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German Pages 247 Year 2000
BIBLIOTHEK DER KLASSISCHEN ALTERTUMSWISSENSCHAFTEN Herausgegeben von H. PETERSMANN
Neue Folge·
2.
Reihe· Band 108
GÜNTER DIETZ
Menschenwürde bei Homer Vorträge und Aufsätze
Universitätsverlag C. WIN TER
Heidelberg
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Dietz, Günter: Menschenwürde bei Homer: Vorträge und Aufsätze / Günter Dietz. - Heidelberg: Winter, 2000 (Bibliothek der klassischen Altertumswissenschaften: Reihe 2; N.F., Bd. 108) ISBN 3 - 8 2 5 3 - I O 5 I - 5
Priamos vor Achill. Trinkschale des Malers Oltos. U m 510 v. Chr. (München, Antikensammlung) Homer, Kopf, römische Kopie 150-100 v. Chr. (Boston, Museum of Fine Arts) UMSCHLAGBILD:
P o w e r e d by L A T i N S C A N
ISBN 3-8253-1051-5
Alle Rechte vorbehalten. © 2000 Universitätsverlag C. Winter Heidelberg G m b H Photomechanische Wiedergabe und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen nur mit ausdrücklicher Genehmigung durch den Verlag Imprime en Allemagne • Printed in Germany Druck: Strauss Offsetdruck GmbH, 69509 Mörlenbach
I N HALTSÜ B E R SICHT
7
Vorwort
(I) Das Bett des Odysseus (1971)
9
(2) Der Weg des Odysseus (1988)
26
(3) Der Mythos von Odysseus in der Unterwelt. Zu den Jenseitsvorstellungen in den Epen Homers (1989) ...................... ......................................... ...................
55
Der Bereich der Götter .. . . . .. . . .. .. . . .. . .. . .. . . . . . . . Die .,Elysische Ebene" ... ... .. . . . .. . . .... . . .. . Der Bereich des Hades . ... .. . . . . . .. . . . . . .. . . .. . . .. . Elpenor - Teiresias - Antikleia .. . . .. .. . .. .. . . .. .... . . . .. Die Begriffe Thyrnos und Psyche ... . . . .. ... .. . . . . .... .. . .. . . Agamemnon - Achill - Aias . . .. . . . .. . . . . . Zum Heroinenkatalog . . ... . .. .. . .. .. . . . . . Minos - Orion - die Frevler . .. . . . . . . .. Herakles - Gorgo - Odysseus . . ... . . . . . . . . . .. . Das Menschenbild Homers . . . .. . .... . . . . . . . . ...
57 64 67 69 7I 74 76 77 79 83
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(4) Das oberste Sein bei Homer (1994) ..................................................................... 86 Begriffsbeschreibung . .. . . . . . ... . . . . . .. Das ontische Verb .pelomai' . . . .. .... . .. . . .. Sonne und Sterne; Okeanos und die Elemente; die Lebendigkeit der Materie Tierreich; Kampf. Krieger, Helden . . . .. . . .. . . . . . Stadt, Gesellschah und Individuum . . .. . . . .. . Das Sein der Götter; die Ausrichtung des Seins bei Göttern und Heroen . .. Die Bewegung des ,pelein/pelesthai' i n Handlungssituationen . . .. . . .. .. .. .. Länge und Ziel des Lebens in der Bewegung des ,pelein/pelesthai' (Moira) . Die Gesamtentwicklung des Geschehens in der Bewegung des ,pelein/pelesthai' Das epische Lied und das Neue Ethos . . . . .. . . Grenzotte höherer Seinsschwingung .. . .. . . . .. . Der Schwur der Götter und Menschen in der Bewegung des ,pelein/pelesthai' . Zusammenfassung . . . .. . . . . . . . . .. . . .. . .. ..... .... . ....
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5)
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Okeanos und Proteus, Poseidon und Skamander. Urstrom, Meer und Fluß bei Homer (1997) .......................................................................................... 101 Okeanos . . . . ... .. . . . . Proteus Poseidon .. .. . Skamander . . Schluß : Meer und Seele . . .. . .... ..
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IOI I OS . . . .. . .. . . . .. I08 . . . . .. . . .. I I2 . ... .. . . .. . . . . I 17
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( 6) Platons Symposion. Symbolbezüge und Symbolverständnis (1979)
121
(7) Zur Symbolik des Schönen bei Homer, Platon und Plotin (1999)
I 43
Das Kalon im Himmel (11. 1 ,536-61 I ) .............................................................................. Das Kalon des Achillschilds (I!. I8,369-6 1 7) ................................................................... Das Kalon des Alkinoospalasts (Od. 7,8 I - 102)................................................................ Das Kalon des Kalypso-Lebens (Od. 5,55-80).................................................................. Das Kalon in der Begegnung Odysscus- Nausikaa (Od. 6,99-245) ............................ Platons Idee des Kalon (Symposion, c.28 /29) .................................................................. Das Kalon des Erotikers Sokrates (Platon, Symposion, c.34/35)................................. Platin über das Schöne (Enn. I 6) ....................................................................................... Platin über die geistige Schönheit (Enn. V 8) ................................................................... Das schöne Kunstwerk : Die Zeus-Statue des Pheidias in Olympia .. .. .... .... . . ........... Schluß : Die Symbolik des Schönen ..................................................................................... .
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145 I 47 1 49 ISO I 52 I 57 I 58 I 59 I 63 I 64 I 66
(8) Menschenwürde bei Homer (1997, 1999) ........................................................... 172 Historischer Rückblick . ....... ... ............. . ....... ........ ... .... .. .... .... .. . ......... ..................... . ..... Exkurs : Naturwürde brei Homer ...... .................... ................ .... .... ....... . .................... ....... Exkurs : Tierwürde bei Homer ...... . .. ... . . .. ....... . ................. ... .............. . . ... . .. .. ..... Menschen- und Götterwürde ..... ....................... ... .......... ........ . ........... . ... .. ............ . ............ Menschenwürde : Achill ..... . . ... ......... . . ........... . ... .. .. ......... . . .......... .......... . ... ... .... .... Menschenwürde : Agamemnon und K!ytaimnestra .... . ............ .... . ........ .......... . ....... ..... Menschenwürde : Penelope . . . ..... ... . ............. . ...... .. .. .. . . . ... . ... . . . ... . .. .. .... . . .. Menschenwürde : Odysseus und die Freier . .... . . ... . .. ............ ... ... . .. ........... .. ... ........ Menschenwürde : Die neue Friedensordnung und der Grundwert der .phil6tes' ...... Schluß : Menschenwürde in der Evolution ................ .. ......................... . ............. ........ Anhang : Der Begriff "Menschenwürde" (Ü bersicht) ..................................................... .
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I 73 I 75 I 78 I85 I 90 I 92 I94 I96 199 204 207
(Z) Zwischentexte : Gedichte und Übersetzungen Scholien ............. ........... .......... ... ........... . ... ........... ........ ....... ............ . . .... . ..................... ... Epilog im Himmel .. . ..... .. ... .. . . .. .. . . .. . ............. . . .... . . ... .. ... . ...... .. .. .......... . ....... .. . .. Diotima Sokrates liebte ... .......... .............. . ...... . . ..... ............ ........ .............................. .. . . ... . ............. Polyphem vor Jericho .................... . .............................. . .. ... ....... .......... . ............................ .. Poseiden . . .................................. . . . ... ..... ....... .......... ........ ............ . . .... . . .. ................ ...... Er führ zu den Freunden nach Jonien .............. . ... . .......... . ............ .. .................... ..... . ..... . .. Jannis Ritsos ( I 909-I 990) : Perspektive .................................................................................. Giorgos Seferis ( I 900-I 97 1 ) : Haiku ........................................................................................... Die Gefährten im Hades ................... ... . ..................... . ......... Laß ab das Meer zu suchen ..................................................... Zwei Haikus ...... ........ ................... ........ . .... ............. .. .......... Odysseas Elytis ( 1 9 1 1 - I 996) : Würdig zu preisen das Licht ....... ............. ..... .. ................ . . .
5 54 I 42 I7I 206 236 238 8 25 85 IOO 242 1 20
Anmerkungen ......................................................................................................................... Griechische Begriffe ............................................................................................................... Homer (Textstellen) .............................................................................................;................ Antike Autoren (außer Horner) ......................................................................................... Mythos / Symbolik ............................................................................................................... Zu den Beiträgen ....................................................................................................................
209 237 239 24I 243 246
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Scholien
ausfUhrlieh wurden im Seminar Iliasscholien besprochen wir vermaßen die Wörter
in den Scholien die Abweichung lernten wir schätzen, die Abweichung in unseren Meinungen wir liebten die Meinung Homers
und die jungen Figuren der Wahrheit die dunklen die scharfen die harten und hellen die unvollendeten die lesbaren
VO R W O RT
Homer war nicht nur der große, weise Dichter und Lehrer Griechenlands, sondern auch im wertenden Rückblick gesehen - der Erwecker der europäischen, der westlichen Kultur. Der Leser ist bei der Lektüre der beiden Homer zugeschriebenen Epen "Ilias" und "Odyssee", die einst am Panathenäenfest in Athen regelmäßig und vollständig vorgetragen wurden, immer wieder erstaunt über die Fülle der dargebot enen Realität und über die Tiefe und Schärfe seiner Wdtsicht. Es war wie ein geniales Geschenk der Götter, daß nach den sog. "Dunklen Jahrhunderten" in dem Prozeß gesellschaftlicher Neubildungen und nach dem Aufkommen der Schriftlichkeit "Homtr" auftauchte - mit zwei weltumspannenden Groß Epen, die die bedrängende Realität (direkt und indirekt) deuteten und Orientierungen zeigten - wie eine spirituelle Zäsur zum rechten Zeitpunkt der kulturellen Entwicklung. Für uns Heutige ist, wenn wir uns fur Homers Dichtungen Zeit nehmen, zunächst wohl vie les befremdlich, etwa die Andersartigkeit der Verhältnisse und des erzählten Geschehens und die Formelhaftigkeit der epischen Sprache, doch bei näherem Zusehen öffnet die Fülle des Erzählten modern anmutende Aspekte und überraschende Perspektiven, denen systematisch oder assoziativ nachzugehen sich lohnt. Plötzlich werden wir gefangen von der kunstvoll verknüpften Darstellung der homerischen Wdt, ihrer mehrdimensionalen Lebensstruktur, die dem modernen Leser oder Zuhörer ganzheitliche Rückbezüge und vide Impulse zur Selbsterkenntnis und zur Deutung der Welt und ihrer Entwicklung vermittelt. Vielleicht mag es sogar gelingen, mythische Strukturen besser zu erkenn en, deren Beachtung und Transformation zukunftsnotwendig sind. Was von Homer in einem gewaltigen doppelten Weltgesang in das kulturelle Bewußtsein der Menschheit hineingesungen wurde ist offen oder in Unterströmu ngen zutage tretend - in unserem Kulturkreis wirkungsmächtig bis heute. Vor alle m ist es die Würde des Men schen und des Lebendigen, die Homer im Blick au f seine "Helden" und das einmalige evolu tionäre Weltgeschehen entdeckt und in erzählten Beispielen zeitgemäß und zeitunabhängig gewertet hat. Homers höchstes Ethos, die Würde des Menschen und der universalen "Physis'� die sich in allem Lebendigen ausdrückt, ist ein unverlierbares Grundelement in den neuzeitli chen Ideen der "Menschenwürde" und der "Würde der Natur". ,
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Die Beiträge dieses Sammelbands folgen (obwohl zu unterschiedlichen Zeitpunkten und bis auf eine Ausnahme - als Vortragstexte entstanden) in ihrer Gesamtheit im wesentli chen dieser Leitlinie. Der Vortrag über Platons Symposion wurde im Hinblick auf das Thema des folgenden Beitrags (das Schöne bei Homer, Platon und Platin) zum besseren Vergleich und als Hinfuhrung mit aufgenommen. Einige wenige eingestreute Gedichte und Üb erset zu ngen bezeugen Homer-Rezeption auch auf andere Weise. Heidelberg, im Januar 2000
Günter Dietz
Jannis Ritsos ( 1 909 - 1 990)
P e r sp e kt i v e
Unsere Häuser sind auf anderen gebaut, wohlgeformten, aus Marmor, jene wieder auf anderen. Ihr Fundament gehalten auf Häuptern aufrechter Statuen, ohne Hände. Sind sie auch niedrig, auf dem Feld unter den Ölbäumen, sind sie auch windgeschützt, unsere Hütten, klein, zu
Ende geraucht, mit einem einzigen Krug bei der Tür
glaubst du in der Höhe zu wohnen, Windbrisen glänzen um dich, oder daß du draußen bist, außerhalb, ohne Haus, daß du nackt dahinziehst unter einem Himmel fürchterlich blau und weiß und daß eine Statue, manchmal, mit leichter Hand deine Schulter berührt.
Das Bett des Odysseus
Gestatten Sie mir zu Beginn eine Vorbemerkung über die Zielrichtung meines Vortrags. Es geht mir nicht in erster Linie um einen speziellen Beitrag zur Symbolgeschichte, viel mehr habe ich es mir zur Aufgabe gestellt, an einem aus dem Gymnasialunterricht ent nommenen Beispiel zu zeigen,was die Beschäftigung mit der Symbolik und der Geschich te der Symbole für die Interpretation antiker Dichtung möglicherweise leistet. Homer ist nicht eine billig zu habende Wundertüte, aus der man jederzeit Beispiele für zeitbedingte Psychologien oder ein oberflächlich verstandenes Humanum hervorzaubern kann. Ho mer ist in erster Linie Mythos, d.h. Weltschau, in die wir uns erst einüben müssen, denn zu den Göttern, die den homerischen Helden leibhaftig und sichtbar erschienen, haben wir nicht jenes ursprüngliche Verhältnis wie die Antike. Meinen Vortrag möchte ich als eine Art V ersuch zur Einübung ins mythische Sehen und Denken verstanden wissen. Das Hauptthema der Odysseedichtung ist der Nostos ( v6m:os;), die Heimkehr des Odysseus. Diese Heimkehr ist im persönlich-menschlichen Bereich erst vollzogen, als Odysseus wieder mit Penelope vereint ist (Od.23). Nachdem beide sich, wie es heißt, der ersehnten Liebe erfreut haben, erzählen sie einander von den Mühen und Qualen, die sie in den langen Jahren des Wartens bzw.der Irrfahrt durchstehen mußten. Mit den Versen 343 /344 "Das war das letzte Wort, das er erzählte, als ihn der Schlaf überfiel und ihm die Kümmernisse löste" läßt W. Schadewaldt1 die von ihm so komponierte Odyssee dichtung A schließen. Hier ist auch zweifellos ein Einschnitt, der deutlich macht, daß die Vereinigung der beiden Gatten, die ein den ganzen Menschen umfassender (körperlicher, seelischer, geistiger) Vorgang ist, einen ersten natürlichen Abschluß darstellt. Beide Gatten sind wie für einander geschaffen. Beiden vermittelt der n6os (v6os;,erken nender Sinn), das Vermögen der phrbus ( q>pEvEprov) durch ihre Klugheit die Freier hinzuhalten versteht, und freut sich da rüber. Sie ist eine Partnerin, die seinem Wesen ganz entspricht. Gerade ihre vorsichtige Klugheit, ihre saophrosjne (craoq>pocn)vll), hindert sie aber, der Dienerin Eurykleia und ihrer Botschaft, Odysseus habe die Freier getötet und erwarte sie drunten im Megaron, Glauben zu schenken. In drei Szenen entwickelt sich das Drama des Sich-Wiederfindens. Obwohl wider will ig und noch immer mißtrauisch, folgt Penelope ihrer Dienerin in den Männersaal. Sie muß die Behauptung Eurykleias an Ort und Stelle nachprüfen,das gebietet ihr die saophro sjne. Im Megaron erkennt sie ihren Gatten nicht, weil er die Lumpen des Bettlers trägt (23,95), sie sitzt wie gelähmt bei dem flackernden Herdfeuer und wird wegen ihrer Herzenskälte von Sohn Teiemach gescholten: "Härter als Stein ist dir immer das Herz" (23,103). Ihr Herz (Kpa&i.11,9Uf.LÜCJLV ; Od. 1 ,67). Der uranische Bereich der Götter ist als von den anderen Bereichen deutlich abgetrennt gedacht : Er ist fester Sitz zum Wohnen und Leben, d.h. der eigentliche Seins- und Lebensbereich der Götter. Zeus "wohnt dem Äther ein" (aitheri naion, ai9Ept vairov Od. 15,523). Die Grenze, die zugleich den Götterbereich gegen tiefere dunklere Schich ten gröberer Materie und deren Erschütterungen und Wandlungen abschirmt, ist jener schon genannte Strahlenglanz (leuki afgle), der zugleich ein unerschöpfliches Energiefeld darstellt, aus dem Zeus seine Ätherblitze schleudert gegen alle, die den Götterbereich und die mehrstufige Ordnung der Welt gefährden wie z. B. die Riesen Otos und Ephialtes, die auf den Olymp noch die Berge Ossa und Pelion türmen wollten, um gleichsam von oben her in die Götterdimension einzudringen und sie ihres neuen höheren Glanzes zu berauben (Od. I 1 ,305-320).
58
Der Mythos von Odysseus in der Unterwelt
Dieses göttliche Leben in soz. feinster Ätherströmung ist nur möglich, weil die Götter selbst ätherisch sind, d. h. eine entsprechende leibliche Form haben, die dieser feinen Substantialität des höchsten Äthers und seinen hohen Schwingungen angepaßt ist. Sie sind ätherische, feinstoffliche, dem Menschenauge gewöhnlich nicht sichtbare, aber gleichwohl strahlende und in ihrer Strahlung gestalthafte Wesen. Dem entspricht es, wenn sie "blutlos" (anhalmones, avaiJIOVE� 11. 5,342) genannt werden, denn sie haben kein Menschenblut, sondern ein eigenes ätherisches, feinstoffliches Blut, das "ich6r" heißt (i:x;rop 11. 5,340). Das Grundgefuhl ihres manischen Lebens wird mit dem (auch auf die Menschen beziehbaren) Verbum tirpomai (tEp7tOJla t) bezeichnet, das "sich ergötzen", "sich freuen" bedeutet (lat. delectari). Es ist eine das ganze göttliche Wesen durchströmende Freude am Leben, die beständig ist und nie endet. Diese TERPSIS ( tEp'lfl.�, delectatio) macht ihre eigentliche göttliche Seligkeit aus, weshalb sie theo{ makares ( 9Eoi Jllh:apE�) . "glückselige Götter" genannt werden können. Worin besteht dieses uranische Götterleben? In seine Schilderung hat Homer, besonders in der Ilias, zweifellos auch sehr menschliche Züge beigemischt, was vor allem zeigt, daß die Götter auch die besten oder spezielle Seinsmöglichkeiten der Menschen in sich vereinen und leben, wobei sie freilich nach ihrer Narur mehr als nur gesteigerte, über höhte, unsterbliche Menschen sind. Der Mythos zeigt in der Entfaltung der olympischen Sphäre, welche Seinsmöglichkeiten im Menschen liegen und wie diese sich entwickeln könnten. Er zeigt, in welche Richtung die Entwicklung geht, welche Werte und Normen für die neue höhere Ordnung und für ihre Bewahrung und Mehrung gelten und welcher spielerische Freiraum für den Menschen besteht,der auch ein Freiraum für die kommende Entwicklung (Evolution) des Menschen ist. Vieles, was in diesem Sinne dem Menschen erreichbar ist, wird in dem einmaligen Mythos von der Gesellschaft der Phäaken entfal tet3. Zu ihren Gastmählern kamen bisher auch die Götter strahlend sichtbar - bis zu dem Zeitpunkt, da Odysseus erschien und als Gastfreund in ihre Gemeinschaft aufgenommen wurde. Das Beste ihres Wesens, ihren Geist, ihre Idee der herzlichen partnerschaftliehen Gemeinschaft gaben sie an Odysseus weiter, den König Alkinoos am liebsten als seinen Schwiegersohn gesehen hätte. Sie erfullten damit ihre Funktion als geistige Begleiter und Führer, die die Selbstfindung des Odysseus ermöglichten. Sie selbst aber können, auf ihrer Kulturstufe von jeder eigenen tieferen Leiderfahrung gelöst, nicht mehr direkt an der weiteren Entwicklung der Menschheit teilnehmen, die nur über neue extreme Leider fahrungen, z.B. die eines Odysseus, des "leidvollsten Menschen", zu neuen Formen des Menschentums führt. Der Phäakenmythos findet daher keine eigene Fortsetzung mehr, sondern geht in der Kraft seiner Grundidee in den Mythos des Odysseus über. Nun zu einigen wichtigen EinzeY,eiten : Die Götter leben im uranischen Bereich, kon zentriert um den höchsten Vatergott Zeus, in eigenen göttlichen " Wohnungen" ( d6mata, ÖroJlata. ) , die für sie der Künstlergott Hephaistos in schönster Form geschaffen hat. Auch diese Wohnungen im Äther lassen sich als aus feinster "heller" (Äther-)Substanz bestehend denken, während das "Haus" ( d6ma, ÖroJla) des Hades, aus feinster "dunkler" (Hades-) Substanz gefügt ist und die d6mata der Menschen aus fester irdischer Materie bestehen. Diese Klärung der drei Materiestufen und der drei Substanzwelten und ihrer Bereiche ist
Der Mythos von Odysseus in der Unterwelt
59
das Ergebnis der bisherigen Weltentwicklung (Evolution) und repräsentiert sozusagen den Ist-Stand des Seins, festgehalten im "homerischen" Mythos. Zeus, der "ständig wachsame Planer", der ,metieta-Zeus' (�11'ttE'ta ZEU