Minna von Barnhelm oder das Soldatenglück: Ein Lustspiel in 5 Aufzügen [Sculausgabe. Reprint 2021 ed.] 9783112508640, 9783112508633


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German Pages 124 [132] Year 1866

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Minna von Barnhelm oder das Soldatenglück: Ein Lustspiel in 5 Aufzügen [Sculausgabe. Reprint 2021 ed.]
 9783112508640, 9783112508633

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Adolf Mast

G. 3. Göschen'sche Dcrkujsbanblunci

Minna von Barnhelm oder

das Soldatenglück. Ein Lustspiel in fünf Aufzügen

von

Gotth. Ephr. Lessing.

Leipzig. G. I. Göschen'sche Verlagshandlung.

Buchdruckerei der I. G. Cotta'schen Buchhandlung tn Stuttgart.

Minna von Barnhrlm oder

das Soldatenglück. Ein Lustspiel in fünf Aufzügen von

Gotth. Ephr. Lessing.

Schulausgabe mit Anmerkungen von Dr. Tomascheck in Gratz.

Personen. Major von Tellheim, verabschiedet. Minna von Barnhelm. Graf von Bruchsall, ihr Oheim. Franciska, ihr Mädchen. Just, Bedienter des Majors. Paul Werner, gewesener Wachtmeister des Majors. Der Wirth. Eine Dame in Trauer. Ein Feldjäger. Riccaut de la Marttniere.

Die Scene ist abwechselnd in dem Saale eines Wirthshauses und einem daran stoßenden Zimmer.

Erster Aufzug. Erster Auftritt. Just (sitzt in einem Winkel, schlummert und redet im Traume).

Schurke von einem Wirthe! Du intä1? Frisch, Bmder! Schlag

zu, Bruder!

(er holt aus und erwacht durch die Bewegung.)

He da! schon

wieder? Ich mache kein Auge zu, so schlage ich mich mit ihm hemm. Hätte er nur erst die Hälfte von allen den Schlägen! Doch sieh, es

ist Tag.

Ich muß nur bald meinen armen Herrn aufsuchen.

Mit

meinem Willen soll er keinen Fuß mehr in das vermaledeite Haus

setzen. Wo wird er die Nacht zugebracht haben?

Iweiter Austritt. Der Wirth. Just. Irr Wirth.

Guten Morgen, Herr Just, guten Morgen!

Ei,

schon so stütz auf? Oder soll ich sagen: noch so spät auf? 2ust.

Sag Er, was Er will.

Der Wirth. Ich sage nichts als guten Morgen, und das verdicnr

doch wohl, daß Herr Just großen 5)ant2 darauf sagt? 3n|L

Großen Dank!

1 Du uns — vermuthlich zu ergänzen: aus dem Hause stoßen? 2 großen Dank — im Höflichkeitsstile des vorigen Jahrhunderts eine beliebte Formel der Danksagung. Lessing, Minna von Darnhelm.

1

2

I. Aufzug. 2. Austritt.

Der Wirth.

Mair ist verdrießlich, wenn man seine gehörige Ruhe

nicht haben kann.

Was gilts, der Herr Major ist nicht nach Hause

gekommen, und Er hat hier auf ihn gelauert? Inst.

Was der Mann nicht alles errathen kann!

Der Wirth.

Ich vermuthe, ich vermuthe.

Inst (kehrt sich um, und will gehen).

Der Wirth (hält ihn). Just.

Sein Diener!

Nicht doch, Herr Just!

Nun gut: nicht Sein Diener!

Der Wirth.

Ei, Herr Just! ich will doch nicht hoffen, Herr Just,

Wer wird seinen Zorn über

daß Er noch von gestern her böse ist? Nacht behalten? Inst.

Ich, und über alle folgende Nächte.

Der Wtrth.

Ist das christlich?

Eben so christlich, als einen ehrlichen Mann, der nicht

Inst.

gleich bezahlen kann, aus dem Hause stoßen, auf die Straße werfen.

Der Wirth. Inst.

Pfui, wer könnte so gottlos sein?

Ein christlicher Gastwirth. Meinen Herrn! so einen Mann!

so einen Officier!

Der Wirth.

Den hätte ich aus dem Hause gestoßen? auf die

Straße geworfen?

Dazu habe ich viel zu viel Achtung für einen

Officier, und viel zu viel Mitleid mit einem abgedankten.

ihm aus Noth ein ander Zimmer einräumen muffen. mehr daran, Herr Just.

(Er ruft in die Scene.)

auf eine andere Weise wieder gut machen.

Ich habe

Denke Er nicht

Holla! — Ich wills

(Ein Junge kommt.)

Bring

ein Gläschen; Herr Just will ein Gläschen haben; und was gutes! Inst.

Mach Er sich keine Mühe, Herr Wirth.

Der Tropfen soll

zu Gift werden, den — Doch ich will nicht schwören; ich bin noch

nüchtern.

Der Wirth (zu dem Jungen, der eine Flasche Liqueur und ein ElaS bringt). Gib her; geh! Nun, Herr Just, was ganz vortreffliches; stark, lieb­ lich, gesund.

(Er füllt und reicht ihm -U.)

Magen wieder in Ordnung bringen.

Das kann einen überwachten

L Auszug. 2. Auftritt. Äust.

Z

Bald1 2dürste 3 4 ich nicht; doch warum soll ich meiner Gesund­

heit seine Grobheit entgelten lassen? (Er nimmt und trinkt.)

Der Wirth.

Wohl bekomms, Herr Just!

Äust (indem er daS Gläschen wieder zurückgibt).

Nicht Übel! Aber Herr

Wirth, Er ist doch ein Grobian! Der Wirth.

Nicht doch, nicht doch! Geschwind noch eins; auf

einem Beine ist nicht gut stehen-. Äust (nachdem er getrunken).

Das muß ich sagen: gut, sehr gut!

Selbst gemacht, Herr Wirth?

Der Wirth. Behüte! veritabler Danziger, echter, doppelter Lachst

Äust. Sieht Er, Herr Wirth, wenn ich heucheln könnte, so würde ich für so was heucheln, aber ich kann nicht, es muß raus: Er ist doch

ein Grobian, Herr Wirth!

Der Wirth. In meinem Leben hat mir das noch niemand gesagt. Noch eins, Herr Just; aller guten Dinge sind drei. Äust.

Meinetwegen.

(Er trinkt.)

Gut Ding, wahrlich gut Ding.

Aber auch die Wahrheit ist gut Ding: Herr Wirth, Er ist doch ein Grobian! Der Wirth.

Wenn ich es wäre, würde ich das wohl so mit an­

hören? Äust.

O ja; denn selten hat ein Grobian Galle.

Der Wirth.

Nicht noch eins, Herr Just?

Eine vierfache Schnur

hält desto besser.

Äust.

Nein, zu viel ist zu viel.

Und was Hilsts Jhn^, Herr

1 bald — beinahe. 2 auf.... stehen — wie das folgende „aller guter Dinge sind drei" und „eine vierfache Schnur hält desto besser" hier als aufmunternde Redensarten gebraucht zur Annahme eines zweiten, dritten, vierten Glases. 3 doppelter Lachs — doppelt abgezogener (destillirter) Danziger Branntwein (Doppellachs). Der beste Danziger Branntwein wurde im „Lachs" bereitet, daher der Name. 4 hilfts Ihn — sonst auch mit dem Dativ.

4

I. Aufzug. 2. Austritt.

Wirth?

Bis auf den letzten Tropfen in der Flasche würde ich bei

meiner Rede bleiben.

Pfui, Herr Wirth, so guten Danziger zu haben,

und so schlechte Mores! Einem Manne, wie meinem Herrn, der Jahr

und Tag bei Ihm gewohnt, von dem Er schon so manchen schönen Thaler gezogen, der in seinem Leben keinen Heller schuldig geblieben

ist, weil er ein paar Monate her nicht prompt bezahlt, weil er nicht mehr so viel aufgehen läßt, in der Abwesenheit das Zimmer auszuräumen! Der Wirth.

Da ich aber das Zimmer nothwendig brauchte? da

ich voraus sah, daß der Herr Major es selbst gutwillig würde ge­ räumt haben, wenn wir nur lange auf seine Zurückkunft hätten warten

können? Sollte ich denn so eine frembe Herrschaft wieder von meiner

Thüre wegfahren lassen?

Sollte ich einem andern Wirthe so einen

Verdienst muthwillig in den Rachen jagen? Und ich glaube nicht ein­ mal, daß sie sonst wo untergekommen wäre. jetzt alle stark besetzt.

Die Wirthshäuser sind

Sollte eine so junge, schöne, liebenswürdige

Dame auf der Straße bleiben? Dazu ist Sein Herr viel zu galant.

Und was verliert er denn dabei?

Habe ich ihm nicht ein anderes

Zimmer dafür eingeräumt?

Inst. Hinten an dem Taubenschlage; die Aussicht zwischen des Nachbars Feuermauern.

Der Wirth.

Die Aussicht war wohl sehr schön, ehe sie der ver­

zweifelte Nachbar verbaute. Das Zimmer ist doch sonst galant \ und

tapezirt —

Just.

Gewesen.

Ver Wirth.

Nicht doch, die eine Wand ist es noch. Und Sein

Stübchen darneben, Herr Just, was fehlt dem Stübchen?

Es hat

einen Kamin, der zwar im Winter ein wenig raucht —

Inst. Aber doch im Sommer recht hübsch läßt. Herr, ich glaube gar, Er vexirt uns noch obendrein?

1 galant — hier in der nächsten Bedeutung des franz. galant: fein und gejchmackvoll aufgeputzt.

5

1. Aufzug. 3. Austritt. Der Wirth. Nun, nun, Herr Just, Herr Just! Inst.

Mache Er Herr Justen1 den Kopf nicht warm, oder — Ich macht ihn warm? Der Danziger thuts.

Der Wirth.

Inst.

Einen Officier wie meinen Herrn!

Oder meint Er, daß

ein abgedankter Officier nicht auch ein Officier ist, der Ihm den Hals

brechen kann?

Warum wäret ihr denn im Kriege so geschmeidig, ihr

Herren Wirthe?

Warum war denn da jeder Officier ein würdiger

Mann, und jeder Soldat ein ehrlicher, braver Kerl? Macht euch das bißchen Friede2 3schon so übermüthig?

Der Wirth.

Was ereifert Er sich nur, Herr Just?

Just. Ich will mich ereifern!

Dritter Austritt. v. Tellhetm. Der Wirth. Inst. v. TellhelM (tm Hereintreten).

Just!

Inst (in der Meinung, daß ihn der Wirth nenne). Just^? So bekannt

sind wir? v. Tellhetm. Just! Inst.

Ich dächte, ich wäre wohl Herr Just für Ihn.

Der Wirth (der den Major gewahr wird).

St! st! Herr, Herr, Herr

Just, seh Er sich doch um; Sein Herr — v. Tellhetm. Just, ich glaube, du zankst? Was habe ich dir befohlen?

Der Wtrth.

O, Jhro Gnaden! zanken? Da sei Gott vor! Ihr

unterthänigster Knecht sollte sich unterstehen, mit einem, der die Gnade hat Ihnen anzugehören, zu zanken? 1 Herr Justen — „Herr" unflectirt gebraucht! ebenso S. 52. „Herr Wernern." 2 das bißchen Friede — die kurze Zeit nach Beendigung des sieben­ jährigen Krieges. Sieh die Einleitung: „Ort und Zeit." 3 Just — dies „Just"? aus der Handschrift ergänzt.

6

I. Auszug. 3. Austritt. Just. Wenn ich ihm doch eins auf den Katzenbuckel geben dürste!

Der Virth. Es ist wahr, Herr Just spricht für seinen Herrn, und ein wenig hitzig.

Aber daran thut er recht; ich schätze ihn um so viel

höher, ich liebe ihn darum.

Just.

Daß ich ihm nicht die Zähne austreten soll!

Der Wirth.

Nur schade, daß er sich umsonst erhitzt.

Denn ich

bin gewiß versichert, daß Jhro Gnaden keine Ungnade deßwegen auf

mich geworfen haben, weil — die Noth — mich nothwendig —

v. Tellheim. Schon zu viel, mein Herr! Ich bin Ihnen schuldig; Sie räumen mir, in meiner Abwesenheit, das Zimmer aus; Sie

müssen bezahlt werden; ich muß wo anders unterzukommen suchen. Sehr natürlich.

Der Wirth.

Wo anders? Sie wollen ausziehen, gnädiger Herr?

Ich unglücklicher Mann! ich geschlagener Mann! Nein, nimmermehr! Eher muß die Dame das Quartier wieder räumen.

Der Herr Major

kann ihr, will ihr sein Zimmer nicht lassen; das Zimmer ist sein; sie muß fort, ich kann ihr nicht helfen. Ich gehe, gnädiger Herr —

v. Tellheim.

Freund, nicht zwei dumme Streiche für einen! Die

Dame muß in dem Besitze des Zimmers bleiben. Der Wirth. Und Jhro Gnaden sollten glauben, daß ich aus Miß­

trauen, aus Sorge für meine Bezahlung —? Als wenn ich nicht wüßte, daß mich Jhro Gnaden bezahlen können, sobald Sie nur wollen. Das versiegelte Beutelchen, fünfhundert Thaler Louisd'or steht darauf, welches Jhro Gnaden in dem Schreibpulte stehen gehabt*,

ist in guter Verwahrung. v. Tellheim.

Das will ich hoffen, so wie meine übrigen Sachen.

Just soll sie in Empfang nehmen, wenn er Ihnen die Rechnung

bezahlt hat. 1 Beutelchen gehabt — daraus erklärt sich die jetzige Höflichkeit des Wirthes und seine Begütigung Justens. ThalerLouisd'er — d. i. Thaler in Louisd'or. Louisd'or ein goldenes Fünfthalerstück. Zuerst geprägt 1640 unter Ludwig XIII von Frankreich.

1. Auszug. 4. Austritt.

7

Der Wirth. Wahrhaftig, ich erschrak recht, als ich das Beutelchen fand. Ich habe immer Jhro Gnaden für einen ordentlichen und vor­

sichtigen Mann gehalten, der sich niemals ganz ausgibt. Aber dennoch, wenn ich bar Geld in dem Schreibepulte vermuthet hätte —

v. Tellheim. Würden Sie höflicher mit mir verfahren sein. Ich

verstehe Sie.

Gehen Sie nur, mein Herr; lassen Sie mich; ich habe

mit meinem Bedienten zu sprechen. -er toidlj.

v. Tellheim.

Aber gnädiger Herr — Komm, Just, der Herr will nicht erlauben, daß ich

dir in seinem Hause sage, was du thun sollst. Der Wirth. Ich gehe ja schon, gnädiger Herr! Mein ganzes Haus ist zu Ihren Diensten.

Vierter Austritt. v. Tellheim. Just.

Just (der mit dem Fuße stampft und dem Wirthe nachspuckt). Pftti! v. Tellheim. Was gibts? Inst.

Ich ersticke vor Bosheit.

v. Tellheim. Das wäre so viel als an Vollblütigkeit k Just.

Und Sie — Sie erkenne ich nicht mehr, mein Herr.

Ich

sterbe vor Ihren Augen, wenn Sie nicht der Schutzengel dieses hämischen, unbarmherzigen Rackers sind! Trotz Galgen und Schwert und Rad

hätte ich ihn, hätte ich ihn mit diesen Händen erdrosseln, mit diesen

Zähnen zerreißen wollen. v. Tellheim. Bestie!

Just.

Lieber Bestie als so ein Mensch!

v. Tellheim. Was willst du aber? iDas Vollblütigkeit — Tellheim will damitJustszurück­ gehaltenen Ärger als etwas krankhaftes und überflüssiges bezeichnen, so

wie der Vollblütige an Überfluß des Blutes leidet.

I. Aufzug. 4. Austritt.

g

Inst. Ich will, daß Sie es empfinden sollen, wie sehr man Sie beleidigt.

v. Tellhckm. Und dann?

Just.

Daß Sie sich rächten. Nein, der Kerl ist Ihnen zu gering,

v. Tellheim.

Sondern daß ich es dir austrüge, mich zu rächen?

Das war von Anfang mein Gedanke. Er hätte mich nicht wieder mit

Augen sehen und seine Bezahlung aus deinen Händen empfangen sollen.

Ich weiß, daß du eine Hand voll Geld mit einer ziemlich verächtlichen Miene hinwerfen kannst.

Inst. So? eine vortreffliche Rache1! d. Tellhrim.

Aber die wir noch verschieben muffen.

Ich habe

keinen Heller bares Geld mehr; ich weiß auch keins aufzutreiben.

Inst. Kein bares Geld? Und was ist denn das für ein Beutel mit fünfhundert Thaler Louisd'or, den der Wirth in Ihrem Schreib­

pulte gefunden?

v. Tellheim. Das ist Geld, welches mir aufzuheben gegeben worden. Just.

Doch nicht die hundert Pistolen2, die Ihnen Ihr alter3

Wachtmeister vor vier oder fünf Wochen brachte?

v. Tellheim. Die nemlichen, von Paul Wernern. Warum nicht? Just.

Diese haben Sie noch nicht gebraucht? Mein Herr, mit

diesen können Sie machen, was Sie wollen, auf meine Verantwortung,

v. Tellheim. Just.

Wahrhaftig?

Werner hörte von mir, wie sehr man Sie mit Ihren

Forderungen an die Generalkriegskaffe aufzieht4.

Er hörte —

1 eine vortreffliche Rache — nicht als Ironie aufzufassen. 2 Die Pistole — eine Goldmünze im Werthe von fünf Thalern (angeblich abstammend von Pistoja in Italien, wo sie zuerst geprägt sein sollen). s Ihr alter — Ihr gewesener. 4 wie .... aufzieht — wegen der Forderungen (aus Vorschüssen, die Tellheim während des Krieges für den Staat gemacht) Schwierigfeitai erhebt.

I. Aufzug. 5. Auftritt.

9

Daß ich sicherlich zum Bettler werden würde, wenn

v. Tellheim.

ich es nicht schon Ware.

Ich bin dir sehr verbunden, JusN. Und

diese Nachricht vermochte Wernern, sein bißchen Armut1 2 3mit mir zu

theilen.

Es ist mir doch lieb, daß ich es errathen habe.

Höre, Just,

mache mir zugleich auch deine Rechnung; wir sind geschiedene Leute.

Just.

Wie? was?

v. Tcllheim. Kein Wort mehr, es kommt jemand.

Fünfter Äuftritt. Eine Dame in Trauer, v. Tellheim. Just.

Die Dame.

Ich bitte um Verzeihung, mein Herr! Wen suchen Sie, Madame?

v. Tellheim.

Die Dame.

Eben den würdigen Mann, mit welchem ich die Ehre

habe zu sprechen.

Sie kennen mich nicht mehr? Ich bin die Wittwe

Ihres ehemaligen Stabsrittmeisters. v. Tcllheim.

Um des Himmels willen, gnädige Frau! welche

Veränderung! Die Dame.

Ich stehe von dem Krankenbette auf, auf das mich

der Schmerz über den Verlust meines Mannes warf. Ich muß Ihnen

früh 3 beschwerlich fallen, Herr Major.

Ich reise auf das Land, wo

mir eine gutherzige, aber eben auch nicht glückliche Freundin eine Zu­

flucht fürs erste angeboten.

v. Tcllheim (zu Just).

Geh, laß uns allein.

1 Ich .... Just — ironisch; Tellheim will nicht, daß Just gewisser­ maßen für ihn bettle, das werkthätige, aber aufdringliche Mitleid seiner Freunde ist ihm drückend und dies veranlaßt die folgende Entlassung Justs, wozu er sich ohnehin durch seine Nothlage gedrängt suhlt. 2 sein bißchen Armut — sein geringes Hab und Gut. 3 früh — früh am Tage.

10

1. Aufzug. 6. Auftritt.

Sechster Austritt. Die Dame. v. Tellheim» v. Tellheim.

Reden Sie frei, gnädige Frau!

Vor mir dürfen

Sie sich Ihres Unglücks nicht schämen. Kann ich Ihnen worin dienen?

Die Dame.

Mein Herr Major —

v. Tellheim. Ich beklage Sie, gnädige Frau! Ihnen dienen?

Worin kann ich

Sie wissen, Ihr Gemahl war mein Freund, mein

Freund, sage ich; ich war immer karg mit diesem Titel.

Die Dame.

Wer weiß es besser, als ich, wie werth Sie seiner

Freundschaft waren, wie werth er der Ihrigen war?

Sie würden

sein letzter Gedanke, Ihr Name der letzte Ton seiner sterbenden Lippen

gewesen sein, hätte nicht die stärkere Natur dieses traurige Vorrecht für seinen unglücklichen Sohn, für seine unglückliche Gattin gefordert,

v. Tellheim.

Hören Sie auf, Madame!

Weinen wollte ich mit

Ihnen gern, aber ich habe heute keine Thränen. Verschonen Sie mich!

Sie finden mich in einer Stunde, wo ich leicht zu verleiten wäre, wider die Vorsicht zu murren. O mein rechtschaffener Marloff! Geschwind,

gnädige Frau, was haben Sie zu befehlen?

Wenn ich Ihnen zu

dienen im Stande bin, wenn ich es bin — Die Dame. Ich darf nicht abreisen, ohne seinen letzter Willen

zu vollziehen.

Er erinnerte sich kurz vor seinem Ende, daß er als

Ihr Schuldner sterbe, und beschwor mich, diese Schuld mit der ersten

Barschaft zu tilgen.

Ich habe seine Equipage1 verkauft, und komme

seine Handschrift2 einzulösen. v. Tellheim. Die Dame.

Wie, gnädige Frau? darum kommen Sie?

Darum.

Erlauben Sie, daß ich das Geld aufzahle.

1 Equipage — hier in der Bedeutung der gesammten militärischen Ausrüstung; franz. 6quipage von 6quiper ausrüsten (altfranz. esquiper vom deutschen skip, Schiff), ursprünglich von der Ausrüstung eines Schiffes gebraucht. 2 Handschrift — die Schuldverschreibung von Marloffs Hand.

II

T. Aufzug. 6. Austritt.

v. Tellheim. Nicht doch, Madame! kann schwerlich sein.

heraus und sucht.) Die Dame.

Marloff mir schuldig? das

Lasten Sie doch sehen.

(Gr zieht sein Taschenbuch

Ich finde nichts.

Sie werden seine Handschrift verlegt haben, und die

Handschrift thut nichts zur Sache.

Erlauben Sie —

v. Tellheim. Nein, Madame! so etwas pflege ich nicht zu verlegen. Wenn ich sie nicht habe, so ist es ein Beweis, daß ich nie eine gehabt

habe, oder daß sie getilgt und von