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German Pages [168] Year 2005
Karl Stankiewitz
München Stadt dgr Träume Projekte Pleiten Utopien
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Monacum (frei nach der Schedelschen Weltchronik) Heinz Birg, 1987
Karl Stankiewitz
München
Stadt der Träume Projekte Pleiten Utopien
Ja, mach nur einen Plan. Sei nur ein schlauer Wicht! Und mach dann noch ,nen zweiten Plan. Gehn tun sie beide nicht. Bert Brecht Dreigroschenoper
Gesamtherstellung Druckerei Schmerbeck GmbH Tiefenbach
Gestaltung und Satz Franz Schiermeier Gesetzt aus der Univers von Adrian Frutiger (1957) und der Sabon von Jan Tschichold (1967)
München, Oktober 2005
© 2005 Franz Schiermeier Verlag Kazmairstraße 46 80339 München ISBN 3-9809147-6-3
Reisender in Sachen München Ernst Hürlimann, 1987
Inhalt
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Vorwort Georg Kronawitter
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Mut zur Utopie Karl Stankiewitz
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Wenn Herrscher träumen Projekte der regierenden Fürsten Die radiale „Carlstadt" Ein Stadtprojekt in Nymphenburg „Überall Freyheit" Der „raisonierte" Plan Grünbergers von 1782 Die „Gartenstadt" Friedrich Ludwig von Sckell Alleering und Nationalbau Stadtprojekte unter König Maximilian II. Traumkönigs Theatertraum Ein Festspielhaus für Richard Wagner „Millibauers Kunstmarkt"
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Der Traum von der Kleinstadt Sehnsucht nach dem Idyll Kleinstadt auf der Kohleninsel Ein Stadtprojekt von Theodor Fischer Feders Reichskleinsiedlung Kleinstadtidylle im Nationalsozialismus Siedlungsschwerpunkt Dachau Ausweitung der Großstadt in die Umgebung Eine neue Fuggerei ? Sparhäuser im Harthof Ökostädte im Industriegürtel
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Der Traum von der Weltstadt Die Möchtegern-Metropole Weltstadt mit Herzinfarkt Kronawitter bremst und besucht einige Weltstädte „Wir sind kein Hinterpfuideifi" OB Kiesl und der neue Stil Ein Regierungsviertel muss her Die Staatskanzlei am Hofgarten Endlich Kulturhauptstadt? Münchner Kulturpolitik nach der Wende Der soziale Faktor
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Planungen für ein Kulturhaus Ein Hort für die Musen Ein „Vaterländischer Heldenplatz" Neue Ausstellungshallen für die Kunststadt Kulturpalast auf der Isarinsel Oder im Hofgarten? Geschichte statt Kunst Sachs am Start Raum für junge Kunst Schörghuber schiebt an Eine Konzerthalle im Arabellapark Ewig unvollendet Für die Kunst von morgen Kunst in der Luftblase Ein Provisorium für das Modern Art Museum Taktstock und Rotstift regieren Kulturzentrum am Gasteig Boxhalle, Superkino, Amazeum Veränderungen einer Kongresshalle Projekte für die City Operationen am Herzen der Stadt Die „Domfreiheit" Durchlässig durch Durchbrüche Verpasste Chancen Supermarkt statt Viktualienmarkt Das Markthallenprojekt von Wilhelm Rettig „Decente Nuditäten" Umbau des Sendlinger Tors Raus mit den Ruinen! Oase ohne Autos Rettung der „Rempelzone" Sanierung der Innenstadt Marienhof: Träume und Bäume Erlebnisraum City
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Hochhaus-Utopien Eine lange Debatte Sörgels Hochhaus-Ring Häuser wie Nester am Baum Macht das Hochhaus krank? Häuser aus Pappe und Luft Zwei Visionen Hochhausgutachten für München Langenscheidts „Buchhaus" Kronawitters „Vierkantbolzen" Grün kaputt Verplante Grünanlagen Alarm im Englischen Garten Eingriffe in den schönsten Park der der Stadt Tabubrüche auf der Theresienwiese Großstadt im Perlacher Forst
Babylon an der Isar Großmacht-Phantasien für die „Hauptstadt der Bewegung" Die Führerstadt Die Nordstadt Die Südstadt Die Große Straße Die KdF-Stadt Rama dama Der Wiederaufbau der Stadt Eine neue oder die alte Stadt? Projekte für den Wiederaufbau des Zentrums Meitingers „Neues München" Der Bahnhof bleibt Wohnraum schaffen, aber wie? Späte Auferstehung Der Wiederaufbau der Residenz Schwabinger Träume Wohin steuert Wahnmoching ? Vorhoelzers „Wohnhöfe" „Situationen" der Künstler Das Spaßreich der Samy-Brüder Dahindens „Schwabylon"
95 Traumstraßen - Straßentrauma Pläne für den Straßenverkehr 96 Die „Linie von Sedan" Eine Verbindung zwischen Hauptbahnhof und Maximilianstraße 96 Heilmanns Ringstraßen 97 Bank blockiert Achse 98 Straßenstern über Dächern 99 Straßen aus dem Baukasten 100 Vom Maulwurf untergraben Der Generalverkehrsplan 102 „Blaue Zone"- ganz grün Ein Verkehrskonzept für die Innenstadt 104 „Ringkampf" im Wahlkampf 105 Erlebnisraum Ringstraße 107 Bahnträume - Traumbahnen Schienenverkehr auf allen Ebenen 108 Aus der Versenkung 109. Abgetaucht Die Unterpflasterbahn 110 Tiefbahn contra S-Bahn 110 Erst mal ein Wende-Bahnhof 111 Spatenstich mit Problemen 111 City auf dem Bahnhof 112 Metran und Teletran 112 Stadtzentren über Gleisen 113 Schnellbahn zu schnell gebaut 113 Verbund fährt an die Spitze 114 Doch ein Tiefbahnhof ? 116 Völlig in Schwebe
117 Höhenflüge Luft-Ballons, Heli-Hopser und Düsenflieger 118 Heli-Hopser ab Dach 118 „Lufttaxi" in die Alpen 119 Düsenflug ab Grasnarbe 120 Der Großhubschrauber 120 „Flugbahnhof" im Forst 120 Der Kurzstreckenstarter 121 Drei Flughäfen im Feuer 122 Wieder ein Luftschiff
123 Träume vom Meer Münchner Hafen- und Kanalprojekte 124 Ein Netz von Kanälen 125 Kein Schiff wird kommen Ein Kanalprojekt von Adrian v. Riedl 126 Ismaning - Hafen Münchens 127 Kanal zum Rhein 127 Näher zu Kohle und Korn 129 Der olympische Traum Schneller, weiter, größer, teurer 130 „Kolosseum der kurzen Wege" 131 Traumsprung in die Zukunft 132 Poptürme als Kulisse 133 Lichtsatellit statt Loch 134 Spirit Center gibt Geist auf 135 Minialpen mitten in München 136 Skihauptstadt der Welt 136 Noch ein Fehlstart
137 Freizeit-Utopien für die Fun-Gesellschaft 138 Größte Gaudi Deutschlands Der Volksgarten in Nymphenburg 140 Paradies beim Atomei 141 Sportpark an der Isar 141 Park oder Pioniere? 142 Kunstwelt für Sport und Spaß 143 Ferien wie in der Stadt 144 Modelle für Stadtlandschaften 145 Utopia Entwürfe und Entwicklungen für eine Metropole 146 Humanopolis 148 Deltastadt 149 Megalopolis 148 Idealopolis 150 Metastadt 152 Profitopolis 153 Unianopolis 154 Polyzentrische Stadt 154 Gleichgewicht
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Anmerkungen Literatur Bildnachweis Über den Autor
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Vorwort Georg Kronawitter
Seit mehr als einem halben Jahrhundert berichtet Karl Stankiewitz kontinuierlich über München. Kein Wunder, wenn er als profunder Kenner unserer Stadt mehr aufzeigen und aus leuchten kann als so manche Zeitgeist-Autoren. Was an diesem Buch fasziniert, sind die Zusammen hänge, die sich in jeder Recherche zeigen und immer ein vertieftes Bild ergeben. Die subtilen architektonischen Beschreibungen, die sich der Autor aufgrund seiner Kenntnisse erlauben kann, beeindrucken. Er lässt den Leser über unterschied liche Vorschläge, Entwürfe, Planungen von Archi tekten und Verwaltung nachsinnen. Da werden nicht nur die gigantischen Monumentalbau-Planun gen der Nazizeit dargestellt, sondern auch die vergessenen, in der Nachkriegszeit aufkeimenden Vorstellungen, eine neue Stadt am Starnberger See oder im Perlacher Forst aus dem Boden zu stampfen - so groß wie das alte, zerstörte München.
Er bewundert die Dynamik Münchens, über sieht aber nicht Übertreibungen, Hirngespinste und Gefahren, die damit verbunden sein können. Auch für München-Kenner ist das über Jahrzehnte angesammelte Detailwissen interessant, einschließ lich der Aussagen und Planungen von prominenten Zeitgenossen, oft noch neu und interessant. Wer über München mehr wissen will, wer sich für historische Einblendungen interessiert, die Entwicklungszusammenhänge aufzeigen, wird bei der Lektüre dieses Buches auf seine Kosten kommen. Die zum Teil kurzgefassten Einzelthemen verhindern Langatmigkeit und sorgen für Spannung und Abwechslung.
Georg Kronawitter, geboren am 21. April 1928, war Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München von 1972 bis 1978 und von 1984 bis 1993. Er wurde zum Ehrenbürger ernannt wegen seines Einsatzes für soziale Gerechtigkeit und seiner frühen Erkenntnis ökologischer Dimensionen einer Stadtpolitik.
Karl Stankiewitz hellt interessante Hinter gründe auf, die heute nur noch wenigen bekannt sein können. Er stellt gerne Verbindungen her zwischen der historischen Entwicklung, geänder ten und gescheiterten Planungen bis zur heutigen Realität eines Stadtgebietes, dafür stehen beispiels weise die wechselvolle Entwicklungsgeschichte der Kohleninsel oder die Versuche, die Stadt geschichte zur Idylle, etwa zur „Reichskleinsied lung", zurückzudrehen. Dabei ist die Beziehung des Autors zur Stadt eher ambivalent.
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Mut zur Utopie Karl Stankiewitz
„Traumstadt München"- so der Titel einer Werbebroschüre des städtischen Fremdenverkehrs amtes, die in verschwommenen Bildern und flotten Texten kürzlich wieder einmal alle Schönheiten und Besonderheiten dieser Stadt schilderte. Als da seien: Pralles Leben und himmlische Genüsse, die Zauberwelt von Theater und Musik, die natürlich traumhaften Kunstsammlungen, die strahlenden Sommerresidenzen, die sinnenfrohen Feste und so weiter. Von solchen Träumen soll in diesem Buch nicht die Rede sein. Vielmehr soll es zwei andere, eher sachliche Projekte fortsetzen. Eine erste Anregung gab die erfolgreiche Ausstellung „München wie geplant" im Stadt museum, der ein Buch gleichen Titels folgte (Schiermeier Verlag München 2004). Es handelt sich jeweils um dokumentierte Planungen, nach denen die Stadt München sich seit ihrer Gründung 1158 konkret entwickelt hat und voraussichtlich bis 2008 weiter entwickeln wird. Allerdings meinte Oberbürgermeister Christian Ude, es bleibe wohl immer ein Traum der Stadtplaner, dass sich Städte nach Plan entwickeln. Umgekehrt gab es im Laufe der Jahrhunderte zahllose Pläne, die nie oder nur für eine kurze Überlebenszeit verwirklicht wurden. Gescheitert sind sie aus den verschiedensten, nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen.
Mit „Stadt der Träume" möchte ich außer dem anknüpfen an mein Buch „Babylon in Bayern" (edition buntehunde Regensburg 2004). Diese Sammlung von aktualisierten und kommen tierten Reportagen versuchte aufzuzeigen, „wie aus einem Agrarland der modernste Staat Europas werden sollte". Dokumentiert wurden überwie gend technologische Großprojekte im Freistaat, die nur unter Qualen, gegen heftigen Widerstand, mit immensen Investitionen und fragwürdigem Nutzen realisiert wurden oder immer noch in Schwebe sind oder schnell scheiterten (siehe WAA, Transrapid, Kernfusion). Aber was heißt hier schon scheitern? Eine Utopie ist nicht von vornherein ein Hirnge spinst, das sich zwangsläufig in Nichts auflöst. Jede Utopie, soweit nicht Eigennutz oder Größen wahn die Triebfedern sind, ist ein Denkmodell von einem neuen Land, einer neuen Stadt, von der „nova insula Utopia" des Thomas Morus. Und alles, was im Kopf entsteht, was durchdacht
und vielleicht sogar aufgezeichnet ist, bietet sich zunächst als eine mindestens geistige Bereiche rung an. Vieles, was Zeitgenossen utopisch erscheint, erweist sich irgendwann doch als ver nünftig und machbar, im Fall München beispiels weise die systematischen Entwürfe von Vorstädten und Ringstraßen. Sogar von großen Irrwegen führt manchmal noch ein Strang weiter, wie bei den Nazibauplänen, die zum Teil in die Wiederauf bauplanung einflossen. Immer bleiben Spuren, auch wenn sie längst verwischt und vergessen sind. Dieses Buch will versuchen, einige davon wieder zum Vorschein zu bringen, in der Regel ohne Wertung. Utopien sind Vorbedingung oder Begleiterscheinung der Kreati vität, auch und nicht zuletzt in unserer urbanen Umwelt. Keine Entwicklung ohne Mut zur Utopie. Es bleibt der Fantasie des Leser überlassen, sich auszumalen, was aus München geworden wäre, wenn das eine oder andere jener SuperProjekte, die Stadtplaner und Architekten, Fürsten, Faschisten und freie Denker im Verlauf der bald 850-jährigen Stadtgeschichte entworfen haben, verwirklicht worden wäre. Eine Reißbrettstadt wie Mannheim? Eine künstliche Kapitale wie Brasilia? Ein bajuwarischer Weltstadtwahn wie Babylon? Oder tatsächlich ein Traumstadt-Paradies wie in Literatur und Werbung und sonst nirgendwo? Für Hilfe bei der Recherche habe ich zu dan ken: den Damen und Herren im Stadtarchiv, der Stadtbibliothek, der Monacensia und dem Archiv des Deutschen Museums sowie den Herren Gerhard Gross von der Stadtentwicklungsplanung, Cornelius Esau vom Archiv der Süddeutschen Zeitung, Dr. Hans Lehmbruch vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Franz Schröther von der Geschichtswerkstatt Neuhausen, Franz Lindemair von der Deutschen Bahn, den Architekten Ernst Götz, Stephan Braunfels, Claus Ulrich Schmidt, Wolfgang Wirth und Hermann Grub. Die Beiträge aus der Zeit nach 1950 basieren im wesentlichen aus eigenen aktuellen Zeitungsberichten und Reportagen von damals.
München im Herbst 2005 Karl Stankiewitz
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Wenn Herrscher träumen Projekte der regierenden Fürsten
Ganz München ist das Produkt eines Traums, der brutal verwirklicht wurde. Heinrich der Löwe, Herzog von Baiern und Sachsen, neidete dem Bischof Otto von Freising das Zollgeschäft am Isarfluss beim heutigen Ort Oberföhring, wo sich alte Fernhandels straßen kreuzten und Flösse mit Waren aus dem Süden anlegten. Heinrich träumte davon, die Transport wege unter seine Kontrolle zu bekom men. Kurzerhand ließ er ein Stück süd lich, bei der 1158 erstmals erwähnten Mönchskolonie „munichen", eine neue Brücke bauen und den sehr ein träglichen Handel vor allem mit Salz umleiten. Markt und Münzprägestätte folgten, eine Siedlung wuchs. Und die vom Kaiser Friedrich Barbarossa ver fügte Rückverlegung des Marktes nach Föhring blieb eine Utopie - wie so manches Projekt, das Fürsten für München angeordnet und mit viel Geld vorfinanziert hatten.
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Die radiale „Carlstadt" Ein Stadtprojekt in Nymphenburg
Die ideale Stadt sollte es werden. Eine Stadt mit kleinen, symmetrischen Häusern, beiderseits von Kanalachsen. Mit geometrisch angeordneten Straßen. Bewohnt von Handwerkern, die den Grund kostenlos erhalten und keine Steuern zahlen sollten. Jedermann, ausgenommen „Missethäter", hätte sich dort niederlassen dürfen. „Frey Nahrung, Handel und Wandel" waren garantiert. Schnell und unparteiisch sollten Justiz und Polizei handeln. Ein Muster von sozialer Ordnung und Geometrie mitten im schnörkelreichen, feudalen Rokoko? „Carlstadt"-unter diesem Namen ist das Projekt in einigen Dokumenten vage erwähnt. Erdacht hatte es wohl Kurfürst Carl Albrecht (oder ein Berater), der ab 1726 in Bayern regierte. Die Stadt sollte entstehen zwischen dem von seinem Vater, Kurfürst Max Emanuel, nach französischem Vorbild erbauten Schloss Nymphenburg und der Residenzstadt München. Realisiert wurden dann aber nur ein Stück Kanal und das Rondell, von dem aus die Achsen radial ausstrahlen sollten. ' Keinerlei Infrastruktur sei erkennbar, nur etwas Randbebauung, wo einige Hofbedienstete angesiedelt wurden, zweifelt Ernst Götz, heute Architekt und Denkmalpfleger bei der bayerischen Schlösserverwaltung, an einer echten Stadtgrün dung. Dafür fehlte schon das Geld. Der Herrscher hatte eine große Schuldenlast geerbt und seine Stadtresidenz war halb ausgebrannt. „Meine armen Kinder, mein armes Land, vergebt einem armen Vater," waren seine letzten Worte, als er 1745, drei Jahre nach seiner Krönung zum deut schen Kaiser, an einem Herzschlag starb.
DELINEATE) (ÎENF.ILALIÿ AJffnClORUMjriODRIWUTirNYMI’fttNBlJRGÆ. ARON ILLITIX PRiVSTANTKflMÆ. PER IBJR.V. I INDIK 51‘ATirjM A MONAClUO DtflANTlK ÎJNA (*TfM PAKTE REGIONTIM ADIATENTTUM DEIHCATA . IO \TS.
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Seit dem Babylonischen Turm träumen die Menschen von Bauwerken, die den Himmel berühren. Erst im späten 19. Jahrhundert wurden die „Wolken kratzer" in Amerika neu erfunden. Und dann dauerte es noch Jahrzehnte, bis auch München vom Hochhaus-Fieber ergriffen wurde. Viele Pläne keimten und reiften hier in den 20-er Jahren, und fast alle scheiterten - so wie der 78 m hohe Palast von Babel. Zwar kam die Idee von ganz hohen Häusern nach dem Zweiten Weltkrieg wiederum hoch. Doch es blieb lange noch bei bloßen Diskussionen: über Nutzen und Schaden und Machbarkeit von Hochhäusern in oder am Rand einer alten Stadt. Neue Techniken kamen. Erst in jüngster Zeit wurden und werden neue Hochhäuser entworfen und gebaut - die Geburts wehen sind allerdings dramatisch.
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Deutsche Verkehrsausstellung in München 1925
Ausstellungsplakat
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STELLUNG DER HOCHBAUTEN IM STADTBILD MÜNCHENS
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Vorschlag zum Ausbau eines Hochhausrings um die Münchner Altstadt
Hochhaus-Projekt für den Sendlinger-Tor-Platz Theodor Fischer, 1921
Herman Sörgel, 1921/1925
Sörgels Hochhaus-Ring
Bald nach dem Ersten Weltkrieg grassierte in deutschen Städten eine wahre „TurmbauEpidemie"; man war anscheinend infiziert durch die spektakulären Sky Scrapers in Amerika und durch Ideen aus dem revolutionären Russland, wo etwa ein Ring von „Wolkenbügeln" rund um den Stadtkern von Moskau geplant war. In einem Buch über Kunst und Architektur der Zwanziger Jahre begründet die Kunsthistorikerin Ann Grünberg den damaligen Boom: Das Hochhaus galt als Symbol: für den wirtschaftlichen Aufschwung, den tech nologischen Fortschritt und das internationale Ansehen. Es signalisierte ein Ende von Wohnungs not und Arbeitslosigkeit. Neben Berlin und Breslau war München ein Brennpunkt. Am 26. Januar 1921 konnte der sozialdemokratische „Vorwärts" über erste „WoIkenkratzerprojekte" berichten. Sechs Tage später diskutierte der Stadtrat über diese Visionen. Ein Ausschuss erarbeitete Rahmenrichtlinien und stellte fest, dass ein
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Hochhaus „bei der oft öden Gleichförmigkeit und Charakterlosigkeit mancher moderner Straßen züge ... an rechter Stelle das Straßenbild ganz außerordentlich zu beleben und zu wahrhaft künstlerischer Wirkung zu steigern imstande ist". Die eigentliche Altstadt aber sei im Interesse „harmonischer Wechselwirkung zu dem alten Bestände" möglichst zu schonen. Trotzdem wur den von privater Seite gewaltige Bauten etwa für den Sendlinger-Tor-Platz, den Maximiliansplatz und die Zweibrückenstraße ersonnen. Für den Viktua lienmarkt entwarf der Architekt Otto Orlando Kurz gleich drei Hochhäuser: ein zylinderförmiges, ein rechteckiges und ein sehr ausladendes, das ein Hotel werden sollte. Die Skizzen faszinierten auch den schriftstel lernden Regierungsbaumeister Herman Sörgel.26 Der war zuvor schon hervorgetreten mit der Idee einer breiten, von Arkaden und hohen Häusern umsäumten „Straße der Republik", sie sollte vom Wittelsbacher Platz quer durch das westliche Schwabing über den Elisabethplatz zum Nord friedhof führen. Durch den Bau einer großen Avenue, meinte Sörgel, könnte der junge Freistaat
Projekt für ein Hochhaus am Viktualienmarkt
Hochhaus-Projekt für München Otto Orlando Kurz, 1921
Otto Orlando Kurz und Eduard Herbert, 1921
Bayern beweisen, dass er imstande sei, gleich der soeben abgedankten Wittelsbacher-Dynastie etwas Monumentales zu schaffen. Der Vorschlag wurde erst 1925 in der Fachzeitschrift „Baukunst" veröffentlicht, eine Diskussion darüber fand offen bar nicht statt. Später machte Sörgel von sich reden mit der Idee, das Mittelmeer durch Sperren bei Gibraltar in Land zu verwandeln, 1928 gründete er in München ein „Atlantropa-Institut". Im Architekten Kurz hatte der Utopist Sörgel einen Verbündeten gefunden. Ein „starkes neues städtebauliches Moment" schwebte ihm vor, näm lich ein Kreis von Türmen rund um die Altstadt mit dem Dom als Mittelpunkt. Umkreis: 1,5 km. Fünf bestehende Kirchen sowie die Türme des Deutschen Museums und der Technischen Hoch schule sollten als Dominanten dienen, dazu kämen vier neue Hochhäuser zwischen Hacker brücke und Isar. Sörgel und Kurz entwarfen Kuben mit 15 Stockwerken und je zehn Aufzügen. Sie sollten 50 m hoch und aus Eisenbeton konstruiert sein. Um sie „für Menschen erträglich" zugestal ten, schlug Sörgel einen „Münchner Stil" vor, mit Vorbauten, Strebepfeilern und Türmchen.
25 Planskizzen und erste Kostenvoranschläge über 43 Millionen Mark sind erhalten. Auch Theodor Fischer, Professor an der Technischen Hochschule, entwarf 1924 eine Reihe von Hochhäusern mit 22 bis 27 Geschossen.27 Alle diese Vorschläge und Standorte wurden von einem Ausschuss geprüft und verworfen - bis auf das 45 m hohe Technische Rathaus von Hermann Leitensdorfer, das 1928/29 am Angertor für 1350 Beamte gebaut wurde und noch bis nach dem Zweiten Weltkrieg mit seinen elf Geschossen das einzige Hochhaus der Münchner Innenstadt blei ben sollte. In seinem Buch „Die Wolkenkratzer kommen" benennt Dietrich Neumann, Professor für neuere Baugeschichte in Providence, Rhode Island, die Gründe für das damalige Scheitern sehr knapp: kein wirklicher Bedarf für Bürohoch häuser, kein Geld, wichtigere Probleme.28
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Häuser wie Nester am Baum
Projekt für Hängehäuser Hans und Bodo Rasch, 1927/28
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In Zukunft werden Häuser nicht mehr gebaut, sondern gehängt. Wie Vogelnester am Baum. Die Wohn- und Bürowaben schweben frei über dem Boden; sie sind lediglich an der Spitze eines Mastes befestigt. Dadurch bleibt die Grundfläche weitgehend frei für den Fußgänger- oder den Straßenverkehr. Über diese revolutionierende Bau weise berichteten Bauingenieure und Architekten im März 1963 in München auf der, wie es hieß, „ersten Pressekonferenz Europas zum Thema Hängehochhäuser". In Antwerpen wurde das erste Gebäude die ser Art für einen Mineralölkonzern fertiggestellt. Es hat mit seinen zwölf Etagen beträchtlich weni ger gekostet als ein gleich großes Hochhaus. In England steht ebenfalls schon ein Rohbau, bei dem die Hängemethode mit dem Fertigbau kom biniert wurde. In Dawly bei Wellington ist sogar eine ganze Satellitenstadt in Hängebauweise geplant. Die Hängehochhäuser sollen buchstäblich „wie Pilze aus dem Boden wachsen", erläuterte der deutsche Baumeister Hans Rasch sein Projekt aus dem Jahr 1928.29 Man erstellt zunächst den zentralen Tragschaft, den Kern des projektierten Gebäudes. Dieser nimmt Fahrstühle, Installations stränge und Treppen auf. Am oberen Ende liegt der nach mehreren Seiten ausladende Kopf auf. Er besteht aus einer schweren Stahlkonstruktion. Daran werden nun die einzelnen Decken der Etagen, von oben nach unten, durch Stahlzug glieder befestigt. Da man die unterste Etage bis auf etwa 4,50m Bodenhöhe herunter abhängen kann, könnte man Häuser über Straßen hinweg führen, sagte Rasch, der bereits das Modell einer ganzen City von runden, luftig anmutenden Hängehochhäusern gefertigt hat. Auch bleibe Platz für Einkaufszentren in Pavillonbauweise und für angrenzende Park flächen. Rentabel sind solche Häuser allerdings erst ab acht bis neun Stockwerken.
Macht das Hochhaus krank?
Häuser aus Pappe und Luft
„Macht die Stadt krank?" So ließen sich namhafte Fachleute im Mai 1973 bei einem Podiumsgespräch im Münchner Ärztehaus befra gen. Schnell wurde das Hochhaus als Gefährdungs potential ausgemacht, neben Verkehr, Industrie und modernem Haushalt, wo die Zusammenhänge zwischen den durch technische Geräte frei wer denden Energien und der Stahlbetonbauweise der Hochhäuser für die Forschung einige Fragen offen ließen. Präsentiert wurde eine neue Untersuchung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, wonach Familienschwierigkeiten und Scheidungen in Hochhäusern häufiger aufträten. Weil es in Hoch häusern, zum Beispiel im Lift, öfter zu sozialen Kontakten komme, gäbe es hier mehr Möglich keiten von Infektionen, vermutete Professor Werner Klosterkötter, der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin. Auch sei noch zu untersuchen ob nicht durch die Turbulenzen in den Schächten oder durch herab drückende Luftschichten bei bestimmten Wetter lagen eine erhöhte gesundheitliche Belastung in Hochhäusern auftreten könne. „Wir haben noch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Wohnen im Hochhaus allgemein krank macht," erwiderte Dr. Hubert Abreß, Staats sekretär im Bundesstädtebauministerium, der in München das erste Amt für Stadtforschung aufge baut hatte und jetzt selbst in einem Bonner Scheibenhochhaus wohnt. Immerhin sei schon erwiesen, dass Kinder aus oberen Stockwerken eher verhaltensgestört seien als andere Kinder.
Das Hochhaus, der Stahlskelettbau, hat keine großen Chancen mehr, weil es auf die Dauer zu aufwändig und in mancher Hinsicht zu unsicher ist. Vielmehr werden Fertighäuser in Leichtbauweise, meist aus Holz wie in alten Zeiten, am Fließband produziert werden wie heut zutage die Autos, was die Lohnkosten auf die Hälfte senken dürfte. Spätestens bis zum Jahr 2000 wird auch im Bauwesen die „Steinzeit" zu Ende sein. Diese Prognose stellte Professor Dr.-Ing. Günter Kühn von der Universität Karlsruhe in einer Forschungsarbeit „Neue Technologien für die Baustellen der Zukunft", die Bundesbaumini ster Karl Ravens im März 1977 auf der 18. Inter nationalen Baumesse (BAUMA) in München der Öffentlichkeit vorgelegt hat. Das „Recht auf Arbeit", die zunehmende Wohnbevölkerung und die Verknappung von Land nannte Ravens zur Begründung dafür, dass die Bautechnik nur maßvoll weiterentwickelt und die Hochbauten nur noch planmäßig in den Himmel wachsen werden. Der Bayerische Landesdenk malrat hat eine Empfehlung verabschiedet, wonach Hochhäuser grundsätzlich eine das „Ensemble" eines Ortes schädigende Wirkung haben. Trotzdem wurden auf der Münchner Theresienhöhe im Zuge der „urbanen Explosion" bahnbrechend neue Techniken vorausgesagt. Professor Kühn glaubt, das sich nicht nur an den nordamerikanischen Küsten, sondern auch im Gebiet zwischen Düsseldorf und Dortmund ein „Megalopolis" entwickeln werde. Die Bautechnik wird damit Schritt halten müssen. Großhubschrauber und Arbeitsluftschiffe (mit Kränen für 1000 Tonnen an Bord) würden künftig komplette Fertighäuser transportieren und montieren, sagt Kühns Team voraus. Das mühsame Eisenflechten ist dabei nicht mehr nötig, weil der Beton bis zur Jahrhundertwende durch Beimischen von Metall, Mineral- oder Kunstharzfasern oder direkt durch Kunststoffzusätze zugfest und biegsam sein wird. Da die Feuerbeständigkeit immer mehr an Bedeutung gewinnt, dürften außer Betonfertig teilen auch, - etwa als Dächer - Luftkissen wie im Baukasten montiert werden.
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Hochhausstudie 1996 Fortschreibung der Hochhausstudie von 1995 Entwicklungsgebiete und Standortvorschläge
Detlef Schreiber, 1996
Zwei Visionen Hochhausgutachten für München30 Nachdem in den 70-er Jahren einige Sternund Punkthochhäuser für Wohn- und Gewerbe zwecke entstanden waren (in Sendling und Bogenhausen) und 1981 mit dem Hypo-Hochhaus erstmals das magische Maß von 14 m über der 100 m hohen Frauenkirche erreicht war, ließ die Stadtverwaltung 1995 von Professor Ferdinand Stracke und Detlev Schreiber neue Hochhaus-Studien mit Leitlinien zu Raumstruktur und Stadtbild erarbeiten. Um diese Zeit gab es in München bereits 197 Häuser, die höher als 40 m waren und etwa zwölf Stockwerke aufwiesen. Laut Baurecht gelten als Hochhäuser allerdings alle Gebäude, deren Fußboden mehr als 22 m über dem natürlichen Grund liegen - und das waren jetzt in München immerhin schon über 1800 Gebäude. Hochhäuser sollen demnach ein „besonderer Bautyp" in München bleiben und kein Regelfall werden, so wurde grundsätzlich festgelegt. Als geeignete Standorte könnten „Stadttor-Situa tionen" wie Stadteinfahrten, Kreuzüngsbereiche und Schnittpunkte gelten. Alle Projekte sollen danach geprüft werden, wo und wie sie im Stadtbild in Erscheinung treten, ob historisch wert volle Bauten verdeckt werden und wie sich die geplante Höhe in die Silhouette der Stadt einfügt. Ziel ist die Verbindung von Tradition und zeit gemäßem Bauen und Gestalten, die so genannte „Münchner Mischung".
Hochhausstudie 1996 Hochhäuser im Rahmen von Strukturverdichtung Standortpotentiale für Hochhäuser Prof. Ferdinand Stracke, 1996
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Hochhaus-Projekt Süddeutscher Verlag Gewers, Kühn + Kühn, 2004
Langenscheidts „Buchhaus"
Mitte der 90er Jahre tauchte in den Bebau ungsplänen ein Hochhaus mit 26 Geschossen auf, das am Nordrand Münchens entstehen sollte. Seine Höhe schwankte in der Vorstellung der Archi tekten zwischen 99 und 115 m. „Es war letztlich nie ein geplantes Hochhaus," schränkt der damalige Projektmanager Claus Ulrich Schmidt ein. Vielmehr handelte es sich um das mit dem 1. Preis bedachte Ergebnis eines städtebaulichen Wettbe werbs, der die Baumassen in einer künftigen Parkstadt am Schwabinger Autobahnende sinnvoll verteilen sollte. Auf einer Gesamtfläche von 400 000 m 2 sollen 1500 Wohnungen und 12 500 Arbeitsplätze entstehen. Man sprach von einem „Buchhochhaus". Aber dieser Name war auch nicht offiziell, sondern rührte daher, dass die Verlagsgruppe Langen scheidt als Grundstückseigner auftrat und dass die abgerundete Südseite tatsächlich dem Rücken eines Buches ähnelte. Zur Realisierung kam es deshalb nicht, sagt Schmidt heute, „weil wir alle sehr früh erkannten, dass die Konturen des Gebäudes samt Nebenbauten und insgesamt die Dimension auf dem Markt nicht funktionieren konnte". Es war immerhin nötig, zwölf Grund stückseigentümer für die Parkstadt unter einen Hut zu bringen. Noch lagen in München auch nur wenig Erfahrungen mit privatwirtschaftlich betriebenen Hochhäusern vor, ein so einfaches Management wie bei den Wolkenkratzern von BMW und Hypo war hier nicht gegeben. Offen blieb die Frage: Wer sollten die Investoren (Nutzer) eines „Buch hochhauses" sein, das (noch) nicht in eine Stadt landschaft eingebunden war? Schmidt, zuletzt zu ständig für die Entwicklung des Verlagssitzes: „Der Immobilienmarkt machte es nicht gerade einfach." Weiter gebaut wird indes an der von André Perret entworfenen Parkstadt Schwabing unter dem Motto: „Kompakt - urban - grün". In der zweiten Hälfte des Jahrzehnts sollen die Hoch häuser entlang der Autobahn fertig sein. Das „Gate" selbst, die 126 und 113 m hohen Scheiben der „Highlight Towers" mit ihren tech nologisch wie ökologisch einzigartigen Glas-Edelstahl-Fassaden und 33 Geschossen, kann schon seit September 2004 bezogen werden, doch noch stehen viele Räume leer.
Kronawitters „Vierkantbolzen"
Anfang 2004 waren in München sieben Hochhäuser sowie eine ganze Hochhausgruppe in Bau oder in Planung. Da griff der frühere Ober bürgermeister Georg Kronawitter ein. Mit Unter stützung alter politischer Freunde und Gewerk schafter, aber auch von einigen besorgten Archi tekten polemisierte er gegen die von seinem Nachfolger Christian Ude geförderte „Verschan delung der Stadt durch Vierkantbolzen", von denen einige die schönsten historischen Sicht achsen beeinträchtigen würden. Durch unermüdliche Gespräche mit Bürgern, Infostände und großes Echo in der Presse (die seine Bestrebungen allerdings mehrheitlich missbilligte) erreichte der immer noch populäre „Schorsch", nachdem er auch die nötigen 35 000 Unterschriften gesammelt hatte, einen Bürgerent scheid. Am 22. November 2004 sprachen sich die Münchner mit der knappen Mehrheit von 50,8 % gegen 49,2 % der abgegebenen Stimmen dafür aus, dass künftig kein Haus mehr höher als die 100 m hohen Frauentürme gebaut werden darf. Damit sind drei Münchner Projekte in ihrer ursprünglichen Fassung gescheitert: die 148 und 112m hohen Türme des seit gut drei Jahren für die künftige Siemensstadt geplanten HochhausEnsembles, das nach Ansicht der KronawitterGruppe die freie Sicht auf die Alpen stören würde; die auf 145 m Höhe angelegte Zentrale des Süddeutschen Verlags, die schnell und raffiniert auf 99,95 m gekappt wurde; und die Hochhaus-Gruppe am Birketweg in Laim, die aber der Feriensenat des Stadtrats zuvor schon auf maximal 60 m herunter gestuft hatte, um die Sicht auf das Nymphenburger Schlossrondell nicht zu gefährden.
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Verplante Grünanlagen
edikt Engi 1902/03
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Grüne Lungen braucht die Stadt. München braucht sie besonders, weil sein Boden dichter „versiegelt" ist als der jeder anderen westdeutschen Großstadt und die Luftqualität ohnehin nicht die beste ist. Deshalb haben fast alle Verantwortlichen in Stadt und Staat stets darauf geachtet, dass die großen Grünflächen, die nicht weiter als fünf Kilometer vom Marienplatz entfernt sind, nicht nur in ihrer Schön heit erhalten bleiben, sondern auch in ihrer Funktion als Erholungsräume und als Luftfilter. Trotzdem haben die beliebten Freiflächen immer wieder Spekulanten angelockt und auch manche Stadtväter zu utopischen Vorstellungen hingerissen. Solche Begehrlichkeiten betrafen sowohl den Englischen Garten und die Theresienwiese im Zentrum wie auch den Perlacher Forst, der sich im Süden keilförmig in die Vorstädte schiebt und sie entlüftet. Das Oberwiesenfeld, ab 1919 erster Verkehrsflughafen, wurde bis 1965 als Exerzierplatz genutzt und dann zum Olympiapark veredelt. Nur die Isarauen waren, des häufigen Hochwassers wegen, nie von einer Bebauung bedroht.
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Projekt eines „Architekturgartens" im Englischen Garten Planungsabteilung des General baurats für die Hauptstadt der Bewegung, 1941
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Alarm im Englischen Garten Eingriffe in den schönsten Park der Stadt
Einer der größten und schönsten Stadtparks der Welt soll zerstückelt werden durch eine 25 m breite „Lastenstraße". Das im Sommer 1955 bekannt gewordene Projekt des Stadtbauamtes bezweckt auf schnellstem Wege die Autobahnen nach Salzburg und Nürnberg miteinander zu ver binden. In der Bevölkerung hat es einen Sturm der Entrüstung entfacht, monatelang tobte er in den Lokalteilen der Zeitungen. „Das Ganze ist die erste große Verfallser scheinung einer sehr liebenswerten Stadt," fasste der aus Berlin stammende Schriftsteller, Journalist und Schauspieler Walter Kiaulehn die Befürch tungen zusammen. Auch der Freistaat Bayern, dem die Verwaltung des 1789 von Kurfürst Karl Theodor angelegten Englischen Gartens obliegt, wehrt sich gegen den rücksichtslosen Eingriff. Angriffe und Eingriffe hatte es schon früher gegeben. Kronprinz Ludwig, der spätere König und Stadtplaner, wollte seine Walhalla eigentlich am Münchner Biederstein bauen und diesen dann dem Englischen Garten einverleiben.3' 1825 musste der Müller Hartl seine Mühle am Schwabinger Bach abreissen. Aber bald darauf siedelten sich genau dort ein Fabrikant nach dem anderen an, setzten an den Parkrand einSchloss, einen kleinen Tierpark, Teich und Restaurant im Rosipalgarten und machten pleite. 1883 zog der Kriegsminister von Maillot ein.
1891 legte der städtische Baurat von Brandl einen Plan für hohe Miethäuser gegenüber dem Prinz-Carl-Palais vor. Das Innenministerium geneh migte ihn, der Magistrat lehnte ihn nach Protesten ab. 1924 machte das Projekt eines großen Bau unternehmers Furore, wieder ging es um „rentable Bauten" in Randzonen des Englischen Gartens. Diesmal lehnten Stadt und Staat ab. 1922 sah ein Generalplan eine 700 m lange Straßenbahn zwischen Schwabing und Bogenhausen mitten durch den Englischen Garten vor, ein konkreter Plan wollte sie zwei Jahre später über Kleinhesse lohe führen, mit einem Halt am See. In den 30-er Jahren entstanden zwei Durchfahrtsstraßen. 1937 fielen auf „Führerbefehl" 289 Bäume der Verbreiterung der Königinstraße zum Opfer. Geplant war darüberhinaus auch ein überdimen sionaler Architekturgarten zwischen Max-JosephBrücke und der Hirschau. In der Wirtschaftswunderzeit der 50-er Jahre, als auch München zunächst noch der „autoge rechten Stadt" huldigte, weckte das große Natur reservoir am Rand der City abermals die Begehr lichkeit von Stadtplanern und Bauunternehmern. Von den Randgebieten her stießen sie immer tiefer in das grüne Herz vor. Gewaltige Betonkomplexe entrissen dem Grünland große Stücke: Auf dem Gelände eines Treibhauses durfte sich, wohl nicht ohne amerikanischen Druck, der Propagandasender Radio Free Europe ausbreiten. Und das zur Brache verkommene Maillot-Grundstück kaufte 1955 eine große Versicherung, um einen Verwaltungsbau mit 700 Arbeitsplätzen an den Bach zu stellen.
Projekt einer Straßenbahntrasse durch den Englischen Garten
Stadtwerke München, 1996
Trotzdem ist das Areal mit seinen uralten Bäumen, seinen Bänken und Seen, das mit genau 373,43 ha größer ist als die gesamte Münchner Innenstadt, eine letzte Insel der Erholung in der werdenden Millionenstadt geblieben. In den Sommermonaten wandern rund eine Million Menschen durch den Englischen Garten, machen Kaffeepause am Kleinhesseloher See, besteigen den idyllischen Monopteros-Hügel, hören Freiluft konzerte am (wiederaufgebauten, aber nicht mehr zugänglichen) Chinesischen Turm oder lassen sich mit einem der letzten Fiaker zum Aumeister fahren, wo die stillen, wilden Isarauen beginnen. „Wie lange noch, dann wird auch diese Zufluchtstätte des bedrängten Großstädters dem letzten so genannten Verkehrsbedürfnis zum Opfer fallen," schrieb damals der Autor dieses Buches. Drastischer zog in einer Bürgerversammlung der Arzt Dr. Breidenbach, Vorsitzender der „Schutz gemeinschaft Englischer Garten", die möglichen Konsequenzen: „In wenigen Jahren wird die Stadt weit mehr Geld für Irrenhäuser ausgeben müssen." Im September 1956 legte die Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung ein Gutachten vor, auf Grund dessen einige Modell skizzen für Randbauten am Englischen Garten entstanden.32 Sie verschwanden alle im Stadt archiv. Doch ein Jahr später sah es plötzlich so aus, dass der Englische Garten nun doch dem so genannten Verkehrsbedürfnis zum Opfer fallen würde. Nach dem jahrelangen Zögern fasste der Stadtrat in einer ziemlich überstürzten Sitzung den Beschluss, die „Lastenstraße" zu bauen.
Wieder war große Empörung angesagt. „Das bedeutet den Tod des Englischen Gartens," rief ein oppositioneller Stadtrat erregt. Protestdele gationen bestürmten das Rathaus. Der Verein der Freunde des Englischen Gartens reichte eine Auf sichtsbeschwerde gegen die Stadt ein. Aber nicht nur das Bürgertum, sondern auch der Staat sagte der Stadt die Fehde an. Kein Fußbreit staatlichen Bodens solle für die geplante Straße hergegeben werden, versprach Finanzminister Friedrich Zietsch (SPD), ein engagierter Naturfreund. Viele Jahre später griff eine Münchner Zeitung noch einmal die Straßenbahn-Idee auf. Aber trotz eifriger Kampagne wollten weder Stadt rat noch eine Bürgermehrheit ihren Englischen Garten zur Disposition stellen. Inzwischen ist er noch ein bisschen gewachsen und wird alljährlich von 3,5 Millionen Menschen besucht. Trotzdem bleibt in München ein Defizit an Grünflächen: mehr als die Hälfte des 310 km 2 großen Stadt raumes sind bebaut, asphaltiert, zubetoniert oder geschottert.
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