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German Pages 302 Year 1980
Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg
67 Band 1980
Nürnberg 1980 Selbstverlag des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg
Schriftleitung: Dr. Gerhard Hirschmann, Dr. Franz Machilek Für Form und Inhalt der Aufsätze und Rezensionen sind die Verfasser verantwortlich
Für Druckzuschüsse dankt der Verein der Stadt Nürnberg, der Stadtsparkasse Nürnberg und dem Bezirk von Mittelfranken
Gesamtherstellung: Buchdruckerei Ph.C.W. Schmidt, Neustadt/Aisch Offset-Lithos: Firma Döss, Nürnberg Alle Rechte, auch des Abdrucks im Auszug, Vorbehalten. Copyright by Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg (Geschäftsstelle: Egidienplatz 23, 85 Nürnberg 1) ISSN 0083—5579
INHALT Wolfgang Leiser, „Kein doctor soll ohn ein solch libell sein“ — 500 Jahre Nürnberger Rechtsreformation .......................................... 1 Jörn Reichel, Hans Rosenplüt genannt Schnepperer. Ein Handwer kerdichter im spätmittelalterlichen Nürnberg ........................... 17 Elisabeth Roth, „Got und der lieb herr s. Sebolt“ — Nürnbergs Stadtpatron in Legende und Chronik.......................................... 37 Niklas Holzberg, Willibald Pirckheimer als Wegbereiter der griechi schen Studien in Deutschland ..................................................... 60 Kersten Krüger, Albrecht Dürer, Daniel Speckle und die Anfänge frühmoderner Stadtplanung in Deutschland .............................. 79 Klaus Fräßle, Die Kolonnaden auf dem Nürnberger Hauptmarkt nach den Entwürfen Carl Hallers von Hallerstein.............................. 98 Fritz Küster, Die Einführung des Dienstbuchs in Nürnberg in den Jahren 1819—1821 durch Martin Wilhelm von Neu ............... 116 Fritz Zink, Straßen und Plätze Nürnbergs und der Umgebung auf Wandkalendern der Romantik und Biedermeierzeit (1822—1856) 136 Rudolf Endres, Der „Fränkische Separatismus“ — Franken und Bayern im 19. und 20. Jahrhundert.............................................. 157 Miszellen Roland Seeberg-Elverfeldt, Beziehungen zwischen Nürnberg und Reval im 16.—18. Jahrhundert..................................................... Peter Zahn, Ehemalige Inkunabeln der Stadtbibliothek Nürnberg in der Bibliotheque Nationale Paris................................................. Helmut Stahl, Ingenieurausbildung in Nürnberg im Wandel der Strukturen .................................................................................... Zu MVGN Band 66/1979, Seite 407—410 .......................................... Buchbesprechungen (im einzelnen siehe Rückseite) Neue Arbeiten zur Nürnberger Geschichte Jahresbericht über das 102. Vereinsjahr 1979
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BUCHBESPRECHUNGEN Werner Schultheiß, Satzungsbücher und Satzungen der Reichsstadt Nürnberg aus dem 14. Jahrhundert. 2. Lieferung (Einleitung 2. Teil, Sachregister), Nürnberg 1978. (Otto Puchner) .......................................................................................................................... Wilhelm Schwemmet und Martin Lagois, Die Sebalduskirche zu Nürnberg, Nürnberg 1979. (Gerhard Hirschmann) ...................................................................................... Martin Sicherl, Johannes Cuno. Ein Wegbereiter des Griechischen in Deutschland, Heidelberg 1978. (Niklas Holzberg) ........................................................................... Harold J. Grimm, Lazarus Spengler, a Lay Leader of the Reformation, Columbus (Ohio) 1979. (Jürgen Lorz) ...................................................................................................... Wolfram Wettges, Reformation und Propaganda, Stuttgart 1978. (Rudolf Endres) . Die Töne der Meistersinger, hrsg. von Horst Brunner und Johannes Rettelbach, Göppin gen 1980. (Dieter Merzbacher)...................................................................................... Erich Strass ne r, Graphemsystem und Wortkonstituenz, Tübingen 1977. (Horst Brun ner) ....................................................................................................................................... Hans Sachs, Ausstellungskatalog. Göttingen 1979. (Horst Brunner) ........................... Anne-Kathrin Brandt, Die „tugentreich fraw Armut“, Göttingen 1979. (Franz Machilek) Ernst Kaussler, Ein Pfälzer in Polen, Die Landauer Boner und ihre Weißenburger Freunde, Neustadt a. W. 1974. (GerhardMammel).................................................... Das alte Nürnberger Rathaus. Baugeschichte und Ausstattung des großen Saals und der Ratsstube, bearb. von Matthias Mende, Nürnberg 1979. (Erich Mulzer) .... Das Germanische Nationalmuseum Nürnberg 1852—1977, hrsg. von Bernward Deneke und Rainer Kahsnitz, München 1978. (Hans-Ulrich Thamer) ........................... Hermann Rusam, Untersuchung der alten Dorfkerne im städtisch überbauten Bereich Nürnbergs, Nürnberg 1979. (RichardKölbel) ............................................................. Georg Eibert, Unternehmenspolitik Nürnberger Maschinenbauer, Stuttgart 1979. (Ru dolf Endres)...................................................................................................................... Heinrich Hirschfelder, Die bayerische Sozialdemokratie 1864—1914, Erlangen 1979. (Dieter Rossmeissl).......................................................................................................... Festschrift zur 125-Jahr-Feier der Blindenanstalt Nürnberg 20. 7. 1979, Nürnberg 1979. (Albert Bartelmeß) .......................................................................................................... Festschrift zur Einweihung der Blindenanstalt Nürnberg 29. 9. 1979, Nürnberg 1979. (Albert Bartelmeß) .......................................................................................................... Nürnberger Altstadtberichte Nr. 3, hrsg. von den Altstadtfreunden Nürnberg e.V., Nürnberg 1978. (Walter Lehnert) .............................................................................. Friedrich Mayer, Nürnberg und seine Merkwürdigkeiten, ein Wegweiser für Fremde, Nachdruck von 1849, Erlangen 1980. (Gerhard Hirschmann) ............................... Peter Klaus Schuster und Tilmann Buddensieg, Peter Behrens und Nürnberg, München 1980. (Helmut Häußler) .............................................................................. Wilhelm Schwemmer, Aus der Vergangenheit der Vorstadt Wöhrd, Nürnberg 1980. (Walter Lehnert).............................................................................................................. Der Nürnberger Reichswald, hrsg. von Hartmut Beck und Hubert Weiger, Nürnberg 1980. (Johannes E. Bischoff).......................................................................................... Wolfgang von Stromer, Die Sophienquelle im Schloßpark zu Grünsberg im Nürnberger Land, erbaut 1724—28, wiederaufgebaut 1860 und 1979, Nürnberg 1980. (Albert Bartelmeß) ...................................................................................................................... Roßtal, Vergangenheit und Gegenwart, hrsg. von Hans Kreutzer und Robert Düthorn, Nürnberg 1979. (Albert Bartelmeß) ............................................................... 225 Jahre Erlanger Bergkirchweih 1755—1980, hrsg. von der Stadt Erlangen, Erlangen 1980. (Albert Bartelmeß) .............................................................................................. Walter Bauer, Die Reichsstadt Rothenburg und ihre Lateinschule, Rothenburg 1979. (Richard Kölbel) .............................................................................................................. Jahrbuch für fränkische Landesforschung, Bd. 39, hrsg. vom Zentralinstitut für fränkische Landeskunde und allgemeine Regionalforschung an der Universität Erlangen-Nürn berg, Neustadt/Aisch 1979. (Gerhard Hirschmann) ...............................................
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Oberfranken im Spätmittelalter und zu Beginn der Neuzeit, hrsg. von Elisabeth Roth, Bayreuth 1979.(GerhardPfeiffer) ................................................................................ Isolde Maierhöfer, Die Inschriften des Landkreises Haßberge, München 1979. (Peter Zahn).................................................................................................................................. Die Inschriften des Landkreises Bamberg bis 1650, hrsg. von Rudolf M. Kloos in Zusammenarbeit mit Lothar Bauer und mit Beiträgen von Isolde Maierhöfer, München 1980.(Peter Zahn) ....................................................................................... Gustav Voit, Der Adel an der Pegnitz 1100 bis 1400, Neustadt/Aisch 1979. (Franz Machilek) ........................................................................................................................ Wolfgang Wiessner, Historischer Atlas Hilpoltstein, München 1978. (Gerhard Hirsch mann) ........................................................................................................................ Heimat Franken, hrsg. von Ernst Eichhorn und Volker Liedke, München 1979. (Heinz Stafski) ........................................................................................................................
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VERZEICHNIS DER MITARBEITER Bartelmeß, Albert, Archivoberamtsrat, Stadtarchiv, Egidienplatz 23, 8500 Nürnberg 1 Bischoff, Johannes W., Stadtarchivar i.R., Habernhoferweg 2, 8521 Weiher Post Uttenreuth Brunner, Horst, Dr., Univ.-Prof., Esperstraße 29, 8521 Uttenreuth Endres, Rudolf, Dr., Univ.-Prof., An den Hornwiesen 10, 8520 Erlangen-Buckenhof Fräßle, Klaus, Dr., Keplerstraße 9, 7014 Kornwestheim Häußler, Helmut, Dr., Stadtarchiv, Egidienplatz 23, 8500 Nürnberg 1 H irschmann, Gerhard, Dr. Ltd. Archivdirektor, Stadtarchiv, Egidienplatz 23, 8500 Nürnberg 1 Holzberg, Niklas, Dr. habil., Henkestraße 65a, 8520 Erlangen Kölbel, Richard, Studiendirektor, Neuwerker Weg 66, 8501 Stein-Deutenbach Krüger, Kersten, Dr., Waldstraße 5, 2059 Klein Pampau, Herzogtum Lauenburg Küster, Fritz, Dr., Ltd. Verw.-Direktor a.D., Germersheimer Straße 157, 8500 Nürnberg 50 Lehnert, Walter, Dr., Archivoberrat, Stadtarchiv, Egidienplatz 23, 8500 Nürnberg 1 Leiser, Wolfgang, Dr., Univ.-Prof., Saarmühlenweg 16, 8524 Neunkirchen a.B. Lorz, Jürgen, Dr., Pfarrer, Am Kirchenbuck 1, 8544 Georgensgmünd Machilek, Franz, Dr., Archivoberrat, Staatsarchiv, Archivstraße 17, 8500 Nürnberg 10 Mammel, Gerhard, Dr., stellvertr. Direktor, Bildungszentrum, Gibitzenhofstraße 135, 8500 Nürnberg 70 Merzbacher, Dieter, wiss. Mitarb., Meuschelstraße 11, 8500 Nürnberg Mulzer, Erich, Dr., Studiendirektor, Viatisstraße 242, 8500 Nürnberg 30 Pfeiffer, Gerhard, D. Dr., Univ.-Prof., Schnepfenreuther Weg 15, 8500 Nürnberg 90 Puchner, Otto, Dr., Oberarchivdirektor i.R., Waldstromerstraße 11, 8500 Nürnberg 60 Reichel, Jörn, Dr., Rudolf-Diesel-Straße 21, 6832 Hockenheim Rossmeissl, Dieter, Dr., Studienrat, Auß. Sulzbacher Straße 32, 8500 Nürnberg 20 Roth, Elisabeth, Dr., Univ.-Prof., Universität Bamberg, Feldkirchenstraße 21, 8600 Bamberg Seeberg-Elverfeldt, Roland, Dr. phil., Ministerialrat i.R., Nietzschestraße 25, 5300 Bonn-Bad Godesberg 1 Stafski, Heinz, Dr., Landeskonservator i.R., Germanisches Nationalmuseum, Kar täusergasse 1, 8500 Nürnberg 1 Stahl, Helmut, Dr., Prof., Präsident der Fachhochschule Nürnberg, Kesslerstraße 40, 8500 Nürnberg 20 Thamer, Hans-Ulrich, Dr., Universität Erlangen-Nürnberg, Seminar für mittlere u. neuere Geschichte, Kochstraße 4, 8520 Erlangen Zahn, Peter, Dr., Bibliotheksoberrat, Brentanostraße 19, 8000 München 13 Zink, Fritz, Dr., Landeskonservator i.R., Hoppertstraße 5, 8500 Nürnberg 10
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„KEIN DOCTOR SOLL OHN EIN SOLCH LIBELL SEIN“ 500 JAHRE NÜRNBERGER RECHTSREFORMATION * Von Wolfgang Leiser Als gegen Ende des 15. Jhs. in Deutschland die Rezeption des römischen Rechts vor ihrem Durchbruch und der reichsrechtlichen Sanktionierung stand, erschien in Nürnberg mit dem Druckvermerk „an dem heiligen Pfingstabend 1484“ bei Anton Koberger ein Buch mit der Bezeichnung „Neue Reformation der Stadt Nürnberg“. Es soll nach Aussage seines Titels bereits 1479 „fürge nommen“ worden sein und regelte in umfassender Weise den Zivilprozeß, das bürgerliche und das Verwaltungsrecht. Dieses älteste gedruckte Gesetzbuch Deutschlands wurde zum Herold einer ganzen Epoche unserer Rechtsge schichte, Anführer einer berühmten Gruppe deutscher Kodifikationen, die sich ebenfalls „Reformationen“ nannten, Auftakt insbesondere der hohen Rechtskultur, welche Nürnberg bis zum Verlust seiner Reichsfreiheit aus zeichnete. Der Ruhm wuchs diesem Werk schnell zu, und er behielt seinen Glanz bis zum heutigen Tag. Zahlreiche Gelehrte haben dieser „Reformation“ ihren Scharfsinn zugewendet: Juristische Praktiker der Reichsstadt, Professoren der Universität Altdorf, Rechtshistoriker des 19. und 20. Jhs.1 Wir wissen seither viel über Einzelheiten dieses Gesetzes, über seine Abhängigkeiten und seine Nachwirkungen2. Mit dem Ruhm hat es jedoch manchmal eine eigentümliche Bewandtnis. Rilke hat einen bedenkenswerten Satz geschrieben: Der Ruhm sei „schließlich nur der Inbegriff aller Mißverständnisse, die sich um einen neuen Namen sammeln“3. Sagen wir etwas zurückhaltender: Der Ruhm kann auch verhüllen, wenn er nämlich hindert, daß das Gerühmte nüchtern auf sein eigentliches Wesen befragt wird; dann mag sich das Bild verselbständigen und an die Stelle der Sache treten. Die Nürnberger Reformation ist dieser Wirkung ihres Ruhmes nicht entgangen. Die bisherige Forschung setzte mit Selbstverständlichkeit voraus, daß die „Reformation“ ein Gesetz, womöglich sogar eine Kodifikation im
* Festvortrag vom 25. Mai 1979, gehalten im Kleinen Sitzungssaal des Nürnberger Rathauses, Wolff’scher Bau. Für den Druck wurde der Text leicht überarbeitet und mit Anmerkungen versehen. 1 Zusammenstellung der bis ca. 1975 erschienenen Literatur von H. Gehrke in: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. von H. Coing, Bd. II/2 (1976) S. 414f. — Hingewiesen sei insbes. auf den erläuterten Wiederabdruck der wichtigsten Teile der Reformation von W. Kunkel in dem fast unentbehrlichen Werk: Quellen zur Neueren Privatrechtsgeschichte Deutschlands, Bd. 1/1 (1936), hg. von W. Kunkel, H. Thieme und F. Beyerle. 2 Vgl. das Stemma bei F. Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit (2 1967) S. 199. 3 „Auguste Rodin“, in: Sämtl. Werke Bd. 5 (1965) S. 141.
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heute geläufigen Sinne sei. Die Bezeichnung als „Reformation“ — sie ist dem modernen Wissenschaftler so geläufig, daß er selten nach ihrem Sinn fragt — sei ein im 15./16. Jh. modisches Synonym für „Gesetz“, man habe dieses Wort wie so vieles andere in der Zeit von Humanismus und Renaissance aus Italien entlehnt4. Dieser ganze Problem-Komplex blieb letztlich unerörtert, die Fragen setzten erst danach ein: Was ihre Entstehung anlangt, fragte man, ob es, da sie sich als „neue“ bezeichnet, zuvor schon eine „alte Reformation“ gegeben habe; Johannes Merkel konnte das weitgehend klären. Dann versuchte man, den Hergang der Gesetzgebung aufzuhellen und zu ermitteln, welche Personen daran beteiligt waren; Daniel Waldmann hat hierüber gearbeitet. Im Grunde kam man bei diesen Problemen wenig über das hinaus, was schon im 18. Jh. Wagenseil und Siebenkees festgestellt hatten. Bedeutende Fortschritte wurden dagegen erzielt, was die Frage wechselseitiger Beeinflussungen anlangt; wir können die Spuren der Nürnberger Gesetzgebung inzwischen sowohl bis in die Landrechte von Württemberg (1555), Kurpfalz (1582) und BadenDurlach (1622/54) verfolgen, wie in die Reformationen der Stadt Worms (1498) und des Herzogtums Bayern (1518). Im einzelnen sind das schwierige Fragen, die hier nicht behandelt werden sollen. — Bei der Arbeit mit und an der Reformation war es immer sehr lästig, daß ihr Textbestand lange Zeit schwankte: Zwischen 1479 und 1564 gibt es viele Handschriften und 6 Drucke, die voneinander abweichen5. Man weiß, daß die Stadt selbst 1503 und 1522 offizielle Neuausgaben mit Änderungen und Zusätzen veranlaßte, die Varian ten der dazwischen liegenden Ausgaben rechnete man der Willkür der Drucker und Schreiber zu. Eine völlige Neurevision erschien nach langer und sorgfälti ger Vorbereitung 1564, und erst seit da steht der Text endgültig fest und gilt in Restbeständen bis zum 1. Januar 1900. Eine kritische Ausgabe der Reforma tion mit einem Verzeichnis der Textvarianten wurde nie veranstaltet; auch dieses Problem blieb unerörtert, obgleich es offen zutage lag. Im Folgenden soll versucht werden, die genannten Fragen zu beantworten und damit zum Verständnis der wichtigen Quelle beizutragen: Was meint die Bezeichnung „Reformation“? War die „Reformation“ eine Kodifikation im modernen rechts technischen Sinne? Was bedeutet die variierende Textüberlie ferung? Nebenbei mag dann noch etwas abfallen für die Entstehungsgeschichte des Gesetzes.
4 So wohl erstmals O. Stobbe, Geschichte der deutschen Rechtsquellen, 2. Abt. (1864) S. 233, welcher Nürnberg, das „vielleicht nach dem Muster Venedigs“ diese Bezeichnung aufgenom men habe, eine gewisse Priorität zubilligt. Diese Ansicht wird, mit dem ergänzenden Hinweis, daß es sich um einen „gemeineuropäischen Begriff“ handle, ohne weitere Vertiefung auch von G. Immel in dem Anm. 1 zitierten Handbuch vertreten (S. 5). 5 Aufzählung und Beschreibung bei Stobbe S. 297f., 299 Anm. 6 und 7. Weitere Nachweisungen unten im Text.
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Nürnberger Rechtsreformation 1.
Das Wort „Reformation“ führt ins Spätmittelalter zurück, wo es eine Bedeutungsbreite hatte, die weit über die heute allein noch bekannte Reforma tion der Kirche hinaus reichte. Dies war eine Zeit ungelöster Probleme und unerfüllter Erwartungen. In fast allen Ständen verdichtete sich die Unzufrie denheit zu explosiver Spannung. Der Aufstieg der Fürstenstaaten auf Kosten des Reiches hatte Ritterschaft und freie Städte in Bedrängnis gebracht. Die Blüte der Stadtwirtschaft ließ den politisch führenden Feudaladel ins Hinter treffen geraten, und er versuchte, die eigenen Schwierigkeiten auf die Bauern abzuwälzen. Die überlieferte Rechtsordnung wurde mit den Zeitproblemen nicht mehr fertig, man empfand sie deshalb als ungerecht. Die Kirche schließ lich war seit ihrer avignonesischen Gefangenschaft in zahllose, oft zweitrangige weltliche Händel verstrickt, aus denen sie sich nicht mehr lösen konnte, und, was schwerer wog, sie hatte die Führung der Seelen verloren. Vieles, fast alles muß anders werden: Dies war die verbreitete Überzeugung; „Reform“ hieß das Schlagwort, das nun fast zwei Jahrhunderte beherrschte, ohne daß es freilich gelang, die vielen Mißstände an der Wurzel zu beheben. Die Reform des Reiches schleppt sich seit der „Goldenen Bulle“ Kaiser Karls IV. von 1356 unerledigt hin. Mit der Reform der Kirche beginnt man auf den sog. Reformkonzilien seit 1409, um schließlich in der Kirchenspaltung des 16. Jhs. zu enden. Das dringende Anliegen einer Gesellschaftsreform wurde zuletzt im deutschen Bauernkrieg blutig unterdrückt. „Das Mittelalter geht zu Ende ohne eine in sich geschlosssene Gesellschaftsordnung“6. Allein die Reform des Rechts kam, durch einen Akt von oben, und vielleicht anders, als es sich mancher erhofft haben mag: Durch die Rezeption des römischen Rechts, welche die Justiz den studierten Fachleuten überlieferte. Das Wort „Reformatio“ war also in aller Munde und wurde auf alle möglichen änderungsbedürftigen Dinge bezogen. Wie bei politischen Schlag worten üblich, ist der Sprachgebrauch höchst ambivalent: Das Wort ist sowohl gefährliche Parole im Munde der Unzufriedenen, als auch beschwichtigende Floskel der Obrigkeiten, die jede, oft herzlich unbedeutende Änderung bestehender Verhältnisse beflissen als „Reformation“ anbieten. Wir kennen das aus eigener Erfahrung, denn auch wir leben in einer Zeit, wo das Wort „Reform“ hoch im Kurse steht. Die geistesgeschichtliche Lage weist allerdings einen fundamentalen Unterschied auf. Wer heute Reformpolitik betreibt, will Neues verwirklichen, weil das Alte überlebt und schlecht ist. Bei aller realitätsfernen Schwärmerei, wie sie im Spätmittelalter oft zu finden ist, besonders ausgeprägt in der ersten großen Reformschrift der Zeit, der „Reformatio Sigismundi“ eines unbekannten Verfassers aus der Zeit des Basler Konzils, bei aller realitätsfernen Schwärmerei also war man sich in dem 6 So F. Beyerle in dem schönen, posthum veröffentlichten Aufsatz: Rezeption, Rezeptionsreife und Überwindung, in: ZRG GA Bd. 95 (1978) S. 115ff., 118.
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Grundsatz einig, den der Kardinal Nikolaus von Cues, der große Theoretiker des Reformgedankens, in seiner Schrift „De concordantia catholica“ bündig formulierte: „Die beste Vorsorge ist es, bekannte und erprobte Wege zu beschreiten, auf die wir durch eine Erneuerung zurückkehren müssen“7. Also nicht Neuerung, sondern Erneuerung. Dies meint „reformatio“: Das gute Alte, das durch die Tradition Legitimierte, der göttliche ordo soll wiederher gestellt werden. Die Mißstände, die es zu bekämpfen gilt, sind „Reformatio“, leichtfertige, willkürliche menschliche Neuerung, als solche Hybris, und das heißt Sünde. Das ist ein konservativer Reformwillen: Nicht so, wie es ist, soll es bleiben, sondern es soll wieder so werden, wie es sein sollte und einmal war8. Dieser Konsens der Zeitgenossen muß bedacht werden. Er ist ein ganz wesentlicher Faktor, der es psychologisch erleichterte, der Reform des Rechts das Corpus Juris Civilis des römischen Kaisers Justinian aus den Jahren 528 bis 534 zugrunde zu legen. Alles, was man um diese Zeit am Recht besserte und änderte, wurde sofort mit dem Etikett der „Reformatio“ versehen. Man kann seit dem frühen 15. Jh. schier unzählige, teils große, teils kleine Gesetze nennen, die sich selbst in ihrem Titel als „Reformation“ bezeichnen, in Vorrede oder Text dieses Prädikat reklamieren, oder sekundär „Reformatio“ genannt werden. Die Beispiele reichen von Bayern bis Hamburg, es sind Reichsgesetze, Stadt- und Territorialgesetze, grundherrliche Ordnungen, weltliche und geistliche Normen. „Reformatio“ wird zum schließlich gedan kenlos gebrauchten Synonym für „Gesetz“, und diese Mode dauert bis zum Ende des 16. Jhs. 2. Als man im letzten Drittel des 15. Jhs. in Nürnberg das Recht reformierte, haftete diesem Wort indes noch seine ursprüngliche Bedeutung in voller Aktualität an. Aber was wurde da nun eigentlich reformiert? Weil das Gesetz von 1479 sich als „Neue Reformation“ bezeichnet, liegt es nahe, nach einer vorangehenden, älteren Reformation zu suchen, die überar beitet wurde. Vocke und Merkel sind diesen Weg gegangen, und seither weiß man von einer „Alten Reformation“ aus der Zeit um 1473, die eine reine Gerichtsordnung war. Allerdings muß folgendes festgehalten werden: Dieses ältere Gesetz ist nur in zwei Abschriften erhalten und bezeichnete sich selbst vermutlich nicht als „Reformation“. Geht man die Beschlußprotokolle des Nürnberger Rats durch, die Ratsma nuale und Ratsbücher, dann taucht vor 1476 das Substantiv „reformatio“ nicht 7 L. c. Lib. III cap. 32 (Opera omnia, hg. v. d. Heidelberger Akademie d. Wiss., Bd. 14, 1963, S. 438). 8 Zum Reformbegriff des Cusanus vgl. L. Graf zu Dohna, Reformatio Sigismundi (Veröff. d. Max-Planck-Instituts f. Geschichte, Bd. 4, 1960), S. 59f., 63f. — Zu „reformatio“ und „deformatio“ vgl. N. Grass, Cusanus als Rechtshistoriker und Jurist, in: Cusanus-Gedächtnisschrift, hg. von N. Grass (1970) S. 102f., 191.
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Nürnberger Rechtsreformation
auf; der Begriff kann also nur inoffiziell verwendet worden sein, wie es im Register des 2. Ratsbuchs heißt: „Reformation oder eines ehrbaren Rats Statuta“ (Register, fol. 18). Was die Entstehung der um 1473 reformierten Gerichtsordnung anlangt, habe ich über das von Merkel Ermittelte hinaus nichts unmittelbar Einschlägiges gefunden. Des öfteren ist dagegen vom Stadtbuch die Rede. Nürnberg hat zahlreiche Stadtbücher hinterlassen, aber gerade das in Frage kommende ist nicht mehr erhalten, es wurde um die Mitte des vorigen Jahrhunderts unterschlagen. In dem Verzeichnis der veruntreuten und vernichteten Archivalien9 wird es merkwürdigerweise als das „erste Stadtbuch vom Jahr 1469“ bezeichnet; das kann aus vielerlei Gründen nicht richtig sein, schon seit 1464 wird ein Stadt buch in den Ratsmanualen erwähnt als vorhandenes, fertiges Werk. Das verlorene Stadtbuch hat offenbar neben anderem die seit Vocke und Merkel als „Alte Reformation“ bezeichnete Gerichtsordnung enthalten, denn ein längerer Abschnitt über die Appellation wurde von Blatt 70 des Stadtbuchs wörtlich als viertes Gesetz des zehnten Titels in die Neue Reformation übernommen 10. Eine einzelne Bestimmung der v Staatsarchiv Nürnberg, („StAN“), Veraltete Repertorien Nr. 438: Verzeichnis der Archivbe standteile, welche durch . . . Roth veruntreut worden sind, 1854. C Manuskripte und Salbücher, Nr. 14: Das erste Stadtbuch vom Jahr 1469 (Inv. Nr. 396). 10 StAN, Amts- und Standbuch 156. Bei dieser wichtigsten Quelle zur Entstehung der Reforma tion handelt es sich um einen Folio-Band des ausgehenden 15. Jhs. Auf seinem Rücken befand sich ein heute auf den unbeschriebenen Vorsatz übertragener Zettel: „Ain Buch, wie und welcher massen Ee die Reformacion außgangen von den gesetzen derselben gerattschlagt und ain auffschreibung getan und in derselben darnach mynderung und merung beschehen, auff die außgangen und angenomen ist“. Da der Foliant im folgenden noch öfter heranzuziehen ist, sei er an dieser Stelle beschrieben. Er enthält 1. eine erste gedruckte Fassung des Inhaltsverzeich nisses der Reformation (darüber weiter unten im Text), 2. von mehreren Händen in meist sorgfältiger Schrift eine erste Textfassung der Reformation, also entgegen der Ankündigung des alten Rückentitels keine bloße Materialsammlung. Der handschriftliche Teil (mit vielen Leerseiten) scheint als Reinschrift nachträglich zusammengebunden und bei dieser Gelegenheit beschnitten worden zu sein: Mehrfach ist die Foliierung teilweise abgeschnitten, gelegentlich blieben am Kopf von Seiten Notizen in Konzeptschrift stehen, die wohl abgeschnitten werden sollten. Unmittelbaren Einblick in die Redaktionsarbeit gewährt der Foliant nur zweimal: Uber der Rubrik von X/3 (fol. 62a) steht in einer kleineren Konzeptschrift: „Von den heblichen Sprüchen, davon man appellirt dasselbig hinter das gericht zu legen, vindt man im statbuch am LXX. plat“; auf fol. 62a folgt dann ein nachträglich eingeklebtes Blatt „62“ (Rubrik: „Von häblichen Sprüchen, davon man appellirt, dasselbig hyndter das gericht zu legen, vindet man im stattbuch am LXX ten platt, lauttend wie hernach geschrieben stett“; der nun folgende Text ist identisch mit X/4 der Druckfassung von 1484, (die Rubrik fehlt im gedruckten Inhaltsverzeich nis von 1479). Ferner liegt dem Band ein loser Notizzettel bei; auf seiner Rückseite steht der Text eines Hausbriefes für Nikolaus Groß, auf der Vorderseite liest man: „Von verpfendung des erbs, ze voran seinem aigenherrn und darnach andern mit wesenlicher versorgnuß des erbs, ist geratschlagt, aber nicht gesatzt noch beschlossen“; es folgt ein Text, der in längerer Form in XXVI/12 der Druckfassung erscheint, der Handschrift aber noch fehlt. Schließlich ist zu bemerken, daß sich auf dem Seitenrand des handschriftlichen Teils regelmäßig arabische Zahlen finden, die Querverweise auf andere Textstellen bedeuten. — Der Foliant war schon den alten Nürnberger Juristen (Koeler, Siebenkees) bekannt, wurde auch halbwegs zutreffend beschrie ben, was Stobbe l.c. S. 299 Anm. 6 übernimmt; eine genaue Untersuchung und Auswertung wurde nie unternommen, auch im folgenden wird auf die Einzelanalyse aller Textvarianten verzichtet.
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alten Gerichtsordnung wird Ende 1476 in den Ratsmanualen einmal beiläufig als „Reformation“ bezeichnet11. Wenn man kurz nach Fertigstellung der alten eine neue Reformation vornahm, ist zu fragen, worin dieses Neue bestand. Die Ratsprotokolle und ein stattlicher, aber behutsam zu interpretierender Foliant10 angeblicher Materialien zur Neuen Reformation lassen einige Punkte erkennen: Während man zuvor im Rahmen des Stadtbuchs nur die Gerichtsordnung modernisiert hatte, löste man sich 1479 insoweit vom herkömmlichen Muster des Stadtbuchs, als die das Publikum betreffenden Materien in einer besonde ren Sammlung verselbständigt wurden; die in den herkömmlichen Stadtbü chern zu findenden organisationsrechtlichen, verwaltungsinternen Bestim mungen blieben in der neuen Sammlung weg. Noch der Entwurf10 der Neuen Reformation endet mit dem Diensteid des Gerichtsschreibers und seiner Dienstordnung. Die publizierte Endfassung läßt sie weg und bringt statt ihrer die Formel des Eides, den jüdische Zeugen vor Gericht zu leisten haben. Der Nürnberger Rat war sich völlig darüber klar, daß die Anlage eines Stadtbuchs und der Erlaß eines umfassenden Gesetzes zwei verschiedene Dinge seien, und daß sich jetzt die Kompetenzfrage stellte. Als Nürnberger Juden den Kaiser anriefen und vortrugen, das Gesetz — gemeint sind Bestim mungen der Alten Reformation, die als Ges. 4—6 in Tit. 22 der Neuen Reformation übernommen wurden — beeinträchtige sie in ihren Rechten, erließ Kaiser Friedrich III. einen „Gebotsbrief“ an die Reichsstadt, der bean standete, „daß die von Nürnberg ohne seiner Maiestät als römischen Kaisers Willen, Fleissen und Erlauben eine neue Reformation und Gesetz gemacht haben“ 12. Die Stadt läßt von einem ihrer Konsulenten, der anonym bleibt, ein ausführliches Gutachten erstatten13, das die Judenfrage sofort als gefährlichen Präzedenzfall herausstellt: „So möchte hernachmals allweg ein jeder an den Kaiser bringen, wie die von Nürnberg neue Ordnung und Gesetz ohne seiner kaiserlichen Maiestät Wissen und Willen, auch wider gemeine Recht und altes Herkommen hätten fürgenommen, und sollten deshalb aufgehoben und
11 Ratsmanual 1476 Nov. 29 (= Ratsbuch 2 fol. 106 a, beide im St AN): „Item mit den Schaffern beder Pfarre zu reden und zu ersuchen, wan hinfuro proceß von Bamberg wider die Reformacion ußgangen Inen zugepracht werden, die nicht zu verkünden“; gemeint ist der ausschließli che Gerichtsstand der Bürger, wie er (auch) in 1/9 der Neuen Reformation geregelt ist. Vgl. /. Merkel, Quellen des Nürnberger Stadtrechts (Festgabe f. F. Regelsberger, 1901 S. 59ff.) S. 75. 12 Der Gebotsbrief Kaiser Friedrich III. konnte nicht aufgefunden, auch sein genaues Datum nicht ermittelt werden. Das Schreiben und sein Inhalt lassen sich nur aus einem Nürnberger Rechtsgutachten ermitteln und rekonstruieren. 13 StAN, Rep. 51 Nr. 2 + fol. 159af. Da auch dieses Gutachten undatiert ist, bleibt offen, ob die Vorgänge noch die Alte oder bereits die Neue Reformation betreffen. Nach einer nicht überprüfbaren Notiz sollen sich die Juden 1480 beschwert haben, (Stobbe S. 299 Anm. 6). Da, wie weiter unten dargelegt wird, die Neue Reformation abschnittsweise publiziert wurde, halte ich es für möglich, daß Beschwerde der Juden und kaiserliche Intervention während des Gesetzgebungsverfahrens erfolgten.
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MVGN 67 (1980)
Nürnberger Rechtsreformation
abgetan werden“. Das Gutachten argumentiert unter Aufgebot großer Gelehr samkeit und vieler Literaturzitate in erster Linie damit, daß Nürnberg unbestrittenermaßen vom Reich die volle Gerichtsbarkeit erhalten habe, das imperium merum et mixtum aber die Befugnis einschließe, „Statut und Ordnung, sofern die nicht wider göttlich, natürlich und der Völker, das ist jus gentium, Recht sind, zu machen“; im Übrigen hätten „die von Nürnberg länger, dann in menschlicher Gedächtnis ist, Ordnung, Gesetz und Statut gemacht ohne sondere Ersuchung und Erlaubnis der oberen Hand.“ Diese Gedanken gehen in die Vorrede der Neuen Reformation ein, wo es nachdrück lich heißt, der ehrbare Rat habe dieses Gesetz erlassen „in Kraft gemeines Rechtes, auch aus kaiserlicher und königlicher Freiheit und deshalb ihrer Obrigkeit und Regiments, so man zu Latein jus magistratus nennet“; es wird darauf hingewiesen, daß man den Rat der Rechtsgelehrten eingeholt habe, und der Gesetzgeber behält sich auch vor, etwaige Zweifelsfragen in Zukunft selber zu entscheiden. Als seit Frühjahr 1479 die Neue Reformation abschnittsweise publiziert wird, ordnet der Rat unterm 10. April an, diese Vorrede solle vom Rathaus öffentlich ausgerufen werden 14, und am 16. April beschließt der Rat, „die Vorrede in der Neuen Reformation gesetzt soll auf allen Tagen, so man dieselbe Reformation lesen (d. h. beraten) wird, am Anfang und erstlich gelesen werden“ 15. Man sieht das große Gewicht, das dieser Frage beigemessen wurde. Das Gesetzgebungsrecht der Reichsstädte war hier erstmals in Anspruch genommen und gegen Anfechtungen behauptet worden. Hamburg vollzog 1497 den Gedankengang selbständig nach und gelangte zum selben Ergebnis16. Worms übernimmt bei seiner Reformation 1498 den Nürnberger Standpunkt mit fast denselben Worten 17. Damit war für die Reichsstädte eine feste Basis gewonnen. Als Frankfurt 1509 seine Reformation publiziert, brauchte die Frage nicht mehr erörtert zu werden. Keine Reichsstadt erbat die kaiserliche Genehmigung ihres Gesetzes, Nürnberg ließ wahrscheinlich erst die Endfas sung der Reformation a. d. J. 1564 beim Reichskammergericht wenigstens „insinuieren“ 18, damit sie dort bekannt sei und man sich gemäß der Statuten theorie auf dieses Recht berufen konnte; das war jedoch ein rein informatori scher Akt, der keine Bitte um confirmatio einschloß. 14 StAN, Ratsverlass 102 fol. 12a (nicht im Ratsbuch). 15 StAN, Ratsverlass 103 fol. 3a (nicht im Ratsbuch). 16 Die Bilderhandschrift des Hamburgischen Stadtrechts von 1497, erläutert von H. Reineke, neu hg. von /. Boiland (Veröff. a. d. Staatsarchiv d. Freien und Hansestadt Hamburg, Bd. X 1968), Vorrede S. 11 f. 17 Wormser Reformation 1498, Eingang (Quellen z. Neueren Privatrechtsgeschichte — vgl. Anm. 1 — S. 97f.). 18 Nach der handschriftlichen Notiz in einem Exemplar aus Privatbesitz soll die Insinuation unterm 16. Juni 1564 beantragt worden sein. Über die Insinuation und ihre Rechtswirkungen schreibt L. von Woelckern in seiner Commentatio succincta in codicem juris statutarii Norici, Bd. 1 (1737) S. 56f.; S. 58 Anm. + Abdruck des Insinuationsdokuments vom 23. Juni 1564.
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Wolfgang Leiser
Das Herauslösen eines umfassenden Gesetzes aus der gewohnten losen Sammlung eines Stadtbuches war aber doch neu. In Hamburg gibt sich 1497 die Reformation überhaupt nur als Bearbeitung des alten Stadtbuchs aus; in Frankfurt stehen zwischen 1509 und 1578 Stadtbuch und Reformation neben einander. In Nürnberg galt neben der Reformation das verlorene Stadtbuch vielleicht partiell weiter, nachweislich existierte daneben eine noch erhaltene umfängliche Sammlung des Polizeirechts 19. Die Nähe zur Quellengattung der Stadtbücher zeigt sich bei der Nürnberger Reformation in eigentümlicher Weise: Als Stadtbücher oder Satzungsbücher bezeichnet man Folianten, die in loser sachlicher Ordnung oder auch einfach chronologisch die Erlasse eines Stadtra tes verzeichnen. Sie konnten und wollten nicht vollständig sein, sondern waren ganz selbstverständlich auf Zuwachs angelegt: Obsolet Gewordenes wurde durchstrichen oder kanzelliert, zwischen den einzelnen Stücken ließ man reichlich freie Seiten, die später mit Nachträgen beschrieben wurden, so daß ein Stadtbuch unter Umständen lange Zeit in Gebrauch sein konnte. War der Foliant vollgeschrieben, legte der Ratschreiber einen neuen an, in den er aus dem alten die noch gültigen Satzungen übertrug. — Demgegenüber will ein Gesetz möglichst vollständig, also abschließend sein. Jeder Jurist weiß, daß das letztlich nicht geht, und so stellt sich das Problem der Ausfüllung von Lücken im Gesetz. Im 15./16. Jh. verwies man zu diesem Zweck auf das Gewohnheits recht, oder auf das römische Recht; wenn, wie im Falle Nürnbergs, der Gesetzgeber die Schließung von Lücken sich selbst vorbehielt, haben wir es mit einer frühen Übernahme von Grundsätzen der Constitutio „Tanta“ zu tun: In seinem Publikationspatent zu den Digesten hatte Kaiser Justinian denselben Vorbehalt gemacht und obendrein noch ein Kommentierungsverbot ausgesprochen, das übrigens in der Nürnberger Vorrede auch anklingt. Erst im späten 18. Jahrhundert taucht der Gedanke der systematischen Kodifikation auf, d. h. das Gesetz steht unter übergeordneten Leitgedanken, Grundsatzent scheidungen; wenn sich eine Lücke herausstellt, ist der Richter befugt und in der Lage, sie durch eigenes Weiterdenken der Leitgedanken zu schließen20. Im 15. Jh. ist der auf das Vernunftrecht zurückgehende Gedanke des geschlossenen Systems noch unbekannt; der Gesetzgeber behält die Schlie ßung von Lücken sich selbst vor, es gibt deshalb auch keine generelle Verweisung auf das römische Recht. Man will zwar möglichst vollständig sein, weiß aber, daß es nicht geht, und so bleibt eine Nähe zum älteren Typ des Stadtbuchs, die sich in einer charakteristischen Äußerlichkeit zeigt. Freilich nicht in den Drucken, von deren Funktion noch zu reden sein wird, sondern in den Handschriften. Amtliches, authentisches Exemplar der Reformation war nach der Sitte der Zeit ein sehr elegant geschriebener Pergamentkodex, in 19 StAN, Amts- und Standbuch 231 (Polizeigesetze bis 1497). 20 Wieacker (Anm. 2) S. 436f.
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Wöhrdertor-Zwinger — Dürer/Pirckheimer-Brunnen — Wasserspeier am Maxplatz (Kat. 1824 V5).
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Fleischbrücke — Einfluß der Pegnitz — Ausfluß der Pegnitz (Kat. 1824 Rs).
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Pumpe an der Schustergasse — Stadtkommissär Faber-Haus — Postgebäude (Kat. 1825 Vs).
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Platners-Anlage — Kühberg (Kat. 1825 Rs).
Abb. 8:
Gymnasium — Johannis-Kirchhof (Kat. 1827 Rs).
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Schwarzisches Haus — Weißer Turm — Fünfeckiger Turm (Kat. 1828 Vs).
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Fürther Straße vor Nürnberg (Kat. 1847 Rs).
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Abb. 11: Tiergärtner Tor — 3. Station — 4. Station (Kat. 1835 Vs).
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Abb. 12: Rosenau — Schloßzwinger (Kat. 1835 Rs).
Abb. 13:
Tuchersches Palais — 5. (6.) Station — 6. (7.) Station (Kat. 1836 Vs).
Abb. 14:
Ludwigseisenbahn (Kat. 1836 Rs).
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Abb. 15:
Lorenzer Pfarrhof — 7. (5.) Station — Grablegung. (Kat. 1837 Vs).
Abb. 16:
Neue Polytechnische Schule (Kat. 1837 Rs).
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Abb. 17:
Kanal bei Nürnberg (Kat. 1838 Vs).
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Aussicht vom Horn’s Zwinger (Kat. 1838 Rs).
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Abb. 19: Gostenhof (Kat. 1839 Vs).
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Abb. 20: Zwei Ansichten der Alten Veste (Kat. 1839 Rs).
Abb. 21:
Nürnberg vom Rohlederers-Garten (Kat. 1840 Vs).
Abb. 22:
Pfannenschmiedsgasse (Kat. 1840 Rs).
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Abb. 23:
Beckh’sches Gebäude (Kat. 1841 V>).
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Maxbrücke (Kat. 1853 Vs).
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Abb. 26: Fürth, Königstraße (Kat. 1842 Rs).
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Abb. 28:
Ludwigskanal bei St. Leonhard (Kat. 1843 Vs).
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