Mobile Medien im Schulkontext [1. Aufl.] 9783658290382, 9783658290399

Der Band beleuchtet sowohl aus medienpädagogischer als auch aus fachwissenschaftlicher und fachdidaktischer Sicht den St

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German Pages VI, 264 [268] Year 2020

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Table of contents :
Front Matter ....Pages I-VI
Einleitung (Dorothee M. Meister, Ilka Mindt)....Pages 1-6
Digitalisierung – Revolution des Lernens? (Bardo Herzig)....Pages 7-28
Tablets in Schule und Unterricht – Pädagogische Potenziale und Herausforderungen (Stefan Aufenanger)....Pages 29-45
Guter Unterricht mit mobilen Medien. Eine Darstellung einschlägiger Konzepte und aktueller Forschungsbefunde (Rudolf Kammerl, Andreas Dertinger)....Pages 47-78
Mobile Digitalmedien in der Primarstufenbildung (Horst Niesyto)....Pages 79-108
Zur Stabilisierung medienbezogener Handlungsroutinen im Lehrer*innenberuf – längsschnittliche Betrachtungen zur Integration von Tablets in den Arbeitsalltag (Lukas Dehmel, Lara Gerhardts, Dorothee M. Meister)....Pages 109-134
Der Einsatz von Tablets am Gymnasium und der Zusammenhang mit der Entwicklung computerbezogener Kompetenzen von Schüler*innen (Kerstin Drossel, Birgit Eickelmann)....Pages 135-153
Digitale Elemente im Englischunterricht (Ilka Mindt, Yasemin Kaymak)....Pages 155-174
Digitale und mobile Medien im Kunstunterricht Potenziale – Herausforderungen – Handlungsfelder (Rebekka Schmidt)....Pages 175-198
Mathematiklernen mit digitalen Schulbüchern im Spannungsfeld zwischen Individualisierung und Kooperation (Sebastian Rezat)....Pages 199-213
Programmieren – Lehren und Lernen mit und über Medien (Carsten Schulte, Lea Budde, Felix Winkelnkemper)....Pages 215-240
Einsatz digitaler Medien im Sachunterricht: Vorreiter Schweden!? (Eva Blumberg, Annika Sicking)....Pages 241-264
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Mobile Medien im Schulkontext [1. Aufl.]
 9783658290382, 9783658290399

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Medienbildung und Gesellschaft

Dorothee M. Meister Ilka Mindt Hrsg.

Mobile Medien im Schulkontext

Medienbildung und Gesellschaft Band 41 Reihe herausgegeben von Johannes Fromme, Fakultät für Humanwissenschaften, Otto-von-GuerickeUniversität Magdeburg, Magdeburg, Deutschland Sonja Ganguin, Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft, Universität Leipzig, Leipzig, Deutschland Stefan Iske, Fakultät für Humanwissenschaften, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Magdeburg, Deutschland Dorothee M. Meister, Institut für Medienwissenschaften, Universität Paderborn, Paderborn, Nordrhein-Westfalen, Deutschland Uwe Sander, Fakultät für Erziehungswissenschaft, Universität Bielefeld, Bielefeld, Deutschland

Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/12495

Dorothee M.  Meister · Ilka Mindt (Hrsg.)

Mobile Medien im Schulkontext

Hrsg. Dorothee M. Meister Universität Paderborn Paderborn, Deutschland

Ilka Mindt Universität Paderborn Paderborn, Deutschland

ISSN 2512-112X ISSN 2512-1146  (electronic) Medienbildung und Gesellschaft ISBN 978-3-658-29038-2 ISBN 978-3-658-29039-9  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-29039-9 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Stefanie Laux Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Inhaltsverzeichnis

Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Dorothee M. Meister und Ilka Mindt Digitalisierung – Revolution des Lernens?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Bardo Herzig Tablets in Schule und Unterricht – Pädagogische Potenziale und Herausforderungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Stefan Aufenanger Guter Unterricht mit mobilen Medien. Eine Darstellung einschlägiger Konzepte und aktueller Forschungsbefunde. . . . . . . . . . . . 47 Rudolf Kammerl und Andreas Dertinger Mobile Digitalmedien in der Primarstufenbildung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Horst Niesyto Zur Stabilisierung medienbezogener Handlungsroutinen im Lehrer*innenberuf – längsschnittliche Betrachtungen zur Integration von Tablets in den Arbeitsalltag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Lukas Dehmel, Lara Gerhardts und Dorothee M. Meister Der Einsatz von Tablets am Gymnasium und der Zusammenhang mit der Entwicklung computerbezogener Kompetenzen von Schüler*innen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Kerstin Drossel und Birgit Eickelmann Digitale Elemente im Englischunterricht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Ilka Mindt und Yasemin Kaymak

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Inhaltsverzeichnis

Digitale und mobile Medien im Kunstunterricht Potenziale – Herausforderungen – Handlungsfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Rebekka Schmidt Mathematiklernen mit digitalen Schulbüchern im Spannungsfeld zwischen Individualisierung und Kooperation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 Sebastian Rezat Programmieren – Lehren und Lernen mit und über Medien. . . . . . . . . . . 215 Carsten Schulte, Lea Budde und Felix Winkelnkemper Einsatz digitaler Medien im Sachunterricht: Vorreiter Schweden!?. . . . . 241 Eva Blumberg und Annika Sicking

Einleitung Dorothee M. Meister und Ilka Mindt

Der Einsatz digitaler Medien beschäftigt Schulen und Bildungseinrichtungen schon seit Jahrzehnten und brachte zahlreiche Initiativen rund um das Thema mit sich. Diese bezogen sich in den 1990er Jahren zunächst auf Ausstattungsinitiativen, um Schulen generell mit Internetanschlüssen und Computern zu versorgen sowie auf die Durchführung von Projekten, um anhand von Good Practice-Beispielen Anregungen für einen breiten Einsatz an Schulen zu erhalten (Schulz-Zander 2001). Auch medienspezifische und mediendidaktische Gesichtspunkte sowie Aspekte von notwendigen Medienkompetenzen wurden für den schulischen Einsatz breit diskutiert und zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten für den Unterricht erprobt (Tulodziecki & Herzig 2002). Seit den 2000er Jahren mit der Durchdringung der Gesellschaft mit digitalen Medien und der breiten Verfügbarkeit des Internet beschleunigte sich die Diskussion noch einmal. Zunehmend wurde von Schulen eingefordert, digitale Medien in den Schulalltag zu integrieren. Auch wenn Studienergebnisse keine besseren oder schnelleren Lernerfolge feststellen, die mithilfe digitaler Medien zunächst erwartet wurden, so verspricht der Einsatz doch einen zeitgemäßen, abwechslungsreichen Unterricht, der im besten Fall sogar innovative Unterrichtskonzepte ermöglicht (Bastian & Aufenanger 2017). Diese Optionen von veränderten Lehr- und Lernkonzepten sind mit dem Einsatz mobiler Medien D. M. Meister (*)  Institut für Medienwissenschaften, Universität Paderborn, Paderborn, Deutschland E-Mail: [email protected] I. Mindt  Institut für Anglistik, Universität Paderborn, Paderborn, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. M. Meister und I. Mindt (Hrsg.), Mobile Medien im Schulkontext, Medienbildung und Gesellschaft 41, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29039-9_1

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D. M. Meister und I. Mindt

enorm gestiegen, da die Geräte immer und jederzeit zur Verfügung stehen. Seit inzwischen fast jeder Haushalt mit Kindern Smartphone, Computer und Laptops besitzt, steht dem Einsatz digitaler und vor allem auch mobiler Medien scheinbar nichts mehr im Wege. Allerdings ist die Ausstattung mit digitalen und mobilen Medien im häuslichen Bereich wie auch an Schulen und Hochschulen nur ein Baustein in diesem Feld. Gleichwohl weisen aktuelle Studien darauf hin, dass Deutschland beim Medieneinsatz und bei den computerbezogenen Kompetenzen im internationalen Vergleich eher mittelmäßig abschneidet (Eickelmann et al. 2019). Auch wenn es in den letzten Jahren zahlreiche Bemühungen und Programme gab, diese Situation zu verbessern, etwa über die Veränderung von Rahmenbedingungen, wie KMKErklärungen (KMK 2016) und Bundes-Initiativen, hatten die gewünschten Veränderungen an Schulen bislang häufig noch nicht den erhofften Erfolg. Dies ist gerade während der Corona-Pandemie seit dem Frühjahr 2020 überdeutlich geworden, als sehr viele Schulen recht unvorbereitet mit der neuen Situation eines Homeschooling zurechtkommen mussten (Eickelmann & Drossel 2020). Mobile Medien spielen in pädagogischer und didaktischer Hinsicht eine besondere Rolle, da damit flexiblere Lernmöglichkeiten und eine stärkere Berücksichtigung individueller Bedürfnislagen ermöglicht wird (Bastian & Aufenanger 2017). Dies ist gerade auch in der neuesten Diskussion in der Corona-Pandemie deutlich geworden, beschäftigt aber den wissenschaftlichen Diskurs und die Bildungseinrichtungen indes seit Jahren. Immer deutlicher wird, dass mobile Medien gut in das Unterrichtsgeschehen eingebaut werden können und neue Lernmöglichkeiten eröffnen. Damit diese Option berücksichtigt werden kann, die entsprechenden Risiken aber auch bedacht werden, braucht es einen ganzheitlichen und umfassenden Blick auf das Geschehen. An der Universität Paderborn steht die Ausbildung von Lehramtsstudierenden im Fokus sehr vieler Disziplinen. Deshalb tritt die Arbeitsgruppe Medien und Bildung am Zentrum für Bildungsforschung und Lehrerbildung (PLAZ) der Universität Paderborn dafür ein, dass digitale Medien sowohl als Mittel als auch als Gegenstand der Lehrerbildung in der universitären Lehre verankert sind. Die Arbeitsgruppe konzipiert deshalb nicht nur ein Profilstudium „Medien und Bildung“ im Rahmen der Lehramtsausbildung, sondern bringt auch regelmäßig Kolleginnen und Kollegen zusammen, um den Diskurs und die Forschung im Zusammenhang mit dem Einsatz von Medien in Schule und Lehrerbildung sowie die Entwicklung medienspezifischer Angebote voranzutreiben. In jüngster Zeit konnte so auch ein Rahmenkonzept zur Medienbildung erarbeitet werden, das für alle Lehramtsstudiengänge bei der Reakkreditierung ihrer Studiengänge berücksichtigt wird.

Einleitung

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In der Vergangenheit hatte die Arbeitsgruppe bereits eine Ringvorlesung konzipiert zum Thema „Schule in der Digitalen Welt“, deren Ergebnisse unter dem gleichen Titel auch als Buch veröffentlicht wurden (Albers, Magenheim, Meister 2011). In dieser Tradition ist auch der vorliegende Band „Mobile Medien im Schulkontext“ konzipiert, der zu großen Teilen auf einer Ringvorlesung basiert, die im Wintersemester 18/19 an der Universität Paderborn stattgefunden hat. Das Ziel des Bandes „Mobile Medien im Schulkontext“ ist es, einen breiten Abriss über tatsächliche Anwendungen, wissenschaftliche Erfahrungen und basierend darauf auf Empfehlungen zum Einsatz mobiler Medien im Schulkontext zu geben. Ausgehend von der universitären Perspektive der Ausbildung der Lehramtsstudierenden sowie der Erforschung des Medieneinsatzes an Schulen will dieser Band allgemeine Betrachtungen sowie fachspezifische Perspektiven darlegen. Dabei wird sowohl der Aspekt der digitalen Medien als Mittel durch das Lernen mit digitalen Medien als auch die Sichtweise zu digitalen Medien als Gegenstand – als das Lernen über digitale Medien – in vielen Beiträgen aufgegriffen. Das Besondere an der hier vorliegenden Sammlung an Beiträgen ist, dass zum einen ein vielfältiger Blick auf allgemeine Betrachtungen zum Medieneinsatz an Schulen gegeben wird und zugleich eine Vielfalt an fachspezifischen Perspektiven enthalten ist. Insbesondere diese – wenn auch nur eine Auswahl darstellende – fachspezifische Perspektivenvielfalt erlaubt Lesern*innen einen Einblick in fachwissenschaftliche und fachdidaktische Sichtweisen, die die folgenden Fächer umfassen: Anglistik, Kunst, Mathematik, Informatik sowie den Sachunterricht. Im ersten Teil, den allgemeinen Betrachtungen, werden in sechs Beiträgen verschiedene Aspekte zum Themenbereich der mobilen Medien im Schulkontext beleuchtet. Die ersten drei Beiträge von Bardo Herzig, Stefan Aufenanger und Rudolf Kammler & Andreas Dertinger befassen sich mit grundlegenden Aspekten. Bardo Herzig reflektiert vor dem Hintergrund klassischer lerntheoretischer Vorstellungen die vermeintlich revolutionären Veränderungen von Lernen und Schule. Er argumentiert, dass sich die vermuteten Innovationen eher als qualitative Veränderungen des Lernprozesses einordnen lassen, wobei sich der Fokus momentan offenbar vom lernenden Individuum hin zu einem lernenden digitalen Medium verschiebt. Stefan Aufenanger geht danach auf Vorteile, aber auch Nachteile des Einsatzes von Tablets im Unterricht ein. Er weist dabei auf die große Bedeutung einer sinnvollen und angemessenen Einbettung hin sowie einer lerntheoretischen Verortung

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D. M. Meister und I. Mindt

des Tableteinsatzes. Zudem sollten Aspekte der Schulentwicklung in diesem Kontext immer mit berücksichtigt werden. Vor dem Hintergrund zahlreicher empirischer Forschungsergebnisse und theoretischer Diskussionen um Potenziale und Risiken der unterrichtlichen Nutzung mobiler Endgeräte beleuchten Rudolf Kammerl & Andreas Dertinger die Potenziale unterschiedlicher mobiler Endgeräte zur Gestaltung eines „guten Unterrichts“. Auch diskutieren die Autoren ausgehend von den Merkmalen eines guten Unterrichts nach Helmke Orientierungen zur Konzeption von Lernsettings mit mobilen Medien. Die weiteren drei Aufsätze fokussieren auf empirische Ergebnisse aus Schulstudien. Horst Niseyto hat die Anwendung von mobilen Digitalmedien in der Primarstufenbildung im Blick. Auf der Grundlage eines interdisziplinären Entwicklungsprojektes (dileg-SL) befasst er sich mit den Zielen des Projektes und stellt Erfahrungen und Ergebnisse aus Sicht der Akteursgruppe der Studierenden vor. Seine Ergebnisse verdeutlichen die Notwendigkeit einer Grundbildung Medien für Lehramtsstudierende, die weit mehr umfassen muss als die Aneignung von digitalisierungsbezogenem Wissen. Basierend auf einer qualitativen empirischen Studie an Grundschulen gehen Lukas Dehmel, Lara Gerhardts & Dorothee M. Meister der Frage nach, wie sich tabletbezogene Handlungsroutinen im Alltag von Lehrkräften etablieren und welchen Einfluss verschiedene Formen der Weiterbildung auf die Aneignung neuer Medientechnik ausüben. Auf der Basis theoretischer Überlegungen werden verschiedene Zugänge und Weiterbildungsformate im Prozess der Aneignung diskutiert. Der Beitrag von Kerstin Drossel & Birgit Eickelmann berichtet aus dem Einsatz von Tablets am Gymnasium. Auf der Basis quantitativer und qualitativer Daten eines Tabletprojektes an einem Gymnasium (TiGer) wird mithilfe eines quasi-Kontrollgruppenvergleichs und längsschnittlichen Designs der Frage nachgegangen, inwieweit der Einsatz von Tablets im Unterricht (1:1-Ausstattung) mit einer Verbesserung computerbezogener Kompetenzen der Schüler*innen einhergeht. Die nicht erwartungskonformen Ergebnisse werden insbesondere hinsichtlich ihres methodischen Zuschnitts diskutiert. Die folgenden fünf Beiträge beziehen sich sämtlich auf eine fachspezifische Perspektive. Das Ziel dabei ist, aus den Fächern heraus verschiedene Aspekte, Potenziale aber auch Probleme der mobilen Medien zu betrachten. Für die Anglistik stellen Ilka Mindt & Yasemin Kaymak dar, wie der Einsatz mobiler Medien das Sprachenlernen bzw. -vermitteln unterstützten kann. Als anwendungsbezogener Teil wird der Einsatz von Vokabellernprogrammen sowie von 3-D Brillen beleuchtet.

Einleitung

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Der Kunstunterricht steht im Fokus des Beitrags von Rebekka Schmidt. Ihr Augenmerk liegt vor allem auf der Ergänzung und Erweiterung gestalterischer Techniken durch mobile Medien, ohne auf die bisherigen Arbeitsweisen u. a. durch Erfahrungen mit allen Sinnen zu verzichten. Schmidt stellt ein Modell vor, in dem aus einer kunstdidaktischen Sichtweise digitale Bildung mit den entsprechenden Handlungsfeldern am Beispiel des Einsatzes von Tablets systematisch strukturiert werden. Sebastian Rezat gibt einen Überblick über die Diskussionen in der Mathematikdidaktik zu digitalen Technologien. Ausgehendend von digitalen Mathematikschulbüchern geht er auf das Spannungsfeld zwischen Individualisierung und Kooperation ein. Die Beschreibung dieses Spannungsfeldes in Bezug auf derzeit auf dem Markt verfügbaren Mathematikschulbüchern stellt den Ausgangspunkt für eine explorative Studie dar, die sich mit den unterrichtlichen Lernprozessen beschäftigt und die Angebote zur Individualisierung des Lernprozesses mit denen zur Kooperation untersucht. Carsten Schulte, Lea Budde und Felix Winkelnkemper widmen sich dem Thema „Programmieren – Lehren und Lernen mit und über Medien“. Der Fokus dieses Beitrags liegt in der Betrachtung der digitalen Medien als Werkzeug und liegt damit im Bereich des Lernens mit digitalen Medien. Das Autorenteam stellt die Hypothese auf, dass Lehrkräfte aktiv programmieren können müssen, um guten Unterricht zu machen. Diese Kernaussage wird mit theoretischen Überlegungen und einem konkreten Fallbeispiel gestützt. Die Interaktionsketten zwischen Mensch und Maschine führen zu einem Konzept des Hybriden Interaktionssystems, welches zu digitalen Medien als Gegenstand reflektiert. Im Beitrag von Eva Blumberg und Annika Sicking steht der Einsatz von digitalen Medien im Sachunterricht im Fokus. Die beiden Autorinnen präsentieren Ergebnisse einer Untersuchung aus Schweden, in der der Einsatz von Chromebooks beschrieben wird. Insgesamt zeigen die Beiträge, dass nach einer ersten Phase des Einsatzes mobiler Medien im Schulkontext sowohl auf allgemeiner organisatorischer Ebene als auch in Bezug auf eine medienbezogene und fachbezogenen Perspektive durchaus vielversprechende Forschungsansätze und damit auch Handlungs- und Umsetzungsempfehlungen vorliegen, die einen strukturierten, sinnbezogenen Einsatz möglich machen, der einen deutlichen Mehrwert im Unterricht sowohl für Lehrkräfte als auch für Schüler*innen mit sich bringt. Dass der vorliegende Band nur einen Ausschnitt aus den unterschiedlichen Forschungsansätzen sowie Untersuchungen geben kann, versteht sich von selbst.

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D. M. Meister und I. Mindt

Literatur Albers, C., Magenheim, J., & Meister, D. (Hrsg.). (2011). Schule in der digitalen Welt. Wiesbaden: Springer VS. Bastian, J., & Aufenanger, S. (Hrsg.). (2017). Tablets in Schule und Unterricht. Forschungsmethoden und -perspektiven zum Einsatz digitaler Medien. Wiesbaden: Springer VS. Eickelmann, B., Bos, W., Gerick, J., Goldhammer, F., Schaumburg, H., Schwippert, K., et al. (Hrsg.). (2019). ICILS 2018 # Deutschland. Computer- und informationsbezogene Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern im zweiten internationalen Vergleich und Kompetenzen im Bereich Computational Thinking. Münster: Waxmann. Eickelmann, B., & Drossel, K. (2020). Schule auf Distanz. Perspektiven und Empfehlungen für den neuen Schulalltag. Eine repräsentative Befragung von Lehrkräften in Deutschland. Berlin: Vodafone Stiftung. KMK. (2016). Bildung in der digitalen Welt. Strategie der Kultusministerkonferenz. https:// www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/PresseUndAktuelles/2017/Strategie_neu_2017_ datum_1.pdf. Zugegriffen: 28. Mai 2020. Schulz-Zander, R. (2001). Schulen ans Netz – Aber wie? Die wirkungsvolle Einführung neuer Medien erfordert eine lernende Schule. In: Computer + Unterricht 11. 2001. 41. 6–9 Tulodziecki, G., & Herzig, B. (2002). Computer & Internet im Unterricht. Medienpädagogische Grundlagen und Beispiele. Berlin: Cornelsen.

Digitalisierung – Revolution des Lernens? Bardo Herzig

1 Digitalisierung und Lernen – Erwartungshorizonte Als DER SPIEGEL 1984 „Revolution im Unterricht“ titelte, ging es um die Einführung von Computern in den Schulen und die Notwendigkeit, seine Beherrschung als vierte Kulturtechnik im Unterricht zu verankern. Ein solches Programm, so die Annahme, werde die Schule „stärker verändern als die meisten Reformen, die es seit Kriegsende gab“ (47/1984, S. 103). Zehn Jahre später monierte DER SPIEGEL, dass die Revolution des Lernens – vom Arbeiten mit Lernsoftware über das Kommunizieren in Datennetzen bis hin zum Programmieren von Robotern – von der Kultusbürokratie und der Lehrer*innenbildung nicht hinreichend forciert werde (9/1994, S. 96 ff.). In ähnlicher Weise lassen sich aus den letzten Jahrzehnten weitere Beispiele aus dem wissenschaftlichen Diskurs anführen, in denen immer wieder die Veränderung des (schulischen) Lernens durch digitale Technologien hervorgehoben wird: • Das Credo des amerikanischen Computerwissenschaftlers und Mathematikers Seymour Papert war es, den Computer zu nutzen, um beispielsweise eigenständig in Mikrowelten durch Konstruktionstätigkeiten Zugänge zu mathematischen Phänomenen oder zum Programmieren zu erhalten. Mit dem Computer verband er nicht nur die Hoffnung, die Schule als Ort der Vermittlung

B. Herzig (*)  Institut für Erziehungswissenschaft, Universität Paderborn, Paderborn, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. M. Meister und I. Mindt (Hrsg.), Mobile Medien im Schulkontext, Medienbildung und Gesellschaft 41, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29039-9_2

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B. Herzig

enzyklopädischen Wissens zu überwinden, sondern auch eine Revolution des Lernens, in der Kinder nicht den Denkmodellen der Schule folgen, sondern ihre Art des Denkens, ihren Körper und ihre Erfahrungen in Lernprozesse einbringen können (vgl. 1994, S. 45; 55). Bisherige Schulreformen, so Papert, seien daran gescheitert, dass sie „nicht weit genug darin gingen, den Schüler vom Objekt zum Subjekt des Lernprozesses zu machen“ (S. 39). Insbesondere biete Schule heuristischen Prinzipien nicht hinreichend Raum und behindere damit Lernprozesse eher (vgl. S. 107). • Mit der Verbreitung von intelligenten technischen Systemen und künstlicher Intelligenz verbinden Forbus und Feltovich (2001) zu Beginn der 2000er-Jahre eine Revolution im Bildungskontext: „This next revolution will be based on the widespread use of artificial intelligence in educational technology, guided by the growing body of research on human cognition and learning provided by cognitive science“ (S. 3). Die Entwicklungen im Bereich der Simulation von Lernprozessen durch maschinelle Systeme und ein vertieftes Verständnis von Prozessen des menschlichen Lernens und Problemlösens lassen sich den Autoren zufolge synergetisch bei der Gestaltung von Software mit „more human-like abilities“ nutzen: „We believe that these ideas and systems … will ultimately provide a new revolution in educational technology“ (ebd.). • Einen radikalen Wandel des Lernens im Zuge der digitalen Revolution sehen Dräger und Müller-Eiselt (2015) in Form von computerbasierten individuellen Lernplänen, von freien Bildungsressourcen im Netz, von datenbasierten Empfehlungen optimaler Lernwege oder von datengestützten Prognosen von Bildungsabschlüssen (vgl. S. 7). Digitalisierung, so die Autoren, werde nicht nur Lernprozesse verändern, sondern auch gesellschaftliche Strukturen, beispielsweise im Hinblick auf den Abbau von sozialer Ungleichheit. Die Digitalisierung des Lernens sei eine Chance, die „den Einzelnen in den Mittelpunkt [rückt], seine Talente ebenso wie seine Probleme“ (S. 8), die „Digitalisierung kann dem Konzept der individuellen Förderung zum Durchbruch verhelfen“ (S. 69). • Burow (2019) proklamiert, dass die digitale Revolution Schule in sieben Bereichen revolutionär verändere. Dabei geht es um die Renaissance reformpädagogischer Konzepte, um die räumliche Neuerfindung von Schule, um die Revolution des Unterrichts und der Schulorganisation, um die Ermöglichung und Förderung von Kreativität und Glück und um die Befähigung zur Entwicklung und Umsetzung nachhaltiger Lebensstile. In Bezug auf Lernen sieht Burow insbesondere Selbststeuerung, Kollaboration, Kreativität und problemlösendes, projektorientiertes Lernen als zukunftsweisend an, jeweils unterstützt durch digitale Medien (vgl. S. 20).

Digitalisierung – Revolution des Lernens?

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Die in den zitierten Beispielen proklamierten Revolutionen des Lernens rekurrieren jeweils auf die Entwicklung technischer Artefakte und damit verbundene Formen von digitalen Angeboten oder Anwendungen. Von diesen ausgehend werden Auswirkungen auf Lernprozesse angenommen, die bisherige Formen des Lernens mehr oder weniger oder auch grundsätzlich infrage stellen oder „überwinden“. Dabei bleibt aber zunächst unklar, welches Verständnis von Lernen, von Medien oder von Digitalisierung zugrunde gelegt ist. Beziehen sich grundlegende Änderungen auf neue Modellvorstellungen vom Lernen im Sinne lerntheoretischer Überlegungen oder auf neue Lernszenarien, die sich z. B. durch besondere Formen der Darstellung von Inhalten, ihrer Bearbeitung oder durch veränderte Raum- und Zeitkonstellationen auszeichnen? Will man solche mit der Digitalisierung einhergehenden Veränderungen in Bezug auf Lernen systematisch erfassen, lassen sich wissenschaftliche Modelle vom Lernen, beobachtbare (individuelle und gemeinsame) Lernaktivitäten und spezifische Rahmenbedingungen des Lernens unterscheiden: • In Bezug auf Modellvorstellungen vom Lernen geht es um die Frage, ob digitale Medien Anlass dazu geben, unsere bisherigen Vorstellungen vom Lernen als innerpsychische – nicht unmittelbar wahrnehmbare – Prozesse zu erweitern oder zu verändern. • Auf der Ebene der Lernaktivitäten geht es um die Frage, welche affektiven, kognitiven und motorischen Aktivitäten durch digitale Medien ermöglicht oder unterstützt werden und was dies für das Lernen bedeutet. • Unter Rahmenbedingungen des Lernens kann danach gefragt werden, wie sich diese z. B. hinsichtlich der Lernorte, der Lernzeiten oder der sozialen Einbindung im Kontext der Digitalisierung verändern. In Bezug auf Veränderungen des Lernens ist zudem grundsätzlich zu unterscheiden zwischen (begründeten) Potenzialen und empirisch zu beobachtenden bzw. nachzuweisenden Veränderungen. Eine Annäherung an die Frage der digitalen Revolution des Lernens soll daher im Folgenden durch die Auseinandersetzung mit folgenden Teilfragen erfolgen: • Wie lässt sich Lernen allgemein charakterisieren und welche spezifischen Modellvorstellungen können unterschieden werden? • Welche Rolle spielen Medien im Kontext von Lernen, insbesondere digitale Medien? • Führen Digitalisierung und digitale Medien zu einer Neuauffassung vom Lernen?

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2 Modellvorstellungen vom Lernen Als allen lerntheoretischen Ansätzen gemeinsames Verständnis kann festgehalten werden, dass Lernen auf Erfahrung beruht und dass es beim Lernen zu einer Veränderung hinsichtlich bestimmter Merkmale eines Organismus kommt, wobei die Veränderung nicht (allein) durch angeborene Reaktionstendenzen (z. B. Reflexe), biologische Reifungsprozesse (z. B. Wachsen) oder vorübergehende physiologische Zustände (z. B. Müdigkeit) erklärt werden kann (vgl. u. a. Gruber et al. 2006, S. 125 ff.). Bezogen auf menschliches Lernen bedeutet dies: Beim Lernen werden in Erfahrungszusammenhängen Potenziale des Menschen durch die Umwelt angeregt und in der Folge kommt es zu Veränderungen von Reaktionen, internen Strukturen, Verhalten und/oder Handeln (vgl. Tulodziecki et al. 2017, S. 31 ff.).

2.1 Klassische lerntheoretische Ansätze Unterscheidet man vorhandene Ansätze zunächst danach, auf welcher Grundauffassung zum Lernen sie basieren, so kann zwischen behavioristisch und kognitiv orientierten Ansätzen differenziert werden (vgl. u. a. Aebli 1983, S. 11 f.; Gruber et al. 2006, S. 125 ff.). • Behavioristisch orientierte Ansätze sind vor allem auf beobachtbare Reizkonstellationen, Reaktionen und/oder Verhaltensweisen sowie auf ihre Zusammenhänge gerichtet. Entsprechende Forschungsarbeiten dominierten die lernpsychologische Diskussion bis in die 1960er-Jahre hinein. Von Lernen wird in diesem Zusammenhang dann gesprochen, wenn sich die Wahrscheinlichkeit, mit der eine bestimmte Reaktion oder ein bestimmtes Verhalten auftritt, verändert, d. h. vergrößert oder verringert. Mentale Vorgänge werden, weil sie nicht einsehbar sind, als „black box“ aufgefasst. Entsprechend spielen Einflussfaktoren wie Emotionen, Motivation, Wissens- und Erfahrungsstand nur in Form ihrer Operationalisierungen als beobachtbares Verhalten eine Rolle (vgl. z. B. Mietzel 2017, S. 20; S. 202 ff.). Behavioristische Ansätze versagen in ihrer Erklärungskraft bei Veränderungen, die sich nicht auf beobachtbare Reize und ihre Konsequenzen beziehen. • Einen Übergang von verhaltenstheoretischen Auffassungen des Lernens hin zu kognitionsorientierten Ansätzen stellt das Modelllernen dar (vgl. Bandura 1979). In diesem Verständnis wird von Lernen gesprochen, wenn eine Verhaltensweise

Digitalisierung – Revolution des Lernens?

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an einem Modell beobachtet und dann kognitiv als mentales Schema repräsentiert wird. Eine neue Verhaltensweise kann also erlernt werden, auch wenn sie selbst nicht ausgeführt worden ist. Die Ausführung eines mental repräsentierten Verhaltens kann durch beobachtete negative Konsequenzen gehemmt werden, eine beobachtete positive Verstärkung kann zu Enthemmungseffekten führen. Mit der sogenannten „kognitiven Wende“ verlagerte sich das Interesse zunehmend auf Strukturen des Wahrnehmens, des Wissens, des Denkens, des Problemlösens und des Handelns. Dabei wurde zum Teil auch Bezug auf frühere Ansätze, unter anderem von Dewey (1916) und Piaget (1947), genommen. Bei Ansätzen mit einer kognitiven Grundorientierung lässt sich noch zwischen kognitivistischen und konstruktivistischen Theorien unterscheiden (vgl. u. a. Gage & Berliner 1996). • Gegenüber den behavioristischen Ansätzen setzen kognitivistische Lerntheorien einen besonderen Akzent auf die dem Lernen zugrunde liegenden bzw. vom Lernen hervorgebrachten kognitiven Elemente und Zusammenhänge, von denen angenommen wird, dass sie im Gehirn bzw. im Zentralnervensystem dauerhaft repräsentiert werden. Demgemäß hat Lernen im kognitivistischen Verständnis stattgefunden, wenn durch die Verarbeitung äußerer Reize kognitive Strukturen aufgebaut oder erweitert wurden. Allerdings richtet sich der Blick nicht nur auf die jeweilige kognitive Struktur, sondern auch auf die Prozesse, die für ihren Aufbau oder für ihre Veränderung bedeutsam sind, z. B. auf Prozesse der Aufmerksamkeitslenkung, der Wahrnehmung, der gedanklichen Einordnung und der Verankerung sowie der Reproduktion und des Transfers. Ausdifferenzierungen kognitionstheoretischer Ansätze lassen sich nach der Art der betrachteten Prozesse (Wissensaufbau, Problemlösung), nach der Spezifik der kognitiven Strukturen (themenspezifisch, allgemein) oder nach der Art der Speicherung bzw. Repräsentation des Gelernten im Zentralnervensystem vornehmen. • Während in kognitivistischen Ansätzen aus erkenntnistheoretischer Perspektive tendenziell angenommen wird, dass ein Wissensbestand existiert, der auf einer objektiven Erkenntnis der Realität beruht und vom Individuum angeeignet werden soll, wird in konstruktivistischen Ansätzen eher davon ausgegangen, dass es sich bei Wissen um subjektive Konstruktionen handelt, die erst dadurch Anerkennung in einem sozialen Zusammenhang finden, dass sie sich beim Handeln bewähren bzw. als „viabel“ erweisen (vgl. Maturana & Varela 1987). „Viabilität“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass entsprechende Konstruktionen das Handeln in erfolgreicher Weise anleiten

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und zu Problemlösungen in der Realität führen. Für das Lernen folgt daraus unter anderem, dass im Rahmen der Auseinandersetzung mit Problemen bzw. Anforderungen aus der Umwelt subjektive Konstruktionen entstehen, die im sozialen Austausch hinsichtlich ihrer Bewährung bzw. Viabilität geprüft werden sollten. In konstruktivistischen Ansätzen herrscht eine stärkere Skepsis gegenüber der Möglichkeit, den Lernprozess von außen zu beeinflussen. Zugleich wird der Stellenwert, welcher der individuell-subjektiven Wahrnehmung von Lernsituationen als Anlass für interne Konstruktionen und dem sozialen Austausch zukommt, besonders betont. Dabei wird Lernen als ein selbstorganisierter bzw. selbst zu organisierender Prozess verstanden.

2.2 Lerntheoretische Erweiterungen Als eine Spielart konstruktivistischer Ansätze kann der sogenannte Konstruktionismus gelten. • In der konstruktionistischen Grundauffassung vom Lernen geht Papert (1994) davon aus, dass mentale Konstruktionen im Kopf dadurch unterstützt werden können, dass sie ein sichtbares Korrelat in der Welt finden. Dies kann reichen von „Konstruktionssätzen im wörtlichen Sinne, wie zum Beispiel Legobaukästen, bis hin zu Programmiersprachen, die man als „Konstruktionssätze“ zur Erstellung von Programmen ansehen kann“ (S.  157). Die Konstruktion „be-greifbarer“ Objekte unterstützt zum einen die Entwicklung mentaler Modelle (vgl. Schelhowe 2012), zum anderen aber auch die Fähigkeit, sich selbstständig Wissen in der Auseinandersetzung mit der Sache anzueignen (vgl. Papert 1994, S. 153; vgl. auch den phänomenologischen Ansatz von Meyer-Drawe 2008, S. 212). Dies erfordert nach Papert die Gestaltung von Lernumgebungen, in denen Wissen Anwendung finden kann, in denen Reflexionen über erworbenes Wissen angeregt werden und die auch spielerische Zugänge erlauben (vgl. S. 155). Dabei wird nicht angenommen, dass Lernen immer vom Konkreten zum Abstrakten verlaufe, sondern als Wechselspiel zwischen dem konkreten Tun und dem abstrakten Nachdenken (Reflexion) darüber: „In contrast to Piaget, Papert draws our attention to the fact, that „diving into“ situations rather than looking at them from a distance, that connectedness rather than separation, are powerful means of gaining understanding“ (Ackermann 2001, S. 92; vgl. auch Robben et al. 2018).

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Über das gemeinsame Verständnis von Lernen als eine erfahrungsbasierte Aktivität hinaus geht der Ansatz des Konnektivismus von Siemens (2005) und Downes (2007): • Angesichts der rasanten technischen Entwicklung und des damit verbundenen exponentiellen Wachstums des Weltwissens hält Siemens es nicht mehr für angemessen, Lernprozesse nur auf das Individuum zu beschränken: „Learning … can reside outside ourselves (within an organization or a database), is focused on connecting specialized information sets, and the connections that enable us to learn more are more important than our current state of knowing“ (Siemens 2005, o. S.). In einer vernetzten Welt könne das Individuum nicht mehr über das komplette Wissen verfügen, daher sei die Fähigkeit, vorhandene Wissensressourcen – in Form von menschlicher Expertise, als Daten oder als Organisationswissen (sogenannte Knoten) – zu nutzen, umso bedeutsamer. Der Fokus des Lernens wird vom Individuum auf Netzwerke verlagert, in denen es verteilte Informationen zusammenzufügen gilt. Theoretische Bezüge finden sich neben Netzwerken auch zur Chaostheorie und zur Theorie der Selbstorganisation. Wegen der immer schwieriger werdenden Vorhersage von zukünftigen Entwicklungen sei es wichtig, dass in Netzen vorhandenes Wissen zu neuen Strukturen auf einer höheren Ebene zusammengeführt werde: „Ability to see connections between fields, ideas, and concepts is a core skill“ (2005, o. S.). Die Begrenzung der traditionellen Lerntheorien sieht Siemens in ihrer Fokussierung auf die Frage, wie das Individuum lernt und in der Vernachlässigung der technologischen Einflüsse auf Lernen und Lernumgebungen. Im Vergleich beispielsweise zu konstruktivistischen Auffassungen mache „a phrase like ‚constructing meaning‘ … no sense. Connections form naturally, through a process of association, and are not ‚constructed’ through some sort of intentional action. And ‚meaning‘ is a property of language and logic, connoting referential and representational properties of physical symbol systems. Such systems are epiphenomena of (some) networks, and not descriptive or essential to these networks“ (Downes 2007). Stephen Downes (2017) sieht im konnektivistischen Ansatz eine Lerntheorie, die lernende Netzwerke beschreibt – im doppelten Sinne: Zum einen nutzt das Individuum das Netzwerk, um Lernen zu unterstützen, zum anderen lernt das Netzwerk selbst. Eine zentrale Grundlage des Ansatzes bilden die Theorie neuronaler Netze und die Künstliche Intelligenz, d. h. der Lernbegriff wird hier auch für künstliche neuronale Netze verwendet. Dies bedeutet, dass Wissen als persönliches Wissen einen bestimmten Status neuronaler

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Verbindungen beschreibt oder einen bestimmten Status von Netzwerkverbindungen außerhalb des Individuums. Lernen findet dann als „automatically adjusting the set of connections between individual neurons or nodes” (S. 288) statt. Entsprechend bedeutet individuelle Entwicklung “the ongoing development of a richer and richer neutral tapestry” (S. 290). Der Modus des Formens oder Umgestaltens von neuronalen Verbindungen liegt in „interaction and use“ (S. 232). In allen lerntheoretischen Ansätzen kann grundsätzlich zwischen internen (in der lernenden Person liegenden) und externen (durch die Lernsituation gegebenen) Bedingungen unterschieden werden (vgl. Gagné 1969, S. 22). Je nach Ansatz kommt den jeweiligen Bedingungen ein größerer oder geringerer Stellenwert zu. Eine wichtige externe Bedingung stellen (digitale) Medien dar. In Lernprozessen findet eine Wechselwirkung zwischen dem Medienangebot und dem oder der Lernenden statt. Um einschätzen zu können, wie sich digitale Medien auf das Lernen auswirken, wird im Folgenden zunächst der Medienbegriff geklärt.

3 Medien und digitale Infrastrukturen 3.1 Medienbegriff und Medienmerkmale Aus einer pädagogischen Perspektive kann der Medienbegriff über die (Erfahrungs-)Formen, in denen wir mit unserer Umwelt in Kontakt treten, entwickelt werden. Unterscheiden lassen sich reale Begegnungen mit Sachverhalten oder Personen, modellhafte Formen (z. B. ein Modell einer technischen Anlage), abbildhafte Formen (z. B. Fotos, Filme oder animierte Darstellungen) und symbolische Formen (z. B. gesprochene Sprache oder schriftliche Texte). Da diese Erfahrungsformen in gewisser Weise einen vermittelnden Charakter haben, werden sie manchmal schon selbst als Medien bezeichnet. Für die Medienpädagogik erscheint es aber zweckmäßiger, den Medienbegriff auf technisch vermittelte Erfahrungsformen einzugrenzen (vgl. Tulodziecki et al. 2019, S. 32 f.). Vor diesem Hintergrund bietet es sich in medienpädagogischen Kontexten an, „Medien als Mittler zu verstehen, durch die in kommunikativen Zusammenhängen potenzielle Zeichen mit technischer Unterstützung aufgenommen bzw. erzeugt und verarbeitet, übertragen, gespeichert oder wiedergegeben bzw. präsentiert werden und verfügbar sind“ (ebd., S. 33).

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Die Potenziale, die (digitale) Medien für Lehr-, Lern- und Bildungsprozesse bieten, ergeben sich aus verschiedenen Merkmalen von Medien bzw. deren Zusammenspiel (vgl. ebd., S. 34 ff.): • Die durch ein Medium technisch unterstützten symbolischen und abbildhaften Erfahrungsformen werden auch als Codierungsarten bezeichnet und stellen – im Hinblick auf die mit dem Medium möglichen Lernaktivitäten – ein zentrales Merkmal dar. Sie lassen sich in abbildhafte (objektgetreue und schematische bzw. typisierende) und symbolische (verbale und nicht-verbale) Codierungen unterscheiden. • Neben diesen Codierungsarten sind die durch das Medienangebot angesprochenen Sinnesmodalitäten bedeutsam. Dazu zählen die auditive und visuelle Modalität (oder Kombinationen davon). Darüber hinaus können der Bewegungssinn und der Tast- oder Berührungssinn relevant sein. • Durch die Verbindung von Codierungsarten und Sinnesmodalitäten ergeben sich bestimmte Darstellungsformen, z. B. statische grafische Darstellungen, Animationen, aufgezeichnete Originaltöne, Fotos, Filme, nicht-verbale optische Symbole (Icons) usw., die ihrerseits unter Verwendung spezifischer Gestaltungstechniken erstellt werden (vgl. Abb. 2.1).

Abb. 2.1    Medienmerkmale: Darstellungsformen und Steuerungsarten. (Eigene Darstellung)

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• Ein weiteres wichtiges Merkmal zur Beschreibung von Medien(-angeboten) stellen die Ablaufformen dar. Während beispielsweise eine Präsentationsfolie ruhend bzw. punktuell präsentiert wird, haben Film und Hörspiel oder Animationen eine flüchtige bzw. lineare Ablaufform, wobei die Nutzer*innen den Ablauf durch Start und Stopp, durch Vor- und Rücklauf steuern kann. Durch die digitalen Medien sind neue Ablaufformen hinzugekommen, z. B. adaptive und responsive. Adaptive Ablaufformen sind dadurch gekennzeichnet, dass die Darbietung, z. B. bei einer Lern-App, auf Grund vorheriger Eingaben der Nutzenden vom Medium gesteuert wird. Beispielsweise können bei einem entsprechenden Programm Anzahl und Art von Übungsaufgaben an den – mit einem Test ermittelten – Leistungsstand der Anwender*innen angepasst werden. Eine responsive Ablaufform ist gegeben, wenn sich der Ablauf des medialen Angebots bzw. des Programms über geeignete Schnittstellen bzw. Steuerungsmöglichkeiten durch eigene Aktionen bestimmen lässt. Des Weiteren sind noch kommunikative Ablaufformen zu erwähnen. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass Nutzer*innen mithilfe eines Medienangebots mit einem oder mehreren weiteren Personen kommunizieren. Dies kann asynchron erfolgen, z. B. mit Hilfe von E-Mail, oder synchron, z. B. bei einer Videokonferenz oder beim Chat. • In Bezug auf die responsiven Ablaufformen lassen sich verschiedene Steuerungsarten unterscheiden, über die das Medienangebot – unter Nutzung von Hör- und Sehsinn, Sprachvermögen, Tast- bzw. Berührungssinn und Bewegungssinn – beeinflusst werden kann. Diese Steuerungsarten reichen von mechanischen Steuerungen (z. B. durch Tastendruck) über Berührungssteuerungen (z.  B. Touch-Pads oder interaktive Whiteboards), Sprachsteuerungen (z. B. Eingaben in ein Smartphone zum Start einer Anwendung) und Bewegungssteuerungen (z. B. über eine Maus oder über die Bewegung von Controllern bei Spielekonsolen) bis hin zu Gestensteuerungen (z. B. durch Handbewegungen in Fahrzeugen) (vgl. Abb. 2.1). Diese Formen der Steuerung bestimmen maßgeblich die Interaktionsformen und damit auch mögliche Lernaktivitäten. So ist beispielsweise ein mechanisches Umblättern von Buchseiten für die angemessene Nutzung eines Buches zwar erforderlich, in Bezug auf die Lernaktivitäten aber nicht zentral, wohingegen die Bewegung eines Objektes auf einem Touchscreen neue Erfahrungsmöglichkeiten und damit spezifische kognitive Prozesse auslösen oder unterstützen kann. Innerhalb eines Mediums können unterschiedliche Darstellungsformen realisiert werden, die in Verbindung mit den Steuerungsmöglichkeiten dann zu komplexeren Lernarrangements führen.

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3.2 Erweiterung: Digitale Infrastrukturen Der Medienbegriff umfasst damit zum einen spezifische Medienangebote, mit denen wir in kommunikativen Zusammenhängen interagieren, und deren technische Basis (z. B. Buch – Druckmaschine; Foto – Kameratechnik; Texteditor – Software/Hardware); zum anderen werden aber auch technische (digitale) Artefakte erfasst, die in der Interaktion des Menschen mit seiner dinglichen oder sozialen Umwelt steuernde oder kontrollierende Funktionen ausüben (z. B. SMART Home, autonome Fahrzeuge, Bots, …). Insbesondere bedeutet dies, dass der Medienbegriff nicht nur das technische Artefakt bzw. Gerät umfasst, sondern die gesamte vernetzte mediale digitale Architektur, mit der das Artefakt verbunden ist (vgl. Herzig 2019a). Mediale digitale Architekturen sind in ihrer Komplexität allerdings nicht unmittelbar sichtbar. Im Alltag begegnen uns Elemente dieser Architekturen in Form von Angeboten, die über spezifische Interfaces rezipiert oder selbst gestaltet werden können. Das Interface, z. B. der Touchscreen eines mobilen digitalen Endgerätes, hat eine vermittelnde Funktion, es bringt die hinter dem Interface ablaufenden Prozesse an die Oberfläche. In der Auseinandersetzung mit einem solchen Angebot können Lernaktivitäten angeregt und unterstützt werden, die je nach lerntheoretischem Ansatz unterschiedlich gedeutet werden. Medien lassen sich als externe Bedingungen des Lernens einordnen (s. o.). Um den Zusammenhang zwischen Lernen und Medien aufzuklären, kann einerseits danach gefragt werden, ob sich in der Gestaltung von Medien(-angeboten) selbst Vorstellungen vom Lernen widerspiegeln, andererseits danach, welche Funktion Medien in der jeweiligen Erklärung bzw. Modellvorstellung von Lernen einnehmen.

4 Lernen und (digitale) Medien 4.1 Medienangebote aus lerntheoretischer Perspektive Medien und Medienangebote sind technisch und inhaltlich gestaltete Mittel, die zu bestimmten Zwecken – z. B. Lernen – genutzt werden können. Insofern liegt es nahe anzunehmen, dass die jeweiligen Gestaltenden eine Vorstellung davon haben, wie Lernen stattfindet und wie dies durch das Medium oder Medienangebot angeregt und unterstützt werden kann. Analysiert man entsprechende Angebote, lassen sich implizit oder explizit Bezüge zu einzelnen lerntheoretischen Ansätzen herstellen:

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• Behavioristische Grundideen finden sich beispielsweise in sogenannten Drill- and Practice-Angeboten, in Übungsprogrammen oder Lernspielen. Vorgegebene Lehrziele sollen dadurch erreicht werden, dass den Lernenden bestimmte Informationen und Aufgaben in medialer Form als Hinweisreize präsentiert werden, die ein gewünschtes Lernverhalten nahelegen. Dieses ist dann – wenn es von Lernenden gezeigt wird – zu bekräftigen. Beispielsweise kann das gewünschte Verhalten beim Lernen mit einem computerbasierten Programm darin bestehen, dass bei Rechtschreibübungen richtige Buchstaben eingesetzt, bei Rechenaufgaben einzelne Rechenoperationen angemessen durchgeführt werden. Die Bekräftigung kann – bei sachgemäßer Ausführung – z. B. in der einfachen Rückmeldung durch „richtig“, in einem lobenden Kommentar, in der Vergabe von Punkten oder in der Präsentation eines Spiels bestehen. Dieses Prinzip wird sowohl bei einfachen als auch bei komplexen Lehrzielen angewendet. Bei komplexen Lehrzielen wird der Lernweg allerdings im Sinne der Verhaltensformung in viele kleine – in der Regel linear aufeinander folgende – Lernschritte zerlegt. Dabei ist es wichtig, den Lernfortschritt regelmäßig zu prüfen und in Abhängigkeit vom Lernstand weitere Informationen und Aufgaben zu präsentieren. • Annahmen des Modelllernens finden sich insbesondere in Animations- oder Demonstrationsprogrammen und in sogenannten (online verfügbaren) Erklärvideos (vgl. Rummler & Wolf 2012), bei denen z. B. bestimmte Arbeitstechniken als Modellverhalten präsentiert werden. Ob und wie intensiv durch Beobachtung gelernt wird, hängt dabei zum einen von der Art der modellierten Verhaltensweisen ab, z. B. von der Auffälligkeit und Komplexität, zum anderen von den kognitiven Voraussetzungen der Lernenden. Im Rahmen der Behaltensprozesse kommt es für die Lernenden darauf an, das Beobachtete verbal und visuell mental zu repräsentieren. Dies wird begünstigt, wenn die beobachteten Verhaltensweisen in einer computerbasierten Animation oder in dokumentarischen oder inszenierten Videos als erfolgreich erlebt werden. Damit kann eine Basis für die Umsetzung in eigene Handlungsmuster geschaffen werden. Bei der Nutzung von Erklärvideos ist es wichtig, ggf. bestehende Fehlkonzepte von Lernenden in der Gestaltung zu berücksichtigen (vgl. z. B. Kulgemeyer 2019). • Kognitionstheoretische Annahmen zum Lernen spiegeln sich in verschiedenen digitalen Lernangeboten wider, so zum Beispiel in offenen Lehrsystemen oder in Lehrprogrammen, in denen Inhalte strukturiert und in verschiedenen Codierungsarten aufbereitet sind, oder in tutoriellen Systemen, die einen Einstieg in neue Wissensgebiete und den Aufbau mentaler Modelle durch den Aufweis vernetzter Strukturen unterstützen (vgl. z. B. Mayer 2014). Auch

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Simulationen und Experimentierumgebungen können auf einer kognitionstheoretischen Sichtweise des Lernens beruhen. • Aus konstruktivistischer Perspektive bedeutete das Lernen mit Medien, dass mediale Angebote im Wesentlichen als Informations- und Werkzeugangebote für selbst gestaltete Lernprozesse zu betrachten und zu konzipieren sind und keineswegs als Mittel der Steuerung von Lernprozessen (vgl. Euler 1994, S. 298). Der Selbstorganisation des Lernprozesses – im Sinne eines selbstbestimmten reflexiven Handelns – wird dabei eine besondere Bedeutung zugemessen. Eine solche Position wird zum Teil bei der Entwicklung von offenen Lehrsystemen, von Lernspielen oder von Werkzeugen sowie von Experimentierumgebungen oder von Kooperations- und Kommunikationsumgebungen zugrunde gelegt. • Konstruktionistische Grundideen lassen sich am ehesten mit solchen Angeboten verbinden, in denen gestaltende Tätigkeiten mit reflektierenden Überlegungen über die Gestaltung einhergehen. Beispiele sind sogenannte Fablabs oder Makerspaces als Lernumgebungen mit experimentellem Charakter, in denen konkrete digitale Artefakte entworfen, konstruiert und reflektiert werden können. Hier lassen sich insbesondere physische und virtuelle Räume miteinander verbinden (vgl. Herzig 2019b; Herzig & Klar 2019). Unterstützt werden können solche Konstruktions- und Reflexionsaufgaben durch spezifische Softwarewerkzeuge, wie virtuelle Programmierumgebungen (z.  B. Scratch), 3D-Drucker, Lasercutter, programmierbare Microcontroller (z. B. Arduino, Calliope) usw. • Verbindungen zu konnektivistischen Vorstellungen des Lernens lassen sich weniger im Zusammenhang geschlossener einzelner Medienangebote, sondern im Kontext des Internets allgemein herstellen. Lernen rekurriert in diesem Verständnis vor allem darauf, aus den im Netz verteilt vorhandenen Wissensressourcen emergente Strukturen aufzubauen, d. h. Wissen auf einer höheren Ebene zu generieren. Daran ist nicht das Individuum allein beteiligt, sondern emergente und synergetische Effekte entstehen durch Formen von Kollaboration. Darüber hinaus verschiebt sich der Fokus vom Verfügen über Wissensbestände zu Fähigkeiten des Wissenserwerbs und des Umgangs mit Wissen (vgl. Utecht & Keller 2019). Darüber hinaus sind Mischformen denkbar; wenn beispielsweise eine vollimmersive virtuelle Umgebung mithilfe einer Datenbrille und von Handcontrollern ein Agieren in einem virtuellen Labor ermöglicht, kann dies im konstruktivistischen Sinne dazu dienen, Hypothesen über naturwissenschaftliche

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Abläufe zu testen, gleichzeitig kann aber auch dort mit Belohnungssystemen im Sinne operanter Konditionierung gearbeitet werden.

4.2 Lernaktivitäten mit digitalen Medien Die Überlegungen zeigen, dass mit bestimmten Medienangeboten lerntheoretische Modellvorstellungen verbunden werden können. Dabei bleibt allerdings offen, ob die Gestaltung des jeweiligen Angebots explizit vor dem Hintergrund entsprechender lerntheoretischer Überlegungen erfolgte. Handelt es sich hierbei um eine Revolution des Lernens? – Mit der Entwicklung und Verbreitung digitaler Medien haben sich die grundsätzlichen Vorstellungen vom Lernen als innerpsychischer Prozess zwar weiterentwickelt und ausdifferenziert, aber nicht revolutionär geändert. Gleichwohl lassen sich qualitative Veränderungen ausmachen, die in vielfältigen (neuen) Lernaktivitäten Ausdruck finden. Keil (2012) charakterisiert Medien als „Denkzeuge“ und rekurriert dabei auf ihre Funktion, Differenzerfahrungen zu ermöglichen. Dies bedeutet, dass Medien uns erlauben, eigene Gedanken (Vorgestelltes) z. B. mit den Aufzeichnungen und Darstellungen Anderer zu konfrontieren, sie in Experimenten oder Simulationen zu überprüfen und damit „dann zunehmend komplexere mentale Modelle [zu] entwickeln, die es uns gestatten, auf vielfältige Weise auf Bedingungen in unserer Umwelt zu reagieren“ (S. 149). Solche Differenzerfahrungen sind bereits mit analogen Medien möglich, aber „vernetzte Computer bilden die konstruktive Grundlage für eine enorme Vielzahl neuer Konstellationen zur Differenzerfahrung …, die aber in einer ebenso unübersehbaren Fülle von Einsatzszenarien jeweils erschlossen werden müssen“ (S. 151). Solche qualitativen Veränderungen in Lernszenarien sind mit folgenden Aspekten verbunden: • Orts-, zeit- und raumunabhängiges Lernen: Mithilfe digitaler Medien ist der rasche Zugriff auf Arbeitsmaterialien unabhängig von Orten ihrer physikalischen Speicherung möglich. Darüber hinaus wird der Zugriff zunehmend nicht mehr durch die Zugehörigkeit zu bestimmten Institutionen oder Organisationen sowie durch zeitliche Restriktionen reguliert. Schulische Anwendungen sind neben dem Internet insbesondere spezielle Lernplattformen oder Learning-Management-Systeme (LMS). • Multicodales und multimodales Lernen: Multimediale Angebote sind in verschiedenen Zeichensystemen codiert und sprechen unterschiedliche Sinnesmodalitäten an; die unterrichtlichen Angebote umfassen unterschiedliche

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mediale Darstellungsformen, z. B. Texte, Grafiken, Bilder, Tondokumente, Videofilme, Programme, Animationen, Simulationen (s. Abschn. 2.3). • Manipulation von Lernobjekten: Digitale Angebote ermöglichen die Bearbeitung und kreative Umgestaltung vorhandener Materialien (z.  B. Bild- und Tonbearbeitung, Präsentationsprogramme usw.) sowie die Exploration von symbolischen Interaktionsräumen und die Manipulation von darin befindlichen Objekten, z. B. im simulierten Umgang mit gefährlichen Stoffen in einem virtuellen Labor. Die verschiedenen Interaktionsund Steuerungsarten erlauben auch Erweiterungen z.  B. durch das Annotieren von Materialien, durch Einfügen zusätzlicher Materialien, durch Umstrukturierungen oder durch den Aufbau und die Veränderung von Verweisstrukturen. • Feedback zum Lernen: Manipulationen von symbolischen Strukturen, z. B. die Eingabe von Texten, Drag-and-Drop-Aktionen, das Ausfüllen von Skripts o.ä. führen zu Rückmeldungen des Systems, die den Lernenden Entscheidungshilfen für weitere Lernaktivitäten geben. Diese Möglichkeiten spielen z. B. in adaptiven oder tutoriellen Systemen eine Rolle, aber auch in einfachen Lernprogrammen, in denen auf bestimmte Aktionen eine unmittelbare Rückmeldung erfolgt (z. B. in einem einfachen Übungsprogramm oder in einem komplexen Planspiel bzw. in einer Simulationsumgebung). Darüber hinaus kann in softwareunterstützen Prüfungen (e-Assessment) oder computerbasierten Kompetenztests eine unmittelbare Rückmeldung zum Lernstand erfolgen. • Adaptive Lernangebote: Digitale Medien sind in gewissen Graden anpassungsfähig an die Lernvoraussetzungen der Nutzenden. Dies geschieht zum einen durch die Möglichkeit, bedürfnis- und kenntnisorientiert in der Interaktion eigene Lernwege festzulegen und Lernmaterialien auszuwählen, zum anderen durch systemgenerierte Hilfestellungen oder Materialien. In adaptiven Systemen kann dies beispielsweise dadurch erfolgen, dass in der jeweiligen Anwendung auf der Basis eines kurzen Tests Hilfestellungen gegeben werden, die im System als Reaktionen auf typische Fehler oder Lernschwierigkeiten hinterlegt sind. Einen Schritt weiter gehen sogenannte Intelligente Tutorielle Systeme (ITS), die auf der Basis der Analyse von Eingaben der Lernenden mithilfe eines in einer Datenbank hinterlegten Lernermodells adaptive Rückmeldungen und Hilfestellungen anbieten. Letztere sind im schulischen Kontext allerdings sehr selten zu finden, wenn doch, dann vorzugsweise im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich. Schließlich können mit Anwendungen der künstlichen Intelligenz durch die Analyse von Lernwegen und erzielten Lernergebnissen einer sehr großen Anzahl von

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Lernenden individuelle Empfehlungen ausgesprochen werden, bestimmte Lernwege zu durchlaufen (learning analytics). • Kommunikation und Kooperation beim Lernen: Digitale Anwendungen bieten die Möglichkeit, z. B. über bestimmte Internet-Dienste, mit Anderen in Verbindung zu treten, zu kommunizieren (z. B. E-Mail, Chat, Newsgroup, Blog, Wiki, Videokonferenz) oder gemeinsam an bestimmten Aufgaben zu arbeiten (z. B. über Lernplattformen, Learning-Management-Systeme usw.). Hier bieten sich insbesondere Möglichkeiten, Lernorte miteinander zu verbinden, z. B. flipped classroom-Szenarien als Form des Blended Learning. • Lernen mit angereicherten Lernumgebungen (augmented reality) und immersiven Lernumgebungen (virtual reality): Mithilfe digitaler Medien lassen sich analoge Medien, z. B. Schulbücher, durch digitale Informationen und Lernangebote – z. B. kurze Videosequenzen, Animationen oder Texte als Originalquellen – anreichern, die z. B. über eine App auf einem Tablet aufgerufen werden können. Immersive Lernumgebungen sind virtuelle Welten, in denen Lernende direkt oder durch die Nutzung von Avataren Lernaktivitäten z. B. in virtuellen Räumen durchführen können. Durch dreidimensionale Darstellungen oder die Verwendung spezieller Video- oder Datenbrillen lassen sich die Grade der Immersion unterschiedlich gestalten. Beispiele solcher Anwendungen sind Laborexperimente oder digitale Lernspiele.

4.3 Veränderung der Lern- und Schulkultur In Bezug auf die grundsätzlichen Vorstellungen menschlichen Lernens im Sinne der Modellierung innerpsychischer Vorgänge lassen die genannten Potenziale digitaler Medien keine Revolution des Lernens erkennen, deuten wohl aber auf einen grundlegenden Wandel der Lern- und Schulkultur hin. Dieser Wandel kann auch als Entgrenzungsprozess beschrieben werden (vgl. Herzig & Aßmann 2014). Lernen kann – mit Unterstützung digitaler Medien – an nahezu allen (vernetzten) Orten, außerhalb institutionalisierter Prozesse, in informellen Lerngemeinschaften, in realen, erweiterten realen oder in virtuellen Räumen, im Kontext vernetzter digitaler Infrastrukturen stattfinden. Durch die im digitalen Medium implementierten programmierbaren Modelle werden zudem responsive Ablaufformen möglich, d. h. das Medium reagiert unmittelbar auf Eingaben der Nutzenden und schafft damit vielfältige Interaktionsformen. Nicht zuletzt sind diese veränderten Rahmenbedingungen auch mit einer Veränderung der klassischen Rolle von Lehrpersonen

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verbunden, von instruktionalen inhaltsvermittelnden Tätigkeiten in Richtung anregender, unterstützender, beratender und qualitätssichernder Aktivitäten (vgl. Abb. 2.2). Solche Entgrenzungsprozesse legen es nahe, zentrale pädagogische und didaktische Ziele zu überdenken und mithilfe der neuen Möglichkeiten umzusetzen. Dies betrifft beispielsweise die individuelle Förderung und Differenzierung gegenüber einem generischen Vorgehen, die Förderung selbstgesteuerten Lernens oder die Umsetzung lernbezogener Kooperationen, verbunden mit Aufgabenstellungen, die kooperatives und kollaboratives Arbeiten als bedeutsam und gewinnbringend erfahren lassen. Wenn die skizzierten Entwicklungen auch keinen Anlass bieten, von einer Revolution des Lernens zu sprechen, so deuten sie doch einen Wandel in der Lern- und Schulkultur an, die sich von traditionellen Vorstellungen von der Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen deutlich unterscheidet.

Abb. 2.2   Wandel des Lernens als Entgrenzungsprozess. (Eigene Darstellung)

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Die – in Bezug auf den Begriff der Revolution des Lernens – verhaltene Einschätzung könnte sich allerdings verändern, wenn man den Lernbegriff – wie bereits angedeutet – nicht auf den Menschen (oder auch einzelne Tierarten, von denen hier abgesehen wird) begrenzt: Das allen lerntheoretischen Ansätzen gemeinsame Verständnis beschreibt Lernen als Prozess der Veränderung von Reaktionen, internen Strukturen, Verhalten und/oder Handeln (vgl. Abschn. 2.2) und geht damit vom Individuum aus. Eine deutliche Ausweitung erfährt das Verständnis von Lernen, wenn es nicht mehr nur als innerspsychischer Vorgang diskutiert wird, sondern auch dem Medium als externer Bedingung des Lernens Lernvorgänge zugeschrieben werden. Dies geschieht im Rahmen des sogenannten maschinellen Lernens bzw. der künstlichen Intelligenz.

5 Entgrenzung des Lernens – wenn Medien lernen Eine bedeutsame Eigenschaft von digitalen Medien liegt in ihrer Programmierbarkeit, d. h. der Möglichkeit, Ausschnitte der Wirklichkeit in formale Modelle und schließlich in Algorithmen zu überführen, die dann automatisiert Problemlösungen ausführen. Computer als semiotische Maschinen (vgl. Nake 1993; Herzig 2012, S. 102 ff.) erhalten das Wissen für solche Problemlösungen aus dem Algorithmus, in dem es codiert ist. Anders verhält es sich bei lernenden Maschinen – also semiotischen Maschinen, die in der Lage sind, Problemlösungen durch „Erfahrung“ zu optimieren. In diesen Fällen wird das Wissen für Problemlösungen aus großen Datenmengen gewonnen, mit denen ein algorithmisch simuliertes Netzwerk trainiert wird: „What we lack in knowledge, we make up for in data“ (Aplaydin 2016, S. 16). Dabei sind zwei Formen zu unterscheiden (vgl. Awad & Khanna 2015, S. 6 ff.). Beim sogenannten überwachten Lernen (supervised learning) wird ein Algorithmus mit Hilfe von Beispielen trainiert, für die die Problemlösung bereits bekannt ist und dem Algorithmus als Eingabe mitgeliefert wird (die Daten sind „gelabelt“). Überwacht wird im Trainingsmodus, ob die Lösungen korrekt sind. Beispielsweise gilt bei der Erkennung von handgeschriebenen Zahlen als Lösung die jeweils gemeinte Zahl. Solange die Lösungen nicht oder nicht hinreichend zuverlässig sind, wird weiter trainiert. Beim unüberwachten Lernen (unsupervised learning) werden in den zu verarbeitenden Beispielen Muster und Strukturen gesucht. Das Ergebnis stellen Cluster dar, d. h. Gruppen von Daten mit ähnlichen Eigenschaften. Anwendungen finden solche Verfahren z. B. bei der semantischen Analyse von Texten. Im Bildungskontext werden vielfältige Daten z. B. bei der Nutzung von Onlineplattformen, dem Belegen von Onlinekursen, der Bearbeitung

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von Lehrprogrammen, der Nutzung von Apps oder der Arbeit in und mit ­Learning-Management-Systemen erzeugt (vgl. z. B. Jülicher 2018). Solche Daten zu sammeln (educational data mining) und auszuwerten (learning analytics) ist beispielsweise mit dem Ziel verbunden, die Lernwege von Schüler*innen zu optimieren und individuelles Feedback beim Lernen zu geben (vgl. Ebner & Ebner 2018). So lassen sich aus den Daten vieler Nutzer*innen einer Lernplattform gegebenenfalls Muster ableiten, die Zusammenhänge zwischen Personenmerkmalen und Lernverhalten bzw. Lernerfolg aufzeigen und so Empfehlungen für individuelle Lernwege erlauben (vgl. z. B. Kerres 2018, S. 340 ff.). Liegt die Revolution des Lernens also im maschinellen Lernen? Zunächst ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass Analogien zwischen menschlichem und maschinellem Lernen sehr begrenzt sind und gleiche Begrifflichkeiten nicht implizieren, „dass die Maschine irgendein Verständnis oder Bewusstsein davon hat, welche Daten sie verarbeitet, warum und in welchem Kontext sie das tut und welche Bedeutung die Daten haben“ (Fraunhofer-Gesellschaft 2018, S. 8). Allerdings hat sich mit dem maschinellen Lernen die Rolle des digitalen Mediums grundlegend verändert. Es kann nun eigenständig an der Produktion von Inhalten oder an der Entscheidungsfindung – resp. dem Treffen von Entscheidungen – beteiligt sein. Dies kann für Lernende sowohl positive Effekte als auch Problemlagen erzeugen. So kann beispielsweise in der Medizin durch maschinelles Lernen die diagnostische Expertise von Ärzten*innen unterstützt werden, während das Informationsverhalten der Nutzer*innen in einem sozialen Netzwerk durch Empfehlungsalgorithmen deutlich – im Sinne einer Filterblase – eingeschränkt werden kann. Menschliche und maschinelle Lernprozesse sind wechselseitig aufeinander bezogen. Auf der eine Seite beeinflussen Maschinen menschliches Verhalten – vom Ranking-Algorithmus über autonomes Fahren bis zur algorithmischen Steuerung von Wirtschaftsmärkten –, andererseits beeinflussen aber auch die Menschen das Verhalten der Maschinen: „We shape machine behaviours through the direct engineering of AI systems and through the training of these systems on both active human input and passive observations of human behaviours through the data we create daily“ (Rahwan et al. 2019, S. 480). Einflüsse lernender maschineller Systeme sind allerdings schwierig einzuschätzen. Lernende Systeme treffen Entscheidungen, deren Zustandekommen nicht ohne Weiteres nachvollziehbar ist. Dies bedeutet, dass nicht klar ist, ob ein lernendes System eine „intelligente“ Entscheidung getroffen hat oder ob es sich nur um eine statistisch erfolgreiche Entscheidung handelt. So kann ein System erfolgreich ein Problem lösen, wenn es beispielsweise mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit auf Bildern Schiffe erkennt, weil es den Kontext analysiert und dabei nicht auf das zu erkennende Objekt fokussiert. Das System scheint also

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gelernt zu haben Schiffe zu erkennen, tatsächlich hat es aber gelernt bestimmte Parameter des Kontextes zu identifizieren (vgl. Lapuschkin et al. 2019). Damit bergen solche Entscheidungssysteme nicht unerhebliche Gefahren, wenn ihre Lernprozesse nicht transparent sind. Zudem bestehen lernende Systeme nicht nur aus einzelnen Maschinen, sondern auch aus „collectives of machines embedded in a social environment with groups of humans in hybrid or heterogenous systems“ (ebd., S. 481). Daraus ergibt sich eine besondere „Lernaufgabe“ für den Menschen, um nicht die Kontrolle über maschinelle Systeme zu verlieren, von ihrem Nutzen zu profitieren und ihren möglichen Schaden zu minimieren: „However, it is just as critical to understand how machine behaviours vary with altered environmental inputs as it is to understand how biological agents‘ behaviours vary depending on the environments in which they exist“ (ebd., S. 483). Der Mensch hat gelernt, Maschinen „anzulernen“ – und jetzt muss er lernen zu verstehen, wie sie beherrschbar bleiben. Die besondere Situation ist die, dass digitale Medien nun einen „aktiven“ Part wahrnehmen und sich der Fokus des Lernens vom lernenden Individuum zu einem – wie auch immer gearteten – lernenden digitalen Medium bzw. deren wechselseitigen Verschränkungen verschiebt. Es bleibt abzuwarten, inwieweit Forschungen in diesem Bereich Modellvorstellungen vom Lernen ausdifferenzieren oder auch grundlegend verändern und welche Konsequenzen sich daraus für Didaktik, Erziehung und Bildung ergeben.

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Tablets in Schule und Unterricht – Pädagogische Potenziale und Herausforderungen Stefan Aufenanger 1 Pädagogische Potenziale digitaler Medien Seit ca. zehn Jahren stehen nicht nur uns allen Tablets im Alltag zur Verfügung, auch in Bildungseinrichtungen haben inzwischen diese neuen Geräte vielfach Einzug gehalten. In fast allen Bundesländern gibt es entsprechende Projekte und auch viele Schulen bzw. Lehrer*innen gehen aktiv einen Unterricht mit digitalen Medien an. Zuerst einmal: Was verstehen wir eigentlich unter Tablets? Damit sind alle mobilen Geräte gemeint, die mit einem Betriebssystem ausgestattet sind, das für Smartphones entwickelt wurde wie iOS, Android oder Windows. Weiterhin wird als Interface zur Benutzung der Software keine Maus verwendet, sondern man steuert das Gerät mithilfe des Touchscreens durch Gestenkommunikation sowie neuerdings verstärkt auch mit einem Stift. Außerdem sind das Betriebssystem bzw. die Software und die Dateien nicht sichtbar, sondern werden durch sogenannte Apps (Application = Anwendungen) angesteuert. Nicht zuletzt zeigen diese Geräte eine hohe Laufzeit durch ihre Batteriekapazität, und sie sind relativ leicht und damit natürlich auch sehr mobil. Auch ist die Software bei Tablets, den sogenannten Apps, sehr preiswert und auch in einem großen Umfang vorhanden, sodass häufig schon die Auswahl einer entsprechenden Anwendung aus dem umfangreichen Angebot schwerfällt und anhand pädagogischer Kriterien gut begründet werden muss. Nicht zuletzt muss auch die Ausstattung der Geräte selbst als eine neue Dimension des Arbeitens gesehen werden. Die Tablets S. Aufenanger (*)  Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Mainz, Deutsachland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. M. Meister und I. Mindt (Hrsg.), Mobile Medien im Schulkontext, Medienbildung und Gesellschaft 41, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29039-9_3

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sind heute ebenso wie die Smartphones nicht nur mit den Grundfunktionen des digitalen Arbeitens wie etwa einen Browser für Internetrecherche oder E-MailProgramme ausgestattet, sondern sie bieten mit ihrer Kamera und Mikrofon auch die Möglichkeiten des multimedialen Arbeitens und natürlich auch der Bearbeitung von Fotos und Videoaufnahmen im gleichen Gerät mit denen diese produziert worden sind. Wo früher also ein Fotoapparat benutzt werden musste, um etwa Aufnahmen für eine Homepage der Schule im und außerhalb des Gebäudes zu machen und die so gewonnenen Bilder dann zu einem Computer transportiert werden mussten, wo sie weiterbearbeitet wurden, kann dies heute alles in einem Gerät, nämlich dem Tablet, geschehen. Auch Audioaufnahmen etwa für Interviews, die Schüler*innen machen, sind mit dem Tablet durchzuführen und können dann auch schnell als sogenannte Podcasts ins Internet gestellt werden. Nicht zuletzt haben Tablets und Smartphones eine Vielzahl von Sensoren, mit denen etwa im naturwissenschaftlichen Unterricht sehr viele Experimente durchgeführt werden können. Aber es müssen auch die Nachteile der Tablets gesehen werden, die vor allen Dingen darin zu finden sind, dass man zum einen immer bei Benutzung des Internet auf ein drahtloses Netzwerk, ein WLAN, angewiesen ist. Dies bedeutet vor allem für Schulen, dass dort entsprechende WLAN-Verbindungen zur Verfügung stehen und die Verfügbarkeit derselben in fast alle Klassenräume hineinreicht. Ist dies nicht vorhanden oder sind etwa die Wände von alten Schulgebäuden zu dick, dann lässt sich mit einem Tablet auch schwerlich arbeiten. Zum anderen muss gesehen werden, dass das Schreiben mit einer virtuellen Tastatur, die das Schreiben auf dem Tablet verlangt, nicht ganz einfach ist. Vielen fällt es schwer darauf entweder schnell oder auch längere Texte zu schreiben. So muss in den meisten Fällen eine zusätzliche physische Tastatur gekauft werden, sodass das Tablet seine eigentliche Funktion, nämlich ein kleines mobiles Gerät zu sein, schnell einbüßt. Ebenfalls muss auch gesehen werden, dass bewährte Computerprogramme, die bisher vor allem in fachspezifischen Kontexten etwa des naturwissenschaftlichen Unterrichts benutzt worden sind, auf dem Tablet nicht immer im vollen Umfang transponiert worden sind. Die aufgeführten Nachteile lassen sich jedoch beheben, wenn man zum einem in Schulen bereit ist, die notwendigen WLAN-Verbindungen aufzubauen, den Schüler*innen für ihre Geräte eine zu ergänzende Tastatur anbietet, und zum anderen die Entwicklungen dahin gehen, dass Anwendung aus dem Desktopbereich immer öfter und schneller für die Betriebssysteme der Tablets adaptiert werden. In diesem Sinne können wir damit rechnen, dass die Tablets für den Bildungsbereich sogenannte Allroundgeräte werden können.

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Konkret lassen sich folgende Vorteile für das Lehren und Lernen mit Tablets sehen: • ort- und zeitunabhängiges Lernen: der Unterricht ist nicht mehr an den Klassenraum gebunden und die Lernzeiten können über die Schulzeiten hinaus genutzt werden • selbstgesteuertes Lernen: Schüler*innen können mit den Apps auf den Tablets selbstständiger Aufgaben und Projekte durchführen • Kommunikation: alle Akteure der Schule (Lehrpersonen, Schüler*innen sowie Eltern) können mobil und schnell miteinander kommunizieren, ohne anwesend zu sein • Kooperation: Schüler*innen können gemeinsam an Texten, Präsentationen etc. arbeiten, auch von zu Hause aus • Nutzung pädagogischer Anwendung: mit Apps können Schüler*innen selbstständig lernen bzw. die Lehrperson kann einen binnendifferenzierten Unterricht gestalten Schauen wir uns nun etwas näher an, wie sich Tablets überhaupt im Schulunterricht integrieren lassen. Wir unterscheiden dabei drei verschiedene Ansätze. Den ersten Ansatz nennen wir 1:1-Ansatz. Er geht davon aus, dass jede*r Schüler*in ein eigenes Tablet bekommt. Dies bedeutet, dass die Tablets Eigentum der Schüler*innen sind, indem die Eltern diese Geräte kaufen oder auf Leasingbasis erworben haben. Eine Variante dieses Modells besteht darin, dass entweder die Geräte der Schüler*innen in der Schule bleiben, dann aber nicht zuhause für Hausaufgaben verwendet werden können, oder sie dürfen diese Geräte mit nach Hause nehmen und natürlich dann auch für private Zwecke nutzen. Der Vorteil dieses Ansatzes muss darin gesehen werden, dass die Tablets so zu einem wirklichen Arbeits- und Lerngerät werden, dass sie immer zu Verfügung stehen und in jeder Phase des Unterrichtes verwendet werden können. Zugleich bedeutet dies aber auch, dass Eltern die Geräte erwerben müssen und entsprechend muss ein Finanzierungsmodell aufgestellt werden, da der Wert dieser digitalen Medien in den meisten Fällen die finanziellen Möglichkeiten der Eltern überschreitet. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass dieses Modell sich am besten umsetzen lässt, wenn der Schulträger die Geräte und ihre Anschaffung vorfinanziert und die Eltern die Möglichkeit bekommen etwa innerhalb von drei Jahren auf einer Monatsbasis eine Abzahlung zu leisten. Für Eltern, die sich dies nicht leisten können, springen in den meisten Fällen entweder Sponsoren ein, oder der Trägerverein oder Freundeskreis der Schule bietet eine Finanzierungsmöglichkeit an.

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Das Ausleih-Modell beschreibt den zweiten Ansatz, indem der Schulträger oder die Schule selbst eine gewisse Anzahl von Geräten anschafft, diese dann den Lehrpersonen für ihren Unterricht zu Verfügung stellt. Dies bedeutet zwar, dass die Schüler*innen keine eignen Geräte haben, dass aber mehrere Klassen von den Tablets profitieren können. Hier sind jedoch entsprechende Absprachen und Zeitpläne notwendig, um eine optimale Ausnutzung der angeschafften Geräte zu gewährleisten bzw. keine Überschneidungen aufkommen zu lassen. Ein gewisser Nachteil muss jedoch darin gesehen werden, dass somit diese Geräte in diesem Ansatz nicht den einzelnen Schüler*innen gehören und diese damit entsprechende Verantwortung dafür übernehmen, sondern die Geräte durch die häufig wechselnde Nutzung einen möglichen frühen Verschleiß erleiden und auch nicht entsprechend behandelt werden, als ob sie Eigentum werden. Mit diesem Modell besteht auch die Möglichkeit etwa, die Geräte in der Bibliothek mit einem Ganztagsbetrieb einer Schule allen Schüler*innen zur Verfügung stellen zu können, die etwa damit bestimmt Anwendung ausprobieren oder ihre Hausaufgaben machen wollen. Das dritte Modell ist das sogenannte Bring-Your-Own-Device-Modell (BYOD), d. h. dass die Schüler*innen ihre eignen vorhandenen Geräte in die Schule mitbringen, was bei Smartphones häufig schon der Fall ist, und diese auch im Unterricht genutzt werden. Dieser Ansatz hat den Vorteil, dass für den Schulträger und für die Schulen kein notwendiger Finanzierungsbedarf entsteht und somit das Modell sich relativ schnell umsetzen lässt. Zugleich ergeben sich jedoch auch zwei Nachteile dieses Ansatzes. Zum einen bedeutet es für die Administration der Geräte, dass bei entsprechenden Servern und Routern die Möglichkeit besteht, unterschiedliche Geräte problemlos einzubinden ohne das entsprechende administrativer Aufwände gemacht werden müssen. Und auch eine notwendige Software zur Abwehr von Viren, die möglicherweise die Geräte mitbringen, muss bedacht werden. Zum anderen können nicht alle der Geräte, bei denen es sich meistens um Smartphones handelt, mit jenen pädagogischen Anwendungen versehen werden, die eine Lehrperson möglicherweise gerne in ihrem Unterricht verwenden möchte. Die Unterstützer dieses Ansatzes sehen jedoch in Zukunft diesen als ein ausbaufähiges Modell, da sie der Meinung sind, dass sich immer mehr Schüler*innen auch privat Tablets anschaffen und nutzen, sodass diese auch in der Schule verwendet werden können. Ein wesentlicher Aspekt der Nutzung von Tablets im Unterricht sind natürlich die Anwendungen – Apps – die den pädagogischen Mehrwert bilden können. Hier lassen sich grob allgemeine Apps unterscheiden, die den Werkzeugcharakter der Tablets betonen, sowie fachspezifische Apps, die meist auf ein bestimmtes Unterrichtsfach beschränkt sind. Hier einige Beispiele zu einer Typisierung von Apps:

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Apps zum Notizen machen, Texte lesen, Texte schreiben und Dokumentieren Apps zum Visualisieren (GeoGebra, MindMaps) Apps zum Selbstlernen (Conjugation, Flipcards) Apps zum kreativen Gestalten mithilfe von Mikrofon, Foto oder Video Apps zum Präsentieren und Kooperieren Apps, die Bewegungssensoren oder GPS nutzen

Wonach sollten die Apps in ihrem pädagogischen Nutzen bewertet werden? Wir schlagen vor, grob zu unterscheiden zwischen Anwendungen, die allgemein für das Arbeiten im Unterricht notwendig sind, wie zum Beispiel etwa sich Notizen machen, etwas zu dokumentieren, zu recherchieren, zu kooperieren oder mit anderen auch zu kommunizieren. Diese Anwendungen sind eigentlich in allen Unterrichtsfächern nutzbar und können als allgemeine Werkzeuge verstanden werden, die alle Schüler*innen, aber auch die Lehrperson beherrschen sollten. Darüber hinaus gibt es natürlich sehr spezifische Anwendungen, die in konkreten Unterrichtsfächern sinnvoll einsetzbar sind. Dazu gehören zum Beispiel Geometrieprogramme für den Mathematikunterricht, Musikinstrumente für den Musikunterricht oder auch Sprachlernprogramme für Englisch oder Französisch. Diese Anwendungen müssen natürlich sehr gut fachdidaktisch orientiert ausgewählt und geprüft werden, damit sie in den entsprechenden Unterrichtsfächern auch sinnvoll nach deren didaktischem Konzept eingebettet werden können. Die Auswahl solcher Anwendungen ist nicht immer ganz einfach. Die Bewertungskriterien können ganz unterschiedlich sein und hängen auch sehr oft von den subjektiven Erwartungen ab. Wir schlagen folgende Kriterien vor, die je nach Anwendungsfall aber auch nach Anwendung selbst unterschiedlich gewichtet werden können: • Altersgerechte Vermittlung relevanten Wissens unter Berücksichtigung aktueller Lerntheorien • Förderung metakognitiver Fähigkeiten • Kooperation vor und in der Anwendung (auch Online); Integration in pädagogische Projekte • Motivationsfördernd zur weiteren Beschäftigung mit dem Thema • angemessene Rückmeldungen und Fehlerkorrekturen • Förderung selbsttätiger Aneignung von Fähigkeiten und Umgang mit der Anwendung Natürlich lassen sich auch viele andere Kriterien noch aufführen, die zur Bewertung von Anwendungen im Schulunterricht bedeutsam sein können, vor

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allem unter fachdidaktischen Aspekten. Denn es erscheint weniger bedeutsam, welche Fähigkeiten eine Anwendung hat als wie sie im Unterricht pädagogisch eingesetzt werden kann. Denn selbst die beste Anwendung bringt relativ wenig, wenn ihre Potenziale nicht entsprechend pädagogisch ausgereizt werden. In diesem Sinne kann man eigentlich sagen, dass es darauf ankommt Anwendungen so auszuwählen, dass sie für die entsprechende pädagogische Absicht am besten eingesetzt werden können, auch wenn sie aufgrund der Auswahl von bestimmten Kriterien diesen Ansprüchen nicht in allen Bereichen genügen.

2 Veränderung von Lernkultur Damit kommen wir zu einem weiteren wichtigen Punkt im bildungsbezogenen Einsatz von Tablets, nämlich einer damit einhergehenden Veränderung von Lernkultur. Wie kann dies geschehen? Dazu ist es notwendig, von einer Lehrer- zu einer Schülerzentrierung zu kommen. Dies bedeutet, gezielter einen problem- und aufgabenorientierten Unterricht zu gestalten, in dem die Schüler*innen ein Problem oder eine Aufgabe bekommen, die sie selbstständig – wenn möglich in einer Gruppe – bearbeiten müssen. Die Aufgabe der Lehrperson besteht dann darin, die notwendigen Informationen und Materialien so zusammenzustellen, dass die Bearbeitung der Aufgabe auch selbstständig gelingen kann. Die Lehrperson wird so zu einem Kurator von Bildungsmaterialien, die die Schüler*innen auf ihren digitalen Geräten benutzen und kritisch diskutieren. Ausgewählte Apps bekommen dabei die Verwendung, die Kommunikation zwischen der Lehrperson und den Schüler*innen schnell und aktuell zu ermöglich und kooperative Arbeitsformen zwischen den Schüler*innen zu gestalten. Das Kennzeichen der veränderten Lernkultur besteht darin, dass Unterricht nicht mehr eine Transmission des Wissens der Lehrperson zu den Schüler*innen ist, sondern im Sinne einer konstruktivistischen Didaktik letztere das Wissen in der Bearbeitung der ihnen gestellten Aufgaben und Probleme selbst generieren. Insbesondere so können digitalen Medien einen wirklichen Mehrwert in Schule und Unterricht bringen. Sie müssen als Begleiter in dem Prozess der Veränderung schulischen Lehrens und Lernens eingesetzt werden. Ihre pädagogischen Potenziale müssen voll ausgeschöpft werden, indem sie als Erweiterung und Modifikation traditioneller Lernprozesse eingesetzt werden. So motivieren sie Schüler*innen und bringen eine neue Dimension in die Schule. Dies ist der Anfang, um zu einem ‚besser lernen’ mit digitalen Medien zu kommen. Weitere Schritte, die die Entwicklung der digitalen Medien aufgreifen und pädagogisch verwenden, sind natürlich auch notwendig. Dazu gehört auch, sich mit mediendidaktischen Überlegungen zu befassen.

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Mediendidaktik wird als Teilgebiet der Allgemeinen Didaktik angesehen. Während bei Letzterer es um das Verhältnis von Sache, Lehrenden und Lernenden geht, kommen bei der Mediendidaktik die Medien als vermittelnde Instanz jeweils dazwischen. Als Vermittlungswissenschaft verstanden gibt die Didaktik Hinweise wie pädagogisch Lernumgebungen gestaltet werden sollen. In diesem Sinne kann die Mediendidaktik als jene Disziplin gesehen werden, die sich mit der Gestaltung von multimedialen Lernumgebungen befasst. Man spricht deshalb auch gerne von der ‚gestaltungsorientierten Mediendidaktik’ (Kerres 2005; Tulodziecki, Grafe, und Herzig 2013), um deutlich zu machen, dass es in der modernen Variante der Mediendidaktik nicht nur um die Vermittlung von Inhalten mithilfe von Medien geht, sondern auch um eine Gestaltung der Medien selbst. Damit sollen Lern- und Bildungsprozesse bei den Lernenden ausgelöst und gefördert werden. In Bezug auf den Einsatz digitaler Medien in Lehr- und Lernprozessen hat Michael Kerres die Potenziale derselben einmal so zusammengefasst (Kerres 2005): „Es bleibt das Potenzial digitaler Medien für … (1) andere Lehr-Lernmethoden: Sie unterstützen ein Lernen und Lehren, das (a) Anschaulichkeit, Situierung und damit Anwendungsorientierung (z. B. durch Bilder, Video, Multimedia, Simulation) und (b) die kognitive und/oder emotionale Aktivierung von Lernenden durch elaborierte Lernaufgaben (wie Fälle, Probleme oder Projekte) fördert. (2) eine andere Lernorganisation: Sie ermöglichen eine höhere zeitlich-örtliche Flexibilität von Lernen und unterstützt [sic] damit die Nutzung flexibler Lernzeiten, die Ansprache neuer Zielgruppen und die Einbeziehung alternativer Lernorte. (3) kürzere Lernzeiten: Durch die individuelle Anpassung der Mediennutzung und des Lerntempos können sich durchschnittlich geringere Lernzeiten ergeben. Es kann allerdings zu erhöhten Abbrecherquoten (Drop-Outs) kommen, die diesen Vorteil relativieren.“

Im Kernpunkt der Mediendidaktik steht neben der Begründung des Einsatzes von Medien auch die Art und Weise wie Medien unter lerntheoretischen Gesichtspunkten sinnvoller Weise eingesetzt werden sollten. Im Kontext der Integration digitaler Medien in den Unterricht wurde dazu schon seit über 20 Jahren der konstruktivistische Ansatz vorgeschlagen. Es gilt nun, die Überlegungen dieses Ansatzes, dass Schüler*innen ihr Wissen selbst konstruieren, mit den pädagogischen Potenzialen der digitalen Medien zu verbinden. Es hat sich jedoch in vielen praktischen Erfahrungen des Einsatzes digitaler Medien gezeigt, dass ein reiner konstruktivistischer Unterricht schwerlich umzusetzen ist. Er setzt zu viel bei den Schüler*innen zum selbstständigen und selbstgesteuerten Arbeiten und Lernen voraus, was vielfach noch nicht vorhanden ist. Deshalb

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erscheint es sinnvoller, konstruktivistische mit instruktionistischen Phasen im Unterricht zu verbinden und dazu zu tendieren, einen sogenannten gemäßigten Konstruktivismus zu praktizieren. Dies bedeutet, dass sich instruktionistische mit konstruktivistischen Phasen abwechseln. Kennzeichen des konstruktivistischen Ansatzes ist es, dass den Schüler*innen ein authentisches Problem bzw. eine herausfordernde Aufgabe gestellt wird, zu deren Lösung sie ihre digitalen Geräte hinzuziehen können. Der Blick auf die die aktuelle Diskussion bestimmenden lerntheoretischen Ansätze und Modelle zwischen Instruktion und Konstruktion bringt eine interessante Gemeinsamkeit zu Tage: Es wird einvernehmlich davon ausgegangen, dass sich Lernerfolge beim Lernenden an deren*ssen Fähigkeit zur Bearbeitung von Problemen bemessen lassen. Gelang es den Lernenden, ein komplexes Problem in angemessenen Schritten zu bearbeiten? Ziehen sie hierfür relevantes Wissen heran? Sind sie in der Lage, ihr Wissen auf ein reales Problem anzuwenden? Ob ein Lernprozess als erfolgreich beurteilt werden kann, hängt von der Fähigkeit des Lernenden zum Umgang mit realitätsnahen, authentischen Problemen und zur Problembearbeitung ab. Mit dem Einsatz digitaler Medien wird also die Hoffnung verknüpft, den Lernenden ein individuell angemessenes und vor allem eigenständiges Lernen zu ermöglichen. So wird der Einsatz medialer Lernangebote häufig dann als sinnvoll betrachtet, „wenn selbstgesteuertes, offenes und konstruktives Lernen ermöglicht (…) werden soll“ (Tergan 2002, 107). Allerdings ist selbstorganisiertes Lernen nicht voraussetzungsfrei. Zur Ermöglichung eines eigenständigen Lernprozesses genügt es nicht, mediale Angebote einfach nur bereitzustellen. Denn vielen Lernenden gelingt es gar nicht, sich eigene Ziele zu setzen, Lernzeiten realistisch zu kalkulieren und auch einzuhalten, den eigenen Lernprozess zu überwachen und ggf. Unterstützung einzufordern oder eigene Stärken und Schwächen sowie den Lernerfolg angemessen einzuschätzen. Es können dann Frustrations- und Überforderungsgefühle entstehen, Lernmotivation und Lernergebnisse können sich verschlechtern. Die Forderung, anhand eines medialen Angebots eigenständig zu lernen, empfinden manche Schüler*innen daher unter Umständen als Belastung und nicht als Chance. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass vor allem leistungsschwache Schüler*innen solche Schwierigkeiten haben (vgl. z. B. (Schulz-Zander und Preussler 2005). Im ungünstigen Fall scheitern sie beim Lernen mit digitalen Medien, während die stärkeren Schüler*innen zusätzlich Ansprache und Förderung erfahren, da sie die Möglichkeiten des Lernangebots besser für sich nutzen können. Auf diese Weise können ohnehin bestehende Wissensklüfte vertieft werden.

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Verschiedene Maßnahmen können für das selbstorganisierte Lernen mit Medien förderlich sein. Körndle, Narciss, und Proske (2004) unterscheiden direkte Maßnahmen, wie die Vermittlung von Lernstrategien und indirekte Maßnahmen, wie den Einsatz gut strukturierter Lernumgebungen. Zu diesem zweiten Bereich nennen die Autoren Gestaltungsprinzipien, deren Berücksichtigung es den Lernenden erleichtern kann, selbstreguliert zu lernen. Sofern die Lernumgebungen nicht nur ausgewählt, sondern selber erstellt werden, ist dieser Weg für die Lehrenden allerdings mit hohem Aufwand verbunden. Günstige Gestaltungsprinzipien sind z. B. (Körndle, Narciss, und Proske 2004) • Das Prinzip der Adaptivität: Das Lernmaterial sollte inhaltlich klar strukturiert sein, und die Verknüpfung von Informationen sollte anhand nachvollziehbarer Kriterien erfolgen. Den Lernenden wird es auf diese Weise erleichtert, sich strukturiert und systematisch neues Wissen anzueignen – also einer „konzeptuellen“ Desorientierung zu entgehen. • Das Prinzip der Differenzierung: Es sollten unterschiedliche komplexe Aufgaben gestellt werden, die einerseits eine Anwendung des Gelernten und andererseits das Weiterdenken und den Wissenstransfer erlauben. So wird das selbstregulierte Lernen auf verschiedenen Ebenen gefördert. • Das Know-How-Prinzip: Rückmeldungen sollten sich nicht nur darauf beziehen, ob ein Lernziel erreicht wurde oder nicht, sondern sie sollten auch Hinweise auf Lerntechniken enthalten, die im weiteren Lernprozess hilfreich sein können. So werden die Lernenden dazu angeregt, zusätzlich zu inhaltlichen Kenntnissen auch ihre Lernfähigkeit weiter auszubauen. Mit der Übersicht über lerntheoretische Ansätze sollte deutlich gemacht werden, dass digitale Medien in Schule und Unterricht nicht Selbstzweck sind, sondern pädagogisch gut begründet eingesetzt werden sollten. Überlegungen zur Gestaltung einer medialen Lernumgebung sowie zu den lerntheoretischen Grundsätzen sind dabei Voraussetzung.

3 Schulentwicklung und Digitalisierung Der Einsatz von digitalen Medien insbesondere von Tablets verspricht oft, dass Schüler*innen dadurch bessere Noten bekommen können. Der Trugschluss liegt aber wohl darin, dass Medientechnologien alleine noch nicht zu einer Verbesserung der Lernkultur und damit möglicher Weise zu besseren Lernergebnissen führen. Nachdem wir aufgezeigt haben, welche Potenziale Tablets haben

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und wie am Besten eine lernfördernde Lernumgebung unter den Aspekten lerntheoretischer Erkenntnisse gestaltet werden sollte, soll es nun im Folgenden darum gehen, wie im Kontext von Schulentwicklung eine Implementierung von Tablets ablaufen sollte. Dies muss in verschiedenen Schritten geschehen. Ein erster wichtiger Schritt ist es, dass die interessierten Lehrkräfte sich mit den ihnen zur Verfügung gestellten Geräten vertraut machen können und natürlich auch die Anwendungen, die didaktisch sinnvoll sind, sowie deren pädagogisches Potenzial kennen lernen. Dazu benötigen sie Zeit und zwar genügend Zeit. Wenn dies geschehen ist und sie sich sicher fühlen, damit in den Unterricht zu gehen, darf nicht vergessen werden, dass auch die Schüler*innen lernen müssen, ihre digitalen Medien richtig zu gebrauchen. Man darf aber nicht dabei stehen bleiben, ihnen nur zu zeigen, wie die Geräte an und aus geschaltet werden, sondern wie sie die pädagogischen Anwendungen ausreichend bedienen und mit ihnen arbeiten können, um das Optimale aus den Tablets herauszuholen. Nur so können digitale Medien wirklich auch eine Bereicherung für den Unterricht darstellen. Haben an einer Schule interessierte Lehrkräfte mit ihren Geräten ausreichend Erfahrungen gesammelt, sollte es daran gehen, auch anderen Kollegen*innen davon zu überzeugen, dass digitale Medien zu einer Verbesserung des Lernens beitragen können. Auf Teamsitzungen können die erfahrenen Lehrkräfte zeigen, wie man sinnvoll Unterricht mit digitalen Medien gestaltet. Beispiele und ausführliche Erklärungen können sie sicher überzeugen. Dabei sollte der jeweilige Anschluss an den Lehrplan angesprochen und aufgezeigt werden. Nun sind dies alles Schritte, um überhaupt erst einmal digitale Medien in Schule und Unterricht zu bringen. Sehr hilfreich dabei kann das SAMR Modell sein, wobei die Abkürzung für Substitution – Augmentation – Modification – Redefinition steht (Puentedura 2015). Ins Deutsche übersetzt scheint die Beschreibung mit Ersetzung, Erweiterung, Veränderung und Neubestimmung annähernd sinnvoll. Die ersten beiden Formen beziehen sich auf die Erweiterungsmöglichkeiten durch Medien, die beiden letzten auf Transformationen traditioneller Tätigkeiten im Unterricht durch Medien. Während also bei den ersten beiden Formen die Art und Weise des Lernens erhalten bleibt, nur entweder auf einem digitalen Gerät mit entsprechender Software ausgeführt wird oder letzteres die Lernformen erweitert, führen in den beiden letzten Arten digitale Medien zu anderen oder auch neue Formen des Lernens. Ein Beispiel soll die Überlegungen des SAMR-Modells verdeutlichen. Es geht um den sinnvollen und gut begründeten Einsatz von digitalen Medien im Unterricht. Bei der Ersetzung wird eine traditionelle Arbeitsform oder Aufgabe

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auf digitale Medien übertragen, ohne dass sich konkret die Arbeitsform verändert; funktional ändert sich also nichts. Nehmen wir das Beispiel der Nutzung des Geodreiecks an einer Tafel. Verwenden die Schüler*innen nun etwa das Mathematikprogramm GeoGebra, dann haben sie dort ein virtuelles Geodreieck zur Verfügung. Sollen sie damit Dreiecke oder Linien zeichnen, nur halt hier virtuell, dann ersetzt diese Form nur eine schon vorhandene durch die Nutzung eines digitalen Mediums, ansonsten hat sich aber nichts verändert. Die Erweiterung stellt nur eine Ergänzung zur traditionellen Funktion des Lernens dar und erweitert sie um eine medienbezogene Anwendung. Mit der Ebene der Veränderung ist gemeint, dass ein digitales Medium eine Art und Weise des Lernens ermöglicht, die eine traditionelle Funktionsweise auf eine neue Funktionsweise umstellt. Nehmen wir wieder unser Beispiel aus der Mathematik. Haben die Schüler*innen bisher Übungen auf einem Rechenblatt gerechnet, setzen sie sich nun in einem Computerspiel mit einem mathematischen Problem auseinander. Die Erstellung eines Erklärvideos mithilfe eines Tablets durch die Schüler*innen kann als eine Veränderung gewertet werden. Während im traditionellen Unterricht etwa ein*e Schüler*in an der Tafel etwa durch Vorrechnen eine mathematische Vorgehensweise erklären soll, wird nun in einem Video das gleiche Problem erklärt. Dadurch besteht für die anderen Schüler*innen die Möglichkeit, sich die Erklärung immer wieder anzuschauen. Der Einsatz des digitalen Mediums verändert eine bisherige Funktionsweise des Erklärens. Zuletzt stellt die Neubestimmung eine Möglichkeit dar, die erst durch die Nutzung digitaler Medien sich verwirklichen ließe. So lässt sich zum Beispiel das kooperative Schreiben oder gemeinsame Erstellen einer Präsentation erst durch entsprechende Anwendungen wie etwa dem Etherpad oder Google Docs ermöglichen. Während man bei der Papierform das gemeinsame Schreiben durch die sequentielle Nutzung nur umsetzen kann – einer schreibt, der andere bekommt danach das Blatt, um seinen Text zu ergänzen und so fort – können unter Nutzung digitaler Medien beide Partner zeitgleich – also synchron – an einem Text arbeiten. Und das dazu noch, ohne an einem gemeinsamen Ort zu sein. Somit ermöglichen digitale Medien eine Art der Kooperation, die vorher so nicht umsetzbar war. Welchen Sinn hat nun das SAMR-Modell? Das Modell soll helfen, Entscheidungen über den Einsatz digitaler Medien im Unterricht zu treffen. Ist eine Lehrperson sehr unsicher, wie sich etwa ein Tablet im Unterricht einsetzen lässt, erscheint es sinnvoll mit der niedrigsten Ebene – der Ersetzung – zu beginnen. Erfahrenere Lehrpersonen können vielleicht gleich auf höhere Ebenen der

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Nutzungsformen zurückgreifen und digitale Medien als eine Neubestimmung einer traditionellen Arbeitsweise im Unterricht einsetzen. Je nach didaktischem Konzept sowie den Voraussetzungen bei den Schüler*innen kann eine Wahl der Ebene angemessen und sinnvoll sein.

4 Forschungsergebnisse Kommen wir abschließend zur Frage, was die Forschung zum Einsatz digitaler Medien sagt, d. h. ob sie zu einer Verbesserung des Lernens führen können. Auch wenn der Einsatz von Tablets erst seit ca. einem Jahrzehnt im Gange ist, liegen doch schon eine große Anzahl von empirischen Studien zu dieser Frage vor. Dabei handelt es sich auch um sogenannten Übersichtsstudien, die die wichtigsten Ergebnisse zusammenfassen (Aufenanger 2017; Herzig 2014; Schaumburg 2020; Schaumburg et al. 2019; Scheiter 2015). Beispielhaft sollen die Befunde solcher Studien an zwei empirischen Arbeiten deutlich gemacht werden. In der Übersichtsstudie von Haßler, Major, und Hennessy (2016) wurden 33 relevante Studien zum Lernerfolg mit Tablets in der Primar- und Sekundarstufe gefunden, von denen 23 den von den Autoren gesetzten methodischen Ansprüchen genügten. Die Analyse dieser Studien zeigte, dass 16 positive Lernerfolge mit Tablets berichteten, 2 dagegen negative Effekte nachwiesen und 5 keine Effekte aufzeigen konnten. Die Autoren schränken ihre Ergebnisse jedoch in dem Sinne ein, dass die vorliegenden Studien sehr fragmentiert sind und eine evidenzbasierte Verallgemeinerung aktuell noch nicht möglich sei, da die Frage, wann Tablets unter welchen Umständen das Lernen verbessern könnten, noch sehr unklar sei. Sie fordern verstärkt Forschungen, die systematisch und vertieft methodisch vorgehen. Letzteres greift auch die Studie von Clarke und Svanaes (2014) auf, die einen sehr ausführlichen Überblick über Studien als auch über die verschiedenen zu erforschenden Perspektiven gibt. Unter methodischen Gesichtspunkten kritisieren sie den Forschungsstand als zu wenig ausgereift: „This review has argued that there is still a need for more research on Tablet use in education that is based on larger sample sizes and, preferably, research on whole-school adoption, which to date is rare. There is also a need for more longitudinal research monitoring the development of educational Tablet use over time. In terms of methodology, a greater variety is needed in order to approach the question of what impact Tablets can have on teaching and learning from alternative angles“ (S. 13). In einem Verlaufsmodell fassen sie die wichtigsten Ergebnisse ihrer Recherche zusammen (Clarke und Svanaes 2014, 15). Danach ist der

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Erfolg der Integration von Tablets von den Vorerfahrungen der Lehrpersonen mit Informationstechnologien, der Qualität der Geräte (u. a. Akkulaufzeiten, Interaktivität, zu Verfügung stehende Apps, Einfachheit der Benutzung) sowie dem pädagogischen Mehrwert (u.  a. Möglichkeiten zur Kommunikation und Kollaboration, Unabhängigkeit, metakognitive Fähigkeiten, Raum-ZeitUnabhängigkeit beim Lernen, personalisierte Lernumgebung) abhängig. Hinzu kommt so etwas wie eine pädagogische Vision, die die Medienintegration mit Tablets leitet. Für die Weiterführung von Tabletprojekten bzw. deren feste und alltägliche Etablierung in Schule und Unterricht verweisen die Autoren auf die Notwendigkeit des Vorhandenseins von technischer, administrativer und pädagogischer Unterstützung. Nicht zuletzt sind die professionelle Entwicklung der Lehrkräfte, die Gelegenheit zum Austausch von Ideen und Kollaboration mit Kollegen*innen sowie die Einbeziehung der Schüler*innen von zentraler Bedeutung. Dieses Modell fasst sehr gut zusammen, was inzwischen als sedimentierte Erfahrungen in fast allen Tabletprojekten wiedergegeben und auch in Empfehlungen zur Medienintegration festgeschrieben wird (Breiter, Stolpmann, und Zeising 2015). Aber auch fachdisziplinär bzw. fachdidaktisch orientiert gibt es inzwischen eine Vielzahl empirischer Forschung, die sich meist ganz konkret auf ein Unterrichtsfach bezieht. Auch hier sollen wieder nur beispielhaft die Vorgehensweise als auch die Ergebnisse anhand einiger Studien vorgestellt werden. In einer Studie zum Lernen von Englisch als Fremdsprache hat Chen (2013) in einem action-research-Projekt die Benutzung von Tablets im formellen als auch informellen Kontext untersucht. Dazu wurde der Zirkel plan-action-observereflect mehrmals angewandt, d. h. die Schüler*innen wurden in die Geräte eingewiesen, dann wurde deren Handhabung beobachtet bzw. anhand eines Tagebuchs aufgezeichnet und zum Schluss aus diesen Erkenntnissen neue Hinweise zur Benutzung der Geräte gegeben. Der Autor kommt zu dem Schluss, dass es nicht ausreicht, die Geräte nur auszuteilen und Materialien zum Englischlernen zur Verfügung zu stellen, sondern dass es einer besonderen Anleitung bedarf. Ähnliches berichten Chou, Block, und Jessness (2012) in ihrer Studie über den Einsatz von iPads im Geographieunterricht einer 9. Klasse. Auch sie fanden, dass eine gute Vorbereitung sowie eine sinnvolle Auswahl von Anwendungen für das Gelingen eines Unterrichts mit Tablets wichtig sind. Anfangs spielte in dem Projekt die Ablenkung durch unnötige Apps auf dem iPad eine große Rolle. Auch im Literaturunterricht konnten Tablets erfolgreich eingesetzt werden. So zeigen Hutchison, Beschorner, und Schmidt-Crawford (2012) anhand des TPACK-Modells von Koehler und Punya (2009) die Chancen des Einsatzes von

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iPads auf und präsentieren geeignete Apps dafür. Darauf aufbauend haben Carr und Prater (2013) den Einsatz von iPads im Englisch- und Literaturunterricht einer Grundschule untersucht und als Rahmen den amerikanischen Standard Common Core1 verwendet. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass der Einsatz der iPads die Qualität des Lehrens und Lernens verbessert hat: Students have experienced a broader array of learning opportunities and participate at an increased level of engagement in the classroom receiving instruction aligned to the Common Core State Standards. Particularly, with the use of iPads students can utilize the devices as tools to gather, analyze, and synthesize data to collaborate on real-world problem and issues. (Carr und Prater 2013, 3857)

Eine vom Forschungsdesign her gesehen interessante Studie hat Schuetz (2016) mit ihrer Dissertation vorgelegt. In einer Interventionsstudie wurden in vier Klassen des 2. Schuljahrs einer Grundschule 85 Schüler*innen bezüglich der Benutzung von Papier und Bleistift im Vergleich zur Nutzung des Tablet im Mathematikunterricht verglichen. Die Stichprobe wurde in zwei gleich große Gruppen aufgeteilt. Die eine Gruppe wurde in den ersten vier Wochen in traditioneller Form ohne Technologien in Mathematik unterrichtet, während die andere Gruppe in der gleichen Zeit iPads benutzte. Nach diesen vier Wochen wurde ein Test durchgeführt und mit den im Pretest erhobenen Ergebnissen verglichen. Danach wurden die beiden Gruppen ausgetauscht, d. h. die erste Gruppe bekam die iPads und die zweite Gruppe wurde mit Papier und Bleistift unterrichtet. Anschließend wurde der Test wiederholt. In beiden Fällen wuchs die Technologiegruppe im gleichen Maße wie die Paper–Pencil-Gruppe, was zeigt, dass beide Lehrstrategien gleichermaßen effektiv waren. Keine der beiden Interventionen hatte einen größeren Einfluss auf die Leistungen der Schüler*innen in der Elementarmathematik, da beide gleichermaßen positiv wirkten. Weiterhin wurde anhand der Ergebnisse deutlich, dass das Niveau des Engagements der Schüler*innen zwischen den Interventionen auf dem iPad und der Papier-Bleistift-Mathematik statistisch

1Common

Core State Standards Initiative (2010). Common core state standards for English language arts and literacy in history/social studies, science, and technical subjects. Retrieved from https://www.corestandards.org/assets/Appendix_A.pdf (Zugriffen: 3. Mai 2020).

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gesehen ähnlich war. Die qualitativen Ergebnisse in Form von Gruppeninterviews unterstützten die quantitativen Ergebnisse, dass die Schüler*innen in beiden Fällen gleichermaßen engagiert waren. Sie verdeutlichten jedoch auch, dass die Schüler*innen mit Papier-Bleistift mehr auf die Hilfe der Lehrer*innen angewiesen waren, um ein gleiches Maß an Engagement aufrechtzuerhalten. Alle Lehrer*innen fanden heraus, dass die Schüler*innen auf dem iPad unabhängiger waren, welches ein positiver Faktor für Engagement ist. Die wenigen hier vorgestellten empirischen Studien bestätigen im Großen und Ganzen die Erfahrungen, die auch in Deutschland gemacht wurden. Lehrkräfte als auch Schüler*innen profitieren von dem Einsatz von Tablets im Unterricht; die wenigen Probleme, die berichtet werden, beziehen sich überwiegend auf technische Aspekte als auch auf die Vorbereitung. Bewertet man die vorliegenden Erfahrungen vorsichtig, dann kann man in Bezug auf die Kritiker digitaler Medien in Schule und Unterricht erst einmal festhalten, dass es kaum negative Effekte gibt. Da manche Studien unter methodischen Gesichtspunkten kritisch gesehen werden müssen, sollten bei dem jetzigen Forschungsstand trotz der hier referierten positiven Effekte die Bewertungen über den pädagogischen Nutzen zurückhaltend sein.

5 Fazit Der Überblick über die Forschungslage zeigt eindruckshaft, dass Tablets zu einem verbesserten Lernen etwas beitragen können. Dies bezieht aber meist nicht auf die falschen Erwartungen, dass der Einsatz digitaler Medien zu besseren Noten führen würde, sondern eher auf andere Aspekte, die sich etwa auf das Engagement der Schüler*innen beziehen. Wir haben aber auch deutlich gemacht, dass der Erfolg des Einsatzes von Tablets in Schule und Unterricht zum einen von der Nutzung der pädagogischen und fachdidaktischen Potenziale der Geräte und deren Anwendungen abhängig ist. Dass zum anderen aber auch die Gestaltung von Lernumgebungen und neuere Ansätze aus der Lernpsychologie einen wichtigen Beitrag zur sinnvollen Verwendung von Tablets leisten, darf nicht vergessen werden. Und nicht zuletzt muss gesehen werden, dass beides auch unter dem Aspekt von Schulentwicklung fällt. Dies heißt, dass Schulen als Ganzes und nicht nur die einzelne Lehrperson sich Gedanken darüber machen muss, welche Rolle Tablets an ihrer Schule spielen sollen. Was dabei bedacht werden muss, sollte dieser Beitrag zeigen.

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Tablets in Schule und Unterricht – Pädagogische Potenziale …

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Guter Unterricht mit mobilen Medien. Eine Darstellung einschlägiger Konzepte und aktueller Forschungsbefunde Rudolf Kammerl und Andreas Dertinger

1 Mobile Medien im Unterricht Mit dem Beschluss „Bildung in der digitalen Welt“ (KMK 2016) hat sich die Kultusministerkonferenz (KMK) dafür ausgesprochen in Schulen die digitale Infrastruktur für Lernen und Unterrichten auszubauen und Kompetenzen zu fördern, die für eine aktive, selbstbestimmte Teilhabe in einer digitalen Welt erforderlich sind (Kompetenzbereiche: „Suchen und Verarbeiten“, „Kommunizieren und Kooperieren“, „Produzieren und Präsentieren“, „Schützen und sicher agieren“, „Problemlösen und Handeln“ sowie „Analysieren und Reflektieren“). Mit dem interdisziplinären Modell „Frankfurt-Dreieck zur Bildung in der digital vernetzten Welt“ (Autor*innengruppe Frankfurt Dreieck 2019) wird eingefordert, in pädagogischen Kontexten „digitale Artefakte“ als Betrachtungsgegenstände anhand unterschiedlicher Perspektiven zu erschließen und hierdurch bei Lernenden ein Bewusstsein und ein Verständnis für den

R. Kammerl (*) · A. Dertinger  Institut für Erziehungswissenschaft, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Nürnberg, Deutschland E-Mail: [email protected] A. Dertinger E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. M. Meister und I. Mindt (Hrsg.), Mobile Medien im Schulkontext, Medienbildung und Gesellschaft 41, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29039-9_4

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R. Kammerl und A. Dertinger

„digitalen Wandel“ zu fördern.1 Der Begriff „digitale Artefakte“ beschreibt in diesem Verständnis konkrete technisch-mediale Phänomene (Autor*innengruppe Frankfurt Dreieck 2019, S. 70). Im schulischen Rahmen sind die Möglichkeiten eines pädagogischen Zugangs zu diesen Phänomenen verknüpft mit der vorhandenen technischen Infrastruktur. Die Frage nach der technischen Ausstattung einer Schule, insbesondere nach den konkreten Geräten, die im Unterricht zum Einsatz kommen, beleuchtet somit keinen rein organisatorischen Aspekt, sondern bezieht sich gleichfalls auf die pädagogische Praxis. Die Wahl und die Nutzungsformen der technischen Geräte muss in Übereinstimmung mit den pädagogisch-didaktischen Handlungskonzepten der Lehrperson stehen – sowohl auf Ebene der konkreten unterrichtlichen Interaktion, als auch auf Ebene der medienbezogenen Unterrichts- und Schulentwicklung. Zur Gestaltung von Unterricht bieten digitale Medien vielfältige Potenziale, die in unterschiedlichen Konzepten zusammengefasst werden. So wird zum Beispiel ausgehend von einer konstruktivistischen Lerntheorie angenommen, dass der Einsatz digitaler Medien selbstständige und kooperative Arbeitsprozesse unterstützen kann und zu einer erhöhten Authentizität der Lerninhalte und Arbeitsformen beiträgt (Schaumburg & Prasse 2019, S. 172). Ebenso besteht die Annahme, dass sich durch den Einsatz digitaler Medien die Gestaltungsmöglichkeiten des Unterrichts fundamental wandeln (Jahnke 2017; Puentedura 2006). Allerdings muss berücksichtigt werden, dass digitale Medien sich nicht in einem einheitlichen Medienformat oder einer Geräteklasse darstellen, sondern sich in ihren Geräteformen und den damit verbundenen Funktionen unterscheiden. Wird die technologische Entwicklung digitaler Medien genauer betrachtet, lässt sich feststellen, dass es in den letzten Jahren – insbesondere in Anschluss an die Einführung des iPads im Jahr 2010 – zu einer deutlichen Erweiterung der auf dem technischen Markt verfügbaren Gerätetypen kam. Verschiedene Endgeräte werden von unterschiedlichen Herstellern mit variierenden technischen Funktionen angeboten. Allgemein lässt sich in diesem Bereich eine Entwicklung zu mehr Flexibilität und Mobilität beobachten. Trotz dieser zunehmenden Portabilität werden mobile Endgeräte zunehmend leistungsstärker und verfügen über immer umfangreichere Funktionen.

1Das

Frankfurt-Dreieck benennt als relevante Bildungsaufgaben die Auseinandersetzung mit digitalen Artefakten aus der technologisch-medialen Perspektive, der gesellschaftlichkulturellen Perspektive und der Interaktionsperspektive.

Guter Unterricht mit mobilen Medien. Eine Darstellung …

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Für die Schule wird argumentiert, dass mit dieser Entwicklung hin zu einer erhöhten Mobilität und Flexibilität der technischen Geräte erweiterte pädagogische Potenziale einhergehen, da die räumliche Bindung an stationäre Geräte und Rechnerräume aufgelöst wird und auch kürzere Lern- und Arbeitssequenzen mit digitalen Medien schnell realisiert werden können (Aufenanger & Schlieszeit 2013; Clark & Luckin 2013; Karsenti & Fievez 2013). Diese zunehmende Flexibilität wird im Rahmen des iPAC-Framework als Potenzial verstanden, um vorhandene Begrenzungen durch Raum und Zeit immer weiter aufzulösen (Kearney et al. 2012). Allerdings sind mit den durch die technisch-mediale Entwicklung bedingten neuen Möglichkeitsräumen auch Komplexitätssteigerungen auf unterschiedlichen Ebenen des schulischen Alltags verbunden. Die pädagogischen Zielsetzungen stehen dementsprechend mit der Vielfalt der verfügbaren Geräte und Anwendungen in Wechselwirkung. Für die Umsetzung einer Unterrichtseinheit zu anspruchsvolleren Formen der Datenverarbeitung oder des Programmierens können ja ‚klassische‘ Computerräume zum Beispiel auch weiterhin geeignet sein. Der persönliche Arbeitsplatz an einem leistungsstarken Desktop-PC, mit einem Bildschirm, auf dem viele Inhalte gleichzeitig dargestellt werden können, eine umfangreiche Software und eine extern angeschlossene Tastatur, können gute Voraussetzungen bieten, die bei Tablets oder auch Notebooks nicht zur Verfügung stehen. In einer Unterrichtseinheit zur aktiven Medienarbeit, in der eine Videoproduktion erstellt werden soll, stellen diese Bedingungen dagegen keine relevanten Voraussetzungen dar. Stattdessen kommt hier der Mobilität und Flexibilität, beispielsweise von Tablets eine entscheidende Rolle zu. Durch ihre Konstruktionsform und die integrierten Ein- und Ausgabesysteme, wie Kamera und Mikrofon, können mit Tablets schnell, unkompliziert und weitgehend ortsungebunden Inhalte aufgenommen werden. Mithilfe leicht zu handhabender Apps können die Aufnahmen im Anschluss zu fertigen Produkten verarbeitet werden, ohne dass für die Schüler*innen ein aufwendiger Filmschnitt notwendig wird. Soll in der Unterrichtseinheit allerdings stärker Wert auf die Postproduktion und den damit verbundenen Kompetenzerwerb gelegt werden, können mobile Medien wiederum an ihre Grenzen kommen, da in diesem Fall komplexere Programme und Funktionen genutzt werden müssen, welche insbesondere Desktop-PCs bieten. Mit dieser beispielhaften Überlegung wird deutlich, dass ein Unterricht mit mobilen Medien zwar auf Grundlage pädagogisch-didaktischer Überlegungen

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konzipiert werden muss, dass diese Überlegungen aber immer auch auf die Geräte Bezug nehmen müssen, die im Unterricht eingesetzt werden.2 In diesem Artikel wird ausgehend von Ergebnissen aus Studien zum schulischen Einsatz mobiler Medien dargestellt, welche Potenziale verschiedene Gerätetypen bieten können, um zur Gestaltung eines ‚guten Unterrichts‘ beizutragen. Hierzu werden aus der Unterrichtsforschung stammende Annahmen darüber, was einen ‚guten Unterricht‘ ausmacht (Helmke 2015, S. 168–271; Meyer 2018), mit den empirischen Ergebnissen in Beziehung gesetzt. Im Folgenden wird zunächst eine Typologie zur Ordnung mobiler Medien eingeführt (Kap. 2). Anschließend wird der Ansatz spezifische Merkmale als Kennzeichen eines ‚guten Unterrichts‘ zu definieren vorgestellt und kritisch diskutiert (Kap.  3). Mit dieser Grundlage können Studienergebnisse zum unterrichtlichen Einsatz mobiler Medien in vorhandene ‚Merkmalskataloge‘ eingeordnet und erörtert werden (Kap. 4). Das Vorgehen dient dazu, mit Blick auf verschiedene mobile Medien, Potenziale zu veranschaulichen, wie diese im Unterricht zielführend eingesetzt werden können. Eindeutige ‚Rezepte‘ zur Unterrichtsgestaltung mithilfe mobiler Medien können durch dieses Vorgehen nicht ausgearbeitet werden. Allerdings ist es möglich Orientierungshilfen zu formulieren, die durch eine reflektierte Bezugnahme in den Unterricht übertragen werden können.

2 Typologie mobiler Medien Die Auswahl der Geräteklasse ist für das digitale Lernen in der Schule eine zentrale Fragestellung. Nicht jedes Gerät eignet sich für die verschiedenen Arbeitsweisen gleichermaßen. In der Literatur finden sich unterschiedliche Taxonomien, mit denen die Eignung für verschiedene Aufgaben beschrieben wird. So wird dem Smartphone im Vergleich zu anderen Geräteklassen das geringste pädagogische Potenzial zugeschrieben (Abb. 1). Bei einer solchen Gegenüberstellung mobiler Medien ist allerdings zu berücksichtigen, dass im Rahmen der technologischen Entwicklung die Grenzziehungen zwischen den unterschiedlichen Gerätetypen zunehmend verwischen. Beispielsweise werden Notebooks immer kleiner, leichter und teilweise auch mit einem

2Bereits

im Rahmen der lehr-/lerntheoretischen Didaktik wurden Medien als eigenständiger aber in Wechselwirkung mit anderen Strukturmerkmalen des Unterrichts befindlicher Bereich konzipiert (Heimann et al. 1972).

Guter Unterricht mit mobilen Medien. Eine Darstellung …

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Abb. 1   Pädagogisches Potenzial verschiedener Geräte für aktuelle Lernumgebungen (Dixon & Tierney 2012)

Touchdisplay ausgestattet, wodurch sie den Charakteristika des Tablets ähnlicher werden. Insbesondere die sich in den letzten Jahren entwickelnde Geräteklasse der Convertibles kann als ein Hybrid der beiden Gerätetypen betrachtet werden. Charakteristisches Merkmal ist hier das Vorhandensein einer Tastatur, die abgenommen oder umgeklappt werden kann, um das Notebook auch als Tablet nutzen zu können. Meist verfügen diese Geräte zudem über eine hohe Leistungsfähigkeit und ein umfassendes Betriebssystem, wodurch sie eher der Kategorie Notebooks zugeordnet werden können. Auf der anderen Seite stellt das iPad ein gutes Beispiel für die (Weiter-) Entwicklung des Tablets dar. Denn auch für dieses Gerät gibt es inzwischen kleine

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Tastaturen, mit denen die Einsatzmöglichkeiten des Geräts erweitert werden. Da aber die Tastaturen sehr klein und leicht sind und das Betriebssystem auf Apps basiert, weisen die Geräte weiterhin relevante Merkmale des Tablets auf. Werden allerdings iPads aus dem höheren Preissegment betrachtet, die deutlich leistungsstärker sind und über eine größere Bildschirmdiagonale verfügen, kann durchaus die Frage gestellt werden, inwiefern sich diese Geräte noch von der Geräteklasse der Notebooks unterscheiden. Ähnliche Unschärfen sind auch bei der Einschätzung des pädagogischen Potenzials bestimmter Gerätetypen vorhanden, wie sie die oben eingefügte Abbildung nahelegt. Durch die Entwicklung zu mehr Leistungsfähigkeit und der Integration erweiterter Funktionen können u. E. klare Abgrenzungen hinsichtlich der Potenziale bestimmter Typen mobiler Medien zunehmend schwerer vorgenommen werden. Zudem verfolgt der vorliegende Artikel die These, dass die pädagogischen Potenziale immer in Abhängigkeit der konkreten Lernsituation zu denken sind. Eine entsprechende Taxonomie kann somit Orientierungshilfen für den pädagogischen Einsatz liefern, die tatsächlichen Potenziale entfalten sich aber erst im konkreten Unterricht. Für die folgenden Ausführungen wird eine Unterscheidung zwischen drei Typen mobiler Medien getroffen: Notebooks, Tablets und Smartphones. Dies ist eine pragmatische Entscheidung, um die Ergebnisse entsprechender Studien anhand definierter Kategorien betrachten zu können. Wie dargestellt findet sich insbesondere zwischen den Kategorien Notebook und Tablet eine Bandbreite an mobilen Medien, die als Zwischenstufen dieser beiden Gerätetypen verstanden werden können. In diesem Artikel werden Endgeräte mit Tastaturen dem Bereich der Notebooks zugeordnet, da die Tastatur eine deutlich erweiterte Funktionalität ermöglicht, die bei Tablets nicht gegeben ist. Auch sind Convertibles in der Regel mit einem umfassenden Betriebssystem ausgestattet, mit dem erweiterte Nutzungsmöglichkeiten einhergehen. Hinsichtlich einer Unterscheidung der drei Typen mobiler Medien wurde bereits deutlich, dass Notebooks die beste Grundlage für komplexere Anwendungen bieten. Inhaltlich umfangreiche Programme, eine leistungsstarke technische Ausstattung, eine vergleichsweise große Bildschirmdiagonale sowie eine Tastatur zur umfangreichen Textproduktion ermöglichen eine anspruchsvolle Datenverarbeitung. Diese technische Grundlage kann Nutzungsmöglichkeiten eröffnen, die zum Beispiel das Tablet oder das Smartphone nicht bieten. Allerdings gehen mit diesem erweiterten Funktionsumfang im Vergleich mit anderen mobilen Medien in der Regel auch höhere Abmessungen und ein

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erhöhtes Gewicht einher, die in pädagogischen Settings zu Einschränkungen bei der flexiblen Nutzung führen können (Kammerl et al. 2016, S. 16). Tablets sind dagegen auf einen möglichst flexiblen Einsatz und eine unkomplizierte Nutzung ausgelegt. Gegenüber Notebooks bieten Tablets funktionale Vorteile durch einen Touchscreen, über den Bildschirminhalte direkt mit dem Finger angesteuert werden können und dem teilweise vorhandenen Zubehör in Form eines Tabletstiftes, mit dem auf dem Tablet geschrieben werden kann. Im Vergleich zu Notebooks weisen Tablets im Allgemeinen ein geringeres Gewicht auf. Häufig ist auf Tablets ein Betriebssystem installiert, das von den bekannten Strukturen des Desktop-PCs abweicht. Für gespeicherte Inhalte werden weniger komplexe Dateistrukturen vorgesehen. So findet das bekannte Ordnersystem des Desktop-PCs eher selten Anwendung. Anwendungen werden in Form von Apps installiert, die meist eine geringere inhaltliche Komplexität besitzen, als die vom Desktop-PC oder Notebook bekannten Programme. Auf der anderen Seite vereinen Tablets häufig – aber nicht immer – eine breitere Anzahl unterschiedlicher Funktionen als andere Geräte. Insbesondere die Ausstattung mit Mikrofon und Kamera (auf der Rückseite) bieten die Möglichkeit mediale Produkte schnell und unkompliziert zu erstellen. Tendenziell bieten Tablets gegenüber den begrenzten Möglichkeiten zur komplexen Datenverarbeitung eine erhöhte Flexibilität und Mobilität bei ihrer Nutzung. Einen weiteren Schritt auf dem Weg zu einer erhöhten Flexibilität stellt das Smartphone dar, dessen Abmessungen und Gewicht im Vergleich zum Tablet noch geringer sind. Allerdings nimmt bei diesem Gerät gleichzeitig der Umfang der Verarbeitungsmöglichkeiten weiter ab. Der kleine Bildschirm und die dadurch begrenzten Ansteuerungsmöglichkeiten, schränken die (pädagogischen) Nutzungsmöglichkeiten ein. Ein weiter wichtiger Aspekt stellt die Frage dar, wie bestimmte Typen mobiler Medien in den Unterricht eingebunden werden. Dabei ist zu beachten, dass in manchen Konzepten zum Einsatz mobiler Endgeräte die Auswahl der Geräteklasse oder des Modells den Lernenden überlassen wird. Bei ‚echten‘ Bring-Your-Own-Device-Ansätzen (BYOD) etwa entscheiden die Schüler*innen, welches Gerät sie mitnehmen, lediglich Standardsoftware wird vorausgesetzt. Beim „Bring your own Standard Device“-Ansatz wählen die Schüler*innen aus einer begrenzten Auswahl von Geräten, die von der Schule vorgegeben wurden (Sweeney 2012, S. 23). Somit verfügt die Schülerschaft abhängig von dem gewählten Ansatz über ein mehr oder weniger breites Medienrepertoire im schulischen Alltag.

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Neben den technischen Eigenschaften der Endgeräte ist bei der Umsetzung eines BYOD-Ansatzes auch die Verfügbarkeit der Geräte für die Schüler*innen von Bedeutung. Das Smartphone ist ein mobiles Endgerät, das sich im Medienrepertoire nahezu aller Kinder und Jugendlichen befindet. Im Jahr 2018 verfügten 97 % der 12–19-Jährigen über diesen ständigen Begleiter (mpfs 2018, S. 8). Die unterrichtliche Nutzung von Smartphones in Form eines BYOD-Konzepts kann somit im Vergleich zu dem Einsatz von Tablets noch unkomplizierter erfolgen, wenn die entsprechende technische Ausstattung gegeben ist. Allerdings sind wie beschrieben auch die Grenzen des Einsatzes aufgrund der Bauform deutlicher umrissen als beim Tablet. Die Abstimmung zwischen der technischen Infrastruktur der Schule, der verwendeten Endgeräte der Lernenden und der konkreten Unterrichtsgestaltung mit mobilen Medien ist eine komplexe Angelegenheit mit vielfältigen Einflussfaktoren. Im Folgenden soll hierzu die Ebene der Unterrichtsgestaltung näher betrachtet werden.

3 Merkmale eines guten Unterrichts Wird Unterricht als ein komplexes Interaktionsgeschehen (Herzig 2014, S. 9) verstanden, können theoretische Konzepte und empirische Studien zur Beschreibung dieses Phänomenbereichs immer nur spezifische Ausschnitte des Unterrichts in den Blick nehmen. So wird zum Beispiel im Anschluss an die Input–Output-Modelle der empirischen Bildungsforschung bei den Studien des „Länderindikators Medienbildung“ (Lorenz et al. 2017) aus der Perspektive der Lehrenden die Funktionalität des Unterrichts mit digitalen Medien für Kompetenzzuwächse in den Mittelpunkt gestellt. In der Tradition der Kritischen Lerntheorie (Holzkamp 1993) kann aber auch aus der Perspektive der Lernenden das Lernen mit digitalen Medien untersucht werden (Grotlüschen 2003). Aus poststrukturalistischer Perspektive lassen sich schließlich viele Formen des digitalen Lernens als Selbsttechniken verstehen (Münte-Goussar 2011) und es wird auf die Funktionalität durch Strukturierungen der Lernarchitekturen im Sinne des Subjektivierungskonzeptes fokussiert (Wrana 2008). Das Vorgehen Merkmale zu definieren, die einen ‚guten Unterricht‘ ausmachen, stellt dementsprechend ein selektives und pragmatisches Vorgehen dar, das sich zudem nicht auf eine einheitliche theoretische Basis stützt (Helmke 2015, S. 168). Trotzdem entscheiden sich viele Autor*innen für ein entsprechendes Vorgehen (u. a. Borich 2014; Brophy 2000; Meyer 2018; Scheltwort 2007; Walberg & Paik 2000). Die Definition von Merkmalen eines ‚guten Unterrichts‘ bietet

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den Vorteil, dass hiermit Leitlinien formuliert werden, die bei der Gestaltung von Lehr-Lern-Situationen unterstützen können. Trotz des Fehlens eines einheitlichen, theoretischen Rahmens, basieren diese Leitlinien auf den Ergebnissen empirischer Forschung (Helmke 2015, S. 171; Meyer 2018). Im Sinne des Verständnisses von Leitlinien geht es nicht darum, Ansprüche zu formulieren, die vollständig und einheitlich in der Unterrichtsgestaltung umgesetzt werden müssen oder umgesetzt werden können. Stattdessen dienen die Merkmale als Orientierungen und Hilfestellungen, mit denen die Unterrichtsgestaltung reflektiert und modifiziert werden kann (Helmke & Schrader 2008, S. 27). Das Potenzial der Auseinandersetzung mit empirischen Ergebnissen zum Einsatz mobiler Medien im Unterricht anhand eines Merkmalkatalogs zum ‚guten Unterricht‘ besteht dementsprechend ebenfalls in der pragmatischen Zusammenstellung von Orientierungshilfen zum pädagogisch reflektierten Einsatz mobiler Medien. Die ‚Merkmale eines guten Unterrichts‘ stellen hierbei ein Schema dar, anhand dessen die empirischen Ergebnisse strukturiert und mit spezifischen pädagogisch-didaktischen Horizonten gerahmt werden können. Zur Umsetzung dieses Vorhabens orientieren wir uns an dem Vorschlag Helmkes (2015, S. 168–271) in dem zehn Merkmale eines guten Unterrichts zusammengestellt werden: 1) Klassenführung, 2) Klarheit/Strukturiertheit, 3) Konsolidierung/Sicherung, 4) Aktivierung, 5) Motivierung, 6) lernförderliches Klima, 7) Schülerorientierung, 8) Kompetenzorientierung, 9) Passung und 10) Angebotsvielfalt. Zur übersichtlichen Darstellung wurden ausgehend von der Analyse der empirischen Befunde zum unterrichtlichen Einsatz mobiler Medien einige Kategorien zusammengefasst.3 Hieraus resultieren folgende Merkmalsbereiche, die in diesem Artikel thematisiert werden: 1) Klassenmanagement und Lehrerrolle, 2) Motivation und Aktivierung, 3) Angebotsvariation, 4) Differenzierung, 5) Übung und Sicherung, 6) Kompetenzorientierung. Ergänzt wurde der Merkmalskatalog zudem um den Bereich Kommunikation und soziale Beziehungen, da dies ein Bereich ist, der in vielen Untersuchungen zur Integration mobiler Medien thematisiert wurde und u. E. ein wichtiges Element der Unterrichtsgestaltung darstellt. In dem Merkmalskatalog von Helmke wird dieser Bereich allerdings nicht als eigenständiges Merkmal berücksichtigt.

3Dieses

Vorgehen wird als legitim erachtet, da auch von Helmke hervorgehoben wird, dass es sich bei den zehn Merkmalen nicht um eine feste Anzahl und um klar definierte Kategorien handelt, sondern um eine eklektische Zusammenstellung (Helmke 2015, S. 169). Die Gründe für die Zusammenfassung bestimmter Merkmalsbereiche werden zu Beginn der jeweiligen Kapitel vorgestellt.

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4 Unterrichtsgestaltung mit mobilen Medien 4.1 Klassenmanagement und Strukturierung Für den hier als Klassenmanagement und Strukturierung benannten Merkmalsbereich wurden die zwei bei Helmke (2015) als Klassenführung und Klarheit/Strukturiertheit benannten Merkmale zusammengeführt. In Helmkes Ausführungen zur Klassenführung steht die strukturierende Funktion der Lehrperson im Vordergrund, durch die den Lernenden ein klar geregeltes Lernangebot zur Verfügung gestellt wird, das so aufbereitet ist, dass es möglichst effektiv genutzt werden kann. Beim Merkmal Strukturierung geht Helmke stärker auf die Klarheit der Sprache der Lehrperson ein. Beide Aspekte dienen dazu, die Lernsituation für die Lernenden möglichst strukturiert, eindeutig und nachvollziehbar zu gestalten. Unseres Erachtens stehen die Bereiche Klassenführung und Strukturierung somit in einem engen Wechselverhältnis. Auch Meyer (2018, S. 25–37) ordnet in seiner Klassifikation das Klassenmanagement dem Merkmal Strukturierung zu. Dementsprechend werden in diesem Artikel beide Bereiche gemeinsam betrachtet. Grundsätzlich muss der Hinweis vorgeschaltet werden, dass ‚guter Unterricht‘ mit mobilen Medien nicht zur Verringerung von Lernzeit führt. Bei der Integration mobiler Medien in den Unterricht ist häufig zu beobachten, dass anfängliche technische und organisatorische Probleme dazu führen können, dass sich die Zeit für Lernprozesse reduziert. Im Gegensatz zu Computerpools haben längerfristig aber gerade persönlich zugeteilte mobile Geräte den Vorteil, dass sie unmittelbar verfügbar sind und sich Schüler*innen die Handlungsroutinen angeeignet haben, die einen Einsatz ohne Zeitverlust ermöglichen. Eine häufig anzutreffende Argumentationsfigur ist die Annahme, dass durch den Einsatz mobiler Medien die Interaktionsformen im Unterricht zu Gunsten erhöhter Freiheitsgrade für die Schüler*innen verändert werden können (Clark & Luckin 2013; Clarke & Svanaes 2014; Jahnke 2017). Dass sich diese Erwartung nicht notwendigerweise erfüllt, konnte in unterschiedlichen Studien gezeigt werden (Averbeck & Welling 2014; Häuptle 2007; Kammerl et al. 2016; Montrieux et al. 2014; Schaumburg et al. 2007; Welling et al. 2014). Allerdings wurde vermehrt beobachtet, dass mobile Medien erweiterte Möglichkeiten der Selbstorganisation und -steuerung eröffnen bzw. einfordern (Bastian 2017, S. 157; Boelmann et al. 2019, S. 52–53; Kammerl et al. 2016, S. 63; NLQ 2015, S. 24; Tillmann & Antony 2018, S. 21; Welling et al. 2014, S. 62–72). Gleichzeitig zeigt sich, verbunden mit diesen neuen Freiheitsgraden, bei Lehrpersonen auch immer

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wieder der Wunsch nach Reglementierungen und klaren Instruktionen hinsichtlich des Handelns der Schüler*innen (Bastian 2017, S. 158; Tillmann & Antony 2018, S. 23; Welling et al. 2014, S. 80). Dieser Aspekt kann auch in dem Zusammenhang betrachtet werden, dass häufig von einem umfangreichen Ablenkungspotenzial mobiler Medien berichtet wird (Bastian 2017, 155, 158; Kammerl et al. 2016, S. 64–65; Müller & Kammerl 2010b, S. 107; NLQ 2015, S. 22; Schaumburg et al. 2007, S. 99; Schaumburg & Prasse 2019, S. 207–208; Welling et al. 2014, 61, 73). In Anschluss an Helmke und Meyer ebenso wie an lehr-lerntheoretische Theorien (Reinmann & Mandl 2006) ist deshalb die Frage bedeutsam, wie in Lernsettings mit mobilen Medien angemessene, strukturierende und instruierende Rahmenbedingungen gesetzt werden können. Relevant ist hier zunächst darauf hinzuweisen, dass die Umsetzung selbstgesteuerter Lernprozesse mit mobilen Medien im Unterricht an spezifische didaktisch-methodische Settings gebunden ist. Je nach konkretem Setting variieren die Anforderung an das selbstständige Arbeiten der Schüler*innen (Tillmann & Antony 2018, S. 34–37). So gestaltet sich selbstgesteuertes Lernen in einem individualisierten Unterricht zum Beispiel anders als in einem fächerübergreifenden Projekt der aktiven Medienarbeit. Zudem muss grundsätzlich die alters- und entwicklungsspezifische Fähigkeit zum selbstständigen Arbeiten berücksichtigt werden. So gibt es zum Beispiel auf der einen Seite für die Oberstufe Hinweise darauf, dass Schüler*innen auch hier auf Unterstützung angewiesen sind, um selbstständige und eigenverantwortliche Lernstrategien mit mobilen Medien zu erwerben (Welling et al. 2014, S. 69–70). Auf der anderen Seite zeigte sich, dass gerade auch Grundschulkinder ‚freiere‘ Arbeitsphasen benötigen, in denen sie spielerisch und explorativ den Umgang mit mobilen Medien erkunden können (Schlör & Ehehalt 2019, S. 152–153). Die Strukturierung der Unterrichteinheit und die Klarheit der Aufgabenstellungen sowie geklärte Regeln zur Mediennutzung sind Aspekte, die auch im Unterricht mit mobilen Medien ihre Relevanz besitzen. In dem Projekt „Start in die nächste Generation“ zum BYOD-Ansatz erwiesen sich unklare Aufgabenstellungen und unangemessen umfangreiche Bearbeitungszeiten in Verbindung mit selbstständigen Arbeitsformen als Faktoren der Unterrichtsgestaltung, die Ablenkung und unterrichtsferne Tätigkeiten an den mobilen Geräten förderten. Eine klare Unterrichtsstruktur und Transparenz in den Arbeitsschritten kann dem Ablenkungspotenzial entgegenwirken. Hierfür müssen Arbeitsaufträge entwickelt werden, die die Stärken der mobilen Endgeräte und ihrer Anwendungen nutzen. Bei der Auswahl vorhandener digitaler Unterrichtsmaterialien ist auf die Passung der sprachlichen bzw. multimodalen Darstellung

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der Lerninhalte und des Schwierigkeitsniveaus der Aufgaben zu achten. Außerdem treten erhöhte Anforderungen an die Individualisierung des Unterrichts durch Lehrkräfte auf, damit einigen Lernenden die nötigen Freiräume gewährt werden und andere mit klaren Zeitvorgaben und Zwischenkontrollen bei der Aufrechterhaltung der Aufmerksamkeit unterstützt werden (Kammerl et al. 2016, S. 98–102; Nieding et al. 2015, 42–48; 53–80). Die Förderung der Fähigkeit zur Selbststeuerung und -regulierung kann als wichtiger Aspekt einer medienbezogenen Bildung in der gegenwärtigen Gesellschaft verstanden werden (Kammerl et al. 2016, S. 80–81). Bei dem dargestellten Merkmalsbereich wurde deutlich, dass diese Förderung nicht durch einen laissezfairen Unterrichtsstil umgesetzt werden kann, sondern eine Strukturierung der Tätigkeiten mit mobilen Medien einschließen muss. Als zweiter Aspekt kann hervorgehoben werden, dass die Nutzung mobiler Medien dazu beitragen kann, die Lehrkraft bei der Umsetzung strukturierten Unterrichts zu unterstützen.

4.2 Motivation und Aktivierung Für den hier als Motivation und Aktivierung benannten Merkmalsbereich wurden die drei bei Helmke (2015) als Motivierung, Aktivierung und lernförderliches Klima benannten Merkmale zusammengeführt. Dies erfolgt anhand der Annahme, dass ein lernförderliches Klima und eine aktivierende Unterrichtsgestaltung bedeutsame Faktoren bei der Motivierung der Lernenden darstellen. Helmke (2015) nimmt bei seinen Ausführungen zur Motivierung die Unterschiede zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation und die Bedeutung von Kontextfaktoren wie die Rolle der Lehrkraft und den Lebensweltbezug in den Blick. In vielen Studien wurde die Beobachtung gemacht, dass der Einsatz mobiler Medien scheinbar zu einer Steigerung der Motivation von Schüler*innen beiträgt. Auf den ersten Blick scheint dieser Effekt unabhängig vom spezifischen Gerätetyp zu sein, da der Effekt in Studien zur schulischen Implementierung von Note- und Netbooks (Müller & Kammerl 2010b, S. 108; Schaumburg et al. 2007, S. 96–98; Welling & Stolpmann 2012, S. 200), Tablets (Aufenanger 2015, S. 77; Autenrieth et al. 2018, S. 170; Boelmann et al. 2019, S. 51; Burdon et al. 2012, S. 52; Clark & Luckin 2013, S. 23; Clarke & Svanaes 2014, S. 6; Karsenti & Fievez 2013; NLQ 2015, S. 27; Rymes et al. 2019, S. 140) und Smartphones (Kammerl et al. 2016, S. 63) in Erscheinung tritt. Als relativierende Argument kann hier aber der sogenannte Neuigkeitseffekt angeführt werden, demzufolge die

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anfänglich erhöhte Motivation, nach einer gewissen Nutzungsdauer wieder verloren geht (Kerres 2013, S. 78–79). Diese These findet sich in ähnlicher Form in Projektevaluationen zum Einsatz mobiler Medien in der Annahme, dass bei einer längeren Nutzung der Geräte durch die Lernenden ein Gewöhnungseffekt eintrete und die Motivation mit der Zeit nachlasse (Häuptle 2007, S. 128; Kammerl et al. 2016, S. 63; Schaumburg et al. 2007, S. 97–98).4 Es wird angenommen, dass ein wichtiger Faktor für eine anhaltende Motivation das Erleben von Selbststeuerung in Lernsettings mit mobilen Medien darstellt (Kammerl et al. 2016, S. 102; Knaus 2015). Dies konnte auch im Projekt „Mobiles Lernen in Hessen“ (MOLE) an Grundschulen beobachtet werden (Tillmann & Antony 2018, S. 28). Bei der Begleituntersuchung wurde der Aspekt der Motivation ausgehend von der Selbstbestimmungstheorie nach Deci & Ryan (1985) untersucht. Die Autor*innen interpretierten ihre Ergebnisse in der Form, dass das Erleben von Wahlfreiheit der Schüler*innen im Rahmen von „stärker geöffneten, problem-, projekt- und gestaltungsorientierten Lernszenarien“ (Tillmann & Antony 2018, S. 24) zu einer Erhöhung der intrinsischen Motivation beitrage. Es handelt sich hierbei also nicht um Lernszenarien, die auf mobile Medien angewiesen sind. Allerdings können mobile Medien als Werkzeuge genutzt werden, um solche Lernszenarien umzusetzen (ebd., S. 25). Eine vergleichbare Interpretation findet sich in dem Projekt Digitales Lernen Grundschule – Stuttgart/Ludwigsburg (DiLeG-SL), das von der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg in Kooperation mit einer Stuttgarter Schule umgesetzt wurde. Hier wurde ein bedeutender, motivierender Aspekt des unterrichtlichen Tableteinsatzes ebenfalls darin gesehen, dass Schüler*innen kreativ, selbstständig, handlungs- und produktionsorientiert arbeiten können (Autenrieth et al. 2018, S. 170, siehe auch den Beitrag von Niesyto in diesem Band). Auch ein flexiblerer Zugriff auf Lernmaterialien, die mit mobilen Medien verstärkt zeit- und ortsungebunden zur Verfügung gestellt werden können, kann zu einer erhöhten Selbststeuerung bei Lernprozessen beitragen (Kammerl et al. 2016, S. 62). Neben dieser Annahme, die sich auf einen Zusammenhang zwischen Selbstbestimmung und (intrinsischer) Motivation stützt, wird in Studien zudem von konkreten Situationen berichtet, in denen der Einsatz mobiler Medien motivierend, aktivierend und/oder lernförderlich wirken kann. Im Kontext eines handlungsorientierten Unterrichts wird berichtet, dass die Auseinandersetzung

4Die entsprechende Annahme wird hierbei von unterschiedlichen Personen, auf unterschiedlichen Ebenen kommuniziert, zum Beispiel von Seiten der Schüler*innen, der Lehrpersonen und der Wissenschaftler*innen.

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mit einem eigenen Lernprodukt, bei dem eine hohe Qualität angestrebt wird, mit einem erhöhten Engagement der Lernenden verbunden ist (Tillmann & Antony 2018, S. 14). Die Verwendung aktueller Materialien, die angemessen für die Lernenden aufbereitet wurden, können ebenfalls als Faktoren fungieren, die den Lernprozess der Schüler*innen unterstützen (Kammerl et al. 2016, S. 101). Als wichtiges Element eines motivierenden Unterrichts kann zudem der Lebensweltbezug im Unterricht betrachtet werden (Helmke 2015, S. 223).5 Insbesondere ausgehend von einer konstruktivistischen Perspektive auf das Lernen erhält dieser Aspekt eine hervorgehobene Bedeutung (Tulodziecki et al. 2019, S. 105). Im iPAC-Framework wird die Möglichkeit über den Einsatz mobiler Medien authentische Lernsituationen zu schaffen, als einer von drei wichtigen Merkmalsbereichen konzipiert, um die pädagogischen Potenziale mobiler Medien zu beschreiben. In dem Projekt DiLeG-SL zeigte sich, dass eine handlungsorientierte Medienarbeit einen Gelingensfaktor zur Umsetzung des Lebensweltbezugs mit mobilen Medien darstellen kann (Niesyto 2019, S. 211). Das Arbeiten und Lernen mit mobilen Medien schafft einen Lebensweltbezug aber auch schon allein deshalb, weil Smartphones, Tablets & Co. in der außerschulischen Lebenswelt der Jugendlichen das bevorzugte Kommunikations- und Arbeitsmittel sind. Außerhalb von Schule hat das Internet längst andere Medien als Leitmedium abgelöst!

4.3 Angebotsvariation Helmke (2015, S. 263–265) beschreibt die Variation des Unterrichtangebots als ein weiteres, relevantes Merkmal eines ‚guten Unterrichts‘. Die Möglichkeit der Variation eines Lernsettings bietet sich in unterschiedlichen Bereichen. Eine wichtige Rolle spielt der methodische Bereich des Unterrichts (ebd., S. 265). Nach Meyer (2018, S. 75) kann dieser in drei Ebenen differenziert werden: die Ebenen der Makro-, Meso- und Mikromethodik. Auf Makroebene wird über die Grundform des Unterrichts entschieden (z. B. Projektarbeit, Freiarbeit oder Lehrgänge). Die Mesoebene bezieht sich auf die Dimension des methodischen Handelns. Hier finden Entscheidungen über Elemente des Unterrichts statt (z. B.

5Allerdings

verweist Helmke (2015, S. 224) auch auf eine problematische Perspektive einer entsprechenden Nähe des Unterrichts zur Lebenswelt. Dies sei der Fall, wenn im Unterricht Inhalte in die Schule integriert werden, die Schüler*innen in ihrer privaten Sphäre verorten würden und die sie von Schule und Unterricht abgrenzen.

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hinsichtlich Sozialformen, Handlungsmustern und Verlaufsformen). Die Mikroebene betrifft die Inszenierungstechniken der Lehrperson. Helmke (2015, S. 267– 268) ergänzt diese Betrachtung der Angebotsvariation um weitere Aspekte, wobei er sich insbesondere mit der variierenden Aufbereitung von Lerninhalten für unterschiedliche Sinnesmodalitäten auseinandersetzt.6 In Studien zum Einsatz mobiler Medien berichten Lehrkräfte und Lernende davon, dass die schulische Integration mobiler Medien zu einem abwechslungsreicheren Unterricht führen kann (Bastian 2017, S. 149; Kammerl et al. 2016, S. 62). So können mobile Medien die Umsetzung unterschiedlicher Unterrichtsmethoden und Sozialformen (Aufenanger 2015, S. 70–71; Kammerl et al. 2016, S. 29; NLQ 2015, S. 20; Schaumburg et al. 2007, S. 93; Welling & Stolpmann 2012, S. 199) sowie kreative und produktionsorientierte Arbeitsformen (Bastian 2017, S. 156; Burdon et al. 2012, S. 56; Niesyto 2017, S. 14; Tillmann & Antony 2018, S. 34) unterstützen. Ebenso ermöglichen mobile Medien eine variantenreiche Aufbereitung von Lerninhalten auf den Ebenen abbildhafter und symbolischer Codierungen und die Anpassung von Lerninhalten an alle menschlichen Sinnesmodalitäten (Tulodziecki et al. 2019, S. 36). Die unterschiedlichen modalen und codalen Darstellungsmöglichkeiten sind Stärken von Medien, die sie für didaktische Zwecke nutzbar machen. Mit Medien können unterschiedliche Sinne angesprochen werden. Durch die Encodierung und Decodierung gelingt didaktische Reduktion und Abstraktion. Mit Medien können die Dimensionen Größe (Vergrößerungen, Verkleinerung), Zeit (Slow Motion, Zeitraffer) und Raum (Übertragung und Aufzeichnung) bearbeitet werden. Bereits Printmedien und technische Medien verfügen über Speicherfunktionen. Die Funktionalitäten wurden schon vor dem digitalen Wandel vielfältig für didaktische Zwecke genutzt. Durch die digitalen Medien in der vernetzten Gesellschaft werden aber nun die Stärken der Medien potenziert. Es können viel mehr Informationen abgespeichert, verteilt und genutzt werden. Comenius‘ Traum, „Allen alles zu lehren“, erscheint zunehmend einfacher realisierbar. Durch die Verbreitung und Verfügbarkeit werden neue Formen weltweiter Kommunikation möglich. Wesentlich bedeutsamer dabei ist aber das Merkmal der Interaktivität, durch das die Möglichkeiten der Differenzierung und Individualisierung erheblich erweitert werden. Eine besondere Stärke digitaler Lernsysteme liegt darin, dass sie unmittelbar auf die individuelle Aktivität des Lernenden bezogene Rückmeldung

6Als

weitere Aspekte, mit denen eine Angebotsvariation gefördert werden kann benennt Helmke (2015, S. 267): Medien, Aufgabentypen, Textsorten, Aussprache, Lernorte und der Wechsel von Lern- und Entspannungsphasen.

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geben. Diese Funktion ist schon elementar für einfache tutorielle Systeme, stellt aber auch das zentrale Element in Simulationen, Serious Games und Open Worlds dar. In dem Projekt DiLeG-SL zeigte sich, dass die Nutzung unterschiedlicher Darstellungsformen nicht nur für die Aufbereitung der Lerninhalte von Bedeutung ist, sondern dass Schüler*innen bei einer handlungsorientierten Medienarbeit die verschiedenen Darstellungsformen nutzen können, um ihre eigene Ausdrucksfähigkeit zu erweitern (Niesyto 2019, S. 210–213). Mit der Weiterentwicklung von Augmented und Virtual Reality Technologien kann davon ausgegangen werden, dass sich die Bandbreite der verfügbaren Darstellungsformen noch erweitert. Als weiterer Aspekt ist anzuführen, dass die Internetfähigkeit und die ortsunabhängige Nutzbarkeit mobiler Medien deren spontanen und flexiblen Einsatz ermöglicht (Bastian 2017, S. 150; Kearney et al. 2012; Müller & Kammerl 2010a, S. 73; Welling et al. 2014, S. 111). Die in Kap. 2 aufgeführten Geräteeigenschaften von Tablets und Smartphones bieten für diese Einsatzformen einen besonderen Vorteil. Im Gegensatz zu Note- und Netbooks stehen für diese Endgeräte zudem vielfältige Apps zur Verfügung, die schnell heruntergeladen und genutzt werden können (Aufenanger 2015, S. 75–76).7 Außerdem kann die körperliche Aktivierung durch den Einsatz von Tablets unterstützt werden – zum Beispiel im Sportunterricht (Krieger et al. 2018; Marquardt 2019; Niesyto 2017, S. 14). Auch wenn die Ergebnisse empirischer Studien tendenziell von einem erhöhten Abwechslungsreichtum berichten, der durch den Einsatz mobiler Medien ermöglicht wird, finden sich in ihnen ebenso gegenläufigen Beobachtungen. Hinsichtlich der Varianz von Sozialformen wird von einzelnen Lehrkräften durchaus festgestellt, dass die unterrichtliche Nutzung mobiler Medien mit einem vermehrten Einsatz der Einzelarbeit und/oder stark instruktiven Phasen einhergeht (Bastian 2017, S. 156; Kammerl et al. 2016, S. 79; Müller & Kammerl 2010a, S. 72; Schaumburg et al. 2007, S. 86–87; Valentin & Bolz 2018, S. 67). Ebenfalls führt der Einsatz mobiler Medien nicht unmittelbar zu variantenreicheren Aufgabenstellungen (Schaumburg et al. 2007, S. 81) und innovativen Unterrichtskonzepten, die zum Beispiel auf höheren Stufen des SAMR-Modells eingeordnet werden können (Bastian 2017).

7Hierbei

muss allerdings berücksichtigt werden, dass die Nutzung entsprechender Apps sinnvoll in die pädagogisch-didaktische Unterrichtsplanung eingebunden sein muss und dass die Verfügbarkeit bestimmter Apps abhängig ist vom Gerätetyp und Hersteller.

Guter Unterricht mit mobilen Medien. Eine Darstellung …

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Mit dem Umstand, dass mobile Medien zwar Potenziale für eine abwechslungsreiche Unterrichtsgestaltung bieten, deren Umsetzung aber nicht automatisch erfolgt, wird wiederum auf die Rolle der Lehrperson verwiesen, die als Gestalter*in der Rahmenbedingungen fungiert, in denen Lern- und Bildungsprozesse der Schüler*innen stattfinden. Auch die pädagogisch-didaktische Entscheidung für einen bestimmten Gerätetyp kann einen Einfluss auf die variantenreiche Aufbereitung des Unterrichts nehmen. In aktuellen Ausstattungsinitiativen und medienpädagogischen Projekten zeigt sich, dass das Tablet derzeit eine gewisse Vormachtstellung als mobiles Medium in pädagogischen Kontexten besitzt. Insbesondere das iPad und das Chromebook sind international betrachtet die Topseller auf dem Bildungsmarkt. Durch die intuitive Bedienbarkeit und den Umstand, dass das Tablet vielfältige Funktionen in einem Gerät vereint, kann es – beim Vorhandensein einer entsprechenden technischen Infrastruktur – unkompliziert und schnell in den Unterricht integriert werden und bietet gleichzeitig vielfältige Funktionen für eine abwechslungsreiche Unterrichtsgestaltung (Aufenanger 2015, S. 63–64; Clark & Luckin 2013, S. 3; Welling et al. 2014, S. 115). In Kap. 2 wurde aber bereits gezeigt, dass sich bestimmte technische Spezifika der Gerätetypen für unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten eignen. So kann zum Beispiel das Smartphone zur kurzfristigen und schnellen Internetrecherche im Unterricht eingesetzt werden. Gleichzeitig zeigen sich dessen Beschränkungen bei textbezogenen Arbeiten auf dem Bildschirm (Kammerl et al. 2016, S. 16). Insgesamt wird durch die nähere Betrachtung der unterschiedlichen mobilen Medien deutlich, dass mithilfe ihrer Funktionen Unterricht zwar variierender und abwechslungsreicher gestaltet werden kann, dass aber trotzdem mit jedem spezifischen Gerät wiederum Einschränkungen bei den Gestaltungsmöglichkeiten verknüpft sind. So ist auch das jeweilige mobile Medium kein ausschlaggebender Faktor für eine Erweiterung des Lehr-Lern-Settings. Stattdessen ist ebenso dem Aspekt Rechnung zu tragen, dass mobile Medien immer auch bestimmte Einsatzformen nahelegen und hierdurch wiederum andere stärker ausschließen. Zudem muss ein erhöhter Abwechslungsreichtum im Unterricht immer auch mit den Ausgangsvoraussetzungen der Lernenden und dem Lerninhalt in Einklang stehen. Dieser Aspekt wird im folgenden Kapitel näher betrachtet.

4.4 Differenzierung, Übung und Sicherung Die Bedeutung der im vorangegangenen Kapitel thematisierten Angebotsvariation begründet sich insbesondere in dem Umstand, dass die Unterrichtsgestaltung

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sowohl der Heterogenität der Schülerschaft als auch der Vielfalt der Unterrichtsinhalte und der unterrichtlichen Aufgaben gerecht werden sollte (Helmke 2015, S. 267; Meyer 2018, S. 74). Unter dieser Perspektive sollen die von Helmke (2015) als Schülerorientierung, Passung und Konsolidierung/Sicherung benannten Unterrichtsmerkmale betrachtet und unter dem Merkmalsbereich Differenzierung, Übung und Sicherung zusammengefasst werden. Dies begründet sich darin, dass bei allen drei Merkmalen die Passung des Unterrichts zu den (Lern-)Ausgangslagen der Schüler*innen im Mittelpunkt steht. Bei dem Merkmal der Schülerorientierung geht Helmke hierbei über eine reine Aufbereitung der Lerninhalte hinaus und nimmt auch die persönliche Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden in den Blick. Auch unter diesem Themenbereich kann ein Bezug zum iPAC-Framework hergestellt werden. Dieses nimmt als weiteren relevanten Aspekt zur Beschreibung der pädagogischen Potenziale mobiler Medien die Kategorie „Personalisation“ in den Blick (Kearney et al. 2012). Zum pädagogischen Einsatz des Tablets heben Literaturreviews die Möglichkeit der Individualisierung mit diesem Endgerät hervor (Clark & Luckin 2013, S. 11–12; Karsenti & Fievez 2013, S. 6). Wenn es um die Frage geht, wie Lerninhalte möglichst angemessen auf die Lernbedürfnisse der Schüler*innen angepasst werden können, kann aus entwicklungs- und lernpsychologischer Sicht zunächst argumentiert werden, dass diese so aufbereitet werden sollten, dass ihr Schwierigkeitsgrad leicht über dem aktuellen Leistungsniveau der Lernenden – in der sogenannten „Zone der nächsten Entwicklung“ (Wygotski 1974, S. 234) – liegt. Es besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass die Umsetzung dieses Anspruches in einer Schulklasse – die grundsätzlich eine heterogene Zusammensetzung von Lernenden aufweist – über Maßnahmen der Binnendifferenzierung erfolgen sollte. Dazu, wie diese Maßnahmen konkret umzusetzen sind, gibt es allerdings unterschiedliche Ansichten. So existieren unter anderem Ansätze, die stärker auf eine Homogenisierung der Leistungsgruppe abzielen, eher eine individuelle Anpassung der Lerninhalte vornehmen, mit spezifischen Förderplänen arbeiten oder die Selbststeuerung der Schüler*innen hervorheben (Heinen & Kerres 2015, S. 10–11). In empirischen Begleituntersuchungen zu Ausstattungsinitiativen mit mobilen Medien zeigt sich, dass die Angebotsvariation, die durch mobile Medien eröffnet wird, genutzt werden kann, um unterschiedliche Maßnahmen der Individualisierung bzw. Differenzierung umzusetzen (Kammerl et al. 2016, S. 62–63; Müller & Kammerl 2010a, S. 79–81; NLQ 2015; Schaumburg et al. 2007, S. 88–90; Tillmann & Antony 2018, S. 37; Valentin & Bolz 2018, S. 67). Zur Umsetzung der adaptiven Förderung einer heterogenen Schülerschaft mithilfe mobiler Medien kristallisieren sich in vorhandenen Studien tendenziell

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zwei Ansatzpunkte heraus. Auf der einen Seite Ansätze, die eher an einer offenen Unterrichtsgestaltung orientiert sind, den Fokus auf die Selbststeuerung der Schüler*innen legen und sich durch eine Handlungs- und Produktionsorientierung auszeichnen. Grob lassen sich diese Ansätze im Bereich der handlungsorientierten Medienpädagogik (Schorb 2017) verorten. Auf der anderen Seite wird von Konzepten berichtet, die sich stärker an einem engen Verständnis von Individualisierung (Häcker 2017) ausrichten und vermehrt Bezüge zum Bereich des formativen Assessments aufweisen (Maier 2014). In den produktions- und handlungsorientiert ausgerichteten Ansätzen wird insbesondere die Möglichkeit der Schüler*innen unterschiedliche Ausdrucksformen (kreativ) ausprobieren und nutzen zu können, als wichtiges Element betrachtet, um auf heterogene Lernausgangslagen der Schüler*innen einzugehen (Autenrieth et al. 2018, S. 170; Tillmann & Antony 2018, S. 37; Niesyto 2017, S. 14). So wird beispielsweise die Verwendung audiovisueller Darstellungsformen als Möglichkeit gesehen, Lernende mit Sprachproblemen alternative Ausdrucksformen zur Verfügung zu stellen (Niesyto 2017, S. 14). Tillmann und Anthony (2018, S. 37) weisen darauf hin, dass Konzepte des offenen Unterrichts, die mit mobilen Medien umgesetzt werden können, einen positiven Einfluss auf die Wahlfreiheit und Selbststeuerung der Schüler*innen haben. Hier zeigt sich eine Verknüpfung zur Förderung der intrinsischen Motivation, die in Abschn. 4.2 thematisiert wurde. Differenzierungsstrategien, die sich an den Prinzipien des formativen Assessments orientieren, scheinen dagegen besonders geeignet zu sein, unterrichtliche Prozesse des Übens (Helmke 2015, S. 201–205; Meyer 2018, S. 104–112) zu unterstützen (Clark & Luckin 2013, S. 10; Kammerl et al. 2016, S. 62–63; Schaumburg et al. 2007, S. 98; Tillmann & Antony 2018, S. 37). Helmke (2015, S. 201) weist darauf hin, dass Lernen nicht mit Informationsaufnahme gleichzusetzen ist und dem Prozess des Übens und Wiederholens somit eine wichtige Bedeutung zukommt, um Sachverhalte tiefer zu verstehen und sich diese dauerhaft aneignen zu können. Mobile Medien können diesen Prozess unterstützen, indem ihr Einsatz dazu beiträgt, vielfältige, variierende und anspruchsvolle Übungsgelegenheiten zu schaffen. Auch kann die Lehrperson durch den Einsatz mobiler Medien entlastet werden, indem diese genutzt werden, um Schüler*innen automatisierte Lernstandsrückmeldungen zu geben oder um Lehrkräften neue Formen des Feedbacks zu ermöglichen (Kammerl et al. 2016, S. 62–63).8

8Zum

Beispiel in Form von Audio- oder Videofeedback.

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Zudem bietet die direkte Ansteuerung über das Touchdisplay bei Tablets und Smartphones Vorteile, um Inhalte den Lernenden einfacher zugänglich zu machen. So zeigte sich in der pädagogischen Arbeit mit Grundschulkindern, dass diese schnell und ohne umfassendere Anleitung mit den Endgeräten zurechtkommen und diese eigenständig im Unterricht nutzen können (Niesyto 2019, S. 210). Für Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf werden durch die direkte Ansteuerung über das Touchdisplay kognitive und motorische Anforderungen bei der Nutzung reduziert (Boelmann et al. 2019, S. 54; Krstoski 2016).

4.5 Kommunikation und soziale Beziehungen In diesem Kapitel wird ein Aspekt thematisiert, der in der Zusammenstellung von Helmke (2015) nicht als eigenständiges Merkmal diskutiert wird, der in der medienpädagogischen Diskussion aber eine wichtige Rolle spielt: die Frage, welche Bedeutung der Einsatz mobiler Medien auf die Beziehungs- und Kommunikationsstrukturen der Schulgemeinschaft hat. Im iPAC-Framework wird der Bereich „Collaboration“ als einer von drei relevanten Merkmalsbereichen benannt, mit dem die spezifischen Potenziale einer pädagogischen Arbeit mit mobilen Medien beschrieben werden können (Kearney et  al. 2012). Neben dieser (medien-) didaktischen Perspektive ist auch für die Medienkompetenzförderung die Frage bedeutsam, wie eine kompetente Nutzung (mobiler) Medien in Kommunikationsund Interaktionsprozessen gefördert werden kann. In einigen Medienkompetenzmodellen wird dieser Aspekt als eigenständige Dimension explizit berücksichtigt (Aufenanger 1997; Carretero et al. 2017; Groeben 2002; KMK 2016; Kübler 1999).9 Während sich in diesen Modellen eine normativ geprägte Kompetenzerwartung an einen zu erreichenden Soll-Zustand widerspiegelt (Groeben 2002; Kutscher 2009), zeigt sich in empirischen Untersuchungen, welchen Einfluss die unterrichtliche Nutzung mobiler Medien auf die konkreten Kommunikations- und Interaktionsprozesse der Lernenden, Lehrkräfte und Eltern haben kann. Dass sich mit einer verstärkten Integration mobiler Medien in den Unterricht die kommunikativen Strukturen in der Klasse ändern, konnte in vielen Untersuchungen beobachtet werden. Häufig wird von einer zunehmend zeitlich und

9Die

Relevanz des kommunikativen Aspekts wird insbesondere deutlich, wenn berücksichtigt wird, dass das Konzept der Medienkompetenz auf dem Konzept der kommunikativen Kompetenz von Habermas aufbaut.

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räumlich entgrenzten Kommunikation berichtet, die mit positiven und negativen Konsequenzen einhergeht. Durch die flexible Nutzung der mobilen Medien und die Möglichkeit Inhalte online zu speichern und so gemeinsam zu bearbeiten, können Schüler*innen von unterschiedlichen Endgeräten aus gemeinsam an einem Lerngegenstand arbeiten (Li et al. 2010). Auch außerhalb des Unterrichts vernetzen sich Lernende, Lehrende und Eltern vermehrt mithilfe der Kommunikationsmöglichkeiten mobiler Medien (Clark & Luckin 2013, S. 13; Karsenti & Fievez 2013, S. 6; Welling et al. 2014, S. 28; Welling & Stolpmann 2012, S. 199–200). So erweitert die mobile Vernetzung und die Nutzung von Messengerdiensten die Möglichkeit sich außerhalb der Schulzeit über Unterrichtsinhalte, Verständnisprobleme, Hausaufgaben oder andere schulbezogene Themen auszutauschen. Unter schulischer Perspektive sind mit diesen erweiterten Kommunikationsmöglichkeiten auch neue Formen des Lernens und Arbeitens verknüpft. Zur Beschreibung dieser Entwicklung finden zum Beispiel die Begriffe „anytime, anywhere learning“ (Clarke & Svanaes 2014, S. 1) oder „seamless learning“ (Song & Wen 2018) Anwendung. Mit ihnen soll der Umstand beschrieben werden, dass die Grenzen zwischen formalem, non-formalem und informellem Lernen immer mehr verschwimmen (Aßmann et al. 2014). Die erweiterten Kommunikationsmöglichkeiten erlauben es, schulbezogenes Lernen und Arbeiten auch außerhalb der Schule zwischen den Schüler*innen zu koordinieren. So können unabhängig von einem gemeinsamen räumlichen und zeitlichen Rahmen (Schul-)Aufgaben gemeinsam bearbeitet werden. Die Kultur des Lernens wandelt sich hierdurch (Welling et al. 2014, S. 113). Mobile Medien eröffnen neue Räume der Interaktion und Partizipation. Allerdings gehen mit diesen neuen Freiheitsgraden auch problematische Aspekte einher. So kann eine zeit- und raumunabhängige, nahezu allgegenwärtige Kommunikation zu Erwartungshaltungen führen, die von den an der Kommunikation beteiligten Personen nicht erwünscht sind und als belastend empfunden werden. Gleichzeitig werden die Möglichkeiten sich aus einer Kommunikation zurückzuziehen beschränkt (ebd., S. 67). So wie sich die Strukturen des Unterrichts verändern, variieren auch die Möglichkeiten einen ‚guten Unterricht‘ zu gestalten. Eine Veränderungsmöglichkeit besteht beispielsweise darin, dass Lehrkräfte ihren Schüler*innen Lerninhalte online zur Verfügung stellen, wie es über das Konzept des Flipped Classroom ermöglicht wird. So können etablierte Abfolgen von Vermittlung und Übung, von Instruktion und Konstruktion variiert und umgestaltet werden. Die bereits im vorangegangenen Kapitel thematisierten, neuen Möglichkeiten des Feedbacks können durch veränderte Kommunikationsstrukturen zunehmend zeitlich und räumlich unabhängig an die Schüler*innen kommuniziert werden. So kann zum

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Beispiel ein Videofeedback durch die Lehrkraft per E-Mail an die Schüler*innen versendet werden. Diese können sich dann zu einem angemessenen Zeitpunkt mit dem Feedback auseinandersetzen. Auch kann die Lehrkraft dann zu bestimmten, vorab festgelegten Zeitpunkten für Nachfragen per Videochat oder E-Mail zur Verfügung stehen. Die Unterrichtsgestaltung baut immer auf den interaktiven und kommunikativen Strukturen zwischen den beteiligten Personen auf. Da die Integration mobiler Medien diese Strukturen verändert, ist es notwendig die Veränderungsprozesse pädagogisch-didaktisch zu rahmen, damit die unterrichtliche Nutzung mobiler Medien ihre Potenziale entfalten kann.

4.6 Kompetenzorientierung Bildungspolitisch legt das deutsche System den Fokus auf den Kompetenzerwerb der Schüler*innen und konzipiert diesen als messbaren Output (Helmke 2015, S. 240–241). Das Ziel von Unterricht ist es dementsprechend Lerngelegenheiten zu schaffen, durch die Lernende möglichst optimal in ihrem Kompetenzerwerb unterstützt werden können. Hinsichtlich des fachlichen Kompetenzerwerbs wird schon lange die Frage diskutiert, inwiefern der Einsatz von technischen Medien zu einer Verbesserung der Leistungen der Lernenden beitragen kann. Diese Frage war bereits relevant als noch keine mobilen Medien den unterrichtlichen Medieneinsatz prägten und reicht prinzipiell zurück bis zum Einsatz der vom Behaviorismus geprägten Teaching Machines. Da Unterricht als ein Interaktionsgeschehen verstanden werden muss, bei welchem vielfältige Faktoren einen Einfluss auf die Art und Weise des unterrichtlichen Medieneinsatzes haben (Herzig 2014, S. 9), ist es nicht verwunderlich, dass Studien, die sich mit der Frage einer medienbedingten positiven Leistungsentwicklung der Schüler*innen beschäftigen nur wenig eindeutige Ergebnisse liefern (Hilmayr et al. 2017). In Metaanalysen von Studien zum schulischen Notebookeinsatz (Zheng et al. 2016), als auch zum Tableteinsatz (Haßler et al. 2015) zeigt sich tendenziell ein positiver Zusammenhang zwischen dem Einsatz mobiler Medien und der fachlichen Leistungsentwicklung der Schüler*innen. Auf der Basis einer Auswertung von 110 experimentellen und quasi-experimentellen Studien zum Lernen mit mobilen Endgeräten aus dem Zeitraum von 1993–2013 berichten Sung et al. (2016) eine mittlere Effektstärke von 0.523 bzw. dass 69,95 % der Lernenden signifikant bessere Leistungen erzielten als jene ohne mobile Digitaltechnologien (ebd., S. 257). Die Autoren machen in ihrer Analyse deutlich, dass das Potenzial des Lernens mit mobilen

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Geräten dabei nicht auf die Geräte selbst, sondern auf das Zusammenspiel mit geeigneter Software und einem durchdachten pädagogischen Setting zurückzuführen ist. Für den effizienten Einsatz im Unterricht seien zum einen eine auf den konkreten Unterricht angepasste Lernumgebung und zum anderen professionelle Fortbildungsprogramme für den Einsatz mobiler Geräte im Unterricht vonnöten (ebd.). Offensichtlich kommt es dabei auch darauf an, die Rolle der digitalen Medien für die Förderung von Kompetenzen domänenspezifisch differenziert zu betrachten. Während für die Förderung der Kompetenzbereiche der KMK-Strategie entsprechende Maßnahmen auch mit digitalen Medien stattfinden müssen, ist der Nutzen für die Förderung von Lesekompetenz und insbesondere für mathematische und naturwissenschaftliche Kompetenzen möglicherweise anders zu gewichten (OECD 2015, 153 ff.). In allen Fächern gleichermaßen mit tutoriellen Lernapps programmierten Unterricht (wieder) einzuführen, scheint jedenfalls keine gute Idee zu sein. Die Forschung macht deutlich, dass digitale Medien nicht automatisch den Unterricht verbessern, sondern in Wechselwirkung mit anderen Faktoren stehen, die für den Erfolg einer unterrichtlichen Intervention wichtig sind. Damit diese positiven Effekte des Einsatzes mobiler Medien im konkreten Unterricht erreicht werden können, ist es notwendig zu klären, welche konkreten auf die Ausgangslage der Zielgruppe abgestimmten Kompetenzen, mit welchen spezifischen medialen Angeboten gefördert werden können. Helmke (2015, S. 241) verweist in diesem Zusammenhang auf die Anforderungen an die professionelle Kompetenz der Lehrpersonen, die ausgehend von ihrem Fachwissen diese Abstimmung zwischen zu fördernden Kompetenzen, der Lernausgangslage der Lernenden und den Unterrichtsangeboten leisten müssen. Diese von den Lehrpersonen zu erbringende Bereitstellung angemessener Förderangebote muss auch in Hinblick auf den Medienkompetenzerwerb geleistet werden, der inzwischen einen verpflichtenden Anteil schulischer Bildung darstellt (KMK 2016). Die Medienkompetenzförderung stellt eine Querschnittsaufgabe dar, die fächerübergreifend umgesetzt werden muss (ebd., S. 20–21). Die von der Kultusministerkonferenz (KMK) verbindlich vorgebegeben Kompetenzbereiche, auf die sich die schulische Medienkompetenzförderung beziehen muss, müssen also an die spezifischen Ausgangslagen der unterschiedlichen Jahrgangsstufen und den curricularen Verlauf des Unterrichts angepasst werden (Kammerl & Dertinger 2019). Die Förderung dieser Kompetenzen ist des Weiteren unweigerlich mit der (unterrichtlichen) Nutzung von (mobilen) Medien verknüpft, da sich die zu erwerbenden Kompetenzen auf eben diese Geräte beziehen. In den internationalen ICILS-Vergleichsstudien wurden auch die Zusammenhänge zwischen einem regelmäßigen Einsatz digitaler Medien in den Schulen

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und den computer- und informationsbezogenen Kompetenzen der Schüler*innen untersucht. Dabei zeigte sich, dass die Art und Weise, wie in deutschen Schulen digitale Medien für schulbezogene Zwecke genutzt werden, in einem negativen Zusammenhang mit den mittleren computer- und informationsbezogenen Kompetenzen steht. „Der Leistungsunterschied zwischen Schüler*innen, die mindestens wöchentlich digitale Medien in der Schule für schulbezogene Zwecke nutzen, und denen, die dies seltener oder nie tun, beträgt 12 Leistungspunkte zugunsten Letzterer. Im internationalen Vergleich ist weiter ersichtlich, dass sich lediglich in Portugal ein entsprechender signifikanter negativer Zusammenhang zeigt. In Dänemark, Finnland, Uruguay und den USA zeigt sich diesbezüglich ein positiver Zusammenhang und in den verbleibenden ICILS-2018-Teilnehmerländern ist kein statistisch signifikanter Zusammenhang ersichtlich“ (Schaumburg et al. 2019, S. 262). Dieser Befund, der schon in ICILS 2013 (Eickelmann et al. 2014, S. 223) berichtet wurde, weist auf ein großes Problem bei der Qualität des Unterrichts in deutschen Schulen hin, das sich bei einer weiteren Steigerung der Nutzungshäufigkeit digitaler Medien in den Schulen vergrößern könnte, wenn nicht umfangreiche Qualitätssicherungs- und Lehrerbildungsmaßnahmen erfolgen. Anders als in anderen Ländern scheint die Art und Weise, wie Schüler*innen in deutschen Schulen mit digitalen Medien arbeiten und lernen, nicht zur Steigerung ihrer Kompetenz beizutragen, sondern den Kompetenzerwerb eher zu verhindern. Wenn dieser negative Einfluss nicht in einen positiven Einfluss gewandelt werden kann, sollte dann der Ausbau der digitalen Infrastruktur nicht besser gestoppt werden? Zwar weisen die Autor*innen zurecht darauf hin, dass noch weitere mögliche Einflussfaktoren geprüft werden müssten, um hier eindeutige Effektgrößen zu bestimmen (Schaumburg et al. 2019, S. 266), aber auch die Begleitforschung in anderen Schulversuchen in Deutschland zeigt, dass eine verstärkte Integration digitaler Medien keineswegs notwendig dazu beiträgt, dass Schüler*innen beim Erwerb digitaler Kompetenzen gefördert werden. Wenn einseitig nur eine instrumentelle Nutzung digitaler Medien zum fachlichen Lernen erfolgt, findet keine Förderung der digitalen Kompetenzen statt (Kammerl et al. 2016, S. 105). Allerdings muss eine entsprechende Kompetenzförderung gleichzeitig sowohl über den Bezug zu einem konkreten Endgerät und über eine isolierte Förderung einzelner Kompetenzbereiche hinausgehen und ebenso die technisch-mediale-, die gesellschaftlich-kulturelle- und die Interaktions-Perspektive der technologischer Entwicklungen in den Blick nehmen (Autor*innengruppe Frankfurt Dreieck 2019).

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5 Zusammenfassung und Ausblick Abschließend sollen die dargestellten Aspekte von dem Merkmalskatalog von Helmke abstrahiert und zusammenfassend dargestellt werden. Über die Merkmalsbereiche hinweg wurde deutlich, dass mobile Medien die Strukturen des Unterrichts auf unterschiedlichen Ebenen verändern. Angebotsvielfalt und zunehmend entgrenzte Kommunikation führen zu erweiterten Möglichkeitsräumen. Der Lehrperson kommt die Aufgabe zu, die Lernangebote und -situationen des Unterrichts zu strukturieren und didaktisch zu reduzieren, um die Lernenden möglichst angemessen in ihrem Kompetenzerwerb zu unterstützten. Für diesen Prozess kamen in den Überlegungen tendenziell zwei Perspektiven zum Vorschein. Auf der einen Seite wurde eine zunehmende Flexibilität und Vielfalt durch den Einsatz mobiler Medien in der Unterrichtsgestaltung hervorgehoben, wodurch besonders die Umsetzung offener und kreativer Unterrichtsformate unterstützt wird. Es wird angenommen, dass sich diese Formate positiv auf die Selbstständigkeit und die Motivation der Schüler*innen auswirken. In offeneren Unterrichtsformen kann Differenzierung und Individualisierung erreicht werden, indem Lernende auf unterschiedlichen Niveaustufen agieren und unterschiedliche Rollen einnehmen können. Auf der anderen Seite bedingen die neuen Möglichkeitsräume aber auch die Notwendigkeit Strukturierungen vorzunehmen, die das Angebot einschränken und die Lernenden anleiten. Differenzierung und Individualisierung werden hier stärker durch vorstrukturierte und geführte Lernbegleitungen eröffnet, wie zum Beispiel mit Ansätzen des formativen Assessment (Maier 2014). Strukturierung und Instruktion bietet den Lernenden Unterstützung auf ihrem fortschreitenden Weg zu mehr Selbstständigkeit und -steuerung. In Abhängigkeit von dem jeweiligen Entwicklungsstand der Lernenden und ihren Kompetenzen im Umgang mit mobilen Medien ergeben sich im Sinne der „Zone der nächsten Entwicklung“ (Wygotski 1974, S. 234) unterschiedliche Ansprüche an Strukturierung und Instruktion auf der einen und zunehmender Selbststeuerung auf der anderen Seite. Diese beiden Prinzipien sind mit den unterschiedlichen beschriebenen ‚Merkmalen eines guten Unterrichts‘ verwoben und zeigen sich in den verschiedenen Merkmalsbereichen in unterschiedlichen Konturierungen. Werden die unterschiedlichen Typen mobiler Medien unter dieser Perspektive betrachtet, wird deutlich, dass die verschiedenen Geräte spezifische Eigenschaften aufweisen, die Freiheitsgrade eröffnen aber auch einschränken. Wie

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dargestellt wurde, legen unterschiedliche Endgeräte durch ihre Eigenschaften bestimmte Nutzungsformen nahe. Sie bieten nicht grenzenlose Möglichkeiten, sondern stellen ebenso ein Element der Strukturierung dar, das bei der Unterrichtsplanung berücksichtigt werden muss. Auf gesellschaftlicher Ebene trägt die zunehmende Nutzung mobiler Medien ebenfalls zu einer Flexibilisierung und Entgrenzung von Kommunikation bei, wodurch sich gesellschaftliche Strukturen und kommunikative Konstruktionen von Wirklichkeit grundlegend verändern (Hepp 2018). Die in der Medienpädagogik breit geteilte Zielsetzung einer Medienkompetenzförderung besteht – in Anschluss an das Konstrukt der kommunikativen Kompetenz nach Habermas – darin Menschen zu unterstützen, Kompetenzen für ein „sachgerechtes, selbstbestimmtes, kreatives und sozialverantwortliches Handeln in einer von Medien mitgestalteten Welt“ (Tulodziecki 2015, S. 43) zu erwerben. Anhand vorhandener Studien wurde in dem Artikel gezeigt, dass die mediendidaktische Integration mobiler Medien in den Unterricht einen wichtigen Aspekt darstellt, damit Schüler*innen Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien erwerben können. Hiermit ist aber noch nicht geklärt, welche Rolle diese Kompetenzen in unterschiedlichen ‚Gesamtkonstrukten‘ einer kompetenzorientierten Schule einerseits und innerhalb der Kompetenzkonzepte für eine digitale Welt andererseits einnehmen. Aktuell ist das Ziel der schulischen Medienkompetenzförderung curricular nicht so verankert, wie die Förderung von Lesekompetenz oder mathematischer Kompetenz. Das bedeutet, dass die Zielkonstrukte der Medienkompetenz, Medienbildung, Digitalen Bildung oder ähnlicher Konzepte nicht so konkretisiert sind, dass der Ertrag eines ‚guten Unterricht‘ mit mobilen Medien eindeutig ist. So können mit unterschiedlichen Konzepten der Medienkompetenz, die auf unterschiedlichen Kompetenzkonstrukten basieren, variierende methodische Umsetzungen des Unterrichts als mehr oder weniger gelungen wahrgenommen werden. Konzepte von Digitaler Bildung, Medienkompetenz, Medienbildung, Computational Thinking und Ähnlichen können nicht ‚richtig‘ sein, sondern sie beanspruchen Gültigkeit und Anerkennung. Ob etwa nur ein Unterricht mit mobilen Medien als ‚gut‘ bewertet werden kann, der die Kompetenzen für die digitale Welt im Sinne der KMK-Strategie fördert, ist eine normative Frage. Ebenso fundieren aber auch die Grundideen, auf denen andere ‚Merkmale eines guten Unterrichts‘ basieren, auf normativen Leitideen. Wird mehr Wert auf Selbststeuerung und Handlungsorientierung gelegt, tendiert auch die Ausformung des Unterrichts dazu, mehr Freiheitsgrade für die Handlungsoptionen der Schüler*innen einzuplanen. Wird dagegen mehr Wert auf das kleinschrittige

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Erlernen vorab definierter Kompetenzniveaus gelegt, spielen klare Instruktionen und vorgegebene Strukturierungen eine hervorgehobene Rolle. Eine Entscheidung darüber, welche Zielperspektiven als richtig und falsch erachtet werden können, kann und soll in diesem Artikel nicht getroffen werden. Die Formulierung handlungsleitender, normativer Horizonte bedarf des Diskurses und der Berücksichtigung variierender Perspektiven. Ein entsprechender Diskurs wird von der Medienpädagogik, deren Nachbardisziplinen und weiteren gesellschaftlichen Institutionen intensiv geführt.

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Mobile Digitalmedien in der Primarstufenbildung Horst Niesyto

Der vorliegende Beitrag basiert auf der Auswertung des Projekts dileg-SL und fokussiert auf die Akteursgruppe der Studierenden.1 Nach einleitenden Überlegungen zur Medienbildung an Grundschulen und zur Lehrerbildung werden in teilprojektübergreifender Perspektive die Ziele und Dimensionen des Projekts dileg-SL skizziert. Der Hauptteil des Beitrags stellt wichtige Erfahrungen und Ergebnisse des Projekts vor und akzentuiert folgende Aspekte: Handlungsorientierung und Reflexion, Integration von Bildern und Bewegtbilder, Zusammenspiel von körperlich-sinnlichen Erfahrungen und Medialität, Reflexion vorhandener pädagogischer Vorstellungen. Der Schlussteil fasst die wesentlichen Punkte zusammen und verdeutlicht die Notwendigkeit einer Grundbildung Medien für Pädagogik-Studierende, die weit mehr umfassen muss als die Aneignung von digitalisierungsbezogenem Wissen.

1Der

Beitrag ist eine komprimierte Fassung (Zweitveröffentlichung) von Fachartikeln zur Gesamtauswertung des Ludwigsburger Projekts (Niesyto 2019a; b), die in ähnlicher Form bereits für eine andere Publikation verwendet wurde (Niesyto 2020).

H. Niesyto (*)  PH Ludwigsburg, Ludwigsburg, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. M. Meister und I. Mindt (Hrsg.), Mobile Medien im Schulkontext, Medienbildung und Gesellschaft 41, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29039-9_5

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1 Medienbildung an Grundschulen und in der Lehrerbildung an der Hochschule Die Grundschule als zentraler Ort für eine gemeinsame Grundbildung für alle Kinder steht vor der Aufgabe, Medienbildung in ihr Bildungsangebot nachhaltig und breitenwirksam zu integrieren. Es ist eine grundsätzliche Position der Medienpädagogik, dass weder eine einseitig technologieorientierte Perspektive noch eine bewahrpädagogische Abwehrhaltung geeignet sind, um Medienbildung in Grundschulen zu befördern. Die Nutzung (digitaler) Medien führt nicht automatisch zu einem besseren Unterricht, sondern ist stets in Zusammenhang mit jeweils spezifischen (Kontext-) Bedingungen und pädagogischen Handlungskonzepten bzw. didaktischen Szenarien zu betrachten (Herzig 2014). Medienbildung in der Grundschule hat die Aufgabe, die Mediennutzung von Kindern aktiv zu begleiten und pädagogisch-didaktische Impulse für Bildungs- und Lernprozesse mit und über (digitale) Medien zu entwickeln. Im Spannungsfeld von gesellschaftlich-medialen Themen und Angebotsstrukturen, subjektiven Medienpraxen von Kindern und schulischen Bildungskontexten hat eine handlungsorientierte Medienbildung die Chance, medienbezogene Bildungs- und Lernprozesse zu fördern (Kammerl & Irion 2018; Tulodziecki et al. 2019). Dabei ist zu beachten, dass die Schülerschaft an Grundschulen oftmals sehr heterogen zusammengesetzt ist. Dies betrifft insbesondere Faktoren wie die familiale Sozialisation, Begabungen, kognitive Fähigkeiten und sprachlichkulturellen Hintergrund. Aus der Mediensozialisationsforschung sind soziokulturelle Unterschiede und soziale Ungleichheiten im Medienhandeln seit langem bekannt (u. a. Kutscher & Otto 2010; Niesyto et al. 2009; Verständig et al. 2016). Studien, die milieu- und habitusspezifische Aspekte untersuchten, wiesen auf die Chancen von Schule hin, strukturelle Unterschiede und Benachteiligungen bezüglich bildungsbezogener Ressourcen ein Stück weit auszugleichen (Henrichwark 2009). Befunde aus Praxisforschungsprojekten konnten Chancen einer handlungsorientierten Medienarbeit gerade in bildungsbenachteiligten Milieus belegen (Niesyto et al. 2007). Dies betrifft insbesondere die Integration von Bildern und Bewegtbildern bei der Artikulation von eigenen Themen, Bedürfnissen und Interessen. In didaktischer Perspektive bedeutet dies, Grundsätze wie Lebenswelt- und Handlungsorientierung, Gestaltungsfreiheit und Anschaulichkeit (bei Themenwahl, Ausdrucksform und Arbeitsweise), Balance von Prozess- und Produktorientierung, Zeit für soziales Lernen und Reflexion sowie eine Balance von individuellen und kooperativen Arbeitsformen zu beachten (Niesyto 2010, S. 399 f.). Gleichzeitig sollten im Sinne einer inklusiven Medienbildung Barrierefreiheit, Ressourcenorientierung und eine Breite an medialen Rezeptions- und Ausdrucksformen gewährleistet sein (Schluchter 2015; 2019).

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Diesem Verständnis von Medienbildung liegt eine lebensweltliche, sozialästhetische Perspektive zugrunde. Betont werden nicht so sehr die technischen Bedienfertigkeiten und der „Werkzeugcharakter“ von (digitalen) Medien, sondern vor allem die medienvermittelten Inhalte, Formen und Prozesse des Symbolverstehens und der Symbolproduktion. Es geht um die soziale Einbettung ästhetischer, kognitiver, emotionaler, kommunikativer und technischer Dimensionen. Ästhetische Reflexivität überschreitet dabei eine Reduktion auf Kognition, betont das Zusammenspiel von Anschauung, Emotion und Denken. Bildhaften, musikalischen und körpersprachlichen Ausdrucksformen kommt eine große Bedeutung für kulturelle Orientierungen und Praktiken bei Kindern und Jugendlichen zu. Bildungs- und Lernprozesse sollten dies berücksichtigen. Leider ist die Situation im Grundschulbereich nach wie vor nicht durch breitenwirksame Anstrengungen bei der Verankerung von Medienbildung gekennzeichnet (vgl. Deutsche Telekom Stiftung 2014, S. 22). Da Medienkompetenz weder durch familiale Erziehung noch durch die individuelle Nutzung in der Freizeit allein erworben werden kann, ist eine grundlegende Medienbildung im Rahmen schulischer Bildung erforderlich, die sowohl auf Persönlichkeitsbildung als auch auf gesellschaftliche Teilhabe abzielt (KBoM 2011; KMK 2012; Breiter et al. 2013). Eine wichtige Voraussetzung hierfür ist nicht nur funktionierende und zuverlässige technische Infrastrukturen an Schulen. Entscheidend sind vor allem pädagogisch gut ausgebildete Lehrer*innen, die über hinreichende medienpädagogische und mediendidaktische Grundlagen verfügen, um medienbezogene Bildungs- und Lernprozesse an Grundschulen fächerbezogen und fächerübergreifend zu initiieren und zu begleiten (Peschel & Irion 2016; Irion & Kammerl 2018; Grundschulverband 2018). Abwehrhaltungen und Unsicherheiten unter Lehrpersonen (und Studierenden) gegenüber einer Medienintegration in pädagogischen Kontexten sind zu thematisieren, um differenzierte Sichtweisen zur Medienpraxis von Kindern und den Chancen medienbezogener Bildungs- und Lernprozesse zu entwickeln. Um Medienbildung an Grundschulen besser zu verankern, ist es eine wichtige Aufgabe, dass Medienpädagogik, Grundschulpädagogik und die einzelnen Fächer in der 1. Phase der Lehrerbildung intensiv kooperieren. Diese Kooperation bezieht sich sowohl auf eine fächerintegrative Medienbildung als auch auf fächerübergreifende Themen- und Kompetenzfelder. Es geht um die Verknüpfung von medienpädagogischen, curricular-fachlichen und schulentwicklungsbezogenen Professionalisierungsperspektiven. Hierzu gehört auch die Erprobung und Integration von pädagogischen Szenarien im Schnittfeld von schulischer und außerschulischer Medienbildung. Notwendig sind Studienangebote, die für Studierende sowohl theoretischkonzeptionelle Orientierungs- und Reflexionsräume eröffnen als auch praxisbezogene Erprobungsmöglichkeiten in schulischen Kontexten bieten.

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An der PH Ludwigsburg gibt es in der Primarstufenbildung seit den 1990erJahren regelmäßig Seminarangebote seitens der Abteilung Medienpädagogik (Institut für Erziehungswissenschaft). Ein wichtiger Meilenstein war 2011 die Novellierung der Prüfungsordnung (PO) für das Lehramtsstudium in BadenWürttemberg. In der neuen PO wurde für die Bereiche Grundschule und Sekundarstufe I festgelegt, dass medienpädagogische Fragen verbindlich in der mündlichen Abschlussprüfung zu thematisieren sind. Auf diesem Hintergrund gelang es, im erziehungswissenschaftlichen Studium an der PH Ludwigsburg einen eigenen Baustein zur „Einführung in die Medienpädagogik“ als Pflichtangebot für alle Studierenden zu verankern, der vor allem medienpädagogisches Orientierungswissen vermittelt (Niesyto 2014). Außerdem wurde ein Onlineseminar „Einführung in die Mediendidaktik“ speziell für den Bereich Grundschule angeboten (Reinhard-Hauck & von Zimmermann 2014). Darüber hinaus können die Lehramtsstudierenden im erziehungswissenschaftlichen Bereich in drei Modulen medienpädagogische Vertiefungsseminare im Rahmen eines Profilsbereichs wählen und dort auch Modulprüfungen ablegen. Diese Grundstruktur wurde bei der Umstellung der Lehramtsstudiengänge auf Bachelor- und Masterstudiengänge im Jahre 2015 im Wesentlichen beibehalten. Hinzu kommt, dass Studierende in außerschulischen Studiengängen (insbesondere aus dem Bereich der Kultur- und Medienbildung) die Möglichkeit haben, Praktika an einzelnen Schulen im Schnittfeld von schulischer und außerschulischer Medienbildung zu machen. Gleichzeitig bieten die Fächer an der PH Ludwigsburg Seminare mit medienbezogenen Schwerpunkten an. So gibt es neben den Grundfragen-Fächern (Philosophie, Theologie, Soziologie, Politikwissenschaft) im Bereich der Fachdidaktiken/Fachwissenschaften (Sprachen, Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Kunst, Musik, Sport etc.) regelmäßig Angebote mit Medienbezug. In den Fächern liegt ein Schwerpunkt auf mediendidaktischen Aspekten. Seminaraktivitäten zur aktiv-produktiven Nutzung digitaler Medien nahmen in den letzten Jahren kontinuierlich zu. Für eine vertiefte Aneignung medienpädagogischer Kompetenzen können Studierende im Laufe des grundständigen Lehramtsstudiums ein Erweiterungsstudium Medienpädagogik (mit 26 Semesterwochenstunden) belegen. Das Angebot basiert auf der Kooperation zwischen der Abteilung Medienpädagogik und den Fächern. Diese Kooperation konnte ab 2014 durch das Angebot eines Profil Grundbildung Medien (mit 10 Semesterwochenstunden) ausgebaut werden. An diesem Profilstudium beteiligen sich inzwischen 18 Abteilungen/Fächer und Einrichtungen der PH Ludwigsburg. Das Angebot wendet sich an interessierte Studierende in allen Lehramtsstudiengängen und umfasst zwei Veranstaltungen aus der Medienpädagogik/Erziehungswissenschaft, zwei Veranstaltungen aus den

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beteiligten Fächern, ein Medienprojekt mit praktischem Produktionsbezug sowie vier Workshops „Grundlagen praxisorientierter Mediengestaltung“ (siehe www. ph-ludwigsburg.de/648.html).2 Mit diesem Grundlagenangebot verbindet sich die Intention, dass sich Lehramtsstudierende medienpädagogische Kompetenzen und fachbezogene Medienkompetenzen aneignen können. Während das Erweiterungsstudium Medienpädagogik von einer überschaubaren Zahl von Studierenden gewählt wird, erfreut sich das Profilstudium Grundbildung Medien einer großen Nachfrage (Trüby 2017). Die Hochschulen stehen vor der Herausforderung, allen Lehramtsstudierenden eine Grundbildung Medien zu ermöglichen. Leider sehen sich die zuständigen Ministerien und die Hochschulen bis dato nicht in der Lage, hierfür ausreichende Personalressourcen zur Verfügung zu stellen. Für eine Grundbildung Medien in pädagogischen Studiengängen gibt es seit geraumer Zeit verschiedene Ansätze und erprobte Modelle (Imort & Niesyto 2014), die in den letzten Jahren durch weitere Überlegungen und Rahmenkonzepte ergänzt wurden (siehe u. a. Sektion Medienpädagogik 2017). Das Projektprogramm der Deutsche Telekom Stiftung „Digitales Lernen Grundschule“ bot an der PH Ludwigsburg die Gelegenheit, vorhandene Ansätze und Aktivitäten zur Verankerung der Medienbildung in der Primarstufenbildung durch Tandemseminare zwischen der Medienpädagogik und den beteiligten Fächern unter verschiedenen thematischen und pädagogisch-didaktischen Aspekten zu vertiefen und hochschuldidaktische und curriculare Überlegungen weiterzuentwickeln.

2 Ziele und Strukturen des Projekts dileg-SL Im Projekt ging es vor allem um die Frage, wie Studierende im Spannungsfeld von fachbezogenen, medien- und grundschulpädagogischen Überlegungen Kompetenzen für einen kreativen und zugleich reflexiven Einsatz digitaler Medien an Grundschulen erwerben können. Hierin integriert waren die Aneignung elementarer gestalterischer und technischer Kompetenzen und die Einbettung in medienpädagogische und fachdidaktische Überlegungen (interdisziplinäre Perspektive). Das Projekt knüpfte an vorhandene Angebote im

2Siehe

auch die Beiträge im Heftschwerpunkt „Grundbildung Medien an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg“ im Onlinemagazin Ludwigsburger Beiträge zur Medienpädagogik, Ausgabe 17 (2014). Online abrufbar unter: https://www.ph-ludwigsburg. de/fileadmin/subsites/1b-mpxx-t-01/user_files/Online-Magazin/Ausgabe17/Inhalt17.pdf

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Profil Grundbildung Medien an der PH Ludwigsburg an und entwickelte in acht Teilprojekten thematische und pädagogisch-didaktische Rahmenkonzepte, die auf eine engere Kooperation zwischen den Fächern und der Medienpädagogik abzielten. Mit der handlungsorientierten Perspektive fokussierte das Projekt nicht auf ein Lernverständnis, welches Lernen vor allem auf die kognitive Aneignung von inhaltsbezogenen Wissensbeständen mittels digitaler Medien reduziert. Es ging um die Integration von Formen einer handlungsorientierten Medienarbeit (Niesyto 2010) in verschiedene pädagogisch-didaktische Szenarien. Mit mobilen Digitalmedien haben sich hierfür die Potenziale erheblich vergrößert. Die handlungsorientierte Perspektive beinhaltete zugleich, dass sich Studierende mit der Mediensozialisation von Kindern befassen, sich mit ihrem Bildungs- und Lernverständnis auseinandersetzen und die Relevanz einer lebens- und medienweltlichen Öffnung von Lernprozessen erkennen. Die Projektkonzeption betonte, dass bei den Projektaktivitäten eine pädagogischdidaktische Grundorientierung intendiert ist, die Themen in der Grundschule nicht ausschließlich als Perspektive eines Faches, sondern auch interdisziplinär und vor allem aus der Perspektive der Weltaneignung von Kindern begreift (Deckert-Peaceman & Seifert 2013, S. 7 ff.). Selbstverständlich gab es im Projekt unterschiedliche bildungs- und lerntheoretische Akzentuierungen, auch auf dem Hintergrund der verschiedenen fachdidaktischen und fachwissenschaftlichen Verortungen. Gleichwohl gelang es, sich auf teilprojektübergreifende Ziele zu verständigen und im Rahmen gemeinsamer Seminare und einer Projektgruppe zu kooperieren und das Projekt in einer dialogischen Form zu entwickeln.

2.1 Projektziele Zusammenfassend lassen sich folgende (teilprojektübergreifende) Ziele im Hinblick auf die Begleitseminare an der PH Ludwigsburg und die damit verknüpften Unterrichtsversuche an der Rosensteinschule in Stuttgart mit Blick auf die Akteursgruppe der Studierenden formulieren (Niesyto 2019a, S. 24 f.): • die Förderung eines Verständnisses von Medienbildung und Medienkompetenz, welches an den vorhandenen lebens- und medienweltlichen Erfahrungen der Schüler*innen und dem vorhandenen Medienwissen der Studierenden anknüpft; • die Aneignung technischer und gestalterischer Kompetenzen für die Förderung von Selbstausdruck, Kommunikation und Lernen mit digitalen Medien in Grundschulkontexten;

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• die gezielte Förderung visueller, auditiver und audiovisueller Ausdrucksformen in der produktiven Gestaltung mit digitalen Medien; • die Aneignung informatischer Grundkompetenzen, um es Kindern in spielerischer Form zu ermöglichen, erste Elemente zu computerisierten Prozessen kennenzulernen; • die Förderung reflexiver Prozesse bei der Produktion und Präsentation mit digitalen Medien; • das Kennenlernen von Chancen des interdisziplinären Arbeitens.

2.2 Kooperationspartner und Teilprojekte Im Projekt kooperierten vor allem folgende Einrichtungen bzw. Fachbereiche: aus der Erziehungswissenschaft waren die Abteilung Medienpädagogik und die Grundschulpädagogik beteiligt; seitens der Fächer wirkten die Abteilungen Biologie, Deutsch, Englisch, Musik und Sport sowie das Institut für Mathematik und Informatik mit (alle PH Ludwigsburg); als Partnerschule war die RosensteinGrundschule in Stuttgart beteiligt. Insgesamt gab es acht Teilprojekte. Einige Teilprojekte waren primär interdisziplinär, andere Teilprojekte primär fachdidaktisch ausgerichtet; zwei Teilprojekte thematisierten explizit Grundlagen zum algorithmischen Denken, insbesondere zum Ansatz Computational Thinking; ein Teilprojekt erprobte im Rahmen des Ganztagesangebots handlungsorientierte Kleinprojekte, auch in Kooperation mit außerschulischen Partnern (Übersicht zu den Teilprojekten: siehe www.dileg-sl.de).

2.3 Hochschulseminare und Schulbezug Ausgangspunkt und Grundlage des Projekts dileg-SL waren Hochschulseminare (Begleitseminare), in denen insgesamt über 200 Studierende im Rahmen des jeweiligen Teilprojekt-Rahmenkonzepts Unterrichtseinheiten für eine produktive Nutzung digitaler Medien im Grundschulunterricht erarbeiteten. In den Hochschulseminaren gab es in der Regel eine Tandembetreuung durch Dozent*innen aus der Medienpädagogik und den Fachdidaktiken. In jedem Teilprojekt fand zunächst eine Pilotphase statt (Seminar mit zwei Semesterwochenstunden), gefolgt (in der Regel im darauffolgenden Semester) von einer Durchführungsphase (ebenfalls zwei Semesterwochenstunden). Die Studierenden erprobten die von ihnen erarbeiteten Unterrichtseinheiten in Form von Unterrichtsversuchen in verschiedenen Grundschulklassen der Rosensteinschule in Stuttgart in

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Kooperation mit Lehrpersonen und werteten anschließend ihre Erfahrungen im Hochschulseminar aus. Die Rosensteinschule liegt in einem multikulturell geprägten Bezirk der Stuttgarter Innenstadt (Nordbahnhofviertel) und ist eine Grund- und Werkrealschule (teilgebundene Ganztagsschule).3 Die Grundschule besuchen etwa 200 Schüler*innen verteilt auf 2- bis 3-zügige Klassenstufen; hinzu kommen mehrere sogenannte Vorbereitungsklassen. Der Anteil der Schüler*innen mit Migrationshintergrund liegt bei über 90 %. Laut dem Sozialdatenatlas der Stadt Stuttgart gibt es im Einzugsgebiet der Rosensteinschule einen überproportional hohen Anteil von sogenannten bildungsfernen und einkommensschwachen Eltern. Am Projekt dileg-SL beteiligten sich insgesamt 185 Schüler*innen (96 Jungen und 86 Mädchen; drei Kinder machten im Schülerfragebogen keine Angaben). Die Schüler*innen verteilten sich auf insgesamt 12 Klassen: 2 × Klassenstufe 2, 5 × Klassenstufe 3, 5 × Klassenstufe 4.4 Neben den Begleitseminaren an der Hochschule und den Unterrichtsversuchen an der Rosensteinschule entwickelte das Projekt ein grundschulbezogenes Angebot für die Lehrerfort- und -weiterbildung und initiierte einen regionalen Arbeitskreis „Medienbildung in der Grundschule“, der sich auch nach Projektende weiter trifft.5

2.4 Technische Infrastrukturen Bezüglich mobiler Digitalmedien gibt es seit geraumer Zeit konzeptionelle Überlegungen, Praxisaktivitäten und Forschungsbeiträge, u. a. von Pachler et al. (2010), Bachmair et al. (2011), Seipold (2012) und de Witt/Sieber (2013). Bei mobilen Digitalmedien geht es um Daten und Software-Applikationen, die über drahtlose Netzwerke mittels eines mobilen Endgeräts empfangen und gesendet werden können. Während sich Überlegungen zu mobilem Lernen in formalen, non-formalen und informellen Kontexten zunächst auf Handys bezogen, geht es in Zusammenhang mit der weiteren medientechnologischen Entwicklung vor

3Webseite

der Rosensteinschule: https://www.rosensteinschule.de/index.php?id=576. Informationen zu den Schülerinnen und Schülern sowie zu den Studierenden, die sich am Projekt dileg-SL beteiligten, siehe Niesyto 2019b, S. 207 f. 5Informationen zum regionalen Arbeitskreis „Medienbildung in der Grundschule“ siehe www.dileg-SL.de. 4Weitere

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allem um die sinnvolle Integration von Tablets in Bildungs- und Lernprozesse (u. a. Aufenanger 2015; Junge & Rust 2015; Schaal & Lude 2015; Trüby 2016). Auf dem Hintergrund positiver Erfahrungen, die in verschiedenen Publikationen zum pädagogischen Einsatz von Tablets herausgearbeitet wurden, entschied sich die Ludwigsburger Projektgruppe, als technische Basis für das eigene Projekt vor allem Tablets zu nutzen. In der Anfangsphase des Projekts wurden aus Projektmitteln 40 iPads Air 2 mit Peripheriegeräten, Software-Applikationen etc. angeschafft.6 Das Mobile Device Management für die Schule erfolgte durch das Stadtmedienzentrum Stuttgart. Auch für die Unterrichtsvideografie wurde als technische Basis ein mobiles Konzept mit Actionkameras, Kameraroboter und Zubehör entwickelt. Dileg-SL verzichtete bewusst darauf, die Praxisaktivitäten nur in einem bestimmten Medienraum an der Schule durchzuführen. Das Projekt präferierte einen mobilen Medieneinsatz im Sinne eines offenen Lernraums, der auch für andere Lernaktivitäten des Regelschulbetriebs geeignet ist. Entsprechend fand auch im Rahmen der Unterrichtsvideografie ein mobiler Geräteeinsatz statt, der sich bewährte und deutlich die Medienintegration im Regelunterricht förderte (Boelmann et al. 2019a).

2.5 Datenschutz Mit dem Erstellen von Medienproduktionen und der Unterrichtsvideografie verbanden sich auch diverse Fragen des Datenschutzes. Sowohl bei Unterrichtsdokumentationen als auch bei Medienproduktionen von Schüler*innen entstehen personenbezogene Ton-, Bild- und Bewegtbildaufnahmen, bei denen die Vorgaben des Datenschutzes und der informationellen Selbstbestimmung relevant sind. Das Projekt entwickelte ein detailliertes Konzept, welches nicht nur Einverständniserklärungen der verschiedenen am Projekt beteiligten Akteur*innen sondern auch ein Verfahrensverzeichnis umfasste, in dem Prozesse von der Erhebung,

6Nähere

Informationen zur technischen Infrastruktur im Projekt dileg-SL und den Erfahrungen siehe Rymeš/Koppenhöfer/Reichel 2019. Der Beitrag betont die Notwendigkeit verlässlicher technischer Infrastrukturen und von qualifiziertem Fachpersonal – an Grundschulen gibt es in diesem Bereich große Defizite und Herausforderungen. Dies verdeutlicht auch ein Projektbericht von Thumel/Metzler (2018), der sich mit Bedingungen zur Förderung von Teilhabe- und Entwicklungschancen durch aktive Medienarbeit in der Grundschule auseinandersetzt.

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Verwendung bis hin zur Speicherung und Löschung der Daten dokumentiert und offengelegt wurden (Rymeš & Iberer 2019).7

2.6 Projektinterne Evaluation Für das Entwicklungsprojekt dileg-SL gab es eine projektinterne, formative Evaluation. Die Projektgruppe verständigte sich zu Beginn auf teilprojektübergreifende Leitfragen und Methoden der Evaluation (Niesyto 2019a, S. 32 f.). Neben der Unterrichtsvideografie in zwei Teilprojekten (Kürzinger & PohlmannRother 2019) wurden in allen Teilprojekten von Studierenden Projektjournale erstellt und mit den Dozent*innen und an der Hochschule Interviews in verschiedenen Projektphasen durchgeführt (Junge 2019; Niesyto 2019b). Hinzu kamen Interviews mit einzelnen Lehrpersonen an der Schule, die Erhebung soziodemografischer und medienbezogener Informationen anhand von Fragebögen für Schüler*innen sowie einzelne weitere Methoden, die die Teilprojekte entwickelten und einsetzten, z. B. Vignetten oder Videotagebücher. Aufgrund personeller Veränderungen im Projektzeitraum erfolgte bei der Evaluation eine Konzentration auf ausgewählte Aktivitäten und Leitfragenaspekte. Auf der Basis der Abschlussberichte der Teilprojekte und der Auswertung von Materialien durch die projektinterne Evaluation entstand gegen Projektende ein Papier zur Nachhaltigkeit der Projekterfahrungen. Dieses Dokument wurde in der Projektgruppe und im Rahmen der Abschlusstagung diskutiert und im Ergebnisband publiziert (Junge et al. 2019).

3 Wichtige Projekterfahrungen und Ergebnisse Im Folgenden werden in teilprojektübergreifender Perspektive wichtige Erfahrungen und Ergebnisse des Projekts zusammengefasst. Der Fokus liegt dabei auf der Akteursgruppe der Studierenden und pädagogisch-didaktischen Aspekten in Zusammenhang mit dem Einsatz mobiler Digitalmedien.8

7Zum

Projektende erschien eine Broschüre zum Thema „Datenschutz beim Einsatz digitaler Medien in der Grundschule“ für Lehrpersonen an Grundschulen und Studierende (Rymeš/Walter/Iberer 2019), die auch online verfügbar ist: https://www.ph-ludwigsburg. de/20840+M51093461ac2.html. 8Detaillierte Ergebnisse aus den dileg-SL Teilprojekten sind den jeweiligen Beiträgen im Sammelband Junge/Niesyto 2019 zu entnehmen. Dies betrifft auch Erfahrungen und Ergebnisse, die im Projekt dileg-SL zum Thema „Computational Thinking“ und Einsatz

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3.1 Handlungsorientierung und Reflexion Zur Handlungsorientierung gehörten vor allem die Planung, Durchführung und Auswertung eigener Unterrichtsversuche durch Studierende, um Kompetenzen bei der aktiv-produktiven Nutzung digitaler Medien zu erwerben und diese in Verknüpfung mit verschiedenen Themen in der Schulpraxis umzusetzen. Die Handlungsorientierung wurde von den Studierenden sehr positiv aufgenommen. Zwar war es arbeitsintensiver, ein Konzept nicht nur theoretisch zu erarbeiten, sondern vor dem eigenen Unterrichtsversuch selbst gestalterische und technische Möglichkeiten der iPads und der jeweils verwendeten Software kennenzulernen und im Hinblick auf pädagogisch-didaktische Intentionen auszuprobieren und zu reflektieren. Dieser handlungsorientierte Schritt erwies sich aber als notwendig, damit die Studierenden überhaupt die Potenziale beim Medieneinsatz selbst erkunden und für Unterrichtskonzepte fruchtbar machen konnten. Allerdings zeigten die Rückmeldungen der Studierenden und der Dozenten-Teams, dass genügend Zeit in den Seminaren einzuplanen ist, damit die Studierenden die technischen und gestalterischen Möglichkeiten erkunden und ausprobieren können. Während bei einem Teil der Studierenden über den privaten Gebrauch von digitalen Medien bereits Kompetenzen mit dem kreativ-produktiven Einsatz digitaler Medien zu beobachten waren, gab es nach wie vor viele Studierende, die sich erforderliche technische und gestalterische Kompetenzen aneignen mussten (vgl. Junge 2019; Niesyto & Junge 2020). Auch gab es nicht wenige Studierende, die der Medienintegration in der Grundschule skeptisch und distanziert gegenüberstanden: „Die distanzierte Haltung kam erstaunlicherweise in mehreren Situationen durch eine bewusste und unbewusste Vermeidungstaktik zum Ausdruck. Entgegen unserer Projektziele wurde wiederholt versucht, der Arbeit mit den digitalen Medien auszuweichen, zu Gunsten von analogen Materialien“ (Junge 2019, S. 249 f.). In dieser Situation ist es wichtig, dass in Hochschulseminaren genügend Zeit für die Auseinandersetzung mit Vorbehalten gegenüber der Medienintegration an Grundschulen, für die Aneignung medienpraktischer Kompetenzen und die Entwicklung pädagogisch-didaktisch fundierter Unterrichtseinheiten zur Verfügung steht. In der Verknüpfung von Produktion und Reflexion liegen Potenziale, um eine Auseinandersetzung mit inhaltlichen Fragen, ästhetischen Qualitätsmerkmalen

von Microcontrollern gemacht wurden (vgl. hierzu Bescherer/Fest 2019 und Marquardt/ Autenrieth 2019). Zur Evaluation des Gesamtprojekts „Digitales Lernen Grundschule“ (alle Projektstandorte) siehe Aufenanger et al. 2019.

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und auch Aspekten von Datenschutz und informationeller Selbstbestimmung altersangemessen zu fördern. Obgleich die Förderung reflexiver Prozesse ein explizites Ziel des Projekts war, zeigte die Auswertung der Projektpraxis, dass Schüler*innen von Studierenden zu wenig Impulse erhielten, um insbesondere aus dem Modus der Produktion heraus über die selbst erstellten Medienprodukte nachzudenken und sich mit den genannten Aspekten auseinanderzusetzen. Diese (produktionsbegleitenden) ästhetischen Prozesse und Reflexionen benötigen genügend Zeit für intuitiv-tastende, experimentelle Suchbewegungen und für die Aneignung und Entwicklung von Kriterien (inhaltliche, ästhetische, technische, sozial-kommunikative, datenschutzbezogene Aspekte). Die Projekterfahrungen verdeutlichen, dass angehende Lehrpersonen auch in diesem Bereich eine Grundbildung Medien benötigen, um sich z. B. Grundlagen der Fotogestaltung und der Filmbildung aneignen zu können.9 Bei Aussagen zu reflexiven Prozessen sind auch altersbezogene Grenzen und unterschiedliche Anforderungsniveaus zu beachten. So hatten Schüler*innen Schwierigkeiten, sich in methodisch und zeitlich stark strukturierten Workshop-Settings zurechtzufinden. Insbesondere in Unterrichtssituationen, in denen zu wenig Zeit zur Verfügung stand, war bei Studierenden oft ein direktives, lehrerzentriertes Vorgehen zu beobachten. Dies hing bei Studierenden auch mit dem jeweiligen Verständnis von Lernen und der eigenen Lehrerolle zusammen: „Mehrere Dozentinnen und Dozenten berichteten in den Interviews von ihrer Wahrnehmung, dass einzelne Studierende unter gelungenem Unterricht offenkundig lehrerzentrierte, stark auf Kontrolle10 ausgerichtete Lernszenarien verstehen“ (Junge 2019, S. 243).

3.2 Integration von Bildern und Bewegtbildern in digitale Medienproduktionen In nahezu allen Teilprojekten nahm die aktiv-kreative Gestaltung mit mobilen Digitalmedien einen großen Raum ein. Die systematische Integration von visuellen und audiovisuellen Ausdrucksformen erwies sich als geeignet, um

9Zur

Filmbildung in der Lehrerbildung siehe u. a. Niesyto 2006 und Holzwarth/Maurer 2019. vereinzelt konnte das Gegenteil berichtet werden; eine zu starke Laissez-FaireHaltung ohne konkrete Darstellung von Arbeitsschritten, was die Schülerinnen und Schüler wiederum überforderte.“ (Junge 2019, S. 243, Fußnote 6).

10„Nur

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Schüler*innen in einem hohen Maße in kreative und kooperative Lernformen einzubinden und damit auch inklusive Zielsetzungen zu stärken. Sprach- und Schreibbarrieren konnten minimiert, Lerngegenstände und -inhalte anschaulich dargestellt und digitale Medien flexibel für Recherchen, zur Dokumentation vor Ort, zur Visualisierung und zur Kommunikation eingesetzt werden. Nahezu allen Kindern fiel es leicht, die iPads und die verschiedenen Apps für Foto- und Filmaufnahmen zu bedienen. So betonte das Team eines Teilprojekts (Bereich Deutsch und Medienpädagogik): „Schülerinnen und Schüler, die ansonsten Schwierigkeiten hatten, ihre Gedanken sprachlich zu formulieren, nutzten die digitalen Lernumgebungen, um durch Deuten, Verschieben, Abspielen oder Vergrößern einzelner Sequenzen auf das für sie Zentrale hinzuweisen und so mit den anderen Kindern ins Gespräch zu kommen“ (Boelmann et al. 2019b, S. 54). In einem anderen Teilprojekt (Bereich Musik und Medienpädagogik) wurde u. a. die Möglichkeit der schnellen und kleingliedrigen Folgen von Gestaltungsund Korrekturschritten (bezüglich Bilder und Töne) bei den genutzten Apps GarageBand und StopMotionStudio hervorgehoben, insbesondere mit Blick auf jene Schüler*innen, die im Unterricht oft Konzentrationsprobleme haben. Diese Möglichkeit förderte eigene ästhetische Erfahrungen als Basis für ästhetische Gestaltung (Imort & Trüby 2019, S. 84). Bei Unterrichtsversuchen im Fach Englisch erwiesen sich die integrierten Bilder und Aussprachebeispiele für alle Kinder als ein verständlicher, niedrigschwelliger Einstieg, auch für Kinder mit diagnostiziertem Förderbedarf. Das Team resümierte: „Insbesondere gelang es den Studierenden, Schülerinnen und Schüler zu motivieren, leistungsschwächeren Kindern mehr Teilhabe im Unterricht zu ermöglichen und neue Möglichkeiten des sozialen Lernens zu implementieren“ (Rymeš/Keßler/Jokiaho 2019, S. 142). In dem Teilprojekt, welches im Nachmittagsunterricht angesiedelt war, konnten die Schüler*innen im Rahmen eines sozialräumlichen Konzepts (Einbeziehen des gesamten Schulgeländes) mit den Dimensionen Erfahren – Gestalten – Präsentieren – Partizipieren neue Blickwinkel auf ihre alltägliche Umgebung entwickeln und diese in selbstständig erstellten Medienproduktionen darstellen. Die Offenheit für die Ideen der Kinder zu lebens- und medienweltlichen Themen wie z. B. Helden, Fußball, Freundschaft war für den erfolgreichen Verlauf sehr wichtig. In einer Studie (im Rahmen einer Bachelorarbeit) fasste Joscha Walter seine Beobachtungen und Analysen während einer Arbeitsphase in diesem Teilprojekt zusammen: „Insgesamt können die Ergebnisse der Studie als Hinweis darauf gewertet werden, dass die Förderung von alternativen Ausdrucksformen positive Effekte für die Teilhabe von Kinder [sic] mit Problemen bei wort- und schriftsprachlicher

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H. Niesyto Ausdrucksfähigkeit hat. Dabei scheint es unerheblich, worin diese Probleme begründet liegen. Übereinstimmend mit den Ergebnissen der Beobachtungen, ist abschließend vor allem eine Sache bemerkenswert: Die Gruppe wurde in der Ausgangsposition als äußerst heterogen beschrieben, in der Praxis allerdings zeigte sie sich kreativ, experimentierfreudig und ausdrucksstark – und in dieser Hinsicht äußerst homogen“ (Walter 2017, S. 33).

Auf der Abschlusstagung des Projekts betonte eine Lehrerin der Rosensteinschule, dass es diverse Beispiele gab, wo Kinder mit einem speziellen Förderbedarf auf Augenhöhe mit anderen Kindern zusammengearbeitet hatten. Eine Projektmitarbeiterin ergänzte: „In einzelnen Situationen wusste ich nicht, dass Kinder mit einem speziellen Förderbedarf am Angebot teilnahmen. Ich hatte es in der Praxis überhaupt nicht wahrnehmen können, erst im Nachhinein erfahren“. Diese positiven Erfahrungen mit der Integration von Foto und Bewegtbild in digitale Medienproduktionen, die in mehreren dileg-Teilprojekten gemacht wurden (siehe vor allem Boelmann et al. 2019b; Imort & Trüby 2019; Autenrieth et. al. 2018), bestätigen Ergebnisse u. a. aus früheren medienpädagogischen Praxisforschungsprojekten (Witzke 2004; Niesyto et al. 2007) und aus deutschen und britischen Schulprojekten auf der Basis multimodaler Lerndesigns (Bachmair 2019). Insgesamt verdeutlichten die Projekterfahrungen das Interesse der Studierenden, praxisbezogen digitale Gestaltungsmöglichkeiten durch die Integration von Text, Ton, Foto und Bewegtbild kennenzulernen. Zugleich zeigten Beobachtungen in verschiedenen Seminar- und Unterrichtssituationen, dass erheblich mehr Anstrengungen zur Förderung von Bild- und Filmkompetenz notwendig sind. Gerade in einer Situation, in der bildungspolitische Programme gebetsmühlenartig die „Digitalisierung“ beschwören, wird oft übersehen, dass Visualität in der digitalen Welt nicht abgenommen, sondern weiter zugenommen hat (Reißmann 2015). In einer repräsentativen Studie zur YouTube-Nutzung junger Menschen wünschten sich die Befragten explizit mehr Anregungen zur Filmgestaltung in der Schule (vgl. Rat für kulturelle Bildung 2019, S. 34). Grundlegende ästhetische Merkmale analoger Medien sind auch in digitalen Formen relevant. Es ist eine Bildungsaufgabe, digitale Ästhetiken auch unter Rückbezug auf analoge Ästhetiken zu reflektieren. So gibt es zum einen bei digitalen Medien (und dazugehöriger Software) z. B. große Potenziale zur Bildbearbeitung, die zuvor im analogen Bereich nicht möglich waren. Andererseits offerieren aber viele Apps auch gestalterische Standardisierungen, die zwar für Erstlingsproduktionen niedrigschwellige Zugänge ermöglichen, ästhetische Gestaltungsprozesse aber auch begrenzen. Diese Fragen sollten Bestandteil von Reflexionen bei Produktionsprozessen sein.

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3.3 Zusammenspiel von körperlich-sinnlichen Erfahrungen und Medialität Bewahrpädagogische Positionen, die für die Grundschule möglichst medienfreie Räume fordern, übersehen, dass Kinder unterschiedliche Formen der symbolischen Weltaneignung haben. So integrierte das Teilprojekt „Natur und Kultur erspielen“ Geogames. Die Schüler*innen konnten mittels einer digitalen Schnitzeljagd und des Autorensystems Actionbound eine schulnahe Umgebung erkunden und medial dokumentieren. Grundlage war eine Seminarkonzeption, die auf einem mehrfachen Wechselspiel von Erleben, Reflektieren, Gestalten und Erproben der Geogames basierte (Schaal 2019). Die Schüler*innen arbeiteten sowohl beim Spielen der Geogames wie auch beim Gestalten von ortsbezogenen Aufgaben motiviert und konzentriert. Eine Studierende fasste rückblickend zusammen: „Ich fand‘s ganz gut, eben diese Verbindung mit den neuen Medien, wo eben die Kinder mehr oder weniger Erfahrung hatten, mit dem Naturerlebnis, dadurch dass sie an die Bäume gegangen sind. Und dass sie das wirklich gesehen, gefühlt und probiert haben. Und dass dann wieder die Ergebnisse auf dem Tablet festgehalten haben. Also dass dieses Zwischenspiel zwischen den neuen Medien und der Natur einfach so gut bei den Kindern ankam.“

Die Herausforderungen für die Studierenden bestanden in einer Reihe von Aufgaben, die vom Identifizieren und Reflektieren geeigneter Lernorte, über die Auswahl und Begründungen der digitalen Unterstützung der Lernanlässe bis hin zur Reflexion des Spieledesigns und zielgruppenbezogener Fragen der Spieleerfahrungen reichten. Die Aktivitäten wurden mittels einer mobilen Unterrichtsvideografie dokumentiert. Den Studierenden gelang – so ein Ergebnis des Teilprojekts – in Verbindung mit dem mobilen Medieneinsatz eine dialogisch-konstruktive Lernprozessbegleitung, die einen relativ hohen Anteil eigenständiger, lernrelevanter Schüleraktivitäten beförderte (Schaal 2019, S. 96 f.). Die Ergebnisse der Unterrichtsbeobachtung wie auch der Fragebogenerhebung zeigten außerdem, „dass die Studierenden eine positive Einstellung gegenüber der Integration digitaler Technologien in den Sachunterricht aufgebaut und konkrete Praxisbeispiele gestaltet haben“ (ebd.).11

11Für

die Einordnung der Befunde, die im Beitrag von Schaal (2019) detailliert und differenziert dargestellt und diskutiert werden, ist folgender Hinweis zu beachten: „Für verlässliche Aussagen ist jedoch die Datenbasis deutlich zu gering und neben den

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Das Teilprojekt „Gaming im Sportunterricht“ befasste sich mit dem Transfer von Games aus der virtuellen Welt in das Spiel- und Bewegungserlebnis in der „realen“ Welt. Das Rahmenkonzept intendierte, dass Studierende die Spielidee aus Computerspielen mittels Sportgeräten in den physischen Raum übertragen und verschiedene mediale Elemente im Hinblick auf den anschließenden Unterrichtsversuch testen: „Hierbei werden aus scheinbar reinen Fingerbewegungen bzw. Bewegungen auf dem Bildschirm tatsächliche Körperbewegungen in der Sporthalle und umgekehrt“ (Marquardt 2019, S. 104). Die Ausschreibung des Projekts hatte unter Studierenden eine große Resonanz und musste aufgrund der Umsetzungsmöglichkeiten jeweils auf 20 Personen begrenzt werden. Die Studierenden konnten in Kleingruppen ein Lehr-Lern-Setting mit einem Computerspiel ihrer Wahl (nach vorgegebenen Auswahlkriterien) verknüpfen, Konzepte für Unterrichtsversuche entwickeln und im Seminar erproben. Danach wurden die Konzepte in jeweils vier Schulstunden mit einer 2. Klasse im Sportunterricht umgesetzt. Die Projekterfahrungen zeigten, dass die Integration von Computerspielen bei den Schüler*innen kreative Ideen und die Bereitschaft zum Ausprobieren von (neuen) Bewegungsformen in der physischen Realität beförderte. Hier ein Beispiel aus der Projektpraxis: „(…) ein eher sportlich unmotivierter Junge durchläuft mit der GoPro {Action-Kamera, Anm. HN} wiederholt den ‚Wasserfall‘ (zwei Weichbodenmatten über einen Barren gelegt) im nachgebauten Game ‚Temple Run‘. Er konnte sich später die Aufzeichnung seines Bewegungsablaufs ansehen und war zusätzlich motiviert durch die Tatsache, dass die anderen ihn parallel zu seinem Tun auf dem Tablet beobachteten (…) Die Besonderheit durch die Veränderung der Rolle bzw. Verwandlung in die ‚Hauptfigur‘ und die daraus resultierende Bewegungsanregung bzw. Körperbewegung ist durch das Game gegeben. Der Unterricht eröffnet einen Zugang zu diesen unsichtbaren Welten“ (Marquardt 2019, S. 108).

Sportgeräte erhielten in diesem Prozess neue Bedeutungszuschreibungen „und wurden zu Bauteilen eines Labyrinths und nicht zu Bewegungshindernissen“ (ebd., S. 110). Auf Anregung von Kindern wurden die iPads nicht nur für das Computerspiel, sondern auch für Interviews, „rasende Reportierende“, für

beobachteten Unterrichtshandlungen sind künftig auch Maßnahmen zur Erfassung der studentischen Lernergebnisse wie auch der Performanz in anderen Unterrichtssituation notwendig“ (Schaal 2019, S. 98).

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Slow-Motion-Analysen und weitere Verwendungszwecke genutzt. Zur Unterrichtspraxis gehörten auch Reflexionen zu den jeweiligen Spielmodi und -inhalten (ebd.). Für die Studierenden war das Projekt eine Herausforderung, offene und erweiterte Formen des Sportunterrichts zu ermöglichen, sich auf unvorhersehbare Gruppenprozesse einzulassen und mit den Kindern neue Raumerfahrungen zu machen und diese zu reflektieren. Das Projektteam resümierte: “Vielfältige Bewegungsanlässe entstanden über digitale Spiele zur Annäherung an Bewegungsphantasien und zur Motivation für Bewegungsherausforderungen und -kreationen (…) Somit trägt das Lehr-Lern-Setting zu einer Professionalisierung im Umgang mit Unplanbarkeit und dem Gestaltungspotential von Kindern bei. Dies setzt allerdings voraus, dass sich die Lehrenden intensiv mit den digitalen Spielen auseinandersetzen, um deren Potenziale herauszuarbeiten” (Marquardt 2019, S. 113 f.).

Im Projekt dileg-SL bewährten sich auch andere Formen mobiler Medienarbeit, z. B. im interdisziplinären Teilprojekt „Neue Formen des Lernens“ in Form einer QR-Ralley auf dem Schulgelände. Im Teilprojekt „Lebens.Lern. Raum Rosensteinschule“ (Nachmittagsangebot) war die mobile Mediennutzung im Kontext eines sozialräumlichen Ansatzes relevant. Mobile Medien eröffneten hier die Chance, Lernprozesse unabhängig vom Klassenzimmer durchzuführen und durch flexiblere Zeitbudgets neue Räume für ästhetische, technische und reflexive Erfahrungen zu entdecken. Die jüngeren Kinder (Zweitklässler*innen) hatten einen hohen Anspruch an Bewegung und Abwechslung. Daraus ergab sich ein größerer Bedarf nach spielerischen und explorativen Formen des Erkundens. Hierzu gehörte auch die sinnliche Ebene, die ohne Medieneinsatz auskommt. Gerade dieses Zusammenspiel unterschiedlicher Erfahrungs- und Ausdrucksformen erwies sich als sehr wichtig, um die Kinder für eine aktive Teilnahme an der Projektpraxis zu motivieren (Schlör & Ehehalt 2019, S. 150 ff.). Mit Blick auf kindheitspädagogische Überlegungen zu Denkprozessen bei Kindern, zur Relevanz von Spielen und Gestalten und auch zu medienbezogenen ästhetischen Erfahrungen von Kindern ist zu betonen, dass auf dem Hintergrund der Projekterfahrungen eine dichotomische Gegenüberstellung von Können, Wissen und Erfahrungen aus „erster Hand“ und „zweiter Hand“ problematisch ist (Schäfer 2007). Zwar sollten Kinder stets Gelegenheit haben, körperlich-sinnliche Erfahrungen in unmittelbaren Begegnungen mit Menschen und Natur zu machen – und diese Qualität der Begegnung und Erfahrung auch zu spüren und schätzen zu lernen. Erfahrungen werden aber heute vor allem im Kontext medialer Aneignungsprozesse gemacht. Dies sind ebenfalls persönliche Erfahrungen und keine Erfahrungen „aus zweiter Hand“. Eine andere Frage ist,

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dass und wie Kinder lernen, mediale Repräsentationen in ihrer Gewordenheit und Wirkung zu verstehen und mit anderen Eindrücken und Erfahrungen abzugleichen. Die Praxis im Projekt dileg-SL zeigte, wie wichtig das Zusammenspiel von unterschiedlichen Erfahrungsmodi sein kann – sinnlich-körperliche und medial-virtuelle Erfahrungsmodi. Dieses Zusammenspiel ist ein Gewinn für Bildungs- und Lernprozesse und erweitert die Weltaneignung und das Weltverstehen von Kindern.

3.4 Reflexion vorhandener pädagogischer Vorstellungen Mit dem eigenen Verständnis von Kindheit, Bildung, Lernen, Medien setzten sich die Studierenden in den Hochschulseminaren in unterschiedlicher Intensität auseinander. Die Projekterfahrungen zeigten: Digitale Medienproduktionen haben Potenziale für Formen selbstgesteuerten Lernens auch an Grundschulen, wenn genügend Zeit vorhanden ist, mit Studierenden ihr Rollen- und Selbstverständnis als Lehrperson zu reflektieren. Die im Projekt beobachtete Unterrichtspraxis verdeutlichte, dass bei vielen Studierenden (teilweise auch aus höheren Semestern) oft noch relativ starre und strukturkonservative Vorstellungen von Unterrichtsplanung und -gestaltung existieren, die Schüler*innen mehr als „Aufgabenempfänger“ und weniger als Ko-Konstrukteure ihrer eigenen Lernprozesse betrachten. Dabei ist zu beachten, dass Studierende nur begrenzt eigene Unterrichtserfahrungen (aus der Lehrer*innen-Perspektive) haben. Lehrerbildung hat hier die Aufgabe, für Studierende ausreichend Reflexionsräume zu schaffen und sie dafür zu sensibilisieren, vorhandene Deutungs- und Orientierungsmuster zu hinterfragen und eigenes, medienbezogenes Erfahrungslernen zu wagen. Wie sehen Studierende das Spannungsfeld von eher sachbezogenen Funktionslogiken einerseits und Formen der Weltaneignung von Kindern andererseits? Wie wird bei Medienproduktionen das Spannungsfeld zwischen Prozess- und Produktorientierung situativ gesehen und gestaltet? Welche Möglichkeiten gibt es in diesem Zusammenhang, um Grundschulkindern altersgemäße Artikulationsmöglichkeiten und Freiräume zu eröffnen, die sie weder unter- noch überfordern? Wie kann dies durch die Berücksichtigung der jeweiligen Vorerfahrungen der Kinder und durch unterschiedlich stark strukturierte Aufgabenstellungen und Lernumgebungen – auch außerhalb des Klassenzimmers – erreicht werden? Wie können reflexive Phasen aus dem Modus der Gestaltung/Produktion mit digitalen Medien heraus kleinschrittig entwickelt werden?

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Die Auseinandersetzung mit diesen (und weiteren) Fragen umfasst auch den Austausch und die kritische Reflexion zwischen den beteiligten Hochschullehrenden: Was für Verständnisse von Kindheit, Bildung, Lernen, Medien existieren unter Dozent*innen? Wie können unterschiedliche konzeptionelle Akzentuierungen zu einem produktiven Faktor für den kollegialen Austausch, für die Lehre und die Studierenden gemacht werden? Das Projekt dileg-SL eröffnete hierfür Räume, die von den Teilprojekten unterschiedlich genutzt wurden. Die Zusammenarbeit in interdisziplinären Teams war vor allem dann spannend, wenn die Dozent*innen bereit waren, ihre jeweiligen Expertisen kritisch-konstruktiv in die Kooperation einzubringen und Studierenden die Chance gaben, verschiedene Ansätze und Überlegungen zu Bildungs- und Lernprozessen kennenzulernen und zu reflektieren. Dabei erwies es sich als notwendig, die thematische Komplexität zu reduzieren, damit Studierende in einem ausgewogenen Verhältnis fachdidaktische, medien- und grundschulpädagogische Überlegungen mit medienpraktischen Erkundungen und der Planung, Durchführung und Auswertung exemplarischer Unterrichtsversuche verbinden konnten.

4 Fazit und kritischer Ausblick Auf dem Hintergrund der skizzierten Projekterfahrungen und Ergebnisse lassen sich folgende Kernpunkte zusammenfassen (vgl. Junge et al. 2019, S. 319 f.): • Die Verknüpfung von Begleitseminaren (an der Hochschule) und schulpraktischen Unterrichtsversuchen hat sich bewährt. Die tatsächliche Umsetzung der Unterrichtskonzepte in eigenständig durchgeführten Unterrichtsversuchen ermöglichte den Studierenden Erfahrungen im Umgang mit digitalen Medien. Sie konnten partiell erfahren, wie mobile Digitalmedien in der Grundschule sinnvoll integriert werden können und welche Kompetenzen sie dafür benötigen. • Die Integration von visuellen und audiovisuellen Ausdrucksformen in handlungsorientierter Perspektive ist geeignet, um Grundschulkinder in hohem Maße in kreative und kooperative Lernformen einzubinden und damit auch die Zielsetzung einer inklusiven Bildung zu stärken. Multimodale Eigenproduktionen fördern das Zusammenspiel unterschiedlicher Erfahrungsmodi von Welt. • Reflexive Phasen fanden vor allem in den Planungs- und Auswertungsteilen der Begleitseminare an der Hochschule und im Anschluss an Unterrichtsversuche statt. Während der Unterrichtsprozesse an der Schule kamen reflexive

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Phasen oft zu kurz. Vielen Studierenden fehlen Medienkompetenzen, um Schüler*innen aus dem Modus der produktiven Gestaltung mit Medien heraus durch Fragen und Anmerkungen Reflexionsimpulse zu geben. • Studierende benötigten mehr Angebote und Zeit, um sich medien- und digitalisierungsbezogene Basiskompetenzen aneignen zu können. Ohne technisch-gestalterische und mediendidaktische Basiskompetenzen ist es nicht möglich, Medien zielführend mit fachdidaktischen Themen zu verknüpfen und pädagogisch-didaktisch situationsadäquat einzusetzen. • Die Zusammenarbeit in interdisziplinären Dozenten-Teams hat sich bewährt. Unterschiedliche Herangehensweisen an die Lerngegenstände und Vorstellungen von Lernprozessen konnten produktiv nutzbar gemacht werden und regten Studierende an, über das eigene Verständnis von Kindheit, Medien, Bildung, Lernen und die eigene Rolle als künftige Lehrer*innen nachzudenken. • Für Studierende und Lehrende war die Mitwirkung an dem Projekt mit einem hohen Arbeitsaufwand verbunden. Hieraus resultieren zwar interessante Erfahrungen und Erkenntnisse, aber ohne die personellen und finanziellen Projektressourcen kann dies nicht in gleicher Weise in der alltäglichen Hochschulpraxis fortgeführt werden. Hier stellt sich für die zuständigen Gremien die Aufgabe, geeignete Rahmenbedingungen für eine Grundbildung Medien für alle Pädagogik-Studierende zu schaffen. Rückblickend sind Erfahrungs- und Reflexionsräume für Studierende zur Auseinandersetzung mit dem eigenen Verständnis über Kindheit, Medien, Bildung und Lernen und damit verknüpften Orientierungsmustern sowie ein erprobendes und experimentelles Handeln mit digitalen Medien besonders hervorzuheben. Die Relevanz der Auseinandersetzung mit Orientierungsmustern belegen auch empirische Studien (vgl. Brüggemann 2013; Bastian & Aufenanger 2015; Kulcke 2019). So analysierte Kulcke nach der Auswertung von 11 Gruppendiskussionen mit insgesamt 40 Grundschullehramtsstudierenden u. a. folgende Orientierungsmuster: Studierende möchten die Mediennutzung von Kindern dosieren und kontrollieren; mit dem Einsatz digitaler Medien im Unterricht verbinden sich Ängste, die Kontrolle über den Unterricht zu verlieren; digitale Medien sollen sich in bestehende Unterrichtsmethoden einfügen, diese aber nicht verändern (Kulcke 2019, S. 198 ff.). „Meine Studie zeigt, dass die angehenden Grundschullehrer*innen die individuelle Zuschreibung struktureller Probleme als Überforderung wahrnehmen und die Verantwortung dafür abwehren. Im Studium sind digitale

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Medien daher nicht nur bezüglich ihrer möglichen Effekte auf Lernprozesse in den Blick zu nehmen, sondern es sind die Bildungs- und Subjektivierungsprozesse selbst aufzugreifen“ (ebd., S. 306). Unter hochschuldidaktischen Aspekten sind für solche Bildungs- und Subjektivierungsprozesse und für die Aneignung handlungsbezogener Medienkompetenzen erheblich mehr Seminar- und Werkstattangebote erforderlich – große Vorlesungen können dies nicht leisten. Für eine fächerintegrative Medienbildung ist eine Grundbildung Medien für alle Lehramtsstudierenden essentiell. Mit dem aktuellen „DigitalPakt Schule“ (BMBF 2019) zwischen der Bundesregierung und den Bundesländern werden erhebliche Mittel für die „Digitalisierung der Schulen“ zur Verfügung gestellt. Es ist auffällig, dass die vorherrschende Bildungspolitik und die „Digitaloffensive“ vor allem auf die Schaffung technischer Infrastrukturen und digitalisierungsbezogener Kompetenzen orientiert.12 Von der Notwendigkeit einer „umfassenden Medienkompetenz durch Medienbildung“, von der noch in dem Beschluss der Kultusministerkonferenz von 2012 die Rede war (KMK 2012), ist aktuell kaum noch etwas übrig geblieben (siehe KMK 2016). Eine kritische Analyse diverser Dokumente dieser „Digitaloffensive“ zeigt: Es geht um eine individuelle Kompetenzerweiterung, um sich stets aufs Neue digitalen Innovationen und gesellschaftlichen (und vor allem ökonomischen) Verwertungszusammenhängen anzupassen (vgl. z. B. Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. 2018, S. 60 f.). Die Ziele und Strukturen der gegenwärtig dominanten gesellschaftlichen und ökonomischen Verwertungszusammenhänge werden dabei nicht hinterfragt (vgl. Niesyto 2018, S. 54 ff.). Auch ist darauf hinzuweisen, dass der Einfluss der (Internet-)Wirtschaft auf die schulische Bildung immer größer wird. Während Wissenschaftsministerien und die meisten Hochschulen sich nicht in der Lage sehen, eine umfassende Medienbildung breitenwirksam und verbindlich in pädagogischen Studiengängen zu verankern (vgl. Knaus et al. 2018, 30 f.), bieten diverse Firmen Schulen kostenlose Workshops für Lehrkräfte und kostenlose Unterrichtsmaterialien an. Über verschiedene Werbemaßnahmen gibt es inzwischen subtile und offene Formen der Beeinflussung. Auch ist eine zunehmende Verflechtung von Bildungspolitik und Digitalwirtschaft unter dem Label „Digitale Bildung“ zu beobachten (vgl. Schmerr 2019).

12Exemplarisch

für diese „Digitaloffensive“ sollen folgende Akteure, Dokumente und Plattformen genannt werden: BMBF 2019; Bundesverband digitale Bildung; Bildung digital; Charta digitale Bildung (2019); Netzwerk digitale Bildung; Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. (2018).

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Die Bezeichnung „Digitale Bildung“ ist nicht nur sachlich falsch (vgl. Vollbrecht 2018), sondern verkürzt zugleich den Blick auf die Vieldimensionalität der pädagogischen Aufgabenstellung – so ist jedenfalls einer meiner Bilanzpunkte am Ende des Projekts dileg-SL und nach der Beobachtung der bundesweiten Diskussion in den letzten Jahren. Immer mehr an den Rand geraten grundlegende Fähigkeiten, die für Bildungs- und Lernprozesse elementar sind, wie z. B. Reflexions- und Kritikfähigkeit, bildungs- und lerntheoretische Grundlagen und elementare pädagogisch-didaktische und medienpädagogische Kompetenzen. Der Digital-Hype übersieht, dass es neben Wandel und „Disruption“ auch Kontinuitäten gibt. Auch unter Bedingungen einer „digitalen Medialität“ (Jörissen 2014) und einer „Kultur der Digitalität“ (Stalder 2016) geht es nach wie vor um die Aneignung grundlegender Kompetenzen zu wortund schriftsprachlichen, zu visuellen und audiovisuellen, zu musikalischen und anderen Zeichen- und Symbolsystemen. Digitale Technik und digitale Ästhetik verändern zwar bisherige analoge Zeichen- und Symbolsysteme und es ist wichtig sich digitalisierungsbezogene Kompetenzen anzueignen und die Funktionen und Spezifika digitaler Informationsverarbeitung zu verstehen und zu bewerten (vgl. Kerres 2018, S. 2). Digitale Technik und digitale Ästhetik führen jedoch nicht generell zum Verschwinden analoger Zeichen- und Symbolsysteme und damit verbundenen Erfahrungen. In digital- und medienkritischer Perspektive ist zu formulieren: „Nur im Kontext von nicht-digitalen Erfahrungen lässt sich erkennen, was digital begrenzt wird bzw. digital nicht oder noch nicht möglich ist“ (Kulcke 2018, S. 188). Wie in diesem Beitrag ausgeführt, ist gerade aus grundschulpädagogischer Perspektive immer wieder das Zusammenspiel unterschiedlicher Erfahrungsmodi von Welt zu betonen. Im Sinne einer handlungsorientierten Medienbildung geht es zugleich darum, bisherige medienpädagogische Ansätze zu erweitern. Exemplarisch hierfür sind MakerSpace-Projekte zu nennen, die als innovative Lernumgebungen für eigenverantwortliches, kreatives und kollaboratives Arbeiten mit analogen und digitalen Technologien auch altersangemessen, milieusensibel und reflexiv entwickelt werden können (vgl. Ingold et al. 2019). Eine handlungsorientierte und kritisch-reflexive Medienbildung an Hochschulen kann dabei an curricularen Vorschlägen anknüpfen, wie sie z. B. im Orientierungsrahmen Medienpädagogik der Sektion Medienpädagogik in der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (2017) entwickelt wurden. Dieser Orientierungsrahmen enthält grundlegende medienpädagogische Themen- und Kompetenzfelder und ist anschlussfähig für allgemein- und schulpädagogische

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Aufgabenstellungen und für Kooperationen mit den Fachdidaktiken. Der Orientierungsrahmen beinhaltet auch den Vorschlag einer Grundbildung Medien für alle Lehramtsstudierenden und ist offen für curriculare Ausgestaltungen, auch unter Berücksichtigung von Anteilen der informatischen Bildung.13 Im Rahmen des Verbundprojekts „Digitales Lernen Grundschule“ entstanden auch Vorschläge für curriculare und hochschuldidaktische Ausgestaltungen in der künftigen Primarstufenbildung (vgl. die Beiträge von Junge et al.; Irion & Ruber; Hauck-Thum; Kirch & Nitsche; Goetz& Kortenkamp in Junge & Niesyto 2019). Die Gesamtevaluation zum Verbundprojekt hielt hierzu fest: „An einigen Hochschulen hat das Projekt insgesamt auch zu einem Nachdenken über veränderte Curricula in der Lehrerbildung, über erweiterte Lehrveranstaltungen sowie zu verpflichtenden Anteilen von Medienbildung für die Studierenden geführt, was für dessen Nachhaltigkeit spricht“ (Aufenanger et al. 2019, S. 309). Auf dem Hintergrund der dargestellten Befunde und Analysen ergeben sich aus meiner Sicht einige Schlussfolgerungen, die in Form von Thesen zusammengefasst werden sollen: 1. Eine Grundbildung Medien ist ein wichtiger Beitrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit, damit Lehrpersonen Grundschulkinder in verschiedenen Fächern und in fachübergreifenden Projekten medienpädagogisch und -didaktisch kompetent begleiten und unterstützen können. 2. Eine Grundbildung Medien für Pädagogik-Studierende orientiert sich an einem umfassenden Verständnis von Medienbildung (u. a. KBoM 2011; KMK 2012; Sektion Medienpädagogik 2017). In der Primarstufenbildung sollten in einer solchen Grundbildung auch informatische Anteile und digitalisierungsbezogene Kompetenzen enthalten sein (siehe Fußnote 13). 3. Wer die Einschätzung teilt, dass alle Lehramtsstudierende über eine Grundbildung Medien verfügen sollten, der kommt nicht umhin, Hochschulen genügend Personal und Sachmittel zur Verfügung zu stellen. Hier besteht ein sehr großer Handlungsbedarf seitens der dafür zuständigen Ministerien und Gremien (vgl. Knaus et al. 2018, S. 30 ff.).

13Siehe

hierzu die Themenhefte 25 (2016) und 33 (2018) der Online-Zeitschrift „MedienPädagogik“ (https://www.medienpaed.com/issues), den Heftschwerpunkt in „medien + erziehung“ (Heft 4/2018) sowie Gesellschaft für Informatik (2019).

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4. An Hochschulen lässt sich eine Grundbildung Medien vor allem durch die Kooperation von Bildungswissenschaften und Fächern realisieren. Angebotsstrukturen sind auch auf dem Hintergrund der jeweiligen lokalen Profile zu entwickeln (vgl. Imort & Niestyo 2014). Vorhandene Modelle sollten verstärkt dokumentiert und zum Gegenstand des fachlichen Austauschs werden. 5. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass eine rein fächerintegrative Perspektive nicht ausreicht, um Medienbildung – auch im Kontext des digitalen Wandels – breitenwirksam und nachhaltig an Schulen zu verankern (vgl. Tulodziecki 2017, S. 51 f.). Es ist notwendig, dass Medienbildung (mit informatischen Anteilen) neben einer Grundbildung (für alle Studierende) längerfristig auch als wählbares Fach in das grundständige Studienangebot integriert wird, damit an Schulen auch Fachlehrkräfte mit einem vertieften Medienwissen für einen Lernbereich Medienbildung vorhanden sind. Ohne eine ausreichende Qualifizierung und Professionalisierung der Lehrpersonen (dies betrifft auch die 2. und 3. Phase der Lehrerbildung) wird die „Digitaloffensive“ der Bundesregierung und weiterer Akteure darauf hinauslaufen, Medienbildung auf die Einführung von Digitaltechnik zu reduzieren, ergänzt um einige Kurse zu digitalisierungsbezogenen Kompetenzen und Datenschutzfragen. Dieser Entwicklungstrend wird dazu führen, dass kommerziellen Anbietern und Interessen an Schulen immer mehr Tür und Tor geöffnet wird. Wir brauchen aber keine technologieorientierte Medienbildung und kein informatikbezogenes Propädeutikum im Grundschulalter zur Vorbereitung auf „Industrie 4.0“ und „Künstliche Intelligenz“, sondern eine handlungsorientierte, kreative und kritisch-reflexive Medienbildung zur Förderung von Bildungs- und Lernprozessen, bei denen die Kinder mit ihren Fragen, Anliegen, Themen und Formen der Weltaneignung im Mittelpunkt stehen. Schule sollte insgesamt mehr neue Räume für die Erfahrung von Selbstwirksamkeit und für soziale und gesellschaftliche Teilhabe erschließen. Schiefner-Rohs ist zuzustimmen, wenn sie schreibt: „Schule in einer digitalisierten Gesellschaft erfordert es, die Blickrichtung zu weiten: Es geht nicht primär um die Frage der Integration digitaler Medien in die Schule und dementsprechende ‚Re-Formen‘ und Schulentwicklungsprojekte, sondern es geht sowohl um die Anerkennung und Analyse aktueller Handlungspraktiken als auch um ein Neu- und Anders-Denken von Schule bzw. schulischen Medienbildungsräumen und damit um nichts anderes als eine Transformation von Schule als Organisation“ (Schiefner-Rohs 2017, S. 166).

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Zur Stabilisierung medienbezogener Handlungsroutinen im Lehrer*innenberuf – längsschnittliche Betrachtungen zur Integration von Tablets in den Arbeitsalltag Lukas Dehmel, Lara Gerhardts und Dorothee M. Meister 1 Einleitung Die Digitalisierung und die mit ihr einhergehenden gesellschaftlichen Transformationsprozesse stellen auch und insbesondere für das Berufsfeld Schule eine der zentralen Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft dar (vgl. etwa KMK 2016). Ein aus medienpädagogischer Sicht zentrales Thema ist das mobile Lernen und Arbeiten mit Tablets. Während sich bereits ein reger Forschungsdiskurs zum Lernen von Schüler*innen mit Tablets entwickelt hat (vgl. z. B. Bastian und Aufenanger 2017; Friedrich et al. 2015), wird die Aneignung mobiler Medientechnologien im Rahmen des professionellen Handelns von Lehrkräften in der Forschungsliteratur bislang nur vereinzelt berücksichtigt. Unser Beitrag adressiert diese Forschungslücke und knüpft an erste Ergebnisse hinsichtlich des medialen Aneignungsprozesses an (vgl. Gerhardts et al. im Druck). Wenngleich die Thematik klar im Schulzusammenhang verortet ist, scheint es angesichts unserer Fokussierung auf lehrerseitige Aneignungsprozesse geboten, L. Dehmel (*) · L. Gerhardts · D. M. Meister  Institut für Medienwissenschaften, Universität Paderborn, Paderborn, Deutschland E-Mail: [email protected] L. Gerhardts E-Mail: [email protected] D. M. Meister E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. M. Meister und I. Mindt (Hrsg.), Mobile Medien im Schulkontext, Medienbildung und Gesellschaft 41, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29039-9_6

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L. Dehmel et al.

eine erwachsenenbildungstheoretische Sicht einzunehmen. Wir betrachten Schule hier als Ort des Arbeitens und beruflichen (Weiter-)Lernens von Lehrkräften, der somit nicht allein schultheoretischer, sondern auch erwachsenenpädagogischer Reflexionen bedarf (vgl. hierzu auch Behr 2017, S. 19). In Anknüpfung an den Diskurs um berufliches Lernen und Arbeiten mit mobilen Medientechnologien (siehe Abschn. 2) eröffnet sich eine bislang kaum berücksichtigte Perspektive auf den Lehrer*innenberuf und damit auch die Möglichkeit, neuartig gerahmte Erkenntnisse hinsichtlich der pädagogischen Arbeit mit Tablets zu gewinnen. Die in diesem Beitrag dargestellten Ergebnisse basieren auf unserer Begleitforschung zu einer stadtweiten Initiative zur Digitalisierung von Schulen in einer nordrhein-westfälischen Großstadt. Im Rahmen dieser Ausstattungsinitiative haben insgesamt 37 öffentliche schulische Einrichtungen eine einheitliche IT-Infrastruktur erhalten. Die Stadt stellt dafür eigens eingerichtete Server zur Verfügung. Alle Lehrkräfte und alle Schüler*innen verfügen über eigene E-Mailadressen, an sämtlichen Schulen ist flächendeckendes W-LAN verfügbar und die Klassenräume sind zusätzlich zur klassischen Kreidetafel mit einem interaktiven Whiteboard ausgestattet. Außerdem erhalten alle Lehrkräfte ein eigenes Dienst-Tablet (iPad Pro), dessen berufliche Aneignung im Mittelpunkt unserer qualitativen Längsschnittstudie steht. Das Tablet darf auch im privaten Umfeld genutzt werden. Da die Ausstattung der Lehrkräfte im Primarbereich bereits abgeschlossen ist, konzentrieren sich unsere Analysen auf drei städtische Grundschulen, die im Sinne maximaler Kontrastivität und Aussagekraft exemplarisch ausgewählt werden. Das längsschnittliche Forschungsdesign umfasst zwei Datenerhebungsphasen: Die erste Erhebung erfolgte sechs Monate nach Aushändigung der Dienst-Tablets; die zweite Erhebung wurde ein Jahr später (18 Monate nach Erhalt der Dienst-Tablets) an denselben Schulen durchgeführt. Zu Beginn bestand das Forschungsinteresse darin zu rekonstruieren, wie der erste Zugang zu dem neuen Arbeitsgerät genau abläuft und welche äußeren Kontextbedingungen hierfür relevant werden (vgl. Gerhardts et al. im Druck). Im weiteren Verlauf rückt nun die Frage in den Mittelpunkt, welche tabletbezogenen Handlungsroutinen sich im Alltag der Grundschullehrkräfte zusehends stabilisieren, auf welche Weise sich diese Stabilisierung vollzieht und welche Einflussfaktoren bei fortgeschrittenen Aneignungsprozessen wirksam werden. Im Folgenden soll der Forschungsgegenstand zunächst in den Diskurs der Erwachsenen- und Weiterbildungswissenschaft um das berufliche Lernen mit mobilen Medientechnologien eingeordnet werden (Abschn. 2). Anschließend erörtern wir unter Bezugnahme auf Nohls Überlegungen zu einer „Pädagogik der Dinge“ unsere theoretischen Annahmen bezüglich des Verhältnisses zwischen Mensch und Medientechnologie bzw. Lehrkraft und Tablet, bevor das methodische Vorgehen bei der Datenerhebung und -auswertung beschrieben wird

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(Abschn. 3). Auf dieser Basis werden sodann die Analyseergebnisse zum ersten Erhebungszeitraum berichtet und in Form eines Modells zusammengefasst, das den Prozess der Tabletaneignung von Lehrkräften veranschaulicht (Abschn. 4). Darauf aufbauend werden im nächsten Schritt unsere Analyseergebnisse zum zweiten Erhebungszeitraum dargestellt und diskutiert (Abschn. 5). Abschließend beschäftigen wir uns im Fazit mit den weiteren Implikationen hinsichtlich der Konzeption von Fortbildungsangeboten (Abschn. 6).

2 Thematische Verortung im Bereich der Erwachsenen- und Weiterbildungsforschung Das berufliche Lernen und Arbeiten mit mobilen Medientechnologien lässt sich in zweierlei Hinsicht in der neueren Diskussion der Erwachsenen- und Weiterbildungswissenschaft wiederfinden. Zum einen wird es im Kontext der Entgrenzung des informellen und des non-formalen (oder auch nicht-formalen) Lernens1 im Zuge des zeit- und ortsunabhängigen Zugriffs auf online verfügbare Wissensbestände verhandelt. Mobile Medien werden hier also als Lernmittel thematisiert, d. h. als Ressourcen, die zur Bewältigung privater wie auch beruflicher Anforderungen zu nutzen sind. Zum anderen lassen sich mobile Medientechnologien selbst als neue, sich ständig wandelnde Lerngegenstände verstehen, die im Kontext der Digitalisierung2 des (Arbeits-)Alltags angeeignet und in private und berufliche Handlungsroutinen integriert werden müssen. Letzteres hat bislang aber erst randständig Eingang in Diskurse der Erwachsenen- und Weiterbildung gefunden.

1Der

Begriff des informellen Lernens und dessen Abgrenzung zum non-formalen und zum formalen Lernen wird kontrovers diskutiert (vgl. Rohs 2016). Aus pragmatischen Gründen nutzen wir im Folgenden die vielzitierten (wenn auch nicht ganz unumstrittenen) Definitionen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften aus dem Jahr 2000. Demnach ist das formale Lernen an Bildungs- und Ausbildungsinstitutionen gekoppelt und mit einer Zertifizierung verbunden. Das non-formale Lernen findet „außerhalb der Hauptsysteme der allgemeinen und beruflichen Bildung statt und führt nicht unbedingt zum Erwerb eines formalen Abschlusses“, ist aber mit einer Lernintention verknüpft (ebd., S. 9). Beim informellen Lernen handelt es sich um eine „natürliche Begleiterscheinung des täglichen Lebens“, die nicht notwendigerweise mit einem intentionalen Wissenserwerb einhergeht und eher im Vorübergehen geschieht (ebd., S. 9 f.).

2Für

eine genauere Auseinandersetzung mit dem Digitalisierungsbegriff siehe GrafSchlattmann et al. 2019, Kap. „Digitalisierung – Revolution des Lernens?“. Im Anschluss verstehen wir Digitalisierung als einen soziotechnischen Wandlungsprozess, der mit graduellen Veränderungen (d. h. Modifikation und Erweiterung bisheriger Arbeitsformen) und disruptiven Veränderungen (Ersetzung bisheriger Arbeitsformen) einhergeht.

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L. Dehmel et al.

2.1 Zum Diskussionsstrang „Mobile Medien als Lernmittel der Erwachsenen- und Weiterbildung“ Da es sich beim informellen und non-formalen Lernen um „nebenbei“ ablaufende Prozesse handelt, gestaltet sich ihre empirische Operationalisierung nicht ganz einfach (vgl. Kaufmann 2016, S. 70). Dennoch sollten Forschungsanstrengungen verstärkt in diese Richtung gehen, da anzunehmen ist, dass ein Großteil des beruflichen Lernens außerhalb von formalisierten Kontexten stattfindet und dem informellen und dem non-formalen Lernen ein entscheidender Stellenwert für den Erwerb beruflicher Handlungskompetenzen zukommt.3 Mobile Medien bieten insbesondere durch ihre Internetfähigkeit weitreichende Möglichkeiten, das informelle und non-formale Lernen zu unterstützen. Sie gestatten Zugang zu schier unbegrenzten Mengen an Wissen, dessen Abruf grundsätzlich keinen festen Raumgrenzen unterliegt und zu jeder Zeit möglich ist (vgl. etwa Dehnbostel 2019; Iske 2016). Am Arbeitsplatz benötigte Informationen können „just in time und just in place“ beschafft und selbstständig in Arbeitsprozesse integriert werden (Rohs 2017, S. 223 f.). Arbeitnehmer*innen können nicht nur am Arbeitsplatz selbst, sondern immer und überall lernen und sich zur Bewältigung weitreichender Arbeitsmarktanforderungen permanent selbstständig weiterbilden. Empirische Ergebnisse zeigen, dass sich das Lernen Erwachsener keinen festen Orten mehr zuschreiben lässt, sondern in ganz verschiedenen Alltagskontexten stattfindet (vgl. Kraus 2016). Wenig überraschend kristallisiert sich das Smartphone als dasjenige Endgerät heraus, das außerhalb von formalisierten Curricula der beruflichen Bildung besonders häufig zum Lernen eingesetzt wird (vgl. Ang et al. 2018, S. 93). Dieser Trend eines „digitale[n] Weiterbildungsnomadismus“ (vgl. Meister und Herold 2006), innerhalb dessen die Individuen eigenverantwortlich und informell/non-formal mit digitalen Medien lernen und den formalisierten Lernangeboten der berufsbezogenen Weiterbildung der Status von strukturgebenden Ankerpunkten zukommt, wird schon länger diskutiert. Im Zuge der flächendeckenden Verbreitung von mobilen Endgeräten gilt er heutzutage nun umso mehr.

3Dehnbostel

(2018, S. 277) nennt mit Rekurs auf verschiedene Untersuchungen einen Wert von 60 bis 80 %.

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2.2 Zum Diskussionsstrang „Mobile Medien als Lerngegenstände der Erwachsenen- und Weiterbildung“ Im Bereich der Erwachsenenbildungsforschung sind mobile Medien als Lerngegenstände trotz der fortgeschrittenen Digitalisierung nahezu aller Lebens- und Arbeitsbereiche bislang unzureichend erforscht. Aus bisherigen Arbeiten lassen sich jedoch einige Eckpunkte zur Diskussion von Lernanforderungen, die mobile Medientechnologien an Arbeitnehmer*innen stellen, extrahieren. Harteis definiert drei unterschiedliche Ebenen, auf denen die Digitalisierung des Arbeitsplatzes für das berufliche Lernen relevant wird: (a) die Technologieebene („Technology“), (b) die Organisationsebene („Organization“) und (c) die Arbeitnehmer*innenebene („Workers and Employees“) (vgl. Harteis 2018; Harteis 2019). Zu (a) Technologieebene: Unbestritten ist, dass neue digitale Technologie heutige Berufsbilder und ihre Aufgabenbereiche massiv verändert und die kontinuierliche Weiterentwicklung weitreichende neue Lernanforderungen an Arbeitnehmer*innen stellt (vgl. Faulstich 2018, S. 948 f.). Diese sehen sich ständig mit neuen Anforderungen konfrontiert und müssen sich am Arbeitsplatz mit neuer Software, neuen technischen Apparaturen und technisch ermöglichten (automatisierten) Arbeitsprozessen auseinanderzusetzen, um ihre Arbeits- bzw. Konkurrenzfähigkeit aufrechtzuerhalten (vgl. Harteis 2018, S. 3; Harteis 2019, S. 87). Diese Entwicklungsdynamik hat prinzipiell keinen Endpunkt, sodass sich die daraus erwachsenden Lernanforderungen über die komplette Berufsbiografie hinweg stellen: „[D]er ‚technische Wandel‘ ist geradezu das Paradeargument für die Notwendigkeit ‚lebenslangen Lernens‘“ (Faulstich 2018, S. 948). Diese allgemeinen Überlegungen gelten auch speziell für die Einführung und dynamische Weiterentwicklung von mobilen Medientechnologien. So stehen Arbeitnehmer*innen in vielen Berufsbereichen vor der Anforderung, sich mit den grundlegenden Funktionsweisen der Geräte und spezifischer Software bzw. spezifischen Apps auseinanderzusetzen, um sie für ihre Arbeit gezielt nutzbar zu machen. Innerhalb von pädagogischen Berufen kommt derzeit insbesondere dem Einsatz von ­Tablet-PCs ein hohes Transformationspotenzial zu, das mit der Notwendigkeit eines beruflichen Umdenkens und entsprechend tiefgreifenden Lernprozessen einhergeht. Zu (b) Organisationsebene: Auf der Organisationsebene zieht die Digitalisierung eine Veränderung der Arbeitsstrukturierung nach sich (vgl. Harteis 2018, S. 4; Harteis 2019, S. 87 f.).

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Die Einführung mobiler Medientechnologien wirkt sich dabei sehr grundlegend auf die Art und Weise aus, wie Arbeitszusammenhänge hergestellt werden. In empirischen Analysen zu ganz unterschiedlichen Berufsgruppen wird hier ein Entgrenzungsprozess deutlich, im Zuge dessen Arbeit immer weniger an bestimmte physische Orte und/oder Zeiten gebunden ist. Daraus resultieren neue Anforderungen insbesondere hinsichtlich des Kommunikationsverhaltens und der Erreichbarkeit von Arbeitnehmer*innen (vgl. z. B. Müller 2018; Carstensen 2016; von Streit 2011). Durch die neuen technischen Möglichkeiten können die Menschen potenziell völlig flexibel von überall aus (also insbesondere auch von zu Hause aus) und zu denjenigen Zeiten arbeiten, die mit ihrem jeweiligen Lebensstil am besten zusammenpassen. Auf der anderen Seite geht dieser Entgrenzungsprozess mit neuen Flexibilitätserwartungen einher, z. B. auch spät abends noch auf dienstliche Anfragen zu reagieren (vgl. ebd.). Durch mobile Medientechnologien kann Erwerbsarbeit verstärkt auch im privaten Kontext stattfinden, sodass die Grenze zwischen Arbeits- und Freizeit immer brüchiger wird. Dieser Prozess ist dann besonders stark, wenn private mobile Endgeräte auch für berufliche Aufgaben genutzt werden (vgl. Carstensen 2015, S. 187 f.). In diesem Zusammenhang wird die Notwendigkeit deutlich, sich verstärkt mit Themen rund um Selbstmanagement, Selbstdisziplin und Selbstkontrolle auseinanderzusetzen, was als Lernaufforderung an die Arbeitnehmer*innen interpretiert werden kann, um unter diesen intensivierten Arbeitsmarktanforderungen zu bestehen (vgl. Carstensen 2016, S. 145 ff.). Zu (c) Arbeitnehmer*innenebene: Auf der dritten Ebene wird neben dem informellen und non-formalen beruflichen Lernen die Beteiligung von Arbeitnehmer*innen an formaler beruflicher Weiterbildung notwendig (vgl. Harteis 2018, S. 4; Harteis 2019, S. 88 f.). Wie in den Ausführungen zum ersten Diskussionsstrang (siehe 2.1) bereits erwähnt, zeigen empirische Studien zwar, dass ein Großteil der beruflich relevanten Handlungskompetenzen durch informelles und non-formales Lernen (v. a. im Arbeitsprozess selbst) erworben wird. Dennoch proklamieren einschlägige Forschungsbeiträge zum Lernen in der digitalisierten Arbeitswelt, dass formalisierte Angebote unabdingbar sind, um berufliches Lernen zu begleiten, in die richtigen Bahnen zu lenken, notwendige Impulse zu geben und so formale, non-formale und informelle Lernprozesse systematisch miteinander zu verflechten (vgl. Dehnbostel 2018; Ifenthaler 2018; de Witt 2013). Das Thema unseres Beitrags – die Stabilisierung tabletbezogener Handlungsroutinen im Lehrer*innenberuf – ist in erster Linie dem zweiten Diskussions-

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strang (siehe 2.2 „Mobile Medien als Lerngegenstände in der Erwachsenen- und Weiterbildung“) zuzuordnen. Unsere zugrunde liegende empirische Studie zielt auf die Ergründung und Charakterisierung jener beruflichen Lernprozesse, die im Zuge der Aneignung und zunehmend routinierten berufsbezogenen Verwendung von Tablets ablaufen. Da traditionell ein beträchtlicher Teil der Arbeit von Lehrer*innen im privaten häuslichen Umfeld stattfindet (vgl. z. B. Rothland 2013, S. 23 f.), erscheint es gerade für diese Berufsgruppe interessant zu rekonstruieren, wie sich die beschriebene Entgrenzung von Arbeit im Zusammenhang mit der Aneignung mobiler Medientechnologien darstellt. Eine Erwachsenen-/Weiterbildungsperspektive auf die Mediennutzung von Lehrkräften einzunehmen, trägt außerdem dazu bei, aktuelle empirische Befunde aus der Schulforschung zu erhellen: So ist seit Jahren festzustellen, dass der Einsatz digitaler Medientechnologien in deutschen Schulen im internationalen Vergleich rückständig ist, d. h. zu selten und insgesamt auf zu niedrigem Niveau stattfindet (vgl. Thom et al. 2017; Bos et al. 2014; Eickelmann et al. 2019). Digitale Medien gehören in Deutschland demnach nicht zum Standardrepertoire am schulischen Arbeitsplatz. Zudem wurden mangelnde Medienkompetenzen und ein tendenziell ablehnender medialer Habitus aufseiten der Lehrkräfte in Deutschland nachgewiesen (vgl. Petko 2012; Gerick et al. 2014; Kommer 2016). Aus Sicht der Erwachsenenbildungsforschung ist vor diesem Hintergrund die Frage zu klären, wie die auf (mobile) Medientechnologien bezogenen Lern- und Arbeitsprozesse von Lehrer*innen im Einzelnen ablaufen, wie sie sich im Zeitverlauf entwickeln und welche Faktoren sich im Anfänger- bzw. Fortgeschrittenenstadium potenziell hemmend oder aber förderlich auswirken. Auf dieser Basis lassen sich fundierte Rückschlüsse für die Lehrer*innenfortbildung ziehen. Im weiteren Sinne weist unser Beitrag auch einen Bezug zum ersten Diskussionsstrang (siehe 2.1 „Mobile Medien als Lernmittel der Erwachsenenund Weiterbildung“) auf. Wie unsere Datenanalysen zeigen werden, hängt die Nutzung des Tablets als Lernmittel zur Erarbeitung beruflich relevanter Inhalte bei den befragten Lehrpersonen mit der Qualität des Aneignungsprozesses zusammen – genauer gesagt: mit dem Erreichen eines fortgeschrittenen Stadiums im Umgang mit dem Tablet. Die technischen Potenziale der Geräte zur Unterstützung von informellen und non-formalen Lernprozessen werden offenbar erst im weiteren Verlauf der Aneignung abgerufen und für berufliches Lernen fruchtbar gemacht (vgl. im Detail Abschn. 5).

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3 Theoriegrundlagen und methodisches Vorgehen zur Rekonstruktion tabletbezogener Aneignungsprozesse Der folgende Abschnitt widmet sich dem theoretischen Rahmen, der unseren Analysen zur Rekonstruktion der Tabletaneignung zugrunde liegt. Leitend ist für uns die Annahme, dass eine rein instrumentelle Perspektive auf das Tablet als „Werkzeug“ der Lehrkraft dem Transformationspotenzial, das digitalen Medien in soziomateriellen Kontexten innewohnt (Allert und Asmussen 2017, S. 62), nicht gerecht wird und dabei wichtige Aspekte des Aneignungsprozesses unberücksichtigt bleiben würden. Um eine verkürzende Betrachtungsweise zu vermeiden, schlägt Welling als theoretischen Unterbau Nohls Arbeiten zu einer „Pädagogik der Dinge“ vor (vgl. Welling 2017), die wir im Folgenden auch zur Grundlage unserer Überlegungen machen. Unter Bezugnahme auf die Akteur-Netzwerk-Theorie (Latour 1998) interpretiert Nohl die Verwicklung von Menschen und Dingen als wechselseitig aktiven Austauschprozess zwischen einem „menschlichen Akteur“ und einem „dinglichen Aktanten“, die sich zu einem „Hybrid-Akteur“ verbinden und in dieser prozessualen Verbindung immer weiterentwickeln (Nohl 2011, S. 92; Nohl und Wulf 2013, S. 5 ff.). Die folgenden Analysen orientieren sich an Nohls theoretischen Überlegungen, d. h. der zu rekonstruierende Aneignungsprozess wird als Entstehung einer „soziodinglichen“ Verbindung zwischen Lehrkraft und Tablet aufgefasst, im Zuge deren ein von Nohl so bezeichneter „Hybrid-Akteur“ aus beiden entsteht und sich permanent weiterentwickelt (vgl. Nohl 2011, S. 91 ff.). Aus dieser theoretischen Perspektive lassen sich die Vorgänge zwischen Lehrkraft und Tablet folgendermaßen greifen:4 Durch seine funktionale und materielle Beschaffenheit stellt das Tablet als dinglicher Aktant einen Möglichkeitsraum her, der verschiedene Verwendungsweisen „nahelegt“ und andere wiederum verschließt (vgl. ebd., S. 98). Es obliegt nun den Aktivitäten der Lehrkraft, diesen Möglichkeitsraum zu erkunden und die durch das Gerät ermöglichten Operationen reflexiv für die Erfüllung von anvisierten Handlungszielen (im vorliegenden Fall also ein berufliches Lernziel) zu nutzen. Menschlicher Akteur und dinglicher Aktant sind prozessual miteinander verwoben und somit wechselseitig aufeinander bezogen. Im Zuge seiner (Weiter-) Entwicklung generiert der Hybrid-Akteur immer neue „Dingfunktionen“, womit

4Die

folgende Zusammenfassung unserer theoretischen Annahmen beruht auf der detaillierteren Darstellung in Gerhardts et al. (im Druck).

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Nohl darauf verweist, dass aus der soziodinglichen Praxis heraus stets neue Möglichkeiten geschaffen werden, wie Gegenstände für unterschiedlichste Handlungsziele genutzt werden können (vgl. ebd., S. 96 ff.). Neue, bislang unbekannte Dingfunktionen können sich mitunter sehr stark von denjenigen „Handlungsprogrammen“ unterscheiden, die einem Gegenstand, beispielsweise vonseiten des Herstellers, zugedacht waren (vgl. ebd.). In seiner Rezeption der Akteur-Netzwerk-Theorie gibt Nohl hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Menschen und Dingen zu bedenken, dass es (zumindest bislang) lediglich dem menschlichen Akteur möglich ist, reflexiv und kritisch zu denken und in grenzwertigen Situationen ggf. von stabilisierten Handlungsroutinen wieder abzuweichen. Mit Rekurs auf Rammert und Schulz-Schaeffer (2002) hebt Nohl hervor, dass es sich bei der soziodinglichen Formierung eines Hybrid-Akteurs zwar um einen reziproken Austausch zwischen Mensch und Ding handelt, letztlich jedoch allein der menschliche Part die Aktivitäten des Hybrid-Akteurs insgesamt reflektieren und die weitere Entwicklungsrichtung ­ intentional bestimmen könne (und müsse) (vgl. Nohl 2011, S. 43 ff.; Nohl 2013, S. 192 f.) Des Weiteren bezieht sich Nohl für seine konzeptionellen Überlegungen zum Entstehungsprozess des Hybrid-Akteurs auf John Dewey (1989) und dessen Rezeption der Arbeiten von Charles Sanders Peirce. Demnach vollzieht sich das beschriebene prozessuale Zusammenwachsen von Mensch und Ding in den drei aufeinander folgenden Phasen der „Erstheit“, der „Zweitheit“ und der „Drittheit“ (vgl. Nohl 2011, S. 101 f.). In der Phase der „Erstheit“ kommt es zur Entfaltung von „spontanen Gefühlsqualitäten“, wenn der menschliche Akteur und der dingliche Aktant zum ersten Mal zusammentreffen (vgl. ebd.). Im Rahmen unserer eigenen Untersuchungen sprechen wir diesbezüglich von der Phase der affektiven Erstreaktionen (vgl. Gerhardts et al. im Druck). Die anschließende Phase der „Zweitheit“ markiert in Nohls Überlegungen das Vorstadium eines handlungsfähigen Hybrid-Akteurs. Auf Grundlage der affektiven Erstreaktionen kommt es nun zu initialen Austauschprozessen zwischen Mensch und Ding, in denen erste Handlungsoptionen ausgelotet und auf die Probe gestellt werden (vgl. Nohl 2011, S. 101). Wir bezeichnen dies als Phase der tentativen Austauschpraktiken zwischen Lehrkraft und Tablet (vgl. Gerhardts et al. im Druck). In der Phase der „Drittheit“ stabilisieren sich diese initialen Austauschpraktiken zwischen Mensch und Ding und werden zu alltäglichen Handlungsroutinen, sodass sich ein effizient handlungsfähiger Hybrid-Akteur formiert (vgl. Nohl 2011, S. 102). Wir bezeichnen dies als Phase der routinierten Austauschpraktiken zwischen Lehrkraft und Tablet (vgl. Gerhardts et al. im Druck). Entscheidend ist in diesem

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Zusammenhang, dass diese Stabilität von etablierten Handlungsroutinen immer nur temporär gegeben ist. Anders ausgedrückt sind Hybrid-Akteure niemals „fertig“ ausgebildet. Vielmehr müssen sie sich in bestimmten Zeitabständen immer wieder weiterentwickeln, um unter gewandelten Kontextbedingungen handlungsfähig zu bleiben. Die Entwicklungen des Hybridakteurs verändern dabei sowohl den dinglichen Aktanten als auch den menschlichen Akteur (vgl. Nohl 2011, S. 102). Die beschriebene Drei-Phasen-Struktur der Entwicklung von Hybrid-Akteuren diente uns als heuristischer Rahmen zur Systematisierung des methodischen Vorgehens bei der empirischen Untersuchung der Tabletaneignung von Lehrkräften. Dementsprechend wurde die Datenerhebung derart konzipiert, dass aussagekräftiges Datenmaterial bezüglich affektiver Erstreaktionen, tentativer sowie routinierter Austauschpraktiken zu erwarten war. Im Einzelnen wurden folgende Methoden trianguliert: Die Datenerhebung erfolgte mittels qualitativer leitfadengestützter Einzelinterviews, Gruppendiskussionen und Unterrichtsbeobachtungen. Unter Beteiligung von (Klassen-)Lehrer*innen, medienbeauftragten Lehrkräften, Schulleitungen und Sonderpädagog*innen, die kontrastiv ausgewählt wurden, konnten in zwei Erhebungszeiträumen im Abstand von einem Jahr insgesamt 15 leitfadengestützte Interviews (1. Erhebung: 8 // 2. Erhebung: 7) sowie sechs Gruppendiskussionen (1. Erhebung: 3 // 2. Erhebung: 3) durchgeführt werden. Die Unterrichtsbeobachtungen beliefen sich auf insgesamt 20 Schulstunden (1. Erhebung: 13 // 2. Erhebung: 7). Die Datenauswertung erfolgte gemäß den Prinzipien der strukturierenden Qualitativen Inhaltsanalyse. Dabei wurde die deduktiv-induktive Variante der Kategorienbildung realisiert (vgl. Kuckartz 2016). Die Oberkategorien wurden deduktiv in Anlehnung an Nohls theoretische Überlegungen zur Ausbildung von Hybrid-Akteuren definiert (s. o.). Subkategorien wurden induktiv aus den empirischen Datenmaterialien gewonnen.

4 Zur Grundstruktur tabletbezogener Aneignungsprozesse im professionellen Handlungskontext von Lehrer*innen – Analyseergebnisse im Anschluss an Erhebungszeitraum I Die im Anschluss an den ersten Datenerhebungszeitraum (sechs Monate nach Aushändigung der Tablets) durchgeführten Analysen von Interviews, Gruppendiskussionen und Unterrichtsbeobachtungen haben wesentliche Erkenntnisse

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hinsichtlich des Erstzugangs der Lehrkräfte zu ihrem neuen Arbeitsgerät sowie hinsichtlich des generellen Ablaufs des Aneignungsprozesses erbracht. Diese ersten Analyseergebnisse bilden somit auch die Grundlage für unsere weiteren Untersuchungen zur Stabilisierung tabletbezogener Handlungsroutinen. In Abschn. 4 sollen daher zunächst die basalen Ergebnisse zum ersten Erhebungszeitraum zusammengefasst werden5, bevor Abschn. 5 sich dann ausführlich den Ergebnissen des zweiten Erhebungszeitraums (18 Monate nach Aushändigung der Tablets) widmet. Eine erste grundlegende Feststellung betrifft die Passung zwischen Theorie und Empirie. Unseren theoretischen Annahmen entsprechend zeigt sich, dass die Formierung eines solch komplexen Hybrid-Akteurs, wie er im Falle des Zusammenwirkens von Lehrpersonen und Tablets anzunehmen ist, den menschlichen Part vor besondere Herausforderungen stellt. Insbesondere durch die Installation von Updates für das Betriebssystem und/oder von neuen Apps (und deren Updates) erweist sich das Tablet als höchst wandelbarer Gegenstand. Mit jeder Veränderung aufseiten des Geräts und seiner diversen Funktionen wandelt sich immer auch der bereitgestellte Möglichkeitsraum für die Lehrperson, die jedes Mal aufgefordert ist, sich erneut mit dem Gerät auseinanderzusetzen und die bereits entwickelten beruflichen Handlungsschemata anzupassen. Zusammenfassend gesprochen changiert das professionelle Handeln der Lehrkraft andauernd zwischen einem Zustand der Sicherheit (in dem sich die Handlungsroutinen des Hybrid-Akteurs im beruflichen Handeln vorläufig stabilisieren) und einem Zustand der Irritation (wenn nämlich eine Veränderung des Geräts eine erneute Auseinandersetzung erfordert). Während der erneuten Auseinandersetzung mit dem Gerät können die Lehrkräfte auf die in zurückliegenden Lernprozessen generierten Kompetenzen zurückgreifen, sodass sich der Hybrid-Akteur anschließend auf einer höheren Ebene weiterentwickelt. Diese Zusammenhänge, die sich bereits in den Daten des ersten Erhebungszeitraums abzeichnen, haben wir im Zuge unserer ersten Auseinandersetzung mit den Interviews, Gruppendiskussionen und Unterrichtsbeobachtungen in ein Modell überführt, das im Sinne einer Forschungsheuristik seither alle weiteren Analysen anleitet. Das Modell integriert die aus Nohls theoretischen Überlegungen zur Ausbildung von Hybrid-Akteuren abgeleiteten Phasen (1. Affektive Erstreaktionen, 2. Tentative Austauschpraktiken, 3. Routinierte Austauschpraktiken) und bildet damit die Grundstruktur der hier interessierenden Aneignungsprozesse ab (siehe

5Die Zusammenfassung beruht auf der detaillierteren Darstellung in Gerhardts et al. (im Druck). Dort finden sich auch exemplarische Auszüge aus dem Datenmaterial.

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Abb. 1   Ausbildung und Weiterentwicklung eines Hybrid-Akteurs aus Lehrkraft und Tablet in Anlehnung an Nohl 2011. (Quelle: Gerhardts et al., im Druck)

Abb. 1). Unsere erste Datenerhebung und -analyse (sechs Monate nach Aushändigung der Tablets) bezieht sich auf Ebene 1 des Modells, die Ausbildung des ­Hybrid-Akteurs aus Lehrkraft und Tablet (für Einzelheiten siehe Gerhardts et al. im Druck). Ebene 2 des Modells, also das (frühe) Stadium der Weiterentwicklung des ­ Hybrid-Akteurs, strukturiert unsere Analysen zur zweiten Datenerhebung (18 Monate nach Aushändigung der Tablets) (siehe Abschn. 5). Eine weitere im Forschungsprozess bereits früh gewonnene Erkenntnis besteht darin, dass mit Bezug auf das mobile Endgerät nicht von der Aneignung gesprochen werden kann. Vielmehr vollziehen sich Aneignungsprozesse stets in Bezug auf spezifische Funktionen des neuartigen Arbeitsgeräts, bezüglich einzelner Apps usw. So formiert sich ein vielschichtiger Hybrid-Akteur mit einer ganzen Reihe unterschiedlicher Dingfunktionen innerhalb des professionellen Handlungskontexts, angefangen bei der Visualisierung von Arbeitsaufgaben, Unterrichtsinhalten (bspw. mithilfe der App „Explain Everything“) und ­-ergebnissen der Schülerinnen und Schüler sowie dem Einsatz fachspezifischer Übungsprogramme (z. B. der Mathe-App „Blitzrechnen“) über die Durchführung

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fachübergreifender Foto- und Videoprojekte bis hin zur Klassenorganisation (ebd.)6. Darüber hinaus lieferten unsere Analysen im Anschluss an den ersten Erhebungszeitraum bereits wichtige Erkenntnisse bezüglich relevanter Einflussfaktoren, die sich (potenziell) auf die Tabletaneignung von Lehrer*innen auswirken: Erstens hängt die Qualität und Entwicklungsgeschwindigkeit des sich formierenden Hybrid-Akteurs weit weniger von den technikseitig eröffneten Optionen ab als von den individuellen Handlungsentscheidungen der Lehrperson im Laufe dieses Formierungsprozesses. Innerhalb des Austauschs zwischen Lehrkraft und Tablet werden die für einen effizienten Technikeinsatz neu zu erlernenden Operationen zwar durch den technischen Fortschritt vorgegeben; allerdings entscheidet letztlich die Lehrkraft, welche Updates tatsächlich durchgeführt und welche Apps installiert werden. Inwieweit der Möglichkeitsraum des Hybrid-Akteurs ausgeschöpft wird oder aber ungenutzt bleibt, hängt maßgeblich von technikbezogenen Kenntnissen, Fähigkeiten und Einstellungen der Lehrperson ab. In unserem Datenmaterial aus dem ersten Erhebungszeitraum spiegelt sich dementsprechend bereits im Anfangsstadium der Formierung von Hybrid-Akteuren aus Lehrpersonen und Tablets ein hohes Maß an Heterogenität wider, weil mit den digitalisierungsbedingten neuen Lernanforderungen der „Technologieebene“ (vgl. Abschn. 2.2, Punkt (a)) im Berufsfeld Schule bislang individuell sehr unterschiedlich umgegangen wird. Zweitens lassen sich die allgemeine institutionelle Werthaltung und – ggf. zum Teil vermittelt darüber – die persönliche Einstellung der Lehrkräfte gegenüber der anzueignenden Technologie als aneignungsrelevante Einflussfaktoren identifizieren. Wenig überraschend zeigt sich unseren Daten, dass eine hohe institutionelle und persönliche Aufgeschlossenheit förderlich für die Tabletaneignung ist. Gerade in den Interviews mit den Schulleitungen kommt eine latente Erwartungshaltung gegenüber dem Kollegium zum Ausdruck, sich mit der neuen Technik auch tatsächlich auseinanderzusetzen. Die aus den Interviews und Gruppendiskussionen herausgearbeiteten affektiven Erstreaktionen (siehe

6Eine

tiefergehende Auseinandersetzung mit diesem Aspekt der Aneignung ist bereits durch Meister im Vortrag „Unterrichtspraktiken von Lehrkräften – Veränderungen des Tableteinsatzes im Zeitverlauf“ auf der Jahrestagung Schulforschung und Didaktik der DGfE im September 2019 erfolgt (https://www.dgfe.de/fileadmin/OrdnerRedakteure/Sektionen/ Sek05_SchPaed/SFD/2019_Jahrestagung-Programm_Unterrichtsmedien-im-digitalenWandel.pdf.

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Ebene 1 in Abb. 1) der Lehrkräfte direkt nach Erhalt des Tablets lassen sich nach erwartungsvoll-aufgeschlossenen und kritisch-aufgeschlossenen Reaktionen differenzieren. Ein letzter zentraler Punkt, der durch unsere Datenanalysen auf Basis des ersten Erhebungszeitraums offengelegt wird, betrifft die Verschränkung von formellen, informellen und non-formalen Lernprozessen zu Beginn der Tabletaneignung (d. h. während der tentativen Austauschpraktiken auf Ebene 1, siehe Abb. 1). Die ersten Grundlagen werden den Lehrkräften im Rahmen einer verpflichtenden (1,5-stündigen) Fortbildung unmittelbar nach Aushändigung der Geräte vermittelt. Anschließend folgt in der Regel eine autodidaktische Aneignungsepisode, in der die Lehrkräfte sich eigenständig mit ihrem Tablet auseinandersetzen. Analog zu Forschungsergebnissen zum Erwerb beruflicher Handlungskompetenzen in anderen Berufsbereichen (vgl. Abschn. 2) kommt dem informellen und non-formalen Lernen hier ein erfolgsentscheidender Stellenwert zu. Als förderliche Einflussfaktoren erweisen sich hier, neben dem bereits angesprochenen medienbezogenen Vorwissen und der persönlichen Aufgeschlossenheit der Lehrkraft, insbesondere eine unterstützende Mentalität innerhalb des Kollegiums und des privaten Umfelds, um auftretende Fragen zeitnah klären und Probleme ohne unverhältnismäßigen Aufwand lösen zu können. Auch einige Hemmnisse und Schwierigkeiten treten bereits im frühen Aneignungsstadium zutage: So scheinen die Lehrkräfte sich von institutioneller Seite alleingelassen zu fühlen, sobald technisch komplexere Schwierigkeiten auftreten, die sich nicht ohne Weiteres selbstständig bzw. „en passant“ mithilfe von Kollegen*innen, Freunden oder Familienmitgliedern überwinden lassen. In solchen Fällen wird deutlich, dass ein formalisierter Rahmen zur Unterstützung des Aneignungsprozesses seitens der Schule fehlt. Allgemein wird für die dritte, auf die Arbeitnehmer*innen selbst bezogene Ebene digitalisierungsbedingter neuer Lernanforderungen gefordert, non-formale und informelle Lernprozesse durch formale Weiterbildung systematisch zu unterstützen (vgl. Abschn. 2.2, Punkt (c)). In unserem Erhebungskontext ist allerdings zu konstatieren, dass diese Forderung bislang nur ganz zu Beginn (in Form des Einführungsworkshops) eingelöst wird, danach jedoch ausbleibt. Erste institutionelle Maßnahmen, wie beispielsweise die Etablierung einer festen „Tabletsprechstunde“ oder das Einplanen von Zeitslots für „Best-Practice-Beispiele“ in Konferenzen, werden von den befragten Lehrkräften zwar als Schritt in die richtige Richtung bewertet, sind allein aber offenbar nicht ausreichend. Die unzureichenden institutionellen Rahmenbedingungen erschweren somit den Eintritt in die Phase der routinierten Austauschpraktiken des Hybrid-Akteurs (auf Ebene 1 des Aneignungsprozesses) und im Zuge seiner Weiterentwicklung schließlich auch die Herausbildung

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neuer „Dingfunktionen“ des Tablets (also das Erreichen höherer Ebenen der Aneignung) (siehe Abb. 1).

5 Zur Stabilisierung tabletbezogener Routinen im professionellen Handlungskontext von Lehrer*innen – Analyseergebnisse im Anschluss an Erhebungszeitraum II Im Rahmen des zweiten Erhebungszeitraums ein Jahr später (also 18 Monate nach Aushändigung der Tablets) wurden erneut Interviews, Gruppendiskussionen und Unterrichtsbeobachtungen durchgeführt (siehe Abschn. 3). Unsere vergleichende Datenanalyse zeigt, dass sich im Laufe der Zeit eine gewisse Routine im Umgang mit dem Tablet entwickelt und dass das Gerät zu einem alltäglichen Arbeitsgegenstand avanciert. „Ähm ja die Kollegen haben natürlich immer mehr Erfahrung damit [mit dem Tablet]. Das wird immer/immer selbstverständlicher.“ (Frau B., Schulleiterin im Einzelinterview)

An verschiedenen Stellen im Datenmaterial wird aber auch deutlich, dass die Lehrkräfte das volle Potenzial der Geräte noch nicht ausschöpfen können. Aus der theoretischen Perspektive der „Pädagogik der Dinge“ betrachtet, ist der Erkundungsprozess des technikseitig eröffneten Möglichkeitsraumes also weiterhin im Gange. Zwar stabilisiert sich ein Teil der auf das Tablet bezogenen Dingfunktionen auf einem höheren Niveau als in der Anfangszeit (d. h. Ebene 2 des Modells wird erreicht, siehe Abb. 1). Insgesamt bleibt der Hybrid-Akteur aber noch in vielerlei Hinsicht entwicklungsfähig: „Also ich denke, dass ähm ja im Grunde so eine Routine reingekommen ist.[…] Man hat so, ja so vielleicht so Steckenpferde.[…] Ich glaube [aber], dass noch nicht so das ganze Potenzial was dahintersteckt wirklich genutzt wird.“ (Herr P., Grundschullehrer/Medienbeauftragter im Einzelinterview). „Ähm also grundsätzlich denke ich, dass man so ein bisschen an Routine gewonnen hat und nach wie vor im Grunde immer noch wieder neue Programme oder neue Apps findet, die noch hilfreich sein können.“ (Frau L., Sonderpädagogin im Einzelinterview)

Welche Dingfunktionen die Hybrid-Akteure innerhalb des ersten Jahres stabilisieren, unterscheidet sich je nach Unterrichtsfach und medialem Vorwissen

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der Lehrkraft. Wenig überraschend ist, dass die Weiterentwicklungen der einzelnen Hybrid-Akteure (Ebene 2 des Modells, Abb. 1) sich auf ganz unterschiedlichen Niveaustufen bewegen: Als Beispiel für eine besonders fortschrittliche neue Nutzungsvariante lässt sich etwa die Programmierung von Spielzeugrobotern über die App „Lego-Boost“ anführen, die von zwei technikaffinen Lehrkräften inzwischen im Rahmen einer AG umgesetzt wird. Zu den gängigeren Weiterentwicklungen, von denen beim zweiten Erhebungstermin durchaus auch weniger technikaffine Lehrkräfte berichten, zählen insbesondere der Einsatz neuer fachspezifischer Apps und die regelmäßige unterrichtliche Nutzung verschiedener Onlineangebote (wie z. B. der Plattform „Sofatutor“ oder der ­Open-Source-Anwendung „Codap“). Auch wird von vermehrtem kollaborativen Arbeiten über die Schul-Cloud berichtet, die überwiegend genutzt wird, um gemeinsam Dokumente zu erstellen, über das Tablet abzurufen und auszutauschen. Aus den Interviewmaterialien und insbesondere auch aus den Unterrichtsbeobachtungen des zweiten Erhebungszeitraums lässt sich zudem herausarbeiten, dass die anfänglich festgestellten autodidaktischen Aneignungsweisen sich im weiteren Verlauf des Aneignungsprozess zusehends ausdifferenzieren. Das erneute Durchlaufen einer Phase tentativer Austauschpraktiken (nun auf Ebene 2 des Modells, siehe Abb. 1), insbesondere im Zuge der Installation neuer Apps, ist wie schon der erste Zugang zum Tablet überwiegend durch ­informelles/nonformales Lernen geprägt. Dagegen spielen formale Fortbildungen allenfalls eine randständige Rolle und werden lediglich von einzelnen der befragten Lehrkräfte besucht. Und so selber ausprobieren, klar versucht man einiges und drückt da mal rum und macht dies und das […] ähm klar versucht man das erstmal. Das ist ja schon der sportliche Ehrgeiz, den man (lacht) hat. (Frau S. Grundschullehrerin in Gruppendiskussion). „Man spielt schon damit. Also man/man versucht sich das/das ist so denke ich mal so der/der Neuerungs- und Technikkurs, einem bleibt gar nichts anderes übrig. […] Also erstmal versuche ich es selber.“ (Herr O., Grundschullehrer in Gruppendiskussion)

Des Weiteren lässt sich aus den Datenmaterialien rekonstruieren, dass die Lehrkräfte auftretenden Problemen im Austausch mit dem Gerät im Laufe der Zeit offenbar immer selbstbewusster begegnen. So wird beim zweiten Erhebungstermin kaum noch von Situationen berichtet, in denen das Tablet die entsprechende Lehrkraft vor unlösbare Hürden stellt, d. h. im fortgeschrittenen Stadium des Aneignungsprozesses scheinen die Irritationen durch technik-

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seitige Veränderung geringer zu werden. Offenbar können grundlegende Handlungsschemata im Austausch mit dem Gerät so verinnerlicht werden, dass die Erarbeitung neuer Dingfunktionen vergleichsweise weniger Probleme bereitet und die Lehrkräfte insgesamt selbstsicherer agieren als zu Beginn. Die Steuerung dieses weiterführenden Lernprozesses schreiben einige der interviewten Lehrkräfte nicht sich selbst, sondern dem Gerät zu. „Und die Apple Geräte sind glaube ich schon so konzipiert, dass sie sehr gut diese Selbst/diese Selbstaneignung steuern. Also vieles ist wirklich so, dass man es relativ klar hat, was da jetzt als nächstes kommt.“ (Herr P., Grundschullehrer/Medienbeauftragter im Einzelinterview)

Die wesentlichen Hintergründe dieses Zugewinns an Handlungssicherheit lassen sich anhand der vorliegenden Datenmaterialien ebenfalls rekonstruieren: Die Fortschritte sind in erster Linie auf die ausgeprägte gegenseitige Unterstützung innerhalb des Kollegiums zurückzuführen. Der kollegiale Austausch wird von den Lehrkräften unseres Samples durchweg als sehr hilfreich wahrgenommen und findet, wie schon in der Anfangsphase der Tabletaneignung, größtenteils informell statt. Die Datenauswertung im Anschluss an den zweiten Erhebungstermin zeigt außerdem die Tendenz auf, dass die Schulen ihre Maßnahmen verstärken, um den tabletbezogenen kollegialen Austausch von institutioneller Seite zu unterstützen. Bereits zu Beginn gestartete Versuche zur Schaffung fixer Zeitfenster für den Austausch über tabletbezogene Themen wurden zwischenzeitlich vonseiten der Schulen reflektiert, angepasst und verstetigt sowie ggf. um zusätzliche Maßnahmen erweitert. Die drei Schulen unseres Samples verfolgen hier unterschiedliche Ansätze: Eine der Schulen nimmt eine Art Vorreiterrolle ein, was insbesondere damit zusammenhängen dürfte, dass der hier tätige Konrektor zugleich auch die Funktion des Medienbeauftragten der Schule innehat und als ausgewiesener Tablet-Experte in der formalen Lehrer*innenfortbildung tätig ist. „Ähm wir hatten es erst gemacht, ich glaube so/weiß ich nicht, alle/einmal im Monat oder alle drei Wochen oder so, hatte er [der Konrektor und Medienbeauftragte der Schule] Zeiten angeboten quasi, wo man dann was fragen konnte.[…] Und jetzt haben wir es gewandelt, dass wir gesagt haben, […] nach jeder Konferenz ist so ein 30-min-Block, ähm wo er was erklärt und die Kollegen können direkt dann ausprobieren.“ (Frau B., Schulleiterin im Einzelinterview)

Die ursprüngliche „Tablet-Sprechstunde“ wird hier also erfahrungsbasiert zu einem regelmäßigen schulinternen Fortbildungsangebot ausgebaut. Auf Basis der

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vermittelten Impulse können die Lehrer dann eigenverantwortlich weiterlernen. Aus unserer theoretischen Perspektive bedeutet dies, dass seitens der Institution dafür gesorgt wird, dass die Lehrkräfte an bislang verborgen gebliebene Teilbereiche des Tablet-Möglichkeitsraumes herangeführt und ihnen dadurch neue Operationen nahegebracht werden, die sie im weiteren Verlauf des eigenverantwortlichen Austauschs mit dem Gerät dann leichter in ihre Handlungsroutinen integrieren können. Eingebettet in den institutionellen Kontext der Schule, unterstützen solche non-formalen Lernangebote die Weiterentwicklung des ­Hybrid-Akteurs im fortgeschrittenen Stadium der Aneignung erheblich. Sowohl in den Einzelinterviews als auch in der Gruppendiskussion an der Schule wird dies lobend hervorgehoben. „Also wir haben jeden Dienstag hier auch ein Treffen von ähm Teams, ne? Wir kommen jeden Dienstag alle zusammen und dann ergibt sich auch immer wieder mal so ein Gespräch über das iPad, ne? Und es war hier auch jemand, der dann auf einer Fortbildung gewesen ist, hat uns dann nochmal den Worksheet-Crafter erklärt, ne? Also das war auch sehr gut.“ (Frau U., Grundschullehrerin in Gruppendiskussion)

Die zweite Schule geht etwas anders vor. Sie setzt keine Zeiten explizit für die thematische Auseinandersetzung mit dem Gerät fest, schafft aber potenziell die Möglichkeit, tabletbezogene Fragen und Probleme in wöchentlich stattfindenden Teamtreffen zu thematisieren. Unter diesen institutionellen Rahmenbedingungen wird das Tablet offenbar vor allem dann in den Mittelpunkt von Teamtreffen gerückt, wenn jemand aus dem Kollegium eine externe Fortbildung besucht hat. Gelingt es, Lerninhalte auf diese Weise weiterzugeben, etabliert sich bestenfalls eine Art „Schneeballsystem“. Die fehlende Regelmäßigkeit birgt allerdings das Risiko, dass Tabletthemen vernachlässigt werden, sobald verstärkt Fortbildungen zu anderen Themen besucht werden (müssen). In der dritten Schule hat sich an den institutionellen Unterstützungsmaß nahmen gegenüber dem ersten Erhebungstermin nichts verändert. Hier findet in der Pause regelmäßig eine Sprechstunde statt, in der kleinere Probleme mit dem Gerät besprochen und gemeinsam gelöst werden können. „Ähm die Tabletsprechstunde oder überhaupt Computersprechstunde haben wir ja auch. Hm (bejahend) dass wir halt sagen ‚so, wer ein Problem hat, in der Zeit ist auf jeden Fall Herr P. oder Frau R. da‘ und dann geht man hin und fragt eben.“ (Frau R., Grundschullehrerin/Medienbeauftragte in Einzelinterview)

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Darüber hinaus existieren keine fest institutionalisierten Zeitslots für die Weiterentwicklung tabletbezogener Arbeitspraktiken. Der Nachteil liegt hier vor allem darin, dass Inspirationen für neue Nutzungsvarianten, die sich erst durch einen Austausch in größerer Runde ergeben, ausbleiben. Abgesehen von den beschriebenen Formen der (institutionell geförderten) kollegialen Unterstützung, kristallisiert sich in den Daten des zweiten Erhebungszeitraums schließlich noch ein völlig neuer Aspekt heraus, der die tentativen Austauschpraktiken der Lehrkräfte mit dem Gerät im fortgeschrittenen Stadium ihrer Tabletaneignung maßgeblich begünstigt: die Einbindung des Internets zu Selbstlernzwecken. Während das Internet in dieser Funktion im Rahmen des ersten Erhebungszeitraums überhaupt nicht thematisiert wird, berichten die Lehrkräfte nun von einer vielfältigen Nutzung: zum einen zur Klärung technischer Aspekte (wie etwa Fragen zu neuen Funktionen, einer bestimmten App etc.); zum anderen aber auch, um innovative didaktische Impulse zum tabletgestützten Unterricht zu bekommen und auf diese Weise ggf. neue praktische Dingfunktionen im Austausch mit dem Tablet zu etablieren. „Alles ähm was erfragt wird, wo Unsicherheiten sind, wird ähm gegoogelt und ähm gezielt nachgefragt, ob in Tutorials oder YouTube“ (Frau U., Grundschullehrerin in Gruppendiskussion). „Ähm habe mir eigentlich auch vieles selbst beigebracht, ne? Zum Beispiel zu dem Programm Explain Everything, was ich eben genannt habe, habe ich mir kurze Videoanleitungen angeguckt, was man damit machen kann“ (Frau D., Grundschullehrerin in Gruppendiskussion)

Unserer Datenauswertung zufolge hat die Plattform YouTube in diesem Zusammenhang einen besonderen Stellenwert, da Video-Tutorials zum Tableteinsatz offenbar besonders gern genutzt werden. Aber auch auf andere Portale, wie etwa „Zaubereinmaleins“ oder „4teachers“, wird im fortgeschrittenen Stadium zu Selbstlernzwecken oder als Inspirationsquelle zurückgegriffen. Eine zentrale Erkenntnis in diesem Zusammenhang besteht darin, dass die Nutzung des Internets zu Selbstlernzwecken in fortgeschrittenen Stadien der Tabletaneignung (d. h. ab dem Erreichen von Ebene 2, siehe Abb. 1) offenbar zu einer immer stärkeren Entgrenzung arbeitsbezogenen informellen/non-formalen Lernens mit dem Gerät einerseits und dessen privater Nutzung andererseits führt. Aus Perspektive der Pädagogik der Dinge weiten sich die Handlungsroutinen des Hybrid-Akteurs also auf private Lebenszusammenhänge aus. Gerade aufgrund der Kombination von Mobilität und Internetfähigkeit verschwimmen die Grenzen zwischen beiden Sphären beim routinierten Gebrauch mehr und mehr:

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„Ich nutze es auch privat. Ähm ist eine tolle Sache, weil es eben ähm überall da ist, wenn ich zum Beispiel in der Küche bin und will mal eben ein Rezept abrufen, dann stelle ich mir das Teil da hin und kann mir das Rezept angucken.“ (Frau K., Grundschullehrerin in Gruppendiskussion) „Selbst für den Privatbereich, man kann ja mal googeln, was weiß ich, was man spannend findet, irgendwie Theater oder sonst was.“ (Frau B., Schulleiterin im Einzelinterview)

Abgesehen von dem hier angedeuteten alltagspraktischen Nutzen bietet zunehmende Entgrenzung einen weiteren großen Vorteil: Die ubiquitäre Verfügbarkeit von online-Wissensbeständen und/oder online-Lerngemeinschaften auch im privaten Kontext lässt den Lehrkräften freie Wahl hinsichtlich des Lernortes und der Lernzeit und ermöglich somit insgesamt ein flexibleres Arbeiten. Andererseits erwachsen aus der Entgrenzung von Beruf und Freizeit auch ganz neuartige Herausforderungen, die nun insbesondere die „Organisationsebene“ (vgl. Abschn. 2.2, Punkt (b)) betreffen. Die neuen Lernanforderungen kommen in allen drei Gruppendiskussionen sowie in mehreren Einzelinterviews zur Sprache und werden von den beteiligten Lehrkräften kontrovers verhandelt. Seitens der Lehrkräfte wird besonders hervorgehoben, dass das Tablet als ständiger Begleiter auch im Privaten eine Art permanent geöffneten Kommunikationskanal für schulische Belange darstellt. Obwohl dies natürlich auch durch vorher bereits in den Arbeitsroutinen etablierte internetfähige Technik, wie Laptops oder Desktop-PCs, möglich gewesen wäre und Lehrer*innen traditionell viel von zu Hause arbeiten (vgl. z. B. Rothland 2013, S. 23 f.), setzt das Tablet aufgrund seiner geringen Größe, Portabilität und der schnellen Bedienbarkeit offenbar nochmals neue Maßstäbe. So scheint es deutlich stärker nahezulegen, arbeitsbezogene Aufgaben oder Anfragen direkt zu bearbeiten. „Man hat die E-Mails immer vorne drauf.[…]Also man ist so allzeit da. Allzeit präsent und allzeit abrufbar. Also ich gucke öfter mal drauf, natürlich nutze ich das auch für private Zwecke. Das ist halt so, ne? Aber/und dann sieht man, zack dann steht auf einmal eine rote eins, eine rote zwei, zack man liest wieder. Ach das kann ich doch nochmal eben schnell ant/ähm da kann ich nochmal eben schnell antworten und somit ergibt sich dann ja auch so eine ständige Erreichbarkeit“ (Frau H., Grundschullehrerin in Gruppendiskussion) „Also dadurch, dass man dann ähm je nachdem, wann man dann guckt, manchmal dann ja doch auch spät abends und dann ist da noch irgendwas gekommen, denkt man ‚ach du, ja ähm da muss ich mich jetzt nochmal eben drum kümmern.‘“ (Frau F., Grundschullehrerin in Gruppendiskussion) „Den Stundenplan, haben wir jetzt gerade gemacht, Stundenplan für das zweite Halbjahr hin- und hergeschickt. Ähm und der durchaus auch gut für unser System

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mit dem Tablet bearbeitet werden kann […] Ich habe neulich dann mitten in der Nacht, als ich nicht schlafen konnte, auch noch mal ein bisschen rumgespielt (lacht), deswegen das verschiebt sich schon.“ (Frau M., Schulleiterin im Einzelinterview)

Deutlich wird auch, dass die ständige Erreichbarkeit nicht primär seitens der Schulleitung oder des Kollegiums eingefordert wird, sondern häufig eher ein Problem mangelnder Selbstdisziplin bzw. optimierungsfähiger Arbeitsorganisation und einer damit verbundenen Verschiebung der arbeitsbezogenen Kommunikationspraktiken innerhalb des Kollegiums ist: „Ich bin nämlich so ein Suchti und kann dann gar nicht aufhören, irgendwelche schönen Dinge anzugucken und stelle dann fest ‚Mensch, es ist ein Uhr, du musst ins Bett.‘ Also es ist wirklich gefährlich und auch für mich ne, als Erwachsener“ (Frau U., Grundschullehrerin in Gruppendiskussion)

Ein übergeordnetes Ziel für fortgeschrittene Lernprozesse im Umgang mit dem Tablet ist demnach darin zu sehen, den beruflichen und privaten Umgang mit dem Tablet gezielter zu regulieren, um selbstschädigenden Aspekten der unvermeidlichen Entgrenzung vorzubeugen und deren Chancen noch besser zu nutzen.

6 Fazit Wie wir aus der ICILS-Studie (Eickelmann et al. 2019) wissen, ist die Digitalisierung von Schulen in Deutschland noch immer stark ausbaufähig. Die nachhaltige Implementierung digitaler Medien in den Schulalltag ist ein Prozess, der für alle Beteiligten eine große Herausforderung darstellt und von entsprechenden Aus- und Fortbildungsmaßnahmen flankiert werden sollte. In unserer Studie sind wir der Frage nachgegangen, wie sich Handlungsroutinen im Umgang mit Tablets bei Lehrpersonen entwickeln und welche Bedeutung dabei einerseits dem Bereich des formalen (fortbildungsbasierten) Lernen und andererseits dem Bereich des non-formalen und informellen beruflichen Lernens zukommt. Folgende Aspekte erscheinen uns bei der Implementation von Tablets in den beruflichen Alltag von Lehrkräften als besonders wichtig: Die Alltagstauglichkeit von Technik stellt eine wesentliche Voraussetzung für die Verbreitung und Akzeptanz in der Schulpraxis dar. So sollten Lehrkräfte unbedingt die Erfahrung machen, den Herausforderungen im Umgang mit neuen Geräten, Anwendungen usw. im Großen und Ganzen gewachsen zu sein und deren didaktische Integration gut bewältigen zu können. Inso-

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fern ist eine systematische Einführung in die jeweils neue Thematik durch institutionalisierte Fortbildungen bedeutsam, die – im Sinne strukturgebender Ankerpunkte – eine positive Grundhaltung und ein basales Selbstvertrauen erzeugen. In unseren Fallbeispielen wird dies über eine einmalige, für alle verpflichtende I­n-House-Schulung gewährleistet, die vom Schulträger angeboten wird. Alle Lehrkräfte einer Schule nehmen dabei gemeinsam ihr Dienstgerät in Empfang, werden durch die ersten Schritte der Einrichtung des Gerätes geleitet und bekommen grundlegende Kenntnisse im Umgang Hard- und Software vermittelt, die in Gruppenarbeit direkt angewandt werden. Zwar bleiben formale Fortbildungen prinzipiell auch nach dieser ersten Zugangsphase relevant; jedoch bedürfte es zusätzlicher Zeitfenster, um die von einzelnen abgesandten Lehrer*innen in anschließenden Fortbildungsveranstaltungen erworbenen Kenntnisse an das gesamte Kollegium weiterzugeben und für die eigene Schule in spezifischer Form fruchtbar zu machen. Der zeitliche Spielraum dafür ist im Schulalltag allerdings stark begrenzt. Im Schulalltag ist es offenbar notwendig, fixe Zeiträume festzulegen, um sowohl die technischen als auch die didaktischen Potenziale der Tablets kennenzulernen. Aus unserem Datenmaterial lässt sich ableiten, dass tabletbezogene Fragen und Bedarfe sonst schnell hinter anderen Themen zurückbleiben. Jede Schule sollte die für das Tablet reservierten Zeitfenster den Bedarfen des jeweiligen Kollegiums entsprechend ausgestalten können. Dabei ist es grundsätzlich nicht ausreichend, wenn lediglich vereinzelte Angebote zur technischen Unterstützung gemacht werden. Vielmehr zeigen unsere Fallbeispiele, dass vor allem auch (fach-)didaktische Anregungen gegeben und Möglichkeiten zu deren Erprobung geschaffen werden müssen. Dies kann beispielsweise in der Form erfolgen, dass in Schulkonferenzen oder Gremiensitzungen gewisse Zeitslots eingeräumt werden, um im Kollegium ein neues Tool vorzustellen und unmittelbar in verschiedene didaktische Kontexte einzubetten. Wichtig sind neben der funktionierenden technischen Ausstattung regelmäßig geschaffene Freiräume für das Kollegium, in denen ein informeller Austausch über Anwendungen und Erfahrungen möglich ist. Nur so kann es gelingen, das in den eingangs konturierten Ansätzen aus dem Bereich der Erwachsenen- und Weiterbildungsforschung für das berufliche Weiterlernen zentral gesetzte informelle und ­non-formale Lernen (siehe Abschn. 2) auch im Berufsfeld Schule systematisch zu unterstützen. Zusammenfassend gesprochen, bedarf die Exploration neuer Tools und das didaktische Experimentieren damit in Lehrerkollegien eines ganzheitlichen (technische wie auch didaktische Aspekte umfassenden) „Supports“. Um Austauschpraktiken zwischen Lehrpersonen und Tablets auf höheren

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Ebenen zu fördern und eine tatsächlich sinnvolle Integration in den beruflichen Alltag zu ermöglichen, sollten formale, non-formale und informelle Lernprozesse gleichermaßen gefördert und zielgerichtet orchestriert werden. Dabei ist besonderes Augenmerk auf Potenziale und Probleme von Entgrenzungsprozessen zu richten: In unseren Fallbeispielen zeigt sich, dass mit zunehmender Kompetenz der Lehrperson auch zu Hause nach guten Anwendungen und Materialien für den Unterricht gesucht wird und die Problembewältigung dabei immer häufiger auf informellen Wegen erfolgt, etwa über Tutorials und Hilfen im Internet. Die tabletbedingte Verlagerung von berufsbezogenen Lern- und Kommunikationsprozesse ins private Zuhause führt zu einer schleichenden Verschiebung der Kommunikationsroutinen innerhalb des Kollegiums. Die im Lehrer*innenberuf ohnehin schon brüchigen Grenzen zwischen Arbeits- und Freizeit weichen somit tendenziell weiter auf. Sowohl das Engagement als auch die Selbstdisziplin der Beteiligten braucht im schulischen Kontext Unterstützungsund Vertrauensstrukturen, indem Regeln des Umgangs gemeinschaftlich festgelegt werden. Nur so kann einer übermäßigen Entgrenzung von Arbeit und Freizeit entgegengewirkt und langfristig einer Überlastung der Beteiligten vorgebeugt werden. Insgesamt, so zeigen unsere Ergebnisse aus dieser Längsschnittstudie, machen sich derzeit viele Schulen auf den Weg, digitale Medien in das Unterrichtsgeschehen und sonstige schulische Arbeitsabläufe einzubinden. Dabei gilt es, verschiedene Formen formalen, informellen und non-formalen Lernens jeweils spezifisch zu fördern, um die Lehrkräfte bestmöglich zu unterstützen.

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Der Einsatz von Tablets am Gymnasium und der Zusammenhang mit der Entwicklung computerbezogener Kompetenzen von Schüler*innen Kerstin Drossel und Birgit Eickelmann 1 Einleitung Zur Gewährleistung der Teilhabe am gesellschaftlichen und beruflichen Leben bildet der kompetente Umgang mit digitalen Medien eine wesentliche Voraussetzung (BMBF 2019; BMBF 2016). Bildungssysteme stehen ebenso wie einzelnen Schulen vor der Herausforderung, Schüler*innen die erforderlichen Kompetenzen zu vermitteln (Cress et al. 2018; Eickelmann & Gerick 2019; Fraillon et al. 2019a). Bezogen auf die Situation in Deutschland wurde jedoch deutlich, dass die Heranwachsenden vergleichsweise selten regelmäßig, mindestens wöchentlich, Computer im Unterricht nutzten und im europäischen Vergleich im Mittel auch nur über durchschnittliche computer- und informationsbezogene Kompetenzen verfügten (Eickelmann, Bos, Gerick & Labusch 2019; Fraillon et al. 2019a). Des Weiteren zeigte sich, dass die schulische Computernutzung in Deutschland, im Gegensatz zu den meisten anderen Teilnehmerländern der International Computer and Information Literacy Study (ICILS 2018), ähnlich wie bereits in ICILS 2013, negativ mit den computer- und informationsbezogenen Kompetenzen der Schüler*innen zusammenhing (Schaumburg et al. 2019). Folglich gelang die Vermittlung der notwendigen Fähigkeiten offenbar nicht in Bezug auf alle Schüler*innen an Schulen in Deutschland. In diesem ZusammenK. Drossel (*) · B. Eickelmann  Institut für Erziehungswissenschaft, Universität Paderborn, Paderborn, Deutschland E-Mail: [email protected] B. Eickelmann E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. M. Meister und I. Mindt (Hrsg.), Mobile Medien im Schulkontext, Medienbildung und Gesellschaft 41, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29039-9_7

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hang scheint der unterrichtliche Einsatz von Tablets vielfältige Möglichkeiten zur besseren Ausschöpfung der Potenziale von digitalen Medien zu eröffnen, um computerbezogene Kompetenzen zu fördern. Tablets kennzeichnen sich insbesondere durch die Vereinigung von Leistungen unterschiedlicher technischer Endgeräte in einem Produkt und ermöglichen zugleich eine flexible Integration in die Unterrichtssituation. In internationaler Hinsicht werden fast ausschließlich positive Effekte in Bezug auf den Einsatz von Tablets und die Entwicklung computerbezogener Kompetenzen berichtet (Camacho Martí & Esteve Mon 2018; Li et al. 2010). Für Deutschland liegen bisher allerdings kaum Befunde zum Zusammenhang zwischen der unterrichtlichen Nutzung von Tablets und den computerbezogenen Kompetenzen von Schüler*innen vor (Aufenanger 2017). Das Desiderat soll im vorliegenden Beitrag aufgegriffen und auf Grundlage der triangulativen Daten aus dem Projekt TiGer (Tablets im Gymnasium evaluieren und reflektieren; Laufzeit 2014–2016) untersucht werden. Spezifischer soll herausgestellt werden, inwieweit die Nutzung von Tablets im Unterricht in der Sekundarstufe I mit der Entwicklung computerbezogener Kompetenzen der Schüler*innen einhergeht. Dazu erfolgt zunächst eine Definition computerbezogener Kompetenzen (Abschn. 2). Daran anschließend wird in theoretischer Hinsicht der Zusammenhang der schulischen Tabletnutzung mit den computerbezogenen Kompetenzen dargestellt (Abschn. 3). Sodann wird aufgezeigt, welche Potenziale mit dem unterrichtlichen Einsatz von Tablets verbunden sind (Abschn. 4) und Einblicke in den Forschungsstand zur Nutzung digitaler Medien im Unterricht und computerbezogenen Kompetenzen von Schüler*innen dargestellt (Abschn. 5). Im Anschluss an die Vorstellung der eigenen Untersuchung (Abschn. 6) sowie die Darstellung der Ergebnisse (Abschn. 7) erfolgt eine Zusammenfassung der Ergebnisse und es werden weitere Forschungsperspektiven aufgezeigt (Abschn. 8).

2 Begriffsbestimmung: computerbezogene Kompetenzen Anknüpfend an internationale Konzeptionen aus dem englischsprachigen Raum (Fraillon et al. 2019b), berücksichtigen Ansätze einer Begriffsbestimmung hinsichtlich des kompetenten Umgangs mit digitalen Medien zumeist einen technischen Kompetenzbereich (‚computer literacy‘), „worunter grundlegendes deklaratives und prozedurales Funktionswissen über Programmanwendungen zu verstehen ist“ (Senkbeil et al. 2014), und zum anderen einen informationsbezogenen Kompetenzbereich (‚information literacy‘), also „die Fähigkeit, mit Hilfe digitaler Medien Informationen zu ermitteln, diese kritisch auszuwählen

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Abb. 1    Theoretische Konzeption computerbezogener Kompetenzen (Senkbeil et  al. 2013a)

und effektiv zu nutzen“ (ebd.). Dieses Begriffsverständnis greift der folgende Beitrag in Anlehnung an den in der eigenen Untersuchung zugrunde gelegten Test of Technological and Information Literacy (TILT) auf und fasst unter dem Begriff computerbezogene Kompetenzen sowohl technologische als auch informationsbezogene Kompetenzen zusammen (Senkbeil & Ihme 2014). Dabei kann jeweils zwischen Programmanwendungen und Prozesskomponenten differenziert werden, die wiederum spezifische inhaltsbezogene Anforderungen differenzieren. Die Programmanwendungen umfassen inhaltsbezogene Kompetenzen, „die für die Bewältigung informationsbezogener Anforderungen notwendig sind“ (Senkbeil & Ihme 2014), wohingegen die Prozesskomponenten Wissensbestände und Fertigkeiten widerspiegeln, die für einen zielorientierten Umgang mit digitalen Medien benötigt warden (Abb. 1). Lediglich wenn in den nachfolgenden Ausführungen auf Forschungsergebnisse verwiesen wird, denen eine eigene begriffliche Festlegung zugrunde liegt, wird von dem hier zugrunde gelegten Kompetenzbegriff computerbezogener Kompetenzen abgewichen.

3 Einordnung der zentralen Konstrukte in Schulqualitätsmodellen Zur Erklärung des Zusammenhangs zwischen der Nutzung digitaler Medien im Unterricht und dem kompetenten Umgang mit digitalen Medien können in theoretischer Hinsicht Schulqualitätsmodelle herangezogen werden (Eickelmann, Bos & Labusch 2019; Ditton & Müller 2011; Eickelmann & Drossel, 2019; Lorenz & Bos 2017). In den Schulqualitätsmodellen erfolgt eine Differenzierung

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schulischen Lernens in Voraussetzungen bzw. Faktoren auf der Input- und Prozessebene. Diese beeinflussen schließlich die Leistungsergebnisse, wie die im Rahmen der vorliegenden Studie gemessenen computerbezogenen Kompetenzen der Heranwachsenden. Die lernförderliche Nutzung digitaler Medien durch die Schüler*innen ist in den Modellen der unterrichtlichen Prozessebene zugeordnet, die wiederum im Zusammenhang mit den Leistungsergebnissen der Schüler*innen steht. Auf mögliche Potenziale des Einsatzes von Tablets für die Gestaltung unterrichtlicher Prozesse wird im Folgenden eingegangen.

4 Potenziale des Einsatzes von Tablets im Unterricht Immer häufiger erfolgt an Schulen – nicht zuletzt aufgrund der damit einhergehenden Vermittlung von computerbezogenen Kompetenzen – die Implementation von Tablets in Form einer 1:1 Ausstattung. Mit dem Einsatz von Tablets sind zahlreiche Potenziale für die Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen im Unterricht verbunden, die zur Förderung des fachlichen und überfachlichen Kompetenzerwerbs der Schüler*innen beitragen können (Eickelmann 2019; Eickelmann & Gerick 2017). Nachfolgend werden zum einen Potenziale des Einsatzes von Tablets im Unterricht aus technischer Perspektive und zum anderen aus didaktischer Perspektive, die sich häufig aus den technischen Voraussetzungen ergeben, vorgestellt. Im Hinblick auf technische Aspekte kann angeführt werden, dass Tablets im Vergleich zu stationären Computern benutzerfreundlicher wahrgenommen werden, einen geringeren Wartungsaufwand benötigen, da die Geräte u. a. weniger anfällig für Softwareprobleme sind, ein geringeres Gewicht aufweisen und weniger Platz in Anspruch nehmen (Albrecht & Revermann 2016; Aufenanger 2015; Scheiter 2015; Welling 2017). Im Vergleich zu Notebooks weisen Tablets außerdem in der Regel eine längere Akkulaufzeit auf (Aufenanger & Schlieszeit 2013; Thissen 2013; Welling 2017). Des Weiteren verfügen Tablets ebenso über die gängigen Software-Anwendungen wie Notebooks, darüberhinausgehend können jedoch spezifische Apps installiert werden, die oftmals preisgünstig oder kostenfrei verfügbar sind. Die Nutzung der Apps ermöglicht dabei eine flexible und bedarfsgerechte Nutzung von verschiedenen Funktionalitäten, wie beispielsweise die Erstellung und Bearbeitung von Audio- und Videoaufnahmen, die vielfältige Lernformen wie beispielsweise kreativeres Arbeiten im Unterricht ermöglichen (Aufenanger & Schlieszeit 2013; Karsenti & Fievez 2013; Scheiter 2015). Derartige technische Vorteile ermöglichen einen flexiblen

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sowie spontanen Einsatz von Tablets im Unterricht. Zudem ergeben sich durch die Mobilität der Geräte Potenziale für ortsunabhängiges Lernen (Aufenanger 2017; Eickelmann & Drossel 2019; Gabriel 2012). Im Hinblick auf didaktische Potenziale lassen sich vor allem Vorteile in Bezug auf eine Optimierung von Lehr- und Lernprozessen anführen (Aufenanger 2017; Bastian 2017; Bastian & Aufenanger 2017; Dausend 2017). Diese sind teils auch für den Einsatz von Notebooks zu konstatieren (Schaumburg et al. 2007), es lassen sich jedoch auch tabletspezifische Aspekte herausstellen. Der flexible Einsatz von Apps kann beispielsweise eigenverantwortliches und – auch in Hinblick auf individuellen Förderbedarf – differenziertes Lernen fördern (Bastian 2017; Karsenti & Fievez 2013; Scheiter 2015; Thissen 2013), wodurch selbstgesteuerte Lernprozesse begünstigt werden (Scheiter 2015; Tillmann & Bremer 2017). Ferner ermöglichen Tablets eine Verknüpfung formellen und informellen Lernens, wodurch schulische und außerschulische Lernprozesse stärker miteinander verbunden werden können (ebd.). Es können z. B. schülerorientiertere Nutzungsmuster digitaler Medien aufgegriffen sowie eine Verringerung von Bildungsdisparitäten im Zugang zu digitaler Bildung ermöglicht werden (Schaumburg et al. 2016). Zudem gibt es Hinweise darauf, dass sich der Einsatz von Tablets im Unterricht positiv auf die Motivation der Schüler*innen auswirkt (Karsenti & Fievez 2013; Scheiter 2015; Tillmann 2018). Weitere Potenziale zeigen sich hinsichtlich neuer Möglichkeiten für die Unterrichtsgestaltung, da Tablets ohne großen organisatorischen Aufwand in den Unterricht miteinbezogen werden können und somit der direkte Zugriff auf und der Einbezug von Informationen im Unterricht möglich wird (Scheiter 2015). Auch die Kommunikation und Zusammenarbeit sowohl zwischen Lehrkräften (Bastian 2017) als auch zwischen den Schüler*innen (Karsenti & Fievez 2013; Scheiter 2015) können durch den Einsatz von Tablets begünstigt werden. Inwieweit überhaupt eine Nutzung digitaler Medien im Unterricht, hier spezifischer eine Nutzung von Tablets, erfolgt und welche Rolle die Schule dabei als Vermittlungsinstanz hinsichtlich eines kompetenten Umgangs mit digitalen Medien einnimmt, wird im folgenden Abschnitt dargestellt.

5 Forschungsstand zur Nutzung digitaler Medien im Unterricht und computerbezogenen Kompetenzen von Schüler*innen Nachfolgend wird zunächst der Forschungsstand zur Nutzung digitaler Medien im Unterricht vorgestellt (5.1) und anschließend aufgezeigt, inwieweit die Schüler*innen über computerbezogene Kompetenzen verfügen (5.2). In einem

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weiteren Schritt werden zudem Forschungsergebnisse präsentiert, die Aufschluss über den Zusammenhang der Nutzung von digitalen Medien im Unterricht und computerbezogenen Kompetenzen geben (5.3).

5.1 Nutzung digitaler Medien im Unterricht Die schulische Nutzung digitaler Medien wird mittlerweile seit mehr als einem halben Jahrhundert erforscht (Tamin et al. 2011; Voogt et al. 2018), wobei eine Erfassung des Einsatzes von Tablets seit der Markteinführung der Geräte zumeist nicht spezifisch erfolgte. Aufgrund dessen wird in diesem Abschnitt zunächst allgemein auf die Nutzung digitaler Medien durch Schüler*innen im Unterricht fokussiert. In diesem Kontext kommen Studien sowohl für die Primar- als auch für die Sekundarstufe zu dem Ergebnis, dass eine regelmäßige schulische Nutzung vergleichsweise selten erfolgt (Schaumburg et al. 2019; Eickelmann & Vennemann 2014; Kahnert & Endberg 2014; Lorenz et al. 2017; Sälzer & Reiss 2016). Im Rahmen der Studie ICILS 2018 gaben beispielsweise lediglich 22.8 % der Achtklässlerinnen und Achtklässler in Deutschland an, mindestens wöchentlich digitale Medien im Unterricht zu nutzen (Schaumburg et al. 2019; Fraillon et al. 2019a). Der Anteil der Schüler*innen, der täglich digitale Medien im Unterricht nutzte, lag bei 4.4 %. In dem überwiegenden Anteil der anderen an der Studie teilnehmenden Länder waren diesbezüglich deutlich höhere Anteile zu verzeichnen (ebd.). Zudem ist festzustellen, dass etwa ein Zehntel (17.4 %) der Schüler*innen in Deutschland angab, nie Computer im Unterricht zu nutzen (ebd.). Die unterrichtliche Nutzung von Tablets im Spezifischen wurde bisher in Deutschland vor allem im Rahmen von Modellprojekten untersucht (Aufenanger 2015; NLQ 2015; Prasse et al. 2016; Stolpmann et al. 2015; Tillmann 2018; Welling & Stolpmann 2012). Dabei ist festzustellen, dass sich die Nutzung digitaler Medien im Unterricht deutlich durch eine 1:1-Ausstattung der Schüler*innen mit Tablets erhöht (Autorengruppe Paducation 2014). Die Geräte werden dabei vor allem zum Schreiben, Recherchieren, zur Textarbeit sowie zur Präsentation von Arbeitsergebnissen genutzt (ebd.).

5.2 Computerbezogene Kompetenzen von Schüler*innen Im Kontext der Studie ICILS 2018 wurden die computer- und informationsbezogenen Kompetenzen von Achtklässlerinnen und Achtklässlern im internationalen Vergleich erneut computerbasiert getestet. Schüler*innen in

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Deutschland erreichten einen Leistungsmittelwert von 518 Punkten und lagen damit signifikant über der Vergleichsgruppe EU (509 Punkte) ebenso wie über dem internationalen Mittelwert von 496 Punkten. Eine signifikante Veränderung zum Studienzyklus im Jahr 2013 konnte nicht verzeichnet werden. (Eickelmann, Bos & Labusch 2019; Fraillon et al. 2019a). Differenziert nach Laptop- und Nicht-Laptop-Schüler*innen wurden auf Basis von Daten aus ICILS 2013 keine Unterschiede in den mittleren computer- und informationsbezogenen Kompetenzen identifiziert (Schaumburg et al. 2016). Wird des Weiteren die Verteilung der Schüler*innen in Deutschland auf die fünf Kompetenzstufen der computer- und informationsbezogenen Kompetenzen beleuchtet, wird ersichtlich, dass 33.2 % lediglich die unteren beiden Kompetenzstufen erreichten und es nach Einschätzungen von Expertinnen und Experten voraussichtlich schwer haben werden, erfolgreich am privaten, beruflichen sowie gesellschaftlichen Leben des 21. Jahrhunderts teilzuhaben (Eickelmann, Bos, Gerick & Labusch 2019).

5.3 Schulische Nutzung digitaler Medien und der Zusammenhang mit computerbezogenen Kompetenzen von Schüler*innen In Deutschland zeigte sich im Gegensatz zu den meisten anderen ICILS-2018Teilnehmerländern, dass die Häufigkeit der unterrichtlichen Computernutzung negativ mit den mittleren computer- und informationsbezogenen Kompetenzen der Schüler*innen im Zusammenhang stand (Schaumburg et  al. 2019). Schüler*innen, die regelmäßig Computer im Unterricht in der Schule nutzten, erreichten demnach im Mittel signifikant weniger Punkte in den computer- und informationsbezogenen Kompetenzen als Schüler*innen, die den Computer nicht regelmäßig im Unterricht einsetzten. Die Computernutzung implizierte dabei sowohl die Nutzung von Desktop-Computern, Notebooks oder Laptops, Netbooks als auch Tablets. Eine spezifische Betrachtung des unterrichtlichen Einsatzes von Tablets im Zusammenhang mit der Entwicklung computerbezogener Kompetenzen von Schüler*innen liegt in Deutschland bislang hingegen nicht vor, wobei sich bei der Zusammenschau des internationalen Forschungsstandes weitgehend positive Effekte hinsichtlich des Einsatzes von Tablets im Zusammenhang mit computerbezogenen Kompetenzen zeigen (Camacho Martí & Esteve Mon 2018; Li et al. 2010; Sung et al. 2016).

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6 Eigene Untersuchung: Entwicklung computerbezogener Kompetenzen von Schüler*innen in Tablet- und nicht-Tabletklassen 6.1 Forschungsfragen Auf Basis des herausgestellten Forschungsdesiderats ergeben sich folgende Forschungsfragen, die im Rahmen einer eigenen Untersuchung beantwortet werden: 1. Wie entwickeln sich die computerbezogenen Kompetenzen von Schüler*innen über einen Zeitraum von zwei Schuljahren, die regelmäßig Tablets im Unterricht nutzen, im Gegensatz zu den computerbezogenen Kompetenzen von Schüler*innen, die keine Tablets nutzen? 2. Inwieweit nehmen Lehrkräfte eine Veränderung hinsichtlich computerbezogener Kompetenzen der Schüler*innen wahr, die regelmäßig Tablets im Unterricht nutzen?

6.2 Stichprobenbeschreibung Zur Beantwortung der Forschungsfragen, werden die quantitativen und qualitativen längsschnittlichen Daten des TiGer-Projekts (Tablets im Gymnasium evaluieren und reflektieren; Laufzeit 2014–2016) analysiert. Im Rahmen des TiGer-Projekts wurden zwei von fünf Parallelklassen einer siebten Jahrgangsstufe eines Gymnasiums in Nordrhein-Westfalen über einen Zeitraum von zwei Jahren bei der Einführung von Tablets in den Unterricht wissenschaftlich begleitet. Die zwei Klassen wurden vollständig mit Tablets ausgestattet (N = 42). Der Einsatz dieser im Unterricht erfolgte ab Anfang des Schuljahres 2014/2015. Zudem wurden sie auch außerhalb der Schule genutzt. Die Besonderheit des Projektdesigns besteht insbesondere darin, dass die übrigen drei Klassen ohne Tablets quasi als Kontrollgruppe dienen (N = 60).

6.3 Instrumente und methodisches Vorgehen Zur Messung computerbezogener Kompetenzen der Gymnasiastinnen und Gymnasiasten (Forschungsfrage 1) wurde der reliable und valide Test of Technological and Information Literacy (TILT) der National Educational Panel Study

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(NEPS) eingesetzt (Senkbeil et al. 2013a). Die Multiple-Choice-Aufgaben (Beispielaufgaben siehe Abb. 2 und 3; Senkbeil et al. 2013b) orientieren sich an der theoretischen Konzeption computerbezogener Fähigkeiten (vgl. Abb. 1) und umfassen sowohl Programmanwendungen als auch Prozesskomponenten. Der

Abb. 2   Beispielitem zur Prozesskomponente Anwenden und Verstehen (Senkbeil et al. 2013b, S. 677)

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Abb. 3   Beispielitem zur Prozesskomponente Suchen und Organisieren (Senkbeil et al. 2013b, S. 678)

Papier-Bleistift-Test, der aus 36 Aufgaben besteht (darunter 30 einfache MultipleChoice-Elemente und 6 komplexe Multiple-Choice-Elemente), zeigt realistische Probleme und eine Reihe von authentischen Situationen, die durch Screenshots dargestellt sind. Um die Item- und Personenparameter zu schätzen, wurde ein partial credit model mit ConQuest berechnet (Wu et al. 2007). Die Personenfähigkeitsparameter wurden mittels weighted maximum likelihood estimates bestimmt (WLEs; Warm 1989) und auf einen Mittelwert von 500 und eine Standardabweichung von 100 transformiert. Da der Computerfähigkeitstest zu drei Messzeitpunkten eingesetzt wurde (vgl. Abb. 4), wurden die Itemparameter des ersten Messzeitpunkts für die Schätzung der Itemschwierigkeiten des zweiten und dritten Messzeitpunkts implementiert. Der Test weist zu allen Messzeitpunkten sehr gute Reliabilitäten auf (.932/.865/.979). Ergänzt wird diese quantitative Perspektive durch die mittels offener schriftlicher Befragung ermittelten Angaben der Lehrkräfte (N = 7) darüber, inwieweit

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Abb. 4   Übersicht über die Messzeitpunkte (MZP) im TiGer-Projekt. (Eigene Darstellung)

sie seit dem Einsatz der Tablets eine Veränderung in den computerbezogenen Kompetenzen der Tablet-Schüler*innen feststellen konnten (Forschungsfrage 2).

7 Ergebnisse 7.1 Forschungsfrage 1: Entwicklung computerbezogener Kompetenzen der Schüler*innen Wird zunächst auf Grundlage der quantitativen Daten die Ausgangslage vor der Einführung der Tablets (MZP 1) betrachtet, wird deutlich, dass die Schüler*innen in den Tabletklassen mit im Mittel 473 Leistungspunkten signifikant geringere computerbezogene Kompetenzen aufweisen als die Schüler*innen der drei Parallelklassen, die im Schnitt 521 Leistungspunkte erreichen (siehe Abb. 5). Nachdem die Tablets rund ein Schuljahr regelmäßig in den Tabletklassen eingesetzt wurden (MZP 2), ist keine Veränderung in den mittleren computerbezogenen Kompetenzen der Tablet-Schüler*innen zu verzeichnen – sie erreichen im Durschnitt nach wie vor 473 Leistungspunkte. Auch hat sich die durchschnittliche Leistung in den computerbezogenen Kompetenzen der Schüler*innen in den Parallelklassen nicht signifikant verändert (521 Leistungspunkte).

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Abb. 5   Entwicklung computerbezogener Kompetenzen differenziert nach Tabletklassen und nicht-Tabletklassen zu drei Messzeitpunkten (MZP), (eigene Darstellung)

Tendenziell erwartungswidrig zeigt sich bei Messzeitpunkt 3, zwei Jahre nach der Einführung der Tablets, dass die mittleren Leistungen der Schüler*innen im Hinblick auf die computerbezogenen Kompetenzen in der Tabletklasse im Gegensatz zu den vorherigen Messzeitpunkten signifikant geringer ausfallen (448 Leistungspunkte), bei den Schüler*innen in der Kontrollgruppe dagegen zunehmen (540 Leistungspunkte).

7.2 Forschungsfrage 2: Wahrnehmung der Entwicklung computerbezogener Kompetenzen der Schüler*innen in den Tablet-Klassen durch die Lehrkräfte Wird des Weiteren auf Basis der qualitativen Daten die Wahrnehmung derjenigen Lehrkräfte, die die Schüler*innen in den Tabletklassen unterrichten, betrachtet, so werden seitens des Großteils der Lehrer*innenschaft umfängliche

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Entwicklungen in den computerbezogenen Kompetenzen der Schüler*innen benannt (N  =  6). Dies trifft vor allem auf den Bereich des sicheren und reflektierten Umgangs mit den Tablets zu. Zum Beispiel beschreibt eine Lehrkraft: „[…] die Schüler nutzen das Tablet immer mehr als Werkzeug, der „Spieltrieb“ nimmt immer mehr ab. Das Ausschöpfen der Funktionalitäten der Tablets ist beeindruckend. Informationsrecherchen, das Erstellen von Präsentationen, das Verfassen von E-Mails oder das Speichern von Dokumenten in Clouds gehört für viele [Schüler*innen] mittlerweile zum Alltag. Das zielgerichtete Nutzen von Apps wird auch immer reflektierter.“ Eine Lehrkraft weist jedoch gleichzeitig darauf hin, dass sie es teilweise „erschreckend“ findet, wie schwach die Grundanwendungen von „unsicheren Mädchen“ eineinhalb Jahre nach der Implementation der Tablets noch ausgeprägt sind. Eine weitere Lehrkraft (N = 1) konnte keine Veränderungen in den computerbezogenen Kompetenzen der Schüler*innen in den Tabletklassen wahrnehmen.

8 Zusammenfassung, Ausblick und Forschungsperspektiven Aufgrund der steigenden Relevanz, kompetent mit digitalen Medien umgehen zu können, wurde im vorliegenden Beitrag der Frage nachgegangen, inwieweit eine 1:1-Ausstattung von Schüler*innen mit Tablets mit der Entwicklung computerbezogener Kompetenzen im Zusammenhang steht. Um diesem Zusammenhang nachzugehen, wurden die triangulativen Daten aus dem Tablet-Projekt TiGer (Tablets im Gymnasium evaluieren und reflektieren) in Nordrhein-Westfalen hinzugezogen. Im Rahmen des Projektes erfolgte eine wissenschaftliche Begleitung der Einführung von Tablets in den Unterricht in zwei von fünf Parallelklassen einer siebten Jahrgangsstufe über einen Zeitraum von zwei Schuljahren. Im Kontext der Studie wurden die computerbezogenen Kompetenzen der Schüler*innen allen Klassen mittels des Tests of Technological and Information Literacy (TILT, vgl. Senkbeil et al. 2013a; Senkbeil et al. 2013b) erhoben. Ergänzend dazu wurden die in den Tabletklassen unterrichtenden Lehrkräfte mithilfe offener schriftlicher Befragung gebeten, einzuschätzen, inwieweit sie eine Veränderung computerbezogener Kompetenzen bei den Tablet-Schüler*innen wahrnehmen. Im Hinblick auf die computerbezogenen Kompetenzen zeigt sich, dass diese vor der Einführung der Tablets in den Unterricht bei den Tablet-Schüler*innen im Mittel geringer ausfallen als in den Parallelklassen. Nach einem Schuljahr lassen sich keine Veränderungen in den mittleren computerbezogenen

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Kompetenzen in beiden Gruppen verzeichnen Nach zwei Schuljahren erreichen die Tablet-Schüler*innen im Mittel geringere Leistungspunkte als vor der Einführung. Im Gegensatz dazu erreichen Schüler*innen der Parallelklassen im Schnitt höhere computerbezogene Kompetenzen. Wenngleich die Ergebnisse auf den ersten Blick nicht erwartungskonform ausfallen, erscheinen sie bei genauerer Betrachtung des Instruments, mit dessen Hilfe die Computerkenntnisse getestet wurden – und der entsprechenden theoretischen Konzeption – nachvollziehbar. Eine Auswertung der Daten der standardisierten Schülerbefragung zeigt u. a., dass die im Test verwendeten Softwareanwendungen anders konzipiert waren, als diejenigen, die in den Tabletklassen verwendet wurden. Zum Beispiel haben die Schüler*innen in den Tabletklassen anstatt E-Mails mit ihren Tablets zu senden, über spezielle Kommunikationsanwendungen kommuniziert. Des Weiteren wurden Unterschiede in Bezug auf die Prozesskomponenten des theoretischen Rahmenmodells zur Entwicklung computerbezogener Kompetenzen festgestellt. Demnach ist davon auszugehen, dass sich die Art und Weise, wie Tablet-Schüler*innen beispielsweise Informationen verwalten, grundlegend von der Art und Weise unterscheidet, in der sie im TILT-Test operationalisiert wird. Die Schüler*innen verwendeten beispielsweise die Kamera des Tablets zur Digitalisierung und Speicherung von Dokumenten. Anzumerken ist allerdings, dass aktuell kein valides Instrument für den deutschsprachigen Raum vorhanden ist, um eine derartige Vielfalt potenzieller Tablet-Anwendungen zu berücksichtigen. Angesichts der rasanten Entwicklung in diesem Bereich – sowohl im Hinblick auf Softwareanwendungen als auch auf die Hardware – stellt die Entwicklung eines validen und praktikablen Instruments eine große Herausforderung dar. Die Eindrücke der mittels offener Fragebögen befragten Lehrkräfte deuten im Gegensatz zu den Ergebnissen der Kompetenztestung auf eine Verbesserung computerbezogener Kompetenzen der Schüler*innen in den Tabletklassen hin. Diese vermeintlich widersprüchlichen Ergebnisse verdeutlichen somit einerseits die Bedeutsamkeit der Nutzung triangulativer Verfahren bei derart komplexen Fragestellungen und andererseits den Mehrwert des Einbezugs der Perspektive der Lehrkräfte (Eickelmann & Vennemann 2017; Niemann et al. 2019). Zukünftig wäre es zudem zielführend, die Qualität der unterrichtlichen Nutzung von Tablets in Verbindung mit der Entwicklung von (computerbezogenen) Kompetenzen zum Beispiel mit Hilfe von Unterrichtsvideografien genauer zu betrachten. Außerdem könnten weitere Indikatoren, wie die außerschulische Nutzung digitaler Medien oder die computerbezogene Selbstwirksamkeitserwartung, bei der Betrachtung des Zusammenhangs zwischen der unterrichtlichen Nutzung von Tablets und der Entwicklung computerbezogener Kompetenzen berücksichtigt werden, um

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ein umfangreicheres Bild zu erhalten. Bedeutsam sind in diesem Zusammenhang auch international angelegte repräsentative Untersuchungen, wie sie beispielsweise im fünfjährigen Turnus mit der Studie ICILS vorgelegt werden (Eickelmann, Bos & Labusch 2019).

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Digitale Elemente im Englischunterricht Ilka Mindt und Yasemin Kaymak

1 Einführung Die Studien „International Computer and Information Literacy Study“ (ICILS 2018) und ICILS 2018#NRW zeigen im internationalen Vergleich und für NordrheinWestfalen „die computer- und informationsbezogenen Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern der achten Jahrgangsstufe sowie die Rahmendaten des Kompetenzerwerbs“ (Eickelmann et al. 2019, S. 7). Für den hier skizzierten Einsatz digitaler Elemente im Englischunterricht sind insbesondere die „Ergebnisse zu schulischen Prozessen in Nordrhein-Westfalen im internationalen Vergleich“ (Eickelmann et al. 2019, S. 11–12) von Interesse. In Nordrhein-Westfalen gibt nur ein Drittel (33.5 %) der Lehrpersonen an, dass der Einsatz von digitalen Medien im Unterricht an ihrer Schule Priorität habe. NordrheinWestfalen bildet damit das Schlusslicht des internationalen Vergleiches. Die Potenziale digitaler Medien werden von Lehrkräften in Nordrhein-Westfalen zudem durchaus ambivalent eingeschätzt. Während bestimmte Bereiche, wie etwa der Zugang zu besseren Informationsquellen (86.5 %), die Zustimmung, dass der unterrichtliche Einsatz digitaler Medien den Schülerinnen und Schülern helfe, ein größeres Interesse am Lernen zu entwickeln (81.4 %), die Unterstützung der Anpassung an die Lernbedürfnisse der Schülerinnen und Schüler durch den unterrichtlichen Einsatz

I. Mindt (*)  Institut für Anglistik, Universität Paderborn, Paderborn, Deutschland E-Mail: [email protected] Y. Kaymak  Gesamtschule Bad Driburg, Bad Driburg, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. M. Meister und I. Mindt (Hrsg.), Mobile Medien im Schulkontext, Medienbildung und Gesellschaft 41, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29039-9_8

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digitaler Medien (70.1 %) sowie die Steigerung der Effektivität der Zusammenarbeit von Schülerinnen und Schülern (53.9 %), von den Lehrkräften mehrheitlich positiv wahrgenommen wird, stimmt nur etwas mehr als ein Drittel (36.7 %) der Lehrkräfte in Nordrhein-Westfalen der Aussage zu, dass der Einsatz digitaler Medien im Unterricht und für das Lernen die schulischen Leistungen der Schülerinnen und Schüler verbessere. Hier zeigen sich international deutlich höhere Zustimmungsraten (internationaler Mittelwert: 71.0 %; VG EU: 51.5 %). (Eickelmann et al. 2019, S. 11–12)

Nicht nur die große Skepsis in Bezug auf die Nutzung digitaler Medien im Unterricht stellt eine schwierige Ausgangslage dar, sondern auch die Tatsache, dass digitale Medien bzw. „digitalisierungsbezogene Bestandteile“ nur bei 23 % der Lehrkräfte in Nordrhein-Westfalen „Bestandteil ihrer eigenen Lehrausbildung“ gewesen seien (ebd. 2019, S. 12). Auch das Erlernen der Verwendung dieser Medien im Unterricht ist nur bei weniger als einem Viertel ein Bestandteil der Lehramtausbildung gewesen. Aus diesen Gründen ist es nicht verwunderlich, dass eine große Skepsis besteht, wenn nach der Einschätzung digitaler Medien zur Verbesserung der schulischen Leistungen gefragt wird. Während Studienergebnisse zur Leistungsbeurteilung (achievement) durch digitale Medien noch ausstehen, ist es Ziel dieses Beitrags, die Anwendungsoptionen digitaler Medien im Englischunterricht zu beleuchten. Diese durch ICILS 2018#NRW gewonnenen Erkenntnisse fordern geradezu heraus, einige Wege zur Nutzung von digitalen Elementen im Englischunterricht aufzuzeigen. In diesem Beitrag wird die Verwendung von analogen und digitalen Medien aufgezeigt. Ein Vergleich soll dabei nicht erfolgen. Vielmehr wird dargestellt, welche Wege beschritten werden bzw. werden können, wenn es um die Nutzung und Anwendung digitaler Medien geht. Es geht nicht darum, einen Weg gegen den anderen Weg zu ersetzen oder gar abzugrenzen. Vielmehr soll deutlich werden, welche Optionen beim Begehen beider Wege für den Englischunterricht bestehen.

2 Untersuchungen zum Digitalen im Englischunterricht Die Ausgangslage in den Klassenzimmern im Englischunterricht in Deutschland ist die, dass der Unterricht in der Regel lehrwerksbasiert stattfindet. An der Umsetzung der Lehrwerke in ein digitales Format arbeiten die Schulbuchverlage. Dies zeigt sich zurzeit in der Form, dass die digitale Variante eine eins-zu-eins Entsprechung der Buchpublikation darstellt. Zusätzlich zur analogen Version

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finden sich in der digitalen Variante weitere Elemente, wie z. B. Videos, Texteingabefelder mithilfe der Tastatur, sowie einige Übungen in digitaler Form. Eine konsequente Umsetzung in ein multimediales, schülerzentriertes und die*den Schüler*in in ihrer individuellen Entwicklung begleitendes Schulbuch ist ein wünschenswertes Konzept für die Zukunft. Im Englischunterricht wird für die Nutzung digitaler Medien meist auf frei verfügbare Lehr-Lern-Angebote aus dem Internet zurückgegriffen. Dabei stellen sich neben Fragen der Qualität der Materialien auch Fragen zur Passgenauigkeit in Bezug auf den zu behandelnden Unterrichtsstoff. Heinz (2018a, 2018b) berichtet über ihre Forschungsergebnisse zum mobilen Fremdsprachenlernen. Sie (2018b, S. 45) stellt vor allem die Nutzung digitaler Inhalte heraus, die die Lehrkräfte für den Unterricht selbst gestaltet haben. „Aus den Schüleräußerungen lässt sich erkennen, dass die Schülerinnen und Schüler, wenn solche passgenauen digitalen Übungsangebote durch die jeweilige Lehrkraft vorliegen, dies als deutlichen mobilen Mehrwert sehen, um Lerninhalte durch häusliches Üben zu vertiefen.“ (Heinz 2018b, S. 45). Nicht nur durch den Einsatz von Filmen, sondern auch durch digitale Präsentationen empfinden Schüler*innen den Unterricht in dieser Form als besser strukturiert. Er steigere die Freude am Lernen (ebd. 2018b, S. 45). Heinz stellt fest, dass die häufigsten Teilkompetenzen, die tabletgestützt geübt werden, zum einen die Internetrecherche mit anschließender PowerPoint-Präsentation und zum anderen die Grammatikarbeit sind (ebd. 2018b, S. 45). Während die Internetrecherche mit Präsentation zum Bereich der allgemeinen Schlüsselqualifikation an der Schule gehört, ist die Grammatikarbeit ein Bereich, der dezidiert mit dem Erlernen der Fremdsprache Englisch zu tun hat. Weitere von Heinz untersuchte Bereiche liegen in der Schreibkompetenz, im Bereich sprachliche Mittel, im kollaborativen Schreiben und auch im Peer Feedback. Die Erkenntnisse aus der Untersuchung von Heinz (2018b, S. 46) sind, dass nichtfachspezifische Applikationen dominieren. Bei den Schüler*innen kommt es zu einem Zuwachs an Recherche- und Präsentationskompetenz durch den Einsatz digitaler Medien. Im Bereich der rezeptiven Kompetenz ‚Hören‘ zeigen sich leichte Verbesserungen durch den Einsatz mobiler Medien. Leider erfolgt kein mobiles Lernen der Vokabeln außerhalb des Unterrichts. Der Mangel an wirklich passgenauen digitalen Bildungsmedien und an fachspezifischen Lernangeboten wird von ihr konstatiert. Es besteht ein deutlicher Entwicklungsbedarf für mobile Lehr- und Lernszenarien für das Englischlernen und den Englischunterricht. Falk (2019) beschäftigt sich mit digitalen mobilen Endgeräten im Fremdsprachenunterricht und führt dazu eine empirische Untersuchung durch. Er

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beschreibt auf der Basis von neun Falldarstellungen seine Ergebnisse einer neunten Klasse eines hessischen Gymnasiums. Falks Ziel besteht darin, die „Nutzungsabsichten und damit das Nutzungsverhalten der Schüler im Hinblick auf diese digitalen mobilen Endgeräte herauszuarbeiten“ (Falk 2019, S. 173). Er legt dar, dass in seiner Untersuchung die Schüler*innen die digitalen Endgeräte für Präsentationen, zur Informationsbeschaffung und zum Schreiben (ebd. 2019, S. 173 f.) verwenden. Diese Erkenntnis ist deckungsgleich mit der Studie von Heinz (2018a, 2018b). Inwiefern die Verwendung digitaler Endgeräte im Fremdsprachenunterricht einen besonderen Nutzen bringt, ist aus der Studie von Falk nicht ersichtlich. Jadin (2018) vergleicht acht digitale Applikationen unter lernpsychologischen Aspekten. Diese Applikationen sind nicht zwingend für den schulischen Fremdsprachenunterricht ideal, wohl aber für das Erlernen einer Fremdsprache außerhalb des schulischen Kontexts geeignet. Bei der lernpsychologischen Perspektive unterscheidet sie zwischen den „drei Lerntheorien Behaviorismus, Kognitivismus und Konstruktivismus“ (ebd. 2018, S. 724). In Bezug auf die untersuchten Applikationen werden von ihr Kriterien definiert, aus denen sich drei Kategorien bilden: „1. Drill & Practice-Programme, 2. tutorielle Lernapplikationen und 3. konstruktivistische Lernapplikationen wie Nachschlagewerke sowie Audio-/Videoangebote“ (ebd. 2018, S. 733). Jadin betont, dass es sich bei den Programmen durchaus auch um Mischformen handelt und somit nicht nur eine der Lerntheorien anzuwenden ist (ebd. 2018, S. 733). Zusammenfassend stellt Jadin fest, dass fast alle Anwendungen „mit behavioristischen Elementen und Gamification-Elementen“ arbeiten (ebd. 2018, S. 739). Neben vielen positiven Aspekten, wie Verfolgung des Lernfortschritts, häufige Wiederholungen, Multimedialität, abwechselnde Darbietungen (ebd. 2018, S. 739) finden sich aber auch verbesserungswürdige Aspekte. Jadin merkt an, dass „das Einüben der Fremdsprache im Bereich der eigenen Aussprache noch ein Manko beim mobilen Fremdsprachenerwerb“ (ebd. 2018, S. 741) darstellt. Ebenso sind natürliche, ungesteuerte Diskurse sowie der direkte Face-toFace Austausch noch nicht hinreichend und konsequent integriert. Jadin hebt hervor, dass alle von ihr untersuchten Programme auf das „selbstgesteuerte Lernen“ setzen (ebd. 2018, S. 741). Die Eigenverantwortung der/s Lernenden ist das wichtigste Momentum, welches nicht über die Programme steuerbar ist. Die Programme können aus motivationeller Sicht z. B. über Erinnerungen bzw. Ergebnisse von Gamification-Elementen zum Lernen aufrufen. Gut geeignet sind sie aber „zum Erwerb von Faktenwissen und konzeptuellem Wissen“ (ebd. 2018, S. 741).

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3 Wege des Digitalen im Englischunterricht Um Wege des Digitalen im Englischunterricht zu beschreiten, stellt sich die Frage, ob mobiles Fremdsprachenlernen durch die Nutzung fachspezifischer Applikationen im Unterricht zu einem Mehrwert führt (vgl. Heinz 2018a & 2018b). Das häufig angeführte Argument, dass mit digitalen Mitteln die analogen Inhalte nur in ein anderes Medium überführt und somit der alte Wein lediglich in neuen Schläuchen präsentiert würde, soll kritisch betrachtet werden. Zum anderen muss gefragt werden, auf wen genau die Anwendung von digitalen Medien im Englischunterricht in welchen Bereichen bezogen ist. Sollen die Schüler*innen durch die Anwendung mobiler Medien ihre Kompetenzen vertiefen? Sollen die mobilen Medien im Unterricht, also im schulischen Kontext und/oder zu Hause, also auch im außerschulischen Kontext angewendet werden? Was bedeutet die Anwendung mobiler Medien für die Lehrkraft, für den Unterricht und für das Kollegium? Im Folgenden werden verschiedene Bereiche aufgezeigt, in denen die Anwendung digitaler Verfahren einen Mehrwert darstellt und mehr ist als alter Wein in neuen Schläuchen. Adressaten sind Lehrkräfte wie auch Schüler*innen im schulischen wie auch im außerschulischen Geschehen. Zwei Bereiche beschäftigen sich mit der englischen Sprachwissenschaft, die u. a. die fachwissenschaftliche Betrachtung des Englischen der Lernenden zum Inhalt hat. Dabei geht es in erster Linie darum, wie Einsichten in die Struktur der englischen Sprache durch digitale Elemente möglich gemacht werden. Zwei weitere Bereiche widmen sich konkret dem Fremdsprachenunterricht und erläutern exemplarisch, inwiefern die Nutzung der Fremdsprache gefördert werden kann, wenn digitale bzw. mobile Medien verwendet werden.

3.1 Einsichten ermöglichen Anhand von zwei Beispielen wird im Folgenden aufgezeigt, wie digitale Medien Einsichten in die englische Sprache und deren Verwendung eröffnen und fördern können. Das erste Beispiel bezieht sich auf die sogenannte Unterscheidung zwischen long und short forms. Diese Formen treten bei der Verwendung von Personalpronomen im Zusammenhang mit bestimmten Verbformen auf. Am Beispiel des Verbs BE wird deutlich, dass die long form "I am" der short form "I'm" gegenübersteht. Die long form "he is" hat die short form "he's". Bei der Verneinung

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gibt es ebenfalls die Unterscheidung zwischen der long form "she is not" und der short form "she isn't". Diese Formen lassen für alle drei Personen im Singular wie im Plural benennen. Von Schüler*innenseite gibt es zwei Lernbereiche, die geklärt werden müssen. Der eine bezieht sich darauf, ob es einen Unterschied zwischen der long form und der short form gibt. Der zweite bezieht sich auf die Art und Weise der Bildung der long bzw. der short form. Bei der Betrachtung von ausgewählten Lehrwerken (Green Line 1 (2014), Camden Town, (2013), Englisch G Access 1 (2013)), welche in Nordrhein-Westfalen in der fünften Jahrgangsstufe am Gymnasium verwendet werden, fällt auf, dass diese sich vor allem der Art und Weise der Bildung der Formen widmen. Die Lehrwerke stellen neben der long form die Entstehung der Kurzform dar. Dies geschieht – dem Medium des Schulbuchs geschuldet – meist in Tabellenform auf dem Papier. English G Access 1 von 2013 (S. 22) hat sogar eine dreistufige Skizze im Lehrbuch, die beispielhaft die Entstehung der short form "I'm" aus der long form "I am" zeigt. Mittels eines Videos (https://www.uni-paderborn.de/lehre/lehrinnovationen/ lehrprojekte/bridging/) kann viel einfacher als auf dem Papier die Entstehung der short form aus der long form gezeigt werden. Dadurch kann die strukturelle Änderung bei der Ableitung der short form aus der long form viel besser verdeutlicht werden als dies auf Papier möglich ist. So wird den Schüler*innen vor Augen geführt, dass bei dem Verb ein Teil davon (in der Regel der Vokal) wegfällt, der verbleibende Rest des Verbs sich an das Personalpronomen angliedert und nur durch einen Apostroph getrennt wird. Durch das Video kann auf einfachem Weg und viel plastischer als in analoger Weise der Weg der Bildung der short form aus der long form verdeutlicht werden. Außerdem lassen sich Unregelmäßigkeiten in der Aussprache von der long und der short form (vgl. do not /dʊ nɒt/ zu don't /dəʊnt/ im britischen Englischen) einfacher thematisieren. Ebenso lässt sich die erste Frage beantworten: inhaltlich – also in Bezug auf die Bedeutung – besteht kein Unterschied zwischen der long und der short form. Dies ist leider vielen Schüler*innen gar nicht klar und kann sehr einfach mittels eines Videos geklärt werden. Die hier beschriebenen Erweiterungsmöglichkeiten durch Medien sollen eingeordnet werden. Dafür wird das Modell von Puentedura (2006) herangezogen. Wie auch Aufenanger (2020, dieser Band) darlegt, kann das Modell dabei "helfen, Entscheidungen über den Einsatz digitaler Medien im Unterricht zu treffen" (Aufenanger 2020, S. 39). Puentedura unterscheidet vier Ebenen, die gestuft betrachtet werden. Eine Übersetzung der wichtigsten Begriffe ins Deutsche liefert Wilke (2016). Von unten nach oben – vgl. Abb. 1 – ist eine erste Ebene die der Substitution oder Ersetzung (engl. substitution), bei der

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Abb. 1   Das SAMR-Modell. (Nach Puentedura (2006) und Wilke (2016); Anordnung: Ilka Mindt)

durch den Einsatz einer Technologie lediglich etwas ersetzt wird, ohne dass eine funktionale Änderung eintritt. Die zweite Ebene ist die der Erweiterung (engl. augmentation), bei der die Technologie einen Ersatz darstellt. In diesem Fall ist aber mit dem Einsatz der Technologie eine funktionale Verbesserung verbunden. Auf der dritten Ebene, welche Puentedura mit modification (Änderung bzw. Veränderung) beschreibt, erfolgt durch den Einsatz einer Technologie eine Neugestaltung (redesign). Die vierte Ebene wird als redefinition (Neubelegung bzw. Neubestimmung) bezeichnet. Hier erlaubt es der Einsatz der Technologie, neue Aufgaben zu kreieren, die vorher nicht machbar waren. Auf den ersten beiden Ebenen des Modells – substitution und augmentation – findet ein enhancement, also eine Verbesserung statt. Die Ebenen drei und vier – modification und redefinition – führen nach Puentedura zu einer Umwandlung, also einer Transformation. Aufenanger bezeichnet diesen Einsatz mobiler Medien auch als andere oder "neue Formen des Lernens" (Aufenanger 2020, S. 38). Nimmt man das Modell von Puentedura als Basis, um den hier dargestellten Umgang von analoger und digitaler Darstellung zu vergleichen, so zeigt sich, dass der Einsatz eines Videos zur Behandlung der long und short forms auf die erste Ebene der Ersetzung zielt. Der Sachverhalt, der auf Papierform abgebildet wurde, wird im Videoformat dargelegt. Zu ergänzen ist, dass auch hier bereits die zweite Ebene angeschnitten wird, da durch die Erweiterung des Darstellungsprozesses den Schüler*innen die konkrete Veränderung im direkten Ablauf vor Augen geführt wird. Dies ist ein ganz klarer Vorteil, den das bewegte Video gegenüber dem statischen Bild hat. Durch die Ersetzung erhalten die Erklärungen einen Mehrwert, weil die visuelle Darstellung die inhaltliche Gleichheit der Formen (long und short) untermauert. Das Video als technisches Hilfsmittel kann als Erweiterung gesehen werden, weil der Prozess des Unterschieds deutlicher gestaltet werden kann. Der digitale Weg zeigt ganz klar auf, dass es hier um eine Verbesserung (enhancement) geht.

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Abb. 2    Textbeispiel einer Schülerin der 5. Klasse eines Gymnasiums in NRW. (Copyright: Ilka Mindt)

Während das erste Beispiel mittels des Aufbaus der short und long forms aufzeigt, wie Schüler*innen Einsichten in den Aufbau der englischen Sprache ermöglicht werden, wird das zweite Beispiel sich mit der Sprachstruktur des Englischen beschäftigen. Eine typische Aufgabe in der fünften Klasse ist die Schilderung des Tagesablaufs. Exemplarisch ist in Abb. 2 das Beispiel einer Schülerin in der 5. Klasse eines Gymnasiums in NRW aufgeführt. In Abb. 2 zeigen sich Probleme in der Rechtschreibung, in der Verwendung lexikalischer Einheiten und auch in der Grammatik. Probleme, die der Rechtschreibung zuzuordnen sind, sind z. B. "clouthes", welches korrekt als "clothes" wiederzugeben wäre. Ein lexikalisches Problem tritt in der Kombination des Verbs "wash" mit dem Nomen "teeth's" auf. Das englische Wort für "Zähne" wird von Muttersprachlern nicht mit dem Verb "wash" zusammen verwendet sondern mit Verben wie "brush" oder "clean". Die Wortform "teeth's" zeigt neben einem Rechtschreibproblem auch ein grammatisches Problem der Hyperkorrektheit auf. Ein vermeintliches "S" des Genitiv angezeigt durch "s" kann einen hier leider falschen Plural andeuteten. Die aus moderner Sicht des Englischen unregelmäßige Pluralbildung von teeth zum Singular tooth wird hier durch einen Vokalwechsel deutlich und nicht – wie in der regelmäßigen Bildung üblich – durch das Pluralmorphem {s} wie z. B. im Wort tree, welches trees als Plural hat. Besondere Beachtung liegt bei der Einsicht in Sprachstrukturen auf der Anordnung der Wörter im Satz. Stellt man die lineare Darstellung des in Abb. 2 gegebenen Textes um und verwendet eine in der fachwissenschaftlichen Beschreibung häufig angewandte Form der Konkordanz an, so kann das key-word im Kontext erkannt werden (key-word in context Konkordanz). Der gesamte Text aus Abb. 2 wird in Abb. 3 entsprechend dargestellt. Das key-word ist hierbei das Verb. Jeder Satz wird auf einer Zeile dargestellt. Das key-word befindet sich in der Mitte. Der Kontext vor dem Verb steht auf der linken Seite, während die Worte, welche dem Verb folgen, auf der rechten Seite stehen. Für diese Darstellungen gibt es eine Vielzahl von Konkordanzprogrammen,

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Abb. 3   Key-word in context Konkordanz von Abb. 2. (Copyright: Ilka Mindt)

die es erlauben, beliebige Texte einzulesen und grafisch entsprechend darzustellen. Ebenso ist es möglich, z. B. den rechten Kontext nach dem Alphabet zu sortieren. Dabei wird jeder Satz in seiner Zeile belassen. Lediglich die Sätze ändern ihre Position in der Darstellung. Zur Orientierung ist die Originalzeilennummerierung beibehalten worden. Das Ergebnis ist in Abb. 4 zu sehen. In Abb. 4 zeigt sich, dass nun die lineare Struktur des Textes aufgegeben wurde. Dadurch wird aber eine andere Einsicht möglich. Zu erkennen ist, dass die ersten drei Zeilen (Sätze 1, 10, 11) alle eine Präpositionalphrase nach dem Verb haben. Diese Präpositionalphrase beginnt mit der Präposition "at" und drückt in allen drei Fällen eine Adverbiale der Zeit aus. Die letzten drei Zeilen (Sätze 6, 5,

Abb. 4   KWIC Konkordanz sortiert nach der rechten Seite. (Copyright: Ilka Mindt)

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8) enthalten ebenfalls Präpositionalphrasen. Ihnen ist gemeinsam, dass sie mit der Präposition "to" beginnen und eine Adverbiale des Ortes ausdrücken. Alle drei Präpositionalphrasen der Zeilen 6, 5 und 8 sind noch von weiteren Präpositionalphrasen gefolgt. In Satz 3 ist ein Nomen (breakfast) direkt nach dem Verb have zu finden, welches von einer Zeitadverbiale "at 6:40" gefolgt wird. Die Sätze 2 und 4 zeigen nach den Verben change und wash ebenfalls Nominalphrasen, die mit dem Possessivpronomen "my" beginnen. In den Sätzen 7, 9 und 12 schließlich findet sich das Pronomen "I" nach dem Verb. Diese Anordnung der Wörter im Satz, wie sie sich in den Sätzen 7, 9 und 12 zeigt, ist ein häufig auftauchendes Problem von deutschen Lernenden des Englischen. Die englische Sprache zeichnet sich durch die Besonderheit aus, dass vor dem Verb immer das Subjekt steht. Nach dem Verb können – entsprechend der Beispiele – Objekte oder Adverbiale vorkommen. Beispiele von Sätzen mit Objekten nach dem Verb sind (in der Reihenfolge ihres Erscheinens in Abb. 4) 3, 2 und 4. Vor dem Subjekt kann optional ebenfalls eine Adverbiale stehen, wie in 2, 4 und 8 zu erkennen ist. Wichtig ist, dass im Englischen die Stellung der Wörter im Satz fest ist. Diese feste Wortstellung ist eine sprachhistorische Besonderheit des Englischen, welches über nur noch sehr wenige Flexionsendungen verfügt. Die Stellung der Wörter im Satz macht deutlich, dass das Subjekt vor dem Verb steht. Durch die Dreiteilung in Abb. 5 wird verdeutlicht, dass jedes Satzglied genau in einer Spalte zu finden ist. Das Verb steht im Zentrum. VOR dem Verb findet sich im Englischen das Subjekt. NACH dem Verb steht im Englischen das Objekt – oder alternativ ein Komplement oder eine Adverbiale. Adverbiale können auch an anderen Positionen im Satz vorkommen.

Abb. 5   Schematische Darstellung der Wortstellung im Englischen. (Copyright: Ilka Mindt)

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Im Deutschen ist die Anordnung der Satzglieder im Satz eine Andere. Sätze wie "Um 8 Uhr gehe ich ins Bett." können formuliert werden. In diesem Satz folgt das Subjekt ich dem Verb gehe. Vor dem Verb findet sich lediglich die Zeitadverbiale. Möglich ist im Deutschen aber auch die Satzstellung "Ich gehe um 8 Uhr ins Bett". Bei diesem Beispiel steht das Subjekt vor dem Verb – ganz so, wie es im Englischen der Fall ist. Analog dazu sind Sätze wie "Um 14:05 mache ich meine Hausaufgaben." oder "Ich mache meine Hausaufgaben um 14:05." möglich. Das erste Beispiel zeigt wiederum die freie Wortstellung der Satzglieder im Deutschen, da das Subjekt „ich“ nach dem Verb „mache“ vorkommt. Im zweiten Beispiel findet sich das Subjekt „Ich“ vor dem Verb. Während im Deutschen also mindestens zwei mögliche Optionen der Stellung der Wörter im Satz bestehen, gibt es im Englischen nur eine Variante. Die Beispiele "Um 8 Uhr gehe ich ins Bett" sowie "Um 14:05 Uhr mache ich meine Hausaufgaben." wurden von der Schülerin in Zeilen 9 und 12 wortwörtlich so ins Englische übernommen. Dies stellt eine sogenannte Interferenz dar. Die Schülerin hat ein ihr bekanntes Muster der Bildung von Sätzen angewendet und dieses direkt von der Muttersprache auf die Zielsprache übertragen. Durch den Einsatz digitaler Medien kann es gelingen, die feste Wortstellung im Englischen zu visualisieren und dadurch zu verdeutlichen. Bei Bedarf kann – muss aber nicht – die grammatische Terminologie in das Unterrichtsgeschehen einfließen. Die KWIC-Konkordanz in Abb. 3 zeigt, dass die Schülerin in acht von zwölf Sätzen das Subjekt (immer "I") vor das Verb gestellt hat. Lediglich in drei Fällen (7, 9 und 12) steht das Subjekt hinter dem Verb. Ein Satz (Satz 10) kommt ohne Subjekt aus. Diese Erkenntnis der festen Wortstellung im Englischen kann im Klassenzimmer schematisch dargestellt werden, wie in Abb. 6 verdeutlicht (vgl. auch hierzu Mindt 2016).

Abb. 6   Freie Stellung der Wörter im Satz im Deutschen. (Copyright: Ilka Mindt)

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Zum Üben dieser Wortstellung können die einzelnen Satzglieder der Sätze in die entsprechende Position gerückt werden. Eine solche Übung kann leicht mittels einer digitalen Tafel oder durch eine entsprechende Applikation auf einem Tablet konzipiert und von den Schüler*innen angewendet werden. Das Elegante an dieser digitalen Variante ist, dass schnell Wörter hinzuzufügen sind, sodass sich die Sätze vor den Augen der Lernenden aufbauen und dass falsche Lösungen einfach durch Verschieben der entsprechenden Satzteile verbessert werden. Mittels Flipchart und ausgeschnittenen Satzgliedern kann in analoger Form das Gleiche geleistet werden. Allerdings eröffnet der Einsatz der digitalen Variante viel mehr Anwendungsmöglichkeiten. Durch dieses einfache visuelle Mittel wird wiederum im Prozess der Satz gebildet, welcher die vorgegebene Struktur hat. Das Verb befindet sich in der Mitte. Das Subjekt nimmt immer die Position vor dem Verb ein. Im Gegensatz zum Deutschen, welches sehr frei in der Anordnung der Elemente im Satz ist, weil die entsprechenden Flexionsendungen vorhanden sind, ist es sehr wichtig, dass die festgelegte Stellung der Wörter im Satz im Englischunterricht vermittelt wird. Wendet man auf diese hier dargestellte Anwendung digitaler Medien das Modell von Puentedura an, so zeigt sich, dass eine Modifikation, also eine Änderung bzw. Veränderung, vorhanden ist. Durch den Einsatz digitaler Medien wird die Visualisierung der Satzstruktur während des Entstehungsprozesses möglich. Die Verschiebbarkeit der Elemente mittels digitaler Medien kann die Sprachvermittlung völlig anders als im analogen Modell ermöglichen. Für diese digitale Art der Darstellung ist nur eine sehr grundlegende grammatische Terminologie von Nöten. Eine Neubestimmung bzw. ein Neubelegen, also redefinition, liegt ebenfalls vor. Durch neue Aufgabenformen, die durch das digitale Medium möglich sind, werden Sprachlehrmuster in den Unterricht integriert. Die hier dargestellte digitale Grundstruktur des englischen Satzbaus kann zu einer Umgestaltung des Englischunterrichts durch die Lehrkraft führen. Implizit wird die feste Stellung der Wörter durch die drei Spalten eingeführt. Dies kann didaktisch noch durch Farbkodierung entsprechender Wortarten verstärkt werden. Damit wäre für alle klar ersichtlich, dass z. B. Verben – dargestellt mit dergleichen Farbe – immer in das mittlere Feld gehören, welches durch genau diese Farbe gekennzeichnet wird. Ein Nomen kann dann – je nach Funktion – vor (als Subjekt) oder hinter das Verb (als Objekt) gestellt werden. Implizit und induktiv lernen die Schüler*innen so die richtige Satzstruktur und erhalten – gesteuert durch die digitale Tafel – Hilfestellungen für die Anordnung der Wörter im Satz.

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3.2 Nutzung der Fremdsprache fördern Natürlich gilt es zu bedenken, dass der alleinige Gebrauch der neuen Medien nicht ihrer wegen genutzt werden darf, sondern didaktisch fundiert und durchdacht einem Prinzip folgen muss. So befasst sich laut Kerres (2008) die Mediendidaktik „mit der Nutzung von Medien für Lernprozesse und der Gestaltung mediengestützter Lernangebote“ (Kerres 2008, S. 117). Eine wichtige Frage ist dabei folgende: „Was sind Merkmale ‚guter‘ Medien und wie kann man Lernangebote so gestalten, dass sie Lernprozesse möglichst positiv beeinflussen?“ (ebd., S. 117). Gliedert sich der Gebrauch der neuen Medien in das Konzept der Unterrichtsstunde oder gar in das Unterrichtsvorhaben ein, so ist eine Steigerung der Motivation und der Leistung zu erwarten. Doch welche digitalen Elemente integriert man als Lehrkraft in den Fremdsprachenunterricht? In unserer heutigen Zeit gibt es eine Vielzahl an Applikationen, Tools und Internetseiten, die den Lehrkräften dabei helfen sollen, Wissen an die Schüler*innen zu vermitteln bzw. Feedbackoptionen zu ermöglichen: Die Bandbreite an Möglichkeiten geht von Kahoot über Learningsnacks zu Mentimeter1. Denkt man zunächst an den fremdsprachlichen Unterricht, so gilt es, viele verschiedene Kompetenzen zu schulen: die funktionale kommunikative Kompetenzen wie das Hörverstehen, aber auch Sprechen, Lesen und Schreiben, gefolgt von sprachlichen Mitteln, wie zum Beispiel der Aussprache, Grammatik und dem Wortschatz und interkulturelle Kompetenzen. Aber auch methodische Kompetenzen, wie der Umgang mit Texten und Medien und das selbstständige und kooperative Sprachenlernen, sind nur einige Beispiele (vgl. Ministerium für Schule und Weiterbildung 2019, S. 12–14). Prinzipielles Ziel im fremdsprachlichen Unterricht ist vorwiegend die Mündlichkeit, die mit der Zeit immer mehr in den Vordergrund des Lernens einer Fremdsprache gerückt ist – ohne dabei die anderen Kompetenzen außer Acht zu lassen –, mit dem Ziel, eine „interkulturelle Handlungsfähigkeit in der englischen Sprache“ (Ministerium für Schule und Weiterbildung 2019, S. 8) anzustreben. Im Folgenden werden drei Tools vorgestellt. Die App Kartenheld fördert den Erwerb sprachlicher Mittel im Wortschatzbereich. Dies gilt auch für die App Quizlet,

1Kahoot

(kahoot.com) kann zur Konzeption von Lernspielen und Quizzes verwendet werden, die dann digital genutzt werden. Learning Snacks (z. B. www.learningsnacks.de) sind kleine digital verfügbare Wissenseinheiten. Mentimeter (www.mentimeter.com) ist ein web-basiertes Audience-Response System, welches zum Beispiel zur Evaluation, zur Meinungsumfrage, zur Wissensabfrage, als Test oder Quiz eingesetzt werden kann.

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die insbesondere durch Gamificationelemente die Motivation der Schüler*innen anspricht. Der Einsatz von VR-Brillen fördert die interkulturelle und die Sprachkompetenz. Als erstes Tool fungiert die Applikation Kartenheld, die als Beispiel für den Wortschatzerwerb herangezogen werden kann. Sie bedient sich des Prinzips des „Spaced Repetition“, also der verteilten Wiederholung. Was ist die sogenannte „verteilte Wiederholung“ und welche Vorteile bringt sie für den Fremdsprachenlernenden? When we talk about the spacing effect, we are talking about spacing repetitions of learning points over time. The spacing effect occurs when we present learners with a concept to learn, wait some amount of time, and then present the same concept again. Spacing can involve a few repetitions or many repetitions.[…] So what is the spacing effect? It is the finding that spaced repetitions produce more learning – better long-term retention – than repetitions that are not spaced. It is also the finding that longer spacings tend to produce more long-term retention than shorter spacings (Thalheimer 2006, S. 6).

Thalheimer (2006, S. 6) veranschaulicht, dass das verteilte Wiederholen einen höheren Lernertrag aufweist als das Lernen aller Vokabeln an einem Tag. Zielt man auf die Förderung der sprachlichen Mittel ab, zum Beispiel auf den gezielten Wortschatzerwerb, so kann die Applikation Kartenheld, welche das Konzept des „Spaced Repetition“ anwendet, folgenden Nutzen bringen: Zunächst können die Schüler*innen selbstständig Vokabeln oder „Chunks“, wie die oben erwähnte Kollokation „brush one‘s teeth“, in die App einpflegen. Dies fördert zum einen die methodische Kompetenz, das heißt, dass die Schüler*innen sich mit der Technik der App in Bezug auf den Umgang mit Texten und Medien vertraut machen. Zum anderen hat das Eingeben der Vokabeln auch den Vorteil, dass die Schüler*innen sich mit dem Wortschatz auseinandersetzen und diesen bereits verschriftlichen. Ein weiterer positiver Effekt stellt die Visualisierung dar, die die Schüler*innen ebenfalls eigenständig einpflegen können. So ist es in der Kartenheld-App möglich, Bilder zu den jeweiligen Worten zu integrieren. Da bekannterweise ein Bild mehr als tausend Worte sagt (vgl. Dohnicht 2014, S. 169), unterstützt die Visualisierung das Sprachenlernen. Doch Vorsicht ist geboten bei der Bildauswahl: Nicht alle Bilder stehen offiziell für den privaten Gebrauch zur Verfügung; eine Sensibilisierung der Schüler*innen, welche Bilder welche Lizenzen aufweisen und auf welcher Internetseite sie legal lizenzfreie Bilder herunterladen und speichern dürfen, erscheint hier ein wichtiger rechtlicher Faktor, den die Schüler*innen unbedingt lernen müssen. Haben die Schüler*innen den zu erlernenden Wortschatz samt Visualisierung eingepflegt,

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folgt das eigentliche Lernen mit der App: Die auf den Karten niedergelegten Vokabeln können samt Visualisierung gelernt werden. Zusätzlich dazu kann die*er Schüler*in der App ein Feedback bezüglich der zu erlernenden Vokabel geben: War die Vokabel einfach, war man sich unsicher oder war die Vokabel schwer? Anhand dieses Feedbacks sortiert der Algorithmus der App die Karteikarten so, dass schwere Vokabelkarten viel öfter auftauchen als Einfache. Sobald eine Vokabelkarte als einfach eingestuft wurde, wird diese in bestimmte Kategorien, die dem Konzept des „Spaced Repetition“ folgen, einsortiert. Die Kategorien hierfür lauten: Heute fällig, morgen fällig, in zwei Tagen, in vier Tagen, in acht Tagen, in sechzehn Tagen, in 32 Tagen, in 64 Tagen und die Kategorie Langzeitgedächtnis. Hat es eine Vokabelkarte bis zum Langzeitgedächtnis geschafft, so ist diese nach dem Konzept des „Spaced Repetition“ auch im tatsächlichen Langzeitgedächtnis der*es Schüler*in angekommen. Neue Karteikarten können immer hinzugefügt werden und werden je nach Wissensstand in die jeweiligen Kategorien einsortiert. Wendet man das SAMR-Modell auf Kartenheld an, so lässt sich diese App in dem Modell als Erweiterung verstehen. Die App setzt das Prinzip des klassischen analogen Karteikartenkastens um und bildet es digital ab. Die Erweiterung bezieht sich darauf, dass auf der einen Seite Visualisierungen eingepflegt werden können und auf der anderen Seite die Karteikarten in die oben genannten Kategorien mit dem Konzept des „Spaced Repetition“ sortiert werden. Somit kann die App Kartenheld als direkter Ersatz für das Arbeitsmittel Karteikartenkasten mit funktionaler Verbesserung fungieren. Die App Quizlet als zweite hier vorzustellende App geht noch einen Schritt weiter: Nicht nur können dort die Karteikarten eigenständig erstellt und Visualisierungen eingepflegt werden, sondern es gibt auch verschiedene Modi, mit denen die Schüler*innen auf unterschiedliche Arten den Wortschatz erlernen können. Mittels acht verschiedener Modi kann der Kompetenzschwerpunkt jeweils anders gelegt werden. Der erste Modus „Karteikarten“ präsentiert lediglich die Karten; die Schüler*innen können sich diese einprägen und anschauen. Im Modus „Lernen“ werden den Schüler*innen die Vokabelkarten samt Vorschlägen präsentiert. Sie müssen also aus Vorgaben die richtige Übersetzung der Vokabel herausfiltern. Im Modus „Antworten“ müssen die Schüler*innen die Lösung ohne Vorgaben eintippen. Im Modus „Schreiben“ geht es sowohl um das Hörverstehen als auch um das Schreiben, denn die Schüler*innen müssen das Wort notieren, das sie gerade gehört haben. Auch wenn Quizlet dies nur als den produktiven Skill „Schreiben“ deklariert, so ist auch der rezeptive Skill „Hören“ in diesem Modus von Bedeutung. Unter dem Modus „Testen“ versteckt sich eine Art Vokabeltest, der zufällig ausgewählte Vokabeln präsentiert und diese auf unterschiedliche Art und Weise abfragt; zum Beispiel durch Schreiben,

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Zuordnen oder gar durch Multiple-Choice-Fragen. Der Modus „Zuordnen“ erinnert an das Memory-Spiel. Die Schüler*innen müssen unter Zeitdruck die richtigen Vokabelpaare finden. Im Modus „Schwerkraft“ befindet man sich im Weltraum, genauer in einer Raumstation, die vor Meteoriten geschützt werden soll. In den Meteoriten stehen Vokabeln. Schützen können die Schüler*innen die Raumstation, in dem sie die Übersetzung der Vokabel tippen, bevor der Meteorit die Raumstation erfasst hat. Auch hier fungiert Zeitdruck als zusätzliche Motivation. Als besonderes Highlight in der App zählt der Modus „Live“, der sich besonders für den Unterricht eignet. Anhand einer Nummer melden sich die Schüler*innen in Kleingruppen beim Spiel an und treten gegeneinander an. Das Team, das die meisten richtigen Vokabeln genannt hat, gewinnt. Die Motivation der Schüler*innen für das Erlernen der Vokabeln, die durch die Gamification des Lernens und durch den Zeitdruck generiert wird, kann deutlich erhöht werden (vgl. Pawelka et al. 2014, S. 2353). Die Einbettung der Vokabeln in acht verschiedene Modi, welche Quizlet aktuell dem Lerner zur Verfügung stellt, zeigt, dass die App Quizlet im Modell von Puentedura sich bereits auf der dritten Stufe, und zwar der Änderung des Lernens, befindet (vgl. Grabner 2016, S. 26). Durch den Einsatz digitaler Medien verändert sich das Lernen, da die Technik die Gestaltung von Aufgaben in Bezug auf die Motivation der Schüler*innen (positiv) verändert. Die für Quizlet dargestellten Modi könnten ohne die App nicht so einfach und so leicht umgesetzt werden. Die dritte Möglichkeit, den Unterricht mit digitalen Medien zu gestalten, sind VR-Brillen. Mit VR-Brillen kann sowohl die interkulturelle Kompetenz als auch die Sprachkompetenz gefördert werden. Eine Verwendung von VR-Brillen kann leicht in den Unterricht integriert werden. Für die Anwendung im Unterricht ist ein Smartphone erforderlich sowie eine stabile Internetverbindung und eine VRBrille. Die Schüler*innen können z. B. die App Google Maps nutzen. Sie öffnen in Google Maps den Ort, der ihnen vorgegeben wird, legen das Smartphone in die Halterung der VR-Brille und setzen diese anschließend auf. Anhand der Gläser, die in der VR-Brille integriert sind, können die Schüler*innen den jeweiligen Ort in 3D anschauen und, je nach Karte bzw. eingepflegten Fotos, auch die Umgebung erkunden. Im Englischunterricht können mittels VR-Brillen allgemeine Beschreibungen in mündlicher Form erarbeitet, Wegbeschreibungen geübt oder sogar digitale Schnitzeljagden umgesetzt werden. Lernen die Schüler*innen zum Beispiel, wie man eine Wegbeschreibung in der englischen Sprache durchführt, so können authentische Situationen geschaffen werden, in denen ein*e Schüler*in die VR-Brille aufsetzt und die Wegbeschreibung an die*en andere*n Schüler*in weitergibt. Am Ende schauen die Schüler*innen, ob sie auch genau dort angekommen sind, wo sie ankommen sollten. Aufgrund der authentischen

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Situation, die kreiert wird, steigt die Motivation. Der Einsatz von VR-Brillen im Unterricht hat gezeigt, dass die mündlichen Sprachanteile jeder*s einzelnen Schüler*in deutlich erhöht werden können. Die Anwendung des Gelernten ist ebenfalls eine gute Möglichkeit zur Vertiefung und Festigung des Lernstoffs. Durch den Einsatz der VR-Brillen können unterschiedliche, aber vor allem neue, zuvor nicht umsetzbare Aufgabenformate realisiert werden, weswegen dieses Medium in dem SAMR-Modell der vierten Stufe, also der Neubelegung, zugeordnet werden kann: Der Einsatz von VR-Brillen ermöglichen eine direkte Betrachtung einer Realität im virtuellen Raum. Das Bildliche schafft Anreize zu Gesprächen, die nicht nur sprachliche, sondern auch kulturelle Aspekte einbeziehen. Dadurch wird den Schüler*innen nicht nur die virtuelle Welt durch ein digitales Medium vor Augen geführt (wie es zum Beispiel Bild und Ton ermöglichen), sondern es wird ihnen auch die hoch motivierende Möglichkeit zu direkten Sprachanlässen gegeben. Des Weiteren ist es möglich, in Partner- oder Gruppenarbeit mit dem Einsatz der VR-Brillen eine individuelle Förderung zu erzielen, womit dem Anspruch der Begegnung von Heterogenität nachgekommen wird. Die digitalen Medien eröffnen neue, vorher unvorstellbar gewesene Möglichkeiten des Lernens und Arbeitens. Nicht nur in der Schule, sondern auch außerhalb, mit Hinblick auf die Sozialisierung der Schüler*innen in der Gesellschaft ist es wichtig, ihnen beizubringen, wie man mit digitalen Medien lernen und arbeiten kann.

4 Schlussbemerkung und Ausblick Wir haben anhand von verschiedenen Beispielen gezeigt, auf welche Weise digitale Medien für den Englischunterricht nutzbar gemacht werden können. Dabei ging es zum einen um Präsentations- und Darstellungsverfahren, die Einsichten in die Sprachstruktur des Englischen ermöglichen. Bei der Darstellung der long und short forms kommt es durch die Visualisierung des Entstehungsprozesses der short form aus der long form zu einem besseren Verständnis der Formen. Das zweite Beispiel machte deutlich, wie die Sprachstruktur – vor Augen geführt durch die feste Abfolge der Elemente im Satz – mittels digitaler Medien ebenfalls leicht in den Unterricht eingeführt und eingefügt werden kann. Diese beiden Möglichkeiten zur Einsicht der Sprachstruktur sind sprachwissenschaftliche Besonderheiten des Englischen. Das Verdeutlichen dieser linguistischen Merkmale soll dazu dienen, den Schüler*innen wichtige Struktureigenschaften des Englischen zu vermitteln, um ihnen einen korrekten und authentischen, also muttersprachlichen, Umgang mit der Sprache zu erlauben.

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Zum anderen wurde die konkrete Anwendung der englischen Sprache im Englischunterricht bzw. im Rahmen des außerschulischen Lernens thematisiert. Zwei Apps (Kartenheld, Quizlet) wurden vorgestellt und in Bezug auf ihre Anwendbarkeit für Schüler*innen aber auch im Unterricht durch die Lehrkraft erläutert. Da beide Apps das Lernprinzip der spaced repetition anwenden, ist die Hoffnung, dass Schüler*innen durch diese Anwendung strukturierter lernen. Die Anwendung von VR-Brillen im Englischunterricht ermöglicht neue visuelle Einsichten, die für die kommunikative Kompetenz Sprechen viele neue Ansätze bietet. Alle hier genannten Beispiele zeigen unterschiedliche Potenziale der digitalen Medien auf. Schüler*innen können durch die Anwendung dieser Medien an eine zeitgemäße Form des Lernens herangeführt werden. Das eigentliche Lernen wie auch die tatsächliche Umsetzung der gezeigten Sprachstrukturen muss allerdings immer von der*m Schüler*in angewendet und umgesetzt werden. Alle Beispiele sind nur kleine digitale Bausteine, welche im Englischunterricht eingesetzt werden können. Was gänzlich fehlt, ist eine komplette fachwissenschaftlich gestützte digitale Darstellung des Englischen, die zum Erlernen im Schulkontext angewendet werden kann. Forschungen und Arbeiten hierzu stellen ein riesiges Desiderat dar. Weitere Wege, die in Zukunft beschritten werden, sind Formen des informellen Lernens und des selbstgesteuerten Lernens mittels digitaler Medien. Aspekte, die auch Heinz (2018a, 2018b) angesprochen hat, haben viel mit Selbstund Fremdregulation zu tun. Die Bedeutung von student engagement (Mindt et al. 2020) im Prozess des schulischen, aber auch lebenslangen Lernens erhält durch die Digitalisierung eine völlig neue Blickweise und Beachtung. Adaptive Lernszenarien fordern von Medienherstellern und Lehrkräften völlig neue Kenntnisse über Lehr- und Lernprozesse von Schüler*innen. Daten hierzu dürften gut gehütet und schwer zu erhalten sein. Formate wie E-Assessment sowie kollaborative Arbeits- und Lernformen können zu neuen und anderen Formen des Unterrichts und auch der schulischen Arbeit führen. Die Verfügbarkeit von Open Educational Resources (OER) kann eine Konkurrenz zu den Produkten der Schulbuchverlage darstellen. Kriterien der usability werden hier eine wichtige Rolle spielen. Aber auch die Kriterien der userbility, also der individuellen Präferenzen von Benutzer*innen, die z. B. für individuelle Lernszenarien, Vorbereitung, eigenverantwortliches Lernen etc. von großer Bedeutung sind, eröffnen völlig neue Produkte und Lernchancen innerhalb und außerhalb der Schule. Die Nutzung von stiftbasierten Tablets rückt das handschriftliche Schreiben gegenüber dem Verfassen von Texten mittels einer Tastatur wieder mehr in den Vordergrund. Für die automatische Texterkennung, die automatische Fehlerkorrektur etc. sind hier noch

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weite Wege zu gehen. Der Umgang mit gesprochener Sprache sowie eine automatisierte, digitale Aussprachekorrektur sind Anwendungsbereiche, die derzeit noch in Bezug auf die Anwendbarkeit und auch den Datenschutz eine Herausforderung darstellen (wie übrigens auch die handschriftlich eingegebenen Texte). Nicht zuletzt ist ein constructive alignment von Übungsformaten und Lernzielen bzw. Kompetenzen zu beachten. Auch hier können digitale Formate Neuerungen bringen, weil z. B. durch Einsatzmöglichkeiten von künstlicher Intelligenz ganz andere Strukturmuster für die Aufgabestellung, -korrektur und Weiterentwicklung erkannt bzw. eingebettet werden können. Letztendlich sind die Ziele des Fremdsprachenunterrichts maßgeblich. Mobile digitale Medien können wesentlich dazu beitragen, dass das Erlernen der Fremdsprache hohe Qualitätsstandards erfüllt und somit das Ziel einer muttersprachlichen Fremdsprachenkenntnis vielleicht erreichbarer ist. Die Anwendungssituationen der Sprache – seien diese schriftlich, mündlich, analog oder digital – dienen dem Austausch, der idealerweise zwischen Menschen (und nicht nur zwischen Menschen und Maschinen) stattfindet. Die kritische Untersuchung der systematischen Nutzung digitaler Anwendung sowie die Analyse und Bewertung von digitalen und analogen Tools ist ein wichtiger Forschungsbereich in der Zukunft. Klar ist, dass das Lernen einer Fremdsprache im Kopf der Schüler*innen stattfindet. Wenn die Motivation zu lernen, der Weg zu grammatischen Einsichten, die Ankerpunkte beim Vokabellernen, die Gesprächsanlässe durch digitale und mobile Medien authentischer, qualitativ hochwertiger und motivationsfördernder gestaltet werden können, sollte dieser Weg systematisch verfolgt, beschrieben und beforscht werden.

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Digitale und mobile Medien im Kunstunterricht Potenziale – Herausforderungen – Handlungsfelder Rebekka Schmidt 1 Vorangestellt Bereits seit einiger Zeit wird gefordert digitale Medien in den Unterricht an Schulen einzubeziehen (KMK 2012, Eickelmann 2020). Zusätzlich legte das Strategiepapier zur Bildung in der digitalen Welt der KMK 2016 die Förderung spezifischer Kompetenzen in diesem Bereich verbindlich fest (KMK 2016). Der Umgang mit digitalen Medien sollte dazu generell für das Fach Kunst von besonderer Bedeutung sein, da sie nicht nur eine Erleichterung bisher bekannter Arbeitsformen darstellen, sondern völlig neue Ausdrucksmöglichkeiten bieten und damit das Gestaltungsrepertoire erheblich erweitern können (Peez 2018). Gleichzeitig darf nicht vergessen werden, dass nach wie vor und gerade in einer Zeit, in der die digitale und reale Welt immer stärker miteinander verschmelzen, Erfahrungen mit vielen Sinnen an und mit Materialien wie Farbe, Ton u. Ä. ebenfalls eine zentrale Aufgabe des Kunstunterrichts darstellen. Diese notwendigen Auseinandersetzungen mit der Umwelt können und sollen nicht durch digitale Medien ersetzt werden. Der vorliegende Beitrag führt daher aus, wie die Bandbreite der gestalterischen Techniken durch mobile Medien ergänzt und erweitert werden kann, wobei es zu beachten gilt, dass sie auf keinen Fall die traditionellen Arbeitsweisen und Techniken ersetzen oder ablösen sollen. Hierzu werden Potenziale und Herausforderungen digitaler Medien für den

R. Schmidt (*)  Fach Kunst Institute, Universität Paderborn, Paderborn, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. M. Meister und I. Mindt (Hrsg.), Mobile Medien im Schulkontext, Medienbildung und Gesellschaft 41, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29039-9_9

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Kunstunterricht skizziert und ein Modell vorgestellt, das digitale Bildung aus kunstdidaktischer Perspektive systematisch strukturiert (Schmidt 2018) sowie die dort genannten Handlungsfelder anhand des Einsatzes von Tablets im Kunstunterricht konkretisiert.

2 Potenziale und Herausforderungen digitaler Medien für den Kunstunterricht Im weiteren Verlauf werden von den digitalen v. a. die mobilen Medien wie bspw. Tablets oder Smartphones näher betrachtet. Mit diesem Fokus lassen sich verschiedene eher allgemeine Potenziale identifizieren, die auch für das Fach Kunst von großer Bedeutung sind. Gleichzeitig ergeben sich auch fachspezifische Herausforderungen und Aufgaben aber auch Möglichkeiten.

2.1 Allgemeine Potenziale mobiler Medien Die Charakteristika und Potenziale digitaler und mobiler Medien werden in verschieden Publikationen unterschiedlich benannt (z. B. Herzig 2008, Knaus 2017, Petko 2014). Zur besseren Übersicht und Einordnung werden sie in diesem Beitrag in funktionale, motivationale und partizipative Potenziale untergliedert, die jeweils durch ihnen zugeordnete Aspekte konkretisiert werden (vgl. Abb. 1).

Abb. 1   Potenziale digitaler mobiler Medien (Grafik: R. Schmidt)

Digitale und mobile Medien im Kunstunterricht Potenziale …

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2.1.1 Funktionales Potenzial Als Aspekte des funktionalen Potenzials können die Medienkonvergenz und die damit verbundene Entlastung, die Mobilität sowie die Informationsdynamik angesehen werden. V. a. Tablets und Smartphones zeichnen sich dadurch aus, dass sie viele verschiedene Funktionen und Geräte in einem einzigen vereinen. Sie können die Aufgaben eines Telefons, einer Kamera, eines Buches, Fernsehers u.v.m. übernehmen, sodass die „Grenzen zwischen medialen Geräten verschwimmen“ (Petko 2014, S. 19). Diese Medienkonvergenz bedeutet (nicht nur) für den Kunstunterricht u. a. eine Erleichterung der Arbeitsprozesse, da z. B. Fotos direkt bearbeitet werden können, ohne sie zuvor auf ein anderes Gerät übertragen zu müssen (wie früher vom Fotoapparat auf den Computer). Damit tragen sie zu einer „Entlastung von Routinetätigkeiten“ bei (Herzig 2008, S. 500). Gleichzeitig ergibt sich daraus, sowie aus der im Normalfall handlichen Größe der Geräte, ein weiterer Vorteil: ihre Mobilität und Verfügbarkeit. Hier ist ein Zusammenhang zu der von Petko (2014) postulierten Omnipräsenz von Medien zu erkennen, da Computer u. a. auch durch ihre Mobilität inzwischen „praktisch überall“ (Petko 2014, S. 20) vorzufinden sind1. Für den Kunstunterricht ermöglicht dieser Vorteil einen zunehmenden Einbezug verschiedener Orte, des Raumes und der Raumerkundung. Gestalterische, rezeptive und reflexive Prozesse werden damit auch außerhalb des Klassenzimmers möglich (Camuka & Peez 2017a). Aus den beiden Aspekten Medienkonvergenz und Mobilität ergibt sich letztendlich der dritte: die Informationsdynamik mobiler Medien. Hierzu zählt die Verfügbarkeit einer großen Menge an Informationen, deren mögliche Aktualität, ihre nonlineare Ordnung und Vernetzung sowie die Interaktivität und Adaptivität (Herzig 2008, Knaus 2017, Petko 2014). Mithilfe mobiler Medien können Informationen jederzeit abgerufen, gespeichert, verbreitet und verarbeitet werden. Im Gegensatz zu Büchern lassen sie sich einfach auf einen aktuellen Stand bringen und mit anderen Inhalten vernetzen, sodass nicht mehr lediglich starre und hierarchische, sondern auch multiple Ordnungsschemata ermöglicht werden. Darin ist eine enge Verbindung zur kunstpädagogischen Vorgehensweise des Mapping oder der Kartierung (Busse 2007) zu erkennen, bei der assoziative Bezüge zwischen Aussagen, Texten, Bildern hergestellt und als Methode der Erkenntnisgewinnung,

1Wobei

der von Petko benannte Aspekt der ubiquitären und unsichtbaren Medien weit über den hier genannten Zusammenhang hinaus geht und eine viel globalere Dimension beschreibt als beispielsweise die Medienkonvergenz.

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Gestaltung und Präsentation genutzt werden. Darüber hinaus ergibt sich für den Kunstunterricht grundsätzlich das Potenzial der Verfügbarkeit von Bildern und Informationen. Die genannten Aspekte des funktionalen Potenzials Medienkonvergenz, Mobilität und Informationsdynamik bilden die Basis und die Voraussetzung für das partizipative und das motivationale Potenzial mobiler Medien.

2.1.2 Motivationales Potenzial Zu den Aspekten des motivationalen Potenzials können die Selbstwirksamkeit und Aktualität gezählt werden. Sie beziehen sich jedoch nicht auf die vielgeäußerte und inzwischen umstrittene Annahme, dass mobile Medien durch ihre Neuartigkeit und ihren Aufforderungscharakter motivationalen Charakter haben können. Vielmehr ist der Aspekt der Aktualität zum einen durch die Informationsdynamik und die damit einhergehende Möglichkeit immer die neuesten Erkenntnisse verfügbar zu haben bedingt. Darüber hinaus gehören digitale Medien inzwischen zum Alltag der Kinder und Jugendlichen2. Der Einbezug dieser Geräte in den Unterricht bedeutet demzufolge eine Berücksichtigung der aktuellen Lebenswelt, die sich förderlich auf die Motivation auswirken kann. Für den Kunstunterricht ist in Bezug auf die Aktualität auch die Berücksichtigung der Arbeitsweisen zeitgenössischer Kunstschaffender von großer Bedeutung, die digitale und mobile Medien für ihre eigenen Arbeiten nutzen. Neben der Erfahrung sich mit den Arbeiten realer und noch lebender Personen auseinanderzusetzen, bieten digitale Medien darüber hinaus die Möglichkeit, die angewandten Arbeitsweisen selbst anzuwenden und u. U. ähnliche Ergebnisse erzielen zu können. Hieraus kann zusätzlich Motivation entstehen. Damit verbunden ist, dass mithilfe digitaler Medien Werke auf einem technisch sehr hohen Niveau erstellt werden können. Auch wenn hierzu ein gewisses Vorwissen oder Können benötigt wird, steht dieses in keinem Verhältnis zu der Übung oder Expertise, die in manch anderen Gestaltungsbereichen (z. B. Ölmalerei) vonnöten ist. Somit lassen sich mit einem geringen Einsatz Produkte erstellen, die den eigenen Ansprüchen gerecht werden und sehr professionell wirken (Sievert 2017). Hinzu kommt, dass es sehr leicht möglich ist, vorläufige

2Laut

der JIM (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2018) und der KIMStudie (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2018) war 2018 in 99 % der deutschen Haushalte ein Smartphone, in 67 % ein Tablet vorhanden. 97 % der Jugendlichen und 39 % der Sechs-bis 13-Jährigen besaßen zu diesem Zeitpunkt selbst ein Smartphone.

Digitale und mobile Medien im Kunstunterricht Potenziale …

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Ergebnisse zu speichern, einzelne Arbeitsschritte rückgängig zu machen, zu wiederholen und Unerwünschtes zu löschen. Diese Erfolgserlebnisse unterstützen eine positive Selbstbewertung des eigenen Könnens und den Genuss an der Tätigkeit, und bilden somit ein hohes motivationales Potenzial (Vollmeyer & Engeser 2005). Überdies kann Selbstwirksamkeit v. a. bei der Nutzung mobiler Medien mit Multi-Touch-Screens erfahren werden. Aufgrund der veränderten Benutzeroberfläche, des natural user interface (Freyermuth, 2010), führt eine primäre gestische Bedienung mit dem Finger zu unmittelbaren Handlungsfolgen und kann eine Art „Funktionslust“ (Vollmeyer & Engeser 2005, S. 69) auslösen, die sich bei wahrnehmenden oder gestalterischen Tätigkeiten auch als „Ästhetische Lust“ (Parmentier 2011, o.S.) äußern kann (Camuka & Peez 2017b). Gleiches gilt auf für die Möglichkeit des Feedbacks (Herzig 2008). Selbstwirksamkeitserfahrungen können darüber hinaus auch durch die von Petko (2014) benannte „digitale Öffentlichkeit“ gefördert werden. Durch das Internet ergibt sich für jede Person die Chance einem weitgehend unbegrenzten Personenkreis Informationen mitzuteilen und somit Einfluss auf Meinungen und Entwicklungen zu nehmen (Petko 2014). Mobile Medien machen diesen Vorgang prinzipiell zeit- und ortsunabhängig. Die Teilhabe an der digitalen Öffentlichkeit birgt einerseits Herausforderungen (vgl. 2.2), ist aber andererseits gleichzeitig auch ein Aspekt des partizipativen Potenzials, der zusätzlich zum funktionalen und motivationalen Potenzial die Vorteile und Möglichkeiten digitaler mobiler Medien zusammenfasst.

2.1.3 Partizipatives Potenzial Unter den Aspekten des partizipativen Potenziales können zum einen Mitwirkung in einer digitalen Öffentlichkeit und zum anderen neue Möglichkeiten der Kollaboration verstanden werden. Die Mitwirkung bildet dabei eine Weiterentwicklung des zuletzt genannten Aspekts der Einflussnahme. Digitale Medien eröffnen niedrigschwellige Möglichkeiten, Kultur für jeden zugänglich und mitgestaltbar zu machen, wodurch Austausch und eine gemeinsame Entwicklung neuer Ideen gefördert werden. Diese Entwicklung wird unter dem Begriff „Participatory Culture“ (Jenkins 2009, S. 20) zusammengefasst und beschreibt u. a. die Mitwirkung in der „digitalen Öffentlichkeit“ von Petko (2014, S. 19). In Bezug auf Lehr-Lernprozesse in der Schule lassen sich darüber hinaus virtuelle Räume schaffen, in denen die Lernenden sanktionsfrei partizipieren, agieren und sich ausprobieren können (Herzig 2008). Darüber hinaus eröffnen digitale Medien neue Kommunikationskanäle und -formen und ermöglichen so einer größeren Gruppe von Menschen, unabhängig von ihren Besonderheiten, die Partizipation an der Gesellschaft und soziale

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Eingebundenheit (Herzig 2008, Knaus 2017, Petko 2014). Zusätzlich werden neue Formen der Kollaboration geschaffen, die auch für die zeitgenössische Kunst von besonderer Bedeutung sind (Meyer 2015). Auch hier zeigt sich v. a. in Bezug auf mobile Medien ein erhebliches Potenzial, da durch sie kollaborative Prozesse immer selbstverständlicher und leichter umsetzbar werden (Herzig 2008, Knaus 2017, Petko 2014).

2.2 Herausforderungen und Aufgaben für den Kunstunterricht Gleichzeitig beinhalten einige dieser Potenziale Herausforderungen und Aufgaben, wie beispielsweise die Gefahr des Cybermobbings als Folge der Mitwirkung in einer digitalen Öffentlichkeit oder den weitgehend unreflektierten Umgang mit den über ein digitales Medium erhaltenen Informationen (Neunkirchen & Wimmer 2014). Die Kunstpädagogen Camuka und Peez (2017b) geben darüber hinaus auf eher allgemeiner Ebene die Faktoren Monopolisierung und Konsum sowie Datenschutz zu bedenken. Aus Perspektive der Hersteller ist nach Krotz (2014) nicht nur der mit dem Konsum verbundene Profit, sondern auch die Monopolisierung der Märkte (z. B. wenn sich eine Schule für ein einheitliches Betriebssystem entscheidet) ein erklärtes Ziel. Dies kann nicht vollständig vermieden, sollte aber reflektiert werden, um eine weitegehend freie und sachgemäße Entscheidung treffen zu können. Camuka und Peez (2017c) sehen dies als fächerübergreifende Anforderung, bei der die Aufgabe des Kunstunterrichts u. a. in der Thematisierung und Analyse von Werbung, Design und Medienästhetik besteht. Die Herausforderung durch den Datenschutz betrifft den Kunstunterricht in besonderem Maße, da hier zum einen zusätzlich der verantwortungsvolle Umgang mit den Bildern anderer Lernender zu thematisieren ist. Zum anderen werden durch die Verwendung der einfach verfügbaren Kunstwerke und Arbeiten anderer Personen auch Fragen des Urheberrechts in besonderer Weise aufgeworfen. Gleichzeitig ergibt aus diesen Herausforderungen auch eine fundamentale Aufgabe für den Kunstunterricht in Bezug auf eine mündige, bewusste und emanzipierte Teilhabe an einer digital geprägten Welt. Häufig wird dem Kunstunterricht jedoch vielmehr der Auftrag zugeschrieben, ein „sinnlich-ästhetisches Refugium“ (Peez 2018, S. 109) zu bilden, um dem Verlust haptischer und sinnlicher Auseinandersetzung mit der Umwelt entgegenzuwirken und durch Primärerfahrungen zu kompensieren (Peez 2018). Hierzu

Digitale und mobile Medien im Kunstunterricht Potenziale …

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ist jedoch, wie bereits einleitend erwähnt, anzumerken, dass es nicht um ein Entweder-Oder gehen sollte. Vielmehr sollten im Kunstunterricht analoge und digitale Arbeitsweisen fachlich begründet eingesetzt oder verbunden werden, um „Synergie-Effekte für die Bildung der Einzelnen zu erzielen“ (Camuka & Peez 2017c, S. 11). Eine letzte Herausforderung liegt in der oft eingeschränkten Gestaltungs- und Handlungsfreiheit der meisten Anwendungen für die mobilen Endgeräte (Camuka & Peez 2017c, S. 11). Während sie einerseits, wie in Bezug auf das motivationale Potenzial angesprochen, viele Möglichkeiten für Erfolgserlebnisse und damit auch Selbstwirksamkeitserfahrungen bieten, ist eine bewusste Gestaltung nicht gleichzusetzen mit dem unreflektierten Einsatz vorgegebener Funktionen oder Filter. Vielmehr ist es die Aufgabe des Kunstunterrichts, diese kritisch in Bezug auf deren Herkunft, Wirkung und gestalterische Leistung zu hinterfragen. Dies zeigt sich auch in der bildenden Kunst: Kunstschaffende nutzen die vorgegebenen Funktionen digitaler Medien im vorgesehenen Rahmen, widersetzen sich ihnen auch gezielt und gehen neue, eigene und z. T. subversive Wege. Darin liegt das besondere Potenzial und zugleich die Aufgabe des Kunstunterrichts für Bildung in der digitalen Welt: durch künstlerische Herangehens- und Sichtweisen Grenzen und Vorgaben zu hinterfragen, kreativ zu nutzen, zu thematisieren oder bewusst zu unterwandern.

2.3 Potenziale mobiler Medien für den Kunstunterricht Der Einsatz digitaler Medien im Kunstunterricht lässt sich nach Peez (2018) in zwei Perspektiven gliedern: Zum einen werden sie als Werkzeug angesehen und verwendet und zum anderen in ihrer Funktion als Medium hinsichtlich ihrer spezifischen Auswirkungen, Aussagen und Charakteristika thematisiert. Aus beiden Perspektiven ergeben sich Potenziale für den Kunstunterricht (vgl. Abb. 2).

2.3.1 Reflektieren und Charakterisieren (Medien als Medium) Unter der Perspektive von Medien als Medium versteht Peez (2018), dass die digitalen Medien selbst zum Gegenstand des Unterrichts erklärt und hinsichtlich ihrer Spezifika analysiert werden. Dieser Fokus fußt auf dem Leitgedanken, dass sich durch das Medium zum einen die Botschaft verändert, gleichzeitig aber auch das Medium selbst eine Botschaft darstellt (McLuhan & Fiore 2011, Fritzsche 2016). Das Potenzial für den Kunstunterricht lässt sich unter den Schlagworten ‚reflektieren‘ und ‚charakterisieren‘ zusammenfassen. Das bedeutet, dass die

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R. Schmidt

Abb. 2   Potenziale digitaler mobiler Medien für den Kunstunterricht (Grafik: R. Schmidt)

oben genannten Potenziale aber auch die Spezifika digitaler und mobiler Medien bewusst gemacht und von einer Metaebene aus betrachtet werden. Die Lernenden setzen sich mit den spezifischen Auswirkungen eines Mediums auseinander, sie entschlüsseln, welche Aussagen zusätzlich dadurch getroffen werden und welche Charakteristika dazu führen. Dies hilft eine bewusste gestalterische Auswahl zu treffen, die alle genannten Aspekte berücksichtigt.

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Dass im Anschluss an die Betrachtung als Medium die Medien oft im Sinne eines Werkzeugs verwendet werden, macht deutlich, dass der Übergang zwischen den Perspektiven fließend ist (Fritzsche 2016). Die Perspektive auf Medien als Werkzeug ist in der Kunstpädagogik häufig die gebräuchlichere und lässt sich als Kombination der beiden damit verbunden Sichtweisen als Instrument und Möglichkeitsraum verstehen (Fritzsche 2016). Die Potenziale sind dementsprechend breiter gefächert und können unter den Schlagworten ‚recherchieren und analysieren‘, ‚experimentieren und intensivieren‘ sowie ‚dokumentieren und präsentieren‘ zusammengefasst werden.

2.3.2 Recherchieren und Analysieren (digitale Medien als Werkzeug) Vor allem in Bezug auf die rezeptive Auseinandersetzung mit Bildern und Kunstwerken aber auch als Unterstützung für Bildfindungsprozesse bieten digitale und mobile Medien ein unvergleichliches Potenzial. Bilder und Informationen bspw. zu Kunststilen oder Kunstschaffenden können online recherchiert werden und stehen direkt während des Unterrichts zur Verfügung (Camuka & Peez 2017b). Dies ermöglicht einen vielfältigen und auch individuelleren Zugang zu visuellen Darstellungsformen im Kunstunterricht. Darüber hinaus können Bilder unter verschiedenen Aspekten gesammelt, miteinander verglichen und sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede, Kontexte und individuelle künstlerische Leistungen erarbeitet werden (Möller o. J.). Dieser fachspezifische Möglichkeitsraum ergibt sich aus dem, dem funktionalen Potenzial zugeordneten allgemeinen Aspekt der Informationsdynamik (vgl. 2.1.1.). Gleichzeitig wird dadurch auch eine Reflexion verschiedener Recherchestrategien und der Qualität der Rechercheergebnisse notwendig (Camuka & Peez 2017b, Möller o. J.). Darüber hinaus gilt, dass die digitale Repräsentation nicht die Erfahrungen vor dem Original ersetzen kann und darf, zumal digital einige wichtige Aspekte, wie z. B. Größe, exakte Farbigkeit und Materialität, eine eher nachgeordnete Rolle spielen. Allerdings beinhalten die Abbildungen auf dem Bildschirm nach Bloß (2017) verschiedene Vorteile für eine Analyse: Trotz des verhältnismäßig kleinen Anzeigeformats erlaubt eine hohe Auflösung durch Vergrößerung die starke Annäherung an Details. Dies begünstigt z. B. eine Untersuchung der Maltechnik oder das Erkennen optischer Farbmischungen viel stärker als es bei einem Druck der Fall wäre. Mithilfe von Bildbearbeitungsprogrammen können schnell farbliche oder kompositorische Charakteristika sichtbar gemacht werden. Dies erlaubt bspw. die Identifikation von Farbunterschieden durch farbliche

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Invertierung, die Verdeutlichung der Farbkomposition durch Markieren von Bereichen mit ähnlicher Farbe oder das Hervorheben von Details, die aufgrund von Nachdunklungsprozessen im Bild sonst kaum zu erkennen wären. Mithilfe von Abstraktionsprogrammen, Filtern oder schlicht durch die Möglichkeit in die Abbildungen hinein zu zeichnen, kann der kompositorische Aufbau verdeutlicht oder die Originalanordnung mit alternativen Varianten kontrastiert werden. Die Arbeit mit mobilen Medien erlaubt dabei den Lernenden eine selbsttätige Anwendung der Bildmanipulationen, sodass die rezeptive Auseinandersetzung mit produktiven Anteilen verschränkt wird.

2.3.3 Experimentieren und Intensivieren (Medien als Werkzeug) In Bezug auf die Produktion, also die eigene Gestaltung, bieten digitale und mobile Medien vielfältige weitere Potenziale. So weist der Bund Deutscher Kunsterzieher in seinem Positionspapier 2001 darauf hin, dass die Vereinfachung vieler Verfahren, also das funktionale Potenzial (vgl. 2.1.1.), Zeit und Kapazitäten schafft, die für anspruchsvollere Gestaltungsprozesse genutzt werden können. Dabei spielt auch die mögliche hohe Qualität der Ergebnisse und damit der Aspekt der Selbstwirksamkeit eine wichtige Rolle. Dieses motivationale Potenzial (vgl. 2.1.2) kann die Bereitschaft fördern, auch über einen längeren Zeitraum hinweg an einer gestalterischen Aufgabe zu arbeiten. Das funktionale Potenzial kann sowohl durch die Vereinfachung vieler Arbeitsprozesse als auch v. a. durch die Möglichkeit der Zwischenspeicherung von vorläufigen Ergebnissen, des Widerrufens oder Wiederholens einzelner Arbeitsschritte oder des rückstandlosen Löschens einzelner Bildelemente ein stärker exploratives und experimentelles Arbeiten fördern (Camuka & Peez 2017c, Möller o. J.). Wenn nicht sofort durch eine Aktion eine mühsam erstellte Arbeit in Gefahr gebracht wird, erhöht sich die Bereitschaft auszuprobieren, was passiert, wenn einem Bild noch ein Element zugefügt, es vergrößert, verkleinert, gespiegelt o.Ä. wird (Kiebler & Morger 2017). Auf diese Weise kann das selbsttätige Erproben bildgestalterisch wirksamer Mittel gefördert werden, da sich skizzierte Ideen schnell verändern lassen sowie Alternativen entworfen und diskutiert werden können (BDK 2001). Diese Arbeitsweisen sollten hierbei jedoch die eigentliche praktische Arbeit nicht ersetzen, sondern eher der handlungsorientierten Reflektion oder der Einführung und Exploration gestalterischer Techniken oder Prinzipien dienen (Möller o. J.). So lässt sich mithilfe einer eher experimentellen Herangehensweise die Fähigkeit zur gezielten und absichtsvollen Gestaltung intensivieren.

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Gleichzeitig werden durch ein solches exploratives Verhalten auch Bildfindungsprozesse erleichtert, da Variationen, Korrekturen und Veränderungen möglich sind und erprobt werden (Möller o. J.). Dies erlaubt eine eher spielerische Annäherung unter Berücksichtigung mehrerer Alternativen, wodurch auch die Angst vor dem leeren Blatt umgangen werden kann. Zusätzlich ist auch die Unterstützung durch kollaboratives Arbeiten denkbar, wodurch das partizipative Potenzial (vgl. 2.1.3) digitaler Medien ausgeschöpft wird. Aufgrund ihrer Mobilität und Allgegenwärtigkeit im Alltag (vgl. 2.1.1 und 2.1.2) ermöglichen mobile digitale Medien zusätzlich Gestaltungsprozesse über den Kunstunterricht hinaus. Die Arbeiten müssen nicht zwingend in der Schule verbleiben, sie stehen auch zu Hause zur Weiterbearbeitung zur Verfügung. Ideen, Bildimpulse oder zusätzliche Informationen können unabhängig davon, wann und wo sie gefunden wurden, gesammelt und anschließend verwendet werden. Darüber hinaus sind die im Kunstunterricht erlernten Gestaltungsprinzipien auch für die eigene Partizipation an der digitalen Öffentlichkeit von Belang und können so über die Schule hinaus Verwendung finden. Digitale Medien erlauben zusätzlich eine Intensivierung der Wahrnehmung, z. B. durch die Möglichkeit der Vergrößerung von Bildelementen oder selbsttätige Bildmanipulationen (vgl. 2.3.2). Auch Augmented Reality-Anwendungen, bei denen das Umfeld durch persönliche Assoziationen erweitert und diese Sichtweise geteilt werden kann, können hierfür unterstützend eingesetzt werden. Darüber hinaus ermöglicht der Aspekt der Medienkonvergenz (vgl. 2.1.1) die Erkundung und Dokumentation vieler verschiedener Wahrnehmungs- und Zugangsweisen zur Umwelt (Camuka & Peez 2017a), was ebenfalls eine Intensivierung derselben zur Folge haben kann. Gleichzeitig ist jedoch immer auch die Reduktion der Wahrnehmung mit zu bedenken, wie beispielsweise die Ausschnitthaftigkeit und Zweidimensionalität des Dargestellten auf einem Bildschirm oder eine eher marginale haptische Erkundung der Umwelt. Dies gilt es im Kunstunterricht zu reflektieren.

2.3.4 Dokumentieren und Präsentieren (Medien als Werkzeug). Auch für die Reflexion beinhalten mobile und digitale Medien ein hohes Potenzial, da sie die Dokumentation und Präsentation von Arbeitsergebnissen und -prozessen erheblich erleichtern. In Bezug auf das funktionale Potenzial wurde bereits auf die Möglichkeit des Mapping verwiesen (vgl. 2.1.1). Dieses ist sowohl für die Auseinandersetzung mit Kunstwerken als auch die Dokumentation des eigenen Arbeitsprozesses relevant und hilft eine individuelle Annäherung und

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Auffassung sichtbar zu machen. Darüber hinaus erleichtern die Mobilität und Medienkonvergenz Entwicklungszustände praktischer Arbeiten zu dokumentieren und damit für die individuelle oder gemeinsame Reflexion verfügbar zu machen (Möller o. J.). Dies kann einer zu starken Produktorientierung bei den Lernenden vorbeugen, den Eigenwert von Arbeitsprozessen und Zwischenschritten verdeutlichen sowie die Einschätzung von Unfertigem und Fragmentarischen positiv beeinflussen (Möller o. J.). Gleichzeitig eröffnen sich durch die Medienkonvergenz mobiler digitaler Medien neue Möglichkeiten der Präsentation wie bspw. ein digitales Portfolio oder die Veröffentlichung von Arbeitsergebnissen der Lernenden auf Webseiten. So können auch die Aspekte des partizipativen Potenzials (vgl. 2.1.3) genutzt werden. Abb. 3 fasst den Zusammenhang zwischen den kunstspezifischen und den allgemeinen Potenzialen in einer Grafik zusammen.

Abb. 3   Zusammenhang allgemeiner und kunstspezifischer Potenziale digitaler mobiler Medien (Grafik: R. Schmidt)

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3 Kunstdidaktische Handlungsfelder digitaler Bildung Wie die bisherigen Ausführungen gezeigt haben, erweitern sich durch die Potenziale digitaler Medien die Inhalte, Werkzeuge und Gegenstände des Kunstunterrichts. Vor allem weil diese oft auch weitere wie bspw. informationstechnische, rechtliche und gesellschaftliche Aspekte beinhalten, ergibt sich ein sehr weites und interdependentes Feld. Hier besteht die Gefahr, dass entweder die spezifisch kunstdidaktische Ausrichtung aus dem Blick gerät oder immanente fachübergreifende Chancen nicht genutzt werden. Einen strukturierten Überblick über kunstspezifische Handlungsfelder bietet eine fachdidaktische Konkretisierung (Schmidt 2018) der Dagstuhl-Erklärung zur Bildung in der digitalen vernetzten Welt (Gesellschaft für Informatik 2016). Wie in Abb. 4 dargestellt, ergeben sich dabei die fachspezifischen Handlungsfelder Wahrnehmen, Beachten und Gestalten aus dem Zusammentreffen der allgemeinen Perspektiven Nutzen (Anwendungsbezug), Wirkung (Gesellschaft und Kultur) und Funktion (Technologie). Darüber hinaus erfolgt eine Ergänzung um die Perspektive des Lehrens und Lernens. Im Folgenden werden die einzelnen Handlungsfelder erläutert und durch Beispiele konkretisiert. Da Anwendungen, Apps und webbasierte Angebote einer kontinuierlichen Weiterentwicklung und Veränderung unterworfen sind, wird auf die Benennung spezifischer Programme weitgehend verzichtet.

3.1 Lehren und Lernen Die Spitze des Modells bildet das Handlungsfeld des Lehrens und Lernens, das neben didaktischen Fragestellungen zusätzlich die Kenntnis von Anwendungen sowie das notwendige technische Know-how der Lehrkraft in den Fokus nimmt. Da hier also kein fachspezifischer Inhalt, sondern eher das allgemeine Wissen der Lehrkraft im Mittelpunkt steht, das sich auf alle anderen Bereiche auswirkt, wird es als übergreifend angesehen. Tablets können in diesem Zusammenhang (nicht nur) im Kunstunterricht zur Sammlung und Präsentation von Informationen, Ideen und Bildern sowie für Feedbackmöglichkeiten eingesetzt werden. Zum ersten Bereich zählen u. a. Apps zur Erstellung von Mindmaps, zum kollaborativen Arbeiten oder zur Sammlung und (gemeinsamen) Kommentierung von Inhalten. Hier können

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Abb. 4   Modell für digitales Lehren und Lernen mit kunstdidaktischem Fokus. (Quelle:© Schmidt, R./Westhoff, L. 2017)

v. a. die Potenziale des Recherchierens und Analysierens (vgl. 2.3.2) sowie Dokumentierens und Präsentierens (vgl. 2.3.4) ausgeschöpft werden. Ein Beispiel ist die Erstellung von Bildernetzwerken (Schoppe 2011). Sie können zwar auch analog erstellt werden, die digitale Variante ermöglicht aber neben der Verfügbarkeit des Bildmaterials und der unkomplizierten Überarbeitung (Verschieben, Erweitern etc.) das Einfügen von Ton- und Filmmaterial sowie weiterführenden Links. Dieses Potenzial wird noch erhöht, wenn das Bildernetzwerk mit anderen Personen geteilt und zu einer kollaborativen Arbeit ausgeweitet wird. Durch Kommentarfunktionen und weitere Ergänzungs- und Recherchemöglichkeiten können individuelle Sichtweisen abgeglichen und in eine interpersonelle Perspektive überführt werden (vgl. Abb. 5).

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Der Bereich des Feedbacks bezieht sich sowohl auf die Rückmeldungen der Lehrkraft zu einzelnen Ergebnissen der Lernenden (z. B. mithilfe von Zeichnungen und Anmerkungen in Fotografien von praktischen Arbeiten) als auch auf die Anreicherung des Unterrichts durch Quizzes, Tests oder Abfragen mithilfe von Audience-Response-Systemen.

Abb. 5   Beispiel für ein Bildernetzwerk in der Anwendung Padlet. (Quelle:© Floren, N./ Schmidt, R.)

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Ein Inhalt des übergeordneten Handlungsfeldes besteht demzufolge im Einsatz digitaler Technologien zur Unterstützung von Lehr- und Lernprozessen. Gleichzeitig beinhaltet es auch eine Auseinandersetzung mit Medien als Medium aus Sicht der Lehrkraft (vgl. 2.3.1), da auch der Mehrwert des Einsatzes von digitalen Medien reflektiert werden soll. Ziel des Handlungsfeldes Lehren und Lernen ist damit sowohl eine überlegte und zielführende Verwendung digitaler Technologien im Unterricht als auch ein bewusster Verzicht. Kunstdidaktisch bedeutet dies u. a., dass Lehrkräfte neue Möglichkeiten digitaler Medien in Bezug auf Produktions-, Rezeptionsund Reflexionsprozesse identifizieren und nutzen, ohne den Umgang mit dem traditionellen Werkzeug und Material zu ersetzen. Vielmehr geht es darum, neue Möglichkeiten und Zusammenhänge aufzuzeigen oder in einem medialen Crossover digitale und analoge Herangehensweisen zielführend miteinander zu verknüpfen.

3.2 Wahrnehmen An der Schnittstelle von Wirkung und Nutzen ist das Wahrnehmen als fachspezifisches Handlungsfeld zu verorten. Dieses beinhaltet nicht nur die visuelle, sondern jegliche Form der Wahrnehmung und bezeichnet einen komplexen, analytischen aber auch selektiven und interpretierenden Zugang zur Welt. Diesen anzuleiten, bewusst zu machen und zu reflektieren stellt eine der wichtigen Aufgaben des Kunstunterrichts dar (Kirchner & Kirschenmann 2017). Das Handlungsfeld berücksichtigt, dass sich Wahrnehmung im digitalen Kontext aufgrund der Nutzung spezifischer Werkzeuge sowie der daraus resultierenden Wirkung digitaler Darstellung verändert, erweitert aber auch verkürzt. Ausgangspunkt ist dabei immer das Individuum, das sowohl als Rezipient als auch als Produzent agiert. Digitale Medien rücken damit sowohl als Werkzeug als auch als Medium in den Mittelpunkt, die es zu reflektieren und zu charakterisieren gilt (vgl. 2.3.1). Die hierzu grundlegenden Erfahrungen können bei digitalen mobilen Medien durch das Nutzen der Kamera, von Bildbearbeitungsprogrammen und Augmented Reality-Anwendungen initiiert werden. Demnach wird v. a. das kunstunterrichtliche Potenzial des Intensivierens (vgl. 2.3.3) genutzt. Entscheiden sind zusätzlich reflektierende Gespräche über die eigene Wahrnehmung sowie über die Funktion der Medien als Medium (vgl. 2.3). Durch den Einsatz von Tablets können sich der Blick auf die Umwelt in ihren Details verändern, neue Sichtweisen erschließen und bislang Unbeachtetes in den Mittelpunkt rücken. Verschiedene Auseinandersetzung mit der Darstellung der Wirklichkeit auf dem Display (Walbeck 2017), helfen dabei zu reflektieren,

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in welchen Bereichen neue Blickwinkel, Wahrnehmungen und stärkerer Fokus erzielt werden können und inwiefern die Ausschnitthaftigkeit und Reduktion der Darstellung zu berücksichtigen ist. Eine weitere Möglichkeit für dieses Handlungsfeld stellen Augmented Reality-Anwendungen dar. Sie erweitern die Realität durch eine computergestützte Kombination der realen Umwelt mit digitalen Zusatzinformationen (Milgram et al. 1994) (vgl. Abb. 6).

Abb. 6   Ergänzung der Wirklichkeit durch einen visuellen Kommentar unter Verwendung der App HP Reveal. (Quelle: © Schmidt, R./Waffner, A.)

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So kann die Abbildung der Wirklichkeit im Gerät durch eigene visuelle und akustische Kommentare ergänzt und persönliche Assoziationen sichtbar gemacht werden. Dadurch wird die Wahrnehmung einer alltäglichen Situation um eine individuelle Sichtweise erweitert. Eine ähnliche Wirkung kann durch die Bearbeitung von Fotos erzielt werden. Hierbei kommt v. a. das funktionale Potenzial mit dem Aspekt der Medienkonvergenz zum Tragen (vgl. 2.1.1). Gleichzeitig ergeben sich auch Einschränkungen bspw. durch die Ausschnitthaftigkeit, die Reduktion auf ein zweidimensionales Display, einen starken Fokus auf visuelle Zusammenhänge unter Vernachlässigung anderer sinnlicher Zugänge. Eine fundierte und nachhaltige Auseinandersetzung erfordert demzufolge auch, diese Effekte zu reflektieren und sich damit zu beschäftigen, welche Veränderungen die Nutzung der digitalen Medien für die unterschiedlichen Sinneswahrnehmungen mit sich bringt. Ziele des Handlungsfeldes Wahrnehmen sind daher zum einen die Anregung ästhetischer Erfahrungen, zum anderen reflektierte Kenntnis über Erfahrungen mit dem Wandel und der Verschiebung der Wahrnehmung durch digitale Medien.

3.3 Beachten Am Schnittpunkt aus Wirkung und Funktion ergibt sich für den Kunstunterricht das Handlungsfeld des Beachtens. Während das Wahrnehmen die Bedeutung der Mediennutzung für die individuelle Sichtweise und das Erleben der Umwelt fokussiert, stehen hier die Auswirkungen auf das Individuum und die Gesellschaft ebenso im Zentrum, wie die eingesetzten Wirkmechanismen. Demzufolge werden digitale Medien hier v. a. in ihrer Funktion als Medium thematisiert, die es gilt hinsichtlich ihrer spezifischen Auswirkungen, Aussagen und Charakteristika zu reflektieren und zu charakterisieren (vgl. 2.3.1). In Bezug auf die Nutzung von Tablets beinhaltet das Handlungsfeld u. a. die Reflexion der Auswirkungen des Aspekts der Informationsdynamik in Bezug auf das funktionale Potenzial (vgl. 2.1.1). Die daraus resultierende Verfügbarkeit von Bildern sowie deren unmittelbare Veröffentlichung führt nach Meyer (2015) dazu, dass der Umgang mit Material, z. B. durch Copy-and-Paste-Verfahren, wichtiger wird als das Erschaffen eines singulären Meisterwerks. So wird eine „Participatory Culture“ (Jenkins 2009, S. 20) mit einem niedrigschwelligen Zugang zur Kultur und deren Mitgestaltung gefördert, wodurch Austausch und eine gemeinsame Entwicklung neuer Ideen gefördert wird. Gleichzeitig ist die Reflexion der durch die Digitalisierung immer stärker anwachsenden Kontrollsysteme, sowie der kreative Umgang hiermit, der unter dem Begriff des „cultural

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hacking“ (Meyer 2015, o.S.) zusammengefasst wird, Bestandteil dieses Handlungsfeldes. Für den Kunstunterricht ergibt sich daraus die Aufgabe, diese Mechanismen auch in Bezug auf den Ursprung der Bilder und deren Bestandteile bewusst zu machen sowie Anwendungsmöglichkeiten zu vermitteln. Die selbstverständliche Verwendung der Copy-and-Paste-Verfahren führt darüber hinaus dazu, dass sich für die kunstspezifischen Arbeitsweisen Sammeln, Ordnen und Präsentieren (Eid et al. 2008) neue und andere Dimensionen und Aufgaben ergeben. Die bereits genannten Methoden des Mapping (Busse 2007) und der Bildernetzwerke (Schoppe 2011) können genutzt werden, um die Herkunft bestimmter Darstellungsarten oder die Rezeptionsgeschichte eines Kunstwerkes zu verdeutlichen. Gleichzeitig gehören z. B. auch Überlegungen zu Täuschungsmechanismen bei Bildern in den sozialen Netzwerken, die u. a. durch eigene Arbeiten reproduziert und entlarvt werden können (vgl. Abb. 7), zu diesem Handlungsfeld.

Abb. 7   Fleißig bei der Arbeit? Täuschung mittels Fotoinszenierung. (Quelle: © Schmidt, R.)

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Damit verbunden ist die kritische Reflexion bereits vorgegebener Filter in Anwendungen zur Bildbearbeitung sowohl hinsichtlich der gestalterischen Leistung als auch im Hinblick auf die Herkunft und ihre Wirkung. Darüber hinaus kann das direkte Feedback (bspw. Tweets, Kommentare oder Likes) als digitale Kommunikationsform reflektiert und genutzt werden. Ziel des Handlungsfeldes Beachten ist damit ein Bewusstwerden der veränderten visuellen Kommunikationsformen sowie der Zusammenhänge zwischen medialen Darstellungen und ihrer intendierten und rezipierten Wirkung. Da dies durch Erfahrungen bei eigenen Arbeiten in besonderer Weise gefördert werden kann, besteht ein enger Zusammenhang zum Handlungsfeld Gestalten.

3.4 Gestalten Aus dem Zusammenspiel der effektiven und effizienten Nutzung von Medien mit dem Wissen um die technologischen Grundlagen ergibt sich das Handlungsfeld des Gestaltens. Es beinhaltet die umfassende Kenntnis über digitale Ausdrucksund Gestaltungsmöglichkeiten sowie den bewussten und gezielten Einsatz digitaler Medien. Diese Kenntnisse und Fertigkeiten werden sowohl durch die Rezeption von Kunstwerken als auch durch die Reflexion eigener und fremder Arbeiten erweitert und durch die eigentätige Produktion praktisch erprobt und gefestigt (Kirchner & Kirschenmann 2017). Deshalb werden hier alle fachspezifischen Potenziale genutzt (vgl. 2.3), wobei digitale Medien v. a. in ihrer Funktion als Werkzeug bedeutsam sind. Tablets eröffnen durch Anwendungen zum digitalen Malen und Zeichen, zur Fotografie und Bildbearbeitung, zur Filmerstellung und -bearbeitung, zur Erstellung von Augmented Realities u.v.m. vielfältige Gestaltungs- und Ausdruckmöglichkeiten, die durch die Kombination verschiedener bildnerischer Methoden (Foto, Film, Malerei) oder durch ein Crossover digitaler und analoger Ausdrucksweisen zusätzlich erweitert werden können. Die Rezeption der Werke digital agierender Kunstschaffender, wie z. B. Ai Weiwei, Olafur Eliasson, Holger Förterer, Yung Jake u.v.m. sowie die Auseinandersetzung mit den eingesetzten gestalterischen Mitteln, ihrer Wirkung und der Gesamtaussage, kann weitere Möglichkeiten verdeutlichen und den Blick für die immer weiterwachsenden digitalen kreativen Ausdrucksformen öffnen. In Bezug auf die eigene Produktion der Lernenden unterstützen Tablets experimentelle Ansätze (vgl. 2.3.3) und serielle Arbeitsweisen (vgl. Abb. 8), die ein Erproben verschiedener bildnerischer Lösungen erlauben und damit zu einer bewussteren Gestaltung führen können.

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Abb. 8   Bildbeispiele zum seriellen Experimentieren, angefertigt mit der App SketchBook. (Quelle: © Schmidt, R.)

Ziel dieses Handlungsfeldes ist demzufolge eine umfassende Kenntnis über digitale Ausdrucks- und Gestaltungsmöglichkeiten sowie der bewusste und gezielte Einsatz digitaler Medien und ihrer Funktionen zur Gestaltung der intendierten Aussageabsicht. Generell muss jedoch beachtet werden, dass digitale Medien die traditionellen Arbeitsweisen und Techniken auf keinen Fall ersetzen oder ablösen sollen. Sie sind vielmehr im Sinne einer Erweiterung, Modifikation oder Neudefinition der gestalterischen Tätigkeit zu verwenden. Als Auswahlkriterium steht damit die bestmögliche Unterstützung der Aussageabsicht im Fokus.

4 Fazit und Ausblick Insgesamt ist festzuhalten, dass digitale mobile Medien neben allgemeinen Potenzialen und Herausforderungen auch fachspezifisch neue Möglichkeiten eröffnen, Prozesse vertiefen und fördern können. Die Handlungsfelder, die sich aus einer Nutzung dieser Potenziale ergeben, gliedern sich dabei in Lehren und Lernen, Wahrnehmen, Beachten und Gestalten. Sie beinhalten jeweils produktive, rezeptive und reflexive Anteile und stehen nicht für sich allein. Vielmehr eröffnen und strukturieren sie den Möglichkeitsraum, in dem sich Lehren und Lernen mit digitalen Medien unter kunstdidaktischem Fokus vollziehen kann. Sie stellen eine Erweiterung und keinen Ersatz der traditionellen Herangehensweisen dar. Gleich-

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zeitig wird so auch der Beitrag deutlich, den der Kunstunterricht zur Bildung in einer digital geprägten Welt leisten kann.

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Mathematiklernen mit digitalen Schulbüchern im Spannungsfeld zwischen Individualisierung und Kooperation Sebastian Rezat 1 Einleitung Die Auseinandersetzung mit Computern, Software und digitalen Technologien im Zusammenhang mit dem Lernen von Mathematik hat in der Mathematikdidaktik eine lange Tradition. Die erste Studie der International Commission on Mathematical Instruction (ICMI) – der weltweit größten Vereinigung zur Förderung der internationalen Zusammenarbeit und Qualitätsverbesserung des Lehrens und Lernens von Mathematik – befasste sich bereits 1984 mit dem Einfluss von Computern und Informatik auf die Mathematik und das Lehren von Mathematik (Churchhouse et al. 1984). Die 17. ICMI-Studie griff das Thema unter dem Titel „Mathematics Education and Technology: Rethinking the Terrain“ (Hoyles und Lagrange 2010) wieder auf. Lange Zeit standen insbesondere mathematikspezifische Softwareangebote wie Computer-AlgebraSysteme (CAS) und Dynamische-Geometrie-Software (DGS) im Fokus, die einen computergestützten Umgang mit digital repräsentierten mathematischen Objekten (z. B. Termen, Gleichungen, Graphen, Punkten, Strecken, Geraden, Kreisen) ermöglichen. Damit einher ging eine klar auf fachliche Aspekte des Lernens von Mathematik ausgerichtete Perspektive auf digitale Technologien. Vor dem Hintergrund der Möglichkeiten digitaler Technologien in Bezug auf Interaktivität und Multimodalität werden insbesondere deren Potenziale zur Darstellung

S. Rezat (*)  Institut für Mathematik, Universität Paderborn, Paderborn, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. M. Meister und I. Mindt (Hrsg.), Mobile Medien im Schulkontext, Medienbildung und Gesellschaft 41, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29039-9_10

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und dynamischen Manipulation mathematischer Objekte und deren Relationen ausgelotet (Hoyles 2018). Insbesondere die Vernetzung unterschiedlicher Darstellungen mathematischer Objekte spielt dabei eine zentrale Rolle. Außerdem war von Beginn an mit der Nutzung digitaler Technologien zum Lernen von Mathematik die Hoffnung verbunden, die technischen und operativ-prozeduralen Aspekte der Mathematik an die Technologie delegieren zu können zugunsten einer intensivieren Auseinandersetzung mit den konzeptuellen Aspekten (Artigue 2002; Peschek und Schneider 2002; Weigand und Weth 2002). Die Technologie soll die Lernenden entlasten, damit die Auseinandersetzung mit dem mathematischen Inhalt in den Fokus rückt (Krauthausen 2014). Im letzten Jahrzehnt hat sich parallel zur weiteren Entwicklung der digitalen Technologien das Spektrum digitaler Technologien für den Mathematikunterricht, die im Rahmen mathematikdidaktischer Forschung betrachtet werden, deutlich erweitert. Sie erstreckt sich nunmehr auf Applets für spezifische Inhaltsbereiche oder bestimmte Lerntätigkeiten (Repräsentation und Visualisierung, Üben) (u. a. Larkin et al. 2019; Walter 2018), die Nutzung von Internetressourcen (Muir 2014) oder die Verwendung von der Funktionalitäten von Tablets zur Erstellung von Audiopodcasts und Stop-Motion-Filmen (Schreiber und Klose 2014; Schreiber und Schulz 2017). Die zunehmende Digitalisierung hat auch Auswirkungen auf den Schulbuchmarkt. Seit einiger Zeit finden sich zunehmend digitale Mathematikschulbücher auf dem Markt (u. a. Choppin und Borys 2017; Pepin et al. 2016; Rezat 2019). Neben der größeren Breite an digitalen Technologien, die im Kontext der Mathematikdidaktik entwickelt und betrachtet werden, hat sich die Perspektive auf das Lernen mit digitalen Technologien und deren Rolle im Lernprozess nach und nach gewandelt. Lag der Fokus zunächst überwiegend auf der Rolle und den Potenzialen der digitalen Technologien im individuellen Lernprozess, hat sich vor dem Hintergrund sozialer, sozialkonstruktivistischer und soziokultureller Ansätze das Augenmerk zunehmend auf deren Bedeutung für Kommunikation und kooperative Lernprozesse gerichtet. In diesem Beitrag wird zunächst ein grober Überblick über die Diskussion zu den in der Mathematikdidaktik diskutierten Potenzialen digitaler Technologien in Bezug auf Individualisierung und Kooperation gegeben. Vor diesem Hintergrund werden derzeit auf dem deutschen Markt befindliche digitale Mathematikschulbücher daraufhin analysiert, welche Möglichkeiten sie im Hinblick auf Individualisierung und Kooperation bieten. Abschließend werden Ergebnisse einer explorativen Studie vorgestellt, in der die Rolle von digitalen Mathematikschulbüchern in der Unterrichtspraxis im Spannungsfeld von Individualisierung und Kooperation in den Blick genommen wird.

Mathematiklernen mit digitalen Schulbüchern im Spannungsfeld …

201

2 Digitale Technologien im Spannungsfeld zwischen Individualisierung und Kooperation In Bezug auf die Rolle digitaler Technologien im Mathematikunterricht wird in zwei für die deutschsprachige Mathematikdidaktik einschlägigen Monographien (Krauthausen 2012; Weigand und Weth 2002) die Grundposition vertreten, dass digitale Technologien „neue Wege zu alten Zielen“ (Weigand und Weth 2002) darstellen und die zentralen Prinzipien guten Mathematikunterrichts, z. B. das Primat der Fachdidaktik, gute Aufgaben und das operative und beziehungsreiche Üben durch die neuen Technologien nicht in Frage gestellt werden. Vielmehr bieten die digitalen Medien Potenziale für eine neue Unterrichtskultur mit der dieselben Ziele wie zuvor erreicht werden sollen. Gerade in Bezug auf die Unterrichtskultur hat sich die Perspektive in den letzten Jahrzehnten deutlich gewandelt. Lerman (2002) spricht in diesem Zusammenhang vom „social turn“ in der Mathematikdidaktik. Damit bezeichnet er die zunehmende Bewusstheit darüber, dass Bedeutung, Denken und Begründen soziale Aktivitäten sind. Dieser „social turn“ lässt sich auch in Bezug auf die Rolle der digitalen Medien im Mathematikunterricht beobachten. Während lange Zeit deren Potenzial zur Förderung individueller Lernprozesse durch Differenzierung, Personalisierung und Adaptivität im Vordergrund der Diskussion stand, werden zunehmend ebenfalls die Vorzüge digitaler Technologien im Bereich der Förderung von Kommunikation und Kooperation gesehen. Schrage bringt die besondere Rolle digitaler Medien in diesem Zusammenhang auf den Punkt: When it comes to the impact of new media, the importance of information is subordinate to the importance of community. The real value of a medium lies less in the information that it carries than in the communities it creates. (Schrage zitiert nach Gadanidis und Geiger 2010, S. 93).

Auf die Potenziale digitaler Medien zur Förderung von individuellen und kooperativen mathematischen Lernprozessen wird im Folgenden näher eingegangen.

2.1 Potenziale digitaler Technologien zur Individualisierung Digitale Technologien bieten die Möglichkeit Lernpfade, Lerninhalte und Lernmethoden an die jeweiligen Lernvoraussetzungen und Lernfortschritte der

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Lernenden zu adaptieren und damit Lernprozesse zu individualisieren. Klep und Lohfink (2014) zeigen auf, dass sowohl den Entscheidungen von Lehrenden als auch den von adaptiven digitalen Technologien gleichermaßen Schülermodelle zugrunde liegen, auf deren Basis die Entscheidungen getroffen werden. Ebenso wie Lehrer*innen ein möglichst reichhaltiges Schülermodell entwickeln, indem sie „Zensuren, Korrekturen der Schülerarbeiten, Testergebnisse und Notizen, die er während oder kurz nach dem Unterricht macht, vernetzt“ (Klep und Lohfink 2014, S. 185), entnimmt ein automatisiertes Schülermodell seine Daten den Schülerlösungen, interpretiert diese und generiert darauf aufbauend Aufgaben, die möglichst im Bereich der Zone der nächsten Entwicklung realer Schüler*innen liegen (Klep und Lohfink 2014). Digitale Technologien lassen sich dahingehend unterscheiden, zu welchem Grad sie diese Schülermodellierung übernehmen. Die Individualisierung kann durch die Lehrenden (auf der Basis ihres Schülermodells) erfolgen, indem bestimmte Inhalte und Aufgaben Lernenden individuell zugewiesen werden, oder aber automatisiert. Hinter der automatisierten Adaption stehen komplexe Modellierungen von Lernprozessen und Lernpfaden verbunden mit formativem bzw. adaptivem Assessment wie sie z. B. durch Arithmeticus (Klep und Lohfink 2014) realisiert sind. In diesem Zusammenhang spielt auch automatisiertes Feedback eine zentrale Rolle. Abzugrenzen von Individualisierung durch Adaptivität sind Möglichkeiten der Personalisierung und Anpassung. Personalisierung bezieht sich im hier zugrunde gelegten Begriffsverständnis auf die Möglichkeit Lernerfahrungen durch Wahl aus alternativen Angeboten auf der Grundlage persönlicher Vorlieben, Interessen oder Zielen auszuwählen. Anpassung meint hier die Möglichkeit der Anpassung des digitalen Mediums an eigene Nutzungsgewohnheiten, z. B. durch Markieren von Inhalten, Hinzufügen von Notizen, Einfügen eigener Materialien (vgl. Confrey 2016).

2.2 Potenziale digitaler Technologien zur Kommunikation und Kooperation Beatty and Geiger (2010) beobachten auch im Bereich der internationalen Mathematikdidaktik ein wachsendes Interesse an der Rolle von neuen Technologien im Zusammenhang mit kooperativen Lernprozessen. In einem Forschungsüberblick zu sozialen Aspekten des Mathematiklernens mit digitalen Medien unterscheiden sie vier unterschiedliche Typen von digitalen Technologien, die in den Studien verwendet werden: 1) Technologien zum Lernen von Mathematik und zur Kollaboration, 2) Technologien zum Lernen von Mathematik aber nicht

Mathematiklernen mit digitalen Schulbüchern im Spannungsfeld …

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spezifisch ausgelegt für Kollaboration, 3) Technologien zur Kollaboration, jedoch nicht zum Lernen von Mathematik und 4) Technologien, die weder zum Lernen von Mathematik noch zur Kollaboration ausgelegt sind. Zusammenfassend stellen sie fest, dass in allen Studien reichhaltige offene Aufgaben und Probleme in Verbindung mit den spezifischen Möglichkeiten der Technologien zur Förderung von Kollaboration den Ausgangspunkt der Studien bilden. Insbesondere werden die Technologien dabei als Mittler sozialer Interaktion angesehen (Beatty und Geiger 2010). Kommunikation und Kollaboration muss dabei nicht zwangsläufig über die Technologie erfolgen, sondern kann auch über die Technologie im unmittelbaren Kontakt initiiert werden. Im Kontext von Computer-SupportedCollaborative-Learning wird daher zwischen entfernter (distant) und persönlicher (face-to-face) Kommunikation unterschieden, die jeweils synchron oder asynchron erfolgen kann. Welche Rolle Kommunikation und Kollaboration im Zusammenhang mit digitalen Mathematikschulbüchern spielt, ist bislang unklar. Es gibt weder Ergebnisse zu den Kommunikations- und Kollaborationsangeboten, die digitale Mathematikschulbücher selbst bieten, noch Erkenntnisse zur Kommunikation und Kollaboration von Lernenden bei der Arbeit damit.

3 Digitale Mathematikschulbücher im Spannungsfeld zwischen Individualisierung und Kooperation Auch wenn das Schulbuch durch den medienkulturellen Wandel zunehmend seine kulturelle Bedeutung als dominantes schulisches Leitmedium verliert und in einem Mediengefüge diffundiert (Böhme 2015, S. 414 f.), ist anzunehmen, dass es nach wie vor eine hohe Bedeutung für den alltäglichen Mathematikunterricht hat. Im Verhältnis zur realen Bedeutung für den Unterricht ist das Interesse an digitalen Mathematikschulbüchern vergleichsweise gering. Sowohl die Entwicklung als auch die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der digitalen Variante des Mathematikbuchs ist relativ schleppend. Unter einem digitalen Mathematikschulbuch wird ein digitaler Arbeitsraum verstanden, dessen Funktion die Kommunikation curricular vorgegebener mathematischer Inhalte und damit zusammenhängender Kompetenzen in Verbindung mit Angeboten zum Erwerb dieser Inhalte und der entsprechenden Kompetenzen insbesondere an Lernende und Lehrende ist. In der einschlägigen Forschung lässt sich eine Reihe von Behauptungen zu Potenzialen digitaler (Mathematik-)Schulbücher gegenüber traditionellen

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in Bezug auf den Lernprozess und die Schulbuchproduktion und -verbreitung finden. Choppin et al. (2014) tragen die vielfach in der einschlägigen Literatur angeführten Potenziale digitaler Mathematikschulbücher zusammen. Im Einzelnen identifizieren sie die Nutzung von Multimedia, Interaktivität, soziale Aspekte, Anpassung der Lernerfahrung, fortwährendes Assessment und Dokumentieren des Lernprozesses sowie ökonomische Vorteile. Diese Potenziale können auf unterschiedliche Weise in digitalen Mathematikschulbüchern verwirklicht werden. Pepin et al. (2016) unterscheiden dabei drei Typen von digitalen Mathematikschulbüchern: 1. Integrative E-Schulbücher, die eine digitale Version des traditionellen PrintSchulbuchs als Grundlage haben und durch zusätzliche Lernangebote erweitert werden können. 2. Sich entwickelnde bzw. „lebendige“ E-Schulbücher, die ursprünglich von einer Autorengruppe entwickelt wurden und durch eine Nutzergemeinde und deren Rückmeldungen ständig weiterentwickelt werden. 3. Interaktive E-Schulbücher, bei denen interaktive Aufgaben und Diagramme individuell zusammengestellt werden können. Im Zusammenhang mit der Entwicklung von digitalen Mathematikschulbüchern lässt sich durchaus erkennen, dass sowohl Individualisierung und Adaptivität als auch Kommunikation und Kollaboration einbezogen werden. Confrey (2016) zufolge sollte ein digitales Schulbuch sowohl Gelegenheiten für individuelle als auch für kollaborative Lernprozesse bieten. Im Zusammenhang mit dem Design von digitalen Schulbüchern bezeichnet sie es als eine der zentralen Herausforderungen, Differenzierung durch Individualisierung der Lernpfade umzusetzen und gleichzeitig die Vorzüge von Diskurs und Interaktion zu bewahren. Bei der Analyse US-amerikanischer digitaler Mathematikschulbücher stellen Choppin et al. (2014) jedoch fest, dass die Angebote nur eingeschränkte Möglichkeiten für Lernende bieten, sich untereinander, mit den Lehrenden oder mit virtuellen Gemeinschaften zu vernetzen und damit kollaboratives Lernen kaum unterstützen. Die Entwicklung und Verbreitung digitaler Mathematikschulbücher erscheint auch in der globalisierten Weltwirtschaft nach wie vor vorranging national organisiert zu sein. Dafür spricht der unterschiedliche Stand der Entwicklung digitaler Mathematikschulbücher in unterschiedlichen Ländern und die vorranging national agierenden Entwickler*innen, die hinter den Angeboten stehen. Eine vergleichbare Untersuchung wie die von Choppin et al. (2014) gibt es für Deutschland im Bereich der Mathematikdidaktik noch nicht. Im Folgenden werden daher derzeit auf dem deutschen Markt erhältliche digitale Mathematik-

Mathematiklernen mit digitalen Schulbüchern im Spannungsfeld …

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schulbücher dahingehend untersucht, wie sie im Spannungsfeld zwischen Individualisierung und Kollaboration zu verorten sind. Drei Fragestellungen stehen bei der Analyse digitaler Mathematikschulbücher im Zentrum: 1. Welche Möglichkeiten zur Individualisierung und Personalisierung bieten deutsche digitale Mathematikschulbücher gegenüber den traditionellen an? 2.  Welchen Möglichkeiten der Kommunikation und Kollaboration bieten deutsche digitale Mathematikschulbücher gegenüber den traditionellen an? Über das Angebot der digitalen Schulbücher hinaus ist insbesondere von Bedeutung, wie dieses Angebot im Lernprozess und Unterricht genutzt und wirksam wird. Daher ist auch die folgende dritte Fragestellung von Interesse: 3. Inwiefern werden die Angebote digitaler Mathematikschulbücher zur Individualisierung und Kooperation von Lernenden im Lernprozess genutzt? Zur Annäherung an Fragestellung 3 wurde in einer explorativen Studie zur Nutzung des digitalen Mathematikschulbuchs Denken und Rechnen interaktiv vom Westermann-Verlag das Kooperationsverhalten von Lernenden bei der Bearbeitung von Aufgaben im digitalen Schulbuch im Klassenkontext untersucht.

3.1 Methode der Schulbuchanalyse Die Verlage bieten ihre digitalen Schulbücher auf eigenen Webportalen an. Eine Durchsicht aller Angebote eines Verlags im Fach Mathematik zeigt, dass die zusätzlichen Möglichkeiten durch das jeweilige Portal determiniert werden und nicht eine Eigenschaft des Buches selbst sind. Daher wurden die Webportale, auf denen die Mathematikschulbücher der drei Verlage Cornelsen, Klett und Westermann angeboten werden, untersucht. Ausgewählt wurde jeweils das aktuelle Webportal bzw. digitale Angebot. Bei Cornelsen war dies das mBook, bei Klett das eBook pro und bei Westermann die BiBox. Für die Grundschule konnten zwei weitere Angebote identifiziert werden, die nicht auf diesen Portalen angeboten werden, und zwar Denken und Rechnen interaktiv vom Westermann Verlag und Anton. Anton ist eine von der Europäischen Union unterstützte Lernplattform für verschiedene Fächer, in der nach eigener Aussage die Unterrichtsinhalte der Lehrpläne für die Jahrgangsstufen 1 bis 10 abgedeckt werden. Die Analyse der digitalen Mathematikschulbücher in den Webportalen zur Beantwortung der ersten und zweiten Fragestellung erfolgte mittels einer strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2010). Zugrunde

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gelegt wurde ein Kategoriensystem, das sich an den Kategorien von Choppin et al. (2014) orientiert. Dementsprechend wurden die Mathematikschulbücher in Bezug auf ihre Funktionalitäten in den Bereichen Multimedia, Interaktivität, soziale Aspekte des Lernens, Anpassungsmöglichkeiten und Feedback/Assessment untersucht. Beim Feedback wird noch spezifischer zwischen unterschiedlichen Feedbackarten unterschieden. Dabei wurde die Kategorisierung von Shute (2008) zugrunde gelegt, die um den Feedback-Typ „Knowledge of performance (KP)“ (Narciss 2006, S. 23) erweitert wurde. Insgesamt wird damit zwischen folgenden Feedbackarten unterschieden: 1. Knowledge of performance (KP) feedback gibt eine summative Information über den erreichten Leistungsstand; 2. Knowledge of result/response (KR) feedback liefert Information über die Korrektheit der aktuellen Antwort; 3. Knowledge of correct response (KCR) feedback präsentiert die korrekte Antwort; 4. Answer until correct/multiple try (AUC/MT) feedback ist KR feedback in Verbindung mit weiteren Lösungsversuchen; 5. Elaborated feedback (EF) ist KR bzw. KCR feedback in Verbindung mit zusätzlichen Informationen, die zur Korrektur von Fehlern oder bei weiteren Lösungsversuchen unterstützen sollen. Im Anschluss an die Kategorisierung wird das Potenzial der jeweiligen Merkmale der digitalen Mathematikschulbücher im Hinblick auf Personalisierung, Individualisierung und Kooperation betrachtet.

3.2 Ergebnisse der Schulbuchanalyse Mit Ausnahme von Anton handelt es sich bei allen verwendeten Büchern um integrative E-Schulbücher im Sinne von Pepin et al. (2016). D. h., die Grundlage des digitalen Mathematikbuchs bildet das traditionelle Schulbuch in digitaler Form, das durch weitere Features angereichert wird. Anton dagegen ist ein interaktives E-Schulbuch, dem kein Printschulbuch als Vorlage zugrunde liegt und das keine feste Abfolge der Lerninhalte vorgibt. Aufgaben zu den verschiedenen Lerninhalten können systematisiert nach Jahrgangsstufen und Inhaltsbereichen individuell ausgewählt und in Lerngruppen zusammengestellt werden. In Tab. 1 sind die Merkmale und Features der digitalen Mathematikschulbücher bzw. der jeweiligen Webportale, in denen sie verfügbar sind, in den

Erklärfilme

Erklärfilme

Erklärfilme

Denken und Rechnen interaktiv

Anton

eBook pro (Klett)

Aufgaben mit Lösungseingabe und – unmittelbarem KR-Feedback GeoGebra-Applets

Erklärfilme GeogebraApplets

mBook (Cornelsen)

Notizen, Lesezeichen erstellen

Notizen, Markierungen, Lesezeichen, Zusatzmaterialien (vorhandenes und selbst erstelltes) auf Seiten verlinken



Interaktive Zusatzmaterialien (Tabellenkalkulations-Dateien, Dynamische Geometrie Arbeitsblätter), die auf Seiten verlinkt werden können

Notizen einfügen, Verlinkung auf Zusatzmaterialien im Internet, Schreibwerkzeuge, Lesezeichen

BiBox (Westermann)

KR-, MT-, KCR-, KP-feedback; Lösungshinweise als EF

KR-feedback

Paper&Pencil-Tests, Lösungsblätter, die auf Seiten verlinkt werden können

KR-, MT-, KCR-, KP-Feedback; Lösungshinweise als E-feedback

KR-, MT-, KCR-, Lehrende können Lerngruppen bilden und diesen KP-Feedback Aufgaben zuweisen, Setzen von Lesezeichen

Aufgaben mit Lösungseingabe und – unmittelbarem KR-feedback; Erklärungen, bei denen Lernende bestimmen können, wann der nächste Schritt kommt

Aufgaben mit Lösungseingabe und – unmittelbarem KR-feedback

(De-)aktivieren von bestimmten Aufgabensequenzen durch Lehrperson

Soziale Aspekte/ Anpassungsmöglichkeiten Feedback/AssessKommunikation ment

Aufgaben mit Lösungseingabe und Briefkasten für unmittelbarem KR-feedback Nachrichten an die Lehrperson

Multimediale Interaktivität Elemente

Schulbuch

Tab. 1   Merkmale der untersuchten digitalen Mathematikschulbücher im Hinblick auf multimediale Elemente, Interaktivität, soziale Aspekte/Kommunikation, Anpassungsmöglichkeiten, Feedback/Assessment

Mathematiklernen mit digitalen Schulbüchern im Spannungsfeld … 207

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zugrunde gelegten Kategorien Multimedialität, Interaktivität, soziale Aspekte/ Kommunikation, Anpassungsmöglichkeiten und Feedback/Assessment zusammengestellt. Die Analyse des Angebots an zusätzlichen Funktionalitäten in den digitalen Mathematikschulbüchern zeigt, dass diese bei den untersuchten Produkten nahezu identisch sind. Es sind im Wesentlichen Funktionalitäten, die zur Individualisierung und Personalisierung des Buches dienen können. Die Möglichkeit, Markierungen, Notizen, Lesezeichen und eigene Zusatzmaterialien einzufügen, ermöglicht die individuelle Anpassung; durch automatisiertes direktes Lösungsfeedback soll der individuelle Lernprozess unterstützt werden. Funktionalitäten zur Kommunikation und Kooperation zwischen Lernenden oder zwischen Lernenden und Lehrenden fehlen fast vollkommen. Die einzige Ausnahme bildet hier Denken und Rechnen interaktiv, bei dem es eine Briefkastenfunktion für Nachrichten zwischen Lernenden und Lehrenden gibt.

3.3 Methode der Studie zur Nutzung der Individualisierungspotenziale In einer explorativen Studie wurde in einer dritten Klasse einer nordrheinwestfälischen Grundschule das Kooperationsverhalten von Lernenden bei der Arbeit mit dem digitalen Mathematikschulbuch Denken und Rechnen interaktiv 3 untersucht. Als Kooperation wurde dabei in Anlehnung an Naujok (2000) jede aufgabenbezogene Interaktion zwischen den jeweiligen Beteiligten verstanden. Vor dem Hintergrund dieser allgemeinen Definition von Kooperation wurden aufgabenbezogene Interaktionen zwischen a) Lernenden, b) Lernenden und Lehrenden sowie c) Lernenden und dem digitalen Schulbuch als Kooperationen konzeptualisiert. Kooperation mit dem digitalen Schulbuch bezieht sich dabei auf die Nutzung von dessen Unterstützungsangeboten für den individuellen Lernprozess. Das digitale Schulbuch wurde auf Tablets über einen Zeitraum von sechs Stunden verwendet. Alle Lernenden hatten ein eigenes Tablet zur Verfügung und wurden zuvor in die Nutzung des digitalen Schulbuchs eingeführt. Dabei haben sie auch die Möglichkeiten des digitalen Schulbuchs zur Unterstützung bei der Bearbeitung von Aufgaben kennengelernt. Nach einer Einführung in das Thema „Geldwerte“ im Plenum wurden die Lernenden aufgefordert, Aufgaben aus dem digitalen Schulbuch zu bearbeiten. Diese Aufgaben enthielten

Mathematiklernen mit digitalen Schulbüchern im Spannungsfeld …

209

keine Merkmale, die Kooperation in besonderer Weise fördern. Vor dem Hintergrund der Typologie von Beatty und Geiger (2010) handelt es sich demzufolge um eine explorative Studie mit einer Technologie vom Typ 2, die nicht in besonderer Weise für Kollaboration und Kooperation ausgelegt ist. In jeder Stunde wurden zwei Gruppen mit jeweils vier Lernenden fokussiert. Über den Zeitraum hinweg wurden die Interaktionen mit dem digitalen Schulbuch, mit anderen Lernenden und mit Lehrenden mithilfe von MAXQDA kodiert. Das Kategoriensystem zur Kodierung der Kooperation zwischen Lernenden wurde dabei von Naujok (2000) übernommen und umfasst die Kategorien Erklären, Vorsagen, Abgucken, Vergleichen, Zur-Verfügung-Stellen von Arbeitsmaterialien, Erfragen, Metakooperieren. Dieses Kategoriensystem wurde induktiv auf der Grundlage der Dimensionen der Kategorien von Naujok (2000) erweitert. Für die Kooperation zwischen Lernenden ergaben sich dabei als weitere Kategorien Hilfe anbieten und Diskutieren. Für die Kooperation zwischen Lehrenden und Lernenden wurden die Kategorien Feedback/Verifikation und Hinführen ergänzt. Die Kooperation zwischen dem digitalen Schulbuch und den Lernenden wurde anhand der Funktionalitäten des digitalen Schulbuchs zur Unterstützung des Bearbeitens von Aufgaben kategorisiert. Dies sind der Blick ins Buch, die Hilfe, das Lexikon und der Tipp.

3.4 Ergebnisse der Studie zur Nutzung der Individualisierungspotenziale Die quantitative Auswertung der Kooperationshandlungen über den oben genannten Zeitraum ergibt bei den zwei Fokusgruppen mit jeweils vier Lernenden das in Tab. 2 dargestellte Kooperationsverhalten. Im Rahmen dieser explorativen Studie zeigt sich, dass einer einzelnen Nutzung der Unterstützungsangebote des digitalen Schulbuchs (c) insgesamt 217 Kooperationshandlungen mit der Lehrperson (b) bzw. mit Mitschüler*innen (a) gegenüberstehen. Insbesondere ist auffällig, dass die Kooperationshandlungen Tipp geben, Feedback/Verifikation, Vergleichen, Hinführen und Erklären vollständig oder teilweise mit Funktionen des digitalen Schulbuchs übereinstimmen und daher mit diesem hätten erfolgen können. Damit scheint im Klassenkontext die Kooperation mit den anderen Personen in der Klasse wesentlich naheliegender zu sein, als auf die Angebote zur Unterstützung des individuellen Lernprozesses des digitalen Schulbuchs zurückzugreifen.

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4 Diskussion Im vorliegenden Beitrag wurde die Gestaltung von derzeit auf dem deutschen Markt erhältlichen digitalen Mathematikschulbüchern für die Grundschule und die Sekundarstufe I im Hinblick darauf untersucht, welche Potenziale die digitalen Schulbücher zur Individualisierung des Lernprozesses und zur Kooperation anbieten. Dabei zeigt sich, dass in den Büchern ein starker Fokus auf die Unterstützung individueller Lernprozesse gelegt wird. Die digitalen Mathematikschulbücher bieten insbesondere Hilfestellungen, automatisiertes Feedback sowie Anpassungs- und Personalisierungsmöglichkeiten. Die Implementation automatisierter Schülermodelle in Verbindung mit automatisierter Adaption lassen sich bislang nicht finden. Teilweise finden sich auch Links zu Applets, die einen dynamischen und interaktiven Umgang mit mathematischen Objekten ermöglichen. Funktionalitäten, mit denen Lernende die Kommunikationsmöglichkeiten digitaler Medien zum Zwecke kooperativer Lernformen nutzen können, finden sich nahezu nicht. In einer ersten explorativen Studie mit einem digitalen Mathematikschulbuch für die Grundschule zeigt sich, dass Lernende bei der Arbeit mit dem digitalen Mathematikschulbuch intensiv miteinander kooperieren und dagegen die verschiedenen Angebote zur Unterstützung ihrer individuellen Lernprozesse kaum nutzen. Dies mag einerseits auf die durch das traditionelle Schulbuch geprägte Unterrichtskultur zurückzuführen sein. Bei längerer und regelmäßiger Nutzung digitaler Schulbücher unter Verweis auf deren Unterstützungsangebote ist hier durchaus eine Verschiebung zugunsten der Nutzung dieser Funktionalitäten denkbar. Die beiden gegenläufigen Tendenzen, die sich in Bezug auf die Gestaltung und die Nutzung der Bücher im Unterricht beobachten lassen, lassen einerseits die Frage nach geeigneten Nutzungskontexten aufkommen. Bei der derzeitigen Gestaltung der digitalen Mathematikschulbücher bieten sich vor allem Nutzungskontexte an, in denen sich die Lernenden vorranging individuell mit mathematischen Inhalten auseinandersetzen, also z. B. im Rahmen von Hausaufgaben. Hier können die Hilfestellungen und das automatisierte Feedback tatsächlich wirksame Unterstützungsangebote für das Bearbeiten der Hausaufgaben anbieten, da Lehrende und Mitlernende nicht unmittelbar zur Kooperation verfügbar sind. Allerdings ist gerade dies auch ein Bereich, in dem sich die Vorzüge digitaler Technologien zur Förderung von (distanter) Kommunikation und Kooperation entfalten könnten, um Lernenden auch im Zusammenhang mit Hausaufgaben die Möglichkeit zu bieten, kooperativ zu arbeiten. Insgesamt werfen die gegenläufigen Tendenzen bei der Gestaltung und Nutzung der digitalen Mathematikschulbücher die Frage nach der sinnvollen

Mathematiklernen mit digitalen Schulbüchern im Spannungsfeld … Tab. 2  Auswertung der Kooperationshandlungen

211

a) Kooperation mit Mitschüler*innen Hilfe anbieten

6

Metakooperieren

0

Zur-Verfügung-Stellen von Arbeitsmaterial

0

Erfragen

24

Vergleichen

4

Erklären

24

Vorsagen

37

Abgucken

14

Diskutieren

6

Summe: b) Kooperation mit der Lehrperson

115

Feedback/Verifikation

10

Zur-Verfügung-Stellen von Arbeitsmaterial

4

Hinführen

31

Tipp geben

16

Erfragen

25

Vorsagen

14

Erklären

2

Summe: c) Kooperation mit dem digitalen Schulbuch

102

Blick ins Buch

0

Hilfe

0

Lexikon

1

Tipp

0

Summe:

1

Gesamt:

218

Konzeption der Bücher auf. Es wäre zu überdenken, ob die starke Fokussierung auf individuelle Lernprozesse die Möglichkeiten der digitalen Technologien zur Förderung von mathematischen Lernprozessen voll ausschöpfen oder ob die Potenziale nicht gerade im Sinne Schrages auch bzw. vorranging im Bereich von Kommunikation und Kooperation liegen.

212

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Mathematiklernen mit digitalen Schulbüchern im Spannungsfeld …

213

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Programmieren – Lehren und Lernen mit und über Medien Carsten Schulte, Lea Budde und Felix Winkelnkemper

1 Einleitung Beginnen wir gleich mit der provokanten Kernaussage des Textes: Lehrkräfte, die nicht programmieren, machen automatisch eher schlechten Unterricht. Anders herum ausgedrückt, um es zu präzisieren: Für alle Fächer und alle Schulformen gilt in der digitalen Schule, dass nur diejenigen Lehrkräfte, die im und für ihren Beruf regelmäßig und aktiv programmieren, gute Lehrkräfte sind – alle anderen nicht. Es geht also nicht nur darum, vielleicht irgendwann einmal programmieren gelernt zu haben, oder es „im Prinzip“ zu können, sondern darum, dies als Teil des täglichen Arbeitshandelns zu begreifen und die eigenen Tätigkeiten entsprechend auszulegen. Und zwar nicht, weil das irgendwie‚ „modern“ ist, sondern weil nur so in der digitalen Schule die notwendige Unterrichtsqualität erreicht werden kann.

C. Schulte (*) · L. Budde · F. Winkelnkemper  Institut für Informatik, Universität Paderborn, Paderborn, Deutschland E-Mail: [email protected] L. Budde E-Mail: [email protected] F. Winkelnkemper E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. M. Meister und I. Mindt (Hrsg.), Mobile Medien im Schulkontext, Medienbildung und Gesellschaft 41, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29039-9_11

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2 Unterrichtsqualität und Unterrichtsmaterialien Während es natürlich fach-, schularten-, und schulstufenspezifische Unterschiede gibt, wie gutes Unterrichten aussieht, kann man doch einige in diesem Zusammenhang wichtige Gemeinsamkeiten ausmachen. John Biggs (1999) hat diese in Bezug auf Orientierungen der Lehrkräfte zusammengefasst. Für ihn gibt es drei Entwicklungsstufen der Lehrprofessionalität. In der ersten Stufe ist die Lehrkraft darauf konzentriert, den „Stoff rüberzubringen“. Für den Unterricht bedeutet dies, dass ein Experte die Inhalte darstellt und die Lernenden diese Inhalte entsprechend aufnehmen können. In der zweiten Stufe wird den Lehrkräften demzufolge bewusst, dass nicht jedes Detail des Stoffs gleich wichtig ist, sondern dass sie vor allem die wichtigen Ideen und Konzepte des Faches transportieren müssen. Auch in diesem Fall bleibt es die Arbeit der Lehrkraft, Inhalte und Konzepte zu gewichten, darzustellen und zu vermitteln. Die Lehrkraft überträgt sozusagen die Inhalte auf die Lernenden (im Sinne des Nürnberger Trichters). Diese sogenannte Transmissionsorientierung des Unterrichts ist ganz darauf konzentriert, was die Lehrkraft macht. Die Schüler*innen in der Klasse sind lediglich Empfänger des Wissens. Die dritte Stufe hebt sich davon kontrastiv ab, denn sie fokussiert sich auch auf die Tätigkeiten der Lernenden und nicht primär auf die Inhalte. In dieser Stufe (oder Perspektive) steht daher nicht das Lehren, sondern die individuellen Lernprozesse der Schüler*innen im Mittelpunkt. Der entscheidende Punkt ist hier, dass sich die Bemühungen der Lehrkraft nicht in der Durchdringung und Elementarisierung der Lerngegenstände, und auch nicht in deren ­didaktisch-methodischer Art der Präsentation erschöpfen, sondern dass die Lehrkraft Bedingungen schafft, die zu den individuellen und situationsspezifischen Anforderungen in der jeweiligen Lerngruppe passen. Diese Sichtweise spiegelt sich in fachdidaktischen Ansätzen für Unterrichtsentwicklung, die nicht mehr nur die Idee der „didaktischen Reduktion“, sondern stattdessen der „didaktischen Rekonstruktion“ (vgl. Reinfried et al. 2009) verfolgen. Standen in der didaktischen Reduktion vor allem die stoffbezogene Elementarisierung des Lerngegenstands im Fokus, werden in der Rekonstruktion drei verschiedene Aspekte ausbalanciert bzw. miteinander verknüpft: Die „didaktische Strukturierung“ mit der „fachlichen Klärung“ und der „Erfassung von Schülerperspektiven“. Dem dritten Aspekt kommt eine besondere Bedeutung zu, denn, so Reinfried et al. (1999, S. 406): „Plant eine Lehrperson Unterricht zu einem bestimmten Thema, ohne die Vorstellungen ihrer Schüler*innen zur in Rede stehenden Sache zu kennen, so läuft sie Gefahr, dass die intendierten Lernprozesse

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weit hinter den Erwartungen zurückbleiben, auch wenn sie sinnvolle Lernziele formuliert, geeignete Methoden und Medien und motivationale Aspekte berücksichtigt hat.“ Dabei geht es darum, die vorhandenen Vorstellungen, Einstellungen und fehlenden Wissensbestände der Lernenden systematisch zu berücksichtigen und darauf aufbauend für die jeweilige Lerngruppe geeignete didaktische Strukturierungen und Lernwege zu entwickeln. So kann beispielsweise bei einem Experten oder Expertin bestimmtes Hintergrundwissen (etwa zur Einordnung des aktuellen Lerngegenstands) vorausgesetzt und daher weggelassen werden. Lernende verfügen aber in der Regel nicht über solches Expertenwissen. Daher – so die Argumentation im Modell der didaktischen Rekonstruktion – kann der Lerngegenstand nicht einfach eine elementarisierte Version des Expertenwissens sein, sondern muss vielmehr angemessen mit Kontextbezügen und zusätzlichen Aspekten angereichert werden. Diese Anreicherung bringt eine erhöhte Komplexität mit sich, und führt letztendlich dazu, dass der Lerngegenstand nicht elementarisiert oder reduziert, sondern adressatenbezogen „rekonstruiert“ wird. Anforderungen und Herausforderungen bei der Rekonstruktion hängen sowohl von Arbeits- und Denkweisen des Lehrenden als auch dem Wissensstand und dem Lernverhalten der Lernenden ab. Unser Argument ist daher, dass – etwa mit John Biggs – die Aufgabe von Lehrkräften nach wie vor nicht darauf reduziert werden kann, solcherlei rekonstruiertes und didaktisch strukturiertes Material „rüberzubringen“. Gutes Unterrichten und Vorbereiten bedeutet unseres Erachtens mehr: Selbst wenn hochqualitative Unterrichtsinhalte und Unterrichtswerkzeuge vorliegen, etwa in der Form digitaler mobiler Medien, können (oder sollten) Lehrkräfte diese nicht einfach so, wie sie sind, transmissionsorientiert einsetzen, sondern müssen sie immer noch situations- und adressatenspezifisch prüfen und anpassen. Eine solche Prüfung beinhaltet die Frage danach, ob die intendierten Lernhandlungen gelingen. Veränderungen können Anpassungen in der didaktischen Strukturierung sein: Das Überspringen einer Aufgabe, Ergänzung passender Zusatzinformation, Änderung oder Ergänzung von Begrifflichkeiten oder auch das Ergänzen fehlender Lernschritte, indem dazu weiteres Material hinzugefügt wird. Dieser Prozess ist der ganz normale Alltag der Unterrichtsplanung. Je nach aktueller Situation muss in Bezug auf die Reihenplanung die Stundenumsetzung täglich angepasst werden. Dementsprechend sind Berichte aus der Praxis zu verstehen, dass erfahrene Lehrkräfte dazu raten, nicht einfach fremde Unterrichtsplanungen zu übernehmen, sondern diese grundsätzlich je nach Lerngruppe anzupassen. Materialangebote zur Unterstützung von Unterricht, wie etwa pikas (https://pikas.dzlm.de) für Mathematik oder NaWIT As (https://nawitas.uni-koeln.de) für den Sachunterricht in der Grundschule, haben sich auf eine Anpassung durch die Lehrpersonen

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eingestellt. Sie sprechen daher nicht mehr von fertigen Stundenplänen, sondern von Planungsgerüsten und Bausteinen, die angeboten werden, um anschließend von Lehrkräften individuell für den eigenen Unterricht zusammengestellt zu werden. Fassen wir das Dargelegte zusammen, bedeutet gut zu unterrichten in Bezug auf Unterrichtsmaterialien und insbesondere auch Medien, dass diese situationsund adressatengerecht eingesetzt und folglich oft auch angepasst werden müssen. Materialien sollten also an den Unterricht entsprechend der Lerngruppe und der Unterrichtsziele angepasst werden können. Dieses Abändern nennen wir in Bezug auf die technische Gestaltung von digitalen Unterrichtsmedien Programmieren. Was genau programmieren – in diesem Verständnis – ist, soll im Folgenden ausdifferenziert werden.

3 Voraussetzungen für das Anpassen digitaler Unterrichtsmedien Eine Grundvoraussetzung dafür, Lehr-/Lernmaterialien den Bedürfnissen des eigenen Unterrichts anpassen zu können, ist ein Grundverständnis über die Funktionsweisen und Charakteristika dieser neuartigen digitalen Unterrichtsmaterialien. Man kann hier sogar noch einen Schritt weitergehen und, wie in der folgenden Fallstudie nahegelegt, feststellen, dass digitale Lernwerkzeuge im Unterricht nur mit Kenntnis von grundlegenden Konzepten über digitale Artefakte wirklich kompetent verwendet werden können. Das anzuerkennen bedeutet nicht, dass jede Lehrkraft, die digitale Lernmaterialien im Unterricht verwenden will, nun gleich ein Informatikstudium absolvieren oder sich zur Softwareentwickler*in ausbilden lassen muss. Eine Analogie mit der Inneneinrichtung einer Wohnung oder eines Hauses kann dies verdeutlichen. Zwar sucht man sich, so man die Möglichkeit hat, eine Wohnung oder ein Haus aus, dessen grundsätzliche Einrichtung einem genehm ist. Wohl jeder hat dann aber das Bedürfnis, die Inneneinrichtung der Wohnung noch weiter den eigenen Vorstellungen entsprechend anzupassen. Kann man das, ohne Kompetenzen zur Inneneinrichtung zu haben? Würde man diese Frage mit nein beantworten, würde es bedeuten, dass man für das Anbringen jeder Tapete, das Aufhängen jedes Bildes oder das Auswechseln jeder Glühlampe einen Handwerker kommen lassen müsste. Sicher wäre das ein legitimes Verhalten, es macht einen jedoch vollständig abhängig von den Kompetenzen und der Verfügbarkeit anderer Menschen und hemmt einen auch dabei, seine ideale Einrichtung durch Ausprobieren zu finden. Eine Einrichtungsvariante einfach nur auszuprobieren

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wird so nämlich zu einer langwierigen und vor allem auch teuren Angelegenheit. Die Alternative, die Fachkompetenzen aller hier beteiligten Gewerke, also Maler, Zimmermann und andere Handwerker, selbst zu erwerben, kann der Weisheit letzter Schluss aber auch nicht sein, denn man will die Inneneinrichtung seiner Wohnung ja nicht zu seinem Lebensinhalt und Beruf machen, sondern lediglich die Fähigkeiten haben, sich in gewissem Rahmen selbst zu verwirklichen und die Wohnung den Vorstellungen derer, die in ihr wohnen sollen, anzupassen. Es braucht also gewisse handwerkliche Grundkenntnisse, die einem erlauben, etwa Nägel in die Wand zu schlagen, eine Wand zu streichen oder eine Lampe anzubringen und die Leuchtmittel selbst auszutauschen. Übertragen wir das auf die Verwendung von digitalen Lernwerkzeugen, braucht es ebenfalls derartige Grundkenntnisse, um den Werkzeugen nicht vollständig ausgeliefert zu sein oder für jede Anpassung an den eigenen Unterrichtsstil oder an die Bedürfnisse der Schüler*innen einen “digitalen Handwerker” kommen lassen zu müssen, der gewünschte Veränderungen vornimmt. Es gilt, über genügend eigene Kompetenzen zu verfügen, um Anpassungen vornehmen zu können. Dazu gehört insbesondere auch, verstehen zu können, welche Mechanismen und Denkweisen dem Tool zugrunde liegen.

3.1 Fallstudie Pentomino Am Beispiel der Entwicklung einer digitalen Umsetzung des räumlichen Puzzlespiels Pentomino lässt sich gut erläutern, warum Grundkenntnisse über die Funktionsweisen digitaler Technologien und über die technischen Potenziale digitaler Technik notwendig sind, um die App kompetent nutzen zu können. Bei einem Pentomino-Spiel, siehe Abb. 1, werden geometrische Figuren, die aus fünf gleich großen, zusammenhängenden Quadraten, sogenannten Quadratfünflingen, bestehen, auf ein Brett oder in einen Kasten gelegt. Das hier abgebildete Spiel hat eine Größe von 6 × 10 solcher Quadrate. Die Aufgabe besteht darin, die vorhandenen Spielsteine so zu kombinieren, dass das Brett am Ende vollständig mit Steinen bedeckt ist. Da die Spielsteine sowohl räumlich gedreht als auch gekippt werden können, kann das Pentomino-Spiel als ein pädagogisches Spiel verwendet werden, um das räumliche Vorstellungsvermögen von Schüler*innen zu schulen (mehr dazu z. B. in Golomb 1996). Während die haptischen Eigenschaften mit ihren im Raum drehbaren und kippbaren Steinen nicht zu unterschätzen sind, hat die Verwendung einer digitalen Adaption des Spiels mehrere Vorteile gegenüber dem hier abgebildeten Holzspiel.

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Abb. 1   Ein typisches Pentomino-Spiel mit Holzsteinen und einem 6  × 10-Spielfeld. (Eigene Darstellung)

Um diese kompetent einsetzen zu können, bedarf es allerdings eines Grundverständnisses über die Eigenschaften und Potenziale digitaler Technologie.

3.1.1 Bestimmen der Lösbarkeit und Tipp-Funktionalität Abgesehen von sehr einfachen Fällen ist es eine unglückliche Eigenschaft des Pentomino-Spiels, dass man nicht durch eine bloße visuelle Prüfung der aktuellen Platzierungen der Steine auf dem Brett – der Brettkonfiguration – feststellen kann, ob man ausgehend von dieser noch zu einer Lösung kommen kann, oder ob man Steine wieder wegnehmen muss. Selbst wenn es irgendwie möglich wäre zu wissen, dass eine bestimmte Konfiguration nicht mehr zu einer Lösung führt, könnte man nicht leicht bestimmen, welche Maßnahmen ergriffen werden sollten, d. h. welche Figuren vom Brett entfernt werden sollten, um das Brett wieder in eine lösbare Konfiguration zu bringen. Dies ist nicht nur für jemanden, der das Spiel spielt, eine Herausforderung, sondern auch für Lehrer*innen, die das Spiel

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im Unterricht einsetzen, da sie, mit Ausnahme sehr offensichtlicher Fehler, meist nicht in der Lage sind, Hilfe anzubieten, wenn eine Schüler*in Schwierigkeiten beim Finden einer Lösung hat. In einer digitalen Version des Spiels können ausgefeilte Algorithmen (zu Beispiel basierend auf Knuth 2000) implementiert werden, die in der Lage sind, alle möglichen Lösungen für jede beliebige Konfiguration eines Pentomino-Bretts zu berechnen. Solche Algorithmen können dazu verwendet werden, um im Falle einer noch lösbaren Konfiguration die Platzierung des nächsten Spielsteins vorzuschlagen, oder um festzustellen, dass die aktuelle Konfiguration nicht Teil einer möglichen Lösung ist und das Brett somit nicht mehr lösbar ist. Bei intelligenter Anwendung kann der Lösungsalgorithmus auch die Grundlage einer Funktion sein, die in diesem Fall die Entfernung von Figuren vom Brett vorschlägt. Das kann etwa so aussehen, dass, wenn Sie im Spiel auf „Meinen Status überprüfen“ klicken, die derzeit auf dem Brett platzierten Pentomino-Steine grün oder rot hervorgehoben werden, um anzuzeigen, ob ihre Platzierung als gut oder schlecht angesehen wird. Gut oder schlecht bedeutet in diesem Zusammenhang, ob mit ihrer Platzierung noch eine Lösung erreicht werden kann oder nicht. Was in dieser kurzen Beschreibung problemlos klingt, hat seine Tücken in der praktischen Umsetzung. Für das Folgende sei angenommen, dass durch die Platzierung von Steinen eine Spielsituation erzeugt wurde, die nicht mehr lösbar ist. Es gilt also, Steine zur Entfernung vorzuschlagen. Wie kann man Steine, die entfernt werden müssen, nun bestimmen? Eine Möglichkeit ist, die aktuelle Brettkonfiguration mit einer Datenbank der möglichen Lösungen zu vergleichen, dabei die Lösung zu finden, die der aktuellen Konfiguration am ähnlichsten ist, um auf der Grundlage eines Vergleichs Stein für Stein dann diejenigen Steine zu identifizieren, die weggenommen werden müssten, um wieder eine lösbare Ausgangssituation zu haben. Diese plausible Herangehensweise hat aber einen irritierenden Nebeneffekt, den man sich an einem Beispiel klarmachen kann: Angenommen, ein Spieler setzt einen einzelnen Stein und überprüft ihn auf korrekte Positionierung, die vom Algorithmus bestätigt wird. Dieser Stein an dieser Stelle ist also Teil von mindestens einer Lösung. Nun platziert der Spieler vier weitere Steine und überprüft die aktuelle Brettkonfiguration erneut mit dem Algorithmus. Gesetzt dem Fall, dass die nun entstandene Konfiguration unlösbar geworden ist, kann es nun durchaus sein, dass die Lösung, die der aktuellen Brettkonfiguration am ähnlichsten ist, die vier zuletzt gesetzten Steine enthält, den zu Beginn gesetzten Stein jedoch nicht. Eine Überprüfung durch den Algorithmus ergibt dann, dass genau der Stein, dessen korrekte Positionierung zu Beginn noch bestätigt wurde, nun auf einmal entfernt werden soll. Das kann, wenn man sich die Funktionsweise des Algorithmus nicht klar macht, so wirken, als „wisse das

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Spiel nicht, was es will“. Weiß man jedoch zumindest grob, wie der Algorithmus arbeitet, verschwindet diese Irritation, denn man weiß dann, dass der zur Entfernung vorgeschlagene Stein nicht auf gar keinen Fall dort liegen dürfte, sondern dass es sich vielmehr um einen Tipp dazu handelt, wie man unter der Wegnahme möglichst weniger Spielsteine wieder zu einer lösbaren Spielkonfiguration kommen kann.

3.1.2 Gespeicherte Zustände statt passiver Abbildungen Nicht nur im Bereich der algorithmischen Auswertung zeigt sich, dass grundlegendes Wissen über die Architektur des digitalen Werkzeugs notwendig ist, um die Potenziale der digitalen Technologie verstehen und nutzen zu können. Dies sei im Folgenden beispielhaft an einer zentralen Funktionalität beschrieben, die neben der bereits erläuterten algorithmischen Hilfen ein wichtiger Startpunkt dafür war, überhaupt eine digitale Version des Pentomino-Spiels zu entwickeln. Beim Lösen eines klassischen Pentomino-Puzzles sieht sich ein Spieler mit dem Problem der Darstellungs-Flüchtigkeit konfrontiert (vgl. Eilerts et al. 2017). Jede Operation, d. h. jedes Platzieren sowie jedes Entfernen eines Spielsteins, verändert logischerweise die vorherige Konfiguration. Dies hat zur Folge, dass immer nur die aktuelle Konfiguration des Spielbretts der Wahrnehmung zugänglich ist und als wahrnehmbare Grundlage der Entwicklung einer Lösungsstrategie dienen kann. Diesem Missstand kann durch den Einsatz von Medien abgeholfen werden, etwa indem man sich Brettkonfigurationen händisch notiert oder sie fotografiert. Dieser Prozess ist jedoch recht mühselig und müsste explizit zusätzlich erfolgen. Auch wenn man sich entscheiden sollte, mit einer Brettkonfiguration, die man sich fotografiert hat, fortfahren zu wollen, hätte man hohen Aufwand, denn man müsste das, was zu sehen ist, „nachpuzzeln“. Will man den ganzen Bearbeitungsprozess festhalten, könnte man sich mit der Verwendung eines Camcorders behelfen. Auch das ist aber mit einem hohen Zusatzaufwand verbunden: Vom Einrichten und Ausrichten des Geräts bis hin zum Bedienen des Recorders und dem Anschluss eines Fernsehers für die Wiedergabe. Ein digitales Pentomino-Spiel kann beidem abhelfen, denn die Erstellung von Schnappschüssen oder eine Film-Aufzeichnung des gesamten Bearbeitungsprozesses kann sehr einfach angeboten werden, ohne dass zusätzliche externe Medien oder Geräte benötigt werden, einfach indem man die Funktionalität noch mit in die Anwendung hinein programmiert. Ein digitales Pentomino-Spiel hätte durch solche Funktionalitäten in der Bedienung durchaus einen Vorteil gegenüber seinem klassischen Pendant, doch ist dieser noch rein auf der Ebene der Einfachheit der Bedienung. Einen qualitativen Vorteil durch den Einsatz digitaler Technologie gibt es hier noch nicht. Es handelt sich lediglich um Digitalisierungen von analogen Werkzeugen und nicht um genuin digitale Werkzeuge.

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Im Rahmen interdisziplinärer Diskussionen zwischen einer studentischen Gruppe von Informatiker*innen, die die digitale Pentomino-Version entwickelte, Mathematikdidaktiker*innen und Lehrkräften, die das Werkzeug nutzen wollten, wurden echte digitale Merkmale identifiziert, die über das hinausgehen, was in der analogen Welt möglich gewesen wäre. Voraussetzung hierfür war es, sich von der strengen Metaphorik nachgebauter analoger Aufzeichnungstechniken zu lösen. Im Gegensatz zu einem Foto, bei dem lediglich eine Aufzeichnung des optisch sichtbaren angefertigt wird, kann ein digitaler Schnappschuss weit darüber hinausgehen und den kompletten Zustand des Spiels zu einem bestimmten Zeitpunkt speichern. Das bedeutet im Speziellen, dass die Position aller Pentomino-Steine auf dem Spielbrett abgespeichert werden kann. Diese gespeicherten Daten können dazu genutzt werden, der Nutzer*in des Spiels den Schnappschuss grafisch anzuzeigen, was letztlich der Darstellung eines Fotos gleichkommt. Das Potenzial des gespeicherten Status geht aber über diese Darstellung hinaus, denn sie erlaubt zum Beispiel, zu einem späteren Zeitpunkt wieder geladen zu werden und damit direkt wieder zum aktuellen Zustand zu werden. Man kann also bequem zu früheren Brettkonfigurationen wieder zurückkehren und dann ausgehend von den gespeicherten Positionierungen weiter an einer Lösung des Pentomino-Spiels arbeiten. Dieser Vorteil wird deutlich, wenn man sich zum Beispiel das digitale Pendant zum Video anschaut. Dieses verhält sich ganz ähnlich zu unserer Pentomino App. Eine solche Aufzeichnung kann weit mehr sein, als eine Sequenz von optischen Abbildungen, die in einer gewählten Geschwindigkeit vorwärts oder rückwärts wiedergegeben werden kann. Ein digitales Video dieser Art wäre mit einem z. B. von einem Camcorder erzeugten analogen Video funktional identisch. Ganz anders sieht es aus, wenn man ein Video als Sequenz von Bearbeitungsschritten auffasst. Eine digitale Aufzeichnung dieser Art kann natürlich ebenfalls in beliebiger Richtung wiedergegeben und gestoppt werden. Jeder beliebige Zeitpunkt kann aber eben auch zum Punkt des Wiedereinstiegs genutzt, also zur neuen aktuellen Brettkonfiguration gemacht werden. Diese Funktionalität ist grundsätzlich vom Funktionalitäts-Paar Rückgängig/Wiederholen bekannt, denn auch die erlaubt es ja in der Geschichte der Bearbeitungen rückwärts und vorwärts zu wandern – oder ab einem bestimmten Punkt „aus der Vergangenheit“ anders fortzufahren. Die Entstehungsgeschichte der aktuellen Spielkonfiguration bleibt durch so eine Funktionalität bestehen, ist für den Spieler erfahrbar und kann wieder zum Ausgangspunkt einer neuen Bearbeitung werden. Digitales Video und digitales Foto in der charakterisierten Art lassen sich leicht kombinieren. Speichert man bei den oben dargelegten digitalen Schnappschüssen jeweils auch die Entstehungsgeschichte mit, bietet sich einem

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Pentomino-Spieler nicht nur die Möglichkeit, interessante Spielstände festzuhalten und zu diesen zurückzukehren, sondern auch einen Einblick in ihre Entstehungsgeschichte zu erhalten, die ebenfalls in ihrer vollständigen Flexibilität zur Verfügung steht. Das Potenzial der in beiden geschilderten Fällen zugrunde liegenden Idee, statt Bildern Sequenzen von Spielzuständen und Bearbeitungsschritten zu speichern, ist durch die genannten Einsatzszenarien bei weitem nicht ausgeschöpft, könnten doch die gespeicherten Daten ihrerseits für algorithmische Auswertungsfunktionen genutzt werden. Wir wollen es aber an dieser Stelle bei den erläuterten Möglichkeiten belassen und nochmals auf die Wichtigkeit hinweisen, sich die technischen Potenziale digitaler Werkzeuge klarzumachen. Ohne das digitale Potenzial der gespeicherten Zustände und Bearbeitungsspuren erkannt zu haben, die es ermöglicht, jede Veränderung zu einem späteren Zeitpunkt wahrnehmbar zu machen und gleichzeitig die Veränderbarkeit jedes Zwischenzustandes zu erhalten, waren im Rahmen der Entwicklung des digitalen Pentomino-Spiels Didaktiker*innen, Lehrkräfte und ehrlicherweise auch die Softwareentwickler*innen zunächst geneigt, keine wirklich digitale Funktionalität zu schaffen, sondern vielmehr analoge Artefakte samt ihrer Einschränkungen nachzuahmen. Erst die Kenntnis und die Reflexion der Potenziale digitaler Technologie brachte die Beteiligten dazu, über die Beschränkungen analoger Medien hinauszudenken. Die Kenntnis der digitalen Potenziale ist also wichtige Voraussetzung zur Ausschöpfung der Vorteile digitaler Technologie.

4 Programmieren und Programmierbarkeit Das Beispiel des Pentomino-Spiels verdeutlicht auf ganz verschiedenen Ebenen, dass konzeptuelles Wissen über digitale Artefakte notwendig ist, um sie kompetent nutzen zu können, ihre Potenziale verstehen zu können und um nicht erfüllte Potenziale ggf. auch in der Konzeption einfordern zu können. Die Lehrenden kommen durch dieses Wissen in eine ganz andere Position in der interdisziplinären Zusammenarbeit mit Softwareentwickler*innen. Sie sind bei der aktuellen Konzeption des digitalen Pentomino-Spiels allerdings immer noch stark auf deren Unterstützung angewiesen. Von einigen wenigen Einstellungsmöglichkeiten abgesehen ist es den Lehrkräften nicht möglich, das digitale Lehrmittel Pentomino ihren Wünschen anzupassen – eine Situation, die man sich sonst verbitten würde oder zumindest als extrem unschön empfände, und die, unserer anfänglichen Argumentation entsprechend, einen situations- und adressatenbezogenen Einsatz erschwert.

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Es stellt sich also die Frage, was im Sinne der oben beschriebenen Unterrichtsqualität das Anpassen eines digitalen Lehrmittels bedeuten könnte. Ein Anpassen eines analogen Schulbuches ist vielen aktiven und zukünftigen Lehrkräften relativ klar: Man analysiert im Hinblick auf das Unterrichtsziel und die Lerngruppe das Material und passt es den Ansprüchen entsprechend an. Es wird dann zwischen verschiedenen Aufgaben, Inhalten, Methoden oder Phasierungen für die Umsetzung der Stunde abgewogen und so eine ziel- und adressatengerechte Stundenplanung entworfen. Es ist im Kontext analoger Unterrichtsmedien relativ anerkannt, dass man als Lehrperson das zur Verfügung stehende Material kennen und verstehen muss, um adäquat entscheiden zu können, wie man es sinnbringend modifizieren kann. Das Material „kennen und verstehen“ meint hier, dass man den Aufbau der Arbeitspakete, die Art der Aufgabenstellung, die beschriebenen Methoden, usw. verstanden haben muss. Nur dann kann man das Material kompetent den eigenen Bedürfnissen und denen der Lernenden anpassen. Unserer Ansicht nach bleibt die Aufgabe beziehungsweise der Prozess beim Anpassen der mobilen und digitalen Medien dieselbe bzw. derselbe: Aufgrund der fachlichen, pädagogischen und didaktischen Erfahrung sollte die Lehrperson Medien so anpassen können, dass sie ihren Ansprüchen entsprechen und den Lernenden helfen, die eigenen Lernwege zu strukturieren. Dies bedeutet wie eh und je somit auch bei digitalen Medien, die didaktische Strukturierung situationsund adressatenspezifisch anzupassen. Dies bringt zwei wesentliche Implikationen mit sich: Zum einen bedeutet es, dass das digitale Medium Änderungen erlauben muss und zum anderen, dass die Lehrperson bestimmte Fähigkeit zum Anpassen besitzen sollte. In diesem Abschnitt soll zunächst die „Fähigkeit des Anpassens“, also die zweite Implikation, näher beschrieben werden. Die Fähigkeit des Anpassens bedeutet in der digitalen Welt, dass die Lehrkräfte die Möglichkeit haben sollen, Unterricht mit digitalen Werkzeugen zu planen, zu beobachten und zu reflektieren, und schließlich auch zu adaptieren. Dieses Adaptieren bedeutet aber letztlich nichts anderes als die digitalen Medien, die Programme, die Software, welche zum Lernen eingesetzt werden, abzuändern d. h. umzuprogrammieren. Und daher gilt noch provokanter und deutlicher ausgedrückt (wie bereits zu Beginn dieses Artikels getan): Wer nicht bereit ist, die Lernwege zumindest dann, wenn sie nicht funktionieren, für die eigene Lerngruppe oder einzelne Lernende (ggf. auch ad hoc) zu ändern, d. h. umzuprogrammieren, der verschenkt Lernchancen und Unterrichtsqualität – und erreicht vor allem das Gegenteil dessen, was vom Einsatz digitaler Medien erwartet wird.

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Die Forderung, im oben genanntem Sinne programmieren zu können, zieht häufig eine Reihe Fragen mit sich, die eine Besorgnis zum Ausdruck bringen. Kommt nun mit der Digitalisierung noch ein weiteres großes Aufgabenfeld auf Lehrkräfte zu? Wird der Arbeitsalltag also noch komplexer und komplizierter – tritt also das Gegenteil der erhofften Effekte der Digitalisierung auch für Lehrkräfte ein, anstelle zusätzlicher Unterstützung entsteht eher zusätzlicher Aufwand? Unsere Antwort ist: Eigentlich (oder hoffentlich) nicht. Das Versprechen von Software und von digitalen Medien ist ja gerade, leichter (als analoge Medien) änderbar zu sein, sodass man z. B. noch leichter Anforderungen wie „individuelle Lernprozesse im Klassenrahmen“ realisieren kann. Der Aufwand sollte sich also in der Unterrichtspraxis doch eher verringern. Allerdings gilt es, neue Anpassungskompetenzen zu entwickeln, denn das Programmieren will natürlich gelernt und beherrscht sein. Aber was bedeutet es in diesem Zusammenhang programmieren zu können? Um diese Frage zu klären, soll nun bestimmt werden, wie wir Programmieren im Kontext des Einsatzes digitaler Artefakte verstehen. Ein erster Blick führt uns in ein Teilgebiet der Informatik, die Softwaretechnik: Häufig wird in der Softwareentwicklung eine Trennung zwischen Entwicklung und Benutzung gezogen. Während der Entwicklung wird das Produkt entworfen, gebaut, getestet, damit es anschließend von den Anwender*innen benutzt werden kann. Kommt es zu Problemen oder neuen Wünschen, erstellen die Entwickler*innen eine Folgeversion der Software. Die Phase der Entwicklung einer Software ist dabei klassisch strikt getrennt von der Benutzungsphase, und ebenso strikt getrennt sind die Rollen der Entwickler*innen und der Nutzer*in. Diese Trennung würde dann auch eine klare Trennung zwischen den Interaktionsarten Programmieren und Nutzen bedeuten. Jedoch werden immer mehr Stimmen (auch innerhalb der Informatik) laut, dass diese Dichotomie nicht mehr tragfähig ist. Hierfür möchten wir zunächst zwei grundlegende Positionen, die für eine Aufhebung dieser Trennung plädieren, vorstellen: Douglas Rushkoff ist sehr kompromisslos und führt aus: „Digitale Technologien sind anders. Sie sind nicht nur Objekte, sondern Systeme, die mit einem bestimmten Zweck verbunden sind. Sie handeln mit Absicht. Wenn wir nicht wissen, wie sie funktionieren, wissen wir nicht einmal, was sie wollen. Je weniger wir uns der Art und Weise bewusst sind, wie unsere Technologien programmiert werden und sich selbst programmieren, desto enger werden unsere Wahlmöglichkeiten, desto weniger werden wir in der Lage sein, uns Alternativen zu den von unseren Programmen beschriebenen Wegen vorzustellen, und desto mehr werden unser Leben und unsere Erfahrungen von ihren Vorurteilen diktiert

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werden.“ (Übersetzung von Rushkoff 2010, Seite 141 f.). Kernaussage des Zitats von Rushkoff könnte somit zusammenfassend sein: Entweder du programmierst, oder du wirst programmiert! Auch Fischer et al. (2004) führen aus, dass die strikte Trennung zwischen Entwickler*in und Nutzer*in nicht mehr haltbar ist, weil es nämlich mehr als diese zwei Rollen geben muss. Sie beschreiben eine Reihe von Stufen zwischen dem abhängigen Anwenden eines Programms, wobei man dessen vorgegebenen Pfaden folgen muss und der Entwicklung neuer Software auf der anderen Seite. Fischer et al. fordern hier ein Umdenken in der Softwaretechnik: Ziel sei ein Design, das Benutzer*innen zu Designer*innen werden lasse. Benutzer*innen adaptieren, verändern und entwickeln in dieser Sichtweise das digitale Artefakt über die gesamte Lebensdauer als aktive „Mitgestalter“ - d. h. auch: als Programmierer*in. Das Mitgestalten geht natürlich nicht ohne weiteres, sondern bedeutet auch, die digitalen Artefakte bzw. Medien programmierbar zu machen. Fischer et al. Fordern daher einen veränderten Designprozess: Um Benutzer*innen die Chance zu geben, während der Nutzung das digitale Medium anzupassen, müssen entsprechende technische Voraussetzungen in der Entwicklung geschaffen (bzw. programmiert) werden. Somit verfolgt der Designer nicht mehr das Ziel, eine komplette Lösung für alle Benutzer*innen und alle Nutzungskontexte zu entwerfen, sondern eher, den Nutzer*innen soziale und technische Instrumente zur Verfügung zu stellen, sodass sie während der Benutzung für auftretende Probleme oder Anliegen selbst Lösungen gestalten (oder eben programmieren) können. Fischer et al. Nutzen hierfür den Begriff des Meta-Designs und erweitern den traditionellen Begriff der Systementwicklung, um so Benutzer*innen in einem fortlaufenden Prozess als Mitgestalter*innen einzubeziehen, nicht nur zur Designzeit, sondern insbesondere während der gesamten Existenz des Systems. Statt den Benutzern*innen geschlossene Systeme zu präsentieren, bietet ihnen das Meta-Design somit Möglichkeiten, Werkzeuge und soziale Strukturen, um das System entsprechend ihren Bedürfnissen zu erweitern (Fischer et al. 2004). Nach Fischer et al. gibt es also keinen komplementären Gegensatz zwischen Programmierer*innen und Nutzer*innen, sondern eine ganze Reihe von Möglichkeiten zwischen diesen beiden Polen. Diese verschiedenen Möglichkeiten zwischen Programmieren und Benutzen unterteilen sich durch verschiedene Ausprägungsgrade der eingreifenden Tätigkeiten. Je näher eine Handlung dem Programmieren kommt, desto mehr greift man aktiv in die technische Struktur des digitalen Artefaktes ein. Fischer et al. beschreiben das Einnehmen einer dieser Rollen zwischen Programmieren und Nutzen jedoch nicht als eine generelle Festlegung, sondern machen deutlich, dass es sich um

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eine Entscheidung im jeweiligen Kontext handelt. Mal möchte man eher nur eine Nutzer*in sein und das digitale Medium nach den Intentionen der Entwickler*innen nutzen, in anderen Situationen möchte man jedoch zum Beispiel etwas verändern und agiert eher programmierend. Isabell Zorn definiert passend hierzu sogenannte „kreative Konstruktionstätigkeiten“ (Zorn 2012, S. 70): „Konstruktionstätigkeit werde ich fassen als eine gestaltende Tätigkeit mit Digitalen Medien, die sich nicht nur an der Gestaltung von medialen Inhalten, nicht nur an der Nutzung unveränderter Software, sondern auch an der Gestaltung der medialen Technologie ausrichtet. Darunter fallen so unterschiedliche Tätigkeiten wie: Konzeptionieren, Programmieren, Konstruieren, Installieren, Administrieren.“ In dieser Auflistung der konstruierenden Tätigkeiten im Umgang mit digitalen Medien ist das Programmieren so nur eine von mehreren Spielarten. Aber was ist das Besondere an Programmieren bzw. weshalb macht es Sinn, die Begriffe Programmieren und Konstruktionstätigkeit als Synonyme zu konzipieren, wie wir es hier vorschlagen? Um die Vielschichtigkeit des Programmierbegriffs darzustellen, wollen wir zunächst einmal einige Definitionsversuche anschauen. Die deutschsprachige Wikipedia beispielsweise definiert den Begriff Programmieren folgendermaßen: „Programmierung (von altgriechisch πρόγραμμα prógramma „öffentlich und schriftlich bekannt gemachte Nachricht, Befehl“) bezeichnet die Tätigkeit, Computerprogramme zu erstellen. Das ist ein Teilbereich der Softwareentwicklung. Computerprogramme werden mithilfe einer Programmiersprache formuliert („codiert“). Die Programmierer*in „übersetzt“ dabei die vorgegebenen Anforderungen (z. B. im Pflichtenheft) und Algorithmen in eine gewünschte Programmiersprache. Teilweise werden dazu Codegeneratoren verwendet, die Teile des Programmcodes auf Basis von Modellen (die im Entwurf entstanden sind) automatisch erzeugen. Beim Programmieren sind wesentliche Aspekte zur Softwarequalität zu berücksichtigen und durch die Gestaltung des Quellcodes umzusetzen. Siehe dazu als Beispiele: Programmierstil, Benutzerfreundlichkeit, Wiederverwendbarkeit/Modularität, Wartbarkeit. „Programmieren“ in erweitertem Sinn umfasst neben der Codeerstellung zahlreiche weitere Tätigkeiten, zum Beispiel das Testen (Entwicklertest) des Programms oder das Erstellen der Programmierdokumentation.“ (Wikipedia 2020). Offensichtlich ist der Begriff des Programmierens in dieser Definition jedoch immer noch unklar: Ist Programmieren wirklich „Codeerstellung“, wie es hier dargelegt wird, wenn gleichzeitig vorgefertigte Codegeneratoren, also Programme, den eigentlichen Code generieren? Wenn man nämlich einen Codegenerator nutzt, verwendet man quasi nur vorgefertigte Funktionen zur Codeerstellung. Man wäre somit eine Nutzer*in der Software zur Codegenerierung.

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Diesen Gedanken weitergeführt, bringt folgende Frage mit sich: Ist dann Programmieren nicht eigentlich das Benutzen des Programmes „Codegenerator“? In dieser Schlussfolgerung würde Programmieren somit immer auch das Benutzen von vorgefertigten Werkzeugen mit einschließen. Um unser Verständnis von Programmieren klarer zu machen, werden wir im Folgenden daher eine eigene Definition basierend auf der aktuellen Diskussion entwickeln, indem wir uns wie Blackwell (2004) dem Begriff aus einer kognitiven Perspektive nähern. Alan Blackwell nähert sich dem Thema Programmierung ausgehend von sich verändernden Alltagserfahrungen. Er diskutiert zunächst das stärkere Eindringen digitaler Artefakte in den Alltag am Beispiel des vernetzten, so genannten „intelligenten“ Wohnens und fragt, ob Benutzer*innen in Zukunft noch ihre eigenen Häuser an geänderte Bedürfnisse anpassen können oder ob dazu dann jeweils der „Software-Installateur“ gerufen werden muss, wenn das eigene Haus oder die Wohnung anders konfiguriert (also eingerichtet, gestaltet) werden soll. Alan Blackwell formuliert dies wie folgt (Übersetzung von Blackwell 2004, Seite 65 f.): „Sollte ein „Software-Klempner“ zu Ihnen nach Hause kommen, um Filter oder Skripte zu schreiben, wenn neue Geräte interagieren oder wenn Sie im Urlaub automatisierte Funktionen benötigen? Oder sollten wir erwarten, dass die Leute zu Hause Software-Entwickler werden? Wir haben daher experimentelle Untersuchungen durchgeführt, bei denen Nichtprogrammierer bei Aufgaben wie dem Versuch, ein Fernsehprogramm auf einem neuen DVD-Recorder aufzunehmen, beobachtet werden […]. Wir haben gelernt, dass Videorekorder Programmiersprachen ähnlicher sind als viele Designer erkennen. Beide unterscheiden sich von direkten Manipulationsschnittstellen, bei denen die Benutzer die Auswirkungen ihrer Aktionen sofort sehen, denn wenn eine Aktion für die Zukunft festgelegt wird, ist der Effekt erst sichtbar, wenn das Programm läuft. Sobald die direkte Manipulation verloren geht, finden wir bekannte Herausforderungen bei der Programmierung vor – die richtige Spezifikation, die Interaktion mit den Notationen und das Risiko, einen Fehler einzuführen, der zum Misserfolg führt.“ Blackwells Analyse zufolge zeichnet sich Programmieren durch eine spezifische Abstraktion aus. Diese könnte man als Abstraktion über die Zeit bezeichnen: Jemand beschreibt jetzt eine Aktion, die erst später ausgeführt wird. Dabei entsteht das Risiko, dass die Beschreibung falsch ist – und später nicht zum gewünschten Ergebnis führt. Abstraktion über die Zeit bedeutet also, dass man nicht in der Lage ist, das Ergebnis im Voraus (detailliert) zu prüfen. Am Beispiel des DVD-Rekorders verdeutlicht heißt das, dass „Programmieren“ bedeutet, dass man den Rekorder zu einem früheren Zeitpunkt so einstellt, dass er erst später

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etwas durchführt: Etwa dass am folgenden Tag um eine bestimmte Uhrzeit seine Sendung aufgezeichnet werden soll. Da die Folge der „Programmierhandlung“ erst in der Zukunft eintritt, kann die Nutzer*in das Ergebnis der Aufnahme nicht direkt prüfen. Eine zweite Abstraktion geht über den Raum bzw. über Elemente oder Situationen hinweg. Jemand, der programmiert, beschreibt eine Aktion auf eine abstrakte Weise, sodass sie auf verschiedene Elemente oder Situationen angewendet werden kann. Bezogen auf den DVD-Rekorder bedeutet dies, dass man beim Einstellen verschiedene Situationskontexte mit beachten muss. Die Aufnahme soll gestartet werden, unabhängig davon, ob der Fernseher zu der Zeit an oder aus ist, ob der entsprechende Sender während der Aufnahme aktiv läuft oder nicht. Man muss den Rekorder also über die konkrete Situation hinweg einstellen, sodass die gewünschte Aktivität unabhängig von konkreten Settings durchgeführt wird: Es soll eine bestimmte Sendung unabhängig von dem Zustand des Fernsehers aufgezeichnet werden. Ein weiteres Beispiel für die Abstraktion über den Raum ist das folgende: Bei einem Gerät zum Aufnehmen des Fernsehprogramms, das über einen Zugriff auf eine digitale Programmzeitschrift verfügt, könnte die Abstraktion bedeuten, dass man einstellen kann, dass alle Science-Fiction-Sendungen aufgenommen werden, wenn sie in deutscher Sprache ausgesendet werden. Um das zu realisieren, muss man den Aufnahmeauftrag an das Gerät abstrakter fassen als bei einer einfachen Aufnahme. Die Programmierung bezieht sich nicht mehr nur auf eine konkrete Sendung zu einem konkreten Zeitpunkt auf einem konkret angegeben Sender, sondern auf eine allgemeine Beschreibung, die auf alle Fernsehprogramme der Zukunft angewandt werden kann. In dieser Auffassung als Abstraktionen über Raum und Zeit hinweg bedeutet Programmieren, dass im Gegensatz zu anderen Arten der Nutzung eine direkte Manipulation eines Objektes am Bildschirm nicht mehr ohne weiteres möglich ist, denn direkte Manipulation bedarf eines konkreten Objekts. Dass es dieses nicht mehr gibt, sondern dass beliebige Objekte und Situationen auf eine abstrakte Weise beschrieben werden können, ist die Voraussetzung dafür, Aktionen für den späteren und/oder wiederholten Gebrauch zu automatisieren. Das erste Charakteristikum des Programmierens ist also der Verlust der direkten Manipulation. Man beschreibt beim Programmieren Aktionen, deren konkrete Auswirkungen nicht direkt beobachtbar sind, da sie erst später eintreten oder zum Zeitpunkt der Programmierung noch nicht klar ist, worauf sie sich dereinst genau beziehen werden. Aus der Unmöglichkeit der direkten Manipulation eines Objektes kann das zweite wichtige Charakteristikum des Programmierens abgeleitet werden. Wenn ein Objekt nicht durch Selektion am Bildschirm ausgewählt werden kann, ist

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es notwendig, es in einer (abstrakten) Notation zu beschreiben. Für die automatisierte Ausführung in verschiedenen Situationen und Zeitpunkten muss auf eine Repräsentation zurückgegriffen werden, die vom digitalen Artefakt ausgewertet werden kann. Eine beim Programmieren eingesetzte Notation ähnelt typischerweise dem, was man Programmiersprache nennt. Es sind jedoch auch andere Notationen vorstellbar, die nicht typischerweise als Programmiersprachen bezeichnet werden. Ein Beispiel wäre die grafische Repräsentation oder Spezifikationen in Auswahlmenüs. In unserem Beispiel des Aufnahmegerätes bedeutet dies, dass man für die Aufnahme eines Programms zu einem späteren Zeitpunkt, nicht beliebige Dinge in beliebiger Form einstellen und hoffen kann, dass die gewünschte Aktion ausgeführt wird. Man muss vielmehr bestimmte Handlungsschritte und Eingaben auf eine vorbestimmte, formale Weise durchführen. Nur so schafft man es, den Videorekorder so zu programmieren, dass die gewünschten Sendungen zu einem Zeitpunkt in der Zukunft zuverlässig aufgenommen werden. Auch wenn man beim Programmieren eines Videorekorders keine Programmiersprache im typischen Sinne nutzt, ist man doch auch beim Einstellen bzw. Programmieren des Videorecorders an eine bestimmte Notation gebunden, denn anders „versteht“ der Videorekorder die Befehle nicht und wird das gewünschte Verhalten nicht zeigen. Ein drittes mögliches Charakteristikum von Programmierung ermöglicht eine Reduzierung von Komplexität dadurch, dass eigene Repräsentationen geschaffen werden können, auf die man sich später beziehen kann. Das Beispiel des Aufnahmegeräts kann dies wieder gut verdeutlichen. Hier könnten zum Beispiel Einstellungen abgespeichert werden, auf die später wieder zugegriffen werden kann. Man könnte beispielsweise die Einstellungen, dass eine Aufnahme im Originalton aufgenommen, deutsche Untertitel mitgespeichert, Werbung automatisch übersprungen wird und dass die Sendung im Ordner „Filme“ auf einer Festplatte abgelegt werden soll, unter einem Namen, etwa „Filmvorlage“ speichern. Will man später eine Aufnahme eines Films programmieren, kann man auf die so benannten Einstellungen direkt zugreifen und kann es sich ersparen, die Einstellungen im Einzelnen stets neu und eventuell fehlerhaft oder unvollständig vornehmen zu müssen. Zusammenfassend ergibt sich nun folgende Definition: Programmieren bedeutet, in einer formalen Notation eine Repräsentation eines Vorganges zu erstellen, die zu einem späteren Zeitpunkt und/oder in verschiedenen Situationen (auf verschiedene Elemente) durch ein digitales Artefakt ausgeführt werden kann. Dabei kann auch auf selbst erstellte Repräsentationen zurückgegriffen werden. Programmieren bedeutet also zugespitzt ausgedrückt: Jetzt etwas aufschreiben, was später (durch einen Computer bzw. ein digitales Artefakt) ausgeführt wird

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bzw. werden kann. Dieses Verständnis bringt mehrere Implikationen mit sich. Das digitale Medium muss der Nutzer*in die Möglichkeit geben, Einfluss auf seine Abläufe nehmen zu können. Um noch einmal die Argumentation von Fischer et al. zu nutzen: Das digitale Medium muss ein Meta-Design bereitstellen (Fischer u. a. 2004). Nur so ist es auch tatsächlich in der Benutzung programmierbar. Das Aufnahmegerät, um im Beispiel zu bleiben, muss also die Möglichkeit bieten, dass die Benutzer*in dieses so nutzen kann, dass sie Funktionen für die Zukunft programmieren kann. Hierbei müssen Notationen zur Verfügung stehen, die sowohl für die Benutzer*in verständlich sind als auch hinreichend formal sind, sodass sie vom digitalen Artefakt verarbeitet werden können. Da es gerade der Sinn ist, eine Aktion in Bezug auf etwas zu definieren, was noch nicht eingetreten ist, muss man sich darüber bewusst sein, dass das direkte Feedback verloren geht. Man kann beim Programmieren nicht in jeder Situation das Ergebnis direkt sehen oder verifizieren. Das macht die Programmierung viel komplexer als ein direktes Handeln. Man gewinnt mit diesem Aufwand zum jetzigen Zeitpunkt, wenn man es richtig gemacht hat, jedoch erheblichen Mehrwert in der Zukunft. Programmieren bedeutet also, dass man beim Benutzen von Artefakten, deren innere Struktur, also die Architektur, ändert. Man verändert also den inneren Aufbau des Artefaktes und somit auch das kurz- und langfristige Verhalten dessen. Dazu muss die Architektur aber auch in den Blick genommen werden: Das erfordert wie Rushkoff z. B. fordert: Lernen über die Technologie. Am Beispiel des Aufnahmegeräts konnten wir Eigenschaften des Programmierens herausarbeiten. Dabei wurde deutlich, dass Programmieren in diesem etwas weiteren Sinne nicht nur für eine Erzeugung und Gestaltung von digitalen Artefakten notwendig ist, sondern auch für ihre kompetente Nutzung. Es wird deutlich, dass Lehrkräfte, die digitale Medien einsetzen – was heute ja nahezu unvermeidlich ist – auch programmieren können müssen. Nur wenn man ein digitales Medium, wie einen Videorekorder oder Pentomino, an die eigenen Bedürfnisse anpasst, also programmieren kann, kann man sein Potenzial wirklich ausschöpfen. Möchte man mit digitalen Lernwerkzeugen das Lehren und Lernen nämlich ziel- und adressatengerecht gestalten, muss man die Lernsituation anpassen können. Dieses Anpassen bedeutet nicht immer und zu jeder Zeit das digitale Medium aktiv ändern zu müssen, sondern vielmehr, die Kompetenz zu haben, es analysieren und bewerten zu können, um es dann den Bedürfnissen der eigenen Lehre und der Schüler*innen gezielt anzupassen zu können. Unsere Forderung den Lehrkräften gegenüber Programmieren zu können, ergibt natürlich nur Sinn, wenn man hier auch eine Forderung an die Entwickler*innen digitaler Lernwerkzeuge und Lehrmaterialien anschließt, denn wenn digitale Artefakte monolithisch sind, also nur auf eine einzige, vorher festgelegte, im wahrsten

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Sinne des Wortes einprogrammierte Weise zu nutzen sind, können Lehrende ihre Programmier-Kompetenz überhaupt nicht zur Anwendung bringen. Für die Entwickler*innen von derartiger Software gilt also: Erlaube die EndanwenderProgrammierbarkeit. Dies entspricht der Forderung von Fischer nach einem Meta Design (Fischer u. a. 2004).

4.1 Ein programmierbares Pentomino-Spiel? Wagen wir an dieser Stelle einige Vorüberlegungen, was die Forderung nach Programmierbarkeit für das oben charakterisierte Pentomino-Spiel bedeuten kann. Je nachdem, wie weit man den Programmierbegriff fasst und welchen Grad an Flexibilität man sich erwünscht, kann diese Frage ganz unterschiedlich beantwortet werden. Auf der einfachsten Ebene würde Programmierbarkeit im Sinne der Anpassbarkeit der Software lediglich bedeuten, dass den Lehrenden eine Vielzahl von Konfigurationsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Aus der vorhandenen „vorprogrammierten“ Funktionalität könne eine Lehrkraft dann gewissermaßen auswählen, welche Rückmeldungsarten gewünscht sind, also welche Tipps dem Spieler oder der Spielerin gegeben werden; es könnte ausgewählt werden, welche Optionen ein Spieler oder eine Spielerin haben soll, ob Funktionalitäten wie das Aufzeichnen der Spielzüge, die Möglichkeit, einen Spielzug rückgängig zu machen oder ein Brett anderer Größe auszuwählen, zur Verfügung stehen, und vielleicht kann auch das Aussehen des Spiels, etwa die Farbgebung der Steine, im Vorfeld vom Lehrenden festgelegt werden. Diese Programmierbarkeit im Sinne der Anpassbarkeit ist relativ leicht umsetzbar und passt gut in das Repertoire üblicher Softwareentwicklungsmethoden. Viel spannender und viel komplexer wird die Programmierbarkeit, wenn es über die reinen Einstellungen hinausgehen soll, wenn also einer Nutzer*in ermöglicht werden soll, die Anwendung quasi neu zu verkabeln. Das Extremum der Open-Source-Szene, einfach den kompletten Quellcode der Anwendung verfügbar zu machen und damit potenziell jedem zu erlauben, das Programm den eigenen Vorlieben anzupassen, kann hier nicht gemeint sein, denn die Hürden hierfür wären viel zu hoch, denn dann müsste eine Lehrkraft ja tatsächlich zur Softwareentwickler*in werden. Eine Art Baukasten-Prinzip wird eher das sein, worauf es hinauslaufen sollte. Für die Softwareentwickler*in eines Endnutzer-programmierbaren Pentomino-Spiels bedeutet das, recht feingranulare funktionale Blöcke zu ersinnen, die auf relativ einfache Art und Weise dargestellt und miteinander verbunden werden können. Hier kämen etwa ­Algorithmen-Objekte, Zeitnehmer, Zähler, etc. in Betracht.

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4.1.1 Herausforderungen Durch die Erfüllung der Forderung nach Programmierbarkeit durch die Lehrkraft – oder im Prinzip auch durch jeder anderen Endnutzer*in – steigt der Aufwand in der Softwareentwicklung. Nicht nur muss die Funktionalität der Software viel mehr in feingranulare Blöcke zerlegt werden, diese müssen auch so angelegt werden, dass verschiedene Konfigurationen und Kombinationen möglich sind. Hierzu braucht es neben der eigentlichen Nutzungsschnittstelle der Software eine weitere Nutzungsschnittstellen-Ebene. Erstere bietet Zugriff auf die Objekte und Funktionalitäten der Anwendung für diejenigen, die das Spiel spielen wollen, die andere macht die Verhältnisse quasi „im Inneren“ zugänglich. Was in dieser Darstellung zu sehen und zu manipulieren ist, ist nicht das Programm auf seiner untersten Code-Ebene, sondern eine Zwischen-Abstraktion, die Lehrenden und Lernenden größere, verstehbare Einheiten der Anwendungsarchitektur zugänglich machen. Lernsoftware, die die hier angesprochene Qualität der E ­ndnutzerProgrammierbarkeit erfüllt, stellt überdies auch Herausforderungen an die Verbreitungswege. Apples Denkweise „There’s an App for That“ ist mit derartiger Lernsoftware nicht wirklich kompatibel, denn dahintersteht – wenn auch natürlich nicht explizit so formuliert – die Idee zu jedem Problem eine App zu finden, die auf genau das Problem, das man hat, passend ist. Anpassbarkeit spielt bei Apps dieser Art eine sehr untergeordnete Rolle. Auch die Funktionsweise aktueller App-Stores passt eher nicht zu einem Ansatz der E ­ ndnutzer-Programmierbarkeit, denn hier werden fertige Apps zentral verteilt, was individuell angepassten Werkzeugen für die eigene Klasse oder gar der einzelnen Schüler*in ziemlich widerspricht. Ähnlich wie ein Lehrender oder eine Lehrende bei klassischen analogen Medien die Möglichkeit hat, vorhandene Materialien zu zerschneiden, neu zusammenzustellen und dann wieder zu verteilen – so entstehen etwa Arbeitsblätter –, bräuchte es auch bei digitalen Werkzeugen einen Mechanismus, der eine solche lokale und individuelle Anpassung ermöglicht. Statt eines zentralisierten, von einem Betriebssystemhersteller kontrollierten Repositories bräuchte es also eine Klassenrauminfrastruktur mit der Möglichkeit der Verteilung individuell angepasster Lernwerkzeuge an die Schüler*innen. Aktuelle App-Repositories verfolgen hingegen eine Philosophie, die Lehrende vermeintlich aus der Verantwortung für die Anpassung seiner bzw. ihrer Lehrmittel herausnimmt und zu reinen Konsumenten, allenfalls noch zu Auswählern aus dem Angebot macht.

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5 Theoretische Verallgemeinerung In diesem Abschnitt soll nun das oben beschriebene Fallbeispiel verallgemeinert werden. Es wurde eine Situation beschrieben, in der ein digitales Artefakt, das Pentomino-Spiel, im Unterricht eingesetzt werden sollte, um den Lernprozess der Schüler*innen und Schüler im geometrischen Bereich besser zu unterstützen. Besonders spannend aus unser Perspektive war das Verhalten der Lehrpersonen beim Explorieren der App. In manchen Situationen wurde die Hilfefunktion (das Anzeigen von „fehlerhaften“ Steinen) als irritierend empfunden. Aussagen wie „Der Stein war doch vorhin noch korrekt, warum ist er denn nun falsch? Die App weiß nicht, was sie will!” zeigten ein Missverständnis oder sogar ein fehlendes Verständnis der Algorithmen, die zur Umsetzung der Hilfefunktion genutzt wurden. Dieses fehlende Verständnis kann zum einen darauf beruhen, dass eine fehlende Erklärbarkeit der App vorliegt, und dass somit die Lehrperson auch gar keine Möglichkeit hat, den dahinter liegenden Algorithmus zu erkennen oder zu explorieren und ggf. keine adäquate Rückmeldung durch das Artefakt gegeben wird. Zum anderen ist bei den Nutzer*innen aber auch ein grundsätzliches Verständnis über Funktionsweisen digitaler Artefakte notwendig. Die hier beschriebene Beispielsituation der vermeintlich unlogischen Hilfestellungen stellt nur eine von vielen Möglichen dar, die während der Nutzung der Pentomino-App und anderen digitalen Medien möglich sind. Die allgemeine Forderung dieses Artikels ist es, dass deutlich werden soll, dass Lehrpersonen in der Interaktion mit digitalen Medien diese auch anpassen bzw. Programmieren sollen. Diese Forderung wurde bereits in diesem Artikel aus verschiedenen Perspektiven näher betrachtet. Zum einen wurde die Fähigkeit des Programmierens als Voraussetzung ausdifferenziert und zum anderen die Programmierbarkeit des Artefaktes beschrieben. Bringt man diese beiden Ebenen nun zusammen, kann man das Zusammenspiel der Interaktion zwischen dem Menschen (mit seinen Fähigkeiten) und dem digitalen Medium (mit seinen Eigenschaften) auf einer Metaebene betrachten. Die Interaktion zwischen Mensch und digitalem Artefakt wird im Ansatz des Hybriden Interaktionssystems (HIS) auf einer abstrakten Ebene beschrieben. Sowohl der Mensch als auch das Artefakt werden hierbei als zwei Akteure aufgefasst, die sich wechselseitig beeinflussen und prägen. Durch dieses zunächst sehr einfache Verständnis lassen sich viele Situationen in unserem alltäglichen Leben als Interaktionskontexte verstehen (vgl. etwa Rahwan et al. 2019). Diese Interaktion ist geprägt durch die beiden Akteure, die unterschiedliche Eigenschaften und Verhaltensweisen mitbringen. Der Mensch ist ein emotionales und intentionales Wesen, das auf der

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anderen Seite mit Vernunft und Einsicht handeln kann. Das digitale Artefakt hingegen „handelt“ rein formal auf der Grundlage von Algorithmen und Daten. Diese beiden Interaktionspartner agieren wechselseitig und stehen in einem komplementären Verhältnis. Sie sind unterschiedlich und ergänzen einander. Mensch und Maschine bilden im Kontext der Handlungsaufgabe ein Hybrides Interaktionssystem. Durch die Offenlegung dieser Interaktion zwischen Mensch und Maschine/Medium kann man die Akteure und ihre Eigenschaften nachvollziehen und reflektieren. Das komplexe Verhältnis zwischen Mensch und Maschine wird in einzelne Schritte zerteilt. Es entstehen sogenannte Interaktionsketten, die in Abb. 2 dargestellt sind. Die Wechselwirkungen zwischen Mensch und Maschine als Interaktionsketten darzustellen, dient dem Zweck, die einzelnen Elemente beobachtbar zu machen. Die mit H1, H2, usw. beschriebenen Kästen stehen für Aktionen des Menschen. C1, C2 usw. stehen entsprechend für Aktionen des digitalen Artefaktes. Die Pfeile zwischen den jeweiligen Aktionen veranschaulichen die Interaktion und die darin inbegriffene Wechselwirkung. Der Mensch zieht zum Beispiel einen Spielstein auf das Feld des digitalen Pentomino-Spielbrettes, woraufhin die Programmierung des Spiels die entstandene Brettkonfiguration mit einer Datenbank aller Lösungen abgleicht. Ist die Konfiguration nicht lösbar, wird eine entsprechende Rückmeldung gegeben. Dies beschreibt eine (sehr) vereinfachte Darstellung einer möglichen Interaktionsphase. Dieses klassische Eingabe-Verarbeitungs-Ausgabe-Schema spiegelt nicht ein vollständiges Bild ­ einer M ­ ensch-Maschine-Interaktion wider, ist aber zunächst ausreichend, um eine Reihe von Charakteristiken eines Hybriden Interaktionssystems zu beschreiben. Innerhalb der Interaktionskette ergeben sich zu verschiedenen Zeitpunkten verschiedene Handlungsoptionen. Je nach Situation und Wissensstand der

Abb. 2   Beispielhafte Interaktionsketten zwischen Mensch und Maschine. (Eigene Darstellung)

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Nutzer*in erkennt dieser verschiedene Optionen und wählt diese aus. So entstehen unterschiedliche Handlungsverläufe. Die Interaktion entwickelt sich also je nach Nutzer*in und Kontext ganz unterschiedlich weiter. Geht man nun von einem Werkzeug aus, das programmierbar ist und nimmt ferner einen Nutzer*in an, der bzw. die programmieren kann, erweitert sich die Charakteristik der Handlungsoptionen. Statt Optionen nur bewerten und auswählen zu können, können Handlungswege nun selbst kreiert und damit in viel größerem Maße individualisiert werden. Ist ein Werkzeug nicht programmierbar oder die Nutzer*in nicht in der Lage zu programmieren, bleibt dieses Potenzial ungenutzt. Lehrpersonen die kein Wissen über die Architektur und den Aufbau von digitalen Artefakten haben, können diese folglich nur als „passiver“ Nutzer*in gebrauchen. Ähnlich verhält es sich, wenn Nutzer*innen die interne Funktionsweise des Artefaktes nicht verstehen oder sie ihnen nicht vermittelt wird. Sie erhalten zum Beispiel die irritierende Rückmeldung, dass ein zuvor „korrekter Stein“ in der jetzigen Spielbrettkonfiguration nun fehlerhaft platziert sein soll und haben keine Möglichkeit, sich dies zu erklären und entsprechend zu handeln. Die Hilfefunktion verfehlt dadurch ihren didaktischen Mehrwert. Haben Lernenden Probleme beim Verstehen der Meldung, kann eine Lehrperson, die die Funktionsweise des Algorithmus nicht überblicken kann, nicht unterstützend wirken, sondern ist dem digitalen Artefakt nur ausgeliefert. Hat eine Lehrperson jedoch Wissen über die Architektur und kann sich so die Fehlermeldung von Pentomino erklären, so hat sie mehrere Möglichkeiten, die Interaktion mit dem digitalen Artefakt für sich und auch für die Schüler*innen aktiv zu beeinflussen. Lehrpersonen, die zum Beispiel eine differenzierte Rückmeldung des Systems fordern, könnten das Verhalten des Systems modifizieren, indem sie die Rückmeldung ihren Wünschen entsprechend adaptieren. So könnte der Lernprozess der Schüler*innen positiv beeinflusst werden. Eine andere Möglichkeit, die kein direktes Eingreifen und Verändern der Architektur beinhaltet, könnte sein, dass die Lehrperson im Unterricht die Interaktion der Lernenden mit Pentomino dadurch unterstützt, indem sie die ablaufenden Algorithmen bis hin zur Rückmeldung erklärt. So würde eine Phase im Unterricht sich explizit dem digitalen Artefakt (also dem Lernen „über“ das Lehrmittel) widmen. In den beiden letzten skizzierten Fällen können die Schüler*innen dann die Ausgabe des digitalen Artefakts besser verstehen und ihre eigene, nächste Handlung auf dieser Basis planen. Lehrpersonen die hingegen kein Verständnis über die Architektur von Pentomino haben, können weder die eine noch die andere Handlungsoption wählen. Die Lehrperson wäre somit nicht in der Lage die Schüler*innen in ihrer Interaktion mit Pentomino zu unterstützen oder diese sogar (für diesen konkreten Fall) zu verbessern.

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Durch diese kleinen Ausführungen des Beispiels wurde deutlich, dass durch das Wissen und In-Kenntnis-Setzen über Architektur verschiedene Handlungsoptionen entstehen, die bei fehlendem Wissen verborgen bleiben. Die Lehrperson mit Wissen über den Algorithmus ist in der Lage bestimmte Handlungsmuster zu zeigen und so eine aktivere und selbstbestimmtere Rolle innerhalb der Interaktion einzunehmen. Ziel der Offenlegung der Interaktion zwischen Mensch und Maschine durch die schematische Analyse von Interaktionsketten ermöglicht das Sensibilisieren für die Existenz von verschiedenen Rollen. Lehrpersonen sollten unserer Ansicht nach stets in der Lage sein, in ihnen wichtig erscheinenden Situation digitale Artefakte an ihre eigenen Bedürfnisse und die ihrer Lerngruppe anzupassen. Wissen über die Architektur versetzt die Lehrkraft in die Lage ein digitales Artefakt zu bewerten, Veränderungsmöglichkeiten zu erkennen und dann schlussendlich das Artefakt selbstbestimmt zu nutzen, zu konfigurieren, zu adaptieren oder in seinen Features zu erweitern.

6 Fazit Wir haben diesen Beitrag mit der Forderung „Alle Lehrpersonen müssen programmieren können“ eröffnet, dann aber gezeigt, dass wir damit nicht meinen, dass nun alle Lehrenden auch zu Softwareentwickler*innen werden müssen. Programmieren bedeutet in unserem Sinne, dass man in der Lage sein sollte, die bei der Nutzung digitaler Lernwerkzeuge entstehenden Wechselwirkungen zwischen Mensch und Maschine aktiv gestalten zu können. Statt eines ausschließlichen Benutzens der Technologie ermöglicht Programmieren das Verändern und Anpassen des digitalen Artefaktes an eigene Bedürfnisse. Mensch und Technik sind nicht zwei komplett getrennte Entitäten. Es sind Menschen, die Technik gestalten. Vorhandene Technik wiederum verändert Leben und Handeln der Menschen, die sie nutzen. Um bei dieser Wechselwirkung aktiv mitbestimmen zu können, müssen Menschen in der Lage sein, die Interaktion gestalten zu können. Das bedeutet, dass die Technik eine Adaption ermöglichen muss. Digitale Werkzeuge müssen also programmierbar sein. Das ­Pentomino-Beispiel diente dazu, dies zu verdeutlichen. Kompetente Nutzung und damit die Programmierung im Besonderen setzt ferner voraus, dass ein Technik nutzender Mensch sowohl in die Lage gesetzt werden muss als auch in der Lage sein muss, die Funktionsweisen des Artefaktes zu verstehen, die Möglichkeiten des Veränderns wahrzunehmen, und das so entstandene Potenzial zur Selbstverwirklichung auch ausfüllen zu können. Menschen müssen also programmieren

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können. Dies setzt andererseits voraus, dass die Architektur für die Nutzer*innen zugänglich sein muss, sodass von technischer Seite her die Voraussetzungen gegeben sind, das digitale Artefakt verstehen zu können. Die Forderung nach der Programmierbarkeit von Artefakten und den Programmier-Fähigkeiten der Nutzer*innen gilt für Lehrpersonen im Besonderen, sind aber nicht darauf beschränkt. Jede Nutzer*in, die digitaler Technik nicht nur ausgeliefert sein will, muss sie auch programmieren können. Was in diesem Zusammenhang unter „Programmieren“ verstanden werden kann, haben wir auf der Grundlage von Literaturquellen erarbeitet und abermals am Beispiel Pentomino herausgearbeitet. Zusammenfassend ist uns wichtig, dass es nicht darum geht, dass jeder Mensch immer und zu jeder Zeit programmieren muss oder es eine Fähigkeit ist, die man um seiner selbst willen lernt, sondern dass Programmieren einem die Möglichkeit und das Recht darauf gibt, in wichtig erscheinenden Situationen das digitale Medium anzupassen. Zu Beginn unseres Beitrags haben wir postuliert, dass Lehrkräfte, die guten Unterricht machen wollen, Programmieren können müssen. Unsere Argumentation kann aber grundsätzlich viel weiter gefasst werden, denn sie ist ja nicht auf Lehr-/Lern-Situationen beschränkt. Es handelt sich vielmehr um eine Frage des Weltbildes. Genügt es uns, digitale Medienangebote und Werkzeuge lediglich zu konsumieren und so zu nutzen, wie Softwareentwickler*innen es für uns entworfen haben? Wollen wir für jede Anpassung der digitalen Welt an unsere Bedürfnisse zum Bittsteller werden müssen? Falls ja, dann können wir folgerichtig auch ohne Programmierkenntnisse auskommen. Ein solches Bild einer Gesellschaft erscheint uns jedoch nicht erstrebenswert, denn sie erzieht die Menschen zur Unmündigkeit und Abhängigkeit. Wenn wir uns jedoch anders entscheiden und in der digitalen Welt selbst mündig sein und andere zur Mündigkeit verhelfen wollen, kommen wir nicht umhin, des Programmierens mächtig zu sein und diese Fähigkeit anderen zu vermitteln.

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Einsatz digitaler Medien im Sachunterricht: Vorreiter Schweden!? Eva Blumberg und Annika Sicking

1 Einleitung „Schweden setzt auf eine nationale, digitale Gesamtstrategie und auf den Ausbau schneller Glasfasernetze: eine Entscheidung, die Schweden – im Vergleich zu Deutschland – in Sachen Digitalisierung einen Vorsprung von mehr als zehn Jahren gebracht hat.“ (Bertelsmann Stiftung 2019, o. S.).

Im europäischen DESI1-Ranking belegt Schweden 2019 den zweiten Platz und zählt damit zusammen mit Finnland (Platz 1), den Niederlanden (Platz 3) und Dänemark (Platz 4) in der Europäischen Union zu den „global leaders in digitalisation“ (European Commission 2019, o. S.). Diese führende Rolle Schwedens, die auch den Einsatz digitaler Medien im Bildungsbereich betrifft (Feil 2018), resultiert nicht zuletzt aus der 2011 von Schweden getroffenen Entscheidung zur ‚ICT for Everyone‘2, einer nationalen digitalen Gesamtstrategie, die auch das Ziel verfolgt, den Bildungsbereich zu digitalisieren. Im Vergleich dazu belegt Deutschland im aktuellen DESI-Ranking 2019 den zwölften

1Digital

Economy und Society Index. and Communication Technology.

2Information

E. Blumberg (*)  Department Institute Physik, Universität Paderborn, Paderborn, Deutschland E-Mail: [email protected] A. Sicking  Universität Paderborn, Paderborn, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. M. Meister und I. Mindt (Hrsg.), Mobile Medien im Schulkontext, Medienbildung und Gesellschaft 41, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29039-9_12

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E. Blumberg und A. Sicking

Platz und bleibt auch hinsichtlich des Einsatzes digitaler Medien im Bildungsbereich hinter dem skandinavischen Nachbarn Schweden zurück (Bertelsmann Stiftung 2017; Otto 2018). Fast reflexartig stellen sich mit Blick auf die aktuelle Digitalisierungssituation des deutschen Bildungs- und Schulsektors einige Fragen: Welche Maßnahmen hat Schweden ergriffen, welche Strategie hat Schweden zum ‚digital leader‘ gemacht? Wie stellt sich die derzeitige digitale Unterrichtspraxis in Schweden dar? Kann Deutschland vom skandinavischen Vorreiter lernen? Der vorliegende Beitrag fokussiert die aktuelle Situation zur Digitalisierung in der schwedischen Primarstufe, wobei der Schwerpunkt mit einer empirischen explorativen Feldstudie bei der Untersuchung der derzeitigen digitalen Unterrichtspraxis in den Lernbereichen bzw. Anteilsfächern liegt, die dem deutschen Hauptfach an Grund- und Förderschulen ‚Sachunterricht‘ entsprechen. Die Untersuchungen erfolgten an zwei schwedischen ländlichen Grundschulen anhand einer nicht-teilnehmenden kriteriengeleiteten Unterrichtsbeobachtung ergänzt durch leitfadengesteuerte Einzelinterviews mit den im Unterricht beobachteten Sachunterrichtslehrkräften. Zentrale Ziele der Studie sind die Ermittlung der Art, Häufigkeit und methodisch-didaktischen Funktion des digitalen Medieneinsatzes im Sachunterricht, vor allem in Bezug auf die damit verbundene Arbeitsmethode sowie Sozial- und Differenzierungsform. Die in Schweden durchgeführte explorative Feldstudie wird kontrastierend zum aktuellen Digitalisierungsstand im deutschen Bildungssystem gesetzt. Dazu wird der Blick im ersten Kapitel zunächst auf Herausforderungen und Chancen im Digitalisierungsprozess des deutschen Schul- und Hochschulsystems gerichtet. Im zweiten Kapitel werden zentrale Meilensteine (Richtlinien) Schwedens im schulischen Digitalisierungsprozess erläutert, bevor in Kapitel drei die empirische Studie im schwedischen Sachunterricht vorgestellt wird. Der Beitrag schließt mit einer Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse sowie einer Diskussion zum potenziellen Vorbildcharakter Schwedens zur Digitalisierung v. a. im Bildungswesen.

2 Digitalisierung in Deutschland: Herausforderungen und Chancen für Schule und Hochschule „‚Digital Literacy‘ muss Querschnittskompetenz für alle Fächer und aller Lehrkräfte werden.“ (Cress et al. 2018, S. 11).

Einsatz digitaler Medien im Sachunterricht: Vorreiter Schweden!?

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‚Digitalisierung‘ ist aktuell das zentrale Schlagwort und die entscheidende Leitlinie, wenn es darum geht, das Lehren und Lernen an Schule und Hochschule in Deutschland (neu) auszurichten. Sie gilt als derzeitige und zukünftige Querschnittsaufgabe zur Neuausrichtung des Bildungsbereichs und der (fachspezifischen) Curricula in Schule und Hochschule, um sowohl alle Schüler*innen als auch (zukünftigen) Lehrer*innen durch den Aufbau einer ICT-Literacy als eine der 21st-Century-Skills auf die aktuellen Herausforderungen und den kompetenten Umgang mit Informations- und Kommunikationstechnologien vorzubereiten (vgl. Gerick et al. 2014). Der Einsatz digitaler Medien in unterrichtlichen, schulischen und erzieherischen Kontexten ist in Deutschland ein zentrales gegenwärtiges und zukünftiges Aufgabenfeld in der Schul- und Unterrichtspraxis, der Lehrer*innenbildung sowie in der empirischen Lehr-Lernforschung. Dabei wird Digitalisierung als ein „gesellschaftliche[r] Prozess“ (Baecker 2018, S. 59), als ein grundsätzlicher Wandel in der Verarbeitung, Verbreitung und Übermittlung von Daten, Informationen und Wissen angesehen3, durch den „neue Perspektiven in allen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Bereichen“ (KMK 2017, S. 3) erschlossen werden können. Seit dem Beschluss der Kultusministerkonferenz zur „Medienbildung in der Schule“ aus dem Jahr 2012 ist der Einsatz digitaler Medien verpflichtend in den Schulen umzusetzen und die Lehrer*innenbildung entsprechend anzupassen (KMK 2012). Für Nordrhein-Westfalen stellt der „Medienkompetenzrahmen NRW“ (MSW 2019) die „verbindliche Grundlage für die sukzessive Überarbeitung aller Lehrpläne aller Schulformen der Primarstufe und Sekundarstufe I mit dem Ziel [dar], dass das Lernen und Leben mit digitalen Medien zur Selbstverständlichkeit im Unterricht aller Fächer werden kann und alle Fächer ihren spezifischen Beitrag zur Entwicklung der geforderten Kompetenzen beitragen werden“ (MSW 2019, o. S.). Sowohl die Lehrkräfte und Schulen als auch die Hochschulen sind zur Realisierung des digitalen bzw. digital gestützten Lernens und Lehrens vor (neue) enorme Herausforderungen gestellt, die jedoch gleichzeitig die Chance bieten, die Spannbreite der Gestaltungsmöglichkeiten im Unterricht zu verbreiten (vgl. KMK 2016). Dabei sollen digitale Medien nicht das bisherige Lernen und Lehren ersetzen, sondern ergänzend eingesetzt werden, um die Unterrichtsqualität zu steigern „durch ihr vielfältiges didaktisch-methodisches Potenzial, das

3Digitalisierung

ist ein Prozess, bei dem analoge Daten in digitale oder diskrete Daten umgewandelt bzw. überführt werden (vgl. Döbeli Honegger 2016, S. 16; Koch 2017, S. 7; Wolf & Strohschen 2018, S. 58).

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Anschaulichkeit, inhaltliche Attraktivität und formale Qualität ebenso einschließt wie die Möglichkeit, eigene mediale Produkte kreativ zu gestalten, als Motor und Motivator für das Lehren und Lernen in der Schule“ (KMK 2012, S. 4). Ihr pädagogisch sinnvoller Einsatz unterstützt bei der Implementierung innovativer Ansätze zur Ergänzung und Hilfestellung eines handlungsorientierten, problembasierten und forschend-entdeckenden Lernens sowohl differenzierende, zunehmend selbstgesteuerte und kooperative Lernprozesse. Gleichzeitig soll der „Einsatz digitaler Medien im Unterricht der verschiedenen Fächer […] dem Ziel dienen, keine neuen sozialen Hürden entstehen zu lassen, sondern diese möglichst abzubauen“ (KMK 2016, S. 4). Entsprechend der letzten TIMSS4Ergebnisse ist die Schülerschaft im Jahr 2015 durch mehr Kinder mit besonderen pädagogischen oder sprachlichen Unterstützungsbedarfen noch heterogener als 2007 geprägt (vgl. Bos et al. 2016, S. 25). Für die Lehrer*innenaus- und -fortbildung zeigen sich damit die Herausforderungsbereiche einer steigenden Vielfalt der Schüler*innenschaft sowie der zu realisierenden Digitalisierung der LehrLernprozesse, die es zur Vorbereitung der (zukünftigen) Grundschullehrer*innen gewinnbringend zu verknüpfen gilt. Durch gesellschaftliche und technische Entwicklungen wie Inklusion und Digitalisierung verändern sich auch die Anforderungen und Kompetenzerwartungen an die Lehrkräfte, was in der Ausbildung von Lehrkräften abgebildet werden muss (vgl. KMK 2019b).

2.1 Forschungsstand, -desiderate und Empfehlungen zur digitalen Bildung in Deutschland Der in der aktuellen Literatur angeführte Forschungsstand zur Digitalisierung im Primarstufenunterricht sowie in der Aus- und Fortbildung der (zukünftigen) Primarstufenlehrkräfte in Deutschland stellt sich aktuell noch als defizitär dar. Für die unterrichtliche Ebene „liegen aus wissenschaftlicher Sicht derzeit noch keine explizit für die Primarstufe formulierten Theorien und Konzeptionen vor, an denen sich die Kompetenzförderung in den Grundschulen orientieren könnte“ (vbw 2018, S. 131). Zusammenfassend lässt die internationale Befundlage erkennen, „dass nicht von einer generellen Wirksamkeit digitaler Medien im Unterricht ausgegangen werden kann, sondern dass differenzierte Entscheidungen bezüglich der digitalen Medien, deren didaktischer Gestaltung und deren Einsatz, der Lerninhalte und Lerner*innenzielgruppen getroffen werden müssen,

4Trends

in International Mathematics and Science Study.

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um optimale Effekte zu erreichen“ (vbw 2018, S. 129). Konstatiert wird, dass vor allem zur Zusammenhangsanalyse der Nutzungshäufigkeit digitaler Medien und den Schüler*innenleistungen sowohl Querschnitts- als auch Längsschnittstudien, aber auch zur genauen lern- und unterrichtswirksamen Überprüfung des Medieneinsatzes (quasi-)experimentelle Untersuchungen in Deutschland fehlen. Denn zielführend sei nicht nur die Quantität, „sondern vielmehr die Qualität und die unter didaktischen Gesichtspunkten sinnvolle Integration digitaler Medien im Unterricht“ (vbw 2018, S. 125). Die Analyse der TIMSS-Erhebungen ist zwar ein erster Schritt zur Aufdeckung bestehender Bedingungen digitalen Lernens und Lehrens im naturwissenschaftlichen Sachunterricht, für aufschlussreichere weiterführende Analysen der Lernwirksamkeit digitaler Medien muss der Einfluss bzw. die Wirksamkeit der Nutzung digitaler Medien durch die Grundschüler*innen auf ihre fachlichen Leistungen differenzierter untersucht werden. Methodisch werden dazu Interaktions- und Vergleichsgruppendesigns und konkrete unterrichtsbezogene Forschung empfohlen, „die auch Aufschluss über die Art der Computernutzung gibt“ (Eickelmann & Vennemann 2013, S. 22). Um digitale Medien gewinnbringend im Unterricht einsetzen zu können, ist zunächst die empirische Ermittlung ihres tatsächlichen Mehrwerts durch einen zielgerichteten Einsatz im fachlichen Kontext bzw. mit fachlicher Verknüpfung erforderlich. Die Kombination mit bereits gesicherten und qualitätsvollen Unterrichtsmaterialien bzw. -konzepten kann dazu eine Grundlage bieten, um den digitalen Mehrwert zu ermitteln und zukünftig ausschöpfen zu können. „Um Potenziale digitaler Medien für das Lernen und Lehren in verschiedenen didaktischen Kontexten und für verschiedene Schülergruppen nutzen zu können, gilt es in den Fachdidaktiken vorhandene Konzepte in den Unterrichtsalltag zu implementieren und neue Konzepte zu entwickeln, die kontinuierlich auf der Basis von Forschungsergebnissen verbessert werden müssen” (Cress et al. 2018, S. 9). Zusammenfassend werden folgende zentrale Empfehlungen für den Digitalisierungsprozess in Schule und Hochschule ausgesprochen: • Analyse des Mehrwerts des digitalen Medieneinsatzes für den fachspezifischen Kompetenzaufbau, aber auch für die Förderung überfachlicher motivationaler und selbstbezogener Ziele v. a. in der Primarstufe und Ableitung empirischer Hinweise für die Unterrichtsqualität in den verschiedenen Fächern, • Entwicklung fach- und bereichsspezifischer didaktischer Konzepte zur Nutzung digitaler Medien, Erprobung und kontinuierliche empirische Überprüfung ihrer Wirksamkeit, um sie fortlaufend zu aktualisieren, zu optimieren und in der Breite zu implementieren,

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• (angehende) Grundschullehrkräfte in der Lehramtsausbildung und im Schuldienst so aus- und fortzubilden, dass sie über notwendige Kompetenzen hinsichtlich Wissen, Motivation und Einstellungen verfügen, sodass sie digitale Medien selbstverständlich und nachhaltig in ihrem Unterricht einsetzen (vgl. vbw 2018; vgl. Cress et al. 2018).

2.2 Digitalisierung im schwedischen Schulsystem In diesem Kapitel werden zentrale Meilensteine und Maßnahmen des schwedischen Digitalisierungsprozesses mit Fokus auf den schulischen Bildungsbereich und speziell den sachunterrichtsbezogenen Lernbereich der schwedischen Primarstufe dargestellt. Dabei handelt es sich um Vorgaben des ‚Government Office of Sweden‘ (GOoS) und der ‚Swedish National Agency for Education‘ (SNAfE).

2.3 Schwedens digitale Agenda „To increase digital inclusion, it is important that everyone who wants to should be able to make use of the opportunities offered by digitisation“ (GOoS 2011, S. 6). Mit dieser Leitlinie und dem selbstbewussten Ziel, „zur führenden Nation in Bezug auf die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien“ (ebd.) werden zu wollen, veröffentlichte das damalige schwedische Ministerium für Unternehmen, Energie und Kommunikation die für Schweden leitende und zentrale Digitale Agenda ‚ICT for Everyone‘ (GOoS 2011). Eine Besonderheit des Entstehungshintergrunds der Agenda liegt darin, dass sie nicht nur in Zusammenarbeit aller schwedischer Ministerien, sondern auch unter Einbezug der Bevölkerung, die z. B. Meinungen und Anstöße per E-Mail oder über soziale Medien abgeben konnte, entwickelt wurde (GOoS 2011). Die entscheidende grundlegende Botschaft der schwedischen Regierung liegt darin, die Möglichkeiten sowie die Optionen, die durch die Digitalisierung für die schwedische Bevölkerung und Wirtschaft entstehen, hervorzuheben. Neben der größeren Zugänglichkeit zur Demokratie und den positiven Auswirkungen auf die Umwelt und den Lebensstandard in Schweden werden in der Agenda besonders die positiven Effekte der Informations- und Kommunikationstechnik im Bereich der schulischen Bildung und im Gesundheitssystem betont. Durch die Nutzung von Computern verspricht man sich beispielsweise bessere Lerneffekte: „Become the best in the class at searching, editing and presenting information“ (GOoS 2011, S. 5).

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Um dazu ein Lernen zu ermöglichen, das den momentanen Standards entspricht, müssen alle Schulkinder den Zugang zu „modern learning tools“ (GOoS 2011, S. 33) erhalten. Die Verantwortungsbereiche sind diesbezüglich klar geregelt: Die Aufgabe der Schulen besteht darin, alle Kinder bis zum Schulende in die Lage zu versetzen, moderne Techniken zu nutzen und darüber ihr Wissen zu erweitern, zu kommunizieren und zu lernen. Die kommunalen und unabhängigen Behörden stehen dabei in der Pflicht, über den Einsatz digitaler Medien in der Schule zu entscheiden. Deutlich hervorgehoben wird die Herausforderung, die der Einsatz digitaler Medien im Unterricht für die Lehrkräfte darstellt und die es erforderlich macht, die Lehrer*innen im Umgang mit digitalen Medien zu fördern und diesbezüglich ihre Kompetenzen zu erweitern, damit sie digitale Medien sinnvoll in ihren Unterricht einbinden können.

2.4 Digitalisierung der schwedischen Schulbildung Die ‚Swedish National Agency for Education’ (SNAfE), auch ‚Skolverket’ (dt. = staatliche Schularbeit/Nationale Agentur für Bildung) genannt, stellt in Schweden die „zentrale Verwaltungsbehörde für das öffentliche Schulsystem, die öffentlich organisierte Vorschulbildung, die Kinderbetreuung im Schulalter und für die Erwachsenenbildung“ (Skolverket 2019b) dar. Die SNAfE ist verantwortlich für schulübergreifende Vorgaben zu Bildungsaufgaben und -innovationen wie den Umgang mit Digitalisierung, aber auch für die konkreten schulform- und fächerspezifischen Curriculum- und Lehrplanvorgaben. Bevor nachfolgend zentrale Aussagen der SNAfE zur schulischen und unterrichtlichen Digitalisierung in Schweden vorgestellt werden, wird zunächst zum besseren Verständnis ein Überblick über das schwedische Schulsystem und die dortige Verortung des Sachunterrichts vorangestellt.

2.4.1 Das schwedische Schulsystem im Überblick Nach einer freiwilligen Vorschulzeit bis zum fünften Lebensjahr (förskola = Vorschule), die dem deutschen Kindergarten gleicht, besuchen etwa 95 % der Kinder im letzten Jahr vor dem Schuleintritt als Vorbereitung auf den Schulalltag die ‚förskoleklass‘ (dt. = Vorschulklasse) – ein Angebot, zu dem die schwedischen Gemeinden für jedes Kind verpflichtet sind (vgl. Sweden 2018). In der weiterführenden Schulform der ‚compulsory school‘ durchlaufen alle Kinder – anders als in Deutschland – ohne Wechsel oder Aufteilung bis zur neunten Klasse drei

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Stadien, das ‚lågstadiet‘ (Klasse 1–3), das ‚mellanstadiet‘ (Klasse 4–6) und das ‚högstadiet‘ (Klasse 7–9) (vgl. Möhler 2008, S. 15; vgl. Båvner et al. 2011, S. 2). Es schließt das Gymnasium mit 18 wählbaren nationalen Ausbildungssträngen an, wovon sechs universitäts- und zwölf berufsvorbereitend sind (vgl. Sweden 2018; vgl. Möhler 2008, S. 15). Der schwedische Sachunterricht, der in der compulsory school verortet ist, gliedert sich in Schweden ähnlich wie in Deutschland. Es wird unterschieden zwischen den ‚Naturorienterande ämnena‘ (dt. = Naturwissenschaften) und den ‚Samhällsorienterande ämnena‘ (dt.  =  Gesellschaftswissenschaften), im Schulalltag kurz ‚NO‘ und ‚SO‘ genannt. Zu den naturwissenschaftlichen Fächern zählen die Fachgebiete Physik, Chemie und Biologie. Darüber hinaus existiert in Schweden das eigenständige Fach Technik. Zum gesellschaftswissenschaftlichen Lernbereich gehören die Fächer ‚Civis‘, das dem Fach Sozialwissenschaften ähnelt, Geschichte und Erdkunde. Zudem zählt das Fach Religion – anders als in Deutschland – in Schweden ebenfalls zu den Gesellschaftswissenschaften.5

2.4.2 Leitlinien und Vorgaben zur schulischen Digitalisierung Die von der SNAfE im Jahr 2018 herausgegebene überarbeitete Fassung der schwedischen Bildungsinhalte ‚Curriculum for the compulsory school, preschool class and school-age educare‘ stellt neben den Grundwerten und Aufgaben der Schule auch Gesamtziele und Leitlinien für den schulischen Digitalisierungsprozess in Schweden dar. Als eine der zentralen Leitlinien schulischer Digitalisierung fokussiert die SNAfE die Veränderung von Arbeitsmethoden und Einstellungen. Nicht nur Wissen über digitale Medien, sondern vor allem eine kritische Sichtweise und

5Bundesländerübergreifend gilt in Deutschland der Perspektivrahmen Sachunterricht der Gesellschaft für Didaktik des Sachunterrichts (GDSU 2013) als zentrale Rahmenkonzeption für das Fach Sachunterricht und die Sachunterrichtsdidaktik. Der GDSUPerspektivrahmen, der eine Orientierungshilfe für Lehrkräfte zum verbindlichen Lehrplan darstellt, unterscheidet fünf Perspektiven, die sozialwissenschaftliche, die naturwissenschaftliche, die geographische, die historische und die technische Perspektive und berücksichtigt zudem perspektivvernetzende Themenbereiche, z. B. ‚Nachhaltige Entwicklung‘ und ‚Medien‘. Die Sachunterrichtslehrpläne sind mittlerweile bundesweit am Perspektivrahmen ausgerichtet. Grundsätzlich versteht sich der Sachunterricht als vielperspektivisches Integrationsfach, das die Kinder in der Primarstufe auf Fächer der weiterführenden Schulen wie Physik, Chemie, Politik oder Geschichte, etc. vorbereitet (Thomas 2014). Zum Zwecke der Lehrer*innenausbildung bündelt die Zu- bzw. Aufteilung der Didaktik des Sachunterrichts zu den Natur- und Gesellschaftswissenschaften an einigen Studienstandorten die sekundarstufenbezogenen Referenzfächer (Gläser & Schomaker 2014).

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ein bewusster und verantwortungsvoller Umgang mit dem durch digitale Medien entstandenen ‚information flow‘ stellen entscheidende Bildungsziele für die Schüler*innen dar. Die Schule soll die Schüler*innen zudem für den Einfluss digitaler Medien auf sich selbst und auf die Gesellschaft sensibilisieren und ihnen ein Verständnis sowohl für Schwierigkeiten als auch Möglichkeiten der Digitalisierung und der altersgemäßen Nutzung digitaler Medien vermitteln (vgl. Skolverket 2019a). Geschult werden sollen die Schüler*innen sowohl im Einsatz digitaler Medien für eine „sichere und verantwortungsbewusste Kommunikation“ (Skolverket 2018, S. 25) als auch für die Erklärung von „Phänomene[n] und Beziehungen der Natur, der Technologie und der Gesellschaft“ (ebd.). Gleichzeitig bestehen für die natur- sowie für die gesellschaftswissenschaftlichen Fächer in der compulsory school die Vorgaben, dass die Schüler*innen „Dokumentationen naturwissenschaftlicher Untersuchungen […] sowohl mit als auch ohne digitale Hilfsmittel anfertigen müssen“ (Skolverket 2018, S. 168) und auch zur Informationsbeschaffung sowohl digitale als auch analoge Medien heranziehen. Zum Erwerb von Wissen und Fähigkeiten im Umgang mit Technologie kommt dem Fach Technik eine besondere Rolle zu: Grundlegendes und weiterführendes Wissen über technische Entwicklungen, auch zum Computer (Hard- und Software), sowie Fertigkeiten im Umgang mit ihnen, sind Ziele des Curriculums. Eigenständiges technisches Problemlösen unter anderem zur Erzeugung von Schall, Licht oder Bewegung oder zur Konstruktion alltäglicher Gegenstände ist ebenso im Lehrplan vorgesehen wie das Kennenlernen und Verstehen alltäglicher technischer Systeme, die auch in ihrer Bedeutung und mit ihren Folgen und Auswirkungen für die Gesellschaft thematisiert werden (vgl. Skolverket 2018, S. 296 ff.). Neben der Schüler*innen-Perspektive misst die SNAfE der Förderung der Lehrer*innen-Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien einen sehr großen Stellenwert bei. Die Lehrkräfte sollen sich entsprechend fortbilden, um die größere Vielfalt digital gestützten Lehrens und Lernens erkennen und nutzen zu können. Die SNAfE betont dazu, dass der Einfluss der Digitalisierung auf die Schüler*innen besser erforscht werden müsse und die Nutzung digitaler Medien mit Bedacht erfolgen solle. Ganz entscheidend ist diesbezüglich die Vorgabe der schwedischen Regierung, dass jede Schule eine*n Medien-Beauftragte*n benennt, der/die neben einer pädagogischen Ausbildung auch über technisches Wissen verfügt und den Einsatz digitaler Medien in der Schule betreut. Zur Orientierung für die Lehrer*innen und Eltern werden darüber hinaus Standards zur Digitalisierung für den Unterricht festgelegt. Weiterhin wird den Lehrkräften durch die SNAfE Zugriff zu neuesten Forschungen im Bereich der digitalen Medien ermöglicht und die Durchführung aller nationalen Tests wird bis zum Jahr 2022 digitalisiert.

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3 Eine empirische Studie zur Digitalisierung im schwedischen Sachunterricht Vor dem Hintergrund der dargestellten Bestrebungen und konkreten Vorgaben zur Digitalisierung im schwedischen Schulsystem stellt sich die Frage, ob und wenn ja, wie diese Vorgaben umgesetzt wurden bzw. wie sich die aktuelle digitale Unterrichtspraxis an schwedischen Schulen darstellt. Erste Antworten darauf liefert die nachfolgend vorgestellte empirische Feldstudie6, die auf den Einsatz digitaler Medien im schwedischen Sachunterricht fokussiert.

3.1 Ziel und Fragestellungen der Studie Ziel der Studie ist eine erste praxisnahe Bestandsaufnahme zum Einsatz digitaler Medien im schwedischen Sachunterricht der Primarstufe, die sowohl die objektive Beobachtungsperspektive als auch die subjektive Lehrer*innenperspektive berücksichtigt. Dazu sind folgende zentrale Fragestellungen leitend für die Untersuchung: Welche digitalen Medien werden genutzt? Wie häufig werden digitale Medien genutzt? Zu welchem Zweck und in welcher Sozialform werden digitale Medien eingesetzt? Wie werden digitale Medien zur Differenzierung bzw. zur individuellen Förderung im Hinblick auf die heterogenen Lernvoraussetzungen der Schüler*innen genutzt? Inwiefern wird jedem Kind Zugriff auf digitale Medien ermöglicht? Wie schätzen die Lehrpersonen ihre eigenen Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien ein?

3.2 Untersuchungsdesign und methodisches Vorgehen Zur Beantwortung dieser Fragen ist ein Mixed-Methods-Design gewählt, das eine offene teilstrukturierte nicht-teilnehmende Beobachtung mit einer qualitativen leitfadengestützten Interviewerhebung kombiniert. Die Unterrichtsbeobachtungen im Gesamtumfang von vier kompletten Sachunterrichtsstunden wurden derart angelegt, dass nicht nur sachunterrichtsspezifisch

6Die

Studie ist von der Ko-Autorin dieses Beitrags Annika Sicking im Rahmen ihrer Abschlussarbeit zum Bachelor of Education (Universität Paderborn) betreut von Prof. Dr. Eva Blumberg (Didaktik des naturwissenschaftlichen Sachunterrichts) im Sommersemester 2019 durchgeführt worden.

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inhaltlich, sondern auch jahrgangsbezogen eine größtmögliche Breite abgedeckt wurde. Daher erfolgte die Beobachtung von zwei der vier Unterrichtsstunden in zwei sechsten Klassen (n = 58) in den Fächern Technik und Geografie, eine Sachunterrichtsstunde wurde im dritten Schuljahr (n = 24) im Fach Religion und eine weitere in einer zweiten Klasse (n = 24) im Fach Erdkunde beobachtet und dokumentiert.7 Die Beobachtungen wurden in regulären Sachunterrichtsstunden durchgeführt, sodass die Erhebungsumgebung als natürlich einzustufen ist. Im Vorfeld der Untersuchung wurden die Schüler*innen über die anstehende Hospitation informiert und über das Ziel der Beobachtungen, herauszufinden, wie und mit welchen digitalen Medien in schwedischen Schulen gearbeitet wird. Die Zusammensetzung der Schülerschaft ist in allen beobachteten Klassen heterogen geprägt, mit graduellen Abstufungen. Zum Teil werden die Lehrkräfte in den beobachteten Unterrichtsstunden von ein oder mehreren pädagogischen Fachkräften unterstützt. Die Interviewstudie ist in Form eines qualitativen leitfadengestützten Einzelinterviews angelegt und erfolgte nach Abschluss der Unterrichtsbeobachtungen mit zwei der beobachteten Lehrpersonen, wovon eine der Lehrerinnen die Klassen 1–4 und die andere Lehrerin hauptsächlich die Klassen 4–6 unterrichtete. Die interviewte Lehrkraft der Klassen 1–4 ist an ihrer Schule die Beauftragte für den Einsatz digitaler Medien. Diese nachgeschaltete Befragung ermöglichte es, auch auf die Beobachtungsergebnisse Bezug zu nehmen. Alle Erhebungen wurden von der Ko-Autorin dieses Beitrags Annika Sicking im Zeitraum vom 06.–11.05.2019 an zwei schwedischen Schulen in einer ländlichen Region der Provinz Skåne durchgeführt.

3.3 Erhebungs- und Auswertungsmethoden Das für diese Studie neu entwickelte Beobachtungsinstrument umfasst ein halboffenes Beobachtungsraster mit vier Inhaltsbereichen und jeweils entsprechenden (Teil-)Kategorien. Die fünf inhaltlichen Bereiche dokumentieren zur unterrichtlichen Digitalisierung/zum Einsatz digitaler Medien in den Sachunterrichtsstunden 1) die Art/Auswahl und die Einsatzhäufigkeit des gewählten digitalen Mediums (nach Blaseio 2017), 2) die Sozialform (Frontalunterricht, Gruppenarbeit, Einzel- und Partnerarbeit, orientiert an Paradies & Linser 2019), 3) die Arbeitsmethode (Recherche, Textarbeit, Lernprogramm, Ergebnispräsentation),

7Insgesamt

umfasst die Stichprobe der beobachteten Schüler*innen N = 102.

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4) die Form der Differenzierung (nach den Merkmalsausprägungen Lernstil, Lerntempo, Lernbereitschaft, Lerninteresse, Lernziel und Lerninhalt in Anlehnung an Paradies & Linser 2019) und 5) den Grad und die Art der Ablenkung (durch soziale Medien, Internetspiele, Gespräche mit den Klassenkamerad*innen aufgrund des Einsatzes digitaler Medien, das Smartphone). Der ebenfalls neu für diese Studie entwickelte Interviewleitfaden orientiert sich im ersten Teil an den Inhaltsbereichen der Unterrichtsbeobachtung und zielt auf die methodisch-didaktischen Begründungen und Erklärungen der Lehrpersonen zum Einsatz der digitalen Medien. Über die unterrichtliche Ebene hinaus geht es im zweiten Teil des Interviews um die Lehrer*innenkompetenzen, d. h. die eigene Einschätzung der befragten Lehrpersonen bezüglich des Einsatzes digitaler Medien im Unterricht, wie sie diese erworben haben und wie der Einsatz digitaler Medien an der jeweiligen Schule organisiert ist. Die Auswertung der Ergebnisse der offenen Beobachtungskategorien sowie der Interviewerhebungen erfolgte orientiert an der qualitativen Inhaltsanalyse (Mayring 2015) nach einem kombiniert deduktiv-induktiven Verfahren. Die zentralen Ergebnisse zu den ermittelten Kategorien Einsatzdauer, Einsatzformen (Hard- und Software), methodisch-didaktische Einbindung (Arbeitsmedium und -methode, Sozialform, Differenzierung), Ablenkung und Selbsteinschätzungen der Lehrkräfte zur Nutzung digitaler Medien im Sachunterricht werden nachfolgend ausgeführt.

3.4 Ergebnisse der Erhebungen Bevor auf die konkreten Ergebnisse der Erhebungen eingegangen wird, sei vorweg gesagt, dass an beiden schwedischen Untersuchungsschulen ausnahmslos allen Schüler*innen der Zugang zu digitalen Medien ermöglicht wird, denn diese werden – wie von der schwedischen Regierung vorgegeben – von den Schulen zur Verfügung gestellt. Einsatzdauer digitaler Medien Anhand der Beobachtungen zeigte sich, dass durchgängig in jeder Unterrichtsstunde (im zweiten, dritten und sechsten Schuljahr) vom Anfang bis zum Ende digitale Medien im Einsatz waren. Dabei wurde der Einsatz verschiedener Hardware, phasenweise eine Kombination aus zwei oder mehr Geräten, und auch der Einsatz verschiedener Softwareprogramme und der Internetsuchmaschine

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‚Google‘8 beobachtet. Im Detail wird die eingesetzte Hard- und Software nachfolgend erläutert. Aus Sicht der interviewten Lehrkräfte wird diese Beobachtung bestätigt bzw. relativiert sich der beobachtete dauerhafte Einsatz digitaler Medien geringfügig: Jeden Tag (wenigstens zwei Drittel des Tages) und grundsätzlich in (fast) jeder Unterrichtsstunde nutzen sie digitale Medien. Daneben gibt es aber auch offener gestaltete Unterrichtsstunden, in denen die Schüler*innen nicht ausnahmslos durchgängig mit digitalen Medien arbeiten, sondern auch auf ein Lehrbuch zurückgreifen. Einsatzformen digitaler Medien: Hardware Der Einsatz folgender Hardware wurde in den Sachunterrichtsstunden beobachtet: Zur Einführung in eine Unterrichtsstunde nutzt die Lehrperson neben ihrem eigenen Lehrer-Laptop den Beamer und das Whiteboard, um – so die Erklärung der interviewten Lehrkräfte – den Schüler*innen den geplanten Stundenablauf transparent zu machen und weitere wichtige organisatorische Informationen zu präsentieren. Im weiteren Stundenverlauf nutzen die Schüler*innen als digitales Arbeitsmedium fast ausnahmslos das Chromebook. Lediglich einmal kamen in dem Beobachtungszeitraum Tablets zum Einsatz. In den beobachteten Unterrichtsstunden der zweiten und dritten Klasse teilten sich jeweils zwei Schüler*innen ein Chromebook und ein Tablet. In den beiden beobachteten sechsten Klassen konnte jede/r Schüler*in an einem eigenen Chromebook arbeiten. Das Chromebook ist ein kleiner Laptop, der webbasiert über das Betriebssystem Google Chrome OS betrieben wird (Miller 2016). Smartphones werden ausnahmslos in beiden besuchten Schulen nicht eingesetzt. Diese müssen die Schüler*innen zu Unterrichtsbeginn in eine sog. ‘SmartphoneStation’ ablegen, um während des Unterrichts keinen Zugriff darauf zu haben. Über die beobachteten Sachunterrichtsstunden hinaus erklärte eine der interviewten Lehrpersonen, dass sie auch die Laptop-Kamera nutzt, um sich selbst dabei zu filmen, wie sie bspw. mathematische Rechenschritte oder Aufgaben erklärt. Die aufgenommenen Videos versendet sie an die Schüler*innen, damit sie sich bei Verständnisproblemen (oder wenn sie im Unterricht gefehlt haben) das Erklärvideo der Lehrerin nach Bedarf immer wieder selbst anschauen können.

8Die

Internetrecherche ist für die Schüler*innen mit dem Zugriff auf ausschließlich jugendfreie Inhalte reglementiert. Seiten wie YouTube sind für die Schüler*innen zugänglich.

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Einsatzformen: Verwendete Software-Programme/Apps9 Da die schwedischen Schüler*innen mit den von Google webbasierten GoogleChromebooks arbeiten, werden auch die entsprechenden Software-Programme bzw. Apps von Google in den beobachteten Unterrichtsstunden von den Lehrkräften eingesetzt: Google Classroom, Google Docs, Google Präsentationen und Google Earth. Über Google hinaus nutzen die Lehrerinnen die Programme Microsoft PowerPoint, Padlet, Puppet Pals, Mentimeter und das schwedische Programm Digilär. Das Programm Google Classroom, das oft der Unterrichtseinführung dient, verbindet sozusagen die Lehrkraft mit ihren Schüler*innen und die Schüler*innen untereinander in einer Art virtuellem Klassenraum, in den die Lehrperson alle Schüler*innen über ihr Chromebook einladen und hinzufügen kann. Dieses Programm wurde in den beiden beobachteten sechsten Klassen eingesetzt. Über das Programm kann die Lehrperson den Schüler*innen Arbeitsmaterialien zur Verfügung stellen, Hausaufgaben erteilen und Ankündigungen machen. Die Schüler*innen können weiterhin eigenständig die von der Lehrperson angefertigten To-Do-Listen bearbeiten, sich untereinander austauschen, selbst bearbeitete Aufgaben hochladen, zu der die Lehrkraft direkt online Rückmeldung geben und sie bewerten kann. Entsprechend der Interviewaussagen arbeitet der überwiegende Teil der Kollegien der beiden befragten Lehrkräfte mit Google Classroom, sodass sowohl die Lehrenden als auch die Schüler*innen alle Materialien zu den einzelnen Fächern in digitaler Form in einem auf einer Plattform vorliegen haben. Besonders positiv bewertet eine interviewte Lehrkraft, dass es dadurch möglich wird, miteinander zu kommunizieren, Feedback zu geben und den Schüler*innen immer einen Überblick darüber zu ermöglichen, welche Kompetenzen sie bereits erworben haben und wie sie weiterlernen können. Ebenfalls zur Unterrichtseinführung wird das Programm Padlet in der beobachteten zweiten Klasse eingesetzt. Padlet ist eine digitale Pinnwand, die die Lehrkraft beliebig mit Unterrichtsinhalten, Links, Bildern und Videos füllen kann. Darüber hinaus kann unter anderem ein Timer für Arbeitszeiten gesetzt werden und die Schüler*innen können der Lehrkraft zum Unterricht direkt ein Feedback geben. Gleichzeitig können die Schüler*innen bearbeitete Aufgaben hochladen, um von der Lehrkraft ein Feedback zu bekommen. Das Programm ermöglicht während des Unterrichts kontinuierliche Kommunikation zwischen der Lehrkraft und den Schüler*innen und somit gemeinsame Unterrichtsgestaltung.

9Am

Ende des Beitrags sind die Software-Programme/Apps mit ihren Internetadressen aufgelistet.

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Der Einsatz des Programms Google Earth zur geographischen Orientierung wurde in der zweiten Klasse zur Darstellung der Region Skåne beobachtet. In den Unterrichtsphasen der Erarbeitung und Präsentation arbeiten die Schüler*innen mit den Programmen Google Docs, Google Präsentationen, Microsoft PowerPoint, Puppet Pals, Digilär und Mentimeter. Die Arbeit mit den Textverarbeitungsprogrammen Google Docs, Google Präsentationen und Microsoft PowerPoint dienen während der Unterrichtsstunden zur Erstellung von Präsentationen und zur späteren Vorstellung dieser vor der Klasse. Eingesetzt wurden diese Textverarbeitungsprogramme sowohl in der zweiten als auch in der dritten und sechsten Klasse. Die Arbeit mit den Textverarbeitungsprogrammen Google Docs, Google Präsentationen und Microsoft PowerPoint erleichtert nach Auffassung einer der Lehrkräfte im Vergleich zu handschriftlichen Schüler*innenarbeiten die Überarbeitung der Texte, wovon vor allem jüngere Schüler*innen und Kinder mit Schwierigkeiten beim handschriftlichen Schreiben profitieren würden. Mit der App Puppet Pals können die Schüler*innen Präsentationen in Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeit aufnehmen und diese vor der Klasse abspielen. Diese Nutzungsmöglichkeit des Programms eignet sich besonders gut in den unteren Klassen, um nach Aussage einer der interviewten Lehrpersonen, zurückhaltende schüchterne Schüler*innen, denen Präsentationen vor der Klasse anfangs noch Probleme bereiten, zu aktivieren. Das Programm Mentimeter ermöglicht es den Schüler*innen darüber hinaus, Präsentationen interaktiv zu gestalten. Sie können bspw. Fragen einbauen, die die anderen Kinder an ihren Endgeräten über die Eingabe eines Zugangscodes zur Plattform beantworten können. Die gesammelten Antworten können in verschiedenen Darstellungsweisen, z. B. in einem Säulendiagramm, ausgewertet und dargestellt werden. Darüber hinaus können mit diesem Programm Präsentationen und Quiz erstellt werden, die von einem mobilen Endgerät zu steuern sind. In der beobachteten zweiten Klasse wurde das Programm eingesetzt, um Informationen über ein angesehenes Video zu sammeln. Die bisher ausschließlich schwedische Lernplattform Digilär wird eingesetzt, damit die Schüler*innen durch eigenständige Recherche ihr Wissen zu den Unterrichtsinhalten über verschiedene Länder vertiefen können. Dieser Einsatz von Digilär wurde in der sechsten Klasse beobachtet. Zu aktuellen und unterrichtsrelevanten natur- und gesellschaftswissenschaftlichen Themen finden sich dort neben Aufgaben, Texten und Bildern auch Lernvideos und Links zu weiteren seriösen Websites mit themenbezogenen Inhalten. Die Texte und Aufgaben sind in drei Schwierigkeitsgrade differenziert.

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Methodisch-didaktische Einbindung digitaler Medien in den Sachunterricht Wie anhand der zuvor dargestellten Einsatzformen bereits erkennbar ist, ist jede digitale Mediennutzung mit einer methodisch-didaktischen Planungsentscheidung in Bezug auf die Abstimmung des Arbeitsmediums und der Arbeitsmethode sowie der gewählten Sozial- und Differenzierungsform verbunden, wie nachfolgend dargestellt wird. (1) Arbeitsmedium und -methode Als digitales Arbeitsmedium dient allen Schüler*innen das Chromebook. Sie nutzen es zur Internetrecherche (Digilär, Google), zur Erstellung, Bearbeitung und Präsentation von Textdokumenten (Google Docs, Google Präsentationen, Microsoft Power Point) sowie zur Erstellung, Gestaltung und Vorstellung von Präsentationen (Mentimeter, Puppet Pals). In allen Phasen des Unterrichts – zur Einführung, während der Erarbeitungsphasen im Plenum oder in Einzel-, Partneroder Gruppenarbeit sowie zur Ergebnispräsentation und -sicherung – nutzen die Lehrpersonen den Beamer und das Whiteboard mit ihrem eigenen Laptop zusammen mit verschiedenen Software-Programmen. Neben den genannten Textverarbeitungsprogrammen setzen sie fast durchgängig Programme zur Kommunikation mit den Schüler*innen, zum gegenseitigen Feedback sowie zum gemeinsamen Bearbeiten von Dokumenten und Gestalten des Unterrichts ein (Google Classroom, Padlet).10 (2) Sozialformen Grundsätzlich wurde der Einsatz digitaler Medien etwa gleich verteilt in den Sozialformen Gruppen-, Partner- und Einzelarbeit beobachtet, jedoch mit Unterschieden bezüglich der Klassenstufen: In den unteren Jahrgängen setzen die Lehrkräfte das Chromebook vorrangig zur Einzel- und Partnerarbeit ein, während sie in den oberen Klassenstufen Gruppenarbeiten bevorzugten. Leitend für die Lehrkräfte ist dabei die sukzessive Heranführung der jüngeren Schüler*innen an das digital gestützte Lernen und Arbeiten, zunächst allein oder zu zweit bis hin zur Gruppenarbeit in den höheren Jahrgangsstufen. Eine der beiden interviewten Lehrkräfte erklärt zudem, das Chromebook zur Erstellung von Präsentationen ausschließlich in Partner- oder Gruppenarbeit zu nutzen. Unbeeinflusst davon, ob digital oder analog gearbeitet wird, spricht sie sich zur Texterstellung und -bearbeitung für Einzelarbeit als Sozialform aus, wobei sie das am Chromebook

10Der

Lernprogramm-Einsatz wurde lediglich einmal beobachtet.

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digital gestützte Schreiben mit Hilfe von Textverarbeitungsprogrammen gegenüber handschriftlicher Textarbeit präferiert, vor allem mit Blick auf leistungsschwächere Schüler*innen. (3) Differenzierung durch digitale Medien In allen beobachteten Unterrichtsstunden sind verschiedene Formen der inneren Differenzierung in Bezug auf die fokussierten Merkmalsausprägungen Lernstil, Lerntempo, Lernbereitschaft, Lerninteresse, Lernziel und Lerninhalt (Paradies & Linser 2019) angewandt worden. Anhand der ausgewerteten Beobachtungen und Interviewanalysen zeigen sich folgende zentrale Differenzierungsformen zur individuellen Förderung in Verbindung mit dem Einsatz digitaler Medien: • Berücksichtigung individueller Interessen der Schüler*innen (z. B. Internetrecherche mit Digilär, Pinnwandeinträge über Padlet, direkte Kommunikations-/ Feedbackmöglichkeit zum aktuellen Unterrichtsinhalt), • Eröffnung verschiedener Sinneszugänge zu Texten, Unterrichtsinhalten durch eigenes Lesen, Vorlesen lassen/Anhören von Texten, Anschauen von Videos zur Informationsbeschaffung (Google Classroom), Nutzung verschiedener multimedialer Darstellungsformen, • Individuelle differenzierte, aber auch gemeinsame Arbeit an Texten und Präsentationen der Schüler*innen durch die Textverarbeitungsprogramme Google Docs, Google Präsentationen und Microsoft PowerPoint, erleichterte digital gestützte Textüberarbeitung im Vergleich zu Papierschriftstücken, vor allem für Kinder mit Schwierigkeiten beim handschriftlichen Schreiben, • Sukzessive Heranführung, vor allem von schüchternen und zurückhaltenden Schüler*innen an das eigene Präsentieren vor einem Plenum über den Zwischenschritt, die eigene Präsentation anfangs als Video aufzunehmen und abzuspielen (Puppet Pals), • Interessengeleitete, individuell gesteuerte (Inhalt, Tempo) Wissenserweiterung durch das Anschauen von Sachvideos, einhergehend mit der Steigerung der Motivation, Lernfreude (Achtung: Ablenkungsgefahr), • Kontinuierliche individuelle Kommunikations- und Feedbackmöglichkeit mit jeder/m Schüler*in, auch zusammen mit anderen Kolleg*innen; ganzheitlicher Überblick über den Lernstand, den aktuellen Kompetenzerwerb als gemeinsame Grundlage zur weiteren Förderplanung (auch unter Einbezug der Schüler*innen), • Unterstützung von Schüler*innen mit Hörbeeinträchtigung durch die Nutzung eines Lehrer*innenmikrofons, das mit den Hörsystemen der Schüler*innen gekoppelt ist.

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Ablenkung durch digitale Medien Formen der Ablenkung bei den Schüler*innen durch bzw. beim Einsatz digitaler Medien traten zwar nahezu über den gesamten Beobachtungszeitraum immer wieder, jedoch meist wenig stark ausgeprägt auf. Zudem wurden die Ablenkungen fast ausschließlich bei den älteren Schüler*innen der sechsten Klassen durch Instagram, YouTube oder Internetspiele registriert. Im zweiten und dritten Schuljahr wurde hingegen bis auf einen Einzelfall keine Ablenkung durch die digitalen Medien festgestellt. Unabhängig von dieser Beobachtung besteht aus Sicht der befragten Lehrkräfte keine merkliche Ablenkungsgefahr durch den Einsatz digitaler Medien im Unterricht. Die Ablenkung sei lediglich zu Beginn der Nutzungszeit digitaler Medien aufgrund der Neuheit spürbar gewesen, danach aber schnell abgeklungen. Selbsteinschätzungen der Lehrkräfte Beide interviewten Lehrkräfte schätzen ihre Kompetenzen zum Umgang mit digitalen Medien grundsätzlich hoch ein, auch wenn eine Lehrerin ihre Schüler*innen punktuell kompetenter als sie selbst im Umgang mit dem Internet und sozialen Medien wahrnimmt. Ihre ausgeprägte Kompetenz stellen beide Lehrkräfte in Verbindung mit ihren absolvierten Fortbildungen, die als OnlineKurse von der SNAfE angeboten werden. Eine der beiden Lehrpersonen ist an ihrer Schule die ‚Beauftragte für den Einsatz digitaler Medien im Unterricht‘. Sie koordiniert dieses Aufgabenfeld der Schule und fungiert diesbezüglich als Ansprechpartnerin für das Kollegium. Zur Ausfüllung dieser Funktion hat sie einige zusätzliche Fortbildungen absolviert. Da der Fokus der Studie auf unterrichtlicher Ebene liegt, sah der Interviewleitfaden hier keine weiteren Fragen zur Beauftragtenfunktion vor.

4 Zusammenfassung und Diskussion Resümierend zeigen die Ergebnisse der Beobachtungs- und Interviewstudie, dass in den schwedischen Schulen die Kinder in der Primarstufe von der Schuleingangsphase an mit digitalen Medien im Sachunterricht arbeiten und lernen. Auf Schüler*innenseite dient das Chromebook als digitales Arbeitsmedium, womit zur Recherche im Internet, zur Texterstellung und Ergebnispräsentation mit den kompatiblen Software-Programmen wie Google Docs, und Google Präsentation gearbeitet wird. Zur Unterrichtsorganisation und Verwaltung der Leistungsstände der Schüler*innen durch die Lehrpersonen und zum steten Schüler*innen- und Lehrer*innen-Austausch

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werden die Software-Programme Google Classroom im sechsten und Padlet im zweiten Jahrgang eingesetzt. Das Software-Programm Mentimeter diente dem interaktiven Arbeiten im Klassenverband. Zudem nutzen die Schüler*innen im sechsten Jahrgang das schwedische Lernprogramm Digilär, um selbstständig unterrichtsrelevante Informationsdokumente unterschiedlichen Formats und differenzierten Schwierigkeitsgrads für ihre Arbeit aufzurufen. In allen beobachteten Unterrichtsstunden war der Einsatz digitaler Medien mit verschiedenen Formen der individuellen Förderung und Differenzierung verknüpft, angefangen von der basalen auditiven Unterstützung hörbehinderter Schüler*innen, über die Ansprache verschiedener Sinneszugänge sowie einer Differenzierung im Lerntempo oder Anforderungsniveau, um nur einige Beispiele zu nennen. Kritisch zu sehen ist die Beobachtung, dass entgegen der Lehrplanvorgaben keine analogen Medien zum Wissenserwerb, zur Informationsverarbeitung, zum Problemlösen und zum Lernen im Unterricht miteinbezogen wurden. Nicht unerwähnt bleiben soll die festgestellte Ablenkung der Schüler*innen durch digitale Medien, wobei diese hauptsächlich in den höheren Klassenstufen durch das Internet auftrat und im Gesamtkontext der ausgeprägten stetigen Arbeit mit digitalen Medien im Unterricht eher nachrangig einzustufen ist, wie die Lehrkräfte bestätigten. Entsprechend der Vorgaben und Ziele in der schwedischen digitalen Agenda ‚ICT for Everyone’ sowie in den curricularen Lehrplanvorgaben der SNAfE wird in Schweden jedem Kind der Zugang zu „modern learning tools“ (GOoS 2011, S. 33) und zum reglementierten Internet über die Nutzung des hauptsächlich verbreiteten Chromebooks ermöglicht. Die Schulen entsprechen damit der Vorgabe, die für den Unterricht erforderlichen digitalen Medien allen Kindern zur Verfügung zu stellen, sodass der Zugang unabhängig vom sozialen Status oder Einkommen der Eltern der Schüler*innen ist. Die Arbeit mit digitalen Medien und Zugang zum bzw. der Umgang mit dem Internet ist für die schwedischen Schüler*innen in jeder Unterrichtsstunde selbstverständlich. Dabei wurde, wie von der schwedischen Regierung und der Bildungsadministration gefordert, von Schulbeginn an ein vielseitiger Einsatz verschiedener digitaler Medien im Unterricht beobachtet. Bereits Zweitklässler sind in der Lage, im Internet zu recherchieren und mit den gewonnenen Informationen eigenständig Präsentation zu erstellen und zu präsentieren. Dazu erfüllt Schweden ebenso seine selbst gestellte Aufgabe, die Lehrkräfte entsprechend im Umgang mit digitalen Medien im Unterricht aus- und fortzubilden, sodass an jeder Schule eine beauftragte Lehrperson für die Einbindung digitaler Medien im Unterricht verantwortlich ist.

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Trotz der Einschränkung, dass die von der SNAfE geforderte kritische Hinterfragung in der Studie nur nachrangig behandelt und punktuell Ablenkung durch den Einsatz digitaler Medien im Unterricht festgestellt wurde, hat die Studie einen Einblick in den schwedischen Schulalltag ermöglicht, wonach die schwedischen Schüler*innen entsprechend der staatlichen Vorgaben im Unterricht von Anfang an auf ein Leben in einer digitalisierten Welt vorbereitet werden. Zweifelsohne kritisch zu sehen ist dabei v. a. mit Blick auf die verbreitete Nutzung der Google-Produkte in schwedischen Schulen der etwas unklare Umgang mit dem Datenschutz, der in Deutschland sehr viel strenger gehandhabt wird. Auch wenn aufgrund des beschränkten Umfangs der Studie keine allgemeingültigen Aussagen getroffen werden können, so haben die Erhebungen einen Einblick in das schwedische Schulsystem mit einigen aus deutscher Sicht beeindruckenden Ergebnissen zum Einsatz digitaler Medien im Unterricht erbracht. Ob diese ermittelte Form und Ausprägung der unterrichtlichen Digitalisierung so oder ähnlich typisch für die schwedische Unterrichtspraxis sind, kann mit der Studie nicht beantwortet werden. Grundsätzlich ist jedoch ein Trend zu erkennen, der Schweden seine Vorreiterrolle mit Blick auf den Fortschritt bei der Digitalisierung auch im Bildungsbereich bestätigt. Auf institutioneller Ebene wie auch bei der konkreten unterrichtlichen Umsetzung sind in Schweden schon Schritte vollzogen worden, vor denen das deutsche Bildungssystem zurzeit steht. Vom aktiven Austausch unter dem Motto „Gemeinsam voneinander lernen” (KMK 2019a) mit den skandinavischen Nachbarn Schweden und Finnland kann Deutschland im Hinblick auf Digitalisierung sicherlich profitieren. Denn weitgehend fehlt den deutschen Schulen nach wie vor „ein Konzept zum Einsatz digitaler Lernmittel, das Kollegium entwickelt kein gemeinsames didaktisches Verständnis, und ihre Weiterbildung müssen Lehrer zumeist selbst organisieren” (Bertelsmann Stiftung 2017). Nachdenklich stimmt in diesem Zusammenhang auch der Befund der letzten TIMSS-Erhebung aus dem Jahr 2015, wonach die deutschen Sachunterrichtslehrkräfte zur Integration von Informationstechnologien eine erschreckend geringe Fortbildungsaktivität von 6,2 % aufweisen. Der internationale Vergleichsmittelwert liegt bei 30,1 % (Porsch und Wendt 2016, S. 197). „Zwar kann mit den vorliegenden Daten nicht beantwortet werden, worin die Gründe liegen – möglicherweise in einem fehlenden Angebot oder in anderen Interessenlagen der Lehrkräfte. Trotzdem ist dieser Befund angesichts der wachsenden Bedeutung von digitalen Medien in allen Gesellschaftsbereichen und dem Handlungsbedarf für das weitere Lernen in der Grundschule (Eickelmann, Lorenz, Vennemann, Gerick & Bos, 2014) als kritisch anzusehen“ (Porsch & Wendt 2016, S. 203). Eine Orientierung Deutschlands an fortschrittlicheren Vorbildern zur Digitalisierung

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des Bildungsbereichs in Schule und Unterricht, Hochschule und Lehrer*innenbildung ist zweifelsohne indiziert, womit nicht eine unreflektierte Übernahme bestehender Konzepte und Strategien gemeint ist. Mit Blick auf die Ergebnisse der vorgestellten Studie ist in einer Folgeuntersuchung zu prüfen, wie der Einsatz der in Schweden vorgefundenen digitalen Medien im deutschen Sachunterricht erfolgen könnte und welche Lerneffekte damit bei den Schüler*innen erzielt werden. Des Weiteren gilt es Antworten zu finden auf die Frage, ob bzw. inwiefern ein digital gestützter einem Sachunterricht ohne digitale Medien überlegen ist. Vor allem mit Blick auf das handlungsorientierte forschend-entdeckende Lernen im naturwissenschaftlichen Sachunterricht ist eine Balance beim Einsatz digitaler und analoger Medien anzustreben. Die zum tatsächlichen Verständnis eines Naturphänomens wichtige eigene Erfahrung, z. B. dass sich ein Gegenstand im Wasser leichter anfühlt, ist über digitale Medien nicht vermittel- oder erfahrbar. Entsprechend der eingangs für Deutschland angeführten Empfehlungen ist der Mehrwert auszuloten, der durch den Einsatz digitaler Medien für die individuellen Zugangs- und Verständnismöglichkeiten der Schüler*innen entsteht. Darüber hinaus wären anschließend an diese Studie Folgeuntersuchungen interessant, die genaueren Einblick in die schwedischen Schulentwicklungs- sowie Lehrer*innenaus- und -fortbildungskonzepte geben.

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