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German Pages 242 [243] Year 2023
Das Recht der inneren und äußeren Sicherheit
Band 24
Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt durch einen Bundespolizeibeauftragten
Von
Malte Seyffarth
Duncker & Humblot · Berlin
MALTE SEYFFARTH
Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt durch einen Bundespolizeibeauftragten
Das Recht der inneren und äußeren Sicherheit Herausgegeben von Prof. Dr. Dr. Markus Thiel, Münster
Band 24
Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt durch einen Bundespolizeibeauftragten
Von
Malte Seyffarth
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Hochschule der Polizei – Fachbereich III.4, Münster hat diese Arbeit im Jahre 2021 als Dissertation angenommen.
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ISSN 2199-3475 ISBN 978-3-428-18764-5 (Print) ISBN 978-3-428-58764-3 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Dem Andenken meiner Mutter Christiane Beatrix Seyffarth, geb. Schaumann
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Juni 2022 von der Deutschen Hochschule der Polizei als verwaltungswissenschaftliche Dissertation angenommen. Die Arbeit beschäftigt sich mit dem politisch sensiblen Thema der Polizeigewalt und untersucht dieses aus der Perspektive der Verwaltungskontrolle. Anknüpfungspunkt dieser Untersuchung sind Gesetzentwürfe, die einen Polizeibeauftragten vorsehen. Die Rechtsfigur des Beauftragten ist der Kristallisationspunkt, der das Thema der Polizeigewalt mit verwaltungswissenschaftlichen Fragestellungen zur Verwaltungskontrolle verbindet. In der Arbeit werden unterschiedliche Kontrollparameter und die Rechtsfigur des Beauftragten zueinander ins Verhältnis gesetzt und die jeweiligen Vor- und Nachteile eines verwaltungsexternen bzw. eines verwaltungsinternen Beauftragten beleuchtet. Der Verfasser erhofft sich, dadurch einen Beitrag zur Rationalisierung des wissenschaftlichen wie auch des gesellschaftlichen Diskurses leisten zu können. Ich danke an dieser Stelle meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Dr. Markus Thiel recht herzlich für die ausgezeichnete Betreuung. Dem Idealbild eines Betreuers entsprechend, begleitete er die Arbeit von Beginn an stets hilfsbereit, zuverlässig und mit fachlichem Interesse, ohne den nötigen Freiraum des Doktoranden für wissenschaftliche Entfaltung aus den Augen zu verlieren. Dank gebührt ihm auch für seine Rolle als Erstgutachter sowie für die Aufnahme der Arbeit in die von ihm herausgegebene Schriftenreihe „Das Recht der inneren und äußeren Sicherheit“. Ebenso danke ich dem Zweitgutachter Herrn Prof. Dr. Alexander Windoffer für die schnelle Erstellung des Zweitgutachtens und für die offene und lehrreiche Diskussion während der mündlichen Verteidigung der Dissertation. Das nun vorliegende Buch ist meiner Mutter gewidmet, die die Veröffentlichung leider nicht mehr erleben kann. Ihr verdanke ich den Willen und die Disziplin, ein derartiges zweites Promotionsvorhaben zu vollenden. Hierfür und für so vieles mehr bin ich ihr von Herzen dankbar! Aachen, im Januar 2023
Malte Seyffarth
Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 I. Problem- und Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1. Rechtspolitischer Impuls der Untersuchung: Polizeigewalt als Ausgangspunkt 17 2. Beauftragte als Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 3. Einbeziehung der Bürgerperspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 4. Beschränkung auf notwendige Bewertungsmaßstäbe und deren Verhältnis zu den Kontrollzielen der Legalität und Legitimität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 5. Zweipoligkeit des staatsphilosophischen und rechtlichen Sollens und der Cop Culture aufgrund des staatlichen Gewaltmonopols . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 6. Zweipoligkeit der Bürgerperspektive und der Polizistenperspektive . . . . . . . . . 23 7. Zwischen externer und interner Kontrolle: Der Polizeibeauftragte als unechter Parlamentsbeauftragter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 II. Gang und verwaltungswissenschaftliche Prägung der Untersuchung . . . . . . . . . . . 26 1. Gliederung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2. Verwaltungswissenschaftlicher Mehrwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 B. Polizeigewalt als rechtliches und soziales Phänomen zwischen Legalität und Legitimität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 I. Begriff der Polizeigewalt als Weichenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 1. Gewaltbegriff und Polizeigewalt im engeren und weiteren Sinne . . . . . . . . . . . 29 2. Polizeibegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3. Besonderheiten polizeilicher Gewaltanwendung für die Bürgerinnen und Bürger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 4. Polizeigewalt zwischen Legalität und Legitimität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 II. Die faktische Definitionsmacht der handelnden Polizistinnen und Polizisten . . . . 36 III. Konsequenzen und diskutierte Lösungsmöglichkeiten: Der Ruf nach einer externen Kontrolle und ihre Implikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 C. Verhältnis von Polizei, Gewalt und Gewaltmonopol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 I. Gewaltmonopol des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 1. Ursprung des Gewaltmonopols . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2. Gewaltmonopol unter dem Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 a) Demokratie und Rechtsstaat als Grundlage für das Bestehen des Gewaltmonopols und die Friedenspflicht des Bürgers als Konsequenz . . . . . . . . . . 46
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Inhaltsverzeichnis b) Korrelate für die Ausübung des Gewaltmonopols . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 aa) Allgemeine Justizgewährung und Rechtsschutzgarantie als rechtsstaatliche Korrelate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 bb) Staatliche Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 cc) Exkurs: Staatsaufgabe „Innere Sicherheit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 dd) Diskursermöglichung als demokratisches Korrelat . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 3. Zusammenfassung: Das Gewaltmonopol und seine komplementären Institute
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II. Polizei als Akteur des Gewaltmonopols . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 1. Eine durch Spannungslagen gekennzeichnete besondere Einsatzsituation für die handelnden Polizistinnen und Polizisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 2. Polizeiinterne Organisationskultur (Polizeikultur und Polizistenkultur [Cop Culture]) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 a) Organisationskulturen und Subkulturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 b) Polizeikultur und Polizistenkultur (Cop Culture) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 aa) Cop Culture als Folge der Gewaltmonopolausübung . . . . . . . . . . . . . . . 58 bb) Spannungslage zwischen Polizeikultur und Cop Culture . . . . . . . . . . . . 60 III. Bewertungsmaßstäbe aufgrund des Gewaltmonopols und der Cop Culture . . . . . . 62 1. Effektiver Rechtsschutz und dessen Legalitätsgewährleistung und Legitimitätsförderung bei den Betroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 2. Demokratische Dialogermöglichung und deren gesamtgesellschaftliche Legitimitätsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 3. Berücksichtigung der Cop Culture durch die Anerkennung ihrer positiven Aspekte und durch die Einbeziehung der Polizistinnen und Polizisten einschließlich der Legitimitätsförderung bei den Polizistinnen und Polizisten . . . . . . . . . 65 D. Verwaltungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 I. Verwaltung in der demokratischen rechtsstaatlichen Verfassungsordnung . . . . . . . 67 1. Begriffliche Annäherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2. Verwaltung und demokratische Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 a) Demokratische Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 b) Weisung als tragendes Element der hierarchischen Verwaltungsorganisation und ministerialfreie Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 3. Verwaltung und Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 a) Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 b) Gesetzesbindung der Verwaltung (Vorrang des Gesetzes) . . . . . . . . . . . . . . . 79 c) Vorbehalt des Gesetzes und Wesentlichkeitstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 4. Verwaltung und Gewaltenteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 a) Grundgesetzliche Gewaltenteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 b) Aufgabenzuweisung über die Organadäquanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 c) Organisationsgewalt und Organadäquanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
Inhaltsverzeichnis
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II. Verwaltungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 1. Kontrollparameter des Kontrollbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 a) Selbst- und Fremdkontrolle (interne und externe Kontrolle) und der Aspekt der Distanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 b) Vorherige, begleitende und nachträgliche Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 c) Rechtmäßigkeits- und Zweckmäßigkeitskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 2. Grundarten und -formen der verwaltungsinternen Selbstkontrolle . . . . . . . . . . . 97 a) Dienst- und Fachaufsicht als Kontrollformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 b) Verhältnis von Dienst- und Fachaufsicht zur Amts- und Behördenaufsicht 99 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 3. Dienst- und Fachaufsichtsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 4. Beauftragte als neue Grundform der Verwaltungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . 102 a) Parlamentsbeauftragte vs. Verwaltungsbeauftragte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 b) Verwaltungsbeauftragte und Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 c) Vorbehalt des Gesetzes und Verwaltungsbeauftragte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 d) Demokratische Legitimation und parlamentarische Verantwortung der Verwaltungsbeauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 e) (Sach-)Rechtfertigung von Verwaltungsbeauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 III. Petitionsfreiheit (Art. 17 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 1. Art. 17 GG als Ausgangspunkt für die vom Bürger ausgelöste Kontrolle . . . . . 110 2. Doppelter Mehrwert des Art. 17 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 a) Petitionsbegriff und sein Mehrwert für die Kontrollparameter . . . . . . . . . . . 112 b) Mehrwert für die durch Petitionen ausgelösten Kontrollverfahren . . . . . . . . 114 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 IV. Bewertungsmaßstäbe anhand der rechtlichen Besonderheiten von Verwaltungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 1. Inhaltliche Anforderungen an den effektiven Rechtsschutz bei der Selbstkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 2. Petitionsrechtliche Dialogermöglichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 3. Distanz als Stellschraube zwischen Selbst- und Fremdkontrolle . . . . . . . . . . . . 120 a) Abhängigkeit von den Bewertungsmaßstäben und den Kontrollzielen . . . . . 120 b) Abhängigkeit von den anderen Kontrollparametern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 c) Besondere Relevanz der emotionalen Distanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 4. Rechtlicher Rahmen für die Verwaltung und die Verwaltungskontrolle . . . . . . 121 E. Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 I. Ermittelte Bewertungsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 1. Normative Besonderheiten des Gewaltmonopols: effektiver Rechtsschutz und demokratische Dialogermöglichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 2. Soziologische Besonderheiten des Gewaltmonopols: Berücksichtigung der Cop Culture und ihrer Akteure als Bewertungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
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Inhaltsverzeichnis 3. Verfassungsrechtliche Verankerung in Art. 17 GG und Verwaltungskontrolldogmatik: Petitionsrechtliche Dialogermöglichung, Gehalt des effektiven Rechtsschutzes und Distanz als Bewertungsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 II. Polizeibeauftragter als Kontrollform für Polizeigewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 1. Gesetzesvorhaben auf Bundes- und Landesebene: Der Polizeibeauftragte als echter Parlamentsbeauftragter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 a) Gesetzesvorhaben im Landtag von NRW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 aa) Aufgaben, Befugnisse und Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 bb) Beschwerden/Eingaben/Hinweise und Berichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 cc) Verhältnis zum Straf- und Disziplinarverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 b) Gesetzesvorhaben im Bundestag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 aa) Aufgaben, Befugnisse und Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 bb) Eingaben/Hinweise und Berichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 cc) Verhältnis zum Straf- und Disziplinarverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 dd) Unterschiede zwischen beiden Entwürfen auf Bundesebene . . . . . . . . . 133 c) Relevante Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Gesetzentwürfe auf Landes- und Bundesebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 d) Einordnung in die Dogmatik der Verwaltungskontrolle, insbesondere in die Typisierung von Beauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 aa) Kontrollparameter Fremdkontrolle (echter Parlamentsbeauftragter) . . . . 134 bb) Kontrollparameter nachträgliche und vorherige Kontrolle sowie Rechtund Zweckmäßigkeitskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 cc) Beauftragtentätigkeit als Verwaltung im materiellen Sinne . . . . . . . . . . 135 e) Kritik und Bewertung der Gesetzesvorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 aa) Kritik am Gesetzentwurf in NRW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 (1) Schriftliche Stellungnahme von Markus Thiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 (2) Schriftliche Stellungnahme der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 (3) Schriftliche Stellungnahme von Nikolaos Gazeas . . . . . . . . . . . . . . . 137 bb) Kritik am Gesetzentwurf auf Bundesebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 (1) Schriftliche Stellungnahme von Hartmut Aden . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 (2) Schriftliche Stellungnahme der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 (3) Schriftliche Stellungnahme der Gewerkschaft der Polizei (GdP) . . . 140 (4) Schriftliche Stellungnahme des Bundespolizeipräsidiums . . . . . . . . 141 (5) Schriftliche Stellungnahme von Anna Luczak . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 cc) Bewertung der Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 (1) Vergleich zum Wehrbeauftragten des Bundestages . . . . . . . . . . . . . . 143 (a) Fehlende Vergleichbarkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 (b) Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Stellung und Unterschiede hinsichtlich der Kompetenzen und Befugnisse . . . . . . . . . . . . . . 145
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(2) Vergleich zur Beanstandung durch den Datenschutzbeauftragten: Die förmliche Beanstandung als Weisungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 147 (3) Grenzen durch die Gewaltenteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 (a) Aufgeworfene Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 (b) Ausübung einer unzulässigen judikativen Tätigkeit durch den Polizeibeauftragten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 (c) Fehlende Organadäquanz für strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 (d) Vorbeugende Tätigkeit als Kontrollfunktion? . . . . . . . . . . . . . . . 152 (e) Förmliche Beanstandung als funktionsungerechte Ausübung einer Regierungsfunktion? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 (aa) Funktionsungerechte Ausübung hinsichtlich struktureller Mängel und Fehlentwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 (bb) Funktionsgerechte Ausübung hinsichtlich Fehler und Fehlverhalten im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 (4) Das Neue Steuerungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 dd) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 f) Bewertung anhand der herausgearbeiteten Bewertungsmaßstäbe . . . . . . . . . 161 aa) Berücksichtigung der Cop Culture und der Perspektive der handelnden Polizistinnen und Polizisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 (1) Ausbleibende Eingaben durch Polizistinnen und Polizisten und Abwehrreflex gegen den Beauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 (2) Defizitäre Berücksichtigung polizeinahen Wissens und Einbeziehung der Polizistinnen und Polizisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 (3) Sanktionsmöglichkeit als ein Hindernis? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 (4) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 bb) Dialogermöglichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 (1) Demokratische Dialogermöglichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 (a) Polizistinnen und Polizisten als unterrepräsentierte Dialogpartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 (b) Kein Dialog unter dem Dach des Beauftragten . . . . . . . . . . . . . . 168 (2) Petitionsrechtliche Dialogermöglichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 cc) Effektiver Rechtsschutz und dessen Legalitätsgewährung sowie Legitimitätsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 (1) Sorgfältige Tatsachenaufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 (2) Sachgerechte und umfassende Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 (3) Unvoreingenommene und diskriminierungsfreie Prüfung . . . . . . . . . 171 (4) Befugnis zur Beseitigung von Rechtsverstößen . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 dd) Vor- und Nachteile der Distanz bei dem als Fremdkontrolle etablierten Polizeibeauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 (1) Nötige Bezugspunkte der Distanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 (2) Vorgesehene Distanz des Polizeibeauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
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Inhaltsverzeichnis (3) Vor- und Nachteile der bestehenden Distanz im Verhältnis zu ihren Bezugspunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 (a) Keine qualitativ hochwertige Aufgabenerledigung hinsichtlich struktureller Mängel und Fehlentwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . 175 (b) Vor- und Nachteile für die Berücksichtigung der Cop Culture und der Einbeziehung der handelnden Polizistinnen und Polizisten 176 (c) Vor- und Nachteile für den effektiven Rechtsschutz . . . . . . . . . . 176 (d) Vor- und Nachteile für die Dialogermöglichung . . . . . . . . . . . . . 177 (aa) Auswirkungen auf die Dialogpartner des demokratischen Dialogs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 (bb) Auswirkungen auf die Dialogbereitschaft des Petenten und des Beauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 (4) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 ee) Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 2. Polizeibeauftragter als Verwaltungsbeauftragter (unechter Parlamentsbeauftragter) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 a) Gesetzesvorschlag für einen Polizeibeauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 b) Wichtigste Unterschiede im Vergleich zum echten Parlamentsbeauftragten 189 aa) Selbständiger Verwaltungsbeauftragter und kein Hilfsorgan des Parlaments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 bb) Verwaltungsinterner Fremdkontrolleur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 cc) Polizeibeauftragter als Dienst- und Rechtsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 dd) Polizeibeauftragter als nachträgliche Kontrollinstanz . . . . . . . . . . . . . . . 192 ee) Ein pflichtengebundener Polizeibeauftragter mit einem eindeutig umgrenzten Aufgabenbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 ff) Eine differenzierte Berichtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 c) Verfassungsrechtlicher Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 aa) Unechter Parlamentsbeauftragter und Gewaltenteilung . . . . . . . . . . . . . . 195 (1) Funktionsgerechte Ausübung der förmlichen Beanstandung . . . . . . 195 (2) Keine unzulässige judikative Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 bb) Polizeibeauftragter und demokratische Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . 197 (1) Ausgleich durch die personell-organisatorische Legitimation . . . . . 197 (2) Ausgleich innerhalb der sachlich-inhaltlichen Legitimation? . . . . . . 198 (3) Kompensation durch die sachlich-inhaltliche Legitimation anderer Verwaltungsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 cc) Vorbehalt des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 dd) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 d) Bewertung anhand der Bewertungsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 aa) Ausreichende Berücksichtigung der Cop Culture und Einbeziehung der Polizistinnen und Polizisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 (1) Berücksichtigung polizeinahen Wissens durch Einbeziehung der Polizistinnen und Polizisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202
Inhaltsverzeichnis
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(2) Anerkennungsmöglichkeit des Beauftragten bei Polizistinnen und Polizisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 (3) Änderungsmöglichkeit der Cop Culture . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 bb) Dialogermöglichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 (1) Inklusion der Polizistinnen und Polizisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 (2) Demokratischer Dialog unter und mit dem Beauftragten . . . . . . . . . 204 (3) Steigerung des petitionsrechtlichen Dialoges . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 cc) Effektiver Rechtsschutz und Legalitätsgewährleistung und Legitimitätsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 dd) Vor- und Nachteile der Distanz bei dem als Selbstkontrolle etablierten Polizeibeauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 (1) Abgeschwächte Distanz des Polizeibeauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . 208 (2) Vor- und Nachteile für die Berücksichtigung der Cop Culture und die Einbeziehung der Polizistinnen und Polizisten . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 (3) Vor- und Nachteile für den effektiven Rechtsschutz und dessen Legitimitätsermöglichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 (4) Vor- und Nachteile für die Dialogermöglichung und deren Legitimität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 (5) Vorteil im Verhältnis zur Distanz des echten Parlamentsbeauftragten 211 ee) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 e) Sachrechtfertigung für den Beauftragten: Die Dienst- und Fachaufsicht als defizitäre Kontrollform für Polizeigewalt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 aa) Kritik an der Dienst- und Fachaufsicht und Nachteile gegenüber einem Beauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 (1) Mangelnde Erfassung von strukturellen Mängeln und Fehlentwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 (2) Komplexes und schwieriges Beziehungsgefüge zwischen Vorgesetztem und Untergebenem und sein Einfluss auf die Fehlerkultur 216 bb) Bewertung anhand der Bewertungsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 (1) Berücksichtigung der Cop Culture . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 (2) Effektiver Rechtsschutz und seine Legitimitätsförderung . . . . . . . . . 218 (3) Dialogermöglichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 (4) Vor- und Nachteile der Distanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 (5) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 F. Gesamtergebnis und Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240
A. Einleitung I. Problem- und Fragestellung 1. Rechtspolitischer Impuls der Untersuchung: Polizeigewalt als Ausgangspunkt Das Thema Polizeigewalt wird aktuell viel diskutiert. Große Beachtung finden die Unruhen in den USA, die im Zusammenhang mit Polizeigewalt stehen. Aber auch der wissenschaftliche und politische Diskurs in Deutschland hat das Thema bereits aufgegriffen: Der Rechtswissenschaftler und Kriminologe Tobias Singelnstein hat mit Kolleginnen kürzlich eine Studie zur Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte veröffentlicht.1 Im Bundestag2 sowie im Landtag in NRW3 wurden Gesetzentwürfe für eine oder einen4 beim Parlament anzusiedelnde(n)5 Polizeibeauftragte(n) eingebracht. Diese Gesetzentwürfe, die dadurch miteinander verbunden sind, dass sie jeweils von Bündnis 90/Die Grünen eingebracht wurden, haben es zwar jeweils nicht in die Gesetzesform geschafft, berühren aber interessante und untersuchungsbedürftige Aspekte. Gemeinsamer Ausgangspunkt der Gesetzentwürfe und der angesprochenen Studie ist die Gewalt von Polizistinnen und Polizisten (Polizeigewalt)6. Diese Gewalt hält eine besondere Brisanz in gleich zweifacher Hinsicht bereit, die sich insbesondere durch einen Blick auf das Gegenüber der Gewalt erhellt: die Bürgerin und den Bürger. Denn Gewalt hat zunächst spürbare Auswirkungen auf denjenigen, dem gegenüber sie ausgeübt wird. Die Gewaltausübung wirft also zunächst einmal Fragen nach ihren Folgen für den Betroffenen auf. Allerdings hält sie zugleich auch etliche gesellschaftliche Implikationen bereit, da der von der Gewalt Betroffene zugleich 1 Abdul-Rahman/Grau/Singelnstein, Zwischenbericht zum Forschungsprojekt „Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamte*innen“, Polizeiliche Gewaltanwendung aus Sicht der Betroffenen, 17. September 2019. 2 Siehe BT-Drs. 19/7928 sowie zuvor bereits BT-Drs. 18/7616. 3 Siehe LT-Drs. 17/6147. 4 Nachfolgend wird für die Polizeibeauftragte und den Polizeibeauftragten vorwiegend das generische Maskulinum verwendet. An den Stellen, wo allerdings Quellen umfangreich aufgegriffen werden, wird mit Rücksicht auf diese bisweilen auch die gegenderte Formulierung aufgegriffen, wenn diese in den Quellen verwendet wird. 5 Hierfür plädiert etwa auch Behrendes, Wechselwirkungen zwischen externer Kontrolle und interner Fehlerkultur der Polizei, Vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik 4/2013, 41 (48). 6 Siehe zum Begriffsverständnis ausführlich unten B. I.
18
A. Einleitung
Bürger eines demokratischen Staates ist bzw. sein kann. Daher wirft die Anwendung von Gewalt auch immer staatsphilosophische und staatsrechtliche Fragen auf. Der demokratische Staat kann auf Gewalt nicht verzichten,7 steht aber in einem sensiblen Verhältnis zu ihr.8 Die angesprochenen Gesetzentwürfe für einen Polizeibeauftragten lassen sich auch als Reaktion auf diese Brisanz begreifen. So wird in den Gesetzentwürfen etwa ausdrücklich auf das staatliche Gewaltmonopol und die Gewaltausübung gegenüber dem Bürger abgestellt.9 Die vorliegende Arbeit greift die Gesetzentwürfe als rechtspolitischen Impuls auf und möchte die besondere Brisanz von Polizeigewalt für den Betroffenen und für den demokratischen Verfassungsstaat einschließlich des Gewaltmonopols genauer untersuchen. Ausgehend von den Gesetzentwürfen soll diese Thematik mit der Institution des Beauftragten verknüpft werden. Es soll also auch darum gehen, wie ein Beauftragter, der für Polizeigewalt zuständig ist, ausgestaltet sein muss, um die angesprochenen Aspekte sachgerecht zu erfassen. Die Untersuchung ist hierbei auf den Bundespolizeibeauftragten beschränkt. Der Gesetzentwurf auf Landesebene in NRW wird allerdings mitberücksichtigt, da er inhaltlich weitgehend deckungsgleich mit den Entwürfen auf Bundesebene ist. Somit können vor allem die zahlreichen hierauf bezogenen Stellungnahmen von Sachverständigen herangezogen werden, um das Bild des Beauftragten vielgestaltig zu erhellen. Durch diese Perspektive auf Polizeigewalt wird nicht abgesprochen, dass es auch Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten gibt, die ein berechtigtes Interesse an Beachtung und Untersuchung hervorruft. Der gewählte Anknüpfungspunkt liegt allerdings in dem ebenfalls untersuchungswerten Aspekt, wie sich Polizeigewalt auf die von ihr Betroffenen und auf den Staat des Gewaltmonopols auswirkt. 2. Beauftragte als Untersuchungsgegenstand Dem Thema der Polizeigewalt kann man sich wissenschaftlich und politisch mit unterschiedlicher Methodik, Zielsetzung und thematischer Schwerpunktsetzung nähern.10 Während etwa Tobias Singelnstein in der besagten Studie sowie auch Tim Schlun in seiner Dissertation „Die Strafverfolgung von polizeilicher Gewalt – eine empirische Analyse“11 empirisch-analytisch vorgehen, beschäftigt sich etwa Tarik Arabi in seiner Dissertation „Polizeilicher Zwang und dessen staatliche Kontrolle“12 mit rechtlichen und rechtsvergleichenden Fragen. Die genannten Gesetzentwürfe 7
Siehe Fn. 113. Siehe unten B. I. 4. 9 Vgl. BT-Drs. 19/7928, S. 1. 10 Ähnlich auch Mochan, Ungesetzlicher Gewaltgebrauch durch die Polizei, in: Grutzpalk/ Bruhn/Fatianov/Harnisch/Mochan/Schülzke/Zischke (Hrsg.), Beiträge zu einer vergleichenden Soziologie der Polizei, 2009, S. 18 (18). 11 Schlun, Die Strafverfolgung von polizeilicher Gewalt – eine empirische Analyse, 2018. 12 Arabi, Polizeilicher Zwang und dessen staatliche Kontrolle, 2017. 8
I. Problem- und Fragestellung
19
wiederum gehen über eine wissenschaftliche Betrachtung hinaus und unterbreiten konkrete, politische Vorschläge zur Änderung der Kontrolle von Polizeigewalt. Sie sprechen sich für eine externe Kontrolle durch einen beim Parlament ansässigen Polizeibeauftragten aus. Gerade der Aspekt der externen Kontrolle13 wird auch wissenschaftlich viel diskutiert und häufig befürwortet.14 Hier wird allerdings meistens nicht klar zwischen einer polizeiexternen und einer verwaltungsexternen Kontrolle differenziert.15 Die Forderung nach einer polizeiexternen Kontrolle muss nicht zwangsläufig dazu führen, dass nur eine verwaltungsexterne Kontrolle zu überzeugen vermag. Als eine solche externe Verwaltungskontrolle lässt sich die Kontrolle durch ein institutionell verselbständigtes Kontrollorgan bezeichnen,16 wie etwa die Kontrolle der Verwaltung durch das Parlament. Bisweilen erhält man den Eindruck, dass in der wissenschaftlichen und politischen Diskussion polizeiextern auch immer verwaltungsextern bedeuten müsse. An dieser Stelle ist jedoch genau zu differenzieren und zu fragen, ob die beabsichtigte Etablierung einer Kontrollform, wie etwa der Beauftragte in den Gesetzentwürfen, wirklich verwaltungsextern erfolgen sollte; oder aber, ob nicht eine verwaltungsinterne Etablierung möglich wäre und mehr Vor- als Nachteile mit sich brächte. Die Rechtsfigur des Beauftragten ist hier eine besonders geeignete Institution, die verdeutlicht, dass eine Kontrollinstitution mit jeweils eigenen Vor- und Nachteilen sowohl verwaltungsintern als auch verwaltungsextern gestaltet werden kann und beides daher vergleichend in den Blick zu nehmen ist. Insbesondere der sog. Parlamentsbeauftragte, der sich weiter in einen echten und einen unechten Parlamentsbeauftragten unterteilen lässt,17 hält viel Untersuchungspotential für die Fragestellung nach Vorteilen und Nachteilen einer verwaltungsexternen und einer verwaltungsinternen Kontrolle bereit. Die echten Parlamentsbeauftragten sind vom 13
Siehe zur Abgrenzung zwischen verwaltungsinterner und verwaltungsexterner Kontrolle Schulze-Fielitz, Zusammenspiel von öffentlich-rechtlichen Kontrollen der Verwaltung, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, 2001, S. 291 (300); siehe hingegen zu einem anderen Verständnis von „extern“, welches nicht die Verwaltungshierarchie, sondern die polizeiliche Hierarchie als entscheidenden Anknüpfungspunkt wählt, Pütter, Kontrolle der Polizei, Bürgerrechte & Polizei/CILIP 99 (2/2011), 3 (9); siehe hierzu auch unten D. II. 1. a). 14 Siehe etwa Feltes, Legitime und illegitime Gewaltanwendung durch die Polizei, in: Heitmeyer/Schröttle (Hrsg.), Gewalt, 2006, S. 539 (545); Gössner, Zu viel Macht – zu wenig Kontrolle, in: Busch/Roggan (Hrsg.), Das Recht in guter Verfassung?, FS Martin Kutscha, 2013, S. 195 (200); Singelnstein, Körperverletzung im Amt durch Polizisten und die Erledigungspraxis der Staatsanwaltschaften – aus empirischer und strafprozessualer Sicht, NK 2013, 15 (26); wohl auch Pichl, Zur Entgrenzung der Polizei – eine juridische und materialistische Kritik polizeilicher Gewalt, KritV 97 (2014), 249 (266); anders allerdings Schlun, Die Strafverfolgung von polizeilicher Gewalt – eine empirische Analyse, 2018, S. 192. 15 Siehe zu dieser Unterscheidung D. II. 1. a). 16 Schulze-Fielitz, Zusammenspiel von öffentlich-rechtlichen Kontrollen der Verwaltung, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, 2001, S. 291 (300). 17 Tettinger, Die Beauftragten, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 111 Rn. 46, 48.
20
A. Einleitung
Parlament gewählte Hilfsorgane, die gewaltenteilungskonsequent in den parlamentarischen Funktionskreis integriert sind.18 Wirkt ein Parlamentsbeauftragter hingegen substantiell im Exekutivbereich und ist er auch einem Exekutivorgan organisationsrechtlich zugeordnet, liegt ein unechter Parlamentsbeauftragter vor, der durch die parlamentarische Wahl lediglich eine höhere demokratische Legitimation erhalten soll.19 Mit Blick auf die Gesetzentwürfe, die einen echten Parlamentsbeauftragten etablieren möchten,20 soll die Institution des (echten und unechten) Parlamentsbeauftragten den Mittelpunkt der Untersuchung bilden. Ausgehend von den Vorschlägen der Gesetzentwürfe soll kritisch gefragt werden, ob dieser echte Parlamentsbeauftragte im Verhältnis zu einem unechten Parlamentsbeauftragten in der Form eines Verwaltungsbeauftragten mehr Vor- oder mehr Nachteile aufweist. Aufgrund der Ausrichtung auf die Parlamentsbeauftragten werden in die vorliegende Untersuchung Beauftragte nicht einbezogen, die lediglich Verwaltungsbeauftragte, aber keine Parlamentsbeauftragten sind. 3. Einbeziehung der Bürgerperspektive Das Thema der Arbeit ist bewusst auf den Kontrollaspekt in den Formen des Beauftragten beschränkt. Genauer gesagt soll es darum gehen, inwieweit Eingaben und Beschwerden der Bürgerinnen und Bürger durch einen Beauftragten angemessen behandelt werden können. Der Fokus liegt also insoweit auch stets auf der Perspektive der Bürgerinnen und Bürger. Dies folgt zum einen aus dem rechtspolitischen Ausgangspunkt der Arbeit, der bei den Gesetzentwürfen liegt, die diese Perspektive durch ihre gesetzliche Ausgestaltung in den Fokus stellen. Die Beschränkung auf eine Kontrollform, die vom Bürger ausgelöst wird, liegt zugleich aber auch im Themenkomplex der Polizeigewalt begründet. Da Gewalt stets ein Gegenüber hat, können dessen Perspektive und Interessen bei einer Untersuchung von Polizeigewalt nicht außen vor bleiben. Daher werden in dieser Arbeit Aspekte des Beauftragten ausgeklammert, die ausschließlich21 auf die Polizistenperspektive bezogen sind. Unberücksichtigt bleibt also, was für Möglichkeiten Polizistinnen und Polizisten haben, wenn sie gegen Polizeigewalt von Kolleginnen und Kollegen vorgehen möchten. Ebenso wenig soll es um die verwaltungsinternen Kontrollmechanismen gehen, die auf verwaltungsinterne Aspekte beschränkt sind und das Einbeziehen des Bürgers nicht notwendigerweise vorsehen, wie etwa die Innenrevision22 oder der derzeit bestehende Polizeibeauftragte des Landes NRW23. Hiermit 18 Tettinger, Die Beauftragten, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 111 Rn. 46. 19 Tettinger, Die Beauftragten, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 111 Rn. 48. 20 Siehe hierzu unten E. II. 1. d) aa). 21 Siehe zur notwendigen Einbeziehung der Polizistenperspektive allerdings sogleich A. I. 6. und weiter unten C. III. 3. 22 Siehe hierzu unten E. II. 1. e) bb) (4) einschließlich Fn. 870.
I. Problem- und Fragestellung
21
soll nicht gesagt sein, dass diese nicht ebenso wichtig wären oder kein Untersuchungspotential bereithielten. Maßgeblich ist, dem rechtspolitischen Ausgangspunkt der Untersuchung gerecht zu werden. Dieser liegt, wie bereits in den Eingangsworten zur Arbeit deutlich wurde, auf den Implikationen, welche Polizeigewalt auslöst, weil diese Gewalt stets auch Betroffene hat, die an einer Aufarbeitung jener Gewaltausübung ein berechtigtes Interesse haben. 4. Beschränkung auf notwendige Bewertungsmaßstäbe und deren Verhältnis zu den Kontrollzielen der Legalität und Legitimität Zugleich ist allerdings neben dieser gegenständlichen Begrenzung auf Polizeigewalt eine weitere Eingrenzung vonnöten: Die Beauftragten sollen nicht auf alle denkbar möglichen Aspekte hin beleuchtetet werden. Vielmehr soll der Schwerpunkt auf der Beantwortung der Frage nach der Vereinbarkeit mit vorher herauszuarbeitenden Bewertungsmaßstäben liegen. Diese Bewertungsmaßstäbe ergeben sich aus dem gesetzlichen, philosophischen und soziologischen Rahmen, in dem sich Verwaltungskontrolle und Polizeigewalt bewegen. Es handelt sich also um Maßstäbe, die notwendigerweise zu beachten sind. Das schließt nicht aus, dass auch weitere Aspekte in die Bewertung einfließen können. Dies wird etwa unten bei der Bewertung der vorhandenen Gesetzesvorschläge deutlich werden. Die bereits vorliegenden Stellungnahmen der Sachverständigen werfen auch Fragen auf, die außerhalb der Bewertungsmaßstäbe liegen.24 Hierbei handelt es sich um Aspekte, die aufgrund der konkreten Ausgestaltung der Polizeikontrolle relevant sind. Die Maßstäbe, die diese Ausarbeitung allerdings hervorbringen möchte, sind abstrakte Kriterien, die bei jeder denkbar möglichen Ausgestaltung der Polizeikontrolle zu beachten sind. Sie sind teils Folge des Kontrollgegenstandes „Polizeigewalt“, der sowohl im Rechtlichen als auch im Tatsächlichen Besonderheiten zeigt, und teils Folge des rechtlichen Rahmens von Kontrolle. Aufgrund dessen bedürfen sie bei der Bewertung von Kontrollverfahren für Polizeigewalt stets der Berücksichtigung. Die Bewertungsmaßstäbe zeigen auch noch eine weitere Besonderheit, die sie von anderen Maßstäben unterscheidet. Wie gezeigt werden soll, hält der Kontrollgegenstand „Polizeigewalt“ einige Implikationen für die Legalität und die Legitimität bereit. Diese beiden, unten noch ausführlich zu klärenden Begriffe sind nicht selbst Bewertungsmaßstäbe. Allerdings folgt aus der Beachtung der Bewertungsmaßstäbe, dass die Legalität und die Legitimität gewährleistet und gefördert werden. Wie genau dies aussieht, wird bei der Gewinnung der Bewertungsmaßstäbe jeweils dargelegt. Entscheidender ist an dieser Stelle zunächst die Einsicht, dass Kontrolle nicht
23 Siehe hierzu etwa die Aufgabenbeschreibung im ersten Tätigkeitsbericht des Polizeibeauftragten NRW (LT-Vorlage 17/3749 NRW, S. 4 f.). 24 Siehe zu diesen Stellungnahmen unten E. II. 1. e).
22
A. Einleitung
selbstzweckhaft, sondern auf die Erreichung von Zielen gerichtet ist.25 Das Ziel von Verwaltungskontrolle kann darin erblickt werden, Akzeptanz (Legitimität)26 und Qualität zu sichern.27 Das letzte Ziel, die Qualitätssicherung, ist wiederum davon abhängig, welcher Kontrollmaßstab gewählt wird, also an welchem Maßstab man das Handeln des Kontrollierten misst,28 und was die konkrete Aufgabenstellung des Kontrolleurs ist. Da das Recht im Rechtsstaat immer, wenn auch nicht alleiniger, Maßstab sein muss, ist mit der Qualitätssicherung auch immer die Legalitätssicherung gemeint. Die Legalitätsgewährung lässt sich insoweit als ein Minimalziel von Kontrolle betrachten. Folglich werden als die (Minimal-)Ziele der Kontrolle nachfolgend die Legalitätsgewährleistung und die Legitimitätsförderung angesehen. Es soll gezeigt werden, dass die Bewertungsmaßstäbe für die Kontrolle von Polizeigewalt diesen Zielen dienen und zugleich maßgeblich sind, da sie vor allem aus dem konkreten Kontrollgegenstand „Polizeigewalt“ folgen und daher die hierauf bezogenen Kontrollformen prägen. 5. Zweipoligkeit des staatsphilosophischen und rechtlichen Sollens und der Cop Culture aufgrund des staatlichen Gewaltmonopols Die Ausarbeitung ist durch eine besondere Zweipoligkeit in gleich mehrfacher Hinsicht geprägt. Sie beginnt bereits beim Setzen der Prämissen. Der Diskurs über Polizeigewalt erweckt oft den Eindruck, als würden die Prämissen von Teilen der Diskursteilnehmer eher auf der Sollens-Ebene und von anderen Teilen auf der SeinsEbene gesetzt. Gemeint ist hiermit, dass bei der Kontrolle von Polizeigewalt zum einen daran angeknüpft werden kann, dass eine besondere Kontrolle aufgrund des Gewaltmonopols angezeigt ist.29 Dem kann man auf der anderen Seite entgegnen, dass die Polizistinnen und Polizisten im Arbeitsalltag einen Dienst im Interesse der Bürgerinnen und Bürger ausüben und unzählige rechtmäßige Amtshandlungen vornehmen, bei denen es durchaus zu Fehlern kommen kann.30 Diese zwei sich gegenüberstehenden Sichtweisen lassen sich leicht umformulieren: Auf der einen Seite steht das rechtliche und staatsphilosophische Sollen und auf der anderen das durch den Arbeitsalltag der Gewaltmonopolausübung31 geprägte Sein. 25
Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle – Perspektiven, in: Schmidt-Aßmann/HofmannRiem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, 2001, S. 325 (338). 26 Siehe hierzu unten B. I. 4. einschließlich Fn. 97. 27 Kluth, Begriff und Instrumente der Verwaltungskontrolle, in: Wolff/Bachof/Stober/Kluth (Hrsg.), Verwaltungsrecht II, 7. Auflage 2010, § 101 Rn. 1. 28 Siehe hierzu unten D. II. 1. c). 29 Vgl. etwa BT-Drs. 19/7928, S. 1. 30 Vgl. etwa DPolG, Schriftliche Stellungnahme zur Öffentlichen Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 29. Mai 2017, Ausschussdrucksache 18(4)898 B, S. 2. 31 Angelehnt an die Begrifflichkeit des Titels von Behr, Cop Culture – Der Alltag des Gewaltmonopols, 2. Auflage 2008.
I. Problem- und Fragestellung
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Gerade Letzteres, der Arbeitsalltag der Gewaltmonopolausübung,32 ist eng mit der Cop Culture33 verknüpft. Diese liefert praxisfähige, induktive Handlungsmuster für die Alltagserfordernisse der Polizistinnen und Polizisten.34 In der Arbeit soll untersucht werden, wie genau die Cop Culture mit dem Gewaltmonopol zusammenhängt und inwieweit sie bei den Kontrollverfahren für Polizeigewalt eine Rolle spielt. Hierbei wird sich zeigen, dass sie eine tatsächliche Konsequenz des Gewaltmonopols ist und angesichts dessen eine gewisse Berechtigung besitzt. Die Cop Culture wird in dieser Arbeit daher nicht negativ verstanden. Sie soll vielmehr mit normativen Prämissen des Gewaltmonopols im Rahmen des Beauftragten in Ausgleich gebracht werden. Akzeptiert man die Seins-prägende Cop Culture und spricht man ihr eine die Kontrolle prägende Wirkung zu, so kommt man allerdings nicht umhin, in Korrelation hierzu auch den normativen Grundüberlegungen zum Gewaltmonopol ähnliche Wirkung beizumessen. Denn beides sind zwei Seiten derselben Medaille. Wie im weiteren Verlauf der Untersuchung gezeigt werden soll, hält das Gewaltmonopol einige Besonderheiten bereit, die auf die Polizeigewalt und dessen Kontrolle durchschlagen. Diese Besonderheiten des Gewaltmonopols zeigen sich sowohl in dessen rechtlichen und philosophischen Prämissen als auch in dem tagtäglichen Arbeitsalltag der Gewaltmonopolausübung. Da das eine ohne das andere nicht funktionieren kann, haben beide die gleiche Berechtigung auf Berücksichtigung. Denn ohne einen normativen Rahmen, der das Gewaltmonopol einfängt, wäre dessen Ausübung uferlos, sie würde eine Gefahr für die Freiheit darstellen. Auf der anderen Seite könnte das Gewaltmonopol sich nicht im Interesse der Freiheit entfalten, wenn es nicht von handelnden Akteuren im Alltag ausgeübt würde. 6. Zweipoligkeit der Bürgerperspektive und der Polizistenperspektive Ähnliches gilt für die sich gegenüberstehenden Perspektiven der Bürgerinnen und Bürger und der Polizistinnen und Polizisten. Beide sind Interaktionspartner der Gewaltausübung.35 Die Gewalt erfolgt nicht einseitig, sondern ist in ein komplexes, soziales Interaktionsmuster integriert. In den Blick zu nehmen ist daher immer das Verhältnis der beiden Akteure der Gewaltausübung, der Ausübende und der Betroffene, und deren jeweilige Perspektive. Da beide Interaktionspartner der Gewaltausübung sind, sind sie zunächst einmal bei der Aufarbeitung einer derartigen Gewaltausübung gleichberechtigt zu beteiligen. Für die Polizistenperspektive gilt dies zudem bereits mit Blick auf die Cop Culture. Denn ist diese zu beachten und entsteht sie induktiv, bedeutet dies zugleich, dass auch immer ihre Akteure, na32
Begriff angelehnt an Behr, Cop Culture – Der Alltag des Gewaltmonopols, 2. Auflage 2008. 33 Siehe hierzu unten C. II. 2. b). 34 Vgl. Behr, Cop Culture – Der Alltag des Gewaltmonopols, 2. Auflage 2008, S. 250 f. 35 Siehe allgemein zur gewaltförmigen Interaktion bei der Polizeiarbeit Wilz, Die Polizei als Organisation, in: Apelt/Tacke (Hrsg.), Handbuch Organisationstypen, 2012, S. 113 (126).
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A. Einleitung
mentlich also die handelnden Polizistinnen und Polizisten, miteinzubeziehen sind, wenn die Handhabung der Gewaltmonopolausübung thematisiert wird. Diese beiden unterschiedlichen Perspektiven manifestieren sich auch in den Begrifflichkeiten „Fehler“ und „Übergriff“.36 Die Begriffe des Übergriffs und des Fehlverhaltens sind häufig mit dem Kontrollgedanken und der Sanktionierung von vorausgehendem Verhalten verbunden.37 Hingegen handelt es sich bei dem Begriff des Fehlers um einen weit weniger moralisch und rechtlich aufgeladenen Begriff, der nicht auf Sanktionierung, sondern auf Einhaltung der Norm ausgerichtet ist.38 Die Bezeichnungen „Übergriff“ und „Fehlverhalten“ werden primär der Bürgerperspektive gerecht, wohingegen die Bezeichnung „Fehler“ stärker bei der Polizistenperspektive ansetzt. Denn Fehler sind zwar zu vermeiden, aber ihr Vorliegen ist auch ohne eine Sanktionierung verzeihbar.39 Das Vorliegen eines so verstandenen Fehlers ist daher für den handelnden Polizisten günstiger, während das Vorliegen eines Fehlverhaltens (Übergriffs) auch eine Sanktionierung erfordert und daher für den handelnden Polizisten in den Wirkungen nachteiliger ist. Andererseits kann die Sanktionierung dem Genugtuungsbedürfnis des Bürgers gerecht werden, wohingegen die Annahme eines lediglich sanktionslosen Fehlers dieses Bedürfnis (gegebenenfalls) nicht stets befriedigt. Zutreffend werden in den Gesetzentwürfen daher beide Begrifflichkeiten (Fehler und Fehlverhalten) verwendet,40 denn je nach Fall ist es sinnvoll, entweder von einem Fehler oder aber von einem Fehlverhalten (Übergriff) zu sprechen. Die ausschließliche Verwendung eines dieser beiden Begriffe wäre bereits eine Einengung auf eine der beiden angesprochenen gleichwertigen Perspektiven. 7. Zwischen externer und interner Kontrolle: Der Polizeibeauftragte als unechter Parlamentsbeauftragter Die Arbeit unternimmt den Versuch, sowohl die Besonderheiten, die sich aus dem philosophischen und rechtlichen Sollen und dem durch die Cop Culture geprägten Sein ergeben, als auch die Polizisten- und die Bürgerperspektive zu vereinigen. Da der Kontrollgegenstand auch immer das Kontrollverfahren (mit-)prägt, kann nur ein Kontrollverfahren, welches alledem gerecht wird, vollends überzeugen. Wie in der Arbeit gezeigt werden soll, hält der Kontrollgegenstand der Polizeigewalt sowohl mit 36 Vgl. Lehne, Aus Fehlern lernen oder Fehlverhalten kontrollieren und sanktionieren?, in: Liebl (Hrsg.), Fehler und Lernkultur in der Polizei, 2004, S. 123 (124 f.). 37 Vgl. Lehne, Aus Fehlern lernen oder Fehlverhalten kontrollieren und sanktionieren?, in: Liebl (Hrsg.), Fehler und Lernkultur in der Polizei, 2004, S. 123 (124). 38 Vgl. Lehne, Aus Fehlern lernen oder Fehlverhalten kontrollieren und sanktionieren?, in: Liebl (Hrsg.), Fehler und Lernkultur in der Polizei, 2004, S. 123 (124). 39 Vgl. Lehne, Aus Fehlern lernen oder Fehlverhalten kontrollieren und sanktionieren?, in: Liebl (Hrsg.), Fehler und Lernkultur in der Polizei, 2004, S. 123 (124). 40 Siehe hierzu unten E. II. 1. a) aa) und E. II. 1. b) aa).
I. Problem- und Fragestellung
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Blick auf das philosophische und rechtliche Sollen41 als auch mit Blick auf die Cop Culture42 Besonderheiten bereit. Diese müssen daher von den hierauf bezogenen Kontrollverfahren angemessen erfasst werden. Eine Zweipoligkeit findet sich ferner bei den Kontrollparametern der internen und externen Kontrolle43 sowie bei den Ursachen für Fehler und Fehlverhalten. Wie bereits erwähnt, sollen die Gesetzesvorschläge für einen externen Polizeibeauftragten herangezogen werden. Hier kann besonders gut die Zweipoligkeit der Vorund Nachteile einer internen Verwaltungskontrolle und der Vor- und Nachteile einer externen Verwaltungskontrolle deutlich gemacht werden. Bei den Ursachen für Fehler und Fehlverhalten wiederum stehen sich individuelle und strukturelle Ursachen gegenüber. Diese Ursachen können etwa in der Person des einzelnen Polizisten zu finden sein oder in den Strukturen des Polizeialltages und der Polizeiführung. Auch diese beiden Zweipoligkeiten sind in der vorliegenden Untersuchung gleichberechtigt zu berücksichtigen. Denn nur ein Kontrollverfahren, das sowohl die Vorteile der externen als auch der internen Kontrolle nutzen und hierbei individuell und strukturell bedingte Fehler bzw. entsprechendes Fehlverhalten aufgreifen kann, vermag Polizeigewalt einer sachgerechten Behandlung zuzuführen.44 Hält man sich die gerade dargestellten Zweipoligkeiten vor Augen und verknüpft sie mit der Zielsetzung dieser Arbeit, eine sachgerechte Erfassung der Möglichkeiten und Grenzen der (verwaltungsinternen) Kontrolle von Polizeigewalt durch einen Bundespolizeibeauftragten darzubieten, so lässt sich die Hauptthese dieser Ausarbeitung vorwegnehmen: Ein Polizeibeauftragter, der bei der Verwaltung allerdings außerhalb der Polizeihierarchie angesiedelt ist, aber vom Parlament gewählt wird, ist am besten in der Lage, Polizisten- und Bürgerperspektive ebenso zu vereinigen wie den durch die Cop Culture geprägten Arbeitsalltag der Gewaltmonopolausübung und den rechtlichen und staatsphilosophischen Rahmen der Gewaltmonopolausübung. Er kann durch seine entsprechend angepasste Ausgestaltung die Vorteile der externen und der internen Kontrolle ermöglichen sowie individuell und strukturell bedingte Fehler bzw. bedingtes Fehlverhalten angemessen „beheben“, um so die Legalität zu gewährleisten und die Legitimität zu fördern.
41
Siehe hierzu C. I. 2. Sieh hierzu C. II. 2. b). 43 Siehe hierzu D. II. 1. a). 44 Siehe zu den Mängeln der Dienst- und Fachaufsicht hinsichtlich der Erfassung von strukturellen Mängeln und Fehlentwicklungen die Ausführungen unter E. II. 2. e) aa) (1). 42
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A. Einleitung
II. Gang und verwaltungswissenschaftliche Prägung der Untersuchung 1. Gliederung der Untersuchung Die Arbeit unterteilt sich inhaltlich in vier Kapitel, die allerdings auch Überschneidungen aufweisen. Zunächst ist ein Blick auf die Definitionen und die Probleme von Polizeigewalt und auf das staatliche Gewaltmonopol sowie ein Blick auf die polizeilichen Handlungsbesonderheiten und auf ihre Folgeauswirkungen (B. und C.) zu werfen. Im Vordergrund steht hier die Klärung des Zusammenhangs von Gewalt, Polizei und Gewaltmonopol. Insbesondere das Gewaltmonopol wird ausführlich untersucht. Es gibt einen Rahmen vor, in dem sich staatliche Gewalt bewegen kann. Was dies konkret für die Polizei und die Gewaltausübung durch die Polizei bedeutet, soll in den ersten Kapiteln geklärt werden. Untersucht wird hierbei nicht nur der normative Rahmen. Zugleich soll der Blick auch auf die tatsächliche Ebene des Gewaltmonopols gelenkt werden. Untersuchungsbedürftig sind dabei sowohl die Wirkungen für die Polizistinnen und Polizisten als auch die Wirkungen für die Bürgerinnen und Bürger, die aufgrund des Gewaltmonopols in tatsächlicher Hinsicht auftreten. Die ersten Kapitel zeigen somit die Besonderheiten des Kontrollgegenstandes auf, der anschließend einem treffenden Kontrollverfahren zuzuführen ist. Da das Kontrollverfahren auf den Kontrollgegenstand bezogen ist und insoweit auch von diesem geprägt wird, werden in diesem Untersuchungsabschnitt bereits Bewertungsmaßstäbe für Kontrollverfahren für Polizeigewalt gewonnen. Nach diesem Abschnitt erfolgt ein Kapitel über die rechtlich ausgestaltete und ausgestaltbare (interne) Verwaltungskontrolle (D.). Durch die dortigen Ausführungen soll der Rahmen aufgezeigt werden, der für das Kontrollverfahren für Polizeigewalt besteht. Auch hier lassen sich Bewertungsmaßstäbe gewinnen. Diese folgen nicht (primär) aus dem Kontrollgegenstand, sondern aus dem – auf den Kontrollgegenstand anzuwendenden – rechtlichen Rahmen von Kontrolle. Zu guter Letzt kann dann schließlich die Verwaltungskontrolle von Polizeigewalt durch einen Beauftragten (E.) anhand der herausgearbeiteten Bewertungsmaßstäbe beurteilt werden. 2. Verwaltungswissenschaftlicher Mehrwert Wie bereits die vorstehende Fokussierung auf den Beauftragten erkennen lässt, soll hiermit zugleich ein verwaltungswissenschaftlicher Mehrwert in vielfacher Hinsicht erzielt werden. Die Unterscheidung zwischen einem unechten und einem echten Parlamentsbeauftragten ist eng mit dem Kontrollparameter der Selbst- und der Fremdkontrolle45 verknüpft. Nicht nur dieser spezielle Kontrollparameter, sondern die Kontrollpara45
Siehe zu diesem D. II. 1. a).
II. Gang und verwaltungswissenschaftliche Prägung der Untersuchung
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meter im Allgemeinen sind Untersuchungsgegenstand der verwaltungswissenschaftlichen Forschung.46 Die Arbeit soll zeigen, wie sich Änderungen des Kontrollparameters der Selbst- und Fremdkontrolle auswirken können. Der Beauftragte ist auch insoweit eine passende Institution, da durch ihn die Auswirkungen einer Änderung dieses Kontrollparameters besonders deutlich gezeigt werden können. Ähnliches gilt auch für die weiteren Kontrollparameter, die in dieser Arbeit untersucht werden.47 Der Schwerpunkt liegt allerdings auf dem Kontrollparameter der Selbst- und Fremdkontrolle. Hier soll insbesondere der Aspekt der Distanz näher herausgearbeitet und auf die Beauftragten angewandt werden. Zugleich soll durch den eigenen Vorschlag für einen Beauftragten gezeigt werden, wie eine Verwaltungsreform durch die Etablierung unechter Parlamentsbeauftragter aussehen könnte. Dies wird auch dem handlungs- und entscheidungsanleitenden Charakter der Verwaltungswissenschaften gerecht.48 Ein verwaltungswissenschaftlicher Mehrwert soll zudem dadurch erzielt werden, dass ein Augenmerk auch auf dem Aspekt der Legitimität eines Beauftragten liegen soll. Das Erkenntnisinteresse der Verwaltungswissenschaften liegt immer auch darin, die Legitimität der Aufgabenerfüllung zu erforschen.49 Daher soll auch gefragt werden, wie der Beauftragte ausgestaltet sein muss, damit er Legitimität ermöglicht. Hierfür ist herauszuarbeiten, was unter Legitimität zu verstehen ist und wie diese mit Polizeigewalt verknüpft ist. Zu guter Letzt soll sich auch der interdisziplinäre Gehalt der Verwaltungswissenschaften50 in der Arbeit wiederfinden. Gerade die angesprochene Zweipoligkeit zwischen den normativen Prämissen des Gewaltmonopols und den empirischen Folgen der Ausübung des Gewaltmonopols soll zeigen, wie im Kontext der Kontrolle von Polizeigewalt eine rechtliche und staatsphilosophische sowie eine soziologische Seite eines Gegenstandes (Gewaltmonopol) sachgerecht zusammengefügt werden können.
46
Vgl. Schmidt-Aßmann, Verwaltungskontrolle: Einleitende Problemskizze, in: SchmidtAßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, 2001, S. 9 (14). 47 Siehe hierzu unten D. II. 1. 48 Siehe hierzu Peuker, Renaissance der Verwaltungswissenschaft?, Die Verwaltung 52 (2019), 157 (169). 49 Schröter, Verwaltungswissenschaft, in: Voigt (Hrsg.), Handbuch Staat, 2018, S. 153 (153). 50 Siehe zu diesem Peuker, Renaissance der Verwaltungswissenschaft?, Die Verwaltung 52 (2019), 157 (169 ff.); Schröter, Verwaltungswissenschaft, in: Voigt (Hrsg.), Handbuch Staat, 2018, S. 153 (154 ff.).
B. Polizeigewalt als rechtliches und soziales Phänomen zwischen Legalität und Legitimität Bevor die Möglichkeiten und Grenzen der internen Verwaltungskontrolle für Polizeigewalt in der Form des Beauftragten untersucht werden können, ist die Forschungsfrage in ihre einzelnen Elemente zu zerlegen: die Verwaltungskontrolle einschließlich der Institution des Beauftragten und die Polizeigewalt einschließlich ihrer soziologischen und normativen Verortung. Durch diese Aufteilung können sodann zum einen die einzelnen Bewertungsmaßstäbe gewonnen und zum anderen im Anschluss treffsicher die Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt aufgezeigt werden. Während es bei dem nachfolgenden Abschnitt zur Polizeigewalt um rechtliche, philosophische und soziologische Konnotationen geht, behandelt der Abschnitt über die Verwaltungskontrolle den rechtlichen Rahmen.
I. Begriff der Polizeigewalt als Weichenstellung Wie eingangs bereits erwähnt, ist der Themenkomplex der Polizeigewalt sehr vielschichtig. Es gibt verschiedene Sichtweisen und unzählige Interessen, die es zu berücksichtigen gilt. Einige Aspekte sind besonders relevant, wenn die staatliche Kontrolle von Polizeigewalt thematisiert wird. Sie sind eng mit dem Begriff der Polizeigewalt verbunden. Eine genaue Definition dieses Begriffes ist daher für die weitere Weichenstellung entscheidend.51 Denn je nachdem, was man unter Polizeigewalt versteht, fällt auch die Prägung der Kontrollformen, die gerade auf diesen Kontrollgegenstand bezogen sind, unterschiedlich aus. Darüber hinaus gibt es auch unterschiedliche Rechtsgüter und Interessen, die von dem einen Polizeigewaltbegriff erfasst, von dem anderen wiederum ausgeschlossen sein können. So verwundert es dann auch nicht, dass der Begriff der Polizeigewalt stark umstritten ist.52 Möchte man Polizeigewalt untersuchen, so ist daher zunächst ein Begriff der Polizeigewalt einschließlich seiner Implikationen festzulegen, um bei diesem stark umstrittenen Begriff für die weitere Untersuchung inhaltliche Klarheit zu erhalten. Hierfür ist es zunächst nötig, den Begriff der Polizeigewalt in seine zwei Bestandteile der Gewalt
51 Dass die Definition des Gewaltbegriffs entscheidend sei, betont Feltes, Legitime und illegitime Gewaltanwendung durch die Polizei, in: Heitmeyer/Schröttle (Hrsg.), Gewalt, 2006, S. 539 (539). 52 Siehe hierzu Brodeur, Gewalt und Polizei, in: Heitmeyer/Hagan (Hrsg.), Internationales Handbuch der Gewaltforschung, 2002, S. 259 (261).
I. Begriff der Polizeigewalt als Weichenstellung
29
und der Polizei zu unterteilen und diese dann finalisierend im Kontext des Bereiches der Bürger, in dem sich die Polizeigewalt entfaltet, zu erhellen. 1. Gewaltbegriff und Polizeigewalt im engeren und weiteren Sinne Eine Ausarbeitung, die sich mit dem Thema der Polizeigewalt befasst, muss sich auch zwangsläufig mit dem Gewaltbegriff auseinandersetzen. Dieser ist allerdings besonders vieldeutig.53 Für die vorliegende Ausarbeitung reicht es jedoch, sich diesem Begriff im staatlichen Kontext zu nähern. Denn die Untersuchung ist auf Polizeigewalt und somit auf die Gewalt einer staatlichen Institution gerichtet. Im öffentlichen Recht ist der Gewaltbegriff ein zentraler Begriff.54 Er kann hier nach seinen zwei Bedeutungen mit unterschiedlichen lateinischen Bezeichnungen unterteilt werden:55 die „vis“-Gewalt als körperlicher Zwang und die „potestas“Gewalt als Herrschaft.56 Die „vis“-Gewalt, zu der auch polizeilicher Zwang gehört, unterfällt sogleich der institutionalisierten57 „potestas“-Gewalt.58 Die staatliche Gewaltanwendung wird daher auch zurecht mit Zwang umschrieben,59 da Zwang anders als Gewalt institutionalisiert ist.60 Diesen staatlichen Gewaltbegriffen steht die „violentia“ als Individualgewalt gegenüber.61 Die auch als Staatsgewalt bezeichnete62 „potestas“-Gewalt ist allerdings kein Selbstzweck, sondern bedarf der Herrschaftsberechtigung.63 Diese Rechtfertigung gelingt ihr vor allem, wenn sie in Rechtsform ausgeübt wird.64 Dies gilt freilich auch für die „vis“-Gewalt; was ihr gut
53
Werkner, Militärische versus polizeiliche Gewalt, 2017, S. 3. Grimm, Das staatliche Gewaltmonopol, in: Anders/Gilcher-Holtey (Hrsg.), Herausforderungen des staatlichen Gewaltmonopols, 2006, S. 18 (18). 55 Isensee, Staat und Verfassung, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 15 Rn. 87. 56 Isensee, Staat und Verfassung, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 15 Rn. 87. 57 Dreier, Gewalt – notwendiges Übel?, in: Jaeckel/Zabel/Zimmermann (Hrsg.), Grundrechtspolitik und Rechtswissenschaft, 2015, S. 63 (65). 58 Vgl. Isensee, Staat und Verfassung, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 15 Rn. 88. 59 Grimm, Das staatliche Gewaltmonopol, in: Anders/Gilcher-Holtey (Hrsg.), Herausforderungen des staatlichen Gewaltmonopols, 2006, S. 18 (20). 60 Waldhoff, Staat und Zwang, 2008, S. 17. 61 Behr, Gewalt und Polizei, APuZ 21 – 23/2019, 24 (24). 62 Isensee, Staat und Verfassung, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 15 Rn. 87. 63 Grimm, Das staatliche Gewaltmonopol, in: Anders/Gilcher-Holtey (Hrsg.), Herausforderungen des staatlichen Gewaltmonopols, 2006, S. 18 (18 f.). 64 Grimm, Das staatliche Gewaltmonopol, in: Anders/Gilcher-Holtey (Hrsg.), Herausforderungen des staatlichen Gewaltmonopols, 2006, S. 18 (19). 54
30
B. Polizeigewalt zwischen Legalität und Legitimität
gelingen kann, da das Recht gerade auch eine Zwangsordnung ist.65 Wenn also im öffentlichen Recht von Gewalt gesprochen wird, so ist damit zunächst einmal die legale Gewalt im Sinne der „potestas“-Gewalt gemeint,66 von der die „vis“-Gewalt einen schmalen Sektor bildet.67 Löst sich hingegen die „vis“-Gewalt von ihrer institutionalisierten Rechtsgrundlage, so bewegt sie sich letztlich außerhalb ihrer sektoralen Verankerung bei der „potestas“-Gewalt und sollte daher als rohe Gewalt68, als „violentia“,69 bezeichnet werden, die ihre Rechtfertigung verliert. Wendet man dieses Begriffsverständnis nun auf Polizeigewalt an, so kann auch diese begrifflich zunächst in mehreren Formen in Erscheinung treten. Sie kann, wenn sie von einer Rechtsnorm gedeckt ist, als „vis“- und „potestas“-Gewalt bezeichnet werden. Spricht man in diesem Kontext von Polizeigewalt, so ist also legale Polizeigewalt gemeint. Liegt hingegen ein Handeln vor, das nicht vom Gesetz gedeckt ist, liegt Polizeigewalt als „violentia“-Gewalt vor. Denn hier handelt der staatliche Akteur außerhalb der staatlichen Herrschaftsordnung. Es liegt also illegale Polizeigewalt vor. Für die vorzunehmende Untersuchung kann daher zunächst an jene polizeilichen Maßnahmen angeknüpft werden, die eine rechtswidrige, insbesondere unverhältnismäßige Gewaltanwendung zum Gegenstand haben.70 Polizeigewalt im engeren Sinne soll hier daher nur diese rechtswidrige polizeiliche Gewaltanwendung umschreiben, wohingegen der Begriff im weiteren Sinne jede physische Zwangsanwendung71 durch die Polizei erfasst. Bevor darauf eingegangen werden soll, was sich für Unterschiede mit Blick auf etwaige Implikationen dieser Gewalten ergeben, soll erläutert werden, was unter Polizei zu verstehen ist, wer also begrifflich der staatliche Akteur ist, der die Gewalt ausübt. 2. Polizeibegriff Zur Bestimmung dessen, was Polizei ist, haben sich im Öffentlichen Recht, ähnlich dem Verwaltungsbegriff,72 unterschiedliche Begriffe herausgebildet. Diese
65 Dreier, Gewalt – notwendiges Übel?, in: Jaeckel/Zabel/Zimmermann (Hrsg.), Grundrechtspolitik und Rechtswissenschaft, 2015, S. 63 (66 ff.). 66 Grimm, Das staatliche Gewaltmonopol, in: Anders/Gilcher-Holtey (Hrsg.), Herausforderungen des staatlichen Gewaltmonopols, 2006, S. 18 (18). 67 Isensee, Staat und Verfassung, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 15 Rn. 88. 68 Siehe hierzu Waldhoff, Staat und Zwang, 2008, S. 17. 69 Behr, Gewalt und Polizei, APuZ 21 – 23/2019, 24 (28). 70 Vgl. hierzu Pütter, Polizeiübergriffe, Bürgerrechte & Polizei/CILIP 67 (3/2000), 6 (6). 71 Siehe dazu, dass auch der Zwang zur Gewalt gehört und lediglich dessen juristische Verortung ist, Behr, Gewalt und Polizei, APuZ 21 – 23/2019, 24 (24). 72 Siehe hierzu unten D. I. 1.
I. Begriff der Polizeigewalt als Weichenstellung
31
sind allerdings nicht unbedingt alternativ zueinander,73 sondern können sich überschneiden.74 Für den materiellen Polizeibegriff ist die Gefahrenabwehr entscheidend.75 Unter diesen Begriff fallen alle Verwaltungstätigkeiten, die eine Gefahr abwehren.76 Die hierbei handelnde Stelle ist unerheblich.77 Der institutionelle bzw. organisatorische Polizeibegriff bezieht sich hingegen auf die Verwaltungsbehörden, die als Polizeibehörden bezeichnet werden.78 Eine derartige Bezeichnung findet sich in den jeweiligen landesgesetzlichen Regelungen.79 Der formelle Polizeibegriff wiederum stellt darauf ab, ob die Aufgabe von der Polizei im institutionellen Sinne wahrgenommen wird.80 Hier ist ebenfalls ein Blick in die landesgesetzlichen Regelungen hilfreich, welche die Aufgaben und Befugnisse den Polizeibehörden (im organisatorischen Sinne) zuordnen.81 Trotz dieser Aufspaltung des Polizeibegriffs besteht jedenfalls eine Deckung zwischen den Begriffen, wenn Beamtinnen und Beamte der Polizeiorganisation gefahrenabwehrend tätig werden.82 Für die vorliegende Arbeit bedarf es daher keiner weitergehenden Auseinandersetzung mit diesen Polizeibegriffen, da der Untersuchungsgegenstand in Form der Gesetzentwürfe und des eigenen Gesetzesvorschlages in eben jenen sich deckenden Bereich der Polizeibegriffe fällt. Ausgehend von der eingangs dargelegten Bürgerperspektive ist zudem maßgeblich, dass die gefahrenabwehrende Tätigkeit stark durch eine Zwangsordnung geprägt ist83 und somit eine besondere Sensibilität für den Bürger bedeutet, da mit dieser Tätigkeit schwerwiegende Eingriffe verbunden sind.84 Daher ist für die vorliegende Ausarbeitung die Abgrenzung von präventiver oder repressiver Tätigkeit nicht entscheidend, da letztere ebenfalls auf einer Zwangsordnung fußt. Für die vorliegende Untersuchung ist folglich unter Polizei der staatliche Akteur zu ver73
Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Auflage 2023, § 2 Rn. 7. Schoch, Polizei- und Ordnungsrecht, in: Schoch (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 16. Auflage 2018, S. 12 (14 Rn. 8). 75 Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, 12. Auflage 2022, § 1 Rn. 19. 76 Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Auflage 2023, § 2 Rn. 9. 77 Schoch, Polizei- und Ordnungsrecht, in: Schoch (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 16. Auflage 2018, S. 12 (14 Rn. 8). 78 Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, 12. Auflage 2022, § 1 Rn. 19, welche hierzu allerdings auch den formellen Polizeibegriff rechnen. 79 Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Auflage 2023, § 2 Rn. 10. 80 Schoch, Polizei- und Ordnungsrecht, in: Schoch (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 16. Auflage 2018, S. 12 (14 Rn. 8). 81 Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Auflage 2023, § 2 Rn. 8. 82 Schoch, Polizei- und Ordnungsrecht, in: Schoch (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 16. Auflage 2018, S. 12 (14 Rn. 9), welcher dies jedoch auf den materiellen und formellen Polizeibegriff bezieht, allerdings zugleich auch auf die Polizeiorganisation abstellt und somit letztlich den institutionellen Polizeibegriff in Bezug nimmt. 83 Vgl. Schoch, Polizei- und Ordnungsrecht, in: Schoch (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 16. Auflage 2018, S. 12 (68 Rn. 187). 84 Siehe hierzu sogleich B. I. 3. 74
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B. Polizeigewalt zwischen Legalität und Legitimität
stehen, der (jedenfalls in der Praxis) eine „allumfassende Ermächtigung zur Gewaltanwendung“ innehat.85 3. Besonderheiten polizeilicher Gewaltanwendung für die Bürgerinnen und Bürger Diese Gewaltanwendungsermächtigung hat auch konkrete Auswirkungen auf die Bürgerinnen und Bürger, die in der darauf beruhenden Gewaltanwendung liegen. Um die Besonderheiten polizeilicher Gewaltanwendung für die Bürgerinnen und Bürger treffend erfassen zu können, muss man sich bewusstmachen, dass durch den materiellen Polizeibegriff die Gefahrenabwehr eine prägende Bedeutung für das polizeiliche Handeln hat. Die Maßnahmen dieser Gefahrenabwehr wiederum sind stark durch Befehl und Zwang bestimmt und unterfallen regelmäßig dem Eingriffsverwaltungsrecht.86 Bei Grundrechtseingriffen des Eingriffsverwaltungsrechts, die im Rahmen eines dynamischen Geschehens ad hoc erfolgen, vermag die Bürgerin oder der Bürger nur noch im Nachhinein gerichtlichen Rechtsschutz zu erlangen, wenn bereits ein endgültiger und unumkehrbarer Grundrechtseingriff vorliegt.87 Je nach polizeilicher Maßnahme und Kontext kann auch ein besonders intensiver Grundrechtseingriff vorliegen, wie etwa im Falle einer öffentlich vollzogenen Maßnahme.88 Der Polizei obliegt damit im Inneren die intensivste Ausübung der Staatsgewalt.89 Bereits angesichts dessen liegt im Verhältnis zu anderen Verwaltungseinheiten eine stärker ausgeprägte nachträgliche Kontrolle nahe. An dieser Stelle ist jedoch zunächst einmal nur von Bedeutung, dass schon Polizeigewalt im weiteren Sinne besondere Wirkungen für die von ihr Betroffenen zeigt. Hiermit ist man nun bei dem Bereich angekommen, in dem sich die Implikationen des bisher herausgearbeiteten Polizeibegriffs erfassen lassen. 4. Polizeigewalt zwischen Legalität und Legitimität Bei der oben angesprochenen Ermächtigung zur Gewaltanwendung90 kann man auch von einer „Lizenz zur Gewaltausübung“ sprechen, die dazu führt, dass die
85
Brodeur, Gewalt und Polizei, in: Heitmeyer/Hagan (Hrsg.), Internationales Handbuch der Gewaltforschung, 2002, S. 259 (269) – Hervorhebungen im Original nicht übernommen. 86 Schoch, Polizei- und Ordnungsrecht, in: Schoch (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 16. Auflage 2018, S. 12 (68 Rn. 187). 87 Behrendes, Wechselwirkungen zwischen externer Kontrolle und interner Fehlerkultur der Polizei, Vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik 4/2013, 41 (42). 88 Behrendes, Wechselwirkungen zwischen externer Kontrolle und interner Fehlerkultur der Polizei, Vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik 4/2013, 41 (42). 89 Bäuerle, Strukturelle Grenzen von Steuerung und Kontrolle der Polizei in der Demokratie, Vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik 4/2013, 29 (29). 90 Siehe oben B. I. 2. einschließlich Fn. 84.
I. Begriff der Polizeigewalt als Weichenstellung
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Gewaltausübung durch die Polizei prima facie legal ist.91 Diese Legalität gilt allerdings nur auf den ersten Blick und ist stets im Verhältnis zur Gewaltausübung des Bürgers zu sehen. Denn für die Gewaltausübung durch die Polizei gilt, wie bei jeder anderen Ausübung von Staatsgewalt,92 dass sie begründungs- und rechtfertigungsbedürftig93 ist. Die grundgesetzlichen Freiheitsrechte machen nämlich jede Form der Freiheitsbeschränkung begründungsbedürftig und erlegen dem Staat eine Rechtfertigungslast auf.94 Diese Rechtfertigungslast erstreckt sich zunächst unbestreitbar auf die Legalität der Gewaltausübung, also auf die Vereinbarkeit mit Gesetzen (Rechtmäßigkeit).95 Die Kategorisierung der Gewaltausübung durch die Polizei nach „legal“ und „illegal“ vermag allerdings das Phänomen „Polizeigewalt“ nicht vollständig zu erfassen.96 Über die rechtliche Bewertung hinausgehend ist nämlich mit einer polizeilichen Maßnahme zugleich immer das Problem der Legitimität (Akzeptanz/Anerkennung)97 der Polizeiarbeit betroffen.98 Legalität und Legitimität stehen daher bei der Betrachtung von Polizeigewalt im Ausgangspunkt zunächst einmal gleichberechtigt nebeneinander. Die Legalitätsgewährleistung und die Legitimitätsermöglichung sind somit Ziele der Kontrollverfahren von Polizeigewalt.99 Sie werden erreicht, wenn die in dieser Arbeit herauszuarbeitenden Bewertungsmaßstäbe eingehalten werden. Während die Legalität auf die Rechtmäßigkeit, also die Vereinbarkeit mit Gesetzen, bezogen ist, ist die Legitimität ein soziales Phänomen.100 Sie entsteht durch Anerkennung/Akzeptanz.101 Der Begriff der Legitimität ermöglicht es, auch die
91 Gössner, Zu viel Macht – zu wenig Kontrolle, in: Busch/Roggan (Hrsg.), Das Recht in guter Verfassung?, FS Martin Kutscha, 2013, S. 195 (195). 92 Siehe zum Gewaltbegriff B. I. 1. und zum Begriff der Staatsgewalt D. I. 2. a). 93 Siehe zu dieser Pflicht des Staates im Allgemeinen Murswiek, Freiheitsrechte, in: Kube/ Mellinghoff/Morgenthaler/Palm/Puhl/Seiler (Hrsg.), Leitgedanken des Rechts zu Staat und Verfassung, 2015, § 19 Rn. 16. 94 Murswiek, Freiheitsrechte, in: Kube/Mellinghoff/Morgenthaler/Palm/Puhl/Seiler (Hrsg.), Leitgedanken des Rechts zu Staat und Verfassung, 2015, § 19 Rn. 16. 95 Siehe zu diesem Begriff von Legalität Di Fabio, Herrschaft und Gesellschaft, 2018, S. 38. 96 Pütter, Polizeiübergriffe, Bürgerrechte & Polizei/CILIP 67 (3/2000), 6 (7). 97 Di Fabio, Herrschaft und Gesellschaft, 2018, S. 39, 42; siehe zu diesem deskriptiven Begriff von Legitimität auch Möllers, Legalität, Legitimität und Legitimation des Bundesverfassungsgerichts, in: Jestaedt/Lepsius/Möllers/Schönberger, Das entgrenzte Gericht, 2011, S. 281 (297). 98 Siehe hierzu etwa Thurnes, Der Kaiser ist nackt! – Zur Zerbrechlichkeit polizeilicher Legitimität, Die Polizei 2016, 351 ff. 99 Siehe hierzu auch bereits oben A. I. 4. 100 Di Fabio, Herrschaft und Gesellschaft, 2018, S. 38. 101 Siehe Fn. 97.
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B. Polizeigewalt zwischen Legalität und Legitimität
gesellschaftlichen „Empfindungen“ zum Thema „Polizeigewalt“ zu berücksichtigen.102 Dies gilt zunächst einmal für die Betroffenen der polizeilichen Gewaltausübung selbst. Denn unabhängig von der Frage nach der Legalität polizeilicher Maßnahmen werden diese von den Betroffenen oft als ungerechtfertigt erlebt.103 Bereits geringfügige Eingriffe können vom Bürger als besonders gewaltsam wahrgenommen werden.104 Die nicht zu unterschätzende Besonderheit von polizeilicher Zwangsanwendung, insbesondere im Verhältnis zum Handeln anderer staatlicher Behörden,105 liegt zudem gerade in der besonderen Sensibilität des endgültigen, unumkehrbaren und (ggf.) intensiven Grundrechtseingriffs.106 Dieser für den Bürger besonders sensible Grundrechtseingriff verliert auch im Falle seiner (rechtlichen) Rechtfertigung nicht seinen Sensibilitätscharakter. Für ihn ist daher weiterhin die Legitimität erforderlich, soll das staatliche System nicht in Erosionstendenzen geraten. Denn Anerkennung kann zwar durch die faktische Gewalt, die für unvermeidlich gehalten wird, entstehen.107 Zu bedenken ist allerdings, dass Gewalt eine knappe Ressource ist, welche schnell erschöpft ist, wenn die staatliche Ordnung nicht auf Akzeptanz außerhalb der bloßen Faktizität von Gewaltpotentialen108 fußt, sondern regelmäßig der zwangsweisen Durchsetzung bedarf.109 Denn ist die zwangsweise Durchsetzung gegenüber Bürgerinnen und Bürgern der Dauerzustand, ist die Frage, ob diese zwangsweise Durchsetzung sämtliche Rechtsdurchsetzung quantitativ absichern kann – und wenn ja, wie lange. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass die Gewaltausübung von den Bürgerinnen und Bürgern irgendwann nicht mehr hingenommen wird. Das staatliche System sollte daher stets so operieren und kommunizieren, dass Legitimität, außerhalb der bloßen Faktizität, in jedem Fall möglich ist.110 Ein Staat, der auf den stetigen Einsatz von Polizeigewalt setzt, vermag
102
Pelzer/Ostermeier, Die Kontrolle von Polizeigewalt und das Problem der Legitimität des polizeilichen Gewalteinsatzes am Beispiel des 1. Mai 2009 in Berlin Kreuzberg, Krim. Journal 43 (2011), 186 (187). 103 Pelzer/Ostermeier, Die Kontrolle von Polizeigewalt und das Problem der Legitimität des polizeilichen Gewalteinsatzes am Beispiel des 1. Mai 2009 in Berlin Kreuzberg, Krim. Journal 43 (2011), 186 (187). 104 Thurnes, Der Kaiser ist nackt! – Zur Zerbrechlichkeit polizeilicher Legitimität, Die Polizei 2016, 351 (353). 105 Siehe hierzu auch C. II. 1. 106 Behrendes, Wechselwirkungen zwischen externer Kontrolle und interner Fehlerkultur der Polizei, Vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik 4/2013, 41 (42). 107 Di Fabio, Herrschaft und Gesellschaft, 2018, S. 44. 108 Di Fabio, Herrschaft und Gesellschaft, 2018, S. 44. 109 Grimm, Das staatliche Gewaltmonopol, in: Anders/Gilcher-Holtey (Hrsg.), Herausforderungen des staatlichen Gewaltmonopols, 2006, S. 18 (28); kritisch auch Di Fabio, Herrschaft und Gesellschaft, 2018, S. 44 f. 110 Di Fabio, Herrschaft und Gesellschaft, 2018, S. 44 f.
I. Begriff der Polizeigewalt als Weichenstellung
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keine große Legitimität hervorzubringen.111 Eine verstärkte Nachfrage nach Polizei kann sogar ein Krisensymptom für eine instabile Herrschaft sein.112 Dies bedeutet freilich nicht, dass der Einsatz von Gewalt nicht zulässig und nötig ist. Denn kein Staat besitzt eine derart hohe Legitimität, dass er auf den Gewalteinsatz in Gänze verzichten könnte.113 Allerdings kann eine niedrige Akzeptanz des Staates nur bis zu einem gewissen Grad durch den drohenden Gewalteinsatz erhöht werden, wohingegen gänzlich fehlende Akzeptanz nicht durch den Einsatz kompensiert werden kann.114 Klar ist daher, dass der Staat stets weiterer Legitimitätsquellen115 für seine Herrschaft bedarf. Zugleich muss man sich bewusstmachen, dass zwischen der Legitimität und der Gewalt eine sensible, leicht zerbrechliche Beziehung besteht. Die Gefahr der Legitimitätserodierung des staatlichen Systems macht deutlich, dass es nicht nur um die Wahrnehmungen und die Akzeptanz bei dem von der Gewalt Betroffenen selbst geht, sondern immer auch um das gesamtgesellschaftliche Erleben des staatlichen Gewalteinsatzes. Während die Akzeptanz bei dem von der Gewalt Betroffenen einfach zu ermitteln ist, da dieser befragt werden kann, ist die Akzeptanz bei (anderen) Gruppen schwerer feststellbar116. An dieser Stelle genügt zunächst das Bewusstsein, dass Gewalt auch ein destruktives Potential für die Legitimität des Staates besitzen kann.117 Die Polizei muss daher wegen ihrer Gewaltmonopolausübung besonders auf ihre „Makellosigkeit“ bedacht sein, soll ein Vertrauensverlust in die Institution „Polizei“ verhindert werden.118 Dieser Einsicht folgt die schwer zu beantwortende Frage nach dem Anknüpfungspunkt für die Legitimität. Denn die Legitimität kann je nach gesellschaftlicher Gruppe anders ausfallen. Für die vorliegende Ausarbeitung gibt es zwei eindeutige Anknüpfungspunkte sowie einen relativ offenen. Recht eindeutig ist es, bei der Kontrolle von Polizeigewalt sowohl auf die Legitimität bei den Betroffen als auch auf die Legitimität bei den Handelnden abzustellen. Denn wie oben erläutert, sind beide
111
Vgl. Isensee, Die Friedenspflicht der Bürger und das Gewaltmonopol des Staates, in: Müller/Rhinow/Schmid/Wildhaber (Hrsg.), Staatsorganisation und Staatsfunktionen im Wandel, FS Kurt Eichenberger, 1982, S. 23 (25). 112 Di Fabio, Herrschaft und Gesellschaft, 2018, S. 31 mit Fn. 8. 113 Grimm, Das staatliche Gewaltmonopol, in: Anders/Gilcher-Holtey (Hrsg.), Herausforderungen des staatlichen Gewaltmonopols, 2006, S. 18 (28). 114 Grimm, Das staatliche Gewaltmonopol, in: Anders/Gilcher-Holtey (Hrsg.), Herausforderungen des staatlichen Gewaltmonopols, 2006, S. 18 (28). 115 Siehe etwa zur Normativität als Legitimationsquelle Di Fabio, Herrschaft und Gesellschaft, 2018, S. 49 ff. 116 Vgl. Woiki, Gesetzgebungsoutsourcing unter dem Grundgesetz, 2016, S. 134; siehe auch Mehde, Neues Steuerungsmodell und Demokratieprinzip, 2000, S. 288. 117 Thurnes, Der Kaiser ist nackt! – Zur Zerbrechlichkeit polizeilicher Legitimität, Die Polizei 2016, 351 (356). 118 Kühne, Der Schutz des Bürgers vor der Polizei, in: Jung/Müller-Dietz (Hrsg.), Dogmatik und Praxis des Strafverfahrens, 1989, S. 47 (47).
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B. Polizeigewalt zwischen Legalität und Legitimität
gleichberechtigte Interaktionspartner der Gewaltausübung.119 Darüber hinaus ist bei der allgemeinen Öffentlichkeit anzusetzen. Da es schwer ist, die Legitimität bei der Öffentlichkeit zu ermitteln, sollte es darum gehen, dass vor allem eine Sensibilität für die Legitimität bei der Öffentlichkeit besteht. Es sollte also ein Kontrollforum geben, das versucht, diese Legitimität zu ermitteln, und gleichzeitig die Legitimationsmuster der handelnden Polizistinnen und Polizisten sowie der Betroffenen in einen Ausgleich zu bringen. Die gerade dargelegte Differenzierung zwischen Legalität und Legitimität und die Einsicht, dass Gewalt für Legitimität gefährlich sein kann, hilft, die Begriffe der Polizeigewalt im engeren und weiteren Sinne hinsichtlich ihrer Implikationen zu schärfen. Polizeigewalt i. e. S. birgt für die Legitimität und die Legalität besondere Herausforderungen, Polizeigewalt i. w. S. primär für die Legitimität. Die Legitimität und die Legalität von polizeilicher Gewaltanwendung können folglich divergieren.120 So kann sich ein Einsatz von Gewalt zwar als legal erweisen, aber dennoch dazu beitragen, dass er keine Legitimität bei den Betroffenen oder bei anderen gesellschaftlichen Gruppen erhält. Andersherum kann ein Gewalteinsatz auch illegal sein, aber dennoch bei den Betroffenen und anderen gesellschaftlichen Gruppen Legitimität erzeugen.
II. Die faktische Definitionsmacht der handelnden Polizistinnen und Polizisten Wie vorstehend erwähnt, vermag die Unterscheidung zwischen legaler und illegaler Polizeigewalt den Themenkomplex „Polizeigewalt“ nicht sachgerecht zu erfassen.121 Ferner bestehen aufgrund von Beweisfragen Probleme, die Unterscheidung zwischen legal und illegal in der Praxis eindeutig festzustellen.122 Des Weiteren zeitigt aber auch die auf die Legitimität bezogene Differenzierung zwischen legitimer und illegitimer Polizeigewalt Schwierigkeiten. Nicht nur ist Legitimität schwer messbar,123 es gibt, wie bereits erwähnt, zugleich unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen, die als Anknüpfungspunkt für die Frage nach der Legitimität in Bezug genommen werden können. Die Gruppe der handelnden Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten wird die Frage nach der Legitimität einer Gewaltanwendung ganz anders beantworten als die Gruppen der Betroffenen oder der 119
Siehe oben A. I. 6. Vgl. Behr, Implikationen und Folgen des Gewaltdiskurses für die Polizei und die Gesellschaft in Deutschland, Die Polizei 2016, 263 (264). 121 Siehe Fn. 96. 122 Feltes, Legitime und illegitime Gewaltanwendung durch die Polizei, in: Heitmeyer/ Schröttle (Hrsg.), Gewalt, 2006, S. 539 (539), welcher allerdings nicht dem hier zugrunde gelegten Begriff der Legitimität folgt, sondern seine Aussage auf die Legalität bezieht. 123 Vgl. Woiki, Gesetzgebungsoutsourcing unter dem Grundgesetz, 2016, S. 134; siehe auch Mehde, Neues Steuerungsmodell und Demokratieprinzip, 2000, S. 288. 120
II. Faktische Definitionsmacht der handelnden Polizistinnen u. Polizisten
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unbeteiligten Dritten. Daher gibt es kein allgemein anerkanntes Kriterium, nach dem festgestellt werden kann, ob illegitime Gewaltanwendung durch die Polizei vorliegt.124 Für die Polizistinnen und Polizisten spielt bei der Frage, ob ein legitimes Handeln oder ein Übergriff vorliegt, allerdings die Cop Culture eine wichtige Rolle.125 Eine Studie legt nahe, dass bei der Bewertung der polizeilichen Gewaltanwendung durch die Polizistinnen und Polizisten sogar die Legalität häufig durch Legitimität ersetzt wird.126 Für Letztere wiederum gibt die Cop Culture die „normativen“ Maßstäbe vor.127 Dies führt, gepaart mit der in der Praxis nicht immer leicht feststellbaren Unterscheidung zwischen legaler und illegaler Gewaltanwendung, zu einer „faktischen Definitionsmacht“128 der handelnden Polizistinnen und Polizisten bei der Bewertung der Frage, ob ein Übergriff vorliegt oder nicht. Denn zum einen gibt ihnen die Cop Culture für die Legitimität eine Richtschnur und somit eine Gewissheit, richtig gehandelt zu haben. Während die Legitimität bei den Bürgern nicht auf derartige Bewertungsstrukturen zurückgreifen kann und sich daher häufig als diffuser erweisen dürfte, was sowohl das innerliche Empfinden als auch die Kommunikation dessen nach außen betrifft, können die Polizistinnen und Polizisten nach außen überzeugend auftreten, da sie Handlungsmuster haben, die ihnen eine innerliche Überzeugung ermöglichen. Zum anderen spricht in den Fällen unklarer Legalität aufgrund der oben beschriebenen „Gewaltlizenz“129 gewissermaßen eine „Legalitätsvermutung“ (jedenfalls in tatsächlicher Hinsicht) für die handelnden Polizistinnen und Polizisten. Diese Definitionsmacht kann man nun entweder beseitigen, wie z. B. durch sog. Bodycams, die eine nachträgliche Rekonstruktion der Geschehnisse ermöglichen und somit helfen, die Legalität besser bewerten zu können, oder aber man stellt dieser faktischen Definitionsmacht ein weiteres rechtliches Definitionsforum durch eine Kontrollinstitution an die Seite, welches das Handeln im Nachhinein abschließend bewertet und insoweit kompensierend wirkt. Die Bewertung kann hierbei sowohl Fragen der Legalität behandeln als auch solche der Legitimität. Hierbei sollte es allerdings nicht um eine Vorverurteilung handelnder Beamtinnen und Beamten gehen. Wie eine Studie nahelegt, ist es nämlich schwierig, bei Polizeigewalt ausschließlich Täter und ausschließlich Opfer festzulegen.130 Insbesondere im Bereich 124
Brodeur, Gewalt und Polizei, in: Heitmeyer/Hagan (Hrsg.), Internationales Handbuch der Gewaltforschung, 2002, S. 259 (261). 125 Behr, Cop Culture – Der Alltag des Gewaltmonopols, 2. Auflage 2008, S. 196; siehe zu dieser ausführlich C. II. 3. 126 Feltes/Klukkert/Ohlemacher, „…, dann habe ich ihm auch schon eine geschmiert.“, MschKrim 90 (2007), 285 (301). 127 Siehe hierzu C. II. 2. b) sowie Fn. 268. 128 Pütter, Polizeiübergriffe, Bürgerrechte & Polizei/CILIP 67 (3/2000), 6 (8). 129 Siehe oben B. I. 4. einschließlich Fn. 91. 130 Klein, Interaktionsmuster im Rahmen von Gewalthandlungen gegen und durch Polizeibeamte, in: Feltes/Fischer (Hrsg.), Polizeiliche Ausbildung und polizeiliches Handeln, 2013, S. 129 (152).
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B. Polizeigewalt zwischen Legalität und Legitimität
von Demonstrationen stellt sich Polizeigewalt (i. e. S.) häufig als ein Ergebnis eines dynamischen Eskalationsgeschehens dar.131 Aber auch die alltägliche Polizeiarbeit der street cops und die dabei vorkommenden Fehler bzw. das dabei vorkommende Fehlverhalten ist regelmäßig in einen situativen Eskalationsprozess eingebettet.132 Polizeigewalt (i. e. S.) ist also regelmäßig keine von Seiten der Polizistinnen und Polizisten geplante oder aus heiterem Himmel erfolgende Aktion.133 Daher darf die zu etablierende Kontrollinstanz nicht einseitig zulasten der Beamtinnen und Beamten ausgestaltet sein; man darf auch nicht von vornherein vermuten, dass ein rechtswidriges Handeln der Polizistinnen oder Polizisten vorliegt. Sie muss vielmehr helfen, Eskalationsprozesse im Nachhinein zu entwirren und die individuellen Fehler bzw. das individuelle Fehlverhalten sowie die strukturellen Defizite dahinter festzustellen.134 Hierdurch kann dann sichergestellt werden, dass eine abschließende Bewertung nach der Legalität möglich ist, da sodann ein aufgearbeiteter Sachverhalt vorliegt. Zugleich kann hierdurch die jeweilige Legitimität bei den beiden einschlägigen gesellschaftlichen Gruppen der Polizistinnen und Polizisten und der Betroffenen beeinflusst werden, da hierdurch jedem Akteur sein eigenes Verhalten einschließlich der Folgen für den anderen vor Augen geführt und mit diesem gemeinsam reflexiv bewertet werden kann.
III. Konsequenzen und diskutierte Lösungsmöglichkeiten: Der Ruf nach einer externen Kontrolle und ihre Implikationen In der politischen und wissenschaftlichen Diskussion werden die Aspekte der Legalität und der Legitimität mit unterschiedlicher Akzentuierung bereits aufgegriffen und verschiedene Lösungsvorschläge dargeboten, um (u. a.) auch die Definitionsmacht auszugleichen. Es bietet sich an, hier zwischen dekonstruierenden, transparenzfördernden und kommunikativen Ansätzen zu unterscheiden.135 Die dekonstruierenden Ansätze stellen darauf ab, dass Legitimität zerbrechlich ist und daher ein besonderer Fokus auf den sensiblen Bürger-Polizei-Kontakt zu legen ist.136 Die transparenzfördernden Ansätze knüpfen hingegen nicht bei der alltäglichen 131 Pelzer/Ostermeier, Die Kontrolle von Polizeigewalt und das Problem der Legitimität des polizeilichen Gewalteinsatzes am Beispiel des 1. Mai 2009 in Berlin Kreuzberg, Krim. Journal 43 (2011), 186 (195). 132 Behrendes, Wechselwirkungen zwischen externer Kontrolle und interner Fehlerkultur der Polizei, Vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik 4/2013, 41 (44). 133 Behrendes, Wechselwirkungen zwischen externer Kontrolle und interner Fehlerkultur der Polizei, Vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik 4/2013, 41 (44). 134 Siehe zur diesbezüglichen Mangelhaftigkeit der Dienst- und Fachaufsicht E. II. 2. e) aa) (1). 135 Thurnes, Der Kaiser ist nackt! – Zur Zerbrechlichkeit polizeilicher Legitimität, Die Polizei 2016, 351 (354). 136 Thurnes, Der Kaiser ist nackt! – Zur Zerbrechlichkeit polizeilicher Legitimität, Die Polizei 2016, 351 (354).
III. Konsequenzen und diskutierte Lösungsmöglichkeiten
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Polizeiarbeit, sondern auf der strukturellen Ebene an.137 Auch sie gehen zunächst von der besonderen Sensibilität der Legitimität aus, die durch Polizeigewalt beschädigt werden kann, legen sodann allerdings den Schwerpunkt auf die nachträgliche Überprüfung der polizeilichen Maßnahmen.138 An dieser Stelle wird deutlich, dass die Ansätze sich auch überschneiden bzw. einander ergänzen können.139 Die dekonstruierenden Ansätze sind auf das temporär vorgelagerte Geschehen bezogen, welches durch die transparenzfördernden Ansätze dann im Nachgang erneut aufgegriffen wird. Zu den transparenzfördernden Ansätzen lassen sich daher alle Diskussionen rund um das Verhältnis von Polizei und Staatsanwaltschaft, die externe Kontrolle und die Kennzeichnungspflicht einordnen.140 Die kommunikativen Ansätze zielen hingegen auf die Öffnung der Polizeiarbeit für die Zivilgesellschaft, was durch die Einbeziehung von nicht-polizeilichen Angestellten oder durch das Erklären der Polizeiarbeit erfolgen kann.141 Für die vorliegende Untersuchung liegt der Fokus auf den transparenzfördernden Ansätzen in der Form der (externen) Kontrolle. Je nach Ausgestaltung der Kontrolle kommen hier allerdings auch Aspekte der dekonstruierenden und der kommunikativen Ansätze zum Tragen. Bei den transparenzfördernden Ansätzen wird die externe Kontrolle häufig diskutiert.142 Insbesondere die Institution des Polizeibeauftragten findet sich nicht nur in den Gesetzentwürfen wieder, sondern wird auch im wissenschaftlichen Diskurs aufgegriffen.143 Die externe Kontrolle (im obigen Sinne)144 birgt je nach konkreter Ausgestaltung etliche Probleme. Einige seien an dieser Stelle kurz aufgegriffen, um den argumentativen Rahmen aufzuzeigen. Das erste Problem, das eine externe Kontrollstelle zu bewältigen hat, liegt darin, dass die Sachverhaltsaufklärung sowie der Lernprozess aus Fehlern zwangsläufig darauf angewiesen sind, dass eine institutionelle Anbindung bzw. Kooperation in irgendeiner Art und Weise besteht.145 Ist die institutionelle Anbindung allerdings zu lose, besteht die Gefahr, dass der 137 Thurnes, Der Kaiser ist nackt! – Zur Zerbrechlichkeit polizeilicher Legitimität, Die Polizei 2016, 351 (355). 138 Thurnes, Der Kaiser ist nackt! – Zur Zerbrechlichkeit polizeilicher Legitimität, Die Polizei 2016, 351 (355). 139 Vgl. Thurnes, Der Kaiser ist nackt! – Zur Zerbrechlichkeit polizeilicher Legitimität, Die Polizei 2016, 351 (354). 140 Thurnes, Der Kaiser ist nackt! – Zur Zerbrechlichkeit polizeilicher Legitimität, Die Polizei 2016, 351 (355). 141 Thurnes, Der Kaiser ist nackt! – Zur Zerbrechlichkeit polizeilicher Legitimität, Die Polizei 2016, 351 (355). 142 Siehe hierzu die Nachweise in Fn. 14. 143 Siehe etwa Waechter, Brauchen wir einen Polizeibeauftragten?, ZRP 1986, 293 ff.; Brusten, Brauchen wir Polizeibeauftragte?, NK 9 (3/1997), 16 ff.; Aden, Polizeibeauftragte und Beschwerdestellen in Deutschland, Vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik 4/2013, 10 ff. 144 Siehe oben A. I. 2. einschließlich Fn. 16. 145 Aden, Polizeibeauftragte und Beschwerdestellen in Deutschland, Vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik 4/2013, 10 (11).
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B. Polizeigewalt zwischen Legalität und Legitimität
Lernprozess nicht sachgerecht begleitet werden kann. Hingegen kann eine zu enge institutionelle Anbindung dazu führen, dass die externe Stelle an Vertrauen in der Bevölkerung einbüßt, was eine unabhängige Sachverhaltsaufklärung betrifft. Ähnliches gilt auch für das Verhältnis zum Straf- und Disziplinarverfahren.146 Denn eine zu starke Ausrichtung der externen Stelle auf den Gedanken der Sanktionierung, also eine zu starke Angleichung an das Straf- und Disziplinarverfahren oder eine zu enge Verbindung zu diesem, kann Misstrauen bei den Polizistinnen und Polizisten hervorrufen und zu Konflikten mit der Solidaritätsstruktur führen.147 Daher muss etwa auch ein Polizeibeauftragter das Vertrauen der Polizei gewinnen können,148 was allerdings nicht auf Anhieb funktionieren muss, sondern sich auch prozesshaft entwickeln kann.149 Hingegen kann eine zu schwache oder inexistente Sanktionierungsmöglichkeit eine zahnlose externe Kontrolle etablieren, die weder bei den Polizistinnen und Polizisten noch bei den Bürgerinnen und Bürgern ausreichend Anerkennung findet. Die gerade dargelegten Implikationen, die mit einer externen Kontrolle verbunden sind, werden auch, wie gezeigt werden soll, anhand der herauszuarbeitenden Bewertungsmaßstäbe mit jeweils unterschiedlicher Akzentuierung abgearbeitet. Bevor diese ausführlich herausgearbeitet werden, soll noch auf einen verbreiteten Kritikpunkt eingegangen werden, der zugleich eine gute Überleitung zum nächsten Abschnitt bietet: der Generalverdacht. Gegen eine spezielle Kontrollinstitution lässt sich jedenfalls nicht an sich einwenden, dass diese die Polizistinnen und Polizisten unter einen Generalverdacht150 stellen würde.151 Zunächst einmal ist Misstrauen ein Bestandteil der Demokratie.152 Eine Kontrollinstitution an sich ist daher zunächst einmal aus demokratischer Sicht zu begrüßen. Problematisch wird es erst, wenn die konkrete Ausgestaltung den staatlichen Akteur unter einen Generalverdacht stellt. Daher ist ein genaues Augenmerk auf die konkrete Ausgestaltung zu richten. Der Vorwurf des Generalverdachts wird auch bei den konkreten Gesetzesvorschlägen erhoben und soll daher mit Blick auf die konkrete Ausgestaltung später erneut aufgegriffen werden. Gegen den abstrakten Einwand des Generalverdachts durch 146
Vgl. hierzu Aden, Polizeibeauftragte und Beschwerdestellen in Deutschland, Vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik 4/2013, 10 (15). 147 Aden, Polizeibeauftragte und Beschwerdestellen in Deutschland, Vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik 4/2013, 10 (15 ff.); ähnlich auch Brusten, Brauchen wir Polizeibeauftragte?, NK 9 (3/1997), 16 (18). 148 Lehne, Aus Fehlern lernen oder Fehlverhalten kontrollieren und sanktionieren?, in: Liebl (Hrsg.), Fehler und Lernkultur in der Polizei, 2004, S. 123 (136). 149 Vgl. hierzu Brusten, Brauchen wir Polizeibeauftragte?, NK 9 (3/1997), 16 (20). 150 Siehe etwa DPolG, Schriftliche Stellungnahme zur Öffentlichen Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 29. Mai 2017, Ausschussdrucksache 18(4)898 B, S. 6. 151 Gössner, Zu viel Macht – zu wenig Kontrolle, in: Busch/Roggan (Hrsg.), Das Recht in guter Verfassung?, FS Martin Kutscha, 2013, S. 195 (203). 152 Gössner, Zu viel Macht – zu wenig Kontrolle, in: Busch/Roggan (Hrsg.), Das Recht in guter Verfassung?, FS Martin Kutscha, 2013, S. 195 (203).
IV. Zusammenfassung
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eine spezielle Kontrollinstitution lässt sich zudem einwenden, dass eine staatliche Institution, welche über das Gewaltmonopol „verfügt“, zwangsläufig mit Korrelaten für die Gewaltmonopolausübung konfrontiert ist,153 um dieser Machtfülle Einhalt zu gebieten.154 Damit soll gesagt sein, dass die Etablierung spezifischer Kontrollinstitutionen für die Polizei wegen des Gewaltmonopols gerechtfertigt ist – jedenfalls die Etablierung an sich, die konkrete Ausgestaltung bedarf dann erneut einer besonderen Betrachtung. Weil die Polizei eng mit dem Gewaltmonopol verbunden ist, kann sie nicht ohne Weiteres mit anderen Verwaltungseinheiten verglichen werden. Wird also lediglich für die Polizei eine zusätzliche Kontrolle etabliert, bedeutet dies noch nicht, dass die Polizei im Verhältnis zu anderen Verwaltungseinheiten einem (ungerechtfertigten) Generalverdacht ausgesetzt wird. Vielmehr kann im Gewaltmonopol eine Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung gesehen werden. Welche Besonderheiten sich aus dem Gewaltmonopol ergeben, soll nachfolgend untersucht werden.
IV. Zusammenfassung Die vorausstehenden Ausführungen sollten helfen, sich dem Themenkomplex der Kontrolle von Polizeigewalt zu nähern. Hierfür wurde ein Begriffsverständnis von Polizeigewalt herausgearbeitet, das zwischen einem engen und einem weiten Begriff unterscheidet. Zur Polizeigewalt im engeren Sinne gehört die rechtswidrige Gewaltanwendung. Zur Polizeigewalt im weiteren Sinne gehören hingegen sämtliche physische Zwangsanwendungen. Diese Differenzierung hilft nicht nur, eine inhaltliche Klarheit zu erhalten, sondern ermöglicht, eine Differenzierung der Folgen von Polizeigewalt besser erfassen zu können. Gemeint ist die Unterscheidung zwischen den Folgen für die Legalität und die Legitimität. Letzteres ist bereits wegen der Auswirkungen für den von der Gewalt Betroffenen maßgeblich, die sich bei der Polizeigewalt nicht allein mit der Kategorie der Legalität erfassen lassen. Zugleich reicht die gemeinte Legitimität allerdings über die Legitimität durch den von der Gewalt Betroffenen hinaus. Die Gewaltanwendung steht nämlich in einem sensiblen Verhältnis zum Staat, der hierbei auch immer seine gesamtgesellschaftliche Legitimität im Blick haben muss, möchte er nicht in Erosionstendenzen geraten. Das Problem der Legitimität liegt allerdings in der Schwierigkeit ihrer Bestimmung. Für die vorliegende Ausarbeitung kann – und muss – jedoch unproblematisch an die Gruppe der Betroffenen und an die Gruppe der handelnden Polizistinnen und Polizisten angeknüpft werden. Der vorausstehende Abschnitt hat dadurch zunächst einmal den Kontrollgegenstand „Polizeigewalt“ umrissen. Zugleich wurde einführend aufgezeigt, was für Lösungsvorschläge möglich sind, um die Legalität und die Legitimität von Poli153
Siehe hierzu unten C. I. 2. b). Vgl. Gössner, Zu viel Macht – zu wenig Kontrolle, in: Busch/Roggan (Hrsg.), Das Recht in guter Verfassung?, FS Martin Kutscha, 2013, S. 195 (203). 154
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B. Polizeigewalt zwischen Legalität und Legitimität
zeigewalt durch Kontrollverfahren zu erfassen. Die externen Kontrollen zeigen zugleich einige Problemlagen, die es im Auge zu behalten gilt. Nachdem nun feststeht, was unter Polizeigewalt zu verstehen ist und wo deren Implikationen liegen, kann man sich mit dem Gewaltmonopol, in dessen Rahmen die Polizeigewalt erfolgt, befassen.
C. Verhältnis von Polizei, Gewalt und Gewaltmonopol Wie bereits mehrfach erwähnt, liegt ein besonderes Augenmerk der Arbeit auf dem staatlichen Gewaltmonopol. Dieses führt dazu, dass bei der Kontrolle von Polizeigewalt etliche Besonderheiten zu beachten sind, die bei der Kontrolle von anderen Verwaltungsakteuren nicht im gleichen Maße gelten. Das Gewaltmonopol führt auf einer normativen sowie auf einer tatsächlichen Ebene zu Aspekten, die den Kontrollgegenstand „Polizeigewalt“ besonders prägen und daher auf die Kontrollverfahren durchschlagen. Nachfolgend soll zunächst aufgezeigt werden, was das Gewaltmonopol ist und wie es im Grundgesetz verankert ist. Dies ist die normative Seite der Betrachtung. Im Anschluss soll untersucht werden, was die Ausübung des Gewaltmonopols durch die Polizei auf der tatsächlichen Ebene für Besonderheiten bereithält. An dieser Stelle sei erneut erwähnt, dass die normative (rechtliche und staatsphilosophische) und die tatsächliche Ebene des Gewaltmonopols zwei Seiten derselben Medaille sind und daher beide gleichermaßen zu beachten sind.155
I. Gewaltmonopol des Staates Die oben dargelegte „vis“-Gewalt156 ist Gegenstand des Gewaltmonopols.157 Die den Gegenstand dieser Untersuchung prägende Institution „Polizei“158 wird oft als Inhaberin des Gewaltmonopols eingeordnet.159 Letzteres wird insbesondere auch von den Gesetzesvorhaben zur Etablierung eines Polizeibeauftragen auf Bundesebene betont.160 In der politischen Diskussion unterbleibt jedoch meistens eine genaue Definition des Gewaltmonopols161 und eine Klärung dessen, welche Folgen mit der Verknüpfung von Polizei und Gewaltmonopol verbunden sind. Eine Klärung ist allerdings unerlässlich, wenn man staatliche Kontrollformen für Polizeigewalt abschließend bewerten möchte. Denn das Gewaltmonopol prägt die Polizei und die 155
Siehe bereits oben A. I. 5. Siehe oben B. I. 1. 157 Isensee, Staat und Verfassung, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 15 Rn. 87; Klein, Staatliches Gewaltmonopol, in: Depenheuer/ Grabenwarter (Hrsg.), Verfassungstheorie, 2010, § 19 Rn. 2. 158 Siehe zum Polizeibegriff B. I. 2. 159 Heuer, Gewaltmonopol, in: Lange (Hrsg.), Wörterbuch zur Inneren Sicherheit, 2006, S. 107 (108). 160 BT-Drs. 18/7616, S. 1; BT-Drs. 19/7928, S. 1; siehe auch unten E. II. 1. b). 161 Heuer, Gewaltmonopol, in: Lange (Hrsg.), Wörterbuch zur Inneren Sicherheit, 2006, S. 107 (108). 156
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C. Verhältnis von Polizei, Gewalt und Gewaltmonopol
Polizeigewalt auf unterschiedlichen Ebenen und somit auch die auf diesen Kontrollgegenstand bezogenen Kontrollformen. Das Gewaltmonopol hat sowohl auf einer normativen, also rechtlichen und staatsphilosophischen, als auch auf einer tatsächlichen Ebene Auswirkungen. Letzteres wird insbesondere im Kontext der Cop Culture deutlich.162 Nachfolgend soll ein Blick auf die rechtlichen und staatsphilosophischen Folgerungen des Gewaltmonopols geworfen werden. Ausgangspunkt hierfür kann nur das Grundgesetz sein: Die Verfassung setzt das Gewaltmonopol voraus und bindet es zugleich auf der Ausübungsebene.163 Um dies zu verstehen, hilft es, sich zu verdeutlichen, wie sich der Begriff des Gewaltmonopols entwickelt hat. Dazu sollen einzelne prominente Entwicklungsschritte und Denker hervorgehoben werden. 1. Ursprung des Gewaltmonopols Mit „Gewaltmonopol“164 wird eine Begrifflichkeit von Max Weber abgekürzt.165 Ein bekanntes Zitat von ihm hierzu lautet: „Staat ist diejenige menschliche Gemeinschaft, welche innerhalb eines bestimmten Gebiets – dies: das ,Gebiet‘, gehört zum Merkmal – das Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit für sich (mit Erfolg) beansprucht. Denn das der Gegenwart Spezifische ist: daß man allen anderen Verbänden oder Einzelpersonen das Recht zur physischen Gewaltsamkeit nur so weit zuschreibt, als der Staat sie von ihrer Seite zuläßt: er gilt als alleinige Quelle des ,Rechts‘ auf Gewaltsamkeit.“166
Aus diesem Zitat lassen sich zwei wichtige Erkenntnisse ziehen. Zum einen kommt dem Begriff bei Weber nichts Normatives zu.167 Er macht vielmehr mit dem Bezug auf das „der Gegenwart Spezifische“ einen analytischen Bezug seiner Ausführungen deutlich.168 Zum anderen wird durch den Bezug auf die „alleinige Quelle des ,Rechts‘ auf Gewaltsamkeit“ klar, dass das Gewaltmonopol eng mit der jewei-
162
Siehe hierzu C. II. 2. b) aa). Grimm, Das staatliche Gewaltmonopol, in: Anders/Gilcher-Holtey (Hrsg.), Herausforderungen des staatlichen Gewaltmonopols, 2006, S. 18 (26). 164 Siehe für eine grundsätzliche Kritik am Gewaltmonopol Möllers, Staat als Argument, 2. Auflage 2011, S. 272 ff. 165 Heuer, Gewaltmonopol, in: Lange (Hrsg.), Wörterbuch zur Inneren Sicherheit, 2006, S. 107 (108). 166 Weber, Politik als Beruf, in: Mommsen/Schluchter (Hrsg.), Studienausgabe der MaxWeber-Gesamtausgabe, Band I/17, 1994, S. 36 – Hervorhebungen im Original nicht übernommen. 167 Pieroth, Das staatliche Gewaltmonopol – ein Verfassungsrechtssatz?, in: Gutmann/ Pieroth (Hrsg.), Die Zukunft des staatlichen Gewaltmonopols, 2011, S. 53 (53). 168 Vgl. Heuer, Gewaltmonopol, in: Lange (Hrsg.), Wörterbuch zur Inneren Sicherheit, 2006, S. 107 (108 f.). 163
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ligen Rechtsordnung verknüpft und insoweit variabel ist.169 Das Gewaltmonopol muss dem demokratischen Verfassungsstaat angepasst werden,170 möchte man seine heutige Bedeutung in der Rechtsordnung unter dem Grundgesetz erfassen: Ein Gedanke, der letztlich bereits bei Max Weber zu finden ist. Für die Anpassung des Gewaltmonopols an das Grundgesetz ist zunächst ein Blick auf die historische Entstehung des Gewaltmonopols und dessen ursprüngliche Bedeutung hilfreich, um anschließend dessen Verankerung im Grundgesetz aufzuzeigen. Hierdurch wird deutlich, welche historischen Gedanken dem Gewaltmonopol heute noch anhaften. Bereits vor Max Weber fand das Gewaltmonopol der Sache nach Eingang in die Staatstheorie, indem es dort mit dem Begriff der Souveränität verknüpft wurde.171 Beide Begriffe hängen daher eng zusammen, ohne allerdings identisch zu sein.172 Die Entstehung des Gewaltmonopols ist als ein Prozess zu begreifen.173 Dieser Prozess erfuhr durch die konfessionellen Bürgerkriege eine Beschleunigung dahingehend, dass das Bestehen einer Vielzahl selbständiger Gewaltträger durch die Konzentration der Herrschaftsrechte abgelöst wurde.174 Der Gedanke dahinter war, dass nur derjenige, der mächtig genug war, sich auch gegen die Eigenmacht anderer durchzusetzen, Toleranz verbreiten konnte.175 Die Souveränität wurde hier zum Inbegriff für die einheitliche öffentliche Gewalt.176 Die Folge dieser Gewaltkonzentration war allerdings nicht nur der Gewaltverzicht, sondern auch die Aufgabe aller übrigen Rechte.177 Der Gedanke der Souveränität war folglich eng mit dem Absolutismus verknüpft.178 Es war sodann John Lockes Verdienst, diesem Gedanken als Korrelat den Gedanken der staatlichen Machtbegrenzung an die Seite zu stellen.179 169 Pieroth, Das staatliche Gewaltmonopol – ein Verfassungsrechtssatz?, in: Gutmann/ Pieroth (Hrsg.), Die Zukunft des staatlichen Gewaltmonopols, 2011, S. 53 (54); dass hierdurch der Begriff des Gewaltmonopols zirkulär werde, meint Möllers, Staat als Argument, 2. Auflage 2011, S. 276. 170 Vgl. Klein, Staatliches Gewaltmonopol, in: Depenheuer/Grabenwarter (Hrsg.), Verfassungstheorie, 2010, § 19 Rn. 6. 171 Schwegmann, Idee und Entstehung des staatlichen Gewaltmonopols, VR 1987, 217 (217). 172 Grimm, Das staatliche Gewaltmonopol, in: Anders/Gilcher-Holtey (Hrsg.), Herausforderungen des staatlichen Gewaltmonopols, 2006, S. 18 (19). 173 Grimm, Das staatliche Gewaltmonopol, in: Anders/Gilcher-Holtey (Hrsg.), Herausforderungen des staatlichen Gewaltmonopols, 2006, S. 18 (22). 174 Grimm, Das staatliche Gewaltmonopol, in: Anders/Gilcher-Holtey (Hrsg.), Herausforderungen des staatlichen Gewaltmonopols, 2006, S. 18 (22). 175 Schwegmann, Idee und Entstehung des staatlichen Gewaltmonopols, VR 1987, 217 (220). 176 Grimm, Das staatliche Gewaltmonopol, in: Anders/Gilcher-Holtey (Hrsg.), Herausforderungen des staatlichen Gewaltmonopols, 2006, S. 18 (23). 177 Grimm, Das staatliche Gewaltmonopol, in: Anders/Gilcher-Holtey (Hrsg.), Herausforderungen des staatlichen Gewaltmonopols, 2006, S. 18 (23). 178 Schwegmann, Idee und Entstehung des staatlichen Gewaltmonopols, VR 1987, 217 (220).
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Um die korrelative Wirkung der staatlichen Machtbegrenzung zu verwirklichen, ist eine gedankliche Differenzierung hilfreich: Es ist zwischen der Innehabung des Gewaltmonopols auf der einen und dessen Ausübung auf der anderen Seite zu unterscheiden.180 Nur weil dem Staat das Gewaltmonopol zukommt, bedeutet dies noch nicht, dass er es nach Belieben einsetzen darf.181 Das Gewaltmonopol bedarf daher für seine Ausübung einer Zwecksetzung, die nur im jeweiligen Verfassungsrecht zu finden ist. Der Gedanke der historischen Entwicklung, dass das Bestehen des Gewaltmonopols Korrelate bedarf, soll nachfolgend für das Grundgesetz aufgezeigt werden. Es soll gezeigt werden, dass nicht nur in der historischen Entstehung, sondern auch unter der aktuellen Verfassungsordnung das Gewaltmonopol immer komplementäre Institute besitzt; sie ergänzen dieses auf der Ausübungsebene, um so eine Machtbegrenzung zu ermöglichen. 2. Gewaltmonopol unter dem Grundgesetz a) Demokratie und Rechtsstaat als Grundlage für das Bestehen des Gewaltmonopols und die Friedenspflicht des Bürgers als Konsequenz Als Grundlage des Gewaltmonopols unter dem Grundgesetz dienen Demokratie und Rechtsstaat.182 Das Gewaltmonopol zielt zunächst auf die Schaffung einer Freiheitsordnung durch inneren Frieden183 – Frieden verstanden als Abwesenheit von physischer Gewalt.184 Da Freiheit allerdings unter der grundgesetzlichen Ordnung immer auch die gleiche demokratische Freiheit meint, zielt das Gewaltmonopol zugleich darauf ab, den demokratischen Kommunikationsprozess durch die Abwe-
179 Dietlein, Polizei- und Ordnungsrecht, in: Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in Nordrhein-Westfalen, 9. Auflage 2022, § 3 Rn. 2; siehe hierzu auch Götz, Innere Sicherheit, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 3. Auflage 2006, § 85 Rn. 19. 180 Grimm, Das staatliche Gewaltmonopol, in: Anders/Gilcher-Holtey (Hrsg.), Herausforderungen des staatlichen Gewaltmonopols, 2006, S. 18 (23); Haack, Gewaltmonopol, in: Kühnhardt/Mayer (Hrsg.), Bonner Enzyklopädie der Globalität, 2017, S. 1153 (1155); ähnlich auch Isensee, Die Friedenspflicht der Bürger und das Gewaltmonopol des Staates, in: Müller/ Rhinow/Schmid/Wildhaber (Hrsg.), FS Kurt Eichenberger, 1982, S. 23 (34). 181 Grimm, Das staatliche Gewaltmonopol, in: Anders/Gilcher-Holtey (Hrsg.), Herausforderungen des staatlichen Gewaltmonopols, 2006, S. 18 (23). 182 Siehe hierzu Klein, Staatliches Gewaltmonopol, in: Depenheuer/Grabenwarter (Hrsg.), Verfassungstheorie, 2010, § 19 Rn. 14 f. – m. w. N. 183 Klein, Staatliches Gewaltmonopol, in: Depenheuer/Grabenwarter (Hrsg.), Verfassungstheorie, 2010, § 19 Rn. 14. 184 Isensee, Die Friedenspflicht der Bürger und das Gewaltmonopol des Staates, in: Müller/ Rhinow/Schmid/Wildhaber (Hrsg.), FS Kurt Eichenberger, 1982, S. 23 (32).
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senheit privater Gewalt zu ermöglichen.185 Beides, der Schutz der individuellen und der demokratischen Freiheit, verlangt zunächst eine Friedenspflicht des Bürgers.186 Daher ist mit dem Gewaltmonopol zunächst auch nur der Gedanke verbunden, dass der Bürger auf die Durchsetzung seiner Interessen mit Gewalt verzichtet.187 Die demokratische und rechtsstaatliche Grundlage ist im Hinterkopf zu behalten, wenn nachfolgend ein Blick auf die Korrelate geworfen wird. Denn entsprechend dieser Grundlagen des Gewaltmonopols lassen sich auch die Korrelate jeweils diesen Grundlagen zuordnen. b) Korrelate für die Ausübung des Gewaltmonopols aa) Allgemeine Justizgewährung und Rechtsschutzgarantie als rechtsstaatliche Korrelate Da die Friedenspflicht letztlich nur die Entstehungsebene des Gewaltmonopols betrifft, bedarf es im Interesse der Machtbegrenzung eines Korrelats für die Ausübungsebene. Als Kehrseite des Gewaltmonopols und der Friedenspflicht bestehen daher die allgemeine Justizgewährung und die Rechtsschutzgarantie.188 In den Worten des Bundesverfassungsgerichts: „In der Gerichtsbarkeit prägen sich innerstaatliches Gewaltverbot und staatliches Gewaltmonopol aus.“189
Diese Aussage gewinnt umso mehr an Bedeutung, wenn man bedenkt, dass das Gewaltmonopol durch Gesetze, etwa die Polizeigesetze, zu einer rechtlich verfassten Kompetenz wird.190 Dies macht deutlich, dass das Rechtsstaatsprinzip das Gewaltmonopol vorgibt und zugleich begrenzt.191 Hier schließt sich der Kreis zur obigen Definition von Max Weber, der mit dem Begriff der „Quelle des ,Rechts‘ auf Ge185 Vgl. Klein, Staatliches Gewaltmonopol, in: Depenheuer/Grabenwarter (Hrsg.), Verfassungstheorie, 2010, § 19 Rn. 15; siehe auch Di Fabio, Das Recht offener Staaten, 1998, S. 138. 186 Vgl. Klein, Staatliches Gewaltmonopol, in: Depenheuer/Grabenwarter (Hrsg.), Verfassungstheorie, 2010, § 19 Rn. 3. 187 Grimm, Das staatliche Gewaltmonopol, in: Anders/Gilcher-Holtey (Hrsg.), Herausforderungen des staatlichen Gewaltmonopols, 2006, S. 18 (23). 188 Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 26 Rn. 71; siehe auch Isensee, Die Friedenspflicht der Bürger und das Gewaltmonopol des Staates, in: Müller/Rhinow/Schmid/Wildhaber (Hrsg.), FS Kurt Eichenberger, 1982, S. 23 (26): „Der Rechtsschutz, den der Staat gewährleistet, bildet den Ausgleich für die Friedenspflicht des Bürgers.“ 189 BVerfGE 54, 277 (292). 190 Klein, Staatliches Gewaltmonopol, in: Depenheuer/Grabenwarter (Hrsg.), Verfassungstheorie, 2010, § 19 Rn. 19. 191 Wißmann, Verfassungsrechtliche Vorgaben der Verwaltungsorganisation, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 2. Auflage 2012, § 15 Rn. 58.
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waltsamkeit“192 der jeweiligen Rechtsordnung eine besondere Bedeutung beim Gewaltmonopol beimisst.193 In welchem Umfang das Gewaltmonopol also besteht, bestimmt sich aus dem Grundgesetz und den (verfassungskonformen) Gesetzen.194 Nur eine Ausübung des Gewaltmonopols, die sich im Rahmen der Gesetze bewegt, also etwa die konkreten Aufgaben- und Befugnisnormen des Polizeirechts einhält, verdient verfassungsrechtliche Anerkennung. Alles andere ist nicht mehr die das Gewaltmonopol erfassende „vis“-Gewalt als Teil der „potestas“-Gewalt, sondern illegale „violentia“.195 Aus dieser Überlegung wird deutlich, dass auf der Ausübungsebene des Gewaltmonopols die Rechtsschutzgarantie als Kehrseite der Friedenspflicht und des Gewaltmonopols gefordert ist. Denn nur so hat der Bürger die Möglichkeit, die Einhaltung des rechtlichen Rahmens des Gewaltmonopols überprüfen zu lassen. Sowohl Friedenspflicht als auch Rechtsschutzgarantie lassen sich indes auch dem Grundgesetz entnehmen und sind eng mit dem Rechtsstaatsprinzip verbunden. Als systemimmanente Voraussetzungen lassen sich etwa die Gehorsamspflicht aus den Art. 70 ff. GG zur Gesetzgebung und das Verbot privater Rechtsdurchsetzung aus der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG entnehmen.196 Denn die Etablierung einer staatlichen Gesetzgebungskompetenz wäre überflüssig, wenn der Bürger das Recht hätte, selbst zu entscheiden, welche der im Rahmen der Gesetzgebungskompetenz erlassenen Gesetze er beachtet und welche nicht. Ähnliches gilt auch für die Rechtsschutzgarantie. Dieser bedürfte es nicht, wenn der Bürger das Recht hätte, seine Interessen selbst durchzusetzen. Sowohl die Gehorsamspflicht als auch das Verbot privater Rechtsdurchsetzung sind Konkretisierungen einer allgemeinen Friedenspflicht. Im Wege eines Umkehrschlusses lässt sich aus Art. 20 Abs. 4 GG eine grundsätzliche Friedenspflicht herleiten.197 Denn einer Etablierung eines Widerstandsrechtes bedarf es nur, wenn von einer Friedenspflicht auszugehen ist. Aus der Ausnahme des Art. 20 Abs. 4 GG kann daher auf die allgemeine Regel geschlossen werden.198 Für diese Friedenspflicht lässt sich zudem Art. 8 GG anführen.199 Dort ist geregelt, dass Deutsche das Recht haben, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Vom Grundrecht wird also nur die friedliche Ausübung der Versamm192
Siehe Fn. 166. Siehe hierzu oben C. I. 1. einschließlich Fn. 169. 194 Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Auflage 2017, § 3 Rn. 71 195 Siehe hierzu oben B. I. 1. 196 Dietlein, Polizei- und Ordnungsrecht, in: Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in Nordrhein-Westfalen, 9. Auflage 2023, § 3 Rn. 3. 197 Dietlein, Polizei- und Ordnungsrecht, in: Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in Nordrhein-Westfalen, 9. Auflage 2022, § 3 Rn. 3. 198 Vgl. Dietlein, Polizei- und Ordnungsrecht, in: Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in Nordrhein-Westfalen, 9. Auflage 2022, § 3 Rn. 3. 199 Dietlein, Polizei- und Ordnungsrecht, in: Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in Nordrhein-Westfalen, 9. Auflage 2022, § 3 Rn. 3. 193
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lungsfreiheit erfasst.200 Da dies nur ein besonderer Ausschnitt der Freiheitsausübung ist, nämlich die Versammlungsfreiheit, kann Art. 8 GG nicht für sich allein betrachtet eine allgemeine, auf sämtliche Freiheitsbereiche übertragbare Friedenspflicht begründen. Er begründet jedoch als Teil einer systematischen, die bereits angesprochenen Grundgesetzbestimmungen einbeziehenden Auslegung eine allgemeine Friedenspflicht. Diese Friedenspflicht dient als Anknüpfungspunkt für zwei weitergehende, nachfolgend aufgegriffene Überlegungen. bb) Staatliche Schutzpflichten Die Friedenspflicht führte oben zusammen mit dem Gewaltmonopol zur Anerkennung einer Rechtsschutzgarantie und einer allgemeinen Justizgewährung.201 Die Rechtsschutzgarantie soll primär dem staatlichen Handeln bei der Ausübung des Gewaltmonopols Grenzen aufzuzeigen. Allerdings macht bereits der allgemeine Justizgewährungsanspruch, der auch den Bereich zwischen Privaten erfasst,202 deutlich, dass noch eine andere Stoßrichtung denkbar ist – das Verhältnis der Bürger untereinander. Verzichtet der Bürger auf die selbständige Rechtsdurchsetzung und ist einer Friedenspflicht unterworfen, so macht ihn dies verletzlich gegenüber Privaten, die gegen diese Pflicht verstoßen. Diese Machtlosigkeit, der sich der Einzelne durch das Friedensgebot ausgesetzt sieht, wird durch eine staatliche Schutzpflicht gegenüber seinen Rechten und Rechtsgütern kompensiert.203 Die staatliche Schutzpflicht wiederum lässt sich ebenfalls dem Grundgesetz entnehmen. Sie ist explizit in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG festgehalten und wird über die objektiven Grundrechtsgehalte auch Teil des dogmatischen Gehalts der anderen Grundrechte.204 Das Grundrecht des Art. 8 GG verdeutlicht diesen Gedanken besonders gut. Ist die Versammlung nämlich friedlich und waffenlos abzuhalten, führt die daraus resultierende Schutzlosigkeit sogleich zur Notwendigkeit einer staatlichen Schutzpflicht für die Versammlung. Daher besteht gerade bei Art. 8 GG ein Schutz durch den Staat vor (rechtswidrigen) Übergriffen von Privaten.205 Somit folgt aus der Friedenspflicht nicht nur eine Rechtsschutzgarantie gegen die öffentliche Gewalt, sondern zugleich auch eine Schutzpflicht der öffentlichen Gewalt. 200
Klein, Staatliches Gewaltmonopol, in: Depenheuer/Grabenwarter (Hrsg.), Verfassungstheorie, 2010, § 19 Rn. 16. 201 Siehe hierzu C. I. 2. b) aa). 202 Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 26 Rn. 71. 203 Klein, Staatliches Gewaltmonopol, in: Depenheuer/Grabenwarter (Hrsg.), Verfassungstheorie, 2010, § 19 Rn. 21. 204 Dietlein, Polizei- und Ordnungsrecht, in: Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in Nordrhein-Westfalen, 9. Auflage 2022, § 3 Rn. 3. 205 Depenheuer, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG-Kommentar, Lfg. 93 Oktober 2020, Art. 8 Rn. 122.
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cc) Exkurs: Staatsaufgabe „Innere Sicherheit“ Diese Schutzpflicht wird bisweilen auch über den grundgesetzlichen Gehalt hinaus ausgedehnt. So wird mit Hinweis auf das staatliche Gewaltmonopol eine notwendige Staatsaufgabe der Gewährleistung der inneren Sicherheit206 angenommen.207 An dieser Stelle ist jedoch genau zwischen Staatstheorie und Verfassungsrecht zu differenzieren.208 Der staatstheoretische Befund, dass es aufgrund des Gewaltmonopols eine Staatsaufgabe der inneren Sicherheit geben müsse, vermag nur soweit auf das Verfassungsrecht durchzuschlagen, als er auch Ergebnis der Verfassungsauslegung ist. Wie dargelegt, kann eine grundrechtliche Schutzpflicht sowohl explizit als auch durch Auslegung, wie an Art. 8 GG gezeigt, im Grundgesetz nachgewiesen werden. Soweit die Grundrechte es also gebieten,209 gibt es eine Staatsaufgabe der Gewährleistung der inneren Sicherheit,210 allerdings kein Grundrecht auf innere Sicherheit211.212 Die auf den Schutz des Einzelnen ausgerichtete Grundrechtsdogmatik konkretisiert die Staatsaufgabe der inneren Sicherheit zur Gefahrenabwehr, welche ein Teil der inneren Sicherheit ist.213 Diese Gefahrenabwehraufgabe, die als Kernaufgabe des Staats bezeichnet werden kann,214 ist jedenfalls Gegenstand des Verfassungsrechts:215 „Die Sicherheit des Staates als verfasster Friedens- und Ordnungsmacht und die von ihm zu gewährleistende Sicherheit der Bevölkerung vor Gefahren für Leib, Leben und Freiheit sind Verfassungswerte, die mit anderen hochwertigen Gütern im gleichen Rang stehen […]. Die Schutzpflicht findet ihren Grund sowohl in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 als auch in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG […]. Der Staat kommt seinen verfassungsrechtlichen Aufgaben nach, indem er Gefahren durch terroristische oder andere Bestrebungen entgegen tritt.“216
206 Siehe für einen Überblick der unterschiedlichen Begründungsansätze Thiel, Die „Entgrenzung“ der Gefahrenabwehr, 2011, S. 149 ff. 207 Schoch, Polizei- und Ordnungsrecht, in: Schoch (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 16. Auflage 2018, S. 12 (33 Rn. 65 f.); Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Auflage 2023, § 1 Rn. 1. 208 Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 2. Auflage 2012, 5. Kapitel Rn. 11; vgl. hierzu auch Thiel, Die „Entgrenzung“ der Gefahrenabwehr, 2011, S. 140 f. 209 Ähnlich auch Thiel, Die „Entgrenzung“ der Gefahrenabwehr, 2011, S. 149. 210 Hingegen stellt Götz, Innere Sicherheit, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 3. Auflage 2006, § 85 Rn. 22, 24, für die Begründung der Schutzaufgabe auf den Rechtsstaat ab und zieht die Grundrechte „lediglich“ für die Begründung des Staatsziels heran. 211 Siehe hierzu ausführlich Thiel, Die „Entgrenzung“ der Gefahrenabwehr, 2011, S. 157 f. 212 Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 2. Auflage 2012, 5. Kapitel Rn. 15. 213 Schoch, Polizei- und Ordnungsrecht, in: Schoch (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 16. Auflage 2018, S. 12 (34 Rn. 67). 214 Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Auflage 2023, § 1 Rn. 1. 215 Vgl. Schoch, Polizei- und Ordnungsrecht, in: Schoch (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 16. Auflage 2018, S. 12 (34 Rn. 68 ff.). 216 BVerfGE 120, 274 (319).
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dd) Diskursermöglichung als demokratisches Korrelat Die zweite Überlegung, die an die (versammlungsrechtliche) Friedenspflicht anknüpft, führt zum Demokratieprinzip, das ebenfalls dazu beiträgt, das Gewaltmonopol auf der Ausübungsebene zu bändigen. Um diese Funktion des Demokratieprinzips zu verstehen, ist zunächst ein Blick auf die demokratische Bedeutung der Versammlungsfreiheit hilfreich. Versammlungen sind ein politisches Mittel217 und haben eine prägende Bedeutung für den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung218. In den vielzitierten219 Worten Konrad Hesses: „Insofern sind sie [die Versammlungen; Anmerkung des Verfassers] wesentliches Element demokratischer Offenheit; sie enthalten ein Stück ursprünglich-ungebändigter unmittelbarer Demokratie, das geeignet ist, den politischen Betrieb vor Erstarrung in geschäftiger Routine zu bewahren.“220
Der Gedanke der Friedlichkeit macht im Kontext der Versammlungen deutlich, dass kein Prozess der gewalttätigen Kompensierung des politischen Kampfes gewollt ist.221 Also kein Wettbewerb, in dem der eine im Interesse der öffentlichen Aufmerksamkeit versucht, den anderen und dessen Gewalttätigkeit zu übertrumpfen.222 Bei diesem auf Private bezogenen Gedanken kann man allerdings nicht verharren. Vielmehr ist der Blick auch auf die staatliche Gewalt zu lenken, die diesen gewaltfreien Diskursrahmen für die politische Meinungsbildung schaffen soll. An dieser Stelle ist in Erinnerung zu rufen, dass das Gewaltmonopol aufgrund seiner demokratischen Wurzel die demokratische Kommunikation unter Freien und Gleichen ermöglichen soll.223 Das Gewaltmonopol soll also nicht nur die individuelle Freiheit schützen, sondern auch die demokratische Freiheit ermöglichen. Dies bedeutet dann allerdings auch, dass sich seine Ausübung an dieser Zwecksetzung messen lassen muss. Dies geschieht in zweierlei Hinsicht: Zum einen ist zu fragen, ob der Einsatz des Gewaltmonopols den Diskurs unter Freien und Gleichen tatsächlich ermöglicht hat. Zum anderen ist eine Gewaltanwendung, die diesen demokratischen Diskurs zum Erliegen bringt, immer besonders rechtfertigungsbedürftig. 217 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Neudruck der 20. Auflage 1999, § 12 Rn. 404, welcher allerdings von Kampfmittel spricht. 218 BVerfGE 104, 92 (104). 219 So auch vom Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 69, 315 [346 f.]). 220 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Neudruck der 20. Auflage 1999, § 12 Rn. 404. 221 Vgl. Depenheuer, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Lfg. 48 November 2006, Art. 8 Rn. 80; ähnlich auch in der Neukommentierung Depenheuer, in: Dürig/Herzog/Scholz, GGKommentar, Lfg. 93 Oktober 2020, Art. 8 Rn. 86 f. 222 Vgl. Depenheuer, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG-Kommentar, Lfg. 48 November 2006, Art. 8 Rn. 80; ähnlich auch in der Neukommentierung Depenheuer, in: Maunz/Dürig, GGKommentar, Lfg. 93 Oktober 2020, Art. 8 Rn. 86 f. 223 Siehe Fn. 185.
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Exemplarisch lässt sich dies an einer Versammlungsauflösung erläutern. Aus rechtsstaatlicher Perspektive greifen hier die Versammlungsgesetze, die hierfür eine rechtliche Rechtfertigung geben. Allerdings ist mit der angesprochenen Rechtfertigungsbedürftigkeit nicht nur die rechtsstaatliche Wurzel des Gewaltmonopols angesprochen. Die Ausübung des Gewaltmonopols muss sich auch an seiner demokratischen Wurzel messen lassen. Mit Blick auf Versammlungen bedeutet dies etwa, dass mit einer rechtlich zulässigen Versammlungsauflösung eine rechtliche Rechtfertigung vorliegt; durch die Auflösung ist allerdings zugleich der demokratische Diskurs, der durch die Versammlung ermöglicht wurde und durch das Gewaltmonopol eigentlich aufrechterhalten werden sollte, beendet worden. Dieser Diskurs kann nun allerdings – zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort und mit anderen Modalitäten – wieder aufgenommen werden, indem etwa eine neue Versammlung abgehalten wird. Stellt man sich exemplarisch vor, dass die Versammlungsauflösung allerdings derart gewaltsam erfolgte, dass sie das eigentliche kommunikative Anliegen der Versammlung in den Hintergrund treten lässt und nun selbst den Mittelpunkt des demokratischen Diskurses bildet, wie es etwa bei „Stuttgart 21“ der Fall war, wird deutlich, dass sich durch die Ausübung des Gewaltmonopols der demokratische Diskurs auch verschieben kann. Dies ist zunächst einmal für den ursprünglichen Diskurs bedenklich, da dessen originäres Anliegen dadurch verloren gehen kann. Darüber hinaus entsteht hierdurch ein Bedürfnis nach einem neuen Diskurs über die Ausübung des Gewaltmonopols. An dieser Stelle wird erkennbar, worin der Mehrwert des demokratischen Gedankens des Gewaltmonopols für die Bändigung des Gewaltmonopols auf der Ausübungsebene liegt: Die konkrete Ausübung des Gewaltmonopols muss die Möglichkeit haben, Eingang in den politischen Diskurs zu bekommen, wenn sie eine demokratische Kommunikation unterbindet. Es muss also auch über die gewaltsame Auflösung der Versammlung diskutiert werden können. Neben die rechtliche Rechtfertigung durch die Versammlungsgesetze tritt die demokratische Rechtfertigung, die sich in der Form eines demokratischen Diskurses auf die Gewaltmonopolausübung bezieht. Dies ist sachgerecht, wenn man bedenkt, dass dort, wo Gewalt herrscht, das Gespräch, die Kommunikation verstummt.224 Diese Kommunikation, welche durch das Gewaltmonopol geschützt werden soll, bedarf nach der Ausübung des Gewaltmonopols, wenn diese die Kommunikation beendet hat, einer erneuten Aufnahme, die dann auch die „Gewaltfrage“ miterfassen sollte. Denn nur wenn hierfür Kommunikationsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, kann auch der ursprüngliche Diskurs unbeeinflusst von einer thematischen Verschiebung wieder aufgenommen werden. Maßgeblich ist also, den ursprünglichen Diskurs ungestört wieder aufnehmen zu können und das Bedürfnis nach einem zweiten, neuen Diskurs über den Gewalteinsatz zu befriedigen. An Letzteres kann dann etwa ein separates Kontrollverfahren anknüpfen und dies ermöglichen. 224 Dreier, Gewalt – notwendiges Übel?, in: Jaeckel/Zabel/Zimmermann (Hrsg.), Grundrechtspolitik und Rechtswissenschaft, 2015, S. 63 (63).
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Diese exemplarische Erläuterung gilt allgemein und nicht nur im Rahmen von Art. 8 GG. Denn überall dort, wo eine politische Meinungsbildung erfolgt, können die gerade beschriebenen Abläufe eintreten. Das Gewaltmonopol, genauer gesagt: dessen Ausübung, muss daher dem demokratischen Diskurs zugänglich sein. 3. Zusammenfassung: Das Gewaltmonopol und seine komplementären Institute Die vorherigen Ausführungen haben eines deutlich gemacht: Das Gewaltmonopol kann nie für sich allein betrachtet werden, es hat mehrere komplementäre Institute. Bereits der kurze historische Aufriss hat gezeigt, dass neben dem Gewaltmonopol Korrelate zur Machtbegrenzung bestehen. Unter dem Grundgesetz gibt es hier rechtsstaatliche und demokratische Korrelate, die im Falle der Ausübung des Gewaltmonopols greifen. Zu den rechtsstaatlichen Korrelaten zählen unter anderem die allgemeine Justizgewährung für Streitigkeiten zwischen Privaten und die Schutzpflicht des Staates. Denn durch seine Friedenspflicht ist der Bürger besonders auf den Staat angewiesen. Er verzichtet auf die Anwendung von Gewalt zur Rechtsdurchsetzung und ist somit einerseits der Gewaltanwendung Dritter ausgeliefert, andererseits für seine Rechtsdurchsetzung auf den Staat angewiesen. Diese rechtsstaatlichen Korrelate haben eine kompensierende225 Funktion und sind (vor allem) auf das Verhältnis der Bürger untereinander bezogen. Für die vorliegende Untersuchung sind jedoch die Korrelate von Relevanz, die ihre Wirkungen primär und unmittelbar im Verhältnis zu dem das Gewaltmonopol ausübenden Staat zeigen. Ziel ist es, die mit der konkreten Ausübung des Gewaltmonopols verbundene Macht zu bändigen. Aus rechtsstaatlicher Perspektive wirkt hier als Korrektiv226 die Rechtsschutzgarantie (Art. 19 Abs. 4 GG). Die Ausübung des Gewaltmonopols darf nur im Rahmen der Verfassung und der Gesetze erfolgen. Der Bürger muss daher die Möglichkeit haben, genau dies überprüfen zu lassen. Das Gewaltmonopol bewegt sich jedoch nicht nur in der Sphäre des Rechtsstaatsprinzips, es steht auch in einem engen Zusammenhang zum Demokratieprinzip. Die Ausübung des Gewaltmonopols soll einen Diskurs zwischen Freien und Gleichen ermöglichen. Ist dies eine Funktion des Gewaltmonopols, so bedeutet das zugleich, dass auch diese Funktion sich auf die Ausübungsebene durchschlägt. Gemeint ist hiermit, dass sich das im Interesse des demokratischen Diskurses bestehende Gewaltmonopol auch im Rahmen dieses Diskurses rechtfertigen muss, wenn es eben jenen Diskurs zum Erliegen bringt. Dies gelingt, indem der politische Kommunikationsprozess, der durch die Ausübung des Gewaltmonopols unterbrochen wurde, wieder aufgenommen und auch auf die konkrete Ausübung des Gewaltmonopols erstreckt wird. 225 226
Siehe zu diesem Begriff unten D. I. 2. b). Siehe zu diesem Begriff unten D. I. 2. b).
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C. Verhältnis von Polizei, Gewalt und Gewaltmonopol
II. Polizei als Akteur des Gewaltmonopols Das Gewaltmonopol ist kein abstrakter Begriff, der sich im institutionsleeren Raum bewegt. Vielmehr ist das Gewaltmonopol eng mit handelnden Akteuren und Institutionen verbunden. Als geläufige „Inhaber“ des Gewaltmonopols werden Polizei und Militär angeführt.227 Nachfolgend soll ein Blick auf die Polizei als Akteur des staatlichen Gewaltmonopols228 und auf ihre Gewaltausübung geworfen werden, um hieraus Bewertungsmaßstäbe für die Kontrolle von Polizeigewalt gewinnen zu können. Wurde zuvor untersucht, welche normativen Konsequenzen aus dem Gewaltmonopol folgen, stellt sich nun die Frage, welche Konsequenzen in tatsächlicher Hinsicht aus der Gewaltmonopolausübung zu ziehen sind. Denn ausgehend von der eingangs erwähnten Zweipoligkeit,229 kann man nicht bei den Anforderungen des Sollens, die aus dem Gewaltmonopol folgen, stehenbleiben. Ebenso wichtig sind die Folgen für den Arbeitsalltag der Gewaltmonopolausübung. 1. Eine durch Spannungslagen gekennzeichnete besondere Einsatzsituation für die handelnden Polizistinnen und Polizisten Wie oben ausgeführt wurde, lässt sich die Gefahrenabwehr, die für den materiellen Polizeibegriff maßgeblich ist, als Staatsaufgabe dem Grundgesetz entnehmen.230 Sie fällt unter die (staatsphilosophisch begründbare) Staatsaufgabe der inneren Sicherheit.231 Die innere Sicherheit ist ein Dach- und Sammelbegriff für unterschiedliche Einzelaufgaben.232 Für diese besteht jedoch in der Verwaltung keine Generalzuständigkeit.233 Denn es gibt nicht nur eine Funktionentrennung nach der Gewaltenteilung,234 sondern auch eine Funktionenausdifferenzierung innerhalb der Verwaltung.235 Die Gefahrenabwehr ist hierbei eine dieser Funktionen, die durch den materiellen Polizeibegriff von den anderen Funktionen gelöst und sodann der Polizei – neben den hier nicht den Untersuchungsgegenstand bildenden Ordnungsbehörden – zugeteilt wird.236 Polizei stellt sich aus dieser Perspektive als eine spezifische
227 Heuer, Gewaltmonopol, in: Lange (Hrsg.), Wörterbuch zur Inneren Sicherheit, 2006, S. 107 (108). 228 Bosch/Grutzpalk, Kontrolle der Polizei, pbp-Webseite vom 03. 09. 2015, zuletzt abgerufen am 30. 07. 2021. 229 Siehe hierzu oben A. I. 5. 230 Siehe oben C. I. 2. b) cc) Exkurs. 231 Siehe oben C. I. 2. b) cc) Exkurs insbesondere Fn. 213. 232 Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, 12. Auflage 2022, § 2 Rn. 1. 233 Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, 12. Auflage 2022, § 2 Rn. 2. 234 Siehe hierzu unten D. I. 5. 235 Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, 12. Auflage 2022, § 2 Rn. 2. 236 Vgl. Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, 12. Auflage 2022, § 2 Rn. 2.
II. Polizei als Akteur des Gewaltmonopols
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Verwaltungsfunktion dar.237 Dieses Spezifische, das stark durch den Charakter der Gefahrenabwehr geprägt ist, soll nachfolgend genauer betrachtet werden. Die polizeilichen Handlungen zeigen insbesondere zwei Besonderheiten: zum einen für Bürgerinnen und Bürgern und zum anderen für handelnde Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte. Die Besonderheiten für die Polizistinnen und Polizisten sind eng mit den Situationen verbunden, in denen die Handlungen vorgenommen werden. Ausgangspunkt dieser ist zunächst einmal die Möglichkeit der Anwendung von Gewalt,238 ohne dass hiermit gesagt sein soll, dass die Gewaltanwendung die Hauptaufgabe der Polizei sei.239 Die Besonderheiten für die Bürgerinnen und Bürger erstrecken sich hingegen vor allem auf die bereits dargelegten Wirkungen der Gewaltanwendung. Die Situationen und die Handlungen der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten sind, jedenfalls im präventiven Bereich, vor allem durch unterschiedliche Spannungslagen gekennzeichnet.240 Es beginnt mit der Bestimmung des Gegenübers, die anders als bei anderen Verwaltungseinheiten häufig situativ und interaktiv erfolgen muss.241 Hiermit sind zugleich weitere Spannungslagen verbunden. Zu nennen sind die Spannungslagen von einer unbestimmten, durch mangelnde Informationen242 geprägten Situation auf der einen und dem Erfordernis der produktiven Lösung dieser Situation auf der anderen Seite sowie der einzelfallorientierten Vorgehensweise auf der einen und dem Erfordernis der Anpassung an das Allgemeine auf der andere Seite.243 Die unbestimmten Situationen zeichnen sich zudem durch einen hohen Zeitdruck aus, unter dem eine Entscheidung gefällt werden muss.244 Zugleich sind die Situationen entweder durch die Möglichkeit, sich bereits in einer gesundheitsbzw. lebensbedrohlichen Gefahrensituation zu befinden,245 oder durch die Mög-
237 Schoch, Polizei- und Ordnungsrecht, in: Schoch (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 15. Auflage 2013, S. 125 (139 Rn. 22). 238 Siehe zu dieser Besonderheit der Polizei Wilz, Die Polizei als Organisation, in: Apelt/ Tacke (Hrsg.), Handbuch Organisationstypen, 2012, S. 113 (113). 239 Denninger, Die Polizei im Verfassungsgefüge, in: Bäcker/Denninger/Graulich (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 7. Auflage 2021, S. 67 (72 Rn. 2). 240 Vgl. Wilz, Die Polizei als Organisation, in: Apelt/Tacke (Hrsg.), Handbuch Organisationstypen, 2012, S. 113 (114). 241 Wilz, Die Polizei als Organisation, in: Apelt/Tacke (Hrsg.), Handbuch Organisationstypen, 2012, S. 113 (126). 242 Vera/Jablonowski, Organisationskultur der Polizei, in: Stierle/Wehe/Siller (Hrsg.), Handbuch Polizeimanagement, Band I, 2017, S. 475 (484). 243 Wilz, Die Polizei als Organisation, in: Apelt/Tacke (Hrsg.), Handbuch Organisationstypen, 2012, S. 113 (114). 244 Vera/Jablonowski, Organisationskultur der Polizei, in: Stierle/Wehe/Siller (Hrsg.), Handbuch Polizeimanagement, Band I, 2017, S. 475 (484). 245 Vera/Jablonowski, Organisationskultur der Polizei, in: Stierle/Wehe/Siller (Hrsg.), Handbuch Polizeimanagement, Band I, 2017, S. 475 (484).
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C. Verhältnis von Polizei, Gewalt und Gewaltmonopol
lichkeit des Entstehens einer gewaltsamen Interaktion246 geprägt. Neben der Berücksichtigung der eigenen Gefahrensituation befinden sich die Beamtinnen und Beamten in der wechselreichen Spannungslage zwischen dem Schutz der Bürgerinnen und Bürger und dem Schutz des Staates.247 Es ist logische Konsequenz dieser zahlreichen unterschiedlichen Spannungslagen, in denen die Beamtinnen und Beamten agieren, dass das Handeln zwar rechtlich reguliert ist, zugleich aber eine hohe Autonomie der handelnden Beamtinnen und Beamten bei der Durchführung erfordert.248 Im Arbeitsalltag der Polizei ist es dem Gesetz nicht möglich, jede denkbare Eventualität, wie die beschriebenen Spannungslagen gestaltet sein können, zu erfassen und einen Handlungsrahmen vorzugeben. Ein Gesetz kann nicht festlegen, ab wann die Möglichkeit der Gewaltanwendung durch ein Gegenüber zu einer gewissen Wahrscheinlichkeit wird und Handlungsbedarf auf Seiten der Beamtinnen und Beamten besteht oder ab wann ausreichend Informationen vorliegen, um eine produktive Lösung einer Situation herbeiführen zu können. Aus Sicht der handelnden Beamtinnen und Beamten fehlt es insoweit an einem weitergehenden Handlungsrahmen, der den das Handeln gesetzlich determinierenden Rahmen nicht verdrängt oder ersetzt, sondern schlicht ergänzt. Diese „Lücke“ bei der Durchführung wird insbesondere durch implizites Wissen und Erfahrungen ausgeglichen.249 Hier setzt die unter anderem mündlich überlieferte Cop Culture an und gibt einen (weiteren) Handlungsrahmen vor.250 Angesichts ihrer herausgehobenen Bedeutung wird sie sogleich gesondert behandelt.251 An dieser Stelle genügt es, sich bewusst zu machen, dass polizeiliche Handlungen nicht stets in einem das Handeln in jeder Hinsicht determinierenden rechtlichen Handlungsrahmen erfolgen, sondern wegen der besonderen Situationen, in denen sie vorgenommen werden, auch einen gewissen tatsächlichen Freiraum252 auf der Durchführungsebene belassen. Diese Durchführungsebene zeichnet sich gerade durch eine (potentielle) Gefahrensituation für die Beamtinnen und Beamten aus, die durch einen den gesetzlichen Rahmen ergänzenden Handlungsrahmen erfasst werden muss. Jener Handlungsrahmen hat dann allerdings, soweit er nicht mit dem gesetzlichen Rahmen im Widerspruch steht, bereits eine besondere Berechtigung. Denn die geschilderten besonderen Situationen
246
Wilz, Die Polizei als Organisation, in: Apelt/Tacke (Hrsg.), Handbuch Organisationstypen, 2012, S. 113 (114, 126). 247 Wilz, Die Polizei als Organisation, in: Apelt/Tacke (Hrsg.), Handbuch Organisationstypen, 2012, S. 113 (122). 248 Wilz, Die Polizei als Organisation, in: Apelt/Tacke (Hrsg.), Handbuch Organisationstypen, 2012, S. 113 (122). 249 Vgl. Wilz, Die Polizei als Organisation, in: Apelt/Tacke (Hrsg.), Handbuch Organisationstypen, 2012, S. 113 (124). 250 Behr, Korpsgeist oder Binnenkohäsion?, Die Polizei 2010, 317 (318 f.). 251 Siehe hierzu C. II. 2. 252 Siehe zum Bestehen von Freiräumen auch Briken, Policing by numbers: New Police Management und Gewaltmonopol, in: Loick (Hrsg.), Kritik der Polizei, 2018, S. 235 (243).
II. Polizei als Akteur des Gewaltmonopols
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für die Polizistinnen und Polizisten sind Folge des Gewaltmonopols und des Umstandes, dass der Staat Akteure benötigt, die im Alltag Gewalt anwenden.253 2. Polizeiinterne Organisationskultur (Polizeikultur und Polizistenkultur [Cop Culture]) Nachfolgend soll ein Blick auf die Cop Culture geworfen werden, die den gerade angesprochenen Handlungsrahmen liefert. Um diese allerdings zutreffend einordnen zu können, wird ein theoretischer Überbau zu Organisationskulturen vorangestellt. Vorab sollte allerdings bereits festgehalten werden, dass die Cop Culture nicht nur negative, sondern auch positive Aspekte hat.254 Denn schließlich ermöglicht sie den Arbeitsalltag des Gewaltmonopols und hilft bei der Bewältigung der soeben beschriebenen besonderen Handlungssituationen von Polizistinnen und Polizisten. Die nachfolgenden Ausführungen sollen daher weder ein rein negatives noch ein ausschließlich positives Bild der Cop Culture zeichnen; sie sind zunächst vor allem deskriptiv gemeint. a) Organisationskulturen und Subkulturen Organisationskulturen sind stets individuell.255 Sie sind spezifische Vorstellungsund Orientierungsmuster einer Organisation, die sich im Laufe der Zeit herausgebildet haben.256 Je nach Struktur einer Organisation bilden sich auch Subkulturen, die gruppenspezifisch bzw. abteilungsspezifisch geprägt sind und somit nur einen Teil der Organisationsmitglieder umfassen.257 Diese müssen nicht zwangsweise zu einem abweichenden Deutungssystem führen.258 Da allerdings Organisationskulturen ganz allgemein auf einer emotionalen wie auf einer kognitiven Ebene selten von den Organisationsmitgliedern reflektiert werden und somit eine Beharrungstendenz aufweisen,259 liegt es nahe, dass auch den Subkulturen eine widerständige Komponente anhaftet.260 Sie können somit auch zu einer Gegenkultur werden.261 Die Be253
Siehe hierzu den Abschnitt zur Legitimität unter B. I. 4. Vgl. Klein, Interaktionsmuster im Rahmen von Gewalthandlungen gegen und durch Polizeibeamte, in: Feltes/Fischer (Hrsg.), Polizeiliche Ausbildung und polizeiliches Handeln, 2013, S. 129 (149). 255 Vgl. Vera/Jablonowski, Organisationskultur der Polizei, in: Stierle/Wehe/Siller (Hrsg.), Handbuch Polizeimanagement, Band I, 2017, S. 475 (477). 256 Vera/Jablonowski, Organisationskultur der Polizei, in: Stierle/Wehe/Siller (Hrsg.), Handbuch Polizeimanagement, Band I, 2017, S. 475 (477) – m. w. N. 257 Vera/Jablonowski, Organisationskultur der Polizei, in: Stierle/Wehe/Siller (Hrsg.), Handbuch Polizeimanagement, Band I, 2017, S. 475 (480). 258 Behr, Korpsgeist oder Binnenkohäsion?, Die Polizei 2010, 317 (318). 259 Vera/Jablonowski, Organisationskultur der Polizei, in: Stierle/Wehe/Siller (Hrsg.), Handbuch Polizeimanagement, Band I, 2017, S. 475 (477, 487). 260 Behr, Korpsgeist oder Binnenkohäsion?, Die Polizei 2010, 317 (318). 254
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C. Verhältnis von Polizei, Gewalt und Gewaltmonopol
harrungstendenzen bedeuten freilich nicht, dass Organisationskulturen nicht dynamisch und wandelbar sind, jedenfalls soweit eine Umweltveränderung in Frage steht.262 Ausgenommen hiervon sind Professionskulturen, bei denen eine reflexartige Ablehnung von Umwelteinflüssen naheliegt.263 Bei einer gezielten Veränderung ist auch bei Organisationskulturen im Allgemeinen die Anpassungsfähigkeit nicht ganz so eindeutig zu beurteilen und in der Fachliteratur umstritten.264 Eine genauere Auseinandersetzung bedarf es für die vorliegende Untersuchung nicht. Es reicht das Bewusstsein, dass Organisationskulturen auch eine Wandelbarriere sein können, deren erfolgreiche Überwindung nicht immer vorausgesagt werden kann, die allerdings stets eine sensible Berücksichtigung organisationskultureller Aspekte verlangt.265 Darüber hinaus ist es naheliegend, dass auch die Wandlungsfähigkeit einer Organisationskultur, wie diese selbst, individuell ist. Um die Frage nach der Wandlungsfähigkeit für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand beantworten bzw. besser einordnen zu können, ist daher die Organisationskultur der Polizei entscheidend. b) Polizeikultur und Polizistenkultur (Cop Culture) aa) Cop Culture als Folge der Gewaltmonopolausübung Möchte man die Organisationskultur der Polizei feststellen, reicht es nicht aus, einfach die Verwaltungskultur heranzuziehen.266 Zum einen sind Organisationskulturen, wie ausgeführt, stets individuell. Es erscheint daher zu grobmaschig, einfach bei der Verwaltung im Allgemeinen anzusetzen. Zum anderen hat die Polizei aufgrund ihrer Nähe zum staatlichen Gewaltmonopol und der damit verbundenen Präsenz von Gewalt eine stark ausgeprägte individuelle Organisationskultur.267 Das Gewaltmonopol trägt zugleich wesentlich dazu bei, dass sich bei der Polizei Subkulturen herausbilden, da nicht alle Beamtinnen und Beamten gleichen Anteil an der Gewaltmonopolausübung haben bzw. Gewalt im Arbeitsalltag auch selbst anwenden. Der Alltag des Gewaltmonopols ist nämlich, anders als bei anderen Verwal261 Vera/Jablonowski, Organisationskultur der Polizei, in: Stierle/Wehe/Siller (Hrsg.), Handbuch Polizeimanagement, Band I, 2017, S. 475 (480). 262 Vera/Jablonowski, Organisationskultur der Polizei, in: Stierle/Wehe/Siller (Hrsg.), Handbuch Polizeimanagement, Band I, 2017, S. 475 (487). 263 Dübbers, Kultur der Polizei – The Next Generation, in: Stierle/Wehe/Siller (Hrsg.), Handbuch Polizeimanagement, Band I, 2017, S. 419 (423). 264 Vera/Jablonowski, Organisationskultur der Polizei, in: Stierle/Wehe/Siller (Hrsg.), Handbuch Polizeimanagement, Band I, 2017, S. 475 (487) – m. w. N. 265 Vgl. Vera/Jablonowski, Organisationskultur der Polizei, in: Stierle/Wehe/Siller (Hrsg.), Handbuch Polizeimanagement, Band I, 2017, S. 475 (488 f.). 266 Vgl. Vera/Jablonowski, Organisationskultur der Polizei, in: Stierle/Wehe/Siller (Hrsg.), Handbuch Polizeimanagement, Band I, 2017, S. 475 (483). 267 Vera/Jablonowski, Organisationskultur der Polizei, in: Stierle/Wehe/Siller (Hrsg.), Handbuch Polizeimanagement, Band I, 2017, S. 475 (483).
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tungseinheiten, nicht nur durch die Bürokratie und dessen Normen geprägt, sondern zugleich durch die „Normen“ der street cops, der handarbeitenden Polizistinnen und Polizisten.268 Der Begriff der Normen ist hier bewusst in Anführungszeichen gesetzt: Bezeichnet ist in diesem Kontext nicht der Begriff einer Norm oder der Normativität, wie er bei Juristen üblicherweise gebraucht wird; vielmehr ist an dieser Stelle und in diesem Kontext die Normativität aus soziologischer Perspektive gemeint.269 Das Normative firmiert hier als flexibler Begriff, als „sozial konstruierte Normierung (als Praxis und Prozess) und Normiertheit (als Struktur und Bedingung)“.270 Für diese unterschiedlichen „Normen“ im polizeilichen Alltag271 wurden von Rafael Behr erstmalig im deutschen Raum272 die Begriffe der Cop Culture als Polizistenkultur, die gelebte Kultur der street cops, und der Polizeikultur, der weitgehend offiziellen, unter anderem durch Leitbilder geprägten bürokratischen Organisation der Polizei, eingeführt.273 Hierfür werden auch die Begriffe der Street Cop Culture und der Managing Cop Culture verwendet.274 Die Subkultur275 (Street) Cop Culture hängt eng mit den oben geschilderten Besonderheiten der Situationen polizeilicher Handlungen276 zusammen. Wurde oben auf die Bürgerperspektive Bezug genommen, indem auf die Wirkung einer Polizeihandlung für den Bürger aufmerksam gemacht wurde,277 geht es bei der Cop Culture um die Perspektive der handelnden Polizistinnen und Polizisten. Die besonderen Situationen, in denen die Polizistinnen und Polizisten handeln, wirken spezifisch auf diese zurück. Die permanente Präsenz von Gewaltpotentialen278 (des Einsatzes, des Gegenübers und der handelnden Beamtinnen und Beamten) sowie die Unberechenbarkeit der Situationen, in denen sich die Beamtinnen und Beamten
268
Behr, Cop Culture – Der Alltag des Gewaltmonopols, 2. Auflage 2008, S. 25. Siehe hierzu Stegmaier, Recht und Normativität aus soziologischer Perspektive, in: Krüper (Hrsg.), Grundlagen des Rechts, 4. Auflage 2021, § 3 Rn. 18 ff. 270 Stegmaier, Recht und Normativität aus soziologischer Perspektive, in: Krüper (Hrsg.), Grundlagen des Rechts, 4. Auflage 2021, § 3 Rn. 21. 271 Behr, Polizeikultur, in: Lange (Hrsg.), Wörterbuch zur Inneren Sicherheit, 2006, S. 232 (234). 272 Dübbers, Kultur der Polizei – The Next Generation, in: Stierle/Wehe/Siller (Hrsg.), Handbuch Polizeimanagement, Band I, 2017, S. 419 (422). 273 Behr, Cop Culture – Der Alltag des Gewaltmonopols, 2. Auflage 2008, S. 25. 274 Vera/Jablonowski, Organisationskultur der Polizei, in: Stierle/Wehe/Siller (Hrsg.), Handbuch Polizeimanagement, Band I, 2017, S. 475 (483) – m. w. N. 275 Behr, Korpsgeist oder Binnenkohäsion?, Die Polizei 2010, 317 (318); Dübbers, Kultur der Polizei – The Next Generation, in: Stierle/Wehe/Siller (Hrsg.), Handbuch Polizeimanagement, Band I, 2017, S. 419 (425). 276 Siehe oben C. II. 1. 277 Siehe hierzu oben B. I. 3. 278 Siehe zum Einsatz von Gewalt als unvermeidbaren Bestandteil des polizeilichen Alltags Vera/Jablonowski, Organisationskultur der Polizei, in: Stierle/Wehe/Siller (Hrsg.), Handbuch Polizeimanagement, Band I, 2017, S. 475 (485) – m. w. N. 269
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C. Verhältnis von Polizei, Gewalt und Gewaltmonopol
befinden, wenn sie Polizeiaufgaben wahrnehmen,279 führen dazu, dass sich Polizistinnen und Polizisten nicht nur als temporäre Gefahrengemeinschaft betrachten, sondern sich diese Gefahrengemeinschaft sogar zu einer permanenten Schicksalsgemeinschaft verfestigt.280 So vermag etwa das Blaulicht der Streifenwagen für die Bürgerin und den Bürger die staatliche Macht symbolisieren, für die handelnden Polizistinnen und Polizisten ist es ein Symbol für die Zusammengehörigkeit im Rahmen der Schicksalsgemeinschaft.281 Als Folge der Gefahren- und Schicksalsgemeinschaft ist die uneingeschränkte Verlässlichkeit auf Kolleginnen und Kollegen ein prägendes Element der Cop Culture.282 Für diese Art der Gefahren- und Schicksalsgemeinschaft wird bisweilen – teils negativ behaftet – der Begriff „Korpsgeist“ verwendet.283 bb) Spannungslage zwischen Polizeikultur und Cop Culture Die Polizeikultur, die etwa in Form von deduktiven Leitbildern Ideale für den Polizeialltag zur Verfügung stellt,284 vermag mit ihrer bürokratischen Prägung die Gefahrensituationen, denen die handelnden Polizistinnen und Polizisten täglich ausgesetzt sind,285 nicht gänzlich zu erfassen.286 Die daraus resultierende Kontingenz des Alltagserlebens versucht die Cop Culture einzufangen,287 indem sie praxisfähige, induktive Handlungsmuster zur Verfügung stellt, die sich aus den Alltagserfordernissen entwickeln.288 Der (nicht theoretisch begründete) „Geltungsanspruch“289 der Handlungsmuster folgt aus ihrer Tauglichkeit, erfolgreich Probleme im routinierten Polizeialltag zu lösen.290 Diese Handlungsmuster, die weder bewusst noch sprachlich präsent sein müssen, sind für Polizistinnen und Polizisten auch entscheidend, wenn sie bewerten, ob eine Handlung legitim oder ein Übergriff ist.291 Eine Polizistin oder ein Polizist, die oder der über einen Übergriff nicht die Wahrheit aussagt, schützt aus 279
Siehe hierzu oben C. II. 1. Behr, Korpsgeist oder Binnenkohäsion?, Die Polizei 2010, 317 (319). 281 Behr, Cop Culture – Der Alltag des Gewaltmonopols, 2. Auflage 2008, S. 210. 282 Vera/Jablonowski, Organisationskultur der Polizei, in: Stierle/Wehe/Siller (Hrsg.), Handbuch Polizeimanagement, Band I, 2017, S. 475 (485) – m. w. N. 283 Vera/Jablonowski, Organisationskultur der Polizei, in: Stierle/Wehe/Siller (Hrsg.), Handbuch Polizeimanagement, Band I, 2017, S. 475 (486). 284 Behr, Cop Culture – Der Alltag des Gewaltmonopols, 2. Auflage 2008, S. 250. 285 Siehe hierzu C. II. 1. 286 Vgl. Behr, Korpsgeist oder Binnenkohäsion?, Die Polizei 2010, 317 (319). 287 Behr, Korpsgeist oder Binnenkohäsion?, Die Polizei 2010, 317 (319). 288 Behr, Cop Culture – Der Alltag des Gewaltmonopols, 2. Auflage 2008, S. 250 f. 289 Behr, Polizeikultur, in: Lange (Hrsg.), Wörterbuch zur Inneren Sicherheit, 2006, S. 232 (234). 290 Behr, Cop Culture – Der Alltag des Gewaltmonopols, 2. Auflage 2008, S. 251. 291 Behr, Cop Culture – Der Alltag des Gewaltmonopols, 2. Auflage 2008, S. 196; siehe auch oben B. II. 280
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dieser Perspektive „lediglich“ ihren oder seinen sozialen Nahraum, der ihr oder ihm einen Teil ihrer oder seiner Identität stiftet und insoweit über (anderen) Normen steht.292 Der maßgebliche Unterschied zwischen den „Normen“ der Polizeikultur und der Polizistenkultur liegt in ihrer Herleitung.293 Dies ist besonders relevant, wenn es den Kulturwandel betrifft, der bei Organisationskulturen im Allgemeinen bereits zuvor als schwierig ausgewiesen wurde. Ist die Polizeikultur deduktiv geprägt, ist es einfacher, diese zu ändern. Hingegen erscheint ein gezielter Kulturwandel von oben herab bei der induktiv geprägten Polizistenkultur schwer zu realisieren.294 Dies gilt umso mehr, als dass es sich bei der Polizistenkultur um eine Professionskultur handelt,295 bei der bereits Umwelteinflüsse reflexartig abgewehrt werden.296 Eine derartige Professionskultur ist nur schwer zu verändern, da sie sich gerade dadurch auszeichnet, dass die Bewertung dessen, was unter guter Arbeit zu verstehen ist, fest in einer spezifischen Identität verankert ist.297 Bei der Bewertung orientieren sich die handelnden Akteure wiederum am Urteil ihresgleichen („Peers“), das stark durch die Selbstverständlichkeiten der Profession geprägt ist.298 Andere Aspekte, wie etwa der wirtschaftliche Ressourceneinsatz oder die Ausrichtung der Gesamtorganisation, finden kaum Beachtung.299 Es ist daher nicht überraschend, dass die Konkurrenz von Polizei- und Polizistenkultur zu einer Spannungslage führt, die eine Belastung für Beamtinnen und Beamte darstellt und die Eskalationsmöglichkeit von Einsätzen steigert.300 Die Polizistinnen und Polizisten handeln bereits in Situationen, die durch unzählige Spannungslagen gekennzeichnet sind.301 Eine weitere Spannungslage gilt es daher zu vermeiden. Allerdings darf für diese Spannungslage nicht nur die Schuld bei der Cop 292
Behr, Korpsgeist oder Binnenkohäsion?, Die Polizei 2010, 317 (321). Behr, Cop Culture – Der Alltag des Gewaltmonopols, 2. Auflage 2008, S. 250. 294 So auch allgemein für die Polizei Vera/Jablonowski, Organisationskultur der Polizei, in: Stierle/Wehe/Siller (Hrsg.), Handbuch Polizeimanagement, Band I, 2017, S. 475 (488); kritisch auch Lehne, Aus Fehlern lernen oder Fehlverhalten kontrollieren und sanktionieren?, in: Liebl (Hrsg.), Fehler und Lernkultur in der Polizei, 2004, S. 123 (136). 295 Siehe zu Professionskulturen und zur Zugehörigkeit der Polizei zu diesen auch ChristeZeyse, Die Macht der Profession, in: Christe-Zeyse (Hrsg.), Die Polizei zwischen Stabilität und Veränderung, 2006, S. 71 (84). 296 Dübbers, Kultur der Polizei – The Next Generation, in: Stierle/Wehe/Siller (Hrsg.), Handbuch Polizeimanagement, Band I, 2017, S. 419 (423). 297 Christe-Zeyse, Die Macht der Profession, in: Christe-Zeyse (Hrsg.), Die Polizei zwischen Stabilität und Veränderung, 2006, S. 71 (84). 298 Christe-Zeyse, Die Macht der Profession, in: Christe-Zeyse (Hrsg.), Die Polizei zwischen Stabilität und Veränderung, 2006, S. 71 (84). 299 Vgl. Christe-Zeyse, Die Macht der Profession, in: Christe-Zeyse (Hrsg.), Die Polizei zwischen Stabilität und Veränderung, 2006, S. 71 (84). 300 Schweer/Strasser, Einblick: Cop Culture und Polizeikultur, in: Schweer/Strasser/Zdun (Hrsg.), „Das da draußen ist ein Zoo, und wir sind die Dompteure“, 2008, S. 11 (36). 301 Siehe hierzu oben C. II. 1. 293
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C. Verhältnis von Polizei, Gewalt und Gewaltmonopol
Culture gesucht und ausfindig gemacht werden. Vielmehr trägt auch die Polizeikultur zur Spannungslage bei. Nötig ist es daher zu versuchen, die Polizeikultur und die Cop Culture in Einklang zu bringen. Appelle an eine Fehlerkultur sind daher kritisch zu sehen, soweit sie lediglich von der Polizeikultur vorgegeben werden.302 Möchte man also eine Fehlerkultur ändern, ist dies nicht nur deduktiv durch die Polizeikultur vorzugeben, sondern auch induktiv in der Polizistenkultur zu verankern.303 Unabhängig davon, ob man der Cop Culture kritisch gegenübersteht, muss man sie ernst nehmen304 und berücksichtigen, wenn man den Umgang mit Polizeigewalt ändern möchte. Dies auch bereits deshalb, weil es die Polizistinnen und Polizisten der Cop Culture sind, die Polizeigewalt (im engeren oder im weiteren Sinne)305 ausüben. Darüber hinaus besitzt die Cop Culture nach hiesigem Verständnis auch eine gewisse Berechtigung, da sie Folge der Gewaltmonopolausübung ist und die normativen Rahmenbedingungen des Gewaltmonopols306 ergänzt. Sie versucht die Spannungslagen der Einsatzsituationen für die handelnden Polizistinnen und Polizisten einzufangen und einen handlungsleitenden Rahmen zu geben. Solange dieser nicht mit dem Gesetz in Konflikt gerät, ist er eine sinnvolle Ergänzung zu dem rechtlichen Handlungsrahmen. Ob ein derartiger Konflikt im Einzelfall besteht, kann etwa durch einen Polizeibeauftragten angemessen erfasst werden. An dieser Stelle ist vor allem die Einsicht entscheidend, dass wegen der Cop Culture eine Änderung im Umgang mit Polizeigewalt nicht nur deduktiv, sondern auch induktiv erfolgen muss, um so Abwehrreflexe zu vermeiden. Wichtig ist es daher, dass die handelnden Beamtinnen und Beamten, die die Cop Culture in ihrem Arbeitsalltag induktiv hervorbringen, als relevante Akteure erkannt und in einem Diskurs über Polizeigewalt einbezogen werden.
III. Bewertungsmaßstäbe aufgrund des Gewaltmonopols und der Cop Culture Wertet man die bisherigen Ausführungen mit Blick auf die Gewinnung von Bewertungsmaßstäben aus, so lassen sich drei Bewertungsmaßstäbe für Kontrollverfahren für Polizeigewalt festmachen: die Berücksichtigung der Cop Culture, der effektive Rechtsschutz und die Dialogermöglichung. Diese drei Bewertungsmaßstäbe sind derart eng mit dem Gewaltmonopol verzahnt, dass alle die gleiche Wer302
Vgl. hierzu Behr, Korpsgeist oder Binnenkohäsion?, Die Polizei 2010, 317 (321 f.). In diese Richtung auch Behr, Korpsgeist oder Binnenkohäsion?, Die Polizei 2010, 317 (322), der ausführt, dass eine Forschung über die Bedingungen des Gelingens der Fehlerkultur im „Alltag des Gewaltmonopols“ nötig sei. 304 Behr, Cop Culture – Der Alltag des Gewaltmonopols, 2. Auflage 2008, S. 260. 305 Siehe hierzu oben B. I. 1. 306 Siehe zu diesen C. I. 2. b). 303
III. Bewertungsmaßstäbe aufgrund des Gewaltmonopols und der Cop Culture
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tigkeit bei der Bewertung von Kontrollverfahren für Polizeigewalt haben. Nachfolgend sollen diese Bewertungsmaßstäbe genauer dargelegt werden. 1. Effektiver Rechtsschutz und dessen Legalitätsgewährleistung und Legitimitätsförderung bei den Betroffenen Das Erfordernis des effektiven Rechtsschutzes findet seinen Ursprung letztlich in dem rechtsstaatlichen Korrektiv der Gewaltmonopolausübung. Wie gezeigt,307 verlangt das Gewaltmonopol im Interesse der Machtbändigung eine Rechtsschutzgarantie. Diese kann sich, wie das Gewaltmonopol selbst, nur im Rahmen der Verfassung entfalten. Die Verfassung bestimmt daher den genaueren Gehalt der Rechtsschutzgarantie. Die Rechtsschutzgarantie ist in Art. 19 Abs. 4 GG in der Form der Eröffnung des Rechtsweges gegen die öffentliche Gewalt verankert308 und wird vom Bundesverfassungsgericht, neben dem formellen Recht, auch als ein Recht auf einen effektiven Rechtsschutz verstanden.309 Der Gedanke des effektiven Rechtsschutzes ist wiederum nicht nur auf die externe Kontrolle durch Gerichte bezogen, sondern ist wegen Art. 17 GG auch auf sonstige, durch Beschwerden und Bitten ausgelöste externe und interne Kontrollen anwendbar.310 Der Zusammenhang zwischen Art. 17 GG und dem effektiven Rechtsschutz wird noch ausführlich gesondert behandelt.311 An dieser Stelle genügt es, sich zu vergegenwärtigen, dass die Ausübung des Gewaltmonopols zwangsläufig dazu führt, dass ein effektiver Rechtsschutz gegen diese Ausübung bestehen muss. Denn dieser ist ein Korrelat des Gewaltmonopols und soll dessen „Existenz“ und die damit verbundene Machtfülle auf der Ausübungsebene bändigen. Daher muss sich eine Kontrollform von Polizeigewalt stets die Frage stellen, ob sie in der Lage ist, einen effektiven Rechtsschutz zu bieten. Der effektive Rechtsschutz gilt zunächst für die Polizeigewalt im weiteren Sinne, welche jede physische Zwangsanwendung durch die Polizei erfasst.312 Diese Zwangsanwendung ist die vom Gewaltmonopol erfasste „vis“-Gewalt.313 Der effektive Rechtsschutz erfasst darüber hinaus auch die Polizeigewalt im engeren Sinne. Diese wurde oben zwar als „violentia“ eingeordnet, die sich außerhalb der „vis“Gewalt bewegt,314 allerdings muss hier erst recht ein effektiver Rechtsschutz be307
Siehe hierzu oben C. I. 2. b) aa). Siehe hierzu Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 26 Rn. 71. 309 BVerfGE 35, 263 (274). 310 Vgl. Vitzthum/März, Das Grundrecht der Petitionsfreiheit, JZ 1985, 809 (810); siehe hierzu ausführlich D. III. 2. b). 311 Siehe hierzu unten D. III. 2. b). 312 Siehe hierzu oben B. I. 1. 313 Siehe hierzu oben B. I. 1. und C. I. 314 Siehe hierzu oben B. I. 1. 308
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C. Verhältnis von Polizei, Gewalt und Gewaltmonopol
stehen, welcher die außerhalb der zulässigen Gewaltmonopolausübung stattfindende Gewaltanwendung feststellt und (künftig) unterbindet. Der effektive Rechtsschutz gewährleistet dadurch die Legalität. Darüber hinaus wird durch den effektiven Rechtsschutz die durch das Gewaltmonopol und dessen Ausübung besonders betroffene Legitimität gefördert. Dies gilt jedenfalls für den von der Polizeigewalt Betroffenen. Denn dieser stand im Falle der Zwangsanwendung durch Polizistinnen und Polizisten der Staatsmacht rechtlich gesehen ohnmächtig gegenüber, er hat nämlich die Zwangsanwendung der Polizei schon mit Blick auf die §§ 113, 114 StGB im eigenen Interesse zu dulden. Allerdings bekommt er nun die Möglichkeit, durch einen effektiven Rechtsschutz andere Akteure der Staatsgewalt zu aktivieren und das Handeln kontrollieren zu lassen. Dem Betroffenen wird dadurch deutlich gemacht, dass seine Rechte und seine Interessen unter dem Grundgesetz, sogar im Falle einer legalen Zwangsanwendung, stets eine hohe Bedeutung haben. Mit dem Gedanken des effektiven Rechtsschutzes ist daher auch immer der Gedanke der Legitimitätsförderung bei den Betroffenen verbunden. Die Notwendigkeit des effektiven Rechtsschutzes gegen Polizeigewalt wird durch die Wirkungen polizeilicher Gewaltanwendung für die Bürgerinnen und Bürger und der damit verbundenen besonders sensiblen Grundrechtseingriffe verstärkt. Diese rufen, insbesondere im Falle ad hoc erfolgender und sich schnell erledigender Maßnahmen, das Bedürfnis nach einer verstärkten nachträglichen Kontrolle hervor.315 2. Demokratische Dialogermöglichung und deren gesamtgesellschaftliche Legitimitätsförderung Der Bewertungsmaßstab der Dialogermöglichung folgt hingegen aus dem demokratischen Korrelat der Ausübung des Gewaltmonopols. Wie gezeigt, hat das ausgeübte Gewaltmonopol auch demokratische Folgen. Denn die Anwendung von Gewalt kann eine demokratische Kommunikation unterbrechen, die das Gewaltmonopol eigentlich ermöglichen soll. Liegt der „Existenz“ des Gewaltmonopols die Machtfülle zugrunde, eine derartige Kommunikation zu unterbinden, so hat dies auch Folgen für ein demokratisches Korrelat, das diese Machtfülle in demokratischer Hinsicht beschränken soll. Das demokratische Korrelat erfordert daher, dass im Falle einer die demokratische Kommunikation unterbindenden Gewaltausübung der unterbundene demokratische Diskurs wieder aufzunehmen und auch auf die erfolgte Gewaltausübung selbst zu erstrecken ist.316 Ist dieses demokratische Korrelat des Gewaltmonopols darauf ausgerichtet, dass eine durch die Gewaltanwendung unterbrochene demokratische Kommunikation wieder aufgenommen und nun auch auf die Gewaltausübung selbst bezogen wird, kann nur ein Kontrollverfahren überzeugen, das den demokratischen Dialog über die Gewaltanwendung ermöglicht. Ein 315 316
Siehe hierzu oben B. I. 3. Siehe hierzu oben C. I. 2. b) dd).
III. Bewertungsmaßstäbe aufgrund des Gewaltmonopols und der Cop Culture
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gerichtliches Verfahren ist in diesem Sinne etwa kein geeignetes Kontrollverfahren. In einem solchen Verfahren findet zwar auch eine Kommunikation statt, allerdings kein demokratischer, offener Dialog, in den alle Bürger, also sowohl die unmittelbar Betroffenen als auch die Nichtbeteiligten, einbezogen werden. Daher verwundert es nicht, dass der effektive Rechtsschutz, der vor allem, allerdings nicht nur317 von den Gerichten gewährleistet wird, dem rechtsstaatlichen Korrektiv entnommen werden kann. Das demokratische Korrelat wirkt hingegen in die Gesellschaft hinein und möchte einen breit angelegten, inklusiven Diskurs ermöglichen. Mit dem Gedanken der Dialogermöglichung ist auch immer der Gedanke verbunden, die Legitimität durch den Dialog zu fördern. Anders als bei der effektiven Rechtsschutzgewährung ist nicht die Legitimität bei dem Betroffenen bzw. Einzelnen maßgeblich, sondern die gesamtgesellschaftliche Legitimität des Gewaltmonopols. Dies wird deutlich, wenn man sich den demokratischen Ursprung der Dialogermöglichung vor Augen hält. Wie gezeigt, ist die Dialogermöglichung als Bewertungsmaßstab ein demokratisches Korrelat des ausgeübten Gewaltmonopols. Entsprechend einem demokratischen Dialog, der inklusiv angelegt ist, ist auch der wiederaufzunehmende Dialog breit angelegt. Dies hat zur Folge, dass hierdurch die gesamtgesellschaftliche Legitimität gefördert werden kann. Denn das staatliche (gewaltsame) Handeln stellt sich damit einem breiten Forum und schafft somit Transparenz. Hier wird zugleich deutlich, dass die Legitimität nicht selbst Bewertungsmaßstab ist, sondern Folge der Einhaltung eines Bewertungsmaßstabes. 3. Berücksichtigung der Cop Culture durch die Anerkennung ihrer positiven Aspekte und durch die Einbeziehung der Polizistinnen und Polizisten einschließlich der Legitimitätsförderung bei den Polizistinnen und Polizisten Als letzter Bewertungsmaßstab lässt sich sodann die Berücksichtigung der Cop Culture festmachen. Um die Bedeutung dieses Bewertungsmaßstabs zu verstehen, ist zunächst noch einmal beim Ausgangspunkt zur Bedeutung der Cop Culture anzusetzen: Die Cop Culture ist die empirische Folge der Gewaltmonopolausübung. Da sie genauso eine tragende Bedeutung für das Gewaltmonopol hat wie die rechtlichen Korrelate der Gewaltmonopolausübung,318 hat sie ebenso einen Anspruch auf Berücksichtigung.319 Mit dieser Berücksichtigung ist zunächst vor allem die Anerkennung ihres Bestehens gemeint. Diese Anerkennung bedeutet allerdings nur, dass ein Kontrollverfahren auf die Sensibilitäten Rücksicht nehmen muss, die aus der Cop Culture folgen. Gemeint ist hiermit zweierlei: 317
Siehe für die Petitionsfreiheit D. III. 2. b). Siehe hierzu oben C. I. 2. b). 319 Siehe hierzu bereits oben A. I. 5. 318
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C. Verhältnis von Polizei, Gewalt und Gewaltmonopol
Zum einen das Bewusstsein, dass die Cop Culture für die handelnden Polizistinnen und Polizisten bisweilen als genauso wichtig empfunden werden kann wie der rechtliche Handlungsrahmen. Zugleich besteht eine Berechtigung für ihre „Existenz“ und ihre „Beachtung“ durch die hangelnden Polizistinnen und Polizisten. Denn schließlich hilft sie, den Polizeialltag zu bewältigen.320 Oder anders gewendet: Sie hilft bei der Ausübung des Gewaltmonopols. Daher hat sie auch einen positiven Effekt, der anzuerkennen und zu berücksichtigen ist. Zum anderen ist mit der angesprochenen Sensibilitätsrücksicht Folgendes gemeint: Es könnte sich im Rahmen eines Kontrollverfahrens, welches auch strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen321 erfassen soll, herausstellen, dass die Cop Culture änderungsbedürftig ist. Eine solche Änderung kann dann allerdings nur gelingen, wenn man die Cop Culture überhaupt ernst nimmt.322 Mit Blick auf eine Fehlerkultur323 ist es etwa wichtig, zwischen Polizistenkultur und Polizeikultur324 zu unterscheiden. Würde ein Kontrollverfahren, welches auch auf strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen ausgerichtet ist, lediglich zu einer Änderung der Polizeikultur führen, wäre der Erfolg einer Änderung marginal, wenn nicht auch die Polizistenkultur mit ihren „Gesetzmäßigkeiten“ bedacht wird.325 Denn gerade auf der Ebene der Akteure, die die Cop Culture induktiv326 prägen, erfolgt die Polizeigewalt, welche daher auch auf dieser Ebene zu behandeln ist. Es ist daher notwendig, beim Kontrollverfahren auch immer die Akteure der Cop Culture, also die handelnden Polizistinnen und Polizisten, einzubeziehen. Mit dem zweiten Gedanken der Anerkennung der Cop Culture ist also gemeint, dass zugleich die Akteure dieser Cop Culture anzuerkennen und in einen Dialog einzubeziehen sind. Es ist ein Dialog mit ihnen zu führen – und nicht über sie. Dies hat zugleich die positive Folge, dass die Möglichkeit der Legitimitätssteigerung der Kontrollinstanz bei den handelnden Polizistinnen und Polizisten gegeben ist. Für den weiteren Untersuchungsgang ist daher wichtig, welches Kontrollverfahren die größte Sensibilität für die Cop Culture zeigt und damit die besten Chancen hat, die handelnden Polizistinnen und Polizisten einzubeziehen und eine Änderung der Cop Culture und somit eine Änderung im Umgang mit Polizeigewalt zu erreichen.
320
Siehe oben C. II. 2. b). Siehe zu diesen Begrifflichkeiten E. II. 1. a) aa) sowie E. II. 1. b) aa) und E. II. 2. a) sowie E. II. 2. b) ee). 322 Vgl. Behr, Cop Culture – Der Alltag des Gewaltmonopols, 2. Auflage 2008, S. 260. 323 Siehe hierzu unten E. II. 2. e) aa) (2). 324 Siehe zu diesen Begriffen oben C. II. 2. b). 325 Siehe hierzu auch oben C. II. 2. b) bb). 326 Siehe hierzu erneut C. II. 2. b) bb). 321
D. Verwaltungskontrolle Nachdem nun herausgearbeitet wurde, was unter Polizeigewalt und dem Gewaltmonopol zu verstehen ist und wie beides Auswirkungen auf den Arbeitsalltag der Polizistinnen und Polizisten sowie auf die Bürgerinnen und Bürger hat, ist noch das dogmatische Grundgerüst der Verwaltungskontrolle und der verfassungsrechtliche Rahmen für die Verwaltung dazulegen. Aus der Dogmatik der Verwaltungskontrolle lassen sich weitere Bewertungsmaßstäbe gewinnen, die bei Kontrollverfahren für Polizeigewalt zu beachten sind. Zugleich zeigt diese gemeinsam mit dem verfassungsrechtlichen Rahmen ein rechtliches Grundgerüst auf, in das sich die Ausgestaltungen der Kontrolle durch einen Beauftragten einfügen müssen. Während die vorherigen Ausführungen vor allem den Untersuchungsgegenstand der Kontrolle genauer umrissen haben, soll nachfolgend das dogmatische Gerüst dargelegt werden, in dem sich die Kontrolle eben jenes Untersuchungsgegenstandes bewegt.
I. Verwaltung in der demokratischen rechtsstaatlichen Verfassungsordnung Um sich der Bedeutung, Struktur und Funktionen der Verwaltungskontrolle klar werden zu können, bedarf es zunächst einer Verortung der Verwaltung in der gegenwärtigen Verfassungsordnung. Dieser verfassungsrechtliche Rahmen liefert darüber hinaus wichtige Aspekte, die insbesondere bei der Etablierung von Beauftragten zu beachten sind. Denn auch die Verwaltungsbeauftragten sind Teil der Verwaltung.327 Um allerdings das genaue Verhältnis der Beauftragten zur Verwaltung klären zu können, bedarf es eines Blickes auf die Verwaltung in der demokratischen rechtsstaatlichen Verfassungsordnung. Danach ist zu klären, wo in dem aufgezeigten Rahmen von Verwaltung die Beauftragten zu verorten und welche rechtlichen Rahmenbedingungen bei ihrer Ausgestaltung zu beachten sind. 1. Begriffliche Annäherung Die Wissenschaft hat sich seit jeher mit einer trennscharfen Definition des Verwaltungsbegriffes schwergetan.328 Verbreitet ist eine negative Definition.329 Nach 327
Siehe hierzu ausführlich unten D. II. 4. b). Hoffmann-Riem/Pilniok, Eigenständigkeit der Verwaltung, in: Voßkuhle/Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 3. Auflage 2022, § 12 Rn. 79; Möllers, 328
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D. Verwaltungskontrolle
dieser (klassischen) auf Otto Mayer330 zurückgehenden Definition bedeutet Verwaltung die Tätigkeit der staatlichen Aufgabenwahrnehmung, die außerhalb von Gesetzgebung, Rechtsprechung und Regierung stattfindet.331 Das auf die Tätigkeit abstellende funktionale bzw. materielle Verständnis ist einem organisatorischen bzw. formellen Verständnis, welches die die Verwaltungstätigkeit ausübenden spezialisierten Organisationseinheiten erfasst, gegenübergestellt.332 Verwaltung im organisatorischen Sinne meint die Verwaltungsträger einschließlich ihrer Untergliederung in Organe, Behörden und Ämter, soweit sie schwerpunktmäßig materiell verwaltend tätig werden.333 Eine Tätigkeit der Verwaltung im organisatorischen Sinne, die unabhängig vom materiellen Gehalt der Tätigkeit als Verwaltung bezeichnet wird, nennt man Verwaltung im formellen Sinne.334 Diese drei unterschiedlichen Anknüpfungspunkte machen deutlich, dass für eine dogmatische Klärung bei der Verwaltung im materiellen Sinne zu beginnen ist. Ein funktionaler bzw. materieller Verwaltungsbegriff blickt auf das Spezifische der Aufgaben und der Tätigkeit.335 Dies vor Augen lässt sich Verwaltung (auch) positiv wie folgt erfassen: „In funktionaler Betrachtung besteht Verwaltungshandeln in der Bewältigung von Problemlagen durch deren Erfassung und die Auswahl von Handlungsoptionen und die Umsetzung einer Option unter ziel- und problemlösungsorientiertem Einsatz tatsächlicher und rechtlicher (jeweils staatlich bereitgestellter oder zum Einsatz gebilligter) Ressourcen.“336 Methoden, in: Voßkuhle/Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 3. Auflage 2022, § 2 Rn. 4. 329 Hoffmann-Riem/Pilniok, Eigenständigkeit der Verwaltung, in: Voßkuhle/Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 3. Auflage 2022, § 12 Rn. 79; siehe zu den unterschiedlichen positiven Definitionen Ehlers/Pünder, Staatlicher Verwaltung, in: Ehlers/Pünder (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Auflage 2022, § 1 Rn. 5. 330 Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Erster Band, 3. Auflage 1924, S. 7. 331 Seibel, Verwaltung Verstehen, 2. Auflage 2017, S. 15; Seibel, Art. Verwaltung, in: Voigt (Hrsg.), Handbuch Staat, 2018, S. 1279 (1279); Hoffmann-Riem/Pilniok, Eigenständigkeit der Verwaltung, in: Voßkuhle/Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 3. Auflage 2022, § 12 Rn. 79. 332 Hoffmann-Riem/Pilniok, Eigenständigkeit der Verwaltung, in: Voßkuhle/Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 3. Auflage 2022, § 12 Rn. 82 f. 333 Ehlers/Pünder, Staatliche Verwaltung, in: Ehlers/Pünder (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Auflage 2022, § 1 Rn. 2. 334 Stober, Der Begriff der Öffentlichen Verwaltung, in: Wolff/Bachof/Stober/Kluth (Hrsg.), Verwaltungsrecht I, 13. Auflage 2017, § 3 Rn. 23. 335 Vgl. Hoffmann-Riem/Pilniok, Eigenständigkeit der Verwaltung, in: Voßkuhle/Eifert/ Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 3. Auflage 2022, § 12 Rn. 84; siehe zum Zusammenhang zwischen Verwaltung im materiellen Sinne und den Verwaltungsaufgaben Ehlers/Pünder, Staatliche Verwaltung, in: Ehlers/Pünder (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Auflage 2022, § 1 Rn. 4. 336 Hoffmann-Riem/Pilniok, Eigenständigkeit der Verwaltung, in: Voßkuhle/Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 3. Auflage 2022, § 12 Rn. 83 – Hervorhebungen im Original nicht übernommen; ähnlich Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, 2000, S. 76, der an entscheidender Stelle auch von Hoffmann-Riem/Pilniok zitiert wird: „[…] stellt sich verwaltende Tätigkeit im materiellen Sinne als die Wahrnehmung po-
I. Verwaltung in der demokratischen rechtsstaatlichen Verfassungsordnung
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Eine derartige aufs Spezifische ausgerichtete Definition vermag eine Kennzeichnung für die Verwaltungstätigkeit zu liefern, zieht jedoch keine klare Grenze.337 Aus einer gewaltenteiligen Perspektive ist dies unschädlich, da die einzelnen Gewalten nicht trennscharf voneinander abgegrenzt werden können.338 Jedoch macht dies auch zugleich das berechtigte Anliegen der negativen Definition deutlich, nur durch die Einbeziehung der anderen staatlichen Funktionen eine gelungene, grenzziehende Definition von Verwaltung erhalten zu können.339 Die Begriffe der Rechtsanwendung und der Rechtssetzung helfen, die Verwaltung von der Gesetzgebung, wenn auch nur dem Schwerpunkt nach, abzugrenzen.340 Die schwierigere Abgrenzung zur Regierung (im materiellen Sinne) lässt sich – in einem ersten Schritt – über die Definition der Regierung als Staatsleitung vornehmen.341 Zwar werden sowohl die Regierung als auch die Verwaltung unter die vollziehende Gewalt des Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG gefasst;342 jedoch ist es lediglich die Regierungsfunktion, die Staatsleitung bewirkt.343 Sie ist eine leitende, die Verwaltung hingegen eine angeleitete Tätigkeit.344 Freilich ermöglicht dies nur eine unscharfe345 Unterscheidung nach der Grundtypik dieser beiden Funktionen.346 Bedenkt man jedoch die Verknüpfung zwischen der Verwaltung (im organisatorischen bzw. institutionellen Sinne) und der Regierung (im organisatorischen bzw. institutionellen
litischer Handlungsoptionen durch den problem- und zielorientierten Einsatz tatsächlicher oder rechtlicher staatlicher Ressourcen dar.“ 337 Hoffmann-Riem/Pilniok, Eigenständigkeit der Verwaltung, in: Voßkuhle/Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 3. Auflage 2022, § 12 Rn. 84. 338 Vgl. Hoffmann-Riem/Pilniok, Eigenständigkeit der Verwaltung, in: Voßkuhle/Eifert/ Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 3. Auflage 2022, § 12 Rn. 84. 339 Schröder, Die Bereiche der Regierung und der Verwaltung, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 106 Rn. 20. 340 Hoffmann-Riem/Pilniok, Eigenständigkeit der Verwaltung, in: Voßkuhle/Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 3. Auflage 2022, § 12 Rn. 85. 341 Vgl. Schröder, Die Bereiche der Regierung und der Verwaltung, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 106 Rn. 30; Hoffmann-Riem/ Pilniok, Eigenständigkeit der Verwaltung, in: Voßkuhle/Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 3. Auflage 2022, § 12 Rn. 90 ff. 342 Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 26 Rn. 52; siehe auch Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band II, 1980, § 36, S. 537, welcher hierbei auch auf die Offenheit des Begriffs „vollziehende Gewalt“ verweist. 343 Vgl. Schröder, Die Bereiche der Regierung und der Verwaltung, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 106 Rn. 4. 344 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Neudruck der 20. Auflage 1999, § 14 Rn. 536. 345 Schröder, Die Bereiche der Regierung und der Verwaltung, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 106 Rn. 30. 346 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Neudruck der 20. Auflage 1999, § 14 Rn. 536.
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D. Verwaltungskontrolle
Sinne) durch die Ministerien,347 erkennt man, dass über die Begriffe der Zweck- und Weisungsabhängigkeit eine etwas genauere Abgrenzung möglich ist.348 Die Zwecke und Weisungen werden durch Regierung (im materiellen Sinne) vorgegeben und binden die Verwaltung, die sich hieran auszurichten hat.349 Nur die Regierungsfunktion erteilt Weisungen, empfängt aber keine.350 Verwaltung ist also das weisungsabhängige, nicht unter die anderen Gewalten fallende Tätigwerden des Staates. Die Weisung spielt auch bei der Frage nach der demokratischen Legitimation des Verwaltungshandelns eine wichtige – sogleich darzulegende – Rolle, die sich auch auf die Fach- und Dienstaufsicht351 niederschlägt. 2. Verwaltung und demokratische Legitimation Insbesondere die demokratische Legitimation spielt eine wichtige Rolle, wenn die Zulässigkeit der Etablierung von Beauftragten bewertet werden soll. Diese weisen je nach konkreter Ausgestaltung reichliche Probleme hinsichtlich der Legitimation auf,352 die daher immer etwas genauer in den Blick zu nehmen ist. Nachfolgend soll daher erläutert werden, was unter demokratischer Legitimation zu verstehen ist, wo die Probleme einer gelockerten Legitimation liegen und wie eine ausreichende demokratische Legitimation sichergestellt werden kann.
347 Schröder, Die Bereiche der Regierung und der Verwaltung, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 106 Rn. 30; siehe auch Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Neudruck der 20. Auflage 1999, § 14 Rn. 536. 348 Vgl. Schröder, Die Bereiche der Regierung und der Verwaltung, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 106 Rn. 30; bisweilen werden zur Bestimmung des Verwaltungsbegriffs auch institutionelle und handlungsorientierte Aspekte miteinanderverbunden, siehe hierzu Wißmann, Verfassungsrechtliche Vorgaben der Verwaltungsorganisation, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 2. Auflage 2012, § 15 Rn. 5. 349 Vgl. Schröder, Die Bereiche der Regierung und der Verwaltung, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 106 Rn. 30; siehe hierzu auch Loschelder, Weisungshierarchie und persönliche Verantwortung in der Exekutive, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 107 Rn. 26, 30. 350 Loschelder, Weisungshierarchie und persönliche Verantwortung in der Exekutive, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 107 Rn. 26. 351 Vgl. Schiedermair, Selbstkontrollen der Verwaltung, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, 2. Auflage 2012, § 48 Rn. 15, 23; siehe hierzu auch unten D. II. 2. a). 352 Siehe unten D. II. 4. d).
I. Verwaltung in der demokratischen rechtsstaatlichen Verfassungsordnung
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a) Demokratische Legitimation Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG ist eindeutig: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“ Der eigenständig zu bestimmende Begriff353 der Staatsgewalt erfasst zumindest amtliches Handeln mit Entscheidungscharakter:354 „Als Ausübung von Staatsgewalt, […], stellt sich jedenfalls alles amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter dar […].“355
Staatliche Tätigkeit unterfällt unabhängig von der Rechts- und Handlungsform dem Staatsgewaltbegriff des Art. 20 Abs. 2 GG.356 Dies bedeutet allerdings nicht, dass jede Verwaltungstätigkeit (Verwaltung im formellen Sinne) sogleich unter den Staatsgewaltbegriff fällt.357 Unter diesen fallen jedenfalls außenwirksame Verwaltungsentscheidungen358 und rechtserhebliche Wirkungsweisen359, aber auch die Wahrnehmung der Verwaltungsfunktion (Verwaltung im materiellen Sinne), denn gerade in der Ausübung der Funktionen tritt die Staatsgewalt in Erscheinung.360 Die Ausübung dieser unter Art. 20 Abs. 2 GG fallenden Staatsgewalt bedarf der Legitimation (Rechtfertigung)361. Wann eine ausreichende demokratische Legitimation362 vorliegt, lässt sich anhand der von Ernst-Wolfgang Böckenförde363 grundlegend geprägten und auch vom Bundesverfassungsgericht vertretenen Lehre
353
(338).
Schmidt-Aßmann, Verwaltungslegitimation als Rechtsbegriff, AöR 116 (1991), 929
354 Puhl, Gewaltenteilung, in: Kube/Mellinghoff/Morgenthaler/Palm/Puhl/Seiler (Hrsg.), Leitgedanken des Rechts zu Staat und Verfassung, 2015, § 23 Rn. 4. 355 BVerfGE 107, 59 (87). 356 Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, Band II, 7. Auflage 2018, Art. 20 Rn. 146. 357 Burgi, Grundlagen, in: Ehlers/Pünder (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Auflage 2022, § 7 Rn. 27. 358 Schmidt-Aßmann, Verwaltungslegitimation als Rechtsbegriff, AöR 116 (1991), 929 (341). 359 Burgi, Grundlagen, in: Ehlers/Pünder (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Auflage 2022, § 7 Rn. 27. 360 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band II, 1980, § 36, S. 533. 361 Siehe zur Legitimation als rechtfertigende Herleitung von Herrschaftsgewalt Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 24 Rn. 3; siehe zur Verwaltungslegitimation als Frage nach der normativen Rechtfertigung Schmidt-Aßmann, Verwaltungslegitimation als Rechtsbegriff, AöR 116 (1991), 929 (330 f.). 362 Siehe zur demokratischen Legitimation als unbedingt notenwendige und unverzichtbare Legitimation für die Verwaltung Schmidt-Aßmann, Verwaltungslegitimation als Rechtsbegriff, AöR 116 (1991), 929 (336). 363 Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 24 Rn. 11 ff.
72
D. Verwaltungskontrolle
beantworten.364 Danach wird zwischen einer funktionell-institutionellen, einer personell-organisatorischen und einer sachlich-inhaltlichen Legitimation unterschieden.365 Diese als Bausteine366 zusammenwirkenden Legitimationsformen können sich bis zu einem gewissen Grad auch substituieren,367 um die Effektivität der demokratischen Legitimation (Legitimationsniveau) zu erreichen.368 Dieses Legitimationsniveau und nicht die einzelnen Formen sind das notwendige Ziel der demokratischen Legitimation.369 In den Worten des Bundesverfassungsgerichts: „Entscheidend ist insoweit nicht die Form der Legitimation, sondern die Effektivität, mit der die Entscheidungsprozesse demokratisch gesteuert werden […]. Dabei kommt es auf das Zusammenwirken der verschiedenen Legitimationsgrundlagen an […]. Eine verminderte Legitimation über den einen Legitimationsstrang kann durch eine verstärkte Legitimation über andere Stränge ausgeglichen werden […].“370
Die funktionell-institutionelle Legitimation hat gewissermaßen eine abschirmende Funktion und ist eher auf der Ebene der Gewaltenteilung angesiedelt.371 Sie besagt, dass alle drei in Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG aufgeführten Staatsfunktion und die zu ihrer Ausübung eingesetzten Staatsorgane mit demokratischer Autorität zur Staatsgewaltausübung versehen sind und ihnen daher nicht eine mangelnde demokratische Legitimation im Verhältnis zu einer anderen Staatsfunktion oder einem anderen Staatsorgan entgegengehalten werden kann.372 Diese Form der Legitimation befreit den Organ- bzw. Amtswalter allerdings nicht von der darüber hinaus nötigen konkreten, durch die personell-organisatorische und sachlich-inhaltliche Form vermittelten Legitimation.373 364 Dreier, in: Dreier, GG-Kommentar, Band II, 3. Auflage 2015, Art. 20 (Demokratie) Rn. 109 mit Fn. 406. 365 Dreier, in: Dreier, GG-Kommentar, Band II, 3. Auflage 2015, Art. 20 (Demokratie) Rn. 109. 366 Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, 1991, S. 328. 367 Dreier, in: Dreier, GG-Kommentar, Band II, 3. Auflage 2015, Art. 20 (Demokratie) Rn. 113; siehe hingegen für eine mögliche, allerdings auf ganz seltene Ausnahmefälle beschränkte Totalsubstitution Kahl, Hochschulräte – Demokratieprinzip – Selbstverwaltung, AöR 130 (2005), 225 (237). 368 Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 24 Rn. 23, welcher in Fn. 35 insbesondere für den Begriff des Legitimationsniveaus auf Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, 1991, S. 328, verweist. 369 Vgl. BVerfGE 93, 37 (67). 370 BVerfGE 135, 317 (429 Rn. 235). 371 Trute, Die demokratische Legitimation der Verwaltung, in: Voßkuhle/Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 3. Auflage 2022, § 9 Rn. 8. 372 Vgl. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 24 Rn. 15. 373 Vgl. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 24 Rn. 15.
I. Verwaltung in der demokratischen rechtsstaatlichen Verfassungsordnung
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Die personell-organisatorische Legitimation blickt auf den einzelnen Amtswalter.374 Dessen Berufung muss unmittelbar oder mittelbar durch das Volk in der Form einer ununterbrochenen Legitimationskette erfolgt sein.375 Hierdurch erfährt auch zugleich das jeweilige Organ seine Legitimation,376 weswegen hier von einer personell-organisatorischen Legitimation zu sprechen ist. Die sachlich-inhaltliche Legitimation hingegen blickt auf das Handeln des Amtswalters377 und zielt darauf ab, den Inhalt der Staatsgewaltausübung vom Volk herzuleiten,378 also zu einer inhaltlichen Bindung zu gelangen.379 Dies gelingt entweder über die durch das Parlament erlassenen und die gesamte Staatsgewalt bindenden Gesetze oder aber über die Verantwortung der Regierung gegenüber dem Parlament.380 Das Parlament wirkt hier für die Regierung als primäre und für die Verwaltung als sekundäre Verantwortungsautorität381.382 Demokratische Legitimation und Verantwortung hängen also aufs Engste miteinander zusammen. Die demokratische Legitimation setzt eine Verantwortungsbeziehung voraus, welche sie absichert und auf deren Boden sie sich zugleich entfalten kann.383 Da Verantwortung immer hierarchisch ist und einer Autorität bedarf,384 macht dies zugleich deutlich, dass das hierarchische Prinzip von Art. 20
374 Trute, Die demokratische Legitimation der Verwaltung, in: Voßkuhle/Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 3. Auflage 2022, § 9 Rn. 9. 375 Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 24 Rn. 16. 376 Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 24 Rn. 16. 377 BVerfGE 93, 37 (67); Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, Band II, 7. Auflage 2018, Art. 20 Rn. 168. 378 Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 24 Rn. 21. 379 Trute, Die demokratische Legitimation der Verwaltung, in: Voßkuhle/Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 3. Auflage 2022, § 9 Rn. 10. 380 Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 24 Rn. 21. 381 Siehe zu diesem Begriff Seyffarth, Die Dogmatik des wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts – Zugleich ein Beitrag zu einem Verantwortungsbegriff im Staatsorganisationsrecht, 2021, S. 110. 382 Vgl. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 24 Rn. 21. 383 Ausführlich Seyffarth, Die Dogmatik des wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts – Zugleich ein Beitrag zu einem Verantwortungsbegriff im Staatsorganisationsrecht, 2021, S. 194 ff. 384 Di Fabio, Der Verfassungsstaat in der Weltgesellschaft, 2001, S. 107; zurückhaltender hingegen Sachs, Bürgerverantwortung im demokratischen Verfassungsstaat, DVBl. 1995, 873 (879).
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Abs. 2 GG vorausgesetzt wird.385 Ausdruck dieses hierarchischen Prinzips ist die Weisungsgebundenheit der Verwaltung. Wie weiter unten gezeigt werden soll, bestehen gerade mit Blick hierauf zahlreiche Spannungslagen zum Beauftragten. Um dieses Konfliktpotential an späterer Stelle sachgerecht erfassen und einer Lösung zuführen zu können,386 ist vorab noch ein Blick auf die Weisung und die sog. ministerialfreien Räume zu werfen. b) Weisung als tragendes Element der hierarchischen Verwaltungsorganisation und ministerialfreie Räume Das mittelbare Einstehen der Regierung, also deren Verantwortung gegenüber dem Parlament, für die ihr nachgeordneten Behörden kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn diese der Regierungsaufsicht und dem Weisungsrecht unterliegen.387 Erst durch ein fachliches Weisungsrecht übernimmt die Regierung die Verantwortung.388 Die Weisungsgebundenheit wird somit zum zentralen Aspekt im Rahmen der sachlich-inhaltlichen Legitimation.389 Die Weisungsmöglichkeit zieht sich wie ein roter Faden durch die Gewaltenteilung und die Demokratie. Wie noch gezeigt werden wird,390 spielt sie auch im Zusammenhang mit der Dienstaufsicht und der Fachaufsicht eine wichtige Rolle.391 Beiden Aufsichten kommt daher ebenfalls für die sachlich-inhaltliche Legitimation eine wichtige Funktion zu.392 Die Weisung ist hierbei „das charakteristische Handlungsinstrument der Verwaltung“.393 Mit ihr kann der Vorgesetzte den nachgeordneten Beamtinnen und Beamten oder den nachgeordneten Behörden verwaltungsintern wirkende Regelungen für ihre Tätigkeiten setzen.394 Abhängig vom Adressaten und der Zahl der erfassten Tätigkeiten 385
Löwer, Organisation, in: Kube/Mellinghoff/Morgenthaler/Palm/Puhl/Seiler (Hrsg.), Leitgedanken des Rechts zu Staat und Verfassung, 2015, § 7 Rn. 9; ähnlich auch Dreier, in: Dreier, GG-Kommentar, Band II, 5. Auflage 2015, Art. 20 (Demokratie) Rn. 121. 386 Siehe hierzu unten E. II. 2. c) bb). 387 Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 24 Rn. 21. 388 Puhl, Entparlamentarisierung und Auslagerung staatlicher Entscheidungsverantwortung, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, 3. Auflage 2005, § 48 Rn. 41. 389 Siehe hierzu auch BVerfGE 135, 317 (429 Rn. 235). 390 Siehe unten D. II. 2. a). 391 Vgl. Schiedermair, Selbstkontrollen der Verwaltung, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, 2. Auflage 2012, § 48 Rn. 15, 23; siehe auch unten D. II. 2. a). 392 Vgl. Dreier, in: Dreier, GG-Kommentar, Band II, 5. Auflage 2015, Art. 20 (Demokratie) Rn. 121; siehe auch Trute, Die demokratische Legitimation der Verwaltung, in: Voßkuhle/ Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 3. Auflage 2022, § 9 Rn. 13. 393 Schiedermair, Selbstkontrollen der Verwaltung, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, 2. Auflage 2012, § 48 Rn. 11. 394 Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 20. Auflage 2020, § 9 Rn. 25.
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kommt eine Einzelweisung oder eine generelle Weisung in Betracht.395 Die hierarchische, durch das Weisungsrecht geprägte Verwaltung wird dadurch zum primären Orientierungsmaßstab für das Legitimationsniveau.396 Dies schließt es freilich nicht aus, dass andere Möglichkeiten der Legitimation vorliegen können.397 Sie bedürfen jedoch stets einer vergleichbaren oder sachbereichsspezifischen Legitimation, die die Verwaltungsorganisation organisatorisch und institutionell an die Bürgerinnen und Bürger rückbindet.398 Fällt die Weisungsmöglichkeit weg oder lockert sie sich, so ist dies – aus demokratischer Perspektive – daher besonders legitimations- und begründungsbedürftig.399 Hierfür hat sich der Begriff der ministerialfreien Räume herausgebildet,400 bei denen sich die demokratische Legitimation „verdünnt“.401 Unter diesen Begriff fallen – bei einer zunächst typisierenden Betrachtung402 – auch die Beauftragten.403 Bei der Handhabung derartiger Aufhebungen oder Lockerungen der sachlich-inhaltlichen Legitimation ist vieles ungeklärt404 und umstritten405. Eindeutig ist jedenfalls, dass derartige weisungsgelockerten bzw. weisungsfreien Räume nicht von vornherein unzulässig sind, da bei der Legitimation das Legitimationsniveau aus395 Schiedermair, Selbstkontrollen der Verwaltung, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, 2. Auflage 2012, § 48 Rn. 11. 396 Wißmann, Verfassungsrechtliche Vorgaben der Verwaltungsorganisation, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 2. Auflage 2012, § 15 Rn. 62. 397 Wißmann, Verfassungsrechtliche Vorgaben der Verwaltungsorganisation, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 2. Auflage 2012, § 15 Rn. 62. 398 Wißmann, Verfassungsrechtliche Vorgaben der Verwaltungsorganisation, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 2. Auflage 2012, § 15 Rn. 62. 399 Dreier, in: Dreier, GG-Kommentar, Band II, 5. Auflage 2015, Art. 20 (Demokratie) Rn. 123. 400 Dreier, in: Dreier, GG-Kommentar, Band II, 5. Auflage 2015, Art. 20 (Demokratie) Rn. 123; kritisch zu diesem Begriff hingegen Hoffmann-Riem/Pilniok, Eigenständigkeit der Verwaltung, in: Voßkuhle/Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 3. Auflage 2022, § 12 Rn. 97. 401 Schmidt-Aßmann, Verwaltungslegitimation als Rechtsbegriff, AöR 116 (1991), 929 (384), welcher zudem ausführt, dass es hierbei nicht um die Verschiebung der Legitimationsgrundlagen gehe. 402 Siehe zu dieser D. II. 4. 403 Vgl. Dreier, in: Dreier, GG-Kommentar, Band II, 5. Auflage 2015, Art. 20 (Demokratie) Rn. 123; siehe ausführlich zum Datenschutzbeauftragten und zum Beauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GGKommentar, Band II, 7. Auflage 2018, Art. 20 Rn. 179a f. 404 Dreier, in: Dreier, GG-Kommentar, Band II, 5. Auflage 2015, Art. 20 (Demokratie) Rn. 123. 405 Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, Band II, 7. Auflage 2018, Art. 20 Rn. 178.
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schlaggebend ist406 – und damit das konkrete Zusammenwirken407 der Legitimationsformen. Dies kann allerdings abschließend nur anhand der konkreten Ausgestaltung des ministerialfreien Raums bewertet werden. Dies soll später bei der Bewertung der Beauftragten erfolgen.408 An dieser Stelle soll allerdings vorab ein abstraktes Muster der Möglichkeiten, wie die Legitimationsformen ausgleichend zusammenwirken können, aufgezeigt werden. Unbedenklich scheinen jedenfalls die Fälle zu sein, in denen der verselbständigte Akteur keine verbindliche Entscheidung treffen kann.409 Dies ist mit Blick auf die obige Staatsgewaltdefinition410 sachgerecht: Unter die Staatsgewalt fällt „jedenfalls alles amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter“.411 Besteht die Leistung des Akteurs lediglich in einer argumentativen Funktion412 und wird eine verbindliche Entscheidung von einer anderen staatlichen Stelle getroffen, liegt in ihrem Handeln eindeutig Staatsgewalt. Verfügt diese staatliche Stelle wiederum über die ausreichende Legitimation, kann sie einen vorhandenen Mangel beim unabhängigen Akteur kompensieren. Eine korrektive413 Wirkung414 kann hingegen durch die gesteigerte personellorganisatorische Legitimation des unabhängigen Akteurs eintreten.415 Dies ist etwa bei einer direkten Wahl durch das Parlament möglich.416 Die für die personell-organisatorische Legitimation nötige Legitimationskette wird hierdurch gewissermaßen von einer mittelbaren auf eine unmittelbare verkürzt. Unabhängig hiervon kann allerdings auch eine Korrektur innerhalb der sachlich-inhaltlichen Legitimation des unabhängigen Akteurs erfolgen. An dieser Stelle sei auf den korrelativen Charakter417 der beiden Komponenten418 der sachlich-inhaltlichen Legitimation verwiesen:
406 Burgi, Strukturen und Organisationseinheiten, in: Ehlers/Pünder (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Auflage 2022, § 8 Rn. 48. 407 Siehe oben Fn. 370. 408 Siehe hierzu unten E. II. 2. c) bb). 409 Loschelder, Weisungshierarchie und persönliche Verantwortung in der Exekutive, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 107 Rn. 22; vgl. auch BVerfGE 91, 228 (244). 410 Siehe hierzu D. I. 2. a). 411 BVerfGE 107, 59 (87). 412 Vgl. BVerfGE 91, 228 (244). 413 Siehe zum Unterschied zwischen Korrektiv und Kompensation Seyffarth, Die Dogmatik des wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts – Zugleich ein Beitrag zu einem Verantwortungsbegriff im Staatsorganisationsrecht, 2021, S. 294 f. 414 Siehe zur Begriffsklärung sogleich unten. 415 Siehe zum Zusammenhang der beiden Legitimationsformen D. I. 2. a) sowie zur Rechtfertigung beim Beauftragten D. II. 4. d). 416 Siehe zur Rechtfertigung beim Beauftragten D. II. 4. d). 417 Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 24 Rn. 22.
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Ähnlich wie bei den Legitimationsformen ist auch bei der Gesetzesbindung und der Verantwortung einschließlich der Weisungsgebundenheit ein korrelatives Zusammenwirken möglich.419 Wird die Weisungsabhängigkeit und damit die Verantwortung gegenüber dem Parlament aufgehoben oder gelockert, muss die Gesetzesbindung umso strenger sein, wie umgekehrt bei einer gelockerten Gesetzesbindung, etwa weil die Gesetze nur den Rahmen und nicht den Inhalt der Entscheidung determinieren, die Weisungsabhängigkeit zunehmen muss.420 Eine strikte und verstärkte Gesetzesbindung des unabhängigen Akteurs kann daher ebenfalls die Weisungsaufhebung rechtfertigen.421 Liegt der Zweck der Aufhebung oder Lockerung der Weisungsgebundenheit darin begründet, eine strikte Rechtsanwendung nicht nur des unabhängigen Akteurs, sondern der Verwaltung insgesamt bzw. anderer Akteure zu gewährleisten, vermag dies wegen der damit verbundenen Verwirklichung des im Gesetz verankerten demokratischen Willens ebenfalls eine (verfassungsrechtliche) Rechtfertigung zu geben.422 Diese Art der Rechtfertigung würde sich zwar nicht unmittelbar aus der Legitimation des unabhängigen Akteurs selbst ergeben, sie wäre allerdings eine ausreichende Kompensation im Interesse des Demokratieprinzips.423 Insoweit ist es möglich, die weggefallene oder gelockerte Weisungsmöglichkeit durch ein Korrektiv oder eine Kompensation aufzufangen. Die beiden Begriffe sind hier nicht synonym zu verstehen.424 Das Korrektiv ermöglicht einen Ausgleich, der von innen erfolgt.425 Die demokratische Legitimation des unabhängigen Akteurs soll hierbei entweder durch eine gesteigerte personell-organisatorische Legitimation 418 Trute, Die demokratische Legitimation der Verwaltung, in: Voßkuhle/Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 3. Auflage 2022, § 9 Rn. 10. 419 Vgl. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 24 Rn. 22; von zusammengehörenden Bausteinen spricht Trute, Die demokratische Legitimation der Verwaltung, in: Voßkuhle/Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 3. Auflage 2022, § 9 Rn. 10. 420 Vgl. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 24 Rn. 22. 421 Puhl, Entparlamentarisierung und Auslagerung staatlicher Entscheidungsverantwortung, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, 3. Auflage 2005, § 48 Rn. 44. 422 Vgl. Loschelder, Weisungshierarchie und persönliche Verantwortung in der Exekutive, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 107 Rn. 22. 423 Siehe zum Unterschied zwischen Korrektiv und Kompensation Seyffarth, Die Dogmatik des wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts – Zugleich ein Beitrag zu einem Verantwortungsbegriff im Staatsorganisationsrecht, 2021, S. 294 f. 424 Siehe zum Unterschied zwischen Korrektiv und Kompensation Seyffarth, Die Dogmatik des wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts – Zugleich ein Beitrag zu einem Verantwortungsbegriff im Staatsorganisationsrecht, 2021, S. 294 f. 425 Vgl. Seyffarth, Die Dogmatik des wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts – Zugleich ein Beitrag zu einem Verantwortungsbegriff im Staatsorganisationsrecht, 2021, S. 294.
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oder durch eine verstärkte Gesetzesbindung des Akteurs selbst ausgeglichen bzw. erreicht werden. Da sich diese Rechtfertigungen aus der Stellung des Akteurs ergeben, liegt hier ein innerer Ausgleich in der Form eines Korrektivs vor. Wird die weggefallene oder gelockerte Weisungsmöglichkeit hingegen damit gerechtfertigt, dass entweder der unabhängige Akteur selbst keine verbindliche Entscheidung trifft, sondern ein anderer (ausreichend legitimierter) Akteur, oder der unabhängige Akteur die Aufgabe hat, die stärkere Gesetzesbindung von anderen staatlichen Akteuren zu sichern, folgt die Rechtfertigung von außerhalb, da sie sich aus der hinzuziehenden Betrachtung weiterer staatlicher Akteure ergibt. Daher ist hier der Begriff der Kompensation passend. Die Korrektive sind aufgrund ihres engen Bezugs zum unabhängigen Akteur stärkere Rechtfertigungsformen. Sie lassen aufgrund ihrer Wirkung eine „Lücke“ im legitimationstechnischen Sinne erst gar nicht entstehen, welche sodann kompensierend geschlossen werden müsste. Dies wird anschaulich unten beim eigenen Vorschlag aufgegriffen und angewandt.426 3. Verwaltung und Rechtsstaatsprinzip a) Rechtsstaatsprinzip Mit der Frage nach der strikten Rechtsbindung und -anwendung gelangt man zugleich zum zweiten Staatsstrukturelement,427 welches prägende Bedeutung für die Verwaltung hat: dem Rechtsstaatsprinzip.428 Der in Art. 20 Abs. 3 GG angelegte429 und in Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG erwähnte430 Rechtsstaat ist mit dem Recht aufs Engste verknüpft. Im Rechtsstaat handelt und legitimiert sich der Staat durch das Recht und wird durch dieses bestimmt.431 Das Rechtsstaatsprinzip gestaltet gemeinsam mit dem Demokratieprinzip das politische Leben und verfolgt in Abgrenzung zum kommunikativen Ansatz des Demokratieprinzips vor allem einen individuell-rechtlichen Ansatz.432 Der Rechtsstaat lässt sich in einen formal und
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Siehe hierzu unten E. II. 2. c) bb). Hingegen hierzu nur den formellen Rechtsstaat zählend und den materiellen Rechtsstaat als Staatszielbestimmung einordnend: Sommermann, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GGKommentar, Band II, 7. Auflage 2018, Art. 20 Rn. 230. 428 Vgl. Schmidt-Aßmann, Verwaltungslegitimation als Rechtsbegriff, AöR 116 (1991), 929 (331 f.). 429 Vgl. BVerfGE 35, 41 (47). 430 Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 26 Rn. 3. 431 Kirchhof, Mittel staatlichen Handelns, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 99 Rn. 2. 432 Schmidt-Aßmann, Verwaltungslegitimation als Rechtsbegriff, AöR 116 (1991), 929 (333). 427
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einen materiell geprägten Teil untergliedern.433 Diese Unterteilung ist vor allem historisch bedingt und nicht stets vollkommen stringent.434 Als Kernelemente des formellen Rechtsstaats lassen sich die in Art. 20 Abs. 2 und 3 GG enthaltenen Elemente der Gewaltenteilung, der Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung435 und der Bindung der vollziehenden und rechtsprechenden Gewalt an Gesetz und Recht feststellen.436 Hingegen umfasst der materielle Rechtsstaat all jene Aspekte, die in einem engen Zusammenhang zur Idee der Gerechtigkeit stehen.437 Zum materiellen Rechtsstaat gehören vor allem die Grundrechte.438 Nachfolgend sollen die Ausprägungen des Rechtsstaates, die für die Verwaltung und die vorliegende Ausarbeitung von Interesse sind, näher dargelegt werden. Hierzu gehört neben den Kernelementen der Gewaltenteilung und der Gesetzesbindung der Verwaltung (Vorrang des Gesetzes) auch der Vorbehalt des Gesetzes. Sie werden an späterer Stelle helfen, die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Etablierung der Beauftragten bewerten zu können. Insbesondere beim Beauftragten der Gesetzentwürfe wird diese in Frage gestellt.439 b) Gesetzesbindung der Verwaltung (Vorrang des Gesetzes) Der Vorrang des Gesetzes – nachfolgend auf die Verwaltung bezogen – lässt sich in zwei Zwecke unterteilen. Zum einen zielt er auf die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung,440 also auf die Ausrichtung der Verwaltung am Gesetz, und zum anderen beinhaltet er eine Kollisions-441 und Rangordnungsregel442.443 In seiner letztge433
Vgl. Sachs, in: Sachs, GG-Kommentar, 9. Auflage 2021, Art. 20 Rn. 74. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG-Kommentar, 3. Auflage 2015, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 48. 435 In der Verfassungsbindung der Gesetzgebung wird bisweilen hingegen auch der materielle Rechtsstaat erblickt, siehe etwa Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 26 Rn. 19. 436 Sommermann, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, Band II, 7. Auflage 2018, Art. 20 Rn. 227. 437 Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG-Kommentar, 3. Auflage 2015, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 46. 438 Vgl. Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 26 Rn. 19. 439 Siehe hierzu unten E. II. 1. e) bb) (3) und E. II. 1. e) cc) (3). 440 Die Gesetzmäßigkeit stellt sich vor allem als Vorrang des Gesetzes dar (SchmidtAßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof [Hrsg.], Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 26 Rn. 62), wird bisweilen aber auch vom Vorrang des Gesetzes inhaltlich getrennt, welcher nach dieser Sichtweise (lediglich) auf eine Kollisionsregel hinauslaufe (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG-Kommentar, 10. Auflage 2022, § 44 Rn. 43, 45). 441 Dass der Vorrang des Gesetzes nur eine Kollisionsnorm sei, meint Sachs, in: Sachs, GGKommentar, 9. Auflage 2021, Art. 20 Rn. 112. 442 Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 101 Rn. 2. 434
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nannten Ausprägung intendiert der Vorrang des Gesetzes, das Rechtsquellensystem zu einer geschlossenen, mit dem förmlichen Gesetz an der Spitze stehenden Normenhierarchie zu gestalten.444 Das förmliche Gesetz hat Vorrang vor sämtlichen Akten der Verwaltung.445 Der Vorrang des Gesetzes lässt sich daher insbesondere in ein Anwendungsgebot und in ein Abweichungsverbot unterteilen.446 Ersteres ist ein zwingendes Gebot, dem Willen des Gesetzgebers durch die Gesetzesanwendung, den Gesetzesvollzug und die Ausführungspflicht zur Wirksamkeit zu verhelfen.447 Neben diesem Auftrag und der Ermächtigung zur Anwendung, Ausführung und zum Vollzug setzt der Vorrang des Gesetzes der Verwaltung durch das Verbot, gegen das Gesetz zu verstoßen, auch eine Handlungsschranke.448 Der Vorrang des Gesetzes sichert nicht nur die rechtsstaatlichen Funktionen des Gesetzes (wie die Vorhersehbarkeit von Verwaltungsentscheidungen), sondern er hat eine doppelte Funktion in der gleichzeitigen Absicherung der Steuerungsmöglichkeit des Parlaments.449 Das Gesetz wird hierdurch zum klassischen staatlichen Legitimationsmittel.450 Mit Blick auf die Kontrolle der Verwaltung ist daher festzuhalten, dass jedenfalls eine Rechtsaufsicht stets vorhanden sein muss.451 Denn nur so kann eine „Mindest-Steuerungsmöglichkeit“ des Parlaments gewährleistet werden. Eine Missachtung des Vorrangs des Gesetzes höbe also nicht nur die Vorhersehbarkeit von 443
Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG-Kommentar, 3. Auflage 2015, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 92 – m. w. N.; siehe auch Grzeszick, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG-Kommentar, Lfg. 97 Januar 2022, Art. 20 VI Rn. 73. 444 Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 101 Rn. 2. 445 Vgl. Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 26 Rn. 62. 446 Gusy, Der Vorrang des Gesetzes, JuS 1983, 189 (191); Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 101 Rn. 4; Reimer, Das Parlamentsgesetz als Steuerungsmittel und Kontrollmaßstab, in: Voßkuhle/Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 3. Auflage 2022, § 11 Rn. 76. 447 Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 101 Rn. 5. 448 Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 101 Rn. 6. 449 Schmidt-Aßmann, Verwaltungslegitimation als Rechtsbegriff, AöR 116 (1991), 929 (357). 450 Reimer, Das Parlamentsgesetz als Steuerungsmittel und Kontrollmaßstab, in: Voßkuhle/ Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 3. Auflage 2022, § 11 Rn. 11. 451 Schmidt-Aßmann, Verwaltungslegitimation als Rechtsbegriff, AöR 116 (1991), 929 (358); so auch für die funktionale Selbstverwaltung Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 24 Rn. 34; dass die Aufsicht im Kern verfassungsrechtlich zwingend sei, meint Burgi, Grundlagen, in: Ehlers/Pünder (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Auflage 2022, § 7 Rn. 28 – m. w. N.
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Verwaltungsentscheidungen auf, sondern würde auch dazu führen, dass sich die Verwaltungsentscheidung der Steuerungsmöglichkeit durch das Parlament entzieht. c) Vorbehalt des Gesetzes und Wesentlichkeitstheorie Bisweilen wird unter die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung neben dem Vorrang des Gesetzes auch der Vorbehalt des Gesetzes gefasst.452 Dieser geht jedoch über den Regelungsgehalt des Art. 20 Abs. 3 GG und der dortigen Gesetzesbindung hinaus.453 Er befasst sich mit Kompetenzproblemen und der Frage, ob die Verwaltung einen Sachbereich autonom regeln kann oder hierfür eines Gesetzes bedarf.454 Die Festlegung bzw. Feststellung eines Vorbehaltsbereichs hat zur Folge, dass die Verwaltung einer Handlungssperre unterliegt und in diesem Bereich ohne gesetzliche Ermächtigung nicht tätig werden darf.455 Der Vorbehalt des Gesetzes findet seine Grundlage sowohl im Demokratie- als auch im Rechtsstaatsprinzip.456 Die Differenzierung und Akzentuierung nach diesen beiden Wurzeln führt zu einem rechtsstaatlich geprägten Vorbehalt des Gesetzes und zu einem demokratisch geprägten Parlamentsvorbehalt.457 Der tragende Unterschied liegt darin, dass der Parlamentsvorbehalt ein Sachvorbehalt ist, der dem Parlament eine Sachmaterie vorbehält, und der Vorbehalt des Gesetzes ein Formvorbehalt ist, der das förmliche Gesetz als Entscheidungsform über die Sachmaterie verlangt.458 Angesichts dessen sollte der Parlamentsvorbehalt als Organkompetenz- bzw. Organbefugnisvorbehalt aufgefasst werden, und der Vorbehalt des Gesetzes als Or452 Siehe etwa Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 20. Auflage 2020, § 6 Rn. 1; Jestaedt, Maßstäbe des Verwaltungshandelns, in: Ehlers/Pünder (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Auflage 2022, § 11 Rn. 7. 453 Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 26 Rn. 63. 454 Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 101 Rn. 11. 455 Reimer, Das Parlamentsgesetz als Steuerungsmittel und Kontrollmaßstab, in: Voßkuhle/ Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 3. Auflage 2022, § 11 Rn. 28; siehe auch Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 20. Auflage 2020, § 6 Rn. 3. 456 Vgl. Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 101 Rn. 41 f.; Schmitt Glaeser, Der freiheitliche Staat des Grundgesetzes, 3. Auflage 2016, S. 306; siehe zu weiteren vorgetragenen Wurzeln Reimer, Das Parlamentsgesetz als Steuerungsmittel und Kontrollmaßstab, in: Voßkuhle/Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 3. Auflage 2022, § 11 Rn. 46 – m. w. N. 457 Siehe hierzu Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 101 Rn. 41 ff.; Seyffarth, Die Dogmatik des wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts – Zugleich ein Beitrag zu einem Verantwortungsbegriff im Staatsorganisationsrecht, 2021, S. 223 – m. w. N. 458 Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 101 Rn. 50.
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gankompetenz- bzw. Organbefugnisvorbehalt und Rechtsetzungsformvorbehalt.459 Der Vorbehalt des Gesetzes als Formvorbehalt greift daher immer dann, wenn die besonderen Funktionen des Gesetzes gefragt sind.460 Das Rechtsstaatsprinzip ist hierbei auf eine durch Gesetz vermittelte eindeutige, berechenbare und stabile Rechtsbeziehung zwischen Bürgerinnen und Bürgern und Staat gerichtet, wohingegen das Demokratieprinzip die Einbindung des vom Volk gewählten Parlaments fordert.461 Beide Vorbehalte können zwar zusammenfallen, jedoch besteht keine Übereinstimmung zwischen ihnen.462 Für den Parlamentsvorbehalt genügt eine parlamentarische Entscheidung;463 sein Kern ist daher das Delegationsverbot.464 Diese Unterteilung ist jedoch nur eine Seite derselben Medaille. Von ebenso tragender Bedeutung ist die Wesentlichkeitstheorie. Sie bestimmt sowohl die Vorbehaltsmaterie als auch die Regelungsdichte innerhalb dieser.465 In anderen Worten: Sie entscheidet über das „Ob“ und das „Wie“ des parlamentarischen Tätigwerdens.466 Vereinfacht gesprochen besagt die Wesentlichkeitstheorie, dass alle wesentlichen Entscheidungen vom Parlament getroffen werden müssen.467 Da die Wesentlichkeit nicht immer einfach bestimmt werden kann, verwundert es nicht, dass die Wesentlichkeitstheorie in der Literatur auf starke Kritik gestoßen ist.468 Die Wesentlichkeitstheorie hat sich allerdings in der Rechtsprechung als dogmatisches Handwerkzeug etabliert,469 sodass auf sie für die vorliegende Untersuchung nicht verzichtet werden kann. Denn sollen an späterer Stelle dieser Arbeit Gesetzentwürfe bewertet werden, ist wegen der Bindungswirkung des § 31 BVerfGG für den Ge459 Seyffarth, Die Dogmatik des wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts – Zugleich ein Beitrag zu einem Verantwortungsbegriff im Staatsorganisationsrecht, 2021, S. 215; ähnlich Reimer, Das Parlamentsgesetz als Steuerungsmittel und Kontrollmaßstab, in: Voßkuhle/Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 3. Auflage 2022, § 11 Rn. 26. 460 Butzer, Der Bereich des schlichten Parlamentsbeschlusses, AöR 119 (1994), 61 (85). 461 Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 20. Auflage 2020, § 6 Rn. 6. 462 Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 101 Rn. 51. 463 Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 20. Auflage 2020, § 6 Rn. 9. 464 Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 101 Rn. 53, welcher zugleich noch das Gebot verstärkter Regelungsdichte nennt; siehe zum Delegationsverbot auch Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, 1986, S. 30. 465 Reimer, Das Parlamentsgesetz als Steuerungsmittel und Kontrollmaßstab, in: Voßkuhle/ Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 3. Auflage 2022, § 11 Rn. 45. 466 Kloepfer, Der Vorbehalt des Gesetzes im Wandel, JZ 1984, 685 (691). 467 Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 101 Rn. 52. 468 Siehe etwa Reimer, Das Parlamentsgesetz als Steuerungsmittel und Kontrollmaßstab, in: Voßkuhle/Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 3. Auflage 2022, § 11 Rn. 57 ff. 469 Vgl. Lassahn, Rechtsprechung und Parlamentsgesetz, 2017, S. 88.
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setzgeber auch die Wesentlichkeitstheorie zu beachten. Die schwere Handhabung des Wesentlichkeitskriteriums lässt sich durch die Bildung von Fallgruppen,470 die mit dem Vorbehalt des Gesetzes verknüpft werden, abmildern. Diese Fallgruppen zeigen, wann aufgrund der Wesentlichkeitstheorie der Vorbehalt des Gesetzes greift. Nachfolgend sollen die zwei Fallgruppen aufgegriffen werden, die für die vorliegende Untersuchung, insbesondere weiter unten im Kontext des Beauftragten, von Bedeutung sind: die Grundrechtsrelevanz471 und der institutionelle Gesetzesvorbehalt472. Die Bedeutung der Grundrechtsrelevanz folgt zwangsläufig daraus, dass die Beauftragten in der vorliegenden Untersuchung im Hinblick auf den Bürgerbezug untersucht werden.473 Die Bedeutung der institutionellen Gesetzesvorbehalte für die vorliegende Untersuchung folgt aus ihrer Verknüpfung mit den ministerialfreien Räumen,474 welche beim eigenen Vorschlag für einen Beauftragten entstehen475 und daher besonders beleuchtet werden. Sind Grundrechte betroffen, ist die Anwendbarkeit des Vorbehalts des Gesetzes weitgehend anerkannt.476 Zu differenzieren ist hierbei bei der Art und Weise der Betroffenheit. Liegt ein Eingriff vor, so greifen zunächst einmal die vom Vorbehalt des Gesetzes zu unterscheidenden477 grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte.478 Daneben479 und darüber hinaus kann allerdings auch der Vorbehalt des Gesetzes greifen.480 Hier ist nicht das Vorliegen eines Eingriffes, sondern die Grundrechtsverwirklichung bzw. -ausübung maßgeblich: 470 Siehe hierzu Sommermann, in: v. Mangold/Klein/Starck, GG-Kommentar, Band II, 7. Auflage 2018, Art. 20 Rn. 275 ff.; dass sich noch keine verlässlichen Fallgruppen gebildet hätten, meint Reimer, Das Parlamentsgesetz als Steuerungsmittel und Kontrollmaßstab, in: Voßkuhle/Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 3. Auflage 2022, § 11 Rn. 48. 471 Siehe zur Einordnung als Fallgruppe Reimer, Das Parlamentsgesetz als Steuerungsmittel und Kontrollmaßstab, in: Voßkuhle/Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 3. Auflage 2022, § 11 Rn. 48. 472 Siehe zur Einordnung als Fallgruppe Sommermann, in: v. Mangold/Klein/Starck, GGKommentar, Band II, 7. Auflage 2018, Art. 20 Rn. 283. 473 Siehe A. I. 3. 474 Siehe sogleich einschließlich Fn. 485. 475 Siehe hierzu E. II. 2. b) aa). 476 Vgl. Sommermann, in: v. Mangold/Klein/Starck, GG-Kommentar, Band II, 7. Auflage 2018, Art. 20 Rn. 276. 477 Siehe zur terminologischen Abgrenzung Seyffarth, Die Dogmatik des wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts – Zugleich ein Beitrag zu einem Verantwortungsbegriff im Staatsorganisationsrecht, 2021, S. 217 f. – m. w. N. 478 Sommermann, in: v. Mangold/Klein/Starck, GG-Kommentar, Band II, 7. Auflage 2018, Art. 20 Rn. 277. 479 Siehe zum Unterschied zwischen dem Vorbehalt des Gesetzes und den (grundrechtlichen) Gesetzesvorbehalten Sachs, in: Sachs, GG-Kommentar, 9. Auflage 2021, Art. 20 Rn. 113. 480 Sommermann, in: v. Mangold/Klein/Starck, GG-Kommentar, Band II, 7. Auflage 2018, Art. 20 Rn. 278.
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Um eine wesentliche Entscheidung für die Grundrechtsverwirklichung bzw. -ausübung zu ermitteln, ist sowohl auf die Bedeutung der Rechtsgüter als auch auf den Grad und die Reichweite483 der Betroffenheit zu blicken.484 Unter institutionellen oder organisationsrechtlichen Gesetzesvorbehalten, die auf die Verwaltung bezogen sind, versteht man Vorbehalte, deren Materie die Verwaltungsorganisation betreffen, wie etwa die Bildung, einschließlich des Schaffens weisungsfreier Räume,485 den Aufbau und die räumliche Gliederung von Verwaltungseinheiten, die Zuständigkeitsverteilung und die Organbestellung.486 Die hierauf gerichtete Organisationsgewalt verleiht nicht per se den Exekutivorganen einen Kompetenztitel.487 Jedenfalls bedarf neben eingriffsartigen oder für die Grundrechtsverwirklichung wesentlicher488 Organisationsentscheidungen grundsätzlich489 die Schaffung weisungsfreier490 Räume (im oben dargestellten Sinne)491 eines Gesetzes492.493 Wann darüber hinaus die Wesentlichkeitstheorie einen derartigen or-
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BVerfGE 49, 89 (126 f.). BVerfGE 134, 141 (184). 483 Unger, Das Verfassungsprinzip der Demokratie, 2008, S. 268 f. 484 Sommermann, in: v. Mangold/Klein/Starck, GG-Kommentar, Band II, 7. Auflage 2018, Art. 20 Rn. 279 – m. w. N. 485 Burgi, Strukturen und Organisationseinheiten, in: Ehlers/Pünder (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Auflage 2022, § 8 Rn. 2. 486 Reimer, Das Parlamentsgesetz als Steuerungsmittel und Kontrollmaßstab, in: Voßkuhle/ Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 3. Auflage 2022, § 11 Rn. 39. 487 Vgl. Krebs, Verwaltungsorganisation, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 108 Rn. 98. 488 Vgl. Sommermann, in: v. Mangold/Klein/Starck, GG-Kommentar, Band II, 7. Auflage 2018, Art. 20 Rn. 283. 489 Siehe zum Verhältnis der Organisationsgewalt zur Organadäquanz D. I. 5. c). 490 Siehe auch Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 2. Auflage 1998, S. 96. 491 Siehe hierzu oben D. I. 2. b). 492 Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2. Auflage 2006, S. 254 Rn. 27. 482
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ganisationsrechtlichen Gesetzesvorbehalt erfordert, ist nicht eindeutig zu beantworten und wird hinsichtlich der Zulässigkeit stark kritisiert.494 Einer genaueren Klärung dessen bedarf es allerdings nicht, da bei den vorliegenden Beauftragten, die weiter unten beleuchtet werden, die soeben dargelegten Aspekte der Grundrechtsverwirklichung und des ministerialfreien Raumes greifen. 4. Verwaltung und Gewaltenteilung Nachdem dargelegt wurde, weshalb der Vorrang des Gesetzes eine Rechtsaufsicht erforderlich macht und inwieweit der Vorbehalt des Gesetzes (gemeinsam mit der Wesentlichkeitstheorie) festlegt, wann ein Gesetz erforderlich ist, wird nachfolgend der letzte Aspekt des Rechtsstaatsprinzips, der für die vorliegende Untersuchung relevant ist, in den Blick genommen: die Gewaltenteilung. Diese wird separat behandelt, da sie zwar im Rechtsstaatsprinzip wurzelt, zugleich aber auch im Demokratieprinzip495 und darüber hinaus eigenständige Substanz496 besitzt.497 Auch die Gewaltenteilung ist für die vorliegende Untersuchung relevant. Wenn an späterer Stelle zu klären ist, ob ein Parlamentsbeauftragter oder ein Verwaltungsbeauftragter zu etablieren ist, liegt es auf der Hand, dass sich auch Fragen der Gewaltenteilung stellen. Auch die Gewaltenteilung ist daher in den Blick zu nehmen, wenn der rechtliche Rahmen für die Verwaltungskontrolle von Polizeigewalt aufgezeigt wird.
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Reimer, Das Parlamentsgesetz als Steuerungsmittel und Kontrollmaßstab, in: Voßkuhle/ Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 3. Auflage 2022, § 11 Rn. 39. 494 Kritisch zur Anwendbarkeit der Wesentlichkeitstheorie etwa Böckenförde, Organisationsgewalt und Gesetzesvorbehalt, NJW 1999, 1235 f.; Reimer, Das Parlamentsgesetz als Steuerungsmittel und Kontrollmaßstab, in: Voßkuhle/Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 3. Auflage 2022, § 11 Rn. 39; ablehnend gegenüber einem allgemeinen organisationsrechtlichen Gesetzesvorbehalt etwa Hermes, Dreier, GG-Kommentar, Band II, 3. Auflage 2015, Art. 64 Rn. 20; dass im Grundsatz ein ungeschriebener organisationsrechtlicher Gesetzesvorbehalt anerkannt sei, meint Burgi, Strukturen und Organisationseinheiten, in: Ehlers/Pünder (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Auflage 2022, § 8 Rn. 4; für eine Anwendbarkeit jedenfalls des abstrakten Wesentlichkeitsgedankens Krebs, Verwaltungsorganisation, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 108 Rn. 101. 495 Puhl, Gewaltenteilung, in: Kube/Mellinghoff/Morgenthaler/Palm/Puhl/Seiler (Hrsg.), Leitgedanken des Rechts zu Staat und Verfassung, 2015, § 23 Rn. 5. 496 Di Fabio, Gewaltenteilung, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 27 Rn. 11. 497 Seyffarth, Die Dogmatik des wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts – Zugleich ein Beitrag zu einem Verantwortungsbegriff im Staatsorganisationsrecht, 2021, S. 272 f.
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a) Grundgesetzliche Gewaltenteilung Oben wurde bereits ausgeführt, dass unter die vollziehende Gewalt Regierung und Verwaltung gefasst werden.498 Damit wurde zugleich die sog. funktionelle Gewaltenteilung angesprochen. Darüber hinaus wird noch nach einer sog. organisatorischen Gewaltenteilung unterschieden, auf welche bereits oben mit der Rede von der Verwaltung im organisatorischen Sinne499 Bezug genommen wurde. Danach sind besondere Organe vorgesehen, welche die drei Funktionen Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung (funktionelle Gewaltenteilung) wahrnehmen (organisatorische Gewaltenteilung).500 Erst durch die Zuteilung der Funktionen auf die besonderen Organe tritt der gewaltenteilige Effekt ein.501 Auch wenn Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG deutlich macht, dass nach Funktionen und Organen zu unterscheiden ist,502 lässt die Norm die Zuordnung offen.503 Für die Zuordnung ist daher das Gewaltenteilungsprinzip im Sinne des Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG von geringer Bedeutung504.505 Bisweilen werden ihm allerdings der Kernbereich und das Übergewicht als Grenzen der Zuordnung entnommen.506 Entscheidender für die Zuordnung und die Grenzziehung sind die Zwecke507 der Gewaltenteilung.508 Die Gewaltenteilung zielt auf den mit der Machtmäßigung verbundenen Trennungs- und Begrenzungszweck.509 Zugleich ist sie auf Konstituierung staatlicher
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Siehe oben D. I. 1. sowie Fn. 342. Siehe hierzu D. I. 1. 500 Vgl. Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 26 Rn. 53. 501 Ossenbühl, Aktuelle Probleme der Gewaltenteilung, DÖV 1980, 545 (546). 502 Dass dem Wortlaut nach nur die staatlichen Funktionen zu unterscheiden seien, meint hingegen Schnapp, in: von Münch/Kunig, GG-Kommentar, Band I, 6. Auflage 2012, Art. 20 Rn. 58. 503 Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 26 Rn. 47. 504 „Kaum eine eigenständige praktische Bedeutung“ (Schulze-Fielitz, in: Dreier, GGKommentar, Band II, 3. Auflage 2015, Art. 20 [Rechtsstaat] Rn. 70). 505 Puhl, Gewaltenteilung, in: Kube/Mellinghoff/Morgenthaler/Palm/Puhl/Seiler (Hrsg.), Leitgedanken des Rechts zu Staat und Verfassung, 2015, § 23 Rn. 8. 506 Puhl, Gewaltenteilung, in: Kube/Mellinghoff/Morgenthaler/Palm/Puhl/Seiler (Hrsg.), Leitgedanken des Rechts zu Staat und Verfassung, 2015, § 23 Rn. 8. 507 Siehe auch den Überblick über die der Gewaltenteilung in Vielzahl zugeschriebenen Funktionen bei Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG-Kommentar, Band II, 3. Auflage 2015, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 68. 508 Siehe hierzu ausführlich Seyffarth, Die Dogmatik des wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts – Zugleich ein Beitrag zu einem Verantwortungsbegriff im Staatsorganisationsrecht, 2021, S. 269 ff. 509 Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 26 Rn. 49 – mit Nachweisen zur Rechtsprechung. 499
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Macht durch staatliche Wirksamkeit und Rationalität510 gerichtet.511 Dieser Zwecksetzung entsprechend besitzt die Gewaltenteilung sowohl eine demokratische als auch eine rechtsstaatliche Wurzel.512 Die demokratische Wurzel und die Verwirklichung von staatlicher Macht sind insbesondere mit dem Grundsatz der Funktionsgerechtigkeit bzw. der Organadäquanz verknüpft.513 Die Organadäquanz ist ein zentraler Grundgedanke bei der Zuordnung.514 b) Aufgabenzuweisung über die Organadäquanz Die Gewaltenteilung zielt auch darauf, dass die Aufgaben von den Organen wahrgenommen werden, die eine adäquate und effektive Aufgabenwahrnehmung gewährleisten.515 Dieser Grundsatz wurde auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts etabliert: „Die dort als Grundsatz normierte organisatorische und funktionelle Unterscheidung und Trennung der Gewalten dient zumal der Verteilung von politischer Macht und Verantwortung sowie der Kontrolle der Machtträger; sie zielt auch darauf ab, daß staatliche Entscheidungen möglichst richtig, das heißt von den Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion516 und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen, und sie will auf eine Mäßigung der Staatsgewalt insgesamt hinwirken.“517
510 Siehe zum Zusammenhang zwischen Rationalität und Rechtsstaat Krebs, Verwaltungsorganisation, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 108 Rn. 90. 511 Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 26 Rn. 50 – mit Nachweisen zur Rechtsprechung. 512 Puhl, Gewaltenteilung, in: Kube/Mellinghoff/Morgenthaler/Palm/Puhl/Seiler (Hrsg.), Leitgedanken des Rechts zu Staat und Verfassung, 2015, § 23 Rn. 5. 513 Vgl. Puhl, Gewaltenteilung, in: Kube/Mellinghoff/Morgenthaler/Palm/Puhl/Seiler (Hrsg.), Leitgedanken des Rechts zu Staat und Verfassung, 2015, § 23 Rn. 5; siehe hierzu, insbesondere zur Abgrenzung zwischen Funktionsgerechtigkeit und Organadäquanz, auch Seyffarth, Die Dogmatik des wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts – Zugleich ein Beitrag zu einem Verantwortungsbegriff im Staatsorganisationsrecht, 2021, S. 278 ff. – m. w. N. 514 Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG-Kommentar, Band II, 3. Auflage 2015, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 71. 515 Vgl. Poscher, Funktionenordnung des Grundgesetzes, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 2. Auflage 2012, § 8 Rn. 28. 516 Siehe zur Kritik an der Mitaufnahme der Funktion Seyffarth, Die Dogmatik des wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts – Zugleich ein Beitrag zu einem Verantwortungsbegriff im Staatsorganisationsrecht, 2021, S. 280. 517 BVerfGE 68, 1 (86).
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Die Organadäquanz wirkt auch auf das Verhältnis zwischen der Regierung und der Verwaltung ein.518 Aus den besonderen Ressourcen der Verwaltung kann sich daher auch ergeben, dass eine Aufgabe effektiv nicht von der Regierung, sondern nur von der Verwaltung wahrgenommen werden kann.519 c) Organisationsgewalt und Organadäquanz Über die Organadäquanz lässt sich dann auch die Organisationsgewalt erfassen. Denn eine rationale Aufgabenerledigung ist ohne Verwaltungsorganisation nicht möglich.520 Ist einem Verwaltungsträger eine Aufgabe über die Organadäquanz zugeteilt, dürfte dies regelmäßig auch zur darauf gerichteten Kompetenz für die Organisationsgewalt führen.521 Die Gewaltenteilung kann also über die Organadäquanz für die Organisationsgewalt ins Feld geführt werden. Dies bedeutet zugleich, dass die Wesentlichkeit allein nicht ausreicht, um dem Parlament die Organisationsgewalt zuzuweisen.522 Im Idealfall führen sowohl die Anwendbarkeit der Wesentlichkeitstheorie als auch die Anwendbarkeit der Organadäquanz zur Organisationsgewalt eines Exekutivorgans oder des Parlaments. Führen allerdings Wesentlichkeit und Gewaltenteilung zu unterschiedlichen Ergebnissen, bedarf es einer Abwägung im Einzelfall.523 So ist es möglich, dass auf der einen die Wesentlichkeitstheorie für die Organisationsgewalt des Parlaments streitet, etwa weil eine Grundrechtswesentlichkeit vorliegt, auf der anderen Seite aber die Organadäquanz für die Organisationsgewalt der Bundesregierung streitet, weil nur sie die Aufgabe rational erledigen kann. 5. Zusammenfassung Die Verwaltung steht in einem wechselreichen Spannungsverhältnis zum Rechtsstaats- und Demokratieprinzip sowie zur Gewaltenteilung. Bereits begrifflich lässt sich entsprechend der Gewaltenteilung zwischen der Verwaltung im organi518 Vgl. Hoffmann-Riem/Pilniok, Eigenständigkeit der Verwaltung, in: Voßkuhle/Eifert/ Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 3. Auflage 2022, § 12 Rn. 93. 519 Hoffmann-Riem/Pilniok, Eigenständigkeit der Verwaltung, in: Voßkuhle/Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 3. Auflage 2022, § 12 Rn. 89. 520 Krebs, Verwaltungsorganisation, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 108 Rn. 99. 521 In diese Richtung auch Krebs, Verwaltungsorganisation, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 108 Rn. 99. 522 Im Ergebnis ähnlich Krebs, Verwaltungsorganisation, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 108 Rn. 101. 523 Siehe hierzu, allerdings auf den besonderen Fall des wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts bezogen Seyffarth, Die Dogmatik des wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts – Zugleich ein Beitrag zu einem Verantwortungsbegriff im Staatsorganisationsrecht, 2021, S. 305.
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satorischen Sinne und der Verwaltung im funktionellen Sinne unterscheiden. Möchte man die Verwaltung im funktionellen Sinne von der Regierungsfunktion abgrenzen, ist nicht nur die Definition letzterer als Staatsleitung hilfreich, sondern auch ein Blick auf die Weisung. Sie ist prägendes Merkmal der Verwaltung und führt diese wie ein roter Faden durch die demokratische rechtsstaatliche Verfassungsordnung. Sie taucht nicht nur bei einer gewaltenteiligen Abgrenzung auf, sondern auch bei der demokratischen Legitimation. Die inhaltliche Legitimation kann nämlich insbesondere durch die Weisungsgebundenheit der Verwaltung und der damit verknüpften Verantwortung der Regierung vor dem Parlament hergestellt werden. Wird die Weisungsgebundenheit gelockert oder gar aufgehoben, bestehen besondere rechtfertigungsbedürftige Situationen. Diese als weisungsfreie Räume bezeichneten Situationen können durch eine verstärkte Gesetzesbindung des weisungsfreien Akteurs oder durch dessen Aufgabe, jene bei anderen Verwaltungseinheiten durchzusetzen, gerechtfertigt werden. Eine weitere Rechtfertigung kommt darüber hinaus auf der Ebene des unabhängigen Akteurs durch eine verstärkte personell-organisatorische Legitimation in Betracht. Eine Kompensation tritt hingegen auf der vertikalen Ebene ein, wenn ausschließlich eine andere Verwaltungseinheit eine verbindliche Entscheidung treffen kann. Die angesprochene Gesetzesbindung manifestiert sich im Vorrang des Gesetzes, welcher ein Ankerpunkt für rechtsstaatliche und demokratische Gesichtspunkte ist. Er verhilft nicht nur den rechtsstaatlichen Aspekten des Gesetzes zur Geltung, sondern auch der demokratischen Steuerungsmöglichkeit des Parlaments und macht somit eine Rechtsaufsicht stets unverzichtbar.524 Hingegen regelt der Vorbehalt des Gesetzes in Verbindung mit der Wesentlichkeitstheorie, wann die Gesetzesform und die parlamentarischen Steuerungsmöglichkeiten erforderlich sind. Auch hier tritt die Bedeutung der Weisung in der Form des weisungsfreien Raumes wieder in Erscheinung: Die hierauf gerichtete Organisationsgewalt, die einen derartigen Raum schaffen kann, unterfällt nicht per se den Exekutivorganen.525 Es ist vielmehr in einem Wechselspiel zwischen rechtsstaatlicher und demokratischer Wesentlichkeitstheorie auf der einen und Organadäquanz auf der anderen Seite zu ermitteln, wem die Organisationsgewalt jeweils zufällt. Fragt man nach der besonderen Relevanz der Ausführungen über die Verwaltung für die vorliegende Untersuchung, so gelangt man unweigerlich zur Weisung. Diese hat sich als das prägendste und immer wieder auftauchende Merkmal der Verwaltung in der demokratischen rechtsstaatlichen Verfassungsordnung gezeigt. Für einen Beauftragten ist daher immer sein Verhältnis zur Weisungsgebundenheit gegenüber einem anderen staatlichen Akteur einschließlich der Konnotationen mit der Verwaltung in der demokratischen rechtsstaatlichen Verfassungsordnung zu klären. Er muss sich, auch im Falle einer gelockerten oder fehlenden Weisungsgebundenheit, stets in diesem verfassungsrechtlichen Rahmen einfügen. 524 525
Siehe oben D. I. 3. b) einschließlich Fn. 451. Siehe oben Fn. 487.
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II. Verwaltungskontrolle Die Einfügung des Beauftragten in den verfassungsrechtlichen Rahmen ist vor allem eine Frage nach dessen konkreter Ausgestaltung. Es haben sich allerdings bereits Kontrollformen etabliert, die diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben in abstrakter Hinsicht entsprechen. Diese sollen nachfolgend dargelegt werden. Hierbei wird auch der Beauftragte aufgegriffen. Es soll gezeigt werden, inwieweit auch dieser bei einer abstrakten Betrachtung den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Verwaltungskontrolle gerecht wird, also inwieweit er eine zulässige Kontrollform ist. Der nachfolgende Abschnitt zeigt daher auf, wie der (verfassungsrechtlich) zulässige Rahmen von Verwaltungskontrolle aussieht. Es soll dargelegt werden, auf welche zulässigen Kontrollformen man bei der Kontrolle von Polizeigewalt zurückgreifen kann und welche Aspekte bei der anschließenden konkreten Ausgestaltung zu beachten sind. 1. Kontrollparameter des Kontrollbegriffs Möchte man sich der Verwaltungskontrolle nähern, ist es hilfreich, diesen Begriff in seine zwei Bestandteile „Verwaltung“ und „Kontrolle“ zu zerlegen. Ein Begriffsverständnis der Verwaltung und eine Positionsbestimmung der Verwaltung im demokratischen rechtsstaatlichen Verfassungssystem des Grundgesetzes wurde bereits oben ausführlicher dargelegt.526 Hier soll ergänzend nun auf den schwer zu definierenden Kontrollbegriff527 geblickt werden. Etymologisch betrachtet bedeutet Kontrolle zunächst die „Gegenlesung“ eines Sachverhalts.528 Sie ist daher vor allem durch einen Ist-Soll-Vergleich geprägt.529 Kontrolle erweist sich daher insoweit als ein nachträglicher Vorgang,530 der nach einer getroffenen Entscheidung einsetzt.531 Ein Ansetzen vor der konkreten Ent-
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Siehe hierzu oben D. I. Kahl, Kontrolle der Verwaltung und des Verwaltungshandelns, in: Voßkuhle/Eifert/ Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 3. Auflage 2022, § 45 Rn. 2. 528 Möllers, Die drei Gewalten, 2. Auflage 2015, S. 129. 529 Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 1984, S. 5, 14 ff.; HoffmannRiem, Verwaltungskontrolle – Perspektiven, in: Schmidt-Aßmann/Hofmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, 2001, S. 325 (328); Kluth, Begriff und Instrumente der Verwaltungskontrolle, in: Wolff/Bachof/Stober/Kluth (Hrsg.), Verwaltungsrecht II, 7. Auflage 2010, § 101 Rn. 2; Kahl, Kontrolle der Verwaltung und des Verwaltungshandelns, in: Voßkuhle/Eifert/ Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 3. Auflage 2022, § 45 Rn. 4; Ehlers/Pünder, Staatliche Verwaltung, in: Ehlers/Pünder (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Auflage 2022, § 1 Rn. 112. 530 Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 1984, S. 16. 531 Groß, Was bedeutet „Fachaufsicht“?, DVBl. 2002, 793 (797). 527
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scheidung lässt sich hingegen als eine von der Kontrolle zu unterscheidende532 Lenkung/Leitung/Steuerung533 bezeichnen.534 Für den die Kontrolle prägenden IstSoll-Vergleich sind jedenfalls ein Kontrollobjekt, ein Kontrollmaßstab und der aus Beobachtung, Prüfung, Vergleich sowie (gegebenenfalls) Anpassung durch das Kontrollsubjekt bestehende Kontrollvorgang unerlässlich.535 Alles zusammen ergibt einen zwischen Kontrollobjekt und Kontrollsubjekt stattfinden Dialog.536 Wie genau dieser Dialog geprägt ist, wie also die Kontrollform aussieht, hängt unter anderem auch davon ab, welche Kontrollparameter akzentuiert werden.537 Denn die Kontrollparameter lassen sich untereinander in unterschiedlicher Weise verbinden,538 wodurch vielfältige Mischformen entstehen können.539 Nachfolgend sollen die für die vorliegende Untersuchung maßgeblichen Parameter aufgegriffen werden, um so die hier zu untersuchenden Kontrollformen des Beauftragten und der Dienst- und Fachaufsicht besser zu erfassen. Bei den zu untersuchenden Kontrollformen wird dann gezeigt werden, welche Kontrollparameter wie akzentuiert werden und was sich hierdurch für Unterschiede ergeben. a) Selbst- und Fremdkontrolle (interne und externe Kontrolle) und der Aspekt der Distanz Möchte man die Verwaltungskontrolle unter den dargelegten Kontrollbegriff fassen, ist zunächst zu klären, wer Kontrollobjekt und wer Kontrollsubjekt ist, zwischen wem also der Dialog stattfindet. Im Anschluss hieran kann der Maßstab der 532 Siehe hierzu Kahl, Kontrolle der Verwaltung und des Verwaltungshandelns, in: Voßkuhle/Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 3. Auflage 2022, § 45 Rn. 25. 533 Diese Begriffe werden bisweilen nicht immer synonym gebraucht, siehe etwa Kahl, Kontrolle der Verwaltung und des Verwaltungshandelns, in: Voßkuhle/Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 3. Auflage 2022, § 45 Rn. 9, 22, 25. 534 Groß, Was bedeutet „Fachaufsicht“?, DVBl. 2002, 793 (797). 535 Kahl, Kontrolle der Verwaltung und des Verwaltungshandelns, in: Voßkuhle/Eifert/ Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 3. Auflage 2022, § 45 Rn. 30; ähnlich auch Schmidt-Aßmann, Verwaltungskontrolle: Einleitende Problemskizze, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, 2001, S. 9 (11 f.). 536 Kahl, Kontrolle der Verwaltung und des Verwaltungshandelns, in: Voßkuhle/Eifert/ Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 3. Auflage 2022, § 45 Rn. 29; siehe hierzu auch Mastronardi, Kriterien der demokratischen Verwaltungskontrolle, 1991, S. 601 ff. 537 Vgl. Kahl, Kontrolle der Verwaltung und des Verwaltungshandelns, in: Voßkuhle/Eifert/ Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 3. Auflage 2022, § 45 Rn. 30; siehe auch Schmidt-Aßmann, Verwaltungskontrolle: Einleitende Problemskizze, in: SchmidtAßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, 2001, S. 9 (14 f.). 538 Schmidt-Aßmann, Verwaltungskontrolle: Einleitende Problemskizze, in: SchmidtAßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, 2001, S. 9 (15). 539 Kahl, Kontrolle der Verwaltung und des Verwaltungshandelns, in: Voßkuhle/Eifert/ Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 3. Auflage 2022, § 45 Rn. 31.
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Kontrolle sowie das genauere Verfahren und dessen Zeitpunkt als Inhalt und Form des Dialoges ausgemacht werden. Die Verwaltungskontrolle lässt sich, je nachdem ob die Verwaltung selbst kontrolliert oder durch jemand anderen kontrolliert wird, in eine Kontrolle durch die Verwaltung und eine Kontrolle der Verwaltung aufteilen.540 Auf der Mesoebene, also auf der Ebene, die Teile eines Systems, wie etwa die staatlichen Institutionen, untersucht,541 ist die Verwaltung bei der Kontrolle durch die Verwaltung sowohl Kontrollobjekt als auch Kontrollsubjekt.542 Diese Art der Kontrolle nennt man Selbstoder Eigenkontrolle.543 Die Fremdkontrolle hingegen zeichnet sich durch eine starke Unabhängigkeit und Distanz zwischen Kontrollsubjekt und Kontrollobjekt aus.544 Als eine solche externe Kontrolle lässt sich die Kontrolle durch ein institutionell verselbständigtes Kontrollorgan bezeichnen.545 Daher handelt es sich auch dann noch um eine verwaltungsinterne Kontrolle (im weiteren Sinne), wenn eine andere verselbständigte Behörde die Kontrolle vornimmt, solange diese kein institutionell verselbständigtes Organ ist.546 Bisweilen finden sich auch andere Begriffsverständnisse. So wird etwa mit Blick auf die Polizei dann von einer Fremdkontrolle gesprochen, wenn das kontrollierende Organ nicht dem Polizeiapparat (Polizeihierarchie) zugehörig ist.547 Hier liegt zwar eine polizeiexterne Kontrolle vor, die allerdings nicht notwendigerweise auch verwaltungsextern erfolgen muss. Nach dem hier zugrunde gelegten Verständnis von Verwaltungskontrolle ist Fremdkontrolle lediglich die Kontrolle durch ein institutionell verselbständigtes Organ. Die Einordnung als polizeiextern vermag daher für 540 Kluth, Begriff und Instrumente der Verwaltungskontrolle, in: Wolff/Bachof/Stober/ Kluth (Hrsg.), Verwaltungsrecht II, 7. Auflage 2010, § 101 Rn. 5. 541 Siehe zu diesem Begriff Schubert/Klein, Das Politiklexikon, 7. Auflage 2020, Art. Makro-/Meso-/Mikroebene – zuletzt online abgerufen am 23. 01. 2023. 542 Bisweilen wird nur dann, wenn die Verwaltung auch das Kontrollobjekt bildet, die Bezeichnung Verwaltungskontrolle als treffend angesehen (siehe etwa Ehlers/Pünder, Staatliche Verwaltung, in: Ehlers/Pünder [Hrsg.], Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Auflage 2022, § 1 Rn. 112). 543 Kluth, Begriff und Instrumente der Verwaltungskontrolle, in: Wolff/Bachof/Stober/ Kluth (Hrsg.), Verwaltungsrecht II, 7. Auflage 2010, § 101 Rn. 6. 544 Kahl, Kontrolle der Verwaltung und des Verwaltungshandelns, in: Voßkuhle/Eifert/ Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 3. Auflage 2022, § 45 Rn. 32. 545 Schulze-Fielitz, Zusammenspiel von öffentlich-rechtlichen Kontrollen der Verwaltung, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, 2001, S. 291 (300). 546 Vgl. Schulze-Fielitz, Zusammenspiel von öffentlich-rechtlichen Kontrollen der Verwaltung, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, 2001, S. 291 (300); dass Fremdkontrolle dann vorläge, wenn die Kontrolle durch eine andere Staatsgewalt erfolge, meinen Ehlers/Pünder, Staatliche Verwaltung, in: Ehlers/Pünder (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Auflage 2022, § 1 Rn. 113. 547 Denninger, Die Polizei im Verfassungsgefüge, in: Bäcker/Denninger/Graulich (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 7. Auflage 2021, S. 67 (108 Rn. 95); siehe zur polizeilichen Hierarchie als entscheidenden Anknüpfungspunkt Pütter, Kontrolle der Polizei, Bürgerrechte & Polizei/CILIP 99 (2/2011), 3 (9).
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die Dogmatik von Verwaltungskontrolle zunächst keinen Mehrwert zu liefern. Allerdings zielt sie letztlich auf einen besonderen, bereits angesprochenen Aspekt: die Distanz. Wenn etwa überlegt wird, eine Kontrolle von Polizeigewalt müsse polizeiextern erfolgen,548 so ist damit immer der Gedanke verbunden, dass anderenfalls eine die Kontrolle hindernde Nähe bestünde. Die Frage, die sich hier anschließt, ist die nach der genauen Bedeutung von Distanz. Der Beantwortung nähert man sich durch einen Blick auf den Gedanken, der hinter der Einordnung der Fremdkontrolle als einer von einem institutionell verselbständigten Organ ausgeübten Kontrolle steht: Aus verfassungsdogmatischer Sicht ist es naheliegend, dass sich die Fremdkontrolle auf ein institutionell verselbständigtes Organ bezieht. Denn die Gewaltenteilung sieht eine organisatorische Gewaltenteilung vor549 und Kontrolle erfolgt im Interesse von Machtbändigung550. Die Distanz der Fremdkontrolle ist daher eine gewaltenteilige Distanz und als solche bis zu einem gewissen Grad festgesetzt. Allerdings ist auch bei der Selbstkontrolle Distanz, als Distanz zu sich selbst, möglich551 und notwendig, da der Aspekt der Distanz eng mit dem Kontrollbegriff verbunden ist.552 Hier ist die Distanz allerdings nicht Folge der Gewaltenteilung und insoweit (teils) unverrückbar. Die Distanz der Selbstkontrolle ist vor allem dynamisch. Sie hat unterschiedliche Facetten und kann in fachlicher, räumlicher oder organisatorischer Hinsicht auftreten,553 und sie erfasst auch eine emotionale Distanz.554 Allerdings sind Vorkehrungen zu treffen, die jedenfalls für eine ausreichende Distanz auf der Mikroebene sorgen, also auf der Ebene, die das Verhältnis der Akteure betrachtet.555 So soll das Ziel von Verwaltungskontrolle, Akzeptanz und Qualität zu sichern,556 erreicht werden. Ob die Distanz ausreichend ist, hängt vom – 548
Siehe hierzu die Nachweise oben in der Fn. 14. Siehe oben D. I. 4. a). 550 Vgl. hierzu von Arnauld, Gewaltenteilung jenseits der Gewaltentrennung, ZParl 32 (2001), 678 (683). 551 Kahl, Kontrolle der Verwaltung und des Verwaltungshandelns, in: Voßkuhle/Eifert/ Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 3. Auflage 2022, § 45 Rn. 38; siehe auch Schmidt-Aßmann, Verwaltungskontrolle: Einleitende Problemskizze, in: SchmidtAßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, 2001, S. 9 (10 f.). 552 Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle – Perspektiven, in: Schmidt-Aßmann/HofmannRiem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, 2001, S. 325 (326); Schmidt-Aßmann, Verwaltungskontrolle: Einleitende Problemskizze, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, 2001, S. 9 (10 f.); siehe auch bereits Scheuner, Verantwortung und Kontrolle in der demokratischen Verfassungsordnung, in: Ritterspach/Geiger (Hrsg.), FS Gebhard Müller, 1970, S. 379 (392). 553 Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle – Perspektiven, in: Schmidt-Aßmann/HofmannRiem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, 2001, S. 325 (358). 554 Schmidt-Aßmann, Verwaltungskontrolle: Einleitende Problemskizze, in: SchmidtAßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, 2001, S. 9 (35). 555 Siehe zu diesem Begriff Schubert/Klein, Das Politiklexikon, 7. Auflage 2020, Art. Makro-/Meso-/Mikroebene – zuletzt online abgerufen am 23. 01. 2023. 556 Kluth, Begriff und Instrumente der Verwaltungskontrolle, in: Wolff/Bachof/Stober/ Kluth (Hrsg.), Verwaltungsrecht II, 7. Auflage 2010, § 101 Rn. 1. 549
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sogleich zu erläuternden – Kontrollmaßstab und der Aufgabenstellung ab, die den Bezugspunkt der Qualität darstellen.557 Daher ist klar, dass der Aspekt der Distanz bei der Selbstkontrolle dynamisch ist und nicht kategorisch festgelegt werden kann. Die Distanz bzw. deren Vor- und Nachteile sind immer im Verhältnis zu den Zielen der Verwaltungskontrolle zu sehen. An den Aspekten „Akzeptanz“ und „Qualität“ ist zu messen, ob eine fachliche, räumliche, organisatorische und emotionale Distanz besteht, die diese Ziele fördert oder behindert. Im letzten Fall kann dies für die gewaltenteilige Distanz der Fremdkontrolle sprechen, die anders als die Distanz der Selbstkontrolle nicht stets feinkörnig neu bestimmt werden muss, sondern wegen ihrer aus der Gewaltenteilung folgenden Distanz radikaler bzw. kategorialer ist und meistens558 von selbst eine starke fachliche, räumliche, organisatorische und emotionale Distanz mit sich bringt. Denn so hat etwa das Parlament gegenüber der Verwaltung – abgesehen von der Parlamentsverwaltung – stets eine räumliche und organisatorische wie auch eine fachliche und emotionale Distanz, die nur schwer zwischen zwei Verwaltungseinheiten erreicht werden kann. Auf zwei besondere Vor- bzw. Nachteile von Distanz sei an dieser Stelle noch hingewiesen. Bei der Fremdkontrolle führt eine zu große organisatorische, räumliche und fachliche Distanz unweigerlich zu fehlenden Einblicken in die Verwaltungsstrukturen, sie kann dadurch eine Kontrolle erschweren.559 Zugleich birgt die begrenzte emotionale Distanz bei der Selbstkontrolle das Risiko, dass eine unvoreingenommene Prüfung unterbleibt.560 Sie kann nur dann funktionieren, wenn die Amtsträger sie ernst und unvoreingenommen wahrnehmen.561 Selbstkontrolle beruht insoweit fundamental auf Vertrauen562 und ist bis zu einem gewissen Grade hiervon abhängig. Denn anders als bei der Fremdkontrolle besteht hier nicht eine gewaltenteilige Distanz, die auch regelmäßig eine emotionale Distanz nach sich zieht und somit Gewähr für eine Unvoreingenommenheit bietet.
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Siehe zu diesem Zusammenhang bereits A. I. 4. Siehe zur Offenheit der fachlichen und emotionalen Distanz durch die Wahlmöglichkeiten bezüglich des Amtsträgers des Beauftragten unten E. II. 1. f) dd) (3) und E. II. 2. d) dd). 559 Kahl, Kontrolle der Verwaltung und des Verwaltungshandelns, in: Voßkuhle/Eifert/ Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 3. Auflage 2022, § 45 Rn. 35; siehe hierzu ganz allgemein auch Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle – Perspektiven, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, 2001, S. 325 (357). 560 Vgl. Kluth, Begriff und Instrumente der Verwaltungskontrolle, in: Wolff/Bachof/Stober/ Kluth (Hrsg.), Verwaltungsrecht II, 7. Auflage 2010, § 101 Rn. 7. 561 Kluth, Begriff und Instrumente der Verwaltungskontrolle, in: Wolff/Bachof/Stober/ Kluth (Hrsg.), Verwaltungsrecht II, 7. Auflage 2010, § 101 Rn. 7. 562 Kahl, Kontrolle der Verwaltung und des Verwaltungshandelns, in: Voßkuhle/Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 3. Auflage 2022, § 45 Rn. 46; dieses Vertrauen in die Selbstkontrolle der Verwaltung führt zugleich zum Vertrauen in die Eigenständigkeit der Verwaltung (Schiedermair, Selbstkontrollen der Verwaltung, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann/Voßkuhle [Hrsg.], Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, 2. Auflage 2012, § 48 Rn. 10). 558
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Die Wirkungen von Distanz für die Ziele der Kontrolle dienen letztlich als Stellschraube zur Ermittlung,563 ob ein zu kontrollierendes Handeln treffender durch die Selbst- oder aber durch die Fremdkontrolle erfasst werden sollte bzw. ob ein Kontrollverfahren gewählt werden muss, welches die Vorteile beider Kontrollparameter miteinander verbindet. b) Vorherige, begleitende und nachträgliche Kontrolle Kontrolle kann zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Entscheidungsprozess erfolgen.564 Der Phasenbezug der Kontrolle ist ein weiterer wichtiger Parameter.565 Je nachdem, wo im Entscheidungsprozess angesetzt wird, kann zwischen einer vorherigen, einer begleitenden und einer nachträglichen Kontrolle unterschieden werden. Die vorherige Kontrolle setzt ganz zu Beginn des Entscheidungsprozesses in der Planungsphase an und ist prospektiv ausgerichtet.566 Sie ist kein Widerspruch zur Annahme, dass Kontrolle (bis zu einem gewissen Grad) auch immer ein nachträglicher Vorgang ist.567 Denn gemeint ist damit lediglich, dass irgendeine Art von Entscheidung des Kontrollierten vorliegt und damit ein für die Kontrolle nötiger und zugänglicher Ist-Wert besteht.568 Ausreichend kann hier auch bereits die Entscheidung sein, in die Planungsphase einzutreten. Entscheidend für die Abgrenzung der Kontrollparameter ist, dass der finale Entscheidungsprozess noch nicht abgeschlossen ist. Bei der begleitenden Kontrolle lässt sich der Entscheidungsprozess in trennbare Teil- bzw. Unterphasen untergliedern, die jeweils mit Kontrollzwischenschritten versehen sind.569 Liegt hingegen bereits ein vollständig beendeter Entscheidungsprozess vor, kommt nur noch die retrospektiv ausgerichtete nachträgliche Kontrolle in Betracht.570 Diese, den Regelfall bildende Art der Kontrolle ist zwar retrospektiv ausgerichtet, hat jedoch auch eine Lern- und Informationsgewin-
563 Dass in dem Näheverhältnis zwischen Vorgesetztem und Untergebenem ein Schlüssel für die Fruchtlosigkeit der Dienstaufsichtsbeschwerde stecke, konstatiert Thieme, Die Dienstaufsichtsbeschwerde, DÖD 2001, 77 (78). 564 Vgl. Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 1984, S. 16, 36; Kahl, Kontrolle der Verwaltung und des Verwaltungshandelns, in: Voßkuhle/Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 3. Auflage 2022, § 45 Rn. 51. 565 Siehe hierzu Kahl, Kontrolle der Verwaltung und des Verwaltungshandelns, in: Voßkuhle/Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 3. Auflage 2022, § 45 Rn. 30. 566 Kahl, Kontrolle der Verwaltung und des Verwaltungshandelns, in: Voßkuhle/Eifert/ Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 3. Auflage 2022, § 45 Rn. 51. 567 Siehe hierzu oben D. II. 1. 568 Vgl. hierzu Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 1984, S. 16. 569 Kahl, Kontrolle der Verwaltung und des Verwaltungshandelns, in: Voßkuhle/Eifert/ Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 3. Auflage 2022, § 45 Rn. 52. 570 Kahl, Kontrolle der Verwaltung und des Verwaltungshandelns, in: Voßkuhle/Eifert/ Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 3. Auflage 2022, § 45 Rn. 53.
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nungsfunktion, insbesondere mit Blick auf zukünftige und vergleichbare Entscheidungsprozesse.571 Je nachdem, was mit der Verwaltungskontrolle erreicht werden soll, ist der entsprechende Parameter zu setzen. Wenn etwa ein vorliegendes Verhalten bewertet werden soll, um hierdurch für künftiges Handeln Lehren zu ziehen, ist die retrospektive Kontrolle hilfreich. Ist das Kontrollziel allerdings, erst gar keine Fehler entstehen zu lassen, aus denen sich Lehren für künftiges Handeln ergeben, ist eine vorherige Kontrolle angezeigt, die aufgrund ihres frühzeitigen Ansetzens genau dies gewährleisten kann. c) Rechtmäßigkeits- und Zweckmäßigkeitskontrolle Eine wichtige Differenzierung lässt sich auch über die Kontrollmaßstäbe vornehmen. Gemeint sind hiermit nicht die Bewertungsmaßstäbe, anhand derer man ein Kontrollverfahren, das auf einen konkreten Kontrollgegenstand bezogen ist, bewertet.572 Ein Kontrollmaßstab fragt danach, an welchem Maßstab das Handeln des Kontrollierten zu messen ist. Derartige Kontrollmaßstäbe lassen sich vor allem binär erfassen, etwa als rechtmäßig/rechtswidrig oder als zweckmäßig/unzweckmäßig.573 Die Rechtskontrolle misst das Verwaltungshandeln am geltenden Recht und fragt nach der Rechtmäßigkeit des Handelns.574 Wird der Maßstab, an dem man das Verwaltungshandeln misst, hingegen nicht aus einer Rechtsnorm, sondern aus anderen Erwägungen, etwa politischer, wirtschaftlicher, sozialer oder moralischer Art, gewonnen, spricht man von einer Zweckmäßigkeitskontrolle.575 Auch die Akzeptanz- oder Transparenzkontrolle576 erweist sich genauer betrachtet als ein Unterfall der Zweckmäßigkeitskontrolle577. Die Zwecke sind Handlungsziele, die erst zusammen mit der Effektivität – verstanden als wertende Wirksamkeit578 – den Kon-
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Kahl, Kontrolle der Verwaltung und des Verwaltungshandelns, in: Voßkuhle/Eifert/ Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 3. Auflage 2022, § 45 Rn. 53. 572 Siehe zu diesen A. I. 4. 573 Kahl, Kontrolle der Verwaltung und des Verwaltungshandelns, in: Voßkuhle/Eifert/ Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 3. Auflage 2022, § 45 Rn. 54. 574 Kahl, Kontrolle der Verwaltung und des Verwaltungshandelns, in: Voßkuhle/Eifert/ Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 3. Auflage 2022, § 45 Rn. 55. 575 Kahl, Kontrolle der Verwaltung und des Verwaltungshandelns, in: Voßkuhle/Eifert/ Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 3. Auflage 2022, § 45 Rn. 57. 576 Siehe hierzu etwa Kahl, Kontrolle der Verwaltung und des Verwaltungshandelns, in: Voßkuhle/Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 3. Auflage 2022, § 45 Rn. 54 mit Fn. 222 – m. w. N. 577 Siehe zur Wirtschaftlichkeit als Unterfall der Zweckmäßigkeit Schiedermair, Selbstkontrollen der Verwaltung, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, 2. Auflage 2012, § 48 Rn. 2 mit Fn. 11. 578 Waldhoff, Staat und Zwang, 2008, S. 57.
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trollmaßstab bilden.579 Hierfür ist es jedoch erforderlich, den Wirksamkeitsgrad, also den die Effektivität ausfüllenden Wertekontext, zu ermitteln.580 Je nach konkreter Festlegung des Wertekontextes können dann auch Erwägungen der Akzeptanz, der Bürgernähe und der Transparenz oder politische Ziele zur gleichzeitigen Geltung gelangen.581 Werden die Zweckmäßigkeitsmaßstäbe in eine Rechtsnorm integriert, wird die Zweckmäßigkeitskontrolle zu einer Rechtmäßigkeitskontrolle.582 Dies macht deutlich, dass die Unterscheidung zwischen Rechts- und Zweckmäßigkeitskontrolle nicht stets zu einer strikten Trennung führen muss. Die Recht- und die Zweckmäßigkeitskontrolle können sich auch überschneiden.583 Maßgeblich ist daher die genaue Festlegung des Kontrollmaßstabes im Einzelfall. 2. Grundarten und -formen der verwaltungsinternen Selbstkontrolle Anknüpfend an das Kontrollobjekt lässt sich insbesondere zwischen einer Amtsaufsicht und einer Behördenaufsicht differenzieren.584 Während die Amtsaufsicht auf das Verhältnis zweier Amtswalter untereinander ausgerichtet ist,585 ist die Behördenaufsicht behördenübergreifend586 ausgelegt und betrifft das Verhältnis eines vorgesetzten Organs zu seinem nachgeordneten Organ.587 Beide unterfallen der
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Ähnlich Etscheid, Dynamik in der Fachaufsicht, VerwArch 105 (2014), 351 (357). Etscheid, Dynamik in der Fachaufsicht, VerwArch 105 (2014), 351 (357). 581 Vgl. Etscheid, Dynamik in der Fachaufsicht, VerwArch 105 (2014), 351 (357). 582 Vgl. Kahl, Kontrolle der Verwaltung und des Verwaltungshandelns, in: Voßkuhle/Eifert/ Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 3. Auflage 2022, § 45 Rn. 57; hingegen warnt Möllers, Methoden, in: Voßkuhle/Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 3. Auflage 2022, § 2 Rn. 6, davor, nichtrechtliche Handlungsrationalitäten – als Beispiel wählt er etwa die Effizienz – einer rechtlichen Bindung zu unterwerfen und sie dadurch der Regelhaftigkeit zu zuführen. 583 Ehlers/Pünder, Staatliche Verwaltung, in: Ehlers/Pünder (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Auflage 2022, § 1 Rn. 114. 584 Vgl. Schiedermair, Selbstkontrollen der Verwaltung, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, 2. Auflage 2012, § 48 Rn. 6. 585 Kahl, Kontrolle der Verwaltung und des Verwaltungshandelns, in: Voßkuhle/Eifert/ Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 3. Auflage 2022, § 45 Rn. 103 – Hervorhebung im Original nicht übernommen: „von Amtswalter zu Amtswalter (Personalaufsicht)“. 586 Schiedermair, Selbstkontrollen der Verwaltung, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, 2. Auflage 2012, § 48 Rn. 21. 587 Kahl, Kontrolle der Verwaltung und des Verwaltungshandelns, in: Voßkuhle/Eifert/ Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 3. Auflage 2022, § 45 Rn. 104, der dies allerdings als die allgemeine Behördenaufsicht bezeichnet; die mit der Behördenaufsicht regelmäßig gleichgesetzte Organaufsicht besitzt gegenüber der Behördenaufsicht keinen eigenständigen Gehalt (Groß, Was bedeutet „Fachaufsicht“?, DVBl. 2002, 793 [796]). 580
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verwaltungsinternen Selbstkontrolle.588 Die Aufsicht lässt sich hierbei am besten als eine Unterkategorie von Kontrolle verstehen,589 die sich von dieser lediglich darin unterscheidet, dass das Element der (jedenfalls möglichen) Berichtigung nicht fakultatives, sondern obligatorisches Merkmal ist.590 Die Amts- und die Behördenaufsicht lassen sich als die Kontrollarten bezeichnen, die jeweils durch die Kontrollformen der Dienst- und der Fachaufsicht591 ausgeübt werden können.592 a) Dienst- und Fachaufsicht als Kontrollformen Die Kontrollform der Dienstaufsicht bezieht sich auf die innere Organisation und die verwaltungsinternen Personalangelegenheiten,593 also auf organisatorische und personelle Angelegenheiten, und nicht auf Sachentscheidungen.594 Hingegen ist die Fachaufsicht auf die Zweck- und Rechtmäßigkeit der Aufgabenerfüllung gerichtet.595 Sie bezieht sich somit immer auf die Sachentscheidung.596 Dieser Bezug zur Sachentscheidung ist das maßgebliche Kriterium, mit dem die an sich nicht einheitlich definierte Fachaufsicht charakterisiert werden kann.597 Ist die Aufsicht hingegen nur auf den Rechtmäßigkeits- und nicht auch auf den Zweckmäßigkeitsmaßstab ausgerichtet, liegt lediglich eine Rechtsaufsicht vor.598 Da bei ihr nur ein Kontrollmaßstab einschlägig ist, ist sie eine begrenztere Kontrolle.599
588 Vgl. Schmidt-Aßmann, Verwaltungskontrolle: Einleitende Problemskizze, in: SchmidtAßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, 2001, S. 9 (18). 589 Ähnlich auch Kluth, Begriff und Instrumente der Verwaltungskontrolle, in: Wolff/ Bachof/Stober/Kluth (Hrsg.), Verwaltungsrecht II, 7. Auflage 2010, § 101 Rn. 3. 590 Kahl, Kontrolle der Verwaltung und des Verwaltungshandelns, in: Voßkuhle/Eifert/ Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 3. Auflage 2022, § 45 Rn. 14. 591 Siehe zum Beauftragten als neue Grundform D. II. 4. 592 Schiedermair, Selbstkontrollen der Verwaltung, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, 2. Auflage 2012, § 48 Rn. 14, die allerdings von Aufsichtsarten spricht; siehe hierzu allgemein auch Schmidt-Aßmann, Verwaltungskontrolle: Einleitende Problemskizze, in: Schmidt-Aßmann/Hoffman-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, 2001, S. 9 (18). 593 Krebs, Verwaltungsorganisation, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 108 Rn. 51. 594 Groß, Was bedeutet „Fachaufsicht“?, DVBl. 2002, 793 (796). 595 Krebs, Verwaltungsorganisation, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 108 Rn. 51. 596 Groß, Was bedeutet „Fachaufsicht“?, DVBl. 2002, 793 (798). 597 Vgl. Groß, Was bedeutet „Fachaufsicht“?, DVBl. 2002, 793 (793, 800). 598 Vgl. Kahl, Die Staatsaufsicht, 2000, S. 401; Hoffmann-Riem/Pilniok, Eigenständigkeit der Verwaltung, in: Voßkuhle/Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 3. Auflage 2022, § 12 Rn. 40; Groß, Die Verwaltungsorganisation als Teil der Staatsorganisation, in: Voßkuhle/Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 3. Auflage 2022, § 15 Rn. 133. 599 Pieper, Aufsicht, 2006, S. 420.
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Die Fach- und die Dienstaufsicht haben die Gemeinsamkeit, dass die Weisungsgebundenheit und der Weisungserlass zentrale Kontrollinstrumente sind.600 Eine Kontrolle an einem Maßstab ergibt nur dann vollumfänglich Sinn, wenn auch die Einhaltung dieses Maßstabes durch die Aufsichtsinstanz umgesetzt werden kann. Die Aufsichtsinstanz bedient sich hierfür der für die Verwaltung charakteristischen Handlungsform: der Weisung.601 An dieser Stelle wird zugleich deutlich, dass die Dienst- und die Fachaufsicht eine wichtige Rolle für die inhaltliche Legitimation einnehmen.602 Sie sind Instrumente, mit denen gewährleistet werden kann, dass eine Verantwortung vor dem Parlament möglich ist. Denn die Weisung ist hierfür prägendes Merkmal.603 Sie vermag ihre Wirkung allerdings nur dann auch voll im Interesse des Demokratieprinzips zu entfalten, wenn sie mit einer Kontrollform verknüpft wird. Dadurch wird ermöglicht, die Bereiche bzw. Handlungen der Verwaltung zu erkennen, die sich von den fachlichen Vorgaben der vor dem Parlament verantwortlichen Regierung entfernen. Erst wenn dies erkannt ist, kann die Weisung dazu beitragen, dass die Vorgaben eingehalten werden und hierfür die Verantwortung vor dem Parlament übernommen werden kann. b) Verhältnis von Dienst- und Fachaufsicht zur Amts- und Behördenaufsicht Bei der – sowohl im Demokratie- wie auch im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden – Amtsaufsicht bildet der Amtswalter das Kontrollobjekt seines Dienstvorgesetzten.604 Hierbei wird sein persönliches Verhalten kontrolliert.605 Da sich die Dienstaufsicht auf die innere Organisation und die Personalangelegenheiten erstreckt,606 wird deutlich, dass die Amtsaufsicht insoweit607 auch als Dienstaufsicht bezeichnet 600 Vgl. Schiedermair, Selbstkontrollen der Verwaltung, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, 2. Auflage 2012, § 48 Rn. 15, 23. 601 Siehe hierzu oben D. I. 2. b) einschließlich Fn. 393. 602 Siehe hierzu oben D. I. 2. b) einschließlich Fn. 392. 603 Siehe oben D. I. 2. 604 Vgl. Schiedermair, Selbstkontrollen der Verwaltung, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, 2. Auflage 2012, § 48 Rn. 15; siehe hierzu auch Pieper, Aufsicht, 2006, S. 421. 605 Kahl, Kontrolle der Verwaltung und des Verwaltungshandelns, in: Voßkuhle/Eifert/ Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 3. Auflage 2022, § 45 Rn. 103; Schiedermair, Selbstkontrollen der Verwaltung, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, 2. Auflage 2012, § 48 Rn. 15. 606 Krebs, Verwaltungsorganisation, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 108 Rn. 51, der diese allerdings, ebenso wie Kahl, Kontrolle der Verwaltung und des Verwaltungshandelns, in: Voßkuhle/Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 3. Auflage 2022, § 45 Rn. 104, als die allgemeine Behördenaufsicht bezeichnet. 607 Siehe zur Gleichsetzung der Dienstaufsicht mit der Behördenaufsicht oder der Personalaufsicht Groß, Was bedeutet „Fachaufsicht“?, DVBl. 2002, 793 (796 f.) – m. w. N.
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werden kann.608 Während die Amtsaufsicht auf das Verhältnis zweier Amtswalter untereinander ausgerichtet ist,609 ist die Behördenaufsicht behördenübergreifend610 ausgelegt und betrifft das Verhältnis eines vorgesetzten Organs zu seinem nachgeordneten Organ.611 Selbst wenn hier ebenso wie bei der Amtsaufsicht eine Dienstaufsicht möglich ist, allerdings dann behördenübergreifend, liegt der Schwerpunkt jedoch auf der – auf die Zweck- und Rechtmäßigkeit der Aufgabenerfüllung ausgerichteten612 – Fachaufsicht.613 Daher kann die Behördenaufsicht insoweit614 auch als Fachaufsicht bezeichnet werden. c) Zusammenfassung Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Art der Aufsicht festlegt, auf welcher Verhältnisebene man sich bewegt. Bei dem Verhältnis zwischen zwei Amtswaltern ist die Amtsaufsicht einschlägig. Das behördenübergreifende Verhältnis wird mit der Behördenaufsicht erfasst. Selbst wenn die Amtsaufsicht regelmäßig mit der Dienstaufsicht und die Behördenaufsicht mit der Fachaufsicht zusammenfallen und diese daher auch teilweise – je nach Kontext – synonym verwendet werden können, ist stets zu bedenken, dass sie begrifflich auseinanderzuhalten sind. Daher kann bei einer Bewertung bzw. Etablierung von Kontrollformen auch gefragt werden, ob das typisierende Muster nicht zu durchbrechen ist und ob die Behördenaufsicht auch Teile der Dienstaufsicht wahrnehmen sollte.615
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Im Ergebnis sowohl auch Kahl, Kontrolle der Verwaltung und des Verwaltungshandelns, in: Voßkuhle/Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 3. Auflage 2022, § 45 Rn. 103, der von „die Amts- oder Dienstaufsicht“ spricht. 609 Kahl, Kontrolle der Verwaltung und des Verwaltungshandelns, in: Voßkuhle/Eifert/ Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 3. Auflage 2022, § 45 Rn. 103 – Hervorhebung im Original nicht übernommen: „von Amtswalter zu Amtswalter (Personalaufsicht)“. 610 Schiedermair, Selbstkontrollen der Verwaltung, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, 2. Auflage 2012, § 48 Rn. 21. 611 Kahl, Kontrolle der Verwaltung und des Verwaltungshandelns, in: Voßkuhle/Eifert/ Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 3. Auflage 2022, § 45 Rn. 104, der dies allerdings als die allgemeine Behördenaufsicht bezeichnet; die mit der Behördenaufsicht regelmäßig gleichgesetzte Organaufsicht besitzt gegenüber der Behördenaufsicht keinen eigenständigen Gehalt (Groß, Was bedeutet „Fachaufsicht“?, DVBl. 2002, 793 [796]). 612 Krebs, Verwaltungsorganisation, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 108 Rn. 51. 613 Schiedermair, Selbstkontrollen der Verwaltung, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, 2. Auflage 2012, § 48 Rn. 22. 614 Trotz aller Ähnlichkeit sind beide der Sache nach zu trennen (Kahl, Die Staatsaufsicht, 2000, S. 395). 615 Siehe hierzu E. II. 2. b) cc).
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3. Dienst- und Fachaufsichtsbeschwerde Wie bereits erwähnt, zielt die Dienstaufsicht auf die Verwaltungsorganisation und die Personalangelegenheiten, wohingegen die Fachaufsicht auf die Einhaltung der Recht- und Zweckmäßigkeit bei der Aufgabenerfüllung gerichtet ist.616 Beide können von der Behörde selbstinitiiert wahrgenommen oder aber vom Bürger ausgelöst werden.617 Möchte der Bürger ganz allgemein ein Verwaltungshandeln rügen, stehen ihm sowohl externe als auch interne Kontrollformen zur Verfügung. Die für die vorliegende Untersuchung interessante und durch den Bürger ausgelöste Selbstkontrolle kann sich entweder in einem förmlichen – etwa das Widerspruchsverfahren – oder aber in einem nichtförmlichen Verfahren erschöpfen.618 Die nichtförmlichen Rechtsbehelfe sind insbesondere die Dienst- und die Fachaufsichtsbeschwerde.619 Entsprechend der Unterschiede zwischen der Dienst- und der Fachaufsicht gliedern sich die jeweiligen Beschwerden hinsichtlich ihres Beschwerdegegenstandes. Die Fachaufsichtsbeschwerde richtet sich gegen die Sachbehandlung eines Vorgangs.620 Ihr Beschwerdegegenstand ist der Inhalt der Verwaltungsentscheidung.621 Hingegen richtet sich die Dienstaufsichtsbeschwerde nicht primär622 gegen den Inhalt, sondern gegen die Art und Weise der Aufgabenbehandlung.623 Sie macht das persönliche Verhalten des Amtswalters bei der Aufgabenbehandlung zum Beschwerdegegenstand.624 Unter Berücksichtigung der obigen Zuordnung der Dienst- und der Fachaufsicht zur Amts- bzw. Behördenaufsicht625 ergibt sich auch, wer (regelmäßig) Kontrollsubjekt der jeweiligen Beschwerde ist: Bei der Fachaufsicht entscheidet (regelmäßig) die übergeordnete (Aufsichts-)Behörde und bei der Dienstaufsicht (regelmäßig) der Dienstvorgesetzte.626 Liegt eine Beschwerdekombination vor, wird die Be616
Krebs, Verwaltungsorganisation, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 108 Rn. 51. 617 Vgl. Schiedermair, Selbstkontrollen der Verwaltung, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, 2. Auflage 2012, § 48 Rn. 13 f. 618 Vgl. Vahle, Nichtförmliche Rechtshilfe, VR 1987, 425 (425). 619 Vahle, Nichtförmliche Rechtshilfe, VR 1987, 425 (425). 620 Vahle, Grundformen der Rechtsbehelfe im Verwaltungsrecht, DVP 2005, 133 (133). 621 Vgl. von Mutius, Nichtförmliche Rechtsbehelfe in der öffentlichen Verwaltung, Jura 1989, 105 (108). 622 Siehe für die Polizeigewalt allerdings unten E. II. 2. e). 623 Vahle, Grundformen der Rechtsbehelfe im Verwaltungsrecht, DVP 2005, 133 (134); siehe auch von Mutius, Nichtförmliche Rechtsbehelfe in der öffentlichen Verwaltung, Jura 1989, 105 (108). 624 Vahle, Nichtförmliche Rechtshilfe, VR 1987, 425 (426). 625 Siehe hierzu D. II. 2. b). 626 Vahle, Grundformen der Rechtsbehelfe im Verwaltungsrecht, DVP 2005, 133 (133 f.).
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handlung dieser nach den jeweiligen Teilen separiert und dem entsprechenden Kontrollsubjekt zur Behandlung vorgelegt.627 Jedoch ist nicht stets eine Trennung der Teile möglich.628 Das Prekäre an der Dienstaufsichtsbeschwerde ist nämlich, dass sie sich zwar nicht primär gegen den Inhalt der Entscheidung richtet,629 dass jedoch zwischen der fehlerhaften Entscheidung und der dienstwidrigen Aufgabenbehandlung unweigerlich Überschneidungen bestehen.630 Denn liegt etwa eine (eindeutig) rechtswidrige Entscheidung vor, stellt sich die Frage, ob hierin nicht zugleich eine dienstwidrige Aufgabenbehandlung liegt.631 Daher ist es durchaus zulässig und zu empfehlen, im Rahmen der Dienstaufsicht einen Blick auf den Entscheidungsinhalt zu werfen. 4. Beauftragte als neue Grundform der Verwaltungskontrolle Die Dienst- und die Fachaufsicht (und die jeweils hierauf bezogenen Beschwerden) sind altbewährte und etablierte Kontrollformen der Verwaltungskontrolle. In den letzten Jahren ist allerdings der Beauftragte – und die Eingaben an diesen – in der Praxis immer mehr in den Vordergrund getreten,632 er lässt sich bis zu einem gewissen Grad als neue Grundform der Verwaltungskontrolle betrachten. Nachfolgend soll versucht werden, den rechtlichen Rahmen für die Beauftragten zu bestimmen. Ob dieser abstrakte Rahmen dann auch in der konkreten Ausgestaltung eingehalten wurde, ist eine Frage des Einzelfalls und soll unten anhand der Polizeibeauftragten beleuchtet werden. Der Begriff der Beauftragten wird nicht einheitlich verwendet, sondern kann sich auf unterschiedliche organisatorische Erscheinungsformen beziehen.633 Auch ihre Aufgaben, Zuständigkeiten und Befugnisse sind äußerst heterogen.634 Die Beauftragten werden in der Literatur bisweilen als „ein schillerndes Rechtsinstitut“635 bezeichnet. Man nähert sich dieser Rechtsfigur am besten durch eine typisierende Betrachtung.636 Es bietet sich an, hierfür nach der jeweiligen Beauftragung637 und der 627
(134). 628
Vgl. Vahle, Grundformen der Rechtsbehelfe im Verwaltungsrecht, DVP 2005, 133
Siehe für Polizeigewalt unten E. II. 2. e). Siehe oben Fn. 623. 630 Vgl. Thieme, Die Dienstaufsichtsbeschwerde, DÖD 2001, 77 (77). 631 Dass eine Pflichtverletzung auch in einer Rechtsverletzung bestehen könne, konstatiert Thieme, Die Dienstaufsichtsbeschwerde, DÖD 2001, 77 (77). 632 Vgl. Fuchs, Verwalten durch Beauftragte, DÖV 1986, 363 (364). 633 Fuchs, „Beauftragte“ in der öffentlichen Verwaltung, 1985, S. 38. 634 Thiel, Zur Idee eines Bundespolizeibeauftragten – Verkörperung eines Generalverdachts oder erforderliche Kontrollinstanz für polizeiliches Handeln?, KriPoZ 2019, 167 (167). 635 Stober, Die Vertretung im Verwaltungsrecht, in: Wolff/Bachof/Stober/Kluth (Hrsg.), Verwaltungsrecht I, 13. Auflage 2017, § 35 Rn. 22. 636 Tettinger, Die Beauftragten, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 111 Rn. 3. 629
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gewaltenteiligen Einordnung der wahrzunehmenden Aufgaben und der auszuübenden Funktionen638 zu differenzieren. Im Anschluss können dann relevante Folgefragen der genauen Organisation, der Legitimation, des Vorbehalts des Gesetzes und der (sachlichen) Rechtfertigung gestellt werden.639 Bei der vorliegenden Untersuchung stehen die Beauftragten der Verwaltung im Vordergrund. Sie sind insbesondere von den Beauftragten der Legislativ- und Judikativorgane, aber auch von Beauftragten der Regierung zu unterscheiden.640 Gerade zu letzteren ist die Grenzziehung allerdings nicht immer eindeutig möglich.641 Beauftragte der Verwaltung sind selbständig tätig, handeln hierbei allerdings im Namen eines (anderen) Verwaltungsträgers.642 Sie können ein anderer Verwaltungsträger, eine andere Behörde oder ein Bediensteter der Behörde sein.643 Daneben kommen auch noch private Beauftragte in Betracht,644 welche jedoch für die vorliegende Ausarbeitung außen vor bleiben, da die Kontrolle von Polizeigewalt wegen des Zusammenhangs mit dem Gewaltmonopol im staatlichen Bereich verbleiben muss. Anders als bei den bisherigen Darlegungen zur Verwaltungskontrolle ist es schwer, beim Verwaltungsbeauftragten eine rechtlich weitgehend einheitliche Definition festzustellen.645 Nachfolgend sollen – typisierend646 – Fragestellungen dargelegt werden, die bei Verwaltungsbeauftragten, auch aus Gründen der Abgrenzung, stets mit in den Blick zu nehmen sind. Die Antworten auf die jeweiligen Fragen und die daraus zu gewinnenden Vor- oder Nachteile hängen wesentlich von der einzelfallbezogenen normativen Detailzuordnung und der bereichsbezogenen Akzentu-
637 Siehe hierzu Tettinger, Die Beauftragten, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 111 Rn. 4. 638 Vgl. hierzu Tettinger, Die Beauftragten, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 111 Rn. 4, 22. 639 Vgl. hierzu die ähnlichen Fragestellungen bei Tettinger, Die Beauftragten, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 111 Rn. 50 ff. 640 Fuchs, „Beauftragte“ in der öffentlichen Verwaltung, 1985, S. 44. 641 Vgl. hierzu Fuchs, „Beauftragte“ in der öffentlichen Verwaltung, 1985, S. 46 ff.; siehe zum Verwaltungs- und Regierungsbegriff sowie zu deren schwieriger Abgrenzung bereits oben D. I. 1. 642 Ehlers/Pünder, Staatlicher Verwaltung, in: Ehlers/Pünder (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Auflage 2022, § 1 Rn. 25. 643 Ehlers/Pünder, Staatlicher Verwaltung, in: Ehlers/Pünder (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Auflage 2022, § 1 Rn. 25. 644 Ehlers/Pünder, Staatlicher Verwaltung, in: Ehlers/Pünder (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Auflage 2022, § 1 Rn. 25. 645 Peilert, Instrumente der Selbstkontrolle der Verwaltung, in: Wolff/Bachof/Stober/Kluth (Hrsg.), Verwaltungsrecht II, 7. Auflage 2010, § 102 Rn. 10; ähnlich Strößenreuther, Die behördeninterne Kontrolle, 1991, S. 215; siehe hierzu auch Schiedermair, Selbstkontrollen der Verwaltung, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, 2. Auflage 2012, § 48 Rn. 56. 646 Siehe oben Fn. 636.
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ierung ab.647 Daher wird nachfolgend lediglich ein typisierendes Muster aufgezeigt, welches später auf den Polizeibeauftragten angewandt wird. a) Parlamentsbeauftragte vs. Verwaltungsbeauftragte Bei der Beauftragung unterscheidet man, ob sie durch Legislativorgane oder durch Exekutivorgane erfolgt.648 Bei den Parlamentsbeauftragten, also den durch das Parlament eingesetzten (gewählten) Beauftragten, kann weitergehend nach echten und unechten Parlamentsbeauftragten unterschieden werden.649 Die echten Parlamentsbeauftragten werden vom Parlament gewählt und sind gewaltenteilungskonsequent in den parlamentarischen Funktionskreis integriert und daher Hilfsorgane des Parlaments.650 Wirkt ein Parlamentsbeauftragter hingegen substantiell im Exekutivbereich und ist er einem Exekutivorgan organisationsrechtlich zugeordnet, liegt ein unechter Parlamentsbeauftragter vor, der durch die parlamentarische Wahl lediglich eine höhere demokratische Legitimation erhalten soll.651 Die unechten Parlamentsbeauftragten lassen sich hinsichtlich der Fragestellungen der Organisation, des Vorbehalts des Gesetzes, der Legitimation – hier allerdings dann mit einem höheren Legitimationsniveau – und der Rechtfertigung wie die durch Exekutivorgane eingesetzten Beauftragten behandeln.652 Angesichts dessen wird der Begriff des Parlamentsbeauftragten nachfolgend lediglich für die echten Parlamentsbeauftragten verwendet, wohingegen der Begriff der Verwaltungsbeauftragten auch die unechten Parlamentsbeauftragten erfasst. b) Verwaltungsbeauftragte und Verwaltung Die Tätigkeiten der Beauftragten können angesichts ihres atypischen Charakters nicht ohne Weiteres der Verwaltung im materiellen Sinne653 zugeordnet werden.654
647 So für die Fragestellung nach der Sicherung parlamentarischer Verantwortlichkeit Tettinger, Die Beauftragten, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 111 Rn. 63. 648 Tettinger, Die Beauftragten, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 111 Rn. 4, 22, 46; sieh auch Schiedermair, Selbstkontrollen der Verwaltung, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, 2. Auflage 2012, § 48 Rn. 55. 649 Tettinger, Die Beauftragten, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 111 Rn. 46, 48. 650 Tettinger, Die Beauftragten, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 111 Rn. 46. 651 Tettinger, Die Beauftragten, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 111 Rn. 48. 652 Ähnlich Tettinger, Die Beauftragten, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 111 Rn. 48. 653 Siehe zum diesbezüglichen Begriffsverständnis oben D. I. 1.
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Ausschlaggebend ist, welche Aufgaben sie zu bewältigen haben und ob diese als Verwaltungsaufgaben zu charakterisieren sind.655 Ist dies der Fall, so ist es naheliegend, dass auch ihre Tätigkeit als Verwaltung im materiellen Sinne einzuordnen ist. Denn der materielle Verwaltungsbegriff blickt auf das Spezifische der Aufgaben und deren Bewältigung.656 Die Beantwortung der Frage, ob der Beauftragte eine Verwaltungsfunktion ausübt, kann daher nur anhand des Einzelfalles und der ihm übertragenen Aufgaben beantwortet werden. Kennzeichnend für die Beauftragten ist, dass sie durch die ihnen anvertrauten spezifischen Aufgaben zwar eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber der Verwaltung (im organisatorischen Sinne) innehaben, gleichzeitig aber in die Verwaltung organisatorisch eingegliedert sind.657 Die Beauftragten sind heute weitgehend selbst eine oder jedenfalls Teil einer Behörde.658 Die starke Unabhängigkeit, die ihnen zuteilwird, lässt sie, wenn man den obigen Distanzparameter heranzieht,659 häufig als verwaltungsinterne Fremdkontrolleure660 erscheinen. Die Beauftragten sind bei genauer Betrachtung (hinsichtlich ihrer Wirkung) also gewissermaßen zwischen Selbst- und Fremdkontrolle anzusiedeln.661 Dies jedenfalls dann, wenn sie eine Sonderstellung innehaben und nicht nahtlos in die Verwaltungshierarchie integriert sind.662 In diesem Fall besteht nämlich eine Distanz, die mit jener der Fremdkontrolleure vergleichbar ist.663 Dies ist eine Erklärung für die Attraktivität von Beauftragten. Diese vermögen teilweise sowohl die Bedürfnisse, die mit dem Ruf nach einer Fremdkontrolle verbunden sind, als auch die Bedürfnisse, die mit dem Ruf nach 654 Vgl. Ehlers/Pünder, Staatliche Verwaltung, in: Ehlers/Pünder (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Auflage 2022, § 1 Rn. 9. 655 Siehe zum Zusammenhang zwischen Verwaltung im materiellen Sinne und den Verwaltungsaufgaben Ehlers/Pünder, Staatlicher Verwaltung, in: Ehlers/Pünder (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Auflage 2022, § 1 Rn. 4. 656 Hoffmann-Riem/Pilniok, Eigenständigkeit der Verwaltung, in: Voßkuhle/Eifert/Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 3. Auflage 2022, § 12 Rn. 84; siehe auch bereits oben D. I. 1. 657 Schiedermair, Selbstkontrollen der Verwaltung, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, 2. Auflage 2012, § 48 Rn. 56; dass die Sonderstellung hingegen nicht charakteristisch sei, meint Fuchs, „Beauftragte“ in der öffentlichen Verwaltung, 1985, S. 129; Fuchs, Verwalten durch Beauftragte, DÖV 1986, 363 (367). 658 Fuchs, „Beauftragte“ in der öffentlichen Verwaltung, 1985, S. 84; Fuchs, Verwalten durch Beauftragte, DÖV 1986, 363 (364). 659 Siehe oben D. II. 1. a). 660 Vgl. Strößenreuther, Die behördeninterne Kontrolle, 1991, S. 215, der allerdings von behördeninternen Fremdkontrolleuren spricht; von organisatorischen Fremdkörpern spricht hingegen Fuchs, Verwalten durch Beauftragte, DÖV 1986, 363 (367). 661 Ehlers/Pünder, Staatlicher Verwaltung, in: Ehlers/Pünder (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Auflage 2022, § 1 Rn. 113. 662 Siehe hierzu Fuchs, Verwalten durch Beauftragte, DÖV 1986, 363 (366 f.). 663 Ehlers/Pünder, Staatlicher Verwaltung, in: Ehlers/Pünder (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Auflage 2022, § 1 Rn. 113.
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einer Selbstkontrolle verbunden sind, zu befriedigen. Sie sind zwar kein institutionell verselbständigtes Organ, wie es für die Fremdkontrolle gefordert wird,664 sie haben aber im Falle einer Sonderstellung eine organisatorische Distanz inne, die mit jenen der Fremdkontrolleure vergleichbar ist. Dies ist jedoch eine Frage des Einzelfalls. Zum einen hängt es nämlich von der Ausgestaltung der Sonderstellung ab, zum anderen ist der Aspekt der Distanz stark einzelfallbezogen und abhängig von den Kontrollzielen.665 c) Vorbehalt des Gesetzes und Verwaltungsbeauftragte Unabhängig von der generellen Handhabung der umstrittenen Frage nach der Organisationsgewalt666 bedarf die Errichtung bzw. Einrichtung eines Beauftragten immer dann einer gesetzlichen Ermächtigung, wenn dieser nicht lediglich argumentativ und verwaltungsintern beratend, sondern außenwirksam tätig wird und verbindliche Entscheidungen667 treffen kann.668 Neben dieser Grundrechtsrelevanz führt auch die Verbindung einer Beauftragung mit einem ministerialfreien Raum zum Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage.669 d) Demokratische Legitimation und parlamentarische Verantwortung der Verwaltungsbeauftragten Die Frage nach der demokratischen Legitimation und der parlamentarischen Verantwortung stellt sich dann sehr eindringlich, wenn mit dem Beauftragten zugleich ein ministerialfreier Raum im obigen Sinne670 geschaffen wurde. In diesem Fall können die Ausführungen zum ministerialfreien Raum und der demokratischen Legitimation671 ohne Weiteres als Schablone für den Beauftragten verwendet werden. Daher hängt die Beantwortung nach der nötigen bzw. ausreichenden Legitimation zunächst damit zusammen, ob der (weisungsfreie) Beauftragte verbindlich entscheiden kann: „Insofern ist das Legitimationsniveau der Gleichstellungsbeauftragten niedriger als typischerweise sonst in der Verwaltung […]. Dadurch ist jedoch ein Verstoß gegen das De664
Siehe hierzu oben D. II. 1. a) einschließlich Fn. 545. Siehe hierzu oben D. II. 1. a). 666 Siehe hierzu Tettinger, Die Beauftragten, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 111 Rn. 55; siehe auch oben D. I. 4. c) und D. I. 3. c). 667 Fuchs, „Beauftragte“ in der öffentlichen Verwaltung, 1985, S. 123; Fuchs, Verwalten durch Beauftragte, DÖV 1986, 363 (366). 668 Vgl. Tettinger, Die Beauftragten, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 111 Rn. 54. 669 Vgl. Fuchs, „Beauftragte“ in der öffentlichen Verwaltung, 1985, S. 109; siehe hierzu auch oben D. I. 3. c). 670 Siehe oben D. I. 2. b). 671 Siehe hierzu oben D. I. 2. 665
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mokratieprinzip vorliegend nicht begründet. Die Gleichstellungsbeauftragte wird von der Gemeindevertretung bestellt und abberufen und ist insofern demokratisch legitimiert. Zudem hat sie keine eigenen Sachentscheidungsbefugnisse […]. Ihre in Unabhängigkeit wahrzunehmende Funktion beschränkt sich darauf, allein durch die Kraft des Arguments für die Gleichstellung von Frau und Mann in der Gemeindeverwaltung und der Öffentlichkeit einzutreten.“672
Bei der Frage nach der ausreichenden demokratischen Legitimation macht sich zudem bemerkbar, dass der unechte Parlamentsbeauftragte, wie oben ausgeführt,673 zwar weitgehend den „Gesetzmäßigkeiten“ des (normalen) Verwaltungsbeauftragten unterliegt, jedoch durch seine parlamentarische Wahl eine verstärkte personelle Legitimation besitzt.674 Diese ist in der Lage, seine Unabhängigkeit und Fachweisungsfreiheit demokratisch zu rechtfertigen.675 Durch die Wahl des Beauftragten und der damit zusammenhängenden personellen Legitimation besteht nämlich eine enge Rückbindung an das Parlament, welches auf diesem Wege eine direkte – nicht über die Regierungsverantwortung vermittelte – Zugriffsmöglichkeit hat.676 Besteht ein (weisungsfreier) Beauftragter, der weder lediglich beratend tätig wird noch durch eine Wahl besonders personell-organisatorisch legitimiert ist, bedarf es hinsichtlich der demokratischen Legitimation und der parlamentarischen Verantwortung eines genaueren Blickes. Eine Rechtfertigung kann sich hierbei aus der durch die fehlende Weisungsmöglichkeit zunächst verminderten sachlich-inhaltlichen Legitimation selbst ergeben, wenn die Gesetzesbindung des Beauftragten dafür umso stärker ist.677 Darüber hinaus kann die verminderte sachlich-inhaltliche Legitimation dadurch kompensiert werden, dass der Beauftragte die strikte Gesetzesanwendung anderer Verwaltungseinheiten gewährleisten soll.678 Unabhängig von diesen Fragen ist jedoch wichtig, dass stets eine Rechts- und Dienstaufsicht über den Beauftragten bestehen muss.679 Die Notwendigkeit der Rechtsaufsicht folgt aus dem Vorrang des Gesetzes und dem Gesetz als klassischem Legitimationsmittel für die inhaltliche Legitimation mit zugleich rechtsstaatlichen Wirkungen.680 Hierdurch wird zum einen gewährleistet, dass auch das Handeln des 672
BVerfGE 91, 228 (244). Siehe oben D. II. 4. a). 674 Siehe oben Fn. 651 und Fn. 652. 675 Vgl. Tettinger, Die Beauftragten, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 111 Rn. 57; siehe hierzu auch Zöllner, Der Datenschutzbeauftragte im Verfassungssystem, 1995, S. 172. 676 Vgl. zur direkten Zugriffsmöglichkeit beim Stasi-Unterlagen-Beauftragten Engel, Die rechtliche Aufarbeitung der Stasi-Unterlagen auf der Grundlage des StUG, 1995, S. 128. 677 Siehe hierzu oben D. I. 2. b). 678 Siehe hierzu oben D. I. 2. b). 679 Vgl. Tettinger, Die Beauftragten, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 111 Rn. 61. 680 Siehe hierzu sowie zum Nachfolgenden D. I. 3. b) einschließlich Fn. 449, Fn. 450 und Fn. 451. 673
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D. Verwaltungskontrolle
Beauftragten vorhersehbar bleibt und somit die rechtsstaatliche Funktion des Gesetzes erfüllt wird. Zum anderen ist dadurch sichergestellt, dass durch den Beauftragten kein Bereich geschaffen wird, welcher der vom Demokratieprinzip geforderten parlamentarischen Steuerungsmöglichkeit681 entzogen ist.682 Durch das Gesetz und die darauf bezogene Rechtsaufsicht besteht für das Parlament die Möglichkeit, das Handeln des Beauftragten demokratiegerecht zu beeinflussen. Das Erfordernis der Dienstaufsicht folgt hingegen aus der personellen Legitimation.683 Diese erfordert vor allem eine ununterbrochene Legitimationskette bis hin zum Volk.684 Die personelle Legitimation beschränkt sich allerdings nicht nur auf die Berufung des Amtswalters, sondern muss auch darüber hinaus auf das Amt selbst bezogen sein.685 Gemeint ist damit, dass es Vorkehrungen geben muss, die sicherstellen, dass der Amtswalter auch sein Amt ordnungsgemäß ausübt.686 Denn anderenfalls würde die über die personell-organisatorische Legitimation vermittelte demokratische Legitimation durch das (nicht korrigierte) persönliche Fehlverhalten des Amtswalters durchbrochen.687 e) (Sach-)Rechtfertigung von Verwaltungsbeauftragten Neben Fragen demokratischer Rechtfertigung treten auch solche nach sachlicher Rechtfertigung. Denn der Beauftragte muss nicht nur die Legitimation für die Wahrnehmung der ihm übertragenen Aufgaben innehaben, sondern auch tatsächlich dazu fähig sein, die Aufgabe zu erfüllen. Angesichts des stark atypischen Charakters des Beauftragten ist hiermit zugleich die Frage verbunden, ob die Aufgabenerfüllung durch andere Verwaltungseinheiten mangelhaft ist und der Beauftragte die Aufgaben besser erfüllen kann und dies daher die Aufgabenwahrnehmung durch den Beauftragten rechtfertigt.688 Die Vorteile eines Beauftragten als Kontrollorgan – insbesondere in Abgrenzung zu den Nachteilen der Kontrolle durch andere Verwal-
681
Siehe hierzu oben Fn. 449. Vgl. zur parlamentarischen Lenkungs- und Gestaltungskompetenz etwa Krings, Parlament, in: Kube/Mellinghoff/Morgenthaler/Palm/Puhl/Seiler (Hrsg.), Leitgedanken des Rechts, FS Paul Kirchhof, Band I, 2013, § 63 Rn. 4. 683 Ähnlich Schiedermair, Selbstkontrollen der Verwaltung, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, 2. Auflage 2012, § 48 Rn. 15. 684 Siehe hierzu oben D. I. 2. a). 685 Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2. Auflage 2006, S. 92 Rn. 87. 686 Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2. Auflage 2006, S. 92 Rn. 87. 687 Schiedermair, Selbstkontrollen der Verwaltung, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, 2. Auflage 2012, § 48 Rn. 15. 688 Vgl. Fuchs, „Beauftragte“ in der öffentlichen Verwaltung, 1985, S. 189 f.; Fuchs, Verwalten durch Beauftragte, DÖV 1986, 363 (369). 682
II. Verwaltungskontrolle
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tungsakteure – können entsprechend der obigen Maßstabsparameter689 unterschiedliche Bezugspunkte haben. Gerade die Zweckmäßigkeitskontrolle kann je nach (gesetztem) Zweck auch die Akzeptanz mit einbeziehen.690 Hier wird oft ein Vorteil der Beauftragten erblickt, die die staatliche Anonymität durchbrechen und dadurch die Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern erhöhen.691 Mit Blick auf diesen Aspekt ist die Expansion von Beauftragten in unterschiedlichen staatlichen Bereichen verständlich.692 Dieses Verständnis entbindet allerdings nicht von der erforderlichen Rechtfertigung, wenn ein neuer Beauftragter etabliert wird.693 Auch mit Blick auf die bisher festgelegten und unten noch weiter festzulegenden Bewertungsmaßstäbe sind die Vorteile der Beauftragten daher stets genau und einzelfallbezogen zu ermitteln. In einem zweiten Schritt sind dann allerdings auch die Vorteile in den Blick zu nehmen, die sich durch die Aufgabenwahrnehmung anderer Verwaltungsakteure ergeben. Nur wenn hier Defizite festzumachen sind oder jedenfalls die Vorteile des Beauftragten überwiegen, kann eine Sachrechtfertigung der Etablierung von Beauftragten angenommen werden. Dies ist eine Frage des Einzelfalls, da sie davon abhängt, wie genau die Kontrollziele und der Kontrollgegenstand aussehen. 5. Zusammenfassung Die Verwaltungskontrolle lässt sich in eine Kontrolle der Verwaltung und in eine Kontrolle durch die Verwaltung unterteilen. Ersteres wird als Fremdkontrolle, letzteres als Selbstkontrolle bezeichnet. Als Stellschraube zwischen diesen beiden Kontrollparametern wirkt der Begriff der Distanz. Ihm kommt eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zur Festlegung dieser beiden Kontrollparameter zu. Als weitere Kontrollparameter erweisen sich die Zweck- und die Rechtmäßigkeitskontrolle sowie die vorherige, die begleitende und die nachträgliche Kontrolle. Diese Kontrollparameter prägen die unterschiedlichen Kontrollarten und Kontrollformen. Bei der Selbstkontrolle sind die Kontrollarten die Amts- und die Behördenaufsicht, wohingegen die Dienst- und die Fachaufsicht die Kontrollformen bilden. Die Dienstaufsicht erstreckt sich hierbei auf Personalangelegenheiten, wohingegen die Fachaufsicht auf die Sachentscheidung unter Zweck- und Rechtmäßigkeitsgesichtspunkten gerichtet ist. Für die Dienst- und die Fachaufsicht ist die Weisung, die wiederum eng mit der inhaltlichen Legitimation verknüpft ist, das zentrale Mittel. 689
Siehe oben D. II. 1. c). Siehe hierzu ebenfalls D. II. 1. c). 691 Vgl. Fuchs, „Beauftragte“ in der öffentlichen Verwaltung, 1985, S. 190, 193; Fuchs, Verwalten durch Beauftragte, DÖV 1986, 363 (370). 692 Thiel, Zur Idee eines Bundespolizeibeauftragten – Verkörperung eines Generalverdachts oder erforderliche Kontrollinstanz für polizeiliches Handeln?, KriPoZ 2019, 167 (168). 693 Vgl. Thiel, Zur Idee eines Bundespolizeibeauftragten – Verkörperung eines Generalverdachts oder erforderliche Kontrollinstanz für polizeiliches Handeln?, KriPoZ 2019, 167 (168). 690
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D. Verwaltungskontrolle
Beide Aufsichtsformen können selbstinitiiert oder durch den Bürger ausgelöst werden. Im letzteren Fall spricht man von der Dienst- und der Fachaufsichtsbeschwerde. Schwieriger ist hingegen die Einordnung der Beauftragten als eine Kontrollform. Am besten sind sie über eine typisierende Betrachtung zugänglich, die zugleich typische Fragestellungen offenlegt. Nach der Beauftragung lässt sich hierbei zwischen Verwaltungsbeauftragten und (echten und unechten) Parlamentsbeauftragten unterscheiden. Die unechten Parlamentsbeauftragten, denen durch die Wahl lediglich eine verstärkte personelle Legitimation zuteilwerden soll, die aber ansonsten in den Exekutivbereich integriert sind, lassen sich wie Verwaltungsbeauftragte behandeln. Verwaltungsbeauftragte sind bei genauer Betrachtung zwischen den Kontrollparametern der Selbstkontrolle und Fremdkontrolle angesiedelt, wenn sie eine Sonderstellung innehaben und nicht nahtlos in die Verwaltungshierarchie integriert sind. Ob die Beauftragten Verwaltungstätigkeiten (im materiellen Sinne) ausüben, ist eine Frage der ihnen im Einzelfall übertragenen Aufgaben. Die Beauftragten sind angesichts ihrer meistens bestehenden Sonderstellung zugleich der Schnittpunkt, bei dem sich darüber hinaus die Fragestellungen rund um einen weisungsfreien Raum auftun. Dies gilt sowohl für den Vorbehalt des Gesetzes, welcher bei einem weisungsfreien Raum grundsätzlich greift,694 als auch für die vier Rechtfertigungsmöglichkeiten der durch die Weisungsfreiheit gelockerten inhaltlichen Legitimation.695 Neben diesen Fragen nach der demokratischen Rechtfertigung stellt sich auch immer die Frage nach der Sachrechtfertigung der Etablierung eines Beauftragten.
III. Petitionsfreiheit (Art. 17 GG) Nachdem nun die Verwaltungskontrolle dargelegt wurde, soll nachfolgend ein Blick auf den verfassungsrechtlichen Rahmen für die vom Bürger ausgelöste Verwaltungskontrolle geworfen werden. Die vorliegende Untersuchung hat bewusst den Blick auf die Kontrolle von Polizeigewalt gelegt, die den Bürger einbezieht.696 Die vom Bürger ausgelöste Dienst- und Fachaufsicht und das Tätigwerden eines Beauftragten finden einen verfassungsrechtlichen Ausgangspunkt in Art. 17 GG, der daher nachfolgend genauer zu erläutern ist. 1. Art. 17 GG als Ausgangspunkt für die vom Bürger ausgelöste Kontrolle Bei den hier interessierenden nichtförmlichen Rechtsbehelfen werden klassischerweise die Gegenvorstellung, die Fachaufsichtsbeschwerde und die Dienstauf694
Siehe D. I. 3. c). Siehe zu diesen D. I. 2. b). 696 Siehe hierzu A. I. 3.
695
III. Petitionsfreiheit (Art. 17 GG)
111
sichtsbeschwerde genannt.697 Bisweilen werden allerdings auch die Dienst- und die Fachaufsichtsbeschwerde gemeinsam und als dritte „Form“ die Petition angeführt.698 Betrachtet man jedoch – wie sogleich ausführlich dargelegt – das in Art. 17 GG verankerte Petitionsrecht, wird deutlich, dass sowohl die drei klassischen „Formen“ der Gegenvorstellung, der Dienstaufsichts- und der Fachaufsichtsbeschwerde als auch neuere Kontrollformen wie die Beauftragten bzw. die bei ihnen eingereichten Eingaben699 ihre Grundlage im Petitionsrecht finden.700 Zwar ist nicht jede Petition zugleich ein nichtförmlicher Rechtsbehelf, allerdings ist jeder nichtförmliche (außergerichtliche) Rechtsbehelf immer auch eine Petition.701 Dies hat auch Auswirkungen auf die hier zu untersuchenden nichtförmlichen Rechtsbehelfe der Eingaben an Beauftragte sowie der Dienst- und der Fachaufsichtsbeschwerden.702 Die durch sie ausgelösten Verfahren erhalten durch die verfassungsrechtliche Verankerung einen Fixpunkt, von dem ausgehend sie zu entfalten sind. Hierdurch erweisen sie sich zugleich als dynamische und nicht als anpassungsunfähige Kontrollverfahren. Denn Art. 17 GG gibt lediglich einen Rahmen vor, in dem noch ausreichend Freiraum verbleibt, die Verfahren individuell zu gestalten. Nachfolgend soll der unverrückbare verfassungsrechtliche Rahmen, der aus Art. 17 GG für die vom Bürger ausgelösten Kontrollverfahren gewonnen werden kann, dargelegt werden. 2. Doppelter Mehrwert des Art. 17 GG Art. 17 GG lautet: „Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden.“ 697
Siehe hierzu Vahle, Nichtförmliche Rechtshilfe, VR 1987, 425 (425). Siehe etwa von Mutius, Nichtförmliche Rechtsbehelfe in der öffentlichen Verwaltung, Jura 1989, 105 (105); die Petition separat aufführend auch: Peilert, Instrumente der Selbstkontrolle der Verwaltung, in: Wolff/Bachof/Stober/Kluth (Hrsg.), Verwaltungsrecht II, 7. Auflage 2010, § 102 Rn. 24; zwischen Gegenvorstellung, Aufsichtsbeschwerde und Petition differenzierend: Sperr, Verwaltungsrechtsschutz in Deutschland und Norwegen, 2009, S. 84. 699 Siehe hierzu auch unten Fn. 715 und sogleich Fn. 700. 700 Vgl. für die Dienst- und Fachaufsicht Gerner, Das Petitionsrecht nach Artikel 17 des Grundgesetzes, NZS 2012, 848 (850); ferner Stettner, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar, 94. Lfg. November 2000, Art. 17 Rn. 46; Klein/Schwarz, in: Dürig/Herzog/ Scholz, GG-Kommentar, Lfg. 94 Januar 2021, Art. 17 Rn. 50; Brocker, Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, Stand: 15. 08. 2022, Art. 17 Rn. 10; vgl. für die Beauftragten Langenfeld, Das Petitionsrecht, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, 3. Auflage 2005, § 39 Rn. 23; Uerpmann-Wittzack/Edenharter, in: von Münch/Kunig, GGKommentar, Band I, 7. Auflage 2021, Art. 17 Rn. 19, 22. 701 Vgl. Schiedermair, Selbstkontrollen der Verwaltung, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, 2. Auflage 2012, § 48 Rn. 29 f. mit Fn. 175. 702 Siehe zu den Wirkungen von Art. 17 GG für die Dienstaufsichtsbeschwerde etwa Thieme, Die Dienstaufsichtsbeschwerde, DÖD 2001, 77 (78). 698
112
D. Verwaltungskontrolle
Bereits der Wortlaut von Art. 17 GG, der zwischen Volksvertretung und – den weit auszulegenden703 – zuständigen Stellen704 differenziert, macht deutlich, dass sich die Petitionsfreiheit auf Bitten und Beschwerden an sämtliche Behörden705 erstreckt. Was allerdings mit jenen Bitten und Beschwerden sodann zu geschehen hat, wie also das Verfahren auszusehen hat, das diese abhandelt, ist dem Wortlaut nicht zu entnehmen. Eine genauere Betrachtung von Sinn und Zweck der Petitionsfreiheit lässt allerdings einen Mehrwert für die durch Petitionen ausgelösten Kontrollverfahren deutlich werden. Bevor dieser Mehrwert erläutert wird, soll zuvor noch ein weiterer Mehrwert dargelegt werden, der für die Kontrollparameter gewonnen werden kann und der sich aus einer systematischen Auslegung zu Art. 45c Abs. 2 GG ergibt. a) Petitionsbegriff und sein Mehrwert für die Kontrollparameter Zunächst ist zu fragen, was unter dem Begriff „Petition“ zu verstehen ist. Art. 17 GG spricht zunächst nur von Bitten und Beschwerden. Die Beschwerde bezieht sich auf ein konkret vorliegendes Verhalten,706 wohingegen die Bitte zukunftsgerichtet auf die Vornahme oder Unterlassung eines nicht vorliegenden Verhaltens gerichtet ist.707 Der Unterschied besteht jedoch nur mit Blick auf den Gegenstand, auf bzw. gegen den sich Bitten und Beschwerden richten. Hinsichtlich des stets notwendigen Begehrens708 sind sie auf ein künftiges Tun oder Unterlassen gerichtet.709 Ihnen wohnt stets ein Petitum (Abhilfeverlangen) inne,710 weswegen der Begriff der Petition als Oberbegriff711 aufzufassen ist.712 Dieser Petitionsbegriff ist 703
Hoffmann-Riem, Zum Gewährleistungsgehalt der Petitionsfreiheit, in: Osterloh/ Schmidt/Weber (Hrsg.), Staat. Wirtschaft. Finanzverfassung, FS Peter Selmer, 2004, S. 93 (94). 704 „Alle mittelbaren und unmittelbaren Staatsorgane“ (Langenfeld, Das Petitionsrecht, in: Isensee/Kirchhof [Hrsg.], Handbuch des Staatsrechts, Band III, 3. Auflage 2005, § 39 Rn. 38). 705 Brenner, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, Band I, 7. Auflage 2018, Art. 17 Rn. 53. 706 Langenfeld, Das Petitionsrecht, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, 3. Auflage 2005, § 39 Rn. 23 mit Fn. 71. 707 Vgl. Burkiczak, Petitionsausschuss-Befugnis-Gesetz Kommentar, 2. Online-Auflage 2018, Einleitung Rn. 2. 708 Stettner, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar, 94. Lfg. November 2000, Art. 17 Rn. 42; Brenner, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, Band I, 7. Auflage 2018, Art. 17 Rn. 27. 709 Brocker, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, Stand: 15. 08. 2022, Art. 17 Rn. 6. 710 Siehe hierzu Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band IV/2, 2011, § 115, S. 300. 711 Krings, Die Petitionsfreiheit nach Art. 17 GG, JuS 2004, 474 (475); Burkiczak, Petitionsausschuss-Befugnisse-Gesetz, 2. Online-Auflage, Stand: 01. 01. 2018, Einleitung Rn. 3. 712 Brocker, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Stand: 15. 08. 2022, Art. 17 Rn. 6.
III. Petitionsfreiheit (Art. 17 GG)
113
weit zu verstehen.713 Ihm unterfallen sowohl Dienst- und Fachaufsichtsbeschwerden714 als auch Eingaben an Beauftragte.715 Bisweilen unterbleibt eine eindeutige Abgrenzung zwischen Bitten und Beschwerden.716 Diese ist jedoch beim Petitionsausschuss erforderlich, da dessen Befugnisse dem Wortlaut des Art. 45c Abs. 2 GG entsprechend nur für die Beschwerden durch Gesetz geregelt werden.717 Eine Abgrenzung ist darüber hinaus nicht unbedingt notwendig,718 aber dennoch hilfreich. Die dem Grundgesetz zugrundeliegende Differenzierung zwischen Bitten und Beschwerden macht kenntlich, dass zwischen zukünftigen und abgeschlossenen Vorgängen zu differenzieren ist und Beschwerden, die sich auf abgeschlossene Vorgänge beziehen, einem besonderen Regelungsregime zugänglich sind. Setzt man diesen Befund zur obigen Unterscheidung zwischen begleitender, nachträglicher und vorheriger Kontrolle719 ins Verhältnis, lässt sich folgende These formulieren: Eine durch Beschwerden ausgelöste nachträgliche Kontrolle bedarf einer anderen, insbesondere intensiveren, rechtlichen Behandlung und ist dieser zugänglicher als eine durch Bitten ausgelöste vorherige oder begleitende Kontrolle. Dies ist auch sachgerecht, wenn man bedenkt, dass bei Beschwerden bereits ein Gegenstand – ein konkret vorliegendes Verhalten – gegeben ist, der den Petenten tangiert. Es ist einfacher, ein derartiges Verhalten in einen rechtlichen Rahmen zu fügen, als ein künftiges Verhalten, das noch viele Möglichkeiten der Entfaltung bereithält, die allesamt bedacht werden müssen. Zugleich sind anders als bei einem bereits abgeschlossenen, konkreten Verhalten noch keine Fakten geschaffen, sodass eine vorherige Einbeziehung des Petenten noch möglich ist. Diesem verbleibt zudem neben der vorherigen Einbeziehung auch immer noch die nachträgliche Beschwerde. Daher ist eine starke rechtliche Reglementierung einer Bitte nicht zum Schutz des Petenten nötig.
713
Brenner, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, Band I, 7. Auflage 2018, Art. 17 Rn. 25. 714 Wolff, in: Hömig/Wolff, GG-Kommentar, 13. Auflage 2022, Art. 17 Rn. 2; siehe auch Bauer, in: Dreier, GG-Kommentar, Band I, 3. Auflage 2013, Art. 17 Rn. 32. 715 Brenner, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, Band I, 7. Auflage 2018, Art. 17 Rn. 24, 26, der sich allerdings nur auf den Wehrbeauftragten bezieht; siehe zum Wehrbeauftragten auch Stettner, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar, 94. Lfg. November 2000, Art. 17 Rn. 36; siehe hierzu auch bereits oben Fn. 700. 716 So etwa noch bei Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG-Kommentar, 16. Auflage 2020, Art. 17 Rn. 3; anders nun in der Neuauflage Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG-Kommentar, 17. Auflage 2022, Art. 17 Rn. 3. 717 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band IV/2, 2011, § 115, S. 300. 718 Dass eine Abgrenzung nur für Art. 45c Abs. 2 GG i. V. m. dem Petitionsausschussgesetz erforderlich sei, meint Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band IV/2, 2011, § 115, S. 300. 719 Siehe oben D. II. 1. b).
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D. Verwaltungskontrolle
b) Mehrwert für die durch Petitionen ausgelösten Kontrollverfahren Art. 17 GG sieht nicht nur zwei grundlegende Möglichkeiten der Petitionsform (Bitten und Beschwerden) vor, sondern beinhaltet auch zwei Grundgedanken und zwei Grundrechtsfunktionen. Zunächst einmal ist Art. 17 GG als Grundrecht ein klassisches Abwehrecht.720 Hierunter fällt auch der Anspruch, von präventiven oder repressiven Sanktionen für das Einreichen der Petition verschont zu bleiben.721 Bedenkt man jedoch, dass die Wirkungen des Art. 17 GG weitgehend bedeutungslos wären, wenn die Norm nur den Zugang der Petition zum Adressaten schützen würde,722 so wird klar, dass das Grundrecht auch ein Handeln des Adressaten erfordert.723 Denn was nützt die Abgabe und der Zugang einer Petition, wenn diese beim Adressaten unberücksichtigt liegen bleibt? Dem Petitionsrecht wohnt daher auch ein Leistungsrecht inne.724 Aus diesem wiederum folgt, dass der Adressat das Vorbringen einer umfangreichen, eine sorgfältige Tatsachenaufklärung umfassenden Prüfung unterziehen und dem Grundrechtsträger das Ergebnis der Prüfung bescheiden muss.725 Die Tatsachenaufklärung muss hierbei allerdings nicht einen gleichwertigen Charakter erreichen wie die prozessrechtliche Sachverhaltsaufklärung im gerichtlichen Verfahren.726 Allerdings muss sie, wie auch die gesamte Prüfung, unvoreingenommen, sachgerecht und diskriminierungsfrei erfolgen.727 Aus 720 Hoffmann-Riem, Zum Gewährleistungsgehalt der Petitionsfreiheit, in: Osterloh/ Schmidt/Weber (Hrsg.), Staat. Wirtschaft. Finanzverfassung, FS Peter Selmer, 2004, S. 93 (95); Langenfeld, Das Petitionsrecht, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, 3. Auflage 2005, § 39 Rn. 31. 721 Stettner, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar, 94. Lfg. November 2000, Art. 17 Rn. 79. 722 Ähnlich Klein/Schwarz, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG-Kommentar, Lfg. 94 Januar 2021, Art. 17 Rn. 84. 723 Vitzthum/März, Das Grundrecht der Petitionsfreiheit, JZ 1985, 809 (810); dass die Pflicht zur Entgegennahme und Bearbeitung ein notwendiges Korrelat des Zugangsrechts sei, meint Hoffmann-Riem, Zum Gewährleistungsgehalt der Petitionsfreiheit, in: Osterloh/ Schmidt/Weber (Hrsg.), Staat. Wirtschaft. Finanzverfassung, FS Peter Selmer, 2004, S. 93 (95). 724 Hoffmann-Riem, Zum Gewährleistungsgehalt der Petitionsfreiheit, in: Osterloh/ Schmidt/Weber (Hrsg.), Staat. Wirtschaft. Finanzverfassung, FS Peter Selmer, 2004, S. 93 (96); siehe auch Klein/Schwarz, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG-Kommentar, Lfg. 94 Januar 2021, Art. 17 Rn. 84; dass die Leistungspflicht den eigentlichen Kern des Petitionsrechts bilde, meint Brocker, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Stand: 15. 08. 2022, Art. 17 Rn. 22; vom normativen Schwerpunkt spricht Krings, Die Petitionsfreiheit nach Art. 17 GG, JuS 2004, 474 (474). 725 Vitzthum/März, Das Grundrecht der Petitionsfreiheit, JZ 1985, 809 (810 f.); siehe auch Stettner, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar, 94. Lfg. November 2000, Art. 17 Rn. 79, 81. 726 Stettner, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar, 94. Lfg. November 2000, Art. 17 Rn. 26 – m. w. N. 727 Brenner, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, 7. Auflage 2018, Art. 17 Rn. 48; Stettner, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar, 94. Lfg. November 2000, Art. 17 Rn. 79.
III. Petitionsfreiheit (Art. 17 GG)
115
der Grundrechtsfunktion des Art. 17 GG als Leistungsgrundrecht folgt daher, dass ein Kontrollverfahren, das die Petition behandelt, eine umfangreiche, sorgfältige, unvoreingenommene, sachgerechte und diskriminierungsfreie Tatsachenaufklärung und Prüfung vorsehen und mit einem Bescheid an den Petenten enden muss. Betrachtet man nun die Bescheidung des Petenten und zieht die Grundgedanken von Art. 17 GG heran, gewinnt man weitere Aspekte, die bei dem Kontrollverfahren zu berücksichtigen sind. Wie umfangreich nämlich die Bescheidung sein muss, ob sie also auch eine Begründung beinhalten muss, ist in der Literatur umstritten.728 Die Frage lässt sich durch einen Blick auf die beiden Grundgedanken des Art. 17 GG beantworten.729 Das Petitionsrecht sichert als ein individuelles Freiheitsrecht zunächst die individuelle Interessenwahrnehmung,730 die mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG vergleichbar ist und einen effektiven Rechtsschutz731 durch das Petitionsverfahren fordert, um Rechtsbefriedung zu erreichen.732 Der durch das Petitionsrecht gewährleistete Rechtsschutz wird somit zur Ergänzung des formalisierten Rechtsschutzes.733 Neben diesem Grundgedanken tritt der Gedanke, dass das Petitionsrecht auch ein Kommunikationsgrundrecht ist, welches sich gerade durch die Einbindung des Einzelnen in den demokratischen Kommunikationsprozess bemerkbar macht.734 Das Petitionsrecht besitzt hierdurch eine besondere Nähe zur 728 Siehe hierzu Langenfeld, Das Petitionsrecht, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, 3. Auflage 2005, § 39 Rn. 35 – m. w. N. 729 Ähnlich Vitzthum/März, Das Grundrecht der Petitionsfreiheit, JZ 1985, 809 (811); siehe zu diesen beiden Grundgedanken etwa Uerpmann-Wittzack/Edenharter, in: von Münch/ Kunig, GG-Kommentar, Band I, 7. Auflage 2021, Art. 17 Rn. 2. 730 Hoffmann-Riem, Zum Gewährleistungsgehalt der Petitionsfreiheit, in: Osterloh/ Schmidt/Weber (Hrsg.), Staat. Wirtschaft. Finanzverfassung, FS Peter Selmer, 2004, S. 93 (94). 731 Von der Effektivität der Rechtsgewährleistung spricht Stettner, in: Kahl/Waldhoff/ Walter, Bonner Kommentar, 94. Lfg. November 2000, Art. 17 Rn. 92. 732 Vitzthum/März, Das Grundrecht der Petitionsfreiheit, JZ 1985, 809 (810 f.); siehe hierzu auch Stettner, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar, 94. Lfg. November 2000, Art. 17 Rn. 21. 733 Vgl. Stettner, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar, 94. Lfg. November 2000, Art. 17 Rn. 11; Uerpmann-Wittzack/Edenharter, in: von Münch/Kunig, GG-Kommentar, Band I, 7. Auflage 2021, Art. 17 Rn. 2; Langenfeld, Das Petitionsrecht, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, 3. Auflage 2005, § 39 Rn. 10; von einer „Rechtsschutzersatz und -ergänzungsfunktion“ spricht Hoffmann-Riem, Zum Gewährleistungsgehalt der Petitionsfreiheit, in: Osterloh/Schmidt/Weber (Hrsg.), Staat. Wirtschaft. Finanzverfassung, FS Peter Selmer, 2004, S. 93 (94). 734 Hoffmann-Riem, Zum Gewährleistungsgehalt der Petitionsfreiheit, in: Osterloh/ Schmidt/Weber (Hrsg.), Staat. Wirtschaft. Finanzverfassung, FS Peter Selmer, 2004, S. 93 (94); siehe auch Uerpmann-Wittzack/Edenharter, in: von Münch/Kunig, GG-Kommentar, Band I, 7. Auflage 2021, Art. 17 Rn. 2; von einer Verwandtschaft mit den anderen Kommunikationsgrundrechten sprechen Klein/Schwarz, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG-Kommentar, Lfg. 94 Januar 2021, Art. 17 Rn. 54; dass dies nur dann der Fall sei, wenn ein ausreichend konkretisierter Antrag vorläge, meint Stettner, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar, 94. Lfg. November 2000, Art. 17 Rn. 17.
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D. Verwaltungskontrolle
grundgesetzlichen Demokratie.735 Beide Grundgedanken würden indes verfehlt, würde man anstelle einer Begründung lediglich einen Hinweis auf das Prüfungsergebnis als ausreichend ansehen.736 Denn wie soll eine Kommunikation stattfinden, wenn sie inhaltsleer ist? Und wie soll die mit der rechtsschutzsuchenden Interessenwahrnehmung verbundene Rechtsbefriedung eintreten,737 wenn der Petent nicht erkennen kann, wieso seinen Interessen nicht zur Geltung verholfen wird?738 Beiden Grundgedanken kann man zudem nur gerecht werden, wenn man von einer Vertrauensbeziehung zwischen Petenten und Petitionsadressat als Funktionsbedingung des Petitionsrechts ausgeht.739 Denn eine Kommunikation, die nicht rechtlich determiniert ist, sondern die, wie im Rahmen des Art. 17 GG, Teil eines offenen, demokratischen Diskurses sein soll, erfordert Vertrauen gegenüber dem anderen Diskursteilnehmer. Nur wenn man darauf vertrauen kann, dass ein gewisser, vom jeweiligen Einzelfall abhängiger Diskursrahmen, wie etwa Wahrheit und Interesse am Standpunkt des Anderen, eingehalten wird, ist eine Kommunikation erfolgsversprechend. Da es bei einem demokratischen Diskurs schwer ist, einen rechtlich vollständig determinierten Rahmen zu schaffen, der bereits vorher feststeht, bedarf 735 Hoffmann-Riem, Zum Gewährleistungsgehalt der Petitionsfreiheit, in: Osterloh/ Schmidt/Weber (Hrsg.), Staat. Wirtschaft. Finanzverfassung, FS Peter Selmer, 2004, S. 93 (94) – m. w. N.; siehe auch Uerpmann-Wittzack/Edenharter, in: von Münch/Kunig, GGKommentar, Band I, 7. Auflage 2021, Art. 17 Rn. 2. 736 Vgl. Vitzthum/März, Das Grundrecht der Petitionsfreiheit, JZ 1985, 809 (811); ähnlich auch Krings, Die Petitionsfreiheit nach Art. 17 GG, JuS 2004, 474 (477 f.); Klein/Schwarz, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG-Kommentar, Lfg. 94 Januar 2021, Art. 17 Rn. 90; siehe auch Stettner, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar, 94. Lfg. November 2000, Art. 17 Rn. 92; für eine Begründungspflicht auch Bauer, in: Dreier, GG-Kommentar, Band I, 3. Auflage 2013, Art. 17 Rn. 44; kritisch zur Begründungspflicht hingegen Langenfeld, Das Petitionsrecht, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, 3. Auflage 2005, § 39 Rn. 35; Uerpmann-Wittzack/Edenharter, in: von Münch/Kunig, GG-Kommentar, Band I, 7. Auflage 2021, Art. 17 Rn. 8; Brocker, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Stand: 15. 08. 2022, Art. 17 Rn. 26; gegen eine Begründungspflicht hat sich auch das Bundesverfassungsgericht in einer frühen Entscheidung gewandt: „Daß ein auf eine zulässige Petition ergehender Bescheid eine besondere Begründung enthalten muß, wird allgemein verneint. In der Tat würde eine solche Forderung eine Überspannung des Grundrechts des Art. 17 GG bedeuten. Soweit daher nicht ein besonderes Gesetz eine Begründungspflicht statuiert, liegt den mit einer Petition angegangenen Verwaltungsbehörden und Verfassungsorganen eine Pflicht, ihre Bescheide mit einer Begründung zu versehen, nicht ob; es genügt im Rahmen des Art. 17 GG ein sachlicher Bescheid, aus dem ersichtlich ist, wie die angegangene Stelle die Petition zu behandeln gedenkt […].“ (BVerfGE 2, 225 [230]). 737 Vitzthum/März, Das Grundrecht der Petitionsfreiheit, JZ 1985, 809 (811); ähnlich Krings, Die Petitionsfreiheit nach Art. 17 GG, JuS 2004, 474 (478). 738 Ähnlich auch Brenner, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, Band I, 7. Auflage 2018, Art. 17 Rn. 50, der auf die Akzeptanz als Grund für eine Begründung des Petitionsbescheides verweist. 739 So für die Vertrauensbeziehung zwischen Petenten und Parlament BVerwG, Urteil vom 03. 11. 2011, 7 C 4/11, NVwZ 2012, 251 (253 Rn. 25); siehe zum Vertrauensaspekt auch Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Neudruck der 20. Auflage 1999, § 12 Rn. 463; Klein/Schwarz, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG-Kommentar, Lfg. 94 Janaur 2021, Art. 17 Rn. 90.
III. Petitionsfreiheit (Art. 17 GG)
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es für die konkrete Schaffung und Einhaltung eines demokratischen Diskursrahmens Vertrauens. Ähnliches gilt auch für die rechtsschutzsuchende Interessenwahrnehmung, genauer gesagt für dessen Rechtsbefriedung. Denn auch hier ist ein rechtlicher Rahmen nicht derart vorhanden, wie es etwa beim gerichtlichen Rechtsschutz der Fall ist. Die Gerichte prüfen nämlich in einem strengen prozessrechtlichen Rahmen und nach den Maßstäben des Rechts. Hier ist also der (gerichtliche) Diskurs rechtlich stark determiniert. Für den Rechtsschutz außerhalb des Gerichtsverfahrens bedarf es auch hier des Vertrauens, dass sich der Andere an einen gewissen Rahmen hält. Also etwa an eine Wahrheitspflicht und eine Berücksichtigung der Interessen des Anderen. Nur dann kann auch ein negatives Ergebnis der Petition eine Befriedungsfunktion haben. Diese Vertrauensbeziehung kann wiederum für die Begründungspflicht angeführt werden, da eine Begründung das Vertrauen stärkt.740 Durch eine solche wird nämlich auch Transparenz geschaffen. Dem Petenten ist es hierdurch möglich zu verstehen, wie der Petitionsadressat denkt und was seine Beweggründe waren. Er kann dadurch nicht nur den staatlichen Akteur besser „kennenlernen“ und verstehen, sondern auch überprüfen, ob dieser ein vertrauenswürdiger Diskursteilnehmer ist. Der genaue Umfang der Begründungspflicht lässt sich hingegen nicht generell festlegen, sondern ist abhängig von den Gegebenheiten des jeweiligen Petitionsrechtsverhältnisses.741 Er hängt etwa davon ab, wie umfangreich742 die Petition selbst war, oder davon, ob eine Beschwerde oder Bitte vorliegt. Wie bereits ausgeführt, ist eine Bitte aufgrund des nicht vorliegenden Verhaltens schwerer greifbar. Hier muss eine Begründungspflicht nicht so umfangreich sein wie bei einer Beschwerde. 3. Zusammenfassung Zusammenfassend ergibt sich somit folgendes Bild: Dem Petitionsrecht lässt sich eine Differenzierung zwischen einem nachträglichen und einem zukunftsgerichteten Petitionsgegenstand entnehmen. Ersterer ist einer besonderen gesetzlichen Regelung zugänglich. Hieraus lässt sich wiederum schließen, dass die Behandlung eines konkret vorliegenden staatlichen Verhaltens im Petitionsverfahren enger geregelt sein kann. Das Petitionsrecht des Grundgesetzes zielt auf eine Ergänzung des formalisierten Rechtsschutzes und verlangt daher selbst einen effektiven Rechtsschutz im Rahmen des Petitionsverfahrens. Um dies zu erreichen, ist (insbesondere) eine aus der Leistungsdimension des Grundrechts folgende umfangreiche, sorgfältige, unvoreingenommene, sachgerechte und diskriminierungsfreie Tatsachenaufklärung einschließlich einer Prüfung des Anliegens sowie eine Mitteilung und Begründung des 740 Pagenkopf, in: Sachs, GG-Kommentar, 9. Auflage 2021, Art. 17 Rn. 8; vgl. auch Klein/ Schwarz, in: Dürig/Scholz/Herzog, GG-Kommentar, Lfg. 94 Januar 2021, Art. 17 Rn. 90. 741 Bauer, in: Dreier, GG-Kommentar, Band I, 3. Auflage 2013, Art. 17 Rn. 44. 742 Bauer, in: Dreier, GG-Kommentar, Band I, 3. Auflage 2013, Art. 17 Rn. 44.
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D. Verwaltungskontrolle
Prüfungsergebnisses nötig. Letzteres wird nicht nur dem auf Rechtsschutz zielenden Gedanken der individuellen Interessenwahrnehmung gerecht, sondern ist auch Ausdruck des Petitionsrechts als ein auf den demokratischen Prozess ausgerichtetes Kommunikationsgrundrecht. Beide Stoßrichtungen sowie die Vertrauensbeziehung zwischen Petenten und Petitionsadressat sind zu bedenken, wenn später die jeweiligen Petitionsverfahren (Beauftragter und Dienst- und Fachaufsicht) zu bewerten sind. Insbesondere ist darauf zu achten, ob und inwieweit gegebenenfalls eine verfassungskonforme Auslegung von Kontrollverfahren erforderlich ist, um sowohl der effektiven Rechtsschutzgewährung außerhalb der formalisierten Rechtsschutzgarantie als auch dem kommunikativ-demokratischen Gehalt des Petitionsrechts zur Geltung zu verhelfen.743 Um diesen beiden Grundgedanken der Petitionsfreiheit gerecht zu werden, muss das Petitionsverfahren so ausgestaltet sein, dass „eine unflexible Formalisierung der Behandlung von Petitionen“744 unterbleibt. Ein reflexartiger Verweis auf die „typische“ Behandlung von Dienstaufsichts- und Fachaufsichtsbeschwerden kann sich damit je nach Gegebenheiten als Verstoß gegen Sinn und Zweck des Art. 17 GG745 sowie als kontraproduktiv für die Vertrauensbeziehung zwischen Petent und Petitionsadressat erweisen. Gerade diese Vertrauensbeziehung steht in einem engen Zusammenhang zu den zwei Grundgedanken des Art. 17 GG, indem sie hilft, den demokratischen Diskurs und die Rechtsbefriedung zu ermöglichen.
IV. Bewertungsmaßstäbe anhand der rechtlichen Besonderheiten von Verwaltungskontrolle Versucht man nun aus den Ausführungen zur Verwaltungskontrolle Bewertungsmaßstäbe zu gewinnen, die helfen sollen, die Kontrollverfahren für Polizeigewalt zu bewerten, gelangt man zu weiteren Bewertungsmaßstäben, die teils die bisher gewonnenen Bewertungsmaßstäbe ergänzen und teils konkretisieren. Sie unterscheiden sich von den bisherigen Bewertungsmaßstäben dadurch, dass sie nicht wie diese in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem staatlichen Gewaltmonopol stehen. Sie sind also nicht Folge des Kontrollgegenstandes. Vielmehr folgen sie aus dem rechtlichen und dogmatischen Rahmen der Verwaltungskontrolle. Soweit sie die bisherigen Bewertungsmaßstäbe konkretisieren, helfen sie auch dabei, diese einer zusätzlichen rechtlichen Absicherung zuzuführen. Als Konkretisierung 743 So weist etwa Hoffmann-Riem, Zum Gewährleistungsgehalt der Petitionsfreiheit, in: Osterloh/Schmidt/Weber (Hrsg.), Staat. Wirtschaft. Finanzverfassung, FS Peter Selmer, 2004, S. 93 (107), darauf hin, dass durch die Rechtsordnung ausgelöste mittelbare Einschüchterungswirkungen für das Petitionsrecht zu verhindern seien. 744 Woike, Die Behandlung von Petitionen durch Behörden, DÖV 1084, 419 (426). 745 Siehe zur Außerachtlassung des Sinns und Zwecks bei der früheren Einordnung von Petitionen als sog. Papierkorbbeschwerden Stettner, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar, 94. Lfg. November 2000, Art. 17 Rn. 13.
IV. Bewertungsmaßstäbe anhand der Besonderheiten von Verwaltungskontrolle
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lassen sich die inhaltlichen Anforderungen an den effektiven Rechtsschutz einordnen. Zugleich wird durch Art. 17 GG der effektive Rechtsschutz auch auf die Selbstkontrolle bezogen. Ausschließlich ergänzende Bewertungsmaßstäbe sind hingegen die petitionsrechtliche Dialogermöglichung und der Aspekt der Distanz. 1. Inhaltliche Anforderungen an den effektiven Rechtsschutz bei der Selbstkontrolle Der Gedanke des effektiven Rechtsschutzes wurde als Bewertungsmaßstab bereits oben mit dem Gewaltmonopol verknüpft. Er wird durch Art. 17 GG verfassungsrechtlich verortet und erhält durch diesen genauere Gestalt und weiteren Gehalt. Denn wie die Ausführungen zu Art. 17 GG gezeigt haben, wird der Gedanke des effektiven Rechtsschutzes auch auf die durch Beschwerden und Bitten ausgelöste Selbstkontrolle in Ergänzung zur gerichtlichen Kontrolle bezogen. Dies ist nach den Grundgedanken des Gewaltmonopols nicht zwangsläufig nötig. Das Gewaltmonopol verlangt zwar einen Rechtsschutz, die genaue Art des Rechtsschutzes, insbesondere ob nur eine gerichtliche Kontrolle oder auch eine verwaltungsinterne Kontrolle zum Rechtsschutz gehört, lässt sich aber erst zusammen mit Art. 17 GG bestimmen. Zugleich erfordert Art. 17 GG über den Gehalt der Grundgedanken des Gewaltmonopols hinausgehend eine sorgfältige Tatsachenaufklärung und eine umfassende, unvoreingenommene, sachgerechte und diskriminierungsfreie Prüfung. Somit gibt Art. 17 GG den Rahmen vor, in dem eine (verwaltungsinterne) Kontrolle als effektiver Rechtsschutz betrachtet werden kann. Das bedeutet freilich nicht, dass dies ein unflexibler Maßstab ist. Hier gilt, dass das jeweilige Kontrollverfahren und der jeweilige Kontrollgegenstand in ihrer konkreten Gestalt entscheidend sind. 2. Petitionsrechtliche Dialogermöglichung Betrachtet man die Petitionsfreiheit als ein Kommunikationsgrundrecht und möchte hieraus einen Bewertungsmaßstab für eine durch eine Petition ausgelöste Kontrolle gewinnen, gelangt man zur Dialogermöglichung. Wie der effektive Rechtsschutz wurde auch die Dialogermöglichung als Bewertungsmaßstab bereits aus dem Gewaltmonopol gewonnen. Der Dialog, der von Art. 17 GG vorgesehen ist, unterscheidet sich allerdings in einem wichtigen Punkt von dem aus dem Gewaltmonopol gefolgerten demokratischen Dialog. Letzterer ist vor allem gesamtgesellschaftlich ausgerichtet, wohingegen der Dialog des Art. 17 GG primär ein Dialog zwischen staatlicher Stelle und Petenten ist. Zwar ist dieser auch ein demokratischer Dialog, aber er ist entsprechend dem Grundrechtecharakter des Art. 17 GG vor allem auf den Petenten als Grundrechtsträger ausgerichtet. Beides kann sich zwar decken, ist jedoch zunächst zu unterscheiden. Zur petitionsrechtlichen Dialogermöglichung gehört dem Schwerpunkt nach auch die Begründungspflicht. Sie hat zwar eine Funktion für die Rechtsbefriedung.
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D. Verwaltungskontrolle
Vor allem aber ist sie Teil des petitionsrechtlichen Dialoges, da sie die einzige stets notwendige Kommunikationshandlung des Petitionsadressaten ist. Der genaue Umfang der Begründungspflicht hängt jedoch vom jeweiligen Petitionsrechtsverhältnis ab.746 3. Distanz als Stellschraube zwischen Selbst- und Fremdkontrolle a) Abhängigkeit von den Bewertungsmaßstäben und den Kontrollzielen Der Bewertungsmaßstab für Kontrollverfahren, der die bisherigen ergänzt, ist der Aspekt der Distanz. Dieser ist allerdings, wie oben gezeigt wurde,747 von den Kontrollzielen der Akzeptanz und der Qualität748 abhängig, wobei die Qualität wiederum auf den Kontrollmaßstab und die Aufgabenstellung bezogen ist. Diese Ziele sollen durch die Beachtung der Bewertungsmaßstäbe erreicht werden.749 Daher ist der Bewertungsmaßstab der Distanz letztlich davon abhängig, welche anderen Bewertungsmaßstäbe herangezogen werden. Er baut auf den bisherigen Bewertungsmaßstäben auf und ist in deren Kontext zu sehen. Es ist zu fragen, was für eine Art von Distanz hilft, einen effektiven Rechtsschutz, einen Dialog und eine Berücksichtigung der Cop Culture zu ermöglichen. b) Abhängigkeit von den anderen Kontrollparametern Zugleich ist die Distanz mit dem Kontrollparameter der Selbst- und Fremdkontrolle verknüpft, der als Kontrollparameter in einem Zusammenspiel mit den anderen Kontrollparametern das Kontrollverfahren prägt.750 In der Folge hängt der Aspekt der Distanz davon ab, welche anderen Kontrollparameter einschlägig sind. Ob daher Selbstkontrolle oder Fremdkontrolle wegen der Distanz als einschlägiger Kontrollparameter heranzuziehen ist, hängt davon ab, welche Distanz zwischen Kontrollobjekt und Kontrollsubjekt mit Blick auf die Kontrollziele und die anderen Kontrollparameter nötig ist. Der Aspekt der Distanz bietet keine abstrakte Schablone; vielmehr ist er stets gesondert und individuell für den jeweiligen Kontrollgegenstand und nach den gesetzten Kontrollzielen zu betrachten. Je nach den weiteren Kontrollparametern können dessen positive oder negative Aspekte ausschlaggebend sein. Vorteilhaft können etwa die bei einer reinen Rechtskontrolle mit der Distanz verbundenen fehlenden Einblicke in die Verwaltungsstruktur sein, da hierdurch eine besondere Unabhängigkeit anzunehmen ist. Sie gewährleistet, dass tatsächlich nur am Rechtsmaßstab gemessen wird. Hingegen können bei einer 746
Siehe oben Fn. 741. Siehe hierzu oben D. II. 1. a). 748 Siehe hierzu A. I. 4. einschließlich Fn. 27. 749 Siehe hierzu erneut A. I. 4. 750 Siehe hierzu oben D. II. 1. 747
IV. Bewertungsmaßstäbe anhand der Besonderheiten von Verwaltungskontrolle
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Zweckmäßigkeitskontrolle je nach gesetztem Zweck gerade jene fehlenden Einblicke eine effektive Kontrolle behindern. Ähnlich unterschiedlich kann die Bewertung ausfallen, wenn sich eine vorherige und eine nachträgliche Kontrolle gegenüberstehen. Bei einer vorherigen Kontrolle steht der Aspekt der Zügigkeit mehr im Vordergrund als bei einer nachträglichen Kontrolle. Hier wären also Einblicke in die Verwaltungsabläufe hilfreich, um eine zügige Kontrolle zu ermöglichen. Hingegen vermag dieser Vorteil bei einer nachträglichen Kontrolle, die regelmäßig mit größeren zeitlichen Ressourcen ausgestattet ist, nicht besonders zu überzeugen. c) Besondere Relevanz der emotionalen Distanz Der Aspekt der Distanz hat für die vorliegende Untersuchung über seine allgemeine Bedeutung hinaus in zweifacher Hinsicht besondere Relevanz: Zum einen ist für die Selbstkontrolle Vertrauen in die Akteure der Selbstkontrolle, dass eine unvoreingenommene Kontrolle erfolgt, besonders wichtig.751 Dieses Vertrauen kann bei einer fast gänzlich fehlenden emotionalen Distanz schnell schwinden. Dies ist bei der Kontrolle der Ausübung des Gewaltmonopols, die besonders sensible Implikationen für die Legitimität zeitigt,752 umso stärker zu bedenken. Zum anderen spielt die emotionale Distanz im Zusammenhang mit der Cop Culture eine wichtige Rolle. Die Cop Culture ist gerade auch durch eine (emotionale) Schicksalsgemeinschaft geprägt.753 Problematisch kann es etwa sein, wenn die Dienstaufsicht von einem Vorgesetzten ausgeübt wird, der dieser Schicksalsgemeinschaft jedenfalls in der Vergangenheit einmal angehörte.754 4. Rechtlicher Rahmen für die Verwaltung und die Verwaltungskontrolle Aus der gerade dargelegten Dogmatik der Verwaltungskontrolle hat sich neben den Bewertungsmaßstäben auch ein rechtlicher Rahmen herauskristallisiert, der es ermöglicht, die Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt durch die Kontrollformen des Beauftragten und der Dienst- und der Fachaufsicht aufzuzeigen und zu bewerten. Die Ausführungen zur Verwaltung und zur Verwaltungskontrolle werden als Schablone auf das Phänomen „Polizeigewalt“ und dessen rechtlicher Handhabung durch Kontrolle angewandt. Hierbei gilt es, den Polizeibeauftragen, wie er in den Gesetzesvorhaben skizziert sowie in einem eigenen Vorschlag entworfen wird, bezüglich der Kontrollparameter und der demokratischen rechtsstaatlichen Verfassungsordnung zu verorten und mit Blick auf die aus den Besonderheiten der Verwaltungskontrolle gewonnenen Bewertungsmaßstäbe zu 751
Siehe hierzu oben D. II. 1. a). Siehe hierzu oben B. I. 4. 753 Siehe hierzu oben C. II. 2. b) aa) sowie Fn. 280. 754 Siehe hierzu E. II. 2. e) bb) (4). 752
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D. Verwaltungskontrolle
bewerten. Da der rechtliche Rahmen facettenreich an unterschiedlicher Stelle „durchschlägt“, wird dieser nicht als eigener Bewertungsmaßstab angesehen, sondern vielmehr als dauerpräsenter Rahmen gesehen und an einschlägigen Stellen explizit aufgegriffen.
E. Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt I. Ermittelte Bewertungsmaßstäbe Die zwei vorausgehenden Kapitel, die sich mit der Polizei und ihrem Verhältnis zur Gewalt und zum Gewaltmonopol sowie mit dem rechtlichen Rahmen der Kontrolle beschäftigten, haben Bewertungsmaßstäbe herausgearbeitet, die nachfolgend helfen sollen, die (verwaltungsinterne) Kontrolle von Polizeigewalt zu bewerten. Die Bewertungsmaßstäbe sind nicht als abschließend zu verstehen, sondern als notwendige Aspekte, die Eingang in die Bewertung finden müssen.755 Darüber hinausgehende, besonders wichtige Gesichtspunkte finden ebenfalls Eingang in die nachfolgenden Ausführungen. Dazu gehören insbesondere die verfassungsrechtlichen Erwägungen, die im Abschnitt über die Verwaltung in der demokratischen rechtsstaatlichen Verfassungsordnung sowie im Abschnitt über den rechtlichen Rahmen der Kontrolle dargelegt wurden. Als Bewertungsmaßstäbe haben sich herausgebildet: die Berücksichtigung der Cop Culture einschließlich der Einbeziehung der handelnden Polizistinnen und Polizisten, die Distanz, die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes und die Dialogermöglichung. Diese Bewertungsmaßstäbe wurden oben jeweils ausführlich hergeleitet. An dieser Stelle soll noch einmal eine prägnante Zusammenfassung der wichtigsten Grundüberlegungen der gewonnenen Bewertungsmaßstäbe sowie eine abschließende Festlegung des Verhältnisses zueinander erfolgen. 1. Normative Besonderheiten des Gewaltmonopols: effektiver Rechtsschutz und demokratische Dialogermöglichung Wie eingangs der vorliegenden Ausarbeitung festgehalten wurde,756 ist die Arbeit von der Zweipoligkeit geprägt, die sich aus dem Gewaltmonopol in tatsächlicher und normativer Hinsicht ergibt. Ein staatlicher Akteur, der das Gewaltmonopol ausübt, sieht sich zwangsläufig mit Besonderheiten in tatsächlicher und normativer Hinsicht konfrontiert. Der Ausgangsgedanke liegt daher darin, dass Polizeigewalt nur richtig verstanden werden kann, wenn man sich vergegenwärtigt, welche Besonderheiten die darin zum Ausdruck kommende Ausübung des Gewaltmonopols zeigt. Diese Besonderheiten sind im Rahmen der Kontrollverfahren zu berücksichtigen. Denn 755 756
Siehe bereits oben A. I. 4. Siehe hierzu oben A. I. 5.
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E. Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt
diese Kontrollverfahren beziehen sich gerade auf den Kontrollgegenstand „Polizeigewalt“ und damit auch auf dessen Besonderheiten. Die Besonderheiten des Gewaltmonopols haben sich im Normativen darin gezeigt, dass das Grundgesetz gewisse Korrelate zum Gewaltmonopol bereithält, die diesem auf der Ausübungsebene entgegentreten und dadurch dessen Machtfülle bändigen. Als diese Korrelate haben sich die Gewährleistung des effektiven Rechtsschutzes und die demokratische Dialogermöglichung erwiesen. Beide sind nach der Ausübung des Gewaltmonopols zu beachten. Für Polizeigewalt bedeutet dies also, dass sie sich einem effektiven Rechtsschutz unterziehen und sich zugleich auch einem demokratischen Diskurs stellen muss. Während nur der effektive Rechtsschutz die Legalität gewährleistet, sind beide Bewertungsmaßstäbe zugleich mit der Legitimitätsermöglichung verbunden. Die Legalität und die Legitimität sind hierbei nur Folgen davon, dass die Bewertungsmaßstäbe eingehalten werden. Die Folgen sind zu begrüßen, da Polizeigewalt für die Legalität und die Legitimität Herausforderungen bereithält.757 Die Legitimitätsförderung, die durch den effektiven Rechtsschutz erfolgt, knüpft hierfür bei dem von Polizeigewalt Betroffenen als Bezugspunkt an. Besteht für diesen die Möglichkeit, die Gewaltausübung kontrollieren zu lassen, steigert das die Legitimität. Die Legitimitätsförderung durch die demokratische Diskursermöglichung ist hingegen auf die gesamtgesellschaftliche Legitimität bezogen. Da die Legitimität allerdings schwer messbar ist,758 ist die Legitimität auch an dieser Stelle nicht selbst Bewertungsmaßstab. 2. Soziologische Besonderheiten des Gewaltmonopols: Berücksichtigung der Cop Culture und ihrer Akteure als Bewertungsmaßstab Diesen normativen Besonderheiten, die sich aus dem Gewaltmonopol ergeben, stehen auf der Ausübungsebene aber auch Besonderheiten in tatsächlicher Hinsicht gegenüber. Die Ausübung von Gewalt bzw. die Möglichkeit, dass Gewalt in der Interaktion jederzeit eine Rolle spielen kann,759 prägt den Berufsalltag der Polizistinnen und Polizisten und führt zu einer zusätzlichen Spannungslage.760 Um auf solche und weitere Spannungslagen reagieren zu können, gibt es im Arbeitsalltag der Polizistinnen und Polizisten eine induktiv entstandene Cop Culture, die hier einen Handlungsrahmen vorgibt.761 Für ein Kontrollverfahren für Polizeigewalt ist auch diese Besonderheit zu berücksichtigen. Sie folgt ebenso wie die rechtlichen Korrelate der Gewaltmonopolausübung aus dem Kontrollgegenstand „Polizeigewalt“. Ein Kontrollverfahren, insbesondere ein retrospektives, das auch Lernaspekte für
757
Siehe hierzu oben B. I. 4. Siehe hierzu oben B. I. 4. einschließlich Fn. 116. 759 Siehe oben C. II. 1. einschließlich Fn. 245 und Fn. 246. 760 Siehe hierzu oben C. II. 1. 761 Siehe hierzu oben C. II. 2. b). 758
I. Ermittelte Bewertungsmaßstäbe
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künftiges Verhalten gewinnen will,762 muss, wenn das Kontrollverfahren zu einer Änderung im Arbeitsalltag beitragen will, berücksichtigen, dass die Cop Culture für den Arbeitsalltag benötigt und von den handelnden Akteuren geprägt wird. Die zwangsläufige Folge hiervon ist, dass auch immer die handelnden Polizistinnen und Polizisten vorverurteilungsfrei einbezogen werden müssen. Die Berücksichtigung der Cop Culture bedeutet also auch immer die Berücksichtigung ihrer Akteure, also der handelnden Polizistinnen und Polizisten. Dies steigert zugleich die Legitimität bei der Berufsgruppe der Polizistinnen und Polizisten. Hiermit schließt sich der Kreis zur in der Einleitung der Arbeit ebenfalls angesprochenen Zweipoligkeit von Bürgerinnen und Bürger-Perspektive auf der einen Seite und Polizistinnen und Polizisten-Perspektive auf der anderen.763 3. Verfassungsrechtliche Verankerung in Art. 17 GG und Verwaltungskontrolldogmatik: Petitionsrechtliche Dialogermöglichung, Gehalt des effektiven Rechtsschutzes und Distanz als Bewertungsmaßstäbe Nachdem sich aus dem Kontrollgegenstand „Polizeigewalt“ somit die drei Bewertungsmaßstäbe der Gewährleistung des effektiven Rechtsschutzes, der demokratischen Dialogermöglichung und der Berücksichtigung der Cop Culture herausgebildet haben, die teils die eingangs angesprochenen Zweipoligkeiten vereinigt haben, treten noch die petitionsrechtliche Dialogermöglichung und der Aspekt der Distanz hinzu. Die petitionsrechtliche Dialogermöglichung folgt aus Art. 17 GG, der zugleich dem effektiven Rechtsschutz weiteren Gehalt gibt. Der Aspekt der Distanz folgt hingegen aus der Dogmatik zur Verwaltungskontrolle. Befasst man sich wie in der vorliegenden Untersuchung mit Kontrollverfahren, die die Bürgerinnen und Bürger einbeziehen, gelangt man unweigerlich zu Art. 17 GG, der für die vom Bürger ausgelöste Selbstkontrolle der Verwaltung greift.764 Die Ausführungen zu Art. 17 GG haben deutlich gemacht, dass ein durch Bitten oder Beschwerden ausgelöstes Kontrollverfahren eine sorgfältige, umfassende, unvoreingenommene, sachgerechte und diskriminierungsfreie Tatsachenaufklärung und Prüfung erfordert und mit einer Begründung an den Bürger enden muss. Nur ein Kontrollverfahren, das dies ermöglicht, gewährleistet einen effektiven Rechtsschutz. Hierdurch gewinnt der Gedanke des effektiven Rechtsschutzes weiteren Gehalt. Die Petitionsfreiheit ist ihrem Grundgedanken nach ein Kommunikationsgrundrecht. Daher ist die Petitionsfreiheit immer auf einen petitionsrechtlichen Dialog ausgerichtet. Ein Kontrollverfahren, das vom Bürger ausgelöst wird, muss also so offen sein, dass ein Dialog zwischen der staatlichen Stelle und dem Petenten möglich ist. 762
Siehe hierzu oben D. II. 1. b) einschließlich Fn. 571. Siehe hierzu A. I. 6. 764 Siehe hierzu ausführlich oben D. III. 1. 763
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E. Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt
Der Aspekt der Distanz ist hingegen schwerer zu handhaben. Er folgt aus dem rechtlichen bzw. dogmatischen Rahmen der Kontrolle, genauer gesagt: aus den Kontrollparametern der Fremdkontrolle und der Selbstkontrolle. Die Distanz wirkt hier als wichtige Stellschraube zur Ermittlung des einschlägigen Kontrollparameters. Die Distanz der Fremdkontrolle ist eine gewaltenteilige Distanz, die angesichts dessen bei den fachlichen, räumlichen, organisatorischen und emotionalen Facetten der Distanz stärker ausgeprägt ist. Die Distanz der Selbstkontrolle ist hingegen dynamischer. Sie lässt sich treffend nur dann beantworten, wenn zuvor den Kontrollzielen Konturen gegeben und die anderen Kontrollparameter festgelegt wurden. Ihr kommt eine nachgeordnete Funktion im Rahmen der den Kontrollzielen dienenden Bewertungsmaßstäben zu: Die Distanz der Selbstkontrolle bezieht sich auf die Vor- und Nachteile der jeweiligen Distanz für die einzelnen Bewertungsmaßstäbe.
II. Polizeibeauftragter als Kontrollform für Polizeigewalt Die Bewertungsmaßstäbe werden nachfolgend auf den Polizeibeauftragen sowie auf die Dienst- und Fachaufsicht angewandt. Begonnen wird mit dem Polizeibeauftragten, der den Gegenstand dieser Untersuchung bildet. Im Rahmen seiner Sachrechtfertigung wird dann inzident auf die Dienst- und Fachaufsicht eingegangen. Der Polizeibeauftragte ist sowohl nach den Gesetzentwürfen als auch nach dem eigenen Vorschlag ein Parlamentsbeauftragter. Beim Parlamentsbeauftragten wird zwischen einem echten und einem unechten Parlamentsbeauftragten unterschieden.765 Der echte Parlamentsbeauftragte findet sich in den bereits mehrfach angesprochenen Gesetzentwürfen, welche genauer beleuchtet werden sollen. Der unechte Parlamentsbeauftragte wird hingegen im eigenen Lösungsvorschlag zur Gestaltung der verwaltungsinternen Kontrolle behandelt. Die ermittelten Bewertungsmaßstäbe sind auf beide Arten des Beauftragten anwendbar. Dies folgt aus dem allgemeinen Gehalt der Cop Culture und der verfassungsrechtlichen Korrelate für die Ausübung des Gewaltmonopols. Denn durch diese sind die Bewertungsmaßstäbe untrennbar mit dem Kontrollgegenstand „Polizeigewalt“ verknüpft. Außerdem haben die weiteren Bewertungsmaßstäbe einen verfassungsrechtlichen Bezug zu Art. 17 GG, der sowohl Bitten und Beschwerden ans Parlament als auch an die Verwaltung erfasst. Durch das Abarbeiten der Gesetzentwürfe anhand der Bewertungsmaßstäbe wird ein Raster entwickelt, welches schrittweise zum unechten Parlamentsbeauftragten führt. Der echte Parlamentsbeauftragte der Gesetzentwürfe hilft daher dabei, einen unechten Parlamentsbeauftragten zu entwerfen. Dieser ist sodann gewissermaßen die Krönung der anhand des echten Parlamentsbeauftragten herausgearbeiteten Aspekte.
765
Siehe für diese Abgrenzung oben D. II. 4. a).
II. Polizeibeauftragter als Kontrollform für Polizeigewalt
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1. Gesetzesvorhaben auf Bundes- und Landesebene: Der Polizeibeauftragte als echter Parlamentsbeauftragter Sowohl auf Bundesebene als auch im Landtag in NRW sind 2019 von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen getragene Gesetzentwürfe vorgelegt worden, die eine unabhängige Polizeibeauftragte oder einen unabhängigen Polizeibeauftragten etablieren wollen.766 Auf Bundesebene lag ein ähnlicher Gesetzentwurf bereits in der vorherigen Legislaturperiode vor.767 Diese drei Gesetzesvorhaben sollen nachfolgend aufgegriffen und dargelegt werden. In der vorliegenden Untersuchung soll zwar ein Bundespolizeibeauftragter entworfen werden, aber der Gesetzentwurf auf Landesebene ist weitgehend inhaltlich deckungsgleich mit den Gesetzentwürfen auf Bundesebene. Daher kann aus diesem und der fachlichen Diskussion über ihn Relevantes für den Bundespolizeibeauftragten gewonnen werden. Auch wenn die Gesetzentwürfe allesamt nicht vom Parlament angenommen wurden und in Gesetzesform gekommen sind, bilden sie dennoch den rechtspolitischen Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung.768 Daher werden zunächst vor der konkreten Darstellung der Gesetzentwürfe auch kurz die tragenden politischen und in den Drucksachen festgehaltenen Beweggründe der Gesetzentwürfe aufgegriffen. Im Anschluss werden die einzelnen Regelungen erläutert und hierbei einer groben Dreiteilung zugeführt. Sie beginnt mit den Aufgaben, den Befugnissen und der Stellung des Beauftragten. Dies ist für die vorliegende Untersuchung besonders interessant, da es der Anknüpfungspunkt für die Abgrenzung des echten vom unechten Parlamentsbeauftragten ist. Im Anschluss werden Beschwerden, Eingaben und Hinweise an den Beauftragten und Berichte des Beauftragten aufgegriffen. Dies betrifft schwerpunktmäßig vor allem das Verhältnis des Beauftragten zu den Bürgerinnen und Bürgern und ist daher für die Ausarbeitung ebenfalls besonders aufschlussreich. Entsprechend der Zweipoligkeit von Bürgerinnen und Bürger-Perspektive auf der einen Seite und Polizistinnen und Polizisten-Perspektive auf der anderen,769 wird als Letztes noch das Verhältnis zum Straf- und Disziplinarverfahren dargelegt. Dieses bereitet, so wird gezeigt, gerade für das Vertrauen der Polizistinnen und Polizisten Probleme. Bevor diese einzelnen Punkte der Gesetzesvorhaben anhand der Bewertungsmaßstäbe abschließend bewertet werden, soll die bereits vorhandene Kritik zu den Gesetzentwürfen aufgegriffen werden. Denn zu diesen liegen bereits etliche Stellungnahmen von Sachverständigen vor. Die geäußerten Kritikpunkte sollen nicht außen vor bleiben und werden daher gesondert behandelt, soweit sie nicht im Kontext der Bewertungsmaßstäbe erörtert werden können. An dieser Stelle sei in Erinnerung gerufen, dass die Bewertungsmaßstäbe lediglich die notwendigen Aspekte bein766
BT-Drs. 19/7928; LT-Drs. NRW 17/6147. BT-Drs. 18/7616. 768 Siehe oben A. I. 1. 769 Siehe hierzu A. I. 6. 767
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E. Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt
halten, die sich daraus ergeben, dass ein Kontrollverfahren für Polizeigewalt etabliert wird, welches aufgrund des besonderen Kontrollgegenstandes „Polizeigewalt“ Bewertungsmaßstäbe hervorbringt. Wie bereits zu Beginn der Untersuchung erwähnt,770 schließt dies freilich nicht aus, dass angesichts der jeweils konkreten Ausgestaltung weitere Aspekte von Interesse sein können. a) Gesetzesvorhaben im Landtag von NRW Der Gesetzentwurf stellt insbesondere auf das Vertrauen und die Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern bezüglich der Polizei ab und möchte beides absichern.771 Zugleich wird auch darauf hingewiesen, dass wegen der teils hohen Eingriffsintensität die Maßnahmen der Polizistinnen und Polizisten als zu hart empfunden werden könnten.772 Darüber hinaus wird auch die nachhaltige Fehlerbeseitigung betont.773 Da gerade diese bei strukturellen Fehlentwicklungen durch die Straf- und Disziplinarverfahren alternativ nicht möglich sei, sieht der Gesetzentwurf eine bzw. einen unabhängige(n) Polizeibeauftrage(n) beim Landtag vor.774 aa) Aufgaben, Befugnisse und Stellung So verwundert es dann auch nicht, dass diese bzw. dieser Polizeibeauftragte gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 PolBeaufGE NRW nicht nur Fehler und Fehlverhalten im Einzelfall, die auf die Verletzung von Rechtsstaatlichkeit schließen lassen, sondern gerade auch entsprechende strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen erkennen, beheben und vorbeugen soll.775 Die ihr oder ihm zur Erfüllung dieser Aufgaben zukommenden Befugnisse sollen das Stellungnahmenanforderungsrecht, das Auskunftsrecht, das Fragerecht, das Akteneinsichtsrecht, das Zugriffsrecht auf Vorgänge des qualifizierten Beschwerdemanagements, das Anhörungsrecht, das Betretungsund Befragungsrecht, das Berichtanforderungsrecht und das Recht zur förmlichen Beanstandung sein (§ 12 PolBeaufGE NRW).776 Die oder der Polizeibeauftragte soll als Hilfsorgan des Landtages unabhängig und weisungsfrei tätig sein und (lediglich) der Dienstaufsicht der Präsidentin oder des Präsidenten des Landtages unterstehen (§ 1 Abs. 4 PolBeaufGE NRW).777 Der oder dem Polizeibeauftragten sollen als Hilfsorgan des Landtages durch den Landtag, eine Fraktion, fünf vom Hundert der Mitglieder des Landtages sowie den Innen-, den 770
Siehe hierzu A. I. 4. LT-Drs. NRW 17/6147, S. 1 f. 772 LT-Drs. NRW 17/6147, S. 1. 773 LT-Drs. NRW 17/6147, S. 1. 774 LT-Drs. NRW 17/6147, S. 4 f. 775 LT-Drs. NRW 17/6147, S. 8. 776 LT-Drs. NRW 17/6147, S. 12 f. 777 LT-Drs. NRW 17/6147, S. 8. 771
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Finanzausschuss und ihre Unterausschüsse Aufträge im Rahmen seines oder ihres Aufgabenbereichs erteilt werden können (§ 2 Abs. 1 PolBeaufGE NRW), deren Erledigung allerdings unabhängig und weisungsfrei erfolgen soll (§ 2 Abs. 2 S. 1 PolBeaufGE NRW).778 Sie oder er soll ohne Aussprache in geheimer Wahl vom Landtag gewählt werden und von diesem auch wieder abberufen werden können (§ 3 Abs. 1 und § 23 Abs. 1 PolBeaufGE NRW).779 bb) Beschwerden/Eingaben/Hinweise und Berichte Jede Bürgerin und jeder Bürger sowie juristische Personen sollen sich mündlich, schriftlich oder elektronisch mit Beschwerden oder Hinweisen an die oder den Polizeibeauftragte(n) wenden können (§ 6 PolBeaufGE NRW).780 Unabhängig hiervon soll es allen Polizeibeschäftigten offenstehen, sich ohne Einhaltung des Dienstweges mit einer Eingabe an die oder den Beauftragte(n) zu wenden (§ 7 Abs. 1 PolBeaufGE NRW).781 Die Identität der eingebenden bzw. betroffenen Person darf nur mit ihrer ausdrücklichen Einwilligung offenbart werden (§ 10 Abs. 1 S. 5 PolBeaufGE NRW).782 Darüber hinaus soll die oder der Beauftragte nach pflichtgemäßem Ermessen tätig werden, wenn ihr oder ihm Umstände bekannt werden, die in ihren oder seinen Aufgabenbereich fallen (§ 9 PolBeaufGE NRW).783 Ist die Untersuchung abgeschlossen, soll die oder der Beauftragte einen Abschlussbericht, der eine Sachverhaltsbewertung beinhaltet und in elektronischer Form zu veröffentlichen ist, erstellen (§ 11 Abs. 7 S. 1, 2 und 3 PolBeaufGE NRW).784 Hierbei sollen die Persönlichkeitsrechte aller Beteiligten strikt beachtet werden (§ 11 Abs. 7 S. 2 PolBeaufGE NRW).785 Darüber hinaus soll die oder der Polizeibeauftragte dem Landtag jährlich einen schriftlichen Bericht erstatten, der auch zentrale Folgerungen aus ihrer bzw. seiner Tätigkeit sowie Empfehlungen für strukturelle Änderungen in den Behörden enthält (§ 20 Abs. 1 PolBeaufGE NRW).786 cc) Verhältnis zum Straf- und Disziplinarverfahren Die Untersuchungen der oder des Polizeibeauftragten sollen im Falle eines eigenen Erkenntnisinteresses parallel zu Untersuchungen im Straf- und Disziplinar778
LT-Drs. NRW 17/6147, S. 9. LT-Drs. NRW 17/6147, S. 9, 16. 780 LT-Drs. NRW 17/6147, S. 10. 781 LT-Drs. NRW 17/6147, S. 10. 782 LT-Drs. NRW 17/6147, S. 10. 783 LT-Drs. NRW 17/6147, S. 10. 784 LT-Drs. NRW 17/6147, S. 12. 785 LT-Drs. NRW 17/6147, S. 12. 786 LT-Drs. NRW 17/6147, S. 15. 779
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E. Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt
verfahren stattfinden (§ 17 Abs. 2 S. 1 PolBeaufGE NRW).787 Die oder der Polizeibeauftragte soll ihre oder seine Untersuchungsergebnisse allerdings erst nach Abschluss des Straf- oder Disziplinarverfahrens veröffentlichen (§ 17 Abs. 3 S. 1 PolBeaufGE NRW).788 Hiervon soll die Verwendung der Untersuchungsergebnisse ohne konkrete personenbezogene Bezüge zum anhängigen Verfahren in fallübergreifenden Berichten ausgenommen sein (§ 17 Abs. 3 S. 2 PolBeaufGE NRW).789 Die für das Disziplinarverfahren zuständige Stelle soll verfahrensabschließende Entscheidungen einschließlich der Begründung sowie Entscheidungen über arbeitsrechtliche Maßnahmen an die oder den Beauftragte(n) übermitteln (§ 17 Abs. 2 S. 2 und 3 PolBeaufGE NRW).790 Eine Bindung an die im Straf- und Disziplinarverfahren getroffenen Feststellungen ist hierbei allerdings nicht vorgesehen (§ 17 Abs. 2 S. 4 PolBeaufGE NRW).791 Es soll stets gelten, dass betroffene Beschäftigte, wenn Informationen vorliegen sollten, aus denen sich ein strafbares oder disziplinarrechtlich sanktionierbares Verhalten ergeben könnte, sich nicht mündlich oder schriftlich äußern oder zur Sache einlassen müssen und sich jederzeit einer oder eines Bevollmächtigten oder eines Beistandes bedienen können (§ 14 S. 1 PolBeaufGE NRW).792 b) Gesetzesvorhaben im Bundestag Der Gesetzentwurf der 18. Legislaturperiode stellte stark auf das in den Händen der Polizei befindliche staatliche Gewaltmonopol sowie auf die Überschreitung gesetzlicher Grenzen und die unverhältnismäßige Gewaltanwendung ab.793 Angesichts dessen sei eine permanente Selbstkontrolle auch mit Blick auf rechtswidriges Verhalten und strukturelle Mängel zwar elementar, die vorhandene Selbstkontrolle im Zusammenhang mit der Fach- und Dienstaufsichtsbeschwerde stelle allerdings kein dem genügendes unabhängiges Verfahren dar.794 Im Falle der Ermittlung durch besondere Dienststellen bestehe zudem ein Interessenkonflikt.795 Die Etablierung einer externen Stelle würde hingegen das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei stärken.796
787
LT-Drs. NRW 17/6147, S. 14. LT-Drs. NRW 17/6147, S. 14. 789 LT-Drs. NRW 17/6147, S. 14. 790 LT-Drs. NRW 17/6147, S. 14. 791 LT-Drs. NRW 17/6147, S. 14. 792 LT-Drs. NRW 17/6147, S. 13. 793 BT-Drs. 18/7616, S. 1. 794 BT-Drs. 18/7616, S. 1 f. 795 BT-Drs. 18/7616, S. 2. 796 BT-Drs. 18/7616, S. 2. 788
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aa) Aufgaben, Befugnisse und Stellung Die oder der hierfür zu etablierende Polizeibeauftragte soll sowohl für Fehler und Fehlverhalten im Einzelfall, die auf die Verletzung von Rechtsstaatlichkeit schließen lassen, als auch für entsprechende strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen zuständig sein, indem sie oder er beides erkennen und dem vorbeugen soll (§ 1 Abs. 1 S. 2 BPolBeauftrGE).797 Die ihr oder ihm zur Erfüllung dieser Aufgaben zukommenden Befugnisse sollen das Stellungnahmenanforderungsrecht, das Auskunftsrecht, das Fragerecht, das Akteneinsichtsrecht, das Anhörungsrecht, das Betretungsund Befragungsrecht, das Berichtanforderungsrecht und das Recht zur förmlichen Beanstandung sein (§ 7 BPolBeauftrGE).798 Sie oder er soll als Hilfsorgan des Bundestages unabhängig und weisungsfrei tätig sein (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 BPolBeauftrGE).799 Der oder dem Bundespolizeibeauftragten sollen als Hilfsorgan des Bundestages durch den Bundestag, eine Fraktion, fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages sowie den Innen-, Finanz- oder Petitionsausschuss Aufträge zur Überprüfung von Strukturen, Entwicklungen und Einzelfällen im Rahmen ihres oder seines Aufgabenbereichs erteilt werden können (§ 3 Abs. 1 S. 1 BPolBeauftrGE), deren Erledigung allerdings unabhängig und weisungsfrei erfolgen soll (§ 3 Abs. 1 S. 3 BPolBeauftrGE). Die Wahl soll durch den Bundestag erfolgen (§ 2 Abs. 1 S. 1 BPolBeauftrGE).800 bb) Eingaben/Hinweise und Berichte Neben der parlamentsinternen Aktivierung soll die oder der Polizeibeauftragte nach pflichtgemäßem Ermessen aufgrund von Eingaben und Hinweisen sowie aufgrund von in sonstiger Weise erlangter Kenntnisse tätig werden (§ 5 BPolBeauftrGE).801 Die Eingaben und Hinweise sollen von jeder natürlichen und juristischen Person mündlich, schriftlich oder elektronisch an die oder den Polizeibeauftragte(n) herangetragen werden können (§ 4 Abs. 1 S. 1 BPolBeauftrGE).802 Auch Beschäftigte der Polizeibehörden, für welche die oder der Polizeibeauftragte zuständig sein soll, sollen sich ohne Einhaltung des Dienstweges an die oder den Beauftragte(n) wenden können (§ 4 Abs. 2 S. 1 BPolBeauftrGE).803 Auf Wunsch soll die Identität der Einsenderin oder des Einsenders vertraulich behandelt werden (§ 6
797
BT-Drs. 18/7616, S. 6. BT-Drs. 18/7616, S. 8 f. 799 BT-Drs. 18/7616, S. 6. 800 BT-Drs. 18/7616, S. 6. 801 BT-Drs. 18/7616, S. 7. 802 BT-Drs. 18/7616, S. 7. 803 BT-Drs. 18/7616, S. 7. 798
132
E. Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt
Abs. 3 S. 4 BPolBeauftrGE).804 Die Untersuchung der oder des Beauftragten soll mit einem elektronisch zu veröffentlichenden Bericht, der auch die Bewertung des Sachverhaltes einschließt, enden (§ 6 Abs. 6 S. 1, 2 und 3 BPolBeauftrGE).805 Darüber hinaus soll sie oder er – vergleichbar wie auf Landesebene – dem Parlament mindestens alle zwei Jahre – auf Landesebene hingegen jährlich – einen schriftlichen Bericht, der auch zentrale Folgerungen aus ihrer bzw. seiner Tätigkeit sowie Empfehlungen für strukturelle Änderungen in den Behörden enthält, erstatten (§ 16 Abs. 1 BPolBeauftrGE).806 cc) Verhältnis zum Straf- und Disziplinarverfahren Ist mit der Tätigkeit der oder des Polizeibeauftragten ein eigenes Erkenntnisinteresse verbunden, so soll ihre oder seine Untersuchung parallel zum Straf- oder Disziplinarverfahren stattfinden (§ 13 Abs. 2 S. 1 BPolBeauftrGE).807 Die oder der Beauftragte soll hierbei nicht an die Feststellungen der zuständigen Straf- oder Disziplinarverfahrensstelle gebunden sein, sondern den Sachverhalt eigenständig bewerten (§ 13 Abs. 2 S. 4 BPolBeauftrGE).808 Allerdings sollen die Untersuchungsergebnisse der oder des Polizeibeauftragten nicht vor dem Abschluss des Straf- oder Disziplinarverfahrens veröffentlicht werden (§ 13 Abs. 3 S. 1 BPolBeauftrGE).809 Lediglich eine Verwendung ohne konkrete personenbezogene Bezüge zum anhängigen Verfahren in fallübergreifenden Berichten soll zulässig sein (§ 13 Abs. 3 S. 2 BPolBeauftrGE).810 Die oder der Polizeibeauftragte soll beim parallel stattfindenden Verfahren dieselben Mitteilungen wie der Dienstvorgesetzte erhalten (§ 13 Abs. 2 S. 2 BPolBeauftrGE).811 Darüber hinaus sollen ihr oder ihm die verfahrensabschließenden Entscheidungen und Begründungen übermittelt werden (§ 13 Abs. 2 S. 3 BPolBeauftrGE).812 Unabhängig davon, ob ein Straf- oder Disziplinarverfahren parallel läuft, sollen stets die §§ 136, 136a, 137 und 163a StPO entsprechend angewandt werden, wenn Informationen vorliegen sollten, aus denen sich strafbares oder disziplinarrechtlich sanktionierbares Verhalten ergeben könnte (§ 9 S. 1 BPolBeauftrGE).813
804
BT-Drs. 18/7616, S. 8. BT-Drs. 18/7616, S. 8. 806 BT-Drs. 18/7616, S. 11. 807 BT-Drs. 18/7616, S. 10. 808 BT-Drs. 18/7616, S. 10. 809 BT-Drs. 18/7616, S. 10. 810 BT-Drs. 18/7616, S. 10. 811 BT-Drs. 18/7616, S. 10. 812 BT-Drs. 18/7616, S. 10. 813 BT-Drs. 18/7616, S. 9.
805
II. Polizeibeauftragter als Kontrollform für Polizeigewalt
133
dd) Unterschiede zwischen beiden Entwürfen auf Bundesebene Der Gesetzentwurf in der darauffolgenden 19. Legislaturperiode ist weitgehend deckungsgleich mit dem aus der 18. Legislaturperiode. In inhaltlicher Hinsicht ist erwähnenswert, dass dieser Entwurf nun, wie jener auf Landesebene, vorsieht, dass bei den Berichten der oder des Beauftragten strikt die Persönlichkeitsrechte aller Beteiligen beachtet werden sollen (§ 6 Abs. 6 S. 2 BPolBeauftrGE).814 Nachfolgend wird vor allem auf den Gesetzentwurf der 18. Legislaturperiode Bezug genommen, da für diesen umfangreiche Stellungnahmen vorliegen. c) Relevante Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Gesetzentwürfe auf Landes- und Bundesebene Stellt man die Gesetzentwürfe auf Bundesebene dem Gesetzentwurf auf Landesebene gegenüber, so fallen vor allem etliche Gemeinsamkeiten, aber auch einige relevante Unterschiede auf. Gemein ist allen Vorhaben, dass sie einen Polizeibeauftragten schaffen wollen, der als Hilfsorgan des Parlaments unabhängig und weisungsfrei Fehler und Fehlverhalten in Einzelfällen sowie strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen aufarbeiten soll. Zur Begründung wird hierfür insbesondere auf das Vertrauen seitens der Bevölkerung abgestellt. Auf Bundesebene wird darüber hinaus auf das staatliche Gewaltmonopol und die Gewaltanwendung Bezug genommen und hierdurch die Bürgerperspektive noch ein Stück stärker zur Geltung gebracht. Auf Landesebene scheint hingegen mit dem Bezug zur nachhaltigen Fehlerbeseitigung auch die Behördenperspektive stärker bedacht zu werden. Interessant ist der Unterschied, dass nur auf Landesebene auch eine Abwahl des Beauftragten durch das Parlament vorgesehen ist. Darüber hinaus wird dort die Art und Weise der Aufarbeitung nicht nur in der Erkennung und Vorbeugung, sondern auch in der Behebung der Fehler und des Fehlverhaltens in Einzelfällen sowie der strukturellen Mängel und Fehlentwicklungen gesehen. Da sich zudem auf Landesebene bereits ein Beschwerdemanagement etabliert hat, ist anders als bei den Gesetzesvorhaben auf Bundesebene auch die Befugnis vorgesehen, auf Vorgänge dieses Beschwerdemanagements zugreifen zu dürfen. Hingegen ist anders als auf Bundesebene nicht vorgesehen, dass der Polizeibeauftragte beim parallel stattfindenden Disziplinarverfahren dieselben Mitteilungen wie der Dienstvorgesetzte erhalten soll. Dafür sollen ihm allerdings Entscheidungen über arbeitsrechtliche Maßnahmen mitgeteilt werden. Erwähnenswert ist auch der Unterschied, dass auf Landesebene die Identität des Eingebenden stärker geschützt werden soll, da hier eine ausdrückliche Einwilligung vorliegen müsste, damit diese preisgegeben werden dürfte. Auf Bundesebene ist hingegen lediglich vorgesehen, dass die Identität auf Wunsch vertraulich behandelt werden soll. Schließlich sei noch erwähnt, dass nur auf Landesebene die Dienstaufsicht der Parlamentspräsidentin bzw. des Parlamentspräsi814
BT-Drs. 19/7928, S. 10.
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E. Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt
denten vorgesehen ist. Die Gesetzentwürfe auf Bundesebene treffen dazu keine Aussage. d) Einordnung in die Dogmatik der Verwaltungskontrolle, insbesondere in die Typisierung von Beauftragten aa) Kontrollparameter Fremdkontrolle (echter Parlamentsbeauftragter) Setzt man den von den Gesetzesvorhaben skizzierten Beauftragten ins Verhältnis zu den oben dargelegten Kontrollparametern, so ist zunächst unzweifelhaft, dass dieser eine Fremdkontrolle der Verwaltung ausüben soll. Denn als Hilfsorgan des Parlaments würde dieser die Kontrolle für ein institutionell verselbständigtes Organ ausüben815 und wäre somit ein echter Parlamentsbeauftragter. Die Einordnung als echter Parlamentsbeauftragter816 folgt auf Landesebene nicht nur durch die Charakterisierung als Hilfsorgan des Parlaments bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle, sondern zusätzlich aus der Zuständigkeit der Parlamentspräsidentin oder des Parlamentspräsidenten für die Dienstaufsicht über den Polizeibeauftragten. Denn dies verdeutlicht die organisatorische Zuordnung zu einem Legislativorgan. bb) Kontrollparameter nachträgliche und vorherige Kontrolle sowie Recht- und Zweckmäßigkeitskontrolle Indem der Beauftragte die Aufgabe haben soll, Fehler und Fehlverhalten im Einzelfall sowie strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen in der Verwaltung zu erkennen und vorzubeugen, würde hier nicht nur eine nachträgliche, sondern auch eine vorherige Kontrolle817 vorliegen. Zugleich würde sich die Tätigkeit des Beauftragten nicht in einer Rechtmäßigkeitskontrolle erschöpfen, sondern wäre auch auf die Zweckmäßigkeit818 des Verwaltungshandelns gerichtet. Im Aufgabenkatalog findet sich zwar ein Bezug auf die Verletzung der Rechtsstaatlichkeit und somit ein Bezug auf eine Rechtmäßigkeitskontrolle, allerdings ist dieser Bezug nur für Fehler und Fehlverhalten in Einzelfällen derart strikt, dass er für diese den alleinigen Kontrollmaßstab bildet. Die Begriffe der strukturellen Mängel und Fehlentwicklungen schließen wegen ihrer Offenheit hingegen auch eine Zweckmäßigkeitskontrolle ein. Die Offenheit wird zwar dadurch abgemildert, dass die strukturellen Mängel und Fehlentwicklungen mit dem Wort „entsprechende“ eingeleitet werden; somit wird deutlich, dass Mängel und Fehlentwicklungen gemeint sind, die zu Fehlern und Fehlverhalten im Einzelfall führen. Allerdings ist die Bewertung dessen, welche Strukturen dies begünstigen und welche nicht, keine Frage, die am 815 Siehe zur Abgrenzung der Selbst- von der Fremdkontrolle oben D. II. 1. a) einschließlich Fn. 545. 816 Siehe hierzu D. II. 4. a). 817 Siehe hierzu oben D. II. 1. b). 818 Siehe zu diesem Kontrollparameter D. II. 1. c).
II. Polizeibeauftragter als Kontrollform für Polizeigewalt
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Rechtsmaßstab beantwortet werden kann. Vielmehr sind hierfür Zweckmäßigkeitsüberlegungen ausschlaggebend. cc) Beauftragtentätigkeit als Verwaltung im materiellen Sinne Schwieriger ist die gewaltenteilige Einordnung der Beauftragtentätigkeit. Zwar gehört es zur Legislative, die Exekutive zu kontrollieren. Allerdings ist fraglich, inwieweit dies auch für vorbeugende Tätigkeiten und die Zuständigkeit für strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen gilt oder ob es sich nicht vielmehr um Verwaltungshandeln im materiellen Sinne handelt. Die Frage nach der Einordnung der vorbeugenden Tätigkeit ist eng verknüpft mit der Frage nach der Funktionsweise der parlamentarischen Kontrolle und mit der Frage, ob diese stets ex post erfolgen muss. Das soll später an entsprechender Stelle ausführlich behandelt werden.819 An dieser Stelle genügt eine Betrachtung der vorbeugenden Tätigkeit in Verbindung mit der Zuständigkeit für strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen. Vermag zwar beides für sich betrachtet die Frage nach dem Vorliegen von Verwaltung im materiellen Sinne nicht ohne Weiteres zu beantworten, so ergibt sich das Vorliegen einer solchen Verwaltungstätigkeit aber aus beidem zusammen. Denn die Verwaltung (im organisatorischen Sinne) für die Wahrnehmung künftiger Aufgaben zu strukturieren, was die logische Folge von der Vorbeugung erkannter struktureller Mängel und Fehlentwicklungen wäre, ist außerhalb des gesetzlichen Rahmens und politischer Impulse weder Gesetzgebung oder Rechtsprechung noch Staatsleitung. Zugleich fügt sich dies auch in die oben wiedergegebene positive Definition von Verwaltung ein.820 Es soll eine Problemlage (Polizeigewalt) durch Handlungsoptionen (Strukturierung der Verwaltung) erfasst und bewältigt werden. Angesichts dessen ist Verwaltung im materiellen Sinne gegeben, wenn die Tätigkeit des Beauftragten in der vorbeugenden Behandlung von strukturellen Mängeln und Fehlentwicklungen liegt. Dies ist mit Blick auf die Gewaltenteilung bedenklich, da hier ein Hilfsorgan des Parlaments, also ein Organ, das in den Funktionsbereich der Legislative eingebunden ist,821 exekutiv tätig wird. Diese Problemlage wird an anderer Stelle nach den einzelnen zu dieser Bewertung führenden Aspekten der vorbeugenden Tätigkeit und der Zuständigkeit für strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen differenziert bewertet.822 e) Kritik und Bewertung der Gesetzesvorhaben Bevor die Gesetzesvorhaben anhand der Bewertungsmaßstäbe beurteilt werden, soll nachfolgend bereits die von Sachverständigen geäußerte Kritik an den Ge819
Siehe unten E. II. 1. e) cc) (3) (d). Siehe oben D. I. 1. 821 Siehe hierzu D. II. 4. a). 822 Siehe hierzu E. II. 1. e) cc) (3) (c), (d). 820
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E. Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt
setzentwürfen, die für die vorliegende Ausarbeitung besonders untersuchungsbedürftig erscheint, dargestellt und im Anschluss einer eigenen Bewertung unterzogen werden. Hierfür werden als lohnend erachtete Stellungnahmen zunächst in ihren wesentlichen Punkten dargelegt, um anschließend die darin enthaltenen Kritikpunkte aufgreifen zu können. aa) Kritik am Gesetzentwurf in NRW Die beiden grundlegenden Zwecke des Gesetzentwurfs im Landtag aus der 17. Wahlperiode, Vertrauens- und Akzeptanzabsicherung in die Polizei und nachhaltige Fehlerbeseitigung,823 wurden auch in den schriftlichen Stellungnahmen der Sachverständigen824 zur Anhörung im Landtag in NRW mit unterschiedlicher Akzentuierung aufgegriffen. (1) Schriftliche Stellungnahme von Markus Thiel Markus Thiel führt aus, dass die bestehenden Kontrollinstrumentarien für den Bürger nicht grundsätzlich defizitär seien und es zudem fraglich sei, inwieweit die Polizistinnen und Polizisten sich, auch im Schutzinteresse der Kolleginnen und Kollegen, überhaupt einer oder einem Polizeibeauftragten anvertrauen würden, da diese oder dieser als polizeiextern betrachtet werden könnte.825 Er weist auch explizit auf die bereits bestehende sog. Remonstrationspflicht der Beamtinnen und Beamten hin, Bedenken gegen dienstliche Anordnungen beim Vorgesetzten vorzutragen und sich bei fehlender Abhilfe an den nächsthöheren Vorgesetzten zu wenden (§ 59 Abs. 2 LBG NRW).826 Darüber hinaus würden gerade strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen innerhalb der Behörde beginnen, sodass ein frühzeitiges Erkennen durch eine oder einen externe(n) Beauftragte(n) häufig gar nicht möglich sei.827 Neben dieser letztlich gegen den Aspekt der nachhaltigen Fehlerbeseitigung gerichteten Kritik wird von ihm auch der Aspekt des Vertrauens aufgegriffen: Es sei
823
Siehe oben E. II. 1. a). Neben den sogleich ausführlich aufgegriffenen und besonders untersuchungsbedürftigen Stellungnahmen sei noch auf jene der Bürgerbeauftragten des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragten für die Landespolizei (LT-NRW, Stellungnahme 17/1806, A09, A07) sowie der Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten des Landes Schleswig-Holstein und Beauftragten für die Landespolizei Schleswig-Holstein (LT-NRW, Stellungnahme 17/1900, A09, A07) verwiesen (siehe zur Auflistung der Stellungnahmen und Fundstellen LT-Drs. NRW 17/ 9339, S. 3). 825 Thiel, Stellungnahme zur Anhörung des Innenausschusses des Landtags NordrheinWestfalen am 31. Oktober 2019, Stellungnahme 17/1931 A09, A07, S. 5, 7. 826 Thiel, Stellungnahme zur Anhörung des Innenausschusses des Landtags NordrheinWestfalen am 31. Oktober 2019, Stellungnahme 17/1931 A09, A07, S. 7. 827 Thiel, Stellungnahme zur Anhörung des Innenausschusses des Landtags NordrheinWestfalen am 31. Oktober 2019, Stellungnahme 17/1931 A09, A07, S. 8. 824
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fraglich, inwieweit das Vertrauen gestärkt würde, wenn sich Bürgerinnen und Bürger an einen Externen und nicht an die Polizei selbst wenden würden.828 (2) Schriftliche Stellungnahme der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) geht insbesondere auf den Aspekt der nachhaltigen Fehlerbeseitigung ein, wenn sie auf die zahlreichen Instrumentarien für innerdienstliche und außerdienstliche Belange verweist.829 Darüber hinaus wird von ihr vorgetragen, dass die oder der Polizeibeauftragte gar zu einer Paralleljustiz werden würde, da sie oder er neben den staatsanwaltschaftlichen und behördlichen Ermittlungen ebenfalls eine Sachverhaltsbearbeitung durchführe.830 (3) Schriftliche Stellungnahme von Nikolaos Gazeas Hingegen führt Nikolaos Gazeas mit Blick auf gewerkschaftliche Kritik aus, dass die bestehenden Beschwerdemöglichkeiten nicht ausreichend seien, da es den zuständigen Stellen an Unabhängigkeit fehle.831 Eine Steigerung der Unabhängigkeit durch eine neutrale Stelle könne auch zu mehr Akzeptanz führen.832 Dies gelte gerade mit Blick auf die Dienstaufsichtsbeschwerde, welche in der Wahrnehmung der Bevölkerung als fruchtlos gelte.833 Diese sei zudem ungeeignet, strukturelle Fehler zu identifizieren.834 Darüber hinaus wendet er sich gegen den angeführten Generalverdacht,835 unter den die Polizei durch die Schaffung einer oder eines Beauftragten gestellt werden soll.836 Ein solcher sei damit nicht verbunden, was bereits der 828 Thiel, Stellungnahme zur Anhörung des Innenausschusses des Landtags NordrheinWestfalen am 31. Oktober 2019, Stellungnahme 17/1931 A09, A07, S. 6. 829 DPolG, Schriftliche Stellungnahme zum Gesetz über die unabhängige Beauftragte oder den unabhängigen Beauftragten für die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen (Polizeibeauftragtengesetz Nordrhein-Westfalen – PolBeaufG NRW), 1. Oktober 2019, Stellungnahme 17/1853 A09, A07, S. 1 ff. 830 DPolG, Schriftliche Stellungnahme zum Gesetz über die unabhängige Beauftragte oder den unabhängigen Beauftragten für die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen (Polizeibeauftragtengesetz Nordrhein-Westfalen – PolBeaufG NRW), 1. Oktober 2019, Stellungnahme 17/1853 A09, A07, S. 3. 831 Gazeas, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung des Innenausschusses des Landtags Nordrhein-Westfalen am 31. Oktober 2019, Stellungnahme 17/1869 A09, A07, S. 4 f. 832 Gazeas, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung des Innenausschusses des Landtags Nordrhein-Westfalen am 31. Oktober 2019, Stellungnahme 17/1869 A09, A07, S. 6. 833 Gazeas, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung des Innenausschusses des Landtags Nordrhein-Westfalen am 31. Oktober 2019, Stellungnahme 17/1869 A09, A07, S. 6. 834 Gazeas, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung des Innenausschusses des Landtags Nordrhein-Westfalen am 31. Oktober 2019, Stellungnahme 17/1869 A09, A07, S. 7. 835 Siehe etwa, allerdings zu einem anderen Gesetzentwurf, DPolG, Schriftliche Stellungnahme zur Öffentlichen Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 29. Mai 2017, Ausschussdrucksache 18(4)898 B, S. 6. 836 Gazeas, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung des Innenausschusses des Landtags Nordrhein-Westfalen am 31. Oktober 2019, Stellungnahme 17/1869 A09, A07, S. 5.
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in wesentlichen Teilen strukturell vergleichbare Wehrbeauftragte zeige, der die Generäle und Offiziere der Bundeswehr nicht unter einen solchen Generalverdacht gestellt habe.837 bb) Kritik am Gesetzentwurf auf Bundesebene Auf Bundesebene liegen lediglich schriftliche Stellungnahmen von Sachverständigen zu dem Gesetzentwurf der 18. Legislaturperiode vor. Auch in diesen werden die Zwecke des einschlägigen Gesetzentwurfs, Besonderheiten des Gewaltmonopols erfassen und Vertrauen stärken,838 aufgegriffen. (1) Schriftliche Stellungnahme von Hartmut Aden So stellt etwa Hartmut Aden ebenfalls auf das staatliche Gewaltmonopol und dessen Repräsentation durch die Polizei ab.839 Diese Besonderheiten der Polizei träten neben die Faktoren, die den allgemeinen Entwicklungstrend begründeten, in der Verwaltung sog. Accountability-Foren zu etablieren, die auf Veranlassung durch Bürgerinnen und Bürger den Unzufriedenheiten mit Verwaltungshandlungen in einer Art und Weise nachgingen, die demokratisch und rechtsstaatlich bedenkliche Verwaltungsentwicklungen kompensieren würden.840 Bei den Faktoren, die generell für die Accountability-Foren sprächen, stellt Aden auch auf die Sichtweise, die Verwaltungshandlungen als Dienstleistungen sieht, sowie auf die neue Form der Verwaltungssteuerung (New Public Management) ab.841 Angesichts dessen begrüßt er Polizei-Accountability-Institutionen und weist darauf hin, dass diese sowohl das Gerechtigkeitsempfinden in der Bevölkerung als auch die Fehlerkultur in der Polizei stärken könnten.842 Lässt sich der erstgenannte Aspekt der Kategorie des Vertrauens zuordnen, erkennt man bei Aden mit dem Abstellen auf die Fehlerkultur auch eine Sensibilität für die nachhaltige Fehlerbehebung843. Dies wird auch dadurch deutlich, dass er fehlende Regelungen im Gesetzentwurf bemängelt, die polizeinahes Wissen in den Arbeitsprozess der oder des Beauftragten integrieren würden.844 837 Gazeas, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung des Innenausschusses des Landtags Nordrhein-Westfalen am 31. Oktober 2019, Stellungnahme 17/1869 A09, A07, S. 5. 838 Siehe E. II. 1. b). 839 Aden, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 29. Mai 2017, Ausschussdrucksache 18(4)898 E, S. 4. 840 Aden, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 29. Mai 2017, Ausschussdrucksache 18(4)898 E, S. 2 ff. 841 Aden, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 29. Mai 2017, Ausschussdrucksache 18(4)898 E, S. 2. 842 Aden, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 29. Mai 2017, Ausschussdrucksache 18(4)898 E, S. 5 f. 843 Siehe hierzu den Gesetzentwurf auf Landesebene unter E. II. 1. a). 844 Aden, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 29. Mai 2017, Ausschussdrucksache 18(4)898 E, S. 5.
II. Polizeibeauftragter als Kontrollform für Polizeigewalt
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(2) Schriftliche Stellungnahme der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) stellt ebenfalls auf das Vertrauen ab, welches der Polizei durch die Bevölkerung besonders stark entgegengebracht und dessen Rechtfertigung von der Polizei in täglichen Amtshandlungen unter Beweis gestellt werde.845 Ebenso wird auch die Wichtigkeit der strukturellen Fehlerbeseitigung und die notwendige Ahndung von individuellem Fehlverhalten betont.846 Zugleich wird von der DPolG jedoch vorgetragen, dass bereits jetzt eine Fülle an Instrumenten zur innerdienstlichen Konfliktbewältigung wie auch umfangreiche Möglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger zur Beschwerde bestünden.847 Im Kontext dessen wird insbesondere auf die unabhängige Justiz des Rechtsstaates verwiesen.848 Diese Unabhängigkeit der Justiz sei durch eine weitere Institution kaum steigerbar.849 Eine institutionelle Nähe zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei, die bisweilen mit der Vielzahl von Einstellungen von Strafverfahren gegen Polizeibeschäftigte begründet werde,850 sei kein begründetes Argument.851 Mit der Einstellungsbeschwerde und dem Klageerzwingungsverfahren stünden vielmehr ausreichende Schutzinstrumente zur Verfügung.852 Ebenso stünden für die Polizeibeschäftigten zahlreiche förmliche und nichtförmliche Ansprechpartner bereit.853 Darüber hinaus verweist auch die DPolG auf die Remonstrationspflicht,854 welche umfassend zu verstehen sei und sich auch auf die Zweckmäßigkeit erstrecke.855 Mit Blick auf den argumentativen Vergleich zum Wehrbeauftragten führt sie weiter aus, dass der Vergleich insbesondere angesichts der die Stellung des Wehrbeauftragten
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DPolG, Schriftliche Stellungnahme zur Öffentlichen Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 29. Mai 2017, Ausschussdrucksache 18(4)898 B, S. 1 f. 846 DPolG, Schriftliche Stellungnahme zur Öffentlichen Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 29. Mai 2017, Ausschussdrucksache 18(4)898 B, S. 2. 847 DPolG, Schriftliche Stellungnahme zur Öffentlichen Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 29. Mai 2017, Ausschussdrucksache 18(4)898 B, S. 2, 4. 848 DPolG, Schriftliche Stellungnahme zur Öffentlichen Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 29. Mai 2017, Ausschussdrucksache 18(4)898 B, S. 3. 849 DPolG, Schriftliche Stellungnahme zur Öffentlichen Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 29. Mai 2017, Ausschussdrucksache 18(4)898 B, S. 3. 850 Siehe hierzu im Allgemeinen Singelnstein, Institutionalisierte Handlungsnormen bei den Staatsanwaltschaften im Umgang mit Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung im Amt gegen Polizeibeamte, MschKrim 86 (2003), 1 ff. 851 DPolG, Schriftliche Stellungnahme zur Öffentlichen Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 29. Mai 2017, Ausschussdrucksache 18(4)898 B, S. 3. 852 DPolG, Schriftliche Stellungnahme zur Öffentlichen Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 29. Mai 2017, Ausschussdrucksache 18(4)898 B, S. 3. 853 DPolG, Schriftliche Stellungnahme zur Öffentlichen Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 29. Mai 2017, Ausschussdrucksache 18(4)898 B, S. 3. 854 Siehe hierzu bereits Thiel unter E. II. 1. e) aa) (1). 855 DPolG, Schriftliche Stellungnahme zur Öffentlichen Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 29. Mai 2017, Ausschussdrucksache 18(4)898 B, S. 3.
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E. Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt
prägenden damaligen Wehrpflicht fehl gehe.856 Zudem wird darauf verwiesen, dass durch den Polizeibeauftragten ein Generalverdacht der unrechtmäßigen Amtsführung gegen die Beschäftigten etabliert werden würde.857 (3) Schriftliche Stellungnahme der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Andere Schwerpunkte als bei den bisherigen Stellungnahmen werden hingegen in der Stellungnahme der Gewerkschaft der Polizei (GdP) gesetzt. Die GdP wendet gegen den Gesetzentwurf insbesondere ein, dass dieser verfassungsrechtlich nicht notwendig und auch nicht möglich sei.858 Verfassungsrechtliche Bedenken würden sich mit Blick auf die Gewaltenteilung, das Ressortprinzip, den Bestimmtheitsgrundsatz und die Grundrechte der von den Ermittlungen Betroffenen ergeben.859 Bereits die Begriffe „strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen“ (§ 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BPolBeauftrGE) seien nicht definierbar und würden gegen den Bestimmtheitsgrundsatz verstoßen.860 Ein Verstoß gegen das Ressortprinzip entstünde durch die vorbeugende861 Tätigkeit der oder des Beauftragten und der damit verbundenen politischen Einflussnahme.862 Darüber hinaus sei auch ein Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip erkennbar, da über das Unrecht Einzelner zu urteilen in den Aufgabenbereich der Judikative falle.863 Mit Blick auf die Grundrechte der betroffenen Polizeibediensteten führt die GdP aus, dass bei Ermittlungen durch die oder den Polizeibeauftragte(n) kein gleicher Grundrechtsschutz für die von den Ermitt856 DPolG, Schriftliche Stellungnahme zur Öffentlichen Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 29. Mai 2017, Ausschussdrucksache 18(4)898 B, S. 4. 857 DPolG, Schriftliche Stellungnahme zur Öffentlichen Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 29. Mai 2017, Ausschussdrucksache 18(4)898 B, S. 6. 858 GdP, Schriftliche Stellungnahme der GdP Bezirk Bundespolizei zum Entwurf eines Gesetzes über die unabhängige Polizeibeauftragte oder den unabhängigen Polizeibeauftragten des Bundes (Bundespolizeibeauftragtengesetz – BPolBeauftrG), Ausschussdrucksache 18(4) 898 A, S. 1. 859 GdP, Schriftliche Stellungnahme der GdP Bezirk Bundespolizei zum Entwurf eines Gesetzes über die unabhängige Polizeibeauftragte oder den unabhängigen Polizeibeauftragten des Bundes (Bundespolizeibeauftragtengesetz – BPolBeauftrG), Ausschussdrucksache 18(4) 898 A, S. 1. 860 GdP, Schriftliche Stellungnahme der GdP Bezirk Bundespolizei zum Entwurf eines Gesetzes über die unabhängige Polizeibeauftragte oder den unabhängigen Polizeibeauftragten des Bundes (Bundespolizeibeauftragtengesetz – BPolBeauftrG), Ausschussdrucksache 18(4) 898 A, S. 1 f. 861 Siehe § 1 Abs. 1 S. 2 BPolBeauftrGE. 862 GdP, Schriftliche Stellungnahme der GdP Bezirk Bundespolizei zum Entwurf eines Gesetzes über die unabhängige Polizeibeauftragte oder den unabhängigen Polizeibeauftragten des Bundes (Bundespolizeibeauftragtengesetz – BPolBeauftrG), Ausschussdrucksache 18(4) 898 A, S. 2. 863 GdP, Schriftliche Stellungnahme der GdP Bezirk Bundespolizei zum Entwurf eines Gesetzes über die unabhängige Polizeibeauftragte oder den unabhängigen Polizeibeauftragten des Bundes (Bundespolizeibeauftragtengesetz – BPolBeauftrG), Ausschussdrucksache 18(4) 898 A, S. 2.
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lungen betroffenen Polizistinnen und Polizisten bestünde wie im straf- oder disziplinarrechtlichen Verfahren.864 Insbesondere wird bemängelt, dass die elementaren Rechte der §§ 136, 136a, 137 und 163a StPO erst dann griffen, wenn die oder der Bundespolizeibeauftragte der Ansicht sei, dass ein straf- oder disziplinarrechtliches Verhalten in Betracht kommen könnte (§ 9 S. 1 BPolBeauftrGE).865 Neben diesen zahlreichen verfassungsrechtlichen Bedenken werden bereits bekannte Aspekte vorgetragen. Auch in dieser Stellungnahme wird auf die ausreichende Erfassung von Fehlverhalten durch die bestehenden Straf- und Disziplinarverfahren sowie auf die Möglichkeit zur Dienst- und Fachaufsichtsbeschwerde verwiesen.866 (4) Schriftliche Stellungnahme des Bundespolizeipräsidiums In der schriftlichen Stellungnahme des Bundespolizeipräsidiums wird letztlich der Aspekt der nachhaltigen Fehlerbehebung in den Vordergrund gestellt. Es wird auf Gespräche mit (internen) Hinweisgebern an die unmittelbar beim Präsidenten des Bundespolizeipräsidiums am 27. Mai 2015 neu errichtete Vertrauensstelle Bezug genommen.867 Demnach seien die Hinweisgeber über die Möglichkeit, Missstände intern ohne großes, bisweilen medial begleitetes Aufsehen melden und ohne Reputationsverlust für die Gesamtorganisation klären lassen zu können, dankbar.868 Die Vertrauensstelle trage zudem dazu bei, die im Gesetzentwurf behauptete Hemmschwelle von Beamtinnen und Beamten bei der Meldung von Fehlverhalten abzubauen.869 Darüber hinaus stünden sowohl die Dienst- und Fachaufsicht als auch die Stabsstellen Innenrevision zur Verfügung.870 Einem oder einer externen Polizeibeauftragten würden hingegen die behördenspezifischen Besonderheiten und die in-
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GdP, Schriftliche Stellungnahme der GdP Bezirk Bundespolizei zum Entwurf eines Gesetzes über die unabhängige Polizeibeauftragte oder den unabhängigen Polizeibeauftragten des Bundes (Bundespolizeibeauftragtengesetz – BPolBeauftrG), Ausschussdrucksache 18(4) 898 A, S. 3. 865 GdP, Schriftliche Stellungnahme der GdP Bezirk Bundespolizei zum Entwurf eines Gesetzes über die unabhängige Polizeibeauftragte oder den unabhängigen Polizeibeauftragten des Bundes (Bundespolizeibeauftragtengesetz – BPolBeauftrG), Ausschussdrucksache 18(4) 898 A, S. 3 f. 866 GdP, Schriftliche Stellungnahme der GdP Bezirk Bundespolizei zum Entwurf eines Gesetzes über die unabhängige Polizeibeauftragte oder den unabhängigen Polizeibeauftragten des Bundes (Bundespolizeibeauftragtengesetz – BPolBeauftrG), Ausschussdrucksache 18(4) 898 A, S. 2 f. 867 Bundespolizeipräsidium, Schriftliche Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung im Innenausschuss des Deutschen Bundestages, Ausschussdrucksache 18(4)898 D, S. 7 f. 868 Bundespolizeipräsidium, Schriftliche Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung im Innenausschuss des Deutschen Bundestages, Ausschussdrucksache 18(4)898 D, S. 8. 869 Bundespolizeipräsidium, Schriftliche Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung im Innenausschuss des Deutschen Bundestages, Ausschussdrucksache 18(4)898 D, S. 8. 870 Bundespolizeipräsidium, Schriftliche Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung im Innenausschuss des Deutschen Bundestages, Ausschussdrucksache 18(4)898 D, S. 9.
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E. Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt
ternen Entwicklungsprozesse nicht geläufig sein.871 Ein Erkennen von strukturellen Mängeln und Fehlentwicklungen sei angesichts dessen nur bei offensichtlichen Fällen möglich.872 Darüber hinaus wird auch noch auf den bisweilen angeführten873 Vergleich mit dem Wehrbeauftragten Bezug genommen. Dieser sei eng mit der Wehrpflicht verzahnt und zudem nicht für Eingaben von Außenstehenden zuständig.874 (5) Schriftliche Stellungnahme von Anna Luczak Anna Luczak setzt in ihrer schriftlichen Stellungnahme wiederum neue Schwerpunkte. Sie geht insbesondere auf die Anforderungen an Beschwerdestellen aus Sicht von Verbänden und internationalen Gremien sowie der Rechtsprechung des EGMR ein.875 Insbesondere führt sie aus, dass nach der Rechtsprechung des EGMR eine Untersuchung geeignet sein müsse, Verantwortliche zu identifizieren und zu bestrafen.876 Angesichts dessen sei es bedenklich, dass der oder die Beauftragte im Gesetzentwurf keine Sanktionierungsbefugnis habe.877 cc) Bewertung der Kritik Die gerade dargelegte Kritik der Sachverständigen ist sehr facettenreich. Dennoch bestehen viele Überschneidungen zwischen den einzelnen Stellungnahmen. So wird regelmäßig auf die bereits bestehenden Kontrollverfahren verwiesen, die notwendige Erfassung von strukturellen Fehlentwicklungen betont, auf das Vertrauen bei den Bürgerinnen und Bürger wie auch bei den Polizistinnen und Polizisten Bezug genommen und ein Vergleich zum Wehrbeauftragten gezogen. Singulär sind hingegen die starken verfassungsrechtlichen Bedenken der GdP, der Bezug von Anna Luczak auf die Sanktionierungsbefugnis und die Betonung des Neuen Steuerungsmodells durch Hartmut Aden. Nachfolgend sollen die Kritik und die einzelnen Aspekte aufgegriffen werden, die nicht im Rahmen der herausgearbeiteten Bewertungsmaßstäbe beurteilt werden, aber dennoch aufgrund der konkreten Ausgestaltung in den Gesetzentwürfen als klä871 Bundespolizeipräsidium, Schriftliche Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung im Innenausschuss des Deutschen Bundestages, Ausschussdrucksache 18(4)898 D, S. 10. 872 Bundespolizeipräsidium, Schriftliche Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung im Innenausschuss des Deutschen Bundestages, Ausschussdrucksache 18(4)898 D, S. 11. 873 Siehe hierzu etwa oben E. II. 1. e) aa) (3) und E. II. 1. e) bb) (2) und (4). 874 Bundespolizeipräsidium, Schriftliche Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung im Innenausschuss des Deutschen Bundestages, Ausschussdrucksache 18(4)898 D, S. 10. 875 Luczak, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 29. Mai 2017, Ausschussdrucksache 18(4)898 C, S. 2. 876 Luczak, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 29. Mai 2017, Ausschussdrucksache 18(4)898 C, S. 3. 877 Luczak, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 29. Mai 2017, Ausschussdrucksache 18(4)898 C, S. 5.
II. Polizeibeauftragter als Kontrollform für Polizeigewalt
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rungsbedürftig erscheinen.878 Sie helfen, sich dem Entwurf eines unechten Parlamentsbeauftragten anzunähern. Hierunter fallen der Vergleich zum Wehrbeauftragten, der Bezug zum Neuen Steuerungsmodell sowie die verfassungsrechtlichen Bedenken. Die bestehenden Kontrollverfahren werden gesondert im Rahmen der Sachrechtfertigung des unechten Parlamentsbeauftragten behandelt und anhand der herausgearbeiteten Bewertungsmaßstäbe bewertet. Darüber hinaus soll nachfolgend auch kurz auf den Datenschutzbeauftragten eingegangen werden, der als unechter Parlamentsbeauftragter eine gute Ergänzung zum Vergleich mit dem Wehrbeauftragten als echten Parlamentsbeauftragten879 darstellt. Hier lohnt insbesondere ein Blick auf die Möglichkeit der Beanstandung durch den Datenschutzbeauftragten. (1) Vergleich zum Wehrbeauftragten des Bundestages (a) Fehlende Vergleichbarkeit? Wie dargelegt, wird der Wehrbeauftragte von den Sachverständigen mehrfach aufgegriffen. Dieser wird von Nikolaos Gazeas angeführt, um den Einwand zu entkräften, ein Polizeibeauftragter würde die Polizistinnen und Polizisten unter einen Generalverdacht stellen.880 Die auf den Wehrbeauftragten bezogenen Stellungnahmen der DPolG881 und des Bundespolizeipräsidiums882 wenden hiergegen ein, dass dieser eng mit der Wehrpflicht verzahnt sei und zugleich nur für Eingaben durch die Soldatinnen und Soldaten zuständig sei. Auffällig ist zunächst, dass die Argumentation des Bundespolizeipräsidiums, wonach der Wehrbeauftragte nur für Eingaben der Soldatinnen und Soldaten zuständig sei, den Hauptkern der Argumentation von Nikolaos Gazeas selbst im Falle ihrer Richtigkeit nicht entkräften würde. Denn die Frage nach einer Vergleichbarkeit der Eingabeberechtigten ist für eine strukturelle Vergleichbarkeit der Institution,883 die für einen Generalverdacht ausschlaggebend ist, nicht von Relevanz. Die Eingaben betreffen lediglich die Möglichkeit der Wissenserlangung des Beauftragten. In der Wissensmitteilung (Eingabe) kann zwar ein Generalverdacht ausgedrückt werden. Dies führt aber nicht dazu, dass die Institution des Beauftragten selbst eben jenen Generalverdacht ausdrückt, nur weil der Beauftragte, wie im Falle des Polizeibeauftragten, für Eingaben von Personen außerhalb der zu kontrollierenden Institution zuständig ist, die mit ihren Eingaben gegebenenfalls die Polizei unter Generalverdacht stellen. Dieser Generalverdacht kann vielmehr nur aus seinem 878 Siehe zum Verhältnis der herausgearbeiteten Bewertungsmaßstäbe zu anderen Aspekten bereits A. I. 4. 879 Vgl. Tettinger, Die Beauftragten, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Auflage 2007, § 111 Rn. 46. 880 Siehe hierzu E. II. 1. e) aa) (3). 881 Siehe hierzu E. II. 1. e) bb) (2). 882 Siehe hierzu E. II. 1. e) bb) (4). 883 Auf die strukturelle Vergleichbarkeit stellt Gazeas gerade ab, siehe oben E. II. 1. e) aa) (3) einschließlich Fn. 837.
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E. Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt
Verhalten, seiner Stellung und seinen Kompetenzen/Befugnissen folgen und sich damit nur aus dem Wissensumgang ergeben. Die Argumentation mit der Verknüpfung der Wehrpflicht dürfte wohl letztlich darauf zielen, dass der Wehrbeauftragte eher ein Schutzorgan für die Soldatinnen und Soldaten sei und diese daher, anders als der Polizeibeauftragte die Polizistinnen und Polizisten, nicht unter Generalverdacht stellen könne. Wie allerdings sogleich gezeigt werden soll, kann der Wehrbeauftragte sehr wohl herangezogen werden, um den Einwand des Generalverdachts zu entkräften. Zunächst sollte mit einem Blick in Art. 45b GG begonnen werden. Dort heißt es: „Zum Schutz der Grundrechte und als Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle wird ein Wehrbeauftragter des Bundestages berufen. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.“
Die Kritik, die sich gegen den Vergleich wendet, da der Wehrbeauftragte eng mit der Wehrpflicht verzahnt sei,884 stützt sich letztlich auf den Schutzauftrag für die Grundrechte und lässt die mit dem Wort „und“ eingeleitete Hilfsorganstellung außen vor. Diese ist jedoch entscheidend, da sie sich auf den gesamten Funktionsbereich des Wehrbeauftragten erstreckt, wohingegen der Schutz der Grundrechte lediglich ein vom Grundgesetz festgelegter Dauerauftrag und somit nur ein Teilbereich des parlamentarischen Kontrollauftrags des Wehrbeauftragten ist.885 Lediglich dieser Teilbereich des Kontrollauftrags steht im Zusammenhang mit den Gefahren des Wehrdienstes.886 Dass die Institution des Wehrbeauftragten allerdings darüber hinausreicht, macht bereits die Entstehungsgeschichte deutlich: Der Wehrbeauftragte wurde auch geschaffen, um nicht ein von der SPD gefordertes besonderes Misstrauensvotum gegen den Verteidigungsminister etablieren zu müssen.887 Art. 45b GG ist im Licht der damaligen Einfügung der Wehrverfassung zu lesen und zielt insoweit nicht nur auf den Schutz der soldatischen Grundrechte, sondern gerade auf die wirksame parlamentarische Kontrolle der Streitkräfte.888 Entscheidend ist, dass der Wehrbeauftragte somit durchaus auch eine Institution ist, die (abstraktes) Potential für den Einwand des Generalverdachtes bereithält. Er soll die parlamentarische Kontrolle der Bundeswehr ermöglichen und steht der Bundeswehr insoweit auch als Kontrollorgan gegenüber; er ist nicht nur Schutzorgan der Soldaten. Die abstrakte Überlegung, dass Schutz auch immer gegenüber bzw. vor jemanden gewährt wird, stützt dieses Ergebnis. Der Schutz der soldatischen Grundrechte er884
Siehe oben E. II. 1. e) bb) (2) einschließlich Fn. 856 und E. II. 1. e) bb) (4) einschließlich Fn. 874. 885 Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Band II, 3. Auflage 2015, Art. 45b Rn. 4, 9 – m. w. N. 886 Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Band II, 3. Auflage 2015, Art. 45b Rn. 10. 887 Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Band II, 3. Auflage 2015, Art. 45b Rn. 1 – m. w. N. 888 Siehe hierzu Klein/Schwarz, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG-Kommentar, Lfg. 99 September 2022, Art. 45b Rn. 1.
II. Polizeibeauftragter als Kontrollform für Polizeigewalt
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folgt etwa vor anderen Mitgliedern der Institution „Bundeswehr“. Es ist an dieser Stelle also zwischen der parlamentarisch-kontrollbedürftigen Institution „Bundeswehr“ und ihren einzelnen schutzbedürftigen Mitgliedern zu unterscheiden. Zurecht nimmt Gazeas daher auch nur auf den Generalverdacht gegenüber den Offizieren und Generälen Bezug.889 Die gerade dargelegte Argumentation wird durch einen Blick in den 62. Bericht der Wehrbeauftragten anschaulich:890 In diesem finden sich etwa unter dem Gliederungspunkt „Innere Führung“ Fälle von Extremismus oder überzogener Härte in der Ausbildung. Ebenso findet sich ein eigener Gliederungspunkt „Rechtsverstöße“. Diese beispielhafte Aufzählung macht deutlich, dass es der Institution „Wehrbeauftragter“ nicht nur auf den Schutz der Soldatinnen und Soldaten ankommt, sondern zugleich auch auf Fehlverhalten in der Bundeswehr. Dieses wird zwangsläufig von Mitgliedern der Bundeswehr ausgeübt. Gerade bei diesem Aspekt, dass auch innerhalb der Bundeswehr nicht nur zu schützendes, sondern auch zu beanstandendes Verhalten erfolgen kann, welches daher vom Wehrbeauftragten erfasst werden soll, manifestiert sich die parlamentarische Kontrolle. Angesichts dessen ist es zutreffend, auszuführen, dass der Wehrbeauftragte zeigt, dass allein die Etablierung eines Hilfsorgans des Parlamentes noch nicht dazu führt, dass eine ganze Institution (hier: Polizei) bzw. ein ganzer Berufszweig unter Generalverdacht gestellt wird. Entscheidend sind vielmehr die jeweilige gesetzliche und konkrete Ausgestaltung und die anschließend gelebte Praxis. An diesem Befund vermag auch der Hinweis nichts zu ändern, dass der Wehrbeauftragte lediglich für Eingaben von Soldatinnen und Soldaten zuständig sei. Ergänzend zur eingangs ausgeführten Argumentation sei auf Folgendes hingewiesen: Zunächst einmal übersieht der Hinweis, dass zwar lediglich die Eingaben von Soldatinnen und Soldaten in § 7 WBeauftG separat geregelt sind, allerdings in § 1 Abs. 3 Satz 1 WBeauftG neben der Erwähnung von § 7 WBeauftG auch explizit auf die Kenntniserlangung „auf andere Weise“ abgestellt wird. Darüber hinaus sieht § 1 Abs. 2 Satz 1 WBeauftG vor, dass der Wehrbeauftragte auf Weisung des Bundestages und des Verteidigungsausschusses tätig wird. Dies verdeutlich erneut seine Anbindung an das Parlament und seinen gegen die Institution „Bundeswehr“ gerichteten Kontrollauftrag und macht ihn dadurch mit dem Polizeibeauftragten strukturell vergleichbar. (b) Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Stellung und Unterschiede hinsichtlich der Kompetenzen und Befugnisse An dieser Stelle ist ein Blick auf die gemeinsame Rolle als Hilfsorgan lohnend, um hierdurch zugleich auch die Unterschiede zum Polizeibeauftragten erkennen zu 889 890
Siehe oben E. II. 1. e) aa) (3) einschließlich Fn. 837. BT-Drs. 19/26600.
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E. Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt
können. Es soll gezeigt werden, wo strukturelle Unterschiede in der Stellung als Hilfsorgan zwischen Wehrbeauftragtem und Polizeibeauftragtem liegen. Hier hilft zunächst ein Blick auf den bereits etablierten Wehrbeauftragten. Bei dem Begriff des Hilfsorgans handelt es sich zwar um einen unspezifischen Rechtsbegriff, der jedoch im grammatischen Gefüge des Art. 45b GG deutlich macht, dass hiermit beim Wehrbeauftragten eine unterstützende Funktion bei der parlamentarischen Kontrolle gemeint ist.891 Hieraus folgt zweierlei: Zum einen, dass der Wehrbeauftragte Teil des Funktionsträgers der Legislative und als solcher ohne Weisungs- und Eingriffsrechte892 gegenüber den Exekutivorganen ist.893 Ihm kommen lediglich Informations- und Anregungsrechte zu.894 Zum anderen folgt hieraus, dass auch die Kompetenzen des Wehrbeauftragten nicht weiter reichen können als die des Parlaments und daher nur eine ex post-Kontrolle ohne laufende Überwachung möglich ist.895 Wendet man diesen aus der Stellung des Wehrbeauftragten als Hilfsorgan des Parlaments bei der Kontrolle folgenden Befund nun auf den durch die Gesetzesvorhaben gezeichneten Polizeibeauftragten an, so fallen nicht nur die Gemeinsamkeiten, sondern auch die Divergenzen direkt auf. Zwar lassen sich fast alle der für den Polizeibeauftragten festgelegten Befugnisse896 ebenfalls als Informations- und Anregungsrecht einordnen, jedoch legt der Aufgabenauftrag der Vorbeugung nicht eine nachträgliche (ex post-)Kontrolle fest, sondern eine vorherige Kontrolle.897 Die Aufgabe der Behebung, wie sie lediglich im Gesetzesvorhaben auf Landesebene vorgesehen ist, ist zudem bedenklich, da sie das Vorliegen von Eingriffsrechten nahelegt. Ein Eingriffsrecht würde sodann auch mit der Befugnis der förmlichen Beanstandung,898 wie sie in sämtlichen Gesetzesvorhaben vorgesehen ist, etabliert werden. Insoweit liegen hier im Verhältnis zum Wehrbeauftragten zwei Unterschiede in der Form eines Eingriffsrechts (förmliche Beanstandung) und einer vorherigen Kontrolle vor, die mit Blick auf die Gewaltenteilung einer gesonderten Betrachtung bedürfen. Bevor dies geschieht, liegt jedoch ein Vergleich zum Datenschutzbeauftragten nahe, um die förmliche Beanstandung durch den Polizeibeauftragten einordnen zu können. 891 Klein/Schwarz, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG-Kommentar, Lfg. 99 September 2022, Art. 45b Rn. 16. 892 Magiera, in: Sachs, GG-Kommentar, 9. Auflage 2021, Art. 45b Rn. 5. 893 Klein/Schwarz, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG-Kommentar, Lfg. 99 September 2022, Art. 45b Rn. 14, 59. 894 Klein/Schwarz, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG-Kommentar, Lfg. 99 September 2022, Art. 45b Rn. 59. 895 Hernekamp, in: v. Münch/Kunig, GG-Kommentar, Band I, 6. Auflage 2012, Art. 45b Rn. 7 – m. w. N. 896 Siehe hierzu E. II. 1. a) aa) und E. II. 1. b) aa). 897 Siehe zur Abgrenzung dieser Kontrollparameter D. II. 1. b). 898 Siehe hierzu sogleich E. II. 1. e) cc) (2).
II. Polizeibeauftragter als Kontrollform für Polizeigewalt
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(2) Vergleich zur Beanstandung durch den Datenschutzbeauftragten: Die förmliche Beanstandung als Weisungsrecht Die nachfolgenden Ausführungen nehmen ausschließlich den Bundesdatenschutzbeauftragten in den Blick. Angesichts etlicher Überschneidungen zu den Datenschutzbeauftragten auf Landesebene dürften allerdings die meisten Überlegungen übertragbar sein.899 Der Bundesdatenschutzbeauftragte ist eine Kontrollbehörde,900 genauer gesagt eine Aufsichtsbehörde901 (§ 9 BDSG).902 Er soll hierbei insbesondere die Anwendung des BDSG sowie anderer dem Datenschutz verpflichteter Gesetze überwachen und durchsetzen (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 BDSG). Bei der Erledigung dieser Aufgaben agiert er völlig unabhängig und weisungsfrei (§ 10 Abs. 1 BDSG). Wie dem Wehrbeauftragten und dem Polizeibeauftragten, kommen auch dem Datenschutzbeauftragten Befugnisse zur Wahrnehmung seiner Aufgaben zu (§ 16 BDSG). An dieser Stelle ist insbesondere die Befugnis, Verstöße beanstanden zu können (§ 16 Abs. 2 S. 1 BDSG), von Interesse. Der Begriff der Beanstandung taucht vor allem im Aufsichtsrecht auf und bezieht sich auf repressive, regelnde903 Aufsichtsmaßnahmen.904 Insoweit verwundert es nicht, dass der Datenschutzbeauftragte als Aufsichtsbehörde die Möglichkeit zur Beanstandung hat. Nach § 16 Abs. 2 S. 1 BDSG kann der Datenschutzbeauftragte Verstöße gegen die Vorschriften des BDSG oder gegen andere Vorschriften über den Datenschutz oder sonstige Mängel bei der Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten beanstanden. Anders als bei den Gesetzesvorhaben zum Polizeibeauftragten ist hier hingegen nicht von einer förmlichen Beanstandung die Rede. Die Beanstandung des Datenschutzbeauftragten ist an sich vielmehr formfrei möglich.905 Ihr wird von der einschlägigen Fachliteratur weder die Qualität eines Verwaltungsaktes noch die einer Weisung zugestanden.906 Sie wird als ein Institut ohne unmittelbare Rechtswirkungen charakterisiert.907 899
Ähnlich Zöllner, Der Datenschutzbeauftragte im Verfassungssystem, 1995, S. 19. Zöllner, Der Datenschutzbeauftragte im Verfassungssystem, 1995, S. 52. 901 Siehe zum Unterschied zwischen den Begriffen der Aufsicht und der Kontrolle D. II. 2. 902 Dies kann auch aus § 14 Abs. 1 Nr. 7 BDSG gefolgert werden, da es dort heißt, dass der Bundesdatenschutzbeauftragte mit den anderen Aufsichtsbehörden zusammenarbeite. 903 Vgl. Ehlers/Pünder, Staatliche Verwaltung, in: Ehlers/Pünder (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Auflage 2022, § 1 Rn. 114. 904 Vgl. Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 20. Auflage 2020, § 23 Rn. 21. 905 Hullen/Krohm, in: Plath, DSGVO/BDSG, 3. Auflage 2018, § 16 BDSG Rn. 18; Meltzian, in: Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, Stand: 01. 11. 2022, § 16 Rn. 9. 906 Meltzian, in: Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, Stand: 01. 11. 2022, § 16 Rn. 9; siehe auch Zöllner, Der Datenschutzbeauftragte im Verfassungssystem, 1995, S. 58; Schulze Lohoff/Bange, Die (fehlenden) Abhilfebefugnisse des BfDI nach § 16 Abs. 2 BDSG, ZD 2019, 199 (201) – m. w. N. 907 Meltzian, in: Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, Stand: 01. 11. 2022, § 16 Rn. 9; siehe auch Zöllner, Der Datenschutzbeauftragte im Verfassungssystem, 1995, S. 58; Körffer, 900
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E. Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt
Ob auch die in den Gesetzentwürfen vorgesehene Beanstandung des Polizeibeauftragten lediglich als unmittelbar rechtswirkungslos angedacht ist oder vielmehr als ein Durchgriffsrecht, ist nicht einfach zu beurteilen. Hinweise in den Gesetzesbegründungen finden sich jedenfalls nicht. Für eine unmittelbare Rechtswirkung lässt sich die grammatische und systematische Auslegung anführen. Das Wort „förmlich“ hebt die Beanstandung noch einmal besonders hervor. Dies spricht dafür, dass ihr eine besondere Bedeutung im Gefüge der Befugnisse des Polizeibeauftragten zukommen soll. Auch die systematische Stellung als zuletzt aufgeführte Befugnis spricht dafür, dass sie der krönende Abschluss der Befugnisse sein soll, was sie freilich nur durch eine Bindungswirkung, also durch eine Befolgungs- und nicht lediglich eine Berücksichtigungspflicht, vollständig zu leisten vermag. Auch der Vergleich zum Datenschutzbeauftragten spricht für ein derartiges Verständnis. In § 16 Abs. 2 S. 1 BDSG wird nämlich weiter ausgeführt, dass der Datenschutzbeauftragte mit der Beanstandung zugleich zur Stellungnahme auffordert. Durch diese Verknüpfung von Beanstandung und Stellungnahme wird deutlich, dass der Gesetzgeber mit der Beanstandung auf eine einvernehmliche Zusammenarbeit zwischen Datenschutzbeauftragtem und oberster Bundesbehörde setzt.908 Hingegen fehlen weitergehende Ausführungen im Zusammenhang mit der förmlichen Beanstandung bei dem Polizeibeauftragten, was insoweit nahelegt, dass die Beanstandung eher der Abschluss eines (gescheiterten) Dialoges sein soll. Ob ein Durchgriffsrecht vorliegt, lässt sich unter anderem auch anhand des systematischen Gesamtzusammenhangs beantworten.909 Für das Gesetzesvorhaben auf Landesebene macht sich hier bemerkbar, dass der Polizeibeauftragte dort nicht nur Fehler und Fehlverhalten im Einzelfall sowie strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen erkennen und vorbeugen, sondern gerade auch beheben soll.910 Dieser Arbeitsauftrag wäre obsolet, wenn dem Beauftragten lediglich Informations-, Berücksichtigungs- und Anregungsrechte zustünden. Dies spricht dafür, dass die Beanstandung als Durchgriffsrecht und somit als Weisungsrecht zu verstehen ist. (3) Grenzen durch die Gewaltenteilung Die zuvor herausgearbeiteten Unterschiede zum Wehrbeauftragten in Form der vorherigen Kontrolle und der förmlichen Beanstandung, welche durch den Vergleich zum Datenschutzbeauftragten als Eingriffsrecht charakterisiert werden konnte, ziehen Fragen hinsichtlich der Gewaltenteilung nach sich. Diese und weitere Fragen aus den Stellungnahmen sollen nachfolgend behandelt werden. in: Paal/Pauly, DS-GVO BDSG, 3. Auflage 2021, § 16 BDSG Rn. 3b; Hullen/Krohm, in: Plath, DSGVO/BDSG, 3. Auflage 2018, § 16 BDSG Rn. 18 f.; Schulze Lohoff/Bange, Die (fehlenden) Abhilfebefugnisse des BfDI nach § 16 Abs. 2 BDSG, ZD 2019, 199 (201). 908 Schulze Lohoff/Bange, Die (fehlenden) Abhilfebefugnisse des BfDI nach § 16 Abs. 2 BDSG, ZD 2019, 199 (204). 909 In eine ähnliche Richtung für das BDSG gehen auch Schulze Lohoff/Bange, Die (fehlenden) Abhilfebefugnisse des BfDI nach § 16 Abs. 2 BDSG, ZD 2019, 199 (203). 910 Siehe hierzu oben E. II. 1. a) aa).
II. Polizeibeauftragter als Kontrollform für Polizeigewalt
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(a) Aufgeworfene Fragen In der schriftlichen Stellungnahme der GdP wird ein Verstoß gegen die Gewaltenteilung angenommen, da es Aufgabe der Judikative sei, über das Unrecht Einzelner zu urteilen.911 Des Weiteren wird wegen der politischen Einflussnahme auch ein Verstoß gegen das Ressortprinzip angenommen.912 Dies läuft der Sache nach allerdings ebenfalls auf einen Verstoß gegen die Gewaltenteilung hinaus, da das Ressortprinzip als kanzler- und kabinettsfest bezeichnet und lediglich in diese Richtung hin als abschirmend verstanden wird.913 In die Richtung des Parlaments geht hingegen die ebenfalls in Art. 65 S. 2 GG vorgesehene eigene Verantwortung des Ministers, welche eine Verantwortung gegenüber dem Parlament bedeutet.914 Gerade diese Verantwortung setzt Entscheidungsbefugnisse in internen Organisationsangelegenheiten voraus,915 sie hängt wiederum mit der parlamentarischen Kontrolle zusammen916 und besitzt insoweit einen gewaltenteiligen Bezug. Dies dürfte der inhaltliche Anknüpfungspunkt für die Kritik der GdP sein. Unabhängig hiervon wurde oben bereits angedeutet,917 dass der Aspekt der vorbeugenden Tätigkeit und die Zuständigkeit für strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen Fragen im Hinblick auf die Gewaltenteilung aufwerfen. Derartige Fragen ergeben sich auch für die Befugnis der förmlichen Beanstandung. Nachfolgend soll daher ein genauerer Blick auf die Stellung des Polizeibeauftragten unter der Gewaltenteilung geworfen werden. (b) Ausübung einer unzulässigen judikativen Tätigkeit durch den Polizeibeauftragten? Zunächst einmal würde das Argument der GdP, es sei Aufgabe der Judikative, über das Unrecht Einzelner zu urteilen,918 dazu führen, dass das Institut der Dienstaufsicht verfassungsrechtlich unzulässig wäre. Denn auch dort urteilt jemand, der nicht Richter ist, über das Verhalten Einzelner; zwar nicht das Parlament, aber die Verwaltung, welcher nach der Argumentation der GdP diese Tätigkeit ebenfalls nicht zuteilwerden dürfte. Mit Blick auf die Stellung der rechtsprechenden Gewalt in der Gewaltenteilung ist es allerdings unbedenklich, wenn die beschriebene Tätigkeit von der Verwaltung oder dem Parlament wahrgenommen werden. Denn zum einen ist im 911
Siehe oben E. II. 1. e) bb) (3) einschließlich Fn. 863. Siehe oben E. II. 1. e) bb) (3) einschließlich Fn. 862. 913 Brinktrine, in: Sachs, GG-Kommentar, 9. Auflage 2021, Art. 65 Rn. 21; Schröder, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, Band II, 7. Auflage 2018, Art. 65 Rn. 30. 914 Brinktrine, in: Sachs, GG-Kommentar, 9. Auflage 2021, Art. 65 Rn. 22 – m. w. N. 915 Wißmann, Verfassungsrechtliche Vorgaben der Verwaltungsorganisation, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 2. Auflage 2012, § 15 Rn. 34. 916 Siehe hierzu E. II. 1. e) cc) (3) (d). 917 Siehe E. II. 1. d) cc). 918 Siehe hierzu oben E. II. 1. e) bb) (3) einschließlich Fn. 863. 912
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E. Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt
Rahmen der Zuordnung keine starre Grenze aus Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG zu ziehen, sondern es kommt bei der Zuordnung der Funktionen auf die Organe vielmehr auf die Zwecke der Gewaltenteilung an.919 Bedenken hinsichtlich des Zweckes der Machtbegrenzung sind nicht ersichtlich. Weder dem Parlament noch dem Polizeibeauftragten stünde durch das Gesetz eine derartige Macht zu, die mit Blick auf die Gewaltenteilung bedenklich erscheint. Dies allein deshalb, weil weiterhin Rechtsschutz gegen den Polizeibeauftragten möglich wäre. Zum anderen unterfällt nur die rechtsprechende Gewalt im Sinne des Art. 92 GG dem Gewaltmonismus der Gerichte.920 Auch wenn bisweilen eine einheitliche Definition schwierig ist und noch nicht gefunden wurde, lassen sich dennoch einzelne Elemente der unterschiedlichen Definitionen herausstellen:921 „Die Ausübung der rechtsprechenden Gewalt setzt (1) ein besonderes rechtlich geregeltes Entscheidungsverfahren voraus, stellt (2) einzelfallbezogen einen konkreten Sachverhalt fest, beurteilt (3) diesen vor dem Hintergrund ungewissen, weil umstrittenen oder verletzten Rechts und handelt (4) letztverbindlich und rechtskräftig streitentscheidend allein in Anwendung des geltenden Rechts durch (5) ein unabhängiges und am Ausgangskonflikt unbeteiligtes (neutrales) Staatsorgan […].“922
Es fehlt bei der Tätigkeit des Polizeibeauftragten bereits unproblematisch an der letztverbindlichen und rechtskräftigen Entscheidung allein in Anwendung des Rechts. Denn schließlich sollen gerade auch Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte berücksichtigt werden. Zudem liegt kein besonders gesetzlich geregeltes Entscheidungsverfahren vor, welches etwa mit dem Zivil- oder Verwaltungsprozessrecht vergleichbar wäre. Bei der Zuständigkeit für strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen fehlt es zudem an der einzelfallbezogenen, konkreten Sachverhaltsfeststellung. Angesichts des insoweit eindeutigen Befundes kann offenbleiben, ob der Beauftragte als Hilfsorgan eines Staatsorgans letztlich auch unter die obige Nr. 5 fällt. Die Einordnung wäre nämlich nicht ganz so eindeutig. Denn der Beauftragte wäre gerade unabhängig und am Ausgangskonflikt (Polizeigewalt) zunächst unbeteiligt. Ob er allerdings auch neutral wäre, erscheint fraglich, da er dem Parlament zugeordnet und somit bei einem politischen Staatsorgan angebunden wäre. Ein Staatsorgan, das allerdings politische (Wert-)Konflikte austrägt und austragen soll, als neutral zu bezeichnen, wirkt befremdlich. Offengelassen wurde bisher der Gedanke der staatlichen Wirksamkeit und Rationalität, welcher bei einer Zuordnung als Zweck der Gewaltenteilung ebenfalls zu beachten ist.923 Dieser spricht nicht an sich gegen die Zuordnung der „urteilenden“ Tätigkeit zum Beauftragten. Die Organadäquanz erscheint aber dann bedenklich, 919
Siehe hierzu D. I. 4. a) und b). Siehe hierzu Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 26 Rn. 54. 921 Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG-Kommentar, Band III, 3. Auflage 2018, Art. 92 Rn. 25 f. 922 Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG-Kommentar, Band III, 3. Auflage 2018, Art. 92 Rn. 26. 923 Siehe hierzu D. I. 4. a). 920
II. Polizeibeauftragter als Kontrollform für Polizeigewalt
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wenn es sich nicht um Einzelfälle handelt, die „abgeurteilt“ werden sollen, sondern um strukturelle Aspekte. Diese Überlegungen bewegen sich außerhalb des von der GdP genannten Kritikpunktes, der auf das Unrecht Einzelner Bezug nimmt. Daher soll die Organadäquanz für strukturelle Aspekte nachfolgend separat in den Blick genommen werden. (c) Fehlende Organadäquanz für strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen Für Tätigkeiten, die nicht unter die rechtsprechende Gewalt im Sinne des Art. 92 GG fallen, bleibt es dabei, dass die Gewaltenteilung des Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG keine Zuordnung vornimmt.924 Es greift hier vielmehr die Organadäquanz, die auf die effektive Aufgabenwahrnehmung durch das Organ blickt.925 Das Argument, dass ein beim Parlament anzusiedelnder Polizeibeauftragter nicht fähig sei, strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen zu erkennen und vorzubeugen, da ihm die Innenperspektive fehle,926 gewinnt an dieser Stelle auch einen gewaltenteiligen Gehalt. Für strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen in der Verwaltung scheint, jedenfalls aus der Perspektive der Organadäquanz bzw. der Gewaltenteilung, nicht das Parlament mit seinem Hilfsorgan, sondern die Verwaltung selbst geeignet zu sein. Denn nur sie verfügt über ausreichend Wissen und Erfahrung hinsichtlich der eigenen Strukturen. Ein Organ, das außerhalb der Verwaltung steht, hat dieses Wissen zunächst nicht und vermag daher die vorhandenen Strukturen und somit auch die dort wurzelnden Mängel und Fehlentwicklungen nicht angemessen zu erfassen. Dies kann jedenfalls ohne Weiteres für die vorliegenden Gesetzentwürfe angenommen werden, die es unterlassen, Regelungen vorzusehen, die eine notwendige Berücksichtigung polizeiinternen Wissens gewährleisten.927 Das gerade Ausgeführte gilt jedoch wiederum nicht für die Fehler und das Fehlverhalten in Einzelfällen. Denn für die Bewertung von Einzelfällen ist polizeiinternes Wissen nicht bzw. in merklich geringerem Umfang nötig, da hier der Schwerpunkt der Bewertung auf einem ab- und eingrenzbaren Einzelfall liegt, der nach Außen in Erscheinung getreten ist. Als Beispiel dienen hier die Gerichte, die ein Handeln eines Einzelnen am Rechtsmaßstab messen. Hierfür sind die Kenntnis des Rechtsmaßstabes und das Wissen um das Handeln des Einzelnen nötig. Insoweit ergeben sich für den Polizeibeauftragten keine Besonderheiten, wenn er Fehler und Fehlverhalten im Einzelfall auf die Verletzung der Rechtsstaatlichkeit, wie es in den Gesetzentwürfen heißt,928 prüft.
924
Siehe oben D. I. 4. a). Siehe oben D. I. 4. b). 926 Siehe hierzu Thiel unter E. II. 1. e) aa) (1) einschließlich Fn. 827 sowie das Bundespolizeipräsidium unter E. II. 1. e) bb) (2) einschließlich Fn. 871 und Fn. 872. 927 Aden, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 29. Mai 2017, Ausschussdrucksache 18(4)898 E, S. 5. 928 Siehe oben E. II. 1. a) aa) und E. II. 1. b) aa). 925
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E. Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt
Soll hingegen das (einzelne) Handeln auf Zweckmäßigkeit hin geprüft werden, könnte der Befund schon anders ausfallen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es darum geht, Zwecke heranzuziehen, die sich aus den Verwaltungsstrukturen ergeben. Für Polizeigewalt bedeutet dies etwa, dass eine Bewertung, ob das Handeln der Polizistin oder des Polizisten mit den täglichen Arbeitsabläufen konform ist oder nicht, die Kenntnis des Arbeitsalltages voraussetzt. Hieran anschließend könnte bewertet werden, ob lediglich das Einzelhandeln nicht zweckmäßig war oder aber, ob die gesamten Strukturen unzweckmäßig sind. Ähnliches gilt dann, wenn zu prüfen ist, ob es sich um einen Fehler oder ein Fehlverhalten im Einzelfall handelt, der bzw. das auf einem vollkommen individuellen Verhalten fußt, oder aber, ob die Verwaltungsstruktur hierfür der Grund ist. Dies wiederum setzt, wie eingangs ausgeführt, die Kenntnis dieser Strukturen voraus und ist mit dem Aspekt der strukturellen Mängel und Fehlentwicklungen verknüpft. (d) Vorbeugende Tätigkeit als Kontrollfunktion? Nachdem feststeht, dass die Zuständigkeit des Polizeibeauftragten für strukturelle Fehler und Fehlentwicklungen mit der Gewaltenteilung nicht vereinbar wäre, stellt sich die Frage, ob allein929 in der vorbeugenden Tätigkeit Verwaltung im materiellen Sinne erblickt werden kann, die nach der Gewaltenteilung von einem Organ der Verwaltung wahrzunehmen ist. Genau gesehen gibt es hier zwei Fragen: Liegt Verwaltung im materiellen Sinne vor? Und wenn ja, müsste diese nach der Gewaltenteilung auch einem Organ der Verwaltung zuteilwerden oder könnte sie auch vom Parlament ausgeübt werden? Für das vorbeugende Tätigwerden bedarf es hierfür eines Blicks auf die Funktionsweisen der parlamentarischen Kontrolle. An dieser Stelle setzt letztlich auch die Kritik der GdP an. Diese rügt, dass die politische Einflussnahme durch den Polizeibeauftragten ein Verstoß gegen das Ressortprinzip sei.930 Die parlamentarische Kontrolle wird als eine zentrale Parlamentsfunktion angesehen.931 Sie steht in einem prägenden Zusammenhang zum parlamentarischen Regierungssystem: „Das parlamentarische Regierungssystem wird grundlegend auch durch die Kontrollfunktion des Parlaments geprägt.“932
Jenes Regierungssystem wiederum ist darauf angelegt, den Vorrang der Volksvertretung zu verwirklichen, es lässt sich angesichts dessen als organisatorische 929 Siehe zur Einordnung der Zuständigkeit für das Vorbeugen struktureller Mängel und Fehlentwicklungen als Verwaltung im materiellen Sinne E. II. 1. d) cc). 930 Siehe hierzu E. II. 1. e) bb) (3) einschließlich Fn. 862 und zur Einordnung dieser Kritik bereits E. II. 1. e) cc) (3) (a). 931 Schliesky, Parlamentsfunktionen, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz (Hrsg.), Parlamentsrecht, 2016, § 5 Rn. 66. 932 BVerfGE 67, 100 (130).
II. Polizeibeauftragter als Kontrollform für Polizeigewalt
153
Konsequenz der Volkssouveränität begreifen.933 Die der Regierung von der Verfassung eingeräumte politische Handlungsmacht, die ihr eine eigene Stellung gegenüber dem Parlament und eine nicht ersetzbare Entscheidungsfreiheit gewährt, ist daher stets der parlamentarischen Kontrolle unterworfen.934 Die parlamentarische Kontrolle ist also nicht selbstzweckhaft.935 Sie möchte jene Bereiche der Staatsleitung durch die Regierung erfassen, in denen diese eigenverantwortlich agieren kann.936 Die parlamentarische Kontrolle ist somit die institutionalisierte Absicherung der Verantwortung der Regierung.937 Angesichts dieser letztlich gegen die Regierung gerichteten Funktion der Kontrolle ist es nicht verwunderlich, dass diese in der Verfassungswirklichkeit meistens von der Opposition wahrgenommen wird.938 Dies darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die (meisten) Kontrollrechte dem Parlament als Ganzes zustehen.939 Dies ist mit Blick auf den Bezug des parlamentarischen Regierungssystems zur Volkssouveränität auch folgerichtig. Diese dem Parlament als Ganzes zustehende Kontrollfunktion kann durch besondere Institutionen, wie etwa dem Wehrbeauftragten, an Wirkkraft gewinnen.940 Diese Institutionen bzw. Beauftragten sollen also die Kontrollfunktion des Parlaments verstärken. Daher muss eindeutig sein, was unter parlamentarischer Kontrolle zu verstehen ist, insbesondere, ob hierunter auch eine vorherige Kontrolltätigkeit fällt. Ein Hilfsorgan des Parlaments kann nur die Parlamentsfunktionen (hier: die parlamentarische Kontrolle) ausüben, die dem Parlament auch selbst zustehen. Kontrolle meint etymologisch betrachtet die „Gegenlesung“ eines Sachverhalts und ähnelt angesichts dieses retrospektiven Gehalts judikativer Tätigkeit.941 Bedenkt man zusätzlich die enge Verbindung zwischen der parlamentarischen Kontrolle und der Verantwortung der Regierung, so spricht dies dafür, dass unter einer parla933 Badura, Die parlamentarische Demokratie, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 25 Rn. 11. 934 Badura, Die parlamentarische Demokratie, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 25 Rn. 10. 935 Schliesky, Parlamentsfunktionen, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz (Hrsg.), Parlamentsrecht, 2016, § 5 Rn. 66. 936 Vgl. Seyffarth, Die Dogmatik des wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts – Zugleich ein Beitrag zu einem Verantwortungsbegriff im Staatsorganisationsrecht, 2021, S. 125. 937 Seyffarth, Die Dogmatik des wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts – Zugleich ein Beitrag zu einem Verantwortungsbegriff im Staatsorganisationsrecht, 2021, S. 117; siehe zu diesem Zusammenhang zwischen Verantwortung und Kontrolle auch Stein, Die Verantwortlichkeit politischer Akteure, 2009, S. 28; siehe hierzu auch Eichenberger, Die Problematik der parlamentarischen Kontrolle im Verwaltungsstaat, SJZ 1965, 285 (288 f.). 938 Heun, Die Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland, 2012, S. 140. 939 Heun, Die Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland, 2012, S. 141. 940 Badura, Die parlamentarische Demokratie, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 25 Rn. 12. 941 Möllers, Die drei Gewalten, 2. Auflage 2015, S. 129; siehe zur Kontrolldefinition auch bereits oben D. II. 1.
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E. Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt
mentarischen Kontrolle immer eine nachträgliche Kontrolle942 zu verstehen ist.943 In der Literatur wird jedoch gerade eine Einengung des Blicks auf das Zur-Verantwortung-Ziehen kritisiert und die politische Einflussnahme ebenfalls der Kontrolle zugeordnet.944 Danach wäre eine steuernde945, vorausgreifende oder mitwirkende Tätigkeit als parlamentarische Kontrolle zu verstehen.946 Selbst wenn gegen dieses Verständnis gewichtige Bedenken ins Feld geführt werden können,947 darf angesichts der starken Verbreitung dieser Meinung eine vorbeugende Tätigkeit in Form einer politischen Einflussnahme nicht ohne Weiteres als Verstoß gegen das Ressortprinzip bzw. die Gewaltenteilung angesehen werden. Darüber hinaus sind unter der grundgesetzlichen Gewaltenteilung die Bereiche der Staatsorgane selten fest umrissen.948 Vielmehr wirken diese bei der Ausübung der Staatsgewalt arbeitsteilig zusammen. Eine politische Einflussnahme kann somit auch als Teil des politischen Systems des Grundgesetzes gesehen werden. (e) Förmliche Beanstandung als funktionsungerechte Ausübung einer Regierungsfunktion? Da das Ressortprinzip auch mit dem Gedanken verbunden ist, „dass der Bundesminister an der Spitze der Weisungspyramide steht“,949 ist jedenfalls die Befugnis zur förmlichen Beanstandung problematisch. Durch die auf Landesebene vorgesehene Aufgabe der Behebung950 wird deutlich, dass mit der Möglichkeit zur förmlichen Beanstandung ein Durchgriffsrecht vorliegen würde,951 welches sich als Regierungsfunktion einordnen lässt. Denn durch die förmliche Beanstandung wird die Verwaltung angeleitet, sodass hier ein Akt der Staatsleitung vorliegt.952 Da hierfür 942
Vgl. Möllers, Die drei Gewalten, 2. Auflage 2015, S. 129. Ausführlich Seyffarth, Die Dogmatik des wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts – Zugleich ein Beitrag zu einem Verantwortungsbegriff im Staatsorganisationsrecht, 2021, S. 129 ff. 944 Siehe etwa Klein, Stellung und Aufgaben des Bundestages, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, 3. Auflage 2005, § 50 Rn. 33 – m. w. N. 945 Morlok, Volksvertretung als Grundaufgabe, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz (Hrsg.), Parlamentsrecht, 2016, § 3 Rn. 87. 946 Schliesky, Parlamentsfunktionen, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz (Hrsg.), Parlamentsrecht, 2016, § 5 Rn. 67. 947 Siehe Seyffarth, Die Dogmatik des wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts – Zugleich ein Beitrag zu einem Verantwortungsbegriff im Staatsorganisationsrecht, 2021, S. 125 ff. 948 Vgl. Seyffarth, Die Dogmatik des wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts – Zugleich ein Beitrag zu einem Verantwortungsbegriff im Staatsorganisationsrecht, 2021, S. 162. 949 Herzog, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG-Kommentar, Lfg. 53 Oktober 2008, Art. 65 Rn. 59. 950 Siehe hierzu E. II. 1. a) aa). 951 Siehe hierzu ausführlich oben E. II. 1. e) cc) (2). 952 Siehe zu diesem Begriff und zum Folgenden D. I. 1. 943
II. Polizeibeauftragter als Kontrollform für Polizeigewalt
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wiederum die Weisung charakteristisch ist, welche eng mit den Ministerien verknüpft ist, ist es zunächst begründungsbedürftig, wenn die förmliche Beanstandung vom Minister gelöst wird. Dieser hätte aufgrund der Unabhängigkeit des Beauftragten nämlich keine Zugriffsmöglichkeit auf diesen, sodass dieser unabhängig und letztverbindlich eine Regierungsfunktion ausüben würde. An dieser Stelle ist allerdings zwischen der Beanstandung von Fehlern und Fehlverhalten in Einzelfällen und der Beanstandung von strukturellen Mängeln und Fehlentwicklungen zu differenzieren, wenn die Frage beantwortet werden soll, ob dies mit der Gewaltenteilung vereinbar ist. (aa) Funktionsungerechte Ausübung hinsichtlich struktureller Mängel und Fehlentwicklungen Die förmliche Beanstandung ist in den Gesetzentwürfen stets auf beide Aufgabentypen des Polizeibeauftragten bezogen. Ist die Zuständigkeit für strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen bereits unter dem Gesichtspunkt der Organadäquanz problematisch, macht die Verknüpfung mit der förmlichen Beanstandung weitere Probleme hinsichtlich der Gewaltenteilung deutlich. Sie würde ebenfalls gegen die Gewaltenteilung verstoßen, da das Parlament durch sein Hilfsorgan hier eine Regierungsfunktion, die gerade durch die Weisungserteilung geprägt ist,953 ausüben würde, welche funktionsgerecht dem Minister zugeteilt ist. Denn nicht nur setzt seine Verantwortung gegenüber dem Parlament eine Entscheidungsbefugnis in internen Organisationsangelegenheiten voraus,954 die dadurch in Frage gestellt würde, sondern auch seine tagtägliche Arbeit mit seinem eigenen Behördenapparat versetzt ihn in die Lage, die Wirkungen einer derartigen, auf strukturelle Aspekte bezogenen verbindlichen Beanstandung angemessen zu erfassen. Dies schließt nicht aus, dass er die förmliche Beanstandung an jemanden delegiert, der ebenfalls über die nötigen Einsichten verfügt. Dies kann aber, wie die obigen Ausführungen zur Organadäquanz deutlich gemacht haben, nicht der Polizeibeauftragte sein, wie er in den Gesetzentwürfen vorgesehen ist. (bb) Funktionsgerechte Ausübung hinsichtlich Fehler und Fehlverhalten im Einzelfall Für Fehler und Fehlverhalten in Einzelfällen vermag Ersteres, also die notwendige Entscheidungsbefugnis in internen Organisationsangelegenheiten, ebenfalls gelten, allerdings bestehen keine Bedenken hinsichtlich der sachangemessenen Erfassung von Beanstandungswirkungen. Denn die Wirkungen einer lediglich auf einen Einzelfall bezogenen Beanstandung sind überschaubar und können auch von einem Hilfsorgan des Parlaments erfasst werden. Da die Gewaltenteilung im Sinne 953
Siehe oben D. I. 1. Wißmann, Verfassungsrechtliche Vorgaben der Verwaltungsorganisation, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 2. Auflage 2012, § 15 Rn. 34. 954
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E. Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt
des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG keine strikte Zuordnung vornimmt,955 wäre es unter diesem Blickwinkel für Fehler und Fehlverhalten in Einzelfällen möglich, hier eine Befugnis des Beauftragten vorzusehen. Dem stehen auch nicht die notwendigen Entscheidungsbefugnisse in inneren Organisationsangelegenheiten entgegen. Diese sind nämlich im engen Zusammenhang mit der parlamentarischen Verantwortung zu sehen. Kann der Minister für innere Organisationsangelegenheiten (punktuell) keine Verantwortung übernehmen, ist dies insoweit unbedenklich, als das Parlament den Beauftragten durch die Wahl und, wie auf Landesebene zutreffend vorgesehen, durch die Abwahl selbst zur Verantwortung ziehen könnte. Denn mit dem Gedanken der Verantwortung ist die demokratische Legitimation verknüpft,956 welche wiederum auf eine demokratische Steuerung von Entscheidungsprozessen zielt.957 Dies ist allerdings dann gewährleistet, wenn das Parlament den Entscheidungsträger zur Verantwortung ziehen kann. Welcher Entscheidungsträger dies letztlich ist, ist aus Sicht der Verantwortung gleichgültig. Die Verantwortung des Polizeibeauftragten wäre sogar auf der Konsequenzenebene stärker ausgeprägt, da das Parlament diesen selbst abwählen könnte, während eine solche Abwahlmöglichkeit für die Minister nicht bestünde.958 (4) Das Neue Steuerungsmodell Wie oben dargelegt, betont Aden den Dienstleistungscharakter der Verwaltungstätigkeit und das New Public Management.959 Das New Public Management ist ein international diskutiertes Leitbild, an welches das sog. Neue Steuerungsmodell anknüpft.960 Beide Begriffe werden daher auch synonym gesetzt.961 Nachfolgend soll kurz auf das Neue Steuerungsmodell eingegangen werden, damit sachgerecht Adens Standpunkt bewertet werden kann. Das oben dargelegte Verständnis der Verwaltung in der demokratischen rechtsstaatlichen Verfassungsordnung und der internen Verwaltungskontrolle ist stark weisungs- und hierarchiegeprägt.962 Dies führt zwangsläufig zu gewissen Informa-
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Siehe hierzu oben D. I. 4. a). Siehe hierzu oben D. I. 2. a). 957 Siehe oben D. I. 2. a) einschließlich Fn. 370. 958 Siehe hierzu Seyffarth, Die Dogmatik des wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts – Zugleich ein Beitrag zu einem Verantwortungsbegriff im Staatsorganisationsrecht, 2021, S. 111 – m. w. N. 959 Siehe oben E. II. 1. e) bb) (1). 960 Burgi, Entwicklungslinien, in: Ehlers/Pünder (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Auflage 2022, § 10 Rn. 6. 961 So etwa bei Ehlers/Pünder, Staatliche Verwaltung, in: Ehlers/Pünder (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Auflage 2022, § 1 Rn. 122. 962 Siehe hierzu insbesondere oben D. I. 2. b). und D. II. 2. 956
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tions-, Motivations- und Organisationsproblemen.963 So besteht etwa häufig eine Informationsasymmetrie zwischen dem handelnden Mitarbeiter, der die größere Sachnähe besitzt, und dem Vorgesetzten, der zwar nicht wie der handelnde Mitarbeiter über all die entscheidungsrelevanten Informationen verfügt, aber dafür die Entscheidungskompetenzen innehat.964 Hinzu kommt, dass eine Kontrolle eher repressiv und bei vorliegenden Fehlern erfolgt, was durch die damit verbundene Fokussierung auf ordnungswidriges Verhalten zugleich Frustrationspotential bereithält.965 Unter anderem auf diese Probleme reagiert das sog. Neue Steuerungsmodell (NSM).966 Das NSM möchte unter Loslösung von der primären Orientierung am Rechtsstaatsprinzip967 die bisherige Input-Orientierung bei Verwaltungstätigkeiten durch eine Output-Orientierung ersetzen.968 Die Verwaltung wird als ein Dienstleistungsunternehmen gesehen, welches die Verwaltungsleistung als Produkt gegenüber dem Bürger als Kunden erbringt.969 Durch die Output-Orientierung treten ökonomische Kriterien wie etwa die Effizienz, die Mitarbeitermotivation und das Kostenbewusstsein in den Vordergrund.970 Diese Kriterien sollen insbesondere durch eine Abkehr vom hierarchischen Prinzip hin zu einer dezentralen Ressourcenzuweisung971 mit flachen Hierarchien verwirklicht werden.972 Zwar bleibt auch das NSM insoweit hierarchisch ausgerichtet,973 doch sind die Weisungsmöglichkeiten
963 Schiedermair, Selbstkontrollen der Verwaltung, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, 2. Auflage 2012, § 48 Rn. 60 ff. 964 Vgl. Schiedermair, Selbstkontrollen der Verwaltung, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, 2. Auflage 2012, § 48 Rn. 60. 965 Schiedermair, Selbstkontrollen der Verwaltung, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, 2. Auflage 2012, § 48 Rn. 62. 966 Schiedermair, Selbstkontrollen der Verwaltung, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, 2. Auflage 2012, § 48 Rn. 64. 967 Schiedermair, Selbstkontrollen der Verwaltung, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, 2. Auflage 2012, § 48 Rn. 64. 968 Schmidt-Aßmann, Verwaltungskontrolle: Einleitende Problemskizze, in: SchmidtAßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, 2001, S. 9 (27) – m. w. N. 969 Ehlers/Pünder, Staatlicher Verwaltung, in: Ehlers/Pünder (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Auflage 2022, § 1 Rn. 122. 970 Schiedermair, Selbstkontrollen der Verwaltung, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, 2. Auflage 2012, § 48 Rn. 64; Schmidt-Aßmann, Verwaltungskontrolle: Einleitende Problemskizze, in: Schmidt-Aßmann/ Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, 2001, S. 9 (27). 971 Schmidt-Aßmann, Verwaltungskontrolle: Einleitende Problemskizze, in: SchmidtAßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, 2001, S. 9 (27). 972 Schiedermair, Selbstkontrollen der Verwaltung, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, 2. Auflage 2012, § 48 Rn. 66. 973 Schmidt-Aßmann, Verwaltungskontrolle: Einleitende Problemskizze, in: SchmidtAßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, 2001, S. 9 (27).
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E. Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt
hinsichtlich der Zweckmäßigkeit beschränkt.974 Die flachen Hierarchien sollen dies insoweit kompensieren, als sie die präventive Selbstkontrolle stärken.975 Zugleich soll die Einbeziehung des Bürgers eine Art permanente Selbstkontrolle976 etablieren.977 Dies führt zwangsläufig dazu, dass neue Kontrollstrukturen entstehen.978 Hierzu können je nach Ausgestaltung auch die Beauftragten gezählt werden.979 Da die Beauftragten allerdings ganz unterschiedlich gestaltet sind,980 lässt sich das Verhältnis zwischen Beauftragten und NSM nicht abstrakt, sondern nur mit Blick auf den konkreten Beauftragten beantworten. Denn nur dann kann entschieden werden, ob die Grundgedanken des NSM und die damit verbundenen ökonomischen Kriterien auf den jeweiligen Sachbereich des Beauftragten passend anwendbar sind. Es bestehen gewichtige Bedenken gegen die Heranziehung des NSM zur argumentativen Absicherung der Etablierung eines Polizeibeauftragten. Es erscheint bereits mit Blick auf das von Aden selbst angeführte Gewaltmonopol fraglich, ob ökonomische Kriterien zielführend sein können. Vielmehr spricht das Gewaltmonopol für die Anwendung des klassischen Hierarchiemusters, soweit die Kontrolle des ausgeübten Gewaltmonopols betroffen ist. Die mit dem Gewaltmonopol notwendig verbundenen komplementären Institute981 sprechen ebenfalls gegen eine Ökonomisierung der Kontrolle. Dies gilt sowohl für die rechtsstaatliche Gewährung effektiven Rechtsschutzes, der primär nach rechtlichen Kriterien bewertet wird und wegen Art. 17 GG auch auf Eingaben an Beauftragte anwendbar ist,982 als auch für die demokratische Diskursermöglichung, welche unter dem grundgesetzlichen Demokratieprinzip nicht output-, sondern inputorientiert ist.983 Der gewichtigste Einwand richtet sich jedoch gegen den Dienstleistungsgedanken. Bei der Kontrolle von Polizeigewalt liegt eine erfolgte Gewaltanwendung gegenüber dem Bürger vor. Dieser tritt bei einer derartigen Eingriffshandlung, die
974
Vgl. Kahl, Kontrolle der Verwaltung und des Verwaltungshandelns, in: Voßkuhle/Eifert/ Möllers (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 3. Auflage 2022, § 45 Rn. 225. 975 Schiedermair, Selbstkontrollen der Verwaltung, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, 2. Auflage 2012, § 48 Rn. 68. 976 Otting, Neues Steuerungsmodell und rechtliche Betätigungsspielräume der Kommunen, 1997, S. 27. 977 Schiedermair, Selbstkontrollen der Verwaltung, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, 2. Auflage 2012, § 48 Rn. 65. 978 Schiedermair, Selbstkontrollen der Verwaltung, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, 2. Auflage 2012, § 48 Rn. 68. 979 Schiedermair, Selbstkontrollen der Verwaltung, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, 2. Auflage 2012, § 48 Rn. 68. 980 Siehe oben D. II. 4. 981 Siehe hierzu oben C. I. 2. b) und C. I. 3. 982 Siehe oben D. III. 983 Siehe hierzu oben D. I. 2. a).
II. Polizeibeauftragter als Kontrollform für Polizeigewalt
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schwerlich als Dienstleistung bezeichnet werden kann, nicht als Kunde,984 sondern als Bürger mit eigenen Rechten auf.985 Die Polizeiarbeit vermag lediglich in anderen Bereichen, wie der Anzeigenaufnahme oder der Beratung durch die Polizei, etwa bei der Einbruchsberatung, Züge einer Dienstleistungstätigkeit aufweisen.986 Für derartige Bereiche, in denen der Kundengedanke jedenfalls für Teile der Bürger greift, vermag auch das NSM ein tragfähiger Ansatz sein.987 Würde man den Bürger hingegen bei der durch Zwang geprägten Eingriffstätigkeit als Kunde einer Dienstleistung wahrnehmen, läge hierin nicht nur eine Art Zynismus,988 sondern auch eine Verkennung seines rechtsstaatlichen Anspruchs auf rechtmäßige Zwangsanwendung, die einer nachträglichen Kontrolle bedarf.989 Die Argumentation gilt jedenfalls für die bereits vollzogene Eingriffsverwaltung. Die Anwendung des NSM auf das Polizeihandeln im Vorfeld der Zwangsanwendung ist mit der vorliegenden Argumentation nicht notwendigerweise ausgeschlossen. Soweit allerdings der Polizeibeauftragte gerade für Einzelfälle von Polizeigewalt zuständig sein und erkennend und behebend tätig werden soll, setzt dies stets auch das Vorliegen von Polizeigewalt voraus. Bezeichnend hierfür ist es, dass die Gesetzentwürfe dem Beauftragten nicht lediglich die Aufgabe zuweisen, strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen vorzubeugen, sondern auch, und zudem stets als Nr. 1 aufgeführt, Fehler und Fehlverhalten in Einzelfällen vorzubeugen und zu erkennen; im Falle des Gesetzentwurfs auf Landesebene sind diese sogar zu beheben. dd) Zusammenfassung Die Ausführungen haben gezeigt, dass einige der von den Sachverständigen geäußerten Kritikpunkte zutreffen, andere hingegen nicht. Die geäußerten und zutreffenden Kritikpunkte reichen allerdings, um den Polizeibeauftragten der Gesetzentwürfe bereits kritisch zu sehen. Ob dieser sich aus dem Feld der kritischen Bewertung lösen kann, indem er den herausgearbeiteten Bewertungsmaßstäben 984
Siehe hierzu auch Burgi, Entwicklungslinien, in: Ehlers/Pünder (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Auflage 2022, § 10 Rn. 6. 985 Schiedermair, Selbstkontrollen der Verwaltung, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, 2. Auflage 2012, § 48 Rn. 65; dass die Bürger sowohl Betroffene als auch Kunden und Nutznießer der Polizeiarbeit seien, meint Wilz, Die Polizei als Organisation, in: Apelt/Tacke (Hrsg.), Handbuch Organisationstypen, 2012, S. 113 (125). 986 Wilz, Die Polizei als Organisation, in: Apelt/Tacke (Hrsg.), Handbuch Organisationstypen, 2012, S. 113 (126). 987 Vgl. Wilz, Die Polizei als Organisation, in: Apelt/Tacke (Hrsg.), Handbuch Organisationstypen, 2012, S. 113 (126). 988 Vgl. Schiedermair, Selbstkontrollen der Verwaltung, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, 2. Auflage 2012, § 48 Rn. 65 mit Fn. 417. 989 Siehe zum Gewaltmonopol als rechtlich verfasster Kompetenz C. I. 2. b) aa) einschließlich Fn. 190.
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E. Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt
vollumfänglich genügt, soll sogleich untersucht werden. An dieser Stelle soll allerdings vorab noch eine kurze Zusammenfassung der anderen, soeben behandelten Bewertungsaspekte des vorausgehenden Abschnittes erfolgen. Dies ist insoweit wichtig, als der eigene Vorschlag für einen Polizeibeauftragten die festgestellten Defizite der Gesetzentwürfe vermeiden soll. Der Vergleich zum Wehrbeauftragten kann nicht so einfach abgelehnt werden, wie es bisweilen geschieht. Dieser kann vielmehr herangezogen werden, um eine vergleichende und erhellende Perspektive auf den Polizeibeauftragten zu erlangen. Hierbei ist allerdings zu differenzieren. Soll der Einwand entkräftet werden, der Polizeibeauftragte würde die Polizei unter einen Generalverdacht stellen,990 fallen Gemeinsamkeiten auf. Sie machen deutlich, dass ein Generalverdacht durch den Wehrbeauftragten möglich wäre und dieser daher ein gutes Beispiel dafür ist, dass die Etablierung von Beauftragten nicht an sich mit einem Generalverdacht verbunden ist. Sollen hingegen die Stellung, die Aufgaben und die Befugnisse des Wehrbeauftragten vergleichend in den Blick genommen werden, ergeben sich durchaus Unterschiede. Denn der Polizeibeauftragte der Gesetzentwürfe soll anders als der Wehrbeauftragte auch eine vorherige Kontrolle ausüben und mit der förmlichen Beanstandung über ein Eingriffsrecht verfügen. Letzteres wurde durch eine Auslegung der Gesetzentwürfe und durch einen Vergleich zum Datenschutzbeauftragten untermauert. Dies hat wiederum Fragen hinsichtlich der Gewaltenteilung aufgeworfen. Die förmliche Beanstandung ist für strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen nicht mit der Gewaltenteilung vereinbar. Sie ist eine Regierungsfunktion, die funktionsgerecht zunächst vom Minister ausgeübt werden und nicht funktionsgerecht auf den Polizeibeauftragten delegiert werden kann. Die Zuständigkeit für strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen ist an sich bereits wegen der Organadäquanz problematisch. Die Gesetzentwürfe lassen hier Regelungen für die Berücksichtigung polizeinahen Wissens vermissen.991 Hingegen bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen die vorbeugende Tätigkeit sowie gegen die Zuständigkeit für Fehler und Fehlverhalten in Einzelfällen. Insbesondere die Annahme, dass hier eine judikative Tätigkeit vorläge, die nicht von dem Polizeibeauftragten ausgeübt werden könne, greift nicht durch. Aus der Perspektive der Gewaltenteilung ist nur eine judikative Tätigkeit im Sinne des Art. 92 GG dem Gewaltmonismus der Gerichte unterworfen. Außerhalb dessen bleibt es dabei, dass die Zuordnung der Funktionen auf die Organe nicht Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG zu entnehmen ist. Mit Blick auf die Organadäquanz bestehen keine Bedenken für die Zuständigkeit bei Fehlern und Fehlverhalten in Einzelfällen. Ebenso bestehen hinsichtlich der vorbeugenden Tätigkeit mit Blick auf die Gewaltenteilung keine ausschlaggebenden Bedenken. Vielmehr ist im Rahmen der parlamentarischen Kontrolle eine vorbeugende Tätigkeit anerkannt. 990 991
Siehe hierzu oben E. II. 1. e) bb) (2) einschließlich Fn. 857. Siehe oben Fn. 844.
II. Polizeibeauftragter als Kontrollform für Polizeigewalt
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Die Ausführungen haben zudem deutlich gemacht, dass das NSM für den Polizeibeauftragten nicht fruchtbar gemacht werden kann. An dieser Stelle führen die Besonderheiten aus dem Gewaltmonopol erneut zu einer besonderen Wertung. Aufgrund des Gewaltmonopols ist im Bereich der ausgeübten Polizeigewalt kein Platz für ökonomische Kriterien, wie sie dem NSM eigen sind. Daher vermag auch die Argumentation Adens bezüglich der Accountability-Foren nicht durchzugreifen. Die Kritikpunkte der Sachverständigen, die sich auf bestehende Kontrollverfahren, das Vertrauen bei den Bürgerinnen und Bürgern und den Polizistinnen und Polizisten sowie die arbeitstechnische Eignung für die Zuständigkeit von strukturellen Mängeln und Fehlentwicklungen beziehen, wurden vorstehend nicht – hinsichtlich der arbeitstechnischen Eignung für die Zuständigkeit von strukturellen Mängeln und Fehlentwicklungen nicht vollumfänglich – aufgegriffen. Sie finden sich – teils explizit, teils implizit – in den nachfolgend aufgegriffenen Bewertungsmaßstäben wieder. f) Bewertung anhand der herausgearbeiteten Bewertungsmaßstäbe In den nächsten Abschnitten wird es darum gehen, die Gesetzentwürfe anhand der eigens herausgearbeiteten Bewertungsmaßstäbe zu beurteilen. aa) Berücksichtigung der Cop Culture und der Perspektive der handelnden Polizistinnen und Polizisten Die nachfolgend zu untersuchende Berücksichtigung der Cop Culture als Bewertungsmaßstab meint vor allem zweierlei:992 Zum einen bedeutet die Berücksichtigung der Cop Culture, die handelnden Polizistinnen und Polizisten einzubeziehen, da sie die Akteure der Cop Culture sind und an ihrem Bestehen ein berechtigtes Interesse haben. Der Aspekt der nötigen Einbeziehung greift erst recht, wenn sich die Cop Culture im Rahmen der Tätigkeit des Beauftragten als änderungsbedürftig erweisen sollte. In diesem Fall müsste das Kontrollverfahren auch fähig sein, diese Änderung herbeizuführen, was wiederum nur möglich wäre, wenn die handelnden Polizistinnen und Polizisten einbezogen werden. Zum anderen ist es bei diesem Bewertungsmaßstab wichtig, sich zu verdeutlichen, dass die Cop Culture auch positive Wirkungen hat, da sie hilft, den Polizeialltag zu bewältigen. Diese beiden Aspekte werden nachfolgend auch unter dem Blickwinkel des Gedankens eines effektiven Polizeibeauftragten behandelt. Es soll also auch darum gehen, inwieweit die Cop Culture ein Hindernis für die Arbeit des Polizeibeauftragten sein kann.
992 Siehe hierzu C. III. 3. sowie allgemein zum folgenden Abschnitt die umfangreichen Ausführungen zur Cop Culture unter C. II. 2.
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E. Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt
(1) Ausbleibende Eingaben durch Polizistinnen und Polizisten und Abwehrreflex gegen den Beauftragten Die Cop Culture spielt zunächst einmal auf der „Input-Ebene“ eine Rolle. Mit dieser ist vorliegend der Wissens- und Handlungsfluss hin zum Beauftragten gemeint. Der Beauftragte könnte sein Wissen auf unterschiedliche Art und Weise erlangen. Exemplarisch sei hier auf die Regelungen des Gesetzentwurfes der BTDrs. 18/7616 verwiesen. Danach könnte der Beauftragte durch die Auftragserteilung aus dem Bundestag heraus (§ 3 Abs. 1 BPolBeauftrGE) oder nach pflichtgemäßem Ermessen aufgrund von Eingaben und Hinweisen tätig werden oder wenn er auf sonstige Weise Kenntnis von Umständen erlangt, die seine Zuständigkeit beträfen (§ 5 BPolBeauftrGE).993 Die Eingaben und Hinweise wären durch natürliche und juristische Personen und durch Beschäftigte des Polizeidienstes möglich (§ 4 BPolBeauftrGE).994 Das im Rahmen der Stellungnahmen getätigte Argument, dass Polizistinnen und Polizisten sich nicht an den externen Beauftragten wenden würden,995 ist eng mit der Cop Culture verbunden. Dieser Zusammenhang wird insbesondere dadurch deutlich, dass der Schutz der Kolleginnen und Kollegen einer der Gründe sein könnte, warum sich Polizistinnen und Polizisten nicht an einen externen Polizeibeauftragten wenden würden.996 Die Cop Culture lässt sich nämlich als eine permanente Schicksalsgemeinschaft charakterisieren, bei der die Verlässlichkeit auf die Kolleginnen und Kollegen eine besondere Rolle einnimmt.997 Daher ist es in der Tat naheliegend, dass Beamtinnen und Beamte des Polizeidienstes eher zögern würden, einen der „Ihren“ vor einem Polizeibeauftragten zu belasten. Die von der Cop Culture hervorgerufene Verlässlichkeit besitzt insoweit auch eine Nachwirkung und erstreckt sich nicht nur auf den Einsatz selbst, sondern auch auf die Einsatzaufarbeitung. Daher wäre die Wissensgewinnung für den Beauftragten durch Hinweise und Eingaben aus dem Polizeidienst auf wacklige Beine gestellt. Die damit verbundenen Bedenken gegen einen Polizeibeauftragten wären allerdings (aus der Perspektive der Wissensgewinnung) nur dann ein vollends überzeugendes Argument gegen diesen, wenn der Beauftragte von Hinweisen und Eingaben der Polizistinnen und Polizisten abhängig wäre. Der Beauftragte könnte aber zusätzlich sowohl durch Beschwerden bzw. Hinweise der Bürgerinnen und Bürger als auch durch parlamentsinterne Anregungen tätig werden. Auf der „Input-Ebene“ wäre der Beauftragte zur effektiven Aufgabenerfüllung daher nicht von der Cop Culture bzw. den handelnden Polizistinnen und Polizisten abhängig.
993
BT-Drs. 18/7616, S. 7. BT-Drs. 18/7616, S. 7. 995 Siehe oben E. II. 1. e) aa) (1) einschließlich Fn. 825. 996 So das Argument von Thiel, Stellungnahme zur Anhörung des Innenausschusses des Landtags Nordrhein-Westfalen am 31. Oktober 2019, Stellungnahme 17/1931 A09, A07, S. 7. 997 Siehe oben C. II. 2. b) aa) einschließlich Fn. 280 und Fn. 282. 994
II. Polizeibeauftragter als Kontrollform für Polizeigewalt
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(2) Defizitäre Berücksichtigung polizeinahen Wissens und Einbeziehung der Polizistinnen und Polizisten Anders verhält es sich hingegen auf der „Output-Ebene“. Hiermit ist der Aufgabenbereich des Beauftragten und sein Erfüllen dieser Aufgaben gemeint. Hier ist zunächst zwischen Fehlern und Fehlverhalten in Einzelfällen und strukturellen Mängeln und Fehlentwicklungen sowie zwischen der erkennenden und der vorbeugenden Tätigkeit zu differenzieren. Für die erkennende Tätigkeit von Fehlern und Fehlverhalten in Einzelfällen sind die aus der Cop Culture folgenden Abwehrtendenzen keine sonderlich starken Hindernisse. Zwar könnte der Polizeibeauftragte umso effektiver arbeiten, je kooperativer die Polizistinnen und Polizisten bei der Sachverhaltsaufklärung wären. Allerdings wäre dies kein unüberwindbares Hindernis. Denn für ein vergangenes Geschehen gibt es häufig mehrere Möglichkeiten der Erkenntniserlangung, wie etwa das Vernehmen von Zeugen. Anders verhält es sich hingegen bei der Vorbeugung von Fehlern und Fehlverhalten in Einzelfällen sowie bei der Vorbeugung struktureller Mängel und Fehlentwicklungen. Hier ist nämlich zu bedenken, dass es sich insbesondere um Fehler und Fehlverhalten und Mängel und Fehlentwicklungen eben jener street cops handelt, für die die Cop Culture leitend ist. Ein Polizeibeauftragter, der hier vorbeugend tätig werden soll, wäre nur dann erfolgreich, wenn er mit den handelnden Akteuren zusammenarbeitet. Ein effektives Vorbeugen von Fehlern und Fehlverhalten in Einzelfällen sowie von strukturellen Mängeln und Fehlentwicklungen könnte nur dann gelingen, wenn der Polizeibeauftragte auch die handelnden Polizistinnen und Polizisten erreicht. Dies würde nur dann funktionieren, wenn die Arbeitsergebnisse des Polizeibeauftragten auch im routinierten Polizeialltag eingesetzt werden könnten. Eine derartige Problemlösung zu entwickeln, wäre nur dann möglich, wenn der Beauftragte fähig wäre, nicht nur den Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern zu fördern, sondern auch die Polizistinnen und Polizisten zu einem kooperativen Dialog mit ihm anzuregen. Denn lediglich die handelnden Polizistinnen und Polizisten sind fähig, auch die Arbeitstauglichkeit von Lösungsvorschlägen zu bewerten. An dieser Stelle könnte die negative Folge der aus der Cop Culture resultierenden – an sich nicht negativen – Schicksalsgemeinschaft, die eine Abschirmung der Kolleginnen und Kollegen gegenüber einer externen Stelle bewirkt, durch eine positive Wirkung abgefedert werden, die ebenfalls mit der Cop Culture verbunden ist. Die Cop Culture zieht nämlich ihren „Geltungsanspruch“ gerade aus der Problemlösung für den routinierten Polizeialltag.998 Soweit der Polizeibeauftragte fähig wäre, dies zu leisten, also Problemlösungen für den Arbeitsalltag zu entwerfen, würde er sicherlich an Anerkennung bei den Polizistinnen und Polizisten gewinnen, die sich diesem sodann auch zuwenden. Das Problem der Gesetzentwürfe ist allerdings, dass keine Verpflichtung für den Polizeibeauftragten vorgesehen ist, die Sichtweise der Polizistinnen und Polizisten zu berücksichtigen. Wie zu Beginn der Untersuchung festgehalten wurde,
998
Siehe oben C. II. 2. b) bb) einschließlich Fn. 290.
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E. Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt
soll die Polizistenperspektive mit der Bürgerperspektive vereinigt werden.999 Die Gesetzentwürfe lassen allerdings hinsichtlich der Polizistenperspektive eine Lücke entstehen, sofern es sich nicht um eine Eingabe oder einen Hinweis eines Beschäftigten handelt, sondern um die Eingabe oder den Hinweis eines Bürgers. Eine ausreichende Einbeziehung der Polizistinnen und Polizisten wäre etwa dann gegeben, wenn der Polizeibeauftragte verpflichtet wäre, auch in diesen Fällen Stellungnahmen von Polizistinnen und Polizisten einzuholen. Dies soll später beim eigenen Vorschlag berücksichtigt werden, sodass an dortiger Stelle auf diesen Gedanken erneut zurückzukommen sein wird.1000 An dieser Stelle genügt die Einsicht, dass die Gesetzentwürfe defizitär sind, da sie keine Regelungen vorsehen, die gewährleisten würden, dass polizeinahes Wissen auch wirklich Berücksichtigung findet.1001 Eine Berücksichtigung derartigen Wissens würde zugleich dazu führen, dass sich die Polizistinnen und Polizisten ernst genommen fühlen und hierdurch ein Wandel der Cop Culture als Professionskultur, die gerade hier besondere Probleme bereithält,1002 jedenfalls möglich wäre. Denn dann würde Wissen der Profession zu der Institution des Beauftragten gelangen – und die Angehörigen dieser Profession fänden sich in dessen Tätigkeit wieder. Die angesprochene Änderungsmöglichkeit der Cop Culture wird vor allem dann relevant, wenn sich ergeben sollte, dass die Cop Culture änderungsbedürftig wäre. In diesem Fall wäre die Einbeziehung der Polizistinnen und Polizisten unerlässlich, um diese induktive Cop Culture zu verändern.1003 Würde der Polizeibeauftragte bzw. dessen Tätigkeit lediglich dazu führen, dass die Rechtslage bzw. die Polizeikultur1004 angepasst wird, wäre hiermit nur eine Seite derselben Medaille des erfolgreichen Umgangs mit Polizeigewalt erfasst. Das ausreichende Einbeziehen der handelnden Polizistinnen und Polizisten ist aber nicht nur hinsichtlich der Effektivität der Arbeit des Polizeibeauftragten von Interesse, es berührt zugleich immer ein berechtigtes Anliegen der Polizistinnen und Polizisten. Daher ist Rücksicht auf die Cop Culture zu nehmen und zu erforschen, was ihr genauer Gehalt ist. Denn alles andere würde verkennen, dass das Gewaltmonopol nicht nur eine normative Seite hat, sondern auch einen Arbeitsalltag, der seine eigenen „Gesetzmäßigkeiten“ hervorbringt. Die Cop Culture hat wegen ihrer Problemlösungen für den Polizeialltag eine gewisse Daseinsberechtigung – und zwar auch in ihrer gegenwärtigen Form.
999
Siehe hierzu A. I. 6. Siehe hierzu E. II. 2. b) ee). 1001 Aden, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 29. Mai 2017, Ausschussdrucksache 18(4)898 E, S. 5. 1002 Siehe hierzu oben C. II. 2. b) bb). 1003 Siehe hierzu C. II. 2. b) bb). 1004 Siehe zum Unterschied zwischen Polizeikultur und Polizistenkultur C. II. 2. b) bb). 1000
II. Polizeibeauftragter als Kontrollform für Polizeigewalt
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(3) Sanktionsmöglichkeit als ein Hindernis? An dieser Stelle besitzt die erkennende Tätigkeit von Fehlern und Fehlverhalten in Einzelfällen dann allerdings doch wieder eine Bedeutung im Kontext der Cop Culture. Die Bedeutung erhellt sich durch die Berücksichtigung des Sanktionierungsgedankens.1005 Dieser greift bei der Feststellung von strukturellen Mängeln und Fehlentwicklungen nicht ein, sondern ist gerade mit individuellem Verhalten als Anknüpfungspunkt verbunden. Das Problem liegt darin, dass bereits eine Sanktionierungsmöglichkeit die Schicksalsgemeinschaft der Cop Culture1006 auf den Plan rufen und zu Solidaritätstendenzen führen könnte.1007 Dies wiederum könnte eine kooperative Zusammenarbeit zwischen Polizistinnen und Polizisten und dem Beauftragten beeinträchtigen.1008 Der Beauftragte wäre nach den Gesetzentwürfen nicht befugt, eine Sanktion zu verhängen. Er hätte allerdings die Möglichkeit, mittelbar auf die Sanktionierung hinzuwirken, indem er seine Befugnis der förmlichen Beanstandung nutzt. Es ist schwer zu ermitteln, ob ein derartiger Einfluss auf die Sanktionierung bereits ausreichen würde, um eine vertrauensvolle Zusammenarbeit von Polizistinnen und Polizisten und dem Polizeibeauftragten zu erschweren. Ein Vergleich zur Dienstaufsicht legt eher nahe, dass die Sanktionierungsmöglichkeit keine das Vertrauen vollkommen zerstörende Wirkung hätte. Denn wäre dies der Fall, wäre ein Arbeitsalltag in vielen Behörden gar nicht mehr möglich, da der Vorgesetzte, der im Rahmen der Dienstaufsicht auch sanktionieren kann, dann nicht mehr als vertrauensvoller Partner für die behördliche Zusammenarbeit gesehen würde. Daher wäre eine Streichung der Sanktionierungsmöglichkeit nicht notwendig. Allerdings würde die Nichtanwendbarkeit der förmlichen Beanstandung für (individuelle) Fehler und Fehlverhalten in Einzelfällen den Polizeibeauftragten als eine recht schwache Institution im Dienst der Interessen der Bürgerinnen und Bürger erscheinen lassen und insoweit an Vertrauen einbüßen.1009 Diese möchten häufig nicht primär einen gesellschaftlichen Diskurs anstoßen oder den generellen Umgang mit Polizeigewalt klären, sondern vor allem ihre durch die Gewaltanwendung im Einzelfall betroffenen individuellen Rechte und Interessen wahren. Eine gänzliche Abschaffung der Sanktionierung würde daher einseitig zugunsten der Polizistinnen und Polizisten bzw. der Cop Culture, aber zulasten der berechtigten Anliegen der Bürgerinnen und der Bürger gehen. Die lediglich mittelbare Einflussnahme über die förmliche Beanstandung ist daher bereits als ein adäquater Kompromiss zu betrachten.
1005
Siehe hierzu auch unten E. II. 2. e) aa) (2). Siehe hierzu C. II. 2. b) aa). 1007 Siehe hierzu auch oben B. III. einschließlich Fn. 147. 1008 Vgl. hierzu Aden, Polizeibeauftragte und Beschwerdestellen in Deutschland, Vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik 4/2013, 10 (15 f.). 1009 Siehe hierzu auch oben B. III. 1006
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E. Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt
Darüber hinaus ist eine mittelbare Sanktionierungsmöglichkeit durch den Beauftragten zu bedenken: die namentliche Nennung im Abschlussbericht einer Untersuchung. Diese wäre nach den bisherigen Gesetzentwürfen nicht gänzlich ausgeschlossen und könnte bereits eine sanktionierende Wirkung für die Beamtin oder den Beamten haben. Unter dem Gesichtspunkt der Stärkung des Vertrauens zwischen dem Polizeibeauftragten und der Polizistinnen und Polizisten ist es zu begrüßen, dass auf Landesebene und im zweiten Entwurf auf Bundesebene betont wird, dass die Persönlichkeitsrechte aller Beteiligten zu wahren sind.1010 Was allerdings genau hierunter zu verstehen ist, erschließt sich nicht ohne Weiteres. Eine Anwendung allgemeiner Grundsätze des Persönlichkeitsrechtes würde hingegen auch einigen Spielraum und Auslegungsfragen mit sich bringen. Es wäre daher zu empfehlen, wörtlich festzuhalten, dass eine namentliche Nennung der Beamtinnen und Beamten nicht erfolgt.1011 Eine namentliche Nennung könnte eine vertrauenszerstörende Pranger-Wirkung haben, die darüber hinaus wegen der Möglichkeit der förmlichen Beanstandung nicht nötig wäre. Der Polizeibeauftragte würde durch die förmliche Beanstandung nämlich ein ausreichendes Instrumentarium besitzen. Hierdurch könnte er auf eine unmittelbare Sanktionierung hinwirken; er bedürfte daher nicht der Möglichkeit einer (eigenen) mittelbaren Sanktionierung. Um die Beamtinnen und Beamten zu schützen und um zu verdeutlichen, dass der Polizeibeauftragte keine Gefahr im Sinne eines öffentlichen Prangers darstellt, wäre hier eine ausdrückliche Klarstellung angezeigt. (4) Zusammenfassung Zusammenfassend kann daher festgehalten werden, dass die Gesetzentwürfe die Cop Culture nicht ausreichend berücksichtigen. Zwar steht der Sanktionierungsgedanke nicht derart im Vordergrund, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen einem Polizeibeauftragten und den Polizistinnen und Polizisten von vornherein unmöglich wäre; allerdings hat eine externe Kontrollstelle immer das Problem, dass die Schicksalsgemeinschaft der Cop Culture dieser gegenüber ihre Abwehrreflexe zeigt. Auf der Ebene der Wissenserlangung wäre dies für den Beauftragten zunächst nicht sonderlich problematisch, da er noch andere Wissensquellen zur Verfügung hätte. Anders verhält es sich hingegen bei dem Ziel, dass der Polizeibeauftragte seine Tätigkeit voll entfalten können soll. Hinsichtlich des Erkennens von Fehlern und Fehlverhalten in Einzelfällen bestehen hier keine Probleme; allerdings wäre der Polizeibeauftragte auf eine Zusammenarbeit mit den Polizistinnen und Polizisten angewiesen, um derartige Fehler und solches Fehlverhalten sowie besonders die strukturellen Mängel und Fehlentwicklungen vorzubeugen. Eine verpflichtende Regelung, dass Polizistinnen und Polizisten auch bei Hinweisen und Eingaben der Bürger einzubeziehen sind, ist nicht vorgesehen. Es finden sich also keine Regelungen, die den street cops ausreichend Gehör ver1010 1011
Siehe hierzu oben E. II. 1. a) bb) und E. II. 1. b) dd). Siehe hierzu E. II. 2. b) ff).
II. Polizeibeauftragter als Kontrollform für Polizeigewalt
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schaffen und damit gewährleisten würden, dass ausreichend polizeinahes Wissen zur Verfügung steht, welches von dem Beauftragten zur Erarbeitung polizeialltagstauglicher Lösungsvorschläge verwendet werden könnte. Die Gesetzentwürfe vermögen daher die geforderte Vereinigung der Bürger- und Polizistenperspektive nicht zu leisten, da sie der Polizistenperspektive nicht ausreichend zur Geltung verhelfen. bb) Dialogermöglichung (1) Demokratische Dialogermöglichung (a) Polizistinnen und Polizisten als unterrepräsentierte Dialogpartner Der Kritikpunkt, wonach in den Gesetzentwürfen eine Regelung fehlt, die gewährleistet, dass polizeinahes Wissen Berücksichtigung findet, ist nicht nur bei der Cop Culture zu verorten; er hat auch einen nahen Bezug zum Bewertungsmaßstab der demokratischen Dialogermöglichung. Denn der angestrebte Dialog zeichnet sich durch zweierlei aus: Zum einen soll er ein Dialog über die Gewaltanwendung selbst sein,1012 also etwa die Frage thematisieren, was die Motive für die Gewaltanwendung seitens der Polizistinnen und Polizisten waren; oder die Frage, ob eine Eskalationsdynamik stattgefunden hat, und wenn ja, wie sich diese entwickelt hat und welche Fehler seitens der Polizistinnen und Polizisten und welche seitens der Bürgerinnen und Bürger passierten. Zum anderen ist der Dialog ein demokratischer Dialog.1013 Dies bedeutet vor allem, dass er inklusiv ist. Er ist breit angelegt und soll gesellschaftseinbeziehend wirken. Ihm soll gerade eine Integrationswirkung zukommen. Genau diese würde jedoch verfehlt, wenn die Meinungen und Ansichten der Polizistinnen und Polizisten nicht ausreichend zur Geltung kämen. Es würde ausgeblendet, dass auch die Polizistinnen und Polizisten Dialogpartner sind. Eine Regelung, die über Eingaben und Hinweise von Polizistinnen und Polizisten hinausgeht und gewährleisten würde, dass auch bei Eingaben und Hinweisen durch die Bürgerinnen und Bürger die Polizistenperspektive bedacht werden muss, fehlt in den Gesetzentwürfen. Die Berücksichtigung der Perspektive der Polizistinnen und Polizisten könnte allerdings nicht nur über Regelungen sichergestellt werden, die zugleich polizeinahes Wissen dem Beauftragten zuführen. So kann nämlich etwa auch daran gedacht werden, dass der Beauftragte schlichtende Gespräche zwischen den Betroffenen und den handelnden Polizistinnen und Polizisten führen soll. Allerdings ist auch eine derartige Regelung nicht vorgesehen. Auf eine solche Regelung soll ebenfalls beim eigenen Vorschlag zurückzukommen sein. An dieser Stelle genügt erneut zunächst eine Einsicht: Die Gesetzentwürfe berücksichtigen aus den genannten Gründen die Polizistinnen und Polizisten als Dialogpartner unzureichend.
1012 1013
Siehe hierzu oben C. I. 2. b) dd). Siehe hierzu und zum Folgenden C. III. 2.
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E. Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt
(b) Kein Dialog unter dem Dach des Beauftragten Darüber hinaus stellt sich auch die Frage, ob der Beauftragte überhaupt selbst einen Dialog im geforderten Sinne führte. Zunächst fällt hier erneut ins Auge, dass etwa keine Regelung vorgesehen ist, die ein schlichtendes Gespräch durch den Beauftragten vorsieht. Zwar sind, wie sogleich noch gesondert erörtert wird, Regelungen enthalten, die einen petitionsrechtlichen Dialog mit dem Beauftragten ermöglichen würden; es fehlen allerdings Regelungen, die einen demokratischen Dialog mit bzw. unter dem Beauftragten vorsehen. Die von dem Polizeibeauftragten abzugebenden Gesamtberichte an das Parlament (siehe etwa § 16 BPolBeauftrGE)1014 haben zwar einen Dialogcharakter, allerdings in dem Sinne, dass sie einen außerhalb der Institution des Beauftragten stattfindenden Dialog anstoßen würden: Die jährlichen bzw. zweijährlichen Berichte ans Parlament könnten nämlich einen parlamentsinternen Dialog in Gang setzen. Ähnliches gilt für die Abschlussberichte einer konkreten Untersuchung, die elektronisch publiziert werden müssten (siehe etwa § 6 Abs. 6 BPolBeauftrGE).1015 Sie könnten wiederum einen medialen bzw. öffentlichen Diskurs beginnen. Bilanzierend kann man festhalten: Der Beauftragte würde zwar einen demokratischen Dialog ermöglichen, allerdings fände dieser nicht mit und unter der Institution des Beauftragten als Diskursforum statt, sondern im Parlament oder in der Öffentlichkeit. Der dort geführte Dialog wäre allerdings insoweit defizitär, als zu befürchten wäre, dass dies die Polizistinnen und Polizisten davon abhielte, sich vertrauensvoll und dialogoffen an den Polizeibeauftragten zu wenden. Denn diese haben oft kein Interesse daran, dass ggf. eine medial aufsehenerregende und verzerrende Aufarbeitung stattfindet, die die gesamte Polizeiorganisation in Misskredit bringen könnte.1016 Dies wäre sicherlich anders, wenn gewährleistet wäre, dass eine aufsehenerregende Aufarbeitung allenfalls dann passieren könnte, wenn ein umfangreicher Dialog mit und unter dem Beauftragten vollständig gescheitert wäre. Ein von dem Polizeibeauftragten angestoßener Dialog kann daher nur dann als sachgerechter, den Bewertungsmaßstäben entsprechender demokratischer Dialog betrachtet werden, wenn zuvor ein offener, alle Beteiligten einbeziehender Dialog unter seiner Führung stattfand. Dies gilt umso mehr, wenn man bedenkt, dass der Beauftragte nach Abgabe seiner Berichte hierauf keinen Einfluss mehr hätte. Er könnte also nicht steuern, ob wirklich ein Dialog geführt wird. Dies würde nämlich wiederum von politischen Gegebenheiten im Parlament oder der Öffentlichkeit abhängen. Insoweit würde er zwar ermöglichen, dass ein Dialog geführt wird, allerdings würde er dies für das Parlament und die Öffentlichkeit ermöglichen – und nicht für die Personen, die sich an ihn 1014
BT-Drs. 18/7616, S. 11. BT-Drs. 18/7616, S. 8. 1016 Bundespolizeipräsidium, Schriftliche Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung im Innenausschuss des Deutschen Bundestages, Ausschussdrucksache 18(4)898 D, S. 8. 1015
II. Polizeibeauftragter als Kontrollform für Polizeigewalt
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wenden; jedenfalls nicht rechtsverbindlich. Es wäre von anderen abhängig, ob ein demokratischer Dialog aufgenommen wird. Um dem Bewertungsmaßstab der demokratischen Dialogermöglichung vollends zu genügen, wäre es nötig, dass der Beauftragte als Kontrollform für Polizeigewalt alle damit verbundenen Aspekte aufgreift. Hierzu gehört es insbesondere, die Ausübung des Gewaltmonopols einem demokratischen Dialog zuzuführen. Hierfür reicht es nicht, wenn einer anderen Institution durch Abschlussberichte ein demokratischer Dialog angeraten wird; mehr als dies kann ein unverbindlicher Bericht nicht sein. (2) Petitionsrechtliche Dialogermöglichung Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die Gesetzentwürfe einen ausreichenden dialogischen Charakter mit Blick auf den Petenten aufweisen. Wie ausgeführt, ist der petitionsrechtliche Dialog anders als der demokratische Dialog auf eine Kommunikation zwischen staatlicher Stelle und Petenten gerichtet.1017 Es lassen sich Regeln festmachen, die einen Dialog ermöglichten. Dies beginnt bereits mit der Möglichkeit, sich mit Hinweisen und Eingaben an den Beauftragten wenden zu können (siehe etwa § 4 BPolBeauftrGE).1018 Hierdurch würde der Beschäftigte oder der Bürger zugleich die Möglichkeit haben, seine Meinung kundzutun. Der Eingebende würde als Petent dadurch einen Dialog mit dem Beauftragten starten. Der Beauftragte hätte sodann die Befugnis, diesen angestoßenen Dialog fortzuführen: Er könnte unmittelbar mit dem Petenten in einen mündlichen Dialog starten, indem er diesen anhört (siehe etwa § 7 Nr. 3 BPolBeauftrGE).1019 In dieser Befugnis manifestiert sich am deutlichsten der petitionsrechtliche Dialogcharakter der Beauftragtentätigkeit. Dem Interesse eines Petenten würde nur dadurch mehr zur Geltung verholfen, wenn eine Anhörung verpflichtend wäre.1020 Dem Kommunikationsinteresse des Petenten würde auch dadurch Rechnung getragen, dass dieser spätestens drei Monate nach Eingang seines Hinweises oder seiner Beschwerde über die Ergebnisse der Untersuchung zu informieren ist (siehe etwa § 6 Abs. 5 BPolBeauftrGE).1021 Wie genau die Unterrichtung auszusehen hätte, ist allerdings nicht vorgesehen. Kritisch anzumerken ist, dass eine Begründungspflicht nicht vorgesehen ist. Eine solche ist aber mit Blick auf Art. 17 GG nach hiesigem Verständnis erforderlich.1022 Da allerdings immer noch eine verfassungskonforme Auslegung im Sinne des Art. 17 GG möglich wäre, bestehen gegen die Regelung jedenfalls keine fundamentalen Bedenken. Inwieweit hier eine Steigerung
1017
Siehe hierzu oben D. IV. 2. BT-Drs. 18/7616, S. 7. 1019 BT-Drs. 18/7616, S. 8. 1020 Siehe hierzu unten E. II. 2. d) bb) (3). 1021 BT-Drs. 18/7616, S. 8. 1022 Siehe hierzu oben D. III. 2. b). 1018
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E. Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt
des petitionsrechtlichen Dialoges möglich ist, soll beim eigenen Vorschlag näher thematisiert werden. Die weiteren vorgesehenen Anhörungs-, Befragungs- und Stellungnahmerechte würden lediglich ermöglichen, dass der Polizeibeauftragte einen Dialog führen kann. Er könnte etwa Geschädigte, Bedienstete und andere Personen anhören (siehe etwa § 7 Nr. 3 BPolBeauftrGE)1023 oder Auskünfte, Stellungnahmen und Antworten von Behörden einfordern (siehe etwa § 7 Nr. 1 BPolBeauftrGE)1024. Dies würde allerdings nicht den Petenten einschließen, sodass diese Regelungen keinen primären Mehrwert für einen petitionsrechtlichen Dialog haben. Es kann daher festgehalten werden, dass der Beauftragte der Gesetzentwürfe einen petitionsrechtlichen Dialog ermöglichte. Bedenken, die Gesetzentwürfe verstießen gegen diesen Bewertungsmaßstab, sind insoweit nicht erkennbar. Ob und inwieweit die Einhaltung des Bewertungsmaßstabes noch verbesserungsfähig ist, soll im Rahmen des eigenen Vorschlages thematisiert werden. cc) Effektiver Rechtsschutz und dessen Legalitätsgewährung sowie Legitimitätsförderung Läge eine Beschwerde einer Bürgerin oder eines Bürgers an den Polizeibeauftragten vor, so müsste die Behandlung dieser einen effektiven Rechtsschutz der Bürgerin oder des Bürgers ermöglichen. Dieses Erfordernis des effektiven Rechtsschutzes folgt aus dem Gewaltmonopol und wird inhaltlich durch Art. 17 GG ausgefüllt.1025 Danach ist eine sorgfältige Tatsachenaufklärung und eine umfassende, unvoreingenommene, sachgerechte und diskriminierungsfreie Prüfung notwendig. Ob der Beauftragte dies leisten könnte, ergibt sich durch einen Blick auf dessen Befugnisse. (1) Sorgfältige Tatsachenaufklärung Zu beginnen ist bei der sorgfältigen Tatsachenaufklärung. Denn ohne eine solche ist keine Entscheidung möglich, ob Rechte der Bürgerin oder des Bürgers tatsächlich tangiert wurden. Hier fällt einem sofort das Recht des Beauftragten ins Auge, Personen anzuhören, die zur Sachverhaltsaufklärung beitragen können (siehe etwa § 7 Nr. 3 BPolBeauftrGE).1026 Diese Befugnis des Beauftragten wäre also nicht nur auf den Einsender, den Geschädigten oder den Bediensteten beschränkt, sondern auf sämtliche Personen bezogen, die zur Sachverhaltsaufklärung beitragen könnten. Die aufgeführten Personen sind daher nur beispielhaft zu verstehen. Bei diesen kann nämlich regelmäßig vermutet werden, dass sie jedenfalls irgendeinen Beitrag zur 1023
BT-Drs. 18/7616, S. 7. BT-Drs. 18/7616, S. 7. 1025 Siehe hierzu wie zum Folgenden C. III. 1. und D. IV. 1. 1026 BT-Drs. 18/7616, S. 8. 1024
II. Polizeibeauftragter als Kontrollform für Polizeigewalt
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Sachverhaltsaufklärung leisten können. Dadurch käme dem Beauftragten für das Beweismittel des Zeugen eine umfangreiche Befugnis zu, die sicherlich zu einer sorgfältigen Tatsachenaufklärung beitrüge. Die Anhörung der Bediensteten würde dadurch verstärkt werden, dass der Beauftragte die Befugnis hat, jederzeit alle Dienststellen ohne vorherige Ankündigung aufzusuchen und die dortigen Bediensteten zu befragen (siehe etwa § 7 Nr. 4 BPolBeauftrGE).1027 Hierdurch könnte er verhindern, dass eine Anhörung vorbereitet oder sogar abgestimmt wird. Er müsste sich allerdings nicht auf die Wahrnehmungen/Aussagen anzuhörender Personen beschränken, sondern er hätte die Möglichkeit, Akten und elektronische Datenträger einzusehen (siehe etwa § 7 Nr. 2 BPolBeauftrGE).1028 Dies ist insoweit eine starke Befugnis, als sie mit der Befugnis, alle Dienststellen jederzeit ohne vorherige Anmeldung zu betreten (siehe etwa § 7 Nr. 4 BPolBeauftrGE), kombiniert werden könnte. Der Beauftragte könnte hierdurch verhindern, dass Akten und elektronische Datenträger beiseitegeschafft werden. (2) Sachgerechte und umfassende Prüfung Soll nach sorgfältiger Tatsachenaufklärung der ermittelte Sachverhalt bewertet werden, so gibt es weitere hilfreiche Befugnisse, die zum effektiven Rechtsschutz beitrügen. So könnte der Polizeibeauftragte Stellungnahmen anfordern sowie Auskünfte und Antworten auf Fragen verlangen (siehe etwa § 7 Nr. 1 BPolBeauftrGE).1029 Zudem könnte er Berichte von (aufgezählten) anderen staatlichen Stellen anfordern (siehe etwa § 7 Nr. 5 BPolBeauftrGE).1030 Diese Befugnisse könnten helfen, einen Sachverhalt aufzuklären; allerdings dürfte die Sachverhaltsaufklärung im Wesentlichen bereits durch die zuvor genannten Befugnisse vollständig vorgenommen bzw. rechtlich erfasst werden können. Die gerade genannten Befugnisse sind ihrer Natur nach darauf angelegt, den anderen staatlichen Stellen stets die Möglichkeit zu geben, auch Meinungen und Einschätzungen in ihren Stellungnahmen, Berichten, Auskünften und Antworten einfließen zu lassen. Daher würden diese Befugnisse dem Beauftragten helfen, sich ein umfassendes Bild zu machen, auf dessen Grundlage er eine sachgerechte und umfassende Prüfung vornehmen könnte. (3) Unvoreingenommene und diskriminierungsfreie Prüfung Bestehen bisher keine Bedenken hinsichtlich des von Art. 17 GG geforderten effektiven Rechtsschutzes, so ist dies mit Blick auf eine unvoreingenommene und diskriminierungsfreie Prüfung nicht ganz so eindeutig. Zwar bestehen keine Bedenken, dass der Beauftragte der Einsenderin oder dem Einsender gegenüber voreingenommen sein könnte, doch gibt es keine Regelung, die gewährleisten würde, dass dies auch für den betroffenen Beschäftigten gilt. Art. 17 GG erfordert eine 1027
BT-Drs. 18/7616, S. 8. BT-Drs. 18/7616, S. 8. 1029 BT-Drs. 18/7616, S. 8. 1030 BT-Drs. 18/7616, S. 9. 1028
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E. Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt
unvoreingenommene Prüfung der Petition. Dem wäre allerdings nur dann Genüge geleistet, wenn in keiner Beziehung eine Voreingenommenheit bestünde. Art. 17 GG schützt den Petenten als Grundrechtsadressaten; allerdings zielen die Grundgedanken des Art. 17 GG auf Rechtsbefriedung und demokratische Kommunikation.1031 Dem widerspräche es, wenn Rechtsbefriedung und Kommunikation wegen Voreingenommenheit stets zu Gunsten des Petenten ausfielen. Hier läge nur scheinbar eine Rechtsbefriedung und Kommunikation vor. Es ist also nicht Sinn und Zweck, losgelöst vom dogmatischen Gehalt des Art. 17 GG dem Petenten seine Meinungs- und Rechtsdurchsetzung zu gewähren. So wird auch nicht etwa sein Vorbringen als richtig unterstellt und eine weitergehende sorgfältige Tatsachenaufklärung unterlassen.1032 An dieser Stelle gilt allerdings Ähnliches, wie bereits bei der Begründungspflicht mit Blick auf Art. 17 GG festgehalten wurde: Solange eine verfassungskonforme Auslegung vom Wortlaut und Regelungswillen des Gesetzgebers her möglich ist, bestehen keine fundamentalen Bedenken. Vielmehr ergeben sich dem Schwerpunkt nach eher Fragen der Optimierung. Dies soll im Rahmen des eigenen Vorschlages erneut aufgegriffen werden.1033 (4) Befugnis zur Beseitigung von Rechtsverstößen Die dargelegte Sachverhaltsaufklärung und Prüfung wäre allerdings keineswegs ein effektiver Rechtsschutz, wenn der Beauftragte einen Rechtsverstoß nur feststellen könnte. Er müsste daher auch befähigt sein, den Rechtsverstoß zu beseitigen oder zu sanktionieren. Denn nur so erfolgt eine Legalitätsgewährung. Zugleich wird hierdurch auch die Legitimitätsförderung bei den Bürgerinnen und den Bürgern ermöglicht. Denn der Beauftragte erschiene dadurch als eine starke Institution im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, die auch fähig wäre, sich für diese mit rechtsverbindlicher Wirkung einzusetzen. Bei den Gesetzentwürfen würde dem Beauftragten hier die förmliche Beanstandung helfen, mit der er gegen die von ihm festgestellten Rechtsverstöße vorgehen könnte. Durch diese förmliche Beanstandung nähme er sogar auch mittelbaren Einfluss auf eine Sanktionierung. Versteht man die Beanstandung, wie oben dargelegt,1034 als ein Durchgriffsrecht mit unmittelbaren Rechtswirkungen, so würde sie den Beauftragten in die Lage versetzen, dem Rechtsschutz der Bürgerin bzw. des Bürgers zu effektiver Geltung zu verhelfen. Daher ist es nicht entscheidend, dass der Beauftragte nicht selbst unmittelbar sanktionierend tätig werden könnte.1035
1031
Siehe hierzu D. III. 2. b). Vgl. Vitzthum/März, Das Grundrecht der Petitionsfreiheit, JZ 1985, 809 (811). 1033 Siehe hierzu E. II. 2. d) cc). 1034 Siehe hierzu oben E. II. 1. e) cc) (2). 1035 A. A. Luczak, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 29. Mai 2017, Ausschussdrucksache 18(4)898 C, S. 5. 1032
II. Polizeibeauftragter als Kontrollform für Polizeigewalt
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dd) Vor- und Nachteile der Distanz bei dem als Fremdkontrolle etablierten Polizeibeauftragten (1) Nötige Bezugspunkte der Distanz Der Aspekt der Distanz hat sowohl Vor- als auch Nachteile,1036 die es zu berücksichtigen gilt. Er ist Stellschraube für die Ermittlung, ob eine Fremd- oder eine Selbstkontrolle der treffende Kontrollparameter ist.1037 Die Vor- und Nachteile sind allerdings davon abhängig, was für Kontrollziele verfolgt werden.1038 Zugleich muss man sie auch immer im Wechselspiel mit den weiteren, einschlägigen Kontrollparametern sehen.1039 Hinsichtlich der Kontrollziele wurde ausgeführt, dass diese in der Sicherung von Akzeptanz und Qualität liegen.1040 Die Bestimmung der Qualität ist wiederum davon abhängig, welcher Kontrollmaßstab gesetzt wird und wie die Aufgabenstellung des Beauftragten ausgestaltet ist.1041 Jedenfalls ist die Legalität ein Bezugspunkt für die Qualität, da diese als notwendiger Kontrollmaßstab zu betrachten ist. Insoweit lassen sich die Legalitätsgewährung und die Legitimitätsermöglichung als stets vorhandene (Mindest-)Kontrollziele festmachen. Beides wiederum führt zu den herausgearbeiteten Bewertungsmaßstäben des effektiven Rechtsschutzes, der Berücksichtigung der Cop Culture und der Dialogermöglichung. Die Bewertungsmaßstäbe greifen gerade diese Ziele auf und fördern sie. Der letzte Bewertungsmaßstab – die Distanz – baut demnach auf den vorausgehenden Bewertungsmaßstäben auf, um so den Kontrollzielen zu dienen. Fraglich ist also, ob der als Fremdkontrolle zu etablierende Beauftragte1042 eine Distanz besäße, welche mehr Vorteile als Nachteile für die Berücksichtigung der Cop Culture, die Dialogermöglichung und den effektiven Rechtsschutz bereithielte. Darüber hinaus ist aber auch zu fragen, ob mit Blick auf den Polizeibeauftragten weitere Qualitätsziele aus der konkreten Aufgabenstellung gewonnen werden können. Die Aufgabe des Beauftragten wäre es, Fehler und Fehlverhalten in Einzelfällen und strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen zu erkennen und ihnen vorzubeugen bzw. auf Landesebene sie auch zu beheben. Nachfolgend ist daher auch zu untersuchen, inwieweit der Beauftragte fähig wäre, die Qualität hinsichtlich dieser Aufgabenstellung zu sichern.
1036
Siehe hierzu oben D. II. 1. a). Siehe oben D. II. 1. a). 1038 Siehe hierzu D. IV. 3. a) und D. II. 1. a). 1039 Siehe hierzu oben D. IV. 3. b). 1040 Siehe hierzu oben A. I. 4. einschließlich Fn. 28. 1041 Siehe hierzu wie zum Folgenden A. I. 4. 1042 Siehe hierzu oben E. II. 1. d) aa).
1037
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E. Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt
(2) Vorgesehene Distanz des Polizeibeauftragten Wie oben erläutert, ist Distanz facettenreich und kann in unterschiedlicher Hinsicht bestehen.1043 Die Distanz des Polizeibeauftragten wäre eine gewaltenteilige Distanz.1044 Sie wäre daher eine stark ausgeprägte und in mehrfacher Hinsicht bestehende Distanz zur Verwaltung. Sie bestünde insbesondere in organisatorischer und räumlicher Hinsicht. Organisatorisch wäre der Polizeibeauftragte als Hilfsorgan des Parlaments (siehe etwa § 1 Abs. 2 Nr. 1 und § 3 BPolBeauftrGE)1045 diesem zugeordnet und hätte somit eine deutliche organisatorische Distanz gegenüber den Behörden, deren Verhalten er kontrollieren soll. In räumlicher Hinsicht würde eine ähnliche Distanz bestehen. Auf Landesebene soll der Dienstsitz des Polizeibeauftragten beim Landtag sein (§ 25 PolBeaufGE NRW).1046 Auf Bundesebene ist lediglich festgehalten, dass Berlin der Dienstsitz sein soll (§ 19 Abs. 1 S. 1 BPolBeauftrGE).1047 Aus der Charakterisierung als Hilfsorgan des Parlaments sowie aus der Regelung, dass die Verwaltung des Bundestages die Tätigkeit des Polizeibeauftragten unterstützen soll (§ 19 Abs. 2 S. 2 BPolBeauftrGE),1048 kann allerdings geschlossen werden, dass der Dienstsitz wie auf Landesebene beim Parlament sein soll. Die organisatorische und die räumliche Distanz bestünden stets und wären stark ausgeprägt. Hier manifestiert sich die Distanz als eine gewaltenteilige Distanz der Fremdkontrolle.1049 Darüber hinaus wäre allerdings die fachliche und emotionale Distanz nicht derart kategorisch, wie es die gewaltenteilige Distanz der Fremdkontrolle eigentlich (regelmäßig) nach sich zöge. Der Grad der fachlichen und emotionalen Distanz wäre dadurch bestimmt, wer ins Amt des Beauftragten gewählt wird. Wäre es etwa ein ehemaliger oder aktiver Polizist, bestünde keine sonderlich stark ausgeprägte fachliche und emotionale Distanz gegenüber der zu kontrollierenden Verwaltung. Denn der Beauftragte besäße (weitgehend) die gleiche fachliche Wissensbasis wie die zu kontrollierenden Polizistinnen und Polizisten. Zugleich stünde er ihnen insoweit emotional nahe, als er viele der Alltagserfahrungen ebenfalls erlebt haben dürfte. Anders verhielte es sich etwa, wenn ein nicht dem Polizeiapparat entstammender Jurist oder ein Parlamentarier das Amt des Polizeibeauftragten bekleidete. Die Gesetzentwürfe treffen hier keine Regelung und würden dieses somit der Praxis überlassen. Die sich hieraus ergebenden Konsequenzen werden nachfolgend an entsprechender Stelle aufgegriffen.
1043
Siehe hierzu oben D. II. 1. a) einschließlich Fn. 553 und Fn. 554. Siehe hierzu oben D. II. 1. a). 1045 BT- Drs. 18/7616, S. 6 f. 1046 LT-Drs. NRW 17/6147, S. 16. 1047 BT-Drs. 18/7616, S. 12. 1048 BT-Drs. 18/7616, S. 12. 1049 Siehe hierzu und zum Folgenden D. II. 1. a). 1044
II. Polizeibeauftragter als Kontrollform für Polizeigewalt
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(3) Vor- und Nachteile der bestehenden Distanz im Verhältnis zu ihren Bezugspunkten (a) Keine qualitativ hochwertige Aufgabenerledigung hinsichtlich struktureller Mängel und Fehlentwicklungen Die organisatorische und räumliche Distanz hätte zunächst einmal den Nachteil, dass dem Beauftragten ein Einblick in die (aktuellen) Verwaltungsstrukturen erschwert wäre.1050 Mit Blick auf die strukturellen Mängel und Fehlentwicklungen wäre dies besonders ausgeprägt, da der Polizeibeauftragte hinsichtlich dieser bereits organinadäquat wäre.1051 Die mangelnde Kenntnis der (aktuellen) Verwaltungsstrukturen aufgrund der räumlichen und organisatorischen Distanz verstärkt die Folgen des bereits festgestellten Befunds, wonach Regelungen fehlen, die sicherstellen, dass der Polizeibeauftragte ausreichend polizeinahes Wissen für seine Arbeit erlangen könnte.1052 Hierdurch würde es unwahrscheinlicher, dass der Polizeibeauftragte praxistaugliche Lösungsvorschläge erarbeiten könnte. Dieser durch die organisatorische und räumliche Distanz sich verstärkende Aspekt ist problematisch. Denn hierdurch würde es dem Polizeibeauftragten schwerfallen, seine Aufgabenstellung hinsichtlich struktureller Mängel und Fehlentwicklungen qualitativ hochwertig zu erledigen. Dies könnte auch nicht ausreichend durch eine fachliche und emotionale Nähe ausgeglichen werden, indem etwa ein Polizist zum Parlamentsbeauftragten gewählt wird. Denn dieser wäre mit der Wahl nicht mehr im aktiven Dienst tätig und würde somit zwar über die Kenntnis der Verwaltungsstrukturen verfügen, aber mit voranschreitender Zeit nicht mehr über die Kenntnis der aktuellen Verwaltungsstrukturen. Die Nachteile, die für strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen gegeben sind, bestünden allerdings nicht für die erkennende und behebende Tätigkeit des Polizeibeauftragten bei Fehlern und Fehlverhalten in Einzelfällen. Ähnlich wie bei der Kontrolltätigkeit von Gerichten ist eine besondere Kenntnis der verwaltungsinternen Strukturen für die Erfassung und Bewertung von Einzelfällen nicht nötig. Daher ergäben sich bei diesen durch die räumliche und organisatorische Distanz keine besonderen Nachteile für die qualitativ hochwertige Aufgabenerfüllung. Für die vorbeugende Tätigkeit wäre allerdings wiederum eine Kenntnis der Strukturen nötig, wenn es entweder um Fehler oder Fehlverhalten ginge, die ihren Ursprung in bestehenden strukturellen Mängeln und Fehlentwicklungen hätten, oder wenn es um die Schaffung von Strukturen zur Vermeidung ginge. Denn sowohl für die Änderung von vorhandenen Strukturen als auch für die Schaffung neuer Strukturen ist eine Kenntnis der bestehenden Strukturen nötig, um einschätzen zu können, ob auf der Strukturebene überhaupt ein Vorbeugen möglich wäre.
1050
Siehe zu diesem Nachteil auch E. II. 1. e) aa) (1) und E. II. 1. e) bb) (4). Siehe hierzu E. II. 1. e) cc) (3) (c). 1052 Siehe hierzu E. II. 1. f) aa) (2).
1051
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E. Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt
(b) Vor- und Nachteile für die Berücksichtigung der Cop Culture und der Einbeziehung der handelnden Polizistinnen und Polizisten Ebenso wäre eine Berücksichtigung der Cop Culture und der Perspektive der handelnden Polizistinnen und Polizisten durch die organisatorische und räumliche Distanz erschwert. Es ist nämlich naheliegend, dass die Arbeit des Polizeibeauftragten reflexartig abgewehrt würde.1053 Denn durch die räumliche und organisatorische Distanz würde die aus der Cop Culture folgende Schicksalsgemeinschaft der Polizistinnen und Polizisten dazu führen,1054 dass sich diese eher nicht an einen externen Beauftragten wenden, um ihre Kolleginnen und Kollegen zu schützen.1055 Der Polizeibeauftragte würde durch die räumliche und organisatorische Distanz als eine externe Institution sichtbar, die den Polizisten insoweit symbolisch gegenübertritt, anstatt an ihrer Seite zu stehen. Denn die räumliche und organisatorische Distanz ist Folge der gewaltenteiligen Distanz, die als Ausdruck der Gewaltenteilung gerade darauf angelegt ist, dass sich die Organe kontrollierend gegenüberstehen.1056 Hierdurch würde das Kontrollziel der Akzeptanz bei der Berufsgruppe der handelnden Polizistinnen und Polizisten allerdings schwerer zu erreichen sein. Möchte man die Polizistinnen und Polizisten einbeziehen, um hierdurch zugleich der Cop Culture ausreichend Entfaltungsraum zu geben, wäre es naheliegend, die starke organisatorische und räumliche Distanz durch eine schwache fachliche und emotionale Distanz auszugleichen, indem man einen Polizeibeauftragten aus dem Polizeiapparat wählt. Ob dies dazu führte, dass sich die Polizistinnen und Polizisten allerdings tatsächlich dem Polizeibeauftragten zuwenden oder ob nicht vielmehr die räumliche und organisatorische Distanz eine zu starke Hemmschwelle bedeutet, ist eine Frage, die die Praxis erweisen müsste. An dieser Stelle genügt die Einsicht, dass der Beauftragte für die Berücksichtigung der Cop Culture und der Einbeziehung der handelnden Polizistinnen und Polizisten durch seine räumliche und organisatorische Distanz ein Hindernis bereithielte. (c) Vor- und Nachteile für den effektiven Rechtsschutz Der Gedanke des effektiven Rechtsschutzes ist von vornherein auf die Zuständigkeit für die Erkennung und Behebung von Fehlern und Fehlverhalten in Einzelfällen bezogen. Es ergeben sich daher keine Bedenken gegen die Effektivität aufgrund der mit der räumlichen und organisatorischen Distanz verbundenen fehlenden Einblicke in die Verwaltungsstrukturen. Insbesondere bestehen keine Bedenken gegen eine sorgfältige Tatsachenaufklärung und eine sachgerechte und umfassende Prüfung.
1053 Siehe zur reflexartigen Abwehrung bei Professionskulturen im Allgemeinen C. II. 2. a) und bei der Polizei im Besonderen C. II. 2. b) bb). 1054 Siehe zu dieser C. II. 2. b) aa). 1055 Siehe hierzu oben E. II. 1. e) aa) (1) einschließlich Fn. 825. 1056 Siehe hierzu oben D. II. 1. a).
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Eines genaueren Blickes bedarf allerdings die Frage nach der unvoreingenommenen Prüfung. Hierbei ist zu unterscheiden, wem gegenüber die unvoreingenommene Prüfung erfolgen soll. Es ist also zwischen Bürgern und Polizisten zu differenzieren. Gegenüber den Polizisten ist die räumliche, organisatorische, fachliche und emotionale Distanz nicht von Interesse, da nicht erkennbar ist, wie diese eine voreingenommene Prüfung gegenüber den Polizisten begünstigen sollte. Auf einer Wertungsebene jedenfalls kann die sich aus dieser Distanz ergebene Außenperspektive eines anderen Staatsorganes nicht selbst als Voreingenommenheit angesehen werden. Sie ist vielmehr gerade Folge der Gewaltenteilung, die auf eine gegenseitige Kontrolle der Staatsorgane setzt,1057 und ist insoweit vom Grundgesetz akzeptiert. Anders verhält es sich gegenüber dem Bürger. Hier greift die obige Argumentation nicht. Bedenken ergeben sich allerdings nur aus der fachlichen und emotionalen Distanz bzw. Nähe. Hier würde die Wahl eines Beauftragten, der dem Polizeiapparat nahesteht, weil er selbst Polizist ist oder war und somit der Professionskultur1058 angehört, zu einer emotionalen und fachlichen Nähe zur Polizei führen. Sie könnte eine Voreingenommenheit gegenüber Bürgern eher begünstigen, da fachfremde Argumentationen es schwerer hätten, zu einem Akteur der Professionskultur durchzudringen. Zumindest wäre hier ein fruchtbarer Nährboden gegeben. Ob und wie dieser genutzt wird, kann nicht vorab gesagt werden, sondern müsste in der Praxis erprobt werden. Die Wahl eines Beauftragten aus dem Polizeiapparat hielte jedenfalls die besagte Möglichkeit bereit. Daher wäre aus der Perspektive des effektiven Rechtsschutzes die Wahl eines nicht aus dem Polizeiapparat stammenden Beauftragten zu empfehlen. Dies würde auf jeden Fall das Vertrauen und die Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürger bezüglich der Arbeit des Polizeibeauftragten steigern. (d) Vor- und Nachteile für die Dialogermöglichung Hinsichtlich der Dialogermöglichung ist in mehrfacher Hinsicht eine Differenzierung angezeigt. Zunächst ist zwischen dem demokratischen und dem petitionsrechtlichen Dialog zu differenzieren. Innerhalb des demokratischen Dialoges ist dann weitergehend hinsichtlich der Dialogpartner zu unterscheiden, namentlich zwischen den Bürgerinnen und Bürgern auf der einen Seite und den Polizistinnen und Polizisten auf der anderen. (aa) Auswirkungen auf die Dialogpartner des demokratischen Dialogs Die demokratische Dialogermöglichung wurde oben bereits aus zwei Gründen als defizitär ausgewiesen.1059 Zum einen ist die Einbeziehung der Polizistinnen und 1057 Vgl. hierzu von Arnauld, Gewaltenteilung jenseits der Gewaltentrennung, ZParl 32 (2001), 678 (683 ff.). 1058 Siehe zu dieser die Ausführungen unter C. II. 2. 1059 Siehe hierzu wie zum Folgenden E. II. 1. f) bb) (1).
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E. Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt
Polizisten als Dialogpartner zu schwach ausgeprägt, zum anderen würde der Beauftragte keinen demokratischen Dialog unter seinem Dach führen. Hinsichtlich des demokratischen Dialoges ist die räumliche und organisatorische Distanz lediglich symbolischer Ausdruck dafür, dass der Beauftragte einen parlamentsinternen Dialog anregen könnte. Hinsichtlich des Einbeziehens der Polizistinnen und Polizisten als Dialogpartner wird der Befund negativ verstärkt, wonach es an Regelungen fehlt, die gewährleisten würden, dass die Polizistenperspektive auch bei Eingaben und Hinweisen der Bürger Berücksichtigung findet. Denn durch die räumliche und organisatorische Distanz ist es unwahrscheinlich, dass die Polizistinnen und Polizisten von sich aus den Dialog suchen würden. Eine organisatorische und räumliche Distanz gegenüber dem Parlament wäre hier von Vorteil, da sie dazu führen könnte, dass sich die Polizistinnen und Polizisten dem Dialog eher öffneten und nicht das Gefühl bekämen, sich von ihrer Institution ab- und einer anderen zuzuwenden. Allerdings wäre auch die gegenteilige Richtung nicht ohne Nachteile. Würde der Polizeibeauftragte organisatorisch und räumlich bei der Polizei etabliert werden, wäre die organisatorische und räumliche Distanz gänzlich aufgehoben und es könnte zu einer abschreckenden Wirkung bei den Bürgerinnen und Bürgern kommen. Ein offener und freier Dialog erschiene dann symbolisch nicht möglich. Ähnlich würde es sich mit der fachlichen und emotionalen Distanz verhalten, wenn etwa ein Parlamentarier oder ein Jurist, der nicht aus dem Polizeiapparat kommt, das Amt des Polizeibeauftragten innehätte. Eine solche Distanz könnte für die Beamtinnen und Beamten dialogabschreckend, für die Bürgerinnen und Bürger aber dialogfördernd wirken. Andersherum könnte eine fachliche und emotionale Nähe, etwa durch die Wahl eines Polizisten als Polizeibeauftragten, bei den Bürgerinnen und Bürgern zur Dialogskepsis führen, allerdings bei den Polizistinnen und Polizisten förderlich wirken. (bb) Auswirkungen auf die Dialogbereitschaft des Petenten und des Beauftragten Hinsichtlich des petitionsrechtlichen Dialogs könnte eine räumliche und organisatorische Distanz dazu führen, dass sich der Petent dem Beauftragten eher anvertraut und somit den Dialog von sich aus sucht. Denn die Distanz würde dem Petenten verdeutlichen, dass er sich einem Dialogpartner zuwendet, der eine Außenperspektive einnimmt und somit ein unbefangener Dialogpartner ist. Auf die Bereitschaft des Beauftragten, einen Dialog zu führen, hätte die räumliche und organisatorische Distanz hingegen keine Auswirkungen. Hinsichtlich der fachlichen und emotionalen Distanz gilt für die Dialogbereitschaft des Petenten und des Beauftragten Ähnliches. Lediglich eine fachliche und emotionale Nähe zu den handelnden Beamtinnen und Beamten, etwa durch einen Polizeibeauftragten, der aus dem Polizeiapparat käme, könnte den petitionsrechtlichen Dialog hemmen: Zum einen, weil der Beauftragte somit auch Teil der Professionskultur wäre und vorgetragener fachfremder Kritik nicht ganz so kommunikationsoffen gegenüberstünde wie etwa ein Parlamentarier als Beauftragter; zum
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anderen, weil auch der Bürger sich mit seiner Petition zurückhalten könnte, da die Gefahr bestünde, der Polizeibeauftragte würde einen petitionsrechtlichen Dialog nicht offen führen. Bei alledem gilt allerdings Ähnliches, wie es bisher bei der emotionalen und fachlichen Distanz festgehalten wurde: Erst die Erfahrungen mit unterschiedlichen Alternativen in der Praxis würden abschließend zeigen, welche Vor- und Nachteile tatsächlich bestünden. (4) Zusammenfassung Die gewaltenteilige Distanz des Beauftragten als Fremdkontrolleur würde zu einigen Nachteilen für die Bewertungsmaßstäbe führen, hätte aber zugleich durch die mit der Wahl verknüpften fachlichen und emotionalen Distanz bzw. Nähe auch noch Raum zur Ausgestaltung. Die vorgesehene räumliche und organisatorische Distanz würde dazu führen, dass der Beauftragte aktuelle Verwaltungsstrukturen nicht erfassen kann. Daher wäre eine qualitativ hochwertige Wahrnehmung der Aufgaben des Erkennens, Vorbeugens und Behebens von strukturellen Mängeln und Fehlentwicklungen sowie des Vorbeugens von strukturell bedingten Fehlern und strukturell bedingtem Fehlverhalten in Einzelfällen nicht möglich. Ein weiterer schwerwiegender Nachteil liegt darin begründet, dass der Polizeibeauftragte durch die räumliche und organisatorische Distanz als ein gewaltenteiliger Fremdkontrolleur den Polizistinnen und Polizisten gegenübertreten würde. Die durch die Cop Culture geprägte Schicksalsgemeinschaft würde dazu führen, dass Polizistinnen und Polizisten sich eher nicht an den Beauftragten wenden, um so die Kolleginnen und Kollegen zu schützen.1060 Dies hätte zugleich zur Folge, dass sie nicht bereit wären, einen demokratischen Dialog zu führen. An dieser Stelle kommt dann die fachliche und emotionale Distanz ins Spiel, die nach den Gesetzentwürfen dynamisch gehalten wurde, da sie davon abhängt, wer ins Amt des Beauftragten gewählt werden würde. Das Problem an dieser Distanz ist allerdings durchweg, dass erst die Praxiserfahrung zeigen kann, welche Effekte eine starke oder schwache fachliche und emotionale Distanz hervorriefe. Die Ausführungen haben gezeigt, dass die fachliche und emotionale Nähe wegen der Professionskultur einige Spannungen bereithielte, wenn bei der Stellschraube der fachlichen und emotionalen Distanz derart gedreht wird, dass diese dadurch schwach ausfiele, dass ein Polizist in das Amt des Beauftragten gewählt wird. Denn die Professionskultur zeichnet sich gerade dadurch aus, dass das Urteil über gute Arbeit durch die Akteure der Profession bestimmt wird.1061 Nichtakteure dieser Profession haben es daher zunächst schwieriger. Die Folgen hiervon würden sich insbesondere auf zwei Ebenen zeigen. Zum einen würde dadurch eine unvoreingenommene
1060 1061
Siehe hierzu oben E. II. 1. e) aa) (1) einschließlich Fn. 825. Siehe oben C. II. 2. b) bb) einschließlich Fn. 297 und Fn. 298.
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Prüfung von Petitionen erschwert. Zum anderen könnte dies den Petenten als Dialogpartner vor der Aufnahme des petitionsrechtlichen Dialoges abschrecken. Die Distanz des Beauftragten bringt also zwei markante Nachteile mit sich: Das Ziel der Qualitätssicherung würde für die Aufgabe der strukturellen Mängel und Fehlentwicklungen wegen der räumlichen und organisatorischen Distanz nicht erreicht. Ebenso würde hierdurch die Einbeziehung der Polizistinnen und Polizisten nicht ausreichend ermöglicht. Das Kontrollziel der Akzeptanz würde bei dieser Berufsgruppe jedenfalls verfehlt. Die fachliche und emotionale Distanz hält hingegen je nach Ausgestaltung in der Praxis einige Spannungslagen bereit, die es bei der Wahl des Beauftragten abwägend zu bedenken gilt. ee) Gesamtergebnis Die Ausführungen haben deutlich gemacht, dass der Polizeibeauftragte der Gesetzentwürfe den Bewertungsmaßstäben nicht gänzlich gerecht wird. Hinsichtlich der Berücksichtigung der Cop Culture und der Einbeziehung der Polizistinnen und Polizisten lassen die Gesetzentwürfe Regelungen vermissen, die sicherstellen, dass die Polizistenperspektive ausreichend berücksichtigt würde. Dies ist besonders problematisch, wenn man bedenkt, dass es dem externen Beauftragten mangels polizeinahen Wissens schwer möglich wäre, auch sachgerechte Lösungsvorschläge für den Arbeitsalltag der Polizistinnen und Polizisten zu erarbeiten. Die Folge wäre, dass sich die Polizistinnen und Polizisten dem Beauftragten eher ab- als zuwenden. Für den Beauftragten wäre es daher schwer, seine Aufgabe der Vorbeugung auch effektiv zu erfüllen. Denn hierfür ist er auf die street cops angewiesen, deren Verhalten gerade vorbeugend gesteuert werden soll. Eng ist hiermit verbunden, dass der Beauftragte die Polizistinnen und Polizisten als Dialogpartner nicht ausreichend in den demokratischen Dialog einbeziehen würde. Auch hier fehlen Regelungen, die sicherstellen, dass die Polizistinnen und Polizisten auch bei Eingaben und Hinweisen von Bürgerinnen und Bürgern durch den Polizeibeauftragten einbezogen würden. Der demokratische Dialog würde hierdurch nicht entstehen, da dieser gerade von inklusiver Natur ist und somit nicht nur zwischen Beauftragtem und Einsenderin und Einsender der Beschwerde stattfinden darf. Hinsichtlich des Bewertungsmaßstabes der demokratischen Dialogermöglichung fällt zudem ins Auge, dass der Beauftrage selbst keinen demokratischen Dialog führen, sondern lediglich einen demokratischen Diskurs anregen würde, welcher sodann allerdings in anderen Foren stattfände. So könnten etwa seine Gesamtberichte einen parlamentarischen Dialog und seine Abschlussberichte einen medialen bzw. öffentlichen Dialog anregen. Dies könnte wiederum zugleich für die Polizistinnen und Polizisten abschreckend wirken. Die Gesetzentwürfe werden allerdings dem Bewertungsmaßstab des petitionsrechtlichen Dialogs gerecht. Der Beauftragte hätte die Befugnis, den Petenten an-
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zuhören, und somit die Möglichkeit, in einen Dialog mit ihm zu treten. Hinsichtlich des Bewertungsmaßstabes des petitionsrechtlichen Dialoges wurde lediglich festgestellt, dass hier noch Optimierungsmöglichkeiten bestehen, insbesondere hinsichtlich der aus Art. 17 GG folgenden Begründungspflicht des Prüfungsergebnisses. Ähnliches wurde auch für den Bewertungsmaßstab des effektiven Rechtsschutzes festgehalten. Der Beauftragte würde angesichts seiner zahlreichen Befugnisse in der Lage sein, eine sorgfältige Tatsachenaufklärung und eine sachgerechte und umfassende Prüfung zu gewährleisten. Lediglich hinsichtlich der unvoreingenommenen Prüfung wurde noch Optimierungsbedarf, insbesondere erneut mit Blick auf Art. 17 GG, festgestellt. Hinsichtlich des Bewertungsmaßstabes der Distanz fällt das Bild facettenreich aus. Zunächst einmal führt die mit der Fremdkontrolle verbundene Distanz des Beauftragten dazu, dass er seine Aufgabe hinsichtlich struktureller Mängel und Fehlentwicklungen nicht qualitativ hochwertig erledigen könnte. Bei den Vor- und Nachteilen für die Bewertungsmaßstäbe zeigt sich, dass es schwierig ist, hier eine abschließende Bewertung vornehmen zu können. Denn zum einen bietet die Wahl des Beauftragten viel Freiraum für die Ausgestaltung der fachlichen und emotionalen Distanz; zum anderen kann der eine oder andere Vor- und Nachteil nur in der Praxis erkannt werden. Eindeutig ist jedenfalls, dass die Distanz dazu beitragen würde, dass der Beauftragte den Polizistinnen und Polizisten bereits symbolisch gegenübertritt und hierdurch eine Einbeziehung der Polizistinnen und Polizisten erschwert wird. 2. Polizeibeauftragter als Verwaltungsbeauftragter (unechter Parlamentsbeauftragter) Mit den vorstehenden Ausführungen wurde zugleich herausgearbeitet, wo genau ein eigener Vorschlag ansetzen muss, um die festgestellten Defizite zu beseitigen. Der eigene Vorschlag legt daher vor allem darauf Wert, dass die Polizistenperspektive gestärkt wird. Gemeint ist, dass es Regelungen geben muss, die sicherstellen, dass die Polizistinnen und Polizisten in einen regen Austausch mit dem Polizeibeauftragten treten, dass also eine Zusammenarbeit ermöglicht wird. Dies fördert sowohl die Berücksichtigung der Cop Culture als auch den demokratischen Dialog. Letzterer soll zudem unter und mit dem Beauftragten geführt und nicht nur in einem anderen Forum ermöglicht werden. Hinsichtlich des petitionsrechtlichen Dialogs und des effektiven Rechtsschutzes soll der eigene Vorschlag aufzeigen, wie die Einhaltung dieser Bewertungsmaßstäbe gesteigert werden könnte. Bei der Distanz soll hingegen die fachliche und emotionale Distanz weiterhin durch die Wahlmöglichkeiten beim Amtswalter des Beauftragten dynamisch gehandhabt und der Praxis überlassen werden. Die organisatorische und räumliche Distanz soll hingegen gänzlich anders gestaltet werden, um somit die Einbeziehung der Polizistinnen und Polizisten zu ermöglichen.
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a) Gesetzesvorschlag für einen Polizeibeauftragten Nachfolgend findet sich ein Vorschlag für ein Gesetz, das einen Polizeibeauftragten als unechten Parlamentsbeauftragten vorsieht (BPolBeauftrGV). Als Orientierungshilfe dient der Gesetzentwurf aus BT-Drs. 19/7928, der an den entsprechenden Stellen geändert oder ergänzt wurde. Gänzlich gestrichen wurde § 3 BPolBeauftrGE, da dieser die Stellung als Hilfsorgan des Bundestages thematisiert. Neu eingefügt wurde hingegen ein Paragraph, der erstmalig auch die Pflichten des Beauftragten regelt. Nicht relevante und/oder (weitgehend) unveränderte Regelungen werden nachfolgend zwar ebenfalls wiedergegeben, sind aber nicht kursiv gesetzt. Kursiv gesetzt wurden lediglich jene Regelungen, die für die nachfolgende Untersuchung eine wesentliche Rolle spielen. Sie sind nämlich Ausdruck der abweichenden dogmatischen Gestaltung des Beauftragten. Die anderen Regelungen des Gesetzentwurfs, die unverändert geblieben sind, sind hinsichtlich ihrer rechtlichen und dogmatischen Struktur auch auf den unechten Parlamentsbeauftragten ohne Weiteres anwendbar, sodass die Regelungen und die sie tragenden (Wertungs-)Gesichtspunkte übernommen werden können. Eine gesonderte Behandlung dieser erübrigt sich somit. § 1 Aufgaben, Stellung, Unabhängigkeit, Öffentlichkeit (1) Beim Innenministerium wird eine Bundespolizeibeauftragte oder ein Bundespolizeibeauftragter berufen. (2) Die oder der Bundespolizeibeauftragte ist für die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt, die Bundeszollverwaltung und die Polizei beim Deutschen Bundestag zuständig. Sie oder er trägt im Rahmen dieser Zuständigkeit dazu bei, Fehler und Fehlverhalten in Einzelfällen zu erkennen und sie zu beheben1062. Darüber hinaus soll sie oder er helfen, Änderungsmöglichkeiten und Maßstäbe für den Umgang mit strukturellen Mängeln und Fehlentwicklungen zu erarbeiten. Hierfür wertet sie oder er die an sie oder ihn gerichteten Eingaben und Hinweise systematisch aus. (2a) Ein Fehler oder Fehlverhalten liegt in der Verletzung von Rechtsstaatlichkeit. Hierzu gehören insbesondere die Verletzung von Grundrechten, etwa durch unverhältnismäßige oder rechtswidrige Übergriffe, sowie die Verletzung der Diskriminierungsfreiheit. (2b) Unter strukturellen Mängeln und Fehlentwicklungen sind verwaltungsinterne Strukturen und Abläufe zu verstehen, die Fehler und Fehlverhalten in Einzelfällen (Abs. 2a) sowie die Verhinderung ihrer nachträglichen Aufklärung und Untersuchung begünstigen. (3) Die oder der Bundespolizeibeauftragte ist bei ihrer oder seiner Tätigkeit unabhängig, von Weisungen frei und nur dem Gesetz unterworfen. (4) Die Dienst-1063 und Rechtsaufsicht obliegt der Innenministerin oder dem Innenminister. § 2 Wahl und Amtszeit (1) Der Bundestag wählt die Bundespolizeibeauftragte oder den Bundespolizeibeauftragten in geheimer Wahl mit der Mehrheit seiner Mitglieder. Vorschlagsberechtigt sind der In1062 1063
So vorgesehen in § 1 Abs. 2 Nr. 3 PolBeaufGE NRW (LT-Drs. NRW 17/6147, S. 8). So vorgesehen in § 1 Abs. 4 PolBeaufGE NRW (LT-Drs. NRW 17/6147, S. 8).
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nenausschuss, der Finanzausschuss, die Fraktionen und so viele Abgeordnete, wie sie nach der Geschäftsordnung der Stärke einer Fraktion entsprechen. (2) Die oder der Bundespolizeibeauftragte wird für fünf Jahre gewählt und muss zum Zeitpunkt der Wahl das 35. Lebensjahr vollendet haben. Die einmalige Wiederwahl ist zulässig. Die oder der Gewählte wird vom Bundespräsidenten ernannt. § 3 Eingaben und Hinweise (1) Jede natürliche oder juristische Person kann der oder dem Bundespolizeibeauftragten mündlich, schriftlich oder elektronisch Hinweise auf strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen oder Fehler und Fehlverhalten im Sinne von § 1 Absatz 2a und § 1 Absatz 2b geben. Auch wer seine Eingabe mündlich macht, gilt als Einsenderin oder Einsender im Sinne dieses Gesetzes. Die oder der Bundespolizeibeauftragte kann darauf hinwirken, dass in geeigneten Fällen eine schriftliche oder elektronische Eingabe erfolgt. (2) Beschäftigte der in § 1 Absatz 2 genannten Behörden können sich unmittelbar und ohne Einhaltung des Dienstweges an die oder den Bundespolizeibeauftragten wenden. Aus der Tatsache der Anrufung der oder des Bundespolizeibeauftragten dürfen ihnen keine dienstlichen Nachteile entstehen. Sofern Beschäftigte der in § 1 Absatz 2 genannten Behörden Tatsachen glaubhaft machen, die eine Benachteiligung wegen zulässiger Ausübung ihres Rechts gemäß Absatz 1 vermuten lassen, trägt der Dienstherr die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen Absatz 2 Satz 2 vorliegt. (3) Die oder der Bundespolizeibeauftragte erhebt für die Bearbeitung von Hinweisen und Eingaben keine Gebühren. § 4 Tätigkeit aufgrund eigener Entscheidung Die oder der Bundespolizeibeauftragte wird nach pflichtgemäßem Ermessen tätig aufgrund von Eingaben und Hinweisen (§ 3) oder wenn ihr oder ihm auf sonstige Weise Umstände aus ihrem oder seinem Aufgabenbereich (§ 1 Absatz 2) bekannt werden. § 5 Umgang mit Eingaben und Hinweisen (1) Die oder der Bundespolizeibeauftragte kann Hinweise oder Eingaben, die anonym eingehen oder sich auf mehr als drei Jahre zurückliegende Vorgänge beziehen, ohne Sachprüfung zurückweisen, sofern der Fall nicht erkennbar bereits zuvor Gegenstand behördlicher Ermittlungen war und keine Auswertung der Fallakten möglich erscheint. Dies gilt auch für solche Fälle, die nicht in den Zuständigkeitsbereich der oder des Bundespolizeibeauftragten fallen. (2) Die oder der Bundespolizeibeauftragte bestätigt den Eingang nicht anonymer Hinweise und Eingaben innerhalb von zwei Wochen nach Eingang. Bei Hinweisen und Eingaben, die keine plausiblen Informationen über Fehler oder Fehlverhalten im Zuständigkeitsbereich (§ 1 Absatz 2) enthalten, kann die Eingangsbestätigung mit dem Hinweis verbunden werden, dass die Sache aufgrund fehlender Informationen nicht weiter bearbeitet wird. (3) Enthalten Hinweise oder Eingaben hinreichende Informationen über Fehlverhalten oder Fehlentwicklungen in einer oder mehreren der Behörden gemäß § 1 Abs. 2 S. 1, so klärt der oder die Bundespolizeibeauftragte den Sachverhalt und die Hintergründe auf. Dabei darf sie oder er auf die Befugnisse gemäß § 6 zurückgreifen. Sie oder er bestimmt Zeit und Art der Aufklärung und lässt erforderliche örtliche Untersuchungen durch ihre oder seine Beschäftigten vornehmen. Die Identität der Einsenderin oder des Einsenders darf nur mit ihrer
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oder seiner ausdrücklichen Einwilligung offenbart werden.1064 Der oder die Bundespolizeibeauftragte berät die Einsenderin oder den Einsender, falls sie oder er die Aufhebung der Anonymität für die weitere Aufklärung des Sachverhalts für sachdienlich und unter Abwägung der Vor- und Nachteile für die Einsenderin oder den Einsender angemessen hält. (4) Der oder die Bundespolizeibeauftragte kann den zuständigen Stellen Gelegenheit zur einvernehmlichen Regelung einer Angelegenheit geben. (5) Spätestens drei Monate nach Eingang des Hinweises oder der Eingabe werden die Einsenderinnen oder Einsender über die Ergebnisse der Untersuchungen informiert. Die Ergebnisse sind zu begründen. Hierbei ist auf alle tragenden Aspekte einzugehen, die die Einsenderin oder der Einsender vorgetragen hat. Sie erhalten eine Zwischennachricht unter Angabe der voraussichtlichen Dauer der Untersuchungen, wenn die Untersuchungen zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen sind. (6) Nach Abschluss der Untersuchungen erstellt die oder der Bundespolizeibeauftragte einen Bericht. Dieser endet mit einer Bewertung des Sachverhalts, insbesondere hinsichtlich der Frage, ob ein Fehler oder ein Fehlverhalten und ein Mangel oder eine Fehlentwicklung im Sinne von § 1 Abs. 2a und Abs. 2b vorliegt. Hierbei sind die Persönlichkeitsrechte aller Beteiligten strikt zu beachten. Eine namentliche Nennung der Beamtinnen und Beamten ist in der zu veröffentlichenden Version des Berichtes zu unterlassen. Der Bericht ist durch die Polizeibeauftragte oder den Polizeibeauftragten in elektronischer Form zu veröffentlichen. Dies schließt eine Veröffentlichung als Bundestagsdrucksache nicht aus. § 6 Befugnisse der oder des Bundespolizeibeauftragten Der oder die Bundespolizeibeauftragte hat bei der Erfüllung der ihr oder ihm übertragenen Aufgaben die folgenden Befugnisse: 1. Sie oder er kann von den Behörden eine Stellungnahme anfordern. Sie oder er darf diese Stellungnahme mit einer eigenen Bewertung versehen und vorgesetzten Stellen zuleiten. Die öffentlichen Stellen des Bundes sind verpflichtet, Auskunft zu erteilen und Fragen zu beantworten. 2. Sie oder er darf Akten und elektronische Datenträger der den Bundesministerien des Innern und der Finanzen unterstellten Dienststellen einsehen, sofern ein inhaltlicher Zusammenhang zu den Aufgaben gemäß § 1 Absatz 2 nicht ausgeschlossen ist. Die oder der Bundespolizeibeauftragte und ihre oder seine Beschäftigten können, soweit das Einsichtsrecht gemäß Satz 1 besteht, auch Kopien oder Ausdrucke mitnehmen, wenn dies für die weiteren Untersuchungen und die Erstellung des Abschlussberichts erforderlich ist. Unterlagen, die als „VS-Vertraulich“ oder höher eingestuft sind, dürfen nur von der oder dem Bundespolizeibeauftragten persönlich oder von ihren bzw. seinen Beschäftigten eingesehen werden, die den Anforderungen des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes genügen. Die oder der Polizeibeauftragte erhält im Rahmen ihrer oder seiner Zuständigkeit gemäß § 474 Absatz 1 Satz 2 der Strafprozessordnung auch Einsicht in Strafverfahrensakten. 3. Die oder der Bundespolizeibeauftragte und ihre oder seine Beschäftigten können die Einsenderinnen oder Einsender von Hinweisen und Eingaben, Geschädigte des vorgebrachten Fehlverhaltens, Bedienstete der Bundespolizei, des Bundeskriminalamts oder der Bundeszollverwaltung sowie andere Personen, die zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen können, anhören. Für dienstliche Angelegenheiten hat ihnen die Behörde, der sie 1064
So vorgesehen in § 10 Abs. 1 S. 5 PolBeaufGE NRW (LT-Drs. NRW 17/6147, S. 10).
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angehören, eine Aussagegenehmigung zu erteilen. In jedem Stand des Verfahrens besteht das Recht, sich anwaltlich beraten und begleiten zu lassen. 4. Die oder der Bundespolizeibeauftragte oder ihre oder seine Beschäftigten können jederzeit alle Dienststellen der Bundespolizei, des Bundeskriminalamts, des Bundeszollverwaltung und ihrer Einrichtungen auch ohne vorherige Anmeldung betreten und die dort tätigen Bediensteten befragen. Dieses Recht erstreckt sich auch auf Einsätze außerhalb der Dienststellen, auf Fahrzeuge sowie auf stationäre und mobile Lage- und Führungszentren. Akten und elektronische Datenträger können, sofern ein Einsichtsrecht gemäß Nummer 2 besteht, auch vor Ort eingesehen werden, soweit dies für den Untersuchungszweck erforderlich ist. 5. Im Hinblick auf die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt und die Bundeszollverwaltung soll die oder der Bundespolizeibeauftragte von den zuständigen Bundesministerien auf Anfrage zusammenfassende Berichte über die Ausübung der Disziplinarbefugnis und, soweit diese Informationen dort vorhanden sind, auch statistische Informationen über den Ausgang entsprechender Strafverfahren erhalten. 6. Die oder der Bundespolizeibeauftragte hat das Recht, festgestellte Rechtsverstöße, einschließlich unterlassener Sanktionierung, im Rahmen ihrer oder seiner Zuständigkeit gemäß § 1 Abs. 2 S. 2 gegenüber der zuständigen obersten Bundesbehörde förmlich zu beanstanden. Die Behörde hat zwei Monate Zeit, der Beanstandung nachzukommen. § 7 Plichten der oder des Polizeibeauftragten (1) Die oder der Polizeibeauftragte hat entsprechend ihrer oder seiner Unabhängigkeit (§ 1 Absatz 3) die Pflicht, bei Fehlern und Fehlverhalten in Einzelfällen auch entlastende Tatsachen zu erforschen, die Beamtinnen und Beamten anzuhören1065 und von einer Vorverurteilung abzusehen. (2) Die oder der Polizeibeauftragte hat die Pflicht, vor einer förmlichen Beanstandung wegen Fehlern und Fehlverhalten in Einzelfällen ein Gespräch zwischen den Beteiligten zu mediieren. Er soll dieses Gespräch auch dann führen, wenn ein Einzelfall Anlass für Rückschlüsse auf strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen gibt. In diesem Fall gilt zudem Abs. 3 entsprechend. Er kann in einem solchen Fall auch weitere Gespräche mit anderen Akteuren, wie Gewerkschaften und Interessenverbänden, und unbeteiligten Bürgern führen, wenn dadurch ein Mehrwert für die Behandlung von strukturellen Mängeln und Fehlentwicklungen zu erwarten ist. (3) Die oder der Polizeibeauftragte hat die Pflicht, bei der Feststellung und Bewertung von strukturellen Mängeln und Fehlentwicklungen ausreichende Stellungnahmen der mit dem Arbeitsalltag vertrauten Polizistinnen und Polizisten einzuholen und Gespräche mit diesen zu führen. (4) Die oder der Polizeibeauftragte hat die Einsenderin oder den Einsender von Hinweisen und Eingaben nach § 6 Nr. 3 anzuhören, wenn diese oder dieser es verlangt. § 8 Amtshilfe Gerichte, Strafverfolgungs- und Verwaltungsbehörden der Länder, der Gebietskörperschaften oder sonstiger öffentlich-rechtlicher Körperschaften sind verpflichtet, der oder dem Bundespolizeibeauftragten bei der Durchführung der erforderlichen Untersuchungen Amtshilfe zu leisten. 1065
So etwa vorgesehen in LT-Drs. Hessen 20/2083, S. 7.
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E. Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt § 9 Rechte der von Hinweisen und Eingaben betroffenen Beschäftigten
Enthalten Hinweise, Eingaben oder Zeugenaussagen Informationen, aus denen sich ein strafbares oder disziplinarrechtlich sanktionierbares Verhalten ergeben könnte, so sind die Vorschriften der §§ 136, 136a, 137 und 163a der Strafprozessordnung zu den Rechten von Beschuldigten entsprechend anzuwenden. Die Beschäftigten der oder des Bundespolizeibeauftragten haben die Betroffenen hierauf hinzuweisen und dies aktenkundig zu machen. § 10 Datenverarbeitung Für die Bundespolizeibeauftragte oder den Bundespolizeibeauftragten findet das Bundesdatenschutzgesetz Anwendung. Die oder der Bundespolizeibeauftragte ist befugt, personenbezogene Daten, die ihr oder ihm bekannt werden, zu verarbeiten, soweit dies zur Erfüllung ihrer oder seiner Aufgaben nach diesem Gesetz erforderlich ist. Sie oder er darf im Einzelfall personenbezogene Daten auch ohne Kenntnis der oder des Betroffenen erheben, wenn nur auf diese Weise festgestellt werden kann, ob ein Fehlerverhalten oder eine Fehlentwicklung im Sinne von § 1 Absatz 2a oder § 1 Absatz 2b vorliegt. Die nach den Sätzen 1 und 2 erhobenen und verarbeiteten Daten dürfen nicht zu anderen Zwecken verarbeitet werden. Soweit die oder der Bundespolizeibeauftragte einen Hinweis oder eine Eingabe an Strafverfolgungsbehörden oder andere zuständige Stellen weiterleitet, kann sie oder er personenbezogene Daten zu dem jeweiligen Vorgang übermitteln, soweit dies zur Aufgabenerfüllung der empfangenden Stelle erforderlich ist und ihre oder seine Pflicht zur Verschwiegenheit dem im Einzelfall nicht entgegensteht. § 11 Vertraulichkeit Die oder der Bundespolizeibeauftragte ist, auch nach Beendigung ihres oder seines Amtsverhältnisses, verpflichtet, über die ihr oder ihm amtlich bekannt gewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt nicht für Mitteilungen im dienstlichen Verkehr oder über Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen. § 12 Zeugenaussagen der oder des Bundespolizeibeauftragten (1) Die oder der Bundespolizeibeauftragte darf als Zeugin oder Zeuge aussagen. Die oder der Bundespolizeibeauftragte sieht nach pflichtgemäßem Ermessen von einer Aussage ab, soweit dies aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten ist, insbesondere wenn 1. die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet würde, 2. Grundrechte verletzt würden, 3. der Kernbereich der Entscheidungsfindung der Bundes- oder einer Landesregierung insbesondere bei laufenden Regierungsgeschäften beeinträchtigt würde, sofern nicht das durch eine Aussage beförderte öffentliche Interesse an der Aufklärung von Rechtsverletzungen oder erheblichen Missständen überwiegt. (2) Soweit das Zeugnisverweigerungsrecht der oder des Bundespolizeibeauftragten (§ 53 Absatz 1 Nummer 3c der Strafprozessordnung) reicht, darf die Vorlage oder Auslieferung von Akten oder anderen Schriftstücken von ihr oder ihm nicht gefordert werden.
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§ 13 Verhältnis der Untersuchungen der oder des Bundespolizeibeauftragten zum strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und zum Disziplinarverfahren (1) Die oder der Bundespolizeibeauftragte kann einen Vorgang der für die Einleitung des Straf- oder Disziplinarverfahrens zuständigen Stelle zuleiten, soweit die Einsenderin oder der Einsender des Hinweises oder der Eingabe die ausdrückliche Einwilligung erteilt hat. (2) Die oder der Bundespolizeibeauftragte führt ihre oder seine Untersuchungen parallel zum Straf- oder Disziplinarverfahren fort, wenn damit ein eigenes Erkenntnisinteresse im Sinne von § 1 Absatz 2 verbunden ist. Dabei findet § 14 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz mit der Maßgabe Anwendung, dass die oder der Bundespolizeibeauftragte dieselben Mitteilungen wie der Dienstvorgesetzte erhält. Die für das Disziplinarverfahren zuständigen Stellen übermitteln der oder dem Bundespolizeibeauftragten die verfahrensabschließenden Entscheidungen einschließlich der Begründungen. Die oder der Bundespolizeibeauftragte ist bei ihrer oder seiner Bewertung des Sachverhalts nicht an die Feststellungen der für das Straf- und Disziplinarverfahren zuständigen Stellen gebunden. (3) Bis zum rechtskräftigen Abschluss des Straf- oder Disziplinarverfahrens veröffentlicht die oder der Bundespolizeibeauftragte die Ergebnisse und Schlussfolgerungen der Untersuchungen nicht. Die Verwendung der Untersuchungsergebnisse ohne konkrete personenbezogene Bezüge zum anhängigen Verfahren in fallübergreifenden Berichten bleibt hiervon unberührt. § 14 Verhältnis zum Zuständigkeitsbereich anderer Stellen mit Kontrollaufgaben (1) Wirft ein Hinweis oder eine Eingabe Fragen auf, die sowohl in seine oder ihre Zuständigkeit als auch in die Zuständigkeit der oder des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit oder des Bundesrechnungshofes fallen, so stimmt die oder der Bundespolizeibeauftragte ihr oder sein Vorgehen mit diesen Stellen ab. Untersuchungen sollen möglichst koordiniert erfolgen. (2) Bei Überschneidungen der Zuständigkeit der oder des Bundespolizeibeauftragten mit den Kontroll- und Aufsichtszuständigkeiten anderer Behörden und öffentlicher Stellen gilt Absatz 1 entsprechend. § 15 Zusammenarbeit mit den Personalvertretungen (1) Die oder der Bundespolizeibeauftragte arbeitet bei der Erfüllung ihrer oder seiner Aufgaben vertrauensvoll mit den Personalvertretungen der Bundespolizei, des Bundeskriminalamts und der Bundeszollverwaltung zusammen. (2) Die Aufgaben und Zuständigkeiten der Personalvertretungen bleiben durch die Regelungen dieses Gesetzes unberührt. § 16 Berichte (1) Die oder der Bundespolizeibeauftragte erstattet der Innenministerin oder dem Innenminister mindestens jährlich einen schriftlichen Gesamtbericht über ihre oder seine Tätigkeit sowie über zentrale Folgerungen hieraus. Der Gesamtbericht muss sich auch auf strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen sowie auf die systematische Auswertung der eingegangenen Eingaben und Hinweise beziehen. (2) Die oder der Bundespolizeibeauftragte erstattet dem Bundestag mindestens alle zwei Jahre einen schriftlichen Gesamtbericht über ihre oder seine Tätigkeit sowie über zentrale Folgerungen im Umgang mit Polizeigewalt. Der Bericht muss die systematische Auswertung der eingegangenen Eingaben und Hinweise enthalten.
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E. Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt § 17 Umsetzung von Empfehlungen; Antwort- und Begründungspflichten der betroffenen Behörden und der Bundesregierung
(1) Die in § 1 Absatz 2 genannten Behörden sollen die Bundespolizeibeauftragte oder den Bundespolizeibeauftragten in angemessener Frist über die eingeleiteten Maßnahmen zur Umsetzung ihrer oder seiner Empfehlungen zu Einzelfällen und zu einzelfallübergreifenden Sachverhalten informieren. Die Frist beträgt drei Monate nach Zuleitung des Berichts und kann in begründeten Ausnahmefällen verlängert werden. Die oder der Bundespolizeibeauftragte informiert die Einsenderin oder den Einsender des Hinweises oder der Eingabe über die von den Behörden eingeleiteten Maßnahmen. (2) Die Bundesministerien des Innern und der Finanzen fördern die Umsetzung der Empfehlungen der oder des Bundespolizeibeauftragten in ihrem Geschäftsbereich. Innerhalb von drei Monaten nach Veröffentlichung des Berichts der oder des Bundespolizeibeauftragten veröffentlichen die Bundesministerien einen Bericht über die in ihrem Geschäftsbereich zur Umsetzung der Empfehlungen durchgeführten oder geplanten Maßnahmen. § 18 Dienstrechtliche Stellung der oder des Bundespolizeibeauftragten (1) Die oder der Bundespolizeibeauftragte steht nach Maßgabe dieses Gesetzes in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis zum Bund. Die oder der Bundespolizeibeauftragte hat der Innenministerin oder dem Innenminister Mitteilung über Belohnungen und Geschenke zu machen, die sie oder er in Bezug auf das Amt erhält. Die Innenministerin oder der Innenminister entscheidet über die Verwendung der Belohnungen und Geschenke. (2) Das Amtsverhältnis der oder des Bundespolizeibeauftragten beginnt mit der Aushändigung der Ernennungsurkunde. Es endet 1. mit Ablauf der Amtszeit, 2. mit der Entlassung oder 3. mit der Abberufung. Die Innenministerin oder der Innenminister entlässt die Bundespolizeibeauftragte oder den Bundespolizeibeauftragten, wenn sie oder er es verlangt, oder mit Zustimmung des Bundestages, wenn Gründe vorliegen, die bei einem Richter auf Lebenszeit die Entlassung aus dem Dienst rechtfertigen. Darüber hinaus kann der Bundestag auf Antrag einer Fraktion oder eines Viertels der Mitglieder des Bundestages die Polizeibeauftragte oder den Polizeibeauftragten mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder abberufen.1066 (3) Die oder der Bundespolizeibeauftragte erhält vom Beginn des Kalendermonats an, in dem das Amtsverhältnis beginnt, bis zum Schluss des Kalendermonats, in dem das Amtsverhältnis endet, Amtsbezüge in Höhe der einer Bundesbeamtin oder einem Bundesbeamten der Besoldungsgruppe B 6 zustehenden Besoldung. Das Bundesreisekostengesetz und das Bundesumzugskostengesetz sind entsprechend anzuwenden. Im Übrigen sind § 12 Absatz 6 sowie die §§ 13 bis 20 und 21a Absatz 5 des Bundesministergesetzes mit den Maßgaben anzuwenden, dass an die Stelle der vierjährigen Amtszeit in § 15 Absatz 1 des Bundesministergesetzes eine Amtszeit von fünf Jahren und an die Stelle der Besoldungsgruppe B 11 in § 21a Absatz 5 des Bundesministergesetzes die Besoldungsgruppe B 6 tritt. Abweichend von Satz 3 in Verbindung mit den §§ 15 bis 17 und 21a Absatz 5 des Bundesministergesetzes berechnet sich das Ruhegehalt des Bundesbeauftragten unter 1066
So vorgesehen in § 23 Abs. 1 PolBeaufGE NRW (LT-Drs. NRW 17/6147, S. 16).
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Hinzurechnung der Amtszeit als ruhegehaltsfähige Dienstzeit in entsprechender Anwendung des Beamtenversorgungsgesetzes, wenn dies günstiger ist und die oder der Bundespolizeibeauftragte sich unmittelbar vor ihrer oder seiner Wahl zum Bundespolizeibeauftragten als Beamtin oder Beamter oder als Richterin oder Richter mindestens in dem letzten gewöhnlich vor Erreichen der Besoldungsgruppe B 6 zu durchlaufenden Amt befunden hat. § 19 Dienstsitz, Haushalt und Beschäftigte (1) Dienstsitz der oder des Bundespolizeibeauftragten ist in einem separaten Gebäude nahe dem Innenministerium in Berlin. Mit Zustimmung der Innenministerin oder des Innenministers können Außenstellen errichtet werden, soweit dies zur Wahrnehmung der Aufgaben der oder des Bundespolizeibeauftragten erforderlich ist. (2) Die notwendige Personal- und Sachausstattung ist der oder dem Bundespolizeibeauftragten für die Erfüllung ihrer oder seiner Aufgaben zur Verfügung zu stellen und im Einzelplan des Bundestages in einem eigenen Kapitel auszuweisen. (3) Die oder der Bundespolizeibeauftragte wird von einer Leitenden Beamtin oder einem Leitenden Beamten bei der Wahrnehmung der Aufgaben nach diesem Gesetz unterstützt. Diese oder dieser nimmt die Aufgaben nach diesem Gesetz bei Verhinderung oder nach Ende der Amtszeit der oder des Bundespolizeibeauftragten wahr. Weitere Beschäftigte werden der oder dem Bundespolizeibeauftragten für die Erfüllung der Aufgaben beigegeben. Die Beamtinnen und Beamten bei der oder dem Bundespolizeibeauftragten sind Bundestagsbeamte nach § 129 des Bundesbeamtengesetzes. Die Auswahl der Beschäftigten hat die Unabhängigkeit der oder des Bundespolizeibeauftragten gegenüber den Behörden in ihrem oder seinem Zuständigkeitsbereich zu gewährleisten. Die oder der Bundesbeauftragte ist Vorgesetze oder Vorgesetzter der ihr oder ihm beigegebenen Beschäftigten.
b) Wichtigste Unterschiede im Vergleich zum echten Parlamentsbeauftragten Nachfolgend sollen die wichtigsten Unterschiede aufgegriffen werden, die sich zum ursprünglichen Polizeibeauftragten der Gesetzentwürfe ergeben. aa) Selbständiger Verwaltungsbeauftragter und kein Hilfsorgan des Parlaments Der wichtigste Unterschied liegt zunächst einmal darin, dass der Polizeibeauftragte als unechter Parlamentsbeauftragter nicht als Hilfsorgan des Parlaments fungieren würde. Daher wurde im Vorschlag auch § 3 BPolBeauftrGE, der die Tätigkeit als Hilfsorgan des Bundestages regelt, ersatzlos gestrichen. Lediglich die Wahl durch das Parlament ist weiterhin vorgesehen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BPolBeauftrGV). Der Polizeibeauftragte soll allerdings organisatorisch in der Verwaltung etabliert werden. Daher ist vorgesehen, dass der Polizeibeauftragte beim Innenministerium berufen werden soll (§ 1 Abs. 1 BPolBeauftrGV). Darüber hinaus ist auch vorgesehen, dass die Dienst- und Rechtsaufsicht bei der Innenministerin oder dem Innenminister liegen soll (§ 1 Abs. 4 BPolBeauftrGV). Dies ist anders als beim echten Parlamentsbeauftragten wichtig, da sich der Verwaltungsbeauftragte im
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verfassungsrechtlichen Rahmen für die Verwaltung bewegen muss.1067 Aus demokratischen Gründen darf auf eine Dienst- und Rechtsaufsicht nicht verzichtet werden.1068 Die Gesetzentwürfe auf Bundesebene äußern sich weder zur Dienst- noch zur Rechtsaufsicht. Lediglich auf Landesebene ist eine Dienstaufsicht vorgesehen (§ 1 Abs. 4 S. 3 PolBeaufGE NRW). Zugleich wäre der Beauftragte aber unabhängig und weisungsfrei (§ 1 Abs. 3 BPolBeauftrGV) und somit eine selbständige Behörde. Durch den Beauftragten würde aufgrund der Weisungsfreiheit zugleich ein ministerialfreier Raum entstehen.1069 bb) Verwaltungsinterner Fremdkontrolleur Während die Gesetzentwürfe eine Fremdkontrolle vorsehen, möchte der eigene Vorschlag den Polizeibeauftragten näher an die Selbstkontrolle rücken. Nach dem oben dargelegten Verständnis von Fremd- und Selbstkontrolle würde durch den Polizeibeauftragten eine Selbstkontrolle erfolgen. Denn eine verselbständigte Behörde, wie der vorgeschlagene Beauftragte, kann so lange als Teil der verwaltungsinternen Kontrolle angesehen werden, wie er nicht als institutionell verselbständigtes Organ agiert.1070 Der eigene Vorschlag löst den Polizeibeauftragten vom Parlament und gewährleistet somit, dass dieser nicht mehr als Hilfsorgan eines institutionell verselbständigten Organs die Kontrolle ausübt. Ihm würde allerdings aufgrund seiner klaren thematischen Ausrichtung (§ 1 Abs. 2, Abs. 2a und Abs. 2b BPolBeauftrGV) und seiner Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit (§ 1 Abs. 3 BPolBeauftrGV), die dazu führt, dass er nicht nahtlos in die Verwaltungshierarchie integriert wäre, eine Sonderstellung zukommen. Diese würde den Beauftragten neben der dogmatischen Einordnung als Selbstkontrolleur von seinen Wirkungen her wie einen verwaltungsinternen Fremdkontrolleur erscheinen lassen.1071 Denn die Weisungsfreiheit macht eine organisatorische Distanz und die klare Aufgabenausrichtung eine fachliche Distanz gegenüber der Verwaltung deutlich, die mit jener eines Fremdkontrolleurs vergleichbar wäre. Eine räumliche Distanz wird dadurch deutlich, dass der Polizeibeauftragte in einem separaten Gebäude in der Nähe des Innenministeriums anzusiedeln wäre (§ 19 Abs. 1 Satz 1 BPolBeauftrGV) und somit auch eine Distanz zur Polizeiabteilung des Innenministeriums bestünde. Zugleich bestünde allerdings auch eine organisatorische Nähe zur Verwaltung, da der Polizeibeauftragte organisatorisch beim Innenministerium angebunden wäre und der dortigen Dienst- und Rechtsaufsicht unterfiele (§ 1 Abs. 1 und Abs. 4 BPolBeauftrGV). Gerade hier manifestiert sich symbolisch die „Zwitterstellung“ des Polizeibeauftragten. Inwieweit dies mehr Vor- oder Nachteile bereithält, ist angesichts des 1067
Siehe hierzu ausführlich unten E. II. 2. c). Siehe hierzu oben D. II. 4. d). 1069 Siehe hierzu allgemein D. II. 4. d). 1070 Siehe hierzu D. II. 1. a), insbesondere Fn. 545. 1071 Siehe hierzu oben D. II. 4. b) einschließlich Fn. 660. 1068
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sekundären Charakters des Aspektes der Distanz1072 weiter unten in Bezug auf die anderen Bewertungsmaßstäbe zu untersuchen. Da er aufgrund seiner fachlichen Weisungsfreiheit zugleich nicht in die Polizeihierarchie integriert wäre, könnte er als polizeiextern angesehen werden.1073 cc) Polizeibeauftragter als Dienst- und Rechtsaufsicht Der Beauftragte soll vor allem als Rechtsaufsicht agieren. Anders als bei den Gesetzentwürfen erfolgt im eigenen Vorschlag eine klare Fokussierung auf Fehler und Fehlverhalten im Einzelfall. Nach dem Vorschlag hätte der Beauftragte die Aufgabe, Fehler und Fehlverhalten in Einzelfällen zu erkennen und zu beheben (§ 1 Abs. 2 Satz 2 BPolBeauftrGV). Hinsichtlich der strukturellen Mängel und Fehlentwicklungen, die oben dazu führten, dass eine Zweckmäßigkeitskontrolle angenommen wurde,1074 würde sich die Aufgabe des Beauftragten auf eine Hilfestellung beschränken, die sich insbesondere in der systematischen Auswertung von Eingaben und Hinweisen zeigt (§ 1 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 BPolBeauftrGV). Zugleich werden, wie bei den Gesetzentwürfen, die Fehler und das Fehlverhalten auf die Rechtsstaatlichkeit (§ 1 Abs. 2a BPolBeauftrGV) und somit auf den Rechtsmaßstab bezogen. Durch die starke Fokussierung auf Fehler und Fehlverhalten im entsprechend definierten Sinne würde der Beauftragte nur noch bei der Rechtmäßigkeitskontrolle unabhängig tätig werden. Insoweit wird die Kontrolle also im Verhältnis zur Zweckmäßigkeitskontrolle der Polizeibeauftragten der Gesetzentwürfe eingeschränkt.1075 Zugleich soll er jedoch partiellen Einfluss auf die Ahndung von individuellen Rechtsverstößen durch die förmliche Beanstandung nehmen können (§ 6 Nr. 6 BPolBeauftrGV), weswegen er auch teilweise als Dienstaufsichtsbehörde1076 gedacht ist;1077 allerdings nur soweit, wie der Verstoß gegen die Dienstpflicht in einem Rechtsverstoß liegen würde (vgl. § 6 Nr. 6 BPolBeauftrGV). Der Vorschlag engt die förmliche Beanstandung eindeutig auf Fehler und Fehlverhalten im Einzelfall ein, indem in § 6 Nr. 6 BPolBeauftrGV nur auf die Zuständigkeit nach § 1 Abs. 2 Satz 2 BPolBeauftrGV, also auf Fehler und Fehlverhalten in Einzelfällen, Bezug genommen wird. Die Gesetzentwürfe sprechen hingegen bei der förmlichen Beanstandung zwar auch von Rechtsverstößen, beziehen diese aber sodann auf den gesamten Aufgabenbereich und somit auch auf die Zuständigkeit für strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen. 1072
Siehe hierzu oben D. IV. 3. a) und b). Siehe hierzu auch oben D. II. 1. a) einschließlich Fn. 547. 1074 Siehe E. II. 1. d) bb). 1075 Siehe zum Verhältnis der Zweck- zur Rechtmäßigkeitskontrolle D. II. 1. c) und für die eingeschränkte Kontrolle durch eine Rechtsaufsicht Fn. 599. 1076 Siehe dazu, dass die Dienstaufsicht nicht nur als Amts-, sondern auch als Behördenaufsicht möglich ist, D. II. 2. b) und c). 1077 Siehe zu den Begriffen der Dienst- und Fachaufsicht D. II. 2. a). 1073
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Diese Einordnung als Dienstaufsicht ist mit der Dogmatik von Verwaltungskontrolle vereinbar. Wie oben herausgearbeitet wurde, fällt zwar die Dienstaufsicht regelmäßig mit der Amtsaufsicht zusammen, allerdings kann sie auch behördenübergreifend (Behördenaufsicht) wahrgenommen werden.1078 Hier manifestiert sich die oben angesprochene begriffliche Differenzierung zwischen Dienst- und Amtsaufsicht. dd) Polizeibeauftragter als nachträgliche Kontrollinstanz Zugleich würde durch die angesprochene Fokussierung auf Rechtsverstöße in der Form von individuellen Fehlern und individuellem Fehlverhalten eine stärkere Fokussierung auf die nachträgliche Kontrolle erfolgen. Die Verschiebung hin zu einer nachträglichen Kontrolle wird insbesondere dadurch deutlich, dass der Beauftragte nur noch Fehler und Fehlverhalten in Einzelfällen erkennen und beheben, aber ihnen nicht mehr vorbeugen soll (§ 1 Abs. 2 Satz 2 BPolBeauftrGV). Dies würde wiederum dem bei der Petitionsfreiheit des Art. 17 GG herausgearbeitetem Befund gerecht werden, wonach eine nachträgliche Kontrolle einem gesetzlichen Regelungsregime besser zugänglich ist.1079 Die umfangreichen Befugnisse und Pflichten sind daher unbedenklich, da sie regeln, wie mit einer Beschwerde umzugehen ist. ee) Ein pflichtengebundener Polizeibeauftragter mit einem eindeutig umgrenzten Aufgabenbereich Der nächste prägnante Unterschied des Vorschlags im Vergleich zu den Gesetzentwürfen findet sich in dem zusätzlichen Paragraphen, der auch Pflichten des Beauftragten benennt (§ 7 BPolBeauftrGV). Anknüpfend an die Unabhängigkeit ist zum Schutze der Polizistinnen und Polizisten vorgesehen, dass diese von dem Beauftragten angehört und nicht vorverurteilt werden sollen und dass der Beauftragte auch entlastende Tatsachen ermitteln soll (§ 7 Abs. 1 BPolBeauftrGV). Der Gedanke, dass auch Pflichten des Polizeibeauftragten festzulegen sind, findet sich etwa auch in einem Gesetzesvorhaben in Hessen. Dort ist festgehalten, dass der Polizeibeauftragte die von einer Beschwerde betroffenen Polizeibediensteten anhören soll.1080 In den Gesetzentwürfen auf Bundesebene und auf Landesebene NRW fehlt eine derartige Regelung gänzlich. Die nächste Pflicht, ein Gespräch zu mediieren, bevor eine förmliche Beanstandung wegen Fehler oder Fehlverhaltens in Einzelfällen ergeht (§ 7 Abs. 2 BPolBeauftrGV), ist im engen Zusammenhang mit dem im Vorschlag angepassten Paragraphen über die förmliche Beanstandung zu sehen (§ 6 Nr. 6 BPolBeauftrGV). Die förmliche Beanstandung soll sich lediglich auf Fehler und Fehlverhalten in 1078
Siehe oben D. II. 2. b) und c). Siehe hierzu D. III. 2. a). 1080 LT-Drs. Hessen 20/2083, S. 7. 1079
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Einzelfällen erstrecken. Der Grund liegt darin, dass die Aufgaben des Beauftragten nach dem Vorschlag hier ihren Schwerpunkt finden sollen. Der Beauftragte soll Fehler und Fehlverhalten in Einzelfällen erkennen und beheben (§ 1 Abs. 2 Satz 2 BPolBeauftrGV). Bei strukturellen Mängeln und Fehlentwicklungen soll er hingegen nur mithelfen, Änderungsmöglichkeiten und Maßstäbe für den Umgang mit diesen zu erarbeiten (§ 1 Abs. 2 Satz 3 BPolBeauftrGV). Die auf strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen bezogene Aufgabe soll also nicht mehr gleichberechtigt neben der Aufgabe, Fehler und Fehlverhalten in Einzelfällen zu erkennen und zu beheben, stehen. Daher bedarf es für strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen keiner derart starken rechtlichen Befugnis wie die der förmlichen Beanstandung. Der Beauftragte soll vielmehr seine jährlichen Berichte an die Innenministerin oder den Innenminister auch hierauf erstrecken (§ 16 Abs. 1 Satz 2 BPolBeauftrGV) und, als dritte Pflicht, ausreichend Stellungnahmen einholen und Gespräche mit Polizistinnen und Polizisten führen, die Auskunft über strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen im Arbeitsalltag geben können (§ 7 Abs. 3 BPolBeauftrGV). Als letzte Pflicht ist sodann vorgesehen, dass der Beauftragte den Einsender anhören muss, wenn dieser es verlangt (§ 7 Abs. 4 BPolBeauftrGV). Hinsichtlich der Aufgaben ist im Aufgabenkatalog festgelegt, was unter Fehlern und Fehlverhalten in Einzelfällen sowie unter strukturellen Mängeln und Fehlentwicklungen verstanden werden soll (§ 1 Abs. 2a und Abs. 2b BPolBeauftrGV).1081 Diese Festlegung orientiert sich ebenfalls daran, dass die Aufgabe der Erkennung und Behebung von Fehlern und Fehlverhalten in Einzelfällen im Vordergrund stehen soll. Daher sollen unter strukturellen Mängeln und Fehlentwicklungen solche verwaltungsinternen Strukturen und Abläufe verstanden werden, die Fehler und Fehlverhalten in Einzelfällen sowie die Verhinderung ihrer Aufklärung und Untersuchung begünstigen (§ 1 Abs. 2b BPolBeauftrGV). ff) Eine differenzierte Berichtspflicht Der letzte relevante Unterschied liegt darin, dass die Regelungen über die Berichte des Beauftragten angepasst werden. Zunächst soll bei dem zu veröffentlichenden Abschlussbericht keine namentliche Nennung der Polizistinnen und Polizisten erfolgen (§ 5 Abs. 6 Satz 4 BPolBeauftrGV). Die teils auch in den Gesetzentwürfen festgehaltene Beachtung der Persönlichkeitsrechte der Beteiligten1082 ist weiterhin vorgesehen (§ 5 Abs. 6 Satz 3 BPolBeauftrGV), soll allerdings im Interesse der Polizistinnen und Polizisten durch die zuvor genannte Regelung konkretisiert werden. Ansonsten soll der Abschlussbericht weiterhin elektronisch veröf1081
Siehe zur Kritik, dass die Zuständigkeit für „strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen“ mangels Definition gegen den Bestimmtheitsgrundsatz verstieße, GdP, Schriftliche Stellungnahme der GdP Bezirk Bundespolizei zum Entwurf eines Gesetzes über die unabhängige Polizeibeauftragte oder den unabhängigen Polizeibeauftragten des Bundes (Bundespolizeibeauftragtengesetz – BPolBeauftrG), Ausschussdrucksache 18(4)898 A, S. 1 f. 1082 Siehe hierzu E. II. 1. a) bb) und E. II. 1. b) dd).
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fentlicht werden (§ 5 Abs. 6 Satz 5 BPolBeauftrGV), um ihn so einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Zugleich kann er auch als Bundestagsdrucksache veröffentlicht werden (§ 5 Abs. 6 Satz 6 BPolBeauftrGV). Diese zunächst als Überbleibsel der Hilfsorganstellung des echten Parlamentsbeauftragten erscheinende Regelung ist nicht Folge der Stellung als Hilfsorgan, sondern sie beruht auf dem Gedanken, dass durch die parlamentarische Wahl des Polizeibeauftragten dennoch eine Anbindung an das Parlament besteht. Diese rechtfertigt es, den Bericht auch in dieser Form zu publizieren. Hierdurch wird der Bericht zugleich einem weiteren Diskursforum zugänglich gemacht. Daher sollen auch die Gesamtberichte an das Parlament gehen (§ 16 Abs. 2 BPolBeauftrGV). Zugleich sollen diese aber aufgrund der organisatorischen Anbindung des Beauftragten an die Innenministerin oder den Innenminister gehen (§ 16 Abs. 1 BPolBeauftrGV). Der Bericht an die Innenministerin oder den Innenminister soll jährlich erfolgen und auch auf strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen eingehen. Hingegen ist dies bei der Regelung über den zweijährlichen Bericht an das Parlament nicht vorgesehen. Dort sollen allerdings Folgerungen für den Umgang mit Polizeigewalt aufgegriffen werden. Der hinter diesem Unterschied stehende Gedanke beruht auf der Differenzierung zwischen fachlichem Detailwissen und Wertungsfragen.1083 Auf Letzteres zielt die Berichtspflicht an das Parlament, welches für Wertungsfragen das passende Staatsorgan ist. In diesem Zusammenhang ist auch die neu eingefügte Regelung, dass das Untersuchungsergebnis gegenüber dem Petenten begründet werden muss (§ 5 Abs. 5 Satz 2 BPolBeauftrGV), zu erwähnen. Der Umfang der Begründungspflicht ist davon abhängig, was für tragende Aspekte der Petent mit seinem Hinweis oder seiner Eingabe vortrüge (vgl. § 5 Abs. 5 Satz 3 BPolBeauftrGV). c) Verfassungsrechtlicher Rahmen In Abweichung zum Polizeibeauftragten der Gesetzentwürfe stellen sich für den vorgeschlagenen Polizeibeauftragten als unechten Parlamentsbeauftragten neben gewaltenteiligen Fragen weitere verfassungsrechtliche Fragen. Die verfassungsrechtliche Problematik liegt hier in der fachlichen Weisungsfreiheit des Polizeibeauftragten (§ 1 Abs. 3 BPolBeauftrGV) begründet. Denn für die Verwaltung ist die Weisung das prägende Merkmal ihres hierarchischen Aufbaus.1084 Die fachliche Weisung führt dazu, dass die Regierung die Verantwortung für das Handeln der Verwaltung gegenüber dem Parlament übernehmen kann.1085 Ohne diese Möglichkeit ist nicht nur die Verantwortung fraglich, sondern es liegt auch ein sog. ministerialfreier Raum vor, der wegen der dadurch gelockerten sachlich-inhaltlichen
1083
Siehe hierzu auch E. II. 2. d) bb) (2). Siehe hierzu sowie zu den nachfolgenden Ausführungen D. I. 2. b). 1085 Siehe hierzu Fn. 387 und Fn. 388.
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Legitimation einer genaueren Betrachtung bedarf.1086 Ein Verwaltungsbeauftragter und auch ein unechter Parlamentsbeauftragter, der wie ein Verwaltungsbeauftragter zu behandeln ist,1087 müssen den verfassungsrechtlichen Vorgaben genügen. Diese wurden oben ausführlich herausgearbeitet. Nachfolgend sollen jene verfassungsrechtlichen Aspekte aufgegriffen werden, die für einen Polizeibeauftragten als unechten Parlamentsbeauftragten von Relevanz sind. Dies sind Aspekte der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG), des Vorbehalts des Gesetzes und aufgrund des ministerialfreien Raumes vor allem der demokratischen Legitimation (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG). aa) Unechter Parlamentsbeauftragter und Gewaltenteilung Oben wurde bereits für den echten Parlamentsbeauftragten, wie er durch die Gesetzentwürfe skizziert wird, dessen Vereinbarkeit mit der Gewaltenteilung geprüft. Einige der dortigen Fragestellungen ergeben sich auch für den unechten Parlamentsbeauftragten. Keine Relevanz haben hingegen die beim echten Parlamentsbeauftragten thematisierten Fragen nach der Organadäquanz für strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen und nach der Zulässigkeit vorbeugender Tätigkeit. Diese Fragen sind konkret auf das Verhältnis von Verwaltung und Parlament zugeschnitten. Dieses ist hier allerdings nicht betroffen, da der Polizeibeauftragte als Verwaltungsbeauftragter tätig werden soll. Darüber hinaus soll der Polizeibeauftragte nach dem eigenen Vorschlag nicht mehr vorbeugend tätig werden. Hinsichtlich der Zuständigkeit für strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen ist zudem anzumerken, dass sich die Zuständigkeit beim Vorschlag in einer unterstützenden Tätigkeit erschöpft und gerade keine unabhängige Zuständigkeit wie für Fehler und Fehlverhalten in Einzelfällen besteht (vgl. § 1 Abs. 2 BPolBeauftrGV). (1) Funktionsgerechte Ausübung der förmlichen Beanstandung Einer eigenständigen Betrachtung bedarf allerdings die förmliche Beanstandung, die oben als Regierungsfunktion charakterisiert wurde. Denn diese wirft nicht nur Fragen hinsichtlich des Verhältnisses von Exekutivorganen und Parlament, sondern auch hinsichtlich des Verhältnisses von Verwaltung und Regierung auf. Denn die Regierungsfunktion ist gerade von der Verwaltung im materiellen Sinne zu unterscheiden und eng mit den Ministerien verknüpft.1088 Oben wurde es als funktionsungerecht angesehen, dass sich die förmliche Beanstandung auf strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen beziehen würde und nicht dem Minister, sondern dem weisungsfreien Beauftragten letztverbindlich zustünde.1089 Dieser wäre allerdings,
1086
Siehe zu diesem D. I. 2. b). Siehe hierzu D. II. 4. a) einschließlich Fn. 652. 1088 Siehe hierzu D. I. 1. 1089 Siehe hierzu wie zum Folgenden E. II. 1. e) cc) (3) (e) (aa). 1087
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wie oben gezeigt wurde,1090 für strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen organinadäquat, sodass er auch für die auf derartige Mängel und Fehlentwicklungen bezogene Weisung das falsche Organ wäre. Dieses Problem stellt sich hier jedoch nicht, da die förmliche Beanstandung anders als bei den Gesetzentwürfen nur auf Fehler und Fehlverhalten in Einzelfällen bezogen ist (§ 6 Nr. 6 BPolBeauftrGV). Bei den Ausführungen zur Gewaltenteilung im Kontext des echten Parlamentsbeauftragten wurde festgestellt, dass Bedenken gegen die förmliche Beanstandung für Fehler und Fehlverhalten in Einzelfällen nicht bestehen und die Gewaltenteilung diesbezüglich einen gewissen Spielraum einräumt. Dies ist hier der entscheidende Punkt, da dieser Spielraum nicht nur im Verhältnis zwischen Exekutivorganen und Parlament gilt, sondern erst recht auch innerhalb der Exekutivorgane gelten muss. Der Grundsatz der Organadäquanz ist auch hier anwendbar.1091 Dass Fehler und Fehlverhalten in Einzelfällen funktionsgerecht nur vom Minister erfasst und beanstandet werden könnten, wurde bereits oben beim echten Parlamentsbeauftragten abgelehnt1092 und gilt daher erst recht für den unechten Parlamentsbeauftragten. Bedenken hinsichtlich der Entscheidungsbefugnisse des Ministers für innere Organisationsangelegenheiten bestehen ebenfalls nicht, da beim Vorschlag, wie auf Landesebene NRW, eine Abwahlmöglichkeit des Beauftragten durch das Parlament vorgesehen ist (§ 18 Abs. 2 Satz 4 BPolBeauftrGV). Hierdurch bestünde eine starke Verantwortung gegenüber dem Parlament, und es wäre eine ausreichende demokratische Steuerungsmöglichkeit gegeben.1093 Hinzu kommt, dass der Vorschlag Fehler und Fehlverhalten als Verstoß gegen die Rechtsstaatlichkeit definiert (§ 1 Abs. 2a BPolBeauftrGV) und die förmliche Beanstandung nur bei festgestellten Rechtsverstößen möglich sein soll (§ 6 Nr. 6 BPolBeauftrGV). Bedenkt man nun, dass im Vorschlag die Rechtsaufsicht der Innenministerin bzw. des Innenministers festgeschrieben ist (§ 1 Abs. 4 BPolBeauftrGV), wird deutlich, dass die Weisungsfreiheit und die Unabhängigkeit des Beauftragten nicht uferlos wären. Dies folgt bereits aus dem die Weisungsfreiheit und die Unabhängigkeit festlegenden § 1 Abs. 3 BPolBeauftrGV selbst, da dort ebenfalls festgehalten ist, dass der Beauftragte „dem Gesetz unterworfen“ ist. Zugleich ist dies Folge der angesprochenen Rechtsaufsicht. Denn hierdurch hätte der Minister immerhin die Möglichkeit zur partiellen rechtlichen Weisungserteilung, jedenfalls für die Frage, ob ein Fehler oder Fehlverhalten in der Form eines Gesetzesverstoßes vorliegen würde. Denn nur in diesem Fall dürfte der Beauftragte auch von seinem Recht zur förmlichen Beanstandung Gebrauch machen. In allen anderen Fällen würde sich der Beauftragte außerhalb des Gesetzes bewegen und könnte durch die Rechtsaufsicht zur Einhaltung aufgefordert werden. Dies ist allerdings eine rechtliche und keine fachliche Weisungserteilung. Ob die förmliche Beanstandung oder 1090
Siehe hierzu E. II. 1. e) cc) (3) (c). Siehe hierzu D. I. 4. b). 1092 Siehe hierzu E. II. 1. e) cc) (3) (e) (bb). 1093 Siehe hierzu auch die Ausführungen beim echten Parlamentsbeauftragten unter E. II. 2. e) cc) (3) (e) (bb). 1091
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die einzelnen Befugnisse ausgeübt und wie mit den Fehlern und dem Fehlverhalten umgegangen werden soll, würde hingegen stets im weisungsfreien Ermessen des Beauftragten liegen. Diese fachliche Weisungsfreiheit führt allerdings zugleich zu demokratischen Folgeproblemen, die sogleich im Anschluss noch zu thematisieren sind. (2) Keine unzulässige judikative Tätigkeit Für die Frage, ob hier eine unzulässige judikative Tätigkeit im Sinne des Art. 92 GG vorliege, gilt im Ergebnis Ähnliches wie für den echten Parlamentsbeauftragten.1094 Zwar soll der Polizeibeauftragte des eigenen Vorschlages einzelfallbezogen und vor dem Hintergrund verletzten Rechts agieren sowie weitgehend allein in Anwendung des Rechts entscheiden, aber er soll weiterhin nicht in einem besonders rechtlich geregelten, mit dem Prozessrecht vergleichbaren Entscheidungsverfahren rechtskräftig entscheiden. Zusätzlich wäre der Polizeibeauftragte eindeutig kein neutrales, anderes Staatsorgan. Anders als beim echten Parlamentsbeauftragten wäre dieser nämlich nicht einem anderen Staatsorgan (dort: Parlament) zugewiesen, sondern würde im Rahmen eines Exekutivorgans gegenüber anderen Exekutivorganen tätig werden. bb) Polizeibeauftragter und demokratische Legitimation Der Polizeibeauftragte würde durch seine unterschiedlichen Befugnisse, mit denen er andere Personen und Behörden rechtlich binden könnte, insbesondere durch seine förmliche Beanstandung, amtliches Handeln mit Entscheidungscharakter ausüben. Ein solches bedürfte nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der demokratischen Legitimation.1095 Wie eingangs erwähnt, liegt das Problem in der durch die Weisungsfreiheit gelockerten sachlich-inhaltlichen Legitimation des Polizeibeauftragten. Diese bedarf der Rechtfertigung, welche dann gelingt, wenn eine der bereits aufgezeigten Korrektive oder Kompensationen greift.1096 In diesem Fall wäre das ausschlaggebende Legitimationsniveau gewährleistet, das nicht so sehr auf die Legitimationsformen, sondern auf deren Zusammenwirken und auf die demokratische Steuerungsmöglichkeit des Entscheidungsprozesses blickt.1097 (1) Ausgleich durch die personell-organisatorische Legitimation Zunächst würde der Polizeibeauftragte durch die Parlamentswahl (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BPolBeauftrGV) über eine starke personell-organisatorische Legitimation 1094
Siehe hierzu E. II. 1. e) cc) (3) (b). Siehe hierzu oben D. I. 2. a). 1096 Siehe hierzu sowie zu den nachfolgenden Ausführungen D. I. 2. b) und D. II. 4. d). 1097 Siehe oben D. I. 2. a) einschließlich Fn. 370. 1095
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verfügen, da die Legitimationskette nicht mittelbar, sondern unmittelbar ausgeprägt wäre.1098 Hierdurch sowie durch die eingefügte Abberufungsmöglichkeit durch das Parlament (§ 18 Abs. 2 Satz 4 BPolBeauftrGV) würde dieses direkten Zugriff1099 auf den Polizeibeauftragten erhalten. Hierdurch würde die gelockerte sachlich-inhaltliche Legitimation durch die starke personell-organisatorische Legitimation ausgeglichen. Während die Weisungsgebundenheit der Verwaltung und die sachlichinhaltliche Legitimation darauf zielen, über die parlamentarische Verantwortung der Regierung eine Bindung an das Parlament herbeizuführen,1100 wird durch die Regelung des Vorschlages eine Bindung an das Parlament erreicht, indem direkt eine Verantwortung des Beauftragten als Verwaltungsakteur hergestellt wird. Das Legitimationsniveau wäre dadurch gewahrt. Denn ausschlaggebend für das Legitimationsniveau sind nicht die Legitimationsformen, maßgeblich ist vielmehr, dass ein effektiver demokratischer Einfluss besteht.1101 (2) Ausgleich innerhalb der sachlich-inhaltlichen Legitimation? Zugleich käme neben dem Korrektiv durch eine verstärkte personell-organisatorische Legitimation auch eine korrektive Wirkung innerhalb der sachlich-inhaltlichen Legitimation in Betracht. Die Möglichkeit, über die Verantwortung der Regierung die sachlich-inhaltliche Legitimation zu erreichen, wäre wegen mangelnder Weisungsmöglichkeit zwar nicht gegeben, jedoch kann die sachlich-inhaltliche Legitimation durch eine verstärkte Gesetzesbindung hergestellt werden.1102 Mit dem vorgeschlagenen Paragraphen, der die Weisungsfreiheit postuliert, wird zugleich festgehalten, dass der Beauftragte dem Gesetz unterworfen wäre (§ 1 Abs. 3 BPolBeauftrGV). Allerdings ist für einen Ausgleich der fehlenden parlamentarischen Verantwortung eine verstärkte bzw. strikte Gesetzesbindung erforderlich.1103 Eine solche kann nicht in der bloßen Gesetzesbindung erblickt werden. Die zusätzliche Erwähnung im Gesetzesvorschlag wirkt hier nur deklaratorisch. Denn die Gesetzesbindung folgt bereits aus dem Vorrang des Gesetzes.1104 Sie gibt zwar wegen des Gesetzes eine sachlich-inhaltliche Legitimation,1105 doch ist sie nur dann allein ausreichend, wenn ausschließlich am Maßstab der Gesetze entschieden wird, wie es etwa bei den Gerichten der Fall ist. Außerhalb dessen ist die Gesetzesbindung im Wechselspiel mit der Weisungsgebundenheit zu sehen.1106 Besteht etwa ein Ermessenspielraum, so muss das staatliche Handeln in diesem Bereich ebenfalls in1098
Siehe hierzu D. II. 4. d). Siehe hierzu oben D. II. 4. d) einschließlich Fn. 676. 1100 Siehe hierzu D. I. 2. 1101 Siehe hierzu oben D. I. 2. a) einschließlich Fn. 370. 1102 Siehe hierzu oben D. I. 2. b). 1103 Siehe hierzu oben D. I. 2. b). 1104 Siehe hierzu oben D. I. 3. b). 1105 Siehe hierzu oben D. I. 2. a). 1106 Siehe hierzu oben D. I. 2. b). 1099
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haltlich an das Volk gebunden sein, da auch hierin Staatsgewaltausübung liegt.1107 Besteht nun hierfür keine fachliche Weisungsmöglichkeit, reicht die „einfache“ Gesetzesbindung nicht mehr aus, da sie diesen Bereich inhaltlich gerade nicht erfasst. Nötig wäre also nicht die Gesetzesbindung an sich, die bereits aus dem Vorrang des Gesetzes folgt, sondern eine bestimmte (inhaltliche) Art der Bindung. Gemeint ist, dass das Handeln des Beauftragten hinsichtlich Inhalt und Ziel und nicht nur hinsichtlich Rahmen und Grenzen stark durch das Gesetz determiniert sein müsste.1108 In dem Vorschlag werden die Aufgaben des Beauftragten genauer definiert (§ 1 Abs. 2a und Abs. 2b BPolBeauftrGV) und auf die Feststellung und Behebung von Rechtsverstößen (vgl. § 1 Abs. 2 und Abs. 2a BPolBeauftrGV) fokussiert.1109 Insbesondere die Möglichkeit der förmlichen Beanstandung wird auf Rechtsverstöße (§ 6 Nr. 6 BPolBeauftrGV) bezogen. Ob hierdurch eine verstärkte Gesetzesbindung im gerade dargelegten Sinne vorliegen würde, erscheint allerdings mehr als fraglich. Zwar würde gewissermaßen durch das Gesetz das Ziel des Handelns des Beauftragten vorgegeben, doch käme dem Beauftragten ein Ermessensspielraum bei der Frage zu, ob und in welchem Umfang und mit welchen Konsequenzen er Gesetzesverstöße beanstandet. Der Inhalt seines Handelns wäre dadurch gerade nicht vorgegeben. Darüber hinaus wäre er auch frei, ob und in welchem Umfang und mit welchem Inhalt er von seinen anderen Befugnissen Gebrauch macht. Es würde daher keine verstärkte Gesetzesbindung im obigen Sinne vorliegen, die die fehlende Weisungsmöglichkeit im Rahmen der sachlich-inhaltlichen Legitimation ausreichend ausgleicht. Aus den gleichen Gründen könnte auch die vorgesehene Rechtsaufsicht (§ 1 Abs. 4 BPolBeauftrGV) nichts an der Mangelhaftigkeit der sachlichinhaltlichen Legitimation ändern, da diese auf die vorhandenen Gesetze bezogen ist. (3) Kompensation durch die sachlich-inhaltliche Legitimation anderer Verwaltungsakteure Dass ein Ausgleich durch die strikte Gesetzesbindung nicht möglich ist, ist allerdings unproblematisch. Zum einen würde bereits durch die starke personell-organisatorische Legitimation ein angemessener Ausgleich vorliegen, der das Legitimationsniveau sicherstellt. Zum anderen kann auch eine Kompensation der gelockerten sachlich-inhaltlichen Legitimation angenommen werden. An dieser Stelle sei noch einmal kurz auf die Differenzierung zwischen Korrektiv und Kompensation hingewiesen.1110 Nur das Korrektiv bringt einen Ausgleich von innen, erfolgt also aus der demokratischen Stellung des Beauftragten selbst. Dies ist die stärkste Recht1107
Siehe zur Staatsgewalt D. I. 2. a). Vgl. zu diesen Voraussetzungen ganz allgemein Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage 2004, § 24 Rn. 22. 1109 Siehe hierzu wie zum Folgenden E. II. 2. b) bb). 1110 Siehe hierzu wie zum Folgenden D. I. 2. b). 1108
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fertigungsform für einen weisungsfreien Raum. Allerdings ist auch eine Rechtfertigung durch eine kompensierende Wirkung der Tätigkeit des Beauftragten möglich. Eine solche liegt hier vor, da der Beauftragte durch die Fokussierung seiner Aufgaben auf Fehler und Fehlverhalten in Einzelfällen (vgl. § 1 Abs. 2 BPolBeauftrGV) und dessen Definition als Verletzung von Rechtsstaatlichkeit (§ 1 Abs. 2a BPolBeauftrGV) dazu beitrüge, dass andere Verwaltungseinheiten stärker darauf hin kontrolliert werden, ob sie die Gesetze befolgen. Hierdurch trüge der Beauftragte dazu bei, dass der in den Gesetzen verkörperte demokratische Wille verwirklicht wird, was wiederum die sachlich-inhaltliche Legitimation stärken würde.1111 Dies würde den durch die fachliche Weisungsfreiheit gelockerten Verantwortungsstrang der sachlich-inhaltlichen Legitimation des Beauftragten kompensieren. cc) Vorbehalt des Gesetzes Soll ein Verwaltungsbeauftragter etabliert werden, stellt sich die Frage, ob hierfür die Verwaltung die Organisationsgewalt besitzt oder ob hier wegen des Vorbehalts des Gesetzes ein Gesetz durch das Parlament notwendig wäre. Die Thematisierung dieser Frage ist nicht ohne praktische Relevanz. Denn auch wenn der eigene Vorschlag ein Gesetz vorsieht, ist es naheliegend, dass die Verwaltung die verwaltungsinternen Beauftragten ohne Gesetz etablieren möchte. Für den Polizeibeauftragten, wie er im Vorschlag (und den Gesetzentwürfen) skizziert wurde, greifen die beiden oben herausgearbeiteten Fallgruppen für die Anwendbarkeit der Wesentlichkeitstheorie und des Vorbehalts des Gesetzes.1112 Die Etablierung eines Beauftragten, der Grundrechtsverletzungen untersuchen soll (§ 1 Abs. 2a Satz 2 BPolBeauftrGV), hat für die Verwirklichung der Grundrechte eine wesentliche Bedeutung, sodass allein deshalb bereits eine Entscheidung des Parlaments nötig wäre. Des Weiteren hätte er aber auch für die Verwirklichung der Grundrechte der Polizistinnen und der Polizisten Bedeutung; dies vor allem aufgrund seines Rechts zur förmlichen Beanstandung, wodurch er auf die Sanktionierung von Polizistinnen und Polizisten Einfluss nehmen könnte (§ 6 Nr. 6 BPolBeauftrGV). Darüber hinaus bedarf auch die Schaffung eines weisungsfreien Raumes stets eines Gesetzes. Denn nur so werden wenigstens die Grenzen und der Rahmen des weisungsfreien Handelns aufgezeigt. Zu keinem anderen Ergebnis gelangt man, wenn man aus der Perspektive der Gewaltenteilung fragt, ob nicht die Organisationsgewalt organadäquat bei der Verwaltung liegt. Oben wurde ausgeführt, dass die Organisationsgewalt regelmäßig auch bei dem Organ liegen sollte, dass organadäquat die Aufgabenwahrnehmung
1111 1112
Siehe hierzu oben D. I. 2. b) einschließlich Fn. 422. Siehe hierzu und zum Folgenden D. I. 3. c).
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zugewiesen bekommen hat.1113 Beim echten Parlamentsbeauftragten wurde herausgearbeitet, dass die Organadäquanz für die Aufgabe der Erkennung und Behebung von Fehlern und Fehlverhalten in Einzelfällen nicht notwendig bei der Verwaltung liegen muss, sondern auch für das Parlament streiten kann.1114 Lediglich bei der Zuständigkeit für strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen wurde festgestellt, dass die Organadäquanz bei der Verwaltung liegt.1115 Nach dem eigenen Vorschlag ist die Zuständigkeit für strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen allerdings auf die Zuständigkeit für Fehler und Fehlverhalten in Einzelfällen ausgerichtet (§ 1 Abs. 2b BPolBeauftrGV) und insoweit an diese gebunden.1116 Zugleich ist die Kompetenz des Beauftragten für strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen auf eine bloße Hilfeleistung beschränkt (§ 2 Abs. 2 Satz 3 BPolBeauftrGV). Die Handhabung von strukturellen Mängeln und Fehlentwicklungen würde also bei dem Minister verbleiben und durch das Gesetz nicht abschließend erfasst. Daher würden hier nicht durch die Hintertür Regelungen durch ein Parlamentsgesetz erfasst (Organisationsgewalt), für dessen Aufgabenbereich ausschließlich die Verwaltung die Organadäquanz besitzt. Besteht keine ausschließliche Organadäquanz der Verwaltung für die Aufgaben des vorgeschlagenen Verwaltungsbeauftragten, so kann sie auch nicht angeführt werden, um die auf die Verwirklichung dieser Aufgaben bezogene Organisationsgewalt zu begründen. Daher kann keine Organisationsgewalt der Verwaltung angenommen werden. dd) Zusammenfassung Der vorgeschlagene Polizeibeauftragte würde sich in den verfassungsrechtlichen Rahmen für die Verwaltung bzw. die Verwaltungskontrolle reibungslos einfügen. Er würde Aufgaben und Befugnisse innehaben, die mit der Gewaltenteilung vereinbar sind. Anders als der echte Parlamentsbeauftragte wäre er nicht mehr primär für strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen zuständig, und er hätte kein hierauf bezogenes Weisungsrecht durch die förmliche Beanstandung. Die förmliche Beanstandung für Fehler und Fehlverhalten im Einzelfall kann hingegen funktionsgerecht auch durch den Beauftragten ausgeübt werden. Weiterhin läge auch beim unechten Parlamentsbeauftragten keine unzulässige judikative Tätigkeit im Sinne des Art. 92 GG vor. Mit Blick auf den Vorbehalt des Gesetzes wurde deutlich, dass ein Polizeibeauftragter, der Grundrechtseingriffe aufklären und auf die Sanktionierung von Polizistinnen und Polizisten Einfluss nehmen soll, eines Parlamentsgesetzes bedarf. In demokratischer Hinsicht könnte die mit der fachlichen Weisungsfreiheit verbundene Lockerung der sachlich-inhaltlichen Legitimation durch die direkte par1113
Siehe hierzu D. I. 4. c). Siehe hierzu oben E. II. 1. e) cc) (3) (c). 1115 Siehe hierzu ebenfalls E. II. 1. e) cc) (3) (c). 1116 Siehe hierzu oben E. II. 2. b) bb). 1114
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lamentarische Wahl und Abwahlmöglichkeit korrigiert werden. Eine derart strikte Gesetzesbindung, dass hierdurch ein Ausgleich innerhalb der sachlich-inhaltlichen Legitimation eintritt, bestünde allerdings nicht. Eine Kompensation würde jedoch dadurch eintreten, dass der Beauftragte die Aufgabe hätte, andere Verwaltungseinheiten zur Einhaltung der Gesetze zu bewegen. Hierdurch würde deren sachlichinhaltliche Legitimation stärker kontrolliert und somit der demokratische Wille des Gesetzes besser entfaltet. d) Bewertung anhand der Bewertungsmaßstäbe Nachfolgend soll untersucht werden, ob der Vorschlag auch den herausgearbeiteten Bewertungsmaßstäben genügt. Hierbei soll der Vorschlag nicht nur für sich allein betrachtet werden. Vielmehr ist an entsprechenden Stellen auch kurz ein Vergleich zum Polizeibeauftragten der Gesetzentwürfe aufschlussreich. Hierdurch kann der Mehrwert des eigenen Vorschlages besonders deutlich hervortreten. aa) Ausreichende Berücksichtigung der Cop Culture und Einbeziehung der Polizistinnen und Polizisten (1) Berücksichtigung polizeinahen Wissens durch Einbeziehung der Polizistinnen und Polizisten Beim echten Polizeibeauftragten wurde als defizitär herausgearbeitet, dass es keine Regelungen gibt, die sicherstellen, dass polizeinahes Wissen im Arbeitsalltag des Polizeibeauftragten berücksichtigt würde. Dieses Defizit möchte der eigene Vorschlag vermeiden, er sieht deshalb vor, dass der Beauftragte Stellungnahmen von Polizistinnen und Polizisten, die mit dem Arbeitsalltag vertraut sind, einholen und Gespräche mit ihnen führen soll, bevor er strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen bewertet bzw. feststellt (§ 7 Abs. 3 BPolBeauftrGV). Anders als bei den Gesetzentwürfen würde sich die Zuständigkeit des Beauftragten für strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen zwar nur in einer Hilfestellung erschöpfen (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 3 BPolBeauftrGV), allerdings könnte dies dazu beitragen, dass der Beauftragte auch von den Polizistinnen und Polizisten als ihre Interessenvertretung gesehen wird, die dem Innenministerium Lösungsvorschläge für eine sachgerechte Polizeistruktur unterbreiten könnte, die sich auf den Arbeitsalltag der Polizistinnen und Polizisten positiv niederschlagen. Jedenfalls wäre durch die Regelung gewährleistet, dass ausreichend polizeinahes Wissen zum Beauftragten gelangen kann und vor allem muss. Denn die genannte Regelung ist in einem eigenen Paragraphen festgehalten, der Pflichten des Beauftragten benennt. Hierdurch würde die Wahrscheinlichkeit steigen, dass die vom Beauftragten gemäß § 1 Abs. 2 Satz 3 BPolBeauftrGV unterbreiteten Änderungsmöglichkeiten und Maßstäbe für den Umgang mit strukturellen Mängeln und Fehlentwicklungen praxistauglich sind.
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(2) Anerkennungsmöglichkeit des Beauftragten bei Polizistinnen und Polizisten Neben der Pflicht, die Stellungnahmen von Polizistinnen und Polizisten einzuholen und Gespräche zu führen (§ 7 Abs. 3 BPolBeauftrGV), soll die Pflicht, Gespräche zwischen Betroffenen und Polizistinnen und Polizisten zu mediieren (§ 7 Abs. 2 BPolBeauftrGV), ebenfalls einen regen Austausch zwischen den Polizistinnen und Polizisten auf der einen und dem Polizeibeauftragten auf der anderen Seite anregen. Durch beides wäre nämlich sichergestellt, dass der Beauftragte regelmäßig verpflichtet ist, mit den Polizistinnen und Polizisten zusammenzuarbeiten. Dieses Kooperieren könnte das gegenseitige Vertrauensverhältnis stärken und die drohende reflexartige Abwehr1117 des Beauftragten durch handelnde Beamtinnen und Beamte langsam aufweichen. Das Vertrauensverhältnis zwischen den Polizistinnen und Polizisten und dem Beauftragten soll darüber hinaus auch dadurch gestärkt werden, dass eine namentliche Nennung in Abschlussberichten unterbleiben (§ 5 Abs. 6 Satz 4 BPolBeauftrGV) und eine förmliche Beanstandung wegen Fehlern oder Fehlverhalten in Einzelfällen erst nach einem Streitgespräch mit dem Geschädigten (§ 7 Abs. 2 BPolBeauftrGV) erfolgen soll. Zugleich wird festgehalten, dass der Beauftragte auch entlastende Tatsachen ermitteln müsste und die Beamtinnen und Beamten nicht vorverurteilen dürfte (§ 7 Abs 1 BPolBeauftrGV). Hierdurch bestünde eine stärkere Ausrichtung auf die Interessen und Rechte der Beamtinnen und Beamten. Dies würde dem berechtigten Interesse der Beamtinnen und Beamten gerecht und signalisieren, dass der Beauftragte keine Institution ist, die sich in ihrer gesetzlichen Grundausrichtung gegen sie richtet. Außerdem würde es dazu beitragen, einen kooperativen Dialog zwischen dem Beauftragten und der Polizei zu ermöglichen. Dieser wiederum würde einen sachgerechten Umgang mit Polizeigewalt fördern. (3) Änderungsmöglichkeit der Cop Culture Die zuvor beschriebenen Regelungen, die zu einer engen Zusammenarbeit zwischen dem Beauftragten und der Polizei führen würden, hätten zugleich den Vorteil, dass sie auch die Möglichkeit böten, eine als änderungsbedürftig festgestellte Cop Culture zu ändern. Denn sie führten alle dazu, dass die Arbeitsergebnisse des Beauftragten auch für die handelnden Beamtinnen und Beamten praxistauglich sind. Dies ist besonders wichtig. Die Cop Culture zieht ihren „Geltungsanspruch“ nämlich gerade aus ihrer Praxistauglichkeit.1118 Es ist daher naheliegend, dass sie dadurch geändert werden kann, indem alternative praxistaugliche Handlungsrahmen aufgezeigt werden. Diese können nur durch die handelnden Akteure der Praxis, also durch die Polizistinnen und Polizisten, erarbeitet werden. Das soll gerade durch die Zusammenarbeit mit dem Beauftragten erfolgen. In einem zweiten Schritt sind die Handlungsrahmen im Arbeitsalltag einzusetzen, da die Cop Culture induktiv ent1117 Siehe zur reflexartigen Abwehr bei Professionskulturen im Allgemeinen C. II. 2. a) und bei der Polizei im Besonderen C. II. 2. b) bb). 1118 Siehe hierzu C. II. 2. b) bb) einschließlich Fn. 290.
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steht.1119 Bei diesem zweiten Schritt ist man ebenfalls auf die handelnden Polizistinnen und Polizisten angewiesen. Die Praxistauglichkeit ist auch deshalb von besonderem Interesse, weil die Cop Culture eine Professionskultur ist.1120 Eine solche ist allerdings nur dann änderbar, wenn sich die Akteure dieser Profession in den „Regelungen“, die ihren Arbeitsalltag bestimmen, wiederfinden.1121 bb) Dialogermöglichung (1) Inklusion der Polizistinnen und Polizisten Die soeben genannten Änderungsvorschläge, die dazu beitragen sollen, dass sich die Polizistinnen und Polizisten dem Polizeibeauftragten zuwendeten, haben zugleich eine Wirkung für die demokratische Dialogermöglichung. Sie trügen dazu bei, die Polizistinnen und Polizisten als Dialogpartner zu inkludieren. Dies könnte mit dem Vorschlag gut erreicht werden: Zunächst gäbe es die bereits dargelegten Regeln, die sicherstellen sollen, ausreichend polizeinahes Wissen einzubeziehen. Namentlich sei hier die Berücksichtigung von Stellungnahmen und Gesprächen mit Polizistinnen und Polizisten genannt (§ 7 Abs. 3 BPolBeauftrGV). Entscheidender für das Einbeziehen der Polizistinnen und Polizisten in den demokratischen Dialog ist allerdings die vorgesehene Regelung des § 7 Abs. 2 BPolBeauftrGV. Danach ist ein schlichtendes Gespräch in zwei Fällen vorgesehen: Zunächst dann, wenn eine förmliche Beanstandung beabsichtigt wäre. Diese Regelung dient dem Rechtsschutzinteresse der Polizistinnen und Polizisten und ermöglicht zugleich eine Gesprächseinbeziehung der handelnden Polizistinnen und Polizisten. Der letzte Aspekt wird insbesondere dadurch unterstrichen, dass das schlichtende Gespräch aber auch dann zu führen ist, wenn zwar keine förmliche Beanstandung beabsichtigt wäre, aber der Beauftragte Anlass dafür sähe, Rückschlüsse auf strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen feststellen zu können. Dies würde gewährleisten, dass die Polizistinnen und Polizisten in den Dialog über die konkrete Gewaltanwendung und über die strukturellen, den Einzelfall übersteigenden Mängel und Fehlentwicklungen einbezogen werden. Gerade diese Mängel und Fehlentwicklungen könnten zur konkreten Gewaltanwendung beigetragen haben. Es sollte also kein Dialog über die Polizistinnen und Polizisten geführt werden, sondern ein Dialog mit ihnen. Der Vorschlag gleicht daher durch seine Regelungen die in den Gesetzentwürfen defizitäre Berücksichtigung der Perspektive der Polizistinnen und Polizisten aus. (2) Demokratischer Dialog unter und mit dem Beauftragten Bei den Ausführungen zum echten Parlamentsbeauftragten wurde herausgearbeitet, dass dieser durch seine Berichte einen demokratischen Dialog ermöglichen würde. Diese Dialogermöglichung gilt jedoch nicht für diejenigen, die sich an den 1119
Siehe hierzu C. II. 2. b) bb) einschließlich Fn. 288. Siehe hierzu C. II. 2. b) bb) einschließlich Fn. 295. 1121 Siehe hierzu oben C. II. 2. b) bb).
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Beauftragten wenden würden.1122 Auf Grundlage der Gesetzentwürfe würde also kein Dialog mit oder unter dem Beauftragten geführt werden. Hier möchte der eigene Vorschlag erneut die Defizite der Gesetzentwürfe ausgleichen. Wiederum ist § 7 Abs. 2 BPolBeauftrGV die zentrale Regelung. Wichtig ist erneut, dass die Regelung nicht nur im Falle einer beabsichtigten förmlichen Beanstandung wegen Fehler und Fehlverhaltens in Einzelfällen griffe, sondern auch dann, wenn ein Einzelfall, losgelöst von einem Fehler oder Fehlverhalten, Rückschlüsse auf strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen zuließe. Hierdurch wird deutlich, dass es nicht nur um einen demokratischen Dialog über Fehler und Fehlverhalten der Beamtinnen und Beamten gehen würde, sondern um einen breit angelegten demokratischen Dialog, der sich auch auf strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen von Polizeigewalt bezöge. Dies bedeutet zugleich, dass sich das Gespräch auch auf Fehler und Fehlverhalten der Bürgerinnen und Bürger bezöge und dort nach strukturellen Aspekten zu forschen wäre. Denn nur so könnte mit ausreichender Gewissheit ermittelt werden, ob der Fehler oder das Fehlverhalten bzw. die diese begünstigenden Strukturen wirklich im staatlichen und somit steuerbaren Bereich lägen. Dies wäre nur im Rahmen eines gegenseitigen und mediierten Gespräches, welches sämtliche Beteiligte einbezieht, möglich. Dadurch würde es gelingen, Polizeigewalt, welche sich häufig als dynamischer Eskalationsprozess erweist,1123 aufzuarbeiten und gegenseitiges Verständnis zu fördern. Darüber hinaus würde die Regelung durch die Einbeziehung weiterer Akteure und unbeteiligter Bürger ermöglichen, dass der demokratische Dialog ein breit geführter Dialog ist. Der Dialog würde jedoch nicht ausufern, da die Einbeziehung weiterer Akteure und unbeteiligter Bürger nur erfolgen soll, wenn hierdurch ein Mehrwert für die Behandlung von strukturellen Mängeln und Fehlentwicklungen zu erwarten ist. Diese Stärkung des Dialogcharakters des Beauftragten soll gewährleisten, einen demokratischen Dialog unter der Institution des Beauftragten zu führen, der unterschiedliche Sichtweisen und die Sachlage umfassend berücksichtigen würde. Der demokratische Dialog, der sodann durch den Gesamtbericht des Beauftragten an das Parlament angeregt werden könnte, wäre bereits mit Detailwissen und einer adäquaten Berücksichtigung der Meinungen und Sichtweisen der beteiligten Akteure bereichert und könnte sich auf Wertungsfragen im Umgang mit Polizeigewalt konzentrieren. Insoweit würden die vorgeschlagenen Regelungen sogar diesen Aspekt der demokratischen Dialogermöglichung steigern. Dies ist auch nicht mit Blick auf den Petitionsausschuss bedenklich. So findet sich bisweilen die – allerdings in einem anderen Kontext geäußerte – Kritik, dass eine Entwertung des Petitionsausschusses drohe, der man dadurch entgehen könne, dass keine Institution neben dem Parlament zu schaffen sei, sondern die innerparla-
1122 1123
Siehe hierzu E. II. 1. f) bb) (1) (b). Siehe hierzu oben B. II. einschließlich Fn. 131 und Fn. 132.
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mentarischen Prozesse zu stärken seien.1124 Anzumerken ist zunächst, dass rechtlich gesehen der Petitionsausschuss nicht tangiert wird. Die Zuständigkeit des Petitionsausschusses bliebe weiterhin bestehen. Es stünde jeder Einsenderin und jedem Einsender frei, sich nicht an den Polizeibeauftragten, sondern an das Parlament zu wenden. Ein derartiges Nebeneinander von Behörde und Parlament macht bereits der Wortlaut von Art. 17 GG deutlich, der dort von zuständigen Stellen und der Volksvertretung spricht. Zugleich würden die gerade dargelegten Überlegungen greifen, wonach der Beauftragte durch seinen Gesamtbericht den parlamentsinternen Dialog sogar steigern könnte. (3) Steigerung des petitionsrechtlichen Dialoges Beim echten Parlamentsbeauftragten wurde festgehalten, dass dieser hinsichtlich der petitionsrechtlichen Dialogermöglichung nicht defizitär ist. Allerdings wurde dort mehrfach angedeutet, dass eine Steigerung dieses Dialogs möglich wäre. Der eigene Vorschlag möchte genau dies mit zwei Regelungen erreichen. Die erste Regelung ist die des § 7 Abs. 4 BPolBeauftrGV. Diese sieht vor, dass die Einsenderin oder der Einsender des Hinweises oder der Eingabe anzuhören wäre, wenn sie oder er dies wünscht. Hierdurch würde das bisherige Recht des Beauftragten in den Gesetzentwürfen durch eine Pflicht des Beauftragten ergänzt und dadurch die Stellung des Petenten gestärkt. Die zweite Regelung, die den petitionsrechtlichen Dialog stärken soll, ist eng mit Art. 17 GG und den dort herausgearbeiteten Maßstäben verknüpft.1125 Gemeint ist die Regelung in § 5 Abs. 5 Satz 2 und Satz 3 BPolBeauftrGV. Danach ist das Ergebnis der Untersuchung gegenüber der Einsenderin oder dem Einsender zu begründen. Diese Begründungspflicht ist zugleich davon abhängig, wie genau der Petent zuvor vorgetragen hat. Denn nach der Regelung soll in der Begründung auf alle tragenden Aspekte eingegangen werden, die die Einsenderin oder der Einsender vorträgt. Dies wird Art. 17 GG gerecht. Wie oben ausgeführt wurde, wird es Art. 17 GG hingegen nicht gerecht, wenn lediglich ein Hinweis auf das Prüfungsergebnis erfolgt.1126 Vielmehr ist eine Begründungspflicht angezeigt, da nur durch diese die bezweckte Rechtsbefriedung und die demokratische Kommunikation erreicht werden können. Insbesondere die mit diesen beiden Grundgedanken zusammenhängende Vertrauensbeziehung zwischen Petenten und staatlicher Stelle spricht für eine Begründungspflicht.1127 Wie umfangreich die Begründung jeweils sein muss, hängt vom jeweiligen Petitionsrechtsverhältnis ab.1128 Den Umfang der Begründungspflicht möchte der vorliegende Vorschlag dahingehend konkretisieren, dass auf 1124 Friehe, Schriftliche Stellungnahme vom 10. September 2020, Ausschussvorlage HAA 20/9 und Ausschussvorlage INA 20/25, S. 31 (37). 1125 Siehe hierzu wie zum Folgenden D. III. 2. b). 1126 Siehe hierzu Fn. 736. 1127 Siehe hierzu Fn. 739 und Fn. 740. 1128 Siehe hierzu Fn. 741.
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alle die Petition tragende Aspekte eingegangen werden muss. Das ermöglicht es dem Petenten nachzuvollziehen, welches die Beweggründe des Beauftragten waren und ob dieser für ihn künftig ein vertrauensvoller Kommunikationspartner ist. cc) Effektiver Rechtsschutz und Legalitätsgewährleistung und Legitimitätsförderung Hinsichtlich des effektiven Rechtsschutzes bestehen die wohl wenigsten Abweichungen zu den Gesetzentwürfen. Dies liegt daran, dass hierfür insbesondere die Befugnisse des Beauftragten maßgeblich sind. Diese wurden jedoch beim eigenen Vorschlag weitgehend unverändert gelassen. Lediglich die Befugnis der förmlichen Beanstandung wurde angepasst. Hieraus ergibt sich für den effektiven Rechtsschutz ein Mehrwert. Wie bereits an anderer Stelle thematisiert, soll die förmliche Beanstandung nur noch für Fehler und Fehlverhalten in Einzelfällen in Betracht kommen (siehe § 6 Nr. 6 Satz 1 BPolBeauftrGV). Dies ist hier allerdings nicht die entscheidende Änderung. Wichtig für den effektiven Rechtsschutz sind vielmehr zwei andere Änderungen des einschlägigen Paragraphen. Zum einen wurde angepasst, dass die Rechtsverstöße, die beanstandet werden können, auch unterlassene Sanktionierungen einschließen würden (§ 6 Nr. 6 Satz 1 BPolBeauftrGV). Zum anderen wurde neu eingefügt, dass die Behörde zwei Monate Zeit hätte, der Beanstandung nachzukommen (§ 6 Nr. 6 Satz 2 BPolBeauftrGV). Letzteres soll die Legalitätsgewährleistung durch den Beauftragten steigern. Denn hierdurch wäre sichergestellt, dass die festgestellten Rechtsverstöße wirklich zeitnah umgesetzt werden. Die zeitnahe Umsetzung betrifft vor allem die nun ausdrücklich festgehaltene Beanstandungsmöglichkeit für die unterlassene Sanktionierung einer Polizistin bzw. eines Polizisten für einen Rechtsverstoß. Die Einflussnahme auf die Sanktionierung ist allerdings auch eng mit der Legitimitätsförderung verbunden. Für die Bürgerinnen und Bürger würde hierdurch bereits durch den Wortlaut des Gesetzes deutlich, dass die Institution, an die sie sich mit ihren Beschwerden wenden würden, nicht zahnlos ist, sondern auch Einfluss auf die Sanktionierung nehmen kann. Durch die gerade beschriebenen Änderungen würde der bereits in den Gesetzentwürfen enthaltene effektive Rechtsschutz allerdings lediglich optimiert. Außerhalb der Befugnisse findet sich noch § 7 Abs. 1 BPolBeauftrGV, der für den effektiven Rechtsschutz Bedeutung hat. Danach hat der Beauftragte auch entlastende Tatsachen zu ermitteln und unvoreingenommen seine Tätigkeit zu verrichten. Dies wird Art. 17 GG gerecht, der eine unvoreingenommene Prüfung fordert.1129 Zugleich manifestiert sich hier eine Ergänzung zur ansonsten durch den effektiven Rechtsschutz entstehenden Legitimitätsförderung bei den Bürgerinnen und Bürgern.1130 Es ist nämlich naheliegend, dass die Polizistinnen und Polizisten durch eine derartige als Pflicht überschriebene Regelung den Beauftragten weniger als gegen sie gerichtet 1129 1130
Siehe hierzu bereits E. II. 1. f) cc) (3). Siehe hierzu C. III. 1.
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wahrnähmen. Dies könnte seine Anerkennung bei dieser gesellschaftlichen Gruppe steigern. dd) Vor- und Nachteile der Distanz bei dem als Selbstkontrolle etablierten Polizeibeauftragten (1) Abgeschwächte Distanz des Polizeibeauftragten Wie oben ausgeführt, wäre der Polizeibeauftragte nach dem Vorschlag nicht als echter Parlamentsbeauftragter, der als Hilfsorgan des Parlaments tätig werden würde, zu etablieren, sondern als unechter Parlamentsbeauftragter, der als Verwaltungsbeauftragter in die Verwaltung eingegliedert wäre. Hierdurch würde die organisatorische Distanz gegenüber der Polizei im Verhältnis zu dem Beauftragten der Gesetzentwürfe maßgeblich geschmälert. Sie soll allerdings nicht gänzlich aufgehoben werden. Der Polizeibeauftragte soll nämlich nicht in die Polizeihierarchie integriert, sondern polizeiextern beim Innenministerium etabliert werden (§ 1 Abs. 1 BPolBeauftrGV) und weisungsfrei agieren (§ 1 Abs. 3 BPolBeauftrGV). Zugleich ist allerdings eine räumliche Distanz zum Innenministerium und zur dortigen Polizeiabteilung vorgesehen, indem der Polizeibeauftragte in einem separaten Gebäude angesiedelt werden soll (§ 19 Abs. 1 Satz 1 BPolBeauftrGV). Die emotionale und fachliche Distanz ist beim Vorschlag entsprechend der Gesetzesvorschläge unverändert geblieben. Auch hier soll es der Praxis überlassen bleiben, wer das Amt des Polizeibeauftragten bekleidet. Dadurch könnte die Praxis bestimmen, ob eine emotionale und fachliche Distanz gestärkt werden soll, wie etwa durch die Wahl eines polizeiexternen Juristen oder Parlamentariers, oder, ob eine emotionale und fachliche Nähe bevorzugt werden soll, wie etwa mit der Wahl eines Polizisten zum Beauftragten. (2) Vor- und Nachteile für die Berücksichtigung der Cop Culture und die Einbeziehung der Polizistinnen und Polizisten Wie bereits oben ausgeführt,1131 würde die organisatorische und räumliche Nähe des Polizeibeauftragten zur Verwaltung die Möglichkeit steigern, dass sich die Polizistinnen und Polizisten dem Polizeibeauftragten zuwenden. Er würde durch seine organisatorische und räumliche Nähe zur Verwaltung nicht mehr als eine gewaltenteilige Institution erscheinen, die den Polizistinnen und Polizisten symbolisch gegenübertritt, wie es bei der gewaltenteilenden Distanz der Fall wäre. Ob allerdings noch eine zu große Distanz gegenüber der Polizei bestünde, da der Beauftragte nicht in die Polizeihierarchie etabliert, sondern weisungsfrei beim Innenministerium angesiedelt wäre, ist schwer zu beantworten. Dies dürfte sich letztlich erst in der Praxis zeigen. Dort könnten die Effekte der Distanz allerdings zugleich noch durch die entsprechende Wahl eines Polizeibeauftragten, der eine fachliche und emotionale 1131
Siehe E. II. 2. d) aa).
II. Polizeibeauftragter als Kontrollform für Polizeigewalt
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Nähe gegenüber den Polizistinnen und Polizisten mitbrächte, gesteuert werden. Jedenfalls dürfte die organisatorische und räumliche Distanz zum Parlament die Möglichkeit steigern, dass sich Polizistinnen und Polizisten dem Beauftragten zuwenden. Durch die organisatorische und räumliche Distanz zum Parlament und der entsprechenden Nähe zur Verwaltung würde zugleich auch die Möglichkeit einer Änderung der Cop Culture größer werden. Die räumliche Distanz zum Innenministerium soll symbolisch die Stellung des Beauftragten als unabhängige Institution bestätigen. Eine derartige Unabhängigkeit ist aus Sicht der Polizistinnen und Polizisten nicht nur gegenüber dem Parlament nötig, sondern auch gegenüber all den Instanzen, welche die offizielle Polizeikultur prägen. Denn bereits hier besteht eine Spannungslage, die viel Konfliktpotential bereithält.1132 Ein Beauftragter, der nicht in der Nähe der Polizeikultur stünde, hätte Potential, als Interessenvertreter der Polizistinnen und Polizisten aufgefasst zu werden. Sofern sich in der Praxis zeigen würde, dass die organisatorische und räumliche Nähe zur Verwaltung noch nicht ausreicht, um eine effektive Änderung der Cop Culture zu erreichen, könnte durch die Stellschrauben der emotionalen und fachlichen Nähe noch nachjustiert werden. (3) Vor- und Nachteile für den effektiven Rechtsschutz und dessen Legitimitätsermöglichung Mit Blick auf die sorgfältige Tatsachenaufklärung und die sachgerechte, umfassende, diskriminierungsfreie und unvoreingenommene Prüfung ergeben sich durch die Distanz keine relevanten Vor- oder Nachteile, die nicht bereits beim echten Parlamentsbeauftragen angesprochen wurden. Fraglich ist allerdings, ob durch die nun vorgesehene organisatorische und räumliche Distanz zum Parlament die Anerkennung für die Ausübung des effektiven Rechtsschutzes bei den Bürgerinnen und Bürgern geringer wäre als bei einem echten Parlamentsbeauftragten. Ob dies allerdings wirklich so wäre, könnte letztlich nur empirisch beantwortet werden. Sicherheitshalber soll die Möglichkeit, dass ein Verwaltungsbeauftragter weniger Anerkennung fände, durch die vorgesehene räumliche Distanz, also durch die Ansiedlung in einem separaten Gebäude (§ 19 Abs. 1 Satz 2 BPolBeauftrGV), abgefedert werden. Zugleich würde durch die Klarstellung, dass sich die förmliche Beanstandung auch auf eine unterlassene Sanktionierung bei einem Rechtsverstoß bezieht (§ 6 Nr. 6 BPolBeauftrGV), ein Instrumentarium für die Bürgerinnen und Bürger erkennbar, welches die Anerkennung mit Blick auf den effektiven Rechtsschutz steigern könnte.1133 Ähnlich wie bei der Anerkennung des Beauftragten durch die Polizistinnen und Polizisten1134 würde auch hier zudem die Möglichkeit bestehen, durch die bewusst noch nicht festgezogene Stellschraube der emotionalen und 1132
(2). 1133 1134
Siehe hierzu oben C. II. 2. b) bb) einschließlich Fn. 300 sowie auch unten E. II. 2. e) aa) Siehe hierzu oben E. II. 2. d) cc). Siehe hierzu oben E. II. 2. d) dd) (2).
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fachlichen Distanz nachzubessern. So würde etwa eine fachliche und emotionale Distanz durch einen Juristen, etwa einen ehemaligen Richter, als gewählten Polizeibeauftragten die Legitimitätsmöglichkeit für den effektiven Rechtsschutz fördern. (4) Vor- und Nachteile für die Dialogermöglichung und deren Legitimität Die Loslösung vom Parlament würde, wie bereits erläutert,1135 dazu führen, dass Polizistinnen und Polizisten dem Polizeibeauftragten offener gegenüberstehen könnten, da sie sich nicht einer anderen Institution im Sinne der organisatorischen Gewaltenteilung zuwenden müssten. Dies würde dazu führen, dass sie als Dialogpartner einfacher einbezogen werden. Für die Beantwortung der Frage, ob die räumliche und organisatorische Ansiedlung außerhalb der Polizei dennoch vielleicht eine zu große Distanz aus Polizistinnen- und Polizistensicht bedeuten würde, gilt weitgehend dasselbe wie oben bei den Vor- und Nachteilen für die Berücksichtigung der Cop Culture ausgeführt wurde:1136 Eine „Nachjustierung“ könnte über die emotionale und fachliche Nähe erfolgen. Mit Blick auf den petitionsrechtlichen Dialog gilt für die Dialogbereitschaft des Beauftragten das Gleiche wie beim echten Parlamentsbeauftragten. Ebenso verhält es sich mit der Dialogbereitschaft des Petenten; jedenfalls bei der fachlichen und emotionalen Distanz. Allerdings ist hier die Praxis gefragt, die durch die unterschiedlichen Wahlmöglichkeiten einen Spielraum hat, um festzustellen, welche fachliche und emotionale Distanz bzw. Nähe angebracht wäre. Lediglich hinsichtlich der räumlichen und organisatorischen Nähe zur Verwaltung ist zu fragen, ob die damit verbundene Distanz gegenüber dem Parlament nicht den Petenten davon abhalten könnte, sich an den Beauftragten zu wenden. Denn der Beauftragte würde nun nicht mehr als ein vollkommen unbefangener Dialogpartner erscheinen, der in jedem Fall eine Außenperspektive einnimmt. Ob dies tatsächlich so wäre, ist allerdings erneut eine Frage, die nur empirisch beantwortet werden kann. Die möglichen Nachteile durch die enge Nähe zur Verwaltung sollen allerdings sicherheitshalber durch die Pflicht, ein Gespräch zu mediieren (§ 7 Abs. 2 PBolBeauftrGV), abgefedert werden. Denn dies berücksichtigt das häufige Anliegen der Bürgerinnen und Bürger, das Handeln der Polizistinnen und Polizisten schlicht nachvollziehen zu können.1137 Darüber hinaus soll auch die Pflicht, die Einsenderin oder den Einsender von Hinweisen oder Eingaben anzuhören, wenn dies gewünscht wird (§ 7 Abs. 4 BPolBeauftrGV), die möglichen Nachteile abfangen. Der Bürger hätte somit ein Instrumentarium, das ihm helfen würde zu bewerten, ob der Polizeibeauftragte ein vertrauensvoller Diskursteilnehmer ist.
1135
Siehe hierzu oben E. II. 2. d) aa). Siehe hierzu oben E. II. 2. d) dd) (2). 1137 Ähnlich Behrendes, Wechselwirkungen zwischen externer Kontrolle und interner Fehlerkultur der Polizei, Vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik 4/ 2013, 41 (47). 1136
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(5) Vorteil im Verhältnis zur Distanz des echten Parlamentsbeauftragten Der eindeutige Vorteil des Beauftragten des eigenen Vorschlages ist der, dass durch die Annäherung an die Verwaltung, also durch die räumliche und organisatorische Distanz zum Parlament, die Möglichkeit gesteigert würde, dass sich die Polizistinnen und Polizisten dem Beauftragten zuwenden. Hierdurch könnte die Cop Culture stärker berücksichtigt werden und die Polizistinnen und Polizisten könnten zudem einfacher als Diskursteilnehmer des demokratischen Dialoges einbezogen werden. Ist noch fraglich, ob die räumliche und organisatorische Nähe zur Verwaltung die Legitimität des effektiven Rechtsschutzes und die Dialogzugewandtheit des Petenten beeinträchtigen könnte, so könnte dem durch die vorgesehenen neuen Regelungen immerhin vorgegriffen werden. Eine Legitimitätsermöglichung hätten nämlich die Regelungen zur Führung eines mediierenden Gespräches (§ 7 Abs. 2 BPolBeauftrGV), zur Anhörungspflicht der Einsenderin oder des Einsenders (§ 7 Abs. 4 BPolBeauftrGV) und zur Klarstellung, dass sich die förmliche Beanstandung auch auf unterlassene Sanktionierungen von Rechtsverstößen erstreckt (§ 6 Nr. 6 BPolBeauftrGV). Im Gesamtergebnis bietet die Distanz des Beauftragten als unechter Parlamentsbeauftragter mehr Vorteile und weniger Nachteile für die Bewertungsmaßstäbe als die Distanz des Beauftragten als echter Parlamentsbeauftragter. ee) Zusammenfassung Die Ausführungen haben deutlich gemacht, dass der eigene Vorschlag die Defizite der Gesetzentwürfe vermeidet und hierdurch den Bewertungsmaßstäben gerecht wird. Oben wurde bei den Gesetzentwürfen unter anderem herausgearbeitet,1138 dass diese Regelungen vermissen lassen, die sicherstellen, dass die Polizistinnen und Polizisten in den Arbeitsalltag des Beauftragten ausreichend einbezogen würden. Dies hätte Auswirkungen sowohl auf den demokratischen Dialog als Bewertungsmaßstab, der auch die Polizistinnen und Polizisten einbeziehen muss, als auch auf die Berücksichtigung der Cop Culture als Bewertungsmaßstab. Zugleich wurde festgestellt, dass die organisatorische und räumliche Distanz einer Zusammenarbeit von Polizistinnen und Polizisten mit dem Beauftragten entgegenstünde. Die Gesetzentwürfe sind auch insoweit defizitär, als sie keinen demokratischen Dialog unter und mit dem Beauftragten vorsehen. Der eigene Vorschlag knüpft genau an diese Defizite an. Er ist stark davon geprägt, dass die Polizistinnen und Polizisten eng mit dem Beauftragten zusammenarbeiten sollen. Dies soll durch zahlreiche Regelungen sichergestellt werden. Genannt sei etwa die Pflicht, hinsichtlich struktureller Mängel und Fehlentwicklungen 1138
Siehe hierzu etwa die Zusammenfassung unter E. II. 1. f) ee).
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E. Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt
Stellungnahmen der Polizistinnen und Polizisten einzuholen und Gespräche mit ihnen zu führen (§ 7 Abs. 3 BPolBeauftrGV), oder die Pflichten, auch bei Fehlern und Fehlverhalten in Einzelfällen die Polizistinnen und Polizisten anzuhören (§ 7 Abs. 1 BPolBeauftrGV) und ein schlichtendes Gespräch mit den Beteiligten zu führen (§ 7 Abs. 2 Satz 1 BPolBeauftrGV). Das Vertrauen zwischen dem Beauftragten und den Polizistinnen und Polizisten soll zugleich gestärkt werden; etwa dadurch, dass eine namentliche Nennung in den Abschlussberichten unterbleibt (§ 5 Abs. 6 Satz 4 BPolBeauftrGV), und dadurch, dass der Beauftragte auch entlastende Tatschen zu ermitteln hätte und die Polizistinnen und Polizisten nicht vorverurteilen dürfte (§ 7 Abs. 1 BPolBeauftrGV). All diese Regelungen würden ermöglichen, dass der Polizeibeauftragte die Cop Culture ausreichend berücksichtigt und der Polizistenperspektive zur Geltung verhilft. Zugleich würden die Polizistinnen und Polizisten hierdurch als Dialogpartner in den demokratischen Dialog einbezogen. An dieser Stelle kommt die zweite prägnante Änderung des eigenen Vorschlags ins Spiel. Der Beauftragte soll selbst einen demokratischen Dialog führen und nicht nur einen solchen anregen. Prägend hierfür ist erneut § 7 Abs. 2 BPolBeauftrGV, der auf ein Gespräch unter der Führung des Beauftragten angelegt ist. Während der Beauftragte bei den Bewertungsmaßstäben der Cop Culture und der Einbeziehung der Polizistinnen und Polizisten sowie der demokratischen Dialogermöglichung im Verhältnis zum Polizeibeauftragten der Gesetzentwürfe erstmalig die Bewertungsmaßstäbe erfüllt, steigert der Beauftragte bei den Bewertungsmaßstäben des petitionsrechtlichen Dialogs und des effektiven Rechtsschutzes die Einhaltung der Bewertungsmaßstäbe. Der petitionsrechtliche Dialog wird dadurch gesteigert, dass nun auch, ganz im Interesse von Art. 17 GG, eine Begründungspflicht der Prüfung vorgesehen ist (§ 5 Abs. 5 Satz 2 und Satz 3 BPolBeauftrGV). Beim effektiven Rechtsschutz würde durch die Regelung, dass die förmliche Beanstandung auch möglich ist, wenn eine Sanktionierung unterbliebe (§ 6 Nr. 6 Satz 1 BPolBeauftrGV), und durch die Regelung, dass die Behörde zwei Monate Zeit hätte, der Beanstandung nachzukommen (§ 6 Nr. 6 Satz 2 BPolBeauftrGV), das Interesse des Petenten an einer effektiven Rechtsschutzgewährung gesteigert. Durch die Regelung des § 7 Abs. 1 BPolBeauftrGV würde hingegen sichergestellt, dass eine unvoreingenommene Prüfung erfolgt. Dies hätte allerdings nur klarstellende Bedeutung und würde somit vor allem auf die Legitimität zielen. Bei dem schwer zu handhabenden Aspekt der Distanz würde der Beauftragte durch die verkürzte organisatorische und räumliche Distanz jedenfalls dazu beitragen, die Einbeziehungswahrscheinlichkeit der Polizistinnen und Polizisten zu steigern. Hinsichtlich der weiteren Vor- und Nachteile für die anderen Bewertungsmaßstäbe gilt auch für den Beauftragten des eigenen Vorschlages, dass sich diese erst in der Praxis zeigen können.
II. Polizeibeauftragter als Kontrollform für Polizeigewalt
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e) Sachrechtfertigung für den Beauftragten: Die Dienst- und Fachaufsicht als defizitäre Kontrollform für Polizeigewalt? Bei der Etablierung eines Beauftragten stellt sich immer die Frage nach seiner Sachrechtfertigung. Diese hängt eng mit der Frage zusammen, ob die Aufgabenerledigung durch andere Verwaltungseinheiten mangelhaft ist und ob sie durch den Beauftragten besser erfüllt werden könnte.1139 Maßgeblich ist nicht, welche Nachteile ganz allgemein bei anderen Verwaltungseinheiten bzw. Kontrollformen vorliegen. Vielmehr soll untersucht werden, ob nachteilkompensierende Vorteile nur beim Beauftragten auftreten. Spiegelbildlich hierzu ist zu fragen, ob es nicht auch erstrebenswerte Vorteile gibt, die nur bei anderen Verwaltungseinheiten auftreten. Eine Sachrechtfertigung der Etablierung eines Beauftragten kann bereits angenommen werden, wenn dessen Vorteile überwiegen. Selbst wenn festgestellt wird, dass die anderen Verwaltungseinheiten nicht (abstrakt besehen) defizitär sind und ebenfalls die erstrebenswerten Vorteile bieten, kann es ausreichend sein, dass ein Beauftragter mehr Vorteile bietet oder schlicht die Vorteile etwas besser gewährleistet. Denn es besteht kein Bestandsschutz für bestehende Kontrollverfahren. Vielmehr ist im Interesse einer bestmöglichen Aufgabenerfüllung durch den Staat1140 bereits in diesem Fall eine Sachrechtfertigung gegeben. Nachfolgend wird daher untersucht, was die Nachteile anderer Verwaltungseinheiten und was die Vorteile des Beauftragten im Verhältnis zueinander sind. Dies soll mit Blick auf die Dienst- und Fachaufsicht geschehen. Hierbei wird der Blick bewusst auf die Dienst- und Fachaufsicht als Amtsaufsicht verengt. Zwar wird die Fachaufsicht vor allem durch die Behördenaufsicht ausgeübt,1141 jedoch steckt in einer Beschwerde gegen die Art und Weise der Aufgabenerledigung im Falle von Polizeigewalt auch immer eine Beschwerde gegen den Entscheidungsinhalt. Daher ist bei einer (durch Beschwerden ausgelösten) Dienstaufsicht wegen Polizeigewalt der Entscheidungsinhalt miteinzubeziehen. Die Dienst- und die Fachaufsicht können im Fall von Polizeigewalt nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Dies ist auch insoweit sachgerecht, als der Polizeibeauftragte nach hiesigem Vorschlag bei der Fachaufsicht vor allem Aspekte der Gesetzmäßigkeit in den Blick nehmen und nur jene partiellen Elemente der Dienstaufsicht übernehmen soll, die sich mit dem Rechtsverstoß decken würden.1142 Die übliche bzw. darüber hinausgehende Dienstaufsicht des Vorgesetzten würde also neben dem Beauftragten weiterhin ausschließlich und vollkommen unabhängig bestehen bleiben. Das Problem bei der Bewertung der Dienst- und Fachaufsicht liegt darin, dass die Verfahrensausgestaltung von Behörde zu Behörde unterschiedlich ausfallen kann. Darüber hinaus ist es bereits schwierig, die Fachaufsicht allgemeingültig zu defi1139
Siehe hierzu oben D. II. 4. e) einschließlich Fn. 688. Siehe hierzu oben bei der Gewaltenteilung unter D. I. 4. b). 1141 Siehe hierzu oben D. II. 2. 1142 Siehe hierzu bereits oben E. II. 2. b) cc). 1140
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E. Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt
nieren,1143 außerdem ist der rechtliche Rahmen bei der Dienstaufsicht recht offen.1144 Da sich hier anders als bei der Bewertung des Polizeibeauftragten keine greifbaren Ausgestaltungsbeispiele heranziehen lassen, ohne dass die Ausführungen ausufern würden, fallen die nachfolgenden Ausführungen offener und genereller aus als jene zum Beauftragten. Dies ist allerdings auch ausreichend, da Gegenstand der vorliegenden Untersuchung die Beauftragten sind und das Aufgreifen der bestehenden Kontrollformen nur für einen partiellen Ausschnitt der Untersuchung, nämlich der Sachrechtfertigung der Beauftragten, von Interesse ist. Daher soll nur gezeigt werden, wo die Vorteile des Beauftragten gegenüber den typischen Ausgestaltungen der bestehenden Kontrollformen liegen, nicht hingegen, wie diese ausgestaltet werden könnten, um vorteilhafter gegenüber dem Beauftragten zu sein. Wie bereits erwähnt, darf das Merkmal der Sachrechtfertigung nicht überspannt werden. Ausreichend ist, wenn der Beauftragte Vorteile zeigt, die nur bei ihm liegen. Es ist nicht nötig, dass er sich gegenüber jeder denkbar möglichen Ausgestaltung anderer Kontrollformen behaupten könnte. Alles andere würde nämlich dem parlamentarischen Steuerungsund Gestaltungsanspruch zuwiderlaufen. aa) Kritik an der Dienst- und Fachaufsicht und Nachteile gegenüber einem Beauftragten Bevor die Dienst- und Fachaufsicht anhand der herausgearbeiteten Bewertungsmaßstäbe beurteilt wird, soll vorab, vergleichbar wie bei den Gesetzesvorhaben, noch zusätzliche Kritik aufgegriffen werden, die häufig in Bezug auf die Dienstund Fachaufsicht geäußert wird. Entsprechend dem Untersuchungszweck soll die Kritik, anders als bei der Kritik hinsichtlich der Gesetzentwürfe, nicht umfassend bewertet werden. Vielmehr soll die Kritik verdeutlichen, an welchen Stellen der Beauftragte mit seinen Vorteilen ansetzen kann. Daher werden die nachfolgenden Aspekte immer ins Verhältnis zum eigenen Vorschlag gesetzt. (1) Mangelnde Erfassung von strukturellen Mängeln und Fehlentwicklungen Das Disziplinarverfahren bzw. die Dienstaufsicht wird bei der Aufarbeitung von Polizeigewalt insbesondere wegen ihrer Unfähigkeit, strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen zu erfassen, kritisiert.1145 Der tragende Gedanke dahinter ist, dass ein bloßes Abarbeiten der Einzelfälle nicht ausreicht, da die Verantwortung für Fehler und Fehlverhalten nicht vollständig bei der handelnden Polizistin oder dem
1143
Vgl. Groß, Was bedeutet „Fachaufsicht“?, DVBl. 2002, 793 (793, 800). Feltes, Polizeiliches Fehlverhalten und Disziplinarverfahren – ein ungeliebtes Thema, Die Polizei 2012, 285 (286). 1145 Siehe etwa LT-Drs. NRW 17/6147, S. 5; Gazeas, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung des Innenausschusses des Landtags Nordrhein-Westfalen am 31. Oktober 2019, Stellungnahme 17/1869 A09, A07, S. 7. 1144
II. Polizeibeauftragter als Kontrollform für Polizeigewalt
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handelnden Polizisten liegt.1146 Die Fehler sind vielmehr häufig Ausdruck struktureller Mängel und Fehlentwicklungen.1147 Um ein abschließendes Bild darüber zu erhalten, wann, welche und wie oft „Problembeamte“ oder strukturelle Aspekte den Ausschlag geben, bedarf es einer systematischen Auswertung von Beschwerden und deren Bearbeitung.1148 Um hier ein kohärentes Bild zubekommen, liegt es nahe, Beschwerden über eine einheitliche Stelle laufen zu lassen.1149 Dies wäre bereits ein erheblicher Vorteil eines Beauftragten. Dieser wäre als einheitliche Stelle in der Lage, ein kohärentes Bild zu erhalten. Er würde gerade nicht nur für eine Dienststelle oder einen Polizeibezirk Beschwerden bearbeiten, sondern systematisch für sämtliche Beschwerden zuständig sein. Dieser Vorteil würde durch die Regelung, die eine systematische Auswertung der Beschwerden bzw. Eingaben und Hinweise anordnet (§ 1 Abs. 2 Satz 4 BPolBeauftrGV), verstärkt. Darüber hinaus wäre der Beauftragte verpflichtet, in seinem Gesamtbereich an das Innenministerium eben jene systematische Aufarbeitung aufzunehmen (§ 16 Abs. 1 Satz 2 BPolBeauftrGV). Dies würde es ermöglichen, in der Verwaltung einen Diskurs über systematische Mängel und Fehlentwicklungen auch auf der Ebene zu führen, auf welcher die weitreichenden Veränderungen eben jener Verwaltungsstrukturen eingeleitet werden könnten. Eine Weiterleitung der Ergebnisse, die im Rahmen der Dienstaufsicht festgestellt werden, an eine besondere Stelle etwa im Innenministerium, die dann hierauf gestützt eine systematische Auswertung vornimmt, würde kein gleiches, kohärentes Bild erzeugen wie die Auswertung und Weiterleitung durch den Beauftragten. Denn dieser könnte auf die eigenen unmittelbaren Wahrnehmungen zurückgreifen und eine fundierte Auswertung weiterleiten. Die von ihm weitergeleitete Auswertung hätte ein stark wertendes Element, da der Beauftragte die einzelnen Ergebnisse der Beschwerden durch seine Tätigkeit erfasst hätte und diese daher am besten bewerten könnte. Würden die Ergebnisse hingegen von einer Stelle ausgewertet, die anders als der Beauftragte die Ergebnisse nicht selbst durch ihre Tätigkeit feststellt, läge hier eine bloße statistische Auswertung vor. Sie wäre wenig hilfreich, wenn eine effektive Änderung von strukturellen Mängeln und Fehlentwicklungen und eine Dialoganregung über dieselben erfolgen soll. Denn eine effektive Änderung und ein erfolgreicher Dialog benötigen jeweils wertende Elemente – und nicht nur bloße Zahlen.
1146 Vgl. hierzu Feltes, Polizeiliches Fehlverhalten und Disziplinarverfahren – ein ungeliebtes Thema, Die Polizei 2012, 285 (289). 1147 Vgl. Feltes, Polizeiliches Fehlverhalten und Disziplinarverfahren – ein ungeliebtes Thema, Die Polizei 2012, 285 (289). 1148 Vgl. Feltes, Polizeiliches Fehlverhalten und Disziplinarverfahren – ein ungeliebtes Thema, Die Polizei 2012, 309 (310); siehe auch Brusten, Brauchen wir Polizeibeauftragte?, NK 9 (3/1997), 16 (19 f.). 1149 Vgl. hierzu Brusten, Brauchen wir Polizeibeauftragte?, NK 9 (3/1997), 16 (19 f.).
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E. Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt
(2) Komplexes und schwieriges Beziehungsgefüge zwischen Vorgesetztem und Untergebenem und sein Einfluss auf die Fehlerkultur Bereits mehrfach wurde darauf Bezug genommen, dass eine Spannungslage zwischen der Polizeikultur und der Polizistenkultur besteht.1150 Die als struktureller Mangel bzw. strukturelle Fehlentwicklung zu verstehende Fehlerkultur1151 knüpft an dieser Stelle an. Appelle an diese sind wegen der Cop Culture kritisch zu sehen,1152 jedenfalls dann, wenn beabsichtigt ist, die Fehlerkultur von oben herab zu ändern. Denn wie die Ausführungen bei der Cop Culture gezeigt haben,1153 entsteht diese induktiv und ist auf die Bewältigung des Arbeitsalltags der street cops ausgerichtet. Möchte man also die Fehlerkultur als Ausdruck eines strukturellen Mangels bzw. einer strukturellen Fehlentwicklung ändern, ist dies nicht nur deduktiv durch die Polizeikultur vorzugeben, sondern auch induktiv in der Polizistenkultur zu verankern.1154 Durch einen Blick auf das Verhältnis von Vorgesetztem und Untergebenem wird deutlich, dass eine Änderung der Fehlerkultur schwer durch die Dienst- und Fachaufsicht möglich ist. Die Fehlerkultur in der Polizei, die insbesondere vom Beförderungssystem und der Polizeiführung kommuniziert wird, zeichnet sich dadurch aus, dass Fehler nicht passieren dürfen und individuelles Versagen sind.1155 Die Polizeiführung, die dem politischen Druck ausgesetzt ist, blickt hierbei auch immer auf das nach außen abzugebende Gesamtbild der Organisation, welches nicht in Mitleidenschaft gezogen werden soll.1156 Jenes Gesamtbild wiederum ist für die street cops und die Cop Culture nicht prägend.1157 Zugleich sind die handelnden Polizistinnen und Polizisten aber von ihren Vorgesetzten dergestalt abhängig, dass ein Disziplinarverfahren für sie schlechter ausgehen kann, wenn sie in der Vergangenheit etwa weniger kooperativ bei der Wahrung des Gesamtbildes mitgewirkt haben.1158 Des Weiteren sind sie auch informellen sozialen Sanktionen ausgesetzt, 1150
Siehe hierzu insbesondere C. II. 2. b) bb) einschließlich Fn. 300. Vgl. Feltes, Polizeiliches Fehlverhalten und Disziplinarverfahren – ein ungeliebtes Thema, Die Polizei 2012, 285 (290). 1152 Vgl. Behr, Korpsgeist oder Binnenkohäsion?, Die Polizei 2010, 317 (321). 1153 Siehe hierzu C. II. 2. b) bb). 1154 In diese Richtung auch Behr, Korpsgeist oder Binnenkohäsion?, Die Polizei 2010, 317 (322), der ausführt, dass eine Forschung über die Bedingungen des Gelingens der Fehlerkultur im „Alltag des Gewaltmonopols“ nötig sei. 1155 Feltes, Polizeiliches Fehlverhalten und Disziplinarverfahren – ein ungeliebtes Thema, Die Polizei 2012, 285 (288 ff.); siehe hierzu auch Klein, Interaktionsmuster im Rahmen von Gewalthandlungen gegen und durch Polizeibeamte, in: Feltes/Fischer (Hrsg.), Polizeiliche Ausbildung und polizeiliches Handeln, 2013, S. 129 (150). 1156 Feltes, Polizeiliches Fehlverhalten und Disziplinarverfahren – ein ungeliebtes Thema, Die Polizei 2012, 285 (289). 1157 Siehe hierzu oben C. II. 2. b) bb) insbesondere Fn. 299. 1158 Feltes, Polizeiliches Fehlverhalten und Disziplinarverfahren – ein ungeliebtes Thema, Die Polizei 2012, 285 (289). 1151
II. Polizeibeauftragter als Kontrollform für Polizeigewalt
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wenn sie sich gegen Kolleginnen und Kollegen und Vorgesetzte wenden.1159 All dies führt dazu, dass eine offene Kommunikation über Fehler und den Umgang mit diesen nicht stattfindet. Hierdurch entstehen vielmehr Abschottungstendenzen der Beamtinnen und Beamten gegenüber der Führung.1160 Angezeigt wäre hier jedoch ein offener Prozess des Aufarbeitens, um aus den Fehlern zu lernen.1161 Der eigene Vorschlag eines Polizeibeauftragten stellt daher zunächst einmal darauf ab, dass die Identität der Einsenderin oder des Einsenders von Anfang an und solange vom Beauftragten geschützt würde, bis eine ausdrückliche Einwilligung für die Offenbarung der Identität vorliegt (§ 5 Abs. 3 Satz 4 BPolBeauftrGV). Dies ist mit Blick auf Art. 17 GG angezeigt, da dieser auch vor negativen Sanktionen wegen der Einlegung einer Petition schützt.1162 Die Polizistinnen und Polizisten könnten sich somit geschützt an eine polizeiexterne Stelle wenden und dadurch einen Diskurs über Fehler anstoßen. Der Beauftragte würde bei seiner Tätigkeit nicht nur auf die Fehler in Einzelfällen blicken, sondern diese zum Anlass nehmen, um Änderungsmöglichkeiten im Umgang mit strukturellen Mängeln und Fehlentwicklungen, die jene Fehler begünstigen, zu erarbeiten (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 3 BPolBeauftrGV). Dies würde dadurch gewährleistet, dass er verpflichtet wäre, Eingaben und Hinweise systematisch mit Blick auf strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen auszuwerten (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 3 und 4 BPolBeauftrGV). Hierdurch würde es möglich, Fehler nicht mehr nur als individuelles Versagen zu sehen. Durch das Wirken des Beauftragten könnte deutlich herausgestellt werden, wie oft, in welcher Situation und in welchem Ausmaß Fehler entstehen und inwieweit sie auf strukturellen Mängeln und Fehlentwicklungen beruhen. Zugleich wäre der Beauftragte verpflichtet, eng mit den Polizistinnen und Polizisten zusammenzuarbeiten,1163 dies insbesondere durch das Einholen von Stellungnahmen und das Führen von Gesprächen bei der Feststellung und Bewertung von strukturellen Mängeln und Fehlentwicklungen (§ 7 Abs. 3 BPolBeauftrGV). Dies hätte zur Folge, dass die von ihm erarbeiteten Maßstäbe und Änderungsmöglichkeiten für strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen auf einer engen Einbeziehung der Polizistinnen und Polizisten beruhen. Sie bekämen somit die realistische Chance, auch die Ebene der Cop Culture zu erreichen. Die Dienst- und Fachaufsicht ist wegen der eingangs beschriebenen Spannungslage hierzu nicht in der Lage.
1159 Feltes, Polizeiliches Fehlverhalten und Disziplinarverfahren – ein ungeliebtes Thema, Die Polizei 2012, 285 (291). 1160 Klein, Interaktionsmuster im Rahmen von Gewalthandlungen gegen und durch Polizeibeamte, in: Feltes/Fischer (Hrsg.), Polizeiliche Ausbildung und polizeiliches Handeln, 2013, S. 129 (150). 1161 Behrendes, Wechselwirkungen zwischen externer Kontrolle und interner Fehlerkultur der Polizei, Vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik 4/2013, 41 (47). 1162 Siehe oben D. III. 2. b) einschließlich Fn. 721. 1163 Siehe hierzu auch E. II. 2. d) aa).
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E. Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt
bb) Bewertung anhand der Bewertungsmaßstäbe Die Dienst- und Fachaufsicht zeigt also bereits allgemeine Probleme hinsichtlich einer sachgerechten Erfassung von Polizeigewalt. Nachfolgend soll erörtert werden, wie sich die Dienst- und Fachaufsicht zu den Bewertungsmaßstäben verhält. Die Beurteilung anhand der Bewertungsmaßstäbe wird nachfolgend insbesondere auch im Verhältnis zu dem vorgeschlagenen Polizeibeauftragten vorgenommen. Hierdurch soll die Frage nach dessen Sachrechtfertigung beantwortet werden. (1) Berücksichtigung der Cop Culture Der Bewertungsmaßstab der Änderungsmöglichkeit der Cop Culture überschneidet sich mit den obigen Ausführungen zum Verhältnis von Vorgesetztem und Untergebenem und seinem Einfluss auf die Fehlerkultur. Dieses Verhältnis führt dazu, dass die Polizistinnen und Polizisten sich dem Verfahren der Dienst- und Fachaufsicht nicht offen zu-, sondern abwenden. Dies begünstigt wiederum die Verstärkung und Abschottung der Cop Culture als identitätsstiftendes Muster.1164 Auf diese Weise ist kein effektiver Umgang mit Polizeigewalt im Rahmen der Dienst- und Fachaufsicht möglich. Ein derartiger Umgang kann nur dann vollends gelingen, wenn auch der Arbeitsalltag des Gewaltmonopols ausreichende Berücksichtigung findet. (2) Effektiver Rechtsschutz und seine Legitimitätsförderung Unbestreitbar dürfte wohl sein, dass eine unabhängige Institution, die über ausreichende Personal- und Sachmittel verfügt, eine sorgfältige Tatsachenaufklärung effektiver zu bewerkstelligen vermag. Der Beauftragte würde nicht nur über ausreichende Befugnisse zur Sachverhaltsaufklärung verfügen, wie bereits an anderer Stelle ausführlich behandelt,1165 sondern auch über eigene Beschäftigte (§ 19 Abs. 3 BPolBeauftrGV). Die Dienst- und Fachaufsicht ist hingegen (regelmäßig) nicht mit extra nur hierfür vorgesehenem Personal ausgestattet. Das Problem der Dienst- und Fachaufsicht liegt zudem darin, dass sie neben dem sonstigen Behördenbetrieb stattfindet. Das führt dazu, dass die Tatsachenaufklärung anders als beim Beauftragten nicht die ausschließliche Tätigkeit ist. Naheliegend ist es daher, dass bei der Dienst- und Fachaufsicht bisweilen die Tatsachenaufklärung zu kurz kommt. An dieser Stelle macht sich auch ein Nachteil für eine sachgerechte und umfassende Prüfung bemerkbar. Denn die durch Erfahrung erworbenen Kenntnisse für die Aufklärung und Bewertung von Beschwerden sind nur ein kleiner Teil der Berufserfahrung von Dienstvorgesetzten. Der Dienstvorgesetzte hat zudem nicht die Zeit, eine umfassende Auswertung der bisherigen Beschwerden vorzunehmen, die ihm helfen würde, 1164
Siehe hierzu C. II. 2. b) bb) einschließlich Fn. 292. Siehe hierzu die Ausführungen zu den Regelungen der Gesetzentwürfe, die unverändert übernommen wurden, unter E. II. 1. f) cc). 1165
II. Polizeibeauftragter als Kontrollform für Polizeigewalt
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künftige Beschwerden effektiver und auf einer breiten Wissensbasis gestützt zu bearbeiten. Ein hauptamtlich1166 tätiger Beauftragter hingegen würde ausschließlich Erfahrungen sammeln, die er für seine künftige Tätigkeit, namentlich Tatsachenaufklärung und Bewertung von Vorfällen, verwenden könnte. Die hierdurch eintretende Arbeitsroutine und breite Wissensbasis würden eine sachgerechte und umfassende Prüfung möglich machen. Darüber hinaus liegt es nahe, dass bei einem Beauftragten eine stärkere Unvoreingenommenheit gegeben wäre, als wenn ein Dienstvorgesetzter einen Vorfall bewerten soll. Denn dieser steht mit dem Untergebenen in einem Kollegialitätsverhältnis.1167 Eine aufgrund dessen nicht gerechtfertigte oder argumentativ schwache Abweisung einer Beschwerde kann zugleich die Legitimität bei den Bürgern schwächen.1168 (3) Dialogermöglichung Die Dienst- und Fachaufsicht ist eindeutig ungeeignet, einen demokratischen Dialog zu ermöglichen. Sie ist vielmehr auf das Abarbeiten eines individuellen Falls bezogen. Einen weitergehenden Dialog anzustoßen, ist nicht in ihrer Struktur verankert. Ein demokratischer Dialog, der einen Vorgang nicht nur abarbeitet, sondern aufarbeitet, würde voraussetzen, dass sich die Polizistinnen und Polizisten als Dialogpartner hieran beteiligten. Das aber wurde bereits oben als schwierig festgehalten. Zugleich würde der Dialog erfordern, dass die Bürgerinnen und Bürger hieran teilnehmen.1169 Denn Polizeigewalt ist, wie bereits mehrfach betont,1170 häufig die Folge eines Eskalationsprozesses.1171 Die stark formalisierte und auf Sanktionierung ausgerichtete Struktur der Dienstaufsicht kann die umfangreiche Einbindung der Bürgerinnen und Bürger und damit die Aufarbeitung des Eskalationsprozesses allerdings nicht gewährleisten.1172 Dies vermag nur ein Verfahren zu leisten, das sich von der Idee der Bestrafung entfernt und sich dem offenen Diskurs und der Ver1166
Siehe hierzu allgemein Aden, Polizeibeauftragte und Beschwerdestellen in Deutschland, Vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik 4/2013, 10 (14). 1167 Thieme, Die Dienstaufsichtsbeschwerde, DÖD 2001, 77 (78). 1168 Vgl. Thieme, Die Dienstaufsichtsbeschwerde, DÖD 2001, 77 (77). 1169 Vgl. Behrendes, Wechselwirkungen zwischen externer Kontrolle und interner Fehlerkultur der Polizei, Vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik 4/2013, 41 (47). 1170 Siehe hierzu insbesondere B. II. 1171 Vgl. Behrendes, Wechselwirkungen zwischen externer Kontrolle und interner Fehlerkultur der Polizei, Vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik 4/2013, 41 (47); Pelzer/Ostermeier, Die Kontrolle von Polizeigewalt und das Problem der Legitimität des polizeilichen Gewalteinsatzes am Beispiel des 1. Mai 2009 in Berlin Kreuzberg, Krim. Journal 43 (2011), 186 (195). 1172 Behrendes, Wechselwirkungen zwischen externer Kontrolle und interner Fehlerkultur der Polizei, Vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik 4/2013, 41 (47).
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E. Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt
haltensänderung zuwendet.1173 Die Dienstaufsicht birgt hingegen eher die Gefahr des bloßen Abarbeitens der Beschwerden. Dies ist schon deshalb naheliegend, da die Dienstaufsicht neben dem sonstigen Arbeitsbetrieb erfolgt und somit immer eine Mehrbelastung für die Vorgesetzten bedeutet. Dies führt dazu, dass es eher fernliegend ist, dass, wie im eigenen Vorschlag vorgesehen (§ 7 Abs. 2 BPolBeauftrGV), ein Streitgespräch mediiert wird. Im Vordergrund steht also nicht so sehr ein Prozess des Aufarbeitens, der dialogisch geführt die unterschiedlichen Sichtweisen aufgreift; das vorrangige Interesse ist es vielmehr zu bewerten, ob ein Fehler bzw. ein Fehlverhalten vorliegt – und nicht primär, was zu diesem Fehler bzw. Fehlverhalten geführt hat. Dass die Dienst- und Fachaufsicht neben dem normalen Behördenbetrieb stattfindet, birgt zugleich Konfliktpotential für die Petitionsfreiheit. Diese verbietet nämlich gerade eine unflexible Behandlung von Petitionen,1174 die angesichts der mit einer Beschwerde verbundenen Mehrbelastung naheliegend ist. Schwieriger zu beantworten ist hingegen die Frage nach der petitionsrechtlichen Dialogermöglichung. Durch die Dienst- oder Fachaufsichtsbeschwerde kann die Bürgerin oder der Bürger einen Dialog starten, den sie oder er unmittelbar mit zuständigen Behörden führen kann. Nimmt man zudem, wie hier vertreten, eine petitionsrechtliche Begründungspflicht an,1175 wird hierdurch der Dialogcharakter gestärkt. Möglich erscheint es daher bei der Begründungspflicht als Stellschraube nachzujustieren, um den Dialog zu stärken. (4) Vor- und Nachteile der Distanz Der Aspekt der Distanz ist bei der Dienst- und Fachaufsicht gänzlich anders gelagert als bei dem Beauftragten. Bei der Dienstaufsicht besteht eine räumliche und organisatorische Distanz grundsätzlich nicht. Die emotionale und fachliche Distanz ist zwar vorhanden, allerdings nicht sonderlich stark ausgeprägt. Die Vorgesetzten sind zwar nicht Teil der street cops, allerdings Teil der Polizeiorganisation und besitzen somit doch eine gewisse fachliche und emotionale Nähe. Dies gilt erst recht, wenn sie selbst einmal als street cops aktiv waren. Dies birgt zugleich Nachteile für die angemessene Berücksichtigung der Sicht der Bürgerinnen und Bürger. Zu bedenken ist hier nämlich, dass Organisationskulturen auf emotionaler Ebene eine Beharrungstendenz zeigen1176 und dass die Cop Culture auch eine emotionale Schicksalsgemeinschaft1177 ist. Daher ist es naheliegend, dass sich ein Vorgesetzter wegen seiner Nähe zu den Bediensteten schwertut, unvorein1173 Feltes, Polizeiliches Fehlverhalten und Disziplinarverfahren – ein ungeliebtes Thema, Die Polizei 2012, 309 (311). 1174 Siehe hierzu D. III. 3. einschließlich Fn. 744. 1175 Siehe hierzu oben D. III. 2. b). 1176 Siehe hierzu C. II. 2. a) einschließlich Fn. 259. 1177 Siehe hierzu C. II. 2. b) aa) einschließlich Fn. 280 und D. IV. 3. c).
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genommen eine Prüfung zu vollziehen. Die Nähe könnte daher den effektiven Rechtsschutz behindern. Jedenfalls dürfte die Nähe dazu beitragen, dass die Legitimität des Rechtsschutzes nicht sonderlich stark ausgeprägt ist. Die Nähe bringt allerdings nicht den Vorteil, dass hierdurch eine Berücksichtigung der Cop Culture ermöglicht wird, da bereits das Verhältnis von Vorgesetztem und Untergebenem eine hierfür destruktive Spannungslage bereithält.1178 Ähnliches gilt auch für die Dialogermöglichung hinsichtlich der Einbeziehung der Polizistinnen und Polizisten, da diese durch das schwierige Verhältnis zwischen Vorgesetztem und Untergebenem ausgebremst wird. Zugleich liegt es nahe, dass die Nähe bei der Dienstaufsicht bereits für sich genommen bei den Bürgerinnen und Bürgern eine dialogabschreckende Wirkung hervorruft.1179 (5) Zusammenfassung Die Ausführungen haben deutlich gemacht, dass die Dienst- und Fachaufsicht einige Probleme bereithält. Diese könnten aber durch Vorteile des Beauftragten vermieden werden. Besonders prägnant ist der Nachteil der Dienst- und Fachaufsicht, keine strukturellen Mängel und Fehlentwicklungen sachgerecht erfassen zu können. Ein Beauftragter, der als eine einheitliche Stelle fungieren würde, könnte hier sachgerechte und systematisch ausgewertete Impulse für einen Dialog über strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen geben. Von ähnlicher Relevanz sind die Nachteile der Dienst- und Fachaufsicht hinsichtlich des Verhältnisses von Dienstvorgesetztem und Untergebenem. Dieses komplexe und spannungsreiche Verhältnis ist eng mit dem Bewertungsmaßstab der Berücksichtigung der Cop Culture verknüpft und verhindert einen offenen Umfang mit Fehlern. Eine ausreichende Berücksichtigung der Cop Culture und eine Änderung im Umgang mit Fehlern auch innerhalb der Cop Culture ist nur dann möglich, wenn man die Polizistinnen und Polizisten aus dem Abhängigkeitsverhältnis zum Vorgesetzten löst. Hier bietet der Polizeibeauftragte einen Vorteil, der nur bei ihm bestehen würde. Er würde nämlich eng mit den Polizistinnen und Polizisten zusammenarbeiten, teils sogar anonym, ohne allerdings zugleich über ihre Beförderung entscheiden zu können. Daher würde im Verhältnis zwischen den Polizistinnen und Polizisten und dem Beauftragten kein Abhängigkeitsverhältnis bestehen, welches die Polizistinnen und Polizisten an einem offenen Umgang mit dem Beauftragten hindert. Würden bereits diese Nachteile eine Etablierung rechtfertigen, zeigt die Dienstund Fachaufsicht allerdings auch Probleme hinsichtlich der Bewertungsmaßstäbe. Neben der bereits angesprochenen Cop Culture ist der effektive Rechtsschutz nicht 1178
Siehe hierzu insbesondere E. III. 1. b). Siehe zum Problem, eine Beschwerde bei der Institution einzulegen, gegen die sich die Beschwerde richtet, ganz allgemein Aden, Polizeibeauftragte und Beschwerdestellen in Deutschland, Vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik 4/2013, 10 (11). 1179
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E. Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt
so effektiv, wie er es bei einem hauptamtlichen Beauftragten mit zusätzlichem Personal wäre. Besonders markant ist auch der Vorteil, den der Beauftragte im Verhältnis zur Dienst- und Fachaufsicht für den demokratischen Dialog bringen würde. Der Dialog ist bei der Dienst- und Fachaufsicht nämlich auf das Abarbeiten von Beschwerden gerichtet, während der Beauftragte diese auch systematisch auswerten müsste, um hierdurch den Umgang mit strukturellen Mängeln und Fehlentwicklungen zu erfassen. Zugleich soll er mediierende Gespräche führen. Im Gesamtergebnis ist festzuhalten, dass – gemessen an den Bewertungsmaßstäben und der diesbezüglichen Defizite der Dienst- und Fachaufsicht – durchaus eine Sachrechtfertigung für den Beauftragten besteht.
F. Gesamtergebnis und Thesen Die vorstehende Untersuchung hat deutlich gemacht, dass der Polizeibeauftragte der Gesetzentwürfe den ausführlich herausgearbeiteten Bewertungsmaßstäben nicht genügen kann. Zugleich bestehen auch einige verfassungsrechtliche Bedenken. Der eigene Vorschlag, der die festgestellten Fehler der Gesetzentwürfe aufgreift und vermeidet, skizziert einen Polizeibeauftragten, der als unechter Parlamentsbeauftragter bei der Verwaltung etabliert werden kann. Ein solcher wird den herausgearbeiteten Bewertungsmaßstäben gerecht und ermöglicht hierdurch, die sich aus dem normativen Rahmen des Gewaltmonopols ergebenden Anforderungen mit der Cop Culture derart in Einklang zu bringen, dass ein rechtlich und tatsächlich angemessener Umgang mit Polizeigewalt möglich wäre. Zugleich wird auch die Polizisten- und Bürgerperspektive derart ausgleichend berücksichtigt, dass weder das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Institution des Beauftragten leiden würde, noch eine pragmatische Änderung des Umgangs mit Polizeigewalt bei den handelnden Beamtinnen und Beamten ausgeschlossen wäre. Verfassungsrechtlich spricht nichts gegen die Etablierung des vorgeschlagenen Beauftragten. Für ihn lässt sich sogar eine Sachrechtfertigung ins Feld führen. Denn die Dienst- und Fachaufsicht ist nicht nur berechtigter Kritik in der Literatur ausgesetzt, sie zeigt auch eine geringe Vereinbarkeit mit den herausgearbeiteten Bewertungsmaßstäben und ist insoweit defizitär. Es spricht also viel dafür, einen Polizeibeauftragten als Verwaltungsbeauftragten zu etablieren. Die Untersuchung konnte hierbei allerdings nur die Möglichkeiten und Grenzen für diesen in der verwaltungsinternen Kontrolle aufzeigen. Ob er auch in der Praxis überzeugen kann, ist eine andere Frage. Um diese zu beantworten, bedarf es des politischen Gestaltungswillens und einer gesetzlichen Ausgestaltung, die jedenfalls vielversprechend erscheint, wenn einige wichtige Aspekte bedacht werden, die sich in dieser Untersuchung gewinnen lassen konnten. Ausgehend von den Gesetzentwürfen wurden Defizite festgestellt, die durch den eigenen Vorschlag vermieden werden sollen. Besonders zwei Defizite fallen ins Gewicht: die mangelhafte Berücksichtigung polizeinahen Wissens einschließlich der nicht vorgesehenen Zusammenarbeit mit den Polizistinnen und Polizisten und der fehlende demokratische Dialog, der unter dem Dach des Beauftragten stattfindenden sollte. Der eigene Vorschlag hält in Abgrenzung zu den Gesetzentwürfen daher vor allem viele Regelungen bereit, die sicherstellen, dass ausreichend polizeinahes Wissen zum Beauftragten gelangt und zugleich ein reger Austausch zwischen Beauftragtem und Polizistinnen und Polizisten möglich wäre. Dieser rege
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Austausch soll auch durch Plichten, die in den Gesetzentwürfen gänzlich fehlen, angeregt und abgesichert werden. Exemplarisch seien hier die Pflichten erwähnt, Gespräche mit den Polizistinnen und Polizisten zu führen, Stellungnahmen einzuholen und Polizistinnen und Polizisten anzuhören. Hierdurch soll vor allem der Cop Culture ausreichend Raum zur Berücksichtigung gegeben werden. Zugleich führt eine Zusammenarbeit und ein Austausch zwischen Beauftragtem und Polizistinnen und Polizisten dazu, dass diese Berufsgruppe als Dialogpartner des demokratischen Dialoges einbezogen würde. Dies ist der zweite prägnante defizitvermeidende Unterschied zu den Gesetzentwürfen: Der Beauftragte soll unter seinem Dach und seiner Führung einen demokratischen Dialog ermöglichen und nicht nur, wie in den Gesetzentwürfen vorgesehen, einen demokratischen Dialog anregen, der von einer anderen Institution geführt wird. Es ist insbesondere vorgesehen, dass der Beauftragte auch mediierende Gespräche führen soll. Neben diesen beiden prägnanten Defiziten, die der eigene Vorschlag vermeidet, gibt es noch zwei weitere markante Unterschiede: Zum einen soll der effektive Rechtsschutz und der petitionsrechtliche Dialog gesteigert werden, zum anderen soll die verkürzte Distanz zur Verwaltung das Einbeziehen der Polizistinnen und Polizisten ermöglichen. Letzteres soll durch die dogmatische Verschiebung des Beauftragten von einem echten Parlamentsbeauftragten zu einem unechten Parlamentsbeauftragten erreicht werden. Der effektive Rechtsschutz und der petitionsrechtliche Dialog werden vor allem dadurch verstärkt, dass der aus Art. 17 GG gewonnene Mehrwert im Gesetzesvorschlag Niederschlag gefunden hat. Nachfolgend sollen überblicksartig die wichtigsten Thesen der Arbeit dargestellt werden, die zum gerade dargelegten Ergebnis führten: 1.
Die Gesetzentwürfe für einen Bundespolizeibeauftragten berühren zwei untersuchungsbedürftige Aspekte, die es in das richtige Verhältnis zum Beauftragten zu stellen gilt: das staatliche Gewaltmonopol und die Auswirkungen der Gewaltanwendung für die Betroffenen.
2.
Das staatliche Gewaltmonopol ist von zwei Seiten her, von der normativen und von der empirischen Seite, zu betrachten. Gemeint sind damit zum einen die staatsphilosophischen und verfassungsrechtlichen Anforderungen, die an die Ausübung des Gewaltmonopols zu stellen sind, und zum anderen die empirischen Folgen der Gewaltmonopolausübung. Letztere sind eng mit der sog. Cop Culture verknüpft. Diese liefert einen induktiven Handlungsrahmen für die Ausübung des Gewaltmonopols und hat angesichts dessen eine gewisse Daseinsberechtigung.
3.
Die Perspektive der von der Gewalt betroffenen Bürger ist durch die Perspektive der Polizistinnen und Polizisten zu ergänzen. Ein Kontrollverfahren darf also nie einseitig aus der Perspektive der Bürger beleuchtet werden. Dies folgt bereits aus der Cop Culture, die aufgrund ihrer Verknüpfung mit dem Gewaltmonopol eine gewisse Daseinsberechtigung erfährt. Dies folgt allerdings zugleich auch daraus, dass die Gewaltanwendung eine Interaktion zwischen zwei Subjekten
F. Gesamtergebnis und Thesen
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ist, die daher bei der anschließenden Aufarbeitung jener Gewaltausübung gleichberechtigt einzubeziehen sind. 4.
Der Beauftragte erweist sich als eine flexible Kontrollform, die sowohl verwaltungsintern als auch verwaltungsextern etabliert werden kann. Mit Blick auf die dargelegten Zweipoligkeiten (siehe These 2 und 3) wurde untersucht, ob ein echter oder ein unechter Parlamentsbeauftragter den Kontrollgegenstand „Polizeigewalt“ besser erfassen kann.
5.
Bereits ein historischer Aufriss macht deutlich, dass das unter dem Grundgesetz im Demokratieprinzip und im Rechtsstaatsprinzip verankerte staatliche Gewaltmonopol auch komplementäre Institute hat. Gemeint sind hier Korrelate, die das Gewaltmonopol auf der Ausübungsebene rechtlich bändigen. Zwei Korrelate sind für die Ausarbeitung von Interesse: zum einen das rechtsstaatliche Korrelat des Rechtsschutzes gegen die erfolgte Gewaltmonopolausübung und zum anderen das demokratische Korrelat der Dialogermöglichung. Letzteres meint, dass ein durch die Ausübung des Gewaltmonopols zum Erliegen gekommener Diskurs wiederaufgenommen werden und nun auch auf die Gewaltausübung selbst bezogen sein muss. Gerade Letzteres ist durch ein separates Forum zu ermöglichen, damit sich der ursprüngliche Diskurs von der Gewaltausübung thematisch losgelöst wieder entfalten kann.
6.
Die Cop Culture bringt induktive Handlungsmuster hervor, die den handelnden Polizistinnen und Polizisten den Arbeitsalltag der Gewaltmonopolausübung erleichtern. Sie hat bereits deshalb eine ähnliche Berechtigung wie die normativen Folgerungen aus der Gewaltmonopolausübung. Der Umgang mit Polizeigewalt muss daher auch immer die induktive Ebene erreichen.
7.
Aus den in These 5 und 6 dargelegten Besonderheiten der Ausübung des Gewaltmonopols folgen drei Bewertungsmaßstäbe für Kontrollverfahren von Polizeigewalt: erstens der effektive Rechtsschutz und dessen Legalitätsgewährleistung und Legitimitätsförderung; zweitens die demokratische Dialogermöglichung und dessen gesamtgesellschaftliche Legitimitätsförderung und drittens die Berücksichtigung der Cop Culture einschließlich der Einbeziehung der Polizistinnen und Polizisten sowie der Legitimitätsförderung bei den Polizistinnen und Polizisten.
8.
Die Weisung wirkt wie ein roter Faden und führt die Verwaltung durch die demokratische rechtsstaatliche Verfassungsordnung. Der Beauftragte muss daher auch ins Verhältnis zur Weisung einschließlich ihrer Konnotationen mit der Verwaltung in der demokratischen rechtsstaatlichen Verfassungsordnung gesetzt werden. Die besondere Bedeutung der Weisung zeigt sich auch beim sog. ministerialfreien Raum. Dieser lässt sich in vierfacher Hinsicht rechtfertigen.
9.
Die durch einen Ist-Soll-Vergleich geprägte Kontrolle lässt sich als einen Dialog zwischen Kontrollobjekt und Kontrollsubjekt begreifen. Wie dieser genau aussieht, was also die genaue Kontrollform ist, wird vor allem anhand der
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F. Gesamtergebnis und Thesen
Kontrollparameter bestimmt. Die Untersuchung befasst sich mit den Kontrollparametern der Selbst- und Fremdkontrolle, der vorherigen, begleitenden und nachträglichen Kontrolle sowie der Recht- und Zweckmäßigkeitskontrolle. 10. Eine Fremdkontrolle liegt vor, wenn ein institutionell verselbständigtes Organ die Kontrolle ausübt. In diesem Fall liegt eine gewaltenteilige Distanz vor, die hinsichtlich ihrer Facetten der Emotionalität, der Fachlichkeit, der Räumlichkeit und der Organisation regelmäßig stark ausgeprägt ist. Hingegen muss die emotionale, fachliche, räumliche und organisatorische Distanz bei der Selbstkontrolle stets feinkörnig austariert werden. 11. Bei den Parlamentsbeauftragten lässt sich zwischen echten und unechten Parlamentsbeauftragten unterscheiden. Letztere sind wie die Verwaltungsbeauftragten zu behandeln, da sie im Exekutivbereich tätig und einem Exekutivorgan zugeordnet sind. Die parlamentarische Wahl gibt ihnen nur eine verstärkte personell-organisatorische Legitimation. Die echten Parlamentsbeauftragten sind hingegen im parlamentarischen Funktionskreis als Hilfsorgan des Parlaments tätig. 12. Beauftragte erscheinen als verwaltungsinterne Fremdkontrolleure und sind gewissermaßen zwischen Selbst- und Fremdkontrolle angesiedelt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sie eine Sonderstellung innehaben, die zu einer vergleichbaren Distanz führt wie bei den (typischen) Fremdkontrolleuren. 13. Wird ein Kontrollverfahren durch den Bürger ausgelöst, ist Art. 17 GG zu beachten. Er erfordert einen effektiven Rechtsschutz. Dieser wird erfüllt, wenn eine sorgfältige Tatsachenaufklärung und eine umfangreiche, sachgerechte, unvoreingenommene und diskriminierungsfreie Prüfung der Petition erfolgt. Zugleich ist Art. 17 GG ein Kommunikationsgrundrecht und erfordert unter anderem deshalb eine Begründungspflicht der Ergebnisse der Prüfung. 14. Aus den Thesen 10 und 13 ergeben sich weitere Bewertungsmaßstäbe. Die Bewertungsmaßstäbe, die aus der Verwaltungskontrolle folgen, haben teils auch eine Konkretisierungsfunktion für die anderen Bewertungsmaßstäbe: So wird durch Art. 17 GG vorgegeben, wie der vom Gewaltmonopol geforderte Rechtsschutz aussehen muss. Neu sind hingegen das Erfordernis des petitionsrechtlichen Dialoges und die Distanz als Stellschraube zwischen Selbst- und Fremdkontrolle. Die Distanz baut hierbei auf den bisherigen Bewertungsmaßstäben auf. Bei ihr ist zu fragen, ob sich durch die räumliche, organisatorische, fachliche und emotionale Distanz mehr Vor- oder mehr Nachteile für die anderen Bewertungsmaßstäbe ergeben. 15. Die ausführliche Behandlung der Gesetzentwürfe, insbesondere anhand der Bewertungsmaßstäbe, ermöglicht es, ein dogmatisches Gerüst zu gewinnen, das dabei hilft, einen Polizeibeauftragten als unechten Parlamentsbeauftragten zu entwerfen.
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16. Der Beauftragte der Gesetzentwürfe ist hinsichtlich der Bewertungsmaßstäbe gleich in mehrfacher Hinsicht defizitär. Zunächst fällt markant ins Gewicht, dass Regelungen fehlen, die sicherstellen, dass ausreichend polizeinahes Wissen berücksichtigt würde. Der Beauftragte würde die Polizistenperspektive und die Cop Culture nicht ausreichend berücksichtigen. Dies schlägt auch auf den Bewertungsmaßstab der demokratischen Dialogermöglichung durch. Die Polizistinnen und Polizisten wären als Dialogpartner unterrepräsentiert. Zugleich würde der Beauftragte keinen demokratischen Dialog unter seinem Dach führen, sondern lediglich einen parlamentsinternen oder medialen bzw. öffentlichen Dialog anregen. Der Beauftragte der Gesetzentwürfe würde allerdings den Bewertungsmaßstäben des effektiven Rechtsschutzes und der petitionsrechtlichen Dialogermöglichung gerecht werden. Hier bestünde allerdings Optimierungsbedarf mit Blick auf Art. 17 GG. Hinsichtlich der Vor- und Nachteile der Distanz zeigt sich ein facettenreiches Bild. Jedenfalls für die Berücksichtigung der Cop Culture und der Einbeziehung der Polizistinnen und Polizisten ist die vorgesehene Distanz nachteilig. 17. Der eigene Vorschlag für einen Bundespolizeibeauftragten führt vor allem zu Verschiebungen von drei relevanten Kontrollparametern: Der Beauftragte soll als Kontrolleur der verwaltungsinternen Selbstkontrolle eine nachträgliche Kontrolle anhand von Rechtsmaßstäben vornehmen. 18. Der eigene Vorschlag für einen Bundespolizeibeauftragten vermeidet die Defizite der Gesetzentwürfe und genügt den Bewertungsmaßstäben. Der Vorschlag ist stark davon geprägt, die Polizistinnen und Polizisten einzubeziehen und eine Zusammenarbeit mit dem Beauftragten zu ermöglichen. Hierdurch würde nicht nur dem Bewertungsmaßstab der Berücksichtigung der Cop Culture Genüge getan, sondern auch dem des demokratischen Dialogs. Des Weiteren ist der eigene Vorschlag stark davon geprägt, dass der Beauftragte einen demokratischen Dialog unter seinem Dach ermöglichte und somit dem Bewertungsmaßstab der demokratischen Dialogermöglichung entspräche. Auch hinsichtlich der Distanz bietet der eigene Vorschlag Vorteile. Vor allem würde die abgeschwächte Distanz die Wahrscheinlichkeit steigern, dass sich die Polizistinnen und Polizisten dem Beauftragten zuwenden. Hinsichtlich der Bewertungsmaßstäbe des effektiven Rechtsschutzes und der petitionsrechtlichen Dialogermöglichung optimiert der eigene Vorschlag die Einhaltung dieser Maßstäbe. 19. Zugleich bestünde auch eine Sachrechtfertigung für den Beauftragten. Denn die bestehende Dienst- und Fachaufsicht zeigt Mängel, die durch Vorteile des Beauftragten ausgeglichen werden könnten. Dies gilt vor allem für die demokratische Dialogermöglichung und die Berücksichtigung der Cop Culture. Letzteres ist bereits aufgrund der Spannungslage und Abhängigkeit zwischen Vorgesetztem und Bedienstetem nicht möglich. Die Struktur der Dienst- und Fachaufsicht ist zudem nicht darauf ausgerichtet, einen demokratischen Dialog zu führen.
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Stichwortverzeichnis Beauftragte 18 ff., 23, 26 ff., 67, 70, 74 ff., 79, 83, 85, 89 ff., 102 ff., 113, 121, 126 f., 129 ff., 140, 142 f., 148, 150 f., 153, 155 f., 158 ff., 190 ff., 217 ff., 223 – Bundespolizeibeauftragter 127, 141, 182 ff. – Datenschutzbeauftragter 142, 147 ff., 158 – Gleichstellungsbeauftragter 106 – Parlamentsbeauftragter siehe Parlamentsbeauftragte – Polizeibeauftragter siehe Polizeibeauftragte – Verwaltungsbeauftragter siehe Verwaltungsbeauftragte – Wehrbeauftragter 138 f., 142 ff., 149, 153, 158 Begründung 115 ff., 125, 130, 133, 206 – begründungsbedürftig 33, 75, 155 Begründungspflicht 117, 119 f., 169, 172, 181, 194, 206, 212, 220, 226 Bescheidung 115 Beschwerde 101, 112 f., 117, 126 f., 129, 139, 163, 169 f., 180, 192, 207, 213, 215, 218 ff. Bewertungsmaßstäbe 21 f., 26, 28, 33, 40, 54, 62 f., 67, 96, 109, 118 ff., 123 ff., 135, 142 f., 161, 173, 181, 191, 202, 211 f., 214, 218, 221, 225 ff. Bitte 63, 111 ff., 117, 119, 125 ff. Cop Culture 22 ff., 37, 44, 56, 57 ff., 65 ff., 120 f., 123 ff., 161 ff., 173, 176, 179 ff., 202 ff., 208 ff., 216 ff., 220 f., 223 ff. Charakter 27, 55, 114, 169 Demokratie 40, 46, 51, 74, 81, 99, 116 Dialog 65 f., 91, 119 f., 125, 163, 167 ff., 178, 181, 203 ff., 215, 219 ff., 225 – demokratischer 64 f., 119, 167 ff., 178 ff., 204 f., 211 f., 215, 222 ff., 227
– öffentlicher 180, 227 – parlamentsinterner 168, 178, 206 – petitionsrechtlicher 125, 168 ff., 177, 179, 206, 210, 212, 224 Dialogermöglichung 62, 64 f., 119, 123, 167, 173, 177, 204, 210, 219, 221, 225 – demokratische 64, 123 ff., 167, 169, 177, 180, 204 f., 212, 225, 227 – petitionsrechtliche 119, 125, 169, 206, 220, 227 Dienstaufsicht 74, 98 ff., 107 ff., 118, 121, 126, 128, 133 f., 141, 150, 165, 190, 192, 213 ff., 223, 227 Dienstaufsichtsbeschwerde 101 f., 110 f., 130, 137, 141, 220 Distanz 27, 91 ff., 105 f., 109, 119, 120 f., 123, 125 f., 173 ff., 190, 208 ff., 220, 224, 226 f. Fachaufsicht 98 ff., 109 f., 118, 121, 126, 141, 213 f., 216 ff., 223, 227 Fachaufsichtsbeschwerde 101, 110 f., 141, 220 Fehlentwicklung 66, 128, 131, 133 ff., 140, 142, 148 ff., 155, 159 ff., 163, 165 f., 173, 175, 179 ff., 191, 193 ff., 201 f., 204 f., 211, 214 ff., 221 f. Fehler 22, 24 f., 38 f., 96, 128, 131, 133 f., 137, 148, 152, 155 ff., 159 ff., 163, 165 ff., 173, 175 f., 179, 182 ff., 191 ff., 195 ff., 200 f., 203, 205, 207, 212, 214 ff., 220 ff. – Behebung 138, 141 – Beseitigung 128, 133, 136 f., 139 – Kultur 62, 66, 138, 216, 218 Fehlverhalten 24 f., 38, 108, 128, 131, 133 f., 139, 141, 145, 148, 152, 155 f., 159 ff., 163, 165 f., 173, 175 f., 179, 182 ff., 191 ff., 195 ff., 200 f., 203, 205, 207, 212, 214, 220
Stichwortverzeichnis
241
Gewalt 17 f., 20 f., 23, 26, 28 ff., 34 ff., 41, 43, 45 ff., 51 ff., 55, 57 f., 63 f., 69, 79, 86, 123 f., 150 f., 224 Gewaltenteilung 54, 72, 74, 79, 85 ff., 93 f., 135, 140, 147, 149 ff., 160 f., 176 f., 195 f., 200 f., 210 Gewaltmonopol 18, 23, 26 f., 41 f., 43 ff., 58, 62 ff., 67, 103, 118 f., 123 f., 130, 133, 138, 158, 161, 164, 170, 224 ff.
– Erodierung 35 – Förderung 22, 63 ff., 124, 170, 172, 207, 218, 225 – Möglichkeit 210
Hierarchie 158 – Polizeihierarchie 25, 92, 191, 208 – Verwaltungshierarchie 105, 110, 190
Parlament 17, 19 f., 25, 73 f., 76 f., 80 ff., 88 f., 94, 99, 104, 107 f., 126 f., 132 f., 145, 149 ff., 168, 174, 178, 189 f., 194 ff., 205 f., 209 ff. Parlamentsbeauftragte 19 f., 104, 126, 175 – echte 19 f., 26, 104, 110, 126 f., 189, 194 ff., 201, 204, 206, 209 ff., 224, 226 – unechte 19 f., 26, 104, 107, 110, 126 f., 143, 182, 194 ff., 201, 224, 226 Petition 111 f., 114 f., 117, 119, 172, 178, 207, 217, 226 Petitionsfreiheit 110, 112, 118 f., 125, 192, 220 Pflicht 49, 185 f., 192 f., 203, 206 f., 210 f. – pflichtengebunden 192 – pflichtengemäß 129, 131, 162, 183, 186 Polizeibeauftragte 17 ff., 20, 24 f., 39 f., 62, 102, 104, 126 ff., 137, 140 f., 143 ff., 155 ff., 168, 170 ff., 180 ff., 184 f., 188 ff., 194 f., 197 f., 200 ff., 206, 208, 210, 212 ff., 217 f., 221, 223, 226 Polizeibegriff 30 ff., 54 Polizeigewalt 17 ff., 28 ff., 43 f., 54, 62 ff., 66 f., 85, 90, 93, 103, 110, 118, 121, 123 ff., 128, 135, 151 f., 159, 161, 164 f., 169, 187, 194, 203, 205, 213 f., 218 f., 223, 225 Prüfung 91, 94, 114 f., 117, 119, 125, 170 ff., 176 f., 179, 181, 207, 209, 212, 218 f., 221, 226 – Ergebnis 116, 206 – unvoreingenommene siehe Unvoreingenommen
Kommunikation 37, 51 f., 64 f., 116, 169, 172, 206, 217 Kommunikationsgrundrecht 115, 118 f., 125, 226 Kommunikationsprozess 46, 53, 115 Kontrolle 18 f., 21 ff., 28, 32, 35, 38 ff., 43, 54, 63 f., 67, 80, 87, 90 ff., 103, 108 ff., 113, 119, 121, 123, 126, 134 f., 144 ff., 149, 152 ff., 157 ff., 177, 190 ff., 225 ff. – Fremdkontrolle 27, 91 ff., 105 f., 109 f., 120, 126, 134, 173 f., 181, 190, 226 – Selbstkontrolle 91 ff., 97 f., 101, 105 f., 109 f., 119 ff., 125 f., 130, 158, 173, 190, 208, 226 f. Legalität 21, 25, 28, 32 ff., 41, 64, 124, 170, 173 – Gewährleistung 22, 33, 63, 207, 225 – Gewährung 22, 170, 172 f. – Sicherung 22 – Vermutung 37 Legitimation 70, 71 ff., 89, 99, 103 f., 106 ff. – demokratische 20, 70 ff., 89, 104, 106 ff., 156, 195, 197 – funktionell-institutionelle 72 – gelockerte 70 – personell-organisatorische 73, 76 f., 89, 107 f., 197 ff., 226 – sachlich-inhaltliche 72 ff., 107, 194 f., 197 ff., 202 Legitimität 21 f., 25, 27 f., 32 ff., 64 f., 121, 124 f., 210 ff., 219, 221 – Ermöglichung 33, 124, 173, 209, 211
Neues Steuerungsmodell Normenhierarchie 80 NSM 157 ff.
156 f.
Rechte 45, 64, 141, 165, 170, 186, 203 Rechtfertigung 29 f., 34, 41, 52, 71, 77 f., 89, 103 f., 107 ff., 139, 197, 200 Rechtsfigur 19, 102
242
Stichwortverzeichnis
Rechtsschutz 115, 117 ff., 150, 226 – effektiver 32, 62 ff., 115, 117 ff., 123 ff., 170 ff., 176, 207, 209 f., 212, 218, 221, 224 ff. Rechtsstaat 22, 46, 78 f. Staat 33, 35, 41, 44, 46, 49 f., 53, 57, 78, 82 Staatsgewalt 29, 32 f., 64, 71, 73, 76, 87, 154 Street cops 38, 59, 163, 167, 180, 216, 220 Übergriff 24, 37, 49, 60, 182 Untersuchung 17 f., 20 f., 23, 25 f., 28 ff., 39, 43, 53, 58, 82 f., 85, 89, 91, 101, 103, 110, 121, 125 ff., 132, 142, 164, 166, 168 f., 182, 193, 206, 214, 223, 226 Unvoreingenommen 94, 207, 219 – Kontrolle 121 – Prüfung 94, 114 f., 117, 119, 121, 125, 170 ff., 177, 179, 207, 209, 212, 226 Verantwortung 73 f., 77, 87, 89, 99, 106 f., 149, 153 ff., 194, 196, 198, 214 Vertrauen 40, 116 f., 121, 127 f., 130, 137 ff., 142, 161, 165, 177, 212, 223 Vertrauensbeziehung 116 ff., 206 Verwaltung 19, 25, 54, 58, 67 ff., 73 ff., 77 ff., 84 ff., 88 ff., 92, 94, 99, 103 ff., 109, 121, 123, 125 f., 134 f., 138, 150 ff., 155,
157, 174, 189 f., 194 f., 198, 200 f., 208 ff., 211, 215, 223 ff. – verwaltungsextern 19, 92, 225 – verwaltungsintern 19 f., 25, 74, 92, 97 f., 105 f., 119, 123, 126, 175, 182, 190, 193, 200, 223, 225 ff. Verwaltungsbeauftragte 20, 67, 85, 103 ff., 181, 189, 195, 200 f., 208 f., 223, 226 Verwaltungskontrolle 19, 21 f., 25 f., 28, 67, 86, 90 ff., 96, 102 f., 109, 110, 118, 121, 125, 134, 157, 192, 201, 226 Verwaltungswissenschaft 26 f. Vorbehalt des Gesetzes 79, 81 ff., 89, 106, 110, 200 f. Vorrang des Gesetzes 79 f., 89, 107, 198 f.
Wahl 20, 76, 104, 107, 110, 129, 131, 175, 177 f., 181 ff., 189, 194, 202, 208, 226 Weisung 70, 74 f., 89, 99, 145, 148, 155, 194, 196, 225 – weisungsfrei 75, 84, 89, 106 f., 110, 128 f., 131, 133, 147, 190, 195, 197, 200, 208 Weisungsfreiheit 110, 190 f., 194, 196 ff., 200, 202 Weisungsgebundenheit 74, 77, 89, 99, 198 Wesentlichkeit 82, 88 Wesentlichkeitstheorie 81 ff., 85, 88 f.