Methoden des internationalen Einheitsrechts 9783161579257, 3161482980

Das staatsvertragliche Einheitsrecht und das europäische Gemeinschaftsrecht haben das nationale Recht in vielen Feldern

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Titel
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
A. Internationalisierung des Rechts
I. Staatsverträge und EG-Recht
II. Situation im Kaufrecht insbesondere
III. Zukunftsperspektiven
B. Auswirkungen auf die allgemeine Methodenlehre
C. Gang der Untersuchung
1. Teil: Grundlagen
1. Kapitel: Begriff des „internationalen Einheitsrechts“
A. Überblick
B. Recht
C. International einheitliche Geltung
D. Rechtliche Bindung der beteiligten Staaten
E. Irrelevanz der Zuordnung zum Völkerrecht bzw. zum nationalen Recht
2. Kapitel: Regelungszwecke des internationalen Einheitsrechts
A. Einleitung
B. Rechtsvereinfachung und Rechtssicherheit
I. Einleitung
II. Vermeidung kollisionsrechtlicher Anknüpfungsprobleme und der Anwendung ausländischen Rechts
1) Probleme bei der kollisionsrechtlichen Anknüpfung
a) Anwendung des heimischen Kollisionsrechts
b) Rück- und Weiterverweisung
c) Vorfragen, Eingriffsnormen, ordre public
d) Zwischenergebnis
2) Probleme bei der Anwendung ausländischen Sachrechts
a) Überforderung der Gerichte
aa) Beschreibung der praktischen Schwierigkeiten
bb) „Fakultatives Kollisionsrecht“ als Verlegenheitslösung
b) Die praktischen Schwierigkeiten aus vorprozessualer Sicht der Parteien
3) Vereinfachung durch das internationale Einheitsrecht
III. Verhältnis zur Rechtsanwendungsvereinfachung durch die „lex mercatoria“ und zur Rechtswahl
1) Lex mercatoria
2) Rechtswahl
IV. Zusammenfassung und methodische Implikationen
C. Verwirklichung des Gleichheitssatzes
I. Willkürlichkeit bei der Bestimmung der maßgeblichen nationalen Rechtsordnung durch das Kollisionsrecht
1) Das Fehlschlagen des engsten Bezugs als Anknüpfungsprinzip
2) Die Alternativanknüpfung als Verlegenheitslösung
3) Gleichbehandlung durch das internationale Einheitsrecht
II. Herstellung eines internationalen Entscheidungseinklangs i.e.S
1) Folgen der Anwendung unterschiedlichen materiellen Rechts auf ein Rechtsverhältnis
2) Folgen der Anwendung unterschiedlichen Prozessrechts
III. Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen
IV. Zusammenfassung und methodische Implikationen
D. Effektivität des internationalen Einheitsrechts
I. Der Aspekt des größeren räumlichen Anwendungsbereichs
II. Zusammenfassung und methodische Implikationen
2. Teil: Methodische Lehren
1. Abschnitt: Methodische Leitprinzipien
3. Kapitel: Autonomie der Methodenlehre
A. Gang der Darstellung
B. Einordnung des internationalen Einheitsrechts in das rechtliche Gesamtsystem
I. Überblick über den Meinungsstand
II. Unabhängigkeit von den nationalen Methodenlehren
III. Unabhängigkeit von den methodischen Aussagen der Völkerrechtslehre
1) Allgemeines Völkerrecht
2) Das europäische Gemeinschaftsrecht als Sonderrechtsmaterie
IV. Nationale Methodenlehren und die Methodenlehre des Völkerrechts als Erkenntnisquellen und Orientierungshilfen
4. Kapitel: Leitprinzipien und Hilfsmittel
A. Rechtseinfachheit und -einheit als Leitprinzipien
B. Die Rolle der Rechtsvergleichung als Hilfsmittel
I. Funktion als Erkenntnisquelle
II. Funktion als eigenständiges methodisches Anwendungskriterium
C. Notwendige Differenzierungen
2. Abschnitt: Einzelgegenstände der Methodenlehre des internationalen Einheitsrechts
5. Kapitel: Auslegung
A. Überblick
B. Die Autonomie der Auslegungsmethode
I. Loslösung von nationalen Auslegungslehren
II. Beachtung des „juristischen Vorverständnisses“
III. Differenzierung zwischen autonomer Auslegung und Auslegungsergebnis
1) Ablehnung einer ergebnisbezogenen Betrachtungsweise
2) Verweisungen auf das nationale Recht
C. Ziel der Auslegung
I. Einleitung
II. Überblick über das nationale Recht und das Völkervertragsrecht
1) Deutscher Rechtskreis
2) Romanischer Rechtskreis
3) Anglo-amerikanischer Rechtskreis
a) Englisches Recht
b) US-amerikanisches Recht
4) Völkerrecht
III. Leitprinzipien für das internationale Einheitsrecht
1) Konsensfähige Ansätze
2) Bedeutung der Leitprinzipien der Rechtseinfachheit und -einheit
D. Auslegungskriterien
I. Einleitung
II. Relevanz der Auslegungskriterien
1) Kritik in der nationalen Methodenlehre
2) Bewertung aus der Sicht des internationalen Einheitsrechts
III. Systematisierung der Auslegungskriterien
1) Betrachtung der nationalen Methodenlehren
2) Entscheidung im Rahmen des internationalen Einheitsrechts
IV. Relevanz kodifizierter Auslegungsgrundsätze
1) Einleitung
2) Art. 7 CISG
3) Wiener Vertragsrechtskonvention
a) Meinungsstand
b) Stellungnahme
aa) Anwendbarkeit
bb) Praktische Aussagekraft der Konvention
V. Grammatische Auslegung
1) Feststellung eines besonderen Sprachgebrauchs im internationalen Einheitsrecht
a) Überblick
b) Fallgruppen
c) Lösungsansätze
2) Auslegung normativer Begriffe, Generalklauseln
a) Problemstellung
b) Lösungsansätze
c) Abgrenzung zur Lückenfüllung
3) Auslegung mehrsprachiger Regelungswerke
a) Grammatische Auslegung bei Divergenzen zwischen den einzelnen Texten
aa) Problemstellung
bb) Lösungsschritte
aaa) Feststellung der maßgeblichen Texte
bbb) Ablehnung von Art. 33 Abs. 3 der Wiener Vertragsrechtskonvention
ccc) Keine Beschränkung auf eine „Minimalübereinstimmung“ zwischen einzelnen Texten
ddd) Bevorzugte Anwendung einzelner Texte aus Gründen der Entstehungsgeschichte
eee) Weitere „Kollisionsregeln“ für divergierende Texte
b) Relevanz von nicht authentischen Textversionen
VI. Systematische Auslegung
1) Systematische Auslegung innerhalb eines Regelungssystems
a) Prinzipielle Anwendbarkeit systematischer Argumente
b) Besondere systematische Vermutungsregeln
aa) Die Vermutungsregeln „eiusdem generis“ und „espresso unius est exclusio alterius“
bb) Keine Übertragbarkeit auf das internationale Einheitsrecht
2) Systematische Auslegung im Verhältnis einzelner Regelungsakte zueinander
a) Kriterium der „Aufeinanderbezogenheit“
b) Anwendungsfälle
aa) Mehrere Regelungssysteme eines Regelungsgebers
bb) Mehrere Regelungssysteme verschiedener Regelungsgeber
VII. Historische Auslegung
1) Bedeutung im nationalen Recht
a) Ausgewählte kontinentaleuropäische und skandinavische Rechtsordnungen
b) Anglo-amerikanischer Rechtskreis
aa) Englisches Recht
bb) US-amerikanisches Recht
2) Bedeutung im internationalen Einheitsrecht
3) Gesetzesmaterialien
a) Sekundäres Gemeinschaftsrecht
aa) Begründungen und Stellungnahmen
bb) Protokollerklärungen
aaa) Publikationserfordernis
bbb) Erklärungen der Mitgliedstaaten insbesondere
b) Staatsvertragliches Einheitsrecht
4) Berücksichtigung vorangegangener Regelungsakte und Entwürfe
VIII. Teleologische Auslegung
1) Einleitung
2) Subjektiv-teleologische Auslegung
3) Objektiv-teleologische Auslegung
IX. Rechtsvergleichende Auslegung
1) Einleitung
2) Rechtsvergleichung in Verbindung mit den klassischen Auslegungskriterien
a) Entstehungsgeschichte und übereinstimmendes nationales Recht
b) Übernahme bestimmter nationaler Regelungen
c) Kompromiss zwischen einzelnen nationalen Regelungen
d) Bewusste Abweichung vom nationalen Recht
3) Rechtsvergleichung als eigenständiges objektives Auslegungskriterium
a) Bedeutung im nationalen Recht
b) Bedeutung im internationalen Einheitsrecht
aa) Grundsätzliche Diskussion
bb) Anwendungsfelder
cc) „Materiellrechtliche Grundbegriffe“ insbesondere
E. Gewichtung der Auslegungskriterien
I. Verhältnis der klassischen kontinentaleuropäischen Auslegungskriterien zueinander
1) Übersicht über einige nationale Auslegungslehren
a) Diskussionsstand in Deutschland
b) Diskussionsstand in England und den Vereinigten Staaten
c) Diskussionsstand in den romanischen Rechtsordnungen
2) Die Problematik im internationalen Einheitsrecht
a) Notwendigkeit eines autonomen Verständnisses
b) Kein Vorrang des Wortlautkriteriums
c) Vorrangregeln im Übrigen
d) Flexible Einzelfallbetrachtung
II. Stellung der rechtsvergleichenden Auslegung
F. Zusammenfassung
6. Kapitel: Normenkonkurrenz
A. Überblick
B. Normenkonkurrenz zwischen dem internationalen Einheitsrecht und dem nationalen Recht
I. Methodischer Ausgangspunkt
1) Normenhierarchische Betrachtungen
a) EG-Verordnungsrecht und nationales Recht
b) Staatsvertragliches Einheitsrecht und nationales Recht
2) Eigener methodischer Ansatz
II. Konkretisierung des Vorrangkriteriums
1) Differenzierung zwischen kodifizierten und unkodifizierten Normenkonkurrenzregeln
2) Kodifizierte Normenkonkurrenzregeln
3) Ungeschriebene Normenkonkurrenzregeln
a) Grundsatz: Verdrängung funktionsgleicher Bestimmungen des nationalen Rechts
b) Anwendung von Qualifikationsmaßstäben
c) Bedeutung von Rechtsvergleichung und Entstehungsgeschichte
d) Konkurrenz mit wesensverschiedenen Normen und Rechtsinstituten
e) Normen außerhalb des sachlichen Anwendungsbereichs
4) Keine Präjudizialität von Konkurrenzentscheidungen innerhalb des nationalen Rechts
a) Kumulative Anwendbarkeit bestimmter Normen innerhalb des nationalen Rechts
b) Verdrängung bestimmter Normen innerhalb des nationalen Rechts
5) Irrelevanz einzelner Aussagen der nationalen Normenkonkurrenzlehren
C. Normenkonkurrenz auf der Ebene des internationalen Einheitsrechts
I. Einleitung
II. Normenkonkurrenz innerhalb eines Regelungsakts
III. Normenkonkurrenz zwischen einzelnen Regelungssystemen des internationalen Einheitsrechts
1) Verschiedene Regelungsakte desselben Regelungsgebers
2) Unterschiedliche Regelungsgeber
a) Harmonisierbare Aussagen der einzelnen Regelungsakte
b) Fehlende oder sich inhaltlich widersprechende Aussagen
D. Zusammenfassung
7. Kapitel: Angleichungslehre
A. Einleitung
I. Grenzen der Normenkonkurrenzlösung
II. Verwendbarkeit der internationalprivatrechtlichen Angleichungsgrundsätze
1) Problemlage
2) Umfang und Gang der Darstellung
B. Angleichungsgrundsätze im Verhältnis des internationalen Einheitsrechts zum nationalen Recht
I. Voraussetzungen
1) Nationales Recht
2) Internationales Einheitsrecht
II. Durchführung der Angleichung
1) Nationales Recht
2) Internationales Einheitsrecht
C. Wertungswidersprüche zwischen einzelnen Regelungsakten des internationalen Einheitsrechts
D. Verhältnis zwischen Normenkonkurrenz und Angleichungslehre
E. Zusammenfassung
8. Kapitel: Richterliche Rechtsfortbildung
A. Einleitung
B. Ausfüllung von Normierungslücken (gesetzesimmanente Rechtsfortbildung)
I. Methodische Grundlagen
1) Methodischer Grundsatz: Kompetenz zur Schließung der Lücke auf der Ebene des internationalen Einheitsrechts
2) Begriff der Regelungslücke
a) Lückenbegriff im nationalen Recht
b) Lückenbegriff im internationalen Einheitsrecht
aa) Bewusste Unvollständigkeit des Einheitsrahmenrechts
bb) Unterscheidung zwischen dem sachlichen Anwendungsbereich und der internen Lücke
aaa) Staatsvertragliches Einheitsrecht
bbb) Europäisches Gemeinschaftsrecht
II. Ausfüllung der Lücken
1) „Autonome“ Lückenschließung durch Anwendung internationalen Einheitsrechts
a) Vorrangige Methoden der Lückenschließung
aa) Analogie, argumentum a fortiori und argumentum e contrario
bb) Ausgestaltung im internationalen Einheitsrecht
cc) Gewichtung der Argumentationsformen
b) Rückgriff auf die „allgemeinen Grundsätze“
c) Rechtsvergleichung
aa) Grundsätzliche Gebotenheit einer rechtsvergleichenden Betrachtung
bb) Bedeutung der Rechtsvergleichung im Einzelnen
d) UNIDROIT- und Lando-Prinzipien
aa) Bedeutung de lege lata
bb) Bedeutung de lege ferenda
2) Rückgriff auf nationales Recht
a) Anwendung nationalen Rechts als „ultima ratio“ der Lückenfüllung
b) Anwendung von Kollisionsnormen des internationalen Einheitsrechts
c) Anwendung des Kollisionsrechts der lex fori
d) Anwendung des Sachrechts der lex fori
III. Zusammenfassung
C. Gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung
I. Einleitung
II. Gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung im nationalen Recht
1) Deutscher Rechtskreis
2) Französisches Recht
3) Englisches Recht
III. Lösungsansätze im internationalen Einheitsrecht
1) Notwendigkeit eigenständiger methodischer Grundsätze
2) Differenzierungen zwischen internationalen (supranationalen) und nationalen Gerichten
IV. Die gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung durch den EuGH
1) Grundsätzliche Kompetenz nach dem EG-Vertrag
2) Methodische Leitprinzipien
a) Äußere Grenzen
b) Das Kriterium der internationalen Akzeptanz insbesondere
V. Rechtsfortbildung durch nationale Gerichte
VI. Zusammenfassung
9. Kapitel: Relevanz der Rechtsprechung internationaler und ausländischer Gerichte
A. Einleitung
B. Innerstaatlich-autonomes Recht
I. Rechtliche Bindungswirkung
II. Faktische Wirkung
1) Überblick
2) Praktische Bedeutung der Annahme einer rechtlichen Bindungswirkung
C. Internationales Einheitsrecht
I. Rechtliche Bindungswirkung
1) Bindungswirkung von Entscheidungen des EuGH
2) Bindungswirkung im Übrigen
a) Vorschläge
b) Bewertung
II. Faktische Wirkung
D. Zusammenfassung
10. Kapitel: Konsequenzen für die Rechtssetzung
A. Einleitung
B. Begriffsverwendung
C. Problem der Mehrsprachigkeit
D. Inhaltliche Charakteristika
I. Grundsatz: Übereinstimmung mit den beteiligten nationalen Rechtsordnungen
II. Rechtfertigungsgründe für die bewusste Abweichung vom nationalen Recht
III. Lösungen bei stark divergierenden nationalen Rechten
E. Zusammenfassung
11. Kapitel: Überblick über die erzielten Einzelergebnisse
3. Abschnitt: Entwicklungsperspektiven
12. Kapitel: Methodische Gesichtspunkte bei der Diskussion um ein europäisches Zivilgesetzbuch
A. Diskussionsstand
B. Methodische Aussagen
I. Regelungszwecke und Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
II. Das Postulat eines schonenden Ausgleichs
Anhang: Wiener Vertragsrechtskonvention (Ausschnitt)
Wiener Konvention über das Recht der Verträge vom 23.5.1969
Artikel 31: Allgemeine Auslegungsregel
Artikel 32: Zusätzliche Auslegungsmittel
Artikel 33: Auslegung von Verträgen mit authentischen Texten in zwei oder mehreren Sprachen
Literaturverzeichnis
Sachverzeichnis
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Methoden des internationalen Einheitsrechts
 9783161579257, 3161482980

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JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 87

Urs Peter Gruber

Methoden des internationalen Einheitsrechts

Mohr Siebeck

Urs Peter Gruber, geboren 1970; Studium der Rechtswissenschaften in Frankfurt a.M, USA, Mainz; Rechtsreferendar in Hessen ( L G Darmstadt); 1999 Promotion (Mainz); 2002 Habilitation (Mainz); seit April 2003 Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Zivilprozeß- und Insolvenzrecht, internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

978-3-16-157925-7 Unveränderte eBook-Ausgabe 2019 I S B N 3-16-148298-0 ISSN 0940-9610 (Jus Privatum)

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. © 2004 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Guide Druck in Tübingen aus der Garamond belichtet, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde vom Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz im Sommersemester 2002 als Habilitationsschrift angenommen. Sie war ursprünglich auf dem Stand vom Dezember 2001. Für die Veröffentlichung konnte neu erschienene Literatur bis Oktober 2003 berücksichtigt werden. Bei meinem akademischen Lehrer, Herrn Professor Dr. Klaus Müller, möchte ich mich herzlich bedanken. Er hat mich in großzügiger Weise gefördert und betreut und mir während meiner Tätigkeit an seinem Lehrstuhl die für die wissenschaftliche Arbeit notwendigen Freiräume eröffnet. Er ist mir als akademischer Lehrer ein Vorbild. Als Zeichen meiner Dankbarkeit widme ich ihm diese Arbeit. Herzlichen Dank schulde ich auch Herrn Professor Dr. Peter Huber, LL.M. Er hat mich ebenfalls entscheidend unterstützt und die Arbeit durch viele Hinweise und Anregungen gefördert. Herrn Professor Dr. Reinhard Hepting gebührt schließlich großer Dank für die Erstellung des Zweitgutachtens. Bei der Aktualisierung des Texts sowie beim Korrekturlesen haben mir meine Mitarbeiter an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg geholfen. Zu nennen sind hier Herr Alexej Danckwardt, Herr Malte Dürlich, Frau Nancy Gruschinske, Frau Kathrin Heilemann, Herr Dr. Henning Meyer, Frau Scarlett Wachholz sowie Frau Susann Wöpke. Bei ihnen möchte ich mich ebenfalls bedanken. Von ganzem Herzen Dank sagen möchte ich schließlich meinen Eltern und Sarah Frey. Sie haben an der Entstehung der Arbeit tatkräftig mitgewirkt und mit ihrer Geduld und ihrem Verständnis letztlich entscheidend zu dem Gelingen beigetragen. Halle, im Dezember 2003

Urs Peter Gruber

Inhaltsübersicht Einleitung

1

1. Teil: Grundlagen 1. Kapitel: Begriff des „internationalen Einheitsrechts"

14

2. Kapitel: Regelungszwecke des internationalen Einheitsrechts

25

2. Teil: Methodische Lehren 1. Abschnitt: Methodische Leitprinzipien

60

3. Kapitel: Autonomie der Methodenlehre

60

4. Kapitel: Leitprinzipien und Hilfsmittel

69

2. Abschnitt: Einzelgegenstände der Methodenlehre des internationalen Einheitsrechts 5. Kapitel: Auslegung

79 79

6. Kapitel: Normenkonkurrenz

229

7. Kapitel: Angleichungslehre

259

8. Kapitel: Richterliche Rechtsfortbildung

275

9. Kapitel: Relevanz der Rechtsprechung internationaler und ausländischer Gerichte

329

10. Kapitel: Konsequenzen für die Rechtssetzung

352

11. Kapitel: Uberblick über die erzielten Einzelergebnisse

365

3. Abschnitt: Entwicklungsperspektiven 12. Kapitel: Methodische Gesichtspunkte bei der Diskussion um ein europäisches Zivilgesetzbuch Register

371 371 415

Inhaltsverzeichnis Einleitung

1

A. Internationalisierung des Rechts I. Staatsverträge und EG-Recht II. Situation im Kaufrecht insbesondere III. Zukunftsperspektiven B. Auswirkungen auf die allgemeine Methodenlehre C. Gang der Untersuchung

1 1 3 5 6 11

1. Teil: Grundlagen 1. Kapitel: Begriff des „internationalen Einheitsrechts"

14

A. B. C. D. E.

14 14 19 20

Überblick Recht International einheitliche Geltung Rechtliche Bindung der beteiligten Staaten Irrelevanz der Zuordnung zum Völkerrecht bzw. zum nationalen Recht

22

2. Kapitel: Regelungszwecke des internationalen Einheitsrechts

25

A. Einleitung B. Rechtsvereinfachung und Rechtssicherheit I. Einleitung II. Vermeidung kollisionsrechtlicher Anknüpfungsprobleme und der Anwendung ausländischen Rechts 1) Probleme bei der kollisionsrechtlichen Anknüpfung a) Anwendung des heimischen Kollisionsrechts b) Rück- und Weiterverweisung c) Vorfragen, Eingriffsnormen, ordre public d) Zwischenergebnis 2) Probleme bei der Anwendung ausländischen Sachrechts . . . . a) Uberforderung der Gerichte aa) Beschreibung der praktischen Schwierigkeiten bb) „Fakultatives Kollisionsrecht" als Verlegenheitslösung b) Die praktischen Schwierigkeiten aus vorprozessualer Sicht der Parteien

25 26 26 27 27 27 29 30 31 32 32 32 34 35

X

Inhaltsverzeichnis

3) Vereinfachung durch das internationale Einheitsrecht III. Verhältnis zur Rechtsanwendungsvereinfachung durch die „lex mercatoria" und zur Rechtswahl 1) Lex mercatoria 2) Rechtswahl IV. Zusammenfassung und methodische Implikationen C. Verwirklichung des Gleichheitssatzes I. Willkürlichkeit bei der Bestimmung der maßgeblichen nationalen Rechtsordnung durch das Kollisionsrecht 1) Das Fehlschlagen des engsten Bezugs als Anknüpfungsprinzip 2) Die Alternativanknüpfung als Verlegenheitslösung 3) Gleichbehandlung durch das internationale Einheitsrecht . . . II. Herstellung eines internationalen Entscheidungseinklangs i.e.S 1) Folgen der Anwendung unterschiedlichen materiellen Rechts auf ein Rechtsverhältnis 2) Folgen der Anwendung unterschiedlichen Prozessrechts . . . III. Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen IV. Zusammenfassung und methodische Implikationen D. Effektivität des internationalen Einheitsrechts I. Der Aspekt des größeren räumlichen Anwendungsbereichs . . . . II. Zusammenfassung und methodische Implikationen

36 38 38 41 42 42 42 42 47 48 49 49 51 53 54 55 55 57

2. Teil: Methodische Lehren 1. Abschnitt: Methodische Leitprinzipien

60

3. Kapitel: Autonomie der Methodenlehre

60

A. Gang der Darstellung B. Einordnung des internationalen Einheitsrechts in das rechtliche Gesamtsystem I. Uberblick über den Meinungsstand II. Unabhängigkeit von den nationalen Methodenlehren III. Unabhängigkeit von den methodischen Aussagen der Völkerrechtslehre 1) Allgemeines Völkerrecht 2) Das europäische Gemeinschaftsrecht als Sonderrechtsmaterie IV. Nationale Methodenlehren und die Methodenlehre des Völkerrechts als Erkenntnisquellen und Orientierungshilfen . . .

60 61 61 62 64 64 66 67

Inhaltsverzeichnis

XI

4. Kapitel: Leitprinzipien und Hilfsmittel

69

A. Rechtseinfachheit und -einheit als Leitprinzipien B. Die Rolle der Rechtsvergleichung als Hilfsmittel I. Funktion als Erkenntnisquelle II. Funktion als eigenständiges methodisches Anwendungskriterium C. Notwendige Differenzierungen

69 71 71 74 75

2. Abschnitt: Einzelgegenstände der Methodenlehre des internationalen Einheitsrechts

79

5. Kapitel: Auslegung

79

A. Überblick B. Die Autonomie der Auslegungsmethode I. Loslösung von nationalen Auslegungslehren II. Beachtung des „juristischen Vorverständnisses" III. Differenzierung zwischen autonomer Auslegung und Auslegungsergebnis 1) Ablehnung einer ergebnisbezogenen Betrachtungsweise . . . . 2) Verweisungen auf das nationale Recht C. Ziel der Auslegung I. Einleitung II. Uberblick über das nationale Recht und das Völkervertragsrecht 1) Deutscher Rechtskreis 2) Romanischer Rechtskreis 3) Anglo-amerikanischer Rechtskreis a) Englisches Recht b) US-amerikanisches Recht 4) Völkerrecht III. Leitprinzipien für das internationale Einheitsrecht 1) Konsensfähige Ansätze 2) Bedeutung der Leitprinzipien der Rechtseinfachheit und -einheit D. Auslegungskriterien I. Einleitung II. Relevanz der Auslegungskriterien 1) Kritik in der nationalen Methodenlehre 2) Bewertung aus der Sicht des internationalen Einheitsrechts . III. Systematisierung der Auslegungskriterien 1) Betrachtung der nationalen Methodenlehren 2) Entscheidung im Rahmen des internationalen Einheitsrechts

79 80 80 83 85 85 85 86 86 88 88 90 96 96 99 102 104 104 106 108 108 109 109 111 114 114 117

XII

Inhaltsverzeichnis

IV. Relevanz kodifizierter Auslegungsgrundsätze 1) Einleitung 2) Art. 7 CISG 3) Wiener Vertragsrechtskonvention a) Meinungsstand b) Stellungnahme aa) Anwendbarkeit bb) Praktische Aussagekraft der Konvention V. Grammatische Auslegung 1) Feststellung eines besonderen Sprachgebrauchs im internationalen Einheitsrecht a) Überblick b) Fallgruppen c) Lösungsansätze 2) Auslegung normativer Begriffe, Generalklauseln a) Problemstellung b) Lösungsansätze c) Abgrenzung zur Lückenfüllung 3) Auslegung mehrsprachiger Regelungswerke a) Grammatische Auslegung bei Divergenzen zwischen den einzelnen Texten aa) Problemstellung bb) Lösungsschritte aaa) Feststellung der maßgeblichen Texte bbb) Ablehnung von Art. 33 Abs. 3 der Wiener Vertragsrechtskonvention ccc) Keine Beschränkung auf eine „Minimalübereinstimmung" zwischen einzelnen Texten ddd) Bevorzugte Anwendung einzelner Texte aus Gründen der Entstehungsgeschichte eee) Weitere „Kollisionsregeln" für divergierende Texte b) Relevanz von nicht authentischen Textversionen VI. Systematische Auslegung 1) Systematische Auslegung innerhalb eines Regelungssystems a) Prinzipielle Anwendbarkeit systematischer Argumente . . b) Besondere systematische Vermutungsregeln aa) Die Vermutungsregeln „eiusdem generis" und „espresso unius est exclusio alterius" bb) Keine Ubertragbarkeit auf das internationale Einheitsrecht

119 119 119 121 121 122 122 123 125 125 125 127 129 130 130 132 133 134 134 134 135 135 136

137 139 143 146 148 148 148 152 152 156

Inhaltsverzeichnis

2) Systematische Auslegung im Verhältnis einzelner Regelungsakte zueinander a) Kriterium der „Aufeinanderbezogenheit" b) Anwendungsfälle aa) Mehrere Regelungssysteme eines Regelungsgebers . . bb) Mehrere Regelungssysteme verschiedener Regelungsgeber V I I . Historische Auslegung 1) Bedeutung im nationalen Recht a) Ausgewählte kontinentaleuropäische und skandinavische Rechtsordnungen b) Anglo-amerikanischer Rechtskreis aa) Englisches Recht bb) US-amerikanisches Recht 2) Bedeutung im internationalen Einheitsrecht 3) Gesetzesmaterialien a) Sekundäres Gemeinschaftsrecht aa) Begründungen und Stellungnahmen bb) Protokollerklärungen aaa) Publikationserfordernis bbb) Erklärungen der Mitgliedstaaten insbesondere b) Staatsvertragliches Einheitsrecht 4) Berücksichtigung vorangegangener Regelungsakte und Entwürfe V I I I . Teleologische Auslegung 1) Einleitung 2) Subjektiv-teleologische Auslegung 3) Objektiv-teleologische Auslegung I X . Rechtsvergleichende Auslegung 1) Einleitung 2) Rechtsvergleichung in Verbindung mit den klassischen Auslegungskriterien a) Entstehungsgeschichte und übereinstimmendes nationales Recht b) Übernahme bestimmter nationaler Regelungen c) Kompromiss zwischen einzelnen nationalen Regelungen . d) Bewusste Abweichung vom nationalen Recht 3) Rechtsvergleichung als eigenständiges objektives Auslegungskriterium a) Bedeutung im nationalen Recht b) Bedeutung im internationalen Einheitsrecht aa) Grundsätzliche Diskussion bb) Anwendungsfelder

XIII

157 157 158 158 160 163 163 163 164 164 167 169 171 171 171 173 173 177 178 181 183 183 184 186 188 188 189 189 190 194 195 196 196 198 198 201

XIV

Inhaltsverzeichnis

cc) „Materiellrechtliche Grundbegriffe" insbesondere . . E. Gewichtung der Auslegungskriterien I. Verhältnis der klassischen kontinentaleuropäischen Auslegungskriterien zueinander 1) Ubersicht über einige nationale Auslegungslehren a) Diskussionsstand in Deutschland b) Diskussionsstand in England und den Vereinigten Staaten c) Diskussionsstand in den romanischen Rechtsordnungen . 2) Die Problematik im internationalen Einheitsrecht a) Notwendigkeit eines autonomen Verständnisses b) Kein Vorrang des Wortlautkriteriums c) Vorrangregeln im Übrigen d) Flexible Einzelfallbetrachtung II. Stellung der rechtsvergleichenden Auslegung F. Zusammenfassung

203 205

207 210 212 212 213 217 219 223 225

6. Kapitel: Normenkonkurrenz

229

A. Überblick B. Normenkonkurrenz zwischen dem internationalen Einheitsrecht und dem nationalen Recht I. Methodischer Ausgangspunkt 1) Normenhierarchische Betrachtungen a) EG-Verordnungsrecht und nationales Recht b) Staatsvertragliches Einheitsrecht und nationales Recht . . . 2) Eigener methodischer Ansatz II. Konkretisierung des Vorrangkriteriums 1) Differenzierung zwischen kodifizierten und unkodifizierten Normenkonkurrenzregeln 2) Kodifizierte Normenkonkurrenzregeln 3) Ungeschriebene Normenkonkurrenzregeln a) Grundsatz: Verdrängung funktionsgleicher Bestimmungen des nationalen Rechts b) Anwendung von Qualifikationsmaßstäben c) Bedeutung von Rechtsvergleichung und Entstehungsgeschichte d) Konkurrenz mit wesensverschiedenen Normen und Rechtsinstituten e) Normen außerhalb des sachlichen Anwendungsbereichs . 4) Keine Präjudizialität von Konkurrenzentscheidungen innerhalb des nationalen Rechts a) Kumulative Anwendbarkeit bestimmter Normen innerhalb des nationalen Rechts

229

205 205 205

230 230 230 230 231 232 234 234 234 235 235 236 238 240 241 242 242

Inhaltsverzeichnis

XV

b) Verdrängung bestimmter Normen innerhalb des nationalen Rechts 5) Irrelevanz einzelner Aussagen der nationalen Normenkonkurrenzlehren C. Normenkonkurrenz auf der Ebene des internationalen Einheitsrechts I. Einleitung II. Normenkonkurrenz innerhalb eines Regelungsakts III. Normenkonkurrenz zwischen einzelnen Regelungssystemen des internationalen Einheitsrechts 1) Verschiedene Regelungsakte desselben Regelungsgebers . . . . 2) Unterschiedliche Regelungsgeber a) Harmonisierbare Aussagen der einzelnen Regelungsakte . b) Fehlende oder sich inhaltlich widersprechende Aussagen D. Zusammenfassung

255 257

7. Kapitel: Angleichungslehre

259

A. Einleitung I. Grenzen der Normenkonkurrenzlösung II. Verwendbarkeit der internationalprivatrechtlichen Angleichungsgrundsätze 1) Problemlage 2) Umfang und Gang der Darstellung B. Angleichungsgrundsätze im Verhältnis des internationalen Einheitsrechts zum nationalen Recht I. Voraussetzungen 1) Nationales Recht 2) Internationales Einheitsrecht II. Durchführung der Angleichung 1) Nationales Recht 2) Internationales Einheitsrecht C. Wertungswidersprüche zwischen einzelnen Regelungsakten des internationalen Einheitsrechts D. Verhältnis zwischen Normenkonkurrenz und Angleichungslehre . . . . E. Zusammenfassung

259 259

244 248 250 250 251 252 252 254 254

261 261 263 264 264 264 264 266 266 267 269 272 273

8. Kapitel: Richterliche Rechtsfortbildung

275

A. Einleitung B. Ausfüllung von Normierungslücken (gesetzesimmanente Rechtsfortbildung) I. Methodische Grundlagen

275 278 278

XVI

Inhaltsverzeichnis

1) Methodischer Grundsatz: Kompetenz zur Schließung der Lücke auf der Ebene des internationalen Einheitsrechts . . . . 2) Begriff der Regelungslücke a) Lückenbegriff im nationalen Recht b) Lückenbegriff im internationalen Einheitsrecht aa) Bewusste Unvollständigkeit des Einheitsrahmenrechts bb) Unterscheidung zwischen dem sachlichen Anwendungsbereich und der internen Lücke aaa) Staatsvertragliches Einheitsrecht bbb) Europäisches Gemeinschaftsrecht II. Ausfüllung der Lücken 1) „Autonome" Lückenschließung durch Anwendung internationalen Einheitsrechts a) Vorrangige Methoden der Lückenschließung aa) Analogie, argumentum a fortiori und argumentum e contrario bb) Ausgestaltung im internationalen Einheitsrecht cc) Gewichtung der Argumentationsformen b) Rückgriff auf die „allgemeinen Grundsätze" c) Rechtsvergleichung aa) Grundsätzliche Gebotenheit einer rechtsvergleichenden Betrachtung bb) Bedeutung der Rechtsvergleichung im Einzelnen . . . d) U N I D R O I T - und Lando-Prinzipien aa) Bedeutung de lege lata bb) Bedeutung de lege ferenda 2) Rückgriff auf nationales Recht a) Anwendung nationalen Rechts als „ultima ratio" der Lückenfüllung b) Anwendung von Kollisionsnormen des internationalen Einheitsrechts c) Anwendung des Kollisionsrechts der lex fori d) Anwendung des Sachrechts der lex fori III. Zusammenfassung C. Gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung I. Einleitung II. Gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung im nationalen Recht . 1) Deutscher Rechtskreis 2) Französisches Recht 3) Englisches Recht III. Lösungsansätze im internationalen Einheitsrecht 1) Notwendigkeit eigenständiger methodischer Grundsätze . . .

278 280 280 281 281 282 282 286 286 286 286 286 292 293 294 297 297 299 302 302 305 306 306 308 309 310 312 313 313 315 315 316 317 319 319

Inhaltsverzeichnis

2) Differenzierungen zwischen internationalen (supranationalen) und nationalen Gerichten IV. Die gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung durch den EuGH 1) Grundsätzliche Kompetenz nach dem EG-Vertrag 2) Methodische Leitprinzipien a) Außere Grenzen b) Das Kriterium der internationalen Akzeptanz insbesondere V. Rechtsfortbildung durch nationale Gerichte VI. Zusammenfassung 9. Kapitel: Relevanz der Rechtsprechung internationaler und ausländischer Gerichte

XVII

320 321 321 322 322 325 326 328

329

A. Einleitung B. Innerstaatlich-autonomes Recht I. Rechtliche Bindungswirkung II. Faktische Wirkung 1) Überblick 2) Praktische Bedeutung der Annahme einer rechtlichen Bindungswirkung C. Internationales Einheitsrecht I. Rechtliche Bindungswirkung 1) Bindungswirkung von Entscheidungen des E u G H 2) Bindungswirkung im Übrigen a) Vorschläge b) Bewertung II. Faktische Wirkung D. Zusammenfassung

337 339 339 339 341 341 343 346 350

10. Kapitel: Konsequenzen für die Rechtssetzung

352

A. B. C. D.

352 353 355 358

Einleitung Begriffsverwendung Problem der Mehrsprachigkeit Inhaltliche Charakteristika I. Grundsatz: Übereinstimmung mit den beteiligten nationalen Rechtsordnungen II. Rechtfertigungsgründe für die bewusste Abweichung vom nationalen Recht III. Lösungen bei stark divergierenden nationalen Rechten E. Zusammenfassung

329 330 330 336 336

358 361 362 364

XVIII

Inhaltsverzeichnis

11. Kapitel: Überblick über die erzielten Einzelergebnisse

365

3. Abschnitt: Entwicklungsperspektiven

371

12. Kapitel: Methodische Gesichtspunkte bei der Diskussion um ein europäisches Zivilgesetzbuch

371

A. Diskussionsstand B. Methodische Aussagen I. Regelungszwecke und Grundsatz der Verhältnismäßigkeit . . . . II. Das Postulat eines schonenden Ausgleichs

371 374 374 379

Anhang: Wiener Vertragsrechtskonvention (Ausschnitt) Wiener Konvention über das Recht der Verträge vom 23.5.1969 Artikel 31: Allgemeine Auslegungsregel Artikel 32: Zusätzliche Auslegungsmittel Artikel 33: Auslegung von Verträgen mit authentischen Texten in zwei oder mehreren Sprachen

382 382 382 383

Literaturverzeichnis Sachverzeichnis

385 415

383

Abkürzungsverzeichnis

A.A. a.a.O. ABGB AcP AU E . R . Am.J.Comp.L. Anm. Art. AT Aufl. BB Bearb. BG BGB BGE BGH BGHZ bzw. CISG DRiZ d.h. Dalloz ders.; dies. Diss. ebd. EheVO

E.L.Rev. ERPL EuGVÜ

EuGVO

Andere(r) Ansicht am angegebenen O r t Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (Osterreich) Archiv für die Civilistische Praxis All English Law Reports American Journal of Comparative Law Anmerkung Artikel Allgemeiner Teil Auflage Betriebs-Berater Bearbeiter(in) Bundesgericht (Schweiz) Bürgerliches Gesetzbuch Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts (Amtliche Sammlung) (Deutscher) Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen beziehungsweise United Nations Convention on Contracts for the International Sale of G o o d s vom 11. April 1980 Deutsche Richter-Zeitung das heißt Recueil Dalloz Sirey derselbe; dieselbe Dissertation ebendort Verordnung ( E G ) Nr. 1347/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten (ABl. E G 2000 Nr. L 160/10) European Law Review European Review of Private L a w Ubereinkommen der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher E n t scheidungen in Zivil- und Handelssachen v. 27. September 1968, B G B l . 72 II 774 Verordnung ( E G ) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. E G L 12 v. 1 6 . 1 . 2 0 0 1 )

XX EuZW f., ff. Fn. GdS G R U R Int. H.L.; H.M. HGB Hrsg. I.C.L.Q. i.S.d. IPRax JA JR Jura JuS JZ KG LG m.w.N. MDR Minn. J . Global Trade MünchKomm NJW NJW-RR Nr. N . Y . U . J . Int'L. & Pol. OGH OJZ OLG RabelsZ RG RGZ RIW Rth S. S.a. u.a. U N I D R O I T ; Unidroit Unif.L.Rev. VersR Vgl. W.L.R. z.T. ZEuP ZfRV ZG ZHR

Abkürzungsverzeichnis Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (und) folgende Fußnote Gedächtnisschrift Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, internationaler Teil Herrschende Lehre; Herrschende Meinung Handelsgesetzbuch Herausgeber The International and Comparative Law Quarterly im Sinne des/der Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts Juristische Arbeitsblätter Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristenzeitung Kammergericht (Berlin) Landgericht mit weiteren Nachweisen Monatsschrift für Deutsches Recht Minnesota Journal of Global Trade Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Nummer New York University Journal of International Law and Politics Oberster Gerichtshof (Osterreich) Österreichische Juristen-Zeitung Oberlandesgericht Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Reichsgericht Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der Internationalen Wirtschaft Rechtsheorie Siehe; Seite Siehe auch und andere; unter anderem Institut International pour l'Unification du Droit Privé Uniform Law Review Versicherungsrecht Vergleiche The Weekly Law Reports zum Teil Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Rechtsvergleichung Zeitschrift für Gesetzgebung. Vierteljahresschrift für staatliche und kommunale Rechtsetzung Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht

Abkürzungsverzeichnis ZIP zit. ZOR ZPO ZRP ZVglRWiss ZZP

Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert Zeitschrift für Öffentliches Recht (Osterreich) Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Zivilprozeß

XXI

Einleitung A. Internationalisierung des Rechts I. Staatsverträge und EG-Recht Die internationale Rechtsvereinheitlichung führt nach einer Formulierung von Kötz aus dem Jahre 1981 nur zu einzelnen „Inseln in einem Meer nationaler Rechtsordnungen".1 In der Tat kam dem internationalen Einheitsrecht im Verhältnis zum nationalen Recht lange Zeit trotz aller intensiven Bemühungen um die internationale Rechtsvereinheitlichung nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Das internationale Einheitsrecht wurde als eine Ergänzung zum nationalen Recht aufgefasst: Es gelangte nur in besonderen Fällen zur Anwendung, und es konnte in Wissenschaft und Praxis weitgehend den Spezialisten überlassen werden. Dies betraf zunächst das Verhältnis des staatsvertraglichen internationalen Einheitsrechts zum nationalen Recht. Nationales Recht war die Regel, staatsvertragliches internationales Einheitsrecht die Ausnahme. Staatsvertragliches Einheitsrecht wurde nur für einzelne ausgewählte Sachverhalte vorgesehen, in denen das Bedürfnis nach einer internationalen Rechtseinheit besonders evident und dringlich war. Die Dominanz des einzelstaatlich-autonomen Rechts wurde hierdurch nicht in Frage gestellt. Ähnlich verhielt es sich im Verhältnis des nationalen Rechts der EG-Mitgliedstaaten zu den Normierungen des europäischen Verordnungs- bzw. Richtliniengebers. Die Rechtssetzungstätigkeit auf der europäischen Ebene beanspruchte in den Anfangsjahren der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft von ihrem Umfang her nur einen Bruchteil dessen, was heute von europäischen Verordnungen und Richtlinien europäischen Ursprungs erreicht wird. Das europäische Gemeinschaftsrecht modifizierte das autonome nationale Recht der Mitgliedstaaten nur in einzelnen ausgewählten Gebieten. Grundlegende Eingriffe in die Regelungsautonomie der Mitgliedstaaten fanden nicht statt.2 Die Situation hat sich in den beiden letzten Jahrzehnten langsam, aber stetig gewandelt. Die Zahl der Staatsverträge hat auf dem Gebiet des Zivilrechts noch einmal erheblich zugenommen. Staatsverträge finden sich de facto auf allen relevanten zivilrechtlichen Gebieten, insbesondere im Schuldrecht, also etwa dem Kauf-, Wechsel- oder Transportrecht, aber auch im internationalen Privat- und 1 Kötz, in: Festschrift für Zweigert, S.481, 485; vgl. ferner Dreher, J Z 1999, 105, 111; Rittner, EuR 1998, 3, 15; den., J Z 1995, 849, 861 ff. 2 Vgl. etwa Kropholler, Internationales Einheitsrecht, S. 114f.

2

Einleitung

Prozessrecht und mittlerweile sogar im Familienrecht. Das nationale Zivilrecht ist durch dieses staatsvertragliche Einheitsrecht auf wichtigen Feldern verdrängt worden. 3 Die Dominanz des nationalen Rechts wird in der Europäischen Union des Weiteren zunehmend durch europäische Verordnungen und Richtlinien in Frage gestellt. Die Ausbreitung des europäischen Rechts führt dazu, dass viele zivilrechtliche Fragen ganz oder zumindest teilweise von EG-rechtlichen Regelungen beeinflusst werden. N u r noch in Ausnahmefällen kann von einer vollständigen Regelungshoheit der einzelstaatlich-nationalen Gesetzgebungsorgane die Rede sein. Im Übrigen wird das einzelstaatliche Recht in vielfacher Weise von EGrechtlichen Regelungen durchdrungen und modifiziert, in vielen Fällen sogar gänzlich umgestaltet. 4 Dieses Vordringen des internationalen Einheitsrechts europäischer Provenienz dürfte in Zukunft von noch größerer praktischer Bedeutung sein als das staatsvertragliche Einheitsrecht. Der EG-Vertrag sieht zwar keine generelle Ermächtigung zur Zivilrechtsangleichung vor. Es bestehen aber zahlreiche Einzel-Kompetenzgrundlagen, die ein bestimmtes Ziel der Gemeinschaft formulieren und zu diesem Zweck zu einer Angleichung der nationalen Rechtsvorschriften ermächtigen. 5 Es kommen die allgemeineren Ermächtigungen in Artt. 94 und 95 EG-Vertrag (vormals Artt. 100 und 100a EG-Vertrag) hinzu. Diese setzen lediglich voraus, dass die vereinheitlichten Rechtsvorschriften der Errichtung bzw. dem Funktionieren eines gemeinsamen Marktes dienlich sind. 6 Es steht zu erwarten, dass Kommission und Rat von diesen Kompetenzvorschriften auch zukünftig in einem erheblichen Umfang Gebrauch machen werden. 7

3

Gesamtüberblick über das staatsvertragliche Einheitsrecht bei Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht § 1 IX (S.71f.). 4 Taupitz, Europäische Privatrechtsvereinheitlichung, S. 39f.; der U m f a n g des zur Publikation neuer europäischer R e c h t s n o r m e n bestimmten Amtsblatts der E G übersteigt denjenigen des deutschen Bundesgesetzblatts schon seit Jahren u m ein Vielfaches (vgl. hierzu Ulmer, J Z 1992,

nv:.

5 Zu nennen sind Art. 40, 46 II, 47 II, 55 EG-Vertrag; Uberblick ü b e r die K o m p e t e n z t a t bestände f ü r die Rechtsangleichung im EG-Vertrag etwa bei Mänhardt/Posch, Internationales Privatrecht, S.190f. (9/10f.). 6 Art. 94 EG-Vertrag ermächtigt die Gemeinschaft z u m Erlass von „Richtlinien f ü r die A n gleichung derjenigen Rechts- u n d Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, die sich u n m i t telbar auf die Errichtung oder das Funktionieren des gemeinsamen Marktes auswirken". Art. 95 ermächtigt die Gemeinschaft „die M a ß n a h m e n z u r Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten" zu erlassen, „welche die Errichtung u n d das Funktionieren des Binnenmarkts z u m Gegenstand h a b e n " , vgl. hierzu (auch zur A b g r e n z u n g von Art. 94 u n d 95 EG-Vertrag) Engel, ZfRV 40 (1999), 121, 122f. 7 Vgl. etwa Engel, ZfRV 40 (1999), 121, 130f. mit dem H i n w e i s darauf, dass der europäische Binnenmarkt ein „dynamisches K o n z e p t " darstellt; zu den Artt. 94,95 als mögliche G r u n d l a g e n f ü r Schaffung eines europäischen Vertragsgesetzbuches siehe Basedow, E R P L 2001, 35, 43ff.

Einleitung

3

II. Situation im Kaufrecht insbesondere Die zunehmende Internationalisierung des Rechts wird am Beispiel des Kaufrechts besonders deutlich. Das Kaufrecht gehört zu den klassischen Kernmaterien einer jeden nationalen Rechtsordnung, auch der deutschen. Gerade die deutsche Rechtsordnung wies bislang im Kaufrecht typische Eigenheiten auf, die sich von den Regelungen der meisten anderen Staaten erheblich unterschieden. Zu denken ist etwa an die Rechtsbehelfe der Wandelung und Minderung, die im bis zum 1.1. 2002 geltenden deutschen Recht mit zum Teil gesetzlich geregelten (§§480, 463 B G B a.F.), zum Teil gewohnheitsrechtlich anerkannten (positive Vertragsverletzung) Schadensersatzansprüchen in einem komplizierten System verbunden waren, oder an die für das deutsche Gewährleistungsrecht wesentliche Unterscheidung zwischen einer aliud-Lieferung und der Lieferung einer mangelhaften Sache sowie an die Differenzierung zwischen Mangel- und Mangelfolgeschäden. 8 D o c h auch diese Kernmaterie wird in ihrer Bedeutung zunehmend durch das internationale Einheitsrecht beeinflusst. Deutlich wird dies zunächst am Beispiel des internationalen Handelskaufs. Der internationale Handelskauf hat - angesichts der zunehmend internationalen Kaufvertragsverhältnisse - eine besondere wirtschaftliche Bedeutung erlangt. Für den internationalen Handelskauf sind vorrangig die staatsvertraglichen Regelungen des sog. UN-Kaufrechtsabkommens ( C I S G ) anzuwenden. 9 Das UN-Kaufrechtsabkommen enthält materielles Kaufrecht. Es ist grundsätzlich dann anzuwenden, wenn es sich um einen Handelskauf oder auch einen Handels-Werklieferungsvertrag handelt und die Vertragsparteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt bzw. ihren Sitz in Vertragsstaaten des UN-Kaufrechtsabkommens haben oder das internationale Privatrecht zur Anwendung des Rechts eines der Vertragsstaaten führt (Artt. 1 - 6 C I S G ) . Mitgliedstaaten des UN-Kaufrechts finden sich - mit steigender Tendenz - auf allen Kontinenten der Erde. 1 0 Ist das UN-Kaufrechtsabkommen einschlägig, ist ein Rückgriff auf das nationale Kaufrecht grundsätzlich unzulässig. 11 Damit ist ein wichtiger, in seiner Bedeutung stetig steigender Bereich des Kaufrechts dem einzelstaatlich-nationalen Recht bereits jetzt weitgehend entzogen. 1 2 8 Diese war im bisherigen Kaufrecht in der Differenzierung zwischen dem Anspruch auf Wandelung und Minderung einerseits ( § § 4 6 2 , 459 B G B a.F.) und dem Schadensersatz wegen Nichterfüllung ( § 4 6 3 B G B a.F.) angelegt. 9 U N - Ü b e r e i n k o m m e n über den internationalen Warenkauf (BGBl. 1989 II, 5 8 6 , 5 8 8 ) ; für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft seit dem 1 . 1 . 1 9 9 1 (BGBl. 1990 II 1477, ber. 1699); Schrifttumsnachweise bei Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht § 1 I X (S. 75f.). 10 Vgl. etwa die Nachweise bei Schlechtriem/Schlechtriem (Anhang) sowie im Internet unter http://www.un.or.at/uncitral/english/statut/index/htm. 11 N a c h Art. 6 C I S G wird den Parteien allerdings die Möglichkeit eingeräumt, die Anwendung des C I S G auszuschließen und damit wieder zur Maßgeblichkeit einer einzelstaatlich-autonomen Rechtsordnung zu gelangen. 12 Die Zahl der Vertragsstaaten des C I S G ist mittlerweile auf über 50 gestiegen, so dass etwa zwei Drittel des Welthandels in Waren vom Ubereinkommen grundsätzlich erfasst sind (Schlechtriem/Schlechtriem, Einl., S.27).

4

Einleitung

In den Fällen, in denen das UN-Kaufrechtsabkommen nicht einschlägig ist, muss das anzuwendende materielle Recht zunächst mit einer kollisionsrechtlichen (internationalprivatrechtlichen) Anknüpfung ermittelt werden. Auch für diese kollisionsrechtliche Anknüpfung gilt nicht nationales Recht, sondern internationales Einheitsrecht. Anzuwenden ist ein weiterer Staatsvertrag, das sog. römische Schuldvertragsübereinkommen vom 19.6. 1980.13 Doch selbst dann, wenn das römische Schuldvertragsübereinkommen auf das deutsche Sachrecht verweist, ist ein Einfluss des internationalen Einheitsrechts immer noch vorhanden. Von besonderer Bedeutung sind hier die Vorschriften des EG-Rechts, die in vielfältiger Weise auf das deutsche Kaufrecht einwirken. Zu nennen sind unter anderem die verschiedenen EG-Richtlinien, welche im bisherigen deutschen Recht die Grundlage des Haustürwiderrufsgesetzes, des Verbraucherkreditgesetzes, des Gesetzes zur Regelung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und des Fernabsatzgesetzes bilden und u.a. dem Käufer in verschiedenen Konstellationen ein Recht zum Widerruf des Vertrages einräumen. Im neuen deutschen Schuldrecht sind diese Gesetze in das BGB integriert worden, was auch äußerlich zum Ausdruck bringt, wie stark das europäische VerbraucherRichtlinienrecht mittlerweile auf das allgemeine deutsche Zivilrecht Einfluss nimmt. Nicht zu Unrecht wird das europäische Verbraucher-Richtlinienrecht mit einem „trojanischen Pferd" verglichen, mit dem der europäische Gesetzgeber in das allgemeine Zivilrecht der Mitgliedstaaten eingedrungen ist.14 Von sehr großer Bedeutung ist hierbei die so genannte EG-Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie vom 25.5. 1999.15 Sie war bis zum 1.1. 2002 umzusetzen und hat in Deutschland zu einer wesentlichen Umgestaltung nicht nur des deutschen Kaufrechts, sondern in der Konsequenz des gesamten Schuldvertragsrechts geführt. 16 Viele Besonderheiten des deutschen Kaufrechts, aber auch des allgemeinen Schuldvertragsrechts sind aufgegeben worden. Wenngleich die EG-Verbrauchsgüterrichtlinie unmittelbar nur einen Teil des Kaufrechts betraf, ging doch der entscheidende Anstoß zu einer grundlegenden Reform nicht nur des deutschen Kauf-, sondern darüber hinaus des gesamten Schuldvertragsrechts vom europäischen Richtliniengeber aus.17 Festzustellen ist insgesamt, dass es mittlerweile keinen Kaufvertrag mehr gibt, der nicht von Vorschriften des (staatsvertraglichen oder EG-rechtlichen) internationalen Einheitsrechts unmittelbar geregelt oder zumindest beeinflusst ist. Auch 13 U b e r e i n k o m m e n über das auf vertragliche Schuldverhältnisse a n z u w e n d e n d e Recht (BGBl. 1986 II S. 809); vgl. hierzu etwa Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht; Z u sammenstellung des umfangreichen Schrifttums bei Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht §4 III (S.203 f.) u n d §18 I (S.561f.). 14 Tillemann/Du Laing, in: Grundmann/Stuyck, Academic Green Paper, S. 81, 82f. 15 Richtlinie 1999/44/ E G v o m 25.5.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs u n d der Garantien der Verbrauchsgüter; ABl. E G L 171 v o m 7.7.1999; Darstellung des Richtlinieninhalts etwa bei Staudenmayer, N J W 1999, 2393f. 16 Vgl. den Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucks. 14/ 6040; ferner Tröger, Z E u P 2003, 525f. 17 Vgl. etwa Dauner-Lieb, J Z 2001, 8, 9 („Der A n s t o ß ... k o m m t aus Brüssel.").

Einleitung

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und gerade das Kaufrecht - als Kernmaterie jeder Zivilrechtsordnung - wird von der Internationalisierung des Rechts erfasst. Insbesondere die in Deutschland durchgeführte Reform des besonderen und des allgemeinen Schuldrechts macht deutlich, dass die Internationalisierung des Rechts stetig und scheinbar unaufhaltsam voranschreitet. III. Zukunftsperspektiven Diese allmähliche, aber nachhaltige Rechtsquellenverschiebung ist noch nicht abgeschlossen. Schon seit längerem gibt es Forderungen, das Zivilrecht in Europa umfassend zu „europäisieren". So hat insbesondere das Europäische Parlament mehrfach verlangt, dass mit Vorbereitungsarbeiten für ein einheitliches Europäisches Gesetzbuch für das Privatrecht begonnen werden solle. 18 Im Jahre 2001 hatte die EG-Kommission in einer Mitteilung an den Rat und das Europäische Parlament die Frage aufgeworfen, ob der „Erlass neuer umfassender Rechtsvorschriften auf EG-Ebene" in dem Bereich des allgemeinen und besonderen Vertragsrechts anzustreben ist. 19 Sie hatte sich als Reaktion auf die Mitteilung eine „eingehende Debatte" um die Zukunft des europäischen Vertragsrechts erwartet, um für den Fall, dass die Idee einer weitreichenden Kodifikation auf europäischer Ebene auf Zustimmung stoßen sollte, „im Rahmen ihres Initiativrechts über weitere Maßnahmen" zu entscheiden. 20 In einer Mitteilung aus dem Jahr 2003 hält sie sich - nach Auswertung der eingegangenen Stellungnahmen - die Option der Schaffung umfangreicher Vorschriften zwar weiterhin offen, bevorzugt aber gegenwärtig einzelfallbezogene bzw. „sektorspezifische Interventionen" und schlägt in diesem Zusammenhang eine „Mischung aus nicht gesetzgeberischen und gesetzgeberischen Maßnahmen" vor. 21 In Erwägung gezogen wird - als nicht sektorspezifische Maßnahme - allerdings auch ein „optionelles Instrument im Bereich des europäischen Vertragsrechts". 22 Der Rat der Europäischen Union hat den Aktionsplan in einer Entschließung ausdrücklich begrüßt. 23 Insgesamt kann man daher davon ausgehen, dass die Schaffung eines unmittelbar geltenden europäischen Zivilgesetzbuches gegenwärtig nicht zu erwarten ist und sich die euro18 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. Mai 1989, ABl. EG Nr. C 158 v. 26.6. 1989, S.400 = ZEuP 1993, 613; bekräftigt durch Entschließung des Europäischen Parlaments vom 6. Mai 1994, ABl. EG Nr. C 205 v. 25.7. 1994, S.518 = ZEuP 1995, 669 (hierzu Tilmann, ZEuP 1995, 534f.). 19 Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament zum Europäischen Vertragsrecht; KOM(2001) 398 endgültig vom 11.7.2001 (ABl. C 255 vom 13.9. 2001, S. 1), auch abgedruckt in Sonderbeilage zu EuzW 16/2001 mit Aufsatz Staudenmayer, EuZW 2001, 485. 20 ABl. C 255 vom 13.9. 2001, S. 1, 11 (Rn.71). 21 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat - Ein kohärenteres europäisches Vertragsrecht - Ein Aktionsplan KOM(2003) 68 endgültig vom 12.2.2003 (ABl. C 63 vom 15.3. 2003, S . l ) . 22 A.a.O., S. 2. 23 Entschließung des Rates zum Thema „Ein kohärenteres europäisches Vertragsrecht", ABl. C 246 vom 14.10. 2003, S . l .

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Einleitung

päische Gesetzgebung vorerst auf eine Konsolidierung und einen schrittweisen Ausbau der bestehenden Vorschriften beschränken wird. Außer Blickweite ist das europäische Zivilgesetzbuch jedoch nicht geraten, und im Falle einer weitergehenden, wenn auch nur schrittweisen europäischen Rechtsvereinheitlichung dürfte sich die Frage nach einer umfassenden Kodifikation bald erneut stellen. 24 Ein privater Entwurf eines Europäischen Vertragsgesetzbuches liegt bereits vor. 25 Im Falle eines weitreichenden „Federstrichs des Gesetzgebers" auf europäischer Ebene würden die entsprechenden nationalen Regelungen zur Makulatur. Man mag die Forderung nach einem einheitlichen europäischen Zivilgesetzbuch bzw. nach einer umfassenden Kodifikation des europäischen Vertragsrechts allgemein für unberechtigt oder zumindest für verfrüht halten. 26 Sie bringt aber zum Ausdruck, dass sich in der Entwicklung des Rechts - insbesondere in Europa, aber letztlich weltweit - ein grundlegender Wandel vollzieht. Auch im außereurop ä i s c h e n Bereich ist mit einer Zunahme von Regelungswerken mit internationalem Anspruch zu rechnen.

B. Auswirkungen auf die allgemeine Methodenlehre Es stellt sich die Frage, welche Auswirkungen dieser Wandel des Rechts auf die allgemeine Methodenlehre hat. Hier führen schon erste einfache Überlegungen zu der Erkenntnis, dass die nationalen Methodenlehren für das internationale Einheitsrecht nur bedingt tauglich sind bzw. erheblicher Modifikationen bedürfen.

2 4 Apodiktisch Schwintowski, J Z 2002,205: „Europa ist auf dem Wege zu einem Europäischen Zivilgesetzbuch (European Civil C o d e ) . " Ähnlich Grundmann, N J W 2002, 393, 396 („unwahrscheinlich, dass jeglicher einheitliche Europäische Gesetzesakt noch sehr lange auf sich warten lässt"). Abweichend Calliess, A c P 203 (2003), 575, 592 Fn. 72, der eine „Fortsetzung der Richtlinienflut" befürchtet. Kritisch zu den Unklarheiten der Mitteilung Kenny, E.L.Rev. 2003, 538, 542 f. Zu den Möglichkeiten der Vereinheitlichung - insbesondere der Kombination von zentraler und dezentraler Regelgebung - Grundmann, RIW 2002, 329ff. 2 5 C o d e européen des contrats, Avant-projet, Livre Premier, der Akademie Europäischer Privatrechtswissenschaftler (Coordinateur Giuseppe Gandolfi)', hierzu Sonnenberger, RIW 2001, 409ff.; Sturm, J Z 2001, 1099f. 2 6 Uberblick über den Meinungsstand bei Martiny, in: Auf dem Wege zu einem Europäischen Zivilgesetzbuch, S. 1, 6f.; zahlreiche Beiträge bei Grundmann/Stuyck, A n Academic Green Paper on European Contract Law; befürwortend Schwintowski, J Z 2002, 205f.; ablehnend Schurig, in: Festschrift für Großfeld, S. 1089f.; vgl. ferner Engel, ZfRV 40 (1999), 121 f.; Schulze, N J W 1997, 2742f. (Tagungsbericht); Tilmann, Z E u P 1995, 534, 543f.; Remien, ZfRV 36 (1995), 116, 119f.; Miiller-Graff, N J W 1993,13,23; Ulmer, J Z 1992,1,7f.; zum Meinungsstand in der französischen Rechtswissenschaft vgl. Witz, Le Dalloz hebdomadaire 2000 (Chroniques Doctrines), S. 79 f.; kritisch zur Beseitigung nationaler Rechtsunterschiede Sacco, La diversità nel diritto, Rivista di diritto civile 2000 I, 15f.; Zaccaria, Rivista di diritto civile 1997 I, 367f.; aus englischer Sicht entschieden ablehnend Legrand, The Modern Law Review 1997,44 f.; ders., Revue internationale de droit comparé 48 (1996), 779f.; ders., I. C. L. Q . 45 (1996), 52,79f.; für eine Beibehaltung des ungeschriebenen C o m m o n law auch G o f f , I . C . Q . L . 46 (1997), 745f.

Einleitung

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Festzustellen ist etwa, dass die einzelnen nationalen Rechtsordnungen hinsichtlich der Frage, nach welchen Kriterien ein Gesetzestext auszulegen ist, unterschiedliche Maßstäbe vorgeben. Gerade die Rechtsordnungen des Common Law einerseits und des „Civil Law" andererseits weisen hier nach wie vor - trotz einer zwischenzeitlich erfolgten Annäherung der englischen an die kontinentaleuropäische Auslegungslehre - nicht unerhebliche Unterschiede auf. 27 Nicht zu Unrecht, wenngleich mittlerweile wohl deutlich überpointiert, werden die traditionellen angloamerikanischen Auslegungsgrundsätze aus Sicht der kontinentaleuropäischen Rechtswissenschaft als „befremdend und irritierend"bezeichnet. 28 Dasselbe dürfte vice versa über die kontinentaleuropäische Auslegungstechnik aus der Sicht des Common Law zu sagen sein. Normtexte des internationalen Einheitsrechts bedürfen aber, da sonst der eigentliche Zweck des internationalen Einheitsrechts verfehlt wird, einer staatenübergreifend einheitlichen Auslegung. 29 Schon hieraus folgt, dass die nationalen Auslegungsmethoden im internationalen Einheitsrecht jedenfalls nicht ungeprüft bzw. unmodifiziert zur Anwendung gelangen dürfen. Der „Geist der Rechtsvereinheitlichung wird" - wie Berger formuliert hat - „in der täglichen Rechtspraxis schnell vertrieben, wenn nationale Gerichte in nationales Recht transformierte Konventionen oder Modellgesetze wie einfaches nationales Recht anwenden und auslegen".30 Die nationalen Auslegungsmethoden sind daher durch eine einheitliche - eine „autonome" - Auslegungsmethode des internationalen Einheitsrechts

27 Vgl. hierzu umfassend (das Bestehen relevanter methodischer Unterschiede zwischen dem kontinentaleuropäischen und dem englischen Recht allerdings weitgehend ablehnend) Vogenauer, Die Auslegung in England und auf dem Kontinent; ferner etwa Levitzky, Am.J.Comp.L. 42 (1994), 347, 369f. Zu den Unterschieden zwischen der deutschen und der klassischen englischen Auslegungslehre ferner Diedrich, Autonome Auslegung S. 83f. sowie Ohly, Richterrecht und Generalklausel, S. 167f.; Lundmark, Juristische Technik und Methodik des Common law S. 226f.; aus der englischen Literatur Bennion, Statutory Interpretation; ders., Statute Law; Cross, Statutory Interpretation; Smith/Baily, The Modern English Legal System S. 351-412; Walker/ Walker, English Legal System S. 31-56. Zu einer neuen methodologischen Strömung in US-amerikanischen Rechtsprechung, die sich - ähnlich wie die klassische englische Rechtsprechung vornehmlich auf die Erfassung des Wortlauts beschränken will, siehe etwa Scalia, A Matter of Interpretation, 1997; kritisch Eskridge Jr., The George Washington Law Review 66 (1998), 13011323; ders., Michigan Law Review 96 (1998), 1509f.; Cooper, Tulane Law Review 2000, 12071262; Sunstein, The University of Chicago Law Review 66 (1999), 636-670; ders., Harvard Law Review 103 (1989), 407f.; Manning, Columbia Law Review 97 (1997), 673 f.; Frickey, Minnesota Law Review 84 (1999), 199f.; ders. Minnesota Law Review 77 (1992), 241f.; Pierce, Columbia Law Review 95 (1995), 749f. 28 Haertel/Stauder, GRUR Int. 1982, 85,86 („Die herkömmlichen Auslegungsregeln der englischen Gerichte zu nationalem Gesetzesrecht wirken auf den kontinental-europäischen Juristen befremdend und irritierend."). 29 Vgl. etwa Kropholler, Internationales Einheitsrecht, S. 259f.; Diedrich, Autonome Auslegung S. 34f.; Kramer, Juristische Blätter 1996, 137, 139; Reinhart, RIW 1994, 445f.-Junker, RabelsZ 55 (1991), 674f.; Boneil, Rivista di diritto civile 1986 II, 221, 224; zum CISG StaudingerMagnus, Art. 7 Rdnr. 3; Witz, in: Witz/Saiger/Lorenz, Art. 7 Rdnr. 9. 30 Berger, ZEuP 2001, 4, 7.

Einleitung

8

zu ersetzen.31 In noch höherem Maße gilt dies für die in den einzelnen nationalen Rechtsordnungen eher noch stärker divergierende Technik der richterlichen „Lückenfüllung" oder die Zulässigkeit und die Maßstäbe einer gesetzesüberschreitenden richterlichen Rechtsfortbildung oder auch für die Frage der Präjudizienbindung. 32 Viele methodische Fragen, die im Rahmen des internationalen Einheitsrechts zu behandeln sind, unterscheiden sich strukturell von den entsprechenden Fragestellungen im nationalen Recht, oder sie sind der nationalen Methodenlehre nicht einmal bekannt. Sie machen daher schon aus diesem Grund die Entwicklung neuer methodischer Grundsätze erforderlich. So kennt das nationale Recht zwar die allgemeine Problematik der Normenkonkurrenz. 33 Für den speziellen Fall der Normenkonkurrenz zwischen verschiedenen Regelungsakten des internationalen Einheitsrechts lassen sich der nationalen Methodenlehre keine hinreichend sicheren Maßstäbe entnehmen. Dasselbe gilt auch für die Normenkonkurrenz zwischen staatsvertraglichem oder EG-rechtlichem Einheitsrecht einerseits und dem nationalen Recht andererseits.34 Auch diesbezüglich ist daher die Herausbildung neuer und autonomer methodischer Grundsätze des internationalen Einheitsrechts unabdingbar. Ungeachtet ihrer nicht zu verkennenden praktischen Relevanz befindet sich die Lehre über die allgemeinen Grundlagen und Methoden des internationalen Einheitsrechts - setzt man sie in Relation zu der wachsenden Verbreitung des internationalen Einheitsrechts - eher noch am Anfang. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass das internationale Einheitsrecht schon vor längerer Zeit vielfach als eigenständiger Zweig der Rechtswissenschaft anerkannt worden ist. 35 Die Rechtsprechung argumentiert nicht selten auf der Basis der nationalen Methodenlehre. Auch in der Literatur wird im Hinblick auf die anzuwendenden methodischen Grundsätze häufig kein Unterschied danach gemacht, ob es sich um internationales Einheitsrecht oder um autonom-nationales Recht handelt. In Deutschland bestehen zahlreiche Grundlagenwerke zur Methodenlehre des nationalen Rechts. Demgegenüber beschränkt sich die methodische Diskussion im internationalen Einheitsrecht zumeist auf Einzelaspekte. Man vermag sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die stürmische Entwicklung, die das internationale Einheitsrecht in den letzten Jahren insbesondere in der Europäischen Union genommen hat, zu wenig Zeit für eine grundsätzliche und ausführliche Diskussi-

Vgl. ausführlich unten Kapitel 5 (S.79ff.). Hierzu unten Kapitel 8 (S.275ff.) und Kapitel 9 (S.329ff.). 33 Siehe etwa Rüthers, Rechtstheorie, Rdnr. 770f.; Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 162f.; Klein, Konkurrenz und Auslegung. In der zivilrechtlichen Methodenlehre wird die Frage der Normenkonkurrenz allerdings häufig als ein besonderer Anwendungsfall der Auslegung behandelt, vgl. etwa Klein, Konkurrenz und Auslegung, S. 18 f.; Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S.465 (lex specialis-Satz als Ausprägung der systematisch-logischen Auslegung); ähnlich Kramer, Juristische Methodenlehre, S. 81 f. 3 4 Vgl. ausführlich unten Kapitel 6 (S.229ff.). 35 Vgl. hierzu die Nachweise bei Kropholler, Internationales Einheitsrecht, S.36f. 31

32

9

Einleitung

on und Entwicklung methodischer Prinzipien gelassen hat. 3 6 Dass aber jedenfalls eine stillschweigende Anwendung der nationalen Methodenlehre auch auf das internationale Einheitsrecht nicht zum Ziel führt, ist bei näherer Betrachtung nicht zu bestreiten. 3 7 Kropholler

hat vor mittlerweile fast dreißig Jahren den Versuch unternommen,

in einem Kapitel seiner Habilitationsschrift eine allgemeine Methodenlehre des internationalen Einheitsrechts zu entwickeln. 3 8 E r hat dabei seine Ausführungen selbst als einen „Anfang" verstanden. 3 9 D i e nunmehr folgenden Untersuchungen haben das Ziel, das T h e m a der Methodenlehre des internationalen Einheitsrechts erneut aufzugreifen und die Lehren Krophollers

zu aktualisieren und fortzuent-

wickeln. In der Arbeit geht es zunächst einmal darum, die in Literatur und Rechtsprechung bereits gewonnenen methodischen Erkenntnisse zu Einzelfragen zusammenzutragen und zu ordnen. Abgesehen von dem bereits erwähnten Werk

Krop-

hollers finden sich - wie dargelegt - zahlreiche Untersuchungen zu einzelnen P r o blemen aus dem Bereich der Methodenlehre des internationalen Einheitsrechts. 4 0 Viele methodologische Fragen des internationalen Einheitsrechts sind - wie dargelegt - noch nicht abschließend behandelt worden. D i e vorliegende Arbeit will daher - über die Zusammenstellung bestehender Lösungsansätze hinaus auch eigenständige und neue Lösungsansätze für eine autonome Methodenlehre des internationalen Einheitsrechts aufzeigen. In der Hauptsache soll es allerdings darum gehen, die gewonnenen Einzelergebnisse in einen Gesamtzusammenhang zu stellen. Hierbei vertritt der Verfasser die Auffassung, dass sich die Methodenlehre im internationalen Einheitsrecht angesichts der bestehenden Differenzen zwischen den nationalen Methodenlehren, den neuartigen methodischen Fragestellungen im internationalen Einheitsrecht und der besonderen Zweckrichtung des internationalen Einheitsrechts nicht darauf beschränken kann, lediglich punktuelle

Modifikationen der etablierten na-

tionalen Methodenlehren vorzunehmen. Vielmehr gilt es, die Methodenlehre des internationalen Einheitsrechts sowohl in ihren Grundlagen als auch in ihren E i n zelaussagen als einen eigenständigen Untersuchungsgegenstand zu entwickeln. Hierbei nimmt auch die vorliegende Arbeit selbstverständlich nicht für sich in Anspruch, die Methodenlehre des internationalen Einheitsrechts umfassend und 36 Vgl. z.B. Hausebka, JZ 1990, 521, 523 („Wie etwa das EG-Verordnungsrecht... in der innerstaatlichen Auslegung behandelt wird, ist ein weitgehend verdrängtes Problem."); Nettesheim, AöR 119 (1994), 261, 281 („Eine Methodenlehre des Gemeinschaftsrechts ... steht noch aus."). 37 Berger, ZEuP 2001, 4f. 38 Kropholler, Internationales Einheitsrecht, S. 235-340. 39 Kropholler, Internationales Einheitsrecht, S.38. 40 Im Vordergrund des Interesses stehen Werke zur Auslegung des internationalen Einheitsrechts; vgl. etwa aus der deutschen Literatur Grundmann, Die Auslegung des Gemeinschaftsrechts; Anweiler, Auslegungsmethoden des EuGH; Buck, Auslegungsmethoden des EuGH; ferner aus der Aufsatzliteratur Reinhart, RIW 1994,445f.; Bleckmann, ZGR 1992,364f.; Lütter, JZ 1992, 593f.; Junker, RabelsZ 55 (1991), 674f.; Canaris, JZ 1987, 543f.

10

Einleitung

abschließend zu behandeln. Sie beschränkt sich auf die wichtigsten Themenkomplexe, und dort auf die zentralen Aussagen in ihren Grundlagen und Grundzügen. Ausgegangen wird von einem funktionalen, an den spezifischen Zielen und Zwecken des internationalen Einheitsrechts ausgerichteten Ansatz. Der Vorteil eines solchen, unmittelbar aus dem Telos des internationalen Einheitsrechts abgeleiteten Ansatzes liegt in seiner weitgehenden Unabhängigkeit von den rechtsphilosophischen und rechtsmethodischen Grundeinstellungen der verschiedenen nationalen Rechtsordnungen. Die Unterschiedlichkeit der einzelnen Rechtsordnungen auch in ihren rechtsphilosophischen Grundeinstellungen kann als gegeben hingenommen werden, ohne dass dies a priori der Entwicklung einer eigenständigen Methodenlehre des internationalen Einheitsrechts entgegenstünde. Ein derart „autonomer" Ansatz scheint daher am ehesten geeignet, als Ausgangspunkt für eine in ihren Grund- und Einzelaussagen konsensfähige Methodenlehre des internationalen Einheitsrechts zu dienen. Bydlinski hat dem deutschen methodologischen Schrifttum - insbesondere dem methoden- und dogmatikkritischen Schrifttum - vorgeworfen, dass es häufig zu praktisch nicht verwertbaren bzw. nicht umsetzbaren Ergebnissen gelange. Zwischen den „normalen" rechtsdogmatischen Arbeiten einzelner Juristen einerseits und ihren methodologischen Äußerungen andererseits sei häufig kein Zusammenhang ersichtlich. 41 Dieser berechtigten Kritik soll im Rahmen der folgenden Darstellung Rechnung getragen werden. Zwar darf sich die Methodenlehre nicht darauf beschränken, die gängige Rechtsprechungspraxis darzustellen. Sie hat auch aus eigener Erkenntnis methodische Grundsätze und Regeln zu gewinnen und der Praxis anzuempfehlen. Auch die vorliegende Arbeit strebt nicht in erster Linie eine Deskription der Rechtsprechung an, sondern will eigene normative Grundsätze entwickeln. Erforderlich ist hierbei aber - und insoweit ist Bydlinski uneingeschränkt zuzustimmen - , dass die Methodenlehre nicht an den Bedürfnissen der Praxis vorbei argumentiert, sondern der Praxis eine Unterstützung und Hilfe bietet. 42 Verständlichkeit und Praxistauglichkeit - die Konzentration auf das Wesentliche - sind Maximen, die gerade für eine Methodenlehre im Bereich des internationalen Einheitsrechts höchste Bedeutung haben. Zu diesem Zweck werden die methodologischen Ergebnisse und Regeln, die im Laufe der vorliegenden Arbeit gewonnen werden, stets an konkreten Rechtsprechungsund Auslegungsbeispielen verifiziert.

Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S.6. Vgl. die Bezeichnung der juristischen Methodenlehre als „Handwerkslehre" bei roeder, Zivilprozessuale Grundlagen richterlicher Rechtsfortbildung, S. 135. 41

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Hergen-

Einleitung

11

C . G a n g der U n t e r s u c h u n g Im ersten Teil der Arbeit sollen die erforderlichen Grundlagen für die weitere Untersuchung gelegt werden. Zunächst erfolgt eine Definition des Begriffs des internationalen Einheitsrechts. Sodann wird ausführlich untersucht, welche besonderen Regelungszwecke das internationale Einheitsrecht verfolgt bzw. welche positiven Wirkungen sich aus der international einheitlichen Geltung des Rechts ergeben können. Im Hauptteil der Arbeit werden in einem ersten Abschnitt - auf der Grundlage der zuvor ermittelten Regelungszwecke des internationalen Einheitsrechts - die allgemeinen Leitprinzipien der Methodenlehre des internationalen Einheitsrechts dargestellt. D e r zweite Abschnitt geht auf die einzelnen Untersuchungsgegenstände der Methodenlehre des internationalen Einheitsrechts ein. Hierbei wird differenziert zwischen den Methoden der richterlichen Auslegung, der N o r menkonkurrenzlehre, der Angleichung, der richterlichen Rechtsfortbildung sowie schließlich der Frage nach dem Stellenwert und der Bindungswirkung von gerichtlichen Entscheidungen. In einem letzten Kapitel wird untersucht, welche Schlussfolgerungen sich aus der rechtsanwendungsbezogenen Betrachtung für die Rechtssetzung im internationalen Einheitsrecht ziehen lassen. Die vorliegende Darstellung bezieht sich grundsätzlich auf das gesamte internationale Einheitsrecht. Im Vordergrund steht das zivilrechtliche internationale Einheitsrecht. Soweit zur Veranschaulichung der allgemeinen Ergebnisse auf konkrete Vorschriften des internationalen Einheitsrechts Bezug genommen wird, wird ein besonderes Augenmerk auf das Kaufrecht gelegt. Das internationale Einheitskaufrecht ist deshalb von besonderem Interesse, weil es sich beim Kaufrecht um einen der zentralen Regelungsgegenstände des einzelstaatlich-nationalen Rechts handelt. 43 Regelungen des Kaufrechts haben häufig paradigmatische Bedeutung für die allgemeinen Leistungsstörungsregeln, so dass das Kaufrecht bereits aus diesem Grund von großem Interesse ist. 44 Zum anderen ist das Kaufrecht - wie bereits dargelegt - in besonderem Maße von verschiedenen Regelungswerken des internationalen Einheitsrechts betroffen. Viele der methodischen Grundlagenprobleme, die sich im internationalen Einheitsrecht stellen, lassen sich daher am Beispiel des Kaufrechts veranschaulichen.

43 Lando, RabelsZ 56 (1992), 261,268 („... there is a tendency to regard the contract for the sale of goods as paramount among contracts"). 44 Schlechtriem, ZEuP 1993, 217, 220.

I. TEIL:

Grundlagen

1. Kapitel:

Begriff des „internationalen Einheitsrechts" A. Überblick Angesichts der bisher nicht einheitlichen Verwendung des Begriffs des „internationalen Einheitsrechts" soll zunächst eine terminologische Klärung vorangestellt werden. Hierbei geht es in erster Linie darum, den Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit festzulegen, weniger darum, eine allgemeingültige Definition des internationalen Einheitsrechts aufzustellen. Unter dem Begriff des internationalen Einheitsrechts wird für die Zwecke der vorliegenden Arbeit die Gesamtheit der objektiven Rechtssätze verstanden, die in mehreren Staaten einheitlich und allgemeinverbindlich gelten. Ferner müssen diese Rechtssätze auf eine rechtliche Bindung dieser Staaten zurückzuführen sein. Der Begriff des internationalen Einheitsrechts hat demgemäß auf der Grundlage der hier vertretenen Definition drei Hauptelemente: Zunächst muss es sich nach allgemeinen Regeln um objektives „Recht" handeln. Sodann muss dieses Recht international einheitlich gelten. Schließlich muss diese international einheitliche Geltung auf eine rechtliche Bindung zwischen den beteiligten Staaten zurückzuführen sein, wobei hierunter staatsvertragliche Bindungen, aber auch die Rechtsbindung aufgrund eines Zusammenschlusses zu einer supranationalen Gemeinschaft (europäische Gemeinschaft) verstanden werden.

B. R e c h t Unter das erste Definitionselement des verbindlichen „Rechts" werden hierbei nur diejenigen Rechtsregeln gefasst, die - über das (Vertrags-)verhältnis einzelner Personen hinaus - eine autoritative allgemeine Bindungswirkung entfalten. Damit zählt zu dem internationalen Einheitsrecht in dem Sinne, in dem es hier verwendet wird, zunächst das staatsvertragliche Einheitsrecht. Zu dem internationalen Einheitsrecht zählt aber auch das Recht, das durch Organe der Europäischen Union gesetzt wird und in den Staaten der Europäischen Union Geltung beansprucht. Angesprochen ist hier also das in EG-Verordnungen und EG-Richtlinien enthaltene Recht. Zwar können sich die einzelnen Marktbürger - von einigen in der Rechtsprechung des EuGH entwickelten Ausnahmen abgesehen - auf die Geltung von EG-

1. Kapitel: Begriff des „internationalen

Einheitsrechts"

15

Richtlinien selbst unmittelbar nicht berufen; eine unmittelbare Bindungswirkung gegenüber dem einzelnen Marktbürger entsteht aus der Richtlinie daher nicht.1 Eine einheitliche autoritative Bindungswirkung der Richtlinien entsteht aber für die staatlichen Organe der Mitgliedstaaten. Diese sind dazu verpflichtet, richtlinienkonformes nationales Recht zu schaffen. Diese Verpflichtung trifft vornehmlich die Rechtssetzungsorgane, daneben aber auch die Gerichte. Sie sind nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH, soweit die Auslegungsspielräume des nationalen Rechts es zulassen, zu einer richtlinienkonformen Auslegung nationalen Rechts verpflichtet.2 Auch das so genannte Richterrecht kommt grundsätzlich als internationales Einheitsrecht in Betracht. Ob man das so genannte „Richterrecht" als objektives Recht anerkennt oder nicht, ist auf der Ebene der kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen zumeist sehr umstritten.3 Anders verhält es sich im Common

1 Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH kommt eine unmittelbare Anwendung von Richtlinien nur dann in Betracht, wenn es sich um eine hinreichend konkrete Richtlinienbestimmung handelt, und wenn die Richtlinie dem Bürger gegenüber dem Staat eine vorteilhafte Rechtsposition einräumt; vgl. etwa EuGH, Rs. 152/84 (Marshall/Southhampton Health Authority), Slg. 1986, 723 = NJW 1986, 2178; Rs. C-91/92 (Faccini Dori/Recreb Sri), Slg. 1994, 3325, 3357 mit Anm. Heß, J Z 1995, 150f.; zur umstrittenen Zulässigkeit der unmittelbaren Anwendung von EG-Richtlinienrecht als einem Fall richterlicher Rechtsfortbildung durch den EuGH vgl. Neßler, RIW 1993, 206f. 2 Vgl. im Einzelnen EuGH, Rs. 14/83 (von Colson und Kamann/Land Nordrhein-Westfalen), Slg. 1984,1891,1909, ebenso EuGH, Rs. C-91/92 (Faccini Dori/Recreb Sri), Slg. 1994,3325, 3357; Rs. C-334/92 (Wagner Miret/Fondo de garantía salarial), Slg. 1993 I, 6911 Rn.20; Rs. C106/89 (Marleasing/La Comercial Internacional de Alimentación), 19901,4135,4159; Rs. 125/88 (Nijman) Slg. 1989, 3533, 3546; Rs. 31/87 (Gebroeders Beentjes/Niederländischer Staat), Slg. 1988, 4635, 4662; Rs. 80/86 (Kolpinghuis Nijmwegen) Slg. 1987, 3969, 3986; Rs. 79/83 (Harz/ Deutsche Tradax GmbH), Slg. 1984, 1921, 1942. Eine Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung besteht hierbei nicht nur im Hinblick auf nationale Rechtsvorschriften, die zur Umsetzung einer EG-Richtlinie geschaffen worden sind, sondern im Hinblick auf das gesamte nationale Recht. Richtlinienkonform auszulegen ist damit insbesondere auch das Recht, das bereits vor Erlass der Richtlinie bestanden hat; vgl. EuGH, Rs. C-106/89 (Marleasing/La Comercial Internacional de Alimentación EuGH, Slg. 1990 I, 4135, 4159; Rs. C-91/92 (Faccini Dori/Recreb Sri), Slg. 1994,3325,3357 mit Anm. Heß, J Z 1995,150f.; EuGH, Rs. C-334/92 (Wagner Miret/Fondo de garantía salarial), Slg. 1993 I, 6911 Rn. 20; aus der umfangreichen und z.T. kontroversen Literatur zur richtlinienkonformen Auslegung siehe etwa Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung; Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung EG-Rechts, S. 89f.; Grundmann, ZEuP 1996, 399f.; Schmidt, RabelsZ 59 (1995), 569f.; Ehricke, RabelsZ 59 (1995), 598f.; Nettesheim, AöR 119 (1994), 261, 267f.; Hommelhoff, AcP 192 (1992), 71f.; Görtz, N J W 1992, 1849, 1853\ Jarass, EuR 1991, 211 f.; Everling, in: Festschrift für Carstens, 95f.; zur richtlinienkonformen Auslegung der englischen Gerichte vgl. Vogenauer, ZEuP 1997, 158f.; Steiner, The Law Quarterly Review 106 (1990), 144f.; ferner Plaza Martin, I.C.L.Q. 43 (1994), 26, 30f.; zur Problematik der richtlinienkonformen Auslegung vor Ende der Umsetzungsfrist Ehricke, EuZW 1999, 553f.; zur richtlinienkonformen Rechtsfortbildung Hergenroeder, in: Festschrift für Zöllner, Bd. II, S. 1139f.; Nettesheim, AöR 119 (1994), 261, 282f. 3 Vgl. die umfassenden Länderberichte bei MacCormick/Summers (Hrsg.), Interpreting Precedents.

16

1. Teil:

Grundlagen

Law. Dort ist das Richterrecht aufgrund der stare decisis-Doktrin als eine Quelle des objektiven Rechts anerkannt. 4 Richterrecht ist nach der hier vertretenen Ansicht entsprechend der obigen Definition nur dann als objektives „Recht" anzuerkennen, wenn die gerichtlichen Entscheidungen eine internationale Bindungswirkung erga omnes haben. Lässt sich keine Verbindlichkeit feststellen, ist kein „Recht" gegeben: tertium non datur.5 Inwieweit gerichtlichen Entscheidungen zum internationalen Einheitsrecht eine unmittelbare rechtliche Allgemeinverbindlichkeit zukommen kann, wird umfassend im 9. Kapitel dieser Arbeit erörtert. Nähere Untersuchung verdient die Frage, ob das Klauselrecht des internationalen Handelsverkehrs - also etwas die Incoterms oder vergleichbare Standard- oder Musterverträge - in den Begriff des internationalen Einheitsrechts mit einzubeziehen sind. 6 Kropholler hat den Vorschlag unterbreitet, auch das internationale Klauselrecht unter den Begriff des internationalen Einheitsrechts zu fassen. 7 Ferner werden die Handelsklauseln in der deutschen und internationalen insbesondere der französischen - Literatur unter dem Begriff der „lex mercatoria" zusammengefasst und als ein Teil des transnationalen Gewohnheitsrechts der internationalen Wirtschaftsbeziehungen bezeichnet. 8 Auf der Grundlage der hier vertretenen Definition sind Klauseln aus internationalen Handelsverträgen - selbst wenn sie in standardisierter Form verwendet werden - nicht zum internationalen Einheitsrecht zu zählen. Denn die genannten Klauseln müssen grundsätzlich zwischen den jeweiligen Vertragsparteien vereinbart werden; sie haben keine über dieses Vertragsverhältnis hinausreichende Bindungswirkung und damit keinen Geltungsanspruch als allgemeinverbindliches objektives Recht. 9 Aus methodischer Sicht ist dem hinzuzufügen, dass autoritativ gesetztes, allgemeinverbindliches Recht und privates, nur zwischen zwei Vertragsparteien anwendbares Klauselrecht einer einheitlichen methodischen Betrachtung kaum zugänglich sind. So wie auf der Ebene der nationalen Methodenlehre zwischen staatlichem Recht und privatem Klauselrecht unterschieden wird, sollte diese Un4 Zum Präjudizienrecht in England vgl. umfassend Cross/Harris, Precedent in English Law, ferner zur theoretischen Frage nach dem genauen Gegenstand und dem Grund der Präjudizienbindung Marshall, in: Interpreting Precedents, S. 503 f. 5 Vgl. hierzu unten ausführlich Kapitel 9. 6 Zur Förderung der Ausarbeitung von EU-weiten Standardvertragsklauseln innerhalb der E G vgl. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat - Ein kohärenteres europäisches Vertragsrecht - Ein Aktionsplan, ABl. C 63 vom 15.3.2003, S. 1,14f. (Rn. 81 f.). 7 Kropholler, Internationales Einheitsrecht, S. 120. 8 Vgl. hierzu aus dem umfangreichen Schrifttum zur lex mercatoria etwa Stein, Lex mercatoria: Realität und Theorie; Weise, Lex mercatoria: materielles Recht vor der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit; aus französischer Sicht etwa Lagarde, in: Festschrift für Goldman, S. 125f.; weitere Nachweise bei v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, §2 Rn.73f. (S. 78f.); Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht § 1 I X (S. 109f.); Berger, IPRax 1993, 281 f. 9 Es bleibt ein „Recht von staatlichen Gnaden" {Stein, Lex mercatoria, S. 188); ferner v. Bar/ Mankowski, Internationales Privatrecht, § 2 Rn. 76 (S. 81); Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, § 1 I X (S. 111); Mänhardt/Posch, Internationales Privatrecht, S. 155 (7/2).

1. Kapitel: Begriff des „internationalen

Einheitsrechts"

17

terscheidung auch auf der Ebene des internationalen Rechts getroffen werden. 10 Dies schließt andererseits nicht a priori aus, dass zumindest manche der methodischen Prinzipien, die für das internationale Einheitsrecht i.e.S. entwickelt wurden, nach entsprechender Prüfung auf die methodische Behandlung von Klauselrecht übertragen werden können. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn Rechtssetzungsorgane - wie etwa die die EG-Kommission bei der geplanten Förderung EU-weiter Standardvertragsklauseln - auf die Gestaltung der Klauseln näher Einfluss genommen haben.11 Auch die in der internationalen Wirtschaft verbreiteten Handelsbräuche gehören nach der hier vertretenen Ansicht nicht ohne weiteres zum internationalen Einheitsrecht. Handelsbräuche werden erst dann zu Recht, wenn sie - etwa über gesetzliche Generalklauseln - Eingang in das objektiv gesetzte Recht finden und hierdurch mit Allgemeinverbindlichkeit für die Rechtsunterworfenen ausgestattet werden. Im Einzelfall ist ferner denkbar, dass sie sich zu Gewohnheitsrecht verdichten. 12 An der grundsätzlich fehlenden Rechtsqualität der Handelsklauseln und Handelsbräuche ändert sich schließlich auch dadurch nichts, dass in der Schiedsgerichtsbarkeit auf eine Bestimmung des an sich anzuwendenden einzelstaatlichnationalen Rechts gänzlich verzichtet wird und die Handelsklauseln und Handelsbräuche dort häufig als solche zur Anwendung gebracht werden. 13 Die internationale Schiedsgerichtsbarkeit ist ihrerseits von der staatlichen Anerkennung ihrer Entscheidungen abhängig.14 Damit ist sie aus eigener Kraft nicht in der Lage, mit allgemeiner Wirkung für und gegen jedermann ausgestattete Rechtsregeln zu entwickeln oder durchzusetzen. Insgesamt kann daher weder in den üblichen Vertragsklauseln noch in den allgemeinen Gebräuchen und Grundsätzen des Handelsverkehrs eine gewissermaßen überstaatliche Privat-Rechtsordnung gesehen werden. 15 Nicht zu dem „Recht" in dem hier verstandenen Sinne gehören schließlich auch die Regeln, die von privaten, nicht mit Rechtssetzungsbefugnis versehenen Organisationen geschaffen werden. Beispielhaft zu nennen sind hier die von dem Institut U N I D R O I T entwickelten sog. „Principles of International Commercial Contracts". 16 Diese stellen einen aus Elementen verschiedener Rechtsordnungen entwickelten Vorschlag für ein neues - staatenübergreifendes - Vertrags- bzw. 10 Zu den von der allgemeinen Methodenlehre zu unterscheidenden „Methodenfragen der Kautelarjurisprudenz" vgl. etwa Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 609f. 11 Vgl. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat - Ein kohärenteres europäisches Vertragsrecht - Ein Aktionsplan, ABl. C 63 vom 15.3. 2003, S. 1, 14f. (Rn. 81f.). 12 Böckstiegel, in: Festschrift für Beitzke, S.443, 457. 13 Zutreffend v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, §2 Rn. 78f. (S.83f.) 14 Boneil, RabelsZ 42 (1978), 485, 494. 15 Uberblick über den überaus kontroversen und differenzierten Streitstand bei Stein, Lex mercatoria, S. 187f.; wie hier ablehnend etwa Schurig, in: Festschrift für Großfeld, S. 1089,1099f.; anders wiederum Blaurock, ZEuP 1993, 247, 261 f. 16 Abgedruckt u.a. in ZEuP 1997, 890f.; IPRax 1997, 205f.

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1. Teil:

Grundlagen

Schuldrechtssystem dar.17 Die UNIDROIT-Prinzipien haben u.a. zum Ziel, der nationalen und internationalen Gesetzgebung als Vorbild zu dienen und damit zu einer weitgehenden internationalen Vereinheitlichung des Schuldrechts beizutragen.18 Ferner sollen sie nach den Vorstellungen ihrer Verfasser dazu dienen, lückenhaftes internationales Einheitsrecht zu ergänzen19 oder auch nur dazu, den Parteien eines Schuldvertrages als Modell für die Regelung ihrer vertraglichen Beziehungen zu dienen.20 Bei diesen Regeln handelt es sich um eine herausragende wissenschaftliche Leistung. Sie erheben aber keinen Anspruch auf Allgemeinverbindlichkeit.21 Es handelt sich nicht um mit staatlicher Autorität und demokratischer Legitimation versehenes Recht. 22 Dasselbe trifft auch die (in vielerlei Hinsicht mit den UNIDROIT-Prinzipien inhaltlich weitgehend deckungsgleichen) „allgemeinen Grundsätze des Europäischen Vertragsrechts" der nach ihrem Vorsitzenden häufig so bezeichneten Lando-Kommission zu. Auch sie stellen einen rechtlich unverbindlichen Regelungsvorschlag dar.23 Ahnlich wie die Handelsklauseln und die Handelsbräuche sind die UNIDROIT-Prinzipien und die Lando-Prinzipien damit nicht unmittelbar Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Dies schließt andererseits nicht aus, dass im Rahmen der vorliegenden Arbeit punktuell auf die lex mercatoria bzw. die U N I D R O I T - bzw. Lando-Prinzipien Bezug genommen wird. Zu beachten ist insbesondere, dass etwa die UNIDROIT-Prinzipien nach ihrer Präambel Maßstäbe für die Schließung von Regelungslücken im internationalen Einheitsrecht liefern wollen. Dementsprechend wird auf die UNIDROIT-Prinzipien im Bereich der lückenschließenden richterlichen Rechtsfortbildung näher einzugehen sein.24

17 Vgl. zu den UNIDROIT-Prinzipien Boneil, ZfRV 37 (1996), 152f.; ders, Uniform Law Review 1998, 275f.; ders., Rivista di diritto civile 1997 I, 231f.; ders., Uniform Law Review 1997, 34f.; ders., RabelsZ 56 (1992), 274f.; ferner Michaels, RabelsZ 62 (1998), 580f.; Ferrari, J Z 1998, 9f.; Boele-Woelki, IPRax 1997, 161f.; Wichard, RabelsZ 60 (1996), 269f.; Berger, ZVglRWiss 94 (1995), 217f.; Fontaine, Revue de Droit International et de Droit comparé 1991, S. 25f.; zahlreiche weitere Nachweise aus dem umfangreichen Schrifttum bei Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, §1 I X (S. 105f.). 18 Vgl. die Präambel zu den UNIDROIT-Prinzipien: Die Prinzipien können „als Modell für nationale und internationale Gesetzgeber dienen"; abgedruckt u.a. in ZEuP 1997, 890f.; IPRax 1997, 205 f. 19 Siehe dazu unten Kapitel 8 B II 1 d (S.302f.). 2 0 Vgl. hierzu auch unten Kapitel 2 B III (S.38f.). 21 Bonell, ZfRV 37 (1996), 152, 153. 22 Canaris, in: Europäische Vertragsrechts Vereinheitlichung und deutsches Recht, S. 5f. 23 Lando/Beale (Hrsg.), The Principles of European Contract Law, Parts I and II; vgl. hierzu Lando, RabelsZ 56 (1992), 261 ff. = Am.J.Comp.L. 40 (1992), 573ff.; Schulze, ZEuP 1993, 442f.; Drohnig, in: Festschrift für Steindorff, S. 1141 f.; zu den Bemühungen um eine Weiterführung und Verfeinerung der Prinzipien durch die „Study Group on a European Civil Code" vgl. etwa v. Bar, in: Grundmann/Stuyck, S. 137, 139f. 2 4 Siehe unten Kapitel 8 B II 1 d (S.302f.).

1. Kapitel: Begriff des „internationalen

Einheitsrechts"

19

C . International einheitliche Geltung Ein zentrales Merkmal des internationalen Einheitsrechts besteht, wie dies schon der Begriff nahelegt, in seiner international einheitlichen Geltung. Ein einheitliches Recht liegt zunächst dann vor, wenn internationale Regelungen geschaffen werden, die für bestimmte Regelungsfragen ein abschließendes Regelungsprogramm bereitstellen. Beispielhaft zu nennen sind hier (als staatsvertragliche Fälle des internationalen Einheitsrechts) etwa das UN-Kaufrecht (CISG), das für wesentliche Bereiche des internationalen Handelskaufs abschließende Sachnormen vorsieht25, oder das römische Schuldvertragsübereinkommen, das ein grundsätzlich abschließendes Regelungswerk für die Anknüpfung von Schuldverträgen enthält.26 Aber auch das EG-Verordnungsrecht gehört zu der aufgezeigten Fallgruppe. Beispiele aus jüngerer Zeit sind hier etwa die Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen27 und die Verordnung über die Zuständigkeit und die Anerkennung von Vollstreckung in Ehesachen. 28 Internationales Einheitsrecht in dem hier verstandenen Sinne liegt aber auch dann vor, wenn das internationale Einheitsrecht dem nationalen Recht nur einen einheitlich bindenden rechtlichen Rahmen vorgibt. Damit fällt auch das in EG-Richtlinien enthaltene Zivilrecht unter den hier gebrauchten Begriff des internationalen Einheitsrechts. Beispielhaft zu nennen sind hier die Richtlinienvorschriften, die dem mittlerweile in das B G B integrierten deutschen Verbraucherkreditrecht, dem Recht zum Widerruf bei Haustürgeschäften, dem Fernabsatzrecht oder den neu geschaffenen Vorschriften über den Kaufvertrag zugrunde liegen.29 Kropholler spricht in diesem Zusammenhang treffend von „Einheitsrahmenrecht". 30 Im Falle des Einheitsrahmenrechts sollte der Begriff des internationalen Einheitsrechts auf den primären, durch den nationalen Gesetzgeber noch näher um25 UN-Übereinkommen über den internationalen Warenkauf (BGBl. 1989 II, S. 586,588); für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft seit dem 1.1. 19991 (BGBl. 1990 II, S.1477, ber. S. 1699); Schrifttumsnachweise bei Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht § 1 I X (S. 75f.). 26 Ubereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (BGBl. 1986 II, S. 809); vgl. hierzu etwa Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht; Zusammenstellung des umfangreichen Schrifttums bei Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht §4 III (S.203f.) und §18 I (S.561f.). 27 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. E G L 12 v. 16.1. 2001). 28 Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten (ABl. E G 2000 Nr. L 160/10). 29 Auch im staatsvertraglichen Einheitsrecht ist allerdings „Einheitsrahmenrecht" denkbar; vgl. Taupitz, Europäische Privatrechtsvereinheitlichung, S.22. 30 Kropholler, Internationales Einheitsrecht, S. 1; ähnlich Haertel/Stauder, G R U R Int. 1982, 85, 86.

20

1. Teil:

Grundlagen

zusetzenden Regelungsakt beschränkt werden. Internationales Einheitsrecht stellt daher nur die jeweilige EG-Richtlinie dar; das staatliche Recht, das zur U m setzung der Richtlinie erlassen wird, bleibt nur national wirksames Recht ohne internationalen Geltungsanspruch. Es ist prinzipiell nach seinen eigenen, einzelstaatlich-nationalen methodischen Grundsätzen zu beurteilen. 31 Dies schließt allerdings nicht aus, dass das internationale Einheitsrecht auf das nur national wirksame Recht ausstrahlt und sodann auch bei der Anwendung dieses Rechts zu berücksichtigen ist. Zur Verdeutlichung sei auf das Beispiel der Auslegung hingewiesen: So ist zwar einzelstaatlich-nationales Recht nach seinen eigenen Regeln auszulegen; andererseits hat sich diese Auslegung - gemäß dem Gebot der richtlinienkonformen Auslegung - wiederum an dem bei der Auslegung der Richtlinien gefundenen Ergebnis zu orientieren. Die methodischen Grundsätze des internationalen Einheitsrechts haben damit mittelbar Auswirkungen auf das einzelstaatlich-autonome Recht. 32 Auch im Falle des staatsvertraglichen Einheitsrechts ist „Einheitsrahmenrecht" denkbar. 33 Der Begriff des „internationalen Einheitsrechts" beschränkt sich hier ebenfalls auf das im Staatsvertrag enthaltene Recht. Das Recht, das der nationale Gesetzgeber in Ausführung seiner staatsvertraglich übernommenen Pflicht erlässt, bleibt national wirksames Recht ohne internationalen Geltungsanspruch. Es ist grundsätzlich nach den Regeln der nationalen Methodenlehre zu beurteilen. Auch hier ist wiederum ein zumindest mittelbarer Einfluss des internationalen Einheitsrechts zu beachten, da nationales Recht „völkervertragskonform" - also auch im Lichte der Bestimmungen eines Staatsvertrags - auszulegen ist. 34

D. Rechtliche Bindung der beteiligten Staaten Allein dadurch, dass einzelne Rechtsnormen in verschiedenen Staaten den gleichen Inhalt haben, entsteht noch kein internationales Einheitsrecht. Internationales Einheitsrecht i.e.S. liegt nach der hier gewählten Begriffsdefinition nur dann vor, wenn das in den einzelnen Staaten einheitliche Recht auf der freiwilligen rechtlichen (völkerrechtlichen) Bindung der beteiligten Staaten beruht. Das 31 Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung EG-Rechts, S. 93f.; ob man dessen ungeachtet davon sprechen sollte, dass die Richtlinie infolge ihrer Umsetzung unmittelbar in den Mitgliedstaaten gilt (so Görtz, NJW 1992, 1849, 1851), erscheint als zweifelhaft. 32 Vgl. etwa Everling, in: Festschrift für Lukes, S. 351, 364 („Auf diese Weise wird die Frage der Auslegung des nationalen Rechts ... zu einer Frage der Auslegung der betreffenden Richtlinie..."). 33 Taupitz, Europäische Privatrechtsvereinheitlichung, S. 22f. 34 Zur völkerrechtskonformen Auslegung vgl. Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §860 (S.547) und §863 (S.550); Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Stark, Art. 59 Rdnr.244; Doehring, Rdnr. 734; Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 178f.; Hintersteininger, ZOR 53 (1998), 239, 243; aus englischer Sicht etwa Bennion, Statutory Interpretation, Section 270 (S. 630f.) m.w.N.; Bates, ZÖR 50 (1996), 193, 209.

1. Kapitel: Begriff des „internationalen

Einheitsrechts"

21

„klassische" internationale Einheitsrecht ist damit zunächst das staatsvertragliche Einheitsrecht.35 Zum internationalen Einheitsrecht zählt aber auch das Recht, das auf Rechtsakten dritter Organisationen beruht, denen sich die beteiligten Staaten angeschlossen haben. Mit dieser Begründung zählt wiederum das durch EGRechtssetzungsorgane geschaffene Recht - also das europäische Verordnungsund Richtlinienrecht - zum internationalen „Einheitsrecht". 36 Nicht zum internationalen „Einheitsrecht" gehört das Recht, das nur rein tatsächlich in den verschiedenen Staaten übereinstimmt, aber nicht das Ergebnis einer rechtlichen Bindung zwischen den einzelnen Staaten ist. Das Recht eines Staates, das einem anderen Staat lediglich als Vorbild für eine eigene Rechtsschöpfung dient, also Gegenstand eines bloßen (einseitigen) „Rezeptionsvorgangs" ist, ist kein Einheitsrecht i.e.S. 37 Denn hier gilt das rezipierte Recht aufgrund einer autonomen und jederzeit umkehrbaren Entscheidung des „rezipierenden" Staates, nicht aufgrund einer völkerrechtlichen Bindung zwischen den beteiligten Staaten. Nach Kropholler gehören demgegenüber allgemein diejenigen Rechtssätze zum internationalen Einheitsrecht, „bei denen die Einheitlichkeit ihrer Geltung zu einem besonderen Rechtszweck erhoben worden ist". 38 Wendete man die dargestellte Definition Krophollers an, so wäre insbesondere zweifelhaft, ob auch rezipiertes Recht als internationales Einheitsrecht anzusehen ist oder nicht. Denn auch ein einseitiger Rezeptionsvorgang kann den Zweck haben, international einheitliches bzw. angenähertes Recht herzustellen.39 Insgesamt erscheint daher die von Kropholler vorgeschlagene Abgrenzung zwischen dem internationalen Einheitsrecht und dem nationalen Recht gerade in diesem Punkt als zu unbestimmt. Auch in den Fällen, in denen ein Staat ein „Modellgesetz" erlässt, welches von anderen Staaten in gleichlautender oder nur leicht abgewandelter Form übernommen bzw. zumindest als Vorbild für die eigene Gesetzgebung dient, liegt kein internationales Einheitsrecht i.e.S. vor.40 Internationales Einheitsrecht wäre in einem „Modellgesetz" erst dann zu sehen, wenn eine rechtliche Verpflichtung bestünde, dieses Modellgesetz in das nationale Recht zu übernehmen. Kein Einheitsrecht i.e.S. liegt auch dann vor, wenn einzelne Staaten in Fragen der Gesetzgebung auf sonstige Weise tatsächlich, aber ohne Rechtsbindung auf dem Gebiete der Gesetzgebung eng zusammenarbeiten und hierdurch eine weitgehende inhaltliche Gleichheit des jeweils geltenden Rechts herbeiführen. Das jeweils geschaffene Recht bleibt autonomes nationales Recht.41 Beispielhaft zu nennen ist hier die Zusammenarbeit der skandinavischen Staaten auf dem Gebiet der Vgl. Kropholler, Internationales Einheitsrecht, S. 93. Kropholler, Internationales Einheitsrecht, S. 112f. 37 Im Ergebnis wie hier Kropholler, Internationales Einheitsrecht, S. 3. 38 Kropholler, Internationales Einheitsrecht, S. 2; wie Kropholler auch Gebauer, Grundfragen der Europäisierung des Privatrechts S. 73f.; Haertel/'Stauder, G R U R Int. 1982, 85, 86. 39 Vgl. hierzu Zajtay, AcP 36 (1957), 361 ff.; skeptisch Walch, Gespaltene Normen, S.24f. 40 Anders Kropholler, Internationales Einheitsrecht, S. 106; Mänhardt/Posch, Internationales Privatrecht, S. 154 (7/2). 41 Anders wiederum Kropholler, Internationales Einheitsrecht, S. 105 f. 35 36

22

1. Teil:

Grundlagen

Gesetzgebung: Diese liegt regelmäßig nur in einer tatsächlichen Kooperation und gegenseitigen Rücksichtnahme; sie vollzieht sich ohne Rechtsbindung. 42 Es ist allerdings nicht zu verkennen, dass das rein tatsächlich in verschiedenen Staaten übereinstimmende Recht, das nicht auf einer rechtlichen Bindung der beteiligten Staaten beruht, dem internationalen Einheitsrecht im Einzelfall sehr ähnlich kann. Manche der methodischen Grundsätze, die im Rahmen des internationalen Einheitsrechts entwickelt worden sind, können daher auch auf dieses Recht angewendet werden. Umgekehrt können Erfahrungen, die aus der tatsächlichen internationalen Rechtsvereinheitlichung gewonnen werden, auch für das internationale Einheitsrecht i.e.S. von Bedeutung sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn das rechtlich ungebundene Bemühen um Rechtsvereinheitlichung eine Intensität erreicht, die mit der rechtlichen gebundenen internationalen Rechtsvereinheitlichung vergleichbar ist.

E. Irrelevanz der Zuordnung z u m Völkerrecht bzw. z u m nationalen Recht Im staatsvertraglichen Einheitsrecht bedürfen völkerrechtliche Verträge, um innerstaatlich Wirksamkeit zu erlangen, häufig noch eines Umsetzungsakts (Vollzugs- oder Transformationsakts). Dies gilt unbestritten in den Fällen, in denen der Staatsvertrag nicht „self-executing" ist, also selbst seine unmittelbare Anwendbarkeit im nationalen Recht ausschließt und die Vertragsstaaten zu einer Umsetzung verpflichtet. 43 Das durch den nationalen Gesetzgeber geschaffene Recht stellt in diesem Fall unstreitig nicht Völkervertragsrecht, sondern nationales Recht dar. Nationales Recht stellten auch die in Deutschland geltenden Vorschriften des einheitlichen Kaufgesetzes (EKG) bzw. des einheitlichen Abschlussgesetzes (EAG) dar. Das diesen Gesetzen zugrunde liegende Haager Ubereinkommen enthielt selbst keine unmittelbar anwendbaren Bestimmungen über das vertragliche Schuldrecht. Es enthielt nur die Verpflichtung der Vertragsstaaten, die im Anhang zum Ubereinkommen enthaltenen Bestimmungen in ihrem nationalen Recht in Kraft zu setzen.44 Aber auch in den Fällen, in denen der völkerrechtliche Vertrag „seif executing" ist, also nach seinen Vorschriften unmittelbar anwendbar sein will, ist nach den Bestimmungen der meisten Verfassungsordnungen noch ein Umsetzungsakt 42 Zu der Zusammenarbeit der nordischen Staaten im Bereich der Gesetzgebung vgl. Kropholler, Internationales Einheitsrecht, S. 109f.; Malmström, in: Zweigert (Hrsg.), Europäische Zusammenarbeit im Rechtswesen, S. 18f. 43 Vgl. Seidl-Hohenveldern/Stein, Völkerrecht, Rdnr. 556f.; Nguyen/Daillier/Pellet, Droit International Public, Nr. 152 (S.229f.); Müller, Die Umsetzung der europäischen Ubereinkommen, S. 31 f. 44 Hierzu Wolken, in: Schlechtriem (Hrsg.), Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht, S. 81, 84; Schlechtriem/Ferrari, vor Artt. 1-6, Rdnr.24f.

1. Kapitel: Begriff des „internationalen

Einheitsrechts"

23

durch den nationalen Gesetzgeber erforderlich. Die Frage, ob die in das innerstaatliche Recht übergeleiteten Vorschriften des Staatsvertrages nach wie vor dem Völkerrecht oder aber dem nationalen Recht zuzurechnen sind, wird hier in den einzelnen Staaten nicht einheitlich beurteilt. 45 Nach der in Deutschland vielfach vertretenen „Transformationstheorie" wandelt sich das Recht eines Staatsvertrages mit dem „Transformationsakt" - in Deutschland: mit dem Zustimmungsgesetz des Bundestags - in nationales Recht. 46 Demgegenüber verlieren die Bestimmungen des Staatsvertrages nach der so genannten „Adaptionstheorie" und der so genannten „Vollzugstheorie" nicht den Charakter als völkerrechtliche Nor47

men. Für die methodische Behandlung der genannten Normen ist nach der hier vertretenen Ansicht die äußere Zuordnung des „umgesetzten" Rechts zum Völkerrecht bzw. zum nationalen Recht nicht entscheidend. Entscheidend ist allein, dass das in das nationale Recht „umgesetzte" Recht auch nach der „Transformationstheorie" inhaltlich unverändert weitergelten soll, da dies dem Willen des - völkervertragskonform handelnden - nationalen Gesetzgebers entspricht: Besteht ein derartiger Geltungsanspruch auch nach der „Transformation" in nationales Recht fort, so sind - in der logischen Konsequenz - auch in Bezug auf dieses „transformierte" Recht international einheitliche methodische Regeln anzuwenden. Diese methodischen Regeln sind nach wie vor die methodischen Regeln des internationalen Einheitsrechts, nicht die Regeln der inhaltlich voneinander abweichenden nationalen Methodenlehren. 48 Dementsprechend weist die völkerrechtliche Literatur darauf hin, dass auf einen völkerrechtlichen Vertrag, der in innerstaatliches Recht „umgesetzt" wird, nicht die Auslegungsregeln des nationalen Rechts Anwendung finden können. Dies erkennen auch die Vertreter der „Transformationstheorie" an. 49 Für die Methodenlehre des internationalen Einheitsrechts bedeutet dies insgesamt, dass diese unabhängig davon zur Anwendung gelangt, ob das internationale Einheitsrecht formal dem Europa- oder Völkerrecht angehört oder ob es - infolge einer lediglich formalen, inhaltlich neutralen „Transformation" in nationales Recht - dem nationalen Recht zuzuordnen ist. Auch für die methodische Behandlung dieses „transformierten" Rechts sind die eigenständigen Regeln des internationalen Einheitsrechts zur Anwendung zu bringen. Dies gilt zunächst für die Instruktive Ubersicht bei Bleckmann, Europarecht, Rdnr. 722f. Seidl-Hohenveldern/Stein, Völkerrecht, Rdnr. 567. 47 Seidl-Hohenveldern/Stein, Völkerrecht, Rdnr. 571; vgl. auch Bleckmann, Europarecht, Rdnr. 723 („Der Inhalt des Völkerrechtsvertrages wird also nicht als nationales Recht, sondern als Völkerrecht innerstaatlich anwendbar."); ferner Müller, Die Umsetzung der europäischen Ubereinkommen, S. 29f. 4 8 Vgl. Bleckmann, Grundprobleme und Methoden, S. 195. 49 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, S. 104f. m.w.N.; auch Bleckmann, Grundprobleme und Methoden, S. 195 („...über den Umweg über den vermuteten Willen des Gesetzgebers, der die Anwendung der völkerrechtlichen Auslegungsregel befiehlt, gelangt man zu dem wünschenswerten Ergebnis, daß die Auslegung im Völkerrechtsraum und im nationalen Recht parallel läuft und Abweichungen vermieden werden."). 45 46

24

1. Teil:

Grundlagen

Auslegung, aber auch für sonstige methodische Fragen wie die richterliche Rechtsfortbildung oder die Normenkonkurrenzlehre. Für die Behandlung methodischer Fragen ist daher der Streit um die Frage, ob staatsvertragliches Recht durch den „Vollzug" oder die „Transformation" in nationales Recht seinen Charakter als Völkerrecht verliert oder nicht, im Ergebnis nicht entscheidend. Daher kommt es auch nicht auf die der Problematik des „Vollzugs" oder der „Transformation" vorgelagerte, international sehr unterschiedlich beurteilte Grundsatzfrage an, ob das Völkerrecht und das nationale Recht überhaupt als zwei voneinander unabhängige Rechtsordnungen anzusehen sind (sog. Dualismus-Theorie) - was grundsätzlich eine Transformation erforderlich machen würde - , oder ob man umgekehrt in dem Völkerrecht und dem nationalen Recht eine einheitliche Rechtsordnung erkennen will (sog. MonismusTheorie). 5 0 Der Begriff des internationalen Einheitsrechts stützt sich maßgeblich auf das Kriterium der angestrebten international einheitlichen Geltung, nicht auf die formale Zuordnung zum nationalen Recht oder zum Völkerrecht. Besonderes gilt schließlich im Falle von non self-executing-Verträgen, die wenngleich inhaltlich völlig unverändert - in die Sprache der jeweiligen Vertragsstaaten übersetzt werden sollen. Die einzelnen nationalen Umsetzungen sind äußerlich insoweit verschieden, als sie in verschiedenen Sprachen abgefasst sind. Aus diesem Grund könnte man daran zweifeln, dass in diesem Fall noch international einheitliches Recht gegeben ist. Zu beachten ist aber, dass der Vertrag ungeachtet seiner Transformation ins nationale Recht in seinen Inhalten unverändert weitergelten soll. Bestehen grammatische Bedeutungsdivergenzen zwischen dem im Staatsvertrag enthaltenen Text und dem ins nationale Recht „übersetzten" Text, so kommt es bei völkervertragskonformer Auslegung grundsätzlich auf den Inhalt des im Staatsvertrag enthaltenen Texts an. Maßgeblich ist also regelmäßig der völkervertraglich bindende Text, nicht der übersetzte Text. 51 Damit ist aber die international einheitliche Geltung gewährleistet. Auch in diesen Fällen liegt daher internationales Einheitsrecht vor.

5 0 Darstellung des umfangreichen Streitstandes etwa bei Dabm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, S. 104f. m.w.N; Bleckmann, Grundprobleme und Methoden, S. 189f. 51 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, S. 105 (Fn. 4); ausführlich hierzu Hilf, Die Auslegung mehrsprachiger Verträge, der zutreffend darauf hinweist, dass es auch bei dieser Frage nicht auf eine Entscheidung für und gegen die „Transformationstheorie" oder die „Vollzugstheorie" ankommt.

2. K a p i t e l :

Regelungszwecke des internationalen Einheitsrechts A.

Einleitung

D i e unmittelbare Wirkung des internationalen Einheitsrechts liegt darin, dass es an die Stelle der national unterschiedlichen Rechtsordnungen ein international gleichlautendes R e c h t setzt. D i e Schaffung von Rechtseinheit ist allerdings kein Wert an sich. 1 Ein abstraktes Ideal, dass alle Rechtsordnungen in allen Privatrechtsfragen übereinstimmen müssten, ist nicht anzuerkennen. 2 Eine derartige Vereinheitlichung würde sich vielmehr als eine Missachtung kultureller, gesellschaftlicher und weltanschaulicher Unterschiede, als eine Gleichbehandlung von Ungleichem darstellen. Verständlich wird das Streben nach internationaler Rechtseinheit mithin erst dadurch, dass man sich - losgelöst von einem nicht anzuerkennenden abstrakten Vereinheitlichungsideal - die verschiedenen möglichen positiven Folgen vergegenwärtigt, die mit der Schaffung eines international einheitlichen Rechts in der konkreten Rechtsanwendung verbunden sein können. Auch nach Art. 3 I lit. h des EG-Vertrags ist die Angleichung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften nur Aufgabe der Gemeinschaft, „soweit dies für das ordnungsmäßige Funktionieren des Gemeinsamen Marktes erforderlich ist." D i e Rechtsangleichung hat also auch innerhalb der E G eine dienende „integrationsbezogene" Funktion. Sie ist nur Mittel zum Z w e c k , kein abstrakter Wert an sich. 3 Dementsprechend steht in der gegenwärtigen Diskussion, die in der E G um die Schaffung neuer Vorschriften auf dem Gebiet des Vertragsrechts geführt wird, die Frage nach der Beeinträchtigung des europäischen Binnenmarkts durch die Geltung unterschiedlicher nationaler Vertragsrechtsordnungen im Vordergrund. 4 Grundsätzlich lässt sich zwischen drei spezifischen Regelungszwecken des internationalen Einheitsrechts unterscheiden. Ein wesentlicher Sinn des internatioTaupitz, Europäische Privatrechtsvereinheitlichung, S. 5 (m.w.N. Fn.23). Kropholler, Internationales Einheitsrecht, S. 22. 3 Oppermann, Europarecht, Rdnr. 1205; Everling, in: Festschrift für Steindorff, S. 1155f.; Zaccaria, Rivista di diritto civile 1997 I, 367, 369; Müller-Graff, N J W 1993, 13. 4 Vgl. etwa Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat - Ein kohärenteres europäisches Vertragsrecht - Ein Aktionsplan, ABl. C 63 vom 15.3. 2003, S. 1, 4 (Rn. 5): „Die Kommission wollte in Erfahrung bringen, ob die Unterschiede im Vertragsrecht der einzelnen Mitgliedstaaten zu Problemen führen. In der Mitteilung wurde insbesondere die Frage gestellt, ob Probleme im Zusammenhang mit dem Abschluss, der Auslegung oder der Anwendung grenzüberschreitender Verträge das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts behindern können." In diesem Sinne auch Drexl, in: Grundmann/Stuyck, S. 103, 104. 1

1

26

1. Teil:

Grundlagen

nalen Einheitsrechts ist in der Vereinfachung der Rechtsanwendung und der damit verbundenen Steigerung von Rechtssicherheit und -klarheit zu sehen. Daneben tritt - in verschiedenen Ausprägungen - die Vermeidung von Ungleichbehandlungen, die durch die Anwendung verschiedener einzelstaatlich-nationaler Rechte im konkreten Einzelfall hervorgerufen werden können. Letztlich ist ein spezifischer Zweck des internationalen Einheitsrechts auch darin zu sehen, dass es aufgrund seines im Verhältnis zum nationalen Recht größeren räumlichen Anwendungsbereichs bestimmte inhaltliche Ziele effektiver verwirklichen kann als die nationale Gesetzgebung. Die Regelungszwecke des internationalen Einheitsrechts sollen im Folgenden näher dargestellt werden. Die Vorzüge des internationalen Einheitsrechts werden hierbei besonders deutlich, wenn man sie mit den Schwierigkeiten kontrastiert, die durch die Anwendung nationalen Kollisionsrechts bzw. nationalen Sachrechts hervorgerufen werden. Ziel der folgenden Darstellung ist es allerdings nicht, eine allgemeine „Rechtfertigungslehre" für das internationale Einheitsrecht zu entwickeln. Maßgeblich ist vielmehr der Gedanke, dass die Methodenlehre des internationalen Einheitsrechts möglichst eng an den spezifischen Regelungszwecken des internationalen Einheitsrechts auszurichten ist: Sind die spezifischen Regelungszwecke des internationalen Einheitsrechts herausgearbeitet, lassen sich auf dieser Grundlage allgemeine Leitprinzipien der Methodenlehre des internationalen Einheitsrechts entwickeln,5 die wiederum als Maßstab für die Lösung methodischer Einzelprobleme dienen können. Die Untersuchung schreitet mithin vom Allgemeinen zum Besonderen voran: Zunächst sollen die allgemeinen Grundsätze herausgearbeitet werden, die im internationalen Einheitsrecht für alle Regelungsgegenstände der Methodenlehre Geltung beanspruchen. Angestrebt wird hierbei eine autonome theoretische Fundierung der Methodenlehre des internationalen Einheitsrechts.6 Sodann sollen diese allgemeinen Grundsätze - in einem zweiten Schritt - auf Einzelprobleme angewendet und für die Lösung konkreter methodischer Fragestellungen fruchtbar gemacht werden.

B. Rechtsvereinfachung und Rechtssicherheit I. Einleitung Der ursprüngliche Zweck der Rechtsvereinheitlichung durch internationales Einheitsrecht ist in einer Vereinfachung der Rechtsanwendung zu sehen.7 Diese Vereinfachung der Rechtsanwendung ist bereits ein Wert an sich; sie mindert den Vgl. dazu auch unten Kapitel 4 (S. 69f.). Vgl. unten Kapitel 3 und 4 (S.60f., 69f.). 7 Zweigen!Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, §2 V (S.24); Diedrich, Auslegung, S. 23. 5

6

Autonome

2. Kapitel: Regelungszwecke

des internationalen

Einheitsrechts

27

mit der Rechtsermittlung und -Verfolgung verbundenen Aufwand und hat daher eine Senkung der hiermit verbundenen Transaktionskosten zur Folge. Diese Senkung der Transaktionskosten begünstigt den einzelnen Verkehrsteilnehmer, aber letztlich auch die Volkswirtschaft insgesamt. 8 Daneben folgt aus einer Rechtsvereinfachung eine Steigerung der Rechtssicherheit. Hieran hat vor allem der auf wirtschaftlicher Planbarkeit und Risikoabschätzung angewiesene internationale Handelsverkehr, zu dessen Gunsten die ersten Regelungswerke des internationalen Einheitsrechts geschaffen wurden, ein besonderes Interesse. 9 Das Regelungsziel der Rechtseinfachheit und -Sicherheit ist damit für die Methodenlehre des internationalen Einheitsrechts von grundlegender Bedeutung. II. Vermeidung kollisionsrechtlicher A n k n ü p f u n g s p r o b l e m e und der Anwendung ausländischen Rechts

1) Probleme bei der kollisionsrechtlichen

Anknüpfung

a) Anwendung des heimischen Kollisionsrechts Vergleicht man den Gang der praktischen Rechtsanwendung, so wird die durch das internationale Einheitsrecht bewirkte Vereinfachung besonders deutlich. Bei einer nicht vom internationalen Einheitsrecht erfassten Regelungsfrage hat der Richter zunächst einmal das heimische Kollisionsrecht (das internationale Privatrecht) danach zu befragen, welches einzelstaatlich-nationale Sachrecht anzuwenden ist. Bereits in der Anwendung des heimischen Kollisionsrechts liegt eine nicht unerhebliche Fehlerquelle. 10 Das Kollisionsrecht besteht aus sehr abstrakt und allgemein gefassten Anknüpfungsbegriffen. Es stellt sich für den Richter angesichts dessen zunächst die im Einzelfall z.T. nur schwer zu beantwortende Frage, welchem der vorhandenen Anknüpfungsbegriffe die zu beurteilende Regelungsfrage zuzuordnen ist. Angesprochen ist damit das in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Problem der sog. Qualifikation. 11 Vgl. etwa Trager, N.Y.U.J. Int'l L & Pol. 31 (1999), 611 f. Zum C I S G etwa Neumeyer, R I W 1994, 99, 101; Holl, R I W 1995, 457. 10 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, §2 V (S.24). 11 Grundlegend nach wie vor Rabel, Das Problem der Qualifikation, RabelsZ 5 (1931), 241 f.; aus der neueren Literatur ausführlich MünchKomm/Sonnenberger, Einl. IPR Rdnr. 444f.; Mistelis, Charakterisierungen und Qualifikation im Internationalen Privatrecht; Bernasconi, Der Qualifikationsprozeß im Internationalen Privatrecht, 1997; Weber, Die Theorie der Qualifikation 1986; Grundmann, Qualifikation gegen die Sachnorm 1985; aus englischer Sicht Dicey/ Morris, Chapter 2 (S. 33f.); Forsyth, The Law Quarterly Review 114 (1998), 141 f.; zu den zahlreichen Einzelproblemen der Qualifikation etwa Mankowski, Verlöbnisbruch, konkurrierende Deliktsansprüche und Rückforderung von Geschenken im internationalen Privat- und Zivilprozeßrecht, IPRax 1997,173f.; Donath, Die Statutes of Fraud der US-amerikanischen Bundesstaaten aus der Perspektive des deutschen Kollisionsrechts, IPRax 1994, 333f.; Hartwieg, Die Klassifikation von Mobiliarsicherheiten im grenzüberschreitenden Handel - Zur verfahrensrechtlichen Qualifikation im Kollisionsrecht, RabelsZ 57 (1993), 607f.; Deutsch, Qualifikation 8 9

28

1. Teil:

Grundlagen

In der Literatur wird in diesem Zusammenhang häufig Kritik daran geäußert, dass das nationale Kollisionsrecht zu sehr von innerstaatlichen Rechtsgeschäften ausgehe, aber keine passenden Kollisionsnormen für spezifisch internationale Transaktionstypen zur Verfügung stelle. 12 Beispielsweise fehle es an Kollisionsnormen für die Beurteilung internationaler Entwicklungsprojekte oder internationaler Emissionsgeschäfte. 1 3 Ist die maßgebliche Kollisionsnorm ermittelt, so ist zunächst einmal der maßgebliche Anknüpfungsbegriff anzuwenden. Auch hier können sich erhebliche rechtliche und praktische Schwierigkeiten ergeben. Im deutschen Kollisionsrecht werden häufig die Anknüpfungsbegriffe „Staatsangehörigkeit" und „gewöhnlicher Aufenthalt" verwendet. 14 Sowohl die Feststellung der Staatsangehörigkeit als auch die Feststellung eines gewöhnlichen Aufenthalts sind nicht immer leicht zu bewältigen. 15 Im Hinblick auf den Anknüpfungsbegriff der Staatsangehörigkeit ist zu bedenken, dass dieser die Prüfung ausländischen Staatsangehörigkeitsrechts erforderlich macht. 1 6 Nicht selten führen die genannten Anknüpfungsbegriffe, für sich betrachtet, zu keinem eindeutigen Ergebnis. Zu nennen ist etwa die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit bei Mehrstaatern. 1 7 Manchmal führen sie auch gänzlich ins Leere: Bei der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit gilt dies etwa dann, wenn es sich um einen Staatenlosen handelt. Hier wird sodann eine Ersatzanknüpfung erforderlich. 18

und Rechtsangleichung im intertemporalen Recht - dargestellt am Haftungs- und Schadensrecht des Einigungsvertrages, IPRax 1992, 284f.; Nicki, Die Qualifikation der culpa in contrahendo, 1992; Schuck, Zur Qualifikation des Anspruchs auf Rechnungslegung im internationalen Urheberrecht, IPRax 1991, 347f.; Dörner, Qualifikation im I P R - ein Buch mit sieben Siegeln?, StAZ 1988, 345f. 12 Stein, Lex mercatoria, S.21; Boneil, RabelsZ 42 (1978), 485, 497. 13 Stein, Lex mercatoria, S.21. 14 Vgl. Staudinger/ß/zimenzmiz Art. 5 Rdnr. l f . (zum Staatsangehörigkeitsprinzip); MünchKomm/Sonnenberger, Einl. IPR Rdnr.663f. (zum gewöhnlichen Aufenthalt); v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, § 7 (S. 553 f.); Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, § 13 (S.380f.); Kropholler, Internationales Privatrecht, §37f. (S.255f.). 15 Zum doppelten gewöhnlichen Aufenthalt siehe etwa Staudinger/Blumenwitz, Art. 5 Rdnr. 469f.; MünchKomm/Sonnenberger, Einl. IPR Rdnr. 667; Spickhoff, IPRax 1995, 185, 189. 16 Kegel!Schurig, Internationales Privatrecht, § 13 II (S. 394f.); zu den praktischen Fällen der ungeklärten Staatsangehörigkeit vgl. Mühl-Jäckel, in: Festschrift für Berge, S.43, 53f.; umfangreiche Nachweise zu dem ausländischen Staatsangehörigkeitsrecht etwa bei Staudinger-ß/xtfjenwitz, Art. 6 Rdnr. 224f. 17 Zur Behandlung der Mehrstaater im deutschen IPR siehe Art. 5 E G B G B sowie hierzu StauAm^ev/Blumenwitz, Art. 5 Rdnr.407f.; Dethloff, J Z 1995, 64f.; Martiny, J Z 1993, 1145f.; ferner Gruber, IPRax 1999, 426f.; weitere Literaturnachweise bei Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, §13 II (S.393f.). 18 Zur Ersatzanknüpfung im Falle der Staatenlosigkeit bzw. der Nichtfeststellbarkeit der Staatsangehörigkeit vgl. Art. 5 II E G B G B sowie MünchKomm/5ottne«ierger, Einl. IPR Rdnr. 18f. und 30f.; zur Nichtfeststellbarkeit des gewöhnlichen Aufenthalts vgl. Staudinger/B/«menwitz, Art. 5 Rdnr. 71.

2. Kapitel: Regelungszwecke

des internationalen

29

Einheitsrechts

b) R ü c k - und Weiterverweisung Verweist das heimische Kollisionsrecht im Wege einer Gesamtverweisung

-

wie regelmäßig im deutschen Recht, Art. 4 Abs. 1 E G B G B - auf das ausländische Recht, so ist zunächst einmal das ausländische Kollisionsrecht danach zu befragen, ob es die Verweisung durch das heimische Kollisionsrecht annimmt oder eine R ü c k - oder Weiterverweisung ausspricht. 1 9 Es wird also bereits auf kollisionsrechtlicher E b e n e erforderlich, ausländisches Recht zu ermitteln und anzuwenden. Dabei sind die Schwierigkeiten, die ohnehin mit der Anwendung von Kollisionsrecht verbunden sind, bei der Anwendung eines ausländischen, dem heimischen Richter unbekannten und durch heimische Rechtsliteratur Rechtsprechung regelmäßig nicht erschlossenen Kollisionsrechts

und

regelmäßig

noch größer als die Schwierigkeiten bei der Anwendung des heimischen Kollisionsrechts. Deutsche Gerichte sehen sich sehr häufig nicht in der Lage, den Inhalt des ausländischen Kollisionsrechts zu ermitteln. 2 0 N a c h den Beobachtungen Maschs sind die Institutsgutachten, die aufgrund von Hilfeersuchen der Praxis zu Fragen des renvoi ergangen sind, bereits „Legion". 2 1 Besondere Schwierigkeiten bei der Anwendung ausländischen Kollisionsrechts entstehen dann, wenn eine der deutschen Kollisionsnorm entsprechende N o r m im ausländischen Anknüpfungssystem fehlt 2 2 , wenn bestimmte Regelungsfragen abweichend qualifiziert werden 2 3 oder wenn der ausländische ordre public einen wesentlich anderen Inhalt hat als der deutsche ordre public 2 4 . D e n k b a r ist schließlich auch, dass das ausländische Kollisionsrecht eine allseitige Kollisionsnorm für die maßgebliche Regelungsfrage überhaupt nicht vorsieht. 19 Kritisch zur Gesamtverweisung Masch, Der Renvoi - Plädoyer für die Begrenzung einer überflüssigen Rechtsfigur, RabelsZ 61 (1997), 285f.; zur grundsätzlichen Abschaffung der Sachnormverweisung und Einführung der Gesamtverweisung im italienischen Kollisionsrecht vgl. Pocar, IPRax 1997, 145, 150; Kapellmann, ZfRV 38 (1997), 177f. 20 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, § 11 VI, S. 35 („Oft ist nicht festzustellen, ob ein ausländisches IPR zurück- oder weiterverweist."); für den Fall, dass der Inhalt des ausländischen Kollisionsrechts auch nach Ausschöpfung aller gebotenen Erkenntnismöglichkeiten ungeklärt bleibt, soll ausländisches Sachrecht anwendbar sein (Kropholler, Internationales Privatrecht, § 31 III (S.210f.). 21 Masch, RabelsZ 61 (1997), 285, 300. 22 Zu nennen ist etwa der Fall, dass das ausländische Recht den Versorgungsausgleich zwischen Ehegatten nicht kennt (Soergel/Schurig; Art. 17 Rdnr. 162; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, § 11 VI (S. 359); Masch, RabelsZ 61 (1997), 285, 300). Von praktischer Bedeutung ist ferner die unterschiedliche Beurteilung des Verlöbnisbruchs (Nachweise zum in- und ausländischen Meinungsstand etwa bei Stzudinger/Hausmann, Art.4 Rdnr.61 m.w.N.) sowie des Einflusses familienrechtlicher Statusänderungen auf den Namen (Stzudlnger-Hausmann, Art. 4 Rdnr. 62 m.w.N.); weitere Beispiele bei MünchKomm/SoKrcera£erger, Einl. IPR Rdnr. 36. 2 3 Ein klassisches Beispiel hierfür bietet die Verjährung, die nach deutscher Vorstellung materiellrechtlich, nach traditioneller US-amerikanischer Ansicht prozessual zu qualifizieren ist; vgl. hierzu Staudinger/Hausmann, Art. 4 Rdnr. 161 f.; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, §2 II S. 123f. sowie (zu neueren materiellrechtlichen Qualifikationsansätzen im US-amerikanischen Recht) Hay, IPRax 1989, 197f. 24 Vgl. hierzu Brüning, Die Beachtlichkeit des fremden ordre public, S. 96f.; ferner Staudinger/Hausmann, Art. 6 Rdnr. 74.

30

1. Teil: Grundlagen

So legt etwa das Recht der US-amerikanischen Bundesstaaten häufig nur die Zuständigkeit seiner Gerichte fest und hält, was die Regelung des anwendbaren Rechts anbelangt, keine ausdrückliche Kollisionsnorm bereit. Die US-amerikanischen Gerichte wenden sodann bei ihrer Entscheidung die lex fori an.25 Es liegt in diesen Fällen ein Gleichlauf zwischen den Vorschriften über die Zuständigkeit und der Bestimmung des anwendbaren Rechts vor. Die Verweisung durch das deutsche Kollisionsrecht geht in diesem Fall zunächst einmal ins Leere: Das ausländische Recht, danach befragt, ob es sich oder ein ausländisches Recht für anwendbar hält, gibt auf die gestellte Frage keine ausdrückliche Antwort. Nach in Deutschland herrschender Ansicht kann aber immer dann, wenn bei einer spiegelbildlichen Anwendung des ausländischen Prozessrechts eine Zuständigkeit der deutschen Gerichte besteht, von einer stillschweigenden (so genannten „versteckten") Rückverweisung des ausländischen Rechts auf das deutsche Recht ausgegangen werden. 26 Da das deutsche Recht diese Rückverweisung annimmt (Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB), soll daher in diesen Fällen deutsches Sachrecht maßgeblich sein. Nach der Rechtsprechung ist es nicht erforderlich, dass die deutschen Gerichte nach den Bestimmungen des ausländischen Prozessrechts ausschließlich zuständig sind. Vielmehr wird eine versteckte Rückverweisung auch dann angenommen, wenn die deutschen Gerichte bei einer Anwendung des ausländischen Prozessrechts nur eine konkurrierende Zuständigkeit hätten. 27 Die Prüfung einer versteckten Rückverweisung macht damit die umfassende Ermittlung und Anwendung des ausländischen Zuständigkeitsrechts erforderlich, was in der Praxis etwa mit Blick auf die angloamerikanische Lehre vom „forum non conveniens" erhebliche Schwierigkeiten verursachen kann. 28 c) Vorfragen, Eingriffsnormen, ordre public Mit der Ermittlung des auf die Hauptfrage anwendbaren (in- oder ausländischen) Sachrechts sind die kollisionsrechtlichen Fragestellungen noch nicht erschöpft. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass sich bei der Anwendung des Sachrechts sehr häufig sog. kollisionsrechtliche Vorfragen ergeben können. 29 Diese machen

25 MünchKomm/Sonnew^erger, Art. 4 Rdnr. 41 f.; v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, §7 Rn. 218. 26 Staudinger/Hausmann, Art. 4 Rdnr. 72 f. mit umfangreichen Nachweisen; MünchKomm/ Sonnenberger, Art.4 Rdnr.41f.; Kropboller, Internationales Privatrecht, §25 II (S. 1674f.); kritisch Masch, RabelsZ 61 (1997), 285, 300f. 27 StzM&mger/Hausmann, Art. 4 Rdnr. 73 m.w.N. auch zur Gegenauffassung; aus der neueren Rechtsprechung vgl. O L G Hamburg, FamRZ 2001, 916,917 (versteckte Rückverweisung durch das indische Recht); O L G Hamm, IPRax 1991,197 (versteckte Rückverweisung durch das englische Recht). 28 Masch, RabelsZ 61 (1997), 285, 301. 29 Zum Begriff der Vorfrage siehe etwa MünchKomm/Sonnenberger, Einl. IPR Rdnr. 494 f.; Kropboller, Internationales Privatrecht, § 32 I (S. 216f.); aus der englischen Literatur etwa Dicey/ Morris, Chapter 2-044 (S.45f.).

2. Kapitel: Regelungszwecke

des internationalen

31

Einheitsrechts

eine gesonderte kollisionsrechtliche Beurteilung erforderlich.30 D e r komplizierte Rechtsanwendungsvorgang, der bei der kollisionsrechtlichen Beurteilung

der

sog. H a u p t f r a g e zu vollziehen war, w i e d e r h o l t sich bei der B e u r t e i l u n g der sog. Vorfrage. S c h l i e ß l i c h s i n d b e s o n d e r e k o l l i s i o n s r e c h t l i c h e „ D u r c h b r e c h u n g e n " des e i n m a l e r m i t t e l t e n S a c h r e c h t s z u b e a c h t e n . S i e e r s c h w e r e n die R e c h t s a n w e n d u n g z u s ä t z l i c h . Z u n e n n e n ist h i e r e t w a die A n w e n d u n g i n - o d e r a u s l ä n d i s c h e r E i n g r i f f s n o r m e n o d e r des o r d r e p u b l i c . 3 1 d)

Zwischenergebnis

I n s g e s a m t stellt b e r e i t s die i n t e r n a t i o n a l p r i v a t r e c h t l i c h e E r m i t t l u n g des m a ß g e b l i c h e n S a c h r e c h t s e i n e g r o ß e H e r a u s f o r d e r u n g f ü r d e n R e c h t s a n w e n d e r dar. K l a g e n ü b e r die i m m a n e n t e K o m p l i z i e r t h e i t des i n t e r n a t i o n a l e n P r i v a t r e c h t s s i n d w e i t v e r b r e i t e t . 3 2 D i e S c h w i e r i g k e i t e n des i n t e r n a t i o n a l e n P r i v a t r e c h t s w e r d e n h i e r b e i v o n d e r U S - a m e r i k a n i s c h e n R e c h t s w i s s e n s c h a f t n o c h s t ä r k e r in d e n V o r d e r g r u n d gestellt als v o n d e r k o n t i n e n t a l e u r o p ä i s c h e n R e c h t s w i s s e n s c h a f t . D i e s ist a u c h d a r a u f z u r ü c k f ü h r e n , dass g e r a d e in d e r U S - a m e r i k a n i s c h e n

Wissen-

s c h a f t in j ü n g e r e r Z e i t n e u e L e h r e n e n t w i c k e l t w o r d e n s i n d , die die G r u n d l a g e n der bisherigen internationalprivatrechtlichen

Anknüpfung

in F r a g e

stellen.33

A b e r a u c h i m H i n b l i c k a u f das e n g l i s c h e i n t e r n a t i o n a l e P r i v a t r e c h t w i r d e i n e „ n o torische Rechtsunsicherheit" konstatiert.34

3 0 Zum Streit um die selbständige oder unselbständige Anknüpfung der Vorfrage vgl. MünchKomm/Sonnenberger, Einl. IPR Rdnr. 497f.; ferner aus dem umfangreichen Schrifttum etwa Schuz, A Modern Approach to the Incidental Question, London 1997; Ollick, Das kollisionsrechtliche Vorfragenproblem 1997; zu den Einzelproblemen der Vorfrage siehe etwa Henrich, Die Wirksamkeit der Adoption als Vorfrage für die Namensführung des Adoptierten, IPRax 1998, 96f.; Mottl, Zur Vorfrage nach der Wirksamkeit einer Auslandsadoption, IPRax 1997, 210f.; Kohler, Zum Kollisionsrecht internationaler Organisationen: Familienrechtliche Vorfragen im europäischen Beamtenrecht, IPRax 1994, 416f.; Sturm, Selbständige und unselbständige Anknüpfung im deutschen IPR bei Vor- und Familiennamen (Ehenamen), StAZ 1990, 350f.; zahlreiche weitere Nachweise bei Kegel/'Schurig, Internationales Privatrecht, § 9 1 (S.320f.). 31 Vgl. hierzu allgemein Stein, Lex mercatoria, S. 20 (staatliches Kollisionsrecht könne die „Aufspaltung von Rechtsverhältnissen nicht verhindern, ein einheitliches Statut für die gesamte Vertragsbeziehung nicht gewährleisten"); v. Westphalen, N J W 1994, 2113, 2116f., der in- und ausländische Eingriffsnormen als „Fallstricke" bei Verträgen mit Auslandsberührung bezeichnet; Boneil, RabelsZ 42 (1978), 485, 489f. und 497. 3 2 Nachweise bei Taupitz, Europäische Privatrechtsvereinheitlichung, S. 63; Schlosshauer-Selhach, Internationales Privatrecht Rdnr. 17; Buchholz, in: Festschrift für Hauß, S. 15, 22 (Fn.33). 3 3 Nachweise bei Stein, Lex mercatoria, S.21 (Fn.26); Ubersicht über das US-amerikanische Kollisionsrecht etwa bei v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, §6 Rn. 81 (S: 533f.); Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, §3 X I (S. 176f.); Kropholler, Internationales Privatrecht (§11 IV), S. 86f.; Hay, Einführung in das amerikanische Recht, S. 157f. Zur US-amerikanischen Gerichtspraxis vgl. Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, §3 X I (S. 180) m.w.N.: „Die Gerichte der USA folgen teils überlieferten Anknüpfungen...; teils weichen sie ab und folgen einer oder (öfter) mischen cocktail-ähnlich mehrere der modernen Theorien." 34 Fentiman, The Law Quarterly Review 108 (1992), 142,154 („notorious uncertainty of En-

32 2) Probleme

1. Teil: Grundlagen

bei der Anwendung

ausländischen

Sachrechts

a) Uberforderung der Gerichte aa) Beschreibung der praktischen Schwierigkeiten Führt das internationale Privatrecht ganz oder teilweise - etwa in Bezug auf eine kollisionsrechtliche Erst-, Vor- oder Teilfrage - zu einem ausländischen Sachrecht, so wird die Rechtsanwendung vor noch größere Probleme gestellt. Im deutschen Recht gilt der Grundsatz, dass das ausländische Sachrecht so anzuwenden ist, wie es seinem eigenen Verständnis nach angewendet sein will. Richtschnur ist die Sichtweise, die der ausländische Richter bei der Beurteilung des Rechtsstreits entwickeln würde. 35 Diese Anwendung des ausländischen Sachrechts ist in vielen Fällen ohne die Zuhilfenahme eines Sachverständigen bzw. die Einholung von Gutachten durch spezialisierte Institute nicht möglich. 36 Der BGH stellt hier an die Instanzgerichte sehr hohe, nach Ansicht vieler sogar überhöhte Anforderungen. Nach der Rechtsprechung des BGH ist es für die Anwendung des ausländischen Rechts keineswegs ausreichend, die maßgebliche ausländische Rechtsnorm als solche zu ermitteln und zu übersetzen. 37 Ist die ausländische Norm auslegungsbedürftig, sind nicht die inländischen Auslegungsmaximen, sondern die Auslegungsmaximen des ausländischen Rechts anzuwenden.38 Insbesondere bei der Konkretisierung von Generalklauseln und normativen Begriffen sind ferner die allgemeinen Wertanschauungen der ausländischen Rechtsordnung zu berücksichtigen; hierbei können auch die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse eine Rolle spielen.39 Zu berücksichtigen sind schließlich - soweit feststellbar - das ausländische Gewohnheitsrecht sowie die Ausstrahlungswirkung des ausländischen

glish private international law"), ders. ebda. S. 151 f. ( the subject harbours many uncertainties and ambiguities"). 35 Kropholler, Internationales Privatrecht, §31 I (S.207f.); Kindl, ZZP 111 (1998), 177, 180; Küster, RIW 1998, 275; Flessner, RabelsZ 34 (1970), 545, 551. 36 Zu den Methoden und Hilfen bei der Ermittlung und Anwendung ausländischen Rechts vgl. Gelmer, Internationales Zivilprozeßrecht, Rdnr.2577f.; Dethloff, RabelsZ 1998, 286, 291; Küster, RIW 1998,275f.-, Fuchs, RIW 1995, 807f.; Sommerlad/Schrey, NJW1991,1377f. Von Bedeutung ist das Europäische Ubereinkommen betreffend Auskünfte über ausländisches Recht (ZuStG vom 5.7. 1974, BGBl. II S.937, 1975 II S.300) mit Zusatzprotokoll vom 15.3. 1978 (BGBl. 1987 II S. 58, 593, 1988 II S. 6) und mit AusfG (AuRAG) vom 5.7. 1974 (BGBl. I S. 1433, 1975 IS. 698,1987 II S. 58); Nachweise zu den Mitgliedstaaten u.a. bei Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, §4 III (S.204) und Beil. BGBl. Teil II, Fundstellennachweis B (abgeschlossen am 31.12. 1998) S.479 und BGBl. 1999 II S. 132. 37 Hierzu bereits aus der Sicht der Rechtsvergleichung Constantinesco, Rechtsvergleichung, Bd. II, S. 188f. 38 BGH, NJW-RR 1997, 1154 = RIW 1997, 687 = WM 1997, 1245 = MDR 1997, 879; BGH, IPRax 1992, 328 = RIW 1991, 514 = WM 1991, 862; BGH, NJW 1991, 1418; 1992, 3057f.; 1963, 252, 253. 39 Buchholz, in: Festschrift für Hauß, S. 15, 23; Flessner, RabelsZ 34 (1970), 547, 551.

2. Kapitel: Regelungszwecke des internationalen

Einheitsrechts

33

Verfassungsrechts auf die Auslegung des einfachen Sachrechts. 4 0 Überragende Bedeutung k o m m t nach Ansicht des BGH

bei allen Fragen der Beachtung der

ausländischen Rechtspraxis - insbesondere der obergerichtlichen

Rechtspre-

chung - zu. E r betont, dass sich das Gericht „nicht darauf beschränken" dürfe, „bestimmte Rechtsvorschriften des ausländischen Rechts heranzuziehen"; vielmehr sei der Richter „gehalten, das Recht als Ganzes zu ermitteln, wie es sich in Rechtsprechung und Rechtslehre entwickelt hat und in der Praxis Anwendung findet". 4 1 Hierbei kann es sich auch ergeben, dass der ursprüngliche Gesetzeswortlaut durch die Rechtsprechung von seinem Wortlaut abweichend angewendet, also etwa eingeschränkt oder umgekehrt extensiv bzw. analog ausgelegt oder aber durch ungeschriebene Rechtsinstitute oder Prinzipien in seiner Aussage wesentlich modifiziert wird. 4 2 Insgesamt dienen die vom B G H gestellten Anforderungen dazu, das ausländische materielle R e c h t möglichst unverfälscht zur Anwendung zu bringen. N i c h t zu verkennen ist, dass die Instanzgerichte mit der Aufgabe häufig überfordert sind, und dass mit der Ermittlung und sachgerechten Anwendung ausländischen Rechts ein erheblicher zeitlicher und finanzieller Aufwand verbunden sein kann. D i e praktischen Schwierigkeiten werden vor allem im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (§§ 915ff. Z P O ) deutlich. Häufig ist es dort nicht möglich, ein ausländisches Sachrecht in einer angemessenen Zeit zuverlässig zu ermitteln. 4 3 D i e deutschen Gerichte greifen hier regelmäßig auf deutsches Recht zurück. 4 4 Hierbei handelt es sich jedoch um eine Verlegenheitslösung. Anstelle des einschlägigen, aber nicht ermittelbaren Rechts wird ein ermittelbares, aber nicht einschlägiges R e c h t angewendet. 4 5 Infolge der Anwendung deutschen Rechts wird der kollisionsrechtliche Schwerpunkt verfehlt, und der internationale Entscheidungseinklang nimmt Schaden. 4 6

40 Kropholler, Internationales Privatrecht, § 31 II (S. 209) mit Nachweisen zu dem Sonderproblem, dass die Feststellung der Verfassungswidrigkeit in dem ausländischen Staat einem besonderen Gericht vorbehalten ist; Kindl, ZZP 111 (1998), 177, 180f.; Buchholz, in: Festschrift für Hauß, S. 15, 23. 41 BGH, NJW-RR 1997, 1154 = RIW 1997, 687 = WM 1997, 1245 = MDR 1997, 879; BGH, IPRax 1992, 328 = RIW 1991, 514 = WM 1991, 862; hierzu Küster, RIW 1998, 275; Sommerlad, RIW 1991, 856; BGH, NJW 1991,1418 mit krit. Aufsatz von Samtleben, NJW 1992, 3057f. und krit. Besprechung durch Kronke, IPRax 1992, 303 f.; zu der Problematik uneinheitlicher ausländischer Rechtspraxis ferner Kropholler, Internationales Privatrecht, §31 I (S.208); zu den Divergenzen zwischen dem ausländischen Recht „in den Büchern" und der tatsächlichen ausländischen Rechtspraxis eingehend Neumayer, RabelsZ 34 (1970), 411 f. 42 Constantinesco, Rechtsvergleichung, Bd. II, S. 193f. 43 OLG Hamburg, IPRax 1990, 400; v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, §5 Rn. 102f. (S. 420f.); Dethloff, RabelsZ 1998, 286, 290f.; Kindl, ZZP 111 (1998), 177, 184f.; Mankowski/Kerf ack, IPRax 1990, 372; v. Westphalen, NJW 1994, 2113, 2116; 44 BGHZ 69,387,393 ff. = NJW 1978,496 = FamRZ 1978,179 = MDR 1978,390 = LM Art. 22 EGBGB Nr. 6a; BGHZ 21, 155 = NJW 1956, 1597 = LM Art. 75 WG Nr. 1; Dethloff, RabelsZ 1998, 286, 291. 45 Dethloff, RabelsZ 1998, 286, 291. 46 Dethloff, RabelsZ 1998, 286, 291 f.

34

1. Teil:

Grundlagen

b b ) „ F a k u l t a t i v e s K o l l i s i o n s r e c h t " als V e r l e g e n h e i t s l ö s u n g I m k l a s s i s c h e n C o m m o n L a w - i n s b e s o n d e r e in E n g l a n d , a b e r u r s p r ü n g l i c h a u c h in d e n V e r e i n i g t e n S t a a t e n v o n A m e r i k a - w i r d b e i d e r B e h a n d l u n g a u s l ä n d i s c h e n R e c h t s eine einfachere - kostengünstigere - L ö s u n g gewählt. Traditionell wird h i e r a u s l ä n d i s c h e s R e c h t n i c h t als R e c h t , s o n d e r n i m G r u n d s a t z l e d i g l i c h als T a t s a c h e a n g e s e h e n . 4 7 D i e F o l g e h i e r a u s ist, dass k e i n e P f l i c h t z u r E r m i t t l u n g v o n A m t s w e g e n b e s t e h t u n d die V o r s c h r i f t e n ü b e r die D a r l e g u n g s - u n d B e w e i s l a s t g r e i f e n . 4 8 D i e s e s F a k t i z i t ä t s p r i n z i p lässt s i c h n i c h t m i t e i n e r G e r i n g s c h ä t z u n g ausländischen R e c h t s erklären, sondern eher mit einer realistischen Beurteilung der praktischen Schwierigkeiten der R e c h t s a n w e n d u n g : D i e G e r i c h t e sind mit der zuverlässigen Ermittlung und A n w e n d u n g ausländischen R e c h t s häufig überf o r d e r t . D i e E r m i t t l u n g u n d A n w e n d u n g a u s l ä n d i s c h e n R e c h t s m a c h t d a h e r in v i e l e n F ä l l e n die H i l f e v o n S a c h v e r s t ä n d i g e n e r f o r d e r l i c h . D a h e r ü b e r l ä s s t m a n v o n v o r n h e r e i n d e n P a r t e i e n d e n V o r t r a g u n d d e n B e w e i s des a u s l ä n d i s c h e n R e c h t s . D i e F o l g e h i e r v o n ist, d a s s a u s l ä n d i s c h e s R e c h t n u r d a n n e r m i t t e l t w e r d e n m u s s , w e n n es die b e w e i s p f l i c h t i g e P a r t e i - a u c h i m H i n b l i c k a u f die e n t s t e h e n d e n K o s t e n - f ü r e r f o r d e r l i c h h ä l t . S c h e u e n d e m g e g e n ü b e r die P a r t e i e n die K o s t e n d e r E r m i t t l u n g a u s l ä n d i s c h e n R e c h t s , b l e i b t es b e i d e r M a ß g e b l i c h k e i t d e r -

4 7 Im englischen Recht entspricht die Behandlung ausländischen Rechts als „Tatsache" geltender Rechtsprechung (vgl. hierzu ausführlich Dicey/Morris, Chapter 9 (S. 221 f.; Fentiman, The Law Quarterly Review 108 (1992), 142f.; Spickhoff, Richterliche Aufklärungspflicht, S. 59f.; Küster, Die Ermittlung ausländischen Rechts, S. 5f.). Ahnliches gilt nach van Erp für die Niederlande (in: The Use of Comparative Law by the Courts, S. 235,242). In den Vereinigten Staaten, in denen zunächst ebenfalls das Faktizitätsprinzip des traditionellen Common law galt, lässt sich in Gesetzgebung und Rechtsprechung eine Tendenz zur Auflockerung des Faktizitätsprinzips und eine Entwicklung hin zum Amtsermittlungsgrundsatz feststellen ( S p i c k h o f f , Richterliche Aufklärungspflicht, S. 61 f.; Küster, Die Ermittlung ausländischen Rechts, S.9f.; Hay/Hampe, RIW 1998, 760, 761 m.w.N.). Auch die Rechtsprechung in Frankreich hat sich vom ursprünglich geltenden Faktizitätsprinzip hin zum Amtsermittlungsprinzip entwickelt (Spickhoff, Richterliche Aufklärungspflicht, S.58f.; Küster, Die Ermittlung ausländischen Rechts, S.21; Ferrand, ZEuP 1994, 126f.; Hantel, RabelsZ 55 (1991), 143f.; aus der neueren Rechtsprechung siehe Cour de Cassation vom 19. Oktober 1999, Le Dalloz hebdomadaire 2000, 904 (J) mit Anm. Goubard sowie Cour de Cassation vom 24. November 1998, Le Dalloz hebdomadaire 1999 (J), 337 mit Anm. Menjucq). Ein Gesamtüberblick und einige (z.T. allerdings auch ältere) Rechtsprechungsbeispiele finden sich bei Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht § 15 II (S.440f.). In Deutschland ist ausländisches Recht grundsätzlich von Amts wegen zu ermitteln. Im einstweiligen Rechtsschutz wird den Parteien allerdings von der herrschenden deutschen Rechtsprechung auferlegt, das ausländische Recht glaubhaft zu machen ( O L G Hamburg, IPRax 1990, 400 = IPRspr. 1989 Nr. 67 (Arrestprozess); O L G Stuttgart, IPRspr. 1977 Nr. 107 (einstweilige Verfügungsverfahren); a.A. O L G Koblenz, R I W 1993, 939, 940 = IPRspr. 1993 Nr. 44; v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, § 5 Rn. 103; weitere Nachweise bei Dethloff RabelsZ 62 (1998), 286,292). In Italien, Osterreich und der Schweiz gilt grundsätzlich das Amtsermittlungsprinzip (Spickhoff, Richterliche Aufklärungspflicht, S. 54f.; Küster, Die Ermittlung ausländischen Rechts, S. 22f.). 4 8 Zum englischen Recht Dicey/Morris, Chapter 9-025 (S. 232); Fentiman, The Law Quarterly Review 108 (1992), 142 (foreign law „must be pleaded and proved in the same way as other facts"); Spickhoff, Richterliche Aufklärungspflicht, S. 59f.

2. Kapitel: Regelungszwecke

des internationalen

Einheitsrechts

35

dem Richter ohne weiteres bekannten - lex fori. An die Stelle der unbedingten Amtsermittlungspflicht tritt die flexible Kosten-Nutzen-Analyse der Parteien. 49 Auch in Deutschland wurden Vorschläge unterbreitet, die in ihrer theoretischen Begründung und praktischen Wirkung mit dem in England herrschenden Faktizitätsprinzip vergleichbar sind. Nach der Lehre vom „fakultativen Kollisionsrecht" soll ausländisches Recht nur dann Anwendung finden, wenn wenigstens eine am Verfahren beteiligte Partei dies verlangt. 50 Begründet wird dieser Vorschlag vor allem damit, dass bei der Ermittlung ausländischen Rechts erhebliche Schwierigkeiten bestehen und dass diese Schwierigkeiten im Ergebnis die Qualität des Richterspruchs beeinträchtigen. 51 Wolle das Gericht nach ausländischem Recht urteilen, erhielten die Parteien einen schlechteren Richter, als wenn deutsches Recht zugrunde gelegt würde. Statt eines „gelernten" Richters erhielten sie einen dilettantischen, statt eines erfahrenen einen „Anfänger", statt eines überlegenen einen ängstlichen. 52 Regelmäßig müsse der Richter, da er das fremde Recht nicht kenne, schlicht die Gutachten der Sachverständigen übernehmen. Die rechtsprechende Gewalt werde dadurch de facto vom Richter an die Sachverständigen delegiert. 53 Zwar hat sich die Lehre vom fakultativen Kollisionsrecht in Deutschland nicht durchsetzen können. 54 Sie macht aber deutlich, dass die Ermittlung ausländischen Kollisions- und Sachrechts auch in Deutschland als ein praktisches Problem empfunden wird, das die Erkenntnismöglichkeiten der Instanzgerichte nicht selten überschreitet. 55 Letztlich stellt die Lehre vom fakultativen Kollisionsrecht aber in der Tat nur eine wenig befriedigende Notlösung dar. b) Die praktischen Schwierigkeiten aus vorprozessualer Sicht der Parteien Die bisherigen Äußerungen bezogen sich auf die Ermittlung und Anwendung des ausländischen Rechts im Prozess. Beachtung verdient aber in besondere Weise die vorprozessuale Situation der Parteien. Hier ist zu beachten, dass Parteien, was die Ermittlung eines ausländischen Rechts anbelangt, weitaus schlechtere Möglichkeiten zur Verfügung stehen als 49 Fentiman, The Law Quarterly Review 108 (1992), 142f.; für das deutsche Recht befürwortet Kindl, ZZP 111 (1998), 177,203 das Faktizitätsprinzip für die Verfahren, in denen der Beibringungsgrundsatz gilt. 50 Flessner, Interessenjurisprudenz im IPR, S. 59f., 116, 119f.; ders., Fakultatives Kollisionsrecht, RabelsZ 34 (1970), 547f.; Daniel Reichert-Facilides, Fakultatives und zwingendes Kollisionsrecht; grundsätzlich zustimmend auch Sturm, in: Festschrift für Zweigert, S. 329f. 51 Flessner, RabelsZ 34, 547, 550f.; ders., Interessenjurisprudenz im IPR, S.59f., 116, 119f.; Sturm, in: Festschrift für Zweigert, S. 329, 345; abschwächend Schurig, RabelsZ 59 (1995), 229, 241. 52 Flessner, RabelsZ 34, 547, 550f. 53 Sturm, in: Festschrift für Zweigert, S. 329, 351. 54 Kropholler, Internationales Privatrecht § 7 II 2 (S. 44f.); ablehnend etwa v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, §5 Rn.66f. (S.393f.); Schurig, RabelsZ 59 (1995), 229, 244; ausführlich Koerner, Fakultatives Kollisionsrecht in Frankreich und Deutschland. 55 Flessner, RabelsZ 34, 547, 550f.

36

1. Teil:

Grundlagen

den Gerichten. Für sie stellt daher die Ermittlung eines ausländischen Rechts einen großen Zeitaufwand dar; sie trifft, wenn sie sich vorprozessual der Hilfe etwa eines Sachverständigen bedienen, eine zusätzliche Kostenlast. Weltweit tätige Unternehmen bedürfen im praktischen Ergebnis eines umfangreichen juristischen Beraterstabes, der sie über das Recht jedes Landes, mit dem das Unternehmen in Berührung kommt, jeweils in seinem neuesten Stand informiert. Aus der Sicht dieser Unternehmen stellt die Geltung einzelstaatlich-nationalen Rechts eine Erhöhung der Transaktionskosten dar.56 Aus der Sicht der Parteien ist des weiteren zu beachten, dass sich vorprozessual häufig noch gar nicht mit Sicherheit feststellen lässt, welches einzelstaatliche Kollisions- und - dadurch bedingt - welches einzelstaatliche Sachrecht im Rechtsstreit zur Anwendung gelangen wird. Denn jedes zuständige Gericht wendet sein eigenes (nationales) Kollisionsrecht an. Damit können - nämlich dann, wenn die einzelnen kollisionsrechtlichen Normierungen inhaltliche Unterschiede aufweisen - bei den einzelnen zuständigen Gerichten unterschiedliche Sachrechtsordnungen zur Anwendung gelangen. 57 Die nationalen Zivilprozessordnungen sehen häufig eine recht weitgefasste internationale Zuständigkeit der eigenen Gerichte vor. 58 So bestehen etwa im Vertrags - oder Deliktsrecht neben dem üblichen Gerichtsstand am Beklagtenwohnsitz regelmäßig weitere besondere Gerichtsstände. 59 Damit können die Parteien noch nicht oder jedenfalls nicht mit Sicherheit vorhersagen, welches Gericht den Rechtsstreit im Einzelnen entscheiden wird und - dadurch bedingt - welche Kollisionsnormen zur Anwendung gelangen werden. In diesen Fällen ist eine Bestimmung des maßgeblichen Vertragsstatuts erst dann möglich, wenn der Rechtsstreit bei einem der international zuständigen Gerichte tatsächlich anhängig gemacht worden ist. 60 Diese Unsicherheit über das maßgebliche Recht stellt aber eine erhebliche Belastung des internationalen Rechtsverkehrs dar; im internationalen Handelsverkehr ist sie kaum hinnehmbar. 3) Vereinfachung

durch das internationale

Einheitsrecht

Im Falle des internationalen Einheitssachrechts besteht die Erwartung, dass die praktische Rechtsanwendung leichter zu bewältigen ist als bei der internationalprivatrechtlichen Anknüpfung und der Anwendung ausländischen Sachrechts. Allerdings ist auch hier zunächst einmal festzustellen, ob der in Frage stehende 56 Stein, Lex mercatoria, S.24; ferner Gruber, Internationales Versicherungsvertragsrecht, S.297f. 57 Stein, Lex mercatoria, S. 20 m.w.N. Fn. 23. 5 8 Auch das international vereinheitlichte Zivilprozessrecht sieht häufig eine Vielzahl konkurrierender besonderer Gerichtsstände vor; vgl. etwa die zahlreichen Regelungen in Artt. 5 - 6 EuGVO. 5 9 Für die E u G V O siehe etwa Art. 5 Nr. 1 (besonderer Vertragsgerichtsstand) und Art. 5 Nr. 3 (besonderer Gerichtsstand bei unerlaubten Handlungen), ferner Art. 5 Nr. 4 (Adhäsionsklagen) und Art. 5 Nr. 5 (Klagen bei Niederlassungen). 60 Stein, Lex mercatoria, S.22.

2. Kapitel: Regelungszwecke des internationalen

Einheitsrechts

Regelungsakt des internationalen Einheitsrechts als solcher überhaupt

37 an-

wendbar ist. Zumeist enthält der Regelungsakt Kollisionsnormen, die den A n wendungsbereich des Regelungsakts näher festlegen. 61 D i e hier entstehenden Fragestellungen sind mit der angesprochenen Qualifikationsproblematik vergleichbar. 62 Im Übrigen ist das internationale Einheitsrecht dem inländischen Rechtsanwender aber ähnlich leicht zugänglich wie sein eigenes einzelstaatlich-nationales Recht. Selbst wenn ein staatsvertragliches A b k o m m e n nicht in der Sprache des Landes des Rechtsanwenders abgeschlossen wurde, so existieren doch Ubersetzungen des A b k o m m e n s , die in der Sprache des Rechtsanwenders abgefasst sind. 63 D e s Weiteren wird das A b k o m m e n regelmäßig von der inländischen Wissenschaft in ähnlich intensiver Weise behandelt wie das nationale Sachrecht. Schließlich ist das internationale Einheitsrecht auch häufiger Gegenstand der inländischen Rechtsprechung. Diese ist für den inländischen Rechtsanwender weitaus leichter ermittelbar und verständlich als die ausländische Rechtsprechung. 6 4 D a das internationale Einheitsrecht in den Mitglieds- bzw. Vertragsstaaten einheitlich gilt, steht das maßgebliche Recht auch von vornherein fest; die Parteien müssen sich nicht darauf einstellen, dass - je nach Wahl des Gerichtsortes - unterschiedliche Sachrechte zur Anwendung gelangen. D i e durch die Vereinfachung der Rechtsanwendung bewirkte Richtigkeitsgewähr wird schließlich prozessual dadurch abgesichert, dass das in die innerstaatliche Rechtsordnung inkorporierte internationale Einheitsrecht den üblichen Rechtsmitteln - insbesondere der Revision - zugänglich ist. Demgegenüber kann die fehlerhafte Anwendung ausländischen Sachrechts eine Revision als solche regelmäßig nicht begründen. 6 5 61 Zz den Kollisionsnormen des internationalen Einheitsrechts v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, §2 Rn.55f. (S.66f.). 62 Taupitz, Europäische Privatrechtsvereinheitlichung, S. 23; Kropholler, Internationales Einheitsrecht, S. 183f. spricht von „Kollisionsnormen für materielles Einheitsrecht". 63 Zur Relevanz dieser Übersetzungen siehe unten Kapitel 5 D V 3 b. 64 Zur Bedeutung der ausländischen Rechtsprechung vgl. allerdings unten Kapitel 9. 65 Zu den Einzelheiten siehe Geimer, Internationales Zivilprozeßrecht, Rdnr. 2601 f.; Kindl, ZZP 111 (1998), 177,181 f. Zu den anerkannten Ausnahmen in der Rechtsprechung siehe BGHZ 40,197, 200f. (Ubersehen eines ausländischen Rechtssatzes im Berufungsurteil), BGHZ 36, 348 (Rückwirkende Änderung des ausländischen Rechts nach Verkündigung des Berufungsurteils); von der Revisibilität der falschen Anwendung ausländischen Rechts zu unterscheiden ist die Verletzung deutschen Verfahrensrechts dadurch, dass der Richter der Pflicht zur Feststellung ausländischen Rechts nicht hinreichend nachgekommen oder die Vorschriften über das Sachverständigengutachten verletzt hat (vgl. etwa BGH, IPRax 1988,228 = NJW1988,212 = MDR1988,123 = RIW 1987, 794 = WM 1987,1265 mit Anm. Gottwald IPRax 1988,210f. (Zugrundelegung des Vorhandenseins eines ausländischen Rechtssatzes ohne Prüfung); BGH, NJW-RR 1997,1154 = RIW 1997, 687 = WM 1997, 1245 = MDR 1997, 879; BGH, NJW 1987, 591 = 1987, 25 = RIW 1987,150 = MDR 1987,212; BGHZ 99,207 = NJW 1987,1145 = WM 1987,273 = IPRax 1988,26; BGH IPRax 1985, 158 mit Aufsatz Schlosser, IPRax 1985,141f. = NJW 1984,2763,2764 = RIW 1984, 644, 646 (fehlende Einholung eines Sachverständigengutachtens trotz mangelnder eigener Kenntnis des ausländischen Rechts) BGH, NJW-RR 1997, 1154 = RIW 1997, 687 = WM 1997, 1245 = MDR 1997,879; BGH, IPRax 1992,328 = RIW 1991,514 = WM 1991,862; hierzu Küster,

38

1. Teil:

Grundlagen

Insgesamt ist daher nicht zu verkennen, dass das internationale Einheitsrecht für die Rechtsanwendung einen erheblichen Vereinfachungseffekt bedeuten kann und für die Parteien einen Gewinn an Rechtssicherheit bedeutet. 66 Die mögliche Vereinfachung ist dabei regelmäßig größer, wenn es sich um internationales Einheitssachrecht handelt. Sie ist weniger weitgehend, wenn es sich lediglich um einheitliches Kollisionsrecht handelt. Denn hier entfällt nur die Anwendung ausländischen Kollisions-, nicht aber die Anwendung ausländischen Sachrechts. 67 III. Verhältnis zur Rechtsanwendungsvereinfachung durch die „lex mercatoria" und zur Rechtswahl 1) Lex

mercatoria

Gegen das Argument der durch das internationale Einheitsrecht bewirkten Rechtssicherheit und -klarheit wird vielfach eingewendet, dass es auch ohne die Schaffung internationalen Einheitsrechts möglich ist, die mit der kollisionsrechtlichen Anknüpfung bzw. der Anwendung ausländischen Sachrechts verbundenen Schwierigkeiten abzumildern. 68 Insbesondere im Schuldvertragsrecht wird hier darauf verwiesen, dass die Parteien eines Vertrages alle wesentlichen Fragen - sei es aufgrund einer umfassenden Individualvereinbarung, sei es durch eine Verwendung international gebräuchlicher Standverträge oder Allgemeiner Geschäftsbedingungen - einer vertraglichen Vereinbarung zuführen oder sich im Wege der Rechtswahl auf die Maßgeblichkeit einer bestimmten nationalen Rechtsordnung einigen könnten. In diesen Fällen bestünde kein Bedürfnis mehr dafür, vereinheitlichte gesetzliche Normierungen zur Verfügung zu stellen. Eine individualvertragliche Aushandlung eines umfassenden, „selbstgenügsamen" Vertrages kommt allerdings angesichts des damit verbundenen Zeit- und Kostenaufwands nur in Einzelfällen in Betracht. 69 Zu nennen sind etwa komplexe Langzeitverträge wie etwa Verträge über eine Infrastrukturerrichtung oder die Lieferung von Industrieanlagen. 70 Demgegenüber existieren im internationalen Handel in der Tat zahlreiche Muster-Vertragsklauseln und standardisierte Allgemeine Geschäftsbedingungen.71 Auch die UNIDROIT-Prinzipien oder die Lando-Prinzipien sind als Mus-

RIW 1998, 275; Kronke, IPRax 1992, 303f.; Sommerlad, RIW 1991, 856; BGH, NJW 1991,1418 mit Aufsatz von Samtleben, NJW 1992, 3057f. (fehlende Berücksichtigung der ausländischen Rechtspraxis). 66 Skeptisch Collins, in: Grundmann/Stuyck, S. 269, 276. 67 Zum Verhältnis der Kollisions- zur Sachrechtsvereinheitlichung siehe auch unten Kapitel 12.

Vgl. etwa Fontaine, in: Festschrift für Steindorff, S. 1193, 1197ff. Stein, Lex mercatoria, S.42f.; dies., in: Systembildung und Systemlücken, S. 669, 689 („aus tatsächlichen Gründen kaum durchführbar"); Boneil, ZfRV 37 (1996), 152, 153. 70 Stein, Lex mercatoria, S. 42 f. 71 Bonell, RabelsZ 42 (1978), 485f. 68 69

2. Kapitel: Regelungszwecke

des internationalen

Einheitsrechts

39

terverträge verwendbar.72 Das internationale Klauselrecht ist der Rechtssicherheit dienlich. Es macht das internationale Einheitsrecht aber - auch im Hinblick auf das Regelungsziel der Rechtssicherheit - nicht überflüssig. Zu beachten ist zunächst, dass ein umfassendes Klauselrecht nur im internationalen Handelsrecht existiert.73 Das Handelsrecht ist zwar ein besonders wichtiges, aber nicht das einzige Anwendungsfeld des internationalen Einheitsrechts. Es ist mittlerweile festzustellen, dass das internationale Einheitsrecht auch im Deliktsrecht und im Sachenrecht sowie auch im Unterhaltsrecht oder Familienrecht Geltung beansprucht.74 Eine Vereinheitlichung des Rechts durch übereinstimmendes Klauselrecht ist im Übrigen von vornherein nur dort möglich, wo die Parteien das Rechtsverhältnis privatautonom gestalten können. Diese Möglichkeit besteht - mit Einschränkungen im Einzelnen - wiederum im Schuldrecht, also insbesondere im Kauf-, Bank-, Versicherungs- oder Transportrecht. Sie fehlt aber regelmäßig im Deliktsrecht, im Sachenrecht - insbesondere regelmäßig im Recht der dinglichen Sicherheiten - oder auch im Familien- oder Erbrecht. In diesen Feldern ist die Heranbildung einer umfassenden „lex mercatoria" von vornherein ausgeschlossen. Damit ist das im Bereich des internationalen Handelsverkehrs anzutreffende Klauselrecht schon von seinem beschränkten sachlichen Anwendungsbereich her nicht in der Lage, die durch das internationale Einheitsrecht auf nahezu allen Gebieten des Rechts bewirkte Rechtsvereinfachung in Frage zu stellen. Zu beachten ist ferner, dass es umfassendes Klauselrecht auch auf der einzelstaatlich-nationalen Ebene gibt, ohne dass dort der Geltungsanspruch des staatlichen Rechts in Frage gestellt wird. 75 Dies rührt zunächst daher, dass sich auch das umfangreichste Klauselrecht im Einzelfall als lückenhaft erweisen kann. Das staatliche Recht behält damit im Verhältnis zum Klauselrecht stets eine Ergänzungsfunktion.7'' Beispielsweise regeln die praktisch bedeutsamen Incoterms77 nur bestimmte Aspekte der Vertragsbeziehungen zwischen Verkäufer und Käufer. Ungeregelt bleiben etwa die Fragen der Vertragsmäßigkeit der Ware, die Verpflichtung des Käufers zur Zahlung des Kaufpreises oder die Rechtsbehelfe wegen Vertragsverletzung der Parteien.78 Die Geltung der Incoterms im Verhältnis der Vertragspar-

Boneil, Uniform Law Review 1996, 26, 34f. Uberblick über die wichtigsten Vertragstypen bei Weise, Lex mercatoria, S. 20f. 74 Vgl. etwa zum Unterhaltsrecht das Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anwendbare Recht vom 2.10. 1973 (BGBl. 1986 II, S. 837; Denkschrift Bundestags-Drucks. 10/258 S.24); zum Familienrecht die Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten (ABl. E G 2000 Nr. L 160/10). 75 Fontaine, in: Festschrift für Steindorff, S. 1193, 1209. 76 Diedrich, Autonome Auslegung, S.33. 77 Allgemein zu den Incoterms siehe etwa Piltz, R I W 2000, 485 f. 78 Fontaine, in: Festschrift für Steindorff, S. 1193, 1206f. 72

73

40

1. Teil:

Grundlagen

teien macht daher die - ergänzende - Anwendung des CISG nicht überflüssig.79 Ahnliches gilt nach Bonell iür das Verhältnis von CISG und UNIDROIT-Prinzipien, wobei es als praktisch vorteilhafter erscheint, die UNIDROIT-Prinzipien von vornherein nur als Ergänzung zum CISG zur Anwendung zu bringen und nicht umgekehrt das CISG als Ergänzung zu den UNIDROIT-Prinzipien. 80 Vor allem ist aber das Klauselrecht dahingehend zu überprüfen, ob es den Mindestanforderungen des staatlichen Rechts genügt. Das staatliche Recht nimmt daher eine Kontrollfunktion wahr.81 Eine derartige Kontrollfunktion des staatlichen Rechts steht im Handelsrecht weniger im Vordergrund. Dort ist regelmäßig von einer Parität der Vertragsparteien auszugehen. Es besteht die Vermutung, dass ein jeder Vertragspartner in der Lage ist, seine Interessen zu wahren. Die angesprochene Kontrollfunktion wird aber dann relevant, wenn ein wirtschaftliches oder intellektuelles Ungleichgewicht zwischen den Vertragsparteien besteht. Ein derartiges Ungleichgewicht kann etwa im Falle von Verbraucherverträgen vorliegen; es ist aber auch im internationalen Handelsverkehr nicht ausgeschlossen. Schließlich kann es sich so verhalten, dass sich die Parteien nicht auf die Geltung eines bestimmt Klauselwerks nicht einigen können. Denkbar ist auch, dass die Einbeziehung der Klauseln in den Vertrag an - vom nationalen Recht vorgesehenen - besonderen Voraussetzungen scheitert.82 Insgesamt ist daher nicht von einer echten Konkurrenz zwischen der „lex mercatoria" und dem autoritativen Regelungswerk des internationalen Einheitsrechts auszugehen. Zwar ist die lex mercatoria geeignet, die durch das Fehlen eines autoritativen Regelungswerks bestehende Rechtsunsicherheit in ihren praktischen Konsequenzen abzumildern. Uberflüssig wird das internationale Einheitsrecht hierdurch aber nicht. Vielmehr erscheint es so, dass die lex mercatoria und das internationale Einheitsrecht - soweit letzteres in seinen Inhalten auf die lex mercatoria angemessen Rücksicht nimmt - zwei nicht konkurrierende, sondern sich unterstützende und gegenseitig verstärkende Möglichkeiten sind, im internationalen Rechtsverkehr Rechtsklarheit und Rechtssicherheit herzustellen.83 Zu Recht spricht daher Boneil von einer „Komplementärfunktion" der UNIDROIT-Prinzipien im Verhältnis zum CISG. 84 Sehr häufig nimmt das internationale Einheitsrecht ausdrücklich auf die bestehenden Parteivereinbarungen und Handelsbräuche im internationalen Rechtsverkehr Bezug und räumt ihnen im Verhältnis zu den Vorschriften des internationalen Einheitsrechts den Vorrang ein. So sind die Vorschriften des CISG ganz Fontaine, in: Festschrift für Steindorff, S. 1193, 1206f. Bonell, Uniform Law Review 1996, 26, 34 f. 81 Kropholler, Internationales Einheitsrecht, S. 124. 82 Vgl. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat - Ein kohärenteres europäisches Vertragsrecht - Ein Aktionsplan, ABl. C 63 vom 15.3.2003, S. 1,8 (Rn. 36) unter Hinweis auf das im italienischen Recht vorgesehene Erfordernis, dass bestimmte Klauseln, um wirksam einbezogen zu werden, einzelnen unterschrieben werden müssen. 83 Fontaine, in: Festschrift für Steindorff, S. 1193, 1205f. 84 Bonell, Uniform Law Review 1996,26f. („complementary instruments"); den., An International Restatement of Contract Law, S. 73 f. 79 80

2. Kapitel: Regelungszwecke

des internationalen

Einheitsrechts

41

überwiegend dispositiver Natur. Beispielhaft ist ferner Art. 9 CISG. Nach dieser Vorschrift sind die Parteien an die Gebräuche, mit denen sie sich einverstanden erklärt haben, und an die Gepflogenheiten, die zwischen ihnen entstanden sind, gebunden. Die von Art. 9 CISG in Bezug genommenen Handelsbräuche und Gepflogenheiten gehen den sonstigen Vorschriften des CISG vor. Die lex mercatoria kommt in diesen Fällen uneingeschränkt zur Anwendung, wird also von den Vorschriften des internationalen Einheitsrechts nicht angetastet. 85 2)

Rechtswahl

Auch der Umstand, dass die Parteien ein anzuwendendes nationales Recht im Wege der Rechtswahl bestimmen könnten, macht das internationale Einheitsrecht nicht überflüssig. Denn es ist nicht immer gewährleistet, dass sich die Parteien überhaupt auf ein maßgebliches nationales Recht einigen können oder dass die Rechtswahl wirksam zustande kommt. Ähnlich wie im Falle des Klauselrechts ist darüber hinaus festzustellen, dass die parteiautonome Entscheidung über das anzuwendende Recht von den maßgeblichen nationalen Kollisionsrechtsordnungen nicht in allen Fällen vorgesehen ist bzw. als wirksam anerkannt wird. So ist zwar auf der Ebene des internationalen Rechts der vertraglichen Schuldverhältnisse grundsätzlich anerkannt, dass die Parteien das anwendbare Recht per Rechtswahl bestimmen können. Diese Rechtswahlmöglichkeit ist auch im Rahmen des internationalen Schuldvertragsübereinkommens vorgesehen (Art. 3 EVU, entspricht Art. 271 S. 1 EGBGB in der deutschen Transformation). Sie wird allerdings bei Verbraucher- und Arbeitsverträgen durch Artt. 5, 6 EVU (Artt. 29, 30 EGBGB) und im Übrigen durch die Maßgeblichkeit inländischer oder z.T. auch ausländischer Eingriffsnormen wieder eingeschränkt (Art. 7 EVU, Art. 34 EGBGB). 86 Ferner führt die Wahl eines nationalen Rechts regelmäßig dazu, dass immer noch einer der Vertragspartner mit einem ihm unbekannten oder wenig gut bekannten Sachrecht konfrontiert wird: Rechtssicherheit und -vorhersehbarkeit sind insoweit nur für einen Vertragspartner - nämlich den, der sich in den Verhandlungen über das anwendbare Recht durchgesetzt hat - gewährleistet. 87 In der Literatur wird zudem darauf hingewiesen, dass die Parteien häufig das Recht eines dritten bzw. „neutralen" Staates wählen. Hierdurch wollen sie dem Eindruck entgegentreten, eine Vertragspartei habe sich einseitig gegenüber der anderen Vertragspartei durchgesetzt. 88 Das Recht eines Drittstaates ist i.d.R. beiden Vertragsparteien weniger gut bekannt als ein in beiden Heimatstaaten geltendes internationales Einheitsrecht. Es ist daher weniger als das internationale Einheitsrecht

85

S t a u d i n g e r / M a g n u s , Art. 9 Rdnr.2. v. Westphalen, N J W 1994, 2113, 2116f., der in- u n d ausländische Eingriffsnormen aus der Sicht der Praxis als „Fallstricke" bei Verträgen mit A u s l a n d s b e r ü h r u n g bezeichnet. 87 Stein, in: Systembildung u n d Systemlücken, S. 669, 673 f. 88 Diedrich, A u t o n o m e Auslegung, S.23. 86

42

1. Teil:

Grundlagen

dazu geeignet, zwischen den Parteien Rechtssicherheit über die anzuwendenden Rechtsregeln zu schaffen.89 IV. Zusammenfassung und methodische Implikationen Das unvereinheitlichte internationale Privatrecht und das nationale Recht führen im Rahmen internationaler Rechtsverhältnisse zu erheblichen Schwierigkeiten bei der praktischen Rechtsanwendung. Diese Schwierigkeiten sind dem Zusammenspiel von internationalem Privatrecht und nationalem Recht zu einem wesentlichen Teil immanent, können also auch nicht durch eine Modifikation der internationalprivatrechtlichen Anknüpfung oder durch eine Änderung des nationalen Sachrechts gänzlich vermieden werden. Auch privat- bzw. parteiautonome Gestaltungsmöglichkeiten - also etwa die Zugrundelegung standardisierter Verträge oder die Wahl eines bestimmten nationalen Rechts - können die vorhandenen Schwierigkeiten zwar mindern, aber nicht in ihrem Kern beseitigen. Das internationale Einheitsrecht, insbesondere in der Form des unmittelbar anwendbaren materiellen Sachrechts, verfolgt das Ziel, die praktische Rechtsanwendung zu vereinfachen und hierdurch für die betroffenen Parteien Rechtssicherheit und -vorhersehbarkeit zu gewährleisten. Dies hat auch erhebliche methodologische Implikationen: Die Methodenlehre des internationalen Einheitsrechts hat sich an diesem Regelungsziel zu orientieren. Sie ist in besonderer Weise den Leitprinzipien der Rechtseinfachheit und -klarheit verpflichtet.

C . Verwirklichung des Gleichheitssatzes I. Willkürlichkeit bei der Bestimmung der maßgeblichen nationalen Rechtsordnung durch das Kollisionsrecht 1) Das Fehlschlagen

des engsten Bezugs als

Anknüpfungsprinzip

Wird eine bestimmte Regelungsfrage nicht vom internationalen Einheitsrecht erfasst, so ist nach allgemeinen kollisionsrechtlichen Grundsätzen das nationale Recht des Staates anzuwenden, zu dem der engste Bezug besteht. Die Grundidee der kollisionsrechtlichen Anknüpfung - und die Rechtfertigung der Verweisung auf ein bestimmtes nationales Recht - beruht auf der Prämisse, dass es eine nationale Rechtsordnung gibt, zu der die auf einem konkreten Sachverhalt beruhende Regelungsfrage den engsten Bezug aufweist. Der Gerechtigkeitsgehalt der Kollisionsnormen liegt, anders gesagt, in dem Prinzip der engsten Verbindung.90 Gerade in Anbetracht der zunehmenden Internationalisierung der Wirtschaftsverhältnisse kann es aber dazu kommen, dass das zu beurteilende Rechtsverhält89 90

Diedrich, Autonome Auslegung, S.23 m.w.N. Kropholler, Internationales Privatrecht, §4 II 1 (S.25f.).

2. Kapitel: Regelungszwecke

des internationalen

Einheitsrechts

43

nis zu mehreren nationalen Rechtsordnungen Verbindungen aufweist und keine dieser Verbindungen eindeutig überwiegt. Besteht kein engster Bezug zu einer bestimmten nationalen Rechtsordnung, so kann das Kollisionsrecht nicht mehr verständlich machen, warum gerade das eine und nicht das andere nationale Recht zur Anwendung gelangen soll. In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob die Anwendung einer einzelstaatlichnationalen Rechtsordnung in diesen Fällen eine gerechte Risikoverteilung bewirkt. Diese Risikoverteilung bezieht sich zunächst auf die Möglichkeit und die Kosten der Ermittlung des ausländischen Rechts. Derjenige, der mit einem ausländischen Recht konfrontiert ist, muss sich über den Inhalt des ausländischen Rechts nicht nur im Rechtsstreit vor Gericht, sondern - was im Einzelfall noch schwerer wiegen mag - bereits während der laufenden Vertragsbeziehung Kenntnis verschaffen. Der Ermittlung bzw. dem Verständnis des ausländischen Rechts steht häufig bereits entgegen, dass die betroffene Vertragspartei die Sprache oder zumindest die Rechtsterminologie des entsprechenden Landes nicht beherrscht. Die Frage, welches national-einzelstaatliche Recht zur Anwendung gelangt, hat damit einen unmittelbaren Einfluss auf die Chancengleichheit der Parteien.91 Von Hoffmann nennt etwa das einfache Beispiel eines Handelsvertretervertrages, den ein Unternehmen mit Sitz in Frankreich mit einer in der Türkei ansässigen Gesellschaft abschließt. 92 In diesem Fall seien die Beziehungen zum türkischen Recht und zum französischen Recht gleich stark, da die Rechte des einen Teils spiegelbildlich den Pflichten des anderen Teils entsprächen. Verlange etwa der Handelsvertreter vom Unternehmen Schadensersatz wegen vorzeitiger Beendigung der Vertragsbeziehungen, könne die Frage, ob türkisches oder französisches Recht anzuwenden sei, „nicht ohne Willkür" beantwortet werden. Das Kollisionsrecht müsse den „gordischen Knoten" durchschneiden und (wie im Fall des römischen Schuldvertragsübereinkommens) in relativ schematischer Weise das Recht des Staates bevorzugen, in dem der Erbringer der charakteristischen Leistung seinen gewöhnlichen Aufenthalt bzw. Sitz hat. Dies führe im konkreten Beispielsfall zur Anwendung des türkischen Rechts und damit zu einer Benachteiligung der französischen Vertragspartei.93 Während sich von Hoffmanns Beispiel noch auf einen einfachen Vertrag mit zwei Beteiligten bezieht und nur die Frage aufwirft, ob türkisches oder französisches Recht zur Anwendung gelangt, bestehen im internationalen Rechtsverkehr weitaus komplexere Verträge mit mehreren beteiligten Vertragspartnern. Als Bei91 Von Hoffmann a.a.O.; Boneil, ZfRV 37 (1996), 152, 153; ferner bereits Zweigen!Drobnig, RabelsZ 29 (1965), 146,148; zu dem Aspekt der Risiko- und Lastenverteilung zwischen den Parteien im laufenden Vertragsverhältnis vgl. auch Gruber, Internationales Versicherungsvertragsrecht, S.4f. und S.293f. 92 Von Hoffmann, in: Festschrift für Kegel, S.215, 218. 93 Von Hoffmann, in: Festschrift für Kegel, S.215, 218; vgl. auch Stein, Lex mercatoria, S.22 („Es kennzeichnet die typischen Austauschbeziehungen des internationalen Wirtschaftsverkehrs, daß ihre Verknüpfungen zu der einen oder der anderen Rechtsordnung völlig gleichgewichtig und im Hinblick auf den spezifischen internationalen Charakter auch gänzlich bedeutungslos sind..."); ferner Boneil, RabelsZ 42 (1978), 485, 490.

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1. Teil:

Grundlagen

spiel mag hier der von Kappus geschilderte Fall dienen, in dem ein Schiedsgericht über die Zahlungsklage einer französischen Gesellschaft gegen eine spanische Gesellschaft (die Erstbeklagte) und gegen deren Muttergesellschaft mit Sitz auf den Bahamas (die Zweitbeklagte) erhoben hatte.94 Die Klage hatte den Ersatz von Vorbereitungskosten für den Bau einer öffentlichen Straße zum Gegenstand, die der Klägerin infolge einer Evaluierungsstudie entstanden waren, welche sie bei den beiden Beklagten in Auftrag gegeben hatte. Hier bestanden Verknüpfungspunkte zu dem französischen Recht (dem Recht am Gesellschaftssitz der Klägerin), dem spanischen Recht (dem Recht am Gesellschaftssitz der Erstbeklagten) und dem Recht der Bahamas (dem Recht am Gesellschaftssitz der Zweitbeklagten), aber auch - da sich die Studie auf ein in Spanien durchzuführendes Projekt bezog - zum spanischen Recht. Ein eindeutiger Vertragsschwerpunkt war hier nicht mehr feststellbar.95 Derartige Fälle, bei denen Bezüge zu verschiedenen Rechtsordnungen bestehen, nehmen im modernen Rechtsverkehr an Bedeutung zu. 96 Dies gilt insbesondere deshalb, weil größere Unternehmen weltweit präsent sind und ihre Leistungen von verschiedenen Niederlassungen aus erbringen können. Handelt es sich hierbei noch um einen komplizierten Vertrag, an dem nicht nur zwei, sondern mehrere Vertragsparteien beteiligt sind, so wird die sachgerechte Verknüpfung dieses Vertrages mit einer einzigen national-einzelstaatlichen Rechtsordnung immer schwieriger.97 Vor allem spielt die vorhandene Verknüpfung mit einer bestimmten nationalen Rechtsordnung im Bewusstsein der Beteiligten einer immer geringere Rolle: Sie bewegen sich in einem internationalen Wirtschaftsraum, der sich immer weniger von nationalen Grenzen beeinflussen lässt und sich von den nationalen Rechtsordnungen immer stärker emanzipiert. Die Savigny'sche Prämisse, dass ein jedes Rechtsverhältnis ihren Sitz in einer bestimmten Rechtsordnung habe, erscheint vor diesem Hintergrund als zunehmend zweifelhaft.98 Das Auffinden eines engsten Bezugs zu einer bestimmten nationalen Rechtsordnung erweist sich auch außerhalb des Vertragsrechts als zunehmend schwierig. Zu nennen ist - beispielsweise - die Beurteilung von Wettbewerbsverstößen. Im Recht des internationalen Wettbewerbs wird nach dem deutschen Kollisionsrecht überwiegend an den so genannten „Marktort" angeknüpft.99 Maßgeblich ist Schilderung des Falles bei Kappus, Lex mercatoria S. 59f. Zu den Einzelheiten Kappus a.a.O. 96 Boneil, RabelsZ 42 (1978), 485, 490. 97 Boneil, RabelsZ 42 (1978), 485, 490: „Was nun speziell die typischen Vertragsverhältnisse des internationalen Handels betrifft, so scheinen diese schon ihrem Wesen nach ungeeignet, innerhalb einer einzigen nationalen Rechtsordnung lokalisiert zu werden. In der Tat handelt es sich bei ihnen um Vertragsfiguren, die gleichförmig und in Massen tagtäglich an den wichtigen Handelsplätzen der Welt zwischen Kaufleuten aus den verschiedenen Ländern verwendet werden, ohne daß den im Einzelfall zweifellos vorhandenen Berührungspunkten zu diesem oder jenem Staat ein besonderes Gewicht beizumessen wäre."; ähnlich von Hoffmann, in: Festschrift für Kegel, S.215, 225. 98 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 8, S. 28ff.; S. 108ff. 99 MünchKomm/Ä"re«zer, Art. 38 Rdnr. 240f.; Kropholler, Internationales Privatrecht, § 53 VI 94 95

2. Kapitel: Regelungszwecke

des internationalen

Einheitsrechts

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also das nationale R e c h t des Staates, auf dessen „ M a r k t " sich eine bestimmte Wettbewerbshandlung - etwa eine Werbung - spürbar ausgewirkt hat. Insbesondere bei Verwendung international wirksamer Kommunikationsmittel kann ein und dieselbe Wettbewerbshandlung allerdings mehrere nationale Märkte betreffen. 1 0 0 So betrifft etwa eine Werbung, die über eine international vertriebene Zeitung, über das Fernsehen oder über das Internet verbreitet wird, regelmäßig mehrere Märkte zugleich bzw. wird sogar weltweit wirksam. 1 0 1 Es wird dann - in der konsequenten Durchführung der Marktortanknüpfung - eine kumulative A n wendung mehrerer nationaler Marktortrechte erforderlich. 1 0 2 D e r international tätige Wettbewerber hat mithin nicht nur den Inhalt einer bestimmten Rechtsordnung, sondern den Inhalt einer Vielzahl von nationalen Rechtsordnungen zu ermitteln. D i e Schwierigkeiten weisen aber in diesem Fall über die bloße E r m i t telbarkeit ausländischen Rechts hinaus: D e n n wenn ein und dieselbe Wettbewerbshandlungen nach mehreren Marktrechten beurteilt wird, muss sich der Wettbewerber de facto auf die „strengste" der jeweils in Betracht kommenden Marktrechte einstellen. D i e Anwendung nationalen Rechts führt damit im praktischen Ergebnis zu einer Benachteiligung des international operierenden A n b i e ters von Waren oder Dienstleistungen. 1 0 3 A u c h im allgemeinen Deliktsrecht wird es angesichts der zunehmenden Internationalisierung der Lebensverhältnisse immer schwerer, den kollisionsrechtlichen Schwerpunkt zu bestimmen. In der kollisionsrechtlichen Anknüpfung nach dem deutschen Recht und in vielen anderen Kollisionsrechtsordnungen k o m m t dem O r t , an dem der deliktische Erfolg eingetreten ist, maßgebliche Bedeutung zu. 1 0 4 D e r Erfolgsort lässt sich allerdings zum Teil kaum bestimmen, oder er ist nicht vorhersehbar. K a u m zu bestimmen ist der Erfolgsort bei Ehrverletzungen, die über das Internet oder sonstige weltweit wirksame Kommunikationsmittel geäußert werden. H i e r k o m m t als Erfolgsort grundsätzlich jeder O r t in Betracht, an dem die Beleidigung verbreitet worden ist. 1 0 5 Bei bestimmten Körper- oder (S. 515f.); Dethloff, JZ 2000, 179, 181 (unter Einbeziehung gemeinschaftseuropäischer Wettbewerbskollisionsregeln); ausführliche Darstellung der deutschen Rechtsprechung bei Bernhard, Das internationale Privatrecht des unlauteren Wettbewerbs, S. 147f.; umfassende rechtsvergleichende Darstellung ebda. S. 140f., S. 175f. 100 Dethloff, JZ 2000, 179, 181f. 101 Speziell zur kollisionsrechtlichen Beurteilung von Wettbewerbshandlungen im Internet Dethloff, NJW 1998, 1596f.; zum Problem der Eignung des klassischen IPR für die Beurteilung von Rechtsfragen im Internet vgl. allgemein Bernadeau/Pacifico, Uniform Law Review 1998, 32 f. 102 MünchKomm/Äre»zer, Art.38 Rdnr.248 m.w.N.; Dethloff, JZ 2000, 179, 181. 103 Nach Dethloff, JZ 2000,179,183 f. stößt deshalb eine Anknüpfung an den Marktort im Falle des „Multistate-Wettbewerbs" auf Bedenken im Hinblick auf die europäische Warenverkehrsfreiheit (Art. 28 EG-Vertrag) und die europäische Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EG-Vertrag); a.A. Bernhard, Das Internationale Privatrecht des unlauteren Wettbewerbs, S. 247f.; vgl. auch Kropholler, Internationales Privatrecht, §53 VI (S. 517). 104 Zur Rolle des Erfolgsorts im neuen deutschen Deliktskollisionsrecht vgl. etwa Junker, JZ 2000, 477, 482; Spickhoff, IPRax 2000, 1, 5f.; P. Huber, JA 2000, 67f. 105 MünchKomm/Äreazer, Art.38 Rdnr.210.

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1. Teil:

Grundlagen

Gesundheitsverletzungen lässt sich der Erfolgsort zwar im Nachhinein feststellen, aber er ist - ex ante - aus der Sicht des potentiellen Schädigers nicht vorhersehbar. Kaum vorhersehbar ist der Erfolgsort insbesondere im Falle der Produkthaftung - dort wiederum vor allem bei der Verletzung dritter Personen (so genannter bystander) 1 0 6 - oder auch bei Unfällen unter Beteiligung international operierender Verkehrsmittel. 107 Die fehlende Vorhersehbarkeit des maßgeblichen Deliktsrechts begegnet im Hinblick auf das Interesse an Rechtssicherheit durchgreifenden Bedenken. Sie stellt ferner eine Benachteiligung des (potentiellen) Ersatzpflichtigen dar, da dieser kaum die Möglichkeit hat, sein Verhalten an den letztlich maßgeblichen Rechtsnormen auszurichten. Insgesamt wird es für das internationale Privatrecht angesichts der zunehmenden Internationalisierung der Wirtschafts- und Lebensverhältnisse immer schwieriger, die maßgebliche nationale Rechtsordnung eindeutig zu bestimmen. Sachverhalte, in denen der „internationale" Charakter des Sachverhalts überwiegt und ein eindeutig dominierender Bezug zu einer einzelstaatlich-nationalen Rechtsordnung nicht mehr festzustellen ist, sind in der Rechtswissenschaft z.T. als „absolut internationale" Sachverhalte bezeichnet worden. Dem werden „relativ internationale" und rein „nationale" Sachverhalte gegenübergestellt. 108 Vom hier verstandenen Standpunkt aus hat eine Kategorisierung in absolut internationale, relativ internationale und rein nationale Sachverhalte mehr deskriptiven Charakter. Sie ist insbesondere nicht in der Lage, den Anwendungsbereich des internationalen Einheitssachrechts im Verhältnis zum Kollisionsrecht bzw. zum einzelstaatlich-nationalen Sachrecht festzulegen. Die Herausbildung der Fallgruppe von „absolut internationalen" Sachverhalten weist aber darauf hin, dass die Schwerpunktanknüpfung durch das internationale Privatrecht bei einer zunehmenden Internationalisierung der Wirtschafts- und Lebensverhältnisse immer größere Schwierigkeiten bereitet. Bei „absolut internationalen" Sachverhalten kann die Bestimmung der maßgeblichen nationalen Rechtsordnung häufig nicht erfolgen, ohne dass aus der Sicht der nachteilig betroffenen Partei der Eindruck der Zufälligkeit oder gar Willkür entsteht. 109 Selbst wenn man nach allgemeinen kollisionsrechtlichen Grundsätzen eine engste Verbindung zu einer bestimmten Rechtsordnung herstellen kann, ist diese aus der Sicht der Betroffenen häufig nicht mehr relevant. Die zu beurteilenden Rechtsverhältnisse wachsen über die Grenzen des nationalen Rechts hinaus. Die Anwendung einer bestimmten nationalen Rechtsordnung erweist sich damit unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Gleichheitspostulats als bedenklich. 110 106 Zu den Anknüpfungsvorschlägen in der Literatur (Unfallort) vgl. MünchKomm-Kre»