Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg [43]

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Mitteilungen des

Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg

D r e i un d v i e r 2 i g s t e r Band

Kommissionsverlag

VERLAG DIE EGGE NÜRNBERG 19 5 2

Gedruckt mit Zuschüssen des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, des Stadtrats Nürnberg, der Friedrich Freiherr von Hallerschen Forschungsstiftung, des Bezirks verbandes Mittelfranken und des Kreis­ ausschusses Hersbruck. Für die einzelnen Beiträge sind die Verfasser selbst verantwortlich. Druck: Buchdruckerei und Verlag Ph. C. W. Schmidt, Neustadt a. d. Aisch. Klischees: Klischeeanstalt R. Döfi, Nürnberg. Abbildungsvorlagen: Ger­ manisches Nationalmuseum (Abb. 1, 7 u. 8), Orszogos Mag. Szepmüveszeti Muzeum, Budapest (Abb. 3/4), Bildarchiv Foto-Marburg (Abb. 5 u. 6), Stadt. Hochbauamt Nürnberg (Abb. 9) u. österr. Mus. f. angewandte Kunst, Wien (Abb. 2). Buchbinderarbeiten: H. Gassenmeyer, Nürnberg.

INHALT Abhandlungen : Nürnberg und die Niederlande Von Dr. Kurt Pilz..............................................................................................1 (I. Mittelalter — Niederländer in Nürnberg, Nürnberger Künstler und die niederländische Kunst — S. 1; II. Erste Hälfte des 16. Jahrhunderts — Handel, Kunst, Handwerk — S. 20; III. Zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts — Handel, niederländische Kolonie in Nürnberg. Atlasweberei und Seidenhandel, Tuch­ macher, Kaufleute, Ärzte, Mechaniker, Kunsthandel, Kunst — S. 52; IV. 17. und 18. Jahrhundert — niederländische Kolonie, Handel, Kunst, Atlasweberei und Tuchindustrie, Patrizier und Kaufleute in den Niederlanden, Nürnberger in niederländischen Diensten, Kolonialpolitik, Graphik und Malerei, Handwerk — S. 103; Anmerkung 142.) Hersbruck — Propstei des Klosters Bergen Von Dr. Rudolf Geiger..................................................................................... 154 (Äußere Schicksale der Propstei 156; Die Propstei Hersbruck als Grundherr­ schaft — Besitzentwicklung, Wirtschaft und Verwaltung, die Äbtissin und ihre Hintersassen — S. 171; Die Propstei Hersbruck als Glied der Vogtei Hersbruck — geschichtliche Entwicklung, der Charakter der Vogtei Hersbruck — S. 195; Anmerkungen S. 212.) Die Entstehung der evangelisch-reformierten Gemeinde in Nürnberg als rechtsgeschichtliches Problem Von Dr. Hans Neidiger ...................................................................................... 225 Nürnberger Patrizier- und Geschlechtersöhne auf ihrer Bildungsreise durch Frankreich 1608—1610 Von Univ.-Pof. Dr. Anton Ernstberger........................................................ 341 Das Nürnberger Scheltwort Von Dr. Herbert Maas........................................................................................... 361 KleineBeiträge: Ein Blick ins kirchliche Leben am Ausgang des Mittelalters Von Prof. D. Dr. Karl Schornbaum........................................................... 484 Die Kapelle in Ziegelstein Von Prof. D. Dr. Karl Schornbaum............................................................487 Zur Lebensgeschichte des Bauern von Wöhrd Von Prof. D. Dr. Karl Schornbaum............................................................488 Zur Frage der Entstehung der Ehebücher von St. Sebald und St. Lorenz Von Prof. D. Dr. Karl Schornbaum

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Die Einführung der Taufbücher in Nürnberg Von Prof. D. Dr. Karl Schornbaum......................................................... 490 Ein altes Haushaltungsbüchlein Von Prof. D. Dr. Karl Schornbaum......................................................... 491 Jacob Andreae und Christian Hardesheim Von Prof. D. Dr. Karl Schornbaum......................................................... 499 Zwei unbeachtete Codices. Material zur Kirchengeschichte der Stadt Nürnberg. Yon Prof. D. Dr. Karl Schornbaum......................................................... 504 Die Herkunft des Dramatikers Jakob Ayrer Yon Bibliotheksrat Dr. Hans Müller-Lobeda (Jena).................................510 Adam Volckmann. Ein Beitrag zur Geschichte des Notariats Yon Rektor Dr. Franz Flaskamp (Wiedenbrück)................................ 511 Buchbesprechungen : Gerhard Hirschmann, Das Landgebiet der ehemaligen Reichsstadt Nürn­ berg. Familiengeschichtlicher Wegweiser, Schellenberg-Berchtesgaden 1951 Besprochen von Dr. O. Puchner................................................................. 514 Wilhelm Kriegbaum und Dr. Wilhelm Schwemmer, Nürnberg, Historische Bilderfolge einer deutschen Stadt Besprochen von Dr. H. Gürsching......................................................... 515 Nürnberger Urkundenbuch, 2. Lieferung, bearbeitet vom Stadtarchiv Besprochen von Dr. Fr. Schnelbögl......................................................... 515 Herbert Paulus, Die ikonographischen Besonderheiten in der spätmittel­ alterlichen Passionsdarstellung Frankens, Würzburg 1952 Besprochen von Dr. H. Gürsching.........................................................516 Karl Schornbaum, Ehebuch von St. Sebald in Nürnberg 1524—1543; Helene Burger, Ehebuch von St. Lorenz in Nürnberg, Nürnberg 1949 u. 1951 Besprochen von Dr. H. Gürsching......................................................... 517 Ludwig Zimmermann, Die Einheits- und Freiheitsbewegung und die Re­ volution von 1848 in Franken, Würzburg 1951 Besprochen von Dr. H. Gürsching......................................................... 517 August Jegel, Die wirtschaftliche Entwicklung von Nürnberg-Fürth, Stein und des Nürnberger Raumes seit 1806, Nürnberg 1952 Besprochen von Dr. W. Zorn (Augsburg)................................................. 518 Festschrift zum 75jährigen Bestehen des mittelfränkischen Kreisbienen­ züchtervereins 1875—1951, Neustadt/Aisch 1951 Besprochen von Dr. G. Hirschmann......................................................... 519 Heribert Sturm, Eger, Geschichte einer Reichsstadt, Augsburg 1951 Besprochen von Dr. Fr. Schnelbögl......................................................... 519 Leo Stern, Zur Geschichte und wissenschaftlichen Leistung der Deutschen Akademie der Naturforscher, " 522 Besprochen von Dr. A. Jegel

Nürnberg und die Niederlande Von Dr. Kurt Pilz Die gesellichtlichen und kulturellen Beziehungen zwischen der freien Reichsstadt Nürnberg und den Niederlanden sollen hier vom Beginn des 13. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts auf gezeigt werden. Auch die Wanderungen der Künstle^ von Nürnberg nach den Niederlanden sowie die Einwanderung fremder Künstler von dort nach Nürnberg werden nachgewiesen. Ich behandle neben den kunstgeschichtlichen auch wirtschaftsgeschichtliche Faktoren, da die Reichsstadt Nürnberg immer sehr viele Kräfte anzog. Die Lage der Stadt im großen Straßen­ netz der Handelsstraßen hatte von jeher den Einflußbereich Nürnbergs bestimmt. 12 größere Handelsstraßen berührten die Reichsstadt, diese geographische Lage im deutschen Raum war die Vorbedingung für den Transit- und Zwischenhandel. Die patriziatischen und die gerichts­ fähigen Familien Nürnbergs hatten große Handelsgesellschaften ge­ schaffen. Es gab dabei die offene Handelsgesellschaft, die sich aus den Mitgliedern der Familien, also aus Verwandten zusammensetzte, und die Kommenda, bei der das Kapital als Einlage anzusehen ist und ein Kaufmann als der Alleinbevollmächtigte auftrat. Käthe Deltling hat die Formen der Handelsgesellschaften für das 16. Jahrhundert fest­ gestellt, die gleichen Verhältnisse treffen auch für die vorhergehende Zeit zu1). Die Söhne der Großkaufleute haben ihre kaufmännische Ausbildung in den großen Weltstädten und so auch in Antwerpen erfahren. Dazu ergriff der patriziatische Rat, in dem diese Kaufmanns­ familien naturgemäß ihre beste Vertretung hatten, alle wirtschaft­ lichen und handelspolitischen Maßnahmen zur Lenkung dieses be­ deutenden Fernhandels.

I. Das Mittelalter Die Handelspolitik des 13.—13. Jahrhunderts In der Stauferzeit, dem Jahrhundert einer großartigen deutschen Kulturentwicklung, wurden die späteren Verbindungen Nürnbergs zu den Niederlanden vorbereitet2). Kaiser Friedrich I. Barbarossa (König 1152, Kaiser 1155—1190) förderte den Handelsverkehr innerhalb Deutschlands und verlieh vielen Reichsstädten Zollfreiheit von den königlichen Zöllen. König Philipp von Schwaben (1198—1208) und Herzog Heinrich I. (IV.) der Fromme von Brabant (1186—1235) ge1

währten dann 1204 ihren Untertanen eine beiderseitige Zollfreiheit. Diese Vergünstigung betraf auch Nürnberg. Die Nürnberger Kaufleute gingen nun in die flandrischeif und brabantischen Städte, der Handel blühte auf. Die Tuchweberei und der Tuchhandel hatten sich in den Nieder­ landen außerordentlich entwickelt. Die Handelsbeziehungen Nürnbergs richteten sich hier nach den jeweiligen Mittelpunkten dieser kommer­ ziellen Tätigkeit. Die Tuchindustrie in Arras und darnach in Ypern sowie in den brabantischen Orten lieferte am Ende des 13. und am Anfang des 14. Jahrhunderts ihre Waren nach Nürnberg. Später wurde Ypern von der Tuchindustrie in Gent und Brügge überflügelt. In Arras wurde ein leichter Futterstoff (wollenes Zeug) hergestellt, es war der Arras, Arsch, Arrasch, Rasch, Arlaß. ln St. Omer, Brügge und Valenciennes wurde die Saye als leichtes Unterfutter, das aus der feinen Wolle gewebt war, erzeugt. In Gent gab es die Scharlachfabri­ kation, hier und in Ypern wurden die Tuche aus der englischen Wolle gewebt. In Ypern waren die Färbereien reich entwickelt3). Aus dem Handlungsbuch der Holzschuher 1304—1307 (freiherrlich vpn Stromersches Familienarchiv Schloß Grünsberg bei Altdorf) geht die Beteiligung dieser patriziatischen Familie am flandrischen Stoff­ handel hervor. Die Mitglieder waren Tuchgroßhändler und Gewand­ schneider, sie bezogen die flandrischen Stoffe und die ganzen Laken aus Brügge, Ypern, Arras, Huy, Poperingen, Doornik (= Tournai), Brüssel, Gent und Maastricht4). Daraus kann auf den Umfang der anderen Nürnberger Handelsgesellschaften geschlossen werden, die ihre Waren von diesen Städten und wohl auch aus Mecheln bezogen. In Nürnberg ist dann der „Gewandtschnitt“ schon 1391 und der „Kaufmann mit Ge­ wandt“ 1434 genannt. Die Gewandschneider haben ihre Ware genau so wie in anderen Städten im Kleinhandel ellenweise verkauft. Die Zollabgaben für Tuch betrugen zu Anfang des 14. Jahrhunderts von dem schweren Tuch aus Gent, Löwen und Ypern 6 Pfund Heller, von dem geringen Tuch aus Huy oder Köln 4 Pfund Heller, von dem kurzen Tuch aus Huy, Mainz und Friedberg 2 Pfund Heller. Außerdem wurden aus den Niederlanden die Erzeugnisse der flan­ drischen Metallindustrie, die Kolonialwaren und Drogen als „Gewürze“, die Fische und Heringe bezogen. Nürnberg lieferte dagegen Südfrüchte und Spezereien, die wiederum auf dem Wege des Zwischenhandels hieher gekommen waren. Dazu wurden die Waren aus Eisen, Messing, Blech und Zinn, die für das heimische Metallgewerbe charakteristisch sind, weiter in die Nieder­ lande geliefert. Das in Westflandern gelegene Brügge war nach 1300 ein Zwischen­ markt fremder Kaufmannschaften. Dann wurde Brügge der Mittel­ punkt des nordeuropäischen Handelssystems und dadurch ein Welt­ markt. Der deutsche Handel war zu dieser Zeit in die beiden großen Gebiete: Ober- und Niederdeutschland auf geteilt, infolgedessen waren die Norddeutschen und die hansischen Kaufleute in Flandern tätig. In Brügge wirkten also vor allem die hansischen Kaufleute aus den 2

deutschen Hansestädten. Diese Kaufleute hatten ihre Handlungsgehilfen als die Sendeve-Bevollinächtigten, dann die Faktoren als die Kom­ missionäre sowie die Agenten. Um 1300 ist in Brügge der Kaufmann Conrad aus Nürnberg nach­ gewiesen: Conrad Nornbergaert van Aelmaingen (Stadtrechnungen Brügge 1304, Cart. I Nr. 145). Er wird als Bürger von Nürnberg ge­ nannt und verkaufte Laken aus Tournai, dafür erhielt er 165 Pfund 12 sh als Schadensersatz oder Kaufpreis (Stadtrechnungen 1305—06, Cart. I Nr. 151)5). Die Handelspolitik des Nürnberger Rats hatte erreicht, daß Herzog Johann II. von Brabant und Limburg, Graf von Holland (1294—1312) am 2. XI. 1311 der Stadt Nürnberg verschiedene Handels- und Zoll­ freiheiten in den niederländischen Städten verlieh (Bayerisches Hauptstaatsarchiv München: Reichsstadt Nürnberg). Die Zollfreineiten blieben auf Brabant beschränkt, aber die brabantischen Städte mit diesen Ver­ günstigungen für Nürnberg lagen nahe an der flandrischen Grenze. Auch Tournai, das nicht unter dem gräflich flandrischen Zollrecht stand, gehörte zu den Städten mit Zollfreiheiten. Kaiser Ludwig IV. der Bayer (König 1314, Kaiser 1328—1347) gab der freien Reichsstadt Nürnberg am 12. IX. 1332 das wichtige Handels­ privileg 8), in dem alle von der Stadt Nürnberg erworbenen Handels­ und Zollfreiheiten — darunter auch die von 1311 — bestätigt wurden (Hauptstaatsarchiv München). Diese Freiheiten basierten aber auf dem Grundsatz der Gegenseitigkeit. In der Urkunde werden 69 Städte ge­ nannt; ein Drittel davon liegt in den Niederlanden (Belgien und Hol­ land), die anderen liegen im Süden und Westen des Reiches. Aus der ersten Reihe nennen wir Mastrire (Maastricht), Hertzogenpusch, Laütich (Lüttich), Huy, Chameroy (Cambrai), Dynant (Dinant), Düngern (Tongern), Bruxello (Brüssel), Antwerb (Antwerpen), Mächel (Mecheln). An der Handelsstraße von Köln aus nach dem Westen lagen nun die Städte Maastricht, Tongern, St. Truyen, Thienen, Löwen, Brüssel als die Residenz der Herzoge von Brabant. Von hier aus ging ein Weg nach Gent und Brügge, die als flandrische Handelsstädte schon früh­ zeitig eine besondere Bedeutung erlangt hatten. Der zweite Weg ging von der Residenz Brüssel aus nach Mecheln und Antwerpen. Wieder eine andere Straße nach diesem Seehafen Antwerpen führte über Gennep und Herzogenbusch (s’ Hertogenbosch). Von Köln aus ging dann eine zweite Handelsstraße im Maastal nach Lüttich, Huy, an Namur vorbei nach Mons, Valenciennes, Cambrai, Tournai zu den Textilhandelsstätten Ypern und Arras. Ein bemerkenswertes Denkmal dieser handelspolitischen Entwick­ lung entstand nun in Nürnberg. An der Ostwand des 1332/40 erbauten Rathaussaales sind seitlich neben dem Erker zwei steinerne Reliefs aus der Zeit um 1340 eingelassen, die für den historischen Zusammenhang von Bedeutung sind7). Der thronende Kaiser Ludwig IV. der Bayer ist auf dem rechten Relief als der Schirmherr der freien Reichsstadt dargestellt. Auf dem linken Relief kniet die Norimberga als die Ver­ treterin der Reichsstadt vor der thronenden Brabantia und überreicht ihr ein Schwert mit Gürtel, einen Stab und ein Paar Handschuhe. 3

Die Brabantia scheint, indem sie mit ihrer Rechten das Schwert berührt, diesen Stab entgegenzunehmen. Darin ist der weit verbreitete mittel­ alterliche Rechtsbrauch verkörpert, daß die Übergabe von Schein­ leistungen auf die geschlossenen Verträge und auf die Gewährung von Zollfreiheiten hin weisen soll. Die beiden Reliefs stehen in engem Zusammenhang mit dem kaiser­ lichen Handelsprivileg von 1332; denn das eine Relief mit dem thronen­ den Kaiser ist außerdem nach dem Kaisersiegel dieser wichtigen Ur­ kunde gearbeitet (in Gebrauch (1328—1347). Ein Bildhauer hat die Arbeiten geschaffen, der von der 2. Sebalder Werkstatt, die an der St. Sebalduskirche Nürnberg um 1340—1350 tätig war, beeinflußt ist. Allerdings stehen die Reliefs nicht mehr in der ursprünglichen Rah­ mung. Bei der Renovierung des Rathaussaales um 1903/05 wurde die Bemalung schlecht erneuert und bei dem Brabantiarelief ein neugotischer Abschluß oben hinzugefügt, so daß die bildhauerische Leistung nicht mehr voll zur Wirkung kam. Der frühere noch 1891/1900 nach­ weisbare Zustand gibt wenigstens die Reliefs ohne diese fälschenden Zutaten wieder. Während des 2. Weltkrieges versuchte man, die Reliefs durch vorgeblendete Steinmauern zu schützen. Bei dem Brand und der Vernichtung des Rathauses schlugen aber die Flammen durch die Luft­ schlitze. Im Zusammenhang mit der 900-Jahrfeier 1950 wurden die Werke untersucht; die Feststellung ergab, daß starke Schäden durch die Brandeinwirkung verursacht sind. Die Oberfläche des Steins ist mitgenommen. Bei der Wiederherstellung des Rathaussaales wird sich vielleicht eine Erneuerung und Auswechslung der Reliefs nicht ver­ meiden lassen. Hoffen wir, daß dann die museale Erhaltung der Ori­ ginale noch möglich ist. Murr gab 1801 noch bei den Reliefs zwei lateinische Inschriften an, die auf die Zollfreiheiten mit München und den Niederlanden hinweisen. Diese waren später hinzugefügt und haben sich nicht erhalten. Die zweite lautete: S. P. Q. N. R. HONORI AC MEMORTAE SEMPITERNAE ILLVSTRISSIMORVM BVRGVNDIAE ET BRABANTIAE DVCVM, NEC NON FLANDRIAE COMITVM OB VECTIGALIVM IMMVNITATEM PER EORVM DITIONEM CIVIBVS NORIBERGENSIBVS BENIGNE CONCESSAM. Früher wurde die heute auf gegebene Annahme vertreten, daß in der auf dem Thron sitzenden Frau die zweite Gemahlin des Kaisers Ludwig IV. des Bayern dargestellt sei. Margarethe von Hennegau war die Tochter des Grafen Wilhelm III. des Guten von Holland und Henne­ gau (1304—1337) und somit die Schwester des Grafen Wilhelm IV. von Holland und Hennegau (1337—1345), der im Jahre 1345 bei dem Kampf gegen die Friesen gefallen ist. Durch Margarethe kam das Gebiet 1345 als Erbe an den Kaiser. Die Wittelsbacher besaßen nunmehr 1345—1433 die Grafschaft Holland, Seeland und Friesland als bayerisches Teil­ herzogtum, seit 1353 gehörte es den niederbayerischen Herzogen von Straubing. Diese residierten im Haag, der Hauptstadt der Grafschaft Holland bzw. in Mons (Belgien), der Hauptstadt vom Henne­ gau, zu dessen Gebiet auch die Städte Cambrai, Valenciennes, Mau­ beuge gehörten. Die Gräfin Jakobäa von Holland (1417—1433, f 1436), 4

die Tochter des Herzogs Wilhelm II. von Bayern-Straubing als Graf von Holland Wilhelm VI. (1404—1417), dankte f433 ab. Im August wurde jedes Jahr ©in Nürnberger Kanzleibote nach Brüssel und Lüttich abgefertigt. Nach Brüssel überbrachte er ein höl­ zernes Schwert von besonderer Größe, einen bleichgelben Ledergürtel, ein Paket von sechs verschiedenen Nähnadeln und einen Goldgulden. Der Rat sandte dazu ein in deutscher und französischer Sprache abgefafites Schreiben. Es war dies eine Form des mittelalterlichen Pfeifer­ gerichts; bei dieser symbolischen Form wurde sonst auch ein Becher mit Pfeffer überreicht und dazu spielte die Musik auf. Die Zollfreiheit in Brüssel wurde durch die überbrachten Geschenke bei dem Groß­ kanzler und Rat von Lothringen, Brabant und Limburg jeweils für ein Jahr erneuert. Der Kanzleibote aus Nürnberg hatte sich deswegen am Tag Mariä Himmelfahrt, 15. August, bei dem Großkaazler gemeldet. Darnach fand eine feierliche Versammlung des Rats in der Ratsstube statt. Der Abgesandte trat vor das Plenum, zog das Schwert aus der Scheide und übergab seine Geschenke. Daraufhin wurde das Nürn­ berger Schreiben verlesen und der Großkanzler erteilte nun die Zoll­ freiheiten. Das Schwert blieb im Gebäude der Regierung, der Gesandte bekam eine lateinische Quittung auf Pergament. Der Kanzleibote überreichte gleichzeitig dem Rat Lebkuchen, Mithridatbiichsen und nürnbergisches Pflaster im Wert von 14 fl. Das Mithridat (Antidotum Mithridaticum) war ein Gegenmittel bei Vergiftungen, das von dem König Mithradates VI. Eupator oder dem Großen des bosporanisehen Reiches und von Pontus (f 63 v. Chr.) erfunden worden sein soll. Der gleiche Kanzleibote ging darauf nach Lüttich und überbrachte die gleichen Gaben; der Bischof von Lüttich erneuerte die Zollfreiheiten. Nur war das Schwert etwas kürzer. Roth gibt an, daß das Paket Näh­ nadeln 300 Stück enthalten hat; die Übergabe des Goldguldens ist hier nicht erwähnt9). Ursprünglich waren aber sicher die Gaben in Brüssel und Lüttich die gleichen. Aus den überbrachten Gaben geht die schon im 14. Jahrhundert übliche Fertigung von Waffen, Lederarbeiten sowie die Nadelfabri­ kation in Nürnberg hervor. In der Stadtrechnung von 1377 fol. 131 ist dann die Anfertigung und die Übersendung des Schwertes erwähnt. Weitere Einträge finden sich in den Stadtrechnungsregistern 1380 und 1381. Bis nach 1790 wurde dieser Brauch beibehalten. Im Revolutionskrieg 1793 waren durch den Sieg des französischen Generals Jourdan die Straßen nach Würzburg abgeschnitten. Die Nürnberger Gesandtschaft kam nicht durch, sie war bis in das neutrale preußische Gebiet der ehe­ maligen Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach gefahren und wartete hier auf die Rückkehr nach Nürnberg. Infolgedessen blieben damals diese Gaben zurück. Ein Rentbeamter Buchhorn in Nürnberg bekam das Schwert, der es 1811 als Geschenk dem humanistischen Gymnasium Ansbach übergab. 1871/72 wurde das Schwert dann der Sammlung des Historischen Vereins von Mittelfranken überlassen und befindet sich seitdem im Stadt- und Kreismuseum Ansbach8); es ist z. Z. nicht auf-

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findbar. Ein zweites Schwert gelangte vom Staatsarchiv Nürnberg in das Bayerische Nationalmuseum München. Kaiser Karl IY. (König 1347, Kaiser 1355—1378), der Nürnbergs Zollfreiheiten bestätigte 9), strebte nun an, den Handel auf der Straße von Flandern zur Donau über Nürnberg zu leiten. Die flandrischen Handelsprivilegien, die Nürnberg 1361 von dem Grafen von Flandern und von flandrischen Städten erhielt, sind nur im Rahmen der damals erteilten Privilegien zu betrachten. Am 14. VI. 1360 hat Graf Ludwig III. von Male, letzter Graf von Flandern und Herzog von Brabant (1346—1383) die Freiheiten der Kaufleute des römischen Reiches bestätigt, erneuert und erweitert. 10) Die Städte Gent, Brügge und Ypern urkundeten ebenso für die deutschen Kaufleute am 14. VI. 1360 zu Gent. Diese beiden lateinischen Privilegien setzen die Freibriefe des Grafen Robert III. von Flandern 1. XII. 1307, des Grafen Ludwig II. von Flandern 22. V. 1338 und des Grafen Ludwig III. 30. IV. 1349 voraus. Im Zusammenhang mit dem erstgenannten lateinischen Privileg hat Graf Ludwig III. von Male ebenfalls am 14. VI. 1360 das vlämische Privileg erlassen. In ihm wurden die gräflichen und Brügger Freibriefe von 1309 wiederholt. Am 14. XI. 1309 erteilte Brügge die den Kauf­ leuten des römischen Reiches verliehenen Freiheiten, die in Flandern und für ihren Stapel zu Brügge galten. Am 24. XI. 1309 stellte Graf Robert III. von Flandern einen Freibrief für die Kaufleute des römi­ schen Reiches zum Stapel in Brügge aus und gestattete ihnen bei Ver­ letzungen dieses Stapels dagegen einen privilegierten Stapel an einem andern Ort Flanderns zu errichten. In dem Hauptprivileg von 1360 sind nun die Gerechtsame der Kaufleute auf die Niederlassungen in Flandern ausgedehnt und nicht nur an den Stapel in Brügge angepaßt. Die Ausfertigung dieses vlämischen Privilegs für Kämpen (Provinz Oberijssel) vom 3. und 23. V. 1361 befindet sich dort im Archief der Gemeente. Die Ausfertigung für Nürnberg ist am 23. I. 1362 (1361) aus­ gestellt. Beide Urkunden wurden vom gleichen Schreiber gleichzeitig wie die hansischen mundiert. Das Privileg für Kämpen ist 1360 verfaßt und die Aushändigung war damals bereits für den 23. V. 1361 festge­ setzt. Auch das Nürnberger Privileg ist 1360 mit der anderen Jahres­ zahl geschrieben, das eigentliche Datum sollte erst am Tag der Aus­ händigung eingesetzt werden. Daraus geht hervor, daß die Urkunden an der Messe 1361 übergeben werden sollten. Aus Nürnberg war wohl kein bevollmächtigter Vertreter der Reichsstadt anwesend, infolgedes­ sen konnte dies erst 1362 erfolgen. Die beiden Städte Kämpen und Nürnberg haben aber die lateinischen Privilegien des Grafen Lud­ wig III. und der Städte 1360 (Hansisches Urkundenbuch III Nr. 495/96) nicht bekommen, da die beiden Privilegien von 1309 ihnen nicht ver­ liehen waren. Nur dieses flämische Hauptprivileg mit einigen Zusätzen konnte den beiden Städten in diesem Jahre 1360 verliehen werden. Die Städte Gent, Brügge und Ypern urkundeten ebenso am 14. VI. 1360 £ür die deutschen Kaufleute. Die Ausfertigung für Kämpen er­ folgte am 23. V. 1361 (Archief der Gemeente) und für Nürnberg am

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23. I. 1362 (1361) (Hauptstaatsarchiv München). Der Graf Ludwig III. bestimmte dann die Maklergebühren für den Handel der deutschen Kaufleute in Flandern, die Urkunde ist zu Gent 14. VI. 1360 ausgestellt. Dieses Statut über das Maklerwesen erhielten nun ebenfalls die beiden Städte: die Ausfertigung für Kämpen ist am 13. V. 1361 (Archief der Gemeente) und für Nürnberg am 23. I. 1362 (1361) (München Haupt­ staatsarchiv) ausgestellt. Die Städte Gent, Brügge und Ypern taten das gleiche am 14. VI. 1360; Ausfertigung für Kämpen 23. V. 1361 a. a. O. und für Nürnberg 23. I. 1362 (1361). Der Rat in Nürnberg hat sich die­ ses Privileg sofort noch einmal beglaubigen lassen. Der Notar Theodericus Cramme, presbyter Tornacensis dyoecesis, hat am 21. II. 1362 die Originalurkunde in einer lateinischen Übersetzung transsumiert. Der Nürnberger Bürger Friedrich Amman zu Brügge hat dies in einem Gesuch gefordert. Der Akt wurde im Hause des Bürgers Arnoldus Poltus in Anwesenheit der beiden und vor den Zeugen Johannes Lutsmanni aus Krakau, Johannes Poltus, Enghelbert von Alst aus Nymaghen (Nymwegen, Nijmegen), Johannes Stralen und Hermann dictus Snouc de terra Ghelrie vollzogen (Urkunde mit Notariatszeichen im Hauptstaatsarchiv München). Der genannte Fridreich Ammann ist bei Ulman I Stromeir (Stromer, 1329—1407): Püchel von mein gesiecht vnd von abentewr, in der St. Diligengasse (Egidiengasse) zu Nürnberg erwähnt. Die Städte Gent, Brügge und Ypern bekundeten ebenfalls am 14. VI. 1360, daß sie die den deutschen Kaufleuten verliehenen Freibriefe in allem aufrechthalten und daß diese Freibriefe nicht durch die Privi­ legien einer flandrischen Stadt beschränkt werden können. Diesen Re­ vers erhielt auch Nürnberg. Wiederum die drei Städte Gent, Brügge und Ypern bekundeten am 18. VI. 1360, daß Graf Ludwig III. von Flan­ dern die den gemeinen deutschen Kaufleuten gegebenen Freibriefe auf ihren Antrieb und ihre Bitte verliehen hat. Zusammenfassend ist festzustellen: 1361 hatte Nürnberg als einzige oberdeutsche Stadt mit den drei flämischen Städten Gent, Brügge und Ypern einen Zoll- und Handelsvertrag abgeschlossen. Graf Ludwig III. von Male, letzter Graf von Flandern und 1355 Herzog von Brabant (1346—1383) erteilte dazu ein Handelsprivileg, das sich auf die Länder Flandern, Brabant und Limburg erstreckte. Auch andere deutsche Reichsstädte betrieben den Handel in den Niederlanden; aber gleiche Rechte erhielten nur die hansischen Städte und Nürnberg. Im Jahre 1315 hatte die Hanse ein ähnliches Privileg durch Herzog Johann III. von Brabant und Limburg (1312—1355) erreicht. In dem Zoll- und Han­ delsvertrag 1361 wurden den Nürnbergern bedeutende Vorrechte bei ihrem Aufenthalt zugestanden. Außerdem wurden Gebühren für die Waagen, die Makler und Wechsler sowie für die Benützung der großen I.agerhallen festgesetzt. Ein besonderes Vorrecht war, daß die Nürn­ berger ständig Waffen tragen konnten. Sie durften auch unter sich ohne Genehmigung ihre Zusammenkünfte halten. Sogar die eigene Ge­ richtsbarkeit mit Ausnahme der Blutgerichtsbarkeit wurde ihnen zuge­ standen n).

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Die Hanse hat um 1400 die Aufnahme von Nürnberger Kaufleuten nicht mehr erlaubt, da die Handelskonkurrenz zu groß war. Ulrnan I. Stromeier (Stromer) kennt in seiner schon genannten Schrift: Püchel von mein gesiecht vnd von abentewr, die Zollfreiheiten in niederländischen Städten sowie die Handelsbräuche (Usancen) von Brügge, er nennt die Wolle als Handelsware12). Die Herzoge von Burgund erhielten im Jahre 1433 die Niederlande. Auch unter ihrer Herrschaft blieben die Vorrechte der Nürnberger Kaufleute voll gewahrt. Der Handelsverkehr Nürnbergs ging nach Bra­ bant, Flandern, Limburg, nach Antwerpen und anderen Städten. Herzog Philipp der Gute von Burgund (1419—1467) erteilte der Reichsstadt teils neue Gerechtigkeiten, teils bestätigte er die alten Freiheiten. Am 29. I. 1433 bestimmte er zu Brüssel, wie es von nun an mit der Über­ reichung der nürnbergischen Wahrzeichen und mit den freien Rechten Nürnbergs in Brabant gehalten werde. Desgleichen bestätigte er in Brüssel am 10. XII. 1438, daß die Nürnberger und ihre Güter in Brabant und den anderen Gebieten bisher zollfrei waren. Schließlich erlangten die Nürnberger vom Herzog am 27. IV. 1445 die Bestätigung des großen flämischen Handelsprivilegs vom Jahre 1361. Die burgundischen Amt­ leute in Flandern wurden gleichzeitig beauftragt, daß sie die Bürger Nürnbergs in den Städten Gent, Brügge und Ypern bei ihren Gerecht­ samen und Freiheiten schützen sollten. Herzog Karl der Kühne von Burgund (1467—1477) bestätigte ebenfalls am 12. VII. 1468 in Brügge die Handelsfreiheiten; die Amtleute bekamen die gleiche Anweisung wie 1445 und sollten die Nürnberger im herzoglichen Gebiet unge­ hindert hantieren lassen 12a). Die Niederlande kamen 1477 an die Prinzessin Maria, die Tochter des Herzogs Karl des Kühnen von Burgund, die im gleichen Jahre den österreichischen Erzherzog Maximilian (den späteren Kaiser Maxi­ milian I. 1493—1519) heiratete. Nach ihrem Tode 1482 gingen die Nie­ derlande an die Habsburger über; die Vorrangstellung der Nürnberger Kaufleute war immer noch die gleiche. Für den Handel der patriziatischen Familien Nürnbergs nach den Niederlanden sei als Beispiel Martin II. Behaim d. Ä. (* 1459 zu Nürn­ berg, f 1507 zu Lissabon) genannt. Im Alter von 18 Jahren kam er nach dem flandrischen Mecheln und darauf nach Antwerpen. Er lernte in den großen Häusern und betrieb auch schon seine eigenen Geschäfte. 1479 machte Behaim sich selbständig und eröffnete eine Agentur sowie ein Speditionsgeschäft in Antwerpen. Er wurde Grofikaufmann. Auf einer seiner Geschäftsreisen von Antwerpen aus kam Behaim 1483 nach Portugal und in die Hauptstadt Lissabon. Darauf kehrte er für kurze Zeit nach Antwerpen zurück und gab dann seinen Beruf auf. In Lissa­ bon sollte der Nürnberger Patrizier, da er in seiner Jugend ein Schü­ ler des Astronomen Regiomontanus (eigentlich Johannes Müller 1436 bis 1476) zu Nürnberg war, eine weit wirkungsvollere Tätigkeit als Geograph finden. Eine portugiesische Expedition führte ihn 1484 bis nach Südwestafrika. Seit 1486 lebte er auf der Insel Fayal, einer der Azoreninseln. 8

Niederländer in Nürnberg In den deutschen Reichsstädten haben sich immer wieder fremde und ausländische Künstler zu kürzerer oder längerer Tätigkeit nieder­ gelassen; mitunter wurden sie dort auch Bürger. Vielfach war der Rat diesen fremden Künstlern gegenüber entgegenkommend; denn sie brachten neue künstlerische Impulse mit. Auch für Nürnberg trifft dies zu. Zahlreiche niederländische Künstler sind hieher gezogen 13). Im Rah­ men dieser Studie ist es aber unerläßlich, auch die Tätigkeit der nieder­ ländischen Händler, Kaufleute und Handwerker in Nürnberg zu be­ sprechen. Die Nürnberger Meisterbücher umfassen die Jahre 1363—1571, sie enthalten die Angaben über die Neuaufnahmen. Gleichzeitig bilden diese Bücher dann die Reihe der papierenen Bürgerbücher. Die perga­ mentenen Bürgerbücher reichen von 1302—1664, die Neubürgerver­ zeichnisse noch von 1500—1725 14). Die Bewerber um das Bürgerrecht mußten ihr Vermögen nachweisen, darnach richtete sich die Gebühr des Bürgergeldes. Der einfachere Mann zahlte 4 fl. Die reicheren Hand­ werker, die Kaufleute u. a. zahlten aber 10 fl., dafür erfolgte auch der Eintrag in die pergamentenen Bürgerbücher. Zahlreiche kunstreiche Handwerker und Künstler erhielten das Bürgerrecht geschenkt. Immer wieder suchen wir aber Mitglieder der niederländischen Kolonie und besonders die reicheren in Nürnberg vergebens in den Bürgerbüchern. Als Grund wird anzunehmen sein, daß der Nürnberger Rat besonders seit den Religionskämpfen in den Niederlanden nur ungern die Refor­ mierten auf genommen hat; denn Nürnberg war lutherisch. Die reichen fremden Kaufleute werden auch oft die Zahlung der Losung, der Steuern, gescheut haben.

Nürnberger Künstler und die niederländische Kunst 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts Die künstlerischen Beziehungen zwischen Nürnberg und den Nieder­ landen waren vom 15. Jahrhundert an immer sehr ausgeprägt. Die Nürnberger Künstler weilten auf ihrer Wanderschaft in diesen Pro­ vinzen oder wurden von niederländischen Künstlern, die in Deutsch­ land arbeiteten, in entscheidender Weise beeinflußt. An einigen charak­ teristischen Beispielen sind diese näheren Zusammenhänge klar er­ sichtlich. Malerei Der Maler Valentin Wolgemut (f 1469/70) wurde vermutungsweise mit dem Meister des Wolfgangsaltars in der St. Lorenzkirche Nürnberg identifiziert. Er heiratete spätestens 1433 und wurde Vater des Malers Michel Wolgemut. Vor der Jahrhunderthälfte sind aber keine Werke von ihm nachweisbar, um 1450 sind die ersten erhaltenen Ar­ beiten entstanden. Valentin Wolgemut muß auf seiner Wanderschaft in den Niederlanden gewesen sein; denn er brachte die neuen Tendenzen 9

noch vor Hans Pleydenwurff, der von 1457—72 in unserer Stadt ar­ beitete, erstmals hieher. Beeinflußt ist Valentin Wolgemut durch die Werke des Löwener Stadtmalers Dierick Bouts d. Ä. (um 1420—1475). Eine sehr ausgeprägte Künstlerpersönlichkeit war Wolgemut aber nicht. 1461/69 ist er in den Nürnberger Steuerlisten als Maler erwähnt. Von seinen Werken seien nur zwei Altäre genannt. Der Passions­ altar um 1460 wurde in die ehemalige Dominikanerkirche Nürnberg gestiftet; er war ein Gedächtnisaltar fiir Peter (alias Jörg) Zcnner (f 1460); die Stifterin war seine 2. Gemahlin geb. Haug. Möglicher­ weise hat aber Peter Zenner das Werk noch selbst gestiftet, das im 19. Jahrhundert in die St. Lorenzkirche kam. Auf der Mitteltafel ist das Gebet am ölberg gemalt, auf den Flügelinnenseiten sind Passions­ szenen dargestellt. Seit 1951 steht der Altar vorübergehend in der Dreieinigkeitskirche. Der Wolfgangsaltar, nach dem der Meister einst benannt wurde, befindet sich in der St. Lorenzkirche Nürnberg. Das Triptychon zeigt in der Mitteltafel die Auferstehung Christi und auf den Flügeln verschiedene Heilige. 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts Malerei Der Maler Hans Pleydendorff (Pleidendorff, * wahrscheinlich zu Bamberg, f Anfang Januar 1472 zu Nürnberg) war zuerst in Bam­ berg tätig. Die Familie stammt vermutlich aus Eisleben. In der Zeit zwischen 28. III. und 10. X. 1457 wurde er Nürnberger Bürger15). Die Annahme, daß der Maler vielleicht schon seit 1451 in Nürnberg weilte, ist sehr fraglich. Auf seiner Wanderschaft von Bamberg aus muß Pley­ denwurff in den 50er Jahren an den Niederrhein und in die Nieder­ lande gekommen sein. Die Altargemälde und die Epitaphien des Ma­ lers, die in Nürnberg später entstanden sind, zeigen diesen Einfluß. Die Landschaft, die Typen der Figuren und besonders die Gestalt Christi sind ohne niederländische Anregungen nicht zu denken. Die Altäre beweisen, daß Pleydenwurff die niederländische Malerei an Ort und Stelle kennen gelernt hatte. Die Einflüsse des Brüsseler Malers Rogier van der Weyden (1399/1400—1464) und des Löwener Stadt­ malers Dierick Bouts d. Ä. (um 1420—1475) sind erkennbar. Durch seine niederländischen Anregungen beeinflußt, hat Pleyden­ wurff besonders das Stoffliche auf den Bildern betont. Walter Holzinger nimmt allerdings diese niederländische Reise nicht als unbedingt sicher an 16). Jedoch kann man das Vorhandensein der niederländischen Ele­ mente nicht allein durch wandernde graphische Vorlagen erklären, wie sie in den Maler- und Bildhauerwerkstätten der Zeit so vielfach in Gebrauch waren und dann weitergegeben wurden. Pleydenwurff hat die gesamte Nürnberger Malerei in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts entscheidend beeinflußt. In der 1. Hälfte wurde die monumentalisierende und idealisierende Art der großen Figuren bevorzugt. Von nun an werden die Figuren mit der sie umgebenden Landschaft zusammengesehen. 10

Der Maler und Zeichner für den Holzschnitt Mi diel Wolgemut (Nürnberg 1434—1519) war der Sohn und Schüler des Malers Valentin Wolgemut (f 1469/70). Auch Michel Wolgemut muß auf seiner Wander­ schaft nach Flandern gekommen sein, da ein Frühwerk deutliche An­ klänge an niederländische Malerei zeigt. Darnach war er vor Fasching 1471 zu München in der Werkstatt des Malers Gabriel tätig, der mit Gabriel Angler (nachweisbar 1434—1482, f vor 1486 und wohl identisch mit dem Meister der Pollinger Tafeln) oder mit Gabriel Mäleskircher (um 1410/15—1495) zu identifizieren ist. In Nürnberg arbeitete Michel Wolgemut 1471 dann wieder in der väterlichen Werkstatt, die von sei­ ner Mutter weiterbetrieben wurde. 1472 heiratete er Barbara, Witwe des Malers Hans Pleydenwurff, und übernahm dessen Werkstatt. Von nun an hatte Wolgemut eine der größten Malerwerkstätten Deutsch­ lands, zahlreiche Aufträge wurden ihm für Kirchen in Nürnberg und auswärts übertragen. Der Zwickauer Altar wurde als Hochaltar der St. Marienkirche in Zwickau 1479 vollendet,* die beiden Flügelpaare und die Standflügel des Schreins, die beiden Predellenflügel und die Rückseite des Schreins sind von Wolgemut und seinen Gesellen ge­ schaffen. Auf diesen Gemälden ist nun der niederländische Einfluß deutlich zu erkennen, die Köpfe weisen auf den Meister von Flemalle hin. Er war in der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts in den südlichen Niederlanden tätig gewesen und er wird auch mit dem Maler Robert Campin (1375—1444) ohne volle Berechtigung identifiziert. Außerdem hängen die Köpfe Wolgemuts noch mit dem stilistischen Kreis des mit­ telrheinischen und seit 1465 in Brügge tätigen Malers Hans Memling (um 1433—1494) sowie mit der Brügger Malerei zusammen. Goldschmiedekunst Der Goldschmied Albrecht Dürer d. Ä. (* 1427 wohl zu Gyula, Un­ garn, und f 1502 zu Nürnberg) kam auf der Wanderschaft 1444 nach Nürnberg. Damals wurde er wahrscheinlich ein Schüler des Gold­ schmiedes Hieronymus Holper (erwähnt bis 1467). Die weitere Wander­ schaft führte den jungen deutschen Goldschmiedegesellen auf mehrere Jahre in die Niederlande: vielleicht kam er damals auch nach Burgund und hat Goldschmiedewerke für den Herzog Philipp den Guten von Burgund (1419—1467) ausgeführt. Nach den Angaben seines Sohnes in dessen handgeschriebener Familienchronik war der Goldschmied lange in den Niederlanden bei den großen Künst(l)ern gewesen. 1455 kehrte Dürer nach Nürnberg zurück. Von ihm waren bisher keine nachweis­ baren Werke bekannt, erst Dr. Heinrich Kohlhaußen hat eine Arbeit festgestellt. Kardinal Albrecht von Brandenburg, Erzbischof von Magde­ burg, Mainz und Administrator von Halberstadt (1513—1545) besaß in seinem Heiltumsschatz zu Halle a. S. einen Kristallpokal mit nieder­ ländisch Schmelzwerk, der eine burgundische Arbeit aus der Zeit von 1425—1450 war. Die Nachzeichnung nach diesem verlorenen Pokal ist in das Hallesche Heiltum von 1520, den für die Goldschmiedekunst so wertvollen Codex in der Schlofibibliothek Aschaffenburg, aufgenom­ men. Sie ist in Deckfarbenmalerei ausgeführt17). Cuppa und Deckel waren aus Bergkristall, die Fassung war Silber, seitlich war ein Angriff 11

daran. Ein Krönlein war am Knaufhals befestigt, wie es gerade zu den flandrischen Pokalen gehörte. Mit niederländisch Schmelzwerk waren Teile der Fassung verziert, dies hat der Zeichner farbig nachgebildet. Die Szenen aus dem Wildeleutethema waren dargestellt; die Grisaillemalerei war mit Gold gehöht und auf dem dunkelblauen Schmelzgrund aufgetragen; eine gleichartige Grisailleranke trat hinzu. Das Kunst­ historische Museum Wien besitzt einen Doppelpokal (Doppelbecher, Doppelscheuer), der eine Nürnberger Arbeit um 1470 ist. Er hat eine Höhe von 24,5 cm, das Beschauzeichen ist das von Altnürnberg (Rosen­ berg 3 Nr. 3686). Corpus und Deckel sind aus Bergkristall gefertigt; die Goldschmiedefassung macht das Ganze zu einem kleinen Meisterwerk in Form und Ausführung. Nach den beweiskräftigen Ausführungen von Dr. Heinrich Kohlhaufien stimmt der ganze Aufbau von dem sechspaß­ förmigen Fuß an über den Corpus, den Angriff und zum Deckel hin mit dem Vorbild im Aschaffenburger Codex überein. Nur das niederlän­ disch Schmelzwerk, das eben in Nürnberg nicht hergestellt werden konnte, fehlt. Die beiden Krönlein am Deckelhals und das hängende Ornament unten am Kristallkörper weisen auf das burgundische Vor­ bild hin. Der Angriff ist mit silbernen Ranken versehen. Dieser Dop­ pelpokal in Wien ist also als die erste Arbeit Albrecht Dürers d. Ä. stilistisch bestimmt. Daraus geht hervor, daß dieser Goldschmied auch in seiner Nürnberger Zeit von der niederländisch-burgundischen Kunst beeinflußt war. Nach den Nürnberger Stadtrechnungen vom 25. TI. 1471 wurden niederländische Goldschmiedearbeiten vom Rat angekauft. Fol. 242 r findet sich die Abteilung der Geschenke an: Abt Schenck Fürsten hern Rittern knechten Steten Spilleuten vnd andern. Darnach wurden die kostbaren Werke der Braut des Reichsschultheißen Sigmund von Egloffstein als Geschenk übergeben. „Item XXXIJ guldin lanndsw(erung) costen vier Niderlendisch Schaln damit man herrn Sigmunds vom Egloffsteins Ritters unnsers Schultheissen prawt verert“ 18). Da­ mit können nun aus den Niederlanden eingeführte oder eher die mit Email dem niederländisch Schmelzwerk verzierten Schalen gemeint sein. Plastik Der Bildhauer und Bildschnitzer Veit Stoß d. Ä. (* 1447/48 zu Din­ kelsbühl, f 1533 zu Nürnberg) war der Sohn des Fritz Stoß (t 1452) und der Kathrein (Katharina) Stoß. Er stammt wohl aus der Handels­ herrenfamilie Stoß in Ravensburg. Mit seiner verwitweten Mutter kam Veit Stoß schon 1454 nach Nürnberg, hier sollte er als einer der größten deutschen Bildhauer sein arbeitsreiches und nach 1500 tragisch ver­ laufendes Leben zubringen. Auf seiner Wanderschaft kam er nach dem oberrheinischen Straßburg im Elsaß, er arbeitete zuerst als Maler und Bildhauer. Er war Schüler des Meisters der Karlsruher Passion, eines oberrheinischen Malers. Durch das Zusammentreffen mit dem nieder­ ländischen Bildhauer und Bildschnitzer Nicolaus Gerhaert van (von) Leyden wandte sich Stoß von der Malerei ab und war von nun an allein als Bildhauer tätig19). Nicolaus Gerhaert ist im 1. Drittel des 15. Jahrhunderts geboren und 1473 in Wiener-Neustadt gestorben. Sein 12

Geburtsort kann die holländische Stadt Leiden gewesen sein; ob er aber tatsächlich aus den Niederlanden oder, wie wenige Forscher an­ nehmen, vom Mittelrhein stammt, läßt sich nicht erweisen. Die Her­ kunft aus den Niederlanden ist jedoch als die wahrscheinlichste anzu­ nehmen. Vom mittelrheinischen Gebiet aus muß Nicolaus Gerhaert auf seiner Wanderschaft nach Burgund gekommen und hier in Dijon sowie in Bourges gewesen sein. Nach seiner Rückkehr war er wohl in Utrecht und Leiden tätig, dann ging er nach Deutschland. 1462 ist er in Trier nachgewiesen und 1463—1467 arbeitete er in Straßburg. Im Jahre 1467 entstand das Kruzifix auf dem alten Friedhof in Baden-Baden, das Material ist Sandstein. Die Höhe des Kreuzes beträgt 5,60 m und die des Korpus 2,30 m. Die majestätische Gestalt des Gekreuzigten zeigt, daß der Bildhauer nicht mehr den vom Schmerz getroffenen, sondern den die Welt beherrschenden Gottessohn verkörpern wollte. Dadurch ist ein neuer Typus ausgeprägt. Der deutsche Kaiser Friedrich III. (König 1440, Kaiser 1452—1493) hatte 1467 den Niederländer nach Wien berufen, damit er ihm seine Tumba ausführe. Veit Stoß muß nun mit seinem zweiten Lehrer nach Wien gegangen sein, dort hatte er bis zum Tode des Nicolaus Gerhaert 1473 in dessen Wiener Werkstatt gearbeitet. Im Werk des Nürnbergers gibt es verschiedene Parallelen zu Ar­ beiten dieses seines Lehrers. Stoß war 1473 nach Nürnberg zurückge­ kehrt. Die deutsche Gemeinde St. Marien zu Krakau berief ihn 1477 in ihre Stadt, damit er den neuen Hochaltar in der deutschen St. Ma­ rienkirche ausführe. 1477—1496 wirkte Stoß in Krakau. Der königliche Münzmeister Heinrich Slacker in Krakau bestellte bei Veit Stoß eine Kreuzigungsgruppe in Stein, die in der St. Marienkirche als Altar am Ostende des rechten Seitenschiffes aufgestellt wurde. Später wurde der Kruzifixus in einen barocken Altar eingefügt, die beiden Assistenz­ figuren der Maria und des Johannes haben sich nicht erhalten. Der Christus am Kreuz geht nun auf den Kruzifixus des Nicolaus Gerhaert in Baden-Baden von 1467 zurück. Nach der Fertigstellung des Marien­ altars 1489 erhielt der Nürnberger Bildhauer einen bedeutenden Auf­ trag für den polnischen Königshof. Der König Kasimir IV. Jagiello von Polen (1444—1492) war mit der deutschen Prinzessin Elisabeth, der Tochter des deutschen Königs Albrecht II. (1438—1439) vermählt. An der Kathedrale, dem Dom auf dem Wawel hatte Kasimir IV. 1461—1471 die Kreuzkapelle als eine Sepultur der Jagiellonen errichtet. Das Bal­ dachingrab Kasimirs sollte nun Veit Stoß als eine meisterliche Schöp­ fung seiner Hand gestalten. Stoß hat die Arbeit vielleicht schon zu Leb­ zeiten des Herrschers begonnen und 1492 vollendet oder die Königin hat 1492 den Auftrag erteilt. Die eigenhändig ausgeführte Tumbenplatte weist nun eine Abhängigkeit zu der wieder von Nicolaus Gerhaert eigenhändig geschaffenen Tumbenplatte des Kaisers im Stephans­ dom Wien auf. Der Bildhauer und Bildschnitzer Simon Leinberger (nachgewiesen von 1478 an und vor 1503 gestorben) ist ein Nürnberger, der nur ur­ kundlich in den Akten genannt ist. Der Hochaltar in der St. Georgs­ kirche zu Nördlingen wurde ihm von der Forschung aberkannt, auch 13

sonst läßt sich kein sicheres Werk nachweisen. Die Forschung nimmt aber mit überzeugenden Gründen an, daß Leinberger vor 1467 am Oberrhein war und mit Nicolaus Gerhaert van Leyden zusammenkam. Durch seine Kunst muß er ebenso wie die anderen Bildhauer der Zeit beeinflußt worden sein. Der Bildhauer Adam Kraft (Krafft, * um 1455/60 zu Nürnberg, t 1508/09 zu Schwabach bei Nürnberg) war zuerst Baumeister und Steinmetz, darnach arbeitete er nur als Bildhauer. Erst am Ende seines Lebens wirkte er wieder als leitender Baumeister bei der Er­ neuerung des Michaelschörleins der Nürnberger Frauenkirche 1506/08. Auf seiner Wanderschaft kam Kraft frühzeitig an den Oberrhein. Die niederländisch-flandrische Kunst, die durch Werke am Oberrhein ver­ treten war, bildete die eine Vorstufe zu seinem Schaffen. Bei manchen seiner Arbeiten finden sich Vergleichsmomente zu den Werken des Nicolaus Gerhaert van Leyden. Außerdem kannte er die Malerei des Kupferstechers und Malers Martin Schongauer (um 1430/35—1491) in Kolmar und Breisach, der wieder durch Rogier van der Wey den be­ einflußt war. Entweder hat Kraft diese niederländischen Stilprinzipien durch Schongauer, durch die Nürnberger Maler Hans Pleydenwurff, Michel Wolgemut und andere aus diesem Umkreis übermittelt erhal­ ten oder Kraft war während seiner Wanderschaft auch am Nieder­ rhein und studierte hier die Werke des Rogier van der Wey den und des Dierick Bouts d. Ä. Das erste erhaltene Werk Krafts ist das Schreyersche Grabmal 1490—1492 am Ostchor der St. Sebalduskirche Nürnberg. Am 11. IX. 1490 schloß der Bildhauer mit dem amtierenden Kirchenmeister Sebald Schreyer 1446—1520), einem Kaufmann aus einer gerichtsfähigen Familie, dem letzten seines Stammes, und dessen Ver­ wandten Matthäus Landauer (f 1515), einem Großkaufmann und Kupfer-Messinghändler, einen Vertrag über ein Epitaph an der Grab­ stätte dei' Schreyer und Landauer. Das Werk ersetzte an dieser Stelle ein älteres Gemälde. Die dreiteilige Reliefkomposition enthält die Kreuztragung, Grablegung und Auferstehung. Adam Kraft hat einige kompositionelle Anlehnungen an Motive aus Gemälden von Rogier van der Weyden, Dierick Bouts d. Ä., Martin Schongauer und Michel Wol­ gemut durchgeführt. Bei der Grablegung geht die händeringende Ma­ ria Magdalena auf die Kreuzabnahme Rogiers 1435/40 in der Gemälde­ galerie des Klosters San Lorenzo del Escorial (bei Madrid) zurück. Auch die Frau mit der Salbbüchse dieser Kraftschen Szene geht auf ein verlorenes Gemälde des gleichen Brüsseler Stadtmalers zurück, das in einer Nachzeichnung im Cabinet des Dessins des Louvre Paris und in anderen Kopien bekannt ist. Gobelin Wirkerei Der Pfarrer und Jurist Dr. Conrad Konhofer (* ca. 1374 zu Hilpoltstein bei Roth, f 1452 zu Regensburg) war als Propst und dann als Dompropst in Regensburg tätig. 1424 oder schon vorher wirkte er als Berater des Nürnberger Rats, 1426/34 trat er als geistlicher Jurist in den Dienst Nürnbergs. Im Jahre 1438 wurde der gelehrte Geistliche end­ lich als Pfarrer an die St. Lorenzkirche zu Nürnberg berufen, er blieb 14

auch weiterhin in Regensburg als seinem Wohnsitz und zweiten Amts­ sitz. Konhofer faßte nun den Plan, auch bei der Lorenzkirche einen neuen mächtigen Ostchor zu errichten, der 1452 noch unvollendet war. Hier wurde Konhofer an dem von ihm gestifteten Hieronymusaltar beigesetzt. In seinem 3. Testament vom 27. III. 1452 vermachte der Plebanus dann fünf Brabanter Teppiche seiner Kirche: Item ad fabricam sancti Laurentii plura donavi, sic hac vice volo, quod quinque magnae tapetae de Brabantia remaneant apud eam, sed monstrantia deaurata et campanellae vendantur cum clenodiis. Darnach hat der Geistliche während seiner Amtszeit fünf brabantische Gobelins (Wirkteppiche) in die Lorenzkirche gestiftet, die der Bauleitung und somit der Kirche geschenkt d. h. belassen werden. Die weitere Stiftung von Monstranzen und Kleinodien war üblich, die Gegenstände sollen abe: diesmal ver­ kauft werden. Diese frühesten in Nürnberger Kirchenbesitz nachweis­ baren niederländischen Gobelins, die sicher nach der Fertigstellung des Hochchores dort aufgehängt werden sollten, sind nicht erhalten. Die in der Literatur wiederholt damit zusammengebrachten Teppiche stam­ men jedoch aus dem 16. Jahrhundert20). Die bedeutende Bildwirkerei Nürnbergs wurde in der 2. Hälfte und am Ende des 15. Jahrhunderts durch die Erzeugnisse niederländischer Gobelinwirker abgelöst. Die Nürnberger Patrizier hatten schon zu die­ ser Zeit und dann im 16. Jahrhundert immer wieder Gobelins in den Niederlanden für Nürnberger Kirchen, für ihre Häuser und Herren­ sitze hersteilen lassen. Diese Gobelins sind auch gold- und seidendurchwirkt. Auch bei manchen in Nürnberg gewirkten Teppichen ist ein niederländischer Einschlag in Stil und Technik unverkennbar. Der Nürnberger Kaufherr Nikolaus Schlewitzer war wohl einer der Hauptunternehmer für den Import niederländischer Webereien und Wirkereien nach Nürnberg. Hampe vermutet, daß dieser Schlewitzer (Selbitzer) zu dem ehrbaren geriditsfähigen Geschlecht gehörte. Nach dem Ratsverlaß vom 20. Y. 1484 kam ein fremder niederländischer Teppichwirker nach Nürnberg, um in der Offizin des Schlewitzer tätig zu sein: Item einem niderlendischen würcker, der Tebich macht, Ist ver­ gönnt hie ze arbeiten vnd sein wesen bei dem Sleewitzer oder andern ze halten biß vff Laurencii schirst. Nach Hermann Schmitz war dieser Selbitzer ein Antwerpener Teppichhändler. Jakob Strieder stellte fest, daß in den Antwerpener Archiven von dem Jahre 1494 an die Firma Georg Vittert sen. und jun. als Exporthaus von flandrischen Teppichen nach Nürnberg vorkommt. Nikolaus Schlewitzer ist hier nur als Ex­ porteur von Drogen angeführt. Also muß Schlewitzer entweder eine Filiale seines Nürnberger Geschäftes in Antwerpen gehabt haben oder der in Antwerpen genannte Kaufmann ist vielleicht ein gleichnamiger Verwandter. 1508 schickte Georg Vittert jun. seinem Vater Georg neun Pakete Tapisserien nach Nürnberg21). In den Nürnberger Jahresregistern Bd. 5 1486—1517 fol. 9 wird am 5. VIII. 1486 die Anweisung erteilt: Item LXIJ guldin lands(werung) . vnd IIJ Pfund dn. Casten mit allen dingen die drey tucher, die der Sey15

demmwurcker Gemeiner Statt gewürckt hat, mit den IIJ Pfund dn. die eym Maler etliche tucher zu entwerffen gegeben sind. Actum Sa(bba)to Ofiwaldi (= Samstag den 5. VIII.). In diesem Betrag waren die 3. Pfund als Entgelt für den von einem anderen Maler gelieferten Entwurf be­ stimmt. Göbel vermutet hier einen aus den Niederlanden eingewan­ derten Niederländer. Als Neuerung hat er bei den helleren Teppich­ lichtern die Seide benützt22). Die patriziatischen Familien Nürnbergs haben immer wieder für die in den Kirchen liegenden Grabstätten ihrer Angehörigen kostbare Grabteppiche gestiftet. Es kam auch vor, daß ein Patrizier zu seinen Lebzeiten einen Grabteppich mit seinem Bildnis unter der Menge der andächtig Versammelten hat anfertigen lassen. Diese Gobelins dienten an den Gedenktagen der verstorbenen Familienmitglieder zur feier­ lichen Ausgestaltung der Seelenmessen. Außerdem hingen diese Grab­ teppiche bei den Bestattungen dann an den Wänden der Kirchen über den Grüften der einzelnen Familien oder sie waren vor dem Altar neben der Gruft auf dem Boden ausgebreitet. Diese Gobelins stellen in der Gobelinwirkerei sehr oft kostbare und auch stilgeschichtlich inter­ essante Stücke dar. Um 1460/75 ist ein Gobelin mit der Kreuzigung entstanden, ehemals St. Gallen Sammlung Leopold Ikle; er ist fränkisch, vielleicht in Nürn­ berg gewirkt. Wolle, 6—7 Kettfäden, 2,93 m hoch und 1,61—1,66 m lang23). Prinz Luitpold von Bayern datiert den Teppich um 1470, er hält ihn für einen Altarvorhang während der Karwoche. An dem Gobe­ lin ist die Bordüre unten sowie links vollkommen und oben teilweise ergänzt. Die Kreuzigungsdarstellungen des Hans Pleydenwurff sind Vorbild. Das für die bisherigen Nürnberger Gobelins so ungewöhnliche Format weist auf Vertrautheit mit niederländischer Wirkarbeit hin. Die bis dahin übliche breite Form des Langlakens wird auf gegeben und das hohe Format aus Flandern und Brabant auf genommen. Dar­ stellung und Farbengebung aber sind typisch nürnbergisch. Um 1475 ist der Volckamersdm Grabteppich mit dem jüngsten Ge­ richt (Germanisches Nationalmuseum) Nürnberg entstanden. Wolle und weißes Leinengarn, 6—7 Kettfäden, hoch 2,44 m und lang 1,52 m24). Christus im Strahlenkranz thront als der Weltenrichter auf dem Him­ melsbogen und seine Füße sind auf den Erdboden gestellt. Von dem Mund des Herrn gehen das Schwert und der Palmzweig aus. Seitlich knien Maria und Johannes Evangelista als die Fürbitter. Vier Engel halten die Passions Werkzeuge; unten ist die Auferstehung der Toten geschildert. An der Laubstabbordüre stehen unten die Wappen heral­ disch rechts Volckamer und links Schürstab. Darnach hätte sich Gottlieb Volckamer (f 1475) im Jahre 1451 in 2. Ehe mit Margarete Schürstab vermählt, die 1475 in das St. Katharina-(Dominikanerinnen-)kloster Nürnberg eintrat und hier 1496 starb. Nach Prinz Luitpold von Bayern könnten auch Berthold Volckamer (1397—1452 oder 1492) und seine 2. Frau Barbara Schürstab (CO 1429) gemeint sein. Ich möchte mich für die bisherige erste Zuweisung entscheiden. Der Gobelin gehört in diese Reihe, die von den niederländischen Stilprinzipien beeinflußt ist. 16

Im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts, um 1480/90 entstand der Gobelin mit einer Kreuzigung nach Hans Pleydenwurff. Er war für den fränkischen Zweig der schweizerischen Familie von Watt bestimmt. Der Teppich befindet sich im Martin von Wagner-Museum der Universität Würzburg, z. Z. im Mainfränkischen Museum Würzburg. Wolle, Seide und Gold, 7 Kettfäden. Auch hier betragen die Maße in der Höhe 2,82—2,87 m und in der Länge 1,65—1,69 m25). Die figurenreiche Kreuzi­ gung steht auf blumigem Grund, eine Blattbordüre faßt die Szene ein. Hier unten sind die Allianzwappen heraldisch rechts von Watt und links der Nürnberger patriziatischen Familie Pirckheimer angebracht. Darnach ist der Gobelin für Peter von Watt (1418—1462) in Nürnberg geschaffen, der sich vor 1449 mit Ursula, einer Tochter des Lorenz I Pirckheimer (tot 1449) vermählt hatte. Die Frau heiratete in 2. Ehe 1464 Paulus Hegner und in 3. Ehe um 1478 Hans von Schlammersdorfer. Erst geraume Zeit später wurde der Grabteppich zur Erinnerung an den ersten Mann als Gedächtnismal gewirkt. Vielleicht war der Gobe­ lin auch in der Karwoche auf gehängt. In diesem Teppich sind nun die niederländischen Stilprinzipien übernommen, dadurch wird auch ein dem Tafelbild nahekommender Eindruck hervorgerufen. Betty Kurth nahm an, daß der Entwurf in der Werkstatt des Michel Wolgemut und seines Stiefsohnes Wilhelm Pley­ denwurff (nachgewiesen seit 1479, f 1494) entstand; ein niederländi­ scher Wirker oder ein in Nürnberg ausgebildeter heimischer Schüler war beteiligt. Die andere Forschung setzte die Entstehung des Gobe­ lins bald in die Niederlande (in das flandrische Brüssel), bald nach Nürnberg. Das Werk ist aber in der Reichsstadt Nürnberg entstanden, die Werkstatt ist nicht festzulegen. Die patriziatische Familie Tücher bestellte in diesem Zeitraum einen Grabteppich 1477 aus den Niederlanden: die Verkündigung der Maria; z. Z. Depositum im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg26). Vielleicht ist hier die Mitwirkung des Kaufherrn Nikolaus Schlewitzer anzunehmen, auch wenn urkundliche Beweise fehlen. Die Verkündi­ gung spielt sich in einem reich und vornehm ausgestatteten Gemach ab. Nach einem Salbuch des Hans VI. Tücher, freiherrlich von Tuchersches Familienarchiv Nürnberg, haben im Jahre 1477 „Pertold und Hans Tücher senior“ (= Hans VI.) „geprüder und Anthony und Langhans Tücher von unser gesellschaft gekauft ein grabtebich mit dem englischen Grus, der kost hott 14 guld. rh. und für das Tücher wappen darauf und zu füttern kost 2 gülden. Den thebich soll fürpass albey der eltist Tücher, der die jartag ausricht, pei seinen handen gehalten zu denselben jahrtagen.“ Die letztgenannten Tücher gehörten der Handelsgeselilschaft an. Demnach war der Teppich fertig und er wurde jetzt noch durch das Familienwappen vervollständigt. Nach dem Ein­ trag im Salbuch müssen wir annehmen, daß sich der Gobelin zuerst bei der Tucherschen Grabstätte im Ostchor von St. Sebald befand. Ein Teil des linken Chorumganges ist als Familienkapelle eingerichtet. Im Jahre 1884 hat Heinrich Freiherr von Tücher den Gobelin für seine Familie aus dem Kunsthandel zurückerworben; er ließ den Teppich in den 2

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Werkstätten des Vatikans zu Rom restaurieren. Der Gobelin war in sehr schlechtem Zustand, es erfolgten starke Ergänzungen; das Wappen und das Datum, jetzt 1486, sind erneuert und nicht original. Das kost­ bare Werk hing zuletzt in dem 1944/45 zerstörten Tucherschen Land­ haus (Herrenhaus) in der Hirscheigasse, aus dem die Sammlungen vor­ her geborgen waren. Unten ist heraldisch rechts das neue Familienwappen Tücher ein­ gewirkt und in der Mitte findet sich das unrichtige Datum. Auf Grund der Laubbordüre ist ein in Nürnberg hergestellter Entwurf anzuneh­ men. Nach Schmitz ist dieser auf einen stark unter niederländischem Einfluß stehenden Meister des Pleydenwurff-Wolgemutkreises zurück­ zuführen. Die malerische Technik spricht für einen vielleicht in Nürn­ berg eingewanderten flandrischen Wirker. Ebenso kann der Gobelin auch in den Niederlanden bestellt sein. Die patriziatische Familie Holzschuher hat sich 1495 einen Grab­ teppich mit der Gregorsmesse in Brüssel herstellen lassen, Auftrag­ geber war Friedrich Holzschuher (f 1511). Der Gobelin befindet sich im Germanischen Nationalmuseum27). Die Maße sind bedeutend, die Höhe beträgt 2,96 m und die Länge 2,40 m. Der Wirkteppich wird auch zuerst in der Sebalduskirche gewesen sein. 1609 ist sein Vorkommen im Inventar der Holzschuherschen Stiftung bezeugt, er war damals in der Wohnung des Pflegers Siegmund Gabriel Holzschuher von Neuen­ burg und Thalheim (1575—1642). Vom Anfang der 70er Jahre des 19. Jahrhunderts bis 1911 war das Werk als Depositum der freiherrlich von holzschuherschen Familie im Museum, das 1911 den Grabteppich endgültig für seine Sammlungen erwarb. (Abb. 1.) Dargestellt ist die Gregorsmesse des hl. Papstes Gregor I. des Großen (590—604). Dem messelesenden Papste assistieren zwei Kardinäle, zwei Bischöfe und ein Diakon. Ein Mönch hält das reich verzierte Pluviale. Über der Altarmensa ist die Gestalt des Ecce honio mit den Attributen der Passion sichtbar, aber nur der Heilige sieht die wun­ derbare Erscheinung. Neben der Gestalt sind das Schweißtuch der Veronika, die Hand mit der Lanze, die beiden Köpfe des Joseph von Arimathia und Johannes, die Passionswerkzeuge, der Judaskuß, Malchus mit dem abgeschlagenen Ohr, das Schwert, das ungenähte Hemd und der Rock Christi, die Würfel der Soldaten erkennbar. Nach dem Bericht des Genealogen der Familie: Johannes Gatterer, Historia genealogica dominorum Holzschuherorum (Norimbergae 1755) Bl. 18 und Taf. 5 Kupferstich von Martin Tyroff (* 1704) sind unter den seitlichen andächtigen Zuschauern mehrere Mitglieder der holz­ schuherschen Familie dargestellt. Sicher läßt sich aber nur der Auftrag­ geber Friedrich Holzschuher (f 1511) mit dem auf der rechten Seite stehenden und eine Kerze haltenden Mann identifizieren. Sein Fami­ lienwappen ist unten im Bild rechts (also heraldisch links) in einem Vierpaß und darüber das Datum 1495 angebracht. Er wurde 1511 auf dem Sebalder Kirchhof neben der Schultüre der Sebalduskirche be­ graben, sein Totenschild hing in der Sebalduskirche bei dem Predigt­ stuhl (der Kanzel). Zu seinem Gedenken wurden in dieser Kirche wöchentlich „sacra“ d. h. Seelenmessen gefeiert. Dazu war dann wohl der Grabteppich vor dem Altar gelegen. 18

Wieder nach Gatterer wäre der Meister des Kartons mit dem Wir­ ker identisch; Hampe vermutet, daß Nikolaus Schlewitzer den Auf­ trag zur Ausführung nach Brüssel erteilt hat. Dort ist die Ausführung erfolgt; denn auch aus stilistischen Gründen ist Brüssel als Entstehungs­ ort nachgewiesen. In der reichen Gobelinsammlung des Palacio Real, des königlichen Schlosses zu Madrid gibt es eine größere Ausführung um 1500, in der die Gregorsmesse zwischen den König David und den hl. Augustinus gestellt ist. Oben sind an den Seiten noch Passionsszenen: das Gebet am ölberg und der Judaskuß, die Kreuztragung und die Kreuzigung eingefügt. Auf dem Gewandsaum des Papstes Gregor ist diesmal der Name der Stadt BRYXEL eingewebt. Dann ist noch eine zweite Be­ zeichnung ERLAS zu finden, die mit Matthias Guerlas zusammenge­ bracht wurde. Um 1503 hat das spanische Königshaus diesen großen Gobelin gekauft, die Zahlungsanweisung ist am 26. "VII. 1504 ausge­ stellt. Der flämische Wirker und Teppichhändler Mathias Guerlas ver­ kaufte das Exemplar auf der in Medina del Campo (Provinz Valladolid, Spanien) abgehaltenen Teppichmesse. Matthias Guerlas hat damals noch weitere Teppiche an die spanische Krone veräußert. Der Nürn­ berger Holzschuherteppich ist eine verkleinerte Replik des Madrider Exemplars. Hier schließen sich noch einige andere Gobelins für kirchlichen Ge­ brauch an. Ein Dorsale (Rücklaken), Antependium oder Wandbehang mit der Anbetung Christi und vier Heiligen 1495 ist fränkisch. Es wurde für die Sebalduskirche angefertigt und befand sich dann bis 1939 am Hoch­ altar 28). Während des Krieges kam das Stück aus dem Bergungsraum in die Kirche zurück und ist somit verbrannt. Wolle, Seide, Gold und Silber, 8—9 Kettfäden; hoch 0,84 m und lang 2,89 m. Unten ist ein Stein mit dem Datum • 1 • 4 • 9 5 • und in der rechten Ecke oben ist das Monogramm ES* angegeben, damit hat sich wohl der Wirker be­ zeichnet. Die Szene der Anbetung spielte sich vor einer Mauer ab, links standen Magdalena und Johannes d. T., rechts Dominikus und Katha­ rina. Im Hintergrund ist der Blick auf eine Landschaft gegeben. Die Vorlage für den Gobelin bildete ein graphisches Blatt. Die technische Behandlung, die reichere Verwendung von Gold-, Silber- und vielfar­ bigen Seidenfäden weist nach Betty Kurth auf einen nach Franken ge­ kommenen Niederländer. Dieser hat dann in Nürnberg gearbeitet; er scheint sich an die vorgelegene Zeichnung gehalten zu haben. Ein Antependium mit der Anbetung der Könige um 1490/1500, München Bayerisches Nationalmuseum, ist hoch 0,91 m und lang 1,99 m; Wolle, Seide und Silber, 7—8 Kettfäden29). Zunächst wurde auch hier eine entsprechende Einreihung versucht. Betty Kurth nahm zwar eine heimische Entstehung an, doch setzt Göbel die Wirkerei mit der nieder­ ländischen Übung zusammen und hat auch eine Wirkermarke (Stif­ terinnenzeichen?) als eine am Hochstuhl sitzende Dominikanerin festgestellt. Die gleiche Marke weist der Gobelin mit Passionsszenen um 1500 auf, Bamberg Domschatz-Besitz der marianischen Bürgersodalität30). Er wurde entweder im Katharinenkloster Nürnberg oder im 2

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Dominikanerinnenkloster zum hl. Grab in Bamberg gewirkt. Da der Nürnberger Gobelin in St. Sebald verbrannt ist, läßt sich der stilistische Eindruck dieses Exemplares nicht mehr mit den anderen vergleichen. Ein anderer Gobelin mit der Madonne und Heiligen, Ende 15. Jahr­ hundert, stammte aus der St. Lorenzkirche Nürnberg und befand sich 1926 in New York, Sammlung P. W. French u. Co.; Wolle, Seide, Goldund Silberfäden81). Er ist fränkisch und vielleicht in Nürnberg ent­ standen. Auch dieses Werk gehört in den Zusammenhang mit der niederländischen Tradition. Nach dem gleichen Karton ist das Frag­ ment mit Madonna und Kind, ehemals Wien Sammlung Dr. Albert Figdor, gewirkt; Wolle, Seide, Silber und 7 Kettfäden32). Nach Göbel hat nicht ein eingewanderter Niederländer diesen Gobelin geschaffen, sondern ein niederländischer Holzschnitt bildete die Vorlage. Die erhaltenen Gobelins lassen deutlich erkennen, daß die nieder­ ländische Art und Technik durch die Malerei des Hans Pleydenwurff und Michel Wolgemut, durch die auf der Wanderschaft nach Nürnberg gekommenen niederländisch-flandrischen Teppichweber und durch die in den Niederlanden bestellten Teppiche bekannt geworden ist.

II. Erste Hälfte des 16. Jahrhunderts Der Handel Seit dem 15. Jahrhundert hatte sich der ostindische Gewürzhandel in Antwerpen mehr und mehr entwickelt. Außerdem wurden hier eng­ lische Tuche gehandelt. England stand in der Herstellung und dem Handel der Tuche in starker Konkurrenz zu der niederländischen Tuch­ industrie. Der Handel in den Niederlanden wurde durch rigorose Ein­ fuhrsperren sowie durch Ausfuhrverbote von Wolle getroffen. Infolge­ dessen erreichten die Engländer ihren Zweck, daß nun dafür das eng­ lische Tuch mehr und mehr gehandelt wurde. Aus Oberdeutschland wurde der Barchent und aus Ungarn dann das Kupfer nach dem Schelde­ hafen Antwerpen gesandt. So wurde am Ende des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts Brügge allmählich überflügelt. Auch die Versan­ dung des Zwyn bei Brügge sowie seiner Häfen Sluis und Damme tru­ gen zum Rückgang Brügges bei. So erfolgte 1516 die Verlegung des hansischen Kontors aus Brügge nach Antwerpen. Die oberdeutschen Kaufleute waren in der Handelsstadt Antwerpen im Geld- und Wechsel ge schüft tätig, sie betrieben den Tuchhandel, sie lieferten Erz und Mineralien. Die Erzeugnisse aus den Kolonien Spa­ niens und Portugals, aus der Levante sowie aus Europa wurden auf­ gekauft. Dazu kamen die Gewürze aus den portugiesischen Kolonien Indiens. In Antwerpen gab es Faktoren, die die Vertretung verschiedener Handelsgesellschaften innehatten, sowie fremde selbständige Kauf­ leute. Der Makler konnte gleichzeitig auch Kommissionär sein. Seit dem 15. Jahrhundert bestanden die Pfingstmesse im Frühjahr und die St. Bavonsmesse im Herbst. Dazu kamen seit der Mitte des 16. Jahr­ hunderts der Ostermarkt und der Kaltemarkt an Weihnachten, die von Bergen op Zoom nach Antwerpen verlegt wurden33).

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Der Nürnberger Fernhandel des 16. Jahrhunderts unterschied sich stark vom Augsburger Handel. Die patriziatischen Familien Nürnbergs betrieben meist weiterhin den reinen Warenhandel im Gegensatz zu dem Bankgeschäft einiger Augsburger Familien, von denen manche auch den Warenhandel noch hatten. Durch die Verbindung mit Antwerpen, Lyon und Portugal, die nun im 16. Jahrhundert als Weltmarktsplätze bedeutend wurden, sind die Handelsgesellschaften Nürnbergs weiterhin führend geblieben. Die Nürnberger Kaufleute gingen in diesem Zeit­ raum nach Antwerpen, sie verschifften ihre Waren dorthin meist auf dem Main und Rhein. Unter den Fahrstraßen, die von Nürnberg nach Antwerpen gingen, war diejenige über Altenkirchen im Westerwald die am meisten befahrene. Die beiden Städte Nürnberg und Aachen lieferten vielfach Messingwaren nach Antwerpen, z. B. Näpfe, Rasier­ schüsseln und Ringe. Diese Waren waren für die portugiesischen Kolo­ nien an der Westküste Afrikas bestimmt. Auch Nürnberger Kleineisen­ waren wie Messer, Scheren und Hacken wurden in die Kolonien ge­ liefert. In Antwerpen bestanden Kontore Nürnberger Handelsgesellschaften. Dorthin gingen die Söhne der Patrizier als Faktoren, um in ihren eigenen Firmen und Filialen oder in denen ihrer Verwandten zu lernen und sich weiter auszubilden. Auch für andere Firmen waren die jun­ gen Nürnberger als Faktoren, als Vertreter tätig34). Aus Augsburg kamen die Fugger und dann die Welser (Bartholomä Welser und Cie) 1509 nach Antwerpen. Der Vertreter des fuggerschen Hauses — Jacob Fugger und Neffen — war Bernhard Stecher, seine Mitfaktoren waren Wolff II Haller aus Nürnberg und Jacob Rehlinger aus Augsburg. Die Imhoffsehe Gesellschaft in Nürnberg hatte eine Filiale in Antwerpen, Conrad Imhoff war hier tätig. 1503 erwarb er für die Gesellschaft ein Haus in der Vlamincstraße. Das Nürnberger Handelshaus Jacob Wel­ ser und Söhne hatte Faktoreien in Antwerpen und London. Auch die Tuchersche Handelsgesellschaft Lienhard und Lorenz Tücher besaß eine Niederlassung in Antwerpen. Besonders Lazarus Tücher sollte als Makler und Finanzagent an der Börse eine sehr bedeutende Rolle spie­ len, die für die Entwicklung der Geldgeschäfte sehr charakteristisch ist. In diesem Zusammenhang sind die Angaben über die Mitglieder der beiden nürnbergischen Patriziatsfamilien Haller und Tücher bedeut­ sam. Die Haller waren in den Niederlanden als Kaufleute tätig, andere standen im Dienst der Regierung oder waren Offiziere. Mitglieder der Ratsfamilie Tücher finden wir als Kaufleute und Offiziere in Ant­ werpen 35). Die Haller Die Wolff Hallersche Linie wurde von dem Nürnberger Kaufmann Wolf I Haller (f 1504 zu Nürnberg) gegründet. Sein Sohn Wolff II Haller von Hallerstein (* 1492 zu Nürnberg, f 1559 zu Antwerpen) hat vor 1519 im Auftrag der Fugger verschiedene Dienste für den König Karl von Spanien, den späteren Kaiser Karl V. (1519—1556) geleistet. Er ist als Antwerpener Mitfaktor der Fugger erstmals 1519 genannt36). Bis 1530 war Haller noch der Vertreter der Fugger, 1531 dann der 21

Paumgartner. Wolff Haller war zwar aus dem Nürnberger Bürger­ rechtsverband ausgeschieden, aber Karl Y. hat ihn dann formal am 29. VI. 1526 zum Schultheißen der Stadt auf Lebenszeit ernannt. In der Urkunde steht, daß Haller „unser Rat von Jugend auf“ war37). Wolff Haller war ferner Syndikus in Spanien, 1538 Rat und oberster Schatz­ meister der Statthalterin Maria von Österreich-Ungarn (1530—1556) am Brüsseler Hof. Er heiratete 1529 Luise von Logenhagen (f 1586) aus Antwerpen, sein Schwiegervater Cornelius von der Logenhagen war Münzwardein der landesherrlichen Münze in Antwerpen. Das Notularium des Antwerpener Notars Jacobus de Platea enthält einen wichtigen Aktenvorgang vom 27. I. 1525 in flämischer Sprache 38). Wolff Haller als Faktor der Bank Jacob Fugger und Neffen in Augs­ burg und der vlämische Teppichwirker Pieter van Aelst (Pieter van Edingen, von Enghien) erklärten vor dem Notar: am 24. VII. 1522 hatte Pieter van Aelst schon vor dem Notar anerkannt, daß er den Fug­ gern einen Betrag von 2686 Pfund 12 sh. 6 pf. flämisch (= ca. 14 000 fl. rh.) schulde. Davon hatte Aelst 1000 Pfund flämisch dem Faktor 1523 zurückgezahlt, den Rest hatte er dem Faktor 1524 zu zahlen verspro­ chen und dafür sieben Bildteppiche einer in Gold und Silber gewirkten Fortunafolge verpfändet. Sie waren ca. 3050 Pfund flämisch wert „groote stucken tapisseryen van den historien van der Fortunen . . . altsamen groot om trent 670 eilen geextimeert“. Pieter van Aelst wollte die Teppiche 1523 auslösen. Vom Pfingstmarkt 1524 an sollten die Fug­ ger andererseits die Teppiche frei verkaufen oder vertauschen können. Aelst schuldete den Fuggern außerdem noch 100 Pfund flämisch für geliehenes Geld, das schon 1522 fällig war. Der Wirker konnte aber an eine Einlösung nicht denken, er stellte deshalb den Fuggern den Verkauf und außerdem noch den Verkauf von zwei weiteren Bild­ teppichen, die zur Fortunafolge gehörten, frei. Diese letzteren hatten aber z. Z. andere Gläubiger in Pfandbesitz. Die Folge war für Kaiser Karl V. angefertigt, dem das Vorkaufsrecht zustand. Aelst verpflich­ tete sich zur Nachzahlung, wenn die Schuldsumme nicht aus dem Ver­ kauf gedeckt wird. Ein 2. Notularium vom 9. II. 1525 in flämischer Sprache schließt sich an 39). Hier stellte Aelst fest, daß Wolff Haller die sieben golddurchwirkten Bildteppiche abtransportieren könne. Der 5. Teppich im Wert von 500 Pfund flämisch dürfe nach Spanien gebracht werden. Mit dieser Fortunafolge war wohl eine Groteskenfolge gemeint. Die Firma Fugger hat die Gobelins nach Spanien weitergeschickt, um sie dem spanischen Hof anzubieten. Eine solche Groteskenfolge von acht Teppichen, die mit Gold und Seide gewirkt waren und unter denen einer mit der Fortuna war, ist 1544 im päpstlichen Besitz zu Rom nach­ zuweisen. Die in Antwerpen erwähnte Folge kann eine Wiederholung sein. Die Kinder des Wolff II Haller waren: Carl von Haller (1542 bis 1592), er trat in spanische Kriegsdienste und hielt sich in Brüssel auf; vor Chäteau-Thieroy in Frankreich ist er gefallen. Louise Haller (*1540) war Nonne in einem Kloster des Hennegaus, dann heiratete sie Albert Strozzi im königlich spanischen Dienst. Isabella Haller (* 1544) 22

war Klosterfrau in Brüssel. Philipp Haller (1550—1586) trat in Kriegs­ dienste. Der soeben genannte Carl von Haller war Ritter; dies gibt Bieder­ mann tabula CXI an. Am 31. V. 1587 faßte er zu Brüssel ein Testament ab, das im Original beim Rat der Stadt hinterlegt wurde. Eine be­ glaubigte Abschrift wird im freiherrlich von Hallerschen Familien­ archiv Großgründlach bei Nürnberg verwahrt. Darnach will Carl in der Kirche von Kaldenberg zu Brüssel begraben sein, in der sein Vater sowie der Bruder und die (jüngere) Schwester beigesetzt sind. Es war wohl die Kirche der Augustinerabtei, an deren Stelle die klassizistische Kirche St. Jacques-sur-Coudenberg an der Place Royale steht. Die Carl von Hallersche Stiftung wurde begründet. Der Erblasser besaß ein Haus zu Brüssel gegen den Königshof zu gelegen — Place Royale 3; dieses Haus soll einem Haller um 10 000 fl. überlassen werden und die Stiftung soll den Kaufpreis bekommen. Auch sein Haus in Nürnberg, das gegenüber dem Rathaus am Herrenmarkt gelegen ist, wurde der Stiftung vermacht. Hier sollte eine Marmortafel mit der Inschrift an­ gebracht werden: Donum Antiquissimae familiae Haller ab Haller­ stein D. D. Caroli Haller a. H. Anno nato Christo M. D. C. Es war also das angenommene nach 1600 fallende Sterbedatum einzufügen. Das Nürnberger Haus der Haller, das dieser Carl von seinem Vater also geerbt haben muß, ist wohl mit dem Gebäude S 873 am Haupt­ markt, das dann die Nr. 28 führte, identisch. Die älteste Schwester des Testators war Louise. Sie verkaufte das Brüsseler Haus 1608 und ihr Gemahl Albert Strozzi ratifizierte den Verkauf (angeblich erst) 1614. Diese zeitlich unterschiedenen Angaben entnahm ich Aufzeichnungen im freiherrlich von Hallerschen Familien­ archiv. Der Bruder des in den Niederlanden lebenden Wolff II Haller von Hallerstein war Bartholomäus (* 1486 zu Nürnberg, f 1551 zu Frank­ furt a. M.). Er war Ritter, mit seinem Bruder bekam er 1528 das Wap­ pendiplom. Bartholomäus war Reichsbann- und Stadtrichter in Nürn­ berg, 1549/51 amtierte er als Reichsschultheiß in Frankfurt a. M., der Kaiser Karl V. hatte ihn eingesetzt. Dieser Bartholomäus Haller war auch Rat Karls V., des Königs Ferdinand I. (1521—1564, später Kaiser 1556), Rat und oberster Schatz­ meister der Statthalterin Maria in den Niederlanden (1530—1556). Im freiherrlich von Hallerschen Familienarchiv Großgründlach bei Nürn­ berg sind nun Instruktionen und Briefe der Statthalterin Maria an den kaiserlichen und ihren Rat 1538—1541 erhalten. Auch noch 1543 wird Bartholomäus in dieser Eigenschaft erwähnt, er hatte diese Funktion wohl bis an sein Lebensende inne. Die offene Instruktion Brüssel 10. IX. 1538 ist an Haller gerichtet, der in unseren ungarischen Bergstädten und in anderen Gütern, Schlös­ sern zu Ungarn und Österreich sich jeweils um das Einkommen küm­ mern soll. Zuerst soll Haller mit unseren Räten in Wien verhandeln und dann in diese ungarischen Bergstädte zu unseren Räten Christoff von Turrn, Jacob von Stamp, Hans Dobrawitzkj sich begeben. Schrei­ ber war Petrus Scharberger, eigenhändige Unterschrift Marias mit 23

Papiersiegel. Die geheime Instruktion Brüssel 10. IX. 1538 weist darauf hin, daß Haller in unseren Bergstädten alles mit den Haupt- und Amt­ leuten bespreche; es handelt sich um gemünztes Silber. Haller soll in allen Schlössern nach dem Rechten sehen. Gleicher Schreiber, eigen­ händige Unterschrift mit Papiersiegel. Die weiteren Briefe aus Brüssel u. a. sind vom Kanzlisten Petrus (Peter) Scharberger geschrieben, der seinen Namen zumeist beigesetzt hat. 21. XII. 1538: Maria hat zwei Schreiben Hallers empfangen; er soll in unseren ungarischen Bergstädten bleiben, wie wir mit dem Bruder Wolfgang unserem Schatzmeister besprochen haben. Eigenhändige Un­ terschrift. — 12. IY. 1539: Mit dem Rat und Schatzmeister Wolfgang fand eine Rücksprache statt, er wird dir unseren Befehl mitteilen und du sollst dich in unseren Dienst begeben. Deswegen geht ein Schreiben an den Nürnberger Rat ab. Hanns Dobrawitzj unser Kammergraf auf der Chrombnitz ist tötlich krank und in Wien sind Geschäfte ohne Verzug durchzuführen. Haller ist gegenwärtig in Wien und in den Bergstädten. Eigenhändige Unterschrift. — 12. IV. 1539 die beim letzten Brief erwähnte Kopie: an die Bürgermeister und den Rat zu Nürn­ berg. Durch unseren Rat und Schatzmeister Wolfgang Haller ging das Ersuchen dahin, daß der Rat den Bartholomäus seines Amtes in Nürnberg enthebe. Bartholomäus habe sich in unseren Dienst begeben und solle bleiben. Kein Schreiber genannt. — 23. V. 1539: Bartholomäus soll mit allen Gläubigern wegen Zinsabrede handeln, diese Beträge soll er wieder bekommen. Eigenhändige Unterschrift. — 26. V. 1539: Zur Reformierung unserer Güter, Schlösser, Kammern und Einkommen in Ungarn und Österreich wurden unsere Räte und Kom­ missare in den Niederlanden und Wien mit Instruktionen abgefertigt. Diese Räte sollen von Haller die Zehrung bekommen. Aber es ist Maß zu halten, wie es unser Schatzmeister Wolf gang Haller erfährt. Eigen­ händige Unterschrift; kein Schreiber genannt. — Erlaß der Kanzlei Brüssel 16. V. 1540: Bartholomäus Haller wird zu unserem Rat bestellt, es ist die Ernennungsurkunde. Das Gehalt beträgt 200 fl. rh., den Gulden zu 60 kr oder 15 Batzen. Die Bezahlung ist am 1. Mai erstmals 1541 fällig. Der Rat soll sich um die Güter in Ungarn und Österreich kümmern. Schreiber Petrus Scharberger. — 28. XI. 1540 zu Valensin im Hennegau (Valenciennes): Haller soll mit dem Rat und Sekretär Nico­ laus Olaso unsere Ämter, Schlösser und Einnahmen ordentlich ver­ wahren. Eigenhändige Unterschrift. — 7. II. 1541 zu Bynnß im Henne­ gau (Binche, hier stehen noch die Ruinen des Palastes der Maria): Sie hat Hallers Schreiben aus der Bergstadt Cremnitz empfangen; er soll dem Einkommen nachforschen. Eigenhändige Unterschrift. Die niederländische Linie der Haller wurde von den Söhnen dieses Bartholomäus Haller fortgeführt. Der eine war Wolff III Haller von Hallerstein (f 1571); er ist zuerst 1551 und 1557 als Pfennigmeister des Kaisers in Nürnberg nachgewieseen. Wolff III war Rat der drei Kaiser Karl V., Ferdinand I. und Maximilian II. Dann berief ihn König Philipp II von Spanien (1555—1598) als niederländischen Kriegscommissarius. Im Jahre 1571 ist Wolf III im Schloß Rohrbruch bei Speyer gestorben40). 24

Der andere Sohn des Bartholomäus war Ruprecht (Robert) von Haller (f 1560 zu Brüssel); er hatte sich am 20. II. 1547 mit Anna von Tücher, der Tochter des Lazarus von Tücher aus dem niederländischen Zweig, vermählt. Ruprecht war Truchseß und Rat der Statthalterin Maria von Österreich-Ungarn sowie oberster Kriegscommissarius des Königs Philipp II. von Spanien. Nach einer Urkunde vom 4. I. 1560 wurde er in der St. Maria Magdalenenkapelle von St. Gudula, der Kathedrale von Brüssel, beigesetzt. Vielleicht stand die Kapelle anstelle der 1640/43 erbauten Marienkapelle (jetzt Notre Dame de Lourdes). Die Gemahlin Anna Tücher hatte diese Maria Magdalenenkapelle aus­ geschmückt, sie behielt für sich und ihre Erben die Besetzung der Kapläne an der Kapelle vor. Die Hallersche Familie hatte die Kapelle mit metallenen Säulen und mit Glasfenstern, auf denen die Wappen der Haller-Tucher angebracht waren, sowie mit Epitaphien, Toten­ schilden und Zierat ausgestattet. Die Frau Anna ist ebenfalls in dieser Familienkapelle bestattet. Der Sohn des Ruprecht war Lazarus von Haller (1548—1613), Haupt­ mann der teutschen Miliz in den Niederlanden. Er war der letzte dieser Linie. Die anderen Kinder des Ruprecht waren Ludwig (1550—1595) und Jacob (1551—1612), die in Antwerpen starben, sowie die Töchter Maria und Leonora. In der St. Maria Magdalenenkapelle bei St. Gudula befand sich auch noch das Epitaph eines Pfinzing aus Nürnberg. Die Bibliotheque Royale de Belgique zu Brüssel besitzt ein großes Geschlechtsbuch der Haller dieses niederländischen Zweiges Ms 5738: Allt Herkomen: Stand vnd Wesen: Wapen: Heiraten: Freihaitenn: Gaistlich vnd Weltlich Stiftungn: auch vorgeschick des Geschlechts der Haller vom Hallerstain vom Ailfundertn Acht vnd Neuntzigistn bisz vf das funftzehenhundertest vnd funftzigist Jar . . . durch den Gestrengen Edlen und Ernvesten Herrn Bartolomeus Haller vom Hallerstein zum Ziegelstain Ritter von K. v. Kais. Maj. auch V. Maria Rath und des Reiches Schulthessen zu Frankenfurt. Seines Alters 64 Jaihr mit Gottes Gnaden zusammengebracht. Die Geschlechtschronik beginnt also bei dem für das Nürnberger Patriziat so sagenhaften und willkürlich gewählten, falschen Turnier­ jahr 1198. Das Manuskript umfaßt die Zeit bis 1550 41). Die Handschrift muß aber eine Abschrift der hallerschen Familien­ chronik in Nürnberg sein. Diese wurde von dem bekannten Bartholo­ mäus Haller von Hallerstein verfaßt, der auch Rat der Statthalterin Maria von Österreich-Ungarn in den Niederlanden war. Die Chronik weist den Titel auf: Allt herkumen Stand vnd wesen Wappen Heiratt Freyhaiten, Stifftunngen vorgeschick des Geschlechts der Haller vom Hallerstein von M. C. XCVIII biß auf das M. D. XXXIII Jare durch Bartholmesen Hallern vom Hallerstain zum Ziegelstain Rö: Kay: vnd Ko: Mt. Rat gemat. Das Original, eine Papierhandschrift, die 2. und 3. Ausfertigung als Abschriften, Pergament- und Papierhandschriften, befinden sich im freiherrlich von Hallerschen Familienarchiv Groß­ gründlach bei Nürnberg. Die bisher besprochenen vier Exemplare zeichnen sich durch die Einbandform aus. Weitere Exemplare im 25

Familienarchiv, eines wird seit der Verlagerung in Riedenburg 1945 vermißt, bleiben außer Betradit. Der Einband des Brüsseler Exemplars weist auf dem Vorderdeckel vier Plattenstempel auf: nackte schreitende Jungfrau mit Kind (wohl Venus und Amor), Adam und Eva, den Reichsadler und ein Bildnis. Dann ist auf dem Vorderdecke! der vergoldete Avers 'einer Medaille auf Bartholomäus Haller sowie auf dem Rückdeckel der entsprechende Revers dieser Medaille mit dem Wappen befestigt. Bei den Nürnberger Exemplaren ist die Anbringung gerade umgekehrt. Da das Buch eine Familienchronik ist, wurde auf dem Vorderdeckel der Medaillenrevers mit dem Wappen und auf dem Rückdeckel erst der Avers mit dem Bildnis angebracht. In dem Brüsseler Band sind vorne 3 Blatt mit Notizen bis 1492, dem Geburtsdatum des Wolff II Haller eingefügt. Das Schloß mit dem doppelten Wassergraben, Federzeichnung aquarelliert, muß die Anlage in Ziegelstein, einem Vorort Nürnbergs, ebenso wie auf den Nürnberger Exemplaren darstellen. Der folgende Haupttitel weist allerdings auf das Jahr 1550, dies besagt auch der Zusatz: durch den Gestrengen Edlen und Ernvesten Herrn Bartolomeus Haller vom Hallerstein . . . des Reiches Schulthessen zu Frankenfurt. Seines Alters 64 Jahr mit Gottes Gnaden zusammengebracht. Bei einer Abschrift, die eigens für den niederländischen Zweig vorgenommen wurde, ist diese Schlußfolgerung leicht erklärlich. Auf dem nächsten Blatt ist recto die Dreieinigkeit dar gestellt und verso folgt das Familienwappen. Die Beschreibung umfaßt S. 3—220, nach leeren Blättern sind die Abschriften von Urkunden und Auf­ zeichnungen zur Familiengeschichte bis S. 514 eingetragen. Ich entnehme diese genaueren Angaben aus Aufzeichnungen im freiherrlich von Hallerschen Familienarchiv. Zu einer anderen Wolf Hallerschen Linie gehörten Balthasar Wil­ helm Haller von Hallerstein (1550—1595), der spanischer Hauptmann in den Niederlanden war und in Jvoy (Luxemburg) starb, dort in dem Kloster beigesetzt, sowie sein Bruder Wolff Dietrich Haller „von Haller­ stein (1553—1599). Dieser war Obrist des gräflich ostfriesländischen deutschen Regimentes in den Niederlanden, fiel 1599 vor Bommelwörth und liegt in der St. Michaelskapelle der St. Janskerk, der Kathedrale zu s9 Hertogenbosch, begraben. Seine Frau war Magdalena von Perla (f 1617), sie starb zu Luxemburg und ist im Kloster Münster beigesetzt. Die Tochter Juliana (* 1586 zu Antwerpen) trat in das Kloster de la Val in Lincent bei Tirrlemont (Brabant) ein. Der Sohn Carl (* 1587) ging nach Nürnberg zurück und nach Rothenburg o. T., hier starb er 1634. Ein weiterer katholischer Zweig der Haller wurde von Hieronymus Haller von Hallerstein (* 1503 zu Eschenau bei Nürnberg, + 1572 zu Breda) begründet, der seit 1534 in Antwerpen lebte und sich in dieser Stadt zweimal mit Maria Meichel (f 1540) und Emmerantia Peltz ver­ heiratete. Seine Kinder blieben in den Niederlanden. Aus der 1. Ehe stammten drei. Magdalena (1530—1564) OO 1. Hans von Remens zu Antwerpen, OO 2. Lucas Rosa; Domherr Michael (1531—1602) zu s’Her26

togenbosch, Doktor der beiden Rechte, begraben ist er in der St. Janskerk und sein Grabstein wies eine lange von ihm verfaßte lateinische Inschrift auf; Joachim (* 1535, f 1558 vor Orleans). Aus der 2. Ehe stammten zwei Kinder: Balthasar (1546—1582) stand in niederländi­ schen Kriegsdiensten, er fiel vor Lochhem in Geldern; Melchior (1547 bis 1593) starb zu Antwerpen und wurde in Notre Dame, der Kathedrale dieser Stadt, beigesetzt. Unter den Kaufleuten aus der Familie Haller treten noch folgende Mitglieder auf: Hieronymus Haller 25. V. 1543 anläßlich eines Tuch­ kaufes und der Wollschau; Christoff Haller und der Makler Lazarus Tücher 5. IX. 1544, ferner 29. VII. 1552. Dieser Christoff Haller aus Nürnberg reiste 1553 nach Antwerpen. Durch den Notar Peter van Lare oder de Lovanio in Antwerpen ließ er sich am 3. XI. 1553 eine Voll­ macht gegen Wolf gang Imhoff, den Sohn des Peter Imhoff, gehen. Wolf gang hatte Kaufmannsgut, das dem Christoff Haller im Wert von 1200 11. gehörte, unterschlagen. Diese Sendung sollte an Alexander Colrnan zu Augsburg geliefert werden. Eine zweite Urkunde vom 4. XI. 1553 ist von J. van Galle unterzeichnet42). Hieran sind noch einige Bildnisse des Andreas Haller (1536—1579) aus Nürnberg anzufügen; Biedermann tabula CXXIX. Auf eine bisher unbekannte Weise war er in Antwerpen gefangen, es war eine ritter­ liche militärische Haft im Jahre 1569. In den Ratsverlässen und den Briefbüchern des Rats hat Oberregierungsrat a. D. Friedrich Freiherr von Haller keinen Hinweis auf ein Interventionsschreiben gefunden. In Kriegshaft konnte sich Andreas Haller porträtieren lassen. 1570 kehrte er nach Nürnberg zurück und wurde im Jahre darnach Pfleger in Reicheneck. Vermählt war er mit einer Rieter (?), nach Biedermann mit Felicitas Schürstab. Die 1. Fassung des Gemäldes 1569 befindet sich im Privatbesitz Nürnberg, öl auf Holz, hoch 0,565 m und breit 0,42 m. Brustbild im Harnisch, auf dem das Datum * 1569 steht. Die Aufschrift oben lautet: ANNO 1569 . IAR WART • ICH • ANDRES • HALLER VOM • HALLERSTAIN • IN MEINER • GEFENGNVS • ZV • ANDORF • BEI • 33 IARN • ALT VND • HAT • DISSE • GESTALT • Eine andere Fassung des Bildnisses zeigte Andreas Haller in Halb­ figur „im schwarzen Hofkleid“ d. h. wohl der damals in den Nieder­ landen üblichen Tracht der Vornehmen. Halbe Figur, Signatur G R (Ligatur). Das Gemälde ist 1863 im Hallerschen Haus zu Nürnberg nachgewiesen, es gehörte zur hallerschen Sammlung und Bibliothek der Joachim von Hallerschen Linie. Es war das Haus des Buchdruckers und Verlegers Antony Koberger am Egidienberg 13. Das Werk ist von Nagler in seinen Monogrammisten III 1863 Nr. 287 angeführt, die mit­ geteilte Datierung 1563 ist wohl statt 1569 verlesen. Vor dem 2. Welt­ krieg oder kurz nach Beginn des Krieges befand sich ein Gemälde dieser Art in der Galerie Bamann zu Düsseldorf; die Identität wurde von Oberregierungsrat Friedrich Freiherr von Haller festgestellt. Weitere Angaben verdanke ich Dr. Eberhard Lutze, Nürnberg-Bremen. Dem einen Teilhaber der Galerie, Hans Trojanski, Düsseldorf, sind die Unterlagen vernichtet, so daß das in Privatbesitz befindliche Gemälde z. Zt. nicht feststellbar ist. 27

Zwei weitere Bildnisse stellen Andreas Haller in wohl gleicher Art dar. München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen (früher Ge­ mäldegalerie Schleißheim) Niederländisch um 1560 Bildnis eines Un­ bekannten, Eichenholz, hoch 0,48 m, breit 0,34 m; aus der Galerie Mann­ heim. Sowie Stuttgart-Ludwigsburg, Württembergische Staatsgalerie. Die Tücher Der erste, der aus dem Bertholdschen Zweig der Tücher nach den Niederlanden ging, war Lazarus Tücher von Simmelsdorf (* 1492 zu Eisleben, f 1563 zu Antwerpen). Er studierte an der Universität Leipzig. Vor 1518 war er in Tournai, am 23. VIII. 1518 ist er in den Antwerpener Schöffenbüchern eingetragen: Lazarus Tücher, Kaufmann von Nürn­ berg, jetzt in Doernick (Tournay) wohnend. Er wurde Schwiegersohn des Nicolas Cocquiel43). Im Jahre 1519 kam Tücher nach Antwerpen, sein Haus lag in der Preikeerstrate. 1520 verheiratete er sich in Antwerpen mit Jacobina Cocquiel (f 1579). Er kaufte Pfeffer und Tuche; 1519 und 1524 werden Grundstüdesspekulationen genannt. Als Makler und Agent war er für süddeutsche Handelsgesellschaften der Hochstetter, Manlich und Bartholomä Welser in Augsburg tätig. Daneben war er immer wieder selbständiger Aufkäufer von Pfeffer, Waid, Tuchen u. a. Seit dem Jahre 1528 betätigte er Geldgeschäfte an der Börse als Finanzagent. Die Hochstetter in Augsburg hatten 1528 ein großes Geschäft mit dem Statt­ haltereihof in Brüssel abgeschlossen, 200 000 Carolusgulden sollten als Leihgeld dienen. Dafür wurden aber 350 700 Pfund Quecksilber und 60 760 Pfund Zinnober geschickt, die von der Regierung weiter ver­ äußert wurden. Tücher hat dieses Geschäft ausgeführt. Er gab 126 000 Carolusgulden, da er keine 200 000 bekommen hätte. Die Augsburg'er Firma machte nun Bankrott. Tücher erhielt 1529 die Forderungen der Hochstetter in Antwerpen und Portugal sowie außerdem sehr viel Pfeffer; dann bekam er den Grundbesitz der Firma in Antwerpen zur Begleichung der Schuld 44). 1529/42 brachte Lazarus Tücher als Finanzagent der niederländi­ schen Krone mehrere Anleihen zustande. Seine Hauptagentenstelle übernahm 1542 Gaspar Ducci aus Pistoja. Tücher stand aber bis 1552 als geschäftlicher Agent noch mit der Regierung in Verbindung. Die oberdeutschen Kaufleute hatten ihre Kapitalien dem niederländischen Hof geliehen, die Folge war in der späteren Zeit dann der Ruin zahl­ reicher Handelshäuser. Lazarus Tücher ist nach Ehrenberg I S. 253 nicht von der Schuld an diesem Fallieren freizusprechen. Lazarus Tücher führte außerdem weitere finanzielle Transaktionen mit dem König Johann III. von Portugal (1521—1557) und mit der Krone von England aus, dafür verlangte er hohe Zinsen. Sein Haupt­ buchhalter war sein Verwandter Hieronymus Tücher aus Nürnberg (1502—1546) und sein Kassier der Schwager Carl Cocquiel. Im Jahre 1534 erwarb Lazarus Tücher ein Haus in der heutigen Rue Ammann und später das Landgut Gallifort bei Antwerpen. Dieser Lazarus Tücher wird noch in Antwerpener Notularien mehr­ fach genannt45). Der Kaufmann Erasmus Schetz zu Antwerpen erklärt 28

am 23. IX. 1525, daß Tücher als Makler im Auftrag des Francisco de Olivera einen Ankauf getätigt hat. Schetz habe ihm Gewürze im Betrag von 804 Pfund 4 sh. 5 pf. flämisch verkauft. Tücher ist am 20. XI. 1525 Zeuge bei einer Verpfändung von Gobelins. Der Teppichwirker Pieter van Aelst hatte fünf aus Gold und Seide gewirkte Wandteppiche: Urias und Bathseba sowie zwei: Johannes d. T. dem Münchener Han­ delshaus Sebastian Ligsalz u. Cie am 21. II. 1523 für eine Schuld von 1460 Pfund flämisch gegeben. Weitere Einträge sind schon bei Christoff Haller angeführt. Herzog Erich von Braunschweig-Lüneburg schuldete dem Lazarus Tücher eine Summe Geld. Johann Vleemincke bezahlte am 5. II. 1563 die Summe zum Teil; er bekam dafür zum Ausgleich eine Erbrente vom Herzog und eine Leibzuchtrente der Stadt Ant­ werpen, die auf den Leib des Herzogs lautete, zugesagt. Die Obligationen (Schuldverschreibungen) der niederländischen Rentmeister des spanischen Königs Philipp II. sind die sog. Rent­ meisterbriefe. Der Antwerpener Kaufmann Marx Pfister hatte Rent­ meisterbriefe im Werte von 177 099 Pfund 10 sh. flämisch. Ein Teil dieser spanisch-niederländischen Staatspapiere, die bei dem Bankrott des spanischen Königreiches 1557 ihren Wert eingebüßt hatten, waren 1573 bei Jacob Meyer, dem Antwerpener Faktor der Fugger. Er hatte ebenfalls zwei Rentmeisterbriefe des Lazarus Tücher. Dessen Testa­ mentsvollstrecker Carl Cocquiel hatte sechs Briefe damals übergeben; von diesen waren zwei für Tücher und vier für Pfister ausgestellt. Die beiden Testamentsvollstrecker Cocquiel und Paulus Tücher hatten noch andere Briefe bei Lazarus Tücher vorgefunden. Diese sechs Obli­ gationen befinden sich im Original im Stadtarchiv Augsburg 46). Ein geschäftlicher Briefwechsel des Lazarus Tücher mit seinem Vetter Lienhard Tücher, der in den letzten Lebensjahren 1560/63 ge­ führt wurde, hat sich im freiherrlich von Tucherschen Familienarchiv Nürnberg erhalten. Dabei sind die Kopien der Briefe des Lienhard an Lazarus in Antwerpen sowie Briefe des Lazarus von 1560/61 47). Das Porträt dieses Lazarus Tücher um 1540 befand sich im Besitz des Kunsthändlers Johann Friedrich Frauenholz in Nürnberg; es dürfte wohl aus der Tucherschen Familie Nürnberg stammen. Vor 1820 erwarb es die königliche Kunstkammer Berlin von Frauenholz. Im Kaiser Friedrich-Museum Berlin ist es ein charakteristisches Werk der Zeit48). Das Bildnis wird einmal dem Maler Cornelis Vermeyen (1500—1559), der im Dienst der Statthalterin der Niederlande Maria von ÖsterreichUngarn stand, zugeschrieben. Es wurde aber auch dem Maler Cornelis van Cleve (Antwerpen, * 1520, tätig 1541 bis um 1556), dem Sötte Cleef zugewiesen. Thieme-Becker Bd. VII S. 99/100 nennt aber Joos oder Josse van Cleve d. J. Irrtümlich war die Zuweisung an den Porträtmaler Nicolas Neufchatel gen. Lucidel (um 1527 bis vor 1597). Wahrscheinlich stammt diese Tradition noch aus dem früheren Nürnberger Besitz. Das Brustbild, öl auf Eichenholz hoch 0,61 m und breit 0,46 m, in schwarzem geblümten Damastgewand und schwarzem Barett Zeigt einen vornehmen Mann. Die rechte Hand ist im Sprechgestus erhoben, an dem Wappenring der linken Hand ist das Familienwappen zu sehen. 29

Die Kinder des Lazarus Tücher waren: Ambrosius Tücher von Simmelsdorf (1521—1553); er hatte sich mit Maria von Ursell vermählt und ist in der St. Jakobskirche zu Antwerpen bestattet. Lazarus (1525 bis 1588) hatte Barbara Danjant zur Frau. Anna Tücher (* 1527) hatte sich 1547 mit Ruprecht (Robert) Haller aus der niederländischen Linie verheiratet, lebte in Brüssel und ist in der St. Maria Magdalenenkapelle bei St. Gudula, Brüssel, beigesetzt. Von dem genannten Ambrosius stammen ab: Robertus I Tücher (1547—1623), er nahm Juliana Schetz zur Frau. Er ist wieder in der St. Jakobskirche, Antwerpen, bestattet. Mehrere Geschwister sind bei Biedermann angeführt. Von den Kindern Roberts starb Johann Tücher (1586—1605) als Student der Leidener Universität; Robertus II (1587—1644, OO Catharina von Berch). Die Brüder des bedeutenden Lazarus Tücher kamen ebenfalls aus Nürnberg in die Niederlande und nach Antwerpen. Es waren Andreas (* 1498 zu Nürnberg, f 1539 zu Antwerpen) und Bartholomäus (* 1502 zu Nürnberg, f 1542 zu Antwerpen). Der erstere kam 1512 dorthin, er fuhr für die Herwart in Augsburg nach Portugal und nach West­ indien. Andrien Tücher (Toucher), hansischer Kaufmann, hat am 3. VI. 1535 als Bevollmächtigter des Hermann Smit in Danzig verschiedene Anwälte benannt, am 7. VI. 1535 bestimmte er in einer anderen An­ gelegenheit wieder Stellvertreter vor Gericht49). Er wurde 1539 in der Kathedrale Notre Dame zu Antwerpen beigesetzt. Bartholomäus Tücher vermählte sich 1529 mit Herberda Dens (f 1557) aus s’ Hertogenbosch. Am 4. IX. 1540 legte Hans Rücker sein Testament nieder, unter dessen Vollstreckern Bartholomäus Tücher auftrat. Am 17. XII. 1540 waren Tucher und andere dann Gläubiger des Jakob Overham aus Danzig. Der Rat von Mecheln hatte auf Antrag das in Amsterdam liegende Schiff des Overham beschlagnahmt, es sollte dem Kaufmann Jan Persyn aus Amsterdam übergeben werden. Später am 5. I. 1542 wird Tucher in dieser Angelegenheit nochmals genannt; auch am 17. XI. 1540 ist er der Vertreter der Antwerpener Gläubiger 50). Auch dieser Tucher ist in Notre Dame zu Antwerpen bestattet. Unter den Söhnen des Bartholomäus Tucher heiratete Paulus (* 1536 zu Antwerpen, f 1614) 1561 Beatrix Buschniger aus Antwerpen. Er nahm an den niederländischen Kriegen teil und schleifte im Jahre 1577 die Befestigungen des von den Spaniern 1576 eroberten Antwerpen. Dann war er Colonel und Obrister in Antwerpen, seit 1579 Colonel im Kriegslager des Prinzen Wilhelm I. von Oranien-Nassau, des Statt­ halters von Holland Seeland und Utrecht (1555—1584). Hans Tucher (1538—1576) ist in der Marienkirche zu Mecheln beigesetzt. Aus einer Franzschen Nebenlinie der Bertholdlinie stammte Franz Tucher von Simmelsdorf (1575—1606), der dem spanischen König diente. Während eines Kriegszuges starb er in seiner Garnisonstadt s’ Her­ togenbosch. Gehen wir nun zu den Nürnberger Tüchern über. Unter den kaufmännischen Handelsgesellschaften Nürnbergs nahm die Tuchersche Handelsgesellschaft Lienhard und Lorenz Tucher einen 30

bedeutenden Platz ein. Der Leiter war Lienhard Tücher (1487—1568). Er weilte zuerst auch einige Zeit in den Niederlanden, uin sich für seine kommende Tätigkeit auszubilden. Im freiherrlich von Tucherschen Familienarchiv Nürnberg sind zwei Briefe des Lienhard, 1521 in Antwerpen geschrieben, an seinen Vater Anton erhalten. Bald darauf war Lienhard wieder nach Nürnberg zurückgegangen. Im Familien­ archiv werden verschiedene Briefe aufbewahrt. Anton Tücher schreibt an seinen Vetter Lienhard aus Lyon und Antwerpen 1524/34 ff., diese Briefe stammen zumeist aus Lyon. In einem Brief aus Antwerpen 1529 teilt Anton mit, daß er Gent und andere Städte gesehen habe. Thomas Reich sandte seinem Vetter (wohl Onkel) Lienhard Briefe aus ver­ schiedenen Städten u. a. Antwerpen 1525/30. Christoph Tücher schickte Briefe an den Vater Lienhard aus Lyon, Genf, Spanien und Ant­ werpen 1543/47. Die kaufmännische Korrespondenz des Hauses Tücher fo1 gt. Lien­ hart Rotengatter sandte an seinen Herrn Lienhard Tücher auch aus Antwerpen viele Briefe 1525/46. Im Jahre 1529 teilte er den Umzug des Geschäftes in das Haus zum Weißen Falken in der Kammerstraße mit, hier hatten auch die Hirschvogel aus Nürnberg ihr Kontor. Mit dieser Tucherschen Gesellschaft stand der aus Nürnberg stammende und in Antwerpen tätige Kaufmann Christoph Kurz (Kurtz) in Ver­ bindung51). Er sandte 1543/45 oder 1544/45 mehrere kaufmännische Berichte an die Handelsgesellschaft, die an Lienhard gingen und im Familienarchiv Nürnberg erhalten sind. Mit Hilfe eines astrologischen Systems wollte er von vornherein den Preisgang der kaufmännischen Waren beurteilen. Lienhard Tücher hat nun diese Berichte mit Notizen versehen. Kurz spricht hier von den Preisen der Spezereien, des Pfeffers, Ingwers. Safrans, Cameel, der Muskatnuß, der Gewürznelken; auch die Wechsel werden erwähnt. In Antwerpen ist Kurz am 16. I. 1544 Bevollmächtigter von Lienhard und Lorenz Tücher zu Nürnberg für Pachtfragen in Enckevoort und in der Umgebung von Seeland, ebenso am 12. XII. 1544 in Enckevoort. Am 4. I. 1547 ist dann Lienhard Rotengaeter (siehe Rotengatter) aus Nürnberg, Kaufmann zu Nürnberg, der Bevollmächtigte und kümmert sich um die Pachten. 1558 hat der Kaufmann Franz Werner in Ant­ werpen von diesem Bevollmächtigten Leonhard Rottengater einige Landparzellen im Dorf Agger erworben52). Die Imhoff Die Imhoffsche Gesellschaft, in der Hieronymus und Endres sowie Simon als die Teilhaber fungierten, hatte besonders den Handel mit Safran sowie den Handel nach Italien, Frankreich, den Niederlanden und Spanien betrieben. Conrad Imhoff war in Antwerpen tätig und Alexander Imhoff war der Antwerpener Faktor. Schon im Jahre 1505 hatte sich das Handelshaus an der ostindischen Expedition der Welser beteiligt. Damals wurde der Handel mit Pfeffer betrieben. Die Firma nahm ebenso am Metallhandel teil. 1507 hatte sie eine Ladung Roh­ kupfer und Silber verloren, die auf einem Schiff von Antwerpen nach Portugal geliefert wurde. Gleichzeitig hatten sich die Fugger, Welser, 31

Hochstetter und Rehlinger (Augsburger Firmen) an dem Schiffstransport beteiligt. Ein Seeräuber hat das Schiff bei Galicien weggenommen. 1527 besaß dieser Conrad Imhoff ein großes Haus „opt Clapdorp“. Seine Witwe Mechteld van Vlierden vermählte sich mit Adrien Musch. Der Sohn Hans Imhoff (f vor 1552) war Kaufmann; die Tochter Anna war mit Adrien de Loemel verheiratet. In Bergen op Zoom war 1520/21 Sebastian Imhoff. Im Jahre 1527 wurde dann die Firma Peter und Endres Imhoff und Gebrüder in Nürnberg gegründet. Willibald Imhoff d. Ä. (1519—1580), der in die Familiengesellschaft eingetreten war, hatte zuerst von seinem 18. Jahr an in Lyon und darauf drei Jahre in Antwerpen ge­ lernt. Später war er Teilhaber und kam mehrfach nach Antwerpen. Endres Imhoff d. Ä. (1491—1579) hat mit seiner Firma bei den finan­ ziellen Transaktionen an den Börsen Antwerpen und Lyon mitgewirkt. Der junge Paulus I Behaim (1519—1568) in Nürnberg war zu seiner kaufmännischen Lehre 1533/35 in Krakau gewesen. In Nürnberg trat er 1536 als „Diener44 in die Handelsgesellschaft der Imhoff ein und bekam ein jährliches Gehalt von 200 fl. 1540 ging er dann zu seiner eingehenden Ausbildung noch für drei Jahre nach Antwerpen. Im Jahre 1548 wurde Paulus I Behaim dann Teilhaber der Handelsgesellschaft Endres Imhoff und Gebrüder; für seine Firma reiste er wiederholt zu den Messen in Frankfurt a. M. und nach Antwerpen. Nach der In­ struktion der Gesellschaft an Paulus Behaim Juni 1549, der damals in Antwerpen weilte, war eine Anleihe der Firma und der Nebenfirma Sebastian und Hieronymus Imhoff dem Statthaltereihof in Brüssel ge­ geben worden; sie war aber unter dem Namen der Augsburger Gesell­ schaft Bartholomä Welser gegangen. Die fällige Summe sollte nicht zurückgenommen werden, sondern noch weiter liegen bleiben; In­ struktion im freiherrlich von Imhoffschen Familienarchiv Nürnberg53). Die Antwerpener Notularien nennen mehrere Mitglieder. Am 3. X. 1532 gab Mechteld van Vlierden, die Tochter des Meisters Jan van Ylierden und die Witwe des Conrad Imhoff eine Willenserklärung bezüglich des Begräbnisses ihrer Mutter Gertrud van Vlierden. Am 5. XI. 1532 quittieren Peter Imhoff, der Sohn des Kölner Martin Imhoff, und Jan Born, der Gemahl der Sophie Imhoff, die Faktorei-Abrechnung des Mathys Hulsbosch; auch andere Kinder des Martin sind genannt. Am 30. iY. 1547 wird Conrad Imhoff, der Mann der Margarete Gielis, bei einer Erbsache erwähnt. Am 3. VII, 1549 haben Anton Waryn, geschworener Tuchmesser von Antwerpen, und Conrad Imhoff (Imhoue), Kaufmann und Walter zu Antwerpen bei der Stoffbeschau und dem Tuchkauf eine fehlerhafte Herstellung festgestellt. Am 19. I. 1550 wird Conrad Imhoff, Lakenbereiter, als Zeuge angeführt. Ferner werden am 7. III. 1553 Philipp Imhoff, Sohn des Conrad Imhoff und der Mechteld van Vlierden, und sein Bruder Conrad Imhoff sowie ihr Schwager Hans Berenhuysen in einer Erbsache genannt. Dieser Philipp Imhoff und seine Gemahlin Gertrud van Oort legen am 11. VII. 1555 ihr Testament nieder, dazu kommen am 7. IX. 1558 Veränderungen des Peter Imhoff. Am 7. VII. 1559 schließen Melchior Sgreeuen und Agnes (Agniete) Imhoff, die Tochter des verstorbenen Conrad Imhoff und Witwe des 32

Hans Beerenchuysen, einen Ehekontrakt. Noch am 30. XI. 1562 wird Conrad Imhoff als Vormund der Brüder van Roomen erwähnt54).

Die Welser Auch das Nürnberger Handelshaus Jacob Welser und Söhne kam nach Antwerpen Der Inhaber Jacob Welser d. Ä. (1486—1541) hatte zuerst seinen Sohn Hans Welser um 1525 nach Antwerpen geschickt, darnach leitete Jacob Welser d. J. seit 1530 das dortige Kontor. 1532 kaufte die Firma ein eigenes Haus in der Stadt. Das Handelshaus hatte 1524 die Gesellschaft der Hütte unter Leutenberg, eine Saigerhütte, mitgegründet; sie lag im Gebiet von Schwarzburg in Thüringen. Infolgedessen wurde das mansfeldische Kupfer zuerst in den Nieder­ landen durch die Welser verkauft. Außerdem wurde von der Firma das englische Blei gehandelt, das von ihrer Londoner Faktorei bezogen wurde. Es war wiederum für die thüringischen Saigerhütten notwendig, in denen die Kupfer- und Bleierze weiterverarbeitet wurden55). Am 26. IV. 1540 ist Anthoine van Male, Pensionär der Hansen (Oisterlin) als Antwerpener Faktor der Nürnberger Firma Jacob Welser d. J. genannt. In dem Eintrag hat van Male einige Juristen in Paris ernannt, die als Bevollmächtigte der Welser auftreten sollten 56). In der Literatur sind noch die Kaufleute Christoph und Ludwig Steidelin in Antwerpen als Faktoren dieser Nürnberger Firma Welser, 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts, angeführt. Im Jahre 1554 ist Jakob Welser d. J. in seinem Antwerpener Haus gestorben, darnach wurde das Gebäude weiter verkauft. Es lag in der Rue des Recollets. Nützel und Pfinzing Der Nürnberger Patrizier Caspar Nützel hatte in Antwerpen einen Faktor Hanns Ort. An seine Adresse wurde das Brechzeug des Nürn­ berger Schreiners und Mechanikers Leonhard Danner 1555 geschickt, das für Spanien bestimmt war. Der Nürnberger Patrizier Martin II Pfinzing von Henfenfeld (1521 bis 1572), der spätere bekannte Kaufherr, weilte zur Ausbildung 1537/38 in Antwerpen und 1538/39 in Paris. Dies geht aus einem Skizzenbuch hervor, das sich im freiherrlich von Imhoffschen Familienarchiv Nürn­ berg befindet. Das Handelshaus in Antwerpen, in dem der junge Pfin­ zing lernte, ist bis jetzt nicht bekannt. Die 35 Blätter des Skizzenbuches sind auf vier Lederfalzen in einem Pergamentumschlag eingeheftet, einige weitere Blätter sind heraus­ geschnitten. Auf dem vorderen Einbanddeckel steht mit schwarzer Feder •1 5 3 7 * Martinus pfinntzing von Nurmberg. Als Vorsatzpapier ist ein halber Pergamentbogen aus einer lateinischen Handschrift des 15. Jahrhunderts verwendet. Auf Blatt 1 r steht: Per haereditatem possidet ACP ab H. (= August Christoph Pfinzing von Henfenfeld, 1630 bis 1672). Die Federzeichnungen in Braun, Schwarz sowie in Rötel sind mit dem Monogramm M P in Ligatur sowie dem Datum versehen. Die eine Signatur auf Blatt 16 r 1538/39 weist nicht eindeutig darauf hin, ob Pfinzing 1539 nochmals in Antwerpen war oder ob er die Zeichnung 3

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später vollendete und die Zahl des nächsten Jahres dazusetzte. In Nürn­ berg kamen 1541, 1544 und 1559 datierte Zeichnungen hinzu. 3r: Ein Liebespaar sitzt unter einem Baum, daneben ein Brunnen. Feder in Braun. Signiert oben auf hängendem Täfelchen MP, datiert unten 1537 Annttorff. 4r: Zwei geflügelte nackte Putten mit den Wappen seiner Eltern Martin I Pfinzing von Henfenfeld (1490—1552) und Anna Loeffelholz von Colberg (1498—1543), 00 1515 der 1. Gemahlin. Heraldisch rechts steht ein Knabe mit dem Pfinzing-Wappenschild, der den gekrönten Helm, die Helmdecke und die Büffelhörner als Helmkleinod aufweist. Auf der Brust des Putto steht der Buchstabe P. Heraldisch links steht das Mädchen mit dem Loeffelholzschild und dem Helm, auf der Brust steht L. Unter den Kindern stehen die Namen Pfintzing Loffelholtz. Feder in Schwarz, grau laviert, aquarelliert und mit Gold gehöht. Be­ zeichnet und datiert 1537 MP pp m annttorf (= manu propria, mit eigener Hand). 5 r: Der Apostel Simon mit der Säge als Attribut. Die große Figur ist nach einem Holzschnitt kopiert. Feder in Braun. Bezeichnet und datiert unten • 1537 • MP annttof. Das nächste Blatt ist herausge­ schnitten. 6r: Apostel Andreas mit Andreaskreuz und Buch. Feder in Schwarz, Hände, Kopf und der eine Fuß mit Rötel. Unten 15 MP 37 anntt orff (dazwischen Blüte). 7 r: Mann mit Helmbarte. Rötel, unten bezeichnet mit Feder in Schwarz 1537 Antf. Die beiden nächsten Blätter sind herausgeschnitten. 8r: Cimon und Pera. Rundszene. Das Paar im Kerker, vor der Türe sitzt außen der Gefängniswärter. Feder in Schwarz. Oben 1537 unten MP - annttf 1 5 37 MP (die unter Jahreszahl in Rötel). 9r: Geätztes Gewehrschloß. Rechts der Hebel mit zwei Delphinen, auf dem mittleren Rund sind zwei geflügelte Faune und fünf männ­ liche Figuren dargestellt. Ornament. Feder in Schwarz. M P 1537 annttrf. 9v: Männlicher Kopf im Profil nach rechts. 10 r: Zwei Aktstudien nach Gliederpuppe, links liegend und rechts mit gegrätschten Beinen. Rötel, Signatur in Rötel, Ortsangabe Feder in Schwarz. Zwischen den Akt Studien datiert 1537, unten signiert 1 5 3 7 MP annttrf. 11 r: wie Blatt 10 r, schräg sitzend und en face. Rötel. Signatur in Rötel, Ortsangabe wie 10 r. Zwischen den Aktstudien datiert 1530 MP annttrf, links unten 1537 MP. 12 r: Männlicher Kopf, Proportionsstudien. Profil nach rechts, en face, von rückwärts. Feder in Schwarz. Bezeichnet unter der 1. Darstel­ lung • 1537 • MP. Fortuna mit Schwert und Waage auf der geflügelten Kugel. Feder in Schwarz. Bezeichnet darunter 1538 anntf MP. 14 r: Studien nach weiblichem Aktmodell, Proportionsstudien, en face, Profil nach rechts, von,rückwärts. Feder in Schwarz, bezeichnet unter dem Profil 1538 anntrf. 34

15 r: Zwei Friese. Feder in Schwarz. Oben kämpfende Männer, leb­ hafte Szene. Ein Mann ist erschlagen, während ein zweiter ersehlagen wird. Bezeichnet darunter * 15 38 • 3 Jenner annttrf. Unten halten ein Faun und ein Fischweib ein Medaillon mit dem Monogramm MP (Liga­ tur, Martin Pfinzing), seitlich zwei nackte Knaben mit Delphinen. 16 r: Zwei Putten halten einen Anhänger, über dem ein Pelikan an­ gebracht ist. Feder in Schwarz, bezeichnet darunter 1538/9 annttrf. 17r: Wappen der Familie Koberger, Nürnberg. Der Schild wird von einem wilden Mann und einer nackten Frau gehalten, darüber der Tur­ nierhelm, die Helmdecke und zwei Flüge als Helmkleinod. Feder in Schwarz, bezeichnet darunter 15 38 15 Jener Koberger annttrf. 18 r: Zwei Friese. Feder in Schwarz. Oben tanzende Paare mit einem Trompeter und Dudelsackpfeifer. Darunter die ausführlichere Be­ zeichnung: Anno D MDXXXVIIJ, a di XVI Jenner in annttorf. Unten zwei geflügelte bekleidete Putten halten einen Anhänger, auf dem eine Krone angebracht ist. Seitlich halten zwei halbfigurige Kentauren und Lapithen ein Wappenschild. Bezeichnet darunter • 1538 • . 19 r: Pyramus und Thisbe vor einem Baum, er hat sich das Schwert in die Brust gestoßen. Feder in Schwarz, bezeichnet unten • 15 38* 30 MP . . . (Monatsangabe nicht zu entziffern) annttrf. 20 r: Segelschiffe und Ruderboot. Feder in Schwarz, 15 38 annttrf. 20 v: Strohgedecktes Haus mit Zaun. Feder in Schwarz, Anno 15 38 • adj 6- october MP 1536. Die anderen Studien auf Bl. 13r und von 21 v an sind in Paris 1538/39 entstanden. Nach den Signaturen auf 21 v und 22 hat Pfinzing am 15. bzw. 22. IX. 1538 die ersten Zeichnungen zu Paris ausgeführt. Die Blätter 27v—34v kamen in Nürnberg 1541—1559 hinzu. Die ander e>n Kaufleute in Antwerpen Nach diesen patriziati sehen Handelshäusern und Gesellschaften, die ihre Faktoreien und Zweigniederlassungen in Antwerpen hatten, seien noch die anderen Angaben angeschlossen. Jörg Ketzler, Paul Geiger und der Faktor der Hirschvogel waren zu dieser Zeit in Antwerpen nachweisbar. Die Antwerpener Notularien nennen noch zahlreiche Nürnberger in den Niederlanden. Am 4. VII. 1525 machte Evaerdt Ursinger (* zu Nürnberg), Einge­ sessener zu Antwerpen, sein Testament. Bei den Minoritenmönchen bestimmte er seine Grabstätte; er errichtete geldliche Stiftungen und schenkte dem Konvent der Clarissinnen zu Briel (Brielle, Südholland) ein Messingbild mit einem Kreuz, darauf er und seine Frau dargestellt waren 57). Am 13. III. 1532 ist Johann Pollinger deutscher Kaufmann Ant­ werpener Faktor von Michael Tzwycker und Gebrüder Nürnberg; es handelte sich um Wechselgeschäfte58). Am 3. III. 1536 saß Hartmann Schmaltz, Kaufmann aus Onolzbach (Ansbach), in Antwerpen, er war Faktor und Beauftragter des Nürn­ berger Kaufmanns Wilhelm Smitmer. Für diesen wollte der Ant*5 *

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werpener zwei Pack Laken ausführen. Dafür mußte er Zoll bezahlen, obwohl Nürnberg hier die Zollfreiheit besaß. Am 20. VI. 1540 traten nach dem Tode des Nürnberger Johann Pollinger, Kaufmanns zu Ant­ werpen, wegen einer Erbschaftssache seiner beiden natürlichen Töchter deutsche Kaufleute, darunter Jeronimus Imhoff, auf59). Am 5.1.1535 quittiert Willem Borrewater, Kaufmann zu Antwerpen, dem Wilhelm Poschingher (Boschinger) den Betrag von 89 Dukaten ä 39 Stüber für Hans Straub, Handelsgesellschaft in Nürnberg und Leipzig 60). Am 28. V. 1540 hatte Philipp Massenhamer, Kaufmann aus Nürn­ berg, Handelsbeziehungen mit Jean Fourmestron gen. Fourmenoit, Kauf­ mann zu Antwerpen. Nach der Abrechnung schuldete der Nürnberger 181 Pfund 10 sh. flämisch, die in 6 Monaten bezahlt werden sollen61)Am 22. VIII. 1542 bezeugen der Notar S. Herthogen sen. und andere Antwerpener, daß Jeronimus Coberger (Couberger) aus Nürnberg ihnen fünf silberne und vergoldete Gefäße (cratheras) gezeigt hat, die er aus England bekam. Wir dürfen in ihm wohl ein Mitglied der Nürn­ berger Familie Koberger (Buchdrucker, Verleger und Goldschmiede) erkennen. Am 28. III. 1544 tritt Georg Franckmann aus Nürnberg als Bevollmächtigter in einer Forderung des verstorbenen Hieronymus Coberger an Kaspar Crop (Cropf) aus einem Edelsteingeschäft auf. Am 19. III. 1544 wurde Cropf für 8 Tage aus dem Gefängnis in Brüssel wegen eines Akkordes herausgelassen. Am 12. VI. 1543 suchte Johann Felberger, Nürnberger Kaufmann zu Antwerpen, ausstehende Geld­ forderungen hereinzubekommen. Am 28. VI. 1543 wird Veit Helsulser aus Nürnberg, der in Antwerpen sitzt, genannt. Am 18. VIII. 1543 vertritt Toussaint Pollice, Venetianer zu Antwerpen, eine Geldforde­ rung gegenüber dem Wolfgang Ruydt aus Nürnberg; er hatte ihm 13 Stück Seidensatin verkauft. Am 13. XII. 1543 erteilt Christoph Paur, Kaufmann zu Antwerpen, für sich und seinen Vater Peter Paur zu Nürnberg eine Vollmacht seinem Neffen Gregorius Paur 62). Am 13. III. 1545 schlossen Martin Hureau aus Valenciennes und sein Bruder Nicolaus Hureau einen achtjährigen Gesellschaftskontrakt, der Handel wird nach Frankfurt a. M., Leipzig, Nürnberg und nach anderen Orten betrieben. Am 9. XII. 1545 bekennt die Witwe Belyken de Jonghe, daß sie Nürnberger Waren für 17 Pfund 19 sh. 5 pf. flämisch von Jakob van Nyenlant kaufte. Der Verkäufer war Sebald Grüner zu Nürnberg und Nyenlant war wohl dessen Vertreter in der Schelde­ stadt. Im März 1546 sagen Anton Waryn, geschworener Wolltuchmesser in Antwerpen, und Heinrich Preuser (Pryses) aus Nürnberg, der wohl aus der Leipziger Familie stammte und als Faktor des Michael Swych zu Nürnberg tätig war, aus, daß im Januar 1546 englische Tuche aus dem Londoner Handel bezogen wurden und diese nicht das vorge­ schriebene Maß hatten. Am 27. III. 1546 hat Wilhelm Tramer zu Nürn­ berg gleichfalls dorther für Wilhelm Schmittmann (Smitman) englische Tuche gekauft, die zu kurz und fehlerhaft waren. Am 25. II. 1547 hat Herman Hermans, Kaufmann aus Nürnberg und Bürger in Antwerpen, einem englischen Faktor eine Geldsumme zu bezahlen63). Am 3. XII. 1549 bezeugen Anton Waryn, geschworener Tuchmesser in Antwerpen, und Wilhelm Trayner (Traynen), daß ein englischer 36

Tuchkauf fehlerhaft war. Am 10. III. 1550 erklären Christof Banr und Sebert Woudereer zu Nürnberg, geboren und Kaufleute in Antwerpen, mit einem Dritten, daß Kaufmann Heinrich Preuser (Bryser) zu Ant­ werpen achtbar und kreditwürdig ist64). Am 7. XI. 1552 läßt der Zuckersieder und Bürger Jacob de Beste in Antwerpen von Friederike Müller zu Nürnberg eine Schuldsumme von 362 fl. eintreiben65). Am 29. I. 1555 ist das Haus: der Schild von Nürnberg in Antwerpen Bochsteghe für 8 Jahre vermietet. Am 1. II. 1555 hat Marie de Roy, die Gattin des Jan de Roy, jetzt in Antwerpen, dem Faktor Erasmus Angerer zwei goldene Ringe geschenkt. Es wird wohl die Frau des lange in Nürnberg tätigen niederländischen Teppichhändlers und Wir­ kers Johann von Roy gewesen sein. Am 12. IV. 1556 zeichnen Jan Boutry, der Sohn des Simon Boutry weiland Kaufmann in Nürnberg, und seine Frau Margarete Tacquet ihr Testament auf. Jeder hat 100 fl. der Stadt Antwerpen für die Armen vermacht. Ebenso haben am 5. III. 1558 Hans Fleyenzoren, der Sohn des Hans Fleyenzoren, in Nürnberg geboren, und seine Frau Helena Simons aus Zierikzee ihr Testament niedergeschrieben. Am 6. V. 1561 haben Guilleaume Borremans, Kaufmann zu Antwerpen, und Jan Veerheyden, Kaufmann, eine Handelsgesellschaft für 4 Jahre geschlossen. Veerheyden ging nach Nürnberg, kaufte hier Waren ein und Borremans verkaufte diese in Antwerpen. Beide Partner behielten ihren Wohnsitz in der entsprechen­ den Stadt. Dies geht aus dem Passus hervor, daß die Hausmiete und die Mundkosten des Veerheyden in Nürnberg von ihm persönlich und nicht von der Gesellschaft getragen werden sollten. Dagegen sollen seine Reisekosten und die Frachtkosten halbiert werden. Jeder Gesell­ schafter bringt 400 Pfund flämisch in Geld oder in Waren in die Gesellschaft ein, Veerheyden außerdem noch 225 Pfund flämisch. Der Nürnberger stellt die Rechnungslegung für seinen Einkauf und der Antwerpener für seinen Verkauf66). Am 22. III. 1566 erklärt Dr. jur. Philipp Saerius, der Gemahl der Katharine Pipelaer, Witwe des Franchois van Ghansepoel, daß die Antwerpener Kaufleute Adriaen van Brueseghem und Jan Cachiopin sich beide für den Kaufmann Johann Pipelaer zu Nürnberg ver­ bürgen. Es handelte sich um die Summe von 17 871 fl. 56 kr., die der Nürnberger den Erben des Franchois van Ghansepoel schuldig war. Er wollte den Betrag an fünf Terminen, Frankfurter Messen, be­ gleichen 67).

Nürnberger Kunst und die Niederlande Gobelin Wirkerei Der seit 1478 amtierende Propst Dr. iur. Lorenz Tücher (1447—1503) an der St. Lorenzkirche Nürnberg hat um 1500 einen niederländischen Gobelin mit dem hl. Laurentius ausführen lassen; Wolle und Seide gewirkt. Die Maße betragen jetzt: hoch 2,02 m und breit 1,41 m. Das Werk war wohl für die sog. Tuchersche Familienkapelle in der St. Sebalduskirche Nürnberg bestimmt, im 19. Jahrhundert gelangte es in das 37

Bayerische Nationailmuseum München68). Seit 1950 befindet sich der Gobelin als Leihgabe im Germanischen Nationalmuseum. Der Namens­ heilige steht in kirchlicher Gewandung mit dem geöffneten Buch und dem Rost, den Attributen seines Martyriums, in einem schmalen Raum; ihm zu Füßen kniet heraldisch links der Stifter. Unter dieser Figur ist noch der Rest des abgeschnittenen Wappens erkennbar. Seitlich folgen im Freien zwei weitere Szenen aus dem Leben des Heiligen: rechts die Heilung von Lahmen und links das Martyrium. Die Bordüre ist rund herum abgeschnitten; einige Ergänzungen sind in neuer verblaßter Wolle eingefügt. Ein Ratsverlaß vom 7. IX. 1501 (Hampe I Nr. 599) lautet: Den mit den arrassen ein ram im zwinger zu machen vergönnen umb zinß wie die andern. Damit können die Weber, die Futterstoffe nach Art der in Arras gefertigten in Nürnberg herstellten, gemeint sein. Aber man darf auch an Teppichhändler denken. Im Nassauerhaus befand sich früher ein Wandteppich mit der An­ betung des Kindes und der Anbetung durch die Könige 1505. Die Maße sind: Höhe 3,45 m und Länge 5,90 m. Dieses für die Kunstsammlung der 1709 ausgestorbenen Patriziatsfamilie Schlüsselfelder so charakteri­ stische Werk gelangte im 19. Jahrhundert in das Bayerische Nationalmuseum. Der in Brüssel gewirkte Gobelin mit seiner figurenreichen Darstellung vertrat die flandrische Kunst in besonders guter Weise. Eine Inventarnotiz des Museums gibt an, daß das Datum 1505 mit Goldfäden in dem mittleren Quadrat aufgestickt war. Jedoch ist diese Jahreszahl jetzt nicht mehr erhalten. Eine Wirkermarke findet sich nicht. Der Teppich wurde dann ohne Kenntnis dieser Notiz um 1510 datiert und sogar als um 1520 entstanden dem maitre Philipp in Brüssel zugeschrieben; der Patronenmaler wird mit dem 1490 geborenen Philipp van Orley (?) identifiziert. Erst Alexander von Schneider ist die richtige Zuweisung zu danken. Der Gobelin ist von den Arbeiten dieses Meisters Philipp zu trennen. Die Einzelheiten in der Ausführung und der thematischen Darstellung weisen aber auf Tournai69). Der Statt­ haltereihof in Brüssel hat verschiedene Gobelins in Tournai bestellt. Dadurch wurde der Kartonmaler des Nürnberger/Münchener Teppichs veranlaßt, diese Vorlagen zu studieren und die entsprechenden Details wie die technischen Formen zu übernehmen. Der hellgelbe Seidendamast und das rote, blaue, braune Linien­ muster in der Gewandung und in dem Baldachin sowie der Fußteppich dieser Anbetung weisen auf die Poldi-Pezzoli-Gruppe hin. Ein Gobelin: Salomon und die Königin von Saba, Mailand Museo Pozzoli, ist für diese Gruppe der Ausgangspunkt. Für die Angabe der Schatten sind bei dem Nürnberger Gobelin keine Metallfäden verwendet, sondern die senkrechten Schraffen bilden diese Schattenangaben. Die Darstellung zeigt links die Anbetung des Kindes. Maria, Joseph und Engel knien im Stall, der nur durch eine Säule sowie das Geflecht und die Tiere angedeutet ist. Dahinter sind die Hirten als Zuschauer versammelt. Für die Anordnung der Anbetungsgruppe weist Schneider auf die Mitteltafel des Portinarialtars des niederländischen Malers

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Hugo van der Goes (Gent und Brüssel 1440—1482) hin, das Werk wurde 1475 vollendet (Uffizien Florenz). Tomaso Portinari war der Faktor der Medici in Brügge, er hatte den Altar für die Kirche des Spitals S. Maria Novella Florenz malen lassen. Rechts im Gobelin ist dann die Anbetung der Könige dargestellt, die sich vor der Hütte abspielt. Die Figuren­ anordnung ist von dem anderen Werk des Hugo van der Goes: An­ betung der Könige aus dem Monfortealtar (Berlin Deutsches Museum) inspiriert. Diese Predella befand sich einst im Kloster Monforte in Nordspanien. Der Kartonzeichner hat wohl Kopien dieser Werke oder Nachzeichnungen gesehen. Vornehme Zuschauer sind bei dieser zweiten Gruppe hinzugetreten. Die Mitte zwischen den zwei Szenen nimmt ein Page ein, dessen Stellungsmotiv sich auf Teppichen von Tournai findet. Eine Eiche, die mit Efeu bewachsen ist, trennt die Szenen noch von­ einander ab. Im Hintergrund sind zwei Hirten auf einer Brücke, eine Burg mit ausreitendem Zug, ferner ein Zug mit einem Schalmeienbläser angeordnet. Diese Motive kommen ebenfalls auf den Gobelins von Tournai vor. Die Bordüre setzt sich aus Quadraten und Rechtecken zusammen, darin sind Rosenzweige und Erdbeerbüschel. Diese Ein­ fassung weist auf die Entstehung in Brüssel nach 1500 hin. Der Nürnberger Patrizier Dr. Anton Tücher (1457—1524) erwarb 1513 einige niederländische Textilarbeiten, darunter waren einige Kissen, Polster und Rücktücher von niederländischer Arbeit für 13V2 fl. IV2 ß, „Jtem 2 allt nieder]endisch tebig mit pildberck, der ein von 5 und 6 ein, der ander von 4 und 5 ein prait und lande dafür 10 fl.“ Diese Einträge stehen in seinem Haushaltungsbuch 1505—1517 fol. 103v (Sächsische Landesbibliothek Dresden)70). Die patriziatische Familie Loeffelholz stiftete einen fünfteiligen Gobelin mit der Legende des hl. Laurentius 1511 in die St. Lorenzkirche Nürnberg, hoch 0,87 m und lang 3.46 m. Der Teppich befindet sich als Depositum der Protestantischen Kirchenverwaltung im Germanischen Nationalmuseum71). Dargestellt ist die Verbrennung des Heiligen, links stehen der Kaiser Valerian mit Gefolge und rechts die Zuschauer. Seitlich sind die Diakone St. Stephanus und Baldramus hingestellt. Ein reicher landschaftlicher Hintergrund ist dazu gekommen. Der Ent­ stehungsort ist Brüssel: die flandrische Renaissance kommt hier voll zum Durchbruch. Der Teppich ist auf Leinwand aufgezogen, darauf ist eine Wirkermarke mit dem Datum 1511 geschrieben. Der Patrizier Endres Imhoff d. Ä. (1491—1579) in Nürnberg war Teilhaber der Imhoffschen Handelsgesellschaft. In den Jahren 1541 bis 1543 bestellte er einige Bildteppiche in Antwerpen. Dies geht aus den Briefen vom 20. X. 1541, 10. II. 1542 und 27. I. 1543 an seinen Neffen Paulus I Behaim (1519—1568) hervor, der sich nach seiner Lehre in Krakau 1533/35 während dieser Jahre in Antwerpen auf hielt und zur Imhoff sehen Firma gehörte. Die Briefe befinden sich im freiherrlich von Behaimschen Familienarchiv im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg72). In dem ersten Brief teilte Imhoff die gewünschte Länge und Breite eines Teppichs mit, vor der Bestellung wollte er den Preis wissen. „Solchen wolt ich in meim hof zu seiner gepurenden zeit auf­ henken und prauchen; dorft nit köstlich, sonder von mittelmessiger 39

arbeit sein, doch mer zu schlecht dan zu köstlich, aber auch nit zu gar schlecht, und das allein gut färb gehabt het.“ Die Hochzeit zu Kanaa sollte dargestellt sein. Dieser Gobelin sollte in dem Nürnberger Haus der Imhoff bei festlichen Gelegenheiten aufgehängt werden. Nachdem ein Antwortschreiben in Nürnberg angekommen war, bestellte Endres Imhoff im zweiten Brief diesen Gobelin mit der Hochzeit zu Kanaa. Der in Antwerpen tätige Vetter Hieronymus Imhoff, der ebenfalls einen Brief aus Nürnberg bekommen hatte, soll bei der Bestellung mitwirken. „die historia ... do unser selligmacher aus wasser wein auf der hochzeit in Cana Gallia, wie im heiligen evangelli Johani am andern capitel geschriben stet; und das die histori fleisig noch laut der schrift und auf ebreiisch oder alffrenkisch und also aufs pest mit guden färben sonderlich gemacht, auch darpei geschriben werd, woe es sich am pasten schiecken wurd „Johannes am andern capitel“.“ Tn dem dritten Brief heißt es, „das die dapezerei in rechtem geld do niden zu bekumen sei“; dies (bezieht sich auf die Erwerbung in Antwerpen. Imhoff schickte noch die Angaben über die Länge und Breite eines zweiten Teppichs mit. „So thue dan noch einen konst bekumen, der auch die selben lenge het, aber doch umb so vil praiter sein must, dan der erst faden ist, so vil wie der faden hiepei lang ist, so vil must er praiter sein dan der ander. So thue aber die praite als eben nit konst bekumen, so sie nur die lenge von oben herab ungeferlich gehabt hetten, wie der faden ist, so magst ir zween kaufen, wolt ich sie auf mein soller vor der teglichen stuben von der tur an, do man zur stuben hinein get, pis gar hinter, do man zu der Schreibstuben hinein get, haben und geprauchen. So thue aber histori von Evangeli konst haben, das wer mir am liebsten; so aber nit verhauten wer, figur von anderen histori, die bekentlich seien.“ Wieder will lmhoff den Preis wissen. Das Tuchersche Landhaus in der Hirscheigasse zu Nürnberg wurde 1533/44 errichtet, Bauherr war Lorenz II Tücher (1490—1554) mit seiner Gemahlin Katharina Straub (OO 1517). Die Ausstattung dieses Herren­ hauses oder Herrensitzes wurde 1544 von dem Bildhauer und Kunst­ tischler Peter Flötner (um 1490/95—1546) in Angriff genommen. Das Wohnzimmer wies eine reiche von Flötner geschaffene Vertäfelung auf, dafür ließ der Auftraggeber im Jahre 1545 mehrere Verdüren (Gobe­ lins) mit dem Wappen des Besitzers und mit Blumen, Pflanzen, Obst anfertigen. Angeblich sind sie in Mecheln ausgeführt, dies ist aber nach der Marke und dem Gesamteindruck nicht richtig. Die Gobelins sind auf Grund der Marke in Enghien. (Hennegau) gewirkt73). Schon vor der Zerstörung des Landhauses waren die Teppiche geborgen, sie be­ finden sich z. Zt. als Depositum im Germanischen Nationalmuseum. Die Technik ist Wolle und Seide, es sind typische flandrische Ar­ beiten. Eine lange Verdüre mit Feld- und Gartenblumen weist in der Mitte das Wappen 1545 auf, hoch 1,19 m und lang 5,20 m. Eine hoch­ rechteckige kleine Verdüre zeigt Blumen, eine andere rote Rosen und Iris; eine mit Blumen. Ein langer Streifen mit Blumen und dem Wappen ist aus 7 Stücken zusammengesetzt hoch 0,40 m und lang 4,50 m, ein zweiter ist gleichartig lang 5,30 m. Acht Fragmente und 40

kleine Bordüren enthalten Blumen. Eine große Verdüre ist aus 6 Stücken zusammengesetzt 4.80 m lang. Eine lange Verdüre 3.10 m weist Renais­ sancevasen mit Blättern auf, im Blumengrund sind Vögel und ein Fasan zu sehen. Zwei Verdüren enthalten gleiche Vasen und Tiere (Katze, Hund, Hase, Eichhörnchen), bei der einen das Wappen 1545. Auf den beiden letzten Verdüren, lang 3,50 in, sind wieder die Vasem Vögel, Hasen, Füchse, ein Fasan und Hund dargestellt, die Marke ist an einem Stück angebracht. Die niederländischen Einflüsse hatten allmählich eine enge Über­ einstimmung zwischen dem gewirkten und dem gemalten Bild zu­ standegebracht. Die Kartons wurden immer besser durchgezeichnet und sicher von Malern entworfen. Die niederländische Art der Model­ lierung und des Formenreichtums, deren andere reichere Farbengebung und feinere Bildung des Gewebes, machten der Gobelinwirkerei in Nürnberg ein Ende. Seit dem Beginn des 16. Jahrhunderts gibt es fast keine in Nürnberg entstandenen Gobelins mehr, die von einheimischen Kräften selbständig ausgeführt sind. Jetzt sind auch niederländische Wirker in Nürnberg selbst tätig. Der Tapezier und Wirker Johann von Roy (Hans Rey, auch dapecereymacher genannt) aus Brüssel schaffte 1533/64 für den König Ferdinand I. (1526—1556, Kaiser bis 1564). In den Jahren 1533/37 gehörte der Nieder­ länder zu dessen Hofstaat. Darnach kam er nach Nürnberg und machte sich hier ansässig. Nach den Rats Verlässen vom 18., 24. und 28. I. 1539 (Hampe I Nr. 2379, 2382—83) durfte er 10 Jahre frei in Nürnberg sitzen, mußte aber das Umgeld bezahlen. Außerdem erhielt der Bürger ein Darlehen von 200 fl. und bekam einen Kram (Verkaufskram) unterm Rathaus. Im Hofgesinde des Königs ist Roy 1539/41, 1550, 1554 und 1556 nachgewiesen; er gehörte wohl als Aufkäufer formell dazu und lebte während dieser Zeit z. T. in Nürnberg. Die Bezahlung von der Hofkasse wurde ihm ständig ausbezahlt. Sein Tapisseriehandel und’ seine Wirkerwerkstatt gingen vielleicht nicht sehr gut; denn am Ende des Jahres 1541 verhandelte er mit dem Rat über seinen Wegzug. Für zwei Jahre erhielt er dann seinen Abschied. Im Ratsverlaß vom 15. XI. 1550 (Hampe I Nr. 3288) wurde die Freiheit von der Losungssteuer auf weiter 5 Jahre verlängert74). Bei dem Tapissier Johann von Roy bestellte König Ferdinand I. in den Jahren 1544/49 einige Teppiche. Am 26. I. 1544 stellte zu Prag der König an Jacob Rehlinger-Äugsburg das Begehren, eine Tapisserie nach Nürnberg zu schicken und sie dort „unserm“ Tapezier Jhän de Roy zu übergeben. Ein weiterer Auftrag geht an Roy, um diese Tapisserie in Empfang zu nehmen und nach Speyer zu bringen. Am 14. VIII. 1549 mußte Roy Tapisserien für die Erzherzogin Katharina in den Nieder­ landen kaufen; die Gobelins gehörten für drei Zimmer und sollten bis 1000 fl. kosten. Roy sollte sich demnach nach Antwerpen begeben und die Teppiche selbst nach Innsbruck schaffen. Außerdem sollte er eine Tapisserie für vier Zimmer, die für den König gehörte, suchen und feststellen, ob eine Tapisserie mit Adam und Eva, die für den König zu Augsburg aufgeschlagen wurde, noch vorhanden und zu bekommen sei. Johann von Roy wird am 30. IX. 1572 zum letzten Mal erwähnt75). 41

Um 1550 entstanden in Nürnberg einige charakteristische Gobelins, die von eingewanderten flämischen Wirkern ausgeführt wurden. Ein paar Teppiche behandeln die Geschichte der keuschen Susanna. Das 1. Exemplar hoch 1,48 m und lang 3,20 m befand sich einst im Münchener Kunsthandel bei Ludwig Bernheimer76). Die Szene spielt sich am Brunnen eines reichen Gartens ab. Die zwei Alten haben die Susanna am Brunnen überrascht, ein Lattengerüst mit Kürbislaub und Früchten steht hinter diesem Brunnen. Reiche Blumen und Frucht­ bäume erstreiken sich über die ganze Fläche. Als Einrahmung dient eine Blattbordüre mit eingestreuten allegorischen Figuren und Hermen. In dem einfassenden Rollband ist unten das geteilte Nürnberger Stadt­ wappen als Marke eingewirkt. Der Gobelin und seine Details weisen eine enge Verwandtschaft mit den Brüsseler Arbeiten auf. Das 2. Exemplar, einst im Berliner Kunsthandel bei Margraf u. Cie., ist eine Wiederholung, der Teppich ist länger77). In die Bordüre ist oben eine Schrifttafel eingefügt: Susanna wil sich waschen, die zwen Eltesten überfallen si sie irer Ehr zu entsetzen. Daniel 13. Das geteilte Nürnberger Stadtwappen ist wieder als Marke bei dem erfassenden Rollband angebracht. Das 3. Exemplar einst wieder bei Margraf u. Cie., Berlin, ist gleich­ falls eine Wiederholung78). Es war einst das längste Stück, aber die rechte Hälfte mit Blumen und Früchten sowie die obere Bordüre sind verloren. Somit ist der Gobelin nur fragmentarisch erhalten. Diesmal sitzt die Susanna im Bade, sie hat eine Dienerin bei sich. Drei Bruchstücke eines Gobelins im Germanischen Nationalmuseuni gehören zu zwei Rücklaken. Die Höhen- und Längenmaße sind: 1,17:3,83; 1,17:1,82; 1,48:4,90 m79). Susanna erscheint vor dem Brunnen in der Kürbislaube, die beiden Alten haben sich hinter dem Laubwerk versteckt und lehnen sich an das Geländer. Susanna ist im Bad, oben in der Bordüre steht die schon oben angeführte Inschrift. Sonst ist die Bordüre bis auf ein Stück mit sitzenden allegorischen weiblichen Figuren verloren. Die Stadtmarke ist hier nicht angegeben. Nach Heinrich Göbel hat alle diese Gobelins ein in Brüssel aus­ gebildeter Meister gearbeitet; vielleicht war es Johann de Roy. Ein Teppichwirker Hanns Decker wurde laut Ratsverlaß vom 12. II. 1538 (Hampe I Nr. 2300) als Bürger aufgenommen, auch er könnte mit­ gearbeitet haben. Als nächste Gruppe kommen mehrere Wappenteppiche der patriziatischen Familien Haller und Imhoff, die in Wolle und Seide gewirkt sind. Der eine Wappenteppich der Haller befindet sich seit 1908 im Ger­ manischen Nationalmuseum, Depositum der freiherrlich von Hallerschen Familienstiftung Nürnberg. Bunte Wolle und Seide, hoch 2,48 m und lang 2,69 m80). Der Teppich wird immer nach Nürnberg lokalisiert und um 1550 datiert, er kann aber auch in den Niederlanden entstanden sein. Er wurde für die Stammfamilie in Nürnberg oder für einen der beiden niederländischen Zweige angefertigt. Dargestellt ist das 1528 vermehrte quadrierte Wappen des nürnbergischen Geschlechts. Der rechte der beiden Spangenhelme ist gekrönt. Stilistisch geht das

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Wappen auf einen Einblatt-Holzschnitt der Dürer-Nachfolge zurück, auf dem das Wappen des Bartholomäus Haller von Hallerstein (1486 bis 1551), des kaiserlichen Rats und 1549/51 Reichsschultheißen von Frankfurt a. M., dargestellt ist. Auf dem Gobelin steht oben ein Spruch­ band: GOTT ALLAIN MEIN TROST; außen ist eine Bordüre mit Waffenemblemen und Fruchtgewinden angebracht. Heraldisch rechts ist an der Webkante ein Manufakturzeichen (Schild mit beiderseitigem G) und links unten ist ein Herz als Marke eingewebt. Auf einer Auktion in Stuttgart wurde der Teppich von Architekt Karl Freiherrn Haller von Hallerstein (f 1908), Nürnberg, erworben. Darnach erfolgte die Restaurierung in Paris. Ein 2. Exemplar des Wappenteppichs der Haller befand sich in der Sammlung Comte Oriola; Versteigerung bei Frederik Müller u. Cie., Amsterdam, April 1932 und dann im Besitz der Versteigerungsfirma 1933 81). Hoch 1.56 m und lang 1,82 m. Das Wappen und die Devise sind nach dem gleichen Karton gewirkt, die Bordüre fehlt. Auch dieser Teppich ist in Nürnberg (siehe oben) um 1550 entstanden. Ein 3. Gobelin der Haller, der ebenfalls um die gleiche Zeit zu datieren ist, muß in Nürnberg oder in den Niederlanden gewirkt sein. Hoch 2,77 m und lang 2,56 m. Das Exemplar stammt aus dem Besitz der Kunsthandlung Ludwig Bernheimer, München, es wurde 1912 von der freiherrlich von Hallerschen Familienstiftung Nürnberg erworben; Schloß Großgründlach bei Nürnberg, Freiherrn von Haller. Das Wappen ist wieder geviertet, der rechte der beiden Spangenhelme ist gekrönt. Als Grund sind blaue Blätter gewählt, die Bordüre außen weist Obst in Blättern auf. Heraldisch links ist unten eine Marke V L mit Kreuz und am unteren Rand ist eine weitere Marke X Y zu finden. Der Imhoff-Gobelin, Wien österreichisches Museum für angewandte Kunst, ist dort als Brüsseler Arbeit um 1550 eingereiht. Wolle und Seide, hoch 2,10 m und lang 1,99 m. Im Jahre 1871 wurde der Teppich aus dem Kunsthandel erworben. In der Mitte ist das Allianzwappen Imhoff Geuder mit Turnierhelm, Helmdecke und Kleinod von einem Früchtekranz eingeschlossen. Der Grund ist mit großen Blattpflanzen, Blumen und Stauden gefüllt. Die Bordüre mit Obst- und Weinlaub­ ranken ist durch Masken und zwei männliche Figuren mit Falken unterbrochen. Die Wappenallianz muß auf den Besteller hinweisen: Johannes Imhoff (1529—1576), OO 1554 Juliana Geuder, Biedermann Tabula CCLXVI. Anläßlich deren Verheiratung ist der Gobelin ge­ wirkt, der dadurch 1554 datiert werden kann. Ebenso wie bei den hallerschen Teppichen ist die Entstehung in den Niederlanden oder auch in Nürnberg anzunehmen. (Abb. 2.) Zum Schluß sind noch zwei Gobelins hier einzureihen. Der eine weist die Madonna zwischen den hl. Ulrich und Afra auf, München, Sammlung Julius Böhler. Hoch 1,10 m und lang 3,20 m; er ist nach Nürnberg und um 1550 zu lokalisieren82). Der Teppich soll aus der St. Ulrichskirche Augsburg stammen. Dargestellt ist die gekrönte Maria im Strahlenkranz, über ihr sind zwei Engel mit der Dornenkrone; links steht der hl. Bischof Ulrich von Augsburg und rechts die hl. Afra als die beiden Stadtheiligen. Der Grund wird mit Pflanzen und Tieren 43

gefüllt. Nach Gobels Vermutung wurde der Teppich von den in Nürn­ berg tätigen niederländischen Wirkern angefertigt, da ein in Augsburg eingewanderter Wirker bisher nicht nachzuweisen ist. Dieser oder einer nahverwandten Manufaktur ist ein Grünteppich zuzuweisen, der sich früher in der Kunsthandlung A. S. Drey, München, befand. Hoch 1,60 m und lang 4 m83). Nach Göbel kann der Karton für das Blumenfeld aus Brüssel gekommen sein und die Bordüre ist dann selbständig ausgeführt.

Goldschmiede Der Juwelier Antorri van Rosental in Antwerpen hatte um 1538 Kleinodien an Hans Koler in Nürnberg geliefert. Auf der Herbstmesse in Frankfurt a. M. beauftragte der Antwerpener nun den Nürnberger Hieronimus Braun, daß er von Wolf Schweinfurt (wohl in Frankfurt a. M.), 2900 fl. und von Hans Koler 600 11. für die übersandten Kleinodien einfordere. Auf der Frühjahrsmesse 1539 hat der Juwelier erneut Ludwig de Colesis und Peter Behem von Antwerpen mit der gleichen Forderung beauftragt. Im Gewaltbuch 1538 und 1539, Frank­ furt a. M. Stadtarchiv, sind diese Forderungen eingetragen. Dieses Beispiel ist aus den Akten nachgewiesen. Sicher sind noch manche andere Lieferungen der niederländischen Goldschmiede an die reichen Bürger und patriziatischen Familien Nürnbergs abgesandt. Gerade im 16.—17. Jahrhundert war die Schmuckfreude bei den vor­ nehmen Damen sehr ausgeprägt, auch die Herren trugen kostbare Ringe und Halsketten. Auf den Bildnissen der Zeit haben die Maler immer wieder die auftraggebenden Vornehmen im vollen Schmuck ihrer Kleinodien porträtiert. Niederländischer Maler um 1520 Der niederländische Maler Jan van Scorel (Utrecht 1495—1562) unternahm in den Jahren 1518/22 eine große Reise durch Deutschland nach Italien. Über Köln, Speyer, Straßburg und Basel kam er nach Nürnberg zu Albrecht Dürer. Nach Karel van Mander (1548—1606), dem niederländischen Künstlerbiographen, arbeitete Scorel angeblich in Dürers Werkstatt. Der Aufenthalt muß, wenn er bewiesen werden könnte, nur kurz gewesen sein. Von Dürer bekam der Niederländer nun Empfehlungen an den Kardinal Fürsterzbischof von Salzburg Matthäus Lang von Wellenburg (1519—1540) mit. ln Obervellach (Kärnten) malte Scorel sein frühestes Werk, den Obervellacher Altar mit der heiligen Sippe 1520, der in der Pfarrkirche steht. Der Auftraggeber war der kaiserliche Befehlshaber Christoforo Frangipani oder sein Schwager, der Kardinal. 1520 war Scorel in Venedig, 1521 in Palästina, 1521/22 in Venedig und Rom. Darnach war er in Utrecht tätig. 44

Albreclit Dürer und seine Reise in die Niederlande 1 520 — 1 521 Albrecht Dürer (1471—1528) unternahm 1520/21 eine Reise in die Niederlande. Am 12. VII. 1520 verließ er Nürnberg, seine Frau be­ gleitete ihn; die Heimreise erfolgte von Brüssel aus am 12. VII. 1521. Er wollte sich von dem neuen Kaiser Karl V. (1519—1556) sein Leibgeding von 100 fl. bestätigen lassen, das ihm 1515 Kaiser Maximilian I. (1493—1519) bewilligt hatte. Außerdem herrschte gerade damals in Nürnberg die Pest, für den Künstler ein zwingender Grund mit seiner Frau die Stadt zu verlassen. Vielleicht bewog ihn ferner zu seiner Reise die Blüte der Künste und Wissenschaften in dieser deutschen Provinz. Das Tagebuch der niederländischen Reise bildet für die Kenntnis des Lebens und der Eindrücke des Künstlers eine wichtige Quelle84). Das Original ist nicht erhalten. Die 1. Abschrift hat der Nürnberger Maler, Graphiker und Kunstschriftsteller Johann Hauer (1586—1660) angefertigt, sie kam in den Besitz des Sammlers Joseph Heller (1798—1849) in Bamberg und mit dessen Nachlaß in die Staats­ bibliothek Bamberg. Eine 2. Abschrift des 18. Jahrhunderts befindet sich im Staatsarchiv Nürnberg. Von Antwerpen aus ging Dürer nach Aachen zur Kaiserkrönung Karls V. im Oktober 1520 und nach Köln; dort erlangte er von Karl V. die Weiterzahlung seines Leibgedinges. Dürer nennt in seinem Tage­ buch den Genter Altar von Hubert und Jan van Eyck, der ihm in der Kirche St. Bavo zu Gent als ein frühes Zeugnis der niederländischen Kunst und als ein besonderes Meisterwerk auffiel. Er bespricht Ge­ mälde des Hugo van der Goes, Rogier van der Weyden. In Middelburg sah er eine Kreuzabnahme des Jan Gossaert gen. Jan van Mabuse. In der Kirche zu Unser lieben Frau Brügge stand schon die Madonna mit dem Kind aus weißem Marmor, die Michelangelo um 1503/04 ge­ schaffen hatte und ein Geschenk des Brügger Kaufherrn Jan Moscheroni (Mouscron) war. Das Rathaus in Brüssel, die Kathedrale und das Fuggersche Haus in Antwerpen sind weitere Bauten, die er kennen lernte. Die niederländischen Künstler, die Goldschmiede und die Maler, die Stadträte in Antwerpen, Brügge, Gent und Mecheln veranstalteten ihm zu Ehren festliche Banketts. Auch an den Hof der Generalstatt­ halterin Margarethe von Österreich (1507—1530) in Mecheln wurde er geladen. In Antwerpen wohnte Dürer bei dem Rentmeister von Bra­ bant Lorenz Sterck und kurze Zeit (1521) bei dem Maler Jan Prevost. Bei Alexander Imhoff, der als Nürnberger Kaufmann in Antwerpen tätig war, nahm Dürer eine Leihsumme von 100 fl. auf. Außerdem traf er hier noch Lienhard Tücher, Paul Geiger und den Faktor der Hirsch­ vogel aus Nürnberg. In Bergen op Zoom war Sebastian Imhoff. Der Umgang mit den niederländischen Künstlern bedeutete für Dürer eine Anregung für weiteres Schaffen. Der Maler und Kupfer­ stecher Lucas van Leyden (Leiden 1494—1533), der 1521—1522 in Ant­ werpen nachweisbar ist, wurde von dem Nürnberger sehr beeinflußt. Dürer bekam von ihm sein ganzes graphisches Werk; als Gegengabe dienten Kupferstiche und Holzschnitte im Werte von 8 fl. Unter 45

den Zeichnungen Dürers ist das Bildnis dieses Niederländers. Für Joachim de Patinier (Antwerpen um 1475/80—1524) malte er mehr­ mals die Figur des hl. Christophorus; wahrscheinlich waren es Staffagefiguren der Landschaftsgemälde des Niederländers. Dann zeich­ nete er ein Bildnis Patiniers. Außerdem kam Dürer mit dem Hofmaler Bernaert van Orley (1491/92—1542). den er malte, dem Miniaturmaler Gerard Horenbout (Gent, erwähnt um 1487, f 1540/41), der einen Teil des Bildschmuckes des Breviarium Grimani in der Ambrosiana Mai­ land geschaffen hat, und dem deutschen im Dienst der Statthalterin stehenden Bildhauer Conrad Meit (um 1485 — um 1544) zusammen. Dürer hat mehrfach seine graphischen Blätter verschenkt. Ein erhal­ tenes Bruchstück der Kleinen Passion weist auf dem Titelblatt den Eintrag des Ratsschreibers Cornelius Grapheus-Antwerpen auf; dar­ nach hat dieser die Folge am 7. Februar 1521 erhalten. Außerdem ver­ kaufte und vertauschte Dürer auch graphische Blätter des Hans Bai­ dung Grien (1484/85—1545) und des Hans Leonhard Sdfiäuffelein (um 1483—1539/40). Dann kaufte Dürer italienische Druckgraphik. Zwei Skizzenbücher Dürers aus diesem Jahr lassen sich noch nachweisen. In dem einen sind Federzeichnungen enthalten, die hier Tiere, Porträts und Figuren darstellen. Die Blätter sind heute in den Kupfer­ stichkabinetten verstreut. Das zweite Skizzenbuch mit Silberstiftzeich­ nungen (27 Blatt) enthielt Porträts, Architekturzeichnungen aus Aachen und niederländischen Orten sowie Tiere. Dargestellt sind folgende architektonische Ansichten aus den Niederlanden: Ansicht von Bergen op Zoom, Blick auf St. Michael in Antwerpen, der Chor der Groote Kerk in Bergen op Zoom, das Türmchen des Hofes von Lier in Ant­ werpen. Einst befand sich das Skizzenbuch mit anderen Blättern von der niederländischen Reise in der Sammlung des Willibald Imhoff d. Ä. (1519—1580) zu Nürnberg, kam dann mit einem Teil des Kunstkabinettes an Kaiser Rudolf II. (1576—1612) nach Prag und später in die Albertina nach Wien. Die räuberische Methode französischer Kommissare in Wien hat einen Teil dieser Blätter diesem Bestand entfremdet und andere Blätter wurden von der Sammlung ausgeschieden, so daß sich die ein­ zelnen Zeichnungen in verschiedenem Besitz befinden. Das Skizzen­ buch, über dessen Bestand zuletzt Friedrich Winkler den besten Auf­ schluß gibt, ist als ein besonders kostbares Bilddokument seiner Reise zu werten. Albrecht Dürer hat für die Statthalterin Margarethe von Österreich zwei historische Kompositionen auf Pergament entworfen. Für ihren Leibarzt schuf er den Bauriß zu einem geplanten Hausbau. Skizzen zu weiblichem Kopfschmuck entstanden für die Gilde der Goldschmiede und ein sitzender hl. Nikolaus wurde für die Kaufleute entworfen. Der Nürnberger Maler zeichnete in den Niederlanden religiöse Dar­ stellungen, Ansichten (z. B. den Hafen von Antwerpen beim Schelde­ tor 1520, Wien Albertina), Tiere, Figuren und über 100 Bildnisse, von denen über 50 Kohlezeichnungen waren. Die Zeichnung des 93jährigen Alten, die in zwei Fassungen (Wien Albertina und Berlin) vorhanden ist, stellt mit anderen Blättern gleicher Technik — Pinselzeichnung auf dunkelviolett grundiertem Papier, weiß gehöht — eine Vorarbeit zu 46

dem Gemälde des hl. Hieronymus dar. Dieses Bild von 1521 war ein Geschenk oder ein bestellter Auftrag für den in Antwerpen lebenden Portugiesen Roderigo Fernandez, der später 1528 Faktor (Konsul) der portugiesischen Nation in dieser Stadt wurde. Bald darnach kam das Gemälde nach Portugal; es befindet sich im Nationalmuseum Lissa­ bon. Nach dem Tagebuch entstanden noch mehrere Gemälde in den Niederlanden: ein Marienbild, ein toter liegender Christus, zweimal ein Kinderkopf und viermal das Veronika-Schweißtuch. Fünf Bildnisse in öl sind weitere Werke Dürers. Zwei „Herzogangesichter“ sind viel­ leicht nicht nach dem Leben gemalt. Das schon genannte Bildnis des Hofmalers Bernaert van Orley, das im Jahre 1521 zu Antwerpen ent­ stand, hängt in der Staatlichen Gemäldegalerie Dresden. Nicht erhalten sind die Bildnisse seines Wirtes in Antwerpen, des Rentmeisters Lorenz Sterck, und des Jobst Planckfeld, der vielleicht auch Kaufmann war. Das Bildnis von dessen Frau, einer Vlämin, wird jetzt mit einem Por­ trät identifiziert, das von der Cincinnati Museum Association erwor­ ben wurde. Nach dem Tagebuch hat Dürer in den Niederlanden ein weibliches Bildnis gemalt und dadurch war die Zuweisung gestützt. Verloren ist auch das Bildnis des Königs Christian II. von Dänemark (1513—1523, f 1559). Außerdem schuf Dürer noch Entwürfe für Schmuck­ sachen, Wappen und Maskengewänder sowie für ein Meßgewand. Dürers Graphik hat auf die niederländischen Maler und Graphiker stark eingewirkt85), z. B. auf den Maler und Zeichner für den Holz­ schnitt Jacob Cornelisz van Amsterdam oder van Qostsanen (vor 1470 bis 1533 in Amsterdam) und den Maler Cornelis Engelbrechtsen (Engelbrechtsz, um 1468—1533 in Leiden). Um 1507/09 muß Engelbrechtsen in seiner Werkstatt verschiedene Holzschnitte Dürers besessen haben, wie sein Kreuzigungsaltar 1510 für das Kloster Marienpoel bei Leiden — Stedelijk Museum Leiden — zeigt. Sein Schüler Lucas van Leyden (Lucas Huighenz Jacobsz, 1494—1533) hat in den Jahren 1509/16, 1521 Dürersche Druckgraphik ebenso als Vorlagen genommen wie der Glas­ maler Pieter Cornelisz gen. Kunst (* um 1490, Sohn des Cornelis Engel­ brechtsen), der Graphiker Jan Swart von Groningen (um 1500 — nach 1533), der Graphiker Cornelis Teunissen (f nach 1561) zu Amsterdam und Allaert Claesz. Die holländische Buchgraphik weist 1514/26 und 1536 einzelne Kopien auf. Bei den Gewölbemalereien 1518 in der St. Vituskirche zu Naarden wurden graphische Blätter Dürers als Vor­ lagen benützt. Auch in Flandern diente die Druckgraphik als Vorlage für die Künstler in Brügge, Antwerpen und Brüssel z. B. für die Maler Jan de Cock gen. Wellens (f vor 1529) und Marinus van Roymerswaele (um 1493—1567 aus Roymerswaele in Seeland, später in Antwerpen und Middelburg). Sein Gemälde: der hl. Hieronymus in der Zelle, Ber­ lin Kaiser Friedrich Museum, setzt den Dürerschen Holzschnitt 1511 voraus. Ferner kannte der Maler das in den Niederlanden entstandene Bild Dürers: der hl. Hieronymus, Lissabon Nationalmuseum. Ebenso hat der Antwerpener Maler Joos van Cleve d. Ä. (f 1540) dieses Dürer­ sche Gemälde umgestaltet, das eigenhändige Werk ist verloren und nur zahlreiche Kopien sind erhalten. Von Dürer beeinflußt sind auch 47

die Maler Joachim de Patinier (um 1475/80—1524), Jan Gossaert gen. Jan van Mabuse (um 1470—1541), der Meister von 1518, Quentin Massys (1465/66—1530) und der Meister der Magdalena Mansi; sie wirkten alle in Antwerpen. Colijn de Coter (* 2. Hälfte des 15. Jahrh.) und Bernaert van Orley (um 1491/92—1542) in Brüssel, schließlich Adriaen Isenbrant (f 1551) in Brügge schlossen sich an. Unter den Craphikern verwendete der in Antwerpen tätige Dirk Jakobsz Vellert (nachweis­ bar 1511—1544) die Diirersche Apokalypse 1524/25 als Vorlage für eine Folge von Scheibenrissen. Die Zeichnung Vellerts: Bademagd, Paris Louvre, stellt einen weiblichen Akt dar, der nach der Zeichnung Dü­ rers: Nackte Frau 1500 (London Britisches Museum) kopiert ist. Der Maler Frans Crabbe (Mecheln, tätig seit 1501, t 1552), der Maler Jan van Rillaer d. Ä. (Löwen, f 1568), der Meister S in Brüssel = der Gold­ schmied Alexander „Sanders“ in Anwerpen, der Maler und Zeichner für Gobelins Pieter van Aelst (1502—1550) in Antwerpen sind hier noch zu nennen. Das Handwerk Barettmacher Der Nürnberger Rat wollte einen Barettmacher nach Nürnberg holen, siehe den Ratsverlaß vom 24. IX. 1520 (Hampe 1 Nr. 1268). Die Ratsiherren in Aachen wurden also befragt, ob sie in Köln einen Händ­ ler mit Seidenware und als Barettmacher namhaft machen könnten, der hieher nach Nürnberg kommen wolle. Tatsächlich waren nach dem Ratsverlaß vom 31. I. 1522 zwei Barettmacher aus den Niederlanden gekommen. Sie sollten auf ihre Bitte hin in den folgenden 4 Jahren je 10 fl. verehrt erhalten, damit sie sich desto stattlicher einrichten könnten. Eine Kaution sollten sie aber stellen. Arras- und Atlasweberei Die Arras- und Atlasweberei sowie später der Seidenhandel wurden von Niederländern in Nürnberg ausgeübt. Von den Webern hatten sich in den Niederlanden die Handwerker abgetrennt, die diese leichten Futterstoffe herstellten. Es war der arras, Arsch, Ar rasch, Rasch, Arlafi, niederdeutsch ras. Das leichte wollene Zeug wurde zuerst in Arras angefertigt und erhielt davon den Namen. Die Handwerker waren die Raschmacher, Raschweber. Zuerst kam Anton Bassa (Bassee, Passa, Passe), ein Arras- und Seidenweber aus Arras, das damals zu der niederländischen Grafschaft Artois gehörte. Er ist in den Ratsverlässen vom 6., 9., 13. XI. 1527 (Hampe I Nr. 1591—1593) genannt. Wenn dem Rat das Werk gefalle und Bassa eine Bürgschaft erhielte, so könne er 1000 fl. auf eine Ver­ schreibung hin bekommen. Dem Arrasmacher solle ein Haus auf 6 Jahre zinsfrei zur Verfügung gestellt werden; für diese Zeit solle Bassa losungsfrei, d. h. steuerfrei, sitzen. Außerdem werde ihm das Bürgerrecht geschenkt werden. Zuerst hatte Bassa seine Werkstatt im ehemaligen Dominikanerkloster. Nach den Ratsverlässen vom 21. und 48

27. IY. 1528 (Nr. 1608—1609) erhielt er weitere 500 fl. Leihgeld zur Förderung seines Handels. Auf der Insel Schütt wurde ihm nach dein Ratsverlaß vom 14. VIII. 1528 (Nr. 1626) eine Wohnung und dann nach dem Verlaß vom 10. IX. 1528 (Nr. 1636) eine Werkstätte erbaut. Freilich wurde ihm nach dem Verlaß vom 21. VIII. 1528 (Nr. 1628) sein Begehren, den Handel allein zu betreiben, abgelehnt8*). Peter von Fromund aus Antwerpen war ebenfalls Arras- und Atlas­ weber. Im Ratsverlaß vom 7. VIII. 1529 (Nr. 1715) könnte der unge­ nannte Atlasweber, dem die Zusagen an Anton Bassa ebenfalls mit­ geteilt wurden und dem nach guter Ausführung seiner Arbeiten in zwei Jahren die gleichen Rechte erteilt werden sollten, mit Fromund identisch sein. Er ist im Verlaß vom 30. IX. 1529 (Nr. 1725) erstmals namentlich genannt87). Sdion am 1. X. 1529 (Nr. 1727) wurde ihm vom Rat ein Geldbetrag von 1500 fl. auf sechs Jahre geliehen und das steuer­ freie Wohnrecht für zehn Jahre zugesagt. Die Ratsverlässe beschäftig­ ten sich immer wieder mit ihm und seinem Geschäftsbetrieb. Auch Fromunds Begehren, außer ihm keinen anderen in seinem Handwerk zuzulassen, wurde am 20. XII. 1529 (Nr. 1739) abgelehnt. Am 22. IV. 1530 (Nr. 1767) wollte der Rat dem Atlasmacher behilflich sein, daß der Handel in Gang käme. Im Zusammenhang mit einer Bürgschaft von 1500 fl. für Fromund wird im Ratsverlaß vom 17. VI. 1530 (Nr. 1775 bis 1776) Bernhard Uttersy (Uttersi, Uttersee) als Bürge für 1000 fl. genannt. Am 15. VI. 1536 (Nr. 2186) mußte dieser nochmals die Bürg­ schaft für 500 fl. übernehmen, hier wird er als der Niederländer, aller­ dings ohne eine genaue Berufsbezeichnung erwähnt. Noch im Verlaß vom 1. II. 1552 (Nr. 3368) ist Uttersy genannt. Anton Bassa hatte, wie nach verschiedenen Ratsverlässen der Jahre 1530—1531 zu schließen ist, sein Geschäft nicht recht weiterführen können. Der Rat ließ seine Ware verkaufen. Bassa hatte am 2. XII. 1530 (Nr. 1807) dem Atlas­ macher — dies war Peter von Fromund — beizustehen. In ein Ab­ hängigkeitsverhältnis scheint aber Bassa nicht getreten zu sein. Die Arbeit des Atlasmachers Fromund d. h. die einzelnen Stücke sollten nach den Ratsverlässen vom 3. und 4. I. 1531 (Nr. 1814, 1817) auch wie andere handwerkliche Erzeugnisse geschaut und gezeichnet werden. Die in Nürnberg hergestellten Waren unterlagen also der amtlichen Schau. Auf Grund der Ratsverlässe vom 21., 24. III. und 19. IV. 1531 (Nr. 1836, 1840, 1846) zog Fromund in das Haus des Arrasmachers Bassa auf der Insel Schütt. Die Atlasmacher durften am 19. V. 1531 (Nr. 1855) eine Zeitlang ohne Pflicht der Bürgerschaft in der Stadt sitzen. Nach dem Ratsverlaß vom 26. IX. 1531 (Nr. 1885) haben niederländische Arrasmacher (Arrasweber) das Ansuchen gestellt, in Nürnberg ihre Arbeit ausführen zu dürfen. Da keine Namen genannt werden, ist es auch nicht klar er­ sichtlich, ob es Gesellen des Fromund oder andere Handwerker waren. Der Rat will ihnen, soferne sie hier bleiben und ihr Handwerk aus­ üben, die Steuer- und Losungsfreiheit zugestehen; nur das gewöhnliche Umgeld müßten sie bezahlen. Ferner könne der Rat keine Kosten für Anleihen oder sonstige Hilfsmittel tragen; auch könne er keine Ge­ bäude hergeben. Diese Bemerkungen würden aber darauf schließen 4

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lassen, daß doch fremde und selbständige Handwerker gemeint waren. Der Rat hatte schon seine Erfahrungen mit Arraswebern gemacht und er ließ eine gewisse Vorsicht walten. Am 2. V. 1533 (Nr. 1981) heißt es, daß bei Peter von Fromund die Angelegenheit wegen der Anleihe und des freien Sitzens auf sich be­ ruhen soll; die Angehörigen seines Gesindes, die nun Bürger sind, sol­ len dies bleiben und die anderen könnten noch länger hier sitzen aber keine Bürger werden. Nach einigen Tagen am 6. V. 1533 (Nr. 1983) wurde es Fromund erlaubt, niederländisches Bier zu brauen. Im Jahre 1535 machte sich Peter von Fromund eines zweifachen Betruges in sei­ nen zwei Handwerksbetrieben schuldig. Bei der Herstellung von Atlas­ geweben hatte er Stoffballen falsch gezeichnet und mit dem Schau­ meister Korn die Stadt betrogen. Das Gesinde war wohl nicht an dem strafbaren Vorgehen beteiligt. In gleicher Weise hatte Fromund beim Bierbrauen einen Umgeldbetrag hinterzogen. Daraufhin wurde er ver­ haftet und ins Loch geführt. Nachdem Fromund längere Zeit frei in der Stadt gewohnt hatte, wurde ihm am 15. VII. 1539 (Nr. 2424) eine be­ antragte Verlängerung auf weitere zehn Jahre abgelehnt. Sollte er seinen Handel weiter betreiben, so müßte er Bürger werden und die Wohnungen, die er zum Handel benötige, nach der üblichen Art ver­ zinsen. Allem Anschein nach hatte der Fremde das Bierbrauen jetzt auf­ gegeben und nur seine Arras-, Atlasweberei ausgeübt. Aus den Ver­ lässen vom 29. und 31. XII. 1539 (Nr. 2464—2465) geht hervor, daß die erste zehnjährige trist der Zinsfreiheit an Walburgis 1540 endigte. Der Niederländer blieb weiterhin auf der Insel Schütt wohnen und mußte ab 3. IV. 1540 (Nr. 2487) für die Wohnung und für die Mang auf der Insel Schütt jährlich 20 fl. Gold als Zins bezahlen. Am 2. VI. 1545 (Nr. 2881) wurde auf die Klage der Schwarzfärber dem Nieder­ länder das Schwarzfärben verboten, da dieser es nicht gelernt habe und auch nicht Meister in diesem Handwerk sei. Nur den Rest der Ware durfte er nach dem Verlaß vom 13. VI. 1545 (Nr. 2886) noch voll­ ends färben. Peter von Fromund und sein Sohn Hans hatten, wie aus dem Verlaß vom 4. VI. 1556 (Nr. 3615) hervorgeht, an den Rat das Ersuchen ge­ stellt, die Atlasmacher-Behausung auf der Insel Schütt besser auszu­ bauen. Darauf wurde ihnen eröffnet, daß Peter von Fromund den Han­ del wegen der letzten kriegerischen Zeiten — gemeint ist wohl der 2. Markgrafenkrieg 1552/53 — und schon zuvor eine längere Zeit nicht betrieben hat. Infolgedessen bleibe es bei der (also schon vorher aus­ gesprochenen) Kündigung des Hauses zu Allerheiligen. Das bisherige Atlasmacherhaus soll nach dem Verlaß vom 20. X. 1556 (Nr. 3634) in ein Zinshaus umgebaut werden. Die zwei letzten Ratsverlässe vom 11. IX. und 2. X. 1557 (Nr. 3681, 3684), die sich auf Peter von Fromund beziehen, teilen mit, daß der Niederländer immer noch nicht Nürn­ berger Bürger ist und dies nun endlich in nächster Zeit werden muß. Hans von Fromund war in der Zeit von 1560—1567 Pfleger der Reichsstadt auf dem Schloß Reicheneck bei Happurg. das bei Hersbruck liegt. Nach Würfel war er mit Apollonia Paumgartner verheiratet. Vielleicht bekam Hans von Fromund auf Grund dieser Verwandtschäft 50

das Amt; denn die Pflegämter wurden sonst nur mit Angehörigen des Patriziats besetzt. In den Gotteshausrechnungen Happurg ist Fromund das erste Mal 1561 genannt. Fromund wird auch unter den Genannten des Rats angeführt. Sein Grabstein befand sich einst in der Pfarrkirche Happurg 88). Der Atlasmaeher Lucianus Düring (Düring, Thuering, Teuring) war ein Niederländer. Zuerst wird er in den Ratsverlässen vom 7. und 8. VII. 1531 (Nr. 1867, 1870) genannt. Auch er hatte ein Gesuch an den Rat um leihweise Überlassung von 50—100 fl. gerichtet. Düring durfte einige Jahre frei in Nürnberg sitzen, am 3. VI. 1532 wurde er Bürger. Später wurde ihm dann im Ratsverlafi vom 30. IV. 1533 (Nr. 1979) er­ laubt, daß er 5 Jahre losung- und steuerfrei in der Stadt wohnen dürfe; nur das Umgeld mußte er bezahlen. Nach dem Neubürgerverzeichnis wurden damals noch zu Bürgern aufgenommen: 6. VI. 1537 der Atlasweber Annthoni Mayr, 8. VIII. 1537 der Atlasmacher Claus Werschin, 1. VIII. 1543 die Atlasmacherin Helena Sprennger, 15. VI. 1544 der Atlasweber Heinrich Graf. Bierbrauer Durch den Ratsverlaß vom 8. VIII. 1531 wurde einem niederländi­ schen, ungenannten Bierbrauer der Keller unter dem Umgeldhaus auf Widerruf überlassen. Das Umgeld mußte er halbjährlich bezahlen, sein Bierpreis wird auf 4 Pfennig festgesetzt. Das niederländische weiße Bier war aus Gerste hergestellt, es war ein obergäriges Bier und nur der fünfte Teil vom Hopfenzusatz des roten Bieres war verwendet. In Nürnberg wurde bisher das rote Bier gebraut. Das neue niederländi­ sche Bier war bald sehr bevorzugt. Der Arras- und Atlasweber Peter von Fromund aus Antwerpen, über dessen Wirksamkeit schon gesprochen wurde, hat später auch die Bierbrauerei nach niederländischer Art betrieben. Durch den Ratsver­ laß vom 6. V. 1533 (Nr. 1983) wurde es Fromund erlaubt, niederländisches Bier zu brauen und er durfte es nicht höher als um 2 Pfennig geben. Dazu bekam er das Farbhaus (Färberhaus) auf der Insel Schütt zur Verfügung gestellt. 1535 hatte er. wie wir sahen, beim Bierbrauen einen Umgeldbetrag hinterzogen. Nach einigen Jahren kündigte der Rat dem Niederländer am 27. und 29. III. 1538 (Nr. 2310—2311) das auf der Insel Schütt gelegene Bräuhaus, da es schon mehrere Male hier zu brennen angefangen habe. Darnach gab Fromund das Bierbrauen auf. Auch der Niederländer Jan Kraene wird als Bierbrauer genannt. Nach dem Neubürgerverzeichnis wurde am 10. VII. 1538 der pierprew Peter von der Pruck aufgenommen; am 21. II. 1540 sagte er aber sein Bürgerrecht wieder auf. An dieser Stelle seien noch zwei weitere Namensangaben angefügt, die Berufsbezeichnungen sind nicht bekannt. Nach dem gleichen Ver­ zeichnis erwarb am 21. III. 1537 der Niderlender Daniel von Pruck das Bürgerrecht, am 29. XII. 1548 sagte er es jedoch wieder auf. Er muß ein Verwandter des vorher genannten Bierbrauers gewesen sein. Am 26. X. 1548 wird noch der niderlender Franz von der Tel genannt. 4

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III. Die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts Der Handel Nürnbergs Der Handel der Reichsstadt Nürnberg mit den Niederlanden, beson­ ders mit Antwerpen, war auch in diesem Zeitraum noch bedeutend. Neben dem eigenen Warenhandel ging auch der Transitverkehr über Nürnberg. Durch die Eroberung Antwerpens 1576, die Sperrung der Schelde und des Antwerpener Hafens durch die Spanier 1585 erfuhr der Nürnberger Handel einen schweren Schaden. Aus den Briefbüchern des Nürnberger Rats geht hervor, wie sehr sich die Stadtverwaltung für die politischen Vorgänge im niederländischen »Gebiet interessierte. Im Staatsarchiv Nürnberg sind Rep. 52 a Handschriften Ms 210 acht Faszikel Zeitungen, d. s. politische Korrespondenzen aus Italien, Polen, Schweden und den Niederlanden erhalten, deren Empfänger der Patri­ zier Andreas Imhoff in Nürnberg war. Im Faszikel IV sind Zeitungen aus den Niederlanden und Spanien von 1577/86 enthalten. Der Kurfürst von Mainz Daniel Brendel von Homburg (1555—1582) hatte Zelle auf zinnerne Waren gelegt, die über Frankfurt a. M. nach den Niederlanden geschafft wurden. Am 14. IX. 1571 wurde in Nürn­ berg ein Brief an Dr. Vorkenbach abgesandt, der beim Kurfürsten eine Änderung dieses mainzischen Vorgehens erreichen sollte. Andernfalls könnte nicht mehr die Geleitstraße Frankfurt a. M„ Rheintal, Antweren benützt werden, sondern es würde die Ware „von hinnen nach eipzigk vnd Hamburg, und von dannen nach Antorff“ geschafft wer­ den. Der Kurfürst gab nach. (Akt im Staatsarchiv Nürnberg S 1 Lade 175 Nr. 37) 89). Im 16. Jahrhundert wurde Galmeierz vom Niederrhein aus der Gegend von Aachen und Stolberg sowie aus dem Herzogtum Limburg eingeführt. Dieses Erz brauchten die Messingbrenner, die in Schmelz­ hütten das Messing aus Galmei und Kupfer erzeugten. Im Jahre 1589 kam Hermann Schwyl, den die Finanzräte der Niederlande beauftragt hatten, nach Nürnberg mit einem lateinischen Schreiben über die Liefe­ rung von limburgischem Galmeiert. Der Gesandte sprach auch münd­ lich bei den verordneten Herren des Rats vor. Die Messingbrenner, so Endres Chanler u. a., wurden dazu gehört, und Chanler gab eine Er­ klärung ab. Nach dem Ratsverlaß vom 5. XI. 1589, Ratsbuch 48 fol. 398v—399v im Staatsarchiv, wurde dem Gesandten mitgeteilt: die Mes­ singbrenner wollten das angebotene gute, gerechte, unverfälschte Gal­ mei erwerben, deshalb solle der Abgesandte mit ihnen verhandeln und Übereinkommen. Der Rat schaltete sich als Aufkäufer ein und schloß den Kaufvertrag ab. Daraufhin wurde in einem lateinischen Schreiben vom 11. XI. 1589 an die in Brüssel amtierenden brabantischen Finanzund Kammerräte dem Angebot zugestimmt und ein Kaufgeschäft über Lieferung von echtem und nicht verfälschtem Metall beschlossen; Brief­ bücher des Rates Nr. 206 (1589/90) fol. 280 im Staatsarchiv90). Das englische Tuch und die englische Wolle kamen aus den braban­ tischen und flandrischen Städten Antwerpen, Brügge, Ypern und Gent. Darunter waren viele Posten von rohem und ungefärbtem Tuch, die dann in Nürnberg gefärbt wurden.

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Die niederländische Kolonie in Nürnberg Ein kurzer Überblick über die gesAichtliehen Ereignisse in den Niederlanden läßt die Grundlagen für die Bildung einer niederländi­ schen Kolonie erkennen. Die Gebiete bildeten die österreichischen Erb­ lande der Habsburger. Kaiser Karl Y. (1519—1556, f 1559) war schon spanischer Habsburger, nach seiner Abdankung fiel das Land an das Königreich Spanien. Der Sohn, König Philipp II. von Spanien (1555 bis 1598) beherrschte die Niederlande. Die grausame Unterdrückung der protestantischen Niederländer durch die neue Regierung, die auf ihre deutschen Erblande so wenig Rücksicht nahm, beabsichtigte die Aus­ rottung der neuen Lehre. Diese Verfolgungen und die wirtschaftlich ungünstige Zeit hatten seit den 50er Jahren viele Bürger und Künstler veranlaßt, nach Deutschland auszuwandern. Im Jahre 1564 flammte der Widerstand in den Niederlanden auf. Der Adel schloß sich in diesen Jahren zum Bund von Breda zusammen, um seine Privilegien zu verteidigen. Den Grund dazu bildeten die spanischen Besatzungen, die unduldsamen Edikte gegen die protestan­ tischen Ketzer und die drohende Einführung der spanischen Inquisition. Generalstatthalterin der Niederlande war Margarete von Parma (1559 bis 1567, f 1568), die Stiefschwester Karls V., und ihr Ratgeber war der spanische Minister Kardinal Antoine Granvella. Der hohe Adel erreichte 1564 beim König die Abberufung Granvellas. Der niedere Adel verlangte 1566 von Margarete die Zurücknahme der Ketzeredikte. Calvinistische Prediger riefen Volksunruhen hervor. Herzog Alba kam 1567 mit einem spanischen Heer in die Niederlande und übernahm die oberste Regierungsgewalt. Die Folge war ein Krieg zu Land und zur See. Die nördlichen Provinzen wurden ab 1572 nicht mehr unterworfen. Als neuer Statthalter trat Don Juan d’Austria (1573—1578), ein natür­ licher Sohn Karls V. auf. 1576 eroberten und plünderten die könig­ lichen Truppen dann die Städte Antwerpen, Maastricht, Gent. Der Statthalter Alexander Farnese von Parma (1578—1592) unterwarf die südlichen Provinzen, die sogenannten spanischen Niederlande (das Ge­ biet von Belgien). Die 7 nördlichen Provinzen (Holland, Seeland, Utrecht, Geldern, Overyssel, Groningen und Friesland) schlossen da­ gegen 1579 die Utrechter Union und fielen 1581 endgültig von Spanien ab. Die politischen Kämpfe hatten auch zur Folge, daß in diesem Zeit­ raum zahlreiche Reformierte aus den Niederlanden auswanderten. In Frankenthal und Frankfurt a. M. haben sich bald nach der Mitte des 16. Jahrhunderts größere niederländische Kolonien gebildet. Unter den Einwanderern sind immer wieder Künstler zu finden. Niederländische Architekten, Maler, Bildhauer und Graphiker sind auch in die west-, nord-, mittel- und süddeutschen Städte eingewandert, sie kamen an die Höfe der weltlichen und sogar der katholischen geistlichen Fürsten sowie in die freien Reichsstädte. Diese Künstler stammten aus einer an Überlieferung reichen Kunstprovinz; manche unter ihnen waren auch in Italien gewesen oder sie hatten doch in ihrem Heimatland die italienische Kunst in den reich ausgestatteten Schlössern kennengelernt. In den 50er und 60er Jahren kamen auch zahlreiche reformierte Protestanten (Kalvinisten), die aus Holland oder Frankreich geflüchtet 53

waren, nach Nürnberg. Sie ließen sich als Schutzverwandte und auch als Bürger nieder. Der Einfluß dieser Kaufleute und Handwerker auf das wirtschaftliche Leben war recht bedeutend. Das Staatsarchiv Nürnberg besitzt unter seinen Handschriften (Rep. 52 a Ms 294) das: Stambuch Des Geschlechts Ockersei, welches von Brüssel nach Nürnberg gekommen sein 1579—1635. Diese Familie ist um 1585 aus Antwerpen oder Brüssel eingewandert. Das Manuskript befand sich im 18. Jahrhundert in der Bibliothek der Sammlung von Ebner, Nürnberg. Es gelangte mit anderen Beständen in das Orszägos Magyar Szepmüveszeti Muzeum Budapest und dann durch Tausch in das Staatsarchiv Nürnberg. Die Einträge sind auf S/2—15 = fol. 2—9 aufgezeichnet, die weite­ ren Blätter fol. 10—32 sind leer. Die ersten Seiten sind niederländisch geschrieben, dann folgt der deutsche Text. 1634 ist das Gedechtnus Nicklaus Yon Ockerseil Des Jüngern eingetragen, dieser hat demnach einen Teil geschrieben. Der Text ist nicht etwa zu seiner Erinnerung verfaßt. Aus dem Stammbuch gehen folgende Daten hervor: 1579 fand zu Antwerpen die Heirat des Großvaters mit der aus Brüssel gebür­ tigen Elisabet Gr Übels statt. Am 20. X. 1585 erfolgte die Geburt des Vaters Niclaus d. Ä. in Antwerpen. Die Großeltern mußten dann Ant­ werpen verlassen, da sie ihren Sohn von einem evangelischen Prediger taufen ließen. Die Mutter des Niclaus d. J. ist am 25. VII. 1591 geboren. Weitere Geburten, Taufen, Trauungen, Todesfälle und einige Reisen sind eingetragen. Niclaus Ockersei d. J. ist am 21. II. 1611 geboren. Seine Eltern schickten ihn schon 1623 nach Amsterdam und 1628 kehrte er zurück. 1637 wurde er wieder dorthin geschickt und im gleichen Jahr kam er nach Nürnberg zurück. Nach einem späteren Eintrag ist dieser Niclaus in kaiserliche Kriegsdienste getreten und wurde Obrist Lieutenant. Über die religiöse Haltung der reformierten Niederländer in Nürn­ berg unterrichtet der Beitrag von Neidiger in diesem Band. Handwerk Atlas weberei und Seidenhandel Der Atlasmacher Martin von Lanndersi durfte nach dem Ratsverlaß vom 20. V. 1555 (Hampe I Nr. 3548) ein Jahr lang ohne Bürgerrecht hier in Nürnberg sitzen. Die gleichen Handwerker Egidius Lerman (Lerinuntz) und Hanns Kaiser (Teusser, f 1569), der auch Bortenwirker war, wurden nach den Ratsverlässen vom 26. VI. und 6. VII. 1556 (Nr. 3620—3621) zu Bürgern auf genommen91). Der Seidenhändler Augustin de Grand (Legrand) war das Haupt der Frankfurter Kalvinisten, die im Jahre 1561 vertrieben wurden. Die niederländische Kolonie war hier sehr stark; es waren meist Seiden­ weber aus den südlichen Niederlanden. Nach dem reichen Kaufmann Legrand hatte die eine kalvinistische Partei, die Legrandisten, ihren Namen. Legrand kam nun 1562 nach Nürnberg. Im Rats verlaß vom 8. IV. 1562 (Nr. 3897) wurde ihm, seinen fünf Mitgesellschaftern und Helfern mit ihren Frauen die Wohnerlaubnis auf vier Jahre zugesagt,

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ohne daß sie das Bürgerrecht besitzen mußten. Die Mitgesellschafter waren sicher auch Niederländer; ihre Namen sind nicht genannt. Der Seidenhandel sollte so nach Nürnberg gezogen werden. In der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts hatten zwar Handwerker die Seidenweberei hier eingeführt, für die kommerzielle Bedeutung der Stadt war aber der Seidenhandel bedeutender. Niemand in der Stadt durfte aber den Seidenhandel ohne Billigung von Legrand betreiben. Doch durften die Kalvinisten keine Sekte bilden; dies weist auf die kurz vorher in Frankfurt a. M. entstandenen Schwierigkeiten 92). Dem Bortenwirker und Krämer Valerian de Fuhr sollte nach dem Verlaß vom 20. XI. 1568 (Nr. 4185) zuerst die eigene Wohnung und der eigene Rauch verboten werden; er sollte sich als Fremder in die Kost dingen. Infolgedessen wurde ihm das Bürgerrecht abgelehnt. Als er aber 200 fl. Vermögen nachwies, wurde er am 27. XI. 1568 (Nr. 4187) doch als Bürger angenommen. Jetzt konnte er einen eigenen Rauch halten, d. h. einen Hausstand begründen und eine Wohnung beziehen. 1573 kamen nach Roth, Geschichte des Nürnberger Handels, die Seidenfärber Georg Maleprandt und Stephan Quickelberger. Sie hatten die Kunst erlernt, die Stoffe so schön schwarz und glänzend wie in Venedig und Antwerpen zu färben. Schon vorher hatten Nürnberger Kaufleute eine Seidenmanufaktur in Roveredo gegründet, diese Seide kam nach Nürnberg und wurde hier zu Atlas u. a. verarbeitet. Viel­ leicht ist Maleprandt mit einem Malapart de Neufville identisch, wenn auch Peltzer bei diesem Zitat keine weiteren Angaben über das Vor­ kommen und den Aufenthaltsort dieses Niederländers hinzufügt93). Der Seidenhändler und Seidenfärber Stephan von Quickeiberg war ein Niederländer. Er wurde aber nach Ms 300 II schon am 4. IV. 1569 mit 10 fl. als Nürnberger Bürger aufgenommen, er war also ein reicher Mann; sein früherer Aufenthaltsort konnte noch nicht festgestellt wer­ den. In München war seit 1563 der gelehrte Samuel a Quichelberg als niederländischer Leibarzt beim Herzog Albrecht V. dem Großmütigen von Bayern (1550—1579) tätig. Vielleicht war er mit dem Nürnberger Seidenhändler verwandt. In Verbindung mit dem Kaufmann Philipp von Oyrl tritt dann der Seidenhändler 1590 auf. Der Seidenfabrikant Niclas (Nikolaus) (de?) Minuit war Nürnber­ ger Bürger. Schon der Name weist auf niederländische Herkunft. Er hatte nach dem Ratsverlaß vom 10. I. 1588 (Hampe II Nr. 938) eine Samt- und Seidenfabrikation, die er bisher in Dorneck, Valesina (= Valenciennes?) und anderen niederländischen Orten betrieben hatte. Mit Dorneck kann nur die niederländische Stadt Doornik (= Tournai) gemeint sein. Minuit wollte jetzt seine Fabrikation auch in Nürnberg einführen und stellte an den Rat das Ansuchen, daß er ihm ein Gebäude und das taugliche Eichenholz für die Errichtung von zehn Webstühlen zur Verfügung stellen möge. Nach dem Verlaß vom 20. I. 1588 (Nr. 939) wurde das angebotene Siechhaus nicht passend gefunden, aber auch in den ehemaligen Klöstern waren keine geeigneten Räume vorhanden. Infolgedessen verhandelte man mit Minuit weiter. Das Holz zu den Webstühlen sollte der Fabrikant aus dem Reichswald oder aus der Peunt (dem Nürnberger Bauhof) erhalten. Weitere Ratsverlässe 55

vom 20. VII. 1588 (Nr. 968), 12. III. und 13. VIII. 1589 (Nr. 997, 1017), 31. III. und 11. V. 1590 (Nr. 1034, 1045) sowie 12. III 1593 (Nr. 1223 als seidenferber) betreffen noch den Seidenhandel Minuits. Nach dem Rats­ verlaß vom 21. VI. 1614 (Nr. 2657) bekam er für eine Reise nach Danzig und von dort aus in andere Städte einen Paßbrief in lateinischer und deutscher Sprache mit. Dem Seidenbortenwirker Hans Morianus wurde am 12. IV. 1581 das Bürgerrecht verliehen. Dem Seidenknöpf- und Schlingenmacher Paulus Gick (f 1604) aus Preto in Brabant wurde im Ratsverlaß vom 21. IV. 1592 (Hampe II Nr. 1164) das Bürgerrecht zugesagt, daraufhin wurde er am 3. VI. Bürger. Die Tuchmacher und Färber Das englische Tuch und die englische Wolle kamen aus den brabantischen und flandrischen Städten Antwerpen, Brügge, Ypern und Gern. Darunter waren auch viele Posten von rohem und ungefärbtem Tuch, die dann in Nürnberg gefärbt wurden. Infolge der Kriegswirren in den Niederlanden konnten die heimischen Handwerker nicht mehr unge­ hindert arbeiten, sie wanderten nach Deutschland aus. Im Jahre 1569 hatte der Nürnberger Rat veranlaßt, daß niederländische Bereiter und Färber des englischen Tuches aus Antwerpen nun nach Nürnberg über­ siedelten. Sie hießen auch englische Tuchbereiter und Tuchfärber. Nach ihrem Eintreffen wurden ihnen alle Utensilien für ihre Manufaktur zur Verfügung gestellt. Der Rat kam ihnen in allem entgegen und er er­ baute ihnen Häuser auf dem Komplex des ehemaligen Klaraklosters; das Farbhaus befand sich auf der Insel Schütt94). Na di einem Rats verlaß vom 29. III. 1569 wurden die englischen Tuche wegen des Krieges nicht mehr nach Antorff (= Antwerpen), sondern nach Hamburg zum Bereiten geschickt; diese Tuche konnten nun in größerer Menge nach Nürnberg kommen. Den Händlern mit englischem Tuch wäre zu sagen, daß die hieher kommenden Tuche künftig zollfrei sind. Darauf erfolgte am 9. VI. 1569 eine Vergleichung der englischen Gewandbereiter Hanns Doppengießer, Gerhard von Herff, Färber, Alexander vom Berg und Philipp de Fett, Zubereiter des englischen Gewands und Tuches. Über das Färben, Ausbereiten wird verhandelt. Das Farbhaus und der Tuchrahmen sind zinsfrei zu be­ nützen; für jeden wird ein zinsfreier Sitz und eine Wohnung ge­ schaffen, die einzelnen sollen in das Bürgerrecht aufgenommen werden, der Rat soll 1200 Taler auf vier Jahre ohne Verzinsung zur Aufrich­ tung des Werkes leihen. Der Ratsverlaß vom 10. VI. 1569 teilt mit, daß etliche niederländische Färber und Tuchbereiter aus Antorff hie­ her kommen; das Wasser der Pegnitz ist für die Arbeit geeignet. Den beiden Färbern werden 400 Taler und den beiden Bereitern 1000 Taler geliehen; die Handwerker haben in Antorff alles zurückgelassen und können nicht mehr zurück. Infolgedessen ist dieser 2. Verlaß nur eine genauere Umschreibung des 1. Die Tuche mußten in Nürnberg stets der Schau unterworfen sein. Das Zeichen — das geteilte Nürnberger Stadtwappen — wurde dazu in Blei abgedrückt und am Tuchballen angehängt. Ebenso wurde die Arbeitstätigkeit der Färber bisher in der

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Schau geprüft, auch diese Schauzeichen wurden in Blei abgedrückt. Die Niederländer waren von diesen Bestimmungen nicht ausgenom­ men, darauf verweist der Rats verlaß vom 23. VIII. 1569. Hier werden die Zeichen und die Zeichenmeister des englischen Tuches festgestellt. 1) Das Bildnis des hl. Lorenz mit dem Reichsadler, 2) die zwei Nürn­ berger Wappen und 3) das geteilte Nürnberger Wappen und der Buch­ staben N sind dazu bestimmt. Der Verlaß vom 20. X. 1569 bestimmt die Summe von 6 Pfennig als Zeichengeld. Weitere Ratsverlässe und der Schriftwechsel sind in dem Akt erhalten. Aus dem Bericht des Tuch­ bereiters Steffan Ort von Antwerpen 7. XII. 1569 geht hervor, daß sein Vater ein geborener Nürnberger war und daß Steffan hier weiter arbeiten soll. Seine Behausung hat er bei St. Klara, also wohnte er in den neugebauten Häusern. Das Waschhaus auf der Insel Schütt und zwei neue Farbhäuser auf der Schütt werden erwähnt. Joan de Buus bittet in einem Schreiben vom 17. II. 1570 um Fiirleihung vcn 3000 fl., da er die Färber, Zubereiter und Stopfer aus den Niederlanden ge­ bracht hat. Auf einem beiliegenden Zettel stehen folgende Angaben: Die Bürger Kraft Klouß, Fredrich Koenarts, Hanns Leindenloff, Mateis Eigmont, Bastian Maes, Reut van Kämpen, Meighiel (— Michael) Gurkom arbeiten bei Alexander vom Berg und Philipp de Fett; der Bürger Johann de Reutter ist Fangmeister; Johann van Neselle und Hanns Heuvelmans arbeiten bei Jobst Deitterich und sie werden auch Bürger; der Stopper Deitterich (= Dietrich) Rosen, Davidt den Perssen und Hendrich den Folderen sind Bürger. Das zweite neue Färb haus wurde 1570 erbaut, darnach werden das obere und das untere Farbhaus unterschieden. Der Ratsverlaß vom 15. IX. 1571 bestimmt, daß jeder Meister der englischen Tuchbereiter allein nur Meister zu sich nehmen darf. Daraus geht hervor, daß mehrere Handwerksmeister sich hieher begeben hatten, ohne unterzukommen. Am 13. XII. 1574 ergeht die Be­ stimmung, daß jeder Meister die Bewilligung des Rats haben muß. Der Bericht über die Zahl der Tuchbereiter ist am 20. X. 1572 ahgefaßt. Darnach gab es zehn Bereiter Philipp de Fett, Alexander vom Berg, Johann de Ritter, Johann Cerel, Michael von Bracka, Adrian Kalb, Caspar WiJners, Jobst Dietrich, Hainrich Gewandtschneider und Cornelius Gortz, sowie zwei Färber Hanns Doppengießer und Gerhard Herff. Auf einem Bericht der englischen Tuchfärber ist auch Hainrich Pilgrum unterschrieben, es wird der Kaufmann Heinrich Pilgram sein. Der Tuchbereiter Michael Behagen wurde 1574 Bürger. Aus einem 1586 abgefaßten Bericht geht hervor, daß Hanß Lindelauff (= Leinden­ loff) 1569 hieher kam, 1576 Bürger wurde und 1582 mit der Meister­ schaft begabt wurde. Der mit seinem Vater nach Nürnberg gekommene Tuchbereiter Adam de Fett erhielt 1586 das Meisterrecht. Auch noch weitere Aktennotizen fanden sich über diesen Personen­ kreis. Nach dem Neubürgerverzeichnis wurde am 25. I. 1570 das Bür­ gerrecht den sechs englischen Tuchbereitern verehrt: Hanns Doppen­ gießer, Eberhard von Herve, Alexander von den Bergen, Philips de Fette, Johann de Reuder und Johann Wesel. Bis auf den letzten sind die anderen fünf alle schon in unseren Ausführungen, wenn auch mit geringen Namensunterschieden genannt. 57

Die erste Kodifikation aller gültigen Handwerker-Ordnungen Nürnbergs war 1535 erfolgt95). In der Handschrift sind dann Nach­ träge, Ratsverlässe und Zusätze bis 1623 eingetragen, so auf fol. 716 r bis 734 r, 1006: Der Bereiter, Ferber vnd Zaichenmeister Aid vnd Pflicht: zu den Englischen vnd Frembden Tuchen, so alhie geferbt werden 7. I. 1570 mit Zusätzen 1573 und 1576; die Ordnung der Niderlendischen Tuchbereiter vorn 3. YIT. 1571. Dann sind die Meister ange­ führt: Alexander von dem Berg, Philips de Vett, Johann de Ridder, Jobst Dietrich, Johan Wesel. Michel von Bracker, Adrian Kalb, Caspar Wullartz und Jacob Schmidel. Zur Handhabung dieser Ordnung und als Gesdiworene wurden de Vett und Wesel verpflichtet. Der Ratsver­ laß und Zusatz vom 15. IX. 1571 zur Ordnung bestimmt auf die Suppli­ kation der Niederländer: die Meister dürfen bei einer Strafe von 10 fl. keinen, der nicht Meister ist, zu sich nehmen, um mit ihm auf halb zu arbeiten; aber es ist dann nur der eine Meister als Inhaber der Werk­ statt anzusehen und es dürfen dann auch nicht mehr Gesellen gehalten werden, als auf einen Meister zutreffen. Am 30. IV. 1572 wurde be­ stimmt, daß ihre Ordnung gebessert würde, da einige Meister viele Arbeit an sich gerissen haben. Am 7. VIII. 1589 werden Bestimmungen über die Zeichenmeister der gefärbten englischen Tuche getroffen. Unter den Nachträgen bis 1593 sind auch Angaben über die GesellenOrdnung enthalten. Die Zusätze zur Ofdnung der Meister sind dann 1614, 1616 und 1621 datiert. In diesen einzelnen Angaben finden sich die Ratsverlässe, die wir oben angeführt haben, bestätigt. Auch die Schau der Erzeugnisse ist festgelegt. Die zweite Kodifikation der Handwerker-Ordnungen wurde 1629 vorgenommen, sie enthält Nachträge bis 175998). Fol. 435 r — 444 v: Die Pflicht der Zaichenmaister zu den Englischen Tuchen verordent 7. I. 1570 mit Zusatz 1623: der Englischen Tuchberaiter Ordnung mit Zu­ sätzen bis 1715; der Englischen Tuchferber Pflicht vnd Ordnung mit Zusätzen bis 1644. Die Waidordnung von 1583 sollte die Schau des Waids (einer Farb­ stoffpflanze), des Materials für die Färber, regeln. Die § 28—29 sind in unserem Zusammenhang wichtig. Die englischer^ Tuchfärber waren von der Schau befreit und sie durften den Waid innerhalb sowie außerhalb der Stadt frei einkaufen. Ihr Waid brauchte also nicht geprüft werden. Jeder Bürger aber oder jeder Gast, der den Waid in die Stadt und in das Waidhaus bringt, soll den Waidmessern einen wahrheitsgemäßen Bericht liefern. Daraus soll entnommen werden, wem der Waid gehöre, ferner ob der Handwerker zur Prüfungsstelle gehöre oder ein Nieder­ länder sei und womöglich zu einem fremden Ort zuständig sei97). Noch weitere unpublizierte Ratsverlässe teilen folgendes mit: Am 8. VI. 1574 baten Hanns Hetze!, Hanns Hetzer und Philips de Fette um die Enthebung vom Amt der englischen Tuchschauer. Der Rat hatte er­ fahren. wie es mit der Herstellung des Amsterdamer Tuches ging, und daraufhin alle Tuchmacher vorgeladen. Diesen wurde das Mißfallen des Rats über ihre schlechte Arbeit eröffnet und erklärt, sie sollen sich nach der Ordnung halten, wenn man ihnen nicht das Handwerk legen solle. Über die Strafe wegen der schlechten Arbeit sollte beraten 58

werden; auch dürften die Zeichenmeister kein Tuch schauen, ohne daß ihnen ein Gewandschneider zur Schau beigeordnet wäre. Der Ratsver­ laß vom 30. III. 1575 weist darauf hin, daß Alexander von den Bergen und andere niederländische Tuchbereiter eine Supplikation eingereicht haben, auf die Philips de Fett und Andreas Recker wegen des Gesindes geantwortet hatten. Am 11. V. 1576 werden die niederländischen Tuchbereiter Philipp de Fett und Caspar Wulner erwähnt; der letztere beschwert sich darüber, daß etliche die niederländischen Tuchpressen machten und von Nürnberg nach Arnstadt verschickten. Nach dem Rats­ verlaß vom 9. VII. 1579 haben Philipp und Adam de Fed (= Fett), Vater und Sohn, um die Erlaubnis gebeten, daß sie bis zu der Zeit, in der die Arbeit wieder größer wird, zwei Meisterrechte in einer Werkstatt mit der entsprechenden Anzahl von Gesellen und Lehr­ jungen treiben dürfen. Etliche andere Tuclibereiter erhoben dagegen Einspruch, infolgedessen wurde am 15. VII. das Gesuch abgelehnt. Der englische Tuchbereiter Johann de Ritter bat nach dem Ratsverlafi vom 30. XIT. 1587 darum, daß sein Schwiegersohn Michel Schmarr (Schmeier) von Antwerpen, ein Nürnberger Bürger, im Haus bleiben darf, um einst seine Werkstatt, das Meisterrecht und den Handel zu übernehmen. Das Gewerbe widerspricht und beruft sich auf die im März 1587 be­ schlossene Verminderung der 14 Meister auf 12. Es war also damals das Amt geschlossen, wie es bei zahlreichen anderen Handwerken in den deutschen Städten, so besonders bei den Goldschmieden, üblich war. Am 2. IV. 1588 wurde aber Schmeier doch an Stelle seines verstorbenen Schwiegervaters dessen Nachfolger. Aus dem Ratsverlaß vom 13. VII. 1588 geht hervor: Die niederländischen Färber und Tuchbereiter be­ haupteten, daß der Rat ihnen früher folgendes Privileg gegeben hatte: Wenn ein Kaufmann oder Händler falliert (seinen Bankrott erklärt), der ihnen noch Farbe oder Bereiterlohn schuldig ist, so sollen die Nie­ derländer den Vorrang vor anderen Gläubigern haben. Der Rat be­ stritt dies. Nach dem Neubürgerverzeichnis wurden in diesem Zeitraum fol­ gende Personen zu Bürgern aufgenommen: 14. III. 1571 der nieder­ ländische Tuchfärber Matheus Scheffer; 20. VI. 1571 Jacob Schindle, ebenfalls niederländischer Tuchfärber, aber ihm wurde das Bürger­ recht verehrt: 11. VI. 1572 der niederländische Tuchbereiter Caspar Wulner, der niederländische Tuchsteper Rombout von Orsagen (auch als Schneid- und Tuchstopfer) und die englischen Tuchbereiter Mateus Fuchs, Gerhart Dinter; 22. II. 1574 der englische Tuchbereiter Conrad Frey: 17. XL 1574 der gleiche Anthony Maurer und der niederländische Tuchbereiter Paulus Niclaus (in Ms 300 II noch der niederländische Tuchbereiter Hans Kopp, der Name ist wieder ausgestrichen); 28. II. 1575 die englischen Tuchbereiter Hainrich Strobl (Strobel) und Michel Behagen, dem letzteren wurde das Bürgerrecht verehrt; 18. V. 1575 der niederländische Tuchbereiter Killian de Vatter; 22. X. 1575 der nieder­ ländische Tuchbereiter Peter Loar; 10. VI. 1576 der gleiche Hanns Schmelz; 20. IX. 1577 der gleiche Paulus Dertzbach: 8. II. 1578 der eng­ lische Tuchbereiter Hanfi Ammon; 7. VI. 1578 die niederländischen Tuchbereiter Lorenz Roß. Kalweig Kalb, Friderich Conradt, H. Lindelaif und Adrian Alson; 14. II. 1579 der englische Tuchbereiter Hans 59

Dilger und die niederländischen Färber Pongratz Reisenwirt, Peter von Ende, Caspar Gobelet (diesem wurde das Bürgerrecht verehrt); 31. VIII. 1580 der niederländische Tuchbereiter Stoffel Paumann; 12. IV. 1581 der gleiche Erhard Gerbich; 11. IX. 1581 der gleiche Hanns Reuss; 26. I. 1583 die niederländischen Färber Hanns Förchtling und Peter Benge; 15. IV. 1583 der gleiche Johann Fuß; 1. II. 1584 der nieder­ ländische Tuchbereiter Hanns Mülner; 30. I. 1585 der gleiche Wolff Rüeger; 19. XII. 1586 die gleichen Caspar von der Aich und Erhard Wicht sowie 28. I. 1587 der gleiche Niclaus Funckh; 10. VII. 1587 die gleichen Hanns Gruber und Hanns Cloß sowie 18. XI. 1587 der eng­ lische Färber Hanns Zelter; 22. V. 1588 die englischen Tuchbereiter Hanns Bentzenschneider und 18. XII. 1588 Paulus Preyß, Anthony Merckhl, Adam Külhorn; 14. X. 1588 der niederländische Tuchbereiter Isaac Schmidle; 1. II. 1589 der gleiche Niclas Seidengail; 12. III. 1589 der gleiche Georg Tanner; 1. VIII. 1590 die englischen Tuchbereiter Jacob Schnell, Georg Ziegler, Paulus Grüenewaldt; 29. V. 1591 der gleiche Niclaus Francks; 12. II. 1593 der gleiche Gerhart Kalf; 11. X. 1595 der Portenwürcker Abraham von der Pfort (nach Ms 300 III aber am 6. IX. 1595); 5. X. 1597 die englischen Tuchfärber Hans von der Alten Schier, Daniel Zil, Hans Hainfelder; 16. VIII. 1600 der Arlafiweber Friderich Pömer. Nach den Steuerlisten Ms 300 II 1554—1577 wurde mit 10 fl. zu Bürgern aufgenommen: am 18. V. 1575 der englische Tuchbereiter Adrian Kalb. Nach Ms 300 III 1581—1614 ebenso: am 11. V. 1579 der niederländische Färber Thomas Hann; 26. I. 1583 die gleichen Georg Burkart, Hanns Förch ting und Peter Beuge; 27. V. 1585 der nieder­ ländische Tuchbereiter Michael Schmairs. Mögen unter diesen zahl­ reichen namentlich angeführten Handwerkern auch manche Deutsche sein, so ist ihre Namensnennung schon deswegen wichtig, um den Um­ fang dieser Handwerkszweige genauer aufzuzeigen. Kaufleute

Der Kaufmann Hans Heinrich Pilgram stammte aus s’Hertogenbosch (Herzogenbusch, * 1533, f 1581 zu Nürnberg). Die Zeit seiner Ankunft in Nürnberg vor 1561 ist nicht bekannt. Aus den Nürnberger Kirchen­ büchern lassen sich die genauen Angaben über seine Familie fest­ stellen. Im Proklamationsbuch von St. Sebald findet sich die Angabe 1561, daß Heinrich Pilgrim von Hertzogenpusch mit der Junckfraw Margaretha des erbaren Lorentz Mertha selige nachgelaßne dochter auf geboten wurde. Das Ehebuch von St. Sebald 1556—1586 teilt fol. 106 v das Datum 17. XI. 1561 mit, Margarethe ist die Tochter des Lorenz Merthen. Folgende neun Kinder wurden in St. Sebald getauft: Marga­ retha 26. I. 1563, Gerhart 2. V. 1564, Heinrich 21. V. 1568, Catherina 30. VII. 1569, Margret 5. I. 1571, Maria Magdalena 10. II. 1573, Gerhart 10. VI. 1574, Hans Jacob 8. VII. 1576, Susanna 5. XI. 1577. Aus den Totenbüchern geht hervor: Hans Heinrich Pilgram ist im Totenbuch von St. Lorenz 1578—1592 verzeichnet, darnach wohnte er an der Fleischbrücke. Seine Frau Margaretha, die 1544 geboren war, ist im Totenbuch von St. Lorenz 1609 angegeben. 60

Beide wurden, auf dem St. Johannisfriedhof in Nürnberg begraben. Der Grabstein trägt ein Bronzeepitaph von 1574, das nach Trechsel einen gevierteten Wappenschild und als Helmkleinod des gekrönten Helmes eine Pilgerfigur aufweist. Der ehrbare Pilgram starb im Alter von 48 Jahren und seine Frau wurde 65 Jahre alt98). Das Bronzeepitaph wurde wohl anläßlich des Todes der Kinder angefertigt. Hans Heinrich Pilgram betrieb sein Geschäft gemeinsam mit Gerd Koch, der aus Unna in Westfalen stammte und in Antwerpen saß, so­ wie mit dem Rheinländer Hinridi Walter. Im Jahre 1562 wurde zu Antwerpen der Hanse Heinrich Zobel, der aus Bremen gebürtig war, ein weiterer Teilhaber. Zobel war vorher in Österreich, Italien, Augs­ burg und Nürnberg tätig gewesen. Darnach trat der oben genannte Gerd Koch aus dem Geschäft aus und Zobel rückte an seine Stelle. Nun war Zobel allein der kaufmännische Vertreter in der Scheldestadt Ant­ werpen, er hatte hier einen Volontär aus Nürnberg. Die Aufteilung des geschäftlichen Bereiches war folgende: Pilgram hatte den Bereich Frank­ furt a. M. und Nürnberg, Hinrich Walter hatte das österreichische Ge­ biet. Der Hanse Heinrich Zobel wurde später Bürgermeister zu Bre­ men. Der aus Herzogenbusch eingewanderte Niederländer war dem­ nach ein reicher Großkaufmann. Bisher hat sich aber sein Tätigkeitsfeld nicht feststellen lassen; er scheint auch mit Tuchen gehandelt zu haben. 1561 ließ Hans Heinrich Pilgram sich und seine Frau Margaretha — also kurz nach der Heirat oder schon vorher — von dem Nieder­ länder Nicolas Neufchatel (um 1527—vor 1597), der gerade in diesem Jahre nach Nürnberg gekommen war, in sehr anspruchsvollen ganzfigurigen Bildnissen malen. Sie befinden sich in der Gemäldegalerie des Orszägos Magyar Szepmüveszeti Muzeum Budapest116). (Abb. 3/4.) Ein Verwandter war der erbare Gerhart Pilgram d. Ä., der eben­ falls aus s’Hertogenbosch oder auch aus Antwerpen stammte (f 5. III. 1587 zu Nürnberg). Wiederum sind die Familienangaben aus den glei­ chen Quellen zu erschließen, aber die Berufsart ist unbekannt. Gerhart Pilgram wird vielleicht auch Kaufmann gewesen sein. Nach dem Toten­ buch von St. Sebald 1570—1587 ist die 1. Frau Anthonia von dem Deich 1575 verstorben, Gerhart Bilgram stammt darnach aus Antorff (Ant­ werpen). Laut Ehebuch von St. Sebald 1556—1586 schloß Gerhart Pilgram von Antorff am 25. VI. 1576 die 2. Ehe mit Susanna Cublier. Der Nie­ derländer wohnte nach dem gleichen Totenbuch 1587 in der St. Egidiengasse. Nach dem späteren Totenbuch von St. Sebald 1588—1606 wohnte Salome (f 1597), die Witwe des Gerhart Pilgram von Antorff, in der hinteren Tetzeigasse. Wiederum befindet sich das Grab auf dem St. Johannisfriedhof. Nach Trechsel zeigt das Bronzeepitaph einen quadrierten Schild und die Pilgrimsfigur; im Text sind Gerhard Pilgrum d. Ä. von Hertzogenbusch (t 1587), die 1. Frau Anthonia von dem Deich (f 26. IX. 1575) und die 2. Frau Susanna Cuffalier (f 16. XII. 1597) genannt. Es war ein Erb­ begräbnis. Der Name der 2. Frau ist also verschieden angegeben "). Ein anderer reicher Niederländer war der Kaufmann und Lein­ wandhändler Philipp von Oyrl (Urei, Orl, Uri, Ourl), der aus s’Her­ togenbosch gekommen war. Er starb in Nürnberg Anfang März 1605.

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Seine Frau Maria von Oes (Ost) stammte aus Antwerpen. Sicher waren auch sie, um den religiösen Verfolgungen auszuweichen, in die freie Reichsstadt gezogen. Mehrere Jahre hat Oyrl hier gewohnt, ohne das Bürgerrecht zu besitzen. Sein Grab befindet sich im Johannisfriedhof. 1590 erwarb er das an der Stelle des jetzigen Fembohauses stehende frühere Haus in der Burgstrafie und erbaute das im Stadtbild an so bedeutsamer Stelle wirkungsvoll plazierte Haus. Den Namen Fembohaus hat es erst von dem späteren Besitzer 1804/48, Georg Christoph Franz Fembo, bekommen 10°). Im 2. Weltkrieg blieb das Haus erhalten. Das Stadtmuseum wird jetzt darin eingerichtet. Zwei Schwestern Maria und Anna von Ebner, aus dem patriziatischen Geschlecht, waren 1565 die Besitzerinnen des alten früheren Hau­ ses. Maria war mit dem Losungsschreiber Siegmund Held und Anna 1571 mit Hans Groland verheiratet. Am 6. VII. 1590 sollte dieses Haus also seinen Besitzer wechseln. Die Vormünder der Kinder, die aus der 2. Ehe des verstorbenen Held stammten, und Alexander Stockhamer, der als Bevollmächtigter der verwitweten Anna Groland auftrat, ver­ kauften das Haus um den Preis von 3800 fl. und 50 fl. Leikauf an den Seidenfärber und Bürger Stephan von Quickeiberg und an seine Frau Adelgunde. Aber dieses Ehepaar trat nicht selbst als Käufer auf, son­ dern handelte für Philipp von Oyrl. Dieser war wohl, wie schon ge­ sagt, noch kein Bürger und konnte infolgedessen einen rechtskräftigen Handel nicht vornehmen. Das Haus war sehr baufällig und wurde sofort abgebrochen. Der Neubau wurde 1591 begonnen. Dieses Datum findet sich im Erdgeschoß an einer Tafel, die an dem einen Eckpfosten der Kellertreppe angebracht ist. Das ganze Erdgeschoß mit der Haus­ türe (diese jetzt erneuert) und der steinerne Erker im 1. Geschoß sind 1591 zu datieren. Dann wurde weitergebaut. Der bis jetzt unbekannte Baumeister war vermutlich ein Nürnberger. Die Ausbildung des hohen Giebelhauses war in dieser barocken Form für Nürnberg bisher unge­ wöhnlich; vermutlich hat der Bauherr hier diese Anordnung als eine Reminiszenz an die großen öffentlichen Bauteil seiner Heimat gewünscht. Als Spitze des Giebels war bis zum 2. Weltkrieg eine For­ tuna auf rollendem Rad angebracht, die Glücksgöttin hält den wehen­ den Schleier um ihren nackten Leib. Die Innenausstattung des Hauses wurde nach dem schnell ausgeführten Bau sogleich in Angriff ge­ nommen. Nach dem pergamentenen Bürgerbuch (Ms 299 S. 36) wurde am 5. IV. 1581 Georg Glück als Händler mit niederländischen Waren aufgenom­ men. Nach den Neubürgerverzeichnissen (Ms 300 III) war dies am 1. IX. 1599 bei Michael Lüdel der Fall. Diese beiden können Niederländer gewesen sein, sicher ist dies jedoch nicht. Einem niederländischen Mechaniker Franz Elbogen wurde nach dem Ratsverlafi vom 28. VIII. 1555 (Hampe I Nr. 3575) „sein angegebene kunst mit den fligennden gemachten vögeln alhie zu gebrauchen“ ab­ gelehnt. Der Mechaniker ist als ein Schausteller anzusehen. 62

Ärzte Der niederländische Arzt und Anatom Dr. Volcker Coiter (Volcher Koiter, Coyter, Koyter, * 1534 zu Groningen, f 2. VI. 1576 in der Champagne) stammt also aus Ostfriesland. In dem Zeitraum von 1569/76 war Coiter in Nürnberg tätig. Zuerst studierte er an der Hugenotten-Universität Montpellier bis 1556, dann ging er nach Italien an die Universität Bologna 1556/59. Darnach war er ein halbes Jahr an der Sapientia, der Universität in Rom und er war auch in Pisa. 1562 promovierte Coiter in Bologna zum Dr. artium et medicinae. 1564/66 war der Gelehrte in Bologna als Dozent der Anatomie und Chirurgie an der Universität. Außerdem dozierte er an der Universität zu Perugia. Im Jahre 1564 befaßte er sich schon mit der Lebensgeschichte des Hühnchens im Ei. Infolge eines Inquisitionsprozesses mußte Coiter 1566 nach Amberg fliehen, ln dieser oberpfälzischen Stadt war er 1566/69 als Professor der Physik am Pädagogium tätig, auch war er Regierungsarzt der Oberpfalz und 2 Jahre lang der Leibarzt des Statthalters Pfalzgrafen Ludwig, des späteren Kurfürsten Ludwig VI. von der Pfalz (1576—1583) 101). Seit 1569 war Coiter dann Stadtphysikus, Stadtarzt in Nürnberg. Sein Studienfreund in Montpellier, der eine Nürnberger Stadtarzt Dr. Joachim Camerarius veranlaßte wohl die Berufung. Der Bestal­ lungsrevers liegt im Stadtarchiv Nürnberg: Urkundenreihe 6. X. 1569 (Abgabe Staatsarchiv Nürnberg Rep. 83 Titel II Nr. 22). Der Leib­ und Wund-Arnei-Doktor verpflichtete sich, der Stadt 5 Jahre um 100 fl. rhein. zu dienen. Dies war das jährliche Gehalt. Coiter tat dies nur unter dem Vorbehalt, daß er in der Stadt mit eigenem Rauch ohne alle bürgerliche Beschwerden wohnen und sitzen möge. Nur das Umgeld wolle er entrichten. Dies beweist also, daß er, ohne das Bürgerrecht zu besitzen, in der Reichsstadt wohnen darf. Orig. Papier mit aufge­ drucktem Siegel des Arztes. Coiter war einer der fünf Stadtärzte, die das Gesundheitswesen und die öffentliche Hygiene zu beaufsichtigen hatten. Daneben hatte er eine Privatpraxis in der Stadt. Fränkische Herren, wie die Bischöfe von Bamberg und Würzburg, der Deutschmeister des Deutschen Ritter­ ordens in Mergentheim, ließen sich von ihm behandeln. Als bedeutender Anatom und Chirurg war Volcker Coiter für die Professur der Medizin (Anatomie) an der neu zu gründenden Nürn­ berger Universität zu Altdorf ausersehen. Da ließ sich der Arzt vom Rat beurlauben, um an dem Feldzug des Pfalzgrafen Johann Kasimir von der Pfalz (regierte später als Statthalter der Pfalz 1583—1592) gegen Frankreich (dem Hugenottenkrieg) teilzunehmen. Coiter starb am 2. VI. 1576 bei dem Grafen von Bryen (Brienne) in der Champagne, als der Friede schon geschlossen war und das Heer bereits in die Heimat zog. Die Witwe gab dagegen nach dem Ratsverlaß vom 15. XI. 1576 ein anderes Todesdatum, den 5. VII. 1576, an. So war der Arzt vor der Hochschulgründung verstorben. Coiter hat eine große Bedeutung für die Geschichte der Anatomie und der Zootomie. Er untersuchte die Entwicklung des Hühnchens im 63

Ei sowie das Skelett des menschlichen Fötus und des Kindes; auch eine vergleichende Betrachtung des Tierskelettes und der Tiere ist ihm zu verdanken. Er verfaßte ein Lehrbuch der Anatomie. Als Wissenschaftler steht er am Anfang der neuzeitlichen Embryologie. Allerdings be­ schreibt er nur seine Beobachtungen und hebt die Verschiedenheiten hervor, ohne bis zur Entwicklungsgeschichte vorzudringen. Während seiner Nürnberger Tätigkeit erschienen hier einige Schrif­ ten, darunter sind zu nennen: Externarum et internarum principalium humani corporis partium tabulae atque anatomicae exercitationes observationesque variae, novis, diversis figuris illustratae Nürnberg 1572. Die Tafeln sind von Coiter gezeichnet und radiert. Eine Sammlung einzelner Abhandlungen, in der nun zootomische Aufzeichnungen, die Abbildungen von Tierskeletten und die Entwicklungsgeschichte des Huhnes enthalten sind, kam in Nürnberg 1573 heraus. Im Jahre 1575 gab Coiter das Werk des Gabriel Fallopius: Lectiones de partibus similaribus humani corporis heraus (Nürnberg). Die Erklärungen und die Tafeln sowie die Figuren mit einer Ausnahme sind von Coiter gezeichnet und radiert. Von dem Arzt Dr. Volcker Coiter sind vier gemalte Bildnisse be­ kannt; das erste und bedeutendste ist 1575 und die anderen sind nach diesem Jahr entstanden. Das Bildnis 1575, das den Dargestellten im Alter von 41 Jahren zeigt, befand sich im Jahre 1592 allem Anschein nach nicht mehr im Nachlaß Coiters. Nach Christoph Gottlieb von Murr hatte erst der Nürnberger Arzt Dr. Johann Georg Volckamer d. Ä. (1616—1693) dieses Bildnis dann 1669 der Stadtbibliothek verehrt102). Bis 1949 war das Werk in dieser Stadtbibliothek verwahrt, darauf gelangte es in das Germanische Nationalmuseum als Depositum. Die Technik ist öl auf Leinwand, ohne Rahmen hoch 1,09 m und breit 0,87 m, mit Rahmen hoch 1,21 m und breit 1,08 m. Der Arzt steht in Halbfigur vor einem Tisch; das Gewand ist schwarz, die Schaube blaugrau und mit braunem Pelz Verbrämt. Auf dem Tisch liegen ein präparierter menschlicher linker Arm sowie das medizinische Besteck und das Seziermesser (Skalpell und Präpariermesser). Das kleine Anatomiemodell eines Menschen (ein Muskelmann) steht daneben auf einem Sockel. Der Gelehrte hat eine dozierende Haltung angenommen und er hält mit seiner Linken den präparierten Arm. Hinter der Figur schauen wir auf ein Regal mit schön gebundenen Büchern. Das Bildnis hat noch seinen alten profilierten Rahmen, darauf in Goldschrift ge­ schrieben ist: AETATIS SVAE A 41: ANNO 1575. Das Porträt wurde 1930 im handschriftlichen Katalog der Städtischen Kunstsammlungen dem Nicolas Neufchatel zugeschrieben. Da aber dieser Maler nur bis 1567 in Nürnberg nachweisbar ist und keine Nachricht von einem Aufenthalt Coiters während dieser Zeit in Nürnberg oder auch ent­ gegengesetzt Neufchateis in Amberg, dem vorhergehenden Wohnort Coiters, vorliegt, ist diese Zuweisung unbeweisbar. Das Datum auf dem Rahmen gilt auch als beweiskräftig. Das Bildnis kann ebenso von einem niederländischen Zeitgenossen in Nürnberg oder auch von einem einheimischen Maler geschaffen sein, es ist 1575 zu datieren. 64

Ein anderes Bildnis im Schloßmuseum Weimar zeigt den Anatomen Dr. Volcker Coiter hinter einem Tisch stehend. Ölgemälde auf Holz, hoch 0,42 m und breit 0,295 m. Es wurde früher der niederländischen Schule nach 1575 zugeschrieben 103). Auf dem Tisch liegen ein mensch­ licher Schädel, der von der linken Hand des Arztes gehalten wird, und eine Sanduhr. Auf einem Büchergestell im Hintergrund stehen Folian­ ten, darauf sind die Verfassernamen Aristoteles, Plato, Hippokrates, Dioskurides, Vesalius u. a. zu lesen. Ein 5. Bildnis nach 1575 wird als flämisch angesprochen, Amsterdam Privatbesitz; aus England Sammlung Viscount Clifden, dann London Auktion Ernst Weil. Hoch 0,42 m und breit 0.28 m. in der Darstellung soll das gleichgroße Gemälde mit dem in Weimar übereinstimmen. Ein 4. Bildnis in mir unbekanntem Besitz stellt den Arzt in der üblichen Weise dar; auf dem Tisch ist ein kleines Bild, das auf ein von Coiter gemaltes oder gezeichnetes Werk hinweisen soll. Im Aufträge des Kurfürsten August I. von Sachsen (1553—1586) sollte Dr. Simonius 1577 die anatomischen und chirurgischen Instrumente sowie die Skelette wie die Figurenbildnisse (es sind die anatomischen Zeichnungen) besichtigen und abschätzen, ob dieses Material sich für die kurfürstliche Kunstkammer im Schloß Dresden eigne. Der Kurfürst wollte besonders zwei Skelette eines* männlichen und weiblichen Körpers haben, an denen kein Gebein fehle 104). August I. hatte diese Kunstkammer im Residenzschloß gegründet; in dieser Zeit wurden noch derartige Raritäten gesammelt. Es war bisher nicht bekannt ge­ worden, welchen Erfolg der Kurfürst hatte und was für Objekte von ihm erworben wurden. Wir können aber genauere Angaben machen. Wiederum gibt Christoph Gottlieb von Murr an, daß Coiters Bibliothek 1592 in die Stadtbibliothek Nürnberg gelangte 102). Es ließen sich vor dem 2. Weltkrieg aber nur zwei bis drei Bücher nach den Besitzer-Eintragungen feststellen. Durch die Vernichtung aller Katalog­ aufzeichnungen 1945 sind diese Bände jetzt nicht nachweisbar. Ein Band hat sich auch in der Universitätsbibliothek Erlangen nachweisen lassen. Zwei von Coiter präparierte Skelette und Tiere (also menschliche und Tierskelette) gelangten damals ebenfalls in die Stadtbibliothek. Ohne daß Murr dies erwähnt, müssen diese zwei 1577 genannten Skelette mit denen bei der Nachlaß-Bibliothek 1592 identisch sein. Vor 1778 wurden alle Skelette in das anatomische Theater gebracht, das damals im Refektorium des Katharinenklosters sich befand. 1801 sind diese Skelette noch dort erwähnt. Ein anderer niederländischer Arzt wird in der 2. Hälfte des 16. Jahr­ hunderts noch in Nürnberg erwähnt. Conrad Albico aus Utrecht ist im Ratsverlafi vom 27. VII. 1580 (Hampe II Nr. 479) genannt. Er durfte den Goldschmied Hans Lencker d. Ä. (f 1585) in seine Kur nehmen, jedoch mußte der den Meister bisher behandelnde einheimische Arzt dabei sein. Ohne Erlaubnis des Rats war es dem niederländischen Arzt verboten, Patienten anzunehmen. Albico scheint also nur vorüber­ gehend in Nürnberg gewesen zu sein. 5

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Nürnberger Mechaniker Mit der Festungsbaukunst hängt auch die Kunst des Mauerbrechens zusammen. Der Schreiner und Mechaniker Leonhard Danner (1507 bis 1585) war Schrauben- und Brechzeugmacher. Um 1550 hatte er die Brechschraube erfunden, mit deren Hilfe auch die sehr starken Mauern der größten und stärksten Festungen gebrochen wurden. Die Fürsten und die Städte wollten diese Erfindung gebrauchen und so ergingen ehrenvolle Aufträge an Danner. Im Jahre 1554 trat der Mechaniker in den Dienst seiner Vaterstadt. Der Nürnberger Patrizier Paulus Pfinzing (* 1523 zu Nürnberg, f 1570 zu Madrid) war Diplomat, kaiserlicher und königlicher Rat sowie Sekretär des Kaisers Karl V. und des spanischen Königs Philipp II. zu Madrid. Im Jahre 1555 bestellte nun Paulus Pfinzing ein Brechzeug in Nürnberg bei Danner, oder der in der Reichs­ stadt lebende Bruder Martin II Pfinzing (1521—1572) hat diesen Auf­ trag vermittelt. Aus diesem Verlaß der Herren Älteren vom 25. X. 1555 (Hampe I Nr. 3590a) geht hervor, daß Danner das Brechzeug verfertigt hat und daß die Lieferung nach Anntdorf in den Niederlanden (= Ant­ werpen) erfolgen konnte. Die Ware wurde durch den Patrizier Caspar Nützel und unter dessen Zeichen an seinen Faktor Hanns Ort zu Ant­ werpen gesandt. In dieser Stadt soll das Brechzeug dann an Paulus Pfinzing ausgehändigt werden. Ein Mann (ein Geselle), der mit diesem Werkzeug umgehen kann, soll dorthin zur Unterweisung und zur Entgegennahme des Betrages geschickt werden. Der entsprechende Brief der Herren Älteren vom 26. X. 1555 ist im Briefbuch 157 (1555/56) fol. 32 v, Staatsarchiv Nürnberg, enthalten 105). Der Architekt Paul Puchner I (* 1531 zu Nürnberg, f 1607 zu Dres­ den) war zu seiner handwerklichen Ausbildung bei seinem Vetter Leonhard Danner tätig. Auch Puchner fertigte Brechschrauben an. Zunächst bekam Puchner durch Vermittlung der patriziatischen Familie Pfinzing einen Ruf nach Spanien, den er sogleich annahm. Martin II oder Paulus Pfinzing hatten dies veranlaßt. Zuvor ging Puchner mit 13 Zentnern Zeug nach Brüssel und wurde hier am Hof der Statthalterin Margarete von Österreich-Ungarn (1530—1556) als Schraubenmacher angestellt, sein jährlicher Lohn sollte 200 fl. betragen. Im Januar 1557 erfolgte die Entlassung Puchners aus dem Dienst, er zog nun mit dem spanischen Heer vor St. Quentin, bei der Einnahme der Stadt wurde aber seine Brechschraube nicht verwendet. Nach Spanien kam aber Puchner nicht. Er kehrte vielmehr nach Nürnberg zurück, oder dieser verpflichtende Auftrag war von Anfang an für die spanische Verwal­ tung der Niederlande gedacht. Im Auftrag des Kaisers Karl V. über­ brachte dann Puchner mehrere Brechschrauben seines Lehrers und Vetters Danner nach den Niederlanden. Damals kam Puchner in Brüssel an den Hof des Herzogs Emanuel Philibert von Savoyen, des Statthalters der Niederlande (1558—1559). Nach der Ablieferung und Aufstellung der Schraubenwerke kehrte Puchner wieder nach Nürn­ berg zurück.

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Der niederländische Knnsthandel in Nürnberg In den Ratsverlässen werden vielfach Niederländer ohne weitere Namensnennung angeführt, die an einigen Tagen ihre gemalten Tücher d. s. Gemälde unter dem Rathaus verkaufen dürfen. Zunächst können wir nicht feststellen, ob damit Kunsthändler oder Künstler gemeint sind. Am 17. X. 1545 (Hampe I Nr. 2917) wurde es zwei Niederländern erlaubt, ihre Tücher vier Tage lang aufzuhängen. Im Register des Bandes steht: „niderlendisch gemeel“. Am 14. V. 1551 (Nr. 3317) ge­ stattete der Rat dem Niederländer, die Werke etliche Tage lang feil zu halten. Dem Händler Hans Feres wurde am 8. X. 1551 (Nr. 3346) das gleiche für drei bis vier Tage erlaubt. Der Verlad vom 22. IV. 1552 (Nr. 3379) nennt einen Niederländer, der seine gemalten Tücher wäh­ rend der Messe unterm Rathaus feilhält. Am Rathaus befanden siet offene Kräme, vielleicht kamen auch die Gewölbe d. s. die späteren gewölbten kleinen Läden entlang der Rathausgasse dazu. Am 25. I. 1556 (Nr. 3599) darf ein Niederländer seine Gemälde sogar acht Tage feil­ halten und verkaufen. Im nächsten Verlaß vom 19. VIII. 1557 (Nr. 3679) wird der Niederländer Hans Hofmann genannt. Es ist möglich, daß sich schon die vorhergehenden Ratsverlässe auf diesen Künstler bezogen, da seine Ankunft in der Stadt Nürnberg bisher nicht bekannt ist. Am 18. II. 1562 (Nr. 3881) wird wieder ein ungenannter Niederländer erwähnt. Am 26. II. 1565 (Nr. 4052) durfte ein anderer zehn Tage lang gemalte Tücher feilbieten. Der niederländische Bilderhändler Albert Kornaus konnte nach dem Verlaß vom 17. VII. 1567 (Nr. 4135) seine Tücher acht Tage und der im gleichen Beruf tätige Niclas Feihlschmidt laut Verlaß vom 16. III. 1568 (Nr. 4161) seine Ware in der gleichen Zeit öffentlich feilhalten. Die niederländische Kunsthändlerfamilie Caymox (Caimox, Caimochs, Keimox, Kainochs u. ä.) kam ans Antwerpen und Frankfurt a. M. nach Nürnberg. Cornelius Caymox d. Ä. war Kunsthändler, auch Buch­ händler und Verleger. Sein Name kommt im Ratsverlaß vom 23. II. 1563 (Hampe I Nr. 3944) zum erstenmal vor, hier wird er als Händler mit gemalten niederländischen Tüchern erwähnt. In Nürnberg heiratete er die Tochter eines Gottschalk Poß. Laut Ratsverlaß vom 2. XI. 1564 (Nr. 4036) wurde Cornelius Caymox d. Ä. Nürnberger Bürger; zuvor mußte er sein Vermögen anzeigen. Am 14. II. 1566 (Nr. 4091) wurde ihm der öffentliche Verkauf von Gemälden unter dem Rathaus genehmigt. Der Buch- und Kunsthändler Hubrecht (Heuprecht, Heybrecht, Hubert) Caymox war ein Bruder des Cornelius d. Ä. Nach Hampe wird er mit einem Niederländer Ruprecht Kamochs, der sich nach dem Ratsverlaß vom 2. XII. 1569 (Nr. 4251) in Nürnberg verheiratete, identisch sein. 1602 ist er zu Nürnberg verstorben. Im Jahre 1569 waren die drei Brüder Cornelius aus Nürnberg, Hubertus und Heinrich, beide Bürger in Speyer, auf der Frankfurter Messe, wo sie mit topographischen Werken handelten. Es war dies also kurze Zeit, bevor der zweite Hubertus nach Nürnberg gezogen ist. Cornelius Caymox hatte dann den beiden Herausgebern des großen deutschen Städtebuches, dem Kanonikus Georg Braun und dem Verleger Franz Hogenberg in Köln einen bedeutenden Teil der deutschen Städteansichten für das sechs5

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bändige Werk vermittelt: Beschreibung und Contrafactur der vornembster Stat der Welt, Urbium praecipuarum totius mundi theatrum, Coelen 1574—1618. Hogenberg stammte aus Mecheln, hier ist er vor 1540 geboren. Seit 1570 lebte er als Flüchtling in Köln, dort starb er 1590. Die Beziehungen erklären sich also aus der gemeinsamen Ab­ stammung. Aus dem Ratsverlaß vom 4. VIII. 1580 (Hampe II Nr. 482) geht hervor, daß Cornelius d. Ä., der „hendler mit gemalten niderlendischen tüchern“, seine Ware im ehemaligen Prediger- oder Domini­ kanerkloster verkauft hat. Nachdem er durch die Mainzischen aus sei­ nem Gaschäftslokal vertrieben war, wollte er den Durchgang unterm Rathaus haben; doch wurde dies abgelehnt. Am 1. XI. 1580 (Nr. 507) er­ fahren wir, daß Caymox einen Platz bei den Fleischbänken haben wollte. Der Gemälde- und Kunsthandel ging aber in diesen Jahren nicht mehr so gut, so daß Caymox 1582 an den Rhein zog, wo er einen Weinhandel betrieb. Nach dem Ratsverlaß vom 12. VI. 1582 (Nr. 610) wurde ihm das Bürgerrecht Vorbehalten und die auswärtige Wohnerlaubnis für zwei Jahre erteilt. Am 27. V. 1585 (Nr. 801) wurde diese auf zwei Jahre verlängert. 1587 kehrte er wahrscheinlich zurück. In den Ratsverlässen vom 18. und 19. XII. 1594 (Nr. 1359—1360) ist Cornelius Caymox d. Ä. nochmals in Nürnberg erwähnt. In der Zeit zwischen 1594 und 1599 ist er in Frankenthal, wohin er verzogen ist, gestorben. Es darf angenommen werden, daß unter den niederländischen Gemälden, die von all den fremden Kunsthändlern verkauft wurden, sicherlich auch die Arbeiten ihrer Landsleute in Nürnberg waren. In den Hülfs- und Inventarienbüchern der Leipziger Meß Jahrbücher fand Albrecht Kirchhoff die Inventur des Nürnberger Karten-, Kunstund Kurzwarenhändlers Cornelius Caymox vom Jahre 1588. Auf­ genommen ist sie nach dem in Leipzig erfolgten Tode des Caymox 106). Der in Nürnberg tätige Cornelius Caymox d. Ä., über dessen Wirken soeben gesprochen wurde, kann es nicht gewesen sein oder es ist das Todesjahr unrichtig angegeben. Die Geschäfte auf der Leipziger Messe wurden in einer Bude und in mehreren Zimmern des Auerbach-Hofes abgewickelt. Caymox verkaufte zunächst Kupferstiche, Holzschnitte und Flugblätter, Atlanten und Karten sowie Bücher. Dazu kam allerlei Hausrat wie niederländische Hütchen, Hutagraffen und Hutschnüre, Nürnberger Dolche, Gürtel und Ledergehänge, Spiegel, Springreifen, Laternenhorn, Ohrlöffel, Halsbeutel, Nähkissen, Ulmer Schreibtafeln, Federmesser, Kompasse u. a. Daraus ist zu entnehmen, wie geschäfts­ kundig diese Niederländer waren. Der Kunstführer Balthasar Caymox aus Berse (oder Berste?) in Brabant (nach Hampe ist vielleicht Burst in Ostflandern an der brabantischen Grenze gemeint) kam über Heidelberg nach Frankfurt a. M. Seine Bewerbung um die Bürgeraufnahme wurde am 17. VII. 1589 nach den Ratsprotokollen und dem Bürgermeisterbuch abgelehnt; Stadt­ archiv Frankfurt. Darauf ging Caymox nach Nürnberg, hier wurde er als „ein hendler mit gemalten und gestochnen kunststücken und kremerei“ nach dem Ratsverlafi vom 20. XI. 1590 (Nr. 1075) zum Bürger aufgenommen. Das wohl noch unter dem Namen des Cornelius Caymox gehende Geschäft leitete später Balthasar. Der Niederländer verlegte 68

u. a. Kupferstiche seiner Landsleute Marten de Vos (Antwerpen 1532—1603) und Crispyn I de Passe (Köln, Utrecht 1564—1637). Bal­ thasar Caymox starb 1635 in Nürnberg. Er wurde auf dem St. Johannis­ friedhof beigesetzt; der Grabstein zeigte seine Haus- und Handels­ marke BCV B. Der Nürnberger Kunstverleger Paulus Fürst (um 1605/06—1666) hatte sich mit Susanna Helena, einer Enkelin des Balthasar Caymox, verheiratet und dann das Caymoxsche Geschäft weitergeführt. Der Niederländer Hans Paulus, Händler mit venezianischen Gläsern, aus Bühel (Brüssel?) in Brabant durfte nach dem Ratsverlaß vom 23. XI. 1577 (Hampe II Nr. 301) seine Waldgläser in Nürnberg feilbieten. Nach dem Ratsverlaß vom 5. VIII. 1580 (Nr. 484) konnte der „venedische glaßfürer seine hergebrachte venedische gleser drei tag am marckt fail“ halten. In den Verlässen vom 25. I. und 15. VI. 1582 (Nr. 576, 612) wurde ihm das Bürgerrecht abgelehnt. Paulus blieb aber weiterhin in Nürnberg wohnen, wo er 1608 starb. Seine Witwe Barbara ist im Ratsverlaß vom 27. V. 1612 (Nr. 2483) und in den Akten bis zum Jahre 1622 als Glashändlerin erwähnt107).

Nürnberger Kunst und die Niederlande Niederländische Maler in Nürnberg Uber die Tätigkeit der niederländischen Künstler in Nürnberg unterrichtet außer den Ratsverlässen noch eine Reihe anderer archivalischer Einträge. Auch hat die Forschung hier schon vorgearbeitet. Es ist daher möglich, an Hand der erhaltenen Werke einen Überblick zu geben. Über die früheren Arbeiten dieser Künstler aus der Zeit vor ihrem Nürnberger Aufenthalt ist meist nichts bekannt. Sie traten meteorgleich auf und verschwanden nach einigen Jahren ihres Wir­ kens wieder. Andere machten sich hier ansässig. Die Maler in Nürnberg nahmen im Vergleich zu den anderen Hand­ werkern eine Ausnahmestellung ein. Lange gehörten sie zur freien Kunst (wie andere Handwerkszweige). Deswegen strebten sie an, daß der Rat ihnen eine Ordnung verliehe. Gerade dadurch wären die Maler den anderen Handwerken gleichberechtigt geworden und die niedere Rangstufe wäre überwunden worden. 1534, 1564, 1570, 1572 und 1578 hatten die Maler den Rat der Reichsstadt gebeten, ihnen ein neues Gesetz und eine neue Ordnung ihres Handwerks zu geben. Der Rat hatte dieses Ansinnen stets abschlägig beschieden. Die Ratsverlässe vom 11. VII. 1534 (Hampe I Nr. 2049), 10. I. 1564 (Nr. 3994), 7. VIII. 1570 (Nr. 4284), 3. IX. 1572 (Hampe II Nr. 84), 31. I. und 12. III. 1578 (Nr. 312, 328) stellen fest, daß das Handwerk der Maler eine freie Kunst bleiben soll wie bisher und kein Gesetz noch Ordnung erhalten kann. Auch das Begehren der Maler, daß für die fremden Gesellen ein Ge­ setz und eine Ordnung aufgestellt werde, hat der Ratsverlaß vom 7. V. 1574 (Nr. 157) abschlägig beantwortet. Mit den fremden Gesellen müssen die Niederländer gemeint sein. Infolgedessen blieb das Maler­ handwerk unorganisiert und jedem war die Ausübung der Tätigkeit 69

erlaubt. Aber die Bemühungen, das Handwerk zu einem geschworenen erheben zu lassen, wurden nicht aufgegeben. Im Jahre 1595 entsprach der Rat dem von neuem vorgebrachten Wunsch nach einer neuen Malerordnung. Die Flach- und Ätzmaler hatten sich nach dem Rats­ verlaß vom 12. VII. 1595 (Nr. 1381) an das Rugsamt, die Aufsichts­ behörde für das Handwerk, gewandt. Die Rugsherren sollten nun die Sache bedenken und auch die Angelegenheiten der kunstreichen Maler aus den Niederlanden und anderen Ländern klären, die eine Zeitlang hier arbeiteten. Diese Fremden könnten als freie Künstler unangefochten einer Ordnung in der Stadt passieren, d. h. wohnen und arbeiten. Am 30. III. 1596 wurde vom Rat die Flach- und Ätzmalerordnung erlassen. Trotzdem erreichten die Maler nicht die Stufe des geschworenen Hand­ werks. Die Flachmaler waren die Maler und die Ätzmaler führten die Ätzung: die Schwarz- und Goldätzung der Harnische und Rüstungen aus. Die Ausbildung der Lehrlinge wurde auf vier Jahre und die darauffolgende Wanderzeit — die Gesellenausbildung in der Fremde und in Nürnberg dauerte fünf Jahre — genau geregelt. Vor der Meisterzulassung sollte der Geselle zwei Jahre bei einem oder zwei Nürnberger Meistern arbeiten. Ein Passus weist nun auf die in Nürn­ berg tätigen niederländischen Künstler und auf ihr großes Ansehen hin: „Die Je zu Zeitten hieher kommenden frembden Mahler aus den Niderlanden vnd andern ortten, welche sonderliche Künstler seindt, vnd vor andern etwas können, In diesem gesetz dergestalt ausgenom­ men sein, wan sie nicht gar alhie zu pleiben, oder Meister zu werden begeren, das sich Ir einer ein zeittlang, so lang es Ime ein Erbar Rath zu giebt, seiner freyen kunst, als mit Conterfeten vnd anderer arbeit alhie vnder der Burgerschafft gebrauchen möge, doch das er für sich selbst kainen aigenen rauch fliiire wie andere Meister.“ Mitunter hat ein Maler die beiden Handwerke des Flachmalens und des Ätzmalens betrieben oder der Meister hielt Gesellen für die andere Tätigkeit. Jeder Maler soll nun vor der Meisterzulassung ein Probier- oder Meisterstück dem Rat übergeben. Die Gemälde der Flachmaler kamen in das Rathaus, hier dienten diese Werke als Schmuck der Amtsräume. Infolgedessen haben sich noch einige der Probestücke in der städtischen Sammlung im Germanischen Nationalmuseum erhalten. Die Rüstungen wurden in das Zeughaus gegeben. Auch in Frankfurt a. M. verlangte der Rat die Ablieferung der Probestücke durch die Maler. Die fremden Maler nahmen insofern in Nürnberg eine besondere Ausnahmestellung vor den einheimischen Künstlern ein, als sie die Malerei ausüben durf­ ten, ohne daß sie Nürnberger Bürger sein mußten. Der Nürnberger Maler, Radierer, Kunsthändler und Kunstschriftsteller Johann Hauer (1586—1660) hat nun als Vorgeher des Malergewerbes 1640—1644 einen Auszug aus den sieben verlorenen Nürnberger Büchern des Handwerks zusammengestellt: Der Mahler Ordnung und gebrauch in Nürmberg. Darauf weist der Passus: Alles dasjenige, so in der maler sieben unter­ schiedlichen ihren büchern allhie: ist in dieses buch zusammengetragen. Die Handschrift ist von Hauer und von anderer Hand abgeschrieben. Darin ist auch diese für die Nürnberger Kunst so wichtige Ordnung auf genommen; das Verzeichnis der Maler und Lehrlinge von 1596 bis 1659 ist für die Forschung sehr wertvoll. Das Manuskript befand sich ehemals in den Sammlungen Guido von Volckamer-München und Ober70

regierungsrat Friedrich Freiherr von Haller-Nürnberg, jetzt ist es im freiherrlich von Hallersdien Familienarchiv Großgründlach bei Nürnberg108). Auch Künstler aus anderen Gebieten fielen unter diese Ausnahme­ bestimmungen. Wie in anderen Städten konnten die Nürnberger Künst­ ler ihren Beruf nur als Meister ihres Handwerks ausüben. Dieses Meisterrecht erlangten sie aber erst nach ihrer Verheiratung; sie muß­ ten einen eigenen Rauch d. h. eine eigene Wohnung und eine eigene Familie haben. In der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts hatten sich diese Bestimmungen den Fremden gegenüber manchmal gelockert. Der schweizerische Graphiker Jost Ammann (* 1539 zu Zürich, f 1591 zu Nürnberg) kam 1561 nach Nürnberg. Im Jahre 1562 übernahm er nach dem Tod des Graphikers und seines einen Lehrers Virgil Solis d. Ä. dessen Werkstatt. In den Ratsverlässen sind keine Angaben über die Zulassung Ammanns zum Meisterrecht zu finden. 1574 heiratete er in Nürnberg. Bis zum Jahre 1577 durfte er ungehindert in der Reichsstadt bleiben. Darnach mußte er sich aber zwischen Zürich und Nürnberg entscheiden und so forderte er die Entlassung aus dem heimatlichen Bürgerrechtsverband von Zürich. Da Ammann durch seine Kunst so berühmt sei, wurde dem Künstler durch den Ratsverlaß vom 14. VI. 1577 (Hampe II Nr. 282) das Bürgerrecht geschenkt109). Die oberste Leitung der Beidisstadt Nürnberg hat bedeutenderen Künstlern, die aus anderen Städten zugezogen waren, für mehrere Jahre die Erlaub­ nis erteilt, audi ohne den Besitz des Bürgerrechtes in den Mauern der Stadt wohnen zu dürfen. Dann wurden diese Künstler im Lauf der Zeit aufgefordert, das Bürgerrecht zu erwerben. Wahrscheinlich trat dies ein, wenn die Künstler sich infolge ihrer Heirat dauernd in der Stadt niederlassen wollten oder nicht mehr daran dachten, ihre Tätigheit hier zu beenden und wieder wegzugehen. Der Rat hat auch fremde Künstler, die ihm nicht zusagten oder deren Aufenthalt er nicht wünschte, schon von Anfang an durch eine abweisende Haltung ver­ anlaßt, sich wegzubegeben. Hans Hoffman n Als erster niederländischer Maler war Hans Hoffmann nach Nürn­ berg gekommen. Er ist um 1530 geboren und in Prag 1591/92 gestorben. Nach dem Ratsverlafi vom 19. VIII. 1557 (Hampe I Nr. 3679) wurde es „Hannsen Hofman, dem Niderlennder, vergönnen, seine gemalte tücher undterm rathaus fail zu haben.“ Von 1576 an ist ein Hanns Hofman als Maler und Bürger zu Nürnberg nachweisbar, wie aus dem Rats­ verlaß vom 30. VI. 1576 (Llampe II Nr. 238) hervorgeht. Die Annahme, daß er mit dem 1557 erwähnten Künstler identisch ist, wird zwingend sein. In der Zwischenzeit hatte Hoffmann das Bürgerrecht erworben oder es wurde ihm geschenkt. Hoffmann gehörte zu den zahlreichen Nachahmern und Kopisten Albrecht Dürers, die in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts lebten. Er muß als der hervorstechendste unter die­ sen Malern gelten. Der Niederländer hat mitunter seine Vorlagen zu einem Gemälde sogleich aus verschiedenen Werken Dürers entnommen und so Gemälde wie graphische Arbeiten seines Vorbildes vereinigt und kompiliert. Auch bei seinen Federzeichnungen und Aquarellen ahmte er die Technik Dürers nach. 71

Bis jetzt ist es aber nicht mit Sicherheit bewiesen, daß Hans Hoffmann wirklich aus den Niederlanden stammt. Der Name klingt für diese Herkunft fremd. Mit der Bezeichnung Niederländer kann auch die niederdeutsche Abstammung gemeint sein. Ich beabsichtige, die Werke des Hans Hoff mann an anderer Stelle zu besprechen. Nicolas Neufchatel Der Porträtmaler Nicolas Neufchatel gen. Lucidel (* um oder vor 1527 in den Niederlanden, f vor 1597) sollte für die Nürnberger Kunst­ entwicklung eine große Bedeutung erhalten. Nach der Teutschen Academie von Joachim von Sandrart d. Ä. stammt Neufchatel aus Mons (Bergen) in der Grafschaft Hennegau, also aus dem wallonischen Belgien. Im Jahre 1539 trat er in Antwerpen als Lehrling bei dem Romanisten Pieter Coecke van Aelst (1502—1550) ein, der als Maler und Zeichner für Gobelins weithin bekannt war. In den Antwerpener Zunftlisten ist der Niederländer als Colyn van Nieucasteel eingetragen. Neufchatel hat aber nicht wie sein Lehrmeister große Kartons ge­ zeichnet und umfangreiche Kompositionen entworfen. Seine Vorbilder waren die niederländischen Porträtisten in Antwerpen, ohne daß ein direktes Schülerverhältnis zu einem dieser Maler nachweisbar ist. Die italienische Malerei hatte Neufchatel in den Niederlanden studieren können; ein Aufenthalt in Italien ist infolgedessen nicht sehr wahr­ scheinlich. Dann soll Nicolas Neufchatel in Mons gearbeitet haben. Bis zu seinem Auftreten in Nürnberg haben wir aber keine Kunde von seinem Wirken und seinen Werken110). Es wurden ihm von der For­ schung mehrere frühe Bildnisse zugeschrieben, die aber kaum von ihm stammen. Seine Frühwerke könnten nach Peltzer in der Art des Meisters der Bildnisse der 40er Jahre (des Porträtisten der 40er Jahre) gemalt sein, der in Antwerpen oder Brügge tätig war. In der Sammlung Richard von Kaufmann Berlin 1U) befand sich ein Frauenbildnis von 1545 dieses Meisters, das bei Charles Sedlmeyer Paris 1896 als Neuf­ chatel ging. Audi die Bildnisse eines Ehepaares 1545, Rom Galleria Doria m), die als sichere Frühwerke Neufchateis angesprochen wurden, sind wieder auszuscheiden. Das Bildnis eines bärtigen Mannes, ehemals in der Sammlung Emil Weinberger Wien, das in die Zeit vor der Nürn­ berger Tätigkeit gesetzt wurde113), kann ebenso mit größerem Recht in die Jahre nach 1561 gesetzt werden. Neufchatel war Kalvinist und deswegen nach Deutschland ausge­ wandert. Es wurde die Vermutung ausgesprochen, daß Neufchatel über die niederländische Kolonie in Frankfurt a. M. nach Nürnberg gekom­ men ist. Gerade diese Frankfurter Kolonie wurde 1561 wegen ihres konfessionellen Streites vertrieben, wie wir schon bei dem Seidenhänd­ ler Augustin Legrand sahen. Die Annahme, daß der Maler mit einem Empfehlungsschreiben des Erbgrafen Wilhelm IV. des Weisen von Hessen (1567—1592) in die Reichsstadt Nürnberg kam. ist also möglich. Er wäre dann gleichzeitig mit dem Maler Nicolas Juvenel d. Ä. in Nürnberg eingetroffen. Allerdings ist es Peltzer, der diese Hypothese aufstellte, entgangen, daß der in den Ratsverlässen bei Dupre genannte Maler nur Nicolas Juvenel d. Ä. und nicht Neufchatel sein kann. 72

Gerade in Antwerpen und in den Niederlanden hatte die Porträt­ malerei eine sehr hohe Stufe erreicht. Auf den Kniestücken haben die Antwerpener Maler den Dargestellten in Lebensgröße wiedergegeben, auch ganzfigurige Bildnisse kommen auf; als Hintergrund ist jetzt an­ statt der Landschaft ein einheitlicher Farbton gewählt. Neufchatel brachte nun diese niederländische Porträtmalerei nach Nürnberg. Seine Bildnisse sind sehr qualitätvolle malerische Arbeiten. Der Niederlän­ der wurde für die kurze Zeit von 1561—1567 der bevorzugte Porträtist des Nürnberger Patriziats, er hat aber neben den Angehörigen dieses Standes auch andere Bürger porträtiert. Es hat sich kein Batsverlafi über die Aufenthaltsbewilligung im Jahre 1561 gefunden, dagegen wurde durch den Ratsverlaß vom 1. X. 1563 (Hampe I Nr. 3987) verfügt: Niclaußen von Neukastell, den künsb liehen maler und conterfeter, noch 2 jhar ohn das bürgerrecht hie sitzen zu lassen. Er wohnte beim Weizenbräuhaus bei der Säg (Wei­ zenstraße). Nur bis 1567 ist der Maler Nicolas Neufchatel in unserer Stadt nachweisbar, dann ist er spurlos verschwunden. Vielleicht darf man dies mit seiner zu eifrigen kalvinistischen Betätigung in Zusam­ menhang bringen, wodurch er sich Schwierigkeiten bereitete. Nach einem Ratsverlafi vom 23. VII. 1567 (Nr. 4136) disputierten nieder­ ländische Kalvinisten in Nürnberg. Der Kollaborator Graf bei St. Ägidien sollte zur Rede gestellt werden, vielleicht war er als Geistlicher der leitende Mann der Diskussion gewesen. Dem Nicolas de Nova Castel (= Neufchatel), Gabriel Schlüsselberger, Georg Maleprandt, der 1573 erwähnte Seidenfärber, und den anderen, die der niederländischen Schwärmerei verdächtig waren und disputierten, wurde daraufhin das Mißfallen der Herren Älteren des Rats ausgesprochen. Sie sollen von ihrem Irrtum abstehen und sich gemäß der augsburgischen Konfession verhalten. Wer aber in seinem Gewissen etwas anderes glaubt, der soll davon schweigen, nicht disputieren, kein Ärgernis geben und keine „conventicula“ halten. Neufchatel hat daraufhin wohl die Stadt ver­ lassen. Spätere Werke seiner Hand nach 1567 sind bis jetzt nicht be­ kannt; wir wissen auch nicht, wohin sich der Maler begeben hat. Nach Sandrart ist er vor 1597 gestorben, Peltzer schließt sich dem an. 1561 malte Neufchatel das Bildnis des Johannes Neudörfer d. Ä., des mirnbergischen Mathematikers und Schreibmeisters (1497—1563), mit seinem Sohn; München Ältere Pinakothek. Das Gemälde zeigt den Vater und Sohn hinter einem Tisch stehend; der Vater erklärt gerade den Aufbau eines Polyeders, der Sohn horcht zu, um den Befund in ein Buch einzuschreiben. Auf dem erneuerten Rahmen steht die Auf­ schrift in der sich der Maler am Schluß nennt: AUTOR NTCOLAUS DE NOVO CASTELLO, HOSPES, GR. ER. DD. AN. M.D.LXI. (= Gratitudinis ergo dedicavit, aus Dankbarkeit hat er es geschenkt). Neuf­ chatel war immer noch als Gast in Nürnberg. Daraus geht vielleicht hervor, daß der Künstler sich noch nicht zu festem Bleiben entschlossen hatte und erst abwarten wollte, wie seine Kunst hier aufgenommen würde. Daraus würde sich auch das Fehlen eines entsprechenden Rats­ verlasses von 1561 erklären. Das Bildnis Neudörfers verehrte der Nie­ derländer im Herbst 1564 der Stadt, worauf er nach dem Ratsverlaß vom 7. XI. 1564 (Nr. 4037) als Verehrung 32 fl. erhielt. Die Schlußfolge73

rung, die Peltzer zog, daß Neufdiatel das Bildnis der Stadt aus Dank­ barkeit für seine Aufnahme schenkte, geht wohl zu weit; es sei denn, man wollte dies erst nach drei Jahren annehmen. Eher wäre es wohl möglich, daß der Rat das Porträt des so weit bekannten Schreibmeisters gerne im Rathaus besitzen wollte. Das Bildnis hing im Silberzimmer des Rathauses. Im Jahre 1809 wurden Gemälde aus dem Rathaus und den Kirchen der Stadt in einer neu zu bildenden königlichen Gemälde­ galerie auf der Burg vereinigt. Auch das Bildnis Neufchatels kam dort­ hin. 1810 wählte der kgl. bayerische Gallerieinspektor Johannes Georg von Dillis (Maler 1759—1841) dieses Gemälde neben anderen nürnbergischen Werken für die Abgabe nach München aus. So gelangte das für die Künstlergeschichte Nürnbergs so wichtige Bildnis in die Gemälde­ galerie Schleißheim und 1836 in die Ältere Pinakothek München 114). Das Kupferstichkabinett Berlin besitzt eine Studie zu dem Bildnis­ kopf, schwarze Kreide und an einigen Stellen weiß gehöht. Die Echt­ heit ist aber bestritten und die Möglichkeit besteht, daß das Blatt eine Kopie nach dem Gemälde ist115). Die beiden ganzfigurigen Bildnisse des Hans Heinrich Pilgram und seiner Frau Margaretha 1561, Budapest Gemäldegalerie des Orszägos Magyar Szepmiiveszeti Muzeum98) 116), und das gleichfalls ganzfigurige Bildnis des Wolfgang Münzer von Babenberg, Germanisches National­ museum Nürnberg117), weisen auf die niederländische Porträtmalerei hin. Der Kaufmann Hans Heinrich Pilgram (1533—1581) stammte aus s’Hertogenbosch (Herzogenbusch) und ist in Nürnberg gestorben. Wir wissen nicht, in welchem Jahre er in die freie Reichsstadt kam. Die Frau Margaretha (1544—1609) kann noch sehr jung auch aus den Nie­ derlanden gekommen sein, oder sie war eine Nürnbergerin. Als Nie­ derländer lag es für Pilgram nahe, daß er sich von seinem Landsmann malen ließ. Auf seinem Bildnis steht die Altersangabe AETATIS SVAE 28 und auf dem der Frau AETATIS SVAE 17. Die beiden Figuren stehen je in einem Raum vor einer neutralen Rüde wand mit linkem seitlichen Pfeiler. Die Tracht bildet gerade bei dem Mann die notwen­ dige Hervorhebung für sein gewichtiges Auftreten. In der Esterhazy Galerie hingen die beiden Werke als Bildnisse des Augsburger Malers Christoph Amberger (um 1500—1561). (Abb. 3/4.) Das Bildnis des Münzer von Babenberg ist das Hauptwerk des Neufchatel. Es galt lange als eine Arbeit des Nürnberger Malers Lorenz Strauch (1554—1630), der als Bildnismaler ebenso für die einheimische Produkion bedeutend ist. Erst von Peltzer wurde das Werk als eine Arbeit des Niederländers erkannt. Wolfgang Münzer von Babenberg entstammte einem Bamberger Geschlecht, in Nürnberg ist er 1524 ge­ boren und 1577 gestorben. Im Jahre 1556 unternahm er eine Pilger­ fahrt in das Heilige Land; er wurde hier Ritter vom Heiligen Grabe. Mehrere Jahre war er in türkischer Gefangenschaft und lebte als Sklave in Kleinasien und Konstantinopel. Der Dargestellte steht auf dem grünrot geschaditen Fußboden vor einem dunkelgrünen Grund, trägt ein braunes Gewand, darüber eine schwarze Pelzschaube und ein schwarzes Barett. Eine reiche Goldkette mit dem Wappenanhänger schmückt seine Brust. Münzer hatte eine Geldstiftung für arme Männer an die Stadt Nürnberg gemacht. Da das Bildnis von Neufchatel nun 74

Eigentum der Wohltätigkeitsstiftungen der Stadt Nürnberg ist, muß der Rat den Auftrag an den Maler erteilt haben. Oder sollte Münzer selbst sein Bildnis dem Rat zum ständigen Gedenken geschenkt haben? Als städtischer Besitz befand es sich 1909—1921 in der Städtischen Kunstsammlung, bis 1923 in der Städtischen Galerie und kam darnach in das Germanische Nationalmuseum. Das Doppelbildnis des Augsburger Patriziers Jacob Mathias Fetzer und seines 8jährigen Sohnes 1563 zeigt wieder ein grofifiguriges Por­ trät; im Kunsthandel Maith. Lemperiz Köln 1927. Der Vater ist in den pelzverbrämten Mantel gekleidet und der Sohn trägt die vornehme Kleidung mit Halskrause 118). Die nürnbergischen Ratsherrenbildnisse und die Porträts der Bür­ ger, die in deutschen und ausländischen Galerien verstreut sind, zeigen die markanten Züge der Dargestellten und die gepflegte Tracht. Wir nennen einige der Werke. In der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe be­ findet sich das Bildnis des Balthasar Derrer von Unterbürg (1509 bis 1586) mit seiner zweiten Frau Magdalena Bayer (1523—1591) vom Jahre 1561. Auf einer Breittafel sind die beiden Halbfiguren darge­ stellt, die Persönlichkeiten sind hier gut charakterisiert119). Das Kunst­ kabinett des Hauptmanns Hans Albrecht von Derschau in Nürnberg besaß ein Porträt des Senators Christoph von Fürer (1517—1567), das ebenfalls 1561 gemalt war. Das Gemälde ist verschollen120). Das Bild­ nis des Paul von Tücher (1524—1603) von 1564 ist im Besitz der Frei­ herren von Tücher, Nürnberg, z. Zt. Depositum im Germanischen Na­ tionalmuseum 121). Auch am Kaiserhof wurde man auf Neufchatel aufmerksam, soweit war sein Ruf aus Nürnberg gedrungen. Der Eintrag vom 31. V. 1566 in der Hofzahlamts-Rechnung 1566 fol, 652 teilt mit: Dem niederlän­ dischen Maler Nicolaus von New Cassel (Neufchatel), welcher dreimal Kaiser Maximilian II. und dessen älteste Tochter Anna porträtiert hatte, werden aus Gnaden 100 Gulden rheinisch angewiesen (Regest Nr. 5032 Nationalbibliothek Wien). Die Erzherzogin Anna war die spätere Gemahlin des Königs Philipp II. von Spanien (1555—1598). Aus dem Itinerar des Kaisers geht hervor, daß Maximilian II. den Reichstag am 23. III. 1566 in Augsburg eröffnete. Peltzer vermutet, daß der Kaiser den Maler dorthin berief und daß diese Bildnisse in Augsburg ent­ standen. Von den Kaiserbildnissen haben sich die Originale nicht nachweisen lassen, es gibt nur Kopien, die z. T. 1566 datiert sind. Eine aus Schloß Ambras in Tirol befindet sich in der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums Wien, eine andere aus der Wiener Galerie ist im Oberösterreichischen Landesmuseum Linz ausgestellt, eine dritte im Berliner Privatbesitz (Dr. Binder) hat eine ovale Form und ist vielleicht ein Werk des Nicolas Juvenel d. Ä. Dieser Niederländer war ebenfalls in Nürnberg tätig, er muß ein Schüler des Neufchatel gewesen sein. Andere Exemplare befinden sich in den Galerien zu Versailles, Hampton-Court, im Herzog Anton Ulrich Museum Braunschweig und im Schlesischen Museum der bildenden Künste in Breslau. Ein weiteres Exemplar im runden Format war im Kunstkabinett des Paulus Praun (1548—1616) zu Nürnberg; 1778 wurde es als Neufchatel oder Juvenel d. Ä.. 1797 als Neufchatel bezeichnet122). Das Bildnis der Erzherzogin Anna ist auch in einer Kopie bisher nicht nachgewiesen.

Im August 1566 malte Neufchatel in Nürnberg die Bildnisse des Augsburger und Nürnberger Stadtarztes Benedict Fröschel und seiner Frau Regina. Dies teilt der Augsburger Jurist Dr. Hieronymus Frö.sdiel (1527—1602) in seiner Hausdironik, Marburg a. L. Staatsarchiv, rnit12;0. Der Arzt war gleichzeitig in beiden Städten tätig, wenngleich er in der Hauptsache zu Augsburg amtierte. Der Bestallungsrevers be­ findet sich im Stadtarchiv Nürnberg: Urkundenreihe I. XI. 1564 (Ab­ gabe Staatsarchiv Nürnberg Rep. 83 Titel II Nr. 19). Der Augsburger Leib- und Schneid-Arzt verpflichtet sich, so oft der Rat von Nürnberg es forciere und ihm Urlaub vom Rat zu Augsburg erwirke, nach Nürn­ berg zu kommen und als Arzt zu dienern. Zweimal im Jahr wolle er um Walpurgis (1. Mai) und Egidien (1. September) auf einige Wodien nach Nürnberg kommen. Falls er nach Ablauf seines Augsburger Kon­ traktes anderswohin gehe, so wolle er Nürnberg berücksichtigen. Das Gehalt betrug 200 fl. rhein. Orig. Pergament, drei Siegel dabei des Ratsschreibers Wolf Hofman und des Losungsschreibers Wolf Börner als Zeugen. Der Nürnberger Patrizier Paulus I Behaim (1519—1568) hat in seinem von 1548—1568 geführten Haushaltungsbuch (Archiv des Ger­ manischen Nationalmuseums Nürnberg, fol. 17r) am 15. V. 1567 einge­ tragen, daß er sich von einem Niederländer malen ließ. Der Künstler wurde auf Grund der Wohnungsangabe „beym weißen pirpreu bei der seg wonhaft“ mit Nicolas Neufchatel identifiziert. Der Preis für das Porträt, in dem er in einer mit Marderpelz besetzten Schaube „bis unterhalben leib“ dargestellt war. betrug 12 Taler. Dazu bekam die Frau des Malers 1 fl. verehrt. Hier hören wir zum erstenmal, daß Neufdiatel verheiratet war. Als Trinkgeld kamen 6 Zwölfer dazu; die Leinwand kostete 16 Zwölfer. Zusammen machte dies den Betrag von 15 fl. 6 kr. 12 pf. aus. Für den Rahmen mußte 1 fl. und dem Maler Neufchatel für dessen Bemalung und Verzierung mit goldenen Buch­ staben (Aufschrift des Namens) 1 fl. 4 kr. 6 pf. gezahlt werden. Im Orszägos Magyar Szepmüveszeti Muzeum Budapest befindet sich ein Ratsherrenbildnis, das mit dem des Paulus I Behaim identifiziert wird. Es stammt aus der Sammlung des Fürsten Nikolaus Esterhazy und wurde früher dem Hans Holbein d. J. zugeschrieben 124). (Abb. 5.) Das Bildnis des Stadtrichters Hieronymus Coler (1528—1573), Kassel Staatliche Gemäldegalerie, zeigt einen reich und vornehm gekleideten Herren. Die geschlitzte rote, mit einem zweiten Stoff unterlegte Hose, das geschlitzte graue Wams mit grauer Seidenstickerei, das Schwert in der Linken und der Dolch an der rechten Seite charakterisieren Coler als einen standesbewußten Mann 125). In der Landesgalerie von Böhmen und Mähren zu Prag126) befand sich das Bildnis des Nicolaus Goeswein 1567. Unter den Künstlern Nürnbergs malte Nicolas Neuf­ chatel den Goldschmied Hans Lencker d. Ä., den Stammvater der Gold­ schmiedefamilie, mit seinem Sohn Caspar. Hans Lencker d. Ä. wurde 1549 Goldarbeiter und starb 1585 zu Nürnberg. Das Gemälde befindet sich im Statens Museum Kopenhagen 127). Wieder ist ein Doppelbildnis geschaffen; allerdings ist die Qualität verglichen mit dem Neudörfer­ bildnis nicht so gut. Die Figuren und auch die Kostüme sind etwas steif gemalt. Peltzer datiert das Werk um 1567; die Jahreszahl ist dann 76

später durch einen Restaurator auf 1520 vordatiert, um das Porträt in die Holbeinzeit zu setzen. Im Deutschen Museum Berlin, in der Gemäldegalerie Budapest, im Hessischen Landesmuseum Darmstadt, in anderen deutschen Museen und im Privatbesitz sind weitere Werke. Mehrfach hat Neufchatel auch die Frauen als Gegenstücke zu den Männerbildnissen gemalt; sie fallen gegen diese etwas ab. Auch einzelne Frauenbildnisse haben sich er­ halten. Es seien hier das Porträt einer jungen Nürnbergerin in der Gemäldegalerie Budapest128), einer jungen Frau in der Ermitage so­ wie einer jungen Frau 1561 in der Akademie Leningrad129), ein Bildnis der Landesgalerie für Böhmen und Mähren zu Prag genannt. In der Gemäldegalerie der Residenz Bamberg hängt das Brustbild der Frau des Nürnberger Schreibmeisters Johann Neudörfer d. Ä. Weitere zwei Bildnisse im Musee des Beaux Arts Brüssel und in der Sammlung Charles Sedlmayer Paris 1907 stellen nach Peltzer keine Nürnbergerinnen dar, sie sollen mit den bisher noch unbekannten niederlän­ dischen Arbeiten des Nicolas Neufchatel Zusammenhängen. Aber diese Gemälde stammen vielleicht doch nicht aus der frühen Zeit, deswegen sind sie hier angeführt. (Porträt in Budapest Abb. 6.) Eine besonders charakteristische Bildnisstudie eines Mannes, Zeich­ nung, befand sich in der Sammlung Henry Oppenheimer London (Lugt 1351), die aus der Sammlung Heinrich Wilhelm Campe Leipzig (1770 bis 1862, Lugt 1391) stammte. Mit schwarzer und weißer Kreide ist das Blatt ausgeführt; es wurde vom Britisch. Museum London erworben 1SÄ). Neufchatel hat seine Gemälde nicht signiert; nur der Rahmen des Neudörferporträts trägt eine Aufschrift. Infolgedessen bedurfte es erst der Stilkritik, um das Werk des Malers zusammenzufassen. Baumeister Elias Dupre und Maler Nicolas Juvenel d. Ä. Der niederländische Baumeister Elias Dupre (Dupre, Tumpres, Durapres,Toutpres) wurde zunächst irrtümlich mit dem Bildhauer und Bronze­ gießer Elie Godefroot (Elias Godefroy) aus Cambrai identifiziert. Dessen früheste Werke waren zwei verlorene Bronzestatuen in der Kirche S. Basile zu Brügge, die er 1542/43 nach Entwürfen des Lanzelot Blondeel goß. Von Kramm wird dies, da die archivalischen Quellen versagen, abgelehnt. Der in Kassel nachweisbare Bildhauer Elias Gode­ froy aus Cambrai war vor 1559 in die hessische Residenzstadt gekom­ men und hat an dem damals von dem Landgrafen Philipp dem Groß­ mütigen von Hessen (1509—1567) begonnenen Um- und Neubau des Kasseler Landgrafenschlosses gearbeitet. Godefroy leitete die erste Hofbildhauerwerkstatt. Die Identifizierung des Elias Dupre mit die­ sem Elias Godefroy lehnt Kramm ebenfalls ab, er tritt für eine Tren­ nung der beiden Künstlerpersönlichkeiten ein. Godefroy wird nur als Bildhauer und nicht als Architekt genannt, er starb 1568 zu Kassel. Da nun die beiden Künstler eine Zeitlang als identisch angesehen wurden, nahm man für Dupre dieses Todesdatum an. Mit der Per­ sonentrennung entfällt dann auch die bisherige Annahme, daß Dupre 1568 gestorben sei. Dieses Jahr ist nur als Zeitpunkt des Todes von Godefroy festzuhalten. 77

Dupre war um oder schon vor 1559 nach Kassel gekommen und hatte als Architekt an dem Um- und Neubau des Landgrafenschlosses gearbeitet. Der Erbgraf und Nachfolger Landgraf Wilhelm IY. der Weise von Hessen-Kassel (1567—1592) war der Berater seines Vaters und leitete die gemeinsamen künstlerischen Bestrebungen. Er nahm sieh in Hessen der vertriebenen Niederländer an. 1561 konnte oder wollte der Landgraf den Baumeister Dupre nicht mehr weiter ver­ wenden, vielleicht wollte der Fremde auch weiter ziehen. Der hessische Erbgraf schickte nun 1561 den niederländischen Maler Nicolas Juvenel d. Ä. mit einem Empfehlungsschreiben nach Nürnberg. Aus dem Ratsverlaß vom 7. Yl. 1561 (Hampe I Nr. 3851) geht hervor, daß Juvenel ein Empfehlungsschreiben Wilhelms dem Rat übergeben hatte. Darnach hatte der Erbgraf seinen künstlichen d. h. kunstreichen Paumaister Elias Tumpres nach Nürnberg empfohlen und dieser hatte in eigenem Schreiben seine Dienste der Stadt angeboten. Der Maler wurde nach dem Vorhaben und dem Begehren vernommen. Von beiden Künstlern wurden auch Kunststücke, Werke ihrer Hand, zur Besichti­ gung den Ratsherren vorgelegt. Am 14. VI. 1561 (Nr. 3854) sollte der Landgraf Wilhelm wegen der Dienste des niederländischen Archi­ tekten abschlägig beschieden werden. Die Stadt habe zur Zeit genügend Werkleute; wenn aber Dupre liieher kommen und hier wohnen wolle, so wären die Herren nicht dagegen. Er blieb weiter im Dienst des Landgrafen. 1562/63 war Dupre im Auftrag des Herzogs Erich II. von Calenberg am Schloßbau zu Hannoversch-Miinden und dann wieder am Kasseler Residenzschlofi tätig. Audi andere Empfehlungen des Erbgrafen Wilhelm am 23. II. 1562 nach Breda an den Prinzen Wil­ helm I. von Oranien-Nassau, den Statthalter von Holland, Seeland und Utrecht (1555—1584) sowie am 19. III. 1562 nach Kleve an den Herzog Wilhelm von Jülich, Kleve und Berg (1539—1592) blieben ohne Erfolg. Der niederländisdie Maler Nicolaus Juvenel d. Ä. wird auch Nico­ las Nicolai genannt (* vor 1540 zu Dünkirchen, f 1597 zu Nürnberg). In den Jahren zwischen 1550/54 war er an der künstlerischen Ausge­ staltung der Sdilösser Binche (erbaut 1545/49) und Mariemont (erbaut von 1548 an) bei Mons im Hennegau beteiligt, die von der General­ statthalterin der spanischen Niederlande Maria von Österreich-Ungarn (1530—1556), der Schwester des Kaisers Karls V., erbaut waren. Der Architekt Jacques Dubroeucq hatte diese Schlösser errichtet. 1554 wur­ den sie von den Franzosen zerstört. Mit anderen niederländischen Kalvinisten ging Nicolas Juvenel d. Ä. nach Deutschland und kam über Kassel in unsere Stadt. Nach dem Ratsverlafi vom 3. VII. 1561 (Hampe I Nr. 3855) wurde der Maler zum Bürger aufgenommen und ihm das Bürgerrecht sogleich geschenkt. Juvenel war Architektur- und Porträt­ maler. Bisher hatte er Architekturbilder und zwar Kirchen- wie Tem­ pelansichten mit biblischer Staffage in der Art der Niederländer Hans Vredemann de Vries, Hendrik van Steenwyck d. Ä. und Pieter Neefs d. Ä. gemalt. Diese Gemälde entsprachen freilich nicht dem Geschmack der Nürnberger Ratsherren. Nach dem Ratsverlafi vom 3. VII. wurde das verehrte Kunststück nicht angenommen und der Rat stellte es dem Maler anheim, das Werk zu seinem Nutzen zu verkaufen; mit der Zeit sollte er etwas anderes machen, damit dies der Stadt als Gegengabe

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In dem Nürnberger Kunstkabinett des Paulus Praun befanden sich von Juvenel ein Kircheninneres und ein allegorisches Gemälde der sieben freien Künste, die während einer Schlacht eingeschlafen sind und durch Merkur, den die im Olymp versammelten Götter herab­ senden, wieder aufgeweckt werden133). Die in niederländischer Art gemalten Architekturbilder Juvenels haben sich nicht erhalten oder sind bis jetzt nicht bekannt geworden. Juvenel soll in Nürnberg auch als Glasmaler tätig gewesen sein; diese durch Doppelmayr überlieferte Nachricht läßt sich nicht weiter belegen 134). In Nürnberg wurde Nicolas Juvenel d. Ä. nun Schüler seines Lands­ mannes Nicolas Neufchatel und infolgedessen Porträtmaler. In seinen Werken lehnte er sich eng an den Lehrer an. Ein Nachahmer Neufchatels — wahrscheinlich Juvenel — porträtierte den Schreibmeister und Mathematiker Stephan Brechtei d. Ä. (1523—1574) mit seinem Sohn, Leipzig Privatbesitz: Erben von Professor Ulrich Thieme. Das Gemälde setzt das Doppelbildnis Neudörfers von Neufchatel voraus. Diesmal ist der Vater dabei, seinem Sohn mit Hilfe von einem Zirkel und Zeichenblatt die Form des Polyeders zu erklären; der Sohn hat ein aufgeschlagenes Lehrbuch in den Händen 135). Im Besitz der Freiherren von Tücher, Nürnberg, befinden sich vier Porträts von Juvenel. Die Bildnispaare sind Kniestücke. Die zwei früheren Bildnisse stellen Hieronymus Schnitter im Alter von 46 Jah­ ren, der aus Görlitz stammte und 1547 Bürger in Nürnberg wurde (Pergamentenes Bürgerbuch Ms 299 S. 29), sowie seine Frau Justina geb. Nützei von Sündersbiihl im Alter von 47 Jahren dar. Die Ge­ mälde sind 1570 datiert136). Die Porträts des Stadtrichters Andreas Tücher (1551—1630) und seiner 1. Frau Barbara geb. Schnitter (f 1608) im Alter von 37 Jahren sind Spätwerke des Künstlers, sie sind 1590 und 1591 datiert. Der Patrizier ist in schwarzer Schaube mit braunem breiten Pelzbesatz und der weißen Halskrause dargestellt. Der Ein­ druck der gepflegten Haltung wird durch die lebendige sprechende Charakterisierung des Kopfes verstärkt. Die Frau trägt entsprechend der Zeit einen reichen Schmuck, eine doppelte goldene Kette auf dem schwarzen gemusterten Mieder und mehrere Ringe 137). 1572 malte Juvenel den Herzog Ludwig von Bayern, der als Kur­ fürst Ludwig VI. von der Pfalz dann 1576—1583 regierte. Das Bildnis ist im Besitz des Bayerischen Nationalmuseums München; bevor Peltzer die richtige Bestimmung traf, ging es als Art Neufchatels 138). Außer­ dem befinden sich in diesem Museum das Bildnis eines Rates und seiner Gattin, die bisher noch nicht identifiziert sind. Der Kunstmäzen und Sammler Hans Fugger (1531—1598) in Augs­ burg wollte schon 1572 einen oder zwei Malergesellen aus Nürnberg kommen lassen, damit sie ihm in Augsburg eine Galerie mit Gemälden in Wasser- oder Leimfarben ausmalten. Es geht dies aus einem Brief an den fuggerschen Faktor Carl Heel in Nürnberg vom 20. IV. 1572 hervor (Kopierbücher Hans Fuggers im fürstlichen Fuggerarchiv Augs­ burg). Es ist ungewiß, ob der Augsburger Patrizier damals einen Er­ folg in Nürnberg hatte. Bei einer Familienteilung erhielt nun Hans Fugger 1575 die alte Burg Kirchheim bei Mindelheim (Schwaben). Er 79

ließ den alten Bau abbrechen und 1578—1585 durch den Augsburger Stadtbaumeister Jakob Eschay einen Neubau errichten, um das Schloß als Stammsitz der von dem Erbauer Hans Fugger abzweigenden fuggerschen Linie repräsentativ auszugestalten. Die innere Ausstattung war nun ganz das Werk eines humanistisch eingestellten Sammlers. Im Jahre 1580 wollte Hans Fugger einen Porträtmaler bekommen, der mehrere Fugger porträtieren sollte. Aus zwei Briefen an den fuggerschen Faktor Philipp Römer in Nürnberg vom 30. I. und 9. II. 1580 (Kopierbiicher Hans Fuggers) erfahren wir, daß dieser den Maler Nicolas Nicolai empfohlen hatte139). Audi in den Nürnberger Rats­ verlässen wird Juvenel unter diesem Namen angeführt. Kurz darnach war Juvenel mit einem seiner Söhne — es war wohl der 1583—1599 in Straubing nadigewiesene Maler Nicolas d. J. — in Augsburg, wahr­ scheinlich um die Wünsche seines späteren Auftraggebers zu erfahren. Am 26. II. 1580 wurde der Maler — sicher von Augsburg aus — mit einem Empfehlungsschreiben Fuggers an den Herzog Wilhelm Y. den Frommen von Bayern (1579—1597) nach München gesdiickt, der sich im Januar 1580 bei Fugger nach einem Porträtmaler erkundigt hatte. Damals sdirieb Fugger am 19. I. nach München, daß in Augsburg, Nürnberg, Österreich und Tirol kein „künstlicher conterfetter“ für diese Arbeit zu finden sei. Nicolas Juvenel d. Ä. übersandte dann am 3. YI. 1580 von Nürnberg aus drei große Konterfäte des Herzogs Wil­ helm an den Münchener Hof, dafür wurden ihm nach den Hofzahl­ amtsrechnungen im Geheimen Hausarchiv München 150 fl. ausbezahlt. Jetzt wurde er auch mit seinem richtigen Namen „Niclas Juvenel von Nürnberg Bildnismaler“ genannt. Am 21. XII. 1580 schrieb Hans Fugger nodimals an Philipp Römer wegen eines Porträtmalers. Er brauche sonst als Maler nicht kunstreich, dafür aber als Conterfetter (= Porträtmaler) ein Meister sein. In Augsburg wäre kein Bildnismaler zu bekommen, fährt Fugger weiter, vielleicht könne in Nürnberg einer gefunden werden. Römer sollte aber nicht mit diesem verhandeln, sondern ein Gemälde zur Probe schicken, damit die Porträtkunst geprüft werden könne; außerdem sollte der Faktor die Höhe der Besoldung angeben. Warum hat Hans Fugger dies bei Juvenel nicht schon zu Anfang des Jahres selbst nach­ geprüft, oder wollte er einen anderen Maler haben? Es ist möglich, daß Fugger mit der Arbeit oder der Malweise Juvenels nicht zufrieden gewesen war. Daraufhin übersandte der Faktor ein Bildnis des baye­ rischen Herzogs Wilhelm V., das dem Sammler gefiel. Auf Grund der Briefe Fuggers an Römer vom 28. XII. 1580, 11. und 22. IV. 1581 wurde Ju­ venel nun von Ostern 1581 an für 5 bis 6 Monate verpflichtet. Er er­ hielt außer freier Wohnung und Kost 5 fl. in der Woche als Bezahlung. Im Mai des Jahres kam er nach Augsburg. Für die Galerie des Schlosses Kirchheim malte Nicolas Juvenel d. Ä. zahlreiche Porträts. In Augsburg entstanden vielleicht nur die Skizzen; denn der Maler hat in Nürnberg nachweisbar große Bildnisse nach kleinen Skizzen ausgeführt. Oder die Arbeit an den großen Porträts wurde geteilt. Für einige lagen fremde Vorlagen zugrunde. Im Jahre 1582 malte er die Frau des Marx Fugger, wie aus dem Brief des Hans Fugger an Römer vom 2. III. 1582 hervorgeht. Die gleichzeitig entstandenen Bildnisse des Jakob Fugger, eines Bruders des Auftraggebers, seiner Frau geb. II80

sungin von Trazberg und der drei Söhne haben dem Hans Fugger, wie ein weiterer Brief vom gleichen Tag, dem 2. III. 1582, zeiget, nicht gefallen. 1615 hingen diese Elternbildnisse, die 1581 datiert waren, noch in Kirchheim. Aus den Daten geht schon die Entstehung der Skizzen in Augsburg und vielleicht die Ausführung einiger Werke 1581 sowie die Fertigstellung der anderen Porträts in Nürnberg 1582 hervor. Mit einem Brief an Römer vom 15. VIII. 1582 übersandte Hans Fugger dem Maler eine Skizze mit dem Bildnis des türkischen Sultans, das Juvenel in dem gleichen Format der anderen Conterfette ausführen mußte. Alle Bildnisse für Kirchheim entstanden in der Zeit von 1581—1589. Im Schloß sind zahlreiche damals ausgeführte Porträts im gleichen For­ mat — hoch 1,05 m und breit 0,95 m — erhalten; einige sind 1581 datiert. Diese Gemälde werden mit Recht dem Nicolas Juvenel d. Ä. zugeschrieben. Besonders werden die Bildnisse des Auftraggebers Hans Fugger und seiner Gemahlin sowie des Hieronymus Fugger genannt, der in schwarzer spanischer Tracht dargestellt ist. Da sich Juvenel bei einigen Gemälden an fremde Vorlagen halten mußte, konnte er nicht frei schaffen und kein restlos befriedigendes Gesamtwerk zu­ stande bringen. Zwei Porträts der Fugger befinden sich noch bei Fürst Fugger-Babenhausen im Schloß Babenhausen. Am 23. IV. 1583 hatte Hans Fugger den Nürnberger Künstler noch­ mals dem Münchner Herzog für Porträtaufträge empfohlen, aber Wil­ helm V. ging nicht darauf ein. Die Bildnisse des Nicolas Juvenel d. Ä. zeigen im Gegensatz zu Neufchatel eine etwas steifere gezwungenere Haltung; die Farben­ gebung bevorzugt hellere und graugrüne Valeurs. In der Kaiserburg zu Nürnberg hatte Juvenel die Türe der unteren Halle zur Kaiserkapelle im sog. Heidenturm bemalt; Christus als Weltenrichter ist hier dargestellt. Die Gestalt ist in manieristischer Weise wiedergegeben. Die Zuschreibung an den Maler konnte noch nicht mit voller Sicherheit festgelegt werden, der Zusammenhang liegt aber nahe. Der Maler Nicolas Juvenel d. Ä. war am 1. VIII. 1597 gestorben. Er wohnte auf dem Neuen Bau, d. i. der Maxplatz. Aus den Verlässen der Herren Älteren vom 22. XII. 1597 geht hervor, daß Juvenel ein Gemälde in die Regimentsstube des Rathauses gegeben hat. Die Erben begehrten nun dafür ein recompens (eine Entschädigung), dafür wurde ein Gutachten von etlichen sachverständigen Malern eingeholt140). Des Malers Frau Clara (t 1611) wohnte später in der Bindergasse. Andere niederländische Maler Der Maler Cornelius von Andorf (= Antwerpen) darf nach dem Ratsverlaß vom 25. I. 1564 (Hampe I Nr. 3996) acht Tage seine Ge­ mälde unter dem Rathaus feilhalten. Der Familienname wird nicht genannt. Hampe vermutet nun im Thieme-Becker Künstlerlexikon, daß der Porträtmaler Cornelius Addir mit diesem Maler Cornelius identisch sein wird. Im Ratsverlaß vom 28. VI. 1594 (Hampe II Nr. 1335) richtete Susanna, die Witwe des Conterfetters Cornelius Addies, ein Gesuch an den Rat, daß sie noch zwei Jahre in Nürnberg ohne das 6

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Bürgerrecht wohnen könne. Daraus geht hervor, daß auch Cornelius Addir die gleiche Vergünstigung wie ein Teil der anderen Niederlän­ der besaß. Erst aus dem Eintrag von 1604 in den Ehebüchern der St. Lorenzkirche Nürnberg, nach dem Barbara die Tochter des Fiachmalers Cornelius Addir einen Flachmaler Lienhard Walz heiratete, geht die richtige Schreibart des Namens hervor. Der niederländische Maler Quirin von Kessel (Kissel) war aus Antwerpen nach Köln gekommen. Im Jahre 1568 wurde er hier wegen Gotteslästerung, Blasphemie und lästerlichen Reden gegen die katho­ lische Kirche in Haft genommen und dann ausgewiesen. 1572 tauchte dieser anscheinend etwas unruhige Geist in Nürnberg auf, nach dem Ratsverlaß vom 5. VIII. 1572 (Hampe II Nr. 77) durfte er ein Jahr ohne Bürgerrecht sitzen bleiben. In dem Ratsverlaß vom 17. I. 1577 (Nr. 262) heißt es, daß Kessel ohne Bürgerrecht hier sitze und doch einen eigenen Rauch halte sowie eigene Güter habe. Der Conterfetter von Andorf dürfe noch ein Jahr ohne Bürgerrecht in Nürnberg sitzen, wenn er die verflossene und die künftige Losungssteuer bezahle. Nur eine Zeich­ nung, die eine Szene aus dem Alten Testament darstellt, ist dem Maler zugeschrieben, sie gehört dem Kupferstichkabinett der Universität Göttingen 141). In Nürnberg dürfte Kessel vermutlich in der Art des Nicolas Juvenel d. Ä. gemalt haben, aber keine Gemälde seiner Hand haben sich bisher nachweisen lassen. Der Maler und Künstlerbiograph Karel van Mander (* 1548 zu Meulebeke bei Courtrai in Flandern, f 1606 zu Amsterdam) trat 1573 eine Reise nach Italien an. In Rom hielt er sich 1574/75 bis 1577 auf; 1577 weilte er in Kremsmünster (Niederösterreich) und wurde von dem Maler Bartholomäus Spranger (1556 bis nach 1625) nach Wien berufen, damit er an der Triumphpforte für Kaiser Rudolf II. mitarbeite. Dar­ nach kehrte Karel van Mander über Nürnberg nach Meulebeke zurück. Gerade die Reisenachrichten sind so selten und die Nachricht über einen Aufenthalt fremder Künstler in Nürnberg ist doch für den Zeit­ raum des Manierismus und des folgenden Barock aufschlußreich. Der Maler Pieter Schoubroeck (Schaubroeck, Schubruck) ist flämi­ scher Abkunft. Sein Vater, ein Pfarrer, ist 1566 in Frankenthal be­ zeugt und kam einige Jahre später nach Heßheim bei Frankenthal. Hier ist Pieter um 1570 geboren, im Jahre 1607 ist er in Frankenthal gestorben. In seinen Gemälden ist der Einfluß des in Frankenthal tätigen Gillis van Coninxloo (1544—1606) und des in Antwerpen leben­ den Jan Brueghel d. Ä. gen. Sammetbrueghel (1568—1625) zu erkennen; infolgedessen wird er, wenn es auch nicht bezeugt ist, ein Schüler des Coninxloo gewesen sein. Dann ging Pieter Schoubroeck um 1595 nach Italien. In' dem Kunstkabinett des Paulus Praun befanden sich sechs Gemälde von ihm 142). Plietzsch nimmt an, daß der Künstler sich auch in Bologna aufhielt, da Praun hier 1597 das Gemälde mit der Geburt Christi erwarb. Dabei ist nicht der Ort der Sammlung berücksichtigt; infolgedessen entfällt die Schlußfolgerung. Nach Murr kaufte Paulus Praun vom Künstler ein herannahendes Ungewitter, 1597 in Nürnberg gemalt. Die Zeit seiner Ankunft in der Reichsstadt Nürnberg ist bis jetzt aktenmäßig nicht festgestellt. Im Jahre 1598 hielt Schoubroeck sich in Frankenthal auf und heiratete hier am 6. II. Catharina Cay82

mox, die Tochter des früheren Kunsthändlers Cornelius Caymox d. Ä. aus Nürnberg, ln den Ratsprotokollen von Frankenthal sind verschie­ dene Eingaben des Malers enthalten, die von Nürnberg abgesandt wurden, ln der ersten vom 19. IX. 1599 ist er als Bürger von Nürnberg bezeichnet; er will den Erlaß der Erbschaftssteuer aus dem Nachlaß seines Schwiegervaters erreichen. Dies glückte ihm aber nicht, ln den Nürnberger Rats verlassen kommt Schoubroeck 1599 und 1600 vor. Am 13. XII. 1599 (Hampe II Nr. 1620) ist seine Frau als die Ehewirtin des Bürgers Peter Schaubrott angeführt. Am 30. IX. 1600 (Nr. 1697) heißt es, daß der Landschaftsmaler Peter Sdiaurpruckh sein Bürgerrecht auf­ gesagt hat. Nach dem Bürgerbuch gab er 1600 dieses Bürgerrecht auf. Der Maler ging von Nürnberg nach Frankenthal zurück. Im Paulus Praunschen Kunstkabinett befanden sich folgende Werke: 1) Yenus bittet den Jupiter, Email auf Kupfer. In der Tiefe sieht man die Flotte des Äneas sich entfernen. 2) Das Opfer des Priamos. 3) und 4) Zwei Szenen aus dem trojanischen Krieg, die ein Reitergefecht und die Einbringung des hölzernen Pferdes in die Stadt Troia darstellen. Nach dem Heinleinschen Katalog waren es Emailarbeiten. 5) Ein heran­ nahendes Ungewitter, auf Kupfer. 6) Die Geburt Christi wird von einem Engelschor den Hirten angekündigt, auf orientalischen Alabaster gemalt. Das 3., 4. und 6. Gemälde gelangte dann in das Anton Paul Heinleinsche Kunstkabinett Nürnberg 143). Werke aus der Nürnberger Zeit des Malers haben sich jedoch bisher nicht nachweisen lassen. Die anderen Landschaften geben nicht die natürliche Landschaft wieder, sondern sind phantastische und komponierte Wiedergaben, auf denen die einzelnen Versatzstücke zusammengestellt werden. Seen, Felsen und Berge sind komponiert, zahlreiche kleine Figuren sind aufgenom­ men, die Beleuchtung spielt eine große Rolle. Der Conterfetter und Flachmaler Conrad von der Maß aus Holland hat 1596 in Nürnberg gearbeitet. Nach dem Ratsverlaß vom 1. XII. 1596 (Hampe II Nr. 1458) richtete er eine Supplikation an den Rat, daß er noch länger seine Arbeit fortsetzen und fertigen müsse. Die verordneten Yorgeher und die anderen Konterfetter wie Flachmaler hatten einen Gegenbericht eingereicht, daß diese Supplikation wider die Ord­ nung sei. Infolgedessen wurde dem Niederländer sein Begehren abge­ schlagen und ihm bedeutet, daß er sich an einen anderen Ort begeben solle. Graphik

Der Briefmaler Simon Dumper (Dimper, Dumpei, Dumpner, Duncker) ist in den Ratsverlässen von 1561—1573 erwähnt. Nach Hampe stammt der Graphiker vielleicht aus Holland. Im Ratsverlaß vom 24. X. 1561 (Hampe I Nr. 3868) wurde ihm das erbetene Bürger­ recht abgelehnt. Erst bei der Wiederholung 5 Jahre später wurde Dumper, nachdem er den üblichen Betrag bezahlt hatte, nach den Ratsverlässen vom 28. V. und 6. VI. 1566 (Nr. 4102—4103) zum Bürger an­ genommen. Nach Ms 308 fol. 85v wurde Dumper am 17. VI. 1566 Bürger. Seine Tätigkeit erstreckte sich auf die Illustrierung der „Neuen Zei­ tungen“ und Flugblätter dieser Art, oder er kolorierte nur die Holz­ schnitte. Der Ratsverlaß vom 1. IX. 1568 (Nr. 4177) lehnte sein Be6

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gehren ab, neue Zeitungen zu drucken. Ebenso wurde ihm am 25. IX. 1573 (Hampe II Nr. 131) sein Begehren, daß er einen Verkaufsstand auf der langen Brücke erhalte, abschlägig beschieden. Seine Frau Bar­ bara ist noch 1576 erwähnt, er selbst war wohl in der Zwischenzeit verstorben. 1568 wird der Lehrjunge Friedrich Gut (Gute, Guten?) aus Holland bei Simon Dumper erwähnt. Nach dem Ratsverlaß vom 30. IX. (Hampe I Nr. 4179) soll Gut im Lazarett aufgenommen und behandelt werden; nach der Genesung soll sein Meister ihn bei sich behalten. Der Bildhauer Johann Gregor von der Schar dt Der niederländische Terrakottabildhauer und Bronzegießer Johann Gregor von der Schardt heißt auch in den Aufzeichnungen der Zeit du Sart, del Sart, del Sarto, Jan de Zar (* um 1530 zu Nymwegen). In den sechziger Jahren studierte er längere Zeit in Rom und wahrschein­ lich auch in Florenz. In diesen beiden Städten muß er besonders antike Statuen kopiert haben. Er hatte dort seinen Namen Giovanni Fiamengo erhalten, durch den in der wissenschaftlichen Literatur schon einmal große Verwirrung in der richtigen Erkenntnis angerichtet wurde. Spä­ testens 1568 kam von der Schardt nach Venedig, kurze Zeit arbeitete er 1568/69 in Bologna. Dann war er in Wien und 1570/87 in Nürnberg tätig. Sein Todesdatum ist nicht bekannt. Johann Gregor von der Schardt gehörte zu den niederländischen Bildhauern, die als die nieder­ ländischen Klassizisten gerade die römische Kunst nach Deutschland brachten. Bei einzelnen seiner Arbeiten lassen sich die Zusammen­ hänge mit den Werken italienischer Bildhauer nach weisen. Der Gesandte Österreichs in Venedig, Veit von Dörnberg, empfahl den Bildhauer Johann Gregor von der Schardt 1569 an den Kaiserhof. Am 16. VI. reiste er von Venedig nach Wien und traf bald darnach in der Kaiserstadt ein. Kaiser Maximilian II. (1564—1576) hatte ihn berufen und übertrug ihm mehrere Aufträge. Schardt arbeitete für die Schloß- und Gartenanlage an der Donau, das sogenannte Neugebäude oder den Fasanengarten. Auch für die kaiserlichen Schlösser in Wien schuf er verschiedene Werke. Darauf ging Schardt nach Nürnberg 144). Auch nach seiner Ankunft in der Reichsstadt hatte der Bildhauer noch für den Kaiser Maximi­ lian II. zu tun. Am 31. XII. 1570 empfing ihn der Herrscher in Nürn­ berg, verhandelte mit ihm über eine Arbeit und ließ ihm 50 fl. rhei­ nisch ausbezahlen. Dies geht aus einem Eintrag in der HofzahlamtsRechnung 1570 fol. 875 hervor (Wien Nationalbibliothek Regest Nr. 5228). Bei dem Empfang war auch der Goldschmied Wenzel I Jamnitzer (1508—1585) dabei. Am 1. VII. 1571 empfahl der Kaiser in einem Schreiben an seinen Venetianer Gesandten Veit von Dornberg „seinen Bildhauer Joannes Gregorius de Sarto, der wegen einiger Angelegen­ heiten nach Italien reise“ (Wien Haus-, Hof- und Staatsarchiv Conc. Pap. Venezianische Akten, Regest Nr. 8891) 145). Schardt war aber nur kurze Zeit in Italien; denn in Nürnberg ist 1572 ein Kauf von ihm nachgewiesen. 84

In Nürnberg war Johann Gregor von der Schardt zunächst für den bekannten Sammler Willibald Imhoff d. Ä. (1519—1580) tätig. 1570 schuf der Bildhauer die Terrakottabüste des Patriziers, Berlin Deut­ sches Museum. Die lebensgroße Halbfigur, Höhe 81,5 cm, ist farbig gefaßt; die Malerei ist jetzt etwas ergänzt (ausgebessert). Die untere Platte ist z. T. mit Gips ergänzt. Der Dargestellte trägt ein Wams, an dem hohen Halskragen ist die kleine weiße Krause befestigt. Über dem Wams kam die mit schwarzen Puffärmeln versehene schwarze Schaube hinzu. Der lange schwarze Bart fällt auf die Schaube herab. In seiner erhobenen linken Hand, die ergänzt ist, hält Imhoff einen Ring, den er aufmerksam betrachtet; ein Hinweis auf seine Sammlereigenschaft. „Das ander vnkost puch meyner haußhaltung 1564—1578“ in der Stadt­ bibliothek Nürnberg enthält den wichtigen Eintrag des Besitzers vom Jahre 1570: „6. August zaltt Meister Jan de Zar von Neumegn von meiner Contrafectur ... 22 fl. 5 kr. 18 pf.“ Neumegn ist Bezeichnung für Nymwegen. In dem Nachlaßinventar Imhoffs 1580 wird die Figur beschrieben: „Item des herrn Willibalden Imhofs seeligen bildtnuss vnd lebendige förmliche gestaldt biss uf den halben leib von Meister Jan gemacht umb fünf und zwaintzig gülden.“ Das Inventar ist im Original im freiherrlich von Imhoffschen Familienarchiv Nürnberg er­ halten. Eine Abschrift, die von dem Modisten, dem Schreib- und Re­ chenmeister Paul Frank (nachgewiesen seit den 70er Jahren des 16. Jh.) auf Pergament hergestellt ist, und ein weiteres Bruchstück befinden sich im Archiv des Germanischen Nationalmuseums148). Später kam die Terrakottabüste der Frau Anna Imhoff geb. Harsdörffer (1528—1601, 00 1545) dazu, Berlin Deutsches Museum. Die Höhe dieser Büste be­ trägt aber im Gegensatz zur anderen nur 65.5 cm (ohne das spätere Holzbrett). Die Frau hat ein schwarzes enges Kleid mit steilem Kragen und Halskrause an, über dem Rock liegt die schwarze Schürze und um die Taille ist ein schmaler Lederriemen angedeutet. In den beiden Händen hält sie ein Gebetbuch und sie hat als Schmuck eine Halskette umgelegt, die allerdings nur mit Goldfarbe aufgemalt und nicht pla­ stisch aufmodelliert ist. Die Bemalung der Figur ist z. T. ausgebessert. Die weibliche Büste ist weder in dem Unkostbuch noch in dem Nach­ laßinventar aufgeführt. Daraus und aus der unterschiedlichen Höhe wurde immer wieder der Schluß gezogen, daß dieses Werk erst nach dem Tod des Mannes 1580 entstanden ist. Diese Datierung braucht aber nicht zwingend sein und die Entstehungszeit könnte trotzdem in die Nähe des Jahres 1570 gerückt werden. Vielleicht ist es aber doch rich­ tig, zunächst an der bisherigen Datierung festzuhalten. Die beiden Porträtbüsten blieben im Besitz der Familie und wurden dann im 19. Jahrhundert von dem preußischen Generalkonsul Julius Freiherrn von Minutoli (Liegnitz) aus dem Imhoffschen Haus am Egidienberg Nürnberg erworben. Sie sollen aus der Kapelle dieses Hauses stammen. 1858 wurden die wertvollen Tonbüsten auf der Auktion des Heinrich Freiherrn von Minutoli versteigert und gingen in den Besitz der könig­ lichen Museen zu Berlin über147). Im Jahre 1572 erwarb Willibald Imhoff d. Ä. von dem Bildhauer eine Gruppe der Meergöttin. Nach dem Unkostbuch war es „das weibspild von Jan de Zar mit dem kindlein, Fortuna maritima“, das 32 fl. 1 kr. 12 pf. kostete. Die späteren Inventare der Imhoffschen Sammlung 85

schätzten das Werk nur mehr auf 12 fl.; es ist in ihnen unter dem Titel „ein meergöttin von gipfi geprandt von maister Jan“ beschrieben. Erhalten hat sich die Gruppe nicht oder sie ist nicht nachweisbar. Der Kaiser Maximilian II. hatte bei dem Goldschmied Wenzel I Jamnitzer einen Tafelaufsatz in der Form eines Tischbrunnens bestellt, der als „Lustbrunnen“ bezeichnet wird. Mit diesem Auftrag dürfen wir sicher die oben erwähnte Verhandlung des Kaisers am 31. XII. 1570 mit Jamnitzer und Schardt in Zusammenhang bringen. Wenzel I Jam­ nitzer (* 1508 zu Wien, f 1585 zu Nürnberg) übersiedelte 1534 nach Nürnberg und wirkte hier bis zu seinem Tod als einer der erfolgreich­ sten Goldschmiede. Eine eingehendere Besprechung des Tafelaufsatzes ist wegen der stilistisch erschlossenen Mitarbeit des Johann Gregor von der Schardt notwendig. Mehrfach hatte der Herrscher bedeutende Mengen Silber, dann Dukaten zum Vergolden und auch höhere Geld­ beträge angewiesen. Erst unter der Regierung des Kaisers Rudolf II. (1576—1612) wurde der Tischbrunnen fertiggestellt. Der Auftraggeber hatte 6606 fl. 36 kr. bezahlt und Rudolf hatte noch den Betrag von 2232 fl. 28 kr. zu erlegen. Nach der Vollendung des Brunnens wurde dem Goldschmied durch Gnadenerlaß eine lebenslängliche jährliche Provision von 80 rheinischen Gulden wegen der „getreuen, vleißigen und muehsamen Dienst“, die er dem verstorbenen und jetzt dem re­ gierenden Kaiser geleistet habe, zugesprochen. Der Ratsverlaß vom 7. VIII. 1578 erlaubte dem Goldschmied, daß er sich mit seinem aus­ geführten Brunnenwerk zum Kaiser Rudolf II. nach Prag begeben dürfe. Dem Tischbrunnen lag entsprechend der Einstellung dieser Zeit ein außerkünstlerischer, literarischer Gedanke zugrunde. Die verschie­ denen Elemente und Künste sollten gleichsam symbolisiert und in der Gestalt einer Krone sollte dann die Idee der höchsten Macht auf Erden vergegenwärtigt werden. Der Herzog Ferdinand von Bayern teilte seinem Vater, dem regierenden Herzog Albrecht V. dem Großmütigen von Bayern (1550—1579), am 30. XI. 1578 in einem Briefe seine Ein­ drücke über diesen Brunnen mit (München Bayerisches Hauptstaats­ archiv, Fürstensachen Tom. XXVI). Daraus geht hervor, daß Jamnitzer den Brunnen mitsamt einem großen Bild aus Wachs nach Prag gebracht hatte und daß das Werk „künstlich und schön und Alles von Silber“ sei. In einer heute verschollenen Beschreibung des 16. Jahrhunderts aus Nürnberg, die 1843 abgedruckt ist, findet sich die früheste ausführ­ liche Besprechung des ganzen Werkes. — Ein Altdorfer Student, wahr­ scheinlich ein Mitglied der Nürnberger Patriziatsfamilie Kreß von Kressenstein hat 1640—1642 in einer Handschrift (Bibliothek des Ger­ manischen Nationalmuseums Nürnberg) die interessanten Eindrücke einer Reise nach Regensburg, Passau, Wien und Prag aufgeschrieben. Hierin nennt er den Brunnen in der kaiserlichen Burg zu Prag als einen reichen und großartigen Tafelaufsatz. Zu den einzelnen Teilen des Werkes waren neben den Edelmetallen Gold und Silber auch Bronze sowie unedle Metalle verwendet. Der Aufbau zeigte die Ge­ stalt einer Krone. Die Hohe betrug 10 Fuß und die Breite 5 Fuß; nach dem Nürnberger Stadtschuh umgerechnet war die Höhe 3,07 m und die Breite 1,535 m. Vier allegorische Figuren der Jahreszeiten aus Erz 86

trugen den Aufsatz. Der Frühling ist als Flora, der Sommer als Ceres, der Herbst als Bacchus und der Winter als Vulkan charakterisiert. Sie waren durch Attribute gekennzeichnet, die sie immer der vorhergehen­ den Figur darzureichen schienen. Zwischen den Jahreszeiten stand ent­ weder nur einmal oder auch in vierfacher Wiederholung ein Löwe mit dem österreichisch-burgundischen Wappenschild. Darüber war als Basis des ganzen Aufbaues eine Plattform angebracht, auf der im Innern der Krone Cybele und Neptun mit ihren Attributen als Verkörperung von Land und Wasser zu sehen waren. Der Meeresgott stand auf einer Mu­ schel, die von Nilpferden herumgeführt wurde, wobei er noch mit aller­ lei Meeresungeheuern kämpfte. Der äußere Rand war mit Gold- und Silberstufen belegt, auf dem Boden waren Naturabgüsse von Kräutern und Blumen in Gold und Silber angebracht. Dazwischen lagen die vier Hauptfliisse Europas: die Donau, der Rhein, die Elbe und der Tiber, deren Quellen von Nymphen bewacht wurden und an deren Mündungen eine Schleif-, Stampf-, Säge- und Hammermühle aufgestellt waren. Zu den beiden Göttern Cybele und Neptun kam noch Merkur als Beherr­ scher der Luft hinzu; er schwebte an einem goldenen Stern hängend zwischen zwei Wolken. Die Verbindung zu den anderen Figuren ist nicht recht ersichtlich. Merkur hielt ein Schriftband: „Auspice me Rex arma capis. facis auspice pacem“. Darunter waren an einer Wolke die vier Winde und darüber vier Engel mit Lorbeerkränzen und Spruch­ bändern angebracht. Zwischen den Wolken war noch verschiedenes Ge­ flügel zu sehen. Über der Krone stand eine Himmelssphäre, die den Lauf der beiden Gestirne Sonne und Mond angab. Darum waren die vier Erzengel Michael, Gabriel, Uriel und Raphael mit ihren Attributen gestellt, zwischen ihnen schwebten vier junge Adler mit Szeptern. Dies war ein Hinweis auf das heranwachsende Fürstengeschlecht und beson­ ders auf das österreichische Haus. Ein großer Adler auf der Himmels­ sphäre trug den mit dem Blitz verkörperten Jupiter; das Tier stellte die Monarchie und oberste Herrschaft dar, Jupiter dagegen charakterisierte den Herrscher selbst. Zuletzt wurde das kaiserliche Regiment verkör­ pert: außen um die Bügel der Krone waren die vier Monarchien durch Ninus, Cyrus, Alexander den Großen und Maximilian II. sowie durch die Reichsstände gekennzeichnet, die sieben Kurfürsten, vier Herzoge, vier Markgrafen, vier Burggrafen, Landgrafen. Grafen, Ritter, die Städte. Dörfer und Bauern bildeten die einzelnen Vertreter. Vier Sterne bewegten sich um die Häupter der vier Monarchen. Durch einen Mecha­ nismus muß das Werk künstlich betrieben worden sein, wie aus den Berichten des 16. und 17. Jahrhunderts hervorgeht. Der Goldschmied Wenzel Jamnitzer hatte durch den Lauf des Wassers bewirkt, daß bei aufgezogenen Registern zwei weltliche Tänze „Rolandt und Pickel­ hering“ durch Cymbeln gespielt wurden. Mit einem Teil der Sammlungen des Kaisers Rudolf II. kam der Lustbrunnen nach Wien in die Schatzkammer der kaiserlichen Hofburg. Der Generaldirektor der Schatzkammer Josef Angelo de France ließ den Tafelaufsatz 1747 einschmelzen und zerstörte dadurch ein charak­ teristisches Werk des Manierismus. Aus dem Erlös des Materials wurde z, T. die Neueinrichtung der Schatzkammer unter der Kaiserin Maria Theresia bezahlt. Nur die vier Jahreszeitenfiguren blieben erhalten und bilden heute den einzigen Rest eines für die Zeit so bedeutenden 87

Kunstwerkes. In dem Inventar der Schatzkammer von 1750 fol. 588 und 592 sind noch diese vier Jahreszeiten als „nichts besonderes“ angeführt. 1889 wurden sie dem Hofmuseum überwiesen. Diese feuervergoldeten Gelbgüsse des Kunsthistorischen Museums haben eine Höhe von 70, 7—71, 8 cm. Die Figuren sind als Akte gege­ ben; sie stehen je auf einem mit Akanthusblättern verzierten Posta­ ment und haben auf den Köpfen ein Kapital. Als Frühling ist die Flora dargestellt, in der Rechten hält sie einen Blumenstrauß und in der Linken einen Blütenzweig. Der Sommer ist die Ceres mit dem Füllhorn in der Linken und einem Stengel in der Rechten. Der Herbst wird durch den Bacchus verkörpert, dessen Haupt mit Weinlaub umkränzt ist; in der Rechten hält er eine Traube und in der Linken einen mit der Weinranke umwundenen Stab. Der Winter ist als bärti­ ger Vulkän charakterisiert, in seiner Rechten hält er eine Baumschere und mit der Linken stützt er sich auf einen langen Stab, der oben in einer brennenden Fackel endet. Auf der Baumschere ist das Meister­ zeichen Wenzel Jamnitzers — ein Löwenkopf — eingeschlagen und auf dem Sockel des Sommers eine dreieckige Marke mit der Initiale W angebracht. Eine etwas veränderte Replik des Frühlings befand sich in Wien, Sammlung (Nathaniel) Rothschild. Die Modelle zu den Figuren werden mit Recht dem Bildhauer Johann Gregor von der Schardt zugeschrieben. Es ist auch sonst bei Wenzel Jamnitzer nachgewiesen, daß ihm Bildhauer bei seinen Arbeiten geholfen haben. Die Jahreszeiten stimmen in der Aktbehandlung und im Auf­ bau mit den später noch zu besprechenden Figuren des niederländischen Bildhauers überein. Außerdem weisen die Jahreszeiten in der Art ihres Aufbaues und ihrer Haltung auf manche Werke der italienischen Bild­ hauer des Manierismus hin. Zu nennen ist der 1571—1574 entstandene Neptunsbrunnen des Bildhauers und Architekten Bartolomeo Ammanati (1511—1592) auf der Piazza della Signoria zu Florenz. Auch die Arbeiten des Bildhauers und Architekten Jacopo d’Antonio Tatti gen. Jacopo Sansovino (1486—1570) und seines Schülers, des Bildhauers Danese (di Michele) Cattaneo (um 1509—1579) sind anzuführen. Daraus ergibt sich die italienische Schulung des Niederländers Johann Gregor von der Schardt. Auch die Modelle zu den anderen Teilen des Lust­ brunnens waren sicherlich von Schardt geschaffen.148) Für den bekannten Sammler Paulus Praun (1548—1616) hat Schardt gearbeitet. Die Terrakotten des Kabinetts umfaßten 171 Nummern. Nach den Angaben Murrs ist der größte Teil dieser Arbeiten als Werk des Johann Gregor von der Schardt anzusehen. Betrachten wir das Material genauer, so zeigt sich hier der Werkstattbestand eines Bildhauers aus dem Zeitalter des Manierismus. Die zahlreichen Kopien der antiken Statuen in Rom und Florenz beweisen dies. Unter ihnen befindet sich ein Merkur, eine Pallas Athene, der Laokoon, die mediceische Venus, die Rosse vom Monte Cavallo, der farnesische Herkules Und der Torso des Belvedere. Ferner waren die Kopien nach Michelan­ gelos Bildwerken von den Medicigräbern in der Neuen Sakristei von San Lorenzo Florenz und von anderen Arbeiten dieses Bildhauers dabei. Auch die Vorwürfe von Gemälden des Michelangelo waren in 88

Plastik umgesetzt. Die für einen Bildhauer so wichtigen Teile und Glieder des menschlichen Körpers — insgesamt 50 Stück — befanden sich unter diesen Terrakotten. Dazu kamen noch religiöse Szenen und Porträts. Peltzer vermutet nun, daß Paulus Praun entweder von seinem Wohnsitz Bologna aus die in Italien entstandenen Arbeiten Schardts gekauft oder in Nürnberg den Nachlaß des Bildhauers erworben hat149). Später kamen 41 Figuren in das Anton Paul Heinleinsche Kunstkabinett Nürnberg. Nach den Angaben eines Katalogexemplars der Versteige­ rung 1832 gelangten sie in Nürnberger und auswärtigen Privatbesitz. Vor ca. 15 Jahren kamen wiederum Teile des ursprünglichen Bestandes auf einer Versteigerung in London zum Vorschein. Ein Tonrelief des 32jährigen Paulus Praun entstand im Jahre 1580. Das Germanische Nationalmuseum erhielt 1940 als Depositum der von Praunschen Familienstiftung Nürnberg ein Exemplar. Das Rund zeigt den Kaufherrn im Brustbild und Profil nach rechts: das Un!ergewand hat weiße Ärmel, darüber liegt das schwarze spanische Wams, die weiße gefältelte Halskrause rahmt das eindrucksvoll wiedergegebene Gesicht ein. Der Grund ist grün glasiert. Der Durchmesser beträgt 0.235 m; links steht die erneuerte Bezeichnung ANNO 1580. Nach einer älteren Aufschrift auf der Rückseite „Johannes Bologna“ ging das Relief früher als Arbeit des niederländischen in Bologna tätigen Bildhauers Giovanni da Bologna (um 1524—1608). Das Museum vaterländischer Altertümer im Schlofimuseum Stuttgart besitzt ein gleichartiges bemal­ tes Tonrelief, dessen Durchmesser 0,23 m beträgt. Links steht die gleiche Signatur ANNO 1580: eine spätere Aufschrift auf der Rückseite be­ zeichnet den Dargestellten schon als Paul Praun. Die richtige Zuschrei­ bung an den Künstler Johann Gregor von der Schardt stammt von Bange, der allerdings das Stuttgarter Porträtmedaillon mit Nr. 84 „Un Portrait peint 1580“ der Terrakottaarbeiten des Murrschen Kataloges 1797 identifizieren wollte. Dieses Exemplar gelangte in das Kunst­ kabinett Anton Paul LIeinlein Nürnberg 15°). Von den zwei übereinstim­ menden Tonreliefs war das zweite damals im Besitz der Familien Praun; vielleicht gehörten beide dem Praunschen Kunstkabinett. Das Germa­ nische Nationalmuseum besitzt seit 1860 noch ein weiteres Exemplar aus nürnbergischem Besitz. Allerdings macht dieses Relief keinen ver­ trauenswürdigen Eindruck und die Vermutung, daß es eine Fälschung sein könnte, verdichtet sich mehr und mehr. Paulus von Praun besaß in seinem Kabinett auch acht Bronzen des Bildhauers Giovanni da Bologna. Ein weiteres diesem zugeschriebenes Werk ist vielleicht eine Arbeit des Bildhauers Adriaen de Vries (um 1560—1626). Außerdem soll Praun auch die Porträtbüste des Bildhauers Giovanni da Bologna, Ton und bemalt, von der Hand des Schardt beses­ sen haben. Murr führt sie als Büste d’ homme an. Darauf gelangte sie wieder in das Kunstkabinett Anton Paul Heinlein Nürnberg. Auf der Versteigerung 1832 wurde die Büste von dem Sammler Oberst Karl Emil von Gemming in Nürnberg erworben und ist seither verschollen. Peltzer schreibt sie vermutungsweise dem Johann Gregor von der Schardt zu 151). Die bemalte Tonbüste des Königs Friedrichs II. von Dänemark und Norwegen (1559—1588) befindet sich in dem einen Exemplar im Deut89

sehen Museum Berlin. Audi diese Plastik wurde wie die beiden Imhoffbüsten von dem preußischen Generalkonsul Julius Freiherrn von Minutoli, Liegnitz, aus dem Imhoffschen Haus in Nürnberg erworben. In dem Katalog der Sammlung Minutoli wird die Herkunft aus dem Praunschen Kabinett angegeben. Jedoch erscheint es nicht recht glaubhaft, daß die Imhoffsche Familie im 19. Jahrhundert ihren Kunstbesitz durch einen Ankauf aus dem Praunschen Kabinett bei dem Kunsthändler Johann Friedrich Frauenholz oder auf der Auktion vermehrt hätte. Alexander Freiherr von Minutoli. Liegnitz, hat 1876 das Werk an die Berliner Museen verkauft. Der König (* 1534) ist ungefähr im Alter von 40 Jahren porträtiert. Die Büste zeigt den Ausschnitt über der Brust; Plattenharnisch und Halskrause sind zu sehen. Die Charakteri­ sierung des Kopfes ist gut getroffen. Hoch 0,36 m ohne das alte vergol­ dete und bemalte Holzpostament, das nicht dazugehört152). Ein zweites Exemplar der Büste lieferte Schardt an den König Friedrich II. von Dänemark und Norwegen; hierauf wird noch einzugehen sein. Eine mit den bisher besprochenen Büsten zusammenhängende Por­ trätbüste im Mauritshuis den Haag wurde mit Recht von A. E. Brinckmann als vermutliches Frühwerk des Bildhauers angesprochen. Die Büste ist an der Brust abgeschnitten und zeigt ein bärtiges ausdrucks­ voll behandeltes Gesicht, das von der Halskrause eingefaßt wird 153). Zwei runde Medaillonreliefs in Ton 1580 schließen sich den Porträt­ reliefs des Paulus Praun an; sie befanden sich in der Sammlung Dr. Friedrich Wilhelm Lippmann Berlin. Audi hier sind männliche Brust­ bilder dargestellt. Das eine mit einem bärtigen Kopf wurde 1912 vom Kaiser Friedrich Museum Berlin erworben und kam darnach in das Deutsche Museum. Der Durchmesser beträgt 0,285 m; links steht die Bezeichnung und Datierung AETATIS. SVAE. XXXIX. ANNO. MDLXXX. Das zweite, etwas kleinere Relief mit dem Durchmesser 0,23 m, stellt einen jüngeren Herrn als den vorhin genannten dar. Der Besitzer dieses Stückes ist z. Z. nicht bekannt. In der Sammlung Lipp­ mann ging das erstere als Nürnberg vielleicht Georg Labenwolf 1580 und das zweite als Nürnberg Ende 16. Jahrhunderts 154). Die Zusammen­ gehörigkeit wurde zwar in thematischer, aber nidit in künstlerischer Beziehung erkannt. Auch die Bronzearbeiten des Praunschen Kabinettes stammen zum Teil von dem Niederländer Johann Gregor von der Schardt. Mit ihnen hängen andere Werke zusammen. Das Nationalmuseum Stockholm besitzt eine Bronzestatue des Mer­ kur155). Der nackte Gott steht auf einer Bodenplatte; er trägt an den Füßen die geflügelten Sandalen und auf dem lockigen Haar den Petasus, den mit Flügeln versehenen Hut. In der gesenkten Rechten hält der Gott den Griff des abgebrochenen Caduceus, des Stabes; seine Linke ist erhoben. Die Figur ist I. G. V. S. F signiert, die Bezeichnung ist in Jan Gregor Van Sart Fecit aufzulösen. Die Höhe beträgt 1,15 m. Nach Julius von Schlosser war die Stockholmer Statue zuerst im Besitz des Kaisers Rudolf II. (1576—1612), sie ist also wohl in dessen Auftrag in Nürnberg entstanden und gegossen. Das Werk wurde dann von den Schweden im Dreißigjährigen Krieg entführt. Darauf befand sich die 90

Figur in der Sammlung der Königin Christine von Schweden (1632— 1654, f 1689) Stockholm. Im Praunschen Kabinett ist eine bronzene Statue des Merkur nach­ gewiesen, die 1,064 m hoch war. Vermutlich sind die beiden Stücke nach dem gleichen Modell gegossen; denn der kleine Maßunterschied will nicht viel besagen, es kann die Angabe bei Murr und infolgedessen auch die Maßumrechnung nicht ganz stimmen. Nach dem Katalog des Kunstkabinettes Anton Paul Heinlein Nürnberg Nr. 245 ist ein Bronzeguß des Merkur, der nach der Terrakotta der Sammlung Praun gegossen ist, im Besitz des Grafen von Schönborn. Zwei Exemplare einer kleineren Merkurstatuette, die 0,53 m hoch sind und vollkommen übereinstimmen, haben sich in Wien Kunsthisto­ risches Museum als alter Habsburger Besitz und in Stuttgart Schlofimuseum, Kunstkammer aus dem Besitz des Herzogs Eberhard III. von Württemberg (1628—1674) erhalten. Diese Figuren sind Reduktionen des größeren Exemplars in Stockholm; diesmal ist der Caduceus vor­ handen. Es geht aber nicht an, die größere Figur als spätere etwas flauere Arbeit zu charakterisieren, wie es Julius von Schlosser tat. Die Statue des Merkur ist mit den Arbeiten der Florentiner Manieristen, die um die Mitte des 16. Jahrhunderts tätig waren, verwandt. Zu dem Stuttgarter Merkur gehört die Pallas Athene im Privatbesitz London. Nach der Literatur stammt sie aus dem gleichen Besitz und also auch aus der württembergischen Kunstkammer; sie kam wohl im 19. Jahrhundert in den Kunsthandel und dann in den ausländischen Besitz. Die unbekleidete Göttin steht auf einer Bodenerhebung und hat den rechten Arm hoch erhoben. Paulus Praun besaß eine Pallas Athene, die 0, 456 m hoch war. Wieder ist der Zusammenhang der Figuren ge­ geben. Die Statuetten in Wien, Stuttgart und London wurden bei den ersten Besprechungen in der fachwissenschaftlichen Literatur der Schule des Bildhauers und Goldschmiedes Benvenuto Cellini (1500—1571), ihm selbst, einem venetianischen Bildhauer und Nachfolger des Jacopo Sansovino d’Antonio Tatti gen. Jacopo (1486—1570) bzw. diesem zuge­ schrieben. Auch daraus geht der stilistische Zusammenhang der Werke mit den Arbeiten der italienischen Bildhauer hervor. Der Katalog des Kunstkabinetts Anton Paul Hein lein Nr. 246 weist darauf hin, daß Schardt die Pallas nach der Terrakotta der Sammlung Praun in kleine­ rem Maßstab goß. Das Germanische Naticnalmuseum Nürnberg erwarb 1943 aus dem Kölner Kunsthandel eine Bronzegruppe des Perseus und der Andro­ meda, hoch 0,43 m und breit 0,355 m. Mit den besprochenen Einzelfiguren bestehen die engsten Übereinstimmungen. Rechts sitzt auf einer Boden­ erhebung die auf einem Felsen ausgesetzte Königstochter Andromeda, sie trägt eine Krone mit spitzen Zacken. Mit emphatischen Gesten be­ grüßt sie den von links herangeeilten Perseus, der seinerseits die Ge­ stensprache der Befreiung durch seine Armhaltung unterstreicht. Zu den geflügelten Sandalen und dem gleichartigen Hut ist ein flatterndes Mäntelchen, das ihm auf dem Rücken hängt, sowie ein Henkelkrug an der linken Seite hinzugefügt. Die Untersuchung der Gruppe ergab, daß 91

der Kopf des Perseus einmal abgebrochen war. Am Hals befindet sich die Bruchnaht, der Kopf ist dann wieder mit Blei befestigt. Audi an der Brust der Figur befinden sich einige beschädigte Stellen der Gußhaut. Die Gruppe ist unbezeichnet. Die Kölner Zuschreibung an Schardt stützte sich auf die bekannten Merkurstatuen. Im Museum wird die Gruppe jetzt als ein französisches Werk des 17. Jahrhunderts angespro­ chen und als Merkur und Herse, die Tochter des urattischen Land­ gottes Kekrops gedeutet. Außer den beiden Bronzen des Merkur und der Pallas Athene besaß das Praunsche Kabinett ein Kruzifix, das einen aus Gestein gebildeten Untersatz hatte 156). Unter den anonymen Bronzen der Sammlung waren vielleicht noch weitere Werke unseres Bildhauers vertreten. Praun besaß zahlreiche Bronzen, die entweder antike Originale oder doch Kopien aus dem 16. Jahrhundert waren. In dieser Nürnberger Sammlung befand sich angeblich von Nicolas Neufchatel ein Porträt des Bildhauers Johann Gregor von der Schardt, das ihn im Alter von 43 Jahren darstellte und 1573 geschaffen war. Die Datierung lautete: aet. 43 A. 1573. Als Format war die Rundform ge­ wählt. Die Zuschreibung von Murr kann nicht das Richtige treffen; denn Neufchatel war seit 1567 aus Nürnberg weggezogen und wir haben keine weitere Kunde von seinem späteren Leben und seiner Tätigkeit. Außerdem ist das Rundformat für diesen Maler ungewöhnlich. Das Gemäldedürfte das Werk eines in der Richtung Neufchatels arbeitenden Nürnberger Malers sein. Das Kabinett besaß noch ein Porträt des Bild­ hauers Schardt von dem in Nürnberg tätigen Niederländer Hans Hoffmann, das 1581 datiert war 157). Dieses Bildnis würde für die Künstler­ geschichte sicherlich einen nicht zu unterschätzenden Wert haben. Auf Grund des ersten Porträts wurde 1530 als Geburtsdatum von Schardt erschlossen; das andere Bildnis war bisher für das Ende der Tätigkeit in Nürnberg maßgebend. Archivalische Aufzeichnungen gerade über den Endpunkt seines Nürnberger Aufenthaltes haben sich bei Schardt bisher nicht gefunden. Der Bildhauer Johann Gregor von der Schardt hat nach den Angaben in der Literatur auch in Dänemark gearbeitet oder, falls dies nicht stimmen sollte, diese dänischen Aufträge in Nürnberg aüsgefiihrt. Die archivalischen Aufzeichnungen geben uns hierfür einige Anhaltspunkte. Der Erzgießer Georg Labenwolf in Nürnberg (f 1585) führte nach dem Tode seines Vaters, des Bronzegießers Pankraz Labenwolf (1492—1563), die väterliche Werkstatt weiter. Der Sohn stellte große springende Brunnen her, die besonders für fürstliche Schlösser und Parkanlagen bestimmt waren. Der Nürnberger Bronzegießer hatte 1570—1572 die Brunnenwerke, die für den Schloßhof der Kasseler Residenz und für die Lustgärten in der sog. Aue bei Kassel bestellt waren, vollendet und aufgestellt. Der dänische Astronom Tycho Brahe (1546—1601) weilte 1575 in Kassel am Hofe des Landgrafen Wilhelm IV. des Weisen von Hessen (1567—1592). Brahe wird den König Friedrich II. von Dänemark und Norwegen veranlaßt haben, bei Georg Labenwolf in Nürnberg einen prächtigen Springbrunnen für das 1574—1585 neuerbaute Schloß Kronborg bei Helsing0r auf der dänischen Insel Seeland am Öresund in

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Auftrag zu geben. Vielleicht hat der Gelehrte sogar selbst die weitere Vermittlung übernommen. Im Winter 1576/77 wurde der Erzgießer nach Dänemark berufen, um mit dem König den Vertrag abzuschließen. Der Brunnen sollte gegen 200 Zentner wiegen und Labenwolf erhielt 1000 Taler Vorschuß. Die Korrespondenz befindet sich in Kopenhagen158). Die Ausführung der einzelnen Arbeiten wurde nun zwei weiteren Künstlern übertragen. Die Modelle zu den etwa 36 Brunnenfiguren werden dem im Dienst des dänischen Königs tätigen Johann Gregor von der Schardt zugeschrieben. Im Thieme-Becker Künstlerlexikon Bd. 22, S. 165/66 und Bd. 29, S. 582 ist angegeben, daß Schardt in den Jahren 1577/78 in Kronborg arbeitete, um den gesamten figürlichen Schmuck herzustellen. In der Tat ist es für die Auftragsausführung auffallend, daß die Figuren in Dänemark gegossen und 1583, als Laben­ wolf den Brunnen an Ort und Stelle errichtete, mit dem Gehäuse zu­ sammengefügt wurden. Für die zeitliche Festlegung der Tätigkeit Schardts in Dänemark könnte aber, falls sich nicht doch noch archivalische Nachrichten finden, die Zeit von 1581 an in Frage kommen. In Nürnberg ist der Bildhauer nur bis 1581 nachgewiesen, hieran würde sich der Aufenthalt in Dänemark sehr gut anschließen. Die Bossierungen zum Brunnen lieferte nach dem Nürnberger Ratsverlaß vom 17. IV. 1582 (Hampe II Nr. 596) der Nürnberger Bildhauer Lienhard Schacht (Schach), der hier 1580—1585 tätig war. Nach den Angaben im ThiemeBeckerschen Künstlerlexikon war er vermutlich der entwerfende Bild­ hauer des gesamten Figurenschmuckes. Dies kann aber nicht stimmen; vielleicht hat er die Bossierungen zum Brunnengerüst und -aufbau geschaffen. Nach den Ratsverlässen vom 8. und 10. II. 1580 (Nr. 445—446) hatte sich der König Friedrich II. beim Rat wegen des langen Verzuges der Arbeit Labenwolfs beschwert; bisher habe der Nürnberger bereits 2000 Taler oder noch mehr erhalten. Der Rat wollte nun Georg Laben­ wolf zur baldigen Ablieferung des Werkes oder andernfalls zur Rück­ zahlung des Geldes veranlassen. Daraufhin übergab der Bronzegießer dem Rat einen Bericht, wie aus dem Ratsverlaß vom 14. III. 1580 (Nr. 450 hervorgeht. Dem König wurde nun eine Antwort erteilt. Am 6. X. 1580 konnte Labenwolf dem König mitteilen, daß er 200 Taler an Maler, Bildhauer und für andere Unkosten bezahlt habe, vier große Bilder seien geformt. Diese Bemerkung könnte schon der Tätigkeit Schardts in Dänemark vor 1581 widersprechen. Am 21. V. 1581 hatte der König wieder den Rat benachrichtigt, daß Labenwolf den Brunnen binnen kurzer Zeit fertigstellen oder seine Arbeit behalten und den Betrag von 2000 Talern, die teils bar ausbezahlt, teils in Messing geliefert wurden, zurückerstatten solle. Es mußten aber noch weitere Beschwerden des Königs erfolgen, wie aus den Ratsverlässen vom 15. VI., 28.—29. IX. 1581 (Nr. 535, 558—559) hervorgeht. Zu dem Betrag waren noch 2742,5 oder 3142,5 Taler hinzugekommen. Am Ende des Jahres 1581 wurde das Brunnenwerk endlich fertig. Am 26. XII. 1581 schickte der König noch Zeichnungen von seinem Wappen und dem seiner Gemahlin Sophia von Mecklenburg, die am Brunnen angebracht werden sollten. Der Bronze­ gießer begab sich darnach zum König nach Dänemark. Der Nürnberger Rat hatte ihm einen vom 23. III. 1582 datierten Brief an den dänischen 93

König Friedrich II. mitgegeben, wie die Ratsverlässe vom 30. III. und 24. IV. 1582 (Nr. 663, 665) anzeigen. Der Brunnen wurde 1583 in dem Park des Schlosses Kronborg von Georg Labenwolf mit Hilfe seines Sohnes Lienhard Labenwolf und zweier Vettern Labenwolfs auf­ gestellt. Das Bassin hatte die Form eines Sechsecks. Die Brunnensäule war in vier Abteilungen quer gegliedert; unten waren Karyatiden mit Festons dazwischen, dann darüber die Göttinnen Juno, Minerva, Venus und Diana angebracht. In der dritten Zone waren Meeres jungf rauen und in der vierten die Genien auf Delphinen zu sehen. Die Spitze bil­ dete der Meeresgott Neptun auf dem von drei Seepferden gezogenen Muschelwagen. Durch eine kunstreiche Konstruktion drehte sich Nep­ tun; wenn der Brunnen lief. An den Pfosten des Bassins waren sechs kniende Schützen verschiedener Nationalität aufgestellt. An den seit­ lichen Brüstungsfeldern wechselten je zwei Rundreliefs mit einer queren Kartusche ab. Ein kompliziertes Röhrenwerk sorgte für die schon barocke Art der Wasserführung. Die Wasserstrahlen liefen aus den Waffen dieser Schützen, aus den Brüsten der Göttinnen und Meeres­ jungfrauen, aus den Mäulern der Tiere und den Attributen des Neptun. Bis zur Plünderung des Schlosses Kronborg im Jahre 1659 durch die Schweden stand der Brunnen im Schloßpark. Darnach kamen die Haupt­ figuren in den Park des schwedischen Schlosses Drottningliolin. Am Anfang des 18. Jahrhunderts wurden diese Figuren eingeschmolzen bzw. das Material zu Kirchenglocken umgegossen. Die für Johann Gre­ gor von der Schardt so charakteristischen Figuren sind also verloren. Gerade an ihnen wäre ersichtlich, wie die Bronzegießer der Zeit mit anderen entwerfenden Bildhauern zusammenarbeiteten. Eine Zeichnung nach dem Brunnen hat sich in dem Stromerschen Baumeisterbuch des Nürnberger Stadtbaumeisters und Ratsherrn Wolf gang Jakob Stromer (1561—1614) erhalten (Grünsberg bei Altdorf Freiherrn von Stromer). Stromer war Referent für das Bauwesen und kein berufsmäßiger Ar­ chitekt. Johann Gabriel Doppelmayr bringt in seinem Werk über die Nürnberger Mathematiker und Künstler ebenfalls eine Abbildung, die der Kupferstecher P. K. Monath ausgeführt hat. (Abb. 7.) , Ein zweites Exemplar der Tonbüste des dänischen Königs Fried­ richs II. befindet sich im Schloß Frederiksborg zu Kopenhagen. Sicherlich hatte der Bildhauer jetzt das Bildnis geschaffen. Das Werk ist also zeitlich hier einzureihen, wenn auch das erste Exemplar im Zusammen­ hang mit den Nürnberger Arbeiten besprochen werden mußte. Der Bronzegießer Georg Labenwolf schuf noch einen Springbrunnen für die Sternwarte Uranienborg, die der Astronom Tycho Brahe auf der ihm von König Friedrich II. geschenkten Insel Huen oder Ween gebaut hatte. Mitten im Hofe stand dieser künstliche Brunnen, an dem in unzählbaren vielen und schönen Inventionen die Bilder, Tiere und Vögel angebracht waren. Der Brunnen hat sich nicht erhalten. Die Möglichkeit besteht, daß Schardt auch hieran mitgearbeitet hat. Von ihm wären dann wieder die Modelle zu diesen Bildwerken gewesen. Diese Zusammenarbeit ist vorläufig nicht zu beweisen 159). 94

Jost Ammann und Johann Robyn Ein anderer Auftrag, in dessen Entwurf und Ausführung sich ein Nürnberger mit einem Vlamen teilte, muß hier angeführt werden. Der schweizerische Graphiker Jost Ammann (* 1539 in Zürich, f 1591 in Nürnberg) war seit 1561 in unserer Stadt tätig. Aus den Baurechnungen der Würzburger Universität (Universitätsarchiv) geht hervor, daß Am­ mann im Winter 1586/87 nach Wiirzburg berufen wurde, um Visierungen zum Bau der Universitätskirche und ihres Portales zu entwerfen. Der Künstler erhielt dafür 28 11. Das ursprüngliche Portal nach dem Entwurf Ammanns enthielt liegende Figuren und zwei Tugenden des Würz­ burger Bildhauers Paul Michel (f 1603) sowie zwei Zwickelengel aus Alabaster von dem Vlamen und mainzischen Bildhauer und Baumeister Jan (II) Robin (Robyn) aus Ypern, dem Bruder des in Mainz tätigen Bildhauers und Baumeisters Georges Robin (Robyn, f nach 1390). Nach den Baurechnungen wurden diese Figuren 1588 geliefert, wofür jeder Bildhauer 30 fl. erhielt. Die Universitätskirche war bald baufällig. 1627—1628 wurde dann der Juliusturm mit dem Portal ganz abgetragen. Das neue Portal hat der Bildhauer Michael II Kern (1580—1649), aus Forchtenberg am Kocher, in den Jahren 1628/31 geschaffen. Bei den Figuren hat sich Kern in der Zahl, dem Charakter und in den Hauptmotiven an die alten Plastiken angelehnt. Nur die Säulen ohne die Postamente sind von der alten Anlage übernommen oder genau nachgebildet. Die Zwickelengel, wie sie heute am Portal angebracht sind, gehören wiederum einer Restaurierung der 2. Hälfte des 19. Jahr­ hunderts an 160). Gobelinwirker Auch in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts kamen niederländische Teppichwirker in die Reichsstadt. Der Tapezereimacher, Teppichmacher, Deckweber und Wirker Johann de Mandekin (Mondeken, Mondekin) durfte nach dem Rats verlaß vom 1. IX. 1574 zwei Jahre ohne Bürger­ recht in der Vorstadt Wöhrd wohnen. Während dieser Zeit soll kein fremder Tapezereimacher geduldet werden, außer wenn er bei Man­ dekin arbeitet. Er darf nur Bürgerkinder als Lehrjungen annehmen, darüber soll mit ihm ein Vertrag aufgerichtet werden. Mandekin ist vermutlich mit Jan Mondekens identisch, der als Bürger von Antwerpen eine Urkunde am 23. III. 1552 unterschrieben hat161). Ein Ratsverlaß vom 26. IX. 1581 (Hampe II Nr. 556) teilt mit, daß der niederländische Teppichweber Peter Paulus (Paluss) aus Brüssel das Bürgerrecht beantragt hatte. Über sein Vermögen und eine etwaige sektirerische Einstellung wurden Erkundigungen eingezogen. Aus den Ver­ lässen vom 3. und 4. XL 1581 (Nr. 564—565) geht hervor, daß Paulus bei dem Deckweber Johann de Mandekin gelernt hatte. Der Rat stellte erst fest, ob Mandekin in Nürnberg ein Bürger sei oder mit welcher Erlaub­ nis er hier sitze. Beide wurden dann als Bürger aufgenommen: dabei wurden diese Teppichweber und besonders aber Mandekin verpflichtet, das Deckweben keine Fremden, sondern nur die Nürnberger Bürger zu lehren. Mandekin ist 1592 als Tapezier genannt; in diesem Jahre und 1594 hatte er Klage gegen die Deckweber geführt, wie die Ratsverlässe vom 14. VIII. 1592 (Nr. 1189) und 24. VII. 1594 (Nr. 1339) bezeugen. Das 95

erste Mal wird der Bescheid erlassen, daß die Deckweber „ihne an der gestreimbten arbeit, die sie von ihme haben, unverhindert und ungerügt bleiben lassen“. Die Ansicht der Rugsherren sollte dann noch eingeholt werden. Zwei Jahre später war die Angelegenheit noch nicht erledigt, oder es war bereits eine neue Klage von Seiten Mandekins eingelaufen. Auf die Supplikation „wegen der gestraimten deckh und depich“ wurde ihm der Bescheid gegeben, daß er das Deckweben voll­ kommen frei betreiben könne. Wenn er das nicht wolle und nur andere zu dieser Arbeit mit Garn und Zeug verlege d. h. versorge, so soll er mit zwei Leinen- oder Barchentwebern handeln, daß sie nur für ihn und für niemand anders arbeiten. Unter der gestreimbten Arbeit sind die auf dem Basselissestuhl hergestellten Wirkereien zu verstehen, darauf sind stilisierte Vögel und Zweige dargestellt. Der Begriff gestreimbt weist auf das von Pedalen getriebene Kettfach des tiefliegenden Gezeuges hin. Die drei Gedächtnis- und Grab-, Epitaphteppiche der Grafen von Khevenhüller wurden 1572 wahrscheinlich in Nürnberg hergestellt, eine deutsch-flämische Manufaktur hat diese bedeutende Folge geschaffen. Früher wurden die Teppiche als flandrische Arbeiten angesehen, erst Göbel hat sie neu bestimmt162). Die drei Gobelins befanden sich in der Burg Wernberg. Die Serie kam dann in den Besitz der ältdren Linie Khevenhüller-Frankenburg. 1629 mußten die Enkel des Stifters wegen der österreichischen Religionskämpfe in Exil ziehen, sie kamen nach Regensburg und dann nach Nürnberg. Damals nahm die Familie ihre Teppiche mit. Durch Heirat und Erbschaft kam die Folge in den Besitz der fränkischen Grafen Giech, Schloß Thurnau, Oberfranken. 1925 erfolgte der Verkauf durch den Grafen Friedrich Carl von Giech. Das Germanische Nationalmuseum Nürnberg erwarb den ersten Teppich der Folge, die beiden anderen kamen in den Kunsthandel E. Kahler und Sohn, Berlin, und nach 1927 in die Sammlung Hearst New York. Auf den Gobelins sind drei Stammfolgen in gerader Linie dargestellt. Die Teppiche weisen erklärende Aufschriften und die entspre­ chenden Namensangaben auf. Die Kette besteht aus 4 Fäden dazu Schuß Wolle. Die Hachure-Technik ist folgendermaßen gestaltet: die Fäden der nebeneinander liegenden Farben greifen strähnenartig in­ einander über, dabei nehmen die Fäden eines Tones ab und die hinzu­ kommenden Fäden des anderen Tones nehmen dagegen zu. Der Gobelin in Nürnberg ist 2,75 m hoch und 4,96 m breit. Dar­ gestellt ist im Feld der Kruzifixus mit Magdalena, Maria, Johannes und Maria Cleophas. Im Hintergrund sind die Ölbergszene, die Kreuz­ tragung und die Stadt Jerusalem gezeigt. Vor dem Kreuz kniet Augu­ stin Khevenhüller zu Aichelberg (f 1519), er trägt die Schaube und sein geviertetes Wappenschild lehnt an seiner Gestalt. Heraldisch rechts knien die 6 Söhne mit ihren Namensschilden: Georg (f 1532), Hanns (f 1537), Ludwig (f 1534), Christof (+ 1557) Stifter der Linie Franken­ burg, Sigmund (f 1552) der Stifter der Linie Hochosterwitz und Träger der 2. Stammfolge des 2. Teppichs, Bernhard (1511—1548). Die drei vorderen tragen die Rüstung, die abgenommenen Helme liegen zu ihren Füßen. Die anderen drei sind in höfischer Kleidung gezeigt. Bei dem 4.—6. sind unten die Wappenschilde der Frauen mit dem Schriftband 96

gestellt: bei 4 Elisabeth Mansdorf (f 1541) und Anna Welzer (f 1564), bei 5 Katharina von Gleiniz zu Gleinizstetten (f 1555), bei 6 Wandula Mansdorf. Heraldisch links kniet außen Siguna von Weispriach (f 1539) die Gemahlin des Augustin Khevenhüller. Vor ihr ist die 1517 gestor­ bene Tochter Anna angeordnet, zu deren Füßen das mütterliche Wap­ pen lehnt. Die Bordüre zeigt Früchte und Putten, an den Ecken sind die Evangelistensymbole, oben und unten der Sündenfall und die Errich­ tung der ehernen Schlange, oben eine biblische Textstelle und unten eine lateinische Inschrift auf den Stifter Georg Khevenhüller 1572, seitlich Isaaks Opferung sowie Abraham und Melchisedek. Diese Inschrift lautet: D • GEORGTVS • KEVENHYLER • BARO • PATRIAE • PRAEFECTVS • DTLECTIS • PRO • GENITORIBVS • MEMORTAE • AC PTETATTS • ERGO • POSTERIS • VERO • SVIS • AD • IYGEM • IMITATIONEM • DNI • 1572*. Die Wirkersignatur lautet WND. Der 2. Teppich in New York stellt in der Mitte die Taufe Christi durch Johannes d. T., im Hintergrund die Predigt dieses Johannes und Christus mit den Jüngern von Emmaus dar. Yor der Täufergruppe kniet Sigmund Khevenhüller zu Aichelberg (f 1552), kaiserlicher Rat und Vizedom in Kärnten. Er war der Sohn des Augustin Khevenhüller und der Siguna von Weispriach des 1. Teppichs. Rechts knien auf dem Gobelin die 4 Söhne des Sigmund, es sind Georg (1533—1587, die Jah­ reszahl ist nicht nachgetragen) der Träger der Stammfolge auf dem 3. Teppich, Franz (f 1561), Ludwig (f 1542 und Seifried (f 1541). Yon ihnen tragen die drei ersten die Rüstung, ihre Helme stehen zu den Füßen. Bei den zwei ältesten Söhnen sind in gleicher Weise wie oben die Wappen der Frauen angegeben. Heraldisch links knien die Frau Katharina von Gleiniz zu Gleinizstetten (f 1555) und die fünf Töchter. Mit Ausnahme der 2. sind ihre Ehenamen angegeben, aus dem Stamm­ baum ergeben sich die genaueren Hinweise. Siguna Freiin von Herber­ stein (nach dem Stammbaum hieß sie Anna) hatte Wilhelm von Herber­ stein geheiratet; Christina (f 1540); Barbara hatte N. von Seenuss zum Gemahl; Florentine war mit Sigmund von Puechhaim vermählt; Salome hatte Wilhelm von Rattmannstorff (und dann Johann von Stübach) ge­ heiratet. Die Kinder knien auf Sockeln, an denen die Namensangaben geschrieben sind. Die Namenstafeln der Eltern stehen in der Mitte. Die gleichartige Bordüre weist die gleichen Eckfelder und dann mehrere Szenen auf; oben ist wieder ein Spruch und unten eine Inschrift auf den Auftraggeber 1572 angebracht, Der 3. Teppich in New York weist in der Mitte die Auferstehung Christi und rückwärts Golgatha mit den drei leeren Kreuzen sowie Christus in der Vorhölle auf. Der Auftraggeber Graf Georg Kheven­ hüller zu Aichelberg (f 1587) kniet hier heraldisch rechts, er trägt die Rüstung und den Helm hat er abgelegt. Bei seinem Namensschild sind die beiden letztenZiffern nicht nachgetragen. Eine größere Schrifttafel vor ihm weist auf ihn als Auftraggeber 1572 hin. Georg von Khevenhüller war zweimal verheiratet. Die beidenSöhne der l.Ehe knien hinter Georg auf zwei Sockeln, die Edelleute tragen die Rüstung und sie haben den Helm abgelegt. Damals waren sie noch nicht vermählt und auf den Sockeln steht schon die Angabe „Starb“, die Jahreszahlen sind nicht ein­ getragen. Sigmund (1558—1594) hatte Regina von Thannhausen und 97

Franz (1561—1607) Crescentia von Stubenberg geheiratet. Heraldisch links kniet außen die 1. Gemahlin des Grafen Georg, es war Sibilla Weitmoser (f 1564) mit ihren drei Töchtern Anna Maria (1562—1563, nach dem Stammbaum f 1564); Katharina (* 1560) heiratete später Jo­ hann Graf Ortenburg; Elisabeth Anna (1564—1568). Vor dieser Gruppe sind die 2. Gemahlin Anna Freiin von Thurzo (f 15..., nicht nachge­ tragen und ihre beiden Töchter angeordnet. Elisabeth (nach dem Stammbaum Maria Elisabeth * 1569 später vermählt mit Rudolf von Stubenberg) und Maria (nach dem Stammbaum Maria Anna 1571—1618, später vermählt mit Moritz Weltzer und Heinrich von Pohlhaim). Diese Mädchen der 2. Ehe sind als größere Kinder wie die der 1. Ehe wieder­ gegeben. Die gleichartige Bordüre weist die analogen Eckfelder und die Szenen darunter die Auffahrt des Elias zum Himmel auf. Oben und unten sind Bibeltexte angegeben. Goldschmiede Auch niederländische Goldschmiede waren nach Nürnberg gekom­ men. Reinhard (Reinier) Yolckhart (Volckhert, Volckart, Folckhart) aus Brügge hatte im Juli 1567 an den Rat eine Bittschrift um Aufenthalts­ genehmigung gerichtet. Nach dem Ratsverlaß vom 28. VII. 1567 (Hampe I Nr. 4137) erkundigte man sich zunächst nach der Religionszugehörig­ keit. Auf Grund des Verlasses vom 1. VIII. (Nr. 4138) durfte er ein Jahr ohne Bürgerrecht in Nürnberg bleiben und auf die Bewilligung der Geschworenen seines Handwerkes hin konnte er seine Tätigkeit aus­ üben. Nach dem Verlaß vom 18. V. 1568 (Nr. 4172) wurde der „goldschmidt mit der Pariser arbeit“ Reinhard Volckhart als Bürger auf­ genommen. Der Künstler stellte demnach auch Pariser geschmeltzte Goldarbeiten, d. s. Drahtarbeiten, her. Immer wieder werden Pariser Drahtarbeiter genannt, es sind Filigranarbeiter; sie stellten Ketten und Anhänger her. Die Nürnberger Goldschmiede schienen die Konkurrenz des flandrischen Meisters unangenehm zu empfinden; denn sie richteten in ihrem Interesse 1569 eine Bittschrift an den Rat. Im Ratsverlaß vom 30. VI. 1569 (Nr. 4219) wurde dieser Vorstoß, da er aus Neid erfolgt sei, zurückgewiesen und Volckhart in Schutz genommen. Die beiden Söhne des Reinhard Volckhart waren ebenfalls Pariser Goldarbeiter. Hans wurde laut Ratsverlaß vom 19. VI. 1571 (Hampe II Nr. 24) als Pariser Goldarbeiter zum Bürger aufgenommen, nach Ms 300 II wurde er es am 20. VI. 1571 zu 10 fl. Nach dem Goldschmiede-Verzeich­ nis, einer Handschrift in der Bibliothek der Bayerischen Landesgewer­ beanstalt Nürnberg, ist Hans Volckhart unter Nr. 503 im Jahre 1578 angeführt. Dessen Bruder Cornelius Kockart (= Volckhart) aus Brügge in Flandern ist in diesem Verzeichnis unter Nr. 564 im Jahre 1584 ange­ geben. Der zweite wird also später nach Nürnberg gekommen sein. Nach Ms 300 III wurde er am 2. X. 1591 zum Bürger aufgenommen. Im Jahre 1596 wurde Cornelius von seinem Bruder Hans erstochen. Im Bürgerbuch Ms 308 von 1534—1630/31 sind noch aus diesen Jahren zwei Goldarbeiter genannt: 6. VIII. 1569 Jacob Murman, 14. III. 1571 Jheronimus Klauhert; nach Ms 300 II waren die beiden ebenfalls Pariser Goldarbeiter. Aus dem Ratsverlaß vom 18. IX. 1577 (Hampe II 98

Nr. 291) geht hervor, daß damals nodh zwei andere niederländische Goldschmiede in Nürnberg waren. Vielleicht sind diese mit den soeben genannten Niederländern identisch. Der Rugsherr hatte damals fest­ gestellt, daß in der Stadt gefälschte Pariser geschmeltzte Goldarbeiten Vorkommen. Die drei niederländischen Goldschmiede — Reinhard Volckhart und die beiden nach dem Ratsverlaß ungenannten — sollen aufgefordert werden, daß sie auf dem Rugsamt — der Polizei- und Ge­ richtsbehörde des Handwerks — über die geschmeJtzten Goldarbeiten in Paris und in den Niederlanden sowie über die entsprechende Hand­ habung berichten sollten, wie es „deß schmeltzwercks halben auf dem goldschmidhandwerck“ an diesen Orten gehalten werde. Die fremden Störer in der Stadt und im näheren Umkreis aber, die diese betrügeri­ schen Machenschaften verschuldet haben, sollen hinweg geboten, d. h. ausgewiesen werden. Die anderen Störer, die unter fremden Herrschat­ ten sitzen, dürfen von den Bürgern nicht mehr beschäftigt ncch darf bei ihnen etwas gekauft werden, da sie ihre Wohnungen außerhalb der Ringmauern haben. So hatte sich nach dem Ratsverlaß vom 31. I. 1577 (Nr. 264) auch der aus Paris stammende Goldschmied Coßmann (Kas­ par) Dortu über einen niederländischen Goldschmied beschwert, der sich in der Vorstadt Wöhrd niedergelassen hatte, das Bürgerrecht nicht besaß und dem Antragsteller sowie anderen zu einem beträchtlichen Nachteil die Pariser Arbeit betreibe. Diesem niederländischen Gold­ schmied wurde daraufhin eröffnet, daß er sich in einen anderen Ort begeben müsse. Die Geschworenen sollen aufgefordert werden, über das Einschleichen anderer Personen zu berichten. Den Rugsherren gebe man zu bedenken, daß nach der Plünderung Antwerpens (1576) viele in Nürnberg wohl ihren Unterschlupf suchen würden; die Behörde müsse dem zuvorkommen. Der Goldschmied Florian von der Bruck ist im pergamentenen Bür­ gerbuch Ms 299 am 19. VI. 1577 als Bürger aufgenommen; sein Beruf ist hier aber nicht angegeben. In dem oben angeführten GoldschmiedeVerzeichnis ist er unter Nr. 504*im Jahr 1578 als Drahtarbeiter genannt. Schon der Name weist auf niederländischen Ursprung hin. 1591 ist er als der Schwiegersohn des Reinhard Volckhart bezeugt; er hatte dessen Tochter Adriana geheiratet. In diesem Jahre ist Reinhard Volckhart vor seinen Gläubigern nach Wien geflüchtet, er beabsichtigte dort einen Laden zu führen und sein Handwerk zu betreiben. Die Ratsverlässe vom 22. und 28.. XII. 1591, 19., 21., 29. I. und 3. II. 1592 (Nr. 1148) be­ ziehen sich auf diese Flucht des Goldschmiedes und seines Schwieger­ sohnes Florian von der Bruck. Der Kaiser Rudolf 11. verwandte sich für den Goldschmied. Aber schon der Ratsverlaß vom 27. IV. 1592 (Nr. 1166) zeigt an, daß beide wieder in Nürnberg waren. Der niederländische Goldarbeiter Tobias Mostart (Mostert) suchte nach dem Ratsverlaß vom 18.1. 1578 (Hampe II Nr. 307) um das Bürger­ recht nach. Der Verlaß vom 29. I. 1578 (Nr. 311) bestimmt, daß dieser Pariser Goldarbeiter aufgenommen werden soll, sofern er die neuen Meisterstücke anfertigt und damit besteht. Vorgeschrieben waren in Nürnberg die Herstellung eines Ageleipokals (Ackelei-, Ageleibechers), eines geschmeltzten (emaillierten) Ringes und eines geschnittenen Sie­ gels (einer Petschaft). Nach dem Bürgerbuch Ms 308 fol. 105v hat Mostart ? *

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am 13. VIII. 1578 als Golddrahtarbeiter das Bürgerrecht erhalten. Im Goldschmiede-Verzeichnis ist er unter Nr. 488 zum Jahre 1578 einge­ tragen. Während der Jahre 1581/97 ist Mostart mehrfach als Gold­ schmied in Nürnberg bezeugt. Der Goldschmiedemeister Bonaventura Garnier wurde nach den Ratsverlässen vom 29. I. und 31. III. 1578 (Hampe II Nr. 309, 333) als Bürger und Meister aufgenommen, er ist im Bürgerbuch Ms 308 fol. 106v am 8. VII. 1579 eingetragen. Dieser Goldarbeiter von Paris, wie er in den Verlässen genannt ist, kann aus Frankreich stammen. Oder diese Bezeichnung kommt von seinem letzten Aufenthaltsort, sie ist auch als Pariserarbeiter aufzufassen. Dadurch bezieht sich dann die Angabe nur auf den Beruf, dagegen nicht auf die Herkunft. Der Pariser Goldarbeiter Melchior Cuterel aus Antwerpen ist im Goldschmiede-Verzeichnis zum Jahre 1578 eingetragen. Laut Ratsverlafi vom 26. X. 1581 (Nr. 561) hatte er um das Bürgerrecht nachgesucht. Schon am 1. XI. (Nr. 563) wurde dies abgelehnt. Der Goldschmied ist aber noch 1614 anläßlich eines Hauskaufes in Nürnberg nachweisbar. Dem Goldschmiedegesellen Hildebrand Thun aus Amsterdam wurde im Ratsverlaß vom 27. VI. 1583 (Nr. 681) das begehrte Bürgerrecht ab­ gelehnt. Anthoni Savori, ein Goldschmiedegeselle aus Brüssel, hatte an dem Beckenschläger Pankraz Stettner einen Mord begangen. Im Ratsverlaß vom 18. X. 1583 (Nr. 699) wird nun Savori auf Grund der Zitation von Dr. Cammermeister ein zweites Mal zum Verhör bestellt; sollte er aber­ mals fortbleiben, so werde das Urteil publiziert werden. Daraus geht hervor, daß der zuvor in Nürnberg tätige Geselle aus der Stadt ge­ flüchtet war. Im Bürgerbuch Ms 308 sind noch zwei Pariser Goldarbeiter genannt: am 29. I. 1586 Hanns Soer und am 21. VI. 1586 Hanns Förster. Nach Ms 300 III ist am 8. IV. 1595 der Pariser Goldarbeiter Valtin (= Valen­ tin) Wagner mit 10 fl. als Bürger aufgenommen. Aus Brügge in Flandern war der Goldschmied Jakob Bave gekom­ men. Im Ratsverlafi vom 12. IV. 1586 (Nr. 864) heißt es, daß er sich mit der Tochter eines Meisters seines Handwerks verheiratete. Die Ge­ schworenen waren damit einverstanden, daß Bave „neben ainem andern, an dem sonst die Ordnung ist44 d. h. also an der Stelle eines anderen oder außer einem anderen zum Meisterrecht kommen konnte. Deshalb wurde er zur Anfertigung seines Meisterstückes zugelassen. Im Ratsverlaß vom 30. VI 1589 (Nr. 1005) wird Bave als Bürger genannt. Nach dem Verlaß vom 14. VIII. 1591 (Nr. 1120) sollte Bave einen Auftrag für Anna von Seckendorff in dem mainfränkischen Ullstadt ausführen. Der Goldschmied hatte schon etliches Gold und die Steine erhalten, aber Anna von Seckendorff wartete vergeblich auf die bestellte Arbeit. Darauf verlangte sie, daß Bave ihr diese Wertsachen wieder zustelle oder die Ausführung der verdingten Arbeit verbürgen solle. Bave machte sich nun erbötig, das Werk innerhalb von vier Wochen auszu­ führen. Nach Hampe ist der Goldschmied noch 1606 und 1609 erwähnt. Der Goldschmied, Eisenschneider, Wachsbossierer und Medailleur Johann Philipp von der Pütt (Pith, Pück, Büt, Butt) kam aus Dordrecht; er wurde in Nürnberg am 26. VII. 1619 begraben. Im Goldschmiedever100

zeichnis ist er 1586 unter Nr. 576 als Hannfi Philip von der Pück ein­ getragen. Auf Grund des Ratsverlasses vom 16. X. 1589 (Nr. 1024) wurde er zum Bürgerrecht zugelassen. Yon Doppelmayr wurden Pütt und sein Sohn Hans von der Pütt als identisch angenommen. Aber schon Hampe weist darauf hin, daß es sich um zwei verschiedene Meister handeln könne; allerdings komme im Goldschmiedeverzeichnis nur einer vor. Dies ist aber daraus zu erklären, daß der jüngere nach meiner An­ nahme wohl nicht Meister in Nürnberg war. Der Vater hat die eine Tafel mit den Wachsmedaillons der 8 Ratsherren 1593 geschaffen, Mün­ chen Bayerisches Nationalmuseum. Seine Medaillen sind mit einer Ausnahme mit den Arbeiten des Meisters von 1592/93 identisch. Dieser Goldschmiedegeselle, Possierer und Konterfetter Pütt stellte nun nach dem Ratsverlafi vom 22. III 1594 (Nr. 1316) das Ansuchen, ihn zum Meister zulassen zu wollen, wenn er auch die üblichen Gesellenjahre nicht in Nürnberg gearbeitet habe. Die Daten 1586 und 1594 wider­ sprechen sich eigentlich, da in dem Goldschmiedeverzeichnis nur die Zulassung zum Meisterrecht eingetragen ist. Der Rat willfahrte ihm 1594 wegen seines künstlerischen Könnens und weil die Herren Älteren ihm schon mehrfach Aufträge zum Possieren erteilt hatten. Am 14., 17,, 21.. 23., 30. VII. 1618 (Nr. 2994—95, 2997—99) wird Pütt in den Rats^ Verlässen anläßlich eines nicht einwandfreien Kaufes eines Ringes mit Diamanten erwähnt. Der Eisenschneider, Wachsbossierer, Bildhauer und Medailleur Hans von der Pütt (Putt, Pütte, Pith, * um 1592 zu Nürnberg, f 1653 zu Kassel) ist der Sohn des Johann Philipp von der Pütt. Er war Schüler seines Vaters und dann des Medailleurs Hans Reinhart d. J. in Leipzig. 1617 vermählte sich Hans von der Pütt in Wolfenbüttel, dort war er dann tätig. Er führte Fürstenmedaillen aus. Um 1648/49 weilte er in Nürnberg, damals schuf er die Bronzebüste des Königs Gustav Adolf II. von Schweden (1611—1632). Sie war bestimmt für die Gustavsburg bei Mainz — am Einfluß des Main in den Rhein. Das Werk befindet sich im Armeedepartement Stockholm. Seit 1650 war Hans von der Pütt dann in Kassel tätig. / Der Goldschmied Anthonius von Brecht muß aus Antwerpen ge­ kommen sein. In dem Goldschmiedeverzeichnis ist bei Nr. 522 vom Jahre 1588 die Angabe von Antorf zu finden. Nach dem Ratsverlaß vom 19. VII. 1598 (Hampe II Nr. 1011) hat er sich wider die Geschwo­ renen seines Handwerks beschwert. Brecht hatte sein Meisterstück an­ gefangen, die Geschworenen verhinderten ihn an der weiteren Aus­ führung, da er seine fünf Gesellenjahre nicht zusammenhängend in Nürnberg verbracht habe. Dies stimme; denn er sei dazwischen 16 Mo­ nate in Venedig tätig gewesen und er habe dann seine Nürnberger Gesellenzeit vollendet. Der Rat ließ darauf den Geschworenen wissen, daß sie den Gesellen nicht weiter an der Verfertigung seines Meister­ stückes hindern sollten. In den Ratsverlässen vom 16. IV., 11., 13. V. 1603 (Nr. 1901, 1903, 1906) und vom 12. IX. 1605 wird Anthonius von Brecht in Klagesachen und anderen Angelegenheiten noch erwähnt1ÄS). Der Goldschmiedegeselle Anthoni Williarts (* 1583 zu Antwerpen, f 1644 zu Frankfurt a. M.) war mit seinen Eltern als Kind 1586 nach Frankfurt a. M. gekommen. Er lernte im Jahre 1597 bei Anthonius von

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Brecht in Nürnberg, der vielleicht ein Verwandter seiner Mutter Jo­ hanna von Brecht war. 1610 schwörte Williarts als Goldschmied und Pariser Arbeiter (Pariser Drahtarbeiter), den Bürgereid in Frankfurt und wurde hier Meister 164). Der bekannte Goldschmied Paulus (I) van Vianen (* um 1570 zu Utrecht, f 1613 oder 1614 zu Prag) schuf die bildmäßig sehr gut aus­ gestalteten Reliefplatten und Plaketten, die als Schalenböden eine Ver­ wendung fanden und außerdem als Modelle für die Goldschmiede einen praktischen Zweck hatten. Diese in Silber getriebenen Arbeiten wur­ den von ihm dann auch in Bleigüssen hergestellt. Die Forschung nahm nun an, daß Paulus van Vianen vor 1596 nach Nürnberg kam, da seine frühen Werke mit den graphischen Arbeiten von Barthel Beham, Albrecht Dürer und Peter Flötner Zusammenhängen. Allerdings kann Vianen diese Graphik in jeder anderen Stadt auch benützt haben. Aber bei ihm findet sich genau so wie bei Hans Jamnitzer und Jonas Silber, zwei bekannten Nürnberger Goldschmieden des 16. Jahrhunderts, die Wahl der Uferlandschaft und die Staffelung der Tiefenebenen. Gerade in Nürnberg soll Vianen nach dem Vorbild der anderen Goldschmiede dazu gekommen sein, die silbernen Reliefs in Bleigüssen zu verarbei­ ten 165). Allerdings kommt der Name des Goldschmiedes nicht in den Ratsverlässen vor. Auch hat die neueste Forschung diese Hypothese der Nürnberger Tätigkeit nicht übernommen, so daß wir den Aufent­ halt des niederländischen Goldschmiedes in Nürnberg nicht bestimmt behaupten können. Im Jahre 1596 ging Vianen nach München und ar­ beitete hier für den herzoglichen Hof. 1599 wurde er Meister. Von 1603 an war er Kammergoldschmied des Kaisers Rudolf II. in Prag. Der Goldschmied Hans Caymox ist nur zweimal in den Ratsverläs­ sen genannt. Über seine niederländische Herkunft und seine Bürger­ aufnahme erfahren wir nichts, er kann in Nürnberg vielleicht als Sohn des Kunsthändlers Cornelius Caymox d. Ä. oder der anderen Brüder geboren sein. Nach dem Ratsverlaß vom 24. XII. 1599 (Nr. 1623) hat Hans Caymox sein Bürgerrecht aufgesagt und seinen Bürger­ abschied genommen. Am 4. II. 1602 (Nr. 1807) ist er allerdings ohne Berufsbezeichnung als Gutachter für die Aufnahme eines Kupfer­ stechers aus Köln erwähnt. Er war entweder wieder nach Nürnberg gekommen oder es ist diesmal ein anderer Hanß Kamochs gemeint. Im Jahre 1628 war der Goldschmied Peter Caymox aus Frankenthal als Diamantschneider auf der Frankfurter Messe tätig. Er richtete an den Rat dieser Reichsstadt ein Gesuch um Beisassenschutz, darin spricht er von seinem Werdegang. Zülch nimmt an, daß Peter Caymox ein Sohn des Nürnberger Kunsthändlers Balthasar Caymox gewesen sein könnte 166). Der Goldschmied erklärt nun in seinem Gesuch, daß er in Frankfurt a. M. gelernt, in Nürnberg später geheiratet habe, aber dort nicht* zum Bürger aufgenommen worden sei. Er muß infolgedessen eine Zeit in Nürnberg gearbeitet haben. Im Jahre 1601 kam er dann mit seiner Frau nach Frankfurt a. M., er war dort als Juwelenhändler tätig. Auf Grund eines Ausweisungsbefehles mußte Caymox 1628 diese Stadt verlassen und ging darauf nach Frankenthal. Von hier aus hatte er während seines Aufenthaltes auf der Frankfurter Messe sogleich das dann doch abgelehnte Gesuch eingereicht. 102

Verleger und Mathematiker Der Verleger und Mathematiker Levin van Hülsen (Hulsius) stammt aus Gent, er ist 1590—1606 nachgewiesen. Aus Middelburg kommend ist Hülsen 1590 in Nürnberg, 1597 wurden Schriften für ihn vom Buchdrucker Johann Cöllitzer gedruckt. Im Jahre 1602 ging Levin van Hülsen nach Frankfurt a. M. und wurde dort Bürger; er gab dabei an, daß er aus Gent stamme. Dann gründete er in Frankfurt a. M. eine Druckerei167), er starb schon nach vier Jahren 1606.

IV. Das 17. und 18. Jahrhundert Die niederländische Kolonie im 17. Jahrhundert Um 1600 lebten zahlreiche Niederländer in Nürnberg, die zum größten Teil aus Antwerpen stammten. Die kaufmännische Tätigkeit der Geschäftsleute erstreckte sich auf den Handel mit Tuchen und Spezereien. Dazu müssen noch Handwerker gekommen sein. Bald soll­ ten auch wieder Künstler ihren dauernden Aufenthalt in Nürnberg nehmen. Roth, Geschichte des nürnbergischen Handels, nennt unter den Genannten des Rats dann mehrere Reformierte aus den Kaufleuten, die als Nachkommen und direkte Erben der Niederländer anzusehen sind. Justus von Oyrl, der Sohn des Leinwandhändlers Philipp von Oyrl, wurde 1619 Genannter. Die Handelsleute Jacob und Wilhelm Blummart traten das Amt 1655 bzw. 1656 an168). Bei anderen ist die niederländische Abkunft nicht ganz sicher. Die Reformierten bildeten nun zu Beginn des 17. Jahrhunderts in Nürnberg eine eigene Gemeinde, die sich aus den vertriebenen Nieder­ ländern und den gleichfalls ausgewiesenen Pfälzern zusammensetzte. Der Handel Nachdem die südlichen Niederlande in das spanische Reich einge­ gliedert waren, trat Amsterdam um 1600 als Weltmarkt an die Stelle von Antwerpen. Die Engländer hatten 1588 die spanische Armada be­ siegt, nun konnte Holland den Seeweg nach Ostindien ungefährdet be­ nützen. 1594 wurde in Amsterdam die Compagnie van Verre geschaf­ fen, um diesen Handel zu betreiben, im Gegensatz zu früher be­ herrschten jetzt die Holländer den Handel und ihnen dienten die Deutschen als die Kommissionäre. Diese setzten sich aus den hansischen Kaufleuten von Hamburg und Bremen zusammen. Oberdeutsche wer­ den wohl im Vergleich zu den früheren Zeiten nicht mehr oder nur sehr selten darunter gewesen sein. Im Jahre 1604 verlangte die Regierung in Brüssel auf Grund des Zollfreiheitsvertrages, daß die Zollfreiheit der brabantischen Kaufleute in Nürnberg auch auf die nicht in Brabant, sondern an anderen Orten wohnenden Kaufleute ihres Bereiches ansgedehnt werde. Dies lehnte der Rat der Reichsstadt Nürnberg ab. Während des 30jährigen Krieges wurden die zahlreichen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen unter­ brochen. Die deutschen Staaten betrieben nun eine merkantilistische 103

Handelspolitik. Dadurch wurde der Fernhandel Nürnbergs allmählich unterbunden. In Nürnberg sind einige niederländische Kaufleute bekannt. Justus von Oyrl, der Sohn des reichen Niederländers und Kaufmanns (Lein­ wandhändlers) Philipp von Oyrl (f 1605) erbte das prunkvolle Haus an der Burgstraße, das spätere Fembohaus und das väterliche Geschäft. Im Jahre 1619 war er Genannter des Rats, damals vermählte er sich mit Maria Tetzel von Kirchensittenbach, einer Nürnberger Patrizierin. Schon 1623 machte Justus von Oyrl Konkurs, die Summe betrug 10 000 fl. In den Aufzeichnungen heißt es, daß schon sein Vater „wegen böser Zeit in groß Abnehmen und Schulden geraten“ und Justus von Oyrl infolgedessen mit Schulden belastet war. Er starb 1643. Seine Tochter Maria Magdalena von Oyrl wurde die 2. Gemahlin des Wil­ helm Bartholomäus Peiler von Schoppershof. Im pergamentenen Bürgerbuch (Ms 301) sind eingeragen: am 15. IX. 1620 Oßwald Humel von Andorff, Hendtler, er wurde Bürger am 23. V. 1621 und stammte aus Antwerpen; am 15. IV. 1622 Peter von Lirt Hendtler von Dorneck in Flandern, er wurde Bürger am 17. VII. 1622 und war aus Tournai gekommen. 1649—1733 hatte das Handelshaus van Lierd, dessen Inhaber aus Tournai stammte und demnach der soeben erwähnte Peter von Lirt oder ein Nachkomme gewesen ist, seine Geschäftsräume im Plobenhof. Dieses Haus stand an der Ecke des Hauptmarktes und der Plobenhofstrafie. Im Jahre 1733 erfolgte der Bankrott des Geschäftes.

Die Kunst in der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts Ebenso wie in den anderen Städten dauerte die Zuwanderung der niederländischen Künstler und deren Tätigkeit bis in das 17. Jahrhun­ dert. Der 30jährige Krieg mit seinen für die Kultur so einschneidenden Verheerungen brachte auch für diese fremden Künstler zumeist das Ende ihrer Wirksamkeit. Bis jetzt sind nur wenige Künstler aus dem niederländischen Raum bekannt, die in der 2. Hälfte dieses Jahr­ hunderts in Nürnberg arbeiteten. Die Fürsten und Städte haben im 17. Jahrhundert vielfach die Ar­ chitekten sowie die Ingenieure für den Festungs- und Wasserbau aus den Niederlanden geholt. Für Nürnberg kam dies nicht in Frage, da keine Arbeiten dieser Art mehr ausgeführt werden mußten. Auch war Nürnberg finanziell nicht mehr in der Lage, derartige Baumaßnahmen vorzunehmen. Gerade die fürstlichen Städte mußten auch hier voran­ gehen. Trotzdem brachen in diesem Zeitraum die kulturellen Bezie­ hungen der beiden Länder nach der politischen Trennung der Nieder­ lande vom deutschen Reich 1648 nicht ab. Malerei / Frederik van Valckenborch Der Maler Frederik (Friedrich) van Valckenborch (Falckenburg, Valckenborg) ist zwischen 1564/72, um 1570, in Antwerpen als Sohn des Malers Martin I van Valckenborch (1535—1612) geboren und 1623 m Nürnberg gestorben. Er gehört der weitverzweigten südniederländi­ schen Künstlerfamilie Valckenborch an169). Nach Frankfurt a. M. kam

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Frederik mit seinem Vater 1586. In den Jahren 1590/92 hielt Frederik sich mit seinem Bruder Gillis (Aegidius) 1 (um 1570—1622) in Rom auf. Nach Anton Stix hat Frederik van Valckenborch in Venedig bei dem Maler Pauwels Franck gen. Paolo Fiammingo (um 1540—1596) gear­ beitet. Die beiden Brüder wurden am 24. II. 1597 als Bürger in Frank­ furt a. M. aufgenommen. Frederiks Frau Margarethe (f 1632 zu Nürn­ berg) stammt nicht aus Frankfurt, seine Söhne Friedrich und Wilhelm wurden am 23. IV. 1598 getauft. Der erstere starb 1653 als Diener des französischen Gesandten. Ein dritter Sohn Moritz wurde am 17. VIII. 1600 getauft, er war Maler in Nürnberg. Frederik van Valckenborch blieb aber nur bis 1602 in Frankfurt; dann zog er in diesem Jahr nach Nürnberg. Aber erst nachdem er 1605 sein Frankfurter Bürgerrecht aufgegeben hatte, konnte er festen Fuß in Nürnberg fassen. Der Vater Martin I beantragte am 23. IV. 1605 beim Frankfurter Rat für seinen Sohn, der bereits drei Jahre sich in Nürnberg aufhalte und dort Bürger werden wollte, die Lösung seines Frankfurter Bürgerverhältnisses (Stadtarchiv Bürgerabschiede 24. IV. 1605). Der Ratsverlaß in Nürn­ berg vom 17. X. 1605 (Hampe II Nr. 2034) weist darauf hin: „Fridrich von Falckenburg, conterfetter von Antorff, soll man zu bürger annemen, ime aber anzeigen, sein vermögen ungeverlich anzuzeigen.“ Nachdem er dieser Aufforderung nachgekommen war, wurde ihm durch den Ratsverlafi vom 22. XI. 1605 (Nr. 2040) das Bürgerrecht zu­ gesagt. Nach Ms 300 III Neubürgerverzeichnisse aus den Nürnberger Stadtrechnungsbelegen 1581—1614 wurde Valckenborch am 26. II. 1606 mit Zahlung von 10 fl. als Bürger aufgenommen; die Jahrgänge fehlen in dem pergamentenen Bürgerbuch infolge einer späteren Vernichtung des Textes. Als Probestück lieferte Frederik van Valckenborch dem Rat eine Historie vom Zinsgroschen, die im Rathaus aufgehängt wurde. Der Maler, der die üblichen Formalitäten eigentlich nicht mehr erfül­ len mußte, konnte sich den Forderungen des Rats nicht entziehen und mußte die Bedingung für die Meisterrechts-Erteilung erfüllen. Der Hoch- und Deutschmeister Erzherzog Maximilian von Öster­ reich (1595—1618) gab dem Künstler 1607 den Auftrag, eine Kopie der Mitteltafel des Albrecht Dürerschen Marienaltars, der Stiftung des Kaufmanns Jacob Heller in der Dominikanerkirche Frankfurt a. M. anzufertigen. Valckenborch arbeitete sechs Monate in Frankfurt a. M. Als Gehilfe war bei ihm vermutlich der Maler Paul Juvenel d. Ä. (1579—1643), der in Nürnberg geborene Sohn des Niederländers Nico­ las Juvenel d. Ä., tätig. Im Jahre 1607 ist Paul Juvenel in Frankfurt nachweisbar. Für seine Arbeit bekam Valckenborch 250 Reichstaler170). Die Tafel kam wohl in die Burg zu Innsbruck, dort residierte der Deutschmeister; als zweite Residenz diente ihm die Burg zu WienerNeustadt. Dagegen hielt sich Maximilian in der eigentlichen Residenz zu Mergentheim nicht auf. Von dem niederländischen Maler Frederik van Valckenborch gibt es eine Reihe von Gemälden, auf denen er Waldlandschaften, Jahrmärkte und räuberische Überfälle darstellte. In diesen seinen Werken lassen sich Beziehungen zu den während seiner Lehrjahre in Frankenthal tätigen niederländischen Malern Gillis van Coninxloo (1544—1606) und Pieter Schoubroeck (um 1570—1607) feststellen; aber diese fremden Einflüsse 105

wurden selbständig verarbeitet. Die Gebirgsszenen, phantastischen Berge und Felsen sowie die Hell-Dunkel-Wirkung sind für die Kom­ position entscheidend. Aus seiner Nürnberger Zeit nennen wir einige Gemälde. 1605 entstand die Gebirgsschlucht mit Raubüberfall, Amster­ dam Rijksmuseum. Die gräflich Nostitzsche Gemälde-Galerie Prag besitzt das Bild: Brand einer Stadt 1607; links ist hier ein Platz mit brennender Kirche und rechts sind brennende Häuser zu sehen, Löschund Rettungsmannschaften sind gerade eifrig bei der Arbeit171). Die Gemälde in den Fürstlich Fürstenbergischen Sammlungen Donaueschingen, in dem Baron Brukenthalisclien Museum Hermannstadt, im Wallraf-Richartz Museum Köln, in den Gemäldegalerien Wien und Wuppertal-Elberfeld sowie in anderem Besitz sind nicht datiert. Es ist also nicht zu entscheiden, ob diese Werke ebenso wie andere nach­ weisbare in der Frankfurter oder Nürnberger Zeit entstanden sind. Im Nürnberger Rathaus befand sich 1711 außer dem schon angeführten Probestück noch eine Landschaft, die allerdings nicht in der von Georg Jakob Lang abgefaßten Beschreibung erwähnt ist. Das Staatliche Kupferstichkabinett Berlin besitzt mehrere in Nürn­ berg entstandene Zeichnungen, die undatierten sind aller Wahrscheinlich­ keit nach hier geschaffen. Die Blätter stammen aus der Sammlung des Generalpostmeisters Carl Ferdinand Friedrich von Nagler (1770—1846, Lugt 2529) und wurden mit dessen Zeichnungssammlung 1835 erwor­ ben; die Bestände stammen z. T. aus Nürnberg. Eine Frau nach links gewandt auf eine Balustrade gelehnt 1609 ist eine Kohlezeichnung, mit Feder ist das Blatt signiert und datiert Friderich von Falckenburch in Nürnberch Anno 1609; auf der Rückseite befinden sich zwei männ­ liche Halbfiguren in gleicher Technik. Eine bacchische Szene 1613, Fe­ der in Braun und laviert, ist F V Valckenborg i. Nürenberg 1613 sig­ niert und datiert. Lasset die Kindlein zu mir kommen, Feder in Schwarz und graugrün laviert, bezeichnet links F. Falckenburg; aber diese Signatur ist fraglich und vielleicht unecht. Die Szene ist hier dar­ gestellt, wie Christus auf einer Treppenstufe sitzt, hinter ihm stehen die Apostel und rechts die Frauen sowie die Kinder. Das Papier ent­ hält als Wasserzeichen das Nürnberger Wappen. Das Bildnis einer alten Dame halb nach links mit zusammengelegten Händen, Kohle und weiße Kreide auf blauem Papier. Das letzte Blatt: Ein Flötenspieler nach rechts schreitend, schwarze Kreide auf blauem Papier, ist vermut­ lich nicht von Valckenborch sondern von einem Holländer des 17. Jahr­ hunderts geschaffen 172). Um 1610 stellte der Augsburger Patrizier Philipp Hainhofer (1578 bis 1649) ein Stammbuch zusammen, das er 1610 dem Herzog Philipp II. von Pommern (1606—1618) nach Stettin schickte. Dafür malte Frederik van Valckenborch eine nächtliche Pferdeschlacht und ein Bergwerk mit der Schmelzhütte. Da aber der Künstler sonst nur in öl male, habe er sich nach den Äußerungen Hainhofers in der Aquarelltechnik sehr hart getan. Am 9./19. IX. 1610 schrieb Hainhofer dem Herzog, daß Valckenborg in Nürnberg wohne. In der Arbeit sei er etwas langsam, aber es könne von ihm auf Begehren des Herzogs schon eine Tafel in der Form, die den anderen in der Größe entspreche, zu bekommen sein. Hainhofer hatte ja schon dem Herzog eine Reihe anderer Gemälde vermittelt. Am 31. X./10. XI. 1610 heißt es dann wieder, wenn der Her106

zog von dem Maler ein Täfelein auf Pergament oder Kupfer in der Größe der anderen oder im größeren Format wolle, so werde er — Hainhofer — den Auftrag erteilen; allein man müsse Jahr und Tag bis zur Ablieferung warten. Zwei Jahre später — am 21. XI. 1612 — konnte Hainhofer dem Herzog mitteilen, daß der Maler Friedrich Valckenborch eine Tafel mit einem Fisch- und Fleischmarkt abgeschickt habe und daß dieses Bild in einer Kiste von München aus unterwegs sei. Der Niederländer entschuldigte sich, daß er nichts Kleines für das Stammbuch des Herzogs gemacht habe; er getraue sich nicht, in so kleinen Dingen neben anderen zu bestehen. Vielleicht hätte er noch­ mals eine Zeichnung zu diesem oder einem anderen Stammbuch liefern sollen 173). Im Jahre 1610 wurde Valckenborch Genannter des Größeren Rats von Nürnberg und am 5. II. 1612 kaufte er sich ein Haus am Poneisberg, dem Paniersplatz. Valckenborch bekam in diesem Jahr 1612 vom Nürnberger Rat den Auftrag, den architektonischen Entwurf für die künstlerische Aus­ gestaltung der Ehrenpforte des Kaisers Matthias (1612—1619) zu lie­ fern. Der erste Entwurf befindet sich im Kupferstichkabinett des Ger­ manischen Nationalmuseums Nürnberg. Feder in Schwarz, hoch 0,59 m und breit 0,498 m. nicht bezeichnet und nicht datiert. Nur die Architek­ tur in ihrem Aufbau ist eingezeichnet, seitlich vom Mittelportal sind dann allein zwei Reliefs dazugekommen. Der obere Aufbau enthält drei Arkaden und die beiden Seitenportale sind ohne jeden Schmuck hinzugefügt, nur die Obelisken tragen die Wappenkartuschen. Der zur Ausführung gekommene Entwurf war in den Sammlungen Guido von Volckamer München und dann Oberregierungsrat Fried­ rich Freiherr von Haller Nürnberg. Jetzt befindet sich die Zeich­ nung im freiherrlich von Hallerschen Familienarchiv Großgründlach bei Nürnberg. Die braune Federzeichnung ist aquarelliert und mit Gold gehöht, hoch 0,718 m und breit 0,52 m; nicht bezeichnet und nicht datiert. Der farbenprächtige Eindruck erhebt die Zeichnung zu einem kleinen meisterhaften Kunstwerk 174). (Abb. 8.) Unten ist eine quere Kartusche mit zwei seitlichen Putten, zwei Vögeln, zwei Eidechsen und Schmetterlingen auf den Kartuschen­ rändern zu sehen. Darüber erhebt sich die Pforte. An dem Mittelportal mit Rundbogen sind innen in der Leibung zwei Kaiserfiguren geplant, von ihnen ist Matthias zu sehen, und außen über dem Bogen halten zwei Genien die Ordenskette des Goldenen Vließes. Seitlich sind kannelierte Säulen und Pilaster, dazwischen stehen zwei Figuren­ gruppen: ein König mit Schwert und Bittflehendem, die Inschrift heißt STNE RESPECTV und zwei Frauen mit der Inschrift PAX OPTIMA RERVM. Zwei Wappen: der österreichische Bindenschild und das von Böhmen hängen am Mittelteil. An dem Aufbau darüber befindet sich eine Inschrifttafel auf den Kaiser Matthias mit zwei seitlichen fanfaren­ blasenden Putten, über der Tafel stehen die Wappen des Kurfürsten­ tums Erzbistums Mainz, des Reiches und des Königreiches Böhmen. Seitlich sind hier auf Postamenten ein Pelikan und ein Storch dazuge­ kommen. Zwei Herolde mit Fahnen flankieren den Aufbau. Dieser wird von einem Obelisken abgeschlossen, daran hängt der kaiserliche 107

Wappenschild und der Obelisk wird von dem gekrönten Doppeladler bekrönt. Zwei Frauen — die Klugheit (Weisheit) und die Iustitia — stehen neben dem Obelisken. Auch die Seitenportale weisen reiche Verzierungen auf. Neben dem linken Portal stehen RVDOLFVS I. IMP. und ALBERTVS I. IMP. ( = Imperator); es sind die Könige Rudolf von Habsburg (1273—1291) und Albrecht I. von Österreich (1298—1308). Darüber hängt am Obelis­ ken ein Wappen und der Obelisk ist noch von einem gekrönten Kö­ nigsadler mit dem Reichsapfel bekrönt. Auf dem Arehitrav sitzen hier die beiden Weltteile EVROPA und AFRICA. Am rechten Seitenportal ist die Anordnung gleich. Es stehen hier ALBERTVS II. IMP. und FRIDERICVS III. IMP.; es sind die Könige Albrecht II. von öster. reich (1438—1439) und Friedrich III. (1440—1493, Kaiser 1452). Der Königsadler trägt die Krone und hält das Schwert, das Wappen ist das des Königreiches Böhmen. Auf dem Arehitrav sitzen die beiden ande­ ren Erdteile ASIA und AMERICA. Seitlich sind oben auf dem Blatt noch der kaiserliche Doppeladler und die Ordenskette des Goldenen Vließes sowie der Nürnberger Wappendreiverein — der Reichsadler, der Jungfrauenadler (anstelle des richtigen alten Königskopfadlers) und der geteilte Wappenschild — dargestellt. Der Kupferstecher und Radierer Peter Isselburg (um 1580—1630), der aus Köln stammte und in Nürnberg tätig war, stach den Entwurf in Kupfer. Die Ehrenpforte wurde an der alten Stelle am Neudörferschen Haus in der Burgstraße aufgestellt, hier waren schon im 16. Jahrhundert die Triumphpforten aufgebaut. Seit dem Reichsgrundgesetz der Goldenen Bulle 1356 mußte jeder deutsche König nach seiner Wahl und Krönung einen feierlichen Einzug in Nürnberg veranstalten, auch sollte er seinen ersten Reichstag in der Reichsstadt abhalten. Als der Kaiser Matthias von dem Wahl- und Krönungstag in Frankfurt a. M. zurückkam, zog er am 9. VII. 1612 in feierlichem Einzug in Nürnberg ein und nahm nach altem Herkommen in der Burg sein Quartier. Genau so wie im 16. Jahrhundert waren die Straßen geschmückt und die Ehrenpforte war wie immer das Schaustück. Der Ratsverlaß vom 7. XI. 1612 (Hampe II Nr. 2521) teilt mit, daß Valckenborch den in Kupfer gestochenen Abriß der Ehrenpforte dem Rat präsentiert hat. Dem Maler wurden dafür 24 Guldengroschen ver­ ehrt. Der Originalentwurf war vielleicht schon im Besitz des Rats, sicher beweisbar ist dies aber nicht. Für den Patrizier Lucas Friedrich Behaim von Schwartzbach (1587 bis 1648), der mit Anna Maria Pfinzing von Henfenfeld (1591—1654) verheiratet war, malte Frederik van Valckenborch 1619 den Deckel eines Spinettes; öl auf Holz, hoch 0,835 m und breit 1,80 m. signiert und datiert FLB (Ligatur) 1619, Nürnberg freiherrlich von Behaimsche Fa­ milie. Das Musikinstrument hat sidi nicht erhalten, es war schon im frühen 19. Jahrhundert nicht mehr vorhanden 175). Das für die Malerei und auch für die Musikgeschichte Nürnbergs so einzigartige Werk war immer im Besitz der Familie des Auftraggebers, Dem widerspricht 108

auch die Provenienz im 19. Jahrhundert nicht. Das Gemälde gelangte in das Nürnberger Kunstkabinett des preußischen Hauptmanns Hans Albrecht von Derschau (* 1754 zu Königsberg/Pr., f 1824 zu Nürnberg). Er hatte sich in Nürnberg 1784 mit Maria Theresia von Leygeber ver­ mählt. Seit dieser Zeit muß er (wenn nicht schon vorher) hier gelebt haben, da von 1785 an seine Kinder in Nürnberg geboren sind. Der Sohn der bayerische Hauptmann Albrecht Johann von Derschau (* 1790 zu Nürnberg, f 1842 zu München) hatte sich 1819 mit Susanna Maria Friedericke Freiin Behaim von Schwartzbach (1799—1866) verheiratet. Im Jahre 1825 wurde die Sammlung des Vaters Hans Albrecht von Derschau in Nürnberg versteigert. Die Freiherren Behaim von Schwartzbach müssen aber damals das für ihre Familie angefertigte Werk um 100 fl. zurückerworben haben, das wohl über die Frau des Albrecht Johann von Derschau in das Kunstkabinett gelangt war. Der­ schau schreibt das Bild irrtümlich dem Lucas (II) van Valckenborch zu, es geht dies wohl auf eine alte frühere Zuschreibung zurück, auch hat er die Signatur falsch aufgelöst. Er nimmt nach einer Familien­ tradition an, der Auftrag sei für Paulus II. Behaim von Schwartzbach (1577—1621) erfolgt; denn die Szenen würden sich auf das Leben dieses Patriziers beziehen. Besonders die sieben Planetenbilder brächten Epi­ soden aus seinem Leben und Wirken. Paulus II Behaim war aber in 1. Ehe mit Ursula Sitzinger, 1591 in 2. Ehe mit Rosina Paumgartner von Holenstein und 1611 in 3. Ehe mit Maria Magdalena Bayer ver­ heiratet. Diese Tatsache sowie die dreimalige Angabe der Wappen­ allianz Behaim-Pfinzing wiedersprechen dieser Deutung. Auch sitzt Paulus II nicht am Spinett, sondern er leitet das kleine Familien­ konzert. Eine musizierende Gesellschaft der Familie Behaim hat sich im Freien vor dem Herrensitz Thumenberg gruppiert. Lucas Friedrich Behaim spielt auf einem zweimanualigen Spinett, an dessen Unterbau die Allianzwappen Behaim und Pfinzing sowie das Datum angebracht sind. Auf der Rücklehne des Stuhles sind die beiden Wappen und das Datum wiederholt. Vier Herren spielen auf Streichinstrumenten und zwar auf Cello, Baßgeige und zwei Violen. Paulus II Behaim — links vorne sitzend — leitet das kleine Familienkonzert; ihm hält ein Knabe das Notenblatt. Es könnten aber neben Lilcas Friedrich und Paulus II Behaim auch die Besitzer der vier Herrensitze Schoppershof, Gleis­ hammer, Thumenberg und Haller-Weiherhaus zu einer kleinen musi­ kalischen Veranstaltung zusammengekommen sein. Rechts von der musizierenden Gruppe stehen drei Zuschauer. Der erste ist der Maler Frederik van Valckenborch, er hat in der Hand die Palette mit den Pinseln. Ein anderer hält einen kleinen Hammer. Der dritte hat eine Flöte und er soll nach Derschau der Musikmeister sein. Auch die Er­ frischung darf nicht fehlen. Vorne stehen in einem mit Wasser gefüll­ ten Weinkühler eine Weinkanne und eine mit den Allianzwappen Behaim-Pfinzing verzierte Ringflasche. Ein Mädchen daneben hält einen gefüllten Deckelpokal und eine Kanne. Zwei Mädchen hinter der Gruppe halten Teller mit Weintrauben und Obst, eine Frau kommt mit einem Kuchentablett daher. Von der musizierenden Gruppe aus führen Weinlaubhecken, die reich mit Trauben behängen sind, auf das Schloßgebäude zu. (Abb. 9.) 109

Die Jahreszeiten sind nun auf dem Deckel des Spinettes im ein­ zelnen dargestellt. Links außen ist der Herrensitz in Schoppershof zu sehen. Das Haus ist viergeschossig, es hat ein mit zwei Säulen flan­ kiertes Portal, zwei Balkons und die in Nürnberg so oft vorkommen­ den Eckbauten am Dachgeschoß. Yor dem Haus ist ein Hirschzwinger angebracht, in dessen ummauerten Teil gerade die Köpfe eines Hirsches und eines Rehes zu sehen sind. Links vom Haus sind im Frühjahr die Bauern bei der Arbeit; rechts ist ein kunstvoller Ziergarten angelegt, worin die geometrischen Blumenbeete mit Postamenten und darauf ge­ stellten blühenden Orangenbäumen eingefaßt sind. Vornehme Paare lustwandeln, ein Herr bespricht mit dem Gärtner die Arbeit und ein anderer singt zur Laute. Gärtner und Gärtnerinnen sind emsig bei der Arbeit. Im Hintergrund ist die Feldarbeit dargestellt, eine Kalesche kommt gefahren. Daran schließt sich der Gleishammer an. Der Herrensitz steht auf einer Insel im Wasser; eine hölzerne Brücke führt von dem Vorbau hinüber zur Straße. Hier steht der Eingangsbau, dessen Mauer seitlich mit Zinnen verziert ist und in der Mitte ein Tor mit dem doppelköpfi­ gen gemalten Adler aufweist. Die Seitenfront des Gebäudes und die zwei Türmchen sind aus Fachwerk gemauert, gleichartig ist das Türm­ chen auf der Brücke vorne behandelt. Der Vorbau auf der Insel mit den zwei seitlichen Ausbuchtungen hat zwei aufgesetzte Fachwerk­ türmchen und ein Uhrtürmchen über den mittleren zwei Türen, die anschließende Seitenmauer rechts ist mit Zinnen bekrönt. Die Fassade des Hauptbaues ist viergeschossig, die einzelnen Stockwerke sind durch Streifengliederung abgesetzt; im Dachgeschoß sind an den Ecken die in Nürnberg so oft üblichen vier Eckbauten angeordnet. Im Sommer sind die Fischer am Ufer, auf der Brücke und im Wasser mit dem Fisch­ fang beschäftigt. Vorne werden die Getreidefelder abgeerntet; das Ge­ treide wird geschnitten, gebunden und eingefahren. Die Wiese wird gemäht, das Heu wird aufgeladen und ebenfalls eingefahren. Ein Jäger schießt hier Vögel. Dabei wird an dem noch stehenden Kornfeld der Vogelfang betrieben. Vorne werden Schafe geschoren. Ein Bettler sitzt am Feldrand und auf dem Feldwege kommt eine Familie gefahren, es wird wohl der Gutsherr sein. Auf dem Wasser fährt eine Barke und andere Leute baden. In der Mitte des Bildes ist der Thumenberg angeordnet. Seitlich von dem mit dem gekrönten Doppeladler geschmückten Zugangstor stehen zwei Kapellen. Das Haus ist ein einfacher zweistöckiger Bau mit heraustretendem Erker oder Mittelrisalit über der Türe. An den Seiten des auf den Herrensitz hinführenden Heckenweges sind die Be­ schäftigungen des Herbstes dargestellt. Links vom Weg wird das Obst von den Bäumen geerntet und eingesammelt, rechts werden die Trau­ ben gesammelt und gekeltert. Infolge des übermäßigen Weingenusses zeigen sich bei einigen unliebsame Folgen. In einem vorne offenen Haus sitzt eine fröhliche Zediergesellschaft. Am Giebel steht ein Mono­ gramm des ausführenden Malers und das Datum FLB 1619 (Ligatur Falckenborch). Ein Obstbaum wird durch Werfen mit einem Beil ab­ geerntet. Im Hintergrund des Thumenberges findet links eine Kirch­ weih statt. Vor der Kirche und einigen Häusern ist der Festplatz 110

mit dem tanzenden und sich herumtreibenden Volk angeordnet, auf den Maibaum ist ein Wagemutiger geklettert. Rechts spielt sich vor dem Wald eine Jagd ab. Der Winter ist auf dem Bild rechts außen dargestellt. Das Haller­ weiherhaus in der Nähe des Dutzendteiches, ein Fachwerkbau auf massivem Sockel, ist viergeschossig und hat zwei Fachwerkerker. Schnee bedeckt die Dächer. Auf dem Eis am Haus fahren die Leute Schlittschuh; soeben ist einer eingebrochen und steckt im Wasser des rings um das Haus führenden Grabens, nun ruft er um Hilfe. Vor­ nehme Paare kommen auf dem Wege hinzu oder sind schon vorsichtig auf das Eis getreten. Ein anderes vornehmes Paar unternimmt eine Schlittenpartie. Ein Ochse wird herumgetrieben und gejagt, das Ge­ treide wird gedroschen und ein Schwein wird geschlachtet. Im Hinter­ grund findet wieder eine Jagd satt, ein Fuchs hängt am Galgen. Durch eine Querleiste getrennt sind rückwärts noch sieben kleinere Bilder angebracht, auf denen die Standbilder der sieben antiken Pla­ netengötter im Zusammenhang mit allegorischen Darstellungen des menschlichen Charakters und der Tätigkeit der Menschen zu sehen sind. Links stehen jeweils auf einem Postament die unbekleideten Götterfiguren mit ihren Attributen; die Planetenzeichen sind oben an­ gebracht. Der kinderfressende Saturn steht in Beziehung zur Landwirtschaft. Ein bäuerliches Paar hat den Korb und das Sieb für den Getreide­ samen, an einem Ährenfeld wird das Korn mit der Sichel geschnitten und die Ähren werden gebunden. Vor einem kirchlichen Spital werden Kranke hereingeholt. Jupiter weist auf die Staatsführung hin. Ein Herrscher sitzt unter einem Thron und drei Ratgeber sind dem Regenten beigeordnet, vor ihnen kniet ein Bittflehender. Rückwärts wird ein Missetäter mit dem Schwert gerichtet. Vorne sitzt ein König mit einem Trabanten; sie sind dabei, an der Weltkugel eine Messung abzunehmen. Zwei Juristen sind in lebhafter Diskussion begriffen. Mars ist der Kriegsgott. Landsknechte mit der Lanze und der Fahne führen einen Haufen an, ein berittener Tambour bläst zum Sammeln. Einzelne Landsknechte üben sich an der Massakrierung der Bevölkerung und sind beim Raub des Geflügels. Im Hintergrund brennt eine Stadt. Der Gott Apollo ist als Verkörperung der Sonne immer wieder der Spender des Lichtes. Auf diesem Bild wird der Einzug des Kaisers Matthias (1612—1619) in Nürnberg 1612 gezeigt. Links außen ist die Ehrenpforte des Valckenborch errichtet, der Zug geht im Bogen darauf zu. ln der Mitte dieses kaiserlichen Zuges wird über dem reitenden Kaiser der Traghimmel getragen. Am Schluß reitet der Reichserbmarschall Graf Gottfried Heinrich zu Pappenheim (1594—1632) in den Haberhaufen und schöpft den Hafer, den er dann überreicht. Im Hin­ tergrund schließt die Nürnberger Burg das Blickfeld ab. Auf einer Schanze rechts wird ein Feuerwerk abgebrannt. Vorne ist der Ritter­ schlag des Lucas Friedrich Behaim in Frankfurt a. M. durch den Kaiser bei dessen Kaiserkrönung 1612 dargestellt. Behaim war als Kronkavalier mit in Frankfurt, zur Erinnerung wurde die Szene wieder111

gegeben. Matthias ist in seine kaiserlichen Gewänder gekleidet, er hat die Krone auf dem Haupt und hält den Reichsapfel in der Linken, so erteilt er dem vor ihn tretenden Patrizier den Ritterschlag. Ein Hof­ mann in echt jesuitischem Aussehen steht neben dem Thron. Yenus mit dem Amorknaben an der Seite weist auf verschiedene Liebesszenen hin. Rechts vorne hat sich eine vornehme Gruppe zusam­ mengefunden. Zwei Herren spielen auf dem Cello und der Laute, wäh­ rend eine Frau sie mit Gesang begleitet. Dahinter ist ein Garten mit einem reich gebauten Gartenhaus angeordnet. Am Eingang vor dem Heckenweg fechten zwei Männer mit dem Degen; der rechte Fechter wird von einer Frau zurückgehalten. In einem der beiden Bassins schwimmen Schwäne. Vor dem Gartenhaus lustwandeln einige Paare. Merkur ist der Gott des Handels, Links ist ein Schuster oder ein Schneider bei der Arbeit. An einer Verkaufsbude spielt sich das Han­ deln um die Ware ab. Ein Bettelmönch will noch sein Geschäft des Ablaßhandels betreiben, ein Goldschmied bietet einem Bürger seine Ware — Ring und Kette — an. Im Vordergrund liegen Warenballen. Rückwärts ist eine Mühle in Tätigkeit. Diana, die Mondgöttin, wird hier in Beziehung zum Seehandel ge­ bracht. Ein Handelsschiff, Segelboote und Kähne beleben das Wasser. Einige mit fremden Leuten besetzte Barken steuern an Land, drei fremde Kaufleute stehen im Gespräch am Ufer, eine fremdländische Familie hat sich rechts niedergelassen. Im Hintergrund rechts reiten vier Türken auf einer Straße am Meer; eine starke Burg beschirmt diese Uferstraße. Die beiden vorderen Eckzwickel links und rechts zeigen plastisch reichgeschnitzte Ornamentformen, die vergoldet sind. Frederik van Valckenborch hat mit diesem Gemälde ein einzig­ artiges künstlerisches Werk geschaffen, das sein Können auf der vollen Höhe seines Schaffens zeigt. Soweit die Nürnberger Malerei der Zeit zu übersehen ist, hat dieses Kunstwerk aber keinen Einfluß auf die zeitgenössischen Maler ausgeübt. Während seiner Tätigkeit für den Erzherzog Maximilian von Öster­ reich 1607 in Frankfurt a. M. fertigte sich Frederik van Valckenborch auch die Abschriften der neun originalen Briefe Albrecht Dürers an den Frankfurter Kaufherrn Jacob Heller aus den Jahren 1508—1509 an, die sich gerade auf den Helleraltar bezogen, dessen Mitteltafel der Niederländer soeben kopierte. Die Originale, die damals in dem Be­ sitz der Erben Hellers waren, sind seit dieser Zeit verschollen, deshalb sind diese Abschriften in der Stadt- und Universitätsbibliothek Frank­ furt a. M. für die wissenschaftliche Forschung von großer Bedeutung. Der Rat der Stadt Nürnberg hatte sich im 16. Jahrhundert die Ko­ pien des ersten Menschenpaares Adam und Eva 1507 von Albrecht Dürer anfertigen lassen. Die Originale kamen erst darnach aus Nürnberg fort; sie befinden sich im Prado zu Madrid. Der Maler Frederik van Valckenborch erhielt nun vom Nürnberger Rat den Auftrag, die beiden Tafeln der Kopien, die allerdings um 1600^als Originale Dürers gingen, zusammenzurichten. Infolgedessen wurden die Gemälde aneinander­ gefügt und so zu einer Tafel vereinigt. Soden bringt ein unrichtiges

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Datum; nach ihm zahlte der Rat dem Maler am 12. V. 1600 für die Zusammenrichtung der Dürersdien Tafeln und für die Erneuerung der Bilder der Herzoge von Sachsen 24 fl. Für den großen Rahmen zu Adam und Eva erhielt er 12 fl., für den Rahmen eines Herkulesbildes und für die Vergoldung des Rahmens eines Kaiserbildes 13 fl.; zusam­ men waren es also 49 fl.176). Mit dem Herkulesbild könnte das Gemälde Dürers: Herkules im Kampfe gegen die stymphalischen Vögel 1500, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, gemeint sein. 1628 wurde es vom Kurfürsten Maximilian I. von Bayern erworben. Die Bilder der Herzoge von Sachsen sind sicher die drei in einem Rahmen vereinigten Bildnisse der Reformationsfürsten von Sachsen Friedrich der Weise, Johann der Beständige und Johann Friedrich der Großmütige, die der Werkstatt des Lucas Cranach d. Ä. um 1535 zuzuschreiben sind. Die Bildnisse sind alter städtischer Besitz und befinden sich im Germani­ schen Nationalmuseum. Der französische Kommissär Neveu hat an­ läßlich der französischen Besetzung Nürnbergs im Jahre 1801 mehrere Gemälde des Rathauses für den französischen Staat geraubt, darunter befand sich auch die Dürerkopie des ersten Menschenpaares. Napo­ leon I. schenkte dieses Bild der Stadt Mainz. Die Nachforschungen Nürnbergs ergaben 1815, daß das Werk sich in Mainz befand und 1833 lehnte die hessische Regierung die Herausgabe endgültig ab. Das Ge­ mälde hing in der Gemäldegalerie des Museums. Der Maler Frederik van Valckenborch besaß auch eine kleine ver­ schollene Dürersammlung. Die Albertina Wien hat 1901 aus dem Münchener Kunsthandel ein Verzeichnis verkäuflicher Gemälde und Zeichnungen Albrecht Dürers erworben. Es stammt von Valckenborch und läßt den Maler als Sammler sowie gleichzeitig vielleicht als Händ­ ler erkennen. Das Inventarblatt enthält 17 Nummern mit zwei Gemäl­ den, 21 Zeichnungen, dem Anfang der Familien dir onik, den Briefen Dürers an Heller, zwei Blättern aus dem Proportionswerk Dürers, einem angeblich von Dürer gefertigten Silberpokal und einigen Dürer­ reliquien 177). Die Briefe waren sicherlich wieder Abschriften von den Briefkopien, die er in Frankfurt angefertigt hatte, oder auch diese ersten Abschriften in der Universitätsbibliothek Frankfurt a. M. Das Hausaltärchen Hellers 1502 ist wohl eine der üblichen Dürerfälschun­ gen. In den Uffizien zu Florenz befinden sich die beiden Köpfe der Apostel Jakobus und Philippus 1516 von Albrecht Dürer, die weiteren Stücke der Folge sind verloren. Valckenborch hat nun in sein Inven­ tar ein Gemälde Dürers aufgenommen, das in der Ausführung beson­ ders der Haltung des Kopfes zu den beiden Werken in Florenz paßt. Es ist ein St. Petrus. Vielleicht haben wir hier ein weiteres Bild der Folge wenigstens bildlich überliefert. Von den genannten Blättern sind zwei Zeichnungen erhalten. Sie stammen von dem „Kopisten des Wie­ ner Kunstbuches“, der zur Zeit Dürers tätig war. Dieses Kunstbuch Dürers befindet sich im Kunsthistorischen Museum Wien. Ein Blatt von Albrecht Dürer: die Himmelfahrt und Krönung Mariä ist 1503 als erster Entwurf zum Helleraltar in Frankfurt a. M. geschaffen. Das nicht datierte Original befindet sich im Britischen Museum London. Die von Valckenborch genannte Zeichnung ist dagegen 1503 datiert. Auf Grund des Datums und der Maßangaben konnte Winkler nun dieses Blatt mit einer 1503 datierten Kopie der Originalzeichnung 8

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identifizieren, die sich ebenfalls im Britischen Museum befindet. Eine weitere dort vorhandene Kopie ist undatiert. Die andere bei Valckenborch genannte Zeichnung stellt die Szene dar: Christus von den Vä­ tern des alten Bundes gefolgt erscheint vor Maria. Die Umrißzeich­ nung in brauner Feder mit Wasserfarben laviert gehört dem Kupfer­ stichkabinett Berlin. Die beiden Blätter sind in der Zeit von 1505 bis 1510 entstanden. Das Inventarblatt muß als Beilage eines Briefes angesehen werden. Vielleicht hatte der Niederländer die Sammlung dem Herzog Maximi­ lian von Bayern (1597—1623, dann als Kurfürst Maximilian 1. bis 1651) im Jahre 1613 oder in dem Zeitraum bis 1620 angeboten. Wenn der Herzog diese Sammlung erworben hat, so sind die Teile bei dem Brand der Münchener Residenz 1729 zugrunde gegangen. Der Erwerbung widerspricht aber die Tatsache, daß zwei Blätter sich erhalten haben. Die Forschungen über das Verzeichnis sind also noch nicht abgeschlos­ sen. Eine Kopie des Inventarblattes Valckenborchs kam in die Samm­ lung Jean Masson Paris, die sich jetzt in der Ecole des Beaux Arts Cabinet des dessins (Donation Jean Masson) Paris befindet. Familie van Valckenborch Noch einige weitere Mitglieder der Familie Valckenborch sind hier zu nennen. Der Maler Moritz van Valckenborch (* 1600 zu Frankfurt a. M., f 1632 zu Nürnberg) war ein Sohn des Frederik. Mit seinem Vater kam er als kleines Kind nach Nürnberg. Als Probestück lieferte er nach den Aufzeichnungen des Malers und Kunstschriftstellers Jo­ hann Hauer im Jahre 1628 die Einnahme und Eroberung der Stadt Troja178). Er war also sicher in Nürnberg tätig. Außer den Lebens­ daten und diesem archivaliscli bezeugten Werk sind keine anderen Angaben über sein Wirken und keine weitere Arbeiten von ihm be­ kannt. Der Maler Nikolaus van Valckenborch (Falkenburg) war vermutlich auch ein Sohn des Frederik. Geboren ist er in Frankfurt a. M. oder in Nürnberg. 1632 lebte er in Nürnberg, vielleicht war er nur vorüber­ gehend hier tätig. Es sind keine Arbeiten von ihm bekannt. Martin II van Valckenborch (* vor 1566 (1565) zu Mecheln, f 1597)' war der Sohn des Malers Lucas I van Valckenborch (vor 1535, 1530?, bis 1597). Seit 1596 war Martin II in Frankfurt a. M. tätig, er wurde hier sogleich Bürger. Nach den Trauungsbüchern im Frankfurter Stadt­ archiv heiratete er am 18. V. 1596 Elisabeth van Quickelenberg, die Tochter des Beisassen Michel van Quickelenberg in Nürnberg. Er ist sicher mit dem Seidenfärber und -händlör Stephan von Quickeiberg in Nürnberg verwandt und also auch ein Niederländer. Im Jahre 1597 ging der Maler von Frankfurt nach Wien, starb aber schon im gleichen Jahr. Sein 1596 zu Frankfurt geborener Sohn Lucas II kam dann später nach Nürnberg und wurde wieder Maler, er starb hier 1625. Als Probe­ stück malte er vielleicht eine Amazonenschlacht, die 1711 im Nürnber­ ger Rathaus erwähnt wird. Hauer gibt zwar keine Bezeichnung des Probestückes an. Die Amazonenschlacht wird in der Literatur, da in 114

der Beschreibung kein Vorname des Malers 1711 genannt ist, meist auf Frederik und, von Bösch, auch auf Moritz van Valckenborch be­ zogen 179). Unsere Zuschreibung scheint aber nach genauer Prüfung doch die meiste Berechtigung zu haben. Lucas II van Valckenborch wurde in der Teutsdhen Academie des Joachim von Sandrart d. Ä. mit seinem Großvater Lucas I., der seit 1593 in Frankfurt tätig war, verwechselt. Die Zuschreibung an Lucas II wurde im Inventar und Schrifttum des Germanischen Nationalmuseums übernommen. Dieser Maler stand seit 1577/78 im Dienst des Erzherzogs Maximilian von Österreich. Auf sei­ ner Reise nach Linz (Oberösterreich) hat nun Lucas 1 van Valcken­ borch in Landshut (Niederbayern) einige Zeichnungen angefertigt, die sich im Kupferstichkabinett des Germanischen Nationalmuseums befin­ den. Infolge der Verwechslung der Lebensdaten mußten diese Zeich­ nungen irrtümlich dem Lucas II zugeschrieben werden, dies sei hier richtiggestellt. Eine Gesamtansicht von Landshut mit der Veste Trausnitz, Feder in Braun und leicht braun laviert, weist auf der Rückseite den mit Feder geschriebenen Namen auf: Anthonie Juliane Hoghenberg. Das Blatt kann also eine Vorarbeit für einen Prospekt des Wer­ kes von Georg Braun und Franz Hogenberg sein: Beschreibung und Contrafactur der vornembster Stät der Welt, Urbium praecipuarem totius mundi theatrum, Coelen 1574—1618 Bd. 3 Taf. 44 datiert MDLXXVIII. Die Ansicht der Martinskirche und Veste von Westen her, in der Mitte ragt der Turm der St. Martinskirche empor; Feder in Schwarz. Auf der Rückseite dieses Blattes ist die Ansicht der Stadt und der Trausnitz von Osten her, Feder in Braun und braun laviert 18°). Das Blatt ist wohl auch eine Vorarbeit für Braun und Hogenberg, in­ folgedessen ist diese bisherige Datierung um 1620 nicht haltbar. Die Nürnberger Blätter stammen aus einem Skizzenbuch, das sich früher in der Albertina Wien befand und dann verkauft wurde. Johann Pregel Dem Maler Johann Pregel von Antwerpen wurde im Ratsverlaß vom 28. V. 1618 (Hampe II Nr. 2977) eine Verlängerung seines Auf­ enthaltes um ein halbes Jahr gewährt. Die Ankunft des Malers ist dagegen nicht verzeichnet. Über seine weitere Tätigkeit oder über seine Werke ist bis jetzt nichts bekannt. Graphik / Jan Bruegel d. Ä. Der vlämische Maler Jan Bruegel d. Ä. der sog. Sainmetbruegel (* 1568 zu Brüssel, f 1625 zu Antwerpen) war in Antwerpen tätig. Auf einer Reise kam er 1616 nach Nürnberg. Einige Zeichnungen bilden die einzigen Dokumente für diesen Aufenthalt. Das eine Blatt stellt den Ausfluß der Pegnitz von Westen an der Hallerwiese dar, Kupferstich­ kabinett des Germanischen Nationalmuseums (Städtische Kupferstich­ sammlung). Feder in Braun, blau und rot laviert, unten in der Mitte steht die Signatur in Braun: Jean breugel 1616 fee neurenberg. Das architektonische Stadtbild ist wirkungsvoll wiedergegeben181). Der Blick auf die Fronvesie von der Hallerwiese ist gut gewählt. Die Stadt­ mauer führt in zwei Bögen über den Fluß, dazwischen steht der „Schlaierturm oder neue Hochturm am Wasser“ und die 1532 davor 8

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gebaute halbrunde Streichwehr. Die Bögen sind unten mit den Schoß­ gattern geschlossen, die aus eisenbeschlagenen Eichenpfählen bestehen. Eine andere Zeichnung stellt den Herrensitz Unterbürg bei Nürnberg dar, sie befindet sich in dem einen Sammelband mit Zeichnungen aus dem Zisterzienserkloster Ebrach (L. Kr. Bamberg II); Universitäts­ bibliothek Würzburg (Delin 7 I Bl. 126). Feder in Braun, blau laviert, bezeichnet und datiert unten in der Mitte: Joan breugel 1616 In neurenberg. Diese Zeichnung entspricht einer dem Bruegel zugeschrie­ benen Radierung, die 1616 in Nürnberg entstanden ist182). Im Rijksprentenkabinet des Rijksmuseums Amsterdam befindet sich eine Zeichnung der St. Jakobskirche aus Nürnberg. Das Blatt ist aquarelliert, der Bau ist als St. Jopskerck bezeichnet und die Signatur lautet: Joan Breugel 1616, 10. Oktober In Neurenberg. Eine weitere Zeichnung: Schloß von Gleißhammer 1616 befand sich in der Sammlung Arnold Oskar Meyer Hamburg (1825—1913, Lugt 1994). Feder auf Pergament, bezeichnet und datiert: Slot af den Gleyshamer. Joan Bruegel 1616. In Nieuweburg. Der Herrensitz auf einer Insel ist vom Wasser umgeben, auf dem ein Boot fährt. In der Wiesenlandschaft auf beiden Seiten lustwandeln Kavaliere mit ihren Damen183). Ein Blatt: Niederländische Dorfansicht mit Schleuse, alter hoher Brunnen­ säule im Mittelgrund und einer Stadt im Hintergrund war in der Sammlung Dr. Gurt Otto, Leipzig184). Feder auf Pergament, bezeichnet und datiert: Jean Breugel 1616, In Neurenburg. Diese Zeichnung ist im Gegensinn von einem Niederländer, aber nicht von Bruegel, radiert. Die Ansicht eines Kastells, ehemals Leipzig C. G. Boerner sowie ein Stadtgraben mit Schlittschuhläufern bezeichnet Joan Breugel 1616 in neurenberg, ehemals Sammlung Weigel und dann Sammlung Ignatius Franciscus Xaverius Maria Hubertus Ellinckhuysen Rotterdam (1814 bis 1897, Lugt 3007—3008) gehören ebenfalls in diesen Kreis185). Es wäre aber auch möglich, daß Bruegel diese niederländischen Motive während seines Nürnberger Aufenthaltes gezeichnet hat. Darauf weist die genaue Ortsbezeichnung hin. Auch Engelbert Baumeister weist darauf hin, daß nicht alle diese Zeichnungen, auf denen die niederlän­ dischen Motive und die Nürnberger Ortsangabe zu finden sind, hier entstanden sein müssen. Becker nimmt an, daß diese Blätter wahr­ scheinlich zu Geschenkzwecken und zur Erinnerung an seinen Nürn­ berger Besuch angefertigt wurden. Die Nürnberger Graphik wirkte auch auf fremde Künstler ein. Der holländische Landschaftsmaler und Radierer Hercules Seghers (1589/90 bis 1635/38) in Amsterdam wird die Landschaftsradierungen der Nürn­ berger Augustin Hirschvogel (1503—1553, seit 1544 in Wien) und Hans Sebald Lautensack (1524—1561/66, vor 1556 in Wien) gekannt haben. Esaias van Hülsen Der Goldschmied, Ingenieur, Kupferstecher und Stichverleger Esaias van Hülsen (Hulsius, * um 1570 wohl zu Middelburg, + kurz vor 1626 zu Stuttgart) war zuerst in Frankfurt a. M. ein Schüler des Kupferstechers Theodor de Bry (1561—1623). Sein Vater der Verleger und, Mathematiker Levin van Hülsen zog mit der Familie 1602 aus 116

Nürnberg weg nach Frankfurt a. M. Um die Jahrhundertwende kann also Esaias van Hülsen in Nürnberg tätig gewesen sein, genauere Hin­ weise haben wir aber bisher nicht gefunden. 1612 heiratete er als Goldarbeiter in Frankfurt a. M., demnach war er auch Goldschmied. Seine Frau war Anna van Orlei, eine Tochter des Teppichwirkers Everard van Orlei in Frankenthal. Von ihm sind aber nur Ornament­ stiche für Goldschmiede und Kupferstiche mit grotesken Figuren be­ kannt. Im Jahre 1612 zog er mit seiner Mutter nach Oppenheim a. Rh. und dann ging er vor 1616 als Hofdiener nach Stuttgart. Erst aus dieser Zeit enthalten vier Nürnberger Ratsverlässe einige Angaben. Am 1. II. 1617 (Hampe II Nr. 2841) hatte Hülsen ein Buch übersandt, darinnen etliche Aufzüge zu Stuttgart in Kupfer gestochen waren. Man wollte nun beraten, wie hoch der Wert sei. Schon am 5. II. 1617 (Nr. 2842) erfahren wir noch, daß der Ingenieur „ein visirung von holz gemacht, wie ein thor oder schlagprücken von den petarden zu verwahren“. Insgesamt erhielt er für das Buch und den Holzschnitt 100 fl. Ein Jahr später sandte der württembergische Ingenieur nach dem Ratsverlaß vom 23. Y. 1618 (Nr. 2975) einige Abrisse der Aufzüge, die bei der Hochzeit des Prinzen Johann Friedrich von Württemberg (f 1635) und der bald darnach erfolgten Kindstaufe abgehalten wurden. Hülsen war der Verleger des Buches: Repraesentatio der fürstlichen Aufzüg und Ritterspiel. So der... Herr Johan Friderich Hertzog zu Württemberg... bei Ihr: Sohn Friedrich Kindtauffen, den 10. bis 17. Martij, Anno 1616 inn Stuetgarten gehalten. Alles ... in truck verfer­ tiget, durch Esaiam van Hülsen. Georgius Thonauwer Inventar. Matthaeus Merian Basiliensis fecit. Wiederum sollte nach dem Ratsverlaß der Wert dieser Blätter festgestellt werden; schon am 28. Y. 1618 (Nr. 2976) wurden dem Künstler ein Dutzend Gulden verehrt. Wenn es auch damals üblich war, daß die Hofkünstler ihre graphischen Blätter dieser Gegebenheiten an die Städte verschickten, um Geld zu erhalten, so kann doch in diesen Fällen bei Esaias van Hülsen auch die Absicht mitgespielt haben, daß er sich bei dem Rat wieder in Erinnerung brin­ gen wollte. Der Bruder, der Kupferstecher und Verleger Friedrich van Hülsen (Hulsius, * angeblich 1580 zu Middelburg, f gegen 1660 zu Frankfurt a. M.) war mit seinem Vater nach Nürnberg und Frankfurt a. M. ge­ kommen. Er hatte den Verlag und die Druckerei des Vaters weiter­ geführt. Goldschmiede Aus dem Ratsverlaß vom 11. XII. 1601 (Hampe II Nr. 1795) geht her­ vor, daß der Goldarbeiter (Goldschmied) Jakob Gainer (Garnier?) aus Antwerpen in Ellwangen verhaftet wurde. Der Stadtvogt und der Rat Ellwangens fragten in Nürnberg wegen des Vorlebens des in Haft Ge­ nommenen an. Der Antwerpener Jakob Gainer hatte in Nürnberg bei dem Goldschmiedemeister Bonaventura Garnier gearbeitet. Hampe will nun den Namen Gainer mit Garnier gleichsetzen, darnach könnte Jakob Garnier als Verwandter seines Lehrherrn auch aus Frankreich stammen und dann über Antwerpen nach Nürnberg gekommen sein.

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Dem Juwelier Hermann Bertrand (Bertran, Bertens) aus Antwerpen wurde laut Ratsverlaß vom 12. III. 1606 (Nr. 2054) das erbetene Bürger­ recht abgeschlagen. Am 1. VIII. 1606 (Nr. 2075) wiederholte er sein Ge­ such, daraufhin wurde beim Goldschmiedehandwerk nachgefragt. Am 17. IX. 1606 (Nr. 2088) bekam er dann doch das Bürgerrecht zugesagt und jetzt wurde er als gebürtiger Amsterdamer bezeichnet. Im Goldschmiedeverzeichnis ist unter Nr. 624 ein Goldschmied Heinrich von der Bruck zwischen 1586 und 1620 eingetragen, der mit dem Florian van der Bruck verwandt sein wird. Audi er ist dem Na­ men nach ein Niederländer. Diese Meisterrolle des Goldschmiedehand­ werks 1531 bis 19. Jahrhundert befand sich in der Staatlichen Kunst­ bibliothek Berlin. In den Ratsverlässen kommt Heinrich von der Bruck 1609/17 vor. Ein zweiter Goldschmied gleichen Namens ist in dem Ver­ zeichnis 1631 aufgenommen. Nach einem Porträtstich ist ein Heinrich von der Bruck 1631 gestorben. Nach dem Ratsverlaß vom 16. II. 1611 (Nr. 2381) hat sich der Gold­ schmied Peter Herman aus Antwerpen schon 16 Wochen — also seit Ende 1610 — in der Vorstadt Gostenhof aufgehalten. Während dieser Zeit hat er etliche Sachen gemacht, wozu er Schlosser und Uhrmacher sowie Kupferschmiede brauchte. Aber der Goldschmied hatte seine ganze Arbeit geheimgehalten und so wurde eine Kommission des Rats zur Besichtigung hingeschickt. Der Goldschmied Ephraim von Perden (Berten) stammt aus Ant­ werpen. Nach dem Ratsverlaß vom 1. IX. 1614 (Nr. 2676) wurde diesem Goldschmiedegesellen aus Frankfurt a. M. zuerst das Bürgerrecht ab­ geschlagen. Diese Stadt Frankfurt war aber für ihn wie für so viele andere Niederländer nur eine Zwischenstation gewesen. Dem Verlaß vom 9. VIII. 1615 (Nr. 2728) zufolge hatte er seine Bitte um Aufnahme wiederholt; darauf sollte bei den Geschworenen des Handwerks nach­ gefragt werden, wie sein Verhalten sei und ob er sich mit seiner Arbei nähren könne. Schon am 14. VIII. 1615 (Nr. 2729) wurde dem Gold­ schmied und Pariser Drahtarbeiter das Bürgerrecht zugesagt, wenn er sich mit den Meisterstücken bewähre. Die folgenden Pariser Goldarbeiter sind in den Bürgerbüchern bzw. den Bürgerlisten eingetragen: 25. XI. 1601 Jeronymus Kraus, 8. IX. 1608 Simon Poritsch, 9. XII. 1612 Michel Schmid, 11. III. 1626 Johann Augustin Knorr, 1. XII. 1602 Hanns Carpontix. Der Goldschmied Johann Jacob van Valckenburg (1625—1675) war der Sohn des Frankfurter Goldschmiedes Gillis (Aegidius II) van Valckenburg (1599—1634). Nachdem sein Vater gestorben war, kam Jo­ hann Jacob 1636 nach Nürnberg, er lernte hier bei einem Goldschmied. Darnach begab sich der junge Künstler auf die Wanderschaft nach Holland, Lothringen und Frankreich. Er machte sich in Frankfurt a. M. 1647 ansässig und wirkte hier als Meister seit 1651. Auch von Nürnberg nach den Niederlanden sind gelegentlich ein­ zelne Künstler gezogen. Der Goldschmied Matthes Müller wollte nach dem Ratsverlaß vom 2. XI. 1611 (Nr. 2438) für zwei Jahre beurlaubt werden und im Haag wohnen. Den Vorbehalt seines Bürgerrechtes

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lehnte ihm der Rat ab; es wurde ihm eine halbjährige Frist zur Auf­ kündigung des Bürgerrechtes gestellt. Der Goldschmied Hans Coenrat Brechtei (* 1609 zu Nürnberg, f 1675 im Haag) ist 1634 in Heusden (Nordbrabant) und 1640 im Haag nach­ gewiesen. Im Jahre ft>41 ist er dort als Goldschmied genannt; Rosen­ berg 3 Nr. 7623. Folgende Arbeiten hat Brechtei ausgeführt. Ein reich getriebener Deckelbecher 1641 befindet sich in Leiden Stedelijk Museum. Darauf sind mythologische und allegorische Szenen in Medaillons dargestellt, im Innern des Deckels ist das böhmische Königswappen und auf dem Deckel ist die Figur der Winterkönigin Elisabeth von Böhmen zu sehen. Sie war die Gemahlin des Kurfürsten Friedrich Y. (des Winterkönigs von Böhmen 1619/20) von der Pfalz (1610—1623, f 1632). Die Kurfürstin, eine geborene Prinzessin von Eng­ land (t 1662) hat den Deckelbecher der Stadt Leiden geschenkt. Wahr­ scheinlich gehörte dazu eine getriebene Schüssel mit dem Leidener Wappen, ehemals Berlin Frau von Friedländer-Fuld. Sechs andere Werlte sind noch bekannt und eine Arbeit befindet sich in Kopenhagen. Gobelinwirkerei Ein Wandteppich mit tafelnder Gesellschaft 1610, Germanisches Nationalmuseum, ist in Nürnberg oder Frankenthal gewirkt. Hoch 1,53 m und lang 0,95 m, Wolle und Seide. Der Wirker kam aus Audenarde, die örtliche Festlegung läßt sich nicht genauer fassen. Der Go­ belin ist nach einer graphischen Vorlage entstanden. Die Szene spielt sich in einer Gartenlaube ab. Das Wirkermonogramm F. v. O. (?) ist angebracht186). Aus dieser Werkstatt stammt auch eine Tischdecke mit biblischen und allegorischen Darstellungen 1613, Germanisches Nationalmuseum. Hoch 2,10 m und lang 2,10 m, aus Wolle In dem Mittelmedaillon sind die nürnbergischen Patriziatswappen des Jakob Stark von Reckenhof (1550-^-1617) und die seiner drei Frauen Pömer 1574, Holzschuher 1603, Bieter 1613 — die drei Heiratsdaten — angebracht. Vier runde Me­ daillons mit folgenden Darstellungen umgeben die Mitte: Jakobs Traum von der Himmelsleiter, die Allegorie der Barmherzigkeit, die Ruhe der hl. Familie auf der Flucht nach Ägypten, die Allegorie des Glaubens und die Charitas. Dazwischen sind Engel mit den Wappen Stark, Muffel, Imhoff, Schlüsselfelder eingestellt. Die Ecken der Bor­ düre sind mit den vier Jahreszeiten-Medaillons gefüllt. Das weiße Wirkermonogramm F O steht an der Wirkerkante187). In Nürnberg ist vielleicht ein Wappenteppich (Tischdecke) 1604 ge­ wirkt, Germanisches Nationalmuseum. Hoch 1.86 m und lang 1,53 m, Wolle. Im ovalen Mittelmedaillon steht das Allianzwappen Stark von Reckenhof und Rieter, darüber ist das Datum 1604 angebracht. Der oben genannte Jakob Stark kann den Gobelin nicht in Auftrag gegeben haben, da er seine dritte Frau Rieter erst 1613 heiratete. Der Fond des Teppichs ist mit Blüten und Laubwerk gefüllt. Die Bordüre mit einer fortlaufenden Ranke ist nur an der oberen Kante erhalten 188). Ein Teppich mit alttestamentlichen Szenen um 1615, Germanisches Nationalmuseum, ist in Nürnberg oder Frankenthal entstanden. Zwei Figurengruppen sind vor einer Burg postiert, davor stehen Tiere 189). 119

Ein Wappenteppich der patriziatischen Familie Tücher 1634 befand sich bis 18% in der Sammlung Rudolf Kuppelmayer München. Der Gobelin weist eine Verwandtschaft zu den niederländischen Brüsseler .Werken auf. Er kann in den Niederlanden gewirkt sein190). Dieser Gobelin dürfte mit einer langen Verdüre 1634 identisch sein, die zuletzt an der Grabstätte der Tucherschen Familie im Ostchor der Sebalduskirche hing; Depositum der Familie im Germanischen Natio­ nalmuseum. Wolle und Seide, hoch 1,08 m und lang 5,67 m. Der Grund ist mit Melonen und Kürbismotiven gefüllt, Artischocken, Trauben, Granatäpfel, eingestreute Blumen wie Tulpen, Päonien und Nelken zieren das Ganze. In der Mitte ist eine Kartusche mit dem gevierteten Wappen und darauf der Spangenhelm. Die Bordüre zeigt Obstgirlan-» den und Blumen. Kunsthandel Der Händler Abraham Bloemaert (Biomart, Blumart, Plumart) aus Gent wurde nach dem Ratsverlafi vom 13. VI. 1612 (Hampe II Nr. 2486) als Bürger aufgenommen. Die Annahme Hampes, daß der Händler mit dem Maler Abraham Bloemaert (1564—1651, später in Utrecht) iden­ tisch sein könnte, hat sich nicht als richtig herausgestellt. Der Nieder­ länder starb 1656 in Nürnberg und wurde auf dem St. Johannisfried­ hof beigesetzt. Bloemaert hat in Nürnberg als Kunsthändler und Kunstagent gewirkt. Er wird noch in den,Ratsverlässen von 1614 und 1618 genannt. Bei den Verkäufen aus dem Kunstkabinett des Wilhelm Imhoff d. Ä. im Jahre 1633 ist dieser Abraham Bloemaert angeführt, er erwarb Zeichnungen des Albrecht Dürer. In dieser Sammlung befand sich einst das Bildnisdiptychon des Goldschmiedes Albrecht Dürer d. Ä. und seiner Frau, das 1490 von Albrecht Dürer gemalt war. Das väter­ liche Bildnis kam 1588 in den Besitz des Kaisers Rudolf TT. (1576—16*2) nach Prag, jetzt Uffizien Florenz. 1633 wurde durch Bloemaert das mütterliche Bildnis nach Amsterdam verkauft, es ist seitdem verschol­ len. Bloemaert war also nur als Vermittler für andere Käufer tätig. Geschütz - und Glockengießer Der Glocken- und Geschützgiefier Hans Falck aus Nürnberg war 1617/34 in Leeuwarden, der Hauptstadt der holländischen Provinz Friesland tätig. 1636 ist er dann in Moskau nachgewiesen. Einige wert­ volle Angaben über den Geschützgießer sind einer Handschrift des Nürnberger Patriziers Paulus Grundherr vom Jahre 1655 zu entneh­ men. Die Handschrift befindet sich im freiherrlich von Scheurischen Familienarchiv Nürnberg. Sie geht auf ein Manuskript des Nürnberger Malers Leonhard Heberlein (1584—1656) zurück, das eine Fortsetzung von Johann Neudörfers Nachrichten über Nürnberger Künstler war. Hanns Falck kann als Geschützgießer die Stücke so einrichten, daß man 26 kg Eisen mit 25 Pfund Pulver verschießen kann. Dadurch ist er in Holland berühmt geworden. Möglicherweise befinden sich in den russischen Sammlungen zu Moskau und in anderen Städten noch einige Geschütze des Nürnbergers; nachprüfen läßt sich dies zur Zeit nicht. In der Groote- oder Jacobijnerkerk zu Leeuwarden hängt von Falck eine Glocke. 120

NiederländischeGlaser Der Glasmaler und Geselle von Utrecht Johann von Caufier hatte im Jahre 1629 Differenzen mit dem Glaserhandwerk in Nürnberg, wie Hampe angibt. Die Glasbläser schufen im 17. Jahrhundert überall ihre charakteri­ stischen Arbeiten. 1640 war Daniel de Bier, vermutlich ein Nieder­ länder, in Nürnberg tätig. Abraham Fino aus Amsterdam (* 1630, + 1657 zu Nürnberg) kam zu Beginn des Jahres 1652 nach Nürnberg. Der Rat hat es ihm erlaubt, daß er für seine Glasbläserkunst eine Reklame durch Anschlagzettel betrieb. Hampe hat zuerst die Nachrichten über ihn zusammengestellt. Zunächst war der Aufenthalt des Fino von be­ grenzter Dauer, jedoch wurde die Aufenthaltsfrist immer wieder ver­ längert. Bald blieb er für ständig in Nürnberg wohnen und erteilte Unterricht im Glasblasen. Im übrigen war Fino ein unruhiger Geselle; denn es entspannen sich bald um ihn einige Prozesse. Am 6. I. 1657 starb „der erbar und kunstreich Abraham Fino, des erbarn Claudii Fino in Amsterdam seel. sohn, bey dem Neuen thor“, wie es in einem Manuskript über die Nürnberger Handwerker heißt. Am Ende des Jahrhunderts 1696—1697 hielt sich der Niederländer Jean de Simony aus Tournai in Nürnberg auf. Er schwindelte dem Rat vor, daß er mit seiner Glas- und Emaillierkunst einen großen Vorteil für das Erwerbsleben der Stadt bedeute. Seine Kunst der farbigen Glasflüsse, der Bereitung des Salpeters und Grünspans war aber schon bekannt oder in der Ausführung zu teuer. Die Ratsverlässe aus den beiden Jahren beschäftigen sich mit diesem aus Frankreich ge­ kommenen Künstler. Da er aber aus Tournai gebürtig bezeichnet wird, so dürfte er doch eher ein Vlame als ein Franzose gewesen sein 191).

Atlas Weberei und Tuchindustrie Die Atlasweberei und die Tuchindustrie hatten auch in diesem Zeit­ raum vielleicht noch einen ausländischen Zugang. Darauf weisen die Einträge in den Bürgerbüchern und Bürgerlisten hin. 12. I. 1605 der englische Tuchfärber Hainrich Wacker; 4. X. 1606 der englische Tuchbereiter Görg Oberhäuser und der englische Tuchfärber Steffan Jor­ dan; 26. II. 1617 der englische Tuchfärber Martin Eckers; 8. XII. 1624 der englische Tuchfärber Gebhardt Schütt; 23. II. 1627 der englische Tuchhändler Johann Scharpff; 2. VI. 1602 der englische Tuchfärber Georg Neumann. Als ein charakteristisches Beispiel für die Umschichtung im Ge­ werbe ist ein Vorgang aus dieser Zeit aufschlußreich. Friedrich Her­ born aus Staudt bei Monthabur (sonst Montbauern genannt, heute Montabaur), das im Kurfürstentum Trier lag, war ein deutscher Tuch­ macher. Am 30. XII. 1604 richtete er an den Nürnberger Rat ein Gesuch um Bürgeraufnahme, die ihm am 4. II. 1605 zugesagt wurde. Er führte aus, daß dieses Handwerk sehr zurückgegangen sei und daß zu seinem Betrieb ein großer Verlag d. h. bedeutende Geldmittel notwendig seien. Deswegen habe er, Herborn, sich vor 16 Jahren „aufs arlaß wolln

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kämen und arlaß garnmachen auf die niderlendisch art begeben“. Er war in der Vorstadt Gostenhof tätig. Handschrift in der Stadtbiblio­ thek Fürth i. B. Bürgeraufnahmsgesuche 1603—1606 fol. 138 (Notiz von Theodor Hampe). Herborn wurde am 5. VI. 1605 als Wollenkramer zum Bürger in Nürnberg aufgenommen. Patrizier und Kaufleute in den Niederlanden Der Nürnberger Patrizier Christoph Hieronymus Gugel von Diepoldshof (1600—1687) unternahm 1623/24 eine sog. Kavaliersreise. Seine Reisebeschreibung hat sich im Staatsarchiv Nürnberg Rep. 52a Ms 276 erhalten: Diarium ltineris per ltaliam et Galliam Suscepti Christoph Hieronymi Gugel Norimbergensis Ao. 1624. Sie enthält die Fragmente der Reisebeschreibung durch die Schweiz, Frankreich und die Niederlande 1623/24. Gugel kam auch nach Brüssel, hier sah er auf dem Stadthaus (Rathaus) die Darstellung der tragischen Historie des Erckenbald von Bourbon, der seinen Vater erstochen hat, da dieser einer Jungfrau Gewalt antat. Der Reisende war in Breda, in der Hauptkirche beschreibt er das Grabmal des Grafen Heinrich von Nassau. Zahlreiche andere junge Patrizier haben ebenso diese Kavaliers­ reisen unternommen. An der Universität zu Leiden studierten im 17./18. Jahrhundert einige Mitglieder der Familie Haller von Hallerstein und zwar der Nürnberger Linien und des ungarischen Zweiges. Aus den Matrikeln gehen die Namen von folgenden fünf hervor. Gabriel Graf Haller de Hallerkeo 1632, 17 Jahre: es wird Freiherr Gabriel von Haller aus der ungarischen Linie sein, der später oberster Hauptmann war, Bie­ dermann tabula CXV. — Johannes Jacob Haller Norimbergensis 1643, 20 Jahre: es war wohl Hanß Jacob 1623—1692, Biedermann tabula CXXII. — Christoph Haller von Hallerstein 1692, 22 Jahre: wohl Chri­ stoph Lazarus 1669—1728, Biedermann tabula CXLII. — Burkard Al­ bert Norimbergensis 1713, 21 Jahre: wohl Burkhard Albrecht 1693 bis 1757, Biedermann tabula CXXII. — Christophorus Joachim 1745, 22 Jahre und Jurist: 1723—1792, Biedermann tabula CXLIII. Auch von manchen Kaufleuten sind Reisen in die Niederlande nach­ gewiesen. Christoph Fierer (1578—1656), Genannter des Größeren Rats und Adjunkt am Bancoamt in Nürnberg stammte aus Füssen, er lernte in Augsburg und kam im Jahre 1600 nach Nürnberg. Er trat als Ge­ sellschafter in die Handlung Hanns Speringer und Georg Waltürner ein, darauf brachte er 8 Jahre mit Reisen nach Italien, Frankreich und den Niederlanden zu. Wolf Magnus Schweyer (1641—1701), ein Nürn­ berger, unternahm, nachdem er ausgelernt hatte, verschiedene Reisen nach den an Deutschland angrenzenden Ländern, so auch nach Holland. 1675 wurde er Genannter, 1686 Adjunkt am Bancoamt und 1698 Bankier.

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Nürnberger in niederländischen Diensten Johann Sigmund Wurfbain (1613—1661) weilte als Kaufmann einige Zeit in Amsterdam. Im Jahre 1632 ging er als Soldat auf ein holländi­ sches Schiff, um sich nach Ostindien zu begeben und der Ostindischen Compagnie fünf Jahre zu dienen. Diese Gebiete der Kolonien lagen im indischen Archipel. 1635 wurde Wurfbain dann Oberkaufmann-Assi­ stent und erbat seinen Abschied. Er fuhr nach Batavia zurück, diente aber als Unterkaufmann weiter der Ostindischen Compagnie und wurde nach Suratte gesandt. 1638 schickte ihn die Compagnie nach Mocha am Roten Meer, hier brachte er 1640 die Handlung wieder zum Blühen. Nach Suratte zurückgekehrt mußte er 1642 in Cambaja Klein­ odien einkaufen. In der Folgezeit wurde Wurfbain zum Oberkaufmann ernannt. Die Stelle eines Beisitzers im Justizrat schlug er aus. 14 Jahre stand er in den Diensten der Ostindischen Compagnie. Jetzt wollte er in die Heimat zurückkehren und kam 1646 wieder in Holland an. Er ging nach Nürnberg, unternahm aber schon 1647 wieder eine Reise nach Amsterdam. Erst 1648 zog er endgültig nach Nürnberg, gründete hier eine Handlung und wurde Beisitzer des Bancogerichtes. Als Welt­ reisender trat er in seiner Heimatstadt etwas auffallend auf. Der Rat hatte ihm eine Geldstrafe zudiktiert, da er einen vergoldeten Degen und seidene Strümpfe, seine Frau einen Aufsatz, eine Halskette, eine goldene Haarhaube und ein Paar Armbänder getragen hatte. Wurf­ bain und seine Frau hatten also die Gebote der vorgeschriebenen Tracht und des Schmuckes überschritten. Daraufhin verfaßte Wurfbain als Verteidigungsschrift ein Memoriale vom 9. X. 1649 192). Auch Johann Jacob Saar aus Nürnberg nahm an der Eroberung von Niederländisch-Indien teil. 1644 ging er über Hamburg nach Amster­ dam, ließ sich bei der Ostindischen Compagnie anwerben und trat am 8.1. 1645 von Middelburg die Ausfahrt nach Batavia an. 15 Jahre weilte Saar fern der Heimat auf der westindischen Insel, auf Ceylon und in Persien. Nach Nürnberg kehrte er am 2. VIII. 1660 zurück. Im Jahre 1662 ließ er in Nürnberg die mit Holzschnitten illustrierte Schrift erschei­ nen: Ostindianische fünfzehen-jährige Kriegs-Dienst und wahrhaftige Beschreibung, was sich zeit solche fünfzehen Jahr von anno Christi 1644 bis anno Christi 1659 zu See und zu Land, in Eroberungen portugäsen und heydnischer Plätze und Städte in marchirn, in quartirn mit ihm und andern seiner Camerades begeben habe, zu allermeisten auf der großen und herrlichen Insul Ceilon. Der Drucker war Wolf Felsecker. Hierin sind die Eroberungen von Niederländisch-Indien, Amboina, Banda und Ceylon beschrieben. Im einzelnen hat Saar seine Gefangen­ schaft auf Tiago, dann die Kämpfe in Java, Bantam, Enguno, Kormandel, Banda, Ara, Ceylon, Colombo und den Friedensschluß mit den Portugiesen beschrieben. Außerdem hat der Verfasser die Bräuche und Sitten in Batavia, das chinesische Leben in der indischen Kolonie, die Aufstände, die holländischen Sklavenjagden sowie die Elefantenjagden geschildert. Auf dem Rückweg landete Saar wieder in Middelburg. Aus seiner Schrift erfahren wir, daß in der Ostindischen Compagnie auch die Nürnberger Andreas Heberlein und Georg Kaspar Kindsvatter dienten lö3). 123

Die Kunst in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts Der Architekt Johann Trost Der Architekt und Ingenieur Johann Trost (Nürnberg 1639—1700) wurde vom Rat der Stadt Nürnberg 1660/64 auf eine Studienreise nach Italien geschickt, damit er die Bau- und Perspektivkunst genau studie­ ren könne. Ein Jahr war Trost in Venedig und zwei Jahre in Rom, hier war er unter dem Bildhauer Giovanni Lorenzo Bernini (1598—1680) als reproduktiver Zeichner beim Ausbau der St. Peterskirche tätig. Darauf weilte der Nürnberger Architekt in Neapel, wieder in Rom, in Mailand und in der Schweiz. Im Jahre 1672 trat Trost als Ingenieur in den hol­ ländischen Armeedienst, dadurch lernte er die französische Bauweise kennen. Im gleichen Jahr wurde er nach Nürnberg als Stadt- und Land­ almosenamtsbaumeister zurückberufen. Malerei / Joachim von Sandrart d. Ä. Der Maler, Radierer, Kunstschriftsteller und Sammler Joachim von Sandrart d. Ä. (* 1606 zu Frankfurt a. M., t 1688 zu Nürnberg) muß wegen seiner Abstammung in diesem Zusammenhang angeführt wer­ den. Er war der Sohn des Kaufmanns Lorenz von Sandrart aus Valenciennes und der Antoinette (Anthonetta) de Bodeau. Die Familie stammte aus dem Hennegau, der Vater war als Kalvinist wegen der religiösen Verfolgungen geflohen. Sandrart kam nach einer kurzen Lehre bei den Kupferstechern Theodor de Bry, Matthäus Merian d. Ä% in seiner Heimatstadt sowie Daniel Soreau in Hanau schon 1620/22 nach Nürnberg zu dem Kupferstecher und Radierer Peter Isselburg. 1622 ging Sandrart nach Prag zu Egidius II Sadeler, auf dessen Betrei­ ben er sich der Malerei zuwandte. Darnach kam der Künstler 1623 nach Frankfurt zurück, er wurde hier ein Schüler des Graphikers Georg Kellner und des Malers Sebastian Stoßkopf. Er begab sich 1625 nach Utrecht zu dem Maler Gerhard von Honthorst, 1628 ging er nach Italien und arbeitete in Venedig, Bologna, Rom und Neapel. In Italien studierte er die Werke des Malers Michelangelo Merisi gen. Caravaggio (1573— 1610) In Rom war er mehrere Jahre tätig, hier wurde er der Porträtist des Papstes Urban VIII. 1623—1644) sowie der römischen Gesellschaft. Mit dem französischen Maler Claude Gellee gen. Claude de Lorrain (1600—1682) verband ihn enge Freundschaft. Sandrart betätigte sich schon in Rom als gelehrter Herausgeber. Er zog 1631/35 zum Marchese Vincenzo Giustiniani, kaufte für ihn ca. 270 antike Marmorstatuen und gab diese Antiken in zwei Bänden 1635 als „La Galleria Giustiniana“ heraus, zu denen er 35 Blätter zeichnete. Bis nach Malta und Sizilien kam der Künstler. Im Jahre 1635 ging Sandrart nach Frankfurt a. M. zurück, 1637 heiratete er Johanna von Milkau auf Stockau und erbte dadurch 1644 das Gut Stockau bei Ingolstadt, das er dann 1645/60 auch selbst bewirtschaftete. Von Frankfurt aus ging Sandrart mit dem Maler Matthäus Merian d. J. 1637—1642 nach Amsterdam und war hier neben dem gleichaltrigen Rembrandt, der ebenfalls 1606 geboren war, als be-

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gehrter Porträtist tätig. Joachim von Sandrart d. Ä. war der Typus des vornehmen Malers, der durch seine Tätigkeit in Deutschland, Italien und Holland zur internationalen Bedeutung emporgestiegen war194). 1651 feierte ihn der holländische Maler Samuel van Hoogstraten in sei­ nem Buch: Inleyding tot de hooge schoole der schilderkonst, anders de zichtbaere werelt, Rotterdam 1678, als den größten deutschen Maler seiner Zeit. 1647 wohnte Sandrart in München. Im Jahre 1649 wurde er nach Nürnberg berufen, um die in der Reichsstadt anwesenden Diplomaten, Gesandten, deutschen und schwedischen Offiziere, die alle aus Anlaß des Friedensschlusses des 30jährigen Krieges gekommen waren, im Bildnis festzuhalten. Es entstanden damals zahlreiche Porträts. In seiner biographischen Skizze: Lebens Lauf und Kunst-Werke des wohledlen und gestrengen Herrn Joachims von Sandrart, Nürnberg 1675, die an den 1. Hauptteil der Teutschen Academie 1675 angebunden ist, nennt Sandrart allein ca. 80 Bildnisse von Schweden. Für jeden Auftrag ver­ langte der Maler den festen Preis von 50 Reichstalern. Im Auftrag des Pfalzgrafen Karl Gustav von Pfalz-Zweibrücken, der damals schwedischer Generalissimus, später Pfalzgraf in Kleeburg 1652—1654 und darnach als Karl X. Gustav 1654—1660 König von Schwe­ den war, malte Sandrart sein bedeutendstes Werk: das Friedensmahl im großen Rathaussaal zu Nürnberg am 25. September 1649. Im Namen der Königin Christine von Schweden (1632—1654, f 1689) wurde dieser Auftrag vergeben. Dargestellt sind die Kommissare des Kaisers, die deutschen Reichsstände der schwedischen Krone und die Vertreter des Nürnberger Rats; Ein Prunkessen mit genau vorgeschriebener Rang­ ordnung wird vorgeführt. An zwei Tafeln sitzen diese Abgesandten, die am 11. September den Exekutions-Präliminar-Rezeß zwischen Schwe­ den und den Reichsständen abgeschlossen hatten. Diese Verhandlungen wurden in dem Pellerschen Schloß zu Schoppershof, das jetzt im Besitz der Freiherren Tücher von Simmelsdorf ist, geführt. Auf dem Bild hat sich rechts vorne der Maler selbst dargestellt, wie er soeben beim Zeichnen der Porträts ist. Das Gruppenbildnis ist eine Weiterentwick­ lung des holländischen Gruppenporträts. Der Vorwurf ist durch die Meisterhand des Malers zu einem bedeutungsvollen Werk geformt, das in der Zeit von 1649/50 entstand. Der Maler erhielt als Bezahlung 2000 rheinische Gulden und dazu noch als Verehrung eine goldene, 200 Du­ katen schwere Gnadenkette. Die schwedische Krone schenkte das Ge­ mälde der Reichsstadt Nürnberg. Das Werk wurde sogleich im Rathaus aufgehängt195). Unter den Vertretern befand sich auch der Generalfeldmarschall Oktavio I. Graf von Piccolomini (1599—1656). Seine Familie hatte 1634 nach dem Tod des kaiserlichen Generalissimus Albrecht von Wallenstein das Schloß Nachod in Böhmen erhalten, Kaiser Ferdinand II. (1619 —1637) beschenkte damit den Rivalen des Heerführers. 1650 wurde Oktavio I. von Piccolomini Reichsfürst und dann Herzog von Amalfi. Um die Mitte des Jahrhunderts wurde das Schloß Nachod neu einge­ richtet und dann 1651 erweitert. Aus der Zeit von 1649—1653 stammen zwei Nürnberger Gemälde, die im spanischen Saal hängen. Die Wieder­ holung des Friedensmahles von Nürnberg ist entweder eine eigen-

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händige Arbeit Sandrarts oder sie ist von dem Nürnberger Maler Daniel Preifiler (1627—1665) geschaffen. Das zweite Gemälde hat Sandrart 1649 in Nürnberg gemalt. Es stellt die Erstürmung von Regensburg 1634 dar und zeigt den kaiserlichen Generalfeldmarschall Octavio I. Piccolomini in Lebensgröße, hinter ihm seinen Adjudanten, den kaiser­ lichen Obristen Christoph Ranfft von Wiesenthal, den Octavio zum Sturm auf Regensburg kommandierte. Die Stadt brennt, die Festungs­ werke und die feuernden Batterien sind genau wiedergegeben 196). Im Schloß Skokloster, Schweden, befindet sich ein Reiterbildnis des schwe­ dischen Generalissimus Pfalzgrafen Karl Gustav von Pfalz-Zweibrükken. Das Gemälde ist 1650 datiert und nach Sandrarts Lebenslauf in Nürnberg als erstes seiner hier geschaffenen Werke entstanden 197). 1650 begab sich Sandrart nach Wien, um den Kaiser Ferdinand III. (1637—1657), seine 2. Gemahlin Marie Leopoldine von Österreich und den Erzherzog Leopold, den späteren Kaiser Leopold I. (1657—1705), zu porträtieren. Eine Apotheose Ferdinands III. ist verloren. Im Jahre 1653 wurde der Maler von Ferdinand III. geadelt. Seine Beziehungen zum bayerischen Kurfürstenhof in München waren sehr eng. Sandrart lebte während dieser Jahre auf seinem Gut Stockau bei Ingolstadt. 1660 verkaufte er seinen Besitz und lebte dann 1670/74 in Augsburg, hier starb seine Frau. Das 2. Mal vermählte er sich 1673, seine Frau Esther Barbara Bloemmart stammte aus Nürnberg. 1674 zog Sandrart dann von Augsburg nach Nürnberg. Joachim von Sandrart hatte, obwohl er Kalvinist war, zahlreiche Aufträge für Altarblätter in katholischen Kirchen Deutschlands und Österreichs erhalten. Diese im großen Format geschaffenen Werke sind für die hohen und prunkvollen Barock räume bestimmt. Zumeist sind diese Gemälde schon vor seiner Übersiedlung nach Nürnberg entstanden. Für die Benediktiner-Klosterkirche Mariä Himmelfahrt in Lambach (bei Gmunden am Traunsee) hatte Sandrart 1657 sieben große Altarbilder gemalt.Im Jahre 1675 schuf er zwei weitere, auf denen die Kreuzigung und die Ausgießung des heiligen Geistes dargestellt sind, 1678 malte er das ehemalige Hochaltarbild der Friedhofskirche zu Lambach. In echt barocker Art ist bei den Sandrartschen Altargemälden alles übersteigert und doch sind diese Werke als zeitgeschichtliche Dokumente der Kunst betrachtet in ihrer Art qualitätvoll. 1675 gab Sandrart inNürnberg sein epochemachendes deutsches Buch heraus. L’Academia Tedesca della Architectura, Scultura et Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau-, Bild- und Mahlerey-Kiinste. Nürnberg Jacob von Sandrart, Frankfurt Matthaeus Merian 1675. Ein zweiter Hauptteil folgte 1679 Nürnberg bei Michael und Johann Fried­ rich Endter, Frankfurt Johann von Sandrart. 1683 erschien in Frankfurt a. M. eine für das Ausland bestimmte gekürzte lateinsche Übersetzung. Das gelehrte Werk der Teutschen Academie war eine alle Perioden um­ fassende europäische Kunstgeschichte, in der auch die deutsche ihren Platz hat. Gerade die Künstler seiner Zeit hat Sandrart eingehend be­ sprochen. Für die Stadt Nürnberg ist es wichtig, daß gerade in ihren Mauern die erste deutsch geschriebene Kunstgeschichte erschien, wenn auch nur die Endredaktion und dann der Druck in den beiden Jahren 1674/75 hier erfolgte. Die Arbeit an dem Manuskript geschah vor der 126

Nürnberger Zeit des Malers und Kunstschriftstellers Joachim von Sandrart d. Ä. Der Cod. iconogr. 366 der Bayerischen Staatsbiliothek Mün­ chen enthält 264 Zeichnungen aus dem Besitz des Künstlers, unter diesen sind 186 Studienzeichnungen zu den einzelnen Ausgaben der Teutschen Academie. Yon den abgedruckten 187 Porträts sind in dem Kodex 121 Entwürfe vorhanden, davon sind 88 meist in schwarzer Kreide gezeich­ nete von Sandrart selbst. 33 Porträtentwürfe sind von anderer Hand. Die restlichen 78 Zeichnungen sind sonstige Studienzeichnungen und Entwürfe Sandrarts sowie eigenhändige Kopien nach Antiken; diese Blätter sind meist in Rötel gezeichnet. Die Porträtstiche zur Academie ließ Sandrart von den Augsburger Graphikern Philipp Kilian (1628— 1693), Bartholomäus II Kilian (1630—1696), Johann Georg Waldreich (f 1680), Leonhard II Heckenauer (* 1650/60), von dem in Antwerpen tätigen Ylamen Richard Collin sowie von den Nürnbergern Georg Christoph Eimmart d. J. und Jacob von Sandrart au'sführen. Die Auf­ tragserteilung lag zwar schon vor dem Jahre 1674; aber wegen des Erscheinens des Werkes im Nürnberger Verlag müssen auch diese Ar­ beiten der auswärtigen Graphiker hier angeführt werden. 1680 gab Joachim von Sandrart ein weiteres Buch, die Iconologia deorum, heraus, das eine Fortsetzung der in seinem Hauptwerk der Academie besprochenen griechischen und römischen Mythologie bildete. Wilhelm von Bemmel Der Maler Wilhelm von Bemmel (* 1630 zu Utrecht, f 1708 zu Niirnberg)war der Stammvater einer weitverzweigten Nürnberger Maler­ familie. Zuerst lernte er bei dem Maler Cornelis Saftleven in Rotter­ dam, im 17. Lebensjahr ging er nach Italien und war zwei Jahre in Venedig sowie vier Jahre in Rom und Neapel. Nach einer englischen Reise war Bemmel sechs Jahre in Kassel am Hof des Landgrafen Wil­ helm VI. von LIessen (1637—1663) tätig. Darnach begab er sich nach Augsburg und kam 1662 nach Nürnberg. Laut einem Eintrag in den Ehebüchern von St. Lorenz heiratete er am 26. XI. 1662 Agnes Pisanus, die Tochter des verstorbenen Kürschners und Rauchhändlers Gottfried Pisanus. Der Künstler Wilhelm von Bemmel war als Landschafter schon zu seiner Zeit sehr bekannt und geschätzt, seine Gemälde befinden sich in zahlreichen Sammlungen. In der Staatlichen Residenzgalerie Bam­ berg ist unter den städtischen Werken ein Gemälde: Ruinen in einer Landschaft 1696. Diese Ruine stellt die 1696 abgebrannte St. Egidienkirche in Nürnberg dar. Im Nürnberger Rathaus war 1711 eine große Landschaft von dem alten Bemmel198). Zwei seiner sieben Söhne blieben leben und wurden auch Maler: Johann Georg (1669—1723) und Peter (1685—1754). Von ihnen stammen die beiden Zweige der Malerfamilie Bemmel ab. Nürnberger Maler In der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts war der kaiserliche wirkliche Rat und Resident Christoph Jakob Wilhelm Behaim von Schwartzbach (f 1688) der Besitzer des durch Philipp von Oyrl erbauten Bürgerhauses, des späteren Fembohauses. Er hatte sich 1668 mit Maria Sabina Peiler 127

von Schoppershof, der Urenkelin des Bauherren, verheiratet. Der italie­ nische Stukkator Carlo Brentano führte 1674 die Stukkaturen im Vor­ saal des 2. Stockwerkes aus. Die schwere Decke und die schweren Sei­ tenverzierungen, die tragenden und liegenden Hermen- und Atlanten­ figuren, die großen Kartuschen und die Obstbüschel, die Girlanden zeigen den schweren Stil der italienischen Stukkateure. Vielleicht sind diese Verzierungen für die niedrige Höhe des Vorraumes zu drückend, zu massig. Der Italiener rechnete eben hier nicht mit den nordischen Raummaßen, er hielt sich an die Räume des italienischen Palazzo. Im 3. Stockwerk des Hauses liegt der Festsaal, dessen Vertäfelung und Kassettendecke in den Anfang des 17. Jahrhunderts zu datieren sind. In die Kassetten wurden nun anläßlich der Neuausstattung des Hauses jetzt auf Leinwand gemalte Szenen aus der antiken Mythologie einge­ fügt, die nach Kupferstichen aus der Werkstatt des Niederländers Hein­ rich Goltzius (1558—1617) zu Ovids Metamorphosen um 1590 geschaffen wurden: Neptun will die Menschheit verderben (B 40), Merkur tötet Argus (B 49), Merkur entbrennt in Liebe zu Herse, der Tochter des Kekrops,(B 67), Europa wird von Jupiter in Gestalt eines Stieres ent­ führt (B 70), das goldene Zeitalter unter der Regierung des Saturn (B 33), Merkur schläfert Argus ein (B 47), der Sturz des Phaeton (B 53), Juno beklagt sich bei Thetis und Ocean (B 60), Coronis wird in eine Krähe verwandelt (B 63) 199). Graphik / Matthias van Somer Der holländische Zeichner und Kupferstecher Matthias van Somer (Someren, Sommern) ist im Jahre 1649 zuerst nachweisbar; vielleicht war er damals in Rotterdam tätig. 1650 war er in Amsterdam, später in Köln, 1656 kam Somer nach Nürnberg und 1660 lebte er in Regensburg. 1669 arbeitete er noch. Der Kunstverleger Paulus Fürst (um 1605—1666) in Nürnberg beschäftigte Somer. Ein signierter Kupferstich stellt einen christlichen Neujahrswunsch dar, dessen Text in einer breiten Umrah­ mung steht, auf der zehn emblematisehe Darstellungen zu finden sind. Die Blätter befinden sich im Kupferstichkabinett des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg. Ein anderer Stich zeigt die Einholung des Kaisers Leopold I. in Nürnberg 1658 und stellt den Einzug des Herrschers nach alter Sitte dar. Somer hat allerdings hier einen Kupfer­ stich der Einholung des Kaisers Matthias in Nürnberg 1612 des Kupfer­ stechers Felix Höpfinger frei kopiert 200). Seine Bildnisse der Katharina von Bora, der Gemahlin Martin Luthers, und des Adam Olearius, die aus dem Jahre 1656 stammen, sind handwerkliche Erzeugnisse. Jakob von Sandrart Der Kupferstecher, Zeichner und Kupferstichverleger Jakob von Sandrart (* 1630 zu Frankfurt a. M., f 1708 zu Nürnberg) ist in diesem Zusammenhang zu nennen. Er war ein Neffe des Malers Joachim von Sandrart d. Ä., ein Sohn von dessen Bruder Jakob. Nach dem Schilderboek des holländischen Malers Arnold Houbraken (1660—1719) war der Stecher auch Maler. Zuerst wuchs Jakob von Sandrart in Hamburg und 128

Abb. 1. Grabteppich der Holzschuher, Brüssel 1495. Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum (vgl. S. 18 f'.).

> w Abb. 2. Wappenteppich Iinhoff-Geudcr, 1454. Wien, Österreichisches Museum für angewandte Kunst (vgl. S. 43).

Abb. 3/4. Nicolas Neufchateh Bildnisse Hans Heinrich Pilgram und Ehefrau Margaretha, 1561. Budapest. Orszägos Mag. Szepinii veszeti Muzeum (vgl. S. 60 f. und S. 74).

Abb. 5. Nicolas Neufchatel, Bildnis Paulus I Behaiin, 1567. Budapest, Orszägos Mag. Szepmüveszeti Muzeum (vgl. S. 76).

Abb. 6. Nicolas Neufchatel, Bildnis einer Nürnbergerin. Budapest, Orszägos Mag. Szepinüveszeti Muzeum (vgl. S. 77).

Abb. 7. Johann Gregor von der Schardt, Brunnen im Schloß Kronborg. Zeichnung im Wolfgang Jakob Stromersdien Baumeisterbuch, Schloß Grünsberg bei Altdorf (vgl. S. 92 ff.).

Abb. 8. Frederik van Yalckenbordi, Triumphpforte für Kaiser Matthias, 1612. Schloß Großgründlach, Frhr. v. Hallersches Familienarchiv (vgl. S. 107 f.).

Abb. 9. Fredenk van Valckenborch, Behaiirrscher Spinettdeckel. 1619. Gräfelfing. Freifrau La Roche, geb. Freiin v. Behaim (vgl. S. 108 ff.).

dann im Haag auf. Um 1640 war er in Amsterdam ein Schüler seines Onkels Joachim d. Ä. und darauf vier Jahre des Kupferstechers Cornelis I Danckerts; bei diesem lernte er das Kupferstechen. Über Breslau kam Sandrart nach Wien, er blieb hier IV2 Jahre. Dann weilte er in Regensburg und war dort Kunsthändler sowie Verleger. Im Jahre 1656 zog Jakob von Sandrart nach Nürnberg. 1662 gründete er hier mit dem Architekten und Maler Elias (vielleicht Johann Elias )Gedeler (1620— 1693) die Nürnberger Malerakademie, die als erste deutsche Akademie in der Barockzeit eine besondere Bedeutung gewinnen sollte. Sandrart übernahm mit Gedeler gemeinsam die Leitung der neuen Anstalt. Das Gesamtwerk Sandrarts umfaßt über 400 Bildnisse, Jhistorische Darstel­ lungen, Allegorien, Buchvignetten, Landschaften und Schriften. Aber die Forschung hat wohl mit Recht darauf hingewiesen, daß ein großer Teil dieser Blätter mit seiner Adresse nur zu seinem Verlag gehört. Johann FriedrichLeonard Der südniederländische Kupferstecher und Schabkünstler Johann Friedrich Leonard (* 1633 zu Dünkirchen, f 1680 zu Berlin) war nach seiner Lehrzeit in Brüssel um 1660 nach Nürnberg gekommen. Den Holzschnitt hat Leonard in Brüssel, das Radieren und das Kupferstechen dann in Nürnberg gelernt. Zahlreiche Bildnisse von Nürnberger Bür­ gern hat er hier geschaffen, die meisten sind nach dem Leben aufge­ nommen. Diese Radierungen und Schabkunstblätter gehören zu seinen besseren, die Kupferstiche dagegen zu seinen schlechten Werken. Auf seinen Nürnberger Arbeiten finden sich die Daten 1662/73. In den Jahren 1670/71 muß der Künstler in Prag gewesen sein, da zwei Blätter 1670 Pragae und ein Blatt Pragae 1671 bezeichnet sind. Auch in Regens­ burg hielt sich Leonard vorübergehend auf. Im Jahre 1673 wurde Jo­ hann Friedrich Leonard vom Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg (1640—1688) nach Berlin berufen, hier führte er die Schabkunsttechnik ein 201). Maria Sibylla Merian Die Malerin, Kupferstecherin und Naturforscherin Maria Sibylla Merian (* 1647 zu Frankfurt a. M., f 1717 zu Amsterdam) war die Tochter des Kupferstechers und Verlegers Matthäus Merian d. Ä. (1593 —1650) in Frankfurt a. M., der aus Basel stammte. Die Künstlerin, die einige Zeit in Nürnberg tätig war, ging in ihre Heimatstadt Frankfurt a. M. zurück und dann in die Niederlande 202). Maria Sibylla lernte zuerst in Frankfurt bei ihrem Stiefvater, dem Blumen-Stillebenmaler und Radierer Jacob Marrel (1614—1681), den ihre Mutter 1651 heiratete, sowie bei dem Blumen-, Früchte- und Stil­ lebenmaler Abraham Mignon (1640—1679). Dieser war wiederum ein Schüler des erstgenannten Marrel. Schon in ihrer Jugend malte Maria Sibylla die Blumen und dann die Schmetterlinge wie Insekten. Im Jahre 1668 heiratete Maria Sibylla Merian den Nürnberger Architektur­ zeichner, Radierer, Kupferstecher und Kupferstichverleger Johann An­ dreas Graff (1637—1701), der auch ein Schüler Marrels war. Die Künst­ lerin ging 1668 oder 1670 mit ihrem Mann nach Nürnberg. 9

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Hier malte sie immer wieder Blumen, Früchte und Tiere in Aqua­ rell- und Gouachetechnik, in öl zumeist auf Pergament sowie in be­ ständiger Farbe auf Seide. Jetzt wurde Maria Sibylla Merian auch die Begründerin der deutschen Insektenkunde und deren Sammelmethode. Sie züchtete Raupen und studierte die Entwicklung der europäischen Insekten wie Schmetterlinge auf den entsprechenden Futterpflanzen. Diese biologischen Forschungen waren grundlegend. So ist die Künst­ lerin zu einer bedeutenden Forscherin auf dem Gebiet der Entomologie geworden. Die Werke der Merian sind zuerst in Nürnberg und dann in holländischer Übersetzung in Amsterdam oder nur in Amsterdam erschienen 203). Die beiden Töchter waren an ihren Arbeiten beteiligt. Johanna He­ lena Graff (* 1668 zu Frankfurt a. M.) war Schülerin der Mutter. Die jüngere Maria Dorothea Henrica Graff (* 1678 zu Nürnberg, f 1745 zu St. Petersburg) hatte die gleiche Lehre erhalten. Im Verlag ihres Mannes erschien der 1. Teil des Werkes von Maria Sibylla Graff: Der Raupen wunderbare Verwandelung und sonderbare Blumennahrung, Nürnberg Johann Andreas Graff, Frankfurt und Leipzig David Funke 1679. Der Kupfertitel und die 50 Kupfertafeln sind eigenhändige Arbeiten der Maria Sibylla. Darauf folgte der 2. Teil: Der Raupen wunderbare Verwandlung und sonderbare Blumennahrung Anderer Theil, Frankfurt am Mayn J. A. Graff, Leipzig und Nürnberg David Funke 1683. Kupfertitel und 50 Kupfertafeln, von denen die besseren von der Verfasserin und die weniger guten von J. A. Graff herrühren. In der Vorrede weist Maria Sibylla darauf hin, daß die zwei .Teile auch mit ausgemalten Tafeln vorrätig sind. Auch nur die Verwandlungen waren koloriert verkaufsfertig, es war dann eine halb­ kolorierte Ausgabe. Vermutlich wurden diese aber nicht gekauft, bis 1931 hat sich kein Exemplar nachweisen lassen. Die naturwissenschaftliche Forschung hat hier die erste wissen­ schaftliche Abhandlung über die Schmetterlinge erhalten. In diesem Kupferstichwerk mit begleitendem Text zeigt sich die künstlerische Begabung und die zutreffende naturwissenschaftliche Beobachtung, die der Verfasserin überall volle Anerkennung eintrugen. Das zweite Werk: Neues Blumenbuch. Allen kunstverständigen Liebhabern zu Lust, Nutz und Dienst, mit fleiß verfertiget, Floruin faseiculus primus 1679, alter 1680, tertius 1683 erschien ebenfalls im Verlag ihres Mannes. Die Tafeln des 1. Teiles sind nach Vorlagen des Miniatur­ malers und Kupferstechers Nicolas Robert (Paris 1614—1685) kopiert. Auch dieses Blumenbuch ist eine besonders charakteristische Arbeit der Merian. Die Welt der Pflanzen und Blumen erscheint auf zahlreichen Kupferstichtafeln, die mit zarter Hand nachgebildet sind. Die Künst­ lerin hat für diese Veröffentlichung ein neues technisches Verfahren — den Umdruck — entwickelt. Die aus der Kupferdruckpresse gekomme­ nen und dadurch noch feuchten Blätter liefen wiederum mit einem zweiten Papierbogen durch die gleiche Presse. Dadurch erfolgte der Umdruck dieser Blätter, es entstanden die Gegendrücke. Der Umdruck gab die Kontur sehr fein wieder. Diese Gegend rucke wurden von Maria Sibylla Merian eigenhändig ausgemalt. Nach ihrem Tod waren keine Umdrucke zur etwaigen Ausführung mehr vorhanden. 130

Durch diese beiden wissenschaftlichen Werke sowie durch ihre Blu­ menstilleben und ihre Malereien auf Seide war die Künstlerin in Deutschland und im Ausland weit bekannt und berühmt. Außerdem waren ihre eingefärbten Leinenstoffe und die bemalten Seidentücher bekannt. Von einem General (wahrscheinlich in Nürnberg) bekam sie den Auftrag, für ihn ein vollständiges Zelt als eine mit Blumen ver­ zierte Laube auszumalen. Diese eingehendere Besprechung ihres Lebens­ weges und ihrer Werke ist für das Verständnis des folgenden wichtig. Vor 1684 war Maria Sibylla Graff-Merian mit ihrem Mann einige Jahre in Frankfurt a. M. tätig. In diesem Jahre 1684 trennte sich die Künstlerin von Graff, sie lebte weiter in ihrer Heimatstadt und nahm ihren Geburtsnamen Merian wieder an. Die Ehe war unglücklich gewesen. Um 1685 zog Maria Sibylla Merian nach dem Schloß Bosch bei Vinwarden in Westfriesland (Holland), um sich mit ihrer Mutter, ihrem Bruder, dem Maler Caspar Merian (1627—1686), sowie ihren beiden Töchtern Johanna Helena und Marie Dorothea Henrica Graff der Labadistengemeinde, einer frühchristlich gearteten Sekte, in Holland an­ zuschließen. Der Stifter war Jean de Labadie. Im Jahre 1686 zog Graff seiner Frau nach, um sie zur Rückkehr zu bewegen. Auf dieser Reise lernte Graff die bedeutendsten Städte Hollands kennen. Maria Sibylla Merian ließ 1685 ihr Frankfurter Bürgerrecht verlängern (Ratssupplika­ tionen 3.—10. III. 1685 im Stadtarchiv Frankfurt a. M.). Im September 1690 kündigte sie dann schriftlich das Frankfurter Bürgerrecht; sie teilte in dem Schreiben auch mit, daß ihr Mann sich von ihr separiert habe (Ratssupplikationen 7. IX. 1690). In Friesland wurden damals Insekten und Schmetterlinge gesam­ melt. Die Künstlerin sah in Amsterdam die Naturaliensammlung des Bürgermeisters Witsen, exotische Schmetterlinge befanden sich darin, ln dem niederländischen Schloß Bosch aber war die Sammlung des H. von Sommerdyck. Hier lernte Maria Sibylla eine Sammlung von surinamensischen Schmetterlingen kennen« Darauf faßte sie im Jahre 1699 den Entschluß, mit ihrer ältesten Tochter Johanna Helena Graff nach Surinam, dem niederländischen Guayana in Südamerika, zu reisen. Die niederländische Regierung unterstützte die Reisenden. Die Abfahrt er­ folgte im Juni 1699, die Überfahrt dauerte zwei Monate. Maria Sibylla Merian wollte in dieser Kolonie und im tropischen Land das Leben der Insekten und Schmetterlinge sowie die Blumen genauer erforschen. Die europäische wissenschaftliche Forschung war naturgemäß noch nicht sehr weit vorgedrungen und die beiden Frauen hatten auf ihrem wis­ senschaftlichen Gebiet zahllose Funde und Entdeckungen zu verzeich­ nen. Beide fingen und züchteten die Insekten, die biologischen Vorgänge im Leben der Insekten wurden erforscht. Die Ergebnisse in Surinam wurden aufgezeichnet, die Tiere sind von Maria Sibylla und ihrer Tochter abgemalt; letztere leistete als Zeichnerin sehr viel. Die Pergamentblätter mit den Aquarellmalereien, auf denen die Raupen und Schmetterlinge, die Puppen und die Kokongespinste, die leeren Raupenbälge sowie die Zweige, Blüten und Pflanzen dargestellt sind, bedeuten für die naturwissenschaftliche Forschung der damaligen Zeit unschätzbare Werte. In dem tropischen Land lernte die Künstlerin 9

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auch eine ganz neue leuchtende Farbigkeit kennen und bei ihren Male­ reien anzuwenden. Zwei Jahre waren die beiden Frauen in Surinam tätig. Sie kehrten 1701 nach Holland zurück, die Seereise dauerte drei Monate und am 23. IX. kamen sie in Amsterdam an. Jetzt erschien im Selbstverlag ihr bedeutsames Werk: Metamorphosis Insectorum Surinamensium in qua Erucae ac Vermes Surinamenses, cum omnibus suis transformationibus, ad vivum delineantur et describuntur, singulis eorum in Plantas, Flores et Fructus collocatis, in quibus reperta sunt. Amstelodami 1705. Den Verkauf übernahm auch Gerard Valk (Valek, 1651/2—1720), Graveur und Gravürenhändler (Kar­ tenstecher) in Amsterdam. Diese lateinische Ausgabe war die erste. Darauf folgte in diesem Jahr ohne Datum eine 2. holländische Ausgabe: Metamorphosis Insectorum Surinamensium. Ofte Verandering der Surinaamsche Insecten. Waar in de Surinaamsche Rupsen en Wormen met alle des zelfs Veranderingen na het leven afgebeeldt en beschreeven worden, zynde elk geplaast op die Gewassen, Bioemen en Vruchten, daar sy op gevonden zyn. Amsterdam, Selbstverlag. Beide Ausgaben sind Grofifolia. Der Text dieser Verwandlung der surinamensischen Insekten stammt von Maria Sibylla Merian. Die Fußnoten mit den wissenschaftlichen Bezeichnungen der Pflanzen sind von dem Botaniker Kaspar Commelin (1667—1731) in Amsterdam. Auf 60 Tafeln sind Kupferstiche mit Pflan­ zen, Zweigen, Ranken, Teilen von Bäumen und Ästen dargestellt. Die Raupen und Schmetterlinge sitzen in ihrer ganzen Pracht und schönen Zeichnung an diesen Zweigen, Blüten und Pflanzen oder sie fliegen heran. Die Künstlerin konnte nicht in allen Fällen die Raupen auf ihren entsprechenden Nährpflanzen abbilden. Die Originalzeichnungen wurden von den Amsterdamer Kupferstechern übertragen: Joseph Mulder (1659/60—1718) 21 Tafeln, Jan Pieter Sluiter (Sluyter, nach 1675 —nach 1713) 35 Tafeln, Daniel Stopendael (Stoopendaal) 1 und von der Verfasserin 3 unbezeichnete. Bei einigen Exemplaren der Ausgaben von 1705 wurden wiederum die aus der Presse gekommenen Abzüge auf andere Blätter umgedruckt. Die Verfasserin hat dann diese Exemplare ausgemalt. Ein Exemplar der 2., also der holländischen Ausgabe, besitzt die Bibliothek des Ger­ manischen Nationalmuseums Nürnberg, ein anderes ist in der Samm­ lung Max 6 Adolf Pfeiffer Kötzschenbroda bei Dresden. Diese beiden ausgemalten Exemplare lagen dem kleinen Auswahldruck zu Grunde: Maria Sibylla Merian, Das kleine Buch der Tropenwunder. Kolorierte Stiche, Geleitwort von Friedrich Schnack = Insel-Bücherei Nr. 351. Leipzig 1935. Diese Veröffentlichung bietet eine sehr gute Einführung, die Pflanzen und Schmetterlinge sind von Schnack und die Bestimmung der Insekten von Willi Kraus nach dem Stand der neuesten Forschung wissenschaftlich erklärt. Ein zweites Mal konnte Maria Sibylla Merian nicht mehr nach Suri­ nam reisen. Die älteste Tochter Johanna Helena ging nach ihrer Ver­ heiratung mit einem Kaufmann Herold (Herolt), dessen Geschäfte ihn in dieses Kolonialland führten, dorthin zurück. Sie blieb in diesem tro132

pischen Land wohnen und arbeitete an einer Fortsetzung der früheren Arbeiten ihrer Mutter. Hier müssen wir zunächst die weiteren holländischen Ausgaben des Werkes: Der Raupen wunderbare Verwandlung anführen, zu Leb­ zeiten der Maria Sibylla Merian und nach ihrem Tod sind sie erschienen. Der Rupsen Begin, Voedzel, en wonderbaare Verandering, Amster­ dam Selbstverlag o. J. (1713). Die 50 Kupfertafeln der 1. Nürnberger Ausgabe wurden verwendet. Tweede Deel. Amsterdam Selbstverlag o. J. (1714) wiederum mit den 50 Kupfertafeln des 2. früheren Bandes. In der Vorrede ist der Hinweis zu finden, daß das Buch auch mit Farben illuminiert zu haben sei. Deerde en Laatste Deel, Amsterdam o. J. (1717) mit den 50 Kupfertafeln. Dieser 3. Teil ist von Maria Dorothea Henrica Graff aus dem Nachlaß herausgegeben, von ihr das Titelkupfer. Es sind zwei verschiedene Fassungen des Titels vorhanden, da zuerst ein An­ hang über die surinamensischen Insekten von Johanna Helena Herolt erscheinen sollte. Das Manuskript wurde nicht termingemäß aus Suri­ nam zugesandt. Bei der 2. Fassung ist dieser Zusatz weggelassen. Mit diesem Band sind die Ausgaben der Werke im Eigenverlag beendet. Maria Dorothea Henrica Graff (1678—1745) arbeitete an den entomologischen Tafelwerken ihrer Mutter mit. In den archivalischen Auf­ zeichnungen ist sie wie Maria Sibylla Merian nur als Insekten- und Blu­ menmalerin beglaubigt. 1715 heiratete sie den Maler Georg Gsell (1673 bis 1740) und ging mit ihm 1717 nach Rußland. Vor ihrer Abreise ver­ kaufte sie die Kupferplatten der Werke, sie gab auch noch das Werk heraus: De generatione et metamorphosi Insectorum surinamensium. Gsell wurde 1719 Hofmaler des Zaren Peter I. des Großen von Rußland (1682/89—1725). Beide Künstler waren dann seit 1726 als Zeichen- und Mallehrer im Dienst der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften zu St. Petersburg tätig. In dieser Stadt starb die Frau. Die späteren Ausgaben der Bücher seien kurz angeführt. Raupen­ buch: Erucarum ortus, Amstelaedami Joannes Oosterwyk o. J. (1718) lateinische Gesamtausgabe der europäischen Insekten mit den 150 Ta­ feln der früheren Auflagen; Histoire des insectes de FEurope, Amster­ dam Jean Frederic Bernard 1730 und De Europische Insecten, holländi­ sche Ausgabe. Von den 186 Kupferplatten sind 153 original, 33 sind neu. Von diesen stammen 18 aus dem Nachlaß der Maria Sibylla und die weiteren 15 von der Tochter Herolt (siehe 1717). Jean Marrel vervoll­ ständigte den Text. Histoire generale des insectes de Surinam et de toute FEurope. Tome second, Paris L. C. Desnos 1771. Surinamensische Insekten: Dissertatio de generatione et metamorphosibus Insectorum Surinamensium, Amstelaedami Joannes Ooster­ wyk 1719 und Over de Voortteeling en Wonderbaerlyke Veranderingen der Surinaemsche Insecten 1719. Bei den Ausgaben wurden 12 Tafeln hinzugefügt, davon 10 nach Originalen im Nachlaß und 2 vom Samm­ ler A. Seba. — Histoire des insectes de FAmerique. Dissertatio de ge­ neratione, La Haye Pierre Gosse 1726; Over de Voortteeling, Amster­ dam Jean Frederic Bernard 1730; Histoire generale des insectes de Su­ rinam et de toute FEurope. Tome premier, Paris L. C. Desnos 1771. 133

In den Sammlungen der Akademie der Wissenschaften zu Leningrad befinden sich neben Zeichnungen des Malers Gsell auch Zeichnungen seiner Frau Maria Dorothea Henrica Graff sowie ca. 200 Aquarelle auf Pergament von Maria Sibylla Merian, die aus deren Nachlaß in Amsterdam stammen. Es sind Handzeichnungen und Teile der Insekten­ sammlung; die exotischen Schmetterlinge müssen zu dem Werk der surinamensischen Insekten gehören. Aber der wichtigste Teil der Insektensammlung wurde im 18. Jahr­ hundert von dem Bankier Jöh. Chr. Gerning in Frankfurt a. M. erworben. Andere Zeichnungen aus dem Nachlaß der Maria Sibylla Merian kamen in den Besitz der Stadt Amsterdam, sie befinden sich in den Städtischen Sammlungen. Das Britische Museum London besitzt zwei Bände mit Handzeichnungen und Malereien. In der Royal Library des Schlosses Windsor werden zwei Bände mit 45 Zeichnungen verwahrt, Die Senckenberg-Bibliothek Frankfurt a. M. hat einige Pflanzendar­ stellungen auf Pergament sowie 18 Insektenzeichnungen. Im Kupferstichkabinett des Germanischen Nationalmuseums befin­ den sich fünf Zeichnungen. Das Museum selbst besitzt davon vier: Eine Gruppe von vier Blüten des Gelsiminum Indicum am Zweig mit gegen­ ständigen Blattstauden 1695, Aquarell auf Pergament; zwei Schmetter­ linge, Aquarell auf Pergament, signiert Amsterdam den 24 feberuary 1706. Maria Sibylla Merian; Hyazinthenblüten mit Schmetterling, Rauen und Insekten, Aquarell auf Papier; Zweig mit Eichenblättern und icheln, Aquarell auf Papier. Dazu kommt das Blatt in der städtischen Kupferstichsammlung aus der Norica-Sammlung des Kaufmanns George Arnold Nürnberg: Afrikanische Heuschrecke, auf Pergament. Im Pri­ vatbesitz Nürnberg sind mir drei Blätter bekannt; davon stammen zwei — früher dem August Johann Rösel von Rosenhof zugewiesen — aus der Sammlung des Historien-, Bildnismalers und Kupferstechers Hein­ rich Ludwig Petersen (1806—1874) Nürnberg Toplerhaus und eine aus der Sammlung des Entomologen Ferdinand Eisinger-Nürnberg 19./20. Jahrh. Diese Aquarelle gehören zu „Der Raupen Verwandlung“.

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Das Kupferstichkabinett Berlin besitzt mehrere Zeichnungen, sie wurden 1835 mit der Sammlung des Generalpostmeisters Carl Ferdi­ nand Friedrich von Nagler (1770—1846, Lugt 2529) erworben. Die Be­ stände dieser Sammlung stammen zu T. aus Nürnberg. Es sind Vasen mit Blumen, Fische, Muscheln, Käfer, Schmetterlinge, Obst, Tiere, Raupen und Insekten. Sie sind in Deckfarben auf Pergament, bei eini­ gen auf Papier, andere sind in Wasserfarben auf Papier ausgeführt 204); Kat. Nr. 8827—9020. In der Albertina Wien sind mehrere Blätter. Die anderen Arbeiten sind bei Thieme-Becker angeführt. Der oben genannte Maler und Kupferstecher Caspar Merian (* 1627 zu Frankfurt a. M., f 1686 im Schloß Bosch bei Vinwarden) war der Bruder der Maria Sibylla Merian. Vor 1650 war er nach Zülch zeitweise in Paris und in Nürnberg tätig. Vermutlich hat Merian auch in Nürn­ berg gelernt, allerdings ist der Name seines Lehrers nicht bekannt. Nach dem Proklamationsbuch der lutherischen Gemeinde Frankfurt a. M. heiratete er am 30. IV. 1650 eine Jungfrau Rachel aus Nürnberg. Mit seinen Brüdern war Caspar an dem väterlichen Verlag beteiligt, für die

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Verlagswerke fertigte er zahlreiche Radierungen an. In seinen späteren Lebensjahren um 1685 zog er mit seiner Schwester nach Holland und trat der Labadistengemeinde bei. Nicolaus Häublin Der Kupferstecher Nicolaus Häublin (Häublein, Haublin, Häublein) wird mit dem Stecher Niclaes van Werd identifiziert. Seine Tätigkeit wird in Nürnberg, Leipzig, Frankfurt a. M. und in den Niederlanden angenommen. Häublins Porträtstiche sind nach Werken der Nürnberger Maler Hieronymus Fuchs und Georg Strauch (1613—1675) sowie nach den Vorbildern aus anderen Städten entstanden. In Nürnberg weilte Häublin 1666, in Leipzig 1668/69. In den Niederlanden arbeitete er 1677, darnach war er um 1680 in Frankfurt a. M. Caspar Luyken Der holländische Zeichner und Radierer Caspar Luyken (1672—1708) war in Amsterdam als Illustrator für Buchverleger tätig. Er war ein Schüler und Mitarbeiter seines Vaters, des Zeichners und Radierers Jan Luyken (1649—1712). Beide schufen die Illustrationen zu dem Buch mit Handwerker-Darstellungen: Spiegel van het menselyk bedryf, Amster­ dam 1694. Dieser 1. Ausgabe folgte später die zweite: Spiegel van het menselyk Bedryf, vertoonende hondert verscheiden Ambachten, konstig afgebeeld, en met zinryke sprenken en stichtelyke Verzen verrykt, Amsterdam 1704. Der Radierer und Verleger Christoph Weigel (1654 bis 1725) war zuerst in Augsburg. Er gab ein Werk heraus, das für die Kulturgeschichte der Zeit von großer Bedeutung ist: Abbildung der gemein-nützlichen Haupt-Stände von denen Regenten ... biß auf alle Künstler und Handwerker. Regensburg 1698. Weigel hatte dazu einen Teil dieser holländischen Vorlagen kopiert, die anderen Radierungen haben er und seine Werkstatt in gleicher Weise geschaffen. 200 Berufe werden hier beschrieben. Sogleich nach dem Erscheinen der Buchaus­ gabe übersiedelte Weigel 1698 nach Nürnberg, wurde hier Bürger und gründete eine Buch- und Kunsthandlung. Dazu bestand ein Zweig­ geschäft in Wien. Der Augustinerpater, Volksredner und Volksschrift­ steller Abraham a Santa Clara (1644—1709), der mit seinem bürger­ lichen Namen Ulrich Megerle hieß, stammte aus Kreenheinstetten in Baden und war Prediger am kaiserlichen Hof in Wien. Der Geistliche gab nun bei Weigel in Nürnberg seine Schrift heraus: Etwas für alle, das ist: eine kurtze Beschreibung allerley Stands-Ambts- und GewerbsPersohnen, mit beygedruckter sittlichen Lehre und biblischen Concepten. Nürnberg Christoph Weigel, Wien Johann Carl Hueber 1699. Darin wurden die Weigelsclien Illustrationen übernommen. Auch durch die verlegerische Übernahme des Werkes „Etwas für alle“ trug Weigel dazu bei, daß seine eigenen Illustrationen sehr verbreitet wurden 205). 1711 und 1723 sind neue Auflagen erschienen; immer wurde die Schrift des Abraham a Santa Clara vollständig oder im Auszug gedruckt. In echt barocker Weise zeigen die Darstellungen das Leben und Treiben der einzelnen Handwerker. Die Werkstätten sind sehr anschaulich wiedergegeben, die Meister und die Gesellen sind bei der Arbeit, die

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Geräte und das Werkzeug werden gezeigt. Bisher wurde angenommen, daß Christoph Weigel gerade Nürnberger Handwerker dargestellt hat. Erst meine Untersuchungen haben den Sachverhalt klargelegt; es be­ durfte der niederländischen Vorlagen, um ein solches Buch zusammen­ zustellen. In den Jahren 1699 bis ca. 1705 war Caspar Luyken in Nürnberg, hier arbeitete er für den Verlag Christoph Weigel. Dieser Nürnberger hat sich dadurch einen Künstler für seine Werkstatt und seine Verlags­ produktion gewonnen. Zwei Folgen der 12 Monate und der 5 Sinne sind um 1700 entstanden. Um 1700 erschien: Ethica naturalis, hierin sind 59 Radierungen nach eigenen und 41 Radierungen nach den Ent­ würfen seines Vaters gearbeitet. Mit diesem arbeitete er gemeinsam an mehreren Bilderbibeln. Eine Folge der Nürnberger Kleidertrachten kam 1701 heraus. Mehrere Ausgaben von Schriften des Abraham a Santa Clara illustrierte er: Kayserliche Hoffstadt in Wien 1705 (100 Blätter), Heilsames Gemisch-Gemasch 1704 (51 Blätter), Wohlangefüll­ ter Weinkeller erst 1710 herausgekommen (59 Blätter). Eine Folge von 52 Darstellungen aus dem Ovid ist um 1705 geschaffen, sie kam in der Form von Spielkarten heraus; das Vorbild bildete die Folge des Malers und Kupferstechers Stefano della Bella (1610—1664) und die Heraus­ gabe erfolgte durch Pieter Mortier. Von seinen Einzelblättern sei nur der Einzug des Kaisers Joseph I. (1705—1711) in Nürnberg 1705 ge­ nannt. Im Kupferstichkabinett des Germanischen Nationalmuseums Nürn­ berg befindet sich ein 1925 für die städtische Kupferstichsammlung er­ worbenes Blatt: Der Henkersteg. Feder in Braun, braun laviert, sig­ niert links unten C. Luka f. und auf der Rückseite steht mit Feder in Braun geschrieben: gesight in de Stat Nürenbergh: siende na de sewalts kerck. Henckersteeg dessen Wohnung. ( = die des Künstlers) Das Blatt stammt aus einer unbekannten Sammlung W (Lugt 2597a). Eine andere getuschte Zeichnung: Blick auf Henkersteg, Henkersturm und die alte Stadtmauer war ehemals in der Sammlung von Oberbau­ rat Heinrich Wallraff sen. Nürnberg 206). Die Stadt Amsterdam besitzt in der Sammlung van Eeghen eine Zeichnung: Blick auf Nürnberg von der Burg aus, datiert 1700. In der Albertina Wien befindet sich eine Zeichnung: Die Burg in Nürnberg.

Der Handel im 18. Jahrhundert Am Anfang dieses Zeitraumes legte ein Nürnberger Kaufmann Keller die spätere Keller-Fleischauersche Nadelfabrik an. Ihre Fabri­ kation war geteilt; die eine Fabrik lag in Nürnberg beim Frauentor, zwei weitere Fabriken waren in Lauf beim oberen und unteren Wehr. Die Einrichtung geschah durch einen Niederländer Schlechting, der wahrscheinlich aus Lüttich stammt. Seine Nachkommen lebten um 1800 noch in Nürnberg.

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Nach Roth, Geschichte des nürnbergischen Handels, wurden Fabri­ kate in Eisen, Leder, ferner der Alaun aus dem Gebiet von Lüttich be­ zogen. Dazu kamen wohl noch Erze und Metalle. Aus Yerviers und Stettweeg wurde das Tuch geliefert. Zu dem Material, das für die Nürnberger Fabrikation gebraucht wurde und aus dem Ausland ein­ geführt werden mußte, gehörte Elfenbein aus Holland. Dies kam aus den überseeischen Kolonien und wurde von den Kammachern, Drechs­ lern, Instrumentenmachern und Messerschmieden benötigt. Auch der Zwischenhandel mil den Produkten von Ost- und Westindien, mit Kaffee, Zucker, Kakao, Indigo, Orleans, Farbhölzerii, Tee, Pfeffer, Gummi, Schellack, Apothekerwaren und Gewürzen kam hinzu. Die in Nürnberg hergestellten Kurzwaren gingen auch nach Holland und von hier aus nach Ost- und Westindien sowie in andere Länder. Genannt werden als Fabrikate die Spiegel, Brillen, Schellen, Kämme, Glas­ korallen, Zinnfiguren und Zinnsoldaten, das Spielzeug. Im 18. Jahr­ hundert und um 1800 wurden in Nürnberg viele Arten Spitzen aus echtem und unechtem Gold- und Silbergespinst oder aus Lahndraht geklöppelt. Es waren leonische Waren. Die Verleger (= Händler) lie­ ferten das Material nach den Niederlanden und in andere romanische Länder. Um 1800 gingen Erzeugnisse aus Baumwolle nach den Nieder­ landen 207).

Holländische Kolonialpolitik In der holländischen Kolonialpolitik des 18. Jahrhunderts nahm ein Mitglied der Nürnberger patriziatischen Familie Imhoff eine bedeu­ tende Stellung ein. Der Geheimrat Wilhelm Heinrich Freiherr von Imhoff (1665—1725), der im Dienst des Herzogs von Braunschwei gWolfenbüttel stand, gründete die ostfriesische Linie der Familie. Er war mit lsabella Sophia von Boreel, die aus Amsterdam stammte, ver­ heiratet. Ihr Sohn Gustav Wilhelm Freiherr von Imhoff wurde am 9. YTTI. 1705 zu Leer in Ostfriesland geboren. Er trat in den Dienst der Ostindischen Compagnie der Niederlande. Im Jahre 1725, im Alter von 20 Jahren, kam Imhoff als Unterkommis (tweede Commis) nach Batavia und heiratete hier Angelika Katharina Magdalena Huysman van der Hille, die Tochter des Generalgouverneurs von NiedwländischOstindien. Anton Huysman van der Hille residierte zu Batavia. Schnell sollte sich die Laufbahn des jungen Deutschen entfalten. 1728 wurde er Sekretär der holländischen Regierung, 1732 außerordentlicher Rat, 1735 Direktor und ordentlicher Rat in Indien, 1736 Gouverneur und Rat von Ceylon, 1737 Rat in Batavia unter dem neu ernannten Ge­ neralgouverneur Adrian Valckenier, der ein Schreckensregiment führte und besonders die in Batavia lebenden Chinesen verfolgte. Im Jahre 1740 mußte es zum Aufstand dieser Chinesen kommen, der von Valcke­ nier vorher blutig unterdrückt werden sollte. Imhoff war nun als Kriegskommissar bei der holländischen Streitmacht, die aber von den Chinesen besiegt wurde. Darauf befahl Valckenier die Niedermetzelung der Chinesen am 9. XI. 1740, der Einspruch Imhoffs und anderer Räte blieb ungehört. Am 6. XII. 1740 ließ der Generalgouverneur diese Räte als Staatsgefangene verhaften, da sie sich angeblich gegen seinen Befehl aufgelehnt hätten und sich der höchsten Staatsgewalt bemäch137

tigen wollten. Am 12. I. 1741 wurde Imhoff auf dem Segler Adridien nach Holland als Staatsgefangener zurückgebracht, damit er verurteilt würde. Begleiter waren seine Frau und sein Bruder Heinrich Franz Freiherr von Imhoff, ehemals Kapitän der Garde im Haag. Dieser er­ litt bei seiner 2. Fahrt nach Indien 1743 Schiffbruch und kam mit seiner Gemahlin Mechtild Fiorentina Maria Freiin von Bentingk ums Leben. Aber schon im Dezember 1740 hatten die 17 Prinzipalisten, die als Großräte die Leitung der Compagnie innehatten, den Deutschen Gustav Wilhelm Freiherrn von Imhoff zum Generalgouverneur von Niederländisch-Ostindien ernannt. Allerdings erfuhr er dies erst nach seiner Landung in der Heimat am 17. IX. 1741. Darauf wurde Valckenier für Lebenszeit zur Haft verurteilt. Der neue Generalgouverneur fuhr am 29. X. 1741 zurück und lan­ dete am 22. Y. 1742 in Batavia, in einem triumphalen Zug ist er in seine Hauptstadt eingezogen. Darnach wurde ihm 1743 eine Nautilus­ muschel als Ehrengabe von der Bevölkerung überreicht. Auf einem Sockel steht der vergoldete Löwe, das Wappentier der Imhoff sehen Familie; der Schweif hält die Nautilusmuschel mit gravierten ge­ schwärzten Darstellungen, in denen der Einzug dargestellt ist. Diese Nautilusmuschel kam darnach in den Besitz der Stammfamilie nach Nürnberg und wurde stets als eine kostbare Erinnerungsgabe gehütet. Als Depositum der freiherrlich von Imhoffschen Familie Nürnberg befindet sich das Werk im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg. Außerdem wurden auf dieses Ereignis des feierlichen Einzuges in Ba­ tavia vier Medaillen in Deutschland, eine in Holland und zwei in Java geprägt. Gustav Wilhelm Freiherr von Imhoff war ein Gegner der damals aufgekommenen kolonialen Ausbeutung. Er stellte das unehrliche Geschäftsgebahren in der Ostindischen Compagnie ab und verbot die privaten Geschäfte der Beamten. Die Chinesen konnten wieder ihren Handel ausüben. Dadurch schuf Imhoff wieder normale Verhältnisse. Auch die im neuzeitlichen Sinne richtige Behandlung des Kolonial­ volkes war ihm zuerst zu verdanken. Diesen Kolonialgedanken hatte er noch vor seiner Berufung in Schriften vertreten, in Batavia konnte er dann seine für richtig gehaltenen Pläne durchführen. Außerdem wurde das Gebiet der Compagnie durch die Gebiete des Fürsten von Mandöra und 1749 des Reiches Mantaram, ein Vermächtnis des Sonsonhornan-Kaisers Pakon bonvana II., vergrößert. 1743 reiste Imhoff nach Südafrika (Kap-Kolonie), um das Land am Kap zu inspizieren. Als Stützpunkt wurde jetzt die Simonsbucht gewählt, da die bisherige Tafelbucht den Nordweststürmen zu sehr ausgesetzt war. Infolgedessen hat Imhoff das spätere Simonstad gegründet. Imhoff starb am 1. XI. 1751 in Batavia, er wurde in der holländischen Kirche zu Batavia be­ stattet. Dem Bildnismaler Jan Maurits Quinkhard (1688—1772) in Amster­ dam wird vermutungsweise ein Porträt dieses Gouverneurs zuge­ schrieben, das sich im Besitz der Freiherren von Imhoff-Nürnberg be­ findet. Es ist auf Leinwand gemalt und soll 1742 entstanden sein. Der Dargestellte trägt die Rüstung mit rotsamtenem Jaquet. er hält den Kommandostab. Einen Nachstich des Bildnisses in einer Kartusche mit 138

allegorischen Beigaben hat der Kupferstecher Jacobus Houbraken (1698 bis 1780) in Amsterdam geschaffen. Er gehörte für das 1748/57 bei Ja­ cobus Haffmann in Amsterdam erschienene Werk: Die Bildnisse der holländischen Statthalter und ihrer Frauen. Der holländische Maler Philip van Dyk (1680—1753) malte 1747 den Generalgouverneur, der auf diesem Repräsentationsbild vor einer wirkungsvollen Kulisse steht. Ein Mohr als Diener ist im Hintergrund angeordnet, der Globus und die Statue des Merkur deuten auf den Handel hin. Der in Amsterdam tätige Kupferstecher Pieter Tauje (1706—1761) hat das Gemälde ge­ stochen 208). Der Münzmeister Martin Holtzhey (* 1697 zu Ulm, f 1764 zu Middel­ burg) stammt aus der schwäbischen Stadt Ulm. Er war im Haag und dann in Amsterdam tätig. Von den oben erwähnten Medaillen auf Gustav Wilhelm von Imhoff schuf er zwei, die eine entstand 1741. Dazu kam, als Imhoff die Wiederausreise nach Indien antrat, eine Rundplakette aus Perlmutter 1742. Sie zeigt die Übergabe des Gouver­ neurstabes. Die Arbeit ist signiert und befindet sich im Landesge­ werbemuseum Stuttgart 209). Graphik und Malerei Der Maler, Radierer und Zeichner Johann Adam Delsenbach ist 1687 zu Nürnberg geboren und hier 1765 gestorben. Zuerst trat er in den Dienst des Herzogs Johann Georg von Sachsen-Weißenfels (1697 bis 1712), dann war er zwei Jahre in Leipzig tätig und ging 1710 nach Wien. 1713 kehrte Delsenbach nach Nürnberg zurück, 1718/21 wurde er nach Wien zurückberufen und ging darnach endgültig wieder nach Nürnberg. Hier gab er 1715/16 und 1725 seine Prospekte heraus, die uns so recht ein getreues Bild der barocken Stadt zeigen. Im Jahre 1733 unternahm nun Delsenbach mit dem Minister und niederländi­ schen Gesandten bei dem ständigen Reichstag zu Regensburg, Herrn von Gallieris, eine Reise nach Holland und Seeland. Delsenbach weilte in Amsterdam, Rotterdam, Utrecht, Leiden und den Haag. Zahlreiche Zeichnungen entstanden, die später gestochen wurden. Auf ihnen sind Schiffe dargestellt. Im 18. Jahrhundert erschienen in Nürnberg einige sehr bedeutsame naturwissenschaftliche Werke über Insektenkunde, Seetiere und Pflan­ zen. Einzelne Lizenzausgaben wurden davon ausgegeben, sie erschienen in Holland und sollen aber z. T. in Nürnberg gedruckt sein (?). Die Übersetzungen in französisch und holländisch sind für diese Zeit be­ sonders charakteristisch. Der Aquarell-, Miniaturmaler und Kupferstecher August Johann Rösel von Rosenhof (* 1705 Augustenburg bei Arnstadt, f 1759 zu Nürnberg) gab das sehr wichtige entomologische Werk heraus: Monat­ lich herausgegebene Insecten-Belustigung. Nürnberg 1. Th. 1746, 2. Th. 1749, 3. Th. 1747/55, 4. Th. 1761. Von diesem 4. Theil an sowie in der 2. Auflage 1764/68 wurde das Werk durch den Schwiegersohn, den Maler Christian Friedrich Carl Kleemann (1735—1789) herausgegeben. Er fügte als 5.—6. Theil dazu: Beyträge zur Natur- und InsectenGeschichte. Als ein Anhang zu den Röselischen Insecten Belustigun139

gen. Nürnberg 1. Th. 1792, 2. Th. fortgesetzt von Christian Schwarz 1793 210). Von dem vierbändigen Werk Rösels hat nun Christian Friedrich Carl Kleemann eine holländische Ausgabe herausgegeben: De natuurlyke historie der Insecten, voorzien met naar’t leven getekende en gekoleurde plaaten. Met aanmerkingen. Uit den hoogduitschen druk vertaald. 4 Teile. Haarlem en Amsterdam C. H. Bohn 1764/68. Zu der Übersetzung des Originalwerkes hat Kleemann die Kupfertafeln aus­ geführt, die von ihm und seiner Gattin Katharina Barbara Rösel kolo­ riert wurden. Daraufhin wurden die Kupfer exportiert. Der Kupferstecher, Maler, Kunsthändler und Sammler Geog Wolf­ gang Knorr (Nürnberg 1705—1761) gab mehrere naturwissenschaftliche Werke heraus, die z. T. später erschienen211). Als erstes Werk ist zu nennen: Vergnügen der Augen und des Gemüths in Vorstellung einer allgemeinen Sammlung von Muscheln und andern Geschöpfen, welche im Meer gefunden werden, Nürnberg Felsecker 1757/73. Es sind 6 Teile mit 190 Tafeln, die von mehreren Nürnberger Stechern, Gustav Philipp Trautner, Hermann Jakob Tyroff, Jakob Andreas Eisenmann gestochen, von den Malern Johann Conrad Kleemann, Christoph Nikolaus Kleeman, Johann Christoph Keller sowie von Knorr ausgemalt wurden. Die holländische Ausgabe wieder mit den exportierten Tafeln lautet: Verlustiging der oogen en van den geest, of verzameling van allerley bekende Hoorens en Schulpen, die in haar eigen kleuren afgebeeld zyn. Thans verbeterd, en met een nederduitsche beschryving uitgeheven. 6 Teile. Amsterdam F. Houttuyn 1770/75. Bei dieser Ausgabe sollen manche Tafeln vor allem im 5.—6. Teil gerade nach Vorlagen aus der Sammlung Houttuyn und anderen holländischen Sammlungen neu gestochen oder koloriert sein. Das andere Werk des Knorr ist: Deliciae naturae selectae oder auserlesenes Naturalien-Cabinet, welches aus den drei Reichen der Natur zeiget, was von curiösen Liebhabern gesammelt zu werden ver­ dienet, Fortgesetzet von dessen Erben, beschrieben von Philipp Ludwig Statius Müller und ins Französische übersetzt von Matth. Verdier de la Blaquiere. Nürnberg 1766, 2. Band 1767. Deutsch und französisch. Die holländische Ausgabe lautet: Deliciae naturae selectae of uitsrelezen Kabinet der natuurlyke zeldsaamheden welke de Ryken der Natuur aanbieden, vert. en met aanmerkingen, verm. d. P. L. L. Müller, Dordrecht 1771. Eine Neuausgabe ist von Johann Ernst Immanuel Walch 1778 in 4 Teilen herausgegeben, sie erschien auch französisch und hol­ ländisch. Walch war Philologe und Naturforscher, Universitätsprofessor in Jena. Ferner gab Knorr heraus: Lapides ex celeberrimorum virorum sententiis diluvii universalis festes ... oder Sammlung von Merkwürdig­ keiten der Natur und den Alterthiimern des Erdbodens, welche petrifizierte Körper enthält, Nürnberg 1755/73. Es folgte die Ergänzung von Johann Ernst Tmmanuel Walch: Die Naturgeschichte der Versteine­ rungen zur Erläuterung der Knoxrschen Sammlung von Merkwürdig­ keiten in der Natur. Nürnberg 1772. Neben der französischen ist auch eine holländische Ausgabe dieser Schrift Knorrs erschienen: De natuur­ lyke historie der Versteeningen, of afbeelding en beschryving van de 140

versteende zaaken, die tot heden op d. aardboden zyn ontdekt; vervolgd door J. E. I. Walch. In ’t nederduitsch vertaald door Martin Houttuyn. 3 Teile in 4 Bänden. Amsterdam 1773. Der Nürnberger Arzt und Botaniker Dr. med. Christoph Jakob Trew (* 1695 zu Lauf, f 1769 zu Nürnberg) hatte als Begleiter vor­ nehmer Gönner und Freunde eine Bildungsreise nach Paris, Leiden, Amsterdam und Danzig um 1718 unternehmen können. 1743 wurde er Direktor der kaiserlich Leopoldinisch-Carolinischen Akademie der Naturwissenschaften zu Nürnberg. Trew gab das sehr bedeutende Werk heraus: Plantae selectae, quarum imagines ad exemplaria naturalia Londini in hortis curiosorum nutrita manu artificiosa doctaque pinxit Georgius Dionysius Ehret, collegit notisque illustravit et dicavit G. J. Trew, nomina acnotas produxit Benedictus Christianus Vogel in aes incidit et vivis coloribus repraesentavit Joannes Jacobus Haid. Augustae Vindelieorum 1750/73. Neue Ausgabe Augsburg 1771. Die holländische Übersetzung lautet: Uitgezochte Planten, beschreven door Christoph Jakob Trew, na’t leven getekend door gekoleurd in’t licht gegeven door Johann Jakob Haid, uit het latyn vertaalt door Cornelius Pereboom, Amsterdam Jan Christ. Sepp 1771; mit 100 Kupfern 212). Der Blumenmaler Johann (Jan) Careel war vermutlich in Holland geboren oder seine Vorfahren stammen aus dem Lande. In der Zeit von 1760/80 war er in Nürnberg tätig. Seine Ölgemälde und Aquarelle lehnten sich an die Werke der Nürnberger Maler- und Graphiker­ familie Dietzsch an, die im 18. Jahrhundert farblich so schöne Blumenund Tierdarstellungen schufen. Der Kupferstecher Christoph Wilhelm Bock (* 1755 zu Nürnberg, f Mitte der 30er Jahre des 19. Jahrh.) war ein bekannter Porträtstecher. Er unternahm eine Reise nach den Niederlanden. Auch sein Bruder, der Kupferstecher Johann Carl Bock (* 1757, nachgewiesen bis 1806) reiste dorthin. Für die Entwicklung der Nürnberger Kunst sind aber diese beiden Persönlichkeiten nicht mehr entscheidend. Handwerker Der Schriftgießer Johann Michael Fleischmann (* 1701 zu Nürnberg, t 1768 zu Amsterdam) muß schon frühzeitig nach Amsterdam gegangen sein. Im Jahre 1738 fertigte er die Noten- und Letternstempel für die Druckerei Enschede in Haarlem. Zusammenfassung In einer Überschau sind die vielfältigen Beziehungen zwischen der einen deutschen Metropole Nürnberg und dem niederländischen Raum aufgezeigt. Wenn auch zeitenweise die nähere Verbindung zu den Niederlanden nicht so sehr hervortrat und der Nürnberger Handel zurückgegangen war, so gab es doch immer wieder Momente, die an die einst so glanzvollen Beziehungen anzuknüpfen versuchten. Je näher wir der Neuzeit kommen, desto mehr nehmen, bedingt durch wirt­ schaftliche, finanzielle und politische Ereignisse, die direkten Bezie­ hungen ab.

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Die Tätigkeit der niederländischen Künstler des 16. und 17. Jahr­ hunderts in Nürnberg war ein Zeichen für die wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung der freien Reichsstadt. Auch hier hat der 30jährige Krieg eine sehr viel versprechende Entwicklung zum Teil unter­ brochen. Der patriziatische Rat der Stadt hat im Sinne einer weit­ schauenden Handels- und Kulturpolitik die Kunst gepflegt, solange die Stellung der freien Reichsstadt im deutschen und europäischen Raum unangetastet war. Die vertriebenen Reformierten haben als Kaufleute und Hand­ werker in den Mauern der Stadt gewirkt. Darnach schlossen sie sich zur reformierten Gemeinde zusammen, die auch im 19. und 20. Jahr­ hundert bedeutend blieb. Dieser Teil der städtischen Bevölkerung hat sich zu einem kultu­ rell, kommerziell und handwerklich maßgebenden Faktor entwickelt.

Anmerkungen U Käthe Dettling: Der Metallhandel Nürnbergs im 16. Jahrhundert. Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt, Bd. 27. Nürnberg 1928, S. 166—169, 202—204. 2) Werner Schultheiß: Nürnberg und die Niederlande. Frank. Kurier, Nürnberg, 14. VII. 1940. 3) Rudolf Häpke: Brügges Entwicklung zum mittelalterlichen Weltmarkt. Abhandlungen zur Verkehrs- und Seegeschichte, im Aufträge des Hansischen Geschichtsvereins hrsg., Bd. 1. Berlin 1908, S. 29. 4) Anton Chroust und Hans Proesler: Das Handlungsbuch der Holzschuher in Nürnberg von 1304 bis 1307. Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte, X. Reihe, Quellen zur Wirt­ schaftsgeschichte Frankens. Bd. 1. Erlangen 1934. S. XXXVIII—XXXIX. 5) Häpke a. a. O., S. 118—119, 253—234. 8) Lazarus Carl von Wölckern: Historia Norimbergcnsis diplomatica oder Zusammentrag der vornehmsten Freyheiten Begnadigungen und Conzessionen. Nürnberg 1738, S. 281—282. Die Chroniken der fränkischen Städte. Nürnberg, hrsg. von Karl Hegel, Bd. 1 = Die Chro­ niken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert, Bd. 1, Leipzig 1862, S. 222—223. Hansisches Urkundenbuch, hrsg. vom Verein für Hansische Geschichte. Bearbeitet von Kon­ stantin Höhlbaum, Bd. 3. Halle 1882—1886, S. 585—586. — Dettling a. a. O., S. 104—105. 7) Christoph Gottlieb von Murr: Beschreibung der vornehmsten Merkwürdigkeiten in der Reichsstadt Nürnberg, in deren Bezirke und auf der Universität Altdorf. 2. Ausgabe Nürnberg 1801, S. 358. Ernst Mummenhoff: Das Rathaus in Nürnberg. Nürnberg 1891, S. 30—37,313; Abb. S. 35, 39, 42. Ferdinand von Reitzenstein: Kaiser Ludwig der Bayer und seine Darstellungen im Mittelalter. Zeitschrift des Münchener Alterthums Vereins N. F. 12. Jg. 1900/01. München 1901, S. 24, Abb. 5. Otto Posse: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige von 751—1806. Bd. 1 751—1347 von Pippin bis Ludwig den Bayern. Dresden 1909, S. 27 Taf. 51. Bd. 5. Das Siegelwesen . . . 751—1913. 1913, S. 37. Egon von Berchem: Siegel. Bibliothek für Kunst- und Antiquitätensammler, Bd. 11 Berlin 1918, Abb. 16. Heinrich Höhn: Nürnberger gotische Plastik. Nürnberg 1922, S. 113, Abb. 10—11. Justus Bier: Nürnbergisch-fränkische Bildnerkunst. Kunstbücher deutscher Landschaften, Bd. 1. Bonn 1922, S. 5, 12, Abb. 4—5. Kurt Martin: Die Nürnberger Steinplastik im 14. Jahrhundert. Denkmäler deutscher Kunst, hrsg. vom Deutschen Verein für Kunstwissenschaft, II. Sektion Plastik, Bd. 5. Berlin 1927 S. 34 bis 35, 40, 122, 152—153, Kat. Nr. 211—212, Abb. 29, 112, 113. Theodor Hampe und Eberhard Lutze: Nürnberg. Berühmte Kunststätten Bd. 82. Leipzig 1934 S. 44, 64, Abb. 17—18. Eberhard Lutze: Einst im alten Nürnberg. Sechs Jahrhunderte Kultur und Leben in zeitge­ nössischen Bildern und Dokumenten. Stuttgart 1939, S. 10—11. 8) 38. Jahresbericht des histor. Vereins für Mittelfranken 1871 und 1872. Ansbach 1872, S. XXIV—XXV. 9) Wölckern a. a. O. S. 796—797. Johann Ferdinand Roth: Geschichte des nürnbergischen Handels. Ein Versuch. Th. 1—4. Leipzig 1800—1802. Th. 4 S. 3—39. Josef Pfitzner: Kaiser Karl IV., Deutsche Könige und Kaiser, Bd. 1. Potsdam 1938, S. 93. 10) HansischesUrkundenbudi a. a. O. Bd. 2. 1879. Nr. 121 S. 52—54: 1. XII. 1307 Graf Robert III. Freibrief; Stadtarchiv Köln. Nr. 154 S. 65—69: 14. XI. 1309 Brügge erteilt Freiheiten; Stadtarchiv Köln. Nr. 160 S. 71—72: 24. XI. 1309 Graf Robert III. Freibrief; Stadtarchiv Köln. Nr. 616 S. 271: 22. V. 1338 Graf Ludwig II. Freibrief; Stadtarchiv Köln.

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Hansisches Urkundenbuch a. a. O. Bd. 3. 1882—1886. Nr. 143 S. 70—71: 30. IY. 1349 Graf Ludwig III. Freibrief. Nr. 495 S. 243—249: 14. YI. 1360 Graf Ludwig III. bestätigte Freiheiten. Lateinische Ausfertigung für Hansestadt Lübeck, Stadtarchiv Lübeck; Original-Transsumpt für Rostock 21. VII. 1364 im Ratsarchiv Rostock und die anderen Abschriften in den hansischen Kopiaren. Nr. 496 S. 249—250: 14. VI. 1360 Städte. Original für Lübeck; Original-Transsumpt für Rostock 21. VII. 1364 sowie Abschriften in den hansischen Kopiaren. Nr. 497 S. 250—267: 14. VI. 1360 Graf Ludwig III. vlämisches Privileg. Ausfertigung für Lübeck; Original-Transsumpt für Rostock 21. VII. 1364 sowie Abschriften in den hansischen Kopiaren. Nr. 498 S. 267—268: 14. VI. 1360 Städte. Original für Lübeck; Original-Transsumpt für Rostock 21. VII. 1364. Nr. 499 S. 268—271: 14. VI. 1360 Graf Ludwig III. Maklergebühren. Original für Lübeck. Nr. 500 S. 271—272: 14. VI. 1360 Städte Maklergebühren. Original für Lübeck; Original-Transsumpt für Rostock. Nr. 502 S. 274: 14. VI. 1360 Städte Aufrechterhaltung der Freibriefe. Original für Lübeck; OriginalTranssumpt für Rostock; Abschriften in den hansischen Kopiaren. Nr. 503 S. 274—275: 18. VI. 1360 Städte Bestätigung der Freibriefe-Verleihung Ludwigs III. In Brüssel Archives Generales du Royaume, Chambre des comptes de Lille Nr. 1006: vlämische Erklärung der drei Städte — über die am 23. I. 1362 (1361) verliehenen zwei Privilegien für Nürnberg — vom 25. I. 1362 (1361). 11) Erich Eyermann: Mittelalterliche Wirtschaftsspiegelungen. Fränkischer Kurier, Nürnberg 29. VII. 1931 Nr. 208. 12) Roth a. a. O. T. 1 S. 107—109. Chroniken a. a. O. Bd. 1 S. 99—100. 12a) 1433: Staatsarchiv Nürnberg Orig. Perg. mit Siegel. Im Falle des Aufenthaltes Philipps außerhalb der Grenzen sollten die Gaben dem Kanzler oder Marschall von Brabant überreicht werden. 1438: a. a. O. Orig. Perg. mit zerbrochenem Siegel. Flämisch. Philipp nennt sich in der Eingangs­ formel auch: ende van Namen MarcgTeue des heyliche Rych. Die Kaufmannsgüter sollten zollfrei sein in: onser stad van Antwerpen ende marcgrefscapen onse lants van Ryen. Eine Abschrift „Teutschmachung“ also eine Übertragung in Deutsch findet sich in Rep. 52b Ms 45 Klein Rotbuch 1264—1499 (Kopialbuch), des Staatsarchivs fol. CCLII v—CCLIII v. Herzog Philipp ist hier als Markgraf des heiligen Reiches genannt, der weitere Text lautet: zolfrey . . . bei vnser Stat von Antwerff vnd marggrafschafft vnsers landes vom Reyn als anderswo bey vnserm vorges[chriben] lande von Braphant. 1445: Orig. Perg. mit Siegel. 1468: Abschrift mit Teutschmachung (Übersetzung) wiederum im Klein Rotbuch fol. 261. 13) Diese Ratsverlässe im Staatsarchiv Nürnberg enthalten die protokollarischen Sitzungs­ beschlüsse. Dazu kommen die Verlässe der Herren Alteren, die Ratsbücher und die Briefbücher. Theodor Hampe: Nürnberger Ratsverlässe über Kunst und Künstler im Zeitalter der Spätgotik und Renaissance von 1449—1633. Bd. 1—3. Quellenschriften für Kunstgeschichte und Kunsttechnik des Mittelalters und der Neuzeit N. F. Bd. 11—13. Wien, Leipzig 1904. Ulrich Thieme — Felix Becker: Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler. Bd. 1—37. Leipzig 1907—1950. 14) Staatsarchiv Nürnberg Rep. 52b Amts- und Standbücher: Nürnberger Meisterbücher und die Bürgerbücher. Ms 302 Meisterbuch 1363: Ms 303 Meisterbuch 1370—1429 (fol. 1—89) und Neubürgerverzeichnis 1382—1429); Ms 304 Meisterbudi 1429—1462 (fol. 1—113) und Neubürgerbuch 1430—1461 (fol. 119— 224); Ms 305 Meisterbuch 1462—1496 (fol. 1—118) und Neubürgerverzeichnis 1462—1496 (fol. 120—226); Ms 306 Neubürgerverzeichnis 1496—1534; Ms 307 Meisterbuch 1496—1534; Ms 308 Neubürgerverzeichnis 1534—1630/31; Ms 308a Verzeichnis der zum Bürgerrecht angenommenen und abgewiesenen Personen 1600—1607; Ms 309 Meisterbuch 1534—1571; Ms 310 Neubürgerverzeichnis 1624—1629; Ms 311 Neu­ bürgerverzeichnis 1631/32—1725. Von den pergamentenen Bürgerbüchern seit 1302 seien angeführt: Ms 299 von 1449—1620 (mit großen Lücken, erhalten sind die Jahre 1449—99, 1545—53, 1577—81, 1612—14); Ms 301 von 1620— 1664. Gleichzeitig besitzen wir noch die Stadtrechnungsbelege als die monatlichen Nachweisungen der Bürgerrechtsgebühren, die von der Losungsstube erstellt wurden: Ms 300 Neubürgerverzeichnisse I von 1534—1548, II von 1554—1577, III von 1581—1614. Albert Gümbel: Die Nürnberger „Pergamentenen Bürgerbücher“ und die Ergänzung ihrer Lücken. Korrespondenzblatt des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine 65. Jahrg. Berlin 1917 Sp. 147—158. 15) Eintrag im Ms 304 Meisterbuch 1429—1462 und Neubürgerbuch 1430—1461 fol. CCXIIII. 16) Thieme-Becker a. a. O. Bd. 27 S. 153. 17) Lleinridi Kohlhaußen: Niederländisch Schmelzwerk. Jahrbuch der preußischen Kunstsamm­ lungen Bd. 52. Berlin 1931 S. 155—156, 163—164, Abb. 3, 7. Philipp Maria Halm und Rudolf Berliner: Das Hallesche Heiltum Man(uskript) Aschaffenb(urg) 14. Berlin 1931 S. 56 Nr. 259, Taf. 144. Ernst Kris: Die Goldschmiedearbeiten des Mittelalters, der Renaissance und des Barock. T. 1 Arbeiten in Gold und Silber. Besdireibender Katalog. = Publikationen aus den kunsthistorischen Sammlungen Bd. 5. Wien 1932 S. 5, Taf. 7.

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18) Albert Gümbel: Zur Biographie Albrecht Dürers des Älteren mit einer archivalischen Notiz Albredit Dürer den Jüngeren, Repertorium für Kunstwissenschaft Bd. 37. Berlin 1915, S. 214 Anm. 7. lö) Heinz Stafski: Zur künstlerischen Herkunft des Veit Stoß. Anzeiger Germanisches National­ museum 1936—1939. Nürnberg 1939 S. 130—132. Eberhard Lutze: Veit Stoß. 2. Aufl. Deutsche Lande, Deutsche Kunst. Berlin 1940 S. 9, 16. Die 3. Auflage erscheint München, Berlin 1952. 20) Staatsarchiv Nürnberg, Akten des 7 farbigen Alphabets 164 Nr. 38. Martin Weigel: Dr. Conrad Konhofer (f 1452). Ein Beitrag zur Kirchengeschichte Nürnbergs. Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, 29. Bd. 1928 S. 244 falsch datierte Arbeiten, 253, 290. 21) Theodor Hampe: Über einen Holzschuher’schen Grabteppich vom Jahre 1495. Mitteilungen aus dem germanischen Nationalmuseum Jahrg. 1895. Nürnberg 1895 S. 103. Fernand Donnet: Documents pour servir ä l’histoire des ateliers de tapisserie de Bruxelles, Audenarde, Anvers jusqu’ ä la fin du 17 siede. Annales de la societe d’archeologie de Bruxelles. T. 10. Bruxelles 1896 S. 327. Jakob Strieder: Die süddeutschen Kaufleute und die flandrische Bildteppichindustrie des 15. und 16. Jahrhunderts. Der Beifried Monatsschrift für Gegenwart und Geschichte der belgischen Lande 2. Jahrg. Leipzig 1917/18 S. 302—306. Jakob Strieder: Das reiche Augsburg. Ausgewählte Aufsätze zur Augsburger und süddeutschen Wirtschaftsgeschichte des 15. u. 16. Jahrhunderts. Hrsg, von Heinz Deininger. München 1938, S. 189 bis 193. Hermann Schmitz: Bildteppiche, Geschichte der Gobelinweberei. Berlin 1919, S. 90. 22) Luitpold Herzog von Bayern: Die fränkische Bildwirkerei. Firenze, München 1926, Textband S. 18 Heinrich Göbel: Wandteppiche III. Teil Die germanischen und slawischen Länder Bd. 1. Berlin 1933 S. 139, hier ist irrtümlich der 19. VIII. angegeben. 23) Betty Kurth: Die deutschen Bildteppiche des Mittelalters. Wien 1926. Bd. 1 Text S. 186, 271 Bd. 3 Tafeln Taf. 303. Luitpold a. a. O. Textband Nr. 38 S. 60—61 Tafelband Abb. 33. Göbel a. a.O. III, 1 S. 169, Abb. 137. 24) Theodor Hampe: Katalog der Gewebesammlung des Germanischen Nationalmuseums T. 1: Gewebe und Wirkereien, Zeugdrucke. Nürnberg 1896 S. 111 Nr. 671, Taf. 8 (Rückseite galt früher als Vorderseite). Kurth a. a. O. Bd. 1 S. 265—266 Bd. 3 Taf. 277. Luitpold a. a. O. Nr. 29 S. 57—58, Abb. 29. Göbel a. a. O. III, 1 S. 156, Abb. 124. Fränkische Bildteppiche aus alter und neuer Zeit. Germanisches National-Museum Ausstellung März-Mai 1948 Nr. 14, Abb. 25) Fritz Knapp: Würzburg und seine Sammlungen. Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst Bd. 8. München 1913 S. 101—102, Abb. 5. Audi als Sonderdruck: Würzburg Sammlungen mittelalterlicher und neuerer Kunst (i. Folge). München 1914 S. 5—6, Abb. 5. Schmitz a. a. O., S. 84, Abb. 39. Kurth a. a. O. S. 186—187, 271, Taf. 304. Luitpold a. a. O. Nr. 50 S. 77—79, Abb. 50. Göbel a. a. O. III, 1 S. 169—170, Abb. 138. Ausstellung kirchlicher Kunstschätze aus Bayern Katalog. München Residenzmuseum 1930 S. 24—25 Nr. 98. Arnold Reimann: Die älteren Pirckheimer, Geschichte eines Nürnberger Patriziergeschlechtes im Zeitalter des Frühhumanismus (bis 1501). Aus dem Nachlaß hrsg. von Hans Rupprich. Leipzig 1944 S. 20. 50, Stammbaum. 26) Schmitz a. a. O. S. 88—90, 204, Abb. 106. Kurth a. a. O. I. S. 189, Abb. 87. Göbel a. a. O., 1. Teil, Die Niederlande. Leipzig 1923, Bd. 1 S. 440, Bd. 2 Abb. 390. 27) Aus dem freiherrlich von Holzschuherschen Familienarchiv, bis 1940 im Germanischen Na­ tionalmuseum, jetzt Schloß Artelshofen bei Vorra, ist die Nennung 1609 nachgewiesen. Johannes Christoph Gatterer: Historia genealogica dominorum Holzschuherorum. Norimbergae 1755, fol. 18, Taf. 5, Kupferstich von Martin Tyroff. Theodor Hampe: Uber einen Holzschuher’schen Grabteppich v. Jahre 1495. Mitteilungen a. a. O. 1895, S. 99—104, Taf. 4. Theodor Hampe: Katalog der Gewebesammlung a. a. O., S. 112, Nr. 679. Schmitz a. a. O., S. 90 (irrtümlich als Tucherteppich). Göbel a. a. O., I, Bd. 1, S. 152, 303, 409, Bd. 2, Abb. 120. Betty Kurth: a. a. O., S. 165. Betty Kurth: Gotische Bildteppiche aus Frankreich und Flandern. Sammelbände zur Geschichte der Kunst und des Kunstgewerbes, Bd. 7. München 1923, S. XVI—XVII, 12, Abb. 72. 28) Friedrich Wilhelm Hoffmann: Die Sebalduskirche, ihre Baugeschichte und ihre Kunstdenk­ mäler. Wien 1912, S. 204, 206, 'Abb. 135—136. Kurth a. a. O., S. 189, 272, Taf. 310—312. Luitpold a. a. O., Nr. 55, S. 84—85, Abb. 55. Göbel a. a. O., III, 1, S. 172—173, Abb. 140b.

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Schmitz a. a. O., S. 88, Abb. 40. Kurth a. a. O., S. 189, 272, Taf. 307—308. Luitpold a. a. O., Nr. 53, S. 80—82, Abb. 53. Göbel a. a. O., III, i, S. 171, Abb. 140a. 30) Schmitz a. a. O., S. 88, Abb. 41. Kurth a. a. O., S. 188—189, 272, Abb. 7, Taf. 309. Göbel a. a. O., III, 1, S. 171—172, Abb. 141. 31) Kurth a. a. O., S. 189, 273, Taf. 313. Göbel a. a. O., III, 1, S. 173—174, Abb. 142a. 32) Kurth a. a. O., S. 189, 273, Taf. 314. Göbel a. a. O., III, 1, S. 174, Abb. 142b. 33) Richard Ehrenberg: Das Zeitalter der Fugger, Geldkapital und Creditverkehr im 16. Jahr­ hundert. Bd. 2. Die Weltbörsen und Finanzkrisen des 16. Jahrhunderts. Jena 1896, S. 4—10. Paul Wescher, Großkaufleute der Renaissance in Biographien und Bildnissen. Frankfurt a. M. 1940; 2. Ausgabe Basel 1941, S. 24—25. 34) Für die Geschichte des Handels in Antwerpen sind die Notularien, d. s. die Notariats­ archivalien oder -Protokolle wichtig. Sie befinden sich in den Archives de l’Etat und Archives de la Ville Antwerpen. Diese für die deutsche Wirtschaftsgeschichte bedeutenden Quellen sind publiziert: Jakob Strieder: Aus Antwerpener Notariatsarchiven, Quellen zur deutschen Wirtschaftsge­ schichte des 16. Jahrhunderts. Deutsche Handelsakten des Mittelalters und der Neuzeit, hrsg. durch die Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 4. Stuttgart, Berlin und Leipzig 1930 (zu Nürnberg siehe auch S. XXXIII—XXXYI). 35) Johann Gottfried Biedermann: Geschlechtsregister des hochadelichen Patriciats zu Nürnberg. Bayreuth 1748. Haller tabula CXI—CXIII, CXVIII—CXIX, CXXXVIII; Tücher tabula DYIII—DX. 36) Richard Ehrenberg a. a. O., Bd. 1, Die Geldmächte des 16. Jahrhunderts. 1896, S. 248—249. 37) Kaiser Karl Y. hat dem Wolff II und seinem Bruder Bartholomäus Haller laut Diplom d. d. Speyer 27. III. 1528 den Namen und die Wappenvereinigung der ausgestorbenen bayerischen Familie von Hallerstein verliehen. Seit dieser Zeit nannte sich die Nürnberger Familie dann Haller von Hallerstein. Urk. im v. Hallersdien Familienarch. Großgründlach. 38) 1525: Notularium des Jacobus de Platea, I. Bd. 1525—1526, fol. 4—8, Staatsarchiv Antwer­ pen; Strieder Nr. 1, S. 3—11. Göbel a. a. O., I, 1, S. 316—317. Strieder: Das reiche Augsburg a. a. O., S. 190—191. 39) 1525: Notularium Jacobus de Platea, I. Bd., fol. 16; Strieder Nr. 6, S. 13. 40) Auf Wolff III beziehen sich der Verlaß der Herren Älteren 30. XII. 1551 Nürnberg sowie Urkunde 5. II. 1557 Staatsarchiv Antwerpen. Ehrenberg a. a. O., I, S. 249. 41) Johann Theodor de Raadt: Eine Urkunde der niederländischen Haller von Hallerstein und Tücher. Monatsblatt der heraldischen Gesellschaft Adler, 3. Bd. 1891—1895 (Nr. 121—180) Wien, Nr. 147 = 3. Bd. Nr. 27, 1893, S. 165—167. Ehrenberg a. a. O., 1, S. 247. 42) 1543: Notularium des S. Herthogen sen. 1542—1544, fol. 65—66, Stadtarchiv. Strieder Nr. 205, S. 148—149. 1544: Notularium des S. Herthogen sen. 1542—1544, Strieder Nr. 244, S. 168. 1552: Notularium des S. Herthogen sen. 1552—1553, fol. 117; Strieder Nr. 507, S. 275—276. 1553: Roth a. a. O., T. 1, S. 276—281. 43) Ehrenberg a. a. O., 1, S. 215—217, 249—257. 44) Die Antwerpener Schöffenbücher enthalten Nachrichten über diese Finanzgeschäfte. 45) 1525: Notularium des Jacobus de Platea, I. Bd. 1525—1526, fol. 82—83; Strieder Nr. 20, S. 31. 1525: Notularium des Jacobus de Platea, I. Bd. 1525—1526, fol. 105; Strieder Nr. 25, S. 34—36. 1563: Notularium des St. Cleys alias van Loemele 1553—1597, fol. 55—56, Stadtarchiv; Strieder Nr. 730, S. ,380—381. 46) In einem versiegelten Umschlag des Jahres 1573. Französisch geschriebene Teilobligationen 26. III. 1556 auf Papier, ausgefertigt vom Rentmeister Jacques Gramaye, kgl. Steuereinnehmer von Brabant. Strieder, Anhang II, S. 424—432. 47) Uber alle Tucherbriefe siehe Aufzeichnungen bei Theodor Hampe: Handschriftlicher Nachlaß Mappe 4 Tucherarchiv; Germanisches Nationalmuseum, Bibliothek. 48) Ehrenberg a. a. O., 1, S. 30, 46—49, 60—61. Beschreibendes Verzeichnis der Gemälde im Kaiser-Friedrich-Museum. 7. Aufl. Berlin 1912, S. 303—304, Gm 632 Neufchatel? Hans Posse: Die Gemäldegalerie des Kaiser-Friedrich-Museums vollständiger beschreibender Katalog, 2. Abt. Die germanischen Länder. Berlin 1911, S. 153, Abb. S. 152 Neufchatel? Grete Ring: Beiträge zur Geschichte niederländischer Bildnismalerei im 15. u. 16. Jahrhundert. Beiträge zur Kunstgeschichte N. F. Bd. 40. Leipzig 1913, S. 154. Richard Arthur Peltzer: Nicolas Neufchatel und seine Nürnberger Bildnisse. Münchner Jahr­ buch der bildenden Kunst, N. F., Bd. 3. München 1926, S. 229, Nr. 4. Beschreibendes Verzeichnis der Gemälde im Kaiser-Friedrich-Museum und Deutschen Museum. 9. Aufl. Berlin 1931, S. 336. Niederländisch um 1540, vermutlich von Jan Vermeyen. 29)

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Paul Wescher: Großkaufleute a. a. O., S. 167—171, 188, Abb. S. 169. 49) 1535: Notular. d. Willem Stryt 1535, fol. 52 u. 54, Stadtarchiv; Strieder Nr. 664, S. 340—341. 50) 1540: Notular. d. S. Herthogen sen. 1535—1450, fol. 172—174, Stadtarch.; Strieder Nr. 154, S. 120. 1540: Notularium des S. Herthogen sen. 1535—1540, fol. 267—268; Strieder Nr. 162, S. 125. 1542: Notularium desS. Herthogen sen. 1542—1544, fol. 4; Strieder Nr. 163, S. 129. 1540: Notularium des Willem Stryt 1540, fol. 327; Strieder Nr. 702, S. 365. 51) Ehrenberg a. a. O., 2, S. 15—17. 52) 1544: Notularium des S. Herthogen sen. 1542—1544, fol. 7; Strieder Nr. 224, S. 157. 1544: Notularium des S. Herthogen sen. 1542—1544, fol. 135; Strieder Nr. 257, S. 171. 1547: Notularium des S. Herthogen sen. 1545—1547, fol. 172; Strieder Nr. 352, S. 211. 1550: Notularium des S. Herthogen 1549—1550, fol. 180; Strieder Nr. 482a, S. 258. 53) Ehrenberg a. a. O., 1, S. 237—241, 247. Johann Kamann: Aus Paulus Behaims Briefwechsel. Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, 3. Heft. 1881, S. 73—74. Wescher a. a. O., S. 115—116. 54) 1532: Notularium des Jacobus de Platea, II. Bd. 1531—1532, fol. 189, Staatsarchiv; Strieder Nr. 78, S. 71. 1532: Notularium des Jacobus de Platea, II. Bd. 1531—1532, fol. 211; Strieder Nr. 86, S. 75. 1547: Notularium des S. Herthogen sen. 1545—1547, fol. 84; Strieder Nr. 378, S. 219. 1549: Notularium des S. Herthogen sen. 1549—1550, fol. 81—82; Strieder Nr. 417, S. 233—234. 1550: Notularium des S. Herthogen sen. 1549—1550, fol. 15; Strieder Nr. 448, S. 246. 1553: Notularium des S. Herthogen sen. 1552—1553, fol. 45—46; Strieder Nr. 528, S. 282. 1555: Notularium des S. Herthogen sen. 1555—1561, fol. 87—89; Strieder Nr. 557, S. 292. 1558: Notularium des S. Herthogen sen. 1555—1561, fol. 133—134; Strieder Nr. 614, S. 315. 1559: Notularium des S. Herthogen sen. 1555—1561, fol. 87—88; Strieder Nr. 624, S. 316—317. 1562: Notularium des St. Cleys alias van Loemele 1553—1597; Strieder Nr. 725, S. 379. 55) Ehrenberg a. a. O., 1, S. 198. Walter Möllenberg: Die Eroberung des Weltmarktes durch das mansfeldisdie Kupfer. Gotha 1911, S. 23—28, 46—50. Dettling a. a. O., S. 172—173, 217—218. 56) 1540: Notularium des S. Herthogen sen. 1535—1540, fol. 83; Strieder Nr. 142, S. 112—113. 57) 1525: Notularium des Jacobus de Platea, I. Bd. 1525—1526, fol. 50—51; Strieder Nr. 12, S. 18. 58) 1532: Notularium des Jacobus de Platea, II. Bd. 1531—1532, fol. 134; Strieder Nr. 63a, S. 409. 59) 1536: Notularium des S. Herthogen sen. 1535—1540, fol. 2; Strieder Nr. 92, S. 90. 1540: Notularium des S. Herthogen sen. 1535—1540, fol. 132—133; Strieder Nr. 148, S. 115—116. 60) 1535: Notularium des Willem Stryt 1535, fol. 32; Strieder Nr. 659, S. 339. 61) 1540: Notularium des Willem Stryt 1540, fol. 166—167; Strieder Nr. 689, S. 359—560. 62) 1542: Notularium des S. Herthogen sen 1542—1544, fol. 149; Strieder Nr. 190, S. 144. 1544: Notularium des S. Herthogen sen. 1542—1544, fol. 23—24; Strieder Nr. 231, S. 163. 1544: Notularium des S. Herthogen sen. 1542—1544, fol. 28—29; Strieder Nr. 232, S. 163. 1543: Notularium des S. Herthogen sen. 1542—1544, fol.80—81, 89; Strieder Nr. 207, S. 150—151. 1543: Notularium des S. Herthogen sen. 1542—1454, fol. 87, 92; Strieder Nr. 209, S. 151. 1543: Notularium des S. Herthogen sen. 1542—1544, fol. 130; Strieder Nr. 213, S. 152. 1543: Notularium des S. Herthogen sen. 1542—1544, fol. 194; Strieder Nr. 223, S. 156—157. 63) 1545: Notularium des S. Herthogen sen. 1545—1547, fol. 47—48; Strieder Nr. 266, S. 177. 1545: Notularium des S. Herthogen sen. 1545—1547, fol. 218; Strieder Nr. 305, S. 194. 1546: Notularium des S. Herthogen sen. 1545—1547, fol. 45—46; Strieder Nr. 321, S. 198. 1546: Notularium des S. Herthogen sen. 1545—1547, fol. 46; Strieder Nr. 322, S. 198. 1547: Notularium des S. Herthogen sen. 1545—1547, fol. 28; Strieder Nr. 366, S. 216. 64) 1549: Notularium des S. Herthogen sen. 1549—1550, fol. 125; Strieder Nr. 442, S. 244. 1550: Notularium des S. Herthogen sen. 1549—1550, fol. 48; Strieder Nr. 457, S. 250. 65) 1552:Notularium des S. Herthogen sen. 1552—1553, fol. 162; Strieder Nr. 519, S. 280. 66) 1555: Notularium des S. Herthogen sen. 1555—1561, fol. 9—10; Strieder Nr. 549, S. 289. 1555: Notularium des S. Herthogen sen. 1555—1561, fol. 28—29; Strieder Nr. 551, S. 289. 1556: Notularium des S. Herthogen sen. 1555—1561, fol. 70—72; Strieder Nr.579, ST 299—300. 1558: Notularium des S. Herthogen sen. 1555—1561, fol. 19—20; Strieder Nr. 606, S. 311. 1561: Notularium des S. Herthogen sen. 1555—1561, fol. 45—46; Strieder Nr. 642a, S. 324—326. 67) 1566: Notularium des J. de Kimpe 1566—89, 1590—97, fol. 22; Strieder Nr. 756, S. 391. 68) Ausgewählte Kunstwerke aus dem Bayerischen Nationalmuseum in München. 2. Ausgabe. Augsburg 1927, Abb. S. 45. 69) Um 1513 hat der Meister Philipp schon gearbeitet, aktenmäßig ist dies aber nicht bewiesen. Als sichere Werke werden ihm zwei Gobelins im Musee du Cinquentenaire Brüssel zugewiesen: Geschichte des legendären Grafen Herkinbald und eine Kreuzabnahme. Dann hat der Wirker Meister Philipp im Atelier des Jan van Roome (t Ende der 20er Jahre) die Kartons gemalt. Joseph Destree: MaUre Philippe, auteur de cartons des tapisseries . . . Bruxelles 1904. Schmitz a. a. O., S. 90. 214. Göbel a. a. O., I, 1, S. 404—406, 411, Abb. 369a. Alexander von Schneider: Bemerkungen zu einigen niederländischen Wirkteppichen des Baye­ rischen Nationalmuseums. Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst, N. F. Bd. 1. München 1924, S. 53—58, Abb. 3. 70) Anton Tücher: Haushaltungsbuch (1507 bis 1517). Hrsg, von Wilhelm Loose. Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart, Bd. 134. Tübingen 1877, S. 104—106.

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71) Schmitz a. a. O., S. 90. — Kurth a. a. O., S. 189. 72) Theodor Hampe: Kunstfreunde im alten Nürnberg und ihre Sammhungen (nebst Beiträgen zur Nürnberger Handelsgeschichte). Mitteilungen des Vereins für Geschichte Nürnberg, 16. Heft. 1904, S. 70—71, 107—108. 73) Schmitz a. a. O., S. 130. — Göbel a. a. O., I, 1, S. 459. 74) Der 2. Eintrag im Neubürgerverzeichnis 22. XI. 1550 ist beim Ratsverlaß Hampe I Nr. 2379 irrtümlich als Februar 1550 angegeben. 75) 1544: Gedenkbuch 55 fol. 27 = Regest Nr. 4113 aus dem Reichsfinanzarchiv, jetzt Reichs-, Hof- und Hausarchiv Wien. Franz Kreyczi: Urkunden und Regesten aus dem k. und k. Reidhs-Finanz-Archiv, hrsg. Jahr­ buch der Kunsthistorischen Sammlungen des A. H. Kaiserhauses, Bd. 5, Wien 1887. 1549: Gedenkbuch 63 fol. 214—215 Aufzaichnuss was der kgl. maj. tapessier Jhan de Roy für die erzherzogin Katharina in Niederlandt bestellen und erkhaufen soll = Regest Nr. 4169 a. a. O.; Franz Kreyczi a. a. O. Nach den Hofzahlamtsredinungen 1548 fol. 293 erhielt Johann von Roy am 28. IX. 1548 vom Wiener Hof seine Hofbesoldung für ein Jahr, zusammen 180 fl. rh. (Regest Nr. 4839 Nationalbibliothek Wien). Am 2. VII. 1533 bekam Roy vom Wiener Hof nach den Hofzahlamtsrechnungen 1553 fol. 276 eine schuldige Geldsumme von 931 fl. 2 kr. rh. (Regest Nr. 4871). Der Eintrag vom 10. IX. 1553 fol. 241 handelt von Teppichen (Nr. 4880). Am 10. III. 1554 fol. 38 gaben er und seine Gemahlin Maria dem König ein Darlehen von 1000 fl. (Nr. 4893), am 2. XI. 1556 fol. 360v erhielt ei ein Ehrenkleid im Wert von 19 fl. rh. (Nr. 4938) und am 10. VI. 1558 fol. 87 eine Geldsumme von 700 fl. zurück, die teils bar geliehen, teils in Waren 1555 geliefert war (Nr. 4957). Nach einem Eintrag von 1558 fol. 75v hatte Roy einen Auftrag ausgeführt (Nr. 4958). In einem Eintrag vom Anfang 1557 erhielt er die Hofbesoldung für August 1555 bis Dezember 1556 im Betrag von 297 fl. 30 kr. (Regest Nr. 4530 Archiv des Ministeriums des Inneren, Niederösterreichische Akten 1556). Wendelin Boeheim: Urkunden u. Regesten aus der k. k. Hofbibliothek, hrsg. Jahrbuch a. a. O., Bd. 7, 1888. Gedenkbuch 119 fol. 533: letzte Nennung, er erhielt 32 fl. rh. ausbezahlt. Reichsfinanzarchiv a. a.O. 76) Göbel a. a. O., III, 1, S. 237—239, Abb. 216. 77) Göbel III, 1, S. 238, Abb. 217. 78) Göbel III, 1, S. 238, Abb. 217. 79) Theodor Hampe: Katalog d. Gewebesammlung a. a. O., Nr. 833—835. — Göbel III, 1, S. 238. 80) Fränkische Bildteppiche a. a. O., Nr. 24. 81) Göbel III, 1, S. 240, Abb. 215b. Frederik Müller u. Cie: Collection Comtc Oriola Tableaux-Sculptures-Tapisseries . . . Vente publique ä Amsterdam 13. IV. 1932 Kat. Nr. 105. 82) Göbel III, 1, S. 239, Abb. 218. 83) Göbel III. 1, S. 239. 84) Albrecht Dürer: Tagebuch der Reise in die Niederlande. Erste vollständige Ausgabe nach der Handschrift Johann Hauer’s. Mit Einleitung und Anmerkungen. Hrsg, von Friedrich Leitschuh. Leipzig 1884. Friedrich Leitschuh: Katalog der Handschriften der königlichen Bibliothek zu Bamberg. 2. Bd. Die Handschriften der Helleriana. Leipzig 1887, Nr. 246, S. 83—84 (J. H. Msc. art 1 (III, 18]). Karl Lange und Franz Fuhse: Dürers schriftlicher Nachlaß auf Grund der Originaihandschriften und teilweise neu entdeckter alter Abschriften. Halle a. S. 1893. Ernst Heidridi: Albrecht Dürers schriftlicher Nachlaß, Familienchronik, Gedenkbuch, Tagebuch der niederländischen Reise, Briefe, Reime, Auswahl aus den theoretischen Schriften. 3. Aufl. Berlin 1920. Jan Veth u. Samuel Müller: Albrecht Dürers niederländische Reise. Bd. 1—2. Berlin-Utrecht 1918. Eduard Flechsig: Albrecht Dürer, sein Leben und seine künstlerische Entwicklung. Bd. 2. Berlin 1931, S. 201—245. Edmund Schilling: Albrecht Dürers niederländisches Reiseskizzenbuch 1520—1521. Frankfurt am Main 1928. Friedridi Winkler: Die Zeichnungen Albrecht Dürers. Bd. 4. 1520—1528. Berlin 1939, S. 5—45, Nr. 744—835. Heinrich Höhn: Die niederländische Reise Albrecht Dürers. Das Baverland, 51. Jahrgang, 1940, S. 245—247. Gustav Glück: Dürers Gemälde des heiligen Hieronymus. Die graphischen Künste Bd. 34. Wien 1912, S. 21—24. Neu abgedruckt: Aus drei Jahrhunderten europäischer Malerei Gesammelte Auf­ sätze. Bd. 2. Wien 1933, S. 205—211, 337—338, Abb. 81. Albrecht-Dürer-Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum. 3. Aufl. Nürnberg 1928. Kat. Nr. 68—69, Taf. 21—22. 85) Julius Held: Dürers Wirkung auf die niederländische Kunst seiner Zeit. Haag 1931. 86) Roth a. a. O., T. 3, S. 243-244. 87) Roth a. a. O., T. 3, S. 244, T. 4, S. 164. Mit ihm kam viel Volk, das sich ansiedelte. Georg Gärtner: Streifzüge durch Alt-Nürnberg, die Lorenzerstadt. Nürnberg 1926, S. 217—218. 88) Andreas Würfel: Historische, genealogische und diplomatische Nachrichten zur Erläuterung der nürnbergisdien Stadt- und Adels-Geschichte. Bd. 1. Nürnberg 1766, S. 83—84. Der deutsche Herold, Zeitschrift für Heraldik, Sphragistik und Genealogie, 3. Jahrg. Berlin 1872, S. 22, 34. 10

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89) Dettling a. a. O., S. 209. 90) Dettling a. a. O., S. 218—219. 91) Die beiden letzteren sind im Neubürgerverzeichnis Ms 308 am 8. VII. 1556 als Atlasmacher Egidi Leermunt und Hanns Kayser genannt. 92) Richard Arthur Peltzer: Nicolas Neufchatel und seine Nürnberger Bildnisse; a. a. O., S. 199. 93) Roth a. a. O., T. 4, S. 164, 184. — Peltzer a. a. O., S. 198. 94) Roth a. a. O,. T. 3, S. 226—227; T. 4, S. 183, 241. Emil Reiche: Geschichte der Reichsstadt Nürnberg. Nürnberg 1896, S. 945. Die Aktenbelege finden sich im Staatsarchiv Nürnberg : S 1 Lade 208 Nr. 4 Acta, die durch etliche Niederländische Färber u. Zubereiter geschehene Anrichtung des englischen Tuch- und Ge­ wandgewerbes allhie betrf. 1569—1589. »5) Staatsarchiv Rep. 52b Ms 259: Aller handthwerck Ordennung vnd Gesetze Verneut Anno M. D. XXXV. Dieses Exemplar war schon durch die Wahl des Pergaments als das maßgebende Ge­ setzbuch für die Handwerke bestimmt. 86) Staatsarchiv Rep. 52b Ms 261: Aller hanndtwerck in dieser Statt Nürmberg Gesetz vnd Ordnungen, Verneuet vnd zusammengetragen im Jar: 1629. 97) Roth a. a. O., T. 4, S. 232—242. 98) Johann Martin Trechsel Großkopf genannt: Verneuertes Gedächtnis des nürnbergischen Johannis-Kirch-Hofs, samt einer Beschreibung der Kirche und Capelle daselbst mit Georg Jacob Schwindel: Vorbericht von denen Scriptoribus epitaphiorum vermehrt. Franckfurt und Leipzig 1736, S. 260. 13. Zeile Nr. 1089, noch erhalten. Rudolf Häpke: Der deutsche Kaufmann in den Niederlanden. Pfingstblätter des Hansischen Geschichtsvereins, Blatt 7. 1911. Leipzig 1911, S. 44. 99) Trechsel a. a. O., S. 424; 23. Zeile Nr. 600, noch erhalten. 100) Trechsel a. a. O., S. 80; 6. Zeile Nr. 1394, noch erhalten. Fritz Traugott Schulz: Nürnbergs Bürgerhäuser und ihre Ausstattung. Bd. 1: Das Milchmarkt­ viertel. 1. Hälfte. Leipzig, Wien 1909—1933, S. 206—240. 101) Maximilian Weigel: Stadtärzte und kurfürstliche Regierungsärzte in Amberg während des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Verhandlungen des Historischen Vereins von Oberpfalz und Regensburg, Bd. 86. Regensburg 1936, S. 386—387. Robert Herrlinger: Volcher Coiter (1534—1576), Professor der Anatomie zu Bologna und Stadtarzt zu Nürnberg, Biographie und Bibliographie. Nürnberg 1952 (im Druck). Dr. Nuyens und Professor Dr. A. Schierbeek, s’Gravenhage, bekamen 1937 von der Nederlandsch Tijdsschrift voor Geneeskunde Amsterdam den Auftrag, die Schriften von Coiter heraus­ zugeben. Prof. Dr. Schierbeek arbeitet nach dem Tod von Dr. Nuyens an der Fertigstellung (briefliche Mitteilung 1948). 102) Christoph Gottlieb von Murr: Beschreibung der vornehmsten Merkwürdigkeiten in des H. R. Reichsfreyen Stadt Nürnberg und auf der hohen Schule zu Altdorf. Nürnberg 1778, S. 58,297. Chr. G. von Murr: Beschreibung der vornehmsten Merkwürdigkeiten in der Reichstadt Nürn­ berg, in deren Bezirke und auf der Universität Altdorf. 2. Ausgabe. Nürnberg 1801, S. 383—384, 392 (falsche Ausgabe 1562 statt 1592), 397—398. 103) Catalog des Großherzogi. Museums zu Weimar. 4. Ausgabe. Weimar um 1884, S. 46 Nr. 106. Ciba-Tijdsschrift (holländische Ausgabe). Amsterdam Nr. 21, Februar 1947, Abb. (irrtümlich ist die Nürnberger Provenienz angegeben). 104) Karl von Weber: Anna Churfürstin zu Sachsen, geboren aus königlichem Stamm zu Dänemark. Ein Lebens- und Sittenbild aus dem 16. Jahrhundert. Nach ardhivalischen Quellen. Leipzig 1865, S. 315—316. Dr. Simon Simonius war Universitätsprofessor der Medizin in Leipzig. 105) Dettling a. a. O., S. 228. 106) Albrecht Kirchhoff: Beitrag zur Geschichte des Kunsthandels auf der Leipziger Messe. Archiv für Geschichte des deutschen Buchhandels, Bd. 12. Publikationen des Börsenvereins der deutschen Buchhändler, N. F. Leipzig 1889, S. 188—192, 197—200. Theodor Hampe: Beiträge zur Geschichte des Buch- und Kunsthandels in Nürnberg. II. Paulus Fürst und sein Kunstverlag. Mitteilungen des Germanischen Nationalmuseums, Jahrg. 1914—1915. Nürnberg 1915, S. 4—5. — III. Ergänzungen und Nachträge, Jahrg. 1920/21. 1921, S. 139. Walter Karl Zülch: Frankfurter Künstler 1223—1700. Frankfurt a. M. 1935. 107) Theodor Hampe: Das Altnürnberger Kunstglas und seine Meister. Neujahrsblätter, hrsg. von der Gesellschaft für Fränkische Geschichte, H. 14. München und Leipzig 1919, S. 14, 51. 108) Joseph Baader: Beiträge z. Kunstgeschichte Nürnbergs. Reihe 1. Nördlingen 1860, S. 40—45, Hans Bösch: Die Nürnberger Maler, ihre Lehrlinge, Probestücke, Vorgeher von 1596—1639. Mitteilungen aus dem Germanisdien Nationalmuseum, Jahrg. 1899. Nürnberg 1899, S. 116—118. Bayerisches Handwerk in seinen alten Zunftordnungen. Ein Beitrag zur Geschichte des baye­ rischen Handwerks und Zunftwesens, hrsg. von W. Zils. = Beiträge zur bayerischen Kulturgesdiichte, Bd. 1. München 1927, S. 51. 109) Kurt Pilz: Jost Ammann 1539—1591. Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, Bd. 37. Nürnberg 1940, S. 242—243. HO) Ridiard Arthur Peltzer: Nicolas Neufchatel und seine Nürnberger Bildnisse. Mündiner Jahrbuch der bildenden Kunst, N. F. Bd. 3. 1926, S. 187—231. Hl) Paul Cassirer und Hugo Helbing: Die Sammlung Richard von Kaufmann, Berlin. Bd. 2 Max J. Friedländer: Die niederländischen, französischen und deutschen Gemälde. Versteigerung. Berlin 4. XII. 1912, S. 196 Nr. 100, Taf. Peltzer a. a. O., S. 192. H2) Ludwig Baldaß: Bildnisse des niederländischen Romanismus. Städel-Jahrbuch Bd. 6. Berlin, Frankfurt a. M. 1930, S. 92, Taf. 21a. 113) C. J. Wawra, Glückselig und Ridiard Leitner: Versteigerung der hinterlassenen Sammlung des Herrn Emil Weinberger Wien. Wien 22. bis 24. IX. 1929, S. 112, Nr. 449, Abb.

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114) Johann Christian von Männlich: Fortgesetzte Beschreibung der königlich-baierischen Ge­ mälde-Sammlungen 3. Band enthaltend die Gemälde zu Schleißheim und Lustheim. München 1810, S. 30, Nr. 1514. Ältere Pinakothek München, Amtlicher Katalog. München 1936, S. 175—176. 115) Staatliche Museen zu Berlin. Die Zeichnungen alter Meister im Kupferstichkabinett. Bd. 2 Elfried Bode und Jakob Rosenberg: Die niederländischen Zeichnungen, beschreibendes Verzeichnis sämtlicher Zeichnungen. Berlin 1930, Bd. 1, Text S. 44, Bd. 2 Tafeln, Taf. 37. H6) Peltzer a. a. O., S. 212—213, Abb. 9—10. London Royal Academy of Arts, 1927: Exhibition of flemish and belgian Arts. A Regi Keptär Katalogusa Orszägos Magyar Szepmüveszcti Muzeum, Budapest 1937: Szövegresz (= Text) S. 185, Kepestäbl (= Tafeln) Taf. 137. H7) Fritz Traugott Schulz: Beschreibung der Städtischen Kunstsammlung im Ausstellungsgebäude am Königstor in Nürnberg. Nürnberg 1909, S. 99, Nr. 134. Hanshubert Mahn: Lorenz und Georg Strauch, Beiträge zur Kunstgeschichte Nürnbergs im 16. und 17. Jahrhundert. Tübinger Forschungen zur Archäologie und Kunstgeschichte, Bd. 8. Reutlingen 1927, S. 42. Peltzer a. a. O., S. 212—213, 217, Abb. 11. Eberhard Lutze u. Eberhard Wiegand: Die Gemälde des 13, bis 16. Jahrhunderts. Kataloge des Germanischen Nationalmuseums zu Nürnberg. Leipzig 1937. Textbd. S. 110, Bilderbd. Abb. 127. H8) Matth. Lempertz: Versteigerung 261, Gemälde alter Meister, vorzüglich Niederländer des 17. Jahrhunderts aus deutschem und ausländischem Besitz. Köln 1. XII. 1927 Nr. 120, Taf. 14. H9) Peltzer a. a. O., S. 206, 211, 227, Abb. 8. 120) Verzeichnis der seltenen Kunst-Sammlungen des königlich-preußischen Hauptmanns Hans Albrecht von Dersdiau. Nürnberg, Schmidmer Versteigerung 1. VIII. 1825 ff. 1. Abt., S. 10—11, Nr. 31. Peltzer a. a. O., S. 203—204, Anm. 24. 121) Katalog der Historischen Ausstellung der Stadt Nürnberg auf der Jubiläums-Landes-Ausstellung Nürnberg 1906. Nürnberg 1906 Nr. 218 als Lorenz Strauch. Peltzer a. a. O., S. 214, 227, Abb. 16. 122) Wendelin Boeheim a. a. O., Bd. 7. Murr, Beschr., 1778, S. 472; ders., Descript. du cabinet ... de Praun, 1797, S. 10, Nr. 83. Peltzer a. a. O., S. 220—221, Abb. 29. Ardiiv für Kunstgeschidite, 2. Jahrg. Leipzig 1914—1915, Taf. 156 als Neufchatel. 123) Wilhelm Schmidt: Zur Augsburger Kunstgeschichte, Repertorium für Kunstwissenschaft, Bd. 51. Berlin 1908, S. 245—246. Peltzer a. a. O., S. 190, 220. 124) Johann Kamann: Aus Nürnberger Haushaltungs- und Rechnungsbüchern des 15. und 16. Jahrhunderts. II. Aus Paulus Behaims I. Haushaltungsbüchern. Mitteilungen des Vereins für Ge­ schichte der Stadt Nürnberg, Heft 7., 1888 S. 115. Peltzer a. a. O., S. 202, 214, 226, Abb. 15. Allerdings will Peltzer das Werk Neufchatels mit dem Nachstich von Andreas Paul Multz (2. Hälfte des 17. Jahrh.) S. 216, Abb. 23 in Verbindung bringen. A Regi Keptär a. a. O., S. 185—186. 125) Karl Voll: Die Gemäldegalerie in Kassel. Meisterwerke der Galerien Europas, Bd. 7. München 1909 Abb. S. 103. Katalog der königlichen Gemäldegalerie zu Cassel. Amtliche Ausgabe. Berlin 1913, S- 45. Peltzer a. a. O., S. 213—214, Abb. 12. 126) Peltzer a. a. O., S. 214, 228. 127) Peltzer a. a. O., S. 210—211, Abb. 7. 128) Peltzer a. a. O., S. 219, 226, Abb. 28. 129) Peltzer a. a. O., S. 219, 227, in der Sammlung als Lorenz Strauch. A. Neoustroieff: Niederländische Gemälde in der kaiserlichen Akademie der Künste zu St. Peters­ burg. Zeitschrift für bildende Kunst N. F. 18. Jahrg. Leipzig 1907, S. 37—38, Abb. S. 38. Peltzer a. a. O., S. 219, 227. 130) Karl Theodor Parker in: Old master-drawings a quaterly magazine for students and collectors. Vol. 1. London 1926/27, S. 54, Nr. 62. Christie, Manson and Woods: Catalogue of the famous collection of oldmaster drawings formed by the lat Henry Oppenheimer. London 1936, S. 193, Nr. 398, Taf.'94. Frits Lugt: Les marques de collections de dessin et d’estampes. Amsterdam 1921. 131) Peltzer a. a. O., S. 195—196. Rudolf Hallo: Der Meister vom Casseler Philippsepitaph. Hessen-Kunst, Jahrbuch für Künst­ elnd Denkmalpflege in Hessen und im Rhein-Main-Gebiet, 20. Jahrg. Marburg 1626, S. 49—50. Walter Kramm: Diebeiden ersten Kasseler Hofbildhauerwerkstätten im 16. und 17. Jahrhundert. 1. Die niederländische Werkstatt. Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft, 8.—9. Bd., Marburg an der Lahn 1936, S. 331—334. 132) Peltzer a. a. O., S. 221—222. 133) Murr, Descr., 1797, S. 11, Nr. 95, S. 27, Nr. 212. 134) Johann Gabriel Doppelmayr: Historische Nachricht von den nürnbergischen Mathematicis und Künstlern. Nürnberg 1730, S. 208. 135) Archiv für Kunstgeschichte, 2. Jahrg. a. a. O., Taf. 89 als Neufchatel? Peltzer a. a. O., S. 209—210, 230, Abb. 6. 136) Peltzer a. a. 0.,S. 222,Abb. 30 der Frau. 137) Katalog der Historischen Ausstellung a. a. O., 1906, Nr. 221—222. Peltzer a. a. O., S. 222, Abb. 31 des Mannes. 138) Karl Voll, Heinz Braune und Hans Buchheit: Katalog der Gemälde des Bayerischen Na­ tionalmuseums. = Kataloge des Bayerischen Nationalmuseums in München, Bd. 8. München 1908, Nr. 415.

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Peltzer a. a. O., S. 230. Georg Lill: Hans Fugger (1531—1598) und die Kunst. Ein Beitrag zur Geschichte der Spät­ renaissance in Süddeutschland. Studien zur Fuggergeschichte, Heft 2. Leipzig 1908, S. 32—33, 86—88, 132—133, Taf. 18, Abb. 23. 140) Mummenhoff a. a. O., S. 72, 321. 141) Peltzer a. a. O., S. 222. 142) Murr a. a. O., S. 12—13, 22, 32 Nr. 104—105, 110—111, 185, 245. Eduard Plietzsch: Die Frankenthaler Maler, ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der nieder­ ländischen Landschaftsmalerei. Beiträge zur Kunstgeschichte N. F. Bd. 36. Leipzig 1910, S. 75—83. Joseph Alexander Graf Raczynski: Die flämische Landschaft vor Rubens. Veröffentlichungen zur Kunstgeschichte, Bd. 1. Frankfurt a. M. 1937, S. 57—59. 143) Joh. Andr. Boerner: Verzeichnis des Anton Paul Heinlein’schen . . Kunstkabinetts, Ver­ steigerung Nbg. 1832, Nr. 141/2, 95. 144) Richard Arthur Peltzer: Johann Gregor von der Schardt (Jan de Zar) aus Nymwegen, ein Bildhauer der Spätrenaissance. Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst, Bd. 10. München 1916 bis 1918, S. 198—216. 145) Wendelin Boeheim a. a. O., Bd. 7. Hans von Voltelini: Urkunden und Regesten aus dem k. u. k. Hof- und Staats-Archiv in Wien, hrsg. Jahrbuch a. a. O., Bd. 13. 1892. 146) Neuaufgefundene Actenstücke zur Kunst- und Kulturgeschichte des 16. Jahrhunderts. An­ zeiger für Kunde der deutschen Vorzeit N. F. Organ des Germanischen Museums, 6. Bd., Jahrg. 1859 Nürnberg 1859, Sp. 411—413, 448—450. Theodor Hampe: Kunstfreunde a. a. O., S. 67—80. 147) T. O. Weigel: Catalog einer Sammlung von antiken Kunstgegenständen aus dem Nachlasse des orientalischen Reisenden Heinrich Freiherrn von Minutoli General-Lieutenant. Versteigerung Leipzig 31.V. 1858 Nr. 1385—1386 als italienische Arbeit, 17. Jahrh. Hampe: Kunstfreunde a. a. O., S. 67—68, 77—79. Wilhelm von Bode und Hugo von Tschudi: Beschreibung der Bildwerke der christlichen Epoche. Königliche Museen zu Berlin. Berlin 1888, S. 112—113, Nr. 418—419, Taf. 19. Wilhelm Vöge: Die deutschen Bildwerke und die der anderen cisalpinen Lander. Königliche Museen zu Berlin, Beschreibung der Bildwerke der christlichen Epochen, Bd. 4, 2. Aufl. Berlin 1910, S. 173—174, Nr. 372—373, Abb. S. 173. Theodor Demmler: Die Bildwerke in Holz, Stein und Ton, Großplastik. Staatliche Museen zu Berlin, Die Bildwerke des Deutschen Museums, Bd. 3. Berlin, Leipzig 1930 S. 374—375, Nr. 538—539, Abb. S. 375. Peltzer a. a. O., S. 198—199, Abb. 1—2. Albert Erich Brinckmann: Barockskulptur, Entwicklungsgeschichte der Skulptur in den romani­ schen und germanischen Ländern seit Michelangelo bis zuin 18. Jahrhundert 1. Teil. Handbuch der Kunstwissenschaft III, 3, 1. Berlin-Neubabelsberg 1920, S. 179, Abb. 175. Adolf Feulner: Die deutsche Plastik des 17. Jahrhunderts. Plastik in Einzeldarstellungen Bd. 6. Florenz München 1926, S. 12, Taf. 4. 148) Moritz Maximilian Mayer: Der Nürnberger Geschichts-, Kunst- und Alterthumsfreund, Bd. 1. Nürnberg 1842—1843, S. 244. August von Eye: Ein verschollener Tafelaufsatz von Wenzel Jamnitzer. Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit, N. F. Bd. 20. Nürnberg 1873, Sp. 318—321. Hans Boesch: Urkunden und Auszüge aus dem Archiv und der Bibliothek des Germanischen Museums in Nürnberg Nr. 4732. Jahrbuch der Kunstsammlungen a. a. O., Bd. 7. Wien 1888. Julius von Schlosser: Album ausgewählter Gegenstände der kunstindustriellen Sammlung des A. H. Kaiserhauses. Wien 1901, S. 16—17, Taf. 25. Julius von Schlosser: Werke der Kleinplastik in der Skulpturensammlung des A. H. Kaiser­ hauses, ausgewählt und beschrieben. Bd. 1. Wien 1910, S.. 6—7. Guß vermutlich von Pankraz La­ benwolf, Taf. 16. Leo Planiscig: Die Bronzeplastiken, Statuetten, Reliefs, Geräte und Plaketten, Katalog Kunst­ historisches Museum in Wien. Publikationen aus den Sammlungen für Plastik und Kunstgewerbe, Bd. 4. Wien 1924, S. 199, Nr. 323, Abb. Marc Rosenberg: Jamnitzer, alle erhaltenen Goldschmiedearbeiten, verlorene Werke, Hand­ zeichnungen. Frankfurt a. M. 1920, Taf. 26—29. Marc Rosenberg: Der Goldschmiede Merkzeichen. 3. Aufl. Bd. 3. Frankfurt a. M. 1925, Nr. 3832 cc—ff, Taf. 76. Adolf Feulner a. a. O., S. 11—13, Taf. 5—6. Simon Meller: Die deutschen Bronzestatuetten der Renaissance. Plastik in Einzeldarstellungen, Bd. 8. Florenz, München 1926, S. 34, 43—44, 47, Taf. 49. 149) Murr a. a. O., 1778, S. 492; a. a. O., 1797, S. 240—243, Nr. 1—171. Boerner a. a. O., Nr 236—278. 150) Murr a. a. O., 1797, S. 243, Nr. 84. Boerner a. a. O., Nr. 292. Julius Baum: Deutsche Bildwerke des 10. bis 18. Jahrhunderts. Kataloge der kgl. Altertümer­ sammlung in Stuttgart, Bd. 3. Stuttgart und Berlin 1917, S. 333, Nr. 438, Abb.; als Oberdeutsch? 1580. Ernst Friedrich Bange: Ein Tonrelief des Johann Gregor von der Schardt. Münchner Jahrbuch a. a. O., N. F. Bd. 1. 1924, S. 170—171, Abb. 2. 87. Jahresbericht Germanisches Nationalmuseum Nürnberg. 1941, S. 20, Abb. 9. 151) Murr a. a. O., 1797, S. 243, Nr. 86. Boerner a. a. O., Nr. 296. 13»)

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Richard Arthur Peltzer: Ein Bronzerelief von Giovanni da Bologna in der Barfüßerkirche zu Augsburg. Zeitschrift für bildende Kunst, 59. Jahrg. Leipzig 1925/26, S. 188. 152) Alexander Freiherr von Minutoli: Catalog der Sammlung von Meisterwerken der Industrie und Kunst des Instituts Minutoli zu Liegnitz. 1. Theil Sammlung kunstgewerblicher Vorbilder. Berlin Nr. 3848, als Büste eines Ritters. Darstellungen einiger Gegenstände der Kunst und des Kunstgewerbes aus den Sammlungen des Museums Minutoli zu Liegnitz nach photographischen Aufnahmen, hrsg. durch das Minutoli’sche Institut zu Liegnitz. Liegnitz 1875, Taf. 14. Bode und Tschudi a. a. O., S. 109, Nr. 404, Taf. 19, als Georg Labenwolf. Vöge a. a. O., S. 169, Nr. 360, Abb. S. 169, als Georg Labenwolf d. J. 153) Brinckmann a. a. O., S. 180, Abb. 174. 154) Rudolf Lepke: Auktionskatalog 1661 Sammlung des verstorbenen Geheimen Regierungs­ rats und früheren Direktors des königlichen Kupferstichkabinetts zu Berlin Friedrich Lippmann. Berlin 23. bis 25. XII. 1912, S. 40, Nr. 129—130, Taf. 33. Demmler a. a. O., S. 375—376, Nr. 7063, Abb. S. 376. Bange a. a. O., S. 170, Abb. 1. 155) Murr a. a. O., 1797, S. 230—231, Nr. 1, 4—5. Boerner a. a. O., Nr. 245—246. Peltzer a. a. O., S. 210—211, Abb. 4—7. Schlosser: Werke der Kleinplastik a. a. O., Bd. 1. S. 12, Taf. 33, 1 als Schule Benvenutö Cellini. Bd. 2, S. 17 als Venezianisdier Bildhauer Nachfolger Jacopo Sansovino. Planiscig a. a. O., S. 199, Nr. 323, Abb. Leo Planiscig: Venezianische Bildhauer der Renaissance. Wien 1921, S. 381. Wilhelm von Bode: Die ital. Bronzestatuetten der Renaissance. Bd. 3. Berlin 1906, S. CCXXIII. Charles Loeser: Minerva-Bronze attributed to Cellini. The Burlington Magazine for Conoisseurs Vol. 18. London 1910, S. 52, 56, Abb. S. 55 des Merkur als Jacopo Sansovino. Friedrich Wilhelm Lippmann: A Bronze Statuette attributed to Benvenutö Cellini. The Burling­ ton Magazine Vol. 16. 1909, S. 40, 49, Abb. S. 44. Dagegen wendet sich Charles Loeser: Minerva-Bronze attributed to Cellini a. a. O., S. 165 als Jacopo Sansovino. 156) Murr a. a. O., 1797, S. 235, Nr. 90. 157) Murr a. a. O., 1797, S. 9, Nr. 72; S. 7, Nr. 39. 158) Johann Gabriel Doppelmayr a. a. O., S. 293—294, Taf .11. Rudolf Bergau: Die Nürnberger Erzgießer Labenwolf und Wurzelbauer. Zeitschrift für bildende Kunst, Bd. 15. Leipzig 1880, S. 53. C. Alhard von Drach: Labenwolfsche Brunnen für den Landgrafen Wilhelm IV. von HessenKassel. Bayerische Gewerbe-Zeitung, hrsg. vom bayerischen Gewerbemuseum in Nürnberg, 1. Jahrg. Nürnberg 1888, S. 291—297, Abb. S. 293. Karl Schäfer: Das Baumeisterbuch des Wolf Jakob Stromer. Mitteilungen aus dem Germani­ schen Nationalmuseum, Jahrg. 1897. Nürnberg 1897, S. 124—127. Hier wird der Brunnen als ein Werk des Benedikt Wurzelbauer angeführt. Hermann Lüer und Max Creutz: Geschichte der Metallkunst. Bd. 1. Stuttgart 1904, S. 424. F. R. Friis, in: Sämlingen til Dansk, Bygnings-og Kunsthistorie, Heft 7, S. 310—326. B. Liisberg, in: Kunstmusects Aarsskrift 1921—1923. Kopenhagen, S. 121—138. 159) Rudolf Bergau a. a. O., S. 53. 160) Die Kunstdenkmäler von Bayern; III. Unterfranken und Aschaffenburg. Bd. 12. Felix Mader: Stadt Würzburg. München 1915, S. 508. Leo Bruhns: Würzburger Bildhauer der Renaissance und des werdenden Barode 1540—1650. München 1923, S. 417—418. Kurt Pilz a. a. O., S. 243, 252. 161) Göbel a. a. O., I, S. 448, 660. 162) Die Burg Hodiosterwitz (L. Kr. St. Veit, Kärnten) war seit 1541 Pfandbesitz der Khevenhüller. Im Jahre 1571 erwarb Graf Georg Khevenhüller von Aichelberg, Herrr zu Hochosterwitz (1553—1587), die Burg und baute sie 1571/86 aus. Aber er residierte in der Burg Wernberg (L. Kr. Villadi, Kärnten), die er 1576 zum großen Teil neugebaut hat. Der Graf war Erbstallmeister, Landeshauptmann von Kärnten, Geheimer Rat und oberster Kämmerer. Bernhard Czerwenka: Die Khevenhüller, Geschichte des Geschlechtes mit besonderer Berück­ sichtigung des 17. Jahrhunderts. Nach archivalischen Quellen. Wien 1867, S. 625—627, Taf. 2—4. August Sieghardt: Die Khevenhüller in Nürnberg. Seltsame Schicksale eines österreichischen Emigrantengeschlechtes. Fränkisdier Kurier Nürnberg, 16. II. 1936. Georg Khevenhüllcr-Metsch: Georg Khevenhüller v. Aichelberg. Zum 350. Todestage des Bauund Burgherren von Hochosterwitz. Freie Stimmen, Folge 198. 29. VIII. 1937. Fritz Traugott Schulz: Das Germanische Museum von 1902—1927, Festschrift zur Feier seines 75jährigen Bestehens. = Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums, Jahrgänge 1926—1927. Nürnberg 1927, Taf. nach S. 84. Göbel a. a. O., III, 1, S. 239-240, Abb. 219. Fränkische Bildteppiche a. a. O., Nr. 25. E. Kahlert u. Sohn, Berlin: Werbeschrift 1927, Abb. des 2.-3. Teppichs. 163) Max Frankenburger: Beiträge zur Geschichte Wenzel Jamnitzers und seiner Familie. Auf Grund archivalischer Quellen hrsg. Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Heft 30. Straßburg 1901, S. 59, Nr. 193. Zülch a. a. O., S. 454.

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164) Zülch a. a. O., S. 485—486. 165) Rudolf Verres: Die Plaketten des Paulus van Vianen. Pantheon Monatsschrift für Freunde und Sammler der Kunst, Bd. 1. München 1928, S. 291—299. Rudolf Verres: Silberne Schalenreliefs des Paulus van Vianen. Pantheon Bd. 2. 1928, S. 395—397. 166) Zülch a. a. O., S. 461. 167) Zülch a. a. O., S. 465—466. 168) Johann Ferdinand Roth: Verzeichniß aller Genannten des größeren Rats. Nürnberg 1802, S. 113, 131. 169) Zülch a. a. O., S. 426—427. Walter Karl Zülch: Die Künstlerfamilie Van Valckenborch. Nach den Urkunden im Frankfurter Stadtarchiv. Oud-Holland Tweemaandelijksch Tijdschrift voor nederlandsche Kunstgeschiedenis, 49. Jaargang. Amsterdam 1932, S. 221—228. Raczynski a. a. O., S. 59—60, Abb. 27—28. 170) Heinrich Weizsäcker: Die Kunstschätze des ehemaligen Dominikanerklosters in Frankfurt a. M. Nach den archivalischen Quellen bearbeitet und hrsg. Textband. München 1923, S. 156, 192. 171) Paul Bergner: Verzeichnis der gräflich Nostitzischen Gemäldegalerie. Prag 1905. S. 56, Nr. 220, Taf. 172) Elfried Bock a. a. O., S. 164—165. 173) Philipp Hainhofer: Des Augsburger Patriziers Beziehungen zum Herzog Philipp II. von Pommern-Stettin. Correspondenzen aus den Jahren 1610—1619 im Auszuge mitgetheilt und commentiert von Oscar Doering. Quellenschriften für Kunstgeschichte und Kunsttechnik des Mittelalters und der Neuzeit, N. F. Bd. 6. Wien 1894, S. 1—2, 36, 38, 40—41, 59, 242. 174) Katalog der Historischen Ausstellung 1906 a. a. O., Nr. 1528.Schulz: Nürnberger Bürgerhäuser a. a. O., S. 131, 139, Abb. 194 (Kupferstich). 175) Verzeichnis a. a. O., Derschau, S. 11—12, Nr. 35. Katalog der Historischen Ausstellung 1906 a. a. O., Nr. 232, Abb. S. 415. Georg Konrad Nagler: Die Monogrammisten. Bd. 2. München 1879, Nr. 1964. 176) Franz Ludwig von Soden: Kriegs- und Sittengeschichte der Reichsstadt Nürnberg. T. 1. Erlangen 1860, S. 127. 177) Joseph Meder: Neue Beiträge zur Dürer-Forschung. Jahrbuch der kunsthistorischen Samm­ lungen des A. H. Kaiserhauses, Bd. 23. Wien, Prag, Leipzig 1902, S. 53—68. Weizsäcker a. a. O., S. 144. Friedrich Winkler: Dürerstudien III. Jahrbuch der preußischen Kunstsammlungen, Bd. 53. Berlin 1932, S. 77—78, Abb. 7—8. 178) Boesch a. a. O., S. 130. 179) Mummenhoff a. a. O., S. 293. Boesch a. a. O., S. 130. 180) Kohlhaußen in: Das Bayerland, 51. Jahrg. München 1940, S. 237, Abb. S. 235. 181) Katalog der Historischen Ausstellung 1906 a. a. O., Nr. 1261. Fritz Traugott Schulz: Die alte Stadt. Eine Kulturgeschichte in farbigen Bildern. Mappe 4. Regensburg und Leipzig 1925, Nr. 12, Farbtaf. Kohlhaußen a. a. O., S. 237, Abb. S. 235. 182) Engelbert Baumeister und Walter Boll: Eine Sammlung von Zeichnungen in der Univer­ sitätsbibliothek zu Würzburg. Münchner Jahrbuch für bildende Kunst, N. F. Bd. 11. 1934. S. 49, Nr. 254, Abb. 27. 183) C. G. Boerner: Alte Handzeichnungen des 15.—18. Jahrhunderts aus der Sammlung Arnold Oskar Meyer, Hamburg. Aus altem Leipziger und anderem Besitz. Auktion 124. Leipzig 19. bis 20. III. 1914, Nr. 148. 184) Felix Becker: Handzeichnungen alter Meister in Privatsammlungen. Lpz. 1922, S. 8—9, Abb. 9. C. G. Boerner: Sammlung von Handzeichnungen altniederländischer Meister des 16. und 17. Jahrhunderts aus dem Besitz von Dr. Curt Otto, Leipzig. Versteigerungskatalog 163. Leipzig 7. XI. 1929, Nr. 38, Taf. 4. 185) Frederik Müller u. Cie. et C. M. van Gogh: Katalog der Versteigerung J. F. Ellinckhuysen II. Dessins anciens. Amsterdam 19.—20. XI. 1878. C. G. Boerner: Liste 33. Leipzig, Nr. 27. 186) Hampe: Katalog der Gewerbesammlung a. a. O., Nr. 830. Göbel a. a. O., III, 1, S. 240, Abb. 221a. Fränkische Bildteppiche a. a. O., Nr. 27. 187) Hampe a. a. O., Nr. 831. Göbel a. a. O., III, 1, S. 240, Abb. 220a. Bildteppiche a. a. O., Nr. 29. 188) Göbel a. a. O., III, 1, S. 241, Abb. 220b. Bildteppiche a. a. O., Nr. 26, Abb. 189) Göbel a. a. O., III, 1, S. 240—241, Abb. 221b. 190) Hugo Helbing: Rudolf Kuppelmayer, Katalog der . . . Abteilung seiner Kunstsammlungen. Versteigerung. München 26. IX. 1896, Nr. 954. (Ein Exemplar war mir nicht zugänglich.) 191) Theodor Hampe: Das Altnürnberger Kunstglas und seine Meister a. a. O., S. 21—24, 43, 45, 55, 59-61. 192) Roth a. a. O., T. 2, S. 118—119. 193) Oskar Franz Schardt: Der Nürnberger Ostindienfahrer Johann Jacob Saar. Einer der deutschen Mitkämpfer bei der Eroberung Niederländisch-Indiens. Das Bayerland a. a. O., 51. Jahr­ gang, 1940, S. 254—256. 194) Joachim von Sandrart: Academie der Bau-, Bild- und Mahlerey-Künste von 1675. Leben der berühmten Maler, Bildhauer und Baumeister. Hrsg, und kommentiert von Arthur Richard Peltzer. München 1925.

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Richard Arthur Peltzer: Sandrart-Studien. Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst, N. F. Bd. 2. 1925, S. 103—165. 195) Paul Kutter: Joachim von Sandrart als Künstler nebst Versuch eines Katalogs seiner noch vorhandenen Arbeiten. Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Heft 83. Straßburg 1907, S. 50—51, 101—102, Nr. 37, Taf. 5. Mummenhoff a. a. O., S. 49—53, Taf.

Schulz: Beschreibung der Städtischen Kunstsammlung a. a. O., S. 97—99, Abb. 31. 196) Kutter a. a. O., S. 118—119, Nr. 82—83. Camillo List: Eine Büste des Octavio Piccolomini. Beiträge zur Kunstgeschichte Franz Wickhoff gewidmet von einem Kreise von Freunden und Schülern. Wien 1903, S. 165. Zdenek Wirth: Topographie der historischen und Kunst-Denkmale des politischen Bezirks Nachod. = Topographie der historischen und Kunst-Denkmale im Königreich Böhmen, Bd. 36. Prag 1911, S. 55—56, 67, 90—91, Abb. 69. 197) Kutter a. a. O., S. 124, Nr. 93. 198) Mummenhoff a. a. O., S. 293. 199) Schulz: Nürnbergs Bürgerhäuser a. a. O., S. 236—239, Abb. 334—335. 200) Hampe: Beiträge. . . Buch- und Kunstliandel II a. a. O., S. 32, Nr. 76; S. 48—49, Nr. 101; III, S. 142. 201) Andreas Andresen: Johann Friedrich Leonhart. Archiv für die zeichnenden Künste, 7 bis 8. Jahrg. Leipzig 1862, S. 133—194. 202) Zülch a. a. O., S. 569. Friedrich Schnack: Ein Künstlerleben zwisdien Nürnberg und Surinam Maria Sibylla Merian. Fränkischer Kurier Nürnberg, 1. VIII. 1935, Nr. 211. Friedrich Schnack: Maria Sibylla Merian, Meisterin der Blumen und Schmetterlinge. Fränki­ scher Kurier, 3. IX. 1940, Nr. 244. J. Stuldreher-Nienhuis: Verborgen paradijzen. Het leven en werken van Maria Sibylla Merian. 2. Aufl., Arnhem 1945. Wilfrid Blunt: The art of botanical illustration. London 1950, S. 127—129. 203) Ferdinand Eisinger: Maria Sybilla Merian. Kupferstecherin und Blumenmalerin, 1647—1717. Die Frau, Monatsschrift für das gesamte Frauenleben unserer Zeit. 34. Jahrg. Berlin 1926/27, S. 155—160. Max Adolf Pfeiffer: Die Werke der Maria Sibylle Merian bibliographisch zusammengestellt. Meißen 1931. Bildet gleichzeitig das Verzeichnis dieses Teiles der Sammlung alter naturwissen­ schaftlicher Werke, Kötzschenbroda Max Adolf Pfeiffer. S. a. Philobiblon 9, 1936, S. 97 ff. Schöne Naturwissenschaft (Katalog). Nürnberg. Nürnberger Antiquariat 1925, Nr. 35—37. Claus Nissen: Die botanische Buchillustration, ihre Geschichte und Bibliographie. Stuttgart 1951, Bd. 1, S. 75, 85—86, 168; Bd. 2, S. 122—123, Nr. 1340—1342, S. 320. 203a) London Brit. Mus.: Wilfrid Blunt a. a. O., Taf. 16 Türkenbund (Lilium superbum) Aquarell. VII. Internationaler Kongreß für Entomologie, Ausstellung München Staatsbibliothek 1938: Das Insekt in der Darstellung. Veröffentlichung: VII. Internationaler Kongreß für Entomologie Berlin 15.—20. August 1938, Bd. 5; Bericht: Max Dingler, Die Veranstaltungen in München 21.—25. August 1938. Weimar 1940. S.CCXXVII-CCXXIX aus öffentlichen Sammlungen: Nr. 3 Senckenberg-Bibliothek Frankfurt a, M.: Libelle auch Taf., 17 Tuschzeichnungen. Nr. 6 Germanisches Nationalmuseum: ein Original zu der Raupen Verwandlung, Aquarell 1706 Metamorpha dido L. S CCXXX aus Privatbesitz: Nr. 6 Drei Originalzeichnungen zu der Raupen Verwandlung. 204) Elfried Bock: Die Zeichnungen ... in Berlin a. a. O., I, S. 250—251. 205) Christoff Weigel: Ständebuch von 1698, das ist Abbildung der gemeinnützlichen HauptStände von allerley Stands-, Ambts- und Gewerbs-Persohnen. Mit beygeruckter Lehr und mäßiger Vermahnung durch P. Abraham a Santa Clara. Ausgewählt von Fritz Helbig. Ebenhausen bei München 1936. Kurt Pilz: Die Darstellung des Handwerkers in der bildenden Kunst. Die deutsche Handwerker­ kunde, hrsg. von Georg Fischer. Das Deutsche Volk T. 6. Leipzig 1943, S. 219. (Das Werk ist vor der Auslieferung infolge Kriegseinwirkung verbrannt.) 206) Katalog der Historischen Ausstellung 1906 a. a. O., Nr. 1260. 207) Roth a. a. O., T. 2, S. 280, 155, 284, T. 3, S. 91—94; T. 2, S. 159, 291, 163, T. 3, S. 211—213. 208) Oskar Franz Schardt: Gustav Wilhelm von Imhoff, der große Gouverneur von Niederländisch-Indien. Das Bayerland a. a. O., 51. Jahrg., 1940, S. 248—253 (bei Abb. S. 249 ist irrtüm­ lich der Maler Anthonis van Dyck [1599—1641] angegeben, richtig muß es Philip van Dyck heißen). Kohlhaußen a. a. O., S. 237, Abb. S. 237, 252—253. Katalog der Historischen Ausstellung 1906 a. a. O., Nr. 246. 209) Berichte über die Jahre 1930—1931 Stuttgart Landesgewerbemuseum. Stuttg. 1931, S. 26—27. 210) Schöne Naturwissenschaften a. a. O., Nr. 43—45. Ferdinand Eisinger: Christian Friedrich Karl Kleemann, Miniaturmaler und Naturforscher, Nürnberg 1735—1789. Entomologische Zeitschrift, 39. Jahrg. Frankfurt a. M. 1925. 211) Schöne Naturwissenschaften a. a. O., Nr. 28—29. Claus Nissen a. a. O., Bd. 1, S. 180—181. 212) Claus Nissen a. a. O., Bd. 1, S. 174-178, Bd. 2, S. 185, Nr. 1997-1998.

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Hersbrudc — Propstei des Klosters Bergen Von Dr. Rudolf Geiger

Einleitung „Wann menschlich gedechtnus vergendlichen ist und der dinge wird vergessen werden, die von menschen gehandelt werden, so ist wol billig, das man redlich sach die in ihrer Ordnung bestehen sullen, fleißiglich beschreibe und allermeist die sach, die zu dem dienst und lobe des almächtigen gotes ordentlich mit irem wesentlichen beieiben, gotsfürchtig und gerecht sind.“ So beginnt die im 14. Jahrhundert ver­ faßte Chronik des Benediktinerinnenklosters Bergen bei Neuburg an der Donau. Fast als ob die Verfasserin geahnt hätte, daß zwei Jahrhunderte später die Bergener Nonnen als Bewahrerinnen der Klostertradition von den Folgen der Reformation in alle Winde zerstreut werden wür­ den, zerstreut trotz herzhaftester Gegenwehr des Konventes und seiner bedeutenden Äbtissin Eufemia, einer Schwester Willibald Pirckheimers 1). Diesem frühen Ende ist es auch zuzuschreiben, daß man heute von einem Kloster Bergen kaum mehr etwas weiß. Der Schatz seiner schrift­ lichen Überlieferung schlummert noch, kaum beachtet und benutzt, zerstreut in den Archiven. Wohl taucht der Name Bergen immer wieder einmal in der Literatur auf, doch findet man, abgesehen von wenigen lokalhistorischen Einzeluntersuchungen, nie mehr als einen kurzen Abriß der Klostergeschichte von wenigen Seiten oder gar nur Zeilen, oder die Veröffentlichung einer einzelnen, meist in anderem Zusammen­ hang interessierenden Quelle. Manchmal ist es auch ein kurzer, zeitlich begrenzter Ausschnitt aus der Klostergeschichte, der in Verbindung mit der Untersuchung anderer Institutionen herausgegriffen wird 2). Wenig ist es, was uns da berichtet wird, ganz abgesehen davon, daß es auch nicht immer einer kritischen Nachprüfung standhält. Die 600jährige Geschichte des Klosters Bergen hätte eine bessere und eingehendere Darstellung verdient. Unter der älteren Literatur ist das bedeutendste Werk für die Bergener Klostergeschichte die Mitte des 16. Jahrhunderts ent­ standene „Chronologia Monasteriorum Germaniae illustrium“ des Caspar B rusch3). Was seinen dort enthaltenen Bericht über das Kloster Bergen betrifft* so stand Brusch noch in Verbindung mit der letzten Äbtissin Katharina Haberrein, auf die er sich besonders bei der Zusammenstellung eines Äbtissinnenkataloges beruft4). Später wird 154

dieses Werk immer wieder ausgeschrieben und zitiert5). Einen neuen Beitrag für die Klostergeschichte kann erst der Verfasser einer zwei­ bändigen Geschichte Kaiser Karls IV. leisten6). Die im Urkundenbuch des 2. Bandes abgedruckten wenigen Urkunden, die über das Verhältnis Karls IV. zu Bergen Aufschluß geben, sind noch heute von besonderer Wichtigkeit, da die Vorlagen Pelzeis verschollen sind 7). Als eine recht gründliche Arbeit ist dann eine 1788 erschienene Geschichte Hersbrucks zu bezeichnen, die sich eingehender mit der Geschichte der Hersbrucker Klosterpropstei befaßt8). Der Verfasser zieht auch noch eine Reihe anderer Geschichtsschreiber, meist Nürnberger Herkunft, heran9). Ihm ist auch das „Nürnberger Salbüchlein“ 10) mit den darin auf gezeichneten Abgaben der Äbtissin von Bergen bekannt und besonderes Verdienst erwirbt er sich durch den erstmaligen Abdruck der ältesten Urkunde des Klosters von 976 n). An unvermuteter Stelle und bisher völlig über­ sehen, veröffentlicht Antonius Nagel neben einigen kurzen Nachrichten über die Geschichte Bergens auch ein Vidimus von 1357 mit den drei ältesten Klosterurkunden und der ältesten urbarialen Aufzeichnung, die der Verfasser sogar den ältesten Traditionsbüchern altbairischer Klöster zeitlich gleichsetzt12). Einen etwas umfangreicheren Abriß der Klostergeschichte bringen schließlich die „Monographien des Land­ gerichtes Neuburg a. d. D.“13). Obwohl deren ungenannter Verfasser die Nachrichten des Brusch als „sehr.wenig, äußerst mangelhaft und unbestimmt“ bezeichnet, muß er sich doch immer wieder auf diesen berufen. Auch die Ende des 19. Jahrhunderts entstandene zweite Hers­ brucker Chronik bringt nicht viel Neues 14). Ihr Verfasser kommt in seinen Ergebnissen nicht über Waldau hinaus. Einen recht anschau­ lichen Aufsatz über die Geschichte Bergens enthält etwa um die gleiche Zeit der „Sulzbacher Kalender“ 15), und auch die Geschichte der Bischöfe von Eichstätt aus der Feder von Julius Sax geht mehrmals auf Bergen ein16), gleichwie von Reisach in seiner Geschichte des Herzogtums Neuburg 17). Die neuere Literatur hat noch weit weniger Interesse an der Geschichte Bergens. Für die gesamte Geschichte des Klosters finden wir nur einige Daten bei Büchner 18) und, soweit es sich um die Schen­ kung an Bamberg und die Eingriffe Bamberger Eigenklosterherren in die Geschicke des Klosters handelt, lesen wir auch bei v. Guttenberg mehrmals den Namen Bergen19). Dannenbauer berührt die Propstei Hersbruck wegen ihrer Bedeutung für die Bildung des Nürnberger Territoriums20). Gleichfalls diese Propstei ist es, die als Glied Neu­ böhmens das Interesse Karl Wilds erweckt21). Dankenswert sind ferner der kurze Überblick über die Gründungsgeschichte des Klosters bei Heidingsfelder 22) wie die Hinweise in der Geschichte des Lauf-Schnaittacher Nachbargebietes von Fritz Schnelbögl23). Obwohl wir aus all dem fühlen, daß die Geschichte Bergens auch für die neuere Geschichtsforschung nicht so ganz uninteressant sein dürfte, blieb dennoch die Geschichte des Klosters Bergen wie seiner Propstei Hersbruck bis heute ungeschrieben. Nicht zum geringen Teil schuld daran war auch die unübersichtliche Quellenlage. Sie zu klären und die große Zahl der noch unge-

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druckten Archivalien zu sammeln, war erste Voraussetzung für das Ge­ lingen dieser Arbeit. Eine Erörterung über die Quellenlage würde an dieser Stelle zu großen Raum einnehmen. Die Archivgeschichte und die Zusammensetzung des einstigen Klosterarchivs nach den heutigen Be­ ständen verschiedener Archive bleibt einer besonderen Veröffentlichung Vorbehalten. Auch vorliegende Arbeit wird nur einen Teil Bergener Geschichte behandeln, die Geschichte der Propstei Hersbruck. Doch darf wohl schon hier gesagt werden, daß es sich dabei um den wichtigsten und ergiebigsten Teil der Klostergeschichte handelt. Es wird sich zeigen, daß das Kloster ohne seine Propstei nicht lebensfähig ist, daß sich die Geschichte des Klosters, wie auch der Urkundenbestand erkennen läßt, nur in der Geschichte seiner Propstei Hersbruck widerspiegelt, ja daß man geradezu sagen kann: Die Geschichte der Propstei Hersbruck ist die Geschichte des Klosters Bergen. Die Darstellung der äußeren Schicksale der Propstei soll jedoch nicht allein Aufgabe dieser Arbeit sein. Die Erörterungen über Be­ sitzgeschichte, über Wirtschaft und Verwaltung werden uns einen Ein­ blick in die besitzgeschichtliche Entwicklung und die wirtschaftliche Struktur des Gebietes um die mittlere Pegnitz — Überschneidungsgebiet Bamberger und Eichstätter Interessen — geben. Darüber hinaus verdanken wir gerade den Quellen des Kloster- bzw. Propsteiarchives die Möglichkeit, die äußerst verwickelten rechtlichen Verhältnisse die­ ses Gebietes zu klären24). Damit kann diese Arbeit ein Beitrag sein zu den mehrmals geforderten Einzeluntersuchungen über die rechtsund verfassungsgeschichtlichen Probleme einzelner Landschaften und Institutionen25) und sie erfüllt eine weitere Aufgabe der heutigen landesgeschichtlichen Forschung, die Erschließung neuer Quellen 26). Die kritische Wiedergabe eines verschollen gewesenen Urbars des Kloster­ amts Hersbruck aus dem ausgehenden 13. Jahrhundert und die Zu­ sammenstellung der Regesten zur Geschichte der Propstei Hersbruck gibt der landesgeschichtlichen Forschung unerschlossenes Material zur Hand. Eine Veröffentlichung von Urbar und Regesten im Rahmen die­ ser Zeitschrift war nicht möglich, sie muß zurückgestellt werden.

A. Die äußeren Schicksale der Props’tei Hersbruck Mit dem nüchternen Vermerk „976 Baergense monasterium construitur“ überliefern die Annales Sancti Rudberti Salisburgenses die Grün­ dung des Klosters 27). Nicht viel mehr sagt uns das Auctorium Garstense unter dieser Jahrzahl: doch immerhin erfahren wir, daß die Grün­ derin eine Herzogin Pia oder Pildrut gewesen sei28). Näheres über deren Person weiß der Anonymus Haserensis zu berichten: Diese Pia — es handelt sich um Wiltrud, die Witwe des 947 verstorbenen Baiernherzogs Berchtold, die wegen ihrer großen Frömmigkeit Pia genannt wurde 29) — hatte die Eichstätter Kirche mit herrlichen und kunstvollen Ornaten ausgestattet und war deshalb und wegen ihrer Frömmigkeit von Bischof Reginold von Eichstätt hochgeschätzt. Sie gründete im ge-

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nannten Jahre, wahrscheinlich vom Bischof dazu angeregt, das Frauen­ kloster Bergen bei Neuburg an der Donau, in der Eichstätter Diözese, nach der Regel Sankt Benedikts und wurde dessen erste Äbtissin30). Als Patrozinien werden später das heilige Kreuz, die heilige Jungfrau Maria und Sankt Johannes der Evangelist genannt31). Ihre urkundliche Bestätigung findet diese Überlieferung in zwei königlichen Urkunden, die uns auch Näheres über die Ausstattung des Klosters berichten. 976 September 29 bestätigt Kaiser Otto II. der adeligen Matrone Biledrut (Wiltrud), daß ihr die Güter, die sie einst von ihrem Gatten, dem Herzog Berchtold, bekommen hat und die zum königlichen Fiskus ein­ gezogen worden waren, rechtmäßig zurückgegeben werden32). Daß diese Güter im Nordgau, Sualafeld und Sulzgau zur Ausstattung des neugegründeten Klosters dienen sollten, erfahren wir erst aus der zwei­ ten Urkunde, in der Konrad II. die von Otto ausgestellte bestätigt33). Die Klosterchronik aus dem 14. Jahrhundert berichtet ebenfalls über diese Vorgänge und erweitert die Angaben der genannten Urkunden hinsichtlich der Ausstattungsgüter: „Biledrudis . . . begann dasselb junkfraucloster erwirdiglich stieften und wydem (= bewidmen) mit dem reichtum ihres eigenguts um Pergen gelegen und in ander gegend als auf dem Nordgau und in dem Sulzgau und mit der aygenschaft ihrer güter zu Her ßpruck und darumb in der gegend gelegen, mit allen ihren wirden und zugehörungen derselben güter“ 34). Dem­ nach gehörten also die Güter um Hersbruck, die später unter dem Namen „Propstei Hersbruck“ zusammengefaßt waren33), wenigstens in ihrem Kern, zu den Ausstattungsgütern des Klosters 36). Die Geschichte ‘der Propstei Hersbruck beginnt also bereits mit der Gründung des Klosters Bergen, wenn auch ihre Entwicklung gesondert vom Kloster zunächst noch nicht zu erkennen ist. Für die Zeit nach der Gründung sind wir auf ganz wenige Quellen angewiesen. Abgesehen von einer päpstlichen Schutzurkunde aus dem Jahre 995, in der der Äbtissin freie Vogtwahl und dem Konvent freie Äbtissinnenwahl verliehen werden37), ist es die Urkunde König Heinrichs II. von 1007 November 1, die eine bedeutsame Wandlung der Geschicke des Klosters wie seiner Güter zu Hersbruck bringt 38). Hier schenkt der König die Abtei Bergen mit allen Zugehörungen dem Bistum Bamberg, mit der Bestimmung, daß Bischof Eberhard und seine Nachfolger dort Macht haben sollten „antedictam abbatiam tenendi, ordinandi, stabiliendi seu quicquid sibi libeat in usum aeternae comoditatis inde faciendi“. Von dieser Stunde an ist Bergen Bamberger Eigenkloster 39). Dreimal ist das Eingreifen der Bamberger Bischöfe als Eigenkloster­ herren an den Quellen der nächsten eineinhalb Jahrhunderte zu er­ kennen. Das erstemal ist es, als Bischof Hartwig (1047—1053) die Äb­ tissin von Bergen bei ihrem Amtsantritt den Kirchenschatz ihres Klo­ sters nachweisen läßt40). Wenige Jahre später greift Bischof Günther (1057—1065) energisch in die Bergener Mißwirtschaft ein und setzt die Äbtissin ab 41). Sie hatte, so erfahren wir aus einem späteren Brief, die Zahl der Nonnen zwangsweise von 40 auf 20 herabgesetzt und die übri­ gen so große Not leiden lassen, daß sie in ihrer Verzweiflung schänd­ lichen Erwerb mit ihren Leibern getrieben hatten und der gottgeweihte Ort so zur Lasterhöhle geworden ist. Auch den Kirchenschatz hatte sie 157

fast völlig verwirtschaftet41a). Er, den die Kaiserinwitwe Agnes auf den Bamberger Bischofsstuhl gebracht und der ihr auch als Bischof manchen Gunstbeweis zu danken hat, verscherzt mit seinem Vorgehen gegen die Bergener Äbtissin alle Gunst42). Der Name der gemaßregelten Äbtis­ sin ist nicht bekannt, ebensowenig kennen wir die Gründe, die zu einem solchen Umschwung geführt haben. Fest steht jedenfalls, daß die Angelegenheit der Absetzung Bischof und Domkapitel große Schwie­ rigkeiten bereitete; 1062 kam es sogar zu offener Fehde zwischen Agnes und Günther. Erst der Staatsstreich von Kaiserswerth wirkte sich wieder günstiger für Bamberg aus43). Daß Agnes wirklich den Plan gehabt hatte, das Kloster zum Reiche einzuziehen, wie die Bam­ berger Domkanoniker behaupteten, ist fast anzunehmen44). Auf jeden Fall schien der Bischof von Eichstätt mit der Wiederherstellung ge­ ordneter Verhältnisse in Bergen betraut worden zu sein, wie aus einem Brief Bischof Hartmanns I. von Bamberg an ihn zu schließen ist45). Es mußte demnach eine Verlegung zumindest eines Teils der Bergener Klosterfrauen stattgefunden haben, deren Rückkehr der Eichstätter Diözesan in dem vorgenannten Brief eindringlich gefordert hat. Der Ort dieser Verlegung scheint Hersbruck gewesen zu sein, das mit sei­ nem großen Hof und seiner Lage innerhalb des Bamberger Bistums dazu prädestiniert schien46). Wenn sich auch die Klosterchronik über diese Begebnisse ausschweigt, so lassen sich doch ihre Angabe, daß das Kloster zum erstenmal durch „prunst und Versäumnis“ abgenommen habe47), wie die Weihe einer neuen Kirche im Jahre 1095 48) damit in Zuammenhang bringen. Es ließe sich durchaus annehmen, daß diese „prunst“ die Strafe für die „Versäumnis“ gewesen ist, daß Bischof Gün­ ther nicht nur die Äbtissin abgesetzt, sondern auch eine Zerstörung der „schändlichen Lasterhöhle“ angeordnet hat und den schuldloseren Teil der Klosterfrauen nach Hersbruck überführen ließ 49). Der Plan ging vielleicht sogar so weit, daß man das Kloster in Hersbruck neu errichten wollte, wie es 1156 fast geschehen wäre50). Hersbruck wäre eben durch seine Lage innerhalb des Bistums Bamberg — die Grenze wurde hier durch die Pegnitz gebildet — und im Mittelpunkt des größe­ ren und massierteren Teiles der Klostergüter, sowie als Bamberger Marktort dafür sehr geeignet gewesen. Nun aber hatte die Ungnade der Kaiserinwitwe einen Strich durch diese Rechnung gemacht und der Eichstätter Diözesan verlangte die Rückkehr der Nonnen. Die Bam­ berger suchen diese Rückführung, die anscheinend gerade im Winter vor sich gehen sollte, hinauszuzögern. Die Überführung, so schreibt Bischof Hermann, sei untragbar, die rauhe Jahreszeit, das zarte Ge­ schlecht und die Schwäche der verschiedenen Lebensalter der Nonnen, wofür sogar die Gefühllosigkeit der Feinde Schonung kenne, mache sie unmöglich 51). Die Einwände dürften keinen Erfolg gehabt haben, denn 1095 weiht der Eichstätter Bischof eine neue Kirche zu Bergen52), die jedoch mit­ samt dem Kloster bald danach wieder einer Feuersbrunst zum Opfer fällt. Diesmal berichtet uns die Chronik allerdings,-daß daraufhin ein großer Teil der Nonnen in den Klosterhof nach Hersbruck gezogen ist53). Hämmerle setzt diesen Brand nicht vor 1152 54). Dagegen sind jedoch Bedenken zu erheben.

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Schon „drei stund danach“, so lesen wir in der Chronik, nachdem die neue Kirche von Bischof Udalrich von Eichstätt geweiht worden war, brannte das Kloster ab und durch den Abzug der Nonnen nach Hersbruck stand die Abtei viele Jahre ledig55). Für einen früheren Termin als 1152 spricht auch eine Urkunde von etwa 1103, wo von Zinshörigen einer „Abbatissa de Haderichsbrucgen (!)“ gesprochen wird56). Auch ein — allerdings sehr spätes — Protokoll über des Klo­ sters alte Rechte zu Hersbruck überliefert, daß 1119 zu Hersbruck acht Klosterfrauen gewesen seien57). Diese im einzelnen nicht unbedingt bindenden Angaben lassen doch in ihrer Gesamtheit annehmen, daß der Brand und der Umzug der Nonnen von Bergen nach Hersbruck tatsächlich bald nach der Kirchweihe stattgefunden haben müssen58). Bischof Eberhard II. von Bamberg, als einem Anhänger der Reform, machte nun der zunehmende Verfall des in zwei Konvente gespaltenen Klosters große Sorge. Er wandte sich an Papst Eugen III., der den aus St. Georgen im Schwarzwald stammenden Reformabt Gottfried von Admont59) mit der Schaffung geordneter Verhältnisse beauftragte. Seine Bemühungen waren vergeblich. Erst ein neuer Auftrag des in­ zwischen auf den päpstlichen Stuhl gekommenen Hadrian IV. führte 1156 zum Erfolg. Diesmal kam Gottfried persönlich nach Hersbruck und Bergen und nach eingehender Prüfung der Verhältnisse bestimmte er, daß die beiden Teilkonvente wieder an ihrem alten Sitz vereint wer­ den sollten. Die Hersbrucker Klosterfrauen zeigten sich nicht recht erbaut darüber und es „hub an alles zu murmern und widersprechen von allen frauen daselben“, als Abt Gottfried seinen Beschluß verkün­ dete. Diesmal setzte er sich jedoch durch, obwohl auch Bischof Konrad von Eichstätt in den Maßnahmen Eberhards, die die Reform natür­ lich zum Vorwand nahmen, um auch die alten Bamberger Eigenkloster­ rechte wieder zu exemplifizieren, einen Eingriff in seine Rechte sah und zunächst Schwierigkeiten machte. Doch in gemeinsamer Prozession zogen schließlich die beiden Teilkonvente unter Vorantritt der beiden Bischöfe, des Eichstätters und des Bambergers, sowie Gottfrieds und einiger anderer am 3. September 1156 in Bergen ein. Dort empfing die neue Äbtissin Reginlindis, die auf Veranlassung Gottfrieds aus dem von seinem Vorgänger zu Admont errichteten Frauenkloster geholt worden war60), „von dem einen bischof (Eichstätt) das besorgen der Seelen und geistliche gewalt und von dem andern (Bamberg) weltliche gewalt und rechtigung“ 61). Der Konvent war nun wieder unter tatkräftiger Leitung vereint und durch den Einfluß der reformierten Nonnen von Admont — Regin­ lindis hatte sieben Nonnen mitgebracht — waren die Voraussetzungen für ein neues Aufblühen des Klosters gegeben. Der schon wenige Jahre später (1161) durch Bergen reisende Abt Irmbert von Michelfeld rühmt die Disziplin der Nonnen62); Kloster und Kirche werden wieder auf­ gebaut (soweit das nicht schon durch den in Bergen verbliebenen Teil­ konvent geschehen war) und die neue Kirche durch Bischof Otto von Eichstätt (1182—1195) geweiht63). Reginlindis weilt zu dieser Zeit be­ reits im Kloster Hohenburg im Elsaß, das sie als nunmehr erfahrene Reformerin im Aufträge Friedrich Barbarossas zu reformieren hat64). 159

Diesmal sind es nicht mehr Nonnen von Admont, die mit ihr ziehen, um den reformierten Kern zu bilden, Reginlindis kann sich nunmehr schon auf Bergener Nonnen stützen, deren Wiege im Nordgau stand65). Fast Kundert Jahre schweigen die Quellen. Was sie uns dann vor Augen führen, das ist ein armes, der Ausbeutung ausgeliefertes Klo­ ster. Von einer Bamberger Eigenklosterherrschaft, die Bischof Eber­ hard noch einmal aufgefrischt hatte, war nun überhaupt nichts mehr zu spüren. Die Chronik berichtet, daß zum dritten Male das Kloster zerfiel und schadhaft ward an seinen Gütern, allermeist der Versäum­ nisse wegen derer, die zu allen Zeiten Pfleger und Vorgeher des Klo­ sters hatten sein sollen66). In seiner Not wendet man sich an den Papst. Mehrmals versucht man von päpstlicher Seite aus dem schwachen Frauenkloster tatkräftige Helfer zu verschaffen67). Auch durch den Verkauf von Gütern sucht das „tum propter malum terre statum, sterilitates temporum, tum eciam propter aliquales neglientias prelatarum“ an den Rand des Verderbens gelangte und auch sonst von schweren Schäden bedrückte Kloster der Not zu steuern 68). Bischof Albrecht von Eichstätt und Herzog Ludwig IV. von Baiern setzen sich ebenfalls für das Kloster ein 6Ö). Die hier geschilderten Ereignisse beziehen sich aller­ dings mehr auf die Güter außerhalb der Propstei Hersbruck, die Prop­ stei selbst zeigt seit 1174 eine gesonderte Entwicklung. Die „Vogtei Hersbruck“, zu der, neben der Vogtei über die anderen Bamberger Kirchengüter um Hersbruck, auch die Vogtei über die Hers­ brucker Güter des Klosters Bergen — also über die Propstei Hersbruck — gehörte, war durch einen Vertrag von 1174 an die Staufer gekommen. Nach deren Aussterben ging sie 1269 an die Wittelsbacher über, wurde durch Adolf von Nassau als heimgefallenes Reichsgut vorübergehend eingezogen, kam durch König Albrechts Revindikationsbestrebungen abermals zum Reich und wurde der Reichsvogtei Nürnberg unterstellt, um nach seinem Tode wiederum an die Wittelbacher zurückzukomjnen70). Daß hier die Verhältnisse nicht viel anders waren wie um Bergen selbst, das zeigen die baierischen Herzogsurbare wie das Nürn­ berger Reichsalbüchlein mit ihrer großen Zahl an entfremdeten Kloster­ gütern in der Vogtei Hersbruck 71). Gerade hier in der Propstei nahm der Kampf um die Existenz des Klosters eine außergewöhnliche Inten­ sität an. Das Klosterarchiv gibt zunächst wenig Aufschluß darüber. Erst mit dem beginnenden 14. Jahrhundert wird die Lage deutlicher. 1306 wen­ det sich ein Gerichtsbrief des Landrichters zu Sulzbach gegen die Miß­ achtung der klösterlichen Rechte72) und damit scheint der Kampf ein­ geleitet zu werden. Er richtet sich hier in der Propstei vor allem gegen das aufstrebende Ministerialengeschlecht der Schenken von Reicheneck 73). Dieses Geschlecht war hervorgegangen aus der Ehe der Tochter Ulrichs von Königstein mit Walter, Schenk von Klingen­ burg, und ist mit seinem Aufstreben bemüht, seinen Besitz mit allen Mitteln zu erweitern. Allein das Nürnberger Salbüclilein nennt 66 Hufen und Höfe aus der Vogtei Hersbruck in Reichenecker Hand 74). Ein großer Teil davon ist Bergener Grundbesitz. „Zu der zeit“, um wieder einmal die Chronik sprechen zu lassen, „da sich die herzöge von Beyern der 160

vogtei über des klosters eigen zu Hersbruck und darum unterwunden hatten, war das kloster viel gults, nutz, rechte, een und guter gewonheit entwert und von tag zu tag je mehr, auf der einen Seite wegen der herrschaft amtleute, auf der andern seite wegen der Schenken von Reicheneck, den etwo viel vogtei über des klosters eigen versatzt ward . . . etlichs von körnig Rudolf, etlichs von den herzogen von Beyern, der diener und amtleut die Schenken waren“ 75). Kaum mehr als 40 lb. hl. konnte das Kloster in seiner Propstei Hersbruck mehr aufbringen 76). Den Schenken war also ein Teil der Vogtei über den Besitz des Klo­ sters Bergen in der Hersbrucker Gegend verpfändet. Sie nützten ihre Rechte weidlich aus und versuchten mit mehr oder weniger Gewalt aus Vogteirechten grundherrliche Besitzrechte zu machen 77). Der Kampf des Klosters gegen ihre Bedrückungen, wie auch gegen die anderer Amtleute und Herren, erreichte seinen Höhepunkt, als die Vogtei über Hersbruck durch Karl IV. für das Königreich Böhmen erworben wurde78). In ihm wie in der zur gleichen Zeit dem Bergener Konvent vorstehenden Äbtissin Adelheid, einer Schenkin von Arberg 79), die sich durch außergewöhnliche Tatkraft und Beharrlichkeit auszeichnete, fanden die Verhältnisse ihre Meister. Die ganze Erwerbspolitik Karls IV.80) zeigt, daß es diesem „klugen Geschäftsmann und schöpferischen Staatsmann“ 81) nicht allein um das Zusammenscharren einer Hausmacht zu tun war. In der glücklichen Verbindung zwischen Geschäftssinn und schöpferischer Gabe machte £r sein neuböhmisches Territorium, das er 1353 erworben hatte und zu dem auch die Vogtei Hersbruck zählte82), zum ersten modernen Staat im Raume des mittelalterlichen deutschen Reiches83). Bereits im Hei­ ratsvertrag von Bacharach wurden ihm die Vesten und Märkte Harten­ stein, Auerbach, Velden, Plech und Neidstein verpfändet84); Neidstein an der Straße nach Prag, die anderen an der nach Eger 85). Das ist der Anfang zu einer großen Zahl von Erwerbungen im Laufe seiner Herr­ scherzeit, entlang den wichtigen „Reichsstraßen“ von Böhmen nach dem Kern des Reiches Nürnberg-Frankfurt, „das auch dieselbigen könnige zu Beham den kayserlichen hof, den die durchlauchtigsten römischen könige zu Nurnbergk gewonlich haben, desto baß und fridtsamer gesuchen mugen, zu rathen und zu teydingen umb gemach, nutz und ehre des heyligen römischen reichs“ 86). Doch diese Straßen waren auch, oder eigentlich vorwiegend, bedeutsame Handelsstraßen, deren Sicherheit Karl, dem eifrigen Förderer des Handels, sehr am Herzen lag. So wur­ den nicht nur Gebiete erworben und wirtschaftlich erschlossen, neben dem Ausbau einer neuen Verwaltung geht es auch mit aller Energie an den Erwerb von festen Plätzen und deren Verstärkung und Ver­ besserung; denn es herrscht in den erworbenen Städten, Vesten, Häu­ sern und Landen viel Unfriede, Raub und Mord, „damit die gemeinen Straßen behindert waren, zu merklichen schaden und zu Verderbnis des gemeinen nutzes, die nun mit hylfe gottes und durch macht des königs, des königreichs und der edeln landsassen zu Beheim in so getander Sicherheit und ruhe gesetzt sein, das baide, kaufleute, pilgram und allermenniglich sich frides und gnaden freuen“87). Vom Böhmerwald bis vor die Tore Nürnbergs reicht das neue Böhmen. In dem Bach zu Erlenstegen beginnt das Geleitsrecht des böhmischen Pflegers zu Lauf n

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und reicht hinauf bis zur Hohenstädter Pegnitzbrücke. Dort übernimmt es der Pfleger zu Hirschau, um es am Kolberg dem Parksteiner zu übergeben, der es inne hat bis Altenstadt. Zu Altenstadt aber soll es dann der Pfleger zum Störnstein übernehmen und soll es innehaben bis zum Wald, zum Böhmerwald, wo sein nicht mehr not ist88). Die Siche­ rung der zweiten Etappe, der Straße Nürnberg-Würzburg, die ein Jahrzehnt später begann, konnte zu keiner solchen Vollendung mehr gebracht werden; die dritte Etappe von Würzburg nach Frankfurt wurde überhaupt nicht mehr in Angriff genommen89). In diesem Zusammenhang haben wir auch die Vorgänge im Raume der Ämter Hersbruck-Hohenstein und hier besonders in der Propstei Hersbruck zu sehen. Gerade aus diesen Gründen erfreute sich das Kloster Bergen der besonderen Gunst des Königs90). Auf der anderen Seite steht allerdings auch eine bedeutende Persönlichkeit in Adelheid von Arberg als Äbtissin. Aus verschiedenen Beweggründen streben beide dem gleichen Ziel zu. Für Adelheid ist es der brennende Wunsch, der verhaßten Reichenecker Herr zu werden, die Einkünfte des Klo­ sters wieder sicherzustellen und die alten Rechte zu festigen, für den König ist es der Wunsch in seinem Gebiet Ruhe und Sicherheit zu schaf­ fen und sich die herrschaftlichen Einkünfte zu sichern, die nur eine wirklich lebensfähige Institution voll und regelmäßig leisten kann. Daneben ist es aber auch ein Zug seiner Frömmigkeit, der ihn veran­ laßt, verarmte Klöster zu unterstützen91). So ist es nicht verwunder­ lich, daß die wiederholten Vorstellungen der Äbtissin, wie auch des Eichstätter Diözesans, bei Karl Gehör fanden. Bereits 1354 April 15 bestimmt Karl IV. gegen „etlich leut in unserm land zu Peyren“, die Unrechte Vogtei über des Klosters Bergen Gut innehaben und dieses mit Unrechtem Geld und mit Steuer übernehmen, daß diese bei seiner und des Reiches Huld nicht mehr vom Kloster fordern sollen, als das Salbuch der Vogtei bestimmt92). Dieses allge­ mein gehaltene Privileg genügte jedoch nicht93). Man verschafft sich zusätzlich noch einen Gerichtsbrief des Landrichters zu Sulzbach, Volkolt von Tann 93a), mit nahezu gleichem Inhalt. Die Reichenecker kümmern sich aber überhaupt nicht üm diese Briefe, obwohl sie selbst Lehensmannen des Königs von Böhmen geworden waren94). Drei Jahre lang muß Äbtissin Adelheid immer wieder Prozesse beim Landgericht anstrengen, bei denen es ausschließlich um die Übergriffe der Schenken geht; doch diese wissen sich immer wieder aus der Schlinge zu ziehen95). Da endlich „überwand“ die Äbtissin den Kaiser Karl96)! Er nimmt das Kloster mit seinen Leuten und Gütern in der Gegend um Hersbruck, worüber er Vogt ist, gegen die üblichen Abgaben in Schutz und Schirm97). Für die Befreiung von „bote, steur, gäbe, recht, gewohnheit oder beschwerung“ hat das Kloster jährlich 50 lb. hl. zu geben, die je nach Leistungsfähigkeit auf die einzelnen Klostergüter umgelegt werden sollen. Die alten Rechte und Freiheiten werden dem Kloster zugestanden, vorbehaltlich des Halsgerichtes zu Hersbruck. Karl sichert dafür der Äbtissin auch zu, daß ihr von ihren Gütern die rechte Gült nach des Salbuchs Angaben ganz und gar zufallen soll. Wer sich da­ gegen widersetzt, den sollen des Klosters Amtleute und Schaffer dazu

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zwingen und die Amtleute der Herrschaft zum Hohenstein und zu Hersbruck sollen sie dabei unterstützen. Er selbst versichert für sich und seine Nachkommen, niemandem Klostergut zum Schaden Bergens zu Lehen zu geben. Ferner sollen des Klosters Güter für niemanden Pfand oder pfändbar sein98). Damit konnte das Kloster wohl zufrieden sein. Waren auch die meisten seiner Wünsche erfüllt, so standen sie doch vorerst nur auf dem Pergament. So konnte dem Kloster noch keine Ruhe beschieden sein. Zunächst machten die Bauern Schwierigkeiten, wohl von den Schenken angestachelt. Ihr Zorn richtete sich gegen die neue Umlage, die ihnen aus der von Karl geforderten, gemessenen Steuer von 50 lb. erwuchs"). Buschek (Bußko) von Wilharitz, Karls oberster Haupt­ mann in Baiern, sah sich veranlaßt deshalb ein Schiedsgericht einzu­ berufen, bestehend aus dem Kammermeister Konrad Kemnater, dem Landschreiber Johann von Hohenheim und dem Landrichter Volkolt von Tann, sowie dem Hersbrucker Vogt Konrad Erlbeck 10°). Die Schiedsrichter bestimmten, daß in Zukunft von den 50 lb. nur 26 lb. auf die Bauern umgelegt werden dürften, die restlichen 24 lb. hätte die Äbtissin aus ihrem Kasten zu begleichen. Und noch eine Einschränkung zugunsten der Bauern muß sich das Kloster gefallen lassen! Sein Gül­ ten werden ihm zwar bestätigt, doch fallen nunmehr die Überreste der grundherrlichen Frondienste, nämlich Muttfur, Werkpfennig, Mahdpfennig, Schaf- und Filzpfennige weg101). Das war ein Rückschlag in finanzieller Hinsicht für das Kloster, auch der Prestigeverlust gegen­ über den Bauern war nicht ohne Bedeutung. Doch auch mit den Schenken hört der Verdruß* nicht auf. Auch hier versucht es Buschek mit einem gütlichen Schiedsspruch. Die Losung die­ ser heiklen Aufgabe wird in die Hände des Arnold von Seckendorf, des Alten von Zenn, gelegt. Dieser zögert die schwierige Entscheidung noch hinaus 102), erst 1359 Januar 25 werden die Urkunden darüber doch ausgestellt103). Was dabei herauskommt, kann wieder nichts End­ gültiges sein, zumal der Seckendorfer mehr auf der Reichenecker Seite zu stehen scheint. Dieser Schiedsspruch kann praktisch nie in die Tat umgesetzt werden. Oder denkt der Alte von Zenn, daß sich die Reichen­ ecker an die ihnen ungünstigen Bedingungen — es sind ganz wenige — halten werden, daß sie tatsächlich die Güter, über die sie Vögte sind, mit der Äbtissin gemeinsam besetzen werden und daß es bei der Tei­ lung der Gefälle redlich zugehen wird? Auch die Äbtissin wird sich wohl kaum damit zufrieden geben können, daß sie in den strittigen Dörfern die ihr als Grundherrin zustehenden Gülten nur halb erhalten soll. Nicht besser ist es mit den weiteren Bestimmungen! Das Kloster soll die Gefälle seines Niedergerichts zu Hersbruck mit den Schenken teilen und zulassen, daß drei von sieben Schöffen aus den Dörfern ge­ wählt werden, darüber die Schenken die Vogtei haben. Die Nach­ gerichte sollen gar die Schenken alleine halten dürfen; daß sie sich dazu der gemeinsam gewählten Schöffen bedienen müssen, das tut ihren Einnahmen keinen Eintrag. Adelheid kann es auf keinen Fall darauf beruhen lassen, denn mit diesem Schiedsspruch werden die angemaßten Rechte der Schenken zum großen Teil bestätigt und ihrem Kloster ist n*

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damit keineswegs geholfen. Sie bemüht sich nun mit allen Kräften um ein neues, endgültiges, königliches Privileg, das unzweideutig alle Zweifel aus dem Wege schafft. Unterstützt wird sie dabei durch ihren DiÖzesan, Bischof Berchtold von Eichstätt, der bei Karl IV. in gutem Ansehen steht104). Über diesen scheinen auch die Verhandlungen in Prag geführt worden zu sein, jedenfalls schreibt jener im August 1359 an Kaiser Karl einen Brief, in dem er ihm anhand eines „libellus de antiqua et authentica scriptura“ aus dem Klosterarchiv, sowie einiger dort noch vorhandener Originale, den Status des Klosters und vor allem seiner Güter in und um Hersbruck auseinandersetzt105). Darauf­ hin stellt Karl drei Monate später ein Privileg aus und nimmt das Kloster und seine Leute und Güter um Hersbruck erneut in Schutz und Schirm106). Alle Rechte, Freiheiten, Gnaden, gute Gewohnheiten und alle Handvesten, die das Kloster bisher von Kaisern und Königen, von weltlichen und geistlichen Fürsten erhalten hat, werden „von worte zu Worte, in allen iren puncten und artickeln, gleich als ob sy hie von wort zu wort begriffen werden, oder ob sy durch rechte oder gewonheit begriffen sein solten“, konfirmiert. Die Gerichtsbarkeit des Klosters wird genau festgelegt107) und nochmals bestimmt das Privileg, daß keine güterrechtlichen Veränderungen vorgenommen werden dürfen, ohne der Äbtissin Einwilligung. Gegen die Entscheidungen Arnolds wenden sich weitere Bestimmungen: außer der Äbtissin und deren Amtmann darf niemand des Klosters Leute vor Gericht laden und wenn jemand Klostergut „verliehen, verkauft, verpurchut oder versetzt“ hat, so soll das keine Kraft noch Macht haben. Wer aber Vogtei inne hat, der soll nicht mehr fordern als die alten Vogtrechte. Im übrigen wieder­ holt der Schutzbrief die Bestimmungen von 1357 108) und behält auch die des Schiedsspruchs von 1359 109). Scharf sind auch die Strafbestim­ mungen: Wer gegen diesen Brief verstößt, der fällt in des Kaisers und des Reiches Ungnade und hat „zu rechter pen und puß“ 50 Mark lotigen Goldes zu zahlen, wovon die Hälfte in des Reiches Kammer, die andere Hälfte aber der Äbtissin und ihrem Konvent zufallen. Dieses große Privileg war jedoch nicht ohne Opfer seitens des Klo­ sters zu erlangen110). Die Grundherrschaft über den Wirtschaftshof des Klosters, dicht am Hersbrucker Graben, muß dafür aufgegeben werden, wie aus dem Privileg zu entnehmen ist. Freilich erhalten die Nonnen die Vergünstigung, daß sie den Hof mit seinen Zugehörungen weiterhin bewirtschaften können, gegen die Zusicherung, daß man dort und außer­ halb der Hofstatt kein „purgleich gepeu“ errichten werde. Es geht dem König darum, daß seine Macht in den von ihm erworbenen Gebieten von niemand gefährdet wird. Wie er schon über eine Reihe von Burgen und Vesten das öffnungsrecht oder die Lehensherrschaft erworben hat111), wie er vor allem die wichtigste Festung der Gegend, den Rothenberg erworben und einem eigenen Pfleger unterstellt hat112), so erwirbt er auch — neben dem Eigentumsrecht am Wirtschaftshof — den festen Sitz des Klosters zu Hersbruck, der den Pegnitzübergang be­ herrscht und dicht vor der Umwallung seiner Stadt Hersbruck liegt, einschließlich der Eigentumsrechte des Klosters an der Veste Hohen­ stein, die schon zur Zeit Barbarossas Sitz der Vögte gewesen war 113). Damit hat Karl nicht nur die befestigte Anlage des Klosters in seine

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Hände gebracht, er hat gleichzeitig seinem Amtmann in Hersbruck einen festen Sitz verschafft, der zudem noch die Verteidigungsanlage der Stadt bedeutend verstärkte114). Die Äbtissin war schon* vorher die­ sem Verkauf geneigter gemacht worden, dadurch, daß ihr der König die außergewöhnliche Gnade verliehen hatte, die von den Inhabern der Vogtei Hersbruck an die Schenken von Reicheneck verpfändeten Vogteien über die Dörfer Hubmersberg und Fischbrunn zu lösen115). Der eben erwähnte Verkauf aller Rechte und Ansprüche „an der aygenschaft dez grundes seiner (Karls) vesten zu Hohenstein und seines marchtes zu Herspruck und an dein tuern und gesezze daselbens, da etwenn daz closter gewesen ist116), an der nydern mul daselbens und on zwayn wisfleken dabei gelegen“ brachte dem Kloster 2000 Gulden ein, abgesehen von den bereits genannten Vergünstigungen hinsicht­ lich der Lösung von Vogtei. Bischof Berchtold, der wahrscheinlich wie­ der für das Kloster verhandeln ließ und dessen Kanzlei anscheinend auch die Verkaufsurkunde ausgestellt hat, gibt am gleichen Tage sei­ nen C'onsens 117). Auf dem Reichstage zu Mainz im kommenden Jahre erfolgt auch die kaiserliche Verkaufsbestätigung 118), sowie die der Kur­ fürsten 119). Die Opfer, die das Kloster Karl gebracht hatte, waren gerecht­ fertigt, denn von nun an ging es wieder aufwärts. Von Klagen über Bedrückungen ist kaum mehr etwas zu hören und der Landrichter zu Sulzbach bleibt fast unbelästigt. Bald gelingt es auch die Vogteien über Lieritzhofen und Seiboldstetten 12°), sowie die über See121) von den Schenken zurückzukaufen. Gegen Ende des Jahrhunderts kommt auch noch die über Guntersrieth an das Kloster und zwar als Seelgerät einer Schenkin von Reicheneck (!) 122); 1416 folgt die über Stallbaum123). Auch der Erwerb von neuen Gütern bleibt nun nicht mehr ganz aus 124), ein Zeichen für die Gesundung des Klosters! Inzwischen aber haben sich die vogteilichen Verhältnisse schon wie­ der geändert. Durch den Vertrag von Fürstenwalde wird der größere Teil Neuböhmens mit dem Landgericht Sulzbach an Baiern abgetre­ ten125). So geht mit den Ämtern Hohenstein und Hersbruck auch die Vogtei über das Hersbrucker Klostergut wieder an die Wittelsbacher über. Die Ruhe und Ordnung, die Karl IV. geschaffen hatte, dauert allem Anschein nach auch unter baierischer Herrschaft fort, wenigstens treten Streitfälle kaum mehr in Erscheinung und die Kauftätigkeit nimmt sichtlich zu, vor allem gegen Ende des 15. Jahrhunderts. Die Nonnen sind jetzt auch vorsichtig geworden. Sie haben die Zeit, da sie ohne rechtssichernde Urkunden waren, noch nicht vergessen und sind bestrebt, sich diese, nach so vielen Mühen erworbenen, von den Nach­ folgern Karls, den Baiernherzögen, wieder bestätigen zu lassen126); auch zwei königliche Schutzbriefe weiß man zu erlangen 127). Dabei be­ dienen sich die Aussteller immer wieder des Wortlauts des Karls­ privilegs von 1359, das so vollständig und brauchbar ist, daß es bis ins 16. Jahrhundert nicht mehr geändert werden muß. Die Geschichte der Propstei Hersbruck wird erst wieder bewegter um die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert. Die Bauern rühren sich und klagen über „swere costung“. Herzog Georg von Baiern-Lands-

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hut, als Vogtei- und Landesherr, muß ein Schiedsgericht für 1499 Ja­ nuar 23 einberufen, das diese Streitigkeiten schlichten soll128). War diese Gefahr von innen glücklich gewendet, so zeigt sich bald eine weit größere von außen. Es sind die Ereignisse und Folgen des Landshuter Erbfolgekrieges, die dem Kloster nun schwer zu schaffen machen. Mit zwei Nachbarn hatten sich die Nürnberger dauernd zu raufen, mit ihren alten Rivalen, den Markgrafen und mit den seit 1373 wieder vor ihre Tore gerückten Pfälzern 129). Die Händel mit den Zollern waren nicht neu, aber von seiten der Wittelsbacher häuften sich die Schwie­ rigkeiten mehr und mehr, besonders seit Kurpfalz das Erbe der mosbachischen Linie angetreten hatte130). Es läßt sich immer mehr erken­ nen, daß scheinbar vereinzelte Fälle „Teilstücke einer systematischen Politik sind, die darauf ausgeht, die Nürnberger Rechte planmäßig zu­ rückzudrängen und das pfälzische Territorium zu erweitern und im Innern auszubauen. Die Mittel sind denen der Markgrafen ver­ wandt“ 131). Es ging soweit, daß die Pfalz — wie es im Falle Leinburgs geschehen ist — keine „Nürnberger Untertanen“ anerkannte, in dem Gebiet, da sie die hohe Gerichtsbarkeit besaß 132). Kein Wunder, daß sich die Nürnberger, die sich inzwischen dem Schwäbischen Bund ange­ schlossen hatten, die Verwicklungen um die Landshuter Erbfolge nutz­ ten, um sich des pfälzischen Bedrängers vor ihren Toren zu erwehren. Man schloß sich der Partei des Münchener Albrecht an, ging aber trotz starker Rüstungen nur sehr vorsichtig vor und erst nach der Ächtung Rupprechts zog man gegen diesen, um endlich, am 7. Juni 1504 auch dem Kurfürsten Philipp abzusagen. Damit aber geht Nürnberg auch sofort zu energischem Handeln über. Am selben Tag noch rückt Nürn­ berger Kriegsvolk gegen Lauf aus und nimmt es zwei Tage später ein; Hersbruck ergibt sich freiwillig am 11. Juni. Stadt und Land — und damit auch die Propstei — müssen den Eroberern huldigen 133). Von nun an werden die Geschidte der Propstei Hersbruck durch die Nürnberger Obrigkeit bestimmt. Eine ihrer ersten Amtshand­ lungen ist, daß sie den beim Kriegsvolk des Pfalzgrafen Philipp weilen­ den Klosterpropst Wolf gang von Fuchsstein absetzt und seine Frau aus der Stadt Hersbruck vertreibt134). In einem Schreiben an die Äb­ tissin Eufemia von Murr, Tochter eines angesehenen Nürnberger Ge­ schlechts, fordert der Rat der Stadt Nürnberg einen neuen Propst, der ihm als der Obrigkeit zu diesem Amt „tuglich und nützlich ansicht“ 135). Diese Forderung bereitet den Klosterfrauen große Sorge. Nicht, daß sie ihrem Herrn, dem Pfalzgrafen, so zugetan gewesen wären, daß sie den zu seiner Zeit amtierenden Propst nicht verlieren wollten, oder daß ihnen dieser selbst lieb und wert gewesen sei; ihr Widerstreben wird durch viel realistischere Gründe hervorgerufen. Eine Rolle spielt dabei wohl ein Vertrag, den sie mit dem Fuchssteiner hatten 136). Dazu kommt, daß ihnen dieser Propst noch die Rechnungslegung für zwei Jahre schul­ dig ist und daß sie die Nürnberger Forderung als einen Eingriff in ihre alten Rechte betrachten. Wenn die Nürnberger meinten, so ant­ worten sie, daß die Herrschaft von Baiern als Oberherrschaft jederzeit das Propstamt besetzt und entsetzt hat, so sei ihnen der „grund der Wahrheit daran gespart worden“. Zum Beweise dessen legen sie die Ab-

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schrift eines Briefes Herzog Ludwigs von 1466 bei, worin dieser dem Kloster seinen Pfleger zu Hersbruck als Propst vorschlägt und zu­ sichert, daß dies keiner Gerechtigkeit wegen geschehe und daß sie, wenn ein neuer Pfleger sein Amt antrete, diesen durchaus nicht auch zum Propst nehmen müßten (1504 Juli 15). Damit tun sie sich allerdings einen schlechten Dienst; was der Herzog Ludwig konnte, das können die Nürnberger auch! So schlagen diese ihrerseits vor, daß sich doch niemand besser zum Propstamt eignen würde als Jörg Hüttenbeck, ihr Pfleger zu Hersbruck (Oktober 18). Die Frauen von Bergen müssen sich geschlagen bekennen. Wenn die zu Nürnberg den Hüttenbeck als taug­ lich erachteten, so schreiben sie (Oktober 24), dann müßten sie es wohl geschehen lassen, wiewohl er ihnen und den ihrigen alleweg wider­ wärtig gewesen sei 137). Sie geben in diesem Brief weiterhin der Hoff­ nung Ausdruck, daß auch der Rat sich ihnen nunmehr erkenntlich zeigen werde und ihnen wenigstens zusichern möge, daß sie ihre aus­ stehenden und zukünftigen Einnahmen ungehindert beziehen könnten und daß der Fuchssteiner nach Ablauf des Krieges auch wieder in seine Rechte eingesetzt werde. Damit haben sie in ein Wespennest gestochen. Die Klosterfrauen müssen einen geharnischten Brief in Empfang neh­ men: Wenn sie meinten, die Nürnberger würden ihnen während des Krieges ihre Gülten einheben, um danach den Fuchssteiner wieder zu seinem Amt kommen zu lassen, so hätten sie sich schwer getäuscht (November 1). Die Äbtissin beeilt sich, auf diesen geharnischten Brief hin den Rat zu ermächtigen den Hüttenbeck als Propst einzusetzen, be­ hält sich aber gemäß ihrer alten Rechte vor, diesen zu gegebener Zeit wieder absetzen zu können (November 3). Vorsorglich schickt sie auch gleich eine Aufstellung mit, was der Propst alles einzunehmen hat und — was für sie das wichtigste ist — was davon an das Kloster abzufüh­ ren ist. Nürnberg jedoch lehnt es strikt ab, für seinen Pfleger in dieser Hinsicht Bürgschaft zu leisten (November 12). Damit betrachtet der Rat die Angelegenheit als erledigt und gibt bald Anweisung an den Pfleger, das Propstamt im Aufträge der Stadt anzunehmen, die Propsteiischen in Pflicht zu nehmen, die Gülten einzuheben und dem Rat (!) darüber Rechnung zu legen 139). Für Eufemia bedeutet dies, daß sich das Kloster seine Einkünfte aus der Propstei überhaupt abschreiben kann, wenn es ihr nicht doch ge­ lingt einen gangbaren Weg zu finden. Sie versucht es nunmehr mit einer Gesandtschaft. Im Dezember 1505 erscheinen der Weißenburger Stadtrichter Michel Wurm und der Klosterrichter Endres Saldier in Nürnberg, um noch einmal den Standpunkt des Klosters vorzutragen und den Rat als Liebhaber der Gerechtigkeit und Schützer der Geist­ lichkeit zu bitten, den Anliegen und Notdürften des Klosters zu ent­ sprechen, ihm wieder zu seinen Einkünften zu verhelfen und die Unter­ tanen der Propstei ihrer Pflicht ledig zu sprechen 14°). Die Nürnberger möchten nun zu gerne den vom pfälzischen Kanzler zu ihrem Schaden geprägten Rechtssatz138) einmal zu ihrem Nutzen anwenden, doch ihr Rechtsberater Dr. Johann Letscher ist nicht so biegsam, wie Dr. Jakob Kühorn es auf der anderen Seite gewesen war. Sein Gutachten lautet, daß der Rat nicht das Recht habe, die Grundherrschaft über die Propstei für sich behalten zu können. So geben sie die Anweisung, daß die Ge167

sandten mit der Antwort noch einige Zeit vertröstet werden sollen, Ulman Stromer aber soll sich ganz privat erkundigen, wie man zu einem Austausch der Propstei gegen andere Güter stehe142). Die Aussichten auf Erfolg ihrer Bemühungen werden für Eufemia und ihre Nonnen immer geringer! Der Burggraf zum Rothenberg hatte schon während des Krieges die Untertanen der Äbtissin in Rabenshof in Verspruch und Schutz genommen, nun aber nötigt Jörg Hüttenbeck die armen Leute dort, ihm als Vertreter der Nürnberger Obrigkeit Pflicht zu tun, obwohl es, wie der Rothenberger klagt, gegen den Wil­ len derer von Bergen als Eigenherren und auch gegen den der Bauern selbst sei143). Nürnberg droht daraufhin, es werde sich schadlos halten, wenn sich der Burggraf nicht seines Vorgehens enthalte 144). Daraufhin erscheint zu Beginn des Jahres 1506 die Gesandtschaft der Äbtissin noch einmal, zunächst, um sich Antwort auf ihr letztes Vor sprechen zu holen, andererseits wegen der leidigen Geschichte mit Rabenshof. Da der Weiler erst vor 12 Jahren als freies Eigen gekauft wurde, so plä­ diert man, handle es sich hier nicht um eine Zugehörung der Propstei 145). Der Propst habe die Einkünfte dort nicht in seiner Amtseigenschaft, sondern als Beauftragter der Äbtissin als Eigenherrin eingesammelt, weil es so einfacher war. Man könne also hier keinesfalls von einem Eingriff in Nürnberger Obrigkeit sprechen. Der Rat will jedoch einen Unterschied zwischen propsteiischen Gütern und Eigengütern des Klo­ sters nicht anerkennen. Für ihn ist es eine Anmaßung der Äbtissin. Sie wolle nicht nur ihre Güter zurückhaben, sie wolle auch Obrigkeit und Schutz der Propstei! Wenn sie davon nicht abgehe, so werde sie überhaupt nichts bekommen und der Rat werde ihre Güter behalten wie Fug und Recht sei146). Die Klosterfrauen können nicht fassen, daß sie wegen des Schutzes über Rabenshof. das nicht einmal zur Propstei an sich gehört, diese gänzlich verwirkt haben sollen. Sie bitten in einem Schreiben nochmals inständig, zu tun was billig und recht sei und ihnen Zins, Rent und Gült aus ihrer Propstei zukommen zu lassen. Gleichzeitig geht ein Brief an Willibald Pirckheimer, den treuen Be­ rater des Klosters, in dem ihm Eufemia um Unterstützung ihrer Sache bittet147), die beiden Schwestern Willibalds, die sich als Nonnen in Bergen befinden148), schließen sich dem an149). Auch Bischof Gabriel von Eichstätt 15°) setzt sich für das Kloster ein151). Doch ist alles um­ sonst, die Herren von Nürnberg bleiben bei ihrer alten Antwort! Seit dieser Zeit scheinen die Nürnberger jedoch mit dem Eichstätter wegen der Propstei in Verhandlungen zu stehen15a). Sogar von königlicher Seite will man, wahrscheinlich auf Betreiben der rührigen Eufemia, die Angelegenheit in Ordnung bringen. Nürnberg erklärt sich auch bereit, den von der königlichen Kommission angesetzten Tag durch Gesandie zu beschicken153). Doch als man durch einen Brief Gabriels wie durch den mündlichen Bericht des Anton Tetzel günstigen Bescheid von den Eichstätter Verhandlungen bekommt, da hat man nichts eiligeres zu tun, als bei den königlichen Beauftragten um Verschiebung des Ter­ mins nachzusuchen. Auch der Äbtissin wird abgeschrieben und der Bischof wird gebeten zu handeln, wie er es mit Tetzel abgemacht habe154). Schließlich sind die Verhandlung in Eichstätt soweit gediehen, daß man den endgültigen Termin des Tages festsetzen kann und die

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königliche Kommission überhaupt zur Seite schiebt155). Als Gesandte für Eichstätt werden Anton Tetzel und der Pfleger und Propst zu Hersbruck, Jörg Hüttenbeck, bestimmt und Nürnberg ist nun endlich be­ reit, nach einem über zwei Jahre währenden Hin und Her, den Status, den das Kloster vor dem Kriege hatte, wieder herzustellen. Im günstig­ sten Falle soll versucht werden, daß die Einsetzung des Propstes weiter dem Rat Vorbehalten bleibt. Als Gegenleistung würde man sich dann bereit erklären für die Einkünfte der Propstei Bürgschaft zu leisten 156). Über den Spruch selbst ist nichts zu erfahren. Aus den weiteren Ereignissen ist allerdings zu schließen, daß Eufemia die Propstei zu­ rückerhält und auch — wohl im Einverständnis mit Nürnberg — ihren Propst selbst einsetzen kann. Sie selbst äußert sich jedenfalls Pirckheimer gegenüber recht zufrieden157). Bald darauf kommt der Bruder der Äbtissin nach Hersbruck, um in deren Namen die Hintersassen der Propstei wieder in Pflicht zu nehmen. Der Rat fordert sogar seinen Pfleger auf, diesem Vertreter guten Willen zu zeigen158). Aber es scheint nur so, als ob alles in Ordnung sei. Schon am folgenden Tag geht nochmals ein Brief an Jörg Hüttenbeck, in dem dieser aufgefor­ dert wird — auch gegen den Einspruch des Bergener Vertreters — das Propstamt auf obrigkeitlichen Befehl zu behalten, und es folgt sogar wieder die alte Drohung: wenn die Äbtissin ihn als Propst nicht an­ erkennen wolle, werde es ihr nachteilig sein 159). Eufemia kann diesem gewaltsamen Vorgehen nichts anderes entgegensetzen als passiven Widerstand: aber schließlich muß sie doch auch das zurückgehaltene Salbuch ausliefern. Auch ihren Klosterrichter schickt sie im Februar 1507 nach Nürnberg bzw. Hersbruck. Er soll dem Propst bei den Ver­ handlungen mit den Bauern um die rückständigen Schulden behilflich sein 16°). Das alles geschieht nur aus der großen Not heraus, in die das Kloster durch das Ausbleiben seiner Hersbrucker Einkünfte seit 1504 geraten war 161). Nun erweist sich allerdings auch der Rat etwas gnädi­ ger und fordert den Pfleger auf, in Zukunft bei der Einbringung von Zins und Gült, sowie bei der Handhabung der klösterlichen Gerech­ tigkeiten, zu verfahren wie es altes Herkommen sei, damit dem Kloster künftig kein Schaden mehr entstehe 162). Nachdem man zu Bergen be­ reits von Pfalzgraf Friedrich, dem Vormund der jungen Neuburger Fürsten, seine alten Rechte, Freiheiten, Privilegien und Briefe bestätigt erhalten hatte 163) und damit die Neuburger Ansprüche auch auf die Propstei wieder deutlich werden164), fühlt man sich auch in Nürnberg bemüßigt, den Klosterfrauen ein solches Schriftstück auszustellen165). Das bedeutet aber noch immer nicht den Abschluß der ewigen Zänke­ reien. Noch 1510 zeugt ein Brief Eufemias an Hans Harsdörfer zu Nürn­ berg von „Irrungen“ zwischen ihr und dem aufgezwungenen Propst166). Danach war es zwar inzwischen gelungen, einen eigenen Propst ein­ zusetzen, aber der Hüttenbeck verweigert die Auslieferung des Salbuches und anderer Unterlagen, bevor er nicht von der Äbtissin abge­ funden ist. Doch das lehnt diese energisch ab. Schon vor zwei Jahren habe sie ihm durch ihren Bruder kündigen lassen und er habe demnach diese zwei Jahre den Propstsold unrechtmäßig einbehalten und auch sonst viel unbillige Zehrung auf das Gotteshaus geschlagen. 169

Die Hintersassen der Propstei wissen diese Zwistigkeiten natürlich zu nutzen. Sie berufen sich bei jeder Partei auf die andere und wollen sich so um ihre Abgaben, besonders um die aus der Kriegszeit noch ausstehenden, herumdrücken. Eine besondere Abneigung haben sie allerdings gegen die neuen Gewalthaber, deren straffe Verwaltung und deren dauernde Forderungen ihnen gar nicht recht Zusagen 1G7). Nürnberg konnte und wollte sich aber nicht mit den bisherigen Er­ gebnissen zufrieden geben. Neben der wirtschaftlichen Bedeutung der Propstei spielten vor allem territoriale Gesichtspunkte eine bedeutsame Rolle. Das ist der Grund, auf den Dannenbauer schon hingewiesen hat168), nämlich die Befürchtung der Säkularisation des Klosters Bergen durch Pfalz-Neuburg und die Aussicht, dann in seinem Territorium eine große Anzahl pfälzischer Untertanen zu haben. Doch das Vor­ handensein der Bergenschen Grund- und Gerichtsherrschaft allein ge­ nügte, um Nürnberg alle Kräfte anspannen zu lassen, jedes andere Herrschaftsrecht in seinem Territorium an sich zu bringen. Dieses Be­ streben liegt in jeder territorialen Entwicklung! Nachdem der gewalt­ same Versuch nach der Eroberung im Jahre 1504 und auch ein neuer­ licher, wenigstens die Gerichtsgewalt der Äbtissin an sich zu brin­ gen 169), gescheitert waren, kam man wieder zurück auf einen Gedan­ ken, der schon einmal am Anfang der Streitigkeiten auf ge taucht war 17°), man versuchte, den Kauf- oder Tauschweg zu beschreiten. Warum man gerade dabei den Weg über Neuburg wählte, ist nur damit zu erklären, daß man mit den verbitterten Klosterfrauen zu keinem günstigen Ergebnis zu kommen glaubte, andererseits, daß man dem Kloster keine geeigneten Tauschgüter bieten konnte. Und auf Tausch­ güter war das Kloster unbedingt angewiesen, da es ja auch Hersbruck den Hauptteil seiner Einkünfte bezog. Die Neuburger dagegen konnten Liegenschaften in der Nähe Bergens bieten und waren dankbare Ab­ nehmer des Nürnberger Geldes. Die erste Quelle, die von den neuerlichen Erwerbsabsichten spricht, ist ein Schreiben des Landpflegamts Nürnberg an den Hersbrucker Pfleger von 1527 November 15, wo man „aus beweglicher guten Ursache“ Instruktionen über Mannschaft, Renten, Zinsen, Gülten und Propstbesoldung der Bergener Güter zu Hersbruck fordert m). Der Pfleger hatte die Nachforschungen im geheimen zu betreiben, woraus ersicht­ lich ist, daß das Kloster nichts von einem Nürnberger Erwerbsinteresse erfahren sollte. Inzwischen aber hatten sich auch die Verhandlungen zwischen Neuburg und Bergen angebahnt. Februar 1528 berichtet Eufemia in einem Brief von solchen172). Bis Ende des Jahres ist man zu einer konkreteren Verhandlungsbasis gelangt. Der Neuburger Rent­ meister Gabriel Arnold übergibt am 30. Dezember zu Nürnberg dem Seibold Pfinzing eine Aufstellung über die Einkünfte der Propstei, auf deren Basis die Verkaufssumme veranschlagt werden soll. Doch die Nürnberger haben durch Nachforschungen ihres Pflegers „in höchster geheim“ eine gute Vergleichsmöglichkeit mit den Realeinnahmen und finden die von Neuburg angeschlagenen Einkünfte viel zu hoch 173). Während sich der neuburgische Rentmeister noch ein ganzes Viertel­ jahr mit den „rauflustigen“ Nürnbergern herumschlägt und stöhnt, ob ihm sein Herr oder der Teufel nicht endlich einmal von der leidigen 170

Sache helfe 174), kommt es zwischen Neuburg und Bergen schon in den ersten Januartagen zu einem Abschluß. Am 14. Januar 1529 werden die nötigen Briefe ausgestellt und am 23. des gleichen Monats gehen die Briefe nach Bergen zum Siegeln ab. Das Kloster erhält laut des auf den 12. Januar ausgestellten Kaufvertrages für seine Propstei Hersbruck die Hof mark Gansheim (Lkr. Donauwörth), den Hof zu Hennenweidach (Lkr. Neuburg a. d. Donau) und 500 11. Schließlich erhält auch Gabriel Arnold von seinen Herren Ottheinrich und Philipp Vollmacht, von den Propsteiischen Pflicht und Huldigung zu nehmen 175). Am 5. März 1529 gibt endlich der Rat zu Nürnberg Anweisung, daß die Kauf summe ausgezahlt werden könne, sobald die Neuburger Für­ sten eine Bewilligung des Papstes oder entsprechende Bürgen bei­ schaffen 176). Der endgültige Abschluß braucht noch immer seine Zeit. Endlich, am 13. April, wird der Vertrag abgeschlossen177). Man hat sich auf eine Verkaufssumme von 14 537 fl. Rh., 7 ß, 6 Pfg. geeinigt und den Vertrag auf den 12. Januar zurückdatiert178). Gleichzeitig übergeben die Neuburger ein Register (Salbuch) über die verkauften Güter der Propstei Hersbruck (Sb. III) und stellen unterm 14. Januar eine Quit­ tung über den vollen Betrag aus 179). Am 16. April ergeht vom Land­ pflegamt die Anweisung an den Pfleger Sigmund Groß zu Hersbruck das Amt des Propstes zu übernehmen, sich um die Einhebung der Gült zu kümmern und das propsteiische Gericht zu besetzen180). Dem alten Propst wird untersagt Lehen oder Erbrechte aus diesen Gütern zu ver­ leihen 181), und ein Jahr später wird auch noch das Propsteigericht mit dem der Vogtei auf dem Lande zusammengelegt182). Damit hat die Propstei Hersbruck als Bergener Grundherr schaft endgültig aufgehört zu bestehen, sie war in das Territorium der Reichs­ stadt Nürnberg aufgegangen 183). B.

Die Propstei Hersbruck als Grundherrschaft „Das Zentralproblem der Herrschaftsbildung ist die Grundherr­ schaft“184), ihr ist deshalb in dieser Arbeit besonderes Augenmerk zugedacht. Dabei ist von vornherein festzustellen, daß Grundherr­ schaft hier nicht ein völlig „selbständiges Element des Gemeinschafts­ lebens“ bedeutet, wie es bei Otto Brunner manchmal erscheinen möchte 185). Im Falle der Propstei Hersbruck wird sich immer wieder eine äußerst enge Verbindung mit der Vogtei- bzw. Landesherrschaft erkennen lassen und trotzdem wird sich zeigen, daß sich diese unter dem Namen „Propstei Hersbruck“ zusammengefaßte Besitzgruppe des Klosters Bergen nicht einfach als Großgrundbesitz bezeichnen läßt und uns nur „wirtschaftliche“ Probleme zu lösen aufgibt. Die Äbtissin von Bergen hat über ihre propsteiischen Bauern auch herrschaftliche Zwangsgewalt, die ihr von der Obrigkeit auch immer wieder zu­ gestanden werden muß. Die Zusammensetzung und Entwicklung dieses um Hersbruck gruppierten Besitzes, seine wirtschaftliche Nutzung und Verwaltung werden uns die Grundlage geben für die Fragen nach dem Verhältnis zwischen der Äbtissin als Grundherrin und ihren Hinter­ sassen, den propsteiischen Bauern. 171

1. Die Besitzentwicklung a) Die Hersbrucker Ausstattungsgüter Soweit man sich bisher mit der Gründungsgeschichte des Klosters Bergen befaßt hat186), bestand keinerlei Zweifel darüber, daß die Gründerin des Klosters, die Herzoginwitwe Wiltrud, das Kloster auch mit Gütern in und um Hersbruck ausgestattet hat. Man ist sogar soweit gegangen von einer Gründungsurkunde mit namentlich genannten Ausstattungsgütern in der Hersbrucker Gegend zu sprechen187), ja sogar ihren Umfang auf 264 Mannschaften festzulegen188). Wohl wird in der Klosterchronik von Ausstattungsgütern in der Gegend von Hersbruck gesprochen189) und auch der Bericht des Bischofs Berclitold von Eichstätt an Kaiser Karl IV. weiß davon zu berichten, daß Wiltrud in ihrem Eigengut Bergen ein Kloster errichtete und es mit dem Markt(!) Hersbruck und seinen Zugehörungen sowie vielen anderen Gütern ausgestattet hatte190) und noch 1529 wird betont, daß das Kloster auf Hersbrucker Gütern fundiert sei 191). Wir müssen jedoch all diesen Nachrichten zunächst mit einiger Vorsicht gegenübertreten, zumal jede frühere Quelle fehlt. Abgesehen davon, daß die Angabe 264 „Ausstattungsgüter“ auf Salbiiehern des 16. Jahrhunderts basiert, sind sowohl Bischof Berchtold und seine rechts- und schriftkundigen Kleriker — bewußt oder unbewußt — wie die späteren Historiker auf eine verfängliche Verbindung von zwei um 3 Jahrhunderte anseinander­ liegenden Quellen hereingefallen192). Bei einer genauen Betrachtung des in Kopialbuch A überlieferten Vidimus von 1357 fällt auf, daß die Bestätigungsurkunde Ottos II. von 976, in der nur von Gütern in den Gauen Sualafeld, Nordgau und Sulzgau die Rede ist, direkt mit einem Urbar verbunden ist, d. h. daß dieses Urbar, jene „Descriptio reddituum bonorum monasterii in Pergen in officio Hertrichspruck“ aus dem ausgehenden 13. Jahrhundert193), in der gleichen Zeile beginnt, in der die Urkunde Ottos endet, ganz in Gegensatz zu den andern dort verzeichneten Urkunden, die säuberlich voneinander geschieden sind. Da außerdem sonst die zeitliche Reihenfolge eingehalten ist und so das Urbar an den Schluß des Vidimus’ gehören müßte, läßt sich wohl annehmen, daß diese Verbindung der Bestätigungsurkunde der gesamten Klostergüter mit dem Urbar aus dem 13. Jahrhundert bewußt vorgenommen wurde. Man wollte damit den Rechtsanspruch auf die Klostergüter, wie sie sich um 1300 zusammensetzten, durch Zurück­ führen auf die Klostergründung fest fundieren. Und das ist anscheinend auch voll und ganz gelungen! Bei dieser Quellenlage gilt es also für ' uns, weitere Beweise für das Vorhandensein Hersbrucker Ausstattungs­ güter zu finden. Bei dem Fehlen jeglicher Traditionsnotiz194) bleibt uns vorerst nur jene Bestätigungsurkunde von 976 mit ihren allge­ meinen Angaben. Die dortige L a g e bezeichnung „Nordgau“195) trifft sowohl für Bergen selbst196) als auch für Hersbruck 197) zu, so daß sich hieraus allein kein Kriterium für unsere Frage ergibt. Die Angabe der gleichen Urkunde allerdings, daß die Ausstattungsgüter198) vom Fiskus eingezogen waren und Wiltrud nunmehr wieder mit den gleichen Rechten wie einst Herzog Arnulf von Baiern über sie verfügen kann, 172

gibt uns den Hinweis auf einen gangbaren Weg: Es gilt nadizuweisen, daß späteres Klostergut zu Hersbruck zur Zeit Arnulfs baierisches Herzogsgut war und somit 939 zum Reiche eingezogen wurde 198). Viel­ leicht gelingt es dann auf dem Umweg über Pfarrei- und Siedlungs­ geschichte der Gegend weitere Anhaltspunkte zu gewinnen. Wohl liegen auch unseren Raum berührende siedlungsgeschichtliche Arbeiten vor 199), doch beschäftigen sich die neueren dieser Arbeiten vorwiegend mit der von fränkischen Königshöfen ausstrahlenden Sied­ lungsbewegung und der damit verbundenen Überlagerung des alten baierisclien Siedlungsraumes. Mehr Hilfe für die Lösung unserer Frage können wir von dem Bearbeiter der Nachbarämter Lauf und Schnaittach, Fritz Schnelbögl, erhoffen 200). Er betont den ausgesprochen baierischen Charakter des Nordgaues und weist vor allem auf die heute noch scharf gezogene Sprachgrenze entlang der Erlanger Schwa­ bach und der Trubach hin201). Seine These der Gleichläufigkeit von Besiedlung und Missionierung — und zwar von Süd nach Nord —, die er für das von ihm untersuchte Gebiet aufstellt 202), läßt sich auch für unseren, östlich anschließenden Raum halten. Die Missionierung unseres Gebietes 203) und damit auch die Besied­ lung müssen von den beiden alten Pfarreien Alfeld und Offenhausen ausgegangen sein, sie liegen direkt im Süden ihres Sprengels 204). Sie sind Ausgangspunkt für den Vorstoß an die Pegnitz. Altensittenbach 205) und Eschenbach 206) müssen Ausgangspunkte sein für den weiteren Vorstoß nach Norden ins Sittenbach- und ins obere Pegnitztal, wo dieses bairische Vordringen durch ein entgegengesetztes fränkisches aufgehalten wurde 207). In diese These der fortschreitenden Besiedlung von Süden nach Norden lassen sich allerdings die beiden Pfarreien Happurg 208) und Hersbruck nicht einreihen. Es liegt zwar der geographischen Lage nach auf der Hand, daß Happurg von Alfeld aus erreicht worden ist 209) und vielleicht Ausgangspunkt bildet für den nordwestlichen Vorstoß nach Etzelwang 210), doch ist Happurgs Sprengel auch stark nach Süden aus­ gedehnt, was mit den anderen Pfarreien nicht übereinstimmt. Es ließe sich zwar eine spätere Ausdehnung nach Süden, zuungunsten Alfelds, durch die Schenken von Reicheneck, deren Hauptort Happurg war, denken; doch bedürfte dies erst im Rahmen einer einschlägigeren Arbeit der Überprüfung, wie überhaupt das hier aufgezeigte siedlungs­ geschichtliche Problem nur als ein Lösungs versuch zu werten ist. Klarer sind die Verhältnisse bei Hersbruck! Hersbruck gilt als Königsgut, da es aus der Hand König Heinrichs II. an Bamberg kam211). So liegt es nahe, die Hersbrucker Pfarrei als Königskirche und Mutter­ pfarrei anzunehmen 212). Hier sind nun allerdings Bedenken zu erheben. Gegen Hersbruck als Mutterpfarrei spricht einerseits sein auffallend kleiner Sprengel213) und die Tatsache, daß noch im 16. Jahrhundert Altensittenbach gegenüber Hersbruck als „alte Pfarrei“ bezeichnet wird214). Andererseits ist nun schon mehrfach darauf hingewiesen worden, daß die Pfarrei erst eine Gründung des Klosters Bergen sei215). Nun finden sich tatsächlich im „Registrum plebani in Hersprugk“ 216), 173

verfaßt von dem zwischen 1417 und 1442 als Pfarrer in Hersbruck nach­ gewiesenen Christian Groß217), zwei Anniversareinträge, die dieser Vermutung festen Halt geben und uns in Pia — so wurde ja die Stifterin und erste Äbtissin des Klosters Bergen meist genannt218) — die Stifterin der Hersbrucker Pfarrei erkennen lassen219). Spricht aber nicht gegen das Vorhandensein einer Bergener Eigen­ kirche zu Hersbruck, das sich zudem nur aus einer spätmittelalterlichen Quelle nachweisen läßt, die Schenkungsurkunde von 1011? Wie kann Heinrich II. das zum Kloster gehörige Hersbruck — wenn dort eine klösterliche Eigenkirche errichtet wurde, müssen ja auch Güter, zu­ mindest ein Hof, vorhanden sein — mit seiner Kirche durch Urkunde von 1011 Juli 2 an Bamberg schenken, wenn die Abtei Bergen mit ihren Zugehörungen bereits 1007 November 1 22°) an das Bistum gekommen ist? Der darin liegende scheinbare Widersinn läßt sich jedoch klären. Nehmen wir an, daß sich das „cum ecclesiis“ der Pertinenzformel der Urkunde von 1011 nicht unbedingt gerade auf Hersbruck beziehen muß221), so könnte es sich bei dem Hersbruck von 1011 durchaus um ein „anderes“ als bei dem von 1007 handeln, d. h., daß Hersbruck aus zwei Besitzteilen bestand. Der Hersbrucker Klosterhof mit dem Kirchviertel 222) liegt völlig außerhalb des Kernes der Marktsiedlung, so daß der „locus Haderihesbrucga“ der Urkunde von 1011 durchaus nichts mit dem bereits 1007 an Bamberg gekommene Klosterhof und der dazu­ gehörigen Eigenkirche zu tun haben muß. Wir können nun in der Klärung der Hersbrucker Verhältnisse sogar noch weitergehen! Die Zweiteilung Hersbrucks ist gar keine ursprüng­ liche, sie hängt indirekt ebenfalls mit der Klostergründung zusammen. Die Urkunde Ottos II. von 976 sagt aus, daß u. a. die Nordgaugüter, zu denen — woran nun kaum mehr zu zweifeln ist — solche zu Hers­ bruck gehören, vom Fiskus eingezogen waren und daß diese Wiltrud zu gleichem Recht zurückerhalten solle, wie es zu Herzog Arnulfs Zeiten gewesen sei. Es kann sich demnach doch bei diesen Nordgau­ gütern um einen Teil der 939 eingezogenen baierischen Herzogsgüter gehandelt haben 223). Diesen einen Teil dieses eingezogenen Gutes erhält Wiltrud 976 zum Zwecke der Klostergründuiig zurück, der andere Teil aber bleibt in Königshand. Der Schluß liegt nicht mehr fern, daß zu letzterem jener erst 1011 an Bamberg gekommene Teil Hersbrucks gehört, so daß schließlich in jenem Jahr das gesamte baierische Herzogs­ gut zu Hersbruck in der Hand des Bischofs von Bamberg wieder ver­ einigt ist. Nach alledem, und damit kommen wir wieder zu unserer am Anfang dieser Erörterung gestellten Frage zurück, steht doch wohl für uns fest, daß zumindest ein Hof zu Hersbruck und wohl auch eine Reihe von Gütern in dessen Nähe zum Ausstattungsgut des Klosters Bergen ge­ hört haben, daß diese aus baierischem Herzogsgut, wie es zur Zeit Herzog Arnulfs zusammengesetzt war, hervorgegangen sind und daß die Hersbrucker Pfarrei erst auf eine Stiftung der ersten Äbtissin Bergens zurückzuführen ist. Die Scheidung dieser neuen Pfarrei aus dem alten Altensittenbacher Sprengel erscheint bei dem guten Einver174

nehmen, das zwischen dem Diözesan und der Stifterin Bergens be­ standen hat 224), als durchaus möglich. Darüber hinaus die Zusammen­ setzung der Hersbrucker Ausstattungsgüter festzustellen, ist bei dem vorliegenden Quellenmaterial unmöglich. Das Bild wird aber, im Umriß gesehen, nicht allzu verschieden sein von dem, wie es für das 13. Jahrhundert aufgezeigt werden soll. b) Der Besitzstand um 1300 Von der Gründungszeit bis zur ersten urbarialen Aufzeichnung des Klosters ist es eine lange Zeit. Es sind rund 300 Jahre, über die uns fast jeder Anhaltspunkt für die besitzgeschichtliche Entwicklung der Propstei Hersbruck fehlt. Das Fehlen eines Traditionskodex macht sich hier besonders nachteilig bemerkbar, aber auch die andere Überliefe­ rung läßt uns völlig im Dunkeln tappen. Dieses Dunkel soll aber hier nicht durch gewagte Hypothesen, die sich nur auf der Grundlage einer unsicheren Ortsnamenausdeutung bewegen könnten, aufzuhellen ver­ sucht werden. Nur wenige Sätze sollen die Möglichkeiten der Entwick­ lung in diesen drei Jahrhunderten andeuten, um dann einem weit zu­ verlässigeren Überblick über den Hersbrucker Klosterbesitz anhand des Urbars des Klosteramts Hersbruck Raum zu geben. Wenn Heinrich Büttner Hersbruck als wichtigen Stützpunkt des bambergischen Landesausbaus ansprechen kann 225), so muß auch im Raume der späteren Propstei Hersbruck rege Tätigkeit hinsichtlich der Erweiterung des Siedlungsraumes auf Klosterboden sich entwickelt haben. Die vielen kleinen Orte und Einzelhöfe auf karger, wasser­ armer Jurahöhe, mit ihren typischen Rodenamen, wie sie dann im Urbar erscheinen, sprechen dafür. Bedeutender Zuwachs an neuerwor­ benem Grund und Boden scheint nicht entstanden zu sein. Es wäre fast anzunehmen, daß uns größere Schenkungen oder Erwerbungen irgendwie überliefert wären. Schenkungen pro remedio animae sind wohl mehr der Hersbrucker Kirche zugedacht worden und so dem Kloster bald verlorengegangen 226). Das Kloster selbst, als geistlicher Mittelpunkt, war doch etwas weit entfernt. Außerdem war ja auch noch der Bamberger Eigenklosterherr da, der sicher nicht jeder Selbstsucht entbehrte. Die „Descriptio reddituum bonorum monasterii in Pergen in officio Haertrichspruck“ aus dem Ende des 13. Jahrhunderts 227) zählt die Zu­ gehörungen des Klosters in geographischer Reihenfolge auf und beginnt mit Altensittenbach. Hier soll nun — abweichend von dieser Reihen­ folge — der Versuch gemacht werden, von vorneherein verschiedene Gruppen von Siedlungen zusammenzufassen, die organisch irgendwie eine Zusammengehörigkeit vermuten lassen. Zum Teil lassen sich dabei vielleicht auch noch verschwommene Überreste einer älteren Hofver­ fassung erkennen und bei vorsichtigem Heranziehen der Ortsnamen 228) schälen sich doch irgendwie die Kerne der klösterlichen Ausstattungs­ güter und damit des baierischen Herzogsguts im nördlichen Nordgau heraus.

Da ist in einer südlichen Gruppe Lieritzhofen [50] 229) zu nennen, mit seinen 9 Mansen, den vorwiegenden Naturalabgaben und dem Nächtigungsrecht der Äbtissin 23°). Es ist der bedeutendste Ort der ganzen Gegend hinsichtlich der Abgaben und allem Anschein nach aus einem ehemaligen Hof hervorgegangen. Als nächster großer Ort folgt Alfeld [46] mit 5 Mansen und 2 Lehen. Zum älteren Kern dieser Gruppe gehören auch, wie Ortsnamen und Größe der Zugehörungen, sowie die Art der Abgaben schließen lassen, Seiboldstetten [52], Hofstetten [36] und Wüllersdorf [35], sowie drei Mühlen südöstlich Thalheim in dem an Mühlen so reichen Alfelder Tal [40/41]. Neben diesen Orten ist in dieser Gruppe eine größere Zahl von kleinen Einzelhöfen auffallend, die sich durch das Suffix -hof oder die Bezeichnung curia auszeichnen und auf kargem, wasserarmem Juraboden liegen231). Daneben finden wir Zugehörungen in ausgesprochenen Rodeorten und einzelne Lehen in^ verschiedenen Dörfern. Es handelt sich hierbei um Otzenberg [38] (curia), Loch h o f [39], Gotzmannsreuth [42] (curia), Wetzlas h o f [47], Wörleinshof [48], Aglaster h o f [49], Kursberg [37] (1 mansus), Gotzenberg [43] (7 feoda), Aicha [44] (4 feoda), Fuchsreuth [511 (4 feoda), sowie um 3 Lehen zu Gotzenhofen [41], 2 Lehen zu Mosenhof [55] und 1 Lehen zu Pollanden [45]. Eine weit größere und in ihrem wirtschaftlichen Ertrag weitaus bedeutendere Gruppe finden wir nördlich der Lieritzhofener. Ihr Mittel­ punkt ist etwa Hartmannshof [33], dessen eine, außergewöhnlich große Hufe mit den dazugehörigen 2 Lehen und der Mühle, deren Abgaben überdies noch ungemessen sind, wohl noch zur Zeit des Urbars als geschlossener Hof zu gelten hat 232). Auf der Hochfläche südlich davon stoßen wir wiederum auf zwei mächtige Höfe: Guntersrieth [53], das wegen seiner Größe noch in eine „maior curia“ und eine „minor curia“ unterteilt ist 233) und Stallbaum [54] mit einer Anzahl dazugehörender Hufen und Lehen 234). Im Tal des Högenbachs, von Hartmannshof auf­ wärts, liegt Högen [34] mit zwei Mansen und einer Mühle und auf der Höhe finden wir den Ort Hunas [32] mit 3 Mansen. Im Lehenbachtal gehört zum Lehen [30] mit 4 Mansen und 1 Mühle, sowie die Graben­ mühle [31] mit einer Weide zum Klosterbesitz 235). Nordwestlich davon und eigentlich eine kleine Gruppe für sich bildend, liegen ebenfalls einige recht ansehnliche Siedlungen. Es sind die großen Höfe Neutras [24] und Hubmersberg [25] mit ihren Zugehörungen, sowie die Orte Heuchling [26] mit 7 236) und Bürtel [27] mit 6 Mansen. Dazu kommen noch die weniger großen Orte Oberndorf [28] 237) und Paunels [29] 238) mit je einer Manse. In dieser Gegend haben wir auch noch einer kleinen Gruppe zu gedenken, die etwas aus dem bisherigen Rahmen herausfällt. Zwei Mansen in Eschenbach [21], 4 Mansen und 1 Mühle in Fischbrunn [22] und 11 Lehen in Hegendorf [23] unterscheiden sich durch ihre besonders zusammengesetzten Abgaben, die bei den anderen Klostergütern nicht üblich sind. Es ist wohl sehr wahrscheinlich, daß es sich bei diesen nicht um ursprünglichen Klosterbesitz handelt. JBei den noch anztiführenden Klostergütern kann man eigentlich nicht mehr von Gruppen an sich sprechen, sofern man sie nicht auf 176

die Basis Hersbruck-Altensittenbach ausgerichtet denkt. Es sind zwei Ketten von Orten, die sich vorwiegend an der nord-südlich verlaufen­ den Pegnitz und am Sittenbach befinden und mit ihren Ortsnamen auf -dorf, -bach und -hofen wohl in die Ausbauzeit gehören 239). Daneben erscheinen nur ganz wenige Siedlungen, die in spätere Zeit zu setzen wären; sie liegen auf den weniger fruchtbaren Randhöhen. Südlich Velden sind zu nennen: Treuf [13], das die Verbindung zum Sittenbach­ tal bildet, mit 3 Mansen und 1 Lehen, Enzendorf [14] (3 Mansen, 1 Lehen, 1 Mühle), die Griesmühle [15] und Witzenberg [16] (2 Mansen), ein Orts­ teil von Rupprechtstegen. Auf der Höhe liegen Schupf [17] (4 Lehen) 24°) und ein Einzelhof zu Höfleins [18]. Weiter pegnitzabwärts folgen Artels­ hofen [19] (4 Mansen) und ein Hof zu Alfalter [20] 241). Im Paralleltal des Sittenbaches können wir die Reihe mit dem schon mehrmals er­ wähnten Altensittenbach [1] beginnen; hier gehören 1 Hof und 2 Lehen zum Kloster. Talaufwärts folgen Kühnhofen [5] (3 Lehen), die Hopfengartenühle [7], Aspertshofmen [8] (4 Mansen, 1 Lehen), Kirchensitten­ bach [9] (3 Mansen, 1 Lehen) mit dem alten Ortsteil Distelgau [10], Dietershofen [11] (3 Mansen, 1 Lehen, 1 Mühle) und Algersdorf [12] (3 Mansen, 1 Lehen, 1 Mühle). Vom Besitz um den Hohenstein, der sich praktisch in den Händen des Vogtes befindet 242), ist noch der Frohnhof [2] (Name!) geblieben. Der Rabenshof [3] (4 Mansen), Hügelsbach [4] 243) und Hirsdorf [6] (3 bona) 244) liegen völlig abseits und scheinen eher aus den 1011 aus Königshand an Bamberg gekommenen Gütern um Schnaittach und Krumbach 245) später ans Kloster gekommen zu sein. Außerdem nennt das Urbar neben zwei Rodeäckern zum Geigenpaun [60] bei Hohenstein und Äbtissingereuth [61] zu Traunfeld noch Happurg [50] (1 Hof, 3 Lehen) und die Hagenmühle [58]. Da das Urbar nur abschriftlich erhalten ist, läßt es sich nicht feststellen, ob diese zum Schluß genannten Güter erst später nachgetragen wurden und auch späteren Erwerb bedeuten, oder ob sie durch ein Versehen des Schrei­ bers in der geographischen Reihenfolge übersehen worden waren und deshalb erst am Schluß nachgetragen wurden. Obwohl es sich hier um das Urbar der Propstei Hersbruck handelt, sind keinerlei Güter in Hersbruck selbst erwähnt. Nur ein Eintrag bei der Grabenmühle [31] weist auf das Vorhandensein solcher hin: „pascere debet 2 porcos sicut molentinum in Hedrispruck.“ Die Tatsache, daß die Hersbrucker Güter, wie aus späteren Salbüchern zu ersehen ist, zum Teil dem Propst zur Verfügung stehen, läßt vermuten, daß der Hersbrucker Hof zur Zeit der Entstehung des Urbars noch vollständig in Eigenbewirtschaftung lag und deshalb keine Angaben im Urbar nötig waren 246). Damit ist der Grundbesitz des Klosters im Bereich der Propstei Hersbruck, wie er sich um 1300 zusammengesetzt hat, auf gezeigt. Es bleibt uns nur noch die Weiterentwicklung der nächsten 200 Jahre bis zum Verkauf der Propstei an Nürnberg zu verfolgen. Die nächste Auf­ zeichnung über den Klosterbesitz ist erst wieder ein Salbuch der Propstei von 1499, so daß wir die besitzgeschichtliche Entwicklung erst wieder an diesem Beispiel erkennen können, zumal uns aus dÄ* Zeit zwischen 1499 und 1529 eine ganze Reihe von Salbüchern überliefert ist. 12

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c) Der Besitzstand um 1500 Für die Salbücher um 1500 — die wichtigsten sind Sb. I—VI — ist Zunächst hervorzuheben, daß hier zwischen vogtbaren Gütern und nicht vogtbaren Gütern, auf dem Aigen genannt, unterschieden wird. Bei diesen freien Eigengütern handelt es sich um solchen ehemals vogt­ baren Besitz, bei dem es im 14. und 15. Jahrhundert gelungen ist, die Vogtei zu lösen 247). Neben diesen erscheinen neu Güter zu Püscheldorf [65], Kucha [66], Leutenbach [67], Offenhausen [68] und Rüblanden [69]. Bei den meisten von ihnen ist durch das Urkundenmaterial ein Erwerb aus freien Eigen nachzuweisen. So erwirbt das Kloster 1361 Hof, Hufe, Holz und Zehnt zu Püsclieldorf 248) und 1493 ein Gut zu Kucha und eines zu Rüblanden im Tausch gegen eine Hufe und ein Gut zu Unterartelshofen 249). Offenhausen und Rüblanden werden im Salbuch des nürnbergischen Pflegamtes Hersbruck unter der Überschrift „Folgen die erkauften Güter zu Offenhausen“ auf geführt 25°). Eine Ur­ kunde über ihren Erwerb ist allerdings nicht vorhanden. Breiten­ brunn [70], das erst in Salbuch II erscheint, dürfte ebenfalls zu dieser Gruppe zu rechnen sein. Auch hier liegt keine Erwerbsurkunde vor. Leutenbach war an die Forchheimer entfremdet und kehrt 1299 an das Kloster zurück251). Rabenshof, das im Urbar noch erwähnt wird, war später ebenfalls entfremdet und wird erst 1493 wieder zurück­ gekauft 252). Hügelsbach, das schon nach den Angaben des Urbars ent­ fremdet gewesen sein muß, kehrt nicht wieder zurück 253). Unter den vogtbaren Gütern erscheinen in den Salbüchern neu Ittling [62], Klee­ dorf [63] und Rupprechtstegen [64]. Wann Ittling erworben wurde, läßt sich nicht feststellen. 1356 jedenfalls wird durch ein Urteil des Land­ richters zu Sulzbach bestätigt, daß das Gut zu Ittling rechtes Eigen des Klosters sei 254). Wie es sich mit dem Gut Kleedorf verhält, ist aus den Urkunden nicht ersichtlich. Es besteht die Möglichkeit, daß es sich dabei um den Rest der im Urbar genannten Zugehörungen zu Unterkrumbach handelt. Dieses erscheint in den Salbüchern nicht mehr; wie es vom Kloster gekommen ist, lassen die Quellen nicht erkennen. Bei den dicht beineinander liegenden Orten Unterkrumbach und Klee­ dorf wäre es durchaus möglich, daß ehemals zu Unterkrumbach ge­ rechnete Liegenschaften nunmehr zu Kleedorf gezählt werden. Ent­ sprechend verhält es sich jedenfalls bei Rupprechtstegen. Hier ist nach­ zuweisen, daß die zwei im Urbar unter Witzenberg geführten Mausen nunmehr zu Rupprechtstegen gerechnet werden 255). Neben vogtbaren Gütern und freiem Eigen werden in den Sal­ büchern auch noch einzelne freie Lehen und Zinslehen genannt. Zum großen Teil sind es Absplitterungen des ehemaligen Hersbrucker Klosterhofes. Es bleiben nun eben noch die Hersbrucker Zugehörungen selbst. Was die Salbücher hier unter den Lehen nennen, das ist nur mehr ein Teil des alten Klosterhofes. Abgesehen von dem, was im Laufe der Zeit die Stadt Hersbruck an sich gezogen haben wird, wurde bereits 1359 Dezember 20 der befestigte Hof zu Hersbruck an Kaiser Karl IV. verkauft. Ebenso geht schon etwas vorher die Eigenschaft am Wirt­ schaftshof an Karl IV. über; das Kloster behält jedoch das Nutzungs-

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recht 256). Dieser Verkauf von 1359 gab schon einmal Veranlassung den Versuch zu unternehmen, den Klosterbesitz zu Hersbruck durch genaue Katasterforschungen planmäßig nachzuweisen 257). Dieser Versuch stützte sich nur auf gedruckte Quellen und konnte deshalb auch nur den festen Sitz und den Wirtschaftshof mit einigen wenigen Zugehörungen nachweisen. Der größte Teil dieser Zuge­ hörungen, wie er in den Salbüchern erscheint, mußte so übersehen werden. Der Wirtschaftshof zu Hersbruck war ein ausgesprochener Viehhof; neben einem Waldstück, dem sog. Propsteiholz, bestanden seine Zugehörungen nur aus Wiesen zwischen diesem Wirtschaftshof in der Lohe und dem Propsteiholz. Die Grenze nach Osten bildete etwa die Linie des heutigen Weges zum Bahnhof links der Pegnitz und nach Westen die Linie Altensittenbach-Hopfau. Doch auch gegen den Markt Hersbruck zu scheinen sich Bergener Besitztitel feststellen zu lassen. Wir brauchen hier nur an das Pfarrwidem zu denken, das dem Kloster als Eigenkirchenherrn wohl gehört haben muß 258). Vielleicht bildete die nördliche Grenze des Klosterbesitzes sogar die Altstraße, die durch Hersbruck von NW nach SO verlief und auch den späteren Straßen­ markt bildete 259). Bei der Marktgründung spielte dies ja keine Rolle, da beide Teile in Bamberger Hand waren 260). Diese Annahme einer Ausdehnung nach Norden wird bekräftigt durch die Verkaufsurkunde von 1359 Dezember 20 261), laut der Karl IV. die „aygenschaft dez grundes . . . seines marchtes zu Herspruck“ vom Kloster erwirbt. Nach der bereits nachgewiesenen Zweiteilung von Hersbruck kann es sich dabei nicht um den ganzen Markt gehandelt haben, sondern nur um den Klosterbesitz nach der Altstraße zu abrundenden Teil 262). Beim Verkauf nun mochte man sich dieses, inzwischen fast vergessenen, Besitztitels wieder erinnern 263). Etwas anders, aber doch im Grunde genommen ähnlich, verhält es sich beim Hohenstein. Wir wissen, daß im Jahre 1163 der Sicolinus von Hohenstein zum Vogt des Klosters bzw. seiner Propstei Hersbruck bestellt wurde 284) und der Hohenstein bleibt, anscheinend ohne Unter­ brechung, Sitz des Vogtes von Hersbruck bis in die Nürnberger Zeit, da Hersbruck dann endgültig nicht nur Amtsort, sondern auch ständiger Sitz der Beamten wird. Dieser Vogt mußte nun irgendwie vom Kloster für seine Tätigkeit entschädigt werden, denn die Einkünfte aus den Vogtrechten werden es nicht getan haben, ebensowenig wie das Drittel vom Niedergericht. Üblich war in diesem Fall die Ausstattung des Vogtes mit Grund 265). Da das Frauenkloster kein aktives Lehensrecht hatte 266), muß die Belehnung mit klösterlichem Grund und Boden durch den Inhaber der Vogtei erfolgt sein. So ist es erklärlich, daß diese mit der Zeit dieses Ausstattungsrecht ihres Beamten als ihr Eigengut ansehen und vergeben 267). Aber auch hier bringt das Kloster seine alten grundherrlichen Besitztitel wieder in Erinnerung und Karl IV. muß auch die „aygenschaft dez grundes seiner vesten zu Hohenstein“ er­ werben 268). Dieser Überblick über die weitere Entwicklung der Klostergüter nach dem Urbar und über die Hersbrucker und Hohensteiner Zu12*

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gehörungen mag genügen. Den Veränderungen, denen die Klostergüter im einzelnen unterworfen waren, kann hier nicht nachgegangen wer­ den289). Wir sehen hier jedenfalls, daß sich die Propstei Hersbruck als Ganzes wenig verändert hat. Sie umfaßt auch noch zu Ausgang des Mittelalters den bedeutendsten Grundbesitz der Hersbrucker Gegend. Selbst nach dem Verkauf an Nürnberg im Jahre 1529 verwischen sich die Grenzen gegenüber den anderen Gütern in Bezug auf den Grund­ besitz nur sehr wenig. Noch 1539 werden eigene Salbiicher für die Propstei angelegt, später wird sie in den Salbüchern des Pflegamtes Hersbruck noch immer von den andern Gütern getrennt aufgeführt und noch im 19. Jahrhundert ist in den Akten von propsteiischen Lehen­ gütern die Rede, obwohl deren Inhaber keinerlei Beziehungen mehr zur Propstei Hersbruck haben 270). 2. Wirtschaft und Verwaltung a) Wirtschaftsformen und Boden Produktion Was für die Besitzgeschichte gilt, das gilt auch für die Wirtschaft und Verwaltung: Wir kommen quellenmäßig nicht unter das 13. Jahr­ hundert herunter! Dabei ist wieder das Teilurbar aus dem ausgehenden 13. Jahrhundert die wichtigste und älteste Quelle. Neben einzelnen Ur­ kunden werden wir allerdings auch die Salbücher des 16. Jahrhunderts ergänzend heranziehen müssen. Bei den verhältnismäßig späten Quellen ist es nicht verwunderlich, wenn von einer ausgeprägten Villikationsverfassung nichts mehr zu erkennen ist. Wir konnten zwar bei unseren Betrachtungen über die besitzgeschichtliche Entwicklung einige ältere biedlungskerne an­ deuten 271), doch wäre es wohl zu gewagt, davon allein ausgehend, deren Mittelpunkte als ehemalige Mittelpunkte von Villikationen anzunehmen. Einzig und allein der Hof zu Hersbruck hat auch noch in späteren Zeiten seinen Charakter als Meierhof behalten. Obwohl in der ge­ samten Propstei, wie wir noch sehen werden, die letzten Reste der alten Fronleistungen verschwunden sind und solchen für den Vogt weichen müssen, wird ein Teil des Hersbrucker Propsthofes noch im 16. Jahr­ hundert durch Frondienste bewirtschaftet. Er hat sich als gegebener geographischer und wirtschaftlicher Mittelpunkt der Propstei — Hers­ bruck selbst wurde bereits 1057 Markt — bald zum Mittelpunkt der gesamten Verwaltung der propsteiischen Güter entwickelt. Wir finden allerdings im Urbar auch mehrere andere Höfe, die sich durch ihre Größe und ihre Abgaben unter den anderen weit hervor­ tun272), doch fehlt ihnen in dieser Zeit der Charakter als Mittelpunkt für eine Gruppe von Nebenhöfen und Hufen, die mit diesem Hof als Mittelpunkt irgendwie verbunden sind. Jeder einzelne Hof, jede Hufe und jedes Lehen geben ihren Zins bereits zum zentralen Mittelpunkt, dem Hersbrucker Klosterhof. Was uns hier als „Meierhof“ entgegen­ tritt, das sind Zinslehen wie alle anderen. Sie sind nicht mehr wie einst Zentren der lokalen Wirtschaftsführung, sondern nur mehr eine be180

sondere Betriebsform der Wirtschaft27S). Das zeigt sich noch an ihren spezifizierten Leistungen und den bedeutenden Naturalabgaben, die zu einer Zeit, da — wie das Urbar selbst zeigt — die Geldleistung als Ablösung für Naturalleistungen bereits sehr stark Boden gewonnen hat 274), zu leisten sind. Für Große und Charakter der Wirtschaftsformen gewinnen wir aus dem Urbar nur ein sehr verworrenes Bild. Nach dessen Angaben über jene, eine Norm für Größe und Abgaben eines Hofes (curia), einer Manse (mansus = Hufe), eines Lehens (feodum), eines Gutes (bonum) oder eines Einzelhofes (curia, -hof) aufstellen zu wollen, wäre ein ver­ gebliches Unterfangen. So finden wir nicht nur bei den größeren Höfen Naturalabgaben, sondern oft auch bei anderen, selbst kleinsten Wirt­ schaftseinheiten. Die Abgaben der einzelnen Wirtschaftsform variieren stark unter sich; gegenüber einer anderen Wirtschaftsform dagegen läßt sich bisweilen völlige Gleichheit, im andern Fall ein großer Unter­ schied feststellen. Wir haben hier die gleiche Erscheinung, die auch Dopsch erkennen muß 275), nämlich, daß diese Bezeichnungen für die Wirtschaftsform zwar ursprünglich in einer gewissen Beziehung zu ihrer Größe gebraucht, im Laufe der Zeit aber eine der andern gleich­ wertig verwendet worden sind. Dabei ist andererseits zu beachten, daß sich die Höhe der Abgaben nicht nur nach der Wirtschaftsform, sondern auch nach der Ertragsfähigkeit im einzelnen Falle richtet. Die Sied­ lungen auf kargem, wasserarmen Juraboden, die ihr Entstehen erst dem hohen Mittelalter verdanken, einer Zeit, da erst die innerdeut­ schen Siedlungsbarrieren, zu denen auch der Jura gehörte, zu weichen begannen und die vor allem in der Wirtschaftsform des Späthof-(Einzelhof-)Systems zu erkennen sind 276), weisen bedeutend geringere Ab­ gaben auf als andere. Gerade die Masse dieser Siedlungen in den heute noch recht unwirtschaftlichen Fluren auf den Höhen beiderseits des Alfelder Baches zeugen dafür. Die Beobachtung, daß sich das Leben (feodum) aus der Yollhufe (mansus) heraus entwickelt hat, wie sie Dopsch macht 277), läßt sich bei einiger Vorsicht auch an unserem Urbar feststellen. Es zeigt sich, daß die anscheinend gebräuchliche Abgabe für die Hufe (mansus) zwischen 5 und 6 sol. den. liegt, während für das Lehen (feodum) etwa 3 sol. den. zu geben sind. Das Gut (bonum) finden wir im Urbar nur als Ausnahme, während diese Bezeichnung in den Salbüchern, ohne Rücksicht auf Ausdehnung und Ertrag, durchaus ge­ bräuchlich ist. Die Bezeichnung Acker (ager) im Urbar meint hier noch ein Stück Land, ohne jeden Zusammenhang mit einem bebauten Gut, für das die Abgabe getrennt zu leisten ist 278). In den Salbüchern dann versteht man unter „acker“ das gleiche was auch wir heute darunter verstehen, nämlich die Einteilung der Flur in einzelne Ackerstreifen, von denen eine Mehrzahl einen Hof bzw. ein Gut ausmachen. Ent­ sprechend wie Acker werden auch die Bezeichnungen Weide (pascere!), Wiese (pratum), Anger (pomerium) und Gehölz (lignum) gebraucht. Die Bezeichnung Hofstatt (area), die später neben dem Gut (guet) die gebräuchlichste ist, bildet im Urbar, ebenso wie die anderen, noch eine Ausnahme.

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Was wir in der folgenden Zeit feststellen können, ist die Tendenz zu weiteren Teilungen der größeren Wirtschaftseinheiten 279). Es ist verständlich, daß bei der dabei entstehenden Wirrnis die Salbücher nicht mehr nach den einzelnen Wirtschaftsformen die Abgaben auf­ führen, sondern daß hier in erster Linie der Inhaber der entsprechen­ den ZugehÖrung genannt ist. Bei Besitzwechsel werden dann jeweils die alten Inhaber getilgt und ein neuer Name tritt an die Stelle des alten. Die Gesamtheit eines solchen, meist aus einzelnen, verstreut in der Dorfflur liegenden Teilen zusammengesetzten Besitzes wird auch hier noch als Gut mit der Hofstatt, als Hufe oder Lehen bezeichnet, doch wird nunmehr jede einzelne Zugehörung an Acker, Wiesen oder Wald getrennt und mit der Bezeichnung der Lage in der Flur und meist sogar der Größe (in Tagwerk) angegeben. Weit reicheren Aufschluß gibt uns das Urbar des Klosteramts Hersbruck über die Bodenproduktion innerhalb der Propstei. Das Bild, wie wir es dort vor Augen gestellt bekommen, entspricht prak­ tisch auch noch dem der heutigen Verhältnisse, wenn sich auch durch die Einführung der Kartoffel und durch modernere Arbeitsmethoden und Düngung manches geändert und gebessert hat 280). Unter den Kör­ nerfrüchten stand auch damals schon das Korn (Roggen) an erster Stelle. An zweiter Stelle folgte der Hafer und an dritter der Weizen. Der An­ bau von Gerste, der durch die mehr und mehr in den Vordergrund tretende Bierbrauerei in späterer Zeit an Bedeutung gewann281), ist erst in den Aufzeichnungen der Salbücher zu erkennen. Nach dem Ur­ bar ergibt sich eine annähernd genau zu errechnende Gesamteinnahme an Körnerfrüchten: 274 Mutt Roggen (modii siliginis), 193 Mutt Hafer (modii avenae) und 99 Mutt Weizen (modii tritici). Das entspricht etwa einem Verhältnis von 3:2:1. Im Jahre 1504 ergibt sich etwa das gleiche Verhältnis; dazu kommen noch dreieinhalb Viertel Gerste. Der Anbau von Gemüse, das auch heute, abgesehen von etwas Kraut, kaum feld­ mäßig angebaut wird, erfolgt nicht im großen, jedoch dürften sich wohl bei jeder Hofstatt kleine Krautgärten befunden haben, von denen aber keine Abgaben zu leisten waren 282). Darüber hinaus ist in der Gegend von Alfeld der Flachsbau beheimatet, „kloben lini“ zählen in der dor­ tigen Gegend zu den Naturalabgaben. Große Bedeutung kommt auch der Viehzucht zu. Neben der Schafzucht, die sich in einigen Fällen durch Abgabe von Schafen oder Filz, besonders bei den großen Höfen, nachweisen läßt 288), und der Hühnerhaltung — Gänse erscheinen nicht —, die wohl in jeder Gegend eine gewisse Rolle spielt, ist es vor allem die Rinderzucht. Das Urbar verzeichnet zwar Abgaben von 27 Schafen (oves), 156 Filzpfennigen (den. viltrum) und rund 570 Hühnern (pulli carnispriviales und autumnales), von Rindern selbst ist jedoch keine Rede. Die Erwähnung einer Anzahl von Wiesen und Weiden im Ur­ bar, wie die Tatsache, daß der Hersbrucker Klosterhof ein ausgesproche­ ner Viehhof war 284), geben jedoch einen guten Anhaltspunkt. Welche Bedeutung den Weidemöglichkeiten gerade in den Fluß- und Bach­ niederungen zugemessen wurde, das zeigen die vielen Bewässerungs­ und Viehtriebsstreitigkeiten, die aus Urkunden und Akten zu ersehen sind 285). Die günstige Bewässerungsmöglichkeit, die sich gerade im Zu^

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sammenhang mit den Mühlen bot — die Mahlabfälle kommen hinzu — läßt dort den Schwerpunkt der Grofiviehhaltung suchen. Neben den überschwemmungsreichen Fluß- und Bachniederungen — die Hers­ brucker Klosterwiesen liegen zum großen Teil im Überschwemmungs­ gebiet der Pegnitz — sind es auch die feuchten Lehme des Jura, vor allem der Opalinuston, die sie begünstigen 286). Fast jede größere Ge­ meinde hat ihren Hirten und sein Verspruch hat herrschaftlicherseits die größte Bedeutung 287). In diesem Zusammenhang, wie um die gegen­ seitige Weideabgrenzung, kommt es oft zu Streitigkeiten. In den Salbüchern — noch nicht im Urbar — finden wir dann auch eine entspre­ chende grundherrliche Forderung für den gemeindlichen Hirten; es ist eine Abgabe von 25 Pfg., die von jedem propsteiischen Gut für den „Hirtenstab“ zu leisten ist. Insgesamt sind es 15^2 solcher Hirtenstäbe. Gerade die Hersbrucker Gegend ist noch heute bekannt als Sitz eines traditionsreichen und bedeutenden Hirtenbrauchtums. Bewahrer die­ ser Tradition ist das bekannte Hersbrucker Hirtenmuseum mit seinen reichen Schätzen. Aber es ist nicht so, daß die Bedeutung der Rinder­ zucht aus dem Urbar allein aus dem Vorhandensein von Wiesen und Weiden zu schließen ist, es läßt sich vor allem auch daraus ersehen, daß fast jeder Hof, jede Hufe und jedes Lehen eine ansehnliche Anzahl von Käsen als Abgabe zu leisten hatten; fast 3000 Stück kommen im Kasten der Äbtissin von Bergen zu Hersbruck zusammen 288). Etwas weniger Bedeutung scheint der Schweinezucht zugemessen worden zu sein. Es sind aber immerhin 76 Schweine, die das Urbar als Abgabe vorwiegend größerer Höfe und Hufen verzeichnet — auch die Mühlen sind daran beteiligt — und davon sind 40 Mastschweine (porci saginati), der Rest Halmschweine (porci victimales). Zu den Zugehörungen der einzelnen Wirtschaftsform gehörte auch die Nutzung der „gemeinen Mark“ an Weide und Wald in entsprechen­ dem Anteil 289). Wie die Bauern innerhalb ihres Gutes aber auch eigene Wiesen hatten, so lassen sich auch entsprechend eigene Waldungen feststellen, die anscheinend durch die Beforstung von „ackermaß“ ent­ standen sind 290). Abgaben von Hopfen291) lassen sich weder im Urbar noch in den Salbüchern feststellen. Dafür, daß wohl schon im 13. Jahr­ hundert, also zur Zeit des Urbars, Hopfen gebaut wurde, spricht der Name Hopfengartenmühle [7]. Hopfengärten werden im 14. Jahrhundert innerhalb der Propstei in Happurg erwähnt 292). Diese Erörterungen über die Wirtschaftsformen und die Bodenproduktion in der Propstei Hersbruck, vor allem auf die Zeit von etwa 1300 bezogen, geben doch einen ganz anschaulichen Überblick über die Wirtschaft der Hersbrucker Gegend in dieser Zeit. Die richtige An­ schauung schaffen erst die entsprechenden Vergleichsmöglichkeiten. Ein fruchtbarer Vergleich mit der Wirtschaft um 1500 kann natürlich erst erfolgen, wenn das schwierige Kapitel der Wertrelationen endgültig geklärt ist 293). Besonders reizvoll ist ein entsprechender Vergleich mit anderen, vor allem benachbarten Grundherrschaften. Diese Möglichkeit gibt uns Karl Bosl in seinen Zusammenstellungen für das Kloster Kastl in der Oberpfalz 294), die auf einem Urbar von 1325/26 beruhen, das zeit­ lich von unserem nicht allzu verschieden ist. 183

b) Abgaben und Verwaltung. Für alle diese Erzeugnisse bäuerlicher Arbeit auf dem Boden der Propstei Hersbruck ist an das Kloster Bergen als Grundherrschaft ein Teil des Ertrages als Zins zu leisten 295). Dabei ist auch hier die allge­ meine Tendenz zur Geldablösung von ehemaligen Naturalleistungen zu erkennen 296). Das Urbar des Klosteramtes Hersbruck zeigt schon eine bedeutende Zahl von Zugehörungen der Propstei, die ausschließ­ lich Geldzins leisten; bei den andern ist aber keine ausschließliche Naturalleistung zu erkennen, meist ist es ein größerer Prozentsatz der Abgaben, der in Geld zu leisten ist. Man findet es öfter, daß zwar die Urbare Naturalabgaben anführen, daß aber eine entsprechende Wert­ angabe für diese annehmen läßt, daß auch hier schon ein Teil der Na­ turalien durch entsprechende Geldleistung beglichen wurde. In unserem Urbar ist dies noch selten, in den Salbüchern dann aber häufiger der Fall, vor allem bei Käsen und Hühnern. Die Schweineabgabe ist hier vom Schweinepfennig völlig verdrängt. Noch deutlicher läßt sich die Tendenz der Geldablösung in den Urbaren der Vogtei erkennen 297). Für die Propstei Hersbruck ergibt sich folgendes Bild: Bei einem Gesamtumfang des Besitzes von 17 Höfen, 94 Hufen (Mansen), 70 Lehen, 15 Mühlen, 3 Gütern, 5 Weiden, 9 Wiesen, 4 Äckern und 1 Anger er­ gibt sich eine Naturalabgabe von 566 Mutt Getreide, 76 Schweinen, 27 Schafen, 566 Hühnern, 2760 Käsen, 35 Kloben Flachs und eine Geld­ leistung von insgesamt 399 sol. den., 35 lb. den., 5210 den. Dazu kommt noch eine Transportfron von 82 Muttfuhren (mutfur), die auf einzelnen Zugehörungen lastet 298). Neben diesen gemessenen Abgaben allgemeinerer Art — nur die Abgaben der Mühle zu Hartmannshof sind ungemessen —, die zum Teil eine Leistung für die Leihe an Grund und Boden2"), zum Teil auch eine Umlage für die vom Kasten der Äbtissin direkt zu leistende Steuer bzw. Schutzgült 300) bedeuten, haben wir unsere Aufmerksamkeit noch einigen besonderen Abgaben zuzuwenden, deren Herkunft z. T. nicht ohne weiteres zu klären ist. Eine besondere Bedeutung nimmt dabei der Weisatzins (den. weiset) ein, der in den meisten Fällen gege­ ben wird. Irgendwelche Schlüsse aus dem Fehlen bei einzelnen Zuge­ hörungen lassen sich dabei nicht ziehen. Häufig fehlt er bei den großen Höfen und stets beim Vorhandensein von Flachsabgaben301). Die Summe der Weisatpfennige, die das Urbar aufweist, beträgt insgesamt 76 sol. den., V2 lb. den. und 15 den. Dabei läßt sich feststellen, daß diese Ab­ gabe fast bei jeder Zugehörung durch drei teilbar ist. Die Höhe verhält sich entsprechend wie die anderen Abgaben der jeweiligen Zugehörung, bezieht sich also wohl auf die Größe bzw. Ertragfähigkeit. Ein bestimm­ ter Zinstermin ist nicht angegeben. Für was wird nun dieser Weisatzins gegeben? Im allgemeinen sieht man darin eine Art „Ehrung“ oder „Er­ kenntnis“ oder ähnliches; die Meinungen gehen dabei etwas ausein­ ander 802). Wenn auch Dopsch den ursprünglichen Charakter der Weisatabgabe auf eine „Ehrung“ zurückführen zu können glaubt, so muß er doch erkennen, daß z. B. in Niederösterreich „Weisat“ geradezu dem „Vogtrecht“ gleichkommt, während in Oberösterreich etwa Weisathafer neben den Kleindiensten erwähnt wird und demnach wohl

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grundherrschaftlichen Ursprungs sein dürfte 303). In unserem Falle fin­ den wir nun diese Abgabe nur im grundherrschaftlichen Urbar, in den Urbaren der Vogtei wird sie nie erwähnt. Aber auch in den späteren Salbüchern erscheint der Weisatpfennig nicht mehr. Statt dessen finden wir dort neu den Dingpfennig, der ebenso wie der Weisatzins durch drei teilbar ist. Man ist versucht diese beiden Abgaben in ein Verhältnis zueinander zu bringen und daraus zu folgern, daß es sich, im Falle der Propstei Hersbruck zumindest, beim Weisatzins um eine Abgabe für das grundherrliche Niedergericht handelt, entsprechend dem Vogtrecht, das, wie wir gesehen haben, in bestimmten Gebieten als Weisat bezeichnet werden kann und das ja als Leistung für die Rechtsprechung des Vogtes gilt 304). Eine eingehendere Untersuchung der Weisatzinse in anderen Gegenden müßte ergeben, ob sich die Cha­ rakterisierung von Weisat als Gerichtsabgabe verallgemeinern ließe. In eine gemeinsame Gruppe können wir muttfur, kornfur, mahdpf ennig und werckpfennig zusammenfassen. Es sind die letzten Reste der der Grundherrschaft zu leistenden Frondienste, die nach der Aufgabe der Eigenwirtschaft und der Bemeierung ihren Charakter als wirtschaftliche Hilfeleistung verloren hatten 305) und im Gegensatz zu den ständig wachsenden Fronleistungen, für den Vogt­ herren 306) unbedeutend und zum großen Teil in Geldleistungen um­ gewandelt worden waren 307). Die Namen dieser Fronleistungen lassen schon erkennen, daß es sich nur um sog. Scharwerk- und Spann­ dienste handelt. Für ersteres ist bereits die Geldablösung da: Mahdund Werk p f e n n i n g , letztere, Muttfur und Kornfur, werden noch ausgeübt, im Einzelfall ist allerdings auch hier schon die Geldleistung da 308). Im 14. Jahrhundert erfolgt auf Verlangen der Bauern durch ein herrschaftliches Schiedsgericht ihre völlige Abschaffung 309). Nur bei einem Teil der Zugehörungen des Hersbrucker Propsthofes, die dem Propst zur Bewirtschaftung überlassen waren, wurden auch noch im 16. Jahrhundert Fronleistungen verlangt310). Als einmalige Abgabe erscheint im Urbar bei Lieritzhofen [49] eine Leistung, die „nocturnas abbatissae“ genannt wird. Es kann sich hier nur um ein Nächtigungsrecht der Äbtissin von Bergen handeln311). Die bereits oben erwähnte Altstraße von Premberg an der Nab nach Forchheim über Hersbruck 312) führte dicht an Lieritzhofen vorbei. Auf ihr mußte auch die Äbtissin, wenn sie von Bergen nach Hersbruck kam, ziehen. Lieritzhofen hat so als letzte Station auf dem Wege nach Hers­ bruck zu gelten und war zur Beherbergung der Äbtissin und ihres Gefolges verpflichtet. Später erscheint dieses Nächtigungsrecht nicht mehr. Abgaben zur Vogtei verzeichnet unser Urbar nicht. Hierüber geben eine Reihe von Urbaren der Vogteiherrschaft Aufschluß 313). Weitere besondere Abgaben gegenüber der Grundherrschaft lassen sich erst aus späteren Quellen erkennen314); sie sind als „selbstver­ ständlich“ im Urbar und auch in den meisten Salbüchern nicht erwähnt. Hier wäre zu nennen der Handlohn bei Aufgabe und Erwerb von propsteiischem Gut, der in beiden Fällen je 3 Pfg. beträgt. Besondere 185

Abgaben entstehen vor allem für die Inhaber von freiem Eigengut der Äbtissin, für die dafür die Vogteireichnisse entfallen. So geben die „auf dem Eigen“ neben dem üblichen Handlohn beim Tode der alten bzw. bei der Wahl der neuen Äbtissin zusammen 19 fl. Für ihre Hintersassen haben sie beim Verspruch 1 Viertel Wein und darüber hinaus jedes Jahr einen Weck oder 15 pfg. zu geben; beim Todfall ihres Hintersassen wiederum 1 Viertel Wein315). Von Zehntabgaben ist im Urbar wie in den Salbüchern — abgesehen von sehr spät erworbenen Stücken — nichts erwähnt. Besondere Bedeutung kommt natürlich auch den Gerichtsgebühren vom Niedergericht der Äbtissin auf dem Klosterhof zu Hersbruck zu. Auf diese Gebühren wird im folgenden Kapitel im Zusammenhang mit den Fragen der grundherrlichen Gerichtsbarkeit näher eingegangen werden. Hinsichtlich der Entwicklung des ganzen Abgabewesen in der Prop­ stei läßt sich sagen, daß in den Salbüchern noch weit mehr die Tendenz der Geldablösung zu erkennen ist als im Urbar. So ist die Lieferung von Schweinen durch den Schweinepfennig abgelöst, bei den Fast­ nachtshennen finden wir eine Wertangabe von 10 pfg., bei den Herbst­ hühnern eine solche von 6 pfg. Diese Angabe eines Wertes führt soweit, daß unter den Abgaben sogar das Dritteil einer Henne aufgeführt wird! Die Käse erscheinen in drei Wertstufen von 4 pfg., 3 pfg. und 1 pfg., die zu 3 pfg. am häufigsten. Flachs liefert nur mehr Aicha 316). Dabei ist es aber keineswegs so, daß die Naturalabgaben völlig ver­ schwinden 317). Im Gegenteil, wir finden in den Salbüchern mit nur vier Ausnahmen — Happurg, Offenhausen, Breitenbrunn und Rabenshof — und im Gegensatz zum Urbar in allen Orten die Getreideabgabe! Es scheint hier eine gewisse Revision der Abgaben stattgefunden zu haben, die Pfenniggült und Getreidegült in einem entsprechenden Verhältnis zueinander auf sämtliche Güter verteilte, so daß mit Ausnahme der vier genannten Orte, von denen überdies nur Happurg zu den älteren Zugehörungen zählte, bzw. dauernd beim Kloster geblieben war, kein Gut mehr ausschließlich Naturalien oder ausschließlich Geldzins gibt. Die Gesamteinkünfte des Klosters in der Propstei haben nach dieser Entwicklung folgendes Gesicht: An Geld: 36 fl., 151 lb., 5 ß, 27 pfg., 2 hl.; dazu 5 fl. für Hühner. An Getreide: 88,5 Meß, 1 Viertel, 1 Metze Roggen; 60 Meß, 3 Viertel, 3 Metzen Hafer; 24,5 Meß, 1 Viertel, 1 Metze Weizen und 3,5 Viertel Gerste. An Käse: 1507 5/6 große und kleine318). Die Verwaltung dieser propsteiischen Güter wurde bereits zur Zeit des Urbars und wahrscheinlich schon sehr viel früher zentral vom Hersbrucker Klosterhof ausgeübt. Die Abgaben wurden im dortigen Kasten der Äbtissin gesammelt. Dieser Verwaltungsmittelpunkt hat sich aus einem ehemaligen Meierhof319) gebildet und der grundherr­ liche Amtmann, Propst genannt 320), der dort seinen Sitz hat, hat als Nachfahre dieser Meier zu gelten821). Der Name Propstei Hersbruck, der sich für diese Gruppe klösterlichen Grundbesitzes gebildet hat 322), berührt etwas sonderbar, da wir ihn in der Regel für Klöster gebraucht wissen, die keine Abtei waren, doch steht er in seiner Art nicht alleine da 323).

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Die Pröpste erscheinen in unseren Quellen als besoldete Beamte der Äbtissin 824), sie stammen hier meist aus den Ministerialengeschlechtern der Umgegend, zum Teil wird das Amt aber auch von Bürgerlichen be­ kleidet. Ursprünglich ist die Bestellung dieses Beamten ausschließlich Angelegenheit der Grundherrin, der Äbtissin von Bergen, doch bildet sich langsam die Gewohnheit, daß das Propstaint „mit willen der herr6chaft“ zu besetzen ist 825). Von Seiten des Klosters widersetzt man sich dem schon deswegen mit aller Kraft, da anscheinend von der Herr­ schaft immer wieder durchzusetzen versucht wurde, daß der Vogt bzw. Amtmann zu Hersbruck auch das Propsteiamt übertragen bekam 328), eine billige Gelegenheit das Kloster auszusaugen und seine Rechte zu schmälern. Ursprünglich dürfte wohl der Propst den Hersbrucker Hof zu Teilbau erhalten haben, wie es in Vogtareuth noch zu erkennen ist 827). Aus dem Jahre 1504 wissen wir, daß er einen festen Sold bezieht, der sich aus 4 lb. pfg., 8 Maß Korn, 8 Maß Hafer, 1 Maß Weizen und 350 Käsen zusammensetzt, und später erfahren wir, daß zwischen Äbtis­ sin und Propst ein Vertrag abgeschlossen wird 328). Die Aufgaben des Propstes bestehen darin, daß er im Aufträge der Äbtissin für rechtzeitiges und vollständiges Eingehen der Abgaben zu sorgen und mit seiner Herrin zu gegebener Zeit darüber abzurechnen hat 329). Seine vornehmste Aufgabe ist, daß er das Niedergericht der Äbtissin auf dem Klosterhof zu Hersbruck besetzt SS0)9 er wird deshalb auch manchesmal „Propstrichter“ genannt. Daneben erscheint er als Beauftragter oder Bevollmächtigter der Äbtissin vor dem Landgericht, bei Unterhandlungen, Schiedsgerichten, Vertragsabschlüssen und ähn­ lichen Rechtsgeschäften, sowie als Aussteller und Siegler von Urkunden in seiner Amtseigenschaft und als Lehensträger seiner Äbtissin. Neben ihm finden wir noch Propstknecht und Förster 881). 3. Die Äbtissin und ihre Hintersassen Die Propstei Hersbruck als Grundherrschaft wäre nicht voll erfaßt* würden wir uns auf den mehr wirtschaftlichen Charakter beschränken. Es ist aber nicht so, daß zwischen Grundeigentümer und Bauern ledig­ lich das Verhältnis eines „Pachtvertrages“ besteht, d. h., daß der eine dem andern sein Land gegen eine bestimmte Leistung für eine be­ stimmte Zeit zur Nutzung übergibt. „So ist der Grundherr nicht einfach ein Grundeigentümer oder Großgrundbesitzer, sondern ganz buch­ stäblich und wörtlich ein Grundherr“ 882). Zu seinen Rechten ge­ hört die Ausübung der Zwangsgewalt in allen aus der Gewere über das Leihegut entspringenden Rechtsverhältnissen 383). Die Untertanen des Grundherren aber stehen in der Huld des Herren und zwischen beiden besteht das Verhältnis der gegenseitigen Treue, die durch den Treueid, die Huldigung, begründet wird. Über allem aber steht das alte Recht, auf das sich Grundherr wie Grundholder berufen können 834). Ist die Propstei Hersbruck auch nicht eine voll ausgebildete Grund­ herrschaft, ist Schutz und Schirm als vornehmstes Herrschaftsrecht in den Händen des Vogtes, so kann ihr dennoch der Charakter einer Herrschaft nicht abgesprochen werden 335). Ganz deutlich erkennen 187

wir die Zwang sgewali des Grundherrn, die der Geweje über das Leihegut entspringt, in dem großen Privileg, das das Kloster auf Grund seiner alten Rechte in der Propstei 1359 November 19 336) erhalten hat. Das Kloster, so heißt es dort, soll seine Leute und Güter innehaben und genießen wie ihm „allernutzest ist und gefellet“ und wer „erb“ vom Kloster hat, der soll jährlich seine rechte, ganze Gült geben nach des Salbuchs Wortlaut. Den aber, der sich diesem widersetzt, den sollen die Amtleute des Klosters dazu zwingen. Die Ausübung des Zwangs­ rechtes erscheint in der Pfändung des säumigen Grundholden, und so legt auch das Privileg fest, daß des Klosters Gut einzig und allein für die Äbtissin und ihre Amtleute pfändbar sein darf 337). Noch deutlicher als im Pfändungsrecht zeigt sich die herrschaftliche Zwangsgewalt in der Gerichtsbarkeit. Es ist das Niedergericht, das als Pertinenz von Grund und Boden gilt 338). Hier wird durch ein Immunitätsprivileg ein Sonderfriedensbezirk geschaffen, in den einzu­ greifen einem andern Richter nicht gestattet wird und — was noch wichtiger ist — in dem der Immunitätsherr selbst die Gerichtsrechte ausüben kann 339). Auch das Kloster Bergen besitzt Immunität im Ge­ biet der Propstei Hersbruck. Das eben erwähnte Privileg von 1359, das wir wegen seiner Wichtigkeit im folgenden immer wieder heranziehen müssen, spricht dies deutlich aus: „Auch sol nyemant dhein aptissin des obgenannten closters zu Pergen ir amptleut, diener oder hindersezzen, die uf desselben closters aygen sitzen wo daz gelegen sey, umb dheinerlei schulde oder mistat, wo oder wie sie die begangen haben, auch umb wunden oder umb todsleg in dem markte zu Herspruk, verbieten, ufhalden oder bekumern mit gerichte oder on gericht, in dheine weise, weder an leip oder an gut, on allein umb sulche schulde und missetat, die sie doselbst in dem markte zu Herspruk machen oder tun, darum sullen sie tun und leiden als doselbst recht ist. ouch sol ein itlich aptissin des obgenannten closters oder ir amptmann umb alle ihre leut und gut, die in der egenannten gegend umb Hersbruk in un­ serer vogtei gelegen sint oder was desselben closters leut und gut antriffet, selber richten umb welcherlei geschichte oder sache daz kumpt, wenn und wie sie wellen und ires gerichtes auch selben geweldig sein, auzgenumen des halsgerichtes, daz wir uns, unsern erben und nachkumen, die Herspruk in Zeiten innehaben werden, selber behalten, und ouch daz unser amptman zu Herspruk oder zu Hohenstein die dreu ehafte gerichte alle jar so bey einer aptissin von Pergen oder irem amptman uf dem closterhof zu Herspruk an dem gerichte sitzen und die aptissin, iren amptman und die uf daz gerichte kumen, getreulich schützen und schirmen, und dorumb sullen demselben unseren amptman der dritte pfennig der wandel werden, die des tagez gevallen. ez sol ouch niemant des closters leut oder gut für dhein ander gerichte laden, denn für die aptissin oder ihren amptman. auch sol niemant keynen butel setzen der uf dez closters gut reute, mit dheinerlei rechte oder gewalt, denn die aptissin oder ir amptman“. 188

An dem Immunitätscharakter des propsteiischen Gerichts ändert die Tatsache, daß das hohe Gericht dem Vogt bzw. Landesherrn Vorbehalten bleibt, keinesfalls etwas 340). Ausschlaggebend ist, daß die Äbtissin oder ihr Vertreter bei bestimmten Fällen die eigene, volle Ge­ richtsgewalt besitzen und daß sie über ihre Untertanen in diesen Fällen die ausschließliche Gerichtsbarkeit und Gewalt auszuüben haben. Das Gericht einer anderen Immunität — und das ist ja bei der späteren Streulage der Propsteigüter akut — hat über die Untertanen der Äb­ tissin und deren Güter keinerlei Gerichtsbarkeit und Gewalt341). Auch der Büttel, als ausübendes Organ der Zwangsgewalt, steht ausschließ­ lich unter dem Gebot der propsteiischen Gerichtsherrschaft. Das e h a f t e G e r i c h t ist es, in dem sich die Gerichtsgewalt de** Äbtissin von Bergen in ihrer Propstei Hersbruck ausdrückt. Über seine Kom­ petenz geben uns die älteren Urkunden wenig Aufschluß. Nach einem Gerichtsbrief des Hersbrucker Vogtes von 1343 Oktober 20 343) hat das Kloster zu Hersbruck jährlich drei solche ehafte Gerichte, bei denen um Erbe, um Eigen und um Lehen zu klagen ist. Auch das Privileg von 1359 spricht von drei solchen. Nach einem Bericht des Nürnberger Pflegers Sigmund Groß über das Propsteigericht vor 1504 344) wissen wir, daß die drei ehaften Gerichte jeweils an den Montagen nach Obersten, nach Walpurgis und nach Michaelis stattgefunden haben und dazu nach 14 Tagen immer ein Nachrecht. Zu diesen ungebotenen Dingen hatten alle Männer und Frauen der Propstei zu erscheinen. Der Hauptzweck war zunächst die Weisung des ehaften Rechtes, d. h. die Verlesung aller wichtigen Rechte, Gebote usw., die für das Verhältnis zwischen Grund­ herrschaft und Hintersassen von Bedeutung waren 342). Hier hatte dann der Untertan die Möglichkeit, durch einen Fürsprech aus dem Kreise der Schöffen — es waren sieben — seine Klage vorzubringen und nach der dritten Klage ward ihm das Urteil. Aber nicht nur um Erbe und Eigen und Lehen konnte hier geklagt werden, die Klageführung vor dem Propstgericht erstreckte sich auch auf die sog. fraißlichen Sachen, zu denen auch Totschlag, Körperverletzung u. a. gehörte 345). Die Füh­ rung dieses Prozesses war allerdings dem Vogt Vorbehalten 346). Nähe­ res über Prozeßverlauf und verhandelte Fälle können wir nicht mehr erfahren. Die Gerichtsbücher befanden sich im Stadtarchiv Hersbruck und sind 1945 verbrannt 347). Was uns von den Urkunden, die auf dem Propstgericht ausgestellt wurden, erhalten ist, das bezieht sich aus­ schließlich auf güterrechtliche Veränderungen und Rentenkauf. Auch die Hintersassen der Propstei hatten ihr Leihegut unter Mitwirkung des grundherrlichen Gerichts entgegenzunehmen oder aufzulassen; Propst und Schöffen stellen einen regelrechten Gerichtsbrief darüber aus 348). So bestimmt auch das Salbuch II: „Auf der propstei wenn einer einem andern sein gut zu kaufen gibt, so muß er das vor dem ehaft recht auf geben mit 3 pfg. und der empfänger auch 3 pfg.M 34fl). Eine Übertragung von Leihegut war eben nur mit der Zustimmung des Grundherrn möglich und um dessen Gewere an diesem Gut zum Aus­ druck zu bringen und einer eventuellen Entfremdung vorzubeugen, mußte bei güterrechtlichen Veränderungen, d. h. bei Verkauf, Tausch oder auch beim Erbfall das Nutzungsrecht an ihn zurückgegeben (auf­ gelassen) werden, um dann eine neuerliche Verleihung zu ermöglichen. 189

Nur so konnte das Eigentums re cht gegenüber dem neuen Empfänger sichtbar zum Ausdruck gebracht werden 35ü). Die vom Propst ausgestell­ ten Rentenbriefe zeigen den üblichen Charakter351). Das kirchliche Zinsverbot hatte auch hier zum Darlehen in Form der Rente als dauernder Grundstücksbelastung — entsprechend dem Grundzins — ge­ führt. Die Sache vereinfachte sich hier insofern, als der Geldgeber zu­ gleich Grundeigentümer war, so daß auch die Rentenzinsen, soweit sie nicht abgelöst werden konnten, sich bald mit der ursprünglichen Gült vermischten. Bemerkenswert ist, daß hier durchweg ein Rückkaufs­ recht eingeräumt wurde, das im allgemeinen die Geldgeber zu um­ gehen suchten, so daß die Rente zum „Ewigeid“ wurde 352). Es handelt sich aber in unserem Falle auch nur um verhältnismäßig kleine Dar­ lehen unter 100 fl. bei einem Zinsfuß von durchweg 5 %>. Als Rückkaufs­ frist wird z. B. in einem Rentenbrief von 1470 353) die Spanne von fünf Jahren festgesetzt, erst nach ihrem Ablauf wird die Rentenschuld eine Ewigschuld. In anderen Fällen dagegen ist die Rückkaufsmöglichkeit unbegrenzt, d. h. die Rückzahlung der Hauptsumme mit den fälligen Zinsen kann bei den üblichen Zinsterminen (Walpurgis und Michaelis) jederzeit erfolgen 354). Allerdings finden wir auch Fälle, wo von einem Rückkaufsrecht keine Rede ist 355). Die Propstei-Untertanen stehen aber nicht nur in der Zwangs- und Gerichtsgewalt der Äbtissin von Bergen, sie stehen auch in deren Huld. Es ist, wie wir noch bei der Besprechung von Schutz und Schirm sehen werden 356), ein gegenseitiges Verhältnis zwischen Herrschaft und Holden 357). Grundherrschaft und Grundholde stehen zueinander im Verhältnis der Treue, das durch die Huldigung, die Ablegung eines Treueids von seiten der Holden, begründet wird. Diese Treue geht über den Gehorsam hinaus, setzt ihm aber auch Grenzen. „Treue hat ihre Grenze an Sitte und Recht.“ Und auch der Holde kann sich auf das alte Recht berufen und wenn die Herrschaft diesem alten, gött­ lichen Recht nicht entsprechen will, so erscheint diese dem Untertanen selbst wider göttliches Recht 358). Auch in der Propstei ist das beider­ seitige Verhältnis in einem Treueid, dem V er spruch 359) begründet und ebenso wissen sich die propsteiischen Bauern auf ihr „altes Her­ kommen“ zu berufen und die Herrschaft sieht sich auch hier in den meisten Fällen gezwungen nachzugeben; denn die wirtschaftliche Not zwingt sie mit den Bauern vorsichtig umzugehen 360), zumal sie sich im späteren Mittelalter nicht mehr dem einzelnen Bauern gegenübersieht, sondern der Bauernschaft als Verband, als Genossenschaft361). Das Ent­ stehen von Weistümern oder Ehaftordnungen, wie sie in unserer Ge­ gend meist genannt werden 362), ist der Ausdruck für das Bestreben auf beiden Seiten, die Rechte und Pflichten gegenseitig abzugrenzen. Sicher war auch innerhalb der Propstei eine solche Ordnung entstan­ den und in den Gerichtsbüchern der Propstei niedergeschrieben, sie ist uns aber durch deren Verlust nicht mehr erhalten. Was uns für die Un­ tersuchung dieses Problems innerhalb der Propstei zur Verfügung steht, das sind die Salbiicher der Herrschaft, die aber auch von den Bauern als Rechtsgrundlage betrachtet werden 363). Sie haben hinsicht­ lich der bäuerlichen Abgaben und Verpflichtungen Beweiskraft und je älter sie sind, desto ausschließlicher und unzweifelhafter ist diese. Was 190

„laut des alten salbuchs sage“ ist, das stellt unumstößlich fest, wie alles alte Herkommen. Die Seite der Bauern beleuchten die erhaltenen Be­ schwerdeschriften, die sich meist gegen die vermeintliche oder tatsäch­ liche finanzielle Bedrückung richten. Für die schriftliche Fixierung von Rechten aber ist die Irrung der Anlaß 364). Auf Grund einer solchen Irrung ist der Schiedsspruch von 1499 entstanden 365). Er kommt einem Weistum gleich, zumal er jährlich einmal beim ehaften Recht „ge? wiesen“ werden muß. Die Güter der Äbtissin von Bergen in der Propstei Hersbruck sind zu E rb zins leihe ausgetan. Wohl hatte das Kloster in der Propstei auch Leibeigene besessen, wie eine Urkunde aus dem beginnenden 12. Jahrhundert berichtet 366), doch weder Urbar noch Salbücher berich­ ten von irgend einer Abgabe, die auf die Leibeigenschaft direkt zu­ rückzuführen wäre. Bei den Hintersassen der Propstei besteht aus­ schließlich die dingliche Zinshörigkeit 367). Es ist so, daß die Leibeigenschaft im Laufe der Zeit verblaßt ist und sich ohne Verände­ rung der äußeren Rechtsorgane zu einem bloßen Anrecht auf Leistung und Pflichten verwandelt hat 368). Durch die äußeren Formen blieb noch immer eine Verbindung von Unfreiheit und Grundherrschaft erhal­ ten369). Im Innern hat immer mehr die Auffassung vom Vertrags­ charakter des Herrschaftsverhältnisses Raum gewonnen 370). Zur Aus­ bildung des Pachtverhältnisses 371) als volle Konsequenz dieser Entwick­ lung ist es allerdings in unserem Gebiet nicht gekommen; weder hat die Grundherrschaft auf die alten Abgaben und Leistungen völlig ver­ zichtet, noch der Bauer auf sein Erbrecht. Das „Vertragsverhältnis“ be­ stand darin, daß dem Bauern von der Grundherrschaft das Land ge­ geben wurde und er sich dafür verpflichten mußte, sein Gut zu „bauen“, d. h. zu bewirtschaften und zwar so, daß er jederzeit in der Lage war, seinen Verpflichtungen, die er für die Überlassung des Grundes und Bodens zu leisten hatte, pünktlich nachzukommen. War dies nicht der Fall, so hatte die Herrschaft das Recht, ihn zu pfänden 372). Dieses Pfändungsrecht finden wir vor allem in den Privilegien immer wieder betont, doch haben wir nur ein einziges Beispiel, das von der Durchführung der Pfändung selbst erzählt. Der Fall ist zwar erst im 16. Jahrhundert eingetreten, in einer Zeit, da die selbständige Gewalt der Äbtissin schon stark durch die Nürnberger Obrigkeit ein­ geschränkt war, doch ist er für uns zu aufschlußreich, um ihn über­ gehen zu können. Die Inhaber der Zagelhube zu Rupprechtstegen weigern sich ihre Verpflichtungen gegenüber der Propstei als Grund­ herrschaft anzuerkennen, da sie nach dem Hohenstein steuern und fronen 373). Diese Verpflichtungen gegenüber dem Hohenstein beruhen aber auf einer ganz anderen Grundlage! Die Zagelhube ist eine öde Hube, d. h. sie hat keine Hofstatt mehr und ihre Zugehörungen werden von einem andern Gut aus gebaut 374). Die beiden Bauern Heinz Hein­ lein und Eberlein Koler sitzen auf ihren „vogteiischen“ Gütern zu Rupprechtstegen und darauf beruhen auch ihre Pflichten gegenüber dem Hohenstein. So muß das Stadtgericht zu Hersbruck, das auf Wei­ sung des Landpflegamtes Nürnberg mit dem Fall beauftragt ist, der Propstei doch das Recht der Pfändung zugestehen, nachdem das Akten191

bündel zu einem beinahe modern anmutenden Maß angeschwollen ist 376). Die Baupflicht war ohne weiteres mit dem Empfang des Gutes auf dem ehehaften Gericht verbunden, konnte aber auch in einzelnen Fäl­ len durch Vertrag festgesetzt werden. Das geschah besonders dann, wenn es sich um ein ödes Gut handelte oder wenn einer drohenden Verödung entgegengetreten werden sollte. So kommen 1410 Januar 5 376) Cuntz Herrei, Bürger zu Hersbruck, Cuntz Herrei, Bürger zu Schnaittach, Dietrich Stahel von Steinensittenbcha und der Schmied von Frohnhof mit der Äbtissin überein, daß sie deren Güter zum Frohnhof „pauen und zimern“ werden. Die Grundherrschaft hatte begreifliches Interesse daran, einer Verödung ihrer Güter zu steuern 377). Durch Ab­ wanderung und durch frühere Erschließung ungünstiger Lagen waren vom 13. bis zum 15. Jahrhundert eine ansehnliche Reihe von Wüstun­ gen entstanden 378). Solche finden wir auch in der Propstei, doch bedeutet die Bezeichnung „öde“ in den seltensten Fällen, daß diese Güter brach liegen würden. Sie konnten nur keine eigene Hofstatt mehr aufweisen, d. h. keinen Bauern mit seiner Familie allein ernähren, und wurden so in andere Güter gebaut. Neben der Unrentabilität dieser von andern Gütern aus zu Handroß gebauten öden Hufen drohte die Entfremdung, vor allem, wenn die Inhaber dieser öden Hufen, wie es im Falle der Zagelhube war, einer anderen Grundherrschaft angehör­ ten. So legte man, wie es für Frohnhof geschehen, im Einzelfall die Baupflicht vertraglich fest und sicherte die Einnahmen durch Straf­ androhung 379). Diese Urkunde über die Baupflicht schneidet aber auch noch eine andere Frage an! Es wird dort nur von zwei Hofstätten und Stadeln, die zu zimmern sind, gesprochen, während als Vertragspartner der Äb­ tissin vier Personen erscheinen. Bei den beiden Herrei dürfte es sich wohl um die tatsächlichen Inhaber gehandelt haben, während die bei­ den andern deren Hintersassen gewesen sind 38°). Wir finden darüber, daß Propsteileute Hintersassen hatten, noch weitere Belege. Im Schieds­ spruch von 1499 381) heißt es ausdrücklich: „wann einer sein gut bessert und einen hintersessen darauf setzt, so ist es altes herkommen, daß ein propst verpflichtet ist, ihn zur rechten hand zu haben“. Hintersassen dürften die Inhaber von Leihegut meist dann gehabt haben, wenn sie Bürger etwa von Nürnberg oder Hersbruck waren, wie es mehrmals vorkam und wie ja auch die hier besprochene Urkunde zeigt. Die propsteiischen Bauern konnten auch sonst in gewissem Sinn frei über ihr Leihegut verfügen. Neben dem Recht der Vererbung stand ihnen auch das Recht des Tausches oder Verkaufes ihrer Güter zu, mit der Ein­ schränkung allerdings, daß diese Rechtsgeschäfte vor dem Propsteigericht abgeschlossen wurden 38S). So richten sich die Klagen der Bauern auch weniger gegen ihr Abhängigkeitsverhältnis als gegen die finanziellen Lasten. Nun ist es aber nicht so, daß man eine im Mittelalter sich konstant verschlechternde wirtschaftliche und rechtliche Lage der Bauern sehen kann 384). Es klingt schon fast paradox, wenn die Bauern­ schaft 1499 gegen die Belastungen durch die Grundherrschaft Klage führt und im gleichen Atemzug davon spricht, daß Güter gebessert 192

worden sind 385). Der Grund für diese Klagen ist weit mehr in einem langsam wachsenden Selbstbewußtsein und dem damit verbundenen Wunsch, das Besitzrecht zu bessern, zu suchen 386). Das erstemal berichten die Quellen der Propstei von Irrungen zwischen Äbtissin und Bauern, als Kaiser Karl IV. für des Klosters Güter zu Hersbruck eine gemessene Steuer von 50 lb. festlegt und diese Summe durch die Äbtissin auf die Bauern voll umgelegt wird. Die Bauern setzen es tatsächlich durch, daß sie nur 24 lb. zu tragen haben und die Äbtissin die restlichen 26 lb. von ihrem Kasten selbst zu be­ zahlen hat. Darüber hinaus gelingt es ihnen gleichzeitig eine Reihe von Sonderabgaben, Reste ehemaliger Frondienste, von sich abzuwälzen 387). Erst um 1500 hören wir dann wieder von neuen Zwistigkeiten 388). Beide Seiten versuchen mit ihren Anliegen bei Herzog Georg von BaiernLandshut Gehör zu finden. Schließlich bestimmen im Jahre 1499 des Herzogs Statthalter und Räte, da sowohl dem Gotteshaus und seinen Leuten und Gütern, wie auch dem Herzog als Landesfürsten und Vogt­ herrn „merklich abfall, verderblich schaden und Zerrüttung gemeines nutz“ daraus entsteht, ein Schiedsgericht, das Mittel und Wege suchen soll, womit „irrung und penn“ gütlich beigelegt werden könnten. Das Schiedsgericht bestimmt daraufhin eine Tagsatzung, zu der die streiten­ den Parteien geladen werden. Als bevollmächtigte Vertreter der Äb­ tissin Eufemia, „neue angeende, itz regirende prelatin“, und des Konvents erscheinen der Klosterrichter Hans Hagen und der Propst zu Hersbruck, Wolfgang von Fuchsstein, während die „ganz gemein pauerschaft“ durch ihre erwählten Vierer und die sieben Geschworenen des Propsteigerichts vertreten sind. Als Unterlagen dienen die vorliegenden Klageschriften der beiden Parteien, sowie ein Vidimus des Privilegs von 1375 389). In dem uns erhaltenen Protokoll dieses Schiedsgerichts werden zunächst die Klagepunkte der Bauernschaft festgehalten, dar­ aufhin folgt die Entgegnung der Vertreter des Klosters, eine abermalige Erwiderung der Bauern und nochmalige „Widerrede“ der bergenschen Sprecher, um schließlich den Schiedsspruch selbst folgen zu lassen. Die erste Stelle nimmt dabei die Güterteilung durch Erbschaft ein, die auch in späteren Jahren noch einmal akut wird 390). Auf der einen Seite steht hier die Herrschaft, die unter allen Umständen versuchen will, die Güter beisammenzulassen; denn nur so sind sie rentabel und nur so sind die vollen Einkünfte gewiß. Dazu kommt, daß bei solchen Erb­ teilungen — bei dem Nebeneinander von Herrschaften in ein und dem­ selben Dorf — die Gefahr besteht, daß ein Teil des Gutes in fremde Herrschaft gebaut wird und so Entfremdung droht. Auf der andern Seite steht aber der Wunsch der Bauern, jedem Erben seinen Teil zukommen zu lassen, da bei der oft geringen Größe der Güter eine Abfindung der andern Erben kaum tragbar ist. Die Argumente der Bauern stützen sich darauf, daß doch durch Erbteilungen die Mannschaft der Äbtissin nur gemehrt und die Zinsen williger gegeben würden. Auch sonst scheinen unter nachlässigen Pröpsten eine Reihe von Gewohn­ heiten eingerissen zu sein, gegen die der derzeitige Propst, der Fuchs­ steiner, jetzt „mit stocken und plocken“ einschreitet. Gegen ihn richten sich die meisten Klagen der Bauern. Sie halten ihm immer wieder „Musterpröpste“ unter seinen Vorgängern vor, die ihnen wohlgesinnter 193

waren. Der Schiedsspruch selbst bestätigt der Grundherrschaft im großen und ganzen ihre tatsächlichen „alten Rechte“ und kommt nur in nebensächlichen Dingen den Wünschen der Bauern nach, zumal deren Ansprüche in den betreffenden Fällen nicht ganz unberechtigt sind. So wird der Bestand der Grundherrschaft gesichert durch die nochmalige Feststellung, daß nur die Äbtissin das Recht hat, die propsteiischen Güter zu besetzen und zu entsetzen. Die Pflicht des Auflassens und Empfangens von Gütern vor Gericht wird allerdings umgewandelt in eine Verkaufserlaubnis. Ausdrücklich verboten wird die Teilung von Gütern, das Bauen in andere und das Versetzen, ebenso wie die Be­ schwerung mit Köblersgütern (Hintersassen der Bauern) oder der Bau zu Handroß ohne Erlaubnis der Äbtissin. Die Wirtschaftskraft der Güter soll auch nicht durch Erbteilungen gefährdet werden. Nur wenn ein Gut wirklich so groß und ertragsfähig ist, daß es mehr als einen Bauersmann tragen kann, kann die Äbtissin diese Gnade erteilen. Um allzu große Härten zu vermeiden, sucht man nach einem Ausweg, der alerdings in der Praxis viele Streitigkeiten hervorgerufen haben dürfte, man bestimmt, für den Fall, daß mehrere Erben vorhanden sind, daß diese dann unter sich einen „tugentlichen“ Mann wählen, dem das ganze Gut übertragen wird und der sie dann mit versorgt. Um in den ganzen Verhältnissen wieder Klarheit zu schaffen, wird ange­ ordnet, daß im Anschluß an dieses Schiedsgericht alle Untertanen des Gotteshauses neue Erbhuldigung zu leisten haben. Anläßlich dieser Erbhuldigung entsteht dann auch ein neues Salbuch (Sb. II). Weiterhin wendet sich das Schiedsgericht gegen das Holzen und Kohlen in der gemeinen Mark, auch dann wenn dem Propst der dritte Pfennig davon gegeben wird 891). Nur wenn es sich tatsächlich um Holz handelt, das zu anderen Zwecken untauglich ist, kann nach Überprüfen durch Verordnete der Äbtissin das Kohlen genehmigt werden. Ganz schlaue Bauern hatten sich auf ihren Ackermaßen eigenes Holz gepflanzt, um Geld daraus zu schlagen. Das beeinträchtigte natürlich ihren Feld­ fruchtbau und gefährdete die volle Leistung der Gült. Soweit es sich nun um Boden handelt, der zum Getreidebau nicht geeignet ist, soll von den Bauern die Genehmigung eingeholt werden für die Bepflan­ zung mit Waldbäumen. Hier kann dann auch geschlagen werden, ohne den dritten Pfennig zu geben. Bei Gemeindeholz fällt dieses Dritteil der Gemeindekasse zu. Auch über die Rechtsprechung des Propstei­ gerichts war geklagt worden, vor allem daß der Propst sich nicht an das Urteil der Schöffen halten wolle. Hier hält man sich im Schieds­ spruch im wesentlichen an die Bestimmungen des großen Karlsprivilegs von 1359, das ja in dem vorgelegten von 1375 enthalten ist. Die sieben Schöffen sollen das Urteil sprechen und der Propst soll es durch sein Siegel rechtskräftig machen. Wenn sich die Parteien durch Hilfe an­ derer einigen, so soll das gestattet werden, vorausgesetzt, daß sie die entsprechenden Gebühren an das Propsteigericht leisten. Festgesetzt werden auch die Gebühren für Kost und Zehrung von Propst, Schöffen, Gerichtsknecht und Gerichtsschreiber. Wenn darüber hinaus Kostgeld und andere Forderungen zu erheben sind, so sollen die Vierer zwei Geschworene und einen würdigen Mann aus der Propstei zu sich be­ rufen und gemeinsam mit dem Propst die zu fordernde Summe gerecht 194

umlegen. Sie sollen den Propst beim Einheben dann auch unterstützen. Um die Gerichtsgebühren nicht unnötig hoch werden zu lassen, sollen die Vierer und Schöffen „sich selbst (!) verzehren“. Dieser Schiedsspruch von 1499 bleibt in Kraft solange noch das Kloster im Besitz seiner Propstei ist 392). Obwohl es auch in den nächsten Jahrzehnten mehrmals zu Beschwerden der Bauern gekommen ist 393), scheinen die Hersbrucker Bauern doch im allgemeinen mit ihrer Herr­ schaft zufrieden gewesen zu sein. Von einem Aufstand der Bauern während der Wirren des Bauernkrieges, wie sie auch hie und da im Nürnberger Gebiet aufflammten 394), ist in der Propstei nichts bekannt. Ansätze allerdings waren vorhanden 395) und in einem Brief an ihren Bruder Willibald Pirckheimer dankt Äbtissin Sabina Gott, daß er sie so wunderbar vor den Bauern behütet hat 896). Von einer Bedrückung oder Aussaugung der Bauern im Gebiet der Propstei kann auf keinen Fall die Rede sein. Was zu den Irrungen geführt hat, das ist mehr der Wunsch der Bauern, das als „altes Recht“ durchzusetzen, was sie sich im Laufe der Zeit als „gute Gewohnheit“ herausgenommen hatten und das, was ihnen nicht so recht behagte, das hätten sie gerne als „neu“ und damit ohne Rechtsgrundlage abgetan. Was aber der Schiedsspruch von 1499, dessen Bestimmungen einem Weistum gleichkommen, darüber hinaus zeigt, das ist die Tatsache, daß — trotz manchem Nachgeben gegenüber den Bauern — die Propstei sich doch den Charakter einer echten Grundherrschaft gewahrt hat. Die Äbtissin ist noch immer die „herrschaft“, in deren Huld die prosteiischen Bauern stehen und der gegenüber die Bauern die „erbhuldigung“ zu leisten haben, wie es der Schiedsspruch wörtlich zum Ausdruck bringt. Auch den Schutzgedanken finden wir hier noch ein­ mal deutlich ausgesprochen: „propst soll sein, wer uns beschützt“ 397). Schutz und Schirm aber im eigentlichen Sinne, den übt der Vogt aus, ihm bleibt die Ausübung der hohen Gerichtsbarkeit, ihm steht die Erhebung von Steuern und die Forderung der Kriegsfolge zu. Das heißt, daß die Propstei Hersbruck nicht eine Herrschaft im vollsten Sinne sein kann und daß wir den wahren Status der Propstei nicht erkannt haben, wenn wir an den Problemen der Vogtei vorübergehen.

c. Die Propstei Hersbruck als Glied der Vogtei Hersbruck Die große Zahl von Urkundenfälschungen, die sich auf Vogteirechte beziehen 398), die noch größere Zahl der Klagen von Mönchen und Nonnen über die Vögte und ihre Bedrückungen 399), ganz abgesehen von der schon fast nicht mehr übersehbaren Literatur über Vogteiprobleine 40°), sie sind alle Zeugen für die Bedeutung dieses Rechts­ institutes der Vogtei für die Verfassung eines Klosters, ja für die mittelalterliche Rechtsordnung überhaupt. Trotz mancher ausgreifenden Arbeit hat doch Otto Brunner feststellen müssen, daß die Rechtsstellung der Vögte zeitlich und örtlich außerordentlich verschieden ist und jeweils einer bis ins einzelne gehenden Untersuchung bedarf401). n*

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Das Kloster Bergen hat man in dieser Beziehung bis jetzt über­ gangen, wohl weil man sich von diesem unbedeutenden Kloster keine Aufschlüsse erhoffte 402). Und doch hätte schon die Tatsache, daß Bergen wohl das älteste bekannte päpstliche Vogt Wahlprivileg süddeutscher Frauenklöster besaß 403), zu der Vermutung Anlaß geben sollen, daß auch die Abtei Bergen ihr Teil zur Lösung des Vogteiproblems hätte beitragen können 404). Wir werden hier unser Augenmerk natürlich auf die Vogteiprobleme der Propstei Hersbruck zu richten haben, die uns erst in der Zeit nach dem Investiturstreit akut vor Augen treten, doch wird gerade die Frage nach der geschichtlichen Entwicklung dieser speziell Hersbrucker Verhältnisse auch die des Klosters an sich nicht unberührt lassen. Es wird sich zeigen, daß seit der Zeit, da Bergen Bamberger Eigenkloster war, die Vogtei über die Klostergüter um Hersbruck mit der über andere Bamberger Pertinenzen in der Hand von Hochstiftsvögten war und später in der der Grafen von Sulzbach erscheint. Die Gesamtheit dieser Bamberger Vogtei über die Güter der Bamberger Kirche um Hersbruck führte schon sehr früh den Namen „Vogtei Hersbruck“ 405). Welche Bedeutung dieser Vogtei Hersbruck zu­ kommt, läßt sich daraus ersehen, daß sowohl Küster in seiner Arbeit über das Reichsgut von 1273—1313 406), als auch Niese in seiner Unter­ suchung über die Verwaltung des Reichsguts im 13. Jahrhundert4C7) sich eingehend mit dieser Vogtei beschäftigen und daß in neuerer Zeit Dannenbauer bei der Untersuchung der Nürnberger Territorien­ bildung sich ebenfalls mit den Hersbrucker Vogteiverhältnissen be­ faßt 408). Trotzdem wird in einer Besprechung des Dannenbauerschen Buches noch nach dem Charakter der Vogtei Hersbruck gefragt 409) und Emil Reiche fordert eine Klärung der „verwickelten Rechtsverhält­ nisse in Hersbruck mit ihren zu allerhand Streitigkeiten Anlaß geben­ den Auswirkungen,,410). Es liegt auf der Hand, daß hier die Propstei Hersbruck als bedeutendster Teil der Vogtei Hersbruck, mit ihrem zum großen Teil noch unbekannten Quellenmaterial, uns ein gutes Stück wird weiterhelfen können. Das Ergebnis unserer Erörterungen über die Bevogtung der Propstei wird uns demnach wohl auch einen Einblick gewähren in den noch immer unbekannten Charakter der Reichsvogtei Hersbruck.

1. Die geschichtliche Entwicklung Die Grundfrage, von der eine Erörterung der Vogteiprobleme eines Klosters ausgehen muß, ist die Frage nach dem Status dieses geistlichen Instituts. Die Urkunde von 1007 November 1 411), mit der Heinrich II. das Kloster Bergen als „nostrae quandam proprietatis abbatiam Bari­ gin“ dem Bischof Eberhard von Bamberg und seinen Nachfolgern über­ trägt, läßt vermuten, daß es sich um ein Eigenkloster Heinrichs gehan­ delt haben müßte. Nun war es aber so, daß man von seiten des Königs sich zwar des Unterschiedes von Reichs- und Hausgut wohl bewußt war 412), doch diese Scheidung meist nicht klar durchführte. So kam es oft vor, daß der König über Reichsgut verfügte, als ob es sein Fämilienoder Privateigentum gewesen wäre, obwohl jenes nicht Besitz war, der dem König eigentümlich gehörte, über den er nur eine Schutzherrschaft

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aus übte, dessen Gewere er inne hatte und den er verwaltete413). Und gerade bei den Schenkungen Heinrichs II. an Bamberg läßt es sich schwer unterscheiden, in welchem Falle es sich um Reichsgut und in welchem es sich um Hausgut handelt414). Es gilt also zunächst die recht­ liche Grundlage der Schenkung Bergens an Bamberg aus den älteren Urkunden zu erkennen! Nachdem wir bereits erfahren haben, daß das Gut, mit dem die Herzoginwitwe Wiltrud das Kloster Bergen ausstat­ tete, vorher zum Fiskus eingezogen gewesen war, ließe sich vielleicht vermuten, daß die Rückgabe mit irgendwelchen Vorbehalten erfolgte. Die Urkunde von 976 September 29 zeigt aber, daß Wiltrud die betref­ fenden Güter mit allen Rechten, die ihnen zur Zeit Herzog Arnulfs von Baiern zustanden, zurückerhalten hatte, „ea ratione, ut libero deinceps ipsa perfruatur arbitrio hec tenendi, dandi, vendendi, commutandi, posteris relinquendi seu quidquid sibi libuerit inde faciendi“415). Es ließe sich hieraus vielleicht annehmen, daß sich Wiltrud als Eigen­ klosterherrin betrachtet haben könnte. Nun widerspricht dem ganz eindeutig das päpstliche Schutzprivileg von 995 März 31 416). Hier nimmt Papst Johann XV. das Kloster Bergen „sub nostre emunitätis defensione“ und verleiht dem Konvent das Recht der freien Äbtissinnenwahl und der jeweiligen Äbtissin das Recht der freien Vogtwahl. Diese Bulle hat Karl Blume in seinen Untersuchungen über den Begriff „Abbatia“ bereits zum Anlaß genommen, das Kloster Bergen als ein reformiertes Benediktinerinnenkloster zu charakterisieren417). Gleichzeitig hat er aber auch den Versuch gemacht, den hier erscheinenden Begriff der Abbatia als „abbatia libera“ und damit als Reichskloster zu kennzeich­ nen418). Sein ihm selbst nicht ganz schlüssig erscheinender Beweis419) kann durch die eindeutige Feststellung Theodor Mayers gestützt wer­ den, daß freies Wahlrecht die Eigenpersönlichkeit eines Klosters stärkt und Klöster mit freiem Wahlrecht als „freie Klöster“ zu gelten haben 42°). An dem Charakter eines freien und damit reichsunmittel­ baren Klosters421) ändert die Verleihung der genannten Freiheiten durch päpstliches Privileg nichts. Gerade auf Grund der von Papst Johann XV. für Bergen ausgestellten Urkunde stellt Edmund Stengel eindeutig heraus, daß in dieser Zeit der engsten Entente von Kaisertum und Papsttum, diese, meist noch auf Intervention des Kaisers ausge­ stellten, päpstlichen Privilegien nichts anderes sein wollten als Bestäti­ gungen der königlichen Diplome und damit den Zweck hatten, die königliche Gewalt über die Klöster, die Reichsunmittelbarkeit also, zu garantieren 422). „Man kann wirklich sagen“, so fährt Stengel fort, „daß in der zweiten Hälfte des zehnten und in der ersten des elften Jahr­ hunderts solche päpstlichen Immunitäten zuweilen genau so angesehen wurden, als hätte sie der König selber erteilt“ 42S). Bei Bergen tritt noch hinzu, daß hier direkt eine Urkunde Ottos III., die heute nicht mehr vorhanden ist, mit verhältnismäßig geringen „Retouchen“ zur päpst­ lichen Bulle umgewandelt wurde 424). Bergen tritt uns also am Ende des 10. Jahrhunderts als reichsunmittelbare, freie Abtei, unter dem besonderen Schutz des apostolischen Stuhles, entgegen 425). Freie Ätissinnen- und Vogt wähl verstärkten den Charakter der abbatia libera. 197

Es bedeutete für das Kloster einen schweren Schlag, als Heinrich II. auf Grund der Übung, daß reichsunmittelbare Pertinenzen meist wie Hausgut behandelt wurden, Besitz- und Ordinationsrecht über die Ab­ tei dem Bischof Eberhard von Bamberg übertrug 428). Die reichsunmit­ telbare, freie Abtei, der Heinrich wenige Monate vorher noch das Eigengut Dollnstein bei Eichstätt geschenkt und für dieses Gut die volle Gewalt der Äbtissin, sowie deren Einsetzungsrecht (!) für den Vogt bestätigt hatte 427), sank zum bischöflichen Eigenk 1 o s t e r herab 428). Der Kampf der bischöflichen Eigenklöster gegen die Bedrückungen ihrer Eigenklosterherren hat in vielen Fällen seine Einzeldarstellung gefunden 429), doch sind die Bamberger Eigenklöster aus der Zeit vor dem Investiturstreit in dieser Beziehung noch kaum beachtet worden. Wahrscheinlich lag der Grund darin, daß zu geringes Material darüber zur Verfügung stand 430). Aber auch die Bamberger Eigenklöster, aus der Schenkung Heinrichs II. stammend, haben ihren Kampf gegen die Bamberger Bischöfe als Eigenklosterherren geführt, wie das Beispiel Bergens zeigen wird. Bergen als Frauenkloster war der Willkür des Bischofs noch weit mehr ausgeliefert als ein Männerkloster. Mit weib­ licher List hat man aber immer wieder versucht, gegebene Zeit­ umstände auszunutzen, und hat auch — zumindest vorübergehend — Erfolge errungen. Doch immer wieder weiß sich der Bischof durchzu­ setzen. Noch 1156 erscheint Bergen in Bamberger Hand, aber es ist auch das letztemal. Bald darauf verschwinden die letzten Reste Bam­ berger Eigenklosterrechte völlig, um der Gewalt des Landesherrn Platz zu machen. Es ist bekannt, daß die Nachfolger Heinrichs II. die reiche Ausstat­ tung Bambergs mit Reichs- und Hausgut mit anderen Augen sahen als dieser. Die Schenkungen ließen gewaltig nach und auch politisch steht der Bischof wieder mehr im Hintergrund. Allein die Gesamtbestätigung des Bistums durch Konrad II. hat 10 Jahre auf sich warten lassen431). Diese Stimmung wußten die Bergener Nonnen zu nutzen. Obwohl bereits 1025 Januar 12 zu Korvey die Schenkung der Abtei an Bamberg durch Konrad bestätigt worden war 432), erhalten die zu Ber­ gen 1028 August 1 433) von Konrad eine Gesamtbestätigung ihres Klo­ sterbesitzes und darüber hinaus als Schenkung das Gut Irsching 434). In seiner Konfirmationsurkunde bestätigt der Kaiser die von Otto II. zum Zwecke der Klostergründung an Wiltrud zurückgegebenen Güter im Sualafeld, Nordgau und Sulzgau, die Besitzrechte der Äbtissin an die­ sen Gütern und im Anschluß an die Schenkungsurkunde Heinrichs II. für Dollnstein 435) nunmehr auch das Einsetzungsrecht für den Vogt (advocatus supponendi) 436). Hier war es dem Kloster gelungen, sich gegen den Willen des Eigenklosterherrn privilegieren zu lassen 437). Diese Privilegierung bedeutet — auch ohne die später interpolierten Zusätze — nichts mehr und nichts minder als eine Betonung der ehe­ maligen Reichszugehörigkeit 438). Ihre Formel „eo quoque tenore, ut prefati monasterii abbatisse liberam dehinc habeant potestatem antedictüm predium tenendi, possidendi, colendi, edificandi, advocatum supponendi vel quicquid sibi de hiis omnibus placuerit faciendi“ läßt 198

sich nicht mit dem Status eines Eigenklosters vereinbaren 439). So be­ deutsam diese Urkunde nun an sich ist, so dürfte sie doch kaum allzu­ große praktische Bedeutung gewonnen haben. Mit der 1034 erfolgten Gesamtbestätigung des Bistums 44°) war jene Urkunde wohl formal auf­ gehoben und Bischof Hartwig (1047—1053), wie Bischof Günther (1057 bis 1065) erscheinen wieder als Eigenklosterherren von Bergen. Gerade aber das scharfe Eingreifen Günthers in Bergener Belange ist für die Klosterfrauen neuer Anlaß, nach der Wiedererringung der alten Freiheit zu streben. Die Absetzung der Äbtissin durch ihn wird für die gemaßregelte Äbtissin Anlaß zur Klage bei der Kaiserinwitwe Agnes und ihre Klagen verwandeln die Gunst, die diese bisher Günther erwiesen hatte, in Haß 441). Man hat sich noch keine Gedanken darüber gemacht, welche Gründe wohl Agnes veranlaßt haben, auf die Klagen dieser gewiß nicht schuldlosen Äbtissin ihren Günstling fallen zu las­ sen. Es ist möglich, daß es irgendwelche verwandtschaftlichen Bande waren, die die beiden Frauen miteinander verbanden. Doch ebenso waren die von Konrad II. bestätigten Rechte wohl eines der wichtig­ sten Argumente, mit denen operiert wurde. Die Bamberger Dom­ kanoniker vermuten so bestimmt nicht falsch, wenn sie ihrem Bischof schreiben, daß seine Herrin ihn zwingen wolle, die Abtei zurück­ zugeben 442). Wiederum kann es sich aber nur um eine vorübergehende Erscheinung handeln 443). Wenn auch in der Reform Eberhards II. von Bamberg (1146—1170) und in seiner Begabung der Äbtissin mit der weltlichen Gewalt und Rechtigung noch einmal die Bamberger Eigenklosterrechte zum Aus­ druck kommen 444), so tritt doch schon wenige Jahre später ein Ereignis ein, das zeigt, daß diese Rechte doch schon eine recht bedenkliche Ein­ schränkung erfahren haben. Hier werden den Bamberger Bestrebungen die Kaiser Friedrichs I. entgegengesetzt, die darauf hinausgehen, die Reichskirchenidee wieder zu beleben 445). So wie sich der Kaiser im Jahre 1156 ganz entschieden gegen die Bamberger Eigenklosterrechte an Kitzingen wendet 446), so läßt sich dieses Zurückgreifen auf die alte Reichsunmittelbarkeit auch im Falle Bergens feststellen. Nach der Be­ lehnung der neuen Äbtissin durch den Bamberger Bischof (1156) wird im Jahre 1163 der Sicolinus vom Hohenstein durch die gleiche Äbtissin, im Einverständnis mit dem Kaiser, zum Vogt über des Klosters Eigen in der Hersbrucker Gegend erwählt 447). Diese Wahl muß schon eine entscheidende Bedeutung für das Kloster gehabt haben, wenn sie als einzige in der Chronik vermerkt ist und sogar der Name des Vogtes erwähnt wird, ja man sogar später sich immer wieder auf diese Wahl beruft. Auch der Bericht des Bischofs Berchtold von Eichstätt über den Status des Klosters von 1359, der die Unterlage für das große Karls­ privileg von 1359 wurde 448), berichtet von dieser Wahl. Ein urkund­ licher Niederschlag dieses Vorganges fehlt, doch kann das Datum durch das Itinerar Barbarossas als gesichert gelten 449). Wenn es sich auch bei der Wahl des Sicolinus von Hohenstein nur um einen Untervogt han­ delt 45°), so bedeutet doch die Wahl dieses Vogtes durch das Kloster und das Eingreifen Barbarossas, daß die Bamberger Eigenklosterrechte nicht mehr allzu stark gewesen sein können. 199

Die Hoch-Vogtei über die Bergener Güter um Hersbruck geht erst 1174 aus den Händen der Grafen von Sulzbach, die u. a. auch die Yogtei Hersbruck als Bamberger Kirchenlehen in Händen hatten, in die der Staufer über451). Die Verwaltung dieser staufischen Erwerbungen durch die erweiterte Reichsgüterverwaltung in Nürnberg 452) gab dann Anlaß für die Revindikationen Adolfs von Nassau und Albrechts 453). Die wei­ teren Schicksale der Yogtei Hersbruck als Yogtei über die Propstei­ güter wurden bereits auf gezeigt 454). Nach der Rückkehr der Vogtei an Herzog Rudolf von Baiern bleibt sie bei den Wittelsbachern, bis sie 1504 zum Territorium der Reichsstadt Nürnberg kommt. Eine vor­ übergehende, für unsere Quellenlage aber wichtige Ausnahme ist die Zeit von 1353—1373, da sich diese Yogtei in den Händen Karls IY. als König von Böhmen befindet. Es ist eine äußerst wechselvolle Entwicklung, die hier in Kürze skizziert werden konnte. Das Kloster wird als freie, reichsunmittelbare Abtei gegründet und bald nach der Gründung mit päpstlichem Vogt­ wahlprivileg bedacht. Nachdem Heinrich II. diesen Status in der Schen­ kung von Dollnstein anerkannt hatte, schenkt er doch diese Abtei dem Bistum Bamberg. Damit gehen auch die Rechte über die Wahl des Vogtes an Bamberg über. Das verhindert jedoch nicht die Bestätigung der alten Rechte durch Konrad II. Trotz mehrmaliger Versuche des Klosters, die Eigenklosterherrschaft mit Hilfe der Reichsgewalt abzu­ schütteln, setzten sich die bischöflichen Ansprüche immer wieder durch, bis schließlich die Vogtei über die Hersbrucker Klostergüter durch Barbarossa endgültig von Bamberg gelöst wird. Mehr und mehr ver­ wischt sich dann diese vogteiliche mit der territorialen Gewalt, bis dann 1529 Grundherrschaft und Vogtei in Nürnberger Hand vereinigt sind und vollständig im Territorium der Reichsstadt Nürnberg aufgehen.

2. Der Charakter der Vogtei Hersbruck a) im h o h e ü M i 11 e 1 a 11 e r Zwei Träger der Vogtei Hersbruck treten im hohen Mittelalter her­ vor, das Bistum Bamberg und das Haus der Staufer. Der Wechsel erfolgt durch den Vertrag von 1174, der zwischen Bischof Hermann II. von Bamberg und Kaiser Friedrich I. abgeschlossen wird. Er trägt den Charakter eines Erbschaftsvertrages, denn der Bischof verspricht nach dem Aussterben der Grafen von Sulzbach die Söhne des Kaisers in die Lehen dieser Grafen einzusetzen. Zu diesen Lehen „von Amberg bis Bamberg“ gehört, wie sich noch zeigen wird, auch die Vogtei Hers­ bruck. Die Grafen von Sulzbach waren also bis 1188, dem Jahr, da ihr letzter Sproß — Graf Gebhard — starb, die Bamberger Vögte über des Klosters Bergen Leute und Güter innerhalb der Vogted Hersbruck 455). Die große Bedeutung, die den Grafen von Sulzbach als Vögten der Bamberger Kirche für die deutsche Verfassungsgeschichte zukommt, hat bereits durch Ernst Klebe! eine eingehende Würdigung erfahren 456). Es erübrigt sich demnach für uns, auf diese Fragen noch näher einzu­ gehen. Hier soll nur untersucht werden, wie ihr Verhältnis zur Vogtei

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Hersbruck und damit zum Kloster Bergen und seiner Hersbrucker Vogtei ist. Für die Zeit, da die Grafen von Sulzbach Vögte über Hers­ brucker Klostergut waren, steht uns allerdings nur eine Quelle zur Verfügung. Bei einem Austausch von Zinshörigen zwischen dem Bischof von Bamberg und der Äbtissin von Hersbruck (!) handelt Berengar II. von Sulzbach als Bamberger Vogt 457). Nicht viel besser ist es mit den Staufern als Inhabern der Vogtei Hersbruck bestellt! Hier müssen wir uns wieder auf den Bericht Bischof Berchtolds von Eichstätt von 1359 stützen 458), wo es heißt, daß nach der Wahl des Sicolinus von Hohenstein und seiner Nachfolger — als Unter­ vögten der Sulzbacher — der jeweilige „judex provincialis seu putiglarius regni“ Vogt über der Äbtissin Gut zu Hohenstein und Hers­ bruck gewesen sei. Hierin bestätigt sich einmal die Annahme von Guttenbergs 459), daß die von Barbarossa erworbenen Bamberger Truch­ sessenlehen spätestens zu Beginn des 13. Jahrhunderts — soweit es sich um Nordgaugüter handelt — der erweiterten Reichsgüterverwaltung zu Nürnberg unterstanden haben. Der von Berchtold auch dann wieder für die Zeit König Albrechts als Vogt über die Hersbrucker Kloster­ güter genannte Landrichter oder Butigler war kein anderer als der auf der Reichsburg zu Nürnberg. Andererseits aber sehen wir auch, daß es sich demnach bei den auf dem Hohenstein gesessenen Vögten nur um Untervögte gehandelt haben kann 46°). Der durch Bar­ barossa 1163 eingesetzte Sicolinus von Hohenstein kann nur ein Unter­ vogt der Grafen von Sulzbach gewesen sein. Mit dem Vertrag von 1174 und dem Aussterben der Sulzbacher im Jahre 1188 aber wird das Haus der Staufer Inhaber der Vogtei. Sie üben diese Vogtei nicht selbst aus, geben sie auch nicht zu Lehen aus, sondern lassen sie vom Nürnberger Reichsbeamten, dem Butigler, als ihrem Vertreter, verwalten. Unter­ vögte blieben auch zu dieser Zeit die Hohensteiner 481). Tieferen Einblick in die Struktur der Vogtei Hersbruck in der Stauferzeit und rückwirkend wohl auch für die Zeit der Sulzbacher Vögte, erhalten wir erst zu dem Zeitpunkt, da nach dem Tode Konr ad ins von Hohenstaufen die Bamberger Truchsessenlehen an die Wit­ telsbacher übergehen. Schon 1266 Oktober 24 verpfändet Konradin seinem Oheim Herzog Ludwig dem Strengen von Baiern die Bamberger Kirchenlehen und den sonstigen Hausbesitz auf dem Nordgau, d. h. auch die Burg Hohenstein mit der Vogtei Hersbruck 482). Nach Konradins Tod belehnt Bischof Berthold von Bamberg den Herzog Ludwig mit dem Obertruchsessenamt und zwar mit allen Rechten, wie sie Kaiser Friedrich II. zur Zeit Bischof Eckberts besaß 463). In der Be­ lehnungsurkunde werden ausdrücklich als Zugehörungen die Burg Hohenstein und die Vogtei Hersbruck genannt. Bald nach dieser Be­ lehnung schenkt uns die ausgezeichnete Verwaltungstätigkeit der Wit­ telsbacher eine äußerst wichtige Quelle für unsere Vogteiprobleme in der Gestalt des „Urbarium ducatus Baiuwariae posterius“ 464) mit seinem Abschnitt „Redditus proprietatum et bonorum advocalium in officio Hohenstein“ 465). Die Bezeichnung Amt Hohenstein kommt hier gleich dem Begriff Vogtei Hersbruck, nur daß hier das 201

Amt nach dem Sitz des Vogtes benannt wird; spater erscheinen aller­ dings auch manchmal Vogtei Hohenstein und Vogtei Hersbruck ge­ trennt. Die Zusammensetzung der Zugehörungen des Amtes Hohenstein im baierischen Urbar zeigt deutlich, daß hier die um den zentralen Mittelpunkt Hersbruck gelagerten Güter behandelt werden. Die dort verzeichneten Abgaben tragen fast ausschließlich vogteilichen Charakter, mit Ausnahme des Hohenstein und seiner nächsten Zugehörungen als Vogtsitz. Nach der Aufzählung dieser Hohensteiner Zugehörungen be­ ginnt das Urbar ausdrücklich mit „item advocatia in Irngershoven (Lieritzhofen)“ 466). Ein Vergleich mit unserm, fast zur gleichen Zeit entstandenen Klosterurbar zeigt, daß der größte Teil dieser im Her­ zogsurbar erwähnten Güter zur Grundherrschaft des Klosters Bergen gehört hat und daß es sich keineswegs um eine Verwischung von Grund- und Vogteirechten handeln kann 467). Die unter den einzelnen Gütern verzeichneten Abgaben von wenigen Sumern Getreide (1—3 je Gut), einigen Käsen (1—6) und von durchweg 1 den. plus 1 obolus je Zugehörung lassen doch keinesfalls auf grundherrliche Abgaben schließen. Wir brauchen damit nur unser Urbar zu vergleichen! Es handelt sich hier nur um die vogteilichen Abgaben — das sog. Vogt­ recht — wie sie auch in den späteren Salbücliern und Urkunden wieder erscheinen. Neben diesen Vogtrechten, die jede Zugehörung zu leisten hat. führt das Urbar im Amt Hohenstein auch noch eine besondere Abgabe an: „Item in foro Haedrichsprucke de granario dom ine abbatisse in Pergen dritici 6 modios, siliginis 2 modios, avene 32 modios, porcos 12“ 468), Eine spätere Urkunde von 1357 März 10 469), wo die gleiche Abgabe in ganz geringer Abwandlung als Abgabe für Schutz und Schirm be­ zeichnet wird, läßt erkennen, daß auch in der Vogtei Hersbruck schon im 13. Jahrhundert Schutz und Schirm ein wichtiger Bestand­ teil der vogteilichen Gewalt ist. Worüber uns das Urbar Ludwigs des Strengen keinen Aufschluß gibt, das ist die vogteiliche Gerichtsbarkeit. Die Annahme Klebeis. daß die Grafen von Sulzbacli keine Grafschaft hatten, daß sie den Titel ihrem Urahn Berengar und ihre Stellung nur der Vogtei über das Bamberger Kirchengut dankten und davon auch ihre Blutgerichtsbarkeit herleiteten 470), ist mehrmals abgelehnt worden471). Für diese Fragen läßt sich aus unseren Quellen bedauerlicherweise nicht viel erschließen. Nur eines ist möglich, und das ist die Widerlegung des Klebelschen Hauptbeweises, wonach erst durch Karl IV. das Land­ gericht Sulzbach begründet wurde 472). Es ist eine vidimierte Urkunde von 1306 November 10 473), laut der Dietrich von Wildenstein. Herzog Rudolfs Vitztum, der Äbtissin Adelheid von Bergen einen Gerichtsbrief über den Schutz ihrer Hersbrucker Güter ausstellt. Diese Urkunde ist nach dem Wortlaut des Vidimus zu Sulzbach ausgestellt worden und mit dem Siegel des dortigen Landgerichts versehen gewesen! Klebel betrachtet nun zwar das Landgericht nicht immer als Nachfolger des Grafschaftsgerichtes 474), doch besteht wohl kein triftiger Grund, diese Nachfolge im Falle Sulzbach abzulehnen, zumal eine Urkunde von 1359 April 26 gerade im Falle Sulzbach Grafschaft und Landgericht in 202

enge Verbindung bringt 475): Die vier offenen Dingstätten an der Luchsenbruck, an der Kasberger Linde, zu der Roßlauben und an der Schnaittachbrücke 476), die hier ausdrücklich als Zugehörung der „grafeschaft und des lantgerichtes zu Sultzbach“ genannt werden, sowie die Bezeichnung der Kompetenzen dieses Landgerichts als „von alter dareinbegriffen“ erwecken keineswegs den Eindruck einer Neugrün­ dung 477), zumal diese offenen Dingstätten zur Zeit Karls IV. gerade selten mehr benutzt wurden. Volkolt von Tann, als Karls Landrichter zu Sulzbach, urteilt meist — außer zu Sulzbach selbst — auf den Land­ schrannen zu Hersbruck und Lauf, wie die Gerichtsbriefe zeigen 478). Die Gerichtsbarkeit der Vögte von Hersbruck dürfte sich also wohl nur auf die eigentliche vogteiliche Gerichtsbarkeit beschränkt haben. Ihre Blutgerichtsbarkeit rührt davon her, daß die Grafen von Sulzbach und ihre Nachfolger gleichzeitig auch im Besitz des Landgerichts Sulzbach waren 479). Wir können festhalten. daß schon im Hochmittelalter die Vogtei Hersbruck eine Untervogtei innerhalb der von den Grafen von Sulz­ bach und dann von den Staufern ausgeübten Vogtei über Bamberger Kirchenlehen im Nordgau war, daß sich diese Vogtei schon im 13. Jahr­ hundert als Schutzvogtei erkennen läßt und daß sich die Blutgerichts­ barkeit, die die Hoch-Vögte ausiiben, nur von der Vereinigung von Grafschafts- und Vogtgewalt in den Händen der Sulzbacher ab­ leiten läßt. b) im späteren Mittelalter Genaueren Einblick in die Struktur der Vogtei Hersbruck erhalten wir erst im späteren Mittelalter. Abgesehen von den Wittelsbacher Urbaren, die wir schon für die Stauferzeit heranziehen konnten 480), können wir uns nunmehr auch auf das sogenannte „Nürnberger Salbüchlein“, das um 1300 auf der Reichslandvogtei Nürnberg entstanden ist481), wie auf das sogenannte „Neuböhmische Salbuch“, angelegt zwi­ schen 1366/68 für die neuböhmischen Gebiete in der Oberpfalz 482), stützen. Darüber hinaus geben uns die Urkunden der Propstei Hers­ bruck und des Klosters Bergen reicheren Aufschluß. Die Verträge von 1353 Oktober 29, durch die Karl IV. u. a. auch die Vogtei Hersbruck erwirbt 483), sind von entscheidender Bedeutung für das Kloster Bergen und besonders für seine Propstei Hersbruck. An die Person des Königs von Böhmen knüpfte sich nun die Hoffnung der Klosterfrauen, daß doch nun endlich einmal Ordnung geschaffen werde und dem Treiben derer, denen die Vogtei über Hersbrucker Klostergüter verpfändet war, wie auch dem der beamteten Unter-Vögte selbst, Ein­ halt geboten werde 484). Gerade diese Zeit, da Karl als Inhaber der Vogtei über Hersbruck bemüht war, Ordnung zu schaffen, gibt uns mit ihren Urkunden und Privilegien den besten Einblick in den Charakter der Vogtei Hersbruck 485). Während die Wittelsbacher beim Erwerb der Bamberger Truch­ sessenlehen sich noch vom Bischof von Bamberg belehnen lassen 486) 203

ihm! damit auch noch das Bamberger Lehensrecht über die Vogtei Hersbruck ausgedrückt wird, ist bei der Erwerbung durch Karl IV. 487) von einer solchen Belehnung nicht mehr die Rede. Nun darf man aller­ dings nicht annehmen, daß der Grund darin zu suchen sei, daß unter den Wittelsbachern diese Bamberger Lehen als durchaus baierisch behandelt worden sind 488) und deshalb Bamberg beim Erwerb aus­ geschaltet worden ist. Die Einziehung zum Reich auf Grund der vor­ herigen Zugehörigkeit zum staufischen Haus durch König Albrecht und Adolf ist es, die hier noch nachwirkt 489). So werden anläßlich des Ver­ tragsabschlusses zwischen Karl IV. und den beiden Rupprechten auch eine Reihe von Sonderurkunden ausgestellt, deren Inhalt sich auf die (wiedererstandene) Reich slehnbarkeit der Städte (Vogtei) Hersbruck, Auerbach, Velden und der Veste Hohenstein beziehen. Die Verkäufer fordern Karl auf, diese stets zu rechtem Lehen zu halten vom Reich und verlangen einen diesbezüglichen Revers 49°). Auch der Consens der Kurfürsten von Mainz, Köln und Trier muß eingeholt werden491). In anderen Fällen dagegen wird wohl der Bamberger Rechte gedacht! So bitten die beiden Rupprechte den Bischof von Bam­ berg den Veldener Forst der Krone Böhmen zu rechtem Lehen zu leihen 492) und in einem anderen Falle teilt Bischof Lupolt den Schenken von Reicheneck mit, daß er ihre Veste, die ja inmitten des Gebietes der Vogtei Hersbruck lag, dem König Karl zu rechtem Lehen geliehen habe 493). Wir sehen also, daß aus der Vogtei über Bamberger Kirchen­ güter auf dem Umweg über staufisches Hausgut eine reichslehnbare Vogtei Hersbruck geworden ist. Durch die Stellung Karls IV. als böhmi­ scher König und deutscher Kaiser ist diese lehensrechtliche Stellung des Reichs dann wieder ausgeschaltet worden und die Ämter Hers­ bruck, Hohenstein usw. gelten fortan als böhmisches Lehen 494).

Die Rechtsstellung der Vögte mag zeitlich und örtlich verschieden sein, eines bleibt der Vogtei auch dann, wenn einzelne Abgaben oder Aufgaben aus irgendwelchen Gründen wegfallen mögen, der Schutz und Schirm 495). Diese Bedeutung von Schutz und Schirm 496) ist auch aus den Privilegien Karls IV. deutlich zu erkennen. In dem von 1357 März 10 497) steht an vorderster Stelle, daß der Kaiser das Kloster Bergen und seine Leute und Güter in seiner Vogtei Hersbruck, die er jetzt innehat, in Versprechnis, Schutz und Schirm nimmt. Mehrmals fordert auch Karls Landrichter zu Sulzbach in seinen Gerichtsbriefen 498) die Amtleute des Kaisers auf, die Äbtissin in ihren Gütern zu schützen. Nicht anders ist es in dem großen Privileg von 1359 November 194"), wo ebenfalls Versprechnis, Schutz und Schirm die erste Stelle einnehmen und gleichsam die Voraussetzung bilden für die Verleihung der anderen Rechte und Gnaden. Dieser Schutz und Schirm darf aber nicht als einseitig betrachtet werden, es ist, wie es schon bei der Grundherrschaft näher ausgeführt wurde 50°), ein gegenseitiges Verhältnis zwischen Vogt und Vogt-, holden501). Das zeigen die im Zusammenhang mit Schutz und Schirm angeführten Quellen in ihrem Zusatz der Versprechnis zu Schutz und Schirm.

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Steuer, Fron und Reis (Raiß), als Leistung dem Schutzherrn gegenüber, spiegeln ebenfalls die Gegenleistung der Holden wieder. Als Abgabe für Schutz und Schirm gilt die bereits erwähnte 502) und vom Kasten der Äbtissin zu leistende gesatzte Steuer von 6 Scheffeln Weizen, 2 Scheffeln Roggen und 32 Scheffeln Hafer, sowie 12 Vogt­ schweinen. Sie erscheint auch wieder im Nürnberger Salbüchlein50S) und ebenso in den beiden Privilegien Karls von 1357 und 1359. Daneben wurde aber ursprünglich auch noch die ungesatzte Steuer erhoben (Bede). Hier ist Karl IV. das Verdienst einzuräumen, daß er diese in eine gesatzte umwandelte. So soll dafür, daß auf des Klosters Leute und Güter in der Vogtei Hersbruck „kein bote (Bede), Steuer, gäbe, recht gewohnheit oder beschwerung“ gelegt wird, von den Kloster­ frauen jährlich 50 lb. hl. auf die Bauern umgelegt und ins Amt Hers­ bruck gereicht werden 504). Aus den beiden Privilegien erhalten wir jedoch keine Antwort auf die Frage nach Fron- und Kriegsdienst. Otto Brunner läßt wohl offen, daß die Vögte im Laufe der Zeit auch auf eines oder das andere dieser Rechte Verzicht leisten konnten 505), doch können wir uns hier nicht damit zufrieden geben. Fronleistungen als sogenanntes Scharwerk finden wir später noch in der Nähe der Burgen Hohenstein 506) und Reicheneck 507). Ihre Abschaffung spielt auch bei den Forderungen der Bauern zur Zeit des Bauernkrieges eine Rolle 508), Aber auch schon früher, eben in der Zeit der Auseinandersetzung zwischen Kloster und Schenken von Reicheneck unter der Vogtei Karls IV., erwähnt der Schiedsspruch des Arnold von Seckendorf von 1359 Januar 25 509) die übermäßigen Fronforderungen der Schenken von den propsteiisdhen Bauern. Und es ist eine der wenigen positiven Ent­ scheidungen dieses Schiedsspruches, daß jene Fronleistungen durchweg herabgesetzt werden. So soll pro Hufe ein Tag mit Wagen oder Pflug gedient werden und zwar so, daß der Mann am gleichen Tage wieder zurückkehrt; halbe Hufen tun nur den halben Dienst. Außerdem soll jede Hufe ein „mensch“ (== Frau?) dem Vogtherrn leihen, der (die) Dienst tut. Über Raiß und Folge jedoch hören wir nur aus dem 16. Jahr­ hundert etwas. Aus einem Bericht von 1529 an den Rat zu Nürnberg510) erfahren wir, daß die Propstei zwei Pferde für die Obrigkeit zu halten hatte. Diese Verpflichtung war zwar zeitweilig „aus guten willen“ er­ lassen worden, doch war man in den unruhigen Zeiten wieder darauf zurückgekommen und als der Hersbrucker Pfleger Jörg Hüttenbeck seinerzeit in Schnaittach einfiel, da mußte ihm der Propst mit zwei Pferden dienen und den Eingriff helfen vollziehen 511). Hier wird noch einmal deutlich ausgesprochen, daß die Propstei der Obrigkeit neben der Schutzgült aller gemeinen Bürden, wie Steuer, Raiß und Fron ohne Widersprechen schuldig ist512). Neben Schutz und Schirm des Vogtes und neben den Gegenleistungen der Bevogteten in Steuer, Fron und Raiß besteht aber die andere wichtige Funktion der Vogtei: sie ist Rechtsinstitut. Und hier geht es um das Verhältnis des Vogtes zur Gerichtsbarkeit51S). Das Vogtrecht, das von jedem vogtbaren Gut zu leisten ist, kennzeichnet Alfons ,

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Dopsdi in seiner ursprünglichen Bedeutung als Abgabe für das dreimal jährlich stattfindende Vogtding 514). Gibt das Vorhandensein des Vogtrechtes zur Zeit Karls IV.515) auch über eine solche vogteiliche Gerichts­ barkeit Aufschluß, so können wir doch daraus keinesfalls die Art dieser Gerichtsbarkeit, d. h. ihre äußere und innere Abgrenzung ersehen. Weistümer oder gar ein vollständiges Hof recht, wie wir es in dem des Bamberger Eigenklosters Osterhofen finden516), stehen uns hier zur Beantwortung dieser Fragen nicht zur Verfügung. Das Hof recht von Osterhofen, als bedeutende Quelle für die baierischen Immunitätsver­ hältnisse 517), gibt Wohlhaupter in Ermangelung anderer klarer Zeug­ nisse Anlaß, auch für Baiern von der „Sühnehochgerichtsbarkeit“ des Vogtes zu sprechen und von dieser ein externes hochgerichtliches Blut­ gericht zu scheiden518). Gelingt es uns, dies auch im Falle der Bergener Propstei Hersbruck nachzuweisen, so können wir das Beispiel Oster­ hofens durch ein weiteres vermehren und damit auch die von Hirsch bereits angedeutete, von Wohlhaupter mit größter Bestimmtheit ver­ tretene 519), leider bis jetzt noch zu wenig hervor gehobene Drei­ teilung der Gerichtsbarkeit 52°), durch ein Beispiel aus dem nörd­ lichsten Teil des alten Baiern, dem Nordgau, stützen. Eine Schwierig­ keit haben wir dabei von vorneherein ins Auge zu fassen, nämlich, daß seit etwa der Zeit, da die Vogtei in den Händen der Staufer war, Territorialgewalt und Vogtgewalt in einer Hand vereinigt sind521), so daß Landgericht und Vogtgericht in ihren Kompetenzen leicht verwischt sein können. Das große Privileg von 1359 522) muß mit seinen eingehenden Be­ stimmungen über die gerichtlichen Verhältnisse Ausgangspunkt und Basis für unsere Untersuchung sein. „Auch sol nyemant dhein aptissin des obgenannten closters zu Pergen ir amptleut, diener oder hindersezzen die uf desselben closters aygen sitzen, wo daz gelegen sey, umb dheinerley schulde oder mistat, wo oder wie sie die begangen haben, auch umb wunden oder umb todsleg, in dem markte zu Herspruk verbieten, ufhalden oder bekumern mit gerichte oder on gericht in dheine weise, weder an leip oder an gut, on allein umb sulche schulde und missetat die sie doselbst in dem markte zu Herspruck machen oder tun. darum sullen sie tun und leiden als doselbist recht ist. Ouch sol ein itlich aptissin des obgenannten closters oder ir amptman umb alle ire leut und gut, die in der egenannten gegend umb Herspruk in unserer vogtei gelegen sint, oder waz desselben closters leut und gut antriffet, selber richten, umb welcherlei geschickte oder Sache daz kumpt, wenn und wie sie wellen und ires gerichtes auch selben geweldig sein, auzgenumen des halsgerichtes daz wir uns, unsern erben unde nachkumen die Herspruk in tzeiten innehaben werden, selber bewalten und ouch daz unser amptman zu Herspruck oder zu Hohenstein die dreu ehafte gerichte alle jar so bey einer aptissin von Pergen oder irem amptman uf dem closterhof zu Hers­ pruk an dem gerichte sitzen und die aptissin, iren amptman und die uf daz gerichte kamen, getreulich schützen und schirmen und dorumb 206

sullen demselben unseren amptman der dritte pfennig der wandel werden, die des tagez gevallen. Es sol ouch niemant des closters leut oder gut für dhein ander gerichte laden, denn für die aptissin oder iren amptman. auch sol niemant keynen butel setzen der uf dez closters gut reute, mit dheinerlei rechte oder gewalt, denn die aptissin oder ir amptman.“ Es steht nach dem Inhalt dieses Privilegs von vorneherein fest, daß das Kloster in seiner Propstei Immunitätsgerichtsbarkeit besitzt, wie ja bereits dargelegt wurde 523). Dieser Immunität wird ebenfalls klar und eindeutig das herrschaftliche Halsgericht gegenübergestellt. Die Kompetenzabgrenzung wird zwar berührt, dadurch daß dem Kloster alle Gerichtsbarkeit mit Ausnahme des Halsgerichtes zugestanden wird, doch erhellt dadurch nicht ohne weiteres, was der Begriff Hals­ gericht hinsichtlich der Kompetenz ausdrückt. Es handelt sich ohne Zweifel beim Hals-Gericht um das landesherrliche Blutgericht 524). Doch was macht diese Blutgerichtsbarkeit des Landesherrn als Hoch­ richter aus? Hirsch meint, daß man etwa schwere Körperverletzung und Totschlag dem Hochrichter zuteilen könne 525). Nach dem Hof­ markenprivileg von 1330 für 18 baierische Klöster werden die drei Sachen, die zum Tode ziehen, mit Diebstahl, Notzucht und Totschlag bezeichnet 526). Es fragt sich nun, ob diese Formel von den drei Sachen auch in unserem Falle der Halsgerichtsbarkeit entspricht. Wenn wir zunächst wieder einmal etwas weiter ausholen, so finden wir in dem schon herangezogenen Bericht von 1529527) ausgedrückt, daß vor die Obrigkeit geheißen wurde, was unter den Begriff „F r a i ß und Frevel“ fällt. Was bedeutet nun dieser Ausdruck? Die formelhafte deutsche Rechtssprache tut hier nichts anderes als zwei verschiedene Worte für die gleiche Bedeutung mit Stabreim zu verbinden (mhd. vreise = Frevel!), so daß also damit nichts anderes gemeint ist als die Frevelgerichtsbarkeit. In der Regel, vor allem später, ist auch der Ausdruck Fraiß allein gebräuchlich. Nach Dannenbauer 528) und Michel Hofmann 529) bedeutet Fraiß aber nichts anderes als die Halsgerichts­ barkeit. Nun weist aber schon Schnelbögl 53°) auf zwei Quellen hin, die zwischen Fraiß und Halsgerichtsbarkeit einen Unterschied machen. Diese sind für unsere Frage nach der Kompetenzabgrenzung so wichtig, daß wir sie nicht übergehen können. Es muß doch auffällig sein, wenn Nürnberg 1434 zu Lauf die Fraiß beansprucht, dem Läufer Amtmann, also dem baierischen Pfleger, aber das Halsgericht zugebilligt531). Noch deutlicher bringt diesen Unterschied die Urkunde von 1468 zum Aus­ druck532). Nach den dort protokollierten Zeugenaussagen haben die Herren zu Reichenschwand (bei Hersbruck) Gerichtsbarkeit über fließende Wunden, über Schlägereien inne und üben den Kirchweih­ schutz aus, während der Hersbrucker Pfleger über Totschlag, bzw. über alles was „hant und hals“ angeht zu richten hat. Diese Gerichtsbarkeit der Herren von Reichenschwand über fließende Wunden usw. wird als Fraiß bezeichnet und man macht einen genauen Unterschied zur Hals­ gerichtsbarkeit des Pflegers. In Wirklichkeit stand natürlich auch die 207

Fraiß-Gerichtsbarkeit dem Reichenschwand er nicht zu, sie war eben­ falls in der Hand des Pflegers 633). Diese Verbindung von Halsgericht und fraißlicher Obrigkeit wird auch in einer späteren Beschreibung des Hersbrucker Gerichtsbezirks zum Ausdruck gebracht. Sie können so zusammengefaßt ohne weiteres als „hohe Gerichtsbarkeit“ erscheinen. Ist nun aber im Falle der Propstei die fraißliche Gerichtsbarkeit •ebenfalls mit dem Halsgericht in der Hand des landesherrlichen Pflegers vereint? Nach außen gesehen ja! So schreibt ja Sigmund Groß, daß, Fraiß und Frevel vor die Obrigkeit geheißen wurden 534) und schon aus einem Salbuch von 1450 entnehmen wir, daß Halsgericht und Fraiß über die Propstei Hersbruck der Herrschaft gehören 535). Das ist wohl möglich in einer Zeit, da der Grundsatz gilt, daß jedes Kloster zu dem Territorium gehört, an welches seine Vogtei anfällt 536), und da Vogt und landesherrlicher Pfleger ein und dieselbe Person waren 537); doch muß sich, wenn schon in den Privilegien Karls IV. immer von seiner Vogtei über des Klosters Leute und Güter die Rede ist, auch noch irgendwie, neben der landesherrlichen Halsgerichtsbarkeit, wenig­ stens der Überrest einer Vogtgerichtsbarkeit erkennen lassen. Die teil­ weise Exemtion der Klosterleute von dem Gericht des Marktes Hers­ bruck bei Missetat, Wunden und Totschlag, läßt kaum annehmen, daß es sich nur um das Verbot von heimlichen Aussöhnungsverträgen oder ähnlichem handelt. Das Markt- bzw. Stadtgericht zu Hersbruck ist hier wie überall ja eine Verbindung von stadt- bzw. landesherrlicher Hoch­ gerichtsbarkeit und städtischer Niedergerichtsbarkeit 538). Und so be­ deutet dies eine Exemtion von der Gerichtsbarkeit des landesherrlichen Pflegers zu Hersbruck — unter ausdrücklicher Ausnahme des Hals­ gerichtes — und damit eine Abgrenzungsformel nach oben. Das heißt also, daß das Kloster Bergen in seiner Propstei Hersbruck die volle Gerichtsbarkeit „um welcherlei geschichte oder sache das kumpt“ mit Ausnahme des Blutgerichts des landesherrlichen Amtmanns besitzt. Das entspricht auch dem, was in andern Fällen für die Gerichtsbarkeit baierischer Klöster bereits festgestellt worden ist 539). Neben dieser Abgrenzung nach oben, läßt sich aber auch die nach unten herausschälen. Das „ehafte Gericht“ auf dem Klosterhof zu Hersbruck 54°), das ja auch in dem großen Privileg erscheint, ist das ausgesprochene klösterliche Niedergericht, das im Zuge der Ausein­ andersetzungen zwischen Vogt und Kloster dem klösterlichen Amtmann Vorbehalten worden war541). Dieser klösterliche Niederrichter ist in unserem Falle der Propst. Er hat um Erbe, um Eigen und um Lehen zu richten, wie seine Kompetenz in dem Gerichtsbrief des Hersbrucker Vogtes von 1343 542) umschrieben wird. Dabei hat allerdings der Vogt das Gericht zu schützen und bezieht dafür den dritten Teil der Gefälle. Auch im Privileg von 1359 wird von diesem Schutz gesprochen. Dieser Schutz ist darauf zurückzuführen, daß die Beteiligung des Vogtes am klösterlichen Niedergericht darin bestand, daß er der Versammlung der Gerichtsgenossen präsidierte, also Vorsitzender auch im Kloster­ gericht war 643). Hier dürfte es sich aber wohl mehr um eine Teilung des Vorsitzes zwischen Vogt und Propst gehandelt haben 544). Das spricht 208

auch aus dem, was die Klostervertreter anläßlich der Zwistigkeiten von 1499 Vorbringen, nämlich daß in den Fällen, da Propst und Vogt (bzw. Pfleger) ein und dieselbe Person waren, der Pfleger den Stab als Propst im ehaften Gericht gehalten hatte 545). Es war eben so, daß in der Propstei Vogt und Propst, der eine als Vertreter der höheren, der andere als Vertreter der niederen Gerichtsbarkeit, bei der Gerichts­ versammlung zugegen waren und abwechselnd den Vorsitz führten, je nach der Art der Fälle, die zu verhandeln waren 546). Gleichzeitig hatte natürlich der Vogt auch die Aufgabe, Schutz und Ordnung beim Gericht zu garantieren 547). Hier im Karlsprivileg hat das Kloster also noch seine volle Sühne­ gerichtsbarkeit, die durch Vogt und Niederrichter ausgeübt wird. Aller­ dings ist hier der Vogt schon gleichzeitig der herrschaftliche Pfleger und so ist es nicht verwunderlich, daß sich die Funktion des Vogtes mit der des Pflegers als Halsrichter immer enger verbunden und die Sühne­ gerichtsbarkeit des Klosters, die der Vogt zunächst noch auf dem Klosterhof ausübte, sich zum Halsgericht des Pflegers in die Stadt Hersbruck hinübergezogen hat. Die alte Zuständigkeit des Klosters in Fraißfällen, also der mittleren Vogtgerichtsbarkeit, läßt sich aber auch noch im 16. Jahrhundert deutlich erkennen, wenn Sigmund Groß 1529 berichtet, daß bei fraißlichen Händeln zuerst am Propsteigericht ge­ klagt werden mußte und dann erst an das Stadtgericht zur Aburteilung überwiesen werden konnte 548). Übriggeblieben ist außerdem die An­ wesenheit des Pflegers zum Schutz des ehaften Gerichtes auf dem Klosterhof. Wie wir sehen, besaß das Kloster Bergen in der Propstei Hersbruck die volle Sühnegerichtsbarkeit, die durch seinen Vogt ausgeübt wurde. Gegenüber dem Vogt aber saß der Propst als klöster­ licher Niederrichter auf dem ehaften Gericht auf dem Propsthof zu Hersbruck; über beiden aber stand das Halsgericht als Nachfolger des Landgerichtes 549). Wir erkennen also deutlich auch in unserm Falle eine Dreiteilung der Gerichtsbarkeit: die Blutgerichtsbarkeit in der Hand des Pflegers, die mittlere Gerichtsbarkeit als der sühne­ gerichtliche Teil des alten Hochgerichts — hier mit „Fraiß und Frevel“ bezeichnet — in der Hand des Klostervogtes und die niedere Gerichts­ barkeit in der des Klosterrichters, des Propstes. Die Propstei Hersbruck erscheint also als eine vollgültige H o f m a r k des Klosters Bergen 55°). Es läßt sich weiterhin erkennen, daß die Vogtei Hersbruck und damit die Vogtei über die Propstei Hersbruck nicht der allgemeinen landes­ herrlichen Schirmvogtei entspringt551), sondern daß umgekehrt hier der Besitz der Vogteirechte im vollen Umfang zur Landeshoheit geführt haben muß. Erst durch die vieldeutige und inhaltsreiche Vogteilichkeit ist die Blutgerichtsbarkeit zur vollen Landeshoheit ergänzt worden 552). Darüber hinaus haben wir mit Otto Brunner erkennen können, daß die Vogtei als das eigentliche dynamische Element der Verfassungsgeschichte nicht Rechtsinstitut allein ist 553). Auch in der Vogtei Hersbruck hat sich gezeigt, daß die Vogtei in starkem Maße „Schutzgewalt“, daß sie „Herr­ schaft“ ist. 14

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Abkürzungen A A’ AUF AZ B Briefb. Briefb. LPflA

= = = = == = =

BU I

=

BU II

=

den. Erben

= =

Fasz.

= = =

fl.

Gümbel

v. Guttenberg R. = Heidin gsfelder R. Heimat Hist. Jb. hl. Hruby HStA HZ JbFLF Jber. Mfr. jirecek Kirchenr. Abbdl. Kl. B. lb. Lo ebner

= = = = = = = = = = = = — =

MB MGH, DD MGH, SS MIÖG

— = = =

Mitt. Nbg.

=

MÖIG

=

MZ NA

= —

210

Kopialbuch A, St AN Rp. 59 Nr. 251. Kopialbuch A\ Studienseminar Neuburg, Archiv-Nr. 24. Archiv für Urkundenforscbung. Ardiivalische Zeitschrift. Kopialbuch B, StAN Rep. 59 Nr. 216. Briefbuch der Reichsstadt Nürnberg, StAN. Briefbuch des Landpflegamts der Reichsstadt Nürnberg, StAN. Urbarium Ducatus Baiuwariae Posterius, Amt Hohen­ stein, MB 36, 1 S. 347 ff. Urbarium Yicedominatus Lengenvelt, Amt Hohenstein, MB 36, 1 S. 631 ff. denarius, denarii. Erben, Ein oberpfälzisches Register aus der Zeit Kaiser Ludwigs des Bayern, München 1908. Faszikel. Gulden. Gümbel, Hersbrucker Stadturkunden 1297—1833, Sonder­ druck AZ 14. v. Guttenberg, Die Regesten der Bischöfe und des Dom­ kapitels von Bamberg. Heidingisfelder, Die Regesten der Bischöfe von Eichstätt. Heimat-Beilage zur Hersbrucker Zeitung. Historisches Jahrbuch. Heller. Hruby, Archivum Coronae Bohemiae, Pars II. Hauptstaatsarchiv München. Historische Zeitschrift. Jahrbuch für fränkische Landesforschung. Jahresberichte des Historischen Vereins für Mittelfranken Jirecek, Codex juris Bohemiae, Pars II, 1. Kirchenrechtliche Abhandlungen, hsg. v. U. Stutz. Kloster Bergen. Pfund Pfennige. Lochner, Briefe der Äbtissin Sabina im Kloster zum Heili­ gen Kreuz in Bergen an ihren Bruder Willibald Pirckheimer, Zeitschr. f. Histor. Theologie 36 (1866), S. 518 ff. Monumenta Boica. Monumenta Germaniae historica, Diplomata. Monumenta Germaniae historica, Scriptores. Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichts­ forschung. Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürn­ berg. Mitteilungen des österreichischen Instituts für Geschichts­ forschung. Monumenta Zollerana. Neues Archiv.

= Neuböhmisches Salbudi, HStA, Staatsverw. Nr. 1083. == Neuburger Collectaneenblätter. Neuburger Kopialbücher, HStA. Nürnberger Salbüdhlein = Druck: Küster, Das Reidisgut in den Jahren 1373—1313, Leipzig 1883, S. 100 ff. Ordinariatsardiiv Eichstätt. Ord. Eidist. Pelzei = Pelzel, Kaiser Karl IV., König von Böhmen, Bd. 2, Urkundenbuch, Prag 1781. = Pfennig, Pfennige. pfg Pflugk-Harttung = Acta pontificum Romanum, Pars II. Qu. u. Er. Y = Quellen und Erörterungen zur Bayerischen Geschichte, Band Y. — Regest, Regesten. R = Ratsbuch der Reichsstadt Nürnberg, StAN. Ratsbuch = Ratsverlässe der Reichsstadt Nürnberg, StAN. Ratsverl. = Regesta Boica. Regg. Boica = Regesta Imperii. Regg. Imp. = Die Regesten der Pfalzgrafen am Rhein. Regg. Pfalzgr. Reicke, Der Briefwechsel Willibald Pirckheimers, Reiche Bd. I = Humanistenbriefe Bd. IV. = Rheinische Landeswährung. Rh. = Repertorium. Rep. = Reichsstadt Nürnberg. Rst. Nbg. = Salbudi I, StAN Rep. 59 Nr. 49a. Sb.I = Salbudi II, ebenda Nr. 49. Sb. II — Salbudi III, ebenda Nr. 50. Sb. III Sb. IY Salbudi IY, ebenda Nr. 51. = Salbudi V, ebenda Nr. 54. Sb. Y ' = Salbudi VI, ebenda Nr. 59. Sb. YI = Sammelblatt des Histor. Vereins Eichstätt. Sbl. Eidist. =r solidus denariorum, solidi denarorum. sol. den. = Staatsarchiv Nürnberg. StAN = Staatsarchiv Neuburg. StANeub. = Stadtbibliothek Nürnberg. StBN Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benedik­ Stud. Mitt. tinerordens und seiner Zweige. = Schilling, Schillinge. fi = Urkunde, Urkunden. Urk. — Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz Yerh. Opf. und Regensburg. = Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgesch. VjSWG = Zeitschrift für bayerische Kirchengeschichte. ZBKG = Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte. ZBLG — Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins. ZGORh ZRG, Germ. Abt. = Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung. ZRG, Kan. Abt. = Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Kanonistische Abteilung. NBS Neub. Coli. Neub. K.B. NS

14’

211

Anmerkungen 1) 1542 wird im Gebiet Pfalz-Neuburg die Reformation eingeführt. 1544 flieht Eufemia mit 25 Nonnen nach Maria Stein. Im Zuge des Schmalkaldischen Krieges, in dem auch das Kloster selbst zerstört wird, wird das Gebiet rekatholisiert, um dann erst 1552 nochmals protestantisch zu werden. Vgl. hierzu vor allem I. G. Suttner im Eichstätter Pastoralblatt von 1860, Nr. 29—31. 2) Eine Zusammenstellung der Literatur bei Franz Romstöck, Die Klöster und Stifter der Diö­ zese Eichstätt, Sbl. Eichst. 30 (1915) S. 25 f, sowie Franz Xaver Büchner, Archivinventare der katholischen Pfarreien in der Diözese Eichstätt, München und Leipzig 1918 unter „Bergen“. Für die spätere Zeit ist noch heranzuziehen F. X. Büchner in Sbl. Bichst. 44 (1929) S. 32 f sowie einzelne Aufsätze in der Heimat-Beilage der Hersbrucker Zeitung (1925 ff). Eine Zusammenstellung der wichtigsten Literatur auch bei L. H. Cottineau, Repertoire Topo-Bibliographique des Abbayes, Bd. 1, 1939, Spalte 351/52. 3) Caspari Bruschii Chronologia Monasteriorum Germaniae illustrium, Druck: Nürnberg 1682, S. 349 ff. 4) ebenda S. 351. Katharina war nach dem Tode der nochmals zurückgerufenen Eufemia (1547 Dez. 6) Äbtissin bis zur zweiten Auflösung von 1552. 5) lohanne Mabillon, Annales Ordinis Sancti Benedicti, Tom. 3 (1706), S. 640. Joh. Heinrich von Falckenstein, Antiquitates Nordgaviae, 1733. W. Hundii Metropolis Salisburgensis, Tom. II, S. 100 ff. 6) Franz Martin Pelzel, Kaiser Karl IV., 2 Bde. Prag 1781. 7) ebenda, Band 2, S. 610 u. 659, Urkundenbuch Nr. 258, 259, 260., Nach einer Mitteilung des Staatsarchives Wien, ZI. 2577/50 vom 12. 12. 1950 sind die Pelzel’schen Vorlagen nicht auffindbar. 8) Georg Ernst Waldau, Diplomatische Geschichte und ausführliche Beschreibung der Nürnbergischen Landstadt Hersbruck, Nürnberg 1788 = Vermischte Beiträge z. Geschichte der Stadt Nürnberg, Bd. 3, 1788 S. 1 ff. 9) Diese im einzelnen anzuführen würde zu weit gehen. Sie behandeln nur die Beziehungen zwischen Bergen und Nürnberg und stützen sich dabei ausschließlich auf Brusch und Falckenstein. Im übrigen vgl. hierzu die Angaben bei Waldau S. 7 ff sowie eine Zusammenstellung dieser Lite­ ratur bei Andreas Würfel, Historische Nachrichten und diplomatische Nachrichten zur Erläuterung der nürnbergischen Stadt- und Adelsgeschichte, Band 2, 1766, S. 622 ff. 10) Die Edition in Hist, diplom. Norimbergensis, P. I, p. 4. 11) Waldau S. 7 f. 12) Antonius Nagel, Notitiae Origines Domus Boicae seculis X et XI illustrantes ex . . . et ex Codice Diplomatice Parthenonis Bergensis . . ., München 1804. 13) Collectaneen-Blatt für die Geschichte Bayerns, insbesondere für die Geschichte der Stadt Neuburg a. d. Donau und deren Umgegend, Jg. 1848, S. 77 ff. 14) Theodor Wilhelm Ulmer, Chronik der kgl. baierischen Stadt Hersbruck, Nürnberg 1872. 15) Kalender für katholische Christen auf das Jahr 1878, S. 106 ff. 18) Julius Sax, Die Bischöfe u. d. Reichsfürsten v. Eichstätt, 1884. 17) Joh. Nep. v. Reisach, Herzogtum Neuburg, 1780, S. 65 ff. 18) Franz Xaver Büchner, Das Bistum Eichstätt, 1. Band (1937) S. 92. 19) Erich Frh. v. Guttenberg, DieTerritorienbildung am Obermain, 79. Ber. d.Hist. Ver. Bamberg (1927) und ders., Die Regesten der Bischöfe und des Domkapitels zu Bamberg, 1932 ff. 20) Heinz Dannenbauer, Die Entstehung des Territoriums der Reichsstadt Nürnberg, Stutt­ gart 1928. 21) Karl Wild, Baiern und Böhmen, Verh. Opf. 88 (1938) S. 3 ff. 22) Franz Heidingsfelder, Die Regesten der Bischöfe von Eichstätt 1938 R 136. 23) Fritz Schnelbögl, Lauf-Schnaittach, Eine Heimatgeschichte, Lauf 1941. 24) Vgl. über diese Fragen: E. Reicke, DerBriefwechsel Willibald Pirckheimers, Band 1, München 1940, S. 340 Anm. 2; Heimat 1932, Nr. 3; Mitt. Nbg. 29 (1928) S. 423 f. 25) Vgl. Otto Brunner, Land und Herrschaft, 3. A./Brünn, München, Wien 1943, S. 187; Theodor Mayer, Fürsten und Staat, Weimar 1950, S. XIV; Heinz Lieberich in ZBLG 15 (1949) S. 133. 26) E. Frh. v. Guttenberg in JbFLF 3 (1937) S. 12; ZBLG 7 (1934) S. 167. 27) MGH. SS. 9, 772. 28) MGH. SS. 9, 566. 29) Heidingsfelder R. 136. 30) MGH. SS. 7, 258; Heidingsfelder R 136; vgl. a. M. Simon, Evang. Kirchengesch. Bayerns, 1. Bd. (1942) S. 85. 31) MGH, DKonr. II. Nr. 126. 32) Heidingsfelder R. 136. 33) 1028 Aug. 1, MGH, DKonr. II, Ur. 126. 34) A, fol. 7. 35) Ein Propst erscheint erstmals 1290, der Name „Propstei“ allerdings erst im 15. Jh. 36) Eine Untersuchung über die Richtigkeit dieser Angaben und über den Umfang dieser Güter s. u. S. 171 ff. Im 16. Jh. heißt es sogar, daß Wiltrud neben Bergen auch in Hersbruck ein Kloster gegründet habe. Letzteres soll für 24 Nonnen bestimmt gewesen sein, während Bergen nur 12 aufnehmen sollte (StBN, Pirckh. Nr. 547, 7). 37) Heidingsfelder R. 136. 38) Guttenberg R. 57.

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39) Über die rechtlichen Probleme s. u. S. 195 ff. 1050/51, Guttenberg R 252. 1060/61, Guttenberg R 518. Über die im Kloster herrschenden Zustände vgl. Guttenberg R 322. 4ia) v. Guttenberg R 322. 42) Erich Frh. v. Guttenberg, Die Territorienbildung am Obermain, 79. Bericht des Histori­ schen Vereins Bamberg, S. 115 f — künftig Guttenberg, Territorienbildung. 43) Über die Vorgänge vgl. v. Guttenberg, Territorienbildung S. 115 ff, v. Guttenberg R 352, 336, 341; auch u. S. 199. 44) Vgl. v. Guttenberg R 322, auch S. 199. 45) Winter 1065/66, v. Guttenberg R 385. 46) Vgl. auch Carl Erdmann im NA 49, S. 428 und v. Guttenberg R 385. 47) A, fol. 8. 48) Heidingsfelder R 269; F. X. Büchner, Das Bistum Eichstätt, Bd. 1, 1937, S. 92 — künftig: Büchner, Eichstätt. 49) Im Brief Hermanns wird auch von einem harten Urteil gesprochen, das sich der Eidistätter über die Strafe Günthers angemaßt hatte! 50) S. u. S. 26 f. 51) Guttenberg R 385; vgl. zu den Vorgängen: Siegfried Reicke, Zum Rechtsvorgang der Kl.sterverlegung im Ma., Kirchenr. Abhh. H. 117/118 (1938), S. 53 ff, bes. S. 102. 52) S. Anm. 48. 53) A, fol. 8. 54) Alois Hämmerle, Das Kloster Bergen (kunstgeschichtl.), Sbl. Eichstätt 21 (1906) S. 9. 55) A. fol. 8. 56) v. Guttenberg, Territorienbildung S. 185. 57) Das Protokoll stammt von 1519 (A, fol. 20). 58) Vielleicht ließe sich auch der Bau eines bischöflichen Hauses in Hersbruck durch Bischof Otto d. Hl. von Bamberg dazu in Beziehung bringen (MGH. SS. 12, 909)? 59) über die Person Gottfrieds vgl. Romuald Bauerreiß in Stud. Mitt. 52 (1934) S. 48 ff. 60) über die Person der Reginlindis (oder Relind) vgl. R. Bauerreiß in Stud. Mitt. 52 (1943) S. 41. In Admont waren vor allem Töchter des deutschen, besonders des bairischen Hochadels ver­ sammelt. B. bezeichnet Reginlindis als selbständige Reformäbtissin, die später nach Hohenburg berufen wurde. Von der Zwischenstation Bergen ist allerdings nichts erwähnt. 61) über diese Vorgänge vgl. A, fol. 8 ff. Bestätigt werden diese Nachtrichten durch die Continuatio Admuntensis (MGH. SS. 9, 582), wo es heißt „1156. Bergense cenobium per Admuntenses sub domina Regillinde abbatissa ad spiritualem ordinem reformatus“. Vgl. a. A. Brackmann, Germania Pontificia, Vol. 2, P. 1 (1923) S. 22 f; künftig: Brackmann, Germania Pont. 2, 1; Paul Wagner, Eberhard II., Phil. Diss. Halle 1876, der S. 35 die Zeit 1156/57 als Mußezeit im Reichsdienst bezeichnet, in der sich Eberhard den Geschäften seiner Diözese widmet, erwähnt dabei Bergen nicht. 62) Büchner, Eichstätt S. 90. 63) Heidingsfelder R 94; Büchner, Eichstätt S. 92. 64) A, fol. 10; R. Bauerreiß, Stud. Mitt. 52 (JJ934) S. 51. 65) Die Namen der „Congregatio religiosa temporibus Rilindis et Herradis abbatissae ... in Hohenburc“ im Hortus deliciarum der Herrad von Landsberg bezeugen dies. Vgl. hierzu W. Kraft in Nürnberger Hefte 1, 12 S. 9 ff und in Fundgrube, Beilage zur Läufer Zeitung Jg. 1535 S. 23 und 1950 S. 8. 66) A, fol. 10. 67) A, fol. 5; HStA, KI. B., Urk. Nr. 1, 1264 April 30; Nr. 3, 1274 Juni 13; Nr. 5, 1303 November 16; Nr. 6, 1303 November 17; Nr. 9, 1320 Oktober 15. 68) LIeidingsfelder R 1634 (1318 September 20) R 1672 (1321 Juni 5). 69) Der Diözesan setzt die Zahl der Konventualinnen auf höchstens 24 fest (Stud. Seminar Neuburg, Archiv-Nr. 25, Nr. 29 [Kopie]) und der Landesfürst beschränkt seine Steuerforderung mit jährlich 7 lb. Münchener Pfennige (HStA, Kl. B., Urk. Nr. 8). 70) Vgl. v. Guttenberg, Territorienbildung S. 185 f; ders. in Gau Bayerische Ostmark, hsg. v. Hans Sdierzer, München 1940, S. 261 — künftig: Bayer. Ostmark; Heinz Dannenbauer, Die Ent­ stehung des Territoriums der Reichsstadt Nürnberg, Stuttgart 1928 S. 33 — künftig: Dannenbauer, Nürnberg. 71) MB 36, 1 S. 347 ff; ebenda S. 631 ff; Wilhelm Küster, Das Reichsgut in den Jahren 1273— 1313, Jur. Diss. Leipzig, 183 S 98 ff — künftig: Küster, Reichsgut. 72) B, fol. 18 f. 73) Dieses Geschlecht, aus dessen Reihen Bischöfe von Eichstätt und Bamberg, Bürgermeister zu Regensburg und Schultheißen zu Nürnberg hervorgingen, hatte seinen Sitz auf der Burg Reicheneck zwischen Förrenbach und Kainsbach im Landkreis Hersbruck. Über die Schenken vgl. u. a. Ernst Wiedemann, Die Schenken von Reicheneck, Heimat Jg. 1932 S. 57 ff u. S. 65 ff; Karl Bosl, Die Reichsministerialität als Träger staufischer Staatspolitik in Ost­ franken und auf dem bayerischen Nordgau, 69. Iber. Mfr. (1941) S. 74) Küster, Reichsgut S. 100 ff. 75) A, fol. 10. 76) Ebenda. 77) Über die Übergriffe der (Unter-) Vögte vgl. u. a. Karl Bosl, Das Nordgaukloster Kastl, Vcrh. Opf. 89 (1939) S. 77 ff — künftig: Bosl, Kastl; Theodor Mayer, Fürsten und Staat, Weimar 1950 S. 177 — künftig; Mayer, Fürsten. Als Beispiel, daß ein Vogt auch ohne Raub und Usurpation zu einer Besserung der eigenen Rechtsstellung kommen konnte, mögen die Verhältnisse des Klosters Friedenweiler angeführt werden; vgl. Karl Siefried Bader, Das Benediktinerinnenkloster Friedenweiler, ZGORh, NF 52 (1938), S 50 — künftig: Bader, Friedenweiler. 40) 41)

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78) Hruby Nr. 282 ff; vgl. auch v. Guttenberg, Territorienbildung S. 186; Dannenbauer, Nürn­ berg S. 35; Karl Wild, Baiern und Böhmen, Verh. Opf. 88 (1938) S. 98 ff, S. 127 — künftig: Wild, Baiern u. Böhmen. 79) A. fol 11; über die Schenken von Arberg vgl. F. Büchner im Sbl. Eichst. 39, S. 3. 80) Vgl. hierzu Siegfried Grotefend, Die Erwerbspolitik Kaiser Karls IV. Hist. Stud. 66, 1909 — künftig: Grotefend, Erwerbspolitik. 81) Hans Liermann, Franken und Böhmen, Erlangen 1939, S. 72. Über Karl IV. als Persönlich­ keit im folgenden auch Otto Fischer, Karl IV. Deutscher Kaiser und König von Böhmen, Bremen 1941 — künftig: Fischer, Karl IV. 82) Vgl. Anm. 78. 83) Liermann, Franken und Böhmen, S. 72. 84) Grotefend, Erwerbspolitik S. 22; Wild, Baiern und Böhmen S. 96. 85) Uber diese Straßen vgl. Ilse von Strampf, Die Entstehung und mittelalterl. Entwicklung der Stadt Nürnberg in geographischer Betrachtung. Heimatkundl. Arbeiten aus d. Geogr. Inst. d. Univ. Erlangen, hsg. v. R. Gradmann, H. 2, Erlangen 1929; auch v. Guttenberg, in Bayer. Ost­ mark S. 163 ff. 86) Majestätsbrief von 1353 (Reg. Imp. VIII, 2019), HStA, Neuburger Kopialbuch 147, fol. 393. 87) Ebenda. 88) Geleitsbeschreibung im Neuböhmischen Salbuch, HStA, Staatsverwaltung Nr. 1883, fol. 75. 89) Vgl. Grotefend, Erwerbspolitik, S. 54 ff; Paul Schöffel, Die fränkische Erwerbspolitik Karls IV., Fränkische Monatshefe, Jg. 10 (1931) S. 7 ff. 90) Ähnlich verhält es sich bei dem Kloster Engelthal, das ebenfalls zur Hersbrucker Vogtei gehört, vgl. Wild, Baiern u. Böhmen, S. 127. 91) Vgl. Fischer, Karl IV. S. 47. 92) Regg. Imp. VIII, 1825. 93) Vgl. A. fol. 11. 93 a) B, fol. 18 f. 94) 1353 Dezember 18 teilt Bischof Lupoid von Bamberg den Schenken v. R. mit, daß er ihre Veste Karl zu rechtem Lehen gegeben habe und daß sie ihm Treue zu halten hätten, Hruby Nr. 311. 95) Vgl. HStA, Rst. Nbg., Fasz. 290 (1356 Jan. 13, Febr. 10, Juni 4, Juli 6). 96) A, fol. 12. 97) 1357 März 10, HStA, Rst. Nbg., Fasz. 58. Vgl. audi Grotefend, Erwerbspolitik S. 43. 98) HStA, Rst. Nbg., Fasz. 58. 99) A, fol. 12. 100) Vgl. hierüber u. S. 185. 101) German. Nationalmuseum Nürnberg, Perg. Urk. 1357, 8/7 . 102) A, fol. 13. 103) HStA. Rst. Nbg. Fasz. 291. 104) Vgl. Wild, Baiern und Böhmen S. 130. 105) 1359 Aug. 9, Pelzei Nr. 260. 106) 1359 Nov. 19, Regg. Imp. VIII, 3018. 107) Uber die Gerichtsverhältnisse s. u. S. 188 f. 108) HStA, Rst. Nbg., Fasz. 58. 109) German. Nationalmuseum Nürnberg, Perg. Urk. 1357, 8/7. HO) Grotefend, Erwerbspolitik S. 43 f, gibt hierzu eine etwas verzerrte Darstellung. 111) Vgl. Wild, Baiern u. Böhmen S. 131; Fischer, Karl IV. S. 67. 112) Vgl. d. Neuböhmische Salbuch, HSTA, Staatsverw. Nr. 1083 fol. 46. 113) A, fol. 10. H4) Dieser feste Sitz des Klosters, später „alte Veste“ genannt, ist der Vorgänger des später von den Nürnbergern neu erbauten Pflegschlosses an dieser Stelle und wurde bereits um 1400 in die neue Stadtbefestigung einbezogen. Vgl. hierzu Wilhelm Schwemmer, Zur Baugeschichte des Hersbrucker Schlosses, Mitt. Nbg. 41 (1950) S. 399 ff = Heimat 1951, S. 5 f u. S. 9 f. 115) 1359 Nov. 28, HStA, Rst. Nbg., Fasz. 291. 116) Vgl. o. S. 162 f. 117) HStA, Pfalz-Neuburg, Urk., Reichsstädte Nr. 251. 118) Regg. Imp. VIII, 3330 (1360 Sept. 30). 119) 1360 Okt. 9, Pelzei Nr. 259. 120) 1361 März 21, HStA, Rst. Nbg., Fasz. 292. 1361 Juli 25, ebenda. 121) 1361 Juni 22, HStA, Rst. Nbg., Fasz. 292. 122) 1359 Nov. 3, ebenda. 123) 1416 Aug. 25, StAN, Rep. 41, Bergen Nr. 7. 124) 1361 Juni 31, HStA, Rst. Nbg., Fasz. 292. 125) 1373 August 18; vgl. Wild, Baiern u. Böhmen, S. 139. 126) 1375 Sept. 7, HStA, Kl. B. Nr. 38. 1447 Juli 13, StAN, Kl. B. Nr. 32; 1479 Dez. 22, HStA, Kl. B., Nr. 141; 1508 Febr. 19, HStA, Kl. B., Nr. 170. 127) 1401 Febr. 24, König Ruprecht, Regg. Pfalzgr. Nr. 552. 1430 Okt. 7, König Sigismund, Regg. Imp. XI, 7827. 128) A, fol. 35; über die Forderungen der Bauern vgl. auch u. S. 193 f. 129) Dannenbauer, Nürnberg S. 169 ff. 180) Ebenda, S. 171.

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Ebenda. Ebenda, S. 174. Uber diese Vorgänge vgl. Dannenbauer, Nürnberg, S. 180 ff. 1504 Juli 11. Der im folgenden dargestellte Briefwechsel ist erhalten in einer Beilage zum Kopialbuch A, fol. 25 ff. 315) Hier und im folgenden ist besonders zu beachten, daß die Äbtissinnen dieser Zeit, wie auch ein Teil des Konventes, Töchter ratsfähiger oder zumindest angesehener Nürnberger Familien sind. Wenn sie auch stets für die Belange ihres Klosters eintreten, so betrachten sie sich dennoch als gute Nürnbergerinnen. 1507 Febr. 8, StBN, Pirdch. Nr. 547, 3. Ihre Verwandten und Bekannten versuchen immer wieder beim Rat zu vermitteln. 136) Vgl. hierzu 1518 Sept. 6, StBN, Pirckh. Nr. 567, 6. 137) Hüttenbeck war schon 1486 Propst gewesen, außerdem war er schon zu baierischer Zeit Pfleger, hatte Hersbruck freiwillig übergeben und wa,r so im Amt geblieben; vgl. auch Heimat 1928 S. 13. 131) 132) 133) 134)

138) 1505 Febr. 12, Ratsbuch 8, fol. 97.

1505 März 12, Ratsbuch 8, fol. 111. Ratsbuch 8, fol. 190. Vgl. Dannenbauer, Nürnberg S. 174, auch o. S. 42. Es geht bei diesen Streitigkeiten ausschließlich um die Grundherrschaft, die Nürnberger Obrigkeit wird durch die Äbtissin immer wieder anerkannt, entgegen der Annahme Dannenbauers, Nürnberg S. 190 f. 142) Ratsbuch 8, fol. 190. 143) A, fol. 33, 1506 Jan. 5. 144) A, fol. 32, 1506, Jan. 8. 145) Es wird tatsächlich in den Salbüchern zwischen Eigengütern der Äbtissin (Freies Eigen, Auf dem Eigen) und vogtbaren Gütern, den eigentlichen Propsteigütern, unterschieden. In der grundherrlichen Verwaltung wird jedoch kein Unterschied gemacht. 146) Ratsbuch 8, fol. 203. 147) Reiche Nr. 102. 148) Sabina und Eufemia werden später ebenfalls Äbtissinnen zu Bergen, auch seine Tochter Charitas wird Nonne in Bergen. Mit Eufemia von Murr, der gegenwärtigen Äbtissin ist er be­ freundet. Wie der rege Briefwechsel der folgenden Jahrzehnte zeigt, kümmert P. sich laufend um die Interessen des Klosters, besorgt Geldgeschäfte und Einkäufe und steht auch sonst mit Rat und Tat zur Seite. 149) Reiche Nr. 103. 150) Uber die Person Gabriels von Eyb vgl. Theodor Neuhofer in Sbl. Eichst. 48 (1933) S. 53 ff. 49 (1934) S. 1 ff. 151) A, fol. 35. 152) Vgl. A, fol. 35. 153) Briefbuch 57, fol. 52. 154) Vgl. hierzu Briefbuch 57, fol. 59 f. 155) Ebenda, fol. 94. 156) 1506 Sept. 2, Ratsbuch 8, fol. 286. 157) 1506 Okt. 23, Reiche Nr. 130. 158) Briefbuch 57, fol. 198. 159) Briefbuch 57, fol. 203. 160) Briefbuch 58, fol. 130. 161) Vgl. den Brief Eufemias v. 1507 Febr. 8, Reiche Nr. 147. 162) 1507 Febr. 10, Briefbuch 58, fol. 130. 163) 1508 Febr. 19, HStA, Kl. B., Urk. Nr. 170. 164) Vgl Dannenbauer, Nürnberg, S. 190. Die für das Kloster äußerst unangenehme Position zwischen Nürnberg und Neuburg kommt auch später immer wieder zum Ausdruck; vgl. vor allem Lochner Ur. 10. 165) 1508 April 29, StAN, Rep. 41, Bergen Nr. 37. 166) StAN, S. I, L. 367, Nr. 12. 167) Diese Erscheinung ist in der eroberten Vogtei Hersbruck allgemein und ließe sich an vielen Beispielen nachweisen. Vgl. hierzu auch Fred Graf, Die soziale und wirtschaftliche Lage der frän­ kischen Bauern im Nürnberger Gebiet zur Zeit des Bauernkrieges, 56. Jber. Mfr. (1909) S. 16 ff, 33 — künftig: Graf, Fränk. Bauern. 168) Dannenbauer, Nürnberg S. 206. 169) Vgl. Ratsverlaß 749 f. 26 (1527 Nov. 2, StAN). 170) S. o. S. 168. 171) Briefb. LPflA 6, fol. 123. 172) StBN, Pirckh. Nr. 542, 19. 173) Ratsbuch 14, fol 283. 174) Vgl. besonders die „Brandbriefe“ des Rentmeisters (Die Originale konnten nicht gefunden werden. Es liegen Abschriften von H. Kuhn-Ingolstadt ohne Quellenangabe im Stadtarchiv Hersbruck, wie die Einträge im Nürnberger Ratsbuch 14 fol. 283 ff.). 176) Vgl. hierzu Neub. K. B. 106. fol. 169 ff. 177 ff. 176) Ratsbuch 15, fol. 4. 177) Nürnberger Jahresregister 6. fol. 228; vgl. auch Dannenbauer, Nürnberg, S. 206. 178) StAN, Rep. 1 b, Nr. 532; vgl. auch Dannenbauer, Nürnberg S. 206. 179) Neub. K. B. 106, fol. 22. 139) 140) 141)

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Briefb. LPflA 7, fol. 23 Briefb. LPflA 7, fol. 27. StAN, Rep. 59, Nr. 253. 183) Sie führte allerdings auch unter Nürnberg noch ein gewisses Sonderdasein bis zum Auf­ gehen Nürnbergs in Bayern. So gehörte sie auch nicht zum Pflegamt Hersbruck, sondern unterstand direkt dem Landpflegamt, vgl. Emil Reicke, Geschichte der Reichsstadt Nürnberg, Nürnberg 1896 — künftig: Reiche, Nürnberg. 184) Heinz Lieberich in ZBLG 15 (1949) S. 133. 185) Ygl. die Besprechung von Otto Brunner, Land und Herrschaft von Otto Stolz in ZRG, Germ. Abt. 61 (1941) S. 243. 186) Ygl. die Literaturübersicht in der Einleitung o. S. 154 ff. 187) Vgl. Jber. Mfr. 22 (1853) S. 1 ff. 188) Vgl. Georg Ernst Waldau, Diplomatische Geschichte und ausführliche Beschreibung der Nürnbergischen Landstadt Hersbruck, Nürnberg 1788, S. 5 f — künftig: Waldau, Hersbruck — und Theodor Wilhelm Ulmer, Chronik der kgl. baierischen Stadt Hersbruck, Nürnberg 1872, S. 9 f — künftig: Ulmer, Hersbruck. 189) S. o. S. 22. 189) s. o. S. 157. 191) Neub. K. B. 106, fol. 179. 192) E. Mummenhoff, Gesammelte Aufsätze und Vorträge, Bd. 1, 1931 ,S. 65 ff, bringt erstmals Zweifel zum Ausdruck, als ihm das Pfarramt Kirchensittenbach (1895) mitteilt, daß Wiltrud das Kloster Bergen mit namentlich genannten Gütern in der dortigen Gegend ausgestattet hat, begeht aber dabei einen Fehlschluß, wenn er das Bestehen der betreffenden Orte zur Zeit der Kloster­ gründung deshalb bezweifelt, weil diese in der Schenkungsurkunde Heinrichs II. für Bamberg (1Q11; Guttenberg R 97) nicht erwähnt sind. 193) Vgl. Teil II; Druck später beabsichtigt. 194) Überliefert sind lediglich zwei Schenkungsurkunden über Güter, die außerhalb der Propstei Hersbruck liegen (MGH, DH II, 31 und MGH. DKonr. II, Nr. 125). 195) Die Bezeichnung pagus (im Gegensatz zu comitatus) ist hier räumlich zu nehmen und meint den Nordgau in seiner vollen Ausdehnung. Uber die Fragen pagus-comitatus vgl. Heinrich Mitteis in HZ 168 (1943) S. 151. 198) Bergen im Nordgau: Schenkungsurk. v. 1007, Guttenberg R 57; Hersbruck im Nordgau: Schenkungsurk. v. 1011, Guttenberg R 97. 197) Daß diese Güter zur Ausstattung des Klosters dienten erwähnt erst die Urkunde Konrads II. von 1028 (MGH, DKonr. II Nr. 126). 198) Vgl. E. Frh. v. Guttenberg, Stammesgrenzen und Volkstum im Gebiet der Rednitz und Altmühl, JbFLF 8/9 (1942/43) S. 18 — künftig: v. Guttenberg, Stammesgrenzen. 199) Eine Zusammenstellung bei Wolfgang Wießner, Wege und Aufgaben fränkischer Siedlungs­ forschung, JbFLF 2( S. 74 ff. Neuerdings: Hanns Hubert Hofmann in JbFLF 10 (1950) S. 1 ff. 200) Fritz Schnelbögl, Lauf-Schnaittach, Lauf 1941 — künftig: Schnelbögl, Lauf. 201) Schnelbögl, Lauf S. 25 ff. Stärker auf den baierischen Einfluß geht auch ein Hans Zeiß in ZBLG 4 (1931) S. 229. Den baierischen Einfluß hinsichtlich der Gründung Eichstätts betont neuerdings Biglmair in der Fest­ schrift für Schornbaum (1950) S. 21 ff. 202) Schnelbögl, Lauf S. 19 ff. 203) Uber den Umfang des Propstei-Gebietes vgl. die beigegebene Karte. 204) Beide werden im Pontificale des Bischofs Gundekar von Eichstätt (1057—1075) genannt; Heidingsfelder R 251 (107, 108, 26). 205) Ein „Sitenbach“ wird ebenfalls bei Gundekar genannt, Heidingsfelder R 251 (96). Heidings­ felder glaubt, daß es sich um das nördlich von Altsittenbach gelegene Kirchensittenbach handelt. Abgesehen davon, daß der Name Alten -Sittenbach zu denken gibt, bezeichnen spätere Quellen Altensittenbach gegenüber Hersbruck als alte Pfarrei: So Sb. V, fol.7 „gehört die kirchen als ein filial zu Herspruk, soll hievor die rechtpfarr gewest sein“. In einer Entscheidung des Nürnberger Rates von 1520 wird bestimmt, daß die Hohenstädter — Hohenstadt ist ebenfalls wie Altsittenbach Filiale von Hersbruck — wegen der Seuche ihre Toten auf dem Friedhof (!) zu Altensittenbach, „in ir alte pfarr“ begraben sollen (STAN, Nürnberger Briefbuch 81, fol. 264, vgl. auch Karl Schornbaum, Die Einführung der Reformation in Hersbruck, München 1938 = Einzelabeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns, Bd. 4). Es scheint also doch, daß Altensittenbach die alte Pfarrei gewesen "Ist und Kirchensittenbach erst später Pfarrort wurde. Über die Loslösung Hersbrucks vgl. im folgenden. 206) Eschenbach wird ebenfalls bei Gundekar genannt, Heidingsfelder R 251 (28). 207) Auf die Sprachgrenze entlang der Erlanger Schwabach und der Trubach wurde bereits o. S. 173 verwiesen. Die Grenze des fränkischen Vordringens dürften etwa die Würzburger Altzehnt­ orte Schossaritz, Herzogwind, Almos, Reipertsgesee und der Veldener Königsforst bilden; vgl. E. Frh. v. Guttenberg, Kirchenzehnten als Siedlungszeugnisse im oberen Maingebiet, JbFLF, 6/7 (1940/41) S. 65 f. — künftig: v. Guttenberg, Kirchenzehnten. 208) Happurg wird bei Gundekar genannt, Heidingsfelder R. 251 (27). 209) Schnelbögl nimmt Filiale von Offenhausen an, vgl. die bei Schnelbögl, Lauf beigegebene Karte der Pfarreiorganisation. 210) Wird ebenfalls im Kirchweihverzeichnis des Gundekar genannt, Heidingsfelder R 251 (29). 211) 1011 Juli 2, v. Guttenberg R 97. 212) Vgl. v. Guttenberg, Kirchenzehnten S. 66; Frhr v. Guttenberg kann sich hier nur auf die Pertinenzformel der Schenkungsurkunde von 1011 stützen, laut der die Orte Förrenbach, Hersbruck usw. „cum ecclesiis“ aus Königshand an Bamberg kommen. 180) 181)

182)

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213) Zu ihm zählen bis zur Einführung der Reformation die beiden Filialkirchen Altensittenbach und Hohenstadt, sowie Kühnhofen, Groß- und Kleinviehberg, also insgesamt 5 Orte. Im Vergleich zu den großen Sprengeln der umliegenden Pfarreien ein ganz auffallend kleiner Sprengel! 214) Vgl. Anm. 205. 215) So Friedrich Hiller, Die Kirchenpatrozinien des Erzbistums Bamberg, Erlangen 1931, S. 16; Wilhelm Deinhardt, Frühmittelalterliche Kirchenpatrozinien in Franken, Nürnberg 1933, S. 40; Karl Schornbaum, Die Einführung der Reformation in Hersbruck, München 1938, S. 14, Anm. 1 und Sdinelbögl, Lauf S. 19. 216) StAN, D 1057. 217) Vgl. Schornbaum-Kraft in ZBKG 7 (1932) S. 129, Anm. 2. 218) Vgl. o. S. 156. 219) Die Einträge im Registrum plebani lauten am Sonntag (fol. 32): ,.Ebig sei von alters, fraw Pia Styfterin“ und am Montag (fol. 33): „fraw Pia stifterin diser pfarr“. 220) v. Guttenberg R 57. 221) Man könnte auch die an dieser Stelle genannten Orte Schnaittach oder Kirchrüsselbach denken, wenn man nicht die Formelhaftigkeit so weit gehen lassen will, daß man den Zusatz „cum ecclesiis“ gar nicht stichhaltig sein läßt. 222) Uber die Zusammensetzung des Hersbrucker Klosterbesitzes im einzelnen vgl. u. S. 178 ff. 223) Vgl. Michael Doeberl, Entwicklungsgeschichte Bayerns, Bd. 1, S. 108 und Guttenberg, Stam­ mesgrenzen S. 18. 224) Vgl. o. S. 156. 225) Heinrich Büttner, Bamberg, in Stud. u. Vorarb. zur Germania sacra, Teil 2, Bd. 3, 1937, S. 209. 226) Die Bergener Eigenkirchenrechte an der Hersbrucker Kirche müssen sehr bald vom Bamberger Eigenklosterherrn aufgezogen worden sein. 227) A, fol. 1 ff. 228) Hinsichtlich der Frage der Beziehung der Ortsnamen zur Siedlungsgeschichte wurden fol­ gende gebietlich zuständige Arbeiten herangezogen: Christof Beck, Die Ortsnamen des Pegnitztales, Nürnberg 1909; Elisabeth Weber, Die Besiedlung der fränk. Alb im Spiegel der Ortsnamen, Nürn­ berg 1926; Michael Bacherler, Die Siedlungsnamen des Bistums Eichstätt, Sbl. Eichst. 38 (1923) S. 1 ff; ders., die deutsche Besiedlung der Diözese Eichstätt auf Grund der Ortsnamen, Sbl. Eichst. 45 (1930) S. 75 ff, 46/47 (1931/32) S. 1 ff, 50/51 (1935/36) S. 16 ff und Hans Dachs, Der Umfang der kolonisa­ torischen Erschließung der Oberpfalz bis z. Ausg. d. Agilolfingerzeit, Verh. Opf. 86 (1936) S. 159 ff. 229) Die Nr. in [ j verweist auf die Nr. des Ortes in der geplanten Wiedergabe des Urbartextes. 230) Uber Wirtschaftsformen. Abgaben usw. vgl. u. S. 180 ff. 231) Diese Einzelhöfe zählen, wie die meisten Rodungssiedlungen, zur hochmittelalterlichen Sied­ lungsperiode. Vgl. Otto Feger, Das älteste Urbar des Bistums Konstanz, Karlsruhe 1943 — künftig: Feger, Urbar. 232) Sb. V, fol. 87’: „vor Jahren ein hof gewest“. 233) Bei -reuth-Orten kann es sich um sehr früh entstandene Rodungssiedlungen handeln; vgl. Bosl, Kastl S. 56, der sie in ihren Anfängen ins 10. Jh. setzt. 234) Hier hält angeblich Barbarossa 1152 ein Hofgericht ab, vgl. Wilh. Kraft in Heimat 1938, S. 21 f. Kraft gibt keine Quelle an, es scheint sich um das in MB 11, 170 genannte Sealbonine zu drehen. 235) Wohl das heutige Lehendorf und Lehenhammer. 236) Einer der wenigen (wohl älteren) -ingen-Orte der Gegend. 237) Abgegangen, vielleicht Ober-Schmidtstadt. 238) Abgegangen, in der Nähe von Pommelsbrunn. 239) Bosl; Kastl. S. 57 setzt die -hofen zeitlich in das 7./8. und die -dorf ins 8./10. Jahrhundert. 240) Abgegangen bei Enzendorf. 241) Das weiter südlich gelegene Vorra kommt 1011 aus Königshand an Bamberg, s. o. S. 174. 242) Vgl. u. S. 179. 243) Abgegangen am Riegelsbach bei Schnaittach. 244) Ortsteil von Oberkrumbach. 245) Vgl. Anm. 221. 246) Vgl. u. S. 178 ff. 247) Vgl. o. S. 165. 248) HStA, Rst. Nbg., Fasz. 292. 249) B, fol. 65. 250) STAN, Rep. 59, Nr. 57. 251) HStA, Rst. Nbg. Nr. 165. 252) StAN, Rep. 41, Bergen Nr. 29. 253) Im 15. Jh. erscheint es noch als Zugehörung der Burghut zum Rothenberg; nach einer frdl. Mitteilung v. H. Archivrat Dr. Sdinelbögl. 254) HStA. Rst. Nbg., Fasz. 290. 255) S. u. S. 191. 256) Vgl. auch o. S. 164 f. 257) Ernst Wiedemann, Gedanken zur Frühgeschichte Hersbrucks, Heimat 1933, S. 65 ff. 258) Vgl. o. S. 174. 259) Vgl. Anton Dollacker, eine nordgauische Altstraße vom Main zur Donau, Deutsche Gaue, Sonderheft 107 (1919) und Fritz Sdinelbögl in der Heimat 1937, S. 34 ff. 260) Vgl. o. S. 174.

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261) Jirecek R 456 (HStA, Pfalz-Neuburg, Urkunden, Reichsstädte Nr. 250). 262) Ygl. o. S. 174. 263) 1520 kommt man — trotz des 1359 erfolgten Verkaufs — nochmals auf diesen Besitztitel zurück. StBN, Pirckh. Nr. 547, 7. Als ein Beispiel für solches Zurückgreifen auf alte Besitztitel möge die Besetzung der Burg Rheinegg durch den Bischof von Konstanz angeführt werden, der sich dabei ausdrücklich auf seine alten Rechte auf Grund und Boden der Burg beruft, vgl. Konrad Beyerle, Grundherrschaft und Hoheitsrechte des Bischofs von Konstanz in Arbon, Schriften d. Ver. f. Gesch. d. Bodensees, 32 (1903) S. 69. 264) Heidingsfelder R 436. 265) Vgl. Mayer, Fürsten S. 187. 266) Vgl. ebenda S. 226. 267) Im baierisdien Urbar von ca. 1270/80 macht der Hohenstein mit seinen Zugehörungen durch­ aus den Eindruck eines grundherrschaftlichen Besitzes im Gegensatz zu den übrigen im Amt Hohenstein aufgeführten Vogteieinnahmen (MB 36, 1, S. 347). 268) Jirecek R 456. 269) Bei einer Veröffentlichung des Urbars wird darauf näher Bezug genommen. 27°) Ygl. Sb V u. VI, ferner die Salbücher des Pflegamts Hersbruck nach 1539, STAN, Rep. 59 und die Extrakte aus den Propsteilehenbüchern, StAN, Rentamt Hersbruck, Nr. 80, 81, 91. 271) Vgl. o. S. 175 ff. 272) Hierzu gehören die Höfe Neutras. Hubmersberg, Guntersrieth und Stallbaum, auch Orte wie Lieritzhofen und Hartmannshof, die sich aller Wahrscheinlichkeit nach auf einen Hof zurück­ führen lassen, treten mit ihren besonderen Abgaben hervor. 273) Vgl. die Einleitung zu Die Urbare Nieder- und Oberösterreichs aus dem 13. u. 14. Jh., hsg. v. d. kaiserl. Akademie d. Wissenschaften 1904, von Alfons Dopsch S. CXII — künftig: Dopsch, Urbar. 274) Die Feststellung, die dabei Feger, Urbar S. 29 macht, daß die Geldleistungen im Rodungs­ gebiet häufiger und höher sind, läßt sich in unserem Falle nicht machen. 275) Dopsch, Urbar S. CXVIII f. 276) Vgl. Karl Siegfried Bader, Bauernrecht und Bauernfreiheit im späteren Mittelalter, Hist. Jb. 61 (1941), S. 66 ff — künftig: Bader, Bauernrecht. 277) Dopsch, Urbar, S. CVIII und S. CVI. 278) Bosl, Kastl S. 95 bezeichnet sie als „walzende“ Grundstücke, die zu keinem Hof gehören. 279) Wir haben bei Lieritzhofen [49] z. B. bereits eine Teilung in früherer Zeit feststellen zu können geglaubt (s. o. Anm. 272), nun wird auch der Hartmannshof (33) in 16 und Guntersrieth in 14 Teile geteilt [53}. 280) Für die Jahrhundertwende vgl. eine statistische Zusammenstellung bei Wilh. Götz; Geogr.hist. Handbuch v. Bayern, Bd. 2, München 1898, S. 376, für die heutige Zeit die statistischen Auf­ stellungen des Landratsamtes Hersbruck; auch Bayer. Ostmark, S. 136 ff. 281) G. E. Waldau, Diplomatische Geschichte u. ausführl. Beschreibung der nürnbergischen Land­ stadt Hersbruck, Nürnberg 1788 — künftig: Waldau, Hersbruck, verzeichnet auf S. 60 in der Stadt Hersbruck allein 50 Brauer und 106 Braurechte und zählt diese, neben der Gerberei, der Viehzucht und dem Feldbau zu den bedeutendsten Erwerbszweigen. 282) Ein Garten zu Hersbruck wird schon 1290 erwähnt (HStA, Rst. Nbg. Nr. 111), zwei Kraut­ gärten gehören zum Hersbrucker Wirtschaftshof (A, fol. 20). 283) Nach einem Salbuch aus dem 16. Jh. (StAN, Rep. 59, Nr. 56, fol. 470) hat Otzenberg von alters her einen Schafbetrieb von 150 Schafen. 284) Vgl. o. S. 179. 285) Vgl. B, fol. 101 und vor allem die betreffenden Akten des Landgerichts Hersbruck StAN, Rep. 236/11. 286) Vgl. hierzu Bayer. Ostmark S. 14 ff u. bes. S. 34 ff. 287) Ygl. Graf, Fränk. Bauern S. 89 f u. d. Landgerichtsakten wie Anm. 285. 288) Im 16. Jh. ist es nur mehr die Hälfte, vgl. Tabelle III. 289) Uber Marknutzung vgl. Graf, Fränk. Bauern S. 120 ff. 290) Vgl. StAN, Rep. 59, Nr. 259. 291) Uber den Hopfenbau der Hersbrucker Alb vgl. A. Mummenhoff, Gesammelte Aufsätze und Vorträge Bd. 1, 1931 S. 58 ff u. K. E. Schramm, Der Hopfenbau im Hersbrucker Land, Hers­ bruck 1934. 292) Vgl. HStA, Rst. Nbg., Fasz. 291. 293) Auf diese Schwierigkeiten weist besonders Wilh. Kraft, Bemerkungen und Ergänzungen zum Holzschuherbudi, Mitt. Nbg. 32 (1935) S. 20 ff anläßlich einer Besprechung des von ChroustProesler herausgegebenen Handlungsbuches der Holzschuher von 1304—1307 (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränk. Geschichte 1934) mehrmals hin. Über diese Fragen sind auch die umfang­ reichen Forschungen Franz Bastians, Das Runtingerbuch. 1383—1407. Bd 1 1944, Kap. 5, S. 643 ff. heranzuziehen. 294) Bosl, Kastl S. 89 ff. Kastl schließt mit einzelnen Besitzungen direkt an die Propstei Hers­ bruck an. 295) Uber Zinsen und Abgaben vgl. besonders Dopsch, Urbar S. CXLIX ff und Graf, Fränk. Bauern S. 23 ff. 296) Besonders bei kleineren Gütern; ygl. auch Ernst Klebel, Aus der Verfassungs-, Wirtschafts­ und Siedlungsgeschichte der Hofmark Vogtareuth, ZBLG 6 (1933) S. 27 ff, S. 177 ff — künftig: Klebel, Vogtareuth. 297) Besonders MB 36, 1 S. 352, bei den Schutzabgaben der Äbtissin von Bergen. 298) Die besonderen Abgaben sind hier nicht enthalten, ebenso nicht die Erträgnisse des Propst­ hofes zu Hersbruck.

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Die Bedeutung der Einkünfte deü Propstei für das Kloster Bergen ergibt einen Vergleich mit den Einkünften des (Gesamt-)Klosters K a s 11 (Bosl, Kastl S. 89 ff). Sie betragen bei 90 Höfen, 305 Hufen, 14 Lehen, 3 Forstlehen, 11 Mühlen und 19 Äckern, sowie einer Anzahl Wiesen: 79 Scheffel und 1162 Metzen Getreide, 383 Scheffel Malz, 55 Scheffel und 8 Metzen Hopfen, 64 Schweine, 64 Schafe, 594 Hühner, 5310 Eier, 3073 Käse und 224 lb. den., 6 sol. den., 14 den. und 3 lb., 1 ß und 10 den. Regensburger an Geld. Dabei gibt Bosl S. 96 an, daß je nach Orten 1 Scheffel = 9—24 Metzen; Scheffel = Modius. Auch die Aufstellungen Guttenbergs über das — allerdings ältere — Urbar des Klosters Kit­ zingen in ZBLG 7 (1934) S. 167 ff können zum Vergleich herangezogen werden. 299) Ygl. hierüber u. S. 191. 800) Ygl. hierüber o. S. 163. 301) Das stellt auch Dopsch, Urbar S. CLVI fest. 302) Als Beispiele mögen die Angaben verschiedener einschlägiger Nachschlagewerke dienen: Joh. Christian Hellbach, Wörterbuch des Lehenrechts, Leipzig 1803, S. 33: Weisath. Allerlei Speisen und Eßwaren, welche ehemals die Vasallen dem Lehensherrn zu gewissen Zeiten zum Geschenk brachten. Eduard Brinckmeier, Glossarium diplomaticum, Hamburg-Gotha 1855, S. 725: Gabe der Unter­ tanen an den Herrn bei festlichen Gelegenheiten. Haberkern-Wallach, Hilfswörterbuch für Historiker, Berlin-Grunewald 1935, S. 591: Abgabe, die der Grundherr von seinen Hintersassen, die nicht Leibeigene waren, erhob. Gebr. Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 14, 1. Abt., 1937 Sp. 1009 ff: u. a. Abgabe bei beson­ deren Anlässen, Abgabe die der Untergebene dem Grundherrn an Geld oder Naturalien zu er­ statten hatte, kleine Zinsen (Hühner, Eier, Käse usw.); ähnlich auch Andreas Schmeller, Bayerisches Wörterbuch. In der Literatur vertreten z. B. Dopsch, Urbar S. CLVII und Graf, Fränk. Bauern S. 30 den ursprünglichen Charakter einer Ehrung. Bosl, Kastl S. 594 bezeichnet einen Teil der Hühnerabgaben als Erkenntnis und meint, daß dies das gleiche wie in anderen Fällen Weisat bedeutet. 303) Vgl. Dopsch, Urbar S. CLVII. 3°4) Vgl. Dopsch, Urbar S. CLVIII. Vielleicht liegt sogar eine Verwandtschaft vor mit dem „weisen“ des Rechtes für das es eine Abgabe sein soll? 305) Vgl. hierüber K. S. Bader, Bauernrecht und Bauernfreiheit im späteren Mittelalter, Hist. Jb. 61 (1941) S. 76 — künftig: Bader, Bauernrecht. 306) Vgl. u. S. 205. 307) Vgl. hierzu auch Fritz Löwe, Die rechtliche Stellung des fränkischen Bauern im Mittelalter, Würzburg 1888 — künftig: Löwe, Fränk. Bauern, hier bes. S. 18; ferner Dopsch, Urbar S. CLXIII ff und Bosl, Kastl S. 96. 308) Uber Fronleistungen vgl. Dopsch, Urbar S. 163 ff. 309) 1357 Juli 9, Germ. Nationalmuseum Nürnberg, Perg. Urk. 1357, 8/7. 310) Sb. II, fol. 7. 3U) Uber Nächtigungsrecht vgl. Dopsch, Urbar S. CLXI f und Matthias Willwersch, Die Grund­ herrschaft des Klosters Prüm, Phil. Diss. Berlin, Trier 1912, S. 40 — künftig: Willwersch, Prüm. Letzterer zählt die Noctes-Leistungen zu den Servitien. 312) Vgl. o. S. 179. 313) MB 36, 1, S. 347 ff, S. 631 ff; Küster, Reichsgut, S. 98 ff und das ungedruckte Neuböhmische Salbudh, HStA, Staatsverw. 1083. 314) Vgl. besonders Sb. II, fol. 27. 315) Vgl. auch Graf, Frank. Bauern S. 31. 316) Ein Salbuch des 16. Jh. (StAN Rep. 59 Nr. 250) nennt bei Aicha 112 Reisten Flachs. 317) Vgl. auch Klebel, Vogtareuth S. 46. 318) A, fol. 27 ’. 319) Es dürfte sich wohl um einen sog. „Oberhof“ gehandelt haben, wie ihn Joseph Stratner, Wirtschafts- und Verwaltungsgeschichte der Abtei München-Gladbach im Mittelalter, Phil. Diss. Münster, M-Gladbach 1911, S. 42 — künftig: Stratner, M-Gladbach — und Karl Stricker, Geschichte des Essener Propsteihofes Nünning. Phil. Diss. Münster, Essen 1913, S. 14 — künftig: Stricker, Nünning — heraussteilen. 320) Die Bezeichnung Propst für den grundherrlichen Klosterbeamten in Hersbruck erscheint erstmals 1299. 321) Vgl. Adolf Pischek, Die Vogteigerichtsbarkeit süddeutscher Klöster in ihrer sachlichen Ab­ grenzung während des frühen Mittelalters, Jur. Diss. Tübingen, Stuttgart 1907, S. 48 — künftig: Pischek, Vogteigerichtsbarkeit. 322) Der Name findet sich erst im 15. Jh. 323) So hat z. B. St. Emmeran Propsteien in Litzlohe (Jakob Lehraeier, Propstei und Pfarrei Litzlohe, 1896) und Vogtareuth (Klebel, Vogtareuth) und Heilsbronn solche mit dem Namen Propstei Zenn, Propstei Altmühl und Propstei Bonnhof (Alfred Heidacher, Die Entstehungs- und Wirtschafts­ geschichte des Klosters Heilsbronn bis zum Ende des 15. Jh., Maschinenabzug ohne Jahr im StAN). 324) Bei männlichen Klöstern wurde dieses Amt häufig durch Mönche besetzt, vgl. z. B. Will­ wersch, Prüm S. 36; Walther Arlt, Die bäuerliche Leihe im Recht des Klosters Heilsbronn, Jur. Diss. Erlangen, Bruck 1938, S. 7 — künftig: Arlt, Heilsbronn — stellt für Heilsbronn z. B. fest, daß bei der Einsetzung von weltlichen Beamten diese nicht mehr Propst, sondern Vogt genannt wurden. Uber den Propst als Güterbeamten in Bayern vgl. vor allem auch Klebel, Vogtareuth S. 185 f. 325) So wird wenigstens 1529 von einem herrschaftlichen Beamten festgestellt (StAN, Rep. 59, Nr. 265). 326) S. o. S. 166. 327) Klebel, Vogtareuth S. 45.

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Vgl. A, fol. 27’; StBN, Pirckh. Nr. 567, 6. Vgl. StBN, Pirckh. Nr. 547, 7. Uber das klösterliche Niedergericht zu Hersbruck vgl. u. S. 188 f. A, fol. 27 *. Otto Brunner, Land und Herrschaft, 3. A/München. Wien 1943, S. 291 — künftig: Brunner, Land u. Hersch. 333) Ebenda, S. 292 ff. 334) Ebenda, S. 297 ff. 335) Sie wird in den Quellen auch immer wieder so bezeichnet. 336) Regg. Imp. VIII, 3018. 337) Wir finden die Erwähnung des Pfändungsrechts auch in anderen Urkunden aus dem Klosterarchiv. 338) Uber das grundherrliche Niedergericht vgl. vor allem Brunner, Land u. Herrsch. S. 375 ff. 339) Uber die Immunität geistlicher Herrschaften und die Ausübung von Zwing und Bann in ihrem Gefolge vgl. besonders Gerd Tellenbach, Die bischöflich Passauischen Eigenklöster und ihre Vogteien, Hist. Stud. 173, 1928, S. 157 ff — künftig: Tellenbach, Passauische Eigenklöster —; Alfons Dopsch, Herrsch, u. Bauer S. 10 ff und Brunner, Land u. Herrsch. S. 384. 340) Vgl. Brunner, Land und Herrschaft S. 384; über die Abgrenzung der Gerichtsbarkeit nach oben vgl. u. S. 205 ff. 341) Das Klosterarchiv hat zwei Beschwerden über die Übergriffe eines fremden Gerichtes (Bamberg und Reicheneck) von 1436 und 1443 erhalten (HStA, Landgericht Hersbruck, Fasz. 4; StAN, S. I, L. 31, Nr. 1). 342) Vgl. auch Theodor Eisenbrand, Die Ehehaftordnungen im Hochstift Eichstätt, Jur. Diss. Erlangen 1937, Feuchtwangen 1938 — S. 45 ff. — künftig: Eisenbrand, Ehehaftordnungen. Wahrscheinlich fand das sog. Bauding, das zur Weisung des Rechtes diente, nur einmal jährlich und zwar zu Michaelis bei der Wahl der Schöffen und Vierer statt. 328) 329) 330) 331) 332)

343) 344) 345) 346) 347) 348)

B, fol. 1.

StAN, S. I, L. 567, Nr. 289. Vgl. Eisenbrand, Ehehaftordnungen. S. 55 ff. S. u. S. 209. Sie werden bei Th. W. Ulmer, Chronik d. kgl. bay. Stadt Hersbruck, S. 10 erwähnt. Vgl. hierzu Bruno Schneider, Friedewirkung in Markt und Stadt, Deutschrechtliche Bei­ träge 8 (1913) S. 270. Die Auflassung erfolgte nach fränkischem Rechtsbrauch mit Mund, Hand und Halm; vgl. Hans Liermann in IbFLF S/9 (1942/43) S. 19. 349) Sb. IT, fol. 27. 350) Vgl. Bruno Schneider in Deutschrechtl. Beitr. 8, S. 270. 351) Vgl. hierzu Hans Planitz, Deutsche Rechtsgeschichte, Graz 1950 — künftig: Planitz, Deutsche R. G. — bes. S. 154; ebenso Franz Beyerle in Vj. SWG 9 (1911) S. 401 ff. 352) Erst im 16. Jh. wurde das Rückkaufrecht gesetzlich gesichert. Vgl. hierzu Planitz, Deutsche R. G. S. 154. Die Frage des Kündigungsrechtes beim Rentenkauf behandelt besonders Rörig in ZRG, Germ. Abt 57 (1937), S. 451 ff. 353) StAN, Rep. 41, Bergen Nr. 20. 354) Ebenda, Nr. 26a. 355) Ebenda, Nr. 8. 356) S. u. S. 204 f. 357) „Huld und Treue sind ein Gegenseitigkeitsverhältnis und nur auf dem Boden des Rechts möglich“, Brunner, Land u. Herrsch. S. 396. 358) Brunner, Land und Herrschaft S. 299 ff. 359) Es erscheinen die Ausdrücke: Pflicht, Versprechnis, Gelübde, Huldigung, Erbhuldigung. 360) Vgl. Brunner, Land u. Hersch. S. 396. 361) Vgl. hierzu Bader, Bauernrecht S. 73 und Georg von Below, Geschichte der deutschen Land­ wirtschaft im Mittelalter, hsg. v. Lütge, Jena 1937, S. 77 — künftig: Below, Landwirtschaft. In der Propstei wird die „gepaurschaft“ angeführt von ihren Vierern und Schöffen. 362) „Ehehaftordnungen sind die schriftliche Niederlegung der Rechte der Herrschaft und der Bauern“, Eisenbrand, Ehehaftordnungen S. 14. 363) Vgl. StAN, S. I, L. 367, Nr. 47: Eisenbrand, Ehehaftordnungen S. 20wbezeichnet die Salbücher als die ..offiziellen Bücher für die Registrierung der Rechte der Herrschaft“. 864) Vgl. Eisenbrand, Ehehaftordnungen S. 29. 365) StAN, Rep. 59, Nr. 259. 366) Vgl. Guttenberg, Territoirienbildung S. 185. 367) Vgl. hierzu u. a. Löwe, Fränk. Bauern S. 9 ff; Below, Landwirtschaft S. 70, 93 ff; Arlt, Heilsbronn S. 5 ff, bes. S. 18 ff; Bader, Bauernrecht, S. 74 ff. über die freie Erbleihe vgl. K. S. Bader, Das Benediktinerinnenkloster Friedenweiler, ZGORh NF 52 (1938) S. 85 ff; dort unter Anm. 3 auch weitere Literatur. 368) Bader, Bauernrecht S. 74. 369) Below, Landwirtschaft S. 77. 370) Bader, Bauernrecht S. 97. 371) Dieses Verhältnis erscheint vorwiegend in Nord- und Westdeutschland; vgl. z. B. Stratner, M-Gladbach S. 47 ff. 372) Vgl. oben S. 188. 373) 1520 Stürz, 1, StAN, S. I, L. 367, Nr. 107. 374) Man nennt dies ,.zu handrofi bauen“; vgl. auch Graf, Fränk. Bauern S. 110. 375) Vgl. StAN, S. I, L. 367, Nr. 107. 376) StAN, Rep. 41, Bergen No. 3.

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Vgl. Löwe, Frank. Bauern S. 12. Bader, Bauernrecht S. 71. Das Pfändungsrecht wird Vorbehalten für den Fall, daß sie diese Güter nicht „peßern, pauen und wesenlich halten“ sollten, wie Erb- und Lehenrecht ist. Vgl. hierzu auch Eisenbrand, Ehehaftordnungen S. 150. 380) Vgl. o. S. 186; auch Graf, Frank. Bauern, S. 55. 381) StAN, Rep. 59, Nr. 259. 383) Vgl. o. S. 189. 384) Über die Verhältnisse vgl. u. a. K. S. Bader in Adel und Bauern im deutschen Staat des Mittelalters, hsg. v. Th. Mayer, 1943, S. 109 ff, bes. S. 115; Brunner, Land und Herrsch. S. 398 ff und Willy Andreas, Deutschland vor der Reformation, 1932, 5. A. Stuttg. 1948, bes. S. 416 ff. 385) StAN, Rep. 59 Nr. 259. 386) Vgl. Bader, Bauernrecht, S. 75; Brunner, Land und Herrsch. S. 396. 387) Vgl. o. S. 185. 388) Vgl. hierzu u. im folgenden den Schiedsspruch von 1499, StAN, Rep. 59, Nr. 259. 389) HStA, Kl. B., Urk. Nr. 38. 390) 1516 Dez. 21, StAN, S. I, L. 39, Nr. 2. 391) Irrungen wegen des Köhlens waren schon 1354, vgl. B, fol. 18. 392) Vgl. 1516 Dez. 21 (StAN, S. I, L. 39, Nr. 2); 1518 Febr. 4 (StAN, S. I, L. 367 Nr. 48); 1525 Juli 17 (ebenda Nr. 123). 393) Vgl. 1516 Dez. 21 (StAN, S. I, L. 39, Nr. 2); 1518 Febr. 4 (StAN, S. I, L. 367, Nr. 47); 1522 Febr. 6 (ebenda Nr. 96), 1522 Nov. 2 (ebenda Nr. 107); 1525 Juli, August u. Sept. (StBN, Pirckh. Nr. 542, 8, 32, 7). 394) Vgl. Schnelbögl, Lauf S. 98 ff; auch die Briefe der Äbtissin Eufemia von Juni 1525 ff (StBN, Pirkh. Nr. 542) berichten von der unsichern Lage im Nürnberger und Eichstätter Gebiet. 395) Vgl. 1525 Juli 17 (StAN, S. I, L. 367, Nr. 123); Juli 20 (StBN, Pirckh. Nr. 542, 8) und Sept. 6 (StBN, Pirckh. Nr. 542, 7). 396) StBN, Pirckh. »Nr. 542, 13. 397) StAN, Rep. 59, Ur. 259. 398) Vgl. u. a. Otto Brunner, Land und Herrschaft, S. 21 ff. 399) Ebenda S. 352. 400) Eine Zusammenstellung von Literatur siehe bei Brunner, Land und Herrschaft S. 355 Anm. 1, sowie bei Heinrich Mitteis, Der Staat des hohen Mittelalters, Weimar 1948 S. 186 Anm. 15. Die Einzeluntersuchungen oder auch nur einen Teil von ihnen hier anzuführen würde zu weit führen. Soweit sie für unsere Fragen Aufschluß geben konnten und erreichbar waren, wurden sie verwendet. Sie finden sich an der jeweiligen Stelle zitiert. 401) Brunner, Land u. Herrschaft S. 357. 402) Weder Pisdhek noch Klebel, die sich gerade mit süddeutschen Vogteiproblemen befassen, haben das Kloster Bergen in ihre Untersuchungen eingeschlossen. 403) Das für Bergen von 995 März 31 (Heidingsfelder R 136) ist älter als das bei Th. Mayer Fürsten u. Staat S. 36 angeführte von Waldkirch aus 997. 404) Um die Echtheit des Bergener Vogtwahlprivilegs war bereits zu Beginn des Jh. eine Kon­ troverse entstanden (vgl. d. diesbezgl. Angaben bei Heidingsfelder R 136), doch wurde sie nicht der Anlaß für weitere Untersuchungen der Bergener Rechtsverhältnisse. 405) Dannenbauer, Nürnberg S. 222 leitet die Vogtei Hersbruck von den Zeiten der Reichs­ vogtei Nürnberg ab, doch erscheint schon 1269 der Name Vogtei Hersbruck (Qu. u. Er. 5 Nr. 99) und wahrscheinlich auch schon früher. 406) Wilh. Küster, Das Reichsgut in den Jahren 1273—1313, 1893. 407) Hans Niese, Die Verwaltung des Reichsguts im 13. Jh., 1905. 408) Dannenbauer, Nürnberg. 409) Mitt. Nbg. 29 (1928) S. 425. 410) Reiche, Briefwechsel S. 339 Anm. 2. 411) Vgl. o. S. 157. 412) Th. Mayer, Fürsten und Staat S. 216. 413) Ebenda. 414) v. Guttenberg, Territorienbildung S. 80 f. 415) Vgl. o. S. 157. 416) Heidingsfelder Nr. 136. 417) Karl Blume, Abbatia. 1914 = Kirchenrechtliche Abhandlungen Heft 83 S. 70. Neuerdings weist auch Romuald Bauerreiß im 2. Bd. der Kirchengeschichte Bayerns, 1951, S. 161, auf die Be­ deutung dieser Urkunde hin. 418) Blume, Abbatia S. 67 ff. 419) Blume, Abbatia S. 70. 420) Mayer, Fürsten S. 25; dabei wird natürlich in den meisten Fällen ein königlicher Einfluß auf die Wahl ausgeübt werden; vgl. Karl Hörger, Die reichsrechtliche Stellung der Fürstäbtissinnen, AUF (1926) S. 244 — künftig: Hörger, Fürstäbtissinnen. 421) „Wir sehen hier einen bestimmt und klar ausgesprochenen Begriff von der libertas, die darin bestand, daß ein Kloster nicht Eigentum eines Bischofs oder eines andern Eigenkirchenherrn, sondern reichsunmittelbar war“, Mayer, Fürsten S. 44. 422) Edmund Stengel, Die Immunität in Deutsdiland bis zum Ende des 11. Jahrhunderts, Teil 1, Innsbruck 1910, S. 382 ff. — künftig: Stengel, Immunität; vgl. auch Hörger, Fürstäbtissinnen S. 224; Eugen Wohlhaupter, Hodi- und Niedergericht in der mittelalterlichen Gerichtsverfassung Bayerns, Deutschr. Beitr. 12 (1929) S. 201 — künftig: Wohlhaupter, Hoch- und Niedergericht; Mayer, Fürsten und Staat S. 254. 377) 378) 379)

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*23) Stengel, Immunität S. 384 f. Ebenda, S. 382 f; vgl. auch Hörger, Fürstäbtissinnen S. 224. Hörger, Fürstäbtissinnen S. 266 Dezeichnet Bergen von 992 (!) bis 1007 als Reichsabtei. *28) v. Guttenberg R 57. *27) 1007 April 15, MGH DH II, Nr. 131. 428) Eine Zusammenstellung von Literatur über das Eigenklosterwesen gibt H. E. Feine, Kirchlidie Rechtsgeschichte, Teil 1, Weimar 1950, S. 141 ff. 429) So für die bayerischen Diözesen und ihre Randgebiete: A. Brackmann, Die Kurie und die Salzburger Kirchenprovinz, 1912; G. Tellenbach, Die bischöflich passauisdien Eigenklöster und ihre Vogteien, 1928; O. Meyer, Feuchtwangen, Augsburger Eigen- und Tegernseer Filial-Kloster, ZRG, Kan. Abt. 58 (1938) S. 599 ff; H. Endrös, Reichsunmittelbarkeit und Schutzverhältnisse des Bene­ diktinerstifts St. Ulrich und Afra in Augsburg, Phil. Diss. München 1934; R. Budde, Die rechtliche Stellung des Klosters St. Emmeram in Regensburg, AUF 5 (1914) S. 153 ff. 430) Nur eine kleine Studie A. Brackmanns befaßt sich mit dieser Frage im Falle der Abtei Gengenbach: A. Brackmann, Otto I. von Bamberg als Eigenklosterherr, Krit. Beitr. z. Gesch. d. Ma, 1933, S. 135 ff = Ebering, Hist. Studien Heft 238, 1933. *31) v. Guttenberg, Territorienbildung S. 112 ff. *32) y. Guttenberg R 190. *33) MGH, DKonr. II Nr. 126. 434) MGH, DKonr. II Nr. 125. *85) Vgl. Anm. 427. *36) Die Urkunde selbst ist verunechtet überliefert und der Bearbeiter der DDKonr. II setzt diese Interpolation nicht vor das 13. Jh. — Als nicht verunechtet gelten jedoch u. a. die Bestätigung des freien Besitzrechtes und des Einsetzungsrechtes für den Vogt. 437) Ygl. hierzu auch A. Brackmann in Studien und Vorarbeiten zur Germania sacra I, S. 59. 438) Auf die Revidikationsbestrebungen Konrads II. und besonders Heinrichs III. ist ja von Guttenberg, Territorienbildung S. 112 ff in anderem Zusammenhang hingewiesen worden. Aus die­ len Zusammenhängen heraus läßt sich auch das Privileg Konrads II. für Bergen gut verstehen. 439) Das Eigenklostervermögen bildet zwar ein Sondervermögen in der Hand des Bischofs, doch ändert dies nichts an seinem Eigentumsrecht. Dieses Eigentumsrecht wird aber hier ausdrück­ lich der Äbtissin bestätigt. Dazu ist auch zu vermerken, daß die Schenkung von Irsching nicht an den Bischof gerichtet ist. — Vgl. in diesem Zusammenhang Tellenbach, Passauische Eigenklöster S. 52 ff, bes. S. 62 f, sowie die Besprechung von A. Scharnagl in ZRG, Kan. Abt. 19 (1930) S. 741 f und Wohlhaupter, Hoch- und Niedergericht S. 205. 440) v. Guttenberg R 206. *41) Vgl. o. S. 157 f. 4*2) v. Guttenberg R 385; vgl. hierzu neuerdings auch R. Bauerreiß, Kirchengeschichte Bayerns B. 2, 1951, S. 162. **3) Vgl. o. S. 158. ***) Vgl. o. S. 159. *45) Bosl, Kastl S. 65. *46) MB 29, 1 Nr. 512. *47) A, fol. 10. *48) Vgl. o. S. 164. *49) Er zieht Anfang 1163 durch Franken nach Mainz; vgl. Paul Wagner, Eberhard II., Phil. Diss. Halle, Halle 1876, S. 70. 450) Vgl. u. S. 201. *51) Vgl. den folg. Abschnitt. *52) Vgl. v. Guttenberg in Bayer. Ostmark S. 261. *53) Ebenda S. 266. *54) Vgl. hierzu o. S. 160. 455) Vgl. hierüber u. a. Küster, Reichsgut S. 18; v. Guttenberg, Territorienbildung S. 185; Dannen­ bauer, Nürnberg S. 33; W. Kraft, Die Nürnberger Reichsvogtei im 12. Jh., Mitt. Nbg. 1950, S. 595; Karl Bosl, Die Reichsministerialität der Salier und Staufer in Schriften d. Mon. Germ. hist. 10, 1950, S. 161; auch Alexander Boß, Die Kirchenlehen der staufischen Kaiser, Phil. Diss. München 1886, S. 18. 456) Ernst Klebel, Die Grafen von Sulzbach als Hauptvögte des Hochstifts "Bamberg, MÖIG 41 (1926) S. 108 ff. Vgl. auch v. Guttenberg, Territorienbildung S. 176 ff und Mayer, Fürsten S. 248 ff. 457) Vgl. v. Guttenberg, Territorienbildung S. 185. *58) S. o. S. 199. 459) Bayer. Ostmark S. 261; über das Amt des Butiglers s. Dannenbauer, Nürnberg S. 77 ff. 460) Mächtige Herren setzten Untervögte als ihre Beamten ein und gerade diese als ausübende Organe sind es, die meist zu den Klagen über Bedrückungen durch Vögte Anlaß geben; vgl. Mayer, Fürsten S. 193. 461) Ein entsprechendes Beispiel gibt Dumrath in MÖIG, Erg. Bd. 14 S. 86: Uber das Kloster Göß ist der Kaiser Vogt, sein Stellvertreter ist der Herzog von Österreich, unter dem dann erst der eigentliche Untervogt erscheint. 462^ Qu. u. Er. 5 Nr. 91. 463) Qu. u. Er. 5 Nr. 99. Die Bezugnahme auf die Rechte zur Zeit Kaiser Friedrichs II. läßt die im folgenden zu gewinnenden Ergebnisse durchaus auch auf die Zeit der Staufer anwenden. *64) MB 36, 1. 465) MB 36, 1 S. 347 ff. *66) MB 36, 1 S. 347. *24) *25)

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467) Daß gerade das Ami Hohenstein für die Vermischung der Vogtleute und Grundholden in finanzieller Beziehung zur Herrschaft hier typisch ist, wie Küster, Reichsgut S. 53 meint, kann nicht bestätigt werden. Audi die Annahme v. Guttenbergs, Territorienbildung S. 187 im gleichen Sinne für das Urbar von 1326 (MB 36, 1 S. 631 ff) läßt sich für das Amt Hohenstein nicht halten; denn die Angaben des Urbars von 1326 weisen hinsichtlich der Abgaben kaum nennenswerte Ver­ änderungen auf. — Bei den übrigen Zugehörungen des Amtes Hohenstein dürfte es sich um Bamberger Grundbesitz handeln, die im Nürnberger Salbüchlein (Küster, Reichsgut S. 100) unter Vogtei Hersbruck erwähnte Abgabe des Bischofs von Bamberg für Schutz und Schirm, entsprechend der Bergener, läßt ohne weiteres darauf schließen. So beauftragt auch König Albrecht den Nürnberger Landvogt ausdrücklich mit dem Schutz Bamberger Rechte an den Kirchengütern zu Hersbruck usw. (Böhmer, Regg. König Albrechts Nr. 326). Nachdem die Vogtei ja seit 1174 bzw. 1188 nicht mehr in Bamberger Hand war, kann es sich doch nur um den Schutz von Grundrechten gehandelt haben. Albrecht selbst ist ja durch die Einziehung dieser Güter Vogt über das Bamberger Kirchen­ lehen dort. Später läßt sich jedoch dann deutlich erkennen, daß die Bamberger Grundrechte — wenigstens zum größeren Teil — verschwinden und in die Hände der Inhaber der Vogtei Hersbruck übergehen. Es sind dann die Güter der sog. „Vogtei auf dem Lande“ (vgl. hierzu die Salbücher der Vogtei Hersbruck, StAN Rep. 59). Einzelne Bamberger Grundrechte sind auch dann immer noch festzustellen (vgl. Gümbel R 23; StAN Rep. 225/38, Kiste 115/1 Nr. 1, 4, 6; Rep. 225/16 Nr. 8, 23 ff, 29, 32 ff, 36 f, 39 ff; Rep. 43 Nr. 22 ff) und noch lange beanspruchen die Bischöfe Teile ihres alten Marktrechtes zu Hersbruck (vgl. Gümbel R 71, 74, 111). 468) MB 36, 1 S. 352. 469) HStA, Rst. Nbg., Fasz. 58. 470) Ernst Klebel, Die Grafen von Sulzbach als Hauptvögte des Hochstifts Bamberg, MÖIG 41 (1926) S. 125 — künftig: Klebel, Grafen von Sulzbach. 471) v. Guttenberg, Territorienbildung S. 207, 210 ff; Wohlhaupter, Hoch- und Niedergericht S. 125; Michel Hofmann, Die mittelalterliche Entwicklung der Gerichtsverfassung im alten Amte Fürth. Phil. Diss. Würzburg, 1932, S. 29, Anm. 62, S. 34 — künftig: Hofmann, Fürth; Bosl, Kastl S. 12; Bayer. Ostmark S. 237; Schnelbögl, Lauf S. 38. 472) Klebel, Grafen von Sulzbach S. 124; Dannenbauer, Nürnberg S. 31 schließt sich Klebel an. 473) B, fol. 18 f. 474) Klebel in AZ 44 (1936) S. 186. 475) Vgl. HStA, Neuböhmisches Salbuch, Staatsverw. 1083 fol. 113. 476) Vgl. hierzu Schnelbögl, Lauf S. 39. 477) Die Urkunde von 1359 April 26 bezieht sich lediglich auf eine Einung zwischen Karl IV. und Bamberg wegen der Zuständigkeit und nicht, wie man nach M. Doeberl, Die Markgrafschaft und die Markgrafen auf dem bayerischen Nordgau, Programm d. K.-Ludwigs-Gymnasiums Mün­ chen, München 1894 S. 18 annehmen möchte, um den Erwerb. Schon vorher wird auch im Bamberger Urbar A, fol. 54 vermerkt, daß dem Bischof von Bamberg u. a. zu Hersbruck die Blutgerichts­ barkeit nicht mehr zustehe, also schon vorher in anderer Hand gewesen sein muß; vgl. Gutten­ berg, Territorienbildung S. 209. 478) Dannenbauer, Nürnberg S. 32 und Schnelbögl, Lauf S. 41 erwähnen ebenfalls Gerichts­ stätten zu Lauf und Hersbruck in jener Zeit. 479) Vgl. Anm. 471. 480) Vgl. o. S. 201. 481) Druck bei Küster, Reichsgut S. 98 ff. 482) Ungedruckt, Original HStA, Staatsverwaltung Nr. 1083. 483) Hruby Nr. 282, 290. 484) Uber die Vorgänge im allgemeinen vgl. o. S. 162 f. 485) Entgegen der Meinung Dannenbauers, Nürnberg S. 36, daß die Forschung in Bezug auf die Entwicklung der Ämter Hersbruck-Hohenstein durch deren Zugehörigkeit zu Böhmen (1353—1373) erschwert werde. 486) Qu. u. Er. 5 Nr. 99. 487) Die Urkunden sprechen zwar nur von der Stadt Hersbruck und der Veste Hohenstein, doch ist die Vogtei Hersbruck eben mit dem Besitz der beiden verbunden. 488) Vgl. v. Guttenberg, Territorienbildung S. 187. 489) Bei der erstmaligen Rückgabe an die Wittelsbacher 1297 Juli 17 werden Hersbruck und Velden ausdrücklich als Reichspfandschaft bezeichnet, vgl. Böhmer, Regg. Adolf von Nassau Nr. 359. 490) Hruby Nr. 283 f, 291 f. 491) Hruby Nr. 321 ff. Uber die Schwierigkeiten beim Erwerb dieser Reichslehen, die sich bis 1361 hinziehen, berichtet Grotefend, Erwerbspolitik S. 27 f. 492) Hruby Nr. 288, 296. 493) Hruby Nr. 311; vgl. dazu auch Wild, Baiern und Böhmen S. 98 ff, 125. 494) So muß Nürnberg nach dem Landshuter Erbfolgekrieg auch um die böhmische Belehnung dieses Teils seiner Erwerbungen nachsuchen, vgl. Dannenbauer, Nürnberg S. 185. Erst 1806 ver­ schwindet auch der Schein dieser böhmischen Lehenshoheit völlig. — Über das Verhältnis Karls zum Reichsgut vgl. Grotefend, Erwerbspolitik S. 119 f. 495) Brunner, Land und Herrschaft S. 357 f. 496) Uber die große Bedeutung des Schutzes in Franken vgl. Hofmann, Fürth S. 60. 497) HStA, Rst. Nbg., Fasz. 58. 498) Uber den Begriff und die Bedeutung des Gerichtsbriefes in Bayern vgl. E. Klebel in AZ 44 (1936) S. 210 ff. 499) Regg. Imp. VIII, 3018. 500) Vgl. o. S. 187. 501) Vgl. auch Bader, Bauernrecht S. 79 und Brunner, Land- u. Herrchaft S. 347. 502) S. o. S. 202. 503) Küster, Reichsgut S. 100.

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504) s. o. S. 162. 505) Brunner, Land und Herrschaft S. 350. 506) Vgl. Dannenbauer, Nürnberg S. 225. 507) Vgl. Graf, Frank. Bauern S. 43 f. 508) Vgl. StAN, Rep. 41, Bergen Nr. 34. 509) HStA, Rst. Nbg., Fasz. 291. 510) StAN, Rep. 59, Nr. 265. , .... 511) Dieser Dienst mit 2 Pferden wird audi 1506 Sept. 2 (Ratsbuch 8, fol. 286) erwähnt. 512) Es ist daher keine Besonderheit, wie es nach Dannenbauer, Nürnberg S. 205 erscheinen

möchte, wenn sich im Privileg von 1508 (StAN, Rep. 41, Bergen Nr. 37) der Rat Steuer, Raiß und Folge in der Propstei vorbehält. Sie stehen ihm als Obrigkeit ohne weiteres zu. 513) Brunner, Land u. Herrschaft S. 356. 514) Dopsdi, Urbar S. CLVI1I. 517) Vgl. Ulrich Stutz in ZRG Germ. Abt. 25 (1904) S. 192 ff; Hans Hirsch, Die Kloster­ immunität seit dem Investiturstreit, Weimar 1913 S. 18 — künftig: Hirsch, Klosterimmunität; ders., Die hohe Gerichtsbarkeit im deutschen Mittelalter, Prag 1922 S. 22, 119 ff, 129, 138, 153 — künftig: Hirsch, Hohe Gerichtsbarkeit; auch Heinrich Mitteis, Der Staat des hohen Mittelalters, Weimar 1948 S. 186 f. 518) Wohlhaupter, Hoch- und Niedergericht S. 263. 519) Hirsch, Hohe Gerichtsbarkeit S. 57. — Wohlhaupter, Hoch- und Niedergericht S. 263, 279. Seite 274 nimmt Wohlhaupter sogar an, daß das Recht, wie es in Osterhofen in Erscheinung tritt, allgemein für Bamberger Eigenklöster Geltung haben könne. 520) „Im allgemeinen dürfen wir uns also für das hochmittelalterliche Bayern die Kompetenz­ frage bei den Klöstern so gelöst denken, daß das Niedergericht dem Klosteramtmann, die mittlere Gerichtsbarkeit dem Vogt, das Blutgericht dem herzoglichen Landrichter oder Grafen zustand“, Wohlhaupter, Hoch- und Niedergericht S. 281. 621) Vgl. auch Bruno Fleischer, Das Verhältnis der geistlichen Stifte Oberbayerns zur ent­ stehenden Landeshoheit, Diss. Berlin, Berlin 1934, S. 60 — künftig: Fleischer, Landeshoheit. 622) Regg. Imp. VIII, 3018. 523) Vgl. o. S. 188. 524) Vgl. Fleischer, Landeshoheit S. 68 ff, 158. 525) Hirsch, Hochgerichtsbarkeit S. 50. 526) MB 6, S. 248. 527) s. o. S. 205. 528) Dannenbauer, Nürnberg S. 37. 529) Michel Hofmann, im JbFLF 3 (1937) S. 63. 530) Schnelbögl, Lauf S. 43. 531) MB 47 S. 558. 532) HStA, Gerichtsurkunden Hersbruck, Fasz. 4b; vgl. auch R. Geiger, Der Streit um die Fraiß zu Reichenschwand, Heimat 1950, S. 91 f. 533) Nadi einem Bericht des Pflegers Sigmund Groß von 1526 (StAN, S. I. L. 3 Nr. 35) stand es vor 1504 den Edelleuten in der Hersbrucker Obrigkeit nicht zu um Fraiß und Frevel zu strafen, dies war Sache des Pflegers. Wenn es aber vorgekommen sei, so sei es heimlich geschehen. 534) Vgl. o. S. 207. 535) HStA, 0 8 Nr. 210. 536) Vgl. E. Klebel, Eigenklosterrechte und Vogteien in Bayern und Deutschösterreich, MÖIG, Erg. Bd. 14 (1959) S. 212. 637) Der Schiedsspruch von 1499 bezeichnet den Herzog Georg als „landfürst und vogtherr“. 638) Uber die Personalunion von städt. Niederrichter und landesherrl. Hochrichter vgl. Wohl­ haupter, Hoch- und Niedergericht S. 321. 539) „Die Sühnegerichtsbarkeit der Klöster dehnte sich außer auf Frevel und Diebstahl auf die tödlich verlaufenden Körperverletzungen und auf den Totschlag aus“, Pischek, Vogteigerichtsbar­ keit S. 67; vgl. auch Klebel, Vogtareuth, S. 180 ff. 540) Vgl. o. S. 189. 541) Vgl. Wohlhaupter, Hoch- und Niedergericht S. 271, 273. 542) ß, fol. 1. 543) Pischek, Vogteigeriditsbarkeit S. 71. 544) Pischek, Vogteigeriditsbarkeit S. 76 f. 545) StAN, Rep. 59, Nr. 259. 646) Vgl. Hirsch, Hohe Gerichtsbarkeit S. 58 ff. Der vom Vogt (!) ausgestellte Gerichtsbrief von 1343 (B, fol. 1) bestimmt, daß um Eigen vor Vogt und Propst zu klagen ist. Eine Lehens­ urkunde von 1336, also ebenfalls aus der Zeit vor der Ordnung der Verhältnisse durch Karl IV., wurde ebenfalls von Propst und Vogt ausgestellt. HStA, Rst. Nbg., Nr. 501. 547) Hirsch, Hohe Gerichtsbarkeit S. 58. Im Oberhof zu Gladbach z. B. sitzt der Schultheiß (entsprediend dem Propst) ebenfalls neben dem Vogt zu Gericht, vgl. Stratner, M-Gladbach S. 70. 548) StAN, S. I. L. 367, Nr. 289. 549) Uber das Verhältnis Halsgeridit — Landgericht vgl. Dannenbauer, Nürnberg S. 32. 550) Uber den Begriff „Hofmark“ vgl. Hirsch, Klosterimmunität S. 203 ff; Klebel, Vogtareuth S. 199. 551) Vgl. Brunner, Land und Herrschaft S. 420. 552) Vgl. Michel Hofmann im JbFLF 3 (1937) S. 63; H. Büttner in ZGORh NF 50 (1937) S. 298 553) Brunner, Land und Herrschaft S. 415 f.

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Die Entstehung der evangelisch-reformierten Gemeinde in Nürnberg als rechtsgeschichtliches Problem*) Von Dr. Hans Neidiger Einleitung Die evangelisch-reformierte Gemeinde in Nürnberg hat im Jahre 1950 das Fest ihres dreihundertjährigen Bestehens feiern können. Am 30. November 1650 haben nämlich die reformierten Bürger und In­ wohner der Reichsstadt Nürnberg den von ihnen aus Basel berufenen Magister Johann Jakob Uebelin zu ihrem Prediger angenommen und am 4. Dezember 1650 sechs Älteste gewählt. Damit war ein Presbyte­ rium gebildet und die Gemeinde nach den Grundsätzen reformierter Kirchenverfassung ins Leben getreten. Eine Gemeinschaft reformierter Christen, die Gott nach ihrer Weise dienten, gab es allerdings schon seit mehreren Generationen in Nürnberg, nur hatten sie es nie ver­ mocht, eine Gemeinde im Rechtssinne zu gründen. Erst der West­ fälische Frieden, der dem reformierten Bekenntnis die rechtliche An­ erkennung im Deutschen Reich gebracht hatte, eröffnete ihnen die Aus­ sicht, daß ihr Wunsch nach einem eigenen Kirchenwesen erfüllt würde. Woher waren diese reformierten Bürger und Inwohner, die in der rein lutherischen Reichsstadt Nürnberg Fremdlinge sein mußten, ge­ kommen? Wie viele reformierte Gemeinden in Deutschland, z. B. in Frankfurt a. M., Hamburg, Straßburg und die Gemeinden am Nie­ derrhein *), verdankt auch die Gemeinde in Nürnberg ihren Ursprung in erster Linie der Einwanderung niederländischer Religionsflüchtlinge. 1. Teil: Die Einwanderung der Reformierten nach Nürnberg § 1. Die religiösen Verfolgungen in den Niederlanden Die von Deutschland her schon frühzeitig eingedrungene reformatorische Bewegung wurde in den Niederlanden von Anfang an unter­ drückt. Karl V. konnte hier als Landesherr das Wormser Edikt vom 8. Mai 1521, dessen Vollzug im Reich auf den Widerstand vieler Fürsten und Städte stieß, ungehindert durchführen. Am 1. Juli 1523 starben zwei junge Antwerpener Augustinermönche, Heinrich Voes 15

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und Johann von Esch, als die ersten Märtyrer der Reformation auf dem Scheiterhaufen. Dem Wormser Edikt folgten in ununterbrochener Reihe und in immer schärferer Tonart die sogenannten Plakate. Zu ihrer Durchführung wurde die Inquisition zu einer mächtigen Orga­ nisation ausgebaut und zur Erhöhung ihrer Schlagkraft der Staats­ gewalt unmittelbar unterstellt. Luthers Einfluß in den Niederlanden trat jedoch bald in den Hinter­ grund; seine Anhänger stellten sich in der Abendmahlslehre auf die Seite Zwinglis. Die durch die Inquisition ihrer Führer beraubten „Sakramentisten“, wie man die Anhänger Zwinglis nannte, schlossen sich nach kurzer Zeit größtenteils wieder einer neu aufgekommenen Rich­ tung an, den Wiedertäufern. Alle diese Bewegungen wurden jedoch an Bedeutung bald von der Lehre Calvins überflügelt. Diese hatte sich von Genf aus bereits über ganz Frankreich verbreitet und war nun noch vor der Mitte des 16. Jahr­ hunderts auch in die südlichen Provinzen der Niederlande eingedrungen. Der Calvinismus übte auf die freiheitsliebenden Niederländer eine besondere Anziehungskraft aus, weil er in seiner Verfassung den Schwerpunkt der kirchlichen Organisation in die Gemeinde verlegte. Er wurde bald die herrschende Form des Protestantismus im Land, Tournai und Valenciennes, Westflandern und Antwerpen wurden die Hauptsitze des Calvinismus. Gegen seine Anhänger richtete sich jetzt in erster Linie die Ver­ folgung. Am 22. September 1540 bestätigte Karl V. noch einmal alle früheren Edikte in einem Plakat, das schärfer als alle diese war, und erhob sie zu ewigem Gesetz. Es folgte das Edikt vom 13. April 1550, wonach der Kauf, das Lesen oder die Aufbewahrung der Werke Luthers, Zwinglis, Oekolampads, Calvins und ihrer Anhänger, sowie die öffentliche oder geheime Diskussion über die Hl. Schrift mit dem Tode und dem Entzug des Vermögens bestraft wurden. Ein weiteres Edikt vom 29. April 1550 bestimmte, daß verstockte Ketzer lebendig verbrannt, widerrufende Männer aber zum Tode durch das Schwert, Frauen zum Lebendigbegrabenwerden „begnadigt“ werden sollten. Die gleichen Strafen trafen denjenigen, der einen Ketzer aufnehmen, be­ herbergen oder auch nur nicht anzeigen würde. Wer in den ständigen Verfolgungen nicht von seiner religiösen Überzeugung abfallen oder einem grausamen Tode entgegengehen wollte, dem blieb nur ein Weg, die Heimat zu verlassen 2). § 2. Die Einwanderung der niederländischen Glaubensflüchtlinge nach Nürnberg I. In immer neuen Wellen verließen Tausende die Niederlande. Sie wandten sich nach England, nach Dänemark, in die evangelischen Ge­ biete der Schweiz und Deutschlands, hier insbesondere nach Ostfries­ land, wo Emden die Mutter der Vertriebenen wurde3), nach Wesel und in die Städte im Rhein- und Maingebiet, wo sie an vielen Orten Gemeinden gründeten4). Für die Nürnberger Reformierten wurde die Gründung der wallonischen Gemeinde in Frankfurt a. M. im Jahre 1554 5) und die der flämischen im Herbst 1555 6) bedeutsam. 226

II. 1) Es war nur zu natürlich, daß niederländische Flüchtlinge auch nach Nürnberg kamen. Sie gehörten ja fast ausnahmslos den händwerklichen oder künstlerischen Berufen, sowie dem Kaufmannsstand an. Sie suchten daher an solchen Orten Zuflucht, die ihnen wirtschaft­ liche Betätigungs- und Entfaltungsmöglichkeiten bieten konnten. Dafür war aber Nürnberg als ein Mittelpunkt wirtschaftlichen und künst­ lerischen Lebens in Deutschland geeignet wie nur noch wenige Städte im Reich 7). 2) Niederländische Handwerker und Kaufleute hatten sich schon von jeher in Nürnberg niedergelassen 8). Bei den lebhaften Handels­ beziehungen, welche die Stadt mit den Niederlanden bereits seit früher Zeit unterhielt9), ist das nicht weiter verwunderlich. So finden wir 1527 den Tuchweber Anton Bassan aus Arras in Nürnberg, der hier die Tuchsorten Arras und Ratin herstellte. Ihm gesellte sich 1530 ein Atlasweber Peter von Mundt aus den Nieder­ landen zu, der „viel Volks bei sich hatte“ 10). Im Jahre 1537 kamen viele niederländische Bierbrauer nach Nürnberg und führten hier das Weiß­ bierbrauen ein11). Bei ihnen kann es sich natürlich noch nicht um Re­ formierte gehandelt haben. Darüber, ob sie vielleicht geflohene Luthe­ raner, Zwinglianer oder Wiedertäufer waren, geben uns die Quellen keinen Aufschluß. 3) Der erste in den Quellen nachweisbare reformierte Niederländer scheint Jan de Boufi (Boys) (oder Joan de Buus, wie er sich auch nennt) aus Gentlla) gewesen zu sein. Er wurde am 26.5.1559 Bürger 12), fing mit einem kleinen Kram auf dem Markt an 1S) und arbeitete sich in kurzer Zeit zu einem angesehenen Kaufmann empor 14). Im Jahre 1567 geriet er in den Verdacht, in der Lehre vom Abendmahl eine irrige Ansicht zu vertreten. Der Prediger Peßler erhielt vom Rat den Auftrag, ihn zu examinieren, jedoch nicht zu rauh gegen ihn zu sein15). Daraus können wir unschwer entnehmen, daß er sich zwar äußerlich dem in der Stadt herrschenden lutherischen Bekenntnis unterworfen hatte, innerlich jedoch der Lehre Calvins anhing und daß ihm der Rat des­ wegen, wenn er sich nur in der Stille hielt, keine großen Schwierig­ keiten bereiten wollte. Bei seiner Aufnahme ins Bürgerrecht, ebenso bei der des niederländischen Kaufmanns Heinrich Pilgram aus Herzogenbusch am 6. 4. 1562 16), finden sich noch keine Hinweise auf das religiöse Bekenntnis der Neubürger. Jedoch schon zwei Tage nach der Aufnahme Pilgrams heißt es in einem Verlaß des Rates vom 8. 4. 1562: „Augustin de Grand, deine niderlendern, und mitgesellschaftern und helfern, dern, wie er angezaigt, fünf seien, sambt iren weibern, ist auf ir bitt vier jar lang on das burgerrecht alhie zu sizen und zu wohnen vergönnt, doch das sie in der religion kein sect anrichten, sonder sich derselben halb einge­ zogen und dermaßen halten wollen, damit sich irer weder meine herren noch sonst iemand zu beschweren hab, das sie auch sich alles bür­ gerlichen ghorsams befleißigen, und sich selbsten mit Wohnungen ver­ sehen wollen, wie sie sich dann des zu tun stattlich erpoten. So ist inen auch die freiheit zugesagt, wie sie gepeten, das in solcher zeit der vier jar alhie niemand mehr gestattet werden soll, iren vorhabenden sei­ denhandel und gewerb, one ir zulassen zu treiben und zu verlegen, 15*

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und das alles darumben, das ermelter Augustin de Grand die rauhe seiten hieher bringen und arbeiten wolle, auf allerlei weis, damit er dann in dritthalbhundert hiesige personen zu fördern und zu erneren vermeint; und so im gott in den bestimmten vier jaren den segen gebe, das er allhie pleiben und sein narung haben könne, das er dann nach ausgang derselben sich ins burgerrecht begeben wolle.“ 17) Dieser Verlaß wird erst verständlich, wenn man weiß, daß Augustin Legrand, wie er richtig heißt, ein reicher reformierter Bürger aus Frankfurt am Main war. Er hatte dort als Führer einer Opposition in der hauptsächlich aus Wallonen bestehenden französisch-reformierten Gemeinde schwere Auseinandersetzungen mit dem Gründer und Pre­ diger dieser Gemeinde, Valerand Poullain, gehabt, gegen den er auch eine Klage beim Frankfurter Rat eingereicht und so die Streitigkeiten ans Licht der Öffentlichkeit gezogen hatte. Die ursprünglich wohl­ wollende Haltung des Frankfurter Rates gegenüber den niederländi­ schen Flüchtlingen war nicht zuletzt dadurch ins Gegenteil umgeschla­ gen. Im Jahre 1561 war den Reformierten auf Drängen der lutheri­ schen Stadtgeistlichen die öffentliche Ausübung ihres Gottesdienstes verböten worden. Die wohlhabenderen Gemeindeglieder waren darauf­ hin nach anderen Städten ausgewandert18). Legrand, der an dieser Entwicklung nicht unschuldig war, versuchte sein Glück, wie wir sahen, in Nürnberg. Er hat seine Absicht, sich hier niederzulassen, jedoch nicht ausgeführt, denn wir finden ihn, außer in dem Ratsverlaß vom 8. 4. 1562, kein einziges Mal mehr in Nürnberg erwähnt, dagegen weiterhin als Bürger von Frankfurt19). Dem Nürnberger Rat waren bei der engen wirtschaftlichen Ver­ bindung der beiden Städte die Frankfurter Vorkommnisse sicherlich nicht unbekannt geblieben. Er wußte also, daß Legrand ein Anhänger der calvinischen „Sekt“ und ein nicht gerade sehr friedliebender Mann war. Nur die Aussicht auf die Gewinnung eines neuen Gewerbezweiges wird den Rat bewogen haben, Legrand trotzdem aufzunehmen. Um aber die Stadt vor ähnlichen Streitigkeiten zu schützen, wie sie in den fünfziger Jahren in Frankfurt zwischen den reformierten Emigranten und den einheimischen Philippisten einerseits und den Gnesio-Lutheranern andererseits getobt und ganz Deutschland ergriffen hatten 20), sah sich der Nürnberger Rat offenbar veranlaßt, die Niederlassung Legrands und seiner Gesellschafter von der Bedingung abhängig zu machen, daß sie sich in religiöser Hinsicht still und eingezogen halten würden. Für uns ist es der erste Hinweis auf das reformierte Bekennt­ nis eines niederländischen Einwanderers. Die gleiche Bedingung wurde auch dem Seidenmacher Jeronimus Pallier auferlegt, als er am 7. August 1563 in den Schutz aufgenommen wurde 21). Er scheint eben­ falls wie Legrand des Calvinismus „verdächtig“ gewesen zu sein. In den nächsten Jahren kamen immer wieder einzelne Niederländer nach Nürnberg wie z. B. der Kaufmann Niclas Bave aus Brügge22), die aber anscheinend keinen Verdacht erregten. 4) Erst im Jahre 1567, als Herzog Alba sein Schreckensregiment in den Niederlanden aufrichtete 23), trafen erstmals größere Scharen von Flüchtlingen in Nürnberg ein. Der Rat befaßt sich in diesem Jahr in mehreren Verlässen mit den niederländischen Calvinisten, „so itzo 228

hieher kommen und vielfältige Disputationen erregen“ 24). Unter ihnen befanden sich hauptsächlich Kaufleute, Goldschmiede, Maler und Sei­ denfärber 25). 5) Zwei Jahre später setzte der Rat selber eine planmäßige Ein­ wanderung von reformierten Niederländern nach Nürnberg ins Werk. Damit hatte es folgende Bewandtnis: Mit dem 16. Jahrhundert hatte sich die Kleidermode in Deutschland immer mehr von den buntfarbigen schweren Wolltuchen des Mittel­ alters den leichten, dunkleren Tuch- und Seidenzeugen zugewandt, die hauptsächlich in England und den südlichen Provinzen der Nieder­ lande hergestellt wurden26). Die Einfuhr dieser Tuche, welche die deutschen Wollwebtuche verdrängt hatten, lag in den Händen der Kölner Großkaufleute, die sie von dem Kontor der Hansa in London, dem Stahlhof, unmittelbar auf die Frankfurter Messen brachten. Von Frankfurt aus wurden die englischen Tuche namentlich durch die Nürn­ berger Kaufleute nach Breslau, Krakau, Prag, Wien und Venedig weiterverkauft. Im Jahre 1476 z. B. kauften die Nürnberger Tuchhänd­ ler 11004 englische Tuche im Wert von rund 100 000 fl. in Gold 27). Diese Summe mag vielleicht heute einem Betrag von etwa 5 Millionen DM entsprechen. Daraus ist unschwer zu ersehen, welche Bedeutung dieser Handel für Nürnberg hatte. Die Tuche wurden meist in rohem Zustand aus England ausgeführt und erst in den niederländischen Städten, hauptsächlich in Antwerpen, nadelfertig für den Schneider zubereitet. Dazu mußten die Tuche vom Webstuhl aus erst noch gewaschen, gewalkt, geschoren, gefärbt und planiert werden. Das war die Tätigkeit der sogenannten Tuchbereiter und -färber28). Zu Beginn der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts trat jedoch im Geschäft mit den englischen Tuchen infolge der niederländi­ schen Wirren und des Konkurrenzkampfes der Engländer gegen die Hansa eine erhebliche Störung ein. Bisher hatten die hansischen Kauf­ leute auf Grund ihrer Privilegien den Transport der rohen Tuche von England nach Antwerpen durchgeführt. Nun strebten die Engländer seit dem Regierungsantritt der Königin Elisabeth danach, die alten Handelsvorrechte der deutschen und niederländisechn Kaufleute zu be­ seitigen und die Zubereitung und Ausfuhr der heimischen Tuche selbst zu besorgen. 1558 wurden die Privilegien der Hansa in London auf­ gehoben. Dafür erhielt eine Gesellschaft englischer Tuchhändler, die Merchant Adventurers, ein staatliches Monopol auf die Tuchausfuhr. Die General Statthalterin der Niederlande, Margarete von Parma, er­ ließ ihrerseits am 28. November 1563 ein Einfuhrverbot gegen die Merchant Adventurers. Diese suchten sich daraufhin einen neuen Sta­ pelplatz auf dem Festland. Das war zuerst Emden, dann ab 1569 Hamburg 29). Als man in Nürnberg erfuhr, daß die englischen Tuche „wegen des eingefallenen Krieges“ nicht mehr nach Antwerpen, sondern nach Ham­ burg verschifft würden, hielt der Rat diesen Umstand für eine günstige Gelegenheit, aus der Nürnberg ebenfalls einen Vorteil ziehen könne. In der Hoffnung, dadurch die Einfuhr englischer Tuche erheblich zu steigern und die Stadt womöglich zu einem Mittelpunkt dieses einträg­ lichen Handels zu machen, erließ er eine Verordnung, wonach in Zu-

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kunft alle englischen Tuche zollfrei eingeführt werden dürften. Be­ sonders die Patrizier Endres Imhoff der Ältere, Gabriel Nützel und Balthasar Derrer verfolgten diesen Plan mit großem Eifer und wußten den Rat zu bestimmen, die notwendigen Schritte zu ergreifen 30). Nach dem Erlaß der erwähnten Verordnung 31) erhielt der in Lübeck wei­ lende Kaufmann Veit Seng vom Rat den Auftrag, mit den Engländern in Hamburg Verhandlungen anzuknüpfen, um diese zur Niederlassung in Nürnberg zu bewegen32). Zur Bearbeitung der nach Nürnberg einzuführenden rohen eng­ lischen Tuche sollten auch die entsprechenden Handwerker in der Stadt angesiedelt werden. Zu diesem Zweck setzte sich der oben schon erwähnte Niederländer Jan de Boys im Auftrag des Rats mit Tuch­ bereitern und Färbern in Antwerpen in Verbindung, von denen vier Meister auf Kosten der Stadt zu den Verhandlungen nach Nürnberg kamen. Es waren die Bereiter Alexander vom Berg, Philipp de Fette und die Färber Jan Doppengießer und Gerhart von Herff. Sie prüften das Wasser der Pegnitz und fanden es für ihre Zwecke vorzüglich. Der Rat schloß daraufhin einen Vertrag mit ihnen, wonach sie sich ver­ pflichteten, „bei ihren wahren Ehren und Treuen“, samt ihren Weibern und Kindern, auch notdürftigem Gesinde, für die Färber vier und die Zubereiter acht Gesellen, binnen zwei Monaten wieder in Nürnberg zu erscheinen und „das Färben und Zubereiten des englischen Tuchs mit getreuem Fleiß zu eines ehrbaren Rats und der ihrigen billigem Vergnügen ins Werk zu richten“. Der Rat versprach seinerseits, ihnen 1200 Taler auf vier Jahre vorzuleihen, damit sie Vorrat einkaufen möchten. Darüber hinaus sollten die beiden Färber 400 und die Be­ reiter 1000 Taler erhalten. Diese waren als Entschädigung für den Verlust ihrer liegenden und fahrenden Habe in Antwerpen, sowie die aufgewendeten Reisekosten für die Familien und das Gesinde in Stärke von 26 Personen und die Neubeschaffung von Arbeitsgerät gedacht. Endlich erklärte sich der Rat auf ihre Bitte hin dazu bereit, sie als Bürger aufzunehmen, „weil sie sich ihr Leben lang nicht mehr ins Niederland begeben oder dort häuslich niederlassen dürften“. Der „erbar“ Joan de Buus verbürgte sich auf der Vertragsurkunde für seine Landsleute33). Die vier Meister begaben sich daraufhin wieder nach Antwerpen, um ihre Familien und die nötigen Arbeitskräfte herbeizuholen. Während ihrer Abwesenheit ließ der Rat auf seine Kosten das Färbhaus, die Kessel und anderes Gerät bauen und einrichten, sowie die den Nieder­ ländern zugesagten Wohnungen bereitstellen, damit bei ihrer Ankunft keine Zeit verloren gehe und sie sofort mit der Arbeit beginnen könn­ ten 34). Die niederländischen Handwerker schrieben indessen aus Ant­ werpen an Jan de Buus, daß sie nur verheiratete Gesellen bekämen. Auch müßten sie einen „Stopper“ für die zerrissenen Tuche anstellen, dessen Reisekosten der Rat ebenfalls ersetzen solle. Der Rat ließ ihnen mitteilen, daß dem Stopper die Reisekosten ersetzt und ihm wie den anderen Gesellen freie Wohnung gewährt werde35). Ende Juli kamen die Niederländer mit ihren Familien und den Gesellen wieder in Nürnberg an und nahmen sofort die Arbeit auf36). Der Rat kaufte 230

ihnen noch einen Garten vor dem Frauentor um 800 fl., wo sie ihre Tuche an Rahmen zum Trocknen aufhängen konnten37). Die Stärke dieser Einwanderungsgruppe wird man, da die Meister an Stelle der ledigen Gesellen zum Teil verheiratete mitbrachten, auf etwa 40 Personen anschlagen dürfen. Sie gehörten alle dem reformier­ ten Bekenntnis an. In der Überlieferung wird auf sie, die größte und geschlossenste niederländische Einwanderergruppe, auch der Ursprung der Gemeinde zurückgeführt38), 6) Wie schon vor der geschlossenen Einwanderung der Tuchbereiter im Jahre 1569, so kamen auch in den folgenden Jahren, insbesondere nach der Eroberung Antwerpens durch die Spanier im Jahre 1585 39), immer wieder einzelne niederländische Tuchbereiter, Seidenfärber, Bortenwirker, Goldschmiede und sonstige Kunsthandwerker sowie Kaufleute nach Nürnberg. Sie wurden vermutlich von ihren schon an­ sässigen Landsleuten herbeigerufen40). § 3. Die Einwanderung aus anderen Ländern I. Jan de Boys brachte außer den niederländischen Tuchbereitern auch noch englische Tuchhändler in die Stadt. Nachdem Veit Seng in Hamburg nichts hatte erreichen können, reiste Jan de Boys im Auftrag des Rates nach Hamburg und bewog dort einige englische Kaufleute, Heinrich Beitschier aus London und Johann Born und Mitverwandte, sich in Nürnberg niederzulassen und ungefärbte englische Tuche ein­ zuführen 41). Bei ihnen darf angenommen werden, daß sie entweder der englischen Staatskirche oder der puritanischen Richtung angehör­ ten. Ihnen folgten im Laufe der nächsten Jahrzehnte noch viele Lands­ leute, die als Tuchhändler in Nürnberg eine bedeutsame Rolle spielten42). II. Im gleichen Jahr, in dem die niederländischen Tuchbereiter nach Nürnberg kamen, fand auch eine Einwanderung von Hugenotten statt. Sie entging anfänglich den sonst so wachsamen Blicken des Rats. Erst auf eine Anzeige der Scheibenzieher hin, die Kupfer- und Messing­ draht zogen 43), daß im Garten des Quirin von der Stadt (wahrschein­ lich ein Niederländer) etliche Franzosen den Messingdraht ziehen und auch vergoldeten kupfernen Draht (= leonischer Draht) machen wür­ den, ordnete der Rat eine Haussuchung bei Quirin von der Stadt an 44). Dabei stellte man fest, daß die Franzosen eine bisher in Nürnberg noch unbekante Kunst ausübten, nämlich die Herstellung des sogenannten leonischen Drahtes. Es waren acht oder neun Personen und ihr Prin­ zipal hieß Anthoni Fornier. Der Rat befahl daraufhin zu erkunden, „wie es der religion halber umb sie gewandt, und ob sie keiner aufrurischen oder verfurischen secten“ angehörten; alsbald solle man die Prinzipalen erfordern und mit ihnen handeln, ob sie sich ins Bürger­ recht begeben wollten, damit der Handel hier gelassen, weil viel daran gelegen und sie sich selbst hätten vernehmen lassen, daß sie des Bür­ gerrechts begehrten 45). Anthoni Fornier von Paris wurde auf sein Er­ bieten hin, daß er und sein verheirateter Geselle sich ins Bürgerrecht begeben wollten, am 31. 12. 1569 als Bürger aufgenommen, unter der Bedingung, sich in Religionssachen aller Gebühr gemäß zu verhalten 231

und sich keiner Sekte anhängig zu macken48). Er ist der Begründer der heute noch im Nürnberger Wirtschaftsgebiet blühenden leonisehen Industrie 47). Anthoni Fornier war religiöser Flüchtling. Max Beckh meint in seiner Arbeit über die Nürnberger leonisehe Industrie, daß Fornier vermutlich der mächtigen Kaufmannsfamilie gleichen Namens in Lyon angehörte und vor den Verfolgungen, die dort schon früher ausbrachen, zuerst nach Paris und von dort nach Nürnberg geflohen sei. Nach Nürn­ berg zu gehen, habe bei den engen Handelsbeziehungen zwischen Lyon und der Reichsstadt Nürnberg48) für Fornier sehr nahe gelegen 49). Er verließ Nürnberg aber schon 1571 wieder und gründete mit seinem Sohn Jorg im oberpfälzischen Freystadt einen neuen Betrieb. Seine Enkel Wolf Friedrich und Andreas zogen jedoch in die Vororte Nürn­ bergs (Sündersbühl, Fürth) und dann in die Stadt selbst zurück50). Benedikt Fornier, der Sohn des Wolf Friedrich51) war als Hausvater an der Gründung der Gemeinde beteiligt52). Der Hugenottenfamilie Fornier folgten im Laufe der nächsten Jahr­ zehnte noch mehrere Glaubensgenossen aus Frankreich nach, haupt­ sächlich Goldschmiede, Juweliere, Bortenwirker und Kaufleute 53). Der berühmte Rechtsgelehrte Hugo Donellus aus Chalons sur Saöne, der 1576 nach dem Regierungsantritt des lutherischen Kurfürsten Lud­ wig VI. die Universität Heidelberg wegen seines reformierten Glau­ bens hatte verlassen müssen und einige Jahre an der Universität Leyden gelehrt hatte, kam 1587 nach Nürnberg und übernahm eine Professur an der reichsstädtischen Akademie in Altdorf 54). III. Neben den Niederländern und Franzosen ließen sich auch Schweizer in Nürnberg nieder55), allerdings nur aus wirtschaftlichen Gründen. Eine wichtige Rolle in der Geschichte der Gemeinde spielte die Familie Peyer aus Schaffhausen56). §4. Die indirekte Einwanderung Im Jahre 1585 hatte der Herzog von Parma Antwerpen und Brüssel erobert und die ganzen südlichen Provinzen der Niederlande in seine Hand gebracht57). Das hatte noch einmal eine große Massenauswande­ rung zur Folge gehabt. Die spanische Regierung hatte den Antwerpener Protestanten vier Jahre Bedenkzeit zum Übertritt zur katholischen Kirche zugestanden. Die meisten scheinen aber die Auswanderung dem Übertritt vorgezogen zu haben58). Eine Nachricht aus Antwerpen vom 4. 11. 1586 meldet, daß die Einwohnerschaft der Stadt ständig ab­ nehme und zur Zeit 2000 Häuser leer ständen 59). Etwa vom Jahre 1590 ab versiegte jedoch der Auswanderungsstrom aus den wieder spanisch gewordenen Provinzen, die bisher den größten Teil der Auswanderer nach Deutschland gestellt hatten60). Die Niederländer, die jetzt nach Nürnberg einwanderten, kamen nicht mehr unmittelbar aus ihrer alten Heimat. Sie hatten schon vorher an irgend einem anderen Ort Zuflucht gefunden und waren dank ihres hervorragenden Unternehmungsgeistes, ihrer genaueren Kenntnis des Weltmarktes, der fortschrittlicheren Arbeitsmethoden und modernen Wirtschaftsauffassung rasch zu Reichtum gelangt61). Sie wurden in der 232

neuen Heimat abermals zur Auswanderung bewogen, hauptsächlich deswegen, weil sie abermals religiöser Unterdrückung ausgesetzt waren, wie in Köln und Aachen 62). Mit einem ansehnlichen Vermögen ließen sie sich jetzt in Nürnberg nieder und spielten bald eine wichtige Rolle im städtischen Wirtschafts­ leben. Ein kurzer Auszug aus dem pergamentenen Bürgerbuch83), in dem die wohlhabenden Neubürger mit dem Vermerk, wieviel Kapital sie versteuern würden, eingeschrieben wurden, möge dies kurz ver­ anschaulichen: Benjamin Balle (= Bailly), Händler aus Bremen, 1622 Bürger, 6000 Taler; Peter von Lirt, Händler aus Tournai, 1622 Bürger, vorher ver­ mutlich in Aachen, 24 000 fl.; Cornelius Le Prunn, Händler von Köln, 1622 Bürger, 15 000 fl.; Michael von Lierdt, 1623 Bürger, 8000 fl.; Abraham Sieß, Handelsmann aus Aachen, 1648 Bürger, 9000 bis 10 000 fl. Nur ganz wenige der Neubürger konnten ein so hohes Vermögen bei der Aufnahme ins Bürgerrecht angeben. Das zeigt uns, daß die Nürnberger Reformierten eine beträchtliche Kapitalmacht dargestellt haben müssen, ein Umstand, der für die Entwicklung der Gemeinde von ausschlaggebender Bedeutung war. Die armen Handwerker, die im Verlaufe der direkten Einwanderung aus den Niederlanden nach Nürnberg gekommen waren, hätten vermutlich niemals die Gründung der Gemeinde und ihren Weiterbestand durchsetzen können. Erst die reichen Kaufleute, die im 17. Jahrhundert einwanderten, waren in der Lage, dieses Ziel zu erreichen. § 5.

Reformation und Gegenreformation in der Oberpfalz

Der Dreißigjährige Krieg brachte erneut einen starken Zustrom reformierter Glaubensgenossen nach Nürnberg, diesmal aber nicht wie bisher aus den westlichen Nachbarländern Deutschlands, sondern aus einem Gebiet in der unmittelbaren Nachbarschaft der Reichsstadt, aus dem Fürstentum der obern Pfalz. In dieses Land war die lutherische Reformation vom Ende der dreißiger Jahre des 16. Jahrhunderts ab eingedrungen und hatte all­ mählich den Katholizismus verdrängt. Der Regierungsantritt des Kur­ fürsten Ottheinrich im Jahre 1556 brachte die offizielle und ausschließ­ liche Anerkennung der Lehre Luthers. Sein Nachfolger, Kurfürst Friedrich III., der sich zum Verständnis des Evangeliums im Sinne Calvins bekannte, versuchte seinem persön­ lichen Bekenntnis Eingang im Land zu verschaffen. Nach seinem Er­ folge auf dem Reichstag zu Augsburg 1566, wo ihn die andern evange­ lischen Reichsstände trotz mancher Bedenken als AC.-Verwandten und somit als im Religionsfrieden von 1555 eingeschlossen anerkannt hatten, setzte er durch ein Religionsmandat vom 20. Januar 1567 für die Ober­ pfalz die lutherische Kirchenordnung Ottheinrichs außer Kraft und 233

führte seine Heidelberger Kirchenordnung von 1563 ein. Das Volk empörte sich jedoch gegen die aus der Rheinpfalz kommenden refor­ mierten Prediger und leistete der Einführung des Calvinismus leiden­ schaftlichen Widerstand. Friedrichs Sohn, Kurfürst Ludwig VI., erließ wiederum im Jahre 1577 eine lutherische Kirchenordnung, besetzte den Kirchenrat in Amberg mit Lutheranern und entfernte die calvinischen Geistlichen. Nach dem Tode Ludwigs im Jahre 1583 suchte sein Bruder Johann Kasimir, der als Vormund für den minderjährigen Friedrich IV. die Regierung der Pfalz übernahm, das lutherische Bekenntnis erneut durch das calvinische zu verdrängen. Die Bevölkerung leistete aber­ mals entschiedenen Widerstand und Johann Kasimir hinterliefi seinem Mündel das Land in voller Gärung. Die Landschaft versagte beim Re­ gierungsantritt Friedrichs IV. 1591 die Huldigung. An mehreren Orten der Oberpfalz kam es zu blutigen Unruhen. Dem jungen Kurfürsten blieb nichts anderes übrig, als den Lutheranern bis zu einem gewissen Grad Duldung zu gewähren. Allmählich wurde aber die lutherische Religionsübung immer mehr zurückgedrängt. Freigewordene Pfarr­ stellen wurden nur mehr mit reformierten Geistlichen besetzt, insbe­ sondere mit den sogenannten „Kryptocalvinisten“, die aus dem Kur­ fürstentum Sachsen vertrieben worden waren. Zuletzt konnten sich lutherische Prediger fast nur mehr in den größeren Städten und be­ sonders in den adeligen Patronatspfarreien halten. Im Volk fand das reformierte Bekenntnis aber nur wenig Eingang. Die Niederlage Friedrichs V. am Weißen Berge entschied auch end­ gültig das religiöse Schicksal der Oberpfalz. Maximilian von Baiern, der im Auftrag des Kaisers Ferdinand II. den Krieg gegen den Winter­ könig geführt hatte, besetzte nach dessen Ächtung am 12. (22.) Januar 1621 die Oberpfalz zunächst im Wege der Achtvollstreckung, um sie gleichzeitig als Pfand bis zur Bezahlung der böhmischen Kriegskosten durch den Kaiser in Besitz zu nehmen. Im September 1621 übertrug der Kaiser kraft eines Geheimvertrages Maximilian die pfälzische Kur­ würde, die diesem auf dem Reichsdeputationstag 1623 dann öffentlich übertragen wurde, nach außen hin freilich nur interimistisch. Maximilian war von vornherein entschlossen, das Land dem Katho­ lizismus zuzuführen. Zur Einleitung des Bekehrungswerkes wurden schon 1621/22 Jesuiten, Franziskaner und Kapuziner ins Land gerufen. Die reformierten und lutherischen Geistlichen wurden jedoch vorläufig noch geduldet, auch der reformierte Kirchenrat in Amberg wurde einst­ weilen im Amt belassen. Das änderte sich jedoch sehr bald. Freiwerdende Pfarrstellen wur­ den nicht mehr mit evangelischen Geistlichen besetzt. In der Grafschaft Cham begannen die ersten Austreibungen. Die reformierten Pfarrer mußten im Mai 1623, die lutherischen im Januar 1625 das Land ver­ lassen. Die Bevölkerung wurde durch Dragonaden zum Übertritt ge­ zwungen. Inzwischen war auch der reformierte Kirchenrat in Amberg im September 1624 entlassen worden. Ihm folgten im Laufe der nächsten Jahre alle evangelischen Geistlichen, zuerst die reformierten, dann die lutherischen. Die Pfarrwitwenkasse, die ein Vermögen von 14 000 fl. 234

zusammengebracht hatte, wurde von der Regierung eingezogen und dem neuerrichteten Jesuitenkolleg in Amberg überwiesen (ein Vor­ gang, der für die Geschichte der Nürnberger reformierten Gemeinde von Bedeutung werden sollte). Wie die Geistlichen, so wurden auch die Beamten entlassen und durch katholische ersetzt; den Städten wurden katholische Bürger­ meister aufgezwungen. Inzwischen war Maximilian am 23. 2. (4. 3.) 1628 Landesherr der Oberpfalz geworden, nachdem er das Land bisher nur als Pfand­ inhaber besetzt gehalten hatte. Jetzt besaß er die rechtliche Handhabe, nach dem Grundsatz „Cuius regio eius religio“ die Gegenreformation durchzuführen. Das Religionspatent vom 17. (27.) 4. 1628 forderte von der Bevölkerung binnen einem halben Jahr Übertritt zum Katholizis­ mus oder Auswanderung. Die Nachsteuer wurde auf 10 Prozent fest­ gesetzt. Im Gegensatz zu den Niederländern und später den Hugenotten, die in großen Scharen lieber die Heimat verließen als ihrem Glauben abschworen, nahmen nur wenige Oberpfälzer das Los der Auswan­ derung auf sich. Das war allerdings auch zu verstehen. Die Nieder­ länder und die Hugenotten besaßen eine frei gewählte religiöse Über­ zeugung, von der sie durchdrungen und für die sie jedes Opfer zu bringen willens waren. Sie hatten sich selbst ein festgefügtes Kirchen­ wesen aus den Gemeinden heraus im offenen Widerspruch zu den Ge­ boten der Obrigkeit geschaffen, das ihnen den erforderlichen Rück­ halt in den Verfolgungszeiten gab. Das oberpfälzische Volk dagegen hatte bis zur bairischen Besetzung einige Male seinen Glauben nach dem Grundsatz „Cuius regio eius religio“ wechseln müssen. Das ur­ sprünglich freiwillig übernommene lutherische Bekenntnis hatte dem zwangsweise eingeführten reformierten weichen müssen, ohne daß dieses im Volk Widerhall gefunden hätte. Ein Opfermut, wie ihn die Bekenner der „Kirche unter dem Kreuz“ am Niederrhein und der „Kirche in der Wüste“ in Frankreich aufbrachten, war daher vom oberpfälzischen Volk nicht zu erwarten. Es war überhaupt ein Wunder, daß es nach den unruhigen Zeiten der jahrzehntelangen religiösen Wirren und den Drangsalen des böhmisch-pfälzischen Krieges den gewaltsamen Bekehrungsmethoden Maximilians noch Widerstand ent­ gegensetzte 84). So kam es, daß meist nur diejenigen das Land verließen, die aus­ gewiesen oder vertrieben wurden, die Geistlichen und die Beamten mit ihren Familien, viele Adelige (von denen allerdings der größte Teil lutherisch war) und vor allem Kaufleute und Gewerbetreibende, wie die große Familie Geisel aus Tirschenreuth und Waldsassen. Diese war erst 1597 wegen religiöser Unterdrückung im lutherischen Würt­ temberg aus der Stadt Calw nach Tirschenreuth gekommen und hatte hier und in Waldsassen eine große Tuchmanufaktur errichtet, wodurch das ganze Stiftsland Waldsassen zu großer Blüte gebracht worden war 65). Diese wenigen Vertriebenen und Ausgewiesenen fanden haupt­ sächlich in den benachbarten evangelischen Territorien Zuflucht: in der Markgrafschaft Brandenburg-Bayreuth, in den Reichsstädten Nürnberg 235

und Regensburg 66). Einige reformierte Geistliche fanden im Fürsten­ tum Anhalt eine neue Anstellung. Fürst Christian von Anhalt-Bernburg war der letzte kurpfälzische Statthalter in Amberg gewesen 67). § 6. Die Einwanderung der oberpfälzischen Exulanten. In das Nürnberger Gebiet kamen die ersten oberpfälzischen Re­ formierten im Jahre 1625. Es waren zum größten Teil vertriebene Geistliche, die sich in den Vorstädten und Dörfern rund um Nürnberg, in Wöhrd, Gostenhof, Großreuth bei Schweinau, Kornburg, Wendel­ stein, Brunn, Schwaig, Mögeldorf, Unterbürg, Erlenstegen, Neunhof und Heroldsberg niederließen68). Johann Cliner, Mitglied des entlassenen Amberger Kirchenrates, bat den Nürnberger Rat um Aufenthaltserlaub­ nis in einem Garten vor der Stadt oder in Gostenhof69). Der kurpfäl­ zische Rat Dr. jur. Johann Jacob Heber aus Amberg wandte sich nach seiner Entlassung ebenfalls nach Nürnberg und stellte am 30. 12. 1625 beim Rat das Gesuch, zum Schutz und zur Advokatur zugelassen zu werden. Beides wurde ihm am 10. 2. 1626 bewilligt70). Im Laufe der nächsten Jahre kamen noch weitere Geistliche, Beamte, und Witwen von solchen71), sowie Kinder, die von ihren zurückge­ bliebenen Eltern in der Hoffnung auf einen späteren Umschwung der Verhältnisse nach Nürnberg geschickt worden waren, wie die Enkelin des Amberger Superintendenten Lupichius 72). Als die letzten Exulanten kamen im Laufe des Jahres 1628 Kauf­ leute und Gewerbetreibende, vor allem mehrere Mitglieder der bereits erwähnten Familie Geisel, insbesondere Jonas, Joel, Josua und Elias Geisel, die alle Zeugmacher und Seidenfärber waren und sich in Wöhrd mit ihrer Fabrikation niederließen73). Von den Kaufleuten sind Georg Hartung, einer der ersten Ältesten der Gemeinde, Christoph Kreußner und Johann Christoph Kolb zu nennen, die an Reichtum und wirt­ schaftlicher Bedeutung die niederländischen Glaubensgenossen nicht erreichten 74). §7. Das Ergebnis. I. Die oberpfälzische Einwanderungswelle war die letzte, die eine größere Anzahl reformierter Glaubensgenossen in die Stadt brachte. Von nun an ergänzte sich die Gemeinde nur mehr auf „natürliche“ Weise, d. h. durch die Nachkommen der Ansässigen und durch ge­ legentliche Zuwanderung im Rahmen der normalen Bevölkerungs­ bewegung. Den Hugenotten verschloß die Reichsstadt Nürnberg ihre Tore 75). Diese siedelten sich dafür in den fränkischen Fürstentümern Ansbach und Bayreuth an, wo ihre aufstrebenden Kolonien bald eine beacht­ liche Konkurrenz für die Nürnberger Wirtschaft wurden 76). Die verschiedene nationale Zusammensetzung der Nürnberger Re­ formierten aus den beiden großen Gruppen der Niederländer und Ober­ pfälzer war für das Rechtsleben der Gemeinde von maßgebender Be­ deutung. Die Bekenntnisgrundlage der Gemeinde wurde nicht etwa die Confessio Belgica, sondern der Heidelberger Katechismus. Dieser

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»war ja nicht nur den Exulanten aus der Oberpfalz, sondern auch den Nürnberger Niederländern vertraut, da sie seit ihrer Niederlassung in Nürnberg den reformierten Gottesdienst in der Oberpfalz besuchten 77). Auf dem Gebiet der Kirchenverfassung konnten die oberpfälzischen Exulanten allerdings nichts in die Gemeinde einbringen. Sie kamen aus einem Kirchentum, in dem zwar die Lehre, aber nicht die Verfassungs­ grundsätze des reformierten Protestantismus gegolten hatten. Die pfäl­ zischen Kurfürsten hatten die Oberpfalz in kirchlicher Hinsicht genau so wie die lutherischen Fürsten ihre Landeskirchen durch einen Kir­ chenrat in konsistorialen Formen regiert78); der Kirchenrat hatte sich in Amberg befunden 79). Die 1616 von oben her verfügte Einführung der Presbyterien in den Gemeinden hatte bei der großen Masse der Be­ völkerung, die sich der reformierten Lehre gegenüber ohnehin ableh­ nend verhalten hatte, keinen Widerhall gefunden80). Ein echtes refor­ miertes Kirchenwesen, unabhängig vom Staat und mit dem Schwer­ punkt in den Gemeinden, war somit den Oberpfälzern unbekannt geblieben. Bezeichnenderweise befanden sich unter den im Jahre 1650 gewählten sechs Ältesten nur zwei Oberpfälzer, obwohl die oberpfälzischen Exulanten zahlenmäßig weitaus am stärksten in der Ge­ meinde vertreten waren. Einer der beiden oberpfälzischen Ältesten, Joel Geisel, war dazu gar kein alteingesessener Oberpfälzer; er ent­ stammte einer 1597 aus Württemberg nach Tirschenreuth eingewan­ derten Familie 81). Die Nürnberger Reformierten mußten sich daher ihr Verfassungs­ recht bei einer Gemeinde entlehnen, die sich ihr eigenes Kirchenwesen ohne Anlehnung an die Obrigkeit geschaffen hatte, also in der freikirchlichen Form wie die Reformierten in Frankreich, Holland, Schott­ land und am Niederrhein, und nicht in der obrigkeitlichen, wie in der Kurpfalz82). Für die Nürnberger Reformierten lag es am nächsten, sich an die niederländische (heute deutsch-reformierte) Gemeinde in Frank­ furt/M. zu wenden, die mit ihrer Schwestergemeinde, der französisch­ reformierten, in Not und Verfolgung unter einer lutherischen Obrigkeit ihr eigenes kirchliches Leben führte 83). Von dort erbaten sich daher die Ältesten der unter gleichen Verhältnissen lebenden Nürnberger Ge­ meinde eine Abschrift der „langüblichen und hochgerühmten“ Kirchen­ ordnung der Frankfurter Glaubensgenossen84), die von jeher mit den Nürnberger Reformierten wirtschaftlich und familiär verbunden waren 85). II. 1. Über die Einwanderung soll die folgende Aufstellung eine Übersicht bieten. Darin sind die im 16. und 17. Jahrhundert nach Nürn­ berg gezogenen Personen aufgenommen, bei denen sich bisher der Her­ kunftsort hat feststellen lassen. Dieser gibt einen Anhaltspunkt dafür, daß es sich bei ihnen um Niederländer, Franzosen, Engländer, Schwei­ zer und Oberpfälzer handelt, denn aus der Namensform allein ließe sich ein solcher Schluß oft nicht ziehen. Die Tatsache, daß sie in die evangelische Reichsstadt Nürnberg einwandern, bezeugt mit großer Wahrscheinlichkeit, daß sie Angehörige der Reformationskirchen waren und zwar entsprechend ihrer nationalen Herkunft der calvinischen Form. In vielen Fällen lassen sich noch aus dem Vorhandensein weiterer Merkmale sichere Schlüsse auf die Zugehörigkeit zum reformierten 237

Bekenntnis ziehen. Zu diesen Merkmalen gehören z. B. alttestamentliche Vornamen, besonders typische Berufe, Heiratsverbindungen und (als der sicherste Beweis) die Beteiligung an der Gemeindegründung. Es könnte allerdings die Frage auf tauchen, ob sich nicht auch Wie­ dertäufer unter den Niederländern befunden haben. Diese Frage dürfen wir jedoch mit ausreichender Sicherheit verneinen. In einem solchen Falle hätte der Rat bei seiner von jeher scharf ablehnenden Haltung gegenüber den Wiedertäufern86) kaum das Bürgerrecht oder den Schutz gewährt. Das ergibt sich auch aus einem Ratsverlaß vom 3. 1. 1566: „Hannsen Richthaimerin sol man uf Jacob Hallers bit vergunnen, die niderlendische frau biß Ostern bei ir zu halten, doch das sie nicht widertauferisch sei.“ 87). Das ist übrigens der einzige Verlaß aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, in dem ein Niederländer in Nürnberg im Zusammenhang mit dem Täufertum genannt wird. Man muß auch bedenken, daß bei der konfessionellen Gestaltung und Durch­ dringung aller Lebensgebiete in jener Zeit es auf die Dauer keinem Wiedertäufer gelungen wäre, seine religiöse Anschauung vor dem Rat zu verheimlichen. Im übrigen darf die folgende Aufstellung keinen Anspruch auf Voll­ ständigkeit erheben. Die schriftliche Überlieferung der Gemeinde beginnt, abgesehen von den Akten des oberpfälzischen Kollekten­ werkes 88) erst im Jahre 1650. In den Aufzeichnungen der städtischen Behörden, auf die man bei der Erforschung der Gemeindegeschichte vor 1650 ausschließlich angewiesen ist, findet sich nur selten ein un­ mittelbarer Hinweis auf die Zugehörigkeit eines Bürgers oder Schutz­ verwandten zum reformierten Bekenntnis. Diese Aufzeichnungen selbst sind wieder nur sehr lückenhaft überliefert, z. B. SchutzverwandtenVerzeichnisse nur für die Jahre 1594 bis etwa 1600 89). In den Bürger­ büchern fehlen gerade für die hier entscheidenden Jahre zahlreiche Blätter, z. B. in AStB. Nr. 299 (pergamentenes Bürgerbuch von 1449 bis 1620) und Nr. 308 (Neubürgerverzeichnis von 1534—1631). So wird es schon aus diesen Gründen unmöglich sein, eine lückenlose Liste aller reformierten Emigranten in Nürnberg aufzustellen. Reichhaltiges Material, das noch viele Aufschlüsse geben wird, ist in den Kirchenbüchern der alten städtischen Pfarreien St. Sebald und St. Lorenz zu finden. Infolge Zeitmangels konnte für diese Arbeit nur ein kleiner Teil davon erfaßt werden 90). Die hier gebrachte Zusammen­ stellung ist aber immer noch so umfangreich, daß sich wertvolle Schlüsse daraus ziehen lassen.

A. Die Niederländer. 1. Die direkte Einwanderung:

Amsterdam: Gerhart Janssen, Tuchbereiter, heiratete 1571 Clara vom Berg aus Antwerpen, Tochter des Alexander vom Berg, 1578 Bürger, 1579 Meister, gest. 1611 91). Bartollme Paing, Tuchbereiter, heiratet 1586 Anna von Limberg 92). 238

Antwerpen: Cornelius Adyrs, Maler, heiratet 1579 Susanna Wernerin 93). Adrian Alson, Tuchscherer, heiratet 1574 Martha Dregin aus Lauf, 1578 Bürger 94). Jacob Paue (Bave?) Goldarbeiter, heiratet 1580 Elisabeth Mailebrandt, 1586 Meister95). Peter Beion, heiratet 1581 Susanna Malabrandt96). Alexander vom (von dem) Berg, Tuchbereiter, 1569 nach Nürnberg, 1570 Bürger, Schwiegervater des Gerhart Janssen aus Amsterdam, gest. 158697). Ephraim von Berten, Goldschmied, 1615 Bürger 98). Hermann Bertens (Bertrand), Juwelier, 1606 Bürger99). Apolonia von Bösicum, heiratet 1594 Adam de Fete von Antwerpen100). Tilmann Braun, Tuch- und Zuckerhändler, 1595 als Schutzverwandter in Nürnberg 101). Anthony von Brecht, Goldschmied und Handelsmann, heiratet 1589 Esther von Schardenburg, 1613 Judith Cailier von Frankfurt; seine Nachkommen sind bei der Gründung der Gemeinde beteiligt102). Johann Butrier, Zuckerhändler, 1586 erstmals in Nürnberg erwähnt103). Florian von der Bruck (de Pruck), Goldschmied, heiratet Adriana Volckardt aus Brügge, Tochter des Goldarbeiters Reinier Yolckardt, wird 1576 Bürger, Schwiegervater des Jacob Horn aus Edinburgh 104). Adrian Taquet (Dacket), 1580 Schutzverwandter, hatte schon 1574 einen Faktor in Nürnberg, verh. mit Maria Lernou, Grofikaufmann 105). Jan Doppengiesser, Tuchfärber, 1569 nach Nürnberg, 1570 Bürger 106). Mathes Eigmont (Einmont), Tuchbereiter, 1569 nach Nürnberg, 1570 Bürger 107). Sara Falck, Tochter des Goldschmieds Peter Falck von Antwerpen, heiratet 1603 den Goldschmied Hanns Artellion aus Binche im Hennegau 108). Philipp de Fett, Tuchbereiter, Verleger, 1569 nach Nürnberg, 1570 Bürger 109). Mathes Fuss (Fuchfi) Tuchfärber, 1569 nach Nürnberg, 1572 Bürger, 1591 Genannter, verh. mit Beatrix Gerartzin 110). Hans Gabron, heiratet 1572 Margaret Putlin111). Matern Gabron, heiratet 1579 Catharina Kufflierin (Couvelier) aus Frankfurt, ab 1581 in Frankfurt112). Caspar Geubelet (Gobelet), Tuchbereiter (Walker), 1569 nach Nürnberg, 1579 Bürger 113). Hanns de Glerg, Bortenwirker, heiratet 1578 Barbara Grab 114). Daniel, Heinrich, Jacob von der Haagen, Gebrüder, Gewürzhändler, 1595 als Schutzverwandte in Nürnberg 115). Peter Haff et, Bortenwirker, heiratet 1585 Margaretha Peurin U6). Gerhart von Herff (Herve), Tuchfärber, 1569 nach Nürnberg, 1570 Bürger 117). Hans Hebbelmans (Hevvelmans), Tuchbereiter, 1569 nach Nürnberg, 1570 Bürger 118). Sebastian von Heuterßheim (Hintersam), Händler, 1593 Schutzverwand­ ter, heiratet 1586 Maria Scharttenburgerin von Antwerpen119). 239

Cornelius de Hoch, Tuchbereiter, heiratet 1586 die Witwe des Tuch­ bereiters Peter Loir, 1586 Bürger und Meister 12°). Heinrich del Hove, heiratet 1583 Maria Taquet, Tochter des Grofikaufmanns Adrian Taquet, ebenfalls aus Antwerpen121). Franz von Hoy, Tuchbereiter, 1569 nach Nürnberg, 1570 Bürger122). Johann Hureau (Huriau), Tuchhändler, heiratet 1561 Ursula von Girfi, wird 1562 aufgefordert, sich ins Bürgerrecht zu begeben 123). Michael Isebout, heiratet 1575 Helena Paulskrelin 124). Adrian Kalb, Tuchbereiter, 1572 erstmals erwähnt, 1575 Bürger, 1592 Genannter, gest. 1598125). Walbeck (Yalveig) Kalb, Tuchbereiter, heiratet 1574 Catharina, die Witwe des Peter von Gausen126). Quirin von Kissel (Kessel), Maler, 1572 Schutzverwandter 127). Friedrich Kenarts, Tuchbereiter, 1569 nach Nürnberg, 1570 Bürger 128). Craft Clouch (Krafft Klug), Tuchbereiter, 1569 nach Nürnberg, 1570 Bürger 120). Lorentz Klug, Tuchbereiter, heiratet 1573 Cordula Bergin 13°). Susanna Conrad, heiratet 1585 Alardus Mauss „aus der Hatz“ in Hol­ land 131). Melchior Cutreil, Goldarbeiter, 1582, Bürger 132). Tobias Mostart, Goldarbeiter, 1578 Bürger133). Jan de Meere (Mer), Zucker- und Spezereihändler, 1588 Schutzver­ wandter 134). Caspar de Meere, Zucker- und Spezereihändler, 1597 Schutzverwand­ ter135). Caspar de Noville, Bortenwirker in Wöhrd, heiratet 1600 Apollonia Schnabel136). Margareta Osterhofen, Tochter des Weinolt Osterhofen von Antwerpen, heiratet 1563 zu Nürnberg Roswin von der Weiden137). Adrian Papenbrugk, Handelsmann, 1595 Schutzverwandter 138). Gerhart Pilgram, Handelsmann, 1571 Schutzverwandter, in erster Ehe verh. mit Antonia von dem Deich( gest. 1575), in zweiter mit Su­ sanna Cublierin (Couvelier) aus Frankfurt, zahlt jährlich 100 fl. Schutzgeld; er wird vom Rat jahrelang vergeblich auf gef ordert, Bürger zu werden, läßt 1575 Musikinstrumente für die Nürnberger Stadtpfeifer in Antwerpen hersteilen und verehrt sie dem Rat139). Johann de Render, Tuchbereiter, 1569 nach Nürnberg, 1570 Bürger 14°). Dietrich Rose(n), Tuchbereiter, 1569 nach Nürnberg, 1570 Bürger 141). Jacob von Sante, Tuchbereiter, 1569 nach Nürnberg, 1570 Bürger 142). Elisabeth Schiltt, Tochter des Gerhard Schiltt von Antwerpen, heiratet 1590 Hanns Philipp von der Pitt „aus der Dron“ in Holland143). Sara Schiltt, Schwester der Elisabeth, heiratet 1604 Carolus Farget144). Hans Schnelling, Maler, heiratet 1604 Adriana Kamochs (Kaimox, Cymox), Tochter des Handelsmannes Heuprecht Kamochs aus den Niederlanden 145). Levina de Schwartza, Tochter des Niclas de Schwartza von Antwerpen, heiratet 1596 Alexander Jannsen, Sohn des Gerhard Jannsen von Amsterdam 146). Jan von Seintrewen, genannt Klingermans, Tuchbereiter, 1569 nach Nürnberg, 1570 Bürger, nimmt Anstoß am Exorzismus147). 240

Johann de Stiger, Großkaufmann, 1585 Schutzverwandter, 1586 Bürger, verh. mit Anna de Mojen, an der Gründung d. Frankfurter Börse beteiligt, mit Peter von der Pütt in Venedig in Handelsverbindung 148). Elisabeth von der Weiden, Tochter des Heinrich von der Weiden zu Antwerpen, heiratet 1598 den Bereiter der englischen Tuche Heinrich Seyferheldt149). Johann von Wesel (Jan van Weselle), Tuchbereiter, 1569 nach Nürnberg, 1570 Bürger 15°). Armentieres: Michel Behagen (Behaigne?), Tuchbereiter, heiratet 1573 in Nürnberg, 1574 Bürger und Meister (identisch mit Michel Behaigne in NeuHanau?) 151). Peter Loyr (Loar), Tuchbereiter, 1569 nach Nürnberg, heiratet 1570 Margaretha Artillio von Binche im Hennegau, 1575 Bürger und Meister, Gesellschafter des Michel Behagen 152). Binche (Hennegau): Jan Artillion, Goldschmied („Pariser Goldarbeiter“), 1602 Bürger, hei­ ratet 1603 Sara Falck, Tochter des Goldschmieds Peter Falcäk zu Antwerpen 153). Margaretha Artillio, Ehefrau des Peter Loyr aus Armentieres 154). Bern (?) im Hennegau: Antoni Planck, Bortenwirker, heiratet 1577 Sophia Behemin155). Brügge: Niclas Bafe (Bave, Paae), Händler, heiratet 1564 Ottilia Orttinger, 1565 Bürger, 1572 Genannter 156). Antoni Pilet, Handelsmann, heiratet 1591 Esther Mondeckin; sein Sohn Matthäus ist Glied der Gemeinde 157). Cornelius Cochart, heiratet 1591 Adriana Murmanin, „Pariser Gold­ arbeiter“, 1591 Bürger 158). Hans Dral, heiratet 1580 Ursula, die Witwe des Niclas de Vilier, 1585 Schutzverwandter 159). Reinier Volckardt, Goldarbeiter, 1568 Bürger, verh. mit Katharina von Quickelberg, Schwiegervater d. Florian von der Brucken u. d. Jonas Geisel, gest. 1597 16°). Antoni Roschel (Rosell), Goldschmied, heiratet 1589 Abigail Volckhartin 161). Brüssel: Peter Paulus, Teppichwirker in Wöhrd, Geselle des Meisters Johann de Mandekin, der am Exorzismus in Nürnberg Anstoß nahm, 1581 Bürger162). Cambrai (Camridi): Jorg de Hain,Goldschmied, „Diener“ bei Niclas Cordier, 1602 erwähnt163). 16

241

Dordrecht: Johann Philipp von der Biit, Künstler und Possierer in Wachs, 1589 Bürger, heiratet 1590 Elisabeth Schiltt aus Antwerpen184).

Dünkirchen: Niclas Juvenel, Maler, 1561 Bürger 165).

Gent: Abraham Biomart, Großkaufmann und Bankier, verh. mit Esther de la Rue, im oberpfälzischen Kollektenwerk an führender Stellung tätig; in seinem Haus findet die Wahl der ersten Ältesten statt166). Simon Pethart, Weißbierbrauer, baut 1561 eigenen Braukessel; heiratet 1568 Margarete Hesoltin 167). Jan de Bouß, verh. in 1. Ehe mit Katharina N. aus Antwerpen, in 2. Ehe mit Elisabeth von Rüssel; 1557 Bürger; vergl. im übrigen § 2,

II, 3 167a). Michel Vollardt, heiratet 1577 Ursula Merklin 168). Hans von Meusenhol (Misenhal), Juwelier, seit 1590 in Nürnberg, durfte 1607 in einem Sarg („in einer truhen“) begraben werden; sein Bru­ der Isaac ist der Begründer der Hanauer Bijouteriefabrikation 169).

Groningen: Heinrich Antonius, heiratet 1575 Helena Dürr in 17°). Arnold Gnassa, Seidenknopfsticker, heiratet 1611 Barbara Drechsel171).

Herzogenbusch: Heinrich Pilgram, Großkaufmann und Bankier, 1562 Bürger, Sohn des Gerhard Pilgram, führt viel englisches Tuch, das in Nürnberg ver­ arbeitet wurde, nach Österreich aus, steht in Handelsverbindung mit Balthasar Arnold in Judenburg/Steiermark 172). Embrecht Romboutz, heiratet 1578 Sophia Pilgramin 173). Phillip von Urlau (Ürle, Oyrl), Handelsmann, 1585 Schutzverwandter mit 50 fl. Schutzgeld, 1592 Bürger, besuchte die reformierten Gottes­ dienste in der Oberpfalz174).

Löwen: Hieronimus Clavart (Jeronimus Glauert), „Pariser Goldarbeiter“, 1571 Bürger, heiratet 1571 Anna Weyglin 175). Gerhart Greckel, heiratet 1590 zu Wöhrd Gertraut Wannemacherin aus Maastricht176).

Limburg: Hanns Gerff, Tuchscherer, heiratet 1572 Dorothea Reinwaldtin von Amberg 177).

Lüttich: Niclas de Hew, Bortenwirker, heiratet 1597 Barbara Frey178). 242

Maastricht: Hans de Froy, heiratet 1581 Barbara Juvenellin 179). Servatius Raab, Goldschmied und Kupferstecher, heiratet 1603 Ursula Hess 18°). Alexander Ramse, heiratet 1583 Margareta Hiem 181).

Mecheln: Peter de Räger, heiratet 1581 Anna Schech182).

Middelburg: Arnold de Burkh, Handelsmann, heiratet 1615 Anna Hohmann 18S).

Mons (Bergen): Hanns Sandrart, Seidenbortenhändler, heiratet 1585 Joanna Delemottin, 1586 Bürger; Bürge bei der Aufnahme Paul Fermonts ins Bürger­ recht; vermutlich ist Joachim v. Sandrart mit ihm verwandt184).

Nymwegen: Heinrich Fuchs, heiratet 1561 Anna von Solda 185).

Oudenaarde: Egidius Pauens, heiratet 1586 Johanna Mandeckin 186). Steffan von Quickeiberg, Seidenfärber, 1569 Bürger, Schwiegersohn des Jorg Malebrandt, führt mit diesem das Seidenfärben in Nürnberg ein; nimmt am Exorzismus Anstoß; Schwiegervater des Daniel de la Rue von Yalenciennes; Malebrandt u. Quickeiberg erhalten die Er­ laubnis, mit ihrem eigenen Geschäftszeichen den Nürnberger Adler an die von ihnen gefärbten Tuche zu hängen, zum Zeichen, daß es Nürnberger Arbeit sei187).

Toumai (Dorneck, Doornick): Jobst Baclain, 1605 Bürger 188). Johann (Jan) Legrand, Großkaufmann, kam über Wesel 1560 nach Frankfurt, 1599 Bürger in Nürnberg, gest. 1605; besaß Bergwerke in Tirol; Bruder des Augustin Legrand, des reichsten reformierten Bür­ gers in Frankfurt/M.189). Jan Inglobert, Macher des sammetwollenen und leinengemödelten Zeugs, 1616 nach Nürnberg, 1628 Bürger 19°). Michel von Lierd, Sohn des Daniel von Lierd, Handelsmann, 1623 Bür­ ger 191). Peter von Lirt (Lierdt), Sohn des Samuel v. Lirt, Großkaufmann, gibt bei seiner Aufnahme ins Bürgerrecht 24 000 fl. Vermögen an192). Ruland von Lyer (Lierdt), Sohn des Johann von Lierdt, Handelsmann, 1605 als Schutzverwandter erwähnt, 1613 Bürger, 1625 Genannter des größeren Rats 193). Gillis (Egidius) Minuit, Handelsmann, 1581 Bürger 194). Niclas Minuit Niclaus Minwit), Bruder des Gillis Minuit, Samt- u. Seidenfabrikant, heiratet 1581 die Patriziertochter Magdalena Fuererin 195). 16*

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Yalenciennes: Jean Creton, Herr von Courbe, Tuchhändler, 1593 nach Nürnberg, Ge­ sellschafter des Seidenhändlers Niclas Malapert in Frankfurt196). Dietterich Dyon, Bortenwirker, heiratet 1575 Barbara Rammkerin 197). Claudi Lau, heiratet 1594 Sibilla Müller 198). Daniel de la Rue, Seidenfärber, heiratet 1587 Esther von Quickeiberg, Tochter des Steffan von Quickeiberg aus Oudenaarde, 1604 Bürger, ' später „Diener“ bei seinem Schwiegersohn Abraham Biomart, „Eleemosynarius“ beim opf. Kollekten werk 199). 2. Die indirekte Einwanderung:

Aachen: Isaac Buirette von Oehlefeldt, Sohn des Jacob Buirette, des größten Aachener Kupferhändlers, Bankier, kgl. preuß. Rat u. Resident zu Nürnberg, heiratet 1662 Esther Biomart, Tochter des Großkaufmanns u. Bankiers Jacob Blomart, 1673 Ältester; kommt 1661 nach Nürn­ berg 20°). Egidius Possart, Färber der englischen Tuche, heiratet 1572 Catharina. Stainin, ebenfalls aus Aachen201). Abraham Sieß, 1626 nach Nürnberg, Metallwarengroßhändler u. Ham­ merwerksbesitzer, gibt bei der Bürgeraufnahme ein Vermögen von 9—10 000 fl. an; 1650 Ältester 202).

Bitterfeld b. Leipzig: Simon Poritsch, „Pariser Goldarbeiter“, 1607 Bürger, heiratet 1610 Ka­ tharina von der Klidh aus Amsterdam; sein gleichnamiger Sohn ist Glied der Gemeinde; Schwiegervater des Ältesten Paul Fermont 203).

Bremen: Benjamin Bailly, Händler, gibt bei der Bürgeraufnahme 1622 6 000 Ta­ ler Vermögen an; heiratet 1624 Susanna von Brecht,'Tochter des Goldschmieds Antonius von Brecht aus Antwerpen; Glied der Ge­ meinde 204).

Frankfurt a. M.: Hanns Cuffilirer (Couvelier), Sohn des Steffan C. zu Frankfurt, heiratet 1576 Ursula Scherl 205). Susanna Cublierin, Schwester des vorigen, heiratet 1576 Gerhard Pil­ gram aus Antwerpen 206). Joachim von Sandrart, Maler und Kunstgelehrter, pfalz-neuburgischer Kammerrat; Sohn des Lorenz Sandrart aus Valenciennes, höchstbesteuerten Kaufmanns in Frankfurt/M.; heiratet 1673 Esther Bar­ bara Blomart, die Tochter des Ältesten Wilhelm B., kommt 1674 endgültig nach Nürnberg, zahlt ab 1675 einen jährl. Beitrag von 30 fl. zur Unterhaltung d. ref. Gottesdienstes, 1678 Ältester, in seinem Haus Sitzungen des Presbyteriums, leistet insgesamt 2049 fl. für die Gemeinde 207). 244

Hamburg: Vorbeck Hieronymus (Verbeck Jeronimus), Juwelier, heiratet 1614 Maria von Brecht, Tochter des Goldschmieds Anthoni von Brecht aus Antwerpen, 1644 Genannter, 1650 Ältester 209).

Köln: Cornelius Le Brun, Großkaufmann, Gesellschafter der Steirischen Stahl­ handelsgesellschaft (Boschische Handelsgesellschaft), 1608 in Nürn­ berg erstmals erwähnt, gibt bei seiner Aufnahme ins Bürgerrecht 1622 15 000 fl. Vermögen an; erwirbt ab 1640 den größten Teil der Ortschaft Stein/Rednitz als Lehen von den Herren von Leonrod; unternimmt die ersten Schritte zur Erlangung der freien Religions­ übung der Gemeinde in Stein; heiratet 1623 Esther Cordier, Tochter des Juweliers Niclas C. aus Frankreich; unter den Gründern der Frankfurter Börse 1585 befindet sich ein Corneille le Brun aus Köln — Vater unseres Cornelius Le Brun? 21°).

Wesel: Arnold de Bayer, Handelsmann, Sohn des Ratsherrn Arnold d. B. des Älteren zu Wesel, heiratet 1632 Magdalena Cordier, Tochter des Juweliers Niclas C., 1650 Ältester211). Catharina Meusenholl, heiratet 1607 den Kaufmann Anthoni Tresal aus Savoyen 212).

Worms: Adrian Carolus Lepipre, Goldschmied, heiratet 1603 Ursula Klein213).

B. Engländer und Schotten. Clement Babinson aus York, heiratet 1591 Magdalena Brennerin 214). Heinrich Beitschier aus London, Tuchhändler, 1569 nach Nürnberg215). Richard Best aus London, Tuchhändler, 1593 Schutzverwandter, wohnt auf der vorderen Füll216). Heinrich Bewitsch aus London, Tuchhändler, „Diener“ des N. Wischa zu London, 1575 Inwohner 217). Johann (Jan) Born aus London, Tuchhändler, 1569 mit Beitschier nach Nürnberg 218). Johann Brugk, Tuchhändler, 1599 Schutzverwandter 219). Robert Granger aus London, Tuchhändler, 1593 Schutzverwandter, gest. 1604 zu Nürnberg 22°). Jacob Horn, Juwelier aus Edinburgh, 1600 Bürger, Schwiegersohn des Florian von der Bruck 221). Johann Kendricli aus London, Handelsmann, 1626 in Nürnberg erwähnt, „Vorsteher“ d. opf. Kollektenwerks, schreibt Briefe an die englischen Bischöfe wegen Kollekten für d. opf. Exulanten, 1634 wieder nach London, hier nach einem Bericht des Ältesten Joh. Daniel Geisel Lord Mayor (Bürgermeister) geworden 222). Maria Vauville, Tochter des reformierten Predigers Richard V. in Frankfurt/M., heiratet 1582 den Maler Daniel Wirth in Nürnberg 208). 245

Eduard Kenis aus London, Tuchhändler, 1573 Inwohner2*3). Robert Monroe aus „Tayn“ in Schottland, Handelsmann, heiratet 1646 Anna Katharina Geisel, Tochter des Ältesten Joel Geisel; Gemeinde­ glied 223a). Reinhart Osborn, Tuchhändler, 1588 Schutzverwandter 224). David Streichhan aus Dundee, „Pariser Goldarbeiter“, 1603 Bürger, heiratet 1603 Ursula Cäser 225). William Walker, Tuchhändler, 1579 Inwohner 226). C. Franzosen. Dyonisus Condent, Goldscheider aus Paris, heiratet 1588 Agatha Mül­ lerin 227). Niclas Cordier, Juwelier aus „Laverte sur Lamons“, 1595 Bürger, hei­ ratet 1595 Maria de Brassery, Tochter des Bortenwirkers Johann d. B. 228). Simon Cordier, Juwelier, Bruder des Nicolas C., 1599 Schutz verwandter; 1621 Bürger, dabei 20 000 fl. Vermögen angegeben; heiratet 1598 Eli­ sabeth de Brassery, Tochter des Bortenwirkers Johann d. B., Schwe­ ster der Maria d. B. 229). Steffan Dehes aus Dorsch (?) in Frankreich, heiratet 1562 Anna Steurlin 23°). Hugo Donellus, geb. zu Chalons sur Saöne, Rechtsgelehrter, seit 1587 Professor in Altdorf231). Cossmann Dort (Cosmus Dorttu), Goldschmied aus Paris, 1577 als Bürger erwähnt 232). Niclas Dumain aus Paris, 1557 Inwohner 23S). Paul Fermont, Handelsmann aus Bordeaux, kommt über Lyon nach Nürnberg, 1625 Bürger, gibt dabei 10 000 fl. Vermögen an, 1649 Ge­ nannter, 1650 Ältester; heiratet in erster Ehe Anna Sandrart, Tochter des Seidenbortenhändlers Hans S. aus Mons, in zweiter Ehe Maria Le Brun, Tochter des Kaufmanns Cornelius Le Brun, in dritter Ehe Maria Poritsch, Tochter des Juweliers Simon P. 234). Peter Fermont, Bruder des Paul F., Handelsmann aus Bordeaux, kommt ebenfalls über Lyon 1612 nach Nürnberg; heiratet 1613 Sara Gar­ nier, Tochter des Abraham Garnier von Muterich (?) in Frankreich235). Antoni Fornier, leonischer Drahtzieher aus Paris 238). Bonaventura Garnier, Goldarbeiter aus Paris, 1579 Bürger, verheiratet mit Sybilla Helingin, Tochter des „crypto-calvinistischen“ Super­ intendenten Mauritius Heling an St. Sebald 237). Dietterich Gloria, Bortenwirker aus Metz, heiratet 1602 Catharina Wattei aus Metz 238). Hans Mertta, Goldschmied aus Metz, heiratet 1577 Anna Stieberin 239). Abraham Pierrat, Handelsmann aus Metz, 1659 Bürger, gibt dabei 1 000 fl. Vermögen an, 1679 Ältester, mehrmals Vertreter der Ge­ meinde auf den Synoden der „Eglises Reformees de Franconie“ 24°). Ludwig Pierrat, Bruder und Gesellschafter des vorigen241). Dionysius Transiliund aus Rouen, heiratet 1578 Elisabeth Freybergerin von Reichelsdorf b. Nürnberg 242).

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D. Schweizer undSavoyer24*). Johannes Peyer, Handelsmann aus Schaffhausen, 1656 Schutzverwandter, verheiratet mit einer Tochter des Ältesten Joel Geysel, 1673 Älte­ ster 244). Frantz Danndan, „Goldener Drahtzieher“ aus Genf, Sohn des Kriegs­ mannes Abraham Danndan, heiratet 1606 Martha Klein 245). Anthonius Tresal, Handelsmann aus Savoyen, Sohn des Peter Tresal, 1581 Bürger, heiratet 1607 eine Tochter des Jacob Meusenhal von Wesel; sein Sohn Peter Antonius Tr., der 1620 Rahel de Brassery heiratet, Tochter des Johann de Br., ist Glied der Gemeinde 246). Hans Tresal, Sohn des Peter Tresal von Landri in Savoyen, Bruder des vorigen, heiratet 1599 Sabina Schweblein von Hirschau/Opf. 247). Gamaliel Yallier, Handelsmann aus Albona in der Schweiz, 1612 nach Nürnberg, 1627 Bürger, verheiratet mit einer Tochter des Simon Cordier, gibt deren Vermögen 1626 mit 8 000 fl. an 248). Hans Frey, Buchsenfasser aus Zürich, heiratet 1582 Maria Heinlein 249). Franz de Furno, Handelsdiener aus Marin in Savoyen, 1602 Bürger 250). Heinrich Haupt, Kürschner aus Bern, heiratet 1579 Margarete Dickhartin 251). Hannfi Jacquet, Händler und Barettmacher aus Genf, Sohn des Isaac Jacquet, 1607 Bürger, heiratet 1607 Beatrix Schilt, Tochter des Giesebrecht Sch. aus Antwerpen?, 1624 Genannter 252). Esayas zur Linden, Goldschmied aus Zürich, Sohn des Predigers Caspar zur L., 1607 Bürger, heiratet 1609 die Goldschmiedstochter Barbara Ritter 253). Görg Löffler, Handelsmann aus St. Gallen, 1611 Bürger 254). Daniel und Jacob Schlumpf, Leinwandhändler aus St. Gallen, 1593 Schutzverwandte 255). Sandtreuter Emanuel, Händler mit steirischen Eisenwaren, aus Basel, heiratet 1667 Magdalena Pf aff in Nürnberg, ab 1667 Glied der Ge­ meinde 258). E. Oberpfälzer*57). Jobst Bscherer, Zeugmacher aus Waldsassen, Gesellschafter der Geisel in Tirschenreuth, vermutlich 1630 nach Nürnberg gekommen; sein Sohn Hanss Georg Bsch., Seiden- und Wollenfärber, ist Glied der Gemeinde, 1673 Ältester 258). Elias Geisel, Zeugwirker aus Tirschenreuth, vermutlich 1628 nach Nürnberg. 1642 Bürger 259). Joel Geysel, Zeugfärber und Machayermacher; erhielt 1628 das Bürger­ recht für die Vorstadt Wöhrd, 1642 in Nürnberg selbst; 1649 Ge­ nannter; letzter Verwalter des Kollektenwerkes, 1650 Ältester 260). Jonas Geysel, Handelsmann und Machayermacher aus Tirschenreuth, 1628 Bürger; heiratet 1615 Anna Volckardt, Tochter des Gold­ schmieds Reinier V. aus Brügge, 1651 gestorben261). Josua Geisel, Zeugmeister und früherer Stadtkämmerer von Tirschen­ reuth, Bruder des Pfarrers Abraham Geisel zu Schwarzenbach; 1628 Bürger in der Vorstadt Wöhrd 262). Samuel Geisel, Bruder des Elias Geisel 263).

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Georg Hartung, Handelsmann und Bankier, Sohn des Nicolaus H., Richters zu Gunzendorf/Opf., 1647 Genannter; 1655 Ältester; hei­ ratet 1636 Susanna de Brassery, 1642 Catharina Elisabeth Geisel, Tochter des Jonas Geisel 264). Dr. jur. Johann Jacob Heber, kurpfälzischer Rat aus Amberg, 1625 nach Nbg., hier Advokat und Verwalter des opf. Kollektenwerks, mit der pfälzischen Exilregierung und dem englischen Residenten in Hamburg, Robert Armstruder, in Verbindung, 1634 an der Pest gestorben 265). Christoph Kreußner, Handelsmann, Sohn des Georg Kr., Mitglieds des äußeren Rats zu Amberg, 1652 Bürger; 1660 „jüngerer Vorsteher“ (Diacon); heiratet 1652 Sara de Brassery, Tochter des Handels­ mannes Johann de Br., 1654 Susanna Buirette, Tochter des Handels­ mannes Jacob B. in Aachen 266). III. Aus der vorangegangenen Aufstellung können wir folgendes erkennen: 1. ) An der Spitze aller Auswanderungsorte steht Antwerpen; der weitaus überwiegende Teil der Niederländer kommt von dort nach Nürnberg. Es folgen Brügge, Tournai, Valenciennes und Gent. Diese Städte waren ja auch die Hauptsitze der Reformierten in den Nieder­ landen 267). 2. ) Es sind nur ganz bestimmte Berufe vertreten: Kaufleute und Bankiers, Goldschmiede und Juweliere, Maler, Tuchbereiter und -färber, Bortenwirker, Teppichwirker und Seidenfärber. Diese für die Reformierten charakteristischen Handels- und Industriezweige 268) sind für Nürnberg entweder ganz neu oder werden doch von den Ein­ wanderern wieder belebt und zu neuer Blüte gebracht. Das gilt ins­ besondere, neben der bereits erwähnten Bearbeitung der englischen Tuche und der leonischen Industrie, für die Seidenfärberei 269). 3. ) Ein großer Teil der Einwanderer heiratet in einheimische Fa­ milien ein, insbesondere die Handwerksgesellen. Sie gehen dadurch im einheimischen lutherischen Kirchentum auf. Nur die begüterten Reformierten heiraten vorzugsweise „rein“, d. h. nur Landsleute und Glaubensgenossen. Sie waren es auch, die dadurch ihr reformiertes Bekenntnis von der Einwanderungszeit bis zur Gründung der Ge­ meinde erhielten und das Feuer des Glaubens ihrer Väter vor dem Erlöschen bewahrten. Es liegt auf der Hand, daß insbesondere die niederländischen Ein­ wanderer für die Wirtschaft der Reichsstadt Nürnberg einen wert­ vollen Zuwachs bedeuteten. Der zweite markgräfliche Krieg von 1552 hatte Nürnberg schwere Wunden geschlagen, die es durch Förderung von Handel und Gewerbe wieder zu heilen galt. Da waren die Flücht­ linge aus den Niederlanden und Frankreich mit ihren neuen Gewerbe­ zweigen, die Kaufleute aus England und der Schweiz mit ihren welt­ weiten Handelsverbindungen sehr willkommen 270). Für die Reformier­ ten war das von großem Vorteil, denn so sah sich der Rat veranlaßt, sie trotz ihres abweichenden religiösen Bekenntnisses in der Stadt zu dulden.

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II. Teil:

Die rechtliche Entwicklung der Gemeinde I. Abschnitt

Das Verhältnis der Reformierten zur Staatsgewalt und die innere Entwicklung bis zum Westfälischen Frieden §8. Die Ereignisse des Jahres 1567 I. Die niederländischen Glaubensflüchtlinge, die in der Fremde eine neue Heimat gefunden hatten, schlossen sich an vielen Orten, wo sich die Möglichkeit dazu bot, zu Gemeinden zusammen. So entstanden u. a. die Fremdengemeinde in London unter Führung des Johann von Laski, in Straßburg 1538 unter der Leitung Calvins. Auch in der lutherischen Reichsstadt Frankfurt am Main kam es in den Jahren 1554/55 zur Gründung von reformierten Gemeinden der Wallonen, Flamen und Engländer, die in Melanchthon einen einflußreichen Fürsprecher und in philippistisch gesinnten Ratsherren mächtige Förderer fanden271). Die Bildung dieser Gemeinden wurde durch den Umstand begün­ stigt, daß sich die konfessionellen Unterschiede zwischen Lutheranern und Reformierten noch nicht in der späteren Schärfe herausgebildet hatten 272). Valerand Poullain, der Prediger und Führer der aus Eng­ land neuerdings vertriebenen wallonischen Flüchtlinge, die in Frank­ furt eine neue Heimat suchten, konnte noch in seiner Eingabe an den Frankfurter Rat glaubhaft Vorbringen, daß die Aufnahmesuchenden einer Religion mit den Einheimischen seien 273). In Straßburg hatte Calvin die Flüchtlingsgemeinde französischer Zunge auf Anregung und mit dem Beistand des Straßburger Reformators Martin Butzer bilden können 274). Das alles änderte sich aber sehr bald. Nach dem Tode Luthers brachen im deutschen Protestantismus die Kämpfe zwischen den Phi­ lippisten, den Anhängern Melanchthons, und den Gnesiolutheranern aus, deren entschiedenster Vertreter Flacius Illyricus war. Die strengen Lutheraner empfanden jetzt die Anhänger Calvins als ihnen völlig wesensverschieden. Diese sahen wiederum in der lutherischen Lehre einen „papistischen Rest“ 275). Die vor dem Ausbruch dieser Kämpfe gegründeten Fremden­ gemeinden gerieten jetzt in schwere Stürme, in denen ihnen oft die Vernichtung drohte. Im Jahre 1561 wurde den Reformierten in Frank­ furt die öffentliche Ausübung ihres Gottesdienstes verboten. In Straß­ burg setzte das gleiche der Lutheraner Marbach durch, wo 1563 den Reformierten die ihnen überlassene Kirche weggenommen und 1569 ebenfalls der öffentliche Gottesdienst untersagt wurde 276). II. Als im Jahre 1567 erstmals eine größere Schar von Niederländern nach Nürnberg kam, bestand daher für sie keine Aussicht mehr, eine eigene Gemeinde gründen zu können. Mit der Niederlassung in Nürn­ berg hatten sie allerdings noch nicht die ungünstigste Wahl getroffen. Wenn auch die Stadt nach außen hin auf Grund ihres in der Brandenburgisch-nürnbergischen Kirchenordnung von 1533 niedergelegten 249

Bekenntnisses als gut lutherisch gelten mochte 277), so entsprach die innere Überzeugung eines Teiles der Stadtgeistlichen und des Patri­ ziats durchaus nicht diesem äußeren Schein. Mit dem 1555 berufenen Prediger Moritz Heling aus Friedland in Ostpreußen, einem der echtesten Schüler Melanchthons, war der Phi­ lippismus in Nürnberg eingedrungen 278). Die „Philippisten“ vertraten in einigen Punkten, insbesondere in der Lehre vom Abendmahl und von der Person Christi, Anschauungen, die sich stark denjenigen Cal­ vins näherten. Das brachte ihnen die Bezeichnung „Kryptocalvinisten“ ein 279). Moritz Heling fand mit seinen kryptocalvinistisclien Ansichten vor allem unter dem Patriziat großen Anklang, während ein großer Teil der übrigen Geistlichen und die Bevölkerung, die an diesen theo­ logischen Streitigkeiten regen Anteil nahm, der streng lutherischen Richtung anhingen 280). Philippisten waren auch die Prediger Johann Schellhammer an St. Lorenz und Lorenz Diirnhofer an St. Egidien. Ihre Predigten konnten die Niederländer ohne Gewissensbedenken be­ suchen 281). Als Heling in einer Predigt am 22. 12.1560 offen für Calvins An­ schauung vom Abendmahl eingetreten war, war dies aber dem Rat doch zu viel geworden 282). So sehr die regierende Schicht innerlich mit dem Philippismus sympathisierte: nach außen hin mußte Nürnberg den Schein einer gut lutherischen Stadt aufrecht erhalten. Davon hing die Teilnahme am Religionsfrieden von 1555 ab. In diesen waren ja nur Katholiken und Lutheraner eingeschlossen; die Anhänger Calvins galten als eine im Reiche nicht erlaubte Sekte 283). Nürnberg als ein „ge­ ringerer Reichsstand“, wie sich jetzt die Städte im Gegensatz zu den Fürsten selbst zu bezeichnen pflegten 284). konnte es sich aber nicht leisten, Kaiser und Reich in Sachen der Religion so Trotz zu bieten, wie es Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz, der den Calvinismus in seinem Lande eingeführt hatte, auf dem Augsburger Reichstag 1566 tun durfte 285). Dazu fehlte es der Stadt an genügendem politischen Rückhalt. Sie war von allen Seiten von mißgünstigen Nachbarn um­ geben, von denen besonders die fränkischen Hohenzollern ihr ständig das Leben schwer machten. Den einzigen Schutz dagegen bot nur der Kaiser 286). Angesichts der Tatsache, daß der zurzeit regierende Kaiser Maximilian II. wohl dem Widerspruch der lutherischen Lehre gegen das katholische Dogma Beifall zollte, aber den Calvinismus haßte 287), gab es für den Rat nur ein Gebot, alles zu unterdrücken, was offen nach Calvinismus hätte aussehen können. III, Als daher im Jahre 1567 die reformierten Niederländer „viel­ fältige Disputationen“ erregten, in Amberg den calvinischen Gottes­ dienst besuchten und das Abendmahl nach reformierter Weise nah­ men288), rief das sofort Gegenmaßnahmen des Rats hervor. Er befahl Kundschaft zu machen, wer diese und wieviel ihrer seien, bei wem sie sich aufhielten und ob sie auch Conventicula abhalten würden 289). Das Ergebnis dieser Nachforschungen ist uns leider nicht überliefert. In einem Verlaß vom 23. 7. 1567 heißt es dann, anscheinend nach Abschluß der ganzen Untersuchungen: „Auf die verlesen ansagen, was für niederlendische calvinisten sich hie enthalten und allerlei disputirn sollen, sol man zuforderst Egidi Grafen, den collaboratoren bei St. 250

Egidien, beschicken, uf sein irtumb zu rede halten, sein sag widerpringen. Gabriel Schlüsselberger, Jorgen Maleprandt, Niclasen de Nova Castel und andere, die der calvinischen schwermerei verdacht und disputirn, sol man beschicken, inen meiner herren ernstlichs misfallen ires irtumbs und disputirns halben und dabei anzeigen, von solchem ir­ tumb abzustehen und sich der hiesigen und augspurgischen confession gemes zu erzeigen. Welcher aber in seinem gewissen ein anders er­ kennet und heit, das solt er bei sich behalten und nit aneinander disputirn, auch niemand kein ergernus geben, noch ainiche conventicula halten, sonder sich eins solchen eingezogen stillen wesens und wandeis verhalten, das iren halben kein weitere clag kume. Welcher aber wider solches im wenigsten handlen, gegen den oder denselben solt man einen solchen ernst geprauchen, der ihm zu schwer fallen wurd“ 290). Der Rat hatte damit eine grundsätzliche Entscheidung getroffen und die Stellung der reformierten Einwohner klar festgelegt. Sie werden unter der Bedingung in Nürnberg geduldet, daß sie sich nach außen hin der reichsstädtischen Kirchenordnung unterwerfen und ihre von der Augsburger Konfession abweichende religiöse Über­ zeugung für sich behalten, keine Zusammenkünfte anstellen und einen stillen, eingezogenen Lebenswandel führen. Der Rat übte damit gegen sie keinen Glaubenszwang im Sinne des mittelalterlichen Ketzerrechtes aus, sondern nur Religionspolizei (Verbot einer Religionsübung ihres Bekenntnisses und Gebot der äuße­ ren Teilnahme am öffentlichen Gottesdienst der Staatsreligion)291). IV. Rechtlich war der Rat allerdings zur Duldung der Reformierten nicht verpflichtet. Nach den Bestimmungen des Augsburger Religions­ friedens von 1555 („Cuius regio eius religio“) stand ihm ein jus expellendi gegen sie als andersgläubige Untertanen zu. Außerdem ge­ nossen sie als Anhänger einer im Reiche nicht geduldeten „Sekte“ nicht den Schutz des Landfriedens und konnten schon aus diesem Grunde ausgewiesen werden 292). Wenn der Rat ihnen trotzdem, wenn auch nur unter den oben erwähnten Bedingungen, den Aufenthalt und die Niederlassung in seinem Gebiet gestattete, so tat er demnach etwas, wozu er nicht ver­ pflichtet, ja eigentlich gar nicht berechtigt war, denn nach dem Reichs­ recht war die Lehre Calvins eine religio illicita. Die rechtlichen und die oben angeführten politischen Gesichtspunkte, die eine Ausweisung der Reformierten geboten hätten, traten beim Nürnberger Rat jedoch gegenüber wirtschaftlichen Überlegungen zurück. Das Interesse an der Belebung der durch den zweiten markgräflichen Krieg von 1552 aufs schwerste geschädigten Nürnberger Wirtschaft überwog alle anderen Bedenken, die gegen eine Aufnahme der Reformierten sprachen. Die verantwortlichen Stadtväter konnten es sich in den sechziger Jahren des 16. Jahrhunderts nicht leisten, auf so tüchtige Handwerker mit neuen, für die Stadt äußerst wichtigen und einträglichen Gewerben lediglich aus rein rechtlichen und konfessionellen Gründen zu ver­ zichten. Das Ergebnis war also, daß den reformierten Einwanderern auf Grund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung die Ansässigmachung in Nürn251

berg nicht verwehrt, die Ausübung ihrer Religion in irgendeiner Form jedoch untersagt wurde. Y. Nun hätte das Verbot des Rats an sich noch kein Hindernis für die Glaubensflüchtlinge sein müssen, sich trotzdem als eine heimliche Gemeinde „unter dem Kreuz“ zusammenzuschliefien, wie das in Frank­ reich, den Niederlanden und am Niederrhein anfänglich auch nicht anders möglich war 293). Bevor wir aber die Frage, ob es in Nürnberg zu einem solchen Zu­ sammenschluß gekommen ist, näher untersuchen, führen wir uns erst einmal vor Augen, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, bevor man nach reformierter Lehre von einer Gemeinde sprechen kann. Bei der Gleichsetzung von Kirche und Gemeinde im Calvinismus gehen wir dabei vom reformierten Kirchenbegriff aus. Calvin sagt in seinem Genfer Katechismus: „Quid est ecclesia? Ecclesia est corpus et societas fidel ium, quos Deus ad vitam aeternam praedestinaverit“ 294). Inhaltlich gleich lautet die Frage 54 des „Heidelberger Katechismus“: „Was glaubst du von der Heiligen allgemeinen christlichen Kirche? Daß der Sohn Gottes aus dem ganzen menschlichen Geschlecht ihm eine auserwählte Gemeinde zum ewigen Leben, durch seinen Geist und Wort, in Einigkeit des wahren Glaubens, von Anbeginn der Welt bis ans Ende, versammle, schütze und erhalte, und daß ich derselben ein lebendiges Glied bin und ewiglich bleiben werde“ 295). Diese Kirche ist unsichtbar, sie ist die gesamte Zahl der Erwählten, umfaßt also Engel und Menschen, Tote und Lebende. Sie bildet den Leib Christi, einen mystischen Körper, dessen Ursprung und Ziel in der Ewigkeit liegt 296). Sie verwirklicht sich aber und wird sichtbar auf Erden in den Gemeinden, und zwar — hier weicht der reformierte Kirchenbegriff erheblich vom lutherischen und katholischen ab — in jeder einzelnen Gemeinde als die eine und ungeteilte Kirche. Die Funktionen der Kirche können nämlich nach reformierter Lehre nur in einer Gemeinde ausgeübt werden. Das Wort kann nur innerhalb einer Gemeinde verkündigt werden, vom Abendmahl können nur Ge­ meindemitglieder ausgeschlossen werden, nicht Gemeinden. Die Kirche wird daher nur in der Gemeinde sichtbar 297). Diese ist daher keine Einteilungseinheit, um einen größeren Verband zu organisieren, son­ dern ist immer das Erste. Jede Gemeinde ist Kirche wie die andere und hat für sich das Recht und die Pflicht zur Ausübung der kirch­ lichen Funktionen, ohne dazu irgendeine Bewilligung bei anderen Ge­ meinden oder bei einer Landeskirchenbehörde einholen zu müssen 298). Im reformierten Sprachgebrauch wird deshalb gewöhnlich die Gemeinde als die Kirche bezeichnet und die Verbindung mehrerer Gemeinden als Kirchen- oder Synodalverband2"). Dieser Verband ist nicht die Kirche, sondern ist zusammengesetzt aus vielen Kirchen 300). Eine solche Gemeinde (Kirche) bedarf wie jedes Gemeinwesen einer gewissen Ordnung. Es ist aber nicht gleichgültig, welche Ordnung sie besitzt. Sie muß vielmehr die Verfassung haben, die das Wort Gottes für sie vorschreibt. Während die lutherische Ansicht dahingeht, daß es genüge, wenn in der Kirche das Evangelium rein gepredigt und die Sakramente dem göttlichen Wort gemäß gereicht werden, daß es aber 252

zur wahren Einigkeit nicht not sei, allenthalben gleichförmige Zere­ monien, von den Menschen eingesetzt, zu halten, und daß bestimmte Kirchenordnungen zur Seligkeit nicht nötig seien301), lehrt Calvin: „Nur diejenige Verfassung ist die richtige wahre, die aus Gottes Wort geschöpft ist und mit der Ordnung der apostolischen, überhaupt der christlichen Urkirche übereinstimmt“ 302). Als Ordnung der Urkirche sah er im Gegensatz zum Katholizismus und zum Luthertum mit ihrer bischöflichen Verfassung die Presbyterialverfassung an. Er vertrat die Ansicht, daß die Unterscheidung eines bischöflichen Amtes von einem presbyterialen angesichts der Schriftstellen Apostelgeschichte Kap. 20, Vers 17 und 28; Titus Kap. 1, Vers 5 und 7, schriftwidrig sei und die Begriffe episcopus und presbyter vielmehr gleichzusetzen seien. Die Lehrer und Prediger seien nicht neben den Presbytern genannt, son­ dern würden ihnen zugerechnet (1. Tim. Kap. 5, Vers 17). Allerdings seien nach 1. Kor. Kap. 12, Vers 28; Kap. 14, Vers 26 und Röm. Kap. 12, Vers 7 zwei verschiedene Berufe oder Dienste bei den Presbytern zu unterscheiden: a) der Dienst der Predigt des Evangeliums, der theologische Bildung erfordere (und von dem sich noch der Beruf der doctores abzweige, die die Schrift zu erklären hätten) und b) der Dienst der Gemeinderegierung, der nur lebendigen Glauben veraussetze. Die Heilige Schrift kenne dann noch das Amt der Armen- und Krankenpfleger (Diakone). Demgemäß nimmt Calvin vier Gemeindeämter an, das der pasteurs, docteurs, anciens und der diacres. Diese Ämter bilden zusammen das consistoire (Presbyterium), dem die gesamte verwaltende und richtende Tätigkeit in der Gemeinde obliegt. Dabei üben die pasteurs den Dienst der Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung allein aus, wäh­ rend sie den Dienst der Gemeinderegierung zusammen mit den üb­ rigen, nicht lehrenden Ältesten gemeinsam ausüben. Auf der Grundlage dieser dogmatischen Normen haben dann die einzelnen reformierten Kirchen die Presbyterialverfassung in ihren Bekenntnissen als Glaubensnorm festgelegt und in den Kirchenord­ nungen eingehend geregelt, die Hugenotten am reinsten und vollkom­ mensten durchgebildet in der Confessio Callicana (Art. 29 ff.) und in der Discipline Ecclesiastique des Eglises Reformees de France, Cap. I bis V 304), die Niederländer in der Confessio Belgica, Art. XXX 305), die Reformierten am Niederrhein in der Kirchenordnung von Jülich-CleveBerg-Mark in § 74 308), und die Kurpfälzische Presbyterialordnung in Cap. 1 307). Somit ergibt sich folgendes: Nicht überall schon da, wo zwei oder drei in Christi Namen versammelt sind (Matth. 18, Vers 20), ist eine Gemeinde, sondern nur da, wo ihre Funktionen, die Wortverkündi­ gung, die Sakramentsverwaltung, die Kirchenzucht und die Armen­ pflege, von einem Presbyterium ausgeübt werden, das aus Predigern, Ältesten und Diakonen gebildet ist 308). VI. Von den Niederländern, die 1567 erstmals in größerer Zahl nach Nürnberg kamen, hören wir nicht mehr, als daß sie Disputationen über 253

religiöse Fragen erregen, im Verdacht stehen, „Conventicula“ zu hal­ ten, und den reformierten Gottesdienst in Amberg besuchen 309). Weiter ist uns nichts bekannt. Wir wissen nicht, ob sich der Verdacht des Rates hinsichtlich der Conventicula bestätigt hat. Auf jeden Fall dür­ fen wir aber annehmen, daß die Niederländer, die ja um ihres Glau­ bens willen die Heimat verlassen hatten, auch in der Fremde an ihrem Bekenntnis festhielten und nach dessen Weise Gott dienten. Das mußte natürlich heimlich geschehen, denn der Rat hatte sie nur unter der Bedingung als Bürger oder Inwohner aufgenommen, daß sie sich der Nürnberger Kirchenordnung unterwerfen würden. Einmal aus diesem Grunde und dann wegen der geringen Zahl der bis jetzt in Nürnberg ansässigen Reformierten werden sie aber kaum zu irgend einer Form äußerer Organisation geschritten sein. Ihre Re­ ligionsübung wird sich in den Grenzen dessen gehalten haben, was später als „devotio domestica“ bezeichnet wurde. Darunter versteht man eine Hausandacht, „die ein gemeiner Untertan selbst allein durch Lesen, Beten und Singen in seiner Wohnung zwischen den vier Wänden verrichtet“ 81°). Das hatte ihnen ja der Rat nicht ausdrücklich verboten. Die Möglichkeit, daß sie Älteste wählten und einen Prediger beriefen, dürfen wir jedoch mit großer Sicherheit ausschließen. Mithin kann von einer Gemeinde noch keine Rede sein. § 9. Di eVerbindung der Nürnberger Reformierten mit der oberpfälzischen Landeskirche I. Mehr Grund zur Annahme einer Gemeindebildung ergibt sich im Jahre 1570. Das kleine Häuflein der Nürnberger Reformierten hatte im Sommer 1569 durch die niederländischen Tuchbereiter eine beträchtliche Verstärkung erhalten 311). Diese waren fast alle von einem Herkunftsort (Antwerpen)312) und gehörten einem Handwerk an. In ihrem Rahmengarten vor dem Frauentor hatten sie eine günstige Ge­ legenheit, sich auch zu außerberuflichen Zwecken zu versammeln. Was lag da näher, als daß sie sich bei so enger beruflicher und landsmann­ schaftlicher Verbundenheit auch zu gottesdienstlichen Versammlungen trafen. Das mußte wiederum heimlich geschehen, denn wie die schon vor ihnen eingewanderten Niederländer hatten sie bei der Aufnahme in die Stadt erklären müssen, sich der Nürnberger Kirchenordnung zu unterwerfen 313). Ihre heimlichen Versammlungen blieben jedoch nicht lange ver­ borgen. In einem Verlaß vom 12. 4. 1570 heißt es, dem Rat sei berichtet worden, daß die Niederländer der englischen Tuche alle Feiertage im Garten vor dem Frauentor eine Predigt hielten und selbst ein Kind getauft hätten; man solle sich dessen mit Fleiß erkundigen und son­ derlich auch in Erfahrung bringen, ob der Kaplan bei St. Lorenz das Kind des Michel von Praga hiesiger Ordnung gemäß getauft habe 314). Johann de Boufi, der die Tuchbereiter nach Nürnberg gebracht hatte, erhielt vom Rat den Auftrag, sie zu warnen, man könne es nicht gestatten 315). Die Abneigung der Einheimischen gegen die Neubürger, die vom Rat so freigiebig mit Geld, Wohnungen, Werkstätten und Handwerks-

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gerät bei ihrer Niederlassung unterstützt und gefördert worden waren, kam in allerlei „beschwerlichen“ Reden über die „Sakramentierer“, wie das Volk die Reformierten bezeichnete, zum Ausdruck. Mit Rücksicht auf die Volksmeinung ordnete der Rat an, daß aus der Kriegsstube Kundschaft auf die Reden und die Predigten gemacht werden solle 316). Welches Ergebnis die Nachforschungen hatten, geht aus den Rats­ verlässen nicht hervor. Sicherlich waren die Anzeigen nicht aus der Luft gegriffen und das Gerede unter dem Volk nicht nur ein grund­ loses Geschwätz. Der Rat mußte ihnen insoweit Rechnung tragen, als er die Andachten im Rahmengarten (wie wir die Gottesdienste wohl bezeichnen müssen) verbot. Er konnte und wollte jedoch keine weite­ ren Maßnahmen gegen die Niederländer ergreifen. Der Umstand, daß er immerhin eine beträchtliche Summe Geld in den neuen Gewerbe­ zweig hineingesteckt hatte, der für den Nürnberger Tuchhandel nach dem Osten von großer Bedeutung war 317), ließ das nicht gut zu. Die halben Maßnahmen des Rates, die er trotzdem ergriff, dienten sicher­ lich nur dem Zweck, sich gegenüber dem Kaiserhof und den der kaiserlichen Partei im Reich angehörenden Ständen, insbesondere Kur­ sachsen, außenpolitisch eine Deckung zu verschaffen. Die Stadt mußte ja jeden Verdacht vermeiden, als würde sie die „calvinische Sekte“ unterstützen 318). Im Innern galt es der Abneigung der Altbürger gegen die „Sakramentierer“ Rechnung zu tragen, die weniger religiösen als wirtschaftlichen Beweggründen entsprang. Die Tuchbereiter scheinen ihre religiösen Zusammenkünfte einge­ stellt oder noch heimlicher gehalten zu haben. Jedenfalls hören wir nie mehr etwas davon. Aber bald mußte sich der Rat wieder mit ihnen befassen. Der Prediger Schelhammer von St. Lorenz zeigte an, daß die Niederländer ihre Kinder nicht in Nürnberg, sondern in Amberg taufen ließen319). Einer von ihnen, der Tuchbereiter Michel von Praga, gab bei seiner Vernehmung an, daß er sich durch die Anwendung des Exorzismus bei der Taufe in seinem Gewissen beschwert fühle 320). Die reformierten Kirchen hatten ja im Gegensatz zu den lutheri­ schen den Exorzismus abgeschafft 321). Nach ihrer Ansicht war er ein „papistischer“ Greuel, der in der Hl. Schrift keinen Grund finde. Die Kinder christlicher Eltern seien zum Reiche Gottes berufen und schon im Mutterleib geheiligt. Deshalb könnten sie nicht vom Teufel be­ sessen sein 322). Weil sich in Nürnberg aber nicht nur die Niederländer, sondern auch viele andere Bürger am Gebrauch des Exorzismus ärgerten, er­ bat der Rat von den Predigern Heling, Schelhammer und Dürnhofer, also den Führern der Philippisten, ein Gutachten darüber, ob man den Exorzismus weglassen könne 323). In ihrem Bedenken vom 1. 9. 1570 führten die Theologen aus, sie möchten wohl leiden, daß sich die niederländischen Tuchbereiter als fremde und vertriebene Leute zur Gemeinschaft der Nürnbergischen Kirche hielten und keine Weitläufigkeiten und Neuerungen einzu­ führen sich unterfingen. Ihr Begehren sei aber nicht unbegründet. Der

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Exorzismus könne aus der HL Schrift nicht belegt werden und sei den Aposteln, sowie den Lehrern in ecclesia primitiva unbekannt gewesen. Sie wollten daher vorschlagen, mit der Abschaffung stillschweigend den Anfang zu machen und den vorwitzigen Nachgrüblern nicht viel Be­ scheids darüber zu geben 324). Der Rat beschloß auch die Ratskonsulenten noch gutachtlich zu hören 325). Diese scheinen sich dem Bedenken der Theologen ange­ schlossen zu haben. Daraufhin wurde der Kirchenpfleger vom Rat be­ auftragt, den Diakonen an den beiden Pfarrkirchen St. Sebald und St. Lorez Befehl zu geben, den Niederländern in ihrem Wunsche auf Weglassung des Exorzismus bei der Taufe ihrer Kinder zu will­ fahren326). Alle Bedenken scheinen aber den Niederländern nicht genommen worden zu sein, denn 1572 ließ der Tuchbereiter Heinrich Strober sein Kind in dem oberpfälzischen Stift Weißenohe taufen. Der Prediger bei St. Lorenz, Johann Schelhammer, erhielt den Auftrag, ihn über die wahre Bedeutung des Exorzismus zu unterrichten, doch dabei beschei­ den mit ihm zu sein (!). Der Kirchenpfleger Hieronymus Baumgärtner wurde abgeordnet, dem Unterricht als Vertreter des Rats beizuwohnen und den Strober ebenfalls dazu anzuhalten, sich der hiesigen Kirchen­ ordnung gemäß zu verhalten, und von ihm zu vernehmen, welche Nie­ derländer noch in diesen Punkten irrig seien und ihre Kinder auswärts taufen ließen 327). Aus den Verhaltungsmaßregeln, die der Rat Schelhammer erteilte, und der Tatsache, daß der Kirchenpfleger, der Leiter des reichsstädti­ schen Kirchenamtes, dem Unterricht beiwohnen mußte, ist deutlich zu ersehen, wie sehr der Rat bemüht war, die Niederländer nicht allzu sehr vor den Kopf zu stoßen. Andererseits suchte er nach Möglichkeit doch die religiöse Einheit in der Stadt aufrecht zu erhalten, denn ein Nebeneinander verschiedener religiöser Überzeugungen mußte nach der Anschauung der Zeit die politische Geschlossenheit eines Staats­ wesens in Gefahr bringen 328). II. Es erhebt sich nun die Frage, ob man aus dem Hervortreten der Niederländer im kirchlichen Leben Nürnbergs und aus der Abhaltung von gottesdienstlichen Versammlungen im Rahmengarten irgendwelche Schlüsse auf eine Gemeindebildung ziehen kann. Diese Frage müssen wir jedoch verneinen, denn eines ist gewiß: einen eigenen Prediger hatten die Niederländer nicht. Ohne einen Geistlichen ist aber eine Gemeinde überhaupt nicht denkbar. Auch eine Bestellung von Ältesten war nicht erfolgt. Einer der ersten ge­ wählten Ältesten der Gemeinde, der aus Aachen zugezogene Kaufmann Abraham Sieß 329), stellt anläßlich einer Auseinandersetzung im Pres­ byterium über die Verfassung der Gemeinde ausdrücklich fest, daß die Vorfahren das exercitium religionis in Nürnberg nicht gehabt hätten, daher auch keine Vorsteher der Gemeinde, „also ganz keine Ordnung alhie gewesen“ 33°). Das trotz des Zuzugs der Tuchbereiter immer noch kleine Häuflein der Nürnberger Reformierten — ihre Zahl mag um 1570 ein halbes Hundert nicht überschritten haben331) — hätte ja auch schon allein aus finanziellen Gründen einen eigenen Prediger nicht unterhalten können.

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Wohlhabende Glieder in nennenswerter Anzahl fehlten zu dieser Zeit noch. An Hilfe durch die ausländischen Gemeinden war zu dieser Zeit ebenfalls nicht zu denken, da diese fast überall noch sebst um ihre Existenz und religiöse Freiheit zu ringen hatten 332). Der Mangel eines eigenen Predigers fiel aber zu dieser Zeit nicht allzu sehr ins Gewicht, denn die „kryptocalvinistische“ Einstellung eines Teiles der Nürnberger Stadtgeistlichen machte es den Refor­ mierten leicht, deren Predigten zu besuchen 333). Von der bekentnnismäßigen Unabdingbarkeit abgesehen, erübrigte sich auch die Wahl von Ältesten. Als „geschworenes Handwerk“ 334) mit einer festen Handwerksordnung 335) und „Geschworenen“ des „eng­ lischen Tuchbereiterhandwerks“ (Bereiter des englischen Tuches) 336) verfügten sie bereits über eine Organisation, die auch religiöse Auf­ gaben übernehmen konnte. Das war nichts Ungewöhnliches, denn die Handwerkszünfte hatten ja ohnehin in früherer Zeit in erster Linie den Charakter einer religiösen Bruderschaft gehabt 337). Die Bestellung eines eigenen Presbyteriums wäre dem Rat genau so wenig verborgen geblieben wie die Abhaltung der Andachten im Rahmengarten. Bei der stark ablehnenden Haltung des rein patrizischen Rates gegenüber allen selbständigen Zusammenschlüssen unter seinen Bürgern 338), hier gar noch auf kirchlichem Gebiet, hätten die Niederländer in diesem Fall mit wesentlich strengeren Maßnahmen als bisher rechnen müssen, womöglich mit der Ausweisung und neuer­ licher Heimatlosigkeit. III. Wenn auch ihre eigene religiöse Betätigung in Nürnberg sehr eingeschränkt war, so blieben die Reformierten trotzdem dem gottes­ dienstlichen Leben in der Stadt fern 339). Auf die Nürnberger Landes­ kirche waren sie um so weniger angewiesen, als sie in der benachbar­ ten Oberpfalz Gottesdienste ihres Bekenntnisses besuchen konnten. Dort hatte ja Kurfürst Friedrich III. 1567 begonnen, den Calvinismus einzuführen 34°). Wir haben schon oben gehört, daß die Nürnberger Niederländer in Amberg und Weißenohe den reformierten Gottesdienst besuchten, zum Abendmahl gingen und ihre Kinder dorthin zur Taufe brachten341). Ihr religiöses Leben gestaltete sich demnach so, daß sie in Nürnberg unter sich Hausandachten hielten, im übrigen aber sich zu den Kirchen­ gemeinden in der Oberpfalz hielten, soweit diese schon reformiert ge­ worden waren, und dort die Predigten besuchten, zum Abendmahl gingen und ihre Kinder taufen ließen. Das letztere konnten sie auch während des lutherischen Zwischenspiels unter Kurfürst Ludwig YI. tun, denn dieser führte den Exorzismus nicht wieder ein 342). Zum Got­ tesdienstbesuch kamen in der Oberpfalz hauptsächlich die Orte Weiße­ nohe, Gnadenberg, Hagenhausen, Neumarkt und Freystadt in Frage 343). Es läßt sich denken, daß das mit großen Opfern verbunden war. Jeder Gottesdienstbesuch bedeutete eine dreitägige Reise. Besondere Schwierigkeiten bereitete es, bei den damaligen Verkehrsverhältnissen, die Frauen vor ihrer Niederkunft in die Oberpfalz zu bringen, um die Kinder dort taufen zu können. Dabei mußten sie ständig fürchten, mit dem Rat wegen gesetzwidrigen Handelns in Konflikt zu kommen, der die 17

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Verletzung seines jus episcopale, d. h. der Befugnis der evangelischen Landesobrigkeit zur rechten kirchlichen Versorgung ihrer Unter­ tanen 344), und der jura stolae seiner Geistlichen nicht dulden konnte. An sich hätten die Niederländer auf Grund der Anordnung des Rates vom Herbst 1570 bis jetzt ihre Kinder in Nürnberg taufen lassen können, wenn sie die Geistlichen um die Auslassung des Exorzismus gebeten hätten (was sie aber anscheinend nicht gerne taten). Diese Möglichkeit entfiel jedoch, als der Rat im Jahre 1574 auf Drängen des bisher gut philippistischen Predigers Johann Schelhammer, der jetzt gegen seine früheren Gesinnungsfreunde die lutherische Abendmahls­ lehre vertrat, seine Anordnung wieder aufhob, die die Geistlichen an den Pfarrkirchen ermächtigt hatte, bei der Taufe der niederländischen Kinder den Exorzismus wegzulassen 345). Die Niederländer waren damit wieder ganz und gar auf ihre Verbindung zur oberpfälzischen Landes­ kirche angewiesen. Nun ging es noch an, einige Male im Jahr zur Feier des Hl. Abend­ mahls eine dreitägige Reise in die Oberpfalz auf sich zu nehmen. Äußerst unangenehm und beschwerlich aber war es, wie schon oben erwähnt, die schwangeren Frauen dorthin zu bringen. Der philippistische Prediger Lorenz Dürnhofer bei St. Egidien, der seinen Sohn zum Studium der Theologie nach Genf gesandt hatte 346), nahm sich um sie in ihrer Gewissensnot an und wandte sich an Theodor Beza in Genf, den Nachfolger Calvins. Dieser verfaßte ein ausführliches Gutachten, datiert vom 15.11.1580, worin er darlegte, daß die „fratres Belgae, qui commorantur Noribergae“ ohne Gewissensbeschwerden am Abendmahl in Nürnberg teilnehmen und auch ihre Kinder daselbst taufen lassen könnten 347). Aber selbst diese Autorität scheint nicht alle Bedenken der glaubensstarken Niederländer ausgeräumt zu haben, denn im Mai 1582 konnte der Prediger Schelhammer wieder darauf hinweisen, daß sie ihre Kinder weiterhin in der Oberpfalz taufen ließen 348). Im Jahre 1583 wurden neun reformierte Bürger und Schutz ver­ wandte zur Anzeige gebracht, die ihre Kinder in Freystadt und anderen Orten der Oberpfalz hatten taufen lassen. Es waren dies der Borten­ wirker Johann de Brassery, dessen Enkel Daniel und Cornelius de Brassery an der Gründung der Gemeinde teilnahmen und später Äl­ teste wurden 349), der Seidenfärber Steffan von Quickeiberg 350), der Goldschmied Florian von der Brucken351), Melchior Lauter, der Seiden­ bortenwirker Hans Morian 352), Hans von Queuvenbeck, genannt Wolf, der „Pariser Goldarbeiter“ Jacob Murmann 353), der Goldarbeiter Jacob Bauer (Paue) 354) und der Teppichmacher Johann Mundecken 355). Sie entschuldigten sich alle damit, daß sie sich durch den Gebrauch des Exorzismus in der Nürnbergischen Landeskirche in ihrem Gewissen beschwert fühlten. Der Rat gestattete ihnen, ihre Stellungnahme ein­ gehend darzulegen. Daraufhin reichten sie eine ausführliche Bittschrift beim Rat ein. Darin brachten sie ihre Ansicht über den Exorzismus zum Ausdruck und baten um dessen Erlaß bei der Taufe ihrer Kinder, vorsorglich, falls der Rat ihrer Bitte nicht entsprechen würde und sie daher gezwungen wären, die Stadt zu verlassen, um eine ausdrückliche Bestätigung, daß sie keine Wiedertäufer seien. Der Rat gab ihrer Ein258

gäbe unter dem Eindruck des Widerstandes der streng lutherisch ge­ sinnten Stadtgeistlichen nicht statt, die sich gegenüber ihren philippistischen Kollegen durchgesetzt hatten. Er verlangte von den Nieder­ ländern, daß sie in Zukunft den Besuch auswärtiger Kirchen einstellen sollten 356). Auf dieser Forderung scheint der Rat aber nicht mit besonderem Nachdruck bestanden zu haben, denn auch in den nächsten Jahren be­ suchten die Niederländer weiterhin die reformierten Gottesdienste in der Oberpfalz 357). IY. Als Ergebnis für die Zeit nach 1570 dürfen wir feststellen: Eine eigene kirchliche Organisation fehlte den Reformierten in Nürn­ berg. Sie konnten sich hier wohl im Rahmen des allgemeinen Priester­ tums zu Andachten versammeln, bildeten dadurch aber noch keine Gemeinde 358). Sie nahmen am gottesdienstlichen Leben der oberpfälzi­ schen Landeskirche teil und waren somit nach innerem reformierten Kirchenrecht Glieder derjenigen Gemeinden, zu deren Predigt- und Abendmahlsgemeinschaft sie sich hielten 359). Gleichzeitig waren sie natürlich auch zwangsweise Mitglieder der Nürnbergischen Landes­ kirche 359a). §10. Die Nürnberger Reformierten unter demSchutz der Patrizierfamilie Geuder. I. Im Jahre 1611 trat ein Ereignis ein, das für die Entwicklung der Gemeinde von großer Bedeutung werden sollte. Der Patrizier Jakob Geuder, aus einer alten, 1263 erstmals in Nürnberg erwähnten Familie stammend 360), war nach dem Tode seines Vaters 1604361) mehrmals in Streitigkeiten mit seinen im Rat sitzenden Standesgenossen geraten 362) und kündigte am 30. Januar 1611 sein Bürgerrecht auf 363). Er ließ sich bei der freien Reichsritterschaft in Franken immatrikulieren und trat in die Dienste des Kurfürsten von der Pfalz. Er wurde weltliches Mit­ glied des oberpfälz. Kirchenrats (Konsistoriums) in Amberg und vollzog mit seiner Ehefrau Sabina, geb. Welser, den Übertritt zum reformierten Bekenntnis. In seinem Schloß zu Neunhof bei Lauf, etwa vier Weg­ stunden nordöstlich von Nürnberg an der Straße Lauf-Eschenau gelegen, stellte er einen reformierten Prediger an, der dort alle Sonn- und Feiertage im Schloßsaal den Gottesdienst hielt. Nach dem Tode Jakob Geuders im Jahre 1616 wurden die Gottesdienste unter seinem Sohn Hannß Philipp in das Schloß nach Heroldsberg verlegt, einem Markt­ flecken nordöstlich von Nürnberg an der Straße nach Bayreuth. Hier hielt der reformierte Pfarrer von Weißenohe die Predigten und Abendmahlfeiern und nahm auch die Taufen der Geuder’schen Kinder vor 364). II. An den Abendmahlsfeiern in Neunhof und Heroldsberg durften auch die in Nürnberg und Umgebung ansässigen Reformierten teilneh­ men. Im Jahre 1614 soll die Zahl der Abendmahlsgäste bereits so angewachsen gewesen sein, daß das Abendmahl alle Vierteljahre habe gefeiert werden können 365). Für die Nürnberger Reformierten hatte das den großen Vorteil, daß sie damit der weiten Reisen in die Oberpfalz enthoben waren. Die Mög­ lichkeit, jetzt in der Nachbarschaft der Stadt einen Gottesdienst ihres 259

Bekenntnisses besuchen zu können, hat sehr dazu beigetragen, daß die ohne den Rückhalt einer verfaßten Gemeinde in Nürnberg lebenden Reformierten auch in den Fährnissen der nächsten Jahrzehnte, insbe­ sondere nach der Gegenreformation in der Oberpfalz, treu bei ihrem Bekenntnis blieben und nicht in der einheimischen lutherischen Be­ völkerung aufgingen. Der gleiche Umstand scheint auch mit die Ursache gewesen zu sein, daß sich jetzt mehrere wohlhabende reformierte Fa­ milien nach Nürnberg wandten und hier niederließen 366). III. Von einer reformierten Gemeinde können wir auch jetzt noch nicht sprechen. Die „Niederländer“, wie die allgemeine Bezeichnung für die Reformierten lautete, nahmen lediglich als Gäste am exercitium religionis privatum der Geuder teil, das diesen als Mitgliedern der freien Ritterschaft gemäß § 26 des Augsburger Religionsfriedens von 1555 zustand 367). Auf die Gestaltung der Gottesdienste in Neunhof und Heroldsberg hatten die Nürnberger Reformierten keinerlei Einfluß. Sie wählten auch noch keine Ältesten. Infolgedessen fehlte es an einem „Gemeinde­ amt“ (= Presbyterium), das den Gemeindegliedern gegenüber alle Funktionen der Kirche hätte ausüben können, insbesondere die uner­ läßliche Kirchenzucht und die Armenpflege. Ohne Gemeindeamt gibt es aber keine Gemeinde 368). IY. Die Versuche der Geuder, im Marktflecken Heroldsberg, wo sie ein eigenes Halsgericht besaßen 369), ebenfalls das reformierte Bekenntnis einzuführen, scheiterten am energischen Widerstand des Nürnberger Rates. Dieser nahm das landesherrliche Kirchenregiment und das Pa­ tronatsrecht für Heroldsberg in Anspruch. Er trat allen Neuerungs­ bestrebungen der Geuder entgegen, wenn es nottat, sogar mit Waffen­ gewalt. Die Geuder ihrerseits behaupteten, daß ihnen der Kaiser neben dem Halsgericht auch das Patronatsrecht für Heroldsberg verliehen habe, und wollten daraus ein Reformationsrecht ableiten. Sie drangen aber damit gegen den Rat nicht durch 370). Y. Der Protest des Rates richtete sich aber nicht nur gegen die ver­ suchten Änderungen in der Pfarrgemeinde Heroldsberg, sondern auch gegen die Privatgottesdienste der Geuder im Schloß. Er bestritt deren Berechtigung zur privaten Religionsübung und forderte kraft seines jus episcopale die Abschaffung der Gottesdienste. Er begründete seine Forderung damit, daß die Geuder im Jahre 1555 noch Nürnberger Bür­ ger und keine freien Reichsritter gewesen seien, sich also auf § 26 des Augsburger Religionsfriedens nicht berufen könnten. Außerdem sei die Religionsfreiheit nur den Anhängern der alten Kirche und den Augsburgischen Konfessionsverwandten gewährt, nicht aber den Reformier­ ten371). Der Rat mußte sich jedoch in diesem Falle auf papierene Pro­ teste beschränken und sich ein energisches Vorgehen gegen die Geuder versagen, weil dem außenpolitische Gründe widersprachen. Die Stadt Nürnberg war am 10. 5.1609 der Union beigetreten und damit von ihrer bisherigen außenpolitischen Generallinie abgewichen, die darin be­ standen hatte, im Kielwasser der kaiserlich-kursächsischen Politik zu segeln 372). Direktor der Union war der Kurfürst von der Pfalz, Kriegs­ general der Statthalter der Oberpfalz, Fürst Christian I. von AnhaltBernburg. Der letzere war aber der unmittelbare Vorgesetzte Jakob 260

Geuders in Arnberg. Unter diesen Umständen ging es nicht gut an, gegen die Geuder ernstlich etwas zu unternehmen, soweit es ihren reformierten Privatgottesdienst betraf. Der Ratskonsulent Dr. Hülfi bemerkt in einem Gutachten vom 30. 4. 1649, daß der Rat seinerzeit zu Ehren der Kurpfalz den cultum extraordinarium im Schloß zu Heroldsberg nicht stark impugniert habe 373). Der reformierte Gottesdienst auf den Geuderischen Gütern war damit gesichert. VI. Nach der Besetzung der Oberpfalz durch Maximilian von Bayern erhielten die Schlofigottesdienste in Heroldsberg und Neunhof, wo Sabina Geuderin ihren Witwensitz hatte 374), eine erhöhte Bedeutung. Jetzt strömten die oberpfälzischen Flüchtlinge und Vertriebenen in das Ge­ biet der Reichsstadt Nürnberg und in die Markgrafschaft Bayreuth 375). Die reformierte Religionsübung in den früher von den Nürnberger Reformierten besuchten oberpfälzischen Orten hörte auf. Nun zeigten sich erst voll und ganz die Vorteile, die Jakob Geuders Übertritt zum Calvinismus seinen neuen Glaubensgenossen gebracht hatte. Mit Aus­ nahme der fränkischen Adelspfarrei Ullstadt, in der Joachim Christoph v. Seckendorf 1616 eine calvinische Gottesdienstordnung eingeführt hatte 376), waren jetzt die Geuderischen Besitzungen die einzigen Orte im heutigen Nordbayern, an denen noch reformierter Gottesdienst ge­ halten werden konnte. Die Religionsübung in Heroldsberg wurde jetzt so organisiert, daß Hannß Philipp Geuder festsetzte, wann eine Predigt mit Abendmahls­ feier stattfinden sollte. Er ließ dann durch seinen Hausgeistlichen, der zugleich Lehrer seiner Kinder war, die Reformierten im Nürnberger Gebiet und in der Markgrafschaft Bayeuth, Niederländer und Ober­ pfälzer, brieflich dazu einladen. Die Gottesdienste fanden gewöhnlich vier- bis fünfmal im Jahre statt und wurden abwechselnd von den im Nürnberger Gebiet sich aufhaltenden oberpfälzischen Geistlichen gehal­ ten. Diese bekamen dabei von den wohlhabenden Abendmahlsgästen, hauptsächlich Niederländern, kleine Zuwendungen. Da sie keinerlei Besoldung erhielten, war das eine willkommene Einnahme. Die Gottesdienste wurden durchschnittlich von zweihundert bis dreihundert Personen besucht; einmal sollen es sogar vierhundert gewesen sein 377). Trotz des großen Zuwachses durch die oberpfälzischen Exulanten änderte sich in organisatorischer Hinsicht nichts gegenüber der Zeit vor dem Jahre 1625, in dem die ersten Vertriebenen aus der Oberpfalz nach Nürnberg gekommen waren. Die Veranstaltung der Gottesdienste lag in den Händen Hannß Philipp Geuders, der sozusagen als kleiner Summus Episcopus fungierte. Die Geistlichen, die die Predigten hielten und das Abendmahl austeilten, übten diese Funktionen nur gelegentlich ihres Aufenthaltes im Nürnberger Gebiet aus, nicht dank der Berufung durch eine Gemeinde. Sie fühlten sich noch als Parochus ihrer ober­ pfälzischen Pfarrei, die sie hatten verlassen müssen und eines Tages nach der erhofften Wendung des Kriegsglücks und der Rückkehr ihres Landesherren, Friedrichs V., wieder übernehmen zu können glaubten. Sie hielten es anfänglich keineswegs für möglich, daß sie über zwanzig Jahre im Exil leben und dann die Hoffnung auf eine Rückkehr in die

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Heimat für immer begraben müßten. Der Aufbau einer festen kirch­ lichen Organisation an ihrem augenblicklichen Aufenthaltsort lag ihnen daher fern. Fürs nächste genügte ja, was die Geuderische Herrschaft den Exulanten ermöglichte. Yon Bedeutung für ihre Haltung gegenüber solchen Fragen war auch, daß sie aus einem Kirchentum kamen, das ebenso wie die lutherischen Landeskirchen in Deutschland auf der Grundlage des landesherrlichen Kirchenregimentes regiert worden war und die calvinischen Verfassungsgrundsätze nicht gekannt hatte. Für die Schaffung einer kirchlichen Organisation ohne Anlehnung an die Staatsgewalt, ja gegen das landesherrliche Regiment, hatten sie anschei­ nend gar kein Verständnis 378). Sie klagten nur immer wieder, daß ihnen im Nürnberger Gebiet das exercitium religionis publicum verwehrt sei 379). Was für ein ganz anderes Geschlecht waren da die Bekenner der „Kirche in der Wüste“ in Frankreich und der Kirchen „Unter dem Kreuz“ in den Niederlanden, die unter ständiger blutiger Verfolgung ihre Gottesdienste in Höhlen und abgelegenen Wäldern gehalten hat­ ten380). In bemerkenswertem Gegensatz zu den Oberpfälzern hatten sich z. B. die niederländischen Emigranten nach ihrer Flucht und Ver­ treibung aus der Heimat sofort in der Fremde zum Weseler Konvent von 1568 und zur Emdener Generalsynode von 1571 zusammengefunden, um den Aufbau ihrer Flüchtlingskirchen auf ausländischem Boden in die Wege zu leiten381). Die oberpfälzischen Geistlichen hatten, vom Kirchenrat in Amberg eingesetzt, als pastores über ihrer grex gestanden, wie in den lutheri­ schen Landeskirchen und in der katholischen Kirche auch 382). Das eigentliche reformierte Gemeinderecht war ihnen offenbar nicht ver­ traut, wonach der Prediger Glied der Gemeinde ist und als Mitältester zusammen mit dem Laienältesten die Gemeinde als eine selbständige Kirche regiert, die keinen Herren außer Jesus Christus mehr über sich hat, und die Ältesten, gewählt von der Gemeinde, als Mandatare Gottes wirken, nicht als untergeordnete Organe eines landesherrlichen Kir­ chenregiments (freilich auch nicht als demokratische Volksvertretung) 383). Außer dem Mangel dieser geistigen Voraussetzungen wirkten auch noch tatsächliche Hindernisse hemmend auf die Bildung einer geordne­ ten Gemeinschaft der Reformierten im Nürnberger Gebiet ein. Eine solche Organisation hätte der Nürnberger Rat als gesetzwidrig be­ trachtet und unterdrückt. Die oberpfälzischen Exulanten lebten zum großen Teil in bitterster Not und anfangs über das ganze Gebiet der Reichsstadt und die Markgrafschaft Bayreuth verstreut; ihre Gedanken waren allein auf die verlorene Heimat gerichtet. Fremde Kriegshorden durchzogen das Land und machten Weg und Steg unsicher, so daß die in Nürnberg wohnenden Reformierten die Gottesdienste in Heroldsberg nur unter dem Schutz starker Konvoys besuchen konnten 384). Diese Um­ stände wirkten natürlich keineswegs fördernd auf die Bildung einer festen Gemeinschaft. Dazu kam als ein weiteres Hemmnis der anfängliche nationale und soziale Gegensatz zwischen den in Nürnberg als meist wohlhabenden Bürgern ansässigen Niederländern (dazu wurden auch die Franzosen und Engländer gerechnet) und den armen oberpfälzischen Exulanten, von denen nur solche das Bürgerrecht erhielten, die dem Rat als nützliche Untertanen erschienen, wie z. B. die Familie Geisel.

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Die Oberpfälzer sprechen von den Niederländern immer sehr ehr­ furchtsvoll als den „Herren Niederländern“, von den „vornehmen Leu­ ten und Religionsverwandten46 3 85). Man spürt daraus, daß zwischen den beiden Gruppen anfangs eine ziemliche Kluft bestand. Die gemeinsam ertragenen Gefahren und Nöte des Dreißigjährigen Krieges brachten jedoch die Gegensätze zum Schwinden. Bei der Gründung der Gemeinde im Jahre 1650 gab es keine „Niederländer44 und „Oberpfälzer44 mehr, sondern nur noch reformierte Religionsverwandte 386). VII. Die Besetzung der Oberpfalz durch Maximilian von Bayern wirkte sich auch auf die Haltung des Rats zu den reformierten Gottes­ diensten in Heroldsberg und Neunhof aus. Der kurpfälzische Rückhalt für die Geuder war ja seit 1620 weggefallen. Der Rat war daher der Notwendigkeit enthoben, darauf Rücksicht nehmen zu müssen. Die außenpolitische Lage gebot jetzt vielmehr, jeden Anschein zu vermeiden, als lasse man die reformierte Religionsausübung auf den Geuderischen Gütern ohne weiteres durchgehen oder leiste dem Calvinismus gar noch Vorschub. Der neue Nachbar, Maximilian von Bayern, war seit 1628 bemüht, die im Besitz Nürnbergs befindlichen sogenannten „Böhmischen Lehen44 zunächst zu katholisieren und dann sich anzueignen 387). Nürn­ berg hatte diese vormals zur Oberpfalz gehörenden Ämter (Altdorf, Lauf und Hersbruck) im bayerischen Erbfolgekrieg von 1504 erobert. Es hatte 1514 vom böhmischen König Ladislaus die Zusicherung erhalten, daß die Lehenshoheit über die genannten Ämter niemals von der Böh­ mischen Krone getrennt und dieselben nur an Nürnberg verliehen werden sollten 388). Der feindliche Gegensatz zur Kurpfalz war durch mehrere Verträge beseitigt worden, zuletzt durch einen Vergleichs­ rezeß im Jahre 1542 389). Maximilian von Bayern hielt sich aber offenbar an diese Verträge nicht gebunden. Den einzigen Schutz gegen die Versuche Maximilians und seiner spä­ teren Nachfolger, die genannten Ämter der Oberpfalz wieder anzu­ gliedern, konnte nur der oberste Lehensherr dieser Gebiete, der König von Böhmen bieten. Das waren nach der Niederschlagung des böhmi­ schen Aufstandes von 1618 für die nächsten Jahrhunderte, mit Aus­ nahme des Zwischenspieles unter Kaiser Karl VII. 3Ö°), die Habsburger. Zur Zeit war dieser Schutz allerdings auch sehr fraglich. Das Jahr 1629 hatte ja das Restitutionsedikt gebracht und die katholische Partei als Sieger über ganz Deutschland gesehen. Um es einesteils nicht mit dem Kaiser Ferdinand II. zu verderben und andernteils Maximilian von Bayern bei der jetzigen allgemeinen Resti­ tutionswelle keine bequeme Handhabe zu seinen Plänen zu bieten, ver­ suchte der Rat, jeden Anschein zu vermeiden, als dulde er innerhalb seines Gebietes eine Tätigkeit der Parteigänger des geächteten Winter­ königs 391). Das Vorgehen des Nürnberger Rates gegen die Geuder stieß aber insofern auf Schwierigkeiten, als der Rat in Heroldsberg kein jus territorii 392) und infolgedessen auch kein jus reformandi besaß, wie die Ratskonsulenten, die juristischen Berater des Rats 393), selbst zugeben mußten. Der Ratskonsulent Dr. Richter schreibt in einem Ratschlagbuch, daß im Religionsfrieden von 1555 die facultas mutandae religionis auf die jurisdictio territorialis gegründet sei und in Religionssachen allein 263

auf das territorium, nicht auf die jura patronatus oder feudalitatis zu sehen sei 394). Die Geuder in Heroldsberg waren aber seit 1611 reichs­ unmittelbare Ritter und unterstanden keineswegs der Landeshoheit des Rates 395). Ihr exercitium privatum als solches war daher in keiner Weise angreifbar. Eine andere Frage war es, ob die Geuder wegen der reformierten Religionsübung den Schutz des Religionsfriedens von 1555 genossen. Deswegen gegen die Geuder vorzugehen, war Sache des Kai­ sers, dem die Geuder in dieser Angelegenheit unterstanden, nicht des Rates. Hier erhebt sich auch die Frage, ob die Besorgnis des Rates, die re­ formierten Gottesdienste in Heroldsberg würden dem Kaiser und Maxi­ milian von Bayern einen Anlaß bieten, nicht nur gegen die Geuder, sondern auch gegen die Stadt vorzugehen, unter diesen Umständen begründet war. Maßnahmen gegen die Stadt hätten ja jeder Rechts­ grundlage entbehrt. Jedenfalls scheint aber der Rat ernsthaft diese Besorgnis gehegt zu haben 396). Das Schicksal Donauwörths war noch zu deutlich in Erinnerung. Eine Handhabe zum Vorgehen in Heroldsberg bot dem Rat der Streit um das Patronatsrecht über die dortige Pfarrei. Er behauptete, Hannß Philipp Geuder verletze dadurch, daß er aus seiner Burg eine Kirche mache, d. h. die reformierten Gottesdienste in seinem Schloß abhalte, die Rechte der Nürnberger Pfarrei in Heroldsberg und be­ schwöre die Gefahr herauf, daß die Pfarrei beiden Parteien entzogen werde 397). Von der Stichhaltigkeit dieser Behauptung und der Oppor­ tunität eines ernsthaften Vorgehens gegen die Geuder war aber der Rat anscheinend selbst nicht recht überzeugt. Er begnügte sich damit, jedes­ mal, wenn wieder bekannt wurde, daß in Heroldsberg eine Abend­ mahlsfeier stattgefunden hatte, durch einen Notar in Anwesenheit von zwei Zeugen gegen Hannß Philipp Geuder eine Protestation erheben und ein „solennes Instrumentum“ errichten zu lassen. Die Protestati­ onen geschahen nach einem Vorschlag des Ratskonsulenten Dr. Tobias Oelhafen privatim und nicht öffentlich an der Kirchentüre, weil zu befürchten war, daß es der Adel übel auf nehmen würde 398). Hannß Philipp Geuder war zuerst Rat, dann Hauptmann der Reichsritterschaft des Ortes Gebürg (etwa unserem heutigen Oberfranken entsprechend) gewesen und schließlich Generaldirektor der ganzen Ritterschaft der Kreise Franken, Schwaben und am Rheinstrom geworden 399), so daß er für den Nürnberger.Rat praktisch unangreifbar war. Die Protestationen, von denen der Rat im Laufe der Jahre eine ansehnliche Sammlung zu­ sammenbrachte, konnten lediglich dem Zweck dienen, daß einmal die Verwirkung der Rechte an der Pfarrei Heroldsberg durch Verschwei­ gung verhindert wurde und die „solennen Instrumente“ im Notfall am kaiserlichen Hof vorgewiesen werden konnten 400). Hannß Philipp Geu­ der ließ sich durch die Protestationen keinesfalls einschüchtern, sondern fuhr ruhig fort, weiterhin Abendmahlsfeiern durch die oberpfälzischen Geistlichen halten zu lassen 401). Nicht viel ernster als gegen die Geuder waren die Maßnahmen des Rates gegen die Nürnberger Bürger und Schutzverwandten, die jene Gottesdienste in Heroldsberg besuchten. Auch hier erfolgten die Nach264

forschungen und Verbote in erster Linie unter dem Gesichtspunkt der außenpolitischen Bildwirkung. Der Ratskonsulent Dr. Friedrich Konrad Tuschelius schlug in einem Gutachten (vermutlich vom Dezember 1630) vor, diejenigen Besucher der Abendmahlsfeiern, die Bürger seien, davon abzumahnen und im Falle weiterer Zuwiderhandlung gebührlich zu bestrafen. Sie hätten in der Stadt das Wort Gottes und die hochwür­ digen Sakramente rein und lauter. Wenn sie sich trotzdem von ihrer ordentlichen Pfarr absondern und anderswo fremde und unbekannte Götter anbeten würden, was dem Geuder und dem Rat, falls es vor den Kaiser kommen würde, nicht wohl bekommen möchte, so sei das billig pro maximo contemptu zu halten 402). Dr. Tuschelius vertritt die Anschauungen, die durchaus dem Geist der Zeit entsprechen. Die Obrigkeit ist Gott dafür verantwortlich, daß ihre Untertanen den rechten Weg zum Himmel finden. Sie sorgt daher kraft göttlichen Auftrags für lautere Predigt des Evangeliums und rechte Sakramentsverwaltung. Wenn sich Untertanen nicht zur Landes­ kirche halten, in der allein die Wahrheit des göttlichen Wortes richtig gelehrt wird, dann muß sie die Obrigkeit dazu zwingen. Für den einzel­ nen gibt es kein Recht, nach seiner Fasson selig zu werden. Er gehört vielmehr zur Landeskirche, ob er will oder nicht. Abweichende Lehren und Sekten kann die Obrigkeit, die einmal die reine Lehre erkannt und eingeführt hat, grundsätzlich nicht dulden. Sie hat nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, die Fasson zu bestimmen, nach der ihre Unter­ tanen selig werden sollen 403). Der Nürnberger Rat handhabte allerdings die Grundsätze des Landeskirchentums nicht in ganz so strengem Sinne. Er übte keinen Ge­ wissenszwang und verfuhr nicht nach dem alten Ketzerrecht, sondern verlangte von Andersgläubigen nur, daß sie sich rein äußerlich zur Nürnberger Landeskirche hielten 404). Demgemäß schloß sich der Rat auch nicht ganz dem Gutachten des Ratskonsulenten Dr. Tuschelius und den gleichlautenden Vorschlägen Dr. Tobias Oelhafens und Dr. Georg Richters an 405), sondern verfügte in etwas milderem Ton in einem Ver­ laß vom 22. 12. 1630: „... den Pflegern aber auf dem Land soll man zuschreiben, nachzuforschen, was sie für Schutzverwandte unter sich haben, so diese Kommunion zu Heroldsberg besuchen, dieselben alsdann warnen, sich dessen zu enthalten, oder man werde ihnen den Schutz aufkündigen, und weilen es den Laut hat, daß der größte Teil solcher Kommunikanten in hiesiger Stadt sich befinden, soll man denselben mit allem Fleiß nachfragen und ihnen anzeigen, sich der hiesigen Kirch und Gottesdienst zu gebrauchen, und meinen Herren keinen beschwerlichen Anhang zu machen, damit man nicht gedrungen werde, andere Mittel gegen ihnen fürzunehmen 406). Bezeichnenderweise wandte sich der Ver­ laß nicht an die reformierten Bürger, also die wirtschaftlich einfluß­ reichen Niederländer, sondern an die armen oberpfälzischen Schutz­ verwandten. Einige Monate darauf bestimmte der Rat, den Personen, die in He­ roldsberg kommuniziert hätten und in der Stadt wohnen würden, nach­ zufragen und sie zu erfordern und ihnen das ernstliche Mißfallen des Rats zu erkennen zu geben 407). Der Verstoß gegen das einige Monate

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zuvor erlassene Verbot des Rates brachte also den Zuwiderhandelnden lediglich einen Verweis ein. Im Herbst 1638 hatte Hannfi Philipp Geuder allerlei bauliche Ver­ änderungen an der Kirche in Herodsberg vornehmen lassen. Der Rat befahl daraufhin, dem zu widersprechen: „... ingleichen auch dem Geuder nicht allein dies sein Faktum (die baulichen Veränderungen) als clandestinum, sondern auch die Kommunion durch den Gegenschrei­ ber im Almosen in Beisein zweier Zeugen widersprechen, daß seine attentata meiner Herren Gerechtsame, jetzt inskünftig allerdings unpräjudizierlich sein sollen, mit Vorbehalt aller ferneren Notdurft, und mit dieser ausdrücklichen Anzeig, daß meine Herren, durch diese Pro­ testation wider die Kommunion, nicht gemeint seien, über die Gewissen zu herrschen, oder einen und den anderen Exulanten in seiner Religion zu turbieren, sondern allein die Gerechtsame zu Heroldsberg gebühr­ lich zu erhalten“ 408). Das ist schon ein anderer Ton als noch im Jahre 1631. Inzwischen hatte sich ja auch einiges im Reich geändert. Das Eingreifen Gustav Adolfs hatte dem deutschen Schicksal eine andere Bahn gewiesen, der Friede von Prag allen Protestanten Amnestie gewährt und den konfes­ sionellen Besitzstand von 1627 zugesichert 409). Hannß Philipp Geuder war 1636 als Hochfürstlich Anhaitischer Rat, Hofmeister und Gesandter anläßlich des kaiserlichen Wahl- und Krönungstages in Regensburg zum Ritter geschlagen worden und war daraufhin noch hochfürstlich brandenburgischer Rat und Erbschenk des Hochstifts Wilrzburg gewor­ den 410). Es bestand also keine Gefahr mehr, daß er der Stadt Nürnberg außenpolitische Unannehmlichkeiten wegen seines reformierten Be­ kenntnisses bereiten würde. Der Widerspruch des Rates richtete sich auch nur mehr gegen die Verletzung seiner Rechte an der Pfarrei He­ roldsberg. Die Gottesdienstbesuche der reformierten Bürger wurden überhaupt nicht mehr gerügt und hinsichtlich der Schutzverwandten be­ tonte der Rat ausdrücklich, daß er keinen Gewissenszwang ausüben wolle. Allerdings gab er damit seine Forderung nicht auf, daß die refor­ mierten Bürger und Schutzverwandten grundsätzlich am Kultus der nürnbergischen Staatskirche teilzunehmen hätten. Gegen Ende des Krieges erkannte der Rat die reformierte Religions­ übung in Heroldsberg sogar de facto an. Der Bürger Nikolaus Pfaff stand im Verdacht, Weigelianer zu sein, d. h. Anhänger einer von dem sächsischen Pfarrer Valentin Weigel herrührenden pantheistisch-mystizistischen Sekte 412), und sollte deswegen die Stadt verlassen. Er hatte wegen der ihm drohenden Ausweisung den Kaiser um Hilfe gebeten. Nach Eingang eines kaiserlichen Schreibens erging folgender Ratsver­ laß: „ ... Nikolaus Pfaffen Emigration und die Beantwortung der Kai­ serlich Majestät Schreiben belangend, ist erteilt, ihn, Pfaffen, zu er­ fordern und, wie es den beständigen Laut haben will, zu vernehmen, ob er sich zu der reformierten Religion in allen Artikeln bekenne, und auf solchen Fall aufzulegen, zwischen dato und nächstkünftigen Michaelis einen glaubhaften Schein vorweisen, daß er bei den Reformierten das Hl. Abendmahl empfangen habe, alsdann ferners Bescheids zu erwarten. Dafern er sich aber hiezu nicht erkennen, sondern auf seiner irrigen

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und ärgerlichen Meinung beharren wollte, ihm anzuzeigen, daß unsere Herren ihn, als einen Verächter der hochheiligen Sakramente allhier länger nicht dulden können, sondern er die Emigration, so ihm an seinen Ehren keineswegs schädlich sein soll, zwischen dato und Michae­ lis, an die Hand zu nehmen und sein Hauswesen an einem andern Ort anzustellen schuldig sein soll...“ 4l3). Der Rat sah also in den Reformierten keine Verächter der heiligen Sakramente und keine aufrührerischen Sektierer mehr. Er betrachtete den Besuch des reformierten Abendmahls in Heroldsberg nicht mehr als eine Gesetzwidrigkeit, sondern als eine dem lutherischen Kultus gleichwertige Form der Gottesverehrung und Voraussetzung für die Teilnahme an der sozialen Ordnung der Stadt. Der Wandel in der Stellung des Rates zum reformierten Bekenntnis ist ein Zeichen für die Veränderung, die sich im Denken der Zeit voll­ zogen hatte. Nach der Staatslehre der Reformatoren hatte die vor­ nehmste Aufgabe des Staates darin bestanden, für die Ausbreitung des reinen Evangeliums zu sorgen. In einem Lande hatte nur eine, die wahre Religion herrschen sollen. Dr. Martin Luther hatte gesagt, es sei von einem weltlichen Regenten nicht zu dulden, daß seine Untertanen in Uneinigkeit und Zwiespalt durch widerwärtige Predigt geführt wür­ den, darauf zuletzt Aufruhr und Rotterei zu besorgen wären, sondern an einem Ort auch einerlei Predigt gehen solle414). Diese Ansichten hatte früher auch der Nürnberger Rat vertreten. Als 1583 die Nieder­ länder um die Weglassung des Exorzismus gebeten hatten, hatte ihnen der Rat geantwortet: „Dieweil aber ein ehrbarer Rat niemals gewillt gewesen und noch nicht jemands, es seien Niederländer oder andere, ihre Gewissen in Religions- und Glaubenssachen zu beschweren, son­ dern einem jeden wohl gönnen, sich hierin zu verhalten, wie ers gegen Gott dem Allmächtigen zu verantworten traue, allein daß solches an denen Orten und Enden, da es ihnen unverwehrt gestattet würde, ge­ schehe. Sintemalen aber einem ehrbaren Rat dieser Stadt nicht allein die Sorg in politischen und weltlichen, sondern auch als einer christ­ lichen. gottesfürchtigen Obrigkeit, in Religionssachen, mit Handhabung und Erhaltung der vorlängst getanen Augsburgischen Konfession .... obliegt, also daß ein ehrbarer Rat, sowohl jetzo, als vor langen Jahren ihre Vorfahren, endlich bedacht und entschlossen, mehr angezogene, getane Konfession, Kirchengebräuch und -Ordnungen, mit Verleihung göttlicher Gnaden, im wenigsten nicht zu ändern noch davon abzu­ weichen. noch solches andern zu tun oder dawider einige Neuerung vorzunehmen zu gestatten. So wollen ihre Ehrbarkeiten hierauf den mehrgedachten Supplikanten hiermit eingebunden und auferlegt haben, hinfüro sowohl als andere gemeiner Stadt gehorsame Bürger sich mehr angeregter gemeinen allhiesigen Kirchenordnug zu untergeben und die Kindertanf, auch andere Sacramenta derselben gemäß allhie zu ge­ brauchen. auf daß zwischen ihnen und der andern gehorsamen Bürger­ schaft christliche Eintracht gepflanzet und erhalten, und kein Teil von dem andern geärgert, oder einig Schisma und Zweifel unter gemeiner Bürgerschaft, als die ohnedas bishero aus Gnaden Gottes, sich der Re­ ligion und Kirchengebräuch und -Ordnung einträchtiglich gebraucht, verursacht werde“ 415). 267

Dieser Eifer für die Erhaltung der reinen Lehre und religiösen Einheit im Staat weicht im 17. Jahrhundert allmählich einer Gleich­ gültigkeit, ja Abneigung gegen die schroffe konfessionelle Ausprägung des Christentums. Das war eine Folge der vielen Lehrstreitigkeiten der Theologen und der Religionskriege. Unter dem Einfluß der neuen naturrechtlichen Ideen über den Zweck und die Aufgaben des Staates erkannte man das Interesse des Staates als etwas Selbständiges, das nicht mehr ohne weiteres mit der Religion zusammenfällt. Die Staats­ räson erhielt den Vorrang vor der Religion. Diese wurde aus ihrer bis­ herigen herrschenden Stellung als oberstem Staatszweck verdrängt in die untergeordnete Rolle eines Mittels zum höchsten Zweck, nämlich dem Wohle des Staates. Daher verzichtete man jetzt auch, wenn es not­ wendig erschien, auf die Einheit der Religion im Staat416). Diese Gedanken fanden auch in Nürnberg Eingang. Im Jahre 1624 hatte der Rat erstmals Georg Calixt, den Vorkämpfer des Synkretis­ mus 417), für die Stelle des vordersten Theologen an der Universität Altdorf zu gewinnen versucht418) und wiederholte diesen Versuch im Jahre 1650, mußte sich aber mit seinen Schülern begnügen. Calixt ar­ beitete nicht nur auf eine Vereinigung zwischen Lutheranern und Re­ formierten hin, sondern erstrebte auch eine Beseitigung der Kluft zwi­ schen Evangelischen und Katholiken 419). Welche Rolle der Rat jetzt der Kirche zudachte, zeigt ein Verlaß vom 19. 2. 1650: „Den Herren Predigern soll man andeuten, bei nach­ folgendem Bettag die Bürgerschaft zu schuldigem Gehorsam gegen die Obrigkeit und Leistung der Gebühr eifrig zu ermahnen“ 42°). Die Kirche ist also nur mehr eine Anstalt, die den Zwecken des Staates zu dienen hat. Unter diesen Umständen hing es aber von politischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten ab, welche Stellung der Rat zu seinen reformierten Bürgern und Schutzverwandten einnehmen würde. Die erwähnten Gesichtspunkte hatten zwar auch früher schon eine bedeut­ same Rolle gespielt, aber daneben hatte der Rat doch immer noch auf die Erhaltung der Bekenntniseinheit gesehen. Auf die jetzige Einstellung war sicherlich auch die Entwicklung auf staatsrechtlichem Gebiet von Einfluß, die 1645 mit den Verhandlungen in Osnabrück einsetzte und damit endete, daß sich am 14. 6. 1648 die Abgesandten aller der Augsburgischen Konfession verwandten Reichs­ stände, wozu jetzt auch die Reformierten zählten, auf den Artikel VII des Instrumentum pacis Osnabrugense einigten. In diesem wurden die Reformierten zu Augsburgischen Konfessionsverwandten im Rechtssinn erklärt421). In den Ratverlässen findet sich ohnehin im Jahre 1642 die letzte Anordnung des Rats, gegen die reformierte Religionsübung in Herolds­ berg zu protestieren 422). Von da ab wird nur mehr der Streit um die Rechte am Kirchengebäude in Heroldsberg erwähnt 423). Damit duldete der Rat tatsächlich den Besuch reformierter Gottes­ dienste durch seine Untertanen außerhalb des Nürnberger Gebietes, den er in früheren Jahren als Verletzung seines jus episcopale ge­ ahndet hatte.

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§11. Das oberpfälzische Kollektenwerk I. Neben den Gottesdiensten in Heroldsberg schaffte eine andere Einrichtung bedeutsame Voraussetzungen für die Bildung der Nürn­ berger reformierten Gemeinde. Das war das sogenannte Kollekten­ werk, ein von den Exulanten im Wege der Selbsthilfe gegründetes Hilfswerk zur Unterstützung der mittellosen oberpfälzischen Geist­ lichen und Beamten, sowie ihrer Witwen und Waisen. Die Versorgung der letzteren aus den Mitteln der Pfarrwitwen- und Waisenkasse in Amberg war nicht mehr möglich, weil deren Vermögen eingezogen worden war 424). Von den über zweihundert Geistlichen, die sich nach ihrer Austreibung im Gebiet der Reichsstadt Nürnberg und in der Markgrafschaft Brandenburg-Bayreuth niedergelassen hatten, fanden zwar einige in den nächsten Jahren bei ihrem früheren Statthalter, dem Fürsten Christian I. von Anhalt-Bernburg, wieder eine Anstellung, der größere Teil aber saß ohne Einkommen und ohne Aussicht auf eine Anstellung da, weil in den lutherischen Aufnahmeländern keine Mög­ lichkeit für sie bestand, im Kirchendienst wieder Verwendung zu fin­ den. Sie versuchten, sich durch Erteilen von Unterricht und Ähnlichem notdürftig durchs Leben zu schlagen. Großes Elend herrschte unter ihnen 425). Um die Not zu lindern, organisierte der frühere Kirchenrat Johannes Cüner aus Amberg mit vier seiner Kollegen in Nürnberg-Wöhrd das Kollektenwerk. Als Vorsteher der Kollekten, wie sie sich nannten, schrieben sie an die reformierten Gemeinden in der Schweiz, in den Niederlanden und England, und baten um glaubensbrüderliche Hilfe. Die reformierten Kirchen und Gemeinden von ganz Europa sammelten eifrig und überwiesen Jahr für Jahr beträchtliche Summen. Bei der großen Zahl der Exulanten — anfänglich waren es über 200 Geistliche mit ihren meist kinderreichen Familien, die Schulmeister nicht einge­ rechnet — konnte damit nur der größten Not gesteuert werden. Als der Krieg immer länger dauerte, flössen natürlich auch die Spenden spärlicher, während die Lebenshaltung in Nürnberg, wohin sich im Laufe des Krieges auch diejenigen noch geflüchtet hatten, die zuerst auf dem Lande gewohnt hatten, immer teuerer wurde. Viele der Exulanten kamen trotz der fühlbaren Hilfe des Auslandes in Not und Elend um 426). Von 1626 bis 1649 wurden im ganzen 145 516 fl. dem Kollektenwerk überwiesen 427), gewiß eine große Summe. Wenn man aber bedenkt, daß davon durchschnittlich etwa 300 Personen 24 Jahre lang bei ständig steigenden Lebenshaltungskosten zehrten, so versteht man, daß damit oft nur die bitterste Not gelindert werden konnte. Die Übermittlung der Gelder erfolgte meistens in der Weise, daß die ausländischen Kirchen, Synoden, Klassen oder Gemeinden den ge­ sammelten Betrag einem ihrer heimatlichen Kaufleute übergaben, der in Geschäftsverbindung mit den Nürnberger Niederländern stand. Dieser stellte einen Wechsel an Order der Kollektenvorsteher aus, ge­ zogen auf einen der Nürnberger Geschäftsfreunde: Abraham de Bra, Abrahm Biomart, Jeremias Calandrin, Johann Kendrich u. a. Der Be­ zogene zahlte dann die im Wechsel genannte Summe ausländischer Valuta in Nürnberger Münze an die Vorsteher der Kollekten aus. So 269

sandte z. B. Philippe Bourlamachius im Sommer 1632, als Gustav Adolf und Wallenstein sich vor Nürnberg gegenüberlagen und in der ganzen Umgebung die größte Not herrschte, aus Schottland einen Wechsel über 650 Pfund Sterling, gezogen auf seinen Schwager Jeremias Calandrin, der den Kollektenvorstehern dafür den Betrag von 4338 fl. 45 kr. Nürn­ berger Münz bar ausbezahlte 428). Die Verteilung der Gelder erfolgte anfangs durch die oben genann­ ten Geistlichen. Als die spendenden Gemeinden, die auch die rhein­ pfälzischen Geistlichen unterstützten, hörten, daß bei diesen die Kollek­ ten ungleich verteilt würden, baten sie die auszahlenden Kaufleute in Nürnberg, darauf zu achten, daß die Gaben gerecht verteilt würden. Den Kaufleuten waren aber die Exulanten zum größten Teil unbe­ kannt. Daher baten sie den seit 1625 in Nürnberg als Advokaten leben­ den ehemaligen oberpfälzischen Rat Dr. Johann Jakob Heber, der ja die Exulanten und ihre persönlichen Verhältnisse am besten kannte, ihnen bei der Verteilung behilflich zu sein und diese zu beaufsich­ tigen429). An der Verwaltung des Kollektenwerks waren jetzt also neben den Geistlichen auch Dr. Heber und die Nürnberger Niederländer beteiligt. Ein „königliches“ Patent Friedrichs V., gegeben am 30. 3. 1627 zu s’Gravenhage (= Haag) in Holland brachte die amtliche Bestellung und Bestätigung der Kollektenherren, die bisher aus eigenem Antrieb ge­ handelt hatten, und den Erlaß einer Verteilungsordnung 43°) (wir sehen hier wieder das landesherrliche Kirchenregiment in Erscheinung treten). Das bisher rein private Unternehmen erhielt so einen öffentlichen Charakter. Jeder oberpfälzische Geistliche oder Beamte, der in Zukunft an die Stelle eines durch Tod oder Wegzug ausgeschiedenen Kollekten­ herrn trat, erhielt die Bestallung durch „königliches“ Dekret der kur­ pfälzischen Exilregierung 431). Von seiten der Nürnberger Niederländer beteiligten sich in der Folgezeit an der Leitung des Kollektenwerkes die Kaufleute Daniel de la Rue, Abraham de Bra, Abraham Biomart, Jeremias Calandrin, Johann Kendrich (Engländer), Johann Moriau, Cornelius le Brun und Jeronimus Vorbeck 432). Die Korrespondenz mit den spendenden Gemeinden, die Austeilung d.er Gelder und die Erstellung der Abrechnungen besorgte seit 1631 an Stelle der inzwischen verstorbenen Gründer des Werks der frühere Richter des Stifts Weifienohe, Jonas Liebing bis zu seinem Tode im Jahre 1646. Von 1635 ab unterstützten ihn wieder einige Geistliche, die mehrmals wechselten 433). Seine Geschäftsführung wurde 1632 geprüft von Dr. Johann Jakob Heber, Johann Moriau und Abraham Biomart, 1633 wieder durch Dr. Heber. Moriau, Biomart, Abraham de Bra und Johann Kendrich. 1634 durch Dr. Heber, Biomart und Cornelius le Brun. In den nächsten Jahren fanden keine Prüfungen statt, weil Dr. Heber am 6. 10. 1634 von der Pest hinweggerafft wurde 438) und die meisten „Herrn Nieder­ länder“, die Vorsteher der Kollekten gewesen waren, wegzogen, ins­ besondere Johann Moriau, Abraham de Bra (nach Amsterdam) 434) und Johann Kendrich (nach London) 435). Die Geistlichen Gebhard Agricola 270

und Ambrosius Tolner, die Nachfolger der Amberger Kirchenräte Jo­ hannes Cüner und Georg Summer, starben ebenfalls in diesen Jahren 436). Im Austeilungskatalag vom 6. 6. 1636 (den Spendern wurden immer die Austeilungskataloge als Belege für die Verwendung der Gaben übersandt) unterschrieben neben den drei Administratoren der Kollek­ ten, Jonas Liebing, den Geistlichen Michael Castner und Johannes Rath, als Prüfer die Niederländer Cornelius le Brun, Abraham Bloinart und, Jeronimus Vorbeck 437). Die Mitwirkung der Niederländer bestand auch darin, in Bitt­ schreiben an fremde Gemeinden, von denen man Spenden erwartete, durch ihre Unterschrift dafür zu bürgen, daß die Angaben über das Flüchtlingselend den Tatsachen entsprechen würden 440). Bei den Abendmahlsfeiern in Heroldsberg gaben sie reichlich, um die Not ihrer Glaubensgenossen zu lindern 441). Der Kirchenrat Johann Cüner sagte auf dem Totenbett, daß er zu den Herrn Niederländern das Vertrauen habe, sie würden sein Weib und seine Kinder nicht ver­ lassen 442). Wenn einmal längere Zeit keine Kollekten von auswärts ein­ trafen, dann schossen sie dem Kollektenwerk bis zum Eintreffen neuer Wechsel erhebliche Summen vor 443). 11. Seiner rechtlichen Natur nach kann man das Kollektenwerk als eine Anstalt des kirchlichen Rechts bezeichnen. Es stellte eine Zusam­ menfassung von Mitteln für einen kirchlichen Zweck dar, als den man wohl die Aufgabe des Kollektenwerks, die Notlage der Exulanten zu mildern, bezeichnen darf. Die Exulanten waren lediglich Empfänger der ihnen aus den Mitteln des Werkes gewährten Zuteilungen, nicht Mitglieder. Es bildete aber keine selbständige Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit. Rechtsträger war vielmehr die im Exil lebende oberpfälzische Landeskirche. Kurfürst Friedrich V. hatte es als Summus Episcopus durch das Patent vom 30. 3. 1627 konzessioniert, ihm eine Verteilungsordnung gegeben und erteilte den Organen jeweils die Be­ stallung. Von einer Autonomie, d. h. der Befugnis, die eigenen Ange­ legenheiten durch Satzung zu regeln 444), die für das Wesen einer selb­ ständigen Körperschaft kennzeichnend ist 445), kann daher nicht gespro­ chen werden. Der Landesherr übte nicht nur die Aufsicht, sondern auch die Oberleitung aus. Das Kollekten werk bildete somit eine unselb­ ständige Anstalt der im Exil lebenden oberpfälzischen Landeskirche 446). Es läßt sich mit dem heutigen Evangelischen Hilfswerk vergleichen, dessen Rechtsträger die Evangelische Kirche in Deutschland (EKiD.) ist 447). In den Augen des Nürnberger Rates war das Kollektenwerk aller­ dings ein äußerst verdächtiges und gesetzwidriges Unternehmen. Dem Patent eines anderen, noch dazu geächteten Landesherren hätte er natürlich keine Bedeutung beimessen können, falls er überhaupt etwas davon erfuhr. Er hatte selbst allen Exulanten, die nach Nürnberg ge­ kommen waren, ein subsidium oder viaticum geben lassen 448). Als er im April 1628 hörte, daß Nürnberger Bürger und Schutzverwandte „ungescheucht“ den oberpfälzischen Geistlichen Gaben austeilen wür­ den, die ihnen aus Holland und der Schweiz geschickt worden seien, ordnete er sofort ein umfangreiches Ermittlungsverfahren an 449). 271

Der Ratskonsulent Dr. Tuschelius erstattete dazu ein ausführliches Gutachten, daß den Austeilern keinesfalls gebührt hätte, ohne Vor­ wissen und Bewilligung des Rats als dem Ordinarius magistratus, nach Nürnberg popria authoritate einen Almosenstock zu legen und zu kon­ stituieren. Keinem Privaten sei es erlaubt, in den Städten des Reichs nach seinem Belieben Almosenstöcke aufzurichten 450). Nun sei es zwar billig, mit den Exulanten ein christliches Mitleid zu tragen, aber bei diesen gefährlichen Zeiten und betrübten Läuften, da das male feriatum genus Jesuitarum die Oberhand im Reich erlangt habe und alle Aktionen der evangelischen Stände auf das ärgste überwache, solle man es machen wie die fünf klugen Jungfrauen mit den fünf törichten: „Nicht also, auf daß es nicht uns und euch gebreche,.. (Math. 25, 9).“ Wenn Kurbayern nämlich in Erfahrung bringe, daß hiesige Bürger und Schutzverwandte den oberpfälzischen Exulanten etwas ausgeteilt hätten, dann würde das der Stadt Nürnberg und den Austeilern als eine „heimliche intelligenz“ mit dem Friderico und den Seinigen beim Kaiser und allen anderen papistischen Ständen des Reiches ausgedeutet werden und die Stadt des Calvinismus überall und noch mehr als bis­ her verdächtig machen451). Der Ratskonsulent Dr. Oelhafen sen., der ebenfalls ein Gutachten in dieser Angelegenheit zu erstatten hatte, er­ innerte daran, wie oft die Stadt schon des Calvinismus unschuldiger­ weise bezichtigt worden sei, einzig und allein zu dem Ende, um ihr unter dem Vorwand, daß die calvinistische Lehre nicht in den Religions­ frieden eingeschlossen sei und daher im Reiche ausgetrieben werden müsse, beikommen zu können. Er sei der Ansicht, daß man zu dem Verdacht, als würde die Stadt den Calvinismus unterstützen, nicht die geringste Ursache geben dürfe. Er schlage daher vor, den Austeilern der Kollekte jeweils eine Strafe von 50 fl. aufzuerlegen, weil sie als Privatleute ohne Genehmigung des Rats einen Almosenstock für die Exulanten errichtet hätten und ihnen bei Verlust ihres Bürgerrechts oder des Incolats anzudrohen, sich in Zukunft der Sache zu enthalten. Wenn der Kaiser oder andere katholische Stände etwas wegen der Unterstützung der oberpfälzischen Geistlichen ahnden sollten, dann hätten die Austeiler die Verantwortung zu tragen 452). Darauf erging am 9. 7. 1628 ein Ratsverlaß, in dem befohlen wurde, dem Ratskonsu­ lenten Dr. Herdesianus, der sich ebenfalls an der Austeilung neben Dr. Heber beteiligt hatte, das Mißfallen des Rats zu erkennen zu geben. Seine Beteiligung an dem Kollektenwerk sei nicht nur seinem bürger­ lichen Eid, sondern auch seinen Pflichten als Ratskonsulent zuwider, weil es ein solches Werk sei, „dadurch vom kaiserlichen Hof aus und den benachbarten Kur- und Fürsten meinen Herren und gemeiner Stadt, als wann sie mit Friderico Palatino und dessen Leuten heimlich unter der Deck liegen würden, wie sie dessen oft mit Ungrund bezich­ tigt worden, gar leichtlich ein großes Unheil, rebus in imperio ut nunc stantibus, Zuwachsen könnte ...“ Man versehe sich dessen, er werde sich zu dergleichen gefährlichen Händeln nicht mehr gebrauchen lassen, wie auch die künftige Verantwortung vor der Kaiserlichen Majestät ihm allein obliegen solle. Dem Dr. Heber solle man eine ernstliche, sträf­ liche Rede sagen, daß ihm als einem aus bloßer Barmherzigkeit auf­ genommenen Schutzverwandten nicht gebührt hätte, durch Anstellung eines Privatalmosenstocks und Austeilung desselben an calvinische Prä272

dikanten und pfälzische Exulanten „unter währender Achtserklärung des gewesenen Landesfürsten“ den Rat in eine so schwierige Lage zu bringen. Er solle daher wegen Mißbrauchs des Schutzes bis Aller­ heiligen die Stadt verlassen. Daniel de la Rue, Abraham Biomart und anderen, die jetzt dieses Privatalmosen verwalteten, solle man bei Verlust ihres Bürgerrechts oder Incolats auflegen, sich hinfort dieses Handels gänzlich zu enthal­ ten. Die Verantwortung gegen die Kaiserliche Majestät hätten sie zu tragen 453). Den weitergehenden Vorschlägen der Ratskonsulenten war der Rat demnach nicht gefolgt. Aber auch mit den ausgesprochenen milden Strafen meinte es der Rat nicht allzu ernst. Es war ihm dabei, nicht anders als bei den reformierten Gottesdiensten, nur um die außen­ politische Bildwirkung zu tun. Aus den Akten über den Schriftverkehr des Kollektenwerks 454) ergibt sich, daß sich Dr. Heber und die Nieder­ länder wohl einige Zeit wegen des Verbotes zurückhielten und inzwi­ schen vier oberpfälzische Geistliche und Beamte, Ambrosius Tolner, Jonas Liebing, Georg Summer und Gebhard Agricola die alleinige Leitung des Kollektenwerkes übernahmen 455), daß Dr. Heber und die Niederländer aber schon ab 1631 wieder als Kontrollorgane während der Verwaltungstätigkeit Jonas Liebings wirkten 456). Dr. Heber blieb ja auch weiterhin trotz der Anordnung des Rats, die Stadt bis Aller­ heiligen zu verlassen, in Nürnberg wohnen. Die Niederländer hatten ohne Unterbrechung die Umwechslung der Kollektengelder vorge­ nommen. Wie die Gottesdienste in Heroldsberg, so erkannte der Rat auch das Kollektenwerk nach dem Umschwung der Verhältnisse im Jahre 1632 und nach dem Prager Frieden wenigstens tatsächlich an. In einem Ver­ laß vom 9. 11. 1637 heißt es: „Kaspar Horn, Lorenz Rambskopf und Jonas Liebing, welche gebeten eine arme Dienstmagd, Anna Barbara Dellingerin, so mit Franzosenblattern und bösen Geflechten behaftet, ins Franzosenhaus aufzunehmen, soll man solches Begehren abschlagen und anzeigen, sie soll sich bei den pfälzischen Exulanten, als dieser Patientin Landsleuten, wie auch bei der Collecta und dero Ver­ waltern anmelden und eine Beisteuer begehren, damit dieses arme Mensch kuriert werden könne.“ Aus der Wendung „bei der Collecta und deren Verwaltern anmelden“ können wir vielleicht sogar entneh­ men, daß der Rat das Kollektenwerk als eine selbständige Körperschaft betrachtete, sowie man etwa zu dieser Zeit die Spitäler als selbständige Stiftungen mit eigener Rechtspersönlichkeit ansah 457). Daraus ergäbe sich dann der merkwürdige Zustand, daß das Kollektenwerk nach inne­ rem Kirchenrecht nur eine unselbständige Anstalt war, von dem Staat aber, in dem es seinen Sitz hatte, wie eine Körperschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit behandelt wurde. III. Gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges war die Zahl der Exu­ lanten sehr zusammengeschmolzen. Einige Geistliche und Beamte waren weggezogen, um in reformierten Territorien wieder eine Anstellung zu finden. Viele waren an der Pest und anderen Krankheiten gestorben, so daß schließlich von den Oberpfälzern nur die wenigen bemittelten Kaufleute und Gewerbetreibenden, wie die Zeugfärberfamilie Geisel, 18

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die Drahtzieher Fournier, die Kaufleute Hartung und Bscherer, sowie die größere Zahl mittelloser Geistlicher, Beamten, Pfarrwitwen und Waisen übrig blieben. Im Oktober 1648 schrieben die Kollektenvor­ steher an die reformierte Gemeinde in Danzig, daß sich die Empfänger der Kollekten mit Weibern und Kindern auf 112 Seelen( gegen anfäng­ lich etwa 400) belaufen würden 458). Die letzten Kollektenvorsteher waren die Geistlichen Michael Castner, Ludwig Bernreuther und Johannes Apiarius, sowie an Stelle des 1646 verstorbenen Jonas Liebling der ehemalige Richter von Nabburg und nunmehrige Sekretär der Reichsritterschaft des Kantons Gebiirg im Kreis Franken, Wolfgang Heinrich Salmuth 459). Im Jahre 1650 löste sich das Kollektenwerk auf. Ludwig Bernreuther starb in diesem Jahre, Michael Castner und Johannes Apiarius folgten einer Berufung in den kurpfälzischen Kirchendienst und Wolfgang H. Salmuth widmete sich seiner beruflichen Tätigkeit als Ritterschafts­ sekretär. Die Verwaltung derjenigen noch eingehenden Gelder über­ nahm der Kaufmann Joel Geysel 460). IV. Die Bedeutung des Kollektenwerks für die Entstehung der reformierten Gemeinde in Nürnberg bestand vor allem darin, daß die Zusammenarbeit zwischen den Niederländern und den Oberpfälzern auf dem Gebiete der Diakonie die sozialen Gegensätze zum Schwin­ den brachte und beide Gruppen im Laufe des Krieges zu einer Ge­ meinschaft zusammenwuchsen. Das Kollektenwerk trug aber auch noch in anderer Hinsicht zur Entwicklung der Nürnberger Gemeinde bei. Der Westfälische Friede hatte die endgültige Entscheidung über die territoriale Zugehörigkeit der Oberpfalz gebracht. Artikel IV, § 3 IPO. bestimmte, daß die ganze Oberpfalz mit der Grafschaft Cham Maxi­ milian von Bayern und seinen männlichen Erben samt der früheren pfälzischen Kurwürde verbleiben solle. In § 14 des gleichen Artikels verzichtete Kurfürst Karl Ludwig von der Pfalz für sich und seine Erben auf die Oberpfalz, solange rechtmäßige und männliche Erben aus der Wilhelminischen (bayerischen) Linie des Gesamthauses Wittels­ bach vorhanden seien461). Der Kurfürst Maximilian hatte ferner auf den Verhandlungen in Osnabrück durchgesetzt, daß die Bestimmungen des Art. V, § 31 f. IPO., wonach evangelische Untertanen katholischer Stände, die während des Jahres 1624 die öffentliche oder private Übung ihrer Religion besessen hatten, aber später darin gestört oder dessen entsetzt worden waren, wieder in den Stand des Jahres 1624 gesetzt werden sollten, für die Oberpfalz keine Geltung haben sollten 462). Damit war die Hoffnung der Exulanten auf eine Rückkehr in die Heimat und die Wiederherstellung der reformierten Kirche in der Oberpfalz endgültig zunichte gemacht. Sie mußten also nach 1648 in Nürnberg bleiben und waren weiterhin auf die Unterstützung durch ihre Glaubensgenossen angewiesen. Die Kollekten, die für die pfälzische Kirche aus dem Ausland jetzt noch eingingen, wurden aber nur mehr in der Rheinpfalz verteilt. Die im Nürnberger Gebiet wohnenden Exulanten erhielten lediglich Spen­ den von Privatpersonen 463). die nicht ausreichten, um ihren notdürf­ tigen Unterhalt zu decken. Die Last ihrer Versorgung fiel daher zum großen Teil den Nürnberger Reformierten zu. 274

Die Bewältigung dieser Aufgabe erforderte aber eine Organisation, die an die Stelle des aufgelösten Kollektenwerks zu treten hatte. Die Notwendigkeit sich zu einer festeren Gemeinschaft zusammenzuschlie­ ßen, um die Aufgaben des Kollektenwerks weiterführen zu können, bildete mit einen Anlaß zur Gemeindegründung. Insofern trug das Kollektenwerk, außer durch die Tatsache, daß es das Zusammenwachsen der Niederländer und der Oberpfälzer zu einer Gemeinschaft gefördert und herbeigeführt hatte, auch in dieser Hinsicht maßgebend zur Ent­ wicklung der Gemeinde bei. II. Abschnitt:

Die Entwicklung der Gemeinde nach dem Westfälischen Frieden §12. Die Gründung der Gemeinde I. Die beiden Geistlichen Michael Castner und Johannes Apiarius, die von allen oberpfälzischen Pfarrern allein in Nürnberg übrig geblieben waren, hatten zuletzt die vierteljährlichen Abendmahlsfeiern in He­ roldsberg gehalten. Im Frühjahr 1650 erhielten sie eine Berufung in den kurpfälzischen Kirchendienst, Castner auf die Inspektorenstelle zu Wiesloch bei Heidelberg und Apiarius auf die Pfarrstelle in Rohr­ bach484). Castner hätten die Reformierten gern hier behalten und zu ihrem Prediger berufen. Sie machten ihm das Angebot einer Anstellung mit fester Besoldung (bis jetzt hatten die Geistlichen für ihre Tätigkeit in Heroldsberg nur eine ganz geringe Vergütung erhalten und waren auf die Zuwendungen vermögender Leute anläßlich der Abendmahls­ feiern und auf ihren Anteil an den Kollektengeldern angewiesen ge­ wesen). Castner forderte aber eine angemessene Versorgung seiner Familie für die Zeit nach seinem Tode. Darauf gingen die Reformierten jedoch nicht ein, weil die erst im Entstehen begriffene Gemeinde über keinerlei Vermögen verfügte. Infolgedessen zog Castner die Berufung auf das Inspektorat (Dekanat) in Wiesloch der Nürnberger Stelle vor und trat mit Apiarius in den rheinpfälzischen Kirchendienst. Nach ihrem Wegzug befand sich kein reformierter Geistlicher mehr im Nürnberger Gebiet; die Abendmahlsfeiern in Heroldsberg hörten auf 465). II. Der Mangel an jeglicher geistlichen Versorgung bewog einige maßgebliche Männer unter den Nürnberger Reformierten — ihre Na­ men sind uns leider nicht überliefert; vermutlich waren es die späteren Ältesten und der Ritterschaftssekretär Salmuth — die Berufung eines neuen Predigers für Heroldsberg in die Wege zu leiten. Sie schrieben zuerst, wie es nahe lag, an den kurpfälzischen Kirchenrat in Heidel­ berg, man möchte ihnen einen Geistlichen als Ersatz für die wegge­ zogenen senden. Sie erhielten jedoch die Antwort, man benötige alle Pfarrer in der verwüsteten Pfalz selbst. Sie sollten sich an die theolo­ gische Fakultät in Basel wenden, dort würde man ihre Bitte gewiß erfüllen 466). Diesen Rat scheinen die Nürnberger Reformierten sofort befolgt zu haben, denn der Conventus ecclesiasticus in Basel, d. h. die Versammr