Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg [102]


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Table of contents :
Helge Weingärtner: Die älteste realistische Ansicht der Stadt Nürnberg
.......................................................................................................... 1
Ekkehard Westermann (f): Die Unternehmensform der Saigerhandelsgesellschaft
und ihre Bedeutung für den oberdeutschen Frühkapitalismus.
Forschungsstand und Forschungsaufgaben..................... 11
Michael Diefenbacher: Der Nürnberger Handelsvorstand und seine
Gründer................................................................................................... 33
Wolfgang Wüst: Nürnberg, Nördlingen und Dinkelsbühl im Dreißigjährigen
Krieg in schwedischer Allianz 1630-1635 ................................ 191
Otmar Heinz: Ein Klangvisionär europäischen Ranges - Der Nürnberger
Orgelbauer Sebald Manderscheidt als Wegbereiter der süddeutschen
Barockorgel............................................................................ 209
Matthias Honold: Gemeindediakonie in Nürnberg - Anfänge und
Entwicklung am Beispiel der evangelischen Pfarrgcmeinde St. Johannis
........................................................................................................... 221
Steven Zahlaus: Ein verantwortungsreiches Amt in schwerer Zeit -
Alfons Stauder: Arzt und Spitzenfunktionär......................................... 243
Buchbesprechungen.................................................................................... 303
Neue Arbeiten zur Nürnberger Geschichte............................................... 359
Jahresbericht über das 137. Vereinsjahr 2014.............................................. 377
Abkürzungen............................................................................................... 382
V
BUCHBESPRECHUNGEN
Quellen und Inventare
J. F. Böhmer, Regesta Imperii Teil VI: Die Regesten des Kaiserreichs unter Rudolf, Adolf,
Albrecht, Heinrich VII. 1273-1313, Abt. 4: Heinrich VII. 1288/1308-1313, Lfg. 2:
1. September 1309-23. Oktober 1310 / bearb. von Kurt-Ulrich Jäschke und Peter
Thorau unter Mitarbeit von Sabine Penth. Wien u. a. 2014. (Reinhard, Seyboth) 303
Dieter Fischer / Hermann Maue: Medaillen und Schaumünzen auf Ereignisse in der
Reichsstadt Nürnberg 1521-1806. Nürnberg 2014. (Peter Fleischmann)................ 304
Walter Frank / Jürgen Schwab: Die Zollern in Franken und ihre Münzstätten in Schwabach
im Spiegel von Münzen und Medaillen. Schwabach 2011. (Daniel Burger)... 307
Politische Geschichte, Recht und Verwaltung
Helge Wittmann (Hrsg.): Reichszeichen. Darstellungen und Symbole des Reichs in
Reichsstädten. Petersberg 2015. (Reinhard Seyboth)................................................... 308
Michael Dicfenbacher / Ulrike Swoboda / Steven M. Zahlaus (Hrsg.): Der Sprung
ins Dunkle. Die Region Nürnberg im Ersten Weltkrieg 1914-1918. Nürnberg 2014.
(Helmut Baier)................................................................................................................ 310
Christine Sauer (Hrsg.): „Für den deutschen - wider den undeutschen Geist“. Von
verbotener und regimekonformer Literatur im ,Dritten Reich4. Nürnberg 2013.
(Matthias Rittner)........................................................................................................... 316
Dörte Andres /Martina Behr (Hrsg.): Die Wahrheit, die reine Wahrheit und nichts als
die Wahrheit. Erinnerungen der russischen Dolmetscherin Tatjana Stupnikova an
den Nürnberger Prozess. Berlin 2014. (Hartmut Frommer)...................................... 317
Doris Katheder und Matthias Weiß (Hrsg.): Jenseits der Faszination? Die Ausstellung
zum Nationalsozialismus in der Nürnberger Zeppclintribüne 1984-2001. Würzburg
2013. (Hartmut Frommer) ................................................................................... 319
Paul B. Jaskot: The Nazi perpetrator. Postwar German art and the politics of the right.
Minneapolis u.a. 2012. (Hartmut Frommer)................................................................ 319
Michael Dicfenbacher u.a. (Hrsg.): 1865-2015. 150 Jahre Stadtarchiv Nürnberg.
Begleitband zur Ausstellung des Stadtarchivs Nürnberg. Nürnberg 2015. (Andreas
Jakob).............................................................................................................................. 325
Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Vereine
Wolfgang Knabe / Dieter Noli: Die versunkenen Schätze der Born Jesus. Sensationsfund
eines Indienseglers aus der Frühzeit des Welthandels. Berlin 2012. (Horst-
Dieter Beyerstedt)........................................................................................................... 326
Birke Grieß hammer: Angeklagt - gemartert - verbrannt. Die Opfer der Hexen Verfolgung
in Franken. Erfurt 2013. (Hartmut H. Kunstmann).......................................... 328
Thomas Schindler: Werkzeuge der Frühneuzeit im Germanischen Nationalmuseum.
Bestandskatalog. Nürnberg 2013. (Horst-Dieter Beyerstedt)..................................... 330
Zünftig! Geheimnisvolles Handwerk 1500-1800. Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum
Nürnberg 21. März bis 7. Juli 2013 / hrsg. von Thomas Schindler,
Anke Keller, Ralf Schürer. Nürnberg 2013. 314 S. (Horst-Dieter Beyerstedt)..... 330
VI
Kunst, Architektur
Monika Bachtier, Dirk Syndram und Ulrike Weinhold (Hrsg): Die Faszination des
Sammelns. Meisterwerke der Goldschmiedekunst aus der Sammlung Rudolf-
August Oetker. München 2011. (Birgit Schübel)......................................................... 331
Silke Colditz-Heusl: Paul Ritter und das kulturhistorische Stadtbild Nürnbergs im
späten 19. Jahrhundert. Neustadt an der Aisch 2013. (Andreas Curtius)............... 332
Irene Meissner: Sep Ruf 1908-1982. Berlin 2013. (Ruth Bach-Damaskinos).................... 337
Andrea Dippel und Matthias Strobel (Hrsg.): Kunst/Villa. Kunst in Nürnberg von
1900 bis heute. Nürnberg 2014. (Ruth Bach-Damaskinos)......................................... 338
Kultur, Sprache, Literatur, Musik
Welten des Wissens. Die Bibliothek und die Weltchronik des Nürnberger Arztes Hartmann
Schedel (1440-1514). München 2014. (Antonia Landois)................................. 340
Andrea Grafetstätter: Ludus compleatur. Theatralisierungsstrategien epischer Stoffe
im spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Spiel. Wiesbaden 2013. (Christine
Sauer).............................................................................................................................. 342
Kirchengeschichte, J udentum
Andrea M. Kluxen / Julia Krieger (Hrsg.): Geschichte und Kultur der Juden in Nürnberg.
Würzburg 2014. (Helmut Baier)......................................................................... 343
Bernd Höffken: Schicksale jüdischer Arzte aus Nürnberg nach 1933. Berlin 2013.
(Matthias Rittner)........................................................................................................... 345
Schulwesen, Bildung, Wissenschaft, Technik
Frank Berger (Hrsg.): Der Erdglohus des Johannes Schöner von 1515. Frankfurt am
Main 2013. (Horst-Dieter Beyerstedt)........................................................................... 346
Thomas Eser: Die älteste Taschenuhr der Welt? Der Henlein-Uhrenstreit. Nürnberg
2014. (Horst-Dieter Beyerstedt)..................................................................................... 348
Karla Görner-Schipp: Kunst und Bildung. Studien zur Kunstgeschichte in der Erwachsenenbildung.
Marburg 2012. (Ruth Bach-Damaskinos)................................... 350
Personen und Familien
Antonia Landois: Gelehrtentum und Patrizierstand. Wirkungskreise des Nürnberger
Humanisten Sixtus Tücher (1459-1507). Tübingen 2014. (Horst-Dieter Beyerstedt) 351
Franz Fuchs (Hrsg.): Willibald Pirckheimer und sein Umfeld. Akten des gemeinsam mit
dem Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg, dem Stadtarchiv Lauf a. d. Pegnitz
am 20./21. Juli 2012 veranstalteten Symposiums im Welserschloss in Lauf-Neunhof.
Wiesbaden 2014. (Horst-Dieter Beyerstedt)......................................................... 353
„Seid getreu bis in den Tod!“. Das Tagebuch des Nürnbcrgers Philipp Widmer aus dem
Ersten Weltkrieg. Nürnberg 2014. (Steven M. Zahlaus)............................................. 354
Daniel Roos: Julius Streicher und Der Stürmer 1923-1945. Paderborn 2014. (Gerhard
Jochem)........................................................................................................................... 356
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Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg [102]

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Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg

102. Band 2015

Nürnberg 2015 Selbstverlag des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg

Schriftleitung: Dr. Michael Diefenbacher, Dr. Wiltrud Fischer-Pache, Dr. Clemens Wächter unter Mitarbeit von Dr. Horst-Dieter Beyerstedt Für Form und Inhalt der Aufsätze und Rezensionen sind die Verfasser verantwortlich. Für unaufgefordert eingereichte Manuskripte wird keine Gewähr übernommen.

Zum Druck des Bandes trugen durch Zuschüsse bzw. Spenden bei: Die Stadt Nürnberg, der Bezirk Mittelfranken, die Sparkasse Nürnberg, die Freiherr von Haller’sche Forschungsstiftung Nürnberg. Der Verein dankt dafür bestens.

5

Sparkasse Nürnberg mittel“

Umschlagbild: Marktbuch am Herrenmarkt, angelegt 1582 durch Marktvorsteher Esaias Kleewein. (StadtAN E 8 Nr. 573)

Gesamtherstellung: VDS ^VERLAGSDRUCKEREI SCHMIDT, 91413 Neustadt an der Aisch Gedruckt auf holzfreies, chlorfrei gebleichtes, säurefreies und alterungsbeständiges Papier. Alle Rechte, auch des Abdrucks im Auszug, Vorbehalten. Copyright by Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg (Geschäftsstelle: Marientorgraben 8, 90402 Nürnberg) ISSN 0083-5579 Bayerische Staatsbibliothek München

INHALT Helge Weingärtner: Die älteste realistische Ansicht der Stadt Nürn­ berg ..........................................................................................................

1

Ekkehard Westermann (f): Die Unternehmensform der Saigerhan­ delsgesellschaft und ihre Bedeutung für den oberdeutschen Frühkapitalismus. Forschungsstand und Forschungsaufgaben.....................

11

Michael Diefenbacher: Der Nürnberger Handelsvorstand und seine Gründer...................................................................................................

33

Wolfgang Wüst: Nürnberg, Nördlingen und Dinkelsbühl im Dreißig­ jährigen Krieg in schwedischer Allianz 1630-1635 ................................ 191 Otmar Heinz: Ein Klangvisionär europäischen Ranges - Der Nürn­ berger Orgelbauer Sebald Manderscheidt als Wegbereiter der süd­ deutschen Barockorgel............................................................................ 209 Matthias Honold: Gemeindediakonie in Nürnberg - Anfänge und Entwicklung am Beispiel der evangelischen Pfarrgcmeinde St. Johan­ nis ........................................................................................................... 221 Steven Zahlaus: Ein verantwortungsreiches Amt in schwerer Zeit Alfons Stauder: Arzt und Spitzenfunktionär......................................... 243 Buchbesprechungen.................................................................................... 303 Neue Arbeiten zur Nürnberger Geschichte............................................... 359 Jahresbericht über das 137. Vereinsjahr 2014.............................................. 377 Abkürzungen............................................................................................... 382

V

BUCHBESPRECHUNGEN Quellen und Inventare J. F. Böhmer, Regesta Imperii Teil VI: Die Regesten des Kaiserreichs unter Rudolf, Adolf, Albrecht, Heinrich VII. 1273-1313, Abt. 4: Heinrich VII. 1288/1308-1313, Lfg. 2: 1. September 1309-23. Oktober 1310 / bearb. von Kurt-Ulrich Jäschke und Peter Thorau unter Mitarbeit von Sabine Penth. Wien u. a. 2014. (Reinhard, Seyboth) Dieter Fischer / Hermann Maue: Medaillen und Schaumünzen auf Ereignisse in der Reichsstadt Nürnberg 1521-1806. Nürnberg 2014. (Peter Fleischmann)................ Walter Frank / Jürgen Schwab: Die Zollern in Franken und ihre Münzstätten in Schwa­ bach im Spiegel von Münzen und Medaillen. Schwabach 2011. (Daniel Burger)...

303 304 307

Politische Geschichte, Recht und Verwaltung Helge Wittmann (Hrsg.): Reichszeichen. Darstellungen und Symbole des Reichs in Reichsstädten. Petersberg 2015. (Reinhard Seyboth)................................................... Michael Dicfenbacher / Ulrike Swoboda / Steven M. Zahlaus (Hrsg.): Der Sprung ins Dunkle. Die Region Nürnberg im Ersten Weltkrieg 1914-1918. Nürnberg 2014. (Helmut Baier)................................................................................................................ Christine Sauer (Hrsg.): „Für den deutschen - wider den undeutschen Geist“. Von verbotener und regimekonformer Literatur im ,Dritten Reich4. Nürnberg 2013. (Matthias Rittner)........................................................................................................... Dörte Andres /Martina Behr (Hrsg.): Die Wahrheit, die reine Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Erinnerungen der russischen Dolmetscherin Tatjana Stupnikova an den Nürnberger Prozess. Berlin 2014. (Hartmut Frommer)...................................... Doris Katheder und Matthias Weiß (Hrsg.): Jenseits der Faszination? Die Ausstellung zum Nationalsozialismus in der Nürnberger Zeppclintribüne 1984-2001. Würz­ burg 2013. (Hartmut Frommer) ................................................................................... Paul B. Jaskot: The Nazi perpetrator. Postwar German art and the politics of the right. Minneapolis u.a. 2012. (Hartmut Frommer)................................................................ Michael Dicfenbacher u.a. (Hrsg.): 1865-2015. 150 Jahre Stadtarchiv Nürnberg. Begleitband zur Ausstellung des Stadtarchivs Nürnberg. Nürnberg 2015. (Andreas Jakob)...............................................................................................................................

308

310

316

317

319 319

325

Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Vereine Wolfgang Knabe / Dieter Noli: Die versunkenen Schätze der Born Jesus. Sensations­ fund eines Indienseglers aus der Frühzeit des Welthandels. Berlin 2012. (HorstDieter Beyerstedt)........................................................................................................... Birke Grieß hammer: Angeklagt - gemartert - verbrannt. Die Opfer der Hexen Verfol­ gung in Franken. Erfurt 2013. (Hartmut H. Kunstmann).......................................... Thomas Schindler: Werkzeuge der Frühneuzeit im Germanischen Nationalmuseum. Bestandskatalog. Nürnberg 2013. (Horst-Dieter Beyerstedt)..................................... Zünftig! Geheimnisvolles Handwerk 1500-1800. Ausstellung im Germanischen Natio­ nalmuseum Nürnberg 21. März bis 7. Juli 2013 / hrsg. von Thomas Schindler, Anke Keller, Ralf Schürer. Nürnberg 2013. 314 S. (Horst-Dieter Beyerstedt).....

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326 328 330

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Kunst, Architektur Monika Bachtier, Dirk Syndram und Ulrike Weinhold (Hrsg): Die Faszination des Sammelns. Meisterwerke der Goldschmiedekunst aus der Sammlung RudolfAugust Oetker. München 2011. (Birgit Schübel)......................................................... Silke Colditz-Heusl: Paul Ritter und das kulturhistorische Stadtbild Nürnbergs im späten 19. Jahrhundert. Neustadt an der Aisch 2013. (Andreas Curtius)............... Irene Meissner: Sep Ruf 1908-1982. Berlin 2013. (Ruth Bach-Damaskinos).................... Andrea Dippel und Matthias Strobel (Hrsg.): Kunst/Villa. Kunst in Nürnberg von 1900 bis heute. Nürnberg 2014. (Ruth Bach-Damaskinos).........................................

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Kultur, Sprache, Literatur, Musik Welten des Wissens. Die Bibliothek und die Weltchronik des Nürnberger Arztes Hart­ mann Schedel (1440-1514). München 2014. (Antonia Landois)................................. Andrea Grafetstätter: Ludus compleatur. Theatralisierungsstrategien epischer Stoffe im spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Spiel. Wiesbaden 2013. (Christine Sauer)...............................................................................................................................

340

342

Kirchengeschichte, J udentum Andrea M. Kluxen / Julia Krieger (Hrsg.): Geschichte und Kultur der Juden in Nürn­ berg. Würzburg 2014. (Helmut Baier)......................................................................... Bernd Höffken: Schicksale jüdischer Arzte aus Nürnberg nach 1933. Berlin 2013. (Matthias Rittner)...........................................................................................................

343 345

Schulwesen, Bildung, Wissenschaft, Technik Frank Berger (Hrsg.): Der Erdglohus des Johannes Schöner von 1515. Frankfurt am Main 2013. (Horst-Dieter Beyerstedt)........................................................................... Thomas Eser: Die älteste Taschenuhr der Welt? Der Henlein-Uhrenstreit. Nürnberg 2014. (Horst-Dieter Beyerstedt)..................................................................................... Karla Görner-Schipp: Kunst und Bildung. Studien zur Kunstgeschichte in der Er­ wachsenenbildung. Marburg 2012. (Ruth Bach-Damaskinos)...................................

346 348 350

Personen und Familien Antonia Landois: Gelehrtentum und Patrizierstand. Wirkungskreise des Nürnberger Humanisten Sixtus Tücher (1459-1507). Tübingen 2014. (Horst-Dieter Beyerstedt) Franz Fuchs (Hrsg.): Willibald Pirckheimer und sein Umfeld. Akten des gemeinsam mit dem Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg, dem Stadtarchiv Lauf a. d. Pegnitz am 20./21. Juli 2012 veranstalteten Symposiums im Welserschloss in Lauf-Neun­ hof. Wiesbaden 2014. (Horst-Dieter Beyerstedt)......................................................... „Seid getreu bis in den Tod!“. Das Tagebuch des Nürnbcrgers Philipp Widmer aus dem Ersten Weltkrieg. Nürnberg 2014. (Steven M. Zahlaus)............................................. Daniel Roos: Julius Streicher und Der Stürmer 1923-1945. Paderborn 2014. (Gerhard Jochem)............................................................................................................................

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VII

VERZEICHNIS DER MITARBEITERINNEN UND MITARBEITER Bach-Damaskinos, Ruth, M.A., Kunsthistorikerin, Graudenzer Straße 25, 90491 Nürnberg / Stadtarchiv Nürnberg Bai er, Helmut, Dr., Archivdirektor i.R., Düsseldorfer Straße 62, 90425 Nürnberg Beyerstedt, Horst-Dieter, Dr., Archivoberrat, Thumenberger Weg 38, 90491 Nürnberg / Stadtarchiv Nürnberg Burger, Daniel, Dr., Archivoberrat, Kobergerstraße 72, 90408 Nürnberg / Staatsarchiv Bamberg C u r t i u s, Andreas, Dr., Kunsthistoriker, Museen der Stadt Nürnberg, Kunst­ sammlungen, Abt. Gemälde und Skulpturen, Äußere Sulzbacher Straße 60, 90491 Nürnberg D i e f e n b a c h e r, Michael, Dr., Ltd. Archivdirektor, Ringstraße 17, 91560 Heilsbronn / Stadtarchiv Nürnberg Fisch er-Pache, Wiltrud, Dr., Archivdirektorin, Keßlerplatz 7, 90489 Nürnberg / Stadtarchiv Nürnberg Fleischmann, Peter, Prof. Dr., Ltd. Archivdirektor, Staatsarchiv Nürnberg, Archivstraße 17, 90408 Nürnberg Frommer, Hartmut, Dr., Stadtrechtsdirektor i.R., Judengasse 25, 90403 Nürnberg Gebhardt, Walter, Bibliotheksamtsrat, Drausnickstraße 8, 91052 Erlangen Heinz, Otmar, Dr., Kirchenmusiker München-Nord, Am Wiesengrund 29, 85309 Pörnbach-Puch H o n o 1 d, Matthias, Historiker, Zentralarchiv Diakonie Neuendettelsau, Wilhelm-Löhe-Straße 23, 91564 Neuendettelsau Jakob, Andreas, Dr., Archivdirektor, Stadtarchiv Erlangen, Luitpoldstraße 47, 91052 Erlangen Joch e m, Gerhard, Archivamtmann, Stadtarchiv Nürnberg, Marientorgraben 8, 90402 Nürnberg Kunstmann, Hartmut H., Prof. Dr., Universität Bayreuth, Of Counsel Steinpichler Rechtsanwälte PartGmbB, Palais am Lenbachplatz, Ottostraße 8, 80333 München Landois, Antonia, Dr., Archivreferendarin, Sanderglacisstraße 8, 97072 Würzburg / Stadtarchiv Nürnberg Rittner, Matthias, Dr., wissenschaftlicher Mitarbeiter, KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, Gedächtnisallee 5, 92696 Flossenbürg Sauer, Christine, Dr., Stadtbibliothek im Bildungscampus Nürnberg, Leiterin der Historisch-Wissenschaftlichen Stadtbibliothek, Gewerbemuseumsplatz 4, 90403 Nürnberg

VIII

Schübel, Birgit, M.A., Deutsches Burgenmuseum Veste Heldburg e.V., c/o Germanisches Nationalmuseum, Kornmarkt 1, 90402 Nürnberg Seyboth, Reinhard, Dr., Historiker, Stefan-Zweig-Weg 22, 93051 Regensburg Wächter, Clemens, Dr., Universitätsarchivar, Archiv der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Schuhstraße la, 91052 Erlangen Weingärtner, Helge, M.A., Kunsthistoriker, Am Paulusstein 2, 90411 Nürn­ berg / Stadtarchiv Nürnberg Westermann, Angelika, Prof. Dr., Universität Kiel, Seminar für Wirtschafts­ und Sozialgeschichte, Leibnitzstraße 8, 24118 Kiel Westermann, Ekkehard, Prof. Dr. (f), Hochschullehrer i.R. Wüst, Wolfang, Prof., Dr. phil., Friedrich-Alexander-Universität ErlangenNürnberg, Department Geschichte, Lehrstuhl für Bayerische und Fränki­ sche Landesgeschichte, Kochstraße 4, 91054 Erlangen Zahlaus, Steven M., M.A., Historiker, Stadtarchiv Nürnberg, Marientorgra­ ben 8, 90402 Nürnberg

IX

DIE ÄLTESTE REALISTISCHE ANSICHT DER STADT NÜRNBERG Von Helge Weingärtner O O Die Universitätsbibliothek Erlangen besitzt unter ihren zahlreichen Schätzen auch eine Ansicht der Stadt Nürnberg von Südosten (Inv. Nr. B 459; Abb. I)1. Die queroblonge Darstellung ist mit Feder in Braun und Schwarz auf zwei zusammengesetzte Blätter und zwar auf Bütten gezeichnet und in verschiede­ nen Rottönen aquarelliert, wobei hie und da auch kräftiges Braun und bräun­ liches Grün verwendet wurden. Die schwarz gerahmte Ansicht misst 110 mm in der Höhe und 552 mm in der Breite. Es fallen vor allem die zahlreichen Fehl-, Bruch- und Abriebschäden auf, welche zwar immer wieder ergänzt oder retuschiert worden sind, was am Gesamteindruck der starken Beeinträchti­ gung jedoch nicht viel ändern konnte. Der obere Bereich ist - wie man beson­ ders zur Rahmung hin erkennen kann - mit weißer Farbe (möglicherweise Bleiweiß) geradezu übertüncht worden; wohl ebenfalls, um Schäden zu ver­ tuschen. Diesem Vorgehen fiel das Kirchenschiff der Sebalduskirche samt Ost­ chor zum Opfer, wenn diese Teile nicht schon vorher abgeblättert waren. Die vorliegende Ansicht ist in der Literatur schon gewürdigt worden: Bock vermutete, sie müsse aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts stammen2, was jüngst Mende auf um 1540 präzisierte, der sie damit auch als die „wohl älteste zeichnerische Darstellung Nürnbergs“ einstufte3. Seine Überlegungen stützten sich vor allem auf den Zustand der Stadtmauer, welche ihre Tortürme noch vor der Ummantelung präsentiert. Mit dem Zeitraum um 1540 wäre dann auch ein Zeitgenosse des Hans Lautensack als Fertiger der aktuellen Darstellung anzu­ nehmen. Auch Lautensack zeigt 1552 die Stadtmauer noch mit den Tortürmen über quadratischem Grundriss. 1

3

Siehe: Zeichnen seit Dürer. Die süddeutschen Zeichnungen der Renaissance in der Universitäts­ bibliothek Erlangen. Hrsg, von Hans Dickel. Bearb. von Iris Brahms, Christine Demele und Manuel Teget-Welz, mit einem Beitrag von Christina Hofmann-Randall, Petersberg 2014, Kat. Nr. 326, Text von Christine Demele, S. 214-216. - Der Verfasser des vorliegenden Aufsatzes hat Herrn Prof. Dickel und Frau Dr. Demele für die freundliche Aufnahme seiner damaligen Über­ legungen und Beobachtungen in dieses Werk zu danken. Vor Drucklegung des erwähnten Werks durften diese in einem Vortrag dargelegt werden, den der Verfasser unter dem Titel „Neue Beobachtungen zur ältesten Zeichnung Nürnbergs von Osten“ am 13.1.2014 an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen hielt. Inzwischen ist das Thema unter dem Titel „Die älteste gezeichnete Ansicht der Reichsstadt Nürnberg“ am 10.2.2015 vom Verfasser vor dem Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg erneut behandelt worden. Elfriede Bock: Die Zeichnungen in der Universitätsbibliothek Erlangen, 2 Bde., Frankfurt a. M. 1929. - Hinweis bei Demele (wie Anm. 1), S. 215. Matthias Mende: Albrecht Dürer. Ein Künstler in seiner Stadt, Katalog der Ausstellung in Nürnberg, Stadtmuseum Fembohaus, Nürnberg 2000, S. 130.

1

Helge Weingärtner

Abb. 1:

Ansicht Nürnbergs von Südosten. (Universitätsbibliothek Erlangen Inv. Nr. B 459)

An das soeben Mitgeteilte knüpfen wir die folgenden Fragen: Was ist gezeigt, und entspricht dies auch der damaligen Realität? Daran anzuschließen ist die Frage nach der Datierbarkeit des Stücks. 1. Was zeigt diese Stadtansicht? Von links beginnend streift der Blick über den Untergalgenhof mit dem Gal­ genberg im Vordergrund, dann über Steinbühl und den Tafelhof in der Nähe des Frauentors. Von der Stadt selbst sieht man in diesem Bereich den Spittler­ torturm, den Weißen Turm und den Frauentorturm. Unmittelbar nach rechts schließen sich die Klarakirche, die Mauthalle und die Marthakirche an, gefolgt von St. Lorenz (Abb. 2).

Abb 2:

Ausschnitt aus Abb. 1 (linke Hälfte).

Ungefähr im Zentrum der Darstellung erhebt sich nach den Türmen von St. Sebald und nach dem Tiergärtnertorturm der Burgbereich. Nach rechts folgen in ziemlichem Abstand die beiden Türme von St. Egidien, in ähnlicher Distanz dazu das Innere Läufer Tor - der so genannte Läufer Schlagturm, damals noch mit seinen Ecktürmchen bewehrt. Ganz am äußersten Ende des Stadtgebiets 2

MVGN 102 (2015)

Die älteste realistische Ansicht der Stadt Nürnberg

ragt der Turm des (äußeren) Läufer Tors empor. Vor ihm erstreckt sich das Torvorwerk (Abb. 3).

Abb. 3:

Ausschnitt aus Abb. 1 (rechte Hälfte).

Vor dem Stadtbild verlaufen - zum Teil sehr differenziert dargestellt - Garten­ zäune, und zwar sowohl Staketenzäune als auch - unterhalb des Burgbereichs - ein altertümlicher Flechtzaun, der am Eck einer hochaufragenden Scheune endet, deren Dach noch als strohgedeckt erscheint. Hier ist der Bereich des Gleisbühls dargestellt. Die Gärten bei Wöhrd unterhalb des Äußeren Läufer Tors bzw. vor dem Wöhrder Tor hingegen sind einfach durch eine Ansamm­ lung von Bäumen markiert. 2. Wo steht der Betrachter dieser Ansicht? Aufgrund der heute vollständigen Bebauung des Vorgeländes der Altstadt Nürnbergs ist ein Blickpunkt, von welchem aus man die Stadt ganz übersehen könnte, selbstverständlich nicht mehr gegeben. Nun zeigt die Tatsache, dass Galgenberg, Frauentor und Gleisbühl dem Betrachter am Nächsten liegen, immerhin schon Eines: Diese Ansicht muss von Südosten genommen worden sein. 3

Helge Weingärtner

Aus dem 18. Jahrhundert stammt u.a. auch eine Ansicht von Nürnberg, die zum einen unserer vorliegenden Ansicht recht nahe kommt, zum anderen Details enthält, welche eine Rekonstruktion des Stand- bzw. Blickpunkts des Fertigers erlauben. Es handelt sich um eine Arbeit von Adam Ludwig Wirsing, die schätzungsweise um 1770 entstanden ist (Abb. 4)4. Natürlich zeigt sich die Stadt hier im zeitgenössischen Erscheinungsbild, wozu auch vor der Stadt die umfangreichen Schanzwerke zu zählen sind. Ein Teil dieser Anlage ist im Vor­ dergrund abgebildet, nämlich der Durchlass durch die Schanzen bei St. Peter, von dem aus sich die Regensburger Straße in einer Linkskrümmung in die Richtung des Frauentors erstreckt. Diesseits der Schanze traben zwei Reiter einen Feldweg (offensichtlich die heutige Peterstraße) in Richtung Osten ent­ lang, sodass die Peterskapelle selbst - mehr oder minder genau - im Rücken des Betrachters zu denken ist. Diese Ansicht ist also direkt vom Areal des Siech­ kobels St. Peter aus genommen worden. NUHNBKHd.

i T- " ...

Abb. 4:

.....

\

Nürnberg von Südosten um 1770. (StadtAN E 13/11 Nr. 458)

Vergleicht man diese Grafik mit unserer Erlanger Darstellung, dann fallen, wie schon gesagt, etliche Übereinstimmungen auf: Der Sichtkegel reicht auch hier vom Galgen bis zum Äußeren Läufer Tor; und wie bei der Erlanger Ansicht hegen Galgen, Frauentor und Gleisbühl näher zum Betrachter. Der Vergleich in den Details hingegen erbringt doch einige Unterschiede (Abb. 5): Versucht man nämlich, beide Abbildungen in Konkordanz zu bringen, indem man je4

4

StadtAN E 13/11 Nr. 458. Radierung 15,5 x 9,6 cm (Blatt).

MVGN 102 (2015)

Abb. 5:

Die älteste realistische Ansicht der Stadt Nürnberg

Vergleich von Abb. 1 mit Abb. 4. - Die im Text genannten Vergleichspunkte wurden zur Verdeutlichung vermittels Linien aufeinander bezogen.

weils Galgen und Außeres Läufer Tor untereinander positioniert, dann zeigt sich, dass die einzelnen Gebäude im dazwischen liegenden Bereich meist nicht untereinander hegen. Insbesondere ist die Abfolge von Luginsland, Egidienkirche und Läufer Schlagturm hier viel enger als im Erlanger Blatt. Daraus ist aber zu folgern, dass der Standpunkt des Fertigers der Erlanger Zeichnung deutlich südlicher gelegen haben muss - schätzungsweise auf der Höhe der heutigen Herbartstraße. Dies wird noch durch das Phänomen unterstützt, dass auf dem Erlanger Blatt der Weiße Turm zwischen Spittlertor und Frauentor sichtbar ist; soweit man übrigens sehen kann, ist dies unter den zahlreichen Nürnberg-Ansichten das einzige Mal der Fall. Nun ist zwar klar geworden, von welchem Ort aus Nürnberg gezeigt wird, es ergeben sich jedoch gerade wegen dieses Ortes neue Schwierigkeiten: Der Galgen müsste nun eigentlich unterhalb des Weißen Turms liegen und die Stadtmauer unterhalb der Lorenzkirche müsste durch den Untergalgen- oder Glockenhof verdeckt werden, was auf unserer Darstellung erkennbar nicht stattfindet. Auch der rechte Rand geriete in entsprechende Schwierigkeiten: Das Äußere Läufer Tor läge von dem eben eruierten Standpunkt aus betrachtet deutlich weiter stadteinwärts - also nach links - als in der Darstellung. Es fragt sich, wie dieser Problematik zu begegnen ist. 3. Die Konstruktion der Zeichnung. Es darf angenommen werden, dass der Künstler zur Anfertigung seiner beson­ ders breit angelegten Nürnberg-Ansicht sich eines bestimmten Verfahrens be­ dient habt, das zeitgenössisch verwendet worden ist und das wir aus Dürers Holzschnitt „Der Zeichner des liegenden Weibes“ kennen (Abb. 6): Er dürfte die Ansicht hauptsächlich von St. Peter aus begonnen haben; die Seitenbereiche aber könnten etwa vom Gleisbühl aus aufgenommen worden sein. Die Zusam­ menfügung zu einem Panorama schließlich könnte tatsächlich unter Verwen­ dung eines Gitternetzes, wie Dürer es zeigt, vorgenommen worden sein. Ein Beispiel der praktischen Anwendung dieses Verfahrens ist eine bekannte

5

Helge Weingärtner

Abb. 6:

„Der Zeichner des liegenden Weibes“, Albrecht Dürer. - Rainer Schoch, Matthias Mende, Anna Scherbaum: Albrecht Dürer. Das druckgraphische Werk. Bd. 3, München 2004, Nr. 274.216.

Zeichnung in städtischem Besitz, welche in Zusammenhang mit der Errichtung der Bastionen hinter der Nürnberger Burg steht (Abb. 7), also etwa auf 1538 zu datieren ist5. Zum einen wurde hier die Burg ganz realistisch - etwa von der Bücher Straße aus - mit dem Gitternetz aufgenommen, also von unten, wie die Verkürzungen der Horizontalen deutlich zeigen. Die Burgbastionen aber sind in Draufsicht, also von oben gezeigt, was nur erklärbar ist, wenn man die Exis­ tenz eines Modells annimmt, das wohl zum Zwecke der Demonstration für die Auftraggeber mit der Realität zusammengebracht werden musste. Wenn man hier zwei Ansichten - Untersicht und Draufsicht - mithilfe des Gitternetzes

Abb. 7: 3

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Nürnberger Burg und Bastionsmodell, etwa 1538, 235 x 493 mm. (Museen der Stadt Nürnberg, Inv. Nr.: Nor. K. 7147)

Abb. nach: Die Nürnberger Kaiserburg in Aquarellen und Handzeichnungen aus städtischem Besitz. Stadt Nürnberg - Museen - Ausstellungs-Katalog 2, Hrsg. Museen der Stadt Nürnberg. Verf.: Karl Heinz Schreyl. Nürnberg o.J. Kat. Nr. 3.

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kombinieren konnte, so spricht gewiss nicht das Geringste gegen die An­ nahme, dieses Verfahren sei im Erlanger Blatt entsprechend - nun aber nach den Seiten hin - eingesetzt worden. So konnte man die gesamte Stadt samt di­ rektem Vorfeld zufriedenstellend abbilden, ohne dass hier der Vorwurf einer Verfälschung erhoben werden darf. Heute kann Jeder mit seinem mobilen Te­ lefon in wenigen Sekunden zwei, drei und mehr Ansichten zu einem Panorama zusammenfügen; will er dies von verschiedenen Standpunkten aus tun, so muss er freilich ein Grafikprogramm bemühen, die einzelnen Teile seines geplanten Panoramas auf eine einheitliche Größe ziehen und dann zusammenfügen. Von Fälschung würde auch da bestimmt Niemand sprechen. 4. Wie ist die Ansicht zeitlich einzuordnen? Die jüngste Datierung auf „um 1540“, wie sie Mende vornahm (s.o.), war durch den gezeigten Zustand der Stadtmauer vor den Umwandlungen verur­ sacht worden, die nach dem Zweiten Markgrafenkrieg getätigt worden sind. Als“ terminus post quem“ hat jedenfalls 1516 zu gelten, denn in diesem Jahr erhielt der Tiergärtnertorturm seine beiden charakteristischen Obergeschosse6. So schlecht das Blatt auch erhalten ist, erkennt man dennoch, dass der Tier­ gärtnertorturm genauso aussieht wie heute auch. Schwieriger gestaltet sich die Suche nach Argumenten für einen Zeitpunkt ,ante“. Freilich ist die Einord­ nung vor den Umbauten der Tortürme geboten, aber da könnte man ebenso gut sagen ,um 1550“. Es scheint, als hoffte man, eine gewisse Nähe zu Lauten­ sack zu erzielen. Am Schönsten wäre natürlich, könnte man in unserer Ansicht eine Vorstudie Lautensacks zu seinem großen Nürnberg-Prospekt von 1552 erblicken. Der Vergleich unseres Blattes mit Lautensack verrät allein schon hinsichtlich der Perspektive auf Frauentor und Weißen Turm eine unverein­ bare Abweichung (Abb. 8)7. Er ergibt dafür jedoch an einer anderen Stelle den entscheidenden Hinweis zur Datierung der Erlanger Ansicht (Abb. 9): Die Zwingermauer unterhalb des Wöhrder Tors erscheint bei Lautensack deutlich genug als rempariert, d.h. der alte Wehrgang der Zwingermauer ist hier schon abgebrochen und diese Mauer ist schon mit Kanonenscharten versehen. Die Verdachung, welche bei Lautensack an der Stelle unmittelbar nördlich des Peg­ nitzeinflusses waagerecht verläuft, ruht auf Ständern, welche vor den Kano­ nenscharten auf Konsolsteinen gelagert sind. Die Streben, die von den Stän­ dern beidseitig unter die Dachtraufe geführt sind, erwecken aus der Entfernung 6 Johannes Müllner: Die Annalen der Reichsstadt Nürnberg von 1623, Bd. 3 (1470-1544), bearb. von Michael Diefenbacher, Nürnberg 2003, S. 436 (zu 1516): „Den Thurn beim Thiergartner Thor hat man diß Jahr mit zweyen neuen Gaden von Stainwerck und einem neuen Tach er­ hebt.“ Zu diesem siehe Annegrit Schmitt: Hanns Lautensack (NF 4), Nürnberg 1957. Zum Prospekt von 1552 siehe ebd. Kat. 50 und Abb. 65.

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Helge Weingärtner

Abb. 8:

Hans Lautensack: Ansicht Nürnbergs von Osten (Ausschnitt aus Platte 1). Vergleiche damit Abb. 2. (StadtAN A 4/VIII Nr. 108)

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Hans Lautensack: Ansicht Nürnbergs von Osten (Ausschnitt aus Platte 2). Vergleiche damit Abb. 3. (StadtAN A 4/VIII Nr. 108)

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den Eindruck von Bögen, unterhalb denen die Kanonenscharten eingetieft sind. Auf unserer Zeichnung dagegen besteht der Wehrgang an dieser Stelle aus geschlossenem Mauerwerk mit darin eingeschnittenen Schießscharten, wie sie auch die dahinter verlaufende hohe Stadtmauer besitzt8. Das einfache Sattel­ dach des Wehrgangs ist im Unterschied zu Lautensack mehrfach gestuft; auch sind hier keinerlei Holzstützen nach außen hin sichtbar. Kein Zweifel, hier ist noch der alte Wehrgang aus der Zeit vor der Remparierung gegeben. Die fragliche Maßnahme geschah an der Ostseite der Stadtmauer im Jahre 1528, wie wiederum Müllner mitteilt9: „Vor dem Frauenthor biß zu der Pegnitz hinab, da dieselbe in die Stadt fleust, hat man die Stattmaur neu gepauet, den Zwinger inwendig der Maurn gleich mit Erdrich ausgeschüttet. Man hat auch daselbs ein Prucken über den Graben gemacht, und haben die Baurn, wie auch die Gemain zu Nürnberg daran frönen müssen. Mann hat auch diß Jahr die Stattmaur unterhalb dem Wertherthürlein gegen dem Waßer zu pauen angefan­ gen.“ Es wurde also an zwei Stellen zugleich modernisiert, nämlich unterhalb des Frauentors in der Nähe der Pegnitz sowie an der Mauer unterhalb des Wöhrdertürleins, wiederum in Pegnitznähe. Leider ist der zuerst genannte Ab­ schnitt auf der Lorenzer Seite in unserer Darstellung durch die Gebäude auf dem Gleisbühl verdeckt10, dafür ist aber der entsprechende Bereich nördlich der Pegnitz, wie schon gezeigt, gut sichtbar, sodass sich für die Datierung der Zeichnung in der Universitätsbibliothek Erlangen nunmehr ein Entstehungs­ zeitraum ergibt, der zwischen 1516 und 1528 liegt, mithin auf 12 Jahre genau ist. 5. Schlussbemerkung Wie schon Mende (s.o.) zutreffend urteilte, handelt es sich bei unserer Nürn­ berg-Ansicht nun ganz gewiss um die älteste zeichnerische Darstellung der Stadt Nürnberg. Freilich gibt es ältere Darstellungen in anderen Techniken, wie z.B. den Holzschnitt aus der Schedel’schen Weltchronik oder die Darstel­ lung auf dem Krell’schen Altar in St. Lorenz, welche beide aus dem späten 15. Jahrhundert stammen, aber diese sind stark vereinfacht und besitzen daher nur ausnahmsweise direkt verwertbares Material, wie etwa den Schraubenturm am Vorwerk des Frauentors in der Weitchronik. Die Zeichnung in der Universitätsbibliothek Erlangen darf nach alledem ab jetzt als die älteste realistische Ansicht von Nürnberg bezeichnet werden. 8 An den Grabentürmen der Südwestseite der Altstadt, entlang dem Spittlertorgraben, haben sich bis heute jeweils beidseitig der Türme die Reste der dortigen früheren Wehrgänge erhalten. 9 Müllner (wie Anm. 6), S. 598 (zum Jahr 1528). 10 Das Stadtmodell von Hans Baier aus dem Jahre 1540 zeigt die beiden remparierten Bereiche sehr genau. Abbildung in Franz Schiermeier: Stadtatlas Nürnberg - Karten und Modelle von 1492 bis heute. Hrsg, vom Stadtarchiv Nürnberg, Staatsarchiv Nürnberg, Stadtmuseum Nürn­ berg, München 2006, Text auf S. 66 und Foto auf Faltblatt.

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DIE UNTERNEHMENSFORM DER SAIGERHANDELSGESELLSCHAFT UND IHRE BEDEUTUNG FÜR DEN OBERDEUTSCHEN FRÜHKAPITALISMUS. FORSCHUNGSSTAND UND -AUFGABEN' Von Ekkehard Westermann (t)

Vor 26 Jahren hat Peter Spufford den seit den vier letzten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts zunehmenden Mangel an Münzmetall, insbesondere von Sil­ ber, mit seinem Höhepunkt zwischen 1457 und 1464 sowie die danach entset­ zenden Änderungen dieser Lage seit der zweiten Hälfte der sechziger Jahre des 15. Jahrhunderts mit seinen Folgen für die europäische Wirtschaft anschaulich dargetan. Bei der Verringerung des Silbermangels räumte er der Erschließung der Gruben von Schneeberg im sächsischen Erzgebirge ab 1470 und int Schwazer Revier in Nordtirol ab 1460 eine Schlüsselrolle ein.2 Wie Wolfgang von Stromer wies er aber auch auf die Wiederaufnahme früher aufgegebener Berg­ werke für Silber sowie Blei3 und Quecksilber als wesentlichen Zuschlägen der Gold- und Silbermetallurgie ab 1464 hin.4 Dieser betonte ferner die explosions1

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Zuerst vorgelegt in: LTmpresa - Industria - Commercio - Banca Secc. XIII-XVI1I a cura di Simonetta Cavaciocchi (= Istituto Internazionale di Storia ,F. Datini1 Prato Serie II - Atti delle „Settimane di Studi“ e altri Convegni 22), Firenze 1991, S. 577-586, 608. Da ich leider keine Korrekturfahnen erhielt, sind im Text sinnentstellende Satzteile und viele Fehler enthalten. Diese Mängel werden hier beseitigt. Zugleich berücksichtigt dieser Text die inzwischen erschie­ nene einschlägige Literatur. Peter Spufford: Money and its use in medieval Europe, Cambridge 1988 S. 339-377, insbeson­ dere S. 363f. Zur Erschließung alter Bergbaue vgl. Klaus Tenfelde / Stefan Berger / Hans-Christoph Seidel (Hg.): Geschichte des deutschen Bergbaus, Bd: 1: Der alteuropäische Bergbau. Von den Anfän­ gen bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts. Hg. von Christoph Bartels / Rainer Slotta, Münster 2012, S. 260f., 331 f., 338f., 352-354, 376f. - Zum Blei aus Goslar Bartels/Slotta: Bergbau (ebd.), S. 317-321; zum Blei aus dem Sauerland und aus Westfalen vgl. Christoph Bartels: Erzbergbau in Westfalen - ein Überblick, in: Christoph Bartels / Reinhard Feldmann / Klemens Oekentorp: Geologie und Bergbau im rheinisch-westfälischen Raum, Münster 1994, S. 35-67, hier S. 39-44; Christoph Bartels: Sauerländisches Blei für die Mansfelder Hütten. Blei zur Entsilbe­ rung des Mansfelder Kupfers, in: Rosemarie Knape (Hg.): Martin Luther und der Bergbau im Mansfelder Land, Lutherstadt Eisleben 2000, S. 105-120. Wolfgang von Stromer: Hartgeld, Kredit und Giralgeld. Zu einer monetären Konjunkturtheo­ rie des Spätmittelalters und der Wende zur Neuzeit, in: La Moneta nelP Economia Europea. Secoli XIII-XVIII, hg. von V. Barbagli Bagnoli, Prato 1981, S. 105-125, 144f., 149-152, 157— 160; Michael North: Das Geld, München 1994, S. 39-42, 46-51, 61, 72; Michel Pauly: Vom regionalen Messesystem zum internationalen Netz von Messestädten, in: Gerhard Fouquet / Hans-Jörg Gilomen (Hg.): Netzwerke im europäischen Handel des Mittelalters (Vor­ träge und Forschungen Bd. LXXII), Ostfildern 2010, S. 40-100, hier S. 71.

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Ekkehard Westermann

artige Ausbreitung des Buchdrucks und der Druckgraphik sowie die Grün­ dungswelle der Saigerhütten am Thüringer Wald ab 1461.5 Dabei sieht er das Startkapital, welches den Konjunkturum- und -aufschwung auslöste, in drei Bereichen beheimatet: 1. Es gab eine Vermehrung des Silbergeldes, eine mani­ pulierte Inflation durch Verminderung des Feingehaltes im damaligen burgundischen Reich und Teilen Oberdeutschlands; 2. waren in Oberdeutschland die Voraussetzungen erreicht, in erheblichem Ausmaß Schriftgeld zu schöpfen, und zwar kurzfristig zur Ankurbelung der Produktion durch den Wechselbrief und langfristig für Investitionen durch Kontokorrent-Kredit; 3. veranlasste die Haftungsbeschränkung für stille Teilhaber durch neue juristische Regeln im Gesellschaftsrecht viele kleinere Kapitalbesitzer zur Enthortung, um Einlagen zu tätigen oder Kuxe als Anteile an Gruben zu erwerben. In diesem Zusam­ menhang hob er besonders die Bedeutung des Privilegs Kaiser Friedrich III. für Nürnberg von 1464 hervor. Diese Vorgänge fallen nun mit der seit 1390 immer wirksamer werdenden Unterbewertung des Goldes in Burgund, der 25% Abwertung des Pfund Sterling von 1464, der Goldabwertung in Burgund von 1465 und dem englisch-burgundischen Handelsvertrag von 1465 zusam­ men. Zudem sorgten nicht nur billige englische Qualitätstuche, sondern auch die von 1460 an allmählich wachsende Zufuhr westafrikanischer Waren über Lissabon6 für die wachsende Attraktivität Antwerpens. Im Kranz der hier kurz vorgestellten Forschungsergebnisse kommt nun dem Saigerverfahren, seiner Entwicklung und den Anwendungen seiner Vari­ anten in den Schmelzhütten Nordtirols, des Nürnberger Raumes und des Thüringer Waldes sowie des Neusohler Reviers7 und der damit verknüpften Ausgestaltung einer neuen Unternehmensform der vorrangig von Nürnberger Kaufleuten betriebenen Saigerhütten eine überaus wichtige Rolle zu. Wie anderwärts nämlich schon nachgewiesen wurde, lag in allen drei Revieren eine Kuppelproduktion vor, d. h. der gleichzeitige Anfall von Silber und Kupfer in den jeweiligen Hüttenoperationen. Kaufmännisch gesehen erreichte dabei der 5

Mindestens zehn Jahre vorher setzte der Bau von fünf bzw. sechs Saigerhütten in und um Nürnberg ein, Ekkehard Westermann: Das Eislebener Garkupfer und seine Bedeutung für den europäischen Kupfermarkt 1460-1560, Köln/Wien 1971 S. 179-185. 6 So ist der Florentiner Bartolomeo Marchioni beteiligt an der Finanzierung der Flotte, die König Johann II. 1474/75 an die Küste Guineas schickt. Seitdem ist er regelmäßig an derartigen Unternehmen beteiligt und stark im Handel mit Malagueta-Pfeffer vom Golf Guineas enga­ giert, Hermann Kellenbenz: Die fremdem Kaufleute auf der Iberischen Halbinsel, Köln 1970, S. 281. Eine zusammenfassende Diskussion bietet Marian Skladany: Die Entsilberung des Neusohler Schwarzkupfers als historiographisches Problem, in: Christoph Bartels / Markus A. Denzel (Hg.): Konjunkturen im europäischen Bergbau in vorindustrieller Zeit. Festschrift für Ekke­ hard Westermann zum 60. Geburtstag (VSWG, Beiheft 155), Stuttgart 2000, S. 173-188. Dazu jetzt Bartels/Slotta: Bergbau (wie Anm. 3), S. 317f., 327-330, 348.

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Die Unternehmensform der Saigerhandelsgesellschaft

Anteil des Silbers im Vergleich zu dem des Kupfers am Gesamterlös in Nord­ tirol eine Relation von 80 : 20, im Thüringer Saigerhandel von 60 : 40 und im Neusohler Revier in den Anfängen der Fugger-Thurzo-Gesellschaft von 50 : 50.8 Das für Bau und laufenden Betrieb der Mansfelder Rohkupfer ver­ arbeitenden Hüttenwerke am Thüringer Wald notwendige Kapital wird durch die sog. Saigerhandelsgesellschaften aufgebracht. Deren Unternehmungsform gilt im I. Kapitel die Aufmerksamkeit. Im II., wesentlich kürzeren Kapitel wird die Verdrängung von mindestens sechs Saigerhütten aus Nürnberg und seinem Umland ab 1461 mit der im gleichen Jahr einsetzenden Gründungswelle der Saigerhütten am Thüringer Wald und dem Privileg für Nürnberg von 1464 in engen Zusammenhang gebracht. Die gegen diese Deutung bestehenden Ein­ wände werden anschließend vorgebracht und damit als Forschungsaufgaben vorgestellt. I.

Grundlage der folgenden Darstellung sind in erster Lime die Verträge der Ge­ sellschaften der Saigerhütte Schwarza (1472), Arnstadt (1502, 1532, 1537), Leutenberg (1524, 1526), Ludwigstadt (1535, 1536) und Steinach (1537, 1553, 1554, 1555). Bei ihrer Interpretation folge ich im wesentlichen der Analyse von Klaus Kämmerer9; doch ergaben sich manche wichtige Ergänzungen dadurch, dass im Anschluss an Elmar Lutz10 auch noch Anstellungsverträge mit Hand­ lungsdienern, Verschreibungen über Kapitaleinlagen zu Gewinn und Verlust, Quittungen über entsprechende Auszahlungen und verwandte Zeugnisse be­ rücksichtigt werden. Hinweise auf einschlägiges Material von Konkursen oder von Prozessen der Handelsgesellschafter untereinander, von Kapitaleinlegern Ekkehard Westermann: Zur Silber- und Kupferproduktion Mitteleuropas vom 15. bis zum frühen 17. Jahrhundert. Uber Bedeutung und Rangfolge der Reviere von Schwaz, Mansfeld und Ncusohl, in: Der Anschnitt 38 (1986), S. 187-211, hier S. 188-194. Im Neusohler Revier nahm der Anteil des Silbers im Erz zwischen 1500 und 1540 laufend ab. Ferner hat sich dieses Verhält­ nis im Thüringer Saigerhandel nach 1560 auf 40 : 60 zugunsten des Kupfers und im Neusohler Revier so gut wie ganz zugunsten der dortigen Kupfersorten umgekehrt, während es in Tirol fast gleich blieb. 9 Klaus Kämmerer: Das Unternehmensrecht süddeutscher Handelsgesellschaften in der Montan­ industrie des 15. und 16. Jahrhunderts. Diss. Jur. Tübingen 1977, S. XXXVf., 232-308. Kürzlich konnte ein Privileg für die Hauptgescllschafter der Saigerhütte Ludwigstadt, Heinrich Scherl und Hieronymus Lotter, von Graf Botho von Stolberg von Anfang Mai 1536 über den Bau zweier neuer Saigerhütten zu llsenburg und Wernigerode gefunden werden: Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, MD, H 8, A V Nr. 8a. Freundlicher Hinweis von Jörg Brückner, Wernigerode. 10 Elmar Lutz: Die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften in der Zeit der Fugger Bd. I: Darstellung (Studien zur Fuggergeschichte Bd. 25), Tübingen 1976, S. 24-27. Nicht be­ rücksichtigt haben Kämmerer und Lutz die Arbeit von Westermann: Garkupfer (wie Anm. 5), die besonders S. 108-138 und S. 152-162 wichtige weitere Quellen bringt.

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oder Gläubigern der Gesellschaften konnten teilweise festgestellt, aber noch nicht gesichtet und damit berücksichtigt werden. Die große Mehrheit der hier betrachteten Verträge folgt der Ansicht, dass die Gesellschaft in der Regel durch mündliche Vereinbarung der Gesellschafter entstehe. Daher hat die schriftliche Form des Vertragsabschlusses die Bedeu­ tung einer Niederschrift der mündlichen Abrede und wird einer gerichtlichen oder notariellen Beurkundung gleichgestellt. Der Gesellschaftszweck ist Anlage und Betrieb einer Saigerhütte, auf der aus silberhaltigem Rohkupfer Silber und Garkupfer gewonnen wird. Deswegen ist in den Verträgen allgemein von saigerküttenhandel die Rede. Es wird still­ schweigend vorausgesetzt, dass dazu auch die Beschaffung von silberhaltigem Rohkupfer, Blei, Holz, Holzkohle und anderen Zuschlägen für die Schmelz­ prozesse gehört, während der Vertrieb von Silber und Garkupfer auf den Ab­ satzmärkten in Nürnerg, Frankfurt am Main, Leipzig, Hamburg oder Antwer­ pen öfter genannt wird. Hinzugezählt werden muss ferner das Wechselgeschäft, wie es der Leutenberger Gesellschaftsvertrag von 1524 eigens aufführt.11 Gegen Wechsel nämlich nahmen die Saigerhändler auf den in vierteljährlichem Abstand stattfindenden Messen zu Leipzig an Neujahr, Mittfasten und Michaelis sowie Naumburg zu Peter und Paul jene Summen an barem Geld auf, mit welchen sie die Roh­ kupfererzeugung der Hüttenmeister des Mansfelder Reviers vorzufinanzieren pflegten. Diese Wechsel wurden in der Regel ein halbes Jahr später in Nürn­ berg und Frankfurt am Main, aber auch in Augsburg und Antwerpen präsen­ tiert, wo sie nach dem Verkauf des Silbers an diesen Plätzen von den Saiger­ händlern eingelöst wurden.12 Im Gegensatz zu den Fernhandelsgesellschaften mit universellem Geschäftsbereich sind die Hauptgesellschafter der Saiger­ handelsgesellschaften also auf Erzeugung und Vertrieb des aus einer Kuppel­ produktion stammenden Silbers und Garkupfers beschränkt und damit produktionsfremde Güter aus ihrem Geschäft ausgeschlossen. Das sollte hohe Investitionen13, Wettbewerbsfähigkeit und Gewinnaussichten sichern. 11 Walter Möllenberg: Urkundenbuch zur Geschichte des Mansfeldischen Saigerhandels im 16. Jahrhundert (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete Bd. 47), Halle a. d. Saale 1915, S. 27. 12 Ekkehard Westermann: Silbererzeugung, Silberhandel und Wechselgeschäft im Thüringer Sai­ gerhandel von 1460 bis 1620, in: VSWG 70 (1983), S. 192-214, hier S. 196-199. 13 Bei einem anfänglichen Gesellschaftskapital von 70.000 fl kostete der Bau der auf einen jähr­ lichen Durchsatz von ca. 7.000 Ztr. Rohkupfer ausgelegten Saigerhütte Leutenberg 1524/25 10.214 fl, Walter Möllenberg: Die Eroberung des Weltmarkts durch das mansfeldische Kupfer, Gotha 1911, S. 25. Für den Kauf von 7.000 Ztr. Rohkupfer hätte man auf der Grundlage des Preises von 1523 mit 11 fl 1 Ort knapp 80.000 fl aufbringen müssen, Möllenberg: Urkunden­ buch (wie Anm. 11), S. 16. - Welches Ausmaß eine solche Saigerhütte besaß, wird am Chemnit­ zer Werk 1525 sichtbar. Es erreichte eine Länge von 70 m: Georgius Agricola Gedenkausgabe,

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Die Unternehmensform der Saigerhandelsgesellschaft

Der Beginn der Gesellschaft kann zusammenfallen mit dem Datum des Ge­ sellschaftsvertrages. Doch wird auch ein künftiges Datum wie der folgende Ostertermin oder jener Zeitpunkt genannt, an dem man mit der Silber- und Garkupferproduktion auf der Saigerhütte beginnt. Ein solcher Zeitraum ist ja gerade im Falle der Neugründung einer Gesellschaft notwendig, sei es um den Bau einer Saigerhütte durchzuführen, sei es um ein bestehendes Werk zu er­ werben. Zudem sind in dieser Zeitspanne Verlagsverträge mit den Hüttenmeis­ tern als Produzenten des Rohkupfers im Mansfelder Revier abzuschließen. Dem Nürnberger Privileg von 1464 entsprechend kennen die Gesellschaften des Saigerhandels zwei Arten von Gesellschaftern, und zwar Teilhaber, die nur mit einer Einlage zu Gewinn und Verlust beteiligt sind, und die Prinzipalgesell­ schafter. Letztere begründen ihren rechtlichen Status durch den Abschluss des Gesellschaftsvertrages samt ihrer Namensnennung. Sie allein bestimmen über Geschäftsführung, Rechnungslegung, das Handelszeichen der Gesellschaft sowie Gewinn und Verlust. Die übrigen Teilhaber besitzen keine Einspruchs­ möglichkeiten. Generell sind Beteiligungen zu Gewinn und Verlust selten; man zieht es meistens vor, Depositen zu einem festen Zinssatz aufzunehmen. Nur in der Gesellschaft der Arnstädter Saigerhütte gibt es über längere Zeit solche Teilhaber, deren Rechtsstellung aber eigens geregelt wird. Zu den Pflichten der Gesellschafter gehört ihre Vertragstreue. Das schließt aber Änderungen des Gescllschaftsvertrages keineswegs aus. So verpflichtet der Gesellschaftsvertrag der Hütte Leutenbcrg die Gesellschafter, bei jeder der jährlichen Generalrechnungen die Artikel des Vertrages zu überprüfen, um sie eventuell veränderten wirtschaftlichen Gegebenheiten anzupassen. Die Lud­ wigstädter Gesellschaft sieht sogar ein eigenes Buch vor, in das solche Ände­ rungen des Gesellschaftsvertrages einzutragen und von allen Gesellschaftern zu unterzeichnen sind. Dagegen schließt der Arnstädter Gesellschaftsvertrag von 1537 eine Änderung während seiner Laufzeit aus. Um aber einer schwieri­ gen Situation begegnen zu können, ist eine ergänzende Vertragsauslegung vorgesehen, für die man im Vertrag allgemeine Auslegungsrichtlinien aufstellt. Das entspricht der Übung in den Fernhandelsgesellschaften. Die Pflicht zur Kapitaleinlage steht in den Verträgen im Vordergrund. Alle Einlagen zusammen bilden den Grundstock des Gesellschaftsvermögens und stellen damit jene Grundlage dar, auf welcher Gewinn und Verlust, Haftungshg. von Hans Prescher, Berlin 1955ff., Bd. VIII, S. 601-615, Anm. 601 sowie S. 777-780 mit der Abb. 298f. Zum Ablauf des Schmelzprozesses in einer Saigerhütte findet sich eine anschauliche Darstellung, die auch die Baulichkeiten einbezieht, bei Hanns-Heinz Kasper: Grünthal - Zeu­ gen der Saigerhüttentechnik in Deutschland, in: Der Anschnitt 461 (1994), S. 187-190. Ein Schema bei Eberhard Wächtler / Otfried Wagenbreth: Bergbau im Erzgebirge. Technische Denkmale und Geschichte, Leipzig 1990 verdeutlicht S. 339 oben rechts den Produktionsablauf in der Schmelzhütte.

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quoten, die Höhe der Ansprüche bei Ausscheiden eines Gesellschafters oder bei Auseinandersetzung der Gesellschaft berechnet werden. Während bei den Erstverträgen die Höhe der einzelnen Kapitaleinlagen angegeben wird, ist das bei einer Erneuerung von Verträgen nicht der Fall. Hier wird auf besondere Quittungen oder den zugehörigen Jahresabschluss verwiesen. Uber zusätz­ liche Einlagen befindet ein Beschluss der Gesellschafter mehrheitlich. Kann aber ein Gesellschafter seinen zusätzlichen Anteil nicht tragen, dann müssen seine Mitgesellschafter die fehlende Summe übernehmen. Diese Einlagen müs­ sen aus dem eigenen Vermögen erbracht werden. Aufnahme von fremdem Kapital in Form einer Unterbeteiligung wird ausdrücklich ausgeschlossen. Es sind nur verzinsliche Darlehen, Depositen mit kürzerer oder längerer Laufzeit zugelassen, wobei sich deren Inhaber allen Entscheidungen der Hauptgesell­ schafter zu beugen haben. Derartige Einlagen zählen nicht zum Hauptgut einer Gesellschaft. Gewinnansprüche und Nachschusspflicht werden in den Verträgen der Ge­ sellschaften ausführlich, aber unterschiedlich geregelt. Über ihren Umfang wird jährlich entschieden. Dabei kommt es vor, dass die Gewinne ausbezahlt, aber auch in der Gesellschaft belassen werden. Ähnlich kann ein Nachschuss in barer Form erhoben werden oder von der Einlage der Hauptgesellschafter ab­ gezogen werden. Die im römischen Recht übliche Gewinnverteilung nach Köpfen findet sich nicht. Eine Kapitalentnahme wird ganz selten vorgesehen und bedarf auf jeden Fall der Zustimmung der übrigen Gesellschafter. Den Gesellschaftern und allen Angestellten ist cs verboten, zu Lasten der Gesellschaft Bürgschaften zu übernehmen oder gesellschaftsfremden Personen Darlehen zu gewähren. Wer dieser Verpflichtung zuwiderhandelt, muss das ganze Risiko allein tragen. Ferner sind Geschäfte auf eigene Rechnung verbo­ ten, sofern sie auf Kosten und mit Mitteln der Gesellschaft betrieben werden. Geschieht das doch, müssen die Gewinne an die Gesellschaft abgeführt wer­ den. Die Gesellschafter unterliegen keinem Wettbewerbsverbot und können auf eigene Rechnung Geschäfte betreiben. Es gibt also Gesellschafter, die in der Gesellschaft nur teilweise mitarbeiten oder lediglich Aufsichtsrechte im Rah­ men ihrer Befugnisse zur Geschäftsführung ausüben. Die Pflicht zur Geheimhaltung aller Angelegenheiten des Saigerhandels, insbesondere der Gewinnabrechnung, ist selbstverständlich. Das wird gerade beim Rechnungsabschluss sichtbar, wenn ein Gesellschafter einen beauftragten Vertreter entsendet oder Erben sich durch einen Vormund vertreten lassen; diese müssen sich dann eigens zur Geheimhaltung verpflichten. Die Treuepflicht und das Verbot eigennützigen Verhaltens wird in den Ge­ sellschaftsverträgen besonders stark im Zusammenhang mit Geschäftsführung,

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Die Unternehmensform der Saigerhandelsgesellschaft

Beratungen auf den Versammlungen der Gesellschafter, Schiedsverfahren, Auseinandersetzung der Gesellschaft und der Nachfolge von Erben betont. Als Gegenstück dazu darf die Sorgfaltspflicht gelten, die bei allen Geschäften der Gesellschaft zu beachten ist. Die Grundzüge der Geschäftsführung werden auf dem jährlichen Rech­ nungstag festgelegt. Er findet meistens zu Ostern statt und führt alle Hauptge­ sellschafter bzw. deren Vertreter zusammen, um die Hauptrechnung zu erstel­ len und die Gewinn- und Verlustanteile festzusetzen. Das geschieht auf der Basis der Rechnungen der Faktoren und mitarbeitenden Gesellschafter durch Mehrheitsbeschluss und bei gleichem Rang der Stimmen. Dabei kann eine kol­ legiale Führung des Unternehmens vereinbart sein oder ein Mitgesellschafter erhält beherrschenden Einfluss auf die Geschäftsleitung. Für den laufenden Betrieb der Saigerhütte, die Beschaffung von silberhaltigem Rohkupfer und allen Betriebsmaterialien sowie den Verkauf von Silber und Garkupfer sowie das Wechselgeschäft sind dagegen Faktoren und technische Fachkräfte ange­ stellt. Diese müssen sich bei der Abwicklung der laufenden Geschäfte an die Beschlüsse der letzten Generalversammlung halten und zwischenzeitlich auch Einblick in ihre Bücher gewähren. Wenn allerdings wie im Falle der Lud­ wigstädter Gesellschaft 1537 auch die Grafen von Mansfeld Gesellschafter sind, dann werden diese nur zum Rechnungstag geladen, während über die Geschäftspolitik auf davon getrennten Versammlungen entschieden wird. In den Verträgen wird ferner ein Firmenzeichen festgelegt, mit dem alle Bücher, Briefe, Blei-, Silber- und Garkupferbarren zu markieren sind.14 Des­ gleichen wird ein eigener Name der Gesellschaft vereinbart. In der Regel nimmt man die Namen der geschäftsführenden Gesellschafter mit dem Zusatz bandel und geselschaft. Doch trifft der Gesellschaftsname weder über die Befugnis zur Geschäftsführung noch über Vertretungsmacht eine Aussage; vielmehr ist jeder Gesellschafter zur Vertretung berechtigt, kann also die Ge­ sellschaft verpflichten oder Rechte für sie erwerben. Diese Vertretungsmacht ist umfassend und enthält u. a. das Recht, Forderungen einzuziehen, Zahlun­ gen entgegenzunehmen, Wechsel auszustellen und einzulösen, Geschäfte abzu­ schließen und die Gesellschaft vor Gericht zu vertreten. Das gilt auch für die Handlungsdiener der Gesellschaft. Zu allen diesen einzelnen Geschäftsakten bedarf es keiner besonderen Zustimmung der übrigen Gesellschafter. 14 Die Handelszeichen der Gesellschaften der Saigerhütte Leutenberg von 1526, der Saigerhütte Ludwigstadt von 1536, der Saigerhütte Steinach von 1557 und der vereinigten Saigerhütten Eisfeld und Steinach 1559 werden gebracht bei Ekkehard Westermann: Die Bergfreiheit Silbach und ihre überregionalen Beziehungen um die Mitte des 16. Jahrhunderts. Zum .mansfeldischen Intermezzo“ im westfälischen Bleibergbau 1558 bis 1562, in: SüdWestfalen Archiv 9 (2009), S. 83-110, hier S. 103.

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Für Schulden der Gesellschaft haften die Gesellschafter, ausgehend vom Nürnberger Privileg von 1464, persönlich, solidarisch und unbeschränkt; die Teilhaber hingegen nur in Höhe ihrer Einlage. Zum Vermögen der Gesellschaft rechnen die Verträge die Kapitaleinlagen der Gesellschafter, das Anlagevermögen, zu dem die Grundstücke, Wohn­ gebäude, Lagerräume, Saigerhütten und sonstigen technischen Anlagen gehö­ ren, die Vorräte an Rohkupfer, Blei, Silber und Garkupfer und schließlich den jährlich erwirtschafteten Gewinn. Die Rechtsform dieses Sondereigentums der Gesellschaft kann nur mittel­ bar erschlossen werden. Da die Verträge der Gesellschaften der Saigerhütten zu Schwarza, Leutenberg und Grünthal15 den Gesellschaftern vor Vertragsende keine Möglichkeit einräumen, über ihren Gesellschaftsanteil zu verfügen und aus der Gesellschaft auszuscheiden, haben wir wohl eine Gesamthandels­ gemeinschaft vor uns. Die Regelungen in den Verträgen der Arnstädter, Lud­ wigstädter und Steinacher Gesellschaft hingegen deuten auf eine Bruchteils­ gemeinschaft hin. Die Mitglieder können nämlich bei wirtschaftlicher Notlage ihre Anteile auf Mitgesellschafter oder eine Person aus ihrer Verwandtschaft übertragen, wozu allerdings die Zustimmung der übrigen Gesellschafter erfor­ derlich ist. Der Bestand der Gesellschaft kann dann durch neue Mitglieder erhöht wer­ den, wenn alle Gesellschafter einverstanden sind. Aus der Gesellschaft ausscheiden dagegen kann man in der Regel wie im Falle der Leutenberger oder Schwarzaer Gesellschaft nur bei Ablauf des Vertrages. Die Gesellschafter der Arnstädter, Ludwigstädterund Steinacher Saigerhütte können durch außer­ ordentliche Kündigung austreten und sich abfinden lassen. Bei Tod eines Ge­ sellschafters tritt ein Vormund der Erben oder der tauglichste aus deren Kreis an dessen Stelle. Doch behalten sich die übrigen Gesellschafter meistens vor, ob sie so verfahren wollen oder eine Abfindung vorziehen. Doch können gemäß der Stadtreformationen Nürnbergs und Frankfurts am Main auch die Erben die Abfindung verlangen. Die Auflösung der Gesellschaft können ihre Mitglieder am Ende der Ver­ tragszeit oder aus besonderen, dann in den Verträgen eigens genannten Grün­ den beschließen. Sieht man vom Konkurs ab, dann ist ein solcher Fall die Ausnahme. Die zur Auflösung notwendige Auseinandersetzung beginnt immer mit einer Schlussrechnung. Sind die Gesellschaftsschulden beglichen, werden Barschaft und Waren entsprechend den Hauptgütern verteilt. Das 13 Die Gesellschaft der Saigerhütte wurde 1537 von Hans Leonhardt gegründet, ein Jahr später wurde Caspar Nützel Teilhaber und anschließend noch der Augsburger Georg Österreicher, siehe Hanns-Heinz Kasper: Von der Saigerhütte zum Kupferhammer Grünthal 1537-1873, Olbernhau-Grünthal 1994, S. 15-22.

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Anlagevermögen wird entweder von einzelnen Gesellschaftern übernommen, um das Unternehmen fortzuführen, oder verkauft und der Verkaufserlös je nach Einlage verteilt. Bei Streitigkeiten unter den Gesellschaftern sind in den Verträgen unter­ schiedliche, gestaffelte Schiedsvereinbarungen getroffen, die alle darauf abzie­ len, die internen Auseinandersetzungen nicht nach außen dringen zu lassen. Scheitert eine gütliche Einigung, folgt eine Schiedsverhandlung gewählter Vertrauensleute beider Seiten, die zunächst aus dem Kreis unbeteiligter Mit­ gesellschafter, später dann anderer sachkundiger Händler kommen. Die strei­ tenden Parteien müssen sich dem Schiedsspruch beugen und dürfen ihn nach dem Gesellschaftsvertrag auch nicht vor Gericht anfechten.16 Fasst man die Strukturmerkmale der Saigerhandelsgesellschaften zusam­ men, dann stellen sie in ihrer Summe eine Variante der Gesellschaften des Warenfernhandels dar. „Ihre Gesellschafter sind überwiegend Kaufleute und aufgrund des Gesellschaftsvertrages wie jene in den Fernhandelsgesellschaften verpflichtet, Kapitalbciträge zu leisten, die Geschäfte zu führen und in der Gesellschaft mitzuarbeiten, Geschäftsgeheimnisse zu wahren, keine Bürg­ schaften zu übernehmen oder aus dem Gesellschaftsvermögen zu gewähren, schließlich an den Gesellschaftsversammlungen teilzunehmen oder sich dort vertreten zu lassen. Sie müssen für die Verluste aufkommen und haften für Gesellschaftsschulden solidarisch und unbeschränkt. Im Rahmen des Gesell­ schaftsverhältnisses unterliegen sie einer besonderen Treubindung.“ 17Die Be­ sonderheiten gehen aus dem Zweck der Gesellschaft hervor. Die Saigerhändler beschränken sich auf die Beschaffung des silberhaltigen Rohkupfers vorrangig aus dem Mansfelder Revier mit Hilfe von Messwechseln, die Beschaffung von Blei für die Schmelzvorgänge auf den Saigerhütten am Thüringer Wald und den Vertrieb des dort gewonnenen Silbers und Garkupfers. Wegen dieser Konzen­ tration brauchen sich die Saigerhändler keinem Wettbewerbsverbot zu unter­ werfen. Sie beteiligen sich daher an mehreren Saigerhandelsgesellschaften, tei­ len ihre Arbeitskraft je nach Interessenlage auf und können daneben noch selbständig Warenhandel treiben.18 In keinem Fall verlieren sie ihren Einfluss 16 Vgl. dazu den Vertrag der Gesellschaft der Saigerhütte zu Hasenthal von 1501 im Anhang und die Schiedsverhandlungen ab 1511 bei Westermann: Garkupfer (wie Anm. 5), S. 282f. 17 Kämmerer: Unternehmensrecht (wie Anm. 9), S. 303f. Is Am 9. September 1519 erhielten Hans Nützel und seine Gesellschafter Jakob Welser, Christoph Scheurl, Anthon Oheim und andere von Hans Pflug von Rabenstein, dem Herrn der Herr­ schaft Petschau, eine Reihe von Privilegien für ihre Engagements im Berg- und Hüttenwesen. 1522 vereinigten sich Hans Nützel, Jakob Welser, Bartholomäus Welser und Valentin Mötsch aus Prag, um zusammen den Zinnkauf von Graupen zu verlegen. Kurz danach begann man unter der Führung von Jakob Welser mit Investitionen in Schlaggenwald, mit denen u.a. der 1528 eröffnete sog. Gesellschaftsstollen finanziert wurde. Jakob Welser, von 1524 bis 1534 Mit­ glied der Gesellschaft der Saigerhütte Leutenberg, war also stark im Zinngeschäft und -handel

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auf die Geschäftspolitik der Saigerhandelsunternehmung, da sie auf den jähr­ lichen Rechnungstagen oder sogar eigenen Treffen ihre Vorstellungen geltend machen können. Einige Gesellschaften verschaffen ihren Mitgliedern zusätzlich die Möglich­ keit, über ihre Vermögens- und Gesellschaftsanteile frei verfügen zu können, wobei sie allerdings auf Mitgesellschafter oder Verwandte als Käufer be­ schränkt sind. Einerseits kann man damit jederzeit aus einem unrentabel ge­ wordenen Unternehmen ausscheiden, und andererseits verhindert man ange­ sichts hoher Sachinvestitionen eine Auflösung der Gesellschaft mit Verlust. In diesem Sinne suchen alle Gesellschaftsverträge das Fortbestehen des Unterneh­ mens auf längere Dauer zu sichern und ermöglichen gerade deswegen einen Wechsel von Gesellschaftern. In die gleiche Richtung wirkt der Auftrag, auf den jährlichen Treffen alle Vereinbarungen des Gesellschaftsvertrages zu prü­ fen und neuen wirtschaftlichen Gegebenheiten anzupassen. Das muss man also keineswegs mit Clemens Bauer als Ansatz zur Entwicklung der Kapitalgesell­ schaft“ deuten, sondern hier liegt eine wenn auch sehr bedeutsame Sonderform der frühneuzeitlichen Unternehmung im Sektor von Metallproduktion und -handel vor.19 So zählen die mindestens sechs Saigerhandelsgesellschaften zwi­ schen 1526 und 1536 mit je 80.000 bis 120.000 fl Gesellschaftskapital zu den größten oberdeutschen Unternehmen der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Entsprechend belief sich 1532/33 das von ihnen aufzubringende Betriebskapi­ tal für die Mansfelder Rohkupferproduktion auf mindestens 380.000 fl.20 Angesichts dieses Befundes kann man die Regel formulieren: Je höher die Anlagcinvestitionen und mit ihnen der Kapitaleinsatz, desto genauer, differen­ zierter und beweglicher sind die rechtlichen Instrumente des Gesellschaftsver­ trages. Über die schon nachgewiesene Bedeutung der Gesellschaften der Thü­ ringer Saigerhütten für die europäische Silber- und Garkupfererzeugung samt dem damit verknüpften Wechselgeschäft hinaus muss man also auch der recht­ lichen Gestalt dieser Unternehmung einen hohen Rang zuerkennen. engagiert, siehe Helmut Freiherr Haller von Hallerstein: Nürnberger Unternehmer im Bergbau und Zinnhandel zu Schlaggcnwald, in: Scripta Mercaturae 9 (1975), S. 41-70, hier S. 42; Peter Wolf, Zinngewinnung, Zinnhandel und Zinnverarbeitung, in: Helmut Wolf, Der seidige Glanz. Zinn in Ostbayern und Böhmen, Theuern 2001, S. 43-63, hier S. 47. - Bartholomäus Welser ist ab Ende 1525 mit 5.103 fl, Gregor Schütz mit 2.500 fl und Hieronymus Walther mit 1.134 fl Einlage an der Gesellschaft der Saigerhütte zu Chemnitz beteiligt, Ekkehard Westermann: Garkupfer (wie Anm. 5), S. 115, 118f.; Adolf Laube: Studien über den erzgebirgischen Silber­ bergbau von 1470 bis 1546, Berlin 1976, S. 141 f.; Walter Großhaupt: Bergbau der Welser in Übersee, in: Scripta Mercaturae 25 (1991), S. 125-177, hier 126-128. 1) Clemens Bauer: Unternehmung und Unternehmungsform im Spätmittelalter und in der begin­ nenden Neuzeit, Jena 1936, S. 38f., 61f., 73f., 86; Kammer: Unternehmensrecht (wie Anm. 9), S. 305-308. 2u Westermann: Garkupfer (wie Anm . 5), S. 62, 152-158.

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II. Nach wie vor ist die Geschichte der Saigerhütten, der sie tragenden Gesell­ schaften und deren Teilhaber von ihren Anfängen bis zum Beginn des 16. Jahr­ hunderts ungenügend erforscht. Daher konnte hier nur der augenblickliche Forschungsstand vorgestellt werden. Aus ihm ergeben sich aber zugleich auch Forschungsaufgaben, denen zum Schluss die Aufmerksamkeit gelten soll. Während man für die seit 1419 in Nürnberg nachgewiesene städtische Schmelzhütte Erfindung und Anwendung des Saigerverfahrens noch bestrei­ ten mag, deutet die Gründung von sechs Schmelzwerken dieser Art nach 1450 auf dessen Nutzung in größeren Betrieben hin.21 Da nun während des ersten Markgrafenkrieges erhebliche Teile der Wälder um Nürnberg niedergebrannt worden waren, traf die dadurch verursachte Mangelsituation für FIolz mit dem Wiederaufbau zerstörter Gebäude und dem zusätzlichen Flolzbedarf der neuen Schmelzwerke zusammen. Der Rat der Stadt erließ daraufhin 1461 eine rigide städtische Schmelzordnung, nach der nur noch die Verhüttung von höchstens 500 Ztr. Kupfererzen im Jahr gestattet war. Trotz heftiger Wider­ stände der Hüttenherren setzte der Rat die Stilllegung dieser Werke bis 1469 durch. Das zeitigte zwei Wirkungen: die Gründung von Saigerhütten am Thü­ ringer Wald ab 1461 und die Erwirkung des Privilegs von 1464 für Nürnberg. Zu einem wesentlichen Teil getragen vom gleichen Personenkreis werden am Thüringer Wald die Saigerhütten zu Schicusingen 1461, zu Gräfenthal und Hohenkirchen 1462, zu Steinach 1464, zu Schwarza 1472 und zu Eisfeld 1479 gebaut. Erstmals erwähnt werden die Saigerhütten zu Arnstadt 1467, zu Lud­ wigstadt 1486 und zu Hasenthal 1488. Dieser Gründungswelle gehören auch die Schmelzwerke zu Enzendorf von 1466 und die zu Chemnitz von 1471 an.22 Um 1460 sind gleichfalls gesellschaftsinterne Streitigkeiten unter Nürnberger Saigerhändlern überliefert, bei denen sogar eine Appellation an den kaiserlichen Hof gerichtet wurde.23 Die städtische Schmelzordnung von 1461 und ihre Verschärfungen bis 1469 dürfte derartige Gegensätze unter den Saigerhändlern bis hin zu gerichtlichem Aus­ trag verstärkt haben. Genau auf eine solche Lage nämlich nimmt das Privileg von 1464 als ,lex specialis“ Bezug, weil es eine Appellations-, Haftungs- und

1 Lothar Suhling: Der Saigerhüttenprozeß, Stuttgart 1976, S. 51-75. 22 Westermann: Garkupfer (wie Anm. 5), S. 96f., 176-185, 266-283; Wolfgang von Stromer: Gewerbereviere und Protoindustrien in Spätmittelalter und Frühneuzeit, in: Hans Pohl (Hg.): Gewerbe- und Industrielandschaften vom Spätmittelalter bis ins 20. Jahrhundert (VSWG, Bei­ heft 78), Stuttgart 1986, S. 91-98. 23 Westermann: Garkupfer (wie Anm. 5), S. 183f. mit Anm. 24.

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Vormundschaftsfrage normierte.24 Damit aber wäre dieses Privileg jenem Pro­ blem zuzuordnen, das aus der Kapitalintensität von Metallproduktion und -handel in bisher unbekannter Dimension entstanden und nicht mehr mit den bis dahin gültigen Rechtsformen der Unternehmung zu lösen war. Die Initia­ tive dazu ging vom Rat der Stadt Nürnberg aus, der unbedingt die städtische Gerichtshoheit gewahrt sehen wollte. Die hier vorgeführten Überlegungen zur Entstehung des Nürnberger Privi­ legs von 1464 erscheinen sachlogisch haltbar, bedürfen aber dringend der Prü­ fung. Dass diese aus Sicht der Entstehung und Verbreitung von Schmelzwer­ ken in und um Nürnberg sowie deren Verdrängung zwischen 1461 und 1469 erfolgen muss, liegt auf der Hand. Dabei kann es auch nicht nur um die Posi­ tion des Rates gehen, sondern man muss auch die mögliche Einschaltung der Markgrafen von Ansbach und des kaiserlichen Hofes durch einzelne Saiger­ händler in Erwägung ziehen. Obwohl der erste Prozess Arzt/Gossembrot ge­ gen Paumgartner 1453 beendet war und der zweite Prozess von 1466 bis 1469 dauerte, sollte man ihn ebenfalls in die Analyse einbeziehen25, obwohl bisher keine Bezugnahme auf die Auseinandersetzungen unter den Saigerhändlern erkennbar ist. Auch wenn dabei enge Beziehungen zwischen der Entstehung des Privilegs von 1464 und der Lage der Schmelzwerke bei Nürnberg nachgewiesen werden sollten, sagt das noch nicht viel über die Rechtsgestalt jener Gesellschaften aus, welche ab 1461 Saigerhütten am Thüringer Wald betreiben. Die Analyse der Gesellschaftsverträge der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts hat ja eine Reihe von Varianten aufgewiesen, die es sicherlich auch schon vorher gegeben haben dürfte. Zudem muss man mit Änderungen in den verschiedenen Gesellschafts­ verträgen von Jahr zu Jahr rechnen. Für die Finanzierung der Hüttenmeister zu Eisleben, Mansfeld und Hettstedt als Produzenten des Mansfelder silberhaltigen Rohkupfers durch Auf­ nahme baren Geldes auf den Messen zu Leipzig und Naumburg gegen Wechsel liegen für das 15. Jahrhundert bisher keine Zeugnisse vor. Den Rückschluss vom 16. Jahrhundert auf einen gleichartigen Zustand in den davor liegenden Jahrzehnten allein auf die Erwähnung von Saigerhütten und Saigerhändlern zu gründen, ist und bleibt unbefriedigend. Vor 1473 ist der Nürnberger Hans Salfelder Gesellschafter des Schmelzhan­ dels von Stefan Tänzl am Falkenstein bei Schwaz, an dem auch der Nürnberger Klaus Schlosser beteiligt ist. Dieser hat zusammen mit Peter Rummel aus Nürnberg, für den enge Kontakte zur Arnstädter Saigerhütte nachgewiesen 24 Bauer: Unternehmung (wie Anm. 19), S. 127-129, 168-170; Lutz: Rechtliche Struktur (wie Anm. 10), S. 72. 2:) Lutz: Rechtliche Struktur (wie Anm. 10), S. 141-153.

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sind, nach 1480 eine neue Methode zur Verhüttung des Schwazer Fahlerzes entwickelt, wobei es sich wohl um den Durchbruch zum Tiroler Abdarr­ verfahren handelt.26 An diesem Fall könnten eventuell Wechselbeziehungen zwischen technischer Neuerung, Kapitalausstattung und Rechtsgestalt der Unternehmung aufgewiesen werden, welche trotz einer ähnlichen Kuppelpro­ duktion wegen andersgearteter Technik bedeutsame Unterschiede zur den Thüringer Saigerhandelsgesellschaften markieren könnten. Den oben beschriebenen Forschungsstand hat am radikalsten Marian Skladany kritisiert.27 Er lässt die großbetriebliche Anwendung des Saigerverfahrens nur für das Chemnitzer Werk 1471, die Hohenkirchener Hütte der Firma Fug­ ger 1495 und die Arnstädter Anlage von 1502 gelten. Konsequent meint er, dass das Nürnberger Vorspiel im sechsten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts keines­ falls bedeuten muss, dass alle neu entstandenen Schmelzwerke am Thüringer Wald Saigerhütten gewesen sein müssen. Dem sind aber die seit 1450 verstärkt in den Quellen auftauchenden Bezeichnungen ,Saigerkupfer‘2S oder ,Eisleber Kupfer“29 entgegenzuhalten, die sich ganz offensichtlich auf das aus den Saiger­ hütten stammende Garkupfer beziehen. Da dieses Kupfer wegen seiner Rein­ heit besonders gut für den Messingguss geeignet war, sollten insbesondere die Nürnberger Messsinggewerbe als Abnehmer sofort mit in entsprechende Ana­ lysen einbezogen werden.30 Ferner wird dem Erfurter Münzmeister Johannes Funcke 1451 ein Geleitbrief erteilt, in dem ausdrücklich auf seine Kunst, das Silber von Kupfer zu scheiden, hingewiesen wird.31 Auch wenn also noch keine 26 Suhling: Saigerhüttenprozeß (wie Anm. 19), S. 66-70; Ekkehard Westermann: Zu den verwandtschaftlichen und geschäftlichen Beziehungen der Praun, Freier und Mulich von Nürnberg, Erfurt und Lübeck in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, in: Hochfinanz, Wirtschaftsräume, Innovationen. Festschrift für Wolfgang von Stromer, Trier 1987, Bd. I., S. 521-540, hierS. 527f. 7 Marian Skladany: Der Anteil des slowakischen Kupferwesens an der Vervollkommnung der Technologie der Verhüttung von Kupfer im 15. Jahrhundert, in: Studia historica slovaca XV (1986), S. 9-45, hier S. 14-25, 39f. 2S Bedenken zum eindeutigen Zusammenhang zwischen ,Saigkupfer‘ und Saigerverfahren bei Suhling: Saigerhüttenprozeß (wie Anm. 19), S. 59f. 2> Zum ,Eisleber“ Kupfer Anfang des 14. und Mitte des 15. Jahrhunderts in Norddeutschland Westermann: Garkupfer (wie Anm. 5), S. 37 mit Anm. 100. 30 Dieter Rübsamen (Hg.): Das Briefeingangsregister des Nürnberger Rates für die Jahre 1449 bis 1457, Sigmaringen 1997, bietet zu den später im Saigerhandcl nachweisbaren Kaufleuten Groland, Froler, Tetzel, Meichsner, Muggenhofer, Pfinzing, Munter, Hans von Moren, Preutigam, Rummel und Haller verschiedene Informationen. Es werden ferner eine Reihe von Handwer­ kern der Messingbranche genannt. Diese Nachweise konnten aus Unkenntnis der betreffenden frühen Zusammenhänge nicht berücksichtigt werden bei Ekkehard Westermann: Zur Erfor­ schung der frühen Neuzeit als Messingzeit, in: MVGN 101 (2014), S. 115-143. 31 Paul Bamberg: Die Münzmeister Funcke, in: Blätter für Münzfreunde 18 (1930-1933), S. 613— 619, hier S. 616. Sächsisches Staatsarchiv, HStA Dresden, 10001 Altere Urkunden, 7215 sowie 10003 Diplomatarien und Abschriften, Kapsel 107, Nr. 10.

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technologisch befriedigenden Zeugnisse über die auf diesen Werken geübten Schmelzverfahren aus diesen Jahrzehnten vorliegen, spricht einiges dafür, dass hier mindestens Frühformen des Saigerverfahrens geübt wurden. Die bisher vorgebrachten Einwände und offenen Fragen werden sich nur in den bisher vorgestellten Zusammenhängen klären und beantworten lassen. Es müssen alle erreichbaren Nachrichten über die Schmelzwerke in und um Nürnberg sowie am Thüringer Wald gesammelt werden; denn nur so lassen sich eindeutigere Aussagen über die Größe der einzelnen Betriebe, ihre tech­ nische Ausstattung, ihre technischen Angestellten und ihre Gesellschafter ge­ winnen. Ferner lassen sich so an ehesten Informationen über Kapitalbedarf, -ausstattung und -Sicherung sowie die zugehörige Unternehmensform gewin­ nen. In diesem Zusammenhang sind Appellationen und Klagen bei den ver­ schiedenen Gerichtsständen, das Privileg von 1464 und die Nürnberger Stadt­ reformation erneut zu analysieren. Erst dann wird sich ein genaueres Bild von der Rechtsform der Gesellschaften der Saigerhütten und anderer Schmelz­ werke ergeben, als es bis jetzt existiert. Anhang I: Abschrift des Gesellschaftsvertrages der Saigerhütte Hasenthal von 150132

Wyr nach benannten mit Namen Hans von Leymbach, dye zeyt landtrcntmeyster, und Anna, Ulrich Meyers szeligen nachgelassne witwe, Wolf Meyer, derselben Son für mich und andere meyne geschwystere, bekennen offenlich vor uns und alle unszere Erben mit dyszem bryf, das wyr uns eyntrechtiglich mit guttem wyllen eyner frundthchen geßellschaft der hantirung und gewerbe des huttenhandeis, Schmeißens und Sylber scheydens in und auf unserer Schmelßhutte bey Greffentall ym Haßental gelegen, doran dann dy helfte mit sampt allen gebeuden, gründen, werkzeugk und andern iren rechten zu zugehorungen in derßelben hutten; Auch zu holtze und felde und ßunst mit aller und yder ßeyner zugehorunge, meyn obgenannten Hansen von Leympachs dye andere helfte, unßcr ognenannter Ulrich Meyers seligen nachgelaßnen wytwe und erben. Ist mit aller solcher obgemclter zugehorungen und gerechtigkeit, so wir dann als von dem Edlen Herrn Sebastian von Pappenheim, des Heyligen Römischen Rcyches Erbmarschalk, zu lehen haben, uff eyn newes nach abgangk gemeltes Ulrich Meyers seligen miteinander guttlichen vor­ pflicht und vortragen haben: Nemlich acht Jahre, so negst nach Dato diss Bryffs volgen werden. Also das wyr solchen handel miteinander getreulichen üben und treyben und dorzu des vorgemelten handeis halben keinander rothen und fordern. 32 Sächsisches Staatsarchiv, HStA Dresden, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 4510/04, fol. 31 r-33v.

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Uns keyn teyl sali ane wysscn und wyllen des andern nymandt yn unsere gesellschaft nehmen. Keyn teyl sali auch dy itzt genanten Jar mit nymandc anders des gleychen Smeltzens, Seygerns und huttenhandeis eyniche gesell­ schaft haben. Auch zu solchem handel nymandt, doraus uns, unserm handel eynicher schaden erwachsen mochte, wyder Ratforderung, hylfe noch beystandt thuen. Sündern wyr sollen und wollen in dieser unser geselschaft des huttenhandeis unser aller Nutz und fromen eyner kegen den andern und auch sustent allenthalben, do es noth ist, redelich und erbarlich werben und fordern und der geselischaft schaden, so fern er kann und magk, ungeferlichen Vorkom­ men. Und nemlich so hat unser itzlicher in sulchen huttenhandel und gewerbe, das seyn eygen geldt ist. Zum ersten Ich, Hans von Leympach gülden und wyr Ulrich Meyers seligen nachgelaßne wytwe und erben gülden, alles Reynische landeswerunge, hauptgutes an Küpper, Bley, Schulden und anderen, zu solchem handel gehörende. Wyr sollen und wollen auch eynen gemeynen knecht bestellen und halden, der uns uff unser anzeygunge kupper und andere unser notdurft, zu dem handel gehörende, sich an den enden, da es zu bekomen ist, kaufen, enthalden und schicken. Desgleichen uff dem Hüttenwerke eyn knecht zum halden, dy uns solchen unsere handel getrewlich aufzerichten und was notdurftigligk yst anschicken und bestellen. Und solche knechte sal unser keyner ane wissen und wyllen des andern macht haben, aufzunehmen noch zu enturlauben. Desgleichen sali es mit eynem factor zu Nurmberg gehalten wer­ den. Es sali auch unser keyner aus solcher unser geselschaft ichts nehmen, lyhen, noch keyn fremde geldt von nymandt ane des andern wyssen und wyllen zu sich nehmen ader haben. Von wem aber das geschege, sali demselben an seinem haubtgute abegehen und ane gewynn gehalden und keyner dorauf gerechent werden. Sündern welcher under uns geldes notdurftigk, dy summa zu erefullen ader heraus zu nehmen, sali er andern anbytten. Wo er dasselbe nicht haben wyll ader vormagk, so magk er alsdann mit wyssen von andern geldt nehmen und sunst nicht. Wyr sollen und wollen auch in solcher zeyt alle Jahre eyns ungeferlich umb mittefasten Rechnungk des handeis halten uff der gemelten unser hütten, von allen eynnehmen und ausgeben, kosten und darlegungen unsers handeis. Erfindt sich dann in solcher Rechnungen gewynn, derselbige sali unserm yden noch anzale seins haubtguts in eynem halben Jahre darnach ungeferlich uff seine quitirungen hinausgegeben werden. Und opp unser eyner ader seyne erben seyne teyl und gerechtigkeit an gemelter hutten und gesellschaft vorkaufen woldt, der sali das dem andern teyl zuvor anbytten und den vorkauf doran zustehen lassen; solches bezalen als tewer als eyn ander. Op auch eyn teyl zu mytler zeyt und vor ausgangk der acht Jar solcher unsrer vorpflichtunge und vorschryben gesellschaft myt tode

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abgehen wurde, so sollen desselben erben dye dyselbigen zeyt vollent aus in solcher unser gesellschaft und demselbigen unsern handel seyn und bleyben in maßen, er selbst solt gethan haben, so er als lange yn leben blyben were und auch derhalben als das an seines Stadt vorpflicht und verbunden seyn, das der oben verstorben verbunden und verpflicht gewesen ist. Und wann dann solche Jahre der gemelten unser gesellschaft und handeis aus seint und wyr nicht lenger in solchem handel beyeinander bleyben wollen, ader uns derhalben weyter nicht vortragen mochten, so sollen und wollen wyr dann alle dyngk des bestympten unsers handeis entlieh miteynander abrichten. Auch die hutte mit allem gebewde, werkgzeugk, schulden, woh wyr dy haben, und alles anders, so zu solchem handel gehört und dorynne und deshalb vor­ handen ist, nach zimhehen, byllichen dyngen anschlagen und sali unser yedem, als dann an dem uff syne anzale des hauptguts, dy zeyt ym handel habende, do von uff notdurftigk quitirunge volgen und werden. Und op wyr yn dem ader eynicherley andern dyser unser gesellschaft Sachen spennigk und irrigk wurden, in welchem stucke das geschehe und uns selbest der under einander nicht voreynigen mochten, so sal eyn yeder teyl als denn zum förderlichsten zwene unvordechtige mann darzuo kyesen, uns deßhalben uff gnugliche vorhorung guttlich zu entscheyden. Op uns aber dyseiben man, sich uns zu entscheyden, nicht vortragen, so sollen sy alsdann und dornach in eynem rnonadt den negsten unparteylichen Obmann, der hendel vorstendigk, kyesen und nehmen. Derselb Obmann sali alsdann mit seynem guttlichen Spruche eynen zufall thuen und ein merers machen. Und was durch dy man eynheldyglich ader durch den Zufall thun und ein merers machen und was durch dy man eynheldigklich ader durch den Zufall des Obmanns in der gutthe entscheyden und gesprochen wyrdt, das sollen und wollen wyr, so oft es ge­ schieht ader noch nicht ist, annehmen und ane Weigerungen und anzoge volge thun und darbey bleyben lassen alles getreulich und ane geferde. Das alles zu urkundt, warer, stether und ufrechter haldungen, hab Ich, ge­ nanter Hans von Leympach, meyn Insygel und Ich Wolf Meyer uff bethe Frauen Annen, meyner lyben mutter, für sye und mich und andere meyne geschwystere meynes Vatters Insygel zu des genannten meynes Swagers33 Sygel wyssentlich an dyssen bryff gehangen. Der geben ist am Montagk nach Can­ tate nach Christi unsers lyben Herrn geburth Tausent fünfhundert und ym ersten Jahre.

33 Heinrich/Heinz Meurer, Bürger von Eisenach, ist der Schwiegersohn Anna Meyers. Sein Bruder Hans Meurer ist Nürnberger Bürger: Gerhard Fischer: Aus zwei Jahrhunderten Leipziger Handelsgeschichte 1470-1650, Leipzig 1929, S. 129f, 132.

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Anhang II: Kaufleute, die sich in einer oder mehreren Gesellschaften des Saigerhan­ dels sowie weiteren Handelsgesellschaften engagiert haben Von 1524 bis 1534 ist Jakob Welser führender Teilhaber in der Gesellschaft der Saigerhütte Leutenberg. 1524 hat er eine Einlage von 13.000 fl (von 70.000 fl), 1526 von 19.900 fl (von 91.000 fl), 1527 23.880 fl (von 108.380 fl) und 1532 23.880 fl (von 120.710 fl).34 1513 kauften die Augsburger Welser als Verleger Zinn in Graupen (Krupka), wobei Jakob Welser anscheinend der Einkäufer war.35 Das geschah offensicht­ lich für die Firma Anton Welser & Konrad Vöhlin, denn schon Anfang 1499 wird Graupener Zinn unter ihren Waren genannt.36 Am 9. September 1519 verlieh Hans Pflug von Rabenstein in seiner ihm seit 1495 unterstehenden Herrschaft Petschau Hans Nützel und seinen Mitgesellschaftem Jakob Welser, Christoph Scheurl, Anthon Ohem u. a. eine Reihe von Privilegien. Sie ver­ pflichteten sich, den Bau eines Stollens zu beginnen. Dieser, Gesellschaftsstol­ len genannt, wurde 1528 vollendet und bedeutete für den Erzbergbau in Schlaggenwald wegen der nun wesentlich günstigen Abführung des Wassers aus dem Berg eine große Erleichterung. Die dafür der Gesellschaft überlasse­ nen Kuxe sowie weitgehenden Ausbeutungsrechte brachten Silber- und Zinn­ erze in die Hand der Gesellschaft.37 Schon 1522 hatten sich Hans Nützel, Jakob Welser, Bartholomäus Welser aus Augsburg und Valentin Mötsch aus Prag zu einer Zinnhandelsgesellschaft zusammen geschlossen, um die Zinnproduktion zu Graupen zu verlegen. Ob­ wohl sich Jakob Welser nach seinem Ausscheiden aus der Firma Anton Welser & Vöhlin in Nürnberg 1517 selbständig machte, blieben die geschäftlichen Beziehungen zu Bartholomäus Welser aus Augsburg bei der Beschaffung von Zinn bestehen, während der Handel mit Joachimsthaler Silber in der Hand von Jakob Welser lag. Die hier sichtbar gewordene Zusammenarbeit lässt sich durch einen weiteren Vertrag vom 25.9.1539 zwischen Caspar Pflug und Hans Schnöd belegen. Letzterer vertrat die Interessen seiner Gewerkschaft, in der 34 Möllenberg: Die Eroberung des Weltmarkts durch das mansfeldische Kupfer, Gotha 1911, S. 25. 35 Siegfried Sieber: Der böhmische Zinnbergbau in seinen Beziehungen zum sächsischen Zinn­ bergbau, in: Bohemia 5, 1964, S. 137-160, hier S. 157. 36 Peter Geffcken und Mark Häberlein (Hrsg.): Rechnungsfragmente der Augsburger WelserGesellschaft (1496-1551). Oberdeutscher Fernhandel am Beginn der neuzeitlichen Weltwirt­ schaft (Deutsche Handelsakten des Mittelalters und der Neuzeit Band XXII), Stuttgart 2014, S. 15. Auf dieses ältere Geschäft könnte sich 1519 der Ausdruck „zinncompani“ beziehen: ebenda S. 93 (723). 37 Johann M. von Welser: Die Welser. 2. Band: Urkunden und Exkurse, Register, Nürnberg 1917, S. 56-58.

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sich Dr. Christoph Scheurl, Jacob Welser d.Ä., Sigmund Fürer38, Sebastian Welser und Caspar Nützel zusammengefunden hatten, um noch einen tiefer gelegenen Stollen (Caspar-Pflug-Stollen genannt) zur Abführung des Wassers aus dem Berg anzulegen, der nach elf Jahren in Betrieb ging.39 Jakob Welser ist also von 1524 bis 1534 Prinzipalgesellschafter der Gesellschaft der Saigerhütte Leutenberg. Er ist ferner in zwei Firmen des Flandels mit böhmischem Zinn engagiert und betreibt zugleich Warenfernhandel. Heinz/Heinrich Scherl ist von 1524 bis 1536 Mitglied der Leutenberger Gesellschaft. Er hatte 1524 eine Einlage von 10.000 fl, 1526 von 13.000 fl, 1527 von 19.200 fl und 1532 von 19.200 fl.40 Als er 1536 ausgeschieden war, kauf­ ten er, Hieronymus Lotter, Wilhelm Reiffenstein und Hans Lotter Ende November 1536 die Saigerhütte Ludwigstadt.41 Sie begründeten eine neue Gesellschaft der Saigerhütte Ludwigstadt, die vorläufig auf eine Dauer von 20 Jahren angelegt sein sollte.42 Parallel dazu schloss Graf Botho zu Stolberg (1467-1538) am 4. Mai 1536 mit den Leipziger Bürgern Heinrich Scherl (14751548) und Hieronymus Lotter (1497-1580) und ihren Mitgesellschaftern der Saigerhütte zu Ludwigstadt einen Vertrag ab. An dieser Gesellschaft ist auch Martin Pfinzing d. J. beteiligt, der mit Katharina Scherl, einer Tochter Hein­ rich Scherls, verheiratet ist und seit 1543 Faktor des Pfinzing'schen Geschäfts in Leipzig ist.43 Den Gesellschaftern wird gestattet, bei llsenburg eine neue Saigerhütte samt einem Kupferhammer zu errichten. Beide Anlagen werden mit mehreren Freiheiten begabt.44 Das Ende der Ludwigstädter Gesellschaft kam mit dem Schmalkaldischen Krieg und den Auseinandersetzungen insbe­ sondere mit Graf Albrecht von Mansfeld. Mit dem Tode Heinrich Scherls am 21. September 1548 blieben die Regelungen der finanziellen Fragen noch offen und den Erben überlassen. Außer seinem Engagement im Saigerhandel ist Heinrich Scherl seit 1508 Mitglied der Kramerinnung, deren Mitglieder das Recht hatten, alle Waren, die der Großhandel anliefern konnte wie Spezereien, also Gewürze aller Art, 38 Ob aus dieser Beteiligung auch auf ein Engagement im Zinnhandel geschlossen werden darf, ist eigens zu klären. Da Sigmund Fürer ebenfalls Saigerhändler ist (Gesellschafter der Saigerhütte Arnstadt), wäre das durchaus von Interesse. 39 Haller: Nürnberger Unternehmer (wie Anm. 18), S. 42f. 40 Vgl. Anm. 34. 41 Westermann: Das Garkupfer (wie Anm. 5), S. 118 Anm. 441. 4 Möllenberg: Eroberung (wie Anm. 34), S. 95. Die weiteren Zusammenhänge finden sich auf den S. 96-104 dargestellt. 43 Manfred Straube: „Hab und Güter, die mir der allmächtige Gott gnädiglich bescheret hat...“. Das Testament des Leipziger Kaufmanns Heinrich Scherl (1475-1548), in: thema M6 Sonder­ band. Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Leipzig 2006, S. 37. 44 Vgl. Anm. 9. In welchen Beziehungen diese Anlagen zur 1542 durch die Grafen von Stolberg gegründeten Messinghütte stehen und wie diese Werke betrieben worden sind, ist noch genau zu erforschen.

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Die Unternehmensform der Saigerhandelsgesellschaft

sowie Feigen, Rosinen, Korinthen, Safran, Reis, Honig, aber auch Vitriol an­ zubieten und zu verkaufen. In ihrem Sortiment gab es aber auch Wachs, venedische Seife, Seidenwaren, Textilien wie Leinwand und Barchent, Leder- und Metallwaren, Papier und Weine. Zentral für sein Geschäft war dabei der Han­ del mit Spezereien sowie mit Seidenwaren.45 1525/26 fanden sich Gregor Schütz mit 2.500 fl, Hieronymus Walther mit 1.134 fl und Bartholomäus Welser mit 5.103 fl zur Fortführung der Gesell­ schaft der Saigerhütte Chemnitz zusammen, die mindestens bis 1546 existier­ te.46 Im Zusammenhang mit der Beschaffung von Gatterzinn aus Altenberg im östlichen Erzgebirge wird ein eigenes Handelszeichen von Hieronymus Wal­ ther erwähnt.47 Es könnte also sein, dass bei den bekannten Beziehungen von Hieronymus Walther zu den Zinnorten Ehrenfriedersdorf und Geyer (deren Zinn im Schützenhof zu Geyer gesammelt und gelagert wird) er selber schon Verleger war und diese Geschäftskontakte in die gemeinsame Gesellschaft einbrachte. 48 Das muss aber keineswegs zutreffen. So sind für den 25.9.1506 Geschäftskontakte der Firma Anton Welser & Konrad Vöhlin mit Leipzig nachgewiesen.49 1508 war sie ständig in Altenberg vertreten50 und lieferte Altenberger Gatterzinn über Köln nach Antwerpen.51 Die Beschaffung von Graupener, Schlaggenwalder und Altenberger Zinn durch die Firmen Anton Welser & Konrad Vöhlin, Bartholomäus Welser und Jakob Welser schon an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert legt die Vermutung nahe, dass ihnen die günstigen Absatzchancen für Zinn auf dem indischen Markt bekannt waren. So erlöste man dort zwischen 1500 und 1508 für einen Zentner Zinn 20 Dukaten, während man nur bei Quecksilber mit 30 Dukaten je Zentner einen höheren Preis erzielte. Alle anderen Metalle lagen mit ihren Preisen darunter.52 Zum 45 Straube: Hab und Güter (wie Anm. 43), S. 21, 27, 36; Möllenberg, Eroberung (wie Anm. 34), S. 94, Anm. 2. 4fl Richard Klier: Zur Genealogie der Berguntenehmerfamilie Schütz in Nürnberg und Mittel­ deutschland, in: MVGN 55 (1967/68), S. 185-213, hier S. 201; Walter Großhaupt: Bergbau der Welser in Übersee, in: Scripta Mercaturac 25 (1991), S. 125-177, hier S. 126-130. Die für die Zeit nach 1546 gegebenen Informationen bedürfen der Überprüfung! 47 Gcffcken/Häberlein: Rechnungsfragmente (wie Amn. 36), S. 131 (8.157) vom 14.1.1528. 4S Jakob Strieder: Studien zur Geschichte kapitalistischer Organisationsformen, 2. verm. Aufl. München und Leipzig 1925, S. 224, 229, 240-242; Adolf Laube: Studien über den erzgebirgischen Silberbergbau von 1470 bis 1546, Berlin 1974, S. 140, 147f. 4> Geffcken/Häberlein: Rechnungsfragmente (wie Anm. 36), S. 50 (4.14). 50 Großhaupt: Bergbau der Welser (wie Anm. 46), S. 128. 31 Geffcken/Häberlein: Rechnungsfragmente (wie Anm. 36), S. 196 (1.15), 238 (1.18), 274 (545). Wolfgang Knabe / Dieter Noli: Die versunkenen Schätze der Born Jesus. Sensationsfund eines Indienseglers aus der Frühzeit des Welthandels, Berlin 2012, S. 176. Zum größeren Zusammen­ hang siehe Ekkehard Westermann: Die versunkenen Schätze der ,Bom Jesus' von 1533. Die Bedeutung der Fracht des portugiesischen Indienseglers für die internationale Handelsge­ schichte - Würdigung und Kritik, in: VSWG 100 (2013), S. 459-478.

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Handel mit Zinn aus Graupen, Schlaggenwald und Altenberg sowie Kupfer und Sdber aus der Chemnitzer Saigerhütte waren Bartholomäus und Jakob Welser natürlich auch im sonstigen Warenfernhandel engagiert. 1521 kaufen Sigmund, Seyfried, Martin Pfinzing und Paulus Toppier die ehemalige Saigerhütte zu Steinach und gründen eine neue Saigerhandelsgesell­ schaft, der ab 1525 auch Albrecht Scheurl angehört.53 1527 werden mit Linhart Tücher, Lorenz Staiber, Clement Volckamer, Endres Hirschvogel, Endres Eckenhauser sowie Graf Wilhelm von Henneberg weitere Teilhaber genannt.34 Uber ihre Einlagen und deren Höhe ist in diesem Zeitraum bisher nichts be­ kannt. 1538 beträgt die Einlage der Gebrüder Pfinzing 30.000 fl, 1539 dann 19.000 fl sowie 1540 und 1541 14.000 fl. Das Kapital der Gesellschaft betrug seit 1536 80.000 fl.55 Unter den in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts im Geschäft mit böhmi­ schem Zinn genannten Nürnbergern werden außer Hans Nützel und Jakob Welser auch Paul und Martin Pfinzing genannt.56 Ihre einschlägigen Beziehun­ gen zu den böhmischen Zinnproduzenten während dieser Jahrzehnte sind noch zu erforschen. Heinrich Gramer von Claußbruch verkaufte Anfang der sechziger Jahre sein Geschäft mit niederländischem Tuch, Seidenwaren und Kleinodien für etwa 240.000 fl an seine Vettern Georg Gramer und Konrad Kühlmann, um sich voll auf den Metallhandel zu konzentrieren. Dazu gehörte auch ein ge­ meinsamer Handel mit Waid mit Kaspar Schellhammer.57 Am 29. September 1564 übernahm Heinrich Gramer von Claußbruch den Verlag des halben vorderortischen Fünftels der Mansfelder Rohkupferproduktion.58 Zu diesem 53 Westermann, Garkupfer (wie Anm. 5), S. 115. 54 Walter Bauernfeind: Die Vertretung der Nürnberger wirtschaftlichen Interessen bei der Krö­ nung Ferdinands I. zum König von Böhmen 1527 in Prag, in: Verlorene Nähe. Prag und Nürn­ berg im Wandel der Jahrhunderte, Prag 2010, S. 253-280, hier S. 257-280. - Bei Endres Ecken­ hauser handelt es sich sehr wahrscheinlich um Endres Eichenhäuser, der 1508 und 1511 die Gesellschaft der Saigerhütte Eisfeld in Eisleben vertritt, Westermann: Garkupfer (wie Anm. 5), S. 276. 1533 besitzt er einen Hammer ,zum Schrott“, auf bambergischem Gebiet gelegen: StAN, RB 16 fol.69v. 55 Westermann: Garkupfer (wie Anm. 5), S. 157f. 36 Hans Lorenz: Bilder aus Alt-Joachimsthal. Umrisse einer Kulturgeschichte einer erzgebirgischen Bergstadt im sechzehnten Jahrhundert, St. Joachimsthal 1925, S. 128 Anm. 1. Hier wer­ den noch Hans Brunsterer, Georg Thun, Anthon Mühlholzer, Stefan Geiger, Julius und Wolf Hueter, Lukas Schreck und Wolf Dorn genannt. 57 Gerhard Fischer: Aus zwei Jahrhunderten Leipziger Handelsgeschichte 1470-1650, Leipzig 1929, S.392f., weitere Entwicklung S. 394-403, 407-409. 58 Ekkehard Westermann: Die Nürnberger Welser und der mitteldeutsche Saigerhandel des 16. Jahrhunderts in seinen europäischen Verflechtungen, in: Mark Häberlein / Johannes Burk­ hardt (Hg.): Die Welser, Berlin 2002, S. 240-264, bietet S. 253 für die Zeit von 1560 bis 1630 die Verteilung der gräflichen Fünftel auf die jeweiligen Verleger und ihre Gesellschaften.

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Zweck schloss er am 1. November 1564 mit Kaspar Schellhammer einen Gesellschaftsvertrag. Die Verhüttung des silberhaltigen Rohkupfers aus dem Mansfelder Revier erfolgte auf den Saigerhütten zu Leutenberg und dann Wer­ nigerode. Während die Hälfte des dort erzeugten Silbers zum Preis von 10 fl 1 Orth für jede Erfurter Mark an die Münze zu Eisleben zu liefern war, stand die zweite Hälfte des Silbers und das Garkupfer voll der Gesellschaft zum Verkauf zur Verfügung. Auf Grund seiner engen geschäftlichen Bezie­ hungen zu Herzog Julius von Braunschweig-Lüneburg wegen der Beschaffung von Goslarer Blei kam es von seiner Seite zur Lieferung von Pelzwerk und Kleinodien an den Herzog.59 Er betätigte sich seit 1570 wieder im Handel mit Pelzen, Kleinodien, Wachs, Seidenstoffen und Goldwaren.60 In der Zession von Gommern vom 26. Jum 1581 trat die Gräfenthaler Saigerhandelsgesellschaft in die Verlagsverträge des kurfürstlich-sächsischen Kam­ mermeisters Hans Harrer und der Firma Lindenau ein.61 Das von drei Fünfteln stammende Mansfelder Rohkupfer wurde auf den Saigerhütten zu Gräfenthal und Ludwigstadt geschmolzen. Gesellschafter sind Wilhelm und Endres Imhoff, Martin Pfinzings Erben und Hans Welser, zu denen sich 1604 noch Endres und Hans Jobst Schmidmair gesellen. Um diese Zeit handelten Martin Pfinzings Erben und ihre Gesellschafter in Leipzig mit Seidenstoffen, Barchent und Spezereien und Wilhelm und Andreas lmhoff ebenfalls mit Seide.62 Nach dem Konkurs des Handelshauses von Joachim Finold 1606 übernahmen seine Hauptgläubiger Wilhelm und Andreas Imhoff, Georg Pfinzing, Bartholomäus Viatis und Martin Peiler seine Handelshäuser, Waren und Forderungen. Da­ durch stärkten die Imhoff ihre Position im Seidenhandel und die Pfinzing die ihres Spezerei- und Materialwarenhandels.63 Ferner betreiben Martin und Georg Pfinzing eine eigene Gesellschaft im Geschäft mit Pfeffer.64

51 60 61 62 63 64

Fischer: Aus zwei Jahrhunderten (wie Anm . 57), S. 413f. Fischer: Aus zwei Jahrhunderten (wie Anm. 57), S. 418f. Westermann: Die Nürnberger Welser (wie Anm. 58), S. 252-258. Fischer: Aus zwei Jahrhunderten (wie Anm. 57), S. 222, 226. Fischer: Aus zwei Jahrhunderten (wie Anm. 57), S. 226f. Fritz Schnelbögl: Paul Pfinzing als Kaufmann, in: MVGN 45 (1954), S. 372-386.

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DER NÜRNBERGER HANDELSVORSTAND UND SEINE GRÜNDER Ein Beitrag zum 450-jährigen Bestehen des Nürnberger Handelsvorstandes Von Michael Diefenbacher Inhaltsverzeichnis Einleitung....................................................................................................... Unterzeichner der Petition von 1560.......................................................... 1. Franz Schleicher (1491-1567).............................................................. 2. Sebald Tücher (1498-1561).................................................................. 3. Mang Dilherr (1497-1569).................................................................. 4. Stefan Praun (1513-1578)..................................................................... 5. GilgAyrer (1509-1573)........................................................................ 6. Wolf Schwindenhamer (gest. 1575)..................................................... 7. Lukas Sitzinger (1514-1572)................................................................ 8. Endres Imhoff (1491-1579) und Gebrüder........................................ 9. Bartholomäus Lorenz Schwab (gest. 1570)........................................ 10. Hans Beheim (gest. 1563)..................................................................... 11. Veit Holzschuher (1515-1580)............................................................ 12. Hans Österreicher (gest. 1580)............................................................ 13. Michel Steinhäuser (1524-1587).......................................................... 14. Wolf Wilsam (gest. 1567)...................................................................... 15. Wolf Dörffler (gest. 1585).................................................................... 16. Wolf Pömer (1536-1608)...................................................................... 17. Wolf Kern (um 1500/03-1582)............................................................ 18. Christof Lindner (1510/1 1-1566)........................................................ 19. Franz Gellnauer (gest. 1589)................................................................ 20. Hieronymus Wahl (um 1509-1573).................................................... 21. Caspar Neumair (gest. 1587)............................................................... 22. Lorenz Spengler (1514-1574).............................................................. 23. Linhart Rottengatter (gest. 1569)........................................................ 24. Sigmund Tetzel d. Ä. (1522-1594)....................................................... 25. Albrecht Scheurl (1525-1580).............................................................. 26. Eberhard Kurn (gest. 1587).................................................................. 27. Christof Freidel (1509-1560)............................................................... 28. Hans Linder (gest. 1564)...................................................................... 29. Hans Hueter (gest. 1596)..................................................................... 30. Sebastian Imhoff (1511-1572)..............................................................

34 38 38 44 46 49 53 56 58 61 64 67 68 72 74 77 79 80 82 84 87 90 92 95 98 100 102 106 109 113 113 116

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Michael Diefenbacher

31. Caspar Vischer (gest. 1561).................................................................. 32. Georg Trainer (gest. 1562)................................................................... 33. Linhart Strolunz (1514-1579).............................................................. 34. Gabriel Prenner (gest. 1569)................................................................ 35. Michel Scherl (1518-1582)................................................................... 36. Wolf Rehlein (gest. 1601)..................................................................... 37. Hans Schell (1518-1591)...................................................................... 38. Tobias Hundertpfund (1531-1598)..................................................... 39. Bartholomäus Nittinger (gest. 1577)................................................... 40. Caspar Nützel d.J. (1499-1560)........................................................... 41. Linhart Thoma (gest. nach 1562)......................................................... 42. Esaias Kleewein (gest. 1586)................................................................ 43. Matthias Braun/Praun (gest. 1590)...................................................... 44. Hieronymus Schnitter (gest. 1579)...................................................... 45. Samson Gall/Gallo............................................................................... 46. Franz Straub (gest. nach 1566)............................................................. 47. Georg Seckler (gest. 1566).................................................................... 48. Conrad Imland (gest. 1576)................................................................. 49. Stefan von Wertha (gest. nach 1576)................................................... 50. Thomas Egerer (gest. 1574).................................................................. 51. Christof Harsdörffer (1505-1578)...................................................... 52. Hieronymus Hopfer (gest. 1563)........................................................ 53. Philipp (1501-1567) und Peter (gest. 1572) Bernbcck....................... 54. Valentin Schönborn (gest. 1594).......................................................... 55. Georg Scheurl (1532-1602).................................................................. 56. Paulus Waldthurner (1526-1564)........................................................ 57. Mathes Fetzcr (1525-1583).................................................................. 58. Endrcs Prcuß (gest. 1567).................................................................... 59. Linhart von Wertha (gest. 1580).......................................................... 60. Melchior Beck (1528-1583)................................................................. 61. David Mair (gest. 1578)........................................................................ Fazit.................................................................................................................

119 120 122 125 128 130 133 136 139 141 147 149 151 154 154 155 158 159 161 162 164 166 169 171 173 175 177 179 180 182 184 186

Einleitung Auch nach dem zunehmenden Rückzug des Patriziats aus dem Wirtschafts­ leben der Stadt ab der Mitte des 16. Jahrhunderts zielte die Politik des Nürn­ berger Rats in Fragen der Währungs- und Zollpolitik, der Ansiedlung neuer unternehmerischer Kräfte, der wirtschaftlichen Struktur- und Beschäftigungs­ politik unvermindert auf die Förderung von Wirtschaft und Handel ab.1 Kon1

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Vgl. zuletzt Michael Diefenbacher: Ratspolitik und Handelsinteressen - Wie attraktiv war die

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Der Nürnberger Handelsvorstand und seine Gründer

sequenter Ausdruck einer solchen Politik war die Zulassung und Einrichtung neuer Institutionen, die vom Rat der Reichsstadt nur noch beaufsichtigt, aber vom Handel treibenden Bürgertum getragen wurden. So bewilligte der Rat 1560 das Aufhängen einer Marktglocke auf dem Herrenmarkt zur Ankündi­ gung der Börsenzeiten, was als öffentliche Anerkennung bereits bestehender Organisationsformen der Kaufleute interpretiert werden kann.2 Diese eher marginale Aktion mündete sechs Jahre später 1566 in die Gründung des Nürn­ berger Handelsvorstandcs als korporatives Selbstverwaltungsorgan der Kauf­ mannschaft („der ältesten Handelsleute am Markt“), geführt von zunächst fünf (ab 1574 vier) „Marktvorstehern“ oder „Marktvorgehern“ und beaufsichtigt von einer Ratsdeputation „zum Markt“, bestehend aus zwei Ratsherren als „Marktherren“ oder „Obermarktherren“. Den Großkaufleuten der Reichs­ stadt waren damit Rechte zugestanden worden, die etwa den Handwerkern im Gegensatz zu fast allen Städten des Reichs vorenthalten blieben. Eine Supplikation an den Rat vom 9. Februar 1560 um bessere Organisation des Marktgeschehens, die 61 Nürnberger Großkaufleute Unterzeichneten, führte zu einer ersten Marktordnung vom 16. Februar 1560 und letztendlich zur Gründung des Handelsvorstands.3 Von den Unterzeichnenden gehörten nur noch acht dem Patriziat an - Sebald Tücher, Endres Imhoff, Veit Holzschuher, Wolff Pömer, Sigmund Tetzel d. Ä., Sebastian Imhoff, Caspar Nützel d.J. und Christof Harsdörffer -, alle anderen kamen aus den Reihen der Großkaufleute. Davon waren 27 nachweislich oder wahrscheinlich nach Nürnberg zuge­ wandert; sie kamen aus den Reichsstädten Ulm (Franz Schleicher, Linhart Rottengatter, Mathes Fetzer), Augsburg (Lukas Sitzinger, Bartholomäus Handels- und Wirtschaftsmetropolc Nürnberg in der frühen Neuzeit für Nichtnürnberger?, in: Brigitte Korn, Michael Diefenbacher und Steven M. Zahlaus (Hgg.): Von nah und fern. Zuwan­ derer in die Reichsstadt Nürnberg (Schriftenreihe der Museen der Stadt Nürnberg 4), Peters­ berg 2014, S. 15-32. Hierzu und zum Folgenden vgl. Harald Rehm: Die Nürnberger Handelsgerichtsbarkeit. Ver­ fassung und Prozeß insbesondere im 19. Jahrhundert (NW 14), Nürnberg 1974, S. 3-7; Rudolf Endres: Die selbständig handelnde Kaufmannchaft. Nürnberger Handelsvorstand zwischen Renaissance und Biedermeier, in: Gerhard Pfeiffer (Hg.): Im Zeichen der Waage. 425 Jahre Nürnberger Handelsvorstand 1560-1985. Wirtschaft und Gesellschaft im Wandel, begleitet von Organen der wirtschaftlichen Selbstverwaltung, Nürnberg 1985, S. 35-44, hier S. 35f.; Michael Diefenbacher: Börse, und Ders.: Handelsvorstand, in: Michael Diefenbacher und Rudolf End­ res (Hgg.): Stadtlexikon Nürnberg, 2. Aufl. Nürnberg 2000, S. 152 und S. 401; Markus A. Denzel: Der Nürnberger Banco Publico, seine Kaufleute und ihr Zahlungsverkehr (1621-1827) (VSWG, Beiheft 217), Stuttgart 2012, besonders S. 75-81. Petition: StadtAN E 8 Nr. 573, fol. l-2v. Vgl. auch Werner Schultheiß: Die Einrichtung der Herrentrinkstube 1497/8 und deren Ordnung von 1561/97, in: MVGN 44 (1953), S. 285. Die Liste der Unterschreibenden wurde erstamals veröffentlich - leider mit Lesefehlern - von Richard Ehrenberg: Die alte Nürnberger Börse, in: MVGN 8 (1889), S. 69-86, hier S. 80. Die erste Marktordnung: StadtAN E 8 Nr. 573, fol. 3r-v.

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Petition der Nürnberger Kaufmannschaft an den Rat vom 9. Februar 1560. (StadtAN E 8 Nr. 573, fol. lr-lv)

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Der Nürnberger Handelsvorstand und seine Gründer

Petition der Nürnberger Kaufmannschaft an den Rat vom 9. Februar 1560. (StadtAN E 8 Nr. 573, fol. 2r-2v)

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Nitdnger, Hieronymus Hopfer), Memmingen oder Kempten (Linhart Thoma), Wangen im Allgäu (Franz Gellnauer), Regensburg (Georg Trainer, Mathias Braun/Praun), vielleicht Windsheim, aber wohl eher aus Kitzingen (Peter und Philipp Bernbeck), vielleicht Nördlingen (Wolf Rehlein), Giengen an der Brenz (Mang Dilherr), Esslingen (Eberhard Kurn) oder aus den Residenz- und Landstädten Amberg (Michel Steinhäuser), Straubing (Paulus Waldthurner), München (Wolf Kern, Tobias Hundertpfund), Dietfurt an der Altmühl (Cas­ par Neumair), Günzburg (Georg Seckler), Tauberbischofsheim (Melchior Beck), Kitzingen (Peter und Philipp Bernbeck), vielleicht Scheinfeld (Wolf Rehlein), Görlitz oder Bautzen (Hieronymus Schnitter), Bautzen (Valen­ tin Schönborn), Posen (Christof Lindner), aus Kärnten, nämlich Wolfsberg (Christof Freidel) und Villach (Esaias Kleewein) sowie aus Italien (wohl Mai­ land: Samson Gall/Gallo). Bei sechs weiteren ist die Herkunft nicht geklärt, sie waren jedoch neu ins Bürgerrecht gekommen: Wolf Schwindenhamer, Hans Österreicher, Wolf Wilsam, Hans Linder, Thomas Egerer, David Mair. 20 waren schon eine oder meh­ rere Generationen in Nürnberg ansässig und nachweisbar: Stefan Praun, Gilg Ayrer, Bartholomäus Lorenz Schwab, Hans Beheim, Wolf Dörffler, Hierony­ mus Wahl, Lorenz Spengler, Albrecht Scheurl, Hans Hueter, Caspar Vischer, Linhart Strolunz, Gabriel Prenner, Michel Scherl, Hans Schell, Franz Straub, Conrad Imland, Stefan von Wertha, Georg Scheurl, Endres Preuß und Linhart von Wertha. Der folgende Beitrag möchte die 61 Supplikanten näher beleuchten: Woher kamen sie, wie waren sie in die Nürnberger Gesellschaft eingebunden, wo wohnten sie, womit handelten sie und wen oder was repräsentierten sie? Die Untersuchung folgt der Reihung ihrer Nennung in der Petition.

Unterzeichner der Petition von 1560 1. Franz Schleicher (1491-1567)4 Franz Schleicher, vielleicht der Sohn von Daniel Schleicher und Magdalena Gungberger, ist 1491 in Nürnberg geboren und ebenda am 14. September 1567 verstorben.5 Er war seit 1517 bis zu seinem Tode Genannter des Größeren Rats. Nach Angaben des Nürnberger Chronisten Johannes Müllner stammte er aus einem alten Ulmer6 Ratsgeschlecht, das sich auf Eberhard Schleicher um 4

Zum Folgenden: StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.056: Schleicher, Franz I. (G). 5 Grabinschrift vgl. Peter Zahn: Die Inschriften der Friedhöfe St. Johannis, St. Rochus und Wöhrd in Nürnberg [bis 1580] (Die deutschen Inschriften 13), München 1972, Nr. 464. 6 So auch StadtAN E 8 Nr. 1.

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1350 zurückführt. Franz Schleicher war der erste einer ganzen Reihe von Ver­ tretern seiner Familie im Größeren Rat.7 Er heiratete am 10. Juni 1516 Katha­ rina Jorian (gest. 1563), die Tochter des seit 1499 in Nürnberg tätigen Gold­ schmieds, Juweliers, Agenten (Lieferant u.a. für Kurfürst Friedrich den Weisen von Sachsen, Kardinal Albrecht von Brandenburg und den Wiener Flof) und Genannten des Größeren Rats (seit 1510) Matthias Jorian (geb. in Erfurt, gest. in Nürnberg 1540) und der Dorothea Praun (gest. 1566).8 Franz Schleichers Schwiegervater kaufte 1512 das Flaus Fünferplatz 4 (die spätere Gastwirtschaft „Zum Wilden Mann“), das über seine Tochter Katha­ rina an Franz und seinen Sohn Nikolaus Schleicher überging. 1533 kaufte Franz Schleicher von Hieronymus Paumgartner das Haus Obstmarkt 24, ganz in der Nähe des Besitzes seines Schwiegervaters, und vererbte es an seinen Sohn Jakob weiter.9 Ferner besaß Franz Schleicher bei mehreren Häusern die Eigenschaft (das Obereigentum, meist verbunden mit einer unablösbaren Hypothek), 1547 beim Haus Heugäßchen 12, 1554 beim Haus Spitalgasse 4 und 1559 beim Haus Winklerstraße 27.10 Als Kaufmann handelte Franz Schleicher vor allem mit Samt11, aber auch mit Wein12, Tuchen, Farben, Metallen und Metallwaren und sonstiger Kaufmanns­ ware; er war zudem einer der namhaften Finanziers des Schmalkaldischen Bundes.13 Am 6. Mai 1524 zählte Franz Schleicher neben Hans XL Tücher (1456— 1538)14, Augustin Gabeshaupt (vielleicht aus Chur in Graubünden stammend, 7 So Müllner zu 1550, vgl. Michael Diefenbacher (Bearb.): Die Annalen der Reichsstadt Nürn­ berg von Johannes Müllner von 1623, Band 4: 1545-1600 (in Vorbereitung). 8 StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 55.926: Jorian, Mathes (G), und Manfred H. Grieb: Nürnberger Künstlerlexikon, München 2007, S. 736. 1 StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 146.311: Haus S 902 (ab etwa 1865 Fünferplatz 4). Belege: für 1512: StadtAN B 14/1 Nr. 27, fol. 153v, für den Besitz der Schleicher: StadtAN B 1 /II Nr. 138. - StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 146.294: Haus S 905 (ab etwa 1865 Obstmarkt 24). Belege für 1533: StadtAN B 14/1 Nr. 45, fol. 75v. Für Jakob Schleicher: StadtAN A 1, 1581 August 14. 10 StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 151.013: Haus S 1126 (ab etwa 1865 Heugäßchen 12), Objekt-Nr. 160.273: Haus S 837 (ab etwa 1865 Spitalgasse 4), und Objekt-Nr. 129.474: Haus S 73 (ab etwa 1865 Winklerstraße 27). 11 So Lambert F. Peters: Der Handel Nürnbergs am Anfang des Dreißigjährigen Krieges (VSWG, Beiheft 112), Stuttgart 1994, S. 497 (Rückschluss aus dem Warensortiment Franz Schleichers d.J.). 12 Beleg vom 15.10.1526: StadtAN B 14/11 Nr. 22, fol. 128r. 13 Belege zu den Handelswaren s.u. Zur Unterstützung des Schmalkaldischen Bunds vgl. Lambert F. Peters: Strategische Allianzen, Wirtschaftsstandort und Standortwettbewerb. Nürnberg 1500-1625, Frankfurt/Main 2005, S. 395. 14 Zu ihm vgl. Horst-Dieter Beyerstedt und Michael Diefenbacher: Das Große Tucherbuch. CDROM, hrsg. vom Haus der Bayerischen Geschichte und dem Stadtarchiv Nürnberg (Hand­ schriften aus bayerischen Bibliotheken und Archiven auf CD-ROM), Augsburg-Nürnberg 2004, fol. 103r-106v.

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Sebald X. Tücher mit seinen Ehefrauen Ottena Rosset und Ursula Nützel, Miniatur im Großen Tucherbuch um 1590. (StadtAN E 29/III Nr. 258, fol. 1 lOr)

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Sebald X. entstammte der jüngeren Tucherlinie und engagierte sich in der Han­ delsgesellschaft seines entfernten Verwandten Linhart II. (1487-1568). In des­ sen Auftrag zog er als Kaufmann nach Genf, von wo aus er nach Frankreich (vor allem Lyon) handelte und wo er am 2. Februar 1528 Ottena, die Tocher von Franz Rosset, heiratete. Ottenas Mutter entstammte dem Geschlecht der Permeten de la Torre aus dem Roussillon. Nach Ottenas kinderlosem Tod am 13. November 1537 - sie ist in Genf begraben - ging Sebald X. zurück nach Nürnberg. Hier heiratete er am 21. Mai 1538 Ursula, Tochter des Sebald Ketzel und der Katharina Harsdörffer, Witwe des ehemaligen Baumeisters Hans Hal­ ler am Obstmarkt. Auch diese zweite Ehe blieb kinderlos. Ein Jahr nach dieser Nürnberger Hochzeit wurde Sebald X. 1539 Genannter des Größeren Rats. Er besaß den Herrensitz zu Behringersdorf, den er 1558 testamentarisch in eine Vorschickung für die jüngere Tucherlinie umwandelte, und verwaltete seit 1550 neben den nominellen Administratoren Linhart II. (bis 1565) und Markus II. (ab 1565) die Dr.-Lorenz-Tucher-Stiftung.60 Seine Unterschrift unter die Supplikation an den Rat, dem 1560 ja immer noch sein Verwandter Linhart II. als Vorderster Losunger (seit 1544) Vorstand, leistete Sebald X. höchstwahrscheinlich privatim, also weder als ehemaliger Mitarbeiter und zeitweiliger Beauftragter der Tucherfirma noch als Co-Administrator der Tucherschen Familienstiftung, aber dennoch sicherlich mit Wis­ sen des alles beherrschenden Familienoberhaupts Linhart. 3. Mang Dilherr (1497-1569)61 Die Familie Dilherr stammte aus Schwaben, wo sie seit Conrad Dilherr (1423 als Feldhauptmann gegen die Hussiten von König Sigismund zum Ritter geschlagen) in Giengen und Lauingen ansässig war. Von den drei Söhnen des Giengener Bürgermeisters Linhart II. Dilherr (1467-1554, 1546 nach Nürnberg übergesiedelt und dort verstorben62) begründete Rochus (14901563) eine österreichische, Michael (1505-1563) eine hennebergische und Mag­ nus/Mang I. die Nürnberger Linie.63 Magnus soll 1521 als Kaufmann nach Nürnberg gekommen sein, andere Quellen sprechen von 153164 oder nennen 60 Beyerstedt/Diefenbacher: Tucherbuch CD-ROM (wie Anm. 14), fol. llOr-v. 61 Zum Folgenden: StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.517: Dilherr, Mang I. (Magnus) (G). 62 StadtAN El/211 Nr. 11, S. 60. 63 Horst-Dieter Beyerstedt: Dilherr, Familie, in: Diefenbacher/Endres: Stadtlexikon (wie Anm. 2), S. 215. 64 1 521: StadtAN E 1/211 Nr. 11, S. 103. 1531: StadtAN E 1/211 Nr. 6, S. 166. Diesem folgt auch Beyerstedt: Dillher (wie Anm. 63). StadtAN E 1/211 Nr. 9 berichtet ohne Jahresnennung setzte sich nach Nürnberg.

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gar die Pegnitzstadt als seinen Geburtsort63, was aber abwegig ist. Geboren ist er 1497, verstorben am 23. August 1569.66 Seit 1546 war er bis zu seinem Tode Genannter des Größeren Rats. Der Chronist Müllner nennt die Dilherr vor­ nehme Handelsleut.b7 Verheiratet war Mang I. mit Anna Jenisch (geb. 1509), der Tochter des Han­ delsmannes Hans Jenisch (geb. 1469)68 Am 12. Februar 1536 kaufte Mang Dil­ herr von Ursula Cammerer, der Tochter des verstorbenen Hans Cammerer, ein Haus hinter dem Tuchhaus für 2.500 Gulden. Es handelte sich um das Haus Winklerstraße 5 und wurde in den nächsten Generationen Dilherr weiterver­ erbt, bis es über Anna Maria Dilherr (1644-1733), Tochter des Linhart Dilherr (Genannter des Größeren Rats seit 1651, gest. 1680) und der Susanna Maria von Thill (geb. 1636?), an deren Ehemann Hans Wilhelm II. Kress (1647-1721) kam.69 Magnus I. Dilherr baute um die Mitte des 16. Jahrhunderts in Nürnberg ein bedeutendes Bank- und Handelshaus auf, das Niederlassungen u.a. in Antwer­ pen (mit Beziehungen zu England), Breslau, Danzig, Frankfurt/Main, Krakau, Krems, Leipzig, Linz, Lyon, Neusohl, Schwaz/Tirol, Ulm, Venedig und Wien unterhielt. Zu seinem Warensortiment gehörten Gewürze, Südfrüchte, Man­ deln, Feigen, Weinbeeren, Safran, Wolle, Baumwolle, Barchent, Zwillich, Tuche, Samt, Seide, Englische Textilien, Kupfer, Silber, Quecksilber. In den Montanregionen Ungarns (Neusohl), Böhmens (Schlaggenwald) und Tirols (Schwaz) betrieben die Dilherr ebenso Bergbau wie im Mansfeldischen oder im slowenischen Idria. Außerdem pflegten sie enge Geschäftskontakte mit den Augsburgern Anton I. (1474-1549) und Anton II. (1512-1556) Haug.7C Zusammen mit Franz Schleicher wurde Magnus I. Dilherr schon 1566 zum Marktvorsteher ernannt. Er bekleidete dieses Amt bis zu seinem Tod 1569.71

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So StadtAN E 8 Nr. 63. Grabinschrift vgl. Zahn: Inschriften 1 (wie Anm. 5), Nr. 859. Müllner zu 1550, vgl. Diefenbacher: Müllner 4 (wie Anm. 6). Zum Konnubium Mang Dilherr/Anna Jenisch und den Geburtsdaten Jenisch vgl. StadtAN E 28/11 Nr. 1302, S. 2, und StadtAN E 56/IV Nr. 196. 67 1536: StadtAN E 16/1 Nr. 66. StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 133.807: Haus S 38 (ab etwa 1865 Winklerstraße 5). Zum Konnubium Kress/Dilherr vgl. StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 59.999: Kress, Hans Wilhelm II. (G), und Objekt-Nr. 59.268: Dilherr, Linhart III. (G). '0 Peters: Handel (wie Anm. 11), S. 247-255, besonders S. 249f., Reinhard, Augsburger Eliten (wie Anm. 24), S. 239-246, Gerhard Seibold: Die Manlich. Geschichte einer Augsburger Kauf­ mannsfamilie (Abhandlungen zur Geschichte der Stadt Augsburg 35), Sigmaringen 1995, S. 92f., und Lambert F. Peters: Drei Handelsprozesse am Ende und als Folge des .Langen Türkenkrieges' (1593-1606), in: MVGN 96 (2009), S. 35-106, hier S. 57. 71 StadtAN E 8 Nr. 573, fol. 42v.

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Mang I. Dilherr, Kupferstich von I. S. um 1680. (StadtAN A 7/1 Nr. 477)

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4. Stefan Praun (1513—1578)72

Nach eigener, im 16. Jahrhunderft schriftlich fixierter Überlieferung stammen die Praun aus einem ritterlichen Züricher Geschlecht. Nachweisbar wanderte 1383 erstmalig ein Fritz Praun (gest.1452) nach Nürnberg zu; woher er kam, ist nicht bekannt. Unter Hans I. (1432-1492) begann der Aufstieg der Familie als bedeutende Fernhändler. Ihre Produktpalette umfasste Gewürze und Zitrus­ früchte, Edelmetalle und Metallwaren, Stoffe und Textilien, Glaswaren und Bücher. Ihr bevorzugter Aktionsraum war Oberdeutschland und Oberitalien. Im 16. Jahrhundert wurden Bologna und der Handel mit Seidenstoffen Mittel­ punkt ihres Geschäfts. Nachdem das Handelshaus im späten 16. Jahrhundert dort Probleme mit der Inquisition bekommen hatte, wurde nach 1626 der Handel eingestellt. Verwaltungs- und Kriegsdienst traten an dessen Stelle. Ihren wirtschaftlichen Erfolg demonstrierten die Praun 1518 mit dem Kauf des späteren Stiftungshauses (Weinmarkt 6/Füll 7) sowie 1537 dem Erwerb des Herrensitzes in Almoshof. 1730 erkannte der Nürnberger Rat den Praun Ge­ richtsfähigkeit zu, 1788 wurden sie dem Patriziat kooptiert, schickten aber keinen Vertreter mehr in den Kleineren Rat.73 Bei dem Petenten von 1560 handelt es sich um Stefan II. Praun. Er wurde am 1. Februar 1513 als Sohn des Großkaufmanns Stefan I. Praun (1478-1532) und dessen erster Frau Anna Gail (gest. 1520) geboren und verstarb am 28. August 1578.74 Stefan II. war zweimal verheiratet. Am 7. Juni 1540 ehelichte er Mar­ garetha75, die Tochter des Sebald Schwarz (gest. 1526) und der Anna Maurer (gest. 1543)76, und nach Margarethas frühem Tod 1542 heiratete er am 7. Mai 1543 Ursula (1525-1592), die Tochter des Montanunternehmers und Genann­ ten des Größeren Rats (seit 1511) Hans Ayrer (gest. 1545) und der Ursula Scheufelein (gest. 1533).77 Umfangreich war Stefans Besitz an Häusern und an Obereigentum an Häu­ sern: Das vom Vater 1518 gekaufte Handelshaus78 und spätere Praunsche Stif72 Zum Folgenden: StadtAN GS1 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.517: Praun, Stefan II. (G). 73 Michael Diefenbacher: Praun von, Patrizierfamilie, in: Diefenbacher/Endres: Stadtlexikon (wie Anm. 2), S. 838f. Peter Fleischmann: Rat und Patriziat in Nürnberg (NF 31), Nürnberg 2008, S. 177f. Robert Giersch, Andreas Schiunk und Bertold Frhr. von Haller: Burgen und Herren­ sitze in der Nürnberger Landschaft, Lauf an der Pegnitz 2006, S. 19-21. 74 Zu seiner Person vgl. auch Katrin Achilles-Syndram: Die Kunstsammlung des Paulus Praun. Die Inventare von 1616 und 1719 (QuGKN 25), Nürnberg 1994, S. Xlf. 75 Ehevertrag: StadtAN B 14/1 Nr. 52, fol. 201v. 76 StadtAN GSI 180 (Datenbank Personen allgemein), Objekt-Nr. 52.225: Schwarz, Sebald (t 1526) 7 StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 55.938: Ayrer, Hans (G). 78 StadtAN E 28/1 Nr. 69 und StadtAN B 14/1 Nr. 33, fol. 103v.

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tungshaus am Weinmarkt blieb bis 1867 im Besitz der Familie.79 Von den Söh­ nen Stefans I., Nikolaus III. (1505-1548), Hans III. (1507-1555) und Stefan, verkaufte Nikolaus bereits 1536 seinen Anteil am väterlichen Haus an seine beiden Brüder80, und auch Stefan veräußerte seinen Anteil 1544 an seinen älte­ ren Bruder Hans81; nach dessen Tod ging das Praunsche Handelshaus jedoch wieder in seinen Besitz über. 1525 hatte Stefans erster Schwiegervater Sebald Schwarz ein Haus mit Hof und breitem Hinterhaus am Zotenberg gekauft82, das er seiner Tochter vererbte. Nach deren Tod 1542 ging es in Stefans Hände über83, der es 1564 weiter veräußerte.84 1543 erweiterte Stefan diesen Besitz, als er das benachbarte Eckhaus am Zotenberg erwarb.85 Auch dieses Haus wurde 1564 weiter ver­ kauft86, wobei das Obereigentum (die „Eigenschaft“) in Stefan Prauns Besitz verblieb.87 Weiteres Obereigentum hatte Stefan an den Häusern Plobenhofstraße 688 und - benachbart - Engelsgasse 289, am Gasthaus „Zum Bitterholz“ (19. Jahrhundert „Bayerischer Hof“), Karlstraße 1, mit Hinterhäusern am Maxplatz90, an einem Haus, das 1618 von der Reichsstadt zur Arrondierung ihres Rathausareals aufgekauft wurde, aber erhalten blieb und erst 1884/ 85 zugunsten des Essenwein-Traktes an der Theresienstraße abgebrochen 79 StadtAN GS1 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 108.629: Haus S 308 (ab etwa 1865 Weinmarkt 6/Füll 7). 80 StadtAN E 28/1 Nr. 77. 81 StadtAN E 28/1 Nr. 82. 82 StadtAN B 14/1 Nr. 39, fol. 13v. StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 148.070: Haus S 954 (ab etwa 1865 Dötschmannsplatz 15). 83 Er ist 1543 hier als Besitzer vermerkt: StadtAN B 14/1 Nr. 56, fol. 104v. 8) StadtAN B 14/1 Nr. 81, fol. lOr. 85 StadtAN B 14/1 Nr. 56, fol. 104v. StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 148.065: Haus S 955 (ab etwa 1865 Dötschmannsplatz 13). 86 StadtAN B 14/1 Nr. 81, fol. lOr. 87 So bei einem erneuten Besitzerwechsel 1566 (StadtAN B 14/1 Nr. 83, fol. 95v). Er vererbte die Eigenschaft an seine Tochter Ursula (1547-1599), seit 1570 Ehefrau des Kaufmanns Lucas von Wertha (gest. 1601) - zu ihm: StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 57.025: Wertha, Lucas d.Ä. von (G) - Besitzerwechsel 1586 (StadtAN B 14/1 Nr. 101, fol. 164v). 88 Besitzerwechsel 1537, die Eigenschaft lag bei den Kindern des Stefan I. Praun: StadtAN B 14/1 Nr. 49, fol. 49v, vgl. StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 160.258: Haus S 822a (ab etwa 1865 Plobenhofstr. 6). 81 Besitzerwechsel 1555 (StadtAN B 14/1 Nr. 71, fol. 54r) und 1557 (StadtAN B 14/1 Nr. 73, fol. 113r); vgl. StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 159.859: Haus S 824 (ab etwa 1865 Engelsgasse 2). 9u Besitzerwechsel 1550 (StadtAN A 1, 1550 Mai 21), Besitzerwechsel 1560 (StadtAN A 1, 1560 Juli 1). Auch diese Eigenschaft vererbte er seiner Tochter Ursula - Bcsitzerwechsel 1586 (StadtAN B 14/1 Nr. 102, fol. 12v). Vgl. StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), ObjektNr. 131.067: Häuser S 118; S 113; S 114; S 115 a (ab etwa 1865 Karlstr. 1, Maxplatz 16, 18 und 20).

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wurde91, am späteren Wirtshaus „Zum weißen Engel“ Obere Schmiedgasse 28/ Am Olberg 1992 und an zwei Häusern in der Kaiserstraße 893 und in der Weiß­ gerbergasse 6.94 Vom Vater Stefan I. Praun erbten die Söhne Nikolaus III., Hans III. und Stefan II. 1532 die Praunsche Handelsgesellschaft. Bereits vier Jahre später, 1536, schied Nikolaus aus der Firma aus und verkaufte seine Anteile an seine Brüder.95 Nach Hans' III. Tod 1555 blieb Stefan II. als alleiniger Inhaber übrig. Unter ihm wurde der Austausch italienischer Seidenwaren, vor allem aus Bologna, Florenz und Vendig, mit Englischen Tuchen und schwäbischen Lei­ nenprodukten zum Kerngeschäft der Praunschen Handelsfirma. Neben Ober­ italien bildete das Allgäu mit Kaufbeuren und Kempten einen weiteren Schwerpunkt seiner Aktivitäten, die bis nach Polen reichten.96 Stefan wurde 1541 zum Genannten des Größeren Rats gewählt und 1570 zum Marktvorste­ her kooptiert.97 1576 errichtete Stefan II. sein Testament. Seinen Besitz in der Stadt sowie vor allem seine umfangreichen Landgüter - insbesondere den Herrensitz in Almoshof samt Zubehör und das Handelshaus am Weinmarkt - brachte er dabei in eine neugestiftete Vorschickung zugunsten der Familie ein.98 Ein Jahr nach seinem Tod 1578 taucht Stefan II. in einer von Walter Bauernfeind ausge­ werteten Losungsliste des Jahres 1579 auf. Mit einer Steucrlcistung von 330 11 Besitzerwechsel 1559 (StadtAN B 14/1 Nr. 75, fol. 60r), 1563 (StadtAN A 1, 1563 November 17) und 1566 (StadtAN A 1, 1566 März 1); vgl. StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 86.216: Rathaus alt 8. 92 Besitzerwechsel 1569 (StadtAN B 14/1 Nr. 85, fol. 7v). Auch diese Eigenschaft vererbte er sei­ ner Tochter Ursula - Besitzerwechsel 1586 (StadtAN B 14/1 Nr. 102, fol. 45v). Vgl. StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 92.600; Haus S 470 (ab etwa 1865 Obere Schmiedgasse 28/Am Ölberg 19). 15 Besitzerwechsel 1574 (StadtAN B 14/1 Nr. 90, fol. Ir). Die Eigenschaft ging in den Besitz von Stefan Prauns Erben über - Besitzerwechsel 1612 (StadtAN B 14/1 Nr. 124, fol. 133r). Vgl. StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 17.939; Haus L 187 (ab etwa 1865 Kaiserstr. 29). 94 Besitzerwechsel 1577 (StadtAN B 14/1 Nr. 92, fol. 156v). Die Eigenschaft erbte Stefans Sohn Jacob Praun (1558-1627) - Besitzerwechsel 1612 (StadtAN B 14/1 Nr. 124, fol. 156v) - dessen Witwe Clara (1589-1638) - Besitzerwechsel 1630 (StadtAN B 14/1 Nr. 145, fol. 13v)-und ging dann über auf die Paul Praunsche Stiftung - Besitzerwechsel 1699 (StadtAN B 14/1 Nr. 249, fol. 147v) und alle weiteren bis hzum Ende der reichsstädtischen Zeit Nürnbergs. Vgl. StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 44.631; Haus S 205 (ab etwa 1865 Weißgerber­ gasse 6). 95 StadtAN E 28/1 Nr. 78. 16 Peters: Handel (wie Anm. 11), S. 495f. 97 StadtAN E 8 Nr. 573, fol. 42v. Als solcher begutachtete er am 16. Mai 1572 mit anderen Groß­ kaufleuten das neue Nürnberger Zollgesetz vom 25. Februar 1572, vgl. Peters: Allianzen (wie Anm. 13), S. 305. 98 Vgl. Stefans Testament vom 21.9.1576, StadtAN E 28/1 Nr. 157.

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Stefan II. Praun, Postkarte um 1960 nach einem Gemälde von Nicolaus Neufchatel im Germani­ schen Nationalmuseum. (StadtAN A 7/1 Nr. 2273)

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Gulden betraf die Losung wohl das versteuerte Jahreseinkommen in Höhe von etwa 1.988 Gulden der von ihm hinterlassenen Handelsgesellschaft bezie­ hungsweise der von ihm errichteten Stiftung, alles in allem ein Gesamtvermö­ gen von über 80.000 Gulden. In der Steuerleistung rangiert Stefan II. Praun damit auf Platz 30 von 197 aufgelisteten Steuerzahlern." 5. Gilg Ayrer (1509-1573)100 Der fünfte Petent der Supplikation von 1560 war Stefan II. Prauns Schwager Egidius (Gilg) Ayrer. Geboren ist er am 1. September 1509101 - das Jahr ließe sich auch aus Porträts erschließen, die ihn 1572 im Alter von 63 Jahren zei­ gen.102 Seine Eltern waren der Kaufmann Heinrich Ayrer (1481-1554), seit 1530 Genannter des Größeren Rats, und Clara (1478-1559), die Tochter des Kaufmanns, Faktors der Augsburger Gossenbrot und Genannten des Grö­ ßeren Rats (seit 1504) Hans (I.) Hetzer (gest. 1522) und der Katharina Rabenthaler (gest. 1509).103 Geheiratet haben beide 1505.104 Gilgs Vater war Woll- und Waidgroßhändler und besaß ein Hammerwerk bei Lauf.105 Sein Großvater Heinrich war 1457 Nürnberger Bürger geworden und zählte um 1500 zu den 100 reichsten Bürger der Stadt. Die Familie stammte wahrscheinlich aus Petersaurach bei Heilsbronn (Lkr. Ansbach). Dr. Melchior Ayrer (1520-1579), der berühmte Nürnberger Stadtarzt, war Gilgs jüngerer Bruder.106 Am 2. Oktober 1531 heiratete Gilg Ayrer Anna Praun (1514-1551), Tochter des Großkaufmanns Stefan I. Praun (1478-1532) und dessen erster Frau Anna Gail (gest. 1520), die um ein Jahr jüngere Schwester des sechsten Petenten Ste­ fan II. Prauns. So wurden Gilg und Anna Ayrer auch am Erbe Stefan I. Prauns beteiligt, das am 10. März 1533 zwischen der Witwe und den Kindern aus bei-

n Walter Bauernfeind: Die reichsten Nürnberger Bürger 1579 und ihre Stellung in der rcichsstädtischcn Gesellschaft, in: JfL 60 (2000), S. 200-253, hier S. 216. 100 Zum Folgenden: StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.446: Ayrer, Gilg (Egidius) (G). 101 Ernst Kroker: Der Stammbaum der Familie Ayrer, in: MVGN 14(1901),S. 158-204, hier S. 170. 102 StadtAN E 5/77 Nr. 2, S. 993, StadtAN E 17/11 Nr. 45 und Nr. 46. 103 StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.264: Ayrer, Hein­ rich I. (G), und Objekt-Nr. 55.834: Hetzer, Hans I. (G). Iw4 Datum nach Kroker: Ayrer (wie Anm. 101), S. 169 (Heinrich IV. Ayrer). Hier auch das Ge­ burtsjahr von dessen Frau Clara, die aber als Tochter Jacob Seybotters bezeichnet wird. lo:) Hierzu und zum Folgenden vgl. Haller: Vermögen (wie Anm. 16), S. 1441. 106 Zu ihm vgl. Haller, Vermögen (wie Anm. 16), S. 145, Karl Gröschel: Ayrer, Melchior, Dr. med., in: Diefenbacher/Endres: Stadtlexikon (wie Anm. 2), S. 93, Bauernfeind: Bürger (wie Anm. 99), S. 218, StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.684: Ayrer, Melchior Dr. (G).

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Gilg Ayrer 1572 im Alter von 63 Jahren, Kupferstich um 1690. (StadtAN E 17/11 Nr. 46)

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den Ehen Stefans I. aufgeteilt wurde.107 Aus diesem Erbe wurde bereits am 11. Oktober desselben Jahres ein Betrag von 1.250 Gulden als erste Rate von den drei Söhnen aus erster Ehe, Nikolaus III., Hans III. und Stefan II., an ihre bei­ den Schwestern aus erster Ehe und die beiden unmündigen Kinder aus der zweiten Ehe Stefans I. ausbezahlt.108 Am 16. Oktober 1534 wurde dann von allen Parteien die Erfüllung des Erbvertrags Stefans I. quittiert und bestätigt.109 Am 21. Juli 1535 erhielten schließlich alle Parteien gemeinsam zehn Kuxe am Quecksilberbergwerk auf Unser lieben Frauen Verkündung in Oberschönbach in Böhmen (heute Horni Luby/Tschechien) als Ablöse einer Schuldverschrei­ bung Stefans I.110 Das Handelsspektrum Gilg Ayrers umfasste Safran, Lebensmittel, Tuche, Leder und Seidenwaren, über Jahrzehnte beherrschte er fast monopolartig den Wollhandel zwischen Nürnberg und Nördlingen.111 1540 wurde Gilg Ayrer als Genannter in den Größeren Rat gewählt und blieb in diesem Gremium bis zu seinem Tod 1573. 1561 wurde er Gassenhauptmann. Der Hausbesitz Gilg Ayrers war umfangreich: 1557 erwarb er vom Rat der Stadt das 1525 in der Reformation aufgelöste Karmeliten- bzw. Frauenbrüder­ kloster am Kornmarkt (heute Josephsplatz), dessen Gebäude inzwischen bau­ fällig geworden waren.112 Häuser, die zu diesem Komplex gehörten, wurden später veräußert.113 Zeitgleich, 1557, hatte er das Obereigentum am Haus Weißgerbergasse 8 inne, 1570 das am Haus Färberstraße 5 und 1572 in der Oberen Wörthstraße 2.114 1568 verfasste Gilg Ayrer sein Testament. Mit diesem errichtete er eine Sti­ pendienstiftung, die 1604 von seinem Schwiegersohn Hans (II.) Gutthäter,

107 Zur Heirat: Karl Schornbaum: Das älteste Ehebuch der Pfarrei St. Sebald in Nürnberg 1524— 1543. Das älteste Ehebuch der evangelisch-lutherischen Kirche Deutschlands (Freie Schriften­ folge der Gesellschaft für Familienforschung in Franken 1), Nürnberg 1949, Nr. 763. Zur Betei­ ligung am Erbe Stefans I.: StadtAN B 14/11 Nr. 35, fol. 39v. 108 StadtAN B 14/11 Nr. 35, fol. 146v. 109 Quittierung: StadtAN B 14/11 Nr. 37, fol. 95v, Bestätigung: StadtAN B 14/11 Nr. 37, fol. 96v. 110 StadtAN B 14/11 Nr. 39, fol. 7v. 111 Peters: Handel (wie Anm. 11), S. 393 und 562. 112 StadtAN B 14/1 Nr. 73, fol. 224v, und StadtAN D 1 Nr. 649. StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 18.575. 113 So z.B. 1558: StadtAN B 14/111 Nr. 98, fol. 128r, StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 18.577; Haus L 346 b (1841 mit dem Nachbarhaus vereint), oder 1566: StadtAN F 5 Nr. 3/VII, S. 266. 114 1557: StadtAN B 14/1 Nr. 73, fol. 212v, vgl. StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Ob­ jekt-Nr. 44.630; Haus S 206 (ab etwa 1865 Weißgerbergasse 8), 1570: StadtAN B 14/1 Nr. 87, fol. 13v, vgl. StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 44.517; Haus L 398 (ab etwa 1865 Färberstr. 5), 1572: StadtAN B 14/1 Nr. 86, fol. 147r, vgl. StadtAN GSI 175 (Daten­ bank Häuserbuch), Objekt-Nr. 35.881; Haus L 159 (ab etwa 1865 Obere Wörthstr. 2).

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1611 von dessen Witwe Clara Maria115 und 1614 von seinem Schwiegersohn Eustachius Unterhölzer vermehrt wurde. 116 Egidius (Gilg) Ayrer verstarb am 30. Januar 1573.1,7 6. Wolf Schwindenhamer (gest. 1575)'18 Uber den sechsten Petenten weiß man kaum etwas. Wolf Schwindenhamer wurde gegen eine Gebühr von 10 Gulden 1539 Nürnberger Bürger.119 Woher er stammte, ist ebenso wenig bekannt wie sein Geburtsjahr. Am 22. Oktober 1527 heiratete Wolf Schwindenhamer Barbara Riemenschneider und am 5. März 1539 Katharina von Ploben. Letztere stammte aus einer in Nürnberg angesehe­ nen Kaufmannsfamilie. Katharinas Vater war der Goßkaufmann, Faktor der Geuder und seit 1516 Genannter des Größeren Rats Linhart III. von Ploben (gest.1540), ihre Mutter Katharina die Tochter des Ratsherrn Endres II. Geuder (gest. 1513) und der Christina Rieter (gest. 1511).120 Uber seine zweite Frau kam Wolf Schwindenhamer in den Besitz des 1456 von der Familie von Ploben erworbenen Plobenhofs121, den er 1544 wieder veräußerte.122 1549 ist die Tochter eines N. Schwingenhammer (= Wolf Schwin­ denhamer?) bei den Hochzeitsfeierlichkeiten anlässlich der Vermählung des Paulus IV. Tücher (1524-1603) mit Ursula Schcurl (1529—1587)123 zum Tanz 115 Testament: StadtAN D 15 Nr. A 1 Nr. 1. Vermehrung Gutthäter: StadtAN D 15 Nr. H 14 Nr. 3. Der Kaufmann Hans (II.) Gutthäter (1555-1605) heiratete 1578 Clara Maria Ayrer (gest. 1611), die Witwe von Hieronymus HOpfer - vgl. StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 57.128: Gutthäter, Hans II. (G), und Bauernfeind, Bürger (wie Anm. 99), S. 225. Er vermachte der Ayrer-Stiftung 1.100 Gulden (StadtAN D 15 Nr. A 1 Nr. 1). 1,6 Der Handelsmann Eustachius Unterhölzer (gest. 1615) war seit 1567 in erster Ehe verheiratet mit Gilgs Tochter Apollonia Ayrer (gest. 1588) und vermachte 1614 per Testament der AyrerStiftung 1.200 Gulden (StadtAN D 15 Nr. A 1 Nr. 1); vgl. StadtAN GSI 152 (Datenbank Ge­ nannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.936: Unterhölzer, Eustachius (G). Bernhard Ebneth: Stipendienstiftungen in Nürnberg (NW 62), Nürnberg 1994, S. 153 und 168. 117 Grabinschrift vgl. Zahn: Inschriften 1 (wie Anm. 5), Nr. 724. 118 Zum Folgenden: StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.548: Schwindenhamer, Wolff (G). 119 StAN, Rst. Nbg., Amts- und Standbücher Nr. 300/1, fol. 54. I“:") StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.038: Ploben, Lin­ hart III. von (G), und Objekt-Nr. 55.679: Geuder, Endres II. (G). Zur Heirat mit Barbara Rie­ menschneider vgl. Schornbaum: Ehebuch Sebald (wie Anm. 107), Nr. 4576, mit Katharina von Ploben ebd., Nr. 4599. 121 StadtAN E 4/62 Nr. 1, fol. 174v. Vgl. StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 160.264; Haus S 823 (ab etwa 1865 Plobenhofstr. 10/Herzgasse 3). 122 StadtAN B 14/1 Nr. 58, fol. 63v. 123 Vgl. Beyerstedt/Diefenbacher: Tucherbuch CD-ROM (wie Anm. 14), fol. 164r—166r, und StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.580: Tücher, Pau­ lus II. (G).

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1544 verkaufte Wolf Schwindenhamer den von seiner zweiten Frau geerbten Plobenhof. Plobenhof 1918, Fotografie Hochbauamt Nürnberg. (StadtAN A 38 Nr. B-58-12)

geladen.124 1563/64 klagen zwei Mühlenbesitzer - Hintersassen des Siech­ kobels St. Peter in Nürnberg - wegen eines von Wolf Schwingenhaymer (= Wolf Schwindenhamer?) in der Schwarzach erbauten Wehres.125 Wenn auch diese beiden Nennungen zwar wahrscheinlich, aber nicht zwingend Wolf Schwindenhamer zuzurechnen sind, so ist die Übergabe des väterlichen Erb­ teils an Barbara Schwingenhamer durch ihre Mutter Barbara Zellerin am 4. November 1527, der der Ehemann und Kurator Barbara Schwingenhamers namens Wolfgang zustimmte126, und das Urteil im Streit der Frau des Drahtzie­ hers Wolf Schwingenhamer gegen ihren Stiefvater, den Drahtzieher Lorentz Zeuner, um Herausgabe ihres mütterlichen Erbteils vom 23. August 1529127 auf jeden Fall dem Petenten von 1560 Wolf Schwindenhamer und seiner ersten Ehefrau Barbara zuzuordnen.

124 StadtAN E 29/IV Nr. 1065. 125 StadtAN D 7 Sch. VI Nr. 3. 126 StadtAN B 14/11 Nr. 24, fol. 175r. 127 StadtAN B 14/11 Nr. 29, fol. 36r.

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Der in der Quelle von 1529 als „Drahtzieher“ bezeichnete Wolf Schwindenhamer, wozu auch der Besitz einer Mühle an der Schwarzach 1563/64 passen würde, war mit Sicherheit kein Handwerker, sondern Unternehmer, denn nur als solcher macht seine Unterstützung der Supplik von 1560 einen Sinn. Wolf Schwindenhamer wurde 1547 in das Genanntenkollegium aufgenommen, er blieb bis zu seinem Tod 1575 Mitglied des Größeren Rats. 7. Lukas Sitzinger (1514—1572)128 Lukas Sitzingers Vater gleichen Namens war von Augsburg nach Nürnberg zugezogen. Dieser Großkaufmann (mit Handelsbeziehungen nach Italien), Hammerherr (Besitzer des Hammerwerks in Schniegling129) und seit 1514 Ge­ nannter des Größeren Rats Lukas I. Sitzinger (1482-1560) heiratete am 17. September 1510 Esther, die Tochter des Tuchhändlers, Safranschauers und Genannten des Größeren Rats (seit 1492) Hans Fugger aus der Linie vom Reh (gest. 1501), der sich 1474 in Nürnberg niederließ und Stammvater der Nürn­ berger Fugger wurde, und der Veronica Ramung (gest. 1523), seiner zweiten Ehefrau.130 Auch der Nürnberger Chronist Johannes Müllner betont die Augs­ burger Abstammung der Sitzinger.131 Lukas II. Sitzinger wurde am 15. November 1514 geboren und heiratete am 9. Oktober 1554 ins Nürnberger Patriziat ein. Seine Frau Ursula (1537-1603) war die Tochter des Altdorfer Pflegers Balthasar 1. Rummel (gest. 1547) und der Katharina Tetzel.132 Ein Jahr nach der Hochzeit, 1555, wurde Lukas 11. in den Kreis der Genannten des Größeren Rats aufgenommen und 1567 zum Marktvorsteher kooptiert.133 Beide Funktionen übte er bis zu seinem Tod aus. Fukas II. Sitzinger war wie sein Vater Montanunternehmer, aber auch im Venedighandel und in Antwerpen engagiert und auf den Finzer Messen zugan­ ge.1'’4 Als Montanunternehmer ist Lukas Sitzinger (Vater und/oder? Sohn) im 128 Zum Folgenden: StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.647: Sitzinger, Lucas II. (G). 129 Vgl. Giersch/Schlunk/Haller: Herrensitze (wie Anm. 73), S. 38S. 130 Zu Hans Fugger vgl. Haller: Vermögen (wie Anm. 16), S. 155, und StadtAN GSI 152 (Daten­ bank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 55.696: Fugger, Hans (G). Zu Lukas I. Sitzin­ ger vgl. StadtAN E 1/1709 Nr. 1 und StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.013: Sitzinger, Lucas I. (G). 131 Müllner zu 1550, vgl. Diefenbacher: Müllner 4 (wie Anm. 6). 132 Christa Schaper: Die Ratsfamilie Rummel - Kaufleute, Finanziers und Unternehmer, in: MVGN 68 (1981), S. 1-107, hier S. 69 und 106. 133 StadtAN E 8 Nr. 573, fol. 42v. Als solcher begutachtete er mit anderen für die Nürnberger Kaufmannschaft am 10. Dezember 1571 in Zollfragen, vgl. Peters: Allianzen (wie Anm. 13), S. 227f. 134 Zum Bergwerksbesitz der Sitzinger vgl. Heinrich Kunnert: Nürnberger Montanunternehmer in der Steiermark, in: MVGN 53 (1965), S. 229-258, vor allem S. 232-238, zu Lukas II. Sitzin-

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Lukas Sitzinger d. Ä., Radierung um 1650. (StadtAN A 7/1 Nr. 2820)

Zeitraum 1526-1548 auch als Geschäftspartner des Judenburger Kaufmanns Clemens Körblcr verzeichnet135, was auf den Handel der Sitzinger mit ober­ steirischem Eisenerz hindeutet. Im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert besa­ gen Montanengagement in Böhmen, der Steiermark und Tirol vgl. auch Fleischmann, Rat (wie Anm. 73), S. 327, zum Venedighandel und Linz: Peters: Allianzen (wie Anm. 13), S. 178f. und 323, zu Antwerpen: Mark Häberlein: Nürnberg im Handelsnetz der Augsburger WelserGesellschaft (1496-1551), in: MVGN 101 (2014), S. 79-114, hier S. 107. 135 Wolfgang Frhr. von Stromer: Das Schriftwesen der Nürnberger Wirtschaft vom 14. bis zum 16. Jahrhundert. Zur Geschichte oberdeutscher Handelsbücher, in: Stadtarchiv Nürnberg (Hg.): Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs, 2 Bde. (Beiträge zur Geschichte und Kultur der Stadt Nürnberg 11), Nürnberg 1967, S. 751-799, hier S. 757.

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ßen die Sitzinger Bergwerksanteile im steirischen Schladming (Kupfer, Blei und Silber), im steirischen Oblarn und in der Walchen bei Oblarn (Kupfer).136 Lukas II. beutete auch Bergwerke in Tirol aus137, wo zur gleichen Zeit ebenso die Augsburger Sitzinger aktiv waren.138 Lukas' II. gleichnamiger Sohn zählte 1579 mit einer Losung von 74 Gulden zu den reichsten Bürgern Nürnbergs.139 Geschäftsunterlagen der Sitzinger-Firma liegen aus den Jahren 1588 und 1589 vor.140 1526 kaufte Lukas I. Sitzinger von den Geschwistern seiner Frau deren Anteile an dem von den Eltern geerbten Haus am Fischmarkt.141 Fast 100 Jahre verblieb das weitläufige Hofareal (Vorder- und Hinterhaus mit zwei Seiten­ flügeln) im Besitz der Sitzinger, bis es 1609 die Nürnberg verlassenden Söhne Lukas“ II., Wilhelm (geb. 1563, Genannter des Größeren Rats seit 1593, Bür­ gerrecht aufgesagt 1609) und Lukas III., - auch um nach dem Tod der Mutter ihre Miterben auszubezahlen142 - an Georg Christof Gugel (1568-1616) verkauften.143 Auch das Hammerwerk in Schniegling ging von Lukas I. auf Lukas II. Sitzinger über.144 Lukas II. Sitzinger verstarb am 6. September 1573. Seine Witwe ließ am Schnieglinger Herrenhaus 1578 ohne Genehmigung des Rats ein Waschhaus und eine Badstube errichten und holte hierfür nachträglich am 5. Juli 1581 die Genehmigung ein.145

136 Vergleich zwischen den Söhnen Lukas“ II. Lukas III. und Wilhelm Sitzinger einerseits und Paulus Bchaim und Paulus Pfinzing andererseits wegen des Erbteils der Ursula Behaim geb. Sitzinger an den Bergwerken zu Oblarn, Schladming und in der Walchen 1594-1597: StadtAN E 11 /II Nr. 696. Für Schladming auch Peters: Handel (wie Anm. 11), S. 289, und Reinhard: Augsburger Eliten (wie Anm. 24), S. 639f. 1,7 Streit des Paulus Pfinzing und des Paulus Behaim als Vormünder von Paulus Behaims Sohn Lukas Friedrich Behaim mit Lukas III. Sitzinger wegen des dem Lukas Friedrich Behaim gehö­ rigen Anteils an den Bergwerken des verstorbenen Lukas II. Sitzinger in Tirol 1594-1597: StadtAN E 1 l/II Nr. 697. 138 Peters: Handel (wie Anm. 11), S. 453f. (Karl Sitzinger). 139 Bauernfeind: Bürger (wie Anm. 99), S. 238. Er besaß bei der Aufgabe seines Nürnberger Bür­ gerrechts 1606 ein Vermögen von etwa 85.000 Gulden. Vgl. auch StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 57.359: Sitzinger, Lucas III. (G). 140 StadtAN E 1 l/II Nr. 1256 und 1257. 141 StadtAN A 1, 1526 November 1. Vgl. StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 137.001; Haus S 19 (ab etwa 1865 Hauptmarkt 11/Winklerstr. 12). 142 StadtAN F 5 Nr. 3/VI, S. 556-557. 143 StadtAN A 1, 1609 August 10, und StadtAN F 5 Nr. 3/VI, S. 558-559. 144 Zu ihm vgl. Giersch/Schlunk/Haller: Herrensitze (wie Anm. 73), S. 388. - 1564 brach ein Streit mit den Inhabern der Weidenmühle wegen Einbauten (überstemmung) in der Pegnitz aus: StadtAN A 26, Rep 87 Nr. 740. 145 StadtAN A 1,1581 Juli 5.

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8. Endres Imhoff (1491-1579) und Gebrüder146 Endres Imhoff ist am 29. November 1491 in Nürnberg geboren. Sein Vater war der Ratsherr und erfolgreiche Lenker der Imhoffschen Handelsgesellschaft „Peter Imhoffund Gebrüder“ Hans V. Imhoff (1461-1522), seine Mutter Ka­ tharina die Tochter des Ratsherrn Gabriel I. Muffel (gest. 1498) und der Ursula Löffelholz (gest. 1477), also eine Enkelin des 1469 hingerichteten Vordersten Losungers Nikolaus III. Muffel.147 Am 13. September 1518 heiratete Endres Imhoff Ursula Schlaudersbach (geb. um 1491 )148, deren Vater Georg I. (gest. 1512) erst 1495 aus Graz nach Nürnberg zugewandert war149, bereits 1497 zum Genannten des Größeren Rats gewählt wurde und um 1500 mit einem Vermö­ gen von etwa 40.000 Gulden zu den fünf reichsten Bürgern der Stadt zählte.150 Nach Ursulas Tod 1525 nahm Endres Imhoff am 11. Februar 1526 Magdalena Reich (gest. 1558) zur Frau, die dritte Ehefrau und Witwe des ebenfalls 1525 verstorbenen Juristen Dr. Peter Dotzler.151 Magdalenas Eltern waren der Fern­ händler und kurzzeitige Ratsherr (1534-1535) Thomas Reich (gest. 1544) und Magdalena (1479-1512), eine Tochter des Buchdruckers Anton I. Koberger (1445-1513).152 Endres“ Vater Hans V. Imhoff ließ seinen Zweitältesten Sohn von einem Schreib- und Rechenmeister sowie an der Lateinschule bei St. Lorenz unter­ richten. 1504 kam er bei einem Seidenhändler in Venedig in die Lehre, 1509— 1519 führten ihn zum Teil ausgedehnte Handelsreisen nach Italien, Spanien, Portugal und Frankreich. 1519 trat er in die Familienfirma „Peter lmhoff und Gebrüder“ mit einer Einlage von fast 3.800 Gulden ein und weilte bis 1525 als Mitgesellschafter in den Safranzentren Italiens und Südfrankreichs (Aquila, Albi, Toulouse, Lyon). Nach dem Tod seines Onkels Peter (1444-1528) wurde 146 Zum Folgenden: StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.084: Imhoff, Endres II. (G), und Christoph Frhr. von Imhoff: Die lmhoff - Handelsherren und Kunstliebhaber, in: MVGN 62 (1975), S. 1-42. Vgl. dagegen die „Porträtskizze" zu Endres lmhoff bei Peters: Allianzen (wie Anm. 13), S. 384-422. 147 StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 55.659: lmhoff, Hans (IV.) (G), und Objekt-Nr. 55.486: Muffel, Gabriel I. (G). Fleischmann: Rat (wie Anm. 73), S. 609. 148 StadtAN B5/II Nr. 164. 141 StAN Rst. Nbg., Amts- und Standbücher Nr. 299, fol. 26. 150 StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 55.745: Schlauders­ bach, Georg I. (G), Haller: Vermögen (wie Anm. 16), S. 126, Fleischmann: Rat (wie Anm. 73), S. 610. 151 StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.059: Dotzler, Peter Dr. (G). Zur Heirat vgl. Helene Burger: Das älteste Ehebuch der Pfarrei St. Lorenz in Nürnberg, Nürnberg 1951, Nr. 300. 152 Fleischmann: Rat (wie Anm. 73), S. 853, Hans-Otto Keunecke: Anton Koberger. Familie und Verwandtschaft. Geschäftlicher Erfolg und soziale Stellung. Mit einem Exkurs: Das Kobergerwappen, in: MVGN 100 (2013), S. 99-148, hier S. 115f.

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Medaille auf Endres Imhoff 1569, Kupferstich von S. Leitner junior 1766. (StadtAN E 17/11 Nr. 1274)

er Hauptgesellschafter des Handelshauses, nun umbenannt in „Endres Imhoff und Mitverwandte“ bzw. „Endres Imhoff und Gebrüder“. Die wichtigsten Niederlassungen der Firma lagen zu der Zeit in Lyon und Venedig. Dem Safran galt Endres“ Hauptinteresse, hier war die Imhoffsche Handelsgesellschaft der größte Konkurrent der Tücher und der Nürnberger Welser.153 Die Imhoff-Gesellschaft zählte seit der Mitte des 15. Jahrhunderts zu den größten Handelsfirmen Europas. Gewürze, Farben, Edelmetalle, Seide und Seidenwaren, Leinwand und andere Tuche, Weine, Montanprodukte, Rauch­ waren, Leder und Häute, Waffen und die Nürnberger Handwerksprodukte zählten zu ihrem Warensortiment. Seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts orientierte sich die Firma, die eine eigene Handelskammer im Fondaco dei Tedeschi in Venedig unterhielt, mehr auf die Handelsplätze Westeuropas um und begann, sich stärker in Geldgeschäften und im Bergbau (besonders sächsi­ sches Silber und schlesisches Gold) zu engagieren. Zu den alten Niederlassun­ gen in Venedig, Salzburg, Linz, Prag, Brünn, Olmütz kamen nun Neapel, 153 Gerhard Seibold: Die Imhoffsche Handelsgesellschaft in den Jahren 1579-1635, in: MVGN 64 (1977), S. 201-214, Michael Diefenbacher: Imhoff, Andreas (Endres) I., in: Diefenbacher/ Endres: Stadtlexikon (wie Anm. 2), S. 469, Fleischmann: Rat (wie Anm. 73), S. 610-612. Zu Aktivitäten der Imhoff-Gesellschaft („Peter Imhoff und Gebrüder“) zuletzt: Häberlein: Han­ delsnetz (wie Anm. 134), S. 86, 91, 93, 96.

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Aquila, Messina, Lyon, Saragossa, Lissabon, Antwerpen und Amsterdam. Das angestammte Warensortiment wurde allmählich vom Safran dominiert. 1510 baute die Imhoff-Gesellschaft in Bari eine Faktorei zum Absatz des italieni­ schen Safrans auf und schloss mit den Nürnberger Weisem ein Einkaufskartell. Zusammen mit diesen und den Hirschvogel beteiligten sich 1505/06 drei Imhoff an der ersten Handelsfahrt oberdeutscher Kaufleute nach Indien. Die Umorientierung vom reinen Ost- und Orienthandel auf überwiegenden Westund Überseehandel wurde unter der Leitung von Endres Imhoff abgeschlos­ sen. Ab den 1540er Jahren engagierte sich Endres verstärkt in Geldgeschäften (vor allem Kredite an die französische, portugiesische und spanische Krone sowie an Herzog Albrecht von Bayern und Landgraf Philipp von Hessen). Ihre größte Ausdehnung erreichte die Firma um 1565; das Netz ihrer Faktoreien umspannte nun den Raum Lübeck, Krakau, Prag, Venedig, Aquila, Lissabon, Antwerpen, Amsterdam. Ihre Gewinne beliefen sich auf etwa 500.000 Gulden. Auch im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert spielte Safran für die Firma noch eine herausragende Rolle, neu war aber ihr starkes Engagement im mit­ teldeutschen Kupfergeschäft (Gräfenthaler Saigerhandel). Starke Akzente für ihren Warenaustausch mit dem Osten setzte nun Leipzig. Zusammen mit der Tucherschen Handelsgesellschaft blieb die Imhoff-Gesellschaft im 17. Jahr­ hundert die letzte in größerem Umfang aktive Handelsgesellschaft des Nürn­ berger Patriziats.154 Endres Imhoff wurde 1519, im Jahr nach seiner ersten Heirat, Genannter des Größeren Rats. 1520 folgte seine Berufung zum Assessor am Nürnberger Stadtgericht, 1523 zog er als Jüngerer Bürgermeister in den Kleineren Rat ein. Zwischenzeitlich Pfleger des Rugamts, des Landpflegamts und der Mcndclschen Zwölfbrüderstiftung, stieg er 1529 zum Älteren Bürgermeister und drei Jahre später, 1532, zum Septemvir auf. 1544 wurde er dritter Oberster Haupt­ mann und im gleichen Jahr Zweiter Losunger neben Linhart II. Tücher. Nach dessen Resignation rückte Endres 1565 in das höchste Nürnberger Regierungs­ amt des Vordersten Losungers auf, 1571 wurde ihm zudem nach dem Aus­ scheiden des letzten auswärtigen adeligen Reichsschultheißen die Verwaltung dessen Amtes übertragen. Die Leitung der Handelsgesellschaft behielt er - wie bei Linhart Tücher vom Nürnberger Rat geduldet - bis 1570.155 Endres Imhoff verstarb am 24. Oktober 1579 fast 88-jährig.

134 Michael Diefenbacher: Imhoffsche Handelsgesellschaft, in: Diefenbacher/Endres: Stadtlexikon (wie Anm. 2), S. 470f., Peters: Handel (wie Anm. 11), S. 406-425. 155 Fleischmann: Rat (wie Anm. 73), S. 612f.

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9. Bartholomäus Lorenz Schwab (gest. 1570)I:>6 Ein Geburtsdatum von Bartholomäus Lorenz Schwab ist nicht bekannt. Der Nürnberger Chronist Johannes Müllner unterscheidet diese Familie Schwab von gleichnamigen Nürnberger Familien durch den Namenszusatz genannt Glaser157, der so auch in weiteren Quellen auftaucht.158 Bartholomäus Lorenz* Eltern waren der 1511 verstorbene Hans Schwab genannt Glaser und wohl dessen dritte Ehefrau Katharina Hupfauf (gest. 1534, Witwe des Fritz Gorel). Hans Schwabs zweite Frau Christina war 1492 verstorben, die Ehe mit Katha­ rina Hupfauf also nach der üblichen Trauerfrist frühestens 1493 geschlossen worden.159 Dies vorausgesetzt, muss Bartholomäus Lorenz zwischen 1494 und 1511 geboren sein. Bartholomäus Lorenz selbst war drei Mal verheiratet: mit Dorothea Größer (gest. 1551/52) seit dem 9. Juni 152816°, mit Sabine Schweicker (gest. 1564) seit dem 16. Januar 1553161 und mit Lucia Lochner/Lochinger (gest. 1592) seit dem 14. September 1568.162 Der Vater der ersten Frau Dorothea war der nahezu unbekannte Hans Grö­ ßer aus Windsheim (gest. 1539?), die Mutter eine N. Wendin.163 Die zweite Frau Sabine stammte von dem zur Zeit ihrer Hochzeit bereits verstorbenen Kaufmann und Genannten des Größeren Rats (seit 1525) Michel Schweicker (gest. 1552) und der Margaretha Kramer (gest. 1560), Tochter des Kaufmanns und Genannten des Größeren Rats (seit 1519) Georg Kramer (gest. 1525) und der Margaretha N. (gest. 1541), ab.164 Die Eltern der dritten Frau Lucia waren der Arzt und Genannte des Größeren Rats (seit 1505) Dr. Hans II. Lochncr/ Lochinger (gest. 1525) und Kunigunde, die Tochter des Ratsherrn Gabriel 1 lolzschuher (1431-1493) und der Brigitta Volckanier (143 1-1493).165 156 Zum Folgenden: StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.330: Schwab, Barthel Lorenz I. (G). 157 Müllner zu 1550, vgl. Diefenbacher: Müllner 4 (wie Anm. 6). l!l8 So z.B. bei einer Testamentsexekution am 20. März 1528: Stadt AN B 14/11 Nr. 26, fol. 41v. 159 StadtAN GSI 180 (Datenbank Personen allgemein), Objekt-Nr. 51.061: Schwab, Hans gen. Glaser (+ 1511). Genealogische Aufzeichnungen zu den Schwab kennen nur Hans Schwabs letzte Frau Katharina: vgl. Stadt AN E 1/1633 Nr. 2. 160 Eintrag in Schornbaum: Ehebuch Sebald (wie Anm. 107), Nr. 318. Von ihr ist ein Porträt, gesto­ chen von Hieronymus Bölmann um 1720, überliefert, das sie im Alter von 32 Jahren zeigt: StadtAN A 7/1 Nr. 2725. 161 Heiratsvertrag: StadtAN B 14/III Nr. 1, fol. 52. 162 Heiratsvertrag: StadtAN B 14/III Nr. 1, fol. 115v. 163 Todesjahr und Ehefrau nach StadtAN E 1/1633 Nr. 2. 164 StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.198: Schweicker, Michel (G), und Objekt-Nr. 56.087: Kramer, Georg I. (G). 165 StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 55.852: Lochinger, Hans II. Dr. (G), und Objekt-Nr. 55.467: Holzschuher, Gabriel (G).

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Dorothea BAHntnloRENr Schwmb; ycbcflrnc arf:

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Bartholomäus Lorenz Schwab im Alter von 35 Jahren, Kupferstich um 1720 (StadtAN A 7/1 Nr. 2722) und seine erste Frau Dorothea Größer im Alter von 32 Jahren, Kupferstich von Hieronymus Bölmann um 1720. (StadtAN A 7/1 Nr. 2725)

Bartholomäus Lorenz Schwab war Handelsmann, insbesondere im Bereich von Metallen und Erzen.166 1529 wird er in einem Gerichtsstreit beim Handel mit Schwefel erwähnt167, 1532 beim Handel mit Zinn und Blei.168 1530 und 1534 ist er in Gläubigerverfahren, in denen es u.a. um Schulden aus dem Saiger­ handel bzw. um Handel mit Bürgern aus dem böhmischen Klattau ging, in Vertretung seines Stiefvaters, des Großkaufmann Heinrich Hager, aktiv.169 Dieser, seit 1538 Genannter des Größeren Rats, hatte nach Bartholomäus Lorenz“ Vaters Tod (1511) dessen Witwe Katharina geheiratet. Nach Heinrich Hägers Tod 1539 wurde Bartholomäus Lorenz Schwab dessen Alleinerbe.170 166 167 168 169 170

Peters: Handel (wie Anm. 11), S. 192, nennt ihn Kupferhändler. 1 2.7.152 9: StadtAN B 14/11 Nr. 29, fol. 15r. 1 3.6.1532: StadtAN B 14/11 Nr. 33, fol. 116v. 2 7.5.15 3 0: StadtAN B 14/11 Nr. 29, fol. 158r., 22.4.1534: StadtAN B 14/11 Nr. 36, fol. 68r. StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.426: Hager, Hein­ rich (G). Der bei Häberlein: Handelsnetz (wie Anm. 134), S. 97, genannte Bartholomäus Schwab, „Stiefsohn des Nürnbergers Hans Hager“, dem 1525 von der Nürnberger WelserGesellschaft 100 Goldgulden nach Antwerpen transferiert wurden, war Bartholomäus Lorenz“ Bruder, Genannter des Größeren Rats 1527-1551. Beide Brüder sind auch 1527 in Wechsel­ geschäften (600 Goldgulden) mit den Augsburger Weisem über deren Antwerpener Niederlas­ sung verbunden - Häberlein: Handelsnetz (wie Anm. 134), S. 98.

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Umfangreich war der Besitz des Bartholomäus Lorenz Schwab in der Stadt und in der Umgebung Nürnbergs: 1534 kaufte Bartholomäus Lorenz zusam­ men mit seinem älteren Bruder Bartholomäus (gest. 1568)171 das Obereigentum am Haus zum Morulfstein am Milchmarkt, das den beiden Brüdern auch ge­ hörte.172 1543 veräußerten Hans Schweickers unmündige Kinder173 das Han­ delshaus in der Alten Ledergasse an Bartholomäus Lorenz um 520 Gulden. Im gleichen Jahr verkaufte dieser es weiter an Barbara Geyger um 1.420 Gulden.174 Im darauf folgenden Jahr erwarb Bartholomäus Lorenz von seinem Bruder Bartholomäus das Haus der Heiltumsweisung (1427-1523) am Hauptmarkt, das dieser 1531 aus der Erbmasse Fütterer/Haller erstanden hatte.175 Durch ein außergerichtliches Schiedsverfahren (Adjudikation) gelangte Bartholomäus Lorenz 1559 in den Besitz des Hauses Breite Gasse 56, dessen Obereigentum er bereits seit 1551 besaß.176 1561 kaufte er ein Haus im Unteren Wörth, auch hier besaß er bereits das Obereigentum.177 Und schließlich 1559 erwarb Bar­ tholomäus Lorenz das Haus gegenüber der Waage, das schon seinem Vater Hans gehört hatte, aber über seine Mutter in den Besitz seines Stiefvaters Hein­ rich Hager gelangt war.178 1531 erwarben die Brüder Bartholomäus und Bartolomäus Lorenz Schwab den Herrensitz Bislohe bei Fürth, der bis ins 18. Jahrhundert im Besitz der 171 Dieser war seit 1527 Genannter des Größeren Rats, die Mitgliedschaft in diesem Gremium wurde ihm 1551 aberteilt: StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.233: Schwab, Barthel I. (G). 172 StadtAN B 14/11 Nr. 36, fol. 154r. Vgl. StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 103.079: Haus S 519 (ab etwa 1865 Untere Schmiedgasse 4). 173 Der Montanunternehmer, Kupfer- und Messinghändler Hans Schweicker (1518-1520 Ge­ nannter des Größeren Rats, gest. 1537) war der Bruder von Michel Schweickers Vater Sebald Schweicker (gest. 1521), und dieser Michel Schweicker der Vater von Bartholomäus Lorenz“ zweiter Frau Sabine. Zudem war Hans Schweicker in zweiter Ehe mit Katharina Hager (gest. wohl 1541), der Schwester Heinrich Hägers, des Stiefvaters von Bartholomäus Lorenz Schwab, verheiratet. Aus dieser Ehe stammen auch die unmündigen Verkäufer. Vgl. StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.073: Schweicker, Hans I. (G). 174 Kauf: StadtAN B 14/1 Nr. 57, fol. 19v, Verkauf: StadtAN B 14/1 Nr. 57, fol. 88v. Zum Haus: StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 151.008: Haus S 1132 (ab etwa 1865 Tucherstr. 23). 171 Kauf 1531: StadtAN B 14/1 Nr. 43, fol. 161, Kauf 1544: StadtAN B 14/1 Nr. 153 fol. 14. Zum Haus: StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 136.982: Haus S 17 (ab etwa 1865 Hauptmarkt 15/Winklerstr. 16). 176 1 551: StadtAN B 14/1 Nr. 67, fol. 94r, 1559: StadtAN B 14/1 Nr. 75, fol. 149v. Zum Haus: StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 44.712: Haus L 461 (ab etwa 1865 Breite Gasse 56). 177 StadtAN B 14/1 Nr. 76, fol. 129v. Zum Haus: StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 35.945: Teil von Haus L 155 a (ab etwa 1865 Untere Wörthstr. 18). 175 StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 129.475: Haus S 72 (ab etwa 1865 Winklerstr. 25).

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Nachfahren von Bartholomäus Lorenz verblieb.179 Außerdem besaß Bartho­ lomäus Lorenz Güter zu Sack, Hausen, Wimmelbach und Fetzelshofen, ein Lehen zu Castell und das halbe Fischwasser bei Weickershofen.180 1559 leistete er vor dem Vordersten Losunger Linhart II. Tücher als des Vertreters Kaiser Ferdinands I. den Eid für ein Reichslehen.181 Bartholomäus Lorenz Schwab wurde 1532 in das Genanntenkollegium ge­ wählt und 1569 zum Marktvorsteher kooptiert.182 Beide Funktionen übte er bis zu seinem Tod aus. Bartholomäus Lorenz verstarb am 29. Januar 1570. Er hin­ terließ ein Vermögen an Immobilien von über 68.000 Gulden, Ausstände aus seinen Handelsgeschäften von über 43.500 Gulden sowie ein zu 6 Prozent verzinstes Kapital in seiner Handelsfirma von 10.000 Gulden. Von diesem Ver­ mögen wurden seinen sechs ihn überlebenden Kindern jeweils etwas mehr als 8.657 Gulden vererbt. Außerdem hat Bartholomäus Lorenz eine Stipendien­ stiftung mit einem Kapital von 35.000 Gulden ausgestattet.183

10. Hans Beheim (gest. 1563)184 Uber den zehnten Petenten von 1560, Hans Beheim, ist so gut wie nichts be­ kannt. Er war Kaufmann, wurde 1562 in den Größeren Rat aufgenommen und wohnte nach den Sebalder Totengeläutbüchern in der Egidiengasse.185 1559 hatte Hans Beheim dort ein Haus gegen der Prediger kirchen über, zwischen herrn Wolffen Hallers und Hansen Clarners heusern ligend, von seinem spä­ teren Mitunterzeichner der Petition von 1560, Christof Lindner, für 3.200 Gulden gekauft, das nach seinem Tod am 3. Juli 1563186 sein Güterkurator am 17. November desselben Jahres für 2.200 Gulden an Wilhelm Patterson weiter verkaufte.187 Das Obereigentum an diesem Haus hatte Stefan II. Praun inne. Es handelt sich dabei um das bereits oben erwähnte Haus, das 1618 von der Reichsstadt zur Arrondierung ihres Rathausareals aufgekauft wurde, aber er171 180 181 182 183 IS4 18:1 186 187

Giersch/Schlunk/Haller: Herrensitze (wie Anm. 73), S. 44f. StadtAN El/1633 Nr. 2. StadtAN E 29/11 Nr. 243. StadtAN E 8 Nr. 573, fol. 42v. Verlassenschaft: StadtAN E 1/1633 Nr. 5. Zur Stiftung vgl. Ebneth: Stipendienstiftungen (wie Anm. 116), S. 95 und 177. Zum Folgenden: StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.764: Beheim, Hans V. (G). Helene Burger (Bearb.): Nürnberger Totengeläutbücher, 3 Bde., Neustadt/Aisch 1961-1972, Nr. 7672. So StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.764: Beheim, HansV.(G). Kauf: StadtAN B 14/1 Nr. 75, fol. 60r, Verkauf: StadtAN A 1, 1563 November 17. Christof Lindner s. unten Nr. 18.

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1559 kaufte Hans Bcheim das östlich an den späteren Wolffschen Rathausbau anschließende Haus, das 1884/85 zugunsten der Rathauserweiterung von August von Essenwein abgerissen wurde. Fotografie von Ferdinand Schmidt vor 1884. (StadtAN A 47 Nr. KS-132-023)

halten blieb und erst 1884/85 zugunsten des Essenwein-Traktes an der Theresienstraße abgebrochen wurde.188 11. Veit Holzschuher (1515—1580)189 Der elfte Petent entstammte einer der ältesten ratsfähigen Familien der Reichsstadt.190 Veit Holzschuher wurde am 15. Juni 1515 geboren. Sein Vater Georg II. Holzschuher (gest. 1543 in Planitz im Vogtland)191, Genannter des Größeren Rats seit 1509, hatte 1516 den Herrensitz Artelshofen bei Vorra er188 StadtAN GS1 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 86.216: Rathaus alt 8. Stefan II. Praun s. oben Nr. 4. 189 Zum Folgenden: StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.482: Holzschuher, Veit I. (G). 190 Vgl. Michael Diefenbacher: Holzschuher von Artelshofen, Patrizierfamilie, in: Diefenbacher/ Endres: Stadtlexikon (wie Anm. 2), S. 458, und Fleischmann: Rat (wie Anm. 73), S. 567-600. 191 Zu ihm vgl. StadtAN E 49/III Nr. 2, fol. 142v-143r.

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worben192 und heiratete 1508 Margaretha (gest. 1542), die Tochter Linharts II. von Ploben (Genannter des Größeren Rats seit 1479, gest. 1512) und der Bar­ bara Harsdörffer (gest. 1504).193 Veit Holzschuher selbst war vier Mal verheiratet: Am 27. Dezember 1542 ehelichte er Anna (1516-1551), die Tochter des aus Nördlingen stammenden kaiserlichen Rats, Sekretärs und Registrators in der römischen Kanzlei Fried­ richs III. und Maximilians I. Sixt Oelhafen (1466-1539, Genannter des Größe­ ren Rats seit 1519) aus dessen zweiter Ehe (geschlossen 16. Februar 1508) mit Barbara Rieter (gest. 1540).194 Am 13. Januar 1562 heiratete Veit die bereits am 27. Oktober desselben Jahres verstorbene Clara Grundherr (1530-1562), Toch­ ter des Ratsherrn (seit 1524) Paulus II. Grundherr (1497-1557) und der Mar­ garetha Imhoff (gest. 1562)195, am 31. Januar 1564 Clara (gest. 1571), die Toch­ ter von Friedrich IV. Tetzel (gest. 1562, Genannter des Größeren Rats seit 1534) und Helena Cammermeister/Cammerer/Camerarius196, und schließlich am 12. Februar 1573 Katharina (gest. 1617), die Tochter des Pflegers von Lauf, Sebald III. Rieter (gest. 1550, Genannter des Größeren Rats seit 1529), und der Dorothea Größer genannt von Geisendorf.197 Prachtvoll abgebildet ist Veit Holzschuher mit seinen vier Frauen und deren Ahnenprobe im von ihm selbst initiierten rot-samtenen Geschlechterbuch der Holzschuher.198 ln diesem 1563/65 angelegten Geschlechterbuch nennt sich Veit Holzschuhcr in Bezug auf das ältere braune Holzschuherbuch des Lazarus Holzschuher (1472-1523)199 als dessen vernewer. Er war seit 1564 Pfleger der Holzschuhe­ rischen Familienstiftungen und betrieb nach eigener Angabe ansebenliche kauffmansgewerb und bandlung mit Samtwaren und anderem von und mit Venedig, Mailand und Genua und anderer ort Deutscher nation und landten. Inwieweit er auch im Kupferhandel der Holzschuher in den Montanrevieren 192 Zu Artelshofen vgl. Giersch/Schlunk/Haller: Herrensitze (wie Anm. 73), S. 30-32. 193 Vgl. StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objckt-Nr. 55.913: Holz­ schuher, Georg II. (G), und Objekt-Nr. 55.608: Ploben, Linhart II. von (G). 194 StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.090: Oelhafen, Sixt (G). Zu Sixt Oelhafen vgl. auch Michael Diefenbacher: Oelhafen von und zu Schöllenbach (Reichsadel 1489), Patrizierfamilie in Nördlingen, Leipzig, Breslau und Nürnberg, in: NDB 19, Berlin 1999, S. 437-439. Heiratsvertrag mit Anna Oelhafen: StadtAN B 14/1 Nr. 56, fol. 42v. 193 StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats): Objekt-Nr. 56.160: Grundherr, Paulus II. (G). Zu Paulus II. Grundherr vgl. auch Fleischmann: Rat (wie Anm. 73), S. 478-480. 196 StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.358: Tetzel, Fried­ rich IV. (G). Heiratsvertrag mit Clara Tetzel: StadtAN B 14/III Nr. 1, fol. 39. Das Nachlass­ inventar von Clara Holzschuher, geb. Tetzel,von 1571 s. StadtAN E 49/11 Nr. 841. 197 StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.257: Rieter, Sebald III. (G). 198 StadtAN E 49/III Nr. 2, fol. 176r-178r. 199 StadtAN E 49/III Nr. 1.

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Kärntens, der Steiermark und im Mansfeldischen engagiert war200, lässt sich nicht belegen. Laut Randvermerk in der Familienchronik nahm er 1572 Ab­ stand vom Handel wegen erfahrener Untreue und Betrugs.201 In den 1570er Jahren war Veit Holzschuher noch mit 3.186 Gulden 12 Schilling 8 Pfennigen Gläubiger der französischen Krone.202 Er zählte 1579 mit einer Losung von 200 Gulden, was einem versteuerten Jahreseinkommen von etwa 1.205 Gulden entspricht, zu den 197 reichsten Bürgern Nürnbergs (Rang 62).203 Nach Veits Rückzug aus dem Handel kümmerte er sich verstärkt um die Tradition der Familie. So ließ er 1572 die 60 Holzschuherischen Totenschilde in der Sebalduskirche erfassen, legte ein Verzeichnis der in die Familie einge­ heirateten Geschlechter an, differenziert nach alten und neuen Geschlechtern, Familien außerhalb der Nürnberger Ratsgeschlechter sowie einheimischem und auswärtigem Adel. Weiterhin listete er diejenigen Holzschuher auf, welche am 2. April 1575 am Leben waren, 33 Personen aus der Roten und der Grünen Linie der Holzschuher, von denen sieben zu jenem Zeitpunkt verheiratet waren.204 1572 ließ er die Holzschuher-Kapelle auf dem Johannisfriedhof be­ schreiben und Unterlagen über sie sammeln, um das Anrecht der Familie auf die Kapelle zu unterstreichen205, 15 76 das Wappen am Holzschuherischen Pfründbett im Elisabethspital renovieren.206 1 5 74 legte er ein eigenes Register über seine Urkunden, Quittungen, Handelsbücher und gedruckten Bücher an207, bereits zehn Jahre früher, 1564, inventarisierte er seinen Hausrat.208 Veit Holzschuher kaufte 1545 von Bonavntura Furtenbach ein Haus gegen­ über dem Barfüsserkloster und ließ einen angebauten Kram der Altreußen

200 Hierzu Peters: Handel (wie Anm. 11), S. 243f., 367. 201 StadtAN E 49/III Nr. 2, fol. 176r. Bereits 1566 hatten Veit und Berthold d.Ä. Holzschuher (gest. 1582) ihre gemeinsame Handelsgesellschaft aufgelöst - StadtAN E 49/1 Nr. 388. Aber noch am 16. Mai 1572 begutachtete er mit anderen Nürnberger Kaufleuten das neue Zollgesetz der Reichsstadt vom 25. Februar 1572, vgl. Peters: Allianzen (wie Anm. 13), S. 305. 202 Gerhard Pfeiffer: Die Bemühungen der oberdeutschen Kaufleute um die Privilegierung ihres Handels in Lyon, in: Stadtarchiv Nürnberg (Hg.): Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Nürn­ bergs, 2 Bde. (Beiträge zur Geschichte und Kultur der Stadt Nürnberg 11), Nürnberg 1967, S. 407-455, hier S. 421. 203 Bauernfeind: Bürger (wie Anm. 99), S. 222. 204 StadtAN E 49/11 Nr. 606. 205 StadtAN E 49/11 Nr. 621. Eine Kopie der Beschreibung der Kapelle durch Veit Holzschuher ist bei den Akten über den zwischen 1593 und 1604 ausgetragenen Streit zwischen der Familie Imhoff und der Familie Holzschuher wegen des Benutzungsrechts der Kapelle zu finden: StadtAN E 49/11 Nr. 568 und Nr. 579. Bereits 1566-1573 hatte Veit Holzschuher ein Inventar der Kapelle anlegen lassen - Kopie des Inventars in: StadtAN E 49/11 Nr. 569. 206 StadtAN E 49/11 Nr. 649. 207 StadtAN E 49/11 Nr. 640. 208 StadtAN E 49/11 Nr. 839.

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Veit Holzschuher und drei seiner vier Frauen, Miniatur im rotsametenen Holzschuherbuch um 1565. (StadtAN E 49/III Nr. 2, fol. 176-178)

(= Flickschuster) abbrechen und dafür eine Außentreppe errichten.209 Überaus groß war zudem Veits Besitz an Obereigentum Nürnberger Häuser.210 1573 verpfändete Endres Ortei (gest. 1577) an Veit Holzschuher vier Jahre lang den Herrensitz zu Grünsberg samt Zubehör und Eigengüter zu Rasch, Penzen209 StadtAN B 1 /II Nr. 2371. Es handelt sich um das Haus Bankgasse 3: StadtAN GSI175 (Daten­ bank Häuserbuch), Objekt-Nr. 616: Haus L 9. 210 In den inneren Stadtvierteln waren dies 1545 die Häuser Neue Gasse 10 (alt: S 22/11, StadtAN D 1 Nr. 747), 1551/73 Schulgässchen 3 (alt: S 3, für 1551 StadtAN B 14/1 Nr. 66, fol. 50r, für 1573 StadtAN E 49/1 Nr. 393), 1557 Pfannenschmiedsgasse 8 (alt: L 519, StadtAN B 14/1 Nr. 72, fol. 120r), 1559 Lammsgasse 11 (alt: S 326, StadtAN B 14/1 Nr. 74, fol. 160r), 1572/76 Untere Wörthstraße 1 (alt: L 158, für 1572 StadtAN B 14/1 Nr. 88, fol. 27r, für 1576 StadtAN B 14/1 Nr. 91, fol. 102r), 1575 das Wirtshaus Zum Wilden Mann und spätere Wolrabische Stiftungs­ haus Weinmarkt 9 (alt: S 96, StadtAN B 14/1 Nr. 91, fol. 57v), und 1581 laut Nachlassinventar (StadtAN E 49/11 Nr. 842) das Rabenhaus am Heumarkt (Theresienplatz 3, alt: S 568) und das Wirtshaus Zum Schwarzen Fohlen bzw. Zum Goldenen Kreuz Albrecht-Dürer-Straße 3, Lammsgasse 1 und 3 (alt: S 330); vgl. auch die jeweiligen Datensätze in StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch).

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hofen und Treinfeld für 7.000 Gulden21', und 1577 erwarb er von Sibylla Milch­ vogel einen Herrensitz zu Mögeldorf samt Zubehör für 1.100 Gulden.212 Veit Holzschuher verstarb am 21. November 1580213, im Dezember 1581 wurde sein Inventar vor dem Nürnberger Stadtgericht beeidet. Darin hinter­ ließ er seinen Söhnen - Maximilian Veit (1551-1604) aus erster Ehe mit Anna Oelhafen und Veit Philipp (1565-1615) aus der dritten Ehe mit Clara Tetzel ein silbervergoldetes Trinkgeschirr, einen gerahmten Stammbaum und ein pa­ pierenes Familienbuch zum immerwährenden Verbleib in der Familie. Eben­ falls im Gemeineigentum der Familie hatte die Holzschuherische Beweinung von Albrecht Dürer zu verbleiben. Außerdem vermachte er seinen Kindern neben den beiden Söhnen den Töchtern Clara (1566-1627) und Helena (1568— 1621) aus der dritten Ehe - weitere Gemälde, Schmuck, Kleidung, Wäsche, Waffen, einen türkischen Tischteppich, Leuchter, Möbel und Getreidevorrat, Geldanlagen in der Losungstube und bei diversen Handelsfirmen und Bank­ häusern sowie Mannlehen und Zehnten zu Schwaig und Mögeldorf und Um­ gebung, Eigengüter zu Göttelprunn, Haußlach, Mittelerbach, Vach etc., das Herrenhaus zu Mögeldorf und einen Garten vor dem Neutor.214

12. Hans Österreicher (gest. 1580)215 Auch der zwölfte Unterzeichner der Petition von 1560 Hans Österreicher war Großkaufmann. Uber seine Geburt ist nichts bekannt. Eine Verwandtschaft mit Hans Kurz genannt Österreicher (gest. wohl 1511), meist nur als Hans Kurz, ab und an aber auch als Hans Österreicher bezeichnet, zeitweise Bader am Rosenbad, der zwischen 1490 und 1516 in diversen Rechtshändeln auf­ taucht, ist nicht belegbar.216 Ob Hans Österreicher zu jener „kleineren“ Ham­ burghändlerfamilie zählt, die Eike Eberhard Unger um 1600 im Dunstkreis der Welser, Weiß, Peiler und Dilherr sieht217, ist nicht zu beweisen, liegt jedoch 211 StadtAN E 49/1 Nr. 394. Zu Grünsberg vgl. Giersch/Schlunk/Haller: Herrensitze (wie Anm. 73), S. 152-156. 212 StadtAN E 49/1 Nr. 397. Es handelt sich um das so genannte „Doktorschlösschen“, vgl. Giersch/Schlunk/Haller: Herrensitze (wie Anm. 73), S. 281-284. 213 StadtAN E 49/11 Nr. 2, fol. 177v. 214 StadtAN E 49/11 Nr. 842. 215 Zum Folgenden: StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.617: Österreicher, Hans (G). ~16 Belege s. StadtAN GSI 180 (Datenbank Personen allgemein), Objekt-Nr. 222.241: Kurz, Hans (t 151 ?); Österreicher, Hans (f 151 ?). Ebenfalls nicht zu belegen ist eine Verwandtschaft unse­ res Hans Österreicher mit der Augsburger Handelsfamilie gleichen Namens, zu ihr: Reinhard: Augsburger Eliten (wie Anm. 24), S. 590-603. 217 Eike Eberhard Unger: Nürnbergs Handel mit Hamburg im 16. und beginnenden 17. Jahrhun­ dert, in: MVGN 54 (1966), S. 1-85, hier S. 50.

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Wappen der Familie Österreicher, Wappenbuch des Peter Kiener 1579-1590. (StadtAN E 3 Nr. 3, fol. 220)

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nahe, wenn man den Handelskreis der Peiler im frühen 17. Jaherhundert be­ trachtet.218 Hans Österreicher heiratete am 19. August 1562 Barbara Herwart.219 Uber frühere Ehen Hans Österreichers ist nichts bekannt. Barbaras Vater Heinrich Herwart (gest. vor 1561) war Nürnberger Bürger und ebenfalls Kaufmann. Eine weitere Tochter Heirnrich Herwärts, Katharina (gest. 1594), hatte 1561 Hans Sitzinger (gest. 1573, Genannter des Größeren Rats seit 1562) geheira­ tet220, einen Bruder des oben vorgestellten Lukas II. Sitzinger.221 In den Hei­ ratsverträgen beider Töchter ist der Vater bereits als verstorben bezeichnet. Ob Heinrich Herwart mit jenem Heinrich Herbart aus Bamberg identisch oder verwandt ist, der 1524 Anthoni von Defender 100 Gulden für Kaufmannsware schuldig blieb222, ist ebensowenig überliefert wie eine Verbindung zu den Augsburger Herwart. 1556 kaufte Hans Österreicher ein Haus am Milchmarkt223, Vorbesitzer war seit 1545 der Kaufmann Hans Zenner/Ziner, Nachbesitzer ab 1583 der Groß­ kaufmann Heinrich Mühlegg.224 1 5 6 3, im Jahr nach seiner Heirat mit Barbara Herwart, wurde Hans Österreicher Genannter des Größeren Rats und blieb bis zu seinem Tod 1580 Mitglied in diesem Gremium.225 Wahrscheinlich war jener Hans Heinrich Österreicher (1594-1618 Genannter des Größeren Rats), der 1593 Katharina Holzschuher ehelichte, 1607 als Großkaufmann fallierte und 1619 sein Bürgerrecht aufsagte, Hans Österreichers Sohn. So jedenfalls stellt es die Holzschuher-Überlieferung dar.226 13. Michel Steinhäuser (1524-1587)227 Laut Geschlechterbuch der Steinhäuser (auch Steinhäuser) ist der Großkauf­ mann Michael Steinhäuser am 26. September 1524 als zweiter Sohn Simon

218 Gerhard Seibold: Die Viatis und Peiler - Beiträge zur Geschichte ihrer Handelsgesellschaft (Forschungen zur internationalen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 12), Köln-Wien 1977, S. 141. 211 Heiratsvertrag vom 10. Juli 1562: StadtAN B 14/III Nr. 1, fol. 75. "20 Heiratsvertrag vom 14. März 1561: StadtAN B 14/III Nr. 1, fol. 73. 221 Vgl. oben Nr. 7. 222 StadtAN B 14/11 Nr. 19, fol. 193r. 223 StadtAN B 14/1 Nr. 73, fol. 64v. 224 StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 93.970: Haus S 486 (ab etwa 1865 Albrecht-Dürer-Platz 16/Obere Krämersgasse 9). 22r> Grabinschrift vgl. Zahn: Inschriften 1 (wie Anm. 5), Nr. 1056. 226 StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 57.562: Österreicher, Hans Heinrich (G). StadtAN E 49/III Nr. 2, fol. 333v-334r. 22/ Zum Folgenden: StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.660: Steinhäuser, Michel (G).

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Steinhausers in Amberg geboren.228 Er erwarb 1549 für 10 Gulden Stadtwäh­ rung das Nürnberger Bürgerrecht229 und heiratete am 22. Juli desselben Jahres Barbara, Tochter des Erasmus Schlumpf (gest. 1563, Genannter des Größeren Rats seit 1534) aus St. Gallen, laut Geschlechterbuch der Steinhäuser damals einer der reichsten Kaufleute Nürnbergs. Barbara verstarb am 21. Juli 1555.230 Im darauffolgenden Jahr heiratete er am 7. Januar Margaretha Grüner, die Tochter des Nürnberger Kaufmanns Lorenz Grüner.231 Vor seiner ersten Ehe war Michel Steinhäuser als Kaufmann in den Niederlanden, trieb nach seiner Verheiratung Handel von Nürnberg aus und war wohl ein bedeutender Mon­ tanunternehmer in der Reichsstadt.232 Er wurde 1556 als Genannter in den Größeren Rat aufgenommen und blieb Mitglied in diesem Gremium, bis man ihm die Mitgliedschaft 1575 wegen Ehebruchs aberteilte.233 1562 wurde Michel Steinhäuser als einer der beiden Vormünder Sebald Grüners in einem Baustreit mit dessen Nachbarn Paulus Behaim (1519-1568), zu jener Zeit Älterer Bürgermeister im Kleineren Rat234, aktenkundig.235 1 5 6 5 hatte Michel Steinhäuser ein Haus im Taschental erworben und 1582 wieder veräußert236, 1571 verkaufte er ein Haus in der Judengasse beim Sonnenbad.2'’7 1572 kaufte er die Erbschaft am Wirtshaus zum Wilden Mann, das spätere Wolrabische Stiftungshaus, das er bereits drei Jahre später, 1575, wieder veräußerte. Damals besaß der oben beschriebene Veit Holzschuher das Obereigentum an 228 StadtAN E 56/VI Nr. 455, S. 40. 229 StAN, Rst. Nbg., Amts- und Standbücher Nr. 299, fol. 31. Er ist vielleicht identisch mit jenem Michael Steinhäuser, der 1537 als einer der Vormünder von Linhart Moler ein Haus am Platten­ markt (Burgstraße 1) verkaufte (StadtAN F 5 Nr. 3/III, S. 13f.). 230 StadtAN E 56/VI Nr. 455, S. 40, und Burger: Totengeläutbücher (wie Anm. 185), Nr. 5340. Zu Erasmus Schlumpf vgl. StadtAN GS1 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), ObjcktNr. 56.356: Schlumpf, Erasmus I. (G). 231 StadtAN E 56/VI Nr. 455, S. 40. Wahrscheinlich handelt es sich bei Lorenz Grüner um den Kandclgicßer gleichen Namens, gest. 1548, Genannter des Größeren Rats seit 1536, vgl. StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.383: Grüner, Lorenz (G). Nach anderen Quellen war die zweite Frau Michel Steinhausers Margaretha die Schwester des oben angezeigten Bartholomäus Lorenz Schwab (so nennt StadtAN A 1, 1568 Juli 5, beide als Schwager). Zu Bartholomäus Lorenz Schwab vgl. oben Nr. 9. 232 Niederlande: StadtAN E 56/VI Nr. 455, S. 40. Montanunternehmer: Peters: Handclsprozesse (wie Anm. 70), S. 57. 233 StadtAN E 8 Nr. 5072. 234 StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.658: Behaim, Paulus I. (G), und Fleischmann: Rat (wie Anm. 73), S. 326f. 235 StadtAN B 14/III Nr. 96, fol. 74v-77v. 236 Kauf: StadtAN B 14/1 Nr. 81, fol. 77v, Verkauf: StadtAN B 14/1 Nr. 98, fol. 19r, vgl. StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 172.012: Haus S 1062 b (ab etwa 1865 Rot­ schmiedsgasse 14). 237 StadtAN B 14/1 Nr. 87, fol. 75v; vgl. StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 169.682: Haus S 1032 b (ab etwa 1865 Untere Talgasse 20).

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Wappen der Familie Steinhäuser, hier des Simon Steinhäuser (Genannter des Größeren Rats 1566-1587), Wappenbuch des Peter Kiener 1579-1590. (StadtAN E 3 Nr. 3, fol. 151)

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diesem Wirtshaus.238 1565 kauften Simon und Michel Steinhäuser das so ge­ nannte Waldstromer-Schlösschen in Reichelsdorf, das 1589 von Michels Erben an den Nürnberger Kaufmann Balthasar König veräußert wurde.239 1584 richtete ein Michel Steinhäuser ein Gesuch an den Rat der Reichsstadt, in seinem Haus hinter dem Deutschen Hof eine Brenn- bzw. Messinghütte einrichten zu dürfen.240 Ob es sich dabei um den Unterzeichner der Petition von 1560 handelt, ist nicht belegt. Auch ein weiterer Michel Steinhäuser, der 1585 zwei Häuser am Spitzenberg kaufte und dessen Erben eines davon 1594/95 wieder veräußerten241, ist wohl nicht mit unserem Michel Steinhäuser identisch. Laut Geschlechterbuch der Steinhäuser verstarb Michel am 6. Oktober 1587.242 14. Wolf Wilsam (gest. 1567)243 An 14. Stelle Unterzeichnete Wolf Wilsam 1560 die Petition an den Rat der Reichsstadt Nürnberg. Er lebte am Weinmarkt244 und war Kaufmann, vielleicht Faktor der Nürnberger und Augsburger Seidenhändler Kraffter.243 1563 kaufte er einen Teil am Wirtshaus Zum Wilden Mann am Weinmarkt, das 1577/98 mit dem Haus Weinmarkt 9 vereinigt wurde. Bereits ein Jahr später hat er es wieder veräußert.246 Ähnlich kurz war Wilsam im Besitz eines Hauses in der Herz­ gasse, das er 1560 kaufte und bereits 1562 wieder verkaufte.247 238 Kauf: StadtAN B 14/1 Nr. 86, fol. I60v, Verkauf: StadtAN B 14/1 Nr. 91, fol. 57v; vgl. StadtAN GS1175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 120.584: Haus S 96 (ab etwa 1865 Weinmarkt 9). Zum Obereigentum s. oben Nr. 11 mit Anm. 210. 235 Giersch/Schlunk/Haller: Herrensitze (wie Anm. 73), S. 344. Zu Balthasar König, Genannter des Größeren Rats 1570-1588 vgl. StadtAN GS1 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.990: König, Balthasar (G). Interessanterweise wurde ihm die Ratswürde im Größeren Rat 1588 wegen Bankrott aberteilt, also im Jahr, bevor er den Reichelsdorfer Her­ rensitz aufkaufte. 240 StadtAN B l/II Nr. 372. 241 Kauf: StadtAN F 5 Nr. 3/VI, S. 677-678, Verkauf: StadtAN F 5 Nr. 3/VI, S. 682. 242 StadtAN E 56/VI Nr. 455, S. 40. Grabinschrift vgl. Zahn: Inschriften 1 (wie Anm. 5), Nr. 1036. Vgl. auch Peter Zahn: Die Inschriften der Friedhöfe St. Johannis, St. Rochus und Wöhrd in Nürnberg [1581-1608] (Die deutschen Inschriften 68), Wiesbaden 2008, Nr. 1987. 243 Zum Folgenden: StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.663: Wilsam, Wolff (G). 244 Weinmarkt 4/Füll 5, Besitzerwechsel 1561: StadtAN B 1/1 Nr. 30, fol. 10; vgl. StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 108.699: Haus S 307. 245 Zu ihnen Peters: Handel (wie Anm. 11), S. 500, und Reinhard: Augsburger Eliten (wie Anm. 24), S. 416-430. 246 Kauf: StadtAN B 14/1 Nr. 79, fol. 220r, Verkauf: StadtAN B 14/1 Nr. 79, fol. 190r; vgl. StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 120.582: Haus S S 95 (Teil 2). “47 Kauf: StadtAN B 14/1 Nr. 75, fol. 202r, Verkauf: StadtAN B 14/1 Nr. 76, fol. 20r; vgl. StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 160.064: Haus S 828 (Teil 2) (ab etwa 1865 Herzgasse 11, nördlicher Teil).

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Wolf Wilsam lebte im Haus Weinmarkt 4/Füll 5. Ansicht der Häuserzeile Weinmarkt 2-8 um 1935, Fotografie von Edgar Titzenthaler. (Staatliche Bildstelle Berlin) (StadtAN A 44 Nr. C-06113-19)

Am 26. Juli 1542 heiratete Wolf Wilsam Anna (gest. 1545), die Tochter des Kaufmanns, Waid-, Woll- und Tuchhändlers248 Ulrich Marb (gest. 1556, Ge24s So laut StadtAN B 14/11 Nr. 22, fol. 91r (Gerichtsstreit vom 20.7.1526), StadtAN B 14/11 Nr. 31, fol. lOlr (Gerichtsstreit vom 31.7.1531), StadtAN B 14/11 Nr. 32, fol. 163r (Gerichtsstreit vom 5.8.1531), StadtAN B 14/11 Nr. 32, fol. 169r (Gerichtsstreit vom 12.8.1531), StadtAN B 14/ II Nr. 35, fol. 166v (Gerichtsstreit vom 8.12.1533), StadtAN B 14/11 Nr. 37, fol. 7r (Gerichts­ streit vom 10.3.1534), StadtAN B 14/11 Nr. 37, fol. 39v (Gerichtsstreit vom 15.5.1534), StadtAN B 14/11 Nr. 37, fol. 71v (Gerichtsstreit vom 7.8.1534), StadtAN B 14/11 Nr. 39, fol. 45v (Ge­ richtsstreit vom 14.10.1535).

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nannter des Größeren Rats seit 1524) und der Anna Höfler (gest. 15 3 4).249 Wolf Wilsam wurde 1556 als Genannter in den Größeren Rat aufgenommen, als solcher bezeugte er 1557 zwei Hausverkäufe.250 Wolf Wilsam verstarb am 6. Juli 1567.251 15. Wolf Dörffler (gest. 1585)252 Der 15. Petent ist mit den Namensvarianten Dörf(f)ner, Dorf(f)ner, Dörffler, Dorffier in den Quellen zu finden, die gebräuchlichste ist Dörffler. Er war Kaufmann und Eisenhändler. Am 7. April 1562 heiratete er Katharina (geb. 15 2 9)253, die Tochter des Kaufmanns Konrad IV. Fürleger (1487-1551) und der Magdalena Vischer.254 Neben unserem Wolf Dörffler sind weitere Träger dieses Namens überlie­ fert, die nicht in direkter Verbindung zu ihm stehen: ein Lederer Wolff Dorff ler, der 1545 ein Haus in der Vorderen Ledergasse kaufte. 1578 verkaufte sein gleichnamiger Sohn, Gastwirt in Gostenhof, seinen ererbten Anteil an diesem Haus an seinen Bruder Hans.255 Unser Wolf Dörffler kaufte 1557 ein Haus am Fischbach.256 1 571 wurde er in das Genanntenkollegium berufen, dem er bis zu seinem Tod angehörte. Wolf Dörffler verstarb am 14. Januar 1585.237

249 StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.166: Marb, Ulrich (G). Heirat: Schornbaum: Ehebuch Sebald (wie Anm. 107), Nr. 4620. ■50 SatadtAN A 1, 1557 Mai 5, und StadtAN E 4/62 Nr. 1, Eintrag Nr. 32, fol. 108v-113r. 231 StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.663: Wilsam, Wolff (G). 252 Zum Folgenden: StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 57.012: Dorfner, Wolff (G); Dörffler, Wolff (G). 253 Heiratsvertrag vom 30.2.1562: StadtAN B 14/III Nr. 1, fol. 74. 254 StadtAN GSI 180 (Datenbank Personen allgemein), Objekt-Nr. 50.923: Fürleger, Conrad (t 1551). Vgl. Christa Schaper: Die Fürleger von Nürnberg und ihre Niederlassung in Verona im 16./17. Jahrhundert, in: MVGN 73 (1986), S. 1-44, hier S. 17. 255 Kauf 1545: GNM, Perg.-Urk. 1545 Juni 1, Verkauf 1578: StadtAN A 1, 1578 Januar 3; vgl. StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 35.331: Haus L 267 (ab etwa 1865 Vordere Ledergasse 30/Hintere Ledergasse 59). 256 StadtAN B 14/1 Nr. 73, fol. 208v; vgl. StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 44.672: Haus L 360 (ab etwa 1865 Karolinenstraße 11). 257 StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 57.012: Dorfner, Wolff (G); Dörffler, Wolff (G).

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16. Wolf Pömer (1536-1608)258 Der 16. Unterschreiber der Petition von 1560, Wolf III. Pömer, entstammte wieder einem der ratsfähigen Geschlechter der Reichsstadt.259 Wolfs gleich­ namiger Vater Wolf II. (1498-1558), seit 1532 Genannter des Größeren Rats, war Assessor am Stadtgericht und hatte am 26. Juli 1531 Anna (gest. 1572), die Tochter des Handelsmannes Barthel Flück (gest. 1535, Genannter des Größe­ ren Rats seit 1512) und der Barbara Ortei (gest. 1558), geheiratet.260 Dieser Ehe entstammte Wolf III. als dritter Sohn, geboren am 14. Januar 1536. 24-jährig verheiratete er sich am 23. Januar 1560 mit Anna (1533-1588), der Tochter des Losungschreibers Jacob Tücher (1498-1568, Genannter des Größeren Rats seit 1530) und der Katharina Cammerer.261 Nach Annas Tod heiratete Wolf Pömer im selben Jahr Ursula Heidt genannt Hagelsheimer (gest. 1629), die Witwe des Drahtziehers Hans Koler; in einer dritten Ehe war Ursula, verwitwete Koler und verwitwete Pömer, dann mit dem aus Augsburg stammenden Nürnberger Juristen, Ratskonsulenten und Professor in Altdorf Dr. Hans Bußenreuth (1548-1610) verheiratet.262 Wie sein Schwiegervater Jacob Tücher diente Wolf III. Pömer seiner Hei­ matstadt als Losungschreiber und wurde 1570 Pfleger der Findel.263 1 5 60, nach seiner Heirat mit Anna Tücher, wurde Wolf in den Größeren Rat gewählt, dem er bis zu seinem Tod am 17. März 1608264 angehörte.

238 Zum Folgenden: StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.740: Pömer, Wolff III. (G). 259 Vgl. Michael Diefenbacher: Pömer von Diepoltsdorf, Patrizierfamilie, in: Diefenbacher/ Endres: Stadtlexikon (wie Anm. 2), S. 833, und Fleischmann, Rat (wie Anm. 73), S. 829-851. 260 Heiratsabrede Wolf Pömer/Anna Flück: StadtAN B 14/1 Nr. 60, fol. 195v. Vgl. auch StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.324: Pömer, Wolff II. (G), und Objekt-Nr. 55.958: Flück, Barthel I. (G). 261 Heiratsabrede vom 28. Dezember 1559: StadtAN B 14/III Nr. 1, fol. 12v. Vgl. auch Beyerstcdt/ Diefenbacher: Tucherbuch CD-ROM (wie Anm. 14), fol. 146r— 149r, und StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.284: Tücher, Jacob (G). 262 StadtAN GSI 180 (Datenbank Personen allgemein), Objekt-Nr. 52.750 Koler, Hans (t 15??), und StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 57.789: Bußen­ reuth, Hans Dr. (G). 263 Vgl. die Beschriftung seiner Porträts in StadtAN E 8 Nr. 5156, fol. 183v, und StadtAN E 17/11 Nr. 2239. 264 Laut Fleischmann: Rat (wie Anm. 73), S. 836, verstarb er 1601. So auch Zahn: Inschriften 2 (wie Anm. 242), Nr. 2662.

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Der Nürnberger Handelsvorstand und seine Gründer

Wolf III. Pömer, Losungsschreiber und Findelpfleger, Kupferstich von Johann Franck um 1670. (StadtANE 17/11 Nr. 2239)

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17. Wolf Kern (um 1500/03-1582)265 Einer der bekanntesten Unterzeichner der Petition von 1560, wahrscheinlich sogar ihr Initiator, war der Großkaufmann Wolf Kern. Er handelte mit Papier, Messing, Edelmetallen und Waffen, agierte im Wechselgeschäft mit Augsburg und Venedig und hatte starke wirtschaftliche Interessen in Mailand als einem Zentrum des Edelmetallhandels.266 Auf ihn geht auch eine zweite Petition an den Rat vom 22. Januar 1562 um Verbesserung der ersten Marktordnung zurück, die neben ihm weitere 36 Kaufleute unterschrieben haben und die zu einer zweiten Marktordnung vom 3. März 1562 führte.267 Der Chronist Johan­ nes Müllner führt über ihn aus: Wolff Kern, von München hurtig, ein Genandter anno 1546, hatt dass Glöcklein und Ableuten am Herrnmarckt auffgebracht und den Herrnsitz zum Thos gepauet und den Kernstain genennet.2b* Hiermit ist das Wichtigste zu Wolf Kern kurz und prägnant zusammengefasst. Wolf Kern, um 1500, wahrscheinlich 1503, in München geboren, war in Venedig zum Kaufmann ausgebildet worden und übersiedelte mit der Anstel­ lung seines Vaters gleichen Namens als Stadtarzt 1518/22 erstmals nach Nürn­ berg.269 Am 7. März 1533 taucht er in einem Gerichtsstreit mit Hans Craft als

265 Zum Folgenden: StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.522: Kern, Wolff (G). 266 Schultheiß: Herrentrinkstube (wie Anm. 3), S. 281, bezeichnet Kern als „Führer“ der Nürnber­ ger Großkaufmannschaft. - Zu Kerns Papierhandel vgl. Lore Sporhan-Krempel: Papiererzeu­ gung und Papierhandel in der Reichsstadt Nürnberg und ihrem Territorium, in: Stadtarchiv Nürnberg (Hg.): Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs, 2 Bde. (Beiträge zur Ge­ schichte und Kultur der Stadt Nürnberg 11), Nürnberg 1967, S. 726-750, hier S. 748. Kerns Papier kam 1551 vor allem aus Straßburg und Frankreich. - Zum Mcssinghandel Wolf Kerns vgl. Christa Schaper: Die Beheim. Eine Geschütz- und Glockengießerfamilie in Nürnberg (1350-1600), in: MVGN 51 (1962), S. 160-213, hier S. 201, und Christoph von Imhoff: Aus Ministerialen wurden Handelsherren. Von der Gründung der Stadt bis zur Gründung des Handelsvorstandcs, in: Gerhard Pfeiffer (Hg.): Im Zeichen der Waage. 425 Jahre Nürnberger Handclsvorstand 1560-1985. Wirtschaft und Gesellschaft im Wandel, begleitet von Organen der wirtschaftlichen Selbstverwaltung, Nürnberg 1985, S. 23-34, hier S. 33. - Zu Kerns Waffenhan­ del vgl. Christa Schaper: Handelsprozesse Nürnberger Bürger vor dem Reichskammergericht, in: Wirtschaftskräfte und Wirtschaftswege, Bd. V (Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte 8), Stutt­ gart 1981, S. 93-133, hier S. 107, 127f. - Zum Wechselgeschäft: Reinhard: Augsburger Eliten (wie Anm. 24), S. 822.- Zum Edelmetallhandel Wolf Kerns und zur Funktion Mailands vgl. Peters: Allianzen (wie Anm. 13), S. 299f. - Nach Kunnert: Montanunternehmer (wie Anm. 134), S. 233, reichten Kerns Geschäftsbeziehungen bis Leipzig, Posen, Warschau, Breslau, Prag, Tauß in Böhmen, Salzburg und Schwaz. 267 Petition: StadtAN E 8 Nr. 573, fol. 14 r-v, zweite Marktordnung: ebd., fol. 19r-20v. 268 Müllner zu 1550, vgl. Diefenbacher, Müllner 4 (wie Anm. 6). 2r’9 Michael Diefenbacher: Kern, Wolf, Marktvorsteher, Kaufmann, in: Diefenbacher/Endres: Stadtlexikon (wie Anm. 2), S. 310.

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1560 kaufte Wolf Kern das Hammerwerk Doos, Ausschnitt aus dem Pfinzing-Atlas 1594. (StAN, Reichsstadt Nürnberg, Karten und Pläne, Nr. 230)

einer der Beklagten auf.270 1534 wurde er Bürger der Reichsstadt271 und heira­ tete im selben Jahr am 15. April Anna (gest. 1557), die Witwe von Hans Flentz. Ein Gcrichtsstreit vorn 5. April 1536 bestätigt die Ehe Annas mit Wolf Kern und ihre Witwenschaft nach dem Tod von Hans Flentz.272 Wolf Kern war wohl 270 StadtAN B 14/11 Nr. 34, fol. 81v. 271 Bürgerrechtsaufnahme mit 10 Gulden: StAN, Rst. Nbg., Amts- und Standbücher Nr. 300/1, fol. 2. ~72 Heirat s. Schornbaum: Ehebuch Sebald (wie Anm. 107), Nr. 4515. Gerichtsstreit: StadtAN B 14/11 Nr. 39, fol. 139r. Zum Tod von Anna Kern, verwitwete Flentz, vgl. auch Peter Zahn:

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zwei weitere Male verheiratet: zunächst mit Dorothea Schnabel und zuletzt mit Barbara N.273 Wie auch Müllner berichtet, wurde Kern 1546 Genannter des Größeren Rats und 1566 zusammen mit den beiden bereits abgehandelten Franz Schleicher und Mang Dilherr sowie mit den noch folgenden Caspar Neumair und Lorenz Spengler zur ersten Riege der Marktvorsteher des neu geschaffenen Handelsvorstands berufen.274 1560 hatte Wolf Kern von Conrad Zeunlein den im Zweiten Markgrafen­ krieg zerstörten Messinghammer und Herrensitz in Doos erworben. Er wurde von ihm ausgebaut und in Anlehnung an patrizische Gepflogenheiten „Kern­ stein“ genannt.275 Beim Verkauf nach Kerns Tod wurde der Kernstein 1583 erstmals inventarisiert.276 Wolf Kern verstarb am 11. April 1582. Er zählte 1579 mit einer Losung von 272 Gulden, was einem versteuerten Jahreseinkommen von etwa 1.639 Gulden entspricht, zu den 197 reichsten Bürgern Nürnbergs (Rang 41 ).277 18. Christof Lindner (1510/11—1566)27S Johannes Müllner fasst die Genealogie Christof Lindners kurz zusammen: Christoff Lindner ein Genandter anno 1549, batt sein Ankunfft aus Polen ge­ habt, Christoff Lindtner anno 1581, Gabriel Lindner anno 1582, Georg Lind­ ner anno 1602, alle drey seine Söhn. Die Lindner haben ihre Ankunfft aus der Statt Meissen. Von dannen ist Georg Lindner anno 1504 gen Posen in Groß Polen kummen und mitt Hannsen Schillings Tochter zu Krakau sich verheuratet und mitt ihr erzeugt obgedachten Christoff Lindner den Eltern, welcher gen Nürnberg kummen anno 1543 und sich alda verheuratet, erstlich mitt Magda­ lena Kirmairin, nachmals mitt Magdalena Ebnerin und letzlich mitt Sabina Rümlin.279 Inschriften als sozialgeschichtliche Quellen zur Nürnberger Geschichte. Die Grabepitaphien der 110 reichsten Bürger von 1579, in: JfL 62 (2002), S. 157-177, hier S. 165. 273 Stadt AN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.522: Kern, Wolff (G). Letztere verkauft als Witwe Wolf Kerns zusammen mit dessen Bruder Hans Kern aus Dinkclsbühl das von Wolf ererbte Haus am Alten Milchmarkt (StadtAN A 1, 1583 Juni 3), das Wolf 1547 erworben hatte (StadtAN B 14/1 Nr. 62, fol. 21 r); vgl. StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 101.510: Haus S 413 (ab etwa 1865 Albrecht-Dürer-Platz 11). 274 StadtAN E 8 Nr. 573, fol. 42v. Als solcher begutachtete er am 16. Mai 1572 mit anderen Groß­ kaufleuten das neue Nürnberger Zollgesetz vom 25. Februar 1572, vgl. Peters: Allianzen (wie Anm. 13), S. 305. ", r> Erwerb 1560: StadtAN D 2/IV Nr. 4392. Vgl. auch Giersch/Schlunk/Haller: Herrensitze (wie Anm. 73), S. 220-222. 276 StadtAN D 2/IV Nr. 4392. 277 Todesdatum auch nach Zahn, Grabepitaphien (wie Anm. 272), S. 165. Bauernfeind: Bürger (wie 7 Anm. 99), S. 218. 2/SZum Folgenden: StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.563: Lindner, Christof I. (G). 2/ 9 Müllner zu 1550 vgl. Diefenbacher: Müllner 4 (wie Anm. 6).

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Wappen der Familie Lindner, Wappenbuch des Peter Kiener 1579-1590. (StadtAN E 3 Nr. 3, fol. 72)

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Der Kaufmann (Englische Tuche, Pfeffer)280 Christof Lindner, laut Müllner aus Posen kommend, nahm 1544 für 10 Gulden Aufnahmegebühr das Nürn­ berger Bürgerrecht an.281 Die drei von Müllner erwähnten Ehefrauen waren: 1. Magdalena Kirmair (gest. 1548), Tochter des Kaufmanns und Genannten des Größeren Rats (seit 1521) Endres Kirmair (gest. 1543) und der Brigitta Heller (gest. 1537). 2. Magdalena Ebner (1514-1560), die Witwe des Goldschmieds, Gemmen- und Juwelenhändlers Sebald Koberger (1511-1541), Sohn des be­ kannten Buchdrucker-Verlegers Anton Koberger. Magdalena Ebner heiratete Christof Linder am 23. Oktober 1548, ihre Eltern waren der Kaufmann, Rats­ herr (seit 1503) und Vorderste Losunger (seit 1524) Hieronymus II. Ebner (1477-1532) und Helena Fürer (1483-1538). 3. Sabine Rummel (1539-1615). Sie heirateten am 10. September 1560, also noch im Todesjahr von Christof Lindners zweiter Ehefrau. Sabines Eltern waren der Genannte des Größeren Rats (seit 1535) und Pfleger zu Altdorf (seit 1544) Balthasar I. Rummel (1508— 1547) und Katharina Tetzel (gest. 1598).282 1549 wurde Christof Lindner in den Größeren Rat aufgenommen.283 Im gleichen Jahr kaufte er jenes Haus in der Egidiengasse gegenüber der Prediger­ kirche um 3.400 Gulden, das er 1559 an seinen späteren Mitunterzeichner der Petition von 1560 Hans Beheim für 3.200 Gulden weiter veräußerte.284 Beim Verkauf wird Stefan II. Praun als Inhaber des Obereigentums an diesem Haus genannt, ebenfalls ein Unterzeichner der Petition von 1560. Es handelt sich um das bereits bei beiden Petenten erwähnte Haus, das 1618 von der Reichsstadt zur Arrondierung ihres Rathausareals aufgekauft wurde, aber erhalten blieb und erst 1884/85 zugunsten des Essenwein-Traktes an der Theresienstraße ab­ gebrochen wurde.285 250 Die Lind(t)ner waren vor allem im Englischen Tuchhandel von Stade nach Nürnberg engagiert, s. Arno Kunze: Zur Geschichte des Nürnberger Textil- und Färbergewerbes vom Spätmittel­ alter bis zum Beginn der Neuzeit, in: Stadtarchiv Nürnberg (Hg.): Beiträge zur Wirtschafts­ geschichte Nürnbergs, 2 Bde. (Beiträge zur Geschichte und Kultur der Stadt Nürnberg 11), Nürnberg 1967, S. 669-699, hier S. 683, und Peters: Handel (wie Anm. 11), S. 106. Zum Pfeffer­ handel Christof Lindners s. Häberlein: Handelsnetz (wie Anm. 134), S. 109. 251 StAN, Rst. Nbg., Amts- und Standbücher Nr. 300/1, fol. 117. 282 StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.119: Kirmair, Endres (G), Objekt-Nr. 55.812: Ebner, Hieronimus II. (G), und Objekt-Nr. 56.370: Rummel, Balthasar d.Ä. (G). - Zur Verbindung mit Magdalena Ebner vgl. zuletzt: Keunecke: Koberger (wie Anm. 152), S. 121 f., zu Magdalenas Vater Hieronymus 11. Ebner zuletzt Fleischmann: Rat (wie Anm. 73), S. 361-363, zur Verbindung mit Sabina Rummel Schaper: Rummel (wie Anm. 132), S. 97 und 106, und Fleischmann, Rat (wie Anm. 73), S. 886. 28j Als solcher besiegelte er beispielsweise einen Hausverkauf 1553, StadtAN A 1, 1553 Juli 20. *84 Kauf: StadtAN A 1, 1549 März 30, Verkauf: StadtAN B 14/1 Nr. 75, fol. 60r. Hans Beheim s. oben Nr. 10. 285 StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 86.216: Rathaus alt 8. Stefan II. Praun s. oben Nr. 4.

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1550 erwarb Christof Lindner den Herrensitz Vogelsgarten in der Tullnau.286 1555 kaufte er vom Vetter seiner damaligen Frau, Hans Ebner (1511— 1559) - dessen gleichnamiger Vater war der jüngere Bruder von Lindners Schwiegervater Hieronymus II. Ebner dessen Eckhaus unterhalb der Burg für 5.000 Gulden, das er 1563 für denselben Preis an Hieronymus Schnitter auch er ein Unterzeichner der Petition von 1560 - wieder verkaufte.287 Eben­ falls 1563 kaufte er aus der Erbmasse dieses Hans Ebner das spätere Imhoffsche Stiftungshaus am Egidienplatz, das Christof Lindners Erben 1569 den Brüdern Endres II. (1529-1597) und Jacob I. Imhoff (1537-1599), den Söhnen des oben beschriebenen Endres I. Imhoff, verkauften.288 Christof Lindner verstarb am 5. November 1566.289 In seinem 293 Blätter umfassenden Nachlassinventar, aufgestellt 1567/68, wird der Gesamtwert sei­ ner Hinterlassenschaft auf über 42.192 Gulden beziffert.290 Einer von Lindners Nachlassverwaltern und Vormündern seiner Kinder war der Kaufmann, Gold­ schmied und Juwelenhändler, markgräfliche Faktor und spätere Marktvorste­ her (seit 1604) Melchior Peuntner (gest. 1614), der bei Christof Lindner wohl als Kaufmann in die Lehre gegangen war291, woraus die Schlussfolgerung gezo­ gen werden kann, dass Lindner neben dem Handel mit Englischen Tuchen und Pfeffer wohl auch im Gemmen- und Juwelenhandel engagiert gewesen war. Hierauf deutet auch seine zweite Ehe mit der Witwe Sebald Kobergers hm. 19. Franz Gellnauer (gest. 1589)292 Auch der 19. Unterzeichner der Petition von 1560, Franz Gellnauer der Altere, war von 1567 bis mindestens 1572 einer der Vormünder von Christof Lindners Kindern. Aus der Erbmasse Lindners erwarb er dessen im Zweiten Markgra286 Giersch/Schlunk/Hallcr: Herrensitze (wie Anm. 73), S. 454. 287 Zu Hieronymus II. Ebner zuletzt Fleischmann: Rat (wie Anm. 73), S. 363-365. Kauf: StadtAN A 1,1555 November 1, Verkauf: StadtAN A 1,1563 Juni 25. Vgl. StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 77.398: Haus S 605 (ab etwa 1865 Burgstraße 8/Brunncngäßchen 9). Zu Hieronymus Schnitter vgl. unten Nr. 44. 288 Kauf: StadtAN B 14/1 Nr. 79, fol. 1 lOr, Verkauf: StadtAN B 14/1 Nr. 84, fol. 204v. Vgl. StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 79.803: Haus S 764 a (ab etwa 1865 Egidienplatz 25). Zu den Brüdern Imhoff vgl. zuletzt Fleischmann: Rat (wie Anm. 73), S. 615-617. 287 Grabinschrift vgl. Zahn: Inschriften 1 (wie Anm. 5), Nr. 1090. 270 Das Nachlassinventar Christof Lindners hat sich im Fmilienarchiv der Behaim erhalten: StadtAN E 11/11 Nr. 728. 291 Zu ihm vgl. StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.962: Peuntner, Melchior (G), Bauernfeind: Bürger (wie Anm. 99), S. 210, und Grieb: Künstlerlexi­ kon (wie Anm. 7), S. 125f. (Beuttner, Melchior). Peunter rechnet 1576 gegenüber Christof Lindners Erben die Ausgaben und Einnahmen seiner Vormundzeit 1567-1571 ab, StadtAN E 1/1244 Nr. 2. 272 Zum Folgenden: StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.653: Gellnauer, Franz d.Ä. (G).

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Franz Gellnauer, Kupferstich um 1690. (StadtAN A 7/1 Nr. 875)

fenkrieg zerstörten Herrensitz Vogelsgarten in der Tullnau, den er wieder auf­ baute und 1568 in ein markgräfliches Weiherlehen umwandeln ließ. Er trug seitdem auch den Namen „Gellnauersgarten“.293 2,3 Zur Vormundschaft: Bauernfeind: Bürger (wie Anm. 99), S. 215, Anm. 85. Zum Herrensitz: Giersch/Schlunk/Haller: Herrensitze (wie Anm. 73), S. 454.

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Franz Gellnauer stammte aus der Reichsstadt Wangen im Allgäu und wurde 1544 gegen eine Aufnahmegebühr von 10 Gulden Nürnberger Bürger.294 Am 6. Oktober desselben Jahres heiratete er Elisabeth, die Tochter des Genannten des Größeren Rats (seit 1530) Anthoni Heß (gest. 1546) und dessen erster Ehe­ frau Margaretha (gest. 1529). Nach Elisabeths Tod heiratete er am 7. Juli 1578 Magdalena (geb. 1540), die Witwe des Genannten des Größeren Rats (seit 1565) Sebastian Elbs (1529-1575). Magdalena war - und damit wird auch die Verbindung zum vorhin vorgestellten Christof Lindner deutlich - dessen Stief­ tochter aus der ersten Ehe von Lindners zweiter Frau Magdalena (1514-1560), geb. Ebner, mit Sebald Roberger (151 1-1541).295 Von seinem 1546 verstorbenen ersten Schwiegervater Anthoni Heß erbten Franz und Elisabeth Gellnauer die Hälfte des Handelshauses Zur Roten Tür Unter den Hütern, die andere Hälfte kaufte Gellnauer 1548 seinem noch unmündigen Schwager, dem späteren Arzt Dr. Hans Heß (gest. 1564), um 1.100 Gulden ab.2% Ebenfalls wohl aus einer Hinterlassenschaft hatte Franz Gellnauer das Zachariasbad beim Augustinerkloster erworben. Seine Erben verkauften dieses 1595 für 2.400 Gulden an den Bader Linhart Praun. Der Vor­ besitzer Franz Gellnauers, der die Badstube 1575 erworben hatte, war sein Schwager Hans Palm.297 Zumindest in den Jahren 1574-1584 besaß Franz Gellnauer zudem einen Garten bei Wöhrd an der Bleiche.298 Franz Gellnauer war Tuchhändler299, handelte aber auch mit Safran300 und Papier.-’01 Er besaß Anteile am Zinnbergbau im böhmischen Schlaggenwald und handelte mit Zinn, Messing und Kupfer.302 Er war Faktor der Augsburger 294 Abstammung laut Heiratsvertrag mit Magdalena, geb. Koberger, vom 13. Juni 1587: StadtAN B 14/111 Nr. 2, fol. 34, Bürgerrechtsaufnahme: StAN, Rst. Nbg., Amts- und Standbücher Nr. 300/1, fol. 118. 295 StadtAN GS1 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.267: Heß, Anthoni (G), Objekt-Nr. 56.851: Elbs, Sebastian (G), und Objekt-Nr. 56.451: Koberger, Sebald (G). Zu Sebastian Elbs vgl. Zahn: Grabepitaphien (wie Anm. 272), S. 165. Zur Verbindung mit Magdalena, geb. Koberger, s. den Heiratsvertrag vom 13. Juni 1587: StadtAN B 14/111 Nr. 2, fol. 34, und vgl. Keunecke: Koberger (wie Anm. 152), S. 121 f. und 126. 2,6 StadtAN B 14/1 Nr. 62, fol. 157r. Vgl. StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 18.157: Haus L 118 (ab etwa 1865 Kaiserstr. 11/Adlerstr. 10). 297 Verkauf 1595: StadtAN B 14/1 Nr. 109, fol. 150v, Kauf 1575: StadtAN A 1, 1575 Februar 9. Vgl. StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 131.710: Haus S 107, S 108 (ab etwa 1865 Karlstr. 9/Weintraubengasse 1, Weintraubengasse 3). “98 StadtAN A 26 Rep 100 i, Nr. 926. ln Kunze: Textil- und Färbergewerbe (wie Anm. 280), S. 683. 300 Peters: Allianzen (wie Anm. 13), S. 354. 301 Laut Sporhan-Krempel: Papiererzeugung (wie Anm. 266), S. 733, besaß Gellnauer die Papier­ mühle in der Tullnau, die seine Erben 1591 verkauften. 302 Theodor Gustav Werner: Regesten und Urkunden über Beteiligungen von Nürnbergern an der Zeche Rappolt und an anderen Schneeberger Bergwerks- und Metallhandelsunternehmen. Zweiter Abschnitt, in: MVGN 60(1973), S. 153-194, hier S. 164.

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Handelshäuser Rehm und Ziegler303 sowie eines Venezianers und hatte Ge­ schäftsverbindungen (Tuche, Metallerzeugnisse) zu dem Warschauer Händler Melchior Walbach.304 Gellnauer zählte 1579 mit einer Losung von 360 Gulden, was einem ver­ steuerten Jahreseinkommen von etwa 2.169 Gulden entspricht, zu den 197 reichsten Bürgern Nürnbergs (Rang 28).305 1556 wurde Franz Gellnauer zum Genannten des Größeren Rats berufen306 und 1578 zum Marktvorsteher koop­ tiert. Er starb am 14. Mai 1589.307 20. Hieronymus Wahl (um 1509-1573)308 Uber den 20. Petenten von 1560 ist wiederum wenig bekannt. Hieronymus Wahl ist nach Ausweis zweier Kupferporträts wohl spätestens 1509 geboren, heiratete, wahrscheinlich bereits Witwer, am 10. Oktober 1559 Eufrosina Müllner. Ihr Vater war der Genannte des Größeren Rats (seit 1527) und Jurist Dr. Johann Müllner (gest. 1540), ihre Mutter Magdalena Muggenhofer (gest. 1551), die Tochter des Messinghändlers, Montanunternehmers und Genannten des Größeren Rats (seit 1494) Hans III. Muggenhofer (gest. 1526) und der Magda­ lena Tücher (1485-1533).309 1560, also im Jahr nach seiner Heirat mit Eufrosina, wurde Hieronymus Wahl Mitglied des Genanntenkollegiums. Aus den Abstammungskreisen Eufrosinas lässt sich vielleicht ableiten, dass Hieronymus wie die Familien Muggenhofer und Tücher u.a. im Metallhandel engagiert war. Jedenfalls ist sein 303 Bauernfeind: Bürger (wie Anm. 99), S. 215, als Faktor des Augsburger Englischen Tuchhändlers Franz Ziegler s. Hironobu Sakuma: Die Nürnberger Tuchmacher, Weber, Färber und Bereiter vom 14. bis 17. Jahrhundert (NW 51), Nürnberg 1993, S. 162. Reinhard: Augsburger Eliten (wie Anm. 24), S. 180, 997f., nennt die Mitarbeit Gellnauers 1573 bei Matthäus Manlich sowie die gemeinsame Handelsgesellschaft Hans Ziegler, Franz Gclnauer & Mitverwandte (1575, 1578) bzw. Hans Ziegler sei. Erben & Franz Gelnauer (1585) und Geschäftskontakte 1557/58 zu Christoph II. Welser (1517-1593) und 1575 zu David I. Haug (1525-1570) & Ges. 304 Werner: Regesten 2 (wie Anm. 299), S. 164. Lambert F. Peters: Die Großkaufleute und Bankiers Werdemann aus Italien in Nürnberg (16. und 17. Jahrhundert). Forschungsstand - neue For­ schungsergebnisse - Forschungsaufgaben, in: MVGN 98 (2011), S. 197-270, hier S. 210. 305 Bauernfeind: Bürger (wie Anm. 99), S. 215. 306 Als solcher besiegelte er beispielsweise am 14.5.1567 einen Hauskauf: Stadt AN F 5 Nr. 3/1II, S. 217-218, oder die Verdingung des Franz Renner von Nördlingen als Wundarzt in Nürnberg: StadtAN A 1, 1572 August 22. 307 StadtAN E 8 Nr. 573, fol. 42v. Zahn: Inschriften 2 (wie Anm. 242), Nr. 1868. 308 Zum Folgenden: StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objckt-Nr. 56.747: Wahl, Hieronimus (G). 309 Die Kupferporträts zeigen ihn im Alter von 64 Jahren: StadtAN A 7/1 Nr. 3214 und StadtAN E 17/11 Nr. 3116. Heiratsvertrag vom 11.9.1559: StadtAN B 14/III Nr. 1, fol. 68v. Vgl. StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.227: Müllner, Johann Dr. (G), und Objekt-Nr. 55.714: Muggenhofer, Hans III. (G).

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Hieronymus Wahl, Radierung um 1640. (StadtAN A 7/1 Nr. 3214)

Sohn Jacob Wahl im frühen 17. Jahrhundert im Geschäftsumfeld der leonischen Drahtzieherei zu verorten.310 Hieronymus Wahl agierte zudem 1567 bei der Schuldverschreibung Jörg Kellners über 10.000 Gulden stellvertretend für den Gläubiger Johann Kirschbaum aus Antwerpen.311 ,lu So besaß Hans Muggenhofer zusammen mit seinem Schwiegervater Berthold V. Tücher (1454— 1519) seit 1506/07 den Messinghammer bzw. die Drahtziehermühle bei Lauf, vgl. Michael Diefenbacher: Der Handel des Nürnberger Patriziats nach Osten - das Beispiel Tücher um 1500, in: MVGN 94 (2007), S. 49-80, hier S. 64 mit Anm. 44, und Ekkehard Westermann: Zur Erforschung der frühen Neuzeit als Messingzeit, in: MVGN 101 (2014), S. 115-143, hier S. 129. Zu Jacob Wahl vgl. Peters: Handel (wie Anm. 11), S. 466. 311 StadtAN A 1, 1567 April 16.

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1555 kaufte Hieronymus Wahl von Ulrich Rottengatter das Haus zum Gol­ denen Löwen in der Egidiengasse, Hieronymus' Sohn Jacob veräußerte seine Hälfte an diesem Haus 1607 an seinen Schwager Georg Waldthurner, den Mann seiner Schwester Katharina. Hieronymus Wahl verstarb am 29. März 1573.312 21. Caspar Neumair (gest. 1587)313 Auch der 21. Petent von 1560 war wie Franz Gellnauer zumindest bis 1583 einer der Vormünder von Christof Lindners Kindern.314 Caspar Neumair stammte aus Dietfurt an der Altmühl, wann er nach Nürnberg kam, ist nicht bekannt. 1550 wurde er Genannter des Größeren Rats und 1566 zusammen mit den bereits abgehandelten Franz Schleicher, Mang Dilherr und Wolf Kern sowie mit dem folgenden Petenten Lorenz Spengler zur ersten Riege der Marktvorsteher des neu geschaffenen Handelsvorstands berufen.315 Am 29. August 1542 heiratete Caspar Neumair Ursula (gest. 1564), die Tochter des Kaufmannes, Faktors der Ulmer Handelsfirma Gienger und Ge­ nannten des Größeren Rats (seit 1521) Marx d.Ä. Pflaum (gest. 1533) und sei­ ner zweiten Frau Ursula. Nach Ursulas Tod verband er sich laut Heiratsbrief vom 23. Oktober 1564 mit Martha Engelhard, Witwe des Kaufmanns, Genann­ ten des Größeren Rats (seit 1557) und Mitpetenten von 1560 Hans Linder (gest. 1564) und Tochter des Spitalmeisters am Heilig-Geist-Spital Conrad Engelhard (gest. 1538) und dessen dritter Ehefrau Dorothea Petz (gest. 1572). Nach Marthas Tod 1570 heiratete Neumair im selben oder itn darauf folgenden Jahr Helena, Tochter des Gassenhauptmanns an der nördlichen Lorenzer Straße (1497) Hans Schwendendorfer und seiner Frau Katharina. Helena Neu­ mair ließ 1581 mit ihrer Schwester Felicitas das Grabmal ihrer Eltern erncu-

312 Kauf 1555: StadtAN B 14/1 Nr. 70, fol. 137r, Verkauf 1607: StadtAN A 1, 1607 November 1. Vgl. StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 86.408: Haus S 553 (ab etwa 1865 Theresienstr. 10). Grabinschrift vgl. Zahn: Inschriften 1 (wie Anm. 5), Nr. 1184. 313 Zum Folgenden: StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.576: Neumair, Caspar (G). Jl4 Bauernfeind: Bürger (wie Anm. 99), S. 215, Anm. 85. 315 StadtAN E 8 Nr. 573, fol. 42v. Als solcher begutachtete er am 16. Mai 1572 mit anderen Groß­ kaufleuten das neue Nürnberger Zollgesetz vom 25. Februar 1572, vgl. Peters: Allianzen (wie Anm. 13), S. 305. Jl6 Ehe mit Ursula Pflaum: Schornbaum: Ehebuch Sebald (wie Anm. 107), Nr. 564. Vgl. auch: StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.121: Pflaum, Marx d.Ä. (G), Objekt-Nr. 56.671: Linder, Hans (G), und StadtAN GSI 180 (Personen allgemein), Objekt-Nr. 50.975: Engelhard, Conrad (f 1538). Zu Helena Neumair: Zahn: Inschriften 2 (wie Anm. 242), Nr. 1489.

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Caspar Neumair war Tuch- und Leinwandhändler, u.a. in der Leinenwebe­ rei Westsachsens engagiert317, sicherlich aber auch wie sein Bruder Balthasar und sein in Annaberg verstorbener Vater Georg in Montangeschäften tätig.318 1573 fallierten die Brüder Balthasar und Caspar Neumair mit einer enorm hohen Schuldensumme, ein Bankrott, der sogar Einzug in die Nürnberger Chronistik fand. So schreibt Johannes Müllner zu 1573 unter der Randglosse Neumairisch Falliment: Balthasar und. Caspar die Neimair, Gehrüeder, Burger und Handelßleut in Nürnberg, haben diß Jar fallirt und haben sich ihre Schulden, damitt sie den nurnbergischen Burgern und andern ihren außlendischen Creditorn behafftet und was Caspar Neumair seinen Kindern schuldig gewest, über zweymal hundertundfunfftzigtausent Gulden belauffen. Dergleichen Falli­ ment biß auff diese Zeit zu Nürnberg nie erhört worden. Balthasar Neumair ist ausgerissen, Caspar Neumair ist erstlich auffs Rathhaus verstrickt, nachmals ins Loch geführt und letzlich auff einen Thum verschafft worden, auff den er geseßen biß auffs Jar 1584, in welchem ine der Rath der Verhafft erlassen, doch in seins Weibs Wonhaus verstrickt.319 Als Folge ihres Bankrotts wurde beiden Brüdern Neumair zudem am 21. März 1573 ihre Mitgliedschaft im Größeren Rat aberteilt. Caspar verlor zudem seine Funktion als Marktvorsteher. Die Konsequenzen gingen sogar so weit, dass zwar Neumairs vakant gewordener Sitz als Marktvorsteher 1573 mit Wolf Fürleger (1495-1576, Genannter des Größeren Rats seit 1528) wieder besetzt, aber mit dem Tod Conrad Imlands im folgen Jahr das Gremium von bislang fünf ab 1574 auf vier Marktvorsteher reduziert wurde.320 Die von Müllner angeführten Schulden gegenüber seinen Kindern beziehen sich auf Forderungen der minderjährigen Kinder Paulus und Martha aus zwei317 Allein im September 1567 importierte er 52 Zentner Barchent, s. Kunze: Textil- und Färber­ gewerbe (wie Anm. 280), S. 692f. 318 Georg verstarb vor 1555, wie aus dem Heiratsvertrag seines Sohnes Balthasar mit Maria Dilherr vom 18. Juni 1555 (StadtAN B 14/III Nr. 1, fol. 53v) hervorgeht; vgl. auch StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.656: Neumair, Balthasar (G), und StadtAN GSI 180 (Personen allgemein), Objekt-Nr. 185.342: Neumair, Georg (J 15??). Auch Florian Neumair (ob und wie mit Caspar Neumair verwandt, ist nicht bekannt), Genannter des Größeren Rats seit 1518 und 1547 verstorben, war 1537 Mitgewerke auf der Zeche Rappolt bei Schneeberg, vgl. Theodor Gustav Werner: Die große Fusion der Zechen um den Rappolt in Schneeberg unter der Führung der Nürnberger um 1514 (2. Teil), in: MVGN 58 (1971), ^ ^ S. 102-115, hier S. 109. 311 Diefenbacher: Müllner 4 (wie Anm. 6). 320 StadtAN E 8 Nr. 5072, fol. 151 r, und Nr. 573, fol. 42v. Vgl. Endres: Kaufmannschaft (wie Anm. 2), S. 36, Denzel: Banco Publico (wie Anm. 2), S. 79. Fürleger: StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.238: Fürleger, Wolff I. (G), Imland s. unten Nr. 48.

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ter Ehe mit der am 19. April 1570 verstorbenen Martha Engelhard, verwitwete Linder, überwiegend Geldforderungen aus Heiratsgütern und Erbschaften.321 In den Bankrott und die diversen Schuldforderungen verstrickt war auch Mel­ chior Neumair, ein weiterer Bruder Caspars und Balthasars, seit 1556 Bürger zu Augsburg.j22 Infolge der Forderungen seiner Gläubiger musste Caspar Neumair 1573 sein Haus am Fischmarkt an die Handelsfirma Heinrich Gewandschneider und Gebrüder verkaufen, zuvor war ihm 1570 vom Rat der Reichsstadt ein Teil des Nachbargrundstückes, auf dem das alte Tuchhaus gestanden hatte, überlassen worden.323 Bereits 1546 hatte Caspar Neumair ein Haus am Zotenberg veräußert. 1569 erhielt er aus der Schuldenmasse des Hans Mel dessen Behausung auf der Hin­ teren Insel Schütt zugesprochen.324 In den 1550er Jahren hatte er zudem einen Garten bei Wöhrd besessen.325 Drei Jahre, nachdem Caspar Neumair nach 11-jähriger Turmstrafe 1584 wieder aus der Haft entlassen worden war, verstarb er 1587.326 22. Lorenz Spengler (1514—1574)327

Auch der 22. Petent von 1560, Lorenz Spengler, ist bislang kaum erforscht. Laut einem von Lorenz Spengler angelegten Geschlechterbuch ist der Ahnherr der Familie ein Jörg Spengler d.Ä. aus Windsbach, dem 1183 ein Wappen ver­ liehen worden sein soll. Dieser soll später nach Ansbach gezogen sein. Auch weitere Familienmitglieder des 13. und 14. Jahrhunderts saßen in und um Windsbach. Lorenz“ Großvater Hans (geh. 1445) hat sich dann von Windsbach aus nach Nürnberg gewandt. Dessen Sohn Hans (geh. 1476) ist der erste Spengler gewesen, der sein Leben in Nürnberg verbrachte. Er hat Barbara 321 Zur Klage gegen die Verwalter der Gebrüder Neumair vgl. StadtAN B 14/1 Nr. 93 fol. 138r— ^ 146v.

322 StadtAN B 14/1 Nr. 70, fol. 240, Nr. 88, fol. 103, Nr.. 93, fol. 139, 155, 160. Zu Melchior Neu­ mair: StadtAN GSI 180 (Personen allgemein), Objekt-Nr. 51.290: Neumair, Melchior (f 15??), und Reinhard: Augsburger Eliten (wie Anm. 24), S. 582f. "’23 Verkauf 1573: StadtAN B 14/1 Nr. 89, fol. 112., Überlassung 1570: StadtAN A 1, 1570 Januar 23, vgl. StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 137.167: Haus S 25 (ab etwa 1865 Hauptmarkt 7/Tuchgasse 1). 324 Verkauf 1546: StadtAN B 14/1 Nr. 61, fol. 48r; vgl. StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 148.078: Haus S 952 (ab etwa 1865 Dötschmannsplatz 19). Zu 1569: StadtAN F 5 _ Nr. 3/IV.S. 162. ,23 Supplik Neumairs an den Rat zur Fassung einer Quelle am 12.1.1557: StadtAN B l/II Nr. 2145. 326 StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.576: Neumair, Caspar (G). 327 Zum Folgenden: StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.567: Spengler, Lorenz I. (G).

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Altarbild des Ehepaares Hans Spengler und Barbara Ubl. Links sind die Auferstehung und rechts das Weltgericht sowie links die sieben Söhne und rechts die sechs Töchter dargestellt. Lorenz Spengler ist der vierte Sohn von links mit dem Allianzwappen Spengler/Schuhmann/König/Aichler, Miniatur im Geschlechterbuch der Spengler 1541-1545. (StadtAN E 3 Nr. 56, fol. 16v-17r)

Ublin aus Königsberg in Franken geheiratet und mit ihr sieben Söhne und sechs Töchter gezeugt. Lorenz, geboren 1514, war der vierte Sohn.328 Lorenz' Vater Hans (1476—1527)329, der erste „Voll-Nürnberger“ dieser Familie Spengler, war Kaufmann und Kramhändler, handelte aber auch mit Leinwand, Safran sowie anderen Gewürzen und Spezereien330 und arbeitete zeitweise als Faktor Linhart Nadlers von Augsburg.331 Am 23. Juni 1501 über­ nahm er Linhart Hubers Kramhandel mit Pfennwert samt dessen Schulden für 328 StadtAN E 3 Nr. 56, fol. 2v-17r. 329 Zu ihm vgl. StadtAN GSI 180 (Personen allgemein), Objekt-Nr. 52.002: Spengler, Hans (t 1527). 330 Zu Leinwand: StadtAN B 14/11 Nr. Z, fol. 42r (12.7.1510), zu Gewürzen und Spezereien: StadtAN B 14/11 Nr. 9, fol. 82v (27.6.1516), StadtAN B 14/11 Nr. 12, fol. 53v (28.8.1518), StadtAN B 14/11 Nr. 24, fol. lOlv (17.6.1527), und StadtAN B 14/11 Nr. 24, fol. 145r (4.9.1527), zu aragonesischem Safran: Häberlein: Handelsnetz (wie Anm. 134), S. 99. 331 StadtAN B 14/11 Nr. 24, fol. 131r (6.8.1527).

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582 Gulden, wovon er 210 Gulden sofort bezahlte.332 Über die Bezahlung der verbliebenen Summe stritten beide Parteien vor dem Nürnberger Stadtgericht, bis Huber den Empfang der restlichen Gelder am 11. März 1503 quittierte.333 Lorenz selbst war drei Mal verheiratet: Am 23. Oktober 1536 heiratete er Barbara (gest. 1546), die Tochter des Geschmeidemachers Lorenz Schuhmann (gest. 1531) und vielleicht der Lucia Krapf (gest. um 1520), am 1. November 1546 Ursula, die Tochter des Saigerhändlers, Faktors des Nürnberger Montan­ unternehmers und Ratsherrn Jakob Welser (1468-1541) und Genannten des Größeren Rats (seit 1549) Gotthard König (gest. 1556) und dessen erster Frau Ursula Beheim (gest. 1537), und schließlich am 15. November 1569 Ursula Aichler, die Witwe des Pflegers von Velden, Caspar II. Paumgartner (gest. 1567).334 1508 hatte Lorenz“ Vater Hans ein Haus in der Spitalgasse erworben, 1545 wird Lorenz selbst als dessen Besitzer genannt.335 Das Nachbarhaus gehörte seit 1518 Lorenz“ Mutter Barbara, 1545 ist Lorenz“ jüngerer Bruder Gabriel (geb. 1516) als dessen Besitzer genannt, und dieser verkaufte es 1556 an Lorenz.336 1 5 5 2 besaß Lorenz zudem die Erbschaft an einem Haus im Taschen­ tal, die 1546 sein älterer Bruder, der Handelsmann Sebald Spengler (15121555), erworben hatte und die Lorenz 1560 wieder veräußerte.337 1564 erwarb Lorenz Spengler schließlich die Erbschaft am Wirtshaus Zum Weißen Engel und verkaufte sie 1572 weiter.338 Lorenz Spengler wurde 1549 in das Genanntenkollegium gewählt.339 Er zählte 1566 zusammen mit den bereits abgehandelten Unterzeichnern der Peti332 StadtAN B 14/11 Nr. N, fol. 163r. 333 StadtAN B 14/11 Nr. P, fol. 82r (23.11.1502), StadtAN B 14/11 Nr. P, fol. 86r (12.12.1502), StadtAN B 14/11 Nr. P, fol. 86r (8.2.1503), StadtAN B 14/11 Nr. N, fol. 163r (11.3.1503). 334 StadtAN GSI 180 (Personen allgemein), Objekt-Nr. 52.886: Schuhmann, Lorenz (| 1531), StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.365: König, Gothard I. (G), und Objekt-Nr. 56.542: Paumgartner, Caspar II. (G). Heiratsabrede mit Ursula König 1546: StadtAN B 14/1 Nr. 60, fol. 171v. Heiratseintrag mit Barbara Schuhmann: Schorn­ baum: Ehebuch Sebald (wie Anm. 107), Nr. 3334. 335 Kauf 1508: StadtAN B 14/1 Nr. 24, fol. 97r, vgl. auch zur Nennung 1545 StadtAN GSI 175 (Da­ tenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 150.148: Haus S 973 (ab etwa 1865 Hans-Sachs-Gasse 9). 336 StadtAN B 14/1 Nr. 73, fol. 64r, StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 150.147: Haus S 972 (ab etwa 1865 Hans-Sachs-Gasse 11). 337 Kauf 1546: StadtAN B 14/1 Nr. 61, fol. 50r, Besitz 1552 und Verkauf 1560: StadtAN B 14/1 Nr. 74, fol. 261r, vgl. auch StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 172.015: Haus S 1065 (ab etwa 1865 Rotschmiedsgasse 8). 338 Kauf: StadtAN B 14/1 Nr. 79, fol. 170v, Verkauf: StadtAN B 14/1 Nr. 89, fol. 24v, vgl. auch StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 159.862: Haus S 826 (Teil 1) (ab etwa 1865 Engelsgasse 6, östlicher Teil). 3j) Als solcher bezeugte er beispielsweise am 17.11.1551 einen Hausverkauf, StadtAN F 5 Nr. 3/ VII S. 688-689, oder am 13.10.1565 einen Grundstücksverkauf, StadtAN D 2/IV Nr. 4073.

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tion von 1560 Franz Schleicher, Mang Dilherr, Wolf Kern und Caspar Neumair zur ersten Riege der Marktvorsteher des neu geschaffenen Handelsvorstands.340 1538 wurde den Brüdern Hieronymus, Hans, Sebald und Lorenz Spengler sowie ihren Nachkommen ein Wappen- und Adelsbrief verliehen, der am 20. Februar 1540 von Kaiser Karl V. und 1569 von dessen Bruder, Kaiser Ferdi­ nand I., bestätigt wurde.341 Lorenz Spengler verstarb am 27. Juni 1574.342 23. Linhart Rottengatter (gest. 1569)’43 Recht gut bekannt ist - vor allem durch die Tiefenerschließung der Tucher­ briefe im Stadtarchiv Nürnberg - der 23. Petent Linhart Rottengatter. In den Tucherbriefen wird er zwischen 1520 und 1556 allein 162-mal erwähnt, 58 Briefe des Zeitraums zwischen 1525 und 1556 stammen von ihm selbst. Rot­ tengatter ist der meistgenannte Bedienstete der Tucherfirma.344 Linhart Rottengatter entstammte einer Ulmer Handels- und Ratsfamilie.345 Er war spätestens seit 1520 im Tucherschen Handelsunternehmen beschäftigt und langjähriger Faktor der Firma in Antwerpen, aber auch in Genf, Lyon, Südwestfrankreich und Spanien tätig.346 Am 5. Januar 1530 gab er sein Ulmer Bürgerrecht auf und heiratete am 14. Juni desselben Jahres - nun wohl als Nürnberger Bürger - Margaretha Kurz (gest. 15 6 7).347 Margaretha, die Tochter des aus Regensburg stammenden Kaufmanns Georg Kurz und der Ursula Tücher, war über ihre Mutter eine 340 StadtAN E 8 Nr. 573, fol. 42v, 341 StadtAN E 3 Nr. 56, Anlage fol. lr-3v: Verleihung des Adelstitels an Hieronymus Spengler und seine Brüder Hans, Sebald und Lorenz Spengler sowie all ihre ehelichen Nachkommen, Urkunde am 20.2.1540 von Kaiser Karl V. unterzeichnet, Beglaubigung des Notars Michael Janigke vom 20.4.1687, und StadtAN E 3 Nr. 56, fol. 76r-80r: Wappenbrieffscopy, im fünfzehnhundertachtunddreissigsten Jar bewilligt und außgebracht, Unterschrift des Kaisers Ferdi­ nand I., Stempel des Notars Matthias Schilherr vom 4.10.1569. 342 Grabinschrift und Todesdatum vgl. Zahn: Inschriften 1 (wie Anm. 5), Nr. 1254. 343 Zum Folgenden: StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.346: Rottengatter, Linhart (G). 344 Vgl. den Teilbestand der Tucherbriefe StadtAN E 29/IV und die Auszählung bei Walter Bauernfeind: Marktinformationen und Personalentwicklung einer Nürnberger Handelsgesell­ schaft im 16. Jahrhundert - Das Briefarchiv von Anthoni und Linhart Tücher in der Zeit von 1508 bis 1566, in: Angelika Westermann und Stefanie von Welser (Hgg.): Beschaffungs- und Absatzmärkte oberdeutscher Firmen im Zeitalter der Welser und Fugger (Neunhofer Dialog 2), Husum 2011, S. 23-60, hier S. 47. 345 So Müllner zu 1550; vgl. Diefenbacher: Müllner 4 (wie Anm. 6). 346 Bauernfeind: Marktinformationen (wie Anm. 344), S. 46f., und Diefenbacher: Sebald X. Tücher (wie Anm. 59), S. 366, 376, 378, 393 ’47 Bürgerrechtsaufgabe s. Christa Schaper: Die Hirschvogel von Nürnberg und ihr Handelshaus (NF 18), Nürnberg 1973, S. 277, Heirat: Schornbaum: Ehebuch Sebald (wie Anm. 107), Nr. 3294. Heiratsabrede: StadtAN B 14/1 Nr. 44, fol. 229v.

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^2 Js-'W?— yty/-r~6 Vgl. oben Nr. 1. 337 Erwerb: StadtAN B 14/1 Nr. 74, fol. 107r, StadtAN B 14/11 Nr. 76, fol. 161 r, StadtAN E 4/62 Nr. 1, fol. 113v-117r, und StadtAN F 5 Nr. 3/IV, S. 555-557; Verkauf: StadtAN E 4/62 Nr. 1, fol. 117v-122r, und StadtAN F 5 Nr. 3/IV, S. 558-560. StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuser­ buch), Objekt-Nr. 144.898: Haus S 807. Zur Verortung des Reichskammergerichts s. Hannah S. M. Amburger: Die Familiengeschichte der Koder. Ein Beitrag zur Autobiographie des 16. Jahrhunderts, in: MVGN 30 (1931), S. 153-288, hier S. 215.

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Den Tetzelhof Egidienplatz 7/Tctzclgassc 12 erwarb Sigmund Tetzel 1560. Votivmedaille auf die Erbauung des Tetzelschen Vorschickungshauses Egidienplatz 7, Abbildung des Hauses mit aufgerichtctcm Dachstuhl, 1720. (StadtAN E 29/11 Nr. 2062)

Familienbesitz vererbte er an seine Kinder.358 Ferner besaß er bei Besitzerwech­ seln 1560, 1575 und 1580 das Obereigentum an Häusern unter der Veste und am Kornmarkt.359 1557 erwarb er von Hieronymus Schnöd Güter und Lehen 358 Erwerb: StadtAN A 26 Rep. 87 Nr. 229, Prod. 9,Weitergabe an die Kinder: StadtAN E 29/11 Nr. 816 und 818. Vgl. StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 82.151: Häuser S 757, S 701 (ab etwa 1865 Egidienplatz 7/Tetzelgasse 12). 35} 1560: StadtAN B 14/1 Nr. 75, fol. 135r, 1575: StadtAN B 14/1 Nr. 92, fol. 42r, vgl. StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 95.041: Haus S 494 (Teil) (ab etwa 1865 Obere Schmiedgasse 5), 1580: StadtAN F 5 Nr. 3/III, S. 219-222, und StadtAN A 1, 1595 November 12, vgl. StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 17.931: Haus L 196 (ab etwa 1865 Josephsplatz 1),

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zu Osternohe360, 15 5 9 schenkte Bischof Friedrich von Wirsberg zu Würzburg den Brüdern Friedrich, Jobst, Gabriel, Hans und Sigmund Tetzel für ihre Dienste im Zweiten Markgrafenkrieg den Schwalbenhof zu Roßtal, die Brüder verkauften zwischen 1560 und 1562 ihre Anteile an Jobst Tetzel, unser Sig­ mund am 11. Juli 1560.361 1564 veräußerte Sigmund den im Zweiten Markgra­ fenkrieg zerstörten, aber von ihm wohl wieder aufgebauten so genannten Förrenbergerschen Herrensitz zu Erlenstegen an den Nürnberger Kaufmann und Genannten des Größeren Rats (seit 1557) Friedrich Sauermann (gest. 1593).362 Wie sein älterer Bruder Hans (1518-1571), der seit 1542 im Auftrag der spa­ nischen Krone den Kupferbergbau auf Kuba aufbaute, war auch Sigmund Montanunternehmer. 1556/57 hatte er Geschäftskontakte (Kommissionshan­ del) mit dem Augsburger Georg König, und 1570 betrieb er zusammen mit Berthold Holzschuher (gest. 1582)363 eine gemeinsame Handelsgesellschaft.364 Neben dem Kupferbergbau und -handel war Sigmund in Geldgeschäften ak­ tiv.365 Sigmund II. Tetzel zählte 1579 mit einer Losung von 72 Gulden, was einem versteuerten Jahreseinkommen von etwa 434 Gulden entspricht, zu den 197 reichsten Bürgern Nürnbergs (Rang 150).366 Sigmund verstarb am 30. Septem­ ber 1594 in Velden. Sein in den Diptycha Würfels erwähnter Totenschild war laut Schreiben des Pfarrers aus Kirchensittenbach an die Tetzelsche Stiftungs­ verwaltung 1907 nicht mehr vorhanden.367 25. Albrecht Scheurl (1525-1580)368 Der 25. Petent, Albrecht VI. Scheurl, entstammte wiederum einer bekannten, 1440 aus Schwaben zugezogenen, seit 1580 gerichtsfähigen und 1729 ins Nürn360 Stadt AN A 1, 1557 November 4. 361 Schenkung: StadtAN E 22/1 Nr. 61, Verkauf an Jobst Tetzel: StadtAN E 22/11 Nr. 26 und 757. 362 Giersch/Schlunk/Haller, Herrensitze (wie Anm. 73), S. 96. Zu Friedrich Sauermann: StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 55.768: Sauermann, Friedrich n.(G). 363 Zu ihm und seinem Engagement im Silber- und Kupferbergbau vor allem in der Steiermark: StadtAN E 49/III Nr. 2, fol. 154v-l55v. 364 Reinhard: Augsburger Eliten (wie Anm. 24), S. 412 (König). StadtAN E 20 Nr. A 1126 (Holz­ schuher). Vgl. auch Kunnert: Montanunternehmer (wie Anm. 134), S. 247. 365 1575 schuldet ihm Hieronymus Kreß 80 Neapolitaner Gulden, StadtAN E 1/837 Nr. 22. 366 Bauernfeind: Bürger (wie Änm. 99), S. 239. 367 Andreas Würfel: Diptycha ecclesiarum in oppidis et pagis Norimbergensibus, Nürnberg 1759, S. 249f. Auskunft 1907: StadtAN E 22/11 Nr. 1887. 368 Zum Folgenden: StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.545: Scheurl, Albrecht II. (G).

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berger Patriziat kooptierten Familie.369 Albrechts Vater, Albrecht V. Scheurl (1482-1531), war sehr stark im Bergbau und Handel engagiert - er bekleidete u.a. das Amt eines kursächsischen Münzwardeins in Annaberg370 - und wurde 1531 in der Fehde der Reichsstadt Nürnberg mit Hans Thoma von Absberg (gest. 1531) ermordet.371 Albrecht VI. Scheurl ist am 3. Februar 1525 geboren, sein Taufpate war Albrecht Dürer372, seine Mutter Anna Zingel (1502-1557) entstammte einer der kleineren Nürnberger Patrizierfamilien mit nur drei Vertretern im Kleineren Rat. Ihr Vater, Dr. Johann Zingel (1463-1522), verheiratet mit Barbara Löffel­ holz (1466-1508), war pfalzgräflicher Hofrat und Beisitzer am kaiserlichen Kammergericht. Er gab 1493 sein Nürnberger Bürgerrecht auf und zog nach Ncumarkt i.d.Opf.373 Nach dem frühen Tod seines Vaters wurde Albrecht VI. vom Bruder seines Vaters Dr. Christof Scheurl (1481-1542) als Vormund betreut. Dieser sorgte auch für seine Ausbildung und schickte ihn 1539 nach Ingolstadt, 1540 nach Leipzig und 1541 nach Paris zum Studium.374 Am 3. August 1546 heiratete Albrecht Scheurl Magdalena Imhoff (15261598), die Tochter des oben beschriebenen Petenten und Ratsherrn Endres Imhoff (1491-1579)375 und dessen zweiter Frau Magdalena Reich (gest. 1558). Im folgenden Jahr 1547 wurde Albrecht in den Größeren Rat der Reichsstadt gewählt.376 Als Faktor der Grubcr-Podmer-Stromer-Gesellschaft handelte bereits 1444 Albrecht Scheurl (gest. 1462), der Urgroßvater unseres Albrechts, mit Gewür361 Michael Diefenbacher: Scheurl von Defersdorf, Patrizierfamilie, in: Diefenbacher/Endres: Stadtlexikon (wie Anm. 2), S. 932, Fleischmann: Rat (wie Anm. 73), S. 890-896. 370 Adolf von Scheurl: Christoph Scheurl, Dr. Christoph Scheurls Vater, in: MVGN 5 (1884), S. 13-46, hier S. 30. So auch Theodor Gustav Werner: Die große Fusion der Zechen um den Rappolt in Schneeberg unter der Führung der Nürnberger um 1514 (1. Teil), in: MVGN 56 (1969), S. 214-250, hier S. 235. 371 Michael Diefenbacher (Bearb.): Die Annalen der Reichsstadt Nürnberg von Johannes Müllner von 1623, Band 3: 1470-1544 (QuGKN 32), Nürnberg 2003, S. 627f., Siegfried von Scheurl: Die Scheurl von Defersdorf. Eine Nürnberger Patrizierfamilie hält Rückschau, in: MVGN 61 (1974), S. 283-292, hier S. 289, Anm. 26, Fleischmann: Rat (wie Anm. 73), S. 891. 372 Gerhard Hirschmann: Albrecht Dürers Abstammung und Familienkreis, in: Albrecht Dürers Umwelt. Festschrift zum 500. Geburtstag (NF 15), Nürnberg 1971, S. 35-55, hier S. 47. 373 Stammbuch der Zingel: StadtAN E 17/1 Nr. 846, S. 17-19, StadtAN GSI 152 (Datenbank Ge­ nannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 55.639: Zingel, Johann Dr. (G), und Fleischmann: Rat (wie Anm. 73), S. 1169f. 374 Stammbuch der Zingel: StadtAN E 17/1 Nr. 846, S. 26f. 375 Vgl. oben Nr. 8. Zu ihm: StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), ObjektNr. 56.084: Imhoff, Endres II. (G), und Fleischmann: Rat (wie Anm. 73), S. 610-613. 376 StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.545: Scheurl, Albrecht II. (G).

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zen (vor allem Safran, Pfeffer, Ingwer, Nelken, Zimt), Südwaren, Farben (genannt sind Indigo und Schirwitz/Schlirwitz = polnische Cochenille zur Gewinnung des roten Farbstoffes Karmin), Seide und Seidenstoffen (u.a. Zendel), Wolle, Textilien, Samt und Samtwaren, Damast, Baumwolle, Barchent, Leinwand, Papier, Goldfäden, Weihrauch, Nadeln, Rosinen, Mandeln, Käm­ men, Leder und Lederwaren, Pelzen und Rauchwaren, Weinbeeren, Wachs, Tabak, Kupfer, Glas und Glasflaschen, Seife, Forellen und Lachs. Er war gleichzeitig in umfangreiche Geldtransaktionen involviert. Ziel- und Aus­ gangsorte dieses Flandels waren Venedig, Flandern, Lübeck, Berlin, Frankfurt an der Oder, Herzberg am Harz, Frankfurt am Main, Sachsen (namentlich Leipzig, Halle, Chemnitz und Bautzen), Schlesien (vor allem Breslau und Gör­ litz, aber auch Hirschberg, Großbaudiß und Jauer), Polen (besonders Krakau und Warschau), Lemberg und Kiew. 1451/55 löste Albrecht sich aus der Ge­ sellschaft und gründete mit seinem Bruder eine eigene Familienfirma.377 Sohn und Enkel dieses Albrecht verlagerten ihre Handelsaktivitäten immer stärker auf Montangeschäfte. So wundert es nicht, dass auch Urenkel Albrecht VI. vor allem als Montanunternehmer in den böhmischen, sächsischen und steirischen Bergrevieren agierte. Er war in den 1550er Jahren Mitgewerke Berthold Holzschuhers (gest. 1582) im steirischen Bergbau, engagierte sich aber auch im steirischen Eisenhandcl und war im Edelmetallhandel mit Mailand aktiv.378 Am 16. Mai 1572 begutachtete er mit anderen Großkaufleuten das neue Nürnberger Zollgesetz vom 25. Februar 1572.379 1555 kaufte Albrecht VI. Scheurl von den Erben Jakob Welsers das große alleinstehende Handelshaus bei der Frauenkirche.380 1566 erwarb er von den Erben des Nürnberger Kaufmanns und Genannten des Größeren Rats (seit 1518) Hans Schnödt (gest. 1540)381 den etwa auf halbem Weg zwischen Nürn­ berg und Lichtenau gelegenen Herrensitz Defersdorf, nach dem sich später die

j77 Quellenbelege bei: Wolfgang von Stromer: Die Nürnberger Handelsgesellschaft Gruber-Podmer-Stromer im 15. Jahrhundert (NF 7), Nürnberg 1963, S. 1 17-119, 122, 124, 131, 135, 157, 159-161, 163f., 167-169, 173f. 378 Kunnert: Montanunternehmer (wie Anm. 134), S. 248. Zu Berthold Holzschuher und seinem Engagement im Silber- und Kupferbergbau vor allem in der Steiermark: StadtAN E 49/III Nr. 2, fol. 154v-155v. - Eisenhandel: Peters: Handel (wie Anm. 11), S. 238. - Edelmetallhandcl: Ders.: Allianzen (wie Anm. 13), S. 299. 373 Peters: Allianzen (wie Anm, 13), S. 305. 380 StadtAN F 5 Nr. 3/II, S. 110, vgl. StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 150.115: Haus S 880 (ab etwa 1865 Obstgasse 2). 381 Vgl. GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.072: Schnödt, Hans (G).

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Tobias Hundertpfund 1596 im Alter von 65 Jahren, Kupferstich von Johann Alexander Boener 1666. (StadtAN E 17/11 Nr. 1266)

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Laut einer Hamburger Botenordnung von 1581 war Tobias Hundertpfund Hamburghändler530, Englische Tuche dürften also bevorzugte Waren seiner Firma gewesen sein. 1573 agierte er in Nürnberg als Bevollmächtigter der Han­ delsfirma Prechter aus Straßburg, und am 13. Mai 1575 zählte er zu den Unter­ stützern der Bestrebungen der Imhoffschen und Welserschen Handelsgesell­ schaften gegen ausländische Mitkonkurrenten in Nürnberg.531 Letzteres lässt zumindest auf Safran als ein weiteres Handelsgut Hundertpfunds schließen. Unter dem „Glaser“ Tobias Hundertpfund, von dem die Familie Tücher für die Erneuerung des Tucherfensters in der Lorenzkirche 1590 eine Truhe mit 2.500 Scheiben kaufte532, ist sicherlich kein Glasmacher oder -maler, sondern ein Glashändler zu verstehen, also könnte Glas oder Fensterglas ein weiteres Han­ delsgut Hundertpfunds gewesen sein. 1558 erwarb Tobias ein Gartenanwesen nördlich der Burg (Bücher Straße 56-58), das er bis 1585 behielt.533 Er hatte sich folglich bereits ein Jahr nach seiner Ankunft an der Pegnitz dem Leben der reichsstädtischen Eliten angeglichen. 1559 ist Tobias als Besitzer eines Hauses am Milchmarkt nachgewiesen, bereits fünf Jahre später gehörte dieses Hans Vogel.534 1 5 62 kaufte Hundert­ pfund für 1.900 Gulden ein Haus am Zotenberg, das bis weit ins 17. Jahrhun­ dert in den Händen seiner direkten Nachkommen verblieb.535 1 5 9 8 besaß Hundertpfund zusammen mit dem Kaufmann und Genannten des Größeren Rats (seit 1588) Endres Vogt (gest. 1607) eine 5%-ige Hypothek („Eigen­ schaft“) von 3.200 Gulden auf dem Viatishaus.536

StadtAN E 1/665 Nr. 1. Zu den genannten Personen vgl. auch StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.331: Strolunz, Hans II. (G), Objekt-Nr. 56.613: Geiger, Stefan II. (G), und Objekt-Nr. 56.786: Schwab, Barthel II. (G). 530 StadtAN E 8 Nr. 573, fol. 123r. 531 Peters: Allianzen (wie Anm. 13), S. 364 und 374. 532 Wilhelm Schwcmmer: Das Mäzenatentum der Nürnberger Patrizierfamilic Tücher vom 14.-16. Jahrhundert, in: MVGN 51 (1962), S. 18-59, hier S. 22. 533 Rauf: B 14/1 Nr. 72, fol. 164v, vgl. Fritz Zink: Nürnbergs stadtnahe Landschaft nördlich der Kaiserburg von 1425 bis 1860, in: MVGN 76 (1989), S. 1-26, hier S. 8. 534 1 55 9: StadtAN B 14/1 Nr. 74, fol. 172r, 1564: StadtAN B 14/1 Nr. 81, fol. 27r; vgl. StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 103.075: Haus S 516 (ab etwa 1865 Albrecht-DürerPlatz 10/Untere Krämersgasse 9). 535 1 562: StadtAN B 14/1 Nr. 77, fol. 147v-148, 1617: StadtAN B 14/1 Nr. 128, fol. 169r, 1654: StadtAN B 14/1 Nr. 167, fol. 128v-130v; vgl. StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 150.913: Haus S 992/S 999 (ab etwa 1865 Tucherstr. 9/Dötschmannsplatz 10). 536 Seibold: Viatis (wie Anm. 218), S. 109, Peters: Handel (wie Anm. 11), S. 440. Zu Vogt: StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 57.386: Vogt, Endres (G), zum Viatishaus: StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 611: Haus L 6 a (östl. Teil) (ab etwa 1865 Königstr. 2).

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Tobias Hundertpfund verstarb am 24. April 15 9 8.537 Noch zu Lebzeiten hatte er eine Holzstiftung für Witwen und Frauen veranlasst.538 39. Bartholomäus Nittinger (gest. 1577)539 Bartholomäus Nittinger (auch Nuding, Nüttinger), Diener der Augsburger Welser, wurde 1556 ohne Aufnahmegebühr Nürnberger Bürger.540 Woher er kam - ziemlich sicher aus Augsburg ist nicht zweifelsfrei belegt. Auch irgendwelche Heiraten sind bislang nicht erforscht. Jedenfalls wurde er bereits im folgenden Jahr, 1557, Genannter des Größeren Rats, muss also verheiratet gewesen sein. Vielleicht war Katharina (gest. 1617), die am 6. August 1583 den Kaufmann und späteren Genannten des Größeren Rats (seit 1584) Georg d.J. Trainer (1623) heiratete, den Sohn unseres 32. Petenten, Bartholomäus Nittingers Tochter. Genealogische Aufzeichnungen über die Trainer nennen als Katharinas Eltern Barthel Nettinger zu Augsburg und Barbara Scheuffelein.541 Im Jahr seiner Aufnahme in den Größeren Rat 1557 kaufte Bartholomäus Nittinger in seiner Funktion als Nürnberger Faktor der Augsburger Welser (1581-1580 Christof Welser & Gebrüder bzw. Christof Welser & Gesellschaft) das zentral gelegene Handelshaus Hauptmarkt 24, das bereits 1535 vom dama­ ligen Welser-Faktor Hans Pfann für die Augsburger Handelsgesellschaft er­ worben worden war, zwischenzeitlich (8. Januar 1552) Bartholomäus Welsers Schwiegersohn Sebald Geuder (gest. 10. September 1552, Genannter des Grö­ ßeren Rats seit 1535) gehörte und auch im Besitz Nittingers faktisch die Zen­ trale der Augsburger Weiserfirma an der Pegnitz bildete. Als 1588 das Haus schließlich an Wolf Rehlein, den oben abgehandelten 36. Unterzeichner der Petition von 1560, verkauft wurde, war Nittinger bereits verstorben, und die Welser-Gesellschaft (Marx und Matthäus Welser) in Augsburg trat nun selbst als Verkäuferin in Erscheinung. Bei den Scheinkäufen durch die Firma in den Jahren 1535, 1552 und 1557 belief sich die Kaufsumme konstant auf 4.260 Gul­ den, beim Verkauf 1588 betrug sie stattliche 6.500 Gulden.542 537 Stadt AN E 56/V1 Nr. 193, Grabinschrift vgl. Zahn: Inschriften 2 (wie Anm. 242), Nr. 1948. Ders.: Grabepitaphien (wie Anm. 272), S. 171, nennt das Begräbnisdatum 26.4.1598. So auch StadtAN E 1/1633 Nr. 2. 538 StadtAN B 35 Nr. A 1772: Bitte der Witwe Anna Maria Diem um eine Präbende aus der Holz­ stiftung des Tobias Hundertpfund, 1656, StadtAN D 15 Nr. H 19 Nr. 1: Verzeichnis der Wit­ wen und Frauen, welche die Hundertpfundische Stiftung empfangen haben, 1700-1713. 539 Zum Folgenden: StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.673: Nittinger, Barthel (G). 540 St AN, Rst. Nbg., Amts- und Standbücher Nr. 300/11, fol. 16 a/b. 541 StadtAN E 1/1633 Nr. 2, vgl. auch StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 57.299: Trainer, Georg II. (G). 542 Zu 1535: StadtAN A 1, 1535 Mai 7, zu 1552: StadtAN A 1, 1552 Januar 8, zu 1557: StadtAN B 14/1 Nr. 73, fol. 138r, zu 1588: StadtAN B 14/1 Nr. 103, fol. 145r. StadtAN GSI 175 (Datenbank

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Die Handelszentrale der Augsburger Welser in Nürnberg am Hauptmarkt 24, 1557 von Bartholo­ mäus Nittinger im Auftrag der Firma gekauft, Fotografie von August Nagel 1935. (StadtAN A 46 Nr. 8128)

1560 erweiterte Nittinger diesen Besitz - ebenfalls im Auftrag seiner Augs­ burger Herren - um das Nachbargebäude Hauptmarkt 18, das er für 520 Gul­ den kaufte. Beide Häuser blieben nachweislich bis 1741 vereint. Am 1./6. Juni 1569 schlichtete das Nürnberger Baugericht einen zumindest seit 1524 schwe­ lenden langjährigen Baustreit zwischen Nittinger bzw. der Weiserfirma und dem Hausnachbarn, dem Barettmacher Caspar Zapf, um eine gemeinsame Mauer und strittige Fenster.543 Häuserbuch), Objekt-Nr. 144.836: Flaus S 875 (ab etwa 1865 Flauptmarkt 24). Zum Haus im Besitz der Welser-Gesellschaft: Häberlein: Handelsnetz (wie Anm. 134), S. 106, zur Handelsge­ sellschaft Christof Welser S. 113. Zu Sebald Geuder: StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.361: Geuder, Sebald II. (G). Zu Nittinger als Wclser-Faktor: Reinhard: Augsburger Eliten (wie Anm. 24), S. 932, zu Christof II. Welser S. 962-934. 543 Nittingers Kauf 1560: StadtAN B 14/1 Nr. 75, fol. 186r, Auftrag der Welser: StadtAN A 1, 1560 Oktober 21, StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 144.891: Haus S 878 (ab etwa 1865 Hauptmarkt 18). Zum Baustreit 1524: StadtAN F 5 Nr. 3/1, S. 105-106, zur Schlich­ tung 1569: StadtAN B 14/IIINr. 96, fol. 196r— 198r. - Der Nachbar Caspar Zapf besaß seit 1560 das Haus Rathausgasse 3: StadtAN B 14/1 Nr. 75, fol. 138v, StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 144.893: Haus S 881 (ab etwa 1865 Rathausgasse 3).

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In den Jahren 1568-1574 ist Nittinger als Händler mit Nürnberger Kram­ waren nach Prag belegt544, ob in Eigenregie oder im Auftrag der Welser, ist nicht bekannt. Als Repräsentant der Augsburger Welsergesellschaft geriet Bar­ tholomäus Nittinger in der Auseinandersetzung der Imhoff und Welser mit in Nürnberg ansässigen ausländischen Konkurrenten vor allem im Safrangeschäft 1573 stark in die Schusslinie des Nürnberger Rates, der, anstatt seine Herren direkt anzugehen, lieber ihn mit Kritik überzog.54’ Vier Jahre später, am 13. Juni 1577, verstarb der langjährige Welser-Faktor.546 40. Caspar Nützel d.J. (1499—1560)547 Der 40. Unterzeichner der Supplikation von 1560 gehörte wieder den rats­ fähigen Geschlechtern an und ist weitgehend bekannt, weshalb im Folgenden neben dem biografischen Gerüst vor allem Unbekannteres bzw. neue Quellen zu Caspar II. Nützel geboten werden sollen. Caspar II. Nützels gleichnamiger Vater (1471-1529) war als Ratsherr (seit 1502) einer der bedeutendsten diplomatischen Vertreter der Reichsstadt im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts und nicht zuletzt einer der stärksten Befür­ worter der lutherischen Lehre im Nürnberger Rat.548 Caspar II. heiratete erstmals am 17. November 1522 Margaretha (gest. 1546), Tochter des Kaufmanns, Polenhändlers und Genannten des Größeren Rats (seit 1491, aberteilt 1522, weil er wegen Schulden aus Nürnberg flüchtete) Jacob Hübner und der Margaretha Hölzel (gest. 1520). Nach Margarethas Tod verband sich Caspar am 14. Februar 1547 mit der bereits zwei Mal verwitweten Ursula (gest. 1563), Tochter des Ratsherrn (seit 1511) und Ratsbaumeisters (seit 1515) Caspar I. Paumgartner (1480-1523) und der Apollonia Haller (gest. 1546). Ursulas frühere Ehemänner waren - jeweils in zweiter Ehe - der Kauf­ mann, Venedighändler und Genannte des Größeren Rats (seit 1512) Endres I. Hirschvogel (1489-1537) und der Kaufmann, Venedighändler und Genannte des Größeren Rats (seit 1520) Seyfried I. Pfinzing (1485-1545).549 544 545 546 547

Klier: Rezension (wie Anm. 516), S. 500. Peters: Allianzen (wie Anm. 13), S. 362 und 371. Grabinschrift vgl. Zahn: Inschriften 1 (wie Anm. 5), Nr. 1312. Zum Folgenden: StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.149: Nützel, Caspar 11. (G). 548 Michael Diefenbacher/Bertold Frhr. von Haller: Nützel von Sündersbühl, Patrizierfamilie, in: Diefenbacher/Endres: Stadtlexikon (wie Anm. 2), S. 770f., Fleischmann: Rat (wie Anm. 73), S. 739-741. 547 StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 55.691: Hübner, Jacob (G), Objekt-Nr. 55.870: Paumgartner, Caspar I. (G), Objekt-Nr. 55.967: Hirschvogel, Endres (G), und Objekt-Nr. 56.105: Pfinzing, Seyfried I. (G). Fleischmann: Rat (wie Anm. 73), S. 743. Bestätigung des Heiratsvertrags mit Margaretha Hübner vom 22.11.1522: GNM Fami-

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Caspar II. Nützel wurde u.a. im Umfeld der Tucherschen Handelsnieder­ lassung in Lyon zum Kaufmann ausgebildet. So forderte beispielsweise 1518 der sich in Ausbildung in Lyon befindende Hieronymus IV. Tücher (1502— 1546) von seinem Großvater Anthoni II. die Übersendung von 25 schreiebmesserla, die er im Kontor seines Herrn benötige, mit der Begründung, der Caspar (= Caspar II. Nützel) habe sich auch schon einmal solche liefern lassen.550 Kurze Zeit später verlangte Hieronymus Tücher, bei einem Rechenmeister ausgebildet zu werden, da auch Caspar Nützel das Rechnen nach Art der Ita­ liener nicht bei seinem Herrn, sondern bei einem Rechenmeister erlernt habe.551 Die Verbindung zu den Tücher blieb bestehen, 1526 bedachte der da­ malige Chef des Handelshauses Linhart II. sowohl den älteren als auch den jüngeren Caspar Nützel mit Geschenken - meist ein Korb Feigen, manchmal auch Mandeln und Kapern, Weinbeeren, Rosinen, einmal Safran und einmal Konserven. Dies ist umso verständlicher, als Linhart Tücher in zweiter Ehe seit 1522 mit Katharina (gest. 1550), Tochter Caspars I. und Schwester Caspars II. Nützel, verheiratet war.552 Bereits 1519 hielt sich Caspar dann - wohl schon als Teilhaber in der väter­ lichen Handelsgesellschaft - in der Niederlassung der Hirschvogel in Antwer­ pen auf, was auch seine verwandtschaftliche Verbindung zu den Hirschvogel nahelegt, denn seine Großmutter väterlicherseits, Agnes (1444-1498), war eine geborene I Iirschvogel.553 Ob über die Verbindung der Hirschvogel mit Sevilla oder anderswie kam auch Nützel mit dem florierenden Handelszentrum am Guadalquivir und über Sevilla mit Südamerika in Kontakt. In den 1530er und 1540er Jahren pflegte er geschäftliche Kontakte zu dem Nürnberger Juwelen-, Gold- und Edelstein­ händler Lazarus Nürnberger in Sevilla (Lazarus Nürnberger nennt in seinem Testament Caspar Nützel als seinen Herrn), unterhielt dort ein eigenes Haus und verlegte mit ihm und dem Seefahrer Sebastian Cabot 1541 eine Weltkarte, deren Platten wohl in Nürnberg gestochen wurden. Bereits 1531 war Caspar lienarchiv Behaim, Urkunde 1522 November 22 (= StadtAN NUB, Objekt-Nr. 370.613). Zur dritten Heirat: Schaper: Hirschvogcl (wie Anm. 347), S. 257. ^ StadtAN E 29/1V Nr. 246 (Brief Hieronymus Tuchers aus Lyon an seinen Großvater Anthoni in Nürnberg vom 15.1.1518). StadtAN E 29/IV Nr. 249 (Brief Hieronymus Tuchers aus Lyon an seinen Großvater Anthoni in Nürnberg vom 28.4.1518). Vgl. auch Matthias Beer: Das Verhältnis zwischen Eltern und ihren jugendlichen Kindern im spätmittclaltcrlichen Nürnberg, in: MVGN 77 (1990), S. 91153, hier S. 122. Zu Hieronymus IV. Tücher: Beyerstedt/Dicfenbacher: Tucherbuch CD-ROM (wie Anm. 14), fol. 118r— 121 v, und Diefenbacher: Sebald X. Tücher (wie Anm. 59), S. 361 f. 552 Geschenkliste Linhart Tuchers 1526: StadtAN E 29/IV Nr. 1711. Zur Ehe Linhart Tücher/ Katharina Nützel vgl. Bcyerstedt/Diefenbacher: Tucherbuch CD-ROM (wie Anm. 14), fol. 118 r— 121 v. 553 Schaper: Hirschvogel (wie Anm. 347), S. 228 und 245. Vgl. auch StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 55.460: Nützel, Gabriel I. (G).

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Der Nürnberger Handelsvorstand und seine Gründer

Das Nützelsche Stammhaus unterhalb der Lorenzkirche (Königstraße 14), Federzeichnung von Georg Christoph Wilder um 1850. (Museen der Stadt Nürnberg, Kunstsammlungen, Inv.-Nr. Slg. Hopf 5948)

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an der Ausstattung des Handelsschiffes der Nürnberger Welser und Augsbur­ ger Neidhart für eine - letztendlich gescheiterte - La-Plata-Expedition betei­ ligt.354 Spätestens mit dem Tod seines Vaters handelte Caspar in Geschäftsdingen ihrer beider Handelsgeschäft eigenständig, so beispielsweise in der Schuldsache Hans Büchners, in der mit den Gläubigern am 6. Juli 1530 ein Ratenzahlungs­ vertrag geschlossen wurde. Caspar Nützel wird unter den Gläubigem an erster Stelle genannt und stimmte zwei Tage später dem Vertrag zu. Weil der Schuld­ ner den Vertrag nicht erfüllen konnte, musste neu verhandelt werden; am 15. Dezember 1530 wurde ein modifizierter Vertrag geschlossen, in den Nützel am 22. Dezember einwilligte.555 Büchners Anwalt saß in Sachsen, verhandelt wurde zeitweise in Torgau, beides spricht für Sachsen als eines der Geschäfts­ felder Nützels, und Sachsen deutet auf Tuchhandel und Montanunternehmen hin. 1536 schuldete Caspar Nützel einem Leipziger Montanunternehmer in Freiberg und Marienberg Gelder, und 1549 hatte er selbst Schuldner in Schnee­ berg.556 Nützel war demnach stark in den sächsischen Bergstädten engagiert. Ein weiteres Geschäftsfeld Nützels lässt sich ebenfalls durch eine Schuldan­ erkenntnis erschließen: Am 12. Mai 1533 schloss Magdalena, die Witwe des Feilenhauers Paulus Mayer, mit dem Judenburger Stahlhändler Niclas Körbier einen Ratenzahlungvertrag über eine Restschuld von 700 Gulden für stählerne Bögen, die noch ihr Mann erworben hatte. Die Schulden wurden bis 1536 ab­ getragen. Bevollmächtigter Körbiers in den Verhandlungen war Caspar Nüt­ zel. Niclas Körbier und Judenburg weisen auf Eisen- und Stahlhandel in der Steiermark hin.557 Ähnlichen Gläubigerverträgen kann man entnehmen, dass Caspar Nützel zudem mit Kupfer und mit Farben handelte.558 1531 lieferte er der Ratskanzlei 334 Hermann Kellenbenz: Die Beziehungen Nürnbergs zur Iberischen Halbinsel, besonders im 15. und in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts, in: Stadtarchiv Nürnberg (Hg.): Beiträge zur Wirt­ schaftsgeschichte Nürnbergs, 2 Bde. (Beiträge zur Geschichte und Kultur der Stadt Nürnberg 11), Nürnberg 1967, S. 456-493, hier S. 486; Theodor Gustav Werner: Die Beteiligung der Nürnberger Welser und der Augsburger Fugger an der Eroberung des Rio de la Plata und der Gründung von Buenos Aires, in: ebd., S. 494-592, hier S. 534f. und 554. 555 Gläubigervertrag 6.7.1530: StadtAN B 14/11 Nr. 30, fol. 167v-169r, Zustimmung Nützels 8.7.1530: StadtAN B 14/11 Nr. 30, fol. 169v, modifizierter Vertrag 15.12.1530: StadtAN B 14/11 Nr. 32, fol. 17r-18v, Zustimmung Nützels 22.12.1530: StadtAN B 14/11 Nr. 32, fol. 19r . 556 Zu 1536: Werner: Fusion 2 (wie Anm. 318), S. 108, zu 1549: Dcrs.: Fusion 1 (wie Anm. 370), S. 216. 557 StadtAN B 14/11 Nr. 34, fol,102v (12.5.1533), StadtAN B 14/11 Nr. 38, fol.l77v (25.8.1536). Kunnert: Montanunternehmer (wie Anm. 134), S. 231, und Stromer: Schriftwesen (wie Anm. 135), S. 757, belegen auch Kontakte Nützels zu dem Judenburger Eisenhändler Clemens Körbler. 558 StadtAN B 14/11 Nr. 36, fol. 95v (10.6.1534 Kupfer), StadtAN B 14/11 Nr. 38, fol. 84v (6.12.1535 Farben).

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Papier aus Venedig.559 Zu Nützels Montangeschäften in Sachsen kamen solche im böhmischen Schlaggenwald und Joachimsthal, Nützel zählte zweifellos zu den großen Nürnberger Kupferhändlern.560 Zudem war er in Geldgeschäften aktiv.561 Wie bei jungen Patriziern üblich, zog Caspar II. Nützel 1523, zum frühest­ möglichen Zeitpunkt nach seiner ersten Hochzeit, in den Kreis der Genannten des Größeren Rats ein. Nach dem Tod seines Vaters wurde er 1530 als Jüngerer Bürgermeister in den Kleineren Rat gewählt, 1531/32 nochmals in den Rang eines Alten Genannten zurückgestuft und 1533 abermals zum Jüngeren Bür­ germeister ernannt. Den Rang eines Älteren Bürgermeisters erreichte er erst spät, 1550, und wurde schließlich 1553 einer der sieben Septemvirn.562 Vor der 1533 in Nürnberg grassierenden Pest war Caspar Nützel nach Berching ausge­ wichen, von dort aus hielt er sich geschäftlich auch in Regensburg auf.563 Schon 1479 bewohnten Caspars Großeltern Gabriel I. und Agnes, geh. Hirschvogel, ein Haus unterhalb der Lorenzkirche, das zumindest seit 1448 im Besitz von Agnes' Vater Deocarus Hirschvogel gewesen ist. 1513 wohnte hier Caspars gleichnamiger Vater Caspar I. Nützel, 1528 ist erstmals Caspar II. selbst als Bewohner belegt, und bis zum Aussterben der Nützel im Mannes­ stamm 1747 blieb es im Besitz von Caspars Nachkommen.564 Aus der Hinterlassenschaft seiner 1547 verstorbenen Mutter Clara erwarb Caspar 1551 von seinen Miterben zudem das Haus zum Spiegel am Fischbach für 1.200 Gulden, das nach seinem Tod seine drei Söhne 1563 für 2.100 Gulden wieder veräußerten.565 55 > Sporhan-Krempel: Papiererzeugung (wie Anm. 266), S. 748. ,6u Theodor Gustav Werner: Nürnbergs Erzeugung und Ausfuhr wissenschaftlicher Geräte im Zeitalter der Entdeckungen. Das Martin-Behaim-Problem in wirtschaftsgeschichtlicher Be­ trachtung, in: MVGN 53 (1965), S. 69-149, hier S. 90. Westermann: Erforschung (wie Anm. 310), S. 133. Fleischmann: Rat (wie Anm. 73), S. 743 und 753, zählt weiters den Handel mit Metallen, Armbrüsten, Getreide und Gewürzen auf und nennt als Handelsradius den Raum zwischen Antwerpen, Wien und Venedig. 561 Häberlein: Handelsnetz (wie Anm. 134), S. 110. 562 StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.149: Nützel, Cas­ par II. (G), und Fleischmann: Rat (wie Anm. 73), S. 743-745. 563 StadtAN E 29/IV Nr. 1302, 1303, 1304 und 1305 (4 Briefe des Caspar Nützel d.J. aus Berching an seinen Schwager Linhart Tücher in Nürnberg vom 31.10.1533, 5.11.1533, 18.11.1533 und 25.11.1533), StadtAN E 29/IV Nr. 899 (Brief des Anthoni Vento aus Öttingen, der in Regens­ burg Caspar Nützel getroffen hatte, an Linhart Tücher in Nürnberg vom 10.11.1533). 564 Zu 1448: StadtAN F 5 Nr. 3/VI, S. 30, zu 1479: StadtAN B 1/1 Nr. 8, fol. 26, zu 1513: StadtAN B 14/1 Nr. 28, fol. 64v, zu 1528: StadtAN B 14/1 Nr. 41, fol. 103v, StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 18.849: Haus L 327 (ab etwa 1865 Königstr. 14). 565 Zu 1551: StadtAN B 14/1 Nr. 65, fol. 210r, zu 1563: StadtAN B 14/1 Nr. 80, fol. 90r, StadtAN GSI 175 (Datenbank Häuserbuch), Objekt-Nr. 18.838: Haus L 343 (ab etwa 1865 Karolinenstr. 22).

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Der Nützelsche Herrensitz in der Wiesenstraße in Steinbühl, Radierung von Johann Alexander Boener 1708. (StadtAN E 13/11 Nr. 240)

Auch den von seinem Großvater 1487 erworbenen Herrensitz Sündersbühl gab Caspar II. an seine Nachkommen weiter. Wie das Stammhaus unterhalb der Lorenzkirche verblieb Sündersbühl den Nützel bis zum Aussterben des Geschlechts im Mannesstamm 1747. 1549 erwarb Caspar II. zusammen mit Gabriel und Sigmund Nützel zudem einen Herrensitz in Steinbühl, der 1581 in andere Hände kam.566 Nach einer von Kaiser Karl V. 1548 verliehenen Wappenbesserung (seit 1540 von den Nützel erbeten) erwirkte Caspar II. 1549 für sich und seine Nachkom­ men die Erhebung in den erblichen Adelsstand. Die Familie nannte sich fortan „Nützel von Sündersbühl“. Caspar II. verstarb am 12. November 1560.,67

566 Giersch/Schlunk/Haller: Herrensitze (wie Anm. 73), S. 427 und 438f. Belehnung mit dem Her­ rensitz und weiteren Gütern in Steinbühl durch Joachim von Breitenstein 1549: StadtAN A 1, 1549 Juli 22, Belehnung durch Georg von Breitenstein 1554: StadtAN A 1, 1554 Juni 12. Die letzte Belehnung der Nützel erfolgte 1577: StadtAN E 11 /II Nr. 1950 (hier auch die Beleh­ nung von Hieronymus Hopfer 1581). 567 Fleischmann: Rat (wie Anm. 73), S. 743 und 753. Bitte um Wappenbesserung: StadtAN E 42 Nr. 48, Wappenbesserung am 20.7.1548: StadtAN F 5 Nr. 3/III S. 350-356, Adelserhebung am 20.3.1549 StadtAN F 5 Nr. 3/III S. 324-326: StadtAN GS1 152 (Datenbank Genannte des Grö­ ßeren Rats), Objekt-Nr. 56.149: Nützel, Caspar II. (G). Nach Fleischmann: Rat (wie Anm. 73), S. 745, verstarb Caspar am 2. Dezember.

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41. Linhart Thoma (gest. nach 1562)568 Laut des Eintrags zu Linhart Thomas erster Ehefrau Anna im Großen Tucher­ buch soll er aus Memmingen stammen, nach dem Sebalder Ehebuch aus Kemp­ ten. Eine Bürgerrechtsaufnahme oder Lebensdaten Linhart Thomas sind bislang nicht bekannt. Am 3. Dezember 1532 heiratete er Anna (1513-1544), Tochter des Pangratz 1. Tücher (1492-1515, Genannter des Größeren Rats seit 1512), 1510 mit einer eigenen Handelsfirma „Pangratz Tücher und Mitver­ wandte“ belegt, und der Ursula Kipfenberger. Nach Annas Tod ehelichte er die ansonsten unbekannte Helena (gest. 1572).569 1534 wurde Thoma in den Kreis der Genannten des Größeren Rats aufgenommen. Damals war er wohl schon ein recht erfolgreicher Kaufmann. Er vertrat 1530 bei dem Ratenzahlungsvertrag über Schulden des Hans Büchner, bei dem auch die Mitpetenten von 1560 Christof Freidel (s.o. Nr. 27), Georg Trainer (s.o. Nr. 32), Caspar II. Nützel (s.o. Nr. 40) und Philipp Bernbeck (s.u. Nr. 53) als Gläubiger auftraten, die Augsburger Firma Marx und Jörg Herwart, ebenso Jörg Herwart 1531 bei dem Ratenzahlungsvertrag über Schulden des Jacob Mayr, 1534 bei der Abänderung des Ratenzahlungsvertrags über Schul­ den des Klattauer Bürgers Jacob Harsakofski und abermals Jörg Herwart 1536 bei dem Ratenzahlungsvertrag über Schulden der Gesellschaft des Anthoni Schlüsselfelder, des Sebald Spalter und des Hans Preu aus Leipzig.570 1532 be­ stätigte er für Marx und Jörg Herwart den Empfang einer Schuldsumme, 1535 eine solche für Jörg Herbart.571 Als selbständig Handelnder trat Linhart Thoma 1535 als Gläubiger eines Wiener Bürgers und 1548 als Käufer katalanischen Safrans auf.572 Auch noch ein Jahrzehnt später, 1545/46, arbeitete Linhart Thoma für die Augsburger Firma.573

568 Zum Folgenden: StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 56.359: Thoma, Linhart (G). 561 StadtAN GSI 152 (Datenbank Genannte des Größeren Rats), Objekt-Nr. 55.977: Tücher, Pan­ kratz (G). Zu Pankratz und Anna Tücher: Beyerstedt/Diefenbacher: Tucherbuch CD-ROM (wie Anm. 14), fol. 126r-128r. Zur Ehe mit Anna: Schornbaum: Ehebuch Sebald (wie Anm. 107), Nr.3356 . Zur Handelsfirma Pangratz Tuchers: StadtAN B 14/11 Nr. Y, fol. 74v (9.2.1510). Zu Helena s. Burger: Totengeläutbücher (wie Anm. 185), Nr. 10307. 570 StadtAN B 14/11 Nr. 30, fol. 167v-169r (6.7.1530). StadtAN B 14/11 Nr. 32, fol. 93r-94v (31.3.1531), StadtAN B 14/11 Nr. 36, fol. 68r (22.4.1534), StadtAN B 14/11 Nr. 38, fol. 133v134v (26.4.1536). )71 StadtAN B 14/11 Nr. 34, fol. 48v (25.11.1532), StadtAN B 14/11 Nr. 37, fol. 213r (5.7.1535). 572 StadtAN B 14/11 Nr. 36, fol. 191v (15.2.1535), und Häberlein: Handelsnetz (wie Anm. 134), S. 108(11.2.1548). 5,5 Klier: Fragment (wie Anm. 54), S. 114, zu Herwart: Reinhard: Augsburger Eliten (wie Anm. 24), S. 276-278 (Georg II.), S. 284f. (Markus), und Häberlein: Handelsnetz (wie Anm. 134), S. 109f.

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