe auch ThStA Ru, Kanzlei Arnstadt 1274. 333 Ibid., Auguste Dorothea an General Füger/Erfurt, 13.9.1717. 334 Ibid., 577.

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neues Wachpersonal, sechs Mann und ein „Corporall“. Tagsüber patrouillierte eine Schildwache auf der Augustenburg und nachts waren es zwei. Alle zwei Wochen wurden sie aus Erfurt abgelöst. Gleichzeitig holte Auguste Dorothea in Wien die Erlaubnis für eigenes Wachpersonal ein, das ihr genehmigt wurde, weil „die dabey vorgestellten Ursachen von solcher Erheb­lichkeit befunden worden“,335 und so lange, „bis die obhabenden Differentien mit Ihres Herrn Schwagers Fürstl Gnaden beigelegt sein werden“.336 Faktisch wurde Auguste ­Dorothea bis zu ihrem Tod weiter von Erfurter Wachen geschützt. Auguste Dorothea scheint sich akut bedroht gefühlt zu haben und im Licht späterer Ereignisse scheint eine konkrete Bedrohung durch die Agnaten­familie vorstellbar. Der Abzug der Wachen von der Augustenburg durch Christian Wilhelm kam einem passiven Anschlag gleich. Zehn Jahre später soll sich trotz der Bewachung durch die Erfurter Soldaten ein Brandanschlag auf das Leben der Witwe ereignet haben:

Abb. 188: Mon Plaisir, Tabakskollegium, Soldat (?) (nach 1710)

Die „abdominable That einiger verruchten Mordbrenner, welche auf der Augustus­burg […] Brand, Mord und Raub zu verrichten intendiret, […] nachdem am 16. Junii 1727 […] Ihre Durchl. Frau Augusta Dorothea sich daselbst abends halb 10 Uhr zu Bette begeben, sind sie eine Stunde hernach wieder erwachet, und als sie mit grossem Schrecken einen feurigen Geruch verspühret, auch visitiren lassen, hat man in dem Garten eine SchaafHürde, statt einer Leiter, an ein Cabinet, nechst Ihro Durchl. Schlaff-Gemach, welches

335 Ibid., 570, 29.8.1718. 336 Ibid., 571, Consilio Bellico, 25.9.1717.

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nur mit einer meublirten breternen Wand von dem Cabinet unterschieden, angesetzet und oben ein Fenster eröffnet, in dem Cabinet aber auf dem Fuß-Boden und Tische ausgestreutes Schieß-Pulver und Asche von brennender Lunte, im Garten auch, unter einem Taxis-Baum, noch ein Stück brennender Lunte gefunden; Woraus denn abzunehmen, daß dieses gottlose Vorhaben auf Ihre hochfl. Durchl. selbsteigene hohe Person abgerichtet gewesen, indem Dieselbe in ihrem Schlaf-Gemach mit dem Kopffe gerade an der bretternen Wand des Cabinets, allwo das Pulver angezündet worden wäre, in Ihrem Bette ohnfehlbahr hätten ersticken müssen. Die Thäter hat man noch nicht ausmachen können.“ 337

Vier Jahre später waren die Attentäter noch immer nicht gefasst. Der aufwändige Anschlag muss von einem Ortskundigen ausgeführt worden sein, der genau wusste, wie man in den Schlossgarten gelangte und wo genau die Witwe schlief. Es wäre denkbar, dass es sich hierbei um ein Attentat aus den Reihen der Agnatenfamilie handelte.338 Oder war es ein inszenierter Anschlag der Auguste Dorothea selbst, um das Bild der wegen anhaltender Verfolgung durch die protestantischen Agnaten schutzbedürftigen Konvertitin aufrechtzuerhalten? 7.11 Krankheit, Sterben, Tod

Der Corps de Logis ist der größte Schrank des Mon Plaisir, der das fürst­liche Schloss darstellt. Darinnen befindet sich ein Zimmer, in dem eine kranke Dame in einem Himmelbett liegt. Der Raum hat an der Rückseite zwei Fenster mit Bleisprossen, die Wände sind streifig mit beigen und gelben Stoffbahnen versehen und üppig mit Chinoiserien beklebt, Fußboden und Lambrie sind einheit­lich weiß gehalten. Im rechten Hintergrund befindet sich ein Himmelbett, „welche[s] von obenher mit einer auf vier Säulen ruhenden Decke bedeckt“339 ist. Das Bett ist mit gelb glänzenden, seidenen Vorhängen und Draperien bekleidet. Vor dem Bett steht ein einfacher Tisch mit einer Kerze und einem Buch. Zwei Hochlehnstühle mit gedrechselten Füßen und grün-orange gemustertem Bezug und ein Nachtstuhl hinter einem Paravent komplettieren das Mobiliar des Raums. In dem Bett liegt, halb aufrecht auf Kopfkissen und Pfühlen, eine weib­liche Figurine unter einer hellgelben, seidenen, bestickten Bettdecke. Die Dame trägt ein einfaches, rosafarbenes

337 Heller (1731), S. 438; ebenfalls Hesse (1841), S. 171. 338 Leber (1965), S. 14 sah das Motiv für den Überfall im Luxus des Schlosses. 339 Krünitz, „Bette, Himmel-“, Bd. 4, Sp. 330.

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Abb. 189: Mon Plaisir, Corps de Logis I, Kranke Dame (Auguste Dorothea?)

Nachtgewand mit hellblauen Aufschlägen und Spitzenkragen. Vor dem Bett auf einem der Stühle sitzt eine Figurine in einem grün-­silbernen Brokatkleid, die mit auffälligen Tressen und Bordüren als adelige Dame ausgewiesen ist. In der Hand hält sie ein Buch. Ihr gegenüber steht ein Mönch in einem braunen, einfachen Habit, der durch die Kapuze und die drei Knoten in seinem Gürtel als Kapuzinermönch gekennzeichnet ist (vgl. Abb. 128, S. 326). Hier ruht eine adelige Dame krank im Bett, während ihr eine Verwandte oder Hofdame vorliest und das katho­lische Ordensmitglied, der Hofprediger und Beichtvater, ihr see­lischen Beistand leistet. 1820 beschrieb Vulpius diese Szene als „eine sterbende Dame im Bette, an welchem zwei, ihr zusprechende Capuziner sitzen“.340 Krankheit und Tod waren alltäg­liche Erfahrungen in der Frühen Neuzeit. Auguste Dorothea selbst hatte eine äußerst robuste Gesundheit, die sie sehr alt werden ließ. Nur in den letzten Jahren war sie erblindet.341 Dennoch scheint sie

340 Vulpius (1820), S. 431. 341 NLA WB, 1 Alt 24, 236, 52.

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mehrfach ernsthaft krank gewesen zu sein. Die vor ihr sterbenden Erbnehmer/­-innen wie auch die eigene Sorge trieben Auguste Dorothea mehrmals zum Aufsetzen neuer Testamente:342 „Unser zunehmendes Alter uns täg­lich ermahnet, an ein […] Absterben zu gedenken, mithin nach christfürst­lichem Gebrauch unser Hauß zu bestellen und gebührend Dispositiones zu machen wie es dermaleins nach unsern Todt soll gehalten werden.“343

Der regierende Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel ließ sich regelmäßig Berichte über ihren Gesundheitszustand schicken, vielleicht um in Erfahrung zu bringen, wann mit dem Versiegen dieses unnötigen Ausgabepostens zu rechnen sei. Carl war seit seinem Regierungsantritt 1735 nach dem Tod seines Vaters stets geduldig und fürsorg­lich mit ihr verfahren. Im Juni 1751 schien sie ihren nahen Tod zu spüren. Sie hatte Fieberanfälle und fühlte sich matt und kraftlos. Mit dem Brief sandte die Witwe vom Sterbebett ihrem Neffen einen Kaminschirm für sein Kabinett „von meiner Leute Arbeith. […] Euer Lbd geruhen sich dero treu ergebenster GroßTanten und Dienerin dabey in hoher Güthe zu erinnern, alß die ich nun mehr meine LebensTage wohl in kurtzem beschließen werde.“ 344 Carl wahrte trotz des absehbaren Endes die Form und wünschte „bald die Nachricht derroselben völliger Widerherstellung [zu] erhalten“ und versprach, er werde den Kaminschirm „zu dero beständigen Andenkens conserviren“.345 Zugleich schickte Carl den Hofrat von Mecken zur Augustenburg, um ihr Sterben formal zu begleiten und um die Beisetzung sowie die Haushaltsauflösung vorzubereiten.346 Fünf Tage vor ihrem tatsäch­lichen Tod fragte Mecken bereits schrift­lich an, wie man mit der Leiche verfahren wolle „bey gegenwärtiger Witterung“, welche Art von Sarg gezimmert werden solle, wie denn der Transport nach Erfurt zu organisieren sei, wer das Begräbnis überhaupt bezahlen wolle und ob er in „eventum mortis“ der Agnatenfamilie in Sondershausen die Nachricht münd­lich oder schrift­lich

342 236, 11 f., Hinweis auf das Testament vom 17.6.1735, in dem ihre Nichte Antoinette Amalie zur Erbnehmerin bestimmt wird. Ebenso 1 Alt 24, 238, 3 und 45. 343 Ibid., 239, 2. 2.6.1733, Donationsurkunde. 344 NLA WB, 1 Alt 24, 237, 42, Auguste Dorothea an Herzog Carl, 26.6.1751. 345 Ibid., 44, Herzog Carl an Auguste Dorothea, 30.6.1751. 346 Zu von Mecken: NLA WB, 31A Slg.: Personalien nach den Braunschwei­gischen Anzeigen 1745 bis etwa 1806, S. 135; 39 H Slg. Teil 1, Bd. 23, Personenindex: Johann Heinrich von Mecken, Erb- und Gerichtsherr auf Günthersleben, geh. Kammerrath und fürstl. Oberpostdirektor 1753. In ADB/NDB nicht nachweisbar.

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überbringen solle.347 Einen Tag vor ihrem Tod ließ sie nochmals an ihren Neffen schreiben. Ihre größte Sorge und Bitte galt der Regelung ihrer eigenen Beisetzung, der Zukunft ihrer Bediensteten und der Befriedigung ihrer Schuldner. Die Zusicherung Carls, sich um alles zu kümmern, „hat mein Gemüthe auf das itzige schwere Krankenlager dermaßen in vollkommener Ruhe wieder gesetzet, dass nunmehro mich alle irdischen Sorgen gäntz­lich entschlagen und nichts mehr thun als Gott um ein baldiges seeliges Ende meines mühseeligen Lebens inbrünstigst anflehe“,

sodass sie in Ruhe sterben konnte. Mit ihren letzten diktierten Worten bedankte sie sich für die Fürsorge der letzten 16 Jahre: „Es gebricht mir an Worten die wahren Empfindungen meines dankbahren verpf­lichtesten Hertzens genugsam auszudrücken, dennoch ich nur bitte, mein letztes Adieu und die grundmüthigste Versicherung von mir auch im Todte anzunehmen, dass ich mit der zärt­lichsten Erkennt­lichkeit, Liebe und Hochachtung ersterbe Ew lbd dienstergebenste Getreue, Groß-Tante und Dienerin.“

Unterschreiben konnte sie nicht mehr selbst.348 Von Mecken saß, kurz bevor sie starb, noch zwei Stunden mit seiner Frau am Bett der Sterbenden und hatte versucht, von ihr selbst noch letzte Anweisungen zu ihrem Begräbnis einzuholen. Die „Medici halten dieselbe ohne einige Hoffnung der Wieder-genesung“, der „inner­lichen kalte Brandes [habe] sich bereits eingestellet“.349 Fräulein von Bergen, ihre erste Kammerjungfrau, wich nicht von ihrer Seite, ebenso wenig der Sekretär Schulz, die beide schon über zwanzig Jahre am Witwenhof lebten.350 Am 11. Juli 1751 starb die Herzogin mittags um zwölf Uhr.351 Mecken verfügte sofort, den Leichnam wegen der Hitze aus dem Schlaf- und Sterbezimmer zu holen und ihn in ein kühleres Zimmer im Erdgeschoss zu bringen. Ebenfalls aufgrund der Witterungsverhältnisse wurden die inneren Organe entfernt und auf 347 NLA WB, 1 Alt 24, 238, 29. Mecken an Herzog Carl, 7.7.1751. 348 Ibid., 41 f. „Serenissima laßen gar sehr entschuldigen, daß sie wegen großer Leibes Schwachheit die Unterschrift nicht eigenhändig bewerckstelligen können.“ 349 NLA WB, 1 Alt 24, 238, 41. 350 Ibid., 42 f. 351 HHStA Wien, Reichskanzlei Kleine Reichsstände 502, Schwarzburg 1724 ff., in den Akten, die die Herzogin betreffen, findet sich keine Sterbeurkunde.

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Abb. 190: Mon Plaisir, Corps de Logis II, Dame im Klappbett

dem Oberndorfer Friedhof beigesetzt.352 Der Eichensarg stand schon seit et­lichen Jahren bereit. Die Herzogin hatte jeg­liche Pracht und auch die Aufbahrung verboten. Man kleidete sie auf eigenen Wunsch hin in ein weißes, feines „Spitzennachtzeug“ und legte sie in den mit ebenfalls weißem Cattun ausgeschlagenen 352 NLA WB, 1 Alt 24, 238, 49. Mecken an Herzogin Antoinette Amalia, 11.7.1751. Auf dem Oberndorfer Friedhof befindet sich, aufrecht an der Kirchmauer stehend, ein kleiner barocker Grabstein, dessen Inschrift nicht mehr lesbar ist. Er diente wahrschein­lich der Beisetzung der Innereien: Der „entseelte Körper [sei] nach dem Ableben alsofort eröfnet und sind die Intestiva in ein Fäsgen gethan, welches weile es nicht lange stehen darf, unter hoffent­lichen Genehmigung auff hiesigem Kirchhoff will einscharren lassen“ (ibid., 56).

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Sarg. Vom Arnstädter Hof lieh man sich schwarzes „Trauerzeug“, mit dem das Zimmer, in dem der Sarg stand, und seine Vorkammer ausgekleidet wurden. Vor der Tür stand ein Soldat der Erfurter Garde Wache, während die „Hoff-Officianten“ Tag und Nacht die Totenwache hielten.353 Wo Auguste Dorothea beigesetzt werden wollte, hatte sich mehrfach geändert. Nachdem die Fürstin 1715 konvertiert war, wünschte sie sich, nach ihrem Ableben im Dom von Erfurt beigesetzt zu werden. Dieser Plan schien gescheitert zu sein. Danach hatte sie sich für den Friedhof der Gottesackerkirche in Arnstadt entschieden. Letztend­lich fiel ihre Wahl auf die Kirche des Ursulinen­konvents in Erfurt.354 Der Weg von der Augustenburg aus dorthin führte durch das Territorium des Gothaer Herzogs und der Stadt Erfurt. Von beiden hatte Auguste Dorothea im Vorfeld freies Geleit für ihren Leichenzug bewilligt bekommen. Wie aber sollte die Beisetzung abgewickelt werden? Die Vorschläge des Hofrats Mecken zielten auf Standesgemäßheit zu mög­lichst geringen Kosten. Um Ehrbezeugung ging es nicht. Den Sarg wolle man doch wenigstens, auch wenn Auguste Dorothea es untersagt hatte, mit einem schwarzen Tuch behängt auf einen Wagen stellen lassen, um darauf den kompletten Wagen zusätz­lich schwarz abzuhängen. Man lieh sich aus Arnstadt noch zwei Rappen und sechs schwarze Pferdedecken. Ein adeliger Marschall sollte vor dem Leichenwagen herfahren, zwölf adelige Offiziere sollten als Sargträger der Leiche in drei Wagen hinterherfahren und den Sarg auf den Wagen hochheben und in Erfurt wieder herunternehmen. Zwölf Offizianten sollten diesen dienen und 24 Pech­fackelträger den vierstündigen Marsch nach Erfurt durch die Nacht begleiten. Auguste Dorothea hatte selbst verordnet, dass ihr Leibarzt Schuhmann, der Sekretär Schulz und der katho­lische Hofprediger dem Leichenzug in einem separaten Wagen folgen sollten. Alle Beteiligten mussten von Braunschweig aus mit Trauermänteln oder vollständiger Bekleidung ausgestattet werden.355 Die einfachen Fackelträger sollten auf den Wunsch der Verstorbenen hin nicht einen, sondern zwei Reichstaler pro Person erhalten.356 Für ihre Dienste sollte dem Adel mit Geschenken und et­lichen Flaschen ungarischen Weines gedankt werden. Allen winkte ein einfaches Trauermahl, das „mit aller schick­lichen, aber nicht übermäßigen Art“ erfolgen sollte.357 Ein Problem stellte die Menge der benötigten adeligen Sargträger dar, da an „Noblesse zu Trägern 353 Ibid. 354 Ibid., 68. 355 Volle Trauerausstattung erhielten nur die Kammerjungfern und der Sekretär. Ibid., 108. 356 Ibid., 85. 357 Ibid.

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sind außen Arnstädtischen keine 12. Personen zusammen zu bringen, und wenn man solche außem Sondershäu­sischen verlangen wollte, müsste des regierenden Fürsten Durchl. darum zuforderst angesprochen werden“.358 Die Beisetzung fand in der Nacht vom 25. auf den 26. Juni 1751 statt.359 Die Leichentücher hatte man aus Rudolstadt borgen müssen. Die Ursulinen bekamen zweihundert Reichstaler als Dank für die Einrichtung der Grabstätte.360 Kurz vor Beginn des Leichenzugs kam es dann noch zu protokollarischen Problemen. Der Herr Obrist von Uhr als Vornehmster des Leichenzugs meinte unmög­lich als Marschall nur im Gefolge des Leibarztes, Sekretärs und Paters den Zug führen zu können. Herr von Mecken begleitete kurzerhand selbst den Zug, und einer der Zipfelträger des Leichentuchs wurde zum Vorreiter. Der Herr von Uhr und der Herr von Platten bekamen jeweils zwölf Flaschen ungarischen Wein. Der Zug war am Ende auf neun Wagen und dreißig Fakelträger angewachsen.361 „Die Leiche wurde von den […] 16 Cavliers in die Ursuliner-Closterkirche bis zur Grabstätte getragen, wo der Sarg vor dem Hochaltare, unter dem Gesange der Nonnen, eingesenkt wurde. Die Kirche war prächtig erleuchtet, und die hießige katho­lische Geist­ lichkeit verrichtete die dabei üb­lichen Begräbnis-Ceremonien.“362

Keine Familienmitglieder begleiteten den Zug, keine Leichenpredigt wurde zu ihren Ehren gehalten.363 Der Form halber erließen die Schwarzburger das ­vierwöchige 358 Ibid., 57. 359 Zur Beschreibung der Beisetzung siehe Beyer, Constantin (1821): Neue Chronik von Erfurt. Erfurt, S. 28. Hier werden zusätz­lich „sämt­lichen Hofräthe von Arnstadt, wie auch die von der Augustenburg und viele andere Herrn und Cavaliers“ genannt sowie ein weiterer Rat aus Wolfenbüttel. Den Arnstädtern war es offensicht­lich ein Bedürfnis, der alten Herzogin das letzte Geleit zu geben. Weitere Erwähnungen des Todes bei: Hellbach (1787), S. 109; Hesse (1841), S. 171. 360 NLA WB, 1 Alt 24, 238, 81. 361 Ibid., 99 – 104, Bericht des Leichenzugs. 362 Beyer (1821), S. 28. Der Grabstein ist 1890/95 aufgenommen worden und seitdem verschwunden. Die Abschrift der Grabplatte hat sich erhalten: „HIER RUHET DIE DURCHLAUCHTIGSTE FÜRSTIN UND FRAU FRAU AUGUSTA DOROTHEA ELEONORA GEBOHRNE HERTZOGIN VON BRAUNSCHWEIG UND LÜNEBURG VERMÄHLTE FÜRSTIN VON SCHWARTZBURG HOCHSEELIG VERSCHIEDEN DEN 11.JULY ANNO 1751 IHRES ALTERS 84 JAHR 6 MONATH 3 WOCHEN UND 4 TAG BETE VOR IHRE SEEL: Ich danke Sr. Clothilde Müller vom Ursulinenkonvent Erfurt für Ihre Hilfe.

363 Zum Zeitpunkt des Todes der Herzogin war die Blüte der Leichenpredigt bereits vorüber. In ihrem Fall scheint niemand vorhanden gewesen zu sein, der Interesse am Verfassen und

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Trauerläuten zur Erinnerung an die Trauer des fürst­liches Hauses.364 Ein Trauerdruck aus Sondershausen informierte die Untertanen, dass die Herzogin am 11. Juli „in dero fürst­lichen Witthums-Residenz zur Augustenburg aus diesem vergäng­lichen Leben abgefordert [wurde]. Wenn der […] Herr Heinrich Fürst zu Schwartzburg […] dero im Leben hertzinnigst-geliebtesten Frau Muhmen […] in betrübte Trauer gesetztet worden; und dahero gnädigst verordnet und befohlen, dass durch dero gantzes Fürstenthum und Landes vier Wochen nach einander iedes Orts zu Mittage von 12. bis 1. Uhr mit allen Glocken geläutet, hiernechst auch alle Instrumental-Music, ausserhalb denen Kirchen, sonst in denen Häusern und auf den Gassen, auf Hochzeiten und anderen Ehren-­Gelagen vier Wochen lang gäntz­lich verbothen seyn soll.“365

Das Hofpersonal und der Pfarrer erhielten je nach Bedeutung hierarchisch gestaffelte Trauergelder, insgesamt in Höhe von 323 Reichstalern.366 Neben der reputier­ lichen Beisetzung der Fürstin zur Gesichtswahrung aller Beteiligter bestanden die größeren Aufgaben des Hofrats von Mecken in der Besitznahme des Hauses im Namen der Erbnehmerin, der Haushaltsauflösung, der Schuldenabwicklung und dem Verkauf der Augustenburg. Von Mecken hatte im Vorfeld eine Blankovollmacht von der ebenfalls bereits verwitweten Erbnehmerin Antoinette Amalie, Augustes Nichte erhalten,367 um sofort nach dem Eintritt des Todes den Besitz zu

364 365 366 367

an der Wirkung dieser Predigt gehabt hätte. Siehe Arnswaldt, Werner Konstantin von (1927 – 1935): Katalog der fürst­lich Stolberg-Stolbergschen Leichenpredigten-Sammlung. Bd. I und IV. Leipzig. NLA WB, 1 Alt 24, 238, 77. In der katho­lischen Kirche in Braunschweig wurden „Exequien“ für sie gehalten (238, 42). Ibid., 87 f., für das Gesamthaus 105; ebenso ThStA Ru, Kanzlei Arnstadt 3363, 5 f. Das Ableben sollte an Trinitatis bei der vormittäg­lichen Amtspredigt verkündet werden (ibid., 9). Ibid., 239, 15 und 18. Fräulein von Bergen erhielt vierzig Reichstaler, der Sekretär dreißig, die Kammerjungfern zwanzig Reichstaler, das Nähmädchen vier, die Putzmagd und die Pensionäre in „Gnadenlohn“ zwei Reichstaler „Trauerthaler“. Vollmacht Mecken zur Possessionsnahme, ibid., 238, 37; die letzte Erbin von Auguste ­Dorothea, die jüngste Tochter ihres Bruders Ludwig Rudolf war Antoinette Amalie (1696 – 1762), die als Gemahlin Ferdinand Albrechts II. von Bevern die Stammmutter des Hauses im 18. Jahrhundert wurde. Ihr Sohn, Herzog Carl, übernahm 1735 die Regierung in Braunschweig-Wolfenbüttel. Antoinette Amalie behielt von Auguste Dorotheas Nachlass nur zwei Dinge, näm­lich die Bücher und das alte Porzellan. Alles andere wollte sie verkaufen. Während sich Teile der Porzellansammlung noch in Arnstadt befinden, wurden die Bücher 1752 nach Braunschweig geschickt und sind in der Bibliothek der Antoinette Amalie aufgegangen. Der Gesamtbestand ihrer Büchersammlung wurde

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beanspruchen. Die Sondershäuser Verwandtschaft hatte die gleiche Idee gehabt, kam aber knapp zu spät. Sie hatten vor, das Lustschloss abzureißen, um wieder in den Besitz des Grundstücks zu kommen.368 Einen Tag vor dem Tod der Herzogin war Monsieur Grauel, „Notaire publique imperiale“ bereits in Erwartung ihres baldigen Ablebens auf der Augustenburg eingetroffen.369 Er sicherte unter Zeugen den Besitz und versiegelte „die hochfürst­lichen Zimmer, worinnen defunctae Serenissimae Effecten befind­lich waren und wurde von mir an denen Aus- und Eingangsthüren sowohl als wo vormut­lich […] heim­liche Retraites oder Treppen-Thür mithin die meisten hochfürst­lichen Zimmer, so der Obsignation bedürfften, nebst dem guten Porcellain Gemach, von elf bis drey Uhr fleißigst von mir versiegelt.“370

Auguste Dorothea hatte testamentarisch einige wenige Legate bestimmt. Ihre Schwester in Roermond sollte ein- oder zweitausend Reichstaler erhalten, Fräulein Berger sollte eintausend Reichstaler bekommen, der Sekretär fünfhundert Reichs­ taler, die Kammerjungfern je vierhundert und die „Armen in Arnstadt“ einhundert Reichstaler.371 Die Garderobe der Herzogin und ihr Bett, samt Wäsche und der Matratze, „auf der serma defuncta gestorben“,372 wurden unter den Kammerfräulein und Jungfern verteilt. Die Garderobe „von getragenen Kleidern, Spitzen und weißen Zeuch“ erhielten ebenfalls die Kammerjungfern, bis auf zwei speziel­le Kleider, die sich Fräulein von Berger auserbeten hatte.373 Drei Monate nach dem Tod der Fürstin hatte sich die Erbnehmerin immer noch nicht geäußert, ob sie

368 369 370 371 372 373

nach ihrem Tod im Jahr 1762 der Herzog August Bibliothek vermacht. Der Anteil des Nachlasses von Auguste Dorothea ist jedoch nicht systematisch nachweisbar. Ruppelt, Georg; Solf, Sabine (Hgg.) (1992): Lexikon zur Geschichte und Gegenwart der Herzog August Bibliothek. Wiesbaden, S. 14 f. 1313 gedruckte Bücher und 28 Handschriften aus der Sammlung der Antoinette Amalie sind nachweisbar. Die Sammlung wird durch einen Standortkatalog von 1761 erschlossen (BA I, 631). Sie beinhaltet vor allem „pietistische Schriften, Predigten, Erbauungsliteratur, Gesangbücher, Leichenpredigten“ sowie Geschichte, klas­sische Philologie und Belletristik. NLA WB, 1 Alt 24, 238, 77. Ibid., 239, 69. Ibid., 72 Notarsurkunde. Ibid., 54. Ibid., 65, taxiert siebzig Reichstaler. Taxiert 1.635 Reichstaler, ibid., 65.

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bereit wäre, die Erbschaft anzunehmen.374 Vermut­lich wartete sie zunächst ab, auf welche Summe sich die Kosten belaufen würden. Die Szene der Kranken Dame in Mon Plaisir spielt also auf einen komplexen Themenbereich an, der wenig Pläsier mit sich brachte. Das Sterben einer Hoch­ adeligen bedeutete immer Veränderungen, Neuverteilung und Polarisierung, Auflösung oder zumindest Lockerung eines (politischen) Bandes, in jedem Fall aber Aufwand und Auseinandersetzung. Krankheit, wie sie hier ins Bild gesetzt wurde, war der Vorbote, der die beteiligten Parteien in Startpositionen brachte, mit dem Ziel einer mög­lichst gewinnbringenden Umverteilung. Für alle Personen in abhängigen Positionen, für alle Dienstboten, Lakaien und Hofdamen bedeutete eine ernste Krankheit der fürst­lichen Witwe eine radikale Veränderung ihres Lebens, oftmals ins Ungewisse. Kranke Dame kann nur nach einer Genesung Auguste Dorotheas entstanden sein und erzählt wieder das Erlebte, das vorüber ist. Diese Krankheit hat einen positiven Ausgang, sie muss sich einordnen lassen in die zier­ liche Grundstimmung des Kuriosen, des Enzyklopädischen. Die Intention war es auch mit der Darstellung dieser eigent­lich beschwer­lichen oder bedroh­lichen Situation nicht, deren Ernsthaftigkeit anzuzeigen. Der Tenor der Darstellung ist beiläufig, nicht dramatisch. Auch in dieser Position war die Fürstin nie allein. Falls sie selbst ‒ oder eine andere Hochadelige ‒ erkrankte, kümmerten sich permanent Angestellte, Verwandte und Seelsorger um die Patientin, so lange, bis sie wieder auf den Beinen war. Alles andere lag in Gottes Hand.

374 Ibid., 68.

8. „Meine Freude“ – Die Funktionen des Mon Plaisir im Leben der Auftraggeberin und im höfischen Kontext

Der Titel „Mon Plaisir“ – Meine Freude – deutet zunächst auf eine persön­liche Bedeutung der Miniaturen für die Sammlerin hin. Mon Plaisir hat jedoch, wie die meisten Selbstzeugnisse, eine „doppelte Orientierung“1 nach innen und nach außen. Bei der Betrachtung der unterschied­lichen Funktionen der Sammlung, muss zwischen expliziter Wirkungsabsicht und impliziter Wirkmacht differenziert werden. Dabei entfaltet Mon Plaisir seine Wirkung auf drei verschiedenen Ebenen. Augenschein­lich sind hier zuvorderst die psycholo­gischen, sozialen und emotionalen Funktionen der Sammlung für die Person der Stifterin selbst zu nennen. Wesent­ lich bedeutsamer waren jedoch seine Funktionen in Bezug auf das unmittelbare Sozialgefüge der eingeschränkten Öffent­lichkeit des Witwenhofs, sozusagen den Kreis des „ganzen Hauses“ und der lokalen Untertanen. Drittens hatte sie eine repräsentative Funktion in Bezug auf eine breitere Öffent­lichkeit des translokalen Adelsnetzwerks und eine zeremonielle Funktion bei Besuchssituationen. Es ist dabei nur oberfläch­lich gesehen ein Widerspruch, Mon Plaisir sowohl die Funktion eines persön­lichen als auch eines repräsentativen Mediums zuzuschreiben. 8.1 Tugendhaftes Dilettieren

Für die Fürstin kann Mon Plaisir mehrere Bedeutungen gehabt haben. Die grundsätz­ liche und lebenslange intensive Beschäftigung mit den Miniaturen, das Planen, Beauftragen, Organisieren der Werkstoffe, das Schneidern der Kleider, das Anziehen der Puppen, das Ausstatten der Räume, das Bemalen der Hintergründe, das Arrangieren der Räume und Einstellen der Möbel entsprechen nicht einem traditionellen und etablierten Divertissement einer Hochadeligen, müssen aber als solches gelten. Modern übersetzt würde man es eine Freizeitbeschäftigung oder Hobby nennen. Divertissements gehörten spätestens seit Castigliones „Cortigiano“ (1528) zu einem integralen Bestandteil adeligen Lebens.2 Dabei erhielt das Divertieren im Sinne 1 Greyerz, Kaspar von (1996): Spuren eines vormodernen Individualismus in eng­lischen Selbstzeugnissen des 16. und 17. Jahrhunderts. In: Schulze, S. 131 – 148, S. 135. 2 Zur Rezeptionsgeschichte des „Hofmanns“ siehe Burke, Peter (1996): The Fortunes of the Courtier: The European Reception of Castiglione’s Cortegiano. Pennsylvania.

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Die Funktionen des Mon Plaisir

Abb. 191: Mon Plaisir, Corps de Logis II, Chinoise Klebebilder (Lacca Povera)

Abb. 192: Mon Plaisir, Paradeschlafzimmer, Stickrolle

einer Ablenkung und Verlustierung seine theoretische Legitimation als notwendige Entspannung vom anstrengenden Regieren und gehörte zu den vorgeschriebenen Pf­lichten eines Fürsten. Die Erzählung in Mon Plaisir lässt vermuten, dass sich Auguste Dorothea durchaus auch anderen Divertissements wie Reiten, Jagen, Musizieren und Spielen widmete. Ihre Leidenschaft und größte Freude galt jedoch ihren Miniaturen. Ein zweiter Aspekt aus dem für Fürsten und Fürstinnen vorgesehenen Verhaltenskanon, näm­lich dem Dilettieren, der zweckfreien handwerk­lichen und künstlerischen Tätigkeit im Gegensatz zu anderen Ständen, die damit ihren Lebensunterhalt verdienten, stellt eine der zentralen Vorraussetzungen für die Entstehung der Sammlung dar. Unter Dilettieren wurde nicht im heutigen Sinn ein dilettantisches, also schlechtes künstlerisches Ergebnis verstanden. Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt, gehörte Kunstübung auf qualitativ hohem Niveau allgemein zu den Kompetenzen eines Fürsten und in spezieller Ausprägung ganz besonders zum Habitus von Auguste Dorotheas Herkunftsfamilie.3 Die Gattungen, in denen sich Damen und Herren betätigen durften, waren geschlecht­lich getrennt. 3 Vgl. Florinus (1719), Bd. I, S. 129.

Tugendhaftes Dilettieren  |  419

Abb. 193: Mon Plaisir, Ursulinenkonvent, Nonnen und Kostkind am Stickrahmen und mit Stickrolle

Auguste Dorothea griff für ihr Dilettieren auf eine weib­liche Kernkompetenz zurück, näm­lich Nähen, Klöppeln und Sticken. Handarbeit als adelig-weib­licher Zeitvertreib setzte nach den Unterrichtsplänen des Adels im 17. und 18. Jahrhundert bereits mit vier Jahren ein und wurde oft täg­lich eingeübt. So wurden zum Beispiel in den Erziehungsinstruktionen des Herzogs Philipp Wilhelm von Pfalz-Neuburg für seine Töchter 1677 täg­lich die so genannten schöneren Arbeiten vorgeschrieben.4 Adelige Mädchen sollten hier hingeführt werden zum Ideal der

4 Multer, Rita (1998): Pädago­gische Perspektiven in deutschen Fürstenspiegeln und Erziehungsinstruktionen von Fürstinnen und für Fürstinnen in der Frühen Neuzeit. Eichstätt, S. 237.

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Die Funktionen des Mon Plaisir

Abb. 194: Mon Plaisir, Ursulinenkonvent, Ursuline beim Stricken

Fürstin als fleißiger Hausmutter, die nicht nur nähen und sticken, sondern auch spinnen und weben konnte. Die Szenen des Ursulinenkonvents aus Mon Plaisir demonstrieren, dass Handarbeiten zum integralen Bestandteil von Mädchen­ bildung und auch zum Tugendkanon von Nonnen gehörten. Nähen und Sticken galten als weib­liche Geschlechtszierde und wurden normativ und repräsentativ inszeniert. Den engen Zusammenhang zwischen weib­ lichem Kunst(hand)werk und Repräsentation zeigt zum Beispiel das Geschenk Philipp II. von Pommern-Stettin 1610 an seine Gemahlin, das aus einem silbernen Nähkorb mit Nähnadeln aus Gold bestand.5 Auch Spinnen galt als tugendhaft, denn „es soll ein from Ehrenweib sich nit beschemen mit woll vnd flachs umbgehen wie Edel / reich vnd schön sie auch sei“.6 Der Unterschied zwischen dem

5 Mundt (2009), S. 130 f. 6 So der Fürstenspiegel für Pfalzgraf Johann Kasimir 1570, Multer (1998), S. 112. Philipp II. besaß ebenfalls den an anderer Stelle beschriebenen „Meierhof“.

Tugendhaftes Dilettieren  |  421

Abb. 195: Mon Plaisir, Klöppel- und Nähspitze an Ärmelbesatz (Hemdärmel)

Abb. 196: Mon Plaisir, Weißstickerei

textilen Handwerk von adeligen Damen oder gar Fürstinnen im Vergleich zu den Produktionen der unteren Stände lag nicht nur in der Qualität des Materials, sondern auch in der kunstvollen Verarbeitung und Verzierung. Es ist davon auszugehen, dass Auguste Dorothea gemeinsam mit ihren Hoffräulein (unter denen sich nachweis­lich Näherinnen befanden) und mit Hilfe des Hofschneiders die meisten textilen Aufgaben, die in Mon Plaisir anfielen, erledigte. Dazu gehörten die Bekleidung aller Figurinen, das Weben (der einfacheren Stoffe), Auswählen und Zuschneiden des Stoffes, Zusammennähen, Besticken und Herstellen der Spitze sowie das Anfertigen von Verzierungen und Kopfbedeckungen. Zur weiteren textilen Ausstattung gehörten Vorhänge, Draperien, Tischbehänge und Teppiche. Hierzu wurden Reststoffe von realen Kleidungsstücken, textilen Wandverkleidungen oder Vorhängen verwandt, keine separat dafür angefertigten Stoffe mit Miniaturmuster. Mon Plaisir ist damit das Vehikel tugendhaft-weib­ lichen Handwerks, das Ergebnis dieser handwerk­lichen Tätigkeit und zugleich dessen Demonstration, Nachweis und Ausstellung.

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Die Funktionen des Mon Plaisir

Abb. 197: Mon Plaisir, Rocksaum Abb. 198: Mon Plaisir, Textilbild

Tugendhaftes Dilettieren  |  423

Abb. 199: Mon Plaisir, Schragentisch mit floralem Ornament aus Stroh

Auch die Lackmalereien, Strohbilder, Blumenbilder und die Materialbilder und auch die ausgeschnittenen und auf die Wände aufgeklebten Stiche sind Eigenproduktionen.7 Bei genauerer Betrachtung wird der nicht durch Handwerker, sondern durch die Damen selbstgemachte Charakter der Objekte deut­lich erkennbar. Während die Miniaturmöbel selbst, also Tische, Stühle und Kommoden, vermut­ lich angekauft, in Auftrag gegeben oder vom Hofschreiner hergestellt wurden, ist die applizierte Dekoration nachträg­lich aufgebracht worden. Die Details zeigen überwiegend eine kunstvolle Durchbildung. Das weitestgehende Fehlen von Rechnungen über Tätigkeiten, die auf die Dekoration des Mon Plaisir hinweisen, könnte ebenfalls darin begründet liegen, dass die meisten Gegenstände am Hof selbst hergestellt und verziert wurden. Bei der veritablen künstlerischen Kompetenz des Vaters Anton Ulrich ist davon auszugehen,

7 Vgl. zur Ausschneidetechnik: Kisluk-Grosheide, Danielle (1996): Cutting up Berchems, Watteaus and Audrans: A Lacca Povera Secretary at the Metropolitan Museum of Art, In: Metropolitan Museum Journal, 31, S. 81 – 97.

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Die Funktionen des Mon Plaisir

dass Auguste Dorothea in Malerei unterwiesen wurde. Die Bemalung einzelner Objekte und Wände könnte also vermut­lich auf Auguste Dorothea zurück­ geführt werden. Insgesamt muss in weit größerem Maß als bislang angenommen 8 von einer gestaltenden Mitarbeit der Auguste und ihres Hofstaats ausgegangen werden, die sich nicht nur auf das Anziehen der Puppen und Arrangieren der Szenen beschränkte, sondern die Gestaltung von Wand und Möbeln sowie mitunter auch die Ausmalung selbst vornahmen. Die kunstfertige, handwerk­liche Ausein­ andersetzung mit unterschied­lichen Materialien (Wachs, Holz, Elfenbein, Ton, Textilien) bei der Herstellung des Mon Plaisir ist also das Vehikel, Ergebnis und Darstellung fürst­lichen Dilettierens. Die kunsthandwerk­liche Tätigkeit Auguste Dorotheas birgt jedoch eine weitere Konnotation. Anstelle von männ­licher Drechselkunst in Analogie zum Schöpfergott des mechanistischen Weltbildes, der die Welt modeliert,9 kreierte Auguste Dorothea als Form weib­lichen Dilettierens ihre Welt als Mikrokosmos. Auguste Dorotheas eigenes ‚Handanlegen‘ und die Mitarbeit des Hofpersonals an der Entstehung tragen also vermut­lich eine weitere subtile Bedeutung: Neben der Hinführung zum hausmütter­lichen Tugendideal, dem gleichzeitigen Divertieren und Amüsement steht der sinnbild­ liche Verweis auf das spielerische Beherrschen von Natur und Gesellschaft des absolutistischen Herrschers.10 8.2 Persönliche Bedeutung

Mon Plaisir hatte mehrer persön­liche Funktionen und Bedeutungen: Es diente als Erinnerungsmedium, zur Ich-Ausstellung, der Realitätsflucht, der Kompensation und der Herrschermemoria. An Mon Plaisir schlug sich Auguste ­Dorotheas Sammel­leidenschaft nieder, die sich neben Miniaturen auch auf Ostasiatika erstreckte.11 Auguste bestimmte die Themen, die zur Darstellung kamen, die Möbel und Stoffe, die Verwendung fanden, die Bestückung der einzelnen Szenen und 8 Klein (1999), S. 15. 9 Drexel, Christian (1730): Kurtzer Unterricht von der Dreh-kunst. Regensburg; Rosenbaum, Alexander (2007) Fürstliche Dilettanten. Der König als Künstler. In: Blechschmidt, Stefan; Heinz, Andreas (Hgg.) (2007): Dilettantismus um 1800. Heidelberg, S. 235–256. 10 Bredekamp (1993), S. 70. 11 Zum Charackter der Sammlerpersön­lichkeit vgl. Blom, Philipp (2002): To Have and to Hold: An Intimate History of Collectors and Collecting. London.

Persön­liche Bedeutung 

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Abb. 200: Mon Plaisir, Schreiner

den Umgang mit der Sammlung, sie regelte die Zugäng­lichkeit, sie steuerte das Spiel. Mon Plaisir diente Auguste Dorothea als Dokumentationsmedium ihres alltäg­lichen Lebens und als Erinnerungsspeicher für einzelne Ereignisse. Die holländische Stadt bezeichnet ein Reiseerlebnis mit Ereignischarakter. Als solcher fungiert er nicht als geteilter Erfahrungsraum des Frauenzimmers oder des Witwen­hofs, sondern als persön­liche memory box für die Fürstin beziehungsweise für den engen Kreis derer, die sie auf der Reise begleiteten. Da dieser Schrank wahrschein­lich auch in den Niederlanden erstanden oder in Auftrag gegeben wurde, ist er zugleich Mitbringsel, Andenken und materieller Aufbewahrungsort der persön­lichen Erinnerung. In Mon Plaisir kann Vergangenes aus der Position der Gegenwart sinnhaft gerichtet dargestellt werden. Die Beweg­lichkeit der Objekte und Figurinen ermög­lichten es ihr, die Narration des eigenen Lebens immer wieder zu verändern und sich damit selbst neu zu erfinden. Erlebtes konnte nacherzählt, wieder erlebt und erinnert werden oder umgekehrt. Das Tableau der Miniaturwelt, in der die Auguste-Figurine vielfach auftritt, ist eine narzistische Ich-Ausstellung und eine permanente Selbstbespiegelung zugleich. Es diente als persön­liche Identifikationsplattform oder als Prüfraster,

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Die Funktionen des Mon Plaisir

an der die Ausrichtung und Erfüllung der eigenen Rolle gemessen und justiert werden konnte. Mit Hilfe der Sammlung erzeugte sie durch die eigene gedank­ liche Auseinandersetzung mit den Szenenbildern („Hier bin ich bei der Audienz, hier war mein Herr Vater, der Herzog zu Besuch“) eine Bestätigung ihrer Position. Gleichzeitig vergewisserte sie sich immer wieder neu ihrer Aktualität. Wie bereits betont, ignoriert die Lebenserzählung des Mon Plaisir alles Negative, Unschöne oder Kritische, das im echten Leben der Fürstin vor allem im Witwenstand einen breiten Raum einnahm. Mon Plaisir wird getragen von einem Fluchtmoment und beschreibt ein Ideal oder eine Utopie, die sich so weder persön­ lich erfüllt hatte und die auch in Bezug auf die vermeint­lich klaren hierarchischen Machtverhältnisse am Hof nicht der Realität entsprach. Vor allem anhand der Wochenbettszene wird vor dem Hintergrund der Kinderlosigkeit der Wunsch nach Nachkommen und das eigene ‚Versagen‘ thematisiert. In der Beschäftigung mit Mon Plaisir vollzog Auguste einen eskapistischen Rückzug von der Realität in das ungetrübte Idyll der Miniaturwelt. In der Darstellung und der Bespielung von dessen intakter sozialer Hierarchie spiegelt sich das Verharren-Wollen in alten Machtverhältnissen. Mon Plaisir verarbeitet auch den Machtverlust, den die Fürstin mit dem Eintritt der Witwenschaft hinnehmen musste. Vielleicht realisierte und visualisierte Auguste Dorothea sich selbst in Mon Plaisir in einer Machtposition, die sie auch als regierende Schwarzburger Fürstin nie innehatte. Mon Plaisir zeigt die enttäuschte Statusselbstzuschreibung einer Hochadeligen in kompensatorischer Funktion. Auguste hinterließ mit Mon Plaisir ein persön­liches Denkmal, das im lokalen Kontext Arnstadts ihrer posthumen memoria diente. Die Portraitähn­lichkeit der Figurinen und die Verwendung von Stoffresten der tatsäch­lich am Leib getragenen Kleidung zur Einkleidung der Puppen wie auch die Nutzung von realen Tapetenresten aus den wandfesten Dekorationen des Schlosses zur Ausstattung der Puppenräume bewirkten eine auratische Aufladung und damit eine starke ‚Anhaftung des Persön­lichen‘ am Material. Aus der mindermächtigen Position heraus, in Ermangelung von Nachfahren und in Anbetracht des sich bereits aufgelösten Territoriums kümmerte sie sich mittels der Selbstinszenierung um ihre persön­ liche Unsterb­lichkeit. Dabei hinterließ sie eher zufällig und ohne dezidiertes Ziel ein umfangreiches Kulturdokument ihrer Lebenszeit. Anton Günthers adelig-repräsentative Sammlungstätigkeit erstreckte sich auf die Numismatik, die er mit Leidenschaft, wissenschaft­lichem Interesse und großem finanziellen und sozialen Engagement verfolgte. Auguste Dorothea schuf mit der „weib­lichen“ Puppensamlung ein ebenso viel- und kleinteiliges Pendant zu der „männ­lichen“ Münzsammlung. Damit wird die augenschein­liche

Persön­liche Bedeutung 

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Geschlechtsgebundenheit der Gattungen von einer abstrakten Geschlechter­zu­ schreibung auf die Ebene des persön­lichen Gegensatzes zwischen einem bestimmten Mann und einer bestimmten Frau reduziert. Während Anton ­Günther Geschichte anhand von Münzbildern studierte, bildete Auguste Dorothea das zeitgenös­sische Alltäg­liche und das sie umgebende Leben ebenso interpretierend und sammelnd als Miniatur ab. Auguste Dorothea formulierte mit Mon Plaisir einen fürst­lichen Sammlungsbestand in weib­licher Kodierung, der zugleich als innerehe­liche Prestigekonkurrenz und als Versuch der Darstellung der Ebenbürti­gkeit zwischen den Ehepartnern gewertet werden muss. Sans Plaisir – Der Konflikt als Folie des Schönen?

Im Gegensatz zur illustren, heilen Welt des Miniaturensembles war das Leben der Fürstin und Witwe also durchgängig konfliktbehaftet. Konfliktbewältigung stellt sich in den Archivalien als permanente Handlungsaufgabe dar, die jedoch als Thema nur in Form von Andeutungen in die Miniatur mit übernommen wurde. Sicher ist es frag­lich, ob die Darstellung von alltäg­lichen Konflikten überhaupt als bildwürdig gelten konnte. Mon Plaisir erwähnt das Handlungsfeld mittelbar durch das Zeigen von Räten, Audienz und Gesprächen, in deren Rahmen die politischen Interessen zur Umsetzung vorbereitet wurden. Konfliktmanagement und Krisenbewältigung waren lebensbegleitende Themen für Frauen des Hochadels, die ihre eigenen Interessen zwischen den Interessen der Herkunftsfamilie und der Agnatenfamilie je nach persön­licher Situation und politischer Dynamik entwickeln und verteidigen mussten. Archiva­lisch dokumentieren viele Quellen die beiden Hauptmotive für Auguste Dorotheas innerfamiliäre Konflikte: finan­zielle Versorgung in der Ehe und die Frage der Witwenbezüge. Die beiden Stränge ein und desselben Grundthemas wurden durch einen grund­ legenden Unterschied des Personenstands geprägt. Der ehe­liche Status enthielt laut Zeremonialwissenschaften ein Recht auf standesgemäße materielle Versorgung der Gemahlin und der Witwenbezüge, dennoch waren beide Rechte im Fall Auguste Dorotheas nicht selbstverständ­lich zu ihrer Zufriedenheit eingelöst worden. ­Daraus folgte eine permanente oder sich periodisch wiederholende Konfliktsituation, die ihre stärkste Ausbildung in den ersten Jahren der Witwenschaft erfuhr, in der nachweis­lich auch eine verstärkte Auseinandersetzung mit Mon Plaisir stattfand. Der lebenslange Konflikt um finanziell standesgemäße Versorgung wurde somit zur Folie, vor der die Illusion der Miniatur sich abhob, nicht nur als Abbild der vermeint­lich freudvollen Anteile des höfischen Lebens, sondern als Gegenentwurf zu real erfahrenem Unmut.

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Die Funktionen des Mon Plaisir

8.3 Identifikationsstiftung, Untertanenbindung, Selbstbehauptung – Die Botschaften des Mon Plaisir nach außen

Für die eingeschränkte Öffent­lichkeit des Witwenhofs hatten die Produktion und die Ausstellung des Mon Plaisir die Aufgabe einer Identifikationsplattform. Vergegenwärtigt man sich die Herstellungsprozesse der Kästen, Szenen und einzelnen Objekte, die immense Aufmerksamkeit, die die Planung und Koordination der Handwerker, die Beschaffung der Materialien und die tatsäch­liche Herstellung, zum Beispiel der Spitze, ganz zu schweigen vom Arrangieren und Präsentieren der Sammlung bereitete, wird deut­lich, wie viel Zeit Auguste und ihr Hofstaat mit diesem Projekt verbrachten. Gemeinsame Handarbeit gehörte im höfischen Frauenzimmer zur Tagesrou­ tine.12 Die Arbeit an Mon Plaisir wird die allgemeinen Handarbeiten nicht gänz­ lich ersetzt, aber einen großen zeit­lichen Anteil daran gehabt haben. Nicht nur für sie selbst, sondern auch für ihren Hofstaat muss diese je nach dem Grad der Beteiligung einen festen Bestandteil ihres Lebens ausgemacht haben. Über die Identifikation mit dem Objekt durch das Abbilden des eigenen Umfelds oder der eigenen Person als Figurine und die Integration der eigenen Handarbeit in die Sammlung trug Mon Plaisir maßgeb­lich zur Identifikation mit der eigenen Position innerhalb der sozialen Hierarchie des Witwenhofs bei. Nicht nur durch die Auftragsvergabe einzelner Werkstücke, sondern durch das eigene Handan­ legen und die Ehre des Dargestellt-Werdens fungierte Mon Plaisir als Medium der Untertanenbindung. Zugleich wurde durch die visuell fixierte Rollenver­teilung die Ordnung am Witwen­hof hergestellt, festgeschrieben und fortgesetzt. Das öffent­lich zugäng­liche Mon Plaisir wirkte auf unterschied­liche Zielgruppen: auf die Untertanen Schwarzburg-Sondershausens, auf Familienmitglieder, auf Besuch und auf den umliegenden Adel. Auf jeden Adressatenkreis wirkte die Botschaft der Sammlung, jenseits seiner bemerkenswerten enzyklopädischen Kuriosität, in anderer Weise oder mit anderer Konnotation. Gegenüber den Schwarzburgern, die Auguste Dorothea 32 Jahre lang als Landesmutter erlebt hatten, verwies sie 12 So heißt es in der Frauenzimmerordnung der Herzogin Sophie von Mecklenburg vom 1.9.1614, die Hofdamen „sollen zusammen im Frauenzimmer bleiben und, was ihnen von uns [der Herzogin] zu nehen oder sonsten zu thun befholen wirt, mit fleiß verrichten. Und wo sie nicht vor uns zu arbeiten haben, sollen sie sich doch zum Nehen halten oder sonsten was vornehmen, und sol sie die Hofemeisterin gantz nicht ledig gehen laßen, sondern zur Arbeit vermahnen.“ Kern, Arthur (1907): Deutsche Hofordnungen des 16. und 17. Jahrhunderts. Berlin (I), S. 271.

Identifikationsstiftung, Untertanenbindung, Selbstbehauptung  |  429

mit Mon Plaisir auf ihren ehemaligen Status und erinnerte an Anton Günther, an ihre Legitimität durch die Ehe mit ihm und an ihr Handeln als regierende Fürstin. Sie behauptete damit ein Anrecht auf ihren hohen sozialen Rang, ihre Präsenz vor Ort und auf den auch in der Witwenschaft von den Untertanen fortzusetzenden Respekt. Auch wenn sie nicht mehr regierende Fürstin war und ihr Territorium bereits in Schwarzburg-Sondershausen aufgegangen war, stand sie für die Blüte­ zeit Arnstadts. Das Nachbilden von Portraits aller bekannten Personen führte sicher­lich zu einem lustvollen Wiedererkennen der Dargestellten. Sich selbst als Figurine in Mon Plaisir abgebildet zu sehen und damit nobilitiert zu werden kann Ehrgeiz vieler gewesen sein. Um Selbstbehauptung ging es in der Botschaft gegenüber den unterschied­ lichen Adelsgruppen. Dem lokalen Niederadel gegenüber demonstrierte sie ihre Vormachtstellung, indem sie den Wohlstand ihres Hauses und den Musenhofcharakter ihres Witwenhofs darstellte, der Geselligkeit und Kultiviertheit versprach. Da alle Welt um ihre finanzielle Bredouille wusste, war es bedeutsam, den Grund dafür – die angemessene Ausstattung ihres Schlosses – realiter und in Miniatur vorzuführen. Indem Auguste Dorothea ihr textiles Handwerk ausstellte, verwies sie explizit auf ihre eigene Tugendhaftigkeit und Vorbild­lichkeit im Sinn der geschlechtsgebundenen Handlungserwartung. Gegenüber der statusgleichen oder statushöheren Gruppe des Hochadels, also ihrer eigenen Familie und der Schwarzburger Agnatenfamilie, demonstrierte Auguste Dorothea mit Mon Plaisir „ihr Reich“ und die erfolgreich ausgefüllte Rolle als Reichsfürstin und behauptete damit gegenüber ihrer eigenen Familie ihren Nutzen für diese im Sinn der Machterweiterung. Dabei schwingt sowohl das Überzeichnen der eigenen Rolle, die Überschätzung der eigenen Position wie auch die Bitte um Anerkennung der eigenen Bedeutung mit. Gegenüber der Agnatenfamilie, mit der sie jahrelang um die Durchsetzung ihrer Ansprüche kämpfte, könnte die Selbstinszenierung in Mon Plaisir als beharr­liches visuelles Statement, quasi als dreidimensionale Botschaft interpretiert werden. Immerhin erinnerte sie hiermit dauerhaft an ihre ehemalige Position, die den S­ ondershäusern ein Dorn im Auge war.

9. Schluss: Persönlich und heiter – Stilisierte Lebensbilder einer Hochadeligen

Die Rekonstruktion der ehemaligen Aufstellung anhand der Befunde an den Kästen und des Inventars von 1751 macht folgende Aussagen mög­lich: Die Hypothese, dass die einzelnen Kästen des Mon Plaisir rundherum verbunden gewesen sind und ein „town at work“1 darstellten, ist falsch. Verbunden waren ausschließ­lich die an der fensterlosen Innenwand aufgestellten Schränke XIII bis XVII, und zwar auf den unteren „Stockwerken“. Ursulinen, Hofmaler/Böttcher und Corps de Logis I haben jeweils auch Zugänge, die in der Aufstellung von 1751 ins Leere laufen oder zu kleinen Nebenszenen führten, die nicht mit inventarisiert wurden. Wahrschein­licher ist jedoch, dass die Schränke der Galerie während der aktiven Sammlungsphase umgestellt und damit Raumkontexte verändert wurden. Das Refektorium der Ursulinen zeigt beispielsweise eine Ausgangssituation, die exakt links oben im Corps de Logis gespiegelt wird. Vermut­lich existierte hier einst eine Kommunikation zwischen diesen beiden Schränken. Die Idee der mög­lichst vollständigen Abbildung und die Verbindung der Kästen untereinander sind ein späteres Konzept. Die frühen Schränke waren in sich geschlossen und sahen keinen Kontakt zu anderen Schränken vor. Die thematisch und auch formal geschlossenen Kästen, die keine Kommunikation vorsahen, wurden zwischen (oder vor 2) den Fenstern der Außenwand der Galerie platziert, während die untereinander verbundenen Schränke sicher aus Gründen der Stabilität und auch der frontalen Beleuchtung gegenüber den Fenstern aufgestellt waren. In der Rekonstruktion der ehemaligen Aufstellung wird deut­lich, dass die Kästen in engem räum­lichen Bezug standen und sich in einem Abstand von circa eineinhalb Metern gegenüberstanden und nur geringen seit­lichen Abstand zueinander hatten. Die Kästen und ihre Themen stellten also einerseits zu ihren unmittelbaren Nachbarn links und rechts Bezug her, andererseits zu den Szenen gegenüber. Formal lässt sich zusammenfassen, dass Mon Plaisir historisch kaum Häuser darstellte, sondern Sammlungsschränke, die es ermög­lichten, einen Tischbrunnen 1 King (1983), S. 75. 2 Die Jagd wurde rückwandig durch bemalte Leinwand, nicht durch eine Holzwand abgeschlossen, die von hinten durch Tages­licht beleuchtet werden konnte. Der große Corps de Logis könnte ebenfalls vor Fenstern gestanden haben.

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Stilisierte Lebensbilder einer Hochadeligen

(vermut­lich als Hofbrunnen), ein Kirchenmodell und bekrönenden figuralen Schmuck, Vasen und Zierskulpturen zu integrieren. Mit größter Wahrschein­ lichkeit schmückten die übrigen Wandflächen mindestens das Portrait der Stifterin und die Grafik der Augustenburg, die beide mit in das Waisenhaus überführt wurden – vermut­lich aber noch andere Kunstkammerobjekte. Das Grundkonzept der einzelnen Kästen ist das der vertikal in Bezug auf die soziale Zugehörigkeit hierarchisch organisierten Staffelung, während der Stand auf einer Ebene gleich bleibt. Damit wird innerhalb eines Kastens die Idee der Ständepyramide umgesetzt. Bei der Systematik fällt auf, dass die Sammlung drei Schrankkonzepte beinhaltet. Die erste Gruppe zeigt nur Innenraumszenen, die zweite nur Außenraumszenen und die dritte kombiniert beide und zeigt stets den höfischen Innenraum über dem Außenraum. Auch damit ist ein hierarchisches Denkmuster der Zeit aufgegriffen, in der nur der gestalteten Natur ein ästhe­tischer Wert beigemessen wurde. Der größte Teil der Darstellungen entspringt dem Bereich des adelig-weib­ lichen Hoflebens. Ein konzeptionelles Abbildungsziel jenseits des Persön­lichen hat die Sammlung nicht. Auf den ersten Blick scheint es sich bei Mon Plaisir um ein miniaturisiertes Abbild der Welt zu handeln, das sich um enzyklopädische Vollständigkeit bemüht. Es ging der Fürstin jedoch nicht um die Darstellung aller denkbaren Lebensbereiche, wie sie zum Beispiel von Christoph Weigel 1698 vollständig erfasst wurden,3 sondern ausschließ­lich um eine mög­lichst eloquente und präzise Darstellung ihres persön­lichen und höfischen Lebensumfelds mit allen daran beteiligten Akteurinnen und Akteuren. Bei genauerer Betrachtung der einzelnen Szenen zeigen sich die Außenszenen eben nicht als Beschreibungen allgemeiner Lebensweisen in der Frühen Neuzeit, sondern im Vergleich mit dem soweit rekonstruierbaren realen Lebensumfeld wird deut­lich, dass hier primär der Witwenhof gezeigt wird. Dies schließt jedoch die Stadt Arnstadt als Motivgeber nicht aus. Die meisten landwirtschaft­lichen oder bäuer­lichen Szenen wie auch die Darstellungen der Zünfte beziehen sich ganz konkret auf die notwendige Versorgung des Hofs durch das eigene Vorwerk und die Verarbeitung aller vorhandenen Rohstoffe zum Gebrauch oder Verkauf durch Arbeiter und Handwerker, die an der Augustenburg ansässig waren. Die dargestellten Themen ergeben sich stringent aus der Sicht der Stifterin, näm­lich aus Erlebtem, aus dem Bereich der Versorgung und der Logistik des Hofs und dem beobachteten Leben.

3 Weigel (1698).

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Der Schwerpunkt des Szenennarrativs liegt auf gerade stattfindenden Handlungen. Die Fürstin wird beim Musizieren gezeigt, beim Essen, beim Tanzen. Bei den Szenen Schneider und Schreiner wird nicht nur das fertige Produkt präsentiert, sondern vor allem der Herstellungsprozess, in dem alle dazu benötigten Werkzeuge ebenfalls ausgestellt werden. Obwohl zum Beispiel die Tätigkeit des Schusters von lebenspraktischer Bedeutung für die Herzogin gewesen sein muss, hatte sie kein Interesse, den Herstellungsprozess zu zeigen. Stattdessen reduzierte sie diese Darstellung auf das Feilbieten der Schuhe in einer Bude beim Markt und den Moment des Kaufs. Hier geht es nicht um die Darstellung einer Zunft, sondern um das Portrait einer Erfahrung, eines bestimmten Moments oder einer Tätigkeit. Schneider und Schreiner, die beide eine Hofwerkstatt auf der Augustenburg betrieben, entstammten dem unmittelbaren persön­lichen Erfahrungsraum. Bei diesen Berufsgruppen war ihr deshalb der Herstellungsprozess geläufiger und seine Darstellung wiederum Teil des Lebenspanoramas. Auguste Dorotheas Interesse galt also nicht den Zünften an sich, sondern den einzelnen Untertanen, die diese Gewerke in ihrem Auftrag ausübten und die sie wiederum in der Miniatur durch ihre lebenswirk­lichen Attribute charakterisierte. Die Szenen des Mon Plaisir sind einerseits das Ergebnis des persön­lichen Bezugs zu ihrem Hofstaat als „ihrem“ Mikrokosmos und andererseits ihres persön­ lichen Erfahrungsraums. Fanden in Anlehnung an den Namen der Sammlung nur das Heitere und Freudvolle als Genreszenen eine dreidimensionale Umsetzung? Vergleicht man die Darstellungen des Mon Plaisir mit markanten Institutionen und Ereignissen von Auguste Dorotheas Lebenszeit, ergeben sich Diskrepanzen zwischen dem Bild der Puppenstadt und dem Umfeld. Die Hypothese, Auguste D ­ orothea habe ihr Leben und ihre Umwelt vollständig abgebildet, wird ebenfalls konterkariert durch die Tatsache, dass einige Themen und Bereiche des öffent­lichen oder privaten Lebens keine Erwähnung finden. So zum Beispiel wird kaum das wirtschaft­liche Leben Arnstadts szenisch aufgenommen, weder die hochmoderne und mit 16 Mahlwerken ausgestattete Günthersmühle noch das städtische Gymnasium oder auch das Rathaus. Ebenso wenig wird das Hospital St. Georg erwähnt oder die auf herrschaft­lichem Gelände gelegene Ziegelei. Keine für das fürst­liche Haus wichtige Einnahmequelle wie die Erzbergwerke werden dargestellt, auch die Papiermühle fehlt, ebenso die Zunft der Färber und das jähr­liche Vogelschießen des Schützenvereins, das 1717 landesherr­liche Freiheiten erhalten hatte. Die Kirchenbibliothek als wichtiger städtischer Ort bleibt ebenso unerwähnt, eine Bibliothek wird ledig­lich in Zusammenhang mit der eigenen Sammlung gezeigt. Die abgebildeten Stände werden nicht entsprechend ihrer

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tatsäch­lichen lokal vorhandenen Quantität dargestellt. In Mon Plaisir existiert kaum Armut (die alte Frau, der alte Mann, vgl. Abb. 18, S. 110 und Abb. 19, S. 110), wobei Alter mit Armut korreliert wurde. Das Gesellschaftsportrait in Mon Plaisir behauptet, die Masse der Menschen bestehe aus Adel und nur aus vergleichsweise wenigen Bürgern und Bauern. Ganz im Sinn des programmatischen Titels zeigt Mon Plaisir nur das weitestgehend heitere, freudvolle Leben, in dem Armut nur Platz hat, wenn sie pittoresk ist oder funktional an die Fürstin gebunden. Schlimme zeitgenös­sische Widerfahrnisse, von denen auch Arnstadt nicht verschont blieb wie die Pest und Feuersbrünste, Viehepidemien, Hungersnöte, große Kälte und Kriegsfolgen werden nicht thema­tisiert. Auguste Dorothea hatte persön­lich viele Gelegenheiten, Menschen zu betrauern. Dargestellt wurde diese Trauer nicht. Dabei ist das Trauern um einen Verstorbenen in einem zeitgleichen hollän­dischen Puppen­haus durchaus bildwürdig.4 Vermut­lich als unschick­lich hätte die Darstellung des Badens oder der Besuch des Aborts gegolten, Themen, die in den Puppenhäusern des frühen 17. Jahrhunderts in zotigem Humor intergriert worden waren. Erstaun­licherweise fehlt das „Bild im Bild“. Mon Plaisir enthält kein miniaturisiertes Puppenhaus, obwohl die Stifterin viel Lebenszeit auf diese Vorliebe verwandte. Damit hätte man die Miniaturisierung auf eine kuriose und preziöse Spitze getrieben, die sicher­lich vom zeitgenös­ sischen Betrachter goutiert worden wäre. Den Ehrgeiz, alle Aspekte des Lebens enzyklopädisch abzubilden, hatte die Stifterin auch in Bezug auf sich selbst nicht. In ihrem Interesse lag die Darstellung jener Lebensbereiche und alltäg­lichen wie wiederkehrenden Momente, die im Einklang mit zeitgenös­sischen Rollennormen als repräsentativ gelten mussten.

4 Wie die erste Version des Kabinetts der Petronella Oortman die Trauer um ein Kind zeigt, malerisch festgehalten von Jacob Appel, um 1710, Utrecht Centraal Museum. Abb. bei Pijzel-Dommisse (1994), S. 7.

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9.1 Der Teufelskreis des Statuserhalts – Die Handlungsleitmotive einer mindermächtigen Reichsfürstin und Witwe

Auguste Dorothea befand sich trotz der erweiterten Eigenständigkeit im Witwen­ stand als Frau lebenslang in einer prekären Position. Sie war in höchstem Maße abhängig vom Wohlwollen ihrer Herkunftsfamilie, der Agnatenfamilie und von der Unterstützung der sie umgebenden Adelshäuser. Während die Männer die eigent­lichen Machtinhaber und Entscheidungsträger darstellten, waren die Frauen die Meinungsmacher, die die Entscheidungen der Machthaber unterschied­lich stark vorbereiteten und positiv oder negativ beeinflussten. Sowohl unter den Machthabern wie auch unter den Einflussnehmerinnen gab es zusätz­liche hierarchische Strukturen. Auguste Dorothea nutzte alle unterschied­lichen Kanäle und Adressaten, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen. So schrieb sie wegen ein und desselben Inhalts an den Kaiser und gleichzeitig die Kaiserin, an den Herzog von Wolfenbüttel und an seine Mutter, an den Bruder Ludwig Rudolf und an dessen Frau. Briefe und Geschenke waren die beiden Medien, mit denen Auguste Dorothea auf sich aufmerksam machte.5 Auguste Dorothea war als erwachsene Frau und als Witwe eine Hochadelige mit geringem Einfluss. Sie selbst konnte während der produktiven Phasen ihres Lebens keinen sichtbaren Erfolg generieren. Dies hat drei Gründe. Die Prinzessin wurde in ein kleines, stabiles, aber konservatives Grafenhaus verheiratet. Mit ihren eigenen Ambitionen und Wertvorstellungen überstieg die Prinzessin die Mög­lichkeiten der Schwarzburger. Vermut­lich wurde zu spät bemerkt, dass man sich eine Wolfenbütteler Prinzessin finanziell nicht leisten konnte. Mög­licherweise hatte es zunächst vorteilhaftere Heiratspläne für die Prinzessin gegeben, die für Auguste Dorothea den Geschmack von einem vermeint­lich besseren Leben und höherer sozialer und politischer Position erinner­lich hielten. Die Prinzessin hatte zwar lebenslang die Unterstützung ihres pf­lichtbewussten Gemahls, aber nie die der rest­lichen Familie. Die Friktion durch die fehlende Übereinstimmung zwischen den Familien verstärkte sich durch persön­liche Momente. Auguste Dorothea 5 Die Fähigkeit Auguste Dorotheas zu formal korrekter und vorbild­licher Konversation und Kommunikation beweist die Aufnahme eines ihrer Briefe in Lünigs „Theatrum Ceremo­ niale“. Lünig, Johann Christian (1720): Theatrum Ceremoniale. Historischer und Politischer Schau-Platz des Europäischen Cantzley-Ceremoniels. Leipzig, S. 286, ein Brief nahezu ohne Inhalt mit aufwändigen Formeln; sich in Erinnerung bringen: bspw. HHStA Wien, Reichskanzlei Kleine Reichsstände 501, Schwarzburg 1701 – 1722, 545 Auguste Dorothea an Kaiser Karl VI., 1.10.1715, Glückwunsch zur Schwangerschaft von Kaiserin Elisabeth Christine.

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scheiterte an dem von ihr verlangten geschlechterrollenspezifischen Verhalten als Frau in den unterschied­lichen Lebensstadien. Sie bekam keine Kinder und erbrachte demnach nicht den Beweis des gesegneten Ehestands. Damit kam es zu keiner Kontinuität im Fürstentum Schwarzburg-Arnstadt. Kinder hätten den Kontakt zur mütter­lichen Familie verstetigen können und als Kräftepotenzial mit in neue politische Verbindungen getragen werden können. Auguste Dorotheas in Bezug auf das finanzielle Leistungsniveau der Schwarzburger untragbare Verhalten als Fürstin insbesondere vor dem Hintergrund der Kinderlosigkeit ruinierte ihren Ruf und zerstörte den Rückhalt in der Agnatenfamilie. In den Quellen gibt es keine Hinweise auf Trunksucht, Spielsucht, Galanterien oder Affären. Es finden sich ausschließ­lich Belege für üppige Bankette und eine Vorliebe für kostspielige Nahrungsmittel und Luxuswaren, vor allem Textilien. Nichts davon war unüb­lich oder widersprach dem Decorum. Mit ihrem aufwändigen Hofstaat erfüllte sie eigene Bedürfnisse, die ihr vermut­lich lebenslang kranker und akademisch interessierter Mann nicht in dem Maß teilte. In der Relation zu Schwarzburger Werten und Finanzen war die Summe aus Auguste Dorotheas Verhalten und der gleichzeitigen Nichterfüllung ihrer Pf­lichten unangemessen. Die Archivalien zeigen die Herzogin als weitestgehend selbstbestimmte Frau, die ihre eigenen Interessen und Ziele verfolgte, die sie durch ihre hohe Abstammung legitimierte. Wie die Frage der Witwenversorgung zeigte, nahm sie dabei ihr eigenes Schicksal selbst in die Hand. Gerade der religionspolitische Diskurs, der innerhalb der Familie geführt wurde, zeigt, dass sie stets die Grenzen des Schick­lichen auslotete und diese nur überschritt, wenn ihr Verhalten von einer Seite gebilligt wurde. Eine wirk­liche Grenzverletzung (wie zum Beispiel ihre Schwester Henriette Christine, die als Äbtissin schwanger wurde) beging sie, soweit es aus den Quellen nachvollziehbar ist, nicht. Trotzdem war ihr Verhalten nur bedingt angepasst. Ihr zumindest mora­lisch untadeliger Lebenswandel war dennoch ein permanenter Stein des Anstoßes. Hätte sie sich zurückhaltend, maßvoll, tugendhaft, unauffällig und vor allem der Religion verpf­lichtet gezeigt, wäre sie wohl besser gelitten gewesen. Auguste Dorothea hatte drei Lebensmotive und Handlungsgründe: Statuserhalt, Gruppenzugehörigkeit und finanzielle Sicherheit.6 Ihr Selbstbewusstsein resultierte aus der Verwandtschaft zu Wolfenbüttel und der Kaiserin und stand im

6 Man könnte ebenfalls argumentieren, dass das einzige Leitmotiv der Statuserhalt darstellte und die Gruppenzugehörigkeit und die Finanzierung nur Strategien zum Erhalt darstellten. Tatsäch­lich sind die drei Themen aber zirkulär und in gegenseitiger Abhängigkeit verknüpft.

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Abb. 201: Mon Plaisir, Wochenbett, Toilette, Dame im Spiegel

Spannungsverhältnis zu ihrem minderen Machtbereich. Ihr Status war ein assozia­ tiver Status, der von Machthabern abgeleitet wurde. Das bezeugt unter anderem das Bildprogramm der Augustenburg. Die visuelle Darstellung der familiären und politischen Bezüge ist ungemein bedeutsam als Ausdruck des Beziehungsnetzes, der Protegés und vor allem der „Gnade“, also dem Einflussbereich anderer. Bei der Visualisierung der Netzwerkzugehörigkeit waren Dinge von größter Bedeutung.7 Immer wieder werden Kunstgegenstände genannt, die in Schloss Augustenburg 7 Die hohe Bedeutung von Geschenken als Zeichen der Zugehörigkeit illustriert ein Geschenk Maria Theresias an ihre Tochter Marie Antoinette (eine mit Diamanten besetzte goldene Nelke in einer Vase, mit dem Bild des kaiser­lichen Schlosses Wien) und ihr eigener Kommentar dazu: „Sie [die Vase] ist gerade zur rechten Zeit angekommen, um Ihnen beim Empfang des diplomatischen Korps dien­lich zu sein. Ich möchte sehr, daß ganz Europa

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Auguste Dorotheas persön­lichen, dynastischen Hintergrund und ihre Zugehörigkeit sowie die Beziehung zu einzelnen Personen nach innen und außen demonstrierten. Von der Kaiserin-Mutter hatte sie zur Konversion ein Diamantkreuz geschenkt bekommen, von Lothar Franz von Schönborn wünschte sie sich ein Portrait mit der Begründung, „ es würde mir bei allen Troublen eine Consolation geben“,8 und ebenso erhielt sie Lüster für ihre Kapelle als „Andenken“.9 Herzog Carl beschenkte sie mit einer Porzellanterrine, als sie selbst bereits erblindet war.10 Über Objekte funktionierte auch das Andenken.11 Objekte wurden als Symbole für Beziehungen behandelt, als Pars pro Toto, auf welche die Herzogin dezidiert Bezug nahm. Mit Objekten bedankte sich die Fürstin und brachte sich immer wieder mit diesen in Erinnerung, da die Herkunft eines Gegenstand an ihm haftet. Dem Herzog von Gotha beschenkte sie mit zwei Bezoarsteinen für seine Kunstkammer 12 und ihrem Bruder Ludwig Rudolf überreichte sie einen gedruckten Missionsbericht. Kurz vor ihrem Tod ließ sie Herzog Carl einen Ofenschirm als Dank und als Memorialobjekt schicken.13 In drei Fällen ist eine positive Instrumentalisierung ihrer Position innerhalb des Netzwerks für andere nachweisbar. Einmal empfahl sie einen ehemaligen Bediensteten ihres Mannes ihrem Schwager, dem Kaiser in Wien legte sie mehrfach die Bitte nahe, die Schwarzburger bei der Verteilung von Ämtern mehr zu bedenken und für zwei Ebelebener Prinzen bat sie Herzog Carl von Wolfenbüttel um Aufnahme am Hof und um Förderung.14 Während sie im ersten Fall aus der Fürsorgepf­licht einer Landesmutter heraus agierte, zeigen zumindest die beiden letzten Beispiele ihren Versuch, die eigene Scharnierfunktion gewinnbringend für Dritte einzusetzen, um bei Gelingen neue soziale Verpf­lichtungen für sich weiß, wie sehr ich sie liebe“. Maria Theresia an Marie Antoinette 3.10.1773, zitiert nach Schulte (2002), S. 166. 8 HHStA Wien, MEA Kommissionsakten 8b, Auguste Dorothea an Schönborn, 20.2.1716. 9 Ibid., Auguste Dorothea an Schönborn, 22.4.1720. 10 NLA WB,1 Alt 24, 237, 34. 11 Siehe Büschel, Hubertus (2006): Untertanenliebe. Der Kult um deutsche Monarchen 1770 – 1830. Göttingen zu Objekt und Erinnerung. 12 Kunstkammer Inventarium (1721), Schlossmuseum Gotha, Archiv, Loc. 1, Nr. 1, S. 613, 603, 629, Nachweis über Schenkungen von Bezoarsteinen und Schlangenhaut von der Herzogin von Arnstadt. Hier sind die Aufnahmen aus der Sammlung Arnstadt verzeichnet, und zwar auch Ankäufe aus dem Jahr 1721, die sich auf Raritäten beziehen. Siehe auch Collet (2007). 13 NLA WB, 1 Alt 24, 237, 42. 14 Ibid., 35, 24.11.1750.

Zum Selbstbild der Reichsfürstin  |  439

selbst erwirken zu können. Die Positionierung in relativer Abhängigkeit forderte permanente Flexibilität und großes diplomatisches Geschick sowie die Fähigkeit, zwischen Dominanz und Unterwerfung nach allen Seiten zu changieren. So konnte es passieren, dass sie einen Tag ihren Neffen um politische Intervention in Schwarzburg bat, ihn aber kurz darauf, nachdem er ihrem Wunsch nachgekommen war, für das erwünschte Handeln scharf zurechtwies, weil sie fürchtete, die Schwarzburger könnten dadurch beleidigt werden. Als Fürstinnenwitwe potenzierten sich die Anforderungen an die Flexibilität. Sie musste die Gunst der unter ihr Stehenden oder der Höflinge durch Großzügigkeit oder Nachsichtigkeit erhalten und brachte sich damit finanziell in Bedrängnis. Ihren Geldgebern in Wien, Sondershausen und Wolfenbüttel gegenüber musste sie einen Mittelweg finden zwischen Anspruchshaltung und Unterwürfigkeit, um sich gleichzeitig als wertvolles Mitglied der Familie und damit als förderungswürdig auszuweisen. Dazu bedurfte es wiederum eines gewissen Maßes an kostspieliger Repräsentation. Ein Teufelskreis, der nur durch permanente Kommunikation mit sämt­lichen Akteuren in einer fragilen Balance gehalten werden konnte. 9.2 Zum Selbstbild der Reichsfürstin – Diskrepanzen zwischen Leben und Werk

In der Zusammenschau von materiellem Zeugnis und Archivalien ergibt sich eine Perspektive auf die Selbstsicht und die Identitätskonstruktion der Prinzessin, Gräfin, Reichsfürstin und fürst­lichen Witwe. Als Schlüsselszene zum Selbstverständnis muss die Audienzszene gelten, in der die Fürstin sich in der Ausübung ihrer Staatsgeschäfte zeigt. Scheinbar mühelos ließ sich die Rolle als regierende Reichsfürstin übertragen auf die Rolle als quasi unabhängige Territorialherrin eines noch viel kleineren Wittums, in dem die Fürstinnenwitwe über kaum mehr als zwei Ämter und den unmittelbaren Bereich ihres Schlosses herrschte. Die Darstellungen in Mon Plaisir zeigen in ihrer Gesamtheit eine enorme Fixierung Auguste Dorotheas auf den ihr zugewiesenen Herrschaftsbereich, und zwar weit über die Phase hinaus, in der sie selbst als regierende Fürstin eines sehr kleinen Reichsterritoriums vermut­lich wenige politische Aufgaben zu erledigen hatte. Die staatsrecht­liche Position wurde übertragen in ein symbo­lisches Kapital gegenüber anderen gesellschaft­lichen Gruppen. Auguste Dorothea schrieb sich selbst absolute Bedeutung in ihrem Herrschaftsbereich zu. Im relativen Vergleich war sie mindestens während des Wittums eine mindermächtige, alte Frau, die keinen Einfluss außerhalb ihres Hauses hatte und die deut­lich unter diesem Status litt.

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Stilisierte Lebensbilder einer Hochadeligen

Der Kontrast zwischen den realen Verhältnissen und dem Gestus der Sammlung frappiert dabei. In Mon Plaisir portraitiert sich Auguste Dorothea als unangefochtene Herrscherin, als Monarchin, umringt von abhängigen Untertanen und devoten Höflingen beiderlei Geschlechts. Die Archivalien zeigen sie im Gegenteil als Bittende aus einer unterlegenen, abhängigen Situation. Was uns Auguste Dorothea zeigt, ist eine soziale Position, auf die sie seit ihrer Kindheit vorbereitet worden war und die ihr qua Herkunft, Ausbildung und Vorsehung zustand und auf die sie ein Anrecht zu haben glaubte. In einem gewissen Sinn war Auguste Dorothea kategorisch nicht bereit und auch nicht in der Lage, sich inner­lich dem mindermächtigen Status anzupassen. In Bildern erzählt sie von ihrem Glauben, ihrem Schloss, ihrem Garten, von der guten Versorgungslogistik an ihrem Hof, von ihrem Interesse an Heilkunst und Unternehmertum, beschreibt die friedvolle Ehe mit dem Gemahl, das harmonische Miteinander im Frauenzimmer, die illustre Ballnacht, ihren Wohlstand, die schönen Kleider, ihre Haustiere, ihre Sammlungen, das schöngeistige Musizieren, die illustre Freizeitgestaltung, ihre Reisen, aber auch ihre repräsentativen Verpf­lichtungen. Insgesamt ist es ein Leben ohne Mühsal und Sorge und voller Leichtigkeit, das sie in Mon Plaisir skizziert. In Wahrheit unternahm sie enorme Anstrengungen unter Einsatz unterschied­ lichster Strategien, um die finanzielle Basis zu erhalten, die diese Lebensgestaltung an ihrem eigenen Hof ermög­licht hätte. Sie trat mit voller Überzeugung, großer Beharr­lichkeit und Durchhaltevermögen für ihre eigenen Ziele und für die Erfüllung der ihr aufgetragenen Rolle ein. Sie verstand ihr Handeln immer als gerecht und angemessen, als resultiere es aus einem unanfechtbaren Anspruch. Maßlosig­ keit oder gar Vermessenheit jenseits der immer aushandelbaren Normen hätte sie sich niemals erlaubt, auch nicht in der Miniatur. Aus diesem Grund wurden die einzelnen Figurinen vermut­lich nicht präzise mit identifizierenden Attributen gekennzeichnet. Das Risiko, eventuell eine höher gestellte Persön­lichkeit durch diese Art der Abbildung zu brüskieren, wäre zu groß gewesen. Die ganze Lebenskonstruktion war in Wahrheit sehr brüchig. Die Abhängigkeit am Witwenhof war eine gegenseitige. Das Wohlwollen der unmittelbaren Untertanen, die aufgrund ausbleibender Besoldungen unzufrieden waren, musste durch Geschenke und Großzügigkeit erkauft werden. Ein Wilderer erschien sch­licht nicht vor ihrem Witwengericht, vermut­lich aus fehlendem Respekt vor ihrer Gerichtsbarkeit. Die Kammerfräulein schwatzten der bereits blinden Herzogin immer weiter neue Kleider auf, im klaren Bewusstsein, diese demnächst zu erben. Macht hatte Auguste Dorothea innerhalb ihres Hofes nur, solange jemand als ihr verlängerter Arm und im Interesse der eigenen Position innerhalb der höfischen Hierarchie agierte. So war die fürst­liche Witwe eigent­lich

Zum Selbstbild der Reichsfürstin  |  441

eine hochrangige Gefangene ihres eigenen Hofes und hatte keine andere Wahl, als den Versuch zu unternehmen, durch geschicktes Taktieren außerhalb des Hofes das Kräfteverhältnis zu ihren Gunsten innerhalb des eigenen Hofs zu verändern. Nach Hause in den Schoß der Herkunftsfamilie wollte sie als Witwe nicht zurückkehren. Diesen Schritt hätte sie als Eingeständnis einer Niederlage und als Versagen verstanden. Die ihr zugedachte Aufgabe bestand in einer politischen Mittlerposition, und sie war einerseits nicht bereit, auf diese Scharnierposition zu verzichten, und andererseits sah sie sich in der Verpf­lichtung, diese aufrechtzuerhalten, auch wenn sie faktisch keinem der beiden Häuser mehr nützte. Die einzige Alternative wäre der Umzug in ein Stift gewesen, dort wäre ihr Handlungsraum jedoch beschränkter gewesen. Die in Mon Plaisir ausgestellte Glaubenszugehörigkeit war ebenfalls brüchig und mög­licherweise utilitaristisch gewählt. Weder die konfessionelle Zusammensetzung ihres Hofes noch ihr Verhalten lassen auf eine innere Konversion schließen. Dennoch wurde der katho­lischen Kirche eine Sonderposition in der Sammlung eingeräumt. Die dargestellte harmonische Beziehung zum Gemahl war zwar gegenseitig grundsätz­lich wohlwollend, aber ebenso distanziert und konfliktbehaftet. Anton Günther rügte mehrfach ihr fehlendes Verständnis für die finanzielle Belastbarkeit seines Territoriums und war ein ausgesprochener Gegner ihrer Konversion. Im Vergleich mit den realen Verhältnissen wird deut­lich, dass Auguste Dorothea in Mon Plaisir bestimmte Teile ihres Lebens beschrieb, die entweder bereits in der Vergangenheit lagen, idealistisch überzeichnet waren oder als Wunschbilder gelten müssen. Trotz des utopischen Bildes ihres Lebens, das Mon Plaisir entwirft, sind die Wertund Denkmuster ablesbar. Auguste Dorothea legte viel Wert auf Regelhaftigkeit, auf Korrektheit, auf die Eleganz und Qualität der Bekleidung, auf moderne und repräsentative Raumausstattung, auf eine angemessene Anzahl an weib­lichem Hofstaat und Dienerschaft und auf deren angemessene Ausstattung. Auch wenn die Anzahl der Vernügungen nicht mit Bestimmtheit quantifiziert werden kann und die Ausschmückung einzelner Begebenheiten eher ihrem Wunschdenken denn der Praxis entsprach, entsprangen die Szenen ihrem persön­lichen Erleben. Auguste Dorothea engagierte sich nicht übermäßig in der Krankenpflege, Missionstätigkeit oder im Almosenwesen. Sie war keine Kosmopolitin, und sie war nicht politisch. Sie interessierte sich für die Genealogie ihrer beiden Familien und für die familienpolitischen Erfolge. Sie war intelligent, aber nicht intellektuell. Sie hatte ein begrenztes Interesse an Malerei und eine Leidenschaft für Musik. Sie unterwanderte nie die Grenzen, die ihr als Frau durch die ihr zugewiesene

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Stilisierte Lebensbilder einer Hochadeligen

Geschlechterrolle auferlegt worden war. Die Auslegung der ständischen und geschlecht­lichen Rollen­muster in Mon Plaisir ist wenig individuell oder persön­lich, sondern es sind wiederholt akzeptierte Handlungsräume, ohne diese in individueller Weise zu überschreiten. In Anlehnung an Kasper von Greyerz könnte man das Ich, das sich in Mon Plaisir niederschlägt, als absolutistischen Subjektivismus15 bezeichnen, der nicht religiös durchdrungen war, sondern dessen Leitmotiv die idealtypische Erfüllung einer normativen Rollenbeschreibung und Zugehörigkeit zum Hochadel war. Mon Plaisir ist ein Ausdruck der fundamentalen Durchdringung Auguste Dorotheas durch die fürst­liche Rolle. Ihre Haltung gegenüber der Gesellschaftsordnung war konservativ, traditionell und unkritisch. Ihre Argumentation und ihr Streben zielten immer auf die Einhaltung, die Erfüllung und die Perpetuierung des bestehenden Systems ab. Auguste Dorotheas Verhalten zeigt keine frühaufklärerischen Tendenzen und lässt auch keinen Hang zur bürger­lichen Individualität erkennen. Stattdessen waren der offensicht­liche Eigensinn der Herzogin, das Ausloten der Grenzen, das Insistieren auf ihren Rechten und das Schaffen ihrer eigenen Welt der Ausdruck einer ständischen Individualität, die im Kollektiv immer ihren Bezugsrahmen hatte.16 Im Produkt ihrer lebenslangen Leidenschaft, der Sammlung Mon Plaisir, artikulierte sich der starke Egobezug genauso wie die soziale Gebundenheit in einer Form, die als avantgardistisch zu bezeichnen ist, weil sie die klas­sischen Gattungsgrenzen sprengte. In der Wahl des Puppenhauses als Medium bewegte sich Auguste Dorothea um 1700 bereits außerhalb des definierten Zeichensystems der adeligen Repräsentation. Das Gehen neuer Wege war sonst nicht Teil ihres Verhaltensmusters, insofern ist davon auszugehen, dass Auguste Dorothea ihr „Basteln“ als Dilettantismus verstand, als persön­liche Kuriosität, in der sie ihren Kosmos visualisierte. Damit werden die gezeigten Szenen zugleich zu einer Form von trotzigem Kommentar und entbergen das von korrektem Symbolgebrauch befreite Anspruchsdenken der Herzogin. Denn eigent­lich regierte immer noch sie in Schwarzburg-Arnstadt. Ebenso wie Autobiografien führt die Puppenstadt nicht nur „in das Leben und die Vorstellungswelt ihrer VerfasserInnen hinein, sondern gleichzeitig in die Milieus, in denen sich dieses Leben abspielte“.17 Jancke betrachtet „Schreiben 15 Von Greyerz stellt dem „säkularen Individualismus“ den „religiösen Subjektivismus“ gegenüber. Greyerz (1996), S. 132. 16 Vgl. Jendorff, Alexander (2011): Eigenmacht und Eigensinn. Zum Verhältnis von Kollektivität und Individualität im alteuropäischen Adel. In: HZ, Bd. 292, S. 613 – 644. 17 Jancke (2002), S. 2.

Zum Selbstbild der Reichsfürstin  |  443

[…] als eine Form des Agierens in sozialen Kontexten“ und konstatiert, dass die „Autoren“ mit all „ihren Fähigkeiten, Vorstellungen und Absichten“ das Ergebnis bestimmen. Mon Plaisir kann genau wie schrift­liche Selbstzeugnisse als „Muster für Identitäts- und Gruppenbildungsprozesse“ gelten, „indem sie solche abbildeten und darüber hinaus auch praktisch beförderten“.18 Ähn­lich einiger Beispiele, in der „die VerfasserInnen aus der Position des Haushaltsvorstandes“19 schrieben, agierte Auguste Dorothea aus ebendieser Position und ist als Hausmutter und Landesmutter dreidimensional inszeniert. Die Erzählstruktur, näm­lich das Aneinandereihen von Ereignissen in Form einer Chronik und nicht einer zusammenhängenden Darstellung, die zum Beispiel von Krusenstjern anhand von Quellen des 17. Jahrhunderts feststellte, findet sich genau so in Mon Plaisir wieder. Allerdings finden sich im Gegensatz dazu in Mon Plaisir keine „buchhalterischen“ Fixierungen von Daten, Fakten oder Ausgaben.20 Mon Plaisir führt zwar keine expliziten Verzeichnisse über Vorfahren, Kinder oder Verwandte, wie es schrift­liche (bürger­ liche) Selbstzeugnisse unter anderem tun. Es ist aber mit Sicherheit davon auszugehen, dass manche der Figurinen Familienmitglieder darstellen.21 Damit wurde also das „Programm“ der Selbstzeugnisse: die unzusammenhängende Reihung, die sich jähr­lich wiederholenden Ereignisse des Schreibkalenders und das Nennen der Familienmitglieder in Mon Plaisir in „ereignisverhafteter Formensprache“22 als bild­liches Selbstzeugnis dreidimensional umgesetzt.23 Auguste Dorothea betrieb mit Mon Plaisir keine kritische Introspektion, sondern sie stellte sich als Inbegriff der Fürstinnenrolle aus. Die Herzogin wollte keine inneren Zustände, see­lischen Regungen oder explizite Emotionen (wenn man vom Titel der Sammlung absieht) darstellen, sondern sie zeigte, womit sie alltäg­lich beschäftigt war. Ein direkter Zugriff auf die Erfahrungen Auguste Dorotheas lässt Mon Plaisir nicht zu.24 Im Gegensatz zu bürger­lichen Selbstzeugnissen werden in Mon Plaisir keine Spannungen zwischen den öffent­lichen und privaten Sphären sozialer Erfahrung ausgestellt, vermut­lich weil es in ihrem Rollenempfinden zwar

18 Ibid., S. 212. 19 Ibid., S. 213. 20 Vgl. Krusenstjern, Benigna von (1999): Buchhalter ihres Lebens. Über Selbstzeugnisse aus dem 17. Jahrhundert. In: Arnold/Schmolinsky/Zahnd, S. 139 – 146. 21 Siehe 7.2 Herzogin und Graf, S. 271. 22 Linnemann (2007), S. 58. 23 Siehe auch Meise, Helga (2002): Das archivierte Ich. Schreibkalender und höfische Repräsentation in Hessen-Darmstadt 1624 – 1790. Darmstadt. 24 Brändle et al. (2001), S. 5.

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Stilisierte Lebensbilder einer Hochadeligen

eine Bewegung auf einer Achse von „eingeschränkt zugäng­lich“ bis „vollständig öffent­lich“ gab, jedoch auch das „Private“ zumindest immer einem beschränktem Kreis an Mitgliedern des Hofs zugäng­lich und damit immer mittelbar öffent­lich war. Was aber könnte jenseits der Rekonstruktion der spezifischen Biografie von Auguste Dorothea der übergeordnete Erkenntnisgewinn von Mon Plaisir sein, oder was könnte als das mentalitätsgeschicht­liche Potenzial von Mon Plaisir gelten? Jancke und Ulbrich weisen auf das methodische Problem hin, „wie und ob man überhaupt aus individualisierten Lebensgeschichten Muster ableiten und Prozesse erkennen kann, die über den Einzelfall hinausreichende Schlüsse zulassen“, und diskutieren, „ob und wann in einer Lebensbeschreibung Erfahrungen oder gar Gefühle faßbar werden, ob es sich um bewußte Selbstdarstellung oder um einen ,unmittelbaren‘ Ausdruck des Selbst handelt oder ob die Selbstentwürfe nicht eher Ausdruck von Imaginationen und Projektionen sind“.25 Jenseits der persön­lichen Perspektive der Herzogin auf ihren Lebenskontext und das durchscheinende Rollen­ verständnis enthält Mon Plaisir Informationen über sonst nur aus Schriftquellen oder Gemälden bekannte Lebens- und Handlungsräume, über Arbeit, Kleidung und Amüsements der verschiedenen Schichten in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die in ihrer dreidimensionalen Materialität ein Surplus enthalten, das sich in anderen Medien nicht mitteilt. Durch Mon Plaisir erschließt sich der Blick einer Hochadeligen auf ihresgleichen und auf die ihr untergebenen Schichten und zeigt die Versorgungslogistik eines mittelgroßen Witwenhofs. Beides lässt sich als epochentypische Wahrnehmung und Problemlösungsstrategie von Witwen verallgemeinern. Bedingt lässt sich das Verhältnis der Geschlechter zueinander nachvollziehen, die Geschlechterrollenverteilung und die Männern und Frauen zugewiesenen Räume jeder einzelnen Schicht.26 Selbstzeugnisse sind in besonderer Weise „für die Erforschung von Geschlechterrollen, die ja im Sinne angeeigneter Normen und Verhaltensmuster die Frage nach je zeitty­ pischen Formen geschlechterspezifischer Sozialisierung nahe legen“,27 von Bedeutung. Mon Plaisir thematisiert dem Stufenmodell folgende Lebensphasen des Menschen wie Kindheit, Jugend, Adoleszenz und Alter sowie Leitthemen des Lebens wie Erziehung, Ehe, Geburt, Vergnügen, Ernährung, Schlaf, Bewegung, Krankheit. Mon Plaisir beschreibt damit Kernthemen und Ordnungsmuster, die allgemeingültig waren. 25 Jancke/Ulbrich (2005), S. 12. 26 Die Geschlechtsrolle wird hier als sozial hergestellte, analytische und „mehrfach relationale“ Kategorie verstanden. Siehe Griesebner/Lutter (2005), S. 55. 27 Brändle et al. (2001), S. 10.

Mon Plaisir als Fürstinnenspiegel und weib­liche Kunstkammer  |  445

Trotzdem zeigen sich diese Ordnungsmuster, die für Auguste Dorothea handlungsleitend waren, nur durch deren ganz persön­lichen Blick, der von der Überzeugung der Angemessenheit des eigenen Tuns geprägt war. Die Abhängigkeit des Mon Plaisir von Auguste Dorothea sowie die Interpretation der Sammlung als Selbstzeugnis und als Teil höfischer Repräsentation darf nun als etabliert gelten. Die Spannung zwischen persön­lich markiertem Selbstzeugnis und der Darstellung allgemeingültiger epochen- und standestypischer Denk-, Wahrnehmungs- und Ordnungsmuster bleibt erhalten. 9.3 Mon Plaisir als Fürstinnenspiegel und weibliche Kunstkammer

Puppenhäuser sind seit Mitte des 16. Jahrhunderts überliefert und erleben bis Mitte des 18. Jahrhunderts eine Blüte. Während sie zu Beginn noch im Besitz von katho­lischen, männ­lichen Fürsten als Teil adeliger Kunstkammern greifbar sind, entwickeln sie sich bereits im 17. Jahrhundert nur noch in protestantischen Kultur­räumen in weib­lichem, meist bürger­lichem Besitz. Puppenhäuser scheinen sich also zu einem rein protestantischen Ausdrucksmedium von Frauen zu transformieren und werden damit zum Teil einer religiös- und geschlechtsgebundenen materiellen Kultur. Dies trifft trotz der Konversionsproblematik auch auf Mon Plaisir zu. Auf der Ebene von Ikonografie und Bildsprache lassen sich keine protes­tantischen Bildelemente in Mon Plaisir nachweisen. Die Fundierung der Puppenstadt im Protestantismus gründet vielmehr auf der Metaebene der Bildsetzung der Hausvatertraktatliteratur. Mon Plaisir ist eine weib­liche Ausprägung des barocken Sammlungstypus der Kunstkammer. Die Objekte der Kunstkammer werden nach Kriterien des Materials, der Herkunft oder der inhalt­lichen Übereinstimmung sortiert und beeinflussen sich gegenseitig visuell-assoziativ. Im Puppenhaus wird die inhalt­ liche Einheit durch die äußere Form hergestellt und begrenzt, die Objekte werden nach motivischen Kriterien den einzelnen „Räumen“ zugeordnet. Das Puppenhaus zeichnet sich nicht durch klare Gattungsgrenzen aus, sondern stellt eine Hybridform gegenüber dem Kanon der klas­sischen Gattungen dar. Die Szenen zeigen motivisch eine Nähe zur Genremalerei, sind aber mehransichtig wie Skulptur, jedoch ist das zentrale Kriterium das der prinzipiellen Wandelbarkeit. Dynamik und Unfertigkeit werden im Puppenhaus zum herrschenden Prinzip erhoben, das nur in der haptischen Interaktion des Betrachters mit dem Objekt erfüllt werden kann. Betont wird dadurch die Prozesshaftigkeit, das Immer-von-Neuem-Werden des Bildes, das sich in einem ephemeren Stadium

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Stilisierte Lebensbilder einer Hochadeligen

befindet. In Kommunikation untereinander und mit dem Betrachter und Akteur wird die Bedeutung jeweils neu generiert, wird Wert beigemessen oder entnommen. Sowohl Autor als auch Betrachter treten in eine dialo­gische Struktur ein, die der Umgangspraxis mit Objekten der barocken Kunstkammer gleicht. Die Erzählung kann durch Eingreifen immer wieder abgewandelt werden. Damit eröffnet die Gattung nahezu ideale Bedingungen für die Darstellung und die retrospektive Umdeutung der eignen Lebensgeschichte. Die kunstfertige, handwerk­liche Auseinandersetzung mit unterschied­lichen Materialien bei der Herstellung des Mon Plaisir ist ein Ausdruck fürst­lichen Dilettierens, der zwecklosen und doch bedeutungstragenden Kunstübung. In Anlehnung zum Gestaltungsmedium des Schöpfergotts des mechanistischen Weltbildes drechselten männ­liche Fürsten Elfenbeinskulpturen, die in den höfischen Kunstkammern ausgestellt wurden. Analog kreierte Auguste Dorothea als Form weib­lichen Dilettierens ihre Welt als Mikrokosmos und erfüllte somit szenisch und konzeptionell mehrfach den Tugendkanon der barocken Fürstenspiegel. Auguste Dorotheas eigenes Handanlegen und die Mitarbeit des Hofpersonals an der Entstehung tragen also mehrere Bedeutungen: einerseits Ausdruck des impliziten hausmütter­lichen Ideals, andererseits ‚Divertieren‘ und Amüsement sowie den sinnbild­lichen Verweis auf das spielerische Beherrschen von Natur und Gesellschaft des absolutistischen Herrschers. Mon Plaisir ist als geschlechtsgebundene, weib­liche Umsetzung des fürst­lichen Tugendkanons zu verstehen, als dreidimensionaler Fürstinnenspiegel, basierend auf der Praxis fürst­licher Mädchenerziehung und den hierdurch angelegten und auch beschränkten Ausdrucksmög­lichkeiten.

Anhang

Grafische Rekonstruktion der Galerieaufstellung 17511 Schematische Darstellung der einzelnen Kästen

Die schematischen Rekonstruktionen zeigen die Zusammensetzungen der einzelnen Kästen beim Tod der Stifterin 1751. Die Gegenstandsbereiche der einzelnen Szenen sind farb­lich nach folgender Ordnung markiert: Religion=lila, Hof allgemein und Damen=rot, Hof Herren=grün, Hof-Versorgung=braun, Außenraumdarstellungen=hellblau.



1 Da das Inventar keine genauen Angaben über die Lage der Zugangstür und des Kamins macht, sind folg­lich die Positionen der Schränke I, II und III, sowie XI und XII unklar, aber wie oben dargestellt in Zusammenschau mit den Befunden der Schränke am wahrschein­ lichsten. Die Rekonstruktion der Aufstellung der Schränke IV bis X und XIII bis XVII darf als gesichert gelten.

Holländische Stadt Fischer

Kirche

Ehrenhof

IX

X

XIII

XII

Lustgarten

VII

XV

Fenster

Drechsler Weber Jude

V

XVII

Hofküchen Weinkeller (Vorwerk)

Außenraum

Innenraum

Tischbrunnen

VI

XVI

Öffnungen Verbindungsstäbe zwischen Kästen

Eremitage Jagd

VIII

XIV

Billard Corps de Logis II Amme Markt Hof beim Spiel Küchenschreiber Messe Meierei (Vorwerk) Vorwerk

Abb. 202: Rekonstruktion der Galerieaufstellung von 1751

Corps de Logis I

XI

Kaminkehrer Teeverkäufer Küchengarten Soldaten

Damensalon Wochenbett Morgentoilette

IV

III

Paraderäume Kaiserliche Post

Tür

II

Kamin

Theater Hofmaler Kunstkammer Philosoph Holländische Küche Böttner

Visite/Audienz Apotheke Schneider Bäckerei

I Ursulinenkonvent

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Hinterhof

Rekonstruktion der ehemaligen Aufstellung des Mon Plaisir 1751 Galerie im piano nobile des rechten oder linken Flügels des Corps de Logis von Schloss Augustenburg

448  Anhang

Anhang |  449

Zelle mit angrenzender Schlafstube

Betende Ursuline in einer Zelle

Handarbeitsunterricht

Refektorium

Unterricht der Kostkinder

Sprechzimmer

Klosterküche

Armenspeisung

Grafik I: Mon Plaisir, Schematische Rekonstruktion, Ursulinenkonvent

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Anhang

Theater

Atelier des Hofmalers

Philosoph mit Bibliothek

Kunstkammer

Holländische Küche

Böttcher

Grafik II: Mon Plaisir, Schematische Rekonstruktion, Theater

Anhang |  451

Dachaufsatz

Grüner Mohr Porzellankamin Eine Dame

Indianisch meublirtes Zimmer mit Dame auf aufgezogenem Bett und Harfinist

Apotheke

Schneider

Bäckerei

Bäckerei

Grafik III: Mon Plaisir, Schematische Rekonstruktion, Grüner Mohr

452 

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Anhang

Dach nicht gesichert

Paradeschlafzimmer

Paradezimmer Goldledertapete

Paradezimmer Visite

Kaiserliches Posthaus

Grafik IV: Mon Plaisir, Schematische Rekonstruktion, Kaiser­liche Post

Anhang |  453

Aufsatz einflammige Lüster in Form von Bauern und Bäuerinnen

Holländische Vorstadt

Fischer am Kanal

Grafik V: Mon Plaisir, Schematische Rekonstruktion, Drechsler (das im Inventar von 1751 als Nr. VI bezeichnete Objekt, ehemals Tischbrunnen, hier ohne Abbildung)

454 

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Anhang

Aufbau mit 3 Pyramiden und 4 Jahreszeiten-Vasen

Lusthaus

Lustgarten

Tischkonsole

Grafik VII: Mon Plaisir, Schematische Rekonstruktion, Lustgarten

Anhang |  455

Aufsatz 2 Pyramiden und 5 Harlequins

Eremitage und Wüstung

Jagd und Waldung

Konsoltisch

Grafik VIII: Mon Plaisir, Schematische Rekonstruktion, Jagd

456 

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Anhang

Dachboden

Drechsler

Weber

Grafik IX: Mon Plaisir, Schematische Rekonstruktion, Holländische Stadt

Jude / Stoffhandel

Anhang |  457

Kirche

Tischkonsole

Grafik X: Mon Plaisir, Schematische Rekonstruktion, Kirche

Dame und Herr beim Schach kostbare Tapete und Spiegel

Kinderstube tapeziert

Pferdestall

Herr und Dame beim Spiel (heute Esszimmer)

Kinderstube

Brautzug (außen)

Grafik XI: Mon Plaisir, Schematische Rekonstruktion, Corps de Logis I

Tapeziert Herr trinkt Kaffee Dame am Stickrahmen

Altane Hoftrompeter

Wäschekammer

Schreiner

Bärentanz Bauerntanz

Porzellankabinett

Prinzessin auf Thronbett hört Kammermusik fünf Porzellanvasen, acht silberne Kaminfiguren

Kinderstube Mohren

Tapeziert Kranke Dame erhält Besuch von Kapuzinern

Flachdach 3 Vasen Dorotheental

Gemalte Tapeten Damen und Herren beim Musizieren (Jagdzimmer)

Altane Hoftrompeter

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Blauer Mohr französisches Bett Kammermägde

Flachdach 3 Vasen Dorotheental

458  Anhang

Anhang |  459

Dach nicht gesichert

Großer Kaminsaal Handel mit tyroler Krämmerinnen

Wochenbett

Frauenputz

Barbier Perrücke

Grafik XII: Mon Plaisir, Schematische Rekonstruktion, Wochenbett (das im Inventar von 1751 als Nr. XIII bezeichnete Objekt, ehemals offenes Regal, hier ohne Abbildung,)

Atlas mit ausgeschnittenen Bildern, Dame und Herr beim Spiel (hombre)

Boutiquen

Fuhrleute

Grüner Damast Dame Nachtzeug

Messe

Jahrmarkt

Grafik XIV: Mon Plaisir, Schematische Rekonstruktion, Corps de Logis II

Gelb-bunt Dame empfängt eine andere

Bunt-streifig Seidentapete Madame auf Faulbett Tochter als Amazone

Krahmer

Kommödianten

Jahrmarkt

Buden

Spiegelsaal mit rotem Stoff Tanzabend

Blumentapete Disputierende Geistliche

Schankstube

Putzmacherin

Musiker im Vorgemach

Garderobe

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Rot-bunt tapeziert Zwei Damen beim Vorlesen

Dach nicht gesichert

460  Anhang

Anhang |  461

Dach nicht gesichert

Blau-weiße Seide Zwei Damen beim Spiel

Visite

Gelb-weiß, Zwei Damen bei Visite, Dame und Herr ruhen auf dem Bett

Rot-gelber Atlas mit großer Spielgesellschaft

Vorwerk

Grafik XV: Mon Plaisir, Schematische Rekonstruktion, Spielsalon

Musiker

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Anhang

Dach nicht gesichert

Herren beim Kaffee

Stillende Madame im Kinderzimmer

Herren beim Rauchen Herren beim Billiard

Wäschekammer

Küchenschreiber

Vorwerk

Grafik XVI: Mon Plaisir, Schematische Rekonstruktion, Billard

Anhang |  463

Dach nicht gesichert

Hofküche

Vorwerk (Kellerei)

Grafik XVII: Mon Plaisir, Schematische Rekonstruktion, Hofküche

Abbildungsverzeichnis |  465

Abbildungsverzeichnis

Wenn nicht anders vermerkt, stammen alle Abbildungen und Grafiken von der Autorin. Andreas Benkwitz (Marburg) setzte die Rekonstruktionen der einzelnen Kästen grafisch um. Die Bezeichnungen der Gesamtkästen und Einzel­szenen in den Abbildungslegenden erscheinen kursiviert. Die Benennung der Gesamtkästen folgt der etablierten Bezeichnung nach einer dominanten Einzelszene. Die Benennung der Einzelszenen weicht mitunter von der musealen Bezeichnung ab. Abb. 1: Auguste Dorothea von Schwarzburg-Arnstadt (1666 – 1751), Öl auf Leinwand, Arnstadt Schlossmuseum, anonym, um 1700 Abb. 54: Wegeinspektor Meizner (1766), Schloss Augustenburg, Aquatinta, Schlossmuseum Arnstadt Abb. 56: Johann Alexander Thiele (1685 – 1752), Auguste Dorothea Fürstin von Schwarzburg-Arnstadt, geborene Prinzessin von Braunschweig-Wolfenbüttel (1666 – 1751), 1708 (?), Öl auf Leinwand, 26,5 x 37,5 cm, Klassik-Stiftung Weimar, Inventar-Nr. KGe/00729 Abb. 57: Schloss Augustenburg, Ansicht auf einer Schützenscheibe 1856 vermut­ lich nach einer Rekonstruktion von Heinrich Kranz, Öl auf Holz, Arnstadt Schlossmuseum Abb. 58: Prospekt des Augustenburger Schlosses nebst Garten bei Arnstadt, anonym, NLA WB, 1 Alt 24, 242, 1 aus: Mück, S. 49 Abb. 64: Wegeinspektor Meizner (1766), Schloss Augustenburg, Detail Lusthaus am oberen Bildrand, Schlossmuseum Arnstadt Abb. 66: Augustenburg (1752), Detail aus: Prospekt des Augustenburger Schlosses nebst Garten bei Arnstadt, anonym, NLA WB, 1 Alt 24, 242, 1 aus: Mück, S. 49 Abb. 67: Wolf Kelner (um 1580), Arnstadt aus der Vogelschau, Detail Schloss ­Neideck mit Gartenanlage, Öl auf Leinwand, Schlossmuseum Arnstadt, Inv.-Nr. B 402 Abb. 89: Anton Günther II. von Schwarzburg-Arnstadt, Öl auf Leinwand, anonym um 1700, Schlossmuseum Arnstadt

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Anhang

Abb. 162: Mon Plaisir, Porzellankabinett, Gesamtansicht aus: Klein/Müller (1992), S. 42 Abb. 181: Fayencemanufaktur Dorotheental, Lithografie um 1880 nach älteren Vorlage, Angermuseum Erfurt aus: Mahnert (1993), S. 63 Abb. 184: (Anonym) Dorotheental, 19. Jahrhundert (?), Aquarell, Schlossmuseum Arnstadt

Liste der verwendeten Archivalien  |  467

Liste der verwendeten Archivalien

Arnstadt, Stadt- und Kreisarchiv Akten des Fürst­lich Schwarzburg-Sondershausenschen Landrathes zu Arnstadt betreffend Mon Plaisir 331 – 01 – 1 Leistungsverzeichnis. Anstrich der Puppenstuben, 20.12.1930 Arnstadt, Stadtbauamt Arnstadt, Kartensammlung, Mappe 16 Bestand Stadt, 236 – 01, Fürstl. Schwartzbur­gisches Waysenhaus Rechnungen Eisenach, Thürin­gisches Landeskirchenarchiv Kirchenbücher Arnstadt-Illmenau, Kirchenbuch 1626 – 1716 Oberndorf, Dorotheental, K7 2a-1, Filmsignatur kf 7/25 K7 2a-2 Kirchenbuch zu Oberndorf K7/2a-7 Chronik Reisland Anhang „Pfarrchronik Oberndorf 1814“: Reißland, Samuel Heinrich/Sauer, Christian ­Friedrich (1814): Bemerkungen über die Kirche Oberndorf und Angelhausen vom Jahre 1550 – 1813, Kirchengemeinde Oberndorf, ohne Paginierung Gotha, Thürin­gisches Staatsarchiv ThStA Gotha, Geheimes Archiv B IV 67 bis 72, Vol. I bis VI. Kayserl. Subdelegations Comiss-Acta Die fürst­liche Schwartzburg-Arnstädtische Witthums Sache betr. 1717 bis 1723 ThStA Goha, Kammer Gotha Immediate Nr. 1378, Leupold, Jacob (1718): Kurtzer Unterricht von Kunstkammern Schlossmuseum Gotha, Archiv, Loc. 1, Nr. 1: Kunstkammer Inventarium 1721 (Inventar IV) Rudolstadt, Thürin­gisches Staatsarchiv ThStA Ru, Geheimes Archiv C, VI, 1a, Nr. 19, Publikation des Fürstenstands 1709, Johann Ernst von Wangenheim ThStA Ru, Hofmarschallamt Sondershausen Nr. 1, „Anschlag der Augustenburg und was es gekostet 1710“ ThStA Ru, Kammer Arnstadt 218 ThStA Ru, Kammer Arnstadt 224 ThStA Ru, Kammer Arnstadt 225 ThStA Ru, Kammer Arnstadt 935 ThStA Ru, Kammerverwaltung Arnstadt Fürst­liches Haus Bausachen Nr. 101 ThStA Ru, Kanzlei Sondershausen Nr. 484 G II Arnstadt

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Anhang

ThStA Ru, Kanzlei Arnstadt 1274 1709 – 14 ThStA Ru, Kanzlei Arnstadt 308, 1704 – 14 Wittumsakten ThStA Ru, Kanzlei Arnstadt 311 Witthum 1716 – 21 ThStA Ru, Kanzlei Arnstadt 421 ThStA Ru, Kanzlei Arnstadt 1237 Silber- und Tafelgeschirr 1577 – 1715 ThStA Ru, Kanzlei Arnstadt 1239/1 Inventare ThStA Ru, Kanzlei Arnstadt 1263, Hofordnung bei Anwesenheit des Churfürsten von Mainz in Arnstadt Juni 1680 ThStA Ru, Kanzlei Arnstadt 1271, Donation Augustenburg unter Kefernburg ThStA Ru, Kanzlei Arnstadt 1274 ThStA Ru, Kanzlei Arnstadt 3363 1751, Acta des Ablebens der verwittibten Frau Herzogin zur Augustenburg ThStA Ru, Kanzlei Rudolstadt, B. I. 7c, Nr. 10 ThStA Ru, Kanzlei Sondershausen 504 ThStA Ru, Kanzlei Sondershausen 1405 ThStA Ru, Konsistorium Arnstadt 235 ThStA Ru, Konsistorium Arnstadt 386 ThStA Ru, Konsistorium Arnstadt 958 ThStA Ru, Konsistorium Arnstadt 1006 ThStA Ru, Konsistorium Arnstadt 1405 ThStA Ru, Konsistorium Arnstadt 1859 ThStA Ru, Konsistorium Arnstadt 2420, Pietistica Arnstadiensia de Anno 1691 – 1700 ThStA Ru, Konsistorium Arnstadt 2631, „Betrf. Serenis vidua resolvirter privat exercitium deros. angenommenen Röm. Catho­lischen Religion“ ThStA Ru, Konsistorium Arnstadt 3297, 1757 (zum katho­lischen Hofmaler der Augustenburg Christian Carl Himdorff) ThStA Ru, Regierung Arnstadt 5, Übereichung Fasanenhaus bis Abriss ThStA Ru, Regierung Arnstadt Nr. 23 302 Weimar, Thürin­gisches Hauptstaatsarchiv ThHStA Weimar, Eisenacher Archiv, Hof und Haushalt 1229, Geschenk des Herzogs Johann Wilhelm v. S-Eisenach an die Fürstin (Augusta Dorothea) von Schwarzburg-Arnstadt 1731 ThHStA Weimar, Eisenacher Archiv Fürst­liches Haus 263 1704, Der Durchl. Fürstin Frauen Auguste Dorotheen Herzogin zu Braunschweig und Lüneburg vermählter Gräfin zu Schwartzburg Arnstadt Witthumbs Sache betrf. 1704 ThHStA Weimar, Eisenacher Archiv Fürst­liches Haus 450, Acta die zwischen dem Fürsten zu Schwarzburg Sondershausen und der verwittibten Fürstin

Liste der verwendeten Archivalien  |  469

von Schwartzburg-Arnstadt wegen … der Gerade und Morgengabe entstandene differentien 1717 ThHStA Weimar, Eisenacher Archiv, Hof und Haushalt 1989, Der verwitibten Frau Hertzogin Augusten Dorotheen zu Arnstadt Lbd Gesuchten Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv HHStA Wien, RHR, Conf. priv. at. Exped. 94 HHStA Wien, MEA Kommissionsakten 8b HHStA Wien, Reichskanzlei Kleine Reichsstände 501, Schwarzburg 1701 – 1722 HHStA Wien, Reichskanzlei Kleine Reichsstände 502, Schwarzburg 1724 ff. HHSTA, Meka, Korr. 89 Würzburg, Bayrisches Staatsarchiv BayStA Wü, Schönborn-Archiv, Korrespondenzarchiv Lothar Franz (ungebunden) 627. 1706 – 1716 (in Literatur ehemals "Archiv Wiesentheit" genannt) Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek Briefsammlung K 98 Ludwig Rudolf Herzog von Braunschweig-Lüneburg: Lebensbeschreibung 1690 – 97. HAB, COD.GUELF. 217a Blank Wolfenbüttel, Niedersäch­sisches Landesarchiv/Staatsarchiv NLA WB, Celle Br. 44 Nr. 891, 1684, Verlobungsanzeige NLA WB, 1 Alt 23 Nr. 415, 1752 – 1758, Handbriefe der Herzogin Antoinette Amalie zu Braunschweig-Lüneburg NLA WB, 1 Alt 24 Nr. 227, Korrespondenzen NLA WB, 1 Alt 24 Nr. 230, 1684 – 1729, Acta der Vermählung, Ehe und Aussteuer Gelder, Schulden, Wittum, desgleichen die Religionsänderung und das Testament der Prinzessin Augusta Dorothea, hg Anton Ulrichs zu B. u. L. Tochter, Fürst Anton Günther zu Schwarzburg-Arnstadts Gemahlin NLA WB, 1 Alt 24 Nr. 231 NLA WB, 1 Alt 24 Nr. 232, 1714 – 1724 NLA WB, 1 Alt 24 Nr. 233, 1714 – 1721 NLA WB, 1 Alt 24 Nr. 234, 1721 – 1735 NLA WB, 1 Alt 24 Nr. 235, 1727 – 1736 NLA WB, 1 Alt 24 Nr. 236, 1735 – 1749 NLA WB, 1 Alt 24 Nr. 237, 1749 – 1768, Nachlass der am 11. Juli 1751 verstorbenen Fürstin Augusta Dorothea

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Anhang

NLA WB, 1 Alt 24 Nr. 238, 1736 – 1751 NLA WB, 1 Alt 24 Nr. 239, 1751 NLA WB, 1 Alt 24 Nr. 240, 1751 – 1753 NLA WB, 1 Alt 24 Nr. 241, 1757 – 1766 NLA WB, 1 Alt 24 Nr. 242, 1765 – 1766 NLA WB, 1 Alt 24 Nr. 243 (Quartalszahlungen an Herzogin Henriette Christine) NLA WB, 1 Alt 24 Nr. 244 (Finanzen Henriette Christine und Korrespondenzen) NLA WB, 1 Alt 24 Nr. 339, 1727 – 1732, Quittungen der verwitweten Fürstin zu

Schwarzburg-Arnstadt Auguste Dorothea

NLA WB, 1 Alt 24 Nr. 257, Elisabeth Christine (Kaiserin) NLA WB, 2 Alt Nr. 4350, 1731 – 1748, Empfehlungsschreiben an die Fürstin und

von Fürstin Auguste Dorothea von Schwarzburg-Sondershausen in Fürspracheund Gnadenangelegenheiten NLA WB, 4 Alt 19 Nr. 6, 1714 – 1737, Geldgeschenke an Auguste Dorothea, Fürstin zu Schwarzburg-Sondershausen NLA WB, 4 Alt 19 Nr. 16, 1710, Ehegelder der Fürstin Auguste Dorothea von Schwarzburg-Sondershausen NLA WB, 4 Alt 19 Nr. 81, 1702 – 1734, Rückzahlung von Kapitalien, Trauer- und Reisegelder[n] NLA WB, 95 Alt Nr. 51, 1688 – 1740, Korrespondenzen NLA WB, 95 Alt Nr. 54, 1708 – 1738, Korrespondenzen

Quellen- und Literaturverzeichnis

Quellen online

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Bibliografie

Zeitschriften/Periodicals Dolls’ House and Miniature Scene Dolls’ House Magazine Dolls’ House World International Dolls’ House News Dolls House and Miniature Scene The Dollhouse Miniatures The Miniature Collector Miniature Gazette Nutshell News Puppen & Spielzeug. Internationales Sammlermagazin

Quellen- und Literaturverzeichnis  |  473

Literatur Agenda Schwartzburgica (1650). Arnstadt [Amtsdruckschrift Schwarzburg]. Ausstellungskatalog Arnstadt (2000): Johann Sebastian Bach und seine Zeit in Arnstadt. [Hrsg. vom Schloßmuseum Arnstadt; Stadtgeschichtsmuseum Arnstadt, Red. Matthias Klein] Rudolstadt. Ausstellungskatalog Berlin (1983): Bühnenbild in historischen Zeugnissen des 17. bis 19. Jahrhunderts aus Kunstsammlungen der DDR. Eine Ausstellung des Zentrums für Kunstausstellungen der DDR in den Räumen der Neuen Berliner Galerie im Alten Museum Berlin vom 5.6.–3.7.1983/Veranst.: Zentrum DDR d. Internat. Theaterinst. [Hrsg. vom Zentrum DDR d. Internat. Theaterinst. Berlin] Berlin. Ausstellungskatalog Braunschweig (1983): Herzog Anton Ulrich von Braunschweig. Leben und Regieren mit der Kunst. [Zum 350. Geburtstag am 4. Oktober 1983; Ausstellung im Herzog-Anton-Ulrich-Museum vom 25. August bis 30. Oktober 1983. Braunschweig, unter Mitarbeit von Rüdiger Klessmann] Wolfenbüttel. Ausstellungskatalog Chicago (1997): Within the Fairy Castle: Colleen Moore’s Doll House at the Museum of Science and Industry. [Hrsg. vom Museum of Science and Industry] Chicago. Ausstellungskatalog Hamburg (1998): Augenlust und Gaumenfreude. Fayence-­ Geschirre des 18. Jahrhunderts im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg. [Ausstellung vom 21. Mai bis 12. Juli 1998; Red. Thomas Rudi, hrsg. vom Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg] Hamburg. Ausstellungskatalog London (2009): Love and Marriage in Renaissance Florence: The Courtauld Wedding Chests. [Published to Accompany the Exhibition at the Courtauld Gallery, Somerset House, London, 12 February–17 May 2009; Red. Caroline Campbell] London. Ausstellungskatalog München (1979): Kleine Möbel: Modell, Andachts- und Kassettenmöbel vom 13.–20. Jahrhundert. [Ausstellung im Bayer. Nationalmuseum, München, 15. März–16. Juni 1979, hrsg. von Georg Himmelheber et al.] München; Frankfurt/Main. Ausstellungskatalog München (1991): Schuhe. Vom späten Mittelalter bis zur Gegenwart. [Ausstellung Bayrisches Nationalmuseum München, 12. Dezember 1991 – 30. April 1992] München. Ausstellungskatalog München (2002): Pracht und Zeremoniell: Die Möbel der Residenz München. [Katalog erscheint anläss­lich der Ausstellung „Pracht und Zeremoniell – Die Möbel der Residenz München“, veranstaltet vom 7.9.2002 bis 6.1.2003 von der Bayerischen Verwaltung der staat­lichen Schlösser, ­Gärten und Seen in der Residenz München, hrsg. von Brigitte Langer] München.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Ausstellungskatalog Schwetzingen (1999): Die Lust am Jagen. Jagdsitten und Jagdfeste am kurpfälzischen Hof im 18. Jahrhundert. [Veranst. der Ausstellung „Staat­liche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg“, Schloßverwaltung Schwetzingen. Konzeption von Ausstellung u. Buch: Susan Richter] Ubstadt-Weiher. Ausstellungskatalog Wolfenbüttel (1979): Sammler, Fürst, Gelehrter. Herzog August zu Braunschweig und Lüneburg. 1579 – 1666. [Niedersäch­sische Landesausstellung in Wolfenbüttel, 26. Mai–31. Oktober 1979, hrsg. von d. Herzog-August-Bibliothek] Wolfenbüttel. Ausstellungskatalog Wolfenbüttel (1988): Barocke Sammellust. Die Bibliothek und Kunstkammer des Herzogs Ferdinand Albrecht zu Braunschweig-Lüneburg (1636 – 1687). [Ausstellung im Zeughaus vom 28. Mai–30. Okt. 1988, hrsg. von d. Herzog-August-Bibliothek] Hannover. Akre, Nancy (Hg.) (1983): Miniatures: Compiled for the Cooper-Hewitt Museum. The Smithsonian Institution’s National Museum of Design. New York. Albrecht, Peter; Paulus, Simon (Hgg.) (2006): Hermann Korb und seine Zeit. 1656 – 1735. Barockes Bauen im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel. Braunschweig. Albrecht, Thorsten (1997): Truhen, Kisten, Laden. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, am Beispiel der Lüneburger Heide. Unter Mitarbeit von Axel Lindloff. Petersberg. Albrecht-Birkner, Veronika (2002): Die Reformen Ernsts des Frommen im Spiegel von Quellen zur Situation der länd­lichen Bevölkerung. In: Jacobsen, Roswitha; Ruge, Hans-Jörg (Hgg.) (2002): Ernst der Fromme (1601 – 1675). Staatsmann und Reformer. Jena, S. 59 – 68. Amaranthes (Corvinus, Gottlieb Siegmund) (1715): Nutzbares, galantes und curiöses Frauenzimmer-Lexicon. Leipzig. Amiet, Jacob (1883): Der Münzforscher Andreas Morellius von Bern. Bern. Amman, Jost (1586): Das Frauenzimmer. Die Frauen Europas und ihre Trachten. Frankfurt/Main [ND Dortmund 1980]. Andressen, B. Michael (2001): Barocke Tafelfreuden. Tischkultur an Europas Höfen. München. Angeletti, Charlotte (1980): Geformtes Wachs. Kerzen, Votive, Wachsfiguren. München. Anonym (1797): Churfürst­liches Säch­sisches privilegirtes Leipziger Meß-Schema. Leipzig.

Quellen- und Literaturverzeichnis  |  475

Anonym (1820): Freimüthige Bemerkungen auf einer Reise über Erfurt und Arnstadt in einen Theil der Thüringer Waldgegenden oder Meine Reise zum Arnstädter Vogelschießen. Sondershausen. Anonym (1890): Die Bibliothek Anton Günthers des einzigen Fürsten von Schwarzburg-Arnstadt. In: Arnstädter Tageblatt, 2.8.1890. Anonym (1930): Mon Plaisir in Arnstadt. In: Arnstädter Anzeiger, 28.10.1930. Anton Günther (1716): Christ-Fürst­licher Lebens-Lauff Des Weyland Durchlauchtigsten Fuersten und Herrn Anthon Günthers, Fürstens zu Schwartzburg. [s. l., Arnstadt oder Sondershausen]. In: Rumetsch, Johann Christoph (Hg.) (1682): Templum Concordiae Sacrum. Frankfurt/Main (HAAB Weimar, 16,1:56). Apfelstedt, Heinrich Friedrich Theodor (1856): Heimathskunde für die Bewohner des Fürstenthums Schwarzburg-Sondershausen. Bd. 2, Geographie der Oberherrschaft. Sondershausen. Apfelstedt, Heinrich Friedrich Theodor (1856): Heimathskunde für die Bewohner des Fürstenthums Schwarzburg-Sondershausen. Bd. 3, Geschichte des Fürst­ lich-Schwarzbur­gischen Hauses. Sondershausen. Apfelstedt, Heinrich Friedrich Theodor (1887): Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Fürstenthums Schwarzburg-Sondershausen. Die Oberherrschaft. Sondershausen. Apfelstedt, Heinrich Friedrich Theodor (1890): Das Haus Käfernburg-Schwarzburg von seinem Ursprung bis auf unsere Zeit. Sondershausen. Ariès, Philipp (1985): Geschichte der Kindheit. [7. Auflage] München. Armstrong, Beryl (1993): Design and Build Your Own Doll’s Houses. London. Arnim, Max (1928): Johann Friedrich Armand von Uffenbach’s Spazierfarth durch die Hes­sische in die Braunschweig-Lüneburgschen Lande 1728. Göttingen. Arnold, Klaus; Schmolinsky, Sabine; Zahnd, Urs Martin (Hgg.) (1999): Das dargestellte Ich. Studien zu Selbstzeugnissen des späteren Mittelalters und der frühen Neuzeit. Bochum. Arnold, Marina (2003): Mourning Widows Portraits of Widows and Widowhood in Funeral Sermons from Brunswick-Wolfenbuettel. In: Levy, Allison (Hg.) (2003): Widowhood and Visual Culture. Aldershot, S. 55 – 76. Arnold, Theodor Ferdinand Kajetan (1804): Malerische Wanderung am Arme meiner Karoline. Erfurt. Arnold, Werner (1980): Eine norddeutsche Fürstenbibliothek des frühen 18. Jahrhunderts. Herzog Ludwig Rudolph von Braunschweig-Lüneburg (1671 – 1735) und seine Büchersammlung. Göttingen. Arnswaldt, Werner Konstantin von (1927 – 1935): Katalog der fürst­lich Stolberg-­ Stolbergschen Leichenpredigten-Sammlung. Leipzig.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Augst, Emil (1984): Deutsche Möbelgeschichte. Stilkunde − Von der Romanik bis zur Neuzeit. Wiesbaden. Augusta Dorothea/Gebohrner Herzogin zu Braunschweig und Lüneburg […] zugeschrieben. Reinhard Keiser (Komposition). [S. I.]. Baecker, Carlernst; Jeanmaire, Claude; Väterlein, Christian (Hgg.) (1988): Die Anderen Nürnberger. Technisches Spielzeug aus der „guten alten Zeit“. Frankfurt/Main. Bähr, Andreas; Burschel, Peter; Jancke, Gabriele (Hgg.) (2007): Räume des Selbst. Selbstzeugnisforschung transkulturell. Köln. Bärnighausen, Hendrik (1990): Die Fürsten von Schwarzburg-Sondershausen. Sondershausen. Bärnighausen, Hendrik (1994): Christian Wilhelm und Anton Günther II. ­Grafen bzw. Fürsten von Schwarzburg-Sondershausen. In: Ignasiak, Detlef (Hg.) (1994): Herrscher und Mäzene. Thüringer Fürsten von Hermenefred bis Georg II. Rudolstadt, S.  241 – 252. Bärnighausen, Hendrik (1995): Die Kaiserbüsten in der Einfahrtshalle des Fürst­ lichen Palais zu Arnstadt (1731). Werke des Bildhauers Paul Anton Grass. In: Aus der Vergangenheit von Arnstadt und Umgebung, Bd. 5, S. 88 – 91. Bärnighausen, Hendrik; Donhof, Manfred (1997): Zur Tätigkeit des A ­ rchitekten Johann Mützel in der Grafschaft bzw. im Fürstentum Schwarzburg-Sonders­ hausen. In: Streif­lichter aus der Heimatgeschichte Neustadt a. d. Aisch 21. [Hrsg. vom Geschichts- und Heimatverein Neustadt/Aisch]. Bandmann, Günter (1969): Bemerkungen zu einer Ikonologie des Materials, Städel Jahrbuch. [Städelsches Kunstinstitut und Städtische Galerie, Frankfurt am Main] N. F. 2, S. 75 – 100. Bäseler, Gregoria (1937): Geschichte der Erfurter Ursulinenklosters von 1667 – 1871. Berlin. Bastl, Beatrix (2000): Tugend, Liebe, Ehre. Die adelige Frau in der Frühen Neuzeit. Wien. Bastl, Beatrix (2003): Herrschaft und Gedächtnis. Zur „Inszenierung“ der „Witwe“. In: Schattkowsky, Martina (Hg.) (2003): Witwenschaft in der Frühen Neuzeit. Fürst­liche und adlige Witwen zwischen Fremd- und Selbstbestimmung. Leipzig, S.  281 – 304. Bauer, Volker (1993): Die höfische Gesellschaft in Deutschland von der Mitte des 17. bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts. Versuch einer Typologie. Tübingen. Bauer, Volker (1997): Hofökonomie. Der Diskurs über den Fürstenhof in Zeremonialwissenschaft, Hausväterliteratur und Kameralismus. Wien.

Quellen- und Literaturverzeichnis  |  477

Bayer, Lydia (1962): Das Europäische Puppenhaus von 1550 – 1800. Geschichte und Formen, ein Spiegelbild der gleichzeitigen Wohnkultur. [Dissertation; Teildruck, Abb. fehlen] Würzburg. Becher, Johann Joachim (1747): Kluger Hausvater, verständige Hausmutter, vollkommener Landmedicus. Leipzig. Beger, Jens (1994): Günther XLI. der Streitbare. Graf von Schwarzburg 1552 – 1583. In: Ignasiak, Detlef (Hg.) (1994): Herrscher und Mäzene. Rudolstadt, S. 141 – 148. Beger, Jens (1994): Anton Heinrich. Graf von Schwarzburg 1593 – 1638. In: Ignasiak, Detlef (Hg.) (1994): Herrscher und Mäzene. Thüringer Fürsten von ­Hermenefred bis Georg II. Rudolstadt, S. 169 – 175. Beger, Jens; Lengemann, Jochen (2004): Geschichte eines Aufstiegs: Die Schwarzburger. In: Scheurmann, Konrad (Hg.) (2004): Neu entdeckt. Thüringen – Land der Residenzen. Katalog 1, Mainz, S. 49 – 54. Behringer, Wolfgang (2003): Im Zeichen des Merkur. Reichspost und Kommunikationsrevolution in der Frühen Neuzeit. Göttingen. Bender, Eva (2011): Die Prinzenreise. Bildungsaufenthalt und Kavalierstour im höfischen Kontext gegen Ende des 17. Jahrhunderts. Berlin. Bender, Wolfgang (1964): Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-­Wolfenbüttel. Biographie und Bibliographie zu seinem 250. Todestag. In: Philobiblon, Bd. 8/3, S.  166 – 187. Bentele, Günter (1999): Die Leipziger Messe als Kommunikationsereignis. Messefunktionen und Haupttypen der Messekommunikation. In: Zwahr, Hartmut et al. (Hgg.) (1999): Leipzigs Messen 1497 – 1997. Gestaltwandel – Umbrüche – Neubeginn. Köln, S. 33 – 50. Benz, Richard (1993): Die Legenda Aurea des Jacobus de Voragine. Darmstadt. Bepler, Jill (1988): Ferdinand Albrecht Duke of Braunschweig-Lüneburg (1636 – 1687): A Traveller and his Travelogue. Wiesbaden. Bepler, Jill (2002): „im dritten gradu ungleicher Linie Seitwarts verwandt“. Frauen und dynastisches Bewußtsein in den Funeralwerken der Frühen Neuzeit. In: Wunder, Heide (Hg.) (2002): Dynastie und Herrschaftssicherung in der ­Frühen Neuzeit. Berlin, S. 135 – 160. Bepler, Jill (2002): Die Fürstin im Spiegel der protestantischen Funeralwerke der Frühen Neuzeit. In: Schulte, Regina (Hg.) (2002): Der Körper der Königin. Geschlecht und Herrschaft in der höfischen Welt seit 1500. Frankfurt/Main, S.  135 – 161. Bepler, Jill (2003): „zu meinem und aller dehrer die sichs gebrauchen wollen, nutzen, trost undt frommen“. Lektüre, Schrift und Gebet im Leben der fürst­ lichen Witwen in der Frühen Neuzeit. In: Schattkowsky, Martina (Hg.) (2003):

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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Register

A

Albrecht, Anna Elisabeth  247 Albrecht Anton von SchwarzburgRudolstadt  277 Albrecht V. von Bayern  67 Amaranthes  303, 305 Amman, Jost  164 Anna Amalia von Sachsen-WeimarEisenach  141 Anna Sophie von Baden-Durlach  141 Antoinette Amalia von BraunschweigWolfenbüttel  80, 195, 244 Anton Günther II. von SchwarzburgArnstadt  18, 48, 66, 144, 145, 149, 150, 154, 155, 160, 168 – 171, 173, 175, 204, 207 – 209, 271, 273, 275 – 280, 285, 308, 426, 432 Anton Günther I. von SchwarzburgSondershausen  273 Anton Ulrich von BraunschweigLüneburg  17, 137, 151, 169, 277, 278, 287, 320, 327, 377, 401 Apfelstedt, Heinrich Friedrich Theodor  89, 91 Arno, Anton Wilhelm  401 Arnold, Theodor Ferdinand  82, 89, 91 Augusta von Sachsen-Gotha-Altenburg  78 August der Jüngere von BraunschweigLüneburg  138 August Wilhelm von BraunschweigWolfenbüttel  146, 149 – 152, 176, 277, 351, 380, 401 Aurora von Königsmarck  380 B

Bach, Johann Christoph d. Ä.  373 Bach, Johann Sebastian  374 Bachstein, J.G.  75, 76

Bayer, Lydia  51 Bepler, Jill  141 Bertuch, Friedrich Justin  108 Böhme, Carl Gottlieb  245 Bressand, Friedrich Christian  376 – 378 Brodkorb, Johann Georg  172, 173, 180 Brunner, Otto  69 Bryan, James  26 C

Carl I. von Braunschweig-Lüneburg  81, 195 – 198, 200, 241, 408, 438 Charlotte von BraunschweigWolfenbüttel  244 Christian Günther II. von SchwarzburgSondershausen  223 Christiania, Johanna  251 Christian Wilhelm von SchwarzburgSondershausen  151, 154, 155, 171 – 173, 175, 176, 178 – 181, 183, 184, 192, 273, 277, 405 Christine Luise vom OettingenOettingen  178, 189, 197 Clemens XI. Pont. Max.  320 Comenius, Johannes  66 Cornelius von Kranichstein  172, 254, 393 Corvinus, Antonius  163 D

Dorothea Sophie von Holstein Plön  345 Dunois, Petronella  306 E

Einhorn, Antonius  256, 324, 327 Eléonore d’Olbreuse  258 Eleonore Magdalene Theresia von PfalzNeuburg  321, 438

516 

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Register

Elisabeth Albertine von AnhaltBernburg  197, 289 Elisabeth Christine von BraunschweigWolfenbüttel (HRR)  178, 190, 317, 319, 323, 327, 435 Elisabeth Eleonore Sophie von SachsenMeiningen  210 Elisabeth Juliane von HolsteinNorburg  17, 138, 277 Elisabeth Sophie von MecklenburgGüstrow  138 Elisabeth Sophie von SachsenAltenburg  222 Ernst August I. von Sachsen-Weimar  176 Ernst der Fromme von Sachsen-Gotha  222 F

Faust von Stromberg  230 Felde, Florentinus von dem  319 Ferdinand von Tirol  64 Fleischhauer, Christian Valentin  172, 393 Fleischhauer, Daniel Christoph  179, 398 Florinus, Franz Philipp  68, 260, 267, 276, 310, 312, 322, 324, 360, 363, 368, 373, 384, 385, 389, 390 Friedrich August I. von Sachsen (August der Starke)  172, 179 Friedrich Carl von Schönborn  183 Friedrich, Georg  398 Friedrich II. von Sachsen-GothaAltenburg  78, 172, 179, 186 Friedrich I. von Sachsen-GothaAltenburg  287 Friedrich Ludwig von Hannover, Prince of Wales  78 G

Gedel, Johann Georg  247 Gotter, Gustav Adolf  79, 176, 242 Gotter, Johann M.  172, 179 Greene, Vivienne  51 Greyerz, Kaspar von  442

Gudenus, Daniel Martin  173 Günther I. von SchwarzburgSondershausen  174, 185 – 187, 196, 197 H

Hainhofer, Philipp  28, 67 Hallenhorst, Heinrich Anton  193 Happen, Christian  172 Harms, Johann Oswald  139 Hauser, Peter  247 Heinrich I. von SchwarzburgSondershausen  196 Henriette Christine von BraunschweigLüneburg  289, 319, 328, 380, 436 J

Jacobs, Flora Gill  51 Johann Wilhelm von der Pfalz  172 Johann Wilhelm von SachsenEisenach  154, 155, 177, 191 Joseph I. (HRR)  319 K

Karl VI. (HRR)  171, 176, 178, 181, 185, 187, 317, 435 King, Eileen  52 Klein, Matthias  104, 108 Kressenstein, Kress von  50 L

Leber, Wolfgang  41, 46 Leupold, Jacob  70, 72 Liselotte von der Pfalz  126 Lothar Franz von Schönborn  78, 172, 176, 180, 181, 185, 190, 317, 325, 438 Ludwig Rudolf von BraunschweigWolfenbüttel  147, 152, 185, 186, 188, 189, 191 – 195, 317, 326, 380, 435, 438 Ludwig XIV.  117, 126, 363, 372 Luise Dorothea von SachsenMeiningen  242 Luther, Martin  69

Register |  517

M

R

Magdalena Sibylla von SachsenWeisenfels  287 Maria Magdalena zu Birkenfeld  273 Maria Theresia von Österreich (HRR)  190, 197, 271 Marie Antoinette von Frankreich  271 Marie von Sondershausen  86 Marperger, Paul Jacob  165, 170 Mecken, Johann Heinrich von  80, 242, 244, 245, 254, 256, 408, 409, 411 – 413 Melissantes (Gregorii)  219 Montmartin, Friederike von  309 Morelli, Andreas  357 Moses, Isaac  200 Müller, Carola  104, 108 Müller, Heidi  55 Mützel, Johann  205

Revel, Jacques  22 Richter, Johann Moritz  205 Rösel, Pius  210, 238 Roselt, Christoph  41, 90, 395 Rosenmüller, Johann  278 Rudolf August von BraunschweigWolfenbüttel  273 Rudolf II. (HRR)  64

N

Neickel, Kaspar Friedrich  62, 63, 69, 74 O

Öhler (Ohlin), Anna Maria  236, 247 Oortmann, Petronella  73 P

Paar, Gräfin von  190 Pasierbska, Halina  55 Philipp II. von Pommern-Stettin  67, 420 Philipp Wilhelm von Pfalz-Neuburg  419 Pijzel-Dommisse, Jet  55 Plettin, Rosina  247 Ploss van Amstel, Sara  70 Pütter, Johann Stephan  78 Q

Quiccheberg, Samuel  64

S

Saur, Benedikt  255, 327 Schellhammer, Maria Sophia  341 Schulz, Cornelius  244, 253, 393, 409, 411 Seckendorff, Veit Ludwig von  139, 390 Sharp, Ann  67 Sibylle Ursula von BraunschweigWolfenbüttel  138 Sommer, Johann Georg  279 Sophie Charlotte von Württemberg  177 Sophie von Hannover  258 Stieglitz, Johann Paul  398 Streit, Johann Philipp  172, 176 U

Uffenbach, Johann Friedrich von  351 V

Vittmer, Johann Wilhem  393 Vulpius, Christian August  40, 86, 321, 407 W

Walpole, Horace  78 Weigel, Christoph  111 Wiegand, Fritz  88, 90 Wilckens, Leonie von  51, 52 Wilhelm von SchwarzburgSondershausen  80, 241, 243, 244, 257 Wöllner, Johann Wilhelm  247

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